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Full text of "Die Lehre von der musikalischen Komposition, praktisch theoretisch. Tl. 4"

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yu^  ^9<^.  K.3  (V 


UUSIC  LIBRARY 


^OJfaM 


DATEDUE 


1939 

9  -    ■■• — 


sQcr 


USarx 


Kompositionslehre. 


Vierler  Theil. 


Dfti  Recht,  dieses  Werk  io  der  jetzt  erscheinenden  wesentlich  veriinderteo  dritten 
Ausgabe  in  englischer  und  frnnEösischer  UebersetEnng  heraos- 
zngebito,  habe  ich  als  Verfasser  mir  vorbehalten,  nnd  in  Bezog 
anf  die  englische  Ucbersetznng  durch  Vertrag  vom  28.  Januar  1S52 
aur die  Verlagshandinng  Roh.  Cocks  et  Comp,  in  London  übertragen. 
Berlin,  20.  Februar  1860. 

Dr.  Adolf  BtaifBASD  Marx, 
Professor  der  Mosik  und  Universillts-Musikdlrektor. 


Die  Lehre 


von   der 


mHsikaliscIien  Komposition 

praktisch  theoretisch 


Adolf  Bernliard  HfKarx. 


Vierter   Theil. 


Dritte  Auflage. 


Da«  RedU  der  Herauigabe  iu  englischer  ond  fraotSaiseher  Ueber«etzoBf  hat  der  VerrasRcr 

sich  vorbeballen. 


lielpzls, 

Druck  nnd  Verlag  von  Breilkopf  nnd  Hflrtel. 

186(1. 
Bot'  Sut.  Hall.  Loadon. 


t1cu>    ÄS?,  ^.  3.(V)- 


HARVARD  COUEflE  LIBRARY 
FRON 
r  THE  BEQUERT  OF 
EVERT  JANBEN  WENDELL 

1918 


Vor-  oder  Nachwort 

zur  ersten  Anflag^e. 


Ein  fast  zehnjähriger  Zeitraum  liegt  zwischen  der  ersten  Vor- 
rede dieses  Werlcs  und  dem  dasselbe  schliessenden  Nachwort,  — 
ein  längerer  Zeitraum,  als  vorausgesehn  und  vorausgesagt  worden. 
Dass  nicht  SäumiglLeit  ihn  veranlasst  und  ebensowenig  Berufspflicht 
und  Liebe  sich  erschöpft,  wird  hoffen tlich  schon  derjenige  Theil  der 
Leistungen  des  Verfassers,  der  seitdem  öffentlich  geworden,  und  seine 
unermüdliche  Sorgfalt  für  die  neuen  Ausgaben  der  ersten  Theile  be- 
zeugen. 

Während  eines  solchen  Zeitlaufs  ändert  sich  viel  an  Menschen 
und  Verhältnissen,  zumal  In  einer  Zeit  der  Gährungen  und  Schwan- 
kungen, wie  die  unsrige.  In  einer  solchen  Zeit  liegen  Tage,  die  für 
den  vergeblich  angestrebten  Fortschritt  das  Seui^ergewicht  von  Jahr- 
zehnten uns  aufdrücken,  —  und  wiederum  Tage,  in  denen  das  Flügel- 
rauschen wohlaufstürmender  Jahrzehnte  in  Einen  begeisternden  Rie- 
senakkord seelenschmelzend  zusammenströmt.  Oder  war*  es  Täu- 
schung, dass  die  Tage  seit  dem  11.  April  bald  so  viel  vorangegangne 
Jahre  aufwiegen  im  Leben  der  Nation?  Und  muss  nicht  der  höhere 
Pulsschlag  in  diesem  Leben  unsrer  kreisenden  Zeit  irisches  Blut  durch 
alle  Adern  des  Daseins  treiben?  mit  der  Erhebung  im  Geiste  der  Völ- 
ker auch  dem  Geiste  der  Kunst  ein  neuer  Tag  strahlenderer  wärmen- 
derer  Sonne  voll  anbrechen  ? 

Ich  nun  bekenne  unverhalten  und  freudig:  dass  mir  die  Kunst, 
wie  viel  Wonnen  sie  mir  auch  seit  der  Kindheit  gespendet,  dennoch 
und  durchaus  keinen  wahren  Werth  zu  haben  scheint^  als  sofern  und 
soweit  sie  fähig  ist  und  gerüstet,  das  Leben  des  Geistes  mitzuleben, 
den  Flug,  der  unsre  Zeit  erhebt,  mitzuschwingen,  die  Stunde  selbst- 
theilnehmend  an  ihrer  That  mitzuleben,  die  der  Menschheit  in  ihrem 
Vorschreiten  schlägt.  Wer  mit  ihr  die  leidige  Müsse  vertändeln  will, 
der  thu*  es.  Wer  in  ihrem  Kreise  schauprunken  will,  der  hab*  es. 
Wer  am  Halbschlummer  Jener  weicbseligen  Gefühls -Dämmermo- 


VI 

mente  Genügen  findet,  die  uns  ausschliesslich  als  das  Gemüth volle 
angepriesen  werden,  als  das  deutsche  Gemüthsieben,  —  aus  der  that- 
iosen  Schäferzeit,  die  Deutscliland  neben  dem  ehernen  Gang  der 
Weltgeschichte  hinträumte,  —  dem  sei  es  sammt  aller  Sympathie  der 
„weichgeschafflien  Seelen"  gegönnt.  Wer  seine  Kunst  und  sich  ver- 
kaufen will  an  die  hin  und  her  wankenden  Gelüste  der  Menge,  deren 
Schuld  es  nicht  ist  —  denn  überall ,  wo  die  Kunst  gesunken,  ist  sie 
es  nur  durch  die  Schuld  der  Künstler  —  wenn  sie  auf  hundert  Irr- 
gSngen  „den  unbekannten  Gott",  den  Yerhelssnen  der  kommenden 
Zeit  sucht  und  einstweilen  vom  geweihten  Ochsen  Aegyptens  zum 
goldnen  Kalb  Arabiens  tänzelt:  wer  das  und  air  dergleichen  will 
und  zu  erlangen  trachtet,  dem  bekomm'  es,  wie  es  kann.  Die 
Langweile  eurer  Salons ,  der  Flitter  eurer  Virtuoseneitelkeit,  eure 
welschen  Lüste,  euer  Schacher  mit  den  Effekten  dreier  Länder, 
euer  schönthueriscbes  Liebedienern  rechts  mit  Klassizität  und  links 
mit  Romantizismus ,  mit  Allem ,  was  von  Bach  bis  Beethoven  und 
Berlioz  Glück  gemacht  und  —  sich  nachahmen  lässt :  das  Alles  will 
nicht  so  gar  viel  bedeuten  und  sagen  gegen  die  Zeugenschaft  der  vor- 
angeschrittnen  Jahrhunderte  und  die  Foderung  einer  karaktervollern 
geisteskräftigern  Zukunft,  das  kann  den  Beweis  und  den  Trost  der 
Geschichte  nicht  überstimmen .  Die  Geschichte  aller  Künste  aber  lehrt, 
dass  das  wahre  Kunstwerk  nur  aus  der  reinsten  Geisterhebung  er- 
blüht und  nur  unter  der  Bedingung  treuester  Widmung  und  Hinge- 
bung an  die  Idee ,  ohne  alles  ROcksichtnehmen  und  Abmäkeln  oder 
Zuputzen  geboren  wird  zum  ewigen  Leben ;  alles  Andre  achtet  sie 
für  Tand ,  sei  es  auc&  durch  die  Laune  des  Tags  noch  so  schön  ver- 
goldet und  gepriesen,  —  die  Morgenluft  verweht  es,  wie  die  Asche 
vergilbter  Billetdoux  von  der  Flamme  des  Lichts. 

Doch das  sind  Gedanken,  die  einem  andern  Raum  *)  und 

Augenblick  aufbehalten  sein  müssen.  Nur  das  sollte  gesagt  sein: 
der  zehn —  und  vielmehrjährige  Dienst  dieses  Werks  Ist  jener  wah- 
ren und  ewigen  Kunst  gewidmet,  die  allein  ernstliche  und  tiefste 
Vorbildung  fodert  und  werth  ist.  In  diesem  Bewusstsein  Ist  das  Werk 
begonnen  und  geschlossen  worden ;  hierin  ganz  sicherlich  bin  ich  bis 
heut'  derselbe  geblieben,  denn  es  ist  dasselbe  nur  unmittelbarer  Aus- 
fluss  der  Idee,  die  mich  flrüh  ergriffen  und  bis  heut'  erfüllt  und  ge- 
tragen, die  durch  glückliche  Erfolge  wohlthuend  durchwärmt,  unter 
Fehlschlägen  nur  geprüft  und  gestählt  werden  konnte.  Manche  glück- 
liche und  manche  trübe  Stunde  ist  daran  vorübei^egangen ;  manches 
Verhältuiss,  das  für  ewig  gelten  sollte,  hat  sich  seitdem  gelöst;  da- 
hingegangen ist  mancher  (ich  nenne  den  ehrwürdigen  Ro ch  11 1 z  und 
den  edlen  von  Mlltitz)  der  ersten  Freunde,  die  das  Werk  sich  ge- 
wonnen, —  vorausgegangen  ist  mir  mehr  als  ein  Jünger  (ich  nenne 


*)  „Die  Musik  des  neunzeboten  Jahrhuaderts^^  vom  Verfasser. 


VII       

die  edeigedinnten  Haas,  Heuser,  Veite  n),dessen  vielversprechende 
Blüten  Dicht  zum  Fruchtsegeo  bestimmt  waren.  Was  aber  an  unserm 
Thun  recht  ist,  das  wird  leben.  Und  was  nicht  recht  ist,  —  wSr'  es 
unser  Alles!  —  das  muss  vergehn  und  mag  vergehn«  Wir  haben  doch 
nicht  umsonst  gelebt. 

Am  15.  Mal  1847. 

Adolf  Bernhard  Marx. 


Zur  zweiten  und  dritten  Auflage. 

Zwischen  ihnen  und  der  ersten  liegen  Jahrhundertschwere  Jahre 
des  Ringens  im  Schoosse  der  europäischen  Völkerramilie ;  eines 
Ringens,  —  noch  ohne  Entscheidung,  wohl  aber  starte  durch  die  Zu- 
versicht: dass  sich  erltillen  muss,  was  das  erkannte  Bedürfhiss  der 
VSIker  ist ;  dass  der  wahre  und  gerechte  Fortschritt  Jetzt  so  wenig 
ausbleiben  kann,  wie  Jemals;  dass  er,  wie  Jederzeit,  durch  Hemmung 
nur  gestärkt  und  gesichert  wird. 

Diese  üeberzeugung  Ist  die  Stütze  des  Verfassers  und  seines 
Wirkens ;  denn  alle  Lebens-  und  Wirkenskreise  sind  enthalten  im 
Lebenskreise  des  Volks  und  vom  Zustande  des  Volks  unbedingt  ab- 
hängig. Ein  edles  Volk  allein  ist  der  Kunst  würdig ;  ein  sich  erhe- 
bendes allein  hat  gerechte  Aussicht,  seine  Kunst  aus  der  Asche  ausge- 
lebter Zustände  neu  auf  gokfnen  Phönixsrhwingen  der  Jungen  Sonne 
sich  entgegenflügeln  zu  sehn. 

Der  wahren  Kunst  von  Anfang  an  zu  eigen  g^eben,  widmet 
sich  diese  Lehre  denen ,  die  Glauben  und  Kraft  für  die  Zukunft  in 
sich  tragen,  furchtlos  und  freudig  selbst  zeitige  Hemmung,  —  müsst' 
es  sein,  selbst  Rücktritt  der  Kunst  ertragend,  wenn  der  Fortschritt, 
der  den  Völkern  geboten  ist,  es  fodert.  Denn  ein  Volk  ist  mehr,  und 
mehr  werth,  als  seine  Kunst,  da  diese  nicht  sein  kann  ohne  es,  und 
nichts  Besseres  sein  kann,  als  wiederum  das  Volk ,  das  sie  in  sich 
trägt,  mit  sich  erhöht.  Im  elenden  Falle  mit  sich  hinabzieht,  bis  der 
Erkennende  sich  abwenden  muss  mit  Jenem  Worte  des  grossen  Fort- 
schrittmannes:  „Lassdie  Todten  ihre  Todten  begraben'^ 

Glauben  und  Kraft  für  die  Zukunft  bewahre  sich  Jede 
deutsche  Künstlerbrust !  aber  mit  ihnen  Treue  für  den  Beruf 
unsers  Volkes,  in  der  Tonkunst  wie  Uberalll  Der  Beruf  unsers 
Volks,  der  deutschen  Künstler  Beruf  ist  aber:  überall  den  Geist  wal- 


VIII 

ten  zu  lassen  über  dem  Stoffe,  —  den  Geist  der  Wahrheit  über  Schein 
und  käuflichen  Trug,  —  die  Wahrheit,  das  Kind  treuer  und  aushar- 
render Yernunftarbeit,  hoch  emporragend  über  wililcühriichen  Ein- 
fall und  ichtig-nichtige  Laune. 

So  haben  es  die  Meister  deutscher  Kunst  gehalten ;  so  der  letzte 
der  Vorangegangenen,  Beethoven;  so  soll  es  unter  uns  ferner 
gehalten  werden.  Daran  wird  so  wenig  das  heute  von  der  eitelkeit- 
vollen und  seit  Jeher  niusikalisch-unft*uchtbaren  Seinestadt  sich  her- 
andrängende Blendwerk,  trotz  aller  Künste  der  Clique  und  Ciaque 
und  ErkaufUng,  etwas  Wesentliches  ändern,  als  es  Jemals  die  un- 
endlich mehr  verführerische  Sinnensüssigkeit  der  Welschen  ver- 
mocht. Jenen  ruft  der  ächte  Künstler  das  Wort  zu,  das  Marat  von 
Voltaire  hat  hSren  müssen : 

Je  vous  laisse  le  n^ant!  un  vaste  empire. 

Berlin,  am  14.  Oktober  1851 
und  4.  März  1860. 

Adolf  Bernhard  Marx. 


Allgemeine  Inhaltsanzeige. 


Vierter  Theil. 

\  Seile 

^  ForUetziiDg  der  angewaadten  Konpositionslebra 1 

Eioleltniig 3 

1.  Aofgabe  des  vierten  Theils. 

2.  VorbildoDg. 

3.  GrÜBze  der  Kompositionslehre 4 

Achtes  Buch« 

Die  Harmoniemusik 5 

EiBleitans 7 

Erste  Abtheilang.  Die  Orgelkomposition 8 

Erster  Abschnitt.  Kenntniss  des  Instran^ents. 

1.  Tonwesen. 

2.  Klaogw.esen 11 

3.  Schallkrsfl 13 

4.  Spielweise 14 

Zwei  ter  Abschnitt.  Karakter  der  Orgel 19 

Dritter  Abschnitt.    Styl  und  Form  der  Orgelkomposition 27 

A.  Breite  und  Ruhe  der  Anlage  and  Fährong. 

B.  Massenkraft  ond  Polypbonie 32 

C.  Knnstformen 34 

1.  Füge. 

2.  Fngirter  Choral,  Choral  mit  Fnge^  ChoraHlguration  ....     38 

3.  Orgelfantasie 39 

j  4.  Sonate. 

5.  Variation 40 

6.  Berücksichtigung  der  gottesdienstliehen  Verhültnisse  bei  den 
Orgelformen 41 

Hierzu  der  AnhangA 493 


Seile 

Zweite  Abtheilnog.  Der  Satz  for  Bleehinslramente 42 

Hieran  der  AnhaDipB 498 

ErsterAbsehnitt.  Renotniss  der  Trompete  uod  Paoke 43 

A.  Die  Norraaltrompete. 

B.  Arten  nod  Stimnaogeo  der  Tronprte 48 

1—3     Dtei7-bis /^-Tniinpete 49 

4—10.  Die  E$'  bis  H-  Trompete 50 

C.  Die  Panke 5t 

Zwei  t  er  Absehnitt.  Der  Satz  fdr  Trompeten  ond  Paokeo 54 

1.  Zwei  Trompeten  ond  Panken 55 

2.  Drei  oder  vier  Trompeten  ood  Paakeo 56 

3.  Trompeten  versehiedoer  Stimmangp 58 

Dritter  Abschnitt.  Renntoiss  der  Posaone 61 

A.  Eiorichtong  des  Instruments. 

B.  Toogehalt 62 

Hierza  der  Anhang  C 504 

C.  Karakter  ond  Verm5g:ea 66 

Vierter  Absehnitt.  Salz  fdr  die  Posanne 68 

A.  Dreistimmiger  Posaunensatz. 

B.  Vierstimmiger  Posaoneosatz 70 

C.  Satz  fdr  Trompeten,  Pauken  und  Posaunen 71 

Fit  nfter  Abschnitt.  Renntoiss  des  Horns 76 

A.  Das  Normalhorn. 

B.  Arten  ood  Stimmungen  des  Horns 80 

1.  2.  Das  tiere  i9-Horn  und  das  C-Horo. 

3—6.  Das  D'  bis  F-Horn 81 

7—9.  Das  G-  bis  hohe  if-Horn 82 

Sechster  Abschnitt.  Der  Horosatz 83 

1.  Satz  für  zwei  HSrner. 

2.  Satz  fdr  drei  HSroer 84 

3.  Satz  Tür  vier  HSroer 86 

4.  Grössere  uod  mannigfaltigere  ZosanimeDsteltuoj;en    ....  88 

5.  Verbindung  von  Hörnern  mit  Troitipeteo,  Posaunen  nnd  Pauken  9U 

Hierzu  der  A  n  b  a  n  g  D 509 

Dritte  Abthellang.  Die  Veotilinstromente 91 

Erster  Abschnitt.    Struktur  und  Rarakter  der  Venlilinslrumente  im 

Allgemeinen 92 

Hierzu  der  Anhang  E 514 

Zweiter  Abschnitt.    MiUel  und  R«rakler   der   wichtigsten  Ventilin- 

strumeote 95 

1.  Die  Ventiltrompete. 

2.  Die  Venliibassposauoe 97 

3.  Das  Ventilborn 98 

4.  5.  0.  Homette,  FlägelbSrner,  das  Pistoa 99 


XI       

7.  Das  ebromalisebe  Tenorhorn UM 

8.  Der  Tenorbass« 

9.  Die  Tuba 102 

10.  Das  Klappenhoro 103 

Hierzo  der  A  n  b  a  d  g  F 5!^0 

Dritter  Ab seb Di tt.  Gebraocb  der  VentiliDstramente 103 

Vierte  Abtheilang.  Die  wichtigsteo  RobriostmmeDte 110 

Erster  Absebnitt.  Allgemeioe  Betracbtnsgeo  und  Lebren. 
A    Stmktur  der  Robrinstniiiieote. 

B.  Allgemeine  Rarakteristik  der  Robrinstrnmeote \\2 

C.  Beberrsebung  des  Tongebalts. 

D.  Uebung  and  Lehrmethode 113 

1.  Das  Lehr- und  (Jebnngsverfahren 114 

%  Aligemeine  Grnndsätze. 

a.  Die  Tonregion. 

b.  Das  Rlangwesen tl^ 

Zweiter  Abschnitt.  Renntniss  der  Rlari  nette  nnd  des  Fagotts ....  1 1 8 

A.  Die  Rlarinette. 

1.2.        Die /!•  nnd  i9-Rlariaetle 122 

3.  Die  C-Rlarinette 123 

4.5.6.  Die  £«-,  F- and  Alt-Rlarioette 124 

Hierzn  der  A  n  b  a  n  g  G 522 

B.  Das  Fagott 12.i 

Das  Rontrafagott 127 

Dritter  Absebnitt.  Der  Satz  Tor  Rlarioetten  nnd  Fagotte 128 

A.  Binfacbe  Sitze  mit  verschmolznen  Stimmen 120 

Hierzo  der  An  ha  n  g  H  .' 526 

B.  Znrichtnng  gegebner  Sätze  rdr  bestimmte  Instrumente 133 

Vierter  Absebnitt.  Erweiterte  Anfgaben 135 

A.  Satz   rdr  eine   Prinzipalklarinette  mit   Begleitung  von  zwei  Rlari- 

netten  nnd  zwei  Fagotten. 

B.  Zoziebang  des  Rontrafagotts 139 

C.  Zuziehang  von  H5rDern 140 

Fünfter  Abschnitt.  Betracbtangen  über  die  Vereinigung  nod  Mischung 

der  Instrumente Ii4 

1.  Tonsystem. 

2.  Fülle  des  Schalls 146 

3.  Rlangwesen 150 

Fiioftc  AbthellttOg.     Vollendong  der  Darraoniemnsik 1 52 

Erster  Absebnitt.  Renntniss  der  Oboe  nnd  FlSte. 

A.  Die  Oboe. 

B.  DieFlHte 155 


XU 


Seile 

1.  Die  Terzflöte 157 

2.  3.  4.  Die  OktavflSte,  ÄiFlöte,  i?-Plölc 15« 

Zweiter  Abschnitt.     Verein  von  Flöten    mit   Klarinetten,  Fagotten 

und  Hörnern 159 

Dritter  Abschnitt.  Zutritt  der  Oboen 175 

1.  Oboe  und  Klarinette 176 

2.  Oboe  and  Flöte 179 

3.  Oboe  mit  Fagott  und  Waldborn 181 

Hierzu  der  Anhang! 529 

Vierter  Abschnitt.  Zutritt  der  Pikkolflöteo 187 

Hierzu  der  A  oh  ang  K 543 

Fünft  erAbschnitt.  Verstärkungen  der  Harmooiemusik 198 

A.  Für  die  Mittellage. 

1.  Das  Bassetborn. 

2.  Das  englische  Hörn 200 

B.  Für  den  Bass 201 

3.  Der  Serpeot. 

4.  Die  Ophikleide. 

5.  Das  Basshorn 202 

6.  Das  Bombardon 203 

C.  Schall-  und  Klangwerkzeuge. 

7.  8.  Die  grosse  Trommel.  Die  Rolltrommel. 

9—13.  Militairtremmel,  Tamtam, Triangel,  Becken,  Giockeolyra  204 

SechsterAbsehnitt.  Zusammenstellung  grosser  Uarmoniemusik  .    .    .205 

A.  Tonwesen  und  Scballkraft. 

1.  Für  die  Oberstimmen. 

2.  Für  die  Mittelstimmen 206 

3.  Für  den  Bass. 

B.  Klangwesen 209 

Siebenter  Abschnitt.  Der  Satz  Hir  grosse  Harmoniemu5tk 212 

Achter  Ab  sehn  i  tt.  Aufgaben 225 

Hierzu  der  An  ha  ng  L 549 


Neuntes  Buch. 

Orchestersatz 230 

Einleitang 241 

Erste  Abtheilong.  Keoutniss  der  Streichinstrumente 243 

Erster   Abschnitt.     Betrachtung  der  Streichinstrumente    im    Allge- 
meinen. 

Zwei  ter  Abschnitt.  Technik  der  Violine 23! 

I.  Die  natürliche  Behandlnngsweise. 


XIII 


Seile 

A.  Im  eiDStimmigea  Satze 254 

1.  Leere  Saiteo. 

2.  looerhalb  einer  Lagpe. 

S.  Verbindung  der  Lagen 261 

B.  Doppelgriffe 262 

C.  Drei'  und  vierfache  Griffe 264 

D.  MebrsUmmiges  Spiel 266 

II.  Das  Flageoleltspiel 269 

IIL  Das  Spiel  mit  Dämpfong 271 

IV.  Das  Pizzikato. 

Dritter  Abs ebnitt.  Technik  der  Bratsche 273 

Vierter  Ab  seh  ni  tt.  Technik  des  VioIonceUs 275 

a.  Die  natürliche  Behandlung 277 

b.  Das  Flageolettspiel 278 

Fünfter  Ab scfa  nitt.  Technik  des  Kontrabasses 280 

Zweite  Abtheilang.  Zusamoienstelinng  des  Streicberchors 283 

Erster  Abschnitt.  Regelmässige  Organisation. 

Zweiter  Abschnitt.  Verwendung  der  Stimmen 286 

A.  Der  Bass. 

B.  Die  Oberstimme 293 

C.  Das  Zusammenwirken 298 

Hierzu  der  A  n  h  a  n  g  191 559 

D.  Besondre  Bestimmung  der  Mittelstimmen 301 

Dritter    Abschnitt.     Ausnahmsweise    Organisationen    oder  Verwen- 
dungen    307 

A.  Vermehrung  der  StimmzahL 

B.  Unvolistündiges  Quartett 313 

Hierzu  der  A  n  h  a  n  g  N 563 

Orltte  Abtheilnng.  Ausdrucksweisen  des  Strelchercbors 32t 

Erster  Abschnitt.  Die  Komposition  Tur  den  Streicherchor. 

A.  Beweglichkeit 323 

B.  Leichtigkeit 327 

C.  Zusammenziehung  von  Quartettstimmen 329 

D.  Stricharten 33t 

B.  Melodiebildung 334 

P.  Spielweisen 335 

Z  weiter  Abschnitt.  Aufgaben  für  den  Streicherehor 337 

1.  Die  Menuett 338 

2.  Sätze  langsamer  Bewegung 339 

3.  Ouvertüre  in  Fugen  form. 

Anhang.  Das  Pizzikato 343 


XIV 

Seile 

Vierte  Abtbeiliing.  Das  volle  Orchester 347 

Erster  Abschnitt.  Priifnog  aller  Miltel  des  Orchesters. 

1.  Tonlage 348 

2.  Tonveriiiögeo 349 

3.  Klangweise. 

4.  Schallkrafk 351 

Zweiter  Absefanitt.  Zosammenstellaog  des  Orchesters 352 

Hierzu  der  An  hang  O 572 

1.  Bediirfoiss  der  Blaslnstramente. 

2.  Gleichgewicht  der  Tonlagen 35 i 

3.  Vollklsng 355 

4.  Grosse  Rraftrntwickelang 356 

5.  Mässignng  und  Zurückhaltong 357 

6.  Karakteristische  Wahl  der  Instramente. 

Dritter  Abschnitt.  Die  einfachsten  Steltongea  der  verschied  nen  Chöre 

zu  einander 359 

A.  Die  Bläser  als  Haaptchor 362 

B.  Die  Bläser  als  Verstärkang  des  Quartetts. 

1.  Erste  Weise  der  Verstärkung .  363 

2'  Zweite  Weise  der  Verstärkang 364 

Vierter  Abschnitt.    Die  eigenthiiml ichern  Steilnngen  der  Orchester- 

Chöre 370 

Uierza  der  AnhangP 584 

C.  Die  Bläser  als  Hasse  vereinigt 372 

D.  Die  Bläser  individnalisirt 379 

Fünfter  Abschnitt.  Die  Individoalisirnng  der  Bläser 380 

A.  Einzelne  Bläser  als  Verstärkang  einzelner  Qoartettsttinnif  n. 

1.  Das  Fagott 381 

2.  Die  Flöte 382 

3.  Die  Oboe 383 

4.  Die  Klarinette. 

B.  Einzelne  Bläser  zur  Ansfullnng  des  Quartetts 384 

C.  Einzelne  Streichinstraraente  im  Bläserchor. 

D.  Das  Quartett  untergeordnet  unter  den  Chor  der  Bläser 387 

Sechster  Abschnitt.  Die  Individaalistrung  des  ganzen  Orchesters.   .  388 

Fünfle  AbtheiliiBg.  Orcbesterkomposition 394 

Hierzu  der  Anhang  Q 589 

Erster  Abschnitt.  Vorbereitende  Aufgaben 394 

1.  Ouvertüre  in  Fugenfonn. 

2.  Die  Marscbform 397 

3.  Die  Form  der  Menuett. 

Zweiter  Abschnitt.  Die  eigen  thümlichen  Orehesterformen 398 

A.  Die  Balletmusik. 


XV      

Seile 

B.  Die  Masik  der  Zwiseheoakte 399 

G.  Melodramatisebe  Afustk. 

Dritter  A  bscb  Dill.  Die  ^rSssero  OpefaesterformeD 402 

D.  Die  Oavertiire. 

B.  Die  Symphonie 407 

ABhaiig 412 

1.  Die  Harfe. 

2.  Die  Mandolioe  .  41tt 

3.  Die  Gnitarre. 

Zehntes  Buch. 

Ensemblesats 419 

ElBleitang 421 

Erste  AbtheiluDg.  InsirameDtalsolosatz 422 

Brster  Abschnitt.  Klavier  im  Verein  mit  andern  SoloinslmmenteD. 

Zweiter  Abschnitt.  Solosatz  für  StreicbiDstrameDte 431 

Dritter  Abschnitt.  Solosatz  fdr  Blasinstrumeote,  oder  vereinigte  Bias- 

nod  Streichinstrumente 436 

VierterAbschnitt.  Koozertsatz 438 

Zweite  Abthellnng.  Gesang  mit  Orcbesterbegleitung 442 

Erster  Abschnitt.  Das  Orchester  als  Begleitnog  des  Gesanges  .   .   .    .  443 

A.  Verhältniss  des  Orchesters  zum  Gesang. 

1.  Scballmasse 446 

2.  Wahl  der  Instnimenle. 

3.  BebaodloDgsweise. 

B.  Federangen  der  Gesangpartie  an  das  Orehester 4i7 

1.  Verstärkung  des  Gesanges 44S 

2.  Begleitung  des  Gesanges 453 

C.  Bigenthümlicher  Inhalt  des  Orchesters 457 

D.  Obligate  Stimmen  des  Orchesters 463 

Zweiter  Abschnitt.  Bestimmung  der  Gesangpartie  im  Allgemeinen .   .  465 

A.  Verhältniss  der  Gesangpartie  zum  Instrumentale 467 

B.  Bestimmung  der  Rompositionsgestalt  ans  dem  Text  und  dem  ihn  tra- 

genden Sinn 470 

Hierzu  der  AnhangR 593 

1.  Zahl  der  Gesangstimmen 471 

2.  Wahl  der  Begleitung 472 

3.  Form  der  Komposition 475 

Dritter  Abschnitt.  Die  Arie 476 

1.  Arie  in  Liedform. 

2.  Arie  in  Rondoform ....*...  477 

3.  Arie  in  Sonatenform 480 


XVI      

Seite 

4.  Arie  zasammeDgesetzter  Form 48t 

5.  Soeoe 483 

Vierter  Abschnitt.  Die  mehrBtlmiDigeD  Solosatze 485 

1.  DasDoett 486 

2.  Die  mehr  als  zweistimmigen  SolosStze 488 

3.  Das  Gesang-Ensemble 489 

4.  Die  Introduktion. 

5.  Das  Finale. 

Anhang. 

EriKnteningen  and  Zusätze  zum  vierten  Tbeile 491 

'  A.  Die  Orgel  zur  Begleitung  von  Rirehenmusik 493 

B.  Methodik  der  Instrumentation  sieh  re  .   .   . 498 

C.  Posannenarten 504 

1.  Die  Diskantposaune. 

%,  Die  Altposaune 505 

3.  Die  Tenorbassposanne 506 

4.  Der  Quiotbass 507 

5.  Die  tiefste  Tonlage  der  Posaunen. 

D.  Zur  Rarakteristik  der  Blechinstrumente 509 

B.  Zur  Rarakteristik  der  Ventilinstrumente 514 

F.  Nene  Ventilfamilien 520 

G.  Die  Bassklarinette 522 

H.  Was  die  Lehre  vermag 526 

I.    Zur  Rarakteristik  der  Oboe 529 

R.  Zur  Rarakteristik  der  Flöte  und  Pikkolflöte 543 

L.  Fingerzeige;  Vielerlei 549 

M.  Weite  Lage  des  Streichquartetts 559 

N.  Tbeilung  des  Streichquartetts 563 

0.  Die  neuen  Orcbesterbildungen 572 

P.  Anordnung  der  Partitur 584 

Q.  Entwurf  und  Anlage  der  Partitur 589 

R.  Aneignung  des  Textes 593 

Sachregister 597 

Notenbellagen. 


Vierter  Theil. 


Porls-etzung 

der  angewandten  Kompositionslehre. 


Marx,  Komp.  L.  fV.  3.  Aufl. 


Einleitung. 


1.  Aufgabe  des  vierten  Theils. 

J3er  vierte  und  letzte  Theil  des  Lehrbuchg  hat  die  im  dritten  begon- 
nene Lehre  von  der  angewandten  Komposition  zu  vollenden.  Sein  In- 
halt stellt  sich  in  folgenden  Gruppen  zusammen. 

1.  Harmoniemnsik, 

oder  Komposition  für  Blasinstrumente.  Dass  und  aus  welchem  Grunde 
wir  dieser  Lehre  die  von  der  Orgelkomposition  zuordnen,  wird  sich  an 
seinem  Orte  (S.  7)  zeigen. 

IL  Orchestersatz, 

der  den  Satz  für  volles  Orchester,  also  für  den  Verein  der  Saiteninstru- 
mente mit  Harmoniemnsik  begreift.  Auch  die  Schlaginstrumente  (Pau- 
ken n.  s.  w.)  gehören,  wie  sich  versteht,  dem  Inbegriff  des  Orchesters 
an,  kommen  aber  schon  bei  der  Harmoniemusik  zur  Sprache. 

III.  Ensemblesatz. 

Mit  diesem  Namen  —  in  Ermangelung  eines  deutschen  —  bezeichnen 
wir  den  Verein  von  Solo-  und  Orcbestersatz ,  von  Solo-  und  Chorge- 
sang im  Verein  mit  dem  Orchester.  Hier  erst  kommen  diejenigen  For- 
men der  Gesangmusik  (Arie  u.  s.  w.)  zur  Sprache,  die  zwar  auch  ohne 
Orchester,  z.  B.  mit  Klavierbegleitung,  darstellbar  sind,  in  der  Regel 
aber  und  am  günstigsten  mit  Orcbesterbegleitung  auftreten.  Da  sie  aus 
frühem  Lehrabschnitten  geläufig  sind,  so  konnten  sie  unbedenklich  so- 
gleich zu  vollkommener  Ausübung  überliefert  werden. 

2.  Vorbildung. 

Die  wichtigste  Vorbereitung  für  diesen  Theil  der  Lehre,  nächst 
dem  in  den  frühem  Theilen  Gegebenen ,  ist  unausgesetzte ,  aufmerk- 
samste Beobachtung  aller  Orcbesterinstrumenle,  vornehmlich  nach  dem 
Klang  eines  jeden  und  nach  ihrer  Verschmelzung  unter  einander.  Keine 
Sprache  —  wir  wiederholen  nochmals  mit  Nachdruck  das  Th.  HL  S.  8 
Gesagte*)  —  reicht  für  Bezeichnung  dieser  so  schwer  zu  bestimmenden 

*)  Es  scbeiDt  Dicht  iiberfliissig ,  das  Theil  III  zur  VorbereituDg  for  den  Jänner 
Attsgesprochne  hier,  wo  die  Zeit  der  AowendoDg  gekommen  ist,  za  wiederholen, 
da  wir  mehr  als  einmal  erfahren,  dass  jene  Vorerinnerang  verpacblüssigt  and  dann 
die  Folgen  drückend  nnd  hemmend  genug  empfunden  worden  sind. 

„Wir  ratben  (sagt  Theil  III)  Jedem,  dem  es  mit  seinen  künstlerischen  Stodien 
Ernst  ist,  driogend:  schon  jetzt  und  von  hieran  unausgesetzt  den  Klang  der 
verschiedenen  Instromente  —  und  zwar  in  jeder  Tonlage  —  mit 
der  höchsten  Aufmerksamkeit  und  oiemols  nachlassender  Beharrlichkeit  zu  be- 
obachten und  sich  einznpragen.  Es  ist  anerlassliche  Bedingung  für  die  an 
Gestalten  und  Freuden  überreiche  Kunst  der  Instrumentation,  überhaupt  für  tiefere 
nnd  volUtändigc  Knnstbilduog,  dass  man  sich  in  Klang  und  Wesen  der  Kunstorgaoe 
ganz  und  mit  inniger  Theilnabme  eingelebt,  sich  mit  iboen  vollkommen  vertraut 
gemacht^  habe.   Wer  diese  Bedingung  nicht  erfüllt,  wird  auch  das  Wort  der  Lehre 


and  doch  so  bedeatungs vollen  und  einflassreichen  Wesenheiten  hin; 
kein  Lehrer  kann  mehr  als  Andeatangen  geben ,  and  selbst  diese  nur 
in  der  Form  ungefährer,  niemals  ganz  treffender  Vergleichungen. 
Hier  muss  also  notbweodig  die  sinnliche  Wahrnehmung  des  Jüngers 
dem  blos  andeutenden  Worte  des  Lehrers  entgegen  nnd  zu  Hülfe  kom- 
men. Diese  Foderung  und  der  am  angeführten  Ort  an  sie  geknüpfte 
Ralh  ist  um  so  gegründeter,  da  wir  uns  hier  auf  ein  Gebiet  begeben, 
auf  dem  selbst  die  Heister  weiter  von  einander  abweichen ,  als  auf 
frühern,  ein  Gebiet  —  das  der  Orchestration  —  das  selbst  in  der  Kunst 
noch  zu  nea  angebaut,  im  wahrhaft  freien  Bewusstsein  zu  jung  ist  (man 
kann  ohne  Ungerechtigkeit  gegen  einzelne  Lichtblicke  und  Kraftäusse- 
rungen  der  Vorgänger  kaum  Gluck,  mit  Sicherheit  nur  erstHaydn 
als  ersten  Meister  nennen),  als  dass  die  Lehre  wagen  dürfte,  allgemeine 
Einstimmung  nur  zu  hoffen,  geschweige  zu  fodern. 

3.  Gränze  der  Kompositionslehre. 

Schon  hierin  werden  wir  also  eine  nothwendige  Gränze  der  Kom- 
positionslehre gewahr ;  sie  geleitet  bis  in  das  sich  selber  noch  lange 
nicht,  oder  vielmehr  niemals  abgeschlossene  Runstleben,  das  nun  der 
gereifte  Kunstjünger  -^  und  Jünger  bleiben  wir  alle ,  selbst  in  der  so- 
genannten Meisterschaft ,  denn  wer  lernt  aus !  —  mitzuleben  und  an 
seinem  Theil  zu  fördern  hat.  Zugleich  sehen  wir  den  Kreis  der  Kunst- 
formen  und  das  Reich  der  Kunstorgane  sich  vollständig  abrunden  -,  wir 
habeü  erfahren  und  hoffentlich  erprobt,  womit  und  wie  —  in  welchen 
Formen  wir  wirken  können.  Was  uns  zu  wirken,  zu  schaffen  beschie- 
den? —  das  hängt  von  höherer  Bestimmung,  von  dem  Inhalt  unsrer 
selbst,  von  unsrer  allgemeinen  Bildung,  von  dem  Zeit-  und  Volksmo- 
meut  ab ,  in  dem  wir  leben,  von  der  Treue  und  Liebe  gegen  unsre  und 
unsrer  Zeit  und  Kunst  Bestimmung.  Das  künstlerisch-wissenschaflliche 
Bewusstsein  hierüber  zu  wecken  und  zu  festigen,  liegt  ausser  denGrän- 
zen  der  Kompositionslehre;  es  ist  das  die  Aufgabe  der  Musikwissen- 
schaft. 


nicht  fassen,  vielweniger  mit  Lebendigkeit  nnd  Eigentbümlichkeic  Tdr  jene  Organe 
erßnden  können. '^ 

,,Za  diesem  Zwecke  genügt  keineswegs,  dass  man  blos'Mnsik  —  qnd  w'ar'  es 
die  beste  —  böre.  Denn  bei  der  Emprängliebkeit  Fdr  Kunst,  die  in  jediun  Jünger 
vorausgesetzt  werden  muss,  ist,  je  trefflicher  die  Kunstdarstellung,  um  so  mehr  zu 
erwarten,  dass -der  Hörer  über  der  Macht  des  Kunstwerk«  im  Ganzen  die  Beobach- 
tung der  mitwirkenden ,  oft  untergeordneten  Tonstoffe  versäume.  Es  musa  daher 
je>de  Gelegenheit  wahrgenommen  werden,  die  Instrumente  einzeln,  ausserhalb  jener 
irerrufarerischen  Darstellongen  zu  hören.  Hier,  in  Musikproben,  bei  geringern  we- 
niger anziehenden  AuiTübrungen  (in  denen  wir  uns  leichter  vom  Ganzen  ab  aof  die 
einzelnen  Stofftheile  wenden)  ist  in  der  That  oft  tiefer  zu  beobachten,  als  tu  wich- 
tigem und  anziehendem  Musiken." 

Der  Sludireode  (fügen  wir  zu)  muss  äbstrabireh- lernen  vom  Ganzen,  um  sich 
nur  der  Beobachtung  des  bestimmten  In;itruments  hinzugehen.  Er  soll  taub  sein  für 
den  Inhalt  des  Toasatzes,  mag  nicht  wissen,  ob  ^eV^eibe  ein  Marsch  oder  Tanz, 
Dur  oder  MoU  sei ;  aber  unabliissig  soll  er  sich  einprägen;  wie  klingt  dieses  Instru- 
ment? wie  klingt  es  in  der  Höbe?  in  der  Tiefe?  u.  s.  w. 

Uebrigeos  ist  bei  Anführungen  aus  den  vorangehenden  Theilen  die  5.  Auflage 
des  ersten ,  die  4.  des  zweiten ,  die  3.  des  dritten  Theils,  —  sowie  die  6.  Auflage 
der  allgemeinen  Musikjlgfare  gemeint. 


Achtes  Buch. 


Die  Harmoniemusik. 


Einleitung. 


Unter  Harmoniemosik  versiebt  man  bekanntlich  den  Satz  für 
Blasinstrumente.  Diesen  scbliessen  sich ,  als  zu  demselben  Satze 
gehörig,  die  Schlaginstrumente  (Pauken,  grosse  Trommel  und 
die  übrigen  zur  Janitscharenmusik  gehörigen)  an. 

Der  Chor  der  Blasinstrumente  ist  zwar  mannigfacher  besetzt,  ab 
der  der  Saiteninstrumente.  Aber  Karakter  und  Wirkungsweise  aller 
hierher  gehörigen  Instrumente  sind  weit  einfacher ;  auch  der  Satz  und 
die  Aufgaben  für  Harmoniemusik  müssen  dem  Karakter  der  Instrumente 
gemäss  einfacher  und  im  Allgemeinen  von  untergeordneter  Wichtigkeit 
sein.  Hierzu  kommt,  dass  die  Harmoniemusik  zur  Lösung  ihrer  Auf- 
gaben für  sich  selbst  bestehend  wirken  kann ,  während  das  Orchester 
der  Saiteninstrumente  nur  in  seltnen  Ausnahrafallen  ftir  sich  allein  auf- 
tritt, meistens  sich  mit  Blasinstrumenten  verbindet.  Aus  diesen  Grün- 
den erscheint  es  zweckmässig ,  mit  dem  Satze  für  Harmoniemusik  zu 
beginnen,  und  dann  erst,  nach  Zuziehung  der  Saiteninstrumente,  zum 
Orchestersatze,  Verein  von  Saiten-  und  Blasinstrumenten,  überzugehn. 

Der  Chor  der  Blasinstrumente  zerfällt  in  die  von  Metall  angefer- 
tigten, oder 

die  Blechinstrumente, 

und  in  die  von  Holz  angefertigten,  die  man  Holzblasinstrumente, 
oder  kürzer 

Rohrinstrumente,  * 

oder  Röhre  nennen  kann.  Die  nähere  Bestimmung  und  Berichtigung 
dieser  Eintheilung  wird  an  ihrem  Ort  erfolgen.  Hier  sind  nun  wieder 
die  Blechinstrumente  die  einfachem,  werden  daher  den  Rohrinstrumen- 
len  vorgehn. 

Voran  aber  stellen  wir  die  Orgel.  Sie  nimmt  in  sofern  an  der 
Natur  der  Blasinstrumente  Theil,  als  ihre  Töne  vorzngsweis*  auf  den 
an  einer  Luftsäule  im  Innern  einer  Pfeife  durch  Anblasen  erregten 
Sehwingnngen  beruhn,  wie  die  Töne  der  Blasinstrumente,  nur  dass  be- 
kanntlich die  letztem  vom  lebendigen  Athem  des  Bläsers  zum  Schallen 
erregt  werden,  die  Orgelpfeifen  aber  durch  den  auf  den  Druck  einer 
Taste,  also  ganz  mechanisch,  eindringenden  Luftstrom  aus  den  Orgel- 
bälgen. Aus  dem  erstem  Umstand^  ergiebt  sich  ihre  Aebniichkeit  mit 
den  Blasinstrumenten^  ihre  Behandlung  aber  iat  der  des  Klaviers  sehr 


8     

nahe  verwandt.  Daher  scheint  sie  geeignet,  ans  ans  yertrautem  Gebiet 
in  das  fremdere  der  Harmoniemnsik  vorbereitend  überzuführen,  wie 
"viel  und  wie  wichtige  Unterschiede  sich  auch  zwischen  beiden  Organen 
ergeben  werden. 


Erste  Abtheilnng. 
Die  Orgelkomposition. 

Erster  Abschnitt. 
Kenntniss  des  Instrumeuts. 

Die  Töne  der  Orgel  werden  bekanntlich  durch  Pfeifen  hervorge- 
bracht, sobald  das  Niederdrücken  einer  Taste  den  Eintritt  des  Windes 
aus  den  Bätgen  (BKisbälgen,  Orgelbälgen)  durch  die  Windlade  u.  s.  w. 
in  die  Pfeife,  die  ertönen  soll,  gestaltet.  Der  Mechanismus  der  Wind- 
führung, sowie  die  ganze  Struktur  des  vielfach  zusammengesetzten 
Werkes*)  liegen  ausser  unserm  hier  gefassteo  Gesichtskreise ;  dem 
Komponisten  ist  nur  wichtig,  Ton-  und  Klangwesen,  nebst  Schallkrafl 
•und  Spielweise  des  Instruments  zu  kennen  und  sich  aus  beidem  eine 
sichre  Vorstellung  von  dem  Vermögen  und  Karakter  desselben  zu 
bilden. 

1.  Das  Tonwesen. 

Gehen  wir  (für  die ,  denen  es  mehr  oder  weniger  nöthig)  bei  der 
Erkenntniss  der  Orgel  vom  Anblick  der  Klaviaturen  aus,  durch  die  das 
Instrument  2Um  Tönen  gebracht  wird :  so  haben  wir  zunächst  zweier- 
lei Klaviaturen  zu  bemerken,  eine  —  oder  auch  ^wei,  ja  drei  und  vier 
Klaviaturen ,  ^ie  wie  bei  dem  Klavier  für  das  Spiel  mit  den  Händen 
bestimmt  sind  und 

Manuale 
heissen ,  und  eine ,  auch  wohl  zwei  Tastaturen ,  deren  Tasten  mit  den 
Füssen  angeschlagen  (niedergedrückt)  werden  und  den  Namen 

Pedal 
führen 

Das  M^inual  zeigt  eine  Reihe  Tasten  vom  grossen  C  bis  zum 
dreigestrichnen  c^d^  auch/ und  g.  Das  Pedal  zeigt  eine  Reihe  Tasten 
vom  grossen  C  bis  zum  eingestricbnen  c,  </,  auch  wohl  e.   Die  meisten 


*)  Wer  sich  hierüber  oäheroDterrichten  will,  denverweisen  wir  auf  Becker'« 
Rathgeber  fdr  On^anisten,  Seid-ePs  „die  Orgel  und  ihr  Baa*S  Töpfer*«  Orgel- 
baükuDst  und  eigne  Anschaaung  unter  Leitung  eines  Sachkundigen. 


— ~     9     

Orgeln-reicfaen  im  Manual  und  Pedal  nicht  weiter ,  als  bis  zu  dem  an- 
gegebenen höchsten  ^*);  es  scheint  daher  rathsam,  in  der  Komposition 
nicht  höher  zu  setzen,  zumal  die  Orgel  —  wie  sich  gleich  zeigen 
wird  —  noch  anf  anderm  Wege  weit  höherer  Tonreihen  wenigstens 
für  das  Manual  mächtig  ist. 

Das  Tonsystem ,  was  sich  nach  dem  Anblick  der  Klaviaturen  zu 
ergeben  scheint,  ist  aber  niicht  auf  eiue  einzige  Reihe  von  Tönen  oder 
von  ertönen  sollenden  Pfeifen  beschränkt;  es  sind  mehrere,  bei 
grössern  Orgeln  viele  Pfeifenreihen,  die  durch  dieselben  Klaviaturen 
bald  einzeln,  bald  zu  zwei  oder  mebrern,  bald  aliesammt  vereinigt  zur 
Wirkung  kommen.  Jede  dieser  Pfeifen-  und  Tonreihen  heisst  be- 
kanntlich 

Register. 

und  wird  mittels  eines  neben  oder  über  den  Manualen  angebrachten 
Registerzugs  (kurzweg  auch  .Register  genadnl)  tnr  Wirksamkeit  eröff- 
net, so  dass  eine  niedergedrückte  Taste  die  von  ihr  abhängigen  Pfeifen 
jedes  Registers  zum  Tönen  bringt,  das  gezogen  worden  ist.  Angenom- 
men, es  ständen  im  Manual  einer  Orgel  die  drei  Register 

Violon  8  Fuss, 
Rohrflöte  8  Fuss, 
Gedakt     8  Fuss, 

so  würde  jedes  dieser  Register  eine  Reihe  Pfeifen  enthalten ,  die  die 
Töne  vom  grossen  C  bis  zum  dreigestrichnen  d  (oder  wie  hoch  die 
Klaviatur  reicht)  angäbe.  Zöge  nun  der  Spieler  das  erste  Register,  so 
brächte  jede  Taste  ihre  Pfeife  in  diesem  Register  zum  Tönen ;  zog*  er 
zwei  oder  alle  drei  Register,  so  würde  jede  Taste  bei  ihrem  Anschlag 
die  zwei  oder  drei  Pfeifen  der  gezognen  Register  zum  Tönen  bringen, 
es  wurde  jeder  Ton  von  zwei  oder  drei  verbundnen  Instrumenten 
(Pfeifen)  angegeben  werden. 

Diese  Register  sind  vor  allen  Dingen  nach  der  Tonhöhe  und 
dem  Toniuhalt  verschieden.  Einige  geben  die  Töne  so  an,  wie  wir  sie 
oben  genannt  und  wie  sie  auf  dem  Klavier  erscheinen.  Diese  Register- 
heissen 

achtfüssige, 

oder  haben  Achtfusston**),  Andere  geben  statt  des  geschriebenen  Tons 
die  tiefere  Oktave,  so  dass  also  die  Noten 


*)  Alten  dnd  unvollkommeneo  Werken  (Orgeln)- fehlt  bisweilen  das  grosse  Cit^ 
oder  anch  ein  Theil  der  tiefsten  Oktave,  oder  die  Töoe  der  Obertasten.  Auf  der- 
gleichen Mangelbaftigkeiten  ist  nicht  weiter  Rücksicht  zu  nehmen ,  da  sie  nur  zu 
den  seUnen  Ansnahmen  geh-öreo. 

♦♦)  Die  Pfeife  des  tiefsten  Tons  <Gross  C)  hat  acht  Foss  Länge ;  daher  der 
Nane.  Die  folgenden  Namen  sind  in  gleicher  Weise  zu  erklären. 


10 


1  =^^^^^^  •*•**"  '^°"*  ^^^~i~^~i~— 


ergeben ;  sie  heissen 

sechszebnfüssige, 
oder  haben  Secbszehnfusston.    Andre  geben  statt  des  gescbriebenen 
Tons  die  zweite  tiefere  Oktare,  so  dass  also  die  Noten 


2  g*^^^f=g=^   ^»es«  Töne  ^=^^^^ 


ergeben ;  sie  beissen 

zweiunddreissigfüssige, 
oder  baben  Zweiunddreissigfusston. 
So  giebt  es  nun  ferner 

Vierfuss-Register, 
die  die  böhern  Oktaven  der  vorgescbriebenen  Töne  angeben ,  so  dass 
die  Noten 


SiE^: 


=H=g— *-^  als  diese  Töne  :3^^=iK^^^=t:= 


erklingen;  femer 

Z  w  ei  fuss- Register, 
die  die  zweite  höhere  Oktave  geben  (statt  de3  grossen  C  das  einge- 
stricbne);  endlich 

Einfuss-Register, 
die  die  dritte  höhere  Oktave  (statt  des  grossen  C  das  zweigestrichne) 
hören  lassen. 

Hiernach  ergiebt  sich  ein  Gesammtumfang  des  Tonsfstems 
vom  zweiunddreissigfüssigen  C  (zwei  Oktaven  unter  dem  grossen)  bis 
wenigstens  zum  fünfgestrichnen  c,  oder  von  wenigstens  acht 
Oktaven. 

Allein  diese  Tonreibe  kann  nicht  füglich  selbständig  gebraucht 
werden.  Die  Zweionddreissigfuss-Register  bringen  besonders  in  der 
Tiefe  theils  so  unsichre,  theils  so  rauhe  Töne  hervor,  dass  man  sie 
nicht  —  oder  wenigstens  nicht  nach  dem  Sinn  und  Knrakter  des  In- 
strnments  für  sich  allein  gebrauchen  kann.  Sie  werden  nur  in  Vcr* 
bindung  mit  sechszebnfüssigen  und  noch  böhern  Registern  zu  deren 
macht-  und  würdevoller  Verstärkung  verwendet,  so  dass  eigentlich 
nicht  sie,  sondern  derAchtfusston  oder  Secbszehnfusston  als  hauptsäch- 
licher Ton,  als  Kern  des  Tonkörpers  gelten.  Wiederum  liegen  die 
zwei-  und  einfiissigen  Register  so  weit  über  die  wichtigste  und  wirk- 
samste Tonregion  hinaus  und  sind  in  den  höbern  Regionen  von  so 
spitzem  und  dabei  nicht  einmal  genugsam  starkem  Klange,  dass  auch 
sie  nicht  für  sich  allein ,  sondern  nur  zur  Verstärkung  der  tiefern  Re- 


—    11    — 

gister,  namentlich  bei  vollem  Werke,  gebraucht  werden.  Auch  von 
den  Vierfiissregistern  gilt  mit  seltnen  Ausnahmen  dasselbe,  so  dass  man 
die  wirklich  geltende  Tonreihe  der  Orgel  höchstens  vom  Kontra-C 
(dem  tiefsten  Ton  der  Sechszehnfassstimmen)  bis  zum  viergestrichnen 
c  oder  d  (dem  höchsten  Ton  im  Vierfiisssystem)  rechnen  darf.  Und 
auch  dies  nur  in  seltnen  Ausnahmen.  In  der  Regel  dienen  auch  die 
secbszehn-  und  vierfüssigen  Register  nur  zur  Verstärkung  des  Acht- 
fosstons;  und  wenn  Vierfussstimmen  allein,  als  selbstgelteod  gebraucht 
werden,  so  ßhrt  man  sie  nie  (oder  sehr  selten)  höher,  als  das  Acht- 
fasssystem reicht. 

Die  bisher  betrachteten  Stimmen  sind  als  Haupt-  oder  Grund- 
stimmen  anzusehn;  ihre  Tonhöhe  ist  es,  die  der  Komponist  als  we- 
sentlichen Ausdruck  seines  Gedankens  zu  hören  geben  will.  Neben 
ihnen  treten  noch  Füll-  oder  Nebenstimmen  auf,  die  von  dem  vor- 
geschriebnen  Ton  die  Quinte  oder  Terz,  — und  endlich  Mixtu- 
ren, die  zu  jedem  Ton  der  Grundstimme  mehrere,  dem  auf  jenem 
gebauten  grossen  Dreiklang  angehörige  Töne  angeben.  Alle  diese  Ne- 
bentöne sollen  nicht  für  sich  gelten  und  gehört  werden ,  sondern  nur 
—  gleich  den  von  Natur  mitklingenden  Tönen  der  Aliquottheile*)  — 
die  Verstärkung,  gleichsam  die  musikalische  Atmosphäre  des  Haupttons 
bilden.  Dieser  muss  daher  auch  so  stark,  von  so  vielen  und  starken 
Grandstimmen  angegeben  werden,  dass  er  die  mitklingenden  Töne  der 
Nebenstimmen  und  Mixturen  in  sich  aufnimmt  und  nicht  zu  selbständi- 
ger Wirkung  kommen  lässt.  Dann  dienen  diese  wahrhaft  zur  Stärkung 
und  Verschärfung,  nicht  zur  Verdunkelung  des  vom  Komponisten 
eigentlich  gewollten  Tons.  Hieraus  folgt,  dass  auch  durch  die  Neben- 
slimmen  und  Mixturen  das  Toosystem  der  Orgel  für  den  Komponisten 
nicfat  erweitert  wird. 

2.  Das  Klangwesen. 

Bis  hierher  haben  wir  alle  Register  nur  nach  ihrem  Tongehalt  be- 
trachtet. Sie  sind  aber  auch  dem  Klange  nach  von  grösster  Ver- 
schiedenheit. Einige  ahmen  den  Klang  der  üblichen  Orchesterinstru- 
mente  nach  und  führen  deren  Namen,  z.  B.  Violon,  Flöte,  Oboe, 
Pagott,  Trompete,  Posaune,  —  oder  veralteter  Instrumente,  z.  B. 
Schallmey,  Bombardon;  andere  sind  der  Orgel  ganz  eigenthümlich, 
z.  B.  die  Gedakte,  Prinzipale  und  andere  mehr;  auch  vox  humana  und 
vox  angelica^  die  Menschen-  und  Engelstimmen  darstellen  sollen, 
mögen  hierher  gezählt  werden.  Es  wäre  uuthunlich  und  unnütz,  alle 
Register  (man  kann  deren  wohl  60  und  mehr  annehmen)  hier  aufzu- 
zählen und  zu  karakterisiren ;  das  letzlere  ist  kaum  mit  blosser  Be- 


*)  Allg.  MMiUebre,  S.  150,  174  d«r  6.  Aofl. 


12 

lehreibttog  aosfohrbar  ond  die  Ansdiaaiiiif^  auf  Behrera  Oi^lwerkcn 
ist  um  Bo  oneDtbebrlicber,  da  dieselben  Register  aof  ▼erschiednen 
Werken  bald  unter  rerschiednem  Namen,  bald  mit  merklicb  abwei- 
chendem Klang  auftreten.  Nur  einige  Hauptmomente  müssen  erwabni 
werden. 

Alle  Orgelpfeiren  (also  alle  Register  oder  Summen)  scheiden  sicli 
in  zwei  Hanptklassen :  in  Labialpfeifen  oder  Flöten  —  und  in 
Rohr-  oder  Znngenpfeifen.  In  den  erstem  ist  die  in  der  Pfeife 
enthaltene  Luftsäule  der  tonende  Körper.  Der  Klang  dieser  Pfeifen  ist 
zwar  nach  der  Struktur  in  den  verschiednen  Registern  höchst  mannig- 
faltig unterschieden  (wie  man  schon  an  den  Prinzipal -Flöten-  und 
Violonstimmen  bemerken  kann,  die  äliesammt  Flötenregister  sind), 
kommt  aber  doch  bei  allen  darin  überein ,  dass  er  gefüllt  und  bei  aller 
Schallkraft,  ja  sogar  bei  einem  gewissen  Grade  von  Rauheit  oder  Kör- 
nigkeii  (wie  man  unter  andern  an  den  Prinzipalen  gewahr  werden 
kann)  doch  nicht  hart,  sondern  eher  sanftansprechend,  auch  etwas 
dumpf  heraustritt.  In  den  Zungenwerken  wird  der  Ton  einer  innerhalb 
der  Pfeife  durch  den  eindringenden  Loftstrom  in  Schwingung  gesetzten 
Zunge  (einem  nur  am  einen  Ende  befestigten  Messingstreifen,  auch 
Blatt  genannt)  abgewonnen  und  die  Luftsäule  in  der  Pfeife  ist  nur 
mitwirkend ,  besonders  zur  Verstärkung  des  Schalls  und  zur  Bildung 
des  Klanges.  Auch  die  21ungenregister  (wie  man  an  den  hierher  gehö- 
rigen Stimmen  Oboe,  Fagott,  Trompete  und  Posaune  bemerken  kann) 
weichen  im  Karakter  bedeutend  von  einander  ab ,  kommen  aber  darin 
überein,  dass  sie  einen  scharfen,  einschneidenden,  hell  hervortretenden 
Klang  haben.  ,,So  wie  der  Ton  der  Labialpfeifen  das  Geheimnissvolle, 
Würdige  and  Ernsthafte  in  sich  vereint  und  überhaupt  das  Fundament 
und  die  Mauern  des  Orgeltons  bildet ,  so  ist  der  Ton  der  Rohrwerke 
gewissermassen  der  Putz  oder  Anstrich  derselben,  er  ist  aufmunternd 
und  freundlich,  er  verleiht  dem  Orgeltön  erst  den  rechten  Glanz,  be- 
nimmt ihm  das  Matte  oder  Düstre  und  umgiebt  ihn,  so  zu  sagen,  mit  dem 
Feslkleide  der  Wonne  und  Freude'**). 

Aus  d^r  Reihe  der  Labialregister  heben  wir  noch  diejenigen  her- 
vor, deren  Pfeifen  oben  verschlossen  sind,  so  dass  die  Schwingung  der 
Luftsäule  zurückgeworfen  und  zum  doppelt  langen  Weg  genöthigt 
wird**).  Sie  heissen  Gedakte  (gedeckte  Pfeifen)  und  haben  einen 
dumpfem,  bedeckten,  stillem  Klang  als  die  offnen.  Eine  Mittelklasse 
bilden  die  halbgedeckten  Pfeifen,  die  zwar  gedeckt,  in  deren 
Deckung  aber  eine  kleinere,  nach  oben  offne  Röhre  angebracht  ist. 
Flöte ,  Subbass  und  die  ausdrücklich  so  genannten  Gedakte  sind  ganz 


•)  Seidel,  a.  t.  0.  S.  77. 

**)  Die  Däebflte  Fol;«  ist,  dt»  eioe  solche  Pfeife  eioeo  noch  eiomal  so  tiefen 
(um  eine  Oktave  tierern)  Ton  angiebtj  als  ihre  eiseotliche  LüDge  gewähren  würde. 


13 


gedeckte,  —  die  Robrflöte  ist  ein  balbgedecktes,  die  Prinzipale  sind 
offne  FiÖtenregisler. 

Werden  nun  verschiedne  Stimmen,  z.B.  Violpn  und  Flöte»  gleich- 
zeitig auf  derselben  Klaviatur  vereinigt,  so  entstehn  gemischte  Klänge^ 
die  wiederum  ganz  andern  Karakter  haben,  als  die  einfachen  Register. 
Die  hierbei  möglichen  Kombiuationen  durcbzugehn  und,  wenn  auch  nur 
andeutungsweise,  zu  karakterisiren,  ist  noch  unthunlicher,  als  die  Auf- 
zählung der  einfachen  Register.  So  viel  ist  klar,  dass  es  von  der  Wahl 
der  Register  (von  der  Registrirung,  wie  der  Kunslausdruck  heisst) 
abhängt,  ob  man  sich  nur  auf  die  Flötenstimmen  oder  gar  nur  auf  die 
Gedakte  beschränken ,  oder  ob  man  mehr  oder  weniger  Rohrstimmen 
beimischen,  oder  sich  Mos  letzterer. bedienen  und  so  entweder  den 
Karakter  der  Flöten-  oder  der  Rofirstimmen  zur  Geltung  bringen  oder 
einen  gemischten  Klang  bilden  will.  Das  Nähere  mnss  der.  eignen 
Beobachtung  und  Registerwahl  überlassen  bleiben. 

3.  Schallkraft. 

Die  Schallkrafl  der  Orgel  hängt  bei  jeder  Ausführung  zunächst 
von  der  Wahl  des  einzelnen  Registers,  oder  der  mehrern  vereint  wir- 
kenden ab;  und  zwar  können  nicht  blos  die  Stimmen  einer  Klaviatur, 
sondern  auch  die  Stimmen  der  verscbiednen  Manuale  und  des  Pedals 
mittels  der  Koppeln  (Verbindungszüge  zum  Verein  der  verscbiednen 
Klaviaturen)  mit  einander  verbunden  werden.  ISur  ist  zu  bemerken, 
dass  durch  Koppelung  die  Tasten  der  verbandnen  Klaviaturen  auf  den 
meisten  Orgeln  mit  einander  zusammenhängend  werden.  Wenn  also 
dieser  Salz  — 


*  < 


Äi^fe 


mit  gekoppelten  Klaviaturen  (Pedal  und  Manual  vereint)  gespielt  wer- 
den sollte:  so  würden  in  der  vieilen  Mahuälslimme  die  mit  f  bezeich- 
neten Töne  wegfallen ,  weil  ihre  Tasten  schon  mit  demselben  Ton  im 
Pedale  hinuntergezogen  sind.  Und  wenn'  auch  auf  andern  Orgeln  die 
Tasten  von  einander  gelöst  bleiben,  so  sind  doch  die  Pfeifen  der  Ma- 
nuale schon  in  Wirksamkeit  gesetzt ,  können  mithin  nicht  von  neuem, 
als  neuer  Manualton  wirken. 


14 

So  bietet  ans  die  Orgel  nach  Tonhöhe,  Klang  nnd  Scballkrafl 
grosse  Mannigfaltigkeit  und  es  steht  dem  Spieler  nur  mittels  des  Her- 
ausziehens oder  Abstossens  (Hineinstossens)  der  Register,  die  er  hören 
oder  wieder  schweigen  lassen  will,  selbst  im  Laufe  der  Ausführung 
grosse  Abwechselung  zu  Gebote ,  die  er  selbst  bei  fortwährender  Be- 
schäftigung beider  Hände  nölhigenfalls  durch  Zuziehung  von  Gehulfen 
zum  Ausziehen  und  Abstossen  der  Register  erhalten  kann  und  die  ihm 
die  Möglichkeit  bietet,  einzelne  Sätze  in  verschiednen  Graden  der 
Stärke  und  Weisen  des  Klanges ,  nach  dem  Sinn  eines  jeden  zu  Gehör 
zu  bringen.  Die  sinnvolle  Auswahl  und  Zusammenstellung  der  Register 
ist  daher  eine  wichtige  Bedingung  für  die  Wirkung  des  Instruments. 
Auch  der  Komponist  muss  damit  wenigstens  im  Wesentlichen  be- 
kanntsein; die  nähere Kenntniss  der  Registrirkunst  hat  er  aus  den 
vorgenannten  Orgelbüchern  und  besonders  durch  eigne  Versuche  am 
Werke  zu  schöpfen. 

4.  Spielweise. 

Jedes  der  Manuale  stellt  eine  Klaviatur  dar,  ganz  wie  die  des 
Pianoforte  eingerichtet  (wenn  auch  von  minderer  Ausdehnung)  und 
spielbar.  Nur  fallen  die  Tasten  auf  den  Orgelklaviaturen  tiefer  und 
spielen  sich ,  je  mehr  Register  gezogen  werden ,  um  so  schwerer  (am 
schwersten  also  bei  vollem  Werk),  so  dass  es  schon  desshalb  un- 
möglich ist,  bei  gleicher  Kraft  und  Fertigkeit  des  Spielers  auf  der  Orgel 
so  leicht  und  schnell  zu  spielen  als  auf  dem  Klavier.  Ferner  klingt 
jeder  Ton  unwandelbar  so  lange  fort,  als  seine  Taste  niedergedruckt 
bleibt,  und  verschwindet,  sobald  die  Taste  losgelassen  wird.  Daher  er- 
fodert  die  Orgel  ein  weit  genaueres  Spiel  als  das  Klavier.  Wenn  man 
auf  letzterm  einen  Gang  (a.)  — 


ZU  kurz  abgestossen  spielt,  so  haben  selbst  bei  sorgsam  gebauten  In* 
strumeuten  die  Saiten  doch  immer  einen  leisen  Nachhall,  der  den 
Fehler  des  Spielers  einigermassen  mildert ;  lässt  man  den  oder  jenen 
Finger  liegen,  so  tritt  bei  der  Schwäche  des  Fortklingens  (Tb.  III. 
S.  18)  der  Missklang  nicht  gar  zu  herb  heraus.  Auf  der  Orgel  dagegen 
wird  ein  Gang  bei  zu  kurzem  Anschlag  durch  Pausen  (b.)  zerrissen, 
bei  liegenbleibenden  Fingern  klingt  jeder  Ton  unerbittlich  in  gleicher 
Stärke  fort  und  kann  leicht  (wie  bei  c.  zu  sehn)  die  widrigsten  Miss- 
stände herbeiführen.  Daher  muss  schon  der  Komponist  dafür  sorgen, 
dass  die  Hände  des  Spielers  eine  sichre  Haltung  bewahren  können; 
jene  weiten  Spannungen  von  Nonen  und  Dezimen,  jene  gewagten  Pi- 
guralionen ,  die  auf  dem  Klavier  (namentlich  mit  Hülfe  des  Pedals), 


15 


alleablb  gelingen,  weil  kleinere  Mängel  nicht  grell  hervortreten ,  sind 
im  Orgelsatz  anzulässig,  wo  nicht  unmöglich. 

Das  Pedal  gleicht  in  der  Anordnung  seiner  Tasten  ebenfalls  der 
Klaviatur  des  Pianoforte ,  nur  dass  die  Tasten  durch  Zwischeuräume 
von  einander  geschieden  sind,  damit  man  sie  sicherer,  ohne  die  Neben- 
tasten  za  berühren ,  treffe.  Diese  Tasten  werden  bekanntlich  mit  den 
Füssen  berührt,  und  zwar  kann  von  jedem Fusse  Spitze  und  Absatz 
gebraucht  werden.  Staunenswerthe  Fertigkeit  und  Sicherheit  wird 
allerdings  mit  diesen  einfachen,  noch  obenein  dem  Auge  fast  ganz  ent- 
ruckten Mitteln  geleistet*).  Allein  es  ist  hier  wie  überall  ralhsam, 
nicht  auf  das  Ausserordentliche  und  Seltene  zu  rechnen  und  besonders 
unnöthige  Schwierigkeiten  zu  meiden ;  je  genauer  .man  die  Technik 
des  Instrumentes  kennt  und  beachtet,  desto  sicherer  und  günstiger  wird 
es  in  Wirksamkeit  treten.  Für  die  nicht  Orgel  Spielenden  sei  daher 
wenigstens  das  Näcbstnölhige  bemerkt. 

Erstens  können  die  Füsse  nicht  an  den  äussersten  Enden  des 
Pedals  (in  der  höchsten  oder  tiefsten  Tonregion)  beschäftigt  werden, 
ohne  dass  die  Hallung  des  Spielers  auf  der  Orgelbank  einigermassen 
an  ihrer  Sicherheit  verliere  oder  derselbe  sich  jenen  äussersten  Enden 
näher  rücke.  Einzelne  entfernte  Tasten  können  zwar  mit  dem  ihnen 
nächsten  Fusse  gut  abgelangt  werden;  so  führt  z.  B.  Seb.  Bach  in 
einem  Präludium  aus^moll**)  das  Pedal  in  Oklavschritten,  — 


«  < 


Man. 

j- 


li 


i:^j±jJR,uLUi:,.j^f=m 


w 


Ped.  ^ 


r'^ziTT  i-tii  j  njj  f 


die  ihn  in  tieferer  Lage  zu  einem  Sprunge  von  fast  zwei  Oktaven, 


i 


5^ 


l^L-i-^jn 


S 


£S£ 


^cfhc; 


^^^! 


*)  Mae  Buitf  den  Kapellmeister  Fr.  Schoeiderio  Dessau,  die  Musikdirek^ 
toreo  Schneider  ia  Dresden,  Hesse  in  Breslau,  Becker  und  Schellenberg 
in  Leipzig ,  Organisten  Haupt  in  Berlin  —  und  wie  viele  würdige  Namen  wären 
noch  zu  nennen  I  —  gehört  haben,  um  eine  Vorstellung  von  dieser  Seite  des  Orgel- 
spielfl  zu  fassen. 

*«)  Baek's  Orgelkompositionen,  bei  Breitkopf  und  Härtet.  Heft  1. 


16 


fast  von  der  letzten  Tiefe  znr  anssersten  Höbe  nöthigen,  ohne  dass  die 
Ausführung  ein  Bedenken  hätte.  Wollte  man  aber  beide  Fasse  von 
der  ädssersten  Höhe  schnell  zur  änssersten  Tiefe  fuhren^  z.  B. 


8    :^. 


so  würde  die  Haltung  des  Spielers  gefährdet  und  die  Ausführung  un- 
sicher, bei  schnellem  Tempo  sogar  unmöglich. 

Zweitens  sind  Figuren,  in  denen  beide  Füsse  einander  Ton  um 
Ton  ablosen  können,  z.  B. 

a.  RX.RX.  11.  8.  w.  b. 

am  leichtesten  ausführbar,  daher  man  sie  auch  in  den  Orgelsätzen  am 
häufigsten  angewendet  findet  und  nicht  aus  Bequemlichkeit  oder  Nach- 
ahmerei der  Komponisten ,  sondern  nach  den  in  der  Sache  liegenden 
Bedingungen*).  Je  näher  dabei  die  Füsse  einander  bleiben  und  je  we- 
niger sie  zu  wechseln  und  zu  springen  haben ,  desto  bequemer  ist  die 
Ausführung.  Daher  ist  in  Nr.  9  der  Satz  a.  leichter  als  b.,  beide  sind 
leichter  ^als  Nr.  6  und  7. 

Drittens  wechseln  Absatz  und  Spitze  desselben  Fusses  am  be- 
quemsten ,  wenn  letztere  Obertasten,  ersterer  Untertasten  zu  nehmen 
hat.  In  dieser  Stelle  z.  B. 


A.  s.  A 


10 


^E^^Eg^^gH^pg^^JE 


würde  g  und  as  bequem  mit  Absatz  und  Spitze  des  rechten  Fusses, 
y*,  esj  dj  c,  H  m\\.  dem  linken  genommen  werden. 

Nur  so  viel  kann  hier  über  die  Applikalur  im  Pedal  gesagt  werden, 
in  der  übrigens  —  wie  sich  von  selbst  versieht  —  ebensowohl  ver- 
schiedne  Behandlung  derselben  Stellen  möglich  und  oll  nach  den  beson- 
dem  Umständen  noth wendig  ist,  als  im  Fingersatz  auf  den  Manualen 
oder  dem  Pianoforte.  Eigenes  Nachdenken  wird ,  selbst  wenn  prakti- 
sche Uebung  unerlangbar  sein  sollte ,  wenigstens  das  Wichtigere  erge- 
ben und  vor  grobem  Fehlgriffen  sicher  stellen. 

Jedenfalls  ist  klar,  dass  die  Spielbarkeit  des  Pedals  beschränkter 
ist,  als  die  des  Manuals  oder  Klaviers.  Es  wird  daher  rathsam ,  dem 
erstem  nur  das  ihm  Erreichbare  zuziiertheiien  und  in  solchen  Sätzen, 
die  sowohl  vom  Manual  als  Pedal  ausgeführt  werden  sollen ,  zunächst 
die  Ausführbarkeit  auf  diesem  in  das  Auge  zu  fassen;  was  hier  erreich- 
bar, ist  auf  dem  Manual  leicht.  Dieser  letzte  Rath  trifft  besonders  die 


*)  Etwas  AehDlicbes  fanden  wir  Th.  III.  S.  462  bei  den  Pieren  fdrClioripesto^. 


17 


Pogenthemate ,  die  bekanDtlich  in  j€der  Summe,  also  auch  im  Pedal, 
aufgeführt  werden  müssen.  Geht  man  dieselben  bei  Meistern  des  Or- 
gelsatzes, namentlich  bei  Seb.  Bach,  durch,  so  stellt  sich  die  durch- 
greifende Rucksicht  auf  das  Pedal,  —  z.  B.  hier*) 


deutlich  heraus,  oder  das  Thema  wird  zu  Gunsten  der  Spielbarkeit  für 
das  Pedal  umgeändert.   So  setzt  Bach  diese  Themate  — 


g^^p^Bü^^^a 


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'i:^S:i4r^^^^r^r^7^5E3^: 


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3^3: 


■iitra-*--£ 


jfi — &- 


für  das  Pedal  in  nachslehender  Weise,  — 


deren  Erleichterungen  in  das  Auge  fiiUen,  um. 


^)  Ans  der  erwähoten  Sammlua;  mit  Ausoabme  der  in  Nr.  12  zuerst  aoge- 
rdkrten  Foge.  Das  Beispiel  e.  in  Nr.  12  aus  der  bei  Pe  te  r  s  erschieneneo  vortreif- 
lieben  Aassabe  der  Baeb'scbeo  Orselkomposiiiooen,  Band  IV.  S.  37. 
Marx,Konp.  L.  IV.  9.  Aufl.  2 


18 


Dass  eodlicb  id  laogjiaoier  Bewegung  jede  Weise  der  Tonfolge 
ausführbar  ist,  dass  dann  jeder  Fussobne  Mitwirkung  des  andern  sei* 
nen  Satz  vortragen,  jeder  eine  besondre  Stimme  fübreo  kann,  daran 
erinnere  dieses  Fragment  — 


aus  dem  durchfugirten  Cboral:  ,, Aus  tiefer  Noth  schrei  ich  zu  dir'* 
von  Seb.  Bach.  Es  ist  zuerst  die  vierte  Stimme  mit  dem  ersten  Sub- 
jekt (der  ersten  Choralstrophe)  auf  h^-e^  dann  die  dritte ,  die  erste, 
die  zweite  Stimme  eingetreten  \  oben  setzt  im  ersten  Takte  die  sechste, 
und  endlich  im  dritten  Takte,  während  die  vierte  und  erste  Stimme  das 
Thema  wiederholen  (also  in  iibervoHsländiger  Durchführung,  — >-  die 
Eintritte  dieses  Taktes  bilden  eineEngfuhrung),  setzt  die  funfleStimme 
mit  dem  Thema  ein  und  fuhrt  es  vergrössert  durch.  Diese  fiinfle Stimme 
kann  und  muss  vom  rechten,  sowie  die  sechste  Stimme  vom  linken 
Fuss-  allein  vorgetragen  werden. 


—    1»   — - 

Zweiter  Abschnitt, 
karäkt^r  der  Orgel. 

Die  Orgel  enthalt,  wie  wir  bereits  aus  dem  vorigen  Abschnitte. 
wissen,  eine  grosse  Masse  von  Stimmen.  Einige  derselben,  z.  B.  die 
Gedakte,  Robrflöten,  Flöten  u.  s.w.,  sind  sehr  zart,  ja  dampfen  Schal- 
les, andere,  z.  B.  die  Prinzipale,  die  Trompeten,  Posaunen  u.  s.  w., 
sind  von  vollerer,  schärferer,  zümTheil  hart  eingreifender  Schallkraft, 
das  volle  Werk  (natürlich  immer  eine  wohlgebaute  und  reich  ausge- 
stattete Orgel  vorausgesetzt)  braust  wie  ein  Orkan  und  scheint  die 
breiten  Kirchengewölbe  erschüttern  und  sprengen  zu  wollen;  das 
grösste  Orchester  kann  sich  mit  solcher  Uebergewall  nicht  messen. 
Von  der  zartesten ,  nur  eben  hinhauchenden  Stimme  bis  zum  Donner- 
sturm des  vollen  Werks  bietet  sich  durch  die  Wahl  und  Häufung  der 
Register  eine  grosse  Reihe  von  Abstufungen  der  Schallkraft  dar.  So 
wissen  wir  auch,  dass  die  einzelnen  Register  grosse  Abwechselung 
im  Klang  gestalten,  die  durch  Mischung  verschiedner  Register  noch, 
vermehrt  werden  kann. 

Mancherlei  Umstände  und  Eigenheiten  der  Orgel  vermindern  je- 
doch die  Anwendbarkeit  dieses  anscheinend  unerschöpflichen  Reich- 
Ihnms  an  Schallr  und  Klangmitteln.  Der  weite  Raum  der  Kirchen  und 
die  in  denselben  wie  nach  der  Natur  des  Instruments  zur  Sprache 
kommenden  Empfindungen  und  Vorstellungen  fodern  in  der  Regel  vol- 
lem Schall  und  beschränken  den  Gebrauch,  der  zartern  und  dumpfen 
Stimmen  in  der  Vereinzelung  anf  wenige  nicht  weitreichende  Ausnahm- 
lalle ;  nur  selten  ^im  Vergleich  zu  der  häufigen  und  ausgedehnten  An- 
wendung des  Orgelspiels)  wird  man  Grund  haben ,  ein  Gedaktregister 
(etwa  Bordun  oder  Flöte  oder  auch  die  hellere  Rohrflöte)  allein  zu  aus- 
gebreiteter Wirksamkeit  zu  bringen.  Sobald  man  aber  über  die  einzel-. 
nea  Register  hiitausgeht  und  einige  oder  mehrere  zu  verbinden  an- 
Tangt,  schwindet  immer  mehr  die  Eigentbümlichkeit  der  einzelnen 
Stimmen  fderen  Verschiedenheit  ohnehin  nicht  so  durchgreifend  ist  als 
die  der  Orchesterstimmen)  und  es  tritt  der  allgemeine  Orgelklang 
an  ihre  Stelle.  Dieser  Orgelklang  ist  aber  in  der  That  dem  Karakter 
des  Orts  und  des  Instruments  am  meisten  angemessen.  Daher  fühlt  sich 
der  Spieler  gedrungen ,  ihn  immer  entschiedher  und  würdiger  darzu- 
stellen, sich  dem  vollen  Werk  immer  näher  zu  bringen  oder  dasselbe 
anzuwenden,  wo  nur  irgend  der  Sinn  der  Romposition  und  Rück- 
sicht anf  äussere  Verhältnisse  (z.  B.  auf  eine  minder  zahlreiche  Ge- 
meine, auf  den  stillern  Sinn  einer  besondern  goltesdienstlichen  Feier) 
es  gestattet.  In  Allem  kann  auch  die  Orgel  übertroflTen  werden,  nur 
nicht  in  der  Gewalt  ihres  Tonsturms;  in  vielen  ihrer  Stimmen  (ässt  sie 

2* 


20 


sich  zur  Nachahmung  des  Orchesters  herbei ,  nur  im  Orgelklang  ist  sie 
eigenthünilich  und  vom  Orchester  nicht  einmal  nachzuahmen*). 

Noch  mehr  beschränkt  die  Organisirung  des  Instruments  den 
Spieler  in  Auswahl  und  Anordnung  der  Stimmen. 

Gleichzeitig  können  verschiedne  Stimmen  nur  so  weit  gefuhrt 
werden,  als  die  Zahl  der  Manuale  und  Pedale,  der  Hände  and 
Füsse  reicht.  Jede  Hand  kann  auf  einem  besondern  Manual  eine  ver- 
schiedne Stimme  führen  (z.  B.  die  eine  kann  auf  dem  Obermanual  Flöt'' 
oder  Oboe,  die  andre  auf  dem  Hauptmanuai  Violon  hören  lassen),  die 
Füsse  können  eine  dritte  verschiedne  Stimme  auf  dem  Pedal  zufügen ; 
damit  ist  also  eine  Anzahl  von  dfei  dem  Klange  nach  verschiednen  Stim- 
men anwendbar.  Hierdurch  ist  die  Form  des 

Orgeltrio 

veranlasst  (von  der  im  folgenden  Abschnitte  zu  reden  sein  wird),  in  dem 
drei  verschiedne  Stimmen  gegen  einander  treten.  Es  können  auch  von 
diesen  drei  Stimmen  zwei  —  oder  selbst  alle  drei  eine  Zeitlang  im  Ein- 
klang gefuhrt  werden,  so  dass  dadurch  Mischklänge  (aus  der  ersten 
und  zweiten ,  ersten  und  dritten ,  zweiten  und  dritten ,  allen  dreien) 
entstehen;  so  beginnt  z.  B.  Seb.  Bach  die  letzte  seiner  Orgelso- 
naten**) — 


Man.  1. 


mit  einem  Einklang  der  Manuale.  Die  Hauptsache  bleibt  aber  doch  die 
Verschiedenheit  der  drei  unvermischten  Stimmen,  weil  man  in  jenen 
Ausnahmfällen  auf  den  zwei-  oder  einstimmigen  Satz  zurückgedrängt 
wird.    Ueber  die  Dreistimmigkeit  aber  kann  man  hinansgehn,  wenn 


*)  Das  hat  sich  vor  Jahren  io  Spontioi's  Agoes  vob  HoheDstaafen  klar  her- 
aasgestelU,  so  reich  der  Aufwind  von  Blasiostramenten  und  so  geschickt  ihre  Ver- 
wendung war,  mit  denen  Orgelklang  hinter  der  Bühne  nachgeahmt  werden  sollte. 

**)  Praktische  Orgelschule,  enthaltend  sephs  Sonaten  für  zwei  Manuale  and 
durchaus  obligates  Pedal.  Nageli  in  Zürich.  Neue  Aasgabe  von  Bach's  Orgelkom. 
Positionen  bfii  Peters,  Band  I. 


21 

man  auf  einem  der  Manuale  —  also  mit  einer  Hand  (oder  auf  jedem, 
oder  auch  auf  dem  Pedal)  mehr  als  eine  Stimme  führt  So  ist  z.  B.  der 
Th.  IL  S.  177  unter  Nr.  251  angefahrte  Choral  angelegt.  Die  Einlei- 
tung, in  der  der  cantusfimms  figurirt  auftritt,  wird  von  beiden  Händen 
auf  dem  einen  Manual  (Hauptmanual)  und  auf  dem  nicht  gleich ,  aber 
ähnlich  registrirten  Pedal  (dieses  bildet  durchweg  einen  gehenden ,  an 
den  Figuren  des  Manoalsatzes  nicht  näher  theilnehmenden  Bass)  aus- 
gefShrt.  Nun  tritt  mit  einem  unterschiednen,  etwas  hervorste- 
chenden Register  auf  dem  andern  Manual  (Obermanual)  der  cantusßr- 
mu9  unverändert  als  Hauptstimme  auf,  —  und  von  hier  an  ist  der  Satz 
für  das  Hauptmanual  so  eingerichtet ,  dass  er  von  einer  einzigen  Hand 
ausgeführt  werden  kann.  Das  Wesentliche  bei  dieser  und  ähnlichen 
Kompositionen  bleibt,  dass  gleichzeitig  nur  dreierlei  verschieden  klin* 
gende  Stimmen  zo  Gehör  kommen. 

Am  entscheidendsten  ist  die  Wirkung  solcher  Klangmischnngen, 
wenn  man  sich  durchaus  oder  wenigstens  für  die  Hauptstimmen  auf 
einzelne  oder  wenige  verbundne  Register  beschränkt,  weil  dann  der 
eigenthümliche  Klang  am  reinsten  hervor-  und  mit  den  andern  Stimmen 
in  Gegensatz  tritt.  Geht  man  weiter,  so  bleibt  etwa  noch  der  Gegen- 
satz des  Hauptmanuals  und  Pedals  (oder  des  gekoppelten  Werks)  gegen 
das  Obermanual ,  —  also  einer  stärkern  und  tieferliegenden  Tonmasse 
gegen  eine  minder  starke  und  höherliegende  übrig ;  beide  sind  sich  im 
Orgelklang  ähnlich  und  nah  verwandt.  Hier  fehlt  es  also  an  energisch 
ausgesprochner  Karakteristik ,  wie  im  erstem  Falle  (wenn  man  auf  die 
Massenkraft  verzichtet  und  sich  auf  wenige  einzelne  Register  be- 
schränkt) an  der  der  Orgel  eignen  und  gebührenden  Macht. 

In  der  Zeitfolge  kann  man  Stimmwechsel  erlangen,  indem 
man  von  einem  Manual  (oder  dem  Pedal)  auf  das  andre  abweichend  regi- 
strirte  übergeht;  so  kann  bei  drei  oder  vier  Manualen  über  den  Um- 
kreis des  Orgeltrios  —  der  Stimmwahl,  wenn  auch  nicht  der  Stimm- 
führung nach ,  da  diese  an  die  Zahl  der  Hände  und  Füsse  gebunden  ist 
—  hinausgegangen  werden.  Oder  es  können  während  des  Spiels  neue 
Register  hinzngenommen ,  die  Klaviere  gekoppelt,  oder  die  Koppel  ge- 
löst und  ein  Theil  der  Register  abgestossen  (zum  Schweigen  gebracht) 
werden.  Allein  alle  diese  Aenderungen  treten  ohne  Verschmel- 
zung ein:  plötzlich  ist  eine,  sind  mehrere  neue  Stimmen  da  oder  bisher 
gebrauchte  still  geworden ,  der  Klang  und  die  Schallkraft  ist  plötzlich 
geändert  und  steht  nun  wieder  starr  da ,  bis  zu  einer  ebenso  unvermit- 
telten Aenderung.  Selbst  bei  dem  vorsichtigst  abgemessenen  Fortschrei- 
ten von  einem  oder  wenigen  Registern  bis  allmählich  zu  vielen  oder  zum 
vollen  Werk,  und  umgekehrt  vom  vollen  Werk  bis  in's  Pianissimo, 
wird  jeder  Schritt  ein  Stoss  sein,  nimmermehr  wird  man  diese  Opera- 
tionen mit  dem  Anschwellen  und  Abnehmen  des  Orchesters  und  der 
zarten  Klangwechselung  desselben  auf  eine  Linie  bringen  können. 


—   ^2   - — 

'  Diese  Siarrbeit  der  Or^elstimmen  wird  dadurch  za  ifarem 
höchsten  Ausdruck  gebracht,  dass  bekanntiich  die  aufeinanderfolgen* 
den  Töne  nicht  nur  nicht  verscbmolxen ,  in  einander  übergeführt  wer^- 
den  können,  wie. auf  Streich-  und  BlasinstcomenteB  und  von  der  Sing* 
stimme,  sondern  auch  keines  Ab-  und  Zunehmens*),  keines  Wechsels 
von  Forte  iijid  Piano  — >  ausser  denr  durch,  v^rschiedne  Registratar  im 
Ganzen  zu  erreichenden  —  fähig  sind.  Jeder  Orgelton,  der  zarteste 
wie  der  stärkste,  steht  starr  und  unveränderlich  da  wie  eine 
Säule,  ist  bei  aller  elemenlariscben  Macht  oder  Sussigkeit  unleben* 
dig,  —  während  alles  Lebendige  im  ewigen  Wechsel  und  UmgestaU 
ten,  in  Verstärkung  oder  Verhärtung  und  Milderung  oder  Sohwäohung, 
in  Festigung  oder  Beugung  begriffen  ist  und  eben  darin,  sogar  im  Aus- 
druck der  Schwäche,  zu  der  es  herabsinkt  oder  aus  der  es  sich  wieder 
erhebt,  sich  als  ein  Lebendiges  bezeigt,  mit  dem  wir  unmittelbar  sym- 
patbisiren  können,  weil  wir  in  ihm  die  Wechsel,  den  anschwellendenr 
und  sich  legenden  Wellenschlag  des  eignen  Gemülhs  wiederfinden. 

In  dieser  Hinsicht  erweist  sich  also  die  Orgel  untheilnehmend, 
fremd  gegen  das  eigentliche  Gemfilhsleben ,  das  wie  jedes 
Leben  als  erstes  Kennzeichen  innre  Bewegung  und  Wandlung  weiset.  In 
jeder  Stimme,  in  jeder  Stimmkombination  giebt  uns  die  Orgel  unver- 
änderlich gleichen  Ausdruck  und  wiederum  ist  jeder  einzelne  Ton  von 
der  ersten  Ansprache  bis  zum  letzten  Hauch  ein  unveränderlich  starrer 
Anklang,  wie  sanft  und  süss  auch  sein  Material  sein  mag.  Es  ist  die 
ungemütblichc,  ja  unmenschliche  Seite  des  in  andrer  Hinsicht  so  wun- 
derwürdigen  Instruments,  weil'es  die. unlebendige  ist.  Und  dies  mag 
der  Grund  seih,  weshalb  die  neuere  Tonkunst  neben  den  nnermess- 
lichen  Fortschritten  namentlich  des  Instrumentalsatzes  und  ungeachtet 
des  unverkennbaren  hohen  Talents  so  manches  Orgelkomponisten  doch 
im  Orgelsatze  qicht  wesentlich  weiter  gekommen,  sondern  eher  gegen 
die  Leistung  der  alten  Meister,  namentlich  Seh.  Bach*s,  zurückge- 
blieben ist*^).    Das  Gemütb,  überhaupt  die  Subjektivität  —  das  per-» 


*)  MaD  bot  mtoeberlei  Brfiodangea  gentLcht^  z.B.  Dich«*  öder  Tbörscbweller 
«od  Jalousiescbweller ,  darch  die  eio  die  Pfetfeo  umgebeodes  Gehäuse  bald  mehr, . 
bald  weniger  geöffnet,  —.  Windschweller,  dorcb  die  der  die  Pfeiren  aoblaseode 
Wind  gemindert  werden  kann,  Rompressionsbälge,  die  den  Rohrpfeireo  mit  frei 
•cbwingenden  Zangen  crese.  ond  deeresc,  rerleihen.  Aber  tbeils  sind  diese  Erfin-  - 
dnogen  novolllcommen^  tbeils-  Ist  der  vorgesetzte  Zweelt  mit  dem  Rarakter  des  In- 
•trnm^nts  in  Wideraprneb,  der  dadoreb  w«bl  gescbwäebt,  nicbt  aber  angewandelt 
werden  könnte. 

**)  AebtangsvoU  muss  das  Streben  Seh  eilen  berg's  erwähnt  nnd  im  Ange 
bebaUeo  werden,  das  darauf  geriehtet  ist,  der  Orgel  neue  Bahnen ,  nähere  Tbeil- 
nähme  amGenihls-  und  Ideengang  neuerer  Zeit  zu*  gewinnen,  namentlich  die  rejcber 
ausgebreiteten  Formen  unsr^r  Periode  ihr  anzueignen  mit  voller  Erkenntniss  ihres 
Wesens  und  Vermögens.  Ein  solehes  Streben  ist  gewiss  ein  kfinstlerisebes  und  fnbrt 


23     

gonliche  Leben  ist  in.  dem  leisten  balhea  Jahrhundert  za  entschieden 
Kam  SelbstbewQSsUein  and  zar  Geliendmachung  gelangt,  der  Ideenkreis 
der  Kunst  ist  damit  ^n  weit  und  frei  geworden,  als  dass  sieb  das  Alles 
UBterdrücken  pnd  vergessen  liesse.  Und  doch  findet  es  auf  der  Orgel 
nicbt  den  rechten  und  genijgenden  Aasdruck .  Six  ist  denn  der  Qrgelkompo- 
Bist  ansrer  Zeit  bald  genöthigt,  den  liebsten  und  eigenthümlichsten  In- 
hak  seines  Lebens  zuräckzahalten  oder  zurückzuweisen, ~-^. oder. er 
tritt  im  Ausdruck  desselben  in  Widerspruch  mit  dem  Instrument,  das 
zu  mächtig  ist,  sich  unterdrücken  oder  zu  fremden  Zwecken,  ungestraft 
brauchen  zu  lassen*). 

Ans  denselben  Gründen  aber  ergiebt  sich  nan  der  positive  Karak- 
ter  des  Instruments.  Indem  es  die  persönlich-gemüthlichen,  den  Wech- 
sel des  individuellen  Lebens  an  sich  tragenden  Stimmungen  und  Aus- 
drucke entbehrt  und  in  sich  selber  abgeschlossen  und  unabänderlich 
fest,  unwandelbar  dasteht,  ist  es  der  rechte  Ausdruck  für  die  Kirche, 
in  ihrem  Gegensatze  zum  weltlich  -  menschlichen  oder  individuellen 
Leben.  Sie  spricht  die  von  jeder  Rücksicht  auf  die  Person  freie  unab- 
änderliche Satzung  aus,  gelte  es  nun  dem  Ausdruck  der  allgemeinen 
Feierlichkeit,  Herrlichkeit,  Macht  der  Kirche,  oder  dem  typischen 
Ausdruck  einer  der  besondern  Vorstellungen  oder  Stinamungen,  die 
im  Verlauf  des  kirchlichen  Lebens  zur  Sprache  zu  bringen  sind ;  sie  ist 
das  dogniatische  Instrument,  so  fest  und  unabänderlich  und 
rücksichtslos,  wie  das  Dogma;  sie  ist  der  rechte  Dicnek*  der  .Kirche,  — 
und  wahrlich  ein  würdiger  Diener  des  hohen  Herrn.  Das  ist  sie  ganz,, 
und  hiermit  ein  mächtiges  und  reiches  Wesen;  ein  Andres  kann  sie 
nicht  sein.  Sie  gleicht  hierin  dem  gotbischen  Kirchenbau,  der  Stätte 
ihrer  Geburt  und  ihrer  grössten  Thaten. 

Entscheidende  Bedingung  dazu  ist  ihre  Unerschöpflichkeit.. 
Ihr  Schall  strömt  hernieder,  so  lange  der  Dienst  es  fodert;  jederTon 
steht  fest,  so  lauge  er  stehen  soll;  er  steht  allein  da,  oder  im  Gegen- 


rieberlieh  —  sollte  sich  anch  das  Metail  der  Orgel  alltnaprtfde  beleihen  7-  f einea 

Loka  für  RöaeUer  nod  Koost  mit  steh.  '6  ö th  e  sa^t : 

„Aochr  dieses  Wort  bat  nicht  gelogen : 
\VeD  Gott  beträgt,  der  ist  wob  1  betrogen/* 

Wir  darfen  nie  abscbliessen. 

*)  Nor  andichten  lässt  sich  der  Orgel  ein  inniges,  gemüthlich-persö'nlicbcs 
GefSbl,  ond  auch  dies  pnr  in  begranitern  Anfgaben.  Der  Art  sind  einige  Choral- 
lignratiotten  von  Seb.  Bach  ,  z.  B.  ,, Schmücke  dich,  0  Ifebe  Seele**  and  das  iny- 
•Ijsebe,  tratineriscb-seeleabewegte  „Das  alte  JabrTergangea  ist'*.  Zo  den  gerdbl- 
iroU«D  Weisen,  die  sich  hier  züsammenireben,  bietet  die  Orgel  zar(e,  süsse  Stimmen. 
Aber  —  sprechen  diese  Stimmen  das  innig  vom  Tondichter  Gefüblle  und  Brsonnene 
innig,  mit  eignem  lebendigem  Genibl  ans?  Unmöglich.  Man  singe  nur  irgend  eine 
der  StÜlmeo  («dar  geige  sie)  mit  bingegebner  fieel«  -*  90f  wird  man  gleich  fassen, 
wie  viel  von  dem  Gefdblten  ^.  Wie  gerade-  das  .bewegte  qatflleade  Leben  des  Ge- 
fühls anf  der  Orgeilait»  einteftisit  wird.  ' 


24 


salz  gegen  andre  auf  ihn  eindringende  oder  von  ihm  zurückweichende 
Stimmen.  Hiermit  ist  auch  die  vorzügliche  Fähigkeit  zur  Mehrstimmig- 
keit, zur  eigentlichen  Polyphonie  gegeben,  ohne  die  eine  reiche  oder 
nur  genügende  Entfaltung  des  Orgelspiels  kaum  denkbar  ist,  die  einen 
Thcil  ihrer  Gestaltungen  und  Regeln  entweder  von  der  Orgel  entlehnt 
oder  doch  an  ihr  zur  ausgeprägtesten  Form  gebracht  hat.  Als  Beispiel 
nennen  wir  den  Orgelpunkt,  der  nirgend  so  häufig,  so  ausgedehnt 
und  so  klar  hervortritt,  als  im  Orgelsatze.  So  fangt  (um  nur  zwei 
Fälle  zu  nennen)  die  mächtige  Tokkate  in  Fdur  Von  Seb.  Bach  — 


16 


JH-?  I    i    \    ^      i    I    I    I    I    I 


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mit  einem  Orgelpünkt  von  54  Takten  an  und  wiederholt  denselben  (auf 
der  Dominante)  nach  einem  Zwischensatz  von  28  Takten  vollständig. 
So  steht  ein  kleineres  Tonstück,  die  Pastor ella*)  von  Seb.  Bach 
(37Takte  V),  vom  Anfang  bis  zum  Ende,  mit  Ausnahme  von  drei  Ach- 
teln, auf  Orgelpunkttönen.  Auch  die  Vorhalte  und  namentlich  die  — 
wenn  auch  in  ihrem  allgemeinen  Ausdruck  übereilte  ältere  Regel ,  dass 
Vorhalttöne  gebunden  werden  sollen,  finden  nirgend  so  häufige  An- 
wendung, als  im  Orgelspiel. 

Der  letzte  entscheidende  Karakterzug  ist,  dass  die  Orgel  keine 
befriedigend  ausgesprochne  Accentnation  haben  kann  (weil  sie  die 
Töne  innerhalb  derselben  Registratur  nicht  stärker  oder  schwächer  zu 
nehmen  vermag) ,  folglich  der  lebendigen  Bezeichnung  des  Rhythmus 
und  Taktes  entbehrt**).  Hiermit  ist  ihr  die  feinere  und  bestimmtere 
Zeichnung  der  Tongedanken ,  die  Unterordnung  der  Nebenzüge  unter 
die  Hauptmomente ,  kurz  das  Mittel  individuell  ausgeprägten  Vortrags 
—  wenigstens  das  geistigste  Mittel  —  entzogen ,  es  bleiben  nur  die 
Gegensätze  von  Stärke  und  Schwäche  (oder ,  auf  dieselbe  Registratur 


*)  Bei  Scblesiojper  in  Berti o. 
**)  Die  Mittel  des  Zasammenschleifens  nod  AbsetzeDS ,  wcdd  sie  aiick  mit  so 
bewaoderoswiirdiger  Feiobeit  and  Geaanigkeit  aoseweodet  werden ,  wie  von  eiaem 
A.  Hesse,  könoeo  doeb  die  eigeatliebe  Betonaog  aiebt  ersetzen. 


25 


angewendet,  von  Einzelstinime  und  Masse)  und  von  Länge  und  Kärze. 
Beide  Gegensätze  wendet  sie  daher  aach  machtvoller  an,  als  irgend  ein 
andres  Mosikorgan,  weil  sie  sich  auf  sie  beschränkt  sieht,  während 
andern  Instrumenten  noch  ausserdem  das  Mittel  der  Betonung  zusteht. 
So  beginnt  Seb.  Bach  eines  seiner  herrlichen  Präludien  mit  einem  hell 
und  fröhlich  blitzenden  Eingang,  der  einstimmig  — 


Tres  Titemenl. 


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im  Manual  (wohl  Obermanual  mit  heller  hoher  Registratur)  28  Takte 
weit  gebt  und  dann  erst  einem  vollstimmigen  Satze  (wohl  volles  Werk) 
Raum  giebt,  — 

Gravement.   L— v.  {     1     i     ■  _^ 


18 


^ 


Ped. 


Eh^=^^^-^~       "FgEF^^T^     irr:: 


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g^^^^- 


^ 


A 


J-, 


irdr 


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der  sich  in  grösster  Fülle  and  Breite  auslegt.  So  folgt  dem  orgelpunk- 
tischen  drei-  und  vierslimniigeD  Anfang,  dessen  wir  bei  Nr.  16  gedacht, 
ein  Gegensatz  für  das  Pedal  allein,  — 


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26 


der  sich  eiostinmig  26  Takte  weit  erstreekt  und  nach  Wiederholang 
des  ersten  Satzes  auf  der  Dominante  eben&Us  32  Takte  laog  wieder- 
kehrt. 

In  diesen  Fällen  sehn  wir  Gegensätze  von  weitester  Ausdebnaog. 
Dass  solche  nicht  immer  anwendbar  nnd  dass  sie  nur  geeignet  sind,  die 
Komposition  in  ihren  grossen  Partien  auseinanderzusetzen,  nicht  aber 
die  rhythoiische  frewegung  hi  ihren  einzelnen  Gliedern  zu  zeichnen, 
versteht  sich.  Ai>er  auch  die  genauere  Zeichnung  wird  —  freilich  nicht 
bis  in  die  feinen,  nur  durch  Nüancirung  der  Schallkraft  in  den  einzel- 
nen Tönen  erreichbaren  Abstufungen  —  durch  ähnliche  Kontrastirung 
wenigstens  an  einzelnen  Stellen  angedeutet.  Dies  geschieht  durch 
kurzem  Gegensatz  von  Pedal  und  Hanualmasse,  z.  B.  aus  dem  bei 
Nr.  19  angeführten  Tonstück,  — 


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wo  die  vorgreifenden  Pedaltöne  mit  den  nachschleifenden  Manualbar- 
monien  den  Takt  klar  genug  bezeichnen ,  —  oder  durch  den  noch 
starkem  Gegensatz  einer  Mannalstimme  gegen  volle,  vom  Pedal  unter- 
stützte Griffe,  z.  B.  hier  — 

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ras  iem  £moU*Prähidiuni*),  ^o  beMe  Mitlei  oacb  einander  in  An- 
wendan^  kommen,  —  Oberhaupt  durch  den  Gegensatz  voller  Griffe 
gegen  einfache  oder  schwächere  Momente.  Es.  ist  unnöihig,  der  Wähl 
ood  Erfindung  des  Komponisten  in  solchen  Wendungen  und  Mitteln 
weiter  vorzogreifen.  Wer  sich  neben  der  techniscben  Rennlniss  auch 
ein  sichres  Bild  vom  Karakter  des  Instruments  eingeprägt  hat,  dem 
kann  der  angemessne  Ausdruck  auf  demselben  nicht  fehlen. 


Dritter  Abschnitt. 
Styl  und  Form  der  Orgelkomposition. 

Gehen  wir  nun  von  einer  klaren  Erkenntniss  des  Instrumenta  zu 
der  Komposition  für  dasselbe,  so  wird  sich  für  diese  eine  gewisse  Rieh« 
tung,  ein  gewisser  Ideenkreis  ergeben,  denen  wir  getreu  bleiben 
mpssen ,  wenn  nicht  unser  Gedanke  in  Widerspruch  gerathen  soll  mit 
dem  Organ,  in  dem  upd  durch  welches  er  lebendig  werden  soll.  Dies 
ist  eben  die  volle  und  wahre  Aufgabe  des  Künstlers :  nicht  abstrakte 
Vorstellungen  willkiibrlich  irgend  einem  zurällig  ergriffnen  Organ  auf- 
zudringen, sondern  sich  objektiv  in  dieses  oder  jenes  Organ  zu  verseng 
ken  und  aus  ihm  heraus,  nach  seinem  Wesen  seine  Idee  zum  Leben  zu 
fähren,  wie  der* ächte  Dramatiker  nicht  selbst  redet,  sondern  seine 
Personen,  jede  nach  ihrer  Weise,  für  sich  redßn  lässt.  So  ergiebt  sich 
für  jedes  Organ  eine  besondre  Weise  und  ein*  besondrer  Ideenkreis^ 
deren  künstlerische  Durchführung  der  Styl  dieses  Organs  (oder  für 
dasselbe)  genannt  werden  kann.  Dieser  Styl  ist  nichts  äusserlich  Vor^ 
geschriebnes  oder,  etwa  Uerk(>mmliches ;  er  ist  Folge  und  Ausdruck 
vom  Wesen  des  Organs  selber ,  mithin  ein  Nothwendiges ,  weil  Ver-. 
nunAiges. 

A.  Breite  und  Rohe  der  Anlag«  md  Ffllinms. 

Die  Orgel  fodert  vor  allem  für  dqn  weiten  Raum  der  Kirche,  für 
den  ernsten  und  würdigen  Zweck ,  dem  dieser  Raum  geweiht  ist ,  für 
die  Fülle  und  Ausdauer  ihrer  Sprache  breite  und  ruhige  Anlage 
and  Führung  der  Sätze,'  und  zwar  um  so  breitere  und  ruhigere^  je 
mehr  sie  in  ihrer  eigentlichen  Macht,  als  volles  Werk,  oder  doch  bei 
starker  und  voller  Registrirung,  zur  Wirksamkeit  kommen  soll.  Ueber- 
eilte  Bewegung  würde  vor  allem  den  Toninhalt  nicht  deutlich  vernehm- 


*)  Im  dritieD  Heft  der  oben  erwäliDtoD  BroitkopMlärtorsebett  Sanmlang. 


28 


bor  weriem  laftcn,  weO  die  zveile  Hanaone  schoe  dalrir,  dbe  der 
Mehlig  Schall  4cr  entca  sick  gcaagfas  aasgebreilcl  halle.  Sa  fiadcB 
wir  öfter,  z.  B.  in  4er  groasoi  HaoU-Tokkate  tob  Sefc.  Bach,  adhst 
eittco  eiozeincfl  Akkord,  der  Mehlig  wirken  aoU,  — 


hreit  aaseinandergezogeii  (es  versteht  sich,  dass  alle  Töne  feslgehallen 
werden  und  sich  damit  ein  Crescendo  durch  Hassen  Vermehrung  bildet) 
und  damit  gewichtiger  dargelegt;  so  finden  wir  überall  bei  den  Mei- 
stern, z.  B.  in  Seh.  Bach's  j^dur-Prälodiam*),  die  vollsliromigsteii 
Sätze  —  nach  einer  einstimmigen  Einleitung  — 


in  ruhigster  Haltung  ausgebreitet,  oder  auch  —  wie  in  Bach's  CmolU 
Präludium  — 


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*)  Aus  der  leUterwähoteo  Sammtnog. 


29    

in  doppelehöriger  Form  auseinandergesetzt.  Selbst  die  Pugenthemate, 
für  die  wir  im  Allgemeinen  (Th.  II.  S.  244)  gedrängteste  Passong 
wünschen  müssen,  nehmen  für  die  Orgel  häufig  (man  sehe  Nr.  It  und 
12)  eine  sonst  kaum  zulässige  Fülle  und  Breite  an. 

Dieser  ersten  Foderung  widerspricht  nicht  die  gelegentliche  An- 
wendung schnell  bewegter  Figuren,  sondern  sie  kommt  ihr  oft  in 
eigenthümlicher  Weise  zu  Hülfe.  Bisweilen  nämlich  ist  die  Figur  nichts 
weiter,  als  die  Auflösung  einer  mit  ihrer  Hülfe  belebt  und  eindring- 
licher werdenden  Harmonie,  wie  z.  B.  in  Bach's  J9dur-Prälu- 
dinra*),  — 


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oder  die  aasfüllende  Umschreibung  eines  an  sich  sehr  einfachen  ein- 
oder  mehrsümniigen  Ganges.   So  z.  B.  der  nach  Nr.  22  eintretende 


Gang  in  Seb.  Bach's  />moii-TolLkate 


Preslissimo. 


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(die  Linke  geht  in  der  Oktave  mit),  der  eigentlich  nur  die  belebende 


*)  Heft  2  der  Breitkopf-Harterschen  SammluDg,  der  auch  die  folgenden  Bei- 
spiele entlehnt  sind. 


30 


wd  itmh  SpieMÜUe  (Tk.  III.  S.  24)  venlirkte  {»schrakug  dieses 
ein-  aad  zwtisiimmigtn  Ganges  *)  — 


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ist.  In  andern  Fällen  wieder  sind  dergleichen  Gestallnngen  nur  dier 
Schmuck  eines  in  Wesenüichen  höchst  einfachen  Satzes ,  z.  B.  za  An- 
fang der  Cmoll-Fantasie  von  Seb.  3ach,  — 


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oder  die  Figuralion  eines  im  Wesentlichen  ebenso  einfachen  mehr- 
stimmigen Satzes,. wie  z.  Bi  dieser,  — 


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*}  Ueber  deoselbea  Gang  s.  Tb.  I.  S.  405.    Die  Quinteofolse  aesMlbea  er- 


31 


der  sich  deinem  wesentUoheü  Inbalt  nach  nur  in  halben  SehlMgen  vinr- 
wärU  bewegt. 

Mit  solchen  Mitteln  nun,  wie. die  Orgel  bietet,  finden  wir  die 
Meister,  namentlich  Seb.  Bach,  in  sichrer  Ruhe  oft  den  einfachsten 
Gedanken  oder  Zug  so  weil  verfolgen ,  wie  unter  andern  Uiuständen, ' 
z.  B.  im  Orchester-  oder  gar  Klaviersatse,  nie  ohne  Mattigkeit  und 
Leere  hätte  geschehn  dürfen.  Wenn  der  Meister ,  wie  wir  S.  25  ge- 
sehn, einstimmige  Figuralioiien  gleich  zwanzig  und  dreissig  Takte  weil 
(brtfiihrt,  — wenn  er  sich  selbst  in  Fugen  ähnliche  Zwischfmsätze  ge- 
stattet, z.  B.  in  dem  Fugensatze  der  Z)  moU-Tokkale  (Nr.  22)  gleich 
nach  dem  Eintritte  des  zweiten  Tbeils  folgenden  Zwiscbensiitz  auf- 
führt  — 


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und  nach  einmaliger  Anführung  des  Thema's  sogleich  das  Arpeggjp  .(in 
der  tiefern  Oktave)  ähnlich  wiederholt  und  einen,  zweitoi  Zwischen- 
satz von  14  Takten  bildet:  so  durfte  dies  Alles  geschehn,  weil  schon 
der  blosse  Orgelklang  in  seiner  Fülle  und  Gesältigtheit ,  in  seiner  un* 
versiegbaren  Macht  und  ungetrübten  Helligkeit  (es  ist  bei  all  diesen 
Sätzen  entweder  auf  volles  Werk,  oder  doch  auf  starke  Registratur 
mit  vielen  Rohrwerken  gerechnet)  für  sich  allein  die  Kraft  hat,,  unser 
Gehör  zu  füllen,  sinnlich-geistig  einzunehmen  und  zu  sättigen,  —  und 
weil  schon  die  Mittel  des  Instruments  nach  solchen  Ruhemomenten  die 
stärksten  Gegensätze  {wie  wir  an  Nr.  22,  23,  24,  29  gesehn)  darbie- 
ten. Man  muss  sich  die  Gestahenfulle  und  den  Reichthum  der  feinsten, 
aber  rasttos  unerschöpflichen  Fortschreituogen  in  Bach's  Klavierkom- 

sebeiot  in  ihrer  figaraleo  Form  aod  Tdr  die  Bestimmung  des  Ganges,  in  klingeod- 
hellem  Tongewirbel  hinabzardbreo  bis  zumWiedereiotritt  des  Pedals  und  des  Testen 
Akkordes,  vollkommen  gerechtfertigt  und  nothweodig.  Hatte  Baeh  in  einfacher 
stiller  Weise  gebä  wollen,  so  würde  es  wie  eben  in  Nr.  27  gesehehn  teio. 


32    

Positionen  (namentlich  in  seinem  Sehatzkästlein ,  dem  wohltemperirten 
Riavier)  vergegenwärtigen ,  um  ganz  klar  zu  erkennen,  wie  sprechend 
diese  Züge  seiner  Orgelkomposition  für  den  Karakter  des  Instruments 
and  für  seine  Erkenntniss  desselben  zeugen. 

B.  lassenkraft  und  Poljphome. 

So  gewiss  wir  (Th.  1.  S.  284)  die  Melodie  als  eigeut- 
licbes  Lebenselement  aller  Musik  erkannt  haben,  so  gewiss 
müssen  wir  anerkennen ,  dass  die  Orgel  weniger  geeignet  ist  zu  leben- 
diger Darstellung  derselben,  als  irgend  ein  Blas-  oder  Saiteninstrument, 
selbst  als  Harfe  und  Klavier.  Denn  es  fehlt  ihr  nicht  nur,  wie  den  letzt- 
genannten ,  die  Verschmelzung  und  wahre  Bindung  der  Töne,  sondern 
auch  —  innerhalb  ein  und  derselben,  von  einem  einzigen  Register  oder 
Registervereinignng  vorzutragenden  Stimme  —  der  Wechsel  von  Porte 
und  Piano  und  damit  (S.  24)  das  eigentliche  Mittel  rhythmischer  Beto- 
nung. In  jenem  Wechsel  aber  liegt  der  nächste  Ausdruck  stärkerer 
oder  verminderter  Erregtheit  und  Theilnahme,  in  der  Betonung  die 
allgemeine  verständige  Würdigung  und  Ordnung  des  Inhalts;  eine 
Stimme,  die  Beides  nicht  vernehmen  lässt,  muss  leblos  erscheinen. 

Nicht  also  in  der  Kraft  der  Melodie  oder,  genauer  zu  reden,  einer 
einzelnen  Melodie  kann  die  Orgel  ihre  eigenthtimliche  Aufgabe  finden. 
Und  dieser  Mangel  entspricht  sogar  ihrem  Wesen  und  ihrer  Bestim- 
mung. Denn  die  einzelne  Melodie ,  das  ist  eine  einzelne  Stimme ,  also 
der  Ausdruck  eines  einzelnen  Wesens,  einer  Subjektivität;  wie  Ich 
fühle,  Ich  mich  freue  oder  betrübe  u.  s.  w. ,  das  allein  spricht  sich  in 
meiner  Stimme  oder  Melodie  ans.  Die  Orgel  aber  hat  es  gar  nicht  mit 
der  Subjektivität ,  mit  diesem  oder  jenem  Einzelnen  zu  thun ,  sie  hat 
der  Gemeine  Aller,  oder  der  Alle  in  sich  fassenden  Kirche  ihre  Stimme 
zn  leihen. 

Hierzu  bietet  sie  sich  aber  in  zwiefacher  Weise  als  mächtigstes 
Organ.  Massenkraft,  —  weite  erschütternde  oder  feierlich  stille 
und  volle  Akkorde,  ist  die  eine  ihrer  Mächtigkeiten^  Polyphonie  die 
andre.  Die  erstere  kann  nur  einzelnen  Momenten  eines  grossem 
Kunstwerks  zuzuertheilen  sein,  die  letztere  ist  die  wahre  Redeweise 
der  Orgel.  Denn  sie  entspricht  der  umfassenden  kirchlichen  Bestim- 
mung des  Instruments  ebensowohl,  als  seinem  Vermögen,  Stimme 
gegen  Stimme  zu  führen,  eine  Stimme  oder  einzelne  Töne  der  einen 
gegen  die  andre  festzuhalten  und  mit  Hülfe  der  verschiednen  Klaviatu- 
ren oder  im  Gegensatze  des  Pedals  gegen  das  Manual  zwei  oder  drei 
Stimmen  selbst  durch  Klang-  und  Schallverschiedenheit  von  einander 
zu  scheiden.  Durch  den  Gegensatz  der  Manuale  ist  sogar  die  Möglich- 
keit gegeben,  Stimmen  von  verschiedner  Klangweise  einander  ohne 
Verwirrung,  mit  klarer  Wirkung  kreuzen  zu  lassen,  wie  dies  zwei 
Stellen  aus  der  sechsten  Orgelsonate  von  Seb.  Bach  — 


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zeigen ;  darcb  die  in  jeder  guten  Orgel  zu  treffenden  Vierfuss-Register 
im  Pedal  ist  es  leicbt,  einen  cantusßrmus  ruhig  durchzuführen  und 
ihm  in  den  Manualen  die  reichste  Figuration  entgegen  zu  stellen ,  so 
weit  die  Mittel  beider  Hände  im  gebundnen  Spiel  reichen. 

So  gewiss  iudess  die  Orgel  nach  Bestimmung  und  Vermögen  Poly- 
pbonie  fodert,  so  rathsam  ist  es  doch ,  hier  nicht  zu  weit  zu  gehn,  — 
nicht  in  Häurung  der  Stimmen  die  Kraft  der  Komposition  zu  suchen. 
In  einzelnen  Fällen  ist  allerdings  die  Vicistimmigkeit  für  den  besondern 
Inhalt  eines  Werkes  notbwendig  bedingt  oder  doch  besonders  zusa* 
gend ;  so  z.  B*  in  der  bei  Nr.  14  angeführten  Durchfngirung  des  Cho- 
rals: „Aus  tiefer  Noth<*  von  Seb.  Bach,  in  der  wahrscheinlich  der 
mächtig,  wie  der  Nothruf  von  Sturmglocken  mahnende  und  gleich  zu 
vielfältiger  Wiederholung  und  Engfiihrung  lockende  Anfang  den  Kom- 
ponisten zur  Secbsstimmigkeit  angeregt  hat.  Allein  in  den  meisten 
Pillen  ist  die  Vielstimmigkeit  nicht  so  vielversprechend  oder  gar  notb- 
wendig, dass  man  ihr  die  Deutlichkeit  und  Freiheit  der  Slimmfibrung 
znm  Opfer  zu  bringen  hätte.  Es  tritt  hier  nicht  blos  das  allgemeine  Be- 
denken gegen  Häufung  der  Stimmen  (Tb.  I.  S.  345,  ThJI.  S.  178,397) 
warnend  entgegen,  auch  das  Vermögen  der  Orgel  reicht  nicht  aus,  viele 
Stimmen  wahrhaft  deutlich  neben  einander  fortzofubren  und  von  einan* 
der  zn  scheiden ,  da  die  Töne  derselben  Stimme  nicht  verschmolzen, 
«och  nicht  (bei  gleicher  Registratur)  durch  verschiedneNtiancirung  von 
Porte  und  Piano  von  denen  der  andern  Stimmen  unterschieden  werden 
können,  sondern  nur  der  Gegensatz  von  Tonlage  und  Ton  Verbindung, 
Balteton  und  Bewegung,  allenfalls  von  mehr  gebundner  und  lockerer 
Portschreitung  wirksam  sein  kann.  Am  entschiedensten  tritt  dieser 
Gegensatz  in  einer  Pedalstimme  gegen  eine  oder  mehr  Manualstimraen 
hervor,  da  das  Pedal  nicht  blos  andre  Registratur  zulässt,  sondern  auch 

Marx,  Kmnp.  L.  IV.  3.  Aufl.  3 


34 

seine  eigenthüinliche  Spielweise  hat ;  daher  wird  auch  das  Pedal  von 
den  Meistern  als  eingreifendste  Stimme  gern  für  sparsame ,  dann  aber 
entscheidende  Momente,  für  die  Haupt «  und  Höhenpunkte  der  Kompo- 
sition gespart.  Die  im  Manual  geführten  Stimmen  stehen  einander  (ab- 
gesehn  von  dem  Spiel  auf  verschiednen  Manualen  im  Orgeltrio  und 
ahnlichen  Satzweisen)  nach  Klang  und  Spielweise  gleich,  sind  also  um 
so  weniger  zu  unterscheiden,  je  mehr  ihre  Anzahl  wächst  und  je  enger 
sie  in  Folge  dessen  liegen.  Wenige  Stimmen  in  weiter  Lage  entspre- 
chen daher  dem  wahren  Sinn  der  Polyphonie  hier  besser,  Ms  melirere; 
daher  man  selbst  den  Hochmeister  der  Polfphonie,  Seb.  Bach,  in  der 
Mehrzahl  seiner  Orgelsätze  geneigter  finden  wird,  dreistimmig  zu 
schreiben  (oder  gar  auf  Zwei-  und  Einsttmmig1t«it  zurtSckzugehn) 
als  vielstimmig;  seihst  in  den  vier-  und  mehrstimmig  angelegten 
Sätzen  wendet  er  gern  und  für  ausgedehnte  Partien  minderstimmigen 
Satz  an. 

Von  diesem  Gesichtspunkt  aus  ergeben  sich  endliah  auch 

0.  die  Kustformei, 

die  der  Orgelkomposition  am  günstigsten  sind ,  von  selber.  Es  sind, 
mit  einem  Wort  ausgesprochen ,  die  polyphonen,  mithin  vor  allen 
der  Gipfel  polyphoner  Kunst : 

1.  die  Fuge. 

In  der  Fuge  ist,  wie  wir  läAgst  (Th.  U.  S.  234)  wissen,  nicht  eine 
Hauptmelodie  der  Ausdruck  einer  besondern  Persönlichkeit,  sondern 
eine  Schaar  von  Stimmen,  die  einander  unlersiützen  und  sich 
zum  Ausspruch,  zur  Durchführung  und  cum  Durchleben  eines  ge* 
mainsamen  Hauptgedankens  (des  Themata)  oder  Hauptinhalts  ver- 
binden. Diese  Form  ist  daher  wie  geschaffen  für  die  Orgel ,  in  der  die 
einzelne  Melodie  weder  genügender  Inhalt  sein,  noch  genügend  zur 
Ausprägung  kommen  konnte,  —  die  vielmehr  einen  über  den  Kreis  der 
einzelnen  Persönlichkeit  hinausgehenden  Inhalt  auszusprechen  hat  und  so- 
wohl dazu  als  wegen  der  Unzulänglichkeit  ihres  melodischen  Ausdrucks 
mehrerer  glekbzeitigen  Melodien  oder  Stimmen  £u  gegenseitiger  Untere 
stutzung  und  Hebung  bedarf. 

Ja  man  muss  anerkennen,  dass  in  der  Orgelkomposition  die  Fu- 
genform als  solche  zu  ihren  reinsten  Ausdrucke  kommt.  Denn  im 
Gesang  sowohl  wie  im  Orchester  oder  Quartett  werden  die  Fugenstim- 
men von  beseelten,  die  Sympathie  der  fühlenden  Brust  unmittelbar  tref- 
fendea  und  erregenden  Organen  zn  Gehör  gebracht,  also  vom  Kompo* 
nisten  für  solche  —  für  mitfühlende  Wesen  geschaffen ;  selbst  auf  dem 
an  sich  indifferenten  Klavier  steht  es  in  der  Macht  des  Aasfuhrenden, 
sieb  dem  wahren  GefttUsauadruck  durah  alle  Stufen  der  Betonoag 


35 


u.  8.  w.  weDigstens  nahe  zu  bringeD.  Ueberall  ist  daher  die  Poge 
bereit,  sich  besoodern  Stimmungen  hinzugeben  und  den  mannigfachsten 
Karakter  (Th.  II.  S.  298)  anzunehmen;  sie  ist  daher  nur  eine  geeig- 
nete Form  für  das  Anszusprecheude  von  vielFallig  verschiednem  Inhalt. 
Nur  auf  der  Orgel  findet  sie  starre,  untbeilnehmende  Stimmen  (S,  22) 
statt  der  beseelten  des  Orchesters  oder  Chors,  Stimmen,  die  nichts 
können  und  sollen,  als  sich  einem  allgemeinen  unpersönlichen  Inhalt, 
einem  Gedanken  so  unabänderlich  wie  die  Satzung,  zum  Organ  her« 
geben.  Hier  sind  daher  immer  noch  (wie  sich  von  selbst  versteht)  ver- 
sehiedne  Themate  und  verschiedne  Ausführungsweisen  möglich.  Aber 
durch  alle  Verschiedenheit  hindurch  wird  der  Orgelklang  und  Orgel« 
karakter  doch  als  Hauptsache,  als  der  eigentlich  wesentliche  Inhalt  sich 
geltend  machen. 

Dies  zeigt  sich  schon  bei  derVergleichung  der  Themate  verschied- 
ner  Fugen,  z.  B.  der  vier  in  Nr.  11  und  12  mitgetheilten  und  der 
hier*)  — 

»  b.       fr  tr  ^  ,,    ^ 


zugefügten.  Sie  sind  der  Ausdehnung ,  der  Tonart ,  auch  mehr  oder 
weniger  dem  Inhalt  und  der  Stimmung  nach  unterschieden ;  besonders 
das  letztere,  blos  für  das  Manual  {manualmente)  geschrieben,  hebt  sich 
durch  einen  Anflug  von  Heiterkeit  und  Leichtbeweglichkeit  vor  den 
andern  hervor.  Allein  der  durch  alle  hindurchgehende  und  in  allen  vor- 
herrschende Grundzng  ist  festlich-feierliche  Ruhe  und,  wo  es  nicht  die 
allzngrosse  Kürze  (oben  bei  a.)  verhindert,  eine  gewisse  besohaulicbe 
Breite,  die  sich  bald  (oben  bei  c. ,  in  Nr.  12  bei  a.)  iu  einem  Anflug 
von  Zweistimmigkeit  innerhalb  des  Thema^s  selber,  bald  (oben  bei  d., 
Nr.  11  ond  12  a.  und  b.)  in  weiterstreckter  Fortführung  der  an  sich 
ruhigen  Motive  ansspricht.  Man  muss  diese  Themate  mit  andern  des- 
selben Meters  (namentlich  ans  dem  temperirten  Klavier)  vergleichen, 
die  80  oft  mit  einem  schneidend  karakteristischen  Zug  uns  in  ihre  Stim-^ 
mang  bineinreissen  und  fast  ohne  alle  Ausnahme  so  eng  und  energisch 
zusammengeschlossen  sind :  um  zu  erkennen ,  dass  es  eben  bei  den  Or- 
geUützes  weniger  auf  einen  besonda*n  schnell  und  scharf  auszuprSgen* 


*)  Ans  der  erwähnten  Sammtang;  das  letzte  Beispiel  «us  den  bei  Breilkopf  nad 
mürlel  ]kmxM$t%^tik9ti  Choral  vorspiele«. 

3» 


36 


den  Inhalt,  als  aaf  den  allen  gemeinsamen  nnd  wiehtigen  Orgelkarak- 
ter  and  Orgelzweck  ankam. 

Noch  einleacbtender  wird  diese  Richtung  in  der  Ausarbeitung  er- 
kannt Jene  bald  heftigen,  bald  kunstreichen  Bngfuhrungen,  Verkebrun- 
gen,  kurz  alle  die  einzelnen  Momente ,  in  denen  sich  der  Gang  andrer 
Pagen  neu  belebt  und  zu  gesteigerter  Energie  bebt,  weichen  in  der 
Orgelfage  vor  der  Ruhe  und  Breite  des  Orgelkarakters  so  entschieden 
zurück,  dass  es  in  den.  meisten  Fällen  gar  nicht  auf  eine  Steigerung 
der  spätem  Partien  gegen  die  frühem  abgesehn  ist,  sondern  nur  darauf, 
dass  das  Werk  seinen  Gedanken  in  gleicher  Fülle  durch  den  weiten 
Raum  der  Kirche  und  bis  zur  Sättigung  der  Gemuther  mit  kirchlicher 
Stimmung  ausbreite. 

So  wird  z.  B.  das  in  Nr.  32  c.  mitgetheilte  Thema  von  höherer 
Stimme  beantwortet,  während  die  vorige  eine  Achtelreihe  (in  Sexten 
mit  den  gehenden  Tönen  des  Thema^s)  als  Gegensatz  bringt.  Beide 
Stimmen  fallen  dann  in  diesen  — 


83 


ZwiscbeBsalz.    Nun  tritt,  zwei  Takte  weiter,  die  Oberstimme  mit  dem 
Thema  auf  upd  geht  zu  einem'  oeuen  Zwischensatz  — 


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Ober ,  der  erst  vier  Takte  weiter  polyphone  Form  annimmt  und  dem 
noch  vier  Takte  später  endlich  die  letzte  Stimme  der  Durchführung, 
da&  Pedal  (das  also  21  Takte  lang  geschwiegen  hatte),  nachkommt.  Im 
vierten  Takte  von  da  wird  der  erste  Theil  der  Fuge  in  der  Parallele 
geschlossen  und  dann  der  zweite  mit  einer  neuen  Anführung  des  The- 
ma's  im  Tenor  (Bass  des  Manuals)  mit  dem  Gegensatz  in  der  Ober> 
stimme  begonnen.  Hierauf  folgt  nun,  It  Takte  lang,  der  schon  in 
Nr.  30  angeführte  und  dort  karakterisirte  Zwischensatz,  dann  nach 
einer  abermaligen  Anführung  des  Thema's  in  der  Oberstimme  (im 
Hauptton)  mit  dem  Gegensatze  darunter  —  wie  zuvor  wieder  zwei- 


37 


slimiiiig  *—  ein  äbnlicher  Zwischensatz  ton  15  Takten.  Nun  (also  nach 
29  Takten)  tritt  das  Pedal  wieder  auf,  giebt  das  Thema  in  Cmoll  und 
den  Gegensatz  (während  das  Thema  von  einer  Mitteistimme  in  der  Ok- 
tave beantwortet  wird),  und  von  hier  wird  mit  15  Takten  zum  Orgel- 
punkt gegangen,  wo  das  Thema  wieder  in  der  Mitte  erscheint;  der  Satz 
ist  hierbei  durchaus  nur  drei-,  ein  Paar  Takte  lang  blos  zweistimmig. 
Nach  dem  Orgelpunkte  (oder  will  man  es  dazu  rechnen?)  giebt  der 
Bass  das  Thema  auf  derselben  Stufe  ohne  irgend  einen  Gegensatz,  also 
einstimmig ;  ein  an  Nr.  30  anlehnender  Zwischensatz  von  8  Takten 
fuhrt  nach  der  Unterdeminante  zu  einer  Andeutung  des  Thema's,  — 


Manual. 


S5 


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^23E! 


das  znm  letztenmal  über  dem  Orgelpunkt  der  Tonika  im  Pedal  in  drei- 
stimmigem Salz  in  der  Mittelslimme  erscheint.  Von. hier  geht  der  Fu- 
gensatz  in  freie  Fantasie  zurück. 

In  gleicher  oder  noch  grösserer,  behaglich  festlicher  Ruhe  und 
bequemer  Breite  ist  der  Fugensatz  zu  dem  Thema  Nr.  11  a.  ausge- 
führt; überall  tritt  das  Genügen  an  der  Fülle  und  Feierlichkeil  des  Or^ 
gelklangs»  an  der  Sättigung  jeder  Orgelstimme,  besonders  des  Pedals, 
an  der  Entschiedenheit,  die  im  Gegensätze  von  Pedal  und  Manual  liegt, 
maassgebend  in  den  Schö'pfungsakt  des  Komponisten,  dessen  Weisheit 
und  Grösse  sich  eben  darin  zuerst  bewährt,  dass  er  sein  Organ  voll- 
kommen erkannt  hat,  sich  ganz  in  dasselbe  versenkt  und  es  für  sich 
reden  lässt.  Auch  hier — und  noch  mehr  wie  im  vorhergehenden  Fall  — 
ist  der  Satz  meist  zwei-  und  dreistimmig,  oft  einstimmig;  wird  auch 
gegen  das  Ende  ein  stärkerer  Gegensatz  des  Manuals  gegen  das  Pedal 
begehrt,  so  gestaltet  er  sich  doch  — 

Man«     1^  ik 


d6 


man«       |^  |k 


so  einfach,  dass  der  Satz  mit  grösserm  Rechte  zwei-  als  siebenstimmig 
(wie  er,  äasserlich  genommen,  erscheint)  genannt  werden  muss.  Andre 
Fugen,  z.B. die  in  Nr.  11  b.,  sind  reicher  an  Arbeit,  drangvoller  schon 
im  Thema  und  dadurch  in  der  Führung  der  Stimmen  gegen  einander ; 
aber  auch  sie  beurkunden  den  oben  aufgewiesneo  Grundsatz. 


38     

Dieser  voroehibsteii  Porai  der  Polyphonie  schfiesseo  sieb  nun  die 
andeni, 

2.  fugirter  Choral,  Choral  mit  Fuge,  Choral- 
figuratioa 

(oder  aach  Choral  mii  kanooiscb^  Begleituog)  an,  in  deren  Ausfüh- 
rung (die  Form  an  und  für  sich  ist  uns  sehon  aus  Th.  II  bekannt)  mao 
schon  von  selbst  dieselbe  zunächst  auf  das  Geltendwerden  des  Instro- 
ments  gerichtete  Tendenz  voraussetzen  wird,  da  sogar  die  weit  selb- 
ständigere Form  der  Fuge  sich  ihr  so  entschieden  unterworfen  bai. 
Aus  diesem  Gesichtspunkt  begreifen  sich  namentlich  die  oft  so  weiter- 
streckten Choralfigurationen  Seb.  Bach's,  deren  einige  im  Th.  11  an- 
geführt worden.  In  seinem ,, Christ  unser  Herr^%  —  das  wir  (Th.  II. 
S.  160)  als  eine  der  tiefsinnigsten  Kompositionen  kennen  gelernt,  in 
der  zweistimmigen  Figuration  des  ,, Allein  Gott  in  der  Höh'  sei  Ehr'^^*) 
und  ähnlichen  Salzen,  z.  B.  ,,Wo  soll  ich  fliehen  hin^^  und  ,,Wer  nur 
den  lieben  Gott  iässt  walten'^**),  in  denen  das  Pedal  mitVierfuss-Stim- 
men  den  cantus  ßrmus  fuhrt,  vollendet  die  Figuration  in  ruhigster, 
nur  selten  gesteigerter  Breite  ihre  Aufgabe.  Hier  ist  auch  der  rechte 
Schauplatz  für  jene  wahrhaft,  —  geistig  gebundnen  Formen  (Tb.  II. 
S.  457)  der  kanonischen  Führung  des  cantus  ftrmns^  z.  B.  in  dem 
prachtvoll  ausgelegten  ,,Dies  sind  die  heiligen  zehn  Gebot''*  **♦),  oder  der 
kanonischen  Begleitung  des  cantus firmus^  z.B. in  ,,Vom  Himmel  hoch 
da  komm'  ich  her^'f);  die  Orgel  bietet  in  der  ihr  eignen  Buhe  den 
Raum  für  so  weite  und  streng  bemessnc  Führung  und  fodert  nicht,  — 
lehnt  vielmehr  höhere  Erregung,  eigenthümlicheru  Inhalt  freier  For- 
men ab. 

Tritt  aber  in  einer  ChoralGguration  innigeres ,  mehr  persönliches 
Gefühl  in  die  Umschreibung  des  cantus  firmus  oder  in  die  Figaralslim- 
men :  so  wird  in  den  meisten  Fällen  schon  die  Kürze  der  Komposition, 
im  Gegensatz  zu  der  breiten  Auslage  der  hier  angeführten  und  ihnen 
verwandten ,  darauf  hindeuten ,  dass  die  Orgel  hier  nicht  zu  ihrem 
wahren  Ausdruck  gekommen,  dass  der  Komponist  in  sie  hineinge- 
dichtet (S.  23,  die  Anmerkung),  nicht  aus  ihr,  ihrem  Wesen  ge- 
mäss herausgesprochen  hat.  Wer  wollte  dem  freien  schaflenden 
Geist  dieses  Becht  bestreiten?  Wie  manches  unschätzbare  Tongedicht 
verdanken  wir  schon  dieser  Bichtung!  Allein,  ist  es  weder  Pflicht 
noch  Recht,  dem  Künstlergeist  mit  Satzungen  entgegen  zu  treten,  so  ist 


*)  Seb.  Baoh's  Choralvorspiele«  Boue  Aasgabe  bei  BreitkopfaDd  HIrtel,  aas 
welcher  Sammlaos  alle  diese  Beispiele  seoomiDeo  sind. 
**)  Nr.  52  Dod  49  im  vierten  Hefte  der  neueo  Aas|;abe. 
***)  Nr.  17  im  zweiten  Hefte  der  neuen  Aasj^abe. 
f)  Fünf  liaDODisehe  VerSoderaogea  aber   das  Weihnaehtlied  „Von  Himmel 
hoch'*  etc.  Var.  1 ;  bei  Breitkopfvod  Hartel  nea  erscbieoea. 


39    

es  d«€h  Sirderlich,  überall  ««mBewussUeia  dessen,  was  aiob  ibm  und  er 
ans  bietet,  vorzudriogeo.  Jene  innigem  Gesänge  (Sinngedichte  des 
Gemulhs  könnte  man  sie  nennen)  mögen  der  Orgel  zugewiesen  werden, 
weangleieh  diese  nicht  genügen  kann  für  den  vollen  und  getreuen  Aus- 
druck des  in  ihnen  lebenden  Gefühls ;  die  Sympathie  des  Hörers  wird 
den  unvoUkoBiinfien  Aasdruck  ergänzen ,  wenn  und  so  weit  sie  es  ver* 
mag.  Nur  muss  dem  Künstler  bewusst  bleiben ,  dass  die  Orgel  eben 
hier  nicht  ihre  eigenthümliche  Aufgabe  gefunden  hat.  —  Gleiches  gih 
von  jenen  gewaltigen  Polyphonien  (S.  18)»  die  gewiss  nicht  ihrem 
ganzen  Stimmgewebe  nach  durchhörti  also  nicht  vollkommen  aufgefasst 
werden  können,  die  aber  kein  angemessneres  Organ  finden,  als  die  Or- 
gel, and  vermöge  ihrer  geistigen  Bedeutung  das  vollste  Recht  haben 
zum  Dasein.  lu  diesen  Fällen  wird  die  Orgel  Dienmn  des  überlfsg"' 
aen  Geistes  \  seiner  Macht  und  seinem  Rechte  bringt  sie  das  Opfer  ihrer 
Eigenlhümlichkeit.  ISia  wahrhaftes  Recht  hat  aber  in  solchen  Fällen 
aar  der,  der  das  Wesen  des  Instruments  erkannt  und  sich  als  einen 
solchen  bewährt  hat,  ehe  er  von  dem  höbem  Recht  des  Gedankens 
darüber  hinaus  berufea  wird. 

Nächst  diesen  fealer  gezeichneten  Farmen  ist 

3.  die  Orgelfantasie 

zu  nennen,  Einleitung  oder  Introduktion  genannt,  w«nn  sie  zu 
einer  Fuge  oder  sonst  zu  einer  bestimmtem  Form  überführt,  bei  den 
altern  Meistern  aoeh  wohl  Tokkate,  wenn  sie  einen  grossem  Spiel- 
reichthum  entfaltet.  Es  versteht  sich  nach  allem  Bisherigen,  dass  auch 
ihr  Inhalt  dem  Wesen  der  Orgel  in  gleicher  Weise  wie  die  vorge- 
nannten Formen  zu  entsprechen  bat;  polyphone  Sätze,  Massenwirkung 
und  minder-  oder  einstimmige  Sätze  können  hier  noch  viel  freier  und 
reicher  gequscbt  und  einander  entgegengesetzt  werden,  als  in  den 
strengen  Formen.  Es  bedarf  hierüber,  nach  dem  Tb.  HI.  S.  335  Ge- 
sagten, keiner  Erörterung. 

Weniger  güoalig  erscheinen  dagegen    für    die  Orgel   folgende 
Formen. 

4.  Die  Sonate, 

oder  auch  bei  den  altem  Meistern  das  Orgelkonzert.  Die  Sonaten- 
form  beruht,  wie  wir  (Th.  111.  S.  202)  wissen,  auf  dem  Liedsatz,  und 
zwar  auf  der  Verknüpfung  verscbiedner  Liedsätze.  Der  Liedsatz  aber 
ist  vorzugsweise  homophon ,  hat  eine  Melodie  als  Hauptmelodie  geltend 
zu  machen,  der  sich  die  übrigen  Stimmen  mehr  oder  weniger  unterord- 
nen. Zwar  kann  von  den  zwei,  drei  oder  mehrern  Liedsätzen  eines 
Sonatensalzes  einer  oder  der  andere  polyphonen  Inhalt  wählen,  doch 
bleibt  im  Ganzen  Homophonie,  das  Hervorlreten  einer  Hauptmelodie  — 
und  dann  die  energis^e  Unterscheidung  der  verscbiednen ,  mehr  oder 
weniger  der  Hom^pb^^v^e  eigQ4»n  Liedsätze  für  die  Form  kapakteristisoh 


40     

und  QOth wendig.  Kraft  der  Melodie  ist  aber  gerade  nicht  die  starke 
Seite  der  Orgel.  Daher  ist  aach  die  Orgelsonate  nur  in  der  fröhero 
Zeit,  in  der  diese  Form  sich  noch  nicht  vollendet  hatte,  bald  unter 
diesem  Namen ,  bald  (wenn  sie  spielvolier  erschien)  als  Orgelkonzert 
fleissig  gesetzt  worden,  und  bat  sich  weder  bei  den  allen  Meistern  auf 
die  Höhe  anderer  Formen  des  Orgeisatzes  erheben,  noch  an  den  Fort- 
schritten und  der  Vollendung  dieser  Form  in  der  Haydn-Beethoven'schea 
Zrit  theilnehmen  können. 
Dasselbe  Urlheil  IriBl 

5.  die  Variation. 

Wenn  unter  diesem  Namen  eine  Reihe  figuraler,  kanonischer, 
fugenhafler  Bearbeitungen  eines  als  Thema  dienenden  Chorals  zusam- 
mengefasst  wird:  so  kann,  wie  sich  von  selbst  versteht,  jede  einzelne 
dieser  Arbeiten  demKarakter  des  Instruments  vollkommen  entsprechen. 
Nur  ist  zu  besorgen,  dass  die'Gesammlheit  derselben  schon  desswegen 
einförmig  erscheinen  werde,  weil  in  ihnen  allen  der  polyphone  Satz  in 
seinen  drei  Hauptformen  vorwaltet  oder  ansschiiesslich  zur  Anwen» 
düng  kommt.  Dann  aber  dürfte  selten  oder  vielleicht  niemals  innre 
Nolhwendigkeit  diese  Reihe  von  Einzelheiten  verknüpren ,  weil  jede 
derselben  nach  der  ihr  gegebnen  Form  schon  ein  für  sich  genügendes, 
abgeschlossnes  Wesen  an  sich  bat,  das  den  meist  liedformigen  oder 
doch  leichter  gehaltnen  Sätzen  der  eigentlichen  VariationenForm  ab- 
geht. Eben  darin,  dass  die  einzelne  Variation  nicht  befriedigt,  liegt 
das  Bedürfniss  zum  Fortschritt  und  hiermit  die  Begründung  und  Recht- 
fertigung der  Variationenform ;  Beides  fehlt  der  Orgelkomposition,  die 
au$  polyphonen  Sätzen  bestebn  soll. 

Entschieden  ungünstiger  ist  diese  Form  für  die  Orgel,  wenn  man 
ihr.  ein  Thema  von  freier  Liedform  und  ganz  oder  vorherrschend  ho- 
mophonem Inhalt  giebt;  der  Grund  liegt  in  der  schon  erkannten  Un- 
geeignetheil der  Orgel  für  homophon  «melodischen  Ausdruck.  Wie  ta- 
lentvoll daher  auch  die  Ausführung  einer  solchen  Komposition,  wie 
geschickt  der  Spieler,  und  wie  sehr  er  auch  bedacht  sei,  der  Unfähig- 
keit des  Instruments  durch  alle  auf  demselben  möglichen  Vorlragsmit- 
tel  abzuhelfen:  stets,  fürchten  wir,  wird  sich  die  Aufgabe  als  eine  un- 
günstige, das  in  seiner  Welt  so  reiche  und  mächtige  lustrument  gegen 
dergleichen  Zumuthungen  spröde  und  ungelenk  beweisen  und  der  Er- 
folg wenigstens  kein  vollkommen  befriedigender  sein. 

Eine  eigenthümliche  Form  der  alten  Meister  kann  hier  nicht  un- 
erwogen  bleiben,  weil  sie  gewissermassenin  das  Fach  der  Varia- 
tion eingreift;  dies  ist  die  Th.  II.  S.  406  besprochne  Form  des 

festen  Basses. 
Allein  wenn  auch  das  Thema  (der  feste  Bass)  ein  Satz ,  also  liedfor- 
mig ist,  so  kommt  er  doch  nicht  zu  liedförmigen  Abschlüssen;   und 


41     

wcoa  er  auch  bisweüeo  homophon  behaDdellwird^sobildetsich  doch  das 
Stioinigewebe  vorherrscbeod  polyphon  und  zu  einem  grossen  Ganzen 
oder  zu  mehrern  grossen  Massen  aus.  Es  fallen  also  beide  gegen  die 
eigentliche  Variation  gerichtete  Bedenken  weg  und  es  bestätigt  sich  die 
Steilnng  dieser  Form  unter  die  der  Fuge  verwandten.  Das  grösste 
Werk  dieser  Gattung  für  Orgel,  die  Passacaglia  von  Seb.  Bach,  ist 
schon  Tb.  II.  S.  411  erwähnt  worden. 

Alle  diese  Formen,  —  Figuralion,  Fuge,  Liiedform,  Sonate,  Va- 
riation können  sich  als 

Orgeltrip 
darstellen,  wenn  man  sie  dreistimmig  flir  zwei  Manuale  und  Pedal 
setzt  und  die  Stimmen  obligat,  wenigstens  vorherrschend  polyphon 
führt. 

Schliesslich  ist  hier  noch 

6.  die  Berücksichtigung  der  gottesdienstlichen 
Verhältnisse  bei  den  Orgelformen 

zur  Sprache  zu  bringen.  Im  Gottesdienst  erweisen  sich  die  Kunstfor* 
men  oft  zu  ausgedehnt  für  den  Zweck  ihrer  Anwendung.  Wie  weit  dies 
für  die  erste  Einleitung  eines  ganzen  Gottesdienstes  und  für  den  Ab- 
schluss  desselben  der  Fall  sein  kann,  bleibt  zweifelhaft;  es  sollte  dem 
Organisten  wohl  frei  stehn  oder  vielmehr  gedankt  werden,  wenn  er  ein 
Paar  Minuten  früher  begönne  oder  später  schlösse,  um  Zeit  für  ein 
ausführlicheres  und  nach  seinem  Ermessen  befriedigenderes  Werk  zu 
gewinnen.  Hier  bat  also  der  Komponist,  wie  uns  scheint,  keine  Rück- 
sicht zu  nehmen.  Allein  im  Laufe  des  Gottesdienstes  kann  zur  Einlei- 
tung eines  neuen  Gesangs  oder  sonstigen  Moments  gedrängtere  Form 
des  Orgelspiels  nöthig  sein.  Hier  bieten  sieb  die  kürzern  Einleitun- 
gen (Tb.  III.  S.  301),  dann  statt  der  Fugen  die  Fugato's,  statt  der 
Figurationen  ganzer  Choralmelodien  solche  Figurationen  dar,  die 
sich  nur  auf  die  erste  Zeile  oder  einen  Thcil  des  Chorals  beschrän- 
ken und  dann  sogleich  abschliessen,  oder  in  den  Choral  selbst,  den  die 
Gemeine  zu  singen  hat,  überleiten.  Dies  Alles  sind  aber  nur  Umbil- 
dungen bekannter  Formen,  die  keiner  besondern  Einweisung  bedürfen. 
Das  Nöthige  ist  darüber  bereits  Tb.  II  gesagt*). 


*)  Biena  der  Aobans  A. 


42 


Ikir  8ate  fbr  Blaehiimtniinrate. 

Die  BeocnDoog  Biechinstrameiite  gebfibrt  orsprunglicb  den- 
jeBtgen  Blasinsiraiiienten,  die  ans  einem  ron  Metall  (Messing)  angefer- 
tigten Rohr  beslebn  und  dorch  ein  metallnes  Mundstück  angeblasen 
werden.  Die  bierher  gebörigen  Inslrnmente  sind  Trompete,  Posanne, 
Waldbom  —  kurzweg  Hörn  genannt.  Von  den  Blasinstrumenten,  die 
ganz  oder  ror^ug^weise  aus  bölzemen  Röhren  besteho ,  nuterscheiden 
jene  Biechinslrnm^ote  sich  auch  dadurch ,  dass  das  Rohr  der  Holzblas- 
instrumente Tonlöcher  bat,  die  durch  den  Finger  des  Spielers  unmittel- 
bar oder  mit  Hu'ire  von  Klappen  geschlossen  und  geöfiTnel  werden 
ko'pnen  und  durch  die  dem  Spieler  eine  vollständige  Tonleiter  zu  Ge- 
bote steht,  während  die  Blechinstrumente  dieser  Tonlöcher  enibehren. 

Bei  der  forlgeschrittnen  Entwickelung  des  Inslrumentenhaus  ist 
indess  für  obige  Erklärung  ein  doppelter  Zusatz  nöthig. 

Erstens  sind  Blasinstrumente  in  Anwendung  gekommen  (z.  B. 
die  Ophikle'iden),  deren  Körper  (Rohr)  ebenfalls  von  Metall  verfertigt, 
aber  nach  Art  der  Holzblasinstrumente  mit  Tönlöcbern  versehn  wird. 
Da  Letzteres  fiir  das  Tonsystem,  mithin  auch  für  das  Wesen  des  In- 
struments, das  Entscheidende  ist,  so  gehören  diese  Instrumente  nicht 
zu  den  eigentlichen  Blechinstrumenten ,  sondern  sind  zu  den  Holzblas- 
instrumenten zu  stellen. 

Zweitens  sind  den  oben  genannten  Instrumenten,  namentlich 
Trompeten  und  Hörnern ,  Vorrichtungen  (und  zwar  Ventile)  zugefügt 
worden,  durch  die  ibre  Tonreihe  vervollständigt,  aber  auch  ihr  Karak- 
ter  bedeutend  verändert  worden.  Diesen  Instrumenten  (die  nach  der 
ihnen  zugefügten  Vorrichtung  Venliltronipeten  und  Ventilhörner  heissen) 
haben  sich  andre  ähnlich  konstruirte  (Kornette,  Tuben  u.  s.  w.)  zuge- 
sellt, die  allesammt  in  die  Klasse  der  Blechinstrumente  gehören,  jeden- 
falls eher  ihnen  als  den  Holzblasinstrumenten  sich  anschliessen.  Dem- 
ungeachtet  sondern  wir  diese  ganze  Klasse  von  Instrumenten ,  die  wir 
kurzweg  Ventilinstrumente  nennen  wollen,  ab,  um  die  eigentli- 
chen oder  ursprünglichen  Blechinstrumente  zunächst  in  ihrem  reinen 
Karakter  und  in  ihrer  wesentlichen  Bedeutung  kennen  und  gebrauchen 
zu  lernen.  Die  Ventilinstrumente  werden  abgesondert  behandelt. 

Wir  haben  es  daher  in  dieser  Abtheilung  nur  mit  Trompeten, 
Hörnern  (sogenannten  Naturlrompelen  und  Naturhörnern  im  Gegen- 


4Ä 

salz  zu  Ventillrorapeten  und  -höraern)  und  Posauoen  za  thnn.  Dieften 
^seilen  wir  die  Pauken  zu.  Es  versteht  sieb,  dass  dieses  Schlag- 
instrument nur  aus  einem  äusserlichen ,  aber  künstlerischen  Grund 
in  die  Reihe  der  Blasinstrumente  tritt,  —  weil  es  nämlich  zunächst  im 
Verein  mit  ihnen  zurThatigkeit  kommt. 

Von  hier  an  durch  die  ganze  Orchesterlebre  hindurch  werden  wir 
den  Stoff  so  zu  ordnen  haben,  dass  mit  jedein  Schritt  der  Reiehthum 
ODsrer  Mittel  wächst  und  jede  vorhergehende  Stufe  den  Forlschritt  er- 
leichtert. 

Den  eigentlichen  Konstaufgabea  werden  wieder  Vorübungen 
(also  gewissermassen  Nachträge  zur  Elementarlehrc)  vorangehn,  deren 
Erspriesslichkeit  sich  aus  reichen,  seit  Jahren  gesammelten  Erfabrun« 
gen  an  den  verschiedenst  begabten  und  vorgebildeten  Schülern  ergeben 
und  erprobt  bat.  Sie  ersparen  dem  Jünger  die  Quat^  sich  in  grössern 
Werken  dnrch  Unerfabreuheit  und  Ungewandlheit  in  der  Instrumenta- 
tion allaugenblickiich  gehemmt  und  eine  Reihe  grösserer,  in  jeder  an- 
dern Beziehung  befriedigender  Arbeiten  ganz  oder  theilwei^Q  verdorben 
ZQ  sehn.  Eigne  Erfahrung  wird  ihn  von  der  Wichtigkeit  der  Vorarbei- 
ten überzeugen*). 


Erster  Abschnitt. 
Kenntniss  der  Trompete  und  Pauke. 

Die  Trompete  wird  in  verschiednen  Stimmungen  angewendet,  die 
später  zu  erläutern,  und  denen  zu  Folge  verschiedne  Arten  des  In- 
struments zu  unterscheiden  sind.  Wir  nehmen  eine  dieser  Arten  oder 
Stimmungen,' die  in  C  stehende,  als  Norm,  um  an  ihr  das  allen  Arten 
Gemeinsame  des  Instruments  zu  zeigen. 

A.  Die  Normal-Trompete. 

Die  Trompete**)  besteht  aus  einem  acht  Puss  (mehr  oder  weni- 
ger)  langen,  engen,  erst  gegen  das  Ende  hin  sich  erweiternden  Mes- 
singrohr***), das  zweimalherum  in  ein  länglich  Viereck  (Oblongnra) 
mit  abgerundeten  schmalen  Seiten  zusammengelegt  ist,  an  demeinen 
offnen  Ende  mittels  eines  kesselförmig  gebildeten,  enggeöffneten  Mund- 
stücks angeblasen  wird,    an  dem  andern  Ende  in  eine  Erweiterung, 


*)  flieran  der  Anhasg  B. 

^  llalieoiseli  tromba^  elartno*  in  der  Metirzabl  trombe,  clarini. 
***)  lo  fdrstlieheo  Rapelleo  nod   bei  bevorsa^eo  Mililair-MankebÖreo   Model 
man  bUweileo  silberDe  Trompeten.  Sie  habeo  aber  weniger  bellev  Klaog. 


44 


den  Schalltrichter  (Becher,  Stürze)  geoanDt,  aasläaft.  Das  Rohr  ist 
darchgängig  geschlossen ,  ohne  Tonlöcber  oder  andre  Vorrichlnng  zur 
Tonerzeugang. 

Dieses  Instrument  bringt  znnSchst   folgende  Natur  töne    her- 


S7 


von  denen  jedoch  1)  der  tiefste  Ton  (gross  c)  nur  schwer  und  rauh  an- 
spricht nnd  nicht  recht  feststeht;  2)  auch  der  nächste  Ton  (kleine)  einen 
rauhen  Klang*)  hat;  3)  das  eingestrichne  b  ursprünglich  zwar  etwas 
zu  tief  ist,  jedoch  vom  Bläser  mittels  starkern  Druckes  fest  und  rein 
inlonirt  werden  kann**);  4)  das  zweigestrichne  b  und  das  dreige- 


*)  Die  AlleD  naooteo,  bezeichDend  ^enog,  das  tiefste  (7  Fla  tter^rob  und 
das  Diebsle  G r 0  b s  li  m  m e. 

*>)  Dieses  tod  den  Komponisteo  beaalsle  b  kann  voo  jedem  Orebester-Tronpe- 
Cer  sieber  gerodert  nod  za  mancherlei  KlfekteD  beoutzt  werden.  So  verwendet  es 
Beethoven  in  der  beroiscben  Symphonie  (in  Es dür^  S.  79  der  bei  Simrock  er- 
schieoeneo  Parti tar)  wie  hier  bei  a.  — 

(b    des)  b.  Tr.  in  C. 


Trombo 
in  Es. 


Kla^er- 
antzng. 


i 


2S 


i^^. 


i^^^^E 


^^^^^Ä=j^^E 


^^: 


te=^^ 


ifez 


^5: 


-*i-^ 


>.      >       >      > 


zam  m'ächtifcsten  Anklang  seines  sebärtsten  Tons ;  so  könnte  in  einem  Tonsatz  ans 
^dormit  C-Trompeteo  eine  starke  Modulalion  durch  TrompetentSoe,  die  der  ur^ 
spriioglichen  Stimmung  scheinbar  fremd  sind  ,  eingeleitet  oder  unterstützt  werden, 
wie  oben  bei  b. 

Was  hier  mit  verschiednen  Stimmungen  der  Trompeten,  mit  Ks-t  C-Trompe- 
ten  u.  s.  w.  gemeint,  flndetsieh  weiterbin  erläutert« 


45 


slricbne  i/ und  eDur  sehr  schwer  and  seilen, — auf  den  jetzigen  Trompeten 
vielleicht  von  keinem  Bläser  erreicht  wird,  auch  5)  das  dreigestrichne 
c  nur  auf  den  Trompeten  tiefster  Stimmungen,  aufJS-,  C^y  D-^  Es-Trom- 
pelen,  und  in  der  gunstigsten  Tonfolge,  z.  B.  im  aufsteigenden  Ak- 
korde, — 


und  auch  da  nur  von  wenigen  Bläsern  unter  günstigen  Umständen, 
wenn  der  Bläser  noch  nicht  ermüdet  ist,  gefasst  werden  kann.  So  be- 
schränkt sich  abo  die  R^ihe  der  sicher  zu  habenden  Töne  auf  diese 
Tonfolge : 


^o^^^^^B 


Fh^?=c 


rp 


Die  hier  ausgelassenen*)  sind  nicht  füglich  im  Orchester  zu  fodern; 
wenigstens  thut  man  wohl,  auf  sie  nicht  für  wiesentliche  und  her- 
vortretende Züge  der  Komposition  zu  rechnen.  Wie  viel  dagegen  ein- 
zelnie  Virtuosen  vermögen  und  was  man  ihnen  im  Solosatze  zumu- 
then  kann,  ist  nicht  vorauszubestimmen. 

Neben  diesen  Naturtöoen  können  durch  Stopfen  noch  andre  her- 
vorgebracht werden.  Zunächst  erscheinen  (durch  sogenanntes  halbes 
Stopfen)  mit  Leichtigkeit  (weil  man  sie  mit  gleichem  Lippendruck 
fasst)  die  Halblöne  unter  den  drei  höchsten  Naturtönen ,  sowie  auch 
(durch  sogenanntes  ganzes  Stopfen)  der  Ganzton  unter  dem  höchsten, 
femer  der  (halbgestopfte)  Halbton  unter  dem  mittlem  g^  — 


41 


^ig^p^ 


von  denen  zwar  der  dritte  (y*)  leicht  etwas  zu  hoch  anspricht,  in  dia- 
tonischer Folge  aber,  besonders  von  oben  nach  unten  (weil  dann  der 
Naturton  den  von  ihm  aus  gestopften  vorausgeht),  — 


*)  Doch  bat  der  Verf.  io  ^ioem  lug^bren  iDstrameoralsatz  —  ond  zwar  im 
Piano  —  von  der  tiefen  Oktave  (klein  0,  eingestrichen  e)  mit  sicher  zutreffendem 
Erfolge  Gebraacb  gemacht;  und  zwar  mit  brancbbaren,  keineswegs  aber  ausge- 
zeichneten Bläsern.  U  h0bern  Stimmangea  erscheint  klein  e  ohne  Sehwierigkeit 
und  gut. 

**)  Aus  dem  Messias  von  Händel,  mit  Mozart's  Tnstrumentation ,  Nr.  44 
der  bei  Breitkopf  und  Härtet  beransgegebneo  Partitur.  Die  Trompete  ist  eine  D- 
Trompete. 


46     

aueb  wohHn  chromatischer  Folge ,  nicht  so  sicher  aber  io  Sprüngen 
oder  mit  friscbem  Einsatz  rein  und  sicher  kommt. 

Auch  jn  der  eiBgestrichnen  Oktave  ist  von  jedem  Naturton  zu- 
oäcbst  (durch  balbes  Stopfen)  der  tiefere  Halbton,  dann  (durch  ganzes 
Stopfen)  der  tiefere  Ganzton  — 

ganzes,  lialhcs  g.,    h.,  h.,        halhea  Stopfen. 

zu  erlangen,  aber  schwerer  und  unsichrer,  besonders  die  ganz  gestopf- 
ten Töne,  die  nur  nach  Vorausgang  der  Naturtöne ,  von  denen  aus  sie 
gebildet  werden ,  einigermassen  sicher  zu  fassen  sind.  Man  thut  daher 
wohl,  auf  sie  ganz  zu  verzichten  und  sich  überhaupt  für  das  Orche- 
ster.auf  diese  Tonreihe,  — 


44 


:±=\z 


allenfalU  mit     nnd      » 


lOr 


und  zwar  unter  der  oben  (5r  den  Gebranch  des /angedeuteten  Weise 
zu  beschränken. 

Die  Natur  tone  der  Trompete  (Nr.  40)  haben  einen  hellen, 
durchdringenden  und  in  der  tiefern  Region,  bis  zum  zweigestrichnen  c, 
schmetternden  Klang;  das  Schmetternde  und  etwas  Rauhe  verliert  sich 
von  c  an  und  der  Klang  tritt  nun  in  noch  gedrängterer  und  veredelter 
Kraft  hervor.  Die  leicht  erreichbaren  Stopftöue  der  zweigestrichnen 
Oktave  (Nr.  41)  schliessen  sich  dem  Klang  der  Naturtöne  fast  nnnnter- 
scheidbar  an;  die  andern  haben  einen  gedrücktem  Klang.  Alle  Töne 
des  Instruments  können  übrigens  so  lange  gehalten  werden,  als  der 
Athem  des  Bläsers  reicht. 

Was  nun  die  Behandlung  der  Trompete  betrifft,  so  kann  jeder 
ihrer  zuvor  (Nr.  44)  aufgeführten  Töne  für  sich  mit  Sicherheit  einge- 
setzt werden ;  nur  ist  der  freie  Einsatz  des/und/^  nicht  so  sicher,  als 
der  der  andern  Töne,  man  bringt  sie  lieber  (wie  in  Nr.  42  gezeigt  wor- 
den) im  Gefolge  von  bequemern  Tönen  vor.  Auch  das  höchste  g'  und 
das  tiefste  (kleine)  c  —  wenn  man  letzteres  überhaupt  gebrauchen  will 
—  ist  nicht  siclier  zum  ersten  Einsatz ,  sondern  erst  nach  Vorgang  be- 
quemerer Töne  zu  fodem. 

Abgesehn  hiervon  ist  jede  Ton  folge  innerhalb  des  angegebnen 
Tonsystems,  also  auch  jeder  beliebige  Sprung  möglich;  allein  je 
weiter  die  Sprünge ,  deslo  schwerer  und  unsichrer  sind  sie  (weil  die 
hohen  Töne  eine  andre  LippenhalUing  nölhig  machen  als  die  tiefen), 
desto  mehr  fodem  sie  Zeil  zwischen  dem  einen  und  dem  andern  Tone,  — 
desto  ermüdender  endlich  sind  sie  für  den  Bläser.  Am  leichtesten  ge- 
lingen die  der  Tonfolge  des  Systems  selbst  entsprechenden ,  die  an  die 
einfachsten  Grundformen  der  Melodie  anlehnenden  Tonreihen,  z.  B. 


47     


*^  ^^F^^^^^^^^^^^^^^ 


wie  wir  sie  einst  (Th.  1.  S.  59)  schon  bei  dem  Satz  der  NatarharmoDie 
kennen  gelernt  haben ;  atich  diese  sind  nm  so  leichter  nnd  kdnnen  um 
so  kräftiger  oder  schnellbewegter  hervorgebracht  werden,  je  mehr  sie 
sich  anf  einen  engen  Raum  beschränken.  Am  schnellsten  ausFcihrbar 
isl  die  Tonfolge  in  den  harmonischen  Figuren  der  eingestrichnen  Ok- 
tave (wie  in  Nr.  45  a.,  b.)  bis  zum  zweigestrichnen  c,  höchstens  e; 
hier  ist  eine  Bewegung,  wie  etwa  die  der  Sechszehntel  im  Allegro 
moderato^  wohl  ausfuhrbar.  Die  Töne  der  zweigestrichnen  Oktave,  be- 
sonders in  weiterer  diatonischer  oder  gar  chromatischer  Folge  (Nr.  41, 
42),  können  nicht  wohl  schneller  als  in  derAchteibewegungdes  J^///>^/*o 
möderato  gefodert  werden;  doch  gelingt  die  schnellere  Bewegung 
zweier  oder  dreier  wiederholt  wechselnder  Töne  in  schrittweiser  Folge, 
z.  B.  hier  bei  a.,  — 

a.  ^ifMMi      I    ;  CSS     fm        ^* 


ioi  Forle  anch  in  dieser  Region,  nur  nieht  höher.  Uebrigens  ist  schnelle 
Bewegung  aus  tiefem  zu  höhern  Tönen  (Nr.  45  a.)  leichter,  als  die 
entgegengesetzte  (Nr.  46  b.). 

Auch  die  Wiederholung  desselben  Tons  ist  je  nach  der 
Tonregion  in  gleicher  Schuelligkeit,  wie  oben  angegeben,  möglich  und, 
wenn  sie  sich  nicht  über  vier  bis  seclis  gleiche  Tonanschläge,  —  wie 
Wer  — 


"^m 


TLrH- 


r^t££rr 


erstreckt,  leicht  und  wohl,  ohne  Ungleichheit  und  Anstrengung, 
möglich. 

Eine  eigenthümliche  Tonwiederholung  unterscheiden  wir  von 
dieser  gemessenen:  das  als  Rarakterbezeichnung  für  die  Trompete 
schon  im  allgemeinen  Sprachgebrauch  stehend  gewordne  Schmet- 
tern, den 

Schmetterschall 

der  Trompete.  Dnrdi  Hineinstosscn  gewisser  Silben  in  das  Instrument 
unter  dem  Blasen  kann  nämlich  der  Trompeter  einen  Ton  in  grosser 
Schnelligkeit  (so  schnell  seine  Zunge  den  Laut  wiederholen  kann)  und 
sehr  lange  (so  lange  Athem  und  Zungenkraft  reichen,  —  wir  haben 
deren  drei  und  vier  Takte  %  im  Allegro  mo^erato  lang  gehört)  in 
jedem  Grade  der  Stärke  von /7p  bis^,  auch  ab-  und  zunehmend  diese 


48     

Schailweise  fortsetzen.  Der  Trompeter  nennt  diese  Spielweise  die 
,,Zange*%  wenn,  er  sie  in  bestimmter  Weise  rbylhmisirt,  den  ,,ZttD- 
genscblag^S  Die  Zunge  findet  man  bier  — 


bei  A.|  den  Zangenschlag  bei  den  Triolen  angewendet.  Beide  Formen 
ergeben  ein  krallig  erbebendes  oder  scbütlerndes  Wiederholen  des 
Tons,  das  dem  lebendigen  nnd  energischen  Klang  des  Instruments  sehr 
entsprechend  und  ihm  vor  andern  Blasinstrumenten  theiis  vorzugsweis, 
theils  ausschliesslich  eigenthümlich  ist.  Uebrigens  kann  dies  Schmet- 
tern nur  ati  den  vier  untern  Tönen  g — c— e — g^  —  allenfalls  noch  auf 
b  und  c,  am  besten  auf  dem  untern  e  und  g^  mit  Leichtigkeit  und  Kraft 
ausgeübt  werden;  mit  jedem  höhern  Ton  wird  es  schwerer,  in  den 
höchsten  Tönen  unausführbar.  Bezeichnet  wird  es ,  wie  Nr.  48  zeigt, 
bald  als  Tremolo,  bald  als  Triller*). 

Dies  ist  der  Tonumfang  und  Wirkungskreis  der  Trompete.  Aeus- 
serlich  betrachtet  erscheint  er  sehr  beschränkt,  ja  höchst  lückenhaft* 
Allein  tiefer  eingehende  Auffassung  zeigt  zwischen  dem  Karakter  und 
den  Mitteln  des  Instruments  die  erwünschteste  Uebereinstimmung.  Für 
den  heldenhaft  klaren  und  eindringlichen  Klang  des  Instruments ,  für 
diesen  Heldenkarakter,  der  selber  nur  ein  einfacher,  nicht  ein  vielsei* 
tiger  ist,  bedarf  es  keines  Reichthums  an  Tonwendungen  und  Mitteln ^ 
der  vorhandne  —  die  Töne  des  hellsten  Akkordes  (des  grossen  Drei- 
klangs durcli  mehr  als  zwei  Oktaven),  die  zweite  harmonische  Masse 
(Th.  I.  S.  56),  die  Tonleiter  bis  zur  Dominante  können  genügen.  Diese 
Töne  stehn  in  allen  Abstufungen  der  Stärke ,  in  schneller  Folge  und 
weithin  rufendem  Aushallen,  besonders  mit  dem  metallen  durchbrechen- 
den Schmetterton  zu  Gebote.  Selbst  die  Armuth  der  Tonreihe  dient 
dem  das  Instrument  tiefer  Erkennenden  zum  fördernden  Winke;  sie 
nöthigt  ihn,  einem  andern  künstlerischen  Mittel  um  so  entscheidendere 
Kraft  zuzuertheilen,  —  nämlich  dem  Rhythmus,  der  für  seine  entschei- 
dende Kraft  am  entscheidungskräfUgen  Instrumente  das  entsprechende 
Organ  findet. 

B.  Arten  und  SUmmiingeB  der  Trompete. 

Allein  bei  alledem  würde  der  Tongehalt  der  Trompete  für  die  Mit- 
wirkung bei   ausgedehntem,  modulationsreichen  oder  von  Hans  ans 


*)  Die  letztere  Bezeicbnaog  ist  eioe  uneigeDtliche  nod  kSoote  iosofero  einiget 
0edf*ol[en  findea,  als  wirkliche  Triller  aaf  dem  zweigestncbneo  d—e^  e — d^  aoeh 
e^b  möglich  siod.  Alleid  letztere  taugen  seilen  etwas,  sollten  also  lieber  ganz  oo- 
gebraucht  bleiben ,  und  so  füllt  das  Bedenken  gegen  die  Triller-  statt  Tremolo-Be- 
zeichnung weg. 


49     

nicht  in  Cdar,  sondern  in  andern  Tonarten  stehenden  Kooiposiüonen 
nnzureicbend,  oft  gar  nicht  anwendbar  s«in.  Man  hat  daher  Trompeten 
von  yerschiedner  Grösse  (Länge  des  Rohrs)  eingeführt,  die  den  im  Vor- 
herigen aufgewiesnen  Tongebalt  aaf  andern  Stufen  darstellen,  mitbin 
fiir  andre  Tonarien  oder  Akkorde  ebenso  anwendbar  sind,  als  der  oben 
gefandne  Tongehalt  für  die  Tonart  Cdur.  Ein  längeres  Robr  giebt  ein 
tiereres,  ein  kürzeres  giebt  ein  höberes  Tonsystem.  Hierauf  bezieht 
sich  der  Zusatz  zu  der  S.  43  angegebnen  Länge  der  Trompete  von 
achtFoss;  eine  Trompete  mit  so  langem  Rohr  giebt  ihren  Tongehalt 
auf  dem  Urton  C  oder  in  Cdur  an. 

Die  Stimmungen  der  Trompete ,  vermöge  der  grossem  oder  min- 
dern Länge  des  Rohrs,  begründen  verschiedne  Arten  des  Instruments, 
die  sich  übrigens  in  Allem  gleich ,  mir  in  ihrem  Urton  und  damit  in  der 
hohem  oder  tiefern  Lage  ihres  Tonsystems  verschieden  sind;  eine  Ver- 
schiedenheit, die  dann  noch  einige  später  zu  erwähnende  Folgen  nach 
sich  zieht.  Die  Noten  für  sämmtliche  Arten  der  Trompete  werden  so 
geschrieben,  als  wäre  das  Tonsystem  stets  auf  den  Urton  C  gegründet; 
ßr  alle  Trompeten-Arten  wird  also  durchgängig  in  Cdur  gesetzt,  wie 
wir  von  Nr.  37  bis  hierher  gethan  bähen.  Für  jede  Art  aber  werden 
diese  Noten  in  das  besondre  Tonsystem  übertragen,  das  von  dieser  Art 
angegeben  wird. 

Es  giebt  zunächst  folgende  Arten  der  Trompete ; 

1.  Die  5-Trompete  (tromba  in  ß), 
deren  Töne  eine  Stufe  unter  dem  Normalton  C,   also  in  der  Tonart 
BivLV  stehn.  Der  so  — 


..  ^pSWg^ii^g^^^ 


in  Noten  geschriebne  Tongehalt  der  JS-Trompete  erklingt  mithin  so,  - 


«^^^^^^s^^m 


also  in  der  Tonart  J9dur. 

2.  Die  C-Trompcle. 

Diese  giebt  ihre  Tonreihe  an,  wie  sie  geschrieben  wird;  es  ist  also 
hier  Alles,  was  wir  von  ihr  als  Normaltrompete  gesagt  haben,  ohne 
Umsetzung  in  eine  andre  Tonart  zu  verstehn. 

3.  Die  D-Trompete, 

die,  wie  schon  der  Name  zeigt,  eine  Stufe  höber  steht  als  die  Normal- 
trompete; ihre  Notenreihe  (Nr.  49)  ertönt  mitbin  so : 


51 


i^^^zS!^ 


m 


M«rx,Kottp.  L.  IV.  S.Aofl. 


50 


sie 


4.  Die  £i-Troinpete ; 
siebt  in  Es  dur;  ihre  Noteoreibe  (Nr.  49)  ertöot  so: 


5.  Die  ^-Trompete» 

6.  Die  F-Trompelc, 

7.  Die  C-Trompele, 

8.  Die  ^-Trompete, 

9.  Die  hohe  A-Trompete, 
welche  letztere  eine  Oktav  über  der  «gewöhnlichen  oder  tiefen  i?-Trom- 
pete  steht,  daher  sie  mit  tromba  in  B  ailOj  die  tiefere  0-Trompete  da- 
gegen mit  tromba  in  B  basso  bezeichnet  wird  ^  endlich 
10.  Die  ZT-Trompete. 
Die  Stimmung  der  Trompetenarten  von  5.  bis  10.  versteht  sich 
nach  dem  Vorhergehenden  von  selbst;  man  kann  sich  Stimmung  and 
Umfang  aller  Arten  in  folgendem  Schema  — 

1.  tiefefi-Trompetey*  b    d   f  as    b    hccisdes'e^T 

2.  C-Trompete  g  c    e   g    b    Tc^^^T^ßs^    c 

3.  Z)-Trompete  a  1  fis  a    T   Sf  Jis  e  J'  ßf  g  gu  «* 

4.  JE>-Trompete  b  es  g    b  3es  S  7  J^ßi '  'g    ^    ^  T 

5.  C-Trompete  k  7  gü  h    3"  T  ßß  g  gü  ^   iS  I 

6.  F-Trompete  7  /    a    7  es  jTß  g  gts  ^   T   T    c 

7.  G-Trompete  4  ?   A    7  ^  g  gis'a  ^  T 

8.  ^-Trompete     e    a    w^g^iisT'ocM 

9.  hohe  0-Trom- 

petc  ß  F  7  ß  as  T  T    ccw7 

10.  Ä-Troropete     ßs    J  iBsßs    a   K  c  cu   T  Mi 
vergegenwärtigen. 

Das  hier  aasgelassene  kleine  c  (S.  45)  ist  in  den  tiefen  Arten 
(tiefe  B-y  C-  and  Z)-Trompeten)  nicht  so  wohl  berauszubringen*),  als 
bei  den  höhern  Arten. 

Die  tiefe  B^  und  die  C'Trompete  kann  die  höchste  oben  gesetzte 
Note  (also  die  J9-Tjrompete  das  zweigestrichne  b ,  die  C-Trompete  das 

*}  Für  />-Trompetea  liaU4(S.45)  der  Verf.  da«  kleioe  e  in  einem  drtmatitcheD 
Satze  selbst  gesetzt  und  vellkomBieo  gelaagea  iQsfdbrea  boren  ;  derRlan^  war^  wie 
oben  gesagt,  rauh,  entspraeh  aber  eben  dadurch  dem  Sinne  der  Situation. 


51      

dreigestrichne  c)  aUenfalls,  die  /^-Trompele  kann  sie  vielleicht,  die 
böhern  Arten  können  sie  schwerlich  erreichen*);  die  Es-  und  f-Trom- 
pete  können  die  Note  g  wohl  im  Akkordgange  (a.)»  — 


» ^^^fegfejßrEc^:^ 


nicht  so  wohl  aber  sprongweis  oder  in  diatonischer  Folge  (b.)  erreichen. 
Die  F-Trompete  kann  allenfalls  den  Gang  in  Nr.  54  a. ,  nicht  aber  f 
nni Jis  herausbringen;  die  höhern  Trompeten**)  dürften  mit  Sicherheit 
nicht  über  die  Note  des  zweigeslrichnen  e,  die  hohe  J9-Trompete  nicht 
über  das  zweigestrichne  c  (dem  Ton  nach  b)  hinaufzufahren  sein. 

Für  die  hier  fehlenden  Stimmungen  ist  allerdings  noch  durch 
besondre 

Setzstücke 
gesorgt,  —  bogenförmige  Röhren ,  die  zwischen  Mundstück  und  Rohr 
eingeschoben  werden  und  das  letztere  verlängern.  Hierdurch  wird  die 
Stimmung  um  eine  halbe  Stufe  erniedrigt,  es  wird  also 

aus  der       ^-Trompete  eine        ^  -  Trompete, 

-  .         C-        .         -  H  -        •**) 

-  -  />.        -  -  Des-       - 

-  .  C-        -         .  Ges"      - 
-         -^-        -         -  hohe  j4s' 

und  so  entstehen  fünf  neue  Arten,  deren  Tongehalt  man  sich  nach  dem 
Schema  Nr*  53  leicht  vorstellen  kann.  Hiernach  gab'  es  nun  Trompe- 
ten von  tief  -^,  tief  5,  iST,  C,  Cis  oder  Des^  ö,  Es^  E^  F,  Fis  oder 
GeSf  G,  As^  hoch  A^  hoch  B  und  hoch  H.  Allein  durch  die 
Setzstücke  scheint  Klang  und  Tonreinheit  der  Trompete  mehr  oder 
weniger  —  denn  auch  hier  kann  ein  geschickter  Bläser  nachhelfen  — 
beeinträchtigt  zu  werden.  Es  dürfte  daher  rathsam  sein,  sich  auf  die 
bei  Nr.  53  von  1.  bis  T.f)  aufgeführten  Arten  zu  beschränken. 


*)  Volle  Bestimmtheit  ist  in  all  diesen  Punkten  nicht  zu  peben ,  weil  dabei 
sa  viel  auf  die  besondre  Anlage  ond  Uebnog  jedes  einzelnen  Bläsers  ankommt ;  dem 
Binen  %e\\ik$i^  was  der  Andre  für  ODansfohrbar  erklärt.  Man  tbnt  wohl,  das  Bedenk- 
liche zn  vermeiden  —  nod  kann  es  in  der  Regel  ohne  wesentlichen  Verlust. 

**)  Der  Verf.  kennt  diese  (die  (7-,  A-^  hohe  ^-Trompete)  nur  ans  Büchern, 
nicht  ans  eigner  Auffassung,  erinnert  sich  auch  nicht,  sie  in  den  Partituren  der 
Meister  je  gefunden  zu  haben,  kann  also  nicht  sicher  nber  sie  berichten.  In  Mili- 
tairmusikch&'rea  werden  sie,  wird  sogar  hier  und  dort  eine  hohe  C-Trompete  ange- 
wendet, nicht,  wie  wir  von  sachverständigen  Zeugen  vernehmen,  in  der  prenssi- 
sehen  Militairmusik. 

***)  J7- Trompeten  hat  unter  andern  R.  M.  v.  Weber  in  der  Einleitung  zum 
dritten  Akt  der  Enryaothe,  naobgehends  auch  R.  Wagner  im  Tannhäuaer  ge- 
braucht. 

f )  In  den  MusikebSren  der  preussiscben  Infanterie  ist  die  (T-Trompete  fest 
eingeführt  und  wird  durch  Setzstücke  für  die  tiefem  Stimmungen  verwendbar  ge- 
macht. 


52     

Dies  sind  die  weseallichsten  Unterschiede  der  Trompetenarlen . 
Aber  auch  im  Klange  scheint  eine  Verschiedenheit  stattzufinden ,  die 
von  der  Geschicklichkeit  des  Bläsers  wenigstens  nicht  gänzlich  über- 
wunden werden  kann.  Die  A-Trompete  hat  einen  vollen,  etwas  posau- 
nenhaften, —  die  C-  und  /)- Trompete  haben  einen  kalten,  etwas 
rauhen  Klang,  —  die  Es-^E-  und  F-Trompelen  haben  einen  festen  und 
gedrungenen,  durchdringenden,  nicht  aber  rauhen  Klang,  daher  sie  am 
liebsten  zu  reichen  (konzertirenden)  Solosätzen  benutzt  werden.  Vor- 
nehmlich hängt  allerdings  die  Wahl  der  Trompete  von  der  Tonart  der 
Komposition  ab ;  man  wird  daher  in  der  Regel  zu  Kompositionen  in  Es 
auch  £« -Trompeten  setzen,  und  so  in  andern  Fällen.  Allein  die  Er- 
kenntniss  des  besondern  Klangkarakters  kann  (wie  später  zur  Sprache 
kommen  wird)  auch  hierin  Manches  ändern. 

In  grössern  Kompositionen  kann  man  bei  dem  Uebergang  in  fremde 
Tonarten  die  Mitwirkung  der  Trompeten  nothwendig,  gleichwohl  die 
ursprünglich  gewählte  Trompetenart  für  die  neue  Tonart  unanwendbar, 
oder  doch  nicht  ergiebig  genug  finden.  Hier  bietet  sich  dann  die  Aus- 
kunft dar,  im  Laufe  der  Komposition  andere  Trompeten  ergreifen  zu 
lassen ,  oder  die  Stimmung  (durch  Einsatz  neuer  Bogen,  die  das  Rohr 
der  Trompete  verlängern  oder  verkürzen)  zu  verändern,  z.  B.  aus  den 
Z)-Trompeten  £>e«-Troropeten  zu  machen.  Allein  der  Bläser  muss  zu 
dem  Einsatz  der  Bogen  Zeit  haben,  —  etwa  12  bis  16  Takte  Pansen  im 
langsamen,  oder  20  bis  24  im  schnellen  Tempo. 

C.  Die  Pauke. 

Die  Pauke  bat  bekanntlich  ein  über  einen  kesseiförmigen ,  Klang 
und  Schallkraft  bedingenden  Körper  von  Kupferblech  straff  gezogenes 
Fell,  auf  dem  der  Ton  durch  den  Anschlag  mit  Paukenstöcken  (Schlä- 
geln) hervorgebracht  wird.  Jede  Hand  führt  bekanntlich  einen  solchen 
Schlägel*),  es  kann  daher  die  Pauke  mit  einem  einzigen  oder  beiden 
Schlägeln  gleichzeitig  (oder  möglichst  schnell  nach  einander,  fast  gleich- 
zeitig) oder  auch  abwechselnd  mit  einem  nach  dem  andern  angeschla- 
gen werden.  Der  gleichzeitige  oder  fast  gleichzeitige  Anschlag  giebt 
einen  vollem,  der  Anschlag  mit  einem  einzigen  Schlägel  einen  härtern, 
abgebrochnern  Klang ;  fände  man  nöthig,  den  erstem  ausdrücklich  vor- 
zuschreiben, so  müsste  die  Note  auf-  und  abwärts  gestrichen  werden. 

Die  Pauke  giebt  nur  einen  einzigen  Ton ;  dieser  kann  vom  leise- 
sten Piano  bis  zum  dröhnenden,  härtesten  Forte,  er  kann  kurz  abge- 


*)  Die  Schlägel  babeo  an  dem  aaffehlageodeo  Eode  bekaootlich  HelzkoSpfe. 
Lässt  man  diese  oobedeekt,  so  ist  derKlaog  des  lostraments  dörr,  trocken;  werden 
sie  mit  Leder  öberzogeo,  so  ist  er  gemildert,  doch  trocken;  werden  sie  mit 
Schwamm ,  Filz  oder  Gnmmi  elastleom  aberzogen ,  so  ist  der  Klang  weich ,  etwas 
dumpf,  gleichsam  omdonkelt. 


53     

brochen  (slaccaio)  in  allen  möglichen  rhythmischen  Figuren  bis  zum 
rollendsten  Wirbel,  in  dem  kaum  noch  die  einzelnen  Schläge  zu  unter- 
scheiden sind ,  wiederholt  werden ;  der  Wirbel  wird  mit  dem  Triller- 
zeichen —  fr  oder  -^^-^^-^^  —  angezeichnet. 

Dieser  eine  Ton  der  Pauke  kann  durch  Stimmung  höher  oder  tie* 
fer  genommen  werden,  aber  nur  innerhalb  des  Raums  einer  Quinte 
vom  grossen  F  bis  klein  c  und  von  gross  B  bis  klein/;  bei  tieferer 
Stimmung  wnrde  das  Paukenfell  zu  schlaff  und  der  Schall  zerflatternd, 
der  Ton  nicht  bestimmt  herauskommen ,  bei  höherer  Stimmung  würde 
das  Pell  zu  straff  angezogen  und  der  Klang  zu  hart,  wahrscheinlich  die 
Stimmung  auch  nicht  feststehend  sein.  Die  Stimmung  der  Pauke,  nach 
ihrer  bisherigen  Einrichtung,  fodert  einige  Zeit  und  ein  wenn  auch  leises 
Versuchen ;  nach  einer  verbesserten ,  aber  noch  nicht  allgemein  ver- 
breiteten Einrichtung  kann  das  Stimmen  augenblicklich  geschehn ,  also 
im  Laufe  der  Ausfuhrung  selber,  was  nach  der  altern  Einrichtung  nur 
bei  einer  Reihe  von  Pausen  (10  bis  20  Takte  im  Allegro  moderato) 
ralhsam  und  im  Allgemeinen  nicht  erwünscht  war.  Die  verbesserte 
Pauke  lässt  sich  auch  einen  Ton  tiefer  stimmen,  bis  gross  Es. 

Bei  der  Tonarmoth  des  Instruments  werden  in  der  Regel  zwei 
Pauken,  eine  grössere  und  eine  kleinere,  neben  einander  gestellt  und 
in  die  wichtigsten  Töne,  Tonika  und  Dominante,  gestimmt.  Bisweilen 
findet  der  Komponist  sich  zu  abweichenden  Stimmungen  bewogen ;  so 
bat  z.B.  Beethoven  im  Finale  der  achten  uiid  im  Scherzo  der  neun- 
ten Symphonie  die  Pauken  in  die  Oktave  jP--;/* stimmen  lassen.  Bis- 
weilen wird  eine  dritte  Pauke  gesetzt  und  entweder  in  die  Unterdomi- 
nante oder  in  einen  andren  in  Folge  besondrer  Modulation  nöthig  wer- 
denden Ton  gestimmt,  —  eine  Maassnahme,  die  nach  der  neuen 
Paukeneinrichtung  überflüssig  wird*).  Dies  sind  Aasnahmfalle,  die 
man  nach  der  Richtung  der  jedesmaligen  Komposition  zu  beurtheilen 
hat:  als  Regel  darf  wohl  gelten,  dass  die  wichtigsten  Töne,  die  zu- 
gleich Grandtöne  der  wichtigsten  Akkorde  und  nächstnölhigen  Ton- 
arten sind ,  durch  das  rhythmisch  so  mächtige  Instrument  noch  einen 
bevorzugten  Nachdruck  erhalten. 

Auch  die  Pauken  können,  wie  die  Trompeten,  im  Lauf  eines  Ton« 
Stücks  umgestimmt  werden,  am  leichtesten  in  nahe  gelegne  Tonstufeu, 
z.  B.  aus  dm  c  oder  es.  Bei  der  in  neuester  Zeit  getroffnen  Einrieb- 
tang  der  Pauken  kann  dieUmstimmung,  wie  gesagt,  schnell  und  sicher 
geschehn. 


*)  Man  hat  so^ar  in  aotera  Tagen  zur  Anfstelldng  von  acht  Paar  Pauken  ge^ 
griffen  ,  worüber  denn  hier  niebt  weiter  za  artheilen  ist.  Im  vorigen  Jahrhundert 
gaben  farstliche  Hofpanker  anf  14  Paoken  Konzert  nnd  warfen  dabei  noeh  die 
Schlägel  wihrend  dea  Spiels  geschickt  in  die  Luft,  indem  sie  sie  ohne  Taktfebler 
wieder6flgeii. 


54     

'  Will  man  der  Pauke  eiDen  damprern,  lagubern  Klang  gebeo ,  so 
wird  das  Fell  mit  der  Decke  locker  überdeckt  (der  Komponist  mnss  das 
ausdrücklich  mit 

timpani  coperti 

vorschreii>en),  oder  —  was  einen  reinem  Ton  nud  gleicbmässigern 
Klang  giebt  —  es  werden  die  Schlägelknöpfe  mit  Gummi ,  Filz  oder 
Schwamm  (Anmerkung  S.  52)  überzogen. 

Die  Pauken  werden  übrigens  ebenfalls,  wie  die  Trompeten,  Inder 
Regel  in  C  (G — e)  notirt  und  die  eigentliche  Tonhöhe  dann  vorge- 
sehrieben. Doch  geht  man  von  dieser  regelmässigen  Schreibart  gele- 
gentlich auch  ab,  wenn  die  Notirung  der  wahren  Tonhöhe  (wie  in 
den  obigen  Beethoven'schen  Fällen)  bequemer  und  deutlicher  lesbar 
scheint. 


Zweiter  Abschnitt. 
Der  Sati  ffir  Trompeten  und  Pauken. 

Selbständige  Kompositionen  für  Trompeten  und  Pauken ,  mit  Aus* 
schlttss  aller  andern  Instrumente,  können  bei  dem  beschränkten  Ton- 
gehalt jener  Organe  nur  von  beschränktem  Umfang  und  der  Hauptsache 
nach  von  keinem  andern  Inhalt  sein,  als  dem  in  der  Naturbarmonic 
(Tb.  I.  S.  55)  gegebnen.  Dergleichen  Aufgaben  mögen  im  Vergleich 
mit  den  bisher  schon  gelösten  unbedeulend  erscheinen  (im  hohem  Sinn 
ist  keine  Gestaltung  mehr  oder  weniger  bedeutend  als  eine  andre,  jede 
ist  die  rechte  und  vollgenögende ,  die  der  Idee  des  Kunstwerks  ent« 
spricht) :  jedenfolls  dienen  sie  zur  Vorübung  ßir  nmfassendere  lostm- 
menlationen  und  Aufgaben. 

Wenn  der  freie  Künstler  seine  Idee  zu  offenbaren  hat,  so  bieten 
sich  ihm  -^  oder  wählt  er  die  Instrumente,  die  sich  jener  Idee  eignen» 
so  dass  Inhalt  und  Organ  der  Komposition  einig  und  Eins  sind.  Der 
Jünger  muss  von  der  entgegengesetzten  Seite  zu  dieser  Einheit  hin- 
streben. Ihm  wird  das  Organ  gegeben  und  er  hat  aus  dessen  Karakter 
die  Form  und  den  Inhalt  seiner  Komposition  zu  bestimmen.  Dieser 
Weg  ist  nicht  blos  ein  methodisch  nothwendiger,  er  ist  auch  ein  künsl- 
lerischer.  Der  ächte  Musiker  kann  sich  kein  Musikorgan,  z.  B.  nicht 
den  Verein  von  Trompeten  und  Pauken  vorstellen ,  ohne  vom  Karakter 
desselben  angeregt ,  zu  sympathischer  Hervorbringung  gestimmt  zu 
werden. 

Der  durchdringende,  metallisch -helle  Trompetenklang,  der  fun- 
kelnde Schmetlerton ,  der  einfache,  aber  klare  und  energische  Tonge- 
halt des  heroischen  Instruments,  dazu  die  Kraftschläge  oder  der  rol- 


55 

leode,  bald  dumpfere,  bald  körnigere  Donner  der  Packe :  das  Alles  ruft 
znnächst  maebtvolle,  gewalllbälige,  kriegerische  Stimmang  hervor; 
aaf  unserm  jetzigen  beschränkten  Standpunkte  bieten  sich  für  sie  nur 
begränzte  Aufgaben,  —  Fanfaren  und  kriegerische  Märsche. 

Man  mache  sich  und  dem  Schüler  vollkommen  klar,  dass  der  Ton- 
setzer, der  nur  an  abstrakte  Melodien  und  Harmonien  denken  wollte, 
hier  nichts  Nennenswerthes  zu  tbun  hätte.  Die  Sache  ändert  sich  aber 
vollständig,  wenn  die  Phantasie  sich  mit  dem  Klang  und  Wesen  der 
Instrumente  erfüllt  hat  und  man  aus  dieser  Vorstellung  heraus  Melodie 
und  Harmonie  erfindet.  Erst  den  Tonsatz  ausdenken  und  dann  Instru- 
mente herbeiholen,  die  Ihn  ausführen  sollen,  ist  todtes  Machwerk,  Ar- 
raogemenl;  aus  den  Instrumenten  heraus  erfinden,  sie  nach  ihrer  Weise 
sich  aussprechen  lassen  gleich  den  mannigfaltigen  Personen  eines  Dra- 
ma%  das  ist's,  was  den  Meister  im  Orcheslersatz  macht. 

Diese  einfachen  Aufgaben  können  mit  mehr  oder  minderm  Auf- 
wand von  Mitteln  gelöst  werden.  Die  beschränkteste»  aber  noch  ge- 
nSgende  Aufstellung  würden 

1.  Zwei  Trompeten  und  Pauken 

abgeben;  die  Pauken  erscheinen  sofort  als  Bass,  die  beiden  Trompeten 
würden  als  die  gleichartigen  Instrumente  sich  so  eng,  wie  wir  einst  in 
der  Maturharmonie  (Th.  I.  S.  ß2)  gelernt,  an  einander  schliessen.  Mit 
diesen  Mitteln  würden  sich  freilich  nur  Sätze  wie  dieser  — 


MaeAtoso. 


IVomhe 
iu  D. 

55 

Timpani 
in  D.    A. 


i^ip^^^^^i 


s 


g— .-p^E^EEEfe^P!^^ 


bilden  lassen,  die  aber  bei  der  Macht  der  Instrumente  (vollends  wenn 
die  Trompetenstimmen  doppelt  oder  mehrfach  besetzt  werden  können) 
nicht  so  wirkungslos  bleiben  würden,  als  sie  etwa  am  Klavier  er- 
scheinen. 

Die  beiden  Trompeten  ballen  wir  gern  zusammen.  Aaf  kurze 
Glieder  können  sie  vielleicht  einmal  mit  Erfolg  getrennt  werden ,  wenn 
z.  B.,  wie  hier,  — 


56 


Glarini 
in  Es. 

56 

Timpani 
in  B.   Es. 


eio  Schmetterion  (gleichsam  als  besondre  dritte  oder  vierte  Stimme) 
die  Hauptmomente  unterbricht  und  die  eine  Stimme  (hier  die  erste)  ihn 
nicht  ohne  zu  weite  Sprünge  mit  fassen  kann.  Dies  kann  aber  nur  als 
Ausnahme  gelten  und  nicht  wohl  auf  ganze  Abschnitte  oder  Sätze  aus- 
gedehnt werden ,  weil  die  Mittel  doch  zu  gering  sind,  um  selbständige 
Stimmen  möglich  zu  machen.  Auch  die  Pauken  verbinden  wir  aus  dem- 
selben Grunde  mit  den  Trompeten  möglichst  eng;  in  Nr.  55  schweigen 
sie  nur  zu  den  Auftakten  und  einigen  mittlem  Taktnoten,  um  in  ihrem 
eignen  Elemente,  dem  Rhythmus,  noch  energischer  einzugreifen. 

Hiernach  ergiebt  sich  schon  von  selbst,  dass  man  die  zweite 
Trompete  nicht  leicht  über  das  hohe  e  hinauf  und  die  erste  nur  vor- 
übergehend zu  dem  eingestricbnen  c  oder  gar  zum  kleinen  ff  hinabfüh- 
ren wird.  Da  die  hohen  Töne  andre  Lippenhaltung  fodern  als  die  lie- 
fern, so  stört  man  diese  (and  erhält  eine  unvollkommnere  Ausführung), 
wenn  man  die  erste  Trompete  (den  Primarius)  zu  tief  und  die  zweite 
(den  Sekundarias)  zu  hoch  blasen  lässt. 

Stehen  uns  mehr  Trompeten  zu  Gebote,  so  können  wir  statt  der 
zahlreichern  Besetzung  zweier  Stimmen  mehr  Stimmen  setzen,  zu- 
nächst zum  Satz  mit 

.2.  Drei  oder  vier  Trompeten*)  lind  Pauken 

übergehn.  Allerdings  ist  bei  der  Beschränktheit  des  Tonsyslems  auch 
dann  nicht  auf  einen  wahrhaft  drei-  oder  vierstimmigen  Satz  zu  rech- 
nen; nicht  einmal  von  der  Gegenbewegung  zwei  und  zweier  Stimmen 
könnte  ein  andrer  als  höchst  seltner  und  beschränkter  Gebrauch  ge- 
macht werden,  weil  bei  der  spröden  Stärke  und  Heftigkeit  des  Instru- 
ments ein  Durchkreuzen  der  Stimmen  sehr  wild  herauskommen  würde. 
Doch  gewönne  man  bei  vollstimmiger  Besetzung  wenigstens  von  Zeit 
zu  Zeit  grössere  Harmoniemassen.  Die  nachstehende  Intrade**),  — 


*)  Bei  drei  Trompeten  oaDDte  man  die  unterste,  wenigstens  früher,  princf/^a/e, 
bei  vieren  die  dritte  principale  und  die  vierte  toceata ;  zwei  wurden  clarini,  drei 
und  vier  trombe  oder  elarini  e  trombe  genau at. 

**)  lutrade  heisst  eine  für  Trompeten  and  Pauken,  oder  vollständige  Bteob- 
musik  gesetzte  Einleitung  oder  Einnibrung  eines  grössern  Musikstücks  (also  Einlei. 
tung),  oder  einer  feierlichen,  bedeutsamen  Handlung,  Verkündigung  u.  s.  w. 


57 


&^T^-i1i1^ 


die  man  sich  breiter  und  weiter  ausgeführt  denken  muss,  giebl  dazu 
ein  Paar  Belege.  Bei  solcher  Masse  der  Trompeten  durfte  schon  ein  be- 
stimmterer Gegensatz  dieser  und  der  Pauken  gewagt  werden ;  im  vier- 
ten Takte  bilden  sich  vollere  Harmoniemassen ,  so  auch  im  vorletzten ; 
im  vorhergehenden  versucht  sich  ein  Gegensatz  unter  den  Trompeten 
selbst  zu  bilden ,  der  sich  im  letzten  fortsetzt.  —  Für  den  Anfang  hät- 
ten dem  Tongehalt  nach  eine  und  zwei  Trompeten  genügt ;  sollen  wir 
nicht  mit  diesen  allein  anfangen  und  die  übrigen  erst  folgen  lassen, 
wenn  sie  nöthig  sind?  Nein  1  Das  wäre  Zersplitterung  der  Masse  und 
der  Kraft,  und  gerade  bei  dem  energischen,  zu  Machtwirkungen  be- 
stimmten Instrument  am  wenigsten  gut  angebracht.  Selbst  wenn  ein 
Crescendo  beabsichtigt  wäre ,  würde  es  dem  Vortrag  der  Ausführenden 
überlassen  werden  können  und  keiner  Tbeilung  der  Stimmen  bedürfen ; 


58     

vielmehr  gewinnt  eben  im  Piano  der  Klang  der  Trompete  durch  Slimm- 
foile  an  Glanz  und  Wohllaut. 

Man  merke  schliesslich  noch  Folgendes ,  um  nicht  gegen  die  übri- 
gens wobibegründete  Praktik  der  Orchester  zu  Verstössen. 
—  Da  zu  einer  einigermassen  vollständigen  Wirkung  des  Trompeten- 
chors  wenigstens  zwei  Trompeten  gehören  s  so  sind  in  jedem  Orche* 
ster  zunächst  zwei  Trompeter  —  also  ein  Primarius  und  ein  Sekunda- 
rius  —  zu  fodern«  Geht  man  zu  einer  stärkern  Besetzung  über,  so  ist 
das  Angemessensie :  dem  ersten  Trompeterpaar  ein  zweites  —  also 
wieder  einen  Primarius  und  einen  Sekundarius  —  zuzufügen.  Polglich 
ist  die  dritte  Trompete  wieder  von  einem  Primarius  be- 
setzt, der  mehr  aufhöbe  als  tiefe  Tonlagen  eingerichtet  und  berech- 
tigt ist,  nur  für  jene,  nicht  für  diese  verwendet  zu  werden.  So  liegt  in 
Nr.  57  die  dritte  Trompete  höher  als  die  zweite;  sie  ist  eine  Prim  - 
stimme  (obgleich  dem  Inhalt  zufolge  unter  der  ersten  Trompete 
stehend),  die  zweite  und  vierte  Trompete  sind  Sekundstimmen. 

Einen  den  Tongehalt  bereichernden  Gebrauch  Uetet  die  zahlreiche 
Besetzung,  wenn  man 

3.  Trompeten  verschiedner  Stimmung 

mit  einander  zu  einem  Salze  vereinigt ;  hier  ergänzen  sich  die  Ton- 
systeme gegenseitig.  Wenn  man  z.  B.  B-  und  i?«-Trompelen  (Domi- 
nante und  Tonika)  vereinigt,  so  geben  (S.  50; 

die  jB-Trompelen  :J\  bj  rf,  f,  as^  d,  c,  d^  eT,  y*, 
nnddief^-Trompeten:  £,  es^  g,  b,  des^  ^»  7>  Fl  ^»  ^ 
beide  also  vereint  diese  Tonreihe  — 


M 


1 

221212221 


1       1       .       1      1 


^^^^^^^^ 


^ 


(mit  2  sind  die  £-,  mit  1  die  ^^-Trompelen ,  mit  l  beide  zugleich  be- 
zeichnet), die  schwerer  erreichbaren  oder  sonst  bedenklichen  Töne  bei 
Seite  gelassen.  Fügte  man  noch  F-Trompeteu  zu,  so  erhielte  man  fol- 
gende Tonreihe  — 


1    1 


1 


59 


1  2  12  225131 

23213i232S12d»^ 


^.^^e^^^g^^ 


(mit  3  sind  die  F-Trompeten  bezeichnet) ,  aus  der  man  seine  harmo- 
nischen Massen  zusammenstellen  könnte.  Wir  geben  znr  Proke  einen 
kleinen  Satz,  — 


CUrinl 
in  Es. 


Trombe 
in  B. 


Timpani 
in  F:  B. 


^^^^^^^^^^^^ 


^^g^^^^N^^ 


-^^T;r^mi$ 


r 


nach  dem  man  ungefähr  ermessen  kann,  wie  viel  Erfolg  dergleichen  Zu- 
sammenslellangen  bei  mehr  oder  weniger  Sorgfalt  und  Talent  bieten ;  es 
bleibt  in  der  Thal  zweifelhaft,  ob  nicht  durch  Zusammenhaltung  aller 
Trompeten  in  einer  einzigen  Stimmung  an  Glanz  und  Kraft  der  viel- 
fachen Besetzung  mehr  gewonnen  würde,  als  durch  die  Vertheiiung  in 
verschiedne  Stimmung  an  Tongehalt  für  die  Komposition  —  der  am 
Ende  doch  kein  bedeutender  sein  kann. 


60 


Wollte  man  noch  mehr  Trompeten  iu  verscbiednen  SlimmuDgeii 
zusammeostelleii  oder  die  vorhandnen  Paare  in  noch  mehr  Tonarten 
zerstreuen,  so  würde  auch  der  Tongehalt  wachsen,  könnte  man  sogar 
Trompetensätze  in  Moll  herausknnsteln,  denn  darauf  läuft  der- 
gleichen Arbeit  zuletzt  hinaus.  Allein  der  Gewinn  würde  die  Zersplit- 
terung der  Kräfte  (schon  in  unserm  Satz  kommen  die  Instrumente  nur 
in  einzelnen  Momenten  zum  Tutti  zusammen)  nicht  aufwiegen  und  man 
würde  sich  immer  weiter  von  dem  eigentlichen  einfach-mächtigen  Ra- 
rakter,  der  Grundkraft  des  Trompetensatzes  entfernen. 

Wer  dergleichen  Zusammenstellungen  versuchen  will  und  den  Ton- 
gehalt der  verschiednen  Stimmungen  noch  nicht  geläuGg  handhaben  kann, 
thut  wohl,  sich  zuerst  diesen  (wie  oben  in  Nr.  58  und  59)  vorzustel- 
len, dann  die  Romposition  so  zu  notiren,  wie  sie  ertönen  wird  (wir 
geben  als  Beispiel  den  Anfang  des  obigen  Satzes),  — 


2cIo 


und  sie  dann  iu  die  den  Instrumenten  gebührende  Weise  (nach  Cdur 
mit  vorgezeichneten  Stimmungen)  zu  übertragen. 

Es  mag  Jeder  einige  solche  Versuche  machen,  um  auch  hierin  Ge- 
läufigkeit zu  erlangen.  Die  Hauptsache  bleibt  aber  die  Uebung  in  kur- 
zen einfachen  Sätzen ,  wie  die  in  Nr.  55  bis  57  gegebnen.  Dem  Ton- 
gehalt und  der  Form  nach  könnten  diese  Aufgaben  gering  und  unnütz 
erscheinen.  Gewöhnt  sich  aber  der  Uebende,  bei  ihrer  Abfassung  stets 
den  Klang  und  Rarakter  der  Instrumente  sich  gegenwärtig  und  lebhaft 
vorzuhalten,  so  prägt  er  sich  Beides  in  künstlerischer  --  das  heisst 
schöpferischer  Weise  ein  und  hat  für  künftige  grössere  Aufgaben  einen 
Tbeil  der  Organik  zu  eigen  erworben. 


61     

Dritter  Abschnitt. 
Kenntniss  der  Posaune. 

A.  Einrichtung  des  Instniments. 

Die  Posauoe  bat  man  sich  zunächst  als  eioe  Trompete  vorzustel- 
len; Rohr,  Schalltrichter,  Mundstück  haben  dieselbe  Porm^  nur  grösser 
und  weiter.  Sie  hat  also  auch  die  Naturtöne  der  Trompete. 

Sodann  aber  ist  an  der  Posaune  eine  Vorrichtung  getroffen ,  durch 
die  es  ihr  möglich  wird ,  eine  vollständige  chromatische  Tonleiter  her- 
vorzubringen. Ihr  Rohr  nämlich  ist  nicht  aus  einem  einzigen  Stuck, 
wie  das  der  Trompete ,  sondern  aus  zwei  ineinandersteckenden  und 
auseinanderzuschiebenden  Stücken  gebildet,  so  dass  durch  das  Aus- 
einanderschieben  (Ausziehen)  die  Länge  des  Rohrs  vergrössert,  folg- 
lich eine  neue  Reihe  von  Naturtönen ,  ein  tieferes  Tonsystem  erlangt 
wird*).  Dieses  Ausziehen  kann  während  des  Spiels  geschebn,  die  Po- 
saune also  ihr  Tonsystem  ohne  Unterbrechung  des  Spiels  fortwährend 
ändern ,  während  dies  für  die  Trompete  nur  dadurch  erreichbar  sein 
würde^  dass  man  eine  Art  mit  der  andern  (F-  mit  J?-,  Es-,  J9-Trompe- 
ten  u.  s.  w.)  wechseln  liesse. 

Solcher  Auszüge  oder  Züge  kann  sich  der  Posaunist  sechs  be- 
dienen, —  ungerechnet  die  ursprüngliche  geschlossne  Haltung  des  In- 
struments ,  bei  welcher  die  Rohrstücke  fest  ineinandergeschoben  sind, 
mithin  die  höchste  Tonlage  geben.  Jeder  der  sechs  Züge  erniedrigt  die 
ganze  Tonlage  des  Instruments ,  also  jeden  einzelnen  Ton ,  um  eine 
halbe  Stufe,  so  dass  z.  B. 

c    durch  den  ersten  Zug  zu      A, 
durch  den  zweiten  Zug  zu    &, 
durch  den  dritten  Zug  zu      a 
wird  u.  s.  w. 

Nur  bedient  man  sich  des  sechsten  Zugs  nicht  gern,  weil  durch 
ihn  die  beiden  Rohrstöcke  am  weitesten  auseinandergeschoben  werden 
und  die  Haltung  an  Sicherheit  verliert.  Diese  Schwierigkeit  ist  indess 
keineswegs  unüberwindlich.  Wenn  ein  durch  den  sechsten  Zug  erlang* 
barer  Ton  dem  Komponisten  wesentlich  nothwendig  ist,  so  muss 


*)  Die  beiden  Tbeile  des  Rohrs  sind  l)da8Haoptstück:  zwei  gleicblange, 
einzelne,  oben  dnrcb  einen  Qnergriff  festverbnndne  Röhren ,  on  deren  einer  das 
Mnndstüelc  aufgesetzt  wird,  während  die  andre  in  den  Schalltrichter  anslänft; 
2)  die  Stangen  (Stiefel),  zwei  durch  ein  Bogenstück  verbandne  Röhren,  die 
auf  die  Röhren  des  Haoptstücks  passen  and  auf  demselben  bin  nnd  her  geschoben 
werden  können. 


62 


man  auf  die  Geschicklichkeit  uod  Aufmerksamkeil  des  Spielers  rechnen 
dürfen ;  ist  der  Ton  des  sechsten  Zugs  nicht  unentbehrlich ,  so  scheint 
es  wohlgeratheu,  dem  Spieler  keine  unnölbige  Schwierigkeil  zu 
machen. 

B.  Tongehalt. 

Obgleich  auf  der  Posaune  vermöge  ihrer  grossem  Länge  und 
Weite  nicht  alle  Naturtöne  so  gut  zu  haben  sind,  wie  auf  der  Trom- 
pete'*)9  so  steht  ihr  doch  durch  ihre  Züge  eine  weit  vollständigere  Ton- 
reihe zu  Gebot.  Um  dieser  nach  Höhe  und  Tiefe  grössere  Ausdehnung 
zu  geben,  bedient  man  sich  der  Posaune  in  verschiednen  Grössen ,  und 
zwar  sind  jetzt  drei,  also  drei  verschiedne 

Arten  der  Posaune 
üblich**).  Diese  Arten  sind,  abgesehn  von  der  Grösse  und  der  dadurch 
bedingten  Lage  des  Tonsystems ,  durchaus  von  gleicher  Beschaflenheit 
und  Behandlung.  Wir  wollen  sie  erst  kennen  lernen ,  um  einen  Ueber- 
blick  über  das  gesammte  Tongebiet  der  Posaune  zu  gewinnen ,  dann 
aber  alle  zusammenfassen  zur  Erkenntniss  ihres  Karakters  und  der  für 
sie  geeigneten  Setzweise. 

Die  drei  Arten  der  Posaune  werden  nach  ihrer  Tonlage  B  a  s  s -, 
Tenor-  und  Alt- Posaune  genannt.  Bleibt  das  Rohr  geschlossen 
(die  Stangen  so  weit  wie  möglich  über  die  Röhre  des  Hauptstücks  ge- 
zogen), so  ist  der  Tongehall***),  —  den  wir  die  Naturtöne  der  Po- 
saune nennen  wollen,  — 


1.  für  die  Bassposaune  dieser: 


62 


^E 


:t 


s 


^ 


fcit= 


m 


für  die  Tenorposaune  dieser 


63 


=i^ 


■^ 


*: 


3.  für  die  Altposanne  dieser: 


64 


tlZJ^t 


^MM-. 


*)  Waren  doch  aocb  auf  dieser  oicbt  alle,  oder  doeb  nicbt  alle  sieber  aod  wobl- 
kliogeod  zu  baben,  s.  B.  das  grosse  C  (Flattergrob)  nicbt  fügUcb  zu  erlaogeo. 
**)  Hierza  der  Anbaog  C. 
**^)  Wenn  man  die  nacbrolgenden  Notenreiben  in  die  Tonart  Cdnr ,  in  welcher 
rdr  die  Trompeten  notirt  wird,  überträgt,  so  erhält _niao 

e    g    c    e    g    b    c, 
also  die  Natartöne;  nar  dass  von  diesen  der  Urgrnodlon  C  (Tb.  I.  S.  56}  in  der 

Tiefe  und  die  TSne  d7  g  b  ü fehlen.    Sie  sind  auf  der  Pesaane  wegen   der 

grossem  Länge  und  Weite  schwerer  hervorzabringen,  —  wie  schon  aof  der  Trom- 
pete zum  Tbeil  der  Fall  war. 


63     

Nimmt  mao  aan  zu  dieser  ersten  Tonreihe  die  fänf  am  sichersten 
braacbbaren  Züge,  so  ergiebt  sieb  folgende  Tonreihe: 

1»  Für  die  Bassposaune: 

5         4321054321(4325 

0  1 

C.  Cü.    D.  Du.   E.  F.  .  G.  Gis.  A.  B.     H.     c.    cts.     d.  du.  e. 

43         5435454  3  2  10 

0                2      1      0      2      1       3      2  1  U 

0      __  _  _  _ 

/,    ^.    g.  gis*  a.  b.  h.   c.   cts.  d.  du.  e.  f, 

2.  Pur  die  Tenorposaune: 

54321054321543        2        5        43 

0  1        0 

¥.  Pü.  G.  Gis.  A.  B.  .  c.  eis.  d.  dis.  e.  f.  fis.    g.  gis.    a.    b.    h. 

5435454        3        2        10 
2      10      2      13      2        1        0 

_     —  -    «    ^     _ 

c.  eis.  1.  dis.  e.  f.  fis.    g.  gis.   a.   b. 

3.  Für  die  Aitposaune: 

343210       54321543        2        5        43 

0  1        0 

B.  ff.   c.  eis.   d.  es,,  f.  fis.  g.gis.  a.   b.   h.    e.   eis.    rf.   dis.  T. 

5435454        3        2        10 
2      10      2      13      2        1         0 

fifi^'  g»  gis.  a.  b.  h.  e.  cts.  J!  iifi». 
bei  der  wir  durch  Ziffern  angedeutet  haben ,  mit  welchem  Zug  (oder 
mit  welchen  verschieduen  Zügen)  jeder  Ton  erlangt  wird;  durch  0 
ist  die  ursprüngliche  Tonreihe  der  Natnrlöne  —  bei  eingeschobnen 
Röhren  —  bezeichnet*).  Man  bemerkt,  dass  hiernach  der  Bassposaune 
das  grosse  Fis  oder  Ges ,  der  Tenorposaune  das  grosse  ff,  der  Altpo- 
sanne das  kleine  e  fehlt. 

Nimmt  man  den  sechsten  Zug  zu  Hülfe ,  so  gewinnt  durch  ihn  die 
Bassposanne  noch  die  Tonreihe: 

Kontra-ff,  gross  Fisj  Hy  dis^fisy  a,  A, 
die  Tenorposaune  die  Tonreihe: 

£,     ff^     e,    gis,     Ä,     rf,     tf, 
die  Altposaune  die  Tonreihe : 

A,    e,     «,    cisj    e,    g,    7, 

— » 

*)  Andre  neooea  die  gescblossoe  Haltongp  des  lostninenU  (also  die  ebne  Aus- 
zag)  deo  ersteo  Zog ;  daon  wird  also  noser  erster  Zog  zum  zweiteo,  nikser  fünfter 
zum  sechstea;  dar  sechste  und  letzte  würde  als  siebenter  bezeichnet  werden 
Bossen. 


64 


ztt  den  scboD  angegebnen.  Hiervon  sind  aber  nar  die  beiden  ersten 
Töne,  nämlich  für  die  Bassposanne  Kontra-ff  und  gross  Fü^  fiir  die 
Tenorposaune  E  und  £f,  fiir  die  Ailposaune  A  und  e  neu,  die  folgen- 
den Töne  sind  schon  mit  andern  Zügen,  nämlich  —  nach  ihrer  Reihe 
vom  tiefsten  —  mit 

1      2      3      3      i 
0      1 
ZU  erlangen;   und  von  ihnen  würden  wieder  die  tiefsten,  besonders 
Kontra-tf  auf  der  Bassposaune  —  eben  wegen  ihrer  Tiefe  am  unsicher- 
sten und  rauhesten  ansprechen. 

Diese  Uebersicbt  der  Züge  dient  dazu,  zu  erkennen,  welche  Ton- 
folgen am  leichtesten  gelingen ;  sie  lässt  Folgendes  erkennen. 

Erstens.  Am  leichtesten  und  sichersten  und  auch  in  schnellster 
Folge  ist  die  innerhalb  eines  Tonsystems  (also  innerhalb  der  ursprüng- 
lichen ,  in  Nr.  62  bis  64  angegebnen  Tonreihe ,  oder  innerhalb  eines 
einzigen  Zugs)  gelegne  Tonreihe,  z.  B.  für  Bassposaune  diese  Ton- 
reihe, — 


65 


::»= 


=)=!*: 


-:B 


die  des  dritten  Zugs,  —  zu  haben ,  vorausgesetzt ,  dass  man  nicht  za 
grosse  und  häufige  Spränge  macht ,  oder  die  äussersle  Höhe  und  Tiefe 
zu  oft  mit  einander  —  wenn  auch  nach  Zwischentönen  —  wechseln 
lässl.  Eine  solche  Tonreihe  ist  ganz  wie  dieselbe  Tonreihe  auf  der 
Trompete  zu  erlangen  und  vom  Komponisten  zu  betrachten ;  nur  dass 
bei  den  grossem  Maassen  der  Posaune  die  Töne  derselben  schwerer 
und  langsamer  ansprechen  (und  zwar  um  so  mehr,  je  tiefer  sie  sind), 
also  die  Bewegung  verlangsamt,  die  Sprünge  erschwert,  die  Ton  Wie- 
derholung (der  Schmelterton)  wo  nicht  unmöglich,  doch  schwerfälliger 
und  nur  auf  zwei,  höchstens  drei  schnellere  Slösse  beschränkt  wird. 

Zweitens.  Je  näher  ein  neu  zu  gebrauchender  Zug  liegt,  desto 
leichter  sind  die  Töne  des  vorhergehenden  Zugs  mit  den  seinigen  zn 
verbinden ,  also  am  leichtesten  die  ursprüngliche  Tonreihe  mit  der  des 
ersten  Zugs,  diese  mit  der  Tonreihe  des  zweiten  Zugs  und  so  ferner. 
Umgekehrt  in  je  entferntere  Züge  man  überzugehn  hat,  desto  schwerer 
ist  die  Tonverbindung.  Es  werden  z.  B.  auf  der  Bassposanne  Tonfol* 
gen  wie  die  hier  bei  a.  gegebnen  — 


mm^^^^m^ 


=t:*:l 


^^ 


66 


£ 


Tpr 


^^fe^^^^^^^^ 


in  Beziehung  auf  den  Zugwechsel  leichter  gelingen,  ab  die  bei  b.  ge- 
setzten. 


65 


Drittens.  Je  häafiger  mit  Zagen  gewechselt  und  besonders  in 
entfernte  gesprangen  wird ,  je  mehr  dabei  zagleich  mit  dem  Zagwech- 
sel in  den  Natnrtönen  gewechselt  wird ,  desto  schwerer  ist  die  Ton- 
folge. In  Nr.  66  a.  z.  B.  gehören  die  drei  ersten  Töne  dem  dritten  Zug 
nnd  d  ist  in  demselben  der  höchste  Ton ;  von  diesem  Zug  wird  auf  den 
vierten  übergegangen ,  dies  aber  mit  beibehaltner  Mnndhaltung,  weil 
Dun  wieder  eis  der  höchste  Ton  ist.  In  Nr.  66  b.  dagegen  wird  von 
r»  nadiJ7gegangen, — cü  der  dritte  Ton  des  vierten  Zugs,  IT  der  zweite 
Ton  des  ersten  Zugs,  —  femer  von  E  nach  m,  ^  ersteres  der  erste 
Ton  des  ersten,  letzteres  der  dritte  Ton  des  vierten  Zugs. 

Viertens  ist  die  Anwendung  des  sechsten  Zugs  einigermassen 
bedenklich ,  weil  bei  ihm  beide  Rohrstöcke  sehr  weit  auseinanderge- 
schoben werden  und  an  der  Festigkeit  des  Zusammenhalts  leicht  ver- 
lieren. Da  nun  der  sechste  Zug  ohnehin  nur  einen  einzigen  zur 
Ausfüllung  der  Tonreihe  nothwendigen  Ton  (für  die  Bassposaune 
gross  Fisj  für  die  Tenorposaune  gross  H^  für  die  Altposaune  klein  e) 
bringt:  so  ist  ralhsam,  diesen  Ton  entweder  ganz  zu  vermeiden,  oder 
ihn  wenigstens  nicht  unvortheilhaft,  z.  B.  in  schnellerer  Bewegung,  zu 
fodem.  Die  Stelle  bei  a.  — 


Allegro. 


ist  wohl  ausführbar*),  die  bei  b.  in  gleicher  Bewegung  oder  selbst  im 
Andante  würde  bedenklich  sein. 

Debrigens  sind  alle  Tonverbindungen  innerhalb  des  zugänglichen 
Tongebiets  berauszubringen ,  sobald  die  Bewegung  nur  langsam  genug 
ist,  dem  Bläser  für  Lippen  und  Hand  die  rechte  Zeit  zu  lassen ;  der 
erste  Satz  bei  b.  in  Nr.  66  hat  im  Allegro  moderato  oder  pocovivaesy 
<ler  zweile  im  Andante  kein  Bedenken,  in  verdoppelter  Bewegung 
worden  sie,  besonders  der  letzte,  unsicher  herauskommen.  Nur  bei 
lebhafler  Bewegung  und  bei  besonders  in  sanfter,  gehaltner  Weise 
{piano  tegato)  vorzntragendeti  Sätzen  ist  also  die  Tonfolge  mit  mehr 
Sorgfalt  zu  ermessen.  Und  in  der  That  bietet  die  Posaune  bei  sorgfiil- 
tiger  Beobachtung  ihrer  Behandlang  Alles ,  was  man  ihrem  Karakter 
gemäss  von  ihr  wünschen  kann.  Dies  wird  weiter  unten  klar  werden ; 
sehen  hier,  wo  wir  ihren  Tongehalt  allein  prüfen,  erhellt  ans  der  An- 
schauung der  Züge,  dass  der  Posaune 
1.  sechs  grosse  Dreiklänge  und  die  aus  ihnen  gebildeten  Dominant- 
akkorde (z.  B.  der  Bassposaune  die  Dreiklänge  und  Dominant- 
akkorde auf  F,  £,  E$y  D,  De$,  C), 


«)  Sie  itt  aus  den  Hose  (S.211  der  Brettkopf-Hirterschen  Partitar)  entlehnt 
■Ddlel  alle«  AnnahmageD,  deaen  der  Verf.  beigewohnt,  vellkeiinieB  g«t  aotg«- 
fibit  werden. 

»tri,  K<Mip.L.  IV.  SAdA.  & 


6« 


2.  grosse  Folgen  chvomatisoher  Tonleiter,   z.  6.  4«r  Allpdsaune 
diese,  — 

543210  543210  5    48210 


p^^^^^^i^^^ 


68 


m 


w^^UäJM^M 


und  zwar  im  Biaabstetgcn  noch  leichter, 
3.  Fo^n  in  der  DartoDleiter,  z.  B.  der  Aitposaane  diese,  — 

a    i    ^    ♦    *  «i     *    5    *    ♦  «lue-     '    '    •    ' 


e»  iHRr^ 


.      5      5      i.ji    Ifi.        3      4'° 


uD(l  zwar  mehr  in  der  Höhe, 
4.  Folgen  in  der  Molltonleiter,  z.  B.  der  Altposaune  diese,  — 

i      ^      ^    ,^    \.^    hL     ^  3434*^* 


t 


leicht  werden,  und  zwair  die  erstem  Tonfolgen  leichter  oder  in  grösse- 
rer Ausdehnung  leicht ,  als  die  folgenden.  Das  Weitere  ist  nach  die- 
sen Beispielen  zu  ennessep. 

C.  KaraUeraid TermAgen. 

Kehren  wir  nun,  nachdem  wir  das  Tongebiet  erkanat,  zu  dem 
Karakter  des  lastroments  im  Allgemeinen  zurück,  so  ist  an  seinem 
Klang  vor  allem  die  Verwandtschaft  mit  der  Trompete  nicht  zu  Ter- 
kennen.  AHein  die  grössere  Länge  und  Weite  des  Rohrs  kann  niobi 
ohne  wesentUehen  Einflmss  bleiben.  Der  Klang  verliert  an  seiner  Klar- 
heit und  nimmt  eine  dnoklcre  Färbung  an ,  durch  die  ihm  im  Verein 
mit  ier  grössern  dröhnenden  Sckailkraft* erschütternde  Macht,  hehre, 
strenge  Würde  und  Feieriiehkeit  zuwächst. 

Dieser  Karakter  tritt  stärker  entwickelt  hervor  iB  den  tfefem  Po- 
sannenarten f  am  stärksten  also  in  der  Bassposanne  ^  am  wenigsten 
enischieden  in  der  AUposaune.  Er  macht  sieh  mebr  geltend  in  den  üt^ 
fern  Tonlagen,  als  in  den  hohen.  Es  folgt  hieraus  sogteieb, 

1.  dass.  die  Posanne  in  ihren  heben  Tönen  an  Karakter  und  Macht 
vsriiept,  daher  wir  ratben ,  s»  weh  ee  imr  möglich ,  die  A 1  tp  o  - 
saune  nicht  höher  als  bis  zum  »weigestrichnen  c  (sobcfn  dieser 
Ton  klingt  gezwängt),  — 

die  Tenorposaune  nicht  gern  über  das  eiogestrichne  g^  — 
die  Bassposaune  nicht  ohne  besondem  Grund  über  das  eiage- 
strichne  d  hinauszufuhren.    Die  höheren  Töne  der  Basspesanne 


67     

sind  noch  am  besten  zu  gebraachen  bis  zum  eingeslrichnen  f 
hinauf,  weil  bei  der  Grösse  und  Weite  des  Instruments  die  Höhe 
(wie  bei   den  tiefen  Trompeten,  S.  50)   leichter  anspricht  und 
den  ursprünglichen  Karakter  bewahrt«     Umgekehrt  ist  zu  be- 
merken, 
2.  dass  bei  den  tiefeten  Tonlagen  die  für  den  Karakter  der  Posaune 
so  bezeichnende  Fülle  und  Beständigkeit  des  Schalls  (wieder  wie 
bei  den  Trompeten ,  deren  tiefe  Arten  schon  das  kleine  c  nicht 
mehr  gut  fassen  können)  abnimmt. 
Bei  der  Bassposaune  wird  man  auf  diese  Tiefe  nicht  leicht  verzichten 
wollen;  auch  kommt  eben  an  ihr,  bei  der  grossen  Macht  des  Instru* 
ments,   keine  Schwäche  oder  Unfestigkeit  des  Sehalls  zum  Vorschein. 
Dagegen  rathen  wir:  nicht  ohne  besondern  Grund 
die  Tenorposaune  unter  das  grosse  B^ 
die  Altposaune  unter  das  kleine  (/oder  et 
zn  fuhren ;  die  hier  aufgegebnen  Töne  kommen  besser  auf  den  tiefern 
Posaunen  heraus. 

Die  letzte  hier  zu  erwähnende  Folge  von  der  Grösse  and  Weite 
der  Posaune  ist  ihr  schon  S.  64  bemerktes  Ungeschick  filr  sehneile  Be* 
wegong,  das  wieder  bei  den  tiefern  Arten  mehr  hervortritt.  Es  hängt 
hier  natürlich  viel  vom  besondern  Q^scbick  des  Bläsers  ab;  im  Allge- 
meinen  kann  man  die  Bassposaune  wohl  nicht  schneller  als  Achtel 
im  ALlegro  modetüto  —  und  auch  dies  nur  auf  kürzere  Strecken,  die 
Tenor-  und  Altposaune  etwas  schneller,  etwa  wie  Achtel*Triolen 
im  Allegro  moderato  fuhren ,  den  letztern  auch  wohl  ein  Paar  Sechs- 
zehntel in  demselben  Tempo  zumuthen.  Behält  man  den  Karakter  des 
Instruments  im  Sinne,  so  wird  man  ohnehin  nicht  leicht  auf  schnellere 
Bewegung,  selbst  auf  die  oben  angegebne  nur  in  verbältnissmässig  selt^ 
nern  Fällen  geführt.  Das  Starke,  Grossartige  bewegt  sich  gemessen, 

Aaf  der  andern  Seite  wird  aber  dein  Posaunisten  das  lange 
Ansballender  Tone  schwer  und  im  Forle  fast  unmöglieh  (das  Instru-^ 
meni  braucht  zu  viel  Lunge) ,  und  zwar  ist  dies  wieder  bei  den  tiefen 
Arten  und  den  tiefem  Tonlagen  mehr  als  in  den  hohen  der  Fall.  Im 
Piano  lassen  sich  Vierviertel'  oder  ganze  Noten  dea  AUegra  mod$rato 
gut  und  gleich  aushattieny  im  Forte  etwa  halb  so  lange.  Bedarf  man 
eines  Tons  viel  länger,  so  ist  es  gerathen,  ihn  in  irgend  einer  zusa- 
genden rhythmischen  Form  wiederholt  angeben  Zu  lassen ;  dies  scheint 
uns  wenigstens  im  Allgemeinen  vortheilbafteri  als  es  darauf  ankommen 
zu  kflsen ,  dass  der  Ton  matt  und  ungleich  fortklingl  oder  der  Bläser 
ihn  nach  eignem  fiedürfniss  und  Ermessen  abkürzt. 


68     

Vierter  Abschnitt. 
Satz  ffir  die  Posaune. 

Die  Posaaaen  siod  selten  (aus  den  Arbeiten  der  Meister  ist  ans 
kein  einziger  Fall  erinnerlich)  für  sieb  aliein,  sondern  meistens  nur  im 
Verein  mit  dem  grossen  Orchester,  der  Harmoniemnsik,  oder  wenig- 
stens mit  andern  Blechinstrumenten  gebraucht  worden.  Welche  Macht 
sie  zu  einem  jeden  Verein  herzubringen  durch  die  Gewalt  ihres  Schalls 
und  durch  ihre  Theilnahme  an  allen  Arten  der  Tonbewegung,  ist  klar 
und  wird  später  genauer  erwogen  werden.  Ebenso  klar  ist,  dass  sie 
einen  ganz  eigenthnmiichen  Rarakter  darstellen ,  —  dem  der  Trompete 
verwandt,  aber  doch  wesentlich  von  ihm  unterschieden. 

Beides  —  die  Macht  der  Posaune  im  Allgemeinen  und  ihr  Rarak- 
ter nach  seiner  nähern  Zeichnung  —  bedingt,  dass  man  dieses  Instru- 
ment nicht  vereinzle,  sondern  in  der  Regel  mehrstimmig  anwende. 
Nur  ausnahmsweise  —  man  denke  an  das  Tuba  mirum  spargens  sonum 
in  Mozart's  Requiem  —  kann  eine  einzelne  Posaune  ftir  einen  Solo- 
satz,  oder  können  zwei  Posaunen  (man  denke  an  das  Finale  von 
Beethoven's  Pastoralsymphonie^zur  Füllung  des  Orchesters  mit  mil* 
dem  Posaunenhall  angewendet  werden.  In  den  meisten  Fällen  lässt 
man  die  drei  Posaunenarten  vereint  wirken.  Soll  übrigens  eine  Posaune 
allein,  also  als  Solo-Instrument,  auftreten,  so  ist  im  Allgemeinen 
die  Tenorposanne  durch  Tonlage,  Beweglichkeit  und  mildem Rlang 
dazu  am  geeignetsten;  die  Bassposanne  würde  sich  nach  Tonlage, 
Schallschwere  und  minderer  Beweglichkeit  nur  für  ernste,  ruhige ,  ge- 
wichtige Sätze  ei{;nen.  Die  Altposaune,  die  in  der  tiefern  Lage 
nicht  die  Riangfnlle  der  Tenorposaune  hat,  in  der  Höhe  gepresst  und 
leicht  schreiend  wird,  scheint  weniger  geeignet,  ist  aber  gleichwohl 
nicht  immer  zu  entbehren;  wurde  z.  B.  in  jenem  Mozart'schen  tuba 
mirum  den  Satz  des  Fagotts  (Solo)  zu  tibernehmen  vielleicht  geeigne- 
ter sein,  als  die  Tenorposaune. 

Hier  knüpfen  wir  nun  eine  Reibe  Vorübungen  (S.  54)  an ,  be- 
stimmt, mit  dem  Instrumente  vertrauter  zu  machen. 

A.  Dreistimmiger  Posauaensatz. 

Die  Posaunen,  fiir  sich  allein  und  nach  ihrem  Rarakter  angewen- 
det, eignen  sich  zu  einfachen,  ruhigen,  grossartig rhythmisirten Sätzen, 
in  denen  ihr  majestätischer  Schall ,  im  Porte  mit  dröhnender»  erschüt- 
ternder Gewalt,  im  Piano  mit  stiller,  oft  geheimnissvoll  schauriger 
Macht,  wirken  kann.  Da  lebhaftere  Bewegung,  feinere  und  kleine 
Rhythmisirung  ihrem  Wesen  nicht  zusagt ,  so  ist  um  so  mehr  das  Ele- 
ment der  Harmonie  in  Wirksamkeit  zu  setzen,  —  nicht  durch  gesuchte 


~     69 


Wendungeii  odersdlDe  Akkorde,  soDdern  in  seiner,  schon Th.I.  S.275 
bezeidmeten  Gmndkraft.  Hier  mitesen  wir  noch  einmal  anf  die  beiden 
Darstellungsweisen  für  Harmonie,  auf  weite  und  enge  Akkordlage 
(Th.  I.  S.  147)  zuröekkommen. 

Der  Posaunenchor  stellt  die  Wirkungen  beider  Lagen  um  so  ent> 
schiedner  dar,  je  gewaltiger  die  Schallmasse  ist,  die  er  in  Bewegung 
setzt.  In  enger  Lage,  z.  B.  hier,  — 


71 


und  Importe  wirken  sie  mit  schmetternder  Gewalt;  die  einzelnen  Töne 
des  Akkords  dröhnen  in  einander  zu  härtestem  Klang,  und  zwar  um 
so  heftiger,  je  höher  und  enger  die  Stimmen  treten.  Im  Piano  könnte 
eine  solche  Schreibweise  wohl  zu  unheimlichem  Ausdrucke  dienen ;  die 
Stimmen  würden  in  einander  klingen  und  ihre  Mächtigkeit  wohl  zu- 
rückgehalten werden  vom  Piano ,  nicht  aber  unterdrückt  oder  verbor- 
gen. In  weiterer  Lage,  z.  B.  — 


Tromboni 
alio,  tenore. 

72 


'"Zsr  l^#@^ 


p=^ 


iöE 


to: 


m 


würden  die  einzelnen  Stimmen  von  einander  frei,  sie  würden  nnn  erst 
jede  für  sich  klar  vernommen ,  jeder  ihrer  Töne  fände  Raum ,  seine 
Schallwellen  frei  binschwingen  zu  lassen,  frei  auszustrahlen,  das 
Ganze  würde  reiner,  würdiger,  feierlicher  erklingen ,  der  letztere  Ka- 
rakter  würde  im  Piano  noch  gewinnender  hervortreten*).  Hier  würde, 
dem  macht-  und  karaktervoUen  Klang  gegenüber,  die  Bedeutungslosig- 
keit der  Melodie  (der  in  Nr.  71  ohne  besondre  melodische  Intention  ge- 
bildeten Oberstimme)  schon  fühlbar  $  man  könnte  sie  unter  Umständen 
wie  bei  a.,  — 


*)  Dem  reioeo ,  klareu  Ansball  der  Akkorde  co  Guosten  würden  wir  ans  die 
QuiBteD  in  vierteD  und  fünfteoTokte  von  Nr.72  nnbedenklicb  ertauben.  Wo  nicht* 
so  könnte  der  Alt  Takt  4  g*  -/,  der  Tenor  Takt  5  den  mit  kleinen  Noten  gesetzten 
Gang  nehmen. 


70 


oder  mit  noch  eotwickelterer  Mittelstim ve ,  wie  beib. ,  imigesliitoD, 
wobei  allerdings  die  einbeitsvoli  dabinströmende  Macht  der  Akkorde 
mehr  und  mehr  verloren  ginge. 

B.  Vierstimmiger  Posannensati. 

Cieben  wir  die  Werke  der  Meisler  für  grosses  Orchester  dareh,  so 
muss  auffallen ,  dass  sie  mit  seltner  Uebereinstimmung  den  Posaunen- 
eher  dreistimmig  setzen,  während  bekanntlich  (Th.  I.  S.  378)  der 
vierstimmige  Satz  als  Norm  gilt.  Von  Gluck,  Haydn,  Mozart, 
Beethoven  ist  auch  nicht  eine  Ausnahme  bekannt^  unter  ihren  näch- 
sten Nachfolgern  hat  nur  Fr.  Schneider  bisweilen,  z.  B.  in  seinem 
Oratorium ,, das  Weltgericht^'  (in  andern,  z.  B.  im  „Absalon'%  nicht),  den 
Posaunensatz  vierstimmig  angewendet.  Der  Grund  hiervon  ist  wohl 
nicht  darin  zu  suchen ,  dass  eben  nur  drei  Arten  der  Posaune  üblich 
sind;  denn  es  hat  ja  vier  Arten  (Anhang  D)  gegeben,  und  abgesehn  da- 
von liegt  es  nahe,  eine  Art,  z.  B.  die  Tenorposaone ,  doppelt  zu  ver- 
wenden*). Vielmehr  scheint  eben  das  Abweichende  des  dreistimmigen 
Satzes  von  dem  sonst  überall  —  im  Chor,  Streichquartett,  in  der  Blas- 
harmonie vorherrschenden  vierstimmigen  die  Komponisten  angezogen 
zu  haben ;  dem  mächtig  waltenden  Posaunenchor  gebührt  eben  eigen- 
thümlich  anszeicbnende ,  zu  besondrer  Führung  nöthigende  Form.  So 
ist  Nr.  7t  nach  Art  des  vierstimmigen  Satzes  geschrieben.  Denke  man 
sich  diesen  Gedanken  von  Chor  und  Orchester  einfach  vierstimmig  vor- 
getragen und  von  Posaunen  so  wie  in  Nr.  72  begleitet:  so  würden' 
diese  die  Scballmasse  allerdings  verstärken,  würden  vermöge  ihrer 
Kraft  auch  durchdringend  erklingen,  aber  nur  materiell,  nicht  in  der 
Würde  und  Bedeutung  eigenthümlioher  und  machtvoller  Karaktere  mit- 
wirken. Dies  würde  sogleich  der  Fall,  der  Gedanke  würde  geistig  be- 
reichert nnd  erhoben  sein ,  wenn  man  die  Posaunen  dreistimmig  und 
eigenthümlich,  etwa  wie  in  Nr.  73  a.,  führte. 

Sieht  mau  aber  von  dieser  geistigem  Bedentang  ab,  so  ist  begreif- 
lieb, dass  bei  vollerer  Besetznng,  z.  B.  bei  dieser  Darstellnng  des  vori- 
gen Satzes,  — 

74 

Tromboni 

alto, 


tenori,     < 


hasso. 


«E 


^^^^^fe^^ 


^1—  djto  \-o=tPi 


*)  N«eb  «eoiger  kaas  in  nnsrer  Zeit ,  w»  ntn  bei  «lleii  Re^OMDterii  ■■<  in 
allen  Städteo  PostanenehSre  findet,  derGednnlie  an  die  Sehwieriflieit  derBetettnng 
Binfloss  gehabt  haben. 


71 


der  Schall  de$  ohnehin  so  maclilig  andringenSen  Chors  «oeh  gehobner^ 
noch  strömender  und  herrschender  hervorireten  würde*)« 

Wir  ratb«ii,  in  beiden  Sehreibarten  einige  Sätze  mit  recht  lebhaft 
ter  Vergegenwärtigung  des  PosaunenscbaUs  und  Karakters  und ,  ver^ 
steht  sich,  im  Sinne  des  letztem  zu  entwerfen.  Gesetzt  werden  die 
drei  oder  vier  Posaunen  nach  ihrer  Eintheüung  auf  drei  oder  viet 
Systemen  in  den  jeder  Art  gebührenden  Schlüsseln^  wie  oben  in  Nr.  74. 
Fehlt  es  an  Raum,  oder  ist  die  Stimmführung  einfach  genug ,  es  zu  er« 
lauben,  so  kann  man  sich  an  zwei  Systemen  (wie  in  Nr.  72  und  73) 
genügen  lasseaund  Tenor-  und  Altposaune  mit  Tenorschlüssel  notiren» 
Oder  man  kann  sieh  selbst  auf  eine  einzige  Linie,  wie  in  Nr.  71,  be* 
schränken  und  für  alle  drei  Arien  den  F-Schlüssel  —  oder  bei  höherer 
Tonlage  den  Tenorschlüssel  anwenden. 

Als  letzte  Uebung  schlagen  wir  den 

C.  Satx  für  Trompeteii ,  Paiikaii  und  Posannei 

vor.  Hier  treffen  verwandte  Elemente  auf  einander ;  Trompeten  -  und 
Posaanenklang  und  Kraft  vermfthien  sich  gem.  Doch  gelnelel  die  Ver* 
scbiedenheit  beider  auch  mancherlei  Rucksicht.  Die  Posaunen  können 
an  der  Beweglicbkeil  der  Trompeten  nieht  Theil  nehmen,  wohl  aber 
deren  Kraft  mächtig  erhöhen,  die  Grundsehläge  hervorheben.  So  könnte 
z.  B.  der  Satz  Nr.  ä?  vom  fünften  Takt  an  mit  Posaunen  unterstützt 
werden,  -— 


*}  Gewaiiilioh  werden  so  vierstianigem  Posaooeosatze  zweiBassposau- 
oen  geDommen.  Das  scbaiot  uns  der  SberwUltigeodeo  Macht  aod  Schwere  dieses 
Inatruments  oiebt  angemessen.  Gegen  zwei  Bassposanoen  sind  eine  Tenor-  und  eine 
Altposaune  zo  schwach,  wohl  aber  iat  eine  Bassposanne  gegen  zwei  Tenorposannen 
und  eine  Aitpesanoe  stark  genug.  Aach  ist  eine  Bassposaune  als  Mil^elstitnm^  zu 
schwer  ufld  ausser  Verbattniss  mit  der  Yon  Tenor  besetzten  Bodem  Mittelstimme. 


72 


die  freilich  hier,  wo  man  bei  der  Romposition  nicht  auf  sie  gerechnet 
hat,  onr'die  untergeordnete  Rolle  unterstützender  Instrumente  über- 
nehmen mössten.  Auf  der  andern  Seite  sind  die  Posaunen  den  Trom- 
peten an  Tongehait  überlegen,  können  also  nicht  blos  die  von  den 
Trompeten  unvollständig  gelassne  Harmonie  erfüllen,  sondern  auch 
Sitze  ausfuhren,  an  denen  jene  gar  keinen,  oder  nur  untei^eordneten 
Antheil  nehmen  können.  Stellen  wir  uns  vor,  die  Nr.  57  begonnene 
Intrade  wäre  zum  ersten  Theil  eines  Marsches  ausgeführt  und  auf  der 
Dominante  (mit  dem  Halbscblusse,  der  die  ersten  Theile  in  derNatorhar- 
monie  endet)  abgeschlossen  worden,  habe  aber  neben  den  Trompeten  (die 
man  sich  doppelt  besetzt  denkt)  vier  Posaunen,  wie  in  Nr.  74.  Dann  könnte 
der  zweite  Theil  mit  Hülfe  der  Posaunen  folgenden  Eingang  nehmen,  — 

Sohlvss  Ton  Takt  5. 


76 

Tromb« 

inD.  I.  n. 


Tromhe  in 
D.  III.  IV. 


Tromboni 
alto,  ten.  I. 


tenor«  II. 
basso. 


Timpani. 


.    I        ^  cresc. 


,1      P  creac. 


rrm^Tf 


^^h^^^fr'tthi 


4*L 


73 


oder  es  könnte  der  Satz  einrach  auf  D  (mit  einem  Rirchenschluss  auf 
g^b-df  d-Jis-a)  zuletzt  —  oder  gleich  diufßs  (^moU  oder  /Tdur, 
mit  Haibscblnss)  wiederholt  werden ,  während  die  Trompeten  die  ge- 
nannten Haltetöne  wie  oben  das  a  besetzten ;  zuletzt  würde  man  auf 
den  Hauptsatz  (Nr.  57)  zurückkommen,  —  die  Trompeten  übernähmen 
wieder  die  Hauptpartie,  —  und  damit  scbliessen. 

Schon  bei  diesen  Aufgaben  wird  der  Schüler  wohl  tbun,  sich  erst 
eine  Skizze  seines  Satzes  auf  zwei  Systemen  zu  entwerfen,  bevor  er 
ihn  in  Partitur  bringt.  Diese  Skizze  wird  flüchtig  angelegt ,  dann  all- 
mählich vervollständigt ;  zuletzt  wird  der  Antheil  jedes  Instruments  mit 
Worten,  Abkürzungen  oder  Zeichen  in  ihr  vermerkt;  wir  setzen  vor- 
aus, dass  bei  dem  ganzen  Verfahren  die  lebendige  Vorstellung  von  dem 
Wesen  der  Instrumente  (S.  54)  bestimmend  und  leitend  sei.  Dann  hat 
die  Ausfährung  in  Partitur  keine  Schwierigkeit.  Dass  dasselbe  Verfah- 
ren auch  bei  grossem  Aufgaben  angewendet  wird,  versteht  sich. 

Bei  dieser  ersten  Verknüpfung  verschiedner  Instrumentklassen, 
wie  bei  allen  spätem,  ist  . 

eine  wichtige  Regel 

wohl  im  Auge  zu  behalten,  deren  Beobachtung  viele  Missstände  erspart 
and  von  der  der  Anfänger  in  der  Instrumentation  nie  oder  nur  im 
dringendsten  Nothfall  abweichen  sollte.  Diese  Regel  ist: 

jede  Instrumentklasse  so  viel  als  möglich  in  sich  vollständig  za 
setzen,  dass  sie  auch  ohne  den  Zutritt  der  andern  Klasse  (oder  ein- 
zelner Instrumente  aus  dieser)  eine  genügende  Harmonie  bildet 
und  einen  möglichst  befriedigenden  Sinn  ausspricht. 
Der  Gmnd  der  Regel  ist  die  nie  ganz  za  verbergende  Verschiedenheit 
der  Instrumentklassen.  So  nahe  verwandt  z.  B.  Trompete  und  Posaune 


74 


sind  j  so  unterscheiden  sie  sieb  doch  im  Klang  und  Karakler,  und  der 
Trompetensatz  hier  bei  a.  — 


Tromhe 
in  B. 


I 


77 

Trombone  1 
alto.       (^ 


wird  sich  ungeachtet  der  Leerheit  seiner  Harmonien  besser  ausnehmen, 
klarer  und  einheitlicher  wirken,  als  in  der  Behandlung  bei  b.,  wo  die 
—  zwar  der  Trompete  zunächst  stehende ,  aber  doch  von  ihr  abwei- 
chende Posaune  sich  als  ein  Fremdes  einschiebt  und  dadurch  eine  Au& 
merksamkeit  auf  sich  zieht,  die  gar  nicht  in  der  Absicht  des  Komponi- 
sten liegen  kann.  Entsprechend  dieser  Regel  sind  in  Nr.  76  die  Posau- 
nen gesetzt;  sie  stellen  auch  ohne  die  Trompeten  den  ihnen  zuge- 
wiesuen  Salz  vollständig  dar.  Aber  auch  die  Trompeten  genügen; 
wenn  sie  auch  keine  Harmonie  bilden,  so  hat  doch  ihr  Halteton  (Th.  I. 
8.  77,  274),  ihr  Unisono  einen  für  sich  befriedigenden  Sinn.  Aus  dem- 
selben Grunde  sind  in  Nr.  75  die  höhern  Posaunen  im  dritten  Takt  in 
die  Terzlage  geführt.  Die  Sextlage ,  wie  man  sie  am  Schlüsse  des  vo- 
rigen Takts  sieht,  würde  für  die  Posaunen  (S.  69)  wohl-  und  vollklin- 
geuder  gewesen  sein,  hätte  aber  diesem  Chor  keine  fortschreitende 
Melodie  (von  d  empor  nach  e)  gegeben  und  seinen  Gang  sowohl  der 
Melodie  als  der  Harmonielage  nach  in  Widerspruch  gesetzt  mit  dem 
des  Trompetenchors. 

Allerdings  giebt  es  genug  Fälle,  in  denen  von  jener  ersten  Regel 
der  Kombination  verschiedner  Organe  abgegangen  werden  kann  und 
muss  —  wir  werden  deren  selbst  finden  und  daraus  unser  Prinzip  er- 
weitern ;  —  aber  als  begründetes  Prinzip  und  erste  Sicherung  des  Er- 
folgs bleibt  jene  Regel  demungeachtet  in  ihrer  vollen  Wichtigkeit  be- 
stehn. 

Hiermit  haben  wir  nun  zum  ersten  Mal  eine  schon  ansehnliche 
Orchestermasse  zusammengebracht:  Trompeten  in  beliebiger  Zahl,  — 
Posaunen,  ihrer  drei  oder  vier,  —  und  Pauken;  darunter  Instrumente 
mit  einem  vollständigen  Tonsy^stem ,  übrigens  alle  unter  einander  ver- 
wandt, aber  doch  jede  Klasse  von  der  andern  unterschieden.  Es  bieten 
sich  uns  dabei. im  Allgemeinen  dreierlei  Anwendungen.  Wir  könuen 

Erßtens  die  ganze  Masse  als  einen  einzigen  Körper  behandeln, 
wenngleich  jeden  einzelnen  Theil  nach  seiner  Eigentbümlicbkeit.  So 
i^  in  Nr.  75  und  76  geschehn. 

Zweitens  können  wir  Klasse  von  Klasse  sondern;  so  ist  oben 
S.  72  angenommen  worden,  es  sollten  die  ersten  vier  Takte  (aus  Nr.  57) 
von  Trompeten  und  Pauken  allein  genommen  werden ,  —  so  hätte  die 


75 


ie  Nr.  76  gegebne  Einleitung  den  Posaunen  allein  oder  ihnen  und  den 
Pauken  mit  Ausschluss  der  Trompeten  gegeben  werden  können. 

Drittens  könnte  wohl  der  Gedanke  feinerer  Zergliederung 
schon  hier  nahe  treten ;  eingedenk  der  Kräfte,  die  im  polyphonen  Satze 
sich  entbinden ,  könnten  wir  wünschen ,  schon  hier  Stimmsonderungen 
and  Gegensätze  einzelner  Stimmen  gegen  einander  zu  ben^|zeo•  Dies 
scheint  iodess  nicht  gerathen ,  wenigstens  darf  man  auf  diesem  Wege 
nicht  weit  geha,  ohne  mehr  zu  verlieren,  als  zu  gewinnen.  Es  kann 
wohl  einmal  der  Posaune  ein  kurzer  Solosatz  gegeben  und  die  Masse 
der  übrigen  Instrumente  als  Gegensatz  gebraucht* werden,  — 


Brioso. 


a^u 


78 


oder  in  gleicher  Weise  könnte  —  wenn  auch  nicbt  eine  einzelne  Trom* 
pete  (da  der  edlere  Trompetenklang  in  der  Regel  wenigstens  zwei 
Trompeten  fodert) ,  ein  Paar  ans  dem  Chor  der  Trompeten  als  Haupt- 
stimme  (oder  Hauptchor)  gegen  das  Tutti  tretenv  Allein  viel  weiter 
kann  man  hier  nicht  kommen,  weil  nur  die* Posaunen  eigenlbömlieher 
und  dabei  nicht  zu  beschränkter  Melodik  fähig  sind ,  i^ugleich  aber  die 
Gmndkraft  in  der  Hassenwirkung  bieten ,  mithin  gern  für  diese  aufge* 
spart  und  zusammengehalten  werden.  An  einer  wahrhaft  polyphonen 
Ansföhrung  würden  Trompeten  und  Pauken  nur  in  sehr  untergeordne- 
ter Weise  theilnehmen  können  und  ihrethalb  musste  man  der  Modula- 
tion Fesseln  anlegen,  die  dem  Satz  alle  Bedeutung  nähmen. 

Allein  diese  Einschränkung  ist  keineswegs  ein  Verlust.  Dem 
machtvollen,  bald  heftig  oder  kriegerisch  klar,  bald  in  feierlichem  Strom 
der  Harmonie,  auch  wohl  im  geheimnissvoll  zurückhaltenden  Hall  zu 
uns  dringenden  Karakter  der  Posaunen  und  Trompeten  ist  polyphone 
.  Gestaltung  gar  nicht  entsprechend.  Sie  sind  berufen,  in  fest  zusammen- 
gehaltner  Kraft  —  sei  es  im  Porte  oder  Piano  —  das  Wort  des  Helden- 
thnms  oder  der  Hochfeier  aushallen  zu  lassen.  Nur  im  Verein  mit  an- 
dern Orchestermassen  kann  ihnen  eine  andre  Anlgabe  werden,  and 
anch  dann  nur  ausnahmswdse.  Jene  metalüscb-gläuEande,  spröd-ge- 
wallige,  betdenhaft-eindriogende  Macht  bleibt  der  Groodzug  ihres  We- 
sens« Nur  in  dieser  Weise  ist  es  rathaam,  m  zur  Bethätigung  zu  biin* 
gen,  wenn  man  auf  sie  allein  angewiesen  ist. 


76    

Fünfter  Abschnitt. 

Kenntniss  des  Horns« 

Das  Hörn  (oder  Waldborn,  corno)  wird,  wie  die  Trompete,  in 
verschiednen  Grössen ,  die  ebenso  viel  Arten  und  Stimmungen  des  In- 
struments begründen,  angewendet.  Aneh  hier  wollen  wir,  wie  S.  43 
bei  der  Trompete,  eine  Stimmung,  und  zwar  die  in  C,  als  Nornial-Iu- 
strument  zu  Grunde  legen ,  um  an  ihr  das  allen  Arten  Gemeinsame  su 
zeigen. 

A.  Das  Hormal-Honi. 

Das  Hom*)  besteht  ans  einem  16  Puss  (mehr  oder  weniger)  lan- 
gen, kreisförmig  in  zwei  Umläufen  zusammengewundnen  Rohr  von 
Messingblech,  das  oben  etwa  einen  Drittelzoll  Weite  (im  Durchmesser) 
bat,  sich  dann  aber  bis  auf  anderthalb  Zoll  etwa  erweitert,  in  einem 
einen  Fuss  weiten  Schalltrichter  ausläuft  und  mittels  eines  kegelförmi- 
gen Hundstäcks ,  das  weiter  ist  als  das  der  Trompete  (nämlich  nicht 
der  Kessel,  sondern  die  Rohröffnung  desselben),  angeblasen  wird. 

Das  Hom  hat  dieselben  Naturtöne,  wie  die  Trompete,  nur  alle  im 
Sechszehnfusston,  so  dass  es  eine  Oktave  tiefer  steht,  als  dieses  Instru- 
ment. Notirt  wird  für  das  Hom  ebenfalls,  wie  für  die  Trompete,  im  F- 
und  C-Schlüssel;  aber  die  in  letzterm  notirten  Töne  erklingen  eine 
Oktave  tiefer,  —  oder  umgekehrt :  die  beiden  tiefsten  Töne  werden  in 
ihrer  wirklichen  Tonhöhe,  und  zwar  im  JP-Scblüssel  notirt,  die  höhern 
Töne  aber  —  und  zwar  vom  dritten  an ,  werden  eine  Oktave  höher 
notirt,  als  sie  zu  Gehör  kommen,  und  zwar  im  G-Schlüssel.  Hier  sieht 
man  die  Naturtöne  des  Horas  nebst  ihrer  Notirung.  — 

Wirkliche  Tonhohe.         ^ 

79     ' 


"^^ 


Notirung. p  hO    g>  I&g 


Man  sieht,  dass  das  kleine  c  ebensowohl  im  jP-Schlössel  und  dann  im 
8  Fusston  (so  wie  es  ertönt),  als  im  6-Scblüssel  und  dann  eine  Oktave 
höher,  als  es  ertönt  (im  16  Pusston),  noUrt  wird.  Auch  das  tiefste^ 
könnte  im  F*Schlüssel ,  und  dann  acbtfiis^g  notirt  werden ;  hierza  ist 
aber  selten  oder  nie  Anlass  (uns  ist  wenigstens  kein  Fall  erimerlicb). 


*)  Zum  Uotersobied  von  dem  in  der  folgenden  Ahtheilung  zn  bei«prechenden 
Ventilborn  auch  Natnrhoro  (corno  naturaU)  genannt. 


77     -- 


da  naD  diesen  Ton  nicht  anders  als  im  Zasama^nhanff  mit  den  höhern 
gebraucht,  das  kleine  c  aber  öfters  mit  dem  tiebten  verbindet,  für  das 
der  £^SchIo'ssel  unbequem  wäre. 

Von  diesen  Naturiönen  ist  aber  1.  das  tiebte  C  (das  grosse)  nur  bei 
den  hohem  Stimmungen  (Arten)  des  Homs  sicher  nnd  fest  ansprechend 
und  aoch  da ,  noch  mehr  aber  bei  den  tiefer  liegenden  Homarten,  mat- 
ter nnd  unsichrer ,  als  die  hohem  Töne ;  2«  sind  die  beiden  höchsten 
Töne  (dreigestrichen  d  und  e) ,  sowie  das  zweigestrichne  b  nur  von 
wenigen  Blasern  zu  erreichen,  also  im  Orchester  nicht  zu  fodern; 
3.  kann  auch  das  dreigeslrichne  c,  wo  es  wirklich  zu  erreichen  ist,  nur 
in  bequemer  Folge,  z.  B.  — 


so 


—  eben  wie  bei  der  Trompete  —  gefedert  werden*). 

Einen  grossen  Vortheil  aber  hat  das  Hörn  in  Bezug  auf  Ton- 
reichthum  vermittels  des  Stopfens  vor  der  Trompete  voraus,  das  auf 
dem  Hörn  sehr  wohl  gelingt,  während  es  auf  der  Trompete  keine  gün- 
stige Rolle  spielt. 

Mit  Hülfe  des  Stopfens  ist  es  leicht,  nach  Angabe  des  Naturtons 
den  darunter  liegenden  (sogenannten  halbgestopAen)  Halbton  auch  in 
der  Tiefe  zu  fassen,  — 


81 


fl^t^^*** 


^^^^^^m 


obwohl  übrigens  auch  auf  diesem  Instrument  das  Stopfen  in  den  hohem 
Tonlagen  besser  gelingt  und  klingt,  als  in  den  tiefern,  und  in  diesen 
wieder  besser  in  den  höhern  Hornslimmungen  (von  denen  weiter- 
hin unter  B.  die  Rede  sein  wird),  als  in  den  tiefern.  Ferner  gelingen 
diese  Tonfolgen,  — 


S2 


#lfjg^J4^Eg^N^iF^^^^ 


ganz  oder  theilweis  gebraucht,  auf-  und  abwärts  sehr  wohl,  in  lang- 
samerer Bewegung  auch  die  chromatische  Tonfolge  in  der  tiefern  Ok- 
tave, —  wenigstens  mit  ein  Paar  Auslassungen  und  Ruhepunkten,  — 


83 


^rpzihiJz^E^^^ 


*)  Das  sweisestrichoe  d  (der  NoteoMhrift  nach)  ist  in  allen  Hornstimmnngen 
ein  wenig  sn  hoch,  das  zweisestricfane  0  dasegen  aaf  dem  J?-  ondF-Horn  bisweilen 
ein  wenig  zv  tief.  Doefa  kSnnea  beide  Fehler  in  der  Reinheit  der  Intonation  vom 
Bläser  leicht  überwanden  werden. 


78    

4 

wobei  übrigetis  das  Hiiuibsteigen  leichter  und  bewer  geiiegt,  weil  da 
jedem  geslopika  Ton  derNaliirtoBi  aaa  de«  man  ihn  bildet,  vorangebt. 

Die  sogenannten  halbgestopften  Tone  (S.  45)  kömien  auch  frei 
eingesetzt  werden «  wenn  nur  einige  Zeit  vorher  ihr  Naturton  -^  oder 
ttberbftupi  nahe  gelegne  Naturlöne  veransgegangen  sind.  Ganz  zu  An- 
fang oder  nach  langen  Pansen  ist  es  ratbsam,  das  Hörn  lieber  mit  Na* 
tnrtönea  etatcelen  zu  lassen. 

fiedenkbeher  ist  es,  die  sogenannten  ganzgestopften  T8ne  firei 
einsetzen  zu  lassen,  wofern  nicht  andere  Instrumente  sie  zogleicii 
geben  oder  kurz  zuvor  gegeben  haben.  Im  6efoIge  von  nahe  gdegnen 
Naturtönen  gelingen  auch  die  ganzgestopften  voUkonimen;  so  sehn 
wir  in  Nr.  82  das  tiefste  d  nach  c,  y*nach  e,  und  a  nach  g  eintreten, 
obgleich  d  von  e^  fvon  g^  und  a  von  b  aus  erzeugt  wird.  Mit  Unter- 
stützung des  Orchesters  gelingen  selbst  diese  Tonfolgen,  — 


84    ^ij^g^3^^^~ 


~^^ 


von  denen  die  ersten  beiden  unter  (Tie  vorige  Kategorie  zu  fallen  schei- 
nen, die  dritte  und  vierte  aber  Töne  {des  und  tief /7^)  enthält,  deren 
einer  anderthalb  Stufen ,  der  andre  gar  eine  grosse  Terz  unter  dem 
Naturton  liegt,  von  dem  aus  er  gestopft  werden  könnte.  IHese  Töne 
werden  nämlich  gar  nicht  in  der  gewöhnlichen  Weise  des  Stopfens*) 
erlangt,  sondern  der  vorausgehende  Naturton  wird  ein  wenig  gestopfl, 
der  nachfolgende  künstliche  Ton  dagegen  (also  as^f^  des,  und  das  tiefe 
as)  unter  Aufhebung  des  Stopfens  mit  den  Lippen  hinaufgetrieben. 
Uebrigens  ist  diesen  Tönen  stets  ein  hohler  und  stumpfer  Klang  eigen 
(namentlich  dem  tiefen  und  hohen  as) ,  und  man  thut  wohl,  sie  zu  ver- 
meiden. 

'  Die  Naturtöne  des  Horns  haben  einen  sanften  und  etwas  dum- 
pfen, aber  dabei  doch  gefüllten,  gleichsam  aufquellenden  Klang,  in  der 
liefe  etwas  rauher,  aber  leicht  bis  zum  Pianissimo  zu  massigen,  in  der 
Höhe  —  besonders  in  hohen  Stimmungen  —  voller,  gedrungner  bis 
zum  Gellenden  fast,  und  nicht  so' leicht  in  der  Schallkraft  znrnckznhal- 
ten.  Scharf  angegriffen  und  in  kurzen  Stössen  kann  dieser  Homklang, 
uamenttich  in  der  Tiefe,  bis  zur  Rauheit  der  Posanne  (wenn  auch  nicht 
zu  deren  gedrungner  Kraft)  getrieben  ,  umgekehrt  in  sanftem  Anhauch 
und  bei  ruhigem  Aushalten  oder  leisem  Anschwellen  in  so  luftiger 
Weiche  ausgezogen  werden,  dass  die  Klänge  wie  von  fern  herüber  uns 
anwehen ,  dass  dieselbe  Stelle  (wenn  sie  in  der  mittlem  Tonregion  ge* 
halten  ist)  erst  sanft  vorgetragen,  dann  im  gehauchtesten  Pianissimo, 
wie  ein  leisestes,  kaum  vernehmbares  Echo,  wiederholt  wird. 


*)  Dies  barubt  aaf  den  mehr  eder  weniger  auagedebiiteB  Schiiesae«  def  Rohr» 
darch  Eiofübroog  der  Hand  in  den  Schall  trieb  ter. 


79 


Verglttcheo  wir  den  HonrklaDg  mit  den  Khiig  der  Trompete,  so 
laden  wir  znnäcbst  bei  der  Trompete  einen  sebärfera  oder  spitzem 
Anklang,  der  heftig  und  tief  in  nnser  Gebor  dringt,  bei  dem  Hom  mebr 
Weite  und  Rundung,  mehr  Rsom  so  zu  sagen  im  Klange;  die  Trompete 
ist  Rem,  ist  von  der  Mitte  des  RIangs  herans  gedningne  Krafit,  der 
H^mklang  bat  mehr  peripberisches  Wesen  and  weniger  festen  Hern, 
gleichsam  mehr  luftige  Ansfüllung.  Die  hohen  Töne  der  Trompete,  wo 
der  Schmetterton  (S.  47)  wegßUt,  kommen  noch  am  nächsten  mit  den 
höchsten  des  Horns  in  den  höchsten  Stimmungen  zosammen,  überbieten 
sie  aber  immer  noch  in  Gedrungenheit,  Heftigkeit  und  RIarbeit,  bebal- 
ten immer  noch  etwas  vom  schneidenden  Grundklang  des  Instruments 
im  G^ensatz  zu  dem  verhülltem  Wesen  des  Homs. 

Die  Posaune  steht  dem  Hom  schon  vermöge  der  tiefem  Tonlage 
and  grössern  Fülle  des  Sehalk  näher  als  die  Trompete ,  schliesst  sich 
aber  in  Renigkeil ,  Schärfe  und  Macht  doch  mehr  der  letztern  an ,  mit 
der  sie  (S.  61)  eigentfich  gleichen  Gmndbau  hat. 

IKe  halbgestopften  Horntöne  können  —  zumal  bei  guter  Vor- 
berettnng  und  in  der  Mitte  oder  höhern  Region  —  von  guten  BHisern 
den  Nsturtönen  gleich  oder  doch  fest  gleich  gebildet  werden,  unterschei- 
den sich  aber  im  ungünstigem  Falle  durch  gedrückten  oder  gezwäng- 
ten Riang.  Noch  gepresster  und  dumpfer ,  auch  etwas  näselnd  klingen 
die  ganzgestopften  Töne,  wenn  nicht  gute  Vorbereitung  und  Ab- 
hälfe sie  wem'gstens  Ms  auf  einen  gewissen  Grad  ausgleichen.  Aehn- 
lieh ,  nnr  noch  näselnder  und  dabei  heftig  hervordringend ,  erscheinen 
die  bei  Nr.  84  erwähnten,  durch  Lippen  druck  gebildeten  Töne.  — 
Wir  wollen  uns  aber  hier  nicht  übereilt  herbeilassen,  alle  diese  unbe- 
günstigtern  Töne  aufzugeben.  Die  jetzt  hochgesteigerte  und  weitver- 
breitete Geschicklichkeit  der  Bläser  gleicht  gar  Vieles  aus,  was  früher 
schwer  gewagt  heissen  durfte  f  und  diese  gedrücktem  Tönekömien  gar 
vielen  Intentionen  des  Komponisten  weit  entsprechender  sein ,  als  die 
grössere  Helligkeit  und  Glätte  der  Natnrtöne.  Wir  haben  längst  (Th.  I. 
S.  496)  anerkannt,  dass  die  Kunst  eine  unendlich  tiefere  und  umfassen-^ 
dere  Aufgabe  zu  lösen  hat,  ais  die  abstrakte  sogenaAnte  Schönheit  oder 
gar  nur  den  Wohlklang  darzustellen. 

Die  Tonfolge  darf  auf  dem  Hom  nicht  zn  schnell  genommen 
werden ,  in  leichten  Gängen  kann  man  im  Orchester  höchstens  Sechs* 
zehntelbewegttng,  in  engliegenden  Arpeggien  (Nr.  45  a.,  b.)  Sechs- 
zehntel-Triolen  im  Alhgro  moderato  foderuf  lebhaftere  Bewegung 
würde  ohnehin  seinem  Karakter  nicht  zusagen.  Für  den  Solosatz 
kann  man  weiter  gehn;  selbst  Triller,  z.  B.  diese  — 


können  da  gesetzt  werden. 


80     

ToDwiederholuDg  gelingl  leicht,  doch  nicht  in  so  schneller 
Bewegung,  wie  der  Schmetterton  der  Trompete  sie  giebt,  oder  doch 
nnr  aofeine  kor^e  Strecke,  aof  zwei  bis  drei  Stösse,  sobald  sie  das 
oben  angedeutete  Maass  der  Bew^ung  überschreitet. 

Das  Tonaushalten  kann  so  lange  gefodert  werden,  als  der 
Athem  des  Bläsers  reicht ;  nur  bei  den  hohen  Tönen  ist  langes  Aushal- 
ten für  die  Lippen  schwer  und  darum  nicht  ohne  Noth  zu  fodero. 

In  allem  Uebrigen  ist  die  Behandlung  und  Fähigkeit  des  Homs  der 
der  Trompete  gl^ch ;  wir  verweisen  daher  auf  das  S.  46  Gesagte. 

B.  Arten  und  Stimmungen  des  Borns. 

Obgleich  das  Hörn  mit  Hülfe  des  Stopfens  über  ein  weit  Tollständigeres 
Tonsystem  gebietet,  als  die  Trompete,  so  ist  es  doch  ebenfalls  nicht  un- 
beschränkt frei  in  seinen  Tonbewegungen  $  sein  Kern,  die  Natnrtöne, 
ist  ebenfalls  eng  gemessen  und  seine  gestopften  Töne  können  meist  nur 
unter  Bedingungen ,  also  nicht  nach  jeder  Richtung ,  die  Tongedanken 
nehmen ,  gebraucht  werden ,  sind  auch  nicht  durchaus  gleichklingend 
mit  den  Naturtönen.  Man  hat  daher  ebenfalls,  wie  bei  der  Trompete, 
verschiedne  Stimmungen  oder  Arten  des  Homs  nöthig  befunden.  Es 
sind  folgende : 

1.  Das  tiefe  ^-Horn  (como  in  B  basso). 

Das  £-Hom  steht  eine  Stufe  tiefer,  als  das  Normalhorn;  seine 
Noten  sind  also  eine  Stufe  tiefer  zu  lesen  und  ertönen  dann  noch  eine 
Oktave  tiefer,  —  oder  im  Ganzen  eine  grosse  None  tiefer.  Diese  Noten 
also  — 


^  ^^3^4^^^ 


sind  zu  lesen  als  6,  </,y,  b  und  ertönen  so,  — 


87    ^=^=f=^ 

wie  hier  steht. 

Das  tiefe  i9-Horn  kann  gross  C  (den  Noten  nach)  entweder  gar 
nicht,  oder  doch  nicht  mit  Sicherheit  und  Festigkeit  erreichen,  dagegen 
bis  zum  zweigestrichnen  a  oder  auch  wohl  bis  zum  dreigestrichnen  c 
(den  Noten  nach ,  —  dem  Ton  nach  bis  zum  eingestrichnen  g  und  b) 
in  diaionischer  Folge  (wie  vielmehr  akkordisch,  —  das  heisst  im  Ak- 
korde des  (rrnndtons  — )  hinaufgehn. 

Sein  Klang  ist  voll,  aber  etwas  rauh. 

2.  Das  C-Horn. 

Dies  ist  die  als  Normal-Instrument  aufgestellte  Hornart.  Tongebiet 
und  Klang  sind  dem  des  tiefen  JB-Horns  gleich,  letzterer  scheint  uns 
etwas  weniger  voll,  aber  kälter. 


81     

3.  Das  Z^-Hom. 

Die  Noten  des  Z>-Horns  sind  eine  Stufe  höber  zu  lesen,  ertönen 
aber  dann ,  wie  alle  Hornarten ,  eine  Oktave  tiefer.  Die  Noten  Nr.  86 
sind  also  für  das  D-Üorn  als  d^ßs^  <7,  d  zu  lesen  and  ertönen  so,  — 

•Ol 


^0^ 


■t: 


wie  hier  steht. 

Für  das  I>-Horn  ist  gross  C  (also  der  Ton  gross  D)  schon  er- 
reichbar. In  der  Höhe  geht  es  in  diatonischer  Folge  bis  zum  zweige- 
slricbnen  a  (also  dem  Tone  nach  dem  eingestrichnen  h)  und  akkor- 
disch —  auch  in  lebhaftem  Fortgang  und ,  wenn  kein  Piano  gefedert 
wird,  diatonisch  —  bis  zum  dreigestrichnen  c; 


m. 


ertönt  wie    j^j  ^^J    J"]^ 


ja,  es  können  bei  ihm  und  bei  den  tiefern  Hornarten  das  höchste  g  und 
Cj  auch  a  im  Forte  nach  Pausen  frei  eingesetzt  werden. 
Der  Klang  ist  noch  etwas  rauh. 

4.  Das  Es'üovü. 

Die  Noten  des  Es-Uoms  sind  eine  kleine  Terz  höher  (c  als  es)  zu 
lesen,  ertönen  aber  von  da  eine  Oktave  tiefer ;  die  Noten  Nr.  86  sind 
als  es,  g^  A,  es  zu  lesen  und  ertönen  als  klein  es  u.  s.  w. 

Tongebiet  und  Behandlung  sind  gleich  dem  des  D-Horns;  das 
höchste  g  und  c  können  nach  Pausen  (nur  nicht  zum  ersten  Einsatz 
in  ein  Tonstück) ,  auch  das  höchste  a  kann  nach  einer  kleinen  Pause, 
sowohl  im  Forte  als  im  Piano,  frei  eingesetzt  werden. 

Der  Klang  ist  durch  grössere  Weichheit  merklich  vom  i9-Hom 
unterschieden;  das  Es-lAorn  ist  die  sanfteste,  am  bedecktesten  erklin- 
gende Art. 

5.  Das  jE^-Horn. 

Die  Noten  des  £-Homs  sind  eine  grosse  Terz  höber  (c  aU  e) 

'  zu  lesen  nnd  ertönen  von  da  eine  Oktave  tiefer,  also  der  Satz  Nr.  86 

als  klein  e^  gis  u.  s.  w.  Tongebiet  und  Behandlung  sind  denen  des  Es- 

Homs  gleich ;  der  Klang  ist  sanft,  aber  heller  nnd  gefüllter,  als  der  des 

Es'Eorns. 

6.  Das  F-Horn. 

Die  Noten  des  F-Horns  sind  eine  Quarte  höher  zu  lesen  (c  wie/), 
ertönen  aber  von  da  eine  Oktave  tiefer,  also  der  Satz  Nr.  86  als  klein 
y,  a  u.  s.  w- 

Diatonisch  kann  man  bis  zum  zweigestrichnen  g^  asy  a  (ertönt  als 
zweigestrichen  c,  eis,  d)^  akkordisch  bis  zum  dreigestrichnen  o  — 

Marx,  Konp.L.  IV.  9. Aufl.  6 


82 


90 


^^^^^^i  crlönl  als  ^ 


ipciipc 


fuhren,  das  höchste  g  und/  auch  nach  Pausen  oder  das  erslere   in 
weilen  Schritten,  z.  B. 


ertönt  als  ^^^^^^ 


eintreten  lassen. 

Der  Klang  des  Instruments  ist  schon  merklich  gedninj^ner,  als  der 
des  jf^'Honis ,  aber  immer  noch  für  sanften  Ausdruck  wohl  geeignet. 
Nar  die  Töne  über  <t  werden  leicht  etwas  zu  voUgedrongeB,  wo  mcht 
gar  gellend  ansprechen. 

7.  Das  6-Horn. 

Die  Noten  des  £^Homs  sind  eine  Quinte  hoher  su  lesen ,  ertönen 
aber  von  da  eine  Oktave  tiefer,  also  der  Satz  Nr.  86  als  klein  g^  h 
n.  s.  w.  Man  kann  bis  zum  höchsten  g  gehn ,  auch  diesen  Ton  nach 
Pansen  eintreten  lassen,  wiewohl  er  leicht  etwas  gepresst  erkKngl. 

Ueberhaupt  hat  dieses  Instrument  einen  gepressten ,  etwas  gellen- 
den Klang,  besonders  in  den  höhern  Lagen. 

8.  Das  ^-Horn. 

Die  Noten  sind  eine  grosse  Sexte  höher  zu  lesen  {c  wie  a)  und 
ertönen  von  da  ab  eine  Oktave  tiefer ,  also  der  Satz  Nr.  86  wie  klein 
a  u.  s.  w. 

Tonumfang  und  Behandlung  sind  denen  des  C-Horns  gleich ,  nur 
erscheint  das  höchste  g  etwas  übermächtig  (wiewohl  der  Bläser  es  mil- 
dem kann)  und  dürfte  im  freien  Eintritt  nicht  immer  glücken. 

Der  Klang  ist  gefüllter  und  eindringlicher,  wie  bei  den  tiefiem 
Hornarten. 

9.  Das  hohe  JB-Horn  (como  in  ß  alto). 

Dies  steht  eine  Oktave  höher  als  das  tiefe  0-Hom,  die  Notenreihe 
Nr.  86  ertönt  also  als  klein  £,  eingestrichen  d  u.  s.  w.  Man  thnt  wohl, 
nicht  über  das  zweigestrichne  e  (ertönt  als  zweigestrichen  d)  hinans-  ' 
zugehn ;  /  klingt  schon  tibertrieben ,  g  wird  noch  härter  und  ist  nicht 
gut  lange  zu  halten. 

Der  Klang  ist  durchgehend  härter  und  gepresster ,  wie  in  den  tie- 
fem Stimmungen. 

Dies  sind  die  eigentKeben  Hornarten.  Dorcb  ei«en  am  Rohr  zu 
dessen  Veriängerung  angebrachten  Aoszug  —  sichrer  nnd  besser, 
mit  reinerer  Stimmung  durch  Auf-  oder  Einsetzen  besonderer  Bo- 
gen ^^  kann  die  Stimmung  jeder  Horaart  noch  am  eine  halbe  Stufe  er- 
niedrigt werden.  So  verwandelt  sich  denn 


83    

das  tiefe  0-Horn  in  ein  tief  A  -Hörn  (como  in  A  basso)^ 

/>----  Des-  -  oder  Cw-Horn, 
C-  -  -  -  6?«-  -  -  Ä>-  -  , 
^-   -       -     -  ^* -     -     ; 

die  Erniedrignog  des  £!f-,  i?-,  F*Honis  erzeugt  keioe  neue  Stimmung. 
Alle  diese  Stimmungen  sind  übrigens  nur  selten  in  Gebrauch  gekom* 
men;  der  Klang  des  Instruments  tritt  bei  ihrer  Anwendung  weniger 
reio  and  wohltönend  hervor.  Auch  abgesehn  davon  ist  der  Gewinn, 
den  diese  Stimmungen  bringen,  vom  Komponisten  nieht  eben  hoch  an- 
zuschlagen. Für  die  helle,  liebliche  Tonart  ^dur  und  für  das  heisse 
HAvac  würden  tiefe  A-  und  /f- Hörner  zu  dumpf  und  rauh,  für  das 
feierlich -andächtige  A^inv  würden  die  hochliegenden  ^«- Homer  zu 
heftig  and  gellend  erklingen,  dtfs  ohnehin  seltne  Des-  und  GeaAxxr 
weiset  aus  ähnlichen,  in  der  Musikwissenschaft  zu  erörternden  Grün- 
den den  Homklang  zurück.  Der  erfahrne  und  gewandte  Komponist 
weiss  mit  den  sichersten,  reinsten  Mitteln  auszukommen  und  findet  nicht 
selten  eben  in  der  Beschränktheit  dieses  oder  jenes  Mittels  einen  Beiz, 
durch  neue  Wendungen,  also  auf  geistigem  Wege  jener  Beschränkt- 
heit abzuhelfen,  während  der  unerfahrne  nicht  anders  darüber  hinaus- 
kommt, als  dass  er  mehr  oder  neue  Mittel  fodert,  also  materielle  Hülfe 
sucht.  Es  kann  allerdings  Ausnahmsfalle  geben ;  sie  möchten  aber  sel- 
ten sein*). 

Sechster  Abschnitt. 

Der  Homsatz. 

Die  Uebungen  für  Hornkomposition  beginnen  wir  wieder  mit  der 
dnbchsten  Aufgabe ,  mit  dem 

1.  Satz  für  zwei  Hörncr**); 
die  noch  einfachere  Aufgabe,  der  Satz  für  ein  Hom,  würde  nicht  ein- 
mal Harmonie  bieten. 

Da  die  Aufgabe  sehr  einlach  ist,  so  beschränken  wir  uns  auf  kleine 
Liedsätze,  gleichsam  Pederproben,  bei  denen  wir  bald  diese,  bald  jene 


*)  Der  AnfÜDser  kann  sich  Lesen  und  Seb reiben  der  lostrameDtstlmmeD, 
ieren  Noten  andre  Tonreiiien  geben,  als  die  von  ihnen  eisentlich  benannten,  dnrch 
maDeherlei  Hälfsniittel  erleichtern,  in  Betreff  derer  auf  des  Verf.  AI  lg.  Masik- 
lehre  (S.  ISS)  verwiesen  wird.  Der  Rompositionsjünger,  der  toDäcbst  leichte  Auf« 
gaben  —  fdr  zwei  Trompeten  oder  zwei  Hörner-»  vor  sich  hat,  orientirt  sieh  sehoa 
an  ihnen  hinlaoglieh.  Fär  ihn  ist  es  vortheilbaft ,  sich  ohne  solche  Holfsmittel  zn 
gewöhnen,  die  Noten  im  gebührenden  SehlUssel  zn  schreiben  and  zn  lesen,  und  da- 
bei gleieb  tninsponirt,  in  der  reehten  Tonart  sieh  vorzustellen. 
**)  Sätze  dieser  Art  heiiscn  olrigeni  Bici  n  1  e  n. 

6« 


84 


HornstimmuDg  zom  Grunde  legen ,  sanfter  für  die  £«-Hörner,  hirter 
und  frisch  entschieden  für  die  /^-Hörner,  sanfl,  aber  ermuthigt  für  die 
F-Hömer  u.  s.  w. 

Bei  der  Beschränktheit  der  Mittel  sind  wir  von  selbst  auf  die 
einfachsten  Harmonien  hingewiesen,  mithin  der  gestopften  Töne  wenig 
oder  gar  nicht,  oder  doch  nicht  in  schwieriger  und  bedenklicher  An- 
wendungsweise benöthigt. 

Wie  bei  den  Trompeten,  so  haben  wir  auch  bei  den  Hörnern 
darauf  zu  sehn ,  dass  das  erste  Hörn  nicht  —  oder  nur  wenig  zu  den 
tiefsten,  und  das  zweite  nicht  zu  den  höchsten  Tonlagen  gebraucht 
werde.  Der  erste  Hornist  (Primarius)  bedient  sich  sogar  meist  eines 
engern  Mundstücks ,  das  ihm  die  Hervorbringung  der  hohem  Töne  er- 
leichtert, ebenso  aber  die  der  tiefern  erschwert.  Dagegen  hat  das  zweite 
Hörn  ein  weiteres ,  mehr  für  die  tiefiArn  als  hohen  Tonlagen  geeignetes 
Mundstück.  Das  zweite  Hörn  sollte  daher  nicht  leicht  höber  als  bis 
zum  zweigestricbnen  «,  und  in  den  hohen  Stimmungen  (in  A-^  and 
hoch  i9-Hömern)  nicht  leicht  über  c  oder  d  hinaus  geführt  werden. 
Nach  der  Weise  des  hier  vorherrschenden  Natorsatzes  (Th.  I.  S.  58) 
macht  sich  dies  Alles  von  selbst  so. 

Gehen  wir  über  den  einfachen  Satz  für  zwei  Homer  hinaus,  so 
kommt  naturgemäss  der  doppelzweistimmige  (Th.  I.  S.  73).  Es  kann 
jedoch  aus  mancherlei  Gründen  (z.  B.  für  ein  bestimmtes  Personal)  der 

2.  Salz  für  drei  Hörner 
dem  Komponisten  in  einzelnen  Fällen  zusagen.  Besonders  in  Komposi- 
tionen für  volles  Orchester  kann  der  Horasatz  bisweilen  voller  als  zwei- 
stimmig und  doch  zugleich  leichter  als  vierstimmig  gewünscht  werden. 
So  hat  Beethoven  in  seiner  heroischen  Symphonie  durchgehends  drei 
Höraer  gesetzt,  die  im  Trio  des  Scherzo*)  zu  entschiedenster  Wir- 
kung kommen;  — 

Allegro  vivace. 

»2  ^     SolL ^ I   ■       I  .   ■    ^        ■       ■  I 

Conti  iaEs 


1.  11. 


in. 


^iS^^^i^ 


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^tT  t'^T  t5F^^^  ^^"^ 


T 


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-^P^^- 


EÖ 


:* 


:t 


*)  S.  139  der  bei  Simrock  ersebieoeDeD  Partitor.  Die  kleioeo  Noten  in  Nr.  92 
deatea  Zwischeoscbläse  der  Streiebiostrameate  aod  Oboeo  ao. 


85 


I 


^^ 


j    ^    J   .-JL^i.:^ 


^T    x^T    T" 


W- 


=t= 


Ef^ 


^E 


=|c=--5^ 


in  ähDÜcher  Weise  hat  er  die  Leonoren-Arie  im  Fidelio*)  mit  drei 
Hörnern  und  einem  Fagott  (als  obligatem  Chor  im  Orchester)  begleitet. 
Wenn  auch  dieser  Fall  wegen  des  zugefügten  fremden  Instruments 
nicht  genau  hierher  gehört,  so  sei  doch  der  Scbluss  der  Hompartie  (es 
sind  £-Hömer  im  AUegro  eon  brio ,  das  Fagott  unterstützt  das  dritte 
Hom)  — 


93   < 


Ä 


llda. 


^Jl   J. 


^^ 


i 


r 


TTn- 


=^^5^3:^3 


m 


-0rr^tr. 


J^ 


hierhei^esetzt,  um  im  Verein  mit  Nr.  92  die  Führuog  bis  zam  hohen  c 
za  zeigen. 

Man  bemerke,  dass  in  Nr.  92  das  dritte  Hom  (als  ein  Primhom) 
übereinstimmend  mit  dem  S.  58  Gesagten  höher  liegt,  ab  das  zweite. 
In  Nr.  93  dagegen  liegt  das  zweite  Hörn  höher  —  oder  länger  hoch,  als 
das  dritte.  Warum  das?  —  Weil  es  die  tiefen  Töne  bequemer  und 
sichrer  einsetzt,  während  das  dritte  Hörn,  wenn  es  nachahmend  folgt, 
von  ihm  gedeckt  und  gesichert  wird.  Sodann,  weil  es  seinen  Gipfelton, 
das  ihm  eigentlich  zu  hoch  liegende  g ,  mit  einer  grössern  Heftigkeit 
herausbringt  nnd  den  Ton  sowohl ,  als  den  Gang  zu  ihm  kräftiger  in- 
tonirt;  das  dritte  Hom  würde  ihn  leichter  erlangt  und  darum  eben 
weniger  durchdringend  gegeben  haben.  In  den  andern  Sätzen  der  Arie 
hat  Beethoven  das  dritte  Hörn  als  Primstimme  behandelt,  weil  kein 


*)  S.  220  der  bei  Farreoc  in  Paris  bertasge^ebacD  Pcrtitar. 


86 


Grund  zu  weitem  Abweichungen  war.  —  In  gleichem  Sinne  hat  er  «las 
Solo  zu  Anfang  des  Allegro  seiner  Pideiio-Onvertüre*)  — 


dem  zweiten  Hörn  gegeben.  Es  sind  wohl  nicht  Mos  die  tiefen 
Schlusstöne,  die  ihn  bestimmt  haben,  sondern  er  durfte  daraufrechnen, 
dass  das  zweite  Hörn  die  ihm  weniger  leicht  erreichbaren  hohen  Töne 
(e-^ffy  d—f)  um  so  heftiger  intoniren  und  um  so  überquellender  damit 
aus  dem  Dolce  der  ganzen  Melodie  sich  erheben  würde.  Beide  Aus- 
nahmsfälle bestätigen  die  Regel ;  denn  in  ihnen  wird  eben  das  (heftige- 
res Heraustreten  des  zweiten  Horns  mit  zu  hoch  liegenden  Tönen)  be- 
zweckt, was  im  Allgemeinen  nicht  beabsichtigt,  sondern  vermieden  wer- 
den soll. 

Als  selbständige  Hornmusik  vollständiger  ist 

3.  Der  Satz  für  vier  Hörner. 

Hier  müssen  wir  unterscheiden,  ob  die  beiden  Paare  von  gleicher 
Stimmung  sein  sollen,  oder  von  verschiedner. 

Im  erstem  Falle  gewähren,  wie  wir  schon  ansFrüherm  abnehmen 
können,  die  vier  Hörner  ungleich  günstigem  Ausdruck  alles  dessen,  was 
in  dieser  Instrumentklasse  überhaupt  zu  erlangen  ist.  Getragne  Sätze, 
z.B. 


m,  IV. 


'■^  f3n5=t^  1 


oder  lebhafter  bewegte  Tongruppen,  z.  B. 


96 

CorniinD. 

I.  11 


UI.  IV, 


UHU 


können  hier  harmoniereicher  und  in  genügender  VoIIslimmigkeit  darge- 
stellt, gestopfte  Töne  schon  mit  grösserer  Freiheit  eingemischt  werden, 


•)  S.  7  der  Parlitnr. 


87 


weil  die  Masse  der  sai^ioh  erkfingeodea  Natortöoe  den  Akelasd  und 
mmdcra  Woblklaog  verkirgU 

Durch  abweichende  Sümmiuig  der  beiden  Heni|MUire  wird  in  den 
HomsaU  noeh  grössere  Mannigfaltigkdt  gebracht.  Wir  haben  sehe« 
bei  den  Trompeten  S«  58  aaf  den  Vortheit  Terschiedenartiger  Besetznog 
auCmerksam  gemacht;  bei  dem  tonreichen  Hörn  mofis,  wie  Jeder  selbst 
ermessen  kann,  der  Gewinn  noch  grösser  sein.  Als  ein  nicht  etwa  be- 
sonders reiches )  mit  besondrer  Ranst  aus  den  Mitteln  des  Homs  kom- 
binirtes*,  sondern  durch  Natürlichkeit  und  Anmuth  ausgezeichnetes  Bei- 
spiet stehe  hier  der  Homsatz  von  K.  M.  v.  Weber's  Ouvertüre  zum 
Freischütz*),  — 


97 

Comi 
in  F. 


Comi 
iaC. 


Adagio. 


Soli 


^m 


=^ 


v  r  I 


*)  5.  4  Aer  bei  Sebletlofer  in  Berlin  erscbienenen  Partitur  der  Ouvertüre. 

Uebrigeat  «rinoere  man  sieb  M  dem  obisen  Satte  (Nr.  f7)  de»  S.  77  über  tfefo 
StopflGae  uad  de»  S.  18  über  des  Uoterscbied  der  Prin-  und  Sefcvodatmiaien  be- 
sagten. Der  tiefste  Stopfloo,  im  vorletzten  Takte  af,  ist  erstens  dem  Sekandbom  $9- 
geben,  dem  die  liefern  Tonlagen  bequemer  und  sicbrer  zasageo;  zweitens  sind  es 
F-H5mer,  also  boebgestimmte,  die  ibn  nehmen  sollen.  Aneb  aof  ^  nnd  allenfalls 
£#-H6rneni  würde  die  Stelle  gut  gelingen ;  weniger  gut  auf  den  tiefer  liegenden 


88 


der  ovr  insofern  aossei^alb  unser«  jeteigen  Kreises  liegl,  als  er  von 
einer  harmonischen  Begleitung  der  Saiteninstramente  getragen  wird. 
Freier  mischen  sich  Hörner  verschiedner  Stimmung  in  dem  Jägerchor 
im  dritten  Akte  von  Weheres  Euryanthe,  es  sind  zwei  Es-  und  zwei 
tiefe  f^-Hömer  (die  der  Komponist  möglichst  zahlreich  besetzt  wünscht) 
mit  Unterlage  einer  Bassposaune ;  — 


98 

CoTDi      r 

iu  Es. 


Comi        , 
inB  basso.  ^ 


Trombone 
basso. 


//  ^^ -=1 =s 


(Die  drei  ersten  Tskle  bis  sva 
Anriakt  im  dritten  wiederbolt.) 


PP  ^  '  '  PP 

die  vorausgegangne  Nr.  96    mag    als  Reminiscenz   aus  Enryanthe 
gelten. 

4.  Grössere  und  mannigfaltigere  Zusammenstellungen. 

In  den  meisten  Fällen  wird  über  die  Zahl  von  vier  Hörnern ,  we- 
nigstens in  Orchesterwerken  9  nicht  hinausgegangen ;  man  zieht  lieber 
andre.  Instrumente  hinzu,  als  dass  man  eine  einzige  Klasse,  noch  oben- 
ein von  tiefer  Tonlage  und  dumpfem  oder  verhülltem  Klang,  so  aufhäu- 
fen soUte.  Indess  können  mit  vergrösserter  Hornzahl  allerdings  noch 
eigenthümlicbe  Effekte  gewonnen  werden.  Zunächst  in  gleicher  Stimm- 
art, nur  bei  zwei-  oder  mehrfacher  Besetzung  jeder  Stimme;  dann  ist 
es  aber  rathsam,  den  Satz  noch  einfacher  anzurichten  und  sich  aller  eini- 
germassen  bedenklichen  Töne  zu  enthalten ,  wie  deren  in  Nr.  92,  93 
und  95,  —  die  auch  ausdrücklich  als  Solosätze  bezeichnet  sind,  —  vor- 
kommen. 

Geht  man  mit  mehr  Hörnern  über  die  Zahl  von  zwei  Stimmungen 
hinaus,  so  lässt  sich  Vieles  erreichen,  was  ausserhalb  der  natürlichen 


89    

GrMnzeii  der  HarmoDienusik  liegt,  doch  aber  unler  besondern  Umstän- 
den von  Wirkung  sein  kann.  So  würde,  während  die  ursprüngliche 
Tonreihe  des  Horns  auf  Dur  deutet,  eine  Verbindung  von  C-,  Es-  und 
^«-Hörnern  uns,  wie  dieses  Schema  zeigt,  —  in  dem  die  natürlichen 
und  gestopften  Töne  durch  die  Schrift  unterschieden  sind,  — 


-»»-      T         I    :        i       :    !    :    !    :    !    1    ! 


C-H5riier 


Vr-xiuriicr.  ;  ;;  •  ••••••    j.« 


die  vollständige  und  ausgedehnte  Tonleiter  von  Cmoll  mit  vielen  Hfilfs* 
und  Nebentönen  — 

fsj    g^    ff,    *,    Ä,   c,    5^    esj    c,  /,    g^    OS,  a,   *,   A*,  T,    m, 
g,  A,   c,    rf,    es^        fy    gy    as,  A,   c, 

ergeben*).  Die  Verbindung  eines ^^o,  F-,  E-  und  C-Homs  würde  fol- 
gende Tonleiter  für  j4s  dur  — 


111322232    13    2    3    3    23    3    3    4    3  3    44    ^^.3. 3? 


100 


^^^ 


ir^t  2      ^  ^  ^        121113  2221222111 


ergeben  (wobei  die  obere  Zifferreihe  zeigt ,  wie  oft  jeder  Ton  über- 
haupt —  und  die  untere ,  wie  oft  er  als  Naturton  vorhanden  ist)  und 
die  wichtigsten  Akkorde  — 

c  -  es  -as-  c  "  es  -  as  -  c, 
b-es-g-b"  des  ^  es  -  g  -  b,  vaiij'oitvjesj 
f-  as  -des-f-  as,  _ 

c  "  f  -as  '  c-  f  -  as  -  Cy 
g-  c  -es  - g  -  c     "  es  ^ g  -  Cy 

b-j  -b  -&-  f  -b. 


*)  Es  versteht  sich,  dass  alte  die  IVotea  ond  Namenreihea  sechszebnrdasig  zu 
lesen  sind. 


90     

in  ftoleher  Weise  besetzen,  4ass  die  Mehiuhl  der  iDter^alle*)  mit  Na- 
turtönen gegeben  ivürde. 

Allein  der  Gewinn  aus  so  ktinstfichen  Unternebmungen  dürfte  nur 
ein  zweideutiger  and  geringer  sein.  Der  Komponist  sieht  sich  dabei  in 
ein  Netz  von  Berechnongen  und  Rücksichten  verstrickt,  die  sein^ 
Freiheit  im  Schaffen  —  war'  er  auch  noch  so  gewandt  —  alh;u  enge 
Schranken  setzen ;  die  für  Melodie  oder  Harmonie  erfoderlichen  Töne 
müssen,  sobald  man  sich  vom  Naturstande  des  Instruments  entfernt, 
auf  den  verschiedneh  Hörnern  zusammengesucht  und  zusammengesetzt, 
und  damit  muss  nicht  blos  der  Gang  der  einzelnen  Stimmen  gestört,  es 
müssen  auch  die  Glieder  und  Abschnitte  der  Melodie  aus  ihrem  Zusam- 
menhang gerissen  werden;  Und  das  Alles,  Um  das  so  naturfrische,  der 
natürlichen  Empfindung  so  wohltbuende  Instrument  in  fremde  Harmo- 
nien oder  Tonarten  hineinzuquälen.  Wie  weit  erquicklicher  wirkt  ein 
Hornpaar  in  den  einfachsten  Weisen  der  Naturharmonie,  weil  diese 
seineoi  eignen  ungekünstelten,  einfacb-natärljcbea Wesen  gemäss  sind! 
Wie  weit  mächtiger  wirkt  der  Einklang  der  Hörner  in  Gluck's  Iphi- 
genien-  oder  Cherubini*s  Lodoiska-Ouvertüre,  oder  in  der  Einleitung 
zu  Schneider's  Ouvertüre  über  den  Dessauer  Harsch,  als  volle  von 
Hörnern  intonirte  und  durch  den  Hornklang  überfüllte  Akkorde  t  We- 
nigßlens  dürften  so  erkünstelte  Zusammenstellungen  nur  in  seltnen 
Fällen  sachgemäss  befunden  werden.  Daher  können  wir  sie  auch  nicht 
zu  besondrer  Uebung  empfehlen. 

Es  fragt  sich  zuletzt,  ob  nicht 

5.   Verbindung  von  Hörnern  mit  Trompeten,  Po- 
sannen und  Pauken 

zu  versuchen  sei?  —  Im  Orchester ,  also  im  Verein  mit  andern  Instru- 
menten ,  werden  diese  Instrumente  bekanntlich  oft  neben  einander  ge- 
braucht. Dagegen  würde  der  Verein  von  Trompeten  und  Hörnern  allein 
selten  ein  günstiges  Resultat  erwarten  lassen,  weil  beide  durch  Tonge- 
biet, Klang  und  Schallkraft  zu  weit  von  einander  abstebn;  der  Schall 
der  Trompete  würde  den  Hornklang  zerreissen ,  ohne  sich  mit  ihm  zu 
verschmelzen ;  die  Homer  würden  den  Trompetensatz  in  der  Tiefe  nur 
dumpf  und  malt  verdoppeln  und  beschweren  können.  Eher  liessen  sich 
Hörner  mit  Posaunen  (jene  mehrfach,  diese  einfach  besetzt,  wie  K.  M. 
V.  Weber  zu  dem  in  Nr.  98  angeführten  Hornsatze  verlangt)  ver- 
binden ,  da  letztere  durch  Tonlage  und  Fülle  des  Schalls  ihnen  näher 
stehn ;  dann  kann  auch  die  Pauke  zutreten.    Indess  auch  dieser  Verein 


*)  INar  des  (also  die  Septime  im  Domioantakkord,  der  Groodtoo  im  Dreiklangp 
der  ÜAterdoiaioaote  a.  s.  w.)  ist  oicht  natürlich  kq  baben.  Der  VoncbUf  dieser 
Rombioation  gebort  übriseos  H.  Der  lioz  an. 


91     

ersebeint  iiioht  anwendbar  genug,  «m  za  beson^em  üebaogen  aa^ 
safodern.  Was  er  gewähren  könnte,  wird  durch  den  Cbor  der  Venlii'* 
Inalmmente  besser  erlangt,  zu  dem  wir  jetzt  übergehn*). 


Dritte  AbtheOung. 
Die  Ventiliiistnunente. 

In  der  vorigen  Abiheilung  haben  wir  erfahren ,  dass  ein  Theil  der 
Blechinstrumente  (Trompeten  und  Hörner)  nur  eine  unvollständige  Toa- 
leiter  hat  und  die  fehlenden  Töne  nur  unvollkommen  und  bedingt  erlan- 
gen kann.  Diese  Unvollständigkeit  hat  man  bald  für  eine  Un- 
Vollkommenheit  angesehn  und  durch  mancherlei  Vorrichtungen  am' 
Instrument  zu  überwinden  getrachtet.  Unter  den  verschiednen  hierzii 
angestellten  Versuchen  verdient  die  Anbringung  der  Ventile  wohl 
unstreitig  den  Vorzug,  hat  auch  in  der  That  den  Vorrang  mit  Hiow.egr 
drängung  der  frühern  Versuche  errungen.  Zunächst  sind  diese  Ventile 
an  den  Hörnern  und  Trompeten,  dann  auch  an  der  Posaune  an- 
gebracht worden.  Hierdurch  ist  ein  System  von  Blechinstrumenten  auf- 
gestellt worden ,  das  eine  wesentlich  andre  Beschaffenheit  und  Bedeu- 
toog  bat,  als  die  in  der  vorigen Ablheiliing  aufgeführten  natürlichen 
Instrumente  gleiches  Namens. 

Den  so  mit  Ventilen  versehenen  alten  Instrumenten  ist  sodann  eine 
Reibe  neu  erfundner  (oder  vielmehr  altern  ausser  Uebui^  gekommnen 
nachgebildeter)  Instrumente  hinzugefügt  worden,  die  ebenfalls  mit  Ven- 
tilen versehen  sind;  und  so  hat  sich  ein  besondrer  Chor  von  Blechin* 
Strumenten  zusammengestellt,  der  bald  für  sich  allein,  bald  in  Verbin- 
dung mit  andern  Instrumenten  zur  Anwendung  kommt,  —  oder  aus 
dessen  Mitte  ein  und  das  andre  Instrument  den  gewöhnlichen  Organen 
des  Orchesters  zugefügt  wird. 

Es  versteht  sich,  dass  der  Komponist  auch  von  diesen  Mitteln 
Kenntniss  nehmen  muss;  sie  können,  —  wenigstens  einzelne  von 
ihnen  können  für  die  Darstellung  dieser  oder  jener  Stimmung  oder  Vor- 
stellung die  geeignetsten,  ja  unentbehrlich  sein ,  und  es  kann  im  freien 
Kunstgebiete  Niemand  sich  unterfangen,  Gränzen  zu  ziehn  und  irgend 
ein  Mittel  auszuscheiden ,  da  Niemand  vorauszosehn  vermag ,  welche 
Aufgaben  sich  für  einen  andern  Künstler,  ja  sogar  für  ihn  selbst  noch 
ergeben  werden.  Gleichwohl  ist  eben  hier  eine  hellere  Erkenntniss 
höchst  rathsam,  weil  wir  Gefahr  laufen,  um  eines  lässlichen  Gewinns 

*)  Hierzu  der  Aobaog  D. 


92     

willen  ao  Tonreicbtbnm  weseoüich  wichtige  Karaklere  aus  aosem  Or- 
chester entstellt  oder  verdrängt  zu  sehn.  Um  hier  sicher  zu  artheilen, 
müssen  wir  einen  Blick  auf  die  Struktur  der  Ventilinstrumente  werfen. 


Erster  Abschnitt. 

struktur  und  Karakter  der  VeDtilinstrumente  im 
Allgemeinen. 

Alle  Ventilinstrumente  bestehn  aus  einem  Metallrohr  (von  Mes- 
singblech) ,  gleich  oder  ähnlich  dem  der  Trompeten  und  Hörner.  Sie 
haben  daher  auch  nur  die  für  Trompeten  und  Hörner  (Nr.  37)  ange- 
gebne Reihe  der  Naturtöne,  gleichviel  ob  vollständig  oder  nicht.  Wollte 
man  nun  noch  andre  Reihen  von  Tönen  erlangen ,  so  musste  das  Rohr 
der  Verlängerung  und  Verkürzung  zugänglich  gemacht  werden,  wie 
die  Posaune  mittels  ihrer  Züge.  Dies  sollte  aber  in  bequemerer  Weise 
erlangbar  sein. 

Man  setzte  daher  innerhalb  der  Rohrwindung  noch  besondre  Rohr- 
stncke  ein.  Sind  diese  alle  offen,  so  bilden  sie  mit  dem  Hauptrohr  ein 
Ganzes;  sind  sie  alle  verschlossen,  so  bleibt  das  Hauptrohr  ganz  für 
sich ;  auch  kann  von  den  eingesetzten  Rohrstücken  eins  oder  es  können 
zwei  verschlossen  bleiben  und  das  dritte  (oder  zwei)  geöffnet  werden. 
So  stellen  sich  also  verschiedne  Längen  des  Rohrs  dar.  Nun  sind  bei 
den  Einsatzstficken  Drücker  —  Ventile  —  angebracht,  die  im  ruhi- 
gen Zustande  das  Einsatzstück  verschliessen,  also  ausser  Mittbeilnahme 
setzen,  wenn  sie  aber  niedergedrückt  werden,  das  Einsatzstück  öffnen, 
also  mit  dem  Hauptrohr  in  Verbindung  bringen  und  dieses  durch  jenes 
verlängern.  Diese  Drücker  werden  bequem  mit  den  Fingern  niederge* 
drückt  und  wieder  losgelassen ;  die  Handhabung  ist  ungleich  leichter 
und  sichrer  als  die  der  Züge  auf  der  Posaune  oder  des  Stopfens  auf 
dem  Hörn. 

Solcher  Ventile  werden  zwei  oder  drei  (bei  einigen  Instrumen- 
ten eins,  aber  auch  vier,  fünf  und  sechs)  angebracht.  Das  erste  ert 
niedrigt ,  wenn  es  niedergedrückt  und  dadurch  sein  Rohrstück  geöffne- 
wird,  um  einen  Ganzton,  das  zweite  um  einen  Halbton,  das  dritte 
um  eine  grosse  Terz.  Nun  kann  man  aber  zwei,  ja  alle  drei  Ventile 
gleichzeitig  öffnen ,  mithin  die  Naturtöne  siebenmal  um  einen  Halbton 
erniedrigen,  das  heisst,  dem  Instrument  acht  verschiedne  Stimmungen 
(mit  Einschluss  der  Naturtöne  oder  Grundstimmung)  ertheilen ,  seinen 
Naturgehalt  verachtfachen.  Stellen  wir  uns  das  an  einigen  Naturtönen 
so  vor  — 


NutortüDe      .     . 

9«9 

•    S 

c 

e 

g 

Ventil  2*).     .     . 

.  > 

h 

dis 

ßs 

VenÜll    .     .     . 

•    / 

b 

~d 

f 

VeDÜl 1  und  2  . 

.     e 

a 

eis 

e 

Ventils  .     .     . 

.    et 

as 

e 

es 

Ventil  2  und  3   *     .    cf       g^     h     T 

Ventil  1  and  3  .     .   eis    ßs    ats   eis 

Ventil  1,  2  und  3    .    e      /     a       T 
und  übertragen  die  Veränderungen  auf  die  hier  ausgelassenen  Natur- 
töne,  so  überblicken  wir  den  vollen  Gehalt  der  Ventilinstrumente ,  der 
von  der  Höbe  bis  zum  vorletzten  Naturton  (dem  letzten  vor'  dem  tief- 
sten) eine  ununterbrochne  chromatische  Tonreihe  bietet. 

Bei  zwei  Ventilen  sind  blos  drei  Umstimmungen ,  das  heisst,  mit 
Einschluss   der  Naturtöne,   nach   obiger  Darstellungsweise  folgende 


Slimmnagen,  — 

Naiurtöne     .     .    g 

c       e      g 

Ventil  2  .     .     .  > 

h     dis  fit 

VenÜll.     .     .     / 

b    1   7 

Ventil  1  and  2  .     e 

a     et*    e 

erlanebar  und  die  chromatigche 

Tonreihe  ist  in  der  Tiefe  anvoll 

Ständig. 

Wir  wollen  diese  Darstellungsweise  nicht  verlassen,  ohne  sie  dem 
Junger  im  Orchestersatze  besonders  zu  empfehlen.  Sie  leitet  ihn  darauf 
hin,  das  Ventilinslrument  zunächst  als  ein  vier-  oder  achtfaches  Natnr« 
instrument  (jenachdem  es  zwei  oder  drei  Ventile  hat)  anzuschauen, 
nachdem  er  sich  —  voraus3etzlich !  —  bereits  früher  mit  den  wirk- 
lichen Naturinstrumenten  bekannt  gemacht;  vor  allen  Dingen  treten 
ihm  hieraus  vier  oder  acht  Reihen  zusammengehöriger,  leicht  und  wir- 
l^QDgsvoll  bebandelbarer  Töne  vor  das  Auge,  in  deren  jeder  er  ein 
Naturinstrument  (wenn  auch  ein  durch  die  Ventilisimng  abgeschwächtes) 
▼or  sich  bat,  immer  noch  frei  von  dem  eunuchisch-chromatischen  Ton- 
gewürgel.  Die  mechanische  Zusammenstellung  dieser  chromatischen 
Tonreihen  kann  Jeder  selbst  besorgen ;  es  folgen  deren  später. 

BeidiesenVentileinrichlungen  sind  nun,  abgesehn  von  den  etwaigen 
Locken  in  der  Tiefe,  chromatische  und  diatonische  Tonreihen,  auch  alle 
nicht  zu  sehr  springende  Tonfolgen  (bei  denen  man  nämlich 

*)  Bs  ist  eiomal  Sblieb,  das  am  eine  ganze  Stafe  eraiedrigende  Ventil  das 
erste,  nod  das  am  eine  b a i b e  das  zweite  zu  nennen,  obwohl  dem  Tonsystem 
entsprecbender  die  Erniedrigung  um  eine  halbe  Stnfe  als  die  nächste,  folglieb 
erste  aufgerührt  werden  sollte.  Bei  zwei  Veolilen  könnte  man  beliebig  amnennen, 
Itei  dreien  aber  liegt  der  Znsatzbogen  (und  das  Ventil)  für  die  halbe  Stufe  in  der 
Mitte  der  beiden  andern,  muss  also  als  zweites  gezählt  werden. 


94    

zugleich  den  Natorlon  ändern  und  die  Ventile  branefaen  mnss)  leicht 
darzustellen.  Aach  Triller  mit  Zuziehong  eines  Nalurtons  (weil  das 
Ventil  nur  mit  ganzer  aufgesetzter  Hand  schnell  genug  bewegt  werden 
kann)  sind  ausführbar. 

Dagegen  werden  die  Tone,  zu  denen  man  Ventile  braucht,  beson- 
ders in  der  Tiefe  unrein;  sie  erscheinen  zu  hoch,  und  zwar  um  so 
mehr,  je  mehr  Ventile  nöthig  sind*).  Der  geschickte  Bläser  kann 
hier  bis  auf  einen  gewissen  Punkt,  nicht  aber  ganz  and  nicht  ohne  neue 
Beeinträchtigung  des  Klanges  nachhelfen. 

Sodann  verlieren  die  Naturinstrum  ente,  also  namentlich  Trompete, 
Hörn  und  Posaune,  durch  die  Vorrichtung  der  Venüle  jene  Frische  und 
GeHilltheit ,  man  möchte  sagen  Gesundheit  des  Klanges ,  die  ihnen  ur- 
sprünglich eigen  ist.  Das  Hom  büsst  an  Vollklang  und  Rundung  ein 
und  neigt  sich  der  beklemmtem  Weise  der  Stopflöne  zu ;  die  Trom- 
pete besonders  verliert  die  metallische  Klarheit  und  siegreich  durch- 
dringende Macht  ihres  Klangs  und  wird  unedel  gepresst,  auch  sogar  un- 
kräfUger  und  dünner,  und  dies  Alles  besonders  in  den  hohem  Lagen, 
etwa  von  d  an;  auch  die  Posaune  büsst  ihre  Macht  ein,  sie  wird  mehr 
dem  natürlichen  Hornklang  nahe  gebracht,  obwohl  sie  stärker  und 
heller  bleibt. 

Und  alle  diese  Nachtheile  sollen  wir  auf  uns  nehmen ,  um  Ton- 
reihea  zu  gewinnen ,  die  dem  —  zwar  abzuschwächenden  und  zu  ver* 
unreinigenden,  niemals  aber  ganz  auszutilgenden  und  durchaus  nicbi  zu 
entbehrenden  Grundkarakter  der  genannten  Instrumente  unnöthig, 
fremd  —  ja  widersprechend  sind !  Die  T r o  m  p  e  te  (S.  48)  ist  das  Hel- 
deninstmment  und  ist  einfach,  wie  der  Heldenkarakter;  dem  entspre- 
chen alle  ihre  Mittel,  die  das  Gerade,  Starke,  Hellleuchtende,  Kühne  — 
und  nichts  weiter  aussprechen.  Das  Hörn  (S.  90)  bedarf  ebenso- 
wenig für  seine  Naturlaute ,  für  den  reinen ,  einfachen  GemSthsans- 
drack,  in  dem  es  seine  Welt  findet,  der  Vielgewandtheit  eines  sich  in 
aUe  Tonarten  und  Harmonien  einschmiegenden  und  einschleichenden 
Tonsysiems;  so  weites,  ohne  sich  untreu  zu  werden,  über  seine  eigenU 
liehen  Gränzen  hinausschwärmt  oder  hinauswildert,  dienen  ihm  die  ge- 
stopften Töne  und  haben  sich  allen  unsem  Meistern  genügend  erwie- 
sen. Die  Posaune  endlich  (S.  68)  bringt  in  ihrer  dröhnenden,  scharf 
und  gewaltig  eindringenden  Sprache  die  letzte,  feierlichste  und  nnwi- 
dersprechliche  Entscheidung  und  darf  darin  durch  keine  Künstelei  nnd 
Abschwächnng  gestört  und  gehemmt  werden;  nicht  ihr  Tonreichthnm 
und  ihre  etwas  mehr  oder  weniger  rafBnirte  Gewandtheit,  sondern  ihre 
Kraft,  der  Grundkarakter  spröder  und  erschütterungsvoU  entscheiden- 


*)  Eine  reinere  Stimmaog  Hir  die  tiefern  Töne ,  besonders  f&r  die  Trompeten, 
Hesse  sich  herstellen,  wenn  das  dritte  Ventil  nur  auf  iVt  Tod  BraledrIgaDg  ein|^ 
richtet  and  sein  Rohrstöck  ein  wenig  ISnger  genomnen  würde ,  als  das  erste  vod 
zweite  tnsammengenommen. 


95     

der  Stäii:e  ist  das  ihr  Wesentliche  und  dem  Komponisten  Unentbehr- 
liche ,  weil  er  es  in  solcher  Weise  nur  bei  ihr  findet. 

Es  ist  also  für  alle  Komponisten ,  denen  an  treffender  und  mannig. 
facber  Rai^kteristik  in  ihren  Werken  liegt,  nnd  für  alle  geistig  theil- 
nehniendeo  Direktoren  und  Knustfrennde  vom  höchsten  Gewicht,  die 
Natnrinstramente  nicht  durch  Ventilinstrumente  verdrängen  zu  lassen*). 
In  eiaer  Zeit,  wo  der  Karakter  und  das  Karakteristisehe  ohnehin  nicht 
blos  in  der  Kunst ,  sondern  nach  allen  Richtungen  hin  Abschwäcbung 
and  Verkennang  erfahren  nnd  noch  zu  befahren  bat,  —  und  in  einer 
Angelegenheit,  wo  das  Bessere  leicht  zu  verdrängen,  aber  schwer  wie- 
der herzustellen  sein  dürfte,  scheint  es  PSicht,  immer  und  überall  aa 
das  Rechte  zu  BM^hnen  und  vor  Verderb  zu  warnen. 


Zweiter  Abschnitt. 
Mittel  und  Karakter  der  wiehtigsten  Ventlllnatrumente. 

Wir  beginnen  die  Reihe  der  Veolilinatrumente  mit  den  uns  be- 
kannten Arten**). 

1.  Die  Ventiltrompete. 
Die  Ventiltrompete  wird  mit  zwei  oder  drei  Ventilen  gebaut. 
Die  Trompete  mit  zwei  Ventilen  hat  folgende  Tonreihe,  — 


101 


UfS 


bei  welcher  die  Ziffern  das  eine  oder  die  beiden  für  den  Ton  erfoder- 
Heben  Ventile***)  andeuten.  Sie  stellt  drei  oder  (wenn  man  beide 
Ventile  auch  verbunden  gebrauchen  will)  vier  vereinigte  Trompeten- 
Systeme  — 

gcegbcdeg 
ßs  k  dt$  ßs  a  k  eis  dis  fi$ 
f        b        d      f        Oi        b        c        d       f 


*)  Hierzn  der  Aobtog  E. 
**)  Viel  voh  dem  hier  Polsenden  verdankt  der  Verfieser  der  Belebrnsg  des 
verdieostvoUeo  Musikdirektor  Gold  e  io  Erfart. 

♦*•)  Dass  maa  Natortfiae  aacb  —  voo  eioem  andern  Natarton  aas  —  mittels  der 
Ventile  hervorbringen  kann  (man  sehe  den  ersten  Ton  in  Nr.  102)  nnd  wiefern  dies 
6tm  Spieler  moglicberweise  bisweilen  bequem  sein  mag,  gebort  za  der  Detailkennt- 
aisa  der  technischen  Bebandinog,  auf  die  der  Komponist  als  solcher  nicht  einzngehn 
bemfen  ist. 


96    

und 

eacüegahcise 

(fangt  man  höher  an,  noch  mehrere,  die  anf  der  Tonika  i>,  Es  n.  s.  w. 
stehenden),  also  —  die  Stimmung  in  C  vorausgesetzt  —  eine  C-,  fT-, 
0.,  ^-Trompete  n.  s.  w.  dar,  ergiebf  die  Tonleitern  von  A-,  C*,  A-, 
Es'y  J?-,  F-,  FiS'^  Cdur  (vom  kleinen  b  an)  mit  einfachen,  die  von 
F- ,  67-  9  ^',  ff  dur  (vom  kleinen  f  an)  mit  verbnndnen  Ventilen, 
ferner  MoUtonleitem  auf  C,  /l  u.  s.  w. ,  die  chromatische  Tonleiter 
von  klein  a  oder  besser  vom  eingestrichnen  d  an ,  Triller  vom  einge- 
strichnen/an  aufwärts,  —  besser  anf  höhern  Stufen,  —  und  alle  die 
Figuren,  die  man  nach  diesen  Winken  zusammensetzen  kann. 

Die  Trompete  mit  drei  Ventilen  kann  —  wenn  man  bis  zur 
Verbindung  aller  drei  Ventile  gehn  will,  folgende  Tonreihe  — 

3 

2  3  3      2 

112  3  112 


ergeben.  Hier  Bndet  sich  vor  allem  die  bei  der  vorigen  Trompetenart 
gebliebene  Lücke  durch  das  kleine  ^2V  oder  as  (mittels  dessen  sich  unter 
andern  eine  Durtonleiter  ^mI Es  von  klein  «6*)  an  mit  einfachem  Ven- 
tilgebrauch darstellen  liesse)  ausgefüllt,  dann  (die  C-Stimmung  voraus- 
gesetzt) zu  den  Tonsystemen  der  C-,  ff-,  ff-,  ^-Trompete  noch  die 
der  As-^  £?-,  Fis-y  F-Trompete  mit  vorliegender  Dominante  von  der 
kleinen  Oktave  aus  darstellbar,  wenn  man  sich  vereinter  wie  einzelner 
Ventile  bedienen  will.  Die  genauere  Erkenntniss  der  Mittel,  die  drei 
Ventile  geben ,  ist  nach  dem  über  zwei  Ventile  Gesagten  leicht  zu  er- 
werben. Wir  erinnern  nur,  dass  schon  der  gleichzeitige  Gebrauch  von 
zwei  Ventilen  (S.  94)  seine  Bedenklichkeit  bat,  dass  also  der  von  drei 
Ventilen  deren  noch  mehr  bieten  muss;  dass  ferner  die  Stimmung  bei 
dem  Gebrauch  der  Ventile  besonders  in  der  Tiefe  unrein  wird,  daher 
wir  vom  kleinen  c  als  Natnrton  (das  möglicherweise  durch  die  Ventile 
zu  gross  ff,  By  A^  As^  Gj  Ges^  F  werden  könnte)  gar  keine  Notiz 
.  genommen  haben. 

Die  Trompeten  mit  drei  Ventilen  sind  in  allen  Stimmungen 
möglich  und  vielleicht  in  diesem  oder  jenem  Chor  bald  in  dieser,  bald 
in  jener  Stimmung  zu  haben.  Am  verbreitetsten  sind  aber  Ventiltrom- 
peten in  Dj  Es  j  E  und  F;  und  man  thut  wohl,  auf  keine  andern  zu 
rechnen.    Diese  genügen  aber  auch ,  und  die  grössere  Vollsländigkeit 


*)  Der  Behandtung  des  Instruments  entsprechender  w'er^es,  sein  Toosystem  von 
oben  nach  anten  darzustellen ,  so  dass  der  Natnrton  vorangpinge  und  seine  UmbiU 
daogen  durch  die  Ventile  nachfolgten:  g-  mit  ges  und/,  e  mit  es,  d  mit  des,  cmit  A, 
h  mit  a  und  ai  n.  s.  w.  Für  die  Anschauung  des  Komponisten  schien  die  natürliche 
Ordnung  —  von  der  Tiefe  zur  Höhe —  vorznziehn. 


97     

des  Tonsystems  kann  die  Komponisten)  welche  einmal  der  Ventiltrom- 
pete  bedürfen ,  allerdings  für  diese  oder  jene  Gattung  bestimmen ;  je 
nach  der  für  die  Komposition  nöthigen  Stimmung  ist  demnach  festzu- 
setzen ,  ob  man  eine  Ventiitrompete  in  />,  F,  E  oder  Es  haben  will. 
Die  Trompeten  zu  zwei  Ventilen  scheinen  besonders  noch  bei  den  Mu- 
sikchö'ren  der  Reiterei  herrschend  und  stehen  (so  viel  wir  wissen)  bei 
der  preussischen  Reiterei  in  Es.  Diese  Stimmung ,  die  bis  zum  zweige- 
strichnen  b  hinauf  und  bis  zum  eingestrichnen  es  oder  kleinen  b ,  ja 
g  hinab  reicht,  scheint  in  den  meisten  Fällen  die  günstigste,  wenn  ein- 
mal Ventiltrompeten  zur  Anwendung  kommen  müssen.  In  höhern  Stim- 
mungen sprechen  (S.  50)  die  höchsten  Naturtöne  weniger  gut  an ;  tie« 
fere  Tonreihen,  als  bis  zu  es  oder  klein  ^,  werden  —  abgesehn  von 
der  hier  eintretenden  Unreinheit  der  Ventiltöne  —  schicklicher  den  Po- 
saunen zuertheilt.  Zwar  sind  diese  weniger  leicht-beweglich ,  als  die 
Trompeten;  aber  in  solcher  Tiefe  den  Trompeten  gar  noch  schnelle 
Gänge  geben  wollen ,  scheint  uns  der  höchste  Hissverstand  des  Instru- 
ments. 

Als  besondere  Arten  der  Ventiltrompete  werden  erwähnt 

a.  die  Alttrompete, 
eine  i9-Trompete  (S.  50)  mit  Ventilen, 

b.  die  Tenortrompete, 
die  notirt  wird  wie  die  Alttrompete ,  ihre  Töne  aber  eine  Oktave  tiefer 
(sechszehnfössig)  abgiebt, 

c.  die  Basstrompete, 
die  notirt  wird  wie  die  ^(-Trompete,  ihre  Töne  aber  zwei  Oktaven 
tiefer  giebt,  so  dass  also  die  Noten  — 


103 


auf  der  TeDortrompete,  auf  der  Basstrompete 


3E?Efe  wie  g^Ej:t3EgE^^g=E=-g^ 


^3=^^—  ==3^t:====«:==Jä:^^ 


ertönen.  Tenor-  und  Basstrompete  sind  nicht  in  den  gewöhnlichen  Or- 
chestern, sondern  wohl  nur  bei  einigen  Kavalleriechören  (und  auch  da 
wohl  nicht  allgemein,  z.  B.  nicht  in  der  preussischen  Armee)  zu  finden, 
scheinen  auch  in  der  That  entbehrlich ,  da  sie  ganz  in  das  Gebiet  der 
Posaune  treten,  und  namentlich  die  gleich  zu  erwähnende  Ventilpo- 
saune nichts  anders  ist,  als  eine  —  nur  eine  Stufe  höher  stehende 
Basstrompete,  nur  unter  anderm  Namen.  Der  Verf.  kennt  sie  nicht  aus 
eigner  Wahrnehmung. 

2.  Die  Ventil-Bassposaune. 
Sie  ist  eigentlich  eine  Trompete  (Posaune  ohne  Züge)  von  gros- 
sem Dimensionen  und  daher  tieferer  Stimmung,  übrigens  mit  drei  Ven- 
tilen und  diesem  — 

Marx,  Komp.  L.  IV.  S.AnD.  7 


98 


104 


K 


3        2  3  $        2  2 

231120     1231120     3112 


0     11 


n        o        n        1       2        0 


0120202"     u'^^i^fa^ 


den  Umfang  der  Bassposaune  umfassenden  Tongebiet.  Ihr  Klang  hält 
die  Mitte  zwischen  Posaune  und  Hörn ;  sie  scheint  übrigens  wenig  ver- 
breitet, -—  vielleicht  im  Süden  (in  Oesterreich)  mehr  als  in  Nord- 
deatschland*). 

3.  Das  Ventilhorn. 
Das  Ventilborn  hat  man  in  allen  Stimmungen,  doch  steht  es  mei- 
stens in  Fund  hat  stets  drei  Ventile,  die  dieselbe  Einrichtung  und  Wir- 
kung haben,  wie  die  drei  Ventile  der  Trompete.  Dies  — 


3    3  2 

12    3    112 


105    fr 


^ 


012311203112 0     112     0 1     2     0 


t?-*»* 


1202020201k?-2,iu 


^^h: 


ist  seine  Tonreibe,  die  man,  die  F-Stimmung  vorauj^gesetzt,  nach  S.76 
zu  beurtheilen  und  mit  Rücksicht  auf  das  dort  über  das  Natnrhom  Ge- 
sagte zu  behandeln  hat.  Die  höchste  Tonlage  wird  man  am  liebsten  nnr 
in  bequemster  Führung,  — 


106 


^00 


^- 


^ 


0    0    1 


^& 


EHE 


iÖfi- 


2    2 


^ 


fa^ 


und  auch  so  nicht  zu  häufig  anwenden ;  die  tiefsten  Naturton«  nicht  mit 
Ventilen  gebrauchen,  da  jene  ohnehin  nicht  so  sicher  stehn,  und  die 
Ventile  in  der  Tiefe  leicht  Unreinheit  zur  Folge  haben. 

Bei   dem  Naturhom  haben  wir   bereits  auf  den  eigentfanmlichen 
Karakter  der  gestopften  Töne  aufmerksam  gemacht.  Diese  besondre 


*)  Der  Verf.  hat  sie  nur  bei  eioem  sleyermärkischea  Musikchor  keonen  ge- 
lernt. Der  ganz  vorzüglich  geschickte  Steyermärker  Klautschek  behandelte  sie 
mit  der  grössten  Geläufigkeit  aad  —  wenn  nao  einmal  den  Posannenkarakter  nicht 
in  seiner  ursprüngliehen  Macht  und  Strenge  festiia^lten  will  «^  mit  würdigem  sehönem 
Klang  und  einer  dem  Fagott  oder  Violoncell  gleichkomme  öden  Geläufigkeit.  Von 
dem  berühmten  Queisser  in  Leipzig  hören  wir,  dass  er  sich  einer  Tenorposaune 
mit  einem  Ventil  (bis  Et  oder  D  reiche'dd)  bedient  habe. 


99 


Klangweise  gebt  auf  dem  VentiliiorDe  nicht  verloren.  Das  Ventilborn 
ohne  Anwendung  der  Ventile  ist  —  abgesehn  von  der  Veränderong  am 
Klang  —  dem  Natarbome  gleich  zu  behandein,  kann  also  z.  B.  in  dieser 
Stelle  bei  a.  — 


107 


die  Töne  A,a, /als  gestopfte  hervorbringen,  die  ihm  sonst  auch  (b.)nHttel8 
Ventile  —  gleichsam  als  Natnrlöne  einer  tiefem  Stimmung —  zu 
Gebote  stebn.  Ja ,  es  kann  Töne,  die  eigentlich  Naturtöne  (und  zwar 
ächte,  der  urspriinglichen  Stimmung)  sind,  ebenlalls  als  Stopftöne  her- 
vortreten lassen.  So  wird  bei  c.  der  zweite  Ton  (h)  mit  Ventil  genom- 
men  und  von  ihm  aus  b  gestopft,  obgleich  in  der  Grundslimmung  b 
und  g  bekanntlich  Natnrtöne  sind;  allein  durch  die  Ventile  wurde  die 
Grundstimmui^  auf  andre  Stufen ,  von  c  auf  h  und  a  gerückt.  Uebri- 
gens  kann  das  Stopfen  auf  Ventilhörnern,  untermischt  mit  Vealiltönen, 
keinen  so  unterscheidenden  Karakler  behaupten,  wie  ihn  der  Komponist 
zu  besondern  Zwecken  oft  dem  Naturhorn  abfodert.  * 

Ausser  diesen  durch  Vefftile  umgestalteten  Inslrumenten  sind  nun 
noch  andre  theils  neu  erfunden,  theils  aus  längerer  Vergessenheil  her- 
vorgeholt oder  umgestaltet  worden.  Diese  Instrumente  stellen  sich  in 
mehrere  Familien  zusammen ,  welche  im  Wesentlichen  (dem  konisch 
sich  erweiternden  Bau  des  Rohrs  und  der  Ventilisirung)  übereinstim- 
men ,  in  Einzelheiten  des  Bau's  und  der  Stimmung  von  einander  ab- 
weichen. 

Zunächst  sind  es 

4.  die  Kornette, 

5.  die  Flügelhörner, 

6.  das  Piston, 
die  wir  zu  betrachten  haben. 

Das  Kornett  ist  einmal  in  Form  der  Trompete,  nur  in  den  Bie- 
gungen abgerundeter,  zusammengewunden,  erweitert  sich  aber  konisch 
und  geht,  im  letzten  Theile  des  Rohrs  gerad'  geführt,  ohne  besondern 
Schalltrichter  (gleich  denen  der  Trompete ,  des  Horns ,  der  Klarinette 
u.  s.  w.)  zu  Ende ;  das  Mundstück  ist  eine  Mittelform  zwischen  dem 
des  Horns  und  der  Trompete.  Der  Klang  dieses  Instruments  ist  dem 
der  hohen  Horntöne  in  höhern  Stimmungen  ähnlich ,  ohne  jedoch  ihre 
Helligkeit  zu  erreichen;  man  muss  ihn  enger,  beschränkter,  unEreier, 
engherziger  nennen*)^. 


*)  Herr Militair-Mnsikdirektor  Theodor  Rode  bezeichnet  („Zar  Geschichte 
der  R.  P.  Inranterie-  und  Jäfermusik"  1S38)  ihn  als  stumpf  und  roh.  Bio  ebenso 
bewährter  Renoer,  Herr  Masikdirektor  Pief  ke,  stimmt  dem  Urtheil  bei. 


100    

Das  Flugelhorn  hat  gleiche  Rohriänge  mit  den  Kornetts ,  nur 
ist  sein  Rohr  in  den  letzten  zwei  Dritteln  seiner  Länge  (nngeiahr!) 
weiter  gebaut  und  hat  das  Schallstuck  einer  Trompete.  Es  ist  daher 
voUkliDgender  und  zugleich  sanfter  als  das  Kornett,  wenngleich  es 
mit  den  entschiednen  Karakteren  des  Naturwaldborns  und  der  Natur- 
trompete nicht  wetteifern  kann.  Es  theilt  mit  allen  Ventiiinstrumenten 
den  Karakter  der  Zwitterhaftigkeit,  insofern  es,  obgleich  durchaus  von 
Blech,  doch  nicht  den  reinen  Karakter  der  ungebrochen  in  ihrer  Natur 
beharrenden  Blechinstrumente  behauptet,  sondern  ein  Mittelding  von 
Blech-  und  Holzinstrument  ist.  Uebrigens  gewinnt  es  an  Zartheit  des 
Klangs,  wenn  es  mit  einem  elfenbeinernen  Mundstück  geblasen  wird. 

Das  Piston  (comet  äpüton)  hat  ein  engeres  Rohr  und  kleineres 
Mundstück,  als  das  Kornett,  schwächern,  aber  angenehmem  Klang;  so 
lautet  das  Urtheil  nächststehender  Sachverständiger ,  dem  wir  in  Er- 
mangelung vertrauter  Bekanntschaft  nicht  widersprechen  dürfen,  aber 
auch  nicht  beistimmen  mögen ;  das  Instrument  (bei  den  von  Grund  aus 
unmusikalischen  und  nur  drastischen  Wirkungen  zugänglichen  Franzo- 
sen beliebt)  gehört  nicht  der  freien  Kunst,  sondern  der  Militair-  und 
Gartenmusik  an. 

Alle  diese  Instrumente  haben  folgende  Naturtöne  — 


g^p^^^^i 


und  sind  mit  drei  Ventilen  versehen,  die,  von  c  aufwärts  (da  die  Töne 
unter  T  etwas  rauh  und  hohl  klingen  und  desshalb  nicht  empfehlens- 
werth  sind),  folgende  Tonreihe  — 

1    ^  0 

^    0    1231120311201 1.2  0  i^g  ^-g,tp.l»L:^ff::g: 


gewähren.  Von  dieser  ist^  und  7nocii  mit  Sicherheit  zu  erlangen,  die 
höhern  Töne  kann  man  nur  bewährten  Bläsern  zumuthen. 

Wie  bei  den  Natur-Instrumenten  hat  man  auch  bei  den  Ventil- 
Instrumenten  verschiedne  Grössen  und  Stimmungen.  Voran  steht 

a.  das  Diskant-  (Sopran-) Kornett  und  hohe  Flugelhorn, 
das  die  oben  in  Nr.  108  und  109  angegebne  Notirung  und  Stimmung 
hat,  durch  Aufsetzen  von  Setzstücken  und  Bogen  aber  die  if-,  iff-,  A- 
und  ^«-Stimmung  erhält;  indess  verliert  das  Instrument  in  den  letzten 
Stimmungen  (^  und  j4s)  in  den  tiefern  Tonlagen  mehr  oder  weniger 
an  Reinheit  des  Tons.  Eine  Seitenart,  das 


iOl     

b.  Kornett  in  0, 

dessea  Stiminang  einen  Ton  tiefer  ist  (die  Noten  ^   j      j"-    ertönen 

als  b  und  ö)^  scheint  weniger  üblich. 

c.  Das  Alt-Flügeiborn  und  Alt-Kornett 
bat  zweierlei  Stimmangen,  in  F  und  Es^  deren  letztere  hauptsächlich 
bei  den  preussischen  Kavallerie-  und  Jägerchören  in  Gebrauch  ist.  In 
beiden  wird  es,  gleich  Trompeten  und  Hörnern ,  im  6-Schlüssel  notirt, 
giebt  aber  seine  Töne  eine  Quinte  und  Sexte  tiefer,  so  dass  die  Natur- 
töne  — 


110   «« Ä-^=or 


in  F  als    f     c     /     a      c      ^    T        '* 
in  Es  9\s    es      b     es    g      b     des    es 
hervortreten. 

Einheimischer  in  freien  Kompositionen  sind  die  nachfolgenden  In- 
stromente. 

7.  Das  chromatische  Tenorhorn 

(camo  cromatico  dt  tenore) j  auch  Tenorhorn,  Tenor-Flügel- 
horn  genannt;  die  letzten  Namen  weisen  auf  die  Familie  des  Instru- 
ments hin.  Einrichtung  und  Behandlung  sind  der  der  schon  genannten 
Flngelfaörner  und  Kornetts  gleich,  nur  dass  das  Tenorhorn  eine  Oktav 
tiefer  steht,  als  das  0-Komett,  so  dass  seine  Naturtöne  — 


111 


:iO= 


als  B    f     b      d     f     OS      b 

hervortreten.  Auf  den  Umfang  von  gross  As  chromatisch  bis  zwei- 
gestrichen c  ist  (wie  wir  erprobt  haben)  sicher  zu  rechnen ;  diese  Ton- 
reihe hat  Wohlklang.  Ausserdem  soll  Kontra-0,  gross  £#,£  (schlecht), 
F  (besser),  Fis  u.  s.  w.  zu  haben  sein,  was  wir  in  Ermangelung  siche- 
rer Notiz  nicht  verbürgen  wollen.  Jedenfalls  erscheinen  diese  Töne 
entbehrlich ,  da  sie  auf  den  folgenden  Instrumenten  besser  und  sicherer 
zu  haben  sind. 

Notirt  wird  für  das  Tenorhorn  im  Tenorschlussel  und,  in  neuester 
Zeit  fast  ausschliesslich,  im  6-SchlüsseI,  wie  wir  oben  gethan. 

Dem  Tenorhorn  zur  Seite  steht 

8.  der  Tenorbass, 
auch  Bass-Flügelhorn,  Euphonien,  Baryten  genannt.    Er 
hat  gleiche  Gestalt  und  Länge,  das  Hanptrohr  aber  ist  im  Ganzen  weiter 
und  erweitert  sich  in  seinem  letzten  Theile  verhältnissmässig  noch 


102     

mehr.  Dies  verleiht  dem  Klang  grössere  Stärke,  besonders  in  der 
Tiefe.  Der  angemessenste  Schlüssel  ist  der  F-Schlüssel ;  doch  wird 
aueh  im  G-Schlüssel  notiK,  eine  Oktav  höher  ootirt,  so  dass  diese 
Noten  — 

112  feEEE=^eT.^r~   gleich  diesen   g*Ete^^====^f 

"na- 
gelten.   Man  kann  das  Instrument  von  gross  Fcbroraatiscb  bis  einge- 
strichen g  und  b  gebrauchen  ,  jedoch  bequemer  und  besser  in  den  tie- 
fem als  höhern  Lagen. 

9.  Die  Tuba, 

auch  Basstuba  und  Kontrabasstuba  genannt,  mit  4,  5  und  6 
Ventilen  (die  Einrichtuug  mit  fünf  verdient  den  Vorzug)  ausgerüstet, 
sonst  von  der  Bauart  der  Kornette,  nur  grösser  und  weiter.  Die  Tuba 
ist  in  vier  Stimmungen  vorhanden ,  Tuba  in  F,  Tuba  in  Es^  in  C  und 
B ;  die  gebräuchlichste  ist  die  F-Tuba.  Die  Naturtöne  (wir  beschrän- 
ken uns  auf  die  erste  und  letzte  Stimmung)  sind  ^ 


113 


Tuba  in  F.         ^*Ä-f  x"^:  j        Tuba  in  B.  .     .      .^^  :f 


^-Jp=<=^r^^^B^^^E^ 


und  hiernach  ist  der  durch  die  Ventile  zu  erreichende  Umfang  leicht 
zu  crmessen.  lodess  nur  die  nächsten  zwei  Haibtöne  unter  dem  tiefsten 
Naturtone  (Kontra-^  und  Es  auf  der  F-Tuba,  Doppel-Kontra-^  und 
As  auf  der  £-Tuba)  sprechen  noch  ziemlich  leicht  an,  die  noch  tiefem 
Töne  sind  schwächer,  sprechen  unsicher  und  scbwerrällig  an  und  sind 
nicht  ganz  rein.  Gut  zu  gebrauchen  sind  im  Allgemeinen  auf  der  F-Tuba 
nurKontra-F,^^,^,  chromatisch  bis  klein  y*;  die  höhern  Töne  klingen 
zu  gepresst,  —  wiewohl  wir  ausnahmsweise  von  einem  Virtuosen  auf 
diesem  Instrumente  zweigestrichen  c  sehr  gut,  fast  im  Klang  eines 
Naturhoms  in  F,  gehört  haben.  Notirt  wird  für  das  Instrument  im 
F-Schlüssel. 

Dieses  Instrument  ist  von  allen  Blasinstrumenten  das  am  tiefsten 
reichende,  von  allen  Bassinstrumenten  das  umfangreichste  und  behan- 
delbarste. Allein  sein  Klang  hat  bei  der  grossen  Weite  des  Rohrs  ein 
plumpes,  ungeberdiges  und  ungelenkes,  stierhaftes  Wesen,  das  ihn  hin- 
dert, mit  den  Klängen  der  übrigen  Instrumente  zu  wahrhaft  einiger 
Harmonie  zu  verschmelzen.  Nur  bei  der  Anwendung  sehr  grosser 
Massen  möchte  die  Tuba  ais  Führer  des  Basses  und  Träger  des  Ganzen 
vollkommen  an  ihrer  Stdle  sein. 

So  erscheint  dieses  Instrument  dem  Sinn  des  Verfassers.  Es  muss 
indess  zugesetzt  werden,  dass  man  bei  der  jetzigen  weiten  Verbreituig 


103 

desselben  yiel  gesobickte  Bläser  aof  demselben  (eanientlich  in  der  ber- 
liner Kapelle  ond  der  dortigen  Gardeamsik)  findet.  Die  hoben  Töne  be- 
sonders sieben  diesen  HSnnem  mit  hellem ,  den  hohen  Horntönen  Sbn- 
liebem ,  nur  an  Folie  überlegnem  Klang  zu  Gebote;  man  hört  das  ein- 
gestrichne  Cy  d^  e^  f^  gim  erwünschtesten  Hellklang.  Nur  bei  den 
tiefen  Tonlagen  seheint  die  Bändigung  und  Geschmeidigung  der  ur- 
sprünglichen Plumpheit  (himmelweit  unterschieden  von  der  schroffen» 
aber  stets  edlen  Gewalt  der  Bassposaune)  nicht  gleichmässig  zu  gelin- 
gen; —  und  gerade  die  Tiefe  ist  es,  auf  die  der  Komponist  sich  we- 
sentlich angewiesen  sieht. 
Zuletzt  pennen  wir 

10.  das  Klappenhorn, 
auch  Kenthorn*)   geheissen;   ein   hohes,   mit  Tonlöchern   und 
Klappen  zu  deren  Scbluss  und  Oeffnung**)  versehenes,  hell  —  fast 
den  höhern ,  nicht  schmetternden  Trompetentönen  gleichklingendes  In- 
strument, das  diesen  Umfang  — 


114 


l^^-3^ 


chromatisch  weiter  bis 


hat  und  in  den  Stimm uugen  C,  B  und  hoch  Es  zu  haben  ist. 

Am  besten  bewegt  sich  das  Klappenborn  in  den  Be-Tonarten  (Ton- 
arten mit  Erniedrigungszeichen) ,  auch  noch  in  C-,  allenfalls  noch  in 
G^  und  £>dur;  vorzugsweise  vor  den  andern  Ventilinstrumenlen  ist  es 
zu  schnellen  Figuren,  diatonischen  und  chromatischen  Läufen,  auch 
Trillern,  besonders  vor  einem  Nalurtone,  geschickt.  Indess  verschwin- 
det es  jetzt  immer  mehr  aus  den  Kapellen  und  wird  durch  PlügelhÖrner 
ersetzt,  die  in  der  That  nichts  anders  sind,  als  mit  Ventilen  versehene 
Kentbörner***). 


Dritter  Abschnitt. 

Gebrauch  der  Ventilinstruniente« 

Die  Ventilinstrumente  können  entweder)  einzeln  unter  die 
andern  Klassen  von  Blasinstrumenten  gemischt,  oder  vereinigt  zu 
einem  Chor  für  sich  allein,  oder  endlich  als  ein  vereinter  Chor  in  Ver- 
bindung und  im  Gegensatze  gegen  die  natürlichen  Blechinstrumente  ge- 
braucht werden. 


*)  Eigeotlicb  Ren t)i -Hörn  gesebrieben. 
**)  Di«  Erktärnn^  findet  •  ioh  in  der  näebnte«  Abtbeilan|^,  S.  1 1 1 
***)  HierxQ  d«r  Aohaog  F. 


104     

Der  erste  Fall  kommt  nicfat  hier ,  soDdern  erst  bei  den  grossem 
Kombinationen  der  vollen  Harraeniemosik  oder  des  grossen  Orchesters 
in  Betracht.  Der  zweite  Fall  ist  es,  der  uns  hier  vorzugsweise  beschäf. 
tigen  wird.  Wir  fassen  ihn  sogleich  mit  dem  dritten  zusammen. 

Ueberblicken  wir  die  gesammte  Reihe  der  Ventitinstrnmente ,  so 
tritt  uns  in  ihnen  derselbe  Unterschied  im  Rarakter  entgegen ,  den  wir 
schon  bei  den  natürlichen  Blechinstrumenten  kennen  gelernt  haben : 

der  Hör nk lang  —  und 
der  Trompetenkiang; 

der  erstere  bedeckter,  bohler,  weicher,  —  der  andere  heller,  gefüllter, 
härter  oder  schärfer ;  ,ein  Unterschied,  ähnlich  dem  der  Plötenregister 
and  Rohrwerke  auf  der  Orgel. 

Bei  den  natürlichen  Blechen  stellen  die  Hörner  allein  das  weichere 
und  dunklere  Klangrej^ister  dar^  die  Trompeten  und  Posaunen  aber 
das  härtere  und  hellere. 

Bei  den  Ventiliostrumenten  finden  wir  das  weiche  Register 
durch  die  Ventilhörner,  durch  die  Kornetts  und  chromatischen  Hörner 
(Tenorhorn,  Tenorbass,  Basstuba,  Kontrabasstuba)  und  durch  das  Klap- 
penhom  besetzt.  Es  darf  uns  hierbei  der  gewaltsame  Klang  der  Tuba 
und  der  heller  hervorquellende  des  Klappenhorns  nicht  irre  machen ; 
nur  die  Masse  der  in  Schwingung  gesetzten  Luft  im  weiten  Rohr  der 
Tuba  und  die  Gepresstheit  im  kleinen  Rohr  des  Klappenhorns  treibt  hier 
den  ursprünglich  weichen  und  dumpfen  Klang  zu  den  äussersten  (und 
entgegengesetzten)  Gränzpunkten  seiner  Macht. 

Das  harte  Register  wird  zunächst  durch  die  Ventiltrompeten 
dargestellt.  Ihnen  würde  sich  die  Ventilbassposaune  zugesellen.  Da 
diese  aber  wenig  verbreitet  —  und  noch  weniger  wie  jene  zu  empfeh- 
len ist  (weil  die  Posaunen  bei  ihrem  grossem  Tongeschlick  noch  weni- 
ger der  Vorrichtung  von  Ventilen  bedürfen),  so  treten  an  ihre  Stelle 
natürliche  Posaunen,  denen  auch  Naturtrompeten  zugefügt  werden 
können.  Hiermit  also  gehn  wir  —  und  zwar  unvermeidlich,  wenn  wir 
ein  nur  einigermassen  genügendes  Ebenmaass  zwischen  beiden  Regi- 
stern herstellen  wollen  —  zur  Verbindung  der  Natur-  und  Ventilinstm- 
mente  über.  Ebenso  können  dem  weichen  Register  Naturhömer  zuge- 
fügt werden.  Allein  so  gewiss  diese  sich  zu  ihrem  Vortheil  von 
Ventilhörnem  und  diese  wieder  vom  Klang  der  Kornette  und  chromati- 
schen Hörner  unterscheiden :  so  ist  doch  der  Unterschied ,  zumal  bei 
zahlreicher  Besetzung  des  Ventilchors ,  kein  so  klar  hervortretender, 
dass  er  auf  den  Karakter  des  Gesammtklangs  wesentlichen  Einfluss 
äussern  könnte.  Es  ist,  als  wollte  der  Maler  zu  seinem  Blau  noch  einen 
etwas  hellem  oder  dunklem  Ton,  ebenfalls  Blau,  setzen. 

Beide  Chöre  nun ,  aus  denen  die  Ventilmnsik  (mit  Hinzuziehung 
von  natürlichen  Posannen  —  nehmen  wir  an)  besteht,  können  ebenso- 


105 


wohl  SU  einer  Masse  vereiaigt,  als  in  der  Form  von  Gegensäbsea  ange* 
wendet  werden.  Nicht  blos  iai  letztem  Fall ,  sondern  auch  im  erstem 
ist  es  in  der  Regel  ratbsam ,  jeden  Chor  in  sich  vollständig  harmonisch 
zu  setzen.  Eine  harte  Stimme ,  die  die  Harmonie  des  weichen  Chors 
▼ervoUstindigen  sollte,  z.  B. 


115 

Corno  Kent 
in  B. 


Cometlo 
in  B  alto. 


Tromba  Tentile 
in  B. 


Corno  cromalico 
di  tenore. 


^^^^^^^m 


ö:ei==3is 


m 


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^nrj  \^-i~H^=^=£= 


m 


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^m 


3E=*22 


f?-y3~~^ 


würde  durch  ihren  scharf  eindringenden  Klang  das  gleichartigere  Zu* 
sammenwirken  der  übrigen  mehr  stören  als  vollenden ;  je  enger  sie 
sich  den  andern  Stimmen  untermischte,  desto  härter  würde  sie  ein- 
reissen,  —  z.  B.  wenn  man  im  vorstehenden  Satze  der  Trompete  die 
zweite  Stimme  geben  wollte.  Umgekehrt  würde  eine  weiche  Stimme, 
die  der  Harmonie  des  harten  Chors  zur  Ergänzung  eingemischt  wäre, 
nicht  genügen,  oder  doch  durch  ihren  dumpfem  Klang  abstechen  und 
die  Helligkeit  des  ganzen  Zusammenklangs  trüben. 

Diese  Wahrnehmung  (die  —  so  viel  wir  haben  erfahren  können  — 
auch  von  den  erfahrensten  Praktikern  in  diesem  Felde ,  den  Militair- 
Musikdirektoren,  festgehalten  wird)  führt  allerdings  zu  der  Folgerung: 
dass  bei  dem  Verein  der  beiden  Chöre  die  Helligkeit  des  harten  Klang- 
registers durch  die  Dumpfheit  des  weichen  gedämpft  und  beides  zu 
einer  Mitteltinte  gemischt  wird ,  in  der  kein  Karakter  zu  seinem  vollen 
Rechte  kommt.  Diese  mässigenden  Mischungen  haben  natürlich  ihre 
ebenfalls  sprechende  Bedeotutig,  sind  dem  Komponisten  ebenfalls  un- 
entbehrlich. Allein  für  sie  und  überhaupt  für  das  Mildere  und  Zartere 
bieten  sich  —  wie  die  folgende  Abtheilung  lehren  wird  —  ganz  andre 
und  weit  günstigere  Organe  dar,  ohne  dass  es  nöthig  wäre,  den  für 
mächtige,  hellausstrahlende,  harte  Wirkungen  geschaffnen  Blechchor 
für  jene  Effekte  abzuschwächen.  So  erinnert  die  Bedingung  der  richti- 
gen Ventilbehandlung  selbst  an  den  Vorzug  der  Naturinstrumente. 

Wenden  wir  uns  indess  zu  dem  Ventilchor  zurück,  so  folgt  ferner  : 
dass  bei  der  fühlbaren  Verschiedenheit  des  harten  und  weichen  Chors 
der  Gegensatz  beider  nicht  zu  weit  ausgedehnt  werden  darf,  wenn  nicht 
die  weich  besetzten  Abschnitte  der  Komposition  von  den  harten  zu  sehr 


106 


verdüDkell  werden  sotten ;  man  wird  in  der  Regel  beide  Cböre  mit  ein* 
ander  gebn  lassen  und  nur  im  Innern  des  Satzes  von  einander  onter^ 
scheiden.  Dies  macht  sich  im  nachstehenden  ersten  Theil  eines  Kaval- 
lerie-Marsches von  Wieprecht*)  ansebanlich.  Es  sind  zu  ihm  Pan* 
ken  gesetzt,  die  wir  des  Raumes  wegen  weglassen;  sie  wirbeln  in  den 
sechs  ersten  Takten  auf  es  und  scbliessen  .sich  dann  der  Bewegung  der 
letzten  ^^-Trompeten  an. 


116.   Feierlich.  Grandiose.  76  halbe  Takte  in  einer  Minate. 
Trombe  in  Ba  dne.  ten. 


i 


Iten. : 


Tromba  obl.  ia  Es.  len. 


L^j:nX-C-sr=^  \  l-U-^ 


S$m 


w 


^p"^^^^^b^^^--^fM^^^ 


Corni  di  lenore.  I.  II. 


^i^SEoE 


E?5 


Tromb«  in  E».  I.  II. 


^i 


ten. 


zai 


p=tnn= 


'f^m. 


Trombo  iu  Es.  III.  IV. 


Promba  bassa,  Ten.  basso,  Tnba.  ten 

1.«^: 1*««* P5-J^ 


*)  Nr.  21  der  bei  !^eh les inf^er  in  Berlin  in  Partitur  ersebieoeoeo  Arnee- 
maraebe. 


107 


len. 


leu« 


P^mm 


ten. 


s  ten.  t 


ig 


^*-^-i- 


rt=tz:t 


^ps^i^^f^a^^P^^ 


108     

Hier  bilden  die  vier  ^#-Trompelen  (auf  der  liinften  und  sechsten 
Zeile)  den  harten  Chor  und  (Ohren  die  Hauptstimme.  Der  Gegencbor 
ist  gemischt,  doch  vorzugsweise  mit  weichen  Summen  besetzt;  die 
Oberstimme  gehört  den  Klappen-  oder  Rent- Hörnern  (dritte  Zeile)^ 
unter  denen  noch  eine  Es-  und  eine  doppelt  besetzte  iS-Trompete  — 
in  ihrer  Mitte  zwei  fast  durchweg  im  Einklang  gehende  Tenorhörner  — 
die  Harmonie  geben ;  den  Bass  fuhren  Tuba ,  Tenorbass  und  Basstrom- 
pete. Beide  Chöre  greifen  so  eng  in  einander,  dass  man  sie  zwar  unter- 
scheidet, doch  aber  als  ein  Zusammengehöriges  und  durchaus  Verbund- 
nes  auffassen  muss,  daher  eben  die  Einmischung  der  Trompeten  in  den 
weichen  Chor  nicht  nur  kein  Bedenken  hat,  sondern  noch  zur  Ver- 
schmelzung vortheilhaft  beiträgt.  Zuletzt  verbindet  noch  die  rollende 
Pauke  beide  Massen  zu  einer.  Nach  der  Stimmzahl  wurde  übrigens  der 
harte  Chor  zurückstehn.  Allein  die  preussischen  Musikcorps  der  Kaval- 
lerie, für  welche  der  Marsch  zunächst  bestimmt  ist,  bestehn  aus 
21  Mann  und  besetzen  die  erste  Trompete  dreifach,  die  zweite  und 
dritte  doppelt,  die  vierte  wieder  dreifach,  wenn  nicht  einer  dieser  letz- 
ten Mannschaft  die  Pauken  zu  übernehmen  hat.  Hier  also  wird  der 
Hauptchor  von  neun  Trompeten  (und  die  Hauptstimme  darin  von  dreien) 
gefuhrt ,  während  der  andre  Chor ,  mit  zehn  oder  elf  Mann  besetzt, 
doch  nur  unterstützend  und  ergänzend  eingreift*).  Man  bemerke,  dass 
im  vorletzten  Takte,  wo  die  Melodie  zur  Vollendung  kommt,  die 
Stimmfuhrenden  Trompeten  von  den  Kenthörnem  unterstützt  wer- 
den, die  untersten  Trompeten  aber  in  ihrer  Schmetterfigur  be- 
harren. 

Waren  hier  die  beiden  Chöre  zwar  in  Sonderung  gehalten ,  doch 
aber  dem  weichen  harte  Stimmen  beigemischt,  so  zeigt  ein  Ge- 
schwindmarsch von  Neithardt**)  nur  den  harten  Chor,  diesen  je- 
doch mit  zwei  weichen  Stimmen  (aber  den  hellsten)  unterstützt.  — 


*)  Nicht  immer  sind  die  Stimmen  wie  im  obigen  Falle  vertheilt.  Die  Norm 
sebeint  vielmehr  folgende  zu  sein:  der  harte  Chor,  wie  oben,  mit  nenn  Trom- 
peten und  Pauken  oder  zehn  Trompeten  ohne  Panken,  die  Trompeten  in  vier  Stim- 
men zu  3,  2,  2,  3  Mann  vertheilt ;  derweicheChor  mit  Cörno  in  B  alto  (zwei 
Mann ,  meist  onr  einstimmig  gesetzt),  Cornetto  in  Es ,  RIappenhorn  (zwei  Mano^ 
einstimmig  gesetzt),  Tenorhorn  (zwei  Mann ,  ein-  oder  zweistimmig),  Tenorbass, 
Basstrofflpete  nnd  Tuba. 

**)  Nr.  15  der  Schlesiogei^schen  Aasgabe. 


tot 


117    Tiomb«  ia  C.  I.  n. 


i 


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uiM^^ 


w. 


^fi^^j^ 


^ 


*r 


Trombeprincipali  in  C»  I.  IT, 
Solo.  =>    > 


Die  hohe  £r-Troinpete,  das  erste  Klappenhoni  and  die  obersten  C-Trom- 
peten  haben  ein  munter  gaukelndes  Dnrcheinanderspiel  (vielleicht  ist 
der  Marsch  für  Dhlanen  oder  sonst  leichte  Reiterei  bestimmt,  während 
derimponirender  angelegte  Wi  eprech  t'sche  vielleicht  für  schwere  Rei- 
terei in  Parade) ,  das  —  wenn  man  das  leichtentbehrliche  h  des  Rent- 
borns  aufgeben  will  —  auch  mit  blossen  Naturinstrumenten  wohl  dar- 
stellbar wäre ;  auch  im  letzten  Tbeil  altemiren  die  Renthö'rner  mit  der 
hohen  C-Trompete,  — 


Kent- 
H5rner. 


110    

während  die  andern  InstninieDte  in  Achteln  begleiten.  Weniger  wich- 
tig scheint  die  F-Trompete ,  die  den  ganzen  Harsch  hindurch  nur  c-g 
(f-c)  wiederholt,  von  denen  der  erste  Ton  schon  dnrch  die  Kentho'mer 
besetzt  ist.  Entweder  lag  dem  Komponisten  daran,  anch  diesen  Ton 
von  harter  Stimme  zu  haben ,  oder  es  haben  äussere  Rücksichten  mit- 
gewirkt ;  —  so  scheint  es  wenigstens  uns,  die  wir  uns  jedoch  gar  sehr 
hüten  werden,  einem  so  geschickten  und  erfahrnen  Praktiker  auf  einem 
Felde  zu  widersprechen ,  wo  kein  Komponist  so  bewandert  sein  kann, 
wie  die  Direktoren  der  Militairchöre.  Jedenfalls  ist  dieser  Punkt  für 
die  vorliegende  Komposition  nicht  wichtig. 

So  viel,  um  von  dem  Satz  für  Ventilinstrumente  und  den  dabei 
hervortretenden  Kombinationen  eine  Anschauung  zu  geben.  Tiefer  ein- 
zudringen achten  wir  uns  bei  unsrer  Grundansicht  von  der  ganzen 
Klasse  dieser  Instramente  nicht  verpflichtet,  würden  auch  nach  unserm 
hiernach  genommenen  Standpunkte  wenig  Hoffnung  haben,  das  Volige- 
nügende  zu  geben ;  dazu  bedürfte  es  des  Raths  der  erfahrnen  Kompo- 
i^sten  für  Militairchöre  und  zahlreicher  eigner  Versuche.  Ist  dies  auch 
nicht  Jedermanns  Sache,  so  wird  doch  Jeder  Komponist  wohl  thun,  sich 
praktisch  wenigstens  bis  auf  einen  gewissen  Punkt  mit  jener  Instru- 
mentklasse  bekannt  zu  machen.  Es  kann  Niemand  voraus  wissen,  ob 
ihm  nicht  wenigstens  einzelne  Instrumente  aus  derselben  in  dieser  oder 
jener  Aufgabe  wichtig,  ja  unentbehrlich  werden. 


Vierte  Abtheilong. 
Die  wichtigsten  Sohrinstrumente. 

Erster  Abschoitt. 

Allgemeine  Betrachtungen  und  Lehren. 

A.  Struktur  der  Rohrinstniiiieiite. 

Mit  dem  Namen  Rohrinstrumente  oder  Röhre  bezeichnen 
wir  (S.  42)  alle  Blasinstrumente,  deren  Schallrohr  ganz  oder  haupt- 
sächlich von  Holz  angefertigt  ist.  Beide  Benennungen  (sowie  auch  die 
weitläufigere :  Holzblasinstrumente)  sind  nicht  ohne  Einschrän- 
kung  treffend.  Zunächst  könnte  man  mit  den  erstem  Namen  diejenigen 
Holzblasinstrumente  bezeichnen,  —  Klarinetten,  Fagotte  u.  s.  w.,  — 
die  mittels  eines  Blattes  oder  Rohrs  (Rohrblattes)  angeblasen  werden, 
im  Gegensatz  zu  denen,  —  den  Flöten,  •"—  wo  das  nicht  der  Fall  ist. 
Sodann  ist  bei  einigen  hierher  gerechneten  Instrumenten,  z.  B.  den 


—    111    — 

< 

BassetUMiieni*)t  eine  metallne  Slärze  (ScbalHwcher)  Migefigt)  mUtAn 
nicht  das  ganze  Rabr  von  Holz.  Endlieh  werden  hierher  gehörige  In*- 
strnmente  bisweilen  von  anderm  Stoffe  verfertigt,  —  e.  B.  Flöten  von 
Krystail,  und  haben  wir  dnrchaus  netaUoe  instramente  (z.B.  die 
Opbiklei'de)  hierher  zu  stellen  gehabt,  w^il  sie  nftdi  Struktur  ond  Be-" 
handlnng  sich  den  Robrinstrumenten  anscbliessen.  Aliein  bei  allen 
Knnstnamen  kommt  es  zunächst  auf  bequeme  Kürze  an  und  ist  eine 
vorgängige  Verständigung  nicht  zu  entbehren.. 

Alle  Rohrinstrumente  (und  die  ihnen  zngerechneten)  kommen 
darin  überein,  dass  ihr  Rohr  nicht  von  einem  Ende  zum  andern  ge- 
schlossen ist,  wie  das  derNaturblechinstrumente,  die  nur  im  Mundstück 
zum  Anblasen  und  im  Schalltrichter  offen  sind,  —  sondern  dass  es  an 
den  Seiten  (vorn  und  hinten)  noch  ' 

Tonlöcher 
hat,  Oeffnungeu,  durch  die  —  wenn  sie  unverschlossen  sind,  die  äussere 
Luft  mit  der  im  Rohr  befindlichen  Luftsäule  in  Verbindung  tritt.  Durch 
diese  Tonlöcher,  die  bald  unmittelbar  mit  den  Fingern ,  bald  mit  Hülfe 
von  Klappen  (Tonklappen)  geschlossen  und  geöffnet  werden  können, 
ist  auf  den  Robrinstrumenten  eine  (ganz  oder  meist)  vollständige  chro- 
matische Tonreihe  innerhalb  des  dem  Instrument  gegebnen  Tonumfanj^ 
darstellbar ;  in  welcher  Weise  dies  geschiebt,  gehört  nicht  in  den  Krei^ 
der  dem  Komponisten  als  solchem  nölhigen  Kenntnisse. 

Eine  zweite  Vorrichtung  ist  wenigstens  der  Mehrzahl  der  Rohrin- 
strumente eigen:  das  Blatt  (S.  12),  mit  dessen  Hülfe  sie  angeblasen 
werden.  Das  Tönende  in  jedem  Blasinstrument  ist  zunächst  die  in  ihm 
eingesehlossne ,  durch  den  Einhauch  oder  Anhauch  des  Bläsers  (durch 
den  aus  dessen  Mund  eingestossnen  Luftstrahl)  in  Schwingung  gesetzte 
Luftsäule.  Dieses  Anblasen  der  Luftsäule  findet  unmittelbar  nur 
bei  den  Flöten,  durch  ein  besondres  Mundstück  vermittelt  in  den  Blech- 
instrumenten durchgängig,  in  der  Klasse  der  Bohrinstrumente  bei  den 
Serpents  und  Ophiklei'den  statt. 

Die  andern  Röhre  haben  in  ihrem  Mundstock  ein  am  einen  Ende 
festgebundnes ,  am  andern  aber  freischwingendes  (nur  durch  die  Lip» 
pen  und  den  nahe  liegenden  Holztheii  des  Mundstücks  in  der  Bewegung 
gehemmtes)  Blatt,  —  ein  dünngeschabtes,  plattes  Rohrstückchen,  — 
oder  das  Mundstück  wird  zunächst  durch  zwei  über  einander  liegende, 
am  einen  Ende  fesigebundne  Blätter  (Doppelblatt)- ]gebildet.  Auf 
dieses  Blatt  oder  Doppelblatt  trifft  der  Luftstrahl  aus  dem  Munde  des 
Bläsers  zuerst  und  setzt  es  in  Schwingung,  so  weit  die  der  freien  Be- 
wegung entgegentretenden  Hemmnisse  dies  gestalten.  Die  Schwingun- 
gen oder  Erbebungen  des  Blattes  haben  auf  den  Klang  des  Instru- 


*)  Etymologisch  ricbtiser  —  aber  schwerfälliger  —  würde  mao  Basse  ttboro 
sehreH>ea. 


112    

meats  wesentlichen  Einflnss;  sie  theilen  ihm  ein  mehr  matmelies, 
mehr  körniges  Wesen  mit,  das  sich  von  dem  glattern  Lnftkhng  der 
Flöten  wesentlich  unterscheidet,  während  bei  Serpent  nnd  Ophiklei'de 
die  Massenhaftigkeit  und  Rauheit  des  Schalls  den  Luftklang  nicht  ka- 
rakleristisch  empfinden  lässt.  Dass  bei  dem  Doppeiblatt  der  Einflnss 
noch  hervortretender  ist,  versteht  sich.  Doch  hängt  auch  hier,  wie 
überhaupt,  viel  von  der  Mensur  des  Instruments  ab;  je  grösser  die 
Masse  seiner  Luftsäule,  —  je  weiter  und  länger  das  Rohr,  —  desto 
mehr  muss  der  Karakter  des  Luftklangs  vorherrschend  bleiben. 

B.  Allgemeine  Karakteristik  der  Rohrinstromeiite. 

Abgesehen  von  den  einzelnen  Unterschieden,  ist  der  Klang  der 
Rohrinstrumenle  glatt  und  weich,  der  Helligkeit,  Fülle  und  auch  in 
einzelnen  Arten  einer  gewissen  Kernigkeit  und  einschneidenden  Ge- 
walt theilhaftig,  in  diesen  Eigenschaften  aber  den  Blechinstrumenten 
nachstehend.  Dieser  allgemeine  Karakter  gestaltet  sich  indess  je  nach 
der  Tonlage ,  nach  Weite  und  Gestalt  des  Rohrs ,  nach  der  Weise  der 
Anblasnng  (mit  Blatt,  Doppelblatt,  Posaunenmundstück ,  unmittelbarem 
Anhauch)  u.  s.  w.  vielfältigst  um ,  so  dass  in  der  Klasse  der  Rohr- 
instrnmente  eine  Reihe  von  Individuen  entgegentreten,  alle  von 
wesentlich  verschiednem,  —  wenn  auch  diese  oder  jene  von  mehr 
oder  weniger  verwandtem  Karakter.  Diese  verschiednen  Karak- 
tere  können,  wie  sich  von  selbst  versteht,  Erstens  einzeln,  Zwei- 
tens unter  sich  vereinigt,  sodann  Drittens  mit  andern  Instrumenl- 
klassen,  z.B.  den  Blechinstrumenten,  verbunden  werden.  In  beiden 
letztern  Fällen  verschmelzen  sie  mehr  oder  weniger  unter  einander, 
oder  mit  den  hinzutretenden  Instrumenten  andrer  Klassen,  und  es  geho 
dann  die  Besonderheiten  mehr  oder  weniger  im  Gesammtklang  und 
Gesammtkarakler  des  Ganzen  auf.  Selbst  bei  dieser  Verwendung  io 
Masse  wird  aber  noch  der  Karakter  der  Individuen  je  nach  der  Stellung 
und  Thätigkeit,  die  man  einem  jeden  zuertheilt,  unterscheidbar  —  und 
für  die  Weise  des  Zusammenklangs  mitbestimmend  sein ;  wie  vielmehr 
bei  der  Verbindung  weniger  oder  dem  Gebrauch  einzelner  Rohrinstru* 
mente.  Es  ist  daher  genauere  Auffassung  der  einzelnen  Karaktere 
durchaus  nothwendig. 

C.  Behemchong  des  Tongehalts. 

Das  über  die  Bauart  der  Robrinstrumente  Gesagte  deutet  bereits 
den  ungleich  grössern  Tonreichthum ,  die  Vollständigkeit  des  Tonsy- 
stems an ,  die  wir  von  dieser  Instrumentklasse  zu  erwarten  haben. 
Allein  die  Benutzung  dieses  Tonreichthums  ist  auch  hier  an  mancherlei 
Bedingungen  geknüpft ,  die  noch  dazu  bei  den  verschiednen  Arten  der 
Rohrinstrumente  vielfach   verschieden  sind.    Im  Allgemeinen  — 


113 

das  Besondre  bringen  wir  l>ei  den  einzelnen  Instrumenten  —  ist  Fol- 
gendes zn  bemerken. 

Erstens.  Alle  Tonleitern  (oder  Theile  derselben)  in  C-,  6r-,/)*, 
F-  und  Bivir  sind,  wenn  nicht  gar  zu  schnelle  Bewegung  gefedert 
wird,  auf  alten  Rohrinstrumenten  ausführbar;  ebenso  Tonfolgen  aus  den 
Tonleitern  vonC-,  G-,  0-,  allenfalls  £molly  —  besonders  aus  den  nicht 
streng  methodisch  gebildeten  (Th.  I.  S.  501),  sondern  fliessender  und 
sanfter  umgestalteten  Tonleitern,  z.  B.  dieser 

c,  rf,  esy/jg,  a,  hyc—c,  b,  as^  g,  /,  es,  rf,  c 
Cmoll-Tonleiter.  Bedenklicher  und  mit  minderer  Leichtigkeit  ausfuhr- 
bar sind  Folgen  aus  den  Tonleitern  von  A-  oder  jF«  dur,  H-  oder  Fis 
moll  und  noch  stärker  vorgezeichneten  Tonarten. 

Zweitens.  Debermässige  und  verminderte  Intervalle  sind  nicht 
ohne  Schwierigkeit  zu  erreichen,  namentlich  das  der  verminderten  Sep- 
time. Dagegen  sind  grosse  Intervalle  —  namentlich  grosse  Sexten,  die 
bekanntlich  enharmonisch  gleich  den  verminderten  Septimen  sind  — 
leicht  ausführbar.  Hier ,  wie  überhaupt,  erinnert  die  Natur  der  Blasin- 
strumente an  die  des  Gesangorgans. 

Drittens.  Triller  auf  Ganztünen  (dts-cü,  b^-as  u.  s.  w.)  sind 
theils  schwer,  theils  ganz  unausführbar.  Ausnahme  machen  die  TriUer 
mit  unyersetzten  Ganztönen  (d-c,  e-d,  g-f,  a-g^  h-a),  die  alle  aus- 
führbar sind ,  wofern  nicht  einer  von  beiden  Tönen  auf  diesem  odei 
jenem  Instrumente  zu  hoch  oder  zu  tief  steht. 

Viertens.  Brechungen  der  Dominantakkorde  auf  G,  C,  Dy  allen- 
bUs  auf  Fund  A  sind  leicht,  auf  andern  Tönen  (besonders  in  schneller 
Bewegung)  weniger  bequem ;  ausfahrbarer  sind  die  Brechungen  aller 
yerminderlen  Septimenakkorde. 

Fünftens.  Am  gewandtesten  für  alle  Arten  von  Figuren  sind  die 
Flöten,  dann  die  Klarinetten,  weniger  (besonders  für  sehr  schnelle  Be- 
wegung) die  Fagotte,  am  wenigsten  die  Oboen,  alle  diese  Instrumente 
mit  ihren  Abarten. 

Secbstens.  Die  fortschreitende  Technik  aller  Rohrinstrumente 
bewirkt,  dass  Manches,  was  bis  beute,  —  oder  auf  diesem  Instrument, 
—  oder  von  diesem  übrigens  ganz  geschickten  Bläser  schwer  oder  un- 
erreichbar zu  nennen  war,  morgen  oder  auf  einem  andern  Instrument, 
von  einem  andern  Bläser  wohl  erreicht  wird.  Der  Komponist  tfaut  da- 
her wohl,  nicht  unnöthige  Schwierigkeiten  zu  bieten,  darf  aber  auch 
licht  allzu  ängstlich  gehn,  wenn  die  Idee  seines  Werkes  ihn  nö- 
Ihigt,  auf  die  Hingebang  der  Ausfuhrenden  —  natürlich  in  denGränzen 
ies  Möglichen  —  zu  rechnen. 

D.  Uebimg  md  Lehimefhode. 

Hier  treten  wir  also  in  ein  weit  mannigfaltigeres  Leben  und  an 
zusammengesetztere,  vielseitigere  Aufgaben  heran,  und  es  wird  einer 

Mtrs,Kaaip.  L.  IV.  .1.  Aafl.  8 


114     

besiifliinteQ  Lehr-  und  Uebwigsmeihode  bedörfen,  mii  mit  möglichslcr 
Sicherheit  und  ohne  Zeitverlust  in  dem  neuen  Gebiete  heimisch  ed 
werden. 

Was  zunächst 

1.  das  Lehr-  und  Uebungsverfahren 
belriffl,  so  theilen  wir  unsem  Stoff.  Wir  überliefern  nicht  alle  Rohrin- 
strumente  auf  einmal,  sondern  zunächst  nur  die  nächstnöthigen, 
die  zugleich  die  nächstzusammengehörigen  und  der  Kern  des 
vollständigen  Satzes  für  Rohrinstrumente  (der  sogenannten  Harmonie- 
musik)  sind ;  gelegentlich  —  und  zwar  ehe  noch  alle  Röhre  beisammen 
sind  —  werden  auch  Blechinstrumente,  wenn  sie  eben  am  brauchbar- 
sten erscheinen ,  zugezogen.  Die  nähern  Beweggründe  für  dieses  Ver- 
fahren werden  sich  bei  seiner  allmählichen  Entwickelung  aus  ihm  selbst 
ergeben. 

Sod^inn  aber  treten  aus  der  Anschauung  der  Instrumente ,  ihrer 
Verwandtschaft  und  Verschiedenheit  gewisse 

2.  allgemeine  Grundsätze 
hervor,  die  uns  einen  begünstigenden  Anhalt  bieten ,  obwohl  wir  nick- 
siebts  ihrer  wiederholen  müssen,  was  wir  längst  (Th.  I.  S,  15)  vod 
allen  Runstregehi  gesagt  und  durch  das  ganze  Lehrbuch  nachgewieseo 
haben:  dass  keine Rnnstregel  die  Gültigkeit  eines  absoluten  GtsetsiAB  in 
Anspruch  nehmen  kann. 

Diese  Grundsitze  finden  wir,  wenn  wir  die  Instrumente  nach  ibreo 
Weseeheiten 

als  tongebende — und 
als  klanggebende  Organe, 
ferner,  wenn  wir  sie  nach  ihrer  zwiefachen  Wirksamkeit, 
einzeln  Qnd 
in  Masse  vereint, 
betrachten. 

a.  Die  Tonregion. 

Jedes  Instrument  gilt  uns  als  ein  selbständiges  Wesen,  als  eine 
Person  gleichsam,  die  ihre  eigenthümüehe  Tonreihe,  ihrTonsysten  hat 
und  in  demselben  — -  wie  wir  schon  längst  (Th.  III.  S.  354)  von  den 
Singstimmen  gesiq^t  haben,  die  drei  Stimmregionen  s  IGtte,  Tiefe  and 
Hohe ,  dargestellt*).  Wenn  wir  nun  in  den  folgenden  Abschrntteo  er- 
fahren werden,  dass  die  versohiednen  Rohrinstnunente  verschiednc 
Todregionen  besetzen,  dass  z.  B.  die  Tonreike  der  FagMte  ans  den 
Rontratönen  bis  in  die  eingestrichne  Oktave,  die  der  Rlarinetlen  nos 


*)  Dasselbe  gilt  von  deo  Blech instnimeDten ;  oar  war  bei  ihnen  die  Qetraeli- 
tuDg  unwiehtig ,  weil  sie  ohnebin  nicht  zu  votlstSildiger  Harmoniedarstellans  be- 
stiamt  sind. 


115 


der  kkiaen  in  die  zwei-*  uod  dragesIrtokK  Oktave  reicht  n.  s.  w.  i  so 
ergiebt  rieh  sogleich  als 

erster  GrtiQdsatz: 
wir  miissen  Instromeilte  verschiedüer  Tonregion  mit  einander  verbin- 
den, nm  unsre  Romposition  in  günstiger  Melodie-  nnd  Harmonielage 
darzustellen. 

Jede  StimmregioD  ferner  hat  bekanntlich  ihren  eignen  Karak- 
ter:  die  Tiefe  in  jeder  Stimme  ist  minder  bewegsant,  minder  stark  und 
voll  (oder  wird  bei  hervorgemfiier  Stärke  rauh),  -^  die  Höhe  wird 
heftiger  und  gedrungner,  heller  oder  auch  gellender,  —  die  Mitte  ist 
die  mildeste,  zugleich  aber  klangvolle  Region.  Diese  Karakteristik 
(deren  Bezeichnung  hier  nur  sehr  allgemein  nnd  andeutungsweise  ge- 
geben werden  konnte)  ist  auf  jedes  Musikorgan  anwendbar,  in  welcher 
Tonregion  es  aach  erschalle.  Wenn  wir  z.  B.  dieselbe  Tonfolge  im 
Tenor  und  Diskant  setzen,  — 


so  ist  für  beide  Stimmen  (Th.  Ilf.  S.  35S)  die  Tongruppe  a.  der  tiefen, 
die  Tongruppe  b.  der  mittlem,  die  Tongruppe  c.  der  hohen  Stimmre- 
giott  zugehörig.  Hieraus  ergiebt  sich  für  solche  Organe ,  deren  Tonre^ 
gion  eine  Oktave  (oder  ungerähr  so  viel)  auseinanderliegt,  die  also 
gegen  einander  im  16-  und  8-,  oder  im  8-  und  4 -Pusston  stehn,  ein 
sehr  tiefgreifender 

zweiter  Grundsatz: 

Instnimeute  von  (gleichsam  oder  wirklich)  verschiednem  Fusston  oder 
wesentlich  verscbiedner  Tonregion  können  sich  nicht  nach  der  abstrak- 
ten Reihe  ihrer  Töne  ablösen,  ergänzen  und  fortsetzen*). 
Zar  Erläuterung  geben  wir  hier  ein  einfaches  Beispiel. 


120 


Im  abstrakten  Tonsystem  odei^  auf  dem  abstrakte« Klsfier  (oder  ^ 
einem  einzigen  ksttniment,  £.  6*.  dem  Violodcello,  vorgetragen)  bicflec 
diese  Zeile  eine  stetig  emporscbreitende  Tonfblge  dar^  Wollte  mam  sMl 
aber  unter  Organe  verscbiedner  Tonnegioti  oder  versdhi^dnen  Pnssfo- 
nes  vertheiien,  z.  B.  die  TbidMge  A.  d«m  Bttss  oder  Tenor,  Fagott  oder 
Violoncell ,  —  und  die  Tonfblge  B.  dem  Alt  oder  Diskant,  der  Klieiri« 
nette,  Geige  oder  Oboe  fibertragen:  so  vrürie  d«^  Ganze  nicht  mehr 


*)  Derselbe  Gnindsatz  bitte  scboD  bei  der  Karakteristik  der  mSinDliclien  nad 
veiUieiefl  Siidgatiuneit  attageiproelreti  wemfed  Mlfea,  wtat  der  Verf.  6s  niebt  — 
übersebD  hätte. 

8* 


116    

eine  stetige  Portschreitung  bilden,  sondern  B.  worde  zur  blossen 
Wiederholung  von  A.  (wenn  auch  in  höherer  Region)  werden, 
weil  es  wieder  in  der  Tiefe  oder  Mitte  anfinge ,  während  A.  nach  glei- 
chem Anfang  bereits  zur  Höhe  gelangt  wäre.  Wollte  man  die  stetige 
Fortschreitung  beibehalten,  so  müsste  das  nachfolgende  Organ  eine  Ok- 
tave höher  als  oben  einsetzen,  der  Satz  also  sich  so  — 


gestalten,  —  wobei  dahingestellt  bleibt,  ob  diese  Höhe  (iir  jedes  der 
oben  genannten  Organe  wohlgerathen  wäre. 

So  gewiss  übrigens  der  Grundsatz  und  die  ihn  stützende  Beobach- 
tung richtig  ist,  so  hat  man  doch  eben  von  ihm  mannigfachen  Anlass 
abzuweichen ,  namentlich  dann ,  wenn  die  stetige  Fortschreitaog  nach 
der  Idee  der  Romposition  nothwendig,  nach  dem  Umfang  der  Organe 
aber  in  der  oben  (Nr.  121)  gezeigten  Weise  unausführbar  ist. 

b.   Das  Klangwesen. 
Der  Klang  der  Rohrinstrumente  hängt,  wie  wir  schon  oben  (S.  111) 
gesagt,  von  ihrem  ganzen  Bau,  namentlich  auch  von  der,  Weise  der 
Anblasung  und  von  der  Grösse  (Stärke)  der  Luftsäule  ab.    In  ersterer 
Beziehung  haben  wir  bereits  den  Unterschied  aufgefasst : 

1.  der  Flöten,  die  durch  unmittelbaren  Anhauch  des  Bläsers  zom 
Erschallen  gebracht  werden; 

2.  der  Serpents  und  Ophikleiden ,  die  zur  Auffassung  des  Anhauchs 
ein  kesselartiges  Mundstück  (gleich  den  Posaunen)  haben ; 

3.  der  Klarinetten,  in  deren  Mundstück  ein  durch  den  Anhanch  in 
Schwingung  gerathendes  Blatt  befindlich  ist; 

4.  der  Fagotte  und  Oboen,  deren  Mundstück  aus  zwei  auf  einander 
liegenden  Blättern  gebildet  wird. 

Man  kann  schon  im  Voraus  entnehmen ,  dass  sich  hiernach  der  Karak- 
ter  der  Instrumente  scheidet,  dass  —  von  den  Serpents  ond  Ophikleiden 
fiir  diesmal  abgesehn  —  die  Klarinetten  (als  Instrumente  mit  einem 
einzigen  Blatt)  den  Flöten  näher  stehn,  als  die  Oboen.  Die  Fagotte 
müssten  den  Flöten  ebenso  fem  stehn ,  als  die  Oboen :  bei  ihnen  aber 
wird  der  Einflnss  des  Mundstücks  durch  die  überwiegende  Masse  der 
Luftsäule  gemildert,  überdem  aber  der  Vergleichspunkt  und  das  Ge- 
fühl des  Unterschieds  femer  gerückt  durch  die  grosse  Verschiedenheit 
der  Tonregien  zwischen  den  Fagotten ,  die  Bassinstramente ,  und  den 
Flöten  u.  s.  w.,  die  Diskantinstrumente  sind. 

So  stehn  uns  also  schon  bei  fluchtigem  Ueberblick  vier  Arten  von 
Rohrinstrumenten  gegenüber,  deren  jede  von  den  andem  karakteristisch 
verschieden ,  jede  aber  mit  einer  der  andem  Klassen  übereinstimmen- 
der, näher  verwandt  ist,  als  mit  einer  andem.  Ohne  Weiteres  ist  hier 
anleuchtend : 


117     

dass  die  gleichen  lostrainente  am  volikommen- 

sten  yerschmelzen,  die  einander  entferntesten 

am    wenigsten,    die    einander    ähnlichen   oder 

verwandten  besser  als  die  entgegengesetzten; 

eineBeobachtong,  die,  so  nahe  sie  zu  liegen  scheint,  doch  oft  genag 

selbst  von  wackem  Musikern  zum  Nachtheil  ihrer  Werke  aus  dem  Auge 

verloren  worden. 

Der  Komponist  nun  bedarf  —  und  hier  fiissen  wir  die  Verwendung 
für  abgesonderte  und  Massenwirkung  in  das  Auge  —  beider  Formen ; 
er  raoss  die  innigste  Verschmelzung,  er  muss  eine  mehr  oder  weniger 
scharfe  Scheidung  oder  Individualisirung  der  Stimmen  in  seiner  Gewak 
haben.  Damit  die  erstere  nicht  gar  zu  sehr  beeinträchtigt  werde, 
ist  als 

dritter  Grundsatz 

auszusprechen :  dass  jede  Klasse  der  Rohrinstrumeate  doppelt  besetzt 
werde,  man  also  zwei  Flöten,  zwei  Klarinetten  u.  s.  w.  zur  gleich^ 
artigsten  Verschmelzung  bereit  habe.  Dass  hiervon  vielerlei  Ausnah- 
men stattßnden,  dass  man  bisweilen  einen  Chor  drei-  und  vierfach  (wie 
bei  dem  Blechchor  Homer  und  Trompeten)  besetzt,  bisweilen  nur  ein- 
fach ,  sehn  wir  voraus.  Hierüber  wird  später  zu  reden  sein. 

Abgesehen  von  der  doppelten  oder  mehrfachen  Besetzung  einer 
Instrumentklasse  tritt  für  grössere  Massen  Verschmelzung  aus  der  obigen 
Betrachtung  ein 

vierter  Grundsatz 
hervor :  die  gleichartigen  oder  näher  stehenden  Instrumente  vereinigen 
sich  und  verschmelzen  am  besten.  Es  vereinigen  sich  also  z.  B. 

Flöten  und  Klarinetten 
besser,  als  Flöten  und  Oboen ;  ferner  vereinigen  sich  besser 

Klarinetten  und  Fagotte, 
weil  der  Unterschied  des  einfachen  und  Doppelblatts  durch  die  grössere 
Luftmasse  im  Fagott  ausgeglichen  und  durch  die  Entlegenheit  der  Ton- 
region weniger  fühlbar  gemacht  wird. 

Diesem  Grundsatz  steht  als  sein  Gegenüber  der 

fünfte  Grundsatz 
zur  Seite :  entgegengesetzte  Instrumente  unterscheiden  0Bh  besser  von 
einander,  als  gleichartige  oder  verwandte;  Flöten  z.  B.  und  Oboen, 
oder  auch  Oboen  und  Klarinetten  bilden  eher  einen  Gegensatz  zu  ein- 
ander, trennen  sich  und  stossen  sich  zurück,  als  dass  sie  sich  einigten 
und  verschmölzen. 

Zuletzt  fassen  wir  das  Wesen  der  Blasinstrumente  im 
Ganzen  zusammen.  Sie  haben  insgesanmt  selbst  bei  dem  zartesten 
Anblasen  ganz  bestimmte  Intonation ,  jeder  ihrer  Töne  tritt  ganz  deut« 
lieh  und  kenntlich  auf:  sie  haben  gesättigten  und  füllenden,  an  sich 


118     

seU>er  sebon  den  Hörer  befriedigenden ,  zudem  durcb  Ansebwelleo  und 
Abaehmeii  ttocb  böbier  beseelten  und  oacb  «einem  ganzen  Wesen  der 
manschlieben  Stmne  verwandten  Klang.  In  diesem  f  osiiiren  Wesea 
ist  es  begrandet,  daas  der  Inbait,  den  der  EAmponist  aetnen  Bläsern 
giebt,  viel  ent6cbiedner,deiitiicber«fid€uigreifend«»r  bervortreten  mnas, 
als  auf  den  Saiteniafttnuneiiieo  notbwendig  ist.  Auf  Klavier  und  Harfe 
mischen  sich  die  Stimmen  leicht  in  einander ,  auf  den  Strei«haos4mmeii- 
ten  iei  zwar  aefar  entsobiediMr ,  —  aber  auch  ßebr  iiabestimmter, 
vierschwimiDendeF  Ejffiaiz  möglieb»  und  diireb  ihn  kanoliaaebes  gemil- 
dert oder  der  AuflSassung  entzogen  werden»  was  in  der  Harmoniemusik 
mit  «nerbiltlicber  DeuUicbkeit  beraustriu. 
Hieraas  ergiebt  sieh  der 

sechste  Grundsatz: 
es  darf  in  den  Bläsern  nicht  leieht  etwas  gesetzt  werden,  das  man  nicht 
deatlieh  vemehmca  lassen  wiiL  Bedenkliche  oder  auch  unsangbare 
Siiramfubnuigen 9  regelwidrige  Auflösungen,  ufigünslige  Akkordlagen 
oder  auch  nur  schäHere  Widersprüche  des  Akkordes  mit  länger  blei- 
benden oder  sonst  wiUknhrlich  zutretenden  Tönen  sind  in  den  Bläsern 
weit  geTäbrlisher,  als  in  den  Saiteniustriimenten ;  die  natumäch* 
sten  Bildungen  und  Führungen  (Th.  I.  S.  275  und  571)  bab^B 
for  die  Lnftnatnr  der  Bläser  —  im  Aligemeinen  und  abgesebn  von  allem 
besondeni  Inhalt  und  der  ans  ihm  bervortretenden  böhern  Notbwen- 
digkeit  —  den  Vorzog. 

Mit  diesen  Vorbegriffen  gehn  wir  nun  wieder  zur  Praktik  über. 
Instrumentkennlniss  und  Verwendung  der  erkannten  Instrumente  zur 
Romposition,  wenn  auch  nur  zu  kleinern,  gleichsam  versuchweisen 
Sätzen  und  leichtem  Aufgaben,  müssen  nun  mit  einander  wechseln,  bis 
die  ganze  Harmoniemusik  beisammen  ist. 


Zweiter  Abschnitt. 
Kenntai»»  der  Ktarinette  uDd  de«  Fagotte. 

^  A.  bie  Klarinette, 

Die  Klarinette  hat  ein  aus  einem  Mundstück  (Schnabel  mit  Blatt 
und  Bim),  Mittelslnefcen  und  einem  SefaaUtrichter  (Beeher)  zusammen- 
geseüstes,  in  gerader  Richtung  fortlaufendes,  ziemlich  weites  Rebr,  auf 
dem  mittels  Tonlöcher  und  Klappen  eine  vollständige  ehromatiseheTon* 
reihe  herv4>rznbringen  ist.  Man  bedient  sieh  dieses  Instruments  in  meh- 
rem  Stimmnngen.  Wir  gehn  daher,  wie  bei  den  Trompeten  «nd  Här* 
nera,  von  einer  dieser  Stimmungen ,  der  in  C  (die  ihre  Tfine  so  an- 
giebt,  wie  notirt  wird)  als  der 


119     

NormaUKiarinelte 
aus. 

Die  (Normal-)Klarinette  hat  einen  Umfang  von 


122 


chromaliacK  bis      :£"  l^   «ucK  :(: 


-IJl-±±i. 


n 


ja  selbst  bis  zam  viergestrichnen  c.  Diese  äussersle  Höhe  steht  jedoch 
nicht  jedem  Bläser  sieber  und  wohlklingend  zu  Gebote ;  man  tbnt  wohl, 
im  Orchestersatze  nicht  über  das  dreigestricbne  c  oder  dj  höchstens  e 
oder^ hinauf  zu  gehn. 

Innerhalb  dieses  Tongebiets  ist  die  Klarinette  Fähig,  jeden  Ton,  so 
lange  der  Athem  des  Bläsers  reicht,  stark  oder  sohwach  ansae^halten, 
aus  leisem  Anhauche  bis  zo  bedeutender  Püfle  anschwellMi  und 
abnehmen  zn  lassen ,  einen  Ton  schnell  und  oft  211  wiederholen» 
Arpeggien  (besonders  grosser  Dreiklänge  und  Dominantakkorde), 
diatonische  —  auch  chromatische  Läufe,  gebunden  nnd  gestossen, 
in  grosser  Leiehtigkeit  nad  Schnelligkeit  aaszufubrea ,  in  langsame- 
rer Bewegang  auch  Spränge  innerhalb  einer  Dezime  und  noch  viel 
weiter  zu  machen,  Triller  in  grosser  Schnelle  und  Ab-  oder  Anschwel- 
len, Porte  und  Piano,  meKsma  tische  Figuren  in  .jeder  Form  der  Bin- 
dang  und  Absonderung  hervorzahringen  ^  karz,  es  stehn  diesem  Instm- 
ment  fast  alle  Tonbewegungen  und  Verbiaduagen  zu  Gebote.,  —  wenn 
auch  allerdings  einige  weniger  leicht  und  günstig  ab  andre.  In  diesier 
Hinsicht  bemerken  wir  Folgendes. 

Im  Allgemeinen  ertönt  die  Klarinette  am  reinsten  oad  ist  am 
brauchbarsten  in  ihrer  orspränglichen  Stimamng ,  z.  B.  die  oben  aage^ 
führte  Normal -Klarinette  in  Cdur.  Je  weiter  sie  sich  von  dieser 
Stimmung,  von  ihrem  Haaptton,  entfernt,  desto  anreiaer  wer^ 
den  ihre  Scalen.  Muss  ne  aber  in  neue  Toaarlea  äbergeffelhrt  wer* 
den,  so  bewegt  sie  sich  beqaemer  und  sichrer  inBe-Tonarten,  am  besten 
bis  zu  drei  Been  (also  Es  inr  oder  Cmoll),  and  auf  der  andern  Seite 
bis  zu  zwei  Kreuzen  (also  bis  zu  D^dar  oder  /if  moll).  Dies  ist  keines- 
wegs 00  zu  verstebn ,  als  war*  es  der  Klarhette  namöglich ,  sich  in 
Tonarien  mit  mehr  Been  oder  Rrenzea  zn  bewegen ;  man  mnss  sich 
nur,  wenn  sie  in  solchen  Tonlagen  wirken  soll  ^  auf  ruhigere  nnd  eia- 
fächere  Tonfolgen  beschränken  uad  alles  Schwierigere  noch  sorgfältiger 
meiden. 

Besonders  sind  naehfolgende  Teaveririffdangen  — 


lö^^ÄÖ 


120 


nicht  gut  zusammenzuschleifen  und  sclmell  xn  wiederholen  (a.  ist  etwas 
leichter,  b.  schwerer),  auch  nachfolgende  Triller  — 


tr    ^        tr   ^ tr  ^^        tr  ^^      rr  ..         tr  ..       tr  tr 


^q{J^|2^t^^^F^|tf 


theils  unausfahrbar,  theils  schwer  und  ungünstig;  indess  im  schnellen 
Ueberhingehn ,  z.  B.  in  diatonischen  oder  chromatischen  Läufern  oder 
Arpeggien,  wird  das  Stocken  auf  diesen  Punkten  nicht  auffallen,  beson- 
ders wenn  man  die  Stelle  durch  andre  mitgehende  Instrumente  deckt. 
Ueberbaupt  hängt  hier  viel  mehr  noch  wie  anderswo  von  der  Geschick- 
lichkeit des  Bläsers  ab ,  da  die  Klarinetten  nicht  einmal  ganz  überein- 
stimmend eingerichtet  und  durch  einzelne  Abänderungen  bald  die  eine, 
bald  die  andre  Schwierigkeit  beseitigt  wird.  Im  Allgemeinen  kann  man 
jetzt  innerhalb  des  bequemen  Tonumfangs  alles  Sangbare  und  Fliessend- 
bewegte  schreiben ;  .nur  bei  besonders  hervorstechenden  oder  entschei- 
denden und  bei  eigenthumlich  gebildeten  Stellen  ist  mit  Vorsicht  zu 
Werke  zu  gehn  und  lieber  ein  Nebenzug  im  Satze  zu  opfern,  als  etwas 
Unausführbares  oder  ungünstig  Herauskommendes  zu  wagen. 

Die  Schallkraft  der  Klarinette  ist  nicht  durchaus  gleich.  Die 
drei  tiefsten  Töne  (klein  e,  f,ßs)  sind  stark,  das  folgende  kleine  g 
schwächer,  klein  gü  wieder  stärker,  klein  a  schwächer,  klein6,A,  ein- 
gestrichen c,  eis  stärker,  die  Töne  von  da  bis  etwa  zum  eingestrichnen 
b  sind  wieder  stiller,  von  da  bis  gegen  das  zweigestrichne  b  voller  und 
klarer ,  die  höhern  härter  und  gleichmässiger.  Auch  hierauf  ist  indess 
nicht  zu  ängstlich  und  zu  sehr  in's  Einzekie  gehend  Rücksicht  zu  neh- 
men. Vor  allen  Dingen  ist  es  Aufgabe  des  Spielers,  seine  Tonleiter  aus- 
zugleichen, indem  €v  die  schwachem  Töne  zu  stärken,  die  hartem  zu 
massigen  sucht;  man  kann  also,  in  Rechnung  hierauf,  Läufer  und  andre 
Figuren,  besonders  aber  getragne  Melodien,  von  den  tiefsten  Tönen  bis 
gegen  die  Höhe  hin  in  gleichmässigem  Grade  des  Forle  oder  Piano  und 
in  jeder  vom  Sinn  der  Komposition  bedingten  Form  des  Ab-  oder  Zu- 
nehmens  fodern.  Sodann  entspricht  die  grössre  Heiligkeit  und  Härte 
oder  das  Gellendere  der  hohen  Tonlage  dem  allgemeinen  Sinn  der  Ton- 
höhe und  Tontiefe  in  aller  Musik  (Th.  1.  S.  22),  wird  also  den  Inten- 
tionen des  Komponisten  in  der  Regel  nur  zu  Hülfe  kommen ,  selten 
widerstreben.  Dann  endlich  wird  sich  bei  der  Einfnhrang  in  die  Kom- 
position immer  deutlicher  ergeben ,  dass  der  Klarinette  in  den  meisten 
Fällen  schon  von  selbst  die  ihr  günstigste  Tonlage  zugewiesen  und  die 
bedenklichere  meistens  durch  andre  Instrumente  verschlossen  wird,  die 


121 


in  der  Höhe  ibre  bequemere,  oft  ihre  einsig  wirksame  SleUang  findeii. 
Sollten  also  Slellen,  wie  diese  — 


Andante« 


ten.   ,ten.   ten. 


Allegr 


aDSgefiihrt  werden,  so  wurden  sie  auf  der  Klarinette  hell,  ja  gellend 
und  wild  heraustreten ,  während  andre  Instrumente ,  z.  B.  die  Flöte, 
sie  auch  sanft  hervorbringen  könnten.  Es  friige  sich  daher,  ob  das  Er- 
stere  oder  das  Letztere  dem  Sinn  der  Romposition  entspräche ;  im  er- 
stem Falle,  besonders  bei  wilden,  starken  Tuttisätzen,  wäre  die  An- 
wendung der  Klarinette  wohl  zu  rechtfertigen ;  in  den  meisten  Fällen 
würde  sie  zu  grell  hervortreten,  die  andern  hohen  Instrumente  (Flöten, 
Oboen)  von  der  ihnen  vorzugsweise  eignen  Stelle  verdrängen  oder 
überschreien. —  Was  in  Konzertsätzen  statthaft  sein  kann,  ermisst  sieb 
nach  der  vorzüglichen  Geschicklichkeit  der  Virtuosen ,  die  nicht  blos 
über  höhere  Tonlagen  sichrer  gebieten ,  sondern  auch  (wie  wir  von 
Hermstädt,  Bärmann,  I.Müller  und  so  manchem  jungem  Mei- 
ster gehört)  die  höchsten  Töne  zu  sänftigen  und  zart  zu  verschmelzen 
wissen. 

Üebrigens  ist  die  Klarinette  bis  zu  den  hohem  Regionen  einer 
Mässigung  bis  zum  leisesten  Hauche  fähig ,  wie  ausser  ihr  von  allen 
Blasinstrumenten  nur  noch  das  Hörn,  und  auch  dies  nur  in  seinen  gün- 
stigsten Tonlagen. 

Auch  der  Klang  der  Klarinette  ist  nicht  durchweg  ein  ganz  glei- 
cher. Die  tiefsten  Töne  (besonders  die  oben  als  stark  bezeichneten) 
treten  im  Forte  leicht  mit  einer  gewissen  UeberfüUung  —  man  möchte 
fast  sagen:  blökend  —  hervor.  Damit  soll  aber  keineswegs  etwas 
durchaus  Hässliches  oder  gar  Unverbrauchbares  bezeichnet  sein.  In  der 
ohnehin  durchaus  phantastischen  Instramentenwelt  braucht  man  allerlei 
Farben  und  Klänge,  und  oft  die  wunderlichsten ;  und  so  hat  namentlich 
und  zuerst  K.  M.  v.  Weber  die  tiefsten  Klarinett*Töne  zu  unheim- 
liehen,  koboldhaften  Effekten  benutzt.  Gemildert  haben  dieselben  Töne 
etwas  gläsem  oder  wasserhaft  Durchschimmerndes,  eine  gewisse  Hohl- 
heit des  Klanges,  die  ebensowenig  wie  der  Forteklang  von  irgend  einem 
andern  Instrumente  wiedergegeben  werden  kann.  Die  eingestrichne 
Oktave  (besonders  von  d  oder  f  an)  hat  bedecktem ,  etwas  dumpfen, 
aber  sehr  sanften  Klang ;  in  der  zweigestrichnen  Oktave  gewinnt  das 
Instrument  immer  mehr  Helligkeit  und  Glätte  und  wird  dem  luflartigem 
Flötenklang  ähnlicher,  jedoch  mit  grosser  Ueberiegenheit  an  immer  ge- 


122    

druDgMer  PiBIkraft*).  Legt  man  im  mit  tiesen  Häekticbtei  ehe  K\m* 
rinettstimme  so  an ,  dass  sie  sich  vorzagsweise  in  der  klangvollem  Re- 
gion hält,  aus  der  stillern  Tiefe  sich  wieder  in  jene  erhebt,  auch  wohl 
yermöge  ihres  grossen  Tonumfangs  in  die  böchs^ii  Tonlagen  auf- 
schwingt und  die  Kraft  der  tiefsten  Töne  gelegenüicb  mit  benutzt :  so 
nimmt  das  Instrument  im  Ganzen  einen  Rarakter  von  sinnlicher  Fülle, 
von  gefühlvoll  edlem  Wesen,  auch  von  Ceppigkeit  und  Wildheit  an,  der 
es  als  das  gebietende  und  vorherrschende  in  der  Klasse  der  fiöhre  be- 
zeichnet. In  seiner  sinnlichen  Fülle  und  Anmutb  hat  Mozart  es  oft 
(in  den  Opern)  konzertirend  angewendet. 

Endlich  ist  noch  zu  bemerken,  dass  einige  Tonarten  der  Klarinette 
ganz  besonders  zusagend  sind ;  und  zwar  nicht  blos  leichter  ausfuhr- 
bar,  sondern  auch  geeignet,  ihrem  Karakter  eine  eigne  oder  günstige 
Entwicklung  zu  geben.  So  gewinnt  die  Klarinette  in  der  Tonart  Adur 
einen  eigenthümlichen  zarten  Klangt  dasselbe  gilt  von  Cmoll.  In  Gdnr 
wird  der  Klang  heller  und  frischer,  in  J9dur  schärfer  und  etwas 
schreiend.  Die  Mitte  zwischen  B-  und  6dur  würde  etwa  Fiar  sein, 
während  Cdur  kalt  klingt.  —  Wir  werden  gleich  auf  den  Karakter  der 
verschiednen  Klarineltarten  zu  sprechen  kommen,  auf  den  weichern 
der  ß'  und  den  härtern  der  C-Klarinelte.  Eben  hier  nun  lässt  sich  die 
Einwirkung  der  Tonart  ermessen.  Eine  C-KIarinetle  in  ^dur  gebla- 
sen nähert  sich  der  weichen  Fülle  der  ^-Klarinette ,  während  eine 
i}-Klarinette  in  Cdur  geblasen  (Vorzeichnung  von  Dinr)  sich  der 
Härte  der  C- Klarinette  nähert. 

Um  nun  «die  Klarinette  überall  möglichst  bequem  und  vortheilhaft 
anwenden  zu  können,  hat  man  sie  von  verschiedner  Grösse  gebaut  und 
dadurch  verschiedne  Stimmungen  oder 

Arten  der  Klarinette 
hergestellt.    Die  gebräuchlichsten  und  in  jedem  Orchester  zu  fodern- 
den  sind 

1.   Die  y^-Klarinette; 
ihre  Noten  ertönen  eine  kleine  Terz  tiefer,  also  — 


126 


f^7=t:^  ertönt  wie  |~7  p  ^ 


2.  Die  i7-Klarinette$ 
ihre  Noten  ertönen  eine  Stufe  tiefer,  also  — 


127 


'^-^    r  T=  ertönt  wie  ^^_^_. 


•)  NienMd  Upd  PMbr,  ak  der  Verf.  Mlbcr,  4m$  Uoeigeatlicke,  Uo««liB§- 
liebe,  Uofiehre  aller  hier  und  aaderwärts  gebravchteo  Beieichova^a  aod  Gieieh- 
nisse  empfiodeo.  Allein  er  mvss  wiederholen,  was  schon  S.  4  voraosgesast  worden : 
die  Sprache  hat  keine  genügenden  Aasdrocke,  es  können  nur  Andeutungen  gegeben 
werden ,  zu  deren  VerstMadniss  eine  vielfiiftigt  an<f  genave  WahmebnraBg  «der 
Baabaebtaag  aaerlKseHabe Vorbediagsag i«t.  Mehr »darMssikwisfeasabaft. 


123 

3.  Die  C-Klarinette 
f  die  wir  als  Normal-Klarinette  angeDommen  haben),  4eren  Noten  erttf- 
nen,  wie  sie  geschrieben  find. 

Passen  wir  zunächst  diese  gebräuchlichsten  Artep  znsaiQ«ep«  s« 
zeigt  sich  in  Bezog  auf  Stimmung  Folgendes. 

Die  A-Klarinette  ist  am  geeignetsten  für  alleBe-Tonarten;  ohne 
Vorzeichnung  stellt  sie  Adur,  mit  einem  Rrenz  JPdur ,  mit  einem  Be 
Es  dur,  mit  drei  Been  Des  dur  dar. 

Die  ^-Rlarin  e  tte  ist  am  geeignetsten  für  Kreuz-Tonarten ;  ohne 
Vorzeichnong  stellt  sie  ^dnr  dar,  mit  einem  und  zwei  Kreuzen  £-  und 
ÜTdnr,  mit  einem  und  zwei  Been  D-  and  C?dur. 

Die  C- Klar] nette  wird  noch  bequem  genug  bis  Es-  und  17 dur 
gebraucht  werden  können,  wenn  man  nicht  die  andern  Klarinetten  an- 
wenden will. 

Die  Parallelmolltonarten  sind  überall  ebenso  zu  verthei- 
len )  nur  darf  man  nicht  vergessen ,  dass  jede  einen  in  der  Vorzeioh» 
noiig  nicht  ausgedruckten  erhöhten  Ton  hat. 

Die  Behandlung  dieser  drei  —  sowie  aller  übrigen  Klarinettarte» 
ist  eine  ganz  gleiche.  Aber  eben  desswegen  ist  auf  der  einen  Klarinette 
leicht  und  wohl  zu  erlangen,  was  der  andern  weniger  gut  gelingt. 

Der  Klang  ist  dagegen  auf  den  Klarinettarten  merkenswerth  ver- 
schieden, und  so  auch  die  Schallkraft.  Dies  wird  nicht  blos  durch 
die  verschiedne  Länge ,  sondern  auch  durch  die  engere  oder  weitere 
Mensur  des  Rohrs  bewirkt.  Die  ^-Klarinette,  deren  Rohr  das 
längste  und  weiteste  unter  den  hier  genannten  Arten  ist,  erklingt  sehr 
sanft;  ihre  Töne  treten  etwas  dumpf,  verblasst,  gleichsam  farbloser  und 
bohler  hervor.  Die  A-Klarinette,  etwas  kiirz^  und  enger  von 
Rohr,  hat  vollem  und  safUgem,  dabei  aber  noch  sanften  und  weichen 
Klang.  Die  C- Klarinette  hat  ein  schon  erheblich  engeres  und  kür- 
zeres Rohr,  daher  auch  hellem,  schon  etwas  spröden  oder  harten 
Klang,  Dass  in  allen  Rlarinettarten  die  Schallkraft  gesteigert  und  ge- 
mildert werden  kann  und  sie  (wie  der  Klang)  sich  in  den  verschiedneo 
Tonregionen  verschieden  modifizirt,  versteht  sieh  nach  dem  S.  122 
Gesagten  von  selbst*). 

*)  Viele  RlariMCtiatea  Mbenea  dieBlirteder6?'-&ltrinettsimOpehester8pieIaB4 
neboen  statt  ihrer  ei  gen  mächtig  die  /?-Klarioett6  zar  Hand.  Dies  kaoo  »iebt 
gebilligt  werdeu.  Mao  nass  v4N>aassetseo,  dass  der  Benpeaiit  oieht  oboe  Bedacht, 
dass  er  mit  RBeksicht  aof  dep  Kärakter  seioer  Kosi^ositioa  dke  Klarinettsrt  be- 
stiiiuBt  habe  —  nod  darf  ihn  io  dieser  seioer lotentioo  nicht  beeiotrichtigen,  indem 
man  eine  andre  Art  des  Instruments  unterschiebt.  Mozart  bat  zu  seiner  Titos- 
Oavertfire  (bekaantlieb  C  dar)  Ü-Rlariaetten  statt  der  näher  liegenden  T-Klarinet- 
tan  geseint,  weit  ibm  der  weiebere  «nd  dabei  inrtlere ,  ippigerc  Hlaag  derselbea  fSr 
diese  Remposition  BMbr  zusagte.  So  gewiss  ar  dabei  in  seinem  Reebte  war,  so  gu> 
wiss  iLann  ein  andrer  Komponist  in  der  Stimmung  seines  Werks  Grande  finden,  statt 
d«r  (rielleieht  sogar  aftbar  liegeadaa)  B-  oder  i^-Klari netten  £?-Riarinetten  zu 
wählen. 


124    

Ausser  diesen  gebriiacUiolisten  Rlarinettarien  sind ,  besonders  in 
IGlitair-  und  Hamoniemusik, 

4.  die  j&«-RIarinette, 
deren  Noten  eine  kleine  Terz  höher  (also  zweigestrichen  c  wie  zwei- 
gestrichen es)  ertönen,  und 

5.  die  F-KIarinette, 
deren  Noten  eine  Quarte  höber  (also  zweigestrichen  c  wie  zweigeslri- 
oben/)  ertönen,  fast  überall  zu  haben.  Die  J?f -Klarinette  bat,  beson- 
ders in  der  hohen  Region,  einen  harten,  gellenden  Klang,  ist  auch 
wegen  der  engern  Lage  der  Tonlöcher  und  Klappen  etwas  schwerer  zu 
behandeln.  Alles  dies  gilt  in  noch  höherm  Grade  von  der  noch  enger 
mensurirten  F-Klarinette*;. 

Eine  besondre  Art  der  Klarinette  ist  noch  zu  erwähnen  : 

6.  Die  Alt-Klarinette. 
Sie  ist  grösser  und  unter  dem  Hundstück  in  einem  stumpfen  Winkel 
nach  unten  gelenkt,  damit  ihre  Behandlung  durch  die  grössere  Länge 
des  Rohrs  nicht  erschwert  werde.  Behandlung  und  Tousystem  ist  dem 
der  Normalklarinelte  gleich,  nur  dass  das  letztere  eine  Quinte  tiefer 
steht,  der  tiefste  Ton  also  nicht  klein  e,  sondern  gross  ^  ist.  Sie  wird 
eine  Quinte  höher  im  C-Schlüssel  notirt,  so  dass  also  die  Noten  — 

3^ 


128 


fei^ 


=Cfi: 


rt 


diese  Töne 


bedeuten**). 

Eigenthämiich  ist,  dass  Sponti  ni  in  seioen  drei  berii fam testen  Opero  (Ve- 
stalin ,  Rortez ,  Olympia,  —  die  Pariitareo  der  spMtero  siod  dem  Verf.  nicht  be- 
kannt) tnnr  C-Klari netten  gebraucht  (und  zwar  selbst  za  den  sanfftesteo  Sützea), 
auoh  nirgends  aogedeutet  hat,  dass  er  eine  Uebertraguog  auf  if-  oder  i^-Klarinetien 
will.  Die  Gewohnheit  der  damaligen  pariser  Orchester,  anf  die  man  sich  hierbei 
bemfen  hat,  kano  wenigstens  nicht  alleio  den  Anlass  gegeben  haben,  da  Spootini 
frühzeitig  neben  Glnek  schon  Haydn  und  Mozart  gekannt  hat.  War  diese  Weise 
nicht  wenigsteos  zum  Tbeil  Folge  seines  eignen,  vorzngsweise  anf  das  Heroische 
(wir  möchten  sagen :  Napoleonisch-Militairische)  und  Starke  hiogewendeten  Sinnest 
—  dieses  Sinnes,  der  ihn  hoch  emporgetragen  in  den  heroischen  Jahrzehnten  und 
der  nachher,  in  der  Restanrations-  und  Rokoko-Periode,  nicht  mehr  allgemeinea 
Anklang  finden  konnte  T 

*)  Noch  andre  RlariBettarten ,  —  die  I^-Rlarinette ,  deren  Noten  eine  Stufe 
höher  ertSoen  (c  als  d),  die  J^Rlarioette ,  deren  Noten  eine  grosse  Terz  höher  ertö- 
nen (c  als  0),  die  (7-Rlarinette^  deren  Noten  eine  Qninte  höher  ertönen  (c  als  ^),  die 
^i-Rlarinette,  in  der  dieNote~e  als  äi,  eine  kleine  Sexte  höher,  ertönt,  dieüf-Rla* 
rinette,  deren  Noten  eine  halbe  Stufe  tiefer  ertönen  (c^alaA),  — ilbergehnwir,dasie 
nur  an  einzelneu  Orten  gefunden  werden ,  mitbin  der  Romponist  nicht  wohl  thnu 
würde,  auf  sie  zu  rechnen. 

**)  Eine  zweite  Art  der  Alt-Rlari nette  steht  eine  Quinte  tiefer,  als  die  ^-Rla- 
rinette,  so  dass  die  Noten  — 


125 


B.  Bas  Fagott. 

Das  Pagott  besteht  aus  einem  im  Verhältniss  seiner  Länge  nicht 
eben  weit  mensorirten  Rohr,  das  der  bequemern  Handhabung  wegen 
ans  zwei  nnterwärts  verbundnen  Rohrstücken  besteht,  mit  einer  blossen 
SebaUöffbttng  nach  oben.  Von  diesem  Hauptrohr,  dessen  Länge  den 
Grandton  des  Instruments  bestimmt  und  das  mit  Tonlöchem  und  Klap- 
pen versöhn  ist,  fuhrt  ein  enges,  in  Gestalt  eines  S  gebogenes  Metall- 
röhr  (das  S  genannt)  zu  dem  eigentlichen  Mundstück ,  das  durch  zwei 
aber  einander  gebundne  Blätter  (ein  Doppelblatt)  gebildet  wird.  Dieses 
Doppelblatt  empfängt  im  Munde  des  Bläsers  den  Luflstoss ,  die  Metall- 
rohre leitet  den  Luflstrahl ,  das  Hauptrohr  empfängt  ihn  und  bestimmt 
den  Ton,  während  alle  genannten  Theile  Klang  und  Schallkraft  be- 
dingen. 

Das  Tonsystem  des  Fagotts  ist  folgendes  — 


130 


ST 


& 


Ton  hier  chro-    D?  * 
matUch  bis 


.^.ILu  chrom.  his  .^.chrom.  bis 


^ 


Se 


^ 


"W^r^ 


ond  wird  im  F-ScUussel,  in  den  hohen  Tonlagen  im  Tenor-,  ja  allen- 
falls fiir  die- höchsten  Gänge  im  C-Schlüssel  notirt. 

Die  Töne  Kontra-Zf  und  gross  Cis  fehlen  auf  den  altem 
Instrumenten ;  auf  neuern  sind  beide  Töne  —  oder  auf  andern  wenig- 
stens das  grosse  Cis  durch  besondre  Klappen  erreichbar  gemacht,  wäh- 
rend ein  Theil  der  Fagottisten  diese  Klappen  dem  Instrumente  nicht 
vortheilhaft  erachtet.  Beide  Töne  sind  auch,  wenn  die  tiefem  voraus- 
gegangen, — 


aus  diesen  mit  schärferm  Anblasen  hervorzutreiben  (B  und  C  werden 
hinaufgetrieben  bis  zur  nächsten  Halbstufe) ,  können  aber  dann  nicht 
Bö  sicher,  rein,  sanft  und  wohllautend  gegeben  werden ,  als  ursprüng- 
lich gegriffne  Töne.  Man  thut  also  wohl,  auf  diese  Töne,  besonders 
auf  Kontra-/r,  nicht  zu  rechnen,  sie  wenigstens  nicht  als  unbedingt 
nothwendige  zu  setzen,  sondern  nur  da,  wo  der  Bläser  statt  ihrer  die 


129 


i^^ 


w 


diese  T6oe 


bedenteo.  Sie  ist,  so  viel  wir  wissen ,  in  Deatsebland  sellner  zu  flnden ;  beide  Ar- 
ten mäfsten  mit  dem  Znsatz  (Clarinetio  alto  oder  egntf^alto)  in  C  —  in  if  anter- 
lebieden  werden. 

Hierxa  der  Anbang  G. 


12« 


höhere  Oktave  nehmcD  kann »  oder  andre  Instramente  den  Ton»  der 
auf  den  Fagotten  vielleicht  ausbleibt,  geben. 

Auf  der  andern  Seite  sind  die  hohen  Töne  des  Fagotts  schwer 
ansprechend,  weil  das  Zusammenpressen  der  Lippen  anstrengt  nnd  das 
Blatt,  wenn  es  für  die  Tiefe  gut,  das  heisst  dünner  und  weicher  ist,  die 
för  die  Höbe  nöthige  Steifigkeit  nicht  hat.  Man  tbnt  daher  wohl ,  im 
Orchester  nicht  —  oder  nur  selten  und  nothgedningen  über  das  ein* 
gestricbne  g^  a  oderA  hinauszugehen,  selbst  den  Solosats  nicht 
leicht  höher  hinaufzufuhren  und  die  genannten  Töne  (g^  Ot  b)  i^icbt 
piano  oder  für  sehr  zarte  Stellen  zu  fodern,  auch  nicht  zu  lange  und 
oft  aushalten  zu  lassen»  Die  Töne  der  zweigestrichnea  Oktave  sind 
nur  für  Virtuosen  zu  setzen. 

Innerhalb  der  hier  bezeichneten  Sphäre  nun  ist  das  Fagott  sowohl 
zum  Aushalten  im  Piano  und  Forte ,  Ab-  und  Anschwellen  aller  Töne 
(nur  die  tiefsten  geben ,  wie  die  höchsten,  nicht  leicht  ein  Pianissimo 
her),  als  zu  schneUer  Tonwiederhoiung,  zu  gebundnem*)  und  gestoss- 
nem  Vortrag  nnd  rascher  Bewegung  in  diatonischen,  chromatischen 
Läufern ,  harmonischen  Figurationen  aller  Art  und  weiten  Sprüngen, 
wenn  sie  nicht  gar  zu  sckaeli  erfolgen  (nicht  schneller  ala  Achiel  im 
AUegrOj  höchstens  Sechazehntel  im  M^derato),  geschickt.  Auch  Tril- 
ler stebn  ihm  überall  —  am  günstigsten  zwischen  dem  grossen  G  und 
eingestrichneny —  zu  Gebote;  nvr  folgende  — 


isa 


3E 


if 


fr 


^g*?l*lf=^*s5*^*^Vi# 


m 


E 


^  t  II  fy.  n-^ 


sind  —  zum  Theil  schon  wegen  fehlender  Töne  —  unausführbar, 
werden  auch  in  solcher  Tiefe  selten  begehrenswerth  erscheinen;  und 
folgende  — 


134 


^ 


tr    ,       tr   ..        tr    ,        tr  ,,    ^tr   ..      ^tr  ...  fttr   ..    rtr   .. 


Jf  S  ■■  »J, 


^fe 


sind  schwer  ausführbar. 


*)  Ifnr  siad  nindnasen  von  noteo  nach  oben  in  folgenden  Flfpifea  — 


127     

Am  bequemsten  sind  dem  Fagotte  die  Toaarteii  bw  zu  drei  Been 
oder  Kreuzen,  also  von  Es  inr  bis  ^dur  und  deren  Parallelen. 

Die  tiefsten  Töne,  Kontra-^,  gross  C  undl^,  und  voll,  starik,  von 
etwas  raabera  Klang;  bis  zum  grossen  B  bleibt  der  Klang  ziemlieb 
gletebmässig  stark  und  voll,  von  da  bis  znm  kleinen  b  ist  er  stiller  nnd 
dampf,  gleichsam  verschlossen  wie  der  Gesang  einer  Bassstimme  mit 
verschlossnen  Lippen;  dann  wird  er  allmählicb  wieder  gedrungner  nnd 
stärker,  gewinnt  aber  schon  vom  eiogestrichnen  e  oder y*  ein  gepresalea 
Wesen ,  das  in  den  höhern  und  höchsten  Tönen  noch  fühlbarer  hervor- 
tritt und  leicht  den  Karakter  übertriebner  Sentimentalität  annimmt, 
wozu  dann  die  Stille  und  Dumpfheit  der  kleinen  Oktave  wohl  stimmt. 
Den  tiefen  Tönen  ist  dieser  Karakter  weniger  eigen ;  sie  treten  voller, 
auch  bei  kurzer  Angabe  härter  hervor  und  können  dadurch  bei  unbe- 
dachtem Gebrauch  leicht  auffällige  oder  komische  Wirkung  haben,  da 
dem  vorherrschend  bleibenden  stillen  Wesen  des  Instruments  das  plötz- 
liche Hervorplatzen  kurzer  vereinzelter  Töne  nicht  angemessen  er- 
scheint. 

Eine  besondre  Art*)  des  Pagotts  ist 

das  Kontrafagott, 
das  von  gleicher   Bauart  und   Behandlung  ist,    auch  gleich  notirt 
wird,  dessen  Töne  aber  eine  Oktave  tiefer  erscheinen,  als  die  gleich 
notirten  des  Fagotts,  so  dass  die  Noten  — 


135 


^    f    f'^^    f    '  diese  Töne  ^""-'    ~^ — ^^^='-  '^ 

-l- -I J- ■ -H — 


bedeuten. 

Kontra*/}  und  gross  C  (nämlich  den  Noten  nach  —  in  der  That 
also  die  tiefere  Oktave  der  genannten  Töne)  sprechen  zu  schwer  und 
sobleeht  an ;  dasselbe  ist  der  Fall  mit  den  Tönen  über  dem  kl^en  6 
oder  höehstens  eingestrichnen  d  (den  Noten  nach ,  in  der  That  das 
kleine  </),  so  dass  man  wohl  thul,  das  Kontrabgott  nur  in  dem  Um- 
fange von 

oder  fy  o(l«r 


136 


=j-t— — ^  (ertgntals^=^ ^) 


anzuwenden. 

Die  Töne  dieses  Instruments  sprechen  —  besonders  in  der  Tiefe  — 
langsamer  an,  lassen  daher  keine  schnelle  Bewegung  —  nicht  gern 


*)  Siaeandr«,  «b#r  ii«r  «a  wenigca Ortea  iiblicb«  Art  ict  doTeiior-  9in 
Q«i»tf«gott,da8  MBQ  Quinte  höher  steht,  ee  dus  s.  B.  die  Noten  freie  J9,  F,  M 
ertSnee  als  groM  ^,  klein  e  n&d/. 


128    

eine  schnellere ,  ak  Achtel  im  Moderato  —  zu,  die  auch  fSr  den  Ra- 
rakter  des  Instruments  nicht  passen  würde. 

Der  Klang  desselben  ist  dem  Fagottkiang  gleich,  nur  weniger  glatt, 
gleichsam  weniger  konsistent ;  man  fShlt  besonders  bei  den  tiefen  Tö- 
nen noch  die  Luftschwingungen  oder  Erzittemngen  durch ,  deren 
Samme  den  Ton  ergiebt.  Dass  das  Geschick  des  Bläsers  und  des  In- 
stmmentenbauers  dem  Klang  erhöhten  Voll*  und  Wohllaut  geben  kann, 
versteht  sich  hier,  wie  überall,  von  selbst»^ 


Dritter  Abschnitt. 
Der  Satz  fttr  Klarinetten  und  Fagotte. 

Für  unsre  ersten  Uebungen  vereinigen  wir  nun  Klarinetten  und 
Fagotte,  —  und  zwar  nach  unserm  dritten  Grundsätze  (S.  117)  zwei 
Klarinetten  und  zwei  Fagotte. 

Schon  in  Hinsicht  auf  das  Tonische,  auf  Melodie  und  Harmo- 
nie ,  erscheint  diese  Wahl  —  wenn  es  einmal  methodisch  rathsam  ist, 
mit  der  geringsten  zureichenden  Inslrumentzabl*)  anzulangen  —  ge- 
rechtfertigt ,  da  diese  zweimal  zwei  Instrumente  die  Möglichkeit  vier- 
stimmigen Satzes  darbieten,  da  durch  sie  Tiefe  und  Höhe  besetzt  wird 
und  ihr  Tonsystem  besser  ineinandergreift  (Klarinette  und  Fagott  haben 
mehr  als  10  gemeinsame  Tonstufen),  als  das  höher  und  tiefer  liegender 
Instrumente,  z.  B.  der  Fagotte  (oder  gar  Kontrafagotte)  und  Flöten. 
Auch  das  schadet  nicht,  dass  die  Schall  kraft  der  Klarinette  der  des 
Fagotts  im  Allgemeinen  überlegen  ist  $  denn  die  Klarinette  lasst  bis  auf 
ihre  höchsten  Regionen  einen  bedeutenden  Grad  von  Mässigung  zu  und 
in  den  meisten  Fällen ,  namentlich  im  homophonen  Satze ,  kann  ein  — 
nur  nicht  übermässiges  Vordringen  der  Oberstimme  günstig  wirken. 

In  Hinsicht  des  Klanges  nähern  beide  Instrumentarten  (S.  117) 
sich  einander  mehr  als  Fagott  und  Oboe  oder  Flöte.  Beide  haben  wei- 
chen, luftvollen,  runden  Klang  $  wenn  die  Klarinette  in  der  Höbe  gellen- 
der und  üppig  wird ,  so  nehmen  die  hohen  Töne  des  Fagotts  dringen- 
dem, gepressten,  —  in  ihrer  Art  also  auch  leidenschaftlicher  eindrin- 
genden Karakter  an. 

Unsre  Uebung  nun,  an  die  sich  die  weitern  Betrachtungen  bangen, 
beschränkt  sich  auf  leichte,  höchst  einfache  Sätze,  —  gleichsam  blosse 


*)  Boi  Trompetea  und  HSrnero  konoten  wir  schon  mit  zwei  Instrameoten  ab- 
fansen ,  weil  der  RliDg  und  die  Sehallkraft  dieser  InstnmieDte  io  sich  mSohtiger 
■od  daram  befriedigender  ist  und  bei  ihnen  ohnehin  nicht  auf  YolLstÜndise  Hanao> 
niedarstellnns,  sondern  nur  auf  Nsturharmonie  (Tb.  1.  S.  67)  aassesaasieB  wird. 


129 


Peder|»*obeii ,  —  bei  denen  es  durchaus  nicht  auf  geistigen  oder 
kÜDStierischen  Crehalt  ankommen  darf,  sondern  schlechterdings  nur 
darauf. 

Klang  und  Wesen  der  Instmmente  vor  der  Seele  zu  haben 
and  aus  ihnen  heraus  zu  setzen. 
Wir  müssen  den  Instrumenten  zu  Willen  sein,  ihnen  dienen ,  damit  sie 
später  auch  uns  willig  und  förderlich  werden. 

Bei  zweimal  zwei  verwandten  Instrumenten  tritt  kein  einzelnes 
mit  Entschiedenheit  hervor.  Die  Oberstimme  (erste  Klarinette)  liesse 
sich  als  Hauptstimme  mit  Auszeichnung  behandeln ;  aber  dann  blieben 
drei,  und  zwar  untereinander  ungleiche  Instrumente  zur  Begleitung 
übrig,  von  denen  das  oberste  (die  zweite  Klarinette)  eher  geneigt  wäre, 
mit  der  Hauptstimme,  als  mit  den  Unterstimmen  zu  verschmelzen.  Diese 
Betrachtung  weiset  auf  den  Standpunkt,  auf  den  sich  die  ersten  Uebungs- 
sätze  beschränken  müssen.  Es  können  nur 

A.  eiifaclie  Sitxe  mit  fenehmolneii  Stiamen 

werden. 

Wir  wählen  die  weichen  und  dabei  doch  vollklingenden  ^«Klari- 
netten  statt  der  verblasnen  A-  oder  härtern  C-Klarinette.  Nach  unserm 
dritten  und  vierten  Grundsatze  (S.  117)  werden  wir,  soweit  sich  beides 
vereinigen  und  auf  den  gegebnen  Inhalt  anwenden  lässt,  zunächst  jedes 
Stimmpaar  für  sich  zusammenhalten,  zugleich  auch  beide  Stimmpaare 
verschmelzen  müssen.  Versuchen  wir  es  zunächst  an  diesem  Satze: 


137  < 


^^ 


^J^E^^EdE 


rf^T=^=*i=^ 


Wir  worden  ihn  nicht  so,  wie  er  hier  gesetzt  ist ,  auch  nicht  in  enger 
Harmonie  — 


188 

Clarinetli  | 
in  B. 


^rtr^ijj:^ 


FagottiJ 


aAaAAa 


^^^ 


^ 


^ 


I 


billigen  können,  —  hier  wie  überall  von  besondem  Intentionen  des 
Komponisten  oder  einwirkenden  Verhältnissen  abgesehn.  Denn  in 
Nr.  137  liegen  die  Instmmente  zu  vereinzelt  (and  die  Klarinetten  bei  a. 

Marx,  Koiip.L.  IV.  S.  Anfl.  9 


130 


2a  weit  von  eioander  geschieden) ,  «is  dass  sie  einen  VoUklang  oder 
wahrhaft  verschmelzenden  Zusammenklang  bilden  könnten;  bei  Nr.  ll\S 
aber  würde  das  hinaufgetriebne  erste  Pagott  sich  störend  hervordrän-* 
gen  und  das Klarineltpaar  für  sich  allein  bei  b.  keinen  guten  Zusammen- 
klang haben ,  weil  seine  Stimmen  ungleich  gehn  und  keine  fliessenden 
Intervalle  (Terzen  nnd  Sexten),  sondern  der  Fortführung  uniahige 
Quarten  und  Quinten  haben.  Am  vollsten  und  frischesten  träte  der 
Satz  so,  wie  hier  bei  a.,  — 

139 
BKIarinetten.  1 


Fagotte. 


^ 


^^_^.aM4ä 


ä 


i^%^ 
:i^^ 


Sj: 


hervor ,  wo  jedes  Stionnpaar  auf  das  engste  geschlossen  und  beide  ein- 
ander verdoppelnd  emporschreiten^  die  rhythmische  Aenderung  und 
dasVortragsosetchen  sind  aus  dem  Sinn  dieses  Zusammenklangs  hervor- 
gegangen. Bei  b.  ist  das  Hinaufsteigen  in  milderer  Weise  geschebn. 
In  gleichem  Sinne  mit  Nr.  139  a.  ist  der  nachstehende  Satz  — 


140 
B-Klarinetten 


Fagotte 


AUegretto  animato 


fen. 


ftFt?g£gT-i=^^^ 


Jc::J_.J3J._jSJ 


Z^SFU^l 


T==^ 


^^^^T^=Fp~^~^r 


^ 


^i^ 


131 


^^Ff=^^^^ä 


rilard. 


lempo. 


Jr  M  -i' 


fes 


^ 


^ize 


ESE^pi 


^^^f^ 


-^^ 


r 


erfunden.  Hier  ist  das  Haoptmotiv  geradezu  der  Naturharmonie  ent- 
lehnt, wenn  auch  bald  über  sie  hinausgeführt;  die  Stimmpaare  sind  in 
den  Hauptmomenten  jedes  in  sich  geschlossen  und  mit  dem  andern  in 
Verdoppelung  oder  doch  gleicher  Bewegung  und  Motivirung  verbun- 
den. Zugleich  ist  aber  die  erste  Klarinette  zu  einer  hervortretenden 
Bedeutsamkeit  gelangt.  Dies  war  in  dem  erregtem ,  so  früh  eintreten- 
den Aufschwung  der  Melodie  bis  in  das  hohe  b  (c  der  Klarinette)  be- 
dingt, hatte  aber  die  grössere  Absonderung  bald  beider  Klarinetten, 
bald  der  ersten  allein  zur  Folge ,  und  zog  so ,  als  Gegensatz  fast  noth- 
wendig,  auch  das  im  Anfang  erscheinende  Hervortreten  der  Fagotte 
nach  sich.  An  solchen  Stellen  ordnen  sich  die  begleitenden  Stimmen, 
in  eine  Masse  vereinigt ,  durchaus  unter  oder  pausiren;  hier  ist  anch 
gelegentlich  (Takt  3)  zu  Gunsten  des  grössern  Vollklangs  in  der  Be- 
gleitungsmasse der  zweiten  Klarinette  eine  minder  nahe  und  sangbare 
Portschreitang  zugemnthet  worden.  —  Wir  werden  später  auf  diesen 
Satz  mit  neuen  Betrachtungen  zurückkommen. 

Einfacher  gestaltet  sich  in  melodischer  Beziehung  dieser  Satz,  — 


...        Larghelto 


B- Klari- 
netten. 


Fagotte. 


'jA 


g^^^^ 


#=f^ri 


=t=S 


^^=~.    ^.►7 


£a^ 


d-^ 


^^"r^m^^^^^ 


i^i3 


132 


der  seiner  Stimmung  nach  nicht  im  nächsten  Takte  schon  befriedigend 
schliessen  könnte ,  sondern  vielleicht  zu  einer  der  einfachem  Rondo- 
formen führen  müsste.  Hier  ist  (Takt  6,  8,  11)  schon  mancher  frem- 
dere Zusammenklang  eingetreten,  weniger  an  sich,  als  durch  seine 
Darstellung  in  Blasinstrumenten  —  und  zwar  so  wenigen  —  bedenk- 
lich. Jedenfalls  werden  diese  Stellen  mit  Rohrinstrumenten  lugubrer 
(oder,  wenn  man  will,  sentimentaler)  heraustreten,  als  mit  Saiteninstru- 
menten; gewiss  würde  Takt  8  die  zweite  Klarinette  statt  d  lieber  h 
nehmen,  während  —  abgesehn  vom  Instrumentkarakter  —  die  Schreib- 
art in  Nr.  141  wohl  den  Vorzug  verdiente. 

üebrigens  sei  bei  diesen  ersten  Versuchen  nochmals  bemerkt,  dass 
man  bei  so  feinen  Unterschieden  noch  weniger  wie  früher  in  der  Ent* 
Wicklung  der  Formen  oder  der  Harmonie  entschieden  und  mit  Gründen 
das  Eine  für  besser ,  das  Andre  für  schlechter  oder  auch  nur  weniger 
wohllautend  u.  s.  w.  erklären  kann.  Wie  schwankend,  unbestimmt, 
unzureichend  und  darum  unzulässig  die  Bezeichnungen  gut  und  schlecht, 
richtig  und  falsch,  wohl-  und  übellautend  u.  s.  w.  ohne  nähere  Bestim- 
mung sind ,  ist  theils  von  selber  einleuchtend ,  theils  bei  verschieduen 
Anlässen  nachgewiesen  worden.  Bei  den  noch  mehr  als  die  Tonwelt  in 
das  Gebiet  des  unmittelbaren,  nicht  weiter  aufzuklärenden  Empfindens 
fallenden  Klangphänomenen  würde  mit  solchem  üeberhinfahren  noch  we- 
niger auszurichten  sein ;  man  moss  sie  vielfach  gehört  und  durchem- 
pfunden, dann  sich  eingeprägt  haben,  um  sie  im  Moment  des  Schaffens 
so  sicher,  wie  der  Maler  die  Farbe  von  der  Palette,  zu  ergreifen  oder 
zu  mischen  —  oder  an  einem  schon  vorliegenden  Werk  ihre  Weise  mit 
der  Intention  und  Stimmung  des  Werks  benrtheilend  zusammenzuhal- 
ten und  zu  wissen,  ob  Beides  einander  entspricht.  Nur  so  scheint  ein 
Urtheil,  nur  so  wahre  Bildung  nach  dieser  Seite  hin  möglich*).  Ohne 
wahre  Bildung  aber,  —  die  im  Grunde  nichts  andres  ist,  als  ein  (nur 
bewusstes  und  geleitetes)  Hineinleben  in  die  Kunst,  —  bleibt  die  In- 
strumentation stets  der  zu  irgend  einer  Manier  und  Einseitigkeit  iiih* 
renden  Routine,  oder  der  platten  Nachahmung  irgend  eines  Vortreters 
—  und  dem  guten  Glück  anheimgegeben ,  nnd  kann  es  bei  günstiger 
Anlage  nnd  Erregung  des  Komponisten  wohl  zu  einzeben  (vielleicht 


*)  Hiersn  der  Anhang  H. 


133 


eben  darum  noch  aufTallenderu  und  blendendem)  Effekten  und  Apergu^s 
bringea,  niemals  aber  zu  fortwirkender,  stets  der  Idee  sieh  zueignen- 
der Macht. 

Mehr  Bedenken  findet  bisweilen  eine  anscheinend  leichtere  Auf- 
gabe, die 

B.  Znrichtimg  gegebner  Sätze  ffir  bestimmte  Instnimente, 

—  hier  also  für  zwei  Klarinetten  und  zwei  Fagotte;  die  grössere 
Schwierigkeit  hat  darin  ihren  Grund ,  dass  wir  hier  nicht  aus  den  In- 
strumenten heraus  erfinden ,  sondern  an  einen  für  andre  Organe  gebil- 
deten Satz  gebunden  sind  und  für  ihn  die  möglichst  günstige  Seite  der 
neuen  Instrumente  herausfinden  müssen ,  was  nicht  immer  vollkommen 
gelingen  kann.  Versuchen  wir  dies  an  dem  schon  Th.  I.  S.  403  viel- 
seitig betrachteten  Choral:  ,,Nun  ruhen  alle  Wälder* ^  — 

142    B- Klarinetten. 


Fagotte  Jtg       .  JL  J,      j 


s 


$^ 


^ 


^ 


^ 


-H — •— • — m- 


ȟjygii^ 


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1 


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^E^^^^^E^. 


i 


lhh=i-T^ 


^^^^^^ 


^ 


'^ 


Hier  ist  zn  Gunsten  der  Bläser  (um  ^4-  oder  gar  C-Klarinetten,  oder 
drei  Erhöhungen  für  die  0-Klarinetten  zu  vermeiden)  Fdur  statt  fifdur 
gewählt,  auch  an  der  Melodie  Manches  geändert  oder  verziert  worden, 
wie  es  besonders  dem  beweglich  weichen  und  zierlichen  Klarinett-Ka- 
rakter  annehmlich  schien.  Ob  alle  diese  Aenderungen  und  die  ganze 
Behandlung  k  i  r  c  h  1  i  c  b,  -—  das  heisst  der  in  der  Kirche  gewohnten  Weise 
entsprechend  und  nicht  störend,  —  das  kommt  hier  nicht  in  Betracht; 
wollte  man  dies  auf  das  Sicherste  erreichen ,  so  musste  der  Choral  so 


134 


gesetzt  werden,  wie  iu  der  Lelire  Tom  Gborakats  geseigt  worden. 
Nicht  hierauf  kam  es  jetzt  an,  soadern  darauf:  den  Choral  ohoe  za 
weit  gehende  Aendernng  seines  Inhalts  dem  Sinn  der  Instrumente  näher 
zu  bringen ,  jedes  derselben  nach  seinem  Karakter  zu  behandeln  und 
sie  untir  einander  möglichst  gut  zu  verschmelzen. 

Allerdings  haben  sich  die  beiden  Paare,  besonders  die  Klarinetten, 
nicht  so  einträchtig  führen  lassen,  wie  in  den  vorhergehenden  Beispie- 
len; es  wäre,  —  z.  B.  für  die  erste  Strophe,  die  so,  wie  hierbei  a. 
oder  b.  — 


^      b. 


143 


(^^^^^^N 


lAj. 


^SB-A 


hätte  geführt  werden  können ,  —  nicht  ohne  noch  weitere  Entfernung 
vom  Choral-Karakter  ausführbar  gewesen.  Die  Fagotte  trennen  sich 
noch  mehr,  können  es  aber  besser  dulden,  wie  die  Klarinetten,  da  ihnen 
vermöge  des  Doppelblatts  schon  eine  schärfer  sich  zeichnende  Intona- 
tion —  wenngleich  bei  mindrer  Schallkraft  im  Ganzen  —  eigen  ist, 
welche  die  abgesonderte  Führung  der  beiden  Stimmen  begünstigt.  Das 
erste  Fagott  sinkt  übrigens  besonders  am  Schlüsse  der  ersten  und  vier- 
ten Strophe  in  die  unvortbeilhaft  matten  Hitteltöne.  Man  hätte  im  er- 
sten Falle  so ,  wie  oben  bei  c.  abhelfen  können,  wollte  aber  nicht  die 
Möglichkeit  einer  Steigerung  autgeben. 

Zuletzt  sei  bemerkt,  wie  das  erste  Fagott  in  allen  diesen  Choral- 
sätzen den  Karakter  der  Tenorstimme  (Th.I.  S.  379)  annimmt.  Foderl 
einmal  die  Au^abe  Auflösung  der  Stimmpaare,  —  deren  Zusammenhalt 
wir  in  freien  Sätzen  besser  bewirken  konnten,  —  so  nimmt  das  erste 
Fagott  fast  unabsichtlich  (auch  in  Nr.  140  und  141  zeigen  sidi  Spuren 
davon)  diese  Richtung ;  die  gepressten  and  dadurch  schon  leidenschaft- 
lichem hohen  Töne  des  Instruments  entsprechen  ihr  und  befördern  sie. 
Bei  grösaern  Znsammenstellungen  werden  wir  denselben  Hang  des  In- 
struments wieder  finden  $  nur  werden  wir  ihn  da  günstiger  benutzen 


135 

kÄMea,  wXhraBd  ifatt  hier  nkiit  ohae  BeekKrädiügiiiig  des  ZHsanmen- 
Uaii^i  »idSeliiDelzes,  der  die  BiagbanBonie  ziert  iiod  lid»t,  gewilUiliii 
werben  kano. 


Vierter  Abschnitt. 
Erweiterte  Avfjgaben. 

,  Die  bisherigen  Uebangen  sind  besonders  desswegen  beschränkt  zu 
nennen,  weil  die  gewählten  Instrumente  den  Hang  haben,  verbünden 
ZQ  bleiben ,  und  hierdurch  eine  freiere  und  reiehere  Entwicklung  der 
Melodie  gehindert  —  oder  eben  nur  auf  Kosten  des  Zusammenkiangs 
erreicht  wird.  Wir  hätten  dazu  eine  Stimme,  am  besten  die  erste  Kla- 
rinette, absondern  müssen ;  aber  dann  wären  nur  drei  Instrumente  — 
und  zwar  verschiedenartige ,  eine  Klarinette  und  zwei  Fagotte  —  zur 
Begleitungsmasse  übrig  geblieben. 

Diese  einfache  Bemerkung  zeichnet  den  Fortschritt  vor,  den  wir 
zunächst  zn  thun  haben:  wir  müssen  ausser  unsem  vier  Instrumenten 
ein  fünftes  (oder  vielmehr  erstes)  für  freie  Melodiefübrung  haben.  Wie 
wichtig  demungeachtet  der  Beginn  mit  den  zwei  Instrumentpaaren 
war,  wird  sich  immer  mehr  zeigen.  Da  wir  noch  keine  andern  Instru- 
mente für  die  der  Melodiefübrung  günstigste  Oberstimme  besitzen ,  so 
muss  es  eine  Klarinette  sein,  die  wir  zufügen.  Diese  heisst  dann  Prin* 
zipal-Klarinette,  oder  Solo-Klarinette,  oder  erste,  während  die  andern 
Ripienstimmen  heissen  oder  zur  zweiten  und  dritten  werden.  Die 
nächste  Aufgabe  ist  also 

A.  Satz  fBr  eine  Priuipal-KlariBette  mit  Begleitung  Ton  zwei 
Klarinetten  nnd  zwei  Fagotten. 

Hier  haben  wir  nun  in  den  zwei  Paaren  verwandter  Instrumente 
eine  verschmelzende  Harmonie  und  ausser  ihr,  ohne  ihre  Beeinträchti- 
gung ,  ein  Organ  für  freie  Melodie.  Dies  beides  ist  festzuhalten ;  die 
Melodie  entwickelt  sich ,  wie  die  Aufgabe ,  die  Stimmung  des  Augen- 
blicks und  die  Natur  des  Instruments  es  gewähren ;  ihr  gegenüber  bil* 
den  die  vier  Ripienstimmen  eine  innig  verbundne Masse,  in  der  sich  dei 
Schmelz  der  Blaser,  ihr  breiter^  sanfter  und  doch  voller,  des  schönsten 
Anschwellens  fähiger  Zusammenklang  erhalten  lässt.  An  eigentliehe 
Pünfstimmigkeit,  wie  wir  sie  einst  erstrebt  {Th.  lund  II),  ist  hier  nicht 
zn  denken.  Es  kommt  nicht  darauf  an,  fünf  Stimmen  selbständig  und 
eigenthümlich  'zu  fuhren  $  dies  wäre  hier  der  Natur  der  Organe  und 
der  Anfgabe  zuwider.  Unsre  Tongebilde  haben  vielmehr  nur  zwei  ein- 
ander entgegenstehende  Bestandtfaeile;  die  fianptstinune  —  und  die  zu 
einer  einigen  Masse  möglichst  verschmolznen  BegleiUingssUmmen.  ' 


136 


Was  aber  haoptsächlich  hier  zor  Anschattimg  kommen  und  geübt 
werden  mass,  ist  dieses  Massebilden,  der  scbmelzvoUe  Znsaramenklaiig,  in 
dem  die  Blasbarmonie  ibren  eigensten  Reiz  ond  ibre  Bestimmung  findet. 
Denn  wie  im  ausbauenden ,  an  -  und  abscbwellenden  Scball  das  Blasin* 
strument  alieo  übrigen  Instrumenten  überlegen  ist :  so  überbietet  auch 
der  Zusammenscbail  woblgewäbller  und  wobibenutzter  Bläser  den  Zu- 
sammenklang der  andern  Instrumente,  wenn  eben  das  Aushalten,  An- 
und  Abschwellen,  die  Massenwirkung  schmelzender  Harmonien  der 
Absicht  des  Komponisten  entspricht. 

Die  Begleitungsmasse  kann  sich  in  ruhenden  Harmonien  dar- 
stellen, — 


144 

CUrinello  in  B 
piincipale. 


CUrinettiinB.  < 


Adagio 


tO^r 


oder  sich  rhythmisch  bewegen, 

---     Allegrelto. 
**^    B-Klariiielte  I. 


oder  harmonisch  figurirt  werden,  — 


137 


146 

Clarinetto 
Solo  lA  B. 


CUrinetti 
ripieni  iiiB.  i 


Andante. 


Fagotti, 


dolce 


fe^j^^^:d^^ 


^^ä^^^ 


T 


F" 


g^^^^^^ 


stets  ist  es  rathsam ,  sie  in  der  einfachsten  Weise  zusammenzuhalten 
und  fortzuführen ;  um  so  wohlthuender  wird  sie  verschmelzen  und  die 
Hauptstimme  hervorheben. 

Was  in  den  vorstehenden  Sätzen  dem  Heraustreten  der  Haupt- 
stimme entgegenwirkt,  das  ist  ihre  voUkommne  Gleichartigkeit  mit  zwei 
Begleitungsstimmen;  alle  drei  sind  Klarinetten  —  und  sogar  Klari- 
netten gleicher  Stimmung.  Das  Nächste  ist,  dass  wir  wenigstens 
eine  höhere  Stimmklasse  für  die  Prinzipal-Klarinette  nehmen,  z.B. eine 
£!f-Klarinette  aU  Solo-Instrument  und  zwei  J9-Klarinelten  zur  Beglei- 
tung. Da  die  höhern  Klarinettarten  engere  Mensur  und  darum  gepress- 
lem ,  gellendem  Klang  haben,  so  unterscheidet  sich  die  von  ihnen  ge- 
führte Stimme  von  der  Begleitung  andrer  Klarinettarten  besser,  als 
würde  sie  auf  gleichartiger  Klarinette  vorgetragen,  wie  die  Prinzipal- 
stimme in  den  vorigen  Beispielen.  Das  letzte  derselben  würde,  in  eine 
günstigere  Tonart  übertragen,  sich  etwa  so  — 

I4<7  Andante. 


Clarinetto 
in  £e. 


Clarinetti 
in  B.        < 


FagotCi. 


^^^a^^j^tfgjfj-l 


138 


darstellen  lassen.  Die  Tonart  ict  eine  Stufe  tiefer  gewählt,  damit  es 
nicht  nolbig  würde,  das  Hauptinstrument  in  Diur  zn  setzen*).  Die 
Melodie  ist  nach  dem  allgemeinen  Tonsystem  höher  gelegt  und  gefuhrt, 
hat  aber  auf  dem  Tonsysten  der  £'s-Rlarinette  doch  seinen  Sitz  in  einer 
etwas  tiefem  Tonlage;  eben  dessbalb  mnssle  sie  schon  im  zweiten  Takt 
umgestaltet  werden,  damit  sie  nieht  in  die  dumpfere  Region  des  Instru- 
ments versänke.  Dem  heller  klingenden  Hauptinstrumeute  gegenüber 
ist  die  Begleitungsmasse  enger  zusammengerückt  und  damit  gekräf«- 
^g^  gleichsam  saftiger  geworden. 

Zuletzt  wollen  wir  nicht  unbemerkt  lassen ,  dass  manche  für  die 
eine  RIarinettart  ungünstig  liegende  Tonfolge  auf  einer  andern  Rlari- 
nette  leichter  ausführbar  wird.  Nr.  144  bietet  einige  Beispiele  solcher 
Tonverbindungen,  namentlich  in  Takt  6,  dessen  Töne  zarler  ver- 
schmolzen werden  könnten ,  wenn  man  den  Satz  in  Es  übertrüge  und  % 
zur  Hauptstimme  die  f^-Rlarinette  wählte.  Ob  Tonart  und  Instrument 
für  diesen  Satz  geeignet  wären,  kommt  hier  nicht  in  Betracht. 

Allein  der  Zutritt  eines  Prinzipalinstruments ,  zumal  in  höherer 
Stimmung  und  hellerm  oder  grellerm  Rlange,  regt  eine  neue  Sorge  an. 
Lässt  man  das  heller  und  heftiger  wirkende  Prinzipalinstrument  nach 
dem  muthvoUen,  üppigen  Rarakter  der  Rlarinetlgattung  (S.  120)  ge- 
währen, sich,  wie  schon  die  weitere  Ausführung  der  oben  ange* 
fangnen  Sätze  mit  sich  bringen  würde ,  frisch  und  frei  entfalten :  so 
fehlt  es  ihm  gegenüber  der  Begleitungsmasse  an  Fülle  und  Blütbe ;  zw^ 
sanfte  Rlarinetten  und  zwei  stille  Fagotte  —  zumal  in  der  Behand- 
lungsweise,  die  wir  hier  für  die  angemessne  erkennen  müssen  —  geben 
zu  matten  Rlang  im  Gegensatz  und  als  tragender  Untersatz  zu  einer 
üppig  geschwungnen  £s-Rlarinette.  Namentlich  sind  diese  vier  Instru- 
mente nicht  wohl  im  Stande ,  einen  kräftig  heraustretenden  Bass  abzu- 


*)  SoIUe  die  frühere  Tonart  beibebelten  werdeo ,  so  bäUe  mao  statt  der  Em- 
Klarniette  eise  C-  oder  F-Klariaette  wäblea  köoneB.  Doeb  scheioeo  im  Allgemein 
Den  die  in  Quarten  von  einander  abstehenden  Klarinetten  ,  —  also  B-  und  Es-VUsl- 
riaetten ,  C-  and  F-Klari netten,  —  bester  snsammenzastiAUien ,  als  willköbrlieb 
geDisebte. 


139 


geben ;  die  in  Nr.  145  genommne  Wendung  ist  offenbar  ein  Notbbe- 
helf ,  nicht  immer  anwendbar,  noch  weniger  immer  befriedigend. 
Wir  müssen  also  unser  Orchester  erweitern. 

B.  Zuielraiig  des  Kontrtfltgotts. 

Zur  Führung  des  Basses  nehmen  wur  das  einzige  für  jetzt  noch  zu 
Gebot  stehende  Instrument ,  das  Kontrafagott.  Es  wird  bald  allein  den 
Bass  fuhren ,  bald  sich  vom  zweiten  Fagott  dabei  unterstützen  lassen ; 
schon  mit  seiner  Hülfe  allein  gelangen  wir,  wie  sich  hier  — 


148 


Allegretto. 
Clarinetto  in  £0, 


Clarinülti  in  B. 


I     Fagoiti.  1^ 


Contra -Fagotto. 


l^Sli 


-:£^^=^^.m 


-^-*«- 


an  einer  Umarbeitung  von  Nr.  145  zeigt,  —  zu  einem  freiem  und 
wirksamem  Basse ,  zu  einer  ruhigem  Massenwirkung  der  Mittelstim- 
men und  damit  der  ganzen  Begleitung,  gelegentlich  auch  (Takt  3)  zu 
Harmonisirungen ,  die  mit  weniger  Instrumenten  nicht  (ugiich  darstelU 
bar  gewesen  wären. 

Uebrigens  kann,  wie  wir  auch  hier  gethan,  dem  Kontrafagott  nach 
seiner  mindern  Lenksamkeit  und  dem  Karakter  seines  dumpfern  und 
unebnen  Klangs  nur  untergeordnete  Mitwirkung  zu  Theil  werden; 
wollte  er  sich  z.  B.  hier  der  Bewegung  des  zweiten  Fagotts  anschlies- 
sen ,  so  würde  er  plump  und  für  die  Form  der  Begleitung  beschwerend 
auftreten.  Selbst  bei  solcber  Zurückhaltung,  wie  wir  oben  geübt,  wird 
sein  Klang  und  seine  abgelegne  Tiefe  bisweilen  unerwünscht  hervor- 
treten. Man  wird  ihn  also  in  ausgeführtem  Kompositionen  bei  den  zar- 
tem oder  leichtern  Stellen  pausiren  lassen ,  oder  —  für  einen  ihm  das 
Gleichgewicht  haltenden  vollem  Klang  der  Hittelstimmen  durch  stär* 
kere  Besetzung  oder  die  Weise  ihres  Gebrauchs  (engere  Lage ,  wie  in 
Nr.  148 ,  —  höhere  Stimmlage ,  regere  Bewegung  u.  s.  w.)  sorgen 
müssen. 

Unter  den  uns  schon  bekannten  Instramenten  sind  es  unstreitig 
die  Hörner,  die  sich  dem  jetzt  versammelten  Chor  am  günstigsten  zu- 
gesellen. 


140 


C.  Zuziehung  tob  Hftrneni. 

Sie  gehören  zwar  einer  andern  Klasse,  den  Bieobinslrumenlen,  an^ 
sind  aber  durch  die  Weichheit  und  Luftartigkeit  ihres  Klangs  ebenso 
wohl,  fast  noch  mehr  geneigt,  sich  den  Klarinetten  und  Fagotten 
anzuschliessen,  als  den  übrigen  Blechen.  Voll  und  zugleich  Infi  weich, 
langhintönend,  des  Verhallens  und  des  Anquellens  fähig,  in  der  Höhe 
(besonders  den  hohen  Stimmungen)  leicht  etwas  Gellendes  annehmend, 
—  zeigen  sie  sich  in  allen  diesen  Karakterzügen  den  Klarinetten  nahe 
verwandt  und  verschmelzen  mit  ihnen  in  Stellen  wie  diese,  — 

149 

Clarinelti 

in  B. 


Corni  in  Es. 

oder  vereinigen  sich  als  Begleitung  mit  einer  Klarinettmelodie,  z.  B.  — 

150  Adagio. 

Clarinello 
Solo  in  B. 


Corni  in  F 


auf  das  Innigste.  Dagegen  sind  sie  von  ihnen  und  allen  Rohrinstru- 
menten bekanntlich  durch  das  Tonsystem  unterschieden  und  ebenso 
durch  den  Klang,  wenn  sie  »forzato  assai  angeblasen,  oder  bis  zu 
ihrer  höchsten  Stärke  getrieben  werden ;  dann  nähert  sich  ihr  Klang 
mehr  dem  der  Trompete  oder  vielmehr  Posaune. 

Weniger  verwandt  sind  die  Hörner  mit  dem  Pagottkiang.  Das 
Fagott  hat,  vermöge  seines  Doppelblatts,  seines  engern  Mundstücks 
(des  S;  und  seines  gleichmässigen  —  nicht  sich  erweiternden ,  nicht 
durch  einen  weiten  Schallbecher  gelüfteten  Rohrs,  mehr  Materielles  und 
weniger  Lufiklang  (weniger  Durchsichtigkeit  gleichsam  oder  Durch- 
Schimmer  des  Klangs),  auch  weniger  Fähigkeit  des  Verhallens  und  An- 
quellens, auch  überhaupt  weniger  Schallkrafi;  werden  seine  Töne,  be- 
sonders in  Tiefe  und  Höhe,  zur  Stärke  getrieben  ,  so  nimmt  der  Klang 


141 


in  der  Tiefe  ein  rauheres,  unebnes  Wesen  an  und  wird  in  der  Höbe  ge- 
presst  und  ängstlich,  während  die  hoben  Horntöne  bei  starker  An- 
sprache zwar  aach  beengt,  aber  dabei  nur  mächtiger  und  kühner,  gel- 
lend erklingen. 

Aus  diesen  Griinden  bietet  die  Mischung  von  Hörnern  und  Fagot- 
ten im  Allgemeinen  einen  weniger  günstigen  Klangkörper  dar,  als  die 
TOD  Klarinetten  und  Hörnern  oder  Klarinetten  und  Fagotten ;  die  Fa- 
gotte beeinträchtigen  den  reinem  anmuthigern  Hornklang,  sie  mischen 
in  die  Naturpoesie  des  schwärmerischen  Homs  ein  wenig  von  dem 
Positivismus  der  Prosa  —  und  sind  doch  an  sich  selber  nicht  einmal 
der  Schallkraft  des  Homs  gewachsen.  Nur  wenn  der  Tongedanke  des 
Komponisten  sich  nicht  anders  darstellen  lässt  (weil  z.  B.  das  Tonsy- 
stem der  Hörner  für  sich  nicht  ausreicht) ,  oder  wenn  er  sogar  diese 
angleiche  Verknüpfung  fodert,  —  z.  B.  in  einem  Harmoniesatze  die 
Horamelodie  darch  eine  anschliessende,  aber  untergeordnete  B^ieitung 
gehoben  werden  soll,  — 

151 
Corao   in 
Es  Solo. 


Fagolti.     ^ 


Contra- 

^*5«>"*>-     \tz=y'nt-r=:^r- — —1-7 — r^rzizz=zyfcc 

nur  dann  kann ,  —  wie  Alles  am  rechten  Ort,  —  auch  dieser  Verein 
gunstigen  Erfolg  haben. 

Gleiche  Bewandniss  hat  es  mit  der  Zusammenstellung  von  drei 
Hörnem  und  Fagott  in  der  Leonoren-Arie  in  Beethoven's  Fidelio*). 
Wir  geben  hier  —  

Adagio.  -""*"" 


152 

Como  I 

In  £. 


Como  II 
in  £. 


Coino  m 
In  E. 


r«gotto. 


■  ^7t' 


P  dolcc 


I^^T'^j^^-tF^gi^'-ffi 


^rg^^^plFjg^  '^kr^tyl 


m^ 


^'^^^ffi^ftti 


*)  S.  926  (Akt  2)  der  Pariser  Ptirtitar.   Die  Sceoe  enthält  oocb  mehr  Belege 
fSr  die  abig»  Ansieht. 


142 


^m 


-.#*A. 


msüzBi 


'So- 


m 


l^^^^^^^^^pi 


isai^li^ 


nur  drei  Sätze  zur  vorläufigen  Anschauung.  Schon  hier  erkennt  man 
Erstens,  dass  die  Hörner  gar  nicht  zu  dem  vollen  Ausdruck  ihres 
tiefeindringenden  Natnrlautes  kommen  sollen,  sondern  konzertirend 
—  nnd  dabei  allerdings  der  Stimmung  des  Augenblicks  eulsprechend 
gebraucht  werden ;  dies  beweisen  die  häufigen  Stopftöne  und  viele  He- 
lodiewendungen.  Zweitens  kommt  solcher  Anwendung  die  Unterlage 
des  tonfestern  und  materiellem  Fagotts  wohl  zu  Statten.  Drittens 
werden  diese  Sätze  vom  Streichquartett  begleitet  und  das  Pagott  dient 
(wie  wir  später  erkennen  werden)  zwischen  diesem  und  dem  Homtrio 
als  vermittelndes  Bindeglied. 

Ohnehin  wird  der  Verein  von  Hörnern  und  Fagotten  nur  in  selt- 
nen Fällen  in  setner  Reinheit  und  Nacktheit  auftreten ;  meist  wird  man 
zu  den  tiefliegenden  Instrumenten  wenigstens  ein  Paar  höher  liegende 
fügen ,  um  die  der  Meiodiefubrung  günstigem  Tonregionen ,  eine  voH^ 
ständige  und  wohlgelegte  Harmonie  und  Stimmfuhrang  zu  erlangen. 
Dann  aber  lösen  sich  die  einzelnen  Ungleichheiten  der  Instrumente  im 
Zusammenklang  aller,  dienen  selbst  dazu,  die  geistige  Mattigkeit  oder 
Einförmigkeit,  die  aus  durchgehender  Gleichartigkeit  des  Rlangs  ent- 
springen kann ,  zu  überwinden.  So  würde  der  Satz  Nn  140  sieb  mit 
vier  Hörnern  (und  allenfalls  einer  verstärkenden  Prinzi|MÜ-Rlariiietle)  — 


143 


153 
Es-KlarinetI«. 


B-Klarinellen. 


Bs-Hörncr 
I.  II. 


Es-Hörner 

in.  IV. 


^^^gfep^^^ 


'^^^^m 


m 


allertfngs  voUfclingender  aasnehmen  and  dareh  den  miebliger  geword- 
nen Hornklang  an  Frische ,  gteichsam  an  Natnrlaut  gewinnen.  Allein 
eine  neue  Farbe  würde  in  ihn  hineinkommen ,  sein  Rarakter  ein  mehr 
in  sich  gefasstes  und  befriedigtes  Wesen  annehmen^  wenn  man  statt 
des  zweiten  Hömerpaars  —  oder  sogar  ncJien  ihm  noch  Fagotte  mit 
Unterstfitzang  eines  Kontrafagotts  — 


154*) 
Es-Klarinetle. 


B-KIarinetten. 


Es-H5rner 
I.  U. 


^••H0mer 
III.  IV. 


f^g^^^^^^^ggi 


^^^m 


■^ 


i 


^^^^^ 


Fagottr. 


Kontra  lagott. 


Sü 


^. 


^ä; 


See 


1=**^ 


^^^^^^ 


*)  Bei  diesem  und  melirero  folgenden  Sätzen  weichen  wir  von  der  in  der 
Allgem.  Musiklehre  vorgeschlagnen  Anordnung  ab.  Nach  der  ersten  Regel 
(MasiUehre  S.  18!^)  für  die  Anordniing  der  Stimmen  io  einer  Partitur,  -*-  alle  zu 
eiaer  Klasse  gebörigen  Stimmen  angetreaat  su  einaader  au  sohreibea,  —  bÜttea 
die  Fagotte  zu  den  Klarinetten  treten  (die  RSbre  beisammen  stehn)  und  die  Hörner 
als  Blechklasse  abgesondert,  über  die  Röhre  gestellt  werden  müssen.  Allein  in  den 
hier  fraglichen  Sitzen  dienen  die  HÖrner  als  Mittelstimmen  des  Ganzen  nnd  ordnen 
sieb  deo  Rühren  uatencbiedlos  bei. 


144     

zuzöge.  Wie  der  Maler  nicht  gern  mit  Einer  Farbe  oder  Farbenkiasse, 
z.  B.  mit  lauter  Roth  malt,  sondern  nach  dem  Vorbilde  der  Natur  selbst 
zu  den  scheinbar  einfachsten  Färbungen,  —  einer  Rose  9  einer  jung- 
fräulichen oder  Kinderstirn,  dem  Abend-  oder  Morgenroth,  —  gar  man- 
nigfache, oft  entgegengesetzte  Farbentöne  vereinigt :  so  reizt  es  auch 
den  Musiker ,  abweichende  Klänge  zu  mischen  und  aus  ihrer  Mischung 
einen  dritten  Gesammtklang  zu  seinen  Zwecken  zu  bilden. 


Fünfter  Abschnitt 

Betrachtungen  über  die  Vereinigung  und  Miseiiung  der 
Instrumente. 

Wir  haben  nnn  eine  Reihe  von  Versuchen  und  Uebungen  an  uns 
vorübergehen  lassen  und  den  Kreis  unsers  Orchesters  schon  einiger- 
massen  erweiterl ;  es  stehen  uns  zwei  oder  drei  Klarinetten ,  Fagotte 
und  Kontrafagott,  zwei  oder  vier  Hörner  —  also  eine  Harmoniemusik 
von  vier  bis  zehn  Stimmen  zu  Gebote ;  Trompeten ,  Pauken ,  Posaunen 
sind  einstweilen  noch  bei  Seite  geblieben.  Aber  auch  ohne  sie  sind  wir 
mittelreich  genug,  um  über  Wahl  und  Verwendung  unsers  Vermögens 
uns  zu  besinnen ,  und  haben  schon  einige  praktische  Erfahrung ,  die 
uns  des  abstrakt -leeren  Theoretisirens  überhebt.  Es  ist  also  an  der 
Zeit,  unsre  vorläufigen  Betrachtungen  (S.  116)  fortzusetzen  und  mit 
der  Ausübung  näher  zu  verknüpfen. 

Nach  welchen  Gesichtspunkten  haben  wir  unser  Orchester  zusam- 
menzustellen und  die  versammelten  Organe  in  Thätigkeit  zu  führen? 
—  Dies  ist  die  Frage.  Wir  können  sie  nur  dann  befriedigend  beant- 
worten ,  wenn  wir  uns  vollständig  vorstellen ,  was  das  Orchester  zu 
leisten  haben  wird. 

].  Tonsystem. 

Wollen  wir  unser  Inneres  in  Fülle  und  Vollständigkeit  in  der 
Musik  verlautbaren,  so  bedürfen  wir  der  vollständigen  Tonsprache; 
was  uns  an  letzterer  fehlt,  können  wir  auch  nicht  aussprechen. 
Mag  daher  ein  unvollständiges  Tonsystem,  z.  B.  das  der  Natur- 
harmonie ,  eine  Seite  unsers  Seelenlebens  zum  Ausdruck  bringen,  — 
und  vielleicht  zu  einem  tief  eingreifenden:  dennoch  kann  umfassenden 
Ausdruck  nur  das  umfassende,  vollständige  Tonsystem  gewähren. 
Daher  hat  die  eigentliche  Komposition  erst  mit  dem  Satz  für  Klarinet- 
ten und  Fagotte  wieder  begonnen ;  erst  diese  Instrumente  bieten  eine 
vollständige  und  zugleich  Höhe  und  Tiefe  umfassende  Tonreihe.  Die 
vorangegangne  Blechmusik,  —  zunächst  Trompeten  und  Hörner ,  — 


145     

verhält  sieb  za  diesem  Satze,  wie  dnst  (Th.  I)  die  Nalorharmonie  zur 
KoDstharmonie;  sie  bat  Tiefe  aad  Macht ibres  Inhalts,  aber  dieser  In- 
halt ist  ein  höchst  beschränkter.  Aach  die  Posaunen  ändern  den  Karak- 
ter  nicht  wesentlich ;  sie  sind  in  Tonumfang  und  Behandlung  zu  be- 
schränkt, in  ihrem  Rarakter  za  wenig  mannigfaltig,  in  ihrer  Kraft  zu 
unbändig,  als  dass  ihre  Wirksamkeit,  —  wenn  man  sie  allein  lässt  oder 
das  Blech  zusammenfasst,  —  vielseitig  und  reich  sein  könnte. 

Vollständigkeit  und  Ausdehnung  des  Tonsystems,  das 
waren  also  unsre  ersten  Bedürfnisse,  und  sie  wurden  schon  durch  die 
zuerst  gewählten  vier  Röhre  einigermassen  befriedigt.  Sobald  wir  aber 
(S.  135)  Anlass  fanden,  über  die  erste  Anlage  hinauszugehn,  entstand 
ein  drittes  Bedfirfniss;  das  des  Gleichgewichts  in  Bezug  auf  die 
Tonlage  der  Instrumente. 

Höhe,  Tiefe  und  Mitte  des  Tonsystems  sind  im'  Allgemeinen 
gleich  wichtig,  müssen  also  gleichmässig  bedacht  werden ,  sonst  wird 
die  Melodie  gegen  die  übrigen  Stimmen  oder  Bass  und  Diskant  gegen 
die  Mittelstimmen  zu  stark  oder  zu  schwach  erscheinen  und  Eins  vom 
Andern  unterdrückt  werden.  Sobald  wir  daher  (in  Nr.  144)  Anlass 
nahmen,  in  der  Höhe  ein  melodieführendes  Instrument  zuzufügen ,  trat 
auch  das  Bedürfoiss  hervor ,  den  Bass  —  und  gegen  beide  die  Mittel- 
stimmen zu  verstärken.  Wie  dies  gelungen ,  wie  das  Tongebiet 
von  unsem  zuerst  in  Nr.  154  zusammengebrachten  Instrumenten  be- 
setzt ist,  sehn  wir  hier  — 

Es-Klarinetie. 


155 


BTRlariAette. 


Es-Hömer. 


m 


^fF^ 


Fagotte. ^ I     J    3:  = 


if 


i=^ 


^"i 


rt 


I 


Kontrafagott. 

der  Hauptsache  nach  dargestellt;  am  reichsten  ist  die  Mitte  vom  kleinen 
es  oder  g  bis  zum  zweigestrichnen  besetzt;  am  vereinzeltsten  die 
äosserste  Höhe  und  Tiefe,  die  beide  in  der  Regel  nur  für  Verdopplung 
der  Melodie  oder  des  Basses  bestimmt  sind.  Nach  diesem  Schema,  das 
uns  an  ein  älteres  (Tb.  I.  S.  62)  erinnert,  würde  man  sich  ebenso 
wohl  orietatireQ  können ,  wenn  der  Tonsatz  um  ein  Paar  Stufen  höher 
oder  tiefer  stände ,  oder  wenn  die  Höhe  oder  Tiefe  noch  grössere  Ver- 
stärkung erhielte ;  stets  müsste  für  gleichmässige  Verstärkung  der  Tiefe 
oder  Höhe  und  Mitte  gesorgt  werden.   Erst  mit  dieser  Herstellung  und 

Marx,  RoBp.L.IV.S.Aofl.  10 


146     

Erbaltnng  des  Gleichgewichts  unter  den  TCffschiediiea  StiMiregioBeo 
kommt  anser  erster  Gnindsatz  (S.  115)  zn  voller  Bedeatang. 

Dass  übrigens  diese  Ebenmässigkeit  in  der  Benntsong  aller 
Tonregionen  nicht  bindende  Regel  ist,  versteht  sich.  Im  Allgemei** 
nen  bietet  sie  die  günstigsten  Verhältnisse  für  Tonsatz.  In  besoB'- 
dern  Fällen  aber  kann  der  Komponist  veranlasst  sein,  der  Höhe  oder 
der  Tiefe  das  Cebergewicbt  zn  geben,  oder  sich  ganz  (wenigstens  eine 
Zeitlang)  auf  eine  oder  die  andre  zn  beschränken.  So  würde  z,  B. 
schon  die  Verbindung  von  Fagotten  und  Kontrafagott,  Hörnern  und 
Posaanen  (mit  oder  ohne  Pauken)  ein  entsprechendes  Kolorit  für  sebr 
ernste,  düstre,  logubre  Sätze  bieten;  wiewohl  wir  dazu  später  noch 
ganz  andre  Mittd  finden  werden. 

2.  Fülle  des  Schalls. 

Eine  zweite  Rücksicht  haben  wir  zu  nehmen  auf  die  Kräftigkeit 
und  Sättigung,  in  der  ein  Satz  erschallen  soll.  Allerdings  kann  für 
besondre  Stimmungen  weniger  voller  Schall ,  Beschränkung  auf  wenig 
Ittstramente  —  ja  sogar  auf  ein  einziges  —  die  angemessenste  Satz- 
weise sein.  So  hatSeb.  Bach  in  seiner  Matthäi'schen  Passion  man- 
chen seiner  Sätze  mit  zwei  Flöten  oder  zwei  Oboen  und  Bass  (Nr.  9, 
10,  18,  19),  oder  mit  Laute  und  Viola  da  gamba*)  im  Einklang  und 
Bass  begleitet.  Meyer  beer  hat  in  seinem  Feldlager  und  den  Huge- 
notten sich  ebenfalls  bisweilen  auf  ein  einziges  Instrument  beschränkt; 
und  wenn  au^h  einige  dieser  Sätze  nicht  aus  innrer  Nothwendigkeit  — 
also  nicht  mit  Recht  so  behandelt  worden ,  so  ist  doch  in  andern  diese 
Behandlung  aus  innerm  Bediirfniss  hervorgegangen.  Ferner  sind  ge- 
wisse Instrumentverbindungen  in  sich  so  wohl  verschmolzen  und  be- 
friedigend, dass  ein  Zutritt  andrer  Instrumente  nur  benachtheiligen 
könnte.  So  würde  der  Satz  Nr.  150  wenigstens  in  den  ersten  vier 
Takten  durch  den  Zusatz  irgendwelcher  Instrumente  nur  an  Lauter- 
keit und  Frische  verlieren;  eher  könnten  bei  der  Wiederholung  von 
Takt  5  an  gewisse  andre  Instrumente,  die  wir  noch  nicht  in  Besitz  ge- 
nommen, zutreten  und  dem  Satz  eine  neue  Färbung  geben. 

Allein  diese  Fälle  stehn  doch  als  vereinzelte  Ausnahmen  da  und 
im  Allgemeinen  ist  es  Bedurfniss,  das  Auszusprechende  mit  einer  gewissen 
Fülle,  die  der  Ausdruck  innrer  Gesundheit,  Kraft  und  Gewissheit  ist, 
laut  werden  zu  lassen.  Was  ich  bestimmt  will,  spreche  oder  thue  ich 
auch  mit  Festigkeit  und  Nachdruck;  was  Kraft  und  Fülle  hat,  tritt  auch 
mit  Frische  und  Vermögen  auf;  das  eine  Extrem:  Spärlichkeit, 
schwächliche  Dünne,  —  ist  ebenso  vom  Uebel,  als  das  andre :  unange- 
messene Massenhäufung.  Ja,  das  Bediirfniss  einer  gewissen  Fülle  und 


*)  Ehe  Art  von  Violoneell  mit  ft,  6,  auch  7  Stiten,  ISoftt  «iiM«r  Gebraseh. 


147     

Saftigkeil  ist  bei  der  BlashaniioDie  noeb  vorirallieii#Br  oiid  allgemeiner, 
als  in  den  Saiteninstrumenten.  In  diesen  ist  Beweglichkeit  eine  vor- 
herrsebende  Eigenschaft,  also  Bewegung  (wie  wir  später  noch  besser 
erkennen  werden)  ein  Hanptelement  der  KompositioB,  Schallkraft  da- 
gegen im  Vergleich  zu  Blasinstrument  and  Singstimme  nur  von  unter- 
geordneter Macht  und  Wirksamkeit*).  Im  Blaeinstrunient  aber  ist  der 
Klang,  und  im  Verein  von  Bläsern  der  Zusammenklang,  die  Scballmasse 
von  überwiegender  Kraft  und  Bedeutung ;  würde  sie  vernachlässigt,  s« 
träfe  der  Mangel  ein  Hauptmoment  der  Wirksamkeit. 

Hierzu  kommt  noch  die  Ungleichheit  im  Klang  und  in  der  Schall- 
kraft der  einzelnen  Bläser.  Klarinetten  und  Fagotte,  —  Klarinetten 
and  Hörner,  —  Hö'rner  und  Fagotte  sind  einander  mehr  oder  weniger 
verwandt  oder  ähnlich,  doch  aber  jedes  vom  andern  unterschieden ;  je 
vereinzelter  die  Individuen  auftreten,  desto  deutlicher  stellt  sich  der 
Unterschied  heraus,  desto  weniger  schmelzen  sie  zu  einem  einigen 
Schallkörper  zusammen.  Treten  nun  mehrere  Instrumentarten  zusam- 
men ,  so  finden  sie  unter  einander  mannigfaehe  Beziehungen  und  Ver- 
wandtschaften, und  die  Verschmelzung  erfolgt  vielseiligier ;  auch  über- 
windet die  vergrösserte  Schallkraft  die  vorbandnen  Verschiedenheiten 
leichter  und  gründlicher.  Klarinetten  haben  z.  B.  flüssigen  Luftklang 
and  so  hohe  Kraft  im  Anquellen ,  dass  sie  in  beiden  Beziehungen  dem 
Waldhorn  verwandt  erscheinen.  Gleichwohl  wirkt  bei  ihnen  die  gleich- 
massige  (cylindrische)  Mensur  des  Rohrs  und  das  Blatt  im  Mundstücke 
dahin ,  dem  Klang  eine  gewisse  Körperlichkeit  und  Begränztbeit  —  im 
Gegensatz  zu  dem  gleichsam  in  ungemessne  Feme  hin  erklingenden 
Waldhorn  —  zu  ertheilen ,  der  sie  vom  Hörn  unterscheidet  und  dem 
Fagott  näher  bringt.  Homer  und  Fagotte  wiederam  stehn  sich  im  Ton- 
gebiet nahe  und  haben  eine  gewisse  Weise  des  Klangs  mit  einander  ge- 
raein; dagegen  trennt  sich  das  Fagott  durch  seine  Schwäche,  durch  die 
Gedrücktheit  seiner  Höhe  vom  Hörn  und  nähert  sich  durch  die  mate- 
riellere Weise  seines  Klangs  der  Klarinette«  So  bildet  sich  also  durch 
den  Verein  der  drei  Instrumentarten  ein  vielseitigerer  Bezug,  in  dem 
auf  der  einen  Seite  ausgeglichen  wird ,  was  auf  der  andern  nicht  zu* 
sammenpassen  wollte. 

Wenden  wir  uns  von  diesen  Betrachtungen  auf  einen  bestimmten 
Fall,  —  den  Satz  Nr.  140,  —  zurück :  so  wird  nun  die  Dürftigkeit  der 


*)  Otber  kann  ein  Qatrtett  von  StreicbiMtnimeat«n  kohe  Befriedigung  ge- 
währeo,  während  maD  vier  eiDzeloea  Blasiostninieiileo  «omöglicb  gleich  tasgedehnt« 
Aofgaben  mit  gleichem  Erfolg  überlassea  iLeoote.  Haydo,  Mozart,  Beetho* 
ven  haben  bekanntlich  sehr  viele  Streichquartette  geschrieben,  nie  aber  an  Blas- 
qnartette  gleicher  Ausdehnung  gedacht.  Weoo  A.  Reicha  in  Paris  Quintette  für 
Bläser  geschrieben,  so  hat  ihn  wohl  zunächst  seine  und  seiner  Brüder  Stellung  anter 
den  Blasern  —  und  die  Absicht,  den  Parisern  etwas  Neues  zu  bieten,  geleitet. 

10» 


t48 


ersten  BehaDdlong  wohl  klar.  Sohon  die  Sehallnias^  von  zwei  Rlari- 
netten  und  zwei  Fagotten  erfüllt  das  Obr  nicht  mit  jenem  Vollklang, 
der  der  Stimmung  dieses  Satzes  die  ihr  gemässe  Sicherheit  und  Nach* 
drückiichkeit,  wir  möchten  sagen:  Vollherzigkeit,  giebt;  dies  ist  um 
so  gewisser  wahr,  da  die  Fagotte  meist  in  den  Mittellagen  gebalteii 
und  nicht  selten  getrennt,  also  (S.  117)  in  ihrer  Schallkraft  noch  mehr 
geschwächt  werden  mussten.  Vereinigen  wir  für  denselben  Satz  Klari- 
netten, Fagotte  und  Hörner  in  derselben  Weise,  wie  in  Nr.  154,  — 


156 
Es-Klarinette. 


B-Klarinelten. 


B-Horner 
.  I.  n. 


B-H5nier 
III.  IV. 


Fagotlc. 
Kontrafagott. 


Bigic  V  [J   g   J  Hai.  i'g^-F-J-i' 


149 


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^pfm^riEs:-^ 


80  ist  nun  erst  die  Begleitung  zu  einer  festen  und  volltönenden  Masse 
geworden,  die  einen  kräftigen  Gegensatz  ,  einen  tüchtigen  Träger  der 
Melodie  abgiebt ;  die  Melodie  selbst  wird  herrortretend  intonirt ,  der 
Bass  ist  ebenfalls  verstärkt.  Es  bleibt  nur  die  Frage ,  ob  der  Satz  in 
seiner  neuen  Bearbeitung  nicht  zu  massenhaft  geworden?  ob  diese 
SchallfäUe  seiner  Stimmung  gemäss  ist?  —  Vielleicht  überzeugen  wir 
uns  bald  von  dem  Vorzug  einer  dritten,  mittlem  Behandlung. 


150 


3.  Kiangwesen. 

Zuvor  haben  wir  danach  getrachtet,  den  Schall  aller  Instru- 
mente zu  einem  einzigen  zusammenzuschmelzen,  im  Gesammtklang 
alter  die  Besonderheiten ,  den  eigenthümlichen  Klang  eines  jeden  ver- 
schwinden zu  lassen.  Nun  richten  wir  unsre  Aufmerksamkeit  auf  die 
Klangverschiedeuheiten ,  die  das  erweiterte  Orchester  darbietet.  In 
Nr.  140  hatten  sich  Klarinetten  und  Fagotte^  —  in  Nr.  150  Klarinetten 
und  Homer,  —  in  Nr.  156  haben  sich  alle  drei  Klangorgane  gemischt, 
—  es  wäre  noch  (wenn  auch  nicht  für  unsern  Satz)  eine  Verknüpfung 
von  Hörnern  und  Fagotten  (ohne  Klarinetten)  möglich.  In  Nr.  156  sind 
nach  dem  Vorbilde  von  154  vier  Hörner  angewendet;  eine  Folge  davon 
war,  dass  auch  die  Melodie  durch  eine  Prinzipalklarinette,  folglich  auch 
derBass  durch  das  Kontrafagott  verstärkt  werden  musste.  Allein  inner- 
lich notfa wendig  ist  diese  Beschwerung  der  Ober-  und  Mittelstimmen 
und  des  Basses  durch  verdoppelte  Besetzung  keineswegs;  vielmehr 
widerstrebt  sie  dem  beweglichem  Sinn  der  Komposition  und  giebt  zu 
viel ,  wie  die  erste  Bearbeitung  zu  wenig  gab.  Angemessner  war'  eine 
einfachere  Behandlung,  von  der  hier  — 


157      B-Klarinetten, 


m^^h^T^M^ 


m: 


Fagotte,   rt      J 


wenigstens  ein  Paar  Proben  gegeben  werden.  Hier  haben  die  Homer  kein 
Uebergewicht,  sondern  können  blos  die  vorhandne  Masse  der  Röhre 
füllen  und  kräftigen ;  daher  hat  es  weder  der  härtern  jB>-Klarinette, 
noch  des  Kontrafagotts  bedurft.  Der  Anfang  hat  gegen  Nr.  156  an 
Frische  verloren,  nicht  blos  durch  Verminderung  der  Schallmasse, 
sondern  weil  an  die  Stelle  der  muthigen  Hörner  wieder  die  stillen 
Fagotte  getreten  sind.  Die  Melodie  der  Miltelslimme  im  achten  und 
zehnten  Takte  musste  in  Nr.  140  den  Fagotten  gegeben  werden ,  die 
sie,  zumal  in  der  Mittellage,  nicht  klingend  und  muthvoU  genug  vor- 
tragen können  $  in  Nr.  156  ist  sie  massenhaft  geworden  durch  zwei- 
stimmige Behandlung ;  jetzt  hat  sie  den  bessern,  zugleich  muthigen  und 
doch  leichten  Vortrag  gefunden. 


151 

Noch  gar  viele  Umsetzungen  wären  möglich,  deren  jede  der  Stim- 
mung des  Satzes  bald  diese ,  bald  jene  Färbung  ertheilen  würde.  Sie 
durchzusprechen  oder  gar  alle  aufzuweisen ,  scheint  weder  rathsam, 
noch,  des  Raumes  wegen,  zulässig.  Der  Jünger  mag  wenigstens  einige 
versuchen ,  darf  aber  —  wenn  sein  Studium  Frucht  bringen  soll  — 
keinen  Satz  lesen  oder  verfiissen ,  ohne  sich  den  Rlang  der  einzelnen 
Organe  und  den  gemischten  Zusammenklang  der  verbundnen  klar  vor- 
zustellen. Und  um  dies  sichur  zu  könneü ,  muss  er  bei  jeder  Gelegen- 
heit (S.  4)  den  Klang  der  einzelnen  Instrumente  in  allen  Tonregionen 
und  ihren  Zusammenklang  zq  hören  und  sich  einzuprägen  trachten. 

Dass  übrigens  unsre  zehn  Stimmen  in  Nr.  156  (wie  in  Nr.  154) 
nicht  einen  zehnstimmigen  Satz  bilden ,  sondern  meist  einen  drei-  oder 
vierstimmigen,  —  indem  bald  die  JE^-Klarinette  mit  der  ersten  £*Rla- 
rinette  im  Einklang,  bald  Uörner  oder  Fagotte  mit  den  Klarinetten  in 
Oktaven,  oder  die  zwei  Hompaare  unter  einander  oder  mit  den  Fagot*> 
ten  im  Einklang  gehn,  —  hat  man  schon  bemerkt.  Dieses  Zusammenball- 
ten der  Bläser  in  möglichst  wenigen  (drei  oder  vier)  Stimmen  begün- 
stigt die  Klarheit  des  Klangs  und  —  bei  dem  vollem  Schall  und  der 
Neigung  der  Bläser  zu  schwellenden  und  abnehmenden  Intonationen  — 
auch  die  Deutlichkeit  des  Tongewebes ,  wogegen  Auseinanderziehn  in 
viele  Stimmen,  wenn  diese  auch  gut  geführt  werden ,  leicht  ein  Durch- 
einander von  Tönen  und  Dumpfheit  des  Zusammenklangs  zur  Folge  hat. 
Manchem  erfahrnem  Setzer  und  Dirigenten  von  Harmoniemusik  (bei 
den  Regimentern)  möchte  selbst  unsre  Behandlung  stellenweis  noch  zu 
wenig  einfach,  noch  überladen  ersehenen. 


152 


Fiinfte  AbtheUag. 

VoUendimg  der  Harmoniemiudk. 

Der  Inhalt  der  jetzigen  Abtheilang  ist  die  Fortsetzung  der  vori- 
gen; wir  überliefern  nach  einander  die  übrigen  Röhre  und  die  sich 
ihnen  ansehliessenden  Schlaginstramente  und  fuhren  sie  allmählich  in 
Verbindung  mit  den  Blechen  zur  vollständigen  Harmoniemusik  zusam- 
men. Die  Scheidung  des  Stoffes  in  zwei  Abtheilungen  mag  dem  Jünger 
ein  Wink  sein ,  nicht  eher  in  die  jetzige  Abtheilung  einzudringen,  als 
bis  er  des  Stoffes  der  vorigen  in  Kenntniss  und  Behandlung  mächtig 
geworden.  Es  lässt  sich  mit  diesem  Stoffe  gar  viel  ausrichten,  mancher 
erfreuliche  und  selbst  gehaltreiche  Satz  bilden. 


Erster  Abschnitt 
Kenntniss  der  Oboe  und  Flöte. 

A.  Die  Oboe. 

Die  Oboe  ist  bekanntlich  ein  der  Klarinette  ähnlich  gebautes  Rohr- 
instrument ;  nur  ist  das  Rohr  kürzer,  Rohr  und  Schallbecher  sind  enger 
und  das  Mundstück  wird  von  zwei  an  einander  gebimdnen  Blättern  ge- 
bildet. Sie  hat  einen  Tonumfang  von  — 

chromatisch  bis     d!  auch  J:  nnd    X 

^  -r-  T  1 ^:r= 

»*8  gC_4-j--^=i---^:-EE^E^EE^E^ 


Das  kleine  k  ist  erst  in  neuerer  Zeit  den  Oboen  gegeben  worden. 
Einige  Instrumente  haben  auch  noch  klein  6;  doch  kann  man  nicht 
überall  darauf  rechnen,  thut  also  besser,  sich  seiner  zu  enthalten.  Die 
höchsten  Töne,  das  dreigestrichne  e  unij,  sprechen  nicht  bequem  an ; 
man  thut  also,  wenn  man  sich  ihrer  überhaupt  bedienen  will,  wohl,  sie, 
besonders  das/,  nicht  frei  einsetzen  zu  lassen ,  sondern  auf  sie  hinzu- 
führen. Das  tiefste  (eingestrichne)^  intonirt  auf  vielen  Oboen  zu  tief; 
der  Bläser  kann  mit  der  Zunge  nachhelfen ,  jedoch  nur  bei  langsamerer 
Tonfolge.  In  schnellerer  Bewegung  sollte  man  daher  wenigstens  nicht 
bei  zartem  oder  besonders  hervortretenden  Stellen  dieses  ßs  als  we- 
sentlichen und  hervorstechenden  Ton  setzen. 


t&3 


Innerhalb  dieses  Tongebiets  nnn  und  abgesebn  vi^n  den  schon  be- 
merkten Schwierigkeiten  ist  die  Oboe  fähig,  jeden  Ton  sicher  einzu- 
setzen, anszuhaiten,  anschwellen  und  abnehmen  zu  lassen,  oder  schnell 
hinter  einander  zu  wiederholen.  Besonders  leicht  erfolgt  die  Tonan- 
sprache in  diesem  Tonraume,  — 


159 


3; 


4 


und  noch  leichter  und  bequemer  .^^ 


:t=^ 


während  die  höhern  und  tiefern  Töne  schwerer  und  ungefüger  erschei- 
nen, namentlich  die  tiefern  Töne  (A,  e,  d)  kein  solches  Piano  und  Ab- 
nehmen bis  in  das  Pianissimo  gewähren,  wie  die  mittlem. 

Im  bequemem  Tongebiet  ist  die  Oboe  aller  Arten  von  Tonfolgen 
mächtig,  kann  diatonische  Läufer  und  Arpeggien  schnell,  auch  chroma- 
tische Gänge  mit  Geläufigkeit  hervorbringen,  auch  grosse  Sprünge 
sicher  intoniren,  nicht  aber  weit  entlegne  Töne  gut  binden.  Auch  Tril- 
ler stehn  ihr  zu  Gebote ;  nur  diese  — 


160 


•le 


und  die  noch  hohem  sind  unausführbar,  und  die  folgenden  — 


IM 


^^^^ 


^^^m 


sind  schwer ;  das  letztere  gilt  auch  von  der  Bindung  der  tiefsten  Töne, 
wie  hier  — 


162 


bei  a.,  sowie  weiter  Intervalle,  wie  oben  bei  b.,  und  des  zweigeslrich- 
nenßs-a^  während  im  Staccato  alle  Tonfiguren,  wofern  sie  nicht  (wie 
bei  d.)  in  den  höchsten  Regionen  liegen,  bequemer  erlangt  werden. 

Endlich  ist  noch  eine  Eigenlhümlichkeit  der  Oboe  nicht  aus  dem 
Ange  zn  lassen.  Der  Oboebläser  braucht  nämlich ,  im  Gegensatz  zu 
andern  Bläsern,  zu  seinen  Intonationen  nur  sehr  wenig  Luft ,  muss  da- 
her die  nicht  zu  verwendende  Lufl  ausathmen  und  hierzu  das  Rohr  aus 
dem  Munde  nehmen.  Dies  kommt  dabei  ans  der  Lage  und  muss  jedes^ 
mal  beim  Athemholen  erst  wieder  mundrecht  gesetzt  werden.  Man 
thut  daher  wohl,  der  Oboe  nicht  zu  lange  Polgen  gehaltner  und  ge- 
bundner  Töne  zu  geben,  vielmehr  ihre  Kantilene  durch  Pausen  (wenn 
auch  nur  kleinere)  gelegnen  Orts  zu  unterbrechen,  oder  sie  wenigstens 


154 

aus  nicht  za  langen  Abschnitten  und  Gliedern  zn  bilden,  zwischen 
denen  der  Bläser  ohne  Störnng  absetzen  könne. 

Im  Allgemeinen  sind  der  Oboe  die  Tonarten  bis  zu  zwei  Kreuzen 
und  dreiBeen, —  also  vonZ>dur  oder/^moU  bis  zufi!fdur  oder  CmoU, 

—  die  bequemsten ;  es  versteht  sich  dabei  immer  von  selbst ,  dass  auf 
den  Inhalt  das  Meiste  ankommt,  dass  namentlich  einfache  Sätze  und 
langsamere  Bewegung  auch  in  entlegnen  Tonarten  keine  Schwierigkei- 
ten haben  können. 

Die  Schallkraft  und  der  Klang  der  Oboe  werden  zunächst 
durch  die  enge  Mensur  und  Kurze  des  Rohrs  und  durch  das  als  Mund- 
stück dienende  Doppelblatt  bestimmt.  Bei  der  im  Vergleich  mit  der 
Klarinette  oder  gar  dem  Fagott  geringen  Ausdehnung  der  Luftsäule 
hat  die  im  Mundstück  schon  eintretende  Beengung  des  Luftstrahls  und 
die  Erzitterung  der  beiden  Blätter  einen  weit  hervortretenden  Einfluss 
auf  den  Klang.  Derselbe  verliert  ungleich  mehr  von  dem  Luftartigen 
des  Klarinettklangs  und  wird  körperlicher,  körniger,  gewinnt  auch  eine 
gewisse  eindringliche ,  selbst  im  Piano  noch  einschneidende  Schärfe. 
Diese  hier  Mos  allgemein  bezeichnete  Eigenschaft  nimmt  aber  in  den 
verschiednen  Tongebieten  des  Instruments  einen  wohl  unterscheidbaren 
Karakter  an. 

Die  tiefsten  Töne ,  bis  zum  eingestricbnen  e  oder  /,  sind  hart, 
gleichsam  scharfkantig  und  aufdringlich,  plärrend  und  schnarrend,  dem 
Nasalen  im  Gesang  (den  Nasentönen)  verwandt,  dabei  aber  von  erheb- 
licher Schallkraft.  Dies  gilt  vorzüglich  von  den  zwei  oder  drei  unter- 
sten Stufen,  die  an  Schallkrafl  und  Eindringlichkeit  dem  Klang  der 
Trompete  fast  gleichkommen  und  alle  übrigen  Instrumente  überschreien 
können,  so  weit  sie  auch  von  dem  klaren,  metallisch  glänzenden,  hel- 
denhaften Karakter  jenes  Instruments  fern  bleiben.  Diese  Töne,  beson- 
ders die  tiefsten,  geben  auch  kein  rechtes  Piano  her,  ihr  Karakter  lässt 
sich  nicht  sonderlich  verbergen  oder  ändern.  —  Die  folgenden  Töne 
bis  zum  zweigestrichnen  d  oder  e  mildern  sich  stufen  weis,  bleiben  aber, 
besonders  nach  der  Tiefe  zu,  immer  noch  eckig  irad  scharf  eingreifend. 

—  Von  y*  oder ^,  besonders  von  a  an  verfeinert  sich  nan  der  Klang, 
er  wird  hier,  ohne  seine  Schärfe  aufengeben,  überaus  zart,  des  feinsten 
Ausdrucks  fähig ,  bis  er  endlich  in  der  Höhe ,  besonders  vom  dreige- 
strichnen  d  an ,  wieder  ein  mehr  spitzes  und  weniger  biegsames,  be- 
handlungsfähiges  Wesen  annimmt,  durch  dasselbe  auch  wieder  etwas 
Durchdringendes  erhält,  da»  ihm  in  der  zartem  Region  nicht  eigen  ist. 
Es  lassen  sich  also  ungefShr  folgende  Klangregionen,  •— 


163 


^Ü^iffl^ 


155 


in  imtn  wieder  Tiefe,  Mitte,  Höhe  karakteristiscb  von  einander  treten, 
uniorseheiden ,  wiewohl  durch  sie  alle  hindarch  der  Klang  sein  seharf 
abgeschloaanes,  —  man  möchte  bisweilen  sagen:  sein  preziöses  Wesen 
behält.  Daher  fehlt  der  Oboe  das  Schmelzende,  Flüssige  der  Klari- 
nette ,  sie  ist  spröde ;  nnd  darum  sagen  ihr  lebhafte  and  besonders  weit 
fortgesetzte  Passagen ,  namentlich  schnelle  Arpeggiofiguren  —  wenn- 
gleich sie  sie  technisch  hervorbringen  kann  —  ihrem  innem  Wesen 
nach  nicht  zu.  Feiner,  inniger  Gesang,  zierliche,  kokette  Bewegungen, 
tiefeinschneidende  Accente ,  —  das  ist  es ,  was  sie  besser  als  irgend  ein 
andres  Blasinstrument  vorzubringen  vermag. 

B.  Die  FlAte. 

Die  Flöte  ist  bekanntlich  ein  Rohrinstrument,  das  aus  einem  oben 
geschlossnen  Kopfstücke  mit  dem  Mundloche ,  Mittelstücken  und  einem 
Endstücke  (Puss)  besteht  und  durch  den  unmittelbar  die  innere  Luft- 
säule streifenden  Anhaueh  des  Bläsers  zum  Tönen  gebracht  wird. 

Sie  hat  einen  Tonumfang  von  — 

8  8        8 


164 


i 


chromatisch  bis 


JMisogartj^ 


^fF 


Doch  sind  die  zwei  letzten  Töne  meist  (es  kommt  hier  allerdings  auf 
den  Bau  des  Instruments  und  das  Geschick  des  Bläsers  an)  zu  hart,  als 
dass  ihr  Gebrauch  rathsam  wäre ;  dagegen  spricht  dreigestrichen  b  eben- 
so gut,  wo  nicht  besser  an,  als  dreigestrichen  a. 

Früher  reichte  die  Flöte  nur  bis  zum  eingestrichnencf  hinab  und  ist 
der  <?-Stufe  erst  durch  den  C-Fuss  mächtig  geworden.  Eipige  Flöten 
können  jetzt  sogar  das  kleine  k  geben;  allgemein  kann  man  wohl  nur 
das  eingestrichne  c  fodem. 

Dieses  Instrument  ist  der  schnellsten  und  leichtesten  Bewegung  in 
allen  Arten  von  diatonischen  und  akkordischen  Figuren ,  auch  weiter 
Sprüuge  in  schneller  Bewegung,  z.  B.  dieser  — 


Allcgro.ji    ^    ^    jl 

^   Ji  -*-       --       4-       -H 


t^.^rrftf  U- 


and  ähnlicher,   und  zwar  in  allen  Tonarten,  sowie  auch  schneller 
Tonwiederholung,  z.  B. 

AUegro» 


166 


156 


fähig.  Nor  darf  die  Tonwiederholung  nicht  za  anhaltend  geMert 
werden ,  weil  der  Znngenstoss ,  durch  den  man  sie  bewirkt,  ermifdet* 
Anch  Sprünge  in  langen ,  grossen  Bogen  und  Arpeggien  von  grossem 
Umfange  sind  wegen  der  für  sie  nöthigen  Lippenänderong  schwer  ans» 
fuhrbar  oder  ermüdend. 

.  Triller  gelingen,  besonders  in  der  zweigestriehnenOktaye,  —  und 
in  der  dreigestrichnen  bis  zu  e*)  oievßs,  leicht.  Dagegen  wäre  die 
Tonfolge  des  Dominantakkordes  auf  6,  wie  z.  B.  hier  — 


bei  a. ,  sowie  die  Bindung  der  bei  b.  angegebnen  Terzen,  besonders  in 
schneller  Folge,  nicht  bequem. 

Am  günstigsten  sind  der  Flöte  die  Tonarten  C-,  6?-,  2>-,  A-  und 
Fdur  nebst  ihren  Parallelen;  in  den  mit  mehr  als  einem  Be  vorgezeich- 
neten Tonarten  ist  der  Klang  des  Instruments  weicher,  in  den  Kreuz- 
tonarten heller« 

Die  Schallkraft  des  Instruments  ist  in  der  Tiefe,  bis  etwa  zum 
eingestrichuen  a  oder  zweigestrichnen  cü^  sehr  gering,  der  Klang  ist 
hier  sehr  sanft  und  luftig,  aber  hohl  und  matt,  gleichsam  verblasst,  wie 
der  sogenannte  blaue  Himmel  in  den  nördlichem  Breiten.  Von  da,  bis 
zu  dem  dreigestrichnen  eis  oder  d^  erhöht  sich  die  Schallkraft,  der 
Klang  bleibt  sanft  und  mild,  wird  aber  etwas  fester,  —  bis  weiter  nach 
der  Höhe  die  Kraft  des  Instruments  zunimmt  und  der  Klang  heller,  end- 
lich grell  und  etwas  hart  wird ,  obwohl  er  nie  die  durchgellende  Kraft 
der  gleich  hohen  Klarinetttöne  erlangt.  Auch  auf  diesem  Instrument 
unterscheiden  sich  also  die  drei  Tonregionen,  die  man  so  — 


168 


i 


"^ 


:t: 


^ 


S3= 


s^i 


:t=::|: 


i^ 


umschreiben  könnte.  Selbst  das  hat  die  Flöte  mit  den  andern  Instru- 
menten gemein,  dass  ihre  tiefsten  Töne  einer  gewissen  Verstärkung 
fähig  sind ;  sie  bleiben  aber  doch  hohl  und  weit  unter  der  Schallkraft 
der  tiefsten  Klarinett-  und  Oboetöne. 

Im  Ganzen  herrscht  in  der  Flöte  Luftklang,  —  man  könnte  ihren 
Karakter  der  himmel-  oder  blassblauen  Farbe  vergleichen ;  dies  ist  der 
unmittelbare  Ausdruck  ihres  Wesens  und  Baues ,  da  ihre  Luftsäule  im 


*)  Auf  neuem  FlSten  ist  dts  dreigestriehne  e  nicht  ganz  rein,  sondern  etwas 
ZQ  tief;  daher  wird  der  Triller  oft  nicht  ganz  rein  gelingen,  anch  im  Pianissimo 
der  Fehler  des  lostrunents  bemerkt  werden,  wlhreod  beim  Ansebwellen  oder  Forte 
der  Bläser  im  Stande  ist,  den  Ton  rein  darzosUlien. 


157     

Vergleich  zu  ihrer  Länge  mehr  Weite  hat.  als  die  der  Klarinette  —  und 
viel  mehr  als  die  der  Oboe ,  aach  kein  den  Athem  zusammenfassendes 
Mundstück  oder  ihn  materialisirendes  Blatt  oder  Doppelblatt  einwirkt, 
sondern  der  reine  Anhauch  den  Ton  erweckt,  Luft  unmittelbar  auf  Luft 
wirkt.  Dieser  Luftklang  ist  glatt,  weich ,  auch  hell,  —  aber  ohne  Fär- 
bung, ohne  Leidenschaftlichkeit  oder  Erwärmung,  die  erst  aus  dem 
Zusammentreffen  verschiedner  und  einander  widersprechender  Ele- 
mente hervorgeht.  Auch  fehlt  ihr  natürlich  jener  romantische,  fern- 
hin und  gleichsam  von  fern  herüber  tönende  Klang,  den  das  Waldhorn 
vorzüglich  der  Form  seines  Rohrs  und  der  Erweiterung  seiner  Luftsäule 
von  dem  engen  Mqndstück  bis  zu  dem  sehr  weiten  Schalltrichter  ver- 
dankt. Heitre,  leichte,  kindliche  Weisen  sind  es,  die  der  Flöte  zu- 
nächst zusagen ;  was  sie  im  Verein  mit  andern  Organen  werden  kann, 
davon  ist  späterhin  zu  reden. 

Von  der  Flöte  sind ,  um  höhere  Lagen  mit  Leichtigkeit  und  Kraft 
benutzen  zu  können ,  noch  einige  Nebenarten  in  Anwendung  gebracht 
worden,  die  wir  hier  au&ählen.  Es  ist 

1.  die  Terzflöte, 

eine  kleinere  Flötenart,  deren  Töne  eine  kleine  Terz  höher  erscheinen, 
als  sie  notirt  sind  und  auf  der  gewöhnlichen  Flöte  eintreten  würden, 
z.  B.  die  Noten  bei  a.,  — 

169 


^^^^m^^^ 


SO  wie  bei  b.  geschrieben  ist,  mithin  als/bis  a  aus  der  ein-  bis  dreige- 
strichnen  Oktave.  Die  Tonreihe  der  Terzilöte  beginnt  übrigens  —  den 
Noten  nach  —  mit  dem  eingestrichnen  cf ,  in  der  Wirklichkeit  also  mit 
dem  eingestrichnen/. 

Die  Terzflöte  bat  vermöge  ihres  kurzem  und  engern  Rohrs  här- 
tern, in  der  Höhe  bald  grell  werdenden  Klang,  und  wird  besonders  bei 
starker  Harmoniemnsik  (z.  B.  in  Militairmusikchören)  statt  der  ge- 
wöhnlichen Flöte  gebraucht,  deren  Schallkraft  hier  nicht  ausreichen 
würde.  Im  grossen  Orchester  ist  sie  unsers  Wissens  selten  (vonHaydn, 
Mozart,  Beethoven  nie,  von  Spohr  in  seiner  ,, Weihe  der  Töne*^) 
gebraucht  worden.  Man  kann  sie  wohl  in  den  meisten  Fällen  hier  ent- 
behren und  thut  dann  gewiss  gut,  nicht  auf  sie  zu  rechnen.  Doch 
wollen  wir  weder  hier  noch  sonst  wo  uns  oder  Andre  zum  Verzicht 
auf  ein  Kunstmittel  verurtheilen,  wenn  dasselbe  zweckgemäss  er- 
scheinet« 


158 


2.  Die  Oktavflöte, 

auch  kleine  Flöie*), ßauto piccolo^  Pikkolflöte  geDannt.  Sie  steht  eine 
Oktave  höher  als  die  gewöhnliche  Flöte  und  intonirt  auch  ihre  Noten 
eine  Oktave  höher.  Ihr  Tonumfang  geht  —  den  Noten  nach  —  vom 
eiugestrichnen  d  bis  zum  dreigestrichnen  a  oder  b,  also  ^ 


Sva 


170 


j^ 


=tn: 


fc^rgdfe^ 


auch   \iß 


:ir. 


in  der  Wirklichkeit  aber  vom  zweigestrichnen  d 

-     8va 


171 


m 


i=g 


=t: 


4 


I 


t 


bis  in  die  viergestricbne  Oktave.  Ihr  Klang  ist  bei  der  Kürze  und 
Enge  des  Rohrs  knapp  und  im  Vergleich  zu  der  grossen  Flöte  hart  oder 
doch  herb;  in  der  Höhe  wird  er,  besonders  in  der  dritten  der  oben 
angedeuteten  Tonregionen ,  sehr  grell  und  schneidend  eindringlich.  In 
der  ersten  Oktave  (in  der  ersten  der  oben  abgezweigten  Regionen)  da- 
gegen ist  die  Schallkraft  zu  gering  und  der  Klang  daher  Verblasen. 
Sie  hat  sowohl  in  der  Harmoniemusik  wie  im  Orchester  ihre  Stelle 
gefunden  und  ist  an  beiden  Orten  unentbehrlich. 

Ausschliesslich  dagegen  der  Militairmusik  eigen  ist 

3.  die  Es'FlöU 
oder  Nonenflöte,  deren  Töne  eine  kleine  None  höher  ansprechen,  ab 
sie  geschrieben  werden,  also  die  Noten  — 


172 


und 


^m 


^^^ 


i 


4.   die  F-Flöte 


oder  Oktavterzflöte,  deren  Töne  eine  kleine  Dezime  höber  ansprechen, 
also  die  Noten  — 


17a 


^ 


^ 


=1= 


it 


=fc 


Alle  diese  Flötenarten  werden  im  Allgemeinen  behandelt  wie  die 
grosse  Flöte.    Nur  sind  wegen  der  Kleinheit  des  Mundlochs  und  der 


*)  Im  Gegeotatxe  zn  des  kleioero  FlStenarten  beiast  die  gewöboUche  FtöU 
,^die  grosse*',  —  oder  aacb  vorzagsweise  (im  Geseosatz  zu  den  andern  Blasinstni- 
meoteo ,  obgleieb  alle  kleinen  Flöten  denselben  Namen  in  Aosprncb  nebmen  könn- 
ten) Qaerflöte,  Fiäte  traüeriiere.  Wird  in  einer  Parlitar  Flöte  (Fiauto)  ebne  Zo- 
salz  vorgescbrieben,  so  ist  stets  die  grosse  gemeint. 


—   lö»   — 

engern'Lage  der  Tonlöcber  die  Griffe  sowohl  wie  die  Intonation  (der 
Ansatz;  rembouchure)  schwerer  und  weniger  heqaem;  besonders 
fallen  den  Oktav-  und  noch  kleinem  Flöten  sehr  schnelle  Tonfiguren 
in  Tonarten  mit  mehr  als  vier  Kreuzen  und  mehr  als  drei  Been  ^  ferner 
chromatische  Läufer  und  Triller,  vornehmlich  diese,  — 

^& 

_^ tr    _^ tr x-I?L.  — -F^ 


174 


schwer.  Aus  denselben  Gründen  sind  den  kleinen  Flöten,  namentlich 
der  Pikkolflöte,  auch  die  stark  vlorgezeichneten Tonarten  schwerer;  am 
bequemsten  ist  Z>dur  (i/moll),  6?-,  C-  und  Finr  mit  ihren  Parallelen. 
Je  höher  übrigens  die  Stimmung,  desto  schwerer  spricht  die  Höhe  an; 
schon  die  Pikkolflöte  sollte  nicht  über  dreigestrichen  ^,  höchstens  a 
(in  Noten)  geführt  werden*). 


Zweiter  Abschnitt 
Verein  von  FlMen  mit  Klarinetten,  Fagotten  und  Hörnern. 

Für  unsre  letzten  Aufgaben  hatten  wir  ein  Orchester  von  Kla- 
rinetten ,  Hörnern  und  Fagotten  mit  Kontrafagott  zusammengebracht. 
Der  Trompeten  und  Pauken  enthielten  wir  uns,  weil  der  Chor  der 
Rohrinstrumente  noch  nicht  stark  genug  besetzt  war;  der  Posaunen 
theils  aus  diesem  Grunde,  theiis  weil  die  Oberstimmen  (abgesehn  von 
den  tonarmen  Trompeten)  nur  von  Klarinetten  besetzt,  mithin  im  ent- 
schiedensten Nachtheil  gegen  die  Unterstimmen  waren.  Es  soll  übri- 
gens damit  nicht  in  Abrede  gestellt  werden ,  dass  auch  zu  jenen  Auf- 
gaben Trompeten  und  Posaunen  hätten  zugezogen  werden  können ;  wir 
konnten  uns  ja  die  Klarinettstimmen  vielfach  besetzt  denken ,  oder  statt 
zwei  oder  drei  Klarineltpartien  vier  oder  fünf  schreiben.  Nur  würde 
dann  wieder  die  eiue  Instrumentart  auf  geistlose  Weise  das  Ueber- 
gewicht  über  jede  andre  erhalten  haben,  der  Klarinettklang  hätte  die 
Eigenthümlichkeit  der  andern  Instrumente  überdeckt. 

Jetzt  stehn  uns  noch  andre  Instrumente  für  die  Oberstimmen  zu 
Gebote;   wir  ziehn  sie  nach  und  nach  in  unsern  Chor.    Indem   wir 


*)  Froher  httte  mtn  grossere,  eioe  Qainte  tiefer  steheode  Flöteo,  die  io  unse- 
rer Zeit  (wo  man  oft  von  neoen  —  oder  vergessnen  tlten  —  ond  gehtoften  Mittein 
neae  „Effekte"  hoift)  anter  dem  Namen  Pantnlon  wieder  zom  Vorschein  ge- 
l^ommen. 


160 


Schritt  für  Schritt  vorwärts  gehn ,  knäplt  sich  eine  Reihe  von  kieinerä 
and  grossem  Versuchen  und  Aufgaben  an.  Die  erste  Stufe  bildet  der 
Zutritt  der  Flöten ,  die  sich  den  bis  jetzt  von  uns  gebrauchten  Rohrin- 
strumenten ziuiäcbst  anschliessen. 

Die  FJöle  hat  vermöge  ihres  Luftklangs  Verwandtschaft  mit  Kla- 
rinette und  Hörn,  besonders  mit  der  Klarinette;  die  Sanftheit  und  Run- 
dung ihres  Schalls  giebt  ihr  eine  gewisse  Beziehung  zum  Pagott,  ob- 
gleich dieses  Instrument  dunklern ,  schattigem  Klang  hat  und  in  der 
hohen  Tonlage  eine  Leidenschaftlichkeit  annimmt,  die  weder  der  Stärke 
noch  der  Art  ihres  gepressten  Ausdrucks  nach  in  der  Flöte  vorhanden 
ist.  Am  nächsten  steht,  wie  gesagt,  die  Flöte  der  Klarinette,  wird 
aber  von  dieser  durch  Fülle  und  Kraft  des  Schalles,  durch  die  Macht 
weit  stärkern  Anschwellens ,  durch  Wärme ,  Leidenschaftlichkeit  und 
Ueppigkeit  des  ganzen  Ausdmcks  weit  überboten.  So  zeigen  sich  auch 
hier  wieder  (S.  117)  Beziehungen  und  Unterschiede  unter  den  ver- 
schiednen  Instmmentarten.  Wir  können  Flöten  und  Klarinetten  als  die 
einander  nächststehenden  Instramente ,  —  Flöten  und  Fagotte  als  ähn- 
liche, besonders  gleich  sanfte  Organe,  —  allenfalls  Flöten  und  Homer 
vermöge  des  Luftartigen  in  ihrem  Klange  verbinden ;  wir  werden  Flö- 
ten ,  Klarinetten  und  Fagotte  vereinen  und  den  Abstand  der  äussersten 
Instrumente  durch  die  Klarinetten  vermittelt,  die  üppige  Kraft  der  Kla- 
rinetten von  den  stillen  Fagotten  und  kühlem  Flöten  umhüllt  und  ge- 
dämpft sehn ;  auch  Flöten  und  Hörner  werden  durch  den  Zutritt  der 
Klarinetten  besser  verschmelzen. 

Ein  Fall,  wie  geschaffen,  um  unsrer  Auffassung  als  Beispiel  zu 
dienen,  findet  sich  in  Beethoven's  Ouvertüre  zum  Fidelio,  gegen  das 
Ende*).  Hier  — 


175 


Flöte. 


Adagio 


\-Klari  netten 


E-Höraer. 


Fagott. 


*)  S.  32  der  Pariser  Partitur. 


161 


treten  zwei  HSmer  auf,  denen  sich  als  Oberstimme  eine  RIarineUe 
(S.  140)  zugesellt  Die  Klarinetlmelodie  wird  von  der  Flöte,  also 
vom  verwandtesten  Instrnment,  anfgefasst  und  in  die  Höhe  gefuhrt,  in 
welcher  die  Klarinette  nicht  sanft  und  leicht  genug  ansprechen  würde; 
die  Homer  begleiten  die  Flöte,  wie  zuvor  die  Klarinette.  Nun  senkt 
sich  die  Komposition  in  die  dunklere  Unterdominante  und  die  Klarinet* 
ten  nehmen  den  Satz  der  Hörner.  Hier  tritt  das  dunklere  Fagott  mit 
dem  Gegensatz  auf,  wie  vorher  die  Klarinette.  Es  wird  fortgesetzt  von 
dem  Violoncell  und  damit  (wie  wir  später  bei  der  Lehre  vom  Streich- 
quartett erkennen  werden)  in  das  Materiellere  und  Dunklere  geflibrt,  wie 
zuvor  die  Klarinette  durch  die  luftartigere  Flöte  in  das  Hellere  und  Stoff- 
leichtere*). 

Es  tritt  aber  noch  ein  besondres  Verbältniss  hervor,  das  wohl  be- 
achtet werden  muss. 

Die  Flöte  hat  —  abgesehn  von  den  ihr  mangelnden  Tönen  der 
kleinen  Oktave  —  dieselbe  Tonreihe  mit  der  Klarinette.  Allein  ihre 
eingestrichne  Oktave  ist  so  matt  und  verblasen ,  dass  sie  unmöglich  mit 
denselben  Tönen  der  Klarinette  gleichen  Rang  behaupten  kann;  ihre 
zweigestrichne  Oktave  wird  zwar  stärker,  bleibt  aber  wieder  hinter 
der  durchdringenden  Kraft  derselben  Tonreihe  auf  der  Klarinette  zu- 
rück ;  —  sie  steht  ungefähr  in  gleicher  Macht  mit  der  eingestrichnen 
Oktave  der  Klarinette.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  der  dreigestrichnen 
Oktave  der  Flöte ;  sie  hat  ungefähr  gleiche  Macht  mit  der  zweigestrich- 
nen  Oktave  der  Klarinette.  Diese  Notenreihen  — 


Flöte. 


*)  Dass  die  Instromeate,  nameBtlieh  Rlarioette,  Flöte  und  Fagott ,  zogleieh  io 
den  günstigsten  Lagen  auftreten,  ist  gewiss ;  man  darf  aber  nicht  hierin  den  ersten 
Bestimmangsgrnnd  für  die  Romposition  Sachen^  denn  er  würde  sich  sogleich  als 
■ieht  durchgreifend  erweisen  lassen.  Abgesehn  von  den  mSglieherweise  einzumi- 
schenden Streichinstrumenten  könnten  in  Rücksicht  auf  die  Tonlagen  statt  der  Ria- 
rinetten  Oboen  und  statt  des  Fagotts  ein  Waldhorn  genommen  werden. 

Marx,  Komp.  L.  IV.  S.Aofl.  11 


l«fi 


zeigen ,  welche  Tonregionea  in  beiden  Instramenten  einander  an  Kraft 
und  Helligkeit  des  Klangs  am  besten  enfsprechen. 

Diese  Betrachtung  giebt  einen  wichtigen  Grundsatz  für  die 
Behandlung  der  Flöte  an  die  Hand:  wir  mässen  sie  eine  Ok- 
tave höher  setzen  als  die  Klarinette ,  wenn  wir  gleiche  Wirkung  von 
ihr  begehren,  —  wir  müssen 

die  Flöte  so  ans«fan,  alsständ*  sie  im  Vierfnsl- 
ton  gegen  die  Klarinette, 
obgleich  dies  im  Grunde  nicht  der  Fall  ist.  Nun  treten  also  für  diese 
lostrumente  dieselben  Grundsätze  in  Auweuduog ,  die  wir  für  alle  Or* 
gane  verschiedner  Tonregion,  Bir  männliche  und  weibliche  Stimmen 
(S.  115,  Anm.),  für  Trompeten  nnd  Hörner  (S.  114,  Anm.)  u.  s.  w. 
gefunden  haben. 

Wollen  wir  also  irgend  einen  Satz  von  Klarinellea  und  FlSlen  in 
der  Verdopplung  vortragen  lassen,  so  darf  dieselbe  nicht,  nach  flem 
Vorschlag  eines  neuem  Lehrers,  im  Einklänge,  wie  hier  bei  a.,  oder 
wie  bei  b.,  — 


177 
FUtiti. 


Clariuetti  in  B. 


^i^i 


^^m^ 


^ 


sie  muss  in  Oktaven 

178 
Flötea. 


A-Klariaetten. 


^^^# 


-4- 


geschehn.  Erst  hier  wirken  die  Flöten  (freilich  immer  nach  ihrem  Ver- 
mögen und  in  ihrer  Weise)  mit  gleicher  Frische  und  Eindringlichkeit 
wie  die  Klarinetten ,  steigern  also ,  was  diese  auszusprechen  haben ,  in 
der  angemessensten  und  in  einer  durchaus  kräftigen  Ameise.  Ebenso 
müsste  ein  Gang  oder  Satz,  den  die  Flöten  von  den  Klarinetten  aufneh- 
men und  weiter  führen  sollten,  nioiitin  derselben  Tonregion,  — 

Flöten. 


A->Kliiriaetten. 


163 


sondern  in  der  höhern  Oktave  — 


180 
Fldten. 


A-Klarinelten. 


*im  s 


^^^^^^m 


^^^5iSS-£S 


inlonirt  werden.  Hier  treten  jedoch  (wie  wir  schon  S.  1 16  bei  Sbnli- 
chem  Afilass  bemerke  müssten)  dann  Abweichungen  ein ,  wenn  die 
wirkliche  Portfähning  (z.  B.  in  diatoiiisdien  und  chromatisciien  Gängen 
die  Fortführung  einer  Tonleiter)  in  der  Idfee  des  Kunstwerks  uothwen- 
dig  and  auf  ein  und  demselben  Instrumente  nicht  darstellbar  ist.  So  ist 
in  diesem  Satze  — 


181 
Flöten. 


Imo 


A-Klariuefleit, 


■M^^^^^^^m 


weder  die  Hinaufführung  der  Rlatinelte  bis  zum  dreigestrichnen  e  (er- 
tönt als  eis),  noch  die  Erhöhung  der  Flöte  in  die  drei-  und  vierg^- 
strichne  Oktave  rathsam  und  ausführbar;  der  Gedanke  des  Komponisteli 
lässt  sich  auf  den  vorgeschriebnen  Insiramenten  nicht  anders,  als  oben 
geschehn,  ausfuhren. 

Wir  kehren  von  diesem  Falle,  wo  die  Nothwendigkeit  uns  zwang, 
von  utiseTm  %bfgen  Grundsatze  (S.  162)  abzugehn ,  auf  den  ersten 
Fall  (Ifr.  177)  zurück. . Wurde  so  gesetzt,  was  wäre  die  Folge?  Die 
Flöten  würdea  das,  was  die  Klarinetten  volltönend  und  hell  veraehmeti 
lassen,  in  matten,  verblasnen  Tön^n  geben.  Diese  Töne  Würdea  also 
den  KIarin«ttklang  nicht  etwa  stärken  und  erhöhn ,  sondern  mit  ihrem 
hohlen  Wesen  gleichsam  einhüllen  und  schwächen;  die  vereintet! 
lostrameate  würden  iveniger  stark  und  volltönend  wirken,  als  die 
Rlarinetteik  allein.  Es  muss  also  wie  in  Nr.  178  gesetzt  werden,  wenn 
der  Zatritt  der  Flötea  den  Satz  wirklich  verstärken  und  nicht  schwä- 
chen soll. 

Idoch  dnmdfl  Zeigen  wir  dieses  Verbältniss  der  Flöten  —  ihren 
Registerstand  gleichsam  —  zo  den  andern  Instrutnenten  an  der  bekann- 
ten  anmuthig  süssen  Stelle  im  zweiten  Theil  der  Zauberflöten-Ouver- 
türe. Mozart  hat  hier  sein  reizvolles  Spiel  mit  dem  Hauptmotiv  des 
Fugentbema's  und  dnlerbvicht  die  witrai^tnde  Hast  dieser  Sätzchen 
darch  denjenigen  Gang,  atfden  M-niSs  afukMH»^  Hier  -^ 


164 


182 
Flöte  I. 

Oboe  I. 
Fagott  I. 

Violine  I. 


Violine  H. 


Bratsche. 


m 


Allegro. 


^ 


££ 


Pf/       p     »f 


steht  der  ganze  Satz.  Betrachten  wir  das  Fagott  als  tenorisirendes  In* 
striunent,  in  dem  Register  der  Mäonerstimmen  stehend :  so  würde  ein 
diskantisirendes  Instrument,  z.  B.  Oboe  oder  Klarinette,  den  Fagott- 
gang  in  dieser  Tonlage  — 


i«3p  j^diß^ 


1«5 


(Dämlieh  der  Diskantlage)  haben  begleiten  miissen.  Dies  bewährt  Mo- 
zart auch  an  derselben  Stelle,  wo  er  zum  Sehluss  derselben  an  der 
Stelle  der  Flöten  KUrinetten  einsetzt  und  nun  Flöten  und  Fagotte  — 


184 
Flöten. 


B-Klurinetten.  < 


Fagotte. 

zutreten ,  die  Fagotte  (gleich  den  Männerstimmen)  eine  Oktave  tiefer 
als  die  diskantisirenden  Klarinetten,  die  Flöten  eine  Oktave  höher, 
gleichsam  als  Klarinetten  im  Vierfusslon. 

Fassen  wir  nun  diese  Betrachtungen  zusammen ,  so  ergeben  sich 
aus  ihnen  zunächst  drei  sehr  wichtige  Lehren. 

Erstens. 

Die  Flöten  wirken  nur  eine  Oktave  höher  als  die  Klarinetten  mit 
einer  diesen  angemessnen  Kraft. 

Zweitens. 
Sie  können  bei  ihrem  Zusammentritt  mit  Klarinetten  und  Fagotten 
in  der  Regel  als  Verdopplung  der  Klarinetten  in  der  höhern  Oktave  — 
and  die  Klarinetten  als  die  eigentlich  wesentlichen  (realen)  Stimmen, — 
folglich  Klarinetten  und  Fagotte  als  der  eigentliche  Kern  des  Satzes 
(daher  wir  auch  den  Satz  für  Rohrinstrumente  S.  128  mit  ihnen  aus- 
schliesslich begonnen  haben)  und  Flöten  als  blosser  Zusatz  zur  Ver- 
stärkung, Füllung  u.  s.  w.  angesehn  werden*).  Die  Melodie  des  Sätz- 
chens Nr.  184  ist  also  nicht  etwa  so  — 


zu  fassen,  sondern  so,  wie  sie  in  der  Klarinettstimme  steht;  so  ist  sie 
zuvor  (Nr.  182)  dagewesen  und  so ,  auf  dem  eingestrichnen  es  schlies- 
send,  wird  sie  von  den  Violinen  auf  demselben  Ton  aufgefasst  und  weiter 
geführt.  Diese  Auffassung  leidet,  wie  jede  Regel,  ihre  Ausnahmen, 
wird  sich  aber  als  leitender  Grundsatz  nützlich  erweisen.  Sie  bezeich- 
net dem  angehenden  Tonsetzer  sogleich  den  Mittelpunkt,  von  dem  aus 
die  Stimmen  gesetzt  und  beurtheilt  sein  wollen.  Es  ist  die  mittlere  Lage 
(man  denke  an  das  vorlängst  Tb.  I.  S.  137  aufgefundne  Gesetz)  des 
Tonsfstems,  der  von  der  Natur  des  Tonwesens  seihst  bezeichnete  Sam- 


♦)  Vergl.  S.  169. 


166 


meljpaiikt  und  Kern  der  Harnonie,  den  er  in  der  Regel  zuerst  bede»-« 
ken  nnd  besetzen  nnd  am  kräftigsteo  befestigen  muss. 

Drittens 
erkennen  wir  hier  zum  ersten  Male*),  dass  nicht  jeder  Zutritt  neuer 
Organe  Verstärkung  ist.  Treten  schwache  Stimmen  zu  starken ,  z.  B. 
Flöten  mit  ihrem  matten  Tonregister  zu  Klarinetten  in  der  heilem 
Tonlage,  wie  in  Nr.  177 :  so  bat  sich  freilich  die  Zahl  dar  Stimmen  und 
die  Schallmasse  —  die  Hasse  der  hl^rbar  sohwingendep  Luft  —  un- 
leugbar vermehrt.  Aber  der  hellere  Klang  des  kräftig  wiiikenden  Instru- 
ments wird  durch  den  matten  Klang  des  schwachen  odet  in  schwacher 
Wirkung  zutretenden  umhällt  und  gedämpft.  So  wird,  um  ein  Gleich- 
niss  zu  gebrauchen,  die  Masse  des  Schwertes,  wenn  itian  es  in  seine 
Scheide  steckt,  allerdings  vermehrt,  die  Schlagkraft  und  Schärfe 
der  Klinge  aber  verminde;rt  oder  ganz  aufgehoben« 

Dass  diese  dritte  Lehre ,  die  wir  dem  Zutritt  der  Flöten  zu  den 
Klarinetten  verdanken,  sich  nicht  aiif  den  einen  Fall  beschränkt,  son- 
dern noch  vielfache  Anwendung  zulässt,  erkennt  Jeder  im  Vqraus«  Wii^ 
wollen  sie  gleich  auf  eine  andre  Zusammenstellung  übertragen ,  zu  der 
bald  Gelegenheit  sein  wird ,  auf  die  von  Trompeten  und  Hörnern.  Die 
Trompete  ist  hell,  scharf  eindringend,  schmetternd;  das  Hörn  ist  dumpf 
oder  dunkel,  quellend  rund,  selbst  im  Forte  weit  entfernt  von  der 
Schmetterkraft  der  Trompete,  beiläufig  auch  für  die  der  Trompete  eigen- 
thümlicbe  Sehmetterfigur  (S.  47)  bei  Weitem  weniger  gesohiokt;  Woll- 
ten wir  nun  einen  Trompetensatz  mit  Hörnern  im  Einklang  Verdop- 
z.  B. 


Maestoso 


186 
Trombe  in  B. 


Corni  in  B  alto.' 


m'j^ 


?n 


so  würde  zwar  die  Schallmasse  vermehrt,  die  Schärfe  der  Trompeten 
aber  und  damit  die  EindriagUchkeit  desSajtzesbeetoträcbtigt**),  —  ob^ 
gleich  hier  noch  die  Giedr^ngeiibeit  günstig  einwirkte ,  die  doiyi  Ui^rn- 
klang  in  den  hohen  Stimmungen  eigen  isA.  Eatfernle  man  die  Höraer 
um  eine  Oktave  (nähni^  man  z.  -B.  statt  der  hohen  liefe  A*H<$rner>  oder 
£$-Tramp«ten  und  Es-Üörner)  j.  se  würden  die  Trompeten  wenigsftens 


«)  Versl.S.  POuDd  105. 
**)  Wer  mit  Farbeogebnos    einigertaiassen  Bescbeid   weiss,   stelle   sieb   die 
Wirkung  der  Trompeten  als  Sebarlaebrotb  vor.  Führt  man  über  diese  Farbe  ein 
Blau,  so  ist  stofflich  mehr  Farbe  angewendet;  aber  die  Kraft  der  Liehtfarbe  ist 
gebrochen,  aus  Roth  ist  schattiges  Violett  geworden. 


l«7: 


in  ihrer  eignen  Tonlage  frei  sein«  Am  angehetnmtesten ,  reinsten  and 
krafUgstett  \riirden  sie  wiAen,  am  enei^iscfasttn  wurde  der  Satz  her- 
austreten, wenn  die  Trompeten  allein  gelassen  würden  und  die  Hörner 
ganz  wegblieben.  —  Wj)llle  man  umgekehrt  die  Hörner  (hoch  B)  noch 
enger  den  Trompeten  anschiiessen ,  sollten  sie.  auch  den  Schmetterton 
derselben  mttmaehen ,  so  wurde  damit  die  letzte  Eigenthümlichkeit  der 
Trompeten  durch  die  mindere  Beweglichkeit  der  Hörner  unterdrückt. 

Sehreiten  wir  nunmehr  zu  der  Bildung  von  Sätzen,  ßo  zeigen  sich 
folgende  Weisen  der  Verwendung  für  sie. 

Erstens  können  alle  Bläser  zusammen  harmonische  Massen  bil- 
den. Hier —  , 


187' 
FUiiH. 

CkirinettiUC. 

Corni  in  D. 

F«go<]U. 
CoBtrafa^ffo. 


■^■^^i^iMiä 


SS 


m 


^W^^ 


1^     '      I      t       , 


^^^^M^ 


^^EäE^g^ä 


Stehe  der  erste  Versuch.  Für  die  Tonlage  des  Ganzen,  für. die  etwas 
rauhen  D-Hömer  und  die  hohe  Intonation  der  Flöten  haben  wir  statt 
der  zu  weichen  ^^Klarinetten  die  hartem  in  C  genommen.  Das  zu  weit, 
abliegende  Kontrafagott  musste  mit  dem  zweiten  Pagott  unterstützt  wer- 
den; folglich  war  es  rathsam,  das  erste  Fagott  anth  tiefer  zu  Mtnen, 
um  beide  nicht  zu  trennen.  Nun  war  zwischen  den  Ober-  und  Unter- 
stimmen*  (zwischen  Klarinetten  und  Fagotten)  eine  Leere  entstanden, 
die  zufriedenstellend  ausgefällt  werden  musste ;  dazu  vereinigen  sich 
die  HöTAef  im  Einklang.  Hätlen  wir  bereits  ii^gend  ein  kräftigeres 
Blasinstninient  oder  deren  mehrere ,  so  iäs»  wir  nicht  nöthig  gehabt, 
die  Fagotte  von  den  übrigen  Instrumenten  wegznziehn  und  in  die  — 
ohnehin  für  sie  nicht  günstige  tiefere  Lage  zu  bringen ;  da^Hrürde  der 
Satz  sich  ehcf  so  — 


168 


188 
Flölen. 


G-Klarinciten. 


Fagotte. 


D«Höracr. 


Bhss. 


^^^^^äö 


^j^^44Mf^y 


1^^^^^^ 

S     i 


^^^^ 


M:t5=W 


stellen.  Hier  wird  der  Haaptgedaoke  (in  den  Klarinetten  and  Flöten) 
noch  von  den  Fagotten  in  wirksamer  Tonlage  unterstützt  und  die  Hör- 
ner treten,  ihrem  weithintönenden  Wesen  gemäss,  breit  und  volltönend 
in  die  Mitte.  Bei  dem  zweiten  Einsätze  wird  die  Melodie  vom  zweiten 
Fagott ,  dagegen  die  vom  ersten  Born  libernommne  Mitielstimme  vom 
ersten  unterstützt.  Bei  dem  dritten  Einsätze  verdoppelt  die  zweite  Kla- 
rinette den  Gesang  der  ersten  Flöte ,  die  zweite  Flöte  und  erste  Klari- 
nette werden  Mittelstimmen,  und  beide  Klarinetten  gewinnen  dabei  eine 
bessere  —  nämlich  höhere  und  helltönendere  Lage  und  engern  Zusam- 
menhalt. 

Wollten  wir  endlich  die  weite  Lage  aufgeben ,  so  könnte  der  Satz 
eine  dritte  Stellung  — 


Flötea 


160 


annehmen,  in  der  der  Zusammenklang  durch  die  hohe  Lage  alter  Instru- 
mente und  durch  rierfache  Verdopplung  noch  gekräftigt  wäre,  die  Me*^ 
lodie  ebenfalls  durch  Verdopplung  der  Klarmetten  «nd  Flöten  durch 
B$rner  noch  stärker  betont  würde,  —  freilich  aber  das  Kontrafagott 
zu  seinen  höchsten ,  gezwängt  ansprechenden  Tönen  (um  sie  nur  ein- 
fuhren zu  können ,  haben  wir  eine  Einführung  in  den  ehemaligen  An- 
fang vorausgeschickt)  genöthigt  wäre,  überhaupt  die  vielfache  Verdopp- 
lung und  die  hohe  und  enge  Lage  aller  Instrumente  dem  Ganzen  etwas 
Ctewaltsames  aneignete,  das  in  der  ursprünglichen  Anlage  des  Satzes 
(Nr.  187)  keineswegs  vorbanden  oder  veranlasst  war.  Zum  Schluss 
übernimmt  die  erste  Flöte ,  das  erste  Hörn  zu  verdoppeln ;  Klarinette» 
zweite  Flöte  und  zweites  Hörn  können  für  die  eigentliche  Melodie  um 
so  eher  genügen,  da  nichts  verloren  geht,  wenn  man  wirklieb  zuletzt 
e  statt  d  als  Melodieton  aufTasst. 

Beiläufig  haben  wir  hier  inNr.  189  und  vorher  in  Nr.  188  Fälle  vor 
uns,  wo  (am  Schlüsse)  die  Flöte  nicht  blosse  Verdopplung  der  Klarinette 
ist,  sondern  ihre  eigne  Melodie  geltend  macht,  so  dass  man  diese  und 
nicht  die  Klarinettmelodie  als  Hauptstimme  auflassen  kann*).  Dies  kann 
man  daher  als  Ausnahmen  von  dem  S.  162  ausgesprochnen  Grundsatz 
betrachten.  Wie  wenig  sie  aber  den  Grundsatz  erschüttern,  zeigt  der 
Augenschein.  Es  ist  klar,  dass  der  Gedanke,  —  der  Kern  des  Satzes 
kein  andrer ,  als  dieser  — 
J    I 


190 


^^m^^^m 


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feg^ 


1^^ 


^Em 


::ißo:0i=fci 


^ 


(drei-  oder  vierstimmig  gesetzt,  mit  dieser  oder  der  Schlusswendung 
von  Nr.  187)  gewesen,  und  dass  man  ihn  zunächst  auf  das  Geradeste 
und  Einfachste  hat  aussprechen  lassen,  dann  aber  gelegentlich  die  Kla- 
rinette heller  intoniren ,  oder  die  Schlussharmonie  durch  einen  für  die 
erste  Flöte  hervorgezognen  Toh  in  eine  andre,  höhere  Lage  bringen 
wollen.  —  Diese  zweite  Auffassung,  in  der  die  Flöten  sich  als  wirk- 
liche Melodiefübrer  —  und  dann  also  die  Klarinetten  als  deren  blosse 
tiefer  (in  der  Klarinettregion)  liegende  Unterstützung  —  geltend  machen, 
tritt  dann  besonders  in  ihr  Recht,  wenn  der  Zusammenhang  des  Ganzen 
eine  hochliegende  Melodie  fodert,  oder  wenn  der  Chor  der  Bläser  so 
eng  vereint  ist  und  zugleich  die  Flöten  so  kräftig  eintreten,  dass  man 
die  Bläser  als  eine  ganz  verscbmolzne  Masse  auffassen  und  die  Flöten 
als  herrschende  Stimme  vernehmen  kann.  Das  Letztere  ist  bei  den  va- 

*)  So  wollen  wir  es  uns  aoch  gero  g^falleo  lassen,  weno  ein  nataraüstisch , 
nach  dem  blossen  sinnlichen  Efndrack  Urtbeilender  den  M ozart'scben  Gang  aus 
Nr.  184  —  dareh  den  anziehenden  hoben  Eintritt  der  Flöte  verleitet  —  so  anffasst, 
wie  er  in  Nr.  185  geschrieben  ist.  Dann  wäre  dieselbe  eine  Aasnahme  mehr,  die 
ebensowenig  den  Grundsalz  erschüttern  liönnte. 


170 


ngeo  Säl£«B  wohl  der  Fall,  so  gßmias  aaoh  ihr  Kern  wid  id  Nr.'  ItiO 
.aobufiisseii  ist.  Das  Erstere  würde  von  dem  Salze  Nr.  19%  mUmI 
dann  gelten ^  wennfMasart  derFlö4e  einen  KlafiAettunteraatt  (über 
den  Fa^oU'oder  sjtalt  desselben)  gegeben  hielte';  dean  die  Lage  der 
erfiteaGeifpe  bezeiobnet  die  Melodie  — 


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aLs  eine  hochliegeude,  der  Flötenregion  angebörige. 

Zweitens  haben  wir  nun  noch  mehr,  wie  früher,  Stoff,  den 
Gegensatz  von  grössern  und  kleinern  Massen  darzustellen.  Nr.  189 
giebt  uns  folgendes  Beispiel  an  die  Hand.  — 

192 


Flöten, 


A-IChirinellen. 


D-lI6ra«n       ^ 


Fagotte* 


Kontrafagott« 


T  rrtiEr  HT    ff 


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174 


Stau  der  C^RbyrioelleD-ftibd  die-wcfitbeniiitf-Kl<iriiieUei>  geooaisieii, 
die  Kr  den  saDherB  ZwisdMnsatz.,  vo»  Höroem  und  FagotteniiBtee* 
stiilzt,  geeigneter  sind.  Im  Tatii  (in  der  grössera  liasae)  Werdeo  die 
Klarinetteo  durch  Flöteii  io  der  Hohe  ver4Qp|»eM  ited  d«ireh  die  festgeh 
seblossiie  Masse  der  IKraer  und  Pagolte  getragen ;  diese  mittlere  Lage 
onterstützt  zwar  die  Hauptstimmen ,  ohne  sieh  •  ihnen  jedoch  su  skla- 
visch, Tod  für  Ton,  anzuscbliessen.  Es  haben  sich  —  abgesehn  von 
dem  einfacher  gesetzten  Kontrafagott  —  zwei  zwar  eng  zusammenge- 
hörige, aber  doch  nnterscheid bare  Massen  geMMet;  die  höhere  meio^ 
diefahrende  von  Flöten  und  Klarinetten  '—  und  die  tiefere  harmeoieaa»- 
fiillende  von  Hörnern  und  Fagotten. 

Drittens  haben  wir  nun  erst  genügenden  Stoff,  den  CSegensatz 
von  Höhe  und  Tiefe  in  Massen  darzustellen,  z.  B.  hier,  — 


193 
Flöten. 


A->Kliirin«iteiu 
D-Hörner.      < 

Fagolle. 
KonlcAfagetu 


Andante.' 


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172    

zu  dem  fräber  für  die  höhere  Masse  niehis  ab  Klarinetleii  zo  Gebete 
gestanden  hätten.  Jetzt  haben  wir  ausser  den  Klarinetten  noch  ein 
andres  und  zwar  höher  liegendes  Stimmregister.  Im  vorliegenden  Bei- 
spiel (das  man  sich  als  Fragment,  vielleicht  als  Schluss  eines  grössern 
Satzes  denken  mag)  ist  die  höhere  Masse  von  einem  Fagott,  dann  von 
Fagott  und  Hörn  unterstützt. 

Allerdings  haben  zur  Darstellung  dieses  Gedankens  eigenthüm- 
liehe,  im  Bisherigen  noch  nicht  zur  Sprache  gekommene  Wege  einge- 
schlagen werden  müssen.  In  der  tiefem  Masse  fuhrt  das  erste  Hom 
vermöge  seiner  überlegnen  Schallkrafl  und  der  Anmuth  seines  Klangs 
die  Melodie;  ihm  zunächst  tritt  das  erste  Fagott  mit  seinen  eindring- 
lichen höhern  Tönen ;  beide  Stimmpaare  mischen  sich  so,  dass  der  mu- 
thigere  Hornklang  wohl  die  Melodie  heben  kann,  doch  aber  durch  die 
dumpfer,  gedrängter  hineinredenden  Fagotte  eine  tiefere  Schattirung 
über  das  Ganze  sich  breitet.  Den  reinsten  Gegensatz  hätten  nun  Flöten 
und  Klarinetten  (allenfalls  mit  einem  Hörn ,  wenn  das  Tonvermögen 
desselben  genügt  hätte)  gegeben :  Höhe  und  heller  Luftklang  gegenüber 
der  dunklern  Färbung  und  tiefem  Lage.  Hier  sollte  der  Zutritt  des 
Fagotts  vor  allem  die  Stimmung  des  Anfangs  weiter  klingen  lassen  und 
einheitvoli  durchführen;  dann  durfte  man  auch  durch  den  fremden 
Fagottklang  anreizende  Einmischung  (S.  117)  für  die  ohnehin  zu  gleich- 
formige  höhere  Masse  hoffen.  —  Noch  auffallender  kann  nach  dem  Bis- 
herigen der  Gebrauch  der  Flöten  Takt  3  und  4  sein ;  sie  dienen  als 
Mittelstimmen  zwischen  den  Klarinetten ,  und  zwar  in  ihrer  mattem 
Tonlage.  Allein  —  andre  Instrumente  für  die  Mitlelsämmen  waren 
nicht  vorhanden.  Hätten  wir  die  Melodie  der  Flöte,  die  Mittelstimmen 
aber  den  Klarinetten  geben  wollen ,  so  wäre  dieselbe  entweder  (in  der 
zweigestrichnen  Oktave)  zu  unkräflig  und  besonders  zu  kühl,  zu  wenig 
angeregt  und  anregend  (5.  165)  aufgetreten ,  oder  wir  hätten  sie  zu 
Gunsten  der  Flöte  in  die  höhere  Oktave  legen  müssen.  Aber  dies  so- 
wohl ,  wie  überhaupt  der  Flötenklang  wäre  ihr  und  dem  Zusammen- 
hang des  Ganzen  nicht  angemessen  gewesen.  —  Bei  dem  zweiten  Ein- 
tritt der  höhern  Masse  hebt  sich  die  Melodie,  gleichsam  aus. Takt  3  und 
4  heraus ;  hier  tritt  die  Flöte  wieder  in  ihre  gebührende  Tonlage  und 
wird  melodieffihrend  (also  wieder  eine  Abweichung  von  dem  S.  162 
ausgesprochnen  Grundsatz),  während  die  Klarinetten  als  Mittelslimmen 
dienen. 

Dass  diese  Gegensätze  und  Massen  auf  noch  mannigfaltigere 
Weise  sich  bilden  lassen ,  ist  gewiss.  Wir  hätten  in  Nr.  193  die  tie- 
fere Masse  durch  tiefgelegte  Klarinetten  vergrössern,  die  erste  höhere 
auf  Klarinetten  and  Flöten ,  oder  eine  Klarinette  und  zwei  Flöten  — 


173 


194 
Flöun. 


A-Klnrinette. 


(die  Flöten  worden  freilieb  etwas  Verblasen  klingen),  oder  Klarinetten 
und  ein  Hom  — 


195 
A-Klarinetlen. 


D-Horn. 


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beschränken  können.  Selbst  in  Tattisätzen  mit  verdoppelnden  Stimmen 
(wie  z.  B.  in  Nr.  189  oder  192)  kann  dem  Ganzen  mehr  Leichtigkeit 
nnd  der  Melodie  mehr  Eindringlichkeit  gegeben  werden,  wenn  man 
nnr  die  erste  Flöte  die  Melodie  —  natürlich  in  der  höbern  Oktave  — 
verdoppeln,  die  zweite  schweigen  lässt.  Alle  diese  Besonderheiten 
werden  dem  Darcharbeiten  und  geistigen  Durchhören  des  Jüngers 
überlassen. 


Viertens  endlich  bietet  sich  uns  eine  reichere  Auswahl  bin- 
sichts  des  melodiefiihrenden  Instruments.  Allerdings  wird  hier  im 
Allgemeinen  die  Klarinette ,  besonders  wenn  wir  eine  dritte  als  Prin- 
zipalstimme nehmen  können,  stets  den  Vorzug  behaupten ;  als  Diskant- 
instrument gebührt  er  ihr  vor  den  tieferliegenden,  vermöge  ihrer  über- 
legnen Schallkraft  und  ihres  warmem,  vielseitigem  Ausdrucks  fähi- 
gem Klangs  vor  den  Flöten.  Allein  der  besondre  Sinn  eines  Satzes, 
das  Bedürfniss  hoher  Melodielage,  schon  der  Wunsch,  dem  Ganzen 
Wechsel  und  Mannigfiiltigkeit  zu  geben,  kann  die  Flöte  an  die 
Stelle  der  Klarinette  berufen  oder  beide  abwechseln  lassen.  Aus 
gleichen  Gründen  kann  gelegentlich  einer  tiefem  Mittelstimme,  wie 
hier,  — 


174 


196 
Flanti. 


Clarinelti  üiB. 


Corno  solo     j 
in  Es.  \ 


Fagotti. 
Contrafagotto 


'ikilagro  moderato. 


^ma=t 


^^irrnfr^ 


oder  dem  Basse  — 


197    MwÄtoto; 
Flanti^     ' 


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Clai«iR«tlf  in  B. 


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5^ee:-^hee}jN=l^^s 


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Conti  in  D. 


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FagfTlli  e  Contrafagotto 


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^^^^^^^ 


Contra-F.| 


175    

die  vorbeiTMiieDd» IMofie  öbergeben  werden;  voD'riön  ItitlelstiiBDien 
würde  ▼eraogsweise  das  Hörn  durch  seine Scbalifcraft  und  Kiang^höne 
für  Melodie  geeignet  sdn.  Das  einzelne  Pagott  wäre  meist  zu  schwach ; 
woMte  man  aber  beide  Fagotte  vereinen,  so  bliebe  nur  das  fernliegende 
«d  dumpfe  Kontrafagott  für  den  Bass  tibrig.  -^ 

Dass  übrigens  der  Stimm  *  wie  der  Massenweehsel  nioht  willkäbr- 
lieb,  nacb  Laune  und  ungeordnet  geschehn  darf,  ist  «ehon  aus  der  Form- 
lehre von  selbst  einleuchtend.  Jedes  Instrument  ist  fdr  die  Stimme  einer 
Person  zu  achten,  -<-  eines  Wesens,  das  Selbständigkeit  hat,  das  Recht, 
sich  voll  auszusprechen  und  seiner  Eigenibämlichkeit  nach  zu  behaup- 
ten ;  jede  Instramentmasse  ist  einem  Chor ,  einer  vereinten  Anzahl  von 
Individuen  gleich  zu  achten.  So  wenig  wir  in  irgend  einer  Form  Stim- 
men willkührlich  wegwerfen  dürfen,  so  wenig  darf  es  im  Orchestersalz 
geschehn.  Und  noch  weniger.  Denn  im  Orchester  sind  die  einzelnen 
Instrumente  durch  die  Verschiedenheit  des  Klangs  noch  bestimmter  und 
kenntlicher  von  einander  geschieden ,  als  etwa  die  Stimmen  in  einem 
Klavier-  oder  Orgelsatze;  folglich  wird  jede  leichter« aufgefasst  und 
verfolgt  und  ein  etwaiger  Fehlgriff  oder  Mangel  in  ijirem  Eintreten 
oder  Absetzen  um  so  deutlicher  undemplindlicher  bemerkt.  Hier  haben 
also  unsre  längst  beobachteten  Regeln  über  den  Eintritt  und  das  Aus- 
scheiden der  Stimmen  doppelten  Angprucb  auf  Geltung. 


Dritter  Abschnitt. 
Zutritt  4er  ObMii. 

Bei  den  Versuchen  des  vorigen  Abschnitts  wurden  unsrer  Blas- 
barmonie  Flöten  zugesellt,  weit'^iiese  den. Klarinetten  am  ähnlichsten 
und  darmn  :zur  inniigstfen  Verschmelznng  nat  ihnen  am  geschicktesten 
sind.  So  gewiss  das  wahr  ist,  so  liegt  doch  eben  in  dbr  Aehnlichkeit 
beider  Instrumeatarten  eine  gewisse  Eptönigkeit,  die  leicht  Mattig- 
keit zur  Folge  haben  kann.  Klarinetten  uiid  Flöten  sind  dem  Klange 
nach  zu  ähnlich,  als  dass  sie  sich  als  verscfaiedne  Stimmen  deutlich  auf- 
fassen Hessen  ^  die  letztern  sind  ^—  wo  man  sie  nach  ihrer  nächsllie- 
genden  Bestimmung  behandelt  —  gewissermassen  nur  Wiederholung 
der  erstem  in  der  böhern  Oktave.        , 

Anders  stellt  sich  das  Verhältniss  zu  den  Oboen. 

Die  Oboe  ist  mit  ihrem  scharfgeschnittnen ,  spröden,  in  der  Tiefe 
bärtlich  und  herb,  in  der  Höhe  fein  eindringenden  Klang  von  allen 
uns  bis  jetzt  zugänglichen  Instrumenten ,  namentlich  von  dem  üppig 
sobwellenden  Klang  der  Klarinetten,  und  noch  mehr  von  den  Flöten  in 
ihrer  weichen,  runden,  kahlen  Klangweise  durchaus  geschieden.  Durch 


176 


sie  kommt  in  deo  bisher  za  gleichartigen  Zusammeokkng  das  eine 
flnemde,  nicht  in  den  andern  aufgehende,  sondern  sich  hebauptende  und 
durcbseteende  Wesen ;  sie  bringt  den  Gegensatz ,  weckt  den  Reiz. 

Am  nächsten  steht  sie,  der  Tonregion  nach,  zn  der  Klarinette. 
Diese  bat  die  Töne  der  kleinen  Oktave  iur  sich  allein ,  ist  in  der  einge- 
strichnen  Oktave  zwar  nicht  so  eingreifend  wie  die  Oboe ,  aber  doch 
nicht  gar  zu  schwach,  hat  auch  in  der  zweigestrichnen  Oktave  ihren 
günstigsten,  von  Grellheit  und  Schwäche  gleich  weit  entfernten  Klang, 
wie  die  Oboe  in  ihrer  Weise  ebenfalls.  Dagegen  ist  die  Flöte  in  der 
eingestrichnen  Oktave  viel  zu  schwach ,  um  neben  der  Oboe  in  dersel- 
ben Tonregion  bestehn  zu  können ;  und  wo  sie  ihre  Kraft  gewinnt,  — 
in  der  dreigestrichnen  Oktave,  —  da  findet  die  Oboe  die  Gränze  ihres 
Wirkens* 

Daher  ist  die  nächste  Bestimmung  der  Oboen  im  Tottisatze:  mit 
den  Klarinetten  zu  gehen,  dieselben  in  gleicher  Tonhöhe,  z.  B. 


198 
Obol. 


ClarinelllinA. 


^g#P^^ 


^^^^m 


zu  verdoppeln,  während  sich  umgekehrt  die  Flöten  zu  den  Oboen  eben- 
so verhalten  wie  zu  den  Klarinetten ,  nämlich  als  Instrumente  gleich- 
sam (S.  162)  von  Vierfusston,  mithin  sie  der  Regel  nach  in  der  Oktave 
verdoppeln.  Der  obige  Satz  wurde  also  mit  Flöten  so  — 

Flöten. 


Oboen. 


A-Klarinelten. 


^^1  n_nri\£ 


ir^-gmff^^^ 


zu  stehen  kommen. 

So  viel ,  um  die  Stellung  der  Oboen  vorerst  im  Allgemeinen,  na- 
mentlich hinsichts  der  Tonregion  zu  bestimmen.  Dies  kann  jedoch 
nicht  genügen,  wenn  es  um  treffende,  karakteristische  Wendungen  zu 
thun  ist.  Hierzu  müssen  wir  die  Weise  der  Oboe  und  ihr  Verhältniss 
zu  jedem  der  andern  Instrumente  beobachten. 

1.  Oboe  und  Klarinette. 
Die  Schallkraft  der  Oboe  ist  am  stärksten,  ihr  Schall  nament- 
lich am  gefülltesten,  stoffhaltigsten  in  der  untern  Tonregion  (S.  154), 


177 


in  derselben  Tonlage ,  wo  die  Klarinette  gerade  ihre  stillste  Partie  bat, 

wenn  aocb  bei  weitem  nicht  zu  der  Mattigkeit  der  Flöte  (S.  156) 

herabsinkt.  In  der  zweiten  Oktave  werden  die  Töne  der  Oboe  spitzer, 
aber  auch  feiner  nnd  weniger  materiell,  die  Klarinetttöne  dagegen  wer- 
den gedrungner,  mäcbtiger,  zuletzt  gellend.  Ueberall  aber  bieten  Kla- 
rinette und  Oboe  den  Gegensatz  von  quellendem  nnd  rundem  (Klari- 
nette) nnd  von  scharfkantig  oder  spitz  eindringendem  Klang  (Oboe)  dar. 
Hiernach  ist  die  Anwendung  beider  Instrumente  zu  erwägen. 

Findet  man  nur  den  Klang  der  Oboe,  oder  nur  den  der  Klarinette 
dem  Sinn  seines  Satzes  angemessen  und  dabei  die  eine  Instrumentart 
ausreichend ,  so  entsagt  man ,  wie  sich  von  selbst  versteht ,  der  an- 
dern ganz. 

Will  man,  ohne  besondre  Rücksicht  auf  den  eigenthfimUchen 
Klangkarakter,  von  beiden  Instrumentarten  nur  die  stärkste  Wirkung : 
so  muss  man  jede  in  ihre  mächtigste  Region  versetzen,  die  Klarinetten 
ako  höher  stellen,  als  die  Oboen.  Hier  — 


200 
Obo9ii* 


G-Klarinetten. 


C-Horner. 


Fagotte  unil 
Konlrafagott« 


Serioso. 


haben  wir  mit.Zuziehung  einiger  Instrumente  (deren  Beitritt  die  scharfe 
Lage  der  Oboen  und  Klarinetten  rechtfertigen  kann,  indem  sie  einen 
angemessen  starken  Untersatz  bieten)  ein  Beispiel  gegeben,  in  welchem 
die  hoch  und  hell,  —  schon  etwas  grell  einsetzende  Klarinettmelodie 
eine  ihr  gewachsne  Unterlage  fodert  und  damit  den  Oboensatz  in  den 
seharfkantigen  und  materiellsten  Tönen  der  untersten  Oktave  recht- 
fertigt. Das  Schnarrende  und  Quarrende  dieser  Tonlage  —  beson-* 
ders  bei  dem  ersten  Einsätze  -*  wird  durch  den  quellenden  und 
mächtigen  Klang  der  .hocheinsetzenden  Hörner  und  durch  den  star- 
ken Bass,  auch  durch  Mitwirkung  der  hinzutretenden  zweiten  Kla* 
rinette  umhüllt  und  ermässigt.  Wenn  in  diesem  Beispiele  die  Me- 
lodie bestimmend  war,  so  tritt  hier  — 

Marx,  Roap.  L.  IV.  S.  Aafl.  1 2 


178 


201    Risolnto. 


Oboi 
Glarinetti 

jä5 


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US*  . 


td. 


t=&a 


-JtJL 


^*r, 


Corni  ia  F. 


^^^i^^Pm^iö 


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FagotÜ. 


i'^-^Tirr? 


7* 

Contra  fagotto 


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-^-':^'^ 


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nur  die  reine  Neigung  zu  der  kräüigsteu  und  schärfsten  Intonation  des 
ganzen  Satzes  hervor.  Man  kehre  diesen  Satz  um ,  gebe  die  Oboenpar- 
tie den  Klarinetten,  die  Klarinettpartie  den  Oboen :  so  bat  er  die  Hälfte 
seiner  Schallkraft  und  Eindringlichkeit  eingebusst  und  sein  Karakter 
ist  verändert.  Dann  würde  auch  die  Verstärkung  des  Haltetons  über- 
trieben sein ,  man  müsste  ihn  den  Hörnern  allein  überlassen  und  die 
Fagotte  —  etwa  in  dieser  Weise  — 


202 


w 


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^^=g 


3ef 


t=^ 


*=t 


:Ji 


it 


(die  Klarinetten  —  mit  der  jetzigen  Oboepartie  —  schlössen  auf  e-g) 
zur  Unterstützung;  der  Hauptstimmen  verwenden;  das  Kontrafagott 
bliebe  dann  besser  ganz  weg. 

Bedarf  man  umgekehrt  nicht  einer  besondern  Kraft  und  Schärfe^ 
sondern  nur  des  Zusammenklangs  der  Röhre,  so  wird  man  besser  thun, 
die  Oboen  in  die  höhere  und  feinere,  die  Klarinetten  aber  in  ihre  tiefere 
und  sanfter  ansprechende  Tonlage  zu  bringen.  Dies  ist  die  gewöhnliche 
Setzweise,  tbeils  weil  es  den  Komponisten  meisl  um  Wohllaut  eher 
als  um  karakieristische  Schärfe  zu  thun  ist,  theils  weil  sich  allerdings 
im  Orchester  noch  andre  —  bisweilen  blos  wohllautendere,  biswei* 
len  aber  auch  karakterisirende  —  Organe  für  mächtigen  oder  schar^ 
fen  Ausdruck  vorfinden.  Indess  muss  der  Künstler  jedes  Mittel  kennen 
und  bereit  haben,  und  keines  aus  Weichlichkeit  oder  Schönthuerei 
scbenCB ,  wenn  es  der  Idee  seines  Werkes  entspricht.  Für  jene  Weise 
geben  wir  ein  Beispiel  aus  dem  Finale  von  Beethoven's*)  heroiseher 
Symphonie.  — 


*)  S.  ;^11  der  bei  Simroek  heraoigekommenea  Partitur. 


179 


20S    Poco  Andante. 

Corni  in  Es  I.   II. 


con  espMMlon« 


Dass  liir  diese  Melodie  und  die  Idee  des  ganzen  Satzes  die  Oboe  das 
einzig  geeignete  Instrament  für  die  HanpUtimme  war,  kommt  hier  nicht 
in  Betracht.  Wenn  man  auch  die  Klarinette  für  ebenso  angemessen 
halten  wollte,  so  würde  doch  die  Oboe  den  Vorzug  erhalten  müssen, 
weil  Klarinetten  wohl  einen  massigen  und  verschmelzenden  Untersatz 
für  Oboen,  nicht  aber  diese  für  jene  abgeben  können* 

Wir  wenden  uns  zu  dem  Verhältnisse  ron 
2.  Oboe  und  Flöte. 

Die  Oboe  bildet  durchweg  den  entschiedensten  Gegensatz  zur 
Flöte.  Sie  hat  ihre  vollsten  und  materiellsten  KISnge,  wö  die  Flöte  matt 
and  Verblasen  anspricht,  sie  wird  spitz,  wo  die  Flöte  Rnndaog  und  Fülle 
gewinnt,  sie  muss  schweigen,  wo  die  Flöte  zur  höchsten  Kraft  gelangt ; 
ihr  Klang  ist  materiell,  scbarrgeschnitteii,  einschneidend  oder  spitz  ein- 
dringend, wihrend  der  Plölenklang  luftartig,  weich  und  glatt,  selbst  in 
der  stärker  ansprechenden  Hohe  noch  rond  ist.  Wie  können  diese  bei- 
den Instrumente  mit  einander  gebn?  —  Dies  muss  sorgfältig  erwogen 
werden,  wenn  nicht  Missverhältnisse  entstehn  sollen« 

Oboen  für  sich  allein  als  Untersatz  für  die  Flöte  werden  in  den 
meisten  Fällen  zu  scharf,  Flöten  als  Unterlage  für  eine  Oboemelodie 
fiir  sich  allein  umgekehrt  zu  matt  und  schwach  sein.  Treten  aber  andre 
Instrumente  als  Unterlage  hinzu,  so  können  Flöte  und  Oboe  einen  reiz- 
vollen Gegensatz  unter  einander  und  zn  jenen  bilden.  Das  Andante*) 


^)  S.  67  der  bei  Breitkopf  nod  Härtel  eitehieBetea  Partitor. 


12* 


1«0 


von  B  e  e  l  h  o  V  e  n's  CmoII-Sympbonie  bietet  ein  treffendes  Betspiel  dazu 
in  einem  ans  dem  Hauptsatz  entspringenden  Gange.  — 


204 
Flöte  I 


Oboe  I. 


Die  Scharre  der  Oboe  wird  umbüllt  und  gemildert  durch  die  dicht 
darüber  liegende  Flöte  und  den  Gegensatz  der  weichen ,  erst  bei  dem 
höchsten  Aufschwung*)  der  Oberstimmen  heller  werdenden  Klarinet- 
ten. Zugleich  aber  schärft  und  würzt  sie  den  Zusammenklang  der  wei- 


*)  Hier  habeo  wir  wieder  einen  Beleg  fdr  die  Ueberlegenheit  des  nelodiftefaen 
Efementi  über  das  bannonische,  w«Ton  firiiber  (Tb.  I.  S.  568)  mebmaU  zv  reden 
gewesen.  Der  Zusammenklang  von  rf«-«-/-«:  in  derselben  Oktave  oben  bei  a. 
ist  faarmoniscb  niebt  zu  recbtfertigen ,  aber  die  Stimmentwicklang  eine  Nothwen- 
iiigkeit  —  und  darum  jener  Zusammenklang  recht. 


181 

chen  Instranente  und  kommt  besonders  der  kahlen  Flöte  zu  Hiplfe ;  sie 
unterstützt  die  tiefern  und  mattern  Tonlagen  derselben  mit  ihrem  Mark, 
und  ihre  spitzem,  leicht  einschneidenden  Töne  werden  von  den  vollem 
und  doch  weichern  der  Flöte  überdeckt.  Nähme  man  statt  der  Oboe 
eine  zweite  Flöte ,  so  wurde  das  Ganze  fade  und  flau  klingen ;  nähme 
man  —  war'  es  auch  nur  für  die  erste  Hälfte  —  stalt  der  Flöte  noch 
eine  Oboe,  so  wurde  das  Ganze  breit,  herb  und  schnarrend ,  Fluss  und 
Schmelz  wären  verloren. 

Daher  gereicht  auch  die  Verdopplung  der  Oboen  durch  Flöten  im 
Einklänge  (wie  wir  schon  früher,  S.  163,  bei  weichen  und  scharfen 
Instrumenten  befunden  haben)  zwar  zur  grossem  Schallfüllung,  nicht 
aber  zur  Verschärfung,  sondern  zur  Mildemng  des  Klangs.  Statt  vieler 
Beispiele  stehe  hier  — 

205    Adagio. 


i^^^^i^^^ 


Oboen 


^^^^^^^m 


I    T^  * 

Tr.n.III.B. 

1er  Eingang  zu  der  Prfifungsscene  in  H  oz'ä  rt's  ZauberOöte*).  Flöten 
wären  zu  matt,  Oboen  zu  scharf,  Klarinetten  zu  üppig  gewesen.  Die 
Schärfe  und  Milde  der  Oboen  und  Flöten  mussle  verschmolzen  werden 
zu  einer  Mischfarbe  (wie  Blao  und  Karmin  zu  Violett),  um  dem  myste- 
riösen Karakler  der  Scene  gleich  vom  ersten  Anfang  den  rechten  Klang 
zu  gewähren.  —  Die  hochgedrückten  Fagotte,  das  eingreifende  Violon- 
eell,  die  Altposaune  thun  das  Ihrige  dazu. 

3.  Oboe  mit  Fagott  und  Waldhorn. 

Von  Fagott  und  Waldhorn  ist  die  Oboe  schon  durch  die  Tonre- 
gion geschieden,  sie  kann  sich  ihnen  nicht  so  weit  nähern  wie  die  Kla- 
rinette. Auch  kann  sie  nicht  so  angemessen  wie  die  Klarinette  in  der 
höbern  Oktave  decken  oder  begleiten ,  da  die  Schallkrafl  ihrer  Tonla- 
gen, —  wie  dieses  Schema  — 


*)  S.  284  d«r  bei  Sinrock  io  Boou  arschieneiiaD  Partilor. 


182 


206 
Oboe. 


C-KUrinelte. 

C-Horn. 

Fagott, 
veranscbaalicbt. 


Umtt  wefdcaA 


|^^3^^g£3= 


^^m 


quellender 


IZLt 


f..JL, 


quellender 


r^ 


Et 


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m 


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^^^^. 


gedrnngenc^      _^, 


mit  jenen  nicht  übereinstimmt.  Endlich  ist  ihre 
Rlangweise  und  selbst  ihr  Tonsystem ,  besonders  von  dem  flomklang, 
gänzlich  verschieden;  das  Hörn  loftartig,  qaellend,  weithin  tönend, 
verhallend,  die  Oboe  materiell,  scharf,  positiv  begräi^t,  stets  be- 
stimmt; das  Hörn  zn  akkordischen  Figuren,  überhaupt  zum  Auf« 
Schwünge  geeignet  and  geneigt,  die  Oboe  gerade  für  sie  dem  Karakter 
nach  ungünstig,  —  scharf,  fein  und  innig,  nicht  aber  schwungvoll  sieh 
aussprechend. 

Näher  steht  sie  dem  Fagott,  das  materieller ,  begränzter  ist  als 
Hörn  und  selbst  Klarinette;  aber  hier  ist  wieder  der  Unterschied  der 
Schallkraft  erheblich  und  macht  den  Zutritt  vermittelnder  Instrumentei 
—  wenn  es  Röhre  sein  sollen,  am  besten  der  Klarinetten,  —  wön* 
schenswerth.  Selbst  die  Flöten  können  hier  (wie  schon  an  Nr.  203 
gezeigt  worden)  hutfreich  werden.  Legt  man  sie  mit  den  Oboen  im 
Einklang  zusammen,  — 


fto^^^^^^^ta 


Cornl  ia  C 


^^m 


80  umhüllen  und  mildern  sie  als  weichere  Instrumente  (S.  163)  die 
Schärfe  derselben;  legt  man  sie  höher,  fto  decken  sie,  wie  sehen  bei 
Nr.  204  zur  Sprache  gekommen.  Nur  ist  im  vorstehenden  Satze  keine 
Nothwendigkeit  ersichtlich ,  eben  diese  Instrumente  zu  nehmen.  Hau 
hätte  statt  der  Flöten  Klarinetten,  oder  diese  allein  nehmen  können. 


l»3 


Noch  dietfii  gMooderted  BeirachBiiogen  wird  die  yerwendung  der 
Oboen  im  Verein  mit  anserm  bjsherig^en  Orchester  leichter  und  sich- 
rer gelingen. 

SoUen  die  vereinigten  Biüser  Masse  bilden,  so  können  die  Oboen 
ztnäohst  ab  blosse  Verstärkung  der  Klarinetten  mit  denselben  im  Ein- 
klang gehtt,  wie  in  Nr.  199,  oder  anoh  in  Oktaven,  wie  in  Nr  201, 
und  in  der  umgekehrten,  ebenfalls  schon  S.  178  betrachteten  Weise. 
Auch  der  seltnere  Fall  ihres  Vereins  mit  den  Flöten  ist  in  Nr.  207 
schon  aufgewiesen  worden.  Inniger  werden  die  Instrumente  zu  einer 
Hasse  verschmolzen,  wenn  Flöten  und  Klarinetten  —  als  die  verwand- 
testen höhera  Stimmen  —  einander  verdoppein  und  die  Oboen  verbin- 
dend dazwischen  irelen«  — 


208 
Fiauii. 

Oboi. 

Clarittetli  in  fi. 


Corni  in  B. 


Fagotd. 


Maestoso.  _        jl    -Ol" 


mM. 


^^^ 


184    

indem  sie  den  untern  Flöten-  und  obenUfRlarinettton  verdoppeln,  wie 
oben  bei  a.,  oder  die  Klarinetten  verstärken ,  weil  dies  ihrer  Lage  zn* 
sagt,  oder  Zwischentöne  zwischen  die  Flöten  oder  Klarinetten  (letzte* 
res  oben  beib.)  einschieben  and  durch  dieselben  die  Reihe  der  über  ein- 
ander gestellten  Harmonietöne  ausfüllen.  Treten  zu  einem  solchen  Ak- 
kordaufbau nicht  blos  ein  Paar  Homer,  sondern  auch  noch  Trompeten 
und  Posaunen :  so  entfaltet  der  Bläsercbor  seine  ganze  Pracht.  Eine 
kleine  Probe  davon  giebt  die  Einleitung  znm  zweiten  Theil  von  Mo- 
zartes  Ouvertüre  zur  Zauberflöte.  — 


200«)  Adagio. 
FUoti. 


Trombe  in  Et. 


gjrBMt-4~T*^^ 


^^m 


Hier  legen  sich  zwei  Massen  an  und  in  einander;  erstens  die 
Röhre  in  den  sechs  Oberstimmen  den  Akkord  vollständig  besetzend, 
die  Fagotte  den  Grundton  mehr  als  zwei  Oktaven  davon  entfernt  neh- 
mend; zweitens  die  Bleche  in  voller  Lage  vom  Grundton  der  Röhre 
bis  zum  tiefsten  Ton  der  Oberstimmen  — 


^>  Hier  —  nao  vergleieba  die  Aom.  S.  143  and  die  AUg.  Mosiklebre  S.  186 
—  tritt  der  Bleebebor  io  der  Anordnaag  der  Partitar  anter  den  Chor  der  Robria- 
•immeote ,  ^eil  auch  in  ihm  der  Bass  vollitaadig  «ntbaltea  iit  and  oan  die  Ober- 
stimmen, die  in  den  RSbren  enthalten  find,  aoeh  die  obente  Stelle  (Allg.  Musik- 
lehre  S.  187)  erbalten. 


18» 


210 


Röhre.  (gleichzeitig^  Bleche. 

dazu-  und  in  die  Röhre  hinein  tretend,  das  Ganze  in  breiter,  voller 
Pracht  der  VieUtimmigkeit.  Dies  ist  der  Intention  des  Satzes  yollkom- 
men  angemessen.  Wäre  sie  aber  eine  andre  gewesen ,  war'  es  dem 
Komponisten  um  die  möglichst  energische  Angabe  dieser  Akkorde  zu 
tbon  gewesen,  so  würde  ein  Znsammenziehn  der  kräftigem  Instrnmente 
in  die  Mitte  der  Harmonie,  etwa  in  dieser  Weise,  — 


211 
Flauti. 


Oboi. 


Clariuetti  in  B. 


Fagotti. 


Trom.be  in  Ea. 


Corni  in  Es« 


3  Tromboni. 


m 


Fsas 


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wirksamer  gewesen  sein.  Hier  sind  die  Flöten  blosse  Verdopplung  ihrer 
Unterlagen;  die  Oboen  mischen  ihre  Schärfe  mit  der  Helligkeit  und  6e- 
fulltheil  der  Klarinetten  ;  die  Hörner  haben  die  massige  Quinte  des  Ak- 
kordes (Th.  I.  S.  93)  aufgegeben  und  ihre  Kraft  auf  die  Oktave  des 
Grund tons  geworfen;  die  Posaunen  haben  sich  aus  ihrer  breiten, 
prachtvollen  und  schöngeordneteu  (S.  68,  Th.  I.  S.  58)  Lage  auf  die 
entscheidendsten  Akkordtöne  zurückgezogen ;  —  ob  nicht  das  Zusam- 
mentreten von  Bass-  und  Tenorposaune  zuletzt  auf  dem  hohen  b  über- 
trieben heftig  und  dröhnend  sei?  —  muss  der  Sinn  und  Zusammenhang 


186 


der  ganzen  Komposition  zeigen.  An  dieser  Stelle  hat  die  Bassposaune, 
bei  dem  ersten  Einsalz  haben  die  beiden  Oboen  und  die  Teoorposanne  ihre 
harten  Tonlagem  besetzt;  dies  ist  der  Grund,  warum  die  Oboen  nicht 
auch  hier  die  Klarinetten  blos  verdoppeln. 

Es  knüpfl  sich  hier  noch  eine  Betrachtung  von  Wichtigkeil  an, 
die  nicht  früher  anschaulich  zu  machen  gewesen. 

Schon  vieirtiltfg  —  durch  die  ganze  Lehre  —  ist  auf  den  Sinn  der 
rerschiednen  Iniervalle*)  hingedeutet  worden;  wir  haben  nSamenÜieii 
livigst  erkannt,  d^is  von  de«  im  tonischen  Dreiklang  enthaltoen  Inter- 
vallen die  Oktave  Verstärkung  aod  Bekräflligung  des  Grnndtons  ist,  die 
Terz  feslbestimmien ,  eingreifenden  Karakter  haty  die  Sexte  sanft, 
fliessend,  gemilderte  Umkebrung  der  Terz  ist,  die  Quinte  ein  weil 
—  in  das  Unbestimmte  hink^nendes,  und  darum  in  sich  selber  nicht  be» 
stimmtes  Wesen  hat.  Dass  dieser  Sinn  der  Intervalle  nicht  blos  in  der 
Melodie,  sondern  audi  iai«r  Harmonie  zum.  Ausdruck  kommt,  dass  — 
um  nur  ein  einziges  Beispiel  zu  geben,  der  Dreiklang  — 


212 


ESE 


K 


1^ 


roi 


mit  verdoppelter  Terz  (a.)  von  dieser  Terz**)  überschrieen  und  selbst 
schreiend,  mit  obenliegender  Terz  (b.)  scharf  eingreifend,  ohne  Quinte 
(c.)  heller  tönend  wjrd,  als  mit  der  eingemischten  Quinte  (d.),  und  am 
mildesten  wirkt,  wenn  (e.)  alle  Intervalle  in  weiter  Harmonie  sich  aus- 
einandersetzen,  —  ist  bekannt.  Daher  greifen  die  Posaunen  in  Nr.  211 
fester  ein  als  in  Nr.  209,  weil  sie  sich  auf  Grundton  und  Terz  beschrän- 
ken ;  und  die  Hörner  treten  schlagender  mit  dem  Grundton ,  als  mit 
Grundton  und  Quinte  ein. 

Aber  der  Ausdruck  der  Intervalle  macht  sich  auch  in  ihrer  Anord- 
nung in  der  Instrumentation  geltend.  Wenn  man  starkschallenden  In- 
strumenten weichere  oder  weniger  entschieden  eingreifende  Intervalle 
giebt,  so  schwächt  man  ihre  Wirkung.  Der  Eintritt  der  Klarinetten 
und  obern  Posaunen  in  Nr.  21 1  mit  einer  Sexte  kann  daher  schon  nach 
dem  Karakter  des  Intervalls  nicht  die  Kraft  der  nachfolgenden  Terz 
haben,  auch  ahgeaebn  von  der  Erhöhung  der  Tonlage. 

Hiermit  haben  wir  nun  einen  Ueberblick  über  die  nächstwichtigen 
Anwendungen  der  Oboe  im  Verein  mit  andern  Blasinstrumenten,  na- 
mentlich über  ihren  Beitritt  zu  der  Massenwirkung.  Dass  sich  nicht 
alle  Rücksichten  vereinen,  selbst  für  einen  einfachen  Zweck  nicht  alle 


«)  Vergl.  Allg.  Mttsiklebre  S.  327. 
••)  Th.  I.  S.  lld. 


187    

Sldhagen  od«r  V#rtbtUe  gfoichzeilig  i>eQok&eiirla»teD,i^t.  leicht  einzv« 
sehn.  So  treten  z.  B.  in  Nr.  211  4ie  Oboen  nhngs  in  ihren  iieinten 
Tönen  (S.  154)  enggeschUssen  (S.  1 17)  im  IntervaU  einer  Tefn  »nt 
Aber  diese  Terz  enthält  die  Quinte  des  Akkordes  (S.  186) ,  nnd  die 
erste  Oboe  kann  nicht  die  erste  Klarinette  rerdoppehi  (S.  183) ;  nach* 
her  geschiebt  dies,  aber  die  Oboen  haben  ihre  schallstSrkste  Lage  ver- 
lassen. Weiche  Seite  nun  der  Komponist  benutzen  will,  das  moss  er  in 
jedem  einzelnen  Fall  nach  Sinn  und  Stimmung  desselben  und  nach  dem 
Gang  seiner  Stimmen  erwägen.  Es  würde  den  Pluss  und  die  Kraft 
des  ganzen  Satzes  beeinträchtigen,  wollte  man,  um  in  jedem  einzelnen 
Moment  die  günstigsten  Lagen  und  Intervalle  zu  fassen,  die  Stimmen 
willkührlich  und  gegen  die  Gesetze  der  Melodie  und  Stimmführung  hin 
nnd  her  reissen.  ^  Vielmehr  kommen  wir  auf  einen  der  wichtigsten 
Grundsätze  (S.  151)  zurück  und  wollen  die  möglichst  einfocbe  Gestal- 
tung und  Pühmi^  der  Bläser  unausgesetzt  zur  Pflicht  machen*). 


Vierter  Abschnitt. 
Zutritt  der  PikkolflOten. 

Die  Pikkolflöte  steht  gegen  die  gewöhnliche  Flöte  im  Vierfusston, 
mithin  eine  Oktave  höber.  In  dieser  ihrer  höhern  Stellang  zeigt  ihre 
Tonreihe  dasselbe  Verbältniss  der  Schallstärke,  das  wir  (S.  156)  an 
der  grossen  Flöte  erkannt  haben;  ihre  unterste  Oktave  (geschrieben 
die  eingestricbne ,  der  Tonhöbe  nach  die  zweigestrichne)  ist  schwach 
und  hohl  oder  Verblasen ;  ihre  mittlere  Oktave  ffillt  sich  zu  stärkerm 
Schall;  ihre  höchste  Oktave  wird  stark,  ja  hart,  grell  und  durch- 
bohrend. 

Hiernach  bestimmt  sich  ihre  Stellung  sowohl  zur  Flöte,  als  zu  den 
andern  Rohrinstrumenten. 

In  der  Regel  wird  sie  geschrieben  werden  im  Einklang  mit  der 
Flöte,  also  eine  Oktave  höber  ertönen  und  hiermit  die  ange- 
messne  KlangstSrke  haben.  Wollte  man  wirklichen  Einklang  beider 
Instrumente  erzwingen,  so  müsste  man  die  PtkkolBöte  eine  Oktave 
tiefer  schreiben,  wie  hier  — 

213    a.  C^ine  OktaTe  hSlier  ertSoend.)  b. 


^        171  «Sin    «flAAnlA. 


Flavto  piooolo 


*)  Rierzo  der  Anhang  I. 


188    

bei  a.  geathehn*  Alleiii  es  ist  hieiTOB  keine  gisslige  Wirkno^  abca- 
sehn;  die  Pikkolflöte  worde  zu  Anfang  mit  ihrer  matten  Tiefe  der 
SehaUkrafl  der  grossen  Flete  eher  Abbruch  Uran,  nachher  ihr  nicht  za 
grosser  Kraft  verhelfen.  Es  würe  besser  gewesen ,  zwei  grosse  Flöten 
im  Einklang  gehen  zo  lassen »  wenn  einmal  die  Flöte  durchaus  von 
einer  aadem  Flöte  im  Einklang  verdoppelt  werden  sollte.  —  Wenn  auf 
den  uttunterbrochnen  Fortgang  weniger  ankommt,  oder  derselbe  noch 
durch  andre  Instrumente  aufrecht  erhalten  wird  (z.B.  durch  die  VioBnen 
im  Einklang,  Klarinetten  und  Oboen  in  der  tiefen  Oktave) ,  dann  kann 
man  die  PikkolBölen,  wie  oben  bei  b. ,  erst  im  Einklang,  dann  in  der 
tiefen  Oktave  mit  den  Flöten  führen.  Nun  aber  wissen  wir,  dass  die 
Flöte  im  Verein  mit  Klarinetten  und  Oboen  gleichsam  als  ein  Vierfuss- 
instrument  zu  betrachten  ist,  wenn  sie  kräftig  wirken  soll.  Zu  ihr  steht 
wieder  die  Pikkolflöte  im  Vierfusston;  folglich  moss  sie,  um  kraftig 
einzugreifen^  zu  den  Klarinetten  und  Oboen  als  im  Zweifusston  stehend 
betrachtet  und  mit  den  grossen  Flöten  im  Einklang  geschrieben  werden, 
um  eine  Oktave  höher  wie  sie  und  zwei  Oktaven  höher  wie  Klarinetten 
und  Oboen  zu  ertönen.  Es  bedarf  hierzu  keines  besondem  Beispiels. 
Sollte  irgend  einer  unsrer  Sätze,  —  z.  B.  der  dem  Hozart'schen 
Satze  (mit  Uebertreibung  der  Kraft)  nachgebildete  in  Nr.  211,  —  noch 
durch  Pikkolflöten  verstärkt  werden ,  so  müsste  man  sie  über  die  Flö- 
ten stellen  und  mit  denselben  im  Einklang  setzen. 

In  dieser  durch  die  Rücksicht  auf  das  Tonische  gebolnen  Behand- 
lung nehmen  aber  allerdings  die  Pikkolflöten  mit  dem  kieselharten,  grell 
und  spitz  eindringenden  Klang  ihrer  Höhe  eine  solche  Heftigkeit  an, 
dringen  durch  diese  und  ihre  isolirte  Höhe  mit  solcher  Gewaltsamkeit 
hervor,  dass  nicht  nur  die  Schallkraft  des  Ganzen  bedeutend  gesteigert, 
sondern  sehr  leicht  die  Hasse  der  tiefer  liegenden  Diskantinstrumente 
überschrieen  wird  und  die  Pikkolflöten  gleichsam  für  sich  allein  gebort 
werden,  ohne  eigentlich  mit  der  Gesammtmasse  in  Eins  zu  verschmel- 
zen. Der  Komponist  hat  zweierlei  sehr  reiflich  zu  erwägen:  Erstens: 
ob  seiner  Idee  die  Verstärkung  und  Härte  der  Pikkolflöten ,  in  solcher 
Weise  gebraucht,  überhaupt  zusagt?  —  und  Zweitens:  wie  er  die 
übrige  Masse  der  Instrumente  zusammensetzen  und  behandeln  will^  da- 
mit sie  einen  genügenden  Untersatz  fiir  die  Pikkolflöten  biete  und  die-, 
sen  möglich  mache,  mit  ihnen  zu  verschmelzen?  Nur  die  zweite  Frage 
beschäftigt  uns  hier;  die  erste  muss  in  jedem  einzelnen  Fall  nach  der 
besondern  Intention  des  Komponisten  entschieden  werden. 

Sollen  also  Pikkolflöten  in  ihrer  vollen  Kraft  wirken  und  doch  nicht 
vordringlich  und  vereinzelt  heraustreten,  so  muss  vor  allen  Dingen  das 
Orchester  zahlreich  genug  besetzt  sein,  um  den  Zutritt  dieser  hefti- 
gen Organe  zu  tragen  und  erträglich  zu  machen.  Abgesehn  von  den 
uns  fiir  jetzt  noch  unzugänglichen  Instrumenten  würde  also  der  Verein 
von  Flöten,  Oboen,  Klarinetten ,  Fagotten  und  Kontrafogott,  femer  ein 


Igg    

voller  Blechcbor,  — -  wenigstens  Hönicr,  Trompeten  und  Pauken,  wo 
möglich  auch  Posaunen,  —  ratbsam  werden.  Könnten  zu  den  gewöhn- 
lichen Klarinetten  noch  andre  von  höherer  Stimmung,  zu  dem  gewöhn- 
lichen Hornpaar  ein  zweites  treten,  «tatt  der  grossen  Flöten  Terzflöten 
genommen  werden  :  so  wurde  ein  noch  tüchtigerer  Unterhau  gewonnen. 

Sodann  moss  im  Satze  selbst  fb*r  eine  kräftige  Mittellage  in 
der  Harmonie  (Th.  I.  S.  137)  gesorgt  werden.  Bisweilen  wird  schon 
der  Verein  von  Oboen  und  Klarinetten  im  Einklang  und  von  Fagotten 
in  der  tiefern  Oktave  diesen  Zweck  erfüllen ;  meistens  aber  werden  die 
Blechinstrumente  die  Mitte  der  Harmonie  zu  stärken,  oder  auch  (wie 
in  Nr.  209)  allein  zu  besetzen  haben. 

Endlich  muss ,  so  weit  es  der  Gang  des  Ganzen  zulässt,  engere 
Verknöpfung  des  hohen  Registers  (Flöten  und  Pikkolflöten)  mit  der 
untern  Lage  befördert  werden,  indem  man  die  geeignetsten  Instrumente 
hoch  genug  legt ,  um  den  Pikkolflölen  und  Flöten  näher  zu  kommen. 
Hierzu  bieten  sich,  wenn  nicht  besondre  höhere  Klarinetten  (in  Es  oder 
P)  vorhanden  sind,  als  geeignetste  Instrumente  die  Oboen  dar,  die 
durch  ihre  spitzeindringende  und  im  Klang  so  unterscbeidbar  hervor- 
tretende Höhe  sich  geltend  machen  und  verhindern,  dass  die  Pikkolflö- 
ten allein  zu  stehen  scheinen.  Doch  kann  auch  unter  Umständen  ent- 
gegengesetzte Behandlung,  die  Stellung  der  Oboen  in  ihre  markige  Tiefe 
und  der  Klarinetten  in  ihre  durchdringende  Höhe,  zu  demselben  Resul* 
tat  führen. 

Wir  zeigen  Beides  an  einem  unsrer  frühern  Sätze,  Nr.  201.  Sollte 
derselbe  in  höchst  gesteigerter  Schallkraft  mit  Pikkolflöten  auftreten, 
so  würden  wir  vor  allen  Dingen  noch  Flöten,  Trompeten  und  Posaunen 
zuziehn,  —  vielleicht  auch  eine  höhere  Klarinette,  Pauken  und  ein 
zweites  Hornpaar.  Dann  könnte  er  —  eine  Stufe  tiefer  geruckt  —  so  — 

(Siebe  umsteheod  das  Beispiel  Nr.  214.) 
auftreten.  Die  Klarinetten  bilden  in  ihrer  heftigen  Tonlage  den  nach*« 
sten  Untersatz  zu  den  Flöten  und  werden  dabei  von  dem  stärkstea 
Sehallregister  der  Oboen,  also  in  der  untern  Oktave  unterstutzt;  die 
höhern  Posannen,  die  Fagotte,  Trompeten  und  Hörner  bilden  die  Mit- 
tellage. Das  Solo  der  Klarinetten  (Takt  2)  unterstützen  die  Oboen  im 
Einklang  mit  jenen;  so  schärfen  sie  den  Klang,  während  sie,  wenn  sie 
in  der  tiefem  Oktave  blieben ,  den  Gang  verbreitem  und  belästigen 
würden. 

Nun  treten  wir  mit  demselben  Satz  und  denselben  Instrumenten 
eine  Quarte  höher;  —  (Siehe  das  Beispiel  S.  191,  Nr.  216.) 

die  Flöten  und  Klarinetten  liegen  weniger  hoch  und  einschneidend,  Fa*. 
gotte  und  Oboen  unterstützen  aber^hr  Motiv  in  der  Gegenbewegnng, 
and  zwar  letztere  in  der  Verke)irung,  die  den  Schall  der  Flöten  und 
Klarinetten  durchschneidet  und  dadurch  mässigt.  Das  Motiv  Takt  2 
würde  von  Klarinetten  und  Oboen  in  der  etwas  tiefern  Lage  weniger 


190 


214 

Flaati 
piccoli. 


Flaut!. 


Oboi. 


Clarinelli 
in  B. 


Fagotti  « 
Contrafag* 


Trombe 
in  Et. 


Corni 
in  Ks. 


3  Troin- 
boni. 


Risoliito 


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«iark  gegeben  werden ,  wird  also  durch  verdoppelnde  Flöten  und  Fa- 
gotte versUIrkt.  Im  Hauptmotiv  sind  es  besonders  die  böhern  Posaunen, 
nach  Lage  und  Führung,  die  eine  Steigerung  in  Vergleich  zu  Nr.  214 
bewirken;  überhaupt  hat  man  den  neoen  Satz  ab  eine  Folge  und  Stei* 
geruligvon  Nr.  214  anzosehn. 

Dass  man  nun  diese  heftigste  Wirkung  derPikkolflöten  nicht  über^ 
all»  im  Ganzen  nur  weniger  oft  beabsichtigt,  ist  leicht  za  ermessen» 
Für  minder  heftige  Schallmassen  begnügt  man  sich  daher  entweder  für 
die  ganze  Komposition  mit  einer  einzigen  Pikkolflöte,  oder  lüsst  — 
wenn  im  Ganzen  ihrer  zwei  nöthig  gewesen  —  in  den  mildem  Stellen 
die  zweite  PikkoiOöte  pausiren. 

Die  Wirkung  einer  einzigen  Pikkolflöte  ist  bei  der  bisher  in  das 
Auge  gefassten  Anwendung  die ,  dass  die  Melodie  (Oberstimme)  eines 
Satzes,  von  ihr  in  noch  höherer  Oktave  begleitet,  sieht  Mos  slirker, 
sondern  auch  heller  —  wir  möchten  lieber  sagen :  erhellter  oder  besser 
in  das  Li^ht  gestellt  —  wird.  Das  Gi^ze  gewinnt  so  an  Klarheit  nnd 
Starke  in  der  Hanptpartie,  ohne  in  ein  schreienAei  Durcbeinaadcr  ge* 
trieben  zo  werden.  So  würden  die  Sätze  Nr.  214  und  215,  wenn  nun 


I9r 


215 
PikkolflSten. 


Flöten. 


Oboen. 


B-KJariuetton. 


Fagotle  und 
Koniralfegott. 


Bs-Trompeten, 


Et-Hörner. 


3  Posaunen. 


j^ßM^^^j^S^^ 


n   /^Ht  !  n  I  n,  I 


fA  ^  ,4 


^^PE^^ 


die  zweite  Pikkolflöle  schweigen  liesse ,  weniger  an  Schallmasse  ver- 
lieren, als  an  Bestimmlheit  der  Melodie  gewinnen-;  sie  würden  civilisir- 
ter  werden. 

Die  Beschränkung  auf  eine  einzige  Pikkolflöle  bietet  aber  dogleieb 
noch  eine  andre  Verwendung  dar.  Indem  die  übrigen  Instrumente  der 
Regel  nach  paarweis  —  und  in  den  starken  Partien  meist  in  Verdopp- 
lungen —  wirken  und  so  zu  einer  einzigen  Masse  verschmelzen,  bleibt 
die  eine  Pikkolflöte  vermöge  ihrer  Einzelheit ,  ihrer  Tonhöhe ,  ihrer 
eigen thümlichen  Rlangweise  als  besondre  Stimme  stehn  und  sondert  sieb 
ab ,  um  in  der  höchsten  Region  einen  Gegensatz  gegen  die  Melodie  zu 
bilden.  In  folgender  Stelle  aus  Beethoven's  Siegessymphonie*)  — 


*)  S.  70  der  Partitur  tob  „WelliDgton't  Sieg  oder  die  Sehlacbt  bei  Vittoria", 
bei  Steiner  Id  Wien  heraaigegeben.  la  der  obigen  Anrdbrung  ist  das  Streiebqnar- 
tett  ansgelasscD,  dessen  Geigen  (zan  Theil  in  ihrer  Weise  figurirt)  mit  den  Oboen, 
die  Bratschen  (zweistimmig  gebraneht)  mit  den  Fagotten,  die  Bässe  mit  denPavken 
gebn.  Die  Posanaeo  treten  erst  später  zu. 


192 


193 


Marx,  Komp.  L.  IV.  3.  Ana 


194     

finden  sich  alle  diese  Wendungen  benatzt.  In  rauschender  Pracht  — 
nicht  in  durchdringender  Kraft  oder  Hefligkeit  —  soll  sich  der  Triumph- 
roarsch  entfalten ;  daher  legt  Beethoven  alle  seine  Rohrinstrumente 
(und  die  Streichinstrumente  zumal)  in  Verdopplungen  durch  vier,  und 
mit  der  Pikkolflöte  durch  fünf  Oktaven  breit  auseinander ;  die  Klarinet- 
ten in  die  eingestricbneOktave^  bekanntlich  nicht  ihre  stärkste  Tonlage. 
Die  Mittellage  halten  ausser  den  Klarinetten  erst  vier,  dann  zwei  Hör- 
ner; T^rompeten  und  Pattken  (und  Kontrabässe  mit  den  Violoncellen) 
heben  den  Rhythmus ,  führen  und  unterstützen  den  Bass ,  gelegentlich 
auch  (die  Trompeten  Takt  2  und  4)  die  Melodie.  Die  Pikkolflöte  nun 
geht  anfangs  im  Einklang  mit  der  ersten  Flöte ,  liegt  aber  dabei  in  den 
hellen  Tönen  ihrer  zweiten  Oktave.  Dann  (Takt  8  bis  11)  legt  sie  sich 
mit  einem  Halteton  —  mit  Unterstützung  der  ersten  Trompeten  —  über 
die  Melodie  und  zuletzt  (Takt  11,  12)  schwingt  sie  sich  zur  Oktave  der 
ersten  Flöte  auf,  steht  also  zwei  Oktaven  über  den  Oboen  und  der  in 
der  Regel  den  Klarinetten  eignen  Tonlage. 

Nicht  immer  dient  indess  die  Pikkolflöte  als  Verstärkung  und  Ver- 
dopplung der  grossen  Flöten;  sie  wird  auch  an  der  Stella  dersel- 
ben angewendet,  wenn  ihr  Karakter  den  Intentionen  des  Komponisten 
besser  entspricht,  wenn  statt  des  selbst  noch  in  der  Höbe  seine  Weiche 
und  Rundung,  sein  flüssiges  Wesen  behauptenden  Plötenklangs  der  här- 
tere, greller  und  kurz  abspringende  Klang  und  die  durchdringendere 
Schallkraft  der  Pikkolflöte  der  Melodie  und  dem  Ganzen  zusagen.  Die 
oben  angezogne  Symphonie  von  Beethoven  gewährt  uns  zwei  tref- 
fende Beispiele.  Dem  Schlachtgemälde  ihres  ersten  Theils  gejien  die 
Märsche  der  Engländer  (Rule  Britania)  und  der  Franzoseh  (Marlbo- 
rongh  s*en  va-t-en  guerre)  voraus.  Beide  haben  statt  der  grossen 
Flöte  eine  Pikkolflöte  als  Oberstimme.  Der  englische  Marsch  setzt  ohne 

Streichinstrumente  >  so  —  (Siehe  das  Beispiel  217,  folg.  Seite.) 

ein ;  erst  die  Schlnssformel »  die  wir  hier  übergehn ,  wird  von  dem 
vollen  Orchester  (mit  Zutritt  der  Streichinstrumente)  wiederholt  und 
bestärkend  erhoben.  Wie  diesem  Marsche  das  Spiel  englischer  Trom- 
meln und  der  Signalruf  englischer  Trompeten  (in  Es)  voraufgegangen : 
so  setzen  nun ,  in  lebhafterer  Bewegung,  französische  Trommeln  ein ; 
ihnen  folgt  der  Signalruf  französischer  Trompeten  (in  C)  und  der  fran- 
zösische Marsch*),  —  ebenfalls  ohne  Streichinstrumente,  -^ 

(Siehe  das  Beispiel  218,  S.  196.) 
die  (nebst  grossen  Flöten,  in  der  höhern  Oktave  mit  den  Oboen  gebend) 
erst  bei  der  Wiederholung  des  Marsches  zutreten  und  denselben  eben- 
falls bekräftigt  zu  Ende  führen. 

Diese  beiden  Tonsätxe  geben  bei  all  ihrer  Einfechheit  H^ncfaerlei 
zu  erwägen  und  zu  lernen. 


*)  S.  1t  derPtrcUur. 


19d 


217    Flanlo  picc. 


Fagolti.  Unit. 


-^-^ — ^-«- 


^ 


ifcFf?g4?="=ffiig-iFH^ 


Corni  in  Es 


Gran  Tamburo. 


r   scmpre. 


^ 


pd    y    I  ^omrtnd: 


^^ 


r— yr-  ijrr:^ 


•^ 


3^a^ 


13» 


196 


218 
Flanto  piccolo, 

Oboi. 

Clarinettl  in  C. 

Fagotti. 

Corni  in  C. 

Tromha  in  C. 


Triangolo  e 
Fiatti. 


Gran  Tambnro. 


m^^^^^. 


^m 


w^ 


^m 


^^^^^^f^=^t^.tJL.l 


197    

Zanächst  hatte  der  Komponist  in  beiden  die  Aufgabe ,  beide  zum 
Kampf  antretende  Nationalitaten  zu  karakterisiren,  —  wobei  ihm  aller- 
dings die  gewählten  Volkslieder  glücklichen  Vorschub  leisteten,  —  in 
beiden  Märschen  aber  durchaus'den  kriegerischen  (oder  vielmehr:  sol- 
datischen) Ausdruck  festzuhalten.  Dies  Letztere  bestimmte  ihn,  für  beide 
die  Pikkolflöte  zur  Erhärtung  der  Melodie  zu  nehmen.  Die  gewählten 
karakteristischen  Tonarten,  —  das  dunklere,  weichere  und  feierliche 
EsiviT  für  England,  das  helle,  etwas  schreierische,  gemüthlose  Cdur*) 
für  Frankreich,  —  brachten  die  Pikkolflöte  im  englischen  Marsch  in 
eine  höhere  und  durchgreifendere  Tonregion,  als  im  französischen.  Für 
letztern  die  Pikkolflöte  in  eine  höhere  Oktave  zu  stellen ,  hätte  über- 
triebne Heftigkeit  und  Wildheit  in  den  Satz  gebracht  und  eine  weit 
vollere  und  stärkere  Unterlage  (S.  188)  bedingt,  als  hier  zuträglich 
sein  konnte. 

Der  englische  Marsch  wird  nur  von  den  milden  ^-Klarinetten,  von 
Fagotten  und  weichen  ^«-Hörnern  drei-  oder  vierstimmig  vorgetragen, 
die  Melodie  aber  von  der  hochliegenden  ersten  Klarinette  und  der  Pik- 
kolflöte hell,  durchdringend,  warm  zu  Gehör  gebracht.  In  dem  franzö- 
sischen Marsche  setzen  sich  harte  C-Hörner  und ,  —  im  Einklang  mit 
ihnen,  alscr  tiefliegend,  —  C-Klarinetten ,  eine  Oktave  höher  Oboen 
(deren  härtlicber,  etwas  schnarrender  oder  näselnder  Klang  hier  unbe- 
deckt heraustritt^  unter  die  Pikkolflöte ,  um  über  dem  französisch-ein- 
tönigen Fagottbasse  (man  denke  an  die  Orgelpunktanfänge  so  vieler 
französischen  Ouvertüren,  an  die  karakteristisch  nationalen  Musetten 
des  ancien  regime)  die  Melodie  breit  und  praschig  —  mit  vielem  Auf- 
heben —  durchzusetzen. 

Beiden  Märschen  darf  das  kopfverdrehende  Charivari  des  Solda- 
tenwesens  nicht  abgehn;  Triangel,  Becken,  grosse  Trommel  müssen 
mitreden.  Im  englischen  Zuge  klingeln  sie  (namentlich  der  Triangel) 
etwas  unschuldig  hinein ;  im  französischen  Marsche  schliessen  sie  sich 
dem  Rhythmus  näher  an  und  setzen  sich  damit  entschiedner  durch. 
Dasselbe  thut  hier  die  Trompete  (deren  Fanforonaden  Takt  4  und  8,  — 
im  letztem  redet  sie  gar  in  den  Fagottbass  hinein,  —  nicht  unbemerkt 
bleiben  dürfen),  während  sie  im  englischen  Marsche  mehr  willkührlich 
nebenher  geht,  lustig  und  launig,  nicht  eben  sehr  tnartialisch^). 


*)  Allg.  ttluiMelir«  S.  331. 
**)  Hierxa  der  AoliaD^  K. 


198     

Fünfter  Absclmitt 

Verstärkungen  der  Harmonlemusilu 

Bei  dem  ailmählichen  Aowachsen  des  Chors  der  Rohrinstrumente 
ist  deatlich  geworden ,  dass  es  für  grosse  Massenwirkaog  besonders  an 
zwei  Stellen  noch  an  ausreichenden  Organen  fehlt.  Wir  haben  erstens 
im  Chor  der  Röhre  noch  nicht  Instmmente  genag  za  voller  Besetzung 
der  Mittelstimmen,  während  die  hohe  Tonlage  durch  PikkolOöten,  grosse 
Flöten ,  Oboen  und  Klarinetten  (deren  kräftigeres  Eingreifen  ja  eben- 
falls der  Höhe  angehört)  vertreten  ist.  Noch  weit  mehr  fehlt  uns  zwei- 
tens eine  angemessne  Besetzung  des  Basses  (in  Nr.  188  haben  wir 
dieselbe  unbestimmt  lassen  müssen) ,  da  dem  Kontrafagott  sowohl  die 
Schallkraft,  als  HelUgkeit  und  BewegUchkeit  mangelt,  am  den  Hittel- 
und  Oberstimmen  gewachsen  za  sein. 

Genannt  haben  wir  (S.  124)  allerdings  für  die  Mittellage*)  die 
Altklarinette,  noch  aber  sie  nicht  gebraucht ,  weil  mit  jeder  Ver- 
stärkung der  hohem  Tonlagen  die  Unzulänglichkeit  der  Bassbesetzung 
sich  empfindlicher  gemacht  hätte. 

Unter  solchen  Umständen  wird  die  Mittellage  vom  Chor  der  Blech- 
instrumente (S.  184)  vertreten  und  kann  die  Bassposaune  den  Bass  ver- 
stärken. Allein  auch  das  ist  nicht  immer  anwendbar  und  ausreichend. 
Wir  bedürfen  einer  Verstärkung  im  Chor  der  Rohrinstrumente  sel- 
ber; und  diese  finden  wir,  abgesehn  von  den  Allklarinetten  und  allen 
sonst  schon  aufgeführten  Organen ,  in  folgenden  Instrumenten. 

A.  FSr  die  Kttenage. 

1.  Das  Bassethorn. 

Das  Bassethorn  (como  di  btuseUo)  ist  eineKUriaette  von  läagerm 
Rohr  und  desshalb,  am  bequemer  gebandbabt  werden  xu  könaea,  in 
einen  stampfen  Winkel  (in  ein  Knie)  gebrochen ,  unten  in  eineii  ellip- 
tisch geöffneten  Schallbecher  von  Metall  ausgehend. 

Vermöge  seiner  grossem  Länge  steht  das  BasseÜioni  eine  Quinte 
tiefer  ab  die  C-Klarinette.  Hiemach  würde  sein  Tonsystem  in  der 
Tiefe  bis  zum  grossen  ^  reichen ;  durch  zwei  besondre  Klappen  sind 
ihm  aber  noch  zwei  tiefere  Stufen,  gross  F  und  C,  gegeben  worden. 
In  der  Höhe  erstreckt  sich  seine  Tonreihe  von  gross  j4  chromatisch  bis 
zum  dreigestrichnen  c,  —  oder  selbst y.  Da  aber  die  Höhe  wegen 
des  dünnem  Blatts  im  Mundstucke  des  Bassethoms  weniger  gut  an- 

*)  GeiuiB«t  ist  aaeh  fdr  deo  Bass  (im  Anhans  G)  die  BasskUriaette.  Sie 
warde  ab«r  ebeo  falls  aieht  ifenüfea,  abseMbn  davon ,  dais  sie  wenig  yerbreilet  ist, 
■an  also  oicht  wokl  that,  aafsie  za  reehoea. 


199 


spriehi,   aoch  leiebi  unrein  intonirl:  so  ist  ratbsam,  das  instrumeut 
nicht  k^fcer,  «Is  bis  zam  dreigestriehnenczu  gebrauciien. 

Nach  der  Weise  der  wirklichen  Klarinetten  werden  die  Töne  des 
Bassetboms  nach  dem  Normat-*C  im  Violinschlüssel  notirt ,  erscheinen 
aber  eine  Qoioie  titfer.  Das  Tonsystem  würde  also  so  — 


21« 


Chromat iscbi  bis 


liigd  ± 


::t==:t 


ij 


=r 


zu  notiren  sein  and  so 


chromaiiseh*^  bi«         uitd 


220 


4= 


3E 


:t: 


EE 


^ 


zu  Gehör  kommen. 

um  übrigens  für  tiefe  Töne  die  Menge  der  Nebenlinien  zu  sparen, 
bedient  man  sich  flir  die  tiefere  Tonreihe,  etwa  vom  kleinen y an,  des 
Bass^chlussels;  dann  aber  wird  eine  Quarte  tiefer  ootirt.  Hier  — 

Wirklicke  Tonhöhe.     . 


(3E 


221   < 


m 


^^ 


:t 


a- 


Notirung  im  Violin-Schlüitsel. 


-^ — r 


=aF3F 


Notirang  im  Ba 88- Schlüssel. 

m^ — r 


£=f^ 


3^EE££ 


sind  beide  Schreibweisen  mit  der  von  ihnen  ausgedrückten  Tonhöhe 
zusammengestellt. 

Die  Behandlung  des  Bassethorns  ist  gleich  der  der  Klarinette,  doch 
aber  die  Schwierigkeit  grösser,  weil  das  Instrument  unbequemer  zu 
halten  nnd  dieTosUeher  weiter  van  einander  liegen.  Die  tiefsten  Töne 
(gross  F  und  6,  gesehrieben  c  und  d)  können  nicht  gebunden  werden 
oder  schnell  auf  einander  folgen,  weil  die  Klappen  beider  mit  dem  rech- 
ten Daumen  gegriffen  werden  müssen.  Ueberhaupt  wird  man  die  Tiefe 
nicht  zu  schnellem  Läuren  u.  s.  w.  brauchen.  Wie  die  Klarinette,  so 
liebt  auoh  das  Bassethom  die  Be-Tonarten. 

Die  Sc  hall  kraft  des  Instruments  ist  der  der  Klarinette  überlegen, 
entwickelt  sich  aber  besonders  in  der  Tiefe  bedeutend.  Der  Klang  ist 
allerdings  dem  der  Kkrinelte  sehr  ähnlich,  bat  aber  yernöge  der  Grösse 
des  Instruments,  seines  dännern  md  daher  stärker  schwingenden  Blatts, 


*)  Neuere  Baiiethorner  haben  auch  pross  Fis  oiid  Gis ,  mitbia  die  ganze  Ton- 
reihe  cbronalisefa  voUatäadig. 


200     

—  auch  die  Brechang  des  Roiirs  im  Knie  ond  der  angeselEte  meUUne 
Scballbecher  mögen  wohl  mitwirken,  —  ein  dunkleres ,  sehattigeres 
Wesen,  mehr  Bebung  (lässt  die  Schwingungen  des  Blatts  deutlicher 
vernehmen),  mehr  nasale  Belegtbeit,  und  erlangt  selbst  in  den  hohen 
Tonregionen  die  reine  Helligkeit  der  Klarinette  nicht  ganz* 

So  vereinigen  sich  Tonlage,  mindere  Beweglichkeit  and  dasEigea- 
thümliche  des  Schalls  und  Klangs,  dem  Instrument  ein  dunkleres 
Wesen,  einen  trübem,  aber  dabei  pathetischem,  schwermüthigem 
Ausdmck  zu  geben.  Mozart  hat  in  seinem  Requiem  keine  andern 
Robriuslrumente  als  Fagotte  und  Bassethörner  gebraucht,  letztere 
auch  sonst  (namentlich  im  Titus)  mit  Vorliebe  und  glücklicher  AufTas- 
süng  —  wie  man  bei  solchem  Meister  schon  voraussetzt  —  gebraucht. 

2.  Das  englische  Hörn, 

corno  inglese^  auch  früher  (z.B.  von  Seb.  Bach)  Oboe  da  caccia  ge- 
nannt, ist  eine  grössere  Oboenart,  wie  das  Bassethorn  in  ein  Knie  ge- 
brochen ,  oder  auch  von  oben  bis  unten  zu  einem  flachen  Bogen  ge- 
formt. Gleich  dem  Bassethorn  wird  das  englische  Hörn  notirt  wie  die 
Oboe ,  giebt  aber  die  nofirten  Töne  eine  Quinte  tiefer  an.  Sein  Tonsy- 
stem geht  in  Noten  von  — 

chroniatiscli  bis  if    Qp  :|:  oder  gar  (aber  seilet)  bis  £ 

222    p  '  '  ^ 


^=r 


also  der  wirklichen  Tönung  nach  von  — 

eil roma tisch  bis  j^^    .^  oder  gar  (aber  selten)  bis  ^ 

— "^  ^^ — %      h      — 


i 


223 


::t=:t: 


f 


i& 


hinauf;  die  höchsten  Töne  sind  aber  bedenklich  und  zugleich  entbehr- 
lich ,  weil  man  sie  weit  beqaemer  und  sichrer  -^  und  dabei  von  ähnli- 
'  chem  Klang  auf  der  Oboe  haben  kann.  Am  besten  wirkt  das  Instrument 
vom  eingestricbnen  e  bis  zweigestrichnen  a ,  dem  Tone  nach  :  vom 
kleinen  a  bis  zweigestrichnen  d. 

Die  Schallkraft  dieses  Instruments  ist  grösser  als  die  der  Oboe, 
der  Klang  ist  dem  Oboenklang  am  verwandtesten,  aber  körniger  und 
bedeckter  zugleich,  von  lugubrem  Ausdmck.  Die  Ansprache  des  Instni- 
ments  ist  schwerer ,  erfolgt  langsamer ;  es  ist  daher  nur  für  langsa- 
mere, einfache  Weisen  oder  Begleitungsfiguren  wohl  geeignet*). 


*)  lu  den  deatscheo  Orchestern  ist  das  eogiiscbe  Hora  nur  selten  (wohl  nnr  in 
eiaigen  der  grössten)  zu  haben,  es  ist  also  bedeaklicb ,  aaf  dasselbe  za  rechnen. 


201 


B.  Fflr  den  Bass. 

3.   Der  Serpent. 

Der  Serpent  oder  das  Schlangenrohr  hat  den  Namen  von  seinem 
schlangenartig  gewnndnen  j  weiten  und  bald  sich  noch  erweiternden, 
dann  aber  ohne  Scballbecher  endenden  Rohr.  Er  wird  mit  einem  Mund- 
stück gleich  dem  der  Posaune  angeblasen. 

Seine  Tonreibe  geht  von  — 

ch romalisch  bis  ^    zSl  ja  bis  3l  ond  sogar 

— 11"^=^      '         z^ 


324 


^ 


nnd  erscheint  so,  wie  sie  hier  geschrieben  ist.  Die  höchsten  Töne  ge- 
lingen nicht  jedem  Blaser  $  man  thut  desshalb  wohl ,  es  nicbt  höher  als 
bis  zum  eingestricbnen  d  oder  es  zu  gebrauchen. 

Seine  Schallkraft  ist  gross,  doch  nicht gleichmässig \  klein  d^  a 
und  eingestrichen  d  sind  stärker,  klein  des  nnd  es  schwächer  als  die 
übrigen  Töne.  Allerdings  darf  man  von  einem  geschickten  Bläser  (wie 
bei  der  Klarinette,  S.  120)  fodem,  dass  er  den  Unterschied  ausgleiche 
und  Stärke  und  Schwäche  nur  nach  dem  Sinn  der  Komposition  ver- 
tbeile;  immer  ist  es  jedoch  gut  zu  wissen,  wo  man  besondre  Stärke 
findet  und  wo  man  nicht  auf  ihren  höchsten  Grad  rechnen  darf. 

Der  Klang  des  Serpents  ist  schroff  und  rauh  und  hat  bei  aller 
Schallkrafl  etwas  Dumpfes ,  kann  aber  doch  in  der  höhern  Hälfte  des 
Tonsystems  glatter  und  heller  werden.  Hier  kann  man  dem  Instrumente 
sogar  hervortretende  Töne  oder  Motive  anvertrauen;  in  der  Regel  wird 
man  es  aber  nur  in  Verbindung  mit  andern  Bassinstrumenten  (Fagot- 
ten, Kontrafagott)  gebrauchen ,  die  durch  seine  Kraft  unterstützt  wer- 
den, indem  sie  zugleich  seine  schroffe  Härte  umhüllen  und  mildem. 
Auch  mit  der  Bassposaune  kann  es  verbunden  werden;  allein  der  edlere 
Metallklang  der  letztem  würde  darunter  leiden,  und  selten  wird  es 
nöthig  sein,  einem  so  starken  Instrument  mit  einem  gleicbmächtigen  zu 
Hülfe  zu  kommen.  Nur  zu  ganz  besondern  Wirkungen  oder  bei  sehr 
grossen  Instrumentmassen  wird  ein  solcher  Verein  nöthig. 

Der  Serpent  bewegt  sich  gleich  allen  tiefen  und  dabei  schallvollen 
und  rauhen  Instrumenten  gern  langsam ,  ist  jedoch  auch  einer  lebhaf- 
tem Bewegung  fähig,  kann  z.  B.  diatonische  Läufer  in  der  Schnellig- 
keit von  Sechszehnteln  etwa  im  Allegro  moderato  ausfuhren.  Chro* 
matische  Gänge  lassen  sich  nicht  schnell  nnd  nicht  weit  machen.  Im 
Allgemeinen  sind  die  Be-Tonarten  leichter  zu  behandeln. 

4.  Die  Ophiklei'de. 
Sie  besteht  aus  zwei  weiten,  nach  Art  des  Fagottbaues  neben  ein- 
ander liegenden ,  unten  durch  einen  Bogen  verbundnen  Rohrstücken, 


202    

deren  eines  in  die  geschlungne  enge  Röhre  des  Mandsliicks,  deren  an- 
deres in  einen  weiten  SchaUbecher  ausläuft.  Das  Instrument  ist  von 
Messing  oder  Kupfer  gebaut,  aber  mit  Tonlöcfaern  und  Klappen  ver- 
sehn und  desshalb,  wie  nach  seiner  ganzen, Bauart,  die  eigentlich  ein 
verstärktes  und  erweitertes  metallnes  Fagott  darstellt,  iugUcber  zu  den 
Rqbrr  als  BJechinstrumeptea  (S.  111)  zu  zählen. 

Ihr  Tonsystem  geht  von  Kontra- C,  oder  dach  von  -^ 


chromatisch  bis  ^  -«-41    j*  9tlh9t  bis 


i 


225 


d=  fa?  * 


l^anu  aber  nur  bis  zum  eingestrichnen  g  oder  a  sicher  benoizt  werden ; 
die  Töne  über  dem  eingestrichnen  a  und  unter  Kontra-^  sprechen  nur 
sehr  schwer  an. 

Die  Schailkraft  des  Instruments  istgross,  der  Klang  ranh, 
dumpf  und  in  der  Höhe  wridbeftig.  Es  ist  nur  in  langsamer  Bewegung 
und  einfacher  Weise  zur  Unterstützung  des  Basses  bei  grosser  Be- 
setzung der  Harmonie  zu  gebrauchen. 

Abarten  der  Ophikleide,  —  die  Alt-Ophikleide,  die  Kontra- 
bas s«  Op  h  i  k  I  e  id  e  (sechszehnfussig) ,  dann  das  Bassinstrnment  B  a  - 
tbyphon  (nach  der  Klarinette  gebildet)  dürfen  bei  Seite  gelassen 
werden ,  da  sie  unsers  Wissens  in  Deutschland  keine  Aufnahme,  we- 
nigstens keine  Stelle  in  grössern  Kunstwerken  gefunden  haben.  Der 
Bass-Ophiklei'de  bedient  sich  unter  andern  Meyerbeer  in  den  Huge- 
notten zur  Verstärkung  des  Posaunenchors,  in  dem  sie  mit  der  Basspo- 
saune bald  im  Einklang,  bald  in  der  tiefem  Oktave  geht.  Selbst  bei 
den  MilitairmusikcfaÖrcn  ist  sie  von  der  Tuba  und  dem  Bombardon  (de- 
nen die  Bläser  allgemein  grössere  Brauchbarkeit  beizumessen  scheinen) 
verdrängt,  und  wird  nur  beibehalten ,  wo  man  einmal  das  Instrument 
besitzt  und  die  Kosten  eines  neuen  Ankaufs  scheut. 

5.  Das  Bassbom, 
auch  englisches  Basshom  {corno  basso)  genannt ,  ist  ein  fagottartiges 
Instrument ,  dessen  Rohr  von  Holz ,  kurz ,  aber  weit  und  unten  ver- 
schlossen*), oben  in  einen  weiten  Schallbecher  von  Messingblech  aus- 
läuft und  mit  einem  S  (wie  das  Fagott,  aber  weiter),  auf  diesem  aber 
durch  ein  posaunenartiges  (kegelförmiges)  Mundstück  von  Elfenbein 
oder  Horo  angeblasen  wird.  Sechs  Tonlöcher  und  eine  bis  drei  Klappen 
geben  dem  Instrument  eine  vollständige  Tonleiter  von  — 

«hromatUch  bis  ^  oder  x  oder  andi 


226    ^'  =^  ^ 


^  oder  jedenfalls  1 


*)  Dieser Verscblttss  verdoppelt,  wie  bei  gedeckten  Orgelp fei  Fe o  (S.  12, 
Allg.  Masiklehre  S.  175),  die  Tiefe  des  InstrumeDts,  maobt  aber  den  Klaog  noch 
daflipfer,  als  er  ohnehin  hei  der  Weite  und  sonstigeB  KonstrokUoB  Mio  wärde. 


208     

in  der  69  sich  ia  masaiger  G^sohwhMÜgkeil  utid  iiiebii  verwiekelten  Fi^ 
guren  bewegen ,  besonders  in  einfacher  StirnnfübniDg  ind  longyamer 
Bewegang  zur  Unterstätzang  des  Basses  wohl  verwenden  iässt.  Am 
begoemsten  sind  ihm  die  Tonarien  O-,  &y  F*^Br  WB^JEsAmr  und  ihre 
Parallelen. 

Der  Klang  des  Instmments  ist  dampf  and  dabei  doch  vordring- 
lich durch  die  erhebliche  Schallstärke,  Es  ist  in  neuester  Zeit  von 
den  Toben  und  Bombardons  meist  verdrängt ,  auch  nnsers  Wissens  im 
grossen  Orchester  nie  zu  erheblicher  Aawendaog  gekommen. 

6.  Das  Bombardon 

endlich  ist  der  Basstaba  in  Bauart*)  and  Wirkung  ähnlich  und  hat 
einen  Umfang  von  — 

chromatiach  bis  ^.ja  hUzp 


227 


WO  nicht  noch  höher.  Die  tiefern,  der  Tuba  erreichbaren  Töne  sind  auf 
dem  Bombardon  theils  anerreichbar,  theils  schlecht ,  die  Höhe  dagegen 
soll  es  leichter  und  biegsamer  haben,  als  die  Tuba,  lieber  die  gegensei- 
tigen Vorzüge  beider  Instrumente  ist  nichts  Sicheres  mitzutheilen. 
Jeder  Bläser  belobt  das  seinige  und  schilt  das  andre  roh  and  plump ; 
vielleicht  haben  beide  Theile  Recht.  Im  grossen  Orchester  sind  beide 
Instramente  wenigstens  in  deutschen  Werken  ansers  Wissens  nicht 
einheimisch  geworden. 

Zu  diesen  Verstärkungen  treten  nun  noch  als  blosse 

C.  ScbaU*  und  Klangwerkzenge 

folgende  Instrumente. 

7.  Die  grosse  Trommel 

(ffran  tamburo)^  bekanntlich  von  Holz  gebaut,  mit  einem  lederumhiill- 
ten  Schlägel  zum  Schallen  gebracht,  von  tieFem,  aber  nicht  tonbestimm- 
tem,  dumpfem,  mächt^em  Schalle,,  gewöhnlich  auf  aaem  Linieiisystem 
mit  Bassschlüssel**)  notirt. 

8.  Die  Rolltrommel 
(tamhuro  ruUante) ,  eine  längliche,  aber  enge  Trommel  von  Holzge- 
banse,  mit  zwei  Trommelstöcken  geschlagen,  ohne  bestimmte  Tonhöhe, 


*}  Das  Bombardon  hat  drei  Ventile,  die  Taba  fänr,  seebs,  sieben. 

♦♦)  Die  Vorzeichnanif  des  Äj  in  Nr.  21T  ist  wohl  ein  Drackfehler  in  der  Beet- 
h  o  T  e  naschen  Partitur. 


204     

gewöhnlich  zo  dampfen  Wirbeln  gebrancbt,  ebeoMls  im  Bassscblussel 
notirt.  Die  Wirbel  werden  mit 

angezeichnet ,  kurze,  einfache  oder  mehrfoehe  VorschÜge  mit  kleinen 
Noten,  — 

wie  in  gewöhnlicher  Notenschrift. 

9.   Die  Militairtrommel 

(tamburo  miHtare),  von  bekannter  Beschaffenheit ,  notirt  wie  die  Roll- 
trommel. 

10.  Der  Tamtam*), 

eine  grosse  kesseiförmige  Schale  von  eigenthümlich  zosam mengesetz- 
tem  Glockengut,  in  der  Tenor-  oder  Altlage,  jedoch  ohne  bestimmte 
Tonhöhe,  machtvoll  metallen  schallend  nnd  lange  nachhallend,  mit 
irgend  einer  Note  auf  einem  der  Liniensysteme  oder  auch  durch  ein 
blQsses  Zeichen  von  beliebiger  Form,  z.  B. 

O  oder  ^ 
angeschrieben. 

11.  Der  Triangel 

(triangölo)^  das  bekannte  in  ein  offnes  Dreieck  gebogne  Slabinstru- 
meut  von  Stahl,  das,  mit  einem  Stahlgriffel  angeschlagen,  fein  und 
glockenhell  klingende  Schalle  von  hoher,  nicht  näher  zu  bestimmender 
Tonlage  giebt  und  im  Violinschlüssel  notirt  wird. 

12.  Die  Becken 
(pfattt\  badnelli)^  die  ebenfalls  bekannten  Metallschalen,  die  zu  klir- 
rendem  Schall    zusammengeschlagen    und   im   Violinschlüssel   notirt 
werden  **). 

Zuletzt  mag  noch  eines  neuern  (aber  an  uralte,  chinesische  Vor* 
ganger  erinnernden)  Instruments  gedacht  werden,  der 

13.  Glockenlyra, 

deren  Töne,  chromatisch  von  es  bis  c  im  Violinschlüssel  notirt,  aber 

eine  Oktave  höher,  also  von  es  bis  c  hervortretend,  aus  hängenden 
Stahlplatten  gewonnen  werden ,  die  mit  Klöppeln  geschlagen  werden. 
Das  Instrument  hat  besonders  in  der  Höbe  durchdringenden  Klang,  ist 
übrigens  nur  bei  der  Militairmusik  gebräuchlich. 

*)  Das  lostrament  ist  chioesischeD  (Jrsprongs,  ansers  Wissens  zuerst  von 
S p o n t i n i  in  seioeo  Opern  nnd  von  Cherubini  in  seinem  Requiem  gebraucht. 

**)  Der  tiirkisobe  Mond  (Scbellenmond,  Muhamedsfahne)  ist  von  der  Militair- 
musik her,  die  ihn  allein  gebraucht,  bekannt. 


206     

Sechster  Abschnitt 
Zusammenstelluiis  grosser  Harmoniemusik. 

Fassen  wir  nun  alle  allmählich  aufgeführten  Instrnmente  für  Har- 
moniemusik zusammen,  so  finden  wir  allerdings  deren  eine  grosse  Zahl 
von  der  mannigfaltigsten  Beschaffenheit.  Wir  haben 

1«  den  Chor  der  Blechinstrumente, 

2.  den  Chor  der  Ventilinstmmente, 

3.  den  Chor  der  Rohrinstrumente, 

4.  eine  Reihe  von  Schlag-  und  Schallorganen. 

Sie  alle  können  möglicher  Weise,  —  wenn  es  auch  vielleicht  noch  nie 
geschehn  ist  und  äusserst  selten  rathsam  sein  dürfte,  —  zu  einem  Satze 
mit  einander  verbunden,  oder  aus  allen  vier  Chören  kann  eine  Auswahl 
getroffen  werden.  Dies  ist  das  Häufigere  und  der  nächste  Gegenstand 
nnsrer  Betrachtung. 

Es  fragt  sich  zunächst  also :  welches  ist  die  zweckmässigste  Aus- 
wahl und  Zusammenstellung  für  grosse  Harmonie  Wirkungen  7  —  Dass 
hier  nicht  allgemein  anwendbare  Verzeichnisse  von  dem,  was  man  neh- 
men müsse  oder  nicht  nehmen  dürfe,  zu  erwarten  sind ,  weiss  der  mit 
unsem  Grundsätzen  Vertraute  schon  voraus.  Es  können  nur  allge- 
meine Gesichtspunkte*)  aufgestellt  werden,  nach  denen  man  sich  in 
jedem  einzelnen  Falle  zu  bestimmen  hat.  Diese  Gesichtspunkte  aber  er- 
geben sich,  wenn  wir  uns  die  verschiednen  Seiten  eines  Tonstücks  vor- 
stellen. 

A.  Tonwesea  und  Schallbaft. 
Für  Melodie  und  Harmonie  bedürfen  wir  einer  Auswahl  soloher 
Instrumente,  die  geeignet  sind,  Oberstimme,  Mittelstimmen  und  Basa 
zu  besetzen.    Fassen  wir  die  lougebenden  Instrumente  aller  Chöre  zu- 
sammen, so  finden  wir 

1.  für  die  Oberstimmen: 

Pikkolflöten,  hohe  Hörner, 

Flöten  (und  Terzflöten),  Ventiltrompeten, 

Oboen,  hohe  j9-Romette, 

RIarinetten,  Rlappenhorn ; 
Trompeten, 


*)  Eioeo  woUeo  wir  voraas  in  Betraeht  oehmen,  w«od  er  auch  kein  rein 
konntleriscber  ist.  Bs  ist  die  Rüeksicht  anf  die  Ausführbarkeit  and  Verbreitung 
ansrer  Musikstiieke.  Sie  widerrStb  den  Gebraaeh  soleber  Instrumente ,  die  nur  an 
wenig  Orten  zu  haben  sind.  Daher  woiien  wir  auf  englisebes  Hörn,  Bass- 
klar in  ette^  Alt-  and  Rontrabass-OphikleVde,  Bombardon,  Batby- 
phon,  sowie  auf  maneherlei  andre,  theila  nicht  orebestermässis  gewordoe,  theils 


—  2m  — 

2.  für  die  Mittelstimmen: 

Oboen,  Hörner, 

Kiarinetteo^  Alt-  und  Tenorposaune, 

Allklarinetten,  Alt-  und  Tenortrompete, 

Basselhörner,  JS'^-Kornette, 

Fagotte,  Tenorhorn ; 
Trompetep^ 

3.  für  den  Bass: 

Fagotte,  VientilhSrner, 

Kontrafagott,  Basslrompetc, 

Serpe;nt,  Tenorbass, 

Ophikleide,  Basstuba, 

Hörner,  Pauken. 
Bassposaune, 

Halten  wir  nun  blos  den  Gesichtspunkt  des  Tonwesens  fest,  so 
haben  wir  zunächst  auf  ein  Gleichgewicht  unter  den  drei  Stimmklasscn 
zu  achten;  es  ist  im  Allgemeinen  wünschenswerth,  dass  die  Besetzung 
der  Ober-,  Mittel-  und  Basspartien  gleicbmässige  Schallstärke  gewäh- 
ren, nicht  eine  dieser  Partien  im  Verhältniss  zur  andern  zu  stark  oder 
zu  schwach  wirke*). 

Es  ist  aber  klar,  dass  bei  dem  Ermessen  der  Stimmkraft  nicht  blos 
die  Wahl  der  Instrumente ,  sondern  auch  die  Stärke  der  Besetzung  in 
Betracht  kommt.  Der  Komponist  als  solcher  hat  hier  nichts  zu  bestim- 
men, wohl  aber  muss  ihm  ein  ungefährer  Maassstab  dessen,  was  er  zu 
erwarten  hat,  erwünscht  sein,  damit  er  sieh  sicher  vorsiellen  könne, 
welche  Schallkraft  er  ungefähr  zu  verwenden  habe.  Um  hier  einen 
thatsäehliehen  Anhalt  zu  finden ,  theilen  wir  ein  Verzeichniss  der  Be« 
Setzung  mit,  die  bei  der  preussischen  Garde  (hier  nach  Wieprecht's**) 
Vorschlägen),  bei  der  österreichischen  und  russischen  Infanteriemusik 
als  normal  angegeben  wird. 


wieder  veraltete  lostromeate  (Flag^eolelt,  Flute  tTamour,  Posthorn,  Lt«te  n.  s.  w.) 
aiebt  weiter  eiogehn.  Dieselbe  EUeksieht  warot  aach,  Oberhaupt  niehtzo  viel  lo- 
stromeote  za  federn.  Es  ist  ein  bedeokliches  Zeicheo,  von  derMeoge  der  Mittel  die 
Kraft  des  Kaostwerks  zu  hoffen. 

*)  Bei  ansero  Uebongssätzeo   fehlte  es  zuerst  an  melodieriibrendeD ,  naebbei 
an  hioläogiicb  starken  Bassinstmineoteo. 

**)  Das  Einzelne  können  wir  nicht  vertreten;  es  konmt  aaeb  nicht  darauf, 
sondern  aar  aaf  eine  allgemeiae  Ansehannng  an.  Kbeasewenig  kSanea  wir  auf  den 
Widersprach  naher  eingebe,  den  Theodor  Rode  (Geschiobte  dar  preass.  Infan- 
terie- und  Jägemueik)  lud  Andre  mit  f rossean  Nachdrack  gegan  die  W ie  pre e h t'- 
seben  fiiorichtiiagen  and  Vorschläge  erhoben  haben. 


207 


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208     

Allerdings  ist  nieht  äberall  auf  so  sUrkbesetzte  Chöre  zo  rechnen, 
▼iel  weniger  öberall  dieselbe  Slimmanswahl  za  finden.  Doch  hat  man 
hiernach  schon  einen  durch  Erfahrung  geprüften  Maassstab,  nach 
dem  das  Mehr  und  Minder  sich  ermessen  lässt.  Wir  versuchen  hier 
noch  ein  Paar  Zusammenstellungen  für  vollzählige,  aber  doch  minder 

starke  Chöre. 

(flUrk,     seb wacher,  ■•eh  schwächer) 

Pikkolflöte 1  ...  1   ...   1. 

Flöte 2  ...  2  ...  1. 

Oboe 2  ...  2  ...  2. 

hohe  Klarinette    ...  2  ...  1   ...  1. 

(in  Es,  F) 
Erste  Klarinette  ...  5  ...  4  ...  3. 

(in  A,  Ä,  C) 
Zweite  Klarinette    ..  5  ...  4  ...  3. 

(in  A,  Ä,  C) 

Bassethorn 2  .    .    .  2  .    .    . 

Fagott 4  ...  3  ...  2. 

Kontrafagott    ....  2  ...  t  ...  1. 

Serpent 1   ...  1   ...  1. 

Basshom 1   .    .    .  1   .    .    . 

Hörn 4  ...  4  ...  2. 

Trompete 4  .    .    .  4   •    .    .  2. 

Bassposaune    ....1...1...1. 
Tenorposaune.    ...1...1...1. 

Altposaune 1  ...   1   ...  1. 

Tuba 1 

Tenorhorn 1   .    .    .   t   .    .    . 

Man  bemerke ,  dass  überall  die  grossen  Klarinetten  am  zahlreich- 
sten besetzt  sind.  Dies  ist  nothwendig,  da  sie  (mit  Hülfe  der  höhern 
Instrumente)  die  geeignetsten  Instrumente  zur  Melodieführung  sind 
und  zugleich  als  Mittelstimmen  dienen ,  namentlich  am  brauchbarsten 
zu  figorirten  Mittelstimmen  sich  erweisen ,  daher  nicht  selten  in  vier 
verschiedoe  Stimmen  auseinandertreten. 

Im  Obigen  ist  zuvörderst  die  Ges^mmtwirkung  des  ganzen  Chors 
im  Auge  gewesen  und  hat  sie  das  Gesetz  gegeben  für  Zusammenstel- 
lung und  Besetzung  der  Stimmen.  Soll  nun  in  einzelnen  Partien  einer 
Komposition,  z.  B.  iu  Pianosätzen,  nicht  das  Ganze  zusammenwirken, 
so  müssen  hier  wieder  die  Stimmen  für  Melodie ,  Bass  und  Mitte  in  das 
Gleichgewicht  gebracht  werden.  Es  könnte  z.  B.  ein  sanft  vorzutragen- 
der Satz  folgende  Besetzung  — 

Erste  Klarinette  in  B, 

Zweite  Klarinette  in  Ä(nach  Erfodem  in  zwei  Partien  zu  theilen), 

Bassethömer, 


909    

2  Horner, 

Kootrafag^U  oftd  ein  drittes  Fagott 
habea;  die  nächste  Verstärkuog  würde  durch  den  Zutritt  einer  Flöte 
und  einer  hohen  Klarinette,  dann  zweier  Flöten,  zweier  Oboen,  zweier 
Hörner  und  Trompeten,  und  statt  des  dritten  Fagotts  eines  Serpents 
oder  einer  Ophikieide  erreicht. 

DiQse  Ansätze  können  und  sollfsn  indess  nur  als  Beispiele  gelten ; 
es  lassen  3ich,  wie  sich  von  selbst  verateht,  schwächere  Besetzungen 
and  noch  mehr  Abstufungen  von  der  schwächsten  Besetzung  bis  zur 
stärksten ,  sowie  auch  mannigfach  abweichende  Wahlen  und  Zusam- 
menstellungen der  Instrumente  treffen.  Je  sicherer  man  sich  nach 
unserm  ersten  und  wichtigsten  Rath  (S.  4)  die  Wirkung  jedes  einzel- 
nen Instruments  eingeprägt,  je  heller  man  ihr  Zusammenwirken  nach 
SchaükrafI;  und  Klangweise  erfahren  und  zur  bleibenden  Vorstellong 
gemacht,  desto  treffender  wird  man  in  jedem  einzelnen  Fall  das  Rechte 
zu  ergreifen  versle.hn« 

B.  Klangweseo. 

üeber  den  Klang  der  einzelnen  Organe  und  Klassen  haben  wir 
schon  Betrachtungen  aingestellt,  die  sich  jetzt  leicht  er«i^eitern  lassen. 

Wir  wissen ,  dass  jede  Inslrumentart  ihre  eigenthümliche  Klang- 
weise hat  und  hierin  ein  vorzüglich  hervortretender  Karakterzug  aller 
liegt. 

Wir  haben  ferner  beobachtet,  dass  verschiedne  Instrumentarien 
im  Klange  sich  mehr  oder  weniger  ähnlich ,  daher  von  dieser  Seite  her 
mehr  oder  weniger  einander  verwandt,  geeignet  sind  zu  verschmelzen- 
der Einigung. 

Zunächst  waren  alle  Klarinettarten  ungeachtet  des  Ein- 
flusses ihrer  engern  oder  weitern  und  kurzem  oder  längern  Mensnr 
unter  einander  verwandt.  Ihnen  schliessen  sich  jetzt  die  Bassethör- 
ner  an,  zwar  durch  den  Einfluss  des  verhähnissmässig  donnern  Blatts» 
des  grössern  und  in  ein  Knie  gebrochnen  Rohrs  und  des  metallnen 
Schallbechers  von  plattgedrückter  Form  von  dunklerm,  bebenderm 
Klang  und  von  grösserer  Schallkraft  der  Tiefe,  aber  doch  den  Klarinet- 
ten am  ähnlichsten. 

Wie  die  Flöten  und  Fagotte  (mit  Kontrafagott)  sieh  den  Kla- 
rinetten anschliessen  mochten,  so  treten  sie  auch  mit  den  Basset- 
hörnerD  in  ein  Verbal tniss,  —  wenngleich  erstere  (nach  der  oben 
angedeuteten  Verschiedenheit)  in  ein  weniger  vertrautes. 

Zu  den  Oboen  treten  jetzt  (wenn  man  sich  ihrer  bedienen  will) 
die  englischen  Hörner.    Auch  die  Bassetbörner  stehn  ihnen 
durch  die  Bedecktheit  und  Bebung  ihres  Klanges  näher  als  die  Klari- 
netten, obwohl  der  Tonlage  nach  ferner.  Sie  bieten  aber  eine  Klang- 
Marx,  Komp.  L.  IV.  3.  Aufl.  1 4 


210    

vermittlang^  zwischen  Oboe  und  Klarinette,  and  letztere  wieder  eine 
TonvermittluDg  zwischen  jenen.  Den  englischen  Hörnern,  wenn 
sie  gebraucht  werden,  würden  die  Fagotte  an  Schallkraft  noeh  weni- 
ger gewachsen  sein,  als  den  Oboen,  auch  durch  den  stillen  rnnden 
Klang  ihrer  Mittellage  entschieden  von  ibnen  abgewendet.  Doch  liesse 
sich  unter  der  mildernden  und  verschmelzenden  Mitwirkung  andrer  In- 
strumente der  Verein  aller  drei  genannten  Arten  mit  Erfolg  benutzen. 
Auch  hier  sind  es  die  Basset  hörner,  ii6  nach  Klang  und  Ton  den 
Fagotten  näher  slehn,  als  die  übrigen  genannten  Instromente. 

Aus  dem  Chor  der  Blechinstramente  sehiiessen  bekanotlicb  Trom- 
peten und  Posaunen  zusammen,  allenfalls  aueh  zu  beeondem  Wir- 
kungen Posaunen  und  Hörner. 

Die  Hörner  schliessen  sich  von  dieser  Klasse  zunächst  den  Kla- 
rinetten und  Fagotten  an;  sie  werden  sich  nun  auch  mitdenBas- 
sethörnern  gut  vereinigen. 

Ist  so  der  Chor  der  Rohrinstramente  stark  genug  angewachsen 
und  vielleicht  auch  durch  den  Zutritt  der  Hörn  er  dem  Melallklang 
näher  gebracht,  so  treten  Serpent  oder  Basshorn  mit  dem  Ge- 
sammtklang  in  angemessne  Verbindung. 

Noch  eine  Anknüpfung  zwischen  dem  Chor  der  Rohr-  und  dem  der 
Blechinstrumente  liesse  sich  in  einer  gewissen  Aehnliehkeit  von 
Trompete  und  Oboe  in  der  tiefen  Tonlage  finden.  Die  Oboe  ist  in 
der  Tbat  hier  von  einer  Schärfe  und  GefüUlheit  des  Klangs,  von  einer 
Schallkrafl,  von  einem  so  dezidirt  einschneidenden  V^esen,  dass  man 
an  die  gleichen  Eigenschafleo  der  Trompete  erinnert  wird.  Kommt  es 
nun  blos  auf  seharfbestimmted  und  vollstarken  Zusammenbang  an  ^  so 
kann  eine  Lage  von  Oboen,  Trompeten  und  Posaunen  wohl  ein- 
greifen. Allein  bei  tieferm,  innigerm  Eingehn  kann  der  grosse  Unter- 
schied des  metalUsch  glänzenden,  hehren  and  innerlich  mäehtigen 
Trompetenklangs  von  dem  holzig  gezwängten ,  mehr  gespreizten  als 
mächtigen  V^esea  der  tiefen  Oboetöoe  Niemandem  ealgebn;  der  Trom- 
petenklang  wird  verunreinigt  durch  solche  Verbindung,  wenn  nicht  be- 
sondre Intentionen  sie  fodern  pder  Massen  andrer  Instrum^te  sie  be- 
decken. 

Von  dem  Chor  der  Ventilinstrumente  scbliessen  sich  die 
Ventiltrompeten  ihren  edlern  Schwestern,  dea  Naturtrompe- 
ten  und  damit  den  Posaunen  an,  würden  übrigeoa  in  einer  Verbin- 
dung mit  den  Oboen  weniger  zu  verlieren  haben. 

in  demselben  Verhältniss  stehen  dieVentilbömer  zu  den  Na- 
turhörnern. Dass  sie  an  Reinheit,  Freiheit  und  LuftfüUe  des  KUagCii 
gegen  jene  sich  im  Nacbtheil  befinden ,  wird  wohl  nicht  mit  Grand  ge- 
leugnet werden  können. 

Die  Kornette  haben  ebenfalls  Verwandtschaft  mit  den  Hör- 
nern, aber  oiclii  deren  freies,  weithin  und  gleichsam  v<m  fern  her- 


211 

über  bauendes  Wesen ;  sie  sind  verschiossner,  bescbräDkler,  beiläafig 
aucb  weniger  der  quellend  starken  Höbe,  der  schmetternden  Schaükraft 
der  Tiefe ,  und  amgekebrt  des  leisesten  Verhallens «  wie  in  Luft,  wie 
Echo  vom  Echo  fähig,  das  eben  dem  Hom  diesen  schwärmerisch  ro- 
mantischen Karakter  znerlheilt.  Sie  lassen  sich  daher  allerdings  mit 
Hörnern  nahe  genag  verbinden ,  können  mit  ihnen  zn  einer  Masse  'zu- 
sammenschmelzen  y  allein  der  geistigere  Reiz  des  Homs  gebt  dabei  ver- 
loren.  Gunstiger  erweisen  sieb  noch  diePlngelbörner. 

Die  tiefen Ventilinstrnmente,  Tenorhorn^  Tenorbass,  Tuba, 
stebn  ebenfalls  dem  Hom  nahe ,  bilden  aber  vermöge  ibrer  Grösse  und 
Scballkraft  alimahlicb  der  Posaune  sich  annähernde Mittelstttfen  zwi« 
sehen  dieser  und  dem  Hom. 

Dasselbe  gilt  von  der  Ventilposaune,  die  die  dröhnende 
Scbmetterkrafi  der  Posaune  zu  dem  dunklern  und  mndem  Horn- 
klang  ermassigty  doch  aber  diesem  an  Scfaallslärke  und  Helligkeit 
überlegen  bleibt. 

Vermöge  ihres  gescblossnem ,  begränztern,  weniger  Infi-  und 
Betailfreien  Wesens  treten  die  Ventilinstrumente  auch  niher 
zn  dem  Chor  der  Rohrinstrnmente  heran,  als  die  natürlichen 
Blechinstrumente;  sie  bilden  einen  Miltelchor  zwischen  dem  reinen 
Blecb-  ond  dem  Rohrchor.  Den  Uebergang  machen  hier  die  0  p  h  i kl e'i« 
den  mit  ihrem  Metallkörper  und  die  Serpents  mit  ihrem  Posaunen- 
mundstöck.  Ohne  Frage  können  die  Ventilinstrumente  daher  mit 
den  Rofarinstrumenten  inniger  verschmolzen  werden,  als  die  Na- 
tnrbleehinstrumente,  und  stehn  wiederum  in  näherm  Bezug  zn 
letztem,  als  diese  zn  den  Rohr  Instrumenten ;  denn  sie  bilden  eine  Mit- 
telgattung zwischen  den  beiden  andern  Chören.  In  diesem  Sinne  stellt 
aucb  Herr  Dir.  Wieprecht  (S.  207)  sie  als  ,,Miltelregister''  zwischen 
die  Rohrinstrumente  und  die  Blechinstrumente  (die  er  mit  Bassluben 
unterstutzt)  und  bezeichnet  ganz  treffend  hinsichts  der  Schallkraft  die 
Robrinstrumente  als  das  „leichte^',  die  Ventilinstramente  als  das  ,, etwas 
scbwerere'S  die  Blechinstrumente  als  ,, stärkstes  Register^*. 

Allein  eben  bierin  Hegt  das  Bedenkliche*)  ihrer  Anwendung  in 
Hasse.  Sie  als  Miltelgattung  verschmelzen  die  beiden  andern  Chöre  so 
dnrcbgreifend ,  dass  deren  eigenthümticher  Karakter  seine  Schärfe  ver- 
liert und  der  grosse,  selbst  im  Tutti  noch  wirksame  Gegensatz  von 
Blech  und  Rohr  gebrochen  wird.  Allerdings  kann  ihn  der  Komponist  in 
dnzelnen  Partien  aufrecht  erhalten;  er  kann  einen  Satz  blos  den  Rohr- 
instnimeuten,  eiaen  andern  blos  den  NaUirbleohinstnimenten  zuerthei- 


*)  Fär  die  EinführaDg  des  Ventilchors  in  die  Militairmostk  bat  Herr  Dir.  W. 
nocb  ssoz  besondre  in  der  militairiscben  Aufslellnus  and  Anordnung  berabende 
Groade  vorsetragen,  die  «ber  ausser  dem  Kreis  niisrer  rein  kanstleriseben  Betracb- 
•at8:ti0aMi. 

14* 


212     

leo.  Aber  jedenfalls  wird  «r  in  andern  Partien  die  VentiliBslniiilenie, 
oder  sie  mit  dem  einen  oder  andern  Chor ,  oder  (in  den  meisten  Fäl* 
len,  namenllich  zum  Schluss)  alle  drei  Chöre  in  Verein  bringen  —  und 
dann  wird  eben  doch  der  Karakter  der  drei  Chöre  ineinanderfliessen, 
das  heisst,  mehr  oder  weniger  geschwächt  and  aufgehoben  werden« 
Hierzu  kommt  die  eigenthiimliche  Anziehungskrafl  der  lostromente  für 
den  Komponisten.  Sobald  er  ihnen  die  Schranken  seiner  Partitnr  ein« 
mal  geöffnet  hat,  umstehen,  locken  und  drängen  sie  ihn  gleich  selb« 
ständig  lebenden  Wesen,  wollen  auch  herbeigerufen  sein,  auch  mitre- 
den ond  sich  geltend  machen ,  und  man  nniss  sich  selber  und  sie  schon 
sieher  beherrschen  und  seiner  Idee  voll  ond  getren  sein ,  wenn  man 
nicht  von  ihnen  zu  anzeitiger  Anhäufung  oder  unbegründetem  Wechsel 
▼erfuhrt  werden  soll. 

Anders  verhält  es  sich  mit  der  Herbeiziehang  einzelner  Ventilin- 
stmmente  zu  den  andern  Chören.  Das  chromatische  Tenorhorn 
kann  sich  vortrefflich  mit  Naturhörnern  und  Po&aunen  zn  tief- 
tönenden, voll,  aber  dabei  mild  erschallenden  Klängen  verbinden;  die 
Tuba  kann  für  grosse  Harmoaiemassen  im  Verein  mit  Fagotten  ond 
Kontrafagotten  geeignet  sein  zur  Führung  des  Basses;  jedes  Ven* 
tilinstrument  kann  für  besondre  Intentionen  günstig,  ja  das  einsig 
Rechte  sein.  —  Selbst  die  Eiuführuog  des  vollen  Ventilchors  können 
wir  nach  uoserm  obersten  Grundsatze  (Th.  I.  S.  15)  so  wenig,  wie 
irgend  eine  künstlerische  Gestallung  für  unstalthafl  oder  falsch  erach- 
ten. Wohl  aber  musslen  wir  die  Folgen  dieser  Einführnng  bezeichnen, 
waren  um  so  mehr  dazu  verpflichtet,  je  mehr  die  Richtung  des  beuti- 
gen Tages  auch  in  der  Musik  sich  von  dem  Karaktms tischen,  Bestimm- 
ten und  darin  Wahrhaften  abwendet. 


Siebenter  Abschnitt. 
Der  Satz  fttr  grosse  Uarmoniemusik. 

Nach  allem  Vorangegangnen  darf  sich  die  Lehre  jetzt  auf  wenig 
Sätze  und  Beispiele  beschränken.  ' 

Je  grösser  die  Masse  der  vereinten  Bliser  ist,  desto  mehr  tritt  die 
Besonderheit  der  einzelnen  Klassen ,  Arten  und  Stimmen  znrück,  und 
desto  entschiedner  macht  sich  das  vorherrschende  Element  aller  Blas- 
instrumente, —  der  tönende  Hauch,  der  Schall,  —  geltend.  Daher  ist 
es  dringend  rathsam,  mit  der  Vergrösserung  der  Masse  immer  umsich- 
tiger der  Einfachheit  zuzustreben.  Der  Mozart'sche  Satz  Nr.  209, 
die  Beethoven'schen  Märsche  Nr.  217  und  218  geben  hier  schla- 
gende Beispiele  $  wir  fügen  ihnen  in  der  Beilage  I  noch  ein  instnunent-' 


213     

rcieberes  aus  der  Feder  eines  auf  diesem  Felde  Torzöglich  erfTrobten 
ToDsetzeni*)  zu.  Mau  bat  bei  derBetracbUmg^  dieses  Marscbsatzes  eine 
Beseteung  gteicb  (oAer  ziemlich  gleich)  den  S.  207  aDgerdhrten  vor* 
auszusetzen,  da  er  für  di^elbeii  oder  gleichstehende  Mititairmusikchöre 
geschrieben  ist. 

Hier  führen  im  Forte  Pikkolflöte,  F-Klarinelle  (wahrscheinlich  2) 
und  erste  C-Klariuette  (wahrscheinlich  6)  die  Melodie,  und  zwar  in 
,hoher,  scharfaDsprecbender  Tonlage.  Dieser  Oberstimme  steht  ein  Bass 
gegenüber,  vom  zweiten  Fagott  (doppelt  besetzt),  Serpenl,  Kontrafa- 
gott (doppelt  besetzt)  und  Bassposaune  (2  oder  3)  durchgeführt;  viel- 
leicht ist  dabei  noch  auf  Basshörn  oder  Ophikleide  gerechnet.  Soleben 
Aussenstimraen  dienen  nun  die  zweiten  Klarinetten  (6) ,  die  Bassethör- 
ner,  das  eiste  Fagott  (doppelt  besetzt),  vier  Hörner  —  und  unbedenk- 
lieh  die  sonst  wegen  ihrer  Schärfe  nicht  wohl  zur  Begleitung  geeigne- 
ten Oboen,  dann  auch  die  Trompeten  (5)  und  höhern  Posaunen  (2)  als 
Mittelstimmen. 

Die  Kraft  der  Mittelstimmen  liegt  hauptsächlich  in  der  kleinen  nnd 
eingestrichnen  Oktave  ;  dies  bezeichnet  schon  der  Antritt  der  Basset- 
hörner  und  des  ersten  Fagotts  (a.),  • — 

■      ;     I 

der  Hörner  und  Posaunen  (b.)  wnd  der  Trompeten  (c).  Während  diese 
Hauptlage  derMiltelstimmen  sich  den  Bassinslrumenten  eng  anschliesst, 
treten  Oboen  und  zweite  Klarinette  (d.)  darüber,  um  die  Verbindung 
mit  der  hochliegenden  und  scharf  intonirten  Melodie  zu  bilden. 

Im  PianQsatze  tritt  die  PikkolOöle  von  dqr  Melodie  zurück,  die 
nur  von  der  F-  und  ersten  C-Klarinelte  geführt  wird,  mit  einer  Gegen- 


*)  Aus  einem  Gesc1iwiDdinttrsciie''voii  A.  Neitbardt  (danraTs  Direktor  eines 
Gtrdemnsikchors ,  jetzt  Direktor  des  Berliner  Domcbors),.. bei  Sohlesinger  in 
Berlin  unter  Nr.  94  als  Armeemarsql^  in  Partitar  beraasgegebeo.  Bei  der  vorlie- 
gendea  Komposition  and  dep  meisten  Arbeiten  gleicber  Bestimma.ng  kann  die  Beant- 
wortung der  Frage:  ob  die  firfiodong  karakten'oll  oder  doch  mehr  oder  weniger 
aosprecbeod  sei^  dem  Tonsetzer  niemals  ohne  Weiteres  einen  Vorwurf  erregen. 
Denn  wer  kennt  nicht  die  hunderterlei  Wunsche  und  -—  Andentangen,  die  in  mas- 
sigen Garnisonleben  aus  GSrten,  Theatern,  ß&lleo  n.s.  w.  aaf  die  Parade  geschleppt 
werden  und  denen  sich  der  Mosikdirektor  sch^evlicb  versagen  kaqnt  Er  muss  zu- 
frieden sein,  wenn  er  —  wie  unser  bo£hgeachtelerToosetzer  — Kraft  nnd  Gelegen- 
heit gefunden,  sein  Talent  nnd  seinen  Sinn  in  zahlreichen  eignen  Arbeiten  glück- 
lieh zu  bewibren. 

Für  onsera  Zweok  ist  dieser  Paukt  vollends  nnerheblidi :  für  uns  ist  nor  das 
die  Frage:  wie  kann  und  soll  eine  ^gegebne,  z.  B«  diese  Melodie  behandelt  werden? 


—   zu   

stimme,  die  sich  unter  einer  iB-  und  Ventil-F-Trompete  (so  weil  es  an-» 
gebt,  soll  die  iB-Trompete  als  Natarinstroment  wirken)  vertheilu  Von 
der  Begleitung  treten  Oboen  and  Trompeten  zurück  und  alle  Instru- 
mente werden  in  gemässigter  Weise  gebraucht. 

Im  ganzen  Satze  herrscht  durchaus  einfachste  Behandlung« 
In  Bezug  auf  Klang  und  Rarakter  ist  —  wenn  man  jene  Gegen- 
stimme in  den  Trompeten  nicht  in  Anrechnung  bringen  will  —  kein  er- 
heblicher Gegensalz  hervortretend ;  alle  Instrumente  sind  zu  -einer  ein- 
zigen Hasse  zusammengeschmolzen. 

Die  Beilage  II*)  zeigt  ähuliche  Benutzung  des  Orchesters  erst  im 
Piano,  dann  im  Porte,  im  Piano  wird  die  Melodie  Mos  von  der  ersten 
Klarinette  (sechsfach  besetzt)  «oi^etragen.  Die  zweite  Klarinette  mit 
dem  ersten  Fagott  führt  eine  fliessende  Begleitnngsfigur  (a.)  durch,  — 


229 


li^^^^^^g 


äi 


Lmtizj 


während  zweites  Fagott,  Basshom  und  Kontrafagott  den  Bass,  und  die 
Hörner  mit  den  Bassethömern  vereint  (b.)  die  Mittellage  der  Harmonie 
bilden.  Die  Begleitung  würde  nach  Zahl  und  Schallkraft  der  Instru- 
mente zu  stark  sein ,  im  Verhällniss  zur  Besetzung  der  Melodie ,  wenn 
sie  nicht  dreifach  getheilt  wäre,  —  zwei  Stimmen  figuriren,  der  Bass 
und  die  tibriggebliebnen  Miltelstimmen  wechseln  viertelweise.  Im  Forte 
wird  dieselbe  Melodie  von  den  Pikkolflöten,  F-Klarinetten,  der  ersten 
C-Klarioelle  und  ersten  Oboe  vorgetragen,  die  Figur  in  ihrer  Ober- 
stimme von  der  zweiten  Klarinette  und  Oboe  und  dem  ersten  Basset- 
horn,  —  in  ihrer  Unterstimme  von  dem  zweiten  Bassetborn  und  ersten 
Fagott  ausgeführt;  zu  der  in  gescblossnen  Akkorden  Viertel  auf  Viertel 
auftretenden  Begleitung  sind  ausser  den  obigen  Instrumenten  noch 
Trompeten  und  Posaunen  getreten;  die  Trompeten  lösen  das  je  zweite 
Viertel  in  Sechszehntel  auf  und  tragen  dadurch  ein  neues  Element  der 
Erregung  in  das  Ganze. 

Auch  in  diesem  Fall  ist  keine  Sonderung  der  Stimmehöre  vorge- 
nommen worden.  Alles  vereinigt  sich  zu  einem  einzigen  Schallkörper. 

Dieselbe  Form  zeigt  sich  zu  Anfang  der  Beilage  Nr.  III.  Dann  aber 
tritt  die  Hauptmelodie  in  die  erste  C-Klarinette  (zuletzt  mit  Unter- 
stützung der  zweiten,  der  Bassethörner  und  Fagotte) ;  die  BegleituQgs- 
harmonie  unter  dieser  Melodie  aber  wird  durch  den  Zutritt  der  Oboen, 
jP-Rlarinetten  und  Pikkolflöten  über  jene  hinaus  aufgebaut,  so  dass  die 

*)  Die  Beilasen  11  und  III  siod  aus  Nr.  i%  der  bei  SeblesiDser  ersehieneoeii 
Armeemlirsche ;  Nr.  II  ebeofallt  von  A.  N  e  i  t  b  a  r d  t. 


215 


Melodie  gewiaseraiasseii  zor  MiUebtimme  wird.  T«kt  4  und  5  würde 
sie  daher  verduakeU  wierden ,  besonders  durch  die  ebenfallg  üggrirkA 
Pikkolflölen,  — 


230 

Pikkolflören  und 
rweiu  F* Klarinette 
(in  G  umgesetzt^. 


Erste  F-Klarlnette 

(in  C  «mgesetzQ, 

Erste  C-Klarinotte, 


A^ 


^J. 


^^^^m 


wena  oicbl  am  bedürftigsteo  (und  zugleich  rhythmisch  geeigoetsten) 
Punkte  die  F-KIarineUe  in  heller  Hochiage  unterstützend  eingriffe. 

In  der  Beilage  Nr.  IV  geben  wir  ein  Beispiel,  wie  im  grossen  Tutti 
die  Melodie  in  einer  Mittelslimme  behandelt  werden  könne;  man  hat 
die  gegebnen  Takte  als  Bruchstück  eines  grossem  Ganzen  anzusehen. 
Hier  stellt  sich  der  Salz  schon  weniger  einfach;  es  sind  vier  Partien,  -— 

1.  die  Melodie, 

2.  der  (einigermassen  wenigstens)  selbständig  hervortretende  Bass, 

3.  die  Begleitungsfigur  in  den  Klarinetten  u«  s.  w.» 

4.  die  harmoniefüllenden  Eintritte  der  Trompeten  u.  s.  w. 
zu  uDterscheiden. 

Die  Haoptstimme  wird  von  den  vier  Hörnern  und  dem  chromati- 
schen Tenorhorn  vorgetragen,  ihr  Heraustreten  durch  die  Pause  zo 
Anfang  jedes  Takts  in  den  flgurirendeo  Stimmen  und  durch  die  Pausen 
der  Begleitung  begünstigt.  Stiege  sie  für  die  zweiten  Hörner  zu  hoch, 
oder  sollte  sie  in  Klang  und  Sdiallkraft  gesteigert  werden,  ^o  könnten 
von  dem  Zeicbeo  *  in  Takt  4  an  die  böbem  Posaunen  zu  ihr  und  die 
zweiten  Hörner  zur  übrigen  Blechmaase  treten.  Diese  würde  dann  aber 
an  Scballkraft  verlieren  und  yon  dem  MetailgUnz  ihres  Klanges  ein- 
bqssen.  Naehtheiiig  für  die  M»cht  deS:  Klangs  und  den  Karakter  der 
Melodie  würde  die  Zuziehung  von  Fagott  oder  Bassetbörnern  oder  bei- 
den vereint  sein.  Der  Hornklaog  würde  beschränkt  und  verfärbt.  Ja, 
die  ganze  Melodie  wäre  —  für  Fagotte  und  Bassethörner  gedacht  — 
eine  Unwahrheit ;  den  Hörnern  sind  ihre  weiten  akkordischen  Schritte, 
ist  ihre  Bescliränkung  auf  die  beiden  harmonischen  Massen  (Th.  I. 
S.  59)  angebüi  ig ;  Fagotte  und  Bassethörner  wollen  mehr  Fliessendes, 
Diatontsehes,  faaheo  sanftere,  wehmütbige,  nicht  herausfahrende  Dinge 
zu  erzählen.  Und  wollte  man  sie  in  solcher  Weise  — 


i^^^p^^^^p 


sai 


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•■äs 


216     

einfübreD ,  so  würde  für  rie  wieder  die  gresse  Besetsvng  mpastend, 
das  Blech  karakterwidrig  nnd  erdradcend ,  die  hohe  Lage  der  Pikkol- 
flölen  0.  s.  w.  zu  schreiend ,  oder  bei  ermässigter  Begleilang  wieder 
die  Melodie  mit  zwei  Instromeolpaaren  za  stark  und  angefäUl  sein  ')• 
üebrigens  haben  wir  es  hier  mil  dem  Satz  for  grosse  Massen  zu  thnn, 
und  da  würden  sich  schwerlich  andre  als  Blechinstromente**)  für  eine 
Melodie  in  den  Mittelstimmen  eignen. 

Der  Melodie  in  der  Mittelslimme  muss  eine  wenigstens  nicht  ganz 
inhaltlose  Oberstimme  gegenüberstehn ;  dies  bedingte  die  Begleitongs* 
figur  in  den  Klarinetten  u.  s.  w.  Sehr  leicht  konnte  eine  bedeutendere 
oder  reichere  Gegenstimme  gefunden  werden ;  allein  dann  durfte  sie 
nicht  so  viel  Instrumente  an  sich  ziehen ,  oder  wurde  erdruckend  für 
die  Hauptmelodie.  Die  Fio;ur  ist  den  beweglichsten  und  weichsten 
Instrumenten,  Flöten  und  Klarinetten ,  übergeben ;  die  ^^r-Klarinelten 
durften  nicht  in  ihrer  durchdringenden  Höhe  gesetzt  werden,  wenn  sie 
nicht  die  Figur  zu  heftig  und  der  Haoptstimme  gefährlich  machen  soll* 
teu.  Fagotte  und  Bassethörner  waren  der  Figur  nicht  gerade  nöthig 
(sie  entziehen  ihr  sogar  durch  die  tiefe  Lage  einen  Theil  ihrer  Leich- 
tigkeit und  Helle),  schliessen  sich  aber  ihr  besser  an,  als  der  Masse  der 
Bleche,  —  bei  der  man  sie  so  — 


:fr^^g=t^«:! 


ä^Ü^^^^^i^SS^ 


232 


einführen  könnte,  -^  in  der  sie  den  reinen  Blechklang  beeinträchtigen 
würden.  Ob  sie  in  einem  grössern  Zusammenhange  nicht  lieber  pausi* 
ren  sollten  ?  —  liegt  ausser  unsrer  Betrachtung,  die  nur  auf  die  Be- 
handlung des  grossen  Tulti  gerichtet  ist. 

Einfacher  und  insofern  fasslicber  wäre  das  Ganze  geworden, 
wenn  wir  die  Bassposaune  mit  Serpent  und  Kontrafagott  gefuhrt  hät- 
ten ,  statt  diese  mit  ihr  zo  kreuzen ;  es  schien  aber  rortheilhaft,  das 


*)  Dass  hier  and  überall  der  Vortrag  viel  thoo  und  ändern  iana,dasa meh- 
rere lastromente,  wenn  sie  eine  Melodie  piano  vortragen,  vielleicht  nicht  zu  stark, 
vielleicht  sebwacber  als  ein  elüzigea /orte  blasendes  sind,  —  versteht  sich.  Aber 
die  Lehre  tod  der  Abwägaag  der  Kräfte  in  der  Komposition  kaan  sidi  auf  diese 
endlos  veränderbaren  äasserÜeben  Hilfen  des  Vortrags  nickt  einlassen  tiod  bst  es 
niebt  nöthig.  Denn  wer  die  Instramente  erst  nach  ihrem  Wesen  kennt,  weiss  sieh 
nach  ihre  Wirknng  im  Piano  vnd  Forte  vorznstfllen. 

**)  Namentlioh  könnte  auch  die  Basstuba  hier  gnte  Anwendung  Qnden. 
Wenngleich  ihre  Tiefe  (wenigstens  nach  dem  Gefühl  des  Verf.)  leicht  etwas  Schrof- 
fes, Unbändiges,  Unverschmelzbarea.  an  nimmt,  so  ist  ihr  doch  gerade  in  der  Tenoro 
läge  ein  edlerer,  den  andern  Kornetten  verwandter,  aber  an  innerlicher  Kraft  über- 
legner Klang  erreichbar. 


217     

Blech  in  einfadister  Form  su  dem  nagebrocbeosteD  ZnsmuDeawirkeo 
bei  einander  zu  lassen. 

Die  Führung  einer  Bassmelodie  bedarf  nach  dem  bei  Nr.  197  Ge- 
zeigten keines  weilem  Nachweises ;  sie  bietet  mindere  Schwierigkeit, 
als  die  vorhergehende  Aufgabe,  weil  sfe  nicht  oben  und  unten,  sondern 
nur  über  sich  den  Chor  der  andern  Stimmen  zu  berücksichtigen  hat. 

Verwickelter  ist  die  Aufgabe,  Melodie  gegen  Melodie  zu  steilen. 
Die  Beilage  Nr.  V  (aus  einer  grössern  Komposition  des  Grafen  Re- 
deru)  giebt  dafür  ein  anziehendes  und  für  diese  Musikgatlung  lehrrei- 
ches Beispiel.  Dem  Salz  der  Flöten  und  ersten  Ä-Klarinelten  stellen 
Fagott  und  Euphoneon  einen  Gegensatz  gegenüber ,  Oboen  und  Flügel- 
horn  nebst  der  ersten  £j-Trompele  schliessen  sich ,  den  ersten  Satz 
nachahmend,  an,  so  dass  sich  ein  artiges  Spiel,  von  drei  Stim- 
men bildet,  leichtgeführl,  wie  dem  Harmonie-- und  Ensemblesalze 
wohl  zusteht.  Die  Fortführung  und  Begleitung  mag  Jeder  für  sich 
prüfen;  daa  Ganze  ist  von  erfahrner  und  geschickter  Hand  (Herr  Musik- 
direktor Piefke  bat  das  Arrangement  gemacht)  gfcbiWcl  und  vpn  voU- 
komlnnem  Wohlklange.  ' 

Bei  eigentlich  polyphonen  Sätzen  wächst  die  Schwierigkeit.  Es 
ist  unmöglich,  dergleichen  so  einfach  darzustellen,  als  derKarakter  der 
Harmoniemusik  Wühschenswerlh  macht ;  nicht  blos  sollen  die  drei  oder 
vier  Stimmen,  die  den  wesentlichen  Inhalt  des  Satzes  vortragen,  gleich-» 
zeitig  geführt  und  vom  Hörer  gefasst  werden ;  son4ern  die  Masse  d^it 
Instrumente  fodert  für  die  verschiedtren  Lagen  ihres  Tonsystems  undf' 
für  die  verschiednen  Fähigkeiten  und  Karaktere  Verdopplungen  in  Ter-* 
zen,  Oktaven  u.  s.  w. ,  füllende  Stimmen,  neue  Motive  —  und  so  ge-^ 
räth  man  unvermerkt  von  der  einfachen  Grundlage  in  immer  zusam- 
mengesetztere Gestaltungen  und  Schritt  für  Schritt  immer  mehr  in  die 
(vielleicht  nie  ganz  zu  vermeidende)  Gefahr,  ükerladne  und  verworrne 
Sätze  2u  bilden.  Veranschaulichen  wir  uns  dies  an  einem  Beispiel. 

Der  hier  — 


233  < 


gg^s 


E33HSj£=Ä3*=i5SS 


r¥*"-V* 


^^l^ä^^S^^ 


218 


gebildete  Satz,  iea  man  als 'Braebslück  «ioes  frSssern  Garnen  ansn- 

sehen  bat ,  würde  von  zwei  oder  drei  (oder  vier)  Instrumenten  kUr 
vorgestellt  werden  köouen.  Atleio  eine  so  slimniaroie  und  dabei  mit 
den  Stimmen  so  weit  aoseinanderbleibende  Behandlung  würde  dem 
Karakler  der  Blasinstrumente ,  ihrem  Haag  nach  Voilklang  unangemes- 
sen sein.  Sie  wäre  sogar  für  grosse  Besetzung  —  die  wir  hier  aus- 
schliesslich im  Auge  haben  —  unausführbar;  ciuige Instrumente  können 
die  Stimmen  des  Satzes  gar  nicht  vortragen,  die  übrigen  würden  durch 
ihre  Aufliäufung  im  Einklänge  den  Stimmen  übertriebne  Klangfülle 
geben. 

Man  müssle  daher  den  Satz  Aller,  —  etwa  in  dieser  Weise  — 


2U 


atS 


^^^=:^:^^=^U^^-^i^ 


^1 


m^im 


^3^ 


.^. 


7-i- 


/S   -^     ^        _ 


^ÖEEE 


^ 


^££ 


-VJ 


k^E 


&^h- 


G-^ 


^p£^^^^ 


z^^ 


^ 


ausführen,  an  für  höhere  uod  liefere  MiUelstitnmen  und  eine  neue 
Oberstimme  für  die  höchstliegenden  Instrumente  Raum  und  Stoff  zu 
finden.  Denken  wir  uns  den  Satz  in  solctier  Gestaltung  v^n  Klarinet- 
ten (durch  Oboen  verdoppelt,  oder  eine  Oboe  als  erste  und  eine  Klari- 
nette als  zweite  Stimme  der  mittlem  Partie)  und  Fagotten,  einer  Flöte 
und  einem  hinlänglich  starken  Bass  ausgeführt :  so  würde  er  zwar  nicht 
jene  Klarheit,  jenen  reinen,  weithin  reiehesden  Zusammenklang  haben, 
der  die  eigenste  und  darum  schönste  Aeusserung  der  Blasbarraonie  ge* 


219     

a»nnt  werden  kann,  aber  doeh  dentlidi  nnd  verst&mHieh  genüge  herans« 
kommen,  am  im  rechten  Zusammenhang  gelten  zu  können. 

Sollte  endlich  derselbe  Satz  im  vollen  Chor  der  Bläser  auftreten^ 
so  würde  er  sich  etwa  so ,  wie  in  der  Beilage  Nr.  VI  zu  sehn  ist ,  ge- 
stalten müssen.  Die  oberste  Lage  der  figurirenden  Mittelstimmen  haben 
Klarinetten  und  Oboen,  die  Flöten  haben  sich  auch  nirgends  besser  an^ 
sehliessen  können ;  die  dritte  (und  vierte)  jener  Stimmen  wird  abwech^ 
selnd  von  Basselhörnern  und  Fagotten  gegeben,  zuletzt  nur  von  Fagot- 
ten, während  die  Bassethörner  zu  den  Klarinetten  treten*).  Die  Ober- 
stimme hat  erste  Pikkolflöte  und  erste  £'^-Klarinette ,  die  zweiten  tre^ 
ten  erst  ganz  zuletzt  ein ;  das  Blech  tritt  auf  rhythmische  Hauptpunkte 
und  gewährt  dem  krausen  Durcheinander  so  vieler  Stimmen  Anhalt. 
Allein  es  entsteht  doch  bei  alier  Vorsicht,  die  man  angewendet  zu 
haben  meint,  eine  so  zusammengesetzte  Tongestalt  für  Harmoniemusik, 
dass  man  nur  in  eigeuthümlicfaem  Zusammenhange  mit  Recht  darauf  ge- 
fahrt  werden  könnte  und  dringend  nach  sofortigem  Eintritt  ruhiger, 
breiter  Massen  verlangen  müsste,  in  deren  klarem  Zusammenhang  sich 
der  Friede  wieder  herstellte  und  die  wahre  Macht  der  Hannoniemusik 
wieder  hervorträte. 

Es  scheint  hier  der  Ort  für  eine 

allgemeinere  Betrachtung, 
die  weitgehende  Lehren  und  Anwendungen  nach  sich  ziehen  kann  und 
zu  deren  Veranschaulichung  wir  erst  jetzt  genügenden  Stoff  beisammen 
haben. 

Jedes  Organ  und  jede  Klasse  von  Organen  bat  einen  ihr  ange- 
messensten Wirkungskreis,  kann  aber  über  denselben  hinausgeführt 
werden**).  Dann  tritt  üeberreizung  und  Verwilderung  seines  Wesens 
ein,  die  zwar  bisweilen  dem  Sinne  des  Werks  entsprechen  kann ,  doch 
nicht  ohne  reiflichen  Bedacht  zugelassen  werden  darf,  weil  sie  eben 
ausserhalb  des  naturlichen  Kreises  des  Organs  liegt. 

Zunächst  knüpfen  wir  diese  Beobachtung  an  eine  schon  lang  be- 
kannte andre.  Singstimmen  und  Blasinstrumente,  die  über  die  ihnen 
bequeme  Tonhöhe  hinausgeführt  werden,  geralhen  in  Heftigkeit,  Härte, 
Gewaltsamkeit  des  Schalles.  Hier  sehn  wir  also  an  einer  Seite  des 
Organs ,  was  oben  allgemeiner  ausgesprochen  wurde.  Ebenso  nehmen 
Organe,  die  man  zu  einem  ihnen  nicht  bequem  erreichbaren  Grad  von 

*)  Da  die  BassetbSroer  anfangs  io  ihrer  vollero  Tiefe  aoil  die  Fagotte  io  der 
La^e  ihrer  gedriingoern  hoheoTöoe  auftreieo,  sind  sie  deo  darüber  liegeodea  Stim- 
■ea  woht  gewacbseo.  Wollte  mao  sie  im  Eiohiang  znaamoiea legen,  so  würde  der 
Gegeosati,  deo  sie  gegeo  einaader  bilden,  verloreo  geho  and  die  Miltelpartie  noch 
aBfefSlIter  nod  lastender  werden. 

**)  Dass  sie  unter  ihrer  Kraft  gelassen  werden  kSnoen,  z.  B.  die  tiefsten  Töne 
der  Siogstimmen ,  Horner  a.  s.  w.  noch  nicht  genagsame  Seballkraft  liaben,  ein  zu 
lang  «Qsgebaltaer  Ton  ermatteo  und  hinsterben  mass,  Ist  ebenfalls  wahr  and  be- 
kannt, gehSrt  aber  nicht  hierher. 


2ZQ    

Stärke  Dötlrigt,  ein«  Härte,  Greilbeit  od^  Spitagkeit  des  RUngea  an 
(sie  werden  gellend,  kreischend  u.  s.  w.) ,  die  ibaen  sonst  keineswegs 
eigen  sind.  Nun  zu  einer  geistigern  Anwendang. 

Das  eiigenüicbe  Element  des  Btasinstruments  ist  der  Schall)  das 
Ausschallen,  der  gehaltne,  getragne  Ton  und  die  aus  soloben  bestehen- 
den oder  auf  ihnen  doch  beruhenden  Harmonien  und  Melodien.  Hierin 
zeigt  sich  —  zumal  bei  angemessner  Stellung  und  Führung  der  Stim- 
men—  der  Wohl-  und  Vollklang ,  die  eigenthumlichste  und  schdaste 
Wirkung  des  Blasinstruments  und  noch  mehr  eines  vereinten  Chors  yoii 
Blasinstrumenten. 

Man  kann  aber  auch  das  Blasinstrument  zu  schnellen  Tonbewe^ 
gungea  und  Tonfolgen  gebrauchen.  Allein  dann  nimmt  es  einen  Karak- 
ter  von  Wildheit  und  Ueppigkeit  an ,  der  ihm  sonst  gar  nicht,  oder  in 
weit  geringerm  Grad  eigen  ist.  Und  dies  ist  um  so  mehr  der  Fall ,  je 
mehr,  die  Bewegung  nach  Schnelligkeit  tind  Inhalt  über  das  eigent- 
liche Wesen  -des  Instruments  .bioausgebt.  :£&  entsiebt  dann  für  jeden 
einzelnen  Fall  die  Frage :  ob  diese  Wildheit  oder  HefLigkeit  der  Idee 
des  Kunstwerks  entspreche. 

So  ist  z.  B.  der  gehaltue  Ton  oder  die  ruhige  Tonfolge  auf  der 
Trompete  vom  edelsten,  Metallglanz  ähnlichen  Klang,  ^  nud  beson- 
ders sind  es  die  Töne,  — 


235 


die  schon  ;iach  der  Natur  des  Instruments  vorzugsweise  für  melodische 
Anwendung  bestimmt  sind.  Die  SchmetierHguren  dagegen  (S.  47, 
Nr.  55,  75  u.  a.)  geben  dem  Instrument  eine  Wildheil,  die  für  kriege- 
rischen Ausdruck,  aufregende  Pracblentwickelung  und  ähnliche  Aufga- 
ben höchst  karakleristisch  ist,  am  unrechten  Ort  aber,  oder  imUeber- 
maass  angewendet,  das  Instrument  (und  mit  ihm  den  Tonsatz)  leicht  aus 
seiner  reinen  Sphäre  in  eine  niedre,  gemeine  und  rohe  hinabzieht. 
Diese  Ausartung  macht  sich  nur  desshalb  seltner  fühlbar,  weil  das  In- 
strument schon  seinem  Karakter  nach  selber  zum  Hefligen  und  Gewalt- 
samen hinneigt.  Dasselbe  wäre  von  den  Schmettertönen  der  Posau- 
nen zu  sagen;  nur  wirken  sie  bei  der  grössern  Schallkraft,  mindern 
Beweglichkeit  und  liefern  Tonlage  bekanntlich  noch  gewaltsamer  und 
arten  leichler  in  das  Rohe  aus.  —  Auch  das  Hörn  kann  den  Schmet- 
terton, wenn  auch  kürzer  — 


^36 


i^i^i^Eji^iife^ii 


und  unbehülflich  hervorbringen;  hier  aber  erscheint  er  sehr  bald  raub 
und  roh.  Endlich  finden  Tonwiederholungen  im  Chor  der  Rohrin- 
strumente statt.  Aber  schon  unter  den  mildesten  Umständen,  z.  B. 
in  dieser  Stelle  — 


22t 


237 
F  -  Hdrner. 


^^i 


B-KUrinetten. 


Fagotte. 


I. 


.  Geigen. 


n. 


Bratsche. 


Basa. 


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ans  Beethovep's  Pastoral-Symphooie*),  in  Agv pictno  vorgeAchrie- 
bea,  die  sanftesten  Aobrinstrunienle  in  weicher  Tonlage ,  die  Hörner 
ebenfalls  in  weicherer  Tonlage  (ihnen  lag  es,  abgesehn  von  der  Schall« 
Wirkung,  näher,  in  der  höhern  Lage,  — 


*)  S.  7  der  bei  BreitkopFvod  Härtel  erscbieaeoeD  Partitur. 


HZ 


238 


i 


BB 


-^-^~^—>-^-* 


^ 


in  der  sie  schon  waren  und  die  den  Melodieton  oben  bat,  zu  bleiben) 
gebraucht  werden,  treten  die  Bläser  angeregt  hervor,  —  wie  es  diesem 
Aufbeben  des  Natnrlebens  und  des  Gemöths  im  neupulsirenden  Früh- 
lingserwachen  vollkommen  entspricht.  —  Bei  stärkerer  Anwendung, 
z.  B.  in  solchen  Stellen,  — 

AUegro  maestoso. 

Fiaulo  piccolo.  ff  i     • 


23» 


^^^^^^^^^■ß^^ 


Glarineffi  in  C. 


ipi^^i^^i^^ 


^. 


T 


^ 


f  s  r  r 


Corni  in  F. 


;Orni  in  *  •  //  I  I  T 

iVomhe  in  F.  ,  «■        '  ■  i  /«-n 


^ 


:^-C=|sr3z 


1— I 1-^ . 1— j — > : ,* 


Tromboni 


^Ü^^^S 


die  noch  wilder  erklänge,  wenn  man  die  Klarinetten  zu  den  Oboen 
stellte,  die  Trompeten  mit  den  Hörnern  gehen  Hesse,  während  die  Po- 
saunen im  ersten  nod  zweiten  Takt  an  die  Stelle  derTrompeten  träten, 
steigert  sieb  sogleich  die  Schallkraft  und  tritt  eine  höhere  Gereiztheit 
in  die  Bläser. 

Schnelle  Tonfolgen,  zumal  diatonische,  kommen  erst  bei  den  Rohr- 
instrumenlen  in  Anwendung.  Hier  steigern  sie  schon  in  den  kleinsten 
Formen,  z.  B.  hier  — 


223 


Pit»t». 


Flauio  piccolo. 

^i-BrJ-irU-  tiS: 


^iaulo.  CUr.  -^ 

H>boi  e  Clarinelii  ia  C.  -«-  7~ 


II«« 


^ 


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Fagolli, 


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Ef^ 


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Corni  in  F. 
Trombe  in  V. 


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Tromboni. 


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Fl.  picc.  e  FlÄull.  ^  i».  -oo. 


^^i^^Ü^^ 


Fagolti. 


^^i^E^^^f 


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Tromb«  •  Conti  in  C 


1 


^^=^it^ß=^m^^;s^ 


1 


r*^^^ #■  -or 


Tromhoni. 


31 


^. 


ä 


.jpi. 


immlli 


224 


in  den  Flöten,  Oboen  und  Klarinetten,  die  Heftigkeit  des  Einsatzes  mehr, 
als  Mosse  Verdopplung  der  Besetzung  vermocbt  hätte.  Im  dritten  Bei- 
spiel (zu  dem  man  sich  gern  noch  mehr  Instrumente,  vielleicht  die  Hit- 
wirkung des  Streichquartetts  hinzudenkt)  geht  die  Weise  der  Flöten 
und  ^.f'Riarinetten  Lis  iur  Wildheit,  die  man  noch  hätte  in  den  Oboen 
und  ^-Klarinetten  durch  ähnlich  wirkende  Figuren,  z.  B.  diese,  — 


241 


Flöten. 


Oboern. 


B     j       -  B  ,         B  ,•  ■ 


Steigern  können.  —  Was  hier  an  einzelnen  Würfen,  nur  gleichsam 
gelegentlich  eingemischten  Läufen  und  Vorschlägen  bemerkt  worden, 
gilt  auch  von  ganzen  Sätzen ,  die  von  einer  den  Bläsern  nicht  wesent- 
lich eignen  Bewegung  erfüllt  sind.  In  ihnen  sind  es  ni<cbt,  wie  oben, 
einzelne  Riss-  und  Schlagmomente ;  sondern  sie  nehmen  in  ihrer  gan- 
zen Bildung  eine  Heftigkeit  und  Wildheit  an,  die  man  auf  andre  Weise 
nicht  erlangen  kann,  die  aber  sorgsam  abzu^^ägen,  nafch  Mee .und Stirn«* 
mung  der  Komposition  zu  prüfen  ist.  Der  in  der  Beilage  VI  gegebne 
Satz  mag  auch  hier  als  Beispiel  dienen. 

Selbst  in  einem  einzelnen \3lasinstrumente  kann  diese  eigenthüm- 
liche  Wendung  des  Karakters  beobachtet  werden.  Ei^  ^nerkwürdiges 
Beispiel  bietet  die  unsterbliche  Einleitung  zu  J.  Haydn's  Schöpfung, 
die  der  Meister  ,,die  Vorstellung  des  Chaos^^  genannt  liaL  Wie  hier 
Alles  erst  aus  dem  Dunkel  hervor  nach  Gestaltung  tappt  und  schleich) 
und  ringt,  und  erst  im  sechsundzwanzigsten  Takt*)  ein  Moment  grösse- 
rer Festigung  eintritt,  in  dem  mild  und  voll,  sanft  bewegt  und  be- 
schwichtigend die  zweite  Klarinette  mit  ihrer  Begleitungsfignr  gleich- 
sam hervorquillt,  -r- 

242**)    ; 


sL-i= 


-mE 


Tl 


M M        '      l 


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-r 


*)  S.  4  aod  5  der  bei  BreitkopF  antl  Här^I  erschieDeoeo  Partitur. 
**)  Die  kleinen  Noten' de« ten  das^treicbqaarlett  aB,'^i<^^ber8ti]nmeo  im  zwei- 
ten Takte  sind  Oboen.  Das  Bfeiste  fehlt,  —  und  (gerade  hier  ist  jedes  einzelne  In* 
stromeot  von  tiefsinnigste  Q^dentunf .    An  einem  andern  Orte  kommen  wir  dnranf 
inriick.  '  '  , 


225 


4*8  Udbe  bier  bei  Sdte ;  es  ist  der  Scblass  dieses  Abschnittfi  (Takt  31, 
S.  5)  9  der  «Ueiii  zar  Betrachtang  kommt.  Wenn  auf  diesen  Takt  das 
Orchester  (in  diesem  Aagenblieke  Streichquartett,  eine  Flöte,  Oboen, 
Klarinetten,  Fagotte,  Hörner,  die  hohem  Posaanen)  in  den  Quartsezt- 
akkord  tritt,  wirft  sich,  ohne  weitere  Motivirang,  ab  dass  man  schon 
Klarittetten  gehört  hat,  die  erste  Klarinette,  — 

Klar.  I.  ^A<Üi^_ 


243*)^ 


8treichqiiart«    ,^ 


wie  ein  jnnger  Stern  eroporschiessend ,  mit  einem  rapiden  Laaf  in  die 
Höhe.  Rein  andres  Instrument,  alle  vereinten  Geigen  würden  nicht  so 
glänsendfrisch ,  so  iibermoth voll ,  so  jugendlich  üppig  emporgestiegen 
sein.  Dass  aber  dieser  Rlarinettenlauf  das  Instrument  nicht  bis  zur 
Wildheit  (S.  224)  aufregt,  liegt  in  dem  Verhältniss  der  Schallstärke 
des  einen  Instruments  gegen  das  Streichquartett  und  die  kurz  voraus- 
gegangnen  Bläser,  in  dem  milden  Karakter  der  A-Rlarinette  und  in  der 
Vorbereitung  durch  die  unmittelbar  zuvor  (Nr.  242)  hervorgehobne 
zweite  Rfariiiette. 


Achter  Abschnitt. 
Aufgaben. 


In  den  vorangegangnen  Abschnitten  dieser  und  der  vorigen  Ab- 
tbeiliing  ist  so  Vieles  zu  beobachten  nnd  zu  versuchen  gewesen ,  dass 
die  Aofmerksamkeit  nicht  durch  Einmischung  fernerer  Betrachtungen 
zersplittert  werden  durfte.  Daher  können  wir  erst  hier**)  die  Selbstthä- 

*)  Die  mit  a.  aosezeichoetea  Noten  bat  die  erste  Geige,  b.  ist  zweite  Geige 
»  naä  Bratsebe,  e.  Violoneell,  d.  Kontrabass,  den  wir  Takt  2  gesebriebea  beben,  wie 
er  ertoDt. 

**)  Im  lebendigen  Uoterriebte'  sebiiessen,  wie  sieb  von  selbst  verstebt,  ba* 
etimmte  Anfgaben  sieb  ao  jeden  Portscbritt  der  Lebre,  nnd  erbalten  dadnreh  den 
Jfinger  In  nnanterbroeben  köostlerischer  Betbatignog.  Wer  in  der  Lage  ist,  die  In- 
atrameatatioQ  für  sieb  allein  za  stndiren,  wird  sieb  ebenso  einzvriebten  saeben. 

Mars,  Roap.  L.  IV.  8.  Anfl.  15 


226     

ügkeik  des  Lernenden  bestinmtor  tnr  Sprache  bringen.  Vovansgesetet 
wird ,  das8  er  Schritt  für  Schritt  alle  ihm  allmählioh  tiberlieferlen  Or* 
gane  in  einzelnen  Sätzen  nach  allen  Seiten  hin  in  Anwendung  gebraeht 
habe,  wie  aneh  schon  frnher  begehrt  worden.  Diese  kleinen  Vorver- 
suche machen  es,  wie  schon  S.  129  gesagt  worden,  dem  Uebenden 
leicht,  seine  ganze  Aufmerksamkeit  und  Theiinahme  den  Instrumenten 
zuzuwenden,  sich  ganz  in  ihr  Wesen  zu  versenken  und  aus  ihnen  her- 
aus zu  erfinden,  eben  weil  die  Komposition  selbst  keinen  eigenthümlich 
bestimmenden  Inhalt  hat. 

Die  wirklichen  Kompositionsübungen  nun,  die  sich  den  Vbrver- 
suchen  anschlieasen,  müssen,  wenn  sie  im  Einklang  mit  der  Lehrte  blei- 
ben wollen,  Tornehmlieh  zwei  Bedingungen  erfüllen.  Sie  müssen  Er- 
stens jedesmal  den  bestimmten  Umkreis  von  Instrumenten,  der  dem 
Jünger  in  den  verschiednen  Lehrabschnitten  gezogen  Ist ,  inne  kalten, 
sich  also  zuerst  (S.  128)  auf  den  Verein  yon  zwei  Klarinetten  und  Pn- 
gollen ,  dann  von  drei  Klarinetten ,  zwei  Fagotten  beschränken  |  dann 
Kontrafagott,  dann  Homer  zuziehn  u.  s.  w.  Zweitens  mnsnien  sie 
dem  Karakter  der  Harmoniemusik ,  und  zwar  auf  jeder  Stufe  dem  der 
eben  vereiaten  Instrumente  —  jedes  einzelnen  und  ihres  Vereins  emMr 
sprechen. 

Im  Allgemeinen  entsprechen  der  Harmoniemusik  von  aUen  Kom- 
positionsformen die  einfachem  am  besten,  weil  die  Blasinstrumente  sei- 
.ber  für  einfachere  Wirkungen  am  geeignetsten  sind.  Schon  dies  weiset 
auf  die  Liedformen,  namentlich  Tanz  nndMarsch^  und  auf  die 
kleinen  Rondoformen.  Sie  alle  haben  für  Harjuoniemnsik  aaeh 
den  Vortheil  der  Kürze.  Denn  das  Blasinstmment  —  und  so  aneb  der 
Verein  von  Blasinstmmenten  —  ist  von  so  bestimmtem  and  daher  «■« 
gränztem  Karakter,  dass  er  denselben  bald  zum  Ausdruck  gebracht 
hat,  dann  aber  bald  in  Gefahr  geräth,  einförmig  und  ermüdend  zu  wer- 
den, während  die  minder  positiven  Saiteninstrnmente  weit  mannig- 
fachere Stimmungen  und  Bedeutungen  in  sich  tragen  nnd  längere  Zeit 
brauchen,  sich  auszusprechen,  ohne  Gefahr  der  Eintönigkeit  und  Er- 
schöpfung. Es  fragt  sich  nun  noch,  welche  Aufgaben  auf  jeder  Stufe 
die  angemessenem  sein  mögen?  Hier  soll  nnd  darf  keine  Vorschrift  dem 
eignen  Ermessen  eines  Jeden  vorgreifen;  was  wir  darüber  äuaaeni, 
sind  Vorschläge,  die  nur  unsre  Ansicht  vom  Karakter  und  VefmögeA 
jeder  Stufe  andeuten. 

Mit  dem  Quartett  von  zwei  Klarinetten  nnd  zwei  Fagotten  schei- 
nen blos  einfache,  bald  sanftere,  bald  muthigere  Liedsätze  darstellbar 
zn  sein,  in  denen  weder  eine  Hanptatimme  zu  freier  und  reicher  Est-  < 
Wicklung  kommt,  noch  Individualisirung  der  einzelnen  Stimmen  weiter, 
als  etwa  in  Nr.  140,  verfolgt  werden  kann. 

Mit  dem  Zulritt  einer  Prinzipalklarinette  ist  die  AusHihrung  einer 
freien  und  reichem  Hauptstimme  mit  voller  Begleitung  möglich.  Diese 


227     

RaapUtimHie,  die  Rlariiiette  alse,  bedingt  im  Keralcter  des  Ganzen* 
Wir  eiicben  eine  Liedform ,  deren  Karakter  dem  der  Kiariuetie  ent- 
spricbl  und  die  eine  reieher  entfaltete  Hauptstimme  federt;  es  scheint 
iLOoe  so  geeignet  ak  die  Form  der  Polonaise  (Nr.  145,  Tb.  II. 
S.  506),  die  also  bier  nnsre  Aufgabe  wird.  Andre  Liedsätze  sollen  hier- 
mit  Hiebt  ansgesoblossen  sein. 

Sobald  das  Kontrafagott  nnd  dann  4ie  H<{rner  zogezogen  sind, 
können  Tänze,  Märsche  zn  ländlichen  Aufzügen  u.  s.  w.  schon  mit 
Unreichender  Besetzung  geschrieben ,  Ober-  und  Unterstimme  schon  in 
CSegensatz  gebracht,  ^  dann  kann  bei  dem  Zotritt  der  Flöten  und 
Oboen  die  Melodie  wechselnd  bald  diesem ,  bald  jenem  Instrument  und 
den  Terscbiednen  Zosamatenstellnngen  derselben  gegeben ,  auch  in  die 
Milte  gel^  werden.  Besonders  in  Adagiosätzen  (kidne  Rondo- 
oder Liedformen)  und  Variationen  ist  dies  unter  steter  Beobachtung 
des  Karakteristiscben  jedes  Instruments  ausfahrbar. 

Für  grosse  Harmooiemusik  sind  Märsche  und  Tänze,  nament- 
Keb  wieder  die  Polonaise,  die  nächsten  Aufgaben. 

In  all'  diesen  Formen  kann  der  Satz  fSr  Harmoniemusik  künstle- 
risch auf  mannigfaltige  Weise  geübt  und  eine  Seite  und  Wirkongsart 
der  Blasinstrumente  nach  der  andern  zur  Geltung  gebracht  werden.  Es 
feUt  aber  noch  eine  Form,  die  Gelegenheit  giebt;  ein  und  denselben 
Gedanken  durch  Wahl  der  Organe  und  Behandlung  in  das  maunigfal*- 
tigste  Licht  zu  stellen ;  —  oder  umgekehrt :  die  verscbiednen  Organe 
nnd  ihre  Verknüpfungen  an  demselben  Gedanken  zu  betbätigen  und  da- 
bei die  Auffassung  ihres  Wesens  und  Karakters  zn  erproben.  Keine 
Ton  allen  Kunstformen  ist  dazu  so  wohl  geeignet,  als  *-*  die  Fuge*). 

Wir  stellen  daher  als  letzte  nnd  höchste  Aufgabe  für  das  Studium 
des  Hannoniesatzes 

eine  Ouvertüre  in  Fugenform, 


*)  ZnaäclMt  s^ken  wir  sie  cur  Uebnii;.  Da  ob  mb$t  »i«  Msflohem,  dec  veran- 
lasst  ist  für  HarmoDiemusik  zn  achreibeo,  ein  Wink  aof  die  (grosse  Macht  sein,  zu 
der  sich  die  Hannoniemiigik  in  polyphonen  Satz  erbehen  kann,  eine  Macht,  die 
kisber  fast  gar  nicht  benutzt  worden  ist  nnd  deren  Vernaehlässignng  eine  von  den 
Unaebeo  ist,  die  das  gaoce  Raostgebiet  aof  niederer  Stnfe  festbalten»  als  ihm  er- 
reiebbar  wäre.  Mag  aach  der  Karakter  der  Haraonieoiasik  and  der  im  Leben  ibr 
aagewiesene  Sebanplatz  in  freier  Luft  and  im  Hreise  des  Volks  mehr  auf  Zusam- 
■easeball  and  einCäcbste  Gestaltung  eingerichtet  sein,  doch  sollte  die  andre  Seite, 
tiefere  dramatische  Entfaltung  der  Stimmen,  nicht  versäumt  bleiben,  schon  um  des 
GegeoiStzes  and  der  MaonigfaUigkeft  willen.  Damit  würde  dem  ewigen  GelS'rm, 
dem  «Bablistigea  C^scbrei  des  nieefae  und  dieser  fibeln  Maskerade  gestenert,  die 
BeethoTen'sebe  Rlaviersonaten  oder  Mozart'scbe  und  Verdi'sebe  Opern  noter 
die  Janitscbareomusik  steckt,  in  der  sie  sieb  oft  ausnehmen  wie  zarte  Kinder  unter 
der  Last  eiserner  HeloM  und  Panzer.  Unsre  geschiekten  Militairmasiker  kSnnen 
Beseerea  leisten,  vielleicht  als  sie  selber  ahnen ,  und  haben  von  seleher  Arbeit  (wir 
spreehen  ans  eigner  Brfahrnog)  Freuden  zn  erwarten,  die  sie  bisher  versiiamt. 

15« 


228    

während  die  äUieben  Formen  der  Oavertiire  hb  einem  'tndem  Orte  zar 
Sprache  kommen.  Die  hier  zar  Uebung  vorgeschlagne  Füge  wird  dess- 
wegen  als  Ouvertüre*)  bezeichnet,  damit  der  Komponist  sogleich  darauf 
hingewiesen  werde ,  ihr  einen  gewissen  Karakter  der  Oeffeatlicbkeit^ 
Grossartigkeit,  Pracht,  Feierlichkeit  —  und  was  sich  ihm  sonst  zu 
Gunsten  grossartiger  und  mannigfaltiger  Orcbesterwirkung  vorstellt  — 
zu  geben.  Denn  dass  die  Fugenform  anoh  ganz  andre  Stimmungen,  — 
die  der  StiUe,  der  Wehmuth,  heitrer  Laune  u.  s.  w.  in  sich  aofnebmeQ 
kann,  wissen  wir  (Tb.  II.  S.  260)  längst,  wollen  nnsiaber  all'  diese 
der  Massenwirkung  ungünstigen  Wege  versagen.  Die  Fuge  ist  anch 
in  dieser  Beschränkung  desswegen  für  unsern  Zweck  die  geeignetste 
Form ,  weil  sie  in  der  vielfachen  Wiederholang^  ihres  Thema's  Anläse 
gieht,  dasselbe  nebst  seiner  Umgebung  auch  vielfach  anders  zu  instrn- 
mentiren^i 

Es  versteht  sich  übrigens,  dass  bei  dieser  und  allen  grSsiem  Aof- 
gaben  ein  Entwarf  der  Abfassung  der  Partitur  vorausgebn  mnss.  Schon 
bei  den  höbern  Aufgaben  der  frübern  Theile  und  im  vorliegenden  schon 
bei  den  Sätzen  für  mehrere  Blechinstrumente  (S.  73)  haben  wir  die 
Wichtigkeit  des  Entwurfs  hervorgehoben;  bei  den  jetzigen  weit  zusam- 
mengesetztem Aufgaben  ist  er  unerlässlich.  Zuerst  hält  man  in  ihm 
nur  die  wesentlichen  Tonmomente  fest ,  indem  man  jedoch  von  Anfang 
an  sich  bestimmte  Instrumente  vorstellt.  Dann  werden  die  Grundzüge 
vervollständigt,  dann  —  unter  steter  Rücksicht  auf  die  Instrumente, 
die  man  dazu  aosersefan  —  die  Verdopplungen  o.  s.w.  zugefugt  und  die 
Instrumentation  mit  Zeichen,  abgekürzten  Worten  u.  s.  w.  angemerkt 
Bei  verwiekelten  Stellen  kann  man  von  zwei  Systemen  adfdrei  ond 
noch  mehr  übergehn.  Anfiings  wird  die  Skizze  das  Ansehn  eines  ein- 
fachen Klavierauszugs  annehmen,  nach  und  nach  das  eines  überlade- 
nen. Nur  so  kann  man  Wirrnissen  und  schweren  Umänderungen  in 
der  Partitur  entgehn. 

Wie  ist  nun  die  obige  Aufgabe  auf  das  Sacbgemässeste  zu  lösen  7 

Vor  allen  Dingen  setzen  wir  fest,  dass  für  diese  grösste  und  gross- 
arligste  Aufgabe  grosse  Besetzung  genommen  werde. 

Sodann  erkennen  wir  zwar  die  Vortheile,  die  die  Fugenform 
bringt,  dürfen  aber  dabei  auch  die  Gefahr  nicht  übersehn ,.  uns  durch 
Hingebung  an  den  polyphonen  Satz  (S.  217)  von  jener  Einfachheit  zu 
entfernen,  in  der  die  grossartigste  Massen  Wirkung,  also  die  mächtig- 
sten Aeusserungen  gerade  der  Harmoniemusik  zu  ßnden  sind.  Diese 
Massenwirkung  —  und  zu  ihren  Gunsten  selbst  Rückkehr  zu  homopho- 
nem Satze  —  dürfen  wir  uns  nicht  versagen.    Wir  wollen  daher  zur 


*)  Di6  Oav«rtäre  Ut  bekaontlieh  zur  Eröffnaog  irgead  etoM  ftieriicbM  oder 
fettliefaeo  Voif  asgs,  eioer  dranatiBehen  DarsteUnog  n.  s.  w.  bestimait.  Das  Nihere 
späterliia. 


229 


Page  eine  Einleitung  komfoniren,  in  der  die  Massen wirkong  unbe- 
schränkt vorwalte;  vielleicht  kehrt  die  Einleitung  als  Schlusssatz 
wieder.  Demnächst  wollen  wir  uns  in  der  Fuge  selbst,  und  zwar  in 
den  Zwischensätzen,  gelegentlich  leichtere  und  freiere  Behandlung, 
sogar  Rückkehr  zum  Homophonen  gestatten,  um  grössere  Ruhe  und 
Einfachheit  wieder  zu  gewinnen,  als  die  Fuge  gewährt.  Auf  diese 
Weise  finden  wir  auch  Gelegenheit  zu  einem  Ruhe-  und  Sammelpunkt 
unsers  Orchesters  am  Schlüsse  des  ersten  Theils. 

Prüfen  wir  nun  in  Bezug  auf  die  Fuge  selbst  die  Kräfte  unsers 
Orchesters,  so  slossen  wir  vor  allem  auf  eine  hier  wesentliche  Vw- 
schiedenheit.  Ein  Theil  unsrer  Instrumente  ist  zu  lebhafter  Bewegung 
und  der  Ausführung  mannigfacher  Figuren  fähig,  ein  andrer  weniger 
oder  gar  nicht;  Flöten,  Klarinetten,  Fagotte,  Oboen,  Bassethörner,  — 
in  enger  Begränzung  allenfalls  auch  das  Hörn,  —  gehören  in  die  erste 
Reihe;  Posaunen,  Trompeten,  Serpenl,  Kontrafagott  u.  s.  w.  in  die 
zweite.  Wir  müssen  daher  die  letztem  Instrumente  entweder  von  der 
Fugenarbeit  ausschliessen  nnd  zur  Ausfüllung  der  einfachem  Zwischen- 
sätze n.  s.  w.  gebrauchen,  —  wodurch  die  Hauptsätze  durch  Schall- 
schwäche in  Schatten  gestellt  würden ;  oder  wir  müssen  die  Fnge  selbst 
so  einrichten,  dass  alle,  dass  wenigstens  die  meisten  Instrumente 
(allenfalls  mit  Ausschluss  der  Trompeten ,  Hörner  und  Pauken)  in  ihr 
als  Realsümuien  mitwirken  können.  Unangemessen  war'  es  aber,  woll- 
ten wir  zu  Gunsten  der  schwerern  Instrumente  auch  die  leichten,  die 
ganze  Komposition  von  lebhafterer  Bewegung  zurückhalten ;  es  muss 
für  beiderlei  gesorgt  werden. 

Dies  ist  füglich  nicht  besser  zu  erreichen ,  als  in  der  Form  der 
Doppelfnge,  in  der  ein  schwereres  und  ein  leichteres  Subjekt  gegen 
einander  treten ;  setzen  wir  als  Beispiel  diese  beiden  Subjekte  — 


2**  II. 


fest,  um  an' ihnen  das  Nöthige  aufzuweisen.  Zunächst  bemerken  wir, 
dass  beide  Subjekte  zuletzt  um  eine  Dezime  auseinandertreten,  mithin 
bei  der  Umkehrung  — 


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4= 


245 


einander  kreuzen ,  wenn  die  Versetzung  nicht  um  zwei  Oktaven  er- 
folgt. Günstig  trifft  es  sich,  dass  die  Subjekte,  jedes  einzeln  nnd  beide 
gleichzeitig,  —  wie  hier  — 


230 


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nur  an  ein  Paar  Rombinatiooen  zu  sehen  ist ,  —  die  Verdopplung  in 
der  höhern  oder  tiefern,  oder  das  eine  in  der  höhern,  das  andre  in  der 
tiefern  Terz  zulassen*),  mithin  Anlass  geben,  dieses  oder  jenes  Instru- 
ment in  einer  ihm  günstigem  Tonlage  höher  oder  tiefer  einzuführen, 
oder  durch  Verdopplung  in  der  Terz  oder  Sexte  die  Instrumente  so- 
gleich verbunden  und  verstärkt  auflreten  zu  lassen. 

Setzen  wir  endlich  noch  hinzn,  dass  die  zweite  Form  der  Doppel* 
fuge  (Th.  II.  S.  468)  für  unsre  jetzige  Aufgabe  die  günstigste  scheint, 
weil  sie  neben  dem  Festen  und  Ruhigen  zugleich  das  Bewegtere  und 
Anregendere  giebt. 

So  viel  zur  Vorbereitung.  Es  kann  auf  dieser  Stufe  des  Lehr- 
gangs nicht  nöthig  erscheinen ,  über  die  Fugenkomposition  an  sich  et- 
was zu  sagen,  oder  die  oben  vorgeschlagnen  Snbjekte  zu  einer  voll- 
ständigen Fuge  zu  verarbeiten.  Nur  darauf  kommt  es  noch  an,  zu  er- 
wägen :  wie  die  Fuge  von  Harmoniemusik  darzustellen,  —  und  umge- 
kehrt ,  wie  diese  in  der  Fugenform  zu  vielseitiger  Geltung  zu  bringen 
ist?  Um  dies  gleich  in  künstlerischer  Weise  zur  Anschauung  zu  brin- 
gen, lassen  wir  eine  Fuge  in  Gedanken  in  naturgemässer  Ordnung  sich 
vor  uns  entwickeln. 

Nach  der  Einleitung  hebt  die  erste  Durchführung  an,  zuerst  zwei- 
stimmig, dann  drei-  oder  vierstimmig.  Hier  bedarf  es  keiner  gesteiger- 


*)  Es  bat  sich  also  ein  vierracher  polymorp  bisch  er  Rootrapankt  gebildet,  dea- 
seD  zahlreiche  KombioatioDeo  ans  Th.  II.  S.  595  bis  602  bekanot  sind.  Allein  eg 
ist  in  der  That  cnfällig  geschebo  und  mao  kann  oicht  rathen,  hier,  —  wo  alle  Anf- 
merksamkeit  auf  die  InstramentatioD  geriebtet  seio  soll,  dergleleben  GeataltODgeo 
absichtlich  za  bilden. 


231 


ten  Kraft,  ancb  ist  es  noch  nicht  an  der  Zeil^  die  Instramente  zu  indi- 
vidaalisiren;  das  Erstere  wird  durch  den  Vertauf  der  Fuge  herbeige- 
fabrt,  das  Letztere  findet  seine  angenessnere  Stelle  im  zweiten  Theile 
der  Fuge,  der  bekanntlich  vorzugsweise  den  etgenthümlicbern,  feinem, 
bewegtem  nnd  erregtem  Partien*)  gewidmet  ist  Die  erste  Durchfüh- 
rung wird  also  von  den  Instrumenten ,  die  sich  am  besten  für  die  Ton- 
lage eignen,  und  so  stark,  dass  beide  Subjekte  den  gebührenden  Nach- 
druck erhallen  y  besetzt.  Nehmen  wir  Nr.  244  als  ersten  Einsatz  der 
Foge  an»  so  könnte  das  erste  Subjekt  von  Fagotten  und  Bassethörnern« 
das  zweite  vion  der  ersten  iß^Rlarinetta  genommen  werden.  Die  Ant- 
wort auf  das  erste  Subjekt  würde  von  der  zweiten  ^Klarinette  und 
beiden  Oboen,  auf  das  zweite  von  den  Bassetbörnern  — 

Ullis. 


247 
Oboen. 


Zweite 

B-Klarinelte. 


BaieedLÖmer. 


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gegeben ,  wobei  zwar  die  Oboen  den  ersten  Ton  aussetzen  oder  eine 
Oktave  höher  nehmen  müssten,  der  Einsatz  der  Klarinette  aber  auf 
einen  ihrer  stärkern  Tone  (S.  120)  fiele.  Wollte  man  die  Durchkreu- 
zung der  Stimmen  vermeiden ,  so  müssten  statt  der  Bassethöruer  die 
Fagotte  das  zweite  Subjekt  eine  Oktave  liefer  nehmen;  indess  hat  die 
Kreuzung  der  Stimmen  um  so  weniger  zu  sagen,  da  die  Klangverscbie- 
denheit  unterscheiden  hilft. 

Znm  dritten  und  vierten  Mal   könnten   die  Subjekte  folgender- 
massen  anflreten^  bei  A.  — 

A.  B. 


wurde  das  erste  von  Oboen  und  FlQten,  das  zweite  von  Fagotten,  bei 
B.  das  erste  von  Fagotten  und  dem  Serpent,  das  zweite  von  den  Flöten 
und  der  ersten  Oboe ,  oder  bei  stärker  besetztem  Gegensatze  der  Es- 
Klarinette  genommen  werden  können.  Es  würden  also  die  Instrumente 
folgendermassen  ^     . 


*)  Ans  der  Lehre  voo  der  Groodform  derFage  wisseo  wir,  dass  EDgrdbrung, 
Verkleioemng,  Zergliedere  Dg,  Verkebron^,  nene  und  gesteigcite  Gegensätze  ihreu 
HflaptsiU  in  zweiteaTfaeil  haben. 


2S2    


1) 

3) 

4) 


I.  Fagotte  nnd  Bassethörner, 

II.  erste  JS-RlariDette, 

I.  Oboen  and  zweite  ff-RIarinette, 

II.  Bassethörner,  —  oder  Fagotte, ' 
I.  Oboen  und  Flöten, 

II.  Fagotte, 
I.  Serpent  and  Fagotte, 

IL  Flöten  nnd  erste  Oboe,  —  oder  jE!»-RIarinette, 
vertheilt  sein;  das  erste,  schwere  Subjekt  wSre  stets  scbäifer  ond 
stärker,  das  zweite  leichter  und  vorzugsweise  von  den  flüssigem  la- 
strumenten  besetzt;  die  Klangfarbe  würde  bei  jedem  Eintritt  eines  Sub- 
jekts eine  andre  sein  und  dadurch  jeder  Eintritt  berrorgefaoben ,  das 
Ganze  mannigfacher  werden.  Dass  sich  noch  andre  Kombinatio- 
nen treffen  Hessen,  beiläufig  der  zweimalige  Eintritt  der  Oboen  zum 
ersten  Subjekt  etwas  einfarbig  wirkt  (sie  sind  nur  geeignet,  demselben 
Nachdruck  und  Schärfe  zu  geben),  bemerkt  man  leicht. 

Nehmen  wir  nun  auch  an,  dass  innerhalb  dieser  Durchfuhrung 
noch  andre  Instrumente  (Hörner  z.  B.  und  chromatisches  Tenorhorn) 
den  Gegen-  oder  Zwischensatz  verstärkt  haben:  so  fehlt  es  doch  am 
letzten  Nachdruck,  an  der  Einfuhrung  des  Tutti.  Soll  dieses  erst 
im  Zwischensatz  auftreten,  so  wird  der  Nachdruck  auf  eine  Nebenpar- 
tie gelegt.  Wir  würden  vorziehn ,  noch  innerhalb  der  Durchführung 
das  Orchester  zur  vollen  Wirkung  zu  bringen,  mithin  die  Durchfuhrung 
zu  einer  öbervollständigen  zu  erweitern,  und  zwar  —  dem  Karakter 
jedes  Subjekts  gemäss  —  das  erste  Subjekt  dem  Basse ,  das  andre  der 
Oberstimme  zu  geben.  Es  könnte  vom  letzten  Standpunkte  der  The- 
mate,  fidur,  zuletzt  (nach  längerm  Zwischensatz  oder  ohnedem)  das 
Orchester  in  dieser  —  oder  einer  ähnlichen  Weise  -^ 

(Siebe  das  Beispiel  U9,  fol;.  Seite.) 
in  den  Hauption  und  zum  letzten  Eintritt  beider  Subjekte  geführt  wer- 
den.  Hier  legen  wir  das  erste  Subjekt  in  die  tiefste ,  das  zweite  in  die 
oberste,  beide  noch  unbenutzte  Tonlagen,  — 

, ~TT  T  ^ 


250 


beide  unter  starker  Besetzung,  und  stellen  in  die  Mitte  die  ganze  nicht 
für  jene  verwendete  Masse  der  Instrumente.  Die  Beilage  VII  giebt 
einige  Takte  als  Beispiel ,  wie  diese  Stelle  sich  bilden  liesse ;  es  wird 
vorausgesetzt,  dass  von  da  aas  der  Zwischensatz  sich  möglichstein- 


233 


249 
Flöten. 

Oboen. 

B- Klarinetten« 

Tagotle.       < 


KontrAfaffOtl 
nnd  Serpen t. 


Es-Trompeten 
und  Homer. 


B- Pauke, 

gr.   Trommel 

u.  e.  w. 


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284 


fach ,  aber  mit  ToUem  Orchester  fortsetze  ond  den  ersten  Theil  der 
Fuge  mit  Kraft  abschliesse. 

Volltönender  hätte  sich  übrigens  der  in  dsr  Beilage  gegebne  Satz 
gemacht,  wenn  die  erste  Oboe  nud  Klarinette  das  zweite  Sabjekt  ge- 
nommen ond  die  Flöten  es  nnr  in  der  Oktave  verdoppelt  hätten.  Allein 
dann  würden  jene  Instmmente  als  Hanptstimme  vernommen  worden 
sein  und  das  Thema  wäre  dnreh  die  Verdopplung  für  seinen  Karakter 
zo  stark  ond  lastend  geworden.  Jetzt  liegt  es  eine  Oktave  höher;  in 
dieser  Lage  ond  der  dabei  nöthigen  Besetzang  würde  es  zu  heftig  and 
pfeifend  hervortreten,  wenn  es  nicht  auf  so  voilstimmiger  und  starker 
Unterlage  rnhte,  als  hier  vorausgesetzt  ist. 

In  dem  weitern  Forlgang  der  Fuge  wird  nun  der  reichlichste  An- 
lass  gefunden,  neben  der  Entwicklung  des  Ganzen  die  verschiednen  In- 
strumente und  ihre  Zusammenstellung  zur  mannigfachsten  Geltung  zu 
bringen.  Die  Fuge  wird  leichtere  und  schwerere »  beweglichere  und 
minder  bewegliche  Durchhihrnngen ,  Zwischensätze  u.  6.  w.  fodem ; 
jeder  dieser  Momente  bedingt  die  besondre  Wahl  der  gerade  für  ihn 
geeigneten  Instrumente.  Eine  leichtere  und  zartere  Einifiihrang  beider 
Subjekte  könnte  z.  B.  in  dieser  Weise*)  — 


FlSteiu 


*)  Hier  ist,  wie  flpesas^  wader  (des  Ramnes  wegen)  aasfobrbar,  ooeh  rathtamy 
eine  voIUtSodige  Ouvertüre  yorzuarbeitea,  oder  die  ia  ihr  mSgliebeo  KombiDatio- 
nee  io  grösserer  VoUständiglLelt  anfzardbren ;  dies  werde  onnStbig  sein  ned  dem 
Jünger  deo  Vortbeil  eigner  Er»  eod  Auffindung  sehmiilern.  Es  bedarf  nur  einiger 
Andevtaagen,  die  wir  leichterer  Uebersicht  wegen  alle  in  den  Hauptton  setzen. 


2S3 


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statthaben;  erste  Flöte  und  Obo^  oebnieii  in  Terzverdopplung  das 
erste,  Bassethorn  das  zweite,  —  dann  Oboe  und  Klarinette  das  erste,  Pa^^ 
gotte  das  zweite  Subjekt  in  Verdopplung,  —  wobei  die  Unterstimme 
des  letztern  tonleicbler  gebildet  wird ,  um  den  beweglichen  Satz  nicht 
zu  sehr  zu  belästigen.  Die  Themate  sind  hier  von  verscbiedner  Klang- 
bxhe'y  das  erste  setzt  in  der  Flöte  schwach  ein,  wenn  nicht  im  voraus- 
setzlichen  Zusammenhange  der  erste  Ton  der  Oberstimme  von  andern 
Instrumenten  unterstützt  wird;  schärfer  bildet  sich  der  Einsatz  in 
Cmoll,  wo  man  annehmen  muss,  dass  die  erste  Klarinette  zu  neuem 
bedeutendem  Einsätze  vorbehalten  bleibt. 

Hier  ist  die  Bewegung  in  Unterstimmen  gelegt  und  durch   das 
schwerere  erste  Subjekt  gehemmt.  In  leichterer  Weise  tritt  hier  — 


Oboe. 


pLU^xTD^ff^^^^^^^^m 


256 


das  zweite  Sobjekt  allein  io  den  Oberstiramen,  in  einer  ntcfat  weit  oder 
streng;  darcbgesetzten  Engfiihrnng  auf.  Es  würde  sich  übrigens  bei  der 
Ansführung  zeigen,  was  wir  schon  S.  217  bemerkt  haben:  dass  die 
Individualisirung  der  Stimmen,  der  polyphone  Satz  in  der  Harmoniemu«- 
sik  selbst  bei  so  leichter  Besetzung  wie  die  obige  stets  eine  Schwere 
annimmt,  die  nicht  immer  der  Intention  des  Komponisten  entspricht. 
Auch  in  unserm  Fugenprojekt  würden  die  leich testen  Partien  entweder 
ganz  homophon  gehalten  {wie  wir  selbst  von  dem  Hochmeister  der 
Fugenkunst,  Seb.  Bach,  aus  seinen  grossen  Klavier-  und  Orgelfugen 
lernen  können),  oder  doch  weit  leichter  an  den  eigentlichen  Fugensatz 
angeknüpft  werden  müssen.  Es  konnte  vielleicht  dem  vorstehenden 
Satz  eine  leichtere  Gangpartie  vorausgegangen  sein  und  in  dieser  — 


253 
F15ten. 


Oboea. 


Q-KlariiiettttB* 


Es-Trompeteii, 


Ba-Horn. 


Fagotte. 


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Weise  »af  jeoien  und  iböt  ftüekkehr  in  das  Spiel  4er  Subjekte  einge^ 
leokt  werden. 

Diesen  Herleitnngen  aus  dem  zweiten  Soijekt  gegenüber  könnte 
aiicb  das  erste  einmal  aosscbiiessfieh  und  mit  den  iboi  gebtibrenden 
Nacbdmcke  znr  Geltung  kommen  wollen  i*  es  kömte  sieb  eine  Eng« 
fiibrang  — 


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254 


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bilden,  deren  drei  Stimmen  (A.,  B.,  C.)  vielleicht  so  — 

A.  —  ^ll-,  Tenorposaune,  chromatiscbes  Hom, 

B.  —  Bassposaune,  Serpent, 
G.  —  Oboen,  j^^-Klarioelte, 

zu  besetzen  wären,  während  Flöten,  Klarinetten,  Fagotte  u.  s.  w.  für 
den  Gegensatz  oder  zu  neuen  Eintritten  übrig  blieben. 

Zum  Schlüsse  geben  wir  noch  in  der  Beilage  Vlil  einen  Satz,  der 
mit  der  Einführung  beider  verdoppelten  und  stark  bjesetzten  Subjekte 
anhebt,  sich  zum  Tulti  erbebt,  dann  aber  d(|s  erste  Motiv  des  zweiten 
Subjekts  benuUit.,  um  InstrvmeG^t.anf  Instrument ,  —  es  treten  nai;h 
einander 

Bassetbörner  mit  Fagott, 

Oboen, 

Trompeten, 

zweite  A-KIarinette, 

erste  i}-Klarinetle  mit  ^«-Klarinette, 

zweite  Flöte  mit  ^«-Klarinette, 

erste  Flöte  mit  Pikkolflöte 
ein,  —  gleichsam  herbeizulocken  und  so  durch  Ansammlung  derselben 
ein  crescendo  der  Instrumentation  zu  bilden. 

Diese  Weise  des  Anwachsens  ist  ein  drittes  Mittel  zu  einem 
Zwecke,  der  immer  als  derselbe  erscheint:  znr  Steigemng«  Wir 
können  steigern 

1.  durch  Emporschreiten  in  höhere  Tonlagen, 

2.  durch  das  eigentliche  crescendo ,  —  indem  wir  uns  ans  piano 

oder  meno  forte  zvimpiü  forte ^  forte  n.  s^.  w.  erheben, 

3.  durch  Stimmvermehrung, 

die  wir  schon  im  Klavier-  und  Chorsatze  beobachtet  haben,  die  aber 
erst  im  Orchestersatze ,  wo  jede  Stimme  durch  eigne  und  meist  klang- 
yerschiedne  Organe  dargestellt  ist,  wichtig  wird.  Allein  der  Zweck  und 
Sinn  dieser  drei  Steigerungen  ist  doch   ein  innerlich  verschiedner. 


2M    

Wenn  eme  Slim»e  oier  mebrere  mit  eioander  so  hofaern  Tönlageii 
sich  erheben,  so  ist  dies  (Th.  L  S.  22)  Spannung  and  Steigerung  ihrer 
Stioiniung ,  ihres  Indern ,  des  iahaUs  der  Tonfolge.   Wenn  die  Musik 
sieh  in  einzeljien  Sehlägen  oder  ganzen  Partien  zum  forte  erhebt,  so 
spriebt  siob  darin  Aas  Bewussisein  aua ,  dieser  Schlag  oder  diese  Partie 
sei  eine  vorzugsweis'  zu  bemerkende  —  und  der  Wille,  sie  hervorzu- 
heben.  Die  Ansammlung  von  Stimmen  endlich  ist  der  Ausdruck  dafür, 
oder  vielmehr  die  Folge  davon,  dass  mehr  und  mehr  Individuen  an  dem 
musikalischen  Vorgang  sich  beihätigen ,  dass  dieser  ein  allgemeinerer 
—  und  damit  auch  ein  vielseitigerer  wird.    Diese  letztere  Gestaltung, 
die  wir  oben  in  das  Auge  gefasst,  ist  also  eine  mehrfach  bedeutsame : 
es  treten  mehr  und  mehr  Stimmen  zusammen,  — 
es  treten  Stimmen  verschiednen  Klangs  und  Rarakters  zu- 
sammen, — 
sie  haben  bei  ihrer  Theilnahme  am  Satze  mehr  oder  weniger 

verschiednen  Inhalt  zu  äussern,  — 
ihre  Ansammlung   vermehrt  die  Schallmasse,   bringt  also 
(gleichsam   gelegentlich)   dadurch   auch   du   eigentliches 
crescendo  hervor; 
aber  sie  ist  von  den  andern  Gestaltungen  nnd   namentlich  vom  cre- 
scendo im  Innern  wie  Aeussem  wesentlich  verschieden. 

Und  eben  diese  Stelle  giebt  besonders  in  ihrem  siebenten  Takte 
nochmals  zu  bedenken,  wie  leicht  man  sich  aus  der  den  Bläsern  zu- 
träglichen Einfachheit  hinauslocken  lässt*). 


*)  Hiersa  der  Anbaos  L. 


Neuntes  Buch. 


Orchestersatz. 


Einleitung. 


Die  BenenDUDg  Orchester  ist  zwar  gelegentlich  schon  für  die 
Masse  der  zur  Harmoniemusik  vereinten  Instrumente  gebraucht  wor- 
den. Genauer  aber  bezeichnet  dieser  Name  (S.  3)  den  Verein  von  Sai- 
ten-, namentlich  von  Streichinstrumeuten ,  in  mehrfacher  Besetzung, 
and  Blasharmonie  zu  massenweiser  Wirksamkeit. 

In  diesem   bestimmtem  Sinne  wird  der  Name  von  nun  an  ge- 
braucht.   Der  Orchestersatz,   den  das  neunte  Buch  abzuhandeln 
hat,  ist  der  Satz  für  die  in  Hassen  vereinten  Streich-,  auch  sonstigen 
Saiteninstrumente  und  die  Blasharmonie,  also  für  den  Verein  von 
Streichinstrumenten, 
Rohrinstrumenten, 
Blechinstromenten, 
zu  dem  die  Schlaginstrumente,   auch  sonstige  Saiteninstrumente  und 
die  Orgel  zutreten  können. 

Dieser  Verein  von  Instrumenten  kann  mehr  oder  weniger  umfas- 
send sein. 

Umfasst  er  blos  Blasinstrumente ,  so  heisst  er ,  wie  wir  wissen, 
Harmoniemusik.  Hierüber  hat  das  vorige  Buch  berichtet. 

Beschränkt  er  sich  auf  die  massenweise  Verwendung  von  Streich- 
instrumenten,  so  m&sste  er  Orchester  oder  Chor  der  Streichin- 
strumente genannt  werden.  Es  ist  übrigens  dem  Verf.  kein  unserer 
Zeit  angehöriges  Kunstwerk  dieser  Art  bekannt*).  Nur  ein  Paar  Ouver- 
türen von  altern  Komponisten  (A.  Scarlatti,  Händel  u.  A.)  wären  zu 
erwähnen,,  beweisen  aber  nichts,  als  die  —  Genügsamkeit  damaligen 
Instrumentalsatzes. 

Verbindet  er  mit  dem  Streich chor**)  Blasinstrumente,  —  ist 
also  Orchester  im  eigentlichen  Sinne  vorbanden,  —  so  können  weniger 


*)  Das«  in  ParU  eigentliclie  Qaartette  (für  Solo-Streicbiostruroeiite  kompooirt) 
mit  vier-  oder  sechsfaclidr  Besetzaog  gegeben  worden,  —  entscbieden  gegen  die 
Absieht  der  Komponisten  nnd  gegen  den  Sinn  derKompositionsgattung,  die  in  jeder 
Slimme  dorcbaaa  indivtdaelle  Feinheit  will,  —  iLommt  bier  nicbt  in  Beträcht,  weil 
die  WerlLe  eben  n  i  e  h  t  für  Orchester  gesetzt  sind. 

**)  Diesen  Chor  nennt  man  meistens  nach  der  gewb'hnlieben  Zahl  seiner  Stiic- 
■en  Streichquartett.  Es  ist  gegen  Sprachgebranch  schwer  anxnkämpfen  und 
in  der  Rege!  hat  derselbe  irgend  einen  wenn  nor  einseitig  haltbaren  Gmnd ;  so  der 
Name  Streichquartett.  Allein  es  bezeichnet  auch  den  nicht  orchestralen  (^mehrPach 
besetzten) ,  sendern  Soloverein  von  vier  Streichinstrumenten  zu  der  Kunstform 
des  Quartetts. 

Marx,  Konp.L.IV.  8.  Aufl.  16 


242     

oder  inebrBlasinslrainenteinThäligkeit  koromeii,  und  dies  io  gar  i 
nigfacherZabl  and  Auswahl.  Es  ist  oDDÖthig,  diese  verscbiedDeoZosain- 
menstellangen  aafzozäblen  and  dorch  Kilnstbenennangen  za  nnlerschei- 
den.  Nar  eine  Unterscheidiing  ist  in  der  Konstspracbe  so  eingebürgert, 
dass  sie  nicbl  übergangen  werden  darf.  Es  ist  der-Gegensatz  von 

Orchester,  oder  kleinem  Orchester*), 
and  Ton 

grossem  Orchester. 

Hit  der  Benennung:  kleines  Orchester  oder  Orchester  schlecht- 
weg bezeichnet  man  nämlich  oft  den  Verein  von  Streichchor  oder 
Streichquartett  mit  Robrinstrumenten  (mebrem  oder  wenigem),  aoch 
wohl  mit  Zuziehung  von  Hörnern.  Im  Gegensatz  hierzn  bezeichnet  der 
Ausdruck:  grosses  Orchester  den  Verein  von  Streicherchor,  Robrinslru* 
mentea  (mehr  oder  weniger,  mit  oder  ohne  Hörner)  und  Trorapetea 
und  Pauken,  mit  oder  ohne  Posaunen.  Erwägt  man,  dass  die  Hörner 
(wie  wir  von  S.  140  an  auch  gethan)  wohl  geeignet  sind,  sich  den 
Rohrinstromenten  anzoschliessen,  gleichsam  in  ihren  Chor  einzutreten: 
so  liesse  sich  der  Unterschied  von  kleinem  und  grossem  Orchester  kurz 
dahin  aassprechen ,  dass  im  letztem  Rohr-  und  BJechchor  wesentlich 
vertreten  sind,  im  erstem  nicht.  —  Im  Lehrgange  haben  wir  von  dieser 
Unterscheidung  keine  Anwendung  zu  machen. 

Eine  noch  umfassendere  Kombination,  als  das  grosse  Orchester,  ist 

das  Doppelorchester, 

oder  auch  der  Verein  von  noch  mehrern  Orchestern ,  von  denen  jedes 
ein  geschlossnes  Ganzes  fb'r  sich  ausmacht,  alle  mit  einander  aber  zu 
einem  grössern  Ganzen  zusammentreten.  Auch  hierüber  bedarf  es 
keiner  besondern  Hiltheilungen.  Die  Fälle,  wo  es  eines  Doppelor- 
chesters bedarf,  sind  äusserst  selten,  und  beschränken  sich  fast  nur  auf 
die  Einfuhrung  eines  Instrumentencbors  auf  der  Bühne  (in  Opern)  zu 
dem  eigentlichen  Orchester.  Wer  aber  ein  Orchester  zu  behandeln 
weiss,  hat  auch  für  die  Behandlung  eines  Nebenchors  keine  weitere 
Anweisung  nöthig.  —  Bach's  Matthäi'sche  Passion  ist  bekanntlich  für 
Doppelchor  und  Doppelorcbester  geschrieben. 

Die  Lehre  nun  vom  Orchestersatz  findet  zunächst  einen  ganz 
neuen  Stoff,  —  die  Saiten-  und  besonders  die  Streichinstramente, 
—  auf  dessen  Aneignung  und  Behandlang  ea  zunächsi  ankommt.  Von 
diesen  sind 

die  Streichinstrumente 


*)  Nicht  zn   verwechselo  mit  kleiner,    nimlich  WMig  zahlreicher  Be- 
«etzuofr  der  Stimmen. 


—    Ui   — 

insofern  die  wicbUgsUai  weil  ^ie  einen  geos&en  Cbor  im  Orchester, 
gewöbnlich 

das  Streichquartett 

genannt,  bilden,  nnd  zwar  den  baoptsäcblichsten  Chor  des  Ganztn. 
Die  andern  Saiteninstrumente,  yon  denen  das  Riavier  bereits  Tb.  III. 
S.  17  zur  Sprache  gebracht  worden,  dienen  meist  nur  als  Soloinstru- 
mente und  treten  selten  zum  vollen  Orchester. 

Wir  werden  also  zuerst  den  Chor  der  Streichinstrumente  kennen 
and  behandeln  lernen,  dann  denselben  in  verschiednen  Abstufungen  mit 
denChören  der  Bläser  vereinen,  und  zuletzt  erst  die  übrigen  Saitenin- 
stmmente,  sofern  sie  Theil  nehmen  am  Orchester,  kennen  lernen. 

Bei  dem  Orchestersatze  kommen  neue  Runstformen,  —  oder 
vielmehr  neue  Anwendungen  schon  bekannter,  —  zur  Sprache. 

Hiermit  ist  also  der  Inhalt  des  neunten  Buchs  wenigstens  in  allge- 
meinen Umrissen  bezeichnet. 


festf  AktheiliiHg. 

Kenntniss  der  Streichinstnuufiiite. 

Erster  Abschnitt. 
Betrachtung  der  Streichinstrumente  Im  Allgemeinen» 

Streichinstrumente  heissen  hckannllich  diejenigen  Saiteninstru- 
mente, die  aus  einem  Körper  oder  Kasten  (ßesonanzkasten),  dessen 
Miterschallen  den  Scball  des  Instrumeats  verstärkt,  —  einem  Hals 
and  Griffbrett,  —  vier  Saiten,  die  über  einen  Steg  und  das  Griff- 
brett laufen  und  am  Ende  des  Körpers  in  einem  Brettchen  (Saiten- 
b  alter,  Saitenfessel),  am  Ende  des  Halses  aber  (das  der  Kopf  heisst) 
in  einer  Höhlung  (den  Wirbelkasten)  an  Wirbeln  befestigt  sind, 
—  bestehn  und  in  der  Regel  durch  Anstreichen  mit  einem  Bogen 
zum  Schallen  gebracht  werden«  Am  Bogen  (seine  Gestalt  ist  wie  das 
Instrument  selbst  bekannt)  ist  der  Griff  nni  iie  Spitze  zu  bemer- 
ken :  von  einem  zum  andern  sind  die  Rosshaare  ausgespannt,  mit  denen 
die  Saiten  angestrichen  und  zum  Erschallen  gebracht  werden. 

Die  Saiten  haben  auf  jeder  Art  von  Streichinstrumenten  ihre  ein 

16* 


244    

für  allemal*)  feststehende  Stimmnng.  Sie  können  aber  Erstens  darch 
die  Finger  des  Spielenden  an  das  Griffbrett  fest  angedrückt  werden ; 
dadurch  schneidet  man  für  die  Dauer  des  Drucks  einen  Tbeil  der  Saite 
von  dem  zum  Schallen  kommenden  andern  Theile  gleichsam  ab  und  er- 
hält von  der  so  verkürzten  Saite  einen  höhern  Ton**),  Diese  die  Saite 
abkürzenden  Griffe  können  von  der  kleinsten  Abstufung  aus  fortgesetzt 
werden ,  s6  weit  die  Spannung  der  Hand  gestattet  und  der  für  den  Ton 
frei  bleibende  Theil  der  Saite  für  Schallschwingung  lang  genug  bleibt. 

Z  wei  tens  können  die  Saiten  durch  leises  Anisen  der  Finger  an 
gewissen  Stellen  zu  einer  besoadern  Schwingungsart,  zu  den  Längen*- 
oder  Longitudinal- Schwingungen***)  gebracht  werden.  Die  so  ent- 
stehenden Töne  heissen  Flageoletttöne. 


*)  Nicht  durchaat ;  eiozeloe  Spieler  haben  hitweilen  ahweichende  Stimmnog 
der  Saiten  za  hesondern  Zwecken  aDffewendet.  Im  Orchester  ist  iodess  aar  die 
normale  Stimmung  vorantznsetzen  und  man  thnt  wohl ,  anch  für  Solosatz  keine 
andre  zu  rodern,  da  eine  fremde  den  wenifpsten  Spielern  genehm  sein  kann. 

**)  Vergl.  Ailgem.  Musiklehre  S.  47  und  159.  Saiten  verhalten  sich  wie  Pfeifen ; 
je  kürzer,  desto  sehneller  schwingen,  also  desto  höber  ertönen  sie. 

«**)  Um  das  Flageolettspiel  zu  begreifen ,  moss  man  sich  (vergl.  Ailgem.  Nnsik- 
lehre  S.  47)  erinnern,  dass  Saiten  oder  die  in  Blasinstrumenten  zum  Tönen  kom- 
menden Luftsäulen ,  jenachdem  sie  in  aehnellere  oder  langsamere  Schwingungen 
geratheo,  höhere  oder  tiefere  Töne  zu  vernehmen  geben.  Eine  Saite,  die  noch  ein- 
mal so  schnell  schwingt  als  die  andre,  bringt  einen  um  eine  Oktave  hohem  Ton  her- 
vor ;  folgende  Reibe  von  SchwingnogsverbSltnissen  — 

1:2:3:4:5:6 

giebt  zum  Gmndton  (1)  die  Tonverbältnisse 

der  Oktave,  höhern  Quinte  (Duodezime),  zweiten  Oktave,  grojsen  Terz 
(von  der  letzten  Oktave)  und  der  Oktave  der  Quinte, 

also  z.  B.  von  dem  Grundton  C  aus  die  Tonreihe 

^  —  c  —  g  —  c"—  e*—  g" 
an. 

Je  lüoger  aber  eine  Saite  (oder  Luftsäule)  ist,  desto  langsamer,  je  kHrzer, 
desto  schneller  schwingt  sie.  Und  zwar  verhalten  sich  die  Läogen  umgekehrt,  wie 
die  Schwingungen ;  eine  Saite,  die  halb  so  lang  ist  als  die  andre,  giebt  noch  einmal 
so  viel  Schwingungen  *,  also  4,  3,  1  Länge  geben  Grandtoa,  Oktave,  zweite  Oktave. 

Lässt  man  nun  eine  gespannte  Saite  (a — b)  f^ei  aehwingen ,  «o  schwingt  sie 
von  einem  befestigten  Punkte  (a)  zum  andern  (b)  so : 

f'-'-..,: — ^ ■    j^ .-.■-^t 

Drückt  man  eine  Saite  (a — ^b)  auf  irgend  einem  Punkte  (z.  B.  bei  c)  fest  an  den 
5teg,  so  wird  das  untere  Stück  (c-b) 

g.^-' '      ~^-^g  6 


245     

Wir  haben  schon  ohen  bemerkt,  dass  die  Töne  der  Streiehinslru- 
menie  in  der  Regel  durch  den  Anstrich  der  Saiten  mit  dem  Bogen  her- 
vorgebracht würden.  Ausnahmsweise  geschieht  es  aber  auch  durch 
Anziehen  und  Loslassen  mit  deqi  Finger,  in  derselben  Weise,  wie  bei 
der  Harfe,  Guitarre  n.  s.  w.  Dieses  Gerissenwerden  der  Saiten  wird 

püzicato  (pizz,) 
genannt*).  ^ 

Kehren  wir  nun  zu  der  vornehmlichen  Behandlung  der  Streichin- 
atrumente zurück ,  so  steht  schon  durch  diese ,  abgesehn  vom  Flageo- 
lettspiel ,  jedem  Streichinstrument  vom  Ton  seiner  tiefsten  Saite  auf- 
wärts eine  durch  mehrere  Oktaven  reichende,  vollständige  Tonreihe  zu 
Gebot.    Jeder  Ton  innerhalb  dieser  Reibe  ist  vollkommen  sicher  und 


gleichftm  abgeschnitten,  ausser  TheiUabnie  vad  Tbätigkeit  gesetzt ;  es  ist  oicht 
»ehr  die  Saile  a — b,  soodern  die  Saite  (das  Saitensliick)  a — c  schwiognogsfahig; 
das  Saiteostüek  e — b  ist  gehemmt,  gleichsam  nicht  vorhanden. 

•     Legt  man  aber  endUeh  den  Piager  an  irgend  einem  Plukte ,  z.  B.  in  der  Mitte 
der  Saite  bei  t,  — 


f^ 


nnr  leise  an,  so  schneidet  man.die  Schwingungen  bei  c  nicht  ab,  wohl  aber  hindert 
man  die  Seite,  in  ihrer  Ganzheit  (wie  im  ersten  Falle)  zn  schwingen  ;  die  Schwin- 
geogen  brechen  sich  am  li^rükrten  Punkt  end  es  schwingt  jede  Hälfte  der  Saite, 
a— c  «ad  c — b,  gleich  awei  besoadera  Saiten,  jedoch  gleichzeitig,  far  sich.  Folg- 
lich vernimmt  maa  dann  die  Oktave  des  Tons,  den  die  Saite  a— b  geben  würde,  von 
der  Hälfte  a— c  nnd  von  der  andern  Hälfte  c— b  angegeben.  Legt  man  den  Finger 
auf  einem  Viertel  der  Saite  an,  z.  B.  bei  d,  — 


=*^=r ..,/'- -vi J 


so  theilt  sich  die  Saile  in  gleicher  Weise  in  vier  Tbeile  (gleichsam  in  die  beson* 
dem  Saiten  a — e,  e— c,  e— d,  d— b)  and  giebt  die  zweite  Oktave  des  von  a— b  ge- 
gebnen Grandtons.  Legt  man  den  Finger  auf  einem  Drittel,  z.  B.  bei  e  — 


f^ ^ll. 


.^-n" 


an ,  so  zerlegt  sieh  die  Saite  in  drei  Tbeile  nnd  giebt  die  höhere  Quinte  (Duode- 
zime) des  Gruodtons.  Dies  ist  die  Tooerzeagung  des  Flageolettspiels,  dem  übri- 
gens noch  andre  Tone  ausser  den  hier  angegebnen  zu  Gebot  stehen. 

*)  Namentlich  bei  den  höhern  Streichinstrumenten  ist  nächst  Bogenspiel  und 
pizzicato  eine  dritte  Weise  der  Tonerzeugung  zu  erwähnen,  die  die  Saiten  mit 
dem  Bogeostab  schlägt  und  mit 

col  legHo 
(gesehlagen)  angeceichoet  wird.    Der  bärtliche  und  etwas  schwirrende  Klang  ist 
jedoch  nur  ßr  theatralische  oder  Taozstücke  bisher  anwendbar  erachtet  worden. 


246 

rein  zu  haben ;  —  Tonfolgen  aller  Art  kann  das  Streicbinstrament  un- 
gleich zahlreieher  nnd  meist  sicherer  nnd  leichter  hervorbringen,  als 
die  Blasinstrumente ;  ^  in  allen  Tonarten  kann  es  sich  mit  überlegner 
Leichtigkeit  bewegen ; —  den  einzelnen  Ton  kann  es  so  schnell  wie- 
derholen ,  als  die  Hand  den  Bogen  auf-  und  abzuziehn  vermag ;  in  den 
bequemern  Tonfolgen  ist  es  der  schnellsten  Bewegung  Fähig  und  aucb 
hierin  den  Bläsern  meist  überlegen. 

Jeder  Ton  kann  ferner  so  lange ,  als  es  beliebt,  ausgezogen  wer- 
den, auch  ab-  und  zunehmen.  Hierin  stehen  die  Streichinstrumente  den 
Bläsern  insofern  nach,  als  letztere,  überlegne  SchaHkrafl  und  dadurch 
die  Möglichkeit  eines  stärkern  An-  und  Abschwelleos  haben.  Auch  kann 
das  Blasinstrument  den  Ton  ruhiger  bis  zu  Ende  halten ,  jedoch  nicht 
Knger,  als  der  Athem  währt.  Das  Streichinstrument  dagegen  kann 
allerdings  den  Ton  beliebig  lange  halten ,  indem  der  Bogen  wechselnd 
auf-  und  abgeführt  wird ;  das  kann  aber  nicht  mit  vollkommner  Ruhe 
geschehn  (der  Bogenstrich  bleibt  bei  langsamer  Führung  nicht  vollkom- 
men gleich)  und  auch  nicht  in  grösserer  Kraftfülle. 

I  Die  Bindung  eines  Toos  an  den  andera  oder  ganzer  Tonfoigen 
kann  das  Streichinstrument  inniger  als  irgend  ein  andren  Instrument 
mit  leisem  feinem ,  oder  vollem  und  breitem  Uebergang  bewirken,  so- 
gar einen  Ton  in  den  andern  überziehen.  Auf  der  andern  Seite  ^leht 
ihm  das  leichteste  staccato  zu  Gebote. 

Endlich  hat  das  Streichinstrument  die  Fähigkeit,  zwei  Töne  auf 
verschi^dnen  Saiten  gleichzeitig ,  ja  drei  und  vier  Töne  auf  verschied- 
nen  Saiten  in  einem  Bogenzug  ao  schnell  nach  einander  zo  nehmen, 
dass  sie  fast  wie  gleichzeitige  (als  schnellstes  Arpeggio)  wirken;  es 
können  sogar  mit  Hülfe  der  gleichzeitigen  Angabe  zweier  Töne  (Dop- 
pelgriffe nennt  man  sie)  zweistimmige  Sätze,  —  ja  mit  Hülfe  der  in 
einem  Bogenzug  schnell  nach  einander  zu  vereinenden  drei  und  vier 
Töne  gewissermassen  drei-  und  vierstimmige  Sätze  auf  einem  einzigen 
Instrumente  hervorgebracht  werden.  Mag  auch  diese  Zwei-  oder  Mehr- 
stimmigkeit, mögen  selbst  die  einzelnen  DoppelgrilFe  nur  auf  wenig 
Fälle  (im  Vergleich  zu  allen  in  der  Musik  vorhandnen,  — im  Orchester, 
auf  dem  Klavier  und  der  Orgel  erreichbaren  Möglichkeiten)  beschränkt 
sein :  immer  bleibt  sie  ein  Vermögen ,  das  das  Streichinstrument  vor 
den  Bläsern*)  voraus  hat. 

Die  Schallkraft  der  Streichinstrumente  ist  der  der  Blasinstrumente 
im  Allgemeinen  nicht  gleichkommend ;  daher  werden  dieselben  im  Or- 


*)  Dass  eio  Vi  vier  (uod  in  älterer  Zeit  aneh  aodre  Virtaosen)  dem  Horo 
drei  gleiebzeitige  Tooe  nod  eine  Art  tod  DreislimmiglLeit  abgewiaat,  aach  FlStea 
darch  heftiges  Anblasen  zor  fast  gleichzeitigen  Angabe  von  Olitaven  gezwungen 
werden  können  ,  das  sind  so  vereiacelle  und  inf  so  engen  Ranm  beseh rankte  Ge- 
schick Uebkeiten,  daas  der  Komponist  wanigsteos  im  OrohMter  nieht  aaf  sie  raeh- 
oen  darf. 


247 

ehester  stets  meArfacb  besetzt*).  Allein  die  Sohallstärke  ist  nicht  blos 
eine  geringere,  sie  ist  .von  andrer  Form  :  sie  k^nn  nur  durch  schärfern 
Druck  und  besonders  grössern  Verbrauch  des  Rogens ,  dessen  Reibung 
die  Saite  zum  Erschallen  bringt,  -«-  durch  schnellem,  reissenden  Ro- 
genstrich erlangt  werden.  Die  höchste  Stärke  kann  also  nur  eineq 
Augenblick  dauern  $  nachher  kann. der  Ton  wohl  noch  verlängert  wer- 
den ,  aber  nicht  in  gleicher  oder  entsprechender  Stärke.  Anders  ver- 
hält es  sich  mit  der  Schallkraft  des  Riasinstruments;  sie  kann  gleich- 
massig  oder  in  allmählichem  An- und  Abschwellen  festgehalten  werden, 
so  weit  die  Athemkraft  des  Rläsers  reicht. 

Kuns  ausgesprochen :  die  Kraft  des  Riasinstruments  istAnshaU 
len,  die  Kraft  des  Streichinstruments  ist  Seh  lag  oder  Riss;  ein 
Sehlag  übrigens,  der  durch  das  Zusammenfassen  von  zwei  bis  vier 
Saiten  vervieirältigle  Stärke  erhält 

Wenn  die  Sehallkraft  des  Streichinstruments  verbältnissmassig  be- 
schränkt ist,  so  kann  es  dagegen  bis  zum  leisesten  Gelispel  gemässigt 
werden ,  sich  bis  in  das  fast  Unbörbare  oder  Ununtersebeidbare  verlie- 
ren und  in  dieser  Weise  das  Zarteste,  schmetterlinghaft  Flatternde  und 
Schwebende,  Durchsichtigste,  Schwankendste,  nebelhaft  Hin- und  Weg- 
gebauchte, das  sich  der  Phantasie  des  Tondichters  darbieten  mag,  durch 
das  lauschend  gespannte,  zweifelnde  Ohr  in  die  Seele  und  Vorstellung 
des  Hörers  bringen. 

Jene  schnell  und  kurz  treffende  Schlagkraft,  in  rechter  Weise 
und  hinlänglicher  Resetzung  alle  andern  Organe  durchbrechend,  — 
und  diese  ätherische  Feinheit:  beides  sind  Extreme,  die  in  solcher 
Weise  und  Ausbildung  nur  den  Streichinstrumenten  eigen  sind.  Nimmt 
man  die  äusserste  Leichtigkeit  der  Tonwiederholung,  der 
Tonfolge,  des  Staccato  und  die  vollkommenste  R  in  düng  dazu: 
so  stellt  sich  schon  hier  die  höchste  Ueberlegenheit  des  Streichinstru- 
ments hinsichts  der  Vielseitigkeit  seines  Vermögens  an  das 
Licht.  Nimmt  man  ferner  hinzu,  dass  die  Streichinstrumente  an 
Bauart,  Behandlung,  Schallkraft  und  Klangweise ,  —  kurz  nach  ihrem 
ganzen  Wesen  einander  weit  verwandter  und  näherstehend  sind,  als 
die  Bläser,  dass  sie  sich  desswegen  enger  an  einander  schliessen  und 
einander  ergänzen ,  dass  sie  endlich  in  ihrer  Gesammtheit  das  ganze 
Tongebiet  von  Rontra-J?  bis  zum  viergestrichnen  c  oder  a  umfassen : 
so  muss  man  schon  hier  den  Chor  der  Streichinstrumente  als 


*)  WeDD  das  Orchester  zwei  Flöten,  Oboen ,  Klarinetten,  Fagotte  and  Hb'rner 
enthilt,  müsste  jede  der  beiden  Violinslimmen  etwa  sechsfach,  Bratsche  und  Vio- 
loacell  vierfach,  der  Konirabass  doppelt  beaetxt  werden. «Die  nähere  Erörterung 
dieser  Verhältnisse  schert  nicht  hierher;  es  sollte  nur  ein  Anhalt  gegeben  wer- 
dnn ,  nach  dem  der  Jünger  sich  die  Stärke  des  Strnichqnartett«  im  Orchester  vor- 
stellen kann. 


248 

Haaptchor  und  Kern  des  ganzen  Orchesters 

erkennen,  wie  er  es  denn  in  der  That  bei  allen  Meistern  stets  gewe- 
sen ist. 

Auch  die  Klang  weisender  Streichinstrumente  trägt  zu  deren 
Vielseitigkeit  bei;  sie  selber  ist  eine  sehr  vielseitige.  Wir  haben  hier 
vor  allem  die  Weisen  zu  unterscheiden,  wie  das  Instrument  zum  TcSnen 
gebracht  wird. 

Erste  BehaadlüDgsweise. 

Die  erste  Behandlungsweise  ist  die  einfache ,  mit  dem  Bogenstrich 
auf  blosser  (ungegriCPner)  oder  auf  festgegriffner  Saite.  Der  Klang*) 
ist  materieller  und ,  weil  man  stets  das  Rieseln  oder  Reiben  des  Rogens 
hört  j  —  minder  glatt  als  auf  irgend  einem  RIasiostrument ;  er  ist  im 
Vergleich  zu  dem  Bläserklang  enger,  schärfer  einschneidend  und  kann 
nicht  das  Lufiartige,  Quellende  der  tönenden  Lan;säule  ii^en.  Daher 
ähnelt  ihm  am  meisten  der  Klang  der  materiellem,  durch  ein  Doppel- 
blatt intonirten  Instrumente,  —  der  Oboe  und  des  Fagotts;  während 
die  luflfreiern,  Klarinette,  Flöte ,  Waldhorn  u.  s«  w. ,  weit  vpnihm 


Allein  dieser  Klang  erleidet  durch  mancherlei  Nebenumstände  Ver- 
änderungen ,  die  dem  Komponisten  ebensowohl  bekannt  sein  müssen 
wie  dem  Spieler. 

Erstens  ist  der  Klang  der  leeren  oder  blossen  Saiten  ein  hellerer 
und  stärkerer,  als  der  der  gegriffnen,  weil  durch  den  Aufdruck  des 
Fingers  die  Saite  (oder  vielmehr  der  zum  Tönen  kommende  Saiten- 
theil)  nicht  so  scharf  abgeschnitten  werden  kann,  wie  durch  den  Steg 
und  den  Rand  des  Kopfes,  sondern  immer  durch  einen  überragenden 
Theil  der  Fingerkuppe  gedämpft  wird,  also  dumpfer  erklingt. 

Zweitens  ist  der  Klang  der  tiefern  Saiten  (die  besponnen  sind) 
ein  rauherer,  als  der  der  höhern,  zugleich  aber  —  schon  vermöge 
der  tiefern  Stimmung  —  ein  vollerer,  während  die  höhern  Saiten  heller 
und  glatter,  aber  weniger  voll,  sondern  geschärfter  oder  gespitzter  er- 
klingen. 

Drittens  geben  die  Saiten,  wenn  man  sie  am  Steg  {sulponti- 
cello)  anstreicht,  einen  etwas  rauh  klirrenden,  metallnen,  —  wenn 
man  sie  über  dem  Griffbrett  (stir  la  touche)  anstreicht,  dumpfen, 
etwas  vermischten,  surrenden  Klang. 

Viertens  kommt  die  Art  des  Bogengebrauchs  in  Betracht.  Wenn 
der  Bogen  niederstreicht,  wird  der  Klang  breiter  und  etwas  ranher,  — 


*)  Es  mass  hier  i^Aeder  in  Erinoerunp  gebracht  werdeo ,  dass  keine  Sprache 
uod  kein  Gieichniss  das  Wesen  des  Klangs  erseböpfend  oder  eur  aoEWojdeatis  be- 
zeiebaen,  dass  also  die  Lehre  nur  andeuten,  nur  erinnern  kann,  in  der  Voraoe- 
Setzung  voraogegangner  und  fortwäbrender  Beobachtung  des  Lernenden. 


249    

wenn  er  binanfstreicbt,  wird  er  etwas  sebärfer  und  nimmt  —  wenn 
aach  nur  in  leider  Färbong  —  etwas  metallischen  oder  gläsernen  Bei- 
klang an.  Man  bezeichnet  den  N  i  e  d  e  r  s  t  r i  c  h  mit 

*">  oder  A , 
den  A  u  f s  t  r  i  c  b  dagegen  mit 

r_j  oder  V; 
auch  die  Ueberscbrift 

fuartellaio  (gehämmert) 
für  hart  zn  spielende  Stellen  bedeutet  y  dass  jede  Note  mit  Niederstrich, 
und  zwar  mit  vollem  Bogen  genommen  werden  soll. 

Wird  femer  mit^der  Spitze  des  Bogens  {punto  delt  arco)  ge- 
spielt,  so  erhält  man  perlend  leichte  Töne  von  rundem,  nicht  aber 
energischem  Wesen ;  wird  mit  dem  untern  Ende  des  Bogens  aufge» 
setzt,  so  erklingt  das  Instrument  härter;  wird  der  ganze  Bogen  über 
die  Saite  gefiibrt  (breiter  Bogenstrich),  so  gewinnt  es  die  ganze 
Klangfülle  und  Klangrund ung,  deren  es  überhaupt  Fähig  ist« 

Zweite  Bebandlongsweise. 

Die  zweite Behandlungs weise  ist  die  des  Flageolett spie^ls.  Die 
Flageoletttöne  haben  einen  hellen ,  fast  flötenartigen  Klang  von  durch* 
dringender  Feinheit, 

In  der  ersten  wie  zweiten  Behandluogsweise  kann  noch  eine  ei- 
genthüroliche  Klangweise  durch  das  Aufsetzen  von  Dämpfern  (con 
Sordino)*)  erlangt  werden,  kammartig  eingeschniltnen  und  der  Länge 
nach  abermals  offnen  Holzplättchen ,  die  auf  den  Steg  des  Instromenis 
gesetzt  werden.  Die  Dämpfung  mindert  die  Einwirkung  der  Saiten- 
schwingung auf  den  Resonanzkörper  des  Instruments,  macht  also  den 
Klang  dumpfer,  gleichsam  verschleiert  und  dunkel,  und  theilt  ihm  (weil 
der  Dämpfer  ebenfalls  in  Schwingung  und  Erzitterung  geräth)  ein  ge- 
wisses Beben  mit,  das  dem  nächtigen ,  elegischen  Karakter  des  Sordi- 
nenspiels entsprechend  und  forderlich  ist.  Auch  die  Schallkrafl  wird 
gemindert. 

Dritte  BehABdlimgsweise. 

Die  dritte  Behandlungsweise  der  Streichinstrumente  ist  das  pizzi- 
cato ^  die  harfen-  oder  guitarrenähnliche  Rührung  oder  Anschnellung 
der  Saiten  mit  dem  Finger  statt  mit  dem  Bogen**).  Hier  hört  das  Instru- 
ment auf  Streichinstrument  zu  sein ,  es  wird  harfenartig.  Die  Töne 
sprechen  kurz  und  mit  sehr  geringem  Nachhall  an,  sind  aber  besonders 
bei  den  kleinern  Arten  der  Streichinstrumente  weniger  voll-  und  aus- 
hallend, kürzer,  härter,  gleichsam  klopfender.  Es  ist  dies  die  Folge 


*)  Die  Wegoahme  der  Dämpfer  wird  mit  Menza  sordino  angezeigt. 
**)  Soll  nach  dem  pizzicato  wieder  Bogeospiel  eiotreteo,  so  wird  dies  mit  eoW 
arco  oder  kurzweg  areo  aDgezeigt. 


zso   

voD  der  Kürze  der  Suiten  und  ihrem  diebleo  Anliegeo  am  Körper  des 
Instruments,  im  Gegensstz  zu  den  freiscbwingeoden  Harren-  und  län« 
gern  Guitarresaiten,  Aach  ist  das  pizzicato  der  Streichinstramente 
nicht  so  zarter  Mässigung  fähig,  als  das  Spiel  auf  Harfe  oder  Gui- 
tarre. 

Passen  wir  aber  diese  vielfachen  Klangweisen  der  Streichinstru- 
mente zusammen ,  so  zeigt  sich  auch  hier  —  ungeachtet  des  Minder- 
günstigen in  Einzelheiten  —  eine  Vielseitigkeit,  mit  der  die  Fähigkeit 
keines  andern  lustrumentchors  wetteifern  kann.  Auch  abgesehn  da- 
von, dass  das  Streichinstrument  im  piss»icato  sich  gleichsam  in  ein 
andres,  lauten-  oder  barfenartiges  Instrument  verwandelt  und  doch  auch 
wieder  eine  von  den  Harfenarten  verschiedne  —  härtere  und  holzarti- 
gere Klangweise  darbietet,  finden  wir  flötenartige,  beilere  und  dum- 
pfere, weiche  und  rauhere,  verschleierte  und  metallen  klirrende  Klänge 
in  mannigfachster  Darstellung,  die  eine  ganze  Reihe  karakteristischer 
Färbungen  bieten. 

Es  kommt  noch  Eins  hinzu :  dass  nämlich  der  Klang  der  Streich- 
instrumente in  seinem  Grundwesen ,  ungeachtet  aller  Färbungen  und 
Schattipungen,  die  man  ihm  geben  kann,  nicht  so  gesättigt,  so  bestimmt 
karakterisirt  ist,  als  der  der  Bläser.  Jedes  Blasinstrument,  z.  B.  die 
Trompete  oder  Klarinette ,  ist  ungleich  beschränkter ,  ist  im  Vergleich 
zu  Streichinstrumenten  einseitig  zu  nennen.  Aber  diese  eine  Seite  ist 
bei  ihm  vollausgesprochen ,  diesen  beschränktem  Beruf  erfüllt  es  ent- 
schieden. Es  folgt  eben  hieraus  abermals,  dass  das  unbestimmtere 
Streichinstrument  sich  zu  ungleich  vielseitigerm  und  vieirältigenn  Ge- 
brauch hergiebt,  also  eine  ungleich  ausgedehntere  Verwendbarkeit  be- 
titzl. 

Dies  ist  einer  von  den  Hauptgründen,  die  Streichinstrnmente 
erst  nach  dem  Studium  der  Blasinstrumente  im  Lehrgang  einzufüh- 
ren. Das  Einfachere  und  Bestimmtere  ist  leichter  zu  fassen  und  siche- 
rer zu  verwenden ;  das  Mannigfachere  ist  schwerer  zu  bewältigen  und 
zieht  mannigfaltigere  und  zusammengesetztere  Aufgaben  nach  sich. 

Bis  hierher  haben  wir  die  Streichinstrumente  im  Ganzen  und  All- 
gemeinen betrachtet.  Wir  gehen  nun  zu  der  Kenntiiiss  der  einzelnen 
Arten  über  und  haben 

die  Violine, 

die  Bratsche, 

das  Violoncell,  und 

den  Koutrabass 

besonders  zu  betrachten  *). 


*)  Berlioz  berirbtet  oeuerdinss  in  Buinem Che/ä^orckeMtre  von  einem  neneo 
io  Frankreich  cafi^estelUen  kolossalen  Streichinstrunenl, 

Oktobast  {Oeiobaue) 


251     

Zweiter  Abschnitt. 
Technik  der  Violine. 

Die  Geige  oder  Violine  {F'iolino^  Fiolon)  ist  bekannllich  das 
kleinste  der  Streichinstrumente  und  hat  für  ihre  vier  Saiten  (deren 
tiefste  besponnen  ist,  deren  höchste  die  Quinte,  chanterelle,  heisst)  in 
der  Regel*)  diese  Stimmung,  — 


255 


*^^ 


4: 


mithin  das  kleine  g  als  tiefsten  Ton.  Ihr  Schlüssel  ist  der  G-  oder 
Violinschlüssel.  Um  den  Reichthnm  und  die  Behandlungsweise  dieses 
Instruments  klarer  überschauen  zu  können,  betrachten  wir  abge- 
sondert 

L  die  natflrliche  Behandlungsweise, 

nämlich  die  mit  dem  Bogenstrich  und  fesigegriffnen  Tönen,  von  der  be* 
reits  S.  248  geredet  worden  ist. 

Durch  Aufsatz  —  und  zwar  festen  Aufsatz  der  Finger**)  gewinnt 


genanot ,  dessen  drei  Saiten  in  Rontra-C,  Kontra-(?  und  Gross-^  gestimmt  und 
(wagen  des  aazarctehenden  Vermögens  der  Finger)  mittels  Tasten  gegriffen  werden. 
Der  Umfang  gebe  von  KoaUra-C  bia  Gros»-(r.  Scbaeller  Bewegung  sei  das  Instru- 
ment nicht  fähig,  wohl  aber  sei  sein  Klang  voll  und  stark,  ohne  rauh  zu  werden. 
Berlioz  denkt  sich  die  Verwendung  bei  Orchestern  von  mehr  als  150  Instrumenten 
vortbeilhaft;  da  müsse  man  ihrer  drei  Oktobässe  vereinen  und  ihnen  eine  besondre, 
Tom  Kontrabass  haafig  abweichende  Siimme  geben.  —  Dies  böte  denn  eine  lang- 
sam-bewegliche Unterstimme,  die  wenig  geeignet  wäre,  dem  so  vielseitigen  Inhalt 
unserer  Orchestersätze  sich  karaktervoll  anzuscbliesseo,  und  die  die  tiefen  und 
dumpfklingenden  KontrabXsse  als  Millfilstimme  zu  tragen  halle. 

*)  Berlioz  Sn  seiaem  gehalireieben  Cours  i/V/iffri<meA/a/ton  (Schlesinger 
io  Berlin)  erwähnt  abweieheadÄr  Stimmungen  von 


Paganini: 

in 

at, 

M, 

by 

/: 

de  Beriet: 

in 

«, 

d, 

a, 

•, 

Bailiot: 

in 

ß*> 

s; 

a, 

«. 

Winter: 

in 

/, 

d, 

«1 

•, 

über  die  die  erste  Anm.  S.  244  naebzolesen  ist. 

« 

**)  Der  Daumen  der  greifenden  (linken)  Hand  bält  nebst  dem  Ballen  des 
Zeigefingers  das  Instrument,  kann  also  nicht  milgreifen  ;'der  zweite  Finger  wird  als 
erster  gerecbaet  und  mit  1,  der  Mitteliager  mit  2,  der  vierte  mit  3  ,  der  kleine  mit 
4i  die  leere  Saite  wird  mit  0  bezeichnet.  Die  Ziffern  iiber  den  Noten  in  Nr.  256 
zeigen  die  Tonreihe  mit  Benutzong  der  leeren  Saiten ;  die  Ziffern  darunter  zei- 
gen dieselbe  Tonreihe  mit  Vermeidung  der  leeren  Saiten ;  nämlich  d  wird  auf  der 
(?-Saite,  a  auf  der  27-Saite,  e  auf  der  ^-Saite  gegriffen. 


252    

die  Geige  ausser  den  Tönen  der  blossen  Saiten  zunächst  folgende  Reihe 
von  Tonstafen,  — 


i 


3      0      12      3 


:=t==t= 


2S6 


ffW 


4      1 


3      4 


12      3 


die  sich,  wie  man  sieht,  bis  zum  zweigestrichnen  A,  also  über  zwei 
Oktaven  und  eine  Terz  erstreckt.  Dehnt  man  die  Hand  aus,  so  kann 
mit  dem  ersten  Finger  der  nächste  tiefere  H^lbton,  dessgleichen  mit 
dem  kleinen  Finger  auf  jeder  Saite,  —  also   namentlich   auf 

der  höchsten  —  noch  der  nächste 

Halbton  erreicht  (abgelangt  oder  a b- 

gereicht,  in  der  Sprache  der  Geiger) 

.  werden,   so  dass.  also  die  oben  ange- 

^   gebne  Tonreihe  um  einen  Halbton,  bis 

'*^  I   zum  dreigestrichnen  c,  sich  erweitert. 

3  Will  nun  der  Geiger  seine  Ton- 

<§   reihe  ausdehnen ,   so  muss  er  höher 

^   greifen,  das  heisst:  seine  Hand  in  eine 

.    höhere  Lage  (näher  nach  dem  Körper 

des  Instruments)  bringen. 

Solcher  Lagen  hat  man  acht  an- 
genommen. Die  erste,  oben  in  Noten 
,2       angegebne,  stellen  wir  so  — 


g: 

-l- 

5^ 

•    7 

c!r 

!--« 

o 

SQ 

• 

o 

o. 

o. 

z 

1 

t 

/ 

a 

1 

• 

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tr. 

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1 

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C 

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^       \a 

^ 

7 

»- 

^ 

l 

« 

, 

< 

1 

^ 

1 

1 

•  7 

£ 
e 

3 

4 
e 

.  e 

J 

J 

a 

-  -    • . .  •» 


g  .  ,  •  ,  a  h  c  ä 
dar.  Man  rücke  das  Lagenbild  so,  dass 
die  Namen  der  leeren  Saiten  dem  Le- 
senden gegenüber,  die  Namen  der  höch- 
sten Töne  ihm  zunächst  stehen  (wie 
nebenstehendes  Schema  zeigt),  so  ver- 
tritt es  den  Versuch  auf  einer  wirkli- 
chen Geige. 

In  der  zweiten  L^e  stellt  sich 
der  Finger  eine  Stufe  höher,  —  also 
auf  der  £-Saite  auf  A,  auf  der  /)-,  ^-, 
£-Saite  anf  y*,  c  und  ^,  —  und  somit 
reicht  diese  Lage  ohne  Ablangen  bis 
zum  dreigestrichnen  c. 


Die  dritte  Lage  ist  diese: 
0 


se: 

9W%M 

1 

» 

3 

4 

~a 

1 

c 

1 

7 

e 

7 

g 

g 

a 

h 

c 

c 

d 

e 

/. 

6  .    .    .    . 
a  .    .    . 
1.    .    . 

g  .  .  : 

die  vierte  Lage  geht  vom  eiogestriohoen  cf  bis  2um  dreigeslrjlch- 
nen  «,  die  fünfte  Lage  ist  diese: 

0  A       1       L       L 

y c        d        ^       f 

«^     •    •    •    •  Z      £*      ^      2 
d h        c        H        e 

g ^      7       g       ^5 

so  rücken  auch  die  sechste,  siebente  und  achte  Lage  eine  Stufe 
höher.  Die  achte  Lage  reicht  also  bis  zum  dreigestrichnen  h  und  kann 
(S.  252)  das  viergestrichoe  c  ablängen.  Da  man  nun  diese  Lagen  (und 
zwar  am  leichtesten  die  erste,  dritte  und  fünfte)*)  im  Laufe  des 
Spiels  unter  einander  verknüpfen  kann,  so  ergiebt  sich  für  die  Geige  zu- 
nächst ein  Tonumfang  von  — 

?  I 

Us        i,    und  mit  Hülfe  d^  Ablängen«  bis     :: 


257 


T 


und  zwar  Mos  von  den  natürlichen  Tönen  (S.  244) ,  also  ungerechnet 
die  Flageoletttöne. 

Diese  Tonreihe  vom  kleinen  g  bis  zum  viergestrichnen  c,  —  also 
von  drei  Oktaven  und  einer  Quarte,  —  ist  chromatisch  durchaus 
vollstSudig;  denn  dieselben  Pinger,  die  wir  im  Obigen  für  die  reinem 
Stufentöne  angegeben  haben,  nehmen  durch  Hinaufrücken  deren  Er- 
höhung und  durch  Hinabrücken  deren  Erniedrigung  um  eine  halbe 
Stufe.  Die  Tonreihe  müsste  also  vollständig  so  — > 

_  0      l'^^      2^      S'^S      0      1''^      2^^      8^^3      0 
258 


i^T^-;r^=fr-^=s^^^ 


*)  Die  zweite  L$gt  ist  öfter  xu  entbehren ,  weil  ihr  bScbster  Tod  (dreifpeslri- 
eben  e)  in  der  ersten  Lape  abgelängt  werden  kann;  die  vit^te  ebenfalls,  weil  man 
ibren  btfehsten  Ton  (das  dreigestriehne  e)  leieht  im  Flageolett  (Nr.  319)  erlangen 
JLaon. 


254    

oder  (gleichmässiger  im  Klange)  mit  Umgehung  der  leeren  Sailen  so  — 

0       l'^^l       üT^l       dT^^       4  1-^^       2^^ 

i 


259 


tF^^^^i^^^=^ 


^f==i=^ 


3^^^3^S^1jS 


(auf  der  D- Saite) 


aurgestellt  werden. 

Kräftig  erschallt  übrigens  die  Geige  nur  bis  zum  dreigestrichnen  d 
oder  e;  für  höhere  Tone  sind  die  Saiten  so  kurz  gegriffen,  dass  sie  an 
Schailfulle  verlieren  müssen.  Daher  wird  auch  das  Orchester  nicht  gern 
.  höher,  als  bis  zum  dreigestrichnen^  oder  a  geführt*). 

Da  ferner  in  den  höhern  Lagen  das  Spiel  und  besonders  das  Rein- 
greifen schwerer  wird  (die  Finger  müssen  je  höher,  um  so  enger  ge- 
setzt werden),  so  lässt  man  das  Orchester  nicht  gern  höher,  als  auf  dem 
dreigestrichnen  d  oievßs  (/ist  schwerer)  oder  dem  im  Flageolett  ge- 
nommnen  e  einsetzen. 

Aof  dem  weiten  Tong^hiet  der  Geige  sind  nun 

A.  im  einstimmigen  Salze, 
wie  sich  von. selbst  versteht,  am  leichtesten  erlaogbar 

1. 

die  in  Nr.  255  notirten  leeren  Saiten.'  Nur  wenn  man  zu  schnell  (und 
zu  häufig)  von  einer  SailQ  auf  die  dritte  oder  vierte  —  mitUebergehung 
einer  oder  zweier  dazwischen  liegenden  springen  wollte,  würde  die 
Bogenfuhrung  schwierig,  wo  nicht  unmöglich  werden;  eine  Bewegung, 
etwa  wie  Viertel  im  Allegro  oder  Allegro  assai^  wäre  noch  aus- 
führbar. 

ZudSchst  leicht  sind 

im  Altgemeinen  die  in  .einer  einsigen  Lage  vorfindUcben  Töne» 
Bringen  wir  nan  noch  einmal  die  der  ersten  Lage  in  Noten  vor 
Augen  —  ' 

<G-3aile.  D*Stfil6.  A-Salle.  E^Saite.  ^ 

01234        012    34        0    1234        Ol??! 


360 


^01234        012    34        0    1234        0  1  2^..,,:#- 


w^ 


*)  Auch  hier  kaoo  kein  absolates  Geaetz  pe^ebea  werden;  die  Idee  eioes 
Satzes  schreibt  bisweilen  gebieterisch  die  üeberschreitaag  der  im  AllgemeioeD 
rätbtieliea  Sehraakeo  vor.  Sd  h«t  Beethoven  in  der  Bgmont^Oavertöre  die  Gei- 
gen wiederholt  (S.44,  45  der  Brei ti^opf-Hi&rterachen  Partitur)  bis  znm  viergettricb- 
nen  e  hiaavffShren  nüBsea.  Dia  SuUe  wiederholt  sieh  xnai  Sehlofs  in  der  Sieges* 
Symphonie  S.  160  nnd  161. 


255 


(das  oberste  c  ist  abzolangen),  so  erkenift  Jetter  sogleieb^  dass  Stellen 
wie  diese  —  . 


^^^^iJUil^i^^^^^ 


leicht  aasfnbrbar  sein  müssen ;  für  jeden  kommenden  Ton  ist  der  er- 
foderliche  Finger  frei  und  der  Bogen  wird  stets  nur  cur  nächstliegenden 
Saite  geführt^  nuss  nie  eine  zwischenliegende  überspringen. 

Um  von  dieser  Bemerkung  Vorlheii  zn  ziehn ,  muss  man  aber  bei 
jedem  Satze  vor  allem  genau  ermessen,  in  welcher  Lage  er  iiberbaopt 
ansfiihrbar  ist  und  in  welcher  von  mehrern  für  ihn  möglichen  Lagen  er 
am  sichersten  nnd  günstigsten  stehen  kann.  Hierüber  Folgendes. 

Es  ist  scboii  oben  bemerkt  worden,  dass  das  Ablangen  eines  aus- 
serhalb der  Lage  befindlichen  höhern  Halbtons  auf  jeder  Saite  statt- 
finden, z.  B.  in  der  ersten  Lage  auf  der  G-Saile  eingestrichen  es^ 
auf  der  I7-Saite  &,  auf  der  ^-Saite/ erlangt  werden  kann.  Diese  Töne 
sind  zwar  auf  der  nächst  böhern  Saite  ebenfalls  zu  haben ;  allein  das 
Ablangen  ist  namentlich  wegen  der  Bindung  solcher  Töne  bisweilen 
Yorzuziehn,  die  nach  der  regelmässigen  Applikatur  auf  zwei  nicht 
neben  einander  liegenden  Saiten  zu  nehmen  sein  würden.  Folgende 
Stelle  z.  B.,  — 


in  deren  letztem  ^aktey*and  g  gebunden  werden  sollen,  ist  nicht  mit 
regelmässiger  Applikator  (/auf  der  £-Saite,  g  auf  der  Z^-Saite) ,  son- 
dern vielmehr  durch  Ablangen  des /auf  der  ^-Saite  vorschriftmässig 
vorzatragen ,  weil  dann  die  zu  bindenden  Töne  aof  neben  einander  lie- 
genden Saiten  liegen.  Dasselbe  würde  von  dieser  Stelle  — 


256 


gelteD,  wenn  sie  in  enter  Lage  und  gebonden  Torgetragen  werden 

sollte. 

Allein  das  Ablangen  eines  Tons  ist  nicht  so  sicher  wie  die  regel- 
mässige Applikalur  und  wird  nicht  gern  oft  hinter  einander  angewendet, 
—  ausser  etwa  bei  der  Wiederholung  derselben  Tonstufen,  wie  in 
Nr.  263  bei  a.  und  noch  mehr  bei  b. ;  der  Geiger  langt  nur  ab,  wenn 
er  binden  muss  (wie  oben),  oder  um  nicht  (wie  in  Nr.  261)  wegen 'eines 
einzigen  Tons  in  eine  neue  Lage  überzugehn.  Wird  daher  ein  mög- 
licherweise abzulangender  Ton,  z.  B.  das  hohe  c  in  dieser  Stelle,  — 

443244324432 


mehrmals  nach  einander  verlangt :  so  könnte  der  Spieler  ihn  allerdings 
mehrmals  ablängen,  mithin  die  üb  er.  den  Noten  angegebaen  Finger 
anwenden;  er  wird  indess  mit  Recht  nur  das  erste  c  ablangen,  dann 
aber  zu  h  den  dritten  Finger  (mit  einem  Wort ,  die  unter  den  Noten 
verzeichnete  Fingerselzung)  nehmen,  das  heisst:  in  die  zweite 
Lage  — 

E-Saite.  . 


265 


G-Saite. 
112    3 


D-Saite. 
12    3    4 


A-Saite. 
12    3    4 


^^^^^^m 


(klein  ais  und  dreigestrichen  des  ist  abzulangen)  übergebn*).    Hier 
würde  diejetzte  Hälfte  des  vorigen  Satzes,  sowie  z.  B.  auch  dieser  — 


ganz  bequem  liegen.  Wir  erkennen  jetzt,  dass  auch  der  in  Nr.  263 
bei  a.  mitgetheilte  Fall  in  der  zweiten  Lage  ohne  den  Nothbehelf  des 
Ablangens  gebunden  auszuführen  ist,  wiewohl  er  unter  Umstanden, 
z.  B.  in  diesem  Zusammenbange,  — 

4      « 


0  12  3  4  12 


der  ersten  Lage  angehörig  bleibt. 

Allein  die  zweite  Lage  wird  (wie  schon  S.  253  bemerkt  worden) 
nicht  so  gern  genommen,  als  die  dritte  — 

•*)  Die  blotsea  Saiteq  sind  übersaDgen^  weil  nan  sie  in  den  faSberD  Lifen  Dor 
za  SprÜBgeo  bomitzt.  ... 


257 


268 


G-Saite. 

112    8 


•^-9- 


(klein  h  und  dreigestricben  es  ist  abzulängen,  e  als  Plageoletlton  zu 
haben)  und  hier  würde  der  Satz  a.  aus  Nr.  263  mit  diesen  Fingern  — 


bequem  auszuführen  sein. 

Bis  hierher  haben  wir  die  Nothwendtgkeit,  zu  andern  Lagen  zu 
greifen,  blos  in  gewissen,  in  tiefem  Lagen  nicht  ausführbaren  Bindun- 
gen gezeigt;  dass  höhere  Tonreihen  höhere  Lagen  fodern,  versteht 
sich  von  selbst.  Indess  kann  auch  schon  die  leichtere  Ausführbarkeit 
(allein  oder  im  Zusammenhang  mit  dem  ersten  Beweggrunde)  die 
Wahl  höherer  Lagen  bedingen.  So  würde  dieser  Satz  — 


2  3  13 


r.4  2  3 


seinem  Tongehalt  näcb  allerdings  der  ersten  Lage  angehören,  in  der- 
selben aber  drei  Saiten  (£,  ^,  D)  fodern,  mithin  für  Bogenführung 
und  Bindung,  besonders  bei  schneller  Bogenführung,  nicht  ohne  Schwie- 
rigkeit sein.  In  der  zweiten  oder  dritten  Lage,  —  in  letzterer  mit 
dieser  Fingersetzung,  — 


finden  sich  alle  seine  Töne  auf  zwei  Saiten  (^  und  D)^  sind  also  leicht 
zu  erreichen  und  zu  binden. 

Kehren  wir  nun  auf  Nr.  266  zurück  und  erweitern  das  ersle  Mo- 
tiv etwa  in  dieser  Weise,  — 


272 

so  würden  die  ersten  sechs  Noten  (wie  bei  a.  angedeutet  ist)  wohl  in 
der  zweiten  Lage  zu  haben  sein ,  aber  die  sechs  letzten  weder  in  die- 
ser, noch  —  ohne  wiederholtes  Ablangen  oder  Flageolett  —  in  der 
dritten.  Hier  wäre  mithin  die  vierte  Lage  vorzuziehn,  die  wir  in 
Noten  so  — 

Marx,  Komp.  L.  IV.  9.  Aufl.  .17 


258 


E-Süile. 


i 


G-Saiie. 
1        12 


3    4 


D-Sailc. 
12     3 


s:3e^^ 


A-8aito.  0    3    ♦  i....-J- 

4      1    2    34-  4  *"=t  ?"'*5 i. 


273 


'#== 


::t 


3E 


jnzt 


darstellen.  In  dieser  Lage  ist  zunächst  nach  unten  auf  der  (?-Saite  ds 
abzulangen;  auf  den  andern  Saiten  würden  nach  unten  noch  gis^  dis 
und  ais  abzulangen  sein  —  und  so  bekanntlich  auf  allen  bisherigen  und 
fernem  Lagen.  Nach  oben  würden  auf  der  G-^  D-  und  ^-Saite  grf, 
dis  und  aü^  auf  der  £-Saite  nicht  blos  der  nächste  Halbton /*,  sondern 
aucb^  und  g  abzulangen  sein  ^  ebenso  könnte  in  der  dritten  Lage  e 
abgelangt  werden.  Der  Grund  ist,  dass  in  den  höhern  Tonlagen  die 
Griffe  näher  an  einander  liegen,  mithin  allmählich  enger  werden  und  die 
Fiuger  weiter  reichen,  so  dass  sich  e.  B.  folgende  Stelle  (a,)  — 


in  der  vierten  Lage  durch  Ablangen  von /,  ßs  und  g  ausführbar  zeigt. 
Der  Satz  aus  Nr.  272  ist  bei  b.  in  vierter  Lage  gegeben. 
Setzen  wir  nun  Nr.  264  eine  Quarte  höher,  — 


so  ist  klar,  dass  die  Ausführung  jetzt  in  der  vierten  Lage  ebenso  — 
durch  Ablangen  Aesf —  möglich  wäre,  wie  die  von  Nr.  264  in  der 
ersten,  dass  man  aber  ebenso  gewiss  sicherer  gehen  wird,  statt  des 
wiederholten  Ablangens  gleich  in  eine  höhere  Lage,  also  in  die  fünfte 
Lage  (wie  bei  Nr.  264  in  [die  zweite)  zu  rücken,  in  der  Nr. 275  eben- 
so zu  beliandeln  sein  würde ,  als  Nr.  264  in  der  zweiten.  Die  fünfte 
Lage  stellen  wir  jetzt  so  — 


276 


G-Saite. 
12    3    4 


D-Sailc. 
12     3 


A-S»ilc. 

...     3     4 


p^^^^ 


E-Sai«« 
3 


i 4-. 


kiMMM:^% 


.4 

3: 


:i 


1 


(fo^  gi  g*'*9  «  abzalangen)  dar. 

Die  Wahl  der  sechsten ,  siebenten  und  achten  Lage  bedarf  nun 
keines  weilern  Nachweises.  Dass  von  allen  diesen  Lagen,  die  erste, 
dritte  uod  fünfte  am  meisteft  gebraucht  .werde« ,  ist  sehen  S.  253 
gesagt. 

Alle  diatonischen  Tonfolgen  nun,  die  in  einer  Lage  enthalten  sind, 
können  leicht  und  schnell ,  ja  auf  kurze  Strecken  — 


259 


Allegro  molui« 


277 


mit  reissender  Schnelligkeit  ausgeftfhrt  werden. 

Chromatische  Tonfolgen  sind  weder  so  r<isch,  noch  so  ausge- 
dehnt ausführbar,  weil  —  wie  wir  schon  bei  Nr.  258  und  259  gesehn 
—  derselbe  Pinger  durch  Portrücken  die  natürliche  Stufe  und  ihre  Er- 
höhung oder  Erniedrigung  zu  nehmen  hat.  Man  tbut  wohl,/ vom  Or- 
chester chromatische  Gänge  nicht  schneller,  als  etwa  Achtel  im  Jli/pgro 
mqderato ,  und  nicht  weiter,  als  über  das  Intervall  einer  Quinte  ausge- 
dehnt, z.  B. 

Andante« 


278 


^^m 


ZU  fodern.   Solospieler  führen  chromatische  Gänge  eine  und  zwei  Ok- 
taven weit. 

Harmonische  in  einer  Lage  «nthaUene  Figuren  sind  um  so 
leichter,  je  weniger  schnell  und  häufig  mehrere  Saiten  gebrauciit  wer- 
den. Figuren  auf  einer  oder  zwei  Saiten  (a.)  — 


279 


i_t.fc  .f  ~W::Prf^t:'  t-fnf^ 


sind  offenbar  hier  die  leichtesten  und  können  in  schnellster  Bewegung, 
z.B.ais  Tremolo  (b.)»  ausgefuhrl  werden,  während  die  schnelle  Anwen- 
dung mehrerer  Saiten  — 


280 


^^g^^^^ 


stufen  weis  schwerer  wird,  je  häufiger  und  schneller  man  mit  den  Saiten 
wechseln  muss.  Das  Ueberspringen  der  Saiten  würde,  wenn  es  nöthig, 
noch  grössere  Schwierigkeit  bringen. 

Hiernach  lassen  sich  gemischte  Figuren  ebenfalls  beurtheilen. 
Diese  an  Nr.  278  geknüpfte  Figur  z.  B.  — 

Andante  con  moto.  .  *  1  >      IJJ"^ 


»,  1^^^^ 


m 


kann  nur  in  ihrer  ersten  Hälfte  Schwierigkeit  haben,  und  zwar  nur  die 
bei  Nr.  278  gezeigte  \  besonders  schwierig  ist  in  rascherer  Bewegung 
die  cbromatisdie  Tonleiter  abwärts,  z.  6. 


260 


zumal  in  der  Höhe ,  wo  die  Finger  eng  auf  einander  gedruckt  werden 
müssen.  So  kann  diese  Stelle  — 


nur  darin  etwas  weniger  leicht  sein ,  dass  die  beginnende  harmonische 
Figur  über  drei  Saiten  gefuhrt  werden  muss,  wie  aber  schon  aus 
Nr.  280  b.  zu  ersehn  gewesen. 

Dasselbe  gilt  von  Sätzen,  die  weile  Sprünge  enthalten ,  dabei 
aber  in  einer  einzigen  Lage  zu  greifen  sind,  z.  B. 

Allegro  risolulo. 


^P^ 


Sie  sind  leicht,  wenn  der  Bogen  Zeit  hat,  über  die  zwischenliegenden 
Saiten  hinwegzukommen.  Können,  wie  z  .B.  hier,  — 


285 


**f 


iF^ttnl: 


o= 


i^t:« 


s-fe 


5ES^f3:S 


^^ 


0  j:oo  o3=  ^0 

0  0 

leere  Saiten  für  die  entfernt  liegenden  Töne  benutzt  werden,  so  haben 
die  weitesten  Sprünge  —  wenn  man  nur  dem  Bogen  Zeit  lässt,  über 
die  Saiten  zu  kommen  —  keine  Schwierigkeit. 

Als  Anhang  zu  d^n  gemischten  Figuren  führen  wir  noch  Triller 
und  Tonwiederholungen  auf.  Dass  der  Triller  auf  allen  Tonstafen 
ausfuhrbar  sein  muss,  leuchtet  ein.  Nur  auf  dem  untersten  Tou(a.)  — 


J4 


)>  tr- 


•±4D- 


—  ^0  ohnehin  der  Nachschlag  unmöglich  wäre  —  und  in  den  obersten 
Tönen,  etwa  vom  dreigestrichnen  g  oder  a  an ,  ist  er  unpraktisch ;  in 
der  Höhe  liegen  die  Finger  zu  eng  an  einander,  auf  dem  untersten  Ton 
würde  der  Triller  ungleich  werdea,  weil  er  aus  einem  gegriffnen  und 
einem  Ton  der  leeren  Saite  bestehen  müsste. 
Die  Tonwiederholung  — 

Allegro.  Allegro  tssai.     ,     a     '  -Ia    jOL 

erwähnen  wir  nur  der  Vollständigkeit  wegen ;  es  versteht  sich ,  dass 
sie  auf  jeder  Stufe  so  schnell,  als  der  Bogen  geben  will,  ausführbar  ist, 
auch  in  Gängen  jeder  Ton  so  oft,  als  die  Armbewegung  innerhalb  seiner 


261 


Dauer  erlaubt,  wiederholt  werden  kann.  Hierauf  sind  bekanntlich  eine 
Menge  Figuren,  z.  B.  die  oben  angegebne,  sowie  die  hier  — 


Presto. 


2S8 


m 


^R 


ULt: 


-=»— =k- 


^^^^^^^^g| 


zusammengestellten  vier,  gegründet.  Soll  die  Tonwiederholung  so 
schnell  wie  möglich  ohne  bestimmte  Geltung  der  einzelnen  Striche  er- 
Iblgen,  so  bezeichnet  man  dies  mit  dem  Namen  tremoio  in  der  hier  — 

trem.  trem.  i       Irem.  trem. 


290 


^^^m^^. 


bei  a.  angegebnen  Weise*).  Auch  der  möglichst  schnc^Ue  Wechsel 
zweier  Töne,  gleichviel  ob  auf  einer  oder  zwei  neben  einander  liegen- 
den Saiten  (b.),  wird  als  Tremolo  bezeichnet. 

So  viel  von  dem  Spiel  in  einer  Lage.  Man  hat  übrigens  nicht  Ur- 
sache, bei  dem  Salz  für  Violinen  zu  ängstlich  zu  gehn;  das  Geigen- 
spiel ist  so  weit  ausgebildet,  dass  den  guten  Spielern  selbst  für  schwie- 
rigere Fälle  gar  mancherlei  Wege  und  Vorlheile  zu  Gebote  stehn ,  die 
dem  Komponisten  (wenn  er  nicht  ebenfalls  ein  guter  Spieler  ist)  nicht 
alle  vor  Augen  sein  können,  während  er  schreibt.  Allein  er  muss  we- 
nigstens im  Allgemeinen  und  in  allen  wichtigem  Momenten  beurtbei- 
len  können,  was  dem  Spieler  günstig  liegt  oder  Schwierigkeit  bietet. 

Es  kommt  nunmehr 


die  Verbindung  der  Lagen  in  Betracht,  die  Art,  wie  im  Spiele  von  einer 
Lage  in  die  andre  übergegangen  wird. 

Am  leichtesten  geschieht  dies  durch  Vermittlung  von  eingestreuten 
Pausen  oder  mit  Hülfe  blosser  Saiten.  Hier  z.  B.  — 


-1^ 


.fcj 


Ite  -  -  -  I  3te ite  -  I  3tc ite  -  -  -  |3te  Lage. 


^\2 

|3te  Lage. 


*)  Man  begoägt  sicli  aach  allenfalls  im  AUegro  mit  SecbszeholeUtreichoDg 
und  im  Adagio  mit  der  Angabe  der  Zweinnddreissigstel.  Sicherer  scheint  jedoch 
eine  Bezeichnung  in  schnellem  Geltungen,  weil  Sechszebntel  im  AUegro  ond  Zwei- 
nnddreissigstel im  Adagio  oft  als  Taktglieder  bestimmter  Geltung  vorkommen  nnd 
dann  nicht  die  Schnelligkeit  und  Unbestimmtheit  haben,  die  den  Rarakter  des  Tre- 
molo ausmachen. 


—     262 


seba  wir  bei  a.  und  b.  den  Uebergaog  aos  der  ersten  in  die  drifte  Lage 
dorch  die  leere  ^*Saite  fremiittelt,  da  wahrend  deren  Gebranch  die 
Hand  binaufräclLen  luion ;  bei  a.  bat  sie  daza  mehr  Zeit.  Bei  c.  oinss 
in  die  erste  Lage  zornckgegangen  werden,  wozu  die  Paase  Zeit  schafft. 
Dann  bedarf  man  bei  d.  wieder  der  dritten  Lage;  hier  schalt  die  leere 
£-Saite  Zeit. 

Wo  weder  Pansen  noch  leere  Saiten  zu  Hülfe  kommen ,  bewirkt 
der  Geiger  den  Uebergang  am  besten,  indem  er  einen  eben  gebrauchten 
Pinger  in  die  neue  Lage  nberfohrt.  So  könnte  schon  in  Nr.  289  bei  d. 
der  Uebergang  in  die  dritte  Lage  dadurch  erfolgen,  dass  man  den  zwei- 
ten Pinger  von  eis  auf  e  führte;  dies  könnte  wohl  rathsam  sein,  wenn 
man  sanft  und  gleichmässig  vorzutragen  und  daher  den  Zwischenkiang 
der  leeren  Saite  zu  meiden  hätte.  Ueberträgt  man  den  Satz  b.  aus 
Nr.  291  nach  X/e^dur,  wo  keine  leeren  Saiten  anzuwenden  sind,  — 

(Dritte  Lage.) 
2  4  2    1 

2t)2  ~ 


2|2 
Ito  131« 

M  kann  der  erste  Takt  sogleich  und  ganz  in  der  dritten  Lage  genom- 
men werden ;  der  Anfang  des  zweiten  Takts  gehört  aber  nolhwendig 
der  ersten  Lage  an ,  und  der  Uebergang  in  die  dritte  würde  sich  durch 
Ueberführung  des  zweiten  Pingers  von  c  nach  es  machen.  Hüsste  man 
(des  Vorhergehenden  wegen)  den  ersten  Takt  ebenfalls  in  erster.Lage 
einsetzen,  so  geschähe  dieselbe  Ueberführung  vony*nach  as. 

Am  leichtesten  verbindet  sich  übrigens  (wie  S.  253  gesagt  wor- 
den) die  erste  Lage  mit  der  dritten  und  diese  mit  der  fünften ,  sowie 
umgekehrt  die  fünfte  mit  der  dritten  und  diese  mit  der  ersten. 

So  viel ,  um  das  einstimmige  Spiel  für  den  Nicht-Geiger  zur  An- 
schauung zu  bringen,  wenigstens  für  weitere  Beobachtungen  und 
Ueberlegungen  Anhalt  zu  geben.  Die  weiter  hier  folgenden  Betrachtun- 
gen finden  in  dem  Obigen,  namentlich  in  einer  klaren  Anschauung  von 
den  Lagen  und  dem  Uebergang  aus  einer  Lage  in  die  andre  ihre 
Grundlage. 

B.  Doppelgriffe. 

Der  Ausdruck  Doppelgriffe  bezeichnet  bekanntlich  (S.  246)  das 
gleichzeitige  Anstreichen  zweier  Saiten. 

Am  leichtesten  ist  der  gleichzeitige  Gebranch  zweier  neben  einan- 
der liegender  blosser  Saiten,  wie  hier  — 


263     

bei  a. ;  sodann  zweier  neben  einander  liegender  Saiten,  von  denen  nur 
die  eine  gegriflen  werden  mnss ,  wie  bei  b.  Selbst  die  weitesten  Dop- 
pelgriffe sind  leicbt,  wenn  man  für  den  einen  Ton,  wie  hier,  — 


eine  blosse  Saite  und  für  den  andern  zu  greifenden  Ton  die  günstige 
Lage  hat.  Unter  andern  ergiebt  sich  hierbei  eine  besondre  Verstärkung 
der  Töne  dj  a  und  e;  man  kanu  sie  nämlich  zugleich  auf  den  blossen 
Saiten  und  gegriffen  auf  der  jedesmaligen  tiefern,  — 

0 

J-J-X 


295    g&— I */■- 


I 

d  auf  der  blossen/)-  und  zugleich  nuf  der  gegriffnen  6-Saite,  a  auf  der 
blossen  A-  und  zugleich  auf  der  gegriffnen  D-Saite  uehmen,  u.  s.  w. 

Hiernächst  sind  von  den  Doppelgriffen ,  zu  denen  beide  Jone  ge- 
griffeh  werden,  diejenigen  bequem,  die  man  mit  den  einander  nächst- 
liegenden—  oder  doch  mit  nicht  zu  entferntei»  Fingern  greifen 
kann.  Daher  sind  —  man  blicke  immer  auf  die  Lagentabellen  —  Sex- 
ten^, besonders  grosse,  am  leichtesten  zu  greifen,  weil  mau  sie  mit 
dem  ersten  und  zweiten,  oder  zweiten  und  dritten,  oder  dritten  und 
vierten  Finger  fasst;  nach  ihnen  Septimen,  zu  denen  man  den  ersten 
und  dritten,  oder  zweiten  und  vierten  Finger,  —  dann  Oktaven,  zu 
denen  man  den  ersten  und  vierten  Finger  braucht.  —  Monen  sind 
schwer,  Dezimen  nur  von  einer  grossen  Hand  zu  spannen,  beide  da- 
her im  Orchesterspiel  nicht  zu  fodern.  —  Quarten  werden  wieder 
mit  neben  einander  liegenden  Fingern,  —  Terzen  mit  erstem  und 
drittem,  oder  zweitem  und  viertem,  ^—  Sekunden  mit  erstem  und 
viertem  Finger  gefasst,  wonach  der  Grad  ihrer  Spielbarkeit  zu  ermessen. 
Es  ergiebt  sich,  dass  Sexten  und  Terzen  die  bequemsten  Doppel- 
griffe sind. 

Quinten  —  und  zwar  grosse  —  sind  schwerer  rein  zu  greifen 
als  Sexten,  —  kleine  Quinten,  wie  überhaupt  alle  verminderten 
und  übermässigen  Intervalle,  sind  schwer. 

Alle  Doppelgriffe  aber,  deren  beide  Töne  gegriffen  werden  müssen, 
werden  in  der  Höhe ,  namentlich  in  der  dreigestrichncn  Oktave,  von 
Schritt  zu  Schritt  schwerer,  weil  die  Finger  zunehmend  enger  und 
darum  unbequemer  gesetzt  werden  müssen.  In  der  Kürze  mag  man 
sich  merken,  dass 

Sekunden  von  c-r/  bis  ^-</t 
Terzen  von     h-d  bis  ^-A, 


264     

Qaarten  vod  a-d  bis  /-  A, " 
Quinten  von  g-d  bis  ^-  g^ 
Sexten  von    g-e  bis  e-  c, 
Septimpo  von^-y*  bis  e- flf, 
Oktaven  von  g-g  bis  c-  e 

im  Allgemeinen  die  bequemem,  chromatische  Doppelgriffe  zum  Theil 
schwerer  sind. 

Der  Gebrauch  der  Doppelgriffe  ist  leichter  oder  schwerer  je  nach 
der  Stellung,  in  der  sich  Hand  und  Finger  bei  ihrem  Eintritte  befinden. 
Am  leichtesten  fasst  man  die  Doppelgriffe,  in  deren  Lage  sich  die  Hand 
befindet  und  für  die  man  die  erfoderiichen  Finger  frei  hat,  —  die  die 
Leichligkeil  des  Doppeigriffs  an  sich  voraussetzt,  z.  B. 


296 


x-H.    -^^ 


3 

BePände  sich  dagegen  die  Hand  eben  in  einer  hoben  Lage  und 
sollte  schnell  einen  Doppelgriff  in  der  Tiefe  der  ersten  Lage  fassen,  so 
wäre  dies  durch  die  Umstände  erschwert;  noch  mehr  das  Umgekehrte, 
wenn  man  ans  tiefer  Lage  hohe  Doppelgriffe  fassen  sollte ,  da  letztere 
ohnehin  ungünstiger  zu  greifen  sind. 

C.   Drei-  und  vierfache  Griffe. 

Drei  Töne  können  am  leichtesten  mit  einem  Bogenstrich  in 
engster  Zeitfolge,  fast  gleichzeitig  genommen  werden,  wenn  einer 
oder  zwei  ihrer  Töne,  wie  hier,  — 


297 


auf  blossen  Saiten  zu  haben  sind.  Hiernächst  sind  diejenigen  dreifachen 
Griffe  die^bequenisten,  deren  Töne  durch  neben  einander  liegende  Fin- 
ger (man  sehe  dieLagentafein),  z.B. in  der  ersten  Lage  diese  heia.,  — 

398 


oder  doch  in  nicht  zu  unbequemer  Handhaltung,  mit  Auslassung  eines 
Fingers,  z.  B. die  bei  b.,  gefasst  werden  können.  Man  gebt  dabei  nicht 
gern  höher,  als  die  dritte  Lage  reicht,  —  also  bis  zum  dreigestricb- 
nen  d. 


265     

Vierfache  Griffe  sind  im  Orchester  nor  ralhsam,   wenn  man 

zu  einem  bequemen  dreifachen  oder  Doppelgriff  eine  oder  zwei  leere 
Saiten  fassen  kann»  z.  B. 


39» 


^    j  -j-  -4-  3f    I     !     I    XJjJJJW-Ö^ 


(bei  *  sind  drei  leere  Saiten  zu  einer  gegriffnen  gekommen),  bedürfen 
aber  grösserer  Vorsicht,  wenn,  wie  hier,  — 


300 


alle  vier  Töne  gegriffen  werden  müssen.    Auch  hier  giebt  die  Betrach- 
tung der  Lagentafeln  wenigstens  die  nächstnöthige  Anschauung*). 

Kehren  wir  von  hier  aus  noch  einmal  zu  den  Bemerkungen  über 
harmonische  Figuren  und  Spränge  (S.  259)  zurück:  so  ist  jetzt  ohne 
Weiteres  klar,  dass  alle  Töne,  die  gleichzeitig  in  Doppelgriffen  oder 
fast  gleichzeitig  in  drei-  und  vierfachen  Griffen  verbunden  werden  kön- 
nen, auch  mit  gleicher  oder  noch  grösserer  Leichtigkeit  nach  einander 
sich  spielen  lassen,  —  aber  wohlzumerken  —  in  der  Reihenfolge  der 
Saiten,  z.  B.  die  erste  Tongruppe  in  Nr.  299  so  wie  bei  a.,  — 


*)  Nar  d%a  NachstoStbige  kann  (wie  uns  aebeint)  dem,  der  das  Instrnmeot 
nicht  selber  spielt  oder  lange  beobachtet  and  studirt  hat,  mit  wahrem  Nutzen  ge- 
wiesen werden.  Berlioz  tbeilt  grosse  Massen  drei-  und  vierstimmiger  Griffe  mit 
und  sein  Fleiss  ist  auch  hier  rühme oswerth.  Allein  oboe  eigne  Einsicht  miisste  der 
Tonsetzer  alle  answendig  lernen  oder  stets  nachschlagen  und  würde  damit  eher 
befangen  und  gehemmt  werden,  als  gefördert.  Indess  mag  fdr  die  Bequemem  eben- 
falls eine  Sammlung  hier  — 

Raum  finden ,  deren  Fingersatz  sich  Jeder  aus  dem  Vorhergehenden  leicht  erküren 
kann. 


266 


302 


^^m^ 


r-p-^jr 


nicht  so  wie  bei  b.  fwenn  nicht  die  Bewegung  langsam  genug  ist,  um 
das  Ueberspringen  des  Bogens  von  der  ersten  zur  dritten  Saite  mög- 
lich zu  machen),  und  wenn  der  Bogen  nicht  durch  zq  schnelle  Tonfolge 
genöthigt  wird,  zu  schnell  über  die  Saiten  zu  gehn. 

D.   Mehrstimmiges  Spiel. 

Eigentliche  Mehrstimmigkeit  ist  auf  der  Geige  nur  mit  Ein- 
schränkung und  bei  genauer  Kennlniss  des  Instruments,  verbunden  mit 
vollkommner  Gewandtheit  im  Salze,  möglich.  Das  Höchste  hat  hier 
Seb.  Bach  in  seinen  sechs  Solo's  für  eine  Geige  geleistet.  Die  Ein- 
mischung von  drei-  oder  vierfachen  Griffen,  z.  B. 


303 


kann  nur  als  eine  Scheinmehrstimmigkeil  gelten ,  obwohl  die  Töne  der 
mehrstimmigen  Griffe  dem  harmonischen  Inhalte  nach  zusammenhän- 
gen. Die  wirkliche  Führung  von  drei-  oder  vierstimmigen  Griffen, 
z.  B. 


ist  jedenfalls  höchst  unfrei;  der  Komponist  kann  nicht  die  systematisch 
nächst  gelegnen  oder  seiner  Stimmung  zusagenden  Harmonien ,  nicht 
die  günstigste  Lage  ergreifen,  nicht  reiche  Harmoniefolgen  entfalten, 
sondern  muss  Schritt  für  Schritt  den  Bedingungen  gehorchen,  die  das 
Instrument  und  seine  Behandlung  ihm  vorschreibt.  An  freie  Stimment- 
faltung ,  oder  auch  nur  an  freiere  Führung  der  Oberstimme  ist  noch 
weniger  zu  denken ;  und  dazu  ist  die  Darstellungsweise  der  Harmonie  in 
schnellem  Arpeggio  mit  reissendem  Bogen  schon  an  sich  ungünstig. 
Man  erkennt  aus  Allem ,  dass  eigentliche  Harmoniefübrung  gar  nicht 
oder  nur  äusserst  beschränkt  von  der  einzelnen  Geige  gefedert  werden 
kann  und  dass  drei-  und  vierfache  Griffe  hauptsächlich  nur  zur  Dar- 
stellung oder  Verstärkung  einzelner  Schlagmomente  bestimmt  sind. 

Gänstigern  Spielraum  bietet  die  Führung  zweier  Stimmen.  Hier 
treten  als  die  leichtesten  zuerst  solche  Sätze  vor ,  in  denen  der  Ton 


267 


einer  "blossen  Saite  festgehalten  wird  gegen  irgend  eine  auf  der  näcbst- 
liegendea  Saite  ausfuhrbare  Figur,  z.  B. 


305    p 


fp^Trjp-' 


W 


j^^^^^P 


ffm 


uad  zwar  können  dergleichen  Sätze  in  beiden  Stimmen  durchaus  ge- 
bunden (die  eine  halt  aus ,  die  andre  bindet,  nimmt  ihre  Töne  in  einen 
einzigen  Bogenstrich  zusammen)  oder,  wie  hier,  — 


nur  theilweis  gebunden  (Takt  1  und  4),  oder  gar  nicht  gebunden 
(Takt  3) ,  sondern  mit  absonderndem  Nieder-  nnd  Aufstrich  für  jeden 
einzelnen  Ton  dargestellt,  es  kann  auch  über  solchem  liegenbleibenden 
Tone,  wie  hier  bei  a.  oder  wie  Beethoven  im  Trio  seines  Quatuors 
Op.  132  bei  b.  gethan,  auf  der  andern  Saite  in  höhere  Lagen  überge- 
gangen, — 


307 


also  der  Spielraum  erweitert  werden. 

Diesen  Sätzen  schliessen  sich  solche  an ,  wo  ein  gegriffner  Ton 
auf  einer  Saite  festgehalten  und,  wie  hier,  — 


308 


auf  der  andern  Saite  die  Töne  entgegengestellt  werden ,  die  mit  den 
freien  Fingern  noch  erlangbar  sind. 

Sollen  beide  Stimmen  sich  gleichzeitig  bewegen,  so  sind  zunächst 
Sexten  folgen  auf  drei  Schritt  —  oder  mit  Zuziehung  einer  leeren 
Saite  auf  vier  Schritt  — 


309 


I 


2    3 

1     2 


P=^ 


^^ 


^*- 


^ 


2     3 
1     2 


*=F- 


iCTTlr 


?■* 


1^^^ 


äÖ^: 


am  leicblesten  (weil  so  weit  die  Finger  gleich  bereit  liegen),  lassen  sich 
aber  auch  in  mannigfacher  Weise,  z.  B.  so  — 


26S 


Ite  I  3le  Lage, 

forlselzen.  Es  versteht  sich,  dass  man  auch  hier  zu  erwägeu  hat,  in 
welcher  Lage  sich  die  Hand  des  Spielers  vor  den  Doppelgriffen  befan- 
den. Die  nachfolgende  Stelle  z.  B.  — 


^5x5^ 


311 


5=ä^^-^a^S^S 


mnss  nach  dem  früher  und  besonders  S.  264  Gesagten  bequem  erschei- 
nen; dagegen  würden  diese  Stellen  —  wir  greifen  bei  ihnen  vor,  zu 
andern  Doppelgriffen  — 

312 

stufenweis  schwieriger  sein,  der  Doppelgriffe  selbst  und  der  Lage 
wegen. 

Terzen  folgen,  besonders  in  erster  nnd  dritter  Lage,  sind  durch 
die  ganze  Tonleiter,  — 


313 


^^m. 


itn^p: 


=P=n: 


anch  in  langsamer  Bewegung  Oktaven  folgen,  — 


314 


^3EiS 


^35 


=»<= 


ferner  wechselnde  Septimen  und  Sexten,  — 

315 


^^^!^^ 


Oktaven  und  Sexten,  Oktaven  und  Septimen,  — - 


316 


und  so  noch  mancherlei  Folgen,  die  auch  der  Nichtgeiger  sich  aus  den 
Lagentafeln  entnehmen  kann,  erlangbar. 

Dagegen  sind  Spränge  in  Doppelgriffen,  z.  B.  diese  bei  a.,  — 


^^^^iyt^^y 


317 


269 


s^^hwer,  sofern  sie  nicht  blosse  Theilungen  eines  vierfachen  Griffes  sind, 
wie  die  vorstehenden  bei  b.,  und  die  Bewegung  langsam  genag  ist,  um 
dem  Bogen  Zeit  zu  lassen ,  auf  die  andern  Saiten  zu  kommen.  In  glei- 
cher Weise  sind  auch  Doppelgriffe  leicht  zu  fassen,  die  anscheinend  von 
vorhergehenden  oder  nachfolgenden  einzelnen  Tönen  weit  abliegen, 
wenn  diese  nämlich,  wie  hier,  — 


S18    ^--3—^—3=^= 


ir=^ 


m 


mit  dem  Doppelgriff  in  einem  drei-  oder  vierfachen  Griffe  zusammenge- 
fasst  werden  könnten. 

Im  Allgemeinen  ist  übrigens  das  zweistimmige  Spiel  in  Dur  leich- 
ter als  in  Moll. 

II.  Das  Flageolettspiel. 

Das  Flageoleftspiel  ist  auf  der  Geige  einst  von  alten  Meistern,  in 
unsrer  Zeit  von  Paganini  sehr  weit  ausgebildet  worden,  so  dass  man 
ganze  Sätze,  ja  selbst  Doppeltöne  mit  demselben  hervorbringen  kann. 

Die  einfachste  Weise  des  Piageolettspiels  ist  die,  dass  man  die 
leere  Saite  an  ihrer  Hälfte,  ihrer  Eindrittel-  oder  Zweidriltellänge, 
ihrer  Einviertel-  oder  Drei  viertellänge  mit  dem  Finger  leise  berührt 
(S.  244)  und  dadurch  die  Oktave,  Duodezime  und  zweite  Oktave,  also 
von  allen  vier  Saiten  folgende  Töne*)  — 


319 


0    0    4 


^m 


0    0 


-o- 


0     0 

0  i?i 


rtzrpz:^: 


0   0 

4  -# 


gewinnt. 

Hiermit  erweitert  sich  vor  allem  der  S.  253  mit  dem  viergestrich- 
nen  c  abgegränzte  Umfang  der  Geige  noch  um  einen  höhern  Ton,  das 
viergestrichne  e.  Sodann  zeigt  sich  mancher  Ton  mit  Hülfe  des  Pia- 
geolettspiels leichter  erreichbar;  endlich  hat  man  an  den  Flageoletttö- 
nen  eine  andre  Klangart  (S.  249)  gewonnen. 

Dieser  Plageoletttöne  moss  jeder  branchbare  Spieler  mächtig  sein. 
Im  Orchester  würde  man  demungeachtet  nicht  wohl  thnn ,  sie  zu  fo- 
dem,  weil  da  der  reine  Zusammenklang  bisweilen  fehlen  könnte. 

Die  weitere  Entfaltung  des  Piageolettspiels  beruht  nun  zunächst 
darauf,  dass  man  sich  neue  Grnndtöne  schafft,  indem  man  einen 
Pinger  fest  anf  die  Saite  setzt  und  dann  einen  andern  Pinger  leise  an- 


*)  Die  s>D<®n  Noten  steileo  die  vier  leereo  StiteD ,  die  Viertelaoten  die  aaf 
jeder  erlaogtea  FltgeoletltöDe  (oebst  deren  Bezifferung  Pdr  den  Spieler)  dar. 


270     

leg;t,  also  von  der  Terkfinten  Saile  den  Pbgeoietlloo  gewinnt.  Setzt 
man  z.  B.  anfder  nnlersten,  also  der  C-Saite  den  ersten  Pinger  von 
einer  Stnfe  zor  andern  fest  auf,  so  dass ,  wenn  man  nnn  ohne  Wei- 
teres anstriche,  die  Tonreihe  — 

a    h    c    d     e   a.  s.  w. 

entstehen  wurde ,  legt  aber  zugleich  den  vierten  Pinger  auf  der  jedes- 
maligen Hälfte  der  Saite  leise  an ,  —  wir  deuten  hier  und  in  den  nach- 
folgenden Beispielen  die  fesigegriffnen  Töne  durch  Ganznoten ,  die  be- 
rührten Intervallpnnkte  durch  Viertelnoten  an,  — 

4         *         i       *         *,•••-•*> 


320 


^   ^-^   -^    o — ® — ^ 


^  ^  T  ^^ 


SO  gewinnt  man  die  obere  Notenreihe  in  Plageoletltönen.  Aliein  —  wir 
fähren  diese  Beihe  nur  der  Vollständigkeit  wegen  an ;  denn  die  Span- 
nung des  ersten  and  vierten  Pingers  auf  derselben  Saite  ist  so  schwer, 
dass  man  sie  fast  unausGohrbar,  gewiss  höchst  anpraktisch  nennen 
kann. 

Berührt  man  bei  gleicher  Grundlage  das  Driliel  der  Saite,   wie 
hier  — 

^a.  444444  b.  Ji.--#--^ 

yTYT • ' 

bei  a. ,  so  erhält  man  die  höhere  Oktave  der  obem  Notenreihe,  also 
zweigestrichen  ^  u.  s.  w.,  wie  oben  bei  b. ;  beröhrt  man  bei  gleicher 
Grundlage  das  Viertel  der  Saite,  wie  hier  — 

^  ••  3       4       4       4       4       3         /^\      ^     JfL      :gr    -t      ^ 


322 


u 


Wl 


Hr 


bei  a.,  so  erhält  man  die  zweite  Oktave  der  Grundtöne  (oben  bei  b.) 
in  Plageoletttönen.  (Jebertragt  man  das  hier  an  der  6-Saite  Gewiesene 
auf  die  drei  höheru  Saiten ,  so  ergiebt  sich  die  vollständige  Tonreihe 
des  Flageoletts ,  so  weit  die  bis  hierher  gezeigten  Griffe  reichen ,  eine 
Tonreibe,  die  sich  bis  zum  viergestrichnen  g  hinaufstrecki. 

Uebrigens  bemerkt  man,  dass  die  letzte  Tonreibe  (Nr.  322  a.),  die 
man  so  — 


*)  Mao  führt  auf  der  (r-Saite  aicbt  gera  hoher  als  bis  zoai  eiBf^estrichaea  a 
oder  A  ,  weil  hoher  hioaaf  die  starke  oad  xa  knn  s^S^^b«  %%\\!^  «iaca  pfeifenden 
Rlaog  anaiinnt. 


^ 


271 

harmoniqne« 


823     '^ 


bezeichnet,  die  leichteste,  sowie  die  erste  (Nr. 321)  we^en  der  weiten 
Spannung  die  schwerste  der  hier  gegebnen  ist.  Allein  demangeachtet  ist 
keine  dieser  Tonreihen  (wie  schon  bei  den  ersten  in  Nr.  319  bemerkt) 
im  Orchester  mit  Sicherheit  za  verlangen,  ebenso  wenig  und  noch 
weniger  die  sonst  noch  möglichen  und  zum  Theil  noch  schwierigem  — 
nnd  ungleichem ,  oder  gar  das  DoppelOageolett.  Wir  dürfen  also  dies 
Alles  bei  Seite  lassen*). 

Uebrigens  können  Plageoletttöne  nitht  so  schnell  eintreten,  wie 
feslgegriffne ,  weil  das  Anlegen  des  Pingers  mehr  Feinheit  und  Sorgfalt 
fodert,  als  der  feste  Griff. 

IIL  Du  Spiel  Bit  Dtepftug. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  Alles,  was  überhaupt  auf  der 
Violine  zu  spielen  ist,  ebenfalls  und  ebenso  leicht  mit  aufgesetztem 
Dämpfer  gegeben  werden  kann.  Nur  Eins  ist  hier  anzumerken.  Sollen 
im  Lauf  eines  Stückes  die  Dämprer  aufgesetzt  oder  weggenommen  wer- 
den, so  bedarf  es  dazu  einer  Zeit  von  etwa  einer  Vierlelminute,  oder 
von  drei  bis  vier  Viervierteltakten  etwa  im  AUegro  tnoderaio. 

IT.  Das  Pizzikato. 

Im  Pizzikato  kann  die  Bewegung  nicht  so  schnell  erfolgen,  wie 
im  Bogenspiel,  weil  die  Finger  nicht  so  schnell  die  Saiten  röhren  köii- 
uen,  als  der  Bogen,  der  leicht  auf-  und  abfahrt,  «der  selbst  mehrere 
Töne  in  einem  Striche  zusammenfasst.  Der  höchste  Grad  der  Schnel- 
ligkeit, auf  den  man  sicher  rechnen  kann,  dürfte  etwa  die  Bewegung 
von  Secbszehnteln  im  AUegro  moderato  oder  AUegro  sein.  Nur  die 
Töne  der  Doppel-,  drei-  und  vierfachen  Griffe  lassen  sich  einmal  vom 
untersten  zum  obersten  oder  umgekehrt  schneller  geben.    Uebrigens 


*)  Auch  über  das  Flaseolettgiebt  Be  rl  iox'  Cours  d*  int  Immen  tation  ausfubr- 
licbe  MiUbeiluogeo.  Wer  aber  über  das,  was  im  Orcbesler  (aod  Quartett)  sicher 
gerodert  werden  darf,  binaosgebo,  wer  Virta4)sit&t  in  Anspruch  oebmeD  will,  der 
kaoa,  wie  uos  sobeint,  nur  durch  eigne  nod  zwar  bedeutende  Spielfertigkeit ,  nicbt 
durch  blosse  Vermittlueg  eines  Dritten  sicher  gestellt  und  zu  reieher  Leistung  ge- 
fordert werden.  Spohr  —  uastreilig  eine  d«r  grössten  AnterilStea  für  VloUnspiel 
—  bestärkt  unsre  Ansicht,  insorern  er  (in  seiner  Violinsobule)  das  Plageoiettspiel 
überhaupt  nicbt  weiter  ausgedehnt  wissen  will,  als  wir  oben  in  Nr.  320  angegeben 
haben,  nnd  sich  namentlied  gegen  den  reichern  Gebrauch  erklärt,  den  Pagaoini 
▼om  Flageolett  gemacht.  Dies  ^  als  Eingriff  in  die  künstlerische  Freiheit  —  kön- 
nen wir  nun  wiederum  nicht  billigen.  Sehr  bäuligeB  Gebrauch  vomFlageoleli  mftcbi 
in  seinen  dramatisehea  und  den  dazu  gebörigenOrehestersätseuR.Wagner;  aber 
die  Flageeletttöne  werden  besondern  Soloviolineu  zuertbeilt,  die  er  dann  neben  den 
Ripienstimmen  abgesondert  fuhrt.  Liszt  und  Andre  sind  ihm  hierin  gefolgt. 


272 


würde  der  kurz  abgebrochne  harte  Klang  des  Pizzikato  eine  schnellere 
Bewegung  nur  in  seltnen  Fällen  rathsam  machen. 

Je  höher  man  steigt ,  desto  kürzer  wird  die  Saite ,  folglich  desto 
hervortretender  der  harte  Bruch  des  Pizzikatoklangs.  Man  thut  daher 
wohlf  im  Pizzikato  nicht  über  das  zweigestrichne  A,  höchstens  das  drei- 
gestrichne  d  zu  steigen  *).  —  Dass  übrigens  Plageoletlspiel  und  Pizzikato 
nicht  vereinigt  werden  können,  ist  klar.  Aufsatz  der  Dämpfer  und  Piz> 
zikalospiel  sind  vereinbar;  allein  der  Klang  würde  dabei  doppelt  unter- 
drückt —  und  nur  selten  (wenn  je  I)  dürfte  dieser  Verein  sich  dienlich 
oder  gar  nolhwendig  erweisen. 

Der  Vollständigkeit  wegen  wollen  wir  bemerken,  dass  in  ein- 
zelnen Sätzen  Pizzikato-  und  Bogenspiel  auf  demselben  Instru- 
mente gleichzeitig  angewendet  werden  können,  wenn  nämlich 
die  auf  dem  Griffbrett  beschäftigte  Hand  so  weit  frei  ist,  das  Pizzi- 
kato neben  den  zu  greifenden  Tönen  abzulängen.  So  könnte  diese 
Stelle  — 


KU*  I  ^ 

5=       r  I  *■  ip^— 


pizz. 

auf  einer  einzigen  Geige,  und  diese 

325  pianiBsimo. 
Yno.I.arco. 


in  einem  Quarteltsatze  (bei  einfacher  Besetzung,  wie  gewöhnlich)  aus- 
geführt werden.  Ungleich  kühnern  Gebrauch  hat  Paganini,  zu  höchst 

*)  Noch  eioe  Weise  der  Tooerzeai^ang  ist  hier  zo  erwahoen,  weil  sie  wenifp- 
steDS  eine  gewisse  Aebolicbkeit  mit  dem  Pizzikato  hat.  Sie  besteht  dario,  dass  die 
Saite  mit  dem  Bogenstab  geschlagen,  statt  mit  dem  Haar  gestricbea  wird.  Der 
Klaog  hat  etwas  Surreades  oder  Kaisterndes,  aber  die  Schallkraft  ist  so  geriog,  dass 
nur  bei  grösserer  Besetzuog  noch  eioigermassen  von  einer  Wirkung  die  Rede^  sein 
kann«  Dass  dergleichen  Töne  nicht  gehalten  werden  können,  ist  ohnehin  klar.  Dem 
Verf.  ist  nicht  erinnerlich,  dass  in  einem  bedeotendern  Kanstwerke  von  dieser 
Spiel  weise  Gebrauch  gemacht  worden  wäre ;  schwerlich  wird  sie  irgendwo  tiefere 
Bedeutsamkeit  zeigen. 


273 


phantastischer  Wirkung ,  von  diesem  Doppelspiel  gemacht.  Gleichwohl 
dürfte  ihm  schwerlich  ein  andrer  Schauplatz ,  als  das  Solo  fiir  Virtuo- 
sen, znzugestehn  sein,  daher  wir  auch  hier  nicht  weiter  darauf  ein- 
gehn. 

Fassen  wir  zuletzt  alle  Spielweisen  zusammen,  so  bleibt  für 
sie  alle  im  Allgemeinen  zu  bemerken,  dass  der  Geige  zwar  alle 
Tonarten  zu  Gebote  stehn,  dass  üe  sich  aber  im  Allgemeinen  am 
bequemsten  in  Z>-,  G-,  ^-,  C-,  F-,  -ß-,  £>-,  i?-,  HAüt  ,  dessgleichen 
in  £-,  £f-,  Fis-y  Z>-,  C-,  -/^-,  C-,  FmoU,  weniger  bequem  in  Jts-^ 
Cü'y  FisAuT  und  fi-,  Es-,  As-,  Ct^moll  bewegt.  Man  wird  ihr  daher 
in  den  schwerern  Tonarten  weniger  Schwierigkeiten  zumulhen  dürfen. 
Am  kräftigsten  wirkt  die  Geige  in  den  Tonarten  D-,  A-,  6-,  F-,  C-, 
iE-,  ^dur,  £-,  G-,  urfmoll,  —  weicher  in  Ä-,  JJs-,  y/*dur,  C-,  F-, 
jB  moU. 


Dritter  Abschnitt. 
Technik  der  Bratsehe. 


Die  Bratsche  ist  nichts  anderes,  als  eine  Violine  von  grösserer 
Hensnr  und  tieferer  Stimmung.  Ihre  Saiten  (von  denen  die  beiden  un- 
tern besponnen)  sind  in  klein  c,  g,  (/,  u  gestimmt,  so  dass  das  Instru- 
ment eine  Quinte  tiefer  steht,  als  die  Geige.  Ihre  Töne  werden  im 
Altscblüssel,  —  sehr  hohe  Lagen  auch  wohl  im  Violinschlüssel  — 


t: 


^^m^^m 


326 


notirt. 


i  i  i 


g^=£ 


"i — r 


I 


Die  Behandlung  des  Instruments  ist  ebenfalls  dieselbe ,  wie  die  der 
Violine;  die  erste  Lage  stellt  sich  also  —  natürlich  eine  Quinte  tiefer 
als  anf  der  Violine  —  so,  — 


0                         1 

ä  .  .  .  .J 

d   .    .    .    .  e 

g  .   .    .   .  a 
c    .    .    .    .  d 

2 
C 

7 
h 

e 

3 

d 
f 

e 
f 

4 
e 
< 

g 

ihre  dritte  so  — 

Marx,  Koiap.L.  IV.  3.  Aufl. 

18 


274     

0 

7  .   .   .   .  ^      1     Z      l. 

fl^  .    .    .    .  ^        a        h         c 

g  .    ,    .    .  c         d         e        f 

c    .    .    .    .  f       g         a         h 
dar,  uad  so  fort. 

Nur  hat  die  grössere  Meosar  des  Instruments  zur  Folge ,  dass  die 
Griffe  weiter  sind,  mitbin  die  weiten  Griffie,  also  auch  weit  ausgedehnte 
Doppel-  und  mehrfache  Griffe  etwas  schwerer  zu  erlangen  (wofern 
nicht,  wie  hier,  — 


327 


4=4=4 


«^^1^: 


r 


blosse  Saiten  zu  Hülfe  kommen),  auch  eine  gleich  schnelle  Bewegung, 
ausser  in  den  bequemsten  Figuren,  nicht  so  leicht  ist,  wie  auf  der  Geige. 
Namentlich  ist  das  Ablangen  der  ausserhalb  der  Lage  befindlichen  Töne 
begreiflicher  Weise  schwerer,  als  auf  der  Geige.  Man  thut  also  wohl, 
die  Bratsche  einfacher  und  ruhiger  zu  führen ,  —  was  ohnehin  ihrer 
tiefern  Lage  und  ihrem  Klangkarakter  zusagt,  —  und  sich  der  Doppei- 
und  mehrfachen  Griffe,  namentlich  auch  des  zweistimmigen  Satzes  mit 
noch  grösserer  Zurückhaltung,  mit  Beschränkung  auf  die  leichtesten 
Kombinationen  zu  bedienen. 

Was  die  Bratsche  vor  der  Geige  voraus  hat,  ist  offenbar  ihre 
Tiefe ,  die  C-Saite  mit  ihrem  Tongehall.  Daher  erweist  sich  eben  die 
Tiefe  —  und  somit  die  erste  Lage  als  ihre  vorzugsweis  karakteristisrhe 
Seite. 

Auch  der  Klang  des  Instruments  thut  dazu ,  diese  karaktcristische 
Seite  noch  mehr  hervorzuheben.  Das  Instrument  hat  vermöge  seiner 
grössern  Mensur  und  Tiefe  einen  materiellern  oder  rauhern  Klang  und 
seine  tiefste  Saite  nicht  Mos  dies  im  höhern  Maasse,  sondern  auch 
grössere  Schallkrafl,  als  die  Geige  und  deren  G-Saite.  So  bietet  es  also 
in  der  Tiefe  einen  eignen  von  dem  der  Violine  verschiednen  Karakter. 

Dass  die  Bratsche  in  der  Höhe  wenigstens  um  fünf  Stufen  der  Vio> 
line  nachsteht,  ist  schon  aus  ihrer  Stimmung  klar.  Ueberhaupt  aber  be- 
dient man  sich  in  der  Regel  ihrer  hohen  Lagen  weniger  gern,  als  der 
tiefen.  Denn  die  hohen  Tonreihen  sind  im  Streichquartett  Eigentham 
der  Geigen  und  können  von  diesen  leichter  dargestellt  und  weiter  ver- 
folgt werden ,  während  die  Bratsche ,  um  sie  zu  geben ,  die  ihr  eigen- 
thümliche  und  von  der  Geige  nicht  erreichbare  Tiefe  aufgeben  müsste. 
Hierzu  kommt,  dass  die  hohen  Tonlagen  -der  Bratsche  aus  doppeltem 
Grund  einen  verdunkelten,  gepressten  und  näselnden  Klang  haben ;  ein- 
mal I  wie  alle  bochgegriffnen  und  damit  verkürzten  Saiten,  dann ,  weil 


275 

diese  Verkürzang  stärkere  Saiten  betrifft,  als  auf  der  Violine.  Man 
tbat  daher  wohl ,  die  Bratsche  nicht  leicht  über  das  zweigestrichne  g 
oder  a  hinaarzufiihren  und  selbst  diese  Höhe  nur  in  dringenden  Fällen 
in  Gängen  oder  im  Einklang  mit  den  Geigen  (oder  in  Solosätzen  zu  be- 
sondern Effekten)  zu  gebrauchen.  Die  beste  Wirkung  leistet  jedes  In- 
strumetit  —  und  so  auch  die  Bratsche  —  In  dem  ihm  eigenlhiimlichen 
und  bequemen  Gebiete. 

Auch  das  Flageolettspiel  ist  auf  der  Bratsche  in  derselben 
Weise  wie  auf  der  Geige  ausführbar.  Der  Komponist  wird  aber  hier 
noch  seltner  Anlass  haben,  auf  dasselbe  zu  rechnen,  als^  bei  der  Vio- 
line, —  zumal  in  Orchestersätzen.  Denn  die  durch  dasselbe  erreichbare 
Höhe  wird  (wie  oben  gesagt)  besser  den  Geigen  überlassen  und  der  fei- 
nere metallische  oder  flötenartige  Klang  des  Flageoletts  eignet  sich  in 
den  allermeisten  Fällen  ebenfalls  mehr  für  die  den  Geigen  zugefallne 
Aufgabe  im  Orchester;  wie  weit  aber  der  Spieler  sich  auch  auf  der 
Bratsche  des  Flageoletts  bedient,  um  einzelne  Töne  besser  zu  errei- 
chen, kommt  hier  nicht  in  Frage. 

Doch  darf  auch  ein  Fall  nicht  unerwähnt  bleiben,  in  dem  das  Fla- 
geolett der  Bratsche  reich  ausgebeutet  worden:  es  ist  die  nur  von  einer 
Bratsche  begleitete  Liebesromanze  Raouls  in  Meyerbeer's  Huge- 
notten, 

Donx  comme  hermine. 

Vielleicht  war  es  dieses  Bild,  das  dem  geistreichen,  in  dergleichen 
rafBnirt  bezeichnenden  uud  eigenthümlichen  Mitteln  unerschöpflichen 
Künstler  den  glattkühlen  Schimmerschein ,  das  streichelweiche  Spiel  — 
doux  comme  hermine  —  des  Bratschen-Flageoletts  vor  die  Seele  ge- 
führt. 


Vierter  Abschiiitt 
Technik  des  Violoncells. 

Das  Violoncell  ist  bekanntlich  ein  der  Violine  ähnlich  gebautes, 
nur  weit  grösseres  Instrument ,  das  zwischen  den  Knien  des  Spielen- 
den ruht,  mit  aufwärts  gerichtetem  Halse,  und  dessen  vier  Saiten  (die 
beiden  tiefsten  mit  Silberdrath  bespounen)  in  gross  C,  6,  klein  d  und 
a  gestimmt  sind.  Die  Zwischeutöne  werden  wie  bei  der  Geige  durch 
festen ,  die  Saite  verkürzenden  Aufsatz  oder  durch  Anlegen  der  Finger 
an  die  Schwingungsknoten  *)  der  Saiten ,  —  also  in  natürlicher  Weise 
oder  im  Flageolett  erlangt. 

*)  So  heisseo  die  Punkt«,  wo  die  Sebeidva;  tob  Aliqaolheiten  der  Saiten 
(oder  überhaupt  hörbar  schwingender  Korper)  liegt,  olso  die  GrSna^pnokte  von 
einem  Halb,  einem  Drittel,  einem  Viertel  u.  8.  w. 

18* 


276 


Die  Töne  werden  haupUäclilich  im  F-  oder  BassschlOsscl  noliit, 
für  die  höhern  tritt  der  Tenorschlüsscl,  — 


328 


3E 


--^x- 


m 


nl— 


rt 


zt: 


EteE^ 


für  noch  höhere  der  Violinschlüssel  ein.  In  dem  Gebrauche  dieses  letz- 
tern herrscht  aber  keineswegs  die  wünschenswerlhe  Uebereinstimmong. 
Bei  altern  Komponisten  wird  er  häufig  sechszehnfüssig  verstanden,  die 
Noten  bei  a.  also  — 


329 


^p^g^gB^i^gp; 


itzitnt: 


werden  wie  bei  b.  oder  c.  gelesen ;  bei  Neuern  gelten  mit  Recht  die 
im  G-Schlüssel  gesetzten  Noten  meistens  in  der  ihnen  eigenthümlichen 
Tonhöhe,  z.  B.  die  in  Nr.  329  bei  a.  notirten  für  Töne  der  zweige- 
strichneo  Oktave.  Folgt  der  6-Schlüssel  auf  den  Tenorschlüssei, 
z.  B. 


330 


^^^^^m^m 


^  = 


lOlfcä 


so  ist  es  klar,  dass  er  in  seiner  eigentlichen  Bedeutung  auftritt,  denn 
sonst  wäre  seine  Einfuhrung  unnütz  und  man  wäre  mit  dem  Tenor- 
schlüssel bequemer  fertig  geworden.  So  kann  auch  der  Zusammenhang 
ergeben,  dass  nach  dem  Bassschlüssel  der  G-Schlüssel  ebenfalls  in 
seiner  eignen  Weise  (achtfiissig)  gelesen  werden  soll ;  die  obige  Stelle 
hätte  z.  B.  ebensowohl  (und  noch  einfacher)  so  — 


331 


Wz 


^. 


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K-Tl-g- 


# 


3^ 


—01 


^ 


m 


3^=:::: 


z^^ 


geschrieben  werden  können;  die  aufstrebende  Richtung  der  Melodie 
macht  es  wenigstens  unwahrscheinlich ,  dass  die  im  G-Schlüssel  notir- 
ten Töne  eine  Oktave  tiefer  genommen  werden  sollten.  Umgekehrt 
kann  man  in  dieser  Stelle  — 


m  ^^jj^*^ 


m 


^ 


;^ 


rt 


nicht  annehmen,  dass  vom  eingestrichnen  e  aus  eine  Dezime  weit  hin- 
aufgesprungen werden  sollte;  hier  muss  der  G-Schlüssel  sechszehnfüs- 
sig verstanden  werden.  Tritt  derselbe  endlich  zu  Anfang  eines  Satzes 
ein ,  z.  B.  wie  hier  — 


bei  a  ,  so  wird  er  meistens  sechszehnfüssig  verstanden. 


277 

Uns  scheint  die  sechszehnfüssige  Anwendung  des  C-Schlüssels  un- 
DDtz;  für  so  tiefe  Tonlagen  genügt  der  Tenorschlüssel ,  wie  man  in 
Nr.  333  b.  sieht.  Der  G-Schlnssel  sollte  stets  nur  für  die  dem  Tenor- 
sohlussel  nicht  bequem  erreichbaren  Tonlagen  (z.  B.  in  Nr.  331)  an- 
gewendet werden,  dann  aber  in  seiner  eigentlichen  Bedeutung. 

Gehen  wir  nun  auf  die  Behandlung  und  den  Gebalt  des  Instruments 
näher  ein,  so  werden,  was 

a.  die  natürliche  Behandlung 

betrifft,  die  Töne  ebenfalls  durch  festes  Aufsetzen  der  Finger  gegriffen 
ond,  wie  bei  der  Geige  Lagen,  so  hier  Positionen  —  ihrer  vier  — 
angenommen.  Bei  dem  weit  grössern  Bau  des  Instruments  ist  es  beque- 
mer, auf  die  Spannung  des  Ganztons  den  je  dritten  Pinger  zu  verwen- 
den und  den  ausfallenden  Finger  für  den  zwischenliegenden  Halbton  auf- 
zubewahren. So  bildet  sich  denn  die  erste  Position  folgendermassen : 
0  134       0134      01240124 

C  —  DEF,  G  A  H  c,  d  e  f  gy  a  h  'c  ?, 
die  zweite  von  E^  die  dritte  von  F,  die  vierte  von  G  aus.  Dies  ergiebt 
eine  Tonreihe  vom  grossen  C  bis  eingestrichnen  g.  Für  höhere  Ton- 
lagen bietet  sich  indess  dem  Violoncellisten  ein  Mittel,  das  der  Geiger 
nicht  hat.  Da  jener  sein  Instrument  schon  zwischen  den  Knien  fest- 
hält, so  kann  er  den  Daumen*)  aufsetzen,  hiermit  also  die  Saite  zu 
einer  höhern  Intonation  verkürzen  und  nun  mit  den  übrigen  Fingern 
in  der  oben  gewiesnen  Art  weiter  greifen.  In  dieser  Weise  erhält  das 
Violoncell  einen  sehr  erweiterten  Umfang  von  — 

für  das  Orchester  bis      ..^  ^    auch  für  Solo  bis     und 


334 


SEE^E^EEE^E^IE?: 


fe 


ztz.:. 


und  kann  sich  innerhalb  dieses  Tonumfangs,  besonders  bis  zum  einge- 
strichnen a,  mit  Leichtigkeit  bewegen.  Doch  ist  rathsam,  nicht  höher 
als  eingestrichen ^j,  g^  a  einsetzen  zu  lassen,  auch  bei  neuen  hohen 
Einsätzen  im  Lauf  einer  Komposition  dem  Sp'eler  durch  eine  kleine 
Pause  zu  Hülfe  zu  kommen. 

In  diatonischen  Figoren,  die  sich  nicht  über  vier  oder  fünf 
Stufen  erstrecken,  z.  B. 

Maestoso. 


ist  das  Instrument  einer  Schnelligkeit  gleich  der  der  Geige  (Nr.  277) 
Täbig;  bei  ausgedehntem  Gängen  kann  man  —  abgesehn  von  besondern 


**)  Das  Zeichen  für  den  Daum^naufsaiz  ist :    f 


278 


Schwierigkeiten  —  eine  Schnelligkeit ,  angefabr  gleich  der  der  Sechs- 
zehntel  im  Allegro  oder  AUegro  con  bri&  fodern.  Tonwiederho* 
lang,  Triller,  Tremolo  —  sind  wie  auf  der  Geige  ausführbar, 
chromatische  Gänge  ebenfalls,  jedoch  nicht  ausgedehnt  und  lang* 
samer. 

Von  den  Doppelgriffen  sind  Quinten  und  Sexten  (beson- 
ders grosse),  auch  Septimen,  ferner  Folgen  von  abwechselnden 
Quinten  und  Sexten,  oder  Sexten  und  Septimen  — 


Ix-^l 


336 


^^c:^^^-^A   ;^i 


Z-O- 


^g^ 


— *« 


-o- 


If^E^ 


leicht  und  wohlklingend,  dagegen  Terzen  und  Quarten  oder  Fol- 
gen leider  Intervalle  weniger  günstig;  Oktaven  in  der  Tiefe  nicht 
leicht,  mit  Daumenaufsatz  (also  in  den  höhern  Lagen)  leicht.  Weite 
Griffe,  z.  B.  Dezimen,  sind  nur  dann  erlangbar,  wenn  der  tiefere 
Ton  auf  blosser  Saite  genommen  werden  kann. 

Von  den  drei-  und  mehrfachen  Griffen  sind,  ebenfalls  wie 
bei  der  Geige,  diejenigen  die  leichtesten,  wo  zu  einzelnen  gegriffnen 
Tönen  oder  gut  erlangbaren  Doppelgriffen  eine  oder  zwei  blosse  Saiten, 
z.  B.  wie  hier,  — 


337 


Wz 


^=^ 


"f-r 


m 


4i 


EhEE^ 


^  ^ 


hinzugenommen  werden. 

Ebenfalls  aus  der  weiten  Mensirr  des  Instruments  folgt,  dass  har- 
monische Figurationen  von  grossem  Umfang  und  in  schneller 
Bewegung  weniger  leicht  gelingen,  als  auf  der  Geige. 

Endlich  ist  auch  das  Pizzikato  nicht  so  schnell  —  nicht  leicht 
schneller  als  ungefähr  die  Achtel  im  Allegro  —  ausführbar. 

b.  Das  Plageolettspiel 

ist  auf  dem  Violoncell  ebenso  reich  ausgebildet  ^—  und  im  Solospiel  iü 
unsrer  Zeit  vielleicht  noch  reicher  in  Anwendung  gebracht,  als  auf  der 
Geige.  Wenn  von  der  blossen  Saite  und  durch  Veränderung  ihres 
Grundtons  (S.  269)  durch  festen  Daumenaufsatz  die  Quarte  berührt 
wird,  — 


338 


^ 


^^ 


3^ 


■?T^ 


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© — O- 


■-^=0=:: 


so  erschein!  diese  Tonreihe,  — 


279 


33y 


^^ 


^ 


E£ 


nämlich  die  Doppeloktave ;  wean  —  was  aber  nur  in  dea  böbern  Ton- 
lagen  ausfobrbar  ist»  wo  die  Griffe  enger  liegen  —  anter  festem  Dan- 
menaufsatze  die  Quinte  leicht  berührt  wird,  — 

3         3 


340 


SEEF5E 


£^ 


l^pro~-^- 


o=ez 


9       ?        ?       9       9 
SO  erhält  man  die  Duodezime  der  Grundtöue,  also  diese  Tonreihe, 


341    «TZ 


i=iJJ=Ä 


and  so  lässt  sich  das  Flageolett  noch  höher  ausdehnen.  Die  eibracbste 
Anwendung  des  Flageoletts  beruht  auf  der  Berührung  der  Schwin- 
gungsknoten, in  denen  die  Aliquotlheile  der  Saite  sich  abgränzen.  Man 
erhält  damit  auf  den  vier  Saiten  folgendes  Flageolett,  — 

0 


und  zwar  auf  der  A-A«ite. 
6 


342 


i.&-t  — 


^ti^Bj^p^^^i 


^^^m^^m 


auf  der  D-Saile.  ,.       _-.     *^^ 


m 


igir^; 


^m^^m 


i^m 


W^ 


ä 


i^^S 


and  selbst  noch  die  nächste  höhere  grosse  Terz ,  also  auf  der  ^-Saite 
viergestrichen  eis.  Diese  Töne*)  folgen  einander  im  reinsten,  zarten 
Wohlklang  bis  zur  dritten  Oktave  des  Grundtons,  der  blossen  Saiten; 
sie  haben  im  Klang  eine  Aehnlichkeit  von  den  höchsten  Geigentönen, 
aber  mehr  Fülle  und  doch  ein  etwas  verschleiertes  Wesen. 


*)  Der  siebfDte  Toa  in  jeder  Reibe  ^  a.  B.  auf  der  ^-Saite  das  iweigestricboe 
cfif,  Ut  niebt  Flageolett,  aber  ebenso  leicbt  iBitzuaehmeo«> 


280    

Fünfter  Abschnitt 
Technik  des  Kontrabasses. 


Der  Kontrabass  ist  das  grösste  und  tiefste  der  Streichinstrumente. 
Seine  vier  Saiten*)  werden  (in  der  Regel)  in  — 


343 


m 


m 


gestimmt  und  seine  Noten  im  Bassscblüssel  auFgezeichnet.    Allein  das 
Instrument  hat  Sechszehnfusston ,  seine  Saiten  stehen  also  dem 
wirklichen  Tone  nach  in  Kontra-JS*,  ^,  gross  D  und  G. 
Der  Umfang  dieses  Instruments  geht  von  — 


bia  ^.  ofler  : 


ja  noch  weiter  bis  if      I^    oder  gar    "X 

=2 znziiiiziziurrzitiz  ^X- 


1 


344 


das  beisst  also  (was  wir  hier  ein-  für  allemal  bemerken)  den  Noten 
nach  von  gross  E  bis  eingestrichen  rf,  ^»y»  §">  ^>  —  der  wirkli- 
chen Tonhöhe  nach  von  Rontra-j&  bis  klein  dy  e^fy  g^  a. 

Allein  vom  einges(richnen/an  ist  die  Saite  schon  zu  kurz  gegrif; 
fen  und  der  ohnehin  nicht  helle  Klang  der  starken  Saiten  wird  gar  zu 
gedrückt  und  stumpf.  Es  ist  also  ralhsam,  das  Instrument  nicht  höher 
als  zum  eingestricbnen  d  oder  höchstens  e  (den  Noten  nach)  zu  führen.. 

Die  ältere  Behandlung  dieses  Instruments  beruhte  auf  folgendem 
Fingersatze,  — 


0     2    4 


424       02424       024 


345 


^E 


während  man  jetzt  wohl  allgemein  diese  Applikatur  — 

01234   01234   01234   012 


346 


3E 


---»* 


0^^^^^^m 


anwendet  und  ungleich  grossem  Schwierigkeiten  gewachsen  ist,  als 
früher. 

Diatonische  Figuren  innerhalb  weniger  Stufen,  z.  B. 


^^^ 


*)  Eioe  kleinere  Arl  bat  iiar  drei  Saiteu,  die  dann  meist  in  G—d—a  ode^ 
anch  j4 — d—a  gestimmt  sind.  Früher  gab  man  iboeo  auch  bisweileo  einen  Bezog 
von  f  üia  f  in  E—A—d—ßt^  a  oder  F-  A—d—JU—a  gestimmten  Saiten. 


281 


ferner  dergleichen  Folgen  innerhalb  einer  Oktave  in  den  Tonarten 
C-,  D-,  Es'y  E'<,  Fdur,  und  nichl  höher  als  bis  zum  eingestrichnen  d 
oder  0,  z.  B. 

34$ 


^^^^^^m^ 


-•--?»- 


sind  leicht  und  sehr  schnell  ausführbar;  in  andern  Tonarten  oder  höher 
hinaufreichend  sind  sie  schwerer.  Ist  die  Bewegung  indess  nicht  zu 
schnell,  —  nicht  schneller  als  etwa  Achlel  im  AUegro  fissai\  —  und 
die  Figur  nicht  gar  zu  umfangreich  :  so  kann  man  des  Gelingens  schon 
gewiss  sein.  Zu  schnelle  Bewegung  ist  ohnehin  nur  bei  ganz  kurzen 
Figuren  (wie  in  Nr.  347)  rathsam,  da  sie  selbst  bei  dem  fertigsten  und 
sichersten  Spiel  wegen  der  Tiefe  des  Instruments  (besonders  in  seinen 
untersten  Lagen)  Uudeutlichkeit  zur  Folge  hat. 

Ebenso  kann  eine  Tonwi eder hol ung  in  schneller,  aber  be- 
stimmter Bewegung  auf  kurze  Strecke,  z.  B.  hier,  — 


mit  springendem  Bogen   ausgeführt  werden;   schwerer  auf  längerer 
Strecke,  wie  hier  bei  a.,  — 

a.  b. 


wogegen  das  eigentliche  Tremolo  (bei  b.)  in  jeder  Ausdehnung  leicht 
ausfuhrbar  ist. 

Auch  chromatische  Gänge  sind  eine  Quinte  weit  und  in  nicht 
zu  schneller  Bewegung  (etwa  Sechszehntel  im  Atlegro  moderato  oder 
Allegretto)  wohl  ausführbar. 

Von  springenden  Intervallen  sind  Terzen,  Quarten,  Quin- 
ten, Sexten,  Septimen,  auch  Oktaven,  sowohl  einzeln  als  in  Gängen, 
z.B. 


Allegro  moderato. 


351 


Allegro  moderalo. 


.:?-.<     tr 


^^^ip^^^il^ 


(wobei  die  mit  *  bezeichneten  Töne  natürlich  auf  der  ^-Saite  genom- 
men werden)  von  nicht  zu  rascher  Bewegung  wohl  ausführbar,  dage- 
gen Arpeggien  von  weiter  Ausdelmung  schwerer.  In  langsamer  Bewe- 
gung und  durch  den  Zwischentritt  blosser  Saiten,  z.  B. 


Maestoso  oder  auch  Allegro  vivace. 


^ 


^ 


11 


^ 


:^0: 


'-W:^ 


352 


^ 


werden  auch  sie  ausführbar. 


282     - 


Dagegen  ist  eine  bei  ällern  Meistern ,  z.  B.  J.  Haydn,  ofl  er- 
scheinende Figur,  die  schnelle  und  oft  wiederholte  Wiederholung  von 
Oktaven  (wie  hier  bei  a.),  — 

Allegro.  , 


-P^ 


wofern  nicht  eine  leere  Saite  dabei  benutzt  werden  kann  (wie  bei  b.)» 
nicht  leicht  ausführbar. 

Auch  harmonische  Figuren  innerhalb  einer  Oktave  und  in 
den  Tonarten  C-,  />-,  £*-,  JF-,  Fdur ,  z.  B. 


wofern  sie  nicht  Saiten  zu  überspringen  haben,  z.  B. 

(Beethoven.)  Ph^mmmii 


a55 


sind  gut  und  ziemlich  schnell  ausführbar. 

Dop  pclgriffe  sind  auf  dem  Kontrabass  allerdings  möglich,  — 
besonders  mit  Benutzung  leerer  Saiten,  z.  B. 


356  ^EiE|Eä5Ef^Eg;|Eg.^E^{^^ 


allein  äusserst  selten  wird  man  ihre  Anwendung  —  in  solcher  Tiefe 
und  auf  einem  ohnehin  schon  dumpfen  Instrumenle,  das  vermöge  der 
Dicke  und  Länge  seiner  Saiten  selbst  einzelne  Töne  nicht  so  vollkom- 
men klar  und  deutlich  hervorbringen  kann ,  wie  andre  Instrumenle  — 
rathsam  finden.  Dem  Verf.  ist  aus  den  Werken  der  Meisler  kein  Fall 
erinnerlich*),  dass  der  Kontrabass  zu  Doppelgriffen  gebraucht  wor- 
den wäre. 

Ebensowenig  bedient  man  sich  für  dieses  Inslrument  der  Däm- 
pfung; die  Aufsetzung  von  Sordinen  würde,  so  weit  sie  bei  dem  ma- 
teriellen Umfang  des  Instruments  und  der  Stärke  seiner  Saiten  über- 
haupt zu  wirken  vermöchte,  nur  die  unerwünschte  Folge  haben,  den 
dumpfen  Klang  noch  dumpfer  zu  machen. 

Das  Pizzikato  dagegen  ist  im  Forte  und  Piano  sehr  wohl  an- 
wendbar. Nur  ist  es  rathsam^  es  nicht  zu  hoch  zu  führen  (nicht  gern 
über  das  kleine  h  oder  eingestrichne  c  hinauf) ,  weil  bei  den  hohem 
Griffen  die  Saiten  zu  kurz  werden,  als  dass  sie  ein  einigermassen 
klangvolles  Pizzikato  zuliessea, 

*)  Nar  aas  eioem  frühem  Werke  von  HeelorBerlioz  {Seines  de  Faust ^ 
Partitar  bei  Schlesiof^er  in  Paris),  das  ihm  leider  nicht  (gleich  zur  Hand  ist,  erin- 
nert er  sich  der  Anwendung^  von  Doppelgriffen  der  Kontrabässe. 


283 


Zweite  Abtheflug« 

Zusanuneustellimg  des  Streicherchors. 

Erster  Abschnitt. 
RegelmAssige  Organiaatioo. 

Es  ist  schon  S.  248  bemerkt  worden,  dass  der  Chor  der  Streich- 
iDslromente  als  Kern  des  Orchesters  und  unter  den  zwei  oder  drei  Or- 
chestermassen (Bläser  und  Saiten-,  oder  Blech-  und  Rohrinslrumente 
and  Streichinstrumente)  als  die  vielseitigst  verwendbare  angesebu  wer- 
den muss.  Daher  ist  es  nöthig,  mit  verdoppelter  Umsicht  an  seinen  Ge- 
brauch heranzutreten,  wie  wir  auch  schon  bei  dem  Einblick  in  die 
Technik  der  einzelnen  ihm  angehörigen  Instrumente  getban  haben.  In 
Bezug  auf  diese  Technik  war  auch  so  Vieles  mitzutbeilen,  dass  es  rath- 
sam  schien,  alles  Weitere  davon  abzusondern.  Es  wird  im  Folgenden 
seine  Stelle  finden. 

In  der  Regel  wird  der  Chor  der  Streicher  in  vier  Stimmen  zu- 
sammengestellt, so  dass  auch  hier  die  Normalstimmzahl  (Tb.  I.  S.  93) 
sich  geltend  macht.  Die  vier  Stimmen  sind  bekanntlich 

erste  Violin, 

zweite  Violin, 

Bratsche, 

Violoncell  und  Kontrabass ; 
jede  der  Stimmen  wird  im  Orchester  mehrfach*)  besetzt.  Violoncell  und 
Kontrabass  sind  zu  einer  Stimme  verbunden  und   werden  als  solche 


*)  Die  geringste  orchestrale  Besetzaog  würde  etwa  ans  3  oder  4  ersten ,  eben- 
so viel  zweiten  Geigen^  2  oder  3  Bratschen,  1  Kontrabass  nnd  2  Violoncellen  be- 
stebn,  fnr  Mitwirkung  des  Blechs  aber  fast  zu  schwach  sein;  6  erste,  ebenso  viel 
zweite  Geigen  ,  4  Bratschen  ,  2  Kontrabässe  und  4  Violoncello  wurden  für  8  oder 
9  Rohrinstrnmeote^  2  HÖrner,  2  Trompeten  ond  Pauken  wohl  ausreichen;  bei  12 
ersten  und  ebenso  viel  zweiten  Geigen,  8--12  Bratschen,  4—6  Kontrabässen  und 
8 — 12  Violoncellen  müssten  die  Robrinstrumeote  und  Hörner,  auch  wohl  die  Trom- 
peten verdoppelt  werden.  Es  kann  hier  nur  annäherungsweise  gesprochen  werden» 
weil  anr  die Tiicbligkeit  der  Spieler,  auf  das  Lokal  und  manches  Andre  viel  an- 
kommt. Doch  genügt  dies,  um  dem  Komponisten  eine  Vorstellung  von  der  Wirkung 
zu  geben. 


284 


betrachtet,  obgleich  der  letztere  die  gemeinschaftlicheo  Noteo  sechs- 
zehorCissig,  eine  Oktave  tiefer  als  das  Violoncell,  zu  hören  giebt.  In 
der  Regel  werden  daher  auch  diese  vier  Stimmen  auf  vierzeiliger  Par- 
titur notirt.  In  der  Zählung  und  Notirung  der  Stimmen  macht  es  kei- 
nen Unterschied ,  wenn  auch  eine  und  die  andre  Stimme  in  Doppelgrif- 
fen oder  selbst  in  eigentlich  zweistimmigem  Satze  geführt,  mithin  aus 
dem  vierstimmigen  ein  mehrstimmiger  Satz,  wie  z.  B.  hier  — 


557    a. 

Violino  I 


Viola.  


Violoncello  e  Contrahasso. 


^^gg 


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'^m 


-cn 


^i 


bei  b.,  wo  der  einfache  vierstimmige  Satz  a.  —  abgesehn  von  der  Ver- 
dopplung der  Violonceiinolen  durch  den  Kontrabass  in  der  tiefem 
Oktave  —  mit  zwölf  und  dreizehn  Noten  vollgriffig  dargestellt 
wird.  Bei  c.  ist  offenbar  fonfstimmiger  Satz  vorhanden ,  da  die  Brat- 
sche zwei  Stimmen  enthält:  allein  auch  dies  hindert,  als  vorüber- 
gehende Abweichung,  nicht,  den  Satz  im  Ganzen  für  vierstimmig  zu 
achten. 

Abgesehn  von  den  vorübergehenden  Mehrstimmigkeiten ,  die  auf 
Doppelgriffen  oder  kurzen  zweistimmigen  Sätzen  in  einer  oder  meh- 
rern Stimmen  (Nr.  357)  ihren  Grund  haben,  ist  es  besondei's  die 
Bassstimme ,  die  den  Anschein  geben  kann,  als  sei  ein  mehr  als  vier- 
stimmiger Satz  vorhanden.  Zunächst  steht  bekanntlich  (S.  280)  der 
Kontrabass  im  Sechszehnfusston  und  giebt  die  Noten  des  Violoncells  in 
der  tiefem  Oktave.  Allein  wir  wissen  längst  (Th.  I.  S.  55),  dass 
Oktavenverdopplung  für  blosse  Verstärkung,  nicht  für  zwei  besondre 
Stimmen  gilt.  Sodann  kann  der  Kontrabass  vermöge  seiner  beschränk- 
tem Beweglichkeit  bisweilen  an  Gängen,  die  dem  Violoncell  gegeben 
werden,  nur  unvollkommen  Theil  nehmen;  man  lässt  ihn  nur  die 
wesentlich  nöthigcn  Töne  des  Ganges  verstärken.  So  sehen  wir 
hier  — 


285 


Aliegro  con  spirito. 
358    Erste  Violine. 


"fr     b.  Aliegro  assai. 


Zweite  Violine, 


p^^^^ 


^^i 


Bratsche. 


^^^fe 


Violoncell  und  Kontrabass« 


zwei  einander  ähnliche  Gänge  für  die  Bassstimme ,  die  für  das  Violon  < 
cell  ausführbar  sind,  vom  Kontrabass  aber  nur  undeutlicher  und  schwer- 
fallig gegeben  werden  könnten.  Er  nimmt  also  bei  a.  von  je  vier  Noten 
des  Violoncells  nur  zwei  und  bei  der  schnellsten  Bewegung  (b.)  nur 
eine,  und  verstärkt  so  den  Bass  weit  klarer  und  wirkungsvoller,  als 
wenn  er  alle  für  ihn  zu  schnellen  und  theilweis  zu  hohen  Noten  mit- 
spielen wollte.  lodess  auch  in  solchen  Fällen  werden  beide  Instrumente 
als  eine  einzige  Stimme  gezählt;  es  ist  nur  eine  figurirte  Oktavverdopp- 
lung (Th.  I.  S.  b7)  vorhanden. 

Umgekehrt  wird,  wie  sich  von  selbst  versteht,  der  Begriff  und 
Rarakter  der  Vierstimmigkeit  im  Ganzen  nicht  aufgehoben,  wenn  eine 
Zeitlang  eine  Stimme  pausirt  oder  zwei  Stimmen,  z.  B.  die  beiden  Gei- 
gen, oder  mehr  mit  einander  im  Einklang  oder  in  Oktaven  gehn,  wie 
oben  bei  a. 

Die  Fälle ,  in  denen  man  von  Haus  aus  und  für  ganze  Kompositio- 
nen auf  die  Vollständigkeit  des  Quartetts  verzichtet,  sind  äusserst  sel- 
ten und  möchten  noch  seltner  eine  innere  Nothwendigkeit  für  sich 
haben*).     Schon  an  sich  bietet  die  Vierslimmigkeit,  wie  wir  längst 


.  *)  lo  oeaerer  Zeit  wiissteo  wir  oiebt  eioraal  eio  Beispiel  daza.  Aas  älterer 
Zeit  and  aas  eigoem  Einblick  in  dieParlitar  keooen  wir  ebeofalls  DÖr  zwei  Werke, 
—  eio  Miserere  von  Giuseppe  Sarti,  das  keioe  Geigen,  sondern  nar  drei  Brat- 
schen hat,  —  and  eine  französische  Oper  (irren  wir  nicht,  so  ist  es:  Ottian  ou  les 
Bordes  von  L  e  s  a  e  u  r,  oder  vielleicht  die  auch  von  B  e  r  li  o  z  angeführte  Oper  Uthal 
von  Mebal),  in  der  ebeofalls  durchweg  keine  Geigen  aogeweodet  siod  Sarti  hat 
damit  deo  Ausdruck  der  Trauer,  der  fraozösische'Konipooist  deo  elegischeo  Grund- 
zag im  Karakter  Ossians  oder  der  gaelischen  Heldenstige  treffen  wollen.  Man  sieht, 
wie  einseitig  and  oberflächlich  diese  Auschauong  uod  wie  verbaogoissvoll  das  ihr 
gebrachte  Opfer  des  allgemeio  wicbligsieo  Oichesterorgaos  war.  Beide  Werke  siod 
trocken  uod  voo  geriogem  Gehalt;  es  fehlt  ihoeo  —  von  Schritt  zu  Schritt  empfind- 
licher —  Liebt  und  Kraft. 


286 


(Th.  I.  S.  93)  wissen,  entschiedne  Vortheiie;  sie  werden  noch  ver- 
mehrt  durch  die  Eigenthümüchkeit,  die  das  Streichquartett  in  seinen 
einzelnen  Organen  und  seiner  Gesammtwirkung  dem  Komponisten 
bietet. 


Zweifer  Abschnitt. 
Verwendung  der  Stimmen. 

Erwägen  wir  nun  die  Verwendung  der  einzelnen  Stimmen  des 
Quartetts,  so  ist  es  vor  allem  derBass,  der  nnsre  Aufmerksamkeit 
fodert. 

A.  Der  Bass. 

Er  ist  wie  bekannt  von  zwei  Instrumenten,  dem  Violoncell  and 
Kontrabass,  besetzt  und  erhält  so  die  Kraft,  den  andern  Stimmen 
feste  Grundlage  und  erfoderlichen  Falls  energischen  Gegensatz  m 
gewähren.  Der  Gang  beider  Instrumente  in  Oktaven  giebt  ihm 
Fülle,  der  Kontrabass  verleiht  Tiefe  und  Macht,  das  Violoncell 
schärfere  Bestimmtheit  und  nähern  Zusammenhang  mit  den  höhern 
Stimmen. 

Wird  in  einzelnen  Momenten  eine  sanftere,  zarte,  höhere  Bassfah- 
rung  gefodert,  so  lässt  man  in  ihnen  den  Kontrabass  schweigen  und 
wendet  allein  die  Violoncelle  an.  So  in  diesem  Satze,  — 


359     Adagio . 
Vno.I.  • 


fno.  I.  i 


mm^^^^^m 


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Vno.  II. 


;>dolce 


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Vc.  «  Cb. 


t=t:=E-f-it-|::3:  l  Jv 


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Vc. 


m. 


Cb. 


den  man  sich  etwa  als  Einleitung  zu  einer  grössern  Komposition  zu 
denken  hat.  Es  wird  stark,  also  mit  vereintem  Violoncell  und  Kontra- 


287 


bass  eingesetzt ;  an  dem  Pianosalz  im  dritten  und  vierten  Takte  —  der 
ohnehin  im  Ganzen  und  namentlich  in  der  Unterstimme  für  den  Kon- 
trabass  za  hoch  liegt  —  nehmen  blos  die  Violoncelle  Theil ;  bei  dem 
Porte  treten  die  Kontrabässe  wieder  zu.  Dass  die  Violoncelle  üllein 
spielen  sollen,  wird  mit 

Fe.  oder  f^io/oncelii  oder  f^ioloncelli  soli^ 

auch  mit 

senza  Contrabasso^ 

dass  der  Kontrabass  wieder  zutreten  soll,  wird  mit 

Cb.  oder  c.  CBasso  oder  c.  0«,  auch  Bassi 
angedeutet. 

Es  scheint  jedoch  nicht  rathsam ,  von  dieser  Zurückstellung  des 
Kontrabasses  blos  um  des  Piano  willen  und  häufiger  Gebrauch  zu 
machen,  denn  Piano  und  Pianissimo  sind  auch  vom  Kontrabasse  zu  er- 
langen. Mit  dem  Rücktritte  desselben  geht  aber  die  Tiefe,  Fülle  und 
Würde  des  Streichquartetts  zum  guten  Theil  verloren,  und  es  tritt  der 
schärfer  eindringende ,  heissere  Karakter  des  Violoncells  mehr  in  den 
Vordergrund ;  dies  ist  selbst  dann  der  Fall ,  wenn  das  Violoncell,  wie 
hier,  — 

3€0      AUegro. 
Violino  I. 


Violino  n 


crescendo 


•IPf  crescendo.  l/Zf        VP 


•SPP 
Viola 


p^^^^^ 


^fPP  '  '        "        crescendo. 

Violoncello  e  Contrahasso. 

Mi 


af-aK-»i>-ai»f -j  _<^~V-| 


*7pp^ 

Vc. 


^•S"!?™ 


I 


crescendo. 


^lE^^ 


5-fE 


i^ 


^m 


//Cb.       Vc 


tief  liegt.  Daher  muss  man  in  jedem  einzelnen  Falle  erwägen,  ob  die 
Auslassung  des  Kontrabasses  und  das  Alieinwirken  des  Violoncells 
dem  Sinn  des  Satzes  gemäss  ist.  In  Nr.  3ö9  gab  nicht  blos  das  ge- 
federte Piano,  sondern  auch  die  Höhe  der  Unterslimme  Anlass,  den 
Kontrabass  schweigen  zu  lassen.  Hier,  wie  in  Nr.  360,  schien  auch 
der  Sinn  das  Alleinwirken  des  Violoncells  zu  fodern;  in  beiden 
Fällen  tritt  der  Kontrabass  nicht  blos  als  Verstärkung,  sondern  da 
ein,  wo  sein  rauherer,  dumpferer  Klang  und  sein  Sechszehn fuss- 
toQ   dem   Sinne  gemäss  scheint.     Dass  selbst  in  Nicht- Pianosätzen 


288 


die  Auslassung  des  Koolrabasses  sinngemäss  and  wirksam  sein 
kann 9  mag  eine  Stelle  ans  Spohr's  Oratorium:  ,,der  Fall  Baby- 
lon's^^  anschaulich  machen*).     In  einem  stark  instrumentirten  Rrie- 

gerchor  — 

Hoch  empor,  da  Siegesfaboe, 

Perserbaooer  ia  die  Lnft, 

Porebt'  ea,  tapfre  Stadi,  aod  zitlre ! 

soll  der  Preis  des  Feldherrn  wärmer  und  edler ,  aber  dabei  stark  ver- 
kündigt werden.  Spohr  setzt  zum  Kriegerchor  diese  Begleitung;  — 

361    Marziale. 

Yiolino  I. 


Viola. 


^m^^^^^ 


Cy-ru8  sei-nen  Arm  er-he-hend,    Cy-rus  sei-ncn  Armer -he-bend, 


Bassi. 


a^^=i 


r^- 


f^ 


Violoncello. 


i&^^m 


TEI 


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^ 


der  schärfere  und  hellere  Klang  der  Violoncelle  giebt  der  Instrument!- 
rung  metallischere. Farbe  und  zugleich  leichlern  und  edlem  Schwung. 
Die  Kontrabässe  (zugleich  mit  Klarinelten  und  Fagotten)  treten  erst 
zuletzt  hinzu ;  wollte  man  sie  mitgehn  lassen,  so  würden  sie  das  Ganze 
zwar  stärker,  aber  auch  schwerfällig  und  ungestünl  gemacht  und  jenen 
metallisch  scharfen  Klang  unterdrückt  haben. 

Dass  die  Kontrabässe  bisweilen  nur  unvollständig  an  der  Partie 
der  Violoncelle  Theil  nehmen,  ist  an  Nr.  358  anschaulich  gemacht 
worden. 

Seltner  ist  es  rathsam,  die  Kontrabässe  ohne  Violoncelle  gehn  zu 
lassen ;  für  sich  allein  haben  sie  nicht  die  im  Allgemeinen  wünschens 
werlhe  Klarheit  und  Deutlichkeit  des  Tons.  Nur  dann,  wenn  die  Violon- 
celle zu  einer  eignen  Melodie  oder  Figur  gebraucht  werden,  wie  hier,  — 

*)  Partitur  bei  BreitlLopf  und  Härtet,  S.  97. 


289 


362    AUegro  con  brio 
Vnol  ^^ 


TiolonceUo.     =3^±  Ilf- 


J^ ^trf- 


Contraba88o 


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te^^ 


3^ 


^ 


ist  die  Führung  des  Kontrabasses  fiir  sieb  allein  ohne  Weiteres  gerecht- 
fertigt. Aber  selbst  dann  findet  man  es  oft  ralbsam,  die  Violoncelle  zu 
tbeilen  und  einen  Theil  zur  Unterstützung  des  Kontrabasses  zu  verwen- 
den. Aus  den  zahlreichen  Beispielen  hierzu  greifen  wir  eins  aus  dem 
oben  genannten  Oratorium  von  Spohr  heraus,  die  Arie  des  Gyrus, 
die  so  — 

363        Larghetto. 
Violiuo  I._ 


Mars,  KoBp.L.IV.  8.Aiiir. 


290 


m 


D^ÜÜ^ 


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?EEr£?g^g^Eg^db!d-£Jk^l3^^^2Eg 


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mich,  dein  schweres  Wort,  dein  Ge-bot  -will  ich  er  -  fiil 


3B; 


^^m 


m 


dim. 


anfäDgl*).  Hier  sind  die  Violoncelle  dreifach  getheilt;  das  erste  hat 
seinen  vom  Bass  ganz  abweichenden  Gang,  das  dritte  geht  durchaus, 
das  zweite  grösstentheils  mit  dem  Kontrabasse.  Der  weitere  Bau  des 
Satzes  kommt  später  in  Betracht.  —  In  den  Fällen  übrigens ,  wo  das 
Violoncell  seinen  mehr  oder  weniger  vom  Kontrabass  abweichenden 
Weg  gebt,  hat  der  Komponist  zu  erwägen:  ob  der  Bass  einer  andern 
Unterstützung  bedarf. 

So  viel  über  die  Trennung  der  beiden  Bassinstrumeute.  Allein 
auch  ihre  Verbindung  geschieht  in  mannigfacher  Weise.  Die  regel- 
mässige ist  die  oben  zu  Grunde  gelegte ,  beide  Instrumente  dieselben 
Noten  spielen  zu  lassen ,  so  dass  der  Kontrabass  sie  eine  Oktave  tiefer 
zu  hören  giebt. 

Kommt  es  aber  darauf  an,  dem  Bass  eine  strenge,  harte  Energie  zu 
verleihen ,  so  kann  dem  Violoncell  die  tiefere  Oktave  (in  Noten)  gege- 
ben werden,  wie  hier,  — 


*)  S.  67  der  Partitur.  Das  B — es  io  den  ersten  Takten  der  Bassstimme  wird 
von  JE«-HIJrnern  in  Oktaven  unterstützt. 


291 


^fe^t4=fe 


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Violino  H.    ^^^  #• 


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7 

Viola 


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Violoncello. 


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riiizipr^pz 


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Contrahasso. 


igg^fegEpg^ElE 


itlTifSI 


SO  dass  es  nun  in  wirklieben  Einklang  mit  dem  Kontrabass  tritt.  Hier 
bildet  das  Violoncell  nicht  mehr  eine  Verbindung  zwischen  dem  Sechs- 
zehnfusston  des  Kontrabasses  und  den  Oberstimmen ,  sondern  der  Bass 
bleibt  abgerückt  von  diesen  für  sich  stehn.  Sodann  aber  vereinen  sich 
die  rauhern  und  materiell  stärkern  tiefen  Töne  des  Violoncells  mit 
denen  des  Kontrabasses  und  geben  der  Stimme  einen  ganz  andern, 
härtern  Klang*). 

Dasselbe  Mittel  finden  wir  in  dem  Spohr'schen  Oratorium**) 
selbst  im  Pianissimo  angewendet ,  um  dem  Basse ,  von  dem  die  Hälfte 
der  Violoncellbesetzung  für  eine  eigne  Stimme  abgezweigt  ist,  — 

365    Marzia.  _ 

Viio.  I 
I.  f    ' 
II. 


1^5^^. 


PP 
Vc 


^ 


9s=Ä 


H'i'': 


^ 


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II, 


PPl 

Cb. 


rr  T  T—rrTT—^ 


PP 


festem  Klang,  gleichsam  Ersatz  für  die  entzognen  Violoncelle  zu  geben. 
—  Es  ist  der  Anklang  eines  Marsches ,  der  den  Sturm  des  Perserheers 
gegen  Babylon  andeuten  soll. 

*)  Man  mag^  sich  die  Oberstimmen  im  obern  Beispiel  durch  Harmoniemasik  ver- 
stärkt und  aasgefdllt  denken,  um  den  Bass  noihwendig  zu  finden. 
♦*)  S.  %0%  der  Partitur. 

19* 


292 


Nar  äusserst  selten  mag  Anlass  zu  dem  Entgegengesetzten  seio, 
den  Kontrabass  eine  Oktave  (den  Noten  nach)  unter  das  Violoncell 
zu  stellen,  so  dass  er  zwei  Oktaven  darunter  ertönt.  Doch  finden 
Vfiv  eine  karakteristiscbe  Stelle  in  Spontini's  Vestalia,  in  der  In- 
troduktion des  dritten  Akts*),  die  auf  die,  schwerer  Bedrängniss 
vollen  Momente  vorzubereiten  hat.  Der  Komponist  führt,  wie  man 
hier  — 


366 
Yioloa  I. 


vioiott  n. 


2  Haotbois. 


Altos. 


Yioloncelles. 


Contre-Basses. 


Andante  sostenuto« 


(Fagotte  eiue  Oktave  tiefer  mit  den  Oboen.) 


EE^fei!^^!^ 


■^ 


1^^ 


^^^^^^f^ 


i 


a  due. 


^ 


&: 


*)  S.  342  der  Partitur. 


293    

sieht ,  seine  Sireichinstrumente  nach  einander  ein ,  das  Violoncell  zu- 
erst, ein  jedes  heftig  zufahrend  und  scharf  accentuirt  (beides,  wie 
Spontini's  impetuoser  Karakter  es  liebt  und  der  Moment  zu  fodem 
schien),  doch  stets  wieder  in  das  Piano  —  wie  erschrocken  —  zurück- 
tretend. Zuletzt  tritt  der  Kontrabass  auf  in  der  ihm  eignen  Tonlage« 
Aliein  das  Violoncell  begleitet  ihn  eine  Oktave  (das  heisst  also  zwei 
Oktaven)  höher,  so  dass  wir  in  der  That  zwei  geschiedne  Instrumente 
vernehmen,  jedes  in  karakteristischer  Lage ,  das  Violoncell  eindring- 
lich und  scharf,  den  Kontrabass  in  seiner  dunkeln  Tiefe.  —  Es  ist 
gleichgültig,  ob  eine  solche  Stellung  wiederholte  Anwendung  findet; 
sie  dient,  den  Karakter  der  Instrumente  vielseitiger  zu  erkennen.   , 

Nächst  dem  Bass  ist  es 

B.  die  Oberstimme, 

die  wir  zu  betrachten  haben.  Sie  hat  in  der  Regel  die  Hauptmelodie 
und  ist  von  der  ersten  Geige  besetzt ,  welche  dazu  alle  Tonlagen  und 
Kräfte  zu  benutzen  vermag ,  die  wir  an  der  Violine  schon  im  Allge- 
meinen kennen  gelernt.  Soll  die  Melodie  der  Oberstimme  hervortre- 
ten, so  müssen  dazu  die  höhern  Tönlagen  der  Geige  benutzt  und 
TOD  den  begleitenden  Stimmen  abgesondert  werden.  Es  bedarf 
hierzu  weder  eines  Beweises,  noch  eines  neuen  Beispiels;  Nr.  362 
genügt.  Hier  muss  die  erste  Violine  mit  jedem  Schritte ,  den  sie 
von  den  andern  Stimmen  hinwegthut,  abgesonderter  und  nach  dem 
Karakter  der  Höhe  (Th.  I.  S.  22)  durchdringender  hervortreten.  Das- 
selbe ist  in  Nr. 359  zu  beobachten ;  der  zweite  Abschnitt  {b  aag gf) 
mass  in  der  ersten  Geige  entschiedner  wirken,  als  der  erste;  auch 
im  Piano  werden  ihre  hochgelegnen  und  von  der  Begleitung  abge- 
sonderten Töne  vorherrschen.  Dass  man  übrigens  nicht  zu  hoch 
steigen  darf,  weil  die  höchsten  Töne  keine  genügende  Fülle  haben, 
ist  bekannt.  Dass  es  ferner  nicht  immer  darauf  ankommt  und  im 
Sinn  vieler  Sätze  gar  nicht  angeht,  die  Oberstimme  hoch  und  ab- 
gelegen zu  führen,  versteht  sich  von  selbst;  Nr.  361  und  363 
können  als  Beispiele  dienen.  Nur  ist  gewiss ,  dass  Kompositionen, 
in  denen  die  erste  Geige  beharrlich  oder  gar  ausschliesslich  in  den 
mittlem  Lagen  und  in  enger  Stellung  zu  den  andern  Streichinstru- 
menten gebalten  wird,  leicht  den  Glanz  und  selbst  die  Entschieden- 
heit entbehren,  die  der  Inhalt  des  Werks  zugelassen  oder  gefedert 
hätte.  % 

In  der  Führung  der  Oberstimme  wird  die  erste  Violine  auf  man- 
nigfaltige Weise  unterstützt.  Abgesehn  vom  Zutritt  der  Blasinstru- 
mente, von  dem  noch  nicht  die  Rede  sein  kann,  schliesst  sich  gelegent- 
lich jedes  Streichinstrument  (mit  Ausnahme  des  Rontrabasses)  der  er- 
sten Geige  unterstützend  an. 


294 


Zunächst  die  zweite  Geige,  als  das  nächstliegende  nnd  durchaas 
gleichartige  Instrument.  Entweder  geht  sie  in  der  tiefem  Oktave  mit  — 

367      Risoliito,  #-s^- 


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EiiBES!^ 


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Bassi. 


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und  giebl  damit  der  Melodie  Fülle  und  Breite,  macht  auch  dann  die  Füh- 
rung der  ersten  Geige  bis  in  die  äusserste  im  Allgemeinen  (S.  254)  zu- 
lässige Höhe  statthaft,  indem  sie  die  höchsten  Töne  unterslützt  und  mit 
der  Masse  verbindet.  Oder  sie  geht  mit  der  ersten  Geige  im  Einklang, 
verdoppelt  also  die  Zahl  der  Spielenden*)  und  verleiht  dadurch  der 
Oberstimme  gedrungne  Kraft  und  einen  durch  die  Oktavverdopplung 
nicht  erreichbaren  Glanz.  So  bedient  sich  Beethoven  im  ersten  Satze 
seiner  CmoU- Symphonie  zum  Schluss  des  Hauptsatzes**)  der  Oktav- 
verdopplung, — 

368  AUegro  conbrio. 
Bläser  u.  Pauken 


■'^f-^^ 


Violino  II 


^?.r*     t]S: 


rim-tiizifjz 


.    Bassi 


ir^ö^ 


I  I  I 

~l 1 — H 


ig 


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i 


ir^i^ 


«)  —  und  zwar,  nach  der  gewöholicheu  Stelluog,  über  die  ganze  Breite  des 
Orchesters,  was  die  Wirkaog  natürlich  auch  akustisch  erhöht. 
**)  S,  6  der  Partitur. 


295 


theils  um  die  zweite  Geige  nicht  bis  in  das  hohe  es  hinanfeuwerfen, 
iheils  aber  um  mit  breiter  Fülle  schnell  und  entschieden  Ende  zu  machen 
und  sogleich  den  Seilensatz  in  feinerer  Gestaltung  folgen  zulassen.  Den 
Gang  aus  dem  Seitensatz  aber  führen  die  Geigen  fest  und  glänzend  im 
Einklang  aus*),  — 

1^- 1 —  -• '  ■■■»     ' — ■     *-   ■*■ 


369 

Violino 
I.  II. 


Viola. 
Baasi. 


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t- 


obgleich  sie  unmittelbar  zuvor  in  Oktaven  gegangen  waren  und  in  der 
Mitte  wieder  Oktaven  nehmen. 

Statt  der  zweiten  Geige  verdoppelt  die  Bratsche  die  Oberstimme, 
wenn  man  durch  ihren  in  der  Höhe  gepressten  Klang  der  Melodie  eine 
dunklere  Farbe  geben  will.  So  verfährt  Spontini  im  Andante  der 
Ouvertüre  zur  Veslalin  **) ; 

370 
Violino  I. 


Violino  II. 


Bläser . 


Viola. 


(Ob.,  Klar.,  Hörner,  Fag.) 


^^ 


t^s 


Violoncello 
e  Basfto. 

■'/  V 

*)  S.  9  der  Partitur;  die  anfangs  auf  das  erste  Viertel,  später  auf  das  zweite 
schlag^enden  Blaser  sind  weg^gelassen.  Aehnliche  Beispiele  sied  zu  häufig,  als  dass 
es  weiterer  Aoführungen  bedürfte. 
•*)  S.  5  der  Partitur. 


296 


Fl,  mit  V.  I 


die  zweite  Geige  fülit  die  Mitte  aus,  an  ihrer  Statt  verdoppelt  die  Brat- 
sche und  giebt  mit  ihren  eindringlichen  Tönen  der  Melodie  wärmere 
Färbung.  —  Eine  Stelle  aus  Mose*)  darf  angeführt  werden,  weil  in  der- 
selben kurz  nach  einander  der  Einklang  der  ersten  Geige  mit  der  Brat- 
sche und  dann  mit  der  zweiten  Geige  gefedert  wurde.  Es  ist  in  der 
Einleitung  zum  Abendgoltesdienste ,  nach  den  Worten  Aarons : 

Seid  nan  stille  mit  Weinen.  Versammlet  euch  za  einander  .... 


371 
Yiolino  I. 

Violine  II. 

Viola. 

Aaron. 

Bassi. 


Andante  sostenuto,  qnasi  Adagio, 
sul  G. 


'  ^   :  — ccr  'V  -^      — 


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Se^ 


lÄT^ 


mi: 


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&^T\Ttn^^ 


denn  der  Tag  ist    hin. 


m3E 


i3j_jir[f^^^^ 


*)  S.  5»  der  Parlitnr. 


297 


^ 


/  >  j'  Vj^j^^ffr^-tri 


dim. 


^"  ^         '  dim. 


^ 


"Weinet  nicht,  ste-Ket   auf! 


m 


=i&^^^^^^^^Eg^=-f= 


WO  nach  den  Aufregungen  der  vorangebenden  Scenen  Rübe  wird  und 
den  mühseligen  Tag  die  beschwichtigenden  Schatten  des  Abends  erlö- 
sen. Hier  bot  der  Einklang  der  Bratsche  die  willkommne  Farbe ;  der 
Einklang  der  Geigen  deutet  weiter  auf  den  erbobnern  Sinn  des  nachfol- 
genden Gesangs. 

Zart  und  glanzvoll  zugleich  ist  die  Unterstützung,  die  der  Zutritt 
des  Violoncells  zur  ersten  Geige  gewährt.  Es  genügt  dafür  ein  einzi- 
ges Beispiel,  das  wir  einem  Ballet  aus  Spontini's  Vestalin*)  ent- 
lehnen, — 

372        Andante  nn  poco  lento. 


*)  Akt  1,  S.  166  der  Partitur. 


298 


in  dem  sich  die  weiche  Mittellage  der  ersteo  Geigen  mit  den  zarten  und 
dabei  glänzenden  höbern  Tönen  des  Violoncells  in  Oktaven  verbindet. 
Die  Bratsche  wäre  hier  gedrückt  und  dunkel,  der  Einklang  der  Geigen 
zu  fest  und  herrschend ,  die  tiefere  Oktave  der  zweiten  Geige  zu  mate- 
riell gewesen ;  nur  der  Untersatz  des  Violoncells  verlieh  der  Melodie 
mit  erhöhter  Fülle  höhern  Glanz,  ohne  ihr  den  schmeichelnden  Aus« 
druck  zu  schmälern. 

Wenden  wir  nun  unser n  Blick  auf 


C.  das  Zusammenwirken 

des  Streichquartetts ,  so  ergeben  sich  folgende  Hauptgrundsätze  theils 
aus  schon  früher  bekannten  Erfahrungen,  theils  aus  dem  so  eben  Er- 
mittelten. 

Erstens  ist  es  von  höchster  Wichtigkeit,  das  Streichquartett  un- 
getrennt beisammen  zu  halten,  weil  man  nur  dann  über  den  wichtig- 
sten Chor  des  ganzen  Orchesters  in  voUkommner  Kraft  gebietet.  Aller- 
dings giebt  es  von  diesem  Grundsätze  fast  so  viel  Ausnahmen ,  als  An- 
lässe da  sind ,  eine  oder  ein  Paar  Stimmen  allein  oder  eine  nach  der 
andern  eintreten  zu  lassen.  Aber  diese  Ausnahmen  bestärken  nur  die 
Regel.  Wenn  —  um  gleich  den  entschiedensten  Fall  hinzustellen  — 
ein  Fugensatz  allerdings  erst  eine  Stimme  aufführt,  dann  eine  zweite, 
dritte  zutreten  lässt:  so  wissen  wir  doch  (Th.  II.  S.  348)  längst,  dass 
die  Durchführung  nur  mit  dem  Eintritt  der  letzten  und  im  Zusammen- 
wirken aller  zur  Vollendung  und  höchsten  Kraft  gelangt.  So  hebt  der 
Spontini'sche  Satz  Nr.  366  mit  einer  einzigen  Stimme  an,  erreicht 
aber  seinen  Gipfel  doch  erst  im  fünften  Takte.  So  treten  inBeetho* 
ven's  CmoU-Symphonie  nach  den  ersten  Schlägen  die  Streichinstru- 
mente nach  einander  ein,  allein  sie  eilen  gleichsam  zur  Wiedervereini- 
gung. — 


373 
Violino  I. 

Violiiio  n. 

Viola. 

Bassi. 


(Klarine Iten  mit^ 


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gölten) 


299 


Coline  Klarinetten) 


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nachdem  sie  vereint  in  voller  Kraft  aufgetreten  waren;  —  bei  f  ist 
Tutli  des  ganzen  Orchesters.  Diese  Form  wiederholt  sich  mehrmals  in 
demselben  Satze. 

AufTallender  ist  der  Anfang  des  Allegro  in  Beethoven's  dritter 
Leonoren-Ouvertüre.  Hier  tritt  das  Streichquartett  allein  auf,  die  erste 
Geige  vom  Violoucell  in  Oktaven  unterstützt,  — r 


374 
Violino  I. 


Viola. 


Violoncello. 


Contrabasso. 


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331 


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während  die  zweite  Geige  erst  im  neunzeboteii  Takte  (sechs  Takte 
früher  sind  schon  die  Bläser  mit  Ausnahme  der  Trompeten  und  Posau- 
nen eingetreten)  sich  anschliesst  und  die  erste  in  tieferer  Oktave  unter- 
stützt. Allein  hier  ist  der  ganze  Hauptsatz  so  breit  angelegt  und  die 
Melodie  so  weit  und  so  allmählich  hoch  emporgeföhrt,  dass  die  Ver- 
bältnisse sich  durchgängig  erweitern  und  der  Komponist  seine  Kräfte 
sorgsam  zu  Rathe  ballen  musste ,  um  für  die  weit  ausgedehnte  Steige- 
rung (erst  im  neunundzwanzigsten  Takte  wird  der  Gipfel,  das  Fortis- 
simo,  erreicht)  stets  genügende  Mittel  zu  finden. 

Zweitens  ist  schon  aus  den  allgemeinen  Grundsätzen  über  Har- 
monielage (Tb.  I.  S.  146)  zu  entnehmen,  dass  auch  im  Streichquartett 
die  Stimmen  —  und  besonders  die  Mittelstimmen  —  fest  zusammenge- 
halten werden  müssen,  wenn  sie  fest  und  kräftig  wirken  sollen.  Dieser 
Grundsalz  ist  bei  dem  Quartett  doppelt  wichtig,  da  die  Streichinstru- 
mente keinen  so  gesättigten  aushallenden  Klang  haben ,  wie  die  Blä- 
ser, mithin  nur  durch  Zusammenwirken  Fülle  und  Kraft  erlangen  kön- 
nen. Steht  nun  ein  Satz  (wie  z.  B.Nr.  373)  überhaupt  in  enger  Stimm- 
lage, so  ist  damit  schon  das  Rechte  erreicht:  Wird  aber  die  Oberstimme 
hinaufgeführt,  wie  z.  B.  in  diesem  Salze,  — 

375      Allegro  agitato. 
Yiolino  I. 


301     — 

oder  setzt  sie  gleich  hoch  ein,  wie  hier,  — 

376      Allegro  moderato. 


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oder  treten  Ober-  und  Unterstimmen  auseinander ,  wie  in  Nr.  362 :  so 
müssen  die  andern  Stimmen  oder  wenigstens  die  Mittelstimmen  zusam- 
mengehalten werden ,  wenn  nicht  das  Ganze  an  Haltung  und  Energie 
Terlieren  soll.  Und  zwar  muss  um  so  sorgfältiger  für  eine  feste  Mitte 
gesorgt  werden,  je  weiter  und  länger  die  Hauptstimmen  sich  von  ihr 
entfernen. 

Der  Zusammenhalt  wird  übrigens  befördert ,  wenn  es  nach  dem 
Inhalte  des  Satzes  möglich  ist,  den  Mittelstimmen  eine  Bewegung  zu 
geben,  die  durch  Ton  Wiederholung  oder  tonhäufende  Figuration  ersetzt, 
was  den  Streichinstrumenten  an  Klangfülle  (im  Vergleich  zu  Bläsern) 
abgeht.  Wollte  man  daher  in  Nr.  376  Bratsche  und  zweite  Geige  ihre 
Töne  nur  in  ganzen  oder  halben  Tönen  oder  Vierteln  ausfuhren  lassen, 
so  würde  zwar  derselbe  abstrakte  Toninhalt,  nicht  aber  die  rhythmi- 
sche nnd  Scballkraft  erzielt,  die  dem  Ganzen  Halt  gäbe.  Eine  Figura- 
tion der  Mittelstimmen,  z.  B. 


377 
Vno.  I 


■r^€IMA 


kann  unter  Umständen  diese  Haltekraft  noch  vermehren.  Die  Mehrzahl 
der  vorangegangenen  Beispiele  zeigt  bewegte  Mittelstimmen*). 
Endlich  ist  noch  die 

D.  besondre  Bestimmung  der  IDttelstimmen 

zu  erwägen  \  ihre  allgemeine  ist  eben,  die  mittlere  Harmonielage  oder 
die  zweite  und  dritte  Stimme  im  Quartett  zu  sein. 


*)  Hierzu  der  Aobang  M. 


302 


Dass  Erstens  sowohl  die  zweite  Geige,  als  die  Bratsche  (und 
das  Violoncell)  gelegentlich  zur  Verstärkung  der  Oberstimme  dienen, 
ist  schon  S.  293  dargelegt. 

Bedarf  Zweitens  der  Bass  einer  Verstärkung,  so  ist  im  Quartett 
keine  andre  Stimme  dafür  vorhanden,  als  die  Bratsche.  So  sehen  wir 
hier  — 

378      Violiiio  I.^  ^        ^  ^ 


"*Ä"^ 


dieselbe  den  Bass  im  ersten  Abschnitt  im  Einklang ,  im  zweiten  in  der 
Oktave  verstärken.  Die  erste  Form  ist  unstreitig  die  energischere, 
weil  sie  fester  an  den  Bass  schliesst  und  die  markigen  Töne  der  Brat- 
sche zur  Anwendung  bringt.  Die  andre  stellt  über  die  Oktaven  des 
Basses  (Violoncell  und  Kontrabass)  eine  dritte  Oktave,  hat  also  nicht 
die  gedrängte  Kraft  des  Einklangs,  statt  deren  aber  die  weite  Lage 
dreier  Verdopplungen  für  sich ,  —  abgesehn  davon ,  dass  der  Einklang 
nicht  immer  (nämlich  bei  zu  tief  gehenden  Bässen)  anwendbar  ist*).  So 

*)  Oder  hätte  man  ia  Nr.  378  die  Melodie  äodera  und,  sobald  es  ging,  z.  B.  so 
wie  hier  bei  a.,  — 


379    1-^^ 


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in  die  tiefere  Tonlage  einlenken  sollen?  —  Aefanliches  Hesse  sich  oft  anch  mit  der 
verstärkenden  zweiten  Geige  thun,  z.  B.  in  Nr.  368,  wo  dieselbe  wie  in  Nr.  379  b. 
gefdhrt  werden  konnte,  da  es  nicht  rathsam  schien  j  sie  gleich  so  hoch  wie  die  erste 
Geige  einsetzen  za  lassen. 

Allein  dieser  Aasweg  leidet  an  der  Zweideutigkeit  nnd  Schwäche,  die  jeder 
Halbheit  eigen  sind.  Dnrch  das  Umlenken  in  die  andre  Tonregion  wird  der  eigen- 
thiimliche  Gang  der  Melodie  gebrochen;  sie  ist  gewissermassen  eine  andre  gewor- 
den und  doch  im  Wesentlichen  dieselbe  geblieben.  So  verstärken  sich  zwar  die 
Töne  der  Melodie  (and  einige  nachdrücklicher),  nicht  aber  die  Melodie  selber,  die 
unterstützt  werden  sollte  und  statt  dessen  zweigestaltig  geworden  ist. 

Man  hat  daher  in  jedem  eiozelneo  Falle  wohl  zu  überlegen ,  ob  es  wichtiger 
ist,  einen  Theil  der  Töne  im  Einzelnen  oder  den  Gang  der  Melodie  im  Ganzen  zu 
verstärken  ;  im  Allgemeinen  thut  man  gut,  den  letztern  so  selten  und  so  wenig  wie 
möglich  zu  beeinträchtigen. 


303 


giebt  Beethoven  in  seiner  heroischen  Symphonie  dem  berühmten 
Andrang  der  Bässe  gegen  den  Gesaog  der  Bläser  — 

I       '       1  kl    i   kl  I     J 

380     AUegro  coa  brio.   Fl.  J      -t-    J        J      J  ^tli^  ^  r*  Y^  -O-    ^ 


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Violino  I. 


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die  Bratsche  in  höherer  Oktave  mit.  Die  Stimme  sollte  an  Ausdehnung, 
nicht  an  Schalikraft  (denn  es  ist  piano  vorgeschrieben)  gewinnen. 

Eine  eigenlhümliche  Stellung  nimmt  die  Bratsche  gegen  Bass  und 
Violinen  in  Mozart's  ,, Entführung**  ein,  in  dem  Terzett  ,,Fort,  fort, 
fort^^  In  diesem  überaus  leicht  und  geistvoll  geschriebenen  Satze  geht 
sie  mit  dem  Bass  in  der  Oktave,  dringt  aber  dabei  — 


381    Violine  I.  II. 


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Bratsche ._ 


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Yioloiicell  und  Kontrabass. 


304 


in  die  Partie  der  rereinten  ersten  und  zweiten  Violin,  die  offenbar  nichts 
als  Figaration  der  Bass-  und  Bratschenstimme  ist.  So  geht  also ,  dem 
Wesentlichen  nach ,  das  ganze  Quartett  im  Einklang'  und  die  leich- 
ten Striche  der  Bratsche  heben  die  Haupttöne  der  Geigen  nur  noch  klin- 
gender hervor,  während  sie  zugleich  den  Bass  dnrch  ihre  höhere  Lage 
gleichsam  erhellen.  Eine  Verdopplung  des  Basses,  im  Einklang  würde 
ihn  und  das  Ganze  mürrisch  gemacht  haben. 

Die  Verstärkung  des  Basses  durch  die  Bratsche  kann  noch  beson- 
dern Anlass  darin  Gnden,  dass  man  jenem  die  Violoncelle  entzogen,  um 
sie  zu  besondrer  Melodie  zu  yerwenden,  wie  z.  B.  hier,  — 

382      Allegro  moderato. 
Violiao  I. 


Viola,  pizz. 


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Violoncello. 


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con  anima. 


ConlrabaAso.  pizz. 


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oder  ihnen  sonst  eine  andre  Aufgabe  zu  stellen.  So  begleitet  Beetho- 
ven im  ersten  Duett  des  Fidelio*)  das  verlegne  Stammeln  Jaquino's, 
der  bei  Marzelline  kein  Gehör  findet ,  mit  dem  zaghaft  und  murmelnd 
schlagenden  Violoncell,  —  (Siehe  das  Beispiel  383,  folg.  Seite.) 

während  die  Bratsche  den  Bass  unterstützt ;  —  freilich  eine  Oktave  zu 
hoch  liegend »  weil  der  Bass  in  der  höhern  Oktave  zu  positiv ,  zu  ge- 
drungen für  die  herrschende  Gemüthslage  ansprechen  würde.  Ja»  es 
kann  sehr  wohl  der  Fall  eintreten,  dass  man  die  Bratsche  mit  dem 
Basse  gebn  lässt,  weil  sie  keinen  eignen  Gang  nehmen  kann ,  ohne  un- 
bedeutend oder  störend  zu  werden ;  eins  oder  das  andre  würde  z.  B.  in 
diesen  Sätzen  der  Fall  —  (Siehe  das  Beispiel  384,  folg.  Seite.) 

und  daher  vorzuziehn  sein,  die  Bratsche  im  ersten  Salz  in  der  Oktave, 
im  zweiten  im  Einklang  mit  dem  Basse  gehn  zu  lassen. 

Wie  die  Bratsche  vorzugsweise  geneigt  ist,  sich  zum  Basse  zu 
halten :  so  schliesst  sich  die  zweite  Geige  gern  der  ersten  an ,  da  beide 


*)  S.  49  der  Partitur. 


305 


4IS$      All«gro  modgrato^ 
Fagotte 


''^tjffTfifitjj^Wfm^üiii^TiW^ 


gleicher^Art  und  gewöhnlich  in  gleicher  Stärke  besetzt  sind.  Dies  haben 
wir  schon  an  den  Verdopplungen  der  Oberstimme  (S.  294)  beobachten 
können.  Es  folgt  aber  daraus,  —  und  dies  ist  die  dritte  und  letzte  Be- 
merkungy  —  dass  auch  im  Zusammenwirken  die  mit  einander  gehenden 
Stimmen  gern  den  beiden  Geigen  —  und  ihnen  gegenüber  der  Bratsche 
und  dem  Basse  gegeben  werden.  Sätze  also,  wie  diese,  — 


$85  VioUno  I.  11 


•7^ 

liarx,RoMp.L.  IV.  S.Aiiil, 


.306    

wirken  am  besten ,  wenn  die  henrortretenden  iiad  nSohst  verbandneD 

Slimmen  den  gleichen  und  gleicbbesetzten  Instrumenten  gegeben  sind ; 
sie  würden  verlieren ,  wenn  man  Bratsche  und  zweite  Geige  ihre  Stim- 
men wechseln  liesse.  Ueberhaupt  giebt  man  hervortretende ,  oder  b^ 
weglicher  oder  stärker  herauszuhebende  Partien  —  wenn  sie  beiden 
Instrumenten  gleich  bequem  liegen  —  lieber  der  zweiten  Geige,  als  der 
Bratsche,  weil  die  letztere  nur  in  den  den  Geigen  fehlenden  tieCitea 
Tonlagen  grössere  Kraft,  in  den  hohem  dagegen  die  Violine  mehr  Hei* 
ligkeit  und  wegen  der  starkem  Besetzung  mehr  Kraft  hat.  Daher  — 
um  aus  zahllosen  Beispielen  eins  herauszuheben  —  setzt  Haydn  ia 
seiner />dur-Symphonie*)  S05  — 


386    AUegro. 


^^^^^-^^^, 


er  giebt  der  zweiten  Geige  die  tiefere,  aber  sogleich  durch  Terz  und 
Grundton  hervortretende  und  gradaus  geführte  Stimme,  und  dann  die 
Bewegung,  der  Bratsche  aber  die  durchaus  untergeordnete  Partie.  Ja, 


*)  S.  4  der  Partitar,  Breitkopf  und  Bärterscbe  Ausgabe  Nr.  2.   Die  mitwir* 
kendea  Bl&ser  kommea  für  aniera  jetzigen  Standponkt  nicht  in  Betrackt. 


—  ao7  — 

wo  die  Geifea  mäclitig  und  bell  nach  ihrem  Karakter  wirken  sollen^  — 
z.  B.  in  ihren  Gängen  im  Einklang  oder  in  der  Oktave  in  Nr.  364  «od 
367,  —  zieht  man  die  Bratsche  oft  lieber  zum  Bass  oder  beschäftigt 
sie  (wenn  es  auch  nicht  um  des  Ganzen  willen  nöthig  sein  sollte)  als 
Fällstimme,  als  dass  man  sie  mit  den  Geigen ,  etwa  in  der  tiefem  Ok- 
tave ,  mitgehn  liesse ,  wo  sie  doch  nur  einen  schwächlichen  und  ab- 
stechenden Beiklang  gäbe. 


Dritter  Abschnitt. 

Ausnahmsweise  Organisationen  oder  Verwendungen. 

Wir  haben  im  vorigen  Abschnitte  die  Vierstimmigkeit  als  Grund- 
form in  der  Besetzung  und  Behandlung  des  Streicherchors  anerkennen 
müssen ;  sie  ist  in  der  That  von  allen  Komponisten  in  den  bei  weitem 
zahlreichsten  Fällen  ebenso  angesehn  worden.  Indess  konnten  wir 
schon  dort  gelegentlich  Abweichungen  von  der  Grundform  ^bemerken. 
In  Nr.  368  ist  nur  eine  Bratsche  genannt;  aber  es-ges  in  der  kleinen 
Oktave  können  nicht  von  einer  gespielt  werden.  In  Nr.  363,  365  und 
372  sind  zwei  oder  drei  Violoncellpartien  gesetzt ;  in  Nr.  367 ,  375, 
376  hätte  Theilung  einer  Mittelstimme  in  zwei  stattfinden  können.  Auf 
der  andern  Seite  hat  nicht  unerwähnt  bleiben  können,  dass  das  Quar-- 
tett  nicht  unausgesetzt  alle  seine  Stimmen  in  Thätigkeit  setzt.  Wir 
haben  nach  beiden  Richtungen  einige  Betrachtungen  anzustellen. 

A.  Temebning  der  StimmsaltL 

Die  Vermehrung  der  Stimmzahl  findet  zunächst  statt,  wenn  die 
Vierstimmigkeit  für  die  Darstellung  des  reinen  Gedankens  nicht  zu- 
reicht. Als  Beispiel  diene  Nr.  368.  Wenn  es  einmal  nöthig  war,  den 
Gang  der  Oberstimme  durch  die  zweite  Geige  zu  verstärken,  so  be- 
durfte Beethoven  zweier  Bratschen,  um  die  Harmonie  nicht  zu  un- 
vollständig zu  lassen*). 

Dehnt  sich  nun  das  Bedürfniss  einer  grossem  Stimmzahl  auf 
einen  ganzen  Satz  aus,  so  wird,  wie  sich  versteht,  eine  der  vier 
Normalstimmen  —  oder  werden  deren  mehr  in  zwei  oder  mehr  Partien 
gelheilt  und  in  der  Partitur  —  jenachdem  die  Stimme  Raum  fodert  — 
jede  der  flinf,  sechs  oder  mehr  Stimmen ,  oder  zwei  und  zwei  zusam- 
mengehörige auf  ein  System  gesetzt.  So  beginnt  z.  B.  Spontini  den 


*)  Zwar  ist  sie  im  Bläserchor  vollständig ;  sie  masste  es  aber  i|iich  in  Strei- 
cherchor seia ;  c-e$  oder  e-ge»  allein  hätte  zu  dürr  dorchgeklnogen . 

20* 


308 


Trauerau&ug  im  dritten  Akte  der  Veslalin ,  der  Julie  zum  Tode  ge* 
leitet  *),  — 


387 


I. 


Violini. 


n. 


3  Tromboni. 


Timpani  eaFa» 


en  sourdineA.  ^ 


^=n^yi/-rE=i^=^^ 


mit  zwei  Bratschen. 


*)  S.  389  der  Partitor. 


309    

bt  aber  die  TheüoBg  einer  Stimme  aar  yoriibergehend,  so  wird 
ne  —  wie  wir  eben&Us  bei  Spontini  sehn  —  durch 

divisi  (div.) 
©der  durch  P  und  IT*",  oder  wenigstens  durch  Hinauf- und  Hinunterstrei- 
chen  der  Noten  (wie  in  Nr.  365  in  der  Bratsche)  angedeutet.  Biswei- 
len unterlassen  die  Komponisten  Beides ,  was  nur  dann  zu  billigen  ist, 
wenn  die  Spielart  (wie  in  Nr.  368 ,  wo  eine  Bratsche  unmöglich  beide 
ihr  gegebnen  Töne  nehmen  kann)  ausser  Zweifel  ist.  —  In  Nr.  359 
hatte  allenfalls  das  Hinunterstreichen  für  den  Kontrabass  unterbleiben 
und  blos  die  Oktare  /7-£i{  notirt  werden  können;  denn  da  der  Kontra- 
bass das  grosse  D  (in  Noten)  nicht  hat ,  so  versteht  sich  von  selber, 
dass  er  nur  das  kleine  nehmen  kann*). 

Die  Theilung  einer  oder  mehrerer  Stimmen  findet  übrigens  nicht 
blos  darum  statt,  weil  man  eines  vollständigem  Satzes  überhaupt  be- 
darf, sondern  auch ,  um  Sätze,  die  allenfalls  auf  einem  Streichinstru- 
ment in  Doppelgriffen  gegeben  werden  könnten,  sicherer  und  deutlicher 
zu  erhalten,  sowie  endlich  um  besondrer  von  diesem  oder  jenem  In- 
strument zu  erlangender  Wirkungen  willen. 

Es  ist  nämlich  einleuchtend ,  dass  ein  einzelner  Ton  leichter,  be- 
stimmter, fester  getroffen  werden  kann,  als  selbst  der  leichteste  Dop- 
pelgriff, —  schon  dess wegen ,  weil  der  Bogenstrich  eine  einzige  Saite 
bestimmter  fassen  kann,  als  zwei.  Wie  vielmehr  muss  dies  von  schwe- 
rem Doppelgriffen  gelten!  Die  erste  Hälfte  des  Spontini'schen  Satzes 
Nr.  387  könnte  ohne  Schwierigkeit  von  einer  Bratsche  ausgeführt 
werden,  die  zweite  ist  auch  nicht  zu  schwer ;  doch  ging  der  Komponist 
sicherer  und  gewann  deutlichere  Ausführung,  indem  er  die  Bratsche 
theilte. 

Zugleich  haben  wir  an  diesem  Satze  das  erste  Beispiel  einer  Stimm- 
verdopplnng  nm  einer  besondera ,  karakteristischen  Wirkung  willen. 
Das  Tremolo  der  Streichinstrumente,  ihre  enge  Lage,  das  in  die  Tiefe, 


*)  Es  ift  jedoeh  io  aden  Fällen  die  dentliebste  Schreibart  voraniiebD  und  oa- 
meBtlieh  nicht  zo  billigen,  dass  viele  Komponisten  in  der  Bassstimme  bisweilen  un- 
gewiss lassen,  wie  sie  den  Kontrabass  geführt  haben  wollen.  Wenn  fdr  Violoneell 
oad  Kontrabass  dieser  Gang  — 


gegeben  ist,  so  hat  das  Violoneell  ihn  wörtlich  ausznfahren ;  aber  dem  Kontrabass 
fehlt  der  letzte  Ton,  er  muss  irgendwo  in  die  hSbere  Oktave  treten.  Soll  er  nun  in 
einer  von  diesen  Weisen  — 


oder  Boeh  anders  spielen?  —  Das  kann  in  vielen  Fallen  sehr  zweifelhaft  sein. 


310 


in  den  Einklang  mit  dem  Rontrabass  gelegte  Violoncell,  die  in  die  Be- 
bungen  des  Quartetts  dumpf  bineinroilende  Panke  mit  den  Msen  vmi 
engen  Posaunenklängen,  —  Alles  dient,  dem  schauerlichen  Todesge- 
leite  die  karakteristiscbe  Farbe  zu  geben.  Hier  musste  die  Bratsche 
mit  ihrem  trübem,  rauhern  Klange  besonders  geltend  gemacht  werden; 
sie  geht  in  Oktaven  mit  den  Geigen  einher.  In  gleicher  Weise  braucht 
Spohr  in  Nr.  363  die  VioIonceUe  zur  Verdopplung  der  Mittelstimmen 
bald  in  Oktaven,  bald  im  Einklang;  er  will  damit  dem  Gesang  des  Kö- 
nigs eine  klang-  und  würdevollere  Unterlage  geben ,  als  Geigen  und 
Bratsche  für  sich  allein  vermocht  hätten.    Als  drittes  Beispiel   stehe 

^'^^—      'divisi  — 


ein  Satz  aus  dem  Allegro  von  Spon  tini's  Ouvertüre  zu  Olympia.  Der 
Hauptsatz  und  überhaupt  der  grösste  Theil  dieser  Romposition  ist  von 
feurigem,  starkem  Karakter ;  der  Seitensatz ,  aus  dem  unser  Beispiel 
genommen,  ist  zart  gebildet  und  von  leichter  Bewegung.  Wenn  der 
Tonsetzer  hier  zu  Verdopplungen  griff,  so  war  es  ihm  also  nicht  um 
verstärkte  Schallkraft  zu  thun,  noch  weniger  um  Vielstimmigkeit,  da 
er  vielmehr  nur  drei  oder  vier  Stimmen  braucht.  Er  will  aber  seine 


311 

Melodie  fein  oad  zart  betooen.  Der  Kern  derselben  liegt  ia  der  zweige- 
stricboea  OlLtave,  wo  sie  von  der  ersten  Violine,  ersten  Klarinette  und 
ersten  Flöte  vorgetragen  wird ;  das  erste  Fagott  geht  in  der  ihm  ge- 
bührenden Tonlage  (eine  Oktave  tiefer)  mit.  Nun  aber  bedurfte  es 
noch  jenes  feinen,  eindringlichen  Aroms  gleichsam ,  mit  dem  der  sonst 
so  impetuoseTonkünstler  seine  zarten  Sätze  zu  durchhauchen  liebt.  Und 
dies  gewährt  ihm  die  feine ,  bell  eindringende  hohe  Tonlage  der  Vio- 
line; die  erste  Violine  wird  getheilt  und  führt  die  Melodie  in  Oktaven. 
Hiermit  ist  möglich  geworden ,  die  zweite  Violine  noch^  in  der  tiefern 
Oktave  mitzufahren ,  so  dass  der  Klang  der  Geigen  drei  Oktaven  über 
einander  für  die  Melodie  gewonnen  ist.  —  Keine  andre  Kombination 
hätte  das  Gleiche  gewährt.  Das  Nächstliegende  wäre  gewesen,  die  erste 
Violine  mit  der  Klarinette  in  der  zweigestrichnen,  die  Flöte  in  der  drei«» 
gestrichnen,  das  Fagott  in  der  eingestrichhen  Oktave  zu  führen,  und 
die  übrigen  Streichinstrumente  zur  Begleitung  zu  verwenden.  Allein 
dann  hätte  die  milde  und  ruhige  Flöte  obgesiegt  und  den  nervös  aufge« 
regten  Geigenklang  zugleich  befestigt  und  beschwichtigt.  Hätte  mai| 
beide  Geigen  in  Oktaven  geführt  (wie  jetzt  die  getheilte  erste),  so  wäre 
die  Melodie,  namentlich  in  der  obern  Oktave ,  zu  beladen  gewesen  und 
jedenÜEills  die  dritte  Oktave  eingebüsst  worden.  Jetzt  schwebt  der  Gei- 
genklang über  allen  Stimmen ,  und  zwar  in  leichter  (halbstarker)  Be« 
Setzung.  Selbst  die  Flöte  weicht  um  seinetwillen  aus  der  ihr  (S.  162) 
gebührenden  Region  und  —  mildert  (S.  163)  die  Klarinette. 

Dass,  dieser  Darstellung  der  Melodie  gegenüber,  auch  die  Bratschen 
und  Violoncello  sich  getheilt  in  Oktaven  über  einander  stellen  mussten^ 
lencbtet  ein.  ^ 

Hier  war  die  Theilung  der  ersten  Violine  gerechtfertigt,  weil  eben 
die  höchste  Oktave  im  Sinne  des  Komponisten  den  zartesten  Klang 
haben  musste  und  zu  massiv  geworden  wäre,  hätte  man  etwa  die  ganze 
erste  Violine  für  die  hohe  Oktave  verwenden ,  die  zweite  aber  für  die 
beiden  untern  Oktaven  theilen  wollen.  In  den  meisten  Fällen  wird  man 
aber  anders  zu  verfahren  haben ;  die  erste  Violine  wird  man  zum  Vor- 
trag der  Haaptstimme  oder  zu  einer  hervortretenden  Figur  zusammen«* 
halten  und  die  etwa  nöthigen  Theilungen  in  der  zweiten  Violine  oder 
der  Bratsche,  oder  in  beiden  vornehmen.  Ebenso  wird  man  nicht  ohne 
besondern  Anlass  den  Bass  -^  die  andre  Hauptstimme  —  durch  Abtreu- 
nmig  oder  Zertheilung  der  Violoncello  schwächen;  doch  dürfte  dies 
immer  noch  häufiger  rathsam  sein ,  als  die  Theilung  der  Oberstimme. 
So  finden  sich  in  Beethoven's  Pastoralsymphonie,  in  diesem  von 
fruhlingfrischen  Lebenssäften  üppig  überquellenden  Naturbilde,  häufige 
Verdopplungen  der  Bratschen  entweder  in  eignen  Gängen,  oder  zur 
Unterstützung  der  Geigen,  z.  B.  im  ersten  Satze*),  — 

*)$.4St  «od  59  der  Breitkopf-Härtel'sebeii  Partiter.  In  ersterit  Satze  sind  die 
BUUer  nur  anvoUstSndig  aogedeolet,  im  letstero  gebeft  die  Höroer  uod  KontralmMe 


atz 


891    AU^gro,  ma  non  troppo 
Blüser,     cresc. 


i 


JSL^'-^    |-gj!g  |ia^£a|£g^=H 


oder  der  Violoncelle  anter  der  zweiten  Geige  nnd  Bratsche,  z.  B,  im 
Andante,  — 


(diete  piMzioato  auf  jedem  ersten  Viertel)  deo  GrandtoD.  In  Nr.  391  sind  die  fimt- 
aeken  gescliriebeo,  als  hättea  sie  doppeUrriffiges  Spiel ;  es  rerstekt  aiek  aber,  dass 
sie  getbeiU  sind,  —  es  fehlt  die  BeMiehamig  di»i$ü 


313 


3«^   Tiolino  I.  11, 


i 


i@iil 


».^l.V'j    >T^|Ii!!r-^-^i•;^4j:JL_^_gL4:4ri^ 


'^gjairv^iifs:t£j^^ 


Ä 


Viola. 


^arg^^l 


während  die  erste  Violine  (und  hier  auch  die  zweite)  angetheilt  bleibt. 
Auch  in  diesen  Stellen  ist  nicht  eigentliche  Mehrstimmigkeit  ^  sondern 
diese  saftige  Breite  im  warm  rieselnden  Klang  der  Streichinstrumente 
beabsichtigt. 

B.  nnvoUstlndiges  Cinartett. 

Dass  man  nicht  ohne  wesentlichen  Nachtheil  —  wenigstens  nur 
in  äusserst  seltnen  Fällen  —  eine  oder  gar  mehrere  Stimmen  des 
Streichquartetts  ganze  Tonsätze  hindurch  aufgeben  kann,  ist 
schon  S.  285  erwogen.  Gleichwohl  kann  oft  und  unter  mancherlei 
Umständen  eine  Zeitlang  eine  oder  die  andre  Stimme  aufgegeben 
werden. 

Wenn  es  im  Bau  oder  Sinne  der  Romposition  liegt,  dass  sie  sich 
eine  Weile  auf  wenig  Stimmen  beschränke:  so  versteht  sich  jenes  Opfer 
von  selber.  Es  liegt  z.  B.  bekanntlich  im  Gedanken  der  Fugenform, 
dass  sie  znerst  eine  (oder  zwei)  Stimmen  eintreten  und  die  andern  fol- 
gen lässt;  eine  Fuge  für  das  Streichquartett  muss  also  nothwendig  zu 
Anfong  mit  nnvoUständigem  Quartett  anheben*).  Und  selbst  hier  könnte 
bisweilen  eine  andre  Wendung  möglich  und  erfolgreich  werden.  Sollte 
z.  B.  eine  Fuge  nach  einem  stark  geführten  Einleitnngssatz  ebenfalls 
stark  einsetzen,  so  könnte  die  anhebende  erste  Geige  durch  die  zweite, 
die  antwortende  zweite  durch  die  Bratsche,  die  Bratsche  durch  dasVio- 
loncell  (im  Einklang)  verstärkt  werden  und  das  letztere  mit  dem  Ron» 
trabass  als  vierte  Stimme  die  Durchführung  vollenden.  Aehnliche  Ge- 
staltungen können  auch  in  figurirten  und  freien  Sätzen  eintreten. 


*)  Eine  der  n&ehtissten  WirknngeD  hat  Häodel,  ohnehin  in  solchen  Sehll- 
geo  stark,  in  seiner  Schlnssrnge  znm  Messias  erreicht  Nachdem  er  die  erste 
Dnrehfohrnng  bis  zun  Totti  hiDaufgefdhrt,  intonirt  die  erste  Geige  in  der  H8he 
ganz  allein  das  Thema,  die  zweite  antwortet  nnter  dem  Gegenspiel  der  ersten,  nnd 
«na  tritt  das  ganze  Orchester  mit  Trompeten  nnd  Panken  nnd  der  ganze  Chor,  das 
Thema  im  Basse,  in  höchster  Gewalt  nnd  Pracht  entgegen.  Ahermals  fSihren  beide 
Geigen  allein  einen  Zwischensatz  ans  nnd  ahermals  strömt  die  volle  Masse  von  Chor 
nnd  Orchester  anf  den  angedonnerten  flörer  nieder. 


314 


Sie  können  endlich  —  vnd  dies  bedarf  nocli  einer  genanem  Er* 
wägung  —  anch  im  besondern  Sinne  der  Komposition  ihren  Anlass 
haben.  Wenden  wir  uns  hier  gleich  an  einen  der  entscheidendsten 
Fälle,  an  das  unsterbliche  Aliegretto  in  Beethoven's  y#dnr-Sfmpho* 
nie.  Auf  die  tiefere  Bedeutung  dieses  Satzes*)  ist  hier  nicht  weiter  einzo* 
gehn;  genug 9  Beethoven  führt  ihn  aus  der  Tiefe  empor.  Folglich 
liegt  ihm  die  Geige  fiir  den  ersten  Anfang  zu  hoch  und  er  setzt  sein 
Thema  zuerst  nur  in  Bratsche,  Violoneell  und  Rontrabass  ein.  Allein 
selbst  hier  zeigt  sich  das  Bedürfniss  der  Vierstimmigkeit ;  die  Bratschen 
werden  vorübergehend  zweistimmig,  die  Violoncelle  theilensich,  sie 
führen  zur  Hälfte  eine  eigne  Stimme,  zur  Hälfte  gehn  sie  mit  den  Kon- 
trabässen,  so  dass  der  Satz**)  — 


ten.        ^ 


3tö   < 


tt=4=Äa^4s 


p  •  • 

len 


j- — (-4—4», — ^_+ p-j.-4._A — A_4 1  ■  i   \  * — t.-4._M \.  .       _|. . 


1"1 — rf"1'~T1~FT" 


drei-  und  vierstimmig  wird.  Diese  ganze  Gestaltung  erstreckt  sich  über 
den  zweiten  Theil  und  dessen  Wiederholung,  vierundzwanzig  Takte 
lang.  Dann  tritt  die  zweite  Violine  zu  und  Bratsche  und  erstes  Violon- 
eell fti  Einklänge  — 


394      Violiuo  II. 
ten. 


bilden  ans  den  vorigen  Mittelstimmen  einen  Gegensftiz;  derBass  ist 
figurirl.  Endlich  tritt  auch  die  erste  Geige  zu,  — 


*)  lieber  deo  Satz  und  die  Symphonie,  der  er  aDgektfrt,  überteif  t  tlberB«etb»- 
veB's  Werke,  kat  fttch  der  Verf.  io  „L.  v.  Beetkovaa,  Leben  uad  Sehaffaa" 
(1869)  anigesproebea. 
♦♦)  S.  65  der  ParUtar. 


315 


395     Violino  I. 
fen. 


f^ 


cfciic: 


:t=t- 


=P=i 


m 


-ß-A-ß-\ 


febfe 


t=^ 


P     cresc.  poco   a  poco 
Violino  li. 


^^^^^^^^^^S 


Viola  e  Vc.  I. 


^p^^g^^^^^ 


Vc.  U.  e  Cb. 


^^"^^^^p^^fei^^ 


die  zweite  nimmt  den  Gegensatz ,  der  Bass  gestaltet  sich  wieder  um, 
erstes  Violoacell  und  Bratsche  fahren  ein  neues  Figuralmotiv  im  Ein- 
klänge durch.  Erst  mit  dem  neunundvierzigsten  Takt  ist  also  das  Quar- 
tett ToUsiändig  geworden  und  eine  wirkliche  Vierstimmigkeit  festge- 
stellt. Das  Weitere  (der  Eintritt  einiger  Bläser  sechszehn  Takte  weiter, 
die  ntehmalige  Wiederholung  des  Thema^s  vom  vollen  Orchester) 
kommt  hier  nicht  in  Betracht. 

Dies  ist  vielleicht  der  ausgedehnteste  Satz  mit  unvollständigem 
Quartett.  Aber  der  Beweggrund  ist  nicht  zu  verkennen ;  es  kam  darauf 
an,  ein  Thema  in  dreimaliger  Erhebung  durchzuführen,  und  zwar  va- 
riirt.  Hiermit  war  die  Wahl  und  Anordnung  der  Instrumente  entschie- 
den, '—  namentlich  zu  Anfang  die  Beschränkung  auf  Bratschen  und 
Bässe.  Glücklich  stimmt  der  dunklere  Klang  dieser  Kombination  zum 
Thema  und  der  Idee  des  Ganzen,  die  sich  dann  in  der  allmählichen 
höhern  Erhebung  und  Steigerung  des  Orchesters  weiter  entfaltet. 

Eine  ähnliche  Anlage  giebt  Beethoven  im  Pidelio  der  Einleitung 
in  das  kanonische  Quartett*).  Auch  hier  — 


396 
Viole. 


Violoncelli. 


li^ 


\ 


Contrahasso. 


Andante  soslenuio.  


sempre   « 


sempre  p 


^ 


•-T-7— 1t 


•f^ 


'pizz. 


^p§^EE?E3EE^ 


♦)  S.  94  der  Partitur. 


316 


^^^^^^ 


i 


]fct: 


'^^. 


beginneo  Bratschen,  Violoncelle  und  Bass  ohne  Geigen  and  BISser;  ihr 
danklerer  Klang  soll  zu  dem  Gesänge  stimmen ,  in  dem  jede  der  theil- 
nehmenden  Personen  von  geheimen  Sorgen  nnd  Vorstellangen  bewegt 
ist.  Nach  der  Einleitung  hebt  Marzelline  den  Kanon  an,  von  Brat- 
schen und  Violoncellen  in  der  tiefern  Oktave  pixxicato  unterstützt; 
zwei  Klarinetten  in  der  sanften  Tonlage  bilden  einen  Gegensatz.  Dann 
tritt  Leonore  kanonisch  ein,  von  der  zweiten  Violine /yfs«icff/o  im  Ein- 
klang geleitet;  zwei  Flöten  (ohne  Klarinetten)  nehmen  —  ebenso  sanft 
wie  jene,  aber  süsser  —  den  Gegensatz.  Nun  erst,  mit  der  dritten  Ge- 
sangstimme (Tenor),  erscheint  die  erste  Geige.  Das  Weitere  dürfen  wir 
übergehn;  unser  jetziges  Interesse  wendet  sich  vornehmlich  der  Einlei- 
tung zu. 

Noch  konzentrirter  setzt  Beethoven  das  Andante  seiner  Cmoll- 
Symphonie*)  blos  mit  Bratsche,  Violoncell  und  Bass  ein,  — 


die  erstem  im  Einklänge  die  M^die  führend. 
*)  S.  45  der  Partitar. 


317 


D%8  leiste  Beispiel  enllehnen  wir  aas  Spontini's  Vestalin,  aus 
dem  Morgeobymnus  der  Priesterinnen*)  im  ersten  Akte.  Hier  — 

Hymne  du  matin.  Fliltes« 

Larghelto  eon  moto.  p  trösdouz. 

*^*_  Yiolon  I.  r«ligi«n«emejit.  --*^ 


*)  S.  57  der  Partitar. 


ats 


^^^^ 


zr~^^^^- 


^^ 


^^i^^^^^ftg 


tritt  zwar  das  volle  Streichquartett  mit  vier  einleitenden  Takten  ein, 
das  eigentliche  Thema  aber  (Takt  5)  wird  nur  von  Bratschen  gegeben, 
die,  bald  von  Fagotten,  bald  von  Flöten,  Klarinetten,  Oboen  begleiiet| 
die  Hauptpartie  im  Orchester  bilden^  während  die  Violinen  zu  Zwischen* 
Sätzen  verspart  werden.  Dass  jene  und  nicht  die  Blasinstrumente  all 
Hauptpartie  gelten ,  erkennt  man  schron  daraas ,  dass  kein  Blasinstru- 
ment die  Melodie  vollständig  vorträgt,  sondern  eins  das  andre  ablöst 
nnd  dabei  öfters  (z.  B.  mit  den  Klarinetten  zum  ersten,  mit  den  Flöten 
zum  zweiten  Mal)  willkührlich  —  nämlich  in  Bezug  auf  das  Melodische 
des  Satzes  —  eingesetzt  wird.  Dass  ferner  hier  die  Bratschen  nicht 
um  tieferer  Tonlage  willen  genommen  sind,  ist  ebenfalls  klar;  sie  gehen 
bis  zum  zweigestrichueny*  hinauf,  könnten  der  Tonlage  nach  fast  durch- 
gängig vollkommen  gut,  ja  zum  Theil  noch  bequemer  durch  Geigen 
(wenigstens  für  die  Oberstimme)  ersetzt  werden.  Es  ist  also  klar,  dass 
es  dem  Komponisten  um  ihren  Klang  zu  thun  war,  dessen  bedecktesi 
verhüllteres  Wesen  ihm  der  feierlichen,  still-jungfräulichen  Würde  des 
Vesialenhjrmnus  entsprechend  schien.  —  Ebenso  verfährt  der  Kompo* 
nist  im  jzweiten  Gesang  der  Vestalinnen,  im  ersten  Finale*),  wenn  mit 
dem  Anrufe  — 


♦)  S.  121  der  Parlitor. 


819    

De  Ve«ta  eM^te  prdtr«we 
»ir  Weihe  tind  Krönuag  'des  Triamphators  gesehriUen  wird«  Auob 
hier  führen  Bralsehen  den  Gesang  nnd  haben  sogleich  mil  dem  zweige- 
striebnen  e — c,  in  der  bequemsten  Geigenlage,  etazusetzen.  Auoh  hier 
werden  die  Geigen  zu  den  starkem  Zwischensätzen  aufgespart  und 
überlassen  den  Bratschen  durchaus  die  Führung  der  Hauptpartie. 

Dass  übrigens  das  Aufsparen  der  Geigen  zu  den  Zwischensätzen 
ein  zweiter  Bestimmungsgrund  für  den  Komponisten  gewesen,  ist  nicht 
zu  übersebn.  Allein  9ur  Ausführung  und  zum  Hervorheben  der  Zmu 
schensätze  blieben  ihm  (z.  B«  durch  Zuziehnug  von  Bläsern)  mannig* 
fache  andre  Mittel ,  nnd  er  würde  sich  blos  um  ihretwillen  nicht  das 
Bauptorgan  des  Orchesters  versagt  haben ,  wenn  ihm  nicht  die  Brat«- 
sehen  karakteristischer  für  den  Ausdruck  des  Moments  erschienep 
wären. 

Die  Bedeutsamkeit  aUer  in  diesem  Abschnitt  au%ewiesnen  Gestal« 
tungen  ist  nicht  zu  verkennen.  Wer  dieser  Gestaltungen  unkundig 
wäre,  oder  sich  eigensinnig  ihrer  enthalten  wollte,  würde  eine  unbe- 
rechenbare  Reihe  von  karakteristischen  Wirkungen  einbüssen ,  ja  bis* 
weilen  bei  den  einfachsten  Aufgaben  in  Verlegenheit  sein.  Wie  wollte 
er  z.  B.  die  Fortestelle  in  Nr.  391  im  Quartett  gestalten?  Sollte  die 
Bratsche  zum  Bass  treten?  -^  oder  mit  der  ersten  Geige  Oktaven  bil- 
den — 


Violini  jj;r^^^ 


Viola. 


ZU  schreierischer  Verdopplung?  oder  statt  dessen  die  zweite  Geige 
fiberladen?  oder  wollte  man  ihr  das  Violoncell,  — 


400 
Violini. 

VioU. 


ViolonceUo.   lll^ÖSE 


gftSfrffj^^^^^ 


i^fe 


Wie  bei  a.,  zur  Unterlage,  oder  —  was  wegen  der  überlegnen  Hellig- 
keit und  Kraft  desselben  jedenfalls  vorzuziehn  wäre  —  zur  Oberstimme 
geben,  wie  bei  b«?  Dies  wäre  noch  die  beste  Gestaltung  von  allen  vor- 


320    

geschlagenen;  aber  auch  sie  verbände  zwei  ongleicharüge  Organe,  wo 
man  gleiehartigen  Klang  brancht,  schwächte  nnd  yerdumpfte  den  Bass. 
—  Oder  wollte  man  endlich  der  Bratsche  eine  eigne  Figor  geben  nnd 
dadurch  dem  einfachen  Satze  seine  Klarheit  entziehn?  —  Man  erkennt, 
dass  nur  die  Theilang  der  Bratsche  das  Rechte  giebt  nnd  dass  in  vielen 
Fällen,  z.  B.  wo  mehr  als  vier  Stimmen  gebraucht  werden,  ohne 
Stimmvermehrung  gar  nicht  auszukommen  ist. ' 

Demungeachtet  wollen  wir  eingedenk  bleiben ,  dass  jede  Tbeilung 
der  Quartett^artien  oder  jede  längere  Auslassung  einer  dieser  Partien 
nur  als  Ausnahme  gelten  kann.  Die  Tbeilung  einer  Partie  schwächt  sie, 
die  Tbeilung  mehrerer  Partien  droht,  die  gedrungne,  wohlabgewogne 
Kraft  des  Quartetts  aufeulösen  und  zerflattern  zu  lassen ;  was  ein 
fester,  kräftiger  Körper  sein  sollte,  um  far  sich  zu  bestehn  oder  den 
Kern  für  das  ganze  Orchester  abzugeben,  löset  sich  gleichsam  gasartig 
auf,  fähig,  wie  Schimmer  und  Duft  unsem  Sinn  zu  umschweben,  aber 
nicht  mehr  einen  selbständigen  Gedanken,  als  eben  den  des  Vorschwe« 
bens  und  Schimmerns,  bestimmt  hinzustellen.  Und  selbst  diese  Vorstel- 
lung wird  um  so  mehr  geschwächt  und  bedeutungslos  werden ,  je  häu- 
figer man  zu  ihr  greift.  Denn  es  liegt  in  der  Natur  dieser  Auflösungen, 
dass  sie  einander  ähnlich  sein  müssen ;  sie  können  fast  nur  aus  Ver- 
dopplungen bestehn ,  da  man  nicht  leicht  über  vier  reale  Stimmen  hin- 
ausgeht, und  wenn  man  es  wollte,  seine  fünf  oder  mehr  Stimmen  gern 
auch  energisch  —  also  mit  fester  und  starker  Besetzung  durchführt*). 


*)  Hierza  der  Anhaos  N. 


321 


Dritte  AUheihng. 

Ausdracksweisen  des  Streicherchon. 

Erster  Abschnitt. 

Die  Komposition  fDr  den  Streicherehor. 

Bei*der  Komposition  für  SlreichiDstromente  kommt  es  nächst  der 
tecbniscben  Kenntniss  der  einzelnen ,  ihrer  Zusammenstellnng  und  der 
Aufgabe ,  die  innerhalb  des  Chors  im  Allgemeinen  jedem  Instrumente 
zufallt,  nnn  zunächst  auf  die  Prüfung  an :  was  man  von  ihnen  allen 
verlangen  kann  und  wie  man  sie  zu  gebrauchen  hat,  damit  sie  den 
verschiednen  dem  Komponisten  sich  darbietenden  Intentionen  entspre- 
chen. Vieles  hier  in  Frage  Kommende  ist  bereits  in  der  vorigen  Abthei- 
lung Iheils  mitgetheilt,  theils  vorbereitet  worden,  und  wir  werden  uns 
darauf  berufen  und  stützen  können*).  Ein  Theil  unsrer  Betrachtungen 
wird  durch  Rückblick  auf  die  Anschauungen  erleichtert  und  erhellt 
werden ,  die  wir  von  der  Natur  und  Wirkungsweise  der  Blasinstru- 
mente im  achten  Buch  der  Lehre  gewonnen  haben.  Der  durchgreifende 
Gegensatz ,  der  im  Wesen  der  Streich-  und  der  BJasinstramente  ge- 
geben ist ,  wird  die  einen  an  den  andern  erläutern. 

Zwei  Hauptmomenle  der  Karakteristik  sind  uns  an  den  beiden 
Hälften  des  Orchesters  schon  bekannt  geworden. 

Das  Schall-  und  RIangwesen 

ist  im  Streicherchor  bei  weitem  weniger  mächtig  und  mannigfach  aus- 
gebildet, als  im  Bläserchor.  Das  einzelne  Blasinstrument,  wie  der 
volle  Chor  der  Bläser,  hat  im  AUgemeiAen  stärkern  und  ganz  beson- 
ders ausdauernder  starken  Schall ,  als  das  einzelne  Streichinstru- 
ment oder  der  Chor  der  Streichinstrumente.  Mag  die  Geige  in  einem 
einzigen  Momente ,  besonders  auf  ihrer  rauhern  C-Saite,  stärker  an- 


*)  Ueberhaupt  ist  der  lobalt  der  vorangesangoeo  aod  der  Daehfolgeoden  Be- 
traehtODgeo  so  eng  zDsamuieDhängend  in  der  Sache,  dass  aach  die  Scheidung  im 
Lehrgang  Dicht  in  absolnter  Scharfe  and  Nothwendigkeit  bat  erfolgen  können.  Notk- 
wendig  war  nar  Scheidung  and  Abtbeilang  überbanfit,  schon  am  der  grossen  Masse 
des  theils  xa  Merkenden ,  theils  xa  Erwägenden  and  zu  liebenden  sicherer  und 
leickler  Herr  zu  werden. 

Marx,  Komp.  L.  IV.  3. Aufl.  21 


322     

sprecbeDy  als  einzelne  Blasinstrumente,  z.B.  die  Flöte  in  der  Tiefe  ond 
Mitte :  so  ist  doch  die  höchste  Kraft  des  Streichinstruments  eben  nur 
auf  einen  Moment  beschränkt,  sie  ist  (wie  wir  sie  S.  247  bezeichnet 
haben)  nur  eine  Schlagkraft;  denn  um  sie  hervorzubringen,  muss 
der  Bogen  möglichst  schnell  aber  die  Saite  gefuhrt ,  —  gerissen  wer- 
den. So  auch  verhalt  es  sich  mit  dem  Chor  der  Streicher  im  Gegensatz 
zu  den  Bläsern.  Einen  Augenblick  lang  kann  ein  vollgrifüger  Schlag  — 
oder  etwa  ein  Einklang  auf  den  leeren  Saiten  den  ganzen  Chor  der 
Bläser,  mit  Trompeten,  Pauken  und  Posaunen,  durcbdröhnen ;  aber 
eben  nur  einen  Augenblick  lang,  während  die  Schallkrafl  der  Bläser 
fortdauert  oder  auch  anschwillt. 

Der  Klang  des  Streichercbors  ist  ebenfalls  nicht  so  bestimmt  ka- 
rakterisirt  und  nicht  so  mannigfaltig  als  der  des  Bläserchors ;  die  ver- 
schiednen  Schatlirungen  des  Auf-  und  Niederstricbs ,  des  Spiels  am 
Steg,  in  der  Mitte  und  über  dem  Griffbrett,  selbst  des  Flageolett*  und 
natürlichen ,  des  Sordinenspiels  und  des  nicht  gedämpden ,  sowie  der 
verscbiednen  Streichinstrumente  unter  einander  —  sind  gleichsam' nur 
Grade  derselben  Farbe  oder  leise  Beimischungen,  während  Oboe  und 
Flöte,  Trompete  und  Klarinette,  Fagott  und  Posaune  u.  s.  w.  greiflich 
verschiedne  Farben-  oder  Klangkaraktere  bieten. 

Auf  der  andern  Seite  ist 

das  Tonweseu 

im  Streichquartett  bis  zu  einer  fast  unbegränzten  Anwendbarkeit  und 
Leichtigkeit  ausgebildet.  Alle  Tonabstufungen  sind  erreichbar ;  Ton- 
verbindungen,  Tonßguren  aller  Art  stebn  ungleich  zahlreicher  und 
leichter  zu  Gebote ,  als  bei  den  Bläsern ;  die  Bewegung  kann  in  einer 
den  Bläsern  nur  selten  und  vorübergehend  möglichen  Leichtigkeit  und 
Schnelligkeit  erfolgen  —  und  zwar  ebenso  im  leisesten  Piano  als  im 
Forte ;  endlich  —  dies  ist  wichtig  —  sind  die  Ausübenden  an  Streich- 
instrumenten bei  weitem  weniger  und  später  der  Erschöpfung  ausge- 
setzt, als  die  Bläser,  da  bei  jenen  nur  Pinger  und  Arm,  bei  diesen  Brust 
und  Lippen  in  Thätigkeit  gesetzt  werden. 

Indem  wir  diese  schon  bekannten  Verhältnisse  zusammenfassen, 
können  wir  uns  über  die  Aufgabe  der  Streichinstrumente  leicht  und 
sicher  aufklären.  Wir  sprechen  als  oberste  Grundsätze  für  diese,  wie 
für  jede  Klasse  von  Organen  aus : 

dass  jedes  Organ  mit  dem,  was  es  am  besten  vermag,  auch 
am  besten  in  Wirksamkeit  kommt, 

nnd  dass  es  ferner 

mit  diesem  seinem  besten  Vermögen  auch  das,  was  ihm  nach 
andern  Seiten  hin  abgeht,  möglichst  zu  ersetzen  bat; 


323 


Grundsätze ,  die  jetzt  —  wo  der  grosse  Gegensatz  von  Blas-  und  Sai- 
teninstrumenten belehrende  Vergleiche  bietet  —  tiefer  erkannt  und  an- 
gewendet werden  können ,  als  früher. 

Fragen  wir  nun  nach  dem  Karakter  und  der  Aufgabe  der  Streich- 
instrumente, so  dürfen  wir  als  ersten  Karakterzug  derselben 

A.  Beweglichkeit 

aussprechen.  Die  Streichinstrumente  können  sich  am  besten  bewegen 
und  darum  bewegen  sie  sich  am  liebsten ,  darum  —  von  der  andern 
Seite  angesehn  —  denkt  der  Komponist  an  sie ,  sobald  er  Bewegung 
braucht.  Dies  wird  sogleich  in  allen  zunächst  für  Streichinstrumente 
(oder  besser  gesagt:  aus  ihnen  heraus)  erfundnen  Sätzen  klar; 
die  Schwierigkeit  des  Beweises  kann  hier  nur  darin  liegen ,  dass  sich 
zu  viel  Beläge  anbieten,  unter  denen  man  zu  wählen  hat.  Nehmen  wir 
also  zunächst  Mozart^s  Ouvertüre  zu  Cosi  Jan  tutte^  so  kann  das 
Presto }  das  sich  wie  aus  Nichts  zusammenscherzt,  gleich  dem  Tages- 
treiben der  flatterigen  vornehmen  Welt,  gar  nicht  anders  anfangen,  als 
mit  dem  lustigen  Geflirr  der  Geigen,  denen  der  Hauptsatz  — 

401 
VioliiioI.II. 


Tiola. 
Bassi. 


^^^^m 


gehört.    Kein  Blasinstrument  würde  sich  in  dieser  so  weit  geführten 
Bewegung  vortheilhaft  zeigen*),  es  würde  nicht  Leichtigkeit  und  An- 


*)  Dass  die  Klarinattca  aod  io  böbern  ToflUgen  noch  leichter  die  FIb'ten  der- 
gleichen ansrdbreo  iLÖnneo,  dass  sie  es  io  ArraDgements  der  Orchester  wirke  für 
HariDODiefflusik  ofl  mUsseo,  beweist  lUDoh  nicht,   dasa  m  ihaeo  eigeothümlicb 

21* 


324 


spruchlosigkeit  genug  dazu  haben,  würde  schon  durch  seinen  karakle- 
ristischern  Klang  eine  Bedeutang  hineinlegen,  die  Mozart  nicht  im 
Mindesten  gewollt  hat.  Dies  zeigt  sich  gleich  im  zweiten  (oderdriUeo^ 
Gedanken  des  Hauptsatzes.  Hier  geht  die  einmal  angeregte  Be^re- 
gnng  in' die  Bläser  über,  — 
Ob. 


WaXTTrTTiHgTr^ 


aber  sie  ist  singender  geworden  und  vertheilt  sich  unter  Oboe,  Flöte 
und  wieder  Oboe  mit  Fagott,  so  dass  jedes  Blasinstrument  nur  eine  be- 
schränktere Bewegung  erhält,  seinen  Antheil  gleichsam  wie  einen  Ein- 
fall dem  andern  zuwirfl. 

Einen  ebenso  treffenden  Belag  bietet  das  Allegro  der  Ouverläre 
zur  Zauberflöte*).  Es  ist  bekanntlich  fugirt,  folglich  kann  man  schon 
voraussehn,  dass  das  Thema  und  überhaupt  die  Fugenarbeit  (wir  geben 
hier  — 


jTP-Hp-iJJp 


^^ 


nur  den  Gefährten  mit  dem  Gegensatze)  sich  auch  den  Bläsern  mitthei- 
len wird.  Allein  es  gehört  zu  Anfang  und  durch  den  ganzen  Satz  vor- 
zugsweise dem  Quartett  an  und  tritt  nur  vorübergehend  und  niemals 
vollständig  in  den  Bläsern  auf,  sondern  nur  mit  der  ersten  Hälfte**). 

Noch  entschiedner  zeigt  sich  dieser  Hang  zur  Beweglichkeit  in 
den  Gängen.  Hier  bietet  Mozart's  C7moll-Symphonie***)  in  ihrem 
Finale  ein  überwiegendes  Beispiel.  Im  Hauptsatze,  den  die  erste  Vio- 
line so  — 


znsasend  ist.  Jeder  Tooseiser  sieht  aagenblicklieb ,  wie  vieles  Vortheilbafiere  aai 
deo  KlarioetteD  gebeo  kSootei  wenn  mim  ihnen  den  HaopUaU  geben  wollte. 

'  *)  Die  M osart'scben  Onvert'dren  in  Partitar  bei  Scblesinger  in  Berlin. 
*^)  Nor  die  Fagotte  machen  eine  in  der  folgenden  Abtbeilnng  zu  besprechende 
Ansnahne. 

*«<*)  S.  45  der  Breitkopf-Härtersehen  Partitor. 


325 


404 


ffepgf^^^l^^'^^g^gf^g 


jy^j-fi^"^  I jl^  r'try  r#i 


anhebt ,  ist  die  Figur  fiir  den  Gang  schon  gegeben ,  der  sieb  aus  dem 
zweiten  Theile  des  Hauptsatzes  — 


405 


i 


1= 


Ä  «N 


* 


TW 


J: 


m^f^^^^^^M 


-fi^ 


i.:f 


H 


^  ^1  »ifji^iibia^%g= 


in  dieser  Weise  — 


106 


ö>iJ_2^ 


entwickelt,  während  die  Bläser  (die  Flöte  ungerechnet,  die  oben  ange- 
deutet ist)  nur  einfach  begleiten  und  sich  erst  nach  obigem  Theil  des 
Ganges  drei  Takte  lang  den  Geigen  anscbliessen.  Von  da  ab  wird  die 
Bewegung  noch  einundzwanzig  Takte  weit  im  Quartett  fortgesetzt,  bald 
in  den  Bässen,  bald  in  den  Mittel-  oder  Oberstimmen.  —  Mag  auch 
so  weit  erstreckte  Bewegung  im  Orchester  seilen  sein ,  der  vorliegende 
Fall  deutet  im  vollsten  Maass  an,  was  man  in  unzählig  andern  in 
beschränkterm  Räume  bestätigt  finden  wird.  Man  überzeugt  sich  an 
ihm  sogleich,  dass  eine  gleiche  Bewegung  in  der  Harmoniemusik  durch- 
aus karakterwidrig ,  unpassend,  ja  unter  Umständen  unerträglich  sein 
wurde. 

Am  stärksten  bewährt  sich  das  Bewegungsprinzip,  wenn  es  sich 
nicht  auf  eine  Stimme  beschränkt,  sondern  das  ganze  Quartett  oder 
einen  grössern  Theil  desselben  ergreift.  Hier  soll  uns  Haydn^s  grosse 
Ddur-Symphonie  die  Beläge  liefern.    Sie  ist  durchweg,  namentlich  in 


326 


ihrem  ersten  Satz  und  im  Finale,  von  sprühender  Laune  und  aufj^ereg- 
ter  Lebendigkeit  beseelt;  und  da  musste  denn  schon  das  Quartett  eine 
vorzügliche  Rolle  spielen.  Greifen  wir  nun  gleich  in  den  zweiten  Theil 
des  ersten  Satzes  hinein ,  so  finden  wir  bald*)  beide  Geigen,  bald  die 
zweite  in  Bewegung  gegen  Bläser  und  Bässe,  die  das  Thema  vortragen 
oder  unterstützen.  Dann  geben  die  Oberstimmen  des  Quartetts  mit  be- 
wegter Mittelstimme  aliein  weiter,  — 


407  AUegro^ 

Violino  I.   U, 


^Tjj,i,^.,,iij  i-fTTj. 


oder  beide  Geigen  haben  gegen  die  einfachen  Unter-  und  Bläserstimmen 
die  Bewegung,  — 


bis  diese  sich  im  folgenden  Takt'  allen  Stimmen  des  Quartetts  mit  Aus- 
nahme der  ersten  Geige  miltheilt,  — 


4Ü9 
VioUno  I. 

Violino  ir. 

Viola. 

Violoncello 
e  Contrahasso. 


^ 


^  r  f  |f "^f--|.^££d£ 


^^m 


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* 


m 


=M=S=^&=^=M 


i 


*)  Breilkopf  oad  Härtersclie  Partitaransgabe  Nr.  2,  8.  9  u.  f. 


327 


g^^s^^^g^ai^^g 


i^^±^££lfW^t#^ji^^^ 


m^^^ 


* 


l^l-i-. 


ffctt 


*-i* 


FR 


fc^^£jfgrll>£^rrr^i 


S 


und  so  die  Achtelbewegung  vierundfunfzig  Takte  weit  bis  an  das  Ende 
des  zweiten  TAeils*)  erslreckt;  wie  sich  von  selbst  rersteht,  in  man- 
nigfachem Stimm-  und  Figuren  Wechsel,  aber  stets  im  Quartett.  Allein 
es  sind  nicht  Mos  die  Achtel,  die  den  Karakter  der  Beweglichkeit  zei- 
gen; er  zeigt  sich  überall,  wo  Anlass  ist,  z.  B.  in  den  Viertelschlägen 
der  Bratsche  in  Nr.  407,  statt  deren  Blasiustriunente  aushaltende  Gänge, 
oder  gemischte  Dreiviertel-  und  Viertelnoten  genommen  hätten. 

Mit  dieser  Beweglichkeit  hängt 

B.  Leiebtigkeit 

der  Begleitang,  —  oder,  wenn  die  Bewegung  in  dieser  ihren  Hauptsitz 
hat,  in  der  Melodie  selbst  zusammen.  Hier  dient  gleich  unser  erstes 
Beispiel  Nr.  401  zum  Belag ,  nicht  weniger  der  Hauptsatz  des  Andante 
in  der  obigen  Hay  dn'scben  Symphonie,  der  zuerst  von  den  Streichin- 
stramenten  so  — 


410 
Violitto  I. 


Violino  n. 


Viola. 


Baftsi. 


^ 


^j=Ff-H-f>?y'|^^c>'lr 


*)  Der  SatE  bat  SoDateofonn. 


328 


^3=^ 


W- 


^^ 


^m 


r-TT  / >  I  A 


vorgetragen,   dann  in  den  Bläsern   von  Flöte,   Oboen  nnd  Pagott 

80*)- 


411 
Flauti. 


Ohoi. 


Fagotti. 


^^^^^^ 


dai^estellt  wird.  Man  darf  sich  nicht  damit  abfinden,  dass  der  Kompo- 
nist den  Satz  hat  anders  und  gerade  in  Moll  und  gebunden  darstellen 
wollen.  Entweder  war  dies  seine  Absicht,  nnd  dann  boten  sich  ihm 
die  Bläser  als  die  zum  Aushalten  geeignetem  Organe  an,  wie  die 
Streichinstrumente  als  die  leichtem  und  beweglichem ;  oder  er  wollte 
das  Thema  den  Bläsem  geben ,  nnd  dann  gestaltete  es  sich  nach  deren 
Weise  um.  Das  Wahre  wird  wohl  sein,  dass  beide  Vorstellungen  im 
Komponisten  gleichzeitig  vorhanden  gewesen.  —  Uebrigens  tritt 
gleich  nach  jenem  Satze  (Nr.  411)  das  Quartett  in  voller  Bewe- 
gung auf. 

Das  letzte  Beispiel  für  die  Leichtigkeit  und  Beweglichkeit  des 
Quartetts  liefere  der  Hauptsatz  vom  ersten  Aliegro  der  Mozart'- 
schen  Gmoll-Symphonie,  der  in  dieser  Weise  — 


*)  S.  19  ttod  21  der  Partitur. 


329 


412 
Violino  I.  II. 

Viole. 

Violoncello 
e  Contrabasso, 


Allegro  molto. 


m 


■^j),j  fij  j^i4-=^ 


'^  r  ^r  5^7 


e^^ 


i 


^""^^'^TT     Cr  r  trfirf- 


einsetzt.  Die  Begleitung  ist  beweglich  in  der  Mittellage ,  leicht  in  der 
Unterstimme,  die  Melodie  bei  aller  Wärme  und  Bewegtheit  des  6e- 
müths,  die  aus  ihr  wie  aus  der  ganzen  Komposition  herausdringt  in 
das  Gemfitb  des  Hörers ,  leicht  geführt  durch  die  Figurirung  des  An- 
fiingstons,  durch  den  gleitenden  Rhythmus,  durch  die  eingestreuten 
Pausen. 

Diese  Leichtbeweglichkeit ,  die  wir  als  Grundzug  im  Karakter  des 
Quartetts  erkannt  haben,  äussert  ihren  Einfluss  nach  allen  Seiten.  Von 
ihr  ans  geht  die 

C.  Zasammenziehiug  von  Qnaitetfartimmeii, 

also  die  Zuriicktuhrung  des  Quartetts  auf  drei  oder  zwei  Partien  aus, 
ohne  dass  es  durch  Auslassung  oder  längeres  Pausiren  einer  Stimme 
oder  mehrerer  geschwächt  werden  müsste.  Hier  kann  unter  vielen 
andern  schon  der  obige  Satz  Nr.  412  oder  der  Hauptsatz  aus  dem  Fi- 
nale von  Mo  zart's  £jdur-Symphonie*)  als  Beispiel  dienen ,  der  Mos 
mit  erster  und  zweiler  Violine  einsetzt,  — 

Allyo^,g|-J5?g/^ 


*)  S.  44  der  Breitkopf-Härterschen  Partitor. 


330 


^m^^^^^^ 


r 


u^^ 


daoQ  lu  der  Weise  im  Forte  wiederholt  wird  9  dass  die  Eweite  Violiue 
mit  der  ersten  in  Oktaven  gebt,  Bratsche  und  Violoncell  eine  Oktave 
tiefer  als  oben  dieselbe  Begleitung  nehmen  und  derBass  (der  für  solche 
Bewegung  zu  schwer  sein  würde)  in  Achteln  auf  den  Taktgliedern  mit- 
gebt. So  ist  also  auch  das  volle  Quartett  zweistimmig. 

Nur  noch  ein  Beispiel  entlehnen  wir  aus  Haydn's  jElrdur-Sym- 
phonie*),  deren  Andante  seinen- ersten  Theil  so  — 


unisono 


anhebt ,  also  bei  vollem  Gebrauch  des  Quartetts  nur  zweistimmig.  — 
Man  stelle  sich  alle  diese  Sätze^fiir  Bläser  geschrieben  vor,  so  wird 
man  von  diesen  weder  die  Leichtigkeit  noch  die  Beweglichkeit  gleich 
vortheilhaft  erlangen  können,  so  wird  man  —  wenn  sie  durchaus  in 
Harmoniemusik  übertragen  werden  sollten  —  sich  gedrungen  fühlen, 
die  Begleitung,  wenn  auch  möglichst  leicht,  doch  in  vollen  Akkorden 
zu  führen.  Niemandem,  dem  Klang  und  Wesen  der  Blasinstrumente**) 
anschaulich  geworden,  wird  es  i>eikommen|   den  vorsteheaden  Satz, 


*)  BreUkopfnod  Härter«efae  Partitaraosgabe  Nr.  I,  S.  18. 
**)  Der  Mame  ,,Harmoniemasik*^  ist  iosofero  bezeicbnend  für  die  ihnen  gebäh* 
rende  Bebandlnng. 


331 


wie  wir  ilw  in  Nr.  414  vor  uds  haben ,  etwa  auf  Klarioetle  ttfii  FagoU 
(einfach  oder  verdoppelt)  zu  übertragen;  er  würde  eine  höhere  Lage  und 
jedenfalls  vollstimmige  Begleitung  —  wenigstens  wie  die  nachstehende  — 


415 
Obol. 


CUrinelti  in  B. 


Fagottl. 


mm 


^fe^pH^ 


rtr 


3fe* 


k2 


r  ^''zJ 


^ 


wählen,  vielleicht  die  Melodie  noch  höher  legen  und  Hörner,  vielleicht 
auch  noch  ein  Bassinstrument  hinzuziehn. 

Wenden  wir  uns  nun  auf  die  einzelnen  Stimmen  des  Quartetts 
zurück,  so  wissen  wir  bereits,  dass  jede  derselben,  —  zumeist  die 
Violinen,  dann  Bratsche  und  Violoncell ,  am  wenigsten  allerdings  der 
Rontrabass,  —  der  feinsten  und  reichsten  Abstufungen  von  Stärke  und 
Schwäche,  Binden  und  Abstossen  fähig  sind,  mehr  wie  irgend  ein 
andres  Instrument,  und  dass  mit  Hülfe  dieser  Mittel,  die  man  die 

D.  Stricharten 

nennt,  dem  Rhythmus  eine  Feinheit  und  Bestimmtheit,  der  Melodie  eine 
Mannigfaltigkeit  des  Ausdrucks  geliehen  wird ,  die  in  gleichem  Grade 
wieder  keinem  andern  Organ  gelingen  können.  Nehme  man  die  ein- 
fachste Tonfolge  als  Beispiel,  so  ist  ihr  Sinn  ein  verschiedner,  wenn 
wir  sie,  wie  bei  a.,  ganz  oder,  wie  bei  b.  und  c,  — 


416 


Theii  fiir  Theil  binden  (iegatOj  liS)y  oder  sie  ganz  einfach  mitAuf-  und 
Niederstrich  für  jeden  Ton,  wie  hier  bei  d.  — 

417    4.  e.  -^s.       _  f. 


^m^ 


(wo  JlSf  dj  d  und  h  niedergestrichen  werden,  e,  m,  eis  und  a  auf- 
wärts), oder  in  einem  einzigen  Nieder-  oder  Aufstrich  ihrer  mehrere, 
aber  mit  Nachdruck  (durch  die  bogenfuhrende  Hand)  auf  jedem  Ton, 
wie  bei  e.,oder  abgesetzt,  aber  mit  energischer  Angabe  (j/acca/o),  wie 
bei  f.,  oder  abgesetzt  und  leicht  angegeben  (scioUo  ^  detache^  vergl. 
S.  246) ,  wie  bei  g. ,  vortragen ,  oder  Binden  und  Stossen  in  mannig- 
fachster Weise,  z.  B. 


332 


mischen.  Allerdings  sind  diese  Formen  der  Betonung  und  Bewegung 
auch  andern  Instrumenten  erreichbar,  aber  keinem  so  leicht  nnd  in 
solcher  Mannigfaltigkeit  und  Vollkommenheit,  als  den  Slreichinsiru- 
menten.  Es  ist  daher  nothwendig,  dass  diese  Stricharten  dem  Kompo- 
nisten bei  dem  Satze  für  das  Quartett  vorschweben  und  von  ihm  zur 
karakleristischen  Ausbildung  der  Stimmen  benutzt  werden.  Im  Allge- 
meinen ist  Folgendes  darüber  zu  bemerken. 

Erstens.  Jeder  Ton  erhält,  wenn  der  Komponist  nicht  anders 
bestimmt  hat,  seinen  besondem  Strich ,  und  zwar  der  erste  im  Takte 
Nieder-,  der  zweite  Aufstrich,  u.  s.  w. 

Diese  Spielweise  (Nr.  417  d.)  istam  geeignetsten  für  die 
Ausübung  des  Forte,  weil  der  Spieler  jedem  Ton  so  grossen  Bo- 
genstrich zuertheilen  kann ,  als  Geltung  der  Noten  und  Tempo  erlau- 
ben. Eine  besondre  —  aber  ausdrücklich  mit  r-i  r-i  über  jeder  Note 
oder  mit  Martellato  (S.  249)  vorzuschreibende  —  Abart  ist  die,  jeden 
Ton  im  Niederstrich ,  also  in  der  schärfsten  und  stärksten  Weise  zu 
nehmen. 

Zweitens.  Weil  der  Niederstrich  die  Saite  am  entschiedensten 
fasst  und  ansprechen  lässt,  wird  er  —  wenn  nicht  ausdrücklich  etwas 
Anderes  vorgeschrieben  ist  —  vor  allem  der  ersten  Note.im  Takt  und. 
überhaupt  jedem  Haupt- oder  gewesenen  Haupttakttheil*),  sowie  bei 
näherer  Gliederung  jedem  ersten  Tongliede  zuertheilt.  Die  folgenden 
Sätze  — 


A 


2s£: 


A 


^rfc  'flg^^ii 


=1: 


419 


fefefe 


m 


--i=:^ 


^ 


:i=l= 


it 


m 


werden  auch  ohne  ausdrückliche  Bezeichnung  so  gespielt,  wie  hier  die 
Zeichen  bestimmen.  Selbst  dann,  wenn  nur  Haupttheile,  oder  nur  sie 
mit  gewesenen  Haupttheilen  abwechselnd  gespielt  werden ,  z.  B. 


4*iO 


^ 


t:=^r:p^ 


^^f-Ep=|^^ 


^F^ 


wird  stets  mit  Nieder-  und  Aufstrich  gewechselt,   wofern  nicht  ein 
Andres  vorgeschrieben  ist. 

*)  Den  sogeoanDten  ^uten  Takttbeileo,  i in  Gegensatze  ku  den  sogenannten 
sc bl echten.  Allg.  Musiklehre  S.  105. 


333 ^ 


Drittens.   Ganz  ebenso  verfährt  man  bei  dreitheiliger  Taklart 
oder  Gliederung;  man  geht»  wie  hier,  — 


421 


^ 


A 


aj-ff— I 


t=t 


^r^fw^hdlt^-fJJ 


davon  aus ,  dem  ersten  Haupttakttheil  den  Niederstrich  zu  geben,  und 
wechselt  nun  Note  für  Note  mit  Nieder-  und  Aufstrich. 

Viertens.  Jede  besonders  verlangte  Strichart  hat  die  Bedeutung 
eines  Motivs  (und  zwar  eines  rhythmischen),  da  sie  ja  ein  Ausdruck, 
eine  Intention  des  Komponisten  ist ;  folglich  darf  sie ,  wie  jedes  Motiv, 
nicht  willkiihrlich,  nicht  zu  bald  und  zu  häufig  gegen  andre  Stricharten 
aufgegeben  werden.  Die  kleinen  Sätzchen  in  Nr.  418  sind,  wenn  auch 
im  kleinsten  Räume,  folgerecht  und  insofern  gut  gebildet.  Wollte  man 
ihre  Stricharien  durcheinanderwü'rfeln,  z.  B.  so,  — 


422 


^^^^^^ 


SO  würde  ein  Motiv  das  andre  und  eine  Wirkung  die  andre  ver- 
drängen. 

Uebrigens  erschwert  auch  unregelmässige  Mischung  der  Strich- 
arten die  Ausfuhrung,  die  um  so  leichter,  sicherer,  wirksamer  wird ^ 
je  gleichmässiger  die  Bogeniuhrung  sich  gestaltet. 

Fünftens.  Je  mehr  Noten  mit  einander  gebunden 
werden  sollen ,  desto  mehr  vertheilf  sich  das  Gewicht  des  Bogens, 
desto  weniger  ist  also  Porte  oder  Fortissimo  zu  erreichen. 
Die  höchste  Stärke  erlangt  man,  wie  S.  332  gesagt,  wenn  der  ganze 
Bogenstrich  auf  eine  einzige  —  oder  auf  jede  Note  verwendet  werden 
kann.  Am  nächsten  kommt  die  Verbindung  von  möglichst  wenig  Noten 
in  raschem  Zuge,  z.  B.  hier,  — 


wo  das,  was  am  Gewicht  des  Strichs  auf  einen  Ton  verloren  geht, 
durch  die  Tonfolge  und  deren  Wirkung  ersetzt  wird*).  Grössere 
Reihen  gebundner  Noten,  z.  B.  hier  bei  a.,  — 


*)  Die  erste  Note  würde,  wie  sieb  von  selbst  versteht ,  den  Niederstrteh  er- 
halten, aber  die  erste  Ton^roppe  (d — e—fis)  ebeDfalls,  weil  sie  den  gewesenen 
Hanpttheil  trifft;  die  zweite,  aof  das  vierte  Viertel  fallende  Toncprappe  (fis—g — a) 
hätte  Aufstrich  nnd  der  folgende  Niederstrieh  träfe  wieder  den  Hanpttheil  des  neuen 
Taktes.  Durch  die  ohnehin  gerechtfertigte  Abweiehung  bei  der  ersten  Tongruppe 
(die  nach  der  Reihenfolge  hätte  den  Aufstrich  erhalten  sollen)  ist  das  Ganze  wohl- 
geordnet. 


334 


424    R- 


AUegro  jjsoloto« 


können  nicht  so  stark  wie  die  vorigen  Gruppen  oder  gar  wie  einzeln 
gestricbne  Töne  herauskommen ;  höchstens  kann  bei  schnellerer  Ton- 
folge die  erste  Note  jeder  Gruppe  betont  werden,  wie  oben  bei  )>.  die 
Bezeichnung  angiebt. 

Sechstens  endlich  kann  die  Strichart  in  eine  an  sich  nicht 
schwere  Tonfolge  schon  dadurch  Schwierigkeiten  bringen,  dass  sie  eine 
sehr  verwickelte  ist  und  die  Bogenführung  verkünstelt  und  verwirrt. 
Auch  hier  also  werden  wir  auf  den  Vorzug  der  Einfachheit  zurückge- 
wiesen. 

Die  hohe  Ausbildung  zu  jeder  Art  von  rhythmischer  Bewegung, 
verbunden  mit  der  Leichtigkeit,  alle  Arten  von  Tonverbindungen  her- 
vorzubringen ,  die  den  Streichinstrumenten  vor  allen  andern  Organen 
eigen  ist,  hat  natürlich  auch  Einfluss  auf  die 


E.  lelodiebildnng. 

Die  Rantilene  der  Streichinstrumente  —  und  vorzugsweise  die  der 
Violine  —  bildet  sich  gern  frei,  keck  und  leicht  aus,  mehr  wie  die  irgend 
eines  andern  Organs ,  weil  es  i)ir  mehr  als  irgend  einem  andern  mög- 
lich ist  und  die  einzelnen  Momente  derselben,  die  einzelnen  Töne,  nicht 
so  volle  Befriedigung  gewähren,  als  der  gesättigtere  oder  sonst  reizen- 
dere oder  eigenthümlichere  Klang  andrer  Organe.  Dies  kann  aller 
Orten  in  den  mannigfachsten  Gestalten  und  Aeusserungen  beobachtet 
werden.  Einen  kleinen  Zug  davon  gicbt  schon  in  Nr.  410  die  erste 
Geige  mit  ihrem  launisch  willkührlichen  Schritte  von  b  nach  d  vom 
sechsten  zum  siebenten  Takt,  oder  Hay  d n  in  seiner  Z?dur-Symphonie, 
S.  3  der  Partitur,  — 


425 
Violino  I.  U. 

Viola. 


Allc^o.  I         , 


Bassi. 


// 


^-jzjzztzi: 


E^^:=j 


^ 


// 


335 


oder  in  derselben  im  Andante  unmitleibar  nach  dem  in  Nr.  411  mitge- 
theillen  Satze  — 


426    Flöten,  Oboen. 


'^^^^^^m 


Brat  »che*  i 


BS     BS 


Bass. 


i—'A 


S^ÜI 


m 


"37 


-a- 


3tn 


(die  Klarinetten  gehen  in  der  hohem  Oktave  mit  den  Fagotten^ 
Trompeten,  Hörner  und  Pauken  sind  ebenfalls  dabei),  und  Glei« 
ches,  bald  kühn  und  scharf  Eingreifendes,  bald  leicht  Scherzendes 
und  Gaukelndes  kann  wie  gesagt  bei  allen  kundigen  Tonsetzeni  nach-» 
gewiesen  werden.  Schwerlich  ist  je  ein  Blasinstrument,  so  geführt 
worden,  wie  die  erste  Geige  in  Nr.  426^  die  Bläser  schliessen  sich  eher 
der  Weise  der  Singstimmen  an  und  finden  ihre  höchste  Befriedigung 
in  dem  im  engern  Sinne  Sangbaren  ,  wie  wir  Th.  1.  S.  571  und  jetzt 
S.  118  angedeutet  haben. 

Bis  hierher  haben  wir  das  eigenthümliche  Vermögen  der  Streicbin* 
strumeute  betrachtet.  Zuletzt  müssen  noch  die 

F.  Spielweisen 

oder  vielmehr  Tonfiguren  erwähnt  werden,  durch  die  das  Streich- 
infttruttent  seinen  Mängeln»   namentlich  seinem  Mangel  an  aushaU 


336 


tender  Schallkrafl  und  überhaopi  an  gesättigtem  Schall  und  Klang 
abhiia. 

Das  Streicbinstrument  kann  (S.  246)  allerdings  seine  Töne  belie- 
big lang  ausziehen,  aber  weder  vollkommen  gleichmässig ,  noch  stark. 
Diese  lang  gehaltnen  Töne  können  daher  im  Piano,  z.  B.  in  dieser 
Stelle  — 


427  Allegro.  F1>I. 

YioUno  I.  II.  I 


ijÖUi^M 


Viola. 
Violoncello 
ContrabMSO 


•    V 


unsrer  H  ay dn'schen  Symphonie  (S.  325  f.),  fein  anshalten.  Soll  aber 
der  ausbauende  Ton  eindringlicher  werden ,  so  muss  man  ihn  wieder« 
holen ,  entweder  in  der  unbestimmt  ineinanderwischenden  Form  der 
Synkope,  wie  Haydn  in  demselben  Satze  die  erste  Geige  — 


428 
Violino  I. 


Violino  U. 


Viola. 


(Clar.   e  Corni) 


:t=^ 


fe=^Qtfe=^ 


O'c,  Cb.  e  Fag.) 


pm=mmM 


ft 


J^*L 


I  I  I 


=^^^ 


T-T^r 


I 


gegen  die  hier  angedeuteten  Stimmen  und  die  aushaltenden  Flöten  und 
Oboen  festhält ,  —  oder  in  schnellem  oder  langsamem  Tonwiederbo- 
lungen,  oder  im  Tremolo. 

Auch  hier  entscheidet  die  Schnelligkeit  der  Tonwiederholung  über 
den  Stärkegrad.  Ist  die  Bewegung  nicht  zu  lebhaft,  so  dass  auf  die  ein- 
zelnen Striche  ein  durchgreifender  Bogenzug  verwendet  werden  kann 


337 

(höchstens  Sechszehntelbewegung  im  Allegro  moderato)^  so  kann  der 
Ton  stark  gegeben  werden ;  ist  die  Bewegung  zu  schnell ,  so  dass  nur 
kurze  Striche  möglich  sind,  so  ist  auch  kein  erheblicher  Stärkegrad  er- 
reichbar. Dies  gilt  namentlich  von  dem  bereits  S.  261  erwähnten  Tre- 
molo, selbst  wenn  es  vom  ganzen  Slreicherchor  ausgeführt  wird.  Das 
Erbeben  so  vieler  Stimmen  kann  uns  schauerlich  und  leidenschaft- 
lich aufregend  ergreifen,  nicht  aber  grosse  Schallkraft  ausüben,  gleich 
der  eines  kraftvollen  von  derselben  Masse  ausgeführten  Strichs.  In 
hoher  Tonlage  kann  ein  solches  Tremolo  z.  B.  der  Geigen  ein  unheim- 
Kchcs  Geflüster  oder  Gezischel  geben*),  oder  die  Tonwiederholung  in 
mancherlei  Formen,  z.  B. 


der  Melodie  innerliche  Bewegung,  Erregtheit,  Nüancirung  mannig- 
fachen Ausdrucks  verleihen ;  stets  aber  wird  der  Stärkegrad  von  der 
Zeit  abhängig  bleiben,  die  zum  Bogenstrich  gelassen  ist. 


Zweiter  Abschnitt. 
Aufgaben  fttr  den  Streicherehor. 

Wir  haben  nicht  umhin  gekonnt,  die  Streichinstrumente  mit  be- 
sondrer Genauigkeit  (wie  ihre  Vielseitigkeit  und  ihre  Bedeutung  im 
Orchester  foderte)  zu  betrachten  und  zahlreiche  Anwendungen  der- 
selben zu  untersuchen.  Um  so  kürzer  dürfen  wir  uns  jetzt  bei  einigen 
Uebungen  fassen,  die  dazu  dienen  können,  den  Jünger  im  Satze  für 
Streichinstrumente  einheimisch  zu  machen,  ehe  er  zur  Komposition 
für  das  volle  Orchester  vorschreitet.  Es  wird  hier  fast  nur  dar- 
auf ankommen ,  solche  Aufgaben  zu  finden,  die  sich  vorzugsweise 
für  den  Streicherchor  eignen  und  zu  deren  Ausführung  keine  von 
der  Beachtung  des  eigentlich  zu  Uebeuden,  —  von  der  karak- 
teristischen  Behandlung  der  Instrumente  abziehende  Schwierigkeit  sich 
bietet. 

Wir  stellen  zu  diesem  Zwecke  folgende  Formen  als  Aufgaben. 


*)  Daher  ist  diese  Form  bei  den  Opernkomponisten  der  oeaen  französiseb- 
italieDiseben  Schule  der  stereotype  Ausdruck  fdr  Geisteroähe,  Geisterersebeinuog, 
Ahono;  Q.  8.  w.  —  das  heisst  zu  einer  Phrase  geworden. 

Marx,  Konp.  L.  IV.  3.  Aufl .  22 


338 


1.  Die  Menuett. 

Die  Menuett,  in  dem  Sinne  gefasst,  wie  sie  seit  Haydn  ein  Be- 
stand tbeil  unsrer  Symphonien  geworden,  bis  Beethoven  aus  ihr  das 
freiere  Scherzo  bildete,  ist  uns  nach  Form  und  Karakter  (Tb.  IL  S.94) 
längst  bekannt.  Der  frische ,  humoristisch  erregte  und  doch  auch  dem 
Zarten  und  Zärtlichen  nicht  abgewendete  Sinn  dieser  Kunstform  Gndet 
im  Streicherchor  das  entsprechendste  Organ.  Werfen  wir  einen  Blick 
auf  die  Menuett  in  Mozart's  jE^dur-Symphonie*),  — 


430 
Violino  I,  n. 

Viola.         i 


Allegrelto 


so  finden  wir,  dass  der  aufgeweckte,  frisch-derbe  Sinn  des  Tonstucks 
durchaus  mit  dem  seines  Organs  Eins  geworden  ist;  die  keck  hin-  und 
hergeworfenen  Geigen,  die  sich  im  festen  Einklänge  so  frei  empor- 
schwingen, so  rührig  überall  auf  dem  Platze  sind,  die  Bässe,  die  so 
dreist  drauf  los  gehn  und  sich  gar  ungestüm  in  die  Oberstimme  hinein- 
wühlen,  die  Bratsche,  die  Takt  6  zwei  Oktaven  zu  tief  hinabPährt, 
um  den  Bass  unten  zu  halten,  —  Alles  stimmt  ebenso  treffend  zum 
Karakter  der  Kunstform,  als  es  aus  dem  des  Streichquartetts  hervor- 
gegangen ist. 

Oder  blicken  wir  auf  den  zweiten  Theil  der  Menuett  in  Hay  dn's 
£^dur-Symphonie**),  — 


*)  S.  40  der  BreUkopf-Härlerscben  Partitur.  Die  Bläser  sind  bis  znm  tebteo 
Takt  in  Viertelschlä^ceo  als  PöUstimmeo  verweodel. 

**)  Breitkopf-Härterscbe  Partitarausgabe  Nr.  6,  S.  31. 


339 


431    Yiolino  I.  U. 
unisono. 


/ 
Viola.  Bassi. 


N^ 


M 


8va_ 


m^^a^^m 


E 


SO  sehen  wir  in  gleicher  Rührigkeit  das  Quartett  in  zwei  Partien  gc- 
Iheilt ,  dann  die  Geigen  im  Piano  wiederholen,  was  zuvor  im  Grossen 
geschehn  war.  Hier  und  bei  Mozart  zeigt  sich  die  Konzentration  des 
Quartetts  in  zwei  Stimmen,  in  der  es  (S.329)  seine  Schallstärke  hesser 
geltend  machen  kann ,  als  in  der  Zerlheilung  in  vier  und  mehr  Stim- 
men; Mozart  schreibt  das  Forte  zweistimmig,  das  Piano  vierstimmig. 

Im  Gegensatz  zur  Menuett  wird  das  Trio  bekanntlich  (Th.  IL 
S.  95)  zarter  gestaltet.  Dies  überlassen  wir  dem  Versuche  des 
liebenden. 

Die  zweite  Aufgabe  seien 

2.  Sätze  langsamer  Bewegung, 

also  Adagio's  oder  Andante's,  wie  sie  in  Symphonien  oder  Sonaten  als 
Hiltelsätze  vorkommen.  Wir  wissen  aus  Th.  III.  S.  316,  dass  sie  in 
der  Regel  erste  oder  zweite  Rondoform  oder  Sonatenform  haben, 
würden  aber  die  erste  und  zweite  Form  vorziehen,  weil  sie  bei  aller 
Einfachheit  der  Gestaltung  doch  Anlass  genug  geben  zur  Satz-  und 
Gangbildung  im  Sinne  des  Andante;  die  ausgedehntem  Formen  würden 
leicht  die  Einseitigkeit  des  Streichquartetts  empfindlich  machen  und  den 
Wunsch  nach  einem  Gegensatz  durch  Blasinstrumente  wecken. 
Die  letzte  Aufgabe,  die  wir  stellen,  ist 

3.  eine  Ouvertüre  in  Fugenform*). 

Wir  setzen  voraus,  dass  ihr  eine  Einleitung  (Th.  III.  S.  325)  ge- 
geben werde,  richten  aber  unser  Augenmerk  auf  den  Hauptsatz,  die 
Fuge. 

Diese  Fuge  soll  als  Ouvertüre  dienen  und  wird  schon  desshalb 
einen  festlichem,  oder  feierlichem,  anregenden,  auf  irgend  etwas  Be- 
deutsames (eine  Feier,  ein  Kunstwerk ,  das  nachfolgt)  vorbereitenden 
Karakter  annehmen.  Dieser  Rarakter  wird  sich  aber  nach  dem  uns  jetzt 
zugewiesnen  Organ  (dem  Quartett)  oder  vielmehr  aus  ihm  heraus  näher 
beslimmen. 


*)  „Eid  Vorzag  guter  Foriaea  besteht  dario,  daM  das  seistige  Elemeol 
sich  darcb  solche  immer  höher  auszobilden  vermag/*  Das  mag  der  geniale  Raval- 
lerietaktiker  V.  Bismark  für  unser  Znriickkommeo  auf  die  Fugenform  (S.227  und 
hier)  sagen,  wenn  es  Jemand  auff&üig  finden  seilte. 

22* 


340 


Die  Form  selbst  ist  uns  bekannt.  Sie  wird  nicht  nm  ihrer  selbst 
willen  (wie  einst  in  der  abstrakten  Pugenlehre  Tb.  II)  geübt,  son- 
dern um  in  ihr  das  Quartett  zu  dem  vorgesetzten  Zwecke  zu  belbäli- 
gen.  Aehnlicb  ist  sie  besonders  von  altern  Komponisten  benutzt  "wor- 
den.  Händel  z.B.  bildet  den  Hauptsatz  seiner  Ouvertüre  zum  Messaas 
fugenroässig,  — 


432    Allegro  moderato. 


ffrntfffg^ 


io^^ 


Violine  I.  n, 
Viola  u.  Baas. 


ohne  auf  die  Form  auch  nur  so  viel  Gewicht  zu  legen,  dass  er  die  erste 
Durchführung  vollständig  machte.  Hat  er  die  Bratsche  zu  schwach  er- 
achtet, das  Thema  durchzubringen,  oder  hat  ihn  sein  Ungestüm  hinge- 
rissen: genug,  nach  der  Durchführung  der  beiden  Geigen  macht  er 
Tutti ,  indem  er  den  Bässen  das  Thema  giebt.  Nun  spielt  er  mit  dem 
beweglichen  Theil  des  Thema^s  — 


umim 


^m 


^ 


'a    i^£ 


m^ 


weiter,  —  der  fernere  Verlauf  der  Fuge  kann  hier  bei  Seite  gelassen 
werden.  Noch  leichter  gestaltet  sich  der  —  kaum  Fuge ,  höchstens 
Fngato  zu  nennende  Hauptsatz  in  HändeTs  Ouvertüre  zu  seiner  Oper 


341 


Porus  *) ,  von  der  wir  nur  Thema ,  Antwort  und  Gegensatz  anführen 
wollen,  — 

434         Allegro 
V.  I. 
Ob-  I.  ^ 


V.U.  Ob.  n.J 


r-p 


am  an  die  feine  und  scharfe,  witzig-spitzige  Manier  zu  erinnern ,  die 
UDsre  Alten  oft  liebten  und  die  allerdings  ebenfalls  im  Sinn  der  Violin 
liegt,  wenngleich  wir  sie  nicht  leicht  so  oft  und  entschieden  ohne  be- 
sondern Grund  herauskehren,  als  hier  von  Händel  geschehn  ist. 

Wiefern  und  mit  welchem  Erfolg  der  alle  Meister  dem  Sinn  seines 
Oratoriums  und  seiner  Oper  in  den  Ouvertüren  sich  zugewendet,  bleibt 
hier  natürlich  ausser  Betracht.  Wir  wollen  zunächst  von  ihm  lernen, 
die  Fugenform  als  Mittel  zum  Zweck  zu  betrachten,  so  dass  es 
(wie  bei  einer  ähnlichen  Aufgabe,  S.  228)  nicht  zunächst  darauf  an- 
kommt, dieser  Form  recht  volles  Genüge  zu  thun,  sondern  mit  ihrer 
Hälfe  dem  Chor  der  Streichinstrumente  nach  seinem  Vermögen  und 
Rarakter  eine  günstige  Wirksamkeit  zu  eröffnen. 

Hierauf  muss  schon  die  Bildung  des  Tbema's  gerichtet  sein,  das 
wohl  am  besten  für  die  Hauptstimme  des  Quartetts,  die  Violine,  erfun- 
den WMrd ,  —  jedoch  in  einer  Weise ,  die  seine  Uebertragung  auf  die 
andern  Instrumente,  namentlich  den  Kontrabass,  zulässt.  Das  nach- 
stehende Thema  — 

435     AUegro  risoluto 

A  A  A        A    ^ 


-.    U         A   A   A    .    A    r^  ^^— ^  ^— ^       .    A   A ^  .    A   A ^ 


könnte  wohl  für  ein  in  diesem  Sinn  erfundenes  gelten. 

Die  erste  Durchführung  könnte  vollständig  —  oder  selbst  über- 
vollständig, wie  wir  hier  — 


*)  la  London  1731  komponirt;  mit  den  Violinen  gehen  Oboen.  Vergl.  Onver- 
tSren  von  G.  F.  Handel,  in  Partitur  heraasgegeben  von  C.  F.  Becker  bei  Hof- 
meister in  Leipzig.  Erste  Lieferung  S.  18.  —  Mozart  hat  (Band  6  der  Breitkopf- 
Härterschen  Ausgabe,  Nr.  8  der  neuen  Einzelausgabe  der  „Zwölf  Klavierstücke*') 
eine  Fagen-OuvertUre  im  Handerschen  Styl^  jedoch  klaviermässig,  geschrieben. 


342 


iTc.  e  Cb 

dorch  die  blossea  Eintrittnoten  andealen ,  oder  noch  heller  in  dieser 
Stimmordnang  — 

v.u.    T^7'J31.J^ 


437 


m 


3^t 


^■■JUl 


1^ 

,     V«. 


* 


T-7 


Tc;  e  Cb. 


gebildet,  Tielleicbt  iu  ihr  oder  später  das  Thema  durch  Verbindung  von 
je  zwei  Stimmen  im  Einklänge  (S.  313)  henrorgehoben  werden.  Wie 
viel  uod  welche  Kombinationen  die  Fugenform  sonst  noch  darböte,  ist  hier 
nicht  erst  zu  erörlem ,  das  ist  als  längst  geläufig  vorauszusetzen.  Uns 
würde  bei  der  Ausführung  und  in  jedem  Zuge  derselben  vor  allem  das 
die  Aufgabe  sein ,  die  Kriifte  des  Quartetts  und  jeder  seiuer  Stimmen 
oder  doch  der  wichtigsten  in  Wirksamkeit  zu  setzen ;  wir  würden  das 
erste  Motiv,  die  Tonwiederholung,  eindringlich,  —  vielleicht  in  dieser 
Weise  gegen  den  Schluss  hin,  — 


V.  II 


438   < 


m^mmt^'  JK jf|f>-^r^ 


343     

durclisetzeii,  die  Bewegungsfigur  und  das  hier  in  den  beiden  letzten 
Takten  im  Bass  ergriffne  Motiv  ausgeführter  in  Gegensatz  bringen  und 
durchweg  weniger  auf  strenge  Vierstimmigkeit  sehn ,  als  vielmehr  auf 
stärkende  Verbindung  der  Geigen,  oder  der  Geigen  und  Bratsche  gegen 
den  Bass ,  oder  des  Basses  mit  der  Bratsche  gegen  beide  Geigen ,  kurz 
mehr  auf  die  Macht  der  wirklichen  Darstellung ,  als  auf  einen  in  An- 
wendung auf  das  Quartett  oft  nur  papiernen  Reichthum  von  Stimmen* 
Ohnehin  kann  dem,  der  uns  bis  hierher  treu  —  das  heiss  t  selbst- 
thätig  gefolgt  ist,  die  Eitelkeit  auf  sogenannte  kunstreichere  Vielstim- 
migkeit nichts  anhaben.  Denn  es  muss  ihm ,  abstrakt  aus  technischem 
Gesichtspunkte  betrachtet,  gleich  leicht  oder  gleich  schwer  erscheinen, 
mehr  oder  weniger  Stimmen  in  Thätigkeit  zu  setzen.  Eins  wie  das 
Andre  ist  dem  Geübten  an  der  rechten  Stelle  leicht  uod  an  der  unrech- 
ten Stelle  schwer  oder  widerstrebend. 


Allhang. 

Das  Pizzikato. 

Wir  haben  absichtlich  in  den  vorstehenden  der  Ausübung  gewid- 
meten Abschnitten  das  Pizzikato  bei  Seite  gelassen.  Der  Grund  war, 
weil  dasselbe  aus  den  Streichinstrumenten  in  der  That  ganz  andre  Or- 
gane macht ,  nämlich  harfen-  oder  guitarrenähnliche  Instrumente ,  die 
den  in  ihrer  eigenthümlichen  Weise  —  nämlich  mit  Bogenstrich  behan- 
delten Streichinstrumenten  ziemlich  ebenso  fern  und  unterschieden  ge- 
genüber stebn,  als  die  Blasinstrumente.  Der  Wirkung  nach  könnte 
man  geradezu  drei  Instrumentklassen  annehmen, 

Bläser,  — 

mit  Bogenstrich  behandelte  Saiteninstrumente,  — 

harfenartig  behandelte  Saiteninstrumente ; 

und  dürfte  in  der  letztem  Klasse  zu  den  pizzikato  gespielten  Streichin 
Strumenten  Harfe,  Guitarre  u.  s*  w. ,  selbst  das  Pianoforte  stellen,  mit 
deren  Wirkung  die  des  Pizzikato  unstreitig  nähern  Zusammenhang  hat, 
als  mit  der  des  Bogenstrichs.  Nur  weil  das  Pizzikato  von  den  Streich- 
instrumenten selber  ansgefuhrt  wird,  leidet  jene  Eintheilung  blos  tbeo- 
reliscbe  und  keine  praktische  Anwendung. 

Das  pizzikato  bebandelte  Streichinstrument  büsst  an  Schallkraft 
und  zugleich  an  der  Fähigkeit  ein,  das  leiseste  Piano  zu  geben.  Es 
kann  (S.  272)  von  seinen  hohen  Tonlagen  keinen  Gebrauch  machen,^ 
weil  die  zu  kurz  gewordne  Saite  nicht  Schwungkraft  genug  zu  hellem 


344     

und  kräftigem  Schalle  besitzt;  das  Flageolettspiel  ist  oatiirlicb  mit  den 
Pizzikato  unaosfahrbar ;  die  Schnelligkeit  der  Bewegung  ist  der  des 
Bogenspiels  nicht  gleichkommend.  Dies  Alles  haben  wir  bereits  S.  271 
erwogen ,  und  so  kann  uns  das  Pizzikato  im  Allgemeinen  nur  als  eine 
untergeordnete  Anwendung  der  Streichinstrumente  gelten ,  —  als  eine 
um  so  bedenklichere ,  da  es  natürlich  die  vomehmlichste ,  die  mit  dem 
Bogen ,  aufhebt. 

Demungeachtet  ist  dasselbe  von  entscheidender  Wichtigkeit,  — 
schon  darum,  weil  es  sich  so  wesentlich  von  der  Bogenwirkung  unter- 
scheidet, dass  es  einen  entschiednen  Gegensatz  gegen  dieselbe  darbie- 
tet. Dann  hat  der  kurz  anschlagende,  etwas  harte  Klang  der  gerissnen 
Saite  eine  bestimmende  Kraft,  die  den  Schwingungen  gestrichner  Saiten 
eine  feste  und  entscbiedne  Rhythmik  entgegenhält  oder  sie  damit 
unterstützt ;  zuletzt  bieten  —  ganz  abgesehn  von  dem  Gegensatz  der 
Bogenwirkung  —  diese  in  der  Höhe  hellen  und  harten ,  in  der  Tiefe 
dumpfen  Klänge  sich  als  ein  gleichsam  eignes  Organ  für  unzählige  Aus- 
drücke dessen ,  was  in  der  Seele  des  Komponisten  lebt.  Er  kann  im 
tiefsten  Pizzikato  der  Bässe  eine  Wirkung  ähnlich  der  des  kurzen, 
dumpfen  Paukenschlags  finden,  schwächer  und  verhüllter,  aber  auf 
allen  Tonstufen  erlangbar;  die  mittlem  und  höhern  Tonlagen  bieten 
ihm  bald  trockne,  gleichsam  dürre  Tonschläge,  bald  humoristisch, 
ja  jovialisch  kurz  gebundne  Klangfolgen,  —  es  wäre  ebenso  unausführ- 
bar als  unnütz,  alle  Wirkungen  und  Bedeutungen  aufzählen  zu  wollen, 
die  das  Pizzikato  schon  dargeboten  hat  und  noch  darbieten  kann.  Der 
Komponist  muss  den  Klang  auf  allen  Streichinstrumenten  und  in  allen 
Tonlagen  und  Nuancen  kennen,  mag  von  ihm  träumen,  darf  nicht 
unterlassen,  den  Gebrauch,  den  die  Meister  davon  gemacht,  zu  beobach- 
ten ;  —  das  Weitere  giebt  dann  die  schöpferische  Stunde. 

Hier  können  und  müssen  wir  uns  daher  auf  wenige  allgemeine 
Betrachtungen  beschränken. 

Dem  Gebrauch  des  Quartetts,  wie  wir  ihn  bis  hierher  beobachtet, 
Stehtals  entschiedner  Gegensatz  die  Behandlung  des  gesammten  Quartetts 
im  Pizzikato  gegenüber.  Es  verwandelt  den  ganzen  Chor  der  Streich- 
instrumente gleichsam  in  eine  kolossal  mächtige  Harfe.  Die  wirkliche 
Harfe  hat  vermöge  ihrer  freischwingenden  Saiten  Helligkeit  und  Glanz 
des  Klangs  voraus ,  das  Pizzikato  so  vieler  zusammentreffender  Saiten 
übt  —  wenn  auch  in  dumpferm,  verhtiUterm  Klange  —  überlegne 
Macht  aus.  Allein  dieses  gleichsam  neue  Organ  entzieht  uns,  so 
lange  es  in  Wirksamkeit  ist,  die  entscheidende  Bogenwirkung;  der 
Hauptchor  des  Orchesters  hat  seine  Macht  eingebüsst.  Im  Ganzen 
wird  daher  nur  seltner  und  nur  vorübergehend  von  dem  Pizzikato 
des  ganzen  Quartetts  Gebrauch  gemacht  werden.  Nur  der  Zutritt 
von  Bläsern  oder  Singstimmen  kann  dieser  Verwendung  des  Quar- 


345 


tetts  zu  stalten    kommen;    davon    ist    aber  jetzt   noch    nieht    zu 
reden« 

Häufiger  wird  das  Pizzikato  einer  einzelnen  Stimme  oder  einem 
Theil  des  Quartetts  im  Gegensatz  zu  dem  andern  mit  dem  Bogen  be- 
handelten Theil  gegeben.  Hier  kann  entweder  der  Bass  den  Oberstim- 
men entgegentreten,  z.  B. 


und  in  ihren  Zug  und  verschmelzendem  Gang  die  bestimmter  ordnen- 
den Schläge  des  Pizzikato  mischen.  Oder  es  kann  sich  ein  Theil  des 
Quartetts  dem  andern  entgegensetzen,  z.  B.  hier,  — 


440^  V.  I. 


pizz. 


m 


Ä 


^^^ 


w^^^ 


^^^^^^^^.^^^^^ 


^ 


^^^ 


^»^^^c^Ftefe 


WO  übrigens  die  Stimmen  zu  verschieden  geführt  sind,  als  dass  der 
Satz  mit  innerer  Energie  wirken  könnte.  Solcher  Kombinationen  sind, 
wie  schon  gesagt,  zu  viele  möglich,  als  dass  man  sich  auf  ihre  Zusam- 
menstellung einlassen  möchte,  selbst  wenn  sie  nicht  so  überflüssig 
oder  vielmehr  belästigend  und  störend  statt  förderlich  für  den  Jünger 
erschiene. 


346     

In  welcher  Form  nan  auch  das  Pizzikato  angewendet  werde,  so 
hat  es  —  gleich  der  Einfiihrang  eines  neuen  Organs  —  die  Bedeutung 
und  den  Anspruch  eines  Kompositionsmotivs.  Es  tritt  ein,  wo  der 
Komponist  das  Bedürfniss  und  das  Recht  hat,  ein  neues  Motiv  einzu- 
führen. Ist  es  eingeführt,  so  kann  man  es  nicht  sofort  und  überhaupt 
nicht  willkührlich  wieder  fallen  lassen,  sondern  muss  es  durchführen ; 
wir  haben  schon  in  allen  Kunstformen  gelernt,  Motive  (der  Ton- 
folge, des  Rhythmus,  der  Harmonie,  der  Orchestration)  durchzu- 
setzen, bis  der  Satz  oder  Gang,  in  dem  sie  aufgetreten,  vollendet  ist, 
oder  sie  in  ein  andres  Motiv  übergegangen  sind.  Nehmen  wir  an,  dass 
der  in  Nr.  439  angefangne  Satz  zuvor  in  allen  Stimmen  colT  arco  vor- 
getragen worden  wäre,  so  könnte  bei  der  Wiederholung  die  Form 
von  Nr.  439  ergriffen  werden,  und  diese  könnte  wieder  bei  einer 
Wiederholung  zu  der  erweiterten  Anwendung  des  Pizzikato  in 
Nr.  440  fuhren.  So  könnte  auch  von  Abschnitt  zu  Abschnitt  inner- 
halb eines  Ganges  oder  Satzes  in  eine  neue  Form  übergegangen  wer- 
den, nicht  aber  durfte  man  die  verschiednen  Formen  willkührlich 
durch  einander  mischen. 


347 


Vierte  AbtheUng. 
Das  yoUe  Orchester. 

Der  Name  Orchester  oder  volles  Orchester  bezeichDel  bekanntlich 
(S.241)  den  Verein  derStreichinstramente  in  orchestraler  (mehrfacher) 
Besetzung  mit  Blasinstrumenten.  Die  letztem  können  mehr  oder  weni- 
ger zahlreich  vertreten  sein ,  —  nur  einige  oder  mehrere,  oder  alle 
Rohrinstnimente ,  nur  wenige  oder  alle,  oder  gar  keine  Blechinstru- 
mente ;  dass  zu  letztem  sich  die  Schlaginstrumente  gesellen,  ist  schon  ' 
S.  43  gesagt*  Hiernach  nun  lässt  sich  nicht  blos  eine  Unterscheidung 
zwischen  sogenanntem  grossen  und  kleinen  Orchester  (S.  242)  machen, 
es  wären  sogar  mehrere  Abstufungen  zu  bemerken.  Wir  haben  indess 
nicht  Ursache,  auf  jene  Unterscheidung  und  noch  feinere  einzugehn; 
die  Stufen  des  Lehrgangs  bestimmen  sich  aus  andern  Gesichtspunkten, 
—  so  weit  es  überhaupt  deren  noch  bedarf. 

Die  Kenntniss  der  Blas-  und  Saiteninstrumente ,  sowie  die  bishe- 
rigen Uebungen  kommen  uns  jetzt,  bei  der  Vereinigung  aller,  bisher  nur 
in  abgesonderten  Chören  angewendeten  Mittel,  zu  Hülfe.  Unser  näch- 
stes Geschäft  kann  kein  andres  sein,  als  unsre  Mittel  zusammenzustel- 
len und  gegen  einander  abzuwägen,  um  zu  erfahren,  wie  sie  sich  ver- 
einen nnd  vereint  anwenden  lassen. 


Erster  Abschnitt 
Prüfung  aller  Mittel  des  Orchesters. 

Im  Orchester  treten  drei  Chore, 

Streichinstrumente, 

Rohrinstrumente, 

Blechinstrumente, 
zusammen,  denen  sich  Schlaginstrumente  zugesellen  können.  Wenn 
wir  einstweilen  von  diesen,  sowie  von  dem  Chor  der  Ventilinstrnmente 
absehu,  so  haben  wir  jetzt  über  drei  Massen  zu  gebieten,  die  sich 
in  mannigfachen  Beziehungen  unterscheiden  und  in  andern  wieder  ver- 
bindungsfähig  oder  einander  verwandt  zeigen. 


348 


Verwandt  sind  die  Rohr-  und  Blechinstrumente,  insofern  sie  alle- 
sammt  Blasinstrumente,  mitbin  in  Schallkraft,  Klangweise,  Behandlung 
und  Fähigkeit  einander  mehr  oder  weniger  gleichartig  oder  ähnlich 
sind.  In  diesen  Beziehungen  sind  sie  beide  von  den  Streichinstrumen- 
ten wesentlich  unterschieden. 

Auf  der  andern  Seite  lehnen  sich  die  Rohrinstrumente  durch  die 
Vollständigkeit  ihres  Tonsystems  und  die  im  Vergleich  zu  den  Blechin- 
strumenten freie  und  leichte  Beherrschung  desselben  den  Streichinstru- 
menten an. 

Gehen  wir  näher  auf  die  einzelnen  Organe  ein,  aus  denen  die 
Chöre  bestehen,  und  vergleichen 


1.  die  Tonlage, 

so  finden  wir  für  diehoheTonlage  in  allen  drei  Chören  folgende 
Stimmen : 

Violinen,  Flöten,  Trompeten, 

(Pikkolflöten), 
Oboen, 
Klarinetten, 

für  die  mittlere  Tonlage: 

Violinen,  Klarinetten,  Trompeten, 

Bratschen,  (Bassethörner),  Hörner, 

(englisches  Hörn),  Alt-  und  Tenor- 
Fagotte,  posaune, 

für  die  tiefe  Tonlage: 

Violoncell,  Fagotte, 

Kontrabass,         Kontrafagott, 

Serpent  u,  s.  w., 


Hörner, 
Tenor-  und 
Bassposaune, 
Pauken ; 

oder,  —  wenn  wir  auf  die  normale  Vierstimmigkeit  zurück- 
gehn,  —  für  die  erste  Stimme: 
Violine  I.,  Flöte  I., 

(Pikkolflöte  I.), 

Oboe  I., 

Klarinette  I., 
für  die  zweite  Stimme: 

Violine  H.,  Flöte  H., 

(Pikkolflöte  II.), 
Oboe  n., 
Klarinette  IL, 
englisches  Hörn, 
Bassethom  L, 


Trompete  I., 


Trompete  II., 
Hörn  L, 
Altposaune, 


349     

fiir  die  dritte  Stimme: 

Bratsche,  Basselhorn  IL,  Boro  II., 

Violoncell,  Fagott  I.,  Tenorposaune, 

für  die  vierte  Stimme: 

Violoncell,  Fagott  IL,  Hörn  IL, 

Rontrabass,         Kontrafagott,  Bassposaune, 

•    Pauken. 

Man  bemerkt,  dass  in  beiden  Zusammenstellungen  manches  Instru* 
ment  zwiefach  aufgeführt  ist,  z.  B.  die  Klarinetten  und  Trompeten  für 
hohe  und  mittlere  Tonlage,  die  Fagotte  und  Hörner  für  mittlere  und 
tiefe.  Wenn  man  aber  den  Umfang  und  das  Vermögen  der  einzelnen 
Instrumente  erwägt,  so  wird  man  nicht  nur  dies  erklärt  finden,  son* 
dem  erkennt  auch,  dass  manche  Instrumente  noch  ganz  andre  Stellen 
einzunehmen  geeignet  sind;  die  Klarinetten  können  möglicherweise 
dritte  Stimme ,  die  Bassethörner  zweite  oder  selbst  erste  Stimme  sein, 
und  so  noch  andre  Anderes.  Es  kam  zunächst  nur  darauf  an ,  eine 
allgemeine  und  ungefähre  Uebersicht  aller  Tonmittel  zu  erlangen. 

Ziehen  wir 

2.  das  Tonvermögen 

in  Betracht,  so  wissen  wir,  dass  die  Streichinstrumente  im  All- 
gemeinen die  reichsten  und  geschicktesten,  namentlich  auch  die  beweg- 
lichsten sind.  Ihnen  schliessen  sich  zunächst  die  Rohrins tr um ente 
an,  und  unter  diesen  wieder  am  geschicktesten  für  schnelle  und  vielsei- 
tige Bewegung  die  Flöten,  Klarinetten  undFagotte.  Von  den 
Blechinstrumenten  sind  die  Posaunen  am  geschicktesten,  ein  vollstän- 
diges Tonsystem  herzustellen,  die  Trompeten  am  beweglichsten, aber 
tonärmsten,  die  Hörn  er  tonreicher  als  die  Trompeten  und  beweg- 
licher als  die  Posaunen. 

Vergleichen  wir  sodann 

3.  die  Rlangweise 

der  verschiednen  Chöre  und  Instrumentarten,  so  finden  sich  man- 
nigfache Beziehungen,  die  aus  einem  Chor  in  das  andre  hinüber- 
führen. 

Im  Allgemeinen  kann  man  wohl  die  Instrumente  jedes 
Chors  unter  einander  für  verwandt  und  verschmelzbar  achten; 
also  alle  Blasinstrumente,  —  näher  alle  Rohrinstrumente ,  alle  Blech- 
instrumente ,  —  alle  Streichinstrumente.  Treten  wir  aber  näher,  so 
zeigen  sich  doch  innerhalb  der  Chöre  grosse  Verschiedenheiten  und 
wiederum  von  einem  Chor  zum  andern  Beziehungen. 

Am  gleichartigsten  sind  die  Streichinstrumente  unter  einander. 
Unter  den  Rohrinstrumenten  treten  die  Oboen  durch  die  Schärfe  und 


350    

Sprödigkeit  ihres  Klanges  von  den  iibrigen  Rohrinslromenten  fern  ab. 
Ihnen  schliesst  sich  zunächst  nnd  als  ein  fast  gleichartiges  Wesen  nur 
das  englische  Hörn  an.  Unter  den  Blechinstrumenten  sind  es  die  Hör- 
ner, die  sich  durch  die  Weichheit  und  Rundung  ihres  Klangs  von  den 
Trompeten  und  Posaunen  wesentlich  und  unverkennbar  abscheiden*  — 
Wie  weit  diese  Verschiedenheiten  sich  durch  vermittelnde  Instrumente, 
durch  Verstärkung  der  abweichenden  Instrumente  mit  den  übrigen, 
durch  äussere  Massregeln  (z.B. durch  Pianissimo  der  Posaunen,  in  dem 
sie  den  Hörnern  ähnlicher  wirken)  ausgleichen  oder  verbergen  lassen, 
ist  theils  schon  besprochen,  theils  noch  weiter  zu  erörtern. 

Auf  der  andern  Seite  schliessen  sich  die  Hörner  dem  Klange  nach 
leicht  den  Rohrinstrumenten,  namentlich  den  Klarinetten,  Fagotten  und 
Flöten  an.  Und  wiederum  lehnen  sich  die  Oboen  besonders  in  den 
böhem  und  feinem  Lagen  leicht  an  die  Violinen ,  während  sie  in  der 
Härte  der  tiefen  Tonlagen  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  der  Trompete 
(nicht  zu  ihrem  Vortheil)  zu  erkennen  geben.  Die  Fagotte  wiederum 
nähern  sich  dem  Klang  der  Violoncelle ,  und  die  rauhern  tiefen  Töne 
der  Bratsche  sind  nicht  ohne  einen  gewissen  Anklang  vom  Wesen  der 
Trompete. 

Auf  diese  Weise  bilden  sich  nun  Reihen  von  Instrumenten ,  die 
unter  einander  in  näherer  Beziehung  stehen  nnd  eins  in  das  andre 
überfuhren,  oder  eins  das  andre  anziehen.  Wir  stellen  folgende  Reiben 
auf,  — 

Violine  —  Oboe  —  Trompete  —  Bratsche, 

Violoncell  —  Fagott  —  Hörn, 

Oboe  —  Fagott  —  Klarinette  —  Flöte, 

Fagott  —  Hom  —  Klarinette  —  Flöte, 

Trompete  —  Posaune  —  Hom  —  Fagott, 

Kontrabass  —  Bratsche  —  Trompete  —  Posaune, 
nicht  erschöpfend,  Sondern  nur  als  Beispiel  für  mancherlei  andre  zu 
bildende  Ketten  ähnlicher  Bedeutung. 

Dass  an  allen  hier  in  Beziehung  gesetzten  Instrumenten  auch 
mehr  oder  weniger  starke  Verschiedenheiten  hervorgehoben  werden 
können,  ist  gewiss.  Die  ganze  Betrachtungsweise  kann  schon  darum 
nicht  vollkommen  genugthun,  weil  der  Klang  desselben  Instraments  in 
verschiednen  Tonlagen  (man  denke  nur  au  die  Tiefe  und  Höhe  der 
Oboe)  und  selbst  bei  verschiednem  Stärkegrad  (man  denke  an  das 
Piano  und  Forte  der  Hörner  und  Posaunen)  ein  sehr  verschiedner  sein 
kann.  Allein  diese  Abweichungen  und  Nebenunterschiede  haben  für 
jetzt  keine  Bedeutung.  Es  kommt  jetzt  nur  vor  allem  darauf  an:  sich 
einen  grossen  und  freien  Blick  über  das  gesammte  Material  nnd  seine 
Wechselbeziehungen  zu  verschaffen.  Wir  fassen  zuerst  das  Orchester 
als  ein  Ganzes ,  ein  einiges  Organ  auf,  unterscheiden  dann  seine  zwei 
oder  drei  Massen,  und  fassen  wieder  jede  als  ein  in  sich  geschlossen 


361     

Zusammengehöriges  auf.  Nun  erst  entdecken  wir  theils  vertrautere 
Beziehungen,  theils  feinere  Scheidungen,  und  bilden  durch  die  ver- 
schiedneu Massen  hindurch  unsre  Ketten.  Diese  Anschauungs-  oder 
Auffassungs weise ,  die  den  Komponisten  (nicht  Mos  den  Lernenden,  — 
denn  hier  lernt  Niemand  aus)  stets  von  Neuem  beschäftigen  muss,  dringt 
so  vom  Allgemeinsten  bis  in  das  Besonderste  jedes  einzelnen  Instru- 
ments, lässt  aber  das  Einzelne  nicht  mehr  vereinzelt,  sondern  stets  in 
seinem  Verhältniss  zu  Anderm  und  dem  Ganzen  erscheinen« 
Dasselbe  gilt,  wenn  wir  zuletzt 

4.  die  SchallkrafI 

der  einzelnen  Instrumente  ermessen ;  auch  diese  ist  in  den  verscfaied- 
nen  Tonlagen  verschieden,  z.  B.  in  der  tiefen  Oktave  der  Flöte  ge- 
ring, in  der  hohen  bedeutender.  Im  Allgemeinen  kann  man  jedoch  den 
Blechinstrumenten  überlegne  Schallkraft  vor  den  Rohrinstru- 
menten, den  Bläsern  mehr  aushaltende,  den  Streichinstru- 
menten mehr  Schlagkraft  beimessen.  Unter  den  Blechinstrumenten 
sind  die  Hörn  er,  unter  den  Rohrinstrumenten  Flöten  und  Fagotte 
die  mildesten. 

Wir  kommen  zumSchluss  auf  die  einstweilen  bei  Seite  gelassenen 
Schlag-  und  Ventilinstrumente  zurück.  Die  erstem,  von  denen 
wir  nur  Pauken  und  grosse  Trommel  betrachten,  sind  bekannt- 
lich ebensowohl  des  Piano  als  des  höchsten  Grades  von  Forte  fähig 
und  mit  jeder  orchestralen  Zusammenstellung  vereinbar.  Im  Piano  oder 
Forte  haben  sie  ursprunglich  nur  Schlagkraft;  der  Paukenwirbel  aber 
kann  gleich  dem  Tremolo  der  Streichinstrumente  den  Ton  gewisser- 
massen  verlängern ,  —  und  zwar  auf  beliebige  Zeit,  so  lange  der  Spie- 
ler nicht  ermüdet,  —  und  dabei  anschwellen  und  abnehmen  lassen. 
Dieses  Vermögen  ist  es,  das  die  Vereinigung  der  Pauken  mit  den 
Streichinstrumenten  und  Bläsern  begünstigt. 

Von  den  Ventilinstrumenten  müssen  wir  schon  Ventiltrompe- 
t  e  n  und  V  e  n  t  i  1  h  ö  r  n  e  r  als  die  verzognen  Geschwister  {enfans  gätes) 
der  natürlichen  Trompeten  und  Hörner  zu  diesen  oder  an  deren  Ort 
stellen,  —  wenn  man  sie  einmal  nicht  entbehren  kann.  Das  chroma- 
tische Tenorhorn  würde  sich  zu  den  Posaunen  gesellen,  die  stier- 
hafte Tuba  (Kontrabasstuba)  aber  mag,  wenn  man  sie  durchaus  ha- 
ben will,  den  Bass  des  gesammten  Bläserchors  verstärken.  Sollten  noch 
Flügelhörner  u.  s.  w.  zutreten ,  so  würden  sie  zwischen  Hörnern  und 
Rohrinstrumenten  ein  Mittelglied  bilden. 


352    

Zweiter  Abschnitt. 

Zu9ainineii8telluDg  des  Orchesters*). 

Weoa  wir  jetzt  an  die  ZusammensteliuDg  ansers  Orchesters  gehe, 
sind  wir  von  der  Einseitigkeit,  die  uns  bisher  anf  Blas-  oder  auf 
Streichinstrumente  beschränkt  hat,  frei.  Hiervon  ist  nicht  mehr  die 
Rede ,  sondern  vom  Verein  des  Quartetts  mit  Blas-  und  Schlaginstru- 
menten. Das  Streichquartett  wird  (S.  248)  als  Kern  des  Orchesters  in 
seiner  Vollständigkeit  (S.  298)  vorausgesetzt.  Folglich  bleibt  nur  die 
Frage : 

Welche  Blas  -  und  Schlaginstrumente  wollen  wir  dem  Quar- 
tett zugesellen? 

zn  beantworten.  Wir  wollen  dabei  von  den  Ventilinstrumenten, 
dem  englischen  Hpm,  den  Ophikleiden,  dem  englischen  Basshorn, 
den  ungebräuchlichem  Flöten-  und  RIarinettarten  und  den  Schlag- 
instrumenten ausser  Pauken  und  grosser  Trommel  einstweilen  ab- 
sehn ,  und  behalten  uns  vor ,  gelegentlich  auf  eins  oder  das  andre  die- 
ser Instrumente  hinzuweisen.  Diese  Beschränkung  —  die  uns,  beiläufig 
gesagt,  in  den  Besitzkreis  versetzt,  innerhalb  dessen  unsre  Meister  sich 
bewegt  haben  —  droht  auch  für  den  Fall  keinen  Verlust,  dass  man 
noch  neue  Instrumente  für  besondre  Zwecke  zuziehen  wollte;  denn 
die  Grundsätze  würden  ohne  Weiteres  sich  auf  sie  anwenden  lassen. 

Bei  der  Zusammenstellung  seines  Orchesters  nun  hat  der  Kompo- 
nist mehr  als  einen  Gesichtspunkt  zu  fassen. 

1.  Bedürfniss  der  Blasinstrumente. 

Zunächst  wird  im  Allgemeinen  die  Aufhebung  jeuer  Einseitigkeit 
wünschenswerth  sein,  die  in  der  ausschliesslichen  Anwendung  von 
Streichinstrumenten  liegt.  Die  Wirkung  derselben  im  Orchester  ohne 
Zutritt  oder  Zwischentritt  von  Bläsern  nimmt  leicht  eine  gewisse  heisse 
Dürre '^*)  an,  der  Satz  wird  unruhig  (weil  das  Streichinstrument  die 
Bewegung  liebt),  abgebrochen  und  scharf,  oder  bei  zarter  Behandlung 
dünn ,  und  kann  —  wie  auch  der  sonstige  lohalt  sei  —  auf  die  Länge 
peinlich  werden.  Wir  werden  also  durch  einen  künstlerischen  Grund 
auf  dieselbe  Stelle  geführt,  die  uns  oben  durch  den  Lehrgang  angewie- 
sen worden:  auf  die  im  Allgemeinen  bestehende  Noth wendigkeit, 
zu  dem  Quartett  Blasinstrumente  zu  gesellen. 


*)  Hierzu  der  Aobangp  O. 
**)  Dasa  io  diesen  Diogen  nnr  gleichoissweise  sesprochen  werden  kann  and 
jedes  Gleichniss  nozuläD^lich  nnd  dem  Missverständniss  ausgesetzt  bleibt,  wenn 
die  Intelligenz  des  Lesers  nicht  zu  Hülfe  kommt,  ist  scboa  früher  (S.  4)  gesagt. 


353 


Ein  treffenderes  Zeagniss  für  diesen  unsern  ersten  Grundsatz  lässt 
sich  vielleicht  nicht  finden,  als  bei  dem  allseitigsten  aller  Instrumen- 
tisten,  bei  J.  Haydn,  in  den  Jahreszeiten  die  schwüle  Arie,  die 
den  Druck  der  Mittagsglut  im  Sommer  singt*).  Haydn  fühlte  gar 
wohl,  dass  hier  nur  das  Quartett  wirken,  das  Organ  für  die  ent- 
alhmende  Schwüle  sein  könne;  und  doch  vermochte  sein  musikali- 
sches Wohlgefühl  es  nicht  leicht,  auf  den  mildernden  Hauch  der 
Bläser  ganz  zu  verzichten.  Er  mischt  also  eine  Flöte  und  eine 
Oboe  ein.  Allein  beiden  ist  gleichsam  nur  ein  tröstendes  Wort  er- 
laubt; hier  — 


441 
Fl.  Oh. 


ViolinoI.II, 


Viola. 


Tenor«  • 


Largo 


g£7T^^?^# 


♦)  S.  170,  Tb.  2  der  Breilkopf-Hiirlerschen  Parlitar. 
Marx,  Komp.  L.IV.  S.Aafl. 


23 


354 


Fl. 


v-i; 


fc 


'■^m^^^^f^ 


r-Tf 


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—l»Ji. 


S^ife- 


fe 


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-\vel  -  ke  Blu-men,         dür  -  re 


Wieftcn 


^»-Plt=t= 


^ 


-t^« 


-^-'- 


sehen  wir  den  Schluss  des  Ritornells  und  den  Anfang  des  Gesangs,  und 
nach  dem  ersten  Abschnitte  des  letztern  jenes  einzige  den  Bläsern  ge- 
staltete Wort.  Es  kommt  noch  einmal  (wiederholt)  im  Kitomell  und 
zum  letzten  Mal  (ebenFalls  wiederhol!)  in  der  Mitte  der  Arie  beim  Wie- 
deranfang vor  und  sonst  nirgends.  Ueberall  sonst  ist  nur  Begleitung 
des  Streichorchesters.  Die  Bläser  wären  wegzulassen  gewesen,  wenn 
das  rein  musikalische  Gefühl  sie  nicht  begehrt  hätte;  sie  konnten 
mehr  —  oder  es  konnten  deren  mehrere  gebraucht  werden,  wenn  nicht 
der  Sinn  der  Situation  ausschliesslich  oder  doch  im  entschiedensten 
Uebergewicht  Bogenwirkung  verlangt  hätte.  —  Wenn  unmittelbar 
darauf  ,,der  kühlende  Schirm  des  dunkeln  Hains^'  willkommen  ge- 
heissen  wird,  treten  zu  den  Saiten  gleich  Flöte,  Oboen,  Fagotte,  Hör- 
ner in  erfrischendem  Anhauch  auf. 

Sobald  nun  der  Zutritt  von  Bläsern  feststeht,    ergiebt  sich   das 
zweite  Bedürfniss,  das  wir  als 


2.  Gleichgewicht  der  Tonlagen 

bezeichnen  wollen.  Das  Streichquartett  besetzt  für  sich  allein  Höhe, 
Mitte  und  Tiefe  des  Tonsystems;  allein  es  wirkt  als  ein  besondrer 
Chor.  Sobald  Bläser  zutreten,  bilden  sie  einen  zweiten  wohl  unter- 
scheidbaren Chor,  für  den  wir  ebenfalls  verhältnissmässige  Besetzung 
der  Tonlagen  wünschen  müssen.  In  der  Regel  wird  man  also  gern 
tiefe  nnd  hohe  Bläser,  mithin  (nach  deren  schon  S.  117  festgesetzter 
paarweiser  Stellung)  wenigstens  ein  tiefes  und  ein  hohes  Bläserpaar 
zusammenstellen,  um  den  Bläserchor  in  sich  selber  nach  Höhe  und 
Tiefe  ebenmässig  auszubilden.  Man  wird  also  gern 


355 

Oboen  uod  Fagotte, 

Klarinetlen  and  Hörner  oder  Psigotte 
als  Bläsercbor  aufstellen ,  wenn  man  sich  auf  einen  kleinen  Chor  zu 
beschränken  bat. 

Allerdings  sind  auch  hier  zahlreiche  Ausnahmen  vorhanden,  die 
aber,  wenn  sie  gerechtfertigt  sein  sollen,  in  einer  besondern  Intention 
des  Komponisten  ihren  Grund  haben  müssen.  Gleich  der  bei  Nr.  441 
angeführte  Satz  ist  eine  solche  Ausnahme.  Haydn  musste  sich  auf  die 
engste  Zahl  der  Bläser  beschränken ,  wenn  er  nicht  die  Lokalfarbe  für 
seine  Situation  trüben  oder  ganz  verändern  wollte;  seine  Oboe  lehnt 
sich  an  die  Violinen  fast  wie  ihres  Gleichen ,  die  Flöte  ist  fast  das  ein- 
zige Labsal  im  heissen  stillen  Zug  der  Bogen ;  ein  Paar  Fagotte  oder 
Hörner,  —  ja  ein  einziges  —  hätten  Schatten  und  Kühlung  gegeben 
und  durften  erst  bei  dem  folgenden  Satze  mitreden.  Was  übrigens  die- 
sen und  andre  Ausnabmfalle  von  der  musikalischen  Seite  begreiflich 
und  leichter  erträglich  macht,  liegt  vor  Aagen.  Wenn  nämlich  durch 
einseitige  Macht  von  lauter  hoben  oder  lauter  tiefen  Blasinstrumenten 
ein  Uebergewicht  nach  der  Höbe  oder  Tiefe  in  der  Anlage  der  Parti- 
tur veranlasst  scheint ,  so  kann  ja  doch  noch  in  der  Ausführung  das 
Quartett  so  gesetzt  werden ,  dass  es  die  tiefere  Lage  im  Gegensatz  zu 
den  hohen  Bläsern  hervorbebt ,  —  oder  es  können  die  hohen  Blasin- 
strumente selber  mehr  in  der  Tiefe  und  Mitte  gebraucht  werden.  So 
hat  auch  Haydn  verfahren. 

Der  Rücksicht  auf  gleichmässige  Besetzung  der  Tonlagen  inner- 
halb des  Bläserchors  liegt  schon  der  Gedanke  zum  Grunde ,  dass  der- 
selbe in  sich  selber  befriedigend  gestaltet  sein  müsse.  Wir  wissen  aber, 
dass  im  Karakter  der  Bläser  Fülle  des  Klangs  als  einer  der  Grundzüge 
hervortritt,  und  zwar  im  Blech  noch  mehr  als  in  denRohrinstrumenlen. 
Daher  ist  nun  auch 

3.  Vollklang 

eines  der  allgemeinen  Bedürfnisse,  deren  sich  der  Komponist  nicht  ohne 
besondern  Grund  entschlagen  kann. 

Der  Vollklang  hängt  natürlich  nicht  blos  von  der  Wahl  der  Instru- 
mente ab ,  —  Klarinetten  gewähren  ihn  mehr  als  Flöten  oder  Oboen, 
Posaunen  mehr  als  Hörner,  —  sondern  auch  von  der  Masse  derselben ; 
wenn  zu  den  Oboen  und  Fagotten  noch  Flöten  oder  Klarinetten  treten, 
oder  beide  zusammen,  so  versteht  sich  von  selbst,  dass  die  Schallmasse 
sich  vergrössert.  Allein  es  tritt  hier  doch  noch  ein  Drittes  hinzu. 

Es  ist  nämlich ,  von  allen  besondern  Intentionen  abgesebn ,  vor- 
tbeilhaft  für  den  Wohl-  und  Vollklang,  wenn  Rohr-  und  Blechinstru- 
mente vereinigt  werden,  weil  dann  die  Eigenthümlichkeiten  beider  ein- 
ander gegenseitig  ergänzen  und  Eins  das  Andre  schon  durch  den 
Gegensatz  hervorhebt.  Daher  würde  die  grösste  Aufhäufung  von  Rohr- 

23* 


356     

instramenten  —  wollte  man  auch  zu  Flöten,  Oboen,  Klarinetten  ond 
Fagotten  noch  Alt-  und  Bassklarinetten  und  Bassethörner,  oder  stall 
zweier  Fagotte  drei  oder  vier  obligate  nehmen  —  keinen  so  wobige- 
bildeten  Klangkörper  geben,  als  wenn  man  zu  weit  weniger  InstninieB- 
ten,  z.  B.  zu  Klarinetten  und  Fagotten,  noch  Hörner  setzt;  selbst  Kla- 
rinelten  und  Höruer  allein  (wofern  nur  der  Tongebalt  der  letztem 
genügt)  gewähren  eine  Fülle  von  Wohllaut,  die  grossem  Zosammeo- 
Stellungen  ohne  Beimischung  von  Blech  nicht  leicht  eigen  ist.  Und  so 
dient  umgekehrt  der  Zutritt  von  Rohrinstrumenten  —  wären  es  auch 
nur  Klarinetten  (oder  Oboen)  und  Fagotte,  oder  selbst  nur  die  letztem 

—  einer  Blechmasse,  die  in  sich  selber  stark  genug  gebildet  sein  mag^ 
um  voll  zu  klingen ,  zu  besserer  Abrundung  und  zur  Annäherung  an 
das  Quartett  oder  Verschmelzung  mit  demselben.  Hiernach  bieten  ans 
Zusammenstellungen  von 

Klarinetten  (oder  Oboen),  Fagotten  und  Hörnern, 
Flöten,  Oboen  (oder  Klarinetten),  Fagotten  und  Höraera 
schon  eine  beßriedigende  Masse  für  jenen  Vollklang,  den  wir  als  ersten 
Karakterzug  und  Reiz  aller  Harmoniemusik  —  und   somit  auch  des 
Bläserchors  im  Orchester  erkennen. 

So  weit  führt  uns  das  allgemeine  Bedürfniss,  dem  Slreichercfaor 
Bläser  zuzugesellen  und  diese  als  eignen  Chor  in  befriedigender  Weise 
aufzustellen.  Alles  Weitere  hängt  nun  von  der  besondern  Aufgabe  ab, 
die  sich  dem  Komponisten  in  dem  oder  jenem  Werke  darbietet.  Hier- 
über erschöpfend  zu  reden,  würde  ebensowohl  unausführbar  als  unnütz 

—  oder  vielmehr  benachtheiligend  sein.  Es  können  nur  noch  einzelne 
Winke  über  häufig  eintretende  oder  besonders  lehrreiche  Verbältnisse 
gegeben  werden. 

Wenn  es  dem  Komponisten  auf 

4.  grosse  Kraftentwickelung 

ankommt,  so  ist  allerdings  das  nächste  Mittel,  das  sich  ihm  darzubieten 
scheint,  eine  vergrösserte  Instrumentation.  Zunächst  wird  er  also  za 
seinen  Flöten,  Oboen,  Klarinetten,  Fagotten  und  Hörnern  noch  Trom- 
peten und  Pauken,  —  dann  vielleicht  Posaunen,  —  zu  den  Flöten  viel- 
leicht PikkolOöten ,  zu  den  normalmässigen  zwei  Hörnern  ein  zweites 
Hornpaar  oder  ein  drittes  Hörn  setzen,  und  so  fort.  Allerdings  wird  auf 
diesem  Wege  die  Schallmasse  vergrössert. 

Allein  mit  dem  Anwachsen  der  Masse  wird  keineswegs  die  Kraft 
des  Ganzen  jederzeit  gesteigert.  Wir  haben  schon  früher  (S.  166)  be- 
merken müssen ,  dass  Instrumente  von  rundem ,  weichem  Klange  die 
Schallkraft  scharfer  und  harter  Instrumente  nicht  immer  erhöben ,  son- 
dern vielmehr  umhüllend  zu  schwächen  dröhn ,  wenn  dem  nicht  etwa 
durch  besonders  geschickte  Stellung  vorgebeugt  wird,  was  nicht  immer 
angebt.    Flöten,  wenn  sie  nicht  in  der  höchsten  Tonlage  gehalten 


357 

werden ,  nehmen  den  Oboen  leicht  ihre  eindringliche  Schärfe,  Homer 
than  dasselbe  den  Trompeten,  Hörner  und  Fagotte  den  Posaunen. 
Wollte  man  zu  Flöten,  Klarinetten,  Fagotten  und  Hörnern  ein  zweites 
Hompaar  und  Bassethörner  setzen  mit  oder  ohne  Oboen,  so  würde 
darch  die  Hasse  sauftquellenden  gerundeten  luftvollen  Klanges  die 
Schmetterkrafk  der  Trompeten  und  Posaunen  gehemmt  oder  gar  ge- 
brochen; es  könnte  so  ein  vollströmender,  ja  erhabner  Vollklang  ge- 
wonnen werden,  nicht  aber  durchdringende  erschütternde  Kraft. 

Und  endlich  würde  der  entgegengesetzte  Uebelstand  von  dem  ein- 
treten, den  wir  zuerst  gewahr  wurden.  Zuerst  erkannten  wir  die 
Mangelhaftigkeit  in  der  Wirkung  von  Streichinstrumenten  ohne 
Bläser;  jetzt  würde  die  überhäufte  Masse  der  Bläser  dem  Streich- 
quartett alle  Energie  und  Schärfe  abstumpfen.  Und  wenn  man  diesem 
Nachtheil  durch  verdoppelte  Besetzung  des  Quartetts  entginge,  —  was 
doch  nur  an  den  wenigsten  Orten  die  Mittel  erlauben ,  —  so  würde  in 
der  gehäuften  Masse  der  Bläser  und  Streicher  jede  Individualität  ihren 
Karakter  einbüssen,  ein  Klang  würde  den  andern  verschlingen,  die 
Schallmasse  —  das  Materielle  auf  Kosten  des  Geistigen  überwältigend 
werden. 

Diese  Ueberlegung  führt  uns  auf  einen  Grundsatz,  der  von  den 
Meistern  stets  festgehalten  worden ;  er  heissl 

5.  Mässigung  und  Zurückhaltung 
in  der  Zusammenstellung  des  Orchesters  und  hängt  eng  zusammen  mit 
dem  höchsten  Grundsatz,  den  wir  für  die  Bildung  des  Orchesters  über- 
haupt auszusprechen  haben : 

6.  karakterislische  Wahl  der  Instrumente. 

Beide  Grundsätze  treten  uns  überall  entgegen,  wo  es  dem  Künstler 
um  das  wahrhaft  Künstlerische,  —  um  OBenbarung  eines  geistigen  In- 
halts, eines  tiefergriffnen  Seelenzustandes,  einer  Idee  —  zu  thun  war, 
während  alle  zuvor  erwähnLed  Rücksichten,  so  gewiss  sie  ihre  Berech- 
liguDg  haben ,  doch  zunächst  nur  dem  Sinnlichen,  —  dem  sinnlichen 
Wohlklang,  der  materiellen  Gewalt  —  oder  dem  abstrakt  Verständigen 
angehörten. 

Den  wahren  Meisler  in  der  Instrumentation  erkennt  man  vor 
allem  in  der  Zurückhaltung,  die  ihn  von  allem  Material,  das  nicht 
streng  nothwendig  ist  für  seine  Idee,  absehen  lässt.  J.  Haydn  nimmt 
zu  seiner  sprühend  lebendigen  iSdur-Symphonie,  zur  derartigen  Gdur-< 
Symphonie  nur  Flöten ,  Oboen  (keine  Klarinetten)  und  Fagotte ,  Hör- 
ner, Trompeten  und  Pauken.  Mozart  hat  in  seiner  ff  moU-Symphonie, 
einer  der  geistvollsten  und  leidenschaftlichsten,  die  er  geschrieben,  nur 
eine  Flöte,  Oboen,  Fagotte  und  zwei  Höruer,  keine  Klarinetten,  keine 
Trompeten  und  Pauken. 


358     

Wenn  man  vielleicht  geneigt  sein  sollte,  diese  ZurückbaltUDg  äl- 
terer Meisler  Lheilweis'  mit  auf  die  Beschränktheit  der  damaligen  Or- 
chester zu  beziehen:  so  findet  man  doch  denselben  Grundsatz  auch  bei 
Beethoven,  der  überall  und  namentlich  in  seinem  Wien  auf  die  zu- 
reichenden Mittel  der  Ausführung  rechnen  konnte.  In  seiner  heroischen 
Symphonie,  zu  der  ihn  bekanntlich  die  Heldengestalt  Napoleons  begei- 
stert hat  und  in  der  ihm  Bilder  des  Kriegs  in  ihrer  kühnsten ,  gewalt- 
samst andringenden  Macht  vorschwebten,  hat  er  keine  Posaunen,  keine 
Pikkolflöten,  sondern  setzt  den  gewöhnlichen  Instrumenten  —  Flöten, 
Oboen,  Klarinetten,  Fagotten,  Trompeten  und  Pauken  und  zwei  Hör- 
nern —  nur  noch  ein  drittes  Hörn  zu.  In  seiner  Pasloralsymphonie 
enthält  er  sich  in  den  ersten  beiden  Sätzen  selbst  der  Trompeten,  die  erst 
im  dritten  —  und  da  auch  nur  im  Trio  auftreten.  Erst  im  vierten  Satze 
(Gewitter,  Sturm)  kommen  zu  den  Trompeten  noch  Pauken,  eine  Pik- 
koltlöte  und  Posaunen  —  aber  nur  Alt-  und  Tenorposaune  hinzu.  Pau- 
ken und  Pikkolflöte  treten  hier  wieder  ab.  In  der  Cmoll-Symphooie 
werden  Posaunen,  Pikkolflöte  und  Kontrafagott  ebenfalls  bis  zum  Finale 
gespart.  Selbst  in  dem  mächtigsten  aller  Orchesterwerke,  in  Beetho- 
ven's  neunter  Symphonie  (mit  Chor),  wirkt  das  Kontrafagott  erst  im 
vierten  Satze  bei  der  Einleitung  in  das  Rezitativ  der  Bässe  mit;  Pikkol- 
flöte, grosse  Trommel,  Becken  und  Triangel  treten  erst  xmAlla  marcia 
der  Kantate,  — 

Froh  wie  seine  Sonnen  fliegen 
Durch  des  Himmels  prächtigen  Plan, 
Laufet  Brüder  eure  Bahn 

und  die  Posaunen  treten  erst  im  Trio  des  Scherzo,  dann  aber  nicht 
eher  wieder,  als  zu  dem  wie  Tempelweihe  gesungnen 

Seid  nrnscblnngen,  Millionen ! 
auf*).    Es  bedarf  nur  eines  Blicks  in  die  Partitur,  um  zu  erkennen, 
dass  selbst  diese  gewaltigsten  Instrumente  nicht  um  der  Massen-  oder 
Schallverstärkung  willen  gesetzt  sind. 

Die  letztern  Beispiele  scheinen  uns  um  desswillen  die  beweisend- 
sten ,  weil  der  Künstler  hier  Mittel  geschont  und  gespart  hat,  die  er  in 
demselben  Werk  an  andern  Orten  in  Thätigkeit  setzt,  deren  Vorhan- 
densein er  also  fodert.  Hier  hat  ihn  also  augenscheinlich  nicht  etwa 
ausscrlicli  noLh wendige  Sparsamkeit  oder  soust  ein  Dicht  wesentlicher 
LiDistiuid  besUüiini,  sondern  nur  die  Idee  des  Werkes  und  jene  keusche 
Zuruckhahung  von  allem  nicht  für  den  Ausdruck  der  Idee  nöthigen 
ÄJatericil,  iieiii  iiicbl  versl-r'  Süil,  das  Geistigt*  üppig  zu  über- 

wtichcrti.    So  enthäll^M  i«o^art  in  der  Ouvertüre  zum  Don 

JUÄ»  der  PosüiUici^  jjy  N  nur  m  einer  Ouvertüre,  der  zur 

Zauberllö1i%  ^BP"^  ^  ^  ^^^'  ^P<^^  selbst  braucht. 

m  b**riiu*i?epbnen  Partitor. 


359     

Den  Nachweis  des  Karakteristischen  in  der  Wahl  der  Instrumente 
können  wir  kürzer  fassen.  Sobald  nur  erst  erkannt  ist,  dass  es  nicht 
der  Aufhäufung  von  Instnimentmassen  bedarf,  dass  sie  vielmehr  ihr 
Bedenkliches  hat,  wofern  sie  nicht  der  Idee  des  Kunstwerkes  entspre« 
chend  und  nothwendig  ist:  wird  man  von  selbst  geneigt  sein,  bei  der 
ratbsamen  Beschränkung  die  der  Idee  des  Werks  entsprechendsten  In- 
strumente den  andern  vorzuziehn.  Hier  könnten  nun  die  auffallendsten 
Zuge  aus  unsern  Meisterwerken  gegeben  werden ;  wir  beschränken 
uns  nur  auf  einen  einzigen  Fall,  auf  Mozart's  Requiem.  Mozart  ent- 
hält sich  das  ganze  Werk  hindurch  der  Flöten,  Oboen,  Klarinetten  und 
Hörner.  Zwei  Bassethörner  und  zwei  Fagotte  bilden  den  Chor  der 
Rohrinslrumente ;  ihre  tiefere  Tonlage,  ihr  verschleierter  lugubrer 
Klang  geben  die  trübe  Lokalfarbe  für  den  Trauergesang,  der  weder 
durch  üppige  Klarinetten  noch  milde  Flöten  erhellt ,  oder  durch  die  po- 
sitivere Oboe  zu  festerer  Haltung  im  Klange  gehoben  werden  sollte. 
Wo  es  der  kirchlichen  Feier  oder  schärferer  Eingriffe  des  Pathos  be- 
darf, da  dienen  Trompeten  und  Pauken  und  Posaunen,  ungemildert  und 
unvermittelt  durch  Hörner;  der  romantische  Waldklang,  die  weltliche 
Schwärmerei  des  Horns  durfte  hier  nicht  vernommen  werden. 


Dritter  Abschnitt. 

Die  eiufaehsteii  Stellungen  der  verseliiediieu  ChOre  zu 

einander. 

Wir  haben  bereits  das  Streichquartett  als  wichtigsten  Chor  des 
Orchesters  anerkannt,  da  dasselbe  die  ausgedehnteste  Befähigung  zu 
allen  Arten  von  Tonverbindungen  und  Bewegungen  besitzt,  sich  mehr 
wie  die  andern  Orchesterchöre  den  mannigfachsten  Stimmungen  und 
Vorstellungen  des  Komponisten  anzuschmiegen  und  als  Organ  herzu- 
geben vermag  und,  eben  weil  es  keinen  so  gesättigten  und  sättigenden 
Klang  hat  wie  die  Bläser,  länger  die  Theilnahme  des  Schaffenden  und 
Hörenden  fesselt.  Daher  sprechen  wir  es  als  ersten  Grundsatz  für  die 
Behandlung  des  Orchesters  aus, 

das  Streichquartett  als  Kern    des  Orchesters 
auzusehn,  mithin  von  ihm  aus  den  Satz  aufzuerbauen ,  —  das  Quar- 
tett als  Hauptchor  im  Sinne  zu  haben  und  die  übrigen  Chöre  erst  in 
Beziehung  zu  ihm  hinzuzuführen. 

In  der  That  ist  dieser  Grundsatz  so  tief  begründet,  dass  ihm  ge- 
radezu alle  Partituren  der  Meister  oder  überhaupt  der  irgend  orientir- 
len  Musiker  zur  Bestätigung  dienen.  Nur  wollen  wir  uns  vor  zweierlei 
Missverständniss  dabei  verwahren. 


360     

ZaenU  wolle  man  aaeh  hier  eiogedenk  UeibeB,  dass  eis  Ronst- 
werk  nichl  sltickweis  zasammeagetragea  wird ,  sondern  gleich  jedem 
lebendigen  Organismus  als  ein  einheitvolles  Ganzes  enUtehL  So  wenig 
der  Komponist  zoerst  die  Melodie  and  hinterdrein  (Th.  li.  S.  15)  die 
Harmonie  und  Begleitnngsform  erfindet,  so  wenig  kann  davon  die  Bede 
sein ,  dass  er  zoerst  sein  Qaartett  kompooire  und  dann  die  Bläser  zu- 
setze. Ihm  slehn  alle  Chöre  ond  alle  Organe  vor  dem  innem  Aoge 
und  jedes  spricht  zu  ihm ,  wird  von  ihm  aufgerufen  nach  dem  ihm 
eigenthümlichen  Wesen.  Aber  eben  in  dieser  Stellung,  wo  er  von  jedem 
Organ  vernimmt,  was  es  als  sein  Wesen  auszusagen  bal,  und  wo  er 
jedes  nach  seiner  Weise  in  den  ideenkreis  des  Werkes  einfahrt,  eben 
da  moss  ihm  die  amfossendere  and  vorwaltende  Bedeutung  des  Quar- 
tetts als  eine  längst  vertraute  stets  vor  Aagen  sein. 

Sodann  ist  der  obige  Grundsatz  so  wenig  wie  irgend  ein  Kanstge- 
setz  (Th.  1.  S.  15)  eine  Fessel.  Ans  der  vorwaltenden  Wichtigkeit  des 
Quartetts  folgt  keineswegs,  dass  es  überall  der  vorwaltende  Chor  sei; 
es  kann  sogar  eine  Zeitlang  ganz  ausser  Thätigkeit  treten ,  es  können 
in  grossem  Werken  ganze  Sätze,  z.  B.  in  Opern,  Märschen  oder  an- 
dern Gelegenheitsmusiken  (Serenaden  n.  s.  w.),  oder  solche,  die  sich 
nach  Situation  und  Stimmung  dazu  eignen ,  blos  dem  Bläserchor  über- 
lassen werden.  Aach  in  reinen  Instramentalwerken  kann  das  Quartett 
eine  Zeitlang  pausiren,  z.  B.  in  dem  Nr.  203  angeführten  Salz  aus  dem 
Finale  von  Beethoven^s  heroischer  Symphonie.  Allein  schon  die  Sel- 
tenheit und  räumliche  Beschränktheit  solcher  Sätze  weiset  dann  doch 
wieder  auf  den  Grundsatz  zurück;  man  wird  stets  erkennen,  dass  der 
Komponist  nur  so  lange,  als  Idee  oder  Stimmung  es  durchaus  foderte, 
auf  das  Quartett  hat  verzichten  wollen. 

Dies  spricht  sich  besonders  noch  darin  aus ,  dass  selbst  an  solchen 
Stellen ,  die  wesentlich  dem  Bläsercbor  angehören ,  doch  das  Quartett 
wenigstens  nebenbei  sich  in  Erinnerung  bringt.  Wir  können  dies  zu- 
erst an  Beethoven's  Ouvertüre  zu  König  Stephan  beobachten.  Der 
Hauptsatz*)  — 


jO. 


fe 


fis^'^rB 


t>\ 


*)  S.  5  und  7  der  bei  Haslioger  io  VVieo  erschieaeoeo  Parlitur. 


361 


gehört  ganz  den  Bläsern  (Flöten,  Oboen,  Klarinetten,  Fagotten,  Es- 
und  C-Hörnern)  an ;  aber  das  Quartett  mass  wenigstens  im  ersten  und 
dritten  Takte  den  Akkord  mit  angeben.  Und  wenn  sich  nach  dem 
Thema  eine  Art  von  zweitem  Tbeil  anspinnt,  —  nämlich  dieser  — 


Satz  von  den  jE^-Hörnern  unter  aushaltenden  Oboen  und  Fagotten 
vorgetragen,  dann  von  Hörnern  und  Fagotten  (in  tieferer  Oktave)  bei 
aushaltenden  Oboen  wiederholt  wird:  so  kann  das  Quartett  nicht  mehr' 
zurückgehalten  werden  bis  zum  Hauptmoment  seiner  nächsten  Wirk- 
samkeit, bis  zur  Wiederholung  desThema's,  sondern  es  wirft  sich  schon 
in  die  nächste  Wiederholung  des  überleitenden  Satzes,  — 

444     Corni  in  Es. 


fl^L-^T-J^li   /I^^fHf 


"'T=lX^r^=T^rr^?T^^f 


Flanti 


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(Contrafägotlo  col  Basao.) 


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P     cresc 
Basal.  , 


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PI 


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^ 


fc*= 


zi= 


t: 


steigert  ihn  und  führt  so  schwungvoller  in  das  Tulti  des  Tbema's ,  als 
den  Bläsern  für  sich  allein  möglich  gewesen  wäre.  Hier  war  es  vor- 


362     - 


zugsweise  die  Bewegungsfahigkeil,  —  die  iitoere  Beweglicbkdt  and  Ud- 
rohe,  die  das  Quartett  in  dea  Momenl  der  Bewegung  hineinzog. 

Dasselbe  in  noch  freierer  und  darum  karakteristiscberer  Weise 
können  wir  an  dem  Eintritt  des  ersten  Allegro  in  Beelboven's 
.^dur-Sympbonie  beobachten .  Aucb  bier  gebort  das  Tbema  in  seinem 
ersten  Auftreten*;  wesentlich  —  und  sogar  mit  der  Einleitung  dazu 
dem  Bläsercbor.  Aliein  das  Quartett  kann,  wie  man  in  der  Beilage Xlil 
siebt,  sieb  gleichsam  nicht  zurückhalten;  es  pocht  an,  es  bestärkt  den 
Schluss  (Takt  11),  es  drängt  sich  erweiternd  in  den  zweiten  Theil, 
der  sich  eigentlich  so  bilden  wollte,  wie  hier  — 


die  erste  Zeile  angiebt,  wird  dann  im  Uebergang  zum  Tbema  Haupt- 
chor und  trägt  in  dieser  Stellung  das  Thema  im  Tutli  des  ganzen  Or- 
chesters vor.  Beide  Sätze  Beethoveu's  —  und  besonders  der  letz- 
tere —  beruhn  auf  einer  durchdringenden  Anschauung  vom  Wesen 
des  Quartetts  und  geben  in  der  That  treffenderes  Zeugniss  von  demsel- 
ben, als  solche  Sätze,  wo  das  Quartett  schon  als  Hauptchor  aufge- 
führt ist. 

Von  hieraus  bestimmt  sich  die  Stellung  des  Bläserchors  als 
eine  vierfache.  Zwei  dieser  Stellongen,  die  einfachsten,  bringen  wir 
zuerst  zur  Sprache. 

A.  Die  Bläser  als  Hanptchor. 

Die  Blasinstrumente  treten  als  Hauptchor  auf,  wenn  das  Streich- 
quartett (wie  in  Nr.  203  oder  der  Beilage  X)  entweder  gar  nicht  mit- 
wirkt, oder  doch  nur  eine  untergeordnete  Aufgabe  (wie  in  Nr.  444  oder 
der  Beilage  Xlfl)  übernimmt.  Dies  ist  die  ausuahmsweise  Stel- 
lung, die  wir  schon  oben  erwogen  haben. 

B.  Die  Blaser  als  Verstärkung  des  Quartetts. 

Diese  Verwendung  tritt  ein ,  wenn  der  Komponist  keinen  weitern 
Inhalt  zu  verlaulbaren  hat,  als  der  in  den  Stimmen  des  Quartetts  gege- 
ben ist,  wohl  aber  das  hier  Gegebne  zu  verstärken  oder  mit  einem  ge- 
sättigtem oder  eigenthümlich  gefärbleu  Klang  zu  karakterisiren  Veran- 
lassung findet. 


*)  S.  1^  der  ueoea  Haslioger'schcD  Partitarausgabc. 


363 


1.  Erste  Weise  der  Verstärkung. 

Wenn  das  ganze  Quartett  —  also  der  gesammte  Stimmeninhall 
der  Komposition  von  den  Bläsern  verstärkt  werden  soll,  so  wird  ge- 
wöhnlich 

der  ersten  Vioh'ne  die  erste  Oboe  und  Klarinette, 

der  zweiten  Violine  die  zweite  Oboe  und  Klarinette^ 

der  Bratsche  das  erste  Pagott, 

dem  Bass  das  zweite  Fagott  und  Kontrafagott  oder  Serpent 
zuertheilt.  Die  Flöten  gehn  entweder  im  Einklabg  oder  in  der  böhern 
Oktave  mit  den  Oboen  und  Klarinetten;  das  Erstere,  wenn  die  Lage 
in  der  höhern  Oktave  allzuhoch  führen  würde,  oder  wenn  man  die 
Oberstimmen  nicht  zu  stark  werden  lassen  will.  Allein  diese  Verstär- 
kung würde  noch  mancherlei  andern  Rücksichten  auf  die  Fähigkeit  und 
Eigentbümlichkeit  der  Instrumente  unterworfen  sein.  Sollte  z.  B.  der 
in  Nr. 4.V2  und  433  angeführte  Fugensatz  von  Händel  (wir  fassen  die 
erste  Tuttislelle,  die  von  Nr.  432  überführt)  durch  Bläser  —  und  zwar 
durch  Flöten,  Oboen,  ^-Klarinetten,  Fagotte  und  Kontrafagott  —  ver- 
stärkt werden  *) :  so  könnte  sich  der  Satz  in  dieser  Weise  — 


^F=f^ylH^ 


i^^m 


■J^H-I- 


i-r^r 


^Si^*^^ 


V.  I,  J 


I  J       J  J3l      -i.    J»    _^  jp-j   , 


BratAche. 


Bass. 


i-v^-t- 


-p — ,^ 


"^^^^^r. 


*)  Wir  wördeo  übrigens  deo  Zutritt  der  Bläser  nach  dem  Sino  des  Satzes 
dorcbaus  unmotivii-t  und    nachtfaeilbriogeDd  findeu;  Mosart  bat  sebr 


364     

gestalten.  Wir  habea  ans  hier  so  einfach  wie  möglich  an  die  obige 
Formel  der  Verdoppelung  halten  wollen,  doch  aber  mannigfach  abwei- 
chen müssen.  Zunächst  konnte  Takt  2  und  3  das  erste  Fagott  nicht 
mit  der  Bratsche  gehn ;  wir  haben  den  Oktavensprung  aufgegeben  nnd 
das  Fagott  mit  der  zweiten  Klarinette  an  der  zweiten  Geige,  die  zweite 
Flöte  und  Oboe  aber  an  der  Bratsche  anschliessen  lassen.  Sodann  haben 
die  ^-Klarinetten  zu  Anfang  pausiren  müssen,  um  nicht  zu  hoch  für 
ihre  Tonlage  —  oder  eine  Oktave  unter  den  Hauptstimmen  einzu- 
setzen. Femer  haben  die  ersten  Bläser  Takt  2  statt  des  unruhigen 
Oktavensprungs  in  der  ersten  Geige  einen  Halteton;  endlich  durfte 
die  Stimmkreuzung  Takt  4 ,  die  in  den  Geigen  leicht  vor  sich  geht, 
von  den  Oboen  und  Klarinetten  nicht  füglich  belastet  nnd  verschärft 
werden. 

Schon  innerhalb  dieser  Anlage  sind  mannigfache  Umgestaltungen 
möglich.  Es  kann  durch  stärkere  und  schwächere  Besetzung  der 
Bläser  mehr  Abwechslung  in  das  Ganze  gebracht  und  für  einzelne 
Stellen  zweckmässigere  Behandlung  gewonnen  werden.  So  dürfte 
zu  Anfang  (in  Nr.  432)  die  Häufung  von  Flöten  und  Oboen  allzu- 
schwer auf  den  Stimmgang  drücken,  man  könnte  sich  auf  Flöten 
oder  Oboen  beschränken,  oder  der  ersten  Geige  die  erste  Flöte, 
der  zweiten  Geige  die  (erste)  Oboe  zufügen,  bis  Takt  2  in  Nr.  446 
das  Tutti  einträte.  Man  könnte  im  weitern  Forlgange  (Nr.  433)  im 
ersten  Abschnitte  nur  Klarinetten  und  Fagotte,  im  zweiten  nur 
Oboen  und  Klarinetten  setzen  —  und  dergleichen  mehr.  Hätte  man 
Basselhörner  und  —  was  dann  gewiss  nötbig  wäre  —  Kontrafagott 
oder  Serpent  zur  Verstärkung  des  Basses,  so  würden  die  Bassetbör- 
ner  bald  zweite  Klarinette  und  erstes  Fagott,  bald  nur  das  erste 
Fagott,  bald  beide  Fagotte  verstärken,  jenachdem  die  Stimmlage  es 
zuliesse  und  der  Satz  hier  oder  da  stärkere  Besetzung  wnnschenswerlh 
machte. 

2.  Zweite  Weise  der  Verstärkung. 

Die  obige  Satzweise  hat  nur  den  Zweck  der  SMmmverstärkung, 
ohne  auf  die  Eigenthümlichkeit  der  verstärkenden  Instrumente  mehr 


richtig  erkaoDt,  dass  die  Beweslichkeit  uod  unruhige  Führung  der  Strcichinstru- 
uiente  durch  Bläser  nur  belästigt  und  yergröbert  werden  würde,  dass  auch  die 
Bläser  gar  keine  Gelegenheit  zum  erfolgreichen  Eingreifen  haben  würden.  Wenn 
aber  doch  Blaser  zutreten  sollten ,  so  würden  sie  wenigstens  nicht  durchweg  zur 
blossen  Stimm  Verdoppelung,  sondern  in  andern,  spater  zu  besprechenden  Formen 
zu  verwenden  sein.  Es  war  aber  hier  bios  um  ein  naheliegeades  Beispiel  zu 
thun. 


365     

als  die  nöthigste  Rücksicht  zu  nehmen.  Indem  jedes  Instrumenten« 
paar  sich  auf  zwei  Stimmen  yertheilt  und  verschiedne  Instrumente  — 
z.  B.  Oboen  und  Klarinetten  —  in  Einklang  treten ,  macht  sich  der 
besondre  Klang  und  Karakter  derselben  nicht  weiter  gellend.  Diese 
Form  ist  gut,  wenn  das  Orchester  als  eine  einige  Masse  wir- 
ken soll. 

Anders  muss  verfahren  werden,  wenn  es  darauf  ankommt,  die 
Stimmen  zu  individualisiren ,  jeder  einen  möglichst  eigenthnmlichen 
Klangkarakter  zu  geben,  oder  umgekehrt  den  Karakter  der  Instru- 
mente in  den  Stimmen  selbst  geltend  zu  machen.  Beide  Zwecke 
(sie  sind  im  Grunde  nur  einer,  von  zwei  Seiten  angesehn)  fodem, 
dass  jeder  Stimme  besondre  Instrumente  zuertheilt  werden,  dass 
man  z.  B. 

der  ersten  Violine  eine  oder  beide  Flöten, 
der  zweiten  Violine  eine  oder  beide  Oboen, 
der  Bratsche  die  Klarinetten, 
dem  Bass  die.Pagotle 

zufügt,  oder  wenigstens,  so  viel  wie  der  Inhalt  des  Satzes  zulässt,  die 
Instrumentarten  geschieden  halte.  Ein  gelegnes  Beispiel  bietet  uns 
Beethoven's  Pestouvertüre  in  Cdur*).  Das  Allegro  führt  in  freier 
Fugenform  diese  beiden  Subjekte  — 


447 


^|ä^i^^^ 


durch,  die  zuerst  von  erster  und  zweiter  Geige ,  dann  (in  der  Um- 
kehrung) von  Violoncell  (I)  und  Bratsche,  dann  von  Bass  (Violon- 
cell  und  Kontrabass)  und  erster  Geige  (II),  dann  von  erster  Geige 
(I)  und  Bass  genommen  werden;  die  Zwischensätze  und  die  Stim- 
men des  Gegensatzes  lassen  wir  für  jetzt  bei  Seite.  Bis  hierher 
stellen  sich  nun  die  Stimmen  in  der  Partitur  in  folgender  Besetzung 
dar : 

I.  Violine  1,  Flöten,  Oboen, 
IL  Violine  2 ,  Klarinetten,  — 
I.  Violoncell,  Fagotte, 
II.  Bratsche,  Klarinetten  und  Homer,  nämlich  so : 


*)  Op.  124,  S.  17—22  der  bei  Schott  in  Maioz  heransgegebneo  Partitur.  Die 
Ouvertüre  ist  zur  EröffouDg  des  Pesther  Theaters  geseb rieben. 


366 


C-Klarlnellen 


ferner : 

I.  Vioioncell  und  Kontrabass, 

II.  erste  Violine,  Flöten  und  Oboen,  — 

I.  erste  Violine, 

II.  Bass  und  Fagotte. 

Man  sieht  bei  jeder  Aufstellung  die  Subjekte  durch  verschiedenar- 
tige Besetzung  unter  einander  in  Gegensatz  gebracht. 

Bei  dieser  Behandlung,  wie  bei  der  zuerst  gezeigten ,  finden  sich 
mancherlei  Anlässe  zu  Abweichungen  im  Einzelnen.  Bisweilen  will 
man  eine  Stimme  verstärken ,  aber  nicht  drückend  werden  lassen.  So 
wird  in  der  letzten  obenerwähnten  Aufstellung  der  Subjekte  die  erste 
Violin  in  der  That  von  den  Flöten  unterstützt.  Aber  die  ohnehin  hoch- 
liegende  und  darum  scharf  eingreifende  Stimme  soll  nicht  zu  stark 
werden ;  daher  gehu  die  Flöten,  wie  man  hier  sieht,  — 


449 
Flöten. 


Violine  I. 


a=^3E 


-ir 


t 


^B^pMm^ 


'ff 


'^f 


9f 


♦-f- 


nur  auf  die  harmonische  Unterstützung  ein ,  ohne  die  Geigen  in  ihrem 
leichten  Gang  zu  belästigen.  Gleich  darauf*)  werden  beide  Subjekte 
noch  einmal  stark  dargestellt;  das  zweite  wird  von  Bratsche  und  Bass, 
das  erste  von  Flöten,  Oboen,  Klarinetten,  Fagotten  und  der  ersten 
Geige  dargestellt.  Allein  die  letztere  findet  ihr  Thema  von  acht  Blasin- 
strumenten so  stark  besetzt,   dass  sie  sich  ihrer  beweglichen  Natur 


»)  S.  23  der  Parlityr. 


367 


überlassen  und  das  Thema  Ggurircn  darf.  Harmonisch  unterstützend 
schUesst  sich  nun  auch  noch  die  zweite  Geige  (und  anfangs  die  erste 
Trompete  mit  vier  Hörnern)  an ;  die  fiir  unsre  Betrachtung  wichtigen 
Stimmen  stellen  sich  so  — 


450    Fl.,  Ob.,  Clar.,  Fag. 


^^ 


Uj  «egiic  ^ 

I-4iA^_^^^,_  „  ,  Tf Tt?f ro^f T^^f . 


dar,  —  wiederum  vom  Gegensatz  abgesehn.  —  In  welcher  Weise 
Beethoven  die  Stimmen  ferner  verlheilt,  kann  hier  übergangen  wer- 
den: so  viel  ist  klar,  dass  die  Verlheilung  auf  vielfache  Weise,  — 
dass  die  Besetzung  der  Stimmen  stärker  oder  schwächer,  im  Einklang 
oder  in  Oktaven,  mit  genau  übereinstimmenden  Stimmen  oder  mit  ab- 
weichender Figurirung  einer  und  der  andern,  in  gleichmässiger  Schall- 
kraft aller  oder  mit  vorzugsweiser  Verstärkung  einer  oder  einiger 
Stimmen  geschehn  kann.  Welche  Weise  in  jedem  einzelnen  Falle 
vorzuziehen  sei,  kann  nur  nach  dem  Sinn  der  Komposition  und  nach 
der  Bedeutung  der  fraglichen  Stelle  entschieden  werden.  Im  Allgemei- 
nen lässt  sich  so  viel  sagen,  dass  gleichmässige  Verstärkung  aller 
Stimmen  zum  Gleichgewicht  der  Harmonie  oder  des  Stimmgewebes 
beiträgt;  eine  zu  schwach,  —  das  heisst  von  zu  wenigen  oder  zu 
wenig  starkschallenden  Instrumenten  besetzte  Stimme  wird  leicht  von 
den  stärker  besetzten  überschrieen  und  unwirksam.  Auch  die  Zahl 
und  Schallstärke  der  Instrumente  im  Allgemeinen  leistet  noch  nicht 
Gewähr  für  ihre  Wirkung  am  gegebnen  Orte;  es  fragt  sich,  ob  die 
Instrumente  auch  in  schallstarken  Tonlagen  gebraucht  sind.  Der 
Verein  von  Flöten  in  der  tiefen  und  Klarinetten  in  der  mittlem 
Oktave  mit  der  Bratsche,  —  wenn  z.  B.  Beethoven  seine  Sub- 
jekte so  — 


368 


451    Fl5ten  und  Klarinerien. 


hätte  einfühFen  wollen,  —  würde  UDgeachtel  der  Zahl  von  vier 
Bläsern  nur  eine  schwache  Stimme  gegen  beide  vereinigte  Geigen 
oder  eine  Geige  und  eine  Oboe  abgeben,  gegen  beide  Geigen  nnd 
Oboen  aber  gar  nicht  aufkommen;  —  gegen  ihren  weichen  Klang  wür- 
den überdem  die  scharfen  Striche  der  Bratsche  einen  ungünstigen  Ab- 
stand bilden. 

Wir  befinden  uns  noch  bei  den  einfachsten  Formen,  in  denen 
Bläser  und  Streichinstrumente  zusammentreten ,  die  Vereinigung  bei- 
der Chöre  hat  zunächst  blos  quantitative  Verstärkung  der  Stimmen 
zum  Zweck.  Und  doch  macht  sich  schon ,  gleichsam  ohne  unsre  Ab- 
sicht, das  Vliesen  der  einzelnen  Organe  geltend.  Bald  müssen  wir  von 
der  nackten  Verdoppelung  der  Stimmen  abgehn,  weil  einige  Instrnmente 
nicht  fähig  sind,  den  Toninhalt  der  Stimme  vollständig  wiederzugeben ; 
bald  bringen  wir  einige  Instrumente  in  höhere  oder  tiefere  Okta- 
ven, weil  sie  nur  in  diesen  mit  voller  Kraft  wirken  können;  bald 
endlich  geben  wir  einzelnen  Instrumenten  die  ihnen  obliegende 
Stimme  in  irgend  einer  einfachem  oder  figurirtern  Gestalt,  wie  ihrer 
Eigenthümlichkeit  oder  dem  Sinn  des  Ganzen  zuträglich  scheint. 

Hier  macht  sich  besonders  der  Unterschied  der  Blas-  und  Streich- 
instrumente geltend ,  den  wir  bereits  bei  der  Karakterisirung  der  letz- 
tern (S.  247)  in  das  Auge  gefasst  haben.  Das  Blasinstrument  kann  an 
der  Beweglichkeit  des  Streichinstruments  nicht  vollständig  und  mit 
gleichem  Erfolg  Theil  nehmen;  und  dieses  wiederum  mnss  durch  Be- 
weglichkeit, durch  Tonwiederholung  oder  Tonhäufung  ersetzen ,  was 
ihm  in  Vergleich  mit  den  Blasinstrumenten  an  Klangfülle  und  Schall- 
dauer abgeht.  Daher  müssen  Melodien ,  die  von  Streich-  und  Blasin- 
strumenten mit  übereinkommender  Wirkung  vorgetragen  werden  sol- 
len, vielfältig  umgewandelt  werden.  Hätten  wir  z.  B.  die  Oberstimme 
dieses  Sätzchens  — 


452 


Risoluto.  ^*g     ^^  j^       ^^ 


mm 


__      369     . 

ZQ  iiislrumentireD ,  so  könnten  die  Bläser  sie  unverändert  vortragen ; 
die  Geigen  könnten  dies  ebenfalls,  würden  aber,  wenn  der  Satz  be- 
weglicher, unruhiger,  flatternder  u.  s.  w.  werden  sollte,  zweckmässi- 
ger zu  irgend  einer  Figuration,  z.  B.  zu  einer  von  diesen  — 


^=±;=^^^' 


greifen.  Selbst  solche  Figurationen ,  die  durch  Vorhalte,  Vorausnah- 
men, Htilfstöne  von  den  zum  Grunde  liegenden  Harmonietönen  abwei- 
chen, z.  B. 


4S4 


***-S-3^'V-P 


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-ß-h-ß  ß~m 


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-JtiJ:-: 


können  unbedenklich  mit  den  zum  Grunde  liegenden  rein  akkordmässi- 
gen  Gängen  der  Bläser  im  Einklang  oder  in  Oktaven  zusammentreten, 
z.  B. 


Violine. 


J|t_+- 


fe=g^l^ 


ohne  dass  daraus  eine  Störung  der  Slimmgänge  oder  ein  empfindlicher 
Widerspruch  zwischen  den  abweichenden  Organen  entstünde;  man 
empfindet ,  dass  jedes  Organ  in  der  ihm  eigenthümlichen  Weise  den- 
selben Gedanken  vorstellt,  und  vernimmt  durch  alle  von  Nr.  453  bis 
455  aufgeführte  Figurirungen  hindurch  im  Wesentlichen  nur  die  in 
Nr.  452  gegebnen  Sätze.  —  Es  versteht  sich  übrigens  von  selbst,  dass 
die  Beispiele  von  Nr.  453  nicht  motivirte  Komposition ,  sondern  Auf- 
sammlung aneinandergereihter  Motive  sind. 


Marx,  Ro»p.  L.  IV.  .r  Aull. 


•)'- 


370 


Vierter  Abschnitt. 
Die  cigenthamlichern  Siellungeii  der  OrchesterchOre*)« 

Im  vorigen  Abschnitte  worden  Bläser  und  Streichquartett  entwe- 
der als  nicht  gleichzeitig  wirkende  oder  als  in  einander  aufgebende 
Chöre  aufgefasst;  beide  dienten  im  letztern  Falle  nur  zu  stärkerer 
Besetzung  der  Stimmen.  Hierbei  wurde  jedoch  schon  zweierlei  be- 
merkbar. 

Zunächst  mussten  Bläser  und  Streicher  aus  mancherlei  Gründen 
dieselbe  Stimme,  die  sie  gemeinscbafUich  vorzutragen  hatten,  in  ein- 
zelnen Punkten  abändern.  Hierüber  ist  das  Nöthige  schon  erwähnt 
worden. 

Sodann  vermissen  wir  in  der  Reihe  der  mit  den  Quarteltstimmen 
sich  vereinigenden  Blaser  mehrere  wichtige  Stimmen.  Die  Hörner  haben 
einmal  gelegentlich  (Nr.  448)  mitgehen  können ;  aber  von  ihnen  und 
den  Trompeten  ist  nur  gleichsam  zufällig  Gebrauch  zu  machen  gewe- 
sen ,  die  Posaunen  und  Pauken  sind  gar  nicht  zur  Anwendung  gekom- 
men. Der  naheliegende  Grund  ist,  dass  Trompeten,  Pauken  und  Hörner 
an  den  meisten  Tonfolgen  nicht  Iheilnehmen  können,  die  Posaunen  aber 
zu  schwer  beweglich  und  zu  schallmächtig  sind ,  als  dass  man  sie  so 
leicht  zur  blossen  Stimm  Verstärkung  verwenden  dürfte.  Nur  in  den 
einfachsten  und  zugleich  für  grosse  Kraflentwickluug  bestimmten 
Sätzen,  z.  B.  bei  dem  feurigen  Einsalz  der  Ouvertüre  zu  Spontini's 
Olympia,   —  (Siehe  das  Beispiel  456,  folg.  Seile.) 

oder  bei  dem  Triumphruf,  mit  dem  das  Finale  von  Beethoveu^s 
Cmoll-Symphonie  auftritt,  ist  die  Vereinigung  aller  Chöre  zu  densel- 
ben Stimmgängeu  ausführbar;  und  selbst  dann  wird  man  noch  auf  die 
Schwere  der  Posaunen  und  andern  Blechinstrumente  Rücksicht  zu 
nehmen  haben.  3pontini  vereinfacht  im  dritten  Takte  das  Blech. 
Beethoven  führt  von  Takt  4»*)  sein  Quartett  so  weiter,  — 


♦57 , 


r«rd: 


^^efj[gft-E£tF^^ 


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(divUi) 


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BE 


:d^J3Jj 


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g^-^tojjr 


*)  Hieran  der  Anbanfc  P. 
**)  S.  no  der  Partitor. 


371 


456 
f 


Allegro  marcato  assai  coii  fierezza 


FI.  pico. 


Fl,    :£:  coir  Oboi  air  Sva. 


tl — H — &5-1^T;Äi.'=*'  — --^-^z±z£-i ^+-*— 1 i 


icH^nEEEy^g^^s,: 


Viola,  I  ^^^     .   .   ,    . 

Violoncpllo.  _Cl 


^sS^iü 


m^0\0^?mim'^^^^ 


CuEilrBibaMOi 


24* 


372 


und  lässt  zu  Anfang  alle  RohrinstmiDente ,  Trompeten,  Hörner  und 
Pauken  mit  dem  Streichquartett,  dann  von  Takt  3  an  wenigstens  Flö- 
ten, Pikkolo  und  Oboen  mit  der  ersten  Geige,  die  Fagotte  (natürlich  in 
gehaltnen  Noten;  mit  den  Bratschen  gehn ;  aber  die  Posaunen  haben 
durchaus ,  die  übrigen  Blechinstrumente  später  einen  einfachem  Gang ; 
selbst  die  Klarinetten  —  wir  geben  hier  — 

45S      Paaken. 


I. 
11. 


III. 


l'rompeten  nnd  Hörner, 


^ 


:SiJ; 


d=i 


Posaunen« 


1©^ 


-^ 


-Mn 


^ 


-w^ 


3^^ 


alle  abweichenden  Instrumente  —  erhalten  von  der  Melodie  nur  die 
Haopttöne. 

So  werden  wir  also  von  allen  Seiten  darauf  hingewiesen,  die 
Bläser  in  ein  ihnen  eigenthümlicheres  Verhältniss,  als  die  beiden 
im  vorigen  Abschnitt  betrachteten,  zum  Quartett  zu  bringen.  Das 
Nächste  ist, 

G.  die  Bliser  als  Masse  vereinigt 

gegen  das  Quartett  zu  stellen.  Dem  Streichinstrument  ist  die  Bewe- 
gung, —  also  die  Melodie  das  günstigste  Element;  das  Blasinstrument 
ist  ihm  hierin  nicht  gleich,  in  Klang  und  Schallkrail  überlegen.  Ebenso 
ist  die  Intonation  der  Harmonie  vom  Bläserchor  dessen  eigenthüm- 
liebste  Wirkungsweise  (S.  212)  und  der  gleichen  Wirksamkeit  des 
Quartetts  in  jeder  Hinsicht  überlegen;  die  Harmonie  ertönt  im  Blä- 
serchor vor  allem  ruhiger,  hat  feslere  Verschmelzung  der  Stimmen, 
weitere  Stimmfülle  facht  normale  Rohrinstrumente,  vier,  sechs  oder 
neun  normale  Blechinstrumente) ,  mehr  Sättigung  und  Reiz  des  mate- 
riellen Klanges,  die  grösste  Ueberlegenheit  im  Aushalten,  und  alles  dies 
sowohl  im  Piano  als  im  Forte.  Es  war  dies  einer  der  Gründe ,  der 
das  Bedürfniss  der  Blasinstrumente  für  den  Vollklang  des  Orchesters 
gezeigt  hat.  Nun  aber  stellen  wir  den  Bläserchor  auch  so  auf,  wie  er 
den  Vollklang,  die  Ausfüllung  des  Satzes  am  günstigsten  gewährt:  als 
festverbundne  aushaltende  Masse.    Melodie  und  überhaupt  Bewegung 


373     

bleibt  dem  Quartett  überlassen.  So  hebt  —  um  aus  unzähligen  Beispie- 
len nur  eins  herauszugreifen  —  Beethoven  den  ersten  Satz  seiner 
CmoU- Symphonie  in  der  Nr.  373  gezeigten  Weise  mit  gesonderten 
Stimmen  des  Quartetts  an.  Sobald  er  aber  steigern  will ,  bildet  er  aus 
den  Blasinstrumenten  (wie  wir  in  der  Beilage  XIV  nachlesen  können) 
eine  Harmoniemasse,  —  und  zwar  eine  anwachsende ,  zuerst  Hörner, 
dann  Oboen  und  Fagotte,  dann  zu  diesen  Klarinetten,  endlich  Tutti,  — ^ 
und  überlässt  die  Melodie  wie  überhaupt  alle  Bewegung  dem  Streich- 
quartett. 

Hier  können  wir  an  einem  einfachen  Fall  alle  wesentlichen  Ver- 
bältnisse beobachten.  Jeder  der  beiden  Chöre  ist  nach  seiner  vorzüg- 
lichen Fähigkeit  benutzt.  Das  Quartett  hat  die  Bewegung  und  nament- 
lich die  bewegte  Hauptstimme,  die  Melodie;  seine  Unterstimmen  unter- 
stützen dieselbe  in  bewegter  und  dabei  gleicbmässigster  Weise.  Die 
Bläser  bilden  einfach  harmonische  Massen ,  zuerst  scharf  und  kurz  ein- 
greifend, dann  in  voller  Schallkraft  aushaltend;  und  das  eben  können 
sie  am  besten.  Die  Streichinstrumente  halten  fest  an  einander ;  und 
wenn  die  erste  Geige  sich  von  den  Uuterstimmen  entfernt,  schliessen 
zweite  Geige  und  Bratsche  um  so  enger  an  einander.  Die  Bläser  dage- 
gen bilden  eine  weite,  über  mehr  als  drei  Oktaven  ausgedehnte  Schall- 
masse, während  doch  wieder  jedes  einzelne  Paar  fest  zusammengehal- 
len wird.  Nur  Trompeten  und  Pauken  werden  von  der  Masse  abgeson- 
dert, um  den  Rhythmus  der  Abschnitte  zu  zeichnen ;  allein  im  letzten 
Abschnitte*)  treten  auch  sie  (die  Pauken  Achtel  schlagend)  zur  Masse. 
Hier  streichen  auch  die  Bässe  Achtel  und  steigern  sich  und  das  Ganze 
zu  höherer  Kraft. 

Wir  müssen  noch  einen  Augenblick  bei  der  Bildung  der  Harmo- 
niemasse im  Bläserchor  verweilen. 

Das  Erste,  was  wir  bemerken,  ist:  dass  sie  als  ein  für  sich  be- 
stehender Tonkörper  ihre  eigne,  keineswegs  mit  der  Hauptstimme  über- 
einkommende Oberstimme  bat.  Diese  Oberstimme  kann  in  einzelnen 
Momenten  oder  fortwährend  über  der  Hauptstimme  liegen,  ohne  dieser 
—  wenn  sie  nur  hinlänglich  stark  besetzt  oder  durch  Tonlage  und 
Bewegung  hervorgehoben  ist  —  nachtbeilig  zu  werden.  Denn  die 
ganze  Masse  der  Bläser  ordnet  sich  eben  aus  Mangel  an  melodischem 
und  rhythmischem  Gebalt  dem  Hauptchor  des  Orchesters  unter  und 
wirkt  unbeschadet  der  höhern  oder  tiefern  Lage  nur  als  Begleitung. 

Allein  in  dieser  Begleitungsmasse  selber  kann  zweitens  die 
Stimmung  und  Erregtheit  des  Komponisten  wieder  ihren  angemessenen 
Ausdruck  finden.  Beethoven  —  wir  knüpfen  unsre  Betrachtungen 
an  das  letzte  ihm  entlehnte  Beispiel  —  hatte  in  dem  ersten  Satze  seiner 
CmoU-Sympbouie  ein  inneres,  düsleres,  leidenschaftliches  Ringen  auszu- 

•)  S.  4  und  «  der  Partitur. 


374 


tönen ,  aber  das  Ringen  eines  edlen  und  starken  Karakters,  —  einer 
Persönlichkeit,  die  erregt,  aber  nicht  ausser  sich  gesetzt,  hingerissen, 
aber  nicht  umgerissen  werden  kann,  sondern  sich  heldenmiitbig  und 
mit  der  Kraft  innerlicher  Gesundheit  und  Sicherheit  durchkämpft.  Dies 
scheint  uns  der  Sinn  des  Satzes,  ihm  scheint  jeder  Zug  entsprechend  — 
und  unter  andern  auch  die  erste  (in  der  Beilage  XIV  gegebne)  Massen- 
bildung. Die  Bläser  liegen  im  Porte  weit  aus  einander,  Klarinetten  und 
Fagotte  tief  und  nicht  in  einer  schallstarken  Tonlage;  doch  werden  er- 
slere  durch  die  Hörner,  letztere  durch  die  Bratschen  gestärkt  und  jeder 
Bläserchor  hält  fest  zusammen.  Dies  ergiebt  einen  festen  und  starken, 
aber  nicht  heftigen  und  übermächtigen  Schall,  dessen  Tonlage  die  Tiefe 
grollend  ^vernehmen  lässt;  Beethoven  selbst  findet  bei  der  dritten 
Wiederholung  des  Satzes  ein  Mittel  der  Steigerung  in  der  höhern  Lage 
der  Klarinetten,  Fagotte  und  Bratschen  (Beilage  XV) ,  wobei  übrigens 
die  quere  Quarte  der  Fagotte  {es-a  statt  es-ges  oder  es-c  oder 
a-c)  auch  das  Ihrige  thut.  In  jener  ersten  Stelle  hätte  daher  Beetho- 
ven seine  Masse  nicht  zweckmässiger  bilden  können.  Nehmen  wir 
nun  an,  er  habe  hier  weniger  ernst  und  stark  zu  uns  zu  sprechen, 
seinen  Gedanken  mehr  nebelhaft  oder  traumartig,  in  weicher  Triibniss 
statt  mit  leidenschaftlicher  Energie  auszuführen  gehabt,  so  masste  er 
seine  Harmoniemasse  weniger  fest  bilden ,  in  die  Tiefe  verweisen,  — 
oder  vielleicht  die  Höhe  in  träumerischem  Sinnen  anklingen  lassen. 
Hier  — 


459 
Es-Hörner. 


Flöten. 


Oboen. 


B-KJlariuetteu. 


Fagotte. 


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Imo 


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Imo 


Imo 


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E3:-iE9^ 


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geben  wir  einige  Andeutungen ,  ohne  an  erschöpfende  Aufzählung  zn 
denken.  —  Hätte  umgekehrt  Beethoven  einen  leidenschaftlichem 
Aufschrei  im  Forte  vernehmen  lassen  wollen ,  so  würde  er  der  Bläser- 
masse eine  höhere  und  heftigere  Lage,  z.  B.  eine  von  den  hier  — 


375 


460 
PaukeBinC.G. 


C-Trompelen. 


Es 'Hörner. 


Flölen 


Oboen. 


S 


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CT^3^{^sg3;p 


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B-KiarineUen« 


Fagotte. 


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angedeateten,  haben  geben  müssen. 

Drillens  kann  in  einer  solchen  Masse  dei' Chor  der  Blech-  und 
Rohrinstrumente  verschmolzen  oder  durch  Lage,  Bewegung  u.  s.  w. 
abgesondert,  es  können  die  weichern  und  schärfern  Instrumente  unter 
einander  verbunden ,  es  kann  diese  oder  jene  Instrumentart  hervorge- 
hoben werden,  kurz  die  ganze  Mannigfaltigkeit,  die  der  Bläserchor  dem 
kundigen  Setzer  darbietet ,  kann  hier  zu  karakteristischer  Anwendung 
kommen.  Endlich  kann 

Viertens  die  Masse  der  Bläser  in  solchen  Fällen,  wo  es  nöthig 
ist,  die  Streichinstrumente  weit  aus  einander  zu  legen,  zur  Ptiilung  der 
Uarmoniemitte ,  zur  Verbindung  der  Ober-  und  Unterstimme  dienen. 
Wir  geben  hier  zu  der  Beetho  ven'schen  Instrumentation  — 

(Siebe  das  Beispiel  461,  folg.  Seite.) 

eia  Beispiel  *),  das  man  sich  als  Bruchstück  eines  heftigen  Satzes  vor- 
zustellen hat;  die  Geigen,  von  einer  Flöte  unterstützt,  —  und  die 
Bässe,  von  der  Bratsche  unterstützt,  —  werden  in  Verbindung  ge- 
setzt durch  die  Bläsermasse,  deren  grösste  Kraft  sich  zwischen  den 
Aussenstimmen  zusammendrängt. 

Ueberblicken  wir  noch  einmal  die  beiden  Verwendungen  des  Blä- 
serchors unter  B.  und  C.  in  diesem  und  dem  vorigen  Abschnitte :  so 
kommen  beide  darin  überein ,  dass  die  Bläspr  nur  zur  Unterstützung 


*)  Es  ist  aus  Nr.  384  gebildet. 


376 


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des  Qaartelts  auftreten,  dieses  aber  durchaas.Hauptsacbe  bleibt.  In  der 
erstem  Weise  (B.)  gaben  sieb  die  Bläser  ganz  hin,  wurden  blos  Ver* 
Stärkung  der  Streichinstrumente;  in  der  letztem  (G.)  schlössen  sie  sich 
nicht  den  einzelnen  Streichinstrumenten ,  sondern  als  Masse  der  vom 
Quartett  gebildeten  Masse  an  und  vermochten  so  mehr  ihrem  Rarakter 
gemäss  zu  wirken,  ohne  dass  doch  derselbe  zu  besondrer  Entwicklung 
gekommen  wäre. 

Selten  oder  nie  wird  man  eine  oder  die  andre  dieser  Verwendun- 
gen längere  Zeit  rein  durchfuhren  wollen  oder  können.  Gebt  man  auch 
darauf  aus,  die  Bläser  in  der  erstem  Weise,  zur  Verstärkung  der  Stim- 
men zu  verwenden:  so  sind  doch  nicht  alle  Bläser  dazu  geeignet,  das 


377 


Blech  wird  meistens  nur  Masse  bilden  können.  Und  bildet  man  umge-- 
kehrt  starke  Massen,  so  wird  man  häufig  (wie  z.  B.  in  Nr.  461)  das 
Bediirrniss  finden,  die  Melodie,  oder  Ober-  und  Unterstimme  durch  einen 
Theii  der  Bläser  gegen  die  Masse  der  übrigen  zu  verstärken.  Aber 
selbst  die  rein  stimmige  Behandlung  des  Bläsercbors  kann  sich  dem 
Karakter  der  Massenwirkung  nähern,  wenn  die  Slimmordnung  des 
Quartetts  in  den  Bläsern  verändert  wird.  Wollte  man  diesen  Satz  — 
Fresro. 

i 


462 


VioUno  I.  n. 


Viola. 


Bassi. 


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von  den  Bläsern  stark  und  voll  begleiten  lassen ,  so  würde  man  nicht 
Masse  bilden,  sondern  sich  nur  dem  Stimmgang  ansch Hessen  können. 
Allein  die  Sextenfolge  der  Oberstimmen  ist  nach  der  Natur  des  Inter- 
valls nicht  kräftig  und  würde  alle  Oberstimmen  der  Bläser,  die  sich  ihr 
anschlössen,  ebenfalls  mit  ihrem  weichen  Karakter  durchdringen,  übri- 
gens sie  alle  in  unkräflige  Tonlagen  hineinziehn.  Man  müsste  wenig- 
stens einen  Theil  der  Bläser  anders  legen,  z.  B. 


463 
Flöten. 


Oboen  und 
Klarinetlen. 


Ü^^Ü^^ä^ü 


oder  bei  gleicher  Behandlung  die  zweite  Flöte  (die  mit  ihrer  weichen 
Tonlage  mehr  deckt  als  stärkt)  weglassen,  oder  dieselbe  mit  der  ersten 
im  Einklang  setzen,  oder  endlich,  —  was  das  Stärkste  wäre,  alle  Ober- 
stimmen in  die  höhere  Lage  bringen,  — 

(Siebe  das  Beispiel  464,  folg.  Seiter) 
die  Fagotte  mit  dem  Basse  führen ,  das  Blech  aber  zur  Füllung  —  also 
massenhaft  verwenden.    Die  einzelnen  Abweichungen   von  dem  hier 
Ausgesprochenen  mag  der  Studirende  für  sich  prüfen. 

Nun  erst  ist  die  Einseitigkeit  der  beiden  Behandlungsweisen  über- 
wonVen.  Die  stimmige  Führung  der  Bläser  würde  nun  blos  da  ange> 
wendet,  wo  entweder  (wie  im  obigen  Satz)  eine  andre  gar  nicht  aus- 
tührbar  wäre,  oder  wo  der  Inhalt  der  Stimmen  ein  durchaus  wichtiger 
ist,  —  also  meistens  in  den  wahrhaft  polyphonen  Sätzen.   Die  mas- 


378 


164 

Fanken  in  C.  G. 


C-Trompeten. 


C-Homer. 


Flöten. 


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Oboen. 


C-KJarinellen. 


Fagotte. 


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4— l-t- 


I 


I 


sCDhafte  Slellang  wird  da  bervorlrelen ,  wo  entweder  nicht  slimmig 
gesetzt  werden  kann,  —  wie  z.  B.  im  Blech  des  obigen  Beispiels,  oder 
wo  die  Stimmen  nicht  in  ihrer  Besonderheit,  sondern  als  ein  zusam- 
mengeschmolznes  Ganzes  wirken  sollen  (Beilage  XIV),  also  meist 
in  den  homophonen  Sätzen. 

Rehren  wir  jetzt  zn  der  bei  Nr.  447  o.  f.  betrachteten  Beetho- 
y entgehen  OuFertäre  zurück.  Die  beiden  Subjekte  sind,  von  den  Gei- 
gen, Flöten,  Oboen  und  Klarinetten  stark  besetzt,  eingeführt;  beson- 
ders das  erste  ertönt  scharf.  In  der  Antwort  treten  wieder  die  Violon- 
Celle  nnd  Fagotte,  die  Bratschen,  Klarinetten  und  hochliegende  Hörner 
mit  ihnen  anf  und  geben  dem  zweiten  Subjekt  sollen ,  dem  ersten  ge- 
drängtem Klang.  Hätte  Beethoven  ohne  Weiteres  so  gesetzt,  so 
wurde  seine  Fuge  eine  Schärfe  und  bittere  Heftigkeit  angenommen 
haben,  die  dem  Sinne  des  Werks  nicht  gemäss  wäre  und  das  Orchester 
nicht  in  seiner  Fülle  nnd  Pracht,  als  vollschallende  Hasse,  hätte  auf- 
kommen lassen.  Er  bringt  aber  schon  nach  der  Aufstellung  der  Sub- 
jekte (Nr.  447)  einen  Zwischensatz,  der  ihm  Masse  zn  bilden  erlaubt,  — 

(Siehe  das  Beispiel  465«  folg.  Seite.) 
und  mischt  so  die  heitern  Vollklänge  des  Orchesters  zu  dem  strelgem 
und  schärfer  eindringlichen  Fugengewebe.    Die  Bläser  bilden  —  nur 
nach  dem  Sinn  des  Satzes  rhythmisch  erregt  •—  Masse,  die  erste  Creige 
spielt  mit  dem  Hauptmotiv  des  ersten  Subjekts,  bis  sie  (wie  schon  früher 


379 


465    Fl.  und  Ob 


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C -Klarinetten 


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C-H5rner. 


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C-Trompeten. 


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Violino  I. 


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die  zweite  Geige)  einen  beweglichen  Gegensatz  vorbereitet  für  den  Ein- 
tritt der  Gerährten.  Dieser  Zwischensatz  krönt  die  ganze  Durchrührung 
hindurch  und  später  noch  häu6g  jede  AulTiihrung  der  Subjekte. 

Wir  haben  nun  die  Bläser  stimmig  behandelt,  aber  als  blosse  ver- 
stärkende Beigabe  zum  Quartett,  ferner  zu  selbständigerer  Wirkung, 
aber  blos  als  Masse.  Es  bleibt  übrig, 

D.  die  BUser  individaalisirt 

neben  dem  Quartett  einzuführen,  so  dass  ihr  Chor  ebenso  wohl  wie 
dieses  bald  eine  Masse  allein  oder  mit  dem  Quartett  bildet,  bald  ganz 
oder  theilweis'  in  obligate  Stimmen  auseinandertritt.  Es  scheint  ange- 
messen, hier  einen  neuen  Kreis  der  Betrachtung  zu  ziehen. 


380 

Fünfter  Abschnitt. 
Die  Individualisirung  der  BIAser. 

Sobald  der  Bläserchor  ebenso  wohl  wie  das  Qoartett  iodividuali- 
sirt,  das  beisst  Dicht  nur  zur  Verstärkung  oder  als  Masse,  sondern  auch 
zu  selbständiger  Darslellung  besondrer  Stimmen  gebraucht  wird ,  ge- 
winnt die  andre  Seite  des  Orchesters  erst  ihre  vollkommne,  allseitige 
Lebendigkeit  und  wird  in  ihren  Organen  selbständig  und  frei.  Die  früher 
betrachteten  Verhältnisse  der  Orchesterchöre  erscheinen  jetzt  —  nicht 
etwa  als  unrichtige  oder  unzulässige,  aber  als  einseitige  und  darum  un- 
zulängliche. Noch  immer  werden  wir 

1.  diese  zwei  oder  drei  Chöre  abgesondert  brauchen, 

2.  die  Bläser  insgesammt  als  Verstärkung, 

3.  die  Bläser  —  oder  Mos  die  Blechinstrumente  —  verbunden  zu 

einer  Masse 
verwenden.  Aber  wir  werden  auch 

4.  den  Biäserchor  auflösen  in  seine  einzelnen  Glieder, 

einzelne  —  oder  mehrere  Blasinstrumente  als  selbständige  Organe  im 
grossen  Verein  des  Orchesters  verwenden. 

Hier  kann  nun  nicht  mehr  von  einer  absoluten  Herrschaft  oder 
einem  unbedingten  Vorzug  des  Quartetts  die  Rede  sein.  Es  wird  den 
Vorzug  behaupten,  den  es  durch  seine  Eigenschaften  in  der  Mehrzahl 
aller  Orcheslerverwendungen  hat.  Aber  in  einzelnen  Fällen  können  die 
Rollen  wechseln;  das  Quartett  kann  dienend,  untergeordnet  auftreten, 
und  Bläser,  einzelne  oder  mehrere,  können  als  herrschende  Organe  die 
eine  Hauptstimme  oder  mehrere  Stimmen  übernehmen. 

Es  dürfte  kaum  ausführbar  und  aus  bekannten  Gründen  gewiss 
nicht  erspriesslich  sein ,  alle  möglichen  Fälle  hier  durchzugehn.  Doch 
dürfen  wir  nicht  unterlassen,  wenigstens  die  folgenreichsten  oder 
fruchtbarsten  herauszuheben.  Wir  werden  dabei  vom  gewohnten  Ge- 
sichtspunkt ausgehen  und  das  Quartelt  als  Kern  des  Ganzen  im  Auge 
behalten;  die  entgegengesetzte  Seite  wird  von  selber  in  ihr  Recht 
treten. 

A.  Einzelne  Bläser  als  Terstarknng  einzelner  Qaartettstimmen. 

Schon  S.  362  haben  wir  den  ganzen  Bläserchor  sich  zur  Verstär- 
kung des  Quartetts  hergeben  sehn.  Jetzt  betrachten  wir  den  Fall,  wo 
nur  einzelne  Stimmen  des  Quartetts  von  einzelnen  Stimmen  des  Bläser-* 
chors  unterstützt  werden ,  während  die  übrigen  Bläser  entweder  pau- 
siren,  oder  Masse  bilden,  oder  selbständige  Stimmen  führen. 

Die  unterstützenden  einzelnen  Bläser  verstärken  nicht  blos  durch 
Vermehrung  der  Schallmasse,  sondern  noch  mehr  dadurch ^  dass  sie 


381     

darch  die  festere,  gleicbmSssigere  HaltuDg  ihrer  Töne  dem  beweg- 
licbera,  unrubigern  Slreicbinstrument,  mit  dem  sie  sieb  verbinden, 
ruhigere  und  festere  Haltung,  —  gewissermassen  mehr  Solidität  ge- 
ben. Es  ist  also  vor  allen  Dingen  zu  überlegen ,  ob  nach  dem  Sinne 
der  Romposition  eine  solche  Verstärkung  —  man  möchte,  abgesehn  von 
der  nachtheiligen  Seite  des  Ausdrucks,  sagen:  Verdickung  oder  Aus- 
füllung des  Schalls  —  auch  angemessen  erscheint?  Wenn  Mozart 
seine  erste  Violine  in  Nr.  412  durch  die  zweite  (in  der  Oktave)  ver- 
stärkt: so  behält  der  Satz  immer  noch  jene  Erregtheit  und  fieberhafte 
Unruhe,  die  kein  entsprechenderes  Organ  findet,  als  die  Geige.  Hätte 
er  statt  oder  neben  der  Geigenverstärkung  auch  nur  das  leichteste  Blas* 
Instrument  zugesetzt,  so  wäre  der  Klang  gesättigt,  kompakt  geworden 
und  der  Karakter  der  Komposition  verfehlt.  Dasselbe  würde  von  dem 
Andante-Anfang  Beethoven's  in  Nr.  397,  von  dem  Salz  in  Nr.  374 
und  vielen  andern  gelten.  Man  wird  in  allen  Fällen ,  wo  der  Karakter 
des  Streichquartetts  wesentlich  ist,  lieber  beide  Geigen  und  Bratsche, 
Bratsche  und  Violoncell  u.  s.  w.  verknüpfen,  lieber  alle  oder  die  mei- 
sten Bläser  (wie  in  Nr.  465)  zur  Harmonie  verweisen  und  alle  Streich- 
instrumente in  einer  oder  zwei  Stimmen  vereinigen ,  als  diese  wesent- 
lichen Stimmen  durch  Zuziehung  von  Bläsern  in  ihrem  Karakter 
stören,  gewissermassen  verunreinigen. 

Ist  aber  die  Zuziehung  eines  Blasinstruments  dem  Sinn  entspre- 
chend, so  fragt  sich,  welches  zu  wählen  sei?  Je  ähnlicher  und  näher- 
liegend das  Blasinstrument  dem  zu  verstärkenden  Streichinstrument  ist, 
desto  mehr  verschmelzen  beide,  je  unähnlicher,  entfernter  und  je 
schallkräftiger  zugleich  das  Blasinstrument  ist,  desto  mehr  macht  es 
neben  der  Quarletlstimme  seine  Eigenthümlichkeit  geltend.  Gehen  wir 
nach  dieser  Vorausschickung  die  einzelnen  Bläser  durch,  so  finden  wir 

1.  das  Fagott 

am  geeignetsten,  sich  mit  dem  Violoncell  und  den  tiefern  Lagen  der 
Bratsche  zu  verschmelzen.  Diesen  Instrumenten  ist  es  nach  Tonlage, 
Beweglichkeit,  Schallkraft  und  Klangweise  so  nahe  verwandt,  dass  man 
kaum  irgend  ein  andres  Instrument  so  häufig  zur  Verstärkung  einer 
Stimme  angewendet  finden  wird ,  als  das  Fagott  zu  der  des  Basses. 
Wenn  dies  vorzugsweise  bei  J.  Haydn  der  Fall  zu  sein  scheint,  so 
mag  wohl  einerseits  die  schwächere  Besetzung  der  Bässe  in  seiner 
Zeit,  andrerseits  aber  die  humoristische,  bewegliche  Heiterkeit  des 
liebenswürdigsten,  ewig  jungen  Alten  es  veranlasst  haben,  der  dem 
beweglich  im  Bass  figurirenden  Fagott  wohl  manchen  scurrilen  Zug 
abgelauscht  hat.  Weniger  häufig  ist  vielleicht  seine  Verwendung  zur 
Unterstützung  der  Bratsche,  oder  überhaupt  der  Mitte  des  Quartetts. 
Eines  der  bemerkenswertheslen Beispiele  dafür  giebt  Mozart  in  seiner 
Zauberflöte,  in  dem  Terzett  „Soli  ich  dicb,Theurer,  nicht  mehr  sehn*^ 


382    

Die  Cut  durchweg  reio  dea  SingstiBimeD  catfliessende  Melodie  wird, 
daMil  ihr  reizvoller,  Alles  id  Allem  enthaltender  Gang  angestörl  bleibe, 
in  einfaebftler  Weise  — 

Andante  moderato. 


456 


I 

begleitet.  Die  UnleratiDime  hat  der  Kontrabass ,  die  beiden  Oberstim- 
men haben  die  Geigen,  die  Achtelfignr,  —  der  eigentliche  Rem  nnd 
Bewegnngssitz  der  ganzen  Begleitung,  —  wird  von  den  Violoncellen, 
Bratschen  nnd  Fagotten  vorgetragen;  die  stillen  Fagotte  geben  der 
Figur  Fälle  ond  Halt,  nnd  wirken  eher  dahin,  die  Schärfe  des  Bogens 
(besonders  in  der  Tiefe  der  Bratschen)  bedeckend  zu  mildem ,  als  den 
Schall  zn  verstärken,  und  diese  Weise  wird  fast  das  ganze  Tonstnck 
hindurch  mit  voller  Befriedigung  beibehalten ,  so  sicher  war  in  ihr  das 
einzig  Rechte  ergriffen.  Eben  dies  ist  das  Lehrreiche  des  Falls  bei  all 
seiner  Einfachheit. 

Wie  das  Fagott  sich  der  Tiefe  und  Mitte  anschmiegt,  so  finden 
wir  (fast  ebenso  häufig) 

2.  die  Flöte 

als  Unterstützung  der  Höhe ,  namentlich  der  ersten  Violine.  Geht  sie 
mit  ihr  im  Einklang ,  so  mildert  und  füllt  sie  die  Schärfe  und  Dürrig- 
keit  des  Geigenstrichs ,  namentlich  in  den  höhern  Lagen.  Dieser  Füh- 
rung im  Einklang  —  und  zwar  selbst  in  den  tiefem  Lagen  —  begeg- 
nen wir  am  häufigsten  bei  den  altern  Hompooisten.  Zunächst  mag 
wohl  wieder  das  Bedürfuiss  reiner  Schallverstärkung  bei  der  früher 
schwächern  Besetzung  den  Anlass  gegeben  haben  \  in  zahlreichen  Fäl- 
len bei  Haydn,  der  die  Flöte  oft  in  den  bewegtesten,  muntersten  Gän- 
gen durch  Hoch  und  Tief  mit  der  Geige  gehen  lässt,  wüssten  wir  kei- 
nen andern  Grund  anzugeben.  Gluck  ist  oft  ebenso  verfahren,  oft  aber 
verwendet  er  diese  Instrumentalion  in  seinen  Opfer-  und  Gebetchören 
zur  treffenden  Bezeichnung  stiller,  ernslliebiicber  Feier ;  die  schärfern  Bo- 
genzüge  und  die  weichen,  blassgefarbten  Flötenklänge  der  tiefern  Lagen 
vermählen  sich,  ohne  sich  zu  vermischen,  indem  sie  einander  gegensei- 
tig wärmer  und  doch  milder  hervorheben. 

Gebt  die  Flöte  eine  Oktave  höher  mit  der  Geige  (also  in  der 
Weise,  in  der  sie  sich  nach  S.  162  den  Oboen  und  Riarinetten  anzn- 
schliessen  pflegt),  so  bleiben  natürlich  die  Instrumente  un  vermischt,  aber 
die  Stimme  wird  vermöge  der  klangvollem  Höhe  der  Flöte  stärker  her- 
ausgehoben. Allein  diese  Stellung  kann  bei  längerer  oder  häufiger  An- 


383 


Wendung  leicht  einen  gemeinen  Ausdruck  ergeben;  der  geistiger  erregte, 
wärmere  Klang  der  Geige  kann  die  leichtfertigere  und  in  ihrer  6e- 
müthskühle  selbstgeniigsame  Flöte,  wenn  sie  gar  zu  deutlich  und  lange 
nebenhergeht,  blosslellen. 

Verwandtere  Seiten  mit  der  Geige  als  die  Flöte  hat 

3.  die  Oboe. 

Aber  einestfaeils  beschränkt  sich  die  Verwandtschaft  doch  nur  auf 
die  höhere  Hälfte,  anderntheils  ist  dieses  spröde  Instrument  für  die  Be- 
weglichkeit und  so  manchen  feinern  Karakterzug  der  Geige  nicht  wohl 
zu  gewinnen.  Wo  indess  beide  Instrumente  übereinstimmen,  z.  B.  in 
Sätzen  von  diesem  Karakter,  — 


Andante  maestoso« 
Tutli.X"     ten. 


coir  Oboe 


iJi     v/nov«  fc7    . 


Vno 


f"^^^^^^^^^ 


4: 


da  wird  die  Stimme  zu  einer  Schärfe  und  durchdringenden  Kraft  ge- 
steigert, wie  von  der  Verschmelzung  so  energischer  und  so  klang- 
verwandter Instrumente  zu  erwarten  ist. 

Weniger  geeignet  zur  Verschmelzung  des  Klangs  ist 

4.  die  Klarinette 
in  Verbindung  mit  der  Geige  oder  Bratsche.  Allein  sie  stärkt  nicht  blos 
materiell  die  Stimme ,  sondern  durchwärmt  sie  auch  mit  ihrer  üppigen 
Sentimentalität  oder  theilt  ihr  die  Wildheit  ihrer  höhern  Tonlagen  mit. 

Nach  diesen  Andeutungen  kann  man  die  Anschliessungslabigkeit 
der  übrigen  Ii^trumente  ermessen. 

Bisher  haben  wir  nur  einzelne  Instrumente  zur  Verstärkung  her- 
angezogen. Allein  wir  wissen  schon  aus  der  Lehre  vom  Harmonie- 
satze (S.  165),  dass  mehrere  Bläser  sich  vereinigen  lassen  zu  einer 
einzigen  Melodie,  und  so  versteht  sich,  dass  unsre  Oberstimme 
auch  von 

Oboe  und  Klarinette, 

Oboe  und  Flöte, 

Flöte,  Klarinette  (oder  Oboe)  und  Fagott, 

Flöte  und  Fagott 
u.  s.  w. ,  oder  auch  vom  Fagott  allein  in  der  tiefern  Oktave  (wie  vom 
Violoncell  S.  297)  unterstützt  werden  kann. 


384     

B.  Einzelne  BUser  znr  AosfUlong  des  QaartetU. 

In  der  Notbwendigkeit  einer  vielstimmigen  AusKibrung,  die  man 
nicht  auf  Kosten  der  Kraft  der  Quartettstimmen  durch  deren  Trennung 
(S.  320)  erreichen  darf,  kann  das  Bedürfniss  begründet  sein,  dem 
Quartett  noch  andre  Organe  zur  Darstellung  selbständiger  Stimmen  zu- 
zufügen. Diesen  Fall  lassen  wir  für  jetzt  bei  Seite,  weil  mit  ihm  ein 
neuer  Gesichtspunkt  eintritt,  von  dem  aus  wir  alle  Organe  vereinzelt 
oder  theilweise  verbunden  als  ebenso  viel  Stimmen  auffassen.  Im  Ka- 
rakter  des  Quartetts  selber  aber  kann  das  Bedürfuiss  eines  fremden 
hinzutretenden  Organs  von  grösserer  oder  ruhigerer  Haltekrafl  oder 
eigenthümlichem  Klang  und  Karakter  für  eine  besondre  Stimme  liegen;. 
Sollte  folgender  Satz  — 

Andante  sosteniito. 


^^0iM^^^^ 


468  < 


instrumentirt  werden,  so  würde  wohl  die  Zahl,  nicht  aber  die  Qualität 
der  Streichinstrumente  für  seinen  Inhalt  genügen;  das  aushaltende  h 
würde  in  jedem  Streichinstrumente  unruhig  und  dünn  oder  rauh  erklin- 
gen. Nur  ein  Blasinstrument  kann  es  gleichmässig  und  ruhig  aushal- 
ten, anschwellen,  aushallen  lassen;  am  quellendsten ,  anmuthigsten, 
verlangendsten  das  Waldhorn.  Und  dieses  h  ist  nicht  nur  als  Halteton 
das  Band  des  Satzes  (in  der  Bratsche  und  Geige  liegt  es  auch,  ohne 
dieselbe  Wirkung) ,  sondern  vielmehr  durch  den  vollquellenden  Luft- 
klang,  der  nur  den  Blasinstrumenten  und  vor  allen  dem  Hörn  eigen 
ist.  Aehnliche  Bedeutung  haben  die  Fagotte  in  Nr.  383.  Die  Vio- 
loncelle  geben  denselben  Ton;  wollte  man  sie  aber  auch  in  der  Oktave 
verdoppeln,  immer  würde  es  eines  Blasinstruments  bedürfen,  um  dem 
Satze  Fülle  und  Halt  zu  geben.  Beethoven  bedurfte  übrigens  der 
Fagotte  für  die  dunklere,  gedrückte  Stimmung  seines  Salzes.  Derglei- 
chen Haltetöne  stellen  sich  —  gleich  der  von  den  Bläsern  gebildeten 
Masse,  nur  auf  einen  kleinern  Raum  beschränkt  —  als  zugleich  füllen- 
der und  hebender  Gegensatz  in  den  fremden  Chor. 

Wie  nun  hier  einzelne  Blasinstrumente  das  Quartett  füllen  und 
heben  sollten,  so  können  umgekehrt 

G.  einzelne  Streichinstnimente  im  Bliserchor 

ihre  Stelle  finden.  Hier  können  sie  nicht  zur  Füllung  dienen,  —  denn 
das  liegt  nicht  in  ihrer  Natur,  —  sondern  als  Gegensalz  des  Feinem, 


385 


Erregtem  gegen  den  gesättigten  Klang  der  Bläser.  Ein  berühmter  Salz 
Beetboven's  diene  als  Beispiel,  das  Trio  aus  dem  Scherzo  seiner 
^dur-Symphonie.  Der  Hauptsatz  (Fdur  bekanntlich)  wird  unter  ent- 
schiednem  Vorherrschen  des  Qnartetls  ausgeführt  und  wirft  sich  zu- 
letzt auf  ^,  das  von  Flöten,  Oboen,  Fagotten  und  dem  Quartett  aus- 
gehalten wird.  Die  übrigen  Instrumente  nun  biegen  ab  auf  D  und  nur 
die  Geigen  bleiben  liegen.  Das  Trio  entspinnt  sich  dann  so,  — 

469      Presto.   Meno  ansai. 
D-Hörner. 


T^::Crr—^^^ 


F^^golle.^ 


V.  I.  II 


Steigert  sich  in  der  Wiederholung, 


470 
D-Höruer 


-.noruer.    j^  ^  ^  i 


Flöten. 


^^^ 


CLjl  jdTjLi- 


JC3L  JLJ. 


^^^^^^^J=e|^^ 


Oboen. 


^*rt: 


@feE35^^t=a^=^£ifi5 


i 


■4—1 ^—  —  H 


p 

A-KUr 


r^ 


f-F= 


rrtt 


^^^^fp^^^jpel 


Faeotte. 


1^8 


a.LJ.,4 


.j»a!__l»_ 


?p^i?^^=3 


^ 


?^&?^ 


Marx,  Komp.  L.  IV.  3.  Aufl. 


386 


und  überall,  durch  den  ersten  ond  zweiten  Theil,  ziehen  die  Viotinen 
ihr  stilles  a  über  und  durch  die  Klänge  der  Bläser ,  bis  znm  Schlüsse 
das  volle  Orchester  den  Satz  vorträgt  und  Trompeten  (über  wirbelnden 
Pauken)  tin  der  Stelle  der  Violinen  das  a  siegfeiemd  aoshallea*).  — 
Dergleichen  Halletöne  der  Streichinstrumente  legen  sich  wie  ein 
Schleier  über  den  vom  Bläserchor  auszuführenden  Satz. 

Aus  demselben  unsterblichen  Werk  entlehnen  wir  das  Beispiel, 
wie  einzelne  Streichinstrumente  nicht  blos  mit  Haltetönen,  sondern 
stimmführend  in  den  Bläserchor  treten.  In  der  Einleitung  ist  es,  wo  die 
Modulation  sich  aus  A  auf  die  Dominante  von  C  wirft  und  folgender 
Satz  —  

Poco  sostenulo.-— ^^  '^  p-,  J^  _j,         """^^  '.^ 

Olioeit. 


A-Klar. 


FagoUe.  < 


Violinen 


I. 
II. 


Bratsche. 


P  dol, 


m^^^^^^ 

^ 


feJL|J_j — f^^E^ki^ 


^m 


*=fc=: 


^m 


rf^^ 


S^E^i^^^^^^^^^i^ 


•)  Vergl.  Aolisog  L,  3,  bei  Nr.  rfr  «n^  ifr- 


387     

aafgeslellt  wird,  der  sieb  nachher  *)  in  erhöhter  Festfeier  in  F  wieder- 
faolL  Dem  Tongehalt  nach  war  die  Bratsche  nicht  nothwendig ;  aber 
ihr  rieselnder  Klang  (auf  der  besponnenen  G-oder  besser  C-Saite)  sollte 
dem  Hauch  der  Bläser  nervige  .Kraft  einmischen ;  zart  und  dabei  doch 
siegreich,  fein  und  eindringlich  ziehen  sich  dann  die  Violinen  hinein. 
Es  ist  dies  eine  von  den  genialen  Kombinationen,  die  nachzuahmen  ein 
undankbares  Miss  verstand  niss  wäre,  die  aber  dem  versiehenden  Blick 
ein  tieferes  Eindringen  in  das  Wesen  der  Organe,  die  hier  zusammen- 
wirken, gewähren. 

Schon  in  den  letzten  Fällen  war  der  Chor  der  Bläser  Hauptchor 
geworden,  dem  einzelne  Streichinstrumente  sich  bei-  und  unterordne- 
ten. Dies  leitet  auf  den  letzten  Fall,  in  dem  das  ursprüngliche  Ver- 
hähniss  (S.  243)  des  Bläser-  und  Saitenchors  sich  entschieden  um- 
kehrt und 

D.  das  Quartett  nntergeordBet  nnter  den  Chor  der  Bläser 

tritt.  Ein  bekanntes  und  erschöpfendes  Beispiel  giebt  uns  die  Einleitung 
von  Mozart's  Requiem.  Dass  in  derselben  das  Blech  ruht  (bis  vor 
dem  Einsatz  der  Singsümmen)  und  der  Qior  der  Rohrinstrumente  nur 
mit  Bassethörnern  und  Fagotten  besetzt  ist,  darauf  kommt  nichts  an. 
Mozart  hat  (S.  359)  Grund  gehabt,  eben  nur  diese  Instrumente  mit 
Ausschluss  aller  andern  Rohrinstrumente  anzuwenden,  und  so  stellt 
sich  in  ihnen  der  Chor  der  Rohrinslrumente  vollständig  dar. 

Diese  vier  Instrumente  nun  intoniren  den  Nachahmungs-  oder  Fu- 
gatosatz,  in  dem  gleich  darauf  das  Kyrie  eleison  gesungen  wird,  und 
das  Quarieit,  -^  wir  gelten  wenigstens  den  Anfang,  — 

17^     Aiiitt;nj* 


BassfUiöriier.  -^  -^'^,         2"^'"'^  iJ    -JL  A 


^fe^l^^j^^^i 


tri  I  n    I  I    J    I  T  !  J 


,^tg^^!S«r^i^i^p^^^^£^^ 


dient  in  einfachster  Form  blps  als  Begleiiung. 
♦)  S.  5  und  9  der  f  artUur. 

25' 


388     

Sechster  Abschnitt. 
I>ie  liidividiialisirung  des  ganzen  Orchesters. 

Die  vorhergebendea  Abschnitte  haben  uns  vorbereitend  auf  den 
Gipfel  der  Anschauung  geleitet,  die  der  Komponist  von  dem  mächtig- 
reichen Organ  zu  gewinnen  hat,  das  sich  ihm  im  Orchester  darbietet. 
Wir  haben  zuerst  das  Quartelt,  dann  den  Bläserchor  neben  dem  Quar- 
telt individualisirt  und  erst  jenes,  dann  diesen  als  Hauptchor  aufgefasst. 
Jede  dieser  Auffassungen  war  richtig  und  an  ihrer  Stelle  wohlberech- 
tigt; aber  jede  war  einseitig.  Daher  möchte  schwerlich  in  irgend  einer 
umfassendem  Komposition  eine  oder  die  andre  Gestaltung  ausschliess- 
lich wallen. 

Wir  haben  vielmehr  nun  das  Orchester  in  seiner  Ganzheit  und 
Einheit  —  als  diesen  Verband  vieler  und  mannigfaltiger  Organe  aufzu- 
fassen, deren  jedes  sein  Recht  und  seine  eigenthümliche  Fähigkeit  hat, 
im  Kunstwerke  milzuleben  und  mitzuwirken ,  bald  allein  herrschend, 
bald  mit  andern  gleichberechtigt  (polyphon  jn  allgemeinster  Bedeutung 
des  Worts  j,  bald  sich  unterordnend,  wie  es  die  Idee  des  Ganzen  fodert. 

Jetzt  erst  bietet  sich  dem  Schallen  des  Künstlers  unbeschränkte 
Mannigfaltigkeit  des  Gestaltens. 

1. 

Er  kann  das  ganze  Orchester  zusammenfassen  als  eine  einige 
Masse.  Da  dient  es  ihm  in  voller  materiellerund  einfachster  Kraft,  da 
bewährt  es  sich  als  diese  Macht ,  die  alle  Laute  so  vieler  Organe  in 
einen  einzigen  erschütternden  Strom  von  Schall  zusammenfasst  und  in 
das  Ohr  des  Hörers  ei^iesst.  Es  ist  das  die  einfachste  und  zugleich  ge- 
waltigste Wirkung,  um  so  mächtiger ,  je  sorgsamer  man  sie  zum  rech- 
ten Moment  aufspart  und  dann  bis  zur  Sättigung  gewähren  lässt,  — 
um  so  kräftiger,  je  mehr  man  jedes  der  verschmolznen  Organe  in 
seiner  günstigsten  Tonlage  und  Darstellungsweise  verwendet,  —  um 
so  leichter  erschöpft,  je  unmotivirter ,  unzeitiger  und  je  häu6german 
sie  hervorruft. 

2. 

Er  kann  die  einzelnen  Chöre ,  oder  einen  gegen  den  andern  mas- 
senweise bewegen.  Oder  er  kann  aus  allen  scharfen,  aus  allen  weichen 
Organen  neue  in  sich  gleichartige  Massen  bilden.  Je  reiner  und  voll- 
ständiger die  Chöre  oder  Massen  einander  entgegentreten ,  desto  ent- 
schiedner  spricht  sich  ihr  Karakter  aus  und  desto  reiner  und  klarer 
wirkt  ihr  Gegensatz  gegen  einander. 


389     

3. 

Er  kann,  das  ganze  Orchester  als  eine  verbundne  Schaar  einzel- 
ner Organe  zusammenfassend ,  aus  jedem  der  Cböre  beliebige  Organe 
für  seine  Hauptstimme  und  die  Begleitung,  oder  für  die  verschieduen 
'  gleichberechtigten  Stimmen  eines  polyphonen  Satzes  herausheben. 

Dies  ist  die  jetzt  und  zuletzt  zu  betrachtende  Behandlungsweise, 
die  wir  mit  dem  Ausdruck  ,,Individualisirungdes  Orchesters^* 
zu  bezeichnen  versuchen.  Er  soll  andeuten,  dass  nunmehr  jedes  der 
Organe,  das  eine  Stimme  übernimmt,  oder  jeder  Verein  von  Organen 
(z.B.  von  im  Einklang  oder  in  Oktaven  zusammengestellten  Bläsern  oder 
Saiteninstrumenten),  der  eine  Stimme  oder  eine  eigne  Mas^e  bildet,  als 
eine  eigenthümliche,  selbständige  Persönlichkeit  gleichsam  geltend  wer- 
den soll ,  ebenso  wie  wir  auf  den  untergeordneten  Stufen  jede  Stimme 
des  Quartetts  oder  des  Singchors  u.  s.  w.  als  eine  solche  aufgefasst  haben. 

Hiermit  ist  das  Orchester  durch  und  durch,  im  Ganzen,  in  seinen 
grossen  Massen,  in  seinen  einzelnen  Organen  lebendig  geworden, 
durchgeistet,  in  karakteristische  und  dramatische  Thätigkeit  gesetzt.  Es 
ist  die  geistreichste  und  inhaltreichste  Verwendung  des  Orchesters. 
Aber  sie  gewährt  nicht  die  einige,  in  einem  einzigen  Gedanken  und 
einer  einzigen  Gestalt  siegreich ,  unwiderstehlich  hervortretende  All- 
macht des  Orchesters.  Wir  erfahren  hier,  was  schon  auf  einem  frühern 
untergeordneten  Standpunkte  (Th.  II.  S.  333;  klar  werden  musste: 
dass  alle  Gewaltigkeit  der  Polyphonie  doch  zuletzt  nur  zur  Einigung 
in  einem  einzigen  Gedanken,  unter  eine  Hauptstimme,  —  dass  alle  Po- 
lyphonie zur  Homophonie  zurückführen  müsse,  um  hier  die  vollendete 
Kraft  und  die  geuugthuendste  Befriedigung  zu  finden. 

Haben  wir  nun  schon  in  enger  gezognen  Kreisen  (S.  350)  auf 
Vollständigkeit  in  der  Betrachtung  aller  möglichen  Verknüpfungen  ver- 
zichten müssen :  so  ist  dies  hier  noch  gewisser  der  Fall.  Es  können 
aber  alle  Instrumente  des  Orchesters  eiuzeln ,  es  kann  jedes  mit  jedem 
andern  oder  mehrern  in  der  mannigfaltigsten  Weise  verknüpft  werden ; 
wer  wollte  da  nachrechnen?  und  wem  wäre  mit  dem  Nachrechnen  ge* 
dient?  Nicht  hierauf  hat  man  sich  einzulassen,  sondern  es  bleibt  nur 
noch  übrig,  gewisse  allgemeine  Gesichtspunkte  und  Rücksichten  her- 
vorzuheben, die  uns  bei  jeder  Wahl  oder  Zusammenstellung  leiten  und 
vor  Missgrifien  sichern  können. 

Die  Vorbedingung  bei  der  freiem  Beherrschung  und  Führung  des 
Orchesters  ist  die :  jedes  Organ  desselben  nach  seiner  Kraft,  Fähigkeit 
und  seinem  besondern  Karakter  zu  kennen.  Dies  sichert  vor  allem  bei 
der  Wahl  der  einzelnen  Instrumeute  für  die  einzelnen  in  einer  Kompo- 
sition sich  darbietenden  Aufgaben.  Wenn  also  z.  B.  Beethoven  im 
Fortgang  seiner  Fugenouverlüre  (Nr.  447)  das  Quartett  mit  dem  ersten 
Subjekt  und  dem  bewegten  Gegensätze  (Nr.  465),  und  die  Bläser  mit 
dem  zweiten  Subjekt  einführt  — 


390 


473     Blaser,     gy.i 


Viola  u7  Violoncell,  j^^ 


(der  Biäserchor  enthält  die  Flöten,  Oboen,  Klarinetten  und  Fagotte  io 
drei  Oktaven  Ober  einander)^  so  sehen  wir  jedes  Organ  gerade  in  der 
ihm  zusagendsten  Partie  bethätigt.  Wenn  in  derselben  weit  uod  in  an- 
ziehendster Mannigfaltigkeit  ausgeführten  Komposition  gleich  darauf 
beide  Themate  in  den  höhern  Quartettstiramen  leicht  und  fein  vorüber- 
flattem  sollen,  — 


474 


fT^  ,  ■TR.nLni 


? 


=g=5=^- 


c    -    -    b) 


so  sehen  wir  wieder  alle  Instrumente  in  der  einem  jeden  zusagenden 
Bethätigung :  das  erste  Subjekt  in  der  ersten  Violine,  —  das  zweite  in 
der  Bratsche,  aber  in  Bewegung  gesetzt,  —  die  «weite  Violine  hastig 
und  unruhig,  —  die  Hörner  einen  Halteton  aushaltend ,  —  die  übrigen 
Bläser  Masse  bildend,  damit  der  Hauptsatz  nicht  zerflattere ,  aber  diese 
Masse  zergliedert,  bewegt,  der  Niederschläge  entbehrend,  damit  sie 
leicht  genug  bleibe,  um  dem  Gedanken  des  Hauptsatzes  zu  entsprechen. 


391 

WeoD  wir  mitbin  als  ersles  Erfoderuiss  eioer  kuustgeoiässeu 
Individoalisirung  aussprechen ,  dass  kein  Organ  anders  als  seinem  Ka- 
rakter  gemäss  zur  Tbätigkeit  komme:  so  wagen  wir  zweitens  als 
Recht  des  Orchesters  und  höhere  Pflicht  des  Komponisten  zu  bezeich- 
nen, dass  jedes  einmal  in  der  Partitqr  aufgenommene  Instrument  auch 
seinen  Fähigkeiten  gemäss  zur  rechten  Geltupg  gebracht,  ihm  wesent- 
licher Antheil  am  Werke  gegönnt ,  keines  als  blosser  Aushelfer  für  die 
andern ,  als  blosse  Füllslimme  verbraucht  werde.  Hier  ist  es ,  wo  sich 
die  wahrhafte  Kunstbildung  bewährt.  Wer  die  Alles  beseelende  und 
erhöhende  Idee  der  Polyphonie  (Tb,  II.  S.  143)  in  sich  aufgenommen 
und  sich  von  ihr  hat  durchdringen  und  kräftigen  lassen ,  dem  wird  die- 
ser Anspruch  kein  unerwarteter  sein.  Mag  in  einzelnen  Werken  we- 
niger Raum  oder  Anlass  liegen ,  ihn  reich  zu  erfüllen,  immer  wird  das 
alle  Wort  (Th.  II.  S.  103),  dass  er  ,,der  Schuldner  jeder  Stimme^*  sei, 
den  darchgebildeten  Künstler  mahnen  und  treiben,  jedem  Instrumente 
gerecht  zu  werden ,  jedes  in  seiner  Weise  und  so  viel  die  herrschende 
Idee  des  jedesmaligen  Kunstwerks  gestattet  zu  begünstigen.  Das  ist 
der  innere  Vorzug ,  den  die  Orchesterwerke  der  deutschen  Meister  und 
vor  allen  andern  Haydn's  und  Beethoven's  vor  den  nur  aus  sub- 
jektiver Richtung  und  Bildung  hervorgegangenen  fremdländischen  be- 
haupten; es  ist  die  Kraft  der  Durchgeistung,  die  das  kleine  Ha  yd  na- 
sche Orchester  belebter,  mächtiger,  nerviger  ertönen  lässl,  als  die 
neaen  mit  doppelt  so  vielen  Instrumenten  beladnen,  von  oben  bis  unten 
mit  Blech  gepanzerten  Massen;. es  ist  der  Sieg  der  Polyphonie  oder 
musikalischen  Dramatik  über  die  Homophonie  oder  musi- 
kalische Lyrik. 

Und  wenn  nun  dieser  polyphone  Trieb  dabin  führt,  auch  diejeni- 
gen Instrumente  an  einem  Gedanken  Theil  nehmen,  ihn  vortragen  zu 
lassen,  für  die  er  eigentlich  weniger  geeignet  ist :  so  wird  drittens 
das  vorbeduogne  Bewusstsein  vom  Wesen  aller  Organe  auch  hier  noch 
schirmend  walten.  Ein  Instrument,  das  weniger  geeignet  ist  für  einen 
Gedanken,  enthält  sich  seiner,  bis  derselbe  siegreich  das  Ganze  durch- 
drungen hat  und  nun  auch  das  Widerstrebende  an  sich  heranzwingt. 
Das  bewegliche  Fugenthema  der  Zauberflöten-Ouvertüre  und  namentlich 
das  Hauptmotiv  desselben  — 


bringt  Mozart  zuerst  in  den  rührigsten  Instrumenten,  in  den  Geigen; 
den  Bratscheu  und  dann  den  Bässen  schliessen  sich  die  verwandtesten 
Bläser  (S.  381),  die  Fagotte,  dann  erst  den  Geigen  die  leichten  Flöten 
und  theilweis  die  Oboen  an;  später  übernehmen  es  abwechselnd  Fagotte 
uud  Klarinetten.  Im  zweiten  Theil  wird  es  wieder  zuerst  von  Geigen, 
Violoncellen ,  Fagotten  und  Bässen,  Bratschen,  Flöten,  —  im  dritten 
Theil  wieder  zuerst  vom  Quartett  gebracht,  dem  Flöten,  Oboen,  Fa- 


392     

gölte  sich  anschliesseD.  Endlich  müssen  auch  die  Hörner  und  Trompeten 
mit  Pauken*)  —  so  gut  sie  können,  wenigstens  in  Bewegung  und  Ton- 
Wiederholung  sich  ihm  ergeben.  Nur  die  Posaunen  sind  es  ihrer  Würde 
und  Mächtigkeit  schuldig,  davon  fernzubleiben;  sie  greifen  in  ihrer 
Weise  ein.  —  Was  dieses  eine  Werk  andeutet,  Hesse  sich  in  der  Mehr- 
zahl oder  allen  Meisterwerken  nachweisen,  gleichviel  ob  sie  fngirt 
sind  oder  nicht. 

Für  diese  Beseelung,  zu  der  sich  alle  Instrumente  im  Geiste  des 
Komponisten  herandrängen,  überhaupt  für  jede  Orchesterwendung  ist  nun 
endlich  viertens  eine  mehr  äusserliche ,  aber  unumgängliche  Rück- 
sicht erfoderlich :  auf  eine  richtige  Kraflverlheilung  unter  den  Stim- 
men. Die  Melodie  oder  Hauptstimme  muss  hervortreten,  mehrere 
gleich  wichtige  Stimmen  müssen  in  gleicher  Stärke  —  oder  wenigstens 
insoweit  gleicher  Stärke  gegeben  werden ,  dass  nicht  eine  die  andre 
unterdrücke;  wesentliche  Stimmen  müssen  den  Nebenstimmen  überle- 
gen sein,  wenigstens  nicht  schwächer  besetzt  werden.  Allerdings  kana 
der  Vortrag  eine  Abweichung  von  diesen  Regeln  beschönigen ;  eine  zu 
schwache  Stimme  kann  stark  betont,  zu  stark  besetzte  Stimmen  können 
durch  Pianovortrag  gemildert  werden ,  —  es  kann  dergleichen  selbst 
in  einzelnen  Fällen  der  Absicht  des  Komponisten  entsprechend  und 
dann  die  Abweichung  von  der  Regel  gerechtfertigt  sein.  Aber  von  sol- 
chen Ausnahmfällen  abgesehen  bleibt  wohl  die  Regel  unbestreitbar. 

Ihre  Absicht  kann  aber  nicht  durch  ein  Mos  äusserliches  Abzählen 
der  Instrumente  erreicht,  werden.  Nicht  die  Masse  der  verbundnen 
Instrumente,  sondern  das  Vermögen  eines  jeden,  und  zwar  sein  Ver- 
mögen in  der  Tonlage,  wo  es  wirken  soll,  —  dann  auch  die  Art  der 
Verbindung  zusammenwirkender  Instrumente  und  die  Behandlung  der 
entgegenstehenden,  endlich  vor  allem  die  Energie  des  Inhalts  einer 
Stimme  kommt  bei  der  Abwägung  in  wesentlichen  Betracht. 

Wenn  Beethoven  in  Nr.  473  das  zweite  Subjekt  mit  acht  Blä- 
sern in  drei  Oktaven  über  einander  besetzt,  so  sind  es  eben  nur  Rohr- 
instrumentc,  und  die  stärksten  unter  ihnen  (Oboen  und  Klarinetten) 
nicht  in  der  stärksten  Lage;  ihnen  gegenüber  ist  das  erste  Subjekt 
durch  Besetzung  (Bratsche  und  Violoncell)  und  Bewegung  stark  ge- 
nug. Wenn  in  Nr.  474  dem  Hauptgedanken  im  Quartett  —  sogar  im 
Piano  neben  der  zweiten  Violine  sechs  Bläser  entgegentreten :  so  sind 
diese  wieder  in  nicht  vordringlicher  Weise  gesetzt ;  die  Hörner  halten 
aus,  die  Klarinetten  liegen  in  der  Tiefe ,  sie  und  die  Oboen  sind  rhyth- 
misch gebrochen.  Wenn  Mozart  in  Nr.  472  zum  Vortrag  der  Haupt- 
stimmen die  stillsten  Rohrinstrumente ,  vereinzelte  Bassethörner  und 
Fagotte,  nimmt :  so  hat  er  den  Streichercbor  in  einfachster  und  nichts 
weniger  als  kräftiger  Weise  entgegengestellt.  Wenn  —  um  ein  letztes 


*)  S.  19,  22,  23  der  Scblesin^er'scheo  Partitur. 


393 


Beispiel  zu  geben —  Beethoven  in  seiner  heroischen  Symphonie*) 
gegen  das  volle  Orchester  mit  Trompeten  und  Pauken  der  ersten  Vio- 
line ganz  allein  die  Hauptstimme  giebt,  so  hat  sie  dieselbe  schon  län- 
gere Zeit  zuvor  gegen  geringere  Massen  des  Orchesters  geführt,  so 
dass  der  Hörer  sie  schon  bemerkt  hat  und  leichter  verfolgen  kann,  — 
so  ist  ferner  ihre  Melodie  — 

Allegro  con  moto 


^ If ^T7 TT^ 77 n?7 IT-^ 57 "* i7 


476    fegEjifc 


J7      fr         f7         V      sf        $7 


n=ö 


&|LjL^r=ljScS 


% 


6=3^tz$ 


-w 


>7 — Tf- 


eine  scharfgezeichnete  und  liegt  in  der  eindringlichsten  Tonregion  des 
Instruments. 


*)  S.  35  der  Partitur. 


394 


FiMfte  Abtheilug. 

Orchesterkomposition  ^) . 

Nach  so  vielen  Vorbereitungen  ond  Vorarbeiten  kann  sich  die 
Lehre  jetzt  nur  kurz  fassen.  Es  wird  hauptsächlich  noch  auf  Bezeich- 
nung eines  förderlichen  Stufengangs  in  den  Arbeiten  und  Aufweisung 
der  Formen  des  Orchestersatzes  ankommen. 


Erster  Abschnitt. 
Vorbereitende  Aufgaben. 

Die  Kunst  selber  hat  sich  nicht  von  Anfang  her  im  Besitz  alier 
Mittel  gesehn,  die  jetzt  unser  Orchester  vereinigt,  und  hat  nicht  sobald 
über  die  gegebnen  Mittel  mit  solcher  Freiheit  und  in  so  reicher  Geislig- 
keit  geboten,  als  unsrer  durch  die  Vorarbeiten  so  vieler  Meister  und 
durch  den  allgemeinen  Entwicklungsgang  des  Geistes  geförderten  Zeil 
zusteht.  Möge  das  noch  im  letzten  Stadium  des  Lehrgangs  —  wie  in 
seinem  ganzen  Lauf  uns  erinnern ,  dass  auch  wir  mit  Besonnenheit  die 
letzten  Schritte  thun.  Jede  Zurückhaltung  entschädigt  uns  durch  be- 
sondre und  durchaus  künstlerische  Aufgaben. 

Wir  stellen  als  letzte  Vorbereitungen  —  aber  eben  schon  als 
künstlerische  ihrer  drei  — 

1. 

Eine  Ouvertüre  in  Fugenform  für  Quartett,  Oboen,  Trompe- 
ten und  Pauken. 
Diese  Aufgabe,  durch  S.  Baches  Meisterwerke  (Symphonien) 
ähnlicher  Gestaltung  angeregt,  führt  uns  zu  einer  Form  zurück,  die 
wir  stets  und  zuletzt  auch  zum  Eindringen  in  das  Quartett  (S.  339) 
fördersam  befunden  haben.  Die  Besetzung  beschränkt  uns  im  Bläser- 
chor, giebt  aber  seine  beiden  Massen,  Blech  und  Rohr,  jede  wenigstens 
von  einer  Klasse  vorgestellt;  es  bleibt  dem  Arbeitenden  anheimgege- 
ben, Oboen  und  Trompeten  wie  gewöhnlich  zweistimmig,  oder  (nach 
Bach's  Beispiel)  dreistimmig  zu  behandeln. 


*)  Hierzu  der  Anhang  Q. 


395     

Wie  früher,  so  sagen  wir  auch  hier,  dass  es  nicht  der  eigenlliche 
Zweck  ist :  eine  Pogc  zo  scbreibeo ,  die  von  den  gegebnen  Instrumen- 
ten ausgeführt  werden  kann ,  sondern  dass  es  vielmehr  gilt :  das  Or- 
chester, wie  es  nun  auch  zusammengesetzt  sei,  in  dieser  Form  zu  be- 
thätigeu;  das  Orchester  und  seine  Geltendmachung  ist  Zweck,  die  Form 
ist  das  ausbedungne  Mittel. 

Wahrscheinlich  wird  der  Komponist  seiner  Fuge  eine  Einleitung 
vorausschicken ,  in  welcher  er  sein  Orchester  in  Massenkraft  wirken 
lässt,  oder  in  welcher  er  vielleicht  in  stiller  Weise  erst  zum  kräftigen 
Hauptsatze  hinführt.  Vielleicht  wird  diese  Einleitung  inmitten  oder  am 
Schlüsse  des  Hauptsatzes  wiederkehren  oder  anklingen.  Dies,  und  wie 
dabei  die  Mittel  des  Orchesters  zu  verwenden,  bleibe  dahingestellt. 
Wir  wenden  uns  gleich  zum  Hauptsatze. 

Für  diesen ,  für  die  Fuge ,  tritt  das  Quartett  sogleich  mit  unbe- 
streitbarem Recht  als  Hauptchor  auf,  schon  desswegen,  weil  es  allein 
zur  Aufstellung  der  normalen  vier  Stimmen  geeignet  ist.  Das  Thema 
wird  in  seinem  Sinne  zu  erfinden  sein,  Gegensatz  und  das  weitere 
Stimmgewebe  wird  zunächst  ihm  zufallen  und  nach  seinem  Wesen  sich 
bilden.  In  dieser  Hinsicht  stehen  wir  also  auf  dem  Boden  einer  frühem 
Aufgabe,  der  S.  339  besprochnen  Quartettfuge.  Allein  nun  treten, 
wenn  auch  in  beschränkter  Besetzung,  die  Rohr-  und  Blechinstru- 
mente zu. 

Die  Oboen  (wir  nehmen  hier  ihrer  drei  an)  werden  in  den  mei- 
sten Fällen  fähig  sein ,  das  für  Violinen  erfundne  Thema  und  den  wei- 
tern daraus  sich  entwickelnden  Fugeninhalt  aufzunehmen ;  wenigstens 
bedarf  es  einer  nicht  zu  lästigen  Rücksicht  bei  der  Erfindung,  um  die 
Theilnahme  der  Oboen  möglich  zu  machen ,  —  die  in  Nr.  432  bis  435 
gegebnen  Themate  z.  B.  würden  den  Anschluss  der  Oboen  zulassen. 
Allein  dieser  Anschluss  könnte  nur  ein  gelegentlicher  sein ;  die  Oboen 
können  einmal  gelegentlich  zur  Verstärkung  der  Violinen  und  Bratschen 
verwendet  werden,  sie  können  einmal  eine  Durchführung  oder  die 
höhern  Stimmen  einer  solchen  statt  der  Violinen  übernehmen.  Dies 
würde  aber  nur  ausnahmsweis  und  nur  selten  mitVortheil  geschehn 
können.  Denn  die  Violinen  werden  durch  ihre  Beweglichkeit  und 
Schmiegsamkeit,  durch  die  unerschöpfliche  Mannigfaltigkeit  ihres  Aus- 
drucks stets  den  Vorzug  vor  den  spröden,  in  der  Mitte  und  Tiefe  sich 
spreizenden  Oboen  verdienen ;  ein  zwei-  oder  dreistimmiger  Satz  vol- 
lends ,  der  von  Saiteninstrumenten  so  leicht  und  zart  gegeben  werden 
kann,  würde  sich  ,  von  Oboen  vorgetragen,  leicht  breit  macheu.  Man 
betrachte  das  Nr.  435  gegebne  Thema ,  —  man  bilde  dazu  einen  Ge- 
gensatz, z.  B.  diesen  — 


396 


oder  irgend  einea  andern  aus  dem  Thema  entwickelten :  so  wird  man 
Beides  wohl  für  die  leicht  darüber  hingehenden  Streichiuslramenle, 
schwerlich  aber  (besonders  Takt  3  und  4)  für  die  umständlichen  und 
preziös  deutlichen  Oboen  wohlgeeignet  finden.  Und  dasselbe  wird  man 
bei  den  meisten  im  Sinn  des  lebhaften  und  feinen  oder  leichtgegüeder- 
ten  Quartetts  erfundnen  Themalen  ,  z.  B.  auch  bei  dem  oben  angedeu- 
teten von  Bach*),  — 


^^^^^^^ 


sich  bethäligen  sehn. 

Was  wird  also  ausser  diesen  ausnahmsweisen  Bethätigungen  die 
Aufgabe  der  Oboen  sein?  —  sie  werden  Masse  bilden;  was  ihnen 
dazu  an  Stimmzahl  und  Ausdehnung  des  Tongebiets  abgeht,  wird  die 
Schwere  und  Eindringlichkeit  ihres  Klangs,  werden  sie  durch  festes 
Zusammenhalten  in  vollen  Sextakkordgängen, — in  Zwischen-  oder 
in  Gegensätzen  zum  Thema,  z.  B. 

479    Violine  I.      .^^      ^  ^  ^ 


►•"*=*-^f- 


oder  in  Gängen  im  Einklang  u.  s.  w.  ersetzen,  während  die  Streichin- 
strumente sie  in  erhöhter  Bewegung  umgeben,  oder  ebenfalls  zu  ver- 
stärkten Stimmen  zusammengetreten  ihnen  entgegen  arbeiten. 

Die  Trompeten  werden  nur  in  den  seltensten  Fällen  an  der  Fu- 
genarbeit Theil  nehmen  können ;  ein  Thema,  das  von  ihnen  darstellbar 
wäre,  würde  für  Oboen  und  Quartett  zu  einseitig  und  unergiebig  sein. 
Dass  sie  gelegentlich  das  Thema  unterstützen,  z.  B.  das  obige  in  sei- 
nem ersten  Motiv  verstärken  oder  dieses  Motiv  in  enger  Folge  gleich 
einer  Engführung  wiederholen,  kann  nicht  als  befriedigende  Beschäfti- 
gung für  sie  gelten.  Sie  noch  mehr  wie  die  Oboen  können  sich  in  Ver- 
bindung mit  den  Pauken  und  jenen  nur  als  Masse ,  als  letzten  Aus- 


*}  Aas  dem  Gedachtnisse,  vielleicht  nicht  genau. 


397     

schlag,  den  sie  der  Orchesterkraft  (S.  351)  geben,  vollgeltend  machen« 
Dazu  aber  werden  sie  um  so  erwünschter  auftreten ,  je  beschränkter 
die  Mittel  der  vorbedungenen  Besetzung  eben  fiir  diesen  Zweck  sind. 

Diese  Erwägung  der  dargebotnen  Kräfte  wird  nun  über  die  ganze 
Gestaltung  der  Komposition  entscheiden. 

Wie  kunstreich  und  gehaltvoll  auch  die  Fuge  geführt  werde,  das 
kann  nicht  genügen,  da  in  ihr  nicht  alle  festgesetzten  Instrumente 
(S.  396)  und  in  ihrer  Form  auch  das  Orchester  als  Masse  in  der  Kraft 
seiner  homophonen  Einigkeit  nicht  zur  Geltung  kommen  würde.  Es 
werden  sich  also  —  besonders  am  Schlüsse  des  ersten  Theils  und  zu 
Ende  —  breitere  Zwischensätze  bilden  müssen,  in  denen  sich  die  Blä- 
ser ,  besonders  das  Blech ,  in  denen  sich  das  Orchester  in  seiner  Mas- 
senkraft geltend  macht. 

Aus  diesem  Gesichtspunkt  angesehen  bietet  unsre  Aufgabe  Anlass, 
die  drei  Massen  des  Orchesters  —  und  zwar  in  erleichternder  Be- 
setzung mit  einander  zu  verknüpfen  und  jede  in  ihrer  Weise  zu  be- 
thätigen. 

Die  folgenden  vorbereitenden  Aufgaben  sind  ^ 

2.   die  Marschform, 
und 

3.  die  Form  der  Menuett. 

Die  erstere  wird  in  der  Regel  vorherrschende  Massenwirkung 
fodern  und  Anlass  bieten,  das  Orchester  in  dieser  Richtung  und  in  einer 
einfachen,  nicht  weil  aussehenden  Form  anwenden  zu  lernen.  Der 
einfache  Gegensatz  von  Hauptsatz  und  Trio  ladet  zu  tiem  Versuch  ein, 
denselben  durch  eine  verschiedengestaltete  Instrumentation  hervorzu- 
heben; vielleicht  wird  der  Hauptsatz  vom  vollen  Orchester,  das  Trio 
von  einer  der  Massen,  oder  einander  ablösenden  Massen,  oder  von 
mehr  vereinzelten  Stimmen  u.  s.  w.  dargestellt  werden. 

Die  Menuett  wird  vermöge  ihrer  Beweglichkeit  das  Quartett  und 
mit  ihm  dieRohrinstnimente  vorzugsweise  beschäftigen.  Wie  nun  diese 
Chöre  und  das  Blech  bald  mit  einander,  bald  wechselnd  in  Thätigkeit 
kommen,  das  Trio  auch  hier  sanftere  Weisen  der  Instrumentation  her- 
vorruft, bedarf  nach  allem  Vorhergegangenen  keiner  weitern  Auseinan- 
dersetzung. Das  Lehrbuch  überlässt  von  hier  immer  mehr  der  persön- 
lichen Unterweisung  und  Berathung  und  dem  Studium  der  Partituren 
die  weitere  Leitung. 

Und  so  darf  auch  jede  weitere  Uebung  in  den  kleinen  Instrumen- 
taUbrmen,  namentlich  in  den  Tanz  formen  und  im  Scherzo,  dem 
individuellen  Ermessen  des  Jüngers  überlassen  bleiben. 


398     

Zweiter  Abschnitt. 
Die  eigenthamlichen  Orchesterfornien. 

Im  vorigeii  Abschnitt  ist  des  Marsches,  des  Scherzo,  der  Menuett 
und  andrer  Tanzformen  als  Aufgaben  für  das  Orchester  gedacht  wor- 
den. Sie  sind  also  unstreitig  Orchesterformen  und  können  die  höchste 
künstlerische  Wichtigkeit,  ja  auch  eine  bedeutende  formeile  Ausdeh- 
nung an  sich  haben;  man  denke  nur  der  Scherzi,  die  Beethoven  in 
mebrern  seiner  Symphonien,  z.  B.  in  der  heroischen,  in  der  ^dur-,  in 
der  />moll-  (der  neunten)  Symphonie  giebt.  Demungeachtet  konnten 
wir  diese  Formen  als  vorbereitende  Aufgaben  benutzen.  Nur 
das  Scherzo  erhebt  sich,  formell  betrachtet,  zu  höhern  Kombinationen 
und  dann  zu  grösserer  Ausdehnung,  tritt  aber  in  der  Regel  nur  als 
Theil  eines  grössern  Ganzen  auf,  der  Symphonie. 

Von  diesen  kleinern  Formen  aus  gehen  wir  nun  zu  den  eigenthüm- 
lichern  über. 

A.  Die  Balletmosik. 

Die  Balietmusik  hat  zum  Theil  feststehende  Formen,  die  meist  von 
Nationaltänzen  entlehnt  sind ,  z.  B.  die  Form  des  Walzers,  der  Me- 
nuett, des  Fandango,  auch  die  des  Marsches.  Andern  Theils  bedient 
sie  sich  ganz  frei  (ohne  besondre  Rücksicht  auf  eine  hergebrachte  oder 
innerlich  nothwendige  Form ,  wie  in  den  Nationaltänzen  und  dem 
Marsche)  der  Liedformen ,  der  kleinen  Rondoformen ,  auch  wohl  der 
Sonatenform  (dieser  meist  nur  in  das  Enge  gezogen)  im  langsamen  und 
schnellen  Tempo,  je  nach  den  Erfodernissen  der  Scene  oder  der  Tanz- 
formen ,  die  der  Moment  im  Ballet  mit  sich  bringt  und  die  vom  Ballet- 
uieister  bestimmt  oder  doch  mit  ihm  verabredet  werden  müssen.  Für 
die  rein  dramatischen  Partien  des  Ballets,  für  die  Pantomime,  kann 
ausserdem  eine  ganz  freie  Gestaltung  nöthig  werden,  die  unter  den 
Formbegriff  der  Fantasie  (Th.  III.  S.  335)  zu  stellen  ist.  Alle  diese 
Formen  können  vereinzelt  oder  an  einander  gereiht  zu  einem  grössern 
Ganzen  angewendet  werden. 

Hierüber  hat  die  Kompositionslehre  wenigstens  nichts  Weiteres 
zu  sagen.  Die  Formen  sind  bekannt;  ihre  Wahl,  Ausdehnung,  Ver- 
knüpfung und  ihr  Inhalt  hängen  in  jedem  einzelnen  Falle  von  der  Auf- 
gabe und  von  den  Erfodernissen  des  Tanzes,  wie  derselbe  scenisch 
vom  Balletmeister  geordnet  werden  kann,  ab.  Der  einzige  allgemeinere 
Rath^  der  hier  gegeben  werden  kann,  ist  der:  die  für  den  eigentlichen 
Tanz  bestimmten  Balietsätze  höchst  fasslicb  und  ebenmässig  zu  bilden 
und  den  Rhythmus  in  Klarheit  und  Ebeumaass  sehr  bestimmt  hervor- 
treten zu  lassen.  Dass  dabei  von  verwickelter  Stimmführung  nicht 
füglich  die  Rede  sein  kann ,  dass ,  um  den  höchsten  Grad  von  Klarheit 


399     

SU  erreichen ,  auch  die  Instraoientation  einfach  und  ebenmSssi^  ange- 
legt ^  z.  B.  nicht  zu  häufig  mit  den  Instrumenten  gewechselt  werden 
moss  u.  s.  w.,  erräth  man  von  selbst.  In  dieser  Hinsicht  möchte  wohl 
die  Balletmusik  von  Spontini  als  Muster  dastehn,  während  Gluck 
in  einem  Theil  seiner  Ballete  die  treffendste  Karakteristik  giebt,  in 
mannigfaltigem  und  kühnern  Rhythmen,  ab  man  vor  und  nach  ihm 
gewagt  hat.  Es  Hessen  sich  noch  sehr  glückliche  Leistungen  von  K.M. 
V.  Weber  und  andern  Komponisten  älterer*)  und  neuerer  Zeit  anfiih- 
reo ,  wenn  die  Kompositionslehre  überhaupt  der  Ort  wäre,  auf  diesen 
Gegenstand  näher  einzugehn. 

In  demselben  Verhältnisse  steht  zu  ihr 

B.  die  Ifuik  der  Zwischenakte. 

Weno  die  Akte  eines  dramatischen  Werkes  durch  Musik  eingelei- 
let  oder  auch  verbunden  werden  sollen,  so  wird  bekanntlich  dem  ersten 
oder  vielmehr  dem  Ganzen  eine  Ouvertüre  vorausgeschickt;  von 
dieser  ist  im  folgenden  Abschnitte  zu  reden.  Den  andern  Akten  dienen 
kürzere  Tonsätze,  —  die  sogenannten  Entreakte,  —  zur  Einleitung. 
Diese  Tonsätze,  die  auf  Stimmung  uud  Handlung  des  nächsten  Akts 
vorbereiten  sollen,  haben  meist  Liedform,  die  kleinem  Rondoformen, 
Sonatinenform  (beschränkt)  in  schneller  oder  langsamer  Bewegung; 
möglicherweise  ist  auch  jede  andre  Form  zulässig;  gelegentlich  werden 
mehrere  Formen  mit  einander  verbunden,  z.  B.  einem  Marsch  oder 
Tanz  oder  Rondo  eine  Einleitung  vorausgeschickt,  und  was  derglei- 
chen mehr. 

Auch  hier  hat  die  Kompositionslehre  kein  weiteres  Geschäft,  da 
die  Formen  bekannt  sind  und  ihre  Wahl,  ihre  Behandlung,  der  ganze 
Inhalt  von  der  Idee  abhängen,  die  das  Drama  im  Komponisten  erweckt. 
Wer  eine  Anschauung  solcher  Kompositionen  begehrt,  der  sei  auf  die 
berühmteste ^und  vollendetste,  die  wir  kennen,  verwiesen,  auf  die  Zwi- 
schenakte, die  Beethoven  zu  Goethe's  Egmont  geschrieben  hat. 

Ebensowenig  hat  sich  die  Kompositionslehre  auf  die  schon  Tb.  III. 
S.  384  zur  Sprache  gebrachte 

C.  melodramatische  Insik 

näher  einzulassen,  mit  der  in  Opern  und  andern  Dramen**)  das  Orche- 
ster bisweilen  den  Dialog  und  die  Handlung  begleitet  und  zu  tteferm 
oder  bestimmterm  Eindruck  zu  wirken  sucht. 


*)  Gero  nenoeo  wir  Schall,  den  talentvollen  Komponisten,  der  dem  (grossen 
Balletmeister  Gaieotli  zn  seinen  pantomimischen  Tragödien  (wir  kennen  von 
ihnen  nur  flomeo  nnd  Julie  und  Blauhart)  würdige  Musik  schuf.  Leider  sind  die 
Ballete  und  ihre  Musik  nicht  Öffentlich  geworden  —  und  kaum  durften  sie  jetzt 
noch  ein  anderes  als  historisehea  Interesse  haben.  Die  Musik  war  im  Kiavierauszug 
(in  Kopenhagen?)  erschienen. 

**)  Früher,  von  J.  J.  Rousseau  zuerst  in  seinem  Pygmalion  versucht,  wur* 
den  ganze  Dramen  für  melodramatische  Behandlung  gedichtet  und  so  kemponirt, 


400 

Die  Masik  neben  dem  Dialog  soll  bisweilen  einen  neben  ihm  vor- 
gehenden, aber  auf  ihn  oder  die  allgemeine  Stimmung  einwirkenden 
Vorgang  bezeichnen,  z.  B.  eine  wirkliche  —  etwa  von  fem  in  den 
Hergang  auf  der  Bühne  hineinklingende  Musik,  z.  B.  in  Schiller^s 
Wilhelm  Teil  die  Musik  des  gehemmten  Hochzeitzuges,  die  in  Gesslers 
Todeskampf  hiueintönt,  oder  (in  künstlerischer  Andeutung)  eine  über- 
sinnliche Erscheinung,  ein  Schlachtgewühl  u.  s.  w.  Hier  können  be- 
stimmtere Formen  oder  die  Kunstform  der  Fantasie  Anwendung  finden. 

Die  eigentlich  mehr  dramatische  Musik  hat  mit  diesen  änsserlicben 
Anlässen  und  Andeutungen  nichts  zu  thun,  oder  geht  doch  über  diesel- 
ben hinaus  und  will  neben  der  gesprochnen  Rede  die  Stimmung  des 
Redenden  zum  Ausdruck  oder  zu  erhöhtem  Ausdruck  bringen.  Da  aber 
das  Wort  nicht  unterdrückt  und  so  wenig  wie  möglich  gestört  werden 
soll,  so  —  kann  die  Musik  nicht  zu  vollem  ungestörtem  Ausdruck  kom- 
men ,  es  muss  abwechselnd  die  Rede  und  die  Musik  unterbrochen  wer- 
den, damit  wenigsteujs  Eins  um  das  Andre  sich  äussern  könne.  Die 
Musik  kann  daher  nur  Andeutungen  geben,  nur  anklingen 
und  nacbhallen,  was  in  der  Seele  des  Redenden  erwacht  oder  in 
seinem  Worte  schon  laut  geworden  ist;  sie  kann  auch  erinnern  an 
frühere  musikalische  Momente,  die  zu  bestimmterer  Wirkung  gekom- 
men sind  und  deren  Stimmung  dadurch  wieder  erweckt,  oder  doch  wie- 
der angeregt  oder  angedeutet  werden  soll.  So  deutet  Beethoven  in 
der  melodramatischen  Sccne  im  letztet^ Akte  des  Fidelio,  wenn  Rokko 
und  Leonore  sich  fragen ,  ob  Florestan  noch  lebt,  durch  eine  Reminis- 
ccnz  anf  den  Moment  in  der  vorigen  Scene  zurück,  in  dem  Florestan 
die  Vision  eines  Engels  hat  mit  Leonorens  Zügen,  der  ihn  zur  Freiheit 
führt;  —  vielleicht  umschwebt  ihn  während  ihrer  bangen  Frage  im 
Traum  ihr  Bild. 

Welche  Berechtigung  das  Unternehmen  einer  solchen  Romposition 
hat?  —  ob  und  wie  weil  das  Melodrama  dem  Wesen  der  ITunst  gemäss 
sei:  das  hat  nicht  die  Kompositionslehre,  sondern  die  Musikwissen- 
schaft zu  untersuchen;  die  erstere  hat  nur  aufzuweisen,  welche  Form 
jede  Komposition  annehmen  und  wie  diese  Form  gestaltet  werden  kann. 
Allein  dieses  Geschäft  ist  in  Bezug  auf  melodramatische  Musik  bald  ab- 
gethan.  So  weit  die  Musik  des  Melodrams  äusserliche  Vorgänge,  die 
mit  Musik  verbunden  sein  können,  —  z.B.  den  Vorübermarsch  kriegeri- 
scher Schaaren,  ländlichen  Tanz,  Gottesdienst,  — anzudeuten  hat,  bedient 
sie  sich  der  für  solche  Gelegenheiten  üblichen  Formen,  z.  B.  des  Mar- 
sches, des  Tanzes,  auch  des  Gesangs.  Hat  sie  Vorgänge,  z.  B.  ein 
Schlachtgetümmel  hinter  der  Scene,  nur  gleichnissweis  anzudeuten,  so 


z.  B.  von  Go  tt  er  Medea  and  Gersteoberg  Ariadoe  mit  Musik  voo  G.  Ben  da. 
Mozart  iiess  sich  von  Benda^s  Leistung  so  einnehmen,  dass  er  grosse  Lost  be- 
zeigte,  ein  gleiches  Werk  zu  schaffen. 


401 

kann  sie  sich  dabei  festerer  Formen  bedienen ,  wird  aber  meistens  nur 
die  der  Fantasie  wählen,  da  jene  Vorgänge  doch  nur  als  Hintergrund 
oder  Episode  für  die  eigentliche  Handlung  geltend  werden  sollen ,  mit- 
hin anch  von  Seiten  der  Musik  nur  in  unbestimmten  Zügen  angedeutet, 
nicht  in  plastisch  vordringender  fester  Form  in  den  Vordergrund  geho- 
ben werden  sollen.  Mischt  sich  aber  die  Musik  in  den  Dialog,  so  ist 
eine  feste  Form  nun  gar  nicht  mehr  denkbar;  sie  kann  einzelne  Sätze 
bilden,  —  diese  oder  einen  Gang,  ein  Motiv  später,  wenn  der  Dialog 
CS  mit  sich  bringt,  —  wiederholen ,  —  wird  sich  aber  meist  nur  in 
jener  lockern  Weise  fortspinnen,  in  der  Zwischensätze  und  Begleitung 
eines  Rezitativs  neben  dem  Gesänge  fortgehn.  Beethoven  z.B.  leitet 
den  Monolog  Egmont's  mit  diesem  — 


Foco  sosteniitü. 


480  ^^-gE5güzgj^;^^jzJ[ 


8otto|    Toce  1 

einfach  vom  Quartett  vorgetragnen  Salz  ein.  Nach  den  Worten : 

Sosser  Schlaf!  du  komiDst  wie  eiD  reioea  Glück, 
knüpft  nun  das  Orchester  wieder  rezitativmässig  an,  — 


481 


"^^  ^^     u^t I^ n-t. UM*. r      ■^— ■    I...   j„     "• 


ungebeten     üb  unerfleht  am  willigsten  |      'f  M    fac:  du 


lij:  unerfleht  am  willigsten  (      'P  m    fc: 

hält  zu  den  Worten 

ungehindert  flieset  der  Kreis  ioorer  HarmoDie.... 

Akkorde  ans  und  begleitet  erst  nach  Egmont's  Entschlummern  die  Er- 
scheinung in  fester,  zusammenhängender  Weise,  aber  auch  hier  nur 
fanlasiemässig.  Ein  bestimmt  gebildeter  Satz  wird  erst  bei  Egmont^s 
Abgang  möglich ;  hier  wiederholt  der  Komponist  den  Schlusssatz  seiner 
Ouvertüre  als  ,,Siegess]rmphonie^%  über  den  Tod  des  Helden  hinaus- 
weisend auf  den  Sieg  der  Freiheit,  der  jetzt  durch  Blut  erkauft  wird. 

Wie  in  solchen  Tongebilden  die  Form  nicht  vorher  bestimmbar, 
sondern  durchaus  und  in  jedem  Zuge  vom  Moment  abhängig  ist,  so 
auch  die  Instrumentalion.  Es  kann  hier  von  einer  weitern  Lehre  oder 
Vorübung  nicht  die  Rede  sein.  Jeder  giebt,  was  ihm  gegeben  wird. 


Marx,  Komp.  L.  IV.  3.  Aufl.  26 


402 

Dritter  Abschnitt. 
Die  grossem  Orehesterfornieii. 

Der  vorige  Abschnitt  hat  uns  schon  auf  die  nächste  der  grossem 
Formen  hingewiesen,  die  hier  zur  Betrachtung  kommen.  Es  ist 

D.  die  Oavertfire. 

Die  Ouvertüre  ist  bekanntlich  bestimmt,  eine  grössere  künstleri- 
sche Darstellung,  —  Oper,  Oratorium,  Kantate,  Schauspiel,  Konzert- 
aufTührung,  —  zu  eröffnen  und  in  den  Ideenkreis  oder  die  Stimmung 
des  Hauptgegenslandes  einzuführen.  Wir  besitzen  zahlreiche  Ouver- 
türen zu  Oratorien  von  Händel  bis  auf  die  neueste  Zeit,  —  zu  Opern 
von  Gluck,  Mozart  und  vielen  Andern,  —  zu  festlichen  Anlässen, 
z.  B.  die  Jubelouvertüre  von  C.  M.  v.  W  eher,  —  zu  Schauspielen,  z,  B. 
von  Beethoven  zu  Egmont,  Koriolan  u.  s.  w. ;  Mendelssohn  und 
Andere  haben  sich  derselben  Form  für  selbständige  Tongemälde  be- 
dient. Schon  der  flüchtigste  Ueberblick  über  die  Verwendungen  der 
Kunstform  lässl  voraussehn ,  dass  dieselbe  nach  Inhalt  und  Gestaltung 
auf  das  Mannigfaltigste  verwendet  wordeu  sein  muss. 

Zweierlei  formelle  Rücksichten  treten  bei  der  Ouvertüre,  wenn 
sie  nicht  als  selbständiges  Kunstwerk,  sondern  zur  Einleitung  eines 
grössern  Werkes  bestimmt  ist,  ein.  Sie  muss  nämlich  zu  diesem  ihrem 
ursprünglichen  Zweck  ein  dem  Werk  angemessenes  Gewicht  und  schon 
räumlich  die  Kraft,  —  also  eine  gewisse  Ausdehnung  haben,  um  auf  das 
Hauptwerk  vorzubereiten. 

Hierzu  aber  bedarf  es  in  den  meisten  Fällen  mannigfacher  An- 
regungen, mehr  als  eines  Satzes  oder  Gedankens,  um  den  in  der  Regel 
weit  reichern  Inhalt  des  Hauptwerks  in  Stimmung  und  Vorstellung  des 
Zuhörers  anzuregen.  Und  zu  gleicher  Zeit  hat  sie  sich  räumlich  zu 
beschränken,  um  nicht  Zeit  und  Kraft  dem  Hauptwerke  zu  entziehn. 
Beide  Absichten  stehn  gegen  einander  mehr  oder  weniger  in  Wider- 
spruch; in  der  Ausübung  wird  bald  grössere  Ausdehnung,  bald  en- 
gere Begränzung  rathsam  erscheinen.  Es  bedarf  also  für  die  Ouver- 
türe einer  Form,  die  zu  dem  Einen  wie  dem  Andern  wohlgeeignet  er- 
scheint, die  also  dem  Komponisten  im  Schaffen  selber  gestattet  wei- 
ter zu  gehn  oder  sich  einzuschränken. 

Daher  ist  die  regelmässige  Form  für  die  Ouvertüre 

die  Souatenform. 

Von  ihr  wissen  wir  (Th.  HL  S.  265),  dass  sie  mehrere  Gedanken 
vereinigen ,  sich  aber  auch  auf  zwei  oder  drei  beschränken ,  —  dass 


403     

sie  mit  zwei  Theilen  (Sonatine)  aaskommen,  aber  aach  auf  drei  Tbeilc 
sich  ausdelmeo  und  ihren  Baum  durch  Einleitung,  Zwischensätze,  An- 
hang U.S.  w.  erweitern,  —  dass  sie  für  Haupt-  und  Seitensatz  (auch  den 
Schlusssalz)  ein  oder  mehr  Themate  verwenden,  ihre  Theile  (und  na- 
mentlich den  zweiten)  kürzer  fassen  oder  reicher  ausgestalten,  —  end- 
lich dass  sie  ihre  Sätze  auf  das  Mannigfachste  bilden  kann,  homophon 
als  Satz  oder  Periode ,  figural-  und  fugenmässig.  Diese  Vielgewandt- 
heit, die  vom  Leichtfertigsten  bis  zum  Ernstesten  reicht,  die  die  andre 
Hauptform,  die  Fuge  (Th.  II.  S.  348),  im  Hauptsatz  oder  im  zweiten 
Theile  (Th.  IH.  S.  246)  oder  in  allen  drei  Theilen  aufzunehmen  ver- 
mag, ist  es,  die  der  Sonatenform  für  die  mannigfaltigen  und  doch  in  der 
Hauptsache  übereinkommenden  Tendenzen  der  Ouvertüre  vor  allen  an- 
dern Formen  in  der  Regel  den  Vorzug  giebt. 

Ob  nun  demnngeachtet  in  einzelnen  Fällen  davon  abgegangen 
werden  und  in  welcher  Weise  die  Sonatenforni  angewandt  werden  soll, 
entscheidet  sich  durchaus  nach  Stimmung  und  Inhalt  des  Hauptwerkes 
oder  der  Gelegenheit,  für  die  die  Ouvertüre  bestimmt  ist.  Dies  versteht 
sich  nach  unsern  Grundsätzen  ohnehin  von  selbst.  Da  aber  die  Ouver- 
türe (abgesehn  von  ihrer  ausnahmsweisen  selbständigen  Stellung)  über- 
haupt nur  um  des  Hauptwerks  willen  da  ist,  so  kann  dieses  auf  die 
Ausführung  derselben  ungewöhnlichen  Einfluss  äussern,  z.  B.  den 
selbständigen  Abschluss  der  Ouvertüre  hindern.  So  schliesst  bekannt- 
lich Mozart  seine  Don  Juan-Ouvertüre  gar  nicht,  sondern  wendet  sich 
vom  Schlussakkord  in  die  Unterdominaule  (rdur,  von  da  nach  jPdur, 
und  endet  nun  mit  einem  Orgelpunkt  auf  der  Dominante  dieses  Tones, 
um  sogleich  in  die  Introduktion  der  Oper  (Fdur)  überzugebn.  Gluck's 
Ouvertüre  zu  Ipbigenie  in  Tauris  besteht  aus  einem  Einleitungssatz, 
Andante  V«  it^dur,  und  —  dem  Anfang  eines  Alle^rosatzes,  l^moll. 
Denn  der  letztere  Satz  geht  sogleich  in  die  Introduktion  der  Oper  über; 
er  malt  den  Meeressturm,  in  den  hinein  die  Klagegesänge  der  Prieste- 
rinnen  und  Iphigenieus  erschallen. 

Abgesehen  von  diesen  Aeuderungen  und  Abkürzungen  der  Form 
durch  Rücksichten  auf  das  Hauptwerk  finden  wir  die  Sonalenform 
so  ziemlich  in  allen  ihren  besondern  Gestalten  und  Wendungen  in  den 
Ouvertüren  angewendet.  Es  kann,  da  wir  die  Form  aus  Th.  III  ken- 
nen, nicht  mehr  auf  ausführliche  Nachweise,  sondern  nur  noch  auf 
einige  Andeutungen  ankommen. 

Die  Sonatinenform  finden  wir  in  Mozart's  Ouvertüre  zu 
Figaro.  Die  Hauptpartie  bildet  sich  aus  zwei  Sätzen ,  die  wiederholt 
werden,  und  einem  locker  angeknüpften  Gang,  der  zu  einem  Halb- 
schlusse  führt.  Nun  tritt  die  Seilenpartie  in  der  Tonart  der  Dominante 
ein,  ebenfalls  aus  zwei  sich  wiederholenden  Sätzen  bestehend ;  dann 
folgt  ein  dritter  breiter  und  wiederholter  Satz,  der  als  Schlusssatz 
dient.    Ein  leicht  figurirter  Orgelpunkt  führt  zum  zweiten  Theil,  der 

26* 


404 

sich  normal  nach  dem  ersten  gestaltet.  Alles  ist  leicht ,  fluchtig  hinge- 
worfen and  aneinandergereiht,  wie  es  sich  für  die  Champagner- Oper 
passt.  —  Fast  in  gleicher  Weise  gestaltet  sich  Beethoven's  Oarer- 
täre  zu  König  Stephan ;  allein  vor  allem  geht  dem  Hauptsatz  eine  viel- 
leicht durch  den  Inhalt  des  Drama's  veranlasste  Einleitung  voraus ,  die 
nach  dem  ersten  Theil  wieder  in  Erinnerung  komii^t.  Der  eine  Haupt- 
satz wird  wiederholt  und  erweitert,  auf  die  Dominante  zum  Halbschluss 
gefuhrt ;  Seitensatz,  Gang,  Schlusssatz,  zweiter  Theil,  Alles  folgt  nor- 
mal. —  Mo  zartes  Ouvertüre  zu  Belmonte  endlich  bildet  ihren  ersten 
Theil  zwar  in  voller  Sonatenform  (mit  dem  förmlichen  Uebergang  von 
C  über  D  nach  G) ,  stellt  aber  statt  des  zweiten  Sonatentheils  einen 
vollkommen  neuen  und  fremden  Satz  auf  (Andante  %  Cmoll^  nach 
Presto  %  Cdur)  und  wiederholt,  auf  dessen  Schlusston  einsetzend,  den 
ersten  Satz.  Dieser  wird  aber  nicht  zu  Ende  gebracht;  sondern  an  der 

Stelle,  wo  im  ersten  Theile  (durch  eis)  nach  D  und  von  da  zumSeiten- 

u 
satz  in  6 gegangen  wurde,  führt  jetzt Moz  art  (durch ^e^)  nacbFmoIl, 
geht  auf  die  Dominaute  des  Haupttons,  den  er  aber  hier  in  Moll  nimmt, 
und  endet  dann  auf  der  Dominante  mit  einem  Halbschlusse.  Nun  fliegt 
der  Vorhang  auf  und  jenes  Andante  kehrt  als  Belmonte 's  zärtliche 
Arie  — 

Wo  werd'  ich  sie  nur  finden  I 

im  süssen  tröstlich  hellen  Dur  wieder.  —  Man  müsste  die  Form  als 
Sonatinenform  bezeichnen  (ungeachtet  des  sonatenarligenUebergangs), 
von  der  der  Seitensatz  und  Schluss  weggelassen  worden ;  der  —  frei- 
lich ziemlich  vollständig  ausgeführte  Mittelsatz  müsste  als  ein  fremder 
Zwischen-  oder  Verbindungssatz  (Th.  III.  S.  217)  gelten.  Alle  Abwei- 
chungen von  der  Form  sind  von  der  Rücksicht  auf  die  Oper,  in  die  ein- 
geführt werden  sollte ,  geboten.  Ueberbaupt  ist  kein  Komponist,  selbst 
Beethoven  nicht,  —  wie  weil  dieser  auch  an  Tiefe  des  Inhalts  und 
Grossheit  der  Gestaltung  allen  übrigen  vorangeht,  —  in  der  GesUltung 
der  Ouvertüre  so  mannigfaltig,  so  frei  und  geistreich  und  so  rücksichts- 
voll auf  die  jedesmaligen  Verhältnisse  gewesen,  als  Mozart. 

Sonaten  form,  und  zwar  vollständig  ausgeführte,  finden  wir  in 
der  Mehrzahl  von  Beethoven's  Ouvertüren,  z.  B.  in  der  aus  Cdur 
Op.  115,  in  welcher  zwar  der  Hauptsatz  nur  halbscblussarlig  endet, 
das  übergangne  D  dur  aber  am  Schlüsse  des  Theils  mit  Nachdruck  den 
Modulationssitz  befestigt;  dann  der  zweite  Theil  durch  den  ersten  Satz 
der  Hauptpartie  eröfl'net,  weiter  aber  zur  dreimaligen  Aufstellung  des 
Seitensatzes  in  ^dur,  ^moll,  Fdur  benutzt  und  der  dritte  Theil  ganz 
normalmässig  und  vollbefriedigend  gebildet  wird.  Zum  Theil  noch  weit 
ausführlicher  zeigt  sich  die  Sonatenform  in  der  Egmont-Ouvertüre,  in 
der  Fidelio-Ouveriüre,  in  der  grossen  Leonoren-Ouverlüre  und  andern. 


405     

Es  ist  9  wie  gesagt,  annöthig ,  auf  die  eiozeloen  Wendungen  der  schon 
bekannten  Form  einzugebn. 

Wobl  aber  kommen  wir  noch  einmal  auf  Mozart  und  seine  Ti- 
tus-Ouvertüre  zurück.  Sie  hat  Sonatenform,  weicht  aber  wieder  in  geist- 
reich treffender  Weise  ab.  Nach  einer  Inirade  in  demselben  Tempo 
setzt  (Takt  8)  der  erste  Theil  ein.  Die  Modulation  wendet  sich  vom 
Hauptsatze  leicht  —  wie  der  Inhalt  der  Sätze  —  ohne  zweite  Tonart 
nach  der  Dominante  (Gdur),  wo  der  Seitensatz  aufgestellt  und  mit  dem 
Gedanken  des  Hauptsatzes  (stall  Schlnsssatz)  geschlossen  wird .  Mi t  einem 
leichten  und  freien  Uebergang  wendet  sich  nun  Mozart  nach  Es i\xr 
und  gestaltet  mit  dem  Hauptgedanken  und  einem  ihm  opponirenden 
Kontrapunkt  einen  zweiten  Sonatentheil  von  reicher,  gegen  den  irrsten 
Theil  überlegner  Ausführung;  orgelpunklartig  wird  mit  demselben  ge- 
schlossen. Allein  nun  darf  Mozart  nicht  wagen,  denselben  sofort 
wiederzubringen.  Folglich  beginnt« er  seinen  dritten  Theil  —  mit  dem 
Seitensalz ;  erst  nach  diesem ,  der  zu  unkräftig  ist,  einen  Schluss  her- 
beizuführen, kehrt  er  auf  den  ersten  Anfang  zurück,  wiederholt  die 
lulrade,  den  Hauptsatz,  kuüpfl  auch  den  Gang  an,  führt  ihu  aber  nun 
zum  breiten  glänzenden  Schlüsse. 

Nicht  weiter  dürfen  wir  die  Form  und  ihre  Abweichungen  ver- 
folgen, deren  sich  noch  manche  interessante  nachweisen  liesseu.  Auch 
die  als  sellene  Ausnahmen  erscheinenden  Formen  des  Rondo  (Beetho- 
ven hat  der  Ouvertüre  zu  den  Ruinen  von  Athen  eine  Art  von  Rondo- 
form gegeben,  Rossini  hat  irgend  eine  Ouvertüre  —  vielleicht  die 
zurSemiramis  —  in  Rondoform  geschrieben)  und  der  wirklichen  Fuge, 
die  Bach,  Händel,  Beethoven  u.  A.  gebraucht  haben ,  ühergehu 
wir  als  bekannt  und  zum  Theil  genu<rsam  vorgeübt,  lieber  den  Inhalt 
selbst  aber,  den  die  Ouvertüre  haben  kann,  möge  hier  noch  eine  letzte 
allgemeine  Bemerkung  slehn,  mehr  um  einer  von  bedeutenden  Namen 
in  Schutz  genommenen  Richtung  gegenüber  zum  Nachdenken  aufzufo- 
dern,  als  um  der  höhern  Lehre,  die  von  hier  ab  der  Musikwissenschaft 
gehört,  vorzugreifen. 

Wenn  nämlich  ein  Komponist  bei  der  Verfassung  einer  Ouvertüre 
sich  unbefangen  seiner  Stimmung  überlässt:  so  wird  er  schreiben,  was 
diese  Stimmung ,  seine  Idee,  die  Richtung  des  Werks  oder  Vorgangs, 
für  den  die  Ouvertüre  gehört,  endlich  die  anregende  Vorstellung  des 
Orchesters  mit  derSchaar  seiner  beseelten  und  beseelenden  Organe  ihm 
eingiebt.  Wie  weit  dann  hierin  das  Rechte  geschehe ,  ist  theils  in  den 
vorhergehenden  Lehrabschnitten  abgehandelt,  theils  kommt  es  in  der 
höhern  Lehre  zur  Erwägung. 

Nun  aber  bat  der  Gedanke,  dass  die  Ouvertüre  auf  das  Werk,  dem 

•  sie  zur  Einführung  bestimmt  ist,  auch  ausdrücklichen  Bezug  nehmen  — 

müsse  oder  doch  könne ,  die  Komponisten  häufig  dahin  geführt,  Sätze 

aus  dem  Werke  selber  der  Ouvertüre  einzuverleiben.    Wir  haben  es 


406 

oben  von  Mozarl's  Belmonte^Ouvertüre  zu  bemerken  gehabt ;  aoehdie 
Einleitang  seiner  Don  Juan-  und  seiner  Cosifan  tuUe-Onweriüre ,  so- 
wie Beethoven's  Leonoren-Ouvertöre  nnd  viele  andre  Werke  enthal- 
ten deren  mehrere  oder  weniger ,  wichtigere  nnd  ausgedehntere,  oder 
nicht.  K.  M.  v.  Weber  ist  hierin  vielleicht  mit  seiner  Euryanthe-Oa- 
vertiire  am  weitesten  gegangen,  die  unter  dem  Einfloss  des  Strebens, 
möglichst  viel  Momente  ans  der  Oper  zum  Anklang  zu  bringen,  wohl 
unstreitig  an  jenerEinheit  des  Gusses  und  der  Wirkung  verloren  hat, 
die  jedem  Kunstwerke  so  wichtig  ist.  —  In  gleicher  Linie  stehen  die 
freien  Ouvertüren,  die  auf  ein  Volkslied  oder  ähnliche  populäre  Melo- 
dien gebaut  werden,  z.  B.  die  von  Fr.  Schneider  über  den  Dessauer 
Marsch. 

Dass  man  nun  die  Stimmung  und  Idee  eines  Werkes  anbahnen 
könne ,  ohne  Melodien  aus  demsejben  zu  entlehnen ,  steht  wohl  fest ; 
die  Kunst  hat  schon  Tieferes  vermocht.  Dass  auf  der  andern  Seite  Mo- 
tive aus  dem  Werk,  in  der  Ouvertüre  aufgenommen,  zu  dem  Zweck 
der  Ouvertüre  beitragen  und ,  wenn  sie  dann  im  Werke  wiederkehren, 
ein  helleres  Licht  auf  die  Situation  werfen  können,  der  sie  angehören, 
ist  ebenso  gewiss.  Aber  —  dies  ist  nnsre  Bemerkung  —  Beides  ist 
nur  zu  erwarten,  wenn  die  fremd  aufgenommene  oder  aus  dem  Werke 
vorausgenommene  Melodie  an  sich  selber  die  Kraft  hat,  künstlerisch  — 
nnd  zwar  im  Orchester  die  von  ihr  begehrte  Wirkung  auszuüben. 
Denn  die  Bedeutung,  welche  ihr  vielleicht  durch  äusserliche  Verhält- 
nisse oder  durch  Situationen  in  der  Oper  oder  durch  den  Text  verliehen 
wird,  ist  ja  entweder  eine  dem  Kunstwerk  ganz  fremde  und  fremdblei- 
bende, oder  tritt  erst  später  hervor,  wenn  die  Situation  oder  der  Text 
sie  giebt  oder  verdeutlicht  und  verstärkt;  folglich  ist  diese  Bedeutung 
in  der  Ouvertüre  noch  nicht  vorhanden  und  kann  das  Motiv  nicht  oder 
nicht  in  der  rechten  Weise  wirksam  machen.  Es  scheint  uns  daher  ein 
nachtheiliger  Irrlhum,  in  der  Ouvertüre  Sätze  auTzunehmen,  die  nicht 
an  sich  selber  ein  hinlänglich  starkes  Interesse  harben,  ihre  Stelle  zu 
verdienen,  —  ganz  abgesehn  von  dem  ihnen  äusserlich  anhängenden 
oder  später  zuwachsenden. 

Ein  treffenderes  Beispiel  wnssten  wir  nicht  zu  geben,  als  K.  H. 
V.  Weber's  Oberon-Onvertnre.  Nach  der  Einleitung,  die  uns  zuerst 
den  ,, leisen  Elfentritt^'  auf  Oberon's  Ruf  so  zauberisch -neckisch  ver- 
nehmen lässt,  rauscht  der  Hauptsatz  so  jugendfrisch  und  romantisch 
auf,  wie  nur  immer  die  Zeit  der  Avanture  mit  ihrem  Schwerterklang 
und  Rosseschnauben  zu  uns  herüberkliogen  kann.  Noch  einmal  ertönt 
das  Oberonshorn  und  raschelt  klingender  Elfenlritt  vorüber,  —  und  nun 
hält  es  Weber  nach  seiner  Weise,  die  Ouvertüre  recht  reich  mit  An- 
klängen aus  der  Oper  auszustatten,  für  nöthig,  diesen  Liedsatz  aus  der- 
selben — 


407 


482 


4 


Allegro  COR  faoco. 


fef§% 


^^Büa 


als  Seitensatz  zu  nehmen.  Hiermit  ist  der  edle  Schwung  der  Ouver- 
türe gebrochen.  Denn  dieser  Salz  mag  —  wir  lassen  es  dahingestellt  — 
in  der  Oper  gesungen,  mit  dem  Texte,  zu  dem  er  entstand,  seine  volle 
Geltung  haben :  an  sich  ist  er  nicht  bedeutend  und  belebt  genug,  um  in 
dieser  Ouvertüre  und  neben  diesem  Hauptsatze  zu  stehen.  Er  ist  viel- 
mehr dem  ganzen  Gang  der  Komposition  und  namentlich  dem  Hauptge- 
danken — 


483 


so  fremd,  dass  er  gar  nicht  in  stetiger  Entwickelung  hervorgeführt  wer- 
denkonnte, sondern  äusserlich  angehängt  werden  musste,  —  nach  jenem 
Elfensatze,  — 


Klarinette. 


und  schon  hier  tritt  die  Erlahmung  ein.  Und  weil  der  Satz  nicht  orche- 
stral erfunden  war,  so  wird  er  es  auch  nicht.  Erst  giebt  ihn  die  Kla- 
rinette über  den  ruhenden  Unterstimmen  des  Quartetts,  dann  wieder- 
holt ihn  die  erste  Violine  unter  gleicher  Begleitung,  später  (im  zweiten 
Theile)  *)  wird  er  mit  mancher  anziehenden  Wendung  benutzt  —  und 
überall  bleibt  er  der  fremde  und  schwache  Punkt,  wenigstens  im  Ver- 
gleich zu  dem  Aufschwung,  den  Weber  in  dieser  Ouvertüre  vielleicht 
vor  allen  seinen  frühern  gewonnen  hat. 

Die  letzte  hier  zu  erwähnende  Kunslform  ist 

E.  die  Symphonie. 

Obgleich  sie  die  grösste  und  wichtigste  Aufgabe  der  reinen  Instru- 
mentalmusik genannt  werden  muss ,  hat  doch  die  Kompositionslehre, 
die  nur  auf  das  Gestalten  sich  einzulassen  berufen  ist,  bei  ihr  nur 
wenig  zu  thun.  Sie  tritt  hier,  —  unter  der  Voraussetzung,  dass  zuvor 


*)  S.  19,  37  bis  41  der  Schlesioger'scheo  Partitur. 


408 

Uebuug  und  Parlitursludiam  das  Ibrige  gewirkt  haben  werden,  —  za- 
rück  und  lasst  einer  höbern  Lehre  das  Wort. 

Was  nun  also  die  Form  der  Symphonie  —  das  einzig  hier  za 
Besprechende  —  betriffi;,  so  ist  sie  in  der  Regel,  fast  ohne  Ausnahme, 
die  der  grossen  Sonate.  Die  Symphonie  besteht,  gleich  dieser,  aus  vier 
Sätzen :  einem  Aiiegrosatz  (mit  oder  ohne  Einleitung) ,  einem  langsa- 
men Satz,  einer  Menuett  oder  Scherzo  (bisweilen  wird  auch  der  lang* 
same  Satz  erst  nach  dem  Scherzo  gebracht)  und  dem  Finale.  Der  erste 
Satz  hat  gewöhnlich  Sonatenform ;  der  langsame  eine  der  ersten  Ron- 
doformen, abgekürzte  Sonatenform,  Liedform  mit  Variationen;  das 
Scherzo  hat  bisweilen  erste  oder  zweite  RondoForm,  oder  blos  ausge- 
dehnte Liedform,  oder  ist  fugirt;  das  Finale  hat  Sonatenform,  eine  der 
grossen  Rondoformen,  oder  ist  Fuge.  Alles  dies  bedarf  nach  dem 
im  Th.  III  Vorgetragenen  keiner  weitern  Erörterung. 

In  diesen  vier  Sätzen  wird  ein  zusammenhängendes  Ganzes  aus 
dem  Seelenleben  oder  Ideenkreise  des  Künstlers  musikalisch,  und  zwar 
mittels  des  Orchesters  offenbart.  Was  der  Inhalt  eines  solchen  künst- 
lerischen Ganzen  sein  könne ,  aus  welchen  Gründen  dieser  sich  in  die 
genannten  vier  Theile  auseinandersetze  und  wie  er  geistig  sich  als 
ein  zusammenhängender  und  einiger  beweise,  —  das  hat  die  höhere 
Lehre  zu  ergründen.  Wie  aber  formell  diese  Einheit  sich  bewährt, 
ist  schon  Th.  HL  bei  der  Sonate  zur  Sprache  gekommen. 

Dass  übrigens  die  V  i  e  r  t  h  e  i  1  i  g  k  e  i  t  nicht  absolute  Nolhwendig- 
keit  für  die  Symphonie  ist,  leuchtet  ein.  Beethoven  hat  seine  Pasto- 
ralsymphonie aus  fünf  Sätzen  gebildet;  es  ist  nicht  einznsehn  (wenn 
auch  unsers  Wissens  kein  Beispiel  vorliegt),  warum  nicht  auch  eine 
Symphonie  in  drei  Tbeilen  möglich  sein  sollte,  so  gut  wir  Sonaten  — 
und  zwar  vom  grossartigsten  Wurf  und  Inhalt  —  von  drei  Tbeilen 
haben.  Ja,  jene  selbständigen  Ouvertüren,  deren  wir  S.402  gedachten, 
gehören  im  Grunde  eher  der  Gattung  der  Symphonie  an  (eine  Ouver- 
türe, die  etwas  Anderes  als  Eröffnungsmusik  oder  Ouvertüre  sein  soll, 
scheint  ein  Widerspruch)  und  würden  mithin  als  Symphonien  ans 
einem  Satze  (mit  oder  ohne  Einleitung)  zu  achten  sein.  Mendels- 
so hn's  Ouvertüre  ,, Meeresstille  und  glückliche  Fahrt^'  würde  sich  als 
eine  Symphonie  von  zwei  Sätzen  darstellen;  denn  wenngleich  der 
erste  Satz  nur  kurz  gehalten  und  nicht  selbständig  geschlossen  ist ,  so 
hat  er  doch  einen  ganz  selbständigen  Inhalt  und  würde  desshalb  nicht 
füglich  als  blosse  Einleitung  anzusehen  sein. 

Dürfen  wir  nun  in  Bezug  auf  die  Anlage  der  Partien  einer 
Symphonie  grössere  Freiheit  statthaft  finden,  als  sich  bis  jetzt  die 
Komponisten  genommen  haben :  so  müssen  wir  für  den  Inhalt  und  die 
Ausführung  der  Sätze  einen  Grundsatz  wiederholen ,  den  wir  durch  die 
ganze  Orchesterlehre  festgehalten,  der  aber  bei  den  höchsten  Aufgaben 
der  Instrumentalmusik  —  bei  der  Symphonie  nnd  Ouvertüre  —  mit 


409     

erhöhter  Wichtigkeit  geltend  Wird.  Es  ist  der:  dass  das  Orchesterwerk 
auch  orchestermässig  erfundeo  werde ,  dass  man  nicht  Gedanken,  die 
für  ein  andres  Organ  oder  gar  nur  abstrakt  sich  gebildet  haben,  auf  das 
Orchester  übertrage.  Das  wahre  Kunstwerk  entsteht  in  untrennbarer 
Einheit  des  Inhalts  und  der  Versinnlichung;  dem  Künstler  tritt  in  der 
rechten  Stunde  nicht  eine  Tongestnit,  z.  B.  eine  Melodie  vor  die  Seele, 
zu  der  er  nun  ein  Organ  suchen  müsste,  sondern  diese  Melodie  oder 
dieser  Satz  stellt  sich  ihm  gleich  als  die  Aeusserung  dieses  oder  jenes 
bestimmten  Musikorgans  oder  Verbands  von  Instrumenten  vor.  Unser 
ganzer  Lehrgang  hat  es  als  Hauptaufgabe  anerkannt,  dahin'  zu  leiten, 
dass  nicht  abstrakt,  sondern  aus  dem  Wesen,  aus  der  Seele  des  jedes- 
maligen Organs  oder  Chors  heraus  erfunden  und  gebildet  werde« 

So  fodern  wir  jetzt ,  im  Besitz  des  vollen  Orchesters ,  nochmals 
dasselbe : 

das  Orchesterwerk    muss    im  Sinn,    aus    der 
Seele    des    Orchesters    heraus    erfunden   und 
gestaltet   werden; 
und  zwar  im  Ganzen,  bis  in  die  Einzelheilen  jedes  Moments  und  jeder 
Stimme  hinein. 

Wir  haben  getrachtet,  dahin  vorzubilden.  Allein  die  Vorbildung 
genügt  nicht,  wenn  nicht  der  Komponist  —  von  dem  Augenblick  an, 
wo  eine  Idee  ihn  ergreift,  die  zu  ihrer  Darstellung  das  Orchester  fodert, 
—  sich  mit  der  lebendigsten  Vorstellung  des  Orchesters  erfüllt ,  sich 
in  dasselbe  hineinbegiebt  und  in  ihm  lebt,  in  seiner  grossen  vielstim- 
migen und  vielfach  beseelten  Macht,  in  seinen  Chören  und  Massen,  in 
der  Eigcnthümlichkeit  seiner  für  den  Künstler  lebendigen  und  persön- 
lichen Organe  mit  ihren  Beziehungen  und  Verschmelzungen,  Abneigun- 
gen und  Widersprüchen.  Ist  der  Komponist  mit  dieser  Vorstellung  er- 
füllt, dann  wird  ihm  nicht  nur  nichts  Orcb esterwidriges  oder  Orchester- 
fremdes nahen,  sondern  es  wird  die  Grösse  und  Macht  des  Organs,  — 
des  Körpers,  in  dem  sein  Geisl  Wohnung  nimmt,  —  auf  diesen  zurück- 
wirken und  jedem  Gedanken,  jeder  Ausführung,  dem  ganzen  Tonge- 
bilde den  orchestralen  Sinn  einflössen  und  damit  auch  die  Gestaltung  be- 
dingen. 

Bis  auf  einen  gewissen  Punkt  lassen  sich  die  formalen  Folgen  die- 
ses Sinnes,  des  orchestralen  Standpunkts  des  Komponisten,  nachweisen; 
am  anschaulichsten  im  Vergleich  einer  Komposition  für  Orchester  mit 
der  für  ein  einzelnes  Instrument,  z.  B.  das  Klavier. 

Das  Klavier  giebt  sich  jeder  Stimmung  und  Laune  des  Komponi- 
sten am  gefälligsten  und  schmiegsamsten  hin ;  es  ist  gross  und  klein 
mit  ihm,  fein  und  stark,  kurz  angebunden  und  für  weite  Güsse  eben- 
falls geeignet;  was  es  nicht  wirklich  ausdrücken  kann ,  das  spiegelt  es 
(Th.  III.  S.  25)  unsrer  nachhelfenden  Einbildungskraft  vor.  Endlich 
in  der  Ausfuhrung  wird  es  von  einem  einzigen  Spieler  (das  vierhändige 


410 

Spiel  bildet  ja  nur  die  Ausnahme)  beherrscht  und  ist  auch  in  dieser 
Hinsicht  den  feinsten,  freiesten,  gar  nicht  vorher  zu  berechnenden 
Regungen  augenblicklicher  Stimmung  in  einem  einzigen  Wesen  zu- 
gänglich. 

Diese  Feinheit,  diese  Freiheit  bis  zur  EigenwiUigkeit  und  Laune 
des  Augenblicks  ist  im  Orchester  selbst  unter  den  günstigsten  Umstän- 
den unmöglich;  ja  sie  wurde  der  Idee  desselben  als  eines  Vereins  vieler 
Organe  —  das  heisst  idealer  Personen  —  widersprechen ,  wenn  man 
ihren  Schein  durch  unerschöpfliche  Uebungen  und  Verabredungen  er- 
zwingen wollte.  Das  Orchester  hat  ein  Anderes  und  Höheres  oder  Rei- 
cheres auszusprechen,  als  das  rein  Subjektive,  es  steht  dem  Einzelin- 
strument als  Chor  (Th.  IH.  S.  442),  und  zwar  als  Verein  Vieler  gegen- 
über, deren  Gemeinsames  es  auszuklingen ,  deren  Gegensätze  und 
Widersprüche  es  gegen  einander  zu  führen  und  mit  einander  zu  ver- 
söhnen hat;  und  dieses  Gemeinsame  ist  gewichtvoller  als  ein  Einzelnes, 
diese  Gegensätze  sind  zahlreicher  und  karakteristischer,  und  ihre  Ver- 
söhnung muss  mit  überlegner  Macht  und  Tiefe  erfolgen. 

Tritt  also  ein  Gedanke  —  Satz  oder  Gang  —  in  das  Tulti  des  Or- 
chesters, so  wird  er  nicht  Mos  geistig  an  der  Macht  des  Organs  sich 
steigern,  sondern  er  wird  sich  gern  breiter  auslegen,  um  dem  Schall 
des  gewaltigen  Tonkörpers  Zeit  zu  lassen  zum  Ausschwingen.  Tritt 
ein  Gedanke  nicht  im  Tutti,  sondern  nur  in  einem  Theil  des  Orchesters 
auf,  so  fodern  die  andern  Stimmen  ihr  gleiches  Recht ;  entweder  wollen 
sie  denselben  Gedanken  wiederholen,*oder  sich  ihm  allmählich  anschlies- 
sen,  oder  einen  andern  ihm  entgegensetzen.  In  allen  diesen  Fällen 
wird  man  ebenfalls  Raum  geben  müssen,  damit  dem  Orchester  Theil  für 
Theil  genug  geschehe. 

Hiermit  gewinnt  aber  eben  der  Orchestergedanke  materielle  und 
formelle  öebermacht  gegen  den  Gedanken  des  Einzelinstruments,  er 
fesselt  uns  stärker ,  beschäftigt  uns  länger  —  und  daher  werden  wir 
weniger  Anlass  und  Befugniss  haben ,  von  ihm  abzuspringen  auf  einen 
andern ,  während  in  der  Klavierkomposition  —  z.  B.  der  Sonate  —  die 
freier,  persönlicher  waltende  Phantasie  häu6g  und  mitRecht  von  Einem 
zum  Andern  schweift  und  in  der  Hauptpartie  oder  der  Seitenpartie 
allein  zwei  oder  drei  verschiedne  Sätze  an  einander  reiht. 

Und  indem  die  Reihe  der  Gedanken  im  Orchesterwerk  sich 
beschränkt  und  der  einzelne  Gedanke  an  Wichtigkeit  gewinnt,  folgt 
wiederum  daraus,  dass  der  Komponist  sich  oft  zu  reicherer  Ausarbei- 
tung bewogen  findet,  —  wie  denn  schwerlich  irgend  ein  Klavierwerk  so 
weit  ausgeführt  sein  möchte,  als  der  erste  Satz  von  Beethoven's 
heroischer  Symphonie,  oder  von  dessen  neunter. 

'  Allein  so  wohlbegründet  diese  Anschauung  auch  erscheint, 
wollen  wir  uns  doch  hüten ,  sie  zu  einem  formalen  Gebot  erwachsen 
oder  uns  von  Vorstellungen  gefangen  nehmen  zu  lassen ,  die  Kunst- 


411     

richter  und  Runstlebi'er  sich  öfters  von  einem  besondern  Styl*)  machen, 
den  sie 

Orchesterslyl 

oder  in  Bezog  auf  die  höchste  Form  der  Orchestermusik 

Symphoniestyl 
genannt  haben.  Wenn  diese  Namen  nur  die  Bedingungen  bezeichnen 
sollen,  die  aus  dem  Wesen  des  Orchesters  und  der  Symphonieform 
folgen,  so  kann  man  nichts  gegen  sie  einwenden;  aber  es  müsste  oder 
könnte  mit  gleichem  Recht  von  einem  Styl  für  jedes  Instrument  und 
jeden  Instromentenverein,  sowie  für  jede  Form  die  Rede  sein.  Allein 
dergleichen  Stichworte  oder  mots  de  guerre  der  Kunstphilosophie  rufen 
in  der  Regel  den  Hang  hervor,  sie  recht  entschieden  und  umfangreich 
geltend  zu  machen ;  und  so  hat  sich  auch  vielfältig  an  die  Benennungen 
Orchester-  und  Symphoniestyl  die  Zumuthung  geknüpft:  es  müsse  da 
Alles  recht  stark  und  gross  und  prächtig  zugehen,  es  müsse  mehr  aus 
dem  Ganzen  gcwirthschaftet,  —  oder  nach  Anderer  Meinung,  es  müsse 
eben  hier  recht  sorgfältig  und  ausführlich  gearbeitet  werden,  und  was 
dergleichen  mehr.  Aus  solchem  Gesichtspunkt  ist  ein  sonst  sehr  kennt- 
nissreicher, einsichts-,  ja  geistvoller  Mann,  der  verdiente  H.  G.  Nä- 
geli**),  dahin  gelangt,  J.  Haydn's  Symphonien  nicht  für  ächte  Sym- 
phonien, dem  Symphoniestyl  angehörig,  zu  erachten.  Umgekehrt  würde 
es  nicht  schwer  fallen,  an  mehr  als  einer  Komposition  und  bei  mehr  als 
einem  Kunstgenossen  nachzuweisen,  wie  dergleichen  vorgefasste  Mei- 
nungen zu  Gespreiztheit  und  Aufgeblasenheit  oder  doch  zu  Einseitig- 
keit und  Einförmigkeit  geführt  haben ,  während  der  unbefangne  Künst- 
ler sich 'die  Freiheit  erhält,  fast  in  jedem  Werk  eine  neue  Stimmung 
und  eigne  Idee  zu  verfolgen.  Zum  Glück  fehlt  es  nicht  an*  Zeug- 
nissen für  das  Rechte.  Von  den  kindlich  heilern ,  oft  neckischen  Spie- 
len, in  denen  J.  Haydn  mit  seinem  Orchester  zu  scherzen  weiss,  — 
wobei  denn  doch  niemals  der  Moment  versäumt  wird,  wo  es  sich  macht- 
voll erhebt,  wie  ein  Löwe  aus  Blumenketten  der  Liebesgötter,  — bis  zu 
der  Erhabenheit  eines  Beethoven^schen  Epos  hat  der  Genius  der 
Symphonie  in  einer  Reihe  von  unsterblichen  Thaten  die  unerschöpfliche 
Vielseitigkeit  seines  Lebens  und  Waltens  bekundet. 


*)  Allg.  Mnsiklefare  S.  304. 
**)  Id  seioeD  VorleBUDgeQ  über  Musik. 


412 


Anhang, 


Wir  haben  in  den  vorstehenden  Ablheiinngen  die  Lehre  vom  Or- 
cheslersalz  absichtlich  innerhalb  des  Kreises  derjenigen  Inslrumenle 
abgeschlossen ,  die  sich  in  unsrer  Instrumentalmusik  (der  hier  abge- 
handelten reinen)  eingebürgert  Gnden;  die  Masse  des  zu  Bewältigenden 
durfte  nicht  mehr  als  nöthig  gehäuft  werden.  Nur  einige  Blasinstru- 
mente konnten,  wenn  sie  auch  unsrer  Orchestermusik  weniger  eng  an- 
gehören, sofort  mit  erwähnt  werden,  weil  ihre  Notiz  sich  am  leichte- 
sten der  von  gebräuchlichem  Blasinstrumenten  anschloss. 

Es  bleibt  uns  noch  die  Pflicht,  über  einige  Instrumente  das  Nächst- 
nöthige  mitzutheilen ,  die  bisweilen  —  wenn  auch  in  seltenern  Fällen 
und  besonders  in  Gesangkompositionen  —  zu  unserm  Orchester  hinzu- 
treten. Das  wichtigste  von  ihnen  ist 

1.  die  Harfe. 

Wir  finden  sie  besonders  häufig  in  französischen  Opern  oder  sol- 
chen, die  für  Frankreich  geschrieben  worden,  z.  B.  in  denen  von 
Spontini  und  Meyerbeer,  auch  in  italienischen,  z.  B.  in  Rossi- 
ni's  Othello.  In  deutschen  Werken  sind  sie  seltener;  doch  hat  sie  schon 
Gluck  im  Orpheus,  Abt  Stadler  in  seinem  Oratorium  (Jerusalem), 
Fr.  Schneider  im  Absalon  u.  A.  gebraucht. 

Die  Harfe  (arpa)  hat  eine  grosse  Reihe  von  Veränderungen  und 
Verbesserungen  durchlaufen  müssen,  über  die  hier  nur  das  Wesent- 
lichste Aufnahme  finden  kann.  Ihre  Saiten  stellten  längst  eine  durch 
mehrere  Oktaven  gehende  Durtonleiter  dar;  fremde  Halbtöne  konnten 
während  des  Spiels  nur  durch  das  Umdrehen  von  Häkchen  (das  förm- 
liche Umstimmen  wäre  noch  umständlicher  gewesen)  erlangt  werden, 
die  neben  jeder  Saite  standen  und  beim  Umdrehen  die  Saite  spannten, 
folglich  erhöhten.  Dies  war  die  Haken  bar  fe;  ihre  Unvollkommen- 
heit  bestand  zunächst  darin,  dass  das  Umstimmen  mittels  der  Häkchen 
nur  durch  die  Hand  des  Spielers  geschehen  konnte ,  mithin  das  Spiel 
störte. 

Es  wurde  daher  die  Pedalharfe  erfunden.  Sie  war  meist 
in  Esiüv  gestimmt  und  reichte  von  Kontra -(J?^  oder)  F  oder  G  bis 
zum  dreigestrichnen  as  oder  viergestrichnen  c  (oder  es)  hinauf. 
Zum  Umstimmen  waren  erst  fünf,  dann  sieben  Pedale  in  folgender 
Stellung  — 


413 


angebracht,  die  mit  den  Füssen  regiert  und  auch  angehängt  werden 
konnten  und  durch  deren  Antreten  jede  der  genannten  Tonstufea 
durch  alle  Oktaven  hindurch  um  einen  Haibton  erhöht  wurde. 
Nahm  man  z.  B.  das  Pedal  von  As^  so  wurden  alle  As  in  A  umge- 
stimmt und  man  erhielt  die  Tonart  ^dur.  Hiermit  war  das  lästige  Um- 
drehen der  Häkchen  mit  den  Händen  beseitigt  und  man  konnte  die 
Durtonarten  von  Es  bis  £,  sowie  die  ihnen  entsprechenden  Mollton- 
arten gebrauchen.  Die  übrigen  Tonarten  und  verschiedue  Akkorde*) 
waren  nicht  ausführbar  ohne  häutige  Aenderungen  während  des  Spiels. 
Eine  Verbesserung  dieser  Pedalharfe  ist  die  Doppcl-Pedal- 
harfe (ä  double  mouvement)^  auch  nach  ihrem  angesehensten  Ver- 
ferliger  die  Brard'sche  Harfe  genannt.  Sie  ist  in  CesA\xv  gestimmt 
und  reicht  von  Kontra- C^a*  bis  zum  viergestrichnen  ces.  Ihre  sieben 
Pedale  sind  so  eingerichtet,  dass  jedes  zweimal ,  in  zwei  Abstufungen, 
niedergetreten  und  befestigt  werden  kann.  Jeder  Miedertritt  erhöht  um 
einen  Halblon ;  werden  also  sämmlliche  Pedale  eine  Stufe  tiefer  ge- 
bracht, so  wird  aus 

Ces^  Desy  Es^  Fes^  Ges^  Asj  B 
die  Tonreihe 

\C,  D,  E,  F,  G,  A,  H; 

werden  sie  die  zweite  Stufe  tiefer  gebracht,  so  erscheint  die  Tonreihe 

CiSy  Disy  Eisy  Füy  GiSj  Ais^  His, 

und  somit  sind  nun  alle  Tonarten  und  Akkorde**)  erreichbar. 

Die  Harfe  wird  bekanntlich  mit  beiden  Händen  gespielt  und  daher 
auch  für  sie  ,  wie  für  das  Klavier ,  auf  zwei  verbundnen  Systemen  mit 


*)  Zn  Hdur  z.  B.  würde  man  H,  Cis,  Dis,  E,  FiSj  Gt's,  Ais  braachea,  mit- 
hin die /^-Saiten  einmal  z\iAit  (enharmoniscb)  und  eioma]  znH,  Als  Akkordbeispiel 
diene  der  kleine  Nonenakkord  B-d-f-at-ces ,  zu  dem  man  die  ^-Saiten  für  den 
Ton  B  und  für  h  (eoharmoniscfa  ces)  nölbig  bat. 

**)  Bei  einracbem  Pedal  war  die  Tonart  H  (zu  der  die  Saite  B  lu  H  umzu- 
stimmen war'  und  doch  Tür  Ais  nöthig  ist)  nicht  auf  einmal  darzustellen,  bei  dop- 
peltem ist  sie  die  enharmoniscbe  Uninennung  der  Grondtonleiter.  Bei  einTacbem 
Pedal  war  der  kleine  Nonenakkord  nicht  auf  einmal  darstellbar,  jetzt  ist  er  leicht. 


414     

F-  iiod  &-Scblo8sel  noiirt.  Jede  Hand  kann  vier  Saiten  innerhalb  der 
Oktave  mit  Sicherbeil,  innerhalb  einer  Dezime  schwerer  nnd  weniger 
beilklingend  greifen ;  bei  schneller  Bewegung  sind  die  weitem  GrilTe 
kaom  möglich.  Es  ist  ratbsam ,  die  Bände  sechs  bis  acht  Stufen  weit 
anseioanderzuhalten ,  weil  sie  sich  sonst  im  Wege  sein  können.  Da- 
her sind  Dezimen-,  Oktaven-,  Sextengänge  für  zwei  Hände  bequemer  als 
Terzengänge;  letztere,  wenn  die  Bewegung  nicht  zu  schnell  ist,  kön- 
nen —  abwärts  —  mit  einer  Hand  ausgeführt  werden.  Arpeggien  ge- 
lingen leichler  und  wohlklingender,  wenn  man  sie  einfach  setzt,  dass 
die  Hände  von  drei  zu  drei ,  oder  vier  zu  vier  Saiten  einander  ablösen 
können;  doppelte  Arpeggien,  wenn  sie  weit  und  schnell  ausgeführt 
werden  sollen,  sind  schwer.  Triller,  besonders  in  den  hoben  Tonlagen, 
nnd  Ton  Wiederholungen  sind  gut  ausführbar;  letztere  können  auf  der 
Erard^schen  Harfe  —  mit  Ausnahme  der  Töne  Z>,  G  und  A*)  —  auf 
zwei  einander  ablösenden  Saiten  nnd  dann  noch  leichter  und  fliessender 
ausgeführt  werden. 

Eine  besondre  Tonbervorbringong  zeigt  sich  in  den  tiefem  Tonla- 
gen (am  besten  in  der  grossen  und  kleinen  Oktave)  anwendbar.  Man 
legt  nämlich  den  Ballen  der  Hand  an  die  Mitte  der  Saite  und  setzt  die- 
selbe durch  den  Daumen  oder  die  ersten  zwei  Finger  in  Schwingung; 
sie  giebl  dann  die  höhere  Oktave  (z.  B.  die  Saite  klein  es  das  einge- 
stricbne  es)  an.  Diese  Töne  —  von  denen  man  gleichzeitig  zwei  und 
sogar  drei  nahe  bei  einander^gelegne  mit  der  einen  Hand ,  dazu  aber 
mit  der  andern  nur  einen  angeben  kann  —  heissen  Harmonikatöne 
nnd  haben  einen  etwas  bedeckten  und  sehr  sanften  Klang. 

Noch  ein  eigenlhümliches  Spiel  ist  innerhalb  eines  verminderten 
Septimenakkordes  (auf  jeder  beliebigen  Stufe)  möglich.  Man  kann  näm- 
lich ,  wie  ein  Blick  auf  die  Saitentafel  mit  ihren  Umstimmungen  in  der 
letzten  Anmerkung  zeigt,  sämmtliche  Saiten  in  jeden  beliebigen  vermin- 


*)  Man  bat  oämlich  Tor  jeden  Too  zwei  Saiteo  zor  Verfde^Dp  (z.  B.  Cef  aoeli 
als  erste  ErbÖhoos  von  B  als  H)^  nur  Tür  />,  Gy  A  nicht.  Wir  stellen  hier  oocli 
übersichtlich  zu<aninieD,  in  welchen  und  in  wie  viel  Weisen  jeder  Ton  auf  der  Harfe 
zn  haben  ist.  Die  Saiten  in  ihrer  ursprünglichen  Stimmung  —  Ce#,  He«,  Em^  Ft$, 
Ge$^  At^  B  —  sollen  mit  römischen  Ziffern  und  angebängter  Null  —  I«,  tU  J^l« 
Q.  s.  w. — ,  die  erste  und  zweite  Umstimmung  mit  angebängter  1  und  t,  hinter  den 
römischen  Ziffern  gesetzt,  —  also  z.  B.  Cesy  C  und  CtM  mit  1«  ,  1^,  1,  —  bezeich- 
net werden ;  die  eoharmonischen  Töne  werden  natürlich  als  dieselben  Tonhöhen, 
also  z.  B.  Cis  gleich  Des  angenommen,  so  dass  also  z.  B.  I,  und  11«  (Cii  und  Des) 
als  derselbe  Ton  auf  zwei  verschiednen  Saiten  gelten.  Dies  vorausgesetzt  sehen  wir 
hier  — 

C,       CiM,      D,      Dis,       E,      F,      Fis,       C,       C«,       A,      B,      i/, 

i„     i„     II.,     ii„    nr.,  IV.,   iv„    V.,    V.,     vi.,  vii.,  vii., 
vir,,    ij.,     ..      lifo,    iVo,  HU,    v^,     ..     VI.,      ..     vi„    u, 

auf  wie  viel  und  auf  welchen  Saiten  jeder  Ton  (innerhalb  derselben  Oktave)  zu 
haben  ist. 


__     415     ^ 

derten  Septimenakkord  *)  stiinmeD.  Bei  leisem  Ueberhinstreichen  über  alle 
Saiten  erzeugt  sich  nun  ein  ätherisch  zartes  Tongeschalle ,  das  je  nach 
der  Richtung  der  Tonlage  aus  der  aufrauschenden  Tiefe  sich  in  nervös 
feine  Höhe  verliert,  oder  aus  dem  Gelispel  und  Geflüster  der  hohen 
Saiten  sich  in  die  dumpfere  hallende  Tiefe  ausbreitet  und  mit  glüsicatopp 
bezeichnet  zu  werden  pflegt.  Es  ist  ein  in  der  Thal  unvergleichliches 
Klangerzeugniss,  —  aber  ganz  isolirt  dastehend,  eben  nur  auf  den 
einen  Akkord  beschränkt,  nur  diesen  einen  Efl^ekt  bietend  und  desshalb 
doch  nur  mehr  von  materieller  als  geistiger  Bedeutung. 

Wenden  wir  uns  nun  von  diesen  Besonderheiten  auf  die  Grund'^ 
Wirkung  der  Harfe  zurück,  so  ist  der  Klang  ihrer  bekanntlich  durch 
Abschnellen  mit  den  Fingern  zur  Ansprache  kommenden  frei  schweben- 
den Saiten  hell  und  volltönend  besonders  in  den  tiefern  und  mittlem 
Oktaven,  dumpfer  in  der  tiefsten,  härter  und  kurzklingend  in  den  hoch* 
sten  Tonlagen.  Die  Tondauer  kann  nur  kurz  sein;  sie  ist  im  Grunde 
nur  ein  Schlag  (der  Augenblick ,  wo  die  Saite  vom  Finger  abschnellt) 
und  das  Nachklingen  unverhällnissmässig  schwächer,  weit  schwächer 
sogar  wie  auf  dem  Klavier,  weil  bei  letzterm  der  Resonanzboden  grösser 
und  wirksamer  ist.  Auch  die  Abstufungen  von  forte  und  piano  sind 
nicht  so  weilreichend  als  auf  einem  guten  Klavier ,  die  Schnelligkeit 
ebenfalls  mit  Ausnahme  der  einfachsten  Arpeggiofiguren  beschränkter^ 
im  Aligemeinen  wohl  nicht  über  das  Maass  von  Sechszehnleln  im  Alle- 
gro  vivace  zu  treiben.  Unter  diesen  Umständen  dürfte  die  Hauptauf- 
gabe der  Harfe  im  Orchester  sich  auf  die  Begleitung  mit  harmonischen 
Figurationen,  auf  dergleichen  mehr  oder  weniger  weil  geführte  Figuren 
und  auf  gebrochen  (arpeggiato)  angegebne  volle  Akkorde  beschrän- 
ken. Es  versteht  sich,  dass  sie  auch  Melodien  und  selbst  verschiedne 
polyphon  gegen  einander  führen  kann.  Allein  da  sie  die  Töne  dersel- 
ben noch  weniger  auszuhallen  vermag,  als  das  Klavier,  auch  ausser 
Stande  ist,  sie  in  einander  zu  schmelzen  oder  anschwellen  zu  lassen: 
so  ist  sie  hierin  allen  Streich-  und  Blasinstrumenten  entschieden  unter- 
geordnet» Ja,  sie  erscheint  als  ein  ihnen  fremdes,  entgegengesetztes 
Wesen,  verschmilzt  weniger  mit  einem  der  beiden  Chöre,  als  Blas-  und 
Saileninstrumenle,  die  das  Aushalten,  An-  und  Abschwellen  der  Töne 
und  (mehr  oder  weniger)  die  Tonverschmelzung,  das  Ineinanderziehn 
der  Töne  mit  einander  gemeinsam  haben.  Nur  dem  Pizzikato  der 
Streichinstrumente  schliesst  sich  die  Harfe  als  ein  gleichartiges,  hier 
aber  freieres,  tonreicheres  und  klanghelleres  Organ  an. 


♦)  Z.  B.  den  Akkord  Cis-ets-gis-h  so : 

Ces,    Des,    Es,    Fes,    Ges,    As,    B 


oder 
bilden. 


416     — 

Eben  diese  Abgesonderlheit  und  Beschränktheit  der  Harfe  scheint 
Ursache,  dass  sie  in  musikalisch  tiefern  Werken  verhältnissmässig  nur 
selten  zur  Anwendung  gekommen  ist;  sie  kann  eine  neue  Ton-  und 
Klangmasse  neben  den  andern  des  Orchesters  darbieten,  nicht  aber  an 
dem  tiefem  und  bei  aller  Selbständigkeit  doch  in  steter  Wechselbe« 
Ziehung  und  Wechselwirkung  stehenden  Leben  der  andern  Organe 
theilnehmeu,  —  sie  kann ,  um  auf  einen  technischen  Ausdrnck  zurück- 
zukehren, nicht  im  Orchester  verarbeitet  werden  und  mit  demselben 
verschmelzen,  sondern  tritt  nur  als  ein  Neues,  Besonderes  hinzu.  Für 
diese  Auffassung  spricht  selbst  der  Gebrauch,  der  meistens  von  ihr  ge- 
macht worden  ist.  Entweder  tritt  sie  in  ganz  realer  Bedeutung  auf, 
wenn  die  Scene  Harfenspiel  fodert,  —  oder  in  einer  verwandten  mehr 
idealen,  wenn  der  Gesang  von  Genien,  Engeln  u.  s.  w.  eine  unge- 
wöhnliche Begleitung  fodert,  —  oder  zur  Unterstützung  besonders  fest- 
licher Momente  eines  Opfers,  Gebets  u.  s.  w. 

Dass  übrigens  unser  Standpunkt  auch  hier  keine  voreilige  Be- 
schränkung gestattet,  sondern  jede  weiterschreitende  oder  freiere  Ein- 
mischung der  Harfe  in  das  Orchester*)  für  rechtmässig  erkennt,  die 
dem  Wesen  der  Instrumente  und  der  Idee  der  besondern  Komposition 
entspricht,  versteht  sich. 

2.  Die  Mandoline. 

DieMandoline  ist  ein  lautenartiges  Instrument,  entweder  (und  ge- 
wöhnlich) mit  viermal  zwei  Saiten  —  nämlich  je  zwei  Saiten  sind  in 
den  Einklang  gestimmt,  das  Instrument  ist  also,  nach  dem  technischen 
Ausdrucke,  zweichörig  bezogen  —  bespannt,  die  die  Stimmung  der 
Geige  (g — d  —  a — e)  haben ;  oder  mit  fünf  Saiten  doppelchörig,  die  dann 
in  g — c—a—d  und  e  stimmen.  Die  Töne  werden  wie  auf  den  Streich- 
instrumenten gegriffen,  aber  mit  einem  harten  Federkiel  oder  breit- 
und  glattgeschnittnen  Holzsläbchen  gerissen. 

Wir  erwähnen  das  Instrument  nur  zu  Ehren  seiner  Anwendung 
bei  dem  Ständchen  in  Mo  zartes  Don  Juan.  Schwerlich  wird  es  je 
anders  als  zu  scenischer  Bedeutung  verwandt  werden. 

Zuletzt  haben  wir  noch  auf 

3.  die  Guitarre 

wenigstens  einen  flüchtigen  Blick  zu  werfen ,  da  dieses  Instrument  un- 
sers  Wissens  zwar  niemals  als  integrirendferTheil  des  Orchesters  (wozu 
es  gar  nicht  geeignet  wäre)  gebraucht  worden,  doch  aber  zur  Gesang- 


*)  Meyer  beer  bat  die  Harfe  io  seioer  Ouvertüre  zu  Straensee  (Partitur  bei 
Scblesinger  in  Berlin)  angewendet. 


___     417 

begleitODg  selbst  in  grössern  dranatischen  Werken  Anwendung  gefun- 
den und  eben  in  solchen  Werken  (z.  B.  für  Scenen,  in  denea  eine  Se* 
renale  gebracht  werden  soll)  oft  das  geeignetste  Instrument  ist.  Wie 
ausgebreitet  der  Gebrauch  der  Guitarre  im  Kreise  der  Kunstfreunde 
zur  Liederbegleilung  gewesen ,  dass  man  sie  auch  als  selbständiges  In- 
strument (Th.  III.  S.  12)  ohne  Gesang,  sogar  als  Konzertinstrnment 
und  in  Verbindung  mit  andern  Soloinstrumenten ,  ja  selbst  mit  Orche- 
sterbegleitung zu  behandeln  gewagt,  —  dies  und  die  Frage  nach  ihrer 
Befähigung  hierzu  lassen  wir  bei  Seite ,  da  das  Instrument  die  Zeit  der 
Mode  und  Ueberschätzung  hinter  sich  hat  und  wir  bei  ihm  nur  dem 
dringendsten  Bedürfniss  zu  entsprechen  haben ^). 

Die  Guitarre  ist  bekanntlich  ein  lautenartiges  Instrument,  nur  mit 
flachem  Boden  und  flacher  Decke  und  einem  Griffbrett,  auf  dem  zum 
festen  und  sichern  Greifen  der  Töne  Querleistchen  von  Elfenbein  (Ton- 
bünde genannt)  angebracht  sind.  Der  gewöhnliche  Bezug  besteht  aus 
sechs  Saiten,  die  in  der  Regel  in 

jB,  A,  rf,  g,  A,  e 
gestimmt  **)  und  mit  den  Fingern  der  rechten  Hand  in  Harfenweise  oder 
wie  beim  Pizzikatospiel  gerührt  werden ,  während  die  vier  Finger  der 
linken  Hand  die  Griffe  an  den  Tonbünden  zu  bewerkstelligen  haben. 
Die  die  Saiten  rührende  rechte  Hand  stützt  sich  mit  dem  kleinen  Finger 
auf  den  Resonanzboden  und  bestreicht  mit  dem  Daumen  die  drei  unter- 
sten Saiten,  mit  dem  Zeigefinger  die  6-Saite,  mit  dem  dritten  und  vier- 
ten die  beiden  höchsten  Saiten. 

Nach  dieser  Behandlungsweise  folgt  erstens,  dass  von  den  sechs 
Saiten  nur  vier  auf  einmal  gegriffen,  die  andern  entweder  nur  leer  (un- 
gegriffen)  oder  gar  nicht  mit  den  andern  zugleich  genommen  werden 
können;  zweitens,  dass  man  nicht  wohl  tliut,  die  erste  und  dritte 
Saite  von  unten  mit  Uebergehung  der  dazwischen  liegenden  zweiten  in 
schneller  Folge  zu  fodern,  weil  sonst  der  Daumen  die  letztere  über- 
springen müsste,  was  in  schneller  Bewegung  nicht  möglich  ist. 

Notirt  wird  für  die  Guitarre  im  6?-Schlüssel,  aber  eine  Oktave  zu  - 
hoch ;  also  die  leeren  Saiten  werden  so  wie  hier  bei  a.  — 

a.  b.  ^ 


~i  f  •  v^-rT^^^m 


485 


f^ 


*)  Aiisfab Hiebe re  MiUbetluD^en  würde  man  ia  eioer  der  vielea  Gnitarresebv- 
len  (yoD  Carnlli,  Givliaoi,  Härder  n.  A.),  oder  in  Berti  oz  finden. 

**)  ürapränitlich  (in  Italien  nnd  Spanien)  batte  die  Gnitarre  {Chitarra)  nur 
fnof  Saiten  ;  später  bat  man  ibr  in  der  Regel  secbs,  seltener  aneb  sieben  Saiten  ge- 
geben. Aacb  in  der  Stimmung  finden  sieb  Abweicbnngen ;  für  £dur  werden  die  Sai- 
ten bisweilen  in  E,  H,  e,  gü,  h,  e,  für  F-  und  B  dur  in  Ff  A,d,gfh,  e" gestimmt. 
Andre  Abweiebungen  sind  nnvortbeilbafter  befanden  worden. 

Man,  Ronp.L.  IV.  S.  Anll.  27 


418 


notirt,  erklingeD  aber,  wie  gesagt,  so  wie  bei  b.  geschrieben  ist.  Das 
Insiroment  steht  mithin  im  Sechszehnfusston.  Sein  Tonumfang 
geht  von  der  tiefsten  Saite  bis  zur  Oktave  der  höchsten ,  also  bis  zum 
dreigestricbnen  e  in  Noten. 

Es  wird  für  Begleitung  des  Gesangs  besonders  in  einfachen ,  aber 
vollgriffigen  Akkorden  and  den  aus  ihnen  abgeleiteten  Figuren  — 


3=    2E    =» 

-*-     nr      -#-  w 

gebraucht,  ist  aber  auch  lahig,  diatonische  und  chromatische  Tonfolgen, 
wenn  die  Bewegung  nicht  zu  schnell  ist,  zu  geben.  Auch  Folgen  von 
Terzen,  Sexten  und  Oktaven  in  nicht  zu  schneller  Bewegung  sind 
wohl  ausführbar. 

Am  bequemsten  bewegt  sich  die  Gultarre  in  Cdur  und  Kreuzton- 
arten, weniger  leicht  inBe-Tonarten.  Als  Beispiele  ausführbarer  Griffe 
geben  wir  hier  — 


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LUu^i=U^ 


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ein  Paar  Harmoniefolgen,  die  entweder  vollständig  oder  theilweis,  ein- 
fach oder  figurirt  ausführbar  sind.  Sie  können  natürlich  dem  des  In- 
struments nicht  kundigen  Komponisten  keine  ausreichende  Grundlage 
gewähren,  aber  doch  ein  Beispiel,  an  dem  er  sich  die  Greifbarkeit 
andrer  Harmonien  veranschaulichen  kann. 


Zehntes  Buch. 


Ensemblesatz. 


27» 


Einleitung. 


Der  Name,  den  dieses  letzte  Bach  der  Kompositionslehre  führt, 
ist,  wie  schon  S.  3  angedeutet  worden,  eine  nur  ungenaue  Bezeichnung 
des  Inhalts.  Unter  Ensemblesatz*)  wird  znnächst  der  Satz  für 
mehrere  Gesangsolostimmen  verstanden,  die  nicht  blos  eine  Hanpi- 
stimme  begleitend ,  sondern  bald  wechselweis  Hauptstimme ,  bald  Me- 
benstimme  werdend,  bald  polyphon  zusammenwirkend  ein  grösseres 
Ganzes  bilden.  Ferner  bezeichnet  man  mit  demselben  Namen  auch  den 
Verein  mehrerer  Instrumente  (und  zwar  in  der  Regel  nur  den  die  Zahl 
von  vier  oder  fünf  übersteigenden)  zu  gleichem  Werke. 

Wir  werden  nicht  blos  diese  Kompositionsformen,  sondern  auch 
die  Komposition  für  zwei  bis  vier ,  fünf  und  mehr  Soloinstrumente  und 
Solosingstimmen ,  ferner  die  Lehre  von  der  Arienkomposition  und  von 
dem  Verein  von  Solospiel  und  von  Gesang  mit  Orchester  in  diesem  Buch 
abzuhandein  haben ,  müssen  aber  sogleich  anerkennen ,  dass  ein  Theil 
dieses  Inhalts  nicht  unter  dem  Titel  Ensemblegesang  inbegriffen  ist. 

Allein  man  wird  uns  hierin  wohl  nachsehen  müssen,  da  es  keinen 
Namen  giebt ,  der  diesen  Inhalt  wirklich  bezeichnend  zusammenzufas- 
sen vermöchte,  und  wir  daher  genöthigt  waren ,  den  Namen  nach  der 
vorwiegenden  Masse  des  Gesammtinhalts  zu  bestimmen. 

Dass  aber  so  mancherlei  und  so  wesentlich  verschiedne  Gegen- 
stände in  einem  einzigen  Buche  vereinigt  werden,  musste  geschehn, 
weil  sie  in  den  vorangehenden  Lehrlbeilen  keine  Stelle  finden  konnten 
und  nach  allem  bisher  Erörterten  keine  um&ngreiche  Behandlung  erfo- 
dern.  Immer  mehr  tritt  die  formale  Lehre  zurück  und  überlässt  den 
Jünger  seinem  eignen  Forschen  und  Arbeiten  und  dem  Ralh  einer 
hohem  Lehre. 


*)  Dass  man  mit  dem  Aosdnick  Ensemble  das  Znsammeospiel  und  Zusam- 
meDsingea,  die  mehr  oder  weniger  gelno^oe  Weise,  Bnsemblesätze  aaszn rubren, 
verstebt|  ist  hier  nnr  beilänfi;  zn  bemerken. 


—     422 


Erste  AbtltelhiBg. 

Instrumentalflolosatz. 

Wir  haben  in  dieser  AbtbeilHUg  dettSats  für  zwei  oder  mehr  Solo- 
instromente ,  sowie  für  Solosatz  mit  Begleitung  des  Orchesters  zu  be« 
trachten.  Der  Satz  fär  ein  Soloinstrument  ohne  Begleitung  des  Orche- 
sters würde  allerdings  ebenfiiHs  unter  den  gewählten  Titel  gehören. 
Allein  so  weit  er  für  die  wichtigsten  selbständigen  Instrumente  —  für 
Klavier  und  Orgel  ^  verfasst  werden  soll,  ist  er  schon  Trüber 
(Tb.  Iir.  S.  17,  Tb.  IV.  S.  8)  abgehandelt  worden*).  Das  dritte  selb- 
ständige Instrument  (S.  412),  das  wir  kennen  gelernt,  die  Harfe, 
schliesst  sich  der  Lehre  vom  Klaviersatz  an,  so  weit  und  in  der  Weise, 
wie  die  Fähigkeit  des  Instruments  es  zulässt ;  dasselbe  würde  von  jedem 
andern  Instrumente  za  sagen  sein,  das  man  für  sieh  allein,  als  selbstän- 
diges oder  gleichsam  selbständiges  behandeln  wollte. 


Erster  Abschnitt. 
Klavier  im  Verbin  mit  andern  Soioinstriimenten. 

Das  Klavier  kann  im  Verein  mit  einem,  zwei,  drei  und  noch  mehr 
Soloinstrumenten  als  Organ  für  Komposition  gewählt  werden ;  es  ent- 
stehen daraus  die  Komposittonen  des  Duo,  — ^Trio,  —  Quatuor 
u.  s.  w. ,  die  diese  Namen  mit  zugefügter  Benennung  der  mit  einander 
verbundncn  Instrumente  (z.  B.  Duo  für  Piano  undVioline)  luV 
reu  oder  einfach  ihren  eignen  Pormnamen  —  ebenfalls  mit  Anfüh- 
rung der  gewählten  Instrumente  (z.  B.  Sonate  für  Piano  und 
Violine). 


*)  Dass  dies  —  besonders  die  Abbaadluo;  des  Klaviersatzes  —  an  der  von 
ans  erwäblteo  Stelle  ratbsam  gewesen,  scbeint  sich  dadurch  za  erweisen,  dass  wir 
die  dort  erkannten  und  am  einfachsten  and  bekanntesten  Or^an  geübten  Formen 
fortwährend  gebraucht  haben  und  ihre  Kenntnis«  besonders  jetzt  uns  zu  Gute  kom- 
men wird. 


423     

Für  diese  Kompositiooen  zeigen  sieh  solche  PormeB  als  die  güu- 
stigsten ,  die  Gelegenheit  und  Radm  geben ,  den  gpössern  Reichthum 
vereinter  Instrumente  auszubreiten  und  jedes  derselben  nach  seinem 
Vermögen  und  Karakter  in  Thäligkeit  zu  setzen.  Die  Liedform  und 
die  kleinen  Rondo  formen  bieten  dafür  nicht  hinlänglichen  Spiel- 
raum, eher  die  Variationenform  und  die  grössern  Rondofor- 
men, unter  denen  wieder  die  dritte  und  vierte  obenanstehn,  deren 
Lockerheit  dem  freien  Schweifen,  dem  sich  im  Ensemblesatze  die  Stim- 
men gern  ergeben,  mehr  zusagt,  als  die  zusammengenommnere  fünfte. 
Fugenform  und  Kanon  treten  dagegen  weniger  günstig  auf ;  denn 
sie  fodern  Gleichheit  der  Stimmen ,  während  im  Ensemblesatze  schon 
die  Rlangverschiedenheit  eine  unüberwindliche  Scheidewand  zwischen 
denselben  zieht,  die  besonders  das  Klavier  von  den  übrigen  Stimmen 
fernhält  und  in  Nachtheil  versetzt.  Die  vom  Klavier  intonirte  Fugen- 
stimme kann  nicht  aufkommen  gegen  die  durchdringende  und  aushal- 
tende Stimme  der  andern  Instromente. 

Obenan  unter  allen  Formen  steht  aber  die  reichste  und  ausbreit- 
barste von  allen,  die  der  Sonate,  und  zwar  der  in  vier  Sätzen,  die 
Th.  III.  S.  329  abgehandelt  worden.  Im  Umkreise  dieses  weitesten  In- 
strumentaigebildes  finden  auch  die  Formen  des  Lieds  und  der  Fnge, 
wenn  die  Idee  des  Ganzen  sie  fodert,  Aufnahme.  Beethoven  hat 
in  seiner  Sonate  für  Pianoforte  und  Violoncell,  Op.  102,  dem  Finale 
Fugengestalt  gegeben ;  weit  hinaus  führt  die  Flocht  der  Stimmen  und 
ihr  unermüdlich  Ringen ,  so  hat  die  Idee  des  Ganzen ,  ohne  Widerrede 
zu  gestatten,  gewollt.  Man  erkennt  dies,  man  wird  hingerissen  von 
diesem  Geistessturm ,  —  aber  nimmermehr  wird  die  dem  Violoncell 
übergebne  Stimme  die  gleiche  der  vom  Piano  geführten  Stimmen  und 
das  Gewebe  ein  gleichartiges.  In  dergleichen  Gestaltungen  kaon  die 
schärfere  Stimme  des  Streich-  oder  Blasiostruments  stellenweise  sehr 
willkommen  sein,  Haoptmomente ,  z.  B.  das  Thema,  hervorzuheben; 
um  ebenso  viel  verdunkelt  und  stört  sie  aber,  wenn  sie  sich  einer  Pia- 
nofortestimme gegenüber  unterordnen  und  einen  Nebengedanken  aus- 
führen soll. 

Hiermit  treten  wir  zu  der  wichtigsten  Erwägung,  die  bei  den  be- 
vorstehenden Aufgaben  uns  obliegt.  Die  Formen  sind  uns  insgesammt 
vertraut.  Es  fragt  sich  nur,  wie  die  verbnndnen  Instrumente  sich  in 
ihnen  erweisen ,  wie  sie  sich  geltend  machen  und  auf  die  Form  rück- 
wirken?  Diese  Frage  wird  aus  der  Natur  der  Instrumente  beantwortet. 

Zunächst  fällt  der  Gegensatz  zwischen  Klavier  und  jedem  Streich- 
und  Blasinstrument  in  die  Augen.  Das  Klavier,  tonreieher  und  der  ver- 
schiedensten Tonformen,  —  aller  Tonarten ,  der  allermeisten  Tonfigu- 
ren, der  Harmonie  und  Führung  mehrerer  Stimmen  neben  einander 
fähiger  als  irgend  ein  Blas-  oder  Streichinstrument,  ist  (Th.  III.  S.  18) 
in  der  Durchführung  der  Melodie  jedem  derselben  nulergeordnel. 


424     

weil  es  den  einzelnen  Ton  nicht  wirksam  lange  halten,  nicht  anschwel- 
len ,  Ton  mit  Ton  nicht  innig  verbinden  (einen  in  den  andern  hinein* 
fliessen  lassen)  kann ,  auch,  Ton  gegen  Ton  gerechnet ,  nicht  gleiche 
Schallkraft  besitzt.  Ersatz  und  eigenthümlichen  Wirkenskreis  findet 
es  dafür  in  Voligriffigkeit  und  Spielfulie;  Tonmassen  müssen 
ersetzen,  was  dem  einzelnen  Ton  oder  der  einzelnen  Tonreihe  versagt 
ist.  Hierdurch  und  durch  die  dazukommende  Klangverschiedenheit  ist 
es  von  den  andern  Instrumenten  geschieden,  es  kann  nicht  mit  ihnen 
zu  einem  vollkommen  einheitvollen  Organismus  verschmelzen,  es  kann 
nur  mit  ihnen  abwechseln  oder  sich  ihnen  stützend  und  begleitend  bei- 
oder  vielmehr  unterordnen.  Hieran  ändert  weder  Komposition  noch 
Ausführung  etwas  Wesentliches ;  der  leiseste  Bogenstrich  durchscbnei* 
det  die  Tonwellen  des  Klaviers ,  der  zarteste  Bläserhauch  quillt  durch 
sie  hindurch ;  tibernehmen  jene  Instrumente  (was  vorübei^ehend  in 
jedem  Ton  werke  stattfinden  muss)  die  Begleitung,  so  fällt  die  Trocken- 
heit und  Zerbröckeltheit  der  vom  Piano  geführten  Melodie  noch  mehr 
auf,  selbst  wenn  man  sie  (was  doch  auch  nicht  dnrchgehends  geschehen 
kann)  in  Oktaven  verdoppelt. 

Wenn  wir  demungeachtet  alle  Meister  von  Bach  bis  Beetho- 
ven und  bis  auf  diesen  Tag  mit  Neigung  und  bisweilen  mit  tiefster 
Hingebung  diesen  Verbindungen  sich  widmen  sehn :  so  geschieht  es, 
weil  allerdings  der  Verein  des  Klaviers  mit  einem  oder  mehr  andern 
Instrumenten  einen  grossen  Reichthum  an  Tonmitteln  darbietet.  Neben 
das  Klavier,  das  zwei  oder  mehr  Stimmen  fuhren  und  durch  Verdopp- 
lung und  Figurirung  kräftigen ,  —  das  volltonend  und  in  den  mannig- 
fachsten Formen  begleiten  und  figuriren  kann,  tritt  nun  noch  ein  oder 
treten  mehrere  Instrumente  von  überlegnem  melodischen  Vermögen. 
Diese  Masse  von  Stimmen  voller  Fähigkeit  zu  den  mannigfaltigsten  und 
fireiesten  melodischen  und  polyphonen  Bewegungen  und  Verknüpfungen 
lo^kt  den  Webegeist  des  Künstlers  und  lässt  ihn  und  auch  den  Hörer 
die  innerliche  Verschiedenheit  und  Unverschmolzenheit  der  Organe 
mehr  oder  weniger  vergessen,  reizt  auch  die  Erfindungskraft,  die  tren- 
nenden Unterschiede  zu  tiberwinden  oder  zu  verbergen. 

Dies  scheint  uns ,  wenn  wir  vorurtheilsfrei  —  ungeschreckt  durch 
die  Namen  der  Meister  nnd  unverführt  durch  die  Liebe,  die  uns  so 
manches  unsterbliche  Werk  auch  auf  diesem  Felde  abgewonnen  —  hin- 
blicken ,  die  Lage  der  Sache.  Die  Verknüpfung  von  Piano  nnd  Blas- 
oder Streichinstrumenten  kann ,  sie  als  einen  einzigen  Körper  genom- 
men, nicht  als  ein  wahrhaft  in  sich  einiges,  im  Gleichmaass  und  in 
Gleichheit  aller  seiner  Stimmen  vollkommen  befriedigendes  Organ  gel- 
ten. Allein  es  ist  ein,  wenn  nach  diesen  Seiten  unvollkommnes ,  doch 
nach  Ton-  und  Stimmgehalt  reiches  Organ.  Es  kommt  nur  darauf  an, 
es  möglichst  günstig  zusammenzufügen  und  zu  verwenden.  Nehmen 
wir  nun  noch  dazu ,  dass  die  mit  dem  Piano  sich  verbindenden  Instru- 


425     

raente  Solostimmen  sind,  von  denen  nicht  blos  das  volle  technische 
Vermögen  und  Geschick  des  Instruments  gefedert,  sondern  auch  die 
feinste  Verständniss  und  Ausfuhrung  erwartet  werden  darf:  so  begreift 
sich  nicht  nur  jene  Geneigtheit  der  Komponisten  für  dergleichen  Arbei- 
ten, sondern  auch  der  Karakler  derselben,  der  sich  vorwiegend  feiner, 
geistvoller,  phantasievoller  Gestaltung  hinzugeben  liebt.  Niemand  hat 
hier  so  geist-  und  phantasievoll  gewaltet,  als  Beethoven*),  den  man 
nicht  aufhören  kann  zu  studiren ,  wenn  man  sich  auf  die  Bahn  des  In- 
strnmentalisten  berufen  fühlt ,  oder  auch  nur  tiefen  und  umfassenden 
Blick  in  diesem  Gebiete  gewinnen  will. 

Den  letzten  Aufschluss  über  das  Wesen  des  Ensemblesatzes  ge- 
währt uns  ebenfalls  die  Erwägung  über  das  Wesen  der  Instrumente, 
von  der  wir  ausgegangen. 

Das  Klavier  bietet  schon  Mittel  zu  reichem  Tonsatze,  —  was  also 
haben  neben  ihm  die  andern  Instrumente  zu  thun  ?  Denn  blosse  Beglei- 
tung oder  Verstärkung  war'  eine  zu  geringe,  Verein  mit  dem  Klavier 
zu  streng  polyphonen  Ausführungen  ist ,  wie  wir  oben  gefunden ,  eine 
Aufgabe,  die  nur  ausnahmweise  statthaft  sein  kann. 

Hier  ergiebt  sich  die  ganz  naturgemässe  Aufgabe  der  Instrumente 
im  Ensemblesatze,  die  zwar  auch  bei  andern  Gelegenheiten  hervortritt, 
nirgends  aber  so  fleissig  und  ausgebreitet  zur  Lösung  kommt,  als  hier. 
Wenn  die  Instrumente  nicht  Melodie  führen ,  nämlich  die  Hauptmelo- 
die, das  Thema  oder  seinen  Gegensatz,  —  und  auch  nicht  zu  blosser 
Begleitung  verwendet  werden :  so  treten  sie  mit  Nebensätzen,  mit  bei- 
läufigen, gar  nicht  wesentlich  nothwendigen  Zusätzen  hinzu,  gleichsam 
als  wollten  sie  mitreden,  bevor  noch  die  Zeit  gekommen,  in  der  sie»  mit 
Nothwendigkeit  und  Recht  in  den  Satz  eingreifen.  Es  ist  eine  Mittel- 
weise zwischen  eigentlicher  Polyphonie,  in  der  jede  Stimme  gleiches 
Anrecht  hat,  und  blosser  Begleitung,  die  sich  einer  Hauptstimme  ganz 
selbstlos  unterordnet;  Beethoven,  der  diese  Weise  besonders  ge- 
liebt, meint:  er  sei  mit  einem  ,-,obligaten  Akkompagnement'^  geboren, 
um  die  Sache  und  seine  Zuneigung  zu  bezeichnen. 

Es  gieht  keinen  Ensemblesatz ,  der  nicht  hiervon  Beispiele  böte. 
In  Beelhoven's  grossem  fidnr-Trio  (Op.  97^  führt  das  Klavier  allein 
den  Hauptsatz  — 


488 


*)  Vergl.  Ladwif^  van  Beethoven,  Leben  und  Schaffen  (vom  Verf.),  Tb.  I. 
111,  u.a. 
**)  Natürlich  aar  dSrre  Skizze. 


426 


ein;  aber  schon  auf  dem  sechsten  Takte,  ehe  der  Satz  vollendet  oder 
nur  der  Vordersatz  geschlossen  ist  (das  erfolgt  Takt  8),  greifen  Violin 
and  Viöloncell  — 

489  Vno»  ».  Vc. 


•'(Takte) 


-0-^-^^T 


^ 


Piano V 


8  (volle  Griffe) 
nngeduldig,  sich  zu  betheiligen,  gleichsam  voreilig  ein  und  führen  Takt  14 
die  Wiederholung  des  Satzes  herbei ;  hier  ist  das  Piano  blos  begleitend, 
die  Violin  bat  die  Melodie,  das  Viöloncell,  das  auf  d  gelangt  war,  — 


490 


*fP    ^         ifp  s/p— 

ergeht  sich  in  ganz  freier  Weise  melodisch ,  bis  es  vom  letzten  Takte 
(aus  Nr,  490)  sich  zu  einfacher  Begleitung  hergiebt.  Nach  dem  aberma- 
ligen Schlüsse  des  Vordersatzes  übernimmt  wieder  das  Piano  neben  der 
Begleitung  die  Melodie,  das  Viöloncell  ruht  auf  einem  Halteton,  die 
Violin  tritt  mit  still  aushaltenden  Tönen  begleitend,  doch  nicht  ohne 
Anklang  au  die  Melodie,  in  die  Mitte.  So  spielen  die  drei  Instrumente 
um  einander  herum,  vollkommen  frei  nach  Eintritt  und  Führung,  doch 
natürlich  nicht  ohne  gesittete  Ordnung,  ohne  dass  eins  dem  andern  zu 
seiner  Zeit  das  Wort  Uesse,  ohne  dass  eins  des  andern  Rede  störte 
oder  darüberwegspräche  und  sein  Wort  verdunkelte.  Es  ist  gleich- 
sam die  angeregte  Unterhaltung  geist*  und  gemöthreicher  Persönlich- 
keiten, die  sich  frei  ergehn,  einander  achtend  und  gelten  lassend ,  aber 
sich  selber  auch. 

Dies  ist  der  Grundzug  im  Karakter  des  Ensemblesatzes.  Nur  muss 
man  dabei  beherzigen,  dass  im  Kreise  solchen  Austausches  von  Gedan- 
ken keineswegs  blos  geistreiche  Schwätzerei  Raum  findet,  sondern 
Alles,  was  das  Gemüth  anziehn  und  erfüllen ,  ja  zur  Leidenschaft  und 
bisweilen  zu  den  tiefsten  Ahnungen  und  Gesichten  erwecken  kann. 
Wir  wollen  hier  mit  grosserAchtung und  Dankbarkeit  R.  Schumann's 
und  seines  Z^moU-Trio's  (Op.  63)  gedenken.  Hier  ist  voller  Gemüths- 
drang,  ein  Ringen  um  das  Tiefste,  ein  Durst,  das  Leben  am  Born  der 
Tonkunst,  der  es  sich  ganz  geweiht,  zu  reinigen  und  zu  erlaben.  Hier 


427 

zeigt  sich  Schamann  als  MehMn  länger  Beethoven's,  hier  als 
Naehrolger  auf  seinem  Pfade,  nicht  Nachahmer,  vielweniger  Ueberstör- 
zer  und  Uebertreiber  (wie  wir  deren  in  Berlioz  und  seinen  Nachfol- 
gern zu  ertragen  habe  ),  und  als  Nachfolger  ungleich  raännh'cher  und 
feuriger,  eigenthümiicher  und  neuzeitiger,  als  die  weit  über  ihn  hinaus 
gepriesenen  Schubert  nnd  Mendelssohn.  Was  aber  Beethoven 
selber  dieser  Kompositionsgattung  anzuvertrauen  gehabt,  z.  B.  in  den 
Trio 's  Op.  70  und  97  und  in  der  Sonate  Op.  102,  das  haben  wir  an 
anderm  Orte*)  versucht  zu  bezeichnen. 

In  dieser  lockern  Gestaltung  des  Ensemblesatzes  liegt  der  Grund, 
wesshaib  die  Vertrautheit  mit  den  Kunstformen  vorausgesetzt,  der  Lehre 
nur  allgemeine  Weisungen  zustehn  können ,  die ,  man  kann  es  nicht 
leugnen,  jedem  Nachdenkenden  sich  leicht  von  selbst  ergeben  würden. 

Zunächst  also  muss  man  rathsam  beBnden ,  dem  Klavier  nicht  zu 
viel  und  nicht  zu  schallstarke  Instrumente  entgegenzustellen,  damit 
nicht  entweder  sein  ohnehin  untergeordnetes  Schallvermögen  noch 
mehr  überboten,  oder  man  genöthigt  werde,  die  übrigen  Instrumente 
zerstreut  anzuwenden  oder  sonst  von  der  Anwendung  ihrer  vollen  Kraft 
zurückzuhalten. 

Am  beeinträchtigendsten  sind  in  dieser  Hinsicht  unstreitig  die 
Blasinstrumente  wegen  der  Sälligung  und  Fülle  oder  Schärfe 
ihres  Klanges.  Die  stärksten  Blasinstrumente  wegen  ihrer  Uebermacht 
und  geringem Melodiefähigkeit  ganz  bei  Seite  gelassen,  erscheinen  schon 
Waldhorn,  Oboe,  Klarinette  dem  Klavier  so  überlegen,  dass 
ihr  Verein  unter  einander  oder  mit  Streichinstrumenten  nicht  ohne 
Rücksichtnahme  erfolgen  dürfte.  Beethoven  (und  vor  ihm  Mozart) 
hat  indess  schon  in  einem  frühern  Werke,  dem  Quintett  Op.  16,  Oboe, 
Klarinette ,  Fagott  und  Hörn  mit  dem  Klavier  zu  vereinen  gewusst, 
ohne  letzteres  zu  beeinträchtigen.  Einzelne  Bläser  sind  natürlich  noch 
ungefährlicher,  am  sichersten  die  leichte  Flöte,  —  aber  auch  am  uner- 
giebigsten ,  da  ihr  kühles  Wesen  keinen  hinlänglich  anziehenden  Ge- 
gensatz gegen  das  abstrakte  Klavier  darbietet.  Günstiger  lässt  sich  das 
Waldhorn  (wie  in  Beethoven's  Sonate)  oder  die  Klarinette  mit  dem 
Klavier  verbinden,  wiewohl  beide  jenem  in  den  oben  berührten  Eigen- 
schaften weit  überlegen  sind ;  weniger  günstig  scheint  uns  die  Oboe 
wegen  ihrer  Schärfe  und  der  Weise  ihrer  tiefen  Tonlage. 

Ungleich  vorlheilhafler  beGndet  sich  das  Klavier  im  Verein  mit 
Streichinstrumenten;  daher  erscheinen  auch  seine  Verbindungen 
mit  Bläsern  gleichsam  nur  als  Ausnahmrälle  gegen  die  Masse  von 
Duo's  oder  Sonaten  u.  s.  w.  für  Piano  und  Violine  oder  Piano  und 
Violoncell,  —  von  Trio's  für  Piano  mit  Violine  und  Violoncell,  von 
Qualuor's  mit  zwei  Violinen  (oder  einer  Violin  und  Bratsche)  und 

*)  Beethoven.  Leben  und  Schaffen. 


428    

Violoncell  u.  8.  w.  Das  StreichinstrumeDt  ist  nachgiebiger »  anschmie- 
gender in  seinem  ganzen  Wesen  and  lässt  sich  daher  leichter  mit  dem 
Piano  vereinen ;  es  stellt  dessen  Schwächen  nicht  so  oft  bios. 

Ist  die  Wahl  der  Instrumente  getroffen,  so  wird  die  Phantasie  sich 
mit  ihrem  Wesen  za  erfüllen  haben.  Nach  dem  stets  von  den  Heistern 
im  Satze  festgehaltenen  Grundsatze,  dem  wir  die  höchsten  Heister- 
werke Beethoven's  (wie  einst  Haydn's  und  Hozart's)  verdanken, 
dürfen  die  Instrumente  nicht  gleich  todten  Werkzeugen  gebraucht  und 
gelegentlich  gemissbraucht  werden.  Sie  gelten  dem  ächten  Tondichter 
als  ebenso  viel  lebendige  Organismen,  Wesen  von  bestimmtem  Rarak- 
ter,  und  nur  aus  diesem  heraus  redend  und  am  musischen  Drama  theil- 
nehmend.  Der  Tondichter,  so  gewiss  sein  Geist  das  Ganze  beseelt, 
gebt  doch  vor  allem  mit  diesem  seinem  Geist'  in  die  aufgerurenen  Per- 
sönlichkeiten,  die  Instrumente,  ein  und  lässt  sie  statt  seiner  reden. 
Nur  so  kann  erreicht  werden,  dass  ein  einiger  Geist  das  Ganze  durch- 
dringt, dass  der  Grundgedanke  nichts  in  sich  hat,  was  nicht  im  Inhalt 
und  Karakter  der  ausführenden  Organe  gegeben  war',  und  dass  diese 
Organe  ganz  verschmelzen  mit  dem  Gedanken  und  Leben  des  Werks. 

Es  ist  ein  falscher  Weg  zu  nennen,  wenn  der  Komponist  irgend 
einen  Gedanken  erst  fasst  und  dann  das  Instrument  hervorsucht,  das  ihn 
wohl  vortragen  könnte.  Die  Menschen  kommen  nicht  erst  als  Geister 
zur  Welt  und  suchen  sich  dann  einen  Leib  $  ebensowenig  werden  sie 
als  Leichname  geboren  und  dann  der  Lebensodem  in  ihre  Nasen  gebla- 
sen ;  sondern  Geist  und  Körper,  Leben  und  Stoff  treten  gleichzeitig,  als 
untrennbare  Einheit  hervor.  Trennung  ist  Tod ;  das  Rechte  ist ,  dass 
die  Idee,  die  erste  noch  unfixirte  Vorstellung,  die  vom  künftigen 
Werk'  im  Künstler  entsteht,  die  ihr  gemässen  Instrumente  herbeirnfl 
und  von  da  an  sein  Geist  sich  in  sie  versenkt,  mit  ihnen  Eins  wird  und 
aus  ihnen  heraus  schafft  und  redet. 

So  hat  Beethoven  überall  gethan*),  so  namentlich  in  dem  oben 
erwähnten  Quintelt  für  Piano  mit  Blasinstrumenten.  Sobald  einmal  der 
Entschluss  gefasst  war ,  Blasinstrumente  zur  Handlung  zu  fähren, — 
oder  seine  dermalige  Stimmung  sich  dahin  geneigt  hatte ,  wo  jene  vor 
andern  Instrumenten  am  Platze  sind ,  gestalteten  sich  auch  ohne  Wei- 
teres alle  Sätze  ihnen  gemäss;  sie  wurden  maassgebend  für  das 
Ganze,  denn  das  Klavier  kann  alles  mitmachen ,  weil  es  das  allgelenk- 
same  und  universale  Instrument  ist,  ohne  einseitig  abgeschlossenen 
Karakter. 


*)  Dass  Beethoven  mehrere  seioer  Werke  für  andre  als  die  OrisinalbesetniDS 
nrngearbeitet  nod  nmarbeiten  lassen ,  beweist  oicbts  dagegen.  Es  waren ,  wie  die 
Biographie  nachweist,  nicht  die  einzigen  Zugestand o isse ,  die  er  der  Oekono- 
mie  machen  mnsste;  ancb  wirkte  sein  Verlangen  mit ,  alle  Mnsikäbenden  an  er- 
freuen. 


429 


Gleich  der  erste  Satz  der  Einleitung  — 


beruht  auf  harmonischer  Figuratioo,  die  das  Lehenselement  der  Bläser, 
namentlich  der  Klarinette  und  des  Homs  ist;  Fagott  und  Ohoe  können 
sich  ihr  leicht  anschliessen ,  wenngleich  die  letztere  durch  die  Gebun- 
denheit ihres  Klangs  und  Sinns  so  freiem  Schwünge  nicht  geneigt  ist 
wie  die  erstem.  Nicht  bedeutungslos  ist  es,  dass  das  Klavier  mit  einem 
leicht  aufgeschwungenen  Arpeggio  zum  Nachsatz  einlenkt;  denn  gleich 
der  folgende  Satz  — 


B-Klarinette 


Fagott. 


zeigt  die  Bläser  in  dieser  ihnen  gemässesten  Weise :  voran,  frei  und 
muthig  aushallend  das  Hörn ,  dann  schwungvoll  und  empfindselig  nach 
der  Septime  langend  die  Klarinette,  dann  das  Fagott,  gepresst  nach 
Moll  (h  in  g-h-d-f)  sich  wendend ;  da  findet  sich  auch  die  Oboe  her- 
bei. Dass  es  übrigens  nicht  bei  dieser  luftigsten ,  aber  auch  leersten 
Gestaltungsweise  bleibt,  versteht  sich.  Dann  ist  es  besonders  die  woh- 
lige Klarinette,  die,  schwungvoller  als  die  andern  Bläser,  maassgebend 
wird.  Der  Hauptsatz  des  AUegro  — 


könnte  von  den  meisten  Instrumenten  vorgetragen  werden  und  wird 
vom  Klavier  eingeführt ;  aber  die  Klarinette  vor  allen  Instrumenten  ist 
ihm  anmnthend,  er  ist  aus  ihr  heraus  erfunden. 

Um  sich  dergleichen  klar  zu  machen,  nehme  man  einen  Satz  für 
ein  andres  Instrument  herzu,  z.  B.  den  in  Nr.  490  mitgetheilten  für 
die  Geige,  und  denke  sich  die  Instrumente  vertauscht.  Die  Violine  kann 
natürlich  Nr.  493,  die  Klarinette  Nr.  490  ausführen,  —  und  recht  gut. 
Aber  wo  sollte  die  Violine  den  wohligen  quellenden  Klang  zum  ^  und 
as  hernehmen?  und  das  Hinabschmelzen  der  Melodie  bis  as  und  ^,  das 
in  der  Natur  der  Klarinette  liegt?  und  was  würde  aus  der  geistreich 
feinen  Geigenmelodie  im  Munde  der  üppig -sentimentalen  Klarinette? 


430    

Nicht  einmal  die  Lage,  nähme  man  die  von  Nr.  490  oder  die  höhere 
Oktave,  war'  ihr  genehm. 

Welches  nun  auch  die  Instramente  seien ,  die  man  dem  Rlayier 
zugeselle,  sie  werden  vorzugsweise  berücksichtigt,  wieder  desswegen, 
weil  sie  scharf  bestimmten  Karakter  haben  und  das  Riavier  nicht,  und 
weil  das  Klavier  sich  in  Alles  fugeu  und  schicken  kann,  die  andern  aber 
nicht.  Dafür  wird  das  Klavier  bei  der  Ausführung  entschädigt;  es  ist, 
wenn  auch  nicht  das  tonangebende ,  doch  das  geschäftigste  von  allen 
Instrumenten,  und  wird  dadurch  das  anführende,  wenngleich  die  andern 
es  ihm  in  der  Melodieführung  häufig  zuvortbun. 

Sind  nun  dem  Klavier  mehrere  Instrumente  (mehr  als  eins)  zuge- 
seilt, so  geht  allerdings  das  Trachten  des  Komponisten  dahin,  jedem 
möglichst  reichen ,  allen  gleich  abgewogenen  Antheil  zu  geben.  Allein 
die  Natur  der  Instrumente  widerstrebt  und  fodert  unwidersprecbiieii 
Zugeständnisse.  Im  Verein  von  zwei  oder  mehr  Slreichinstrumenten 
wird  stets,  im  Ganzen  genommen,  die  erste  Violine  schon  als  Ober- 
stimme, dann  aber  auch  wegen  ihrer  Regsamkeit  den  Vorrang  behaup- 
ten, und  nach  ihr,  gegenüber  der  Bratsche  und  zweiten  Geige,  dasVio- 
loncell  als  Aussenstimme  (Tb.  I.  S.  378)  und  kräftiger  Bass.  Im  Ver- 
ein von  Bläsern  wird  stets  die  vollsaftige  Klarinette  den  Reigen  führen, 
im  Verein  von  Blas-  und  Streichinstrumenten  wird  sie  mit  der  ersten 
Geige  die  Herrschaft  theilen.  So  steht  sie  im  Beethoven^schen  Quin- 
tett durchaus  voran  und  führt  selbst  über  der  die  Höhe  liebenden  Oboe 
die  Melodie,  wo  es  nur  geht,  oder  lockt  sie  zu  Nachahmung  und  Wech- 
selgesang herbei.  Auch  sind  die  Melodien  vorzugsweise,  nicht  Mos  die 
aus  Nr.  493,  aus  ihrem  Wesen  hervorgegangen.  Ueberhaupt  wüssten 
wir  keine  Komposition,  die  für  den  Verein  von  Bläsern  mit  Klavier  so 
musterhaft  und  lehrreich  wäre  wie  dieses  anmuthige  Quintett,  gleich- 
viel ob  es  nach  seinem  allgemein  geistigen  Gehalt  so  reich  befunden 
wird,  als  andre  Werke  des  Meisters,  — wenn  man  sich  einmal  auf  solch 
abstraktes  Bemessen  eines  Werks  an  einem  andern,  und  zwar  an  ganz 
fremdartigen,  einlassen  mag. 

So  wenig  nun  der  Einfluss  der  Deberlegenheit  eines  Instruments 
vor  andern  abzuleugnen  und  abzuwenden  ist,  dennoch  bleibt  als  Grund- 
satz bestehn:  dass  allen  Instrumenten  —  so  viel  wie  möglich  und  jedem 
nach  seiner  Natur  —  gleicher  Antheil  am  Werke  gebührt.  Sobald 
man  hiervon  ablässt,  sei  es  ans  Vorliebe  für  ein  Instrument,  während 
dem  darcbgebiideten  Komponisten  jedes  an  seiner  Stelle  gleich  lieb  ist, 
aei  es  aus  Unachtsamkeit  oder  Ungewandtheit  im  Satze,  sinken  die  ver- 
nachlässigten Instrumente  zur  Bedeutungslosigkeit  herab ,  werden  un- 
organische Masse,  Last  des  Lebensganges,  und  ziehn  nothwendig  das 
Ganze  mit  sich  nieder.  Im  Kunstwerke  muss  Alles  Leben  sein,  wenn 
nicht  das  Leben  auch  in  den  begünstigten  Organen  stocken  soll.  Es 
ist  wie  im  natürlichen  Organismus.  Ist  nur  einem  der  Systeme,  die  der 


431 

meDschliehe  Körper  in  sich  vereint,  ja  nnr  einem  einzigen  Gliede  Ge- 
sundheit und  Kraft  entzogen,  so  leidet  unfehlbar  das  ganze  Dasein  mit. 

Diese  Notbwendigkeit  gerade ,  allen  Theilnehmem  gerecht  zu  * 
werden,  führt  auf  die  Kunstform  der  Sonate  zurück,  die  wir  oben  als 
die  günstigste  für  Ensemblesatz  bezeichnet  haben.  Sie  ist  die  günstigste, 
weil  sie  den  weitesten  Spielraum  für  die  Betheilignng  mehrerer  Organe 
gewährt.  Man  erwäge  nur  einen  Satz,  etwa  das  erste  Allegro ;  wie  viel 
kann  in  ihm  zusammenkommen !  Da  ist  der  Hauptsatz  oder  gar  die 
Hauptpartie  mit  mehr  als  einem  Satze ,  da  ist  der  Seitensatz  oder  die 
Seitenparlie  ebenfalls  mit  mehr  als  einem  Satze ,  da  folgt  endlich  der 
Schlusssatz,  der  Gänge  und  sonstiger  Zwischenglieder  nicht  zu  erwäh- 
nen. Jeder  Satz  liebt  wiederholt  zu  werden,  kann  im  zweiten  Theile, 
muss  im  dritten  Theile  wiederkehren ,  möglicherweise  kann  ein  Satz 
fünfmal  und  noch  weit  öfter  aufgeführt  werden.  Diese  Wiederholungen 
sind  aber  sehr  geneigt ,  Umgestaltung  der  Sätze  zu  werden ,  und  es 
kann  dem  Komponisten  nur  willkommen  sein ,  wenn  der  Verein  meh- 
rerer Organe  neue  Möglichkeiten  gewährt,  über  den  Bereich  des  reinen 
Klaviersatzes  hinaus,  das  Leben  der  Sätze  zu  vervielfältigen«  Jeder 
Satz  kann  von  allen  Instrumenten  im  Tutti,  vom  Klavier  allein,  vom 
Verein  der  übrigen  Instrumente  allein ,  anter  Anfuhrung  bald  dieses, 
bald  jenes  Instruments  als  Hauptinstrument,  unter  dem  Wechsel  zweier 
oder  mehrerer  Instrumente  in  der  Austübruug  der  Hauptpartie  darge- 
stellt werden ;  dasselbe  gilt  natürlich  von  den  Gängen.  Es  ist  unbe- 
rechenbar, wie  viel  Umgestaltungen  desselben  Satzes,  wie  viel  Gegen- 
sätze eines  Gedankens  gegen  ^c  andern  hierdurch  möglich  werden. 

Das  Lehrbuch  tritt  hier  zurück,  um  dem  erfahrnen  Lehrer  die  Be- 
rathang der  einzelnen  Fälle,  dem  Studium  der  Partituren  die  Vollen- 
dung der  Lehre  zu  überlassen. 


Zweiter  Abschnitt. 
Solosatz  für  Streichinstrumente. 

Der  Solosatz  für  Streichinstmmente  nmfasst  das  Trio  ,  gewöhn* 
lieh  für  Violine,  Bratsche  und  Violoncell,  —  das  Quartett  oder  Qua- 
tuor,  für  zwei  Violinen,  Bratsche  und  Violoncell,  —  das  Quintett 
oder  Quintuor,  für  zwei  Violinen,  zwei  Bratschen  und  Violoncell,  — 
das  Ottet toder  Doppelquartett,  für  die  verdoppelte  Besetzung  des 
Quartetts  zu  acht  realen  Stimmen.  Dass  auch  noch  andre  Zusammen- 
stellnngen,  —  von  sechs,  sieben,  neun  Stimmen  möglich  und  vielleicht 
(ohne  dass  sich  der  Verf.  erinnert)   schon  ausgeführt  worden,   dass 


432     

ferner  bei  grösserer  StimmzabI  auch  ein  Soiokontrabass  zugezogen, 
oder  die  Zusammenstellnng  der  Instrumente  auf  noch  andre  Weise  ge^ 
troffen  werden  kann ,  ist  gewiss.  Es  kommt  jedoch  nichts  darauf  an. 
Denn  was  überhaupt  von  der  Gattung  zu  sagen  ist,  trifft  alle  unter  ihr 
begriffnen  Arten.  Daher  nennt  man  auch  in  der  Kunstsprache  die  ganze 
Gattung  von  Kompositionen 

Quartettsatz, 

weil  in  der  That  das  Quartett  als  normale  Art  anzusehn  ist  und  der 
Salz  des  Quintetts,  Ottetts,  Trio's  u.  s.  w.  durchaus  denselben  Ge- 
setzen folgt. 

Der  Verein  von  Streichinstrumenten  für  Solosatz  ist  in  der  That 
unter  allen  möglichen  Vereinen  von  Soloinstrumenten  der  geschick- 
teste, weil  er  durchaus  gleichartige  Instrumente  zusammenstellt,  mit- 
hin vollkommenste  Verschmelzung  und  gleichmässigste  Behandlung  aller 
Stimmen  möglich  macht.  Weder  Bläser  unter  sich  (man  müsste  sich 
denn  auf  eine  einzige  Art,  z.  B.  nur  auf  Klarinetten  beschränken),  noch 
Bläser  und  Streichinstrumente  können  so  durchaus  Eins  werden ;  dass 
das  Piano  sich  mit  den  andern  Instrumenten  noch  weniger  verschmilzt, 
ist  bereits  S.  424  erkannt  worden. 

Was  dem  Verein  von  Streichinstrumenten  noch  besonders  für 
Kompositionen  zu  statten  kommt,  ist  der  Umstand,  dass  sie  keinen  so 
bestimmt  abgeschlossenen  Karakter  haben  (S.  247),  als  die  Blasinstru- 
mente, sondern  sich  zu  den  vielseitigsten  Stimmungen  und  Richtungen 
hergeben,  ja  dass  auch  ihr  Klang,  ihre  sinjiliche  Wirkung  weniger  be- 
friedigend und  darum  nicht  so  schnell  sättigend  ist,  mithin  dem  Kompo- 
nisten weiter  fortgesetzte  und  reicher  auszubeutende  Wirksamkeit  ge- 
stattet. 

Dass  übrigens  vor  allen  Arten  dieser  Kompositionsgattuug  im  All- 
gemeinen das  Quartett  den  Vorzug  verdient,  ist  schon  aus  dem  S.  283 
Gesagten  zu  erkennen.  Das  Quartett  stellt  den  Norm  aisatz,  die 
Vierslimmigkeit ,  dar,  gestattet  aber  gleichwohl  nach  dem  Vermögen 
der  Streichinstrumente  (S.  246),  in  einzelnen  Momenten  vollgriffiger 
oder  auch  wirklich  mehrstimmiger  zu  werden.  Es  umfasst  ein  weites 
Tongebiet  von  wenigstens  fünf  Oktaven  und  räumt  dem  vornehmsten 
Streichinstrument,  der  Violine,  den  Vorzug  ein ,  indem  es  zwei  Violi- 
nen aufstellt.  Das  Quintett  ist  um  eine  Stimme  reicher,  lässt  aber 
den  Karakter  der  Bratsche  oder  des  Violoncells  in  einer  Fülle  hervor- 
treten, die  im  Allgemeinen  nicht  begründet  erscheint.  Das  Ottett  stellt 
das  Verhältniss  der  Instrumente  in  gleicher  Weise  wieder  her  wie  das 
Quartett.  Allein  es  sollte  scheinen ,  als  wenn  der  Verein  von  vier  Vio- 
linen, zwei  Bratschen  und  zwei  Violoncellen  das  Verlangen  nach  einem 
kräftigen  Träger  des  Ganzen ,  nach  einem  Kontrabass  erregen  müsste, 
der  den  Gegenbalt  in  der  Tiefe  bildete  gegen  die  stark  besetzte  Höhe 


433     

and  Mitte.  Allerdings  wurde  dann  in  dem  zum  Nonett  gewordnen 
Werke  der  Karakter  des  Solosatzes  noch  mehr  zurücktreten  und  das 
Ganze  sich  noch  mehr  der  Behandlung  und  Wirkung  des  Orchesters 
nähern.  Allein  dies  ist  ohnehin  schon  bei  dem  Ottett  wenigstens  theil- 
weis  der  Fall  (wie  man  andern  Ottett  von  Mendelssohn,  der  ge* 
schickteslen  und  talentvollsten  Leistung  in  dieser  Form ,  sehen  kann), 
und  es  ist  kein  absoluter  Nachtheil  darin  zu  sehn ,  wenn  auch  hier  — 
wie  überall  —  die  Formen  einander  näher  kommen  und  in  einander 
übergehn. 

Auf  der  andern  Seite  haben  wir  sogar  bei  dem  Streichorchester 
(S.  352)  erkennen  müssen ,  dass  ihm  für  sich  allein  die  Fülle  und  Sät- 
tigung des  Klanges  abgeht,  die  zur  Befriedigung  des  Sinns  und  zum 
allseitigen  und  tiefersohöpfenden  Ausdruck  der  Seelenbewegungen  und 
Vorstellungen  erfoderlich  ist.  Dies  muss  noch  weit  mehr  vom  Solosalz 
für  Streichinstrumente  gelten.  Ihm  fehlt  nicht  nur  die  Klangfülle  und 
die  Kraft  des  Aushallens ,  sondern  auch  dicf  Schallkraft  der  Blasinstru- 
mente. Ueberhaupt  ist  ein  grosses  Maass  materieller  Kraft  ihm  nicht 
eigen ;  selbst  das  Piano  kann  in  seiner  Spielfülle  und  der  Fähigkeit, 
Tonmassen  verscfaiedner  Oktaven  in  einander  schallen  zu  lassen, 
grössere  Massenwirkung  und  grössere  Steigerung  hervorbringen. 
Dies  ist  im  Allgemeinen  der  Anlass,  über  das  Quartett  hinaus  zum 
Quintett  und  Ottett  zu  gehn;  das  Trio  von  Streichinstrumenten  kann 
dagegen  nur  durch  feinere  und  bewegtere  Stimmführung  für  den  Man- 
gel an  Fülle  entschädigen ,  der  ihm  selbst  im  Vergleich  zum  Quartett 
eigen  ist. 

Diese  Ansicht  von  den  verschiednen  Besetzungen  der  Solokompo- 
sition für  Streichinstrumente  scheint  sich  auch  bei  der  Mehrzahl  der 
Komponisten  oder  bei  allen  geltend  gemacht  zu  haben.  Denn  die  bei 
weitem  überwiegende  Menge  aller  hierhergehörigen  Werke  sind  Quar- 
tette; nach  dem  Quartett  ist  das  Quintett  am  meisten  angebaut,  nach 
diesem  kommt  das  Trio,  am  seltensten  das  Ottett*). 

So  viel  über  die  verschiednen  Arten  des  Satzes  für  Soloslreichin- 
strumente.  In  dem  Wenigen,  was  über  die  Komposition  zu  sagen  übrig 
bleibt,  fassen  wir  sie  alle  zusammen ,  da  die  Besetzung  keinen  wesent- 
lichen Unterschied  bewirkt. 

Die  Form  für  diese  Kompositionen  ist  in  der  Regel  —  fast  ohne  Aus- 
nahme —  die  der  Sonate.  Sie  mit  ihren  vier  Sätzen  (die  Einleitung 
ungerechnet)  von  mannigfachem  Karakter,  —  mit  ihrer  Fähigkeit,  alle 
Gestaltungen  des  Lieds,  des  Rondo's,  der  Fuge,  der  Variation,  der  So- 
natenform in  ihrem  Umkreis  aufzunehmen,  —  mit  den   zahlreichen 


*)  Dass  die  Rücksicht  auf  leichtere  Besetzbarkeit  nod  Ausnihrung  wealgsteus 
nicht  allein  entscheidet,  ist  leicht  zu  erkennen.  Denn  von  diesem  Gesichtspookt  aus 
niisste  das  Trio  hänflger  angebaut  werden,  als  das  Quartett. 

Man,  Konp.  L.  IV.  3.  AuO.  28 


434 

Tbematen ,  Durchführangen  nod  DarcharbeitODgen,  karz  in  ihrer  Dm- 
fassuDgskraft  bietet  dem  Ergeben  der  geistreichen,  beweglichen,  viel- 
seitigen Instramente  den  erwünschtesten  Raum.  Schon  bei  der  Sym- 
phonie (S.  407)  massle  dies  erkannt  werden,  nachdem  wir  es  an  der 
Klaviersonate  gelernt  hatten.  Diese  Erinnerung  aber  an  die  vorange- 
gangenen Anwendungen  der  Form  führt  uns  auf  die  letzte  hier  anzu- 
knüpfende Betrachtung. 

In  der  Symphonie  bedarf  der  Komponist  der  umfassendsten  Form, 
um  in  ihr  auf  das  Vollständigste  und  Reichste  seine  Idee  zu  verwirk- 
lichen. Und  sie  wird  verwirklicht,  —  so  weit  es  überhaupt  dem 
Menschen  gegeben  ist;  Alles,  was  der  künstlerische  Geist  an  Organen 
geschaffen,  ist  bereit,  dem  Künstler  zu  dienen  und  seine  Idee  in  das 
Leben  zu  führen,  wie  es  im  jetzigen  Lebensmoment  der  Kunst  möglich 
ist  und  wie  es  eigentlich  dem  Künstler  hätte  allein  vorschweben  dür- 
fen. Denn  was  darüber  hinaus  liegt,  was  dem  Geist  erscheint  ohne 
Möglichkeit  des  Wirklichwerdens,  das  ist  streng  genommen  nicht 
Kunst,  nicht  Geist  in  leiblicher  Erscheinung,  —  obwohl  es  ein  Höheres 
sein  kann,  als  die  Kunst  in  diesem  oder  jenem  Zeitmoment  und  unter 
den  obwaltenden  Verhältnissen,  —  oder  vielleicht  jemals  verwirklichen 
kann. 

Die  Klaviersonate  steht  in  der  Kraft  der  Verwirklichung  weit  zu- 
rück gegen  das  Orchesterwerk,  ihr  Organ  kann  vieles,  z.  B.  gleich  die 
Verschmelzung  der  Melodie,  nur  andeuten.  Aber  das  liegt  so  offen  und 
ursprünglich  in  ihrem  Organ ,  dass  man  sich  sofort  darein  ergiebt  und 
den  Genuss  des  Klavierwerks  vielleicht  mehr,  vielleicht  wenigstens 
ebenso  weit  in  dem  findet,  was  die  sinnliche  Mittheilung  in  unsrer 
Phantasie  und  auf  diesem  Weg  in  unserm  Gemülh  anregt ,  als  in  dem, 
was  sie  in  Wirklichkeit  giebt.  Hierzu  kommt  noch  der  unermessliche 
Gewinn,  den  die  Einheit  der  Darstellung  giebt :  das  ganze  Kunstwerk 
wird  in  der  Person  des  Ausübenden  ein  durchaus  einiges  und  frei  aas 
dem  Moment  wiedergebornes. 

Das  Quartett  (und  seine  Beiarten)  steht  in  der  Mitte.  Volle  Wirk- 
lichkeit der  Befriedigung  kann  es  nicht  geben,  denn  jede  Instrumenten- 
klasse ist  einseilig  und  kann  nur  auf  eine  Zeit  lang,  nur  für  einen  Theil 
des  künstlerischen  Inhalts  befriedigen.  Hierin  steht  es  dem  Orchester- 
werke nach.  Dagegen  ist  es  in  der  Innerlichkeit,  Sangeskraft  und  dem 
Darstellungsvermögen  seiner  Stimmen  dem  Klavier  weit  überlegen; 
unmöglich  können  auf  diesem  vier  Stimmen  so  unabhängig  von  einan- 
der, so  frei  gegen  einander  geführt  werden,  —  schon  jede  einzelne 
Stimme  ist  im  Quartett  überlegen. 

Diese  vier  Stimmen  nun ,  das  ist  der  ganze  Reichthum  des  Quar- 
tetts. Aber  sie  werden  von  den  feinsten ,  beweglichsten,  vielseitigsten 
Instrumenten  dargestellt,  und  diese  können  ihr  eigenstes,  feinstes 
Wesen   unbeschränkt  geltend    machen,  da   weder  Berücksichtigung 


435     

fremder  Organe,  noch  vielfache  Besetzung,  —  die  immer  (Th.  III. 
S.  462)  grössere  Gemessenheit  und  Einfachheit  fodert,  —  in  den  Weg 
treten.  Die  tiefste  Versenkung  also  in  das  Wesen  der  Instrumente  und 
die  feinste  Ausarbeitung  sind  hier  Hauptbedingung.  Die  erstere  haben 
wir  überall  gefodert ;  doch  ist  einleuchtend ,  dass  in  Orchesterwerken 
mancher  Irrthum  durch  die  Massenwirkung ,  durch  den  reichen  Wech- 
sel der  Instrumentirung  verborgen  wird,  ja,  dass  sogar  mitNothwen- 
digkeit  dieses  od^r  jenes  Instrument  einen  ihm  fremdern  Gedanken  in 
der  Durchführung  übernehmen  muss.  Die  Kunst  der  Ausführung  darf 
sich  ebenfalls  nirgends  vermissen  lassen.  Aber  wiederum  wird  sie 
im  Orchesterwerke  vor  der  Grossheit  und  Einfachheit  der  Hauptgedan- 
ken oft  zurücktreten ,  während  die  Gedanken  des  Quartetts  nach  der 
Natur  seiner  Organe  nur  ausnahmsweise  gleichen  Aufschwung  und 
gleiche  einfache  Macht  erlangen.  Selbst  im  Klaviersatze  kann  die  Aus- 
arbeitung nicht  so  vielgliedrig  die  Stimmen  durchdringen,  da  das  Instru- 
ment (Th.  HL  S.  22)  zu  mehrstimmiger  Polyphonie  weniger  geschickt 
ist.  Sie  ist  in  der  Instrnmentalkomposition  in  grossartiger  Weise  das 
Eigenthum  des  Orchesters  und  in  seiner  Anwendung  die  Hauptaufgabe 
des  Quartetts. 

Auch  hier  erkennt  übrigens  nach  der  Bezeichnung  des  Karakters, 
der  dem  Quartett  eigen  ist,  das  Lehrbuch  seine  Gränze.  Weiter  kann 
der  Rath  des  erfahrnen  Lehrers  dem  Jünger  bei  der  Ausführung  be- 
stimmter Werke  zu  Statten  kommen.  Lehrer  aber  und  Lehrbuch  müs- 
sen hier  dem  Parliturstudium  das  Beste  überlassen.  Was  Haydn  und 
Mozart,  Mendelssohn  und  viele  sonst  noch  zu  nennende  neuere 
und  ältere  Komponisten  (fast  nur  Deutsche)  hierzu  beigesteuert,  ist  all- 
gemein bekannt  oder  leicht  zu  erfahren.  Ueber  alle  hinaus  ragt  Beet- 
hoven; es  ist  unmöglich,  das  Quartettstudium  zu  vollenden,  ohne  seine 
Werke  dieser  Gattung  vom  ersten  bis  zum  letzten  auf  das  Ernstlichste 
und  Tiefste  zu  durchdringen ;  eher  könnte  man  alle  übrigen  Quartetti- 
sten  insgesammt  entbehren,  als  ihn.  Was  der  Verf.  über  ihn  und  seine 
Quartette  zu  sagen  gehabt,  ist  (so  weit  der  Raum  gestattete)  anderswo*) 
niedergelegt. 


*)  la  der  Biographie. 


28* 


436 


Dritter  Abschnitt. 

Solosatz  für  Blasinstrumente,  oder  vereinigte  Blas-  und 
Streicliinstruniente. 

Die  Aufgaben,  die  wir  hier  zusammenfassen,  sind  in  Hinsicht  auf 
ihre  äusseriiche  Erscheinung  mannigfaltiger,  ohne  darum  für  Kunst  und 
Kunstiehre  wichtiger  und  wahrhaft  ergiebiger  zu  sein. 

Es  versteht  sich  von  selbst ,  dass  musikalische  Sätze  auch  durch 
Blasinstrumente,  j.edes'  als  Soloinstrument  genommen ,  dargestellt  wer- 
den können.  Allein  die  Natur  der  Blasinstrumente  wird  immer  als 
erstes  Erfoderniss  das  Massebilden  (S.  146)  ergeben ,  und  so  werden 
sich  Soiosätze  für  Blasinstrumente  sehr  eng,  fast  ununterscheidbar  der 
gewöhnlichen  Harmoniemusik,  wie  wir  sie  bereits  kennen  gelernt 
haben,  anschliessen. 

Zuvörderst  wird  man  in  Hinsicht  auf  Zahl  und  Auswahl  der  In- 
strumente dahin  zu  sehn  haben,  dass  alle  oder  doch  die  meisten  von 
ihnen  nach  Tonreichthum ,  Beweglichkeit  und  Schallmaass  geeignet 
seien,  als  Soloinstrumente  zu  wirken.  —  Allein  weiche  Instrumente 
könnten  durch  die  Geschicklichkeit  der  Virtuosen  nicht  dahin  ausgebil- 
det werden?  Kaum  wagt  man,  es  von  den  Pauken  und  Trompeten  zu 
behaupten ;  die  Posaune  (besonders  Tenorposaune) ,  das  chromatische 
Hörn  und  die  Tuba*)  haben  sich  schon  vielfältig  als  Solo-,  ja  als  Kon- 
zertinstrumente gezeigt.  Es  fragt  sich  nur,  ob  dergleichen  für  einfache 
und  machtvolle  Wirkung  geschaffne  Organe,  wie  z.  B.  die  Posaune, 
nicht  ihr  eigenstes  Wesen  verleugnen  müssen,  um  als  Soloinstrumente 
vielleicht  beinah  so  wohl  zu  bestehn,  als  schwächere  Instrumente, 
denen  sie  sich  an  ihrer  gebührenden  Stelle  weit  überlegen  zeigen.  Man 
wird  es  dem  Ausübenden  nur  zum  Guten  anrechnen ,  wenn  er  seine 
Uebungen  —  auf  welchem  Instrument  es  sei  —  so  weit  wie  möglich 
ausdehnt,  wird  ihm  endlich  auch  den  Wunsch  nicht  verargen,  gelegent- 
lich zu  zeigen »  was  er  und  was  sein  Instrument  vermag.  Allein  hier- 
mit hat  der  Komponist  als  Künstler  nichts  zu  thun.  Als  solcher  hat  er 
ohne  zufällige  Rücksichten  die  für  seine  jedesmalige  Aufgabe  geeigneten 
Organe  zu  wählen ,  also  für  Solosatz  die  für  diesen  hinlänglich  begab- 
ten und  —  geschmeidigen;  und  da  er  jedes  Organ  nach  seinem  Karak- 
ter  und  Vermögen  geltend  zu  machen  hat,  so  fehlt  er,  wenn  er  Instru- 
mente wählt,  deren  Wesen  dem  Solosatze  widerstrebt. 


*)  Auch  der  Kootrabass  ist  scboo  als  KoDsertinstromeDt  aafgetreteo  ,  so  fein 
und  fliok  ond  boch  wie  eine  Geige  —  beioab. 


437      -    - 

In  Hinsicht  auf  die  Aaswahi  ist  also  der  Komponist  zunächst  an 
Flöte,  Klarinette,  Fagott,  Waldborn,  Bassethorn,  —  dann  an  die  sprö- 
dere Oboe,  an  das  chromatische  Tenorhorn  verwiesen.  Das  Bedörfniss 
der  Massenbildung  wird  ihm  ratbsam  machen ,  nicht  zu  wenig  Instru- 
mente, —  jedenfalls  mehr  als  vier,  — und  besonders  die  verschmelz- 
baren und  die  Mittellage  bildenden  in  derMehrzahl  zu  nehmen.  Es  mag 
also  an  einer  Flöte,  oder  einer  Flöle  und  Oboe  genügen,  wiinschcns- 
werth  sind  aber  zwei  Klarinetten  (oder  eine  Klarinette  und  ein  Basset- 
born), sodann  —  besonders  wenn  man  nur  eine  Klarinette  nehmen 
will,  zwei  Waldhörner.  Dass  auch  noch  andre  Bläser  und  andre  Arten 
der  Zusammenstellung  gewählt  werden  können,  versteht  sich;  wir 
haben  nur  die  nächstgelegnen  als  Beispiele  genannt. 

Wenn  schon  die  Wahl  der  Instrumente  mehr  Mannigraltigkeit  bie- 
tet ,  als  bei  dem  Solosatz  für  Streichinstrumente ,  so  ist  dies  auch  bei 
der  Form  der  Kompositionen  zu  bemerken.  Tanzform,  Marschform, 
Scherzo,  Variation ,  alle  Formen  des  Rondo  sind  häufig  angebaut  wor- 
den; ferner  das  sogenannte  Divertissement,  —  eine  willköhrUch 
gebildete,  nicht  enger  zusammenhängende  Kette  kleinerer  und  grösserer 
Formen,  besonders  Lied- und  Rondoformen,  auch  Sonatenform.  Seltener 
ist  die  Sonate  für  Blasinstrumente ,  die  am  reichsten  noch  durch  die 
Quintette  für  Blasinstrumente  von  Reich  a  vertreten  ist. 

Dass  auch  die  Blasinstrumente  bei  ihrer  Verwendung  znm  Solo- 
satze feiner  und  freier  als  im  Tutlisatz,  —  auch  mit  gesteigerten  An- 
sprüchen an  die  Geschicklichkeit  der  Ausübenden  behandelt  werden 
können  und  müssen,  versteht  sich.  In  letzterer  Beziehung  haben  wir 
schon  bei  der  Lehre  von  der  Technik  der  Instrumente  auf  den  Unter- 
schied von  Solo-  und  Orchestersatz  Rücksicht  genommen. 

Was  bis  hierher  vom  Solosatze  gesagt  worden,  findet  endlich  auch 
auf  den  Solosatz  für  gemischte  Blas-  und  Streichinstrumente  Anwen- 
dung. Es  ist  nur  der  eine  Rath  zuzufügen ,  dass  man  bei  solchen  Zu- 
sammensetzungen —  wie  bei  der  Zusammenstellung  des  Orchesters  — 
darauf  sehe,  jeden  Instrumentchor  wenigstens  so  stark  zu  besetzen, 
dass  er  in  sich  selber  ein  Ganzes  darstellen  und  sich  dem  andern  ge- 
genüber mit  gebührendem  Nachdruck  behaupten  könne.  Vier  oder  fünf 
Bläsern  gegenüber  würde  es  daher  wenigstens  dreier  Streichinstru- 
mente, vier  Streichinstrumenten  gegenüber  wenigstens  zweier  oder 
dreier  Bläser  bedürfen.  Etwas  Näheres  lässt  sich  schon  desswegen 
nicht  voraus  bestimmen,  weil  dabei  hauptsächlich  die  Wahl  und  Be- 
schäftigung der  einzelnen  Instrumetite  in  Betracht  kommt.  Die  allge- 
meinen Grundsätze  aber  sind  in  der  Lehre  vom  Orchestersalze  ge- 
geben. 

Für  diese  grossem  Instrumenlvereine  ist  die  Form  der  Sonate 
öfters  in  Anwendung  gekommen ,  bisweilen  auch  die  gewöhnliche  Zahl 
ihrer  Sätze  überschritten  worden.   So  stellt  Beethoven  in  seinem 


438 

Septuor  ausser  Eialeituogea  zum  ersten  uod  letzten  Satze  ein  Allegro 
in  Sonatenform,  ein  Adagio,  Menuett  mit  Trio ,  Andante  mit  Variatio- 
nen, Scherzo  mit  Trio,  und  Pinale  auf,  also  sechs  Hauptsätze.  Nach  der 
Zahl  der  Instrumente  werden  übrigens  die  Rompositionen  als  Quin- 
tett, Sextett,  Septett,  Nonett  u.  s.  w.,  —  nach  besondern  In- 
tentionen der  Komponisten  als  Serenate,  Notturno  u.  s.  w.  be^ 
zeichnet. 


Vierter  Abschnitt. 
Konzertsatz. 

Unter  Konzertsatz  ist  die  Behandlung  eines  oder  mehrerer  Instru- 
mente zu  dem  besondern  Zwecke,  sie  vorzugsweise  vor  andern  Instro- 
menten —  und  die  besondre  Geschicklichkeit  des  Ausübenden  zu  zei- 
gen, zu  verstehn.  Beide  Zwecke  sind  nicht  rein  künstlerische,  denn  sie 
stellen  neben  die  eigentliche  Aufgabe  jedes  Kunstwerks  noch  die  Rück- 
sicht auf  irgend  eine  künstlerische  Persönlichkeit,  —  auf  ein  Instru- 
ment, oder  auf  die  Auszeichnung  des  Ausübenden.  Mehr  oder  weniger 
wird  also  bei  Kompositionen  dieser  Gattung  von  den  reinen  Kunsfge- 
setzen  abgewichen  werden  müssen.  Das  Hauptinstrument  (Prinzi- 
palinstrument oder  Prinzipalslimme)  oder  die  mehrern  Haupt-  oder 
konzertirenden  Instrumente  werden  vor  den  andern  blos  be- 
gleitenden Instrumenten  (Ripienstimmen,  Begleitung)  begünstigt, 
in  grösserer  Ausdehnung  und  mit  Aufwand  aller  ihnen  eigpen  Mittel 
benutzt  werden  müssen,  während  die  begleitenden  Instrumente  vom 
vollen  Gebrauch  ihres  Vermögens  eher  abgeballen  werden  und  sich 
unterordnen,  um  das  Hauptinstrument  desto  vortheilhafter  hervortreten 
zu  lassen.  Die  Rücksicht  auf  den  Ausführenden  femer  veranlasst  in  der 
Komposition  vorzugsweis'  Ausbreitung  der  Gänge  zu  Passagen, 
und  für  sie  wie  für  die  Begleitung  —  gelegentlich  auch  für  die  Darstel- 
lung, Ausschmückung,  Veränderung  der  Sätze,  den  Vorzug  besonders 
schwieriger  Figuren  und  Gänge  (Bravourpassagen),  an  denen  sich 
die  vorzügliche  Fertigkeit  des  Spielers  bewähren  kann.  Endlich  liegt 
es  in  dieser  Tendenz  de^  Konzertsatzes ,  dass  man  sich  mehr  oder  we- 
niger klar  bewusst  für  seine  Ausführung  eine  glänzende  Versammlung, 
einen  Salon  vorstelle,  in  der  man  nicht  sowohl  (und  vielleicht  nicht 
gern)  tiefer  und  reiner  Offenbarungen  des  künstlerischen  Genius  harrt, 
als  den  Genuss  ausgezeichneter  und  darum  seltener  und  kostbarer 
künstlerischer  Geschicklichkeit  halb  vornehm  kühl ,  halb  künstlerisch 
angeregt  entgegenzunehmen  geneigt  ist.  Daher  wird  im  Allgemeinen 
das  Glanzvolle  und  Exquisite  im  Konzertsatze  vorherrschen,  selbst  da. 


439 

WO  (wie  in  Hozarl's,  Beethoven's,  Moscbeles',  HammeTs, 
Gbopin's,  Meadelssoho's  und  Andrer  Konzerten)  das  reich  aasge- 
bildeie  Talent  des  Komponisten  sich  zu  geistreichen  und  kunsiyoiien, 
ja  theilweis  höher  angeregten  Ergüssen  —  gewissermassen  trotz  der 
nicht  künstlerisch  reinen  Intention  erhebt,  selbst  da,  wo  (wie  in  Beet- 
hoven's  Gdur-Konzert,  Op.  58,  im  Andante)  der  Genius  sich  eine 
Zeitlang  ganz  der  freien  und  reinen  Dichtung  zurtickgiebt,  die  äusser- 
lichen  Rücksichten  auf  Fertigkeit  und  Glanz  fallen  iässt  und  —  eine 
Zeitlang  wenigstens  die  einseitige  Bevorzugung  des  Konzertinstruments 
gerechtfertigt  zeigt. 

Die  Bedingung  zum  Gelingen  des  Konzertsatzes  ist  tiefste  Kennt- 
niss  des  Instruments.  Was  wir  in  dieser  Hinsicht  mitzutheilen  im  Stande 
gewesen  sind ,  kann  ohne  lang  fortgesetzte  Beobachtung  und  tief  ein- 
dringendes Partiturstudium  gewiss  nicht  zureichend  sein.  Dagegen  lasse 
man  sich  auch  nicht  — -  wenn  man  überhaupt  Beruf  fühlt  für  diese 
Kompositionsgattung  —  durch  die  oft  gehörte  Behauptung  zurück- 
schrecken :  es  könne  nur  der  für  ein  Instrument  günstig  schreiben,  der 
es  vollkommen  gut  selber  spielt.  Wer  dies  vermag,  hat  unstreitig  einen 
grossen  Vortheil  voraus ;  dass  man  aber  auch  ohne  denselben  mit  Er- 
folg das  Instrument  kennen  lernen  und  behandeln  kann  —  selbst  für 
Ronzertsatz,  beweisen  Mozart's  Konzerte  für  Klarinette  und  Wald- 
horn, Spohr*s  und  K.  M.  v.  Weber's  Konzerte  für  Klarinette  und 
manche  andre  Arbeiten.  Hermstädt  verdankt  —  natürlich  nächst 
seiner  eignen  Trefflichkeit  —  den  Konzerten  Spobr^s,  Bä  rmann  (der 
Vater)  denen  Weber's  bei  gleicher  Virtuosität  die  Hälfte  seines  Ruhms. 

Hinsichts  der  Instrumentenwahl  giebt  es  nun 

Konzertstücke  für  ein  einzelnes  Instrument 

ohne  Begleitung,  meist  in  Variation-,  Rondo-  oder  Fantasieform ;  ferner 
die  Form  des 

Duo  concertani 

ohne  Begleitung,  z.  B.  für  Piano  und  Violine,  oder  für  Violine  und 
Violoncell,  meist  in  Rondo-  oder  Sonatenform  komponirt;  ferner  das 
sogenannte 

Quaiuor  brillant 

oder  Quatuor  concertant,  ein  wirkliches  Streichquartett  in  der  Quar- 
tettfbrm  (S.  433)  geschrieben,  aber  so  gesetzt,  dass  die  erste  Violin 
als  Hauptstimme  hervortritt  and  dem  Spieler  Gelegenheit  zu  glänzen- 
der Darlegung  seiner  Virtuosität  bietet. 

Dies  sind  die  untergeordneten  Arten  der  Konzertkomposition.  Das 
eigentliche 

Konzert 
bedingt  die  Begleitung  des  Orchesters  neben  dem  Prinzipalinstrumente. 
Seine  Form  ist  die  der  Sonate  in  drei  Sätzen.  Der  erste  Satz  oder  das 


-—     440     

Allegro  gestaltet  sich  meist  so ,  dass  das  Orchester  zur  Einleitang  die 
sämmtlichea  oder  vorzüglichsten  Sätze  der  Haupt-  und  Seitenpartie  mit 
dem  Schlusssatze  (Th.  HI.  S.  201)  vorführt,  und  zwar  durchaus  im  Haupt- 
ton, oder  im  Hauptton  und  der  Dominante  (oder  Parallele)  und  in  den 
erstem  zurückkehrend.  Dann  führt  das  Prinzipalinstrument  theils  allein, 
theils  vom  Orchester  (oder  einigen  Instrumenten  desselben)  unterstützt, 
die  Gedanken  der  Hauptpartie  in  seiner  und  zwar  konzertirenden  Weise 
aus,  fuhrt  ihnen  auch  wohl  neue  Sätze  zu,  geht  —  mit  oder  ohne  Or- 
chester, meist  das  Erstere  —  in  die  Dominante,  um  da  den  Seiten-  und 
Schlusssatz  auszuführen,  und  schliesst  mit  dem  Orchester  ganz  nach 
dem  Gange  der  Sonatenform  den  ersten  Theil ,  oder  überlässt  (meist) 
dem  Orchester  allein  diesen  Abschluss.  Nun  bildet  sich  der  zweite 
Theil,  in  dem  die  Melodie  der  Sätze  meist  von  wechselnden  Orchester- 
instrumenten gegen  die  Figuren  und  Passagen  der  Prinzipalstimme 
durchgeführt  wird;  statt  des  Orgelpunkts  tritt  gewöhnlich  die  Kadenz 
des  Hauptinstruments  ein ,  —  eine  freiere  Fantasie  aus  Passagen  und 
Motiven  oder  Sätzen  der  Komposition  selbst  gewebt ,  vom  Orgelpunkt 
ausgebend  und  auf  ihn  zurückkehrend ;  endlich  gestaltet  sich  der  dritte 
Theil  nach  bekannter  Form  unter  wechselnder  oder  zusammentreffen- 
der Wirksamkeit  des  Soloinstruments  und  Orchesters,  und  das  letztere 
schliesst.  Der  Einleitungssatz  des  Orchesters  und  dessen  Satz  in  der 
Dominante  heissen  Ritornelle.  Zwischen  den  beiden  Ritornellen  und 
dem  Schlüsse  des  Orchesters  stellt  sich  die  Ausführung  des  Hauptin- 
struments in  zwei  grossen  Massen,  den  Solo's,  zusammen. 

Der  zweite  Satz  des  Konzerts  hat  Andanteform ,  der  dritte  meist 
grössere  Rondo-  oder  Sonatenform,  lieber  sie  ist  nach  dem  schon  Re- 
kannten nichts  weiter  zu  bemerken. 

Von  dieser  Form  finden  mancherlei  Abweichungen  statt,  —  z.  H. 
der  Anfang  des  ersten  Satzes  mit  dem  Prinzipalinstrument  statt  mit 
dem  Orchester,  —  die  in  der  That  mehr  von  der  freien  Laune  des  Ton- 
setzers ausgehn,  als  von  tiefem  Gründen  angeregt  werden.  Eine  be- 
merkenswerthere  ist  die  unter  dem  Namen 

Konzertino 

bekannte  Reschränkung  des  Konzerts  auf  einen  einzigen  Satz  in  Sona- 
tenform, oder  auch  in  grösserer  Rondoform.  Spohr  hat  ein  Violinkon- 
zert in  Form  einer  Gesangscene  geschrieben ;  der  vorzügliche  Violinist 
David  hat  dieselbe  Form  zu  einem  Konzert  für  die  Posaune  angewen- 
det; K.  M.  Weber  und  Mendelssohn  haben  Klavierkonzerte  ge- 
schrieben,, die  zwar  die  gewöhnlichen  drei  Sätze  enthalten,  aber  diesel- 
ben ohne  Zwischentritt  von  Absätzen  in  einem  ununterbrochenen  Zu- 
sammenhange vortragen. 

Nur  der  Vollständigkeit  wegen  erwähnen  wir  noch  das 

Doppelkonzert,  — 


441 

Dussek  unter  andern  hat  eins  für  zwei  Pianoforte  geschrieben,  — 
und  das 

Tripelkonzert, 

z.  B.  das  für  drei  Flügel  von  Seb.  Bach*),  und  das  für  Pianoforte, 
Violine  und  Violoncell  von  Beethoven.  Der  Name  schon  zeigt  an, 
dass  im  Doppelkonzerte  zwei;,  im  Tripelkonzerte  drei  Prinzipalinstru- 
mente (ausser  dem  Orchester)  auftreten,  die  bald  wechselnd,  bald  ver- 
bunden die  Solopartie  ausführen.  Die  Form  ist  die  des  Konzerts. 

Beschränkt  sich  eine  solche  Komposition  auf  einen  einzigen  Satz, 
so  wird  sie  meist 

Konzertante 
genannt;  sie  steht  dann  der  Form  nach  dem  Konzertino  gleich. 


*)  Derselbe  hat  Konzerte  für  mehrere  —  bis  zu  neao  lostrumenteii  gesebrie- 
beo,  eigt^ntlich  mehr  Sympbooieslitze  mit  vorzügiicber  Benutzung  konzertirender 
in  strömen  te. 


442 


Zweite  Abtheilag. 

Gesang  mit  Orchesterbegleitung. 

Die  Lehre  toq  der  Gesangkomposition  ist  im  siebenten  Buche 
(Th.  III.  S.  341)  begründet  und  nächst  der  elementaren  Vorbereitung 
über  die  Formen  des  Rezitativs  und  Arioso,  —  des  Lieds,  mehrstim- 
migen Sologesangs  in  Liedform  und  mit  Liedesinhalt  und  des  Chorlie- 
des, —  'dann  des  Chors ,  und  zwar  der  Piguralformen ,  der  Fuge  und 
Motette  erstreckt  worden.  Die  Begleitung,  welche  wenigstens  für  einen 
Theil  dieser  Formen  nöthig,  für  einen  andern  rathsam  oder  doch  mög- 
lich, ward  dem  Klavier  zugewiesen,  oder,  wenn  auch  ohne  nähere  Be- 
stimmung, als  eine  dem  Orchester  zustehende  gedacht.  Diese  Formen 
dienten ,  abgesehn  von  der  ihnen  eignen  Bedeutung ,  auch  als  Vorstu- 
dien in  der  Auffassung  des  Textes,  Behandlung  der  Stimme ,  kurz  für 
die  Gesangkomposition. 

Jetzt  haben  wir  die  Lehre  der  Gesangkomposition  zu  vollenden, 
diejenigen  Formen  zur  Betrachtung  zu  ziehen,  die  früher  nicht  zu  voll- 
kommner  Erwägung  und  Ausübung  hätten  kommen  können ,  weil  sie 
sich  in  der  Regel  im  Verein  mit  Orchesterbegleitung  darstellen  und  je- 
denfalls dazu  dienen ,  den  Verein  von  Gesang  und  Orchester  zu  zeigen 
und  zur  Anwendung  zu  bringen. 

Es  versteht  sich  von  selbst ,  dass  wir  auch  hier  die  früher  aner- 
kannten Grundsätze  festzuhalten  und  anzuwenden  haben.  Vor  allem 
wiederholen  wir  das  Th.  111.  S.  368  Ausgesprochne: 

die  Form  aller  Gesangkomposition  bestimmt 
und  entwickelt  sich  nach  den  vom  Text  gebo- 
tenen Verhältnissen. 

Dieser  Gedanke  wird  uns  vom  zweiten  Abschnitt  an  durch  alle 
noch  abzuhandelnden  Formen  leiten,  Formen  übrigens,  die  sich  insge- 
sammt  als  schon  bekannte  erweisen. 

Zuerst  aber  richten  wir  unsern  Blick  auf  das  wesentlich  Neue  des 
jetzigen  Lehrabschnitts,  auf  die  Vereinigung  von  Gesang  und  Or- 
chester. 


443     

Erster  Abschnitt. 
Das  Orehester  als  Begleitung  des  Gesanges. 

Wenn  Orchester  und  Gesang  sich  in  einem  einzigen  Satze  verei- 
nen, so  fassen  wir  zunächst  beides,  —  also  die  Instrumente  und 
die  Singstimme,  oder  die  mebrern  Singstimmen  ,  —  als  Organe  des 
künstlerischen  Wirkens  auf.  Der  Verein  dieser  Organe  kann 
nur  dann  von  gutem  und  sicherm  Erfolge  sein ,  wenn  wir  das  Wesen 
beider  Partien  genau  erkannt  und  ihr  gegenseitiges  Verhältuiss  genau 
erwogen  haben. 

A.  Terbiltniss  des  Qrcbestera  zum  Cfesang. 

Vom  Gesang  haben  wir  vor  allem  (Th.  HI.  S.  343)  das  anerken- 
nen müssen,  dass  er  die  dem  Menschen  eigenste  und  treueste,  die  rein 
menschliche  —  die  Menschenmusik  ist.  Denn  nicht  nur  wird  sein 
Inhalt  aus  dem  Geiste  des  Menschen  geboren,  —  das  hat  er  mit  jeder 
künstlerischen  Gestaltung  gemein,  —  sondern  das  Werkzeug  seiner 
Offenbarung  ist  der  Mensch  selber;  Geist  und  Körper,  Gedanke  und 
Organ  ist  Eins  und  ist  unmittelbare  Menschenäusserung.  Daher  kann 
den  Instrumenten  mancher  Vorzug  vor  dem  Gesang  eigen  sein,  das 
eine  kann  umfangreicher,  das  andre  schallstärker,  das  dritte  beweg- 
licher sein  u.  s.  w. ;  stets  wird  aber  der  Gesang  dies  vor  allen  voraus 
haben,  dass  er  unmittelbare  Aeusserung  des  Menschen  ist,  dass  der  Le- 
bensodem in  ihm  weht,  der  Nerv  in  ihm  mitbebt,  und  dass  dies  jeder 
Mensch  sympathisch  mitempfindet.  Hierzu  kommt  nun  noch  das  Ent- 
scheidende, dass  der  Gesang  sich  mit  der  Sprache,  mit  dem  eigensten 
Organ  des  Menschengeistes,  vereint,  dass  also  in  ihm  die  beiden  Grund- 
formen der  Geistesthätigkeit,  Gefühl  und  Bewusstsein,  in  ihren  eigen- 
sten in  Eins  verbundnen  Organen  zusammentreffen. 

Hiermit  ist  gerechtfertigt,  was  auch  stets  die  Ausübung  als  Grund- 
satz anerkannt  und  die  Erfahrung  bewährt  hat : 

in    der  Verbindung  von  Gesang  und  Instru- 
ment oder  Orchester  ist  der  erstere  das  Herr- 
schende und  Bestimmende,    das  letztere  das 
sich  Unterordnende  und  Folgende; 
dies  durfte  schon  unsre  Uebersicht  voraussetzen. 

Wollen  wir  nun  näher  wissen ,  wie  sich  das  Orchester  in  dieser 
Stellung  zu  verbalten  habe ,  so  muss  sein  Vermögen  nach  allen  Seiten 
erwogen  werden. 

Zunächst  denken  wir  der  beiden  Hauptmassen,  der  Bläser  und 
Saiteninstrumente. 


444     

Die  Blasinstrumente  stehen  der  meuscblicben  Stimme  unstrei- 
tig näher,  sind  ihr  verwandter  als  die  Streichinstrumente.  Aach  sie 
werden  vom  Athem  des  Menschen  beseelt  (und  erfahren  die  Einwir- 
kung der  Mundtbeile)  und  hängen  von  der  Atbemkrafl  ab,  —  so  dass 
der  Bläser  halb  und  halb  Sänger  sein  muss.  Nur  trifft  der  lebendige 
Athem  nicht  ein  mitlebendes  Organ  wie  im  Gesänge,  sondern  ein  todtes 
Werkzeug.  Schon  von  hier  aus  erbellt  die  Abweichung  und  Unterge- 
ordnelheit  des  Blasinstruments.  —  Die  Streichinstrumente  erfah- 
ren vom  Spieler  nur  mechanische  Behandlung,  nicht  Einwirkung  eines 
dem  Ton-  und  Gefühlsleben  unmittelbar  zugeeigneten  Organs ;  hiermit 
ist  ihre  entferntere  Stellung  vom  Gesang  bezeichnet ,  mit  dem  sie  übri- 
gens die  Fähigkeit,  den  Ton  auszuhalten,  an-  und  abschwellen  zu  las- 
sen, bis  auf  einen  gewissen  Grad  gemeinsam  haben.  Die  nicht  mit  dem 
Bogen  behandelten  Saiteninstrumente,  —  also  das  Pizzikato  des 
Quartetts,  die  harfenartigen  Instrumente,  das  Piano,  —  entbeh- 
ren auch  diese  Eigenschaft ,  stehn  also  dem  Gesang  am  fernsten. 

Diese  Betrachtung  führt  auf  einen  Hauptgrundsatz  bei  der  Anord- 
nung des  Orchesters  zur  Gesangbegleitung : 

die  günstigste  Unterstützung  für  den  Gesang 
gewähren  die  Saiteninstrumente,  und  die  un- 
günstigste die  Blasinstrumente; 

denn  jene  heben  ihn  durch  den  entschiedensten  Gegensatz  und  entbeh- 
ren entscheidende  Eigenschaften,  die  die  Bläser  mit  der  Singstimme  ge- 
meinsam haben. 

Daher  finden  wir  .auch  im  Verhäitniss  zu  den  Singstimmen  das 
Streichquartett  als  Hauptchor  des  Orchesters  bethätigt;  besonders  ist 
es  neben  seiner  grössern  Unähnlichkeit  mit  der  Singstimme  seine 
Schmiegsamkeit  und  Feinheit,  seine  Fähigkeit,  auf  die  verschiedensten 
Karaktere  einzugehn  und  sich  unterzuordnen  (S.  247),  die  ihm  auch 
hier  den  Vorzug  gewähren.  Nur  äusserst  selten  wird  man  veranlasst 
sein ,  den  Gesang  durch  Harmoniemusik  (ohne  Quartett)  begleiten  zn 
lassen*),  während  in  sehr  vielen  Tonslücken  und  in  grossen  Partien 
fast  aller  Tonstücke  das  Quartett  allein  die  Begleitung  des  Gesangs 
übernimmt  und  fast  überall  die  Hauptmasse  der  Begleitung  darstellt. 

Besonders  da,  wo  der  Gesang  oder  gar  das  Wort  im  Gesänge  mit 
vorzüglicher  Wichtigkeit  vortreten,  das  Orchester  nur  den  Gesang  lei- 
ten, harmonisch  unterstützen,  als  Tonmasse  tragen  soll,  ist  das  Quar- 
tett die  Hauptmasse  oder  auch  der  einzige  wirkende  Theil  des  Orche- 
sters.    Dies   bewährt  sich  an  der  Form  des  Rezitativs,   derjenigen 


*)  Von  den  Fallen,  wo  aasserlicbe  RUcksichteD  —  z.  B.  das  Nichtvorhanden- 
sein des  Quartetts  —  den  Komponisten  bestimmen,  kann  natürlich  nicht  die  Rede 
sein. 


445     

Gesaogform,  in  welcher  bekanntiicb  (Th.  III.  S.  386)  die  Rede  erst  in 
die  musikalische  Sphäre  übertritt,  aber  noch  nicht  feste  (satzhafle) 
Gestaltung  annimmt.  Fast  alle  Rezitative  sind  nur  vom  Quartett  be- 
gleitet, das  entweder  mit  blossen  vereinzelt  zum  Gesang  oder  in  dessen 
Pausen  tretenden  Akkorden  (man  sehe  Tb.  III.  Nr.  402,  409j  die  Har- 
monie zur  Unterstützung  der  Singstimme  angiebt*)  ,  oder  die  Akkorde 
in  liegenbleibenden  Tönen  (Th.  III.  Nr.  405)  als  ruhige  Begleitungs- 
masse der  Singstimme  unterbreitet,  oder  dieselben  (Th.  IIl.  Nr.  412) 
figurirt,  oder  Zwischensätze  bildet  (Th.  III.  Nr.  413),  oder  in  diesen 
Formen  (Th.  III.  Nr.  411)  wechselt.  Nur  in  bedeutendem,  vorzüglich 
leidenschafllichen  Momenten  des  Rezitativs ,  oder  zur  Versinnlichung 
besondrer  Vorstellungen  —  in  der  That  also  nur  ausnahmsweise  — 
treten  die  Bläser  zum  Rezitativ;  so  im  Rezitativ  der  grossen  Scene 
Leonorens  in  Beethoven's  Fidelio,  wo  die  Worte  — 

Doch  toben  auch  wie  Meereswogea 
Dir  io  dej^eele  Zorn  und  Wntb 

zum  Tremolo  der  Violinen  und  Bratschen  und  einer  sich  abwärts  win- 
denden Figur  der  Kontrabässe ,  die  zuletzt  auch  in  Tremolo  übergeht, 
rezitirt  werden,  bei  den  Worten  aber  — 

So  leaclile  mir  ein  Farbeobogeo, 
Der  hell  auf  dookelo  Wolken  rnbt 

Flöte ,  Oboen ,  Klarinette  und  Fagott  mit  ausgehaltnen  Harmonien  (in 
höherer  Lage)  an  die  Stelle  des  Quartetts  (in  tieferer  Lage)  treten,  bis 
bei  den  Worten  — 

Der  blickt  so  still,  so  friedlich  nieder. 

Der  spiegelt  alte  Zeiten  wieder 

das  Quartett  wieder  in  tiefer  Lage  die  Akkorde  süll  auszieht  und  die 
Bläser  dieselben  in  leisen  Achtelschlägen  höher  emporklingen  lassen. 

Soll  nun  das  Orchester  der  Singstimme  gegenüber  durch  Bläser 
verstärkt  werden,  so  kommen  hier  alle  die  Grundsätze  und  Bemerkun- 
gen in  Anwendung,  die  sich  uns  bei  der  Harmonie-  und  Orchestermnsik 
bereits  ergeben  haben.  Es  bedarf  also  nur  noch  der  Erwägung,  welche 
Rücksichten  der  Gesang  vom  Orchester  fodert.  Das  Wesentliche  s^int 
sich  in  folgenden  Punkten  zusammenfassen  zu  lassen,  bei  denen  stets 
unser  erster  Grundsatz  (S.  443)  festgehalten,  der  Gesang  als  die  herr- 
schende, das  Instrumentale  als  die  dienende,  oder  nur  bei-  und  unter- 
geordnete Partie  aufgefasst  wird. 


*)  FrBher  —  bis  auf  H  a  y  d  n  and  Mozart  nnd  noch  weiter ,  z.  B.  bei  vielen 
Rezitativen  R  o  s  si  n  i's  —  wurde  nicht  einmal  das  ganze  Quartett,  son(!ern  im  soge- 
nannten iteet/j/tvo  «ecro  (Th.  III.  S.  390)  nur  der  Bass  zur  Angabe  der  Unterstimme 
der  Harmonie  verwendet  und  die  übrigen  Akkordtöne  worden  generalbassmässig 
auf  dem  Riavier  oder  vom  Violoneell,  — in  der  Kirche  nothgedrungen  anf  der 
Orgel  angegeben;  das  volle  Quartett  trat  erst  bei  Aem  Recitativo  aecompagnato 
(bei  obligat  werdender  Begleitung)  in  Thätigkeit. 


446     

1.  Schallmasse. 

Vor  allem  also  darf,  wie  sich  von  selbst  versteht,  die  Besetzung 
des  Orchesters  nicht  der  Gesangpartie  überlegen  sein;  sie  kann  und 
soll  nach  Umständen  einen  kräftigen  Gegensatz  bilden,  sie  mag  anstür- 
men gegen  die  Singstimme,  aber  sie  darf  sie  nicht  überwältigen,  wenn 
nicht  das  Gleichgewicht  der  zusammenwirkenden  Organe  aufgehoben 
und  obenein  das  Wichtigere  dem  Untergeordneten  aufgeopfert  wer- 
den soll. 

Bei  der  Abwägung  der  Orchesterkraft  giebl  natürlich  die  in  Thä- 
tigkeit  zu  setzende  Schallmasse  des  Gesangs  den  Maassstab.  Es  ver- 
steht sich  von  selbst,  dass  ein  Chorgesang  volleres  Instrumentale,  die 
Anwendung  der  grössten  Orchesterbesetzung  gestattet,  während  der 
Gesang  einzelner  Stimmen  mehr  Schonung  bei  der  Bildung  des  Orche- 
sters fodert;  dass  ferner  viel  darauf  ankommt ,  in  welcher  Weise  der 
Gesang  sich  bethätigt,  —  ob  in  heftiger  und  starkschallender,  oder 
sanfterer,  —  ob,  bei  mehrstimmigem  Solo€bder  Chorgesang,  die  Sing- 
stimmen mit  einander  gehn  und  sich  unterstützen,  oder  getrennt  wir- 
ken, entweder  einander  ablösend,  oder  mit  einander  im  Gegensatze. 
Ebenso  klar  ist,  dass  die  Schallkraft  des  Orchesters  nicht  blos  von  der 
Anzahl  der  Organe  abhängt,  dass  vielmehr 

2.  die  Wahl  der  Instrumente 
von  höchster  Wichtigkeit  ist.  Eine  gehäufte  Masse  von  Bläsern  muss 
(S.  444)  für  die  Wirkung  des  Gesangs  beeinträchtigender  sein,  als  die 
gleiche  oder  selbst  noch  grössere  Masse  von  Saiteninstrumenten.  Unter 
den  Bläsern  sind  wiederum  die  schallstarken  und  scharfklingenden,  — 
Pikkolflöten,  Oboen,  Trompeten,  Posaunen,  drückender  für  dieStimme, 
als  die  sanftem,  —  Flöten,  Klarinetten,  Fagotte,  Waldhörner.  Erin- 
nern wir  uns  hierbei  der  Verschiedenheit  in  Schallkraft  und  Klang- 
weise ,  die  die  verschiednen  Tonlagen  desselben  Instruments  bisweilen 
haben,  z.  B.  der  lastenden  und  kantig  sich  eindrückenden  Tiefe  und 
der  Zartheit  und  Höhe,  die  wir  bei  der  Oboe  wahrzunehmen  gehabt. 

3.  Behandlungsweise. 

Endlich  kommt  bei  jeder  Beisetzung  und  Instrumentenwahl  Alles 
auf  die  Behandlungsweise  des  Orchesters  an. 

Legt  sich  das  Orchester  tiefer  als  die  Singstimme,  so  hat  diese 
den  Vortheil  'der  hohen  Tonlage ,  sie  macht  sich  nach  dem  Maass  ihrer 
Kraft  und  nach  deren  Verhältniss  zur  Schallkraft  des  Orchesters  stärker 
geltend.  Uebersteigt  ds^s  Orchester  die  Tonlage  der  Singstimme  mit 
starken  und  scharfen  Instrumenten,  so  wird  um  so  eher  Verdun- 
kelung der  Singstimme  zu  besorgen  sein.  Dies  gilt  namentlich  von  den 
gefährlichen  Bläsern.  Eine  feine  Violinstimme  mag  sich  über  die  Sing- 
stimme hinziehen,  die  leichte  Flöte  kann  sie  in  der  höhern  Oktave  be- 


447     

gleiten  oder  eioe  eigne  höhere  Siimme  bilden;  die  Oboe  —  ungeachtet 
ihre  Höhe  feiner  anklingt,  ist  schon  bedenklicher;  die  gellende  Höhe 
der  Klarinette  oder  gar  der  Trompete  M^tirde  die  Singstimme  über- 
schreien. 

Bilden  die  Instrumente  —  namentlich  die  Bläser  —  blos  Masse, 
so  üben  sie  weit  weniger  Macht  gegen  die  Singstimme  ans,  als  wenn 
sie  obligat  geführt  werden,  —  selbst  wenn  die  hohem  Stimmen  der 
Masse  die  Tonhöhe  des  Gesangs  überragen.  Dies  hat  darin  seinen 
Grand',  dass  die  ausgebildete  Stimme,  die  Melodie,  sich  mehr  geltend 
macht,  den  Antheil  des  Hörers  an  sich  zieht,  aber  auch  den  des  Spie- 
lers, der  daher  leicht  bewögen  wird ,  seine  Partie  mit  allem  zu  Gebot 
stehendem  Vermögen  zu  voller  Geltung  zu  bringen  —  und  dabei  die 
Rücksiebt  auf  die  Hauptpartie  eher  aus  den  Augen  zu  verlieren.  In  der 
Regel  wird  man  daher  nur  eine  oder  nur  wenige  Orchesterstimmen 
(und  besonders  nur  ein  oder  nur  wenige  Blasinstrumente)  individuali- 
siren,  —  wird  zunächst  nur  die  weichern  dazu  wählen,  —  wird,  wenn 
mehrere  nölhig  sind ,  sie  lieber  wechseln  oder  mit  einander  gehn  las- 
sen, als  unter  einander  und  dann  wieder  mit  der  Singstimme  in  Gegen- 
salz bringen. 

Bedarf  man  stärkerer  Besetzung,  so  wird  es  um  so  rathsamer,  sie 
nicht  fortwährend  auf  dem  Gesänge  lasten  zu  lassen ,  sondern  sie  auf 
die  wichtigsten  Momente  zu  beschränken,  sie  so  viel  wie  möglich  nur 
da  eingreifen  zu  lassen,  wo  die  Singstimme  Absätze  hat  oder  wo  sie  in 
ihrer  höchsten  Kraft  wirkt.  Dasselbe  gilt  von  den  Fällen,  wo  man 
scharf  eingreifender  Organe  (z.  B.  der  Oboe,  der  Trompete)  oder  einer 
Verwebung  unter  den  Orebesterstimmen  bedarf. 

Soll  die  Singstimme  besonders  klar  hervortreten  und  sich  durch- 
aus als  herrschende  geltend  machen ,  so  muss  das  Orchester  nur  oder 
meist  in  unterbrochnen  Schlägen  dazwischentreten.  Als  ein.  Beispiel 
diene  der  Tb.  Hl.  Nr.  411  mitgetheilte  Rezitativsatz,  den  man  als  sol- 
chen oder  als  Theil  einer  Arie  sich  vorstellen  mag ;  offenbar  tritt  hier, 
selbst  wenn  das  Quartett  durch  Bläser  verstärkt  würde,  die  Singstimme 
freier  hervor,  als  etwa  in  Nr.  405  desselben  Bandes.  Und  hier  wieder 
würde  die  Singstimme  freier  wirken,  wenn  sich  nicht  das  Orchester 
zum  Theil  über  sie  bin  weglegte;  dass  Gluck  zu  dieser  Behandlung 
des  Orchesters  Grund  gehabt,  ist  dort  (S.  400)  gezeigt  worden. 

B.  FodeniDgen  der  Gesugpartio  u  das  Orchester. 

Im  Obigen  wurde  das  Verhällniss  von  Orchester-  und  Gesangpar- 
tie von  der  Seite  des  erstem  angesehn ;  es  war  die  Frage,  wie  das  Or- 
chester überhaupt  beschaffen  sein ,  wie  es  zusammengestellt  und  ge- 
führt werden  müsse,  um  dem  Gesang  dienen  zu  können  und  nicht  etwa 
statt  dessen  nachtheilig  zu  werden.   Fassen  wir  nun  das  Verhältniss 


448     

aus  dem  ent^gengesetzten  Standpunkte.  Es  fragt  sich,  welche  Dienste 
der  Gesang  von  dem  Orchester  —  dessen  zweckmässige  Bildung  und 
Führung  im  Allgemeinen  vorausgesetzt  —  fodert? 

1.  Verstärkung  des  Gesanges. 

Zunächst  kann  der  Gesang  das  Orchester  zur  Verstärkung 
nöthig  haben.  Dies  ist  die  untergeordnetste  Stellung  des  Orchesters ;  sie 
setzt  voraus,  dass  aller  wesentliche  Inhalt  der  Komposition  schon  im 
Gesang  enthalten  und  nur  materielle  Steigerung,  daneben  alfenfalls 
Leitung  und  Sicherung  des  Gesangs  in  Hinsicht  der  Intonation  u.  s.  w. 
durch  sicherer  treffende  Organe  gefedert  werde.  Diese  Verwen- 
dung des  Orchesters  kann  in  der  Regel  nur  in  mehrstimmigen  Ge- 
sangsätzen stattfinden ,  in  denen  der  Gesang  selber  auch  die  Harmonie 
enthält:  befriedigen  kann  sie  aber  nur  dann,  wenn  (wie  vorausgesetzt) 
die  Gesangpartie  nicht  blos  die  Harmonie,  sondern  wirklich  den  ganzen 
wesentlichen  Inhalt  des  Satzes  in  sich  trägt.  Dies  ist  in  der  Regel  bei 
polyphonen  Sätzen  der  Fall;  in  Fugen,  Figuralsätzen  u.  s.  w.  bleibt, 
wenn  die  Singstimmen  sich  zu  voller  Lebendigkeit  entfaltet  haben,  dem 
Orchester  in  den  meisten  Fällen  nichts  zu  thun ,  als  jenen  sich  anzn- 
schliessen. 

Bei  dieser  Verwendung  des  Orchesters  geht  in  der  Regel  die  erste 
Violin,  Flöte,  Oboe,  Klarinette  mit  dem  Sopran,  —  die  zweite  Vio- 
lin, Flöte,  Oboe,  Klarinette  mit  dem  Alt,  —  Bratsche  und  erstes 
Pagott  (auch  das  Violoncell ,  wenn  es  nicht  für  den  Bass  in  Anspruch 
genommen  ist)  mit  dem  Tenor,  —  Violoncell,  Kontrabass,  zweites  Fa- 
gott und  Kontrafagott  mit  dem  Bass;  die  drei  Posaunen  schliessen  sich, 
wenn  der  Inhalt  des  Satzes  es  erlaubt,  entweder  durchweg  oder  gegen 
das  Ende  des  Satzes,  oder  in  allen  starken  Stellen  den  drei  Unterstim- 
men des  Chors  an.  Allein  aus  vielerlei  Gründen  sieht  man  sich  bewo- 
gen, von  dieser  Anordnung  abzuweichen.  Bisweilen  vereinigt  man,  be- 
sonders wenn  der  Chor  nicht  mit  allen  Stimmen  beisammen  ist,  meh- 
rere Orchesterstimmen  (z.  B.  beide  Geigen)  zu  einer  einzigen,  um 
nicht  mit  geschwächtem  Orchester  einzutreten  oder  fortzuschreiten. 
Bisweilen  hebt  man  den  Alt,  noch  öfter  den  Tenor  (der  in  der  That, 
besonders  wenn  nicht  Posaunen  mitgehn,  am  wenigsten  unterstützt  ist) 
dadurch  hervor,  dass  man  eine  der  Violinen  in  höherer  Oktave  mit  ihm 
gehen  lässt,  unbekümmert  um  die  dadurch  entstehenden  Oktaven.  Auf 
diese  Art  können  sich  gewissermassen  zwei  Oberstimmen  geltend 
machen :  die  Diskantstimme  des  Chors ,  unterstützt  von  einer  der  Vio- 
linen ,  Oboe ,  Klarinette  und  Flöte  (diese  im  Einklang  oder  in  höherer 
Oktave),  und  die  Tenor-  oder  Altstimme,  hervorgehoben  durch  die 
andre  Violine  in  höherer  Oktave. 

Bei  dieser  Verwendung  des  Orchesters  zur  Verstärkung  oder 
Unterstützung  der  Singstimmen  gelten  die  uns  schon  geläufigen  Grund- 


449     

salze :  den  einseinen  Instnunenten  muss  die  einem  jeden  gebührende 
Behandlung  werden  und  das  ganze  Orchester  muss  zu  der  vollen  Wir* 
kung  kommen ,  die  der  Inhalt  des  Satzes  in  jedem  Moment  ihm  zuwci« 
set  und  gestattet.  Die  Streichinstrumente  werden  also  aushaltende  Töne 
oder  einfachere  Tonfolgen  öfters  figuriren  müssen  und  sich  gegen  die 
Singstimmen  in  einem  ähnlichen  Verhältnisse  befinden,  wie  gegen  die 
Bläser.  Diese  werden  umgekehrt  manchen  in  den  Singslimmen  viel* 
leicht  blos  des  Textes  wegen  zergliederten  Ton  zusammenziehn  und 
damit  ihr  vornehmliches  Vermögen  des  Aushaltens  geltend  machen. 
Das  Orchester  im  Ganzen  und  besonders  das  Streichquartett  wird  gern 
zusammenhalten ,  um  die  ihm  vor  allen  Organen  eigne  und  wichtige 
Massenwirkung  so  viel,  wie  der  jedesmalige  Inhalt  des  Satzes  gestat- 
tet, zu  behaupten.  Zu  diesem  Zwecke  wird  es  oft  nöthtg,  Stimmen  des 
Orchesters  weiter  zu  fuhren,  wenn  die  Singstimmen ,  denen  sie  zu- 
nächst blos  beitreten  sollten,  pausiren. 

Alle  diese  Wendungen  und  Bethätigungen  des  Orchesters  werden 
nach  den  vorausgeschickten  Lehren  mit  Sicherheit  getroffen,  wenn  der 
Komponist 

den  Inhalt  der  Gesangpartie  als  Aufgabe,   gleichsam  als 

Grundgedanken  erfasst ; 
und  sich  nun  fragt : 

wie  dieser  Inhalt  vom  Orchester  nach  dessen  eigenthüm- 

lieber  Weise  darzustellen  sei?  — 
natürlich  stets  im  Sinne  der  Komposition  und  jedes  Moments. 

Der  Schlusschor  der  Schöpfung  von  Haydn  soll  für  diese  allgemei- 
ner gehaltnen  Andeutungen  die  nächstnöthige  Anschauung  geben.  Wir 
greifen  zu  ihm,  nicht  weil  jene  Andeutungen  nur  hier  oder  am  vollkom- 
mensten hier  zu  finden  wären,  sondern  weil  für  Gestaltungen,  in  denen 
die  verschiednen  Komponisten  wenigstens  im  Wesentlichen  zusammen- 
treffen müssen,  jedes  Beispiel  befriedigt  und  das  populärste  und  durch- 
sichtigste den  Vorzug  verdient. 

Haydn  intonirt  seinen  Schlusschor*)  homophon  — 


494 


Andante. 


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— H »r 1 h c h tz — —- -IS—  — »- z : 


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^fe^fä 


*)  S.  28a  der  6reltkopf-Härter«chea  Partitur. 
Marx,  Komp-L.  IV.  S.  Aafl. 


29 


450 


ne    Wer  -  ke. 


Aj^  ^  jn 


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und  begleitet  ihn  auch  so ,  den  ersten  Abschnitt  mit  volieni  Orchester, 
den  zweiten  blos  mit  dem  Quartett.  Allein  schon  hier  gestaltet  sich  das 
Orchester  nach  seiner  Weise.  Das  Quartett  — 


^^s&L^iiAM^Ä 


^^^^^m^^^^ 


stellt  im  ersten  Takt  die  Hauptschläge  des  Rhythmus  und  seine  beweg- 
li($her6  Natur  heraus,  ohne  sich  genau  an  die  Chorstimmen  zu  binden. 
Im  dritten  Takte  schliesst  es  sich  ihnen  pünktlicher  an;  der  Tenor  aber 
wird  durch  die  zweite  Geige  in  der  höhern  Oktave  dargestellt,  und  so 
liegen  die  Quartett- ,  besonders  die  beiden  Geigenstimmen  vortheilhaft 
(S.  298)  eng  beisammen.  Die  Pausen  lassen  das  Quartett  feiner,  rhyth- 
misch betonender ,  den  Ausdruck  des  Gesangs  bekräftigend  auftreten ; 
man  muss  anerkennen,  dass  der  Salz  für  das  Quartett  ebenso  yortheil- 
halt  gebildet  ist,  als  für  die  Singstimmen. 

Die  Blasinstrumente  verstärken  blos  den  ersten  Abschnitt  in  die- 
ser Weise,  — 


496 

Flöten. 

Oboen. 

Klarinetten. 

Alt-  and 
Teaorposaune. 


Fagotte. 
Kontrafagott. 


ifcae    S-fii—rA 


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wobei  die  Bassposaune  mit  dem  Kontrafagott  geht,  Trompeten  und  Pau- 
ken halbe  Schläge  geben;  die  Klarinetten,  Wer  in  C  notirt,  stehn  iniB. 


451 


Haydn  lässt  den  zweiten  Abschnitt  ebne  Bläser,  um  diese  bei  der 
Wiederholung  des  Satzes  and  der  Einleitung  dazu  wieder  iriseh  ein- 
setzen za  lassen.  Hätte  er  sie  fortführen  wollen  (was  hier  unangemes- 
sen erscheinen  müsstß) ,  so  würde  er  im  nächsten  Takt  entweder  die 
Chorstimmen  vollständig  begleitet,  oder  zur  Verstärkung  des  Ausdrucks 
in  der  Mitte  des  Takts  eingesetzt  und  den  Pläserehor  so,  — 


497 


I 


h. 


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i 


J_jU- 


*r=*i 


wie  bei  a.  mit  Anschluss  an  die  Chormelodie  ^  oder  mit  einer  abwei- 
chenden Oberstimme  wie  bei  b. ,  geordnet  haben.  In  beiden  Fällen 
konnten  und  mussten  die  drei  ersten  Achtel  des  letzten  Takts  in  eine 
Note  zusammengezogen  werden;  so  schallen  die  Bläser  besser  heraus, 
während  die  Singstimmen  durch  den  Text  zur  Zergliederung  genö- 
tbigt  sind. 

Der  Hauftsatz  nun  mit  dem  Texte  i 

Des  Herren  ftnlim,  er  bleibt  io  Ewigkeit    Amen. 

setzt  im  Chor  so  — 


498     AUcgro. 


^^^^^^^M 


(Ali) 


De«  Herren  Rulun,  er  bleibt  in  E   -  -vvigkeit,^^     *^ 

(TcÄOr^ 


452 


ein;  an  ihm  ist  hauptsächlich  die  Begleitung   des  Orchesters  zn  be- 
obachten. 

Zu  Anfang  nämlich  geht  die  zweite  Violin  mit  dem  Alt,  die  Brat- 
sche mit  dem  Tenor,  die  erste  Geige  mit  denx  Diskant.  Allein  schon 
im  dritten  Takte  würde  der  Satz  für  Quartett  zu  dünn  und  auseinau- 
dergezogen  sein;  das  Violoncell  tritt  zur  Bratsche  und  das  Quartett 
bildet  den  dritten  und  vierten  Takt  so  — 


499 
VioUno  I.  II.  I 


Viola. 
Violoncello. 


aus,  dass  das  Violoncell  neben  der  Unterstützung  des  Tenors  einen 
gehenden  Bass  zum  Ganzen  bildet,  die  Bratsche  ausfüllt,  wo  es  DOtbig 
schien.  Die  Blasinstrumeute  hat  Haydn  weislich  zurückgehalten; 
theils  sollte  der  neue  Satz  erst  von  den  Singstimmen  deutlich  ausge- 
sprochen werden,  theils  blieb  ihm  in  dem  spätem  Zutritt  der  Bläser  ein 
Mittel  der  Steigerung. 

Nun ,  Takt  5 ,  tritt  der  Cborbass  ein,  unterstützt  von  Violoncell, 
Kontrabass,  Bassposaune  und  Kontrafagott ,  die  vier  ersten  Noten  ver- 
stärkt durch  Alt-  und  Tenorposaune.  Dieses  Motiv  (f-f-f-b)  schlägt 
von  Takt  6  zu  7  (Posaunen,  hohe  erste  Oboe,  —  die  zweite  kommt  mit 
&'i^-^-y^nach),  von  Takt  7  zu  8  (Posaunen  und  Klarinetten,  letztere 
auf  d  schlagend  und  dem  Diskant  anschliessend),  tritt  im  neunten,  und 
vom  zehnten  zum  elften  Takt  in  den  Posaunen,  Trompeten  und  Pauken 
auf.  Im  fünften  Takt  ergreifen  es  die  Flöten  und  bilden  daraus  eine 
Melodie,  — 


die  an  das  Thema  der  Fuge  erinnert  und  eine  zweite  höhere  Ober- 
stimme zu  der  des  Chors  und  Quartetts  bildet.    Die  einzelnen  Abwei- 


__„     453     

chiingen  und  Ausfiiiluogen  im  Quartett  übergebn  wir;  man  hat  sie  sich 
nach  der  in  Nr.  499  angedeuteten  Weise  zu  denken.  Im  Ganzen  dient 
in  der  That  das  Orchester  nur  zur  Verstärkung  der  Cborstimmen ;  aber 
es  richtet  das  Gewebe  derselben  orchestral  ein  und  wird  gelegentlich 
eine  neue  Stimme  —  oder  einen  Stimmensatz  hinein,  die  im  Chor  kei- 
nen Raum  fanden.  Der  Tenor,  Takt  7,  wird  von  der  zweiten,  der  Alt, 
Takt  9,  von  der  ersten  Geige  in  der  höhern  Oktave  verdoppelt. 

2.  Begleitung  des  Gesangs. 

Selbständiger  wirkt  das  Orchester  schon  dann  mit,  wenn  man  sich 
seiner  nicht  zur  blossen  Verstärkung  der  Stimmen ,  sondern  zu  deren 
freier  gestalteter  Begleitung,  namentlich  zur  Darstellung  oder  Vervoll- 
ständigung der  in  der  Gesangpartie  nicht  vollständig  enthaltenen  Har- 
monie bedient;  —  gleichviel,  ob  einzelne  Stimmen  desselben  zur 
blossen  Verdoppelung  des  Gesangs  dienen,  z.  B.  die  erste  Geige  oder 
Bläser  mit  der  Gesangmelodie  im  Einklang  oder  Oktaven  gehn.  Diese 
Verwendung  des  Orchesters  findet  besonders  bei  einstimmigen  oder 
wenigstimmigen  Gesangsätzen,  oft  aber  auch  bei  vollstimmig  besetzten 
statt,  wenn  die  Singstimmen  zu  einer  oder  wenig  Partien  zusammen* 
treten ,  oder  in  solcher  Weise  figuriren ,  dass  die  in  ihnen  enthaltene 
Harmonie  nicht  hinlänglich  verschmolzen  für  den  Sinn  der  Komposition 
heraustritt. 

Es  versteht  sich ,  dass  auch  bei  dieser  Aufgabe  das  Orchester  im 
Ganzen  wie  in  seinen  einzelnen  Chören  und  Theilen  seiner  uns 
schon  anschaulich  gewordnen  Weise  gemäss  zu  behandeln  ist;  vor 
allem  muss  es  also  so  weit  zu  seiner  Fülle  und  Macht  kommen,  als  der 
Sinn  des  Satzes  gestattet,  die  Bläser  müssen  ebenso  weit  ihrer  Nei- 
gung des  Verschmelzens  zu  einer  Masse ,  die  Streichinstrumente  dem 
Bedürfniss  beweglicher  Darstellung  Folge  geben.  Alles  Nähere  be- 
stimmt sich  nach  dem  Sinn  des  Satzes  und  nach  der  Rücksicht,  die 
auf  den  Gesang  als  Hauptpartie  zu  nehmen  ist. 

Zunächst  die  Stärke  und  Auswahl  der  Besetzung.  Die  gewonnene 
Einsicht  in  Karakter  und  Vermögen  der  Instrumente  wird  für  jede  Auf- 
gabe und  jeden  Moment  das  Rechte  geben ,  sobald  nur  der  Komponist 
sich  ganz  getreu  seiner  Aufgabe  widmet,  sich  in  den  Sinn  derselben 
vertieft  und  nichts  anders  will,  als  ihn  auch  in  der  Orchesterpartie  zur 
Geltung  bringen,  ohne  alle  Nebenrücksicht  und  äusserliche  Maass- 
nahme.  Wir  möchten  hier  im  Allgemeinen  (denn  nur  das  kann  auf 
dieser  Lehrstufe  noch  zur  Sprache  kommen)  vor  zweierlei  Abwegen 
warnen.  Der  eine  ist  j^ne  üeberladung,  die  besonders  durch  die 
französischen  Opern  (oder  die  für  die  französische  Bühne  und  in  deren 
Sinn  geschriebneu  deutschen)  in  neuester  Zeit  den  Gesang  zu  erdrücken 
droht,  oder  zu  gewaltsamen  Anstrengungen  uqd  dem  Verweilen  in  den 


454 


befligen  hohen  Stimmldgeii  nölhigt ,  dadurob  aber  n]<}ht  Mos  die  Stim- 
meD  fräbzeilig  zu  Grande  richtet ,  sondern  auch  den  Ausdruck  über- 
treibt, verfälscht,  und  dem  Komponisten  dnes  der  bedeutsamsten  Mittel 
der  Steigerung  entzieht.  Wenn  Meyerbeer  in  der  ersten  Scene  sei- 
ner Hugenotten  das  Gelag  übermiithiger  Edelleute  darzostellen  hatte, 
80  mochte  er  es  sieh  auf  den  Gipfel  der  Ausgelassenheit  gebracht  vor- 
stellen, durfte  aber  nicht  aus  dem  Auge  verlieren,  dass  der  Adel  Prank- 
reichs auch  in  jenem  Jahrhundert  —  selbst  nach  dem  Zeugniss  seiner 
eignen  Melodie  — 


nicht  eine  wüst  und  wuthend  tobende  Horde  war,  wie  ihn  das  Geschrei 
des  Orchesters  (Streichquartett,  Pikkoiflöted,  Flöten,  Oboen,  Klarinet- 
ten, Fagotte ,  Hörner  und  Trompeten  —  wenn  wir  nicht  irren  4  und 
4  — ,  Posaunen  und  Ophikleide,  Pauken  (?)  und  grosse  Trommel)  dar- 
stellt. Wenn  dies  der  sonst  so  geistreiche  und  feinsinnige  Komponist 
that  und  obenein  Angesichts  einer  Reihe  von  Scenen ,  welche  die  ge- 
waltsamsten Mittel  fodern,  die  hier  so  unnöthig  vorweggenommen  wor- 
den :  so  möchte  man  schwerlich  einen  andern  Beweggrund  als  das 
Streben,  sogleich  einen  schlagenden  Effekt  hervorzubringen,  für  dieses 
Verfahren  auffinden.  —  Der  andere  Abweg  ist  der  einer  zu  grossen 
Beschränkung,  die  ohne  innere  Nothwendigkeit  dem  Orchester  Kraft 
ütid  Vielseitigkeit  entzieht,  bald,  um  eben  durch  die  ungewöhnliche  Be- 
schränkung den  Reiz  der  Neuheil  zu  erlangen,  bald  aus  Mangel  hin- 
länglicher Beachtung.  Das  Erstere  ist  in  neuester  Zeit  der  bei  weitem 
seltenere  Fall,  erscheint  uns  übrigens  nirgends  so  auffallend  als  gesuch- 
tes Effektmittel,  als  wieder  bei  Meyer  beer,  der  aus  der  ücbermassc 
seines  Orchesters  sich  ganze  Sätze  lang  auf  eine  Bratsche  oder  eine 
Bassklarinette  oder  Pikkolflöte  mit  Bass  oder  Pauke  allein  zurückzieht. 
Es  geschieht  das  von  dem  feinen  Kenner  der  Instrumente  nie  anders, 
als  dass  das  gewählte  Organ  eine  karakterisirende,  bisweilen  spezifisch 
treffende  Bedeutsamkeit  für  den  Moment  hat,  dem  es  gewidmet  wird. 
Allein  nicht  blos  die  sinnliche  Fülle,  sondern  anch  jene  Poesie  des 
Orchesters,  die  es  als  einen  Gesang  und  Handlung  geleitenden,  tra- 
genden, mitlebenden  Chor  beseelter  Wesen  auffasst  und  mit  Liebe  fest- 
hält, wird  dabei  dem  espfit  der  mehr  witzig  raffinirten  als  liebevoll 
empfundenen  Karakteristik  geopfert.  Auf  der  andern  Seite  kann  aber 
auch  nicht  geleugnet  werden,  dass  bei  den  deutschen  Meistern,  nament- 
lich bei  dem  grossen  Mozart,  das  Orchester  bisweilen  ans  einfacher 
Versäumniss  nicht  zu  der  Fülle  seines  Wesens ,  wie  der  Moment  sie 
foderte,  gekommen  ist.   Ein  schmerzliches  Beispiel  giebt  die  erste  Arie 


455 


der  Donna  Anna  im  Don  Juan,  in  der  die  Orchesterfiihriing  weit  hinter 
der  Grossartigkeil  und  Tiefe  der  Zeichnung  zurückbleibt*). 

Wie  die  Zusammenstellung  des  Orchesters  muss  auch  dessen  Püh*- 
rung  nach  dem  Sinn  des  Satzes,  nach  dem  Karakter  des  Orchesters  un^ 
jedes  Instruments  und  nach  der  dem  Gesang  gebührenden  Rücksicht  er- 
wogen werden.  Was  diese  letztere  betrilFt  (denn  die  ersten  Punkte  sind 
theiis  aus  der  Orchesterkunde  festzustellen,  theils  lassen  sie  keine  all* 
gemeinen  Bestimmungen  zu,  sondern  wollen  in  jedem  einzelnen  Falle 
nach  dessen  besonderer  Bedeutung  erwogen  werden) ,  so  muss  beson* 
ders  der  Unterschied  einer  fortgehenden  oder  unterbrochnen  Orchester* 
Wirkung  (S.  447)  in  das  Auge  gefasst  werden.  Eine  fortlönende  Massei 
z.  B.  hier  bei  a.,  — 

502      Andante  con  molo. 
Sirtgslünme 


1 


{^^m. 


überdeckt  imd  unterdrückt,  wie  sich  von  selbst  versteht,  die  Sing- 
stimme mehr,  als  unterbroehne  Intonationen,  wie  bei  b. ,  würden  si^ 
auch  von  zahlreiebem  oder  schallstärk ern  Instrumenten  angegeben. 
Ebenso  einleuchtend  ist  aus  bekannten  Gesetzen ,  dass  eine  die  Sing* 
stimme  überragende  Instrumentalmasse  drückender  für  dieselbe  wird, 
als  eine  sich  der  Höhe  nach  unterordnende,  —  dass  ferner  eine  in  meh* 
rern  oder  allen  Stimmen  geführte  Bewegung  ebenfalls  für  den  Gesang 
beeinträchtigender  ist,  als  eine  auf  eine  oder  wenig  Stimmen  be« 
schränkte.  Ein  einziges  Beispiel  genüge  für  alte  diese  leicblfassUcheq 
Grundsätze ;  wir  wählen  dazu  einen  Satz  **)  aus  der  Introduktion  zu 
Mozart's  Don  Juan.  Don  Juan  entgegnet  der  ihn  verfolgenden  Donna 
Anna,  und  die  drei  Stimmen  itpien  zum  ersten  Mal  zusammen.  -^ 

(Siehe  das  Beispiel  503,  foiy.  Seite.) 

In  den  ersten  Takten  schweigen  die  Bläser  und  die  Bewegung  ist 

nur  in  den  Geigen ,  die  uniern  Instrumente  geben  erst  halbe  Schläge, 

steigern  sich  dann  zu  Achtelbewegung  und  fuhren  zum  Porte ,  in  dem 

die  Bläser  nach  ihner  Art  Masse  machen ,  die  Streichinstrumente  Takt 


*)  MSglieii  war'  es,  da«s  i«  obigeo  ood  mas^lieni  abalichea  Falle  die  Ausröh- 
rnmf;  der  laetroBieDlatioii  nicht  HßzarTs  Weii  fewesen,  der  sieh  10  der  HasI 
seioes  kurzen,  viel  beanspmchtett  Lebens  öfters  der  Beihülfe  Anderer,  z.fi.  seines 
Schalers  Sässmaier,  bedient  hat. 

**)  Die  Wiederholnng  des  Takt  4  und  5  ist  in  den  Sinf^stiromen  nicht  ff«'naa, 
kann  aber  nach  jedem  Klavieraaszng  berichtigt  werben. 


456 


50S      AUrgro  molto 


Bratadie 


^^- 


läE 


"> — tk: 


^ 


1 


71öteo,  Oboen,  Fagotte. 


Donna  Anna. 


P*^ 


IHf 


Don  Juan,  Leporello. 


^>^=t^ 


#t- 


:r= 


-#-       -# 


^^-^ 


:t 


i*: 


D.J.  Don-na  -  fol  -   le !  indar- no     gri-di:      chi      son    io     tu       non  sa- 
Hörncr*),  Bass. 


^ 


^^ 


*==p= 


z^E^E^^ 


*: 


Non  spe  -  rar,  se    non    ....  mal,        non     sperar    cK'io     ti 


sa 


r-    ^  N>  i 


^i^^Ms^^sk 


isA 


Donna  io     tu  non   aa  -  prai,  tu 

multo!  O  11  pa     -     dron   In 


*)  Die  Höroer  sind  /^«Höraer. 


457    

Hin  Takt  Bewegoa^  und  Rahe  wecksein  lassen  nnd  suleCzt  Bratschen, 
Bässe  and  Fagotte  eine  bewegte  Gegenstioinie  bilden ,  wie  zuvor  die 
erste  Geige.  Man  kann  mehr  und  weniger  thun,  —  stärker  und 
schwächer  besetzen,  voller  oder  einfacher  figuriren  u.  s.  w. ;  aber  dies 
Alles  sind  nur  verscbiedne  Abstufungen  oder  Gestaltungen  derselben 
Wirkungsweise  und  eben  darnm  kann  eine  einzige  Anwendung  wie 
das  obige  Beispiel,  reiflich  durchdacht,  Aufschluss  über  alle  ähnlichen 
Aufgaben  ertheilen. 

C.  Eigenthümlicher  Inbalt  des  Orchesters. 

Schon  in  den  vorangegangenen  Beispielen  zeigten  sich  in  der  Or* 
chesterpartie  einzelne  Züge  selbständigen  Inhalts ,  die  uns  erinnerten, 
dass  keine  Partie  eines  Kunstwerks,  am  wenigsten  der  lebensvolle  Ver- 
ein des  Orchestefs,  sich  Mos  als  dienendes  Mittel  verhalten  könne,  viel- 
mehr zu  selbständiger  Mitwirkung  strebe,  —  dass  das  Lebensprinzip 
aller  höhern  Tongestaltung,  die  Idee  der  Polyphonie,  sich  auch  bei  der 
Begleitung  des  Gesangs  im  Orchester  geltend  mache. 

Vor  allem  sind  es  die  Einleitungen  (Ritornelle  genannt), 
Zwischensätze  und  Schlüsse,  mit  denen  das  Orchester  vor  oder 
nach  dem  Gesang,  oder  zwischen  zwei  getrennten  Partien  desselben 
auftritt,  in  denen  es  allein,  also  in  durchaus  selbständiger  Weise  wirkl^ 
gleichviel,  ob  der  von  ihm  vorgetragne  Satz  vor-  oder  nachher  auch 
als  Eigenthum  der  Gesangpartie  erscheint.  Hierüber  ist  nichts  Neues 
mitzutheilen ;  das  Orchester  wirkt  selbständig  und  wird  in  der  in  den 
vorhergehenden  Lehrabschnitten  erkannten  Weise  behandelt.  Das 
Nähere  gehört  in  die  Lehre  von  den  besondern  Formen  der  Gesaug- 
komposition. 

Sodann  aber  hat  das  Orchester  auch  in  unmittelbarem  Gegensatze 
zum  Gesang  eigenthümlichen  Inbalt  aufzustellen  oder  den  ihm  vom  Ge* 
sang  zugebrachten  in  selbständiger  Weise  weiter  zu  tragen.  Dies  ge- 
schieht in  den  mannigfachsten  Formen,  denen  überall  die  Voraussetzung 
unterliegt,  dass  die  Gesangpartie  für  sich  allein  entweder  nicht  ausrei* 
cbeud  gewesen  für  die  Fülle  des  Inhalts,  oder  dass  sie  dem  besondern 
Inhalt  eines  Satzes  oder  ihrer  Natur  nach  nicht  dazu  im  Stande  sei. 
Dies  kann  selbst  bei  reicher  Entfaltung  der  Gesangmittel  und  in  allen 
freiem  wie  strengern  Formen  der  Fall  sein. 

Wenn  Seb.  Bach  in  seiner  hohen  Messe*)  das  Credo  in  unum 
Drum  auf  den  alten  Caritas  firmus  durch  alle  fünf  Stimmen  des  Chors 
durchgeführt  hat,  tönt  es  noch  zweimal  aus  dem  Orchester  hervor,  um 
nachher  gleich  wieder  durch  die  vier  höhern  Chorslimmen  zu  gehn  und 
wieder  im  Orchester  in  Engführung  zu  erscheinen;  der  Chorbass  (in 
der  Vergrösserung)  und  —  in  Engführung  gegen  jenen  (aber  in  rechter 


*)  Die  Ausgabe  des  BacbvereiDs  bei  Breitkopf  aod  Härtel. 


458 


Grösse)  —  die  zweite  and  dritte  Stimne  (iaSexteiiyerdoppeliiiig)  ueh- 
men  noch  einmal  das  Thema  and  zuletzt  erscheint  es  wieder  selbständig 
in  der  Oberstimme  des  Orchesters.  Es  sollte  das  Credo  ,,aliiiber- 
al)*^  ertönen,  —  and  um  das  Unbegränzte  aaszadrücken ,  musste  es 
die  Gränzen  der  eigentlich  redenden  Stimmen  (des  Chors)  überschrei- 
ten. Ein  ähnlicher  Gedanke  ward  dem  hohen  Meisler  offenbar ,  als  er 
den  Gesang  ,,Ein'  feste  Burg*'"^)  in  Fugensätze  —  aber  von  flammen- 
der Begeisterung  umgedichtete  —  verwandelt  durchführte  und  am 
Schluss  jeder  Strophe  die  Melodie  in  ursprünglicher  Einfachheit  und 
Macht  von  Oboe  und  Orchesterbass  in  der  Engführung  anschloss,  dass 
er  von  den  Höhen  hernieder  und  aus  der  Tiefe  empor  wiederhalle  als 
ein  immerdar  fortwirkender. 

Hier  war  der  Gesang  fähig ,  aber  nicht  ausreichend  gewesen  filr 
den  dichterischen  Gedanken.  Wenn  wiederum  Hajrdn  in  seiner  Schö- 
pfung den  Jubelchor  ,,Der  Herr  ist  gross'*  bei  den  Worten  ,y[Jnd  ewig 
bleibt  sein  Rahm*'  gleichsam  in  Staunen  versinken  lässt  vor  dem.  Ge- 
danken der  Ewigkeit :  so  bedurfte  das  Gemüth  in  seiner  aufwallenden 
Bewegung  des  Orchesters  — 

504 
Violinen 


Discant,  AU  und  Tenor. 


Bass. 


i 


r^r 


-t=X: 


#3: 


Vc.  n.  Cb, 


und 


-w^ig» 


-     wig 


^iS^gü^^^^^^pl 


rdie  Bläser  unterstützen  den  Chor),  um  den  Moment  nach  seinen  beiden 
Seiten  hin  auszutönen.  Beide  waren  dem  Gesang  erreichbar,  aber  der 
Chor  von  der  einen  Vorstellung  so  ganz  erfüllt ,  dass  er  für  die  andre 
keinen  Raum  finden  konnte. 


Betrachtiing. 

Schon  hier  (und  so  in  frühern  Beispielen)  zeigt  sich  das  Orchester 
und  in  ihm  wieder  das  Quartett  —  besonders  als  Organ  für  das  Be- 


•)  Bei  Breitkopf  mid  Hirtel. 


459     — 

weglichere,  der  Gesang  als  das  Weilende»  Dies  liegt  nicht  blos  in  sei- 
ner maleriellen  Natur,  die  dem  We^en  der  Blasinstrumente  nächst  ver* 
wandt  ist ,  sondern  aaeh  vornehmlich  im  Gehalt  des  Worts  und  der 
Grundbedingung ,  unter  der  es  sich  geltend  macht.  Jedes  Wort,  jeder 
Redesatz  ist  ein  einzelner  für  sich  daseiender  Gedanke,  der  erst  für  sich 
verstanden  und  bedacht  sein  will ,  ehe  man  ihm  das  Weitere  zugesellt» 
während  das  Wesen  der  Musik  auf  Portschallen ,  Fortschreiten ,  flies- 
sendem  Zusammenhange  beruht;  das  einzelne  Motiv  ist  für  sich  alleia 
noch  unentschieden  und  erlangt  erst  in  seiner  Fortbewegung  Wirkungs- 
kraft und  Bedeutung.  Man  könnte  diesen  Gegensatz  zwischen  Wort 
und  Musik  in  seinem  EUniluss  auf  Komposition  kurz  so  bezeichnen : 

das  Wort  steht  und  trennt,   die  Mnsik  fliesst  und 
vereinigt, 

eine  Ansichtsweise ,  die  überallhin  Bestätigung  findet  und  den  Weg  des 
Komponisten  erleuchtet.  Schon  im  Gesänge  vereinzelt  das  Wort 
(Th.  111.  S.449>  die  Musikmomente  und  muss  dasselbe  hinter  dem  rein 
musikalischen  Singen  (Th.  III.  S.  46i)  zurücktreten,  sobald  es  auf 
fliessenden  —  das  heisst  vorherrschend  musikalischeil  Fortgang  an- 
kommt. Demungeachtet  kann  und  darf  der  Einfluss  des  Worts  auch  in 
diesen  Partien  nicht  aufgehoben  werden ;  schon  die  leichtere  Erschö« 
pfung  der  Singslimme  und  das  Bediirfniss  des  Athemholens  erinnert 
daran.  Rein  musikalisch  und  frei  dem  musikalischen  Triebe  hingegeben 
ist  dagegen  das  Orchester  —  oder  überhaupt  die  Begleitung.  In  ihm 
ist  daher  das  Moment  der  Bewegung  und  Vereinigung  das  waltende. 

Schon  die  vorangegangenen  Beispiele  weisen  darauf  hin  $  sie  sind 
aber  insofern  nicht  rein  beweisend ,  weil  in  ihnen  das  Orchester  und 
seine  Führung  dadurch  bedingt  war,  dass  die  Gesangparlie  nicht  ein- 
mal zur  äusserlich  vollständigen  Darstellung  geeignet  oder  frei  war. 
Ein  bezeichnenderer  Fall  aus  Mozart's  Requiem**)  lehnt  sich  an  den 
ihm  äusserlich  ähnlichen  in  Nr.  504.  In  der  Fürbitte ,  die  Seelen  vor 
der  Macht  und  Pein  der  Hölle  zu  bewahren ,  treten  die  Worte  Ne  ab- 
sorbeat  eas  tartarus,  ne  cadant  in  obscurum  erfüllt  von  dem  Ab- 
scheu hervor,  den  das  Bild  der  Qualenstätte  erweckt.  Das  Orchester  — 

(Siehe  das  Beispiel  505,  folg.  Seile.) 
unterstützt  mit  den  Posaunen  die  drei  untern  Singslimmen ,  bildet  mit 
Bassethörnern  und  Fagott  eine  festverschmolzne  Harmoniefolge  und 
ergiesst  seine  Hauptmasse  in  einer  bis  zum  Ende  des  Satzes  fortströ- 
menden mächtigen,  Alles  zusammenfassenden  und  tragenden  Bewegung. 
Ueber  deren  tiefere  Bedeutung  haben  wir  hier  nicht  Anlass ,  Betracb* 
tnngen  anzuknüpfen;  es  genügt  vor  der  Hand,  in  ihr  das  Moment  des 
fliessenden  Zusammenhangs  zu  erkennen. 


*)  S.  69  der  fireitkopf-HarterseheD  Partitur. 


460 


505    Geigen  und  Bcateche. 

k 


Basselhorner  .u.  Fagott  I 


I 

Tenor. 


-f— f 


^^- 


EiJ^L^ 


■r— r— T 


SB? 


^^ 


^ 


=Jt=:fc=ti? 


JrSifczztt 


Ne    ab  -  sor-b( 
Posaunen.       _JL  «^ 


leat  e  - 


tar  -   ta-rus,  ne    ca  -  dant  in    ob- 


^= 


1/ 

scn-rum, 


w—ti — F=i-7 — L    \    y~f — ü — t-f- 


"tr 


ne     ca-dant,  ne      ca-dant  in    ob-scu- 


^^^^^^^^^^ 


Und  nun  stellen  wir  gleich  einen  einfachen  Salz  mit  ähnlicher  Or- 
chesterführung jenem  zusammengesetztem  zur  Seite,  den  Anfang  eines 
Terzetts  aus  Mo  zart's  Titus*).  Die  Unruhe,  die  innere  Zerrissenheil 
lässt  Vitellia  besonders  anfangs  nicht  zu  fest  zusammenhängender  Rede 
kommen;  es  sind  einzelne  Ausrufe,  die  erst  bei  den  Worten  Oh  sdegno 
mio  funesto  !  etwas  fester  zusammentreten ;  erst  mit  dem  Zutritt  der 
beiden  andern  Personen  gewinnt  die  Gesangpartie  Fluss.  Diese  so  ka- 
rakteristische  Darstellung  wäre  geradezu  unausführbar  gewesen,  hätte 
Mozart  ihr  nicht  im  Orchester  Anhalt,  verbindendes  und  bewegendes 

Element  geben  können.  Er  setzt  so  — 

(Siehe  das  Beispiel  506,   folg.  Seite.) 

ein.  Zweite  Geige  und  Bratsche,  unterstützt  von  den  Bläsern  und  den 

treibenden  Anschlägen  des  Basses  (eine  gefälltere  Bassstimme  hätte  auf 

den  Gesang  gedrückt  und  die  Bewegung  gehemmt),  geben  den  Boden, 

die  Figur  der  ersten  Geige  ist  der  eigentliche  Orchestergedanke,  in  dem 


•)  Akt  ],  Nr.  10,  S.  37  der  Breitkopf-HärlerflcbeD  Partitor« 


—     461 


506      Allegro. 
Vno.  I. 


m 


Vno.  II.     Va. 


.ä5Z?£EE-£^f.^^: 


w 


ZIZ^Z 


^^ 


Fl.,  Ob.,  Fag. 


-^—^■ 


ir 


Viicllia. 


E^=E?E^E3E 


Ven    -    gol 


Basfl. 


4^^-EEE^'E^'^ 


S 


Aspet- 


-7- 


.t=z 


Ef^I^^^E^ 


_ 1 ^ . tmtm^t^ » Ä ;, — 


^^m 


^.— Sö 


/~p' 


m 


f      V 


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Fl. 


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jOl 


^ 


^ 


rObrzO- 


=:t^g:=±= 


Fag 


«^:^, 


!EEE 


ta    -     te ! 


Se    -    -    -     stol 


iS^ 


462 


^ — i      I  r   ^ ^ — ti       '  '  '  '■ 


^^ 


Ahi  -  m^  • 


Se    - 


-    «to! 


m^:^- 


^ 


das  unstete  Hin  und  Her  der  Singenden  seinen  orchestralen  Ausdruck 
und  der  ganze  Satz  fortfliessende  Bewegung  und  Einheit  gefunden  hat. 
Eiu  letztes  Beispiel  soll  wieder  das  Requiem  geben.  Der  achte 
und  neunte  Satz  schliesst  mit  einer  figurirten  Ausführung  der  Worte 
Quam  oiim  Abrahae  prumisisti  et  semini  ejus.  Sie  waren  nur  auszu- 
sprechen, dem  Gebet  um  Erlösung  Nachdruck  zu  geben;  daher  waltet 
hier  das  Wort  vor,  und  der  musikalisch  festere  Zusammenbang  kann 
nur  durch  das  Orchester  erlangt  werden.  Mozart  unterstützt  die 
SingstiimneB  mit  den  Bläsern  (Bassethörner,  Fagotte,  drei  PosauneD)^ 
setzt  ihnen  aber  das  Quartett  in  ununterbrochner  Pigurirung  — 


507     Andante. 

Vw».  I.  n. 


^rt 


1^ 


^ 


Äd^ 


B.  «  T 


rnTft 


iiftm    olim      A  -  hraliac 


^  i'^P 


entgegen  und  verschmilzt  damit  die  vereinzelten  Stimmen  des  Chors  zu 
einem  fest  zusammeahaltenden  und  dabei  J>ewegungsvoll  fortsdireiten- 
iden  (janzeii. 

Dass  an  die  Stelle  einer  solchen  mehrstimmigen   UBd  steiigeo 
Durchführung  die  uns  längst  (Tb.  IL  S.  232)  bekannten  Formen  des 


463     

gebentoi  Basses  oder  sogeaasaten  Bumtraponkts  io  einer  Obers timne 
treten  (meist  liegt  letzterer  in  der  ersten  oder  ersten  und  zweiten  €eige, 
S.  Bacb  giebt  ihn  gelegentlich  ancb  denFlßten)  und  alle  diese  Formen 
wechselnd  angewendet  werden  können,  ist  oline  weitere  Beis^ele 
zu  erkennen.  Die  altern  Komponisten,  namentlich  Bach  und  Härndel, 
hatten  ihren  polyphon  meistens  höchst  bewegten  Ghorsätsen  nn4  der 
dagegen  oft  ärmera  «nd  steirem  Kantilene  ihrer  Soiosätze  gegenüber 
das  Bedürfniss  einer  ebenfalls  stetig  und  gleichartig  diircbgeführten  Ge- 
genstimme, die  sie  am  liebsten  als  Träger  der  Gesangpartie  in  den 
Bass  {ConÜnuo)  legten.  Die  Neuem  (znerst  il  ay  dn)  zogen ,  dem  Be- 
dürfniss  erhöhter  Bewegung  —  weniger  energisch  ausgebildeten  Chor- 
stimmeo  gegenüber  —  folgend ,  oft  eine  lebhaft  und  glänzend  gefährte 
Geigenstinme  (Kontrapunkt)  vor,  oder  gingen  von  der  einfachen  Unter- 
stützung und  Begieitnng  bald  gelegentlieh,  baid  stetig  (wie  Mozart  im 
obigen  Pagensatze)  zur  Fignration  einzelner  oöer  mehrerer  Stimmen 
über.  JSleis  —  und  namentlich  seit  der  böhern  Entfaltung  des  Orche- 
sters durch  Haydn  und  seine  Nachfolger  —  blieb  die  eigentliche 'Avf- 
gäbe:  das  Orchester  nadi  seiner  Weise  und  imt  Befriedigung  seines 
eignen  Wesens  so  theilnehmea  zu  lassen,  dass  es  die  der  Gesangpartie 
nicht  erreichbare  Fülle,  Bewegung,  Vielgestaltigkeit  gewähre ,  jene 
unterstütze  und  den  Satz  in  seiner  Ganzheit  vollende. 

D.  Obligate  Stimmeii  des  Orchesters. 

Die  letzte  Form,  in  der  das  Orchester  sich  dem  Gesang  ergänzend 
verknüpft,  ist  die  Znfögung  obligater  Solostimmen  a«s  dem  Instrumen- 
tale; eine  Form,  die  vorzüglich  bei  Sdo-  oder  Ensembiegesang  An- 
wendnng  6ndet. 

Ein  solches  obligates  oder  Soloinstrument  tritt  aus  der  Masse 
des  Orchesters  —  entweder  für  immer  oder  für  einzelne  Theile  4tf 
RomposiliMi  —  heraus  und  wird  ne^en  der  Gesangpartte  zu  einer 
Haoptstimme,  die 

a)  die  Singstimme  im  Einklang  oder  in  der  Oktave  verdoppeln, 

b)  dieselbe  in  Terzen,  Dezimen,  Oktaven  begleiten, 

c)  ihren  selbständigen  Gang  nehmen  und  gegen  die  Singstimme  einen 

Gegensatz  bilden, 
oder  in  air  diese«  Verwendungen  wechseln  und  gelegentlich  auch  wie- 
der in ^ie  Orchestermasse  zurückkehren  kann.  So  fügt  Seh.  Bach  in 
der  Matthäi^schen  Passion  der  Arie  ,, Erbarme  dich,  mein'Gott^*  eine 
obligate  Soloviolin  ausser  dem  begleitenden  Streichtiuartett  zu,  Mo- 
zart selzt  im  Tftus  zu  der  Arie  ,, Parle"  eine  obligate  Rlarfnette,  zn 
der  letzten  Arie  der  VitelKa  ein  oHtgatcs  Basscrhom;  Beethoven 
braucht  zu  der  Scene  Leonorens  im  Pidelio  drei  Waldhörner  und  ein 
Pagott  (Nr.  93)  zu  obligater  Mitwirkung.  Die  Beispiele  sind  zn  biiiifig 


464     

und  leicht  zagäng;lich,    als  dass    weitere    AufzähluDg    nötbig  sein 
köDnte. 

Aach  hier  bedarf  es  keiner  neuen  Lehre ;  die  bekannten  Gnuid- 
sälze  und  Erfahrungen  genügen. 

Bei  dei^  Auswahl  obligater  Instrumente  ist  der  Sinn  der  Kompo- 
sition natürlich  erster  Bestimmungsgrund.  Wenn  Mozart  im  Requiem 
dem  ^^Tuba  mirum  spargens  sonum^^  ein  Posaunensoio  zuertheilt, 
Händel  im  Messias  zu  der  Arie  „Sie  schallt  die  Posaun'^^  eine  obli- 
gate Trompete  (man  s.  S.  45,  Nr.  42)  setzt,  Gluck  die  Oboe  mit  dem 
Klagesang  der  tauridischen  Iphigenie  vermählt,  jener  Gesang  des  Sex- 
tus  (Porta)  mit  der  üppig  schmiegsamen  Klarinette  durchflochten ,  der 
elegische  Gesang  Vitelliens  mit  dem  Bassethorn,  Leonorens  ronaDti- 
scher  Aufschwung  mit  dem  romantisch-heldenmütbigen  und  doch  mehr 
sehnsuchtsroUer  Hingebung  fähigen  Hornklang  unterstützt  und  geho- 
ben wird :  so  erkennen  wir  in  all'  diesen  Bestimman|^n  der  Künstler, 
dass  nur  dem  Sinn  und  der  Stimmung  des  Satzes  Folge  gegeben  wor- 
den ist. 

Hiernächst  ist  allerdings  auf  das  Verhältniss  der  obligaten  Instni- 
raente  zur  Singstimme  Rücksicht  zu  nehmen,  im  Allgemeinen  —  und 
abgesehn  von  dem  Sinne  des  Satzes  —  wird  man  die  sanftem  Instra- 
mente: Flöte,  Klarinette,  Fagott,  Waldhorn,  Violin,  Violoocell,  ror- 
ziehn,  weil  sie  sich  der  Singstimme  gelinder  anschmiegen  und  die- 
selbe weniger  in  Gefahr  setzen ,  übertönt  und  zurückgedrängt  zu  wer- 
den. Die  schweren  oder  schärfern  Instrumente  wird  man  seltener  ond 
schonungsvoller  setzen  und  in  der  Regel  nur  den  starkem  Singstimmeo 
zufügen;  z.  B.  die  Oboe  mehr  in  den  feinen  höhern  Tonlagen  gebraa- 
eben,  Trompete  und  Posaune  (wie  Händel  und  Mozart  in  den  oben 
erwähnten  Fällen  gethan)  wohl  dem  Bass  oder  Tenor,  nicht  leicht  aber 
weiblichen  Stimmen  zugesellen  und  mehr  zu  Zwischensätzen,  als  gleich- 
zeitig mit  dem  Gesang  verwenden. 

Was  endlich  den  Satz  selber  betrifft,  so  treten  die  allgemeiDeo 
Grundsätze  unbedingt  in  Anwendung.  Namentlich  bei  der  Verdoppelung 
der  Gesangmelodie  durch  Instrumente  wird  jedes  Instrument  in  der  ihm 
eignen  Tonregion  geführt.  Soll  also  z.  B.  eine  Alt-  oder  Diskant- 
melodie verdoppelt  werden,  so  geht  in  der  Regel  Violin,  Oboe,  Kla- 
rinette in  derselben  Oktave,  die  Flöte  in  der  hohem,  Fagott,  Wald- 
born, Violoncell  in  der  tiefern  Oktave  mit;  ausnahmsweise  kann  die 
Flöte  zu  sanfterer  und  dunklerer  Wirkung  im  Einklang  mit  der 
Stimme,  die  Violin  zu  feinerer  Wirkung  in  der  höhern  Oktave,  die 
Klarinette  zu  besonderer  Herausstellung  des  Klangs  ihrer  Tiefe  in  der 
tiefern  Oktave  mitgehn.  Soll  umgekehrt  eine  Bass-  oder  Tenorme- 
lodie unterstützt  werden,  so  geht  in  der  Regel  Fagott ,  Violonceli, 
Waldhorn  im  Einklang,  Violin,  Oboe,  Klarinette  in  der  höbem  Ok- 
tave, die  Flöte  zwei  Oktaven  höher  mit. 


465     

Zweiter  Abschnitt 
Bestimmung  de>  Gesangpartie  im  Allgemeinen. 

Nachdem  wir  im  vorigen  Abschnitte  das  Nötbige  über  die  Auf- 
gabe des  Orchesters  in  seinem  Verein  mit  Gesang  yoraasbemerkt,  wen- 
den wir  uns  nun  zu  der  Hauptpartie  in  den  bevorstehenden  Aurgaben, 
zum  Gesang.  Hinsiebts  seiner  fussen  wir  auf  den  im  siebenten  Buch 
der  Lehre  (Th.  III.  S.  341)  gewonnenen  Grundlagen. 

Folgendes  steht  fest.  Erstens:  die  Singstimme  muss,  auch  ab- 
gesehn  von  dem  Worte,  das  sie  zu  verkündigen  hat,  als  das  dem  Men* 
sehen  eigenste,  am  tie&ten  ihn  erfassende  Organ  (Tb.  111.  S.  343)  an- 
erkannt werden.  Zweitens:  das  Wort,  der  sprachliche  Inhalt  des 
Gesangs ,  verleiht  demselben  einen  theils  der  reinen  Musik  gar  nicht, 
theils  nicht  so  bestimmt  und  schnell  (Th.  III.  S.  368)  erfassbaren  In- 
halt, der  dem  Gesänge  wiederum  und  noch  entschiedner  den  Vorrang 
vor  den  mit  ihm  zusammentretenden  Organen  sichert.  Daher  musste 
der  Gesangtext  zunächst  als  das  Bestimmende  für  alle  Formen  der  Ge- 
sangmusik (Th.  III.  S.  368)  aufgefasst,  konnten  von  hier  aus  die  For- 
men des  Rezitativs,  des  gesungnen  Lieds  und  des  Chors  (Th.  III. 
S.  386,  421,  465)  entwickelt  werden.  In  diesen  Formen  durfte  die 
Mitwirkung  des  Instrumentale  als  Nebensache  gelten,  wesshalb  wir  es 
auch  nur  auf  das  Klavier  beschränkten.  Stets  lag  der  Hauptinhalt  im 
Gesänge.  Im  Rezitativ  halte  das  Wort  so  entschieden  den  Vorrang, 
dass  wir  es  zunächst  als  eine  musikalisch  bestimmte  und  gekräftigte 
Rede  auffassen  konnten ;  im  Lied  war  die  Gesammtempfindüng  des  gan* 
zen  Textes,  in  den  Chorkompositionen  Gedanke  und  Gefühl  des  Tex- 
tes der  eigentliche  Gegenstand  der  Komposition.  Das  Instrumentale 
fugte  dem  Gesang  der  einzelnen  Stimme  nur  die  unterstützende  Har- 
monie bei ,  oder  diente  (Tb.  III.  S.  466)  zur  nöthigen  Ablösung  und 
Erleichterung  desselben. 

Das  damals  dem  KlavierZugewiesene  kann  nun  allerdings  auch  mit 
andern  Instrumenten  (z.  B.  der  Harfe,  Guitarre,  Orgel)  oder  mit  dem 
Orchester  geleistet  werden;  wir  haben  schon  gelegentlich  erwähnt, 
dass  die  Begleitung  des  Rezitativs ,  der  Choralfiguration ,  der  Singfuge 
u.  8.  w.  auch  vom  Orchester  übernommen  werde.  Dann  gewinnt  die 
Begleitung  nicht  blos  an  Schallkraft  und  Tonfülle,  sondern  es  kommt 
ihr  auch  der  ganze  Organeureichthum  des  Orchesters  mit  seiner  Man- 
nigfaltigkeit an  Klängen  zu  statten.  Hierüber  ist  im  vorhergehenden 
Abschnitte  und  der  ganzen  Lehre  von  der  Instrumentation  das  Nötbige 
bereits  gesagt.  Allein  auf  diesem  Wege  wird  nichts  wesentlich  Neues 
erlangt.  Ein  Rezitativ  oder  Lied  mit  Orchesterbegleitung  ist  nach  Form 

Marx,  KoBp.L.  IV.  S.  Aufl.  3U 


466     

and  weseotlichem  Inhalte  nicht  vom  Rezitativ  und  Lied  mit  Klavierbe- 
gleitung unterschieden ;  der  Hauptinhalt  liegt  durchaus  im  Gesang,  uod 
die  Begleitung  ist  durchaus  nur  um  des  Gesangs  willen,  nur  als  Unter- 
geordnetes und  Nebensache  vorhanden. 

Erst  dann  gelangen  wir  zu  neuen  Formen,  wenn  ein  Inhalt,  der 
über  den  der  früher  aufgewieseneu  Formen  hinausgeht,  der  Gesangpar- 
tie uud  zugleich  dem  Instrumentale  neue  und  umfassende  Aufgaben 
stellt,  —  umfassender  eben  desswegen,  weil  die  alten  Formen  and  ihre 
Mittel  für  sie  unzureichend  sind.  Die  neuen  Formen  entwickeln  sich 
übrigens  so  stetig  aus  den  bereits  anfgefassten ,  dass  auch  hier  eioe 
scharfe  Scheidung  so  wenig  wie  auf  andern  Gränzlinien  der  Knnstfor- 
men  (Th.  II.  S.  172,  Tb.  Hl.  S.  307)  möglich  ist.  Wir  haben  scboo 
darauf  hingewiesen ,  dass  auch  die  frühem  Formen  Orchester  zulassen 
und  oft  erhalten ;  umgekehrt  können  die  erst  jetzt  zu  entwickelnden 
Formen,  —  Arie,  Duett,  Ensemble  u.  s.  w.  auch  mit  blosser  Klavier- 
begleitung oder  zum  Tbeil  ohne  alle  Begleitung  benutzt,  oder  die  Kla- 
vierpartie zu  selbständiger  Mitwirkung  mit  eigenthümlichem  Inhalt  er- 
hoben werden. 

Bei  dem  Eintritt  nun  in  die  Gesang komposition  durften  wir  kurz- 
weg das  Wort  als  das  Bestimmende  bezeichnen.  Aber  schon 
in  der  ersten  und  einfachsten  Form,  dem  Rezitativ ,  wurde  bald  klar, 
dass  nicht  der  blos  sprachliche  Inhalt ,  sondern  der  Sinn,  den  das 
Gemüth  des  Tondichters  im  Worte  findet  —  oder  in  dasselbe  hinein* 
trägt,  die  eigcnlliche  und  befriedigende  Aufgabe  für  die  Komposition 
ist.  Die  blosse  Uebertragung  der  gesprochnen  Rede  in  eine  musikalisch 
betonte  wäre  nur  Deklamation  und  könnte  kaum  zu  den  untergeordnet- 
sten Aufgaben  des  Rezitativs  genügen,  mit  allen  Künsten  der  Rhetorik 
nicht  weiter;  schon  die  hohem  Aufgaben  des  Rezitativs  fodem  tie- 
fern und  künstlerischen  Inhalt,  uud  schon  die  erste  Anregung  des 
musikalischen  Elements  in  der  Brust  des  Tonkunstlers  ßihrt  über  die 
Nüchternheit  abstrakter  Deklamation  hinaus. 

Es  kann  uns  daher  nicht  fremd  sein,  wenn  wir  jenen  ersten  Lehi^ 
satz  der  Gesangkompositiou  jetzt  zu  vollkommnerer  Gestalt  erheben: 
der  Sinu,  den  das  Wort  gegeben  oder  in  dem  es  aofge- 
fässt  wird,  bedingt  die  Gestaltung  der  Gesangkomposition.  Dieser 
Sinn  ist  durch  das  abstrakte  Zeichen  des  Worts  nur  angedeutet;  er  ist 
nicht  eigentlich  in  ihm  enthalten,  sondern  in  den  Verhältnissen,  die  das 
Wort  hervorgerufen  haben ;  und  diese  Verhältnisse,  das  ist  nicht  blos  der 
Gemütbszustand  des  Redenden  (oder Singenden),  sondern  auch  die 
auf  sein  Gemüth  zurückwirkende ,  in  ihm  reflektirte  äussere  Lage  (die 
Situation),  in  der  er  sich  befindet.  Daher  eben  genügt  das  blosse 
gesangmässig  ausgesprochne  Wort  nicht  und  haben  wir  bereits  im  sie- 
benten Buche,  selbst* im  Rezitative  (z.B. in  denen  Seb.  Bach's),  noch 
mehr  im  Cborsatze  (man  denke  an  den  Unterschied  der  redenden  und 


467     

siogenden  Fuge,  Th.  III.  S.  486),  über  dasselbe  hinausgeheo  mösaeii. 
Daher  erkennen  wir  in  der  Instrumentalbegleitung  zum  Ge- 
sänge nicht  Mos  eine  änsserlicb  oder  abslraict  harmonisch  ratbsame 
Stütze  für  den  Gesang,  sondern  ein  Organ,  durch  das  ein  Theil  vom 
geistigen,  wesentlichen  Inhalt  des  Kunstwerks  offenbar  wird.  Auf  der 
aadem  Seite  begreifen  wir  jetzt  erst  voJistandiger,  dass  derselbe  Text 
vom  Komponisten  verschieden  aufgefasst  werden  kann ;  denn  nicht  das 
abstrakte  Wort,  sondern  der  Sinn,  den  es  im  Komponisten  anregt,  ist 
der  eigentliche  Inhalt  der  Komposition.  * 

Von  hier  aus  erweitert  sich  unser  Gesichtskreis  nach  zwei  Seilen: 
wir  haben  einerseits  das  Verhältuiss  Schärfer  zu  bestimmen,  in  das  die 
Gesangpartie  zur  Instrumentalpartie  tritt ,  andererseits  die  gestaltende 
Kraft  des  Textes  und  des  Sinnes,  in  dem  wir  ihn  und  die  ihm  unterlie- 
gende Stimmung  und  Situation  auffassen. 


A.  TerliUtBitt  der  Cfeaangpartie  nun  bstmmeAtale. 

Ist  der  geistige  Inhalt  der  Komposition  vornehmlich  an  das  Wort 
geknüpft,  so  herrscht  der  Gesang  unbedingt  vor.  Entweder  bedarf  es 
dann  gar  keiner  Instrumentalbegleitung  (so  in  den  reinen  Vokalchören 
oder  in  mehrstimmigen  Sologesängen  ohne  Begleitung) ,  oder  die  Be- 
gleitung dient  nur  zur  äussern  Stüize  oder  Verstärkung  (S.  448)  des 
Gesangs. 

Macht  sich  neben  dem  eigentlichen  Wortinhalt  noch  die  Stimmung 
oder  Bewegung  der  Seele  gellend ,  aus  der  das  Wort  nur  als  ein  Theil 
dessen ,  was  im  Singenden  lebt  und  treibt,  hervortrat;  so  gewinnt  das 
rein  musikalische,  in  der  Instrumentalpartie  herrschende  Element  mehr 
oder  weniger  wesentlichen  Inhalt,  bietet  dem  Gesang  eine  bindende, 
verschmelzende,  bewegungsvolle  Unterlage,  fasst  —  vorbereitend,  wie- 
derholend, nachahmend  —  die  Gesangsätze  oder  stellt  ihnen  andre  ihm 
cigoe  entgegen  und  vertieft  oder  vervollständigt  den  Ausdruck  der 
Stimmung,  der  im  Wort  und  im  Gesang  nicht  vollständig  enthalten  sein 
konnte.  Dies  ist  die  Bedeutung  der  bald  auf  eine  Stimme  beschränkten 
(gehende  Bässe,  Gegenstimme) ,  bald  auf  mehrere  oder  iiber  alle  ver- 
breiteten Pigurationen  des  Orchesters ,  von  denen  wir  im  vorigen  Ab- 
schnitt einige  Beispiele  gesehn  haben.  Auch  die  obligaten  Solostimmen 
gehören  grösstenlheils  hierher. 

Ist  die  Stimmung  des  zu  komponirenden  Moments  lief  angeregt, 
so  scheint  sie  dem  von  ihr  Erfüllten  sich  über  die  ganze  Umgebung, 
über  das  ganze  Dasein  auszubreiten ;  dem  Glücklichen  lacht  die  ganze 
Natur,  erscheint  selbst  das  Widrige  und  Gefahrdrohende  im  versöhn- 
lichen, begütigenden  Lichte;  dem  Tiefbetnibten  legt  sich  Trübniss  wie 
ein  Trauerflor  selbst  über  die  heitersten  Bilder.    Dies  wird  für  den 

30* 


468     

Komponisten  der  Anlass,  über  den  Wortsinn  des  Textes  hinaas,  ja  bis- 
weilen selbst  im  Widerspruch  gegen  denselben  *)  dieser  Stimmung  als 
dem  eigentlichen  Inhalte  der  Komposition  nachzuhängen  und  Ausdruck 
zu  geben.  Dann  aber  wird  —  wenn  auch  nicht  immer,  doch  oft  *- 
dem  Instrumentale  vornehmliche,  bisweilen  sogar  vorherr^ichende  Be- 
deutung  zu  Theil,  da  der  Gesaog  mehr  oder  weniger  an  das  Wort  ge- 
bunden  bleiben  muss. 

Hiermit  hängen  die  Momente  eng  zusammen ,  in  denen  die  Stim- 
mung oder  Situation  eine  zusammenhängende  Aeusserung  der  Siog- 
stimme  unzulässig  macht;  ein  Fall,  von  dem  wir  in  Nr.  506  ein 
Beispiel  sehn.  Eine  solche  Singslimme  hat  in  sich  selber  keinen  musika- 
lisch festen  Zusammenhalt,  —  sie  ist,  technisch  zu  reden,  keine  salz- 
formig  gebildete  Melodie ,  kann  sich  nur  noch  dem  Ausdruck  der  ver- 
einzelten Worte  im  Sinn  der  herrschenden  Stimmung  widmen.  Hier 
tritt  das  Instrumentale  als  Organ  für  das  Musikelemeut  und  für  die 
herrschende  Stimmung  hervor.  Es  nimmt  die  vereinzelten  Gesangmo- 
mente auf,  trägt  und  verschmilzt  sie  und  wird,  von  der  rein  musikali- 
schen Seite  angesehn,  zur  Hauptpartie  (so  weit  es  die  überlegne  Natur 
der  Menschenstimme  und  des  Worts  zulässt) ,  gleichviel ,  ob  es  sieb 


*)  Dem  Verf.  liegt  eben  kein  Beispiel  näher ,  als  das  eines  Hein  e*seheii  Ge- 
dichts, das  in  seinem  „Frählingsspiel'*  eine  Stelle  gefunden.  Der  Dichter  singt: 

Gekommen  ist  der  Maie, 
Die  Blumen  und  Bänme  bliibn. 
Und  doreb  des  Himmels  Bläue 
Die  rosigen  Wolken  ziebn ! 


Die  Nachtigallen  singen 
Herab  ans  laubiger  Höh', 
Die  weissen  Lämmer  springen 
Im  weichen  grünen  Klee. 


Dies  scheint  ein  heiteres  FriihUngslied,  nicht  mehr  ond  nicht  weniger,  ^  >•' 
in  solchem  Sinne  zu  komponiren.  Allein  der  letzte  Vers  erschlieast  den  tiefer 
liegenden  wahren  Sinn : 

Ich  kann  nicht  singen  und  springen^ 

Ich  liege  krank  im  Gras ; 

loh  höre  fernes  Klingen, 

Mir  tränmt^  —  ich  weiss  nicht  was. 

Es  ist  also  nicht  der  jnnge  Mai,  der  den  Sänger  zu  frischen  süssen  Weisen  e^ 
ragt ;  sein  GemSth  ist  erfüllt  von  einem  Träameo ,  von  einem  Verlangen,  das  ik* 
noch  in  anbestimmten  Zügen  vorschwebt;  es  krankt  daran.  Dies  ist  die  Stia- 
mongy  gegen  die  der  belebende  Hauch  des  Lenzes  vergebens  seine  Macht  venoelit. 
Der  Mai  mit  aller  Last  ist  dem  kranken  Hinblick  verschleiert,  and  es  würde  eise 
Unwahrheit  sein,  woUte  der  Komponist  sich  den  Worten  hingeben,  die  sein  heitere« 
Bild  —  vergebens  herbeirafen. 


469      

nur  figoraliv  gestaltet,  wie  in  Nr.  506,  oder  eine  eigne,  satzartig  fest- 
gebildete Melodie  darchftihrt. 

Ein  Gleiches  ergiebt.  sich  in  tiefern  Aufgaben  oder  Auffassungen 
dann ,  wenn  ein  Moment  vom  Gesang  zwar  mit  Nachdruck  aufgefasst 
werden  kann,  sein  geistiger  Inhalt  aber  weit  hinausreicht,  selbst  über 
das  volle  Vermögen  unsers  höchsten  Organs.  Ein  merkwürdiger  Fall 
dieser  Art  findet  sich  in  Beethoven's  grosser  Messe *),  der  tiefsin- 
nigsten Tonschöpfung  unsers  Jahrhunderts,  —  zu  tief,  zu  gedanken- 
reich, zu  schwer  ausführbar,  als  dass  selbst  der  schon  festgestellte  hohe 
Raf  des  Dichters  die  Zeitgenossen  —  oder  auch  nur  die  Kunstgenossen 
(mit  einzelnen  Ausnahmen)  hätte  um  dieselbe  versammeln  können.  Das 
Halbstarke  und  Halbwahre  und  Halbliefe  —  vom  Nichtigen  zu  schwei- 
gen I  —  hat  stets  den  Vortheil  gehabt ,  der  Mehrzahl  erlangbarer  und 
darum  zusagender  zu  sein. 

Das  Credo  dieser  Messe  **)  wird,  —  ein  Grundzug  im  Karakter  des 
ganzen  Werks  und  unsrer  Zeit,  —  nicht  in  jener  hingegebnen  Fröm- 
migkeit oder  Würde  gesungen,  die  dem  unerschütterten  Glauben, 
den  unangefochten  dastehenden  Dogmen  einer  Kirche  eigen  ist,  die 
sich  als  die  alleinseligmachende  und  ewig  fortbestehende  erkennt  und 
festhält.  Es  wird ,  wie  in  Zeiten  des  Zweifels  und  der  Bewegung  sein 
muss,  mit  zusammengefasster  Stärke,  mit  Eifer  und  Streilfertigkeit  be- 
hauptet, es  soll  bewiesen  werden,  bewiesen,  wie  eben  der  Künstler  be- 
weisen kann,  durch  Anschauung.  Indem  der  Sänger  sein  crtdo  in  unum 
Deünty  pairem  omnipotentem  behauptet ,  hebt  sich  sein  Blick  über  die 
zweifelvolle  Erde  empor ,  weiset  er,  uns  ganz  zu  bewältigen,  hinauf, 
wo  den  allmächtigen  Vater  Aller  die  Lobgesänge  der  Engel  in  süsser, 
heiliger  Feier  umschweben  und  das  Credo  der  Erde  im  hohem  Chor 
wiederhalleu.  Dies  kann  nicht  in  die  vierSingstimmen  unten  gelegt,  — 
köonte  nicht  durch  einen  Doppelchor *'^*)  verkündet  werden,  denn  da 
würde  auf  beiden  Seiten  nur  Menschenstimme  und  Menschenwort  re- 
den; Beethoven  aber  braucht  mystische  Stimmen.  Die  kann  ihm 
nur  das  Orchester  geben.  Nun  gestaltet  sich  der  Satz,  wunderwürdig 
in  jedem  Zuge,  so.  Die  instrumentale  Anlage ,  die  Slimmordnung,  die 
machtvolle  Bewegung  des  Orchesterbasses,  die  Führung  der  Stimme 
selbst,  —  Alles  wendet  dem  Bass  des  Chors  die  Herrschaft  im  Gesang 
ZQ.  Und  wenn  er  nun  unter  dem  Aushallen  der  ruhenden  Oberstimmen 
mit  Nachdruck  sein ^factorem  coeli  anstimmt  in  fester,  von  den  Orche- 
slerbässen  gekräftigter  Melodie:   schallt  ein  ganz  andrer  unerhörter 

*)  Op.  123,  bei  Schott  in  Mainz  erschienen. 

**)  Vergl.  d.  Verf. :  Beethoven  Leben  and  Schaffen ,  Tb.  2. 

**^)  Diese  Aflerpoeaie  hat  K.  P.  E.  Bach  in  seinem  einst  so  gerühmten  „Bei- 
liS**  geliefert  Der  Bogelcbor  bat  abstrakt  fremde  Modulation ,  der  Völkerchor 
ledern  Fngenwerk. 


470     

Salz  IQ  den  höchsten  Stimmen  und  Lagen  des  Orchesters  ihm  entgegen, 
dem  sich  erst  weiterhin  der  Diskant  anzusehliessen  strd^t*). 

Zuletzt  kann  die  Situation  ihre  Andeutung  oder  Unterstützung 
Yom  Orchester  fodern ,  während  die  Singstiramen  dazu  gar  nicht  ge- 
eignet und  für  andre  Zwecke  bestimmt  sind.  Ein  Beispiel  giebt  uns 
Mozart's  Figaro**)  in  der  Scene,  wo  das  Orchester  den  Marsch  nnd 
dann  den  Fandango  intonirt,  während  die  Singstimmen  ihren  Dialog 
fortsetzen.  In  solchen  Momenten  werden  die  Singstimmen  ungeachtet 
ihres  innern  Uebergewichts  zu  Nebenpartien,  da  der  mnsikalisebe 
Hauptgedanke  und  Zusammenhang  nicht  in  ihnen ,  sondern  in  der  In* 
strumentalpartie  liegt. 

B.  Bestinmiuig  der  Kompositiousgestalt  au  dem  Text  und  den 
ibn  tragenden  Sinn. 

Sobald  wir  unsem  alten  Grundsatz  (Tb.  III.  S.  368),  dass  der 
Text  die  Form  bestimme,  dahin  (S.  466)  erweitert  haben,  dass  nicht 
sowohl  das  Wort,  —  das  bei  aller  Tiefe  doch  nur  ein  Gefäss  für  den 
geistigen  Inhalt  ist,  sondern  die  Stimmung,  das  ganze  geistige 
Beisammen  von  Situation,  Stimmung  nnd  lautem  Aus- 
druck (Wort)  das  Bestimmende  für  die  Gestaltung  einer  Komposition 
ist:  dürfen  wir  den  Grundsatz  auch  durch  alle  noch  bevorstehenden 
Aufgaben  der  Gesangmusik  als  leitenden  und  stutzenden  festhalten. 
Man  wird  auch  hier  nicht  absolute  Entscheidungen  für  den  einzelnen 
Fall  zu  erwarten  haben ;  diese  sind  vielmehr  im  Voraus  als  nnmögfich 
zu  erkennen ,  da  schon  das  Wort  an  sich  vielfacher  Auslegung  fähig 
ist,  die  Auffassung  oder  das  Hinzudichten  der  Stimmung  und  Situation 
aber  noch  weit  mannigfaltiger  nach  Individualität  und  Standpunkt  des 
Auffassenden  erfolgen  kann.  Wenn  wir  aber  auf  solche  Entscheidungen 
verzichten,  —  und  gern,  da  jedes  absolute  Gesetz  ausser  dem  allge- 
meinsten (Th.  I.  S.  15)  das  Wesen  der  freien  Kunst  aufhebt,  —  so 
wollen  wir  darum  nicht  die  Hülfe  leitender  Grundsätze ,  nicht  Vorbil- 
dung und  Vorerwägung  versäumen,  die  vor  herumtappendem  fNa- 
tnralismus  und  seinen  unzählbaren  Irrungen  bewahrt.  Das  Wort  des 
bellsehendsten  Dichters : 

Der  Irrtbnm  schadet  nicht, 
Das  Irren  ist  verderblich. 


*)  Wer  sich  noch  nicht  hineingelebt  hat  in  die  s^istig^e  Spfa'are  aosrer  Konst, 
kann  allerdinss  die  Anffassoo^;  dieses  Satzes  anzweifeln.  Nar  dass  es  nichts  weni- 
ger als  der  einzige  von  gleicher  Bedeutung  in  diesem  Werk  (und  andern  l)  ist.  Das 
Ineamatus  giebt  einen  noch  tiefern  Zag,  der  aber  schwer  darzulegen  ist. 

**)  Bin  noch  reicheres  Beispiel  giebt  der  Don  Jean,  wenn  in  ersten  Finale 
(S.259  der  Breitkopf-HSrtersohen  Partitur)  drei  Orchester  drei  verschiedne  Tänze 
gleichzeitig  ausfuhren,  wahrend  die  Singstimmen  dialogisiren. 


471     - — 

steht  uns  zur  Seite.  Irgend  ein  Fehlgriff  oder  Mangel  im  Einzelnen 
unsers  Werkes  wird  es  nicht  so  leiebt  verderben ,  er  kann  durch  die 
glücklichen  Momente  übertragen  werden.  Aber  ein  Fehlgriff  in  der 
Grundanlage  bedroht  das  Werk  in  seiner  Ganzheit;  wäre  es  dann  auch 
der  Fall ,  dass  viele ,  vielleicht  alle  Einzelheiten  irgend  einen  Reiz  an 
sich  trügen ,  so  würde  doch  immer  die  eigentliche  Aufgabe  onerfiiilt 
bleiben,  das  Werk  als  Ganzes,  als  Verwirklichung  der  Idee,  die  es 
offenbaren  sollte,  wäre  verfehlt*). 

Auf  diesem  Standpunkt  also ,  der  höhern  Stufe  des  schon  früher 
(Th.  111.  S.  368)  gewonnenen ,  ist  es  die  erste  Aufgabe  des  Komponi- 
sten, sich  mit  seinem  Text  auf  das  Innigste  und  Vollständigste  vertraut 
zu  machen ;  dies  aber  nicht  blos  dem  Wortgelialt  nach ,  sondern  sich 
ganz  zu  vertiefen  in  die  Situation ,  in  Karakter  und  Stimmung  der  re- 
denden (singenden)  und  handelnden  Personen**).  Was  er  daran  ver- 
säumt, wird  unausbleiblich  in  seiner  Komposition  als  Mangel  oder  Ver- 
irrung  und  Unwahrheit  sich  strafend  und  schmerzlich  fühlbar  machen. 

Aus  dieser  Auffassung  erzeugt  sich  zuletzt  der  Inhalt  der  Kom- 
position Zug  für  Zog;  dies  bleibt  hier  ausser  Betracht,  da  das  Einzelne 
theils  in  den  frühern  Lehrabschnitten  zur  Anschauung  und  Uebung  ge- 
kommen, im  Uebrigen  dem  Moment  des  Schaffens  zu  überlassen  ist. 
Zuvor  aber  bestimmt  sich  aus  dieser  Auffassung  die  Form  —  wenig- 
stens in  allen  Grundzügen,  während  das  Weitere  ebenfalls  im  Schaffen 
sich  ergiebt.  Die  wichtigsten  Forma Ibesli mm ungen  sind  wohl  in  fol- 
gende Punkte  zusammenzufassen. 

1.    Zahl  der  Gesangslimmen. 

In  der  Regel  giebt  der  Inhalt  des  Textes  hierüber  schon  genügeude 
Auskunft;  die  Aeusserungen  einer  einzigen  Persönlichkeit,  die  Wecb^ 
seirede  zweier,  dreier  Individuen  u.  s.  w.  bezeichnet  schon  die  Form 
des  Sologesangs  (des  eigentlichen  für  eine  Stimme),  des  Duetts,  Ter- 
zetts u.  s.  w.  Indess  wiederholt  sich  hier  die  schon  im  siebenten  Buch 
gemachte  Bemerkung,  dass  bisweilen  Grund  vorhanden  ist,  zwei  und 
mehr  Stimmen  einzufuhren ,  wo  nach  dem  Textinhalt  für  sich  nur  eine 
einzige  erfoderlich  scheint.  So  haben  wir  schon  damals  (Th.IH.S.  439 
und  447)   Lieder  mehrstimmig  und  Aeusserungen,  die  zunächst  nur 


*)  Hierzu  der  Anhang  R« 
**)  Darf  der  Verf.  hier  (wo  das  Lehren  sich  aafiöst  i  n  den  Rath,  den 
ein  Künstler  dem  andern  zn  geben  vermag)  auf  seine  Pers5nlicbkeit  zuriickgehn, 
aas  der  allein  er  sicheres  Zeugniss  geben  kann :  so  mnss  er  bekennen ,  dass  beson- 
ders dramatische  Aufgaben  (wie  b.  B.  der  Mose)  sieb  ihm  nie  anders  ersehlossei 
und  gelöst  haben,  als  in  dem  AngenbUcke,  wo  er  — -  seiner  nnd  alles  Fremden  ao- 
bewusst  —  nur  Situation,  Handlang,  Personen,  die  der  Moment  in  sieb  fasste,  wie 
leiblich  geschaut  und  vernommen.  Ob  das  Jedem  nothwendig  —  und  ob  er  selber 
das  Reebte  geschaut,  steht  nicht  zn  seiner  Entseheidung. 


L.     472     

einem  Einzelnen  angehörten  (z.  B.  ein  müerere  mei^  ein  ,,Au8  4er 
Tiefe  ruf  ich  za  dir'^),  für  Chor  behandelbar  gefanden,  wenn  der  In- 
halt allgemein  und  bedeotsani  genug  war,  um  die  Theilnahme  Mehrerer 
an  ihm  za  veranlassen.  Wenn  also  z.  B.  Mozart  im  Reqniem  das 
Recordare,  die  Worte  sed  signifer  sanetus  Michael  und  Andres  für 
Tier  Solostimmen  setzt,  Seb.  Bach  in  der  hohen  Hesse  nach  dem 
funfstimmigen  Chor  Itj/rie  eleison  das  Christe  eleüqfi  als  Duett  behan- 
delt: so  ist  dafür  zwar  im  Texte  keine  Nothwendigkeit  vorhanden; 
jene  Sätze  hätten  wenigstens  theilweis  vom  Chor  und  insgesammt  von 
einer  oder  zwei,  drei  Stimmen  gesungen  werden  können.  Aber  jeden- 
falk  stand  den  Komponisten  auch  ihre  Entscheidung  wohl  zu,  denn  der 
Text  widerstand  ihr  keineswegs;  übrigens  liess  Mozart  sich  durch 
das  Bedürfniss  einer  gemilderten  Darstellung  inmitten  heftiger  Chor- 
sätze bestimmen,  und  Bach  scheint  durch  die  Absicht  geleitet  zu  sein, 
das  Gebet  an  den  Mittler  zarter,  weiblicher  aussprechen  zu  lassen ,  als 
das  an  den  Vater. 

2.  Wahl  der  Begleitung. 

Ob  ein  Gesangstück  überhaupt  Begleitung  erfodre?  diese  Frage  ist 
bereits  S.  448  zur  Erledigung  gekommen.  Die  nächste  Frage  ist :  ob  es 
Klavier  (oder  statt  dessen  ein  andres  selbständiges  Instrument)  oder 
Orchesterbegleitung  fodre  —  oder  zulasse?  Ist  diese  Frage  erst 
beantwortet ,  so  entscheidet  sich  die  nähere  nach  der  Wahl  des  beglei- 
tenden Instruments  oder  der  Besetzung  des  Orchesters  nach  Wesen  und 
Karakter  der  Organe  und  dem  Sinn  der  jedesmaligen  Aufgabe  leicht. 

Das  Klavier  (und  mehr  oder  minder  auch  die  andern  selbständigen 
Instrumente)  vermag  alle  Formen  der  Musik  —  also  auch  der  Beglei- 
tung —  darzustellen  und  in  ihnen  einen  Reichtbum  an  Gefühlsausdruck 
und  Vorstellungen  zu  entfalten,  der  sich  bekanntlich  für  die  tiefsten  und 
umfassendsten  selbständigen  Kunstwerke  ausreichend  erwiesen.  Nur 
konnte  uns  bei  der  Prüfung  dieses  Instruments  (Th.  III.  S.  24)  nicht 
entgehen ,  dass  es  an  Beseeltheit  des  Tons ,  an  Schmelz  der  Melodie, 
kurz  an  Innerlichkeit  (wie  wir  damals  den  Begriff  fassten)  hinter 
den  meisten  unselbständigen  Instrumenten  —  wie  vielmehr  gegen  das 
Orchester  I  —  zurücksteht  und  in  der  That  mehr  durch  das  wirkt,  was 
es  andeutet  und  in  der  Phantasie  des  Hörers  anregt ,  als  durch  das, 
was  es  wirklich  giebt.  Was  das  Klavier  nur  gleichsam  verspricht,  giebt 
das  Orchester  im  reichsten  Maasse.  Schallmachl,  die  mannigfaltigsten 
Klangverschiedenbeiten ,  die  vollste  Harmonie,  die  befriedigendste  Me- 
lodie und  Polyphonie,  —  Alles  ist  hier  in  Wirklichkeit  vorbanden,  was 
das  Klavier  oft  nur  in  leisen ,  entfernt  hinter  der  Wiiicb'chkeit  bleiben- 
den Zügen  anzudeuten  vermag.  Dies  ist  der  gewaltige  Vorzug  des  Or- 
chesters. Dagegen  hat  aber  das  Klavier  den  höchst  bedeutenden  an- 
dern Vorzug  aufzuweisen:   dass  es  eben  durch  die  Unzulänglichkeit 


473     

seiner  Mittel  den  Geist  des  Hörers  zumitscböpferischer  Thäiigkeit  auf- 
reizt*). —  Es  ist  ein  Gegensatz  wie  von  Traum  und  Wirklichkeit,  von 
Hoffen  und  Erfüllung.  Jedes  hat  seine  Reize. 

Wer  sich  diesen  Gegenstand  reeht  klar  macht,  wird  den  Bestim- 
mungsgrund finden,  nach  dem  geistig  die  Wahl  von  Piano  oder  Orche- 
ster zur  Gesangbegleitung  zu  treffen  ist.  Drängt  sich  der  Gegenstand 
der  Komposition  und  besonders  der  Inhalt  der  Begleitung  in  plastischer 
Fülle  hervor ,  wollen  diese  Massen  und  Stimmen  der  Begleitung  dem 
Gesang  als  ein  Chor  gleichsam  wirklicher  Persönlichkeiten  sich  ansohlies- 
sen  oder  entgegentreten,  will  die  Situation  in  voller  gesättigter  Färbung 
neben  dem  Gesang  emporblühn :  so  wird  es  wohl  nicht  ohne  Orchester 
gelingen.  Wiegt  nach  der  Idee  des  Kunstwerks  der  Inhalt  der  Gesang- 
partie so  vor,  dass  es  mehr  einer  Andeutung  als  Verwirklichung  des 
instrumentalen  Inhalts  bedarf,  —  mag  dieser  nun  blosse  Unterstützung 
des  im  Gemüth  des  Sängers  sich  Bewegenden  sein ,  oder  als  Gegensatz 
zu  dessen  höherer  Anregung  oder  zur  Vervollständigung  des  psycholo- 
gischen Moments  dienen,  oder  endlich  die  Situation  andeuten,  in  wel- 
cher und  durch  welche  jener  Moment  hervortritt :  dann  ist  das  Klavier 
an  seiner  Stelle  und  wird  in  seiner  Aufgabe  durch  die  freie  Behandlung, 
die  ein  einziger  Spieler  selbst  vor  dem  bestgeleiteten  Verein  vieler  vor- 
aus hat,  auf  das  Angemessenste  unterstützt. 

Allerdings  muss  sich,  so  gegründet  uns  diese  Auffassung  im  Allge- 
meinen scheint,  nach  dem  Wesen  freier  Kunst  eine  Reihe  zweifelhafter 
Fälle  finden,  in  denen  zuletzt  die  Subjektivität  des  Komponisten**)  und 


*)  AUerdiogs  Dar,  weno  er  daza  Fähig  ist.  AHeiD  aaf  diese  FSbigkeit  miug 
jedes  dichterische  Werk  recbneD.  „Dem  Vandalen  sind  sie  Stein  !*^  hat 
schon  Schiller  zu  Nichtfähigen  gesagt.  Wie  Viele  diese  Fähigkeit  io  sich  and 
andern  schlummern  lassen,  bezeugt  die  Unbekanntschaft  so  aoglaoblich  vieler,  im 
Uebrigen  eifrig  Strebender  mit  den  geistigen  Werken  Beethoven*s  and  das  Ab- 
lenken so  vieler  Lehrender  und  Schreibender  von  ihnen  anf  andre,  oft  so  anglaub- 
lieh  geringe  Tonstücke  unter  dem  Vorgeben  :  jene  seien  nicht  (oder  weniger)  piaao- 
fortemüssig,  spielbar  (!)  oder  dankbar.  Eben  weil  in  diesen  Dichtungen  der  Geist 
zum  Geiste  sich  wendet,  finden  die  Finger  und  die  Moden  und  Launen  der  Virtuo- 
sität sich  nicht  gerade  anf  den  Ehrenplatz  gesetzt,  können  aber  wohl  die  höchste 
Ehre  gewinnen:  gute  Diener  des  Geistes  zu  sein. 

**)  Vielleicht  darf  der  Verf.  zu  weiterer  Erläuterung  auf  eine  eigne  Komposition 
hinweisen  :  „Nahid  und  Oma  r'S  <^ioe  Novelle,  bei  Chaliier  in  Berlin.  Es  ist  dies 
eine  Reibe  lyrisch-dramatischer  Scenen  Tdr  eine  bis  vier  Solostimmen,  mit  Klavier 
begleitet  und  eingeleitet,  der  ein  dichterischer  Vorgang  zum  Grunde  liegt.  Dieser 
Vorgang  ist  dramatisch  aufgefasst  und  dargestellt  und  insofern  könnte  das  Ganze 
Oper  oder  Operette  heissen.  Allein  die  Handlang  ist  so  leicht  und  anspruchslos,  die 
einzelnen  Sitoatiooen  sind  so  einfach  und  fasslich ,  dass  offenbar  das  Gemöthsleben 
der  Handelnden  mit  Uebergewicht  als  Hauptsache  vortritt,  Handlung  und  Situation 
sieh  gar  nicht  herausdrängen,  sondern  mehr  errathen  sein  wollen  um  ihrer  Rück- 
wirkung willen  auf  jene  innerlichen  Vorgänge,  die  zum  Theil  aus  ihnen  hervor- 
gehn,  zum  Theil  durch  sie  bestimmt  werden.  Hier  schien  nun  die  Klavierbeglei- 
tung (die  nichts  weniger  als  auf  blosse  Begleitung  beschränkt  sein  will)  dem  Or- 


474     

äusseriiche  Rncksichten  entscheidend  werden.  Für  einige  dieser  Päite 
Itann  der  Verein  des  Klaviers  mit  einem  oder  mebrern  andern  Instra- 
menten (Violine,  Violoncell,  Waldborn)  einen  Ausweg  bieten^). 

Die  änsserlichen  Rücksichten  begreifen  sich  von  selber.  Romposi- 
tionen, die  für  grosse  Räume  und  starkbesetzte  Chöre  bestimmt  sind, 
wie  z.  B.  Opern  und  Oratorien,  fodern  das  Orchester.  Ist  dies  einmal 
in  Wirkung  getreten ,  so  vermag  in  demselben  Werk  ein  einzelnes  In- 
strument nur  vorübergehend  zu  befriedigen,  selbst  wenn  eine  einzelne 
Partie  des  Werks  eher  einfache  als  Orchesterbegleilung  bedingte.  Mo- 
zart hat  dies  im  Ständchen,  das  Don  Juan  Elviren  bringt,  wohl  er- 
kannt. Er  begleitet  es  mit  der  Mandoline  und  hat  damit  der  Scene  an 
sich  genügende  Lokalfarbe  gegeben.  Allein  das  darüber  hinausgehende, 
poetisch-musikalische  Bednrfniss  und  schon  das  des  genügenden  Voll- 
klangs federt  die  Mittheilnahme  des  Orchesters ;  das  Quartett  mnss  die 
Mandoline  mit  Pizzikatospiel  unterstützen**)^  —  Dass  auf  der  andern 


ehester  darchaas  vorsazieheD;  —  wiewobl  die  Kompositioo  Dicht  verlaogneii  kaon, 
dass  dem  Scbreibendeo  oft  orchestrale  Vorstellungen  näher  getreten  sind.  Der  Zu- 
tritt des  Orchesters,  gleichviel  in  welcher  Zusammenstellung,  würde  dem  flüchtigen 
Pfaantasiebild  eine  plastische  Objektivität  und  Anspruchsrülie  aufgedrungen  haben, 
denen  es  seinem  Wesen  und  Inhalt  nach  fern  bleiben  musste. 

*)  Das  bedeutangsvoUste  Beispiel  ist  die  Sammlung  ,, schottischer  Lieder*^  von 
Beethoven  (vier  Hefte,  neue  Ausg.  bei  Schlesinger  in  Berlin)  mit  Begleitung  vo& 
Klavier,  Violine  und  Violoncell,  ein  Werk  von  unaussprechbarem  Kunstwerlhe,  das 
bereits  Jahrzehnte  voller  Lieder  und  Liederkomponisten  neben  sich  hat  aufkommen, 
vergöttert  —  und  vergessen  werden  sehn ,  und  noch  immer  nur  von  Einzelnen  ge- 
fasst  worden ,  die  es  dann  freilich  Tür  immer  im  Herzen  tragen.  Es  ist  zu  tief  und 
darum  zu  fern  der  oben  abschöpfenden,  zerstreuungslustigen  Menge. 

**)  Wir  kommen  hier  auf  eine  Bemerkung  S.  454  gegen  einige  Momente  in 
Opern  Meyerbeer's  zurück.  Dass  ein  se  geistreicher  und  feindenkender  Kompo- 
nist nicht  um  des  blossen  änsserlichen  Kontrastes  willen  sich  aus  dem  vollen  Or- 
chester auf  ein  einzelnes  Instrument  zurückgezogen  haben  werde,  nicht  ohne  einen 
geistigen  Anlass  in  sich  gefanden  zu  haben ,  versteht  sich  und  ist  dort  angemerkt. 
Aber  dieser  Anlass  scheint  uns  eben  nicht  ein  rein  dichterischer  und  darum  ein 
fabcher.  Wenn  im  Tunften  Akte  der  Hugenotten  Marzeil  die  Liebenden  in  kirch- 
lieber  Form  durch  Trauung  vermählt,  dies  aber  nicht  zum  Leben,  sondern  Ange- 
sichts des  sie  erwartenden  Todes,  nicht  an  heiliger  Statte  durch  den  berufenen 
Priester,  sondern  in  der  Mordnacht,  auf  der  Strasse,  von  einem  Krieger  in  Waffen 
geschieht,  so  fand  der  Komponist  einen  kirchlichen  Moment  vor,  aber  dureft  die 
Notb  der  Zeit  und  den  Drang  der  Leidenschaft  ans  der  Kirche,  von  Altar  und  Or- 
gelklang gleichsam  binaosgezerrt  auf  die  Gasse.  Diese  Scene  begleitet  er  —  und  in 
der  französischen  Partitur  weit  ausgedehnter  als  in  den  Berliner  Aufführungen, 
für  die  er  gekürzt  hat  —  blos  mit  einer  Bassklarinette.  Sollte  ihm  nicht  dabei  die 
Vorstellung  nahe  gewesen  sein,  dass  die  kirehliche  Handlung,  weangleiefa  auf  nn- 
geweihte  Stätte  geflüchtet  und  des  feiernden  Orgelklangs  beraubt,  —  dass  diese  nur 
gleichsam  kirehliche  Handlung  durch  einen  Gleichsam-Orgelklang 
(die  Bassklarinette  erinnert  wohl  an  ein  sanftes  Schalmei-,  oder  Flöten-  und  Ge- 
dakt-Register)  bezeichnet  werden  müsse  T  —  Wenigstens  wüssten  wir  keine  andre 
Bedentang  aufzuweisen;  das  Instrument  und  voUeods  die  Beschränkung  darauf  and 


475     

Seite  manches  Werk  nur  darom  mit  KlavierbegleitaDg  erscheint ,  weil 
der  Komponist  sich  der  Schwierigkeit,  ein  Orchester  zu  erlangen  und 
grosse  Partituren  mit  Erfolg  herauszugeben ,  unterwerfen  zu  müssen 
glaubte,  —  kann  hier  nur  erwähnt,  aus  rein  künstlerischem  Stand- 
punkte nicht  gerechtfertigt  werden. 

3.  Form  der  Romposition. 

Zuletzt  wenden  wir  uns  zu  den  Kompositionsformen  selbst,  die  in 
den  folgenden  Abschnitten  zur  nähern  Betrachtung  und  Hebung  kommen. 

Neue 'Formen  (S.  466)  werden  in  den  Fällen  nöthig,  wenn  der 
Inhalt  oder  Umfang  des  Textes  oder  das  Bedürfniss ,  neben  dem  Aus- 
druck des  unmittelbaren  Textinhalts  die  Stimmung  und  Situation  auszu- 
prägen, in  den  bisher  (im  siebenten  Buche)  betrachteten  Formen  nicht 
Raum  und  Befriedigung  finden.  Dies  ist  also  —  um  im  Voraus  einen 
Anhalt  zu  finden  —  unter  andern  der  Fall,  wenn  an  die  Stelle  einfa- 
cher Gefühlsäusserung,  wie  die  Liedform  gab,  eine  Entwickelung  von 
Gemüthsznständen ,  an  die  Stelle  unbestimmter  Persönlichkeiten  die 
Ausbildung  festgezeichneter  Karaktere  tritt,  wenn  neben  dem  Ausdruck 
des  Worts  in  einer  oder  mehr  Stimmen  der  Widerstreit  oder  die  Wech- 
selwirkung verschiedner  in  einer  Situation  oder  einer  Handlung  zu- 
sammentreffender Persönlichkeiten  zur  Aufgabe  wird. 

Selbst  die  reichsten  der  bisher  erfassten  Kompositionsformen ,  die 
des  fugirten  Chors,  der  Motette  n.  s.  w.,  reichen  hier  nicht  aus;  ja  sie 
sind  hier  nur  ausnahmsweise  anwendbar.  Denn  sie  haben  es,  gleich- 
viel ob  in  einer  einzigen  Summe  oder  durch  alle  Stimmen  hindurch, 
nur  mit  dem  Ausdruck  des  Textes  zu  thun  und  vermögen  am  wenig- 
sten ,  hiervon  abzugehn ;  wir  müssen  aber  Formen  haben ,  die  über 
diese  Schranken  hinauslangen  und  selbst  neben  dem  Texte,  ja  über 
ihn  hinaus  noch  die  Stimmung  und  Situation  auszuprägen  gestatten. 
Hierzu  dienen  neben  den  beizubehaltenden  bisherigen  Formen  die 
freiem  des  Rondos  und  der  Sonate  und  die  (motetten-  oder  fantasiear- 
tige  •—  Th.III.  S.510  und  335)  Verknüpfung  aller  Formen  zu  grossem 
Ganzen. 

Diese  Formen  sind  jetzt  durchzugehen. 

der  ihm  mertheilte  lohalt  zeige»  weder  auf  die  StimmaDS  der  Liebenden  oderMar- 
zelU,  noch  aaf  den  Moment ,  der  sie  vereint,  irgend  einen  nähern  Bezug. 

Aber  eben  jene  Andeutungsweise,  die  gleichsam  durch  ein  herbeigetragnea 
Stückchen  Orgel  den  Orgelklang  und  die  geweihte  Stalte  vnr  die  Seele  bringen 
will,  acbeint  uns  undichterisehe  Unterschiebung  des  Materiellen  an  die  Stelle 
dea  Geistigen,  mehr  klug  ersonnen  als  küastlerisch  erfundea,  und  dabei  thener  er- 
kauft durch  das  Schweigen  des  beredsamen  Orchesters;  es  ist  die  falsche 
Poesie  der  Materie.  —  £ine  Taufe  wird  darum  nicht  heiliger  und  wirksamer, 
weil  man  sie  mit  achtem  Wasser  aus  dem  Jordan  vollzieht,  hätte  auch  der  Legiti- 
mitäU-Don  Quixotte  Chateaubriand  es  eigenhändig  geschöpft.  Vielleicht  aber  haben 
wir  uns  in  der  Auslegung  dea  Satzes  geirrt. 


476     

Dritter  Abschnitt. 
Die  Arie. 

Die  erste  der  neuen^ Formen  ist  die  der  Arie.  Sie  gebt  aus  der 
L  i  e  d  f o  r  m  und  dem  Grundgedanken  des  Lieds  hervor. 

Die  Aufgabe  der  Liedkomposition  ist  (Tb.  IIL  S.  421)  im  Wesent- 
lichen, die  allgemeine  Stimmung  eines  dazu  geeigneten  Gedichts  in 
einer  einfachen  Liedform  festzuhalten  und  auszutönen.  Diese  Stimmnng 
kann  allgemeiner  oder  näher  bestimmt  sein,  —  es  kann  z.  B.  das  Ge- 
fühl der  Zärtlichkeit  oder  Freude  ganz  allgemein  gefasst,  oder  ein  be- 
sondrer Anlass  und  damit  eine  besondre  Färbung  der  Stimmung  —  z.B. 
die  Zärtlichkeit  eines  Abschieds,  die  Freude  am  Wiedererwachen  der 
Natur  zum  Ausdruck  gebracht  werden ;  überall  hat  es  die  eigentliche 
Liedkomposition  zunächst  nur  mit  dieser  Stimmung  und  ihrem  Aus- 
druck im  Allgemeinen  zu  thun.  Dies  ist  das  Hauptsächliche  und  der  be- 
sondre Ausdruck  dieses  und  jenes  dichterischen  Zuges  oder  des  einzel- 
nen Wortes  wird  entweder  gar  nicht  erstrebt,  oder  ordnet  sich  doch 
durchaus  unter.  Es  sind  für  die  Auffassung  dieser  Kunstform  besonders 
solche  Aufgaben  karakteristisch  bezeichnend,  in  denen  es  sogar  unmög- 
lich erscheint,  über  die  Liedform  hinauszugehn.  Klärchens  Lied  in 
Goethe's  Egmont 

Freudvoll  und  leidvoll, 
Gedankeavoll  seio 

nöthigt  den  Komponisten  unbedingt,  nur  die  allgemeine  Stimmnng  fest- 
zuhalten; auf  den  besondern  Ausdruck  der  Gegensätze,  auf  dieses 
,,freudvolI^^  und  ,,leidvoll'%  auf  dieses  „himmelhoch  jauchzend^' 
und  ,,zum  Tode  betrübt'^  einzugehn  und  jedes  einzeln  auszudrücken, 
ist  geradezu  unmöglich,  —  und  eben  damit  bezeichnet  sich  Gedicht  und 
Komposition  mit  Nothwendigkeit  als  Lied. 

Sobald  nun  das  Gedicht  —  oder  die  Auffassung  des  Komponisten 
in  irgend  einer  Beziehung  mit  einem  festgebildeten  (nicht  blos  rezitati- 
vischen) Einzelgesang  über  die  Sphäre  des  Lieds ,  —  über  dessen  All- 
gemeinheit hinausgeht,  betritt  man  das  Gebiet  der  Arie.  Wir  müssen 
aber  allerdings  auch  hier  darauf  gefasst  sein,  dass  die  Gränzen  sich 
nicht  mit  abstrakter  Schärfe  ziehn  lassen,  sondern  beide  Formen  in 
einander  überfliessen  und  erst  allmählich  bestimmter  anseinandertreten. 

1.  Arie  in  Liedform. 

Zuerst  also  wird  die  Gränze  des  Lieds  überschritten,  wenn  nicht 
blos  die  allgemeine  Stimmung  dem  Wortinhalt  nach ,  sondern  der  per- 


477     

sönliche  Rarakter  einer  dichterischen  Person ,  —  also  z.  B.  nicht  hlos 
die  Liebe ,  sondern  die  Liebe  in  diesem  bestimmten  Liebenden  anszo- 
sprechen  ist.  Mag  dann  anch  die  Stimmung  einfache  AufTassung 
gestatten ,  so  wird  doch  in  oder  neben  ihr  noch  ein  Anderes,  der  Ka- 
rakter  der  Person,  zum  Ausdruck  kommen  müssen.  Dies  wird  sich  auch 
dann  an  der  Komposition  ausprägen ,  wenn  letztere  auch  im  Allgemei- 
nen der  Liedform  angehört.  Der  Th.  lU.  S.  614  mitgetbeilte  Gesang 
Iphigeniens  ist  nach  seiner  allgemeinen  Gestaltung  durchaus  der  Lied- 
form angehörig  und  von  Gluck  (selbst  formell  sogar  mit  Wiederho- 
lungszeichen) als  zweitheiliges  Lied  gesetzt.  Allein  schon  der  Inhalt 
der  Worte  kann  nur  einer  bestimmten  Person  in  bestimmter  Lage  eigen 
sein ,  es  kommt  daher  auch  auf  den  besondern  Ausdruck  (z.  B.  des 
jusquau  tombeau)^  ja  auf  die  Zeichnung  des  Karakters  bei  dieser  oder 
jener  Wendung  des  Textes  (z.  B.  bei  Oui^  sous  lefer  und  et  man  der- 
nier  sotiptrj  —  vergl.  Th.  III.  S.  612)  an,  —  und  hiermit  geht  die 
Romposition  durch  ihren  Inhalt  über  das  Lied  hinaus. 

Etwas  deutlicher  scheidet  diese  liedähnliche  Arie  sich  vom  eigent- 
lichen Liede,  wenn  der  Komponist  noch  besondre  musikalische  Mitthei- 
lungen  nöthig  findet,  um  den  Rarakter  des  Singenden  bestimmter  zu 
zeichnen.  Der  Gesang  des  Monostatos  in  Mozart's  Zauberflöte  ,, Alles 
rühlt  der  Liebe  Freuden^'  ist  dem  Inhalte  der  Singstimme  nach  Lied. 
Aber  Mozart  musste  mehr  Raum  haben  und  geben  für  die  prickelnde 
Aufgeregtheit  des  Mohren;  er  brauchte  Vorspiel,  Zwischensatz,  Nach- 
satz, wie  sie  dem  reinen  Liede  nicht  nöthig  gewesen  wären. 

Auch  die  Fälle  gehören  hierher ,  in  denen  neben  dem  allgemein 
If rischea  Inhalt  und  der  Karakterzeichnung  noch  die  Situation ,  ja  so- 
gar die  Lokalität  Berücksichtigung  fodert.  R.  M.  Weber  konnte  seine 
Earyanthe  zunächst  nicht  anders  und  besser  karakterisiren ,  als  indem 
er  sie  als  Burgfräulein  im  Burggarten  von  Nevers  aufführte.  Dies  ist 
die  Grundlage  ihrer  Existenz,  der  adelig  ritterliche  Rarakter  ist  es,  der 
ihre  Liebe ,  ihre  Treue ,  ihr  Wesen  und  Leben  bedingt.  Dies  mochte 
der  Romponist  mit  Recht  nicht  der  scenischen  Dekoration  allein  über- 
lassen; er  schickt  dem  Gesang  (Glöcklein  im  Thal)  eine  ausführliche 
Introduktion  voraus,  die  uns  in  die  Lokalstimmung  bringen  soll. 

2.  Arie  in  Rondoform.  t 

In  der  liedformigen  Arie  war  zuletzt  doch  nur  ein  einziger  Haupt- 
oder herrschender  Gedanke  zu  fassen,  dem  sich  nur  unter-  oder  neben- 
geordnete Aeusserungen,  Andeutungen  n.  s.  w.  anschlössen,  oder  aus 
dem  sie  sich  durch  tieferes  Eingehn  entwickelten.  Schreiten  wir  nnn 
zu  zusammengesetztem  Texten. 


478 

Mozart  fiiod  in  seinen  Figaro  unter  andern  diesen  Text  fnrChe- 
robin  *)  za  kompoairen. 

Ihr,  die  ihr  Triebe,  Bald  Prost,  bald  HlUe 

Des  Herzens  kennt,  Dorcb  meine  Braat. 

Sprecbl :  ist  es  Liebe, 

Was  hier  so  brennt?  Ein  heimlich  Sehnen 

Zieht,  wo  ieh  bin, 
Ich  will's  Bneh  sagen.  Zu  fernen  ScbSnen 

Was  in  mir  wühlt,  Mich  traalich  bin ; 

Buch  will  ich^s  klagen, 

Buch,  die  ihr  fühlt.  Dann  wird  von  Leiden 

Und  iooerm  Harm 
Sonst  war's  im  Herzen  Und  dann  von  Prenden 

Mir  leicht  ond  frei.  Mein  Busen  warm. 

Bs  waren  Schmerzen 

Und  Angst  mir  neu ;  Es  winkt  und  folgt  mir 

Nun  überall,  — 
Jetzt  fahrt  wie  Blitze  Und  doch  bebagt  mir 

Bald  Pein,  bald  Lust,  Die  süsse  Qual. 

Die  Unruhe ,  die  sich  in  dem  erwachenden  Herzen  des  verzognen 
Edelknaben  regt,  das  wäre  der  allgemeine  Inhalt  des  Gedichts.  Sollte 
nur  er  laut  und  fühlbar  werden ,  so  wäre  die  Liedform  eingetreten. 
Allein  das  wäre  für  die  Scene  wie  für  die  Karakteristik  Cberubin's 
zu  wenig,  —  es  wäre  nicht  einmal  ausführbar  gewesen  im  Raum  eines 
so  engen  Verses.  Dass  die  letztere  Behauptung  richtig  bleibt ,  selbst 
wenn  man  die  etwa  zulässige  Textwiederholung  und  eine  Orchesterein- 
leitung  hinzudenkt,  bezeugt  Mozart's  Komposition;  in  ihr  macht  das 
Orchester  eine  Einleitung  und  werden  die  beiden  letzten  Zeilen  des 
ersten  Verses  wiederholt  —  und  Niemand  würde  sich  mit  einem  Schlüsse 
der  Komposition  an  dieser  Stelle  (Takt  20)  zufrieden  gestellt  finden. 
Innerlich  und  äusserlich  wird  also  eine  umfassendere  Form  nothig. 
Mozart  erkennt  im  ersten  Verse  den  eigentlichen  Hauptinhalt:  dieses 
Ahnen ,  das  in  Frage  hervorbrechende  Bewusstwerden  des  neuen  Ge- 
fühls. Dieser  Vers  wird  also  Hauptsatz  seiner  Komposition  und 
nimmt  nach  bekannten  Gesetzen  (Tb.  III.  S.  94)  Liedform  an.  Die 
übrigen  Verse  haben  gemeinsamen  Inhalt:  Schilderung  der  Verände- 
rnng ,  der  Regungen ,  die  in  dem  Gemüth  des  Knaben  stattgefunden. 
Diese  ganze  Schilderung  findet  ihre  Bedeutung  und  Wichtigkeit  eben  nur 
im  ersten  Verse;  da  klären  sich  alle  diese  einzelnen  Regungen  zu 
dem  Bewusstwerden  jenes  neuen  Gefühls  auf;  der  Inhalt  des  ersten 


*)  Es  scbiea  sweckmässlfr^  die  populärsten  und  fasslicbsten  Beispiele  ood  statt 
des  vielleicht  nicht  Jedermann  geläufigen  italienischen  Textes  dl«  (wenn  auch  etwas 
ungelenke)  Uebersetzung  su  nehmen^  —  wo  es  obneVerr&ckung  des  Gesichtapunkts 
^ehea  wollte. 


479     

Verses  beslätigt  sich  hieraiit  als  Hauptsache  ond  der  der  übrigen  Verse 
als  Nebensache.  Wenn  das  schon  vom  gesammten  Inhalt  der  letzten 
sechs  Verse  gelten  muss,  dann  noch  vielmehr  von  den  einzelnen  Mo* 
menten  desselben ;  jeder  Zug  ist  hier  eben  nur  ein  Strich  im  ganzen 
Bilde,  keiner  bat  für  sich  besoodre  Wichtigkeit. 

Hiermit  ist  die  Form  entschieden.  Nach  dem  Hauptsatze  können 
die  übrigen  Verse  nur  —  Gang  werden,  und  zwar  Gang  von  einzel- 
nen Sätzen ,  die  nach  Inhalt  und  Modulation  locker  an  einander  gereibt 
sind,  wie  die  einzelnen  Züge  des  Gedichts  innerhalb  der  letzten  sechs 
Verse.  Mozart  stellt  den  Hauptsatz  in  Binv  auf  und  schliesst  voll- 
kommen. Nun  folgt  ein  Satz  (vier  Takte)  in  zwei  Abschnitten  in  Fdur, 
—  ein  zweiter  in  zweimal  zwei  Takten,  der  nach  /^moll  und  Cdur 
geht,  —  ein  dritter,  der  wieder  in  Fdur  auftritt  und  nach  einem  Halb- 
scbluss  einen  vierten  in  FtnoW  schliessenden  nach  sich  zieht ,  und  so 
folgen  Sätze  in  ^^dur,  C-  und  67moll,  EsAuv^  F-  und  6moll,  Biuv 
mit  einem  Scbluss  auf  Fdur.  Alle  diese  Sätze  sind  mehr  oder  weniger 
fest  abgeschlossen ,  haben  mehr  oder  weniger  Aehnlichkeit  unter  ein- 
ander, gelegentlich  eine  Entlehnung  aus  dem  Hauptsatz,  endlich  eine 
durch  die  ganze  Komposition  festgehaltne  gemeinsame  Begleitungsfigur. 
Aber  schon  ihre  Anzahl  und  lockere  Folge,  dann  die  schweifende  Modu- 
lation, —  alles  beweist,  dass  hier  weder  ein  einziger  Satz  vorhanden, 
noch  von  den  verscbiednen  Sätzen  einer  der  Kern ,  dass  vielmehr  alle 
eine  Satzkette  (Tb.  I.  S.  231),  ein  Gang  sind. 

Folglich  kann  der  Komponist  ebenso  wenig  an  ihnen  Befriedigung, 
als  der  Dichter  in  ihnen  den  Gipfel  finden ;  er  kehrt  in  den  Hauptton 
zurück,  und  so  ist  also  für  seine  Arie 

die  erste  Rondoform 
nothwendig  geworden. 

Eine  verwandte  Konstruktion  zeigt  die  Arie  Non  piü  andrai  (dort 
vergiss)  in  derselben  Oper.  Mozart  bildet  einen  Hauptsatz  (bis 
Takt  13)  in  Cdur,  in  dem  der  Hauptinhalt  (Figaro  ermahnt  den  Pagen, 
der  sein  Offizierpatent  erhalten  hat,  unter  den  Waffen  alle  Liebelei  zu 
vergessen  und  nur  der  Ehre  zu  leben)  ausgesprochen  und  vollkommen 
in  C  geschlossen  wird.  —  Nun  wird  dem  Jüngling  gesagt,  dass  es  mit 
dem  bisherigen  Tand  und  Schmuck  ein  Ende  habe.  Dieser  Zusatz  und 
Nebengedanke  tritt  als  Seitensa  tz  in  6dur  auf,  und  wenn  auch  der 
Gesang  selber  nicht  zum  Gange  wird ,  so  tritt  doch  die  Begleitung  zu 
dem  mehrmals  wiederholten  Schlüsse  gangartig  auf  und  fuhrt  zur  Wie- 
derholung des  Hauptsatzes.  —  Eine  zweite  Abschweifung,  die  das 
kriegerische  Leben  schildert,  hebt  satzarlig  an,  gebt  aber  bald  gangar- 
tig von  Cdur  über  Gdur,  DmoU,  £moll,  Cdur  (wo  ein  fest  geprägter 
Satz  sich  bildet)  nach  Cdur,  wo  sich  die  gangartige  Bewegung  über 
der  Schlussformel ,  wie  nach  dem  ersten  Seiteasalz  bemerkt  worden^ 


480     

wiederholt«  Nach  dieser  halb  gaDg-,  halb  satzartigen,  gleiehsam 
zweiten  Seitensatz  darstellenden  Aasfuhmng  wird  der  Haoptsali 
wiederholt  und  aus  jenem  schon  in  der  zweiten  Seitenpartie  bervorge- 
hobnen  Salz  ein  marschartiger  Anhang  gebildet,  so  dass  man  die 
Arie  als 

Rondo  dritter  Form 
anzusprechen  hätte. 

3.  Arie  in  Sonatenform. 

Die  Rondoformen  fanden  ihre  Begründung  darin ,  dass  ein  Theil 
des  Textes  als  Kern  des  Ganzen,  als  Hauptsache  und  Hauptsatz  hervor- 
trat, der  andre  Theil  des  Textes  aber  sich  jenem  nur  als  Nebensache 
und  Nebensatz  anschloss.  Hier  bedurfte  der  Hauptsatz  der  Wiederho- 
lung, nicht  aber  der  Nebensatz.  Betrachten  wir  nun  einen  andern  Text, 
den  der  Tenorarie  aus  dem  zweiten  Akt  des  Don  Juan: 

Tbräneiif  vom  Prenod  getrocknet, 
Ad  seiner  Brust  vergossen  : 
Bald  ist  aas  euch  geflossen 
Der  ewigen  Treue  Quell. 

Lass  aber  Dir  die  Himmel 
Mit  Schrecken  sieb  umtbürmen ; 
Naht  Dir  bei  ihren  Stürmen 
Ein  Freund,  Dich  zu  beschirmen, 
Dein  Himmel  bleibt  dann  hell. 

Hier  gehört  das  ganze  Gedicht  dem  einen  Gedanken  an ,  1)  wel- 
chen Trost  und  2)  welche  Stütze  Freundschaft  gewährt.  Beide  Verse 
widmen  sich  also  demselben  Gedanken,  jeder  aber  fasst  eine  wesentlich 
unterschiedne  Seite,  und  man  kann  nicht  behaupten,  dass  eine  von  bei- 
den die  wichtigere  sei ,  die  andre  nur  beiläuBg  zur  Betrachtung  kom- 
men dürfe. 

Mozart  fasst  den  ersten  Vers  als  Hauptsatz  in  Biur  und  bil- 
det ihn  in  zweitheiliger  Liedform  (die  zwei  ersten  Verse  geben  den  er- 
sten, in  Fdur  schUessenden  Theil)  mit  Anhang  und  vollkommnem 
Schluss  aus.  Der  zweite  Vers  tritt  als  Seitensatz  in  Gmoü  auf, 
wendet  sich  sogleich  in  die  gebührende  Tonart  Fdur ,  und  zum  Schluss 
eines  ersten  Theils  in  Cdur,  dann  zu  einem  zweiten  Theil  nach  F. 
Hier  schliesst  der  Seitensatz  (der  also  wieder  zweitheilige  Liedform 
hat)  und  wendet  mit  einer  Passage  über  dem  Schlusston  (orgelpunktar- 
tige  Bewegung  statt  des  Ganges)  zum  Hauptsatze  zurück.  Könnte 
mit  diesem  geschlossen  werden,  so  hätten  wir  ein  Rondo  zweiter  Form 
vor  uns;  es  ist  aber  schon  oben  unstatthaft  befunden  worden,  eineo 
Theil  dieses  Textes  gleichsam  als  Nebensache  zurückzusetzen.  Daher 
wird  zuerst  der  Hauptsatz,  dann  aber  auch  (wenigstens  dem  wichtigem 


481     

Inhalte  nach,  —  der  Anfang  ist  geändert)  der  Seitensatz ,  natürlich  im 
Hauptton,  wiederholt  Es  ist  also  hier  Sonaten-,  oder  genauer  gespro- 
chen SonatiD^nform  zur  Anwendung  gekommen. 

Die  Arien ,  die  wir  bis  hierher  besprochen ,  sind  auf  eine  einzige 
der  schon  bekannten  Formen  beschränkt.  In  der  Liedform ,  Rondo- 
und  Sonatenform  liess  sich  ihr  ganzer  Inhalt  vollständig  fassen.  Die 
Vertheilung  des  Textes  unter  Haupt-  und  Seitenpartie  folgte  durchaus 
der  wesentlichen  Gliederung  seines  Inhalts,  keineswegs  etwa  dem 
blossen  äusserlichen  Längenmaass  der  verschiednen  Verse  oder  Ab- 
schnitte; in  der  S.  478  betrachteten  Arie  z.  B.  nimmt  der  Hauptsatz 
einen,  und  der  Gang  oder  die  Seitenpartie  nimmt  sechs  Verse  ein.  Es 
ist  in  Bezug  auf  das  äusserliche  Maass  nur  das  Eine  zu  wünschen,  dass 
der  Text  im  Ganzen  oder  einer  einzelnen  Partie  nicht  zu  kurz  sei^ 
um  ohne'  überhäufte  Wiederholung  oder  übertriebene  Dehnung  der 
Worte  Stoff  genug  für  die  Ausführung  des  musikalischen  Gedankens  zu 
geben,  —  und  nicht  zu  lang,  um^  nicht  den  Komponisten  zur  Deh- 
nung der  Musik  zu  zwingen.  Allein  so  wohlbegrundel  das  eine  und 
audre  Begehr  ist,  so  lässt  sich  doch  etwas  Genaueres,  z.  B.  ein  be- 
stimmtes Maass  für  jede  Form  oder  jeden  Theil,  unmöglich  festsetzen, 
weil  es  in  jedem  einzelnen  Fall  auf  den  Inhalt  ankommt  und  auf  die 
Möglichkeit,  ihn  zu  dehnen  oder  zu  drängen,  ihn  ganz  oder  theilweis 
za  wiederholen  oder  leicht  und  kurz  zusammenzufassen. 

Dieselben  Grundsätze  bestimmen  nun  auch  die  grössern  Arienbil- 
doDgen ,  deren  im  Wesentlichen  zwei  zu  unterscheiden  sind ,  nämlich 
zunächst  die 

4.   Arie  zusammengesetzter  Form. 

Wir  betrachten  sie  an  einem  aus  Mozart's  Idomeneu$  entlehnten 
Beispiele  zuerst.  Idomeneus,  der  durch  ein  übereiltes  Gelübde  sich  ge- 
drängt sieht,  den  eignen  Sohn  zu  opfern,  tritt  mit  dieser  Arie  — 

A Eid  klagender  Schatten 

Wird  micli  amsch weben, 
Za  jeder  Stande 
Werd'  ich  erbeben 
Vor  seinem  Biiek. 

B Mit  blat'^er  Wunde, 

Mit  blassem  Antlitz 
Wird  er  mich  mahnen 
An  mein  V'erbrecben, 
•  An  sein  Geschick. 

C Welche  Schrecken! 

Welch'  Entsetzen  i 
D Ach,  mein  Herz, 

Von  Qual  zerrissen, 

Leidet  tansendfaehen  Tod. 

Marl,  Komp.  L.  IV.  3.  Aufl.  31 


482     

auf,  deren  einheitsvoller  Inhalt  der  Schmerz  über  die  ihm  auferlegte 
Unthat  und  ihre  Polgen  ist. 

Treten  wir  dem  Inhalt  näher ,  so  scheidet  er  sich  in  zi^ei  Partien. 
In  der  ersten  (A  and  B)  stellt  sich  Idomenpus  die  Folge  seiner  T>ni  als 
ein  Zuktinlliges  vor;  der  Schatten  Idamants  wird  ihm  erscheinen,  wiH 
ihn  verfolgen.  In  der  zweiten  Partie  (C  and  D)  fiihlt  er  jene  Qualen 
schon  als  gegenwärtige,  ist  ihnen  schon  hingegeben  im  Geist,  ehe  noch 
das  Schreckliche  geschehn. 

Fassen  wir  die  erste  Partie  für  sich,  so  tritt  sie  wieder  io 
zwei  Abschnitte  auseinander;  im  ersten  (A)  spricht  Idomeneus  mehr 
aus  seiner  eignen  Empfindung  (ihn  wird  der  Schatten  umschweben,  er 
wird  erbeben),  spricht  mehr  sein  Gefühl  subjektiv  aus ;  im  zweiten  (B) 
vertieft  er  sich  mehr  objektiv  in  die  ihm  drohende  Erscheinung.  CD- 
streitig  ist  der  Inhalt  des  ersten  dieser  Abschnitte  für  die  Empfindung 
des  Singenden  Hauptsache  und  somit  die  erste  oder  zweite  Rod- 
doform  vom  Texte  bedingt.  Mozart  hat  sich  für  die  letztere  ent- 
schieden und  mit  vollem  Rechte. 

Betrachten  wir  die  zweite  Partie  der  Arie  für  sich,  so  hat  sie 
dem  Gedanken  nach  nur  einen  einigen  Inhalt :  die  Qual  des  Gewissens. 
Demtmgeachlet  hat  Mozart  auch  diese  Partie  in  zwei  Abschnitte  (C 
und  D)  zerlegt  und  wieder  mit  vollem  Rechte.  Denn  die  wenigen  Worte 
des  ersten  Abschnitts  (C),  wenn  sie  auch  keinen  eignen  und  abge- 
schlossnen  Gedanken  aussprechen,  umfassen  doch  in  der  Seele  des  Lei- 
denden eine  Welt  von  Schmerz,  in  die  der  mitlebende  und  mitfühlende 
Tondichter  sich  vertiefen,  in  der  er  weilen,  die  er  vollständig  austöDcn 
musste,  unmöglich  mit  blosser  Rezitation,  als  eine  blosse  Zusatzphrase 
zu  dem  Folgenden  abfertigen  konnte.  Diese  zwei  kurzen  Zeilen  werden 
Hauptsatz  und  die  letzten  (D)  werden  ein  neuer  Satz,  also  Seiteo- 
satz. Aber  der  Inhalt  des  Seitensatzes  vervollständigt,  vollendet  erst 
den  Inhalt  der  vorigen  Verse ,  die  ohne  ihn  Exklamationen  ohne  be- 
stimmten Gegenstand  sein  würden;  er  ist  also  ebenso  wichtig.  Folglich 
muss  nicht  blos  der  Hauptsatz  C,  sondern  auch  der  Seitensatz  D  wie- 
derholt werden,  und  somit  ist  für  die  zweite  Partie  der  Arie  die  Sona- 
ten form  noth wendig.  Mozart  hat  sie  ergriffen. 

Es  bleibt  aber  noch  das  Letzte  zu  bedenken:  wie  vereinigen 
sich  die  beiden  Partien  der  Arie?  —  Denn  es  ist  zu  besorgen,  dass  mit 
dem  Abschluss  des  Rondo^s  eine  formelle  Befriedigung  gegeben  wird, 
die  jede  weitere  Fortführung  als  ein  nicht  mehr  Erwartetes,  als  ei% 
nicht  mehr  Dazugehöriges  und  darum  Lästiges  aufnehmen  lasse.  Dies 
würde  namentlich  auch  in  der  Modulation  empfindbar  werden.  Mo- 
zart setzt  die  Rondopartie  in  Cdur,  die  Sonatenpartie  in  Cmoü  (mit 
Durschluss) ,  also  würde  C  auf  C  folgen  lassen.  —  Es  darf  also  das 
Rondo  nicht  befriedigend  abschliessen ;  Mozart  unterlässt  im  Rondo 


483    

die  WiederboloDg  des  Hauptsatzes  ond  fuhrt  da,  wo  man  sie  erwartet, 
deu  Hauptsatz  (C)  und  die  ganze  zweite  Partie  ein. 

Hiermit  ist  der  Weg  bezeichnet   zu  noch  weitern  Zusammen- 
setzungen und  zu  der  grössten,  in  der  die  Arie  den  Namen 

5.  Scene 
annimmt.  Unter  Scene  versteht  man  einen  aus  mehrem  Partien  —  und 
namentlich  einer  rezitativischen  —  zusammengesetzten  Sologesang.  In 
den  meisten  Fällen  wird  mit  dem  Rezitativ  (als  der  untergeordnetsten 
Form)  angefangen ;  es  folgt  ein  langsamer  Salz  in  Lied  -  oder  kleiner 
Roudoform ;  den  Schluss  macht  ein  grösserer  in  Rondo-  oder  Sonaten» 
form  geschriebner  Satz  in  schnellerer  Rewegung.  Von  dieser  gebräuch- 
lichsten Gestaltung  kann  es  indess  so  viel  Ausnahmen  geben ,  als  es 
Wege  ^ebt  für  die  Entwickelung  eines  lyrisch-dramatischen  Zustandes; 
das  Rezitativ  kann  nicht  blos  zu  Anfang,  es  kann  zwischen  den  andern 
Sätzen  auftreten  und  sie  verknüpfen ,  es  kann  den  Schluss  der  Scene 
machen,  wenn  in  derselben  die  Wichtigkeit  des  Worts  zuletzt  vor- 
herrscht, —  oder  die  Stimmung  wieder  in  Gegensätze  auseinandertritt, 
die  (Th.  111.  S.  387)  gegen  einander  erwogen,  nicht  verschmolzen  sein 
wollen^  —  oder  endlich ,  wenn  die  Gewalt  der  Leidenschaft  so  über- 
wältigend hervortritt ,  dass  das  Maass  der  bestimmtem  Formen  nicht 
mehr  ohne  Verläugnung  oder  Schwächung  des  Inhalts  festgehalten  wer- 
den kann.  Ein  karakteristisch  erschöpfendes  Beispiel  dafür  giebt  die 
erste  Scene  des  Orpheus  {Chiamo  ü  mio  ben  cosi)  in  Gluck's 
Oper.  So  ist  auch  eine  Umordnung  oder  andre  Wahl  der  festen  Theile 
der  Scene  in  vielfälligen  Richtungen  möglich.  Ueber  alle  diese  Gestaltun- 
gen lässt  sich  im  Allgemeinen  nur  wenig  sagen  Es  muss  zuvörderst 
jede  Partie  in  sich  befriedigend  (damit  man  jede  nach  voller  Bedeutung 
und  Kraft  fasse),  aber  doch  in  solcher  Weise  (also  mit  einem  rhythmisch, 
oder  melodisch,  oder  harmonisch  gestörten  Schluss)  abgeschlossen  wer- 
den, dass  die  Folge  einer  neuen  Partie  vorausgefühlt  und  Theilnahme 
Tür  dieselbe  erweckt  werde.  —  Die  einzelnen  Partien  müssen  (wie  wir 
schon  in  mannigfachen  Formen  gelernt  haben)  durch  Modulationsord- 
uQog,  Inhalt  und  Stimmung  in  Einheit  unter  einander  erhalten  werden, 
in  der  Regel  wird  diese  Einheit  befördert,  wenn  die  Scene  in  dem 
Tone  schliesst ,  iu  dem  sie  angefangen ;  dies  ist  jedoch  keineswegs  für 
unerlässlich  zu  achten ,  kann  vielmehr  durch  Inhalt  und  Stimmung  oll 
nnthanlich  werden.  —  Endlich  ist  es  rathsam,  nicht  zu  viel  und  vielerlei 
Partien  auf  einander  zu  häufen ,  weil  damit  Haltung  des  Ganzen  und 
Nachdruck  des  Einzelnen  gleichmässig  gefährdet  werden. 

Hierauf  muss  die  allgemeine  Lehre ,  wenn  sie  nicht  in  abstrakten 
Vorschriften  zum  Unrecht  oder  zur  Nichtbeachtung  gegen  den  Inhalt 
der  Kunst  sich  verirren  soll ,  sich  beschränken ;  alles  Nähere  über  die 
Anlage  der  Scene  hängt  vom  Inhalt  und  den  Verhältnissen  der  beson- 
dem  Aufgabe  ab  und  kann  besonders  in  dramatischen  Aufgaben  —  wo 

31« 


484     

allerdings  die  Handlang  auf  der  Bühne  erläuternd  nnd  anreizend  mit- 
wirkt —  weit  von  dem  oben  Angedeuteten  abweichen  und  darober  hiih 
ausgehn.  Dass  übrigens  auch  in  nicht-theatralischen  Scenen  sehr  weil 
gegangen  werden  kann,  zeigt  die  Scene  Ahperfido!  von  Beethoven 
und  noch  mehr  das  Monodrama  ,,Ariadne  auf  Naxos^'  von  Haydn; 
das  letztere  besteht  eigentlich  aus  zwei  —  aber  durchaus  zusammengf- 
hörigen  Scenen. 

Dies  sind  die  wesentlichen  Formen  der  Arie.  Ist  dieselbe  leichten 
Inhalts  und  beschränkt  sie  sich  auf  eine  einzige  Form  (meistens  Rondo- 
form),  so  wird  sie 

Ariette 

genannt.  Ist  sie  sanftem ,  stillen  Inhalts  und  wieder  auf  einen  (meist 
wohl  liedförmigen)  Satz  in  langsamerer  Bewegung  beschränkt,  so  er- 
hält sie  bisweilen  den  Namen 

Kavatine, 

dessen  Anwendung  aber  oft  ziemlich  willkührlich  geschieht*). 

Wird  ein  Tbeil  der  Arie,  —  meist  der  aus  dem  letzten  Satze 
(Haupt-  oder  Seitensatz)  zum  Schluss  fuhrende,  —  zu  Passagen  oad 
Rouladen  benutzt,  in  denen  sich  die  Kehlfertigkeit  des  Sängers  zeigeo 
soll,  so  heisst  die  Arie 

Bravourarie; 

wird  in  der  Arie  ein  obligates  Instrument  zu  besonders  glänzeadeoi, 
gleichsam  mit  der  Singstimme  wetteiferndem  Spiel  verwendet ,  so  er- 
hält die  Komposition  den  Namen 

konzertirende  Scene  oder  Arie; 

tritt  endlich  der  Solostimme  ausser  dem  Orchester  auch  ein  Chor  von 
Stimmen  zur  Seite ,  so  entsteht  die 

Scene  oder  Arie  mit  Chor. 

lieber  alle  diese  Anwendungsweisen  oder  Gestaltungsweisen  ist 
keine  weitere  Bemerkung  nöthig.  Die  wichtigste  derselben  ist  die  Arie 

*)  Der  Name  bat  seinen  Urspraog  und  seine  bestimmte  Bedentunp  io  der  vor- 
mozartiscben  Periode,  in  der  die  Arien  (besonders  die  Operuarieo  der  damals  herr- 
schenden Italiener,  —  Händel,  Gluck  u.  A.  hatten  sich  schon  frei  za  bewegei 
gewasst)  meist  eines  ganz  bestimmten  Zoschnitt  hatten.  Sie  bestanden  aimlidi 
(wies.  B.die  io  Graa  d's  Tod  Jesu)  aas  einem  ersten  Satz  (Allegro)  uad  etaem  zwei- 
ten (Adagio,  Andante),  nach  weichem  der  erste  Note  fdr  Note  wiederholt  wvrde. 
Eine  Arie  nun,  die  sich  auf  den  ersten  Satz  (also  ohne  Andante  und  Wiederholoofr 
des  ersten  Satzes)  beschränlLte,  hiess  Ariette,  —  die  sich  nur  auf  den  zweites 
Satz  (ohne  die  Allegro^s)  besehrinkte,  hiess  Cavata  oder  Cavatiaa. 


485     

mit  Cbor.  Sie  beruht  darauf,  dass  die  Rede  der  Haoptperson  von  eiBem 
Chor  ihr  Bei  -  oder  Entgegentretender  ZustiDimung  oder  Widerspruch 
erfährt;  im  erstem  Falle  wird  der  Sologesang  vom  Chor  unterstützt,  im 
letztero  geräth  er  mit  demselben  in  Gegensatz ,  und  es  kann  in  beiden 
Fallen,  besonders  im  erstem,  an  geistiger  Bereicherung  und  Steigerung 
Dicht  fehlen.  Der  Komponist  hat  die  Aufgabe,  einerseits  den  Chor  in 
gehaltvoller  und  seiner  Bedeutung  angemessener  Weise  zu  beschäfti- 
gen, andererseits  aber  ihn  doch  auch  so  weil  zurückzuhalten,  dass  die 
Solostimme  als  herrschende  und  Hauptpartie  sich  dem  Chor  wie  dem 
Orchester  gegenüber  behaupten  könne.  Was  in  äusserlicher  Beziehung 
darüber  zu  sagen  wäre,  ist  aus  dem  zu  entnehmen,  was  über  das  Ver- 
hältniss  des  Orchesters  zum  Gesang  (besonders  Sologesang)  und  der 
Ripienstimmen  zu  obligaten  oder  Hauptstimmen  mitgetheilt  worden. 
Das  Nähere  muss  nach  Situation  und  Text  ermessen  werden. 


Vierter  Abschnitt. 
Die  luehrstimmigen  SolosAtie. 

Abgesehen  vom  mehrstimmigen  Liede,  das  bereits  Th.  HI.  S.  439 
zur  Erwägung  gekommen,  sind  hier  diejenigen  Sätze  zu  betrachten,  in 
denen  zwei  oder  mehr  Solostimmen  selbständig,  —  nicht  blos  die 
eioe  zur  Begleitung  der  andern,  zusammenwirken. 

Es  tritt  in  dergleichen  Sätzen  der  Dialog  zweier  oder  mehrerer 
Personen  in  die  musikalische  Sphäre ,  deren  jede  eigenthümlichen  In- 
halt auszusprechen  und  sich  damit  als  selbständige ,  künstlerische  Per- 
son darzustellen  hat,  während  doch  alle  durch  gemeinsame  und  gleich- 
zeitige Empfindung  oder  Handlung,  durch  gemeinsames  oder  widerspre- 
chendes Interesse  an  einem  bestimmten  Gegenstand  unter  einander  in 
Beziehung  treten.  Zärtliche  Geständnisse  oder  Bitte  und  Gewährung 
zweier  Liebenden  gegen  einander ,  —  irgend  ein  Streit  zweier  gegen 
einen  dritten,  oder  zweier  unter  einander,  während  der  Dritte  betrach- 
tend, begütigend,  aufreizend  hinzutritt,  —  dies  sind  Momente,  in  denen 
verschiedne  Individualitäten,  jede  sich  selbständig  erhaltend  und  be- 
wahrend, doch  durch  ein  zusammentreffendes  Interesse  oder  durch 
einen,  jede  Partie  nach  ihrer  Seite  hin  interessirenden  Widerstreit  zu 
einer  einheitvollen  Wechselwirkung  verbunden  werden.  Fehlt  diese 
verneinende  Beziehung ,  so  können  einzelne  Personen  sich  nach  einan- 
der aussprechen,  aber  es  ist  kein  innerer  Grund  vorhanden,  sie  zusam- 
menzubringen, und  ihrem  Verein  würde  die  Kraft  wahrer  innerer  Ein- 
heit fehlen.    Ein  Beispiel  giebt  Goethe's  Gedicht  ,, Verschiedne  Em- 


486     

pfindnngen  an  einem  Platze^*.  Hier  tritt  zuerst  ,,da8  Mädchen"  auf, 
entzuckt  und  erschreckt  vom  Anblick  des  Geliebten,  —  dann  „der 
Jonglin^'S  dieGeh'ebte  sehnsuchtsvoll  suchend,  — dann  „der  Schmach. 
tende'S  der,  ,, verkannt  von  derMenge^*,  die  Einsamkeit  sucht  für  seia 
Leiden,  das  doch  auch  sein  Gläck  ist,  —  zuletzt  ,,der  Jiger^S  der 
Jagdbeute  froh.  Die  beiden  ersten  Personen  kann  man  sich  noch  in  Be- 
ziehung zu  einander  denken ,  nur  dass  diese  nicht  in  einem  einigenden 
Augenblick  hervortritt  und  zur  thätigen  Wechselbeziehung  wiH;  die 
dritte  —  und  noch  auffallender  die  vierte  Person  bleiben  von  jeder  Be- 
ziehung zu  den  vorigen  uud  unter  einander  ausgeschlossen.  Es  ist  dies 
also  eine  Reihe  von  vier  Gedichten ,  nur  durch  die  lockere  Vorsteilnag 
aneinandergehalten ,  dass  diese  vier  Personen  (und  möglicher  Weise 
noch  viele  andre)  zufällig  nach  einander  dieselbe  Stelle  —  etwa  im 
Walde  betreten  und  sich  da  eine  jede  ihrem  eignen  Interesse  überlassen 
haben.  Der  Komponist  würde  hier  so  wenig  eine  innere  Einheit  erhal- 
ten, als  der  Dichter  sie  hat  geben  wollen ;  ja,  er  würde ,  wenn  er  die 
vier  Personen  in  einem  Moment  musikalisch  vereinigte ,  ihre  Stimmeo 
mehr  oder  weniger  verwebte  und  verband^  unvermeidlich  Worte  uod 
Karaktere  durch  einander  wirren  und  einander  gegenseitig  störend 
und  verdunkelnd  machen. 

Wenden  wir  uns  nun  von  dieser  gemeinsamen  Vorbestimmung  u 
die  einzelnen  Formen,  so  ist 

1.  das  Duett 

die  einfachste  derselben,  und  desshalb  zuerst  zu  betrachten. 

Im  Duett  treten  zwei  Personen  zu  einander ,  haben  also  jede  sich 
als  selbständige,  eigentbümliche  Person,  —  zugleich  aber  auch  als  zwei 
Personen,  deren  Interesse  in  einem  Moment  und  Zeitpunkt  zusammen- 
ivitti,  zu  bewähren.  Diese  beiden  Foderungen  können  in  der  manoig- 
fachsten  Weise  erfüllt  werden,  und  hiernach  bestimmt  sich  lohalt  and 
Form  des  Duetts« 

Wenn  z.  B.  in  Mozart's  Titus  die  beiden  Freunde  in  folgendes 
Versen  — 

lo  deinem  Arm  za  weilea, 
Freand ,  welche  Seligkeit  1 
Lass  Gluck  nod  Scbmen  ans  theilen, 
Voll  treuer  Zärtiiefakeit. 

die  ihnen  gemeinsame  und  ganz  gleiche  Empfindung  aussprechen:  so 
konnte  es  schon  genügen ,  beiden  die  Verse  zu  gleichzeitigem  Vorlng 
und  ohne  alle  Individnalisirung ,  also  in  homophoner  Zweistimmigkeil 
zu  geben;  dann  wäre  die  Romposition  ein  zweistimmiges  Lied  ge- 
worden«   Mozart  ist  nur  einen  Schritt  weiter  gegangen.  Nachdem 


487     

er  das  Gaaze  in  eiofacher  Liedweise  vorgestellt,  verlbeill  er  die 
Worte 


Lass  Glück  —  aod  Schmerz  —  nns  theileo  —  voll  treuer. 


oDler  die  einander  ablosenden  Stimmen ,  die  dann  im  nächsten  Worle 
wieder  zusammentreten  und  durchaus  liedmässig  zu  Ende  gehu.  Bei 
der  voUkommnen  Einigkeit  der  Personen  und  Interessen  genügte  diese 
flüchtige  Unterscheidung. 

Eine  fast  gleiche  Aufgabe  stellte  sich  demselben  Komponisten  in 
dem  Duett  des  Annio  und  der  Servilia.  Auch  hier  sind  es  zwei  innig 
verbundne,  in  Gesinnung  und  Stimmung  verwandte  Personen,  die  das 
Duett  vereint.  Annio  beginnt : 

Ach  verzeih*,  du  Auserwählte, 
Dieseo  Nainen  meioem  Munde, 
Noch  g^ewohnt  vod  uaserm  Bunde, 
Ihn  mit  Wonne  dir  zu  weihn. 

Servilia  entgegnet  in  gleicher  Stimmung  und  daher  in  derselben 
Melodie : 

Ach,  hör*  auf  mein  Herz  zu  quälen  *), 
Du,  der  Erste ,  desi  ich  brannte, 
Den  ich  mein  auf  Erden  nannte, 
Dn  wirst  auch  der  Letzte  sein. 

Nur  eine  leise  Färbung  des  Orchesters  (die  Melodie  wird  bei  Annio 
vom  Fagott,  bei  Servilia  von  der  Flöte  begleitet)  unterscheidet  beide 
Persönlichkeiten,  da  Annio  sogar  derselben  Stimmklasse,  dem  Diskant, 
angehört.  Dies  ist  der  Hauptsatz,  von  einer  einzelnen  Stimme  vor- 
getragen, von  der  andern, ebenfalls  allein  gehenden,  wiederholt.  —  Nun 
treten  beide  Stimmen  mit  Wechselrede  auf,  — 

Cari  accenti  del  nio  bene !  — 
Ob  mia  dolce  cara  speme  I  — 

beide  über  einem  Grundgedanken  etwas  abweichend  geformt,  und  ver- 
einen sich  dann  in  den  Worten : 

Pia  che  ascotto  i  sensi  tuni. 
In  me  cresce  piu  Tardor. 

zum  ersten  Mal  in  einfacher  Zweislimmigkeil.  Diese  Partie,  deren 
Hauptsitz  die  Dominante  des  Haupttons  ist,  bildet  einen  Seiteusatz, 


*)  Manche  Unebenheit,  die  so^ar  die  Auffassung  Mozart's  bisweilen  zweifel- 
haft machen  könnte^  gehört  dem  untergelegten  Text  an  und  ist  im  Originaltext  nicht 
vorbanden. 


488     

nach  dem  in  einem  einigen  Ausdruck  des  gegenseitigen  GefShb  der 
Hauptsatz  im  Hauptton  wiederkehrt,  zweistimmig  und  homophon,  aber 
mit  einer  gelegentlich  eigenthümlichem  Zeichnung  der  zweiten  Stimme. 
So  ergab  sich  die  zweite  Rondoform* 

Als  letztes  Beispiel  diene  das  erste  Duett  dieser  Oper,  in  dem  wie- 
der zwei  Liebende ,  aber  mit  getrenntem  Interessen  auftreten.  Sextus 
ist  nur  von  seiner  Liebe  erfüllt  und  durch  sie  bestimmt,  jedes  Verlan- 
gen der  Geliebten  zu  erfüllen ;  Vitellia  begehrt  Wiedereinsetzung  auf 
den  Thron,  den  Titus  ihr  vorenthalte,  und  wird  sich  nur  dem  Wieder- 
hersteller ihrer  Rechte  geben;  das  Interesse  beider  ist  nicht  ein  gleiches> 
aber  ein  verknüpftes  und  in  der  leidenschaftlichen  Erregung  beider 
noch  inniger  zusammenschmelzendes.  Dieser  Inhalt  bestimmt  die  Form, 
aber  eine  andre  als  die  bisher  aufgefundnen. 

Sextu^  spricht  seine  Bereitwilligkeit  für  Vilellias  Willen  aus,  sie 
ihreFoderung;  er  in  einem  periodischen  Liedsatz  inFdur,  sie  in  einem 
Liedsatz  in  Cdur,  gleichsam  Haupt-  und  Seitensatz.  In  kürzerer  Wech- 
selrede ,  die  das  Orchester  mit  laufenden  Figuren  (gleichsam  statt  des 
Ganges)  begleitet,  fuhren  beide  Singende  diese  Partie  (Andante)  zu 
einem  orgelpunktartigen  Schluss  auf  der  Dominante  des  Haupttons. 
Hätte  es  der  Inhalt  erlaubt,  so  konnte  nun  der  Hauptsatz  wiederholt 
und  das  Ganze  als  Rondo  zweiter  Form  geschlossen  werden.  Allein 
noch  fehlt  der  Brennpunkt,  in  dem  beide  Gemüther  —  und  beide  Stim- 
men zusammenschmelzen.  Diesen  gewähren  die  Verse : 

Fao  mille  affelti  iosieme 
Battag^lia  ia  me  spietata, 
Uli*  alma  lacerata 
Piü  della  niia  dod  v^k. 

Jedes  der  Verspaare  giebt  eine  Periode,  in  der  beide  Stimmen  ho- 
mophon mit  einander  gehn;  dann  werden  dieselben  Worte  in  einem 
dritten  Satz  in  kanonischer  (übrigens  natürlich  leicht  gehaltener)  und 
nochmals  in  einem  viertenSatz  in  freierer  Nachahmung  vorübergefährt, 
und  endlich  wird  mit  beiden  geschlossen.  Dieser  ganze  zweite  Theil 
der  Arie  (AUegro)  mit  seinen  vier  oder,  den  Schluss  mitgerechnet,  fünf 
Sätzen  steht  durchaus  in  Finr\  Tonart,  Fluss  und  Bewegung,  Aehn- 
lichkeiten  in  der  Gestaltung  des  Einzelnen  und  Stimmung  machen  ihn 
bei  aller  Mannigfaltigkeit  des  Inhalts  zu  einem  einigen  und  festznsam- 
menhängenden ;  die  vielgliedrige  Form  erinnert  an  eine  Tb.  III.  S.5I0 
betrachtete  Motetten  form. 

Von  hier  aus  sind 

2.  die  mehr  als  zweistimmigen  Solosät^e, 
ämlich  das  Terzett,  Quartett,  Quintett  n.  s.  w.,  sowie 


489     

3.  das  Gesang-Ensemble, 

10  dem  zu  melirern  Soiosümmen  auch  noch  der  Chor  Irilt,  fer- 
ner die  meist  noch  umfasseudem  Zusammensetzungen  versehiedner 
Sätze: 

4.  die  Introduktion, 
und 

5.  das  Finale, 

die  zur  Einleitung  und  zum  Schluss  grösserer  musikalischer  Werke, 
z.  B.  der  Akte  und  Theile  von  Opern,  Oratorien  u.  s.  w.  dienen  und 
in  denen  Solostimmen  allein  oder  mit  Chor  verbunden  zusammenwir- 
ken ,  nach  ihrer  formellen  Beschaffenheit  —  und  so  weit  sie  noch  in 
den  Kreis  nnsrer  Betrachtung  gehören,  aufeufassen. 

In  allen  diesen  Formen  bestimmt  der  Text :  welche  Personen  ver- 
banden, welche  abwechselnd  oder  gegen  einander  auftreten,  ob  und  wo 
der  Chor  sich  ihnen  unterstützend  zugesellen ,  allein  eintreten,  zu  den 
Solostimmen  einen  Gegensatz  bilden,  —  ob  und  wo  zwischen  dem  Ge- 
sang reines  Orchesterspiel  für  Zwischensätze,  Einleitungen  u.  s.  w., 
oder  in  selbständigen  Ausfuhrungen  (z.  B.  Märschen  und  Tänzen)  ein- 
treten soll ;  nach  dem  Texte  bestimmt  der  Komponist,  welcher  Ausdeh- 
nung und  Gliederung  sein  Werk  für  den  Inhalt  bedarf,  weicher  For- 
men er  sich  einzeln  oder  aneinandergereiht  zu  bedienen ,  wie  er  die- 
selben auszuführen  und  zu  verketten,  wie  er  die  verschiednen  Sätze 
unter  die  Stimmen  zu  vertbeilen  hat. 

Hier,  wo  alles  auf  den  besondern  Inhalt  ankommt  und  kaum  ein 
Fall  dem  andern  gleicht,  tritt  die  Lehre  zurück  und  überlässt  den  Jün- 
ger dem  Studium  der  Meisterwerke  und  dem  eignen  Nachdenken.  Soll 
sie  aber  den  Meister  bezeichnen,  dem  wir  eben  in  solchen  Aufgaben  die 
reichsten  und  vollendetsten  Vorbilder  verdanken,  so  nennt  sie  den 
Namen 

Mozart. 

Er  nahm  die  Formen  der  Introduktion  und  besonders  des  Finale 
aus  den  Händen  weniger  Vorgänger  und  Zeitgenossen  (unter  denen  ihm 
in  dieser  Hinsicht  Cimarosa  wohl  am  nächsten  steht),  erweiterte  zu- 
gleich und  kräftigte  sie  durch  energischen  Zusammenschluss  der  ver- 
schiednen Partien,  aus  denen  sie  zusammengefügt  sind.  Frei  und  geist- 
reich im  Spiel  mit  allen  Formen,  darum  kurzgefasster  und  doch  befrie- 
digender in  jeder  Partie,  —  fugte  er  sie  in  gePälligem ,  leichtem  und 
doch  sicherm  Ebenmaass ,  als  der  geschickteste  Baumeister  im  luftigen 
Reiche  der  Melodien ,   zusammen  und  wusste  fast  immer  den  Bau  in 


490    

schwungvoller  Krönung  zu  schliessen.  Keiner  seiner  Nachfolger  — 
auch  Beethoven  nicht —  hat  in  dieser  Hinsicht  einen  wahren 
Fortschritt  gethan;  er  scheint  geradehin  unmöglich;  denn  Massenthiir- 
aiuttg(wieMeyerbeer  namentlich  im  „Peldlager^^  ungeheuerlich  voll- 
bracht) ohne  jepes  architektonische  Bbenmaass,  ohne  jene  Anmuth  und 
schwungvolle  Erhebung  ist  eher  Rückschritt,  durch  die  üppig  wildern- 
den Gelüste  unsrer  Restaurationszeit  dem  nachgiebigen  Künstler  abge» 
presst.  Darum  muss  der  Jünger  auf  jenes  glücklichere  Vorbild  zurück- 
gewiesen werden. 


Allhang. 


Erläuterungen  und  Zusätze 


zum 


vierten  Theile. 


A. 

Die  Orgel  zur  Begleitung  von  Kirchenmusik. 

Zu  Seile  41. 

In  der  Eotwickelung  der  Lebre  haben  wir  die  Orgel  nur  in  derje- 
nigen Richtung  ihrer  Wirksamkeit  betrachtet,  für  welche  der  Kompo- 
nist tbätig  zu  sein  beruren  wird.  Es  versteht  sich,  dass  die  An- 
wendung der  Orgel  zur  Begleitung  und  Leitung  des  Gemeinegesangs, 
sowie  die  nach  dem  engsten  Bedürfniss  und  Herkommen  des  Gottes- 
dienstes zugeschnittenen  Zwischenspiele  (wenn  auch  von  Zeit  zu  Zeit 
Cboralbücher  ^^mit  Zwischenspielen^^  verfasst  und  herausgegeben 
worden  sind)  und  ähnliche  kleine  Improvisationen  in  der  Kompositions- 
lehre keine  weitere  Berücksichtigung  finden  können.  Das  dafür  vonsei- 
ten der  Lehre  Nöthige  ist  bereits  in  der  Elementarlehre  und  bei  dem 
Choralsatz  (Tb.  I.  S.  294,  Tb.  II.  S.  186)  gegeben. 

Allein  in  einer  Beziehung  kann  die  Aufmerksamkeit  des  Komponi- 
sten noch  auf  die  Orgel  gelenkt  werden ;  nämlich  in  der  Benutzung  der 
• 
Orgel  zur  Begleitung  von  Kirchenmusik. 

Eine  solche  Begleitung  kann  vom  Komponisten  ausdrücklich  ge- 
foderty  oder  sie  kann  von  dem  Dirigenten  bei  Aufführung  einer  Kirchen- 
musik nach  freiem  Ermessen  hinzugefügt  werden.  Beide  Fälle  sind 
nach  derselben  Grundansicbt  zu  beurtheilen. 

Wir  haben  schon  bei  der  Auffassung  der  Orgel  als  selbständiges 
Instrument  erkennen  müssen,  wie  arm  sie  im  Vergleich  mit  den  andern 
Mnsikorganen  an  Mitteln  für  den  Ausdruck  lebendig  bewegten  Gefühls 
ist,  wie  starr  und  unlebendig  die  unabänderliche  Gleichheit  ihrer  Schall- 
kraft  gegen  den  Wechsel  von  Stark  und  Schwach ,  Ab-  und  Zunehmen 
der  andern  Organe  ist,  wie  hierdurch  auch  die  feinere  und  mannigfalli- 
gere  Zeichnung  des  Rhythmus  unerreichbar  bleibt,  oder  doch  nur  sehr 
unvollkommen  durch  andre  Vortragsmittel  erlangt  wird,   die    schon 
desshalb  nicht  zu  Gunsten  der  Orgel  in  BeU*acht  kommen ,  weil  sie  den 
andern  Organen  ebenfalls,  und  den  meisten  noch  obenein  yoUkommen 
zu  Gebote  stehen.  . 

Wenn  sich  dies  schon  bei  dem  selbständigen ,  unvermischlen  Gc- 
brauch  der  Orgel  fühlbar  macht:  wie  viel  mehr  wird  es  empfindlich 


494     

werden,  wenn  neben  der  unlebendigen  Orgel  lebenvollere,  —  wir 
möchten  sagen,  gemüthvollere  Organe,  Orchester  und  Gesang  wirken 
und  ihre  biegsamen ,  verschmelzenden  Töne ,  ihre  voUkommne  Beto- 
nung, Schatten  und  Licht  ihrer  Forte-  und  Piano-Sätze,  ihre  ausdrucke 
volle  Melodik  uns  gleichsam  zwingen  zum  Vergleich,  uns  das  Hin *> 
eindichten  von  tieferm  Ausdruck,  den  das  Orgelspiel  nicht  giebl 
(S.  38),  unmöglich  machen  !  In  solchem  Verein  lebendiger  und  starrer 
Stimmen  muss  Leblosigkeit  der  letztern  doppelt  ungünstig  empfunden 
und  muss  —  was  das  Debelste  ist  —  die  gemüthansprechende  Leben- 
digkeit der  andern  Organe  gestört  werden  durch  das  Eindringen  des 
Leblosen.  Den  wachen  Sinn  trifft  dabei  ein  Eindruck,  als  wenn  sich, 
etwa  durch  einen  Zauber,  Steinbilder  in  den  beseelten  Reigen  Leben- 
diger mischten. 

Hierzu  kommt  noch  ein  Zweites.  Soll  irgend  ein  Organ  zur  Wirkung 
kommen,  so  ist  es  vernunftgemäss,  es  —  wenn  auch  nicht  immer,  doch 
öfters,  oder  endlich  einmal  —  in  seiner  wahren  Kraft  und  Schöne  gel- 
tend zu  machen.  Dieses  natürliche  Begehr  muss  man  sieh  bei  der  Orgel 
in  ihrem  Verein  mit  Orchester  oder  Chor  versagen.  Die  Herrlichkeil 
und  wahre  Macht  der  Orgel  beginnt  (S.  32)  erst  mit  ihrem  Vollklang.  Das 
volle  Werk  oder  wenigstens  eine  starke  Registratur,  die  den  eigentli- 
chen Orgelklang  hervortreten  lässt,  —  dies  in  breiten,  ruhig  ge- 
führten Massen,  das  ist  ihre  eigenthömliche  Wirksamkeit;  hier  ist  sie 
das  hochwürdige  Organ  der  Kirche,  allen  andern  Instrumenten  weit 
überlegen,  durch  keines  zu  ersetzen  oder  zu  erreichen. 

Aber  eben  in  solcher  Weise  kann  die  Orgel  im  Verband  mit  an- 
dern Organen  nicht  angewendet  werden.  Das  stärkste  Orchester  und 
der  grösste  Chor  würden  den  Vollklang  oder  auch  nur  starke  Registra- 
turen eines  nur  massig  starken  Orgelwerks  nicht  ertragen ;  sie  würden 
von  ihm  verschlungen  oder  doch  so  zermürbt  werden ,  dass  ihre  Wir- 
kung kleinlich  erschiene.  Man  muss  daher,  um  die  Orgel  nur  überhaupt 
gebrauchen  zu  können,  sie  ihrer  eignen  Kraft  und  Würde  berauben^ 
muss  sie  herabsetzen  zu  einem  schwächern  Organ ,  als  die  Masse  der 
übrigen  Organe.  Dies  ist  eine  wohl  ohne  Weiteres  ebenso  klare  als 
Iraurige  Nothwendigkeit.  Zum  Ueberfluss  vernehme  man  als  Zeugniss 
die  Vorschriften  eines  erfahrnen  Organisten  ,  über  die  man  wenigstens 
nicht  weit  wird  hinausgehen  können.  Seidel*)  räth,  zur  Begleitung 
der  Kturgischen  Gesänge  „im  Manual  zwei,  auch  drei  Sfüssige,  im  Pe- 
dal eine  16-  und  eine  Sfossige  Labialstimme^S  zur  Begleitung  der  Kir- 
•cbenmusik  ,,im  Manual  ein  einziges  Sfüssiges  Gedakt  oder  dergleichen 
Flöte,  für's  Pedal  einen  Subbass  (eine  gedeckte,  schwache,  sanfte 
Stimme)  16  Pusslon  noch  mit  einer  Sfüssigen  gedeckten  Stimme'S  — 
wenn  die  Orchesterbässe  schwach  sind ,  noch  ,,Violon  16  und  8  Puss 


*)  S.  141  seines  «ngefülM'ten  Handbacbs. 


495     

oder  Oktavbass  8  Pass^*  binzazufugen,  —  wenn  die  Bässe  ganz  fehlen 
und  blos  durch  das  Orgelpedal  gegeben  werden  sollen,  y,alle  8«  und 
löfüssigen  Register  (aaeh  noch  —  aber  nicht  gern  —  Superoktave 
4  Fass)  desselben,  mit  Ausnahme  der  Robrwerke'^  (also  der  bellen 
Stimmen)  zu  ziehen.  So  ängstlich  beschränkt  ein  von  seinem  Instru- 
ment begeisterter  Mann  (S.  12)  dessen  Wirkungskraft;  und  in  der 
Hauptsache  gewiss  mitRecht,  wenn  man  auch  bei  grosser  Besetzung  des 
Orchesters  und  Chors  (wie  er  selbst  andeutet)  über  sein  Maass  ein  wenig 
binaasgehen  darf. 

Aliein  —  auch  die  Schwächung  und  Erniedrigung  der  Orgel  bringt 
noch  kein  gutes  Verhältniss  hervor.  Der  Ton  des  dumpfsten  Registers, 
so  lange  er  nur  irgend  vernehmbar  bleibt,  wird  in  seiner  Unwandel- 
barkeit endlich  die  stärkste  Besetzung  der  Orchesterstimmen, —  die  be- 
weglich ,  unslät ,  ab*  und  zunehmend ,  ungleich  sind  wie  alles  Leben- 
dige, —  überwinden  oder  doch  beeinträchtigen.  Der  stärkste  Schlag 
der  Streichinstramente  hat  nur  in  einem  Moment  (S.  247)  seine  höchste 
Kraft ,  das  helle  Geschmetter  der  Trompeten  und  Posaunen  hat  seine 
Ebbe,  seine  Momente  des  Nachlassens,  während  ein  einziger  Ton  im 
Violon  8  Fuss,  oder  gar  in  einer  Oboe  oder  Trompete  (wenn  man  zu 
Rohrwerken  greifep  wollte)  in  unerschöpflich  gleichem  Schalle  fort- 
wirkt und  die  Momente  des  Nachlassens  im  Orchester  als  Schwächen 
empfinden  lässt. 

Hierzu  kommt  noch  als  letzter  Entscheidungsgrund  der  der  Orgel 
eigenthümliche ,  von  der  Weise  des  Orchesters  oder  Chors  so  w*esenl- 
lich  abweichende  Styl.  Gerade  die  eigenthümlichsten  Züge  des  Orgel- 
satzes (man  blicke  auf  die  in  Nr.  11  und  12  mitgetheilten  Pugenthe* 
mate)  sind  ungeeignet  für  Orchester  und  Chor,  und  so  meist  umgekehrt; 
so  dass  im  Verein  beider  widersprechenden  Elemente  bald  das  eine, 
bald  das  andre  sich  zu  fremden  Zwecken  hergeben ,  oder  die  Orgel  in 
wahrhaft  obligater  Behandlung  einen  noch  hartem  Ankampf  gegen  Or- 
chester und  Gesang  fähren  muss. 

Aus  diesen  Gründen  erscheint  uns  die  Benutzung  der  Orgel  neben 
Orchester  und  Chor  ungünstig  und  unkünstlerisch.  Wenn  äussere  Ver- 
hältnisse (z.  B.  der  Mangel  eines  Orchesters)  zur  Benutzung  der  Orgel 
nöthigen ,  so  mag  Jeder  zusehn ,  wie  er  sich  mit  ihnen  abfinde  und  die 
Missstände  der  ungehörigen  Vereinigung  möglichst  ausgleiche  oder 
verberge.  Ein  äusserlicber  Zwang  aber  vermag  weder  das  für  die 
Kunst  in  ihrer  Freiheit  als  richtig  Erkannte  zu  widerlegen,  noch  in  der 
Kunstlehre  sich  Rücksicht  zu  erwerben. 

Auch  das  entkräftet  unsre  Ansicht  nicht,  dass  in  früherer  Zeit  die- 
Orgel  zu  den  Kirchenmusiken  gespielt  worden  ist,  dass  namentlich 
Händel  sich  derselben  bei  der  AuiTuhrung  seiner  Oratorien  bedient 
hat,  und  zwar  nicht  zu  blossem  Generalbassspiel ,  sondern  zo  eigen» 
thümlicher  —  also  oft  obligater  Begleitung  und  zu  Solosätzen.  Ma» 


496     

tritt  dem  grossen  Meister  und  seinen  Zeitgenossen  nicht  za  nahe,  wenn 
man  annimmt,  dass  der  Sinn  für  die  Klangwelt,  also  für  den  Klang  und 
überhaupt  das  Wesen  der  Instrumente  in  ihrer  Zeit  noch  nicht  so  hell 
erweckt  und  verfeinert  gewesen,  als  in  einer  Zeit,  die  iniHavdn's, 
M  0  za r  t's ,  B e e  t  h  o  v e n's  Schule  erzogen  worden ,  in  der  die  Instra- 
mentalmusik  erst  zu  ihrer  Vollendung  gekommen  ist;  denn  jeder  Kunst- 
ler, auch  der  grösste,  steht  unter  den  Bedingungen  der  Zeit,  ist  mehr 
oder  weniger  ihrer  Schwächen  und  Mängel  theilhaftig*)  und  kann  nicht 
das,  was  eine  spätere  Periode  im  Leben  der  Kunst  an  Renntniss« 
Kunstmitteln  und  Kunstbewusstsein  erst  entwickeln  soll,  schon  in  sich 
haben.  Sodann  aber  war  namentlich  in  HändeTs  Zeit  das  Instrumen- 
tale noch  auf  einer  so  niedem  Stufe  der  Enlwickelung  (es  scheint  sogar 
in  England,  für  das  H  ändel  seine  Oratorien  schuf,  ärmer  an  Mitteln  ge- 
westn  zu  sein,  als  in  Deutschland),  namentlich  im  Chor  der  Blasin- 
strumente so  weit  hinter  seinem  jetzigen  Bestand  und  Geschick  zurück  : 
dass  es  noch  eines  besondem  Organs  zur  Ergänzung  bedurfte;  und 
das  konnte  kein  andres  sein ,  als  die  Orgel,  —  das  mechanisirte 
Blas -Orchester**). 

Auffallender  ist,  dass  einer  der  grössten  Instrumentisten,  Beetho- 
ven, die  Orgel  ausdrücklich  für  eines  seiner  letzten  und  tiefsten  Werke, 
für  die  grosse  Messe  in  /^***),  gewählt  und  in  der  Partitur  neben  den 
vollen  Chor  des  modernen  Orchesters  gesetzt  hat.  Die  höchste  Vereh- 
rung, die  wir  dem  Meister  dank-  und  lieberfüllt  zollen,  darf  indess  nicht 
die  Selbständigkeit  eignen  Urtheils  verkümmern,  dürfte  dies  nicht, 
selbst  wenn  wir  nicht  —  in  dem  Beetbove n'schen Werke  selbst  unsre 
Ansicht  bestätigt  und  bestärkt  fanden,  wie  allerdings  der  Fall  ist. 

Denn:  wie  bat  nun  der  Meister  die  Orgel  benutzt?  Werfen  wir 
nur  einige  flüchtige  Blicke  in  seine  Partitur. 

Da  findet  sich  erstens  auch  nicht  eine  einzige  Stelle,  in  der  die 
Orgel  zu  einer  selbständigen  obligaten  Wirksamkeit  benutzt  wäre. 


*)  Wer  tich  mit  dieser  Aosicbt  io  Bezug  auf  Hä  o  d  e  Ts  Orcbestratioo  za  ver. 
sSbnen  oötbig  bat,  der  gebe  aar  nocb  ein  Jahrhundert  weiter  znröck  ood  nebe,  wie 
da  allelDStrnmeote  zu  MosserMassenwirkaogöber  einaader  gehäuft  oder  wiederum 
za  beriooderm  Aoadrock  ganz  vereinzelt  verbraucht  wurden,  wie  aeaerdings 
Meyerbeer  wieder  bervorgenucbt  bat. 

**)  In  neuerer  Zeit  sind,  namentlich  durch  Meudelssobn,  Händerscbe  Orato- 
rien mit  dem  nicht  vermehrten  Händel'scbeu  Instrumentale  (Muzart  u.  A.  haben 
bekanntlich  Oratorien  instrumentirt)  nnd  zugefügter  Orgel  aufgeführt  worden,  und 
man  bat  die  Eigentbümlichkeit  und  Würde  dieser  Darstellungsweise  gerühmt.  Das 
Brstere  —  und  dass  man  nun  das  Werk  wie  zu  H  ü  n  d  e  Ts  Zeit  gehört,  —  mag  zu- 
gestanden ,  auch  die  Würde  eines  Zusamnienklangs  von  Orgel  und  grossen  Chor- 
und  Orcbestermassen  mag  nicbl  in  Abrede  gestellt  werden.  Aber  die  Versehmel- 
zuDg  und  Lebendigkeit  reinen  Orebesterspiels  mosa  dabei  beeinträcbtigt  werden. 
***)  Op.  113,  Partitur  bei  Schott  in  Mainz. 


497     

während  jedes  Orchesterinstraraent  zu  seiner  Zeit  auf  das  Tiefsinnigste 
und  Wirkungsvollste  hervortritt.  Die  Orgel  ist  nur  begleitend. 

Zweitens  ist  selbst  die  Begleitung  der  Orgel  sehr  eingeschränkt. 
Sie  giebt  z.  B.  bei  dem  ersten  Eintritt  (S.  2  der  Partitur)  den  vollen 
Akkord  an  und  schweigt  dann  (jsenxa  Organa^  —  der  neben  diesen 
Worten  fortlaufende  Orgelbass  scheint  nur  für  .den  Nothfall  gesetzt) 
bis  zu  dem  Eintritte  des  Chors ,  dessen  dreimaligen  Anruf  Kyrie  sie 
mit  drei  vollen  Akkorden  begleitet;  später  werden  einzelne  Sätze  ge- 
neralbassmässig ,  andre  so  wie  die  Zwischensätze  zwischen  jenen  An- 
rufen Mos  mit  dem  Orgelbass  begleitet  oder  geleitet;  in  dem  bewegt 
und  polyphon  geschriebnen  Ckriste  eleison  Gnden  wir  nur  den  Orgel- 
bass im  Einklang  mit  dem  Basse  des  Orchesters.  Zu  dem  feurig  erreg- 
ten Gloria  geht  die  Orgel  lange  Zeit  nur  in  Oktaven  mit  dem  Basse  des 
Orchesters,  dazwischen  hat  sie  einfache  Generalbassbegleitung;  bei  dem 
pax  hominibus  schweigt  sie,  in  dem  fugirten  in  gloriaDei  begleitet  sie 
mehr  oder  weniger  vollständig  die  Chorstimmen.  Und  dies  bleibt  der 
Wirkungskreis  der  Orgel  durch  das  ganze  Werk ;  wo  ^it  nicht  schweigt 
oder  blos  den  Bass  zu  unterstützen  hat ,  wird  sie  generalbassmässig 
oder  doch  nur  zur  Verdoppelung  der  Chorstimmen  (und  dies  nur  aus- 
nahmsweise) gebraucht. 

Das  ist  nicht  die  Weise  Beethoven's,  dessen  Instrumentale  — 
besonders  in  den  letzten  Werken  —  durch  und  durch  beseelt ,  bis  in 
das  ärmste  Instrument  hinein  individualisirt,  zu  eigenthü'mlicher  Bedeu- 
tung eines  jeden  Organs  durchgeistet  ist.  Die  Orgel  steht  in  Beetho- 
V  e  n's  Partitur,  aber  sie  war  nicht  in  seinen  Schöpfnngsmomenten  mitge- 
genwärtig und  ist  nicht  von  seiner  Schöpferkraft  mitergriffen  und  miAe- 
seelt  worden.  Er  hat  sie  zugesetzt,  entweder  blos  in  der  abstrakten 
Vorstellung,  dass  seine  heilige  Messe  auch  von  dem  vorzugsweise 
kirchlichen  Organen  mitgefeiert  werden  solle,  —  oder  gar  nur  durch 
die  äusserliche  Rücksicht  auf  unvoUkommne  Orchesterbesetzung,  um 
den  zu  weiten  Raum  der  Kirche  würdig  zu  fällen ;  in  diesem  Falle  war' 
es  also  nur  eine  vorgeschriebne  Generalbassbegleitnng,  um  den  Miss- 
griffen einer  improvisirten  vorzubeugen. 


Marx,  KoDip.L.  IV.  S.Auü.  32 


498 


,  Methodik  der  lostrumentationslehre. 

Zu  Seite  43 

Es  scheiot  hier  ooibwendig,  weoi^steps  eiaen  flücbtigeQ  Blick  aur 
die  methodisobe  Seite  der  Lehre  voo  der  InstrumeDla- 
tioQ  zu  werfea,  die  une  gerade  in  diesem  Theil  der  ganzen  ünlerw^* 
suug  von  besondrer  Wichtigkeit:  zu  sein  dünkt. 

Eine  mehr  oder  weniger  reiicbe  Uebersicht  der  Orchesterinstru* 
mente  ist  (von  ällern  Lehrbüchern  aus  der  Zeit  vor  dem  jetzigen ,  seit 
J.  Haydn  datirenden  Zustand  abgesehn)  von  Swoboda,  Sundelin, 
Gassner*),  H.ßerlioz**),  Zamminer  u.A. gegeben  und  mit  nütz- 
lichen Winken  über  Behandinng ,  Zusammenstellung  u.  s.  w.  begleitet 
worden.  Hieraufwar  die  TbätigkeitdergenanntenMänner  vorzugsweise 
gerichtet.  Was  hingegen  die  Einführung  und  (Jebung  in  der  Kunst  des 
Instrumentirens  selbst  anbetrifft,  so  wurde  hauptsächlich  auf  Beobach- 
tung bei  der  AaiTuhrung  fremder  Werke ,  auf  Partiturstudium  und  Er- 
labrung,  die  man  an  eignen  Werken  sammeln  könne,  gerechnet.  Dass 
es  kein  Lehrer  bei  dem  miipdjfcben  Unterricht  an  Winken ,  Zurecht- 
weisungen u.  s*  w..  wird  haben  fehlen  lassen,  versteht  sich  ^  hierüber 
ist  indess  nichts  Näheres  miUulheilen ,  weH  das  von  der  Persönlichkeit 
und  dem  Gutbetinden  j^des  Lehrers  abhängt  und  nirgends  bestimmte 
Kunde  davon  gegeben  ist.  Nur  das  Eine  ist  zufällig  znr  Kenntniss  des 
Verf.  gekommen,  dass  häufig  Lehrer  die  Uebung  in  der  Instrumeqla- 
tion  dnniit  einleiten ,  Klavierkompositionen  für  das  Orchester  einrieh- 
ten  zu  lassen. 

Will  man  Instrumentation  stadiren  oder  lehren,  oder  die  Lehrme- 
thoden prüfen,  so  mnss  man  vor  allen  Dingen  die  Beding^ngen  fiir  das 
Fach  in's  Auge  fassen,  ünerlässiich  ist 

1.  Kenntniss  der  einzelnen  Instrumente  nach  ihrem  technischen  Ver- 

mögen und  ihrem  Klange, 

2.  sichere  Vorstellung   vom  Zusammenklang  verschiedner  Instru- 

mente ; 
hülfreich  ist 

3.  Beobachtung  an  fremden  Werken,  Partiturstudium, 

4.  Erfahrung  an  eignen. 


*)  PartiturkeoDtniss. 
**)  Grand  traiti  iVinsfrutneniatwfi,  mit  deatsebertJebersetznog  bei  Scblesio- 
^tv  in  Berlin. 


499     

Wm  nuD  zanaehst  iit  eraie  Bedingiuig  anlangt 9  so  ist  besonders 
in  Hinsiebt  aaf  Schall  and  Klang  der  InstroiaeAte  eigne  Beobachinng 
ohne  Weiteres  unentbehrlich  zu  nennen;  schon  desswegen,  weil  keine 
sprachliche  Mittheiluug  für  sich  allein  im  Stande  ist,  den  Klang,  über- 
banpt  die  Wirkangsweise  der  Instrumente  zu  yersinnliehen ;  jedes  Wort 
bleibt  nur  Andentung,  jedes  Gleichniss  oder  sonstige  Redemittel  hat  nur 
theiiweise  Richtigkeit,  kann  nur  für  den  berichtigend  und  fruchtbar 
werden,  der  schon  sinnliche  Erfahrung  mitbringt.  Auch  wir  haben  da^ 
her  alles  Ernstes  (S.  4)  stetige  und  atifmerksame  Beobachtungen  in 
diesem  Bereich  anempfehlen  müssen.  Diese  Beobachtuigen  werden 
übrigens  (wir  haben  schon  darauf  hingewiesen)  besonders  zu  Anfang 
sicherer  und  fruchtbringender  bei  unbedeutenden  Auflühruugen,  als  bei 
künstlerisch  bedeutenden  angestellt;  denn  die  letztern  reissead^n  Hö- 
rer mit  sich  fort,  erfüllen  ihn  mit  dem  Geiste  des  Kunstwerks  und  ziehn 
ihn  von  der  Beobachtung  der  Einzelheiten,  -^  dieses  oder  jenes  einzel- 
uen  Instruments,  in  der  Höhe  oder  Tiefe,  im  Forte  oder  Piano  u.  s^  w. 
ab.  Bei  Militair-  oder  Garlenmusiken ,  in  Virtuosenkonzerien,  — >  kurz 
überall,  wo  der  Gegenstand  der  Aufführung  weniger  bedeutend  ist, 
kann  der  AnPänger  am  ungestörtesten  beobachten. 

Indess  können  diese  Beobachtungen  für  sich  allein  noch  nicht  als 
Schule  dienen ;  sie  sind  nur  Vorbereitung  und  Unterstützung  des  eigent- 
lichen Studiums.  Dies  wird  Jeder  an  sich  erfahren  haben  oder  noch  er- 
fahren ,  der  sich  bios  aus  solchen  Beobachtungen  zur  Instrumentation 
befähigen  will.  Schon  dass  man  wisse,  was  eigentlich  und  wie  be- 
obachtet werden  solle ,  worauf  es  bei  der  Instrumentation  ankomme» 
schon  das  fodert  Studium  und  Nachdenken ;  dann  sind  die  Fälle  so  man- 
nigfach verschieden,  dass  das  blosse  Beobachten  wohl  zumlüachmachen 
und  Machahmen,  nicht  aber  zur  freien  eigenthümlichen  That  und  Weise 
fordern  kann,  worauf  doch  in  der  Kunst  zuletzt  alles  ankommt. 

Auch  das  ist  höchst  forderlich,  wenn  ein  Komponist  mehrere  In- 
strumente spielt;  an  ihnen  wird  seine  Beobachtung  eine  durchdringen- 
dere und  sichrere  sein.  Indess  ist  diese  Uebung- auf  mehrern  Instru- 
menten nicht  von  jedem  sonst  zur  Komposition  Berufenen  zu  erlangen; 
dann  aber  kann  unvollkommne  Bildung  für  ein  Instrument  —  und  wie 
Wenige  haben  Zeit  und  Beruf  zu  einer  genügenden  für  mehrere!  — 
leicht  über  dasselbe  täuschen,  indem  man  es  für  mangelhaft  hält,  wo 
nur  das  eigne  Geschick  maugelt,  oder  umgekehrt  ihm  Unstatthaftes  zu- 
muthet,  in  der  Voraussetzung,  dass  ein  grösseres  Geschick  als  das 
eigne  das  für  uns  Unausführbare  vollfuhren  könne. 

Die  Erkenntniss  einzelner  Instrumente  dient  der  Vorstellung 
vomZusammen  klänge  zur.  Grundlage ;  dass  Beobacbtung  des  Zu- 
sammenklangs bei  Werken,  die  man  hört,  hinzukommt,  versteht  sich. 
Dieser  Beobachtung  ist  ein  weites  Feld  geöffnet;  wie  viel  ist  schon  in*. 
strumenUrt  1  und  auf  wie  vielfache  Weise  1  Allein  die  Beobachtung  ge- 

32* 


500 

nögt  nicht  gegeotiber  der  uDerschöpIten  Rohe  möglicher  Zasammen- 
klänge;  die  Phantasie  mnss  weiter  arbeiten.  Sie  kann  dies  auf  zweier- 
lei Wegen,  auf  dem  Wege  rein-materialer  Mischungen,  der  sein 
höchstes  Ziel  im  Herausfinden  neuer  Kombinationen  erblickt,  und  auf 
dem  acht  künstlerischen ,  der  auf  die  Idee  der  jedesmaligen  Aufgabe, 
statt  auf  abstrakt  neue  Aeusserlichkeiten  gerichtet  ist,  und  auf  dem  jedes 
Instrument  als  ein  eigner  selbständiger  Organismus ,  als  eine  der  Per- 
sonen im  grossen  orchestralen  Drama  auftritt  und  wirkt  und  seiner 
Natur  gemäss  hier  mit  andern  sympathisch  verschmilzt,  dort  sich 
andern  spröde ,  ja  feindlich  erweist,  —  jener  der  Weg  aller  Effektjä- 
ger, namentlich  der  ganzen  neufranzösischen  Schule,  dieser  der  Weg 
der  deutschen  Meister  von  Haydn  bis  Beethoven  und  die  sich  die- 
sem Anschliessenden. 

Die  nächste  Stutze  fiir  die  Kunst  der  Instrumentation  ist  nach  jenen 
ersten  Bedingnissen  Partitnrstudium.  Welcher  Lehrer  wird  seine 
Wichtigkeit  verkennen  und  welcher  ächte  Kunstjunger  die  Bekannt- 
schaft mit  den  Meisterwerken  entbehren  wollen?  keine  Lehre  kann  und 
will  dieses  Studium  überflüssig  machen,  sondern  muss  vielmehr  in  ihm 
ihre  Stütze  und  Vollendung  erkennen ,  nachdem  sie  zu  ihm  hingeführt 
hat.  Aber  vorbereitende  Lehre  mnss  begreiflicher  Weise  vorausgehn 
und  das  Partiturstudium  fortwährend  geleiten,  weil  die  Partitur  nur 
sagt,  was  der  Meister  gethan,  nicht  warum  er  es  gethan  und  was 
wir  in  ähnlichen  oder  andern  Fällen  zu  tbun  haben,  und  der  sich  selbst 
überlassene  Schüler  Jahre  verlieren  würde,  um  nach  schmerzlichem 
Irren  vielleicht  endlich  dahin  zu  gelangen,  wohin  die  Lehre  den 
kürzesten  Weg  weist.  « 

Es  kommt  hierzu  noch ,  dass  die  Kunst  der  Instrumentation  selbst 
bei  sonst  ausgezeichneten  Künstlern  noch  keineswegs  so  feststeht,  als 
andre  Seiten  der  Kunstbildung,  —  und  dass  sie  besonders  bei  den  älte- 
sten Meistern  zum  Theil  von  mancherlei  äussern  Umständen  abhing, 
die  sich  aus  der  blossen  Partitur  nicht  sofort  ergeben.  Händel  ent- 
behrte einen  Theil  unsrer  Instrumente  und  rechnete  dafür  (S.  496)  auf 
die  Orgel,  die  bei  uns  nur  in  seltenen  AusnahmsfäUen  zur  Anwendung 
kommt.  Seb.  Bach  hat  zahlreichere  Instrumentarten  angewendet,  als 
Händel.  Aber  einige  (zum  Theil  von  ihm  selber  erfunden)  sind 
ausser  Gebrauch,  andre  (z.  B.  die  Trompeten)  sind  so  umgestaltet 
und  in  ihrer  Technik  verändert,  dass  man  von  ihrer  damaligen  An- 
wendbarkeit auf  die  jetzige  keinen  Schluss  machen  kann.  Sodann  — 
und  dies  ist  die  Hauptsache  —  ist  bei  den  alten  Meistern  das  Instru- 
mentale noch  weit  entfernt  von  jener  Selbständigkeit  und  Freiheit ,  die 
es  durch  und  seit  Haydn  erlangt  hat;  es  ist  meist  begleitend.  Bach 
z.  B.  wählt  seine  Instrumente  oft  höchst  eigenthümlieh ,  zu  dieser  oder 
•jener  Arie  eine  Laote  oder  eine  Laute  und  Gambe  im  Einklang,  oder 
Bass  und  zwei  Flöten  oder  zwei  Oboen  u.  s*  w.    Aber  diese  Auswahl 


501     

bleibt  aan  für  den  ganzen  Satz  stereotyp;  der  Meister,  von  der  Vor* 
stellang  seines  Haoptinstroments,  der  Orgel,  erfüUt,  bebandelt  sein  Or- 
chester ebenfalls  wie  eine  Orgel ,  hat  im  Pedal  Violon  16  und  8  Fnss, 
im  Manual  Flöte  oder  Oboe  oder  Trompete  gezogen ,  und  fuhrt  nun 
diese  Stimmen  folgereobt  und  beharrlich  durch.  —  Diese  Meister  und 
der  schon  weit  freiere  Gluck  haben,  wie  sich  yon  so  hoch  begabten 
und  gebildeten  Künstlern  von  selbst  versteht,  auch  in  der  Instrumen- 
tation (Bach  namentlich  auch  in  den  Orchester-Suiten  u.  s.  w.)  Herr- 
liches und  Wirkungsreiches  gegeben;  gewiss  ist  auch  ihre  Instrumen- 
tation mit  dem  Wesen  ihrer  Komposition  in  solchem  Einklang ,  dass 
man  nicht  ohne  Missverstand  und  Nacbtheil  daran  ändern ,  etwa  neue 
Instrumente  zusetzen  könnte.  Aber  ebenso  gewiss  genügt  ihre  Weise 
nicht  für  die  ganz  veränderte  Richtung  und  Aufgabe  unsrer  neuen 
Musik  und  ihrer  ganz  veränderten  orchestralen  Ausrüstung. 

Erst  mit  Joseph  Haydn  wird  die  Instrumentation  ein  wahrhaft 
freier  und  selbständiger  Organismus.  Nur  dass  auch  bei  ihm  öfters  die 
schwächere  Besetzung  noch  vonEinflnss  scheint;  wahrscheinlich  würde 
er  seine  Flöten  nicht  so  oft  mit  den  Geigen ,  die  Bratsehen  und  Fagotte 
nicht  so  oft  mit  den  Bässen  haben  gehn  lassen ,  wäre  sein  Streichquar- 
tett hinreichend  stark,  wie  das  unsrige,  besetzt  gewesen.  Es  genügt 
dieser  Hinblick  (zu  dessen  Schluss  nur  noch  der  andre  vollendete  Mei- 
ster in  der  Instrumentation,  Beethoven,  zu  nennen  ist),  um  wenig- 
stens nachdenklich  zu  machen  über  den  Erfolg  eines  ohne  Vorbereitung 
und  Leitung  unternommenen  Partiturstudiums. 

Haben  wir  die  Verweisung  auf  eigne  Beobachtung  und  Partitur- 
stndium  ohne  weitere  Lehre  unzureichend  befunden ,  so  möchten  wir 
die  auf  eigne  Versuche  mit  dem  Orchester  fast  grausam  schel- 
ten. Wo  hat  denn  der  junge  Musiker  Gelegenheit,  so  viel  Versuche  mit 
dem  Orchester  anzustellen*)  und  wie  oft  soll  er  sich  denn  vor  denAus- 


*)  Eis  nenerer  Lehrer  scbläst  vor,  der  Sebfiler  solle  eiooB  Säte  voa  4  Takten 
konpoaireo  und  deoselbea  handertmai  instromentlreo ;  das  gHhe  400  Takte,  die 
vott  Orchester  ans  GefaUigkeit  oder  für  wenig  Geld  ihm  in  einer  halben  Stande 
vorsespielt  werden  könnten.  —  Der  Vorseblas  scheint  praktisch,  ist  es  aber  nicht 
and  ist  vor  ailem  darchaas  ankönstlerisch.  Vor  allem  würde  diese  halbe 
Stonde  mit  hondertmaUser  Instramentalyeranderang  desselben  Satzes  wahrhaft 
sinnverwirrend  vorüberstürmen »  der  Schüler  würde  (wenn  wir  aneh  doppelte  Zeit 
and  die  Hälfte  der  Ao%abe  setien)  nicht  wissen^  was  er  gehört  und  getban  and  ge- 
wollt. Dann  müsste  seinem  (Jrtheil  jeder  Anhalt  fehlen.  Denn  in  der  Instramenta- 
tion  wie  in  der  Kunst  üherhanpt  ist  jede  Gestaltung  nur  nach  ihrem  Zwecke  nach 
der  Idee  des  Satees  xu  bestimmen  und  xu  ermessen;  es  giebt  (Tb.  I.  S.  15)  nichts 
absolut  Falsches  oder  Riehtiges ;  der  Probesate  könnte  aber  keine  Idee  hinter  sieh 
bähen,  weil  er  eben  nur  Probesatz  ist  ohne  bestimmte  künstlerische  Richtung.  Kun, 
der  Vorschlag  lüuft  auf  ein  ganz  äusserliohes  und  darum  unkünstlerisches  Experi- 
mentiren  hinaus ,  das  gerade  Gegentheil  vom  künstlerischen  Schaffen  und  Wesen. 
Der  Künstler  hat  sein  bestimmtes  Ziel  im  Geiste  vor  sich;  dem  strebt  er  su  mit  aller 


502     

übenden  blosstellen  und  ihre  Geduld  nussbrauchen,  ehe  er  nur  einiger- 
mästen  festsiebt?  Und  wie  soll  er,  bevor  er  eine  gewisse  Sicberlieit 
und  Reife  erlangt  hat,  nnbefangen  über  die  Wirkung  an  seinem  eignen 
Werk  urtheikn?  wie  oft  wird  er  die  Fehler  der  Instrumentation  dem 
Gedanken  seiner  Koropositioo  beimessen  oder  umgekehrt  die  Ungeeig*- 
netheit  seiner  Gedanken  für  das  Orchester  der  Anordnung  des  instru- 
mentale, oder  gar  der  Ausführung!  wie  oft  wird  die  von  einer  Anflnh- 
rung  besonders,  für  den  AnPäRger  unzertrennliche  Aufregung  ihm  die 
Schwächen  und  Fehler  der  Instrumentation  verbergen!  Wie  zweifelhaft 
wird  ihm  bei  wirklieb  entdeckten  Schwächen  der  Sitz  des  Fekkrs  und 
die  Weise  der  Verbesserung  bleiben ! 

In  der  Tbat  haben  wir  vielleiebt  nur  darin  Unrecht,  die  Nothwenr- 
digkeit  einer  gründlichen  Anleitong  tarsi  noch  des  Beweises  bedürftig 
zu  achten ;  sie  kann  nur  von  unerfahmen  und  unbedachten  Lehrern 
rerkannt,  oder  nur,  um  die  Schuld  der  Vernachlässigung  abzulehnen, 
bestritten  werden. 

Diese  Anleitung  kann  sich  aber  nicht. auf  bbsseMittheilungen  über 
das  Vermögen  oder  auch  den  Klang  der  Instrumente  beschranken ,  sie 
muss  die  Verknüpfung  und  Verschmelzung  derselben  aufweisen ,  in  die 
Praktik  selbst  einrühren ,  den  Jünger  in  der  Instrumentenwelt  ebenso 
heimisch  machen  und  zur  Herrschafl  erheben,  als  die  Formlehre  in  der 
Formenwelt.  Die  Organe  des  Orchesters  müssen  unmittelbar  Organe 
seines  eignen  Geistes  werden;  er  muss  in  ihnen  leben  und  aua  ihnen 
heraus  schaffen ,  nicht  ein  abstrakt  Ersoiftnenes  hinterher  ihnen  anpaa- 


Kraft  des  Gemütbs,  nur  das  will  er.  Er  kann  dabei  irren ;  daoo,  weoQ  er  es  gewahr 
wird,  strebt  er  auf  den  rechten  Weg  zurück.  So  inuss  der  Kuostjünger  von  Aofang 
an  gerichtet  und  geleitet  werden,  nicht  e  rfit  nnlcünstlerisch  ,  mit  dem  Vorbehalt, 
nachher  einen  andern  Menschen,  einen  Künstler  ans  ihm  zn  machen  ,  oder  wer- 
den zu  sehn.  Man  lernt  nicht  erst  auf  dem  Trocknen  schwimmen,  sondern  gleich 
im  Wasser.  Der  Knnstjöoger,  —  das  übersehn  die  mei.sten  Lehrer  in  Verhängnis«- 
voller  Weise,  —  ist  von  Anfang  an  nach  Beruf  und  Streben  Küasller  (gleichviel, 
was  ihm  an  Rünstlerbildung  fehlt)  und  als  Künstler  zu  fassen  und  zu  behandeln. 
Sobald  and  soweit  mau  iba  anders  fasst,  etwa  als  Meehaaiker  oder  Teehniker,  bil- 
det man  ihn  nicbt  zum  Künstler,  sondern  verbildet  man  ihn  nod  leitet  ihn  von  der 
Rünatlorbabn  ab. 

Dies  maas  für  jediea  KunsAlebrer  Groadsatz  sein;  wer  das  ntobt  einsiebt,  muss 
Pädagogen  z«  Halbe  aiehn,  kein  einsicfatigier  Pädagog  wird  einen  andern  Graedsalz 
aufstellen.  Dann  aber  bewahre  sieb  die  Paebkenatniss  oad  Bidsiebt  dee  Kaestleh- 
rers  darin,  mit  diesem  Grundsätze  die  atuFoBweise  Ausbildeng  des  Jüngers  zu  rer* 
eiabaren.  Jede  A.nfgabe,  die  er  dem  Jünger  setzt,  mats  eine  kinatierlseht  sein  and 
mit  künstlerischem  Sinne  gelöst  werden^-  So  haben  wir  hier  gffiraebtet,  den  Jünger 
vorwärts  zu  leiten  vad  allmähUob  in  den  Besitz  aller  Mittel  und  Kräfte  zu  setzen. 
Selbst  die  lebrreicbe  A.»fgabe,  denselben  Satz  in  versah iedoer  Weise  zu  instranea- 
tiren,  darf  nicht  fehle» ,  muss  aber  künstleriscb,  niebt  als  änsserliobes 
Herumvarsaehea,  gestellt  and  gelöst  werde«.  S.  B^  indel  sie  die  reehte 
Stelle,  Anregangen  schon  früher. 


. «HS     

— — ^  VVPV  — — — 

mm  und  «ofdrittgeo  wollen.  Diese  b«be  Aafgabe ,  die  Usber  mir  iroii 
sweien  ansrer  Meister,  von  Haydo  und  Beethovea,  votlkottiiieo 
g0M5t  scbemly  dft?f  nicht  jahrel^ttgeiiK  Saeb^D  ood  Vergiichett,  orit  dem 
Jeder  gteichsam  von  Neuem  anfängt,  «bertassen  Ueiben. 

Am  verkebrleslen  sebeint  uns  endlieh  jene  Weise  der  Ant^tiing, 
die  dem  Schöler  fremde  Ktaviersächen  sor  Umarikeilung  ^  das  Orohe^ 
stergiebt.  Sind  sie  gnl  geaetit,  so  werden  sie  eben  desswegeti  für  Or- 
chester niehl  geeignet  sein ,  da  bei  dem  rechten  Kiinstter  die  Idee  das 
Organ  bedingt  und  umgekehrt  dieses  auf  die  Ausgestaltung  jener  riick* 
wirkt.  Traf  aber  auch  die  Aufgabe  auf  geeignete  Werke,  so  wtrde 
doeh  der  Jänger  gerade  von  dem,  was  die  vornehmste  Bedingung  deä 
Gelittgens  ist,  at^ewendet';  er  würde  nicht  dabin  gefordert,  das  Kaust- 
werk  in  seiner  Einheit,  Gedanken  und  Organ  als  ein  Einiges  gleichzei- 
tig zu  fassen,  sondern  förmlich  genöthigt,  beide  abstrakt  auseinander- 
zuhalten. 

Auf  wirkliche  Anletiung  zum  Instrumentiren  sind  nur  Reichs , 
Berlio2  und  Lobe  ausge^ngen.  Berlioz  ist  bemöbt,  nebeo  reichen 
Hittkeiluttgen  über  Technik  (hr  Instruiunile  den  Karakler  derselben  im 
EitazelBea  treffend,  ja  Usweikn  mit  dichterisch^iebeudiger  Bindringlicb« 
keit*)  zu  sdnldem.  Dann  aber*  tritt  das  Prinzip  seiner  Kompositions- 
weise  and  seines  musikalischen  Scaddpunkts  überhaupt  heran  und  giebl 
seiner  Lehre  eioeWendong,  der  wir  —  auf  dem  Standpunkte  der  deut** 
sehen  Kunst  ^  ans  nicht  anschliessen  können.  Sein  Stamiponkt  und 
setn  instrumentationsprinzip  können  nwt  dem  einen  Ausdruck  b<»mo-* 
pbon  bezeicbaet  werden.  Die  Instrumente  sind  ihm  nicht  persöniieb 
geworden ,  sie  sind  ihm  war  Mittel  zum  Ausdruck  dessen ,  was  er  in 
Melodie  ind  Begleitung  zo  sagen  hal.  Kommt  es  nun  darauf  an,  die 
Natur  und  Bedeutung  eines  aoMien  Mittels  zu  erkennen  und  in  den 
Meisterwerken  Gluek's  und  Andrer  nachzuweisen,  so  steht  ihm  die 
glücklichste  Anschauung,  die  feinste  Verständniss,  eine  oft  hinreissende 
Sprache  zu  Gebot,  —  wie  sie  selten  in  unserm  Felde  gehört  worden 
ist.    Sobald  er  aber  weiter  schreitet,  zeigt  sich  neben  den  geistreich- 


*)  VoD  der  Geige  z.  B.sagt  er:  ,,Da8  ist  die  wahre FraaeDstimnie  dea  Orehe- 
•tera,  leideasehaftlich  zngieicb  aod  züchtig,  herzzerreisseod  nud  lieblich ,  die 
Stimme,  welche  weint  nnd  schreit  and  klagt,  oder  siogt  aod  bittet  aod  träumt,  oder 
io  Freadentöne  aasbricht,  wie  keine  andre  es  vermöchte. '^  Und  von  der  Flöte  in 
Glnck's  Orpheus,  in  der  stnmmen'Scene  in  den  elisäischen  Feldern:  ,, Anfangs  iat 
sie  eine  kaum  vernehni'bare  Stimme,  von  der  es  scheiot,  als  rdrcbte  sie  sich  gehört 
ZV  werden ;  daira'seafzt  sie  leise  anf,  erhebt  sich  bis  znm  Aceent  des  Vorwurfs,  des 
tiefen  Schmerzes,  Ja  bis  znmSehrei  eines  von  unheilbaren  WundeazerfisaeneoMer« 
zensy  bis  sie  allmählich  in  die  Klage,  ia  da»  Setafzeo,  in  das  kummervolle  Murren 
eiher  ergebenen  Seele  zurüekrallt.**  Wir  folgen  hier  der  bei  Breitkopf  und  Härtet 
erschienenen  Aasgabe:  H.  ft  erFioz,  die  Kunst  der  Instrtimentation^  Sber^etzt  von 
hei  Irre  et ,  In  itr  i&i  Wesentliehe  dea  grt^d  ir&iU  zu  finden  isC. 


SfH     

8ten  EinblickeD,  dass  ihm  die  Instmaiente  niobl,  wie  auerii  Meistere 
und  besonders  dem  von  ihm  so  hooh  gestellten  Beethoven,  lebende 
Organismen ,  liebevoll  und  treu  geleitete  Personen  im  grossen  Drama 
des  Orchesters  geworden,  sondern  blos  mechanische  Apparate  geblieben 
sindi  die  er  geschickt  zu  verbrauchen  denkt,  wie  Farben  zu  einer  schoa 
ohne  sie  fertigen  Zeichnung.  So  schilt  er  den  Gebrauch  von  vier  glei- 
chen Hörnern  ungeschickt;  er  will  nicht  blos  Paare  von  versehiedner 
Stimmung,  sondern  jedes  einzelne  Hom  soll  in  einem  andern  Tone 
stehn,  weil  dann  —  viel  mehr  Harmonien  vollständig  gegeben  werden 
können.  Dass  aber  diese  Harmonien  in  ihrer  Vollständigkeit  dem  Ka- 
rakter  des  Horns  nicht  entsprechen ,  dass  das  Hörn  (wie  die  Naturbar- 
monie  schon  lehrt)  seinem  Wesen  nach  Zweistimmigkeit  und  selbst  bei 
drei-  und  vierfacher  Setzung  im  Wesentlichen  keinen  andern  Inhalt  be- 
gehrt, als  den  der  Zweistimmigkeit:  das  verbirgt  sich  ihm  (so  gewiss 
sein  dichterisch  erschlossener  Geist  auch  hier  hätte  leicht  eindringen 
können),  weil  es  seinen  musikalischen  Zwecken  nicht  dient.  In  gleicher 
Weise  wünscht  er,  sobald  er  vom  Klang  eines  Instrumente  ergriffen  — 
hingerissen  ist,  gleich  Massen  dieses  und  andrer  entgegengesetzter  in 
Anwendung  zu  klingen ;  da  soll  eine  Anzahl  Harfen  nach  oben ,  «ne 
Schaar  Flöten  nach  unten  sich  bewegen,  eine  Anzahl  Pianoforte's  eine 
dritte  Bewegung  ausführen,  —  und  das  alles  gleichzeitig.  Nur  schade, 
dass  Effekte,  die  so  gewonnen  werden  können,  mit  dem  Veriust  jeder 
dramatischen  oder  dialogischen,  —  jeder  polyphonen  Entfaltung  (das 
Kunstwort  im  weiten  Sinne  genommen,  vergl.  S.  388)  erkauft  werden, 
dass  in  diesen  breitangelegten  Schimmermassen  alle  individuelle  und 
reiche  Lebensentfaltung  untergeht.  Es  ist  dasselbe  Streben,  aus  dem- 
selben Grunde  hervorgegangen  und  zu  demselben  Ziel  hinführend,  wie 
die  Behandlung,  die  das  Pianoforte  von  den  neuesten  Virtuosen  erfi&hrt. 
Wir  werden  noch. einmal  darauf  zurückkommen  müssen« 


c. 

Posaunenarten. 

Zn  Seite  62. 

Wir  haben  hier  noch  einige  Bemerkungen  über  die  Arten  und  den 
Tongehalt  der  Posaune  nachzutragen,  weil  das  oder  jenes  noch  heut'  an 
einzeben  Orten  Anwendung  finden  mag,  oder  sonst  einmal  der  Erwä- 
gung werth  ist. 

1.  Die  Diskantposaune. 

Früher  war  noch  eine  vierte  Posaunenart,  d^e  Diskantpo- 
saune, üblich,  von  gleicher  Rohrlänge ,  also  gleiobem  Tonfioss  mit 


605     

der  Altposaune ,  aber  engerm  Kaliber  des  Rohrs  (engerer  Mensur) 
und  dadurch  geeignet,  die  Höbe  herauszubringen.  Die  Naturtöne  der 
Diskantposaune  konnten  füglich  bis  ^  — 

benutzt  werden,  dagegen  war  schon  das  hier  zuerst  notirte  es  der  en- 
gem Mensur  wegen  nicht  wohl  zu  erlangen.  Man  brauchte  diese  vierte 
Posaune  in  Verbindung  mit  den  andern  dreien  zur  vierstimmigen  Be- 
gleitung der  Choräle.  Doch  hat  schon  Gluck  zu  ähnlichen  Zwecken 
(z.  B.  zum  Trauerchor  in  seinem  Orpheus)  statt  der  Diskantposaune 
Kornette  gebraucht.  Jetzt  ist  an  ihre  Stelle  die  Ventiltrompete  (S.  95) 
getreten.  In  künstlerischer  Beziehung  muss  uns  nach  dem  S.  70  Vor- 
getragnen diese  Posaunenart  entbehrlich  erscheinen. 

2.  Die  Altposaune. 

Bisweilen,  —  man  versichert  es  uns  von  der  sächsischen  Militair- 
musik,  —  wird  die  Altposaune  in  höherer  Stimmung  (also  mit  kärzerra 
Rohr)  gebraucht,  so  dass  Ihre  Naturtöne  diese  sind,  — 

h-     -•- 


t^^^^P^B 


mithin  ihre  Tonreihe  nach  der  Höhe  eine  Stufe  gewonnen,  nach  der 
Tiefe  eine  verloren  hat.  Ob  die  in  F  stehenden  Posannen  engere  Me»* 
sur  haben  und  dadurch  geeigneter  sind  für  die  Ansprache  der  hohem 
Töne,  wissen  wir  nicht,  müssen  es  aber  vermalben. 

Allein  für  Orchester,  für  künstlerische  Aufgaben  seheint  uns  die 
tiefere  Stimmung,  mit  deren  weiterer  Mensur  auch  grössere  Fülle  des 
Klangs  verbunden  ist,  der  höhern  mit  ihrem  bei  gleicher  Behandlung 
nothwendig  spitzem  und  gepresstera  Klang  entschieden  den  Vorzug  zo 
▼erdienen,  zumal  in  den  höhern  Tonlagen  die  Trompeten  (so  viel  ihr 
Tonsystem  erlaubt)  den  Posaunen  zur  Unterstützung  oder  Fortsetzung 
dienen.  Die  mittlem  und  tiefen  Töne  der  in  Es  stehenden  Altposaune 
genügen  vollkommen  im  Verein  mit  Tenor-  und  Bassposaune,  die  Har- 
monie in  den  wirkungsreichsten  Lagen  erschallen  zu  lassen ,  reichen 
auch  für  die  ohnehin  ßr  dieses  Instrument  seltenem  Solo- oder  polypho- 
nen Sätze  gut  aus,  so  dass  es  zu  den  seltensten  Fällen  gehören  möchte, 
wenn  ein  Komponist  aus  triftigen  Gründen  in. die  höchsten  Töne 
der  Altposanne  in  Es  steigt  und  noch  höhere,  als  die  wohl  erlangba- 
ren (S.  66)  fodern  muss.  Da  nun  ohnehin  die  ^«-Stimmung,  so  viel 
wir  wissen,  die  bei  weitem  verbreitetere  ist,  so  haben  wir  im  Lehr- 
gang nna  auf  sie  alleiA  eingelassen. 


506 


3.   Die  Tenorbassposuuue. 

Es  ist  einer  von  den  betrübenden  EinflüsseDy  den  die  fraazösiseh- 
itatische  Musik  bei  ihrem  Eindringen  in  unsre  Bohnen  geäussert,  — 
und  ein  Einfluss,  der  tiichl  so  bald  überwunden  und  beseitigt  werden 
wird ,  wie  seine  Ursach' !  —  dass  unser  Orchester  durch  die  Richtaog 
jener  Musik,  ja  selbst  durch  ihre  Mangelhaftigkeit  in  den  Mitteln  viel- 
fällig  verderbt  worden  ist.  Die  zu  hohe  Stimmung  des  Orchesters ,  die 
hinaufgetriebnen  Tenöre  und  Bässe ,  die  für  alle  Launen  und  Einfalle 
des  Kompositeurs  zubereiteten  Veniiltrompeten  und  Ventilhorner,  die 
bald  unsre  körnigen  und  karaktervollen  Naturtrompeten  und  Nalurhör- 
ner  zu  verdrängen  dröhn,  werden  noch  länger  an  die  Zwischenzeit,  in 
der  unsre  Oper  jetzt  steckt,  erinnern.  So  soll  auch  die  Basspo- 
saune, die  unsern  Nachbarn  für  Brust  und  Lippen  zu  mächtig  ist, 
gleichfalls  in  deutschen  Orchestern  durch  ein  leichteres  Instrument, 
durch  die  Tenorbassposanne,  ersetzt  werden. 

Die  Tenorbassposaune  bat  den  Fussten  (die  Robrlänge)  der 
eigentlichen  Tenorposaune;  ihre  Naturtöne  sind  also  ebenfalls  die 
hier  — 


62 


T^-rV^jr 


bei  a.  aofgefohrten.  Nur  ist  ihr  Rohr  von  weiterer  Mensur  und  darum 
ihr  Rla»g  nicht  allein  voller ,  sondern  auch  die  Ansprache  ihrer  Tiefe 
leichter  und  günstiger. 

Allein  bei  alle  dem  ist  ihr  Klang  und  ihreSchalHcraft  nicht  gleich  de- 
nem  der  Bassposanne  uffd  —  was  die  Hauptsache  —  sie  verliert  eine  volle 
Quarte,  alle  in  Nr.  -/^  bei  b.  aufgeführten  Basstöne,  auf  die  unsre  Mei- 
ster so  oft  gerechnet,  die  auch  wir  so  schwer  und  ungem  missen  möchten 
und  für  die  wir  schlechthin  keinen  Ersatz  finden,  da  keines  der  andern 
Blasin&tmnente  den  Klang  lind  Karakter  der  Posaune  hat  und  zum  GWrder 
Posaunen  u-nd Trompeten  den  gleichartigen  Baas  abgeben  katm«  Am 
wenigsten  ist  die  Eohe,  welche  die  Tenorbassposanne  vor  derei^entlivhen 
Bassposaune  varaus  hat,  Ersatz.  Diese  Höhe  besitzen  wir  ^  und  zwar 
erreichbarer  —  schon  in  der  Tenorposaune;  es  ist  also  kein  künsÜeriL- 
scher  Chrund  vorhanden,  durch  ein  eingeschobenes  Ji/^le-mtZ/^tf-lnstru^ 
ment  zwei  reine  nnd  festausgesprocbene  Karaktere  zu  kompromittiren. 

Es  scheint  uns  ebensowohl  im  Interesse  aller  iienern,  wie  der  vor- 
angegangenen Komponisten  deutscher  Zutige,  dass  jeder  an  der  rechten 
und  reichen  Besetzung  des  Posaunenchors  hnlte  nnd,  so  viel  er  vermag, 
die  Verderbnng  des  Orchesters. abwende.  Auch  die  Bassposaunisten 
müssen  es  ehrenhafter  finden ,  eine  eigenlUmlfche  «und  nneraHzIiehe 


507     

Rolle  zu  «bersebraeii,  als  eine  auf  der  einen  Seite  unxureiehende  und 
auf  der  andern  (bei  gleichen  Mitteln)  nothwendig  tibertroffen  wer- 
dende. 

4.  Qttintbass. 

Früher  hat  man  zwei  Arten  der  Bassposanne  gehabt,  den  Quart- 
bass  (Quarlbassposaune)  und  den  Qnintbass.  We  erslere  Art  ist  die 
noch  jetzt  übliche ,  eine  Quarte  unter  der  Tenorposaune ,  auf  F 
stehende,  deren  Naturtöne  wir  S.  62  in  Nr.  62  aufgeführt  haben.  Die 
Quintposaune  (Quinlbassposaune)  stand  eine  Quinte  unter  der  Tenor- 
posaune, hatte  mithin  diese  Naturtöne,  — 

62  71^^=1- L_:=rr^^mr=: 


folglich  in  der  Tiefe  eine  Stufe  gewonnen ,  in  der  Höhe  eine  verloren« 
Dieser  Gewinn  (Rontra-A  und  -H)  scheint  uns  nicht  erheblieh  genug, 
um  zwei  Gattungen  (und  zwar  die  eine  tiefere  in  der  Tiefe  schwerer 
ansprechend)  neben  einander  festzuhalten.  Noch  weniger  rathsam 
scheint  es,  an  der  Stelle  der  Quartpo:»aane  die  schwerer  zu  behan- 
delnde Quintposanne  zurückzuführen;  dann  war'  es  folgerecht,  die 
Altposaune  ebenfalls  eine  Quinte  über  (Ke  Tenorposaune,  also  auf  JP 
zo  setzen  und  hiermit  den  Posaunenchor  unvortheilbaH  auseinanderzu"* 
legen.  Indess  bei  der  Aichtnng  nach  der  Höhe  ist  ohnehin  an  die  Wie- 
dereinführung des  Quintbasses  nicht  zu  denken. 

5.  Die  tiefste  Tonlage  der  Posaunen. 

Wir  haben  schon  S.  62  in^er  Anmerkung  auf  den  bei  dem  Ton- 
Sfstem  der  Posaune  (Nr.  62  bis  64)  ausgelassenen  Urgrundton  hinge- 
wiesen. Dieser  ist  auf  den  drei  Posaunen,  die  wir  S.  62  ab  feststehend 
angenommen  haben,  der  hier  — 


62    ^i:: 


«  12      3      4      5  12      3      4      5 

bei  a.  für  die  Bassposaune ,  bei  b.  fiir  die  Tenor-,  bei  c.  für  die  Altpo- 
saune notirte.  Fügt  man  diesen  Tönen  noch  ihre  Folge  durch  die  fünf 
Züge  zu,  so  erhält  man  für  die  Tenorposaune  die  bei  d.,  für  die  Altpo- 
saune die  bei  e.  notirten  fünf  Töne,  so  dass  die  Tenorposaune  folgende 
Tonreihe,  — 

Kontra-F,  Fis^  C,  Cw,  Ay  Ä,  —  Gross-F  u.  s.  w.,  wie  Nr.  VV  <••> 
die  Altposaune  folgende  Tonreihe  — 

Kontra-0,  Ä,  Gross-6*,  Cw,  1>,  Es^  —  Ä  u.  &.  w.,  wie  Nr.  -f^  e., 
erhalten  würde. 


508     

H.  Berlioz  riHtoit  namentiich  för  die  Tenorposanne  die  üerem 
vier  Töne  (B,  A^  j4s^  G)  ,  die  er  als  y^uDgebeure  prachtvolle  Pedal- 
töae'^  bezeichnet.  Es  ist  jedenfalls  dankenswerth  und  verdienstlich, 
dass  er  auf  diese  Tonreihe  zuerst  aufmerksam  gemacht  hat,  deren  Vor- 
handensein, wie  er  richtig  bemerkt,  selbst  manchem  Posaunisten  unbe- 
kannt ist;  möglicher  Weise  kann  dieser  Tonregion  einmal  be- 
sondrer Effekt  abgewonnen  werden.  Demungeachtet  können  wir  nicht 
rathen,  auf  sie  zu  rechnen;  die  Gründe,  die  ihren  Gebrauch  höchst 
bedenklich  machen,  sind  von  Berlioz,  soweit  sie  der  Technik  des 
Instruments  entnommen  werden,  selbst  anerkannt  und  auseinanderge- 
setzt. 

Schon  der  Grundton  nämlich  (also  auf  der  Tenorposaune  Kou- 
tra-0)  federt  so  viel  Wind  und  spricht  so  langsam  und  schwer  an,  — 
man  denke  an  das  ,,Flattergrob*^  der  so  viel  kleinern  und  leichter  zu 
handhabenden  Trompete!  —  dass  keineswegs  alle  Bläser  den  Toa 
sicher  herausbringen ,  geschweige  ihm  einen  vollen  und  festen  Schall 
verleihen  können.  Je  tiefer  man  geht,  desto  mehr  wächst  die  Schwie- 
rigkeit der  Intonation;  vom  Kontra- G^  bemerkt  auch  Berlioz  aus- 
drücklich, dass  sein  Klang  äusserst  rauh  und  sein  Ansatz  gewagt  sei. 
Alle  aber  können  nur  dann  einigermassen  Erfolg  haben,  wenn  man  die 
ganze  Stimme  tief  hält,  also  in  die  Region  der  Bassposaune  tritt,  — 
wenn  man  bequem  auf  sie  führt,  z.  B.  zum  Kontra-JS  vom  grossen  B 
oder  F,  —  wenn  man  sie  lange  halten  lässt,  damit  der  Ton  nur  zum 
Stehen  komme,  wenn  sie  einander  langsam  folgen  und  von  Pausen  zur 
Erholung  des  Bläsers  unterbrochen  werden. 

Und  mit  all'  diesen  Rücksichten  und  Opfern  ist  dann  eine  kleine 
Reihe  von  Tönen  gewonnen ,  die  von  dem  Hauptsitze  der  Töne  durch 
den  Raum  einer  Quinte  getrennt  sind,  folglich  in  keinen  freien  melodi- 
schen Zusammenhang  mit  ihnen  treten  können ;  es  ist  dann  ein  Effekt- 
mittel gewonnen  von  äusserst  zweifelhaftem  Erfolg. 

Auf  der  Altposaune  würden  dieselben  Töne  etwas  besser  heraus- 
zubringen sein,  aber  noch  weniger  Werth  haben ,  da  sie  grösstentheils 
auf  der  Bassposaune  besser  und  sicherer  zu  haben  sind.  Auf  der  Bass- 
posaune aber  möchte  ihre  Erzeugung  äusserst  schwer  und  selten  er- 
langbar, wo  nicht  unmöglich  sein. 


509 


Zur  Karakteristik  der  Blechinstrumente. 


Zu  Seite  91. 

Im  Lehrgänge  kann  zunächst  nur  so  viel  aufgewiesen  und  zur 
Sprache  gebracht  werden, 'als  zur  Kennlniss  und  Behandlungsweise  der 
auf  dem  jedesmaligen  Standpunkte  vorliegenden  Instrumente  erfbder- 
lieh  ist.  Im  Anhange  dürfen  wir  freier  gehn,  manches  Beispiel  benutzen, 
das  neben  dem  bis  zum  gegenwärtigen  Punkte  Bekannten  auch  fremde 
Elemente  enthält,  und  mit  Hülfe  dieser  Beispiele  tiefer  auf  die  Karakte- 
ristik der  Instrumente  oder  auf  eigenthümliche  Verwendungen  derset 
ben  eingehn.  So  knüpft  der  Anhang  Verbindungsfädea,  die  ans  der 
eigeutlichen  Lehre  in  das  Partiturstudium  überleiten. 

Passen  wir  nun  zu  solchem  Zwecke  den  Chor  der  Blechinstru- 
mente in  seiner  Gesammtheit  in  das  Auge ,  so  wüssten  wir  uns  kaum 
einer  glänzendem  Wirkung  dieses  Chors  zu  erinnern,  als  der  im 
Triumphmarsch  im  dritten  Akte  von  Spontini's  Olympia*).  Hier  galt 
es,  den  heroischen  Erzglanz  der  Krieger  Alexanders  mit  asiatischem 
Herrscherprunk  vereint  zu  entfalten ,  den  griechisch-morgenländischen 
Fürsten  (Kassander)  im  Schimmer  der  Hoheit  und  Liebe,  im  Geleite  des 
Siegerheers,  vom  Volk  umjauchzt ,  aufzuführen.  Zu  dieser  Scene  bil- 
den Trompetea  (vier  Stimmen ,  aber  jede  mehrfach  besetzt),  mit  Hör- 
nern (zweistimmig),  Bassposaune  und  Basshorn  unterstützt,  in  dieser 
Weise  — 


1 

100 

I.  II. 

Trombe  in  D. 

m.  IV. 

Conti  in  D. 


Tromb.  basso 
«  Corno  basso. 


Maestoso  oon  moto. 


mi^i^utam 


*)  In  Berlin  wareo,  so  viel  wir  wissea,  eioige  cwaozig  Trompeten  nitwirkend. 


510 


die  Eialeitang.  Die  grosge  Biafaehheii  in  der  Bebandlang,  die  erst  bei 
dem  böbern  Aufschwung  der  ersten  Trompeten  einen  Gegensatz  des 
zweiten  Trompetenpaars  zulässt  9  gestattet  eben  dem  Metallklang  der 
Trompeten  die  machtvolle  Wirkung.    Dass  der  Salz  so  lange  in  den 


511     

liefern 'noch  AchaHstärikern  Tonkg^n  verweiil,  erbdht  diekriegeri^be 
Feieriicbkeit  und  PrachL;  die  Slädrke  der  Besetzung*)  komiiit  der  Ten« 
deuz  des  Komponisten  allerdings  zu  Hülfe. 

Aehaliche  Wirkung  mit  äbniichen  Mitteln  bietet  die  Bioleitimg 
zu  dem  Cbor  ^^Bachus  Schlauch  ist  unser  Brbtbeil^^  in  fländeTs 
Alejcanderfest  mit  Mozart's  Instrumentirung.  Hier  sind  es  die 
Höraer,  — 


100 
Corni  in  F. 


Trombe  in  F.  < 


TimpaniinF.C. 


i^^^: 


3^e| 


>1=" 


igÜg^juss^fe^si 


'^     V 


die  Melodie  (uhren,  und  in  ihre  anmuthig  ruhige  Erhebung  klingen 
Trompeten  und  Pauken  feierlich  leise  hinein**).  —  In  beiden  Fällen 
(Nr.  t^  und  -{-f^}  sehen  wir,   scheinbar  im  Widerspruch  mit  dem 


*)  lo  der  Zeit,  wo  Sponti  ni  nnd  seine  Olympia  io  beneidetem  Glaoze  stan- 
den, war  es  besonders  dieser  Marsch,  der  zom  Beweise  dienen  sollte,  dass  Spon- 
ti ni  betäubenden  Lärm  liebe  and  macbe.  So  wenig  uns  diese  alten  Händel  hier 
kümmern ,  so  wollen  wir  doch  aaf  das  dabei  zu  BrwMgeode  hinzudeuten  nieht 
unterlassen,  und  bemerken  Folgendes.  Eine  Trompete  dringt  bell,  mächtig,  scharf 
und  einschneidend  durch  eine  ganze  Masse  andrer  Instrsmente.  Diese  Wirkung 
wird  durch  massenweise  Anwendung  der  Trompeten  nicht  etwa  mecbaniscJi 
oder  arttbmetiscb  vergrössert,  gkichsam  multiplizirt,  sondern  sie  wird  verwaadelt: 
der  Glanz  und  die  Macht  ies  Trompetenklangs  werden  erhobt  und  ausgebreitet, 
aber  dem  Schall  wird  das  Scharfe  nnd  Spitze  genommen.  So  bohrt  eine  Schwert- 
spitze  leicht  ein,  aber  viele  zusammengelegte  nicht.  Es  ist  nicht  das  gr$sste  Un- 
reebt»  das  man  Spoatini  getban. 

**)  Wir  erinnern  uns  ans  dem  Bericht  über  eine  Aufführung  des  Alexander- 
festes  in  Wien,  dass  (wenn  wir  nicht  irren)  44  HÖrner,  12  Paar  Trompeten  und 
8  Paar  Pauken  diese  loirade  jrtaittMtmo  angehoben  haben  sollen.  Die  Wirkung 
muss  aufregend  erhaben  gewesen  sein.  —  Dass  in  solchen  Fallen  das  ganze  Orche- 
ster gleichmässig  verstärkt  werden  niass,  versteht  sich. 


512 


S.  90  Gesagten ,  Trooipeten  und  Hdnier  vereint.  Allein  im  ietztera 
Falle  sind  die  Hörner  selbständig  gebraucht  und  die  Trompeten  werfen 
blos  ihre  Glanzlichte  in  die  mnthig,  aber  doch  nur  bedeckt  erklingen- 
den Hörner.  Im  ersten  Fall  aber  sind  vor  allen  Dingen  die  Trompeten 
nach  Stimmzahl  und  Behandlung*)  überwiegend ;  dann  bilden  Basspo- 
saune und  Basshorn  ein  vermittelndes  Glied  zwischen  Hörn-  und  Trom- 
petenklang und  stärken  und  erhellen  namentlich  die  untere  Tonlage. 
Endlich  konnte  hier  nicht  der  scharfe  und  harte  Trompetenklang  zur 
Anwendung  kommen;  es  war  nicht  ein  rauher  Schlachtruf  oder  das 
schreiende  Gelärm  wilder  Kriegerlust,  sondern  der  kriegerisch  fürst- 
liche Glanz  eines  Prachtzuges  zu  verbreiten.  —  Das  Gegenstuck  zu 
dieser  Anwendung  des  Blechs  bietet  ein  kleiner  Satz  aus  K.  M.  v.  We- 
be r's  Euryanthe.  Im  Finale  des  zweiten  Akts  solILysiart,  der  falsche, 
tückische  Ritter ,  seinen  Einzug  in  Burg  Nevers  halten.  Nachdem  die 
Trompete  des  Thurmwarts  ihn  verkündigt,  leiten  vier  /^-Trompeten 
mit  Pauken  — 


Pauken  in  D.  A.  (4  D-Trompeten. 3 


100 


^m 


wm^fn 


r    #- 


seinen  festlichen  Eintritt  und  Empfang  ein.  Hier  war  nichts  als  ein 
Anklang  an  Ritterspiel  und  Ritterprunk  —  und  wohl  mag  dem  sinnigen 
Komponisten  bei  dieser  etwas  gemein  klingenden  Intrade  der  gleissne- 
rische,  innerlich  hohle  und  gemeine  Karakter  der  einzuführenden 
Person  maassgebend  geworden  sein« 

Ein  Beispiel  von  Verknüpfung  der  Hörner  und  Posaunen  entlehnen 
wir  der  Alceste  von  Gluck.  Die  Götter  wollen  Admet'sTod  und  gegen 
ihren  Eigenwillen  tritt  in  sittlicher  Grossheit  die  Treue  der  Gattin,  die 
sich  für  den  Gemahl  zu  opfern  beschliesst,  in  Kampf.  Dies  ist  das  Pa« 
thos  der  Tragödie,  die  Gluck  unsterblich  gemacht;  es  tritt  am  klar- 
sten in  AIcestens  Arie  ^^Divinites^*'  im  ersten  Akt**)  hervor.  Schon 
in  der  Einleitung  — 


100 


Andftule, 


P=^^^^^^^ 


^^33;^^j^J4-r-J  ^'\i  i 


* 


treten  Posaunen  und  ^-Hörner,  vereint  mit  Fagotten,  Klarinetten  und 
Oboen,   mit  mächtigen,    herausfodernden  Rufen  (es  sind  die  ganzen 


*)  lrr«a  wir  oieht,  so  war  aveh  die  Besettnog  d«r  Trompeten  oBterSpeii- 
t  i  tt  i^s  LeituBf  fiberwiegend  stilrker. 

**)  S.  84  der  bei  Des  Lauriers  heraosgekommeiien  Partitur. 


513 


Noten  im  obigen  Beispiel)  in  den  GBug  des  Simehquartetts ;  hier  ist 
also  das  Blech  zwar  überwiegend,  aber  mit  uid^  Bläsern  vereint« 
Später  aber,  wenn  die  Macht  der  opferbereiten  LieR  Akeste  höber  er- 
hebt, in  diesem  — 


100      Hörner  in  B. 


Posaunen» 


m 


m 


Geigen  and  Bratsche. 


Je    n'in  -  Yo  -  9[uerai  point  Yo-tre    pi  -  ti^  crn  -  el    -    le, 

Kontrabass. 


..-jj-j^^-ij^zi^-- 


^^ 


IF 


je  n'in- Yo-querai  point, 


je    n'in- 


und  dem  zweiten  lebhaftem  Satze «  verbinden  siehPosauBen  und  Hör* 
ner  —  ohne  Bfitwirknng  der  andern  Bläser  —  zu  herausfoderndem 
Rnfe.  Hier  wirkt  also  reiner  BlechkUmg ;  aber  die  Härte  und  Schmet- 
terkraft  der  Posannen  ist  vom  Homklang  gemildert  and  die  Gesammt* 
Wirkung  ist  erhaben  ohne  alle  Gewaltsamkeit,  nuwklToU  und  doch 
milde*  Wenn  die  Sängerin  an  Macht  der  Stimne^  Edelämügkeit  und 
Tiefendes  Attsdmoks  ihrer  Aufgabe  gewachaea  ist:  so  kann  vielleicht 
kein  erhabnerer  Moment,  als  diese  Scene,  au%efuflbden  werden;  gewiss 

Marx,  Konp.  L.  IV.  8.  Aufl.  33 


614     

keioer,  in  dem  die  milde  uad  ernste  Macht  vereinten  Hörn-  und  Posao- 
nenklangs  so  einla^  and  grossartig  hervorträte. 

Wir  finden  wMer  den  Raum ,  noch  das  Bedärfniss,  Beispiele  voa 
glücklichen  und  sinnreichen  Anwendungen  des  Blechchors  zu  häufen, 
und  beschränken  uns  gern  auf  die  wenigen ,  die  in  so  einfacher  Weise 
mächtige  Wirkungen  hervorgerufen  haben. 


Zur  Karakteristik  der  Ventilinstrumente. 

Zn  Seite  95. 

Der  Kampf  oder  Widerstand ,  zu  dem  hier  eine  dringende  Mab- 
nung  gegeben  werden  musste ,  hat  —  man  muss  es  gestehn  —  keine 
Versicherung  des  Erfolgs.  Es  ist  gar  nicht  zu  leugnen,  dasser 
gegen  die  in  den  letzten  Jahren  durch  ganz  Europa  herrschend  ge- 
wordene Richtung  des  Musikwesens  und  die  dadurch  hervoi^gemfefie 
Einrichtung  vieler  Ausübenden  und  ganzer  Kapellen  zu  fuhren  seil 
wird;  und  gar  schwer  ist's,  gegen  eine  ganze  Zeitströmong  ood 
vollends  gegen  die  schon  merkbar  gewordene  Bequemung  anzukämpfco. 
Selbst  der  festeste  Karakter,  wie  gern  und  leicht  er  sich  auch  zn  Ent- 
sagung und  Opfer  entschlossen  habe,  wird  da  oft  bis  in  die  Tiefes 
seines  Bewusstseins  erschüttert ,  fragt  sich  betroffen ,  oh  es  nicht  ver- 
wegen und  anmasslich  sei,  seine  Meinung  gegen  die  der  grossen  Mehr- 
zahl zu  setzen?  —  ob  nicht  wenigstens  da  oder  dort  der  Streit  auCsa- 
geben  sei?  ^ 

Sei  es  nun  auch  dem  Einzelnen  unmöglich,  die  Verhältnisse 
überall  zu  zwingen ,  so  ziemt  doch  Jedem ,  für  das  Rechte  nach  Rrä^ 
ten  zu  ringen.  Besonders  aber  ziemt  dem,  der  Autheil  an  der  Ausbil- 
dung der  Kunstjünger  nimmt,  denen  ja  die  Zukunft  der  Kunst  zunächst 
—  so  weit  Schicksal  und  Geist  des  Volkes  gewähren  —  anvertraut  ist: 
überall  die  reine  Ueberzeugung  zu  Tage  zu  geben,  ohne  ängstliches  Vor- 
herberechnen des  Erfolgs.  Und  je  mehr  das,  was  uns  als  ScbwächBiig 
oder  Verwirrung  erscheint,  um  sich  zu  greifen  und  einzuwurzeio 
droht,  desto  ziemlicher,  dringender  und  pflichtmässiger  ist  der  Widci^ 
stand. 

Die  Venlifoirung  der  Blechinstrumente  hat  ihren  Anlass  in  der 
Wahmebmong,  wie  unvollständig  die  Tonreihen  dieser  Instrumente  im 
natürlichen  2«ustand  —  und  wie  schwer  und  unvollkommen  die  Luckei 
ausfnllbar  sind.   Man  wollte  ihnen  einen  ebenso  vollständigen  Tooge- 


515    

halt  gebeo ,  als  den  andern  Blasinstramenten ,  wenn  auch  in  engern 
Gränzen,  —  und  hat  dabei  ihrer  Grnndkraft  Abbruch  getban  und  ihrem 
Rarakter  eine  mit  ihm  selbst  im  Widerspruch  stehende  Ausweitung  er- 
Iheilt.  Dies  hat  nun  gerade  die  entschiedensten  Karaktere,  die  Ab- 
schwächung  hat  gerade  die  Organe  höchster  Kraft,  die  Mittel  der  höch- 
sten und  letzten  Entscheidung  betroffen.  Dafür  bieten  sich  diese  Mittel 
jetzt  für  jeden  beliebigen  Moment  dar  und  werden  gar  gern  für  jeden 
augenblicklichen  Einfall  benutzt.  Dies  hat  zunächst  zweierlei  Folgen. 

Erstens  werden  den  modifizirten  Instrumenten  Gedanken  zuer- 
tbeilt,  die  ihrem  zwar  abgeschwächten,  nicht  aber  ausgetilgten  Karak- 
ter  widersprechen;  das  Waldhorn  klemmt  sich  in  Pagottwindungen 
herum,  die  Trompete  spinnt  wie  Herkules  bei  Omphale  irgend  eine 
schäferlicbe  oder  sentimentale  Lied-  ohne  -Worte-Melodie  ab ,  etwa  in 
Cmoll,  oder  in  einem  Zwölftonarteniiede. 

Zweitens  wird  durch  das  Eindringen  der  entscheidenden  Kräfte 
in  jeden  beliebigen  Moment  grösserer  Kompositionen  die  Architektonik, 
diese  hochwichtige  Maassnahme  für  die  Wirkung  im  Grossen ,  in  den 
Grundfesten  erschüttert.  Wer  nnsre  grössern  Formen  (Fuge,  Rondo, 
Sonatenform)  in  das  Auge  fasst,  erkennt,  dass  nach  der  Grundidee  die- 
ser Formen  die  Hauptmomente  des  Inhalts ,  in  denen  sich  derselbe  am 
hellsten,  entschiedensten,  kraftvollsten  ausspricht ,  auf  die  Hauptmo- 
mente der  Modulation,  zunächst  auf  den  Hauptton  faUen ;  hier  bedarf 
es  der  gesammelten  und  in  sich  gefesteten  Kraft,  hier  bieten  sich  jene 
mächtigsten  Naturinstrumente  zur  geradesten  und  klarsten  Mitwirkung 
an  und  entscheiden  durch  die  Cripfelung  der  Massengewalt  oder  durch 
die  heroische  Helligkeit ,  oder  irgend  eine  andre  herrschende  Eigen- 
schaft ihres  eigenthümlichen  Wesens.  Auch  anderswo  können  sie  dann 
noch  mitwirken ;  dies  geschieht  indess  beschränkt  und  in  einer  gewis- 
sermassen  verwegenen  Weise,  indem  irgend  einer  ihrer  Töne  zur 
Grondlage  eines  fremdem  Modulationssitzes  oder  zu  einem  scheinbar 
willkührlich  gewählten  Bestandtheil  einer  fremdern  Harmonie  wird. 
Aber  auch  hier  zeigen  sie  sich  dann  ihrem  Karakter  gemäss ,  nur  von 
einer  andern  Seite,  bald  gleichsam  gewaltsam ,  bald  fremdartig  sich  in 
Verhältnisse  mischend,  die  ihnen  nicht  ursprünglich  zugewiesen  waren. 
So  6ndet  mithin  der  einsichtige  Komponist  überall  Anlass  zu  den  natur- 
gemässesten,  treffendsten,  geistreichsten  Kombinationen;  die  materiale 
Beschränkung  selbst  schlägt  um  in  geistige  Bereicherung ;  —  abgesehen 
davon,  dass  ihm  für  ganz  besondre  Fälle  doppelte  Besetzung  oder 
Wechsel  der  Stimmung  im  Laufe  der  Komposition  zu  Gebote  steht. 
Dieses  ganze  Verhältniss  wird  geändert  oder  vielmehr  geradezu  aufge- 
hoben, sobald  uusre  NatMrinslrumente  ebenfalls  zu  Allerweltsleuten  ab- 
geschliffen werden ,  die  sich  überall  und  zu  allerlei  gebrauchen  lassen 
nnd  dann  auch,  wie  die  Menschen  eben  sind,  gebraucht  und  verbraucht 

33* 


616     

werden*).  Dass  dies  wirklieli  der  Gang  der  Sache  geworden,  ist  aas 
den  neuem  und  neuesten  Werken ,  besonders  der  französischen  wäi 
italischen  Buhne  (und  den  ihr  zugewendeten  deutschen),  leider  auf  das 
Unwidersprechlichste  zu  beweisen. 

Nun  aber  hängt  sich  an  diese  nSchsten  Polgen  noch  eine  dritte, 
die  uns  ebenso  bedenklich  scheint.  Wenn  nämlich  der  Karakter  der 
Naturinstrumente  durch  ihre  Ventilisirung  gebrochen  und  durch  unke- 
schränkte Verwendung  geschwächt  worden :  so  bleibt  doch  für  jedei 
Komponisten  das  Bedürihiss  hervortretender  Glanz-  und  Maehtmomenle 
bestehn.  Das  kann  dann  nur  durch  den  Zuzug  neuer  Instrumente  ia 
den  Chor  der  Bleche  befriedigt  werden  und  hat  Aniass  g^eben  zu  der 
Einführung  des  vollständigen  Ventilchors,  in  dem  man  die  hohen  Ko^ 
netts  (in  B)  als  Diskant  (Diskant-TViba),  die  £^-Kornetts  als  Alt  (Alt- 
Tuba),  das  chromatische  Tenorhom  als  Tenor  (Tenor-Tuba),  die  Bass- 
trompete als  Bass  (Bass-Tuba),  deoTenorbass  als  Bariton,  die  Tuba  als 
Kontrabass-Instrnment  ansehn  kann.  Aber  eben  diese  vollständige  Or- 
ganisation im  Verein  mit  der  Umgestaltong  nnd  Abschwäcbung  des 
Blechkarakters  macht  diesen  Chor  dem  der  Rohr-  oder  Holzbiasinslr«- 
mente  zu  ähnlich  und  schwächt  nicht  Mos  die  Wirkung  des  letzten, 
sondern  auch  den  Gegensatz  im  Karakter  beider  Chöre.  Auch  in  dieser 
Hinsicht  ist  also  das  Karakteristische  zurückgesetzt  oder  geschwächt, 
das  Materielle  auf  Kosten  des  Geistigen  begünstigt  worden.  Und  das 
Letztere  nicht  einmal  in  vortheilhafier  Weise.  Ein  reicher  Chor  voa 
Trompeten  ist  das  Glanzvollste,  —  mit  Posaunen  und  Pauken  nnte^ 
stützt ,  das  Machtvollste  und  Herrlichste,  was  die  Musik  an  Orchester- 
mitteln  aufzubieten  vermag;  der  Zutritt  der  Tuben  und  andern  Ventil- 
oder Kiappeninstrumente  verdunkelt  den  Glanz  und  stumpft  die  Macht 
des  Eindrucks  ab,  —  er  wirkt  wie  die  Degenscheide,  wenn  sie  die 
blanke  scharfe  Klinge  umschliesst. 

Dass  übrigens  Ventilinstrumente  in  einzelnen  Fällen**)  die  gän- 


*)  Mao  könnte  hier  einwenden^  dass  es  ja  vom  Kompouisteo  abbäosiS  l^^^i^ 
sich  der  nozeitigen  oder  zu  häufigen  Anwendung  zn  entbailen.  Aber  om  ebenso 
viel  giebt  er  dann  die  Vortheile  der  Ventilisirung  anf ;  will  man  sieh  erst  s«  dieser 
allerdings  rathsamen  Enthaltsamkeit  verstehen ,  daoo  wird  man  noeh  waniger  •■ 
kt«iaer  und  xweidevttger  £inselgewione  willea  die  Instramente  abschwächen  oad 
verdankein  lassen. 

**)  Hier  mass  wohl  zunächst  unterschieden  werden  zwischen  solchen  Ventilis- 
stmmenten,  die  neu  zu  dem  frühem  Orchester  zatreten  (den  Kornetts,  den  ehro- 
matischen  Tenoh-  nnd  Tenorbasshömern ,  den  Taben  «ad  nach  Belieben  aoeh  den 
RIappenhom),  and  denen,  die  aas  aehon  rorhandnen  Jnatramentem  gaUldetstad 
(Veotiltrompete,  Ventilposauoe  and  Ventilboro)  und  die  Natarinstraaente  za  ve^ 
dräogcn  aachen.  Die  letztem  sind  es,  die  den  Orchestern  bleibenden  Nachtheii 
drohen;  die  erstem  mag  Jeder  nach  eignem  Ermessen  anwenden.  Auch  der  Verf. 
hat  sich  im  Mose  des  chromatischen  Tenorhorns  bedient,  das  durch  Milde  aad 
Kraft ,  durch  ein  voUatändiges  Tonsystem  von  mehr  als  zwei  Oktaven  «ad  seiaea 


517     

sligste  Wirkung  thiui  köonen  uod  daun  ebenso  berechtigt  sind ,  wie 
jedes  rechte  Mittel  für  den  recbteo  Zweck :  wer  wollte  das  leugnen? 
Nor  dagegen  ist  Einspruch  zu  thun ,  dass  um  einzelner  und  seltener 
Fälle  willen  das  wesentliche  Organ  für  die  mächtigsten  Orchestermo- 
ntente  geschwächt  werde.  Leichter  wird  man  in  jenen  einzelnen  Fällen 
sich  behelfen  oder  bescheiden  können.  Es  kommt  demnach  in  jeder 
Beziehung  durchaus  darauf  an ,  dass  nur  vorerst  die  Komponisten  sich 
eioe  sichere  und  klare  Anschauung  von  den  Organen  und  ihrer  Wir- 
kungsweise verschaffen,  dass  sie  wohl  erwägen,  wie  viel  sie  aufgeben 
müssen,  um  zu  den  Vortheilen  der  Ventilisirung  zu  gelangen ,  —  und 
wohin  diese  Vortheile  ihren  schaffenden  Geist,  nach  dem  Gang  aller 
menschlichen  Dinge,  fortzureissen  dröhn.  Dann  wird  in  einer  oder  der 
andern  Weise  das  Rechte  erlangt  und  erhalten  werden. 

Schliesslich  sei  noch  Eins  bemerkt.  Man  sollte  meinen,  über  diese 
Angelegenheit  (nnd  ähnliche)  die  sicherste  Auskunft  bei  den  Männern 
vom  Fach,  hei  den  Ausübenden,  zu  erlangen.  Dem  ist  aber  nicht  so. 
Der  ausübende  Musiker  muss  noth wendig  für  das  Instrument,  das  er 
jahrelang  geübt  hat,  Vorliebe  haben,  die  um  so  fester  wurzelt,  je  höber 
die  Virtuosität  des  Ausübenden  gesteigert  ist.  Jeder  Ausübende  ferner 
hat  den  natürlichen  Trieb,  gleichsam  die  ganze  Musik,  wie  sie  in  ilmai 
leibt  nnd  lebt,  auf  sein  Instrument  zu  übertragen ;  dies  ist  ein  notbwen- 
diger  Ausflnss  ans  dem  Grundtrieb  nnd  der  Grundbedingung  alles 
RüDstlerlebens,  das  Innere  in  äusserer  Erscheinung  zu  offenbaren,  — 
so  karrikirt  es  auch  von  höherm  Gesichtspunkt  aus  erscheint,  wenn 
jedes  Instrument  Alles  sein  soll,  wenn  das  Fagott  trillert  und  tändelt,  der 
Rontrabass  Geige  spielt  und  die  Posaune  sentimental  seufzt  und  ftiUet. 
Diesem  Triebe  kommt  nun  für  den  Trompeter  und  Hornisten  die  Ven- 


zwisohen  B»rn  vad  Posaune  ttehendeo,  also  beide  vereioeodea  Kiaog  vor  den  aiH 
dero  VeDtilinstramenteD  ia  vielen  Fällen  den  Vorzog  verdienen  möchte. 

Meyerbeer  bedientsicb  (wenigstens  in  seinen  fdr  Paris  geschriebenen  Opern) 
sehr  häufig  der  Vea  tiltrompeteo,  die  nach  uosrer  Ansicht  zu  dea  bedenkliebsten 
von  allen  Ventilinstrumeoten  gehören.  Wie  dies  mitseioerganzen  Richtung  und  dem 
Binflasse  zusamntenhSDgt,  den  seine  lange  Thätigkeit  fdr  die  italische  und  fraiizf»- 
sisehe  Oper  auf  ihn  gehabt,  ist  an  einem  andern  Orte  zu  erörtern.  Hier  wollen  wir 
diastm  fekeOy  an  wahrhaft  spezifisch  karakteristiachen  Zögen  überreiebear  Geiste 
gern  zugestehn,  dass  jedes  Mittel  an  seiner  Stelle  das  rechte  ist,  —  und  zwar  zu- 
nächst  in  Bezug  anf  eine  Anwendung  der  gewiss  nicht  mit  Unrecht  beschoUenen 
Ventittrompeten.  Wenn  im  vierten  Akte  der  Hogenotten  die  fanatiscbenr  Mönche 
eiittreteD,  um  Schwerler  und  Dolche  zum  Meuchelmord  ztr  weihen,  wird  ibr  Gesirng 
mm  sehe  die  Beilage  IX  «^  eingeleitet  uod  begleitet  von  aehreiertseheo  oad  doeh 
gepreasteo  Ventlitrompeten,  die  nur  die  Heftigk^t,  nicht  den  edlen,  beldenthümli- 
eben  Gang  der  Naturtrompeten  an  sich  haben  und  ohnehin  von  Bratschen  begleitet 
und  gedeckt  sind.  Es  ist  der  KriegsruF  tückisch  bervorscbleicheoder  Fanatiker  in 
der  Priesterktttte.  If.  s.  die  In  Paris  bei  Schlesinger  erschienene  Partitur  {Entt&e 
d^nurint*)  S.  Sil. 


518     

ülisirung  hülfreich  eotgegen ;  was  ihm  bisher  unmöglich  oder  schwer 
gewesen,  ist  jetzt  leicht ;  er  kann  es  der  Klarinette  und  dem  Pagott  — 
so  ziemlich  —  gleichthan.  Daher  wird  man  selten  einen  Ausübenden 
finden,  der  nicht  fiir  die  Ventilisirung  spräche.  Fragt  man  ausdrück- 
lich, ob  nicht  Klang  und  Schallkraft  verloren  habe,  so  bietet  der  Spie- 
ler alle  Sorgfalt  und  Krafl^auf ,  um  thatsächlich  das  Gegentheil  zu  be- 
weisen, —  vergisst  aber,  wie  viel  mehr  auf  dem  Naturinstrument  er- 
reicht werden  würde,  wenn  man  aufrichtig  und  gewissenhaft  auch  hier 
die  höchste  Sorgfalt  und  Kraft  bei  der  Probe  anwendete.  Wer  also  hier 
zu  einem  sichern  Resultat  kommen  will,  muss  die  Ausübenden  in  unbe- 
fangenen Momenten  und  mit  eigner  Unbefangenheit  —  und ,  wie  sich 
versteht,  mit  unablässigem  Fleisse  —  beobachten. 

Zur  letzten  Unterstützung  in  dieser  höchst  wichtigen,  einen  Le- 
benspunkt für  unsre  Kunst  vielleicht  auf  Menschenalter  hinaus  treffen- 
den Erörterung  kommt  ein  Zeugniss  des  Herrn  Musikdirektor  Wie- 
p recht  erwünscht  zu  statten,  das  derselbe  in  einem  Bericht  über  den 
Homvirtuosen  Vi  vi  er  im  zweiten  Jahrgang  der  Berl.  musik.  Zeitg. 
(Nr.  50, 13.  Dezbr.  45)  in  Bezug  auf  das  Hörn  abgelegt.  Dieses  Zeug- 
niss hat  die  Bedeutung  eines  Geständnisses  oder  Zugeständnisses ,  da 
der  Herr  Verf.  für  die  Ventilinstrumente  selber  auf  das  Eifrigste  thätig 
gewesen,  mithin  eher  für  als  gegen  sie  eingenommen  sein  muss,  gleich- 
wohl aber  das  Rechte,  als  es  ihm  gegenübertrat ,  erkannt  und  ehrlich 
anerkannt  hat.  Wir  geben  seinen  ganzen  Aufsatz.  — 

„Das  einfache  Waldhorn,  obgleich  eines  der  ältesten  Blasinstru- 
mente, ist  durch  Vi  vi  er  wieder  eine  durchaus  ne  ne  Erscheinung  ge- 
worden. 

Ursprünglich  beschränkte  man  sich  nur  auf  die  Naturtöne  dieses 
Instruments.  Die  Hornisten  in  den  Orchestern  richteten  beim  Blasen 
den  Schallbecher  nicht  wie  jetzt  nach  unten,  sondern  oben  hinaus.  Die 
Wirkung  des  Tons  war  daher  eine  viel  grossartigere ,  als  die  unserer 
jetzigen  Waldhörner. 

Im  Verlaufe  der  Zeit  entdeckte  man  die  sogenannten  Stopflöne, 
begnügte  sich  jedoch  antänglicb  nur  damit,  jeden  Naturton,  durch  das 
Eindrängen  der  Hand  in  den  Schallbecher,  einen  halben  Ton  tiefer  zu 
machen ;  später  erweiterten  die  Virtuosen  dieses  Feld  noch  mehr  und 
stopften  die  Hand  so  tief  in  das  Schallstück,  dass  die,  einen  ganzen  Ton 
tiefer  als  die  Naturtöne  liegenden  Töne  eine  sehr  gedämpfte,  sordinen- 
artige Tonfarbe  erhielten.  Wem  sind  die  schönen  Klangef* 
fekte  der  stark  angeblasenen  Stopftöne  des  Waldhorns 
in  den  Glnck'schen  Opern  nicht  bekannt? —  ff^ir  sind  der 
Meinung^  dass  das  einfache  fFaUthom^  so  b^.handeltj  in  technischer 
Beziehung  ein  unverbesserliches  Instrument  ist.  Dieselben  Bemer- 
kungen gelten  auch,  beiläufig  gesagt,  für  die  uralten  Zugposaunen. 
Beide  Instrumente  leiden  durch  die  Ventile.    Das  Wald- 


51»     

hörn  kann  der  Ventile  enibehren,  weil  es  schon  an  sich  dorch  sein  lan- 
ges Rohr  in  der  .vierten  Oktave  diatonische,  und  in  der  fünften  sogar 
chromatische  Naturtöne  besitzt;  ja,  es  leidet  durch  die  Ven- 
tile an  Kraft  und  Ton,  weil  durch  seinen  engen  Röh- 
renbau die  Luft  sich  mehr  durch  die  unlufldichten*; 
Ventile  drängt,  als  bei  den  Trompeten,  Kornetten  und 
Tenorhörnern,  deren  Röhrenbau  noch  einmal  so  kurz  und  viel 
weiter  ist.  Bei  der  Posaune  sind  die  Ventile  noch  schädlicher,  weil  der 
helle  schmetternde  Klang  durch  Veränderung  der  Posaunenform  ver- 
loren geht  und  das  Piangendo  nur  durch  einen  beweglichen  Zug  aus- 
fuhrbar ist.  Es  ist  vielfach  versucht  worden ,  und  ich  habe  durch  die 
Erfindung  meines  Piangendo's  (eines  spielbaren  Zuges  mit  einer  Druck- 
maschine versehen)  mich  bemäht,  bei. den  Blechinstrumenten  die  Nach- 
theile der  Ventile  mit  ihren  grossen  Vortheilen  auszugleichen;  ich 
glaube  aber,  dass  dies  eine  Unmöglichkeit  ist,  und  bin  durch  Hm.  Vi- 
vier's  vollendetes  Spiel  zu  der  Ueberzeugung  gelangt,  dass,  wie  ich 
vorhin  schon  aussprach ,  dies  bei  dem  Waldhorn  obendrein  äberfiiissig 
ist,  weil  es  in  seinem  Naturzustande  bei  solcher  kunstvollen  Behand- 
lung ein  durchaus  vollkommenes  Instrument  ist.  Wenn  an  demselben 
noch  Verbesserungen  möglich  wären ,  so  wäre  es  in  akustischer  Hin- 
sicht, obwohl  Hm.  Vi  vieres  Waldhorn  in  seinem  Schallbecher  richtiger 
konstruirt  ist,  als  die  jetzt  gebräuchlichen  chromatischen ;  denn  um  die 
Töne  leichler  stopfen  zu  können ,  ist  man  nach  und  nach  von  der  ur- 
sprünglichen Konstmktion  des  Schallstücks  abgewichen,  indem  man  es 
immer  mehr  verengte.  Wie  aber  der  Ton  durch  dies  Ver- 
fahren an  Kraft  und  Fülle  verloren  hat,  hören  wir, 
wenn  wir  die  Töne  des  chromatifichen  mit  denen  des 
natürlichen  Waldhorns  vergleichen.  Andererseits  ist  nicht 
zu  leugnen,  dass  wir  selbst  vortreffliche  Virtuosen  auf  dem  chromati- 
schen Waldhorne,  wie  z.  B.  Schunke,  besitzen,  die  sich  vor  dem 
Missbrauche  der  Ventile  bewahrt  und  den  Karakter  des  Instruments 
möglichst  festgehalten  haben. *^ 


*)  Loftdieht  kann  ein  spielbar  bewcgliehes  Ventil  niemals  sein. 


520     

F. 

Neue  Ventilfamilien. 

Za  Seite  163. 

Zu  den  in  Deatschlaad  üblichen  Veatilinstruinenten,  denen  allen- 
falls noch 

das  Piccolo 

(Cametto  piccolo)  zuzufügen  war',  ein  nur  in  der  Kavallerie-  UBd  Ja- 
genoBsik  übliches  Kornett  in  hoch  Es^  steUeü  sich  in  Frankreich  noch 
die  Familien  der  Saxophone,  Saxhörner,  Saxtromben  und 
Saxiuben,  die  wir  nicht  genauer  aus  eigner  Wahrnehmung,  sondern 
nur  theoretisch  aus  Berlioz*)  kennen,  den  Kornetten,  Flügelhörnern, 
Ventiltrompeten  und  Tuben  gleich  oder  ähnlich  gestaltete  Instrumente 
aus  der  Fabrik  des  geschickten  Brüsseler  Instrumentmachers  Sax, 
ihres  Erfinders. 

Die  Saxophone  sind  Blechinstrumente  von  der  Gestalt  eines 
parabolisch  gebogenen  Kegels,  mit  einem  Klappensystem,  einfachem 
Mundstück  und  dem  Sohnabel  der  Klarinette  verseben.  Schon  der  Bau 
karakterisirt  sie  als  Mitiel-*  oder  Mischgattung  von  Klarinette  und  FIü- 
gelhorn.  Berlioz  bezeichnet  ihren  Klang  als  sanft  und  durchdringend 
in  der  Höhe,  voll  nnd  markig  in  der  Tiefe,  tief- ausdrucksvoll  in 
der  Mitte,  einen  Klang  ,^sui  gener ü^^y  dem  Violoncell,  der  Klarinette, 
dem  englischen  Hörn  ähnlich,  eine  Halbfarbe  des  Blechs ,  —  allerdings 
eine  eigenthumliche  Erläuterung  des  sui  generü.  Das  Instrument  soll 
leicht  beweglich  für  nicht  zu  schnelle  Passagen,  besonders  aber  für 
langsame,  sanfte  Sätze  gunstig  sein,  da  habe  die  Höhe  etwas  Klagendes 
und  Schmerzliches,  die  Tiefe  grandiose,  priesterliche  Ruhe,  das  An- 
schwellen und  Verhallen  der  tiefsten  Töne  biete  bisher  unerhörte 
Effekte,  ähnlich  der  Expressivorgel ;  die  hoben  Saxophone  seien  durch- 
dringender als  B'  und  C-,  nnd  nicht  so  scharf  als  ^s-Klarinetten. 

Die  Saxophone,  erfahren  wir  weiter  von  Berlioz,  können  auch 
Triller  mit  Ganz-  und  Halbtönen  ausfuhren,  mit  Ausnahme  von  eis-- 

dis^ßs'-gisy  C'-TT^  cts-dis^  c-d^  d-es^  es-fj  e-f,  —  das  heisst, 
der  auf  diesen  Stufen  notirten  Töne,  abgesehen  von  der  Verschieden- 
heit der  Stimmung. 

Es  sind  nämlich  von  ihnen  sechs  Hauptstimmungen  oder  Arten 
vorhanden,  alle  gleichgebaut,  nur  von  verschiedner  Grösse ;  für  alle 
wird  im  6-Schlässel  notirt. 


*)  Berlioz:  LechefePorehestre.  Sehlesioger  in  Berlin. 


521     

Das  Saxophone  aigu  (in  Es)  hat  eine  chromatische  Tonreibe 
—  anf  Noten  von  klein  h  bis  dreigestrichen  i/,  erklingend  als  eingestri- 
chen d  bis  dreigestrichen  y*. 

Das  Saxophone  soprano  (in  C)  hat  die  Tonreihe  von  klein 
h  bis  dreigestrichen  d.  Eine  Seitenart  ist  das  Saxophone  in  B^  ebenso 
notirt,  aber  eine  Stufe  tiefer,  von  klein  a  bis  dreigestrichen  c,  ertönend. 

Hieraof^olgt  das  Saxophone  alto  mit  der  Ausdehnung  von 
klein  h  bis  dreigestrichen y*,  ebenfalls  in  zwei  Stimmungen,  in  JPmit 
dem  Tonumfang  von  klein  e  bis  zweigestrichen  b ,  und  in  Es ,  einen 
Ton  tiefer;  dann 

das  Saxophone  ienore  in  zwei  Stimmungen,  in  C  mit  dem 
Tonumfang  von  gross  ilT  bis  zweigestrichen  y*(notirt  im  G-Scblussel  als 
klein  A  bis  dreigestrichen y*),  und  in  0,  einen  Ton  tiefer;  femer 

das  Saxophone  baryton^  notirt  wie  das  vorige,  in  zwei 
Stimmungen ,  in  F  mit  dem  Umfange  von  gross  E  bis  eingestrichen  &, 
und  in  Es ,  einen  Ton  tiefer ;  endlich 

das  Saxophone  basse,  notirt  wie  das  vorige,  in  der  Stim- 
mung von  C  mit  dem  Umfange  von  KouVtsl-H  bis  eingestrichen  es^  und 
in  der  Stimmung  von  Bj  einen  Ton  tiefer. 

Dies  sind  sechs  Arten  mit  elf  Stimmungen. 

DieSaxhörner  (Saxhoms)  haben  nach  Berlioz*  Bericht  run- 
den, reinen,  volltönenden,  im  ganzen  Umfang  des  Instruments  vollkom- 
men gleichmässigen  Klang.  Sie  sind,  wie  die  Saxophone,  in  verschied- 
nen  Stimmungen  vorhanden,  die  Noten  werden  im  G-Schlüssel  ge- 
schrieben. Obenan  steht 

das  Saxhorn  sur-'aigu  in  C,  Umfang  den  Noten  nach  von 

c  bis  dy  e,  f,  eine  Oktav  tiefer  ertönend,  und  das  in  Bj  einen  Ton  tie- 
fer stehend,  dessen  tiefste  Töne,  unter  dem  tiefsten  a,  Berlioz  als 
schlecht ,  dessen  höchste  Oktav  er  als  glänzend ,  fein ,  dnrehdringend 
und  klar  bezeichnet ;  dann  folgen 

Saxhorn-Sopranoy  in  Esj  mit  dem  Umfange  von  a  bis  e^ 
notirt ^^  bis  a, 

Saxharn-Alto^  in  A,  Umfang  0-Ä^ 

Saxhorn-Tenorej  in  Es^  Umfang  ji-gj 

Saxhorn-Bary  ton j  in  B,  Umfang  £-<^ 

Saxhorn'Bassej  von  gleichem  Tonsystem,  aber  mit  weiterm 
Rohr  und  vier  Ventilen ,  leichter  in  der  Tiefe  ansprechend, 

Saxhorn-Contrabassej  in  £«,  Umfang  Rontra-^«-6, 

Saxhorn-Bourdon^  in  £,  eine  Oktave  tiefer  als  das  Sax- 
hom-Baryton,  —  zusammen  wieder  acht  oder  neun  Arten. 

Die  Saxtrompeten  und  Saxtuben  dürfen  wir  übergehu.  — 


522 


Was  wir  von  deo  VenülinstrameDteii  gesagt ,  muss  begreiflicher 
Weise  auch  aaf  diese  Inslnimente ,  selbst  wenn  sie  einzelne  Vorzöge 
haben ,  Anwendung  finden. 


Die  Bassklarinette. 
Zu  Seite  125. 


In  neuester  Zeit  hat  Meyerbeer  in  seinen  Hugenotten  und  im 
Feldlager  in  Schlesien  noch  eine  besondre  Art  der  Klarinette  in  An- 
wendung gebracht, 

^  die  Bassklarinette, 

deren  Töne  eine  Oktave  tiefer  erklingen,  als  die  der  A-Rlarinette,  so 
dass  die  Noten  — 


129  ffl  rTX 


ä^ 


diese  Töne 


^^ 


4Di. 


:t 


bezeichnen*).  Neben  und  nach  ihm  haben  Wagner  und  Liszt  sich 
des  Instruments  bedient. 

Der  Klang  dieses  Instruments  ist  dem  der  gewöhnlichen  Klarinette, 
besonders  dem  stillen ,  sanften ,  etwas  verblasenen  Klang  der  Altkla- 
rinette gleich,  mag  übrigens  in  den  tiefsten  Tönen  einer  grossem 
Schallkraft  theilhaflig  sein,  als  der  Verf.  Gelegenheit  gehabt,  von  ihr 
zu  vernehmen. 

Der  nächste  Vortheil,  den  dieses  Instrument  bietet,  ist  Fort- 
fährung des  Klarinetlklanges  in  den  tiefen  Tonlagen,  in  denen  derselbe 
anders  nicht  zu  haben  ist ;  so  finden  wir  die  Bassklarinette  in  den  Hu- 
genotten aus  den  hohem  Tonlagen ,  die  auch  der  gewöhnlichen  Klari- 
nette gegeben  werden  konnten,  gleichsam  unversehens  und  unvermerkt 
(weil  man  nämlich  gewohnt  ist,  die  Klarinette  nur  in  den  hohem  Ton- 


*)  Aneb  die  Btssklariaette  ist  ia  zweierlei  Stinmaogea  vorhaaden,  in  der  oben 
angenommenen  in  if,  und  als  Basaklarinette  in  £7,  bei  der  die  Noten  — 


_2_ 
129 


^^ 


nSE: 


:  diese  T5ne 


gqFf# 


it 


bezeichnen.   Die  i?-Stimmang  soll  die  gebräach liebere  sein.  Uebrigens  kann  man 
aneb  für  beide  Klarinettarten  im  Bassscblfissel  notiren. 


523 


lagen  za  vernehmen)  in  die  nur  ihr  erreichbare  Tiefe  hinabgeführt* 
Wir  geben  hier  — 


12» 
Clarinelte  bassel 
en  8i  b. 


Marcel. 


Molto  maestoso. 


crescendo 


^^  P  cantabUe  '  ^-. — ^  ^^^-^ 


(Yalenline  et  Raoul  k  genonz ;  Marcel,  debout 
entr'eux,  prie  avant  d'iiilerroger.) 


^; 


^ 


^^ 


St^  / 


^^^ 


'^^^^ 


^ 


ÖE 


Toix  graye  et  severe 


mgzz^ 


t  severe. *) 


T"i  i  't  cjy.^ 


te*^ 


S 


vous,  qu'en  joignant  vos  mains  dans  ces    te    -    ni 


bres,  je   consacre  et     b^  -  uis 


le    banquet  des  a- 


1^  nSfrjT 

cresc.^J^ 


-EJEL 


n    1* 


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j 


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^^^=g.^a~§^  ,^1i;T=j:jP^ 


die» 


et    «es  no  -  oes  fn  -    ni 


breaf 


524 


^^-,-y  „— 1^^ 


^s 


'N'nna    an     _      vnna  nn'jrn      />4o1       «Anl 


Noas  sa   -    rons,  qn'aa    ciel     senl 

wenigstens  den  Anfang  dieser  Scene*),  da  nicht  jedem  Musiker  Gele- 
genheit gegeben  ist,  das  Instrument  zu  hören  oder  die  Partitur  einzu- 
sebn.  In  den  ersten  drei  Takten  könnte  man  meinen ,  nur  eine  (stär- 
kere) A-Klarinette  zu  hören ;  erst  mit  dem  vierten  Takte  schreitet  das 
Instrument  aus  dem  Bereiche  der  iS-Rlarinette  heraus.  Es  sollte  —  wie 
es  scheint  —  mit  seinen  an  Orgelklang  erinnernden  Tönen  Lokalfarbe 
verleiben  der  Handlung,  die  sonst  unter  kirchiieber  Feier  und  dem 
Walten  des  Priesters  begangen  zu  werden  pflegt,  hier  aber  unter  Waf- 
fen, von  einem  alten  Krieger  aufgeführt  wird ,  auf  morddurchwütheter 
Gasse ,  an  Liebenden ,  die  sich  nur  zum  nahen  gemeinsamen  blutigen 
Ende  vereinen. 

Sodann  kann  die  Wirksamkeit  der  Bassklarinette  erprobt  werden 
in  Verbindung  mit  andern  Instrumenten.  Schon  Ivan  Müller,  der 
berühmte  Klarinettist,  trug  sich  mit  dem  Plan  (oder  hat  er  ihn  ausge- 
führt?), zwei  gewöhnliche,  eine  Alt-  und  eine  Bassklarinette  zum  Vor- 
trag Haydn'scher  Quartettmusik  zu  vereinigen;  wobei  nur  die  geist- 
reich feine  und  bewegliche  Komposition  mit  dem  gesättigten,  sentimen- 
tal-sinnlichen Klang  der  Klarinette  —  und  gar  von  lauter  Klarinetten!  — 
in  Widerspruch  gerathen  sein  müsste.  Auch  Berlioz,  der  in  seiner 
ausgezeichnet  scharfsinnigen  Auffassung  der  Einzeleflekte  die  ,, schau- 
rig drohende  Wirkung,  die  schwarzen  Accente  regungsloser  Wuth^S 
die  K.M.  T.  Weber  der  Tiefe  des  Instruments  abgewonnen,  und  viele 
andre  Wirkungen  wohl  erkannt  und  bezeichnet,  verspricht  sich  von 
der  Intonation  eines  cis-^e-g-b  durch  vier  Klarinetten  (zu  unterst 
in  ^-Klarinetten)  den  Eindruck  des  Schrecklichen,  der  noch  verdüstert 
werden  müsste,  wenn  eine  Bassklarinette  das  tiefe  G  — 


zusetzte. 

Dass  der  Zusammenklang  mehrerer  Klarinetten,  der  Zutritt  — 
oder  auch  die  abgesonderte  Wirksamkeit  der  Bassklarinette  in  einzel- 
nen Fällen  einen  eigentbümlichen  und  entsprechenden  Eindruck  machen 
könne:  wer  wollte  das  leugnen?  oder  wer  dürfte  dem  Komponislen 
solche  Mittel  versagen?  Für  ihn  kam'  es  zunächst  auf  die  Frage  an: 


*)  S.  877  lier  Pirtitor.  Die  Scene  ist  avch  mit  dem  kirehlieb  solenoea  Worte 
^yiuterregßioire'^  iiberschrbJbea. 


526     

ob  ihm  so  viel  Mittel  zu  Gebote  stehn  und  wiritlicb  Dothwendig  sind. 
Meyerbeer  hatte  über  die  Mittel  der  Pariser  und  Berliner  Oper 
schrankenlos  zu  gebieten  nnd  in  beiden  Opern  eine  so  weiterstreckte 
Reihe  der  mannigfaltigsten  Situationen,  Effekte  nnd  Kontraste  zn  durch- 
laufen übernommen ,  dass  seine  ebenso  begünstigte  wie  beanspruchte 
Stellung  auch  in  der  Oekonomie  der  Mittel  nicht  beschränkt  werden 
durfte. 

Abgesehn  aber  von  solchen  ausnahmsweisen ,  zunächst  aus  der 
Richtung  der  Pariser  modernen  Bühne  hervorgegangnen  Fällen  scheint 
uns  der  Gewinn,  den  das  neue  Instrument  bietet,  nicht  von  entschei- 
dender Wichtigkeit.  Die  Blasinstrumente  und  namentlich  die  Röhre 
haben  einen  so  bestimmt  ausgesprochnen ,  in  sich  so  gesättigten  Karak- 
ter ,  dass  sie  eben  durch  denselben  leichter  und  schneller  befriedigen, 
als  die  zu  mancherlei  verschiedenartigen  Sinnes-  und  Ausdrucksweisen 
geeigneten  Streichinstrumente.  Daher  sind  diese  (S.  248)  stets  als 
Hauptcbor  des  ganzen  Orchesters  zu  betrachten  und  zu  vollständiger 
Wirksamkeit  durch  alle  Stimmen  vom  Diskant  bis  zum  Bass  —  mit 
ziemlich  gleichem  Karakter  zu  besetzen  gewesen;  demungeachtet  — 
und  abgesehn  von  den  Verschiedenheiten  des  Klangs  und  der  Behand- 
lung, die  aus  der  Verschiedenheit  der  Grösse  hervorgehn  —  ist  dieser 
Chor  des  mannigfachsten  Karakters ,  sogar  kontrastirenden  Ausdrucks 
in  demselben  Momente  (man  denke  an  den  Gegens9ilz  von  pizzicato  und 
coir  arcoy  von  tremolo  und  cantabile  u.  s.  w.)  fähig. 

Nicht  ebenso  verhält  es  sich  mit  dem  Chor  der  Bläser.  Es  ist  da- 
her von  grösster  Wichtigkeit,  dass  derselbe  durch  innerliche  Verschie- 
denheit der  Besetzung  die  Mannigfoltigkeit  gewonnen  hat,  die  dem 
Streichquartett  vermöge  seines  beweglichem  Karakters  eigen  ist.  Flö- 
ten, Oboen,  Klarinetten,  Fagotte  u.  s.  w.  sind  zwar  als  Robrinstm- 
mente  von  verwandtem  ,  doch  aber  unter  einander  durch  Verschieden- 
heit des  Klangs  u.  s.  w.  von  hinlänglich  mannigfaltigem  Karakter,  um 
(ur  die  verschiedenartigsten  Beziehungen  entsprechende  Klangregister 
darzubieten,  wofern  nur  der  Konlp^^nist  zu  wählen  und  zu  mischen  ver- 
steht. Ja,  in  ihrer  Verschiedenheit,  selbst  in  der  ünvQ|lständigkeit  des 
Tonsystems  jeder  einzelnen  Art  liegt  bekanntlich  ein  Reiz  zu  stets  eig- 
nen und  neuen  Verknüpfungen,  ein  Reiz,  der  wegFällt,  wenn  eine  oder 
gar  jede  Art  das  Tonsystem  vollständig  besetzt. 

Soll  das  Orchester  ein  vollständiges  Klarinettsystem  enthalten 
(Bass-,  Alt-,  zwei  oder  drei  höhere  Klarinetten),  so  müssen  den  Oboen 
englische  Homer,  den  Fagotten  Tenorfagotte,  den  Flöten  höhere  Flöten 
und  vielleicht  die  tiefere  Fiute  damowr  zugesellt  werden,  damit  nicht 
der  Klarioettklang  allzusehr  vorwalte,  —  was  jedenfiills  nur  in  einzel- 
nen seltenen  Momenten  gerechtfertigt  sein  könnte.  Dann  muss  ferner 
der  Chor  der  Bleche  wenigstens  verdoppelt  oder  verdreifacht  werden,  — 
und  so  gerathen  wir  in  eine  Massenbafkigkeit  der  Harmoniemusik,  die 


52ft    

alle  geistvollere  AnsfiiliniDg,  alle  Polfphonie  hemmt,  zo  massenfaafler 
Besetzung  des  Streichquartetts  nöthigt  und  doch  dasselbe  zurückdrängt 
und  um  die  reizvolle  Wirkung  seiner  Feinheit  und  Beweglichkeit  bringt, 
die  Singstimmen  aber,  wenn  sie  mitwirken  sollen,  zu  erdrücken  droht, 
oder  wenigstens  zu  verdoppelter  Anstrengung,  höbern  Stimmlagen  und 
heftigerm  Vortrage  nöthigt. 

Es  soll  und  darf,  wie  gesagt,  weder  dem  berühmten  Einführer  der 
Bassklariuette  (und  manches  andern  nicht  üblichen  Instruments),  noch 
irgend  einem  Komponisten  ängstlich  nachgerechnet  werden,  wenn  er  für 
besondre  Fälle  besondre  Mittel  sucht  und  findet.  Wir  wollen  uns  nur  da- 
vor wahren,  solche  in  einzelnen  Fällen  gerechtfertigte  Mittel  als  allge- 
meines Bedürfhiss  anzusehen ,  oder  übereilt  für  notbwendig  zu  achten, 
wo  es  nur  eines  tiefern  Einblicks  bedarf,  um  die  stets  bereiten  Mittel 
genügend  oder  vorzüglicher  zu  finden. 


Was  die  Lehre  vermag. 

Za  Seite  132. 

Es  ist  hier  der  letzte  Ort,  auf  eine  Doppelfrage  zurückzukommen, 
die  der  Kompositionslehre  gleich  bei  ihrem  Erscheinen  und  später  aus 
theilnehmendem  sowohl,  wie  misstranischem  Sinn  aufgeworfen  worden ; 
die  Frage :  ob  durch  die  Einwirkung  einer  verbesserten  und  vervoll- 
ständigten Lehre  nun  wohl  grössere  Künstler  und  glücklichere 
Schöpfungen  hervorgerufen  werden  möchten  ?  —  und  ebenso :  ob  nicht 
eben  das  die  Entbehrlichkeit  solcher  Lehre  beweise,  dass  auch  ohne  sie 
unsre  Meister  geworden,  was  wir  ewig  an  ihnen  zu  bewundem  und  zu 
lieben  haben?  —  «  ' 

Theilen  wir  diese  Fragen. 

Ob  unsre  oder  irgend  eine  gelungene  und  vollendete  Lehre  uns 
einen  neuen  Mozart  oder  Beethoven  schaffen  werde? —  Nein,  ge- 
wiss nicht.  Keine  Lehre  kann  Menschen  schaffen,  geschweige 
ihnen  den  Genius  einhauchen;  die  Lehre  kann  nur  Menschen  bilden; 
—  auch  das  nicht  einmal :  sie  kann  nur  zur  Bildung  mitwir- 
ken. Denn  am  Menschen  bildet  das  ganze  Leben,  das  er  lebt  und  das 
um  ihn  herum  lebt  und  auf  ihn  einwirkt;  seine  Geburl  und  Körperlich- 
keit, seine  Eltern  und  die  sonst  Nahestehenden  oder  Mitwirkenden, 
seine  ganze  geistkörperliche  Entwickelung  und  Erziehung ,  seine  ge- 
sammte  Bildung ,  seine  Umgebungen ,  Erlebnisse,  —  Alles,  was  das 
kurze  Wort  Leben  umfasst,  wirkt  und  macht  den  Menschen.  Und 


527     

in  diesem  tauseiidföltigeD  Eins  ist  die  Lehre  ein  einziges  Moment.  Wie 
könnte  diese  Eins  im  Tausend  alles  Cebrige  nicht  blos  ersetzen»  son- 
dern zuvor  wirkungslos  machen,  um  dann  aus  sich  die  Wirkung  von 
Allem  zu  leisten? 

Jede  Lehre,  durfte  sie  sich  auch  für  die  denkbar  vollkommenste  hal- 
ten, kann  sich  in  Bezug  auf  einen  gegebnen  Zögling  nur  als  ein  einzel* 
nes  Moment  im  gesammten  Leben  desselben  erkennen  und  verpflichtet 
achten ;  —  ihre  Aufgabe  ist  keine  weitere  und  andre,  als :  dasjenige, 
was  ursprüngliche  Anlage  und  Leben  an  Bildungsstoff  gewähren ,  für 
den  Zweck  der  Bildung  zu  organisiren  und  zu  ergänzen.  Hat  sie  das 
auf  die  sicherste  und  vollständigste  (nicht  blos  äusserlich  vollzähligste, 
sondern  auch  tiefste  oder  tiefstwirkende)  Weise  gethan ,  so  ist  ihrem 
Berufe  genügt ;  ein  Weiteres  vermag  sie  nicht ,  hat  sie  also  auch  nicht 
zn  verantworten.  Von  dem  Kunstlehrer  ist  also  nicht  zu  fodem:  dass 
er  jeden  Schüler  zu  einem  Künstler  gleich  Mozart  oder  Gluck  mache  $ 
sondern  nur:  dass  er  ihn  so  weit  entwickle,  als  der  Inbegriff  seiner 
Persönlichkeit  und  seines  Lebens  (also  auch  seiner  Lebensverhältnisse) 
es  möglich  machen  *).  Wie  viel  aber  hierin  und  hierzu  die  Lehre  ver- 
mag, das  wird  wohl  hin  und  wieder  aus  Unbedacht  oder  Eigensinn  an- 
gezweifelt, im  Grund'  aber  von  Jedermann  ohne  Ausnahme  für  wahr 
und  gewiss  erkannt;  Niemand  wird  sich  oder  den  Seinen  mit  Bedacht 
die  Lehre  entziehen,  oder  die  Methode  und  den  Lehrer,  die  ihm  die 
bessern  scheinen,  willkührlich  gegen  eine  von  ihm  geringer  geachtete 
vertauschen. 

Hiermit  ist  im  Grund'  auch  die  zweite  Präge  beantwortet.  Jede 
besondre  Lehre  oder  Lehr-  und  Bildungsweise  kann  für  diesen  oder 
jenen  Einzelnen  entbehrlich  sein.  Denn  das,  was  heute  noch  das  Leben 
mir  nicht  zugeführt  und  was  heute  die  Lehre  ergänzen  sollte ,  kann 
mir  ja  morgen  auf  irgend  einem  nicht  vorherzuwissenden  Wege  zu- 
kommen; die  fordernde  und  fruchtbare  Ordnung,  welche  die  Lehre  in 
den  Bildungsgang  zu  bringen  hat ,  kann  theilweis'  ertappt  oder  durch 
günstige  Verhältnisse  und  einzelne  zufällig  Einwirkende  gefordert ,  — 
oder  ihr  Mangel  durch  verdoppelten  Zeit-  und  Kraftaufwand  unschäd- 
lich gemacht  werden. 

Zur  Erläuterung  dieses  Punktes  steht  uns  gerade  hier  einer  der 
schlagendsten  Pälle,  den  man  irgend  finden  könnte,  zu  Gebot.  Indem 
wir,  auf  Nachdenken  und  Erfahrung  gestützt,  für  die  Kunst  der  Instru- 
mentation Vorbereitung,  Studien,  geordnete  Versuche  und  Uebungen 


*)  Daher  giebt  es  keioeD  guten  Lehrer,  der  aieht  aueh  aabedeuteode  oder 
nissrathene  SehiiUr  hinterlasseo,  aod  amgekehrt  bat  maocher  schlechte  Lehrer  io 
seiDem  Scholerverceichaias  berühmte  Namen  anfzaweiseD,  —  für  die  das  Leben  ge- 
than, was  der  Lehrer  versäumte.  Aach  der  Verf.  ist  nicht  so  glöcklieh,  jeden  seiner 
Schüler  vertreten  za  können. 


528     

anrathen ,  tritt  ans  das  Bild  JosephHaydn^s  vor  die  Seele ,  des  er- 
sten genialen  und  des  vollen  Orchesters  mächtig  gewordenen  Instroaeii- 
tisten,  der  bis  hente  nicht  seines  Gleichen,  nur  Einen  in  kesondrer 
Richtung  gleich  hoch  Vollendeten  neben  sich  hat.  Wie  wenig  b  seiner 
Zeit  von  einer  systematischen  oder  nur  methodisch  wohlgeordnetes 
Lehre  die  Rede  sein  konnte,  ist  bekannt;  dass  er  nicht  durch  genofseoe 
Anleitung  zum  Herrn  des  Orchesters  geworden,  ist  klar;  denn  die 
Knnst  der  Instrumentation  ist  erst  dnrch  ihn  zn  einer  freien  nnd  damit 
selbstbewussten  geworden.  Und  nun:  wer  von  allen  Meistern  ohne 
Ausnahme  hat  so  nach  allen  Seiten  hin  frei,  —  nach  allen  Strahlen  der 
Windrose,  in  denen  der  Hauch  des  Geistes  weht,  so  frisch,  so  beseelt, 
so  lebenweckend  gewirkt,  —  wer  hat  so  schalkhaft  scherzen ,  so  e^ 
schüttemd  donnern,  so  blitzend  jnbiliren,  so  mondscheinstill  träomeB,— 
mit  einer  Flöte,  einem  Fagott  so  lang'  und  genügsam  spielen,  so  mäct- 
tig  und  zügelsicher  air  die  unbändig  aufgeregten  Stimmen  durch  einao- 
der  jagen  und  wieder  stillen  können,  —  wem  ist  so  Alles  gelimgeB, 
was  er  unternahm ,  und  wer  hat  so  vorschanend  Alles  gemieden,  wu 
nicht  gelingen  kann,  —  in  der  Instrumentation,  —  als  Er?  — 

Wenn  irgendwo,  könnte  man  hier  den  Zweifel  an  die  Nothweo- 
digkeit  systematischer  Bildung  begründen.  — 

Er  ist  zu  dieser  Meisterherrschaft,  wie  gesagt,  nicht  dnrdi  syste- 
matische Bildung  gekommen.  Sondern  so.  Von  Kindheit  auf  bat  er  eia 
Instrument  nach  dem  andern  gelernt,  schon  in  früher  Jugend  ist  er  aiil 
Andern  herumgezogen  in  Wiens  Gassen  und  hat  den  Leuten  aufgespelt 
zum  Tanze,  zur  Hochzeit,  stets  zu  ihrer  Lust.  Was  er  dazu  setzte 
(Menuetten  u.  s.w.  ohne  Zahl),  musste  spielbar  sein  und  klingen,  sonst 
ging's  nicht.  Später  wurde  er  auf  gar  lange  Zeit  Kompositeor  und  Diri- 
gent einer  Kapelle ;  und  da  musste  für  seinen  Herrn  und  seine  Leote 
wieder  ebenso,  wenn  auch  in  höhern  Kreisen,  gesorgt  werden;  dan 
wurden  Symphonien,  Quartette  u.  s.  w.  zu  Hunderten,  Messen  ofl' 
Opern  schier  dutzendweis  gesehrieben.  Indem  er  so  allenthalben  Hfod 
anlegte.  Allen  diente,  wurde  er  Aller  Herr;  wie  eine  Mutter  ihre 
Kinder,  so  lernte  er  seine  Instrumente  kennen,  indem  er  sie  in  ihren  eis- 
zelnen  Kräften  und  Schwächen  liebevoll  belauschte,  um  zu  fördern  nsd 
zu  helfen  und  Alles  zu  erfreun.  Unermessbare  Erfahrung  und  Uebungf 
—  wie  sie  nur  selten  Einem  erlangbar  sind  und  noch  tausendmal  selte- 
ner an  den  rechten  Mann ,  an  einen  Tondichter  kommen,  —  hat  ibm 
den  Mangel  systematischer  Bildung  ersetzt. 

Und  doch  nur  nach  vieljährigem  Arbeiten.  Seine  frühem  Arbeiten 
sind  namentlich  in  der  Instrumentationskunst  überraschend  weit  tob 
seinen  letzten,  von  der  Vollendung  seiner  Schöpfung,  der  Jabressriteo, 
der  letzten  Symphonien  entfernt. 


529 


I. 

Zur  Karakteristik  der  Oboe. 

Za  Seite  187. 

Die  Oboe  ist  iinstreitig  eines  der  eigeuthümlicbsten  iDstrumente 
und  Foderl  vor  gar  vielen  sorgsame  Kenntniss  und  überlegteste  Wahl 
und  Bebandlung. 

Mit  ihrem  scharfen  Klange,  in  der  Höhe  der  grössten  Feinheit  und 
zugleich  durchdringender  Spilzigkeil  fähig,  in  der  Tiefe  eckig,  schrei- 
erisch oder  „praschend^^*),  überall  preziös  und  doch  wieder  zierlich, 
steht  sie  ganz  allein,  während  Flöten,  Klariuellen,  Hörner  und  Fagotte 
leicht  in  einander  verschmelzen.  Der  Trompete  würde  sie  sich  an- 
schliessen,  aber  zum  Schaden  derselben ;  vom  Fagott  ist  sie  durch  des- 
sen Weichheit,  von  ihm  und  den  Posaunen  schon  durch  die  beidersei- 
tige Tonlage  geschieden.  Dagegen  nähern  sich ,  wie  S.  350  erörtert 
wird,  ihre  höhern  Tonlagen  der  Geige, 

Eben  diese  Eigenthümlichkeit,  diese  Entschiedenheit  auf  der  einen, 
diese  Feinheit  und  jungfräuliche  Sprödigkeit  und  Zierlichkeit  auf  der 
andern  Seite ,  haben  ihr  in  den  Meisterwerken  stets  eine  mit  Vorliebe 
gewählte  Stimme  gewonnen.  Da  sie  zugleich  eines  der  altern  Blasin- 
strumente ist  (namentlich  älter  als  die  Klarinette) ,  so  kann  es  nicht 
auffallen,  wenn  man  ihr  schon  früh  begegnet. 

Zierlicher  und  feiner  ist  sie  von  Niemand  bebandelt  worden,  als 
von  Seb.  Bach,  in  dessen  Gemüth  ihr  herb-siisses  Wesen  wohl  einen 
eignen  besonders  starken  Anklang  erweckt  haben  mag.  Es  ist  hier 
wegen  der  Menge  gleich  liefgeluhlter  und  gleich  sinnig  ausgeführter 
Anwendungen  nicht  wohl  eine  bestimmte  Auswahl  zu  treffen;  daher 
tbeilen  wir  den  ersten  besten  Fall  mit ,  in  dem  die  Oboe  fast  allein 
wirkt,  das  Ritornell  zu  der  Arie  Nr.  26  aus  der  Mattbäi'scben 
Passion**),  — 


Antlaute._ 


212 
Oboe  solo. 


Batso . 


g^^g^^sSg^fS^ 


SiE^^aä 


*)  Das  Wort  bedeutet    bekaontlich:    viel    laates,    aofdringlicbes  Gerede 
nichend. 

**)  S.  58  der  Aasgabe  der  Bacbgesellschari,  bei  Breitkopf  aud  Uärtel. 

Mtri,  Konp.L.  IV.  S.AuS.  34 


530 


l^^^i^^ 


^^^g^^^e^: 


wo  eiD  Tenor  bei  der  Erinneraog  an  die  Nacht  in  Gethsemaoe,  da 
Jesus  ,, Seele  betrübt  war  bis  in  den  Tod'*,  sin^t: 

leb  will  bei  meioem  Jesu  waebeo. 

Meioeo  Tod 

BUsset  seioer  Seelen  Notb ; 

und  der  Chor  mit  der  Betrachtung 

So  Schilfen  unsre  Sünden  ein 

dazwischen  tritt.  Die  Chorstellen  werden  vom  Streichchor  (mit  Zatritt 
tiefliegender  Flöten)  begleitet,  der  Tenor  nur  von  Oboe  und  Bass,  z.  B. 
gleich  bei  seinem  Eintritte  — 

2 


212 
Oboe. 


Bass. 


^^^^^ 


Ich    -will  bei  meinem 


^iE 


*?=f^Et=i 


^^^^^ 


und  weiter  hin  *)  — 


*)  S.  60  and  64  der  Ptrtitnr. 


531 


^^^^fe^^#^ 


212 


IS^^^EEE 


Mei-nen 


S^Ü^^E^^^^^^^ 


^^^^^^m 


lbj!J£a^g#t^^r^'^%^^^^ 


in  einer  Weise  begleitet,  die  vor  allem  die  markige  Tiefe  (mit  Aas- 
schlass  der  untersten  und  herbsten  Töne)  und  die  schmelzendere  Höhe 
gieichmässig  zur  Wirkung  bringt.  Ganz  abgesehn  von  dem  absoluten 
Inhalt  der  Oboenmelodie  für  das  Gemüth ,  geben  gleich  die  ersten  vier 
Takte  (Nr.  ^{-g)  dem  Instrumente  Anlass ,  seine  markvollen  und  doch 
nicht  mehr  petulanten  Mitteltöue  zu  benutzen,  einen  höhern  und  schon 
zartern  Ton  schwellend  aaszuhalten  und  mit  feinem  crescendo  sich 
empor  zu  bewegen.  Die  Wiederholung  desselben  Satzes  in  Nr.  7}^ 
giebt  ihn  in  höherer  Lage  und  dadurch  in  verfeinertem,  süsserm 
Klange.  Der  Singstimme  gegenüber  verhält  sich  die  Üboe  durchaus 
duettirend  und  ist,  —  wie  solche  Stellen*)  — 


*)  S.  62  der  Partitar. 


34« 


532 


p^f^EEEE^^E^m 


212 


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^^^i^^^^i 


S5 


zzyrz  

Ich  -will  bei     mei-nem     Je      -      su,  liel  mei-nem  Je  -   8u 


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(wo  das  Instrument  gleichsam  Seufzer  in  den  Gesang  einstreut)  noch 
deutlicher  zeigen ,  —  dem  Komponisten  zu  einem  beseelten  Wesen, 
gewjssermassen  zu  einer  zweiten  Singstimme  geworden.  Kein  andres 
Instrument  würde  hier  an  die  Stelle  der  Oboe  treten  können;  der  Geige 
hätte  das  Mark ,  die  positive  Fülle,  der  Flöte  Kraft  und  Innigkeit,  der 
Klarinette  diese  Keuschheit  bei  aller  Innigkeit  gemangelt;  sie  wäre  zu 
sinnlich  und  weich  iiir  diese  ,, religiöse  Empfindsamkeit**  (möchten  wir 
sagen),  die  Flöte  zu  oberflächlich  und  leichtsinnig,  die  Geige  zu  selbst- 
bewegt und  unruhvoll.  In  solcher  Anwendung  begreift  sich  nun  auch, 
warum  man  die  Oboe  oft  als  das  vorzugsweise  kirchliche  Instrument 
im  Orchester  genannt  hat,  —  so  weit  diese  Auffassung  nicht  blos  darin 
ihren  Grund  findet,  dass  die  Oboe  (wie  gesagt)  schon  in  der  Zeit  der 
grossen  Kirchenkomponisten  angewendet  wurde,  die  Klarinette  aber 
nicht,  jene  daher  als  gewohntes  Organ  in  der  Kirchenmusik  sich  schon 
dem  Bewusslsein  eingeprägt  hatte.  Eine  freiere  Anschauung  weiss 
allerdings  jedes  Instrument  nach  seiner  Eigenthümlichkeit  aufzufassen 
und  anzuwenden,  —  in  der  Kirchenmusik,  wie  in  jeder  andern.  ^ 
Aus  einem  andern  Werke  *)  Bach's  theilen  wir  noch  zwei  Bruch- 
stücke mit,  — 


A  ria.         Oboe  solo. 


2i2 


*)  Ans  der  Kirchenmiisik  „Herr,  {?ebe  oiebt  in^s  Gericbt*%  fitod  ^  der  von 
Verf.  bei  Simrock  berausgegeboeo  SammloDS,  S.  14. 


533 


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Wie  zit-tern    und  -wanken    der  Sünder      Ge- danken 


,1^^ 


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an  denen  erkannt  werden  kann,  j^ie  fein  und  urspränglich  der  alte 
Meister  die  innere  Beziehung  von  der  Oboe  zur  Geige  erkannt  bat.  In 
dem  jungfräulich  naiven  Gesänge  durchdringen  die  Geigen  sich  mit  der 
Oboe  und  löset  diese  sich  wieder  mit  der  Singstimme  schwesterlich 
duettirend  ab,  —  und  die  Bratsche  ist  dazu  der  genügende  Bass.  Man 
muss  wenigstens  den  Text 

Wie  zittern  und  wanken 

Der  Sünder  Gedanken, 

Indem  sie  sieh  unter  einander  verklagten 

Und  wiederum  sich  zu  entschuldigen  wagen. 

mit  einiger  Vollständigkeit  vor  Augen  haben,  um  zu  ermessen,  wie 
eigenst  die  feine  Mischung  dieser  Stimmen  der  naiven ,  mitfühlenden, 
aber  nicht  selbst  leidenschaftlichen  oder  zu  leidenschaftlicher  Erregtheit 
hinreissenden  Betrachtung  entspricht.  Dergleichen  gereicht  nächst  der 
künstlerischen  Wirkung  zur  tiefern  Erkenntuiss.  Nachgeahmt  darf  es 
weniger  werden ,  wie  vieles  Allgemeinere.  Denn  das  wahrhaft  —  spe- 
zifisch Karakteristische  ist  nur  in  dem  einen  Falle  treffend,  wie  ein  spe- 
zifisches Heilmittel  nur  für  eine  Krankheitsart  das  eigenst  angemessene 
ist.  Wollte  man  die  obige  Instrumentation  für  leidenschafUichere  oder 
prophetische  Momente  u.  s.  w.  einer  Komposition  nachahmend  benutzen, 
so  würde  sie  so  gewiss  zur  Unwahrheit  werden,  als  wenn  man  in  der 
Bach'scheu  Arie  statt  der  Oboe  ein  andres  Instrument  oder  überhaupt 
eine  andre  Instrumentation  setzen  wollte. 

Auch  Gluck  hat  der  Oboe  die  mannigfachsten  Stimmungen  abge- 
lauscht $  wir  wollen  nur  an  die  Gdur-Arie  in  der  tanridischen  Iphigenie 
erinnern,  wo  der  Gesang  der  jungfräulichen  Priesterin  von  der  ebenso 
jungfräulichen  Melodie  der  Oboe  in  gleich  grossartigem  Zuge  begleitet 
wird.  Und  so  könnten  noch  von  altern  und  neuern  Meistern  zahlreiche 
Fälle  in  Erinnerung  gebracht  werden.  Statt  dessen  verweisen  wir  auf 
den  andern  Meister  in  der  Instrumentation,  auf  Beethoven.   Wie 


534 


je4e$  InstmmeDt,  das  er  io  seioen  Chor  zog*),  ward  ihn  auch  die 
Oboe  zü  eioem  beseelleo  Wesen ,  zo  einer  wirklieben  Person  von  spe- 
zi6sebem  Karakter  in  seinem  Drama,  nimmt  die  Stelle  ein,  die  ihr  ge- 
bührt und  von  Niemand  sonst  eingenommen  werden  kann. 

Dies  spricht  sich  recht  vollständig  im  dritten  Zwischenakte  zn  Eg- 
mont  ans.  Klärchen  hat  ihr  Wort  and  Wesen  — 


i5^r^^ 


* 


EÖE 


Gliick-lich  al   -  lein    i«l   die    See  -  le,    die  liebl,  glücklich  al-leia 

(Übrigens  in  ^dur)  hinaosgesungen  ans  der  übervollen  beissen  Brusl, 
das  berbsQsse  Mädchen  in  die  weite  kfihltheilnehmende  Weit,  in  der 
es  allein  steht.  Und  nun  braust  das  Orchester,  der  Chor  mitfühlender 
Geister,  auf  und  Klärchens  Bild  erscheint  gleich  einer  feenhaften  Pata 
morgana.  Wer  könnte  hier  eintreten,  als  die  Oboe?  sie  fasst  den  Lie- 
desschluss,  phantasirt  aaf  dem  innigen  „Allein  !^<  weiter  — 

poco  mepo  Allo.  poco  meno  AUo. 


Allegro 


Violinen^    "•••^•=    ^«»««»»il«  =  -  canlabile 

u.  Bass.  1 1  I  > 

und  weilt  sinnend ,  während  der  gutmuthige  Fagott  und  die  harmlose 
Flöte  das  „Glücklich  allein  ist  die  Seele. .  .^'  nachseufzen  und  nachsin- 
gen, —  und  träumt  dann  weiter  den  endlosen  Traum  einsamer  Liebe. 
Das  geht  weit,  weit  hinaus;  was  fliegt  nicht  dem  still  und  aufgeregt 
arbeitenden  Mädchenherzen  vorüber!  lange  Blicke  des  Staunens  in  un- 
berechenbare Weiten  und  Gesichte,  tändelnde  Heiterkeit,  Seelen- 
schmelz und  Klage,  die  mit  Hnthwillen  traumschnell  wechselt,  —  und 
daneben,  vertrauenvoll  wie  Eidhelfer,  Flöte  und  Pagott  und  das 
stützende  Orchester  (mit  den  wohlabwägenden  Bässen  zu  Anfang  des 
Allegretto)  Zug  um  Zug  ein  Lebensbild  in  Fülle  und  Wahrhaftigkeit. 

Man  muss  erst  das  Körperliche  des  Instruments  und  dann  sein 
dichterisches  Dasein  studiren. 

Noch  einen  Satz  fuhren  wir  aus  demselben  Werk'  auf,  den,  der 
Klärchens  Tod  so  bitter  und  so  süss  bezeichnen  soll.  Dies^*)  — 

(Siehe  das  Beispiel  j\j,  folg.  Seile.) 
ist  der  Anfang  des  tief  innigen  Satzes,  der  wenigstens  andeuten  möge, 
wie  die  Oboe  hier  verwendet  und  geführt  ist.  Es  versteht  sich  übrigens 
von  selber,  dass  mit  der  blossen  Wahl  des  rechten  instrumenta  oder 
aller  geeigneten  Instrumente  nur  erst  eine  Bedingung  des  Gelingens 


*)L.  V.  Beethoven,  Lebeo  aod  Schaffen  (vom  Verf.)  giebt  überall  davon 
Kunde. 

**)  S.  136  der  bei  Breitkopf  und  Härtet  eriobienenen  Partitur. 


535 


8 
212 

Oboe. 


Clar.  in  B. 


Fagolli. 


Comi  in  D. 


Larglieito. 


rrgfieito. 


SV^^^ 


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:£=t 


^^ 


^^^^ 


erfüllt  ist,  dass  damit  gleicbsaoi  erst  die  Hauptfarbe  festgesetzt  oder  die 
Palette  gemischt  ist  und  es  nan  noch  auf  den  Gebrauch,  —  auf  deu 
melodisch-harmonischeu  Inhalt,  auf  die  Führung  der  Instrumente  u.  s.  w. 
ankommt.  Allein  ohne  jene  erste  Bedingung  werden  auch  die  andern 
nicht  befriedigen. 

Dies  scheint  uns,  mit  aller  Ehrfurcht  vor  dem  grossen  Meister  sei 
es  gesagt,  denn  der  Wahrheit  und  Lebrerpflicht  gebührt  noch  grössere! 
—  bei  der  Arie  der  Donna  Anna  im  ersten  Akt  des  Don  Juan*)  von 
Mozart  der  Fall.  Betrachten  wir  die  Singstimme  und  den  melodisch- 
harmonischen  Inhalt,  kurz  den  ganzen  geistigen  Gang  dieser  Komposi- 
tion, so  finden  wir  Alles  grossartig,  mächtig,  zuletzt  bis  zum  Heroi- 
schen sich  aufschwingend,  und  damit  dem  Rarakter  der  edlen,  tödtlich 
beleidigten  Tochter  —  so  wie  er  bis  hierhin  und  fast  überall  gezeichnet 
«  ist  —  durchaus  gemäss ,  der  Situation  durchaus  entsprechend.  Nur  die 
Instrumentation  wissen  wir  mit  dem  sonstigen  Inhalt  der  Arie  nicht  zu 
vereinen;  sie  scheint  theilweis  zerstreut  und  dadurch  geschwächt,  ja 

*)  S.  175,  Tb.  I  der  Breitkopf- Härterschen  (altero)  Ptrtitar;  Nr.  10  der 
Sätze. 


536 


kleinlich,  der  grossartigen  Fäbrang  der  Singslimme  und  —  des  Basses 
gegenüber.  Dies  dürfte  namentlich  von  der  Oboe  gelten ;  sie  ist  eben- 
falls hier  angewendet  und  möchte  allerdings  unentbehrlich  gewesen 
sein;  allein  dann  musste  sie  in  grossartige  Wirksamkeit  gesetzt  wer- 
den,  in  einem  hohen  Sinne,  wie  in  jener  Gluck'schen  Scene,  deren 
wir  oben  gedachten.  Hier  — 

9  Andante. 

212  ( j^^|:7;pza5=C 

Viollno  I.  n. 


Viola. 


Oboi. 


Fagolli 


^^^^^^^^=^ 


Donna  Anna 


Contrabasso. 


537 


.ch^^ 


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:Sr=£^zz:z,t 


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EEE^E^-E^ 


fuil 


tra    -    di 


to-re,         che  il    pa-  dre,      che  il 


^i^"nfg-p^^ 


sei  wenigstens  der  Anfang  gegeben.  Oboe  und  Fagott  ^  also  ist  schon 
nicht  die  reine  Oboewirkung  erzielt  —  bilden  kleine  Zwiscbensätzchen 
zwischen  den  Abschnitten  der  Gesangmelodie,  die  in  ihrer  Kürze  nicht 
von  tiefergreifendem  Inhalt  sein  können  und  doch  für  blosse  Ausfüllung 
durch  die  Vordringlichkeit  des  Oboeklanges  zu  wenig  Leichtigkeit  und 
Anspruchslosigkeit  haben.  Im  siebenten  Takte  tritt  die  zweite  Oboe 
zur  ersten ,  aber  wieder  nur  zu  einer  schnell  vorübergehenden  Wirk- 
samkeit. Gleich  darauf  stürzen  sich  Geige  und  Bass  in  grossartigem 
Wurfe  — 


Viio.  II.  e 
Viola. 


Basal. 


538 


m^B 


^ 


^^^ 


V ¥■ 

iü  dea  Racheruf  —  und  wieder  treten  die  Oboen  mit  einem  karzea 
Zwischensatz  (dem  viermaligen  a)  ein.  Vielleicht  liegt  es  in  dieser  Be- 
handlung des  Hauptsalzes ,  wenn  die  Arie  —  eine  der  grossartig^sten 
und  karaktervoUslen  des  unsterblichen  Heisters  —  sich  bei  den  Sänge- 
rinnen und  im  Publikum  mindere  Gunst  errungen  zu  haben  schein!. 
Sie  ist  der  Wendepunkt  im  Karakter  der  Anna  und  einer  der  entscbei- 
dendsteu  im  Drama;  aber  es  hat  uns  immer  geschienen,  als  wenn  sie 
sich  bei  den  Hörern  nicht  als  solcher  geltend  mache.  Der  Mittelsatx, 
mit  dem  tiefgefühlten  Dialog  von  Bratsche »  Fagott  und  Oboe,  wurde 
ebenfalls  zu  voller  Wirkung  kommen ,  wenn  sich  der  Hauptsatz  in  der 
Instrumentation  so  grossarlig,  als  seine  Zeichnung  ist,  hätte  gestallen 
wollen. 

Zum  Schlüsse  kommen  wir  noch  auf  eine  für  die  Oboe  merkens- 
würdige  Komposition ,  die  Scene  des  Florestan,  in  Beethoven's  Fi- 
delio.  Florestan  beßndet  sich  im  Kerker ,  ein  Opfer  seines  Freiheits- 
muths  und  gewaltbaberischer  Tücke,  erkrankt,  fieberhaft  aufgeregt  von 
geistigem  und  körperlichem  Leid.  Bei  der  Erinnerung  an  seines  „Le- 
bens Frühlingstage' S  an  sein  Glück,  sind  es -die  quellenden,  weichen, 
wohligen  Klarinetten ,  die  den  Grundklang  für  die  Instrumentation  an- 
geben. Sie  leiten,  unterstützt  von  Fagotten  und  Hörnern*),  — 


*)  S.  339  (Akt  3)  der  französischen  Partitur;  auf  dem  letzten  Takte  setzt  das 
Streichquartett  ein.  Dieser  Salz  war  in  der  zweiten  und  dritten  Ouvertüre  vor- 
bereitend eing^erdhrt;  Beethoven  bat  beide  (vielleicht,  weil  die  erst«  ihm 
Längen  zu  haben  schien,  vielleicht,  -~  weil  sie  vom  Pablikum  nicht  aufgefassl 
wurden)  zum  Opfer  {gebracht. 


539 


11  Adagio  cantabile 

•MI2    Clar.  in  B: 


ein  und  nehmen  am  ganzen  Adagio  warmen  Antheii.  ImAUegro,  wenn 
der  von  allen  Verlassene ,  Aufgegebene  in  fieberischer  Vision  sich  von 
,, linder,  sanftsäuselnder  Luft*^  umweht  fühlt,  sein  Grab  sich  ihm  erhel- 
let, ein  Engel,  ,,Leonoren  so  gleich,  im  rosigen  Dufte  tröstend  sich 
ihm  zur  Seite  stellt'S  —  da  kann  es  wieder  nur  die  Oboe  sein,  die  in 
ähnlichem  Sinne,  wie  in  jener  Gluck'schen  Iphigenieuscene  und  der 
Bach'schen  Tenorarie,  den  Grundklang  giebt,  im  Instrumentale  die 
Haupipartie  übernimmt.  Dies  geschieht  im  grossartigsten  Zuge*),  — 


Oboe. 
12 

212 


Poco  Allegro. 


ferro= 


p--^-^^)^ 


f: 


:^?V, 


s 


-L-'J?  7  !J?  7  J?  7  t 


dim. 


^m^ 


ZBSZ 


m 


?s^ 


S: 


in 


dolce 


E|£^^ 


7tt=ibJtfZ 


^ 


Und 


-de, 


spür'  ich    niiht   liii-de,    sanft- 

uod  es  musste ,  nach  dem  Inhalt  der  Scene ,  vorzugsweise  die  höhere 
und  feinere  Tonlage  des  Instruments  zur  Geltung  kommen.  Wie  tief 
empfunden  und  noth wendig  das  ist,  bedarf  nach  dem  Vorbergegangnen 
keiner  Erörterung.  Wohl  aber  eine  Folge  davon. 

Der  Faden  der  Komposition  leitet  nämlich  die  Oboe  bis  in  ihre 
höchsten  Regionen,  zweimal**)  — 


*)  S.  Zi2;  Geigeo,  BSsse  und  HSrner  seblagen,  wie  oben  aogedeatet,  Achtel 
an,  die  Bratschen  halten  aus. 

^  S.3A5;  das  Streichquartett  ribrirt  io  Sechszehoteln  und  liegt  hoch,  bis  sum 
zweigestrichnea  ff,  a,  b  reichend. 


540 


S  ^^^ 


ZU  den  Worten 


-ß~m— 


qrzti 


^^^E^^ 


r 


„Der  (Engel)  Tührt  zar  Freiheit, 
Zar  Freiheit  io's  bimialische  Reich  I^' 


dann  noch  einmal  zum  Scbluss*),  — als  Nachhall  zu  diesen  Worten,  — 


1^ 


dim. 

worauf  das  Streichorchester  allein ,  in  ohnmachtäbnlichem  Schlummer 
hinsinkend,  schliesst. 

Diese  wiederholten  Angaben  des  hohen y*,  —  eines  schon  ^an  sich 
bedenklichen  Tones,  —  sind  sehr  misslich  und  verunglücken  selbst 
guten  Oboisten  nicht  selten ;  der  Ton  bleibt  aus  oder  schlägt  um. 

Demungeachtet  würden  wir  nicht  wagen,  Beethoven  einen 
Vorwurf  zu  machen.  Seine  Auffassung  des  Moments  ist  tief  und  gross- 
sinnig, die  Wahl  der  Oboe  notbwendig,  ihre  Führung  durch  und  durch 
folgerichtig,  jene  Stelle  —  schwer,  gefährlich,  aber  nicht  unmöglich. 
Wem  ziemt  es  mehr  als  dem  Künstler,  für  seine  Idee  zu  wagen?  und 
wo  sind  die  Erfahrungen  häufiger  als  in  der  Musik,  dass  das,  was  eben 
erst  für  schwer,  ja  für  unausführbar  galt ,  in  einer  spätem,  oft  nahen 
Zeit  ausführbar,  sicher,  ja  leicht  gelingt?  Unsre  Meinung —  ein 
Mehreres  kann  sich  Niemand  in  solchen  Dingen  beimessen  —  ist  diese. 
Das  wahrhaft  Unmögliche  soll  und  kann  kein  Komponist  fodem.  Das 
Schwierige  und  Gefährliche  soll  er  vermeiden,  wo  und  so  weit  es  irgend 
möglich  ist  ohne  Untreue  gegen  die  Idee  des  Kunstwerkes.  Wo  aber 
ein  wichtiger  und  wesentlicher  Gedanke  es  fodert,  da  soll  der  Künstler 
selbst  vor  dem  Schwierigsten  nicht  zurücktreten.  Sehn  wir  Virtuosen 
aller  Klassen  an  technische  Kunslstückchen  monatelangen  Pleiss  ver- 
schwenden, so  wird  es  auch  niemals  an  rechten  Künstlern  fehlen,  die 
einer  tiefen  Idee  des  Komponisten  —  wenn  sie  sie  nur  erst  erkannt 
haben  —  Pleiss  und  Treue  widmen. 

Aber  der  Anfänger  in  der  Instrumentation  soll  sich  das  Recht  zu 
Wagnissen  und  Ansprüchen  erst  erwerben  durch  sorgfaltiges  Stadium 
des  den  Instrumenten  Zusagendsten. 

Wir  kehren  noch  einmal  zu  Beethoven  zurück.  Die  Nothwen- 
digkeit  der  Oboe  wird  keines  weitern  Beweises  bedürfen,  auch  das 


*)  S.  347;  das  Streichquartett  geht  nur  bis  zoin  zweic^estrichaen/. 


541 


Emporstreben  der  von  ihr  geführten  Stimme  nicht.  Aber  hätte  nicht, 
wenn  nicht  dorchans,  doch  bei  den  schwierigen  Stellen,  ein  andres 
Instrument  an  ihre  Stelle  gesetzt  werden  können? —  Die  Violine  ist 
im  Streichquartett  unentbehrlich  und  wurde  nicht  vornehmlich  hervor- 
treten, geschweige  diesen  spezifischen  Karakter  der  Oboe  ersetzen 
können,  der  schon  bei  Gelegenheit  der  Bac haschen  Sätze  zur  Sprache 
gebracht  ist.  Die  Klarinette  würde  das  hohe  g  (f)  sicherer,  aber  gewiss 
mit  einem  ganz  falschen  Ausdrucke  geben ,  sie  würde  —  in  der  Mittel- 
lage weich,  dann  sentimental  anschwellend,  üppig,  in  der  höchsten  Höhe 
gellend  —  nirgends  die  Mahnung  an  einen  Aufschwung  über  dieses 
Leben  im  Kerker  gewesen  sein.  Die  Flöte  würde  den  Satz ,  wie  wir 
ihn  in  Nr.  ^^V  und  ^^  vor  uns  haben,  auf  das  Leichteste  herstellen, 
aber  ihr  würde  darin  aller  Aufschwung  der  Seele ,  alle  Innerlichkeit, 
alle  Selbstgewissheit  mangeln,  die  in  der  Stimme  der  Oboe  spricht  und 
aus  ihr  in  uns  übergeht. 

Es  giebt  dafür  einen  schönen  Beweis ;  Beethoven  selbst  hat  ihn 
geführt.  Wenn  nach  jener  Scene  Leonore  (verkleidet  als  Pidclio)  mit 
dem  alten  Kerkermeister  das  Grab  gräbt,  das  (ihr  unbewusst)  den  Gat- 
ten aufnehmen  soll,  dann  wird  ihr  mild  wie  Honig  fliessender  Gesang*) 
von  der  kindlich  unschuldigen  Flöte  — 


15    Andante  con  moto, 


Ihr  »olll   ja  nicht  zu   kla-gcn  ha-hen,  Ihr  sollt   ge-wiss  zu- frieden  sein! 


begleitet  und  die  Oboe  zieht  milempfindungsvoll  ihre  Töne  darunter, 
während  die  erste  Violin  eine  Oktave  tiefer  die  Flöte  unterstützt  und 
die  übrigen  Streichinstrumente  (zum  Theil  figurirend)  mit  Fagotten  und 
Hörnern  die  Harmonie  bilden.  Und  diese  tief  verstandene  karakterwahre 
Behandlung  beider  Instrumente  geht  durch  das  ganze  Duett  und  noch 
durch  das  anschliessende. Terzett  (mit  Florestan),  wie  denn  überhaupt 
beide  Sätze  für  karakteristische  und  seelenvolle  Behandlung  der  Blasin- 
strumente musterhaft  sind  bis  auf  den  letzten  Takt  und  in  jeder  Note. 
Namentlich  aber  erläutern  sich  förmlich  die  beiden  oben  hervorgehobe- 
nen Stimmen y  Flöte  und  Oboe.  Die  schüchterne,  bang  schmeichelnde 


*)  S.  353. 


542 


Leonore  konnte  nur  von  der  Flöte  geleitet  werden ,  die  fieberhafte  Vi- 
sion nur  von  der  Oboe  die  Stimme  leihn ;  in  Floreslan  ist  kein  Frie^ 
sondern  Exaltation  ,  in  Leonore  ist  noch  keine  Leidenschaft,  kein  Pa- 
lhos, denn  noch  hat  sie  den  Gatten  nicht  erkannt  und  weiss  nicht,  dass 
sie  ihm  das  Grab  gräbt  und  ihm  die  Labung  reicht,  in  dem  einzigci 
und  einzig  schönen  Augenblick,  wo  sie  sich  edler  und  höher  erhebt:  — 

Wer  du  auch  seist, 
Bei  Gott,  du  sollst  kein  Opfer  sein  I 
Gewiss,  ich  löse  deine  Ketten, 
leb  will,  du  Armer,  dich  befreio. 

treten  die  Flöten  zurück  und  bei  dem  „Gewiss,  gewiss!'^  IntonireB, 
heiss  und  voll  eindringlicher  Entschiedenheil,  die  Oboen*)  — 


212 
Oboi. 


Clar.  iti  C. 


Fagolli. 


Corni  in  C« 


Coutrafag. 


Vno.  I.  II. 


Voce. 


Viola. 
Vc.  Cb. 


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ich  Id-se  deUe 


PP 


tn- 


hoch  über  allen  Bläsern,  über  dem  Streichquartett  und  der  Singstii 
und  geben  damit  wieder  dem  ganzen  Satze  ihre  eigne  Grundfarbe. 


*)  S.  363. 


543 


Zur  Karakteristik  der  Flöte  und  Pikkolflöte. 


Zu  Seite  197. 


Was  wir  S.  156  vom  Karakter  der  Flöte  gesagt,  findet  zu  viel 
BesläUgaog  in  den  Partituren  der  Meister  und  ist  zu  leicht  dem  blossen 
Hinhören  auf  das  Instrument  zu  entnehmen,  als  dass  es  umständlicher 
Nachweise  bedürfte.  Es  ist  das  Instrument  der  beilern ,  harmlosen  Un« 
schuld,  bell  und  freundlich  und  jeder  Leidenscbafllicbkeit  unzugänglich 
wie  das  blaue  Kinderauge.  Man  höre  die  Flöte  im  kindlichen  Spiel  des 
Priifungsmarsches  in  Mozart's  Zauberflöte  — 


Adagio 


(Blechinstrumente  und  feierliche  Pauken  geben  die  sparsam  vertheille 
Unterlage),  oder  in  der  Ouvertüre,  hoch  über  dem  Fagott  schwebend  — 


218 


575  «&3E 


.^^-gg:^^- 


i 


EÖS 


"P"(Fiig.  vreiter) 


^^ 


ond  doch  innig  mit  ihm  verschmolzen ,  um  sich  ihr  Bild  für  immer  ein- 
zuprägen. 

Hier  trat  dies  Bild  klar  und  ganz  der  Aufgabe  gemäss  hervor.  Selt- 
sam wiederholt  es  sich  in  der  dritten  Ouvertüre  zd  Beethoven's  Fide- 
lio.  Hier  hebt  sich  im  zweiten  Tbeile  die  Flöte  zu  dem  Thema  empor,  — 


^ffl^l 


IMä^ 


(Thema) 


das  zu  Anfang  des  Satzes  die  Violinen  wie  auf  Adicrfittigen  emporge- 
tragen hatten ,  und  spielt  lange,  weithin,  mit  dem  Fagott  duettirend, 
in  kindhalterUDbewusslbeit  damit,  ganz  ihrem  Karakter  gemäss,  wenn- 
gleich die  Gehöri|^keit  oder  Nothwendigkeit  dieses  Satzes  für  die  Idee 
des  Ganzen  kaum  nachzuweisen  wäre*).  — 


*)  Wie  tiefbedeateDd  BeethoveD  anderwärts  and  hänfls  die  FlSte  verwen- 
det,  kann  in  dessen  Biographie  (vom  Verf.)  naebgelesen  werden. 


544     

Die  Pikkolflöle  gehört  wie  die  Oboe  —  and  noch  mehr  wie  sie, 
wegen  ihres  schwer  mit  andern  Organen  verschmelzenden  Wesens  und 
zugleich  wegen  ihrer  entlegnen  Tonhöhe  zn  den  mit  besondrer  Sorg- 
falt zu  behandelnden  Instrumenten.  Wenn  es  nur  darauf  ankommt, 
lauten  und  eindringlichen  Massenschall  zu  erlangen,  so  ist  freilich  keine 
Schwierigkeit  vorhanden;  man  setzt,  wie  in  Nr.  214  und  215  gezeigt 
worden ,  die  Pikkolflöten  über  alle  Instrumente  zur  Verdoppelung  der 
Flöten  oder  statt  derselben,  wie  in  Nr.  216.  Dies  ist  die  Weise  der  ge- 
wöhnlichen Militairmnsik  und  der  nach  ihrer  Manier  gebildeten  Harmo- 
niemusik für  alltägliche  Unterhaltung  in  Gärten  n.s.w.  In  eigentlichen 
Kunstwerken  aber  kann  dies  nicht  durchweg  genügen.  An  Militairmär- 
sehen  selber,  —  die  aber  integrirende  Theile  eines  hohem  Kunstwerks 
sind,  haben  wir  in  Nr.  217  und  218  schon  ein  andres  Verfahren  ge- 
sehn. Da  traten  die  Pikkolflöten  an  die  Stelle  der  grossen  Flöten ;  diese 
oder  Terzflöteu  hätten  für  den  Tongebalt  ausgereicht.  Der  Komponist 
foderte  also  von  den  Pikkolflöten  nicht  blosse  Verstärkung,  sondern 
eine  andre  Färbung.  Er  wollte  härtern,  grellem  Klang,  der  an  das 
Mililairische  erinnern  sollte.  So  braucht  er  im  dritten  Zwischenakte  zu 
Egmont*)  zum  Marsch  die  Pikkolflöte,  die  er  bis  dahin  hatte  schweigen 
lassen,  —  und  auch  da  erst  zum  Forte.  So  spielt  sie  sogar  in  Klär- 
chens  Soldatenliede**)  neckisch  munter  mit,  weil  hier  Soldat  gespielt 
wird,  tritt  aber  in  der  Ouvertüre  erst  im  Schlnsssatze  bei  dem  höchsten 
Jubel  des  ganzen  Orchesters  ein ,  der  den  Reiz  der  Freiheit  vorbedeatel 
und  bei  Egmonl's  letzten  Worten  sich  mächtig  und  prophetisch  wieder- 
holt***). Auch  in  Beethoven's  Cmoll-Symphonie  findet  die  Pikkol- 
flöle erst  im  letzten  Satze,  im  triumpbirenden  Finalef),  ihre  Stelle, 
ebenso  in  der  Pastoralsymphonie  im  vierten  Satz  (Gewitter,  Sturm), 
und  auch  da  erst  spät  ff),  kurz  vor  dem  heftigsten  Schlage,  zu  dem 
die  bis  dahin  versparten  Posaunen  eintreten. 

Diese  Anwendungen  sind  indess  leichter  zu  fassen^  entweder 
schreien  die  kleinen  Flöten  im  Tumult  aller  Instrumente  mit,  oder  — 
was  das  Geistreichere  und  geistig  Wirksamere  ist  —  sie  werfen  klug 
gesparte  Blitze  in  die  Masse  des  Orchesters  und  erhöhen  damit  den 
Glanz,  wie  Schlaglichter  ein  Gemälde.  Schwerer  zu  fassen  ist  die  iso- 
lirtere  Anwendung  dieses  Instruments  in  seinen  tiefern  Lagen.  Der 
noch  nicht  sichere  Instrumentist  kann  da  bald  zu  wenig  thun,  —  näm- 
lich das  Instrument  in  die  schlechthin  unwirksame  tiefe  Tonlage  führen, 
bald  sich  von   den  Ausführenden  zu   dem   entgegengesetzten  Fehler 


*)  S.  104  und  114. 
♦*)  S.  37. 
♦•♦)  S.  15«. 

f)  S.  120  der  Breilkopr-Härtel'scben  Partitur, 
it)  S.  133  der  Breitkopf-Harterscbeo  Partitur. 


545 


bereden  lassen.  Denn  der  Ausfährende  (das  begreift  sich)  hat  vor  allen 
Dingen  sein  Instrument  im  Sinne,  will  damit  gehört  und  möglichst  ge- 
hört sein ,  ist  aber  nicht  immer  in  der  Lage,  die  Wirkung  im  Ganzen 
zu  ermessen.  Der  Pikkolbläser  wird  also  gern  die  höhere  Lage  (etwa 
vom  zweigestrichnen  a  —  in  Noten  —  an)  und  am  unliebsten  die  tie- 
fere (etwa  vom  eingestrichneu  g  oder  a  an)  haben,  weil  hier  sein  In- 
strument nicht  hervortreten  kann  wie  in  jener,  und  weil  er  meint,  dass 
dergleichen  Lagen  ebenso  gut  oder  besser  von  der  grossen  Flöte  ver- 
treten werden. 

In  Bezug  auf  Ton  und  Schallkrafl  ist  dies  anzuerkennen.  Allein 
auf  der  andern  Seite  darf  nicht  aus  der  Acht  gelassen  werden,  dass  die 
Klangverschiedenheit  den  Komponisten  bestimmen  kann,  die  Pikkol- 
flöte da  zu  gebrauchen ,  wo  dem  Tougehalt  nach  die  grosse  ausreichen 
könnte. 

Ein  Beispiel  giebt  uns  Haydn  in  seinen  Jahreszeiten,  in  der 
Arie,  die  die  Arbeit  auf  dem  Felde  schildert*).  Haydn  hat  zu  dersel- 
ben ausser  dem  Streichquartett  6-Hörner,  Fagotte,  Oboen  und  eine 
Pikkolflöte,  die  den  zweiten  Satz  der  Hauptpartie  einleitet,  und,  wie 
man  hier  — 


AUegrelto« 
Vno.  L 
JL 


sieht,  in  der  mittlem  Lage  auftritt,  auch  meistens  in  derselben  bleibt. 
An  zwei  Stellen**),  namentlich  in  dieser,  — 


*)  S.  54  der  Breitkopf-Härter sehen  Partitur. 
**)  S.  57  «od  63  daselbst. 

Man,  Komp.L.  IV.  S.Aul. 


35 


-     546 


218 
YioHflo  I. 


Fl.  plcc. 


Oboe.     < 


Comi. 


y«M. 


"'$35d^ 


In  . .  Un  >  gen  Fnr-dten    »chreitet    er    dem  Pfla-ge     ftö  •  temd 


^^^:|| 


nach,  in        Un-gen  Furchen  schrei-tet  er    dem  Pfiu-ge   flo-tend 

ilberschreilel  die  kleine  Flöte  das  Tongebiel  der  grossen ;  aber  dies  ist 
weder  der  Harmonie,  noch  der  Stimmlage  wegen  nötfaig»  die  grosse 
Flöte  könnte  diese  Stellen  in  ihrer  Weise  (wie  die  Noten  geschrieben 
sind,  nicht  wie  sie  diePikkolflöte,  eine  Oktave  höher,  giebt)  nehmen.  Es 
war  also  zunächst  der  Klangkarakter,  der  den  Komponisten  bestimmte. 
Er  wollte  den  gedrängtem ,  prallen  Klang  des  Pikkolo,  um  dem  länd- 
lichen Bilde  seine  Lokaifarbe  zu  geben ;  und  das  hätte  ihm  die  grosse 
Flöte  selbst  in  derselben  Tonlage  (z.  B.  bei  ^f^)  nicht  gewährt.  Uebri- 
gens  ist  das  letzte  Beispiel  eine  von  jenen  reizenden  InstrumentaÜoneD, 
deren  Einfachheit,  Durchsichtigkeit  und  Karakleristik  bis  jetzt  nur 
Haydn's  Eigenihum  geblieben.    Mit  einer  Bescheidenheit,  in  die  sich 


_     547 


ein  wenig  Scbalkbeit  zu  mischen  scheint,  wählt  der  ewig  jugendliche 
Greis  wenig  Instrumente  *>»  —  aber  gerade  die  einzig  treffenden,  -^  und 


*)  Allerdioffs  haben  anch  andre  Komponisten  sieh  bisweilen  anf  weni;  lostrn- 
meate  besehrankt;  wir  habrn  dergleichen  Fälle  sohon  von  Seb.  Baeb  nod 
Hey  erbeer  angerührt.  Der  letztere  brascht  in  seinen  Hugenotten  (S.  10Ö  der 
ParlUnr)  anch  die  PtkkolflÖte  sehr  isolirt,  —  wir  geben  hier  — 


Jl_    Chaiison  Hnguenofle. 

218    Pelite  FlAte.  Solo.^  u«»" 

■  g — =-|-i^=f=s=i-^|=f^=# 


^ 


i 


4  Baseoas. 


dim. 


St^^E^E 


-Zr- 


Gr.  Caisse 
et  Crmballes.     loujoiirs  tr^s  l^girement  tooeli^. 


Je  chan-iais  pifF,        paiF,        piff,        paff! 

Contrebasses  (sans  Yc.^. 


Sn 


^^i^^j^^i^^ 


-t-j?&-  *Si— H*S"    & 


k 


^i^^^=fffli^=¥5^:g;gEgt::prziiE^ 


toujolirs  p  et  ir^s  dcta^he 


loujours  mar^iii  et  ddtach^ 


^^^^^^^^^^^^^ 


^— 


adrr=-: 


(nidemcnO 


^tE 


3* 


se 


Four  Ics  coH^enls  c*cst  fi-ni,  li*s      nioi- 


pizz. 


S^^-^^g^^ 


den  Anfang  der  CAan^off  ^vg-tia;i0fia ,  die  darebgehends  so  begleitet  i;«t.  Allein 
dergleichen  ist  ein  geistreiches  apperpu^  eine  Lokatfarbe,  eben  hier  mit  treffendem 
Humor  gefanden  und  gesetzt,  vielleicht  nur  hier,  für  den  etwas  wild  {rudement) 

35  • 


548 


führt  sie  in  solcher  Weise,  dassman  keines  weglassen,  aber  auch  keins 
ohne  Störung  des  Sinns  zusetzen  kann.  Im  ersten  Satze  (Nr.  -g^) 
wird  das  Pikkolo  von  der  ersten  Geige ,  den  Oboen  und  Hörnern  (oder 
für  diese  dem  Fagott)  getragen ,  zweite  Geige  und  Bratsche  figuriren 
dieselbe  Melodie,  derBass  tritt  auf  das  Einfachste  entgegen;  das  Ganze 
ist  zweistimmig,  die  kräftig  unterbaute  Pikkolflöte  verschmilzt  mit  den 
andern  Stimmen,  geht  aber  doch  nicht  in  ihnen  verloren,  sondern  theiit 
dem  Zusammenklang  ihre  Farbe  mit.  Im  zweiten  Satze  (Nr.  yf^),  den 
man  sich  durch  das  Vorangehende  vorbereitet  denken  muss,  tritt  das 
Pikkolo  reizend  nett,  fein  und  etwas  ländlich  grell  heraus  und  wird  nur 
von  der  ebenfalls  härtlichen  und  scharfen  Oboe  unterbaut;  die  erste 
Geige,  meist  auf  der  rauhern  £?-Saite,  hilft  den  Hörnern  tragen,  der 
Gesang  wirkt  als  Miltelstimme. 

Ebenso  treffend  braucht  Mozart  das  Pikkolo  in  dem  Liede  des 
verliebten  Mohren  in  der  Zauberflöle*).  Auch  hier  ist  es  zunächst 
weder  um  letzte  Schärfung  grosser  Massen ,  noch  um  hohe  Tonlage  zu 
thun ;  vielmehr  beschränkt  sich  die  Instrumentation  auf  Streichquartett, 
Fagotte,  C-Klarinetlen ,  Flöte  und  Pikkolo,  und  das  letztere  geht  mei- 
stens, z.  B.  gleich  zu  Anfang,  — 


Flaute 


Piocolo. 


I  ^  p 


k^^^^^^^^^m 


im  Einklang  mit  der  Flöte,  der  nur  gelegentlich,  —  wie  schon  im  vo- 
rigen Satz  oder  den  folgenden,  — 


an ff^e regten,  herausroderod  bSbniscbea  Krieg^skoecbt  anwendbar.  Dass  die  iDstru- 
mentation  und  zugleich  die  Zeiebnnng  der  Person  hier  in  das  Barlesk^  streift  oder 
dazu  gehört,  findet  seine  Begrnndong  in  der  Oper  und  kann  nos  erinnern,  dass 
selbst  die  extremsten  Mitlei  an  rechter  Stelle  recht  sind.  Mehr  ist  hier  nicht  zu 
lernen  ;  nacbzaahmeo  aber  sind  solche  Spezialitäten  am  allerwenigsten.  Derglei- 
chen hat  nnr  einmal  Recht. 
*)  S.  %Q6  der  Partitur. 


549 


Ficcolo 


{ 


i 


^^^ 


ein  wenig  modifizirt  ist,  um  dem  Gang  beider  Instrumente,  und  nament- 
lich der  PJöte,  noch  mehr  Leichtigkeit  zu  geben.  Auch  um  Verstär- 
kung der  Flöte  war  es  Mozart  nicht  zu  thnn  (sie  wird  von  der  ersten 
Geige  und  Klarinette  unterstützt  und  ist  der  leichten  Instrumenta- 
tion und  dem  gleich  anfangs  vorgeschriebnen  Piano  allein  gewach- 
sen), sondern  nur  um  jene  Mischung  des  weichen  Flötenklangs  mit 
dem  grellern  und  spilzern  des  Pikkolo,  in  der  der  feinsinnige  Ton- 
dichter den  Ausdruck  der  geheim  prickelnden  leichtfertigen  Lüstern- 
heit fand. 


IL. 

Fingerzeige j  Vielerlei. 

Zd  Seite  258. 

Am  Schlüsse  der  Lehre  von  der  Harmonieniusik  finden  einige  Be- 
obachtungen gelegne  Stelle ,  die  den  schon  orientirten  Jünger  der  In- 
strumentation in  diese  und  jene  Feinheiten  oder  Besonderheiten  ein- 
weisen können.  Sie  wollen  nur  als  gelegentliche  Fingerzei^^e  gelten 
und  dürfen  um  so  weniger  auf  Vollständigkeit  Anspruch  machen ,  als 
die  Lehre  doch  selbst  bei  der  grösstmöglicbsten  Ausbreitung  das  Parti- 
lurstudium  nicht  ersparen  oder  rauben  durfte ,  vielmehr  nur  dazu  vor- 
bereiten und  darauf  hinleiten  soll.  Da  wir  nur  zerstreute  Beobachtun- 
gen geben,  —  theils  Bestätigungen  zu  dem  bereits  Aufgewiesenen,  theils 
Neuanschliessendes,  —  so  ist  uns  gestattet ,  gleich  an  das  zuletzt  (im 
Anhang  K)  Gegebene  anzuknüpfen. 


550 


1. 

Dort  hattea  wir  einige  feinere  Kombinationen  betrachtet,  in  deoen 
wenig  Instrumente  dem  Komponisten  genägen  konnten ;  besonders  war 
dabei  das  kindlich  zutrauliche  Wesen  Haydn's  in  seiner  Sinaigkeit 
und  Liebenswürdigkeit  hervorgetreten,  mit  dem  ersieh  wenigen  In- 
strumenten anzuvertrauen  liebt.  Einen  gleichen  Fall  entlehnen  wir 
seiner  />dur-Symphonie,  in  der  im  Finale*;  die  Flöte  und  zwei  Oboen 
ganz  allein  diesen  Satz  — 


1 

254 
Fl. 


Ob. 


Allegro  spiritoso. 


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4=C: 


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oo. 


ausfuhren.  Der  Meister  scheut  nicht  die  harte  Fülle  der  tiefen  Oboe- 
töne (Takt  2),  da  die  Flöte  gunstig  genug  liegt,  wirft  kühn  vertraat 
die  Flöte  unter  beide  Oboen  gleichsam  als  Bass,  und  darf  bei  der  Lage 
seiner  drei  Instrumente  nicht  furchten ,  zu  schwach  und  dünn  instm- 
menlirl  zu  haben.  Eher  könnte  man  ein  zu  vordringliches  Wesen  be- 
sorgen, wenn  nicht  unmittelbar  vor  und  nach  dem  Satze  das  Orchester- 
tutti  (mit  Trompeten  und  Pauken)  in  voller  Macht  gewirkt  hätte.  Diese 
besonnene  Abwägung  und  dann  dieses  leicht  hin-  und  herwerfende  Spiel 
mit  den  Stimmen  ist  hier  das  Merkenswerthe ;  der  Inhalt  selber  kommt 
nicht  in  Betracht,  könnte  nur  im  Zusammenhang  des  Ganzen  gewär^ 
diget  werden. 

Höchst  anziehend  ist  in  ähnlicher  Beziehung  dasRitornell,  mit  dem 
Weber  in  seiner  Euryaathe  (Akt  2,  Mr.  14)  Adolar  in  der  festlich  er- 
leuchteten Säulenhalle  des  Königsschlosses  einfuhrt,  vor  der  Arie 

Weben  tti^  Lüfte  Rnb', 
StrSmea  mir  Düfte  bq. 


*)  S.  52  der  bei  Breiikopf  und  Härtel  erdcbienenen  Partitvr;  Nr.  2  der  iwSIf 
Sympbonieo. 


551 


Larghetto  noit  lenlo 


254  ^ 


dolce 
Clar.  in  B 


i 


*^-=s 


t=;e 


dolce 


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Fagolli. 


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^SS^F^t^FP 


Soli. 


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=  =1^1:   SJ 


Die  loftigsteD  und  verschmelzbarsten  Blasinstrumente,  Flöten  und  Kla- 
rinetten, —  selbst  ohne  Hörner,  die  hier  nicht  frei  hätten  theiinehmen 
können,  — genügen,  in  dieser  heitern  süssdurchdufLeten  Atmosphäre 
die  Träume  und  die  Sehnsucht  des  Liebenden  zu  wecken  und  zu  tra- 
gen. Nicht  einmal  eine  Oboe  (z.  B.  anfangs  statt  der  zweiten  Flöte) 
hätte  ihre  feinen,  aber  eindringend  bestimmten  Klänge  in  dieses  luftige 
Sohimmerbild  einmischen  dürfen,  das  erst  durch  den  Zutritt  der  Fagotte 
festem  Halt  und  dunklere  Färbung  erhält.  Der  Anklang  von  Sentimen- 
talität, der  sich  hierin  und  besonders  io  der  Melodie  des  ersten  Fagotts 
vernehmbar  macht,  der  aber  auch  in  den  luttigern  Oberstimmen  (Takt  3 


552 


der  ersleo  Klarinette,  Takt  7  und  9  der  ersten  Flöte)  henrortritt, 
scheint  uns  nicht  sowohl  dem  Grundgedanken  des  Satzes  —  und  noch 
weniger  dem  Rarakter  der  Flöte  angehörig,  als  der  künstlerischen  Per- 
sönlichkeit Weber's,  was  hier  nicht  weiter  zu  erörtern  ist. 

Verwandt  dieser  Stelle  ist  eine  zweite  desselben  Werks,  der  An- 
fang des  zweiten  Finale,  die  nach  einer  Intrade  der  Pauken  in  C  so  — 


3 

254 
FlauÜ. 


Oboi. 


Allee  ro         O  rT^i    ßm^^ 


Clarinelti  in  B.  "> 


Corni  in  F. 


Fagolti. 


r^i'^n 


^^^^^ 


^ 


^^ 


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e=.=w; 


i 


i 


I  I         1       .  «. 


i 


Vc.  el^Cb.c.Vno.airgv» 


den  Eintritt  des  Hofes  in  die  Festhalle  begleitet.  Den  dichlerischen 
Tonsetzer  bestimmte  hier,  wie  durch  die  ganze  Oper,  die  voll  der  geist- 
reichsten Einzelznge  ist ,  der  innerliche  Anblick  der  duftenden ,  fried- 
lich heitern  Provence,  des  Vaterlands  der  Troubadoure.  Hier  hal  sich 
das  Königthom  nicht  mit  starrem  Kriegertrotz  und  gebieterisch  strenger 


553     — - 

Pracht  amgeben ;  man  athmet  die  linden  Lüfte  der  Liebe  und  Poesie. 
Schon  im  vorigen  Satze  (Nr-yf,^)  bedingte  dies  die  Instromentenwahl  $ 
so  aach  hier.  Allein  die  Scene  füllt  sich,  das  Fest  soll  beginnen  und  ein 
volierer  Chor  ist  erfoderlicb ;  es  treten  Höroer  als  Füllstimmen  auf, 
beide  Fagotte  vereinen  sich  im  Einklänge,  den  Bass  zu  führen,  und 
nun  dürfen  auch  die  Oboen  nicht  länger  säumen ;  die  erste  stärkt  und 
schärft  die  Melodie,  die  zweite  dient  als  Füllstimme,  umhüllt  und  ge- 
mildert durch  die  feste  Oberstimme ,  die  Bewegung  der  zweiten  Klari- 
nelte  und  der  Fagotte  und  die  Unterlage  der  Hörner.  Bemerkenswerth 
ist  der  kecke  Eintritt  der  ersten  Klarinette  auf  dem  hohen  d^  er  giebt 
sogleich  der  Melodie  die  Vorgewalt.  Der  OboenkJaug  übrigens,  gedeckt 
voo  Klarinette  und  Flöte,  kann  nicht  vordringen,  sondern  verschmilzt 
mit  jenen. 


Abgesehn  von  diesen  Oboen,  deren  Klang  von  der  Uebermacht  der 
andern  Bläser  verdeckt  wird,  dienen  uns  beide  letzte  Fälle  als  Beispiele 
von  der  Verschmelzung  gleichartiger  oder  verwandter  Instrumente 
(S.  209; ,  während  Nr.  ^j^^  einen  weiter  nicht  erheblichen  Gegensatz 
verschieden  klingender  bringt.  Bezeichnender  ist  schon  dieser  Satz  — 

Flöte 


254^ 


Flöte,      r        X  Ä*:rf:fvi<-  k"V    -->  ^^TZ 


cresc. 
Oboe. 


cresc.  f  —  P 


cresc 
B- Klarinetten 


cresc.  /  i.  P  I  I    !    >— ^ 


aas  dem  Andante*)  von  Beethoven's  Cmoll-Symphqnie.  Hier  macht 
sich  die  Oboe  gegen  die  von  Flöte  und  Klarinette  verdoppelte  Melodie 
gellend  und  verleiht  dieser  durch  den  Gegensatz  höhern  Reiz.  Ohne 
Oboe  würden  die  Oktaven  der  andern  zwei  Instrumente  als  eine  einzige 
blos  verstärkte  Melodie  gelten;  jetzt,  getrennt  durch  ein  fremdes  We- 
sen, lassen  sie  ebenfalls  ihre  Klangverschiedenheit  durchfühlen. 

Statt  vieler  andern  Beispiele  ähnlichen  Sinnes  entlehnen  wir  das 


*)  S.  53  der  Partitur.  Einfacher  ist  der  Satz  achoo  S.  46  gegeben. 


554 


letzte  aas  BeethoveD's  y^dar*Symphonie;  es  ist  der  unvergleich- 
liche Scbluss*)  des  uDSterblicben  zweiten  Satzes.  — 


254 
Fielen. 


Oboen. 


A-Klarjne(lcii. 


Fagotte. 


E-Höruer. 


Streichquartett 


Allegreito.  1^ 


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r-tr-^ 


*)  S.  92  (1er  bei  HasliDger  in  Wien  erschieoenen  Partitur,  «weite  Aasgabe,  in 
Polio. 


555 

Hier  kann  man  an  der  Ablösung  und  Durchdringung  der  ver- 
schiednen  Blasinstrumente  sowohl  den  Grundsatz  von  der  Verschmel- 
zung des  Gleichartigen  als  von  dem  Gegensatz  verschiedenklingender 
Instrumente  (S.  115)  beobachten.  In  den  ersten  Takten  schärft  die 
Oboe;  sie  könnte  leicht  die  Melodie  (in  der  zweiten  Flöte)  überwältigen, 
wenn  nicht  durch  die  erste  Flöte  der  Fiötenklang  verstärkt  würde. 
Wenn  zum  zweiten  Mal  Flöte  und  Oboe  zusammentreten ,  klingen  sie 
fein  wie  Glas  ineinander;  die  Flöte  liegt  zu  hoch,  um  überwältigt  zu 
werden ,  aber  sie  lässt  sich  durchdringen  von  der  Oboe.  Auch  die  Kla- 
rinetten werden  geschärft  durch  die  dazwischentretende  Oboe;  aber 
hier  geben  sie  schon  durch  die  Mehrzahl  und  beim  zweiten  Satze  durch 
die  günstige  hohe  Lage  den  vorherrschenden  Klang.  Dass  die  Fagotte 
sich  dem  Hom  unterordnen,  ist  klar;  beide  bilden  aber  gegen  einander 
wieder  den  schon  früher  (S.  140)  besprochnen  Gegensatz. 


So  gewiss  die  einfachste  Satzweise  der  Bläser  ihrer  Natur  am  ge- 
mässesten  ist  und  Zersplitterung  in  Nebenzüge  hier  mehr  als  anderswo 
nachtheilig  wirken  kann,  so  finden  sich  doch  mannigfache  Anlässe,  über 
das  Einfachere  hinauszugehn ;  oft  liegen  dieselben  (wie  S.  229  und  an- 
derwärts schon  gezeigt  worden)  im  Satze  selber  oder  in  der  Beschaffen- 
heit der  Instrumente,  bisweilen  aber  auch  in  besondern  Intentionen 
des  Komponisten.  Wenn  z.  B.  Spontini  im  ersten  Finale  derVestalin 
den  Triumphmarsch*)  so  — •' 

IMarche  triomphale. 
Hauthois. 


^^m^ 


Cors  en  Re. 


I 


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Bastons« 


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Triangle,  Timb.  et  Gr.  G.ita. 


S=^E 


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r^ 


*)  S.  98  der  bei  Brard  in  Paris  erschieneDen  Partitur. 


556 


(hioter  der  Sceoe)  eiotreten  lässl,  so  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  die 
Oboen  den  Salz  überdecken,  ihn  minder  klar  zur  Geltung  kommeD 
lassen.  Aber  eben  das  war  der  Absicht  des  Komponisten  gemäss,  der 
den  Triumpbzug  erst  wie  von  fern  und  durch  das  Geräusch  des  zuströ* 
menden  Volkes  beranklingen  lässt*).  Vier  Takte  weiter  (die  den  Sing- 
stimmen  auf  der  Scene  und  dem  Streichchor  gehören)  erklingt  derselbe 
Satz.  Hier  — 


Fl. 


254 


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Cora. 


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ip-isip—^^t^z:^-^ 


I 


haben  sich  die  Oboen  mit  den  Klarinetten  zu  festerm  Klange  vereinigt 
und  die  Flöten  treten  —  aber  mit  minderer  Schärfe  und  Fülle  —  an  die 
Stelle  der  Oboen.  Dass  der  Satz  nachher  in  voller  Kraft  und  Klarheit 
aufgeführt  wird,  versteht  sich. 

4. 

Die  Lehre  hat  es  zunächst  mit  dem  allgemein  Wissenswürdigen 
und  für  künstlerische  Zwecke  Nöthigen  zu  thun.  Welche  eigenthum- 
liehe  Folgerungen  aus  einem  tiefern  Eindringen  in  das  Wesen  der  In- 
strumente für  einzelne  besondre  Aufgaben  gezogen  werden ,  kann  sie 
nicht  verfolgen,  noch  weniger  erschöpfen  wollen.  Wer  fände  Zeit  und 
Raum,  die  Besonderheiten  auf  diesem  Felde  zusammenzustellen?  und 


*)  GSostiger  fdr  diese  lotentioD  waren  Streichinstrumeote  gewesen  ;  sie  aber 
musste  der  Rouiponist  fdr  das  Folgende  anfsparen. 


557 


>ver  wollte  sich  die  Freude  vorweg  nehmen  lassen,  sie  selber  zu 
finden?  —  und  endlich  würde  das  Verzeichniss  ewig  nicht  geschlossen 
werden  können,  so  lange  noch  eigenthümliche  Geister  sich  in  Tönen 
auszusprechen  haben.  Doch  versagen  wir  uns  nicht,  wenigstens  einige 
Einzelheiten  aus  der  Menge  der  mittheilungswerthen  zu  geben. 

Die  erste  sei  der  Anfang  der  Lüanies  des  Jemmes  catholiques 
aus  Meyerbeer's  Hugenotten*). 


254 

rsoin 

Flilles. 


CSoli) 
Hautbois. 


CSolO 

Clarinelies  en 

Si  b. 


Denx  jennes 
iilies  cathol. 


Choeiir  de 
femmes  catliol. 


Allegreilo  moderato.     Vn  peu  moins  vile. 


fP        P       fP   P^         fP      P       fP   P^  I     ^ 


i 


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iSr-Ü: 


fP    P 


fP     P         ^=^ 


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t* 


bs 


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*)  S.  464  der  Partitur. 


&58 


i-      i    7 


(Vom  Komp.  in  der  berliner 
Farlilur  ziigefügiO 


BE 


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ponr      le      pe    -    cheur: 


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V- 


-ri-- 


r- 

a     -    ve,  a    -     vcl 

Der  geistreiche  Komponist  mischt ,  um  einen  fremden  —  wie  ans 
vergangnen  Jahrhunderten  herübergewehten  Klang  zu  gewinnen ,  Flu- 
ten, Oboen  und  Klarinetten  in  eigenlhSmlicher  Weise.  Die  Oboen 
schärfen  im  Ritornell  die  Melodie  der  Fiöle  und  geben  zugleich  in  ihrer 
an  die  Orgeischnarrwerke  erinnernden  Tiefe  den  Bass;  die  zweite  Flöte 
wird  von  der  ersten  Klarinette  verdoppelt  und  bildet  so  mit  der  Ober- 
stimme eine  feste  Oberlage ;  die  zweite  Klarinette  ist  in  stillern  Tonre- 
gionen gehalten  und  vermittelt  nur  leise  den  Zusammenklang  des  obem 
Terzengangs  mit  der  Unterslimme;  nicht  unbemerkt  darf  der  erste 
Schritt  der  zweiten  Klarinette  bleiben.  Wie  alles  Uebrige  zusammen* 
wirkt  für  den  Zweck  des  Komponisten,  bedarf  hier  keiner  weitem  Er- 
örterung. 

Der  zweite  Fall  ist  der  ,, prachtvolle  Hocbzeitzug^^  Egiantinens 
und  Lysiarts  aus  dem  dritten  Akt  (Nr.  23)  von  Weheres  Euryanthe, 
von  dem  die  Beilage  X  den  Anfang  giebt.  Das  arge  Paar  hat  nun  Alles 
erreicht,  die  Liebenden  sind  getrennt,  ihre  reiche  Herrschaft  ist  dem 
Verräther  zugefallen  und  seine  Hand  erhebt  und  belohnt  die  Mitschul- 
dige. An  scbreierischem,  hoffartigem  Prunk,  aufgesteifter  Wurde  und 
gewaltsam  aufgeregter  Freude  oder  Freudeugrimasse  fehlt  es  nicht; 
aber  es  will  nicht  recht  gebn  und  klingen.  Wie  viel  hierbei  die  Melodie 
und  die  Führung  der  Komposition  überhaupt  thut,  lassen  wir  bei  Seite; 
nur  die  Instrumentation  ist  unser  Augenmerk.  Und  hier  muss  sogleich 
auffallen ,  dass  jedes  Instrument  sich  gewissermassen  blossstellt,  seine 
rauhe  und  harte  Seite  herauskehrt,  isolirl  bleibt,  mit  alle  dem  zu  nichts 
Rechtem  kommt.  Die  Trompeten  und  Hörner  treten  ganz  stattlich  und 
trotzig,  wie  pochend  und  herausfodernd  auf;  aber  es  führt  zu  nichts, 


559     

sie  können  in  dem  queren  Moll  und  seiner  Modulation  niebt  mit  fort; 
beiläufig  klingt  die  herausgehauene  Quinte  der  Trompeten  gemein. 
Oboen  und  Klarinetten  verdoppeln  sich  im  Einklang  und  werden  damit 
(S.  183)  schallstark,  in  den  Oktavgängen  durchschneidend,  büssen  aber 
gegenseitig  ihre  Eigenlhümlichkeil  und  jeden  mildern  Reiz  ein.  Wo  sie 
zuerst  abweichen  (Takt  8),  geschieht's  mit  einem  Widerklang.  Dann 
fallen  die  Pikkolflöten  in  den  Satz  hinein,  die  Klarinetten  steigen  in  die 
gellende  Höhe,  die  Oboen  in  die  schnarrende  Tiefe ,  bis  die  letztern  in 
JD  dur  gar  Pülistimme  werden,  und  zwar  in  der  Tiefe  und  in  Acbtelbe- 
wegung.  Hier  bringen  sich  die  Trompeten  wieder  an  und  treflen  un- 
glücklich (S.210)  in  die  Oboenlage.  Kurz,  es  ist  jeder  Zug  gezwungen, 
gewaltsam,  gemein.  Und  das  musste  hier  so  sein. 

Die  dritte  Gabe  wollen  wir  ebenfalls  Weber  danken.  Es  ist  die 
Einleitung  des  ersten  Akts  von  Oberen,  das  Ritornell  zum  Elfenschlum* 
merchor,  wovon  Beilage  XI  die  ersten  Takte  giebt.  Mit  diesem  Beispiel 
überschreiten  wir  unser  jetziges  Gebiet,  weil  der  Streicherchor  we- 
sentlich mitwirkt.  Daher  unterbleibe  jede  nähere  Erörterung  und  sei 
nur  auf  das  elfenhaft  luftige  Herabhuschen  der  Flöten  und  Klarinetten, 
wie  wenn  geflügelte  Füsse  über  Tuberosen  und  Hortensien  hernieder 
eilen  zum  Wiesenteppich,  —  hingedeutet,  eine  der  geistreichsten  und 
dichterischsten  Abschweifungen  von  der  den  Bläsern  (S.  368)  vorge- 
zeichneten Bahn.  Die  Anhauche  tiefer  Flöteu  und  Klarinetten  im  Ge- 
neset der  Saiteninstrumente  klingen  eben  auch  fremd  und  wie  aus  Lüf- 
ten und  Geislernähe  heraus. 


K. 

Weite  Lag^e  des  Streichquartetts. 

Za  Seite  301. 

Die  S.  298  gegebne  Lehre  ist  unstreitig  eine  der  wichtigsten  für 
den  angehenden  Instrumentisten ,  -  da  von  dem  Zusammenbalten  des 
Quartetts  die  Kräfligkeit  seiner  Wirkung  abhängt,  —  das  heisst  die 
Kraft  des  Hauptchors  im  Orchester.  Es  wurde  nicht  schwer  sein,  die 
Dringlichkeit  unsrer  Erinnerung  selbst  aus  Kompositionen  geschickter 
und  nicht  unerfahrner  Tonsetzer  nachzuweisen ,  denen  eben  diese  Be* 
merkung  entgangen  und  die  manchen  an  sich  treffenden  und  starken 
Satz  im  Quartett  schwach  dargestellt  haben.  Oft  sollen  in  solchen  Fäl- 
len gehäufte  Blasinstrumente  aushelfen,  und  allerdings  können  diese 
dann  für  sich  selber  laut  genug  hineinscbreien.  Allein  wenn  das  Quar- 
tett nicht  zweckmässig  gelegt  ist  —  oder  nicht  die  besondere  Intention 


560 


eines  ToosaUes  seine  Zertheilang  und  das  Hineingreifen  des  Bläser- 
cbors  fodert,  —  wird  dadurch  nur  die  Schwäche  oder  Zerstreutheil  des 
Quartetts  berausgesteiit ,  seine  vereinzelten  Stimmen  werden  anler- 
drück,t  und  die  organische  Kraft  des  Ganzen  doch  nicht  hergestellt. 

Demungeachtet  wollen  wir  auch  hier  eingedenk  bleiben,  dass  es  in 
der  Kunst  keine  absolute  Regel  (Tb.  I.  S.  15)  giebi,  als  die  eine  und 
ewige:  dem  Zwecke  gemäss  —  die  Richtigkeit  desselben  vorausge- 
setzt —  zu  schreiben. 

So  im  vorliegenden  Falle.  Das  Zusammenhalten  des  Quartetts 
oder  wenigstens  seiner  Mitte  giebt  auch  seinem  Schall  zusammenge- 
haltene und  damit  einheitvolle  und  eindringliche  Kraft.  Wir  haben  diese 
Wirkung  enger  Lage  schon  in  der  Harmonie  (Tb.  I.  S.  146)  erwogen; 
bei  den  Streichinstrumenten  ist  aber  die  Beherzigung  der  alten  Lehre 
doppelt  wichtig,  weil  ihr  Chor  der  Kern  des  ganzen  Orchesters  sein 
muss  und  gleichwohl  die  Schallkraft  des  einzelnen  Instruments  der  der 
meisten  (eigentlich  aller)  Bläser  entschieden  nachsteht.  Wie  aber, 
wenn  die  Intention  des  Komponisten  nicht  jene  eindringliche  Kraft,  son- 
dern ganz  andre  Wirkung  fodert?  —  Dann  würde  die  Befolgung  uns- 
rer  Regel  Sinnwidrigkeit,  also  ein  Fehler  sein. 

Ein  erstes  Beispiel  giebt  uns  Beethoven  in  der  Einleitung  zu 
der  Scene  der  Leonore  im  Fidelio*),  — 

Allegro  agitato. 
V.  I.  II. 


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377 


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1PZ 


*)  S.  220  der  Parütur. 


561 


wo  die  Stiminen  des  Quartetts  so  erschreckt,  so  ausser  Passung  und 
Haltung  zu  einander  kommen ,  wie  nach  ihnen  Leonore.  Noch  spre- 
chender ist  die  Einleitung  zum  Chor  der  Gefangenen  im  Pidelio*),  die 
das  Quartett  so  — 


^^^^^^^^ 


bildet;  —  auf  dem  letzten y* treten  Hörner  ein  und  beginnen  denUeber- 
gang  zum  Chor.  Wie  auf  derScene  die  Gefangenen  aus  der  Kerkerthür 
vereinzelt,  schwach,  eingeschüchtert  hervorschleichen  und  kaum  ver- 
mögen, die  ungewohnte  frische  Luft  in  kräftigen  Zügen  zu  trinken,  bis 
allmählich  ,,Lust  in  freier  Luft''  die  gedrückte  Brust  hebt:  das  hat  gar 
nicht  treuer  und  wahrer  und  ergreifender  dargestellt  werden  können, 
als  durch  diesen  leisen  Zug  der  Streichinstrumente,  durch  diese  Hoch- 
erhebang  ohne  innere  Kraft,  dünn  und  auseinandergehend,  wie  die 
Alhemlosigkeit  langen*  Verzagens  and  langer  Beklemmung  in  Kerker- 
laft.  Es  ist  wohl  einer  der  schönsten  Züge  in  dem  schönen  Werke. 

Das  letzte  Beispiel  entlehnen  wir  dem  Altvaler  Bach  mit  der  be- 
sondern  Freude  und  Genugthuung ,  mit  der  man  beobacbtet;i  wie  das 
Wahre  vom  wahren  Künstler  zu  jeder  Zeit  erkannt  und  erfasst  worden 
ist.  Id  der  Matthäi'schen  Passion  wird  dieKede  Jesu  in  den  Rezitativea 
stets  vom  Quartett  leise  begleitet,  das  bisweilen  enger  zusammentritt, 
bisweilen  gleichsam  allegorisch  in  besondern  Figuren  den  Inhalt  der 
Worte  versinnlicht**),  bisweilen  aber  auch  seine  Stimmen  weit  aus  ein- 
ander sendet.  Eine  solche  Stellung  des  Quartetts  zeigt  gleich  das  erste 
Rezitativ ,  das  hier  — 


*)  S.  245  der  Partitar. 

**)  Z.  B.  io  dem  Rezitativ:  „Voo  dqd  an  wird*s  f escbeben ,  dass  ihr  sebea 
werdet  des  Meoscben  Sohn  sitteo  zar  Rechten  der  Kraft  and  kommeo  in  den  Wol- 
^«n  des  Himmels.«* 

Marx,  RoB«.  L.  IV.  S.  A«fl.  36 


562 


„Viii.  Va. 


377 


a^ 


sprach  er  zu  Mi-nen  Jungem :       Ihr  -wisaet,  daasnachzweeATagCA, 
B. 


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allein  mitgetheilt  werden  kann.  Hier  und  in  allen  Rezitaliven  Jesu 
—  bis  er  vor  Pilatus  verstummt  —  umschimmern  die  getrennten 
oder  auch  sich  mystisch  kreuzenden  Bogenztige  des  Quartetts  den 
Gesang,  wie  ein  zartdurcbsichtiger  Heiligenschein  das  Haupt  des 
Heiligen.  —  Dass  Bach  in  klarbewusster  Anschauung  und  Absiebt 
geschrieben,  ist  unverkennbar;  denn  nirgends  bedient  er  sich  der- 
selben Form  bei  der  Rede  der  Andern,  nie  versäumt  er  sie  bei 
denen  Jesu,  bis  dieser  sich  in  die  Hände  der  Gewalt  ergiebt  und 
dem  Loos  der  Sterblichkeit  verfallen  ist.  Da  erlischt  der  Heiligen- 
schein  und    der  dürre   Positivismus  der  prosaischen  und  heacbleri- 


583 


sehen  Gewalt  verübt  die  Macht,  die  ihm  eine  Weile  über  Recht  und 
Wahrheit  gegeben  worden. 


BT. 

Theilung  des  Streichquartetts. 

Zu  Seite  320. 

In  eigenthiimlicher  Bescheidenheit  macht  Spontini  (dem  man 
gewöhnlich  —  und  wie  uns  scheint  sehr  oft  mit  Unrecht  — -  das  Gegen* 
theil  beigemessen  hat)  in  seiner  Vestalin  von  einer  Stimmlbeilung  Ge- 
brauch. Es  ist  der  Anfang  des  zweiten  Akts*) ;  die  Vestaiinnen,  in  der 
Mondnacht  Im  Tempel  ihrer  Göttin  versammelt,  werden  die  ^^Hyrnnt 
du  sotr^^  anstimmen.  Dies  — 


400 
Yiolon  I. 


Yiolon  U. 


2  Con  ea  Ut. 


2  Baasons. 


Andanle  maettoio 


Altot. 


ViolonccUet. 


Contr<-B*MM. 


*)  &  214  aer  PartUor. 


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564 


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565     

ist  die  Einleitong  des  Orchesters.  Man  siebt,  dass  die  Trenoung  nur 
Violoncell  and  Kontrabass  betroffen,  die  getrennt  worden,  ein  Fall,  den 
wir  scbon  in  Nr.  362  und  an  verschiedenen  andern  Orten  beobachtet 
haben.  Nicht  als  etwas  Neues  kann  daher  dieses  Beispiel  angeführt 
werden ,  sondern  weil  sich  mancherlei  andere  Betrachtungen  an  das- 
selbe knüpfen. 

Znnächst  fällt  der  Kontrabass  auf,  der  anscheinend  zum  grossen  (7, 
das  er  bekanntlich  gar  nicht  hat,  hinabgeführt  wird.  Wir  müssen  an- 
nehmen ,  dass  der  Komponist ,  obgleich  es  in  der  Partitur  nicht  ange- 
merkt ist,  einen  Theil  der  Violoncelle  bei  dem  Kontrabass  hat  lassen 
wollen  und  der  letztere  mitspielt,  wie  er  kann ,  nämlich  gross  C  eine 
Oktave  höber  nehmend*). 

Sodann  sehn  wir  die  Melodie  der  zweiten  Violine  übergeben, 
während  die  erste  mit  einer  sanft  schmeichelnden  BegleitungsGgur  über 
ihr  liegt  und  sie  bedeckt.  Diese  Figuralion ,  in  der  Tiefe  die  des  Vio- 
loncells,  die  ausgebildeten  (nicht  blos  begleitenden)  Stimmen  der  Brat- 
sche und  des  Kontrabasses  bilden  ein  Gewebe,  das  wie  ein  Schleier,-  — 
wie  das  Ungewisse  Spiel  von  Licht  und  Schatten  einer  Mondnacht,  in 
der  die  Hymne  angestimmt  wird,  —  den  Gesang  umhüllen.  So  wenige 
Mittel  in  der  Hauptsache  konnten  dem  Komponisten  genügen.  Wir 
werden  erinnert,  dass  es  selbst  bei  besondern  Aufgaben  nicht  immer 
einer  Häufung  oder  Zersetzung  der  Stimmen  bedarf. 

Werfen  wir  noch  einen  Blick  auf  das  melodieführende  Instrument, 
so  finden  wir  es  bald  vom  Hörn,  bald  vom  Fagott  unterstützt  und  wer- 
den damit  an  den  ähnlichen  Fall  in  Nr.  398  erinnert,  wo  wir  ungeach- 
tet des  Zutritts  der  Bläser  die  Bratsche  als  Hauptpartie  anzuerkennen 
hatten.  Im  jetzigen  Fall  ist  es  im  Ganzen  unstreitig  die  zweite  Vio-' 
line;  nur  zu  Anfang  ist  es  zweifelhaft.  Denn  das  Hörn  steht  wohl  dem 
abstrakten  Tonmaasse  nach  mit  ihr  im  Einklänge ,  dem  Stimmkarakter 


*)  Aebnliehe  ovr  bei  dem  ertteo  Hinblick  aoffalleade  FübraogeD  de«  Kontra- 
basses io  die  ihm  anerreicbbare  Tiefe  findet  man  öfter  bei  den  bedeutendsten  In- 
strumentisteo,  z.  B.  bei  Beeth  oven  in  der  Cmoll-SympboDie  (S.  121  der  Parti- 
tur), wo  Violoncell  und  Base  auf  besoodern  Systemen  so  — 


Violoncello. 


Seschrieben  (oder  vielleicht  nur  gedruckt)  sind ;  in  derselben  Symphonie  S.  133,  in 
der  Pastoralsymphonie  S.  126  der  Partitur  und  anderwärts;  m.  s.  aneb  Nr.  39S, 
S.  316. 


566     

Dach  aber  eioe  Oktave  höher,  weil  es  in  seiner  hohen  Oktave  einsetzt, 
die  zweite  Violine  aber  in  ihrer  tiefen.  Allein  schon  im  zweiten  Takte 
tritt  das  Hörn  in  die  Rolle  blosser  Begleitung  zurück.  Eben  diese  gp- 
wissermassen  zweifelhafte  oder  ungewisse  Stellung,  —  in  der  man  za- 
erst  den  Gesang  des  Horns  und  die  Violine  nur  mittönend  vemimmt, 
dann  wieder  diese  vortritt  und  das  Hörn  sich  zurückzieht,  —  dieses 
Ablösen  der  tiefen  Bläser,  dieses  Verschwimmen  gleichsam  der  Om- 
risse  ward  der  glücklich  getroffene  Ausdruck  der  Situation. 

Weit  reichern  Gebrauch  macht  Spontini  in  seiner  Olympia  von 
der  Theilung  des  Quartetts.  Wir  wollen  aus  mehrern  Fällen  nur  diesen 
einen  mittheilen  aus  dem  ersten  Finale.  Die  Scene  ist  der  gold-  und 
lichtschimmernde  Tempel  zu  Ephesus ,  in  dem  die  Hymenäen  Kassan- 
ders  und  der  Tochter  Alexanders,  Olympia,  gefeiert  werden  sollen. 
Andrang  des  Volks ,  Züge  hochgeschmückter  Kriegsschaaren  mit  den 
Fürsten ,  Priester  und  Schwärme  festlicher  Tänzerinnen,  zwanzig  zu- 
gleich flammende,  Opferweihrauch  verbreitende  Altäre,  zugleich  der 
grollende  und  nahen  Ausbruch  drohende  Grimm  des  neidischen  Anli- 
gonus  und  seiner  Verbündeten,  —  Alles  verbreitet  jenen  Schimmer  und 
jene  fieberhafte  Spannung,  die  wir  uns  als  Atmosphäre  jener  hellenisch- 
morgenländischen  Zeit  zu  denken  haben ,  in  der  die  Satrapen  Alexan- 
ders sich  um  die  blutigen  Glieder  der  Welt  stritten.  Hier  muss  Alles 
erhöhte  Farbe  haben ,  die  keusche  Mondnacht  der  Vestalinnen  würde 
hier  erbleichen  und  uns  durchkälten.  Wenn  nua  in  jener  Scene  Olym- 
pia, Kassander  und  der  Oberpriester,  von  den  Feierzügen  noch  umge- 
ben und  unsichtbar,  ihr  Gebet  erbeben ^  dann  gestaltet  sich  das  einlei- 
tende Orchester  so, —  (Siebe  das  Beispiel  tH»  ^^^€'  Seite.) 

dass  eine  Abtheilung  der  ersten  und  zweiten  Violine  und  der  Bratschen 
(die  Violinstimmen  drei-  oder  vierfach. besetzt,  von  den  Bratschen  die 
Hälfte)  in  der  höhern  Oktave  die  Hauptstimme  und  nächste  Begleitung 
bilden,  die  übrigen  Violinen  (zuerst  im  Einklang,  dann  sich  theilend), 
die  andre  Hälfte  der  Bratschen ,  Violoncelie  ond  Bässe  in  der  tiefern 
Lage  begleiten.  Die  hochliegenden  Violinen,  Bratschen  und  ersten  Vio- 
loucelle  spielen  con  sordino ,  die  tiefliegenden  Violinen  und  Bratschen 
senza  sordino ,  die  zweiten  Violoncello  ebenfalls  senza  sordino  und 
mit  den  Kontrabässen  pizzicato.  Die  Hauptstimmen  werden  vom  eng- 
lischen Hörn  und  Fagott  unterstützt. 

Es  versteht  sich ,  dass  hier  keine  einzige  Stimme  für  sich  vortre- 
ten soll,  als  allenfalls  die  oberste  Geige  mit  ihrer  nSchstenUnterslimrae; 
alles  Uebrige,  —  die  Triolenfignr  der  Geigen  nnd  die  Achtel  der  Bässe 
am  ehesten ,  dann  aber  auch  die  Stimmen  der  Bratschen  und  ersten 
Violoncelie,  —  verschwimmt  in  einander,  umhüllt  auch  die  Bläser  und 
leiht  der  Scene  diesen  Scbimmerklang,  der,  halb  durchsichtig,  halb  ver- 
hüllend wie  aufsteigendes  Rauchgewölk  von  den  goldnen  Altären  im 


567 


Tempel,  der  beraoscheoden  S^eoe  entsprach.  Dass  der  dunklere  und 
etwas  fremdartige  Klang  des  eoglisehen  Horas ,  in  engster  Verbindung 
mit  der  hohen  Fagottmelodie  und  beide  fnanUsimo  con  dolcezza^  das 
Klangbild  vervollständigen,  ist  gewiss.  Man  betrachte  den  unten  fol* 
geoden  Satz. 

Eine  ähnliche  Gestaltniig  nuisste  sich  dem  Verf.  im  Mose*)  aufer- 
baaen,  die  er  in  der  Beilage  XII  zurPrüfung^arlegt.  Wenn  Alles  voll« 
bracht  ist,  —  die  doppelte  Befreiung  des  Volks  iwd  di«^  Söhne  seines 
Abfalls,  dann  wird  das  Auge  des  Mose  geöflhet;  der  rnft: 

Die  Herrlichkeit  Gottes  des  Herro  geht  auf  über  mir ! 

nod  ihm  verkünden  Stimmen  den  andern  Propheten ,  den  nach  ihm 


400 

Violini  I.  n. 

con  aordini. 


Viola 
con  Sordini« 


Engl.  Horu. 


Solo-Fflgott. 


Yiolud  I.  U. 
senza  sordini. 


Viola 
•enza  sordini. 


Violoneelli  I. 
con  sordini. 


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der  Herr  senden  wird.  p9ies  wird  dareb  den  in  der  Beilage  gegebenen 
Satz  eingeleitet,  nachdem  das  Volk  sich  flehend  zu  seinem  Gott  gewen- 
det. Die  Violinen  leiten  von  da  (Adar)  hinauf  zum  hohen  y* 
(eü)  und  in  jenen  Satz  ein.  Auch  hier  gab  es  für  den  Verf.  kei« 
nen  andern  Klang,  als  den  feinen  nervösen  der  hochliegenden  Vio- 
linen ;  die  erste  theilt  sich  in  Oktaven  und  wird  in  der  untern  durch 
die  Hälfte  der  zweiten  Violine,  in  der  obern  von  einer  Flöte  gelei- 
tet, die  bei  dem  Beginn  des  Hauptgedanken  (Takt  7)  ebenfalls  zu- 
rücktritt. Das  Gewebe  der  Begleitung  in  der  zweiten  Violine,  den 
Bratschen  und  Violoncellen  wird  und  soll  ein  schwebendes  Ganzes 
bilden,  nicht  in  den  einzelnen  Figoren.  sich  geltend  machen.  Durch 
dieses  Gewebe  hindurch  vernimmt  man  erst  sehr  schwach,  dann  vol- 
ler, aber  stets  ganz  leise  und  tief  Stimmen,  den  Chor  der  Bläser. 
Beide  Seiten,  dieser  Chor  und  das  Gewebe  der  Saiteninstrumente, 
entfalten  sich  weiter  unter  dem  Gesang  des  Mose  und  dem  Eintritt 


569 


des  wirklichea  Chors,  der  Stimmen  der  VerkuodigaDg.  So  war  es  dem 
Verf.  gegeben.  Die  Benrtbeilung  gehört  nicht  ihm. 

Und  nun  werde  noch  zuletzt  die  tief  geistvolle  Anschauong  We- 
ber's  zur  Betrachtung  gezogen,  die  ihm  in  der  Euryanthe  geworden. 
Die  Fabel  dieser  Oper  bezieht  sich  darauf  zurück ,  dass  Euryanthe 
früher  der  Geist  einer  Liebenden  erschienen ,  die  in  der  Verzweiflung 
Hand  an  sich  gelegt  und  ihre  Erlösung  von  Euryanthes  Bewährung 
in  schwerer  Prüfung  erwartet.  Schon  in  der  Ouvertüre  wird  —  wie  es 
Weber's  Art  war  —  auf  diesen  Moment  hingewiesen;  es  ist  dieser 
Satz,  — 


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von  acht  Violinen  con  »ordino,  denen  die  Bratschen  zuletzt  zur  Unter- 
lage dienen,  vorgetragen.  Der  Hauptsitz  dieses  Gedankens  ist  aber  im 
ersten  Akte,  wenn  Euryanthe  der  falschen  Freundin  ihr  Geheimniss, 
die  Geistererscbeinung,  mitlheilt.    Hier  — 


570 


5        Flauti.  Largo 
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OlQck,  BieiQ  ü-do  UtJ>>t«  mich  so    Iren;  er 


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571     

isl  diese  zweite  Stelle,  wie  die  erste  von  mehrern  Solo^Violinen  com 
Sordino  vorgetragen,  von  Ripien- Geigen  und  Bratschen  im  Tremolo 
unterstützt;  Flöten  in  tiefer,  hohl  klingender  Tonregion,  wenn  sie  höher 
treten,  weit  aaseinandergezogen  (S.  129)  und  dadurch  ihres  festen  Zu- 
sammenklangs verlustig,  mischen  sich  ein. 

Es  kann  an  dieser  Stelle  nicht  die  Frage  sein ,  ob  dieses  Tonbild, 
das  uns  das  geheimnissvoU  schwebende  Nahen  eines  unsichtbaren  We- 
sens, eines  Geistes,  dem  noch  die  zartere  Weise  der  Weiblichkeit  oder 
Jungfräulichkeit  eigen  und  der  Ausdruek  tiefsten  stillen  Leids  aufge* 
prägt  ist,  —  ob  dieses  Bild  hier  am  Orte  war,  wo  der  Geist  nicht 
wirklich  erscheint,  sondern  nur  von  ihm  erzählt  wird  —  allerdings  mit 
Schauern  auch  in  der  Erinnerung.  Im  dritten  Akt  umschweben  diesel- 
ben Töne  Egiantinen,  und  man  kann  ahnen,  dass  es  hier  nicht  blosse 
Erinnerung,  sondern  das  wirkliche  Nahen  des  Geistes  ist,  das  die  Ver* 
rätherin  in  den  Tod  drängt.  Diese  Erörterung  gehört  in  eine  höhere 
Lehre;  hier  sagen  wir  nur:  wenn  die  Vorstellong  des  Geistes  dem 
Tondichter  nahen  durfte ,  masste  sie  so  gewiss  das  volle  Gepräge  der 
Persönlichkeit  tragen,  —  das  jungfräulich  zarte ,  im  bittersten  Jammer 
nur  still  leidende  Wesen,  so  gewiss  der  Geist  des  erschlagenen  Hamlet 
als  Ritter  und  König,  in  Rüstung  und  im  Hauskleid  erscheint.  Und  dann 
ist  dem  an  einzelnen  Karakterziigen  so  reichen  Tonkünsiler  hier  einer 
der  treffendsten  zugefallen.  Die  kisen  heimlichsiedenden  Töne  mehre- 
rer Violinen  neben  einander  in  Nr.  ^f^-  schweben  in  der  That  —  zu- 
mal im  Gegensatz  zu  den  Kraftschlägen  des  vollen  Orchesters  vor-  und 
nachher  —  wie  ätherisch ,  gleichsam  unkörperlich  und  doch  so  ein- 
dringiich  in  die  Nerven,  wie  kein  anderes  Organ  vermöchte.  Das  ganz 
unmotivirt  zutretende  Tremolo  der  Bratschen  durchschauert  überra- 
schend, als  wenn  die  geisterhaDe  Erscheinung  mehr  Körper,  mehr  Ge- 
wissheit und  Wirklichkeit  angezogen  hätte.  Körperlicher  hat  sich  das 
Bild  in  Nr.  -^^  gestaltet  und  musste  es;  denn  im  ersten  Falle  stand  es 
ganz  allein  und  man  gab  sich  nur  ihm  bin,  jetzt  aber  bildet  es  Mos  deo 
Hintergrund  zu  Euryanthes  Erzählung  und  wir  hängen  zunächst  an 
dieser*).  Zugleich  dienen  die  Flöten  und  das  ausgebreitete  Tremolo, 
der  Singstimme  festere  Unterlage  zu  geben  und  sie  mit  dem  Hauptge- 
danken im  Orchester  mehr  zu  verschmelzen.  Sollte  aber  irgend  ein 
Blasinstrument  mitwirken,  so  konnten  es  durchaus  nur  Flöten,  und  nur 


<*)  Man  kSoDte,  um  Weber's  Tonbild  zo  motiviren,  annehmen,  dass  der  Geist 
bei  Earyaolhes  Brzählnn^  wirklieh  nahe  sei.  Aber  wozu  ist  er  geaaht?  omza  war- 
nea  «ad  zn  bemroeat  -^  daza  fehlt  j«4e  Andevtaag  nad  jader  Brf^lg.  Ea  war*  also 
eio  zweckloses  Anftretea  eines  Wesens,  das  wir  ujds  iibennicbtis  und  tiefi^sbaoend 
denken  müssen;  ein  Geist,  der  beides  nicht  wÜre,  konnte  nns  nicht  Scbaaer  der 
Ehrforcht  and  Sehen,  die  Ahnung  einer  geistigen  und  dadurch  mächtigem  Welt 
wecken,  aoodeni  aur  IHitleid,  4«9  aa  Geringscbätanog  grunzte. 


572    

in  der  hohlen  untern  Tonlage  and  sie  allein  mit  Ansscblnss  jedes  an* 
dem  Instruments  sein. 


o. 

Die  neuen  Orchesterbildungpen. 

Ztt  Seite  352. 

Die  nächste  Rücksicht  hat  die  Lehre  dem  in  der  unverhäilnias- 
massig  grossen  Mehrzahl  aller  Werke  herrschenden  Tbatbestande  zu 
widmen,  zumal  da  diese  Mehrzahl  alle  Meister  der  Tonkunst  von 
Gluck  und  Haj^dn  bis  Beethoven  und  alle  durch  ächte  Kunstbil- 
düng  ausgezeichneten  Nachfolger  derselben  in  sich  scbliesst. 

Allein  die  Uebereinstimmung  aller  Meister  und  aller  Musiker  bis 
auf  diese  Stunde  beweiset  noch  nicht,  dass  nicht  auch  anders  verfahren 
werden  könne,  als  sie  gethan.  In  Sachen  der  Kunst  gtebt  es  keine  Au- 
torität, als  das  eigne  Gefühl  und  die  Vernunft  der  Sache.  Niemand 
kann  dem  Künstler  Gesetze  geben,  als  diese  Vernunft  der  Sache;  das 
Verfahren  der  Andern,  selbst  der  grössten  Meister,  selbst  Aller,  kann 
ihn  nur  zur  Prüfung  desselben  durch  seine  Vernunft  auffodern.  Ent- 
scheidung und  Enlschluss  sind  sein  unveräusserlich  Recht,  —  aber 
auch  sein  Verhängniss.  Hat  er  reiflich  geprüft  und  richtig  entschieden» 
so  hat  er  das  Rechte  gethan  und  dem  Vorhandnen  neue  Gaben  zuge- 
fügt, oder  selbst  der  Kunst  einen  Fortschritt  gewonnen ;  hat  er  geirrt, 
so  mögen  die  Andern  das  erkennen  und  beherzigen. 

Ja,  der  Fortschritt  ist  gar  nicht  anders  denkbar,  als  dass  man  et- 
was Anderes  ihue,  als  das  bisher  Geschehene.  Wer  ihn  verbieten 
wollte,  würde  damit  die  Entwickeluog  der  Kunst  zu  hemmen  trachten, 
im  Widerspruch  mit  dem  Urstreben  des  menschlichen  Geistes  nach 
Fortbewegung,  das  heisst:  nach  Leben;  wer  ihn  im  Sinn  trüge,  aber 
zu  vollfuhren  nicht  wagte,  war'  aus  Feigheit  ebenso  treulos  an  seinem 
Berufe,  wie  der  Andre,  der  vorwitzig  sich  von  der  bewährten  Bahn 
ohne  reiflichste  Prüfung  entfernte.  Den  Reaktionären  und  Hemmungs- 
männern dürfte  man  zurufen:  Ihr,  die  ihr  auf  irgend  einem  rückwärts 
gelegnen  Punkte  slillstehn  wollet  und  nun  uns  Fortschreitende  schel* 
tet,  weil  wir  nicht  auf  demselben  Punkte  stiilstebn  mögen,  hättet  ihr 
nicht  ebenso  gut  gegen  eaern  Beethoven,  euern  Mozart,  enem 
Bach  (oder  auf  wen  ihr  sonst  schwört)  eifern  müssen,  wenn  die  zu 
eurer  Zeit  aufgetreten  wären,  da  jeder  von  ihnen  über  seine  Vorgänger 
hinausgegangen  ist?  —  Und  mit  gleichem  Rechte  dürfte  man  den  Aben- 


573     

theorern,  die  jede  Fortkewegang  ohne  WeHeres  schon  als  ForUehritt 
preisen  und  auf  die  Heister  allenEaills  mit  kühler  Schonung  als  auf  einen 
,, überwundenen  Standpunkte^  herabblicken,  die  dürfte  man  fragen: 
Habt  ihr  einen  so  geringen  Begriff  von  der  Kunst,  der  ihr  euch  widmet, 
dass  ihr  anders  als  nach  allseitiger  und  durchdringendster  Prüfung  euch 
vorzuschreiten  unterfangt,  als  war'  jene  ein  geringer  GegensUnd,  gut 
genug  für  jeden  Versuch  (ßat  itxperimentum  in  corpore  viliy  sagen  die 
Mediziner)  und  jedes  wildernde  Gelüsten  der  Effekt-  und  Beutema- 
cherei?  — 

Ein  solch  fragliches  Unternehmen  liegt  vor;  es  ist  mit  solcher 
Energie  in  das  Leben  getreten,  so  geistreiche  Männer,  so  bedeutende 
Musiktaiente  haben  sich  an  ihm  beiheiligt,  dass  die  Kunstlehre  sich  ge- 
wissenhafter Prüfung  nicht  enlziehn  darf,  wenn  sie  nicht  ihrer  PQicht 
untreu  werden  will.  Um  so  weniger,  als  in  dieser  Angelegenheit  zwei 
Priflzipe  gegen  einander  in  Kampf  treten ,  die  von  jeher  die  Kunst  und 
die  kunstübenden  Völker  getheilt  haben  und  deren  vollkommne  Eini- 
gung stets  nurPrel^nnd  Kennzeichen  der  höchsten  Meister  war.  Es 
ist,  um  es  kurz  anzudeuten,  der  Gegensatz  von  Sinnlichkeit  und  Geist, 
von  Materialismus  und  Idealismus ,  von  romanischer  und  germanischer 
Sinnesart,  der  sich  auch  in  der  Orchestration  hat  bethätigen  müssen,  in 
der  Bildung  und  Verwendung  des  Orchesters. 

Es  ist  nicht  hier  der  Ort,  diese  Erscheinung  erschöpfend  zu  be- 
trachten ;  das  wird  einer  andern  Stelle  vorbehalten.  Wir  haben  für 
diesmal  nur  die  über  den  bisherigen,  —  bestimmter:  über  den  Beetfao- 
ven'schen  Standpunkt  hinausgehenden  Orchesterbildungen  mit  ihren 
nächsten  Folgen  zu  beurlheilen. 

Kann  man  über  das  Beethoven'sche  Orchester  hin- 
ausgehn? 

Diese  Frage  ist  im  Lehrbuche  vollständig  beantwortet.  Wir  haben 
ganze  Reiben  von  Instrumenten  kennen  gelernt,  die  Beethoven  gar 
nicht  gekannt  hat;  als  Beispiel  dienen  alle  Ventilinstrumente.  Wenn 
Beethoven  nächst  dem  Quartett  und  den  Schlaginstrumenten  nur  den 
Gegensatz  von  Blech-  und  Holzblasinstrumenten  besass ,  so  stellt  sich 
uns  die  ganze  Klasse  der  Venlilinstrumenle  zu  Gebot,  Mittel-  und 
Miscbgestalten  zwischen  dem  bestimmt  geschiednen  Karakter  der  Röhre 
und  Natur-Blechinstrumente. 

Darf  man  von  ihnen  und  andern  neuen  Instrumen- 
ten Gebrauch  machen? 

Warum  nicht  ebenso  gut,  als  Beethoven  das  Mozart'scbe 
Orchester  erweitert  hat  und  Mozart  das  vor  ihm  gebräuchliche?  Es 
kommt  nur  auf  die  Folgen  an,  die  unausbleiblich  sich  an  die  Erwei- 
terung hängen ,  und  diese  werden  durch  Masse  und  Auswahl  des  Zu- 
wachses bedingt,  den  man  dem  bisherigen  Orchester  beifügt.  Dass  der 
Komponist  gelegentlich  nach  der  Idee  seines  Werks  veranlasst  sein 


576    

rein  tonkunsüerischea  mitwirkend  gewesen  sind  and  sich,  dann  einmal 
eingebui^ert,  auch  auf  Dicbteceniscbe  Werke  (FausuOavertäre)  über- 
tragen haben.  Wagner  bildet  sein  Orchester  (wir  nehmen  Lohengrin 
als  Beispiel)  näcbst  dem  Quartett  ans 

3  Flöten  (1  Pikkolflöte),  3  Trompeten, 

3  Oboen  (1  engl.  Dorn),  4  Hörnern, 

3  Klarinetten  (1  BasskUrinelte),       3  Posaunen,  wozu  stets 
3  FagoUen,  1  Tuba  als  vierte  Stimme  Irilt, 

2  Pauken, 
verwendet  selbstverständlich  bisweilen  weniger  Stimmen,  geht  aber 
auch  darüber  hinaus  ^  indem  er  die  Violinen  in  4  Solo-  und  4  Ripien- 
parlien  zertheilt,  Harfe,  Becken  und  —  hier  aus  rein-scenischen  Ruck* 
sichten  —  ein  zweites  Orchester  auf  der  Bühne  zufügt. 

F.  Liszt  stellt  in  seinen  symphonischen  Dichtungen  neben  dem 
Quartelt 

2  Flöten  (öfter  mit  1  Pikkolflöte),    2,  3,  auch  4  Trompeten, 
2  Oboen  (öfter  mit  1  engl.  Hörn),     4  Homer, 
2  KJarinetleu  (bisweilen  1  Basski.),     3  Posaunen,  wozu  stets 
2,  auch  3  Fagotte,  1  Tuba  als  vierte  Stimme  tritt, 

2,  3,  auch  4  Pauken, 
ausserdem,  und  zwar  nicht  selten, 

1,  auch  2  Harfen,  grosse  Trbmmel,  Militairtrommel,  Becken, 
Triangel 
zusammen. 

H.  Berlioz  stellt  in  seinen  symphonischen  Dichtungen  ein  Or- 
chester von 

2  Flöten,  2  Kornetten, 

2  Oboen,  2  Trompeten, 

2  Klarinetten,  4  Hörnern, 

4  Fagotten,  3  Posaunen 

auf,  zu  denen  Pauken,  gelegentlich  bis  zu  4,  von  4  Spielern  zu  beban- 
deln, eine  oder  zwei  Harfen  (die  „wenigstens^^  doppelt  zu  besetzen 
sind),  Ophiklei'de  oder  Tuba,  grosse  Trommel,  Triangel,  Becken,  bas- 
kiscbe  Trommeln  bei  einzelnen  Sätzen  (zu  gleichsam  scenischen  Effek- 
ten) zutreten.  In  seiner  symphonisch-scenischen  Dichtung  Harold  en 
Italic  wird  dem  Quartett  eine  Solo-Bratsche  obligat  melodieführend  zu* 
gefügt,  anderswo  wird  erste  und  zweite  Violin  in  drei,  die  Bratsche  in 
zwei  Partien  getheilt. 

So  finden  wir  denn  die  Röhre  um  2  bis  4 ,  das  Blech  um  3  bis  5 
Stimmen  vermehrt,  einen  dritten  Chor  zu  denen  der  Bläser  und  Streich* 
instrumente,  die  Harfenpartie,  zugefügt.  Natürlich  muss  vor  allen  Din- 
gen das  Quartett,  um  der  grössern  Bläser-  und  Harfenmasse  gewachsen 
zu  sein,  stärker  besetzt  werden;  Berlioz  federt  im  Harold  aus- 
drücklich 


577     

„weDigstens'*  15  erste  Violinen, 

,,  15  zweite  Violinen, 

„  10  Bratschen, 

,,  12  (in  der  Episode  de  la  vie  d'un  artiste  11) 

Violoncelle, 

„  9  Kontrabässe,  — 

und  man  mass  allerdings  diese  Foderung  als  gar  nicht  übertrieben  an- 
erkennen. 

Das  nächste  and  allgemein3te  Ergebniss  der  nenen  Orchestration 
ist  also  offenbar  Vergrösserung  der  Schallmasse,  des  mate- 
riellen Theils  der  Kunstgebilde,  und  damit  drastischere  Ein- 
wirkung auf  den  körperlichen  Sinn  der  Hörer.  Dies  Ei^ebniss  ist  so 
unverborgen ,  dass  es  nothwendig  Absiebt  der  Komponisten  gewesen 
sein  mnss.  Zum  Deberfluss  legt  der  Führer  auf  diesem  Pfade,  H.  Ber- 
lioz,  in  seinem  Cours  d*instrumentaiion  darüber  vollgültigstes  Zeug- 
niss  ab.  Er  verspricht  wahre  Wunder  von  den  Aufführungen  eines 
Orchesters  ans  456  Instrumenten ,  worunter  120  Violinen ,  40  Brat- 
sehen, 45  Violoncelle ,  33  Kontrabässe ,  30  Warfen,  30  Forlepiano's, 
14  Flöten  u.  s.  w.  ,,In  den  tausend  möglichen  Zusammenstellungen 
dieses  Riesenorchesters  (versichert  er)  würde  ein  Reichthum  von 
Harmonien  (er  kann  nicht  neue  Akkordbildungen  oder  Verknüpfungen 
meinen,  sondern  Zusammenklänge,  Klangphänomene),  eine  Mannig- 
faltigkeit von  Klangfarben,  eine  Aufeinanderfolge  von  Gegensätzen 
wohnen,  womit  sich  Nichts,  was  bis  auf  den  heutigen  Tag  in  der  Kunst 
geschaffen  worden,  vergleichen  liesse,  und  obenein  eine  unberechen- 
bare Gewalt  der  Melodie  (hier  kann  wieder  nicht  der  tonische  Inhalt, 
das  Wesen  der  Melodie,  sondern  ihre  Darstellung  durch  verstärkte 
und  mannigfaltigere  Organe  gemeint  sein),  des  Ausdrucks  und  des 
Rhythmus,  eine  durchdringende  Kraft,  wie  in  nichts  Anderm,  eine 
wunderbare  Begabung  für  Schattirungen  im  Ganzen,  wie  im  Einzelnen. 
Seine  Ruhe  würde  majestätisch  sein ,  wie  der  Schlummer  des  Ozeans; 
seine  Bewegungen  würden  an  die  Stürme  der  Tropenländer,  seine  Aus- 
brüche an  das  Tosen  der  Vulkane  erinnern ;  man  würde  darin  die  Kla- 
gen, das  Gemurmel ,  das  geheimnissvolle  Geräusch  der  Urwälder  wie- 
derfinden, das  Flehen,  die  Bitten,  die  Triumph-  oder  Trauergesänge 
eines  ganzen  Volks  voll  mittheiienden  Gemüthes,  voll  glühenden  Her- 
zens, voll  wilder  Leidenschaften;  sein  Stillschweigen  würde  Furcht 
einflössen  durch  seine  Feierlichkeit,  und  selbst  die  zähesten  Naturen 
mnssten  erbeben ,  sähen  sie ,  wie  sein  crescendo  brüllend  grösser  und 
grösser  würde,  gleich  einer  Ungeheuern  erhabenen  Feuersbrunst.'' 

Nicht  blos  das  Heer  der  Instrumente,  das  dem  Anführer  auf  diesem 
Weg' als  Begehrenswürdigstes  erscheint,  giebt  Zeugniss  für  das  hier 
vorwaltende  Prinzip  des  Materialismus,  die  bildergeschmückte 
Verbeissung  verstärkt  das  Zeugniss;   sie  ist  nicht  nur  bilderreich, 

AI  a  r  X ,  Komp.  L.  IV.  .1.  Aufl.  37 


578     

sondern  bezeichnend,  wenn  sie  die  Sliirnie  der  Tropenländer ,  das  To- 
sen der  Vulkane ,  die  geheimoissvolie  Stiaime  der  Urwälder,  das  brül- 
lend, gleich  einer  nngeheuern  Peuersbrunst  anschwellende  crescendo, 
die  durchschütlerndslen  Erscheinungen  der  Sinnenwelt  als  Zielpunkte 
hinstellt.  Das  ist  für  den  sinnlichen,  materialistischen  Franzosen  (wir 
meinen  nicht  Berlioz,  sondern  sein  Volk),  der  bei  air  seiner  Regsam- 
keit und  Bewegsamkeit,  bei  seiner  technischen  Geschicklichkeit  und 
dem  Flackerfeuer  seines  leichterregten  und  leichtverschwundenen  En- 
thusiasmus doch  durch  und  durch  prosaisch  ist  nnd  bleibt,  ganz  natur- 
gemäss.  Dem  Deutschen  ist  ein  höher  Ziel  gesetzt ;  er  ist  auf  das  Ideal 
hingewiesen.  Die  geistige  Seite  des  Lebens,  des  Menscheutbums  gilt 
ihm  über  Alles  und  die  glänzendsten  und  erregendsten  Naturerschei- 
nungen können  ihm  nur  Beiwerk  oder  mitbestimmendes  Verhältniss 
sein,  Idealität  ist  ihm  als  Ziel  gesetzt.  Daher  bedarf  er  gar  nicht  jener 
gewaltigen  Ausrüstung,  nur  um  Naturmomente  recht  realistisch  ausge- 
stopft hinzustellen.  Im  Gegeniheil  findet  er  im  Vorwalten  des  Geistes 
vollgenügende  Mittel,  der  Phantasie  des  Hörers  alle  Wunder  der  Aus- 
senwelt  vorzuzaubern  \  und  hierauf  kommt  es  ja  doch  allein  an ,  jede 
realistische  Nachahmung  der  Naturgewalten  ist  für  sich  allein  doch  nur 
ärmliches  Kinderspieizeug.  Man  kann  sich  die  Bedeutung  der  Masse 
schon  daran  klar  machen,  dass  jede  der  Ueberbietung  preisgegeben, 
dass  nichts  für  den  spekulirenden  Verstand  wohlfeiler  ist,  als  dem  Ber- 
lioz'schen  Riesenorcbester  von  456  Mann  ein  Gigantenorchester  von 
912  Mann  nachfolgen  zu  lassen.  Und  in  der  That  hat  Berlioz  selber 
dem  Riesenorchester  neuerdings  noch  den  neuerfundenen  Oktobass 
(S.  250)  zugefügt. 

Was  wir  übrigens  als  Ziel  deutscher  Kunst  bezeichnet  haben, 
Menschenthum  und  Ideal,  ist  die  Aufgabe  aller  ächten  und  grossen 
Künstler  gewesen  und  muss  es  alP  ihren  Nachfolgern  für  ewig  bleiben; 
die  Griechen  ebensowohl,  wie  Raphael,  wie  Shakespeare,  wie  Schiller 
und  Goethe,  Mozart  und  Beethoven  sind  dess  Zeugen.  Auch  die  Mo- 
mente des  Völkerlebens  haben  sie  niemals  anders ,  als  durch  geistige 
Mittel  zur  Anschauung  bringen  können.  So  hat  Beethoven  unter 
andern  in  der  Heldensymphonie  gethan ,  ohne  grössern  Aufwand ,  als 
den  eines  dritten  Horns ;  nicht  einmal  der  Posaunen  und  Pikkolflöten 
bedurft'  er  für  dieses  Bild  des  Kriegs-  und  Heldenlebens.  Hätten  seine 
Gedanken  nicht  an  die  Grösse  der  Aufgabe  hinangereicht :  Aufhäufung 
des  Materials  hätte  das  Kunstgebilde  nicht  grösser,  sondern  nur 
dick  und  fett  machen ,  hätte  das  Trommelfell  betäuben  und  sprengen 
können,  ohne  das  Gebilde  zu  beleben  und  die  Phantasie  zurTheilnahme 
zu  wecken.  Und  endlich  —  wo  bleiben  denn  diese  weltumfassenden 
Entwürfe?  für  die  zerstreuten  Begebenheiten  eines  Räuber-  oder  Kunst- 
lerlebens ,  für  die  Träume  und  Leidenschaften  eines  natürlicherweise 
verliebten  Künstlers,  dem  das  Bild  der  Geliebten  nie  anders  erscheint, 


579 

als  an  eine  bestimmte  mnsikalische  Phrase  gabaodeii  (wie  arm!),  für 
einen  Ball,  auf  dem  ihn  das  Bild  umschwebt,  für  eine  ländliche  Scene,  wo 
zwei  Hirten  den  Kuhreigen  (französisch:  ranz  de  vaches)  „dialogi- 
siren''  und  der  arme  Knabe  über  seine  Verlassenheit  nachdenkt,  für 
den  Gang  zur  Hinrichtung,  für  einen  Hexentanz  wäre  das  Klavier  über- 
genügend gewesen.  Beethoven  hat  unendlich  Tieferes  dem  Klavier 
und  Quartett  anvertraut  und  sein  Orchester  nur  für  höhere  Aufgaben 
berufen. 

Der  Ueberflüssigkeit  der  Mittel  wär^  indess  nachzusehn ,  wenn  sie 
nicht  zu  einem  Prinzip  der  Instrumentation  führte,  das  mit 
wahrer  Kunst  schlechthin  unverträglich  ist.  Nicht  ungestraft  (die 
Kunst  kennt  so  gut  das  Uebel  der  Fettsucht,  wie  der  Körper)  häuft 
man  üeberfluss  des  Materials  zusammen ;  er  hemmt  und  erstickt  das 
geistige  Leben  und  die  gesunde,  leichte,  fröhliche  Bewegung.  Wie 
glücklich,  wie  heiter  tanzt  ein  Haydn'scher,  Beethoven'scher 
Salz  dahin,  wie  findet  da  jedes  Organ  Spielraum,  führt  frei  und 
ungehemmt  sein  Leben,  gleich  den  Personen  im  wohlgestalteten  Drama 
des  Dichters!  Jede  Stimme  wird  dem  Tondichter  lebendige,  karakter- 
volle  Persönlichkeit,  die  für  sich  allein  handelt,  oder  sich  mit  gleichge- 
sinnten  vereint  und  verschmilzt,  mit  fremdartigen,  Rarakter  gegen 
Karakter,  streitet  und  vielleicht  verträgt,  bis  im  rechten  Augenblick 
jedes  sein  eigen  Selbst  vergisst  und  im  grossen  Verein  Aller  aufgeht, 
recht,  wie  jeder  Einzelne  sich  selber  aufgiebt,  um  im  Leben  seines 
Volks,-  wenn  es  gilt,  aufzugehn.  Der  Dichter  aber,  der  sie  schuf,  liebt 
jede  seiner  Personen  und  lässt  väterlich  jede  nach  ihrer  Weise  gewäh- 
ren, bis  die  Macht  des  Augenblicks  Alles  vereint. 

Dies  ist  das  schnurgerade  Gegentheil  des  französischen,  überhaupt 
des  romanischen  Geistes,  in  der  Kunst  wie  im  Leben ;  individuale  Frei- 
heit, selbständige  Entwickelung  eines  Jeden  aus  sich  heraus,  Eigen- 
thümlichkeit  —  den  eigensten  Ausdruck  des  selbständigen  Karakters, 
kennen  sie  nicht  diese  einstmaligen  Knechte  des  alten  Rom ,  das  allen 
Unterworfenen  den  Stempel  seiner  Einheit  unaustilgbar  aufgeprägt  bat; 
alle  sind  sie  aus  derselben  Form ,  mit  demselben  Prinzip  hervorgegan- 
gen. Allerdings  sind  sie  darum  auch  schneller  forroirt,  haben  sie  von 
da  her  das  Streben  nach  Gemeinsamkeit  und  Uniform  und  Machtstel- 
lung, —  und  in  äusserlichen  Verhältnissen  haben  sie  sich  dessen  oft 
genug  auf  unsre  Kosten  zu  erfreuen  gehabt. 

Dies  spricht  sich  vollkommen  klar  in  der  Neubildung  des  Orche- 
sters aus,  die  von  Frankreich  ausgegangen  ist.  Diese  Instrumente  ^  die 
dem  deutschen  Tondichter  als  lebende  Personen  seines  Drama's  gegen- 
übertreten (erinnere  mich,  ruft  Mozart  im  Arbeiten  seiner  Schwester 
zu,  dass  ich  dem  Hörn  was  zu  thun  gebe),  gerinnen  zu  einem  einzigen 
Organ  oder  Werkzeug  zusammen,  das  die  einzig-lebendige  Subjeklivi- 

37* 


580     

tat  des  Komponisten  bandhabt,  wie  der  grosse  Pianist  sein  Instrument; 
an  die  Stelle  viellebiger  Dramatik  ist  Mechanismus  getreten, 
allerdings  ein  ausserordentlich  reicher,  schallgewaltiger,  an  Klangfar- 
ben vielleicht  noch  mannigfaltigerer,  als  das  klassische  Orchester,  wenn 
man  die  Klangreihen  blos  materiell  abschätzt. 

Der  Gipfel  dieses  Strebens,  wir  haben  es  schon  gesagt,  ist  die 
Masse  and  Massenwirkung,  die  aus  dem  in  Eins  zusammenge- 
schmolzenen Heer  der  Instrumente  gewonnen  wird.  Aber  dasselbe 
Prinzip  spricht  sich  nicht  blos  im  Zusammenfluss  der  gesammten  In- 
strumentenschaar  aus ,  es  durchwaltet  auch  den  ganzen  Organismus. 
Wenn  die  Flöten  (mit  Pikkolflöte),  die  Oboen  (mit  englischem  Hörn), 
die  Klarinetten  (mit  Bassklarinette)  zu  dreien ,  die  Fagotte  und  Trom- 
peten zu  drei  und  vieren,  die  Hörner  zu  vieren  aufgeführt  werden,  und 
das  nicht  ausnahmsweise  für  besondere  Zwecke ,  sondern  als  Grund- 
norm: so  wiederholt  sich  hier  wieder  das  Streben,  Masse  zu  bilden; 
jede  lustrumentart  bildet  eine  kleinere  in  sich  gefüllte  Masse  in  der 
grossen  aller  Bläser  oder  des  ganzen  Orchesters.  Diese  kleinen  Massen 
können  bisweilen  sehr  erwünschte  Klangeinheit  gewähren.  Aber  schon 
dadurch  widerstreben  sie  der  geistigern  und  darum  geistweckendern 
Aufgabe,  der  sich  die  Meister  so  gern  und  so  glücklich  unterzogen, 
das  materiell  Ungleichartige  zu  geistiger  Einheit  zu  verbinden ;  es  ist 
wie  der  Verein  von  Freien,  gegenüber  dem  Zusammenfluss  einem 
Despoten  Unterworfener. 

Hierzu  tritt  nun  noch  verhängnissvoll  die  Veotilisirung  der  Hör- 
ner und  Trompeten ,  die  den  Karakter  der  unvergleichlichen  Oi^ane 
(S.  94)  bricht ,  und  die  Zuthat  andrer  Venlilinslrumente.  Diese  Misch- 
linge von  Rohr-  und  Natur-Blechinstrumenten  sind  wie  berufen,  den 
Karakter  ihrer  Nachbarn  zu  verwischen  und  alle  Bläser  zu  einer  unter- 
schiedlosen Masse  (man  lese  Berlioz*  Urtbeil  über  die  Saxophone  und 
Saxhörner,  S.  520)  zusammenlaufen  zu  lassen.  Am  schlagendsten  tritt 
das  bei  der  Gruppe  der  Posaunen  hervor.  Nicht  ohne  triftigen  Grund 
(S.  70)  werden  die  Posaunen  in  der  Regel  in  der  Dreizahl  aufgestellt; 
will  man,  gleichviel  aus  welchem  Grund',  eine  vierte  Posaune  zufügen, 
so  bleibt  wenigstens  die  Einheit  des  Karakters  erhalten.  Weder  das 
Eine  noch  das  Andre  befriedigt  die  Anhänger  der  neuen  Orcheslerbil- 
düng;  sie  bilden  aus  drei  Posaunen  und  —  der  Tuba  einen  Chor,  gehn 
also  wieder  zur  Massigkeit  vor  und  verunreinigen  den  reinen  Posau- 
nenhall durch  die  dumpf-ungeschlachte  Tuba. 

Die  letzte  Bestätigung  des  Massenprinzips  geben  die  Har- 
fen, von  jeher  eine  Liebhaberei  der  französischen  Musiker.  Die  Harfe 
verschmilzt  niemals  mit  dem. Orchester;  man  verstärke  dasselbe,  wie 
man  wolle :  so  lange  die  Harfe  noch  hörbar  wird ,  treten  die  kurzen 
Schläge  ihrer  Saiten  als  Besonderheiten  und  Fremdheiten  heraus.  Dazu 
kommt,  dass  das  Instrument  kaum   für  karaktervoUe  Durchführung 


581     

einer  Stimme,  vorzugsweise  zu  vollen  Akkorden  und  harmonischer  Fi- 
guration  (Arpeggien)  geeignet  ist,  das  heissl,  nvieder  zum  Massebil- 
den. Daher  ist  Berlioz'  Wunsch,  30  Harfen  und  30  Fortepiano's  zu- 
sammenzustellen, ganz  folgerichtig;  die  Macht  der  Masse  liegt 
in  der  Häufung.  Soviel  des  Harfenartigen  das  Orchester  bedarf, 
haben  die  Meister  im  Pizzikato  gefunden,  das  gerade  durch  seine  Sel- 
tenheit um  so  karaktervoUer  hervortrat. 

Dass  übrigens  grosse,  vielfach  zusammengesetzte  Massen  Mo- 
mente grosser  Macht,  ja  Pracht  gewähren  können,  dass  sie 
einen  fteichthum  von  Klangkombinationen  darbieten,  der  den  des  klas- 
sischen Orchesters  noch  zu  überbieten  vermag,  wer  wollte  das  bestrei- 
ten? ein  einfaches  Rechenexempel  würde  den  Beweis  liefern,  wenn 
nicht  schon  in  den  Werken  dieser  Richtung  die  Thatsache  genugsam 
vorläge.  Gleichwohl  findet  sich,  dass  selbst  dieser,  dem  Anschein  nach 
unfehlbare  Gewinn  weit  hinter  der  Voraussetzung  zurückbleibt  uud 
selbst  hier ,  wo  es  sich  anscheinend  nur  um  Massen ,  also  Materielles 
handelt,  der  Geist  über  die  Materie  den  Sieg  davonträgt. 

Schallwirkungen  nämlich,  wie  Lichtwirknngen  finden  das 
Maass  ihrer  Krafl;  zunächst  im  Gegensatze  gegen  andre  Wir- 
kungen derselben  Art;  der  Gegensatz  gegen  eine  schwächere  Wir- 
kang  ist  es,  der  die  stärkere  hebt.  Die  Maler  wissen  das  längst;  sie 
brauchen  zur  Darstellung  der  Lichtpunkte  nicht  etwa  Metallglanz  (man 
betrachte  die  Goldgründe  und  Goldverzierung  auf  alten  Bildern)  oder 
gar  durchleuchtendes  Feuer,  sondern  die  Gegenslellung  dunklerer,  bis 
in  die  Nacht  abgestufter  Umgebung.  Auch  die  Meister  in  der  Tonkunst 
haben  das  längst  gewusst  und  geübt.  WennHaydn  lange  genug  mit 
seinem  schwachbesetzten  Quartett  und  seinen  Paar  Bläsern  gespielt 
und  gekoset  hat  und  endlich  im  mutbwilligen  Eifer  seine  zwei  Trompe- 
ten mit  den  muntern  Pauken  loslässt :  so  machen  die  mehr  Lärm ,  als 
die  Korybantenwirthschaft  des  französischen  Orchesters;  denn  dies 
wüthet  und  toset  immerfort  und  macht  gegen  den  Lärm  gleichgültig, 
während  Haydn's  Trompeten  hervorblitzen  wie  ein  Licht  durch  die 
dämmernde  Nacht.  So  auch  hat  keine  der  Massen,  die  das  französische 
Orchester  von  Anfang  an  loslässt ,  die  hehre  Pracht  des  Finale  oder 
auch  der  Cdur-Sätze  des  Andante  in  Beethoven's  £7moll-Symphonie 
erreicht. 

Dies  hat  aber  noch  einen  zweiten  Grund:  die  Reinheit  der 
Klangfarben.  Drei  Posaunen  sind  für  sich  allein  in  der  That  stär- 
ker, als  im  Verein  mit  der  dumpfen  Tuba,  wie  Roth  strahlender  ist,  als 
Rolhblau  oder  Violett;  wir  haben  im  Lehrbuch  öfter  zu  bemerken  ge- 
habt ,  dass  die  schärfern  Instrumente  durch  Zutritt  der  mildern  keines- 
wegs gestärkt,  sondern  verhüllt  und  gesänftigt  werden.  So  bewirken 
auch  vier  Fagotte  gegenüber  den  hohem  Röhren  und  vier  Hörner  ge- 
genüber den  Trompeten  und  Posaunen  nicht  Erhellung,  sondern  Ver- 


582     

dumprung  des  Sehalis.  Gleiche  Verdütikelutigen  stebn  auch  dem  klas* 
siseben  Orchester  zu  Gebot,  es  bat  daza  seine  Höroer,  seine  Robrin- 
Strumente,  besonders  die  weichen  Klarinetten  und  Fagotte;  aber  es 
bat  sich  weislich  der  Ueberladnng  enthalten,  die  allaugenbiicklicb  jene 
Mischklättge  herbeiführen,  und  es  braucht  desswegen  auch  nicht  allent- 
halben zu  den  Schlägen  der  Trommeln  und  Becken  sefne  Zuflucht  za 
nehmen ,  um  in  die  breite  Schallmasse  und  ihren  Nachhall  (denn  jeder 
starke  Scbnll  hallt  nach)  Aocent  und  Halt  zu  bringen. 

Wunderlicberweise  zeigt  sich  selbst  der  Reicbthum  an  Klang* 
mischungen,  von  dem  man  meinen  sollte,  dass  sie  errechnet  wer- 
den könnten,  täuschend.  Die  Möglichkeit  zahlreicherer  Klangmischon- 
gen  ist  allerdings  arithmetisch  festzustellen,  auch  haben  alle  obenge- 
nanute  Künstler  neue,  zum  Theil  spezifisch  bezeichnende  gefunden. 
Gleichwohl  ist  keiner  reicher  darin  gewesen ,  als  wieder  Haydn  in 
seinen  Naturspielen  in  Schöpfung  und  Jahreszeiten,  dem  sich  höchst 
geistreich  Weber  und  Meyerbeer  anschlössen,  dieser  schon  mit  der 
neuen  Orchestration.  Beethoven  darr  hier  nicht  mitgenannt  werden ; 
er  ist  zwar  in  Klangbildungen  reicher  wie  irgend  einer,  aber  bei  ihm 
sind  sie  nicht  Efl^ektmittel  fiir  den  einzelnen  Moment,  sondern  AusOässe 
ans  dem  Erguss  des  ganzen  Kunstgebildes« 

Warum  aber  sind  die  Komponisten  mit  dem  vergrösserten  Besäz 
ihres  Orchesters  nicht  zu  reichern  Aerndten  gekommen?  —  weil  aucli 
bei  ihnen  nicht  der  materielle  Reicbthum,  sondern  der  Geist,  ihr 
Prinzip  der  Orchestration ,  entscheidet. 

Nicht  ungestraft,  wir  wiederholen  es,  sucht  man  im  Aufthörmen 
des  Materials  den  Erfolg.  Diese  Schaar  von  Instrumenten  ist  einmal 
eingezogen  in  die  Phantasie  des  Komponisten;  nun  will  sie  zu  thun 
haben  und  drängt  sich  unablässig  herbei ,  nimmt  den  breitesten  Raum 
ein  und  lässt  nur  spärlich  dem  einzelnen  Instrument  oder  wenigen  Ge- 
legenheit zu  feinern  und  eigen  gefärbten  Aeusserungen.  Kommt  es 
aber  zu  Solosätzen ,  so  müssen  sie,  um  des  Gegensatzes  willen  zu  der 
vorwallenden  Masse,  durchdringenden  Instrumenten  anvertraut,  oder 
in  durchdringenden  Tonlagen  aufgestellt  werden ,  oder  es  wird  ihnen, 
gleichsam  unter  dem  Druck  der  Masse ,  der  Ausdruck  jenes  Klagens 
und  Stöhnens  zu  Theil,  der  den  Franzosen  von  jeher  als  Empfindung 
und  Schwärmerei  gegolten  bat.  Zugleich  wird  unter  der  Last  der 
Masse  die  Bewegung  des  Ganzen  unvermeidlich  verlangsamt,  ja  schlep- 
pend in  Vergleich  mit  dem  behenden  leichten  Binherscbritt  des  klassi- 
schen Orchesters ;  dies  ist  akustische  Nothwendigkeit,  weil  der  gefäll- 
tere Schall  mehr  Zeit  braucht,  sich  auszubreiten  üiid  zu  verhallen. 
Damit  wird  auch  die  Schlagfertigkeit,  der  heitere  Tanz,  die  Vielge- 
staltigkeit des  Rhythmus,  die  uns  in  Beethoven  auf  starkem  Pittig 
davonträgt,  beschränkt.  Es  ist  ein  leidiger  Trost,  wenn  man  diesem 
beschwerten  Gange  nachrühmt,  der  Satz  sti  j^largement^^  gescbrie- 


583     

beo ;  dies  targement  steht  auch  dem  leichtera  Orchester ,  auch  dem 
Quatuor  uad  Kiaviersatz  zu  Gebote ,  aber  es  ist  ihm  nicht  als  Unver- 
meidlichkeit auferlegt. 

So  sehn  wir  das  neuere  Prinzip  der  Orchestration  die  ganze  Kom- 
position durchwalten;  es  begreift  sich  nun,  dass  es  aller  individuellen 
Entwickelung  im  Wege  steht ,  dass  es  die  freie,  leichte,  mannigfaltige 
Melodie,  dass  es  noch  viel  mehr  die  dramatische  Wechsel-  und  Gegen- 
rede (technisch  zureden:  diePoIyphonie),  den  Preis  aller  Kunst,  hemmt 
oder  ganz  verdrängt.  Die  Melodie,  die  Hede  des  Einzelnen,  würde  ab- 
solut frei ,  aber  dürftig  wie  ein  Einsamer  sein ,  wenn  sie  ganz  allein 
stand'  als  Monodie;  der  nächste  Schritt  darüber  hinaus  ist,  dass  man  ihr 
harmonische  Grundlage,  Begleitung  als  Anhalt,  der  bedeutsamere,  dass 
man  ihr  eine  Gegenmelodie ,  einen  Gegensatz  giebt,  der  ihren  Inhalt 
dilrch  seinen  entgegenatrebenden  Inhalt  schärfer  hervortreibt.  Aber  die 
Begleitung  muss  tragen ,  nicht  durch  überflüssige  Masse  drücken  und 
überdecken ;  sonst  nöthigt  sie ,  zur  Verstärkung  der  Melodie  ebenfalls 
Instrumente  zu  häufen ,  und  zieht  wieder  die  Massenbaftigkeit  als  vor- 
waltenden Zustand  herbei,  die  nur  für  Momente  der  Entscheidung  oder 
für  besondre  Verbältnisse  wirken  soll  und  es  um  so  sicherer  thut,  je 
sparsamer  man  sie  braucht.  Noch  mehr,  als  die  einzelne  Melodie,  be- 
darf die  Führung  von  Satz  gegen  Satz  freier  und  leichtergreifbarer 
Darstellung.  Man  kann  allerdings  grosse  Massen  in  zwei  Stimmen  zu- 
sammenhäufen; oft  hat  Beethoven  alle  Bläser  zu  einer,  alle  Saiten- 
instrumente zu  einer  zweiten  oder  Gegenstimme  verschmolzen;  dies  ist 
dann  der  stärkste  Ausdruck  des  Gegensatzes«  Aber  eh'  es  zu  diesem 
Gipfelpunkt,  zu  dieser  höchsten  Entscheidung  kommt,  welch'  ein  rei« 
ches,  buntes  Leben  drängt  sich  da  gleich  der  Knospenüberfülle  des 
Frühlings  wetteifernd  zur  Entfaltung  1  Alle  Stimmen  des  Orchesters 
begehren  rein  für  sich  und  verschmolzen  zu  zweien  und  dreien,  ein- 
zeln oder  gepaart ,  an  diesem  heitern  und  vielbedeuligen  Reigentanz, 
der  das  Leben  des  Orchesters  ist,  theilzunebmen ;  das  wechselt,  das 
wandelt  sich ,  das  vereinzelt  sich  fast  bis  zum  Sichverlieren ,  das  paart 
nnd  scbaart  sich  wieder,  bis  zuletzt  alles  Einzelne  sich  darangicbt ,  die 
Macht  des  Ganzen  in  ehernem  Gusse  siegen  und  entscheiden  zu  lassen. 
Es  ist,  wir  wiederholen  es,  das  Bild  eines  freien,  in  jedem  Einzelnen 
regsamen  und^  eigenbeseelten  Volkes  gegenüber  einer  unter  den  Eigen- 
willen eines  Einzelnen  gesobaart^u  Menge. 


584     

Anordnung*  der  Partitur. 

Za  Seite  370. 

Es  ist  hier ,  wo  wir  die  gesammten  Chöre  des  Orchesters  zusam- 
menführen, höchste  Zeit,  über 

die  Anordnung  der  Partitur 

wenigstens  das  Nöthigste  zu  sagen.  Im  Werke  selber  haben  wir  jedes 
entlehnte  oder  selbstgebildete  Beispiel  in  der  Anordnung  gegeben ,  die 
es  in  der  Originalpartitur  hatte  oder  die  uns  eben  die  bequemste  war. 
Allein  aus  zwei  Gründen  dürfen  wir  es  nicht  bei  dieser  Zufälligkeit 
bewenden  lassen ;  einmal,  weil  es  nicht  gleichgültig  ist,  ob  unsre  Par- 
tituren übersichtlich  oder  erschwert  abgefasst  werden ;  dann,  weil  man 
dorch  angeschickte  oder  auch  nur  ungewöhnliche  Anordnung  leicht  das 
Vorurtheil  der  Gewohnheitsmänner  gegen  ein  Werk  erregt,  für  das 
man  ihre  Tbeilnahme  nicht  entbehren  kann  —  und  es  unklug  ist,  dem 
Vorurtheil  und  der  Missstimmung  Trotz  zu  bieten ,  wo  nicht  höhere 
Bestimmungsgründe  dazu  nöthigen.  Uebrigens  ist  nicht  zu  leugnen, 
dass  für  mancherlei  Aufgaben  verschiedne  Anordnungen  üblich  und 
bisweilen  von  ungefähr  gleichem  Werthe  sind.  Aber  dies  ist  nur  ein 
Grund  mehr,  die  Sache  zur  Sprache*)  zu  bringen  und  auf  bestimmte 
Grundsätze  zurückzuführen ;  nur  so  ist  ein  übereinstimmendes  Verhal- 
ten der  Komponisten  und  Verleger  und  damit  erhebliche  Erleichterung 
des  Partiturlesens  zu  erreichen. 

Der  Zweck  der  Partiturordnung  ist  natürlich  kein  andrer,  als,  die 
Uebersicht  der  Stimmen  zu  erleichtern. 

Hierzu  führt  vor  allem  eine  erste  Regel: 

man  muss  die  Stimmen  nach  ihrer  natürlichen  Tonordnung 
aufstellen ,  die  tiefste  zu  unterst ,  die  je  höher  liegenden  dar- 
über, die  höchste  zu  oberst ; 
die  auch  vollkommen  ausreichend  ist,  wenn  die  Partitur  nur  einen  ein- 
zigen Stimmchor  enthält.  Man  setzt  also  Singchor  und  Quartett,  jedes 
für  sich,  in  dieser  Stimmordnung : 

Diskant,  Erste  Violine, 

Alt,  Zweite  Violine, 

Tenor,  Bratsche, 

Bass,  Bass ; 


*)  Versl.  All;.  Musiklehre,  S.  181. 


585     

Robr-  und  Blechinstrumeote  io  gleicher  Ordnung  so : 

Flöten,  Trompeten, 

Oboen,  Homer, 

Klarinetten,  Pauken. 
Fagotte, 

Nach  gleichem  Grundsatze  wird  verfahren ,  wenn  die  hier  aufge- 
führten Partien  getheiit  oder  zahlreicher  gebraucht  werden;  die  je 
höbern  Stimmen  werden  über  die  tiefern  gesetzt.  Z.  B. 

Soprano  I.,  Flauto  piccolo, 

Soprano  IL,  u.  s.  w.  Flauti, 

Oboi, 
Trombe  in  Es,  Clarinetti, 

Comi  in  Es,  Corni  di  bassetto, 

Corni  in  B  basso,  n.  s.  w.     Fagotti, 

Serpente  e  Contra fagotto,  u.  s.  w. 

In  solcher  Weise  ist  die  Partitur  in  Nr.  430,  503  des  dritten ,  so- 
wie Nr.  55,  60,  97,  140,  144,  357  u.  s.  w.  des  vorliegenden  Tbeils 
geordnet. 

Wenn  zwei  und  mehr  Stimmchöre  zusammentreten,  ist  es  be* 
kanntlich  Grundsatz ,  jeden  der  Chöre  als  ein  Zusammengehöriges  zu 
behandeln.  Dem  entspricht  nun  eine  zweite  Regel  für  die  Partitur- 
ordnung : 

die  zusammengehörenden,    einen   Chor  bildenden  Stimmen 
müssen  zusammengestellt  werden  $ 

ein  Doppelchor  für  Gesang,  oder  vereinte  Chöre  von  Rohr-  und  Blech- 
instrumenten müssen  daher  so  gesetzt  werden ,  dass  die  Stimmen  jedes 
Chors  beisammen  bleiben,  —  die  Rohrinstrumente  für  sich  und  das 
Blech  für  sich. 

Ehe  wir  aber  hierauf  näher  eingebn,  ist  zu  erwägen,  dass  Er- 
stens von  verschiednen  Chören  in  der  Regel  einer  vor  dem  andern 
insofern  den  Vorzug  hat,  als  er  mehr  oder  gewichtiger  in  Thätigkeit 
tritt;  und  Zwei  tens,  dass  die  tiefste  und  dabei  beschäftigtste  Stimme 
in  modulatorischer  Hinsicht  besonders  wichtig  ist,  weil  sie  die  meisten 
Grundtöne  enthält ,  mithin  beim  Oeberblick  der  Partitur  den  Leitfaden 
durch  die  Modulation  bietet.  Hieraus  ergiebt  sich  die  dritte  Regel: 

der  wichtigere  und  namentlich  der  die  reichste  Unterstimme 

enthaltende  Chor  wird  zu  unterst  gesetzt ; 
denn  dann  findet  das  Auge  die  wichtigste  Stimme  zu  unterst  als  Träge- 
rin des  Ganzen.  Vereinigen  sieh  also  z.  B.  Sologesangstimmen  mit 
Chorgesang,  oder  mehrere  Gesangchöre,  oder  das  Streichquartett  mit 
dem  Chor  der  Rohrinstrumente ,  oder  der  letzlere  Chor  mit  dem  der 
Blechinstrumente :  so  wird  so  — 


586 


Soprauo  Solo, 
Alto  Solo,  u.  s. 
Canto  (Chor), 
Alto,  u.  s.  w. 


C.  I. 


CIL 


(Soprano  1.,  u.  s.  w. 
Basso  I. 

{Soprano  II  ,  u.  s.  w. 
Basso  Ih 


ferner  so  — 


tt.  s,  w. 


Flauti, 
Pagoüi, 

Violino  Lj  u.  s. 
Basso 


s.  w. 


TroDtbe,  u. 
Timpani, 
Flauti,  u.  s.  w. 
Contrafagotto 

gesetzt.  Von  zwei  oder  mehrem  Gesangcbören  wird,  wie  man  Th.III. 
Nr.  521  und  522  sehen  kann,  der  liefere  zu  unterst  gestellt.  Die 
Vortheile  dieser  Aufstellung  sind  einleuchtend. 

Neben  diesen  Grundregeln  zeigen  sich  indess  mancherlei  Ausnah- 
men wohlberechtigt,  die  meistens  darauf  beruhen,  dass  die  Hegeln  ge- 
gen einander  in  Widerspruch  treten  und  man  Ursach'  hat,  bald  der 
eiuen,  bald  der  andern  Folge  zu  geben. 

Erstens  stellt  man  im  Chor  der  Rohrinstrumente  die  höhern 
Klarinettarien  mit  den  tiefern  zusammen,  wenn  jene  auch  höher  liegen 
sollten ,  als  die  Oboen  (ebenso  müssten  die  englischen  Hörner  zu  den 
Oboen  treten;,  — 

Oboi,  Flauti, 

Corni  inglesi,  Oboi, 

Clarinetti,  Gorni  inglesi, 

oder :  Clarinetto  in  Esj 

Clarinetti,  Clarinetti  in  B, 

Oboi,  Corni  di  bassetto 
Gorni  inglesi,     / 

giebt  also  der  zweiten  Regel  Folge  vor  der  ersten. 

Zweitens  setzt  man,  wenn  blos  Höruer  zu  den  Rohriuslrumen- 
ten  treten ,  dieselben  lediglich  nach  der  ersten  Regel  unter  die  Rohrin- 
strumente, z.  B. 

Clarinetti, 

Gorni, 

Fagotti, 

wie  wir  in  Nr.  154,  200  und  2U6  gethan.  Der  Grund ,  hier  die  zweite 
Regel  zu  verlassen,  ist,  dass  die  Hörner  sich  den  Röhren  oft  inniger 
anschmiegen,  als  dem  übrigen  Blech,  und  es  um  so  weniger  nölhig  ist, 
sie  auf  Kosten  der  ersten  Regel  abzusondern,  wenn  sie  aus  dem  Blech- 
chor  allein  auftreten. 

Driitens  setzt  man  im  Blechchor  aus  gleichem  Grunde  dieTrom* 
pelen  bisweilen  unter  die  Hörner  zu  den  Pauken,  z.  B. 


587     

CoFDi  in  Esj  Gortri  in  Es, 

Corni  in  B,  Gorni  in  ff, 

Trombe  in  B,  Trombe  in  Es^ 

Timpani,  Timpani, 

wenn  nämlich  Trompeten  und  Pauken  immer  oder  vorberrscbend  zu- 
sammenhalten, die  Hörner  aber  sich  mehr  den  Röhren  aaschlies$en.  — 
Sehr  verbreitet  ist  eine  andre  Stellung,  die  gleichen  Grund  haben  mag 
und  die  Pauken  über  die  Trompeten  bringt,  — 
Timpani, 
Giarini, 
Gorni, 

Plauti,  n.  s.  w. 
die  uns  aber  weniger  billigenswerth  scheint  ^  da  sie  zu  aif  gegen  die 
erste  Regel  verstösst  und  Tief^tes^  Hohes,  Mittleres  und  Höchstes  durcb- 
einanderwirfl. 

Viertens  werden  im  Blechchor  die  Posaunen  zwar  stets  beisam- 
men gelassen,  bald  aber  (nach  der  ersten  Regel)  unter  Trompeten  und 
Hörner,  bald  als  besondrer  Gbor  (nach  der  zweiten  Regel)  über  sie  ge- 
stellt. 

Wenn  nun  Fünftens  alle  drei  Ghöre  des  Orchesters  zusammen- 
treten, so  wird  nach  der  dritten  Regel  das  Streichquartett  zu  unlerst 
gestellt.  Hinsichts  der  Blaser  bestehen  in  neuerer  Zeit  besonders  zwei 
Weisen ,  die  wir  hier  — 

Timpani,  Flauti,  u.  s.  w. 

Trombe,  Fagotti, 

Gorni,  Trombe,  u.  s.  w. 

Flauti,  u.  s.  w.  Gorni, 

Fagotti,  Timpani, 

Violine  I.,  u.  s.  w.  Violino  I.,  u.  s.  w. 

andeuten.  Abgesehen  von  der  Verletzung  der  ersten  Regel  im  Blech 
erscheint  die  erste  dieser  Aufstellungen  ganz  folgerichtig  nach  der 
S.  586  gegebenen  Zusammenstellung  der  Röhre  mit  dem  Blech.  Doch 
ziehen  wir  die  zweite  vor.  Denn  in  dieser  stehen  die  hochsteigenden 
Flöten  obenan,  können  also  bequem  ausgeschrieben  werden;  die  erste 
Violine  hat  das  notenarme  System  der  Pauken  über  sich ,  kann  also 
ebenfalls  gut  geschrieben  werden;  beide  Hauptchöre  sind  durch  das  oft 
pausireude,  ganz  anders  gestaltete  Blech  geschieden  und  dadurch  leich- 
ter auf-  und  zusammenzufassen.  Wenn  übrigens  die  Pikkolflöte  bis- 
weilen unter  die  grosse  Flöte  gesetzt  wird,  so  scheint  diese  Verkehrung 
auch  nur  den  Grund  zu  haben ,  für  die  Noten  der  Flöte  mehr  Raum  zu 
finden. 

Seohslens  scheint  es  in  der  letztem  Anordnung  wohlgelhan, 
die  Posaunen  und  die  vielleicht  angewendete  grosse  Trommel  zwischen 
das  Rohr  und  übrige  Blech  — 


588     

Plaati,  Q.  s.  w. 

Pagotti, 

Tromboni, 

Grao  tamboro, 

Clarini,  u.  s.  w. 

Timpani, 

Violino  L,  u.  s.  w. 
zu  stellen ,  da  sie  entweder  als  eigner  Chor  auftreten,  oder  sieb  ibrena 
Tongehalt   nach   mehr   zu  dem  Robr  halten,  als  zu  Trompeten   und 
Hörnern. 

Wenn  Siebentens  zum  Orchester  Singstimmen  treten,  so  müs- 
sen diese  der  Regel  nach  als  Hauptchor  gelten,  sollten  also  zu  unterst 
stehen.  Dies  ist  aber  nicht  rathsam,  weil  nicht  in  ihnen,  sondern  im 
Quartett  die  vollständigere  Bassstimme  zu  finden  ist.  Hier  muss  also 
zwischen  der  zweiten  und  dritten  Regel  ein  Abkommen  stattfinden; 
man  schiebt  die  Singstimmen,  wie  hier  — 

Plauti,  u.  s.  w. 

Violino  I., 

Violino  n., 

Viola, 

Canto,  u.  s.  w. 

Violoncello  e  Basso, 
angedeutet  ist,  in  dem  Quartett,  zwischen  Bratsche  und  Bass  ein,  so 
dass  man  zu  unterst  die  wichtigste  Unterstimme  und  dann  sogleich  den 
wichtigsten  Chor  zur  Hand  hat. 

Weniger  zweckmässig  erscheint  die  ältere  Schreibart,  die  die 
Violinen  und  Bratsche  zu  oberst ,  den  Bass  zu  unterst  stellte  und  da- 
zwischen nicht  blos  die  Singstimmen,  sondern  auch  (über  diesen)  alle 
Bläser  einschob;  diese  Ordnung  fand  ihr  Entstehen  und  ihren  Anlass 
wohl  nur  in  der  noch  altern  (vor-Haydn^schen)  Satzweise,  die  die 
Bläser  fast  ausschliesslich  zur  Verdoppelung  der  Streichinstrumente  ver- 
wandte. Noch  zersplitternder  lrifi*t  unser  Auge  die  ältere  Anordnung, 
die  mit  der  eben  erwähnten  in  dem  Auseinanderreissen  des  Quartetts 
übereinkam,  die  Bratsche  aber  von  den  Geigen  weg  zum  Bass  stellte, 
auch  wohl  die  Pagolte  vom  Rohr  weg  zum  Bass  brachte ,  weil  beide 
Instrumente  mehr  zum  Bass  hielten,  als  selbständig  gingen. 

Sollen  endlich  Achtens  Ventilinstrumente  angewendet  werden, 
so  müssen  sie  entweder  den  ihnen  verwandtesten  Blechinstrumenten 
anschliessen,  —  z.  B.  Tenorhorn  und  Tuba  den  Posaunen ,  Ventilhorn 
und  Ventiltrompete  den  Naturhörnern  und  Naturtrompeten,  —  oder  als 
selbständiger  Chor  zwischen  Rohr  und  Blech  (Naturinstrumenle)  treten. 
Das  Weitere  lehrt  der  Anblick  unsrer  Beispiele ,  oder  ist  in  der 
Musiklebre  zu  finden. 


589     

Eiftwurf  und  Anlage  der  Partitur. 

Za  Seite  394. 

Zam  Schluss  der  Lehre  kommen  wir  noch  einmal  auf  einen  zwar 
nur  äusserlichen,  aber  höchst  einflassreicben  Gegenstand  zurück  :  a  u  f 
die  Weise,  grössere  Werke  zu  Tollenden  und  zu  Papier 
zu  bringen;  und  in  Anwendung  anf  Orchester-  nnd  grössere  Ge- 
sangkomposition: auf  die  Art,  sie  in  Partitur  zu  setzen. 

Schon  bei  weit  einfachem  Aufgaben  (z.  B.  bei  der  Choralfigura- . 
tion  und  Fuge,  Th.  11,  S.  112,  134,  363,  393)  wurde  die  Erspriess- 
lichkeit  erkannt,  zuvörderst  einen  Entwurf  zu  machen,  in  dem  nur  das 
Nölhigsle  und  Feststehende  angedeutet,  alles  Zweifelhafte  und  Hem- 
mende bei  Seite  gelassen  würde,  der  leicht  und  schnell  niedergeschrie- 
ben, verändert,  ausgefüllt  werden  könnte  und  nach  vorgängiger  Prü- 
fung in  mehrmaligem  Ueberarbeiten  endlich  zur  Ausführung  nnd  zum 
vollständigen  Werke  gedeihe.  Dass  bei  noch  umfassendem  und  viel- 
seitigem Werken ,  namentlich  bei  grössern  Kompositionen  für  Orche- 
ster und  Gesang ,  ein  solcher  Entwurf  noch  nothwendiger  und  förder- 
licher sein  muss,  versteht  sich  von  selber.  Wir  haben  daher  auch  in 
diesem  Theile  wiederholt  auf  die  Nothwendigkeit  des  Entwerfens  hin- 
gewiesen. Zwar  können  wir  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  geschärfte 
Vorstellungskraft,  unterstützt  von  ausgebildetem  Gedächtnisse,  dessel- 
ben weniger  dringend  bedarf,  vielleicht  in  einzelnen  Fällen  es  ganz  ent- 
behren kann.  Allein  eine  solche  —  und  zwar  durchaus  sicherstellende 
Begabung  und  Gewöhnung  ist  als  Ausnahme  zu  erachten,  ja  sie  ist 
nicht  einmal  Bedingung  oder  Zeichen  höherer  künstlerischer  Kraft.  In 
der  Regel  ist  Entwerfen  erspriesslich,  wo  nicht  nothwendig.  Es  gestat- 
tet, dem  Gedankenfluge  so  schnell  als  möglich  zu  folgen ,  bei  unerkäl- 
teter Schaifensglut  und  in  ununterbrochener  unveränderter  Stimmung, 
also  mit  gegründeter  Hoffnung  auf  innere  Einheit  (Th.  111.  S.  328)  das 
Ganze  wenigstens  der  Hauptsache  nach  zu  vollenden;  es  schützt  vor 
Störungen  durch  einzelne  Zweifel,  die  vielleicht  nur  Nebenpunkte  be- 
treffen; es  erspart,  besonders  in  grossem  Werken  (z.  B.  Partituren), 
den  lähmenden  Verdruss,  von  Zeit  zn  Zeit  mehrere  Bogen  wegzuwer- 
fen, vielleicht  um  einiger  verfehlten  Takte  willen.  Daher  finden  wir 
bei  Künstlern  aller  Richtungen  das  Hulfsmittel  des  Entwerfens  ange- 
wendet; der  Dramatiker  entwirft  sein  Scenarium  und  notirt  gelegent- 
lich einzelne  Wenduugen,  Karakterztige ,  ja  ganze  Sceneu;  —  der 
Maler  entwirft  erst  in  Umrissen ,  dann  in  Nacktzeichnung  mit  ange- 
deutetem Licht-  und  Schatteneffekt,  dann  in  einer  Farbenskizze  sein 


590 


Gemälde,  wie  solcher  Eotworfe  viele  von  Raphael,  Habens  a.  A. 
io  Wien,  Muncheo,  Dresdeo,  Berlin  nod  anderwärts  zn  finden  sind;  — 
von  Haydn,  Mozart,  Beethoven  sind  ebenfalls  Entwürfe  tbeils 
faksimilirt,  theils  in  den  Sammlungen  aufbewahrt.  « 

Eine  andre  Frage  ist :  in  welcher  Gestall  dergleichen  Entwürfe 
am  zweckmässigsten  zn  machen  seien.  —  Hier  giebt  es  unstreitig  vie- 
lerlei Weisen ,  deren  jede  diesen  oder  jenen  besondern  Vortheil  bielen 
kann.  Es  kommt  darauf  an,  die  leichteste  Weise  zu  finden,  die  zugleich 
Raum  für  das  Nöthigste  bietet.  Bei  einfachem  Werken  mag  ein  Ko- 
tensystem  genügen;  so  hat  der  Verf.  einen  ersten  Entwarf  von  Beet- 
hoven zur  Adelaide  auf  einem  System  gesehn.  In  der  Regel  haben 
zwei  Systeme  den  Vorzug,  da  man  auf  ihnen  für  Tiefe  und  Höhe  gleich- 
zeilig  Raum  findet  und  daneben  noch  Vielerlei  notiren  und  bemerken 
kann.  Der  Verf.  hat  selbst  bei  Entwürfen  für  Doppelchor  und  Orchester 
daran  genug  gehabt,  die  Chöre  mit  I,  II  bezeichnet,  die  Instrumente  — 
für  den  ersten  Augenblick—  mit  Gl.  Ob.  Fl.  Pc.  V  I.  Tr.Pos.  P.BI.  Ms. 
R.  St.  (Klarinette,  Oboe,  Flöte,  Pikkolo,  Violine  I.,  Trompete,  Posaune, 
Pauke,  Blech ,  Masse,  Rohr,  Streichinstrumente),  oder  mit  mehr  will- 
kührlichen  Zeichen,  z.  B.  — 


D.  d. 


-r*   r* 


;=^- 


:^=^l^t: 


^1 


:t= 


(G-  und  F-Schlüssel  sind  vorausgesetzt,  D.  d,  bedeutet  Z>dur,  der 
Strich  durch  beide  Systeme  volle  Masse  in  breiter  Lage,  das  Zeichen 
-  -  -  -  einen  Lauf  der  Geigen  —  oder  der  ersten  Geige,  mit  oder  ohne 
Flöten  u.  s.  w.)  angedeutet.  Andre  mögen  es  mit  gleichem  oder  grös- 
serm  Vortheil  anders  machen ;  es  kommt  dabei  das  Meiste  auf  Gewohn- 
heit an.  Wollen  die  zwei  Systeme  für  besonders  verwickelte  Stellen 
nicht  reichen ,  so  wird  ausnahmsweis'  ein  drittes  zugezogeo.  Bei  der 
wiederholten  Prüfung  des  Entwurfs  findet  sich  dann  Zeit  und  Raum 
zum  Nachtragen,  so  dass  zuletzt  alles  irgend  Wesentliche  im  Entwurf 
angedeutet  ist. 

Kommt  es  dann  zur  Ausführung  des  Entwurfs  in  der  Partitur, 
dann  ist  alles  Wesentliche  tbeils  notirt,  theils  reiflich  bedacht  $  dann 
kann  die  Partitur  gleich  vollständig,  Seite  für  Seite,  niedergeschrieben 
werden,  —  mit  dem  Vorbehalt,  dass  man  neu  aufTailende  schwierige 
Stellen  in  einer  systemreichern  Skizze  erst  auf  einem  besondem  Bläit* 


591     

eben  aufzeiehnen  und  verbessern  dürfe*).  Wie  nun  übrigens  die  Par- 
titur selbst  geschrieben  werde,  das  kommt  auf  die  Umstände  an.  Bei 
ganz  unzweifelhaften  Stellen  kann  von  Takt  zu  Takt  oder  gar  von  oben 
nach  unten ,  Zeile  4ur  Zeile  über  die  ganze  Seite  hinweg  geschrieben 
werden;  steht  der  Satz  noch  nicht  vollkommen  klar  vor  dem  Auge,  so 
notirt  man  zuerst  Melodie  und  Bass  und  fügt  dann  die  Mitlelstimmen 
zu;  ist  wohl  der  Satz,  nicht  aber  die  Instrumentation  durchgängig  ge- 
fasst,  so  notirt  man  erst  jenen  in  den  für  ihn  nothwendigen  oder  sonst 
festslebenden  Stimmen  (z.  B.  polyphone  Steilen  erst  für  den  Chor  oder 
die  wesentlich  für  sie  bestimmten  Orchesterpartien)  und  fügt  dann  das 
Weitere  zu.  —  Dass  Mozart  einmal  im  Uebermuthe  (wenn  es  wahr 
ist!)  das  zweite  Hörn  zoerst  notirt  habe,  ist  wenigstens  nicht  unmög- 
lich; es  beweiset  nur,  dass  ihm  der  ganze  Satz  vollkommen  klar  und 
sicher  im  Geiste  feststand. 

Zur  guten  Stunde  kommt  uns  bei  diesem  Gegenstande  soeben  ein 
anziehender  Aufsatz  von  Herrn  Prof.  Lobe**)  zu  Gesicht:  ,, Gespräche 
mit  Hummel''  überschrieben,  in  dem  unter  andern  gehaltvollen  Mit- 
theilungen auch  Hummefs  Weise,  in  Partitur  zu  setzen,  und  aus 
Hummel's  Munde  Nachrichten  über  die  Gewohnheit  Mozart'S) 
Haydn's,  Beethoven's,  Weigfs  u.  A.  gegeben  werden.  Was 
uns  hier  zunächst  angeht,  ist  der  Punkt,  in  dem  Hummel  von  der 
oben  angedeuteten  Weise  abzuweichen  scheint.    Er  sagt  Folgendes. 

,,  Welches  Instrument  diesen  oder  jenen  Theil  der  grossen  Melodie 
(damit  bezeichnet  er  die  durch  eine  ganze  Komposition  gebende  Haupt- 
kantilene)  übernehmen  soll ,  stellt  sich  immer  zunächst  und  am  leich- 
testen vor.  Welche  Farben  aber  jeden  zu  beleben  haben  in  Hinsicht 
auf  Folge  und  Kontrast,  auf  Schatten  und  Licht,  so  dass  zuletzt  das 
Ganze  als  ein  wohlgruppirtes  Gemälde  erscheint,  das  kommt  nicht 
immer  so  leicht  gleich  mit,  das  stellt  sich  erst  nach  und  nach  ein.  Am 
schnellsten  bildet  sich  mir  in  der  Regel  das  Ganze  aus ,  wenn  ich  erst 
den  Bass  zufüge,  dann  die  übrigen  Streichinstrumente ,  dann  die  Holz- 
blasinstrumente und  zuletzt  das  Blech.  Doch  ändere  ich  diese  Ordnung 
auch  nach  Maassgabe  besonderer  Instrumentationszwecke,  welche  sich 
für  diese  oder  jene  Periode  einfinden.  Sollen  z.B.  die  Blechinstrumente 
besonders  hervortreten ,  so  schreibe  ich  sie  zuerst  hin ;  ich  habe  dann 
anschaulicher  vor  mir,  was  ich  von  andern  Instrumenten  hinzuthun 
und  hinweglassen  muss ,  um  die  beabsichtigte  Wirkung  nicht  etwa  zu 
dick  zu  übermalen.'' 


*)  Weoigslens  der  Verf.  muss  diese  Weise  fdr  lordersam  balteo ,  wofero  mao 
sicli  an  sie  gewöbot  tiat.  Sie  bat  iliin  z.  B.  niögticb  gemacbt,  den  ersten  Tbeil  des 
Mose  in  24  Tagen  in  Partitur  zu  setzen,  —  natürlich  ,  nachdem  das  Werk  lange 
genug  im  Geiste  herumgetragen  und  in  Entwürfen  festgehalten  war,  und  natürlich 
die  Zeit  späterer  Verbesserungen  angerechnet. 

•«)  AUg.  mus.  Zeitung  vom  12.  Mai  1847 ,  Nr.  19. 


592     

,,Wer  Seite  für  Seite  in  der  Partitur  gleich  fertig  instrumentirt, 
hat  nicht  allein  den  Nachtheil,  das  Bild  nur  einmal  zu  durchdenken, 
sondern  auch  den  Blick  auf  jede  einzelne  Stelle  sehr  lange  zu  fixiren, 
wodurch  er  leicht  das  Verbältniss  derselben  zu  den  andern  und  zum 
Ganzen  aus  dem  Auge  verliert.  Woher  bei  so  vielen  Kompositionen 
der  Mangel  glücklicher,  einander  unterstützender  und  hebender,  sowie 
das  Dasein  harter,  eckiger  Kontraste  kommen  mag.  Kurz,  die  Gedan- 
ken sind  zu  sehr  nur  in  ihrer  Gestalt  für  sich  und  zu  wenig  im  Ver- 
hältnisse zur  ganzen  Folgenreihe  und  dem  daraus  hervorgehenden  To- 
tale instrumentirt.^^ 

„Aber  noch  ein  weiterer  bedeutender  Vortbeil  fliesst  ans  meiner 
Methode.  Man  fühlt  beim  fortgesetzten  Hinschreiben  einer  Stimme  aoch 
im  Akkompagnement  ihr  melodisches  Bedürfuiss  mehr,  die  gute  Stimm- 
führung kommt  leichter.  Sehen  Sie  die  Mozar  tischen  Partituren  ein- 
mal in  dieser  Hinsicht  durch,  verfolgen  Sie  die  einzelnen  Stimmen  für 
sich  durch  die  ganzen  Stücke  und  Sie  werden  erkennen ,  wie  selbstän- 
dig, wie  fliessend  jede  für  sich  hinwandelt.'^ 

,,Auch  das  ist  kein  geringer  Vortbeil,  dass  man  bei  dieser  Schreib- 
weise die  Partitur  schnell  anwachsen  und  in  sehr  kurzer  Zeit  schon  et- 
was Fertiges  vor  sich  sieht,  während  man,  Seite  vor  Seite  fertig  in- 
slrumentirend,  kaum  vom  Flecke  zu  kommen  scheint.  Es  ist  dies  aber 
für  das  Gedeihen  der  Arbeit  wichtiger  als  man  glaubt.  Der  Geist  wird 
gut  gelaunt  und  verrichtet  sein  Ansführungswerk  leichter  und  williger. 
—  Und  endlich  —  obgleich  das  öftere  wieder  von  vorn  Anfangen 
scheinbar  mehr  Zeit  zu  erfodern  scheint,  so  wird  man  in  derXhat  doch 
eher  fertig.  Mozart  hätte  nicht  so  viel  schreiben  können  ohne  diese 
Methode.**  — 

Dass  Mozart  wenigstens  bisweilen  so  verfahren ,  wird  uns  noch 
von  andrer  Seite  bestätigt.  Ein  Freund  will  in  der  Originalpartitnr  der 
Zauberflöten-Ouvertüre  (im  Besilz.des  Herrn  Andre  in  Offenbacb)  an 
der  Verschiedenheit  der  Tinte  bemerkt  haben,  dass  zuerst  das  Quartelt 
geschrieben,  dann  das  Uebrige  zugesetzt  worden.  Demungeachtet 
scheint  uns  das  Verfahren,  wenn  es  als  Regel  gellen  soll,  nicht  unbe- 
denklich. Es  stellt  das  Quartett  zu  entschieden  als  Hauptsache  und  die 
übrigen  Instrumente  als  Zugabe  dar,  entspricht  also  alle  den  Sätzen 
nicht  genau,  in  denen  das  ganze  Orchester  individualisirt,  der  Inhalt 
gemischten  Stimmen  aus  allen  Chören  zugewiesen  werden  soll.  Ja,  es 
könnte  wohl  gar  verleiten ,  Manches  in  das  Quartett  zu  schreiben  (um 
es 'nur  fertig  und  fest  vor  Augen  zu  haben),  was  eher  andern  Stimmen 
zugewiesen  worden  wäre ;  —  oder  man  schriebe  das  Quartett  unvoll- 
ständig hin  und  liesse  die  Partitur  ohne  die- wesentlichen  Züge,  die  den 
Bläsern  zugebören,  indem  man  sich  bemühte,  diese  fortwährend 
im  Gedächtnisse  zu  bewahren,  statt  sie  sogleich  niederzuschreiben.  Alle 
gewebtem   Instrumentalsätze   (namentlich   in  den  grossem  Werken 


593 

Beethoven's)  würden,  wenn  man  sie  einstweilen  blos  im  Quartett 
Diedergescbrieben  denkt,  in  ihrem  wesentlichen  Inhalt  beeinträchtigt,  ja 
zum  Theil  unverständlich  erscheinen. 

Ja,  man> darf  selbst  den  Aussagen  des  Gewährsmanns  nicht  unbe- 
dingt vertrauen  ;  so  gewiss  an  Hummefs  Wahrhaftigkeit  zu 
zweifeln  kein  Grund  vorliegt,  so  nahe  mag  ihm  die  gute  Absicht 
gelegen  haben,  seinen  Rath  dem  jungen  Künstler  noch  gewichtiger  ein« 
zuprägeu  durch  die  Versicherung,  die  Meister  hätten  es'  gemacht  wie 
er.  Hummel  selber,  seiner  sonstigen  Verdienste  unbeschadet  darf  es 
gesagt  werden  ,  ist  keineswegs  unter  den  Meistern  in  der  Instrumenta- 
tion zu  nennen  —  und  hat  für  seine  Kompositionen  in  derThat 
mit  jener  Abfassungsweise  auskommen  können,  da  die  wahre  Dramatik 
des  Orchesters  nicht  seine  Aufgabe  war.  Ob  und  wo  er  die  genannten 
Meister  am  Werke  beobachtet?  steht  dahin,  ist  in  Bezug  auf  B  ee  tho- 
ven  mehr  als  zweifelhaft^  dessen  handschriftliche  Partituren  kein 
Zeichen  jener  Aliuvial-Eutstehung  zeigen ,  so  gewiss  ihr  Inhalt  wider 
sie  zeugt. 

Indess,  eine  ernstlichere  Erörterung  kann  erspart  werden,  da 
jeder  Komponist  sich  seine  eigne  Weise  nach  der  Natur  der  Sache  und 
eignem  Behagen  bildet. 


Aneignung  des  Textes. 

Zu  Seite  471. 

Die  Auffassung  des  Textes  nach  Sinn  und  Situation  muss  der 
Hauptsache  nach  allerdings  dem  geistigen  Standpunkte,  der  allgemei- 
nen Vorbildung  eines  Jeden  und  der  besondern  Stimmung  und  Inten- 
tion in  der  Zeit  des  Schaffens  überlassen  bleiben.  Indess  ist  der  Verf. 
durch  wiederkehrende  Erfahrungcu  im  lebendigen  Unterrichte  darauf 
hingewiesen  worden,  dass  wenigstens  für  einen  Theil  der  Kunstjünger 
ein  Wink,  wie  sie  sich  ihres  Textes  zu  bemächligcn  haben ,  willkom- 
men sein  möchte.  Er  hat  diese  Beobachtungen  zum  Theil  an  talentvol- 
len und  gebildeten  Schülern  gesammelt ,  denen  man  durchaus  nicht  den 
Beruf  und  das  Recht  absprechen  kann,  sich  in  unsrer  Kunst  einheimisch 
zu  machen.  Wer  die  nachfolgenden  Audeutungen  für  sich  unnöthig 
findet,  möge  darum  von  Andern  nicht  tu  ungünstig  urtheilen ;  es  würde 
gar  leicht  sein,  ganze  Reihen  als  talentvoll  anerkannter  Musiker  zu 
nennen ,  die  in  der  Wahl  und  Auffassung  der  Texte  Mängel  in  ihrer 
Vorbereitung  zum  Schaden  ihres  Werks  haben  blicken  lassen.  Dem  Leh- 

Man,  Konp.  L.  IV.  .1.  Aufl.  38 


594     

rer  ist  diese  Angel^eobeil  aoch  noch  ans  einem  zweiten  Grande  wich- 
tig. Er  muss  bei  dem  Stodinm  der  Gesangkomposition  die  Wahl  nad 
ZurechUlellong  des  Textes  dem  Schnler  überiassen  ond  kann  diesem 
flir  einen  Tbeii  der  Aufgaben  (Rezitativ  ond  poivphonen  Chor)  keine 
reichhaltigere  Qoelle  nachweisen,  als  die  Bibel,  die  gleichwohl  nnsem 
Zeitgenossen  nicht  so  vertraulich  nahe  steht,  wie  denen  eines  Bach 
nnd  seiner  Vorgänger.  Da  wird  auch  er,  wie  der  Verf.,  erfahren,  dass 
mancher  selbst  der  begabtera  Schäler  befremdet  und  kalt  dem  narer- 
trauten  Bibeiworte  gegenübersteht  nnd,  ohne  Hülfe,  in  seinen  Portschrit- 
ten stockt. 

Jeder  Text  ist  uns  zunächst  ein  Fremdes;  als  solches  können  wir 
ihn  höchstens  musikalisch  aussprechen  im  Rezitativ,  und  auch  das  nar 
kalt  und  ungenügend.  Er  muss  erst  unser  Eigen  werden,  sich  unser 
Gemüth  öffnen,  damit  dasselbe  aus  ihm  ein  Werk  schaffen  könne.  Einige 
Texte  non  bieten  in  ihrem  unmittelbaren  Inhalt  unserm  Gemnth  so  tref- 
fende und  weckende  Beziehungen,  dass  sie  unmittelbar  zum  schöpferi- 
schen Moment  werden.  Bei  andern  ist  ein  Hinzuthnn,  Hinzudichten 
nöthig ;  und  daraus  folgt  keineswegs,  dass  sie  zu  verwerfen  seien,  viel- 
mehr sind  sie  oft  die  günstigsten  und  fruchtbarsten,  weil  sie  am  schärf- 
sten zur  eignen  dichterischen  Bethatigung  wecken.  Mit  den  letztem 
haben  wir  hier  zu  thun. 

Wenn  dem  Jünger  die  Aufgabe  wird,  sich  einen  Text  (aus  der 
Bibel  oder  sonst  woher)  zu  wählen,  so  ist  er  vorerst  in  einer nnkünst- 
lerischen  Lage;  er  hat  noch  für  keinen  der  vorliegenden  Texte  wahren 
Anlheil,  sondern  schwankt  zwischen  mehrern  unentschieden,  fremd 
und  kalt.  Je  länger  diese  Zweifelmüthigkeit  währt,  desto  zersetzender 
wirkt  sie  auf  die  künstlerische  Stimmung  und  Schaffenskraft;  jeder 
Komponist  wird  das  an  sich  erfahren  haben  —  und  nicht  blos  in  den 
sogenannten  Scbülerjahren.  Hier  wollen  wir  nur  vor  allem  nnsern 
alten  Grundsalz  neu  anwenden :  wir  wollen  rasch  entschieden  ergrei- 
fen, was  sich  nur  irgend  der  Behandlung  fähig  nnd  würdig  zeigt;  dem 
Ergriffenen  wollen  wir  Alles  abfragen  und  ablocken,  was  in  ihm  zu  fin- 
den und  aus  ihm  heranszndichten  ist.  Dann  werden  unverhofft  eine 
Menge  Texte  sich  uns  beseelen,  die  wir  ohnedem  kallsinnig  halten  fal- 
len lassen,  das  ümhersuchen  und  Umherzweifeln  wird  zurückgedrängt 
und  auch  für  günstigere  Aufgaben  unsre  Kraft  erhöhl,  aus  ihnen  her- 
auszufinden, was  sie  Unausgesprochenes  bergen. 

Ein  Paar  Beispiele ,  aus  der  Lehrerfahrung  gegriffen  und  unver- 
ändert mitgelheilt,  mögen  das  Verfahren  erläutern.  Schülern,  die  sich 
in  der  Texlwahl  unentschieden  zeigten,  wurden  auf  das  Geradewohl 
Bibelscilen  aufgeschlagen  und  irgend  ein  nicht  durchaus  unmöglicher 
Vers  zur  Erwägung  gegeben. 

Der  erste  solcher  Texte  fand  sich  zufällig  Josua  9,  9—10, 


595     

9  ,,8ie  spraefaen:  Deine  Knechte  sind  aus  sehr  feraen  Landen  f^ekominen, 

um  des  Namens  willen  des  Herrn,  deines  Gottes;  denn  wir  haben  sein 
Gerücht  gehöret  und  alles,  was  er  in  Egypleu  gethan  bat, 
10  „und  alles  u.  s.  w. 

Da  der  Satz  als  Chor  komponirt  werden  sollte,  so  wurden  vor 
allem  die  Aufangsworte  (Sie  sprachen)  weggelassen ;  ferner  wurde  der 
zehnte  Vers  ausgeschlossen,  weil  sein  mehr  in  das  Besondre  gehender 
Inhalt  nicht  chormassig  erscheint.  Ob  nicht  auch  vom  Vers  9  der  Nach- 
satz (denn  wir)  wegbleiben  würde,  oder  vielleicht  als  bekrähigeuder 
Anhang  gesetzt  werden  könne,  blieb  unentschieden  bis  zur  Stunde  des 
Schaffens  *). 

Wie  man  nun  auch  über  alle  diese  Punkte  entscheide,  so  scheint  uns 
dieser  Text  auf  den  ersten  Hinblick  keinen  künstlerisch  erweckenden 
Inhalt  darzubieten.  Dass  vor  Jahrtausenden  Fremde  zu  Josua  gepilgert 
sind,  um  sich  zu  seinem  Gott,  dem  Gott  Israels,  zu  bekennen,  kann 
jetzt  nicht  mehr  das  Gemülh  neu  und  tief  bewegen.  Nur  damals,  bald 
nach  der  Erlösung  des  Volks  und  der  Stiftung  des  Bundes,  hatte  es  Be- 
deutung für  die  Bekenner,  die  den  Namen  ihres  Gottes  sich  ausbreiten 
sahen,  und  für  die  seinen  Schutz  Suchenden.  Während  also  unser  per- 
sönlicher Anlheil  wenig  berührt  wird ,  schauen  wir  einstweilen  gleich- 
gültig auf  jene,  von  denen  der  Vers  erzählt.  Wer  sind  sie?  Fremde, 
aus  fernen  Landen  hergepilgert,  eben  gekommen  und  noch  ermattet 
von  der  weiten  Fahrt.  Hier  tritt  uns  schon  ein  menschlich  Bild ,  ein 
menschlich  EmpGndcu  nahe;  wir  können  die  Redenden  uns  vorstellen, 
mit  ihnen  emp6nden,  ihr  müdes  Herantreten  weckt  schon  musika- 
lische Vorstellungen.  Und  was  hat  sie  getrieben  zur  Wanderung  und 
ist  stärker  gewesen,  als  Ermüdung  und  Gefahr?  Der  Name  des  unbe- 
kannten Gottes  hat  ihr  Ohr  und  Gemüth  getroffen,  Staunen,  Glauben, 
Hoffnung  in  ihnen  erweckt.  Dies  vollendet  und  erbebt  die  Vorstellung. 
Körperliches  Ermüdet-  und  geistiges  Erwecktsein  treten  in  Gegen-  und 
Wechselwirkung;  bat  die  Komposition  zunächst  das  Erstere  (was  ja 
zuerst  bemerkt  werden  musste)  aufgefasst,  die  Fremdlinge  vielleicht 
einzeln  (nämlich  in  den  idealen  Personen  der  vier  Chorstimmen)  her- 
angeführt, wie  die  Kraft  eines  Jeden  vermochte  :  so  kann  sie  nun  Alle 
einmülhig  oder  zunächst  wieder  in  Wechselrede,  aber  dringender,  den 
Drang  ihres  Herzens  aussprechen   lassen.     Hier  ist  für  Jeden,  der 


*)  Aus  eigner  Erfaliraog  bemerkeD'wir,  data  es  höchst  vorlbellhaft  ist,  eher 
mtfhr  als  weniger  Text  zur  Komposition  bereit  zu  haben,  wenn  es  nämlich  möglich 
bleibt^  ihn  nach  Erfodern  zu  kürzen ,  wie  im  obigen  Falle.  Denn  dasKärzen  ist 
leicht  geschehn ;  macht  sich  aber  während  der  Komposition  das  Bedürfniss  einer 
Texterweitemng  Tüblbar,  so  kann  über  dem  Suchen  und  Wahlen  leicht  die  Stim- 
mung gestört  oder  wesentlich,  auf  Kosten  der  Einheit  der  Komposition  ,  verändert 
werden. 

38» 


596     

menscblich   fübleii  und  käostierisch  gestallen  kaoD ,  reicher  Sloff  zu 
einem  lebendigen,  tiefempfundenen  Cborgesang. 

Ungünstiger  —  fast  bis  zur  Unbranchbarkeit  oder  Wunderlichkeit 
zeigte  sich  ein  ebenso  herausgegriffener  Vers  aus  dem  zweiten  Buch 
Samuelis  24,  2,  Mit  Wegiassung  alles  für  einen  Chor  Unerfassbaren 
und  VerwandluDg  des  ersten  Wortes  stellt  er  sich  so  dar: 

Geht  onher  ia  alleo  Stänmea  uod  zühlet  das  Volk, 
eine  Fodernng  oder  ein  Vornehmen ,  das  in  sich  selber  keinen  Anre- 
gnngsmomenl  für  den  Künstler  hat.  Der  Zusammenhang  ergiebt,  dass 
es  ein  Gebot  Davids  gewesen,  der  sich  damit  in  königlichem  Hochmuth 
gegen  Gottes  Willen  versündiget.  Auch  hieraus  ist  künstlerisch  nichts 
zu  gewinnen ;  und  vor  allem  sollte  der  Satz  Chor ,  musste  also  die 
Aeusserung  einer  Menge,  einer  Schaar  werden  statt  des  Königs  allein. 
Nun  aber:  was  treibt  diese  Sehaar  zu  dem  Entschlüsse,  das  Volk  zu 
zählen?  Ist  es  Neugier?  das  wäre  ein  unkünstleriscbes  oder  doch  klein« 
liebes  Motiv  für  einen  Chor.  -^  In  der  Ueberlieferung  ertheilt  David 
den  Befehl  ,, seinem  Feldhauptm'ann^^  Dies  mahnt  uns  an  Krieg  uod 
Kriegsnoth.  Das  Volk  soll  gezählt  werden,  die  Streitbaren  will  man 
wissen  und  versammeln;  man  stellt  sich  die  drängende  Notb  des  Au- 
genblicks, vielleicht  nach  einer  Niederlage,  vor  einem  drohenden 
Sturme  vor,  das  Wogen  der  Gemüther  zwischen  banger  Sorge  und  dem 
Entschluss  zum  äussersten  Widerstand  mit  allen  Kräften.  In  dieser 
Aufregung  des  Gemütes,  etwa  nach  schwankender  Beralhung,  verthei^ 
len  sich  die  Entschlossenen  durch  die  schweigende  Nacht,  um  alle  Hel- 
fer zu  zählen  und  zu  werben.  Es  könnte  ein  Chorsalz  werden,  der  in 
seiner  unbeimUchen  Regsamkeit^  in  der  sich  unabsichtlich  verrathenden 
Angst  und  Spannung ,  selbst  in  der  Zerstreuung  seiner  Stimmen  einen 
tief  wahren  und  lebensvollen  Moment  vor  die  Seele  führte.  — 

Wir  wollen  noch  einmal  zugeben,  dass  dieses  Kalechesiren 
des  Textes  nicht  für  Jedermann  nöthig  zu  lehren  um)  zu  lernen  ist. 
Allein  von  der  andern  Seite  wird  auch  nicht  verkannt  werden  dürfen, 
dass  so  mancher  onlebendig  aofgefosste  Satz  nicht  aus  mangelndem 
Talent  verfehlt  worden  ist,  sondern  weil  man  so  viellach  versäumt  bat, 
sein  geistiges  Auge  für  dichterische  Auffassung  des  Gegenstandes 
zu  üben. 

Uebrigens  wird  uns  Niemand  missverslehen  dürfen  und  etwa  ab- 
sichtlich ungünstige  Texte  wählen,  um  sie  erst  künstlich  zurecht  zu 
legen.  Man  soll  nicht  leichtfertig  und  gleichgültig  das  Erste  Beste  er- 
greifen, aber  auch  nicht  allzuwählerisoh  sich  die  Frisch«  und  Wärme 
zur  Arbeit  verderben ,  ehe  noch  die  Arbeit  selber  begonnen  hat.  Die 
oben  betrachteten  Texte  geben  nur  einen  Belag,  dass  man  auch  ungün- 
stigen eine  vortheilhafle  Seite  abgewinnen  ,  künstlerisches  Leben  ein- 
hauchen könne.  Besser  sind  bessere. 


Sachregister. 


Absatz  15. 
Aceeolaation  24. 
Acbiraaslon  9. 
Adagiosau  227.  339. 
y^-Horn  82.  83. 
Akkordlage  6ü.  168. 
^-Klarioelte  122. 
Aliquollheile  11.  244. 
Alt-Flugelbora  101. 
AU-KIarioelle  124.  198. 
Alt-Kornell  101. 
All-Opbiklelde  202.  205. 
AluPosaune  C2.  60.  505. 
All-Trompete  97. 
Ansatz  159. 
Areo  (coIP)  249. 
Arie  476. 
Arielte  484. 
Arpa,  s.  Harre. 
^-Saite  254. 
j^s-Uoru  83. 
^«-Klarinette  124. 
>/«-Trompete  51. 
y^-Trompele  50. 
Aofgabeii  135.  225.  337.  39«. 
Aur«trich  249. 
Ausbauen  247. 
Aastag  82. 

Bach  (G.  P.  B.)  469. 

Bach   (Scb.)    15.  17.    20.  23.  2i.  25.  28.  32. 

33.   38.   4t.   146.  200.   236.    242.  304.  396. 

405.  441.  457.  463.  472.  529.  532.  501. 
Blrmann  121.  439. 
Baillol  251. 
Balg,  Blasbalg  8. 
Ballet  398. 
Baryton  101. 
Bass  201.  206.  286. 
Basselborn  111.  198.  200. 
Bass-FIOgRlhorn  101. 
Bassbnru  202.  210. 
Bass-Klarinelle  108.  205.  522. 
Bass-Posanae  62.  66. 
Bass-TrompetA  97. 
Bass-Taba  102.  211.  216. 
Balhypbon  202.  205. 
Beeber,  s.  Scballbecher. 
Becken  204. 
Becker  (G.  F.)  8.  15. 
Beeihoven    44.  53.  70.  84.  85.  141.  147.  157. 

160.  178.  180.  191.  194.  221.  254.  267.  294. 

298.  299.  303.  304.  307.  Sil.  314.  315.  316. 

358.  360.  362.  365.  367.  370.  373.  375.  378. 

381.  384.  385.  389.  893.  400.  401.  402.  404. 

405.  408.  423.  425.  428.  435.  439.  441.  445. 

463.  469.  484.  490.  496.  534.  538.  543.  553. 

560.  565.  574.  578. 
Begleilong  448.  453.  472. 
Benda  (G.)  400. 
Beriet  (de)  251. 
Berlioz    90.    250.    251.  365. 

498.  503.  608.  520.  676. 
Bt*selzDDg  (orcbestrale)  283. 


271.  282.    417. 


Beweglicbkeit  323. 

^•Horn  80.  82. 

Bicioien  83. 

Bindung  246. 

Birn  118. 

Bismark  339. 

^-Klarinette  122. 

Blasinstrument  3.  7.  110.  116.  352.  362.  380. 

384.  436.  444.  649. 
Blatt  12.  110.  111.  116.  118. 
Blechinstruaient  7.  42.  210.  370.  509. 
Bogen  243. 
Bogenstricb  249. 
Bombardon  11.  203.  205. 
Bratsche  250.  273. 
Bravour-Arie  484. 
Bravonrpassage  438. 
i^-Trompete  49.  60. 

Canlns  6rmiis  33.  38. 

Garuin  417. 

Cavata,  Gavatine,  s.  Kavatine. 

Ghanlerelle,  s.  Quinte. 

Cbernbini  90.  204. 

Ghilarra,  s.  Qpitarre. 

Ghopin  439. 

Ghoml  (fugirter)  33.  38. 

Ghoralügnration  38. 

Choral  mit  Fuge  38. 

Ghorgesang  3. 

C-Horn  80. 

Cimarosa  489. 

Cinelli,  s.  Becken. 

(7ij-Horn,  s.  /'««-Hörn. 

C-Klarinette  123. 

Glarino,  s.  Trompete. 

Gonlinno  463. 

Gornet  i  pislon,  s.  Pistoo. 

Gorno,  s.  llorn. 

Gorno  basso,  s.  Bassborn. 

Gorno  cromatico  di  teiiore,  s.  Tenorhurir. 

Gorno  di  bassello,  s.  ßassetbnrn. 

Gorno  ioglese,  s.  Englisches  Horu. 

/7-Trompete  49. 

Dumpfer  249.  271.  282. 
David  440. 
De»-Hova  83. 
/'«t-Trompete  61. 
/'-Hörn  81. 
Diskant-Kornett  100. 
Diskant-Posaune  504. 
Divertissement  437. 
Divisi  309. 
/'-Klarinette  124. 
Doppelblatl  111.  125. 
Doppel  fnge  239. 
DoppelRrlOr  246.  262.  278. 
Doppelbarfe  413. 
Doppelkoniert  44((K 
Doppel-Orchester  242. 
Deppelqnartett  431. 
/'-Saite  254. 
/'-Trompete  49. 


598 


Dm  422.  4». 
DsMck  441. 

B'Uoru  Sl. 
Eiaraurepsler  10. 
Eisleitsag  9.  229.  AST.  48». 
Baboaebare,  t.  Ansatz. 
EaglUebc»  Hara  3(W,  203.  200. 
EaMMble  421.  489. 
EaseableMiz  3.  419.  421. 
Eatr'akt,  i,  Z«i«cbeBak(. 
^-Ktartnctie  124. 

Bt'fXMt  I.5S. 

ÜB'HOf    Sl. 
/r#.Klarinelle  I2f. 
i?«-Trompere  dU. 
e-TrompeU  M. 
eopboatoa  101. 

FagoU     11.    110.    116.    125.    128.    135.    159. 

181.  209.  381. 
Paar«r0  55, 

Feiobeit  247. 

Fester  ßass  40. 

^-FlSle  158. 

^-Ilora  81. 

Finale  408.  489. 

Fit-Hon^  s.  Ges'Horu. 

/'-Klarinette  124. 

Flageolell  (loslruaeal)  206. 

FIsKeoleU  (Spiel)  244.  249.  269.  271.  375.  278. 

Flageolettion,  t.  Flageol eltspiel. 

Flaller|[rob  44.  62. 

Flnnlo,  s.  FI5te. 

Flaoli  piccolo,  s.  PikkolOSte. 

FI6(e    11.    12.   110.    116.  155.  150.  175.  179. 

209.  382.  503.  5f3. 
Flüicrnioru  99.  100.  101.  211. 
Fidle  dUnoor  206. 
^-Trompele  50. 
Faxe  Si.  227.  399.  405.  423. 
FUlUlimme  11. 

«■leolli  399. 

Gassner  498. 

Gedakl9.  11.  12.  202. 

Geice,  s.  VioliiiR. 

Gesanff  442.  465. 

Gefang-Eosemblfl  489. 

(fM-ilorn  83. 

(7m- Trompete  51. 

G'Hon  82. 

Gioliaoi  417. 

(7.KUrinetle  I2i. 

Glorkrnlyra  204. 

Gluck  4.  70.  00.  382.  399.  403.  403.  412.  464. 

477.  484.  501.  512.  533. 
Goethe  23. 
Golde  95. 

Grliize  der  Komposition  4. 
Griff  243.  264. 
Griffbret  243.  248. 
Grobsiimme  44. 
Grundslimme  11. 
(7-8aile  254. 
(7-Trompele  50. 
Goitarre  416. 

lUiidel  43.  241.  313.  340.  341.  363.  402.  405. 

463.  46i.  48  i.  495.  500.  511. 
Hdlieiiharre  412. 
HaibKedeckle  Pfeireo  12. 
Hals  213. 


Härder  417. 

Harfe  412. 

HarMairauik    3.  i.  7.  108.  144.  1«.  198. 

205.  212.  je. 
HanaMikatSae  414. 
HaapI  15. 
Haaplstimme  11. 
HaapUiSck  61. 
Haydo    4.   70.  147.   157.  224.  90«.  32».  337. 

330.  334.  336.  338.  353.  355.  357.  3SI.  S^ 

391.  411.  449.  451.  458.  463.  4&4.  501.  528. 

545.  550. 
Heraslidl  121.  4S9. 
Hesse  15.  24. 
i/.Hora  83. 
i/-Klariaelte  124. 

Holzblasiaslnimeai,  s.  RabriastraBcat. 
Hoaopboaie  391. 

Nora  42.  76.  83.  91.  94.   149.  159.  161.  210. 
Horaartea  80. 
HoramaadstBek  76. 
ff-Tronpete  50. 
Baaael  439.  591. 

Jaaitsebareaansik  7. 

laJiridDalisirnns  (des  Orcbeslers)  380.  38S. 

iBslrnmeatal-Solosaiz  432. 

lastrameate  (selbstladiee)  422. 

Intervalle  (Sian  drr)  186. 

lotrade  56. 

latrodoklioB,  s.  Einleitanir. 

Ikadeaz  440. 

Kanon  433. 

Kasten  243. 

Kavatioe  484. 

Kentborn,  s.  Klappenbom. 

Kirchenmusik  493. 

KlaiiRweseu  11.  19.  46.  66.  78.  94.  1(4.  112. 
116.  121.  127.  150.  154.  156.  161.  1G6.  176, 
209.  248.  321.  349.  355.  357.  359.  581. 

Klappe  42.  103.  111. 

Klappenhorn  10.1. 

Klarinetlarlen  122. 

Klarineile  110.  116.  118.  128.  135.  150.  176. 
209.  225.  383. 

Klaatscbek  98. 

Klaviatur  9. 

Kleine  FtSle,  s.  PikkulflSlr. 

KSrper  243. 

Kompositionslehre  4. 

Konirabass  250.  280. 

Konlrabass-OphikleTde  2U2.  205. 

Kontrabass-Tuba,  s.  Bait^-Tuha. 

Koutrafafrott  127.  139.  209.  213. 

Konzert  439. 

Konzertante  441. 

Konzerlino  440. 

Konzertsalz  438. 

Kopf  243. 

Koppel,  Koppeluofif  1.3. 

Kornett  99.  100.  101.  210. 

Kunsirorm  34.  466.  475. 

KuBSllebre  526. 


Labialpreife  12. 
Lage  252. 
Laute  146.  206. 
hefno  (col)  245. 
LeichliKkeit  247.  327. 
hesueur  285. 
Liedrorm  226.  423.  476. 
Liszt  271.  522.  576. 
Lobe  503. 


599 


Mandolioe  416. 

MiDual  8.  21. 

MaDoaimeole  35. 

Marach  55.  226.  397. 

MartelUlo  249.  332. 

MassebildODfc  167.  183.  372.  396.  580. 

Masttenkraft  32. 

Mehrslimmiges  Spiel  2G6. 

Mehui  285. 

Melodie  32. 

Melodiebildanf^  384. 

Alelodrama  309. 

Mt-ndelMohD  402.  408.  427.  433.  439.  440. 

Mensur  112. 

MeDVeil  338.  397.  438. 

Methodik  der  iDSirDmeutationAiehre  498. 

Meyerbeer  146.  202.  275.  412.  416.  454.  474. 

490.  496.  517.  522.  547.  557. 
Militairlrommel  20i. 
Millellage  189.  19K.  306. 
Miltel.Htimme  206.  216.  SOI. 
MilteUiack  118. 
Mixtur  II. 

Mond  (turkiAfher),  s.  Scbellenmond. 
Moschelea  439. 
MnlelteDrorro  488. 
Moxarl    45.  68.  70.    122.    123.  147.  157.  163. 

165.  170.  181.  184.  188.  200.  303.  323.  324. 

328.  329.  338.  341.  3.'>7.  359.  381.  3^7.  391. 

402.  403.  404.  416.  439.  iM.  450.  460.  4&i. 

470.  472.  477.  478.  481.  486.  489.  511.  535. 

543.  548. 
MQIIcrd.)  121.  524. 
Moheaedsfahne,  s.  SchellenmoDd. 
Moodslück  42.  43.  76.  118. 
Mnniklehre  II.  83.  143.  186.  107.  244. 
Masikwissenschaft  4.  83.  122.  400. 

NlReli  411. 

Naturbieehinatrvmenl,  f.  BlechiustnimeDt. 

Nalurhom,  s.  Hom. 

Nalorton  44.  46.  62.  76.  78. 

Nalnrtrompete,  a.  Trompete. 

Nebenstimme  11. 

Neilhardt  108.  213.  214. 

Niederslrieii  249. 

Nooell  433.  438. 

^ormalborn  76. 

Normaiklarioelle  110. 

Normaltmmpele  43. 

Noiinmo  438. 

Oberstimme  2(Ki.  293. 

ObÜKat  463. 

Oboe  11.  116. 152.  175.  179.  181.  209.  383. 529. 

Oboe  da  caccia,  s.  Englisches  Hurn. 

Oktar-PISie,  s.  PikkolflSte. 

Oktobass  250. 

OphikleTde  111.  116.  201.  211. 

Orrhesler   3.  241.   242.    347.  352.  370.  388. 

443.  572. 
Orchestersatt    3.   239.    241.  370.    304.  398. 

402.  400. 
Orgel  3.  7.  8.  19.  493. 
Orgelbalg  8. 
Orgel raDta.<»ie  S9. 
OrgelkoDxert  39.  40. 
Orgeltrio  20.  41. 
Oltett  431. 
OaverlOre  227.  339.  394.  390.  402. 

Paganioi  251.  269.  271.  272. 
PanauloD  159. 
Psrliloranlage  589. 
PartitarordnoDg  584. 


Partitorstodiom  500. 
Passage  438. 

Pauke  3.  7.  43.  53.  54.  71. 
Paukenschlllgel,  PankeBstock  52. 
Pedal  8.  15. 
Pedalharfe  412. 
Pedallöne  (der  Posaane)  507. 
Pfeire  8.  9. 
Piatti,  s.  Deckea. 
Piccolo,  8.  PikkolflSle. 
Piefke  09.  217. 

PikkolflSte  158.  187.  543.  547. 
PislOD  90.  100. 

Pizzikato  245.  240.  271.  278.  282.  343.  4f4. 
Polooaise  227. 

Polyphonie  32.  217.  377.  388.  301.  504. 
PoDticeilo  (sul)  248. 
'  Posaune  11.  42.  61.  66.  68.  04.  210.  S04. 
Posannenarten  62.  504. 
PosannenmundstOck  61.  111.  112.  116. 
Position  277. 
Posthorn  206. 
Primarius  56.  84. 
Principale  56. 
Prinzipal  11. 

Prinzipalinstronent,  s.  Prinzipalslinme. 
Prinzipal- Klarineile  135. 
Prinzipaislimme  438. 
Puoto  delP  areo  249. 

Quarlbass,  Qnartbassposauoo  607. 

guartetl  243.  422.  431.  439.  488. 

Quart  ettsalz  432. 

Quatuor,  s.  Quartett. 

Queisser  08. 

QuerflSte  158. 

Quinibass,  Quintbasaposaune  507. 

Quinte  251. 

Qaintelt  431.  438.  488. 

Quiuiragott  127. 

Quintuor,  s.  Quintett. 

Redern  217. 

Begister  0.  10.  II.  104.  211. 

Kegisterzug,  s.  Register. 

Registrirnng  13.  14. 

Reichs  (A.)  147.  437.  503. 

Resooanzkaslen  243. 

Rezitali?  444. 

Ripienstimme  438. 

Riss  247. 

Ritornell  440. 

Rode  (Theodor)  00.  206. 

Rohr  43.  110. 

RobrflSte  0.  13. 

Kohriustrnment  7.  110.  112.  210.  211. 

Rohrpfeire  12. 

Rolltrommei  203. 

Rondo  226.  405.  Ai^.  477. 

Rossini  405.  412. 

Rousseau  (J.  J.)  300. 

S  125.  202. 

Saitenfessel,  Saiienhaiter  243. 

Saiteninstrument  3. 

Sani  285. 

Satzregel  73.  113.  168.  165.  210. 

Saxophone,  SaxhBrner  etc.  520. 

Searletti  (A.)  241. 

Scene  483. 

Schall  390. 

Schallhecber  44.  111.  118. 

Schallkrafi  13.  10.  48.  66.  78.  04.  120.   128. 

146.  154.  156.  166.  100.  200.  201.  203.  205. 

246.  321.  351.  355.  446.  581. 


600 


Schallmei  11. 

Scballrohr,  s.  Rohr. 

Scballlrichler  44.  118. 

SchelteDbei'ir  (H.)  lA.  22. 

ScbelleDroond  204. 

Scberzo  S97.  398. 

Schlägel,  s.  Paukenaebilgel. 

Sehlag  UAl. 

SchlaginslrBmeDl  3.  7.  43.  303.  204. 

Schlagkran  166.  247.  332. 

Schlaogeorohr,  s.  Serpeat. 

Schlnsssalz  229. 

Schmeltertou  47. 

Schnabel  118. 

Schneider  (F.)  15.  70.  00.  406.  412. 

Schumano  (R.)  426. 

Schwingung  244. 

Sechszebnrossloo  10.  76.  127.  280.  418. 

Seidel  8.  494. 

SekoDdarius  Ö6. 

Sepluor  438. 

Serenale  438. 

Serpent  111.  116.  301.  210.  211. 

SeUsluck  51.  82. 

Sexluor  438. 

Silnation  466.  470. 

Sologesang  3.  485.  488. 

Solosalx  3.  45.  431.  436. 

Soloverein,  a.  QuarteU. 

Sonate  39.  423.  437.  480. 

Sordino  249.  282. 

Spielweise  14.  33.5. 

Spitze  15.  243.  249. 

Spohr  157.  271.  288.  289.  291.  310.  439.  440. 

SpoBlini  20.  124.  204.  292.  295.  297.  307.  310. 

317.  370.  .399.  412.  509.  511.  555.  563.  566, 
Slaccalo  24a.  247. 
Stadler  412. 
Stange  61. 
Steg  243.  248. 
Stierel ,  s.  Stange. 
Sllmmvog  470. 
Stimmzahl  307.  329. 
Stopfen  45.  77.  79.  87.  98. 
Streicherebor   241.   243.    247.  2HS.  313.  321. 

337.  359.  370.  380.  384.  431.  559.  56.1. 
StreichinalruBenl    241.  242.    243.    247.   283. 

321.  359.  427.  481.  444.  560. 
Sireichquartett,  s.  Streicherebor. 
Sirichart  331. 
Stürze,  •.  Schallbeeber. 
Styl  27.  411. 
Snbbaas  12. 
SQssmayer  455. 
Sandelin  498. 
Swoboda  498. 
Symphonie  407. 

Tamburo  (grau),  a.  grosae  Troroiael. 
Tamburo  militare,  a.  Mllitairlrommel. 
Tambufo  rullanle,a.  RolUronimcl. 
Tamtam  20i. 
Tanz  226.  397. 
Tastatur  8. 
Tenorbaas  101.  211. 
Tenorbaasposaune  506. 
Tenorfagull  127. 
Tenorhoro  101.  211.  212. 
Teoorposauna  62.  66.  506. 
Tenorlrompet«  97. 
Terzelt  488. 
TeizflSte  157. 


Text  166.  470.  SOS. 

Timpaui  coperli  54. 

Timpaoo,  a.  Pauke. 

Toccala  56. 

Töpfer  8. 

Tokkaie  39. 

Toofolge,  8.  Tonwesen. 

Tonklappe,  s.  Klappe. 

ToDlocb  42.  103.  Itl. 

Tonwesen  8.  44.  58.  62.  79.  89.  93.  96.  111. 

112.  144.  161.  169.  206.  2«7.  322.  346.  354. 
ToBwiederholung  47. 79. 80.  247.  260.  281.  Ml. 

374.  381.  384. 
Touche  (sur  U)  248. 
Tremolo  48.  261.  278.  300. 
Triangel  (Triaogolo)  204. 
Triller  48.  79.  120.  126.  159.  260.  278. 
Trio  422.  431. 
Tripelkonzert  441. 
Tromba,  s.  Trompete. 
Trombone,  s.  Posaune. 
Trommel  (grosae)  7.  203. 
Trompele  11.  42.  43.  48.  5i.  71.  91.  94.  2tO. 

220.  509. 
Trompelenarten  48. 
Trompetenmundstuck  43. 
Tttba,  8.  Basstuba. 

TariatioB  40.  227.  423. 

Ventil  91.  92. 

Venlilbassposaone  97. 

Venliihorn  42.  76.  98.  210. 

Veniilioslramenl  42.  91.  92.  103.  210.  514. 520. 

Venlilposaune  97.  211, 

Veniiltrompete  42.  95.  97.  210.  517. 

Vielseitigkeit  247. 

Vierfussregister  10. 

Viola  da  ganiba  146. 

Violine  251.  503. 

Violioo,  VioloD,  8.  Violine. 

Violon  9.  11. 

Violoocell  250.  275. 

Vivier  246.  518. 

Vollklang  355. 

Vorbildung  3. 

Vox  angelica  11. 

Vox  bnmana  11. 


Wagner  (R.)  51.  271.  522.  675. 

Waldhorn,  a.  Hörn. 

Weber  (G.  M.  ?.)    51.  87.  88.  90.    121.  389. 

402.  406.  439.  440.  477.  512.  A24.  520.  552. 

558.  569. 
WeiRl  591. 
Werk  8. 

Wieprechl  106.  109.  206.  211.  518. 
Windlade  8. 
Winter  251. 
WIrbclkasten  243. 

Zammiitcr  408. 
Zug  61. 
Zunge  12.  48. 
Zangen  pfeife  12. 
Zungenschlag  48. 
Zuaammenwiiken  298. 
Zweifussregisler  10. 
Zweiunddreissigfass  10. 
Zwischenakt  SW. 
Zwischensalz  229.  457. 


pirroio     

OviaetH 


(lariaetti 


X?  T.  Gcmdnrindaiamdi  itmNeäkudt. 


Comidi 
lalTctto. 

SerjKiilff 
eOntra. 
njotto. 


NlsH.  I  jm^Mirr  Marsch  #m  NeiÜmrdt. 


Comobangt 
eCoatra. 


Corni 
ittf. 

Coriii 
in/! 

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ThMiboai 


Ttaubttt*^ 


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Ni?iv: 


Flattti 
picciAi. 


Qarinetti 

Cbrmelti 
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banetto. 


Gornil 


cPiätii. 


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*  N?  V.   Jus^  Blumen  suis  dem  Tinreicä  "  van  Graf 

An^^etto.  _  Redent.  ^ 


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oToniiiiel, 


N?VI. 


11 


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,  Poco  Andante. 


ViolonA .  ( 


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Alto. 

BaflunH. 
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Cors 
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tVompclla 

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«tLab. 

3  lloines. 
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ademi.voix. 


(lete  Maine  jjaitetre  um  Tenor) 


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ClariiifHU 


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Flautl 


Chrinetti 


]V?XII.  Aus  Mose  von  A3Marx. 

Andante  sostennto. 


23 


(Sofo 


\ioliiio2. 
divisi 


Violon. 
cdlo. 


Contra. 
Basso. 


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^  NSXIR.      Aus  der  siebenten  S^iphonie  v.Beetkjoven. 

^    Mvace. 


Flöten 

Oboeu 

A-lQarm 


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Fa^^otle.    j^ 


Violin.J; 


Bratsche 


Bass. 


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28 


Jas  darpiMflen  Symfihmiit  nmBedUumeiu 
IfSXIV.  AUe^conbrio. 


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.Clarini 


Garinctti 

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Fa^otli 


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Bsiftso. 


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29 


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