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yu^ ^9<^. K.3 (V
UUSIC LIBRARY
^OJfaM
DATEDUE
1939
9 - ■■• —
sQcr
USarx
Kompositionslehre.
Vierler Theil.
Dfti Recht, dieses Werk io der jetzt erscheinenden wesentlich veriinderteo dritten
Ausgabe in englischer und frnnEösischer UebersetEnng heraos-
zngebito, habe ich als Verfasser mir vorbehalten, nnd in Bezog
anf die englische Ucbersetznng durch Vertrag vom 28. Januar 1S52
aur die Verlagshandinng Roh. Cocks et Comp, in London übertragen.
Berlin, 20. Februar 1860.
Dr. Adolf BtaifBASD Marx,
Professor der Mosik und Universillts-Musikdlrektor.
Die Lehre
von der
mHsikaliscIien Komposition
praktisch theoretisch
Adolf Bernliard HfKarx.
Vierter Theil.
Dritte Auflage.
Da« RedU der Herauigabe iu englischer ond fraotSaiseher Ueber«etzoBf hat der VerrasRcr
sich vorbeballen.
lielpzls,
Druck nnd Verlag von Breilkopf nnd Hflrtel.
186(1.
Bot' Sut. Hall. Loadon.
t1cu> ÄS?, ^. 3.(V)-
HARVARD COUEflE LIBRARY
FRON
r THE BEQUERT OF
EVERT JANBEN WENDELL
1918
Vor- oder Nachwort
zur ersten Anflag^e.
Ein fast zehnjähriger Zeitraum liegt zwischen der ersten Vor-
rede dieses Werlcs und dem dasselbe schliessenden Nachwort, —
ein längerer Zeitraum, als vorausgesehn und vorausgesagt worden.
Dass nicht SäumiglLeit ihn veranlasst und ebensowenig Berufspflicht
und Liebe sich erschöpft, wird hoffen tlich schon derjenige Theil der
Leistungen des Verfassers, der seitdem öffentlich geworden, und seine
unermüdliche Sorgfalt für die neuen Ausgaben der ersten Theile be-
zeugen.
Während eines solchen Zeitlaufs ändert sich viel an Menschen
und Verhältnissen, zumal In einer Zeit der Gährungen und Schwan-
kungen, wie die unsrige. In einer solchen Zeit liegen Tage, die für
den vergeblich angestrebten Fortschritt das Seui^ergewicht von Jahr-
zehnten uns aufdrücken, — und wiederum Tage, in denen das Flügel-
rauschen wohlaufstürmender Jahrzehnte in Einen begeisternden Rie-
senakkord seelenschmelzend zusammenströmt. Oder war* es Täu-
schung, dass die Tage seit dem 11. April bald so viel vorangegangne
Jahre aufwiegen im Leben der Nation? Und muss nicht der höhere
Pulsschlag in diesem Leben unsrer kreisenden Zeit irisches Blut durch
alle Adern des Daseins treiben? mit der Erhebung im Geiste der Völ-
ker auch dem Geiste der Kunst ein neuer Tag strahlenderer wärmen-
derer Sonne voll anbrechen ?
Ich nun bekenne unverhalten und freudig: dass mir die Kunst,
wie viel Wonnen sie mir auch seit der Kindheit gespendet, dennoch
und durchaus keinen wahren Werth zu haben scheint^ als sofern und
soweit sie fähig ist und gerüstet, das Leben des Geistes mitzuleben,
den Flug, der unsre Zeit erhebt, mitzuschwingen, die Stunde selbst-
theilnehmend an ihrer That mitzuleben, die der Menschheit in ihrem
Vorschreiten schlägt. Wer mit ihr die leidige Müsse vertändeln will,
der thu* es. Wer in ihrem Kreise schauprunken will, der hab* es.
Wer am Halbschlummer Jener weicbseligen Gefühls -Dämmermo-
VI
mente Genügen findet, die uns ausschliesslich als das Gemüth volle
angepriesen werden, als das deutsche Gemüthsieben, — aus der that-
iosen Schäferzeit, die Deutscliland neben dem ehernen Gang der
Weltgeschichte hinträumte, — dem sei es sammt aller Sympathie der
„weichgeschafflien Seelen" gegönnt. Wer seine Kunst und sich ver-
kaufen will an die hin und her wankenden Gelüste der Menge, deren
Schuld es nicht ist — denn überall , wo die Kunst gesunken, ist sie
es nur durch die Schuld der Künstler — wenn sie auf hundert Irr-
gSngen „den unbekannten Gott", den Yerhelssnen der kommenden
Zeit sucht und einstweilen vom geweihten Ochsen Aegyptens zum
goldnen Kalb Arabiens tänzelt: wer das und air dergleichen will
und zu erlangen trachtet, dem bekomm' es, wie es kann. Die
Langweile eurer Salons , der Flitter eurer Virtuoseneitelkeit, eure
welschen Lüste, euer Schacher mit den Effekten dreier Länder,
euer schönthueriscbes Liebedienern rechts mit Klassizität und links
mit Romantizismus , mit Allem , was von Bach bis Beethoven und
Berlioz Glück gemacht und — sich nachahmen lässt : das Alles will
nicht so gar viel bedeuten und sagen gegen die Zeugenschaft der vor-
angeschrittnen Jahrhunderte und die Foderung einer karaktervollern
geisteskräftigern Zukunft, das kann den Beweis und den Trost der
Geschichte nicht überstimmen . Die Geschichte aller Künste aber lehrt,
dass das wahre Kunstwerk nur aus der reinsten Geisterhebung er-
blüht und nur unter der Bedingung treuester Widmung und Hinge-
bung an die Idee , ohne alles ROcksichtnehmen und Abmäkeln oder
Zuputzen geboren wird zum ewigen Leben ; alles Andre achtet sie
für Tand , sei es auc& durch die Laune des Tags noch so schön ver-
goldet und gepriesen, — die Morgenluft verweht es, wie die Asche
vergilbter Billetdoux von der Flamme des Lichts.
Doch das sind Gedanken, die einem andern Raum *) und
Augenblick aufbehalten sein müssen. Nur das sollte gesagt sein:
der zehn — und vielmehrjährige Dienst dieses Werks Ist jener wah-
ren und ewigen Kunst gewidmet, die allein ernstliche und tiefste
Vorbildung fodert und werth ist. In diesem Bewusstsein Ist das Werk
begonnen und geschlossen worden ; hierin ganz sicherlich bin ich bis
heut' derselbe geblieben, denn es ist dasselbe nur unmittelbarer Aus-
fluss der Idee, die mich flrüh ergriffen und bis heut' erfüllt und ge-
tragen, die durch glückliche Erfolge wohlthuend durchwärmt, unter
Fehlschlägen nur geprüft und gestählt werden konnte. Manche glück-
liche und manche trübe Stunde ist daran vorübei^egangen ; manches
Verhältuiss, das für ewig gelten sollte, hat sich seitdem gelöst; da-
hingegangen ist mancher (ich nenne den ehrwürdigen Ro ch 11 1 z und
den edlen von Mlltitz) der ersten Freunde, die das Werk sich ge-
wonnen, — vorausgegangen ist mir mehr als ein Jünger (ich nenne
*) „Die Musik des neunzeboten Jahrhuaderts^^ vom Verfasser.
VII
die edeigedinnten Haas, Heuser, Veite n),dessen vielversprechende
Blüten Dicht zum Fruchtsegeo bestimmt waren. Was aber an unserm
Thun recht ist, das wird leben. Und was nicht recht ist, — wSr' es
unser Alles! — das muss vergehn und mag vergehn« Wir haben doch
nicht umsonst gelebt.
Am 15. Mal 1847.
Adolf Bernhard Marx.
Zur zweiten und dritten Auflage.
Zwischen ihnen und der ersten liegen Jahrhundertschwere Jahre
des Ringens im Schoosse der europäischen Völkerramilie ; eines
Ringens, — noch ohne Entscheidung, wohl aber starte durch die Zu-
versicht: dass sich erltillen muss, was das erkannte Bedürfhiss der
VSIker ist ; dass der wahre und gerechte Fortschritt Jetzt so wenig
ausbleiben kann, wie Jemals; dass er, wie Jederzeit, durch Hemmung
nur gestärkt und gesichert wird.
Diese üeberzeugung Ist die Stütze des Verfassers und seines
Wirkens ; denn alle Lebens- und Wirkenskreise sind enthalten im
Lebenskreise des Volks und vom Zustande des Volks unbedingt ab-
hängig. Ein edles Volk allein ist der Kunst würdig ; ein sich erhe-
bendes allein hat gerechte Aussicht, seine Kunst aus der Asche ausge-
lebter Zustände neu auf gokfnen Phönixsrhwingen der Jungen Sonne
sich entgegenflügeln zu sehn.
Der wahren Kunst von Anfang an zu eigen g^eben, widmet
sich diese Lehre denen , die Glauben und Kraft für die Zukunft in
sich tragen, furchtlos und freudig selbst zeitige Hemmung, — müsst'
es sein, selbst Rücktritt der Kunst ertragend, wenn der Fortschritt,
der den Völkern geboten ist, es fodert. Denn ein Volk ist mehr, und
mehr werth, als seine Kunst, da diese nicht sein kann ohne es, und
nichts Besseres sein kann, als wiederum das Volk , das sie in sich
trägt, mit sich erhöht. Im elenden Falle mit sich hinabzieht, bis der
Erkennende sich abwenden muss mit Jenem Worte des grossen Fort-
schrittmannes: „Lassdie Todten ihre Todten begraben'^
Glauben und Kraft für die Zukunft bewahre sich Jede
deutsche Künstlerbrust ! aber mit ihnen Treue für den Beruf
unsers Volkes, in der Tonkunst wie Uberalll Der Beruf unsers
Volks, der deutschen Künstler Beruf ist aber: überall den Geist wal-
VIII
ten zu lassen über dem Stoffe, — den Geist der Wahrheit über Schein
und käuflichen Trug, — die Wahrheit, das Kind treuer und aushar-
render Yernunftarbeit, hoch emporragend über wililcühriichen Ein-
fall und ichtig-nichtige Laune.
So haben es die Meister deutscher Kunst gehalten ; so der letzte
der Vorangegangenen, Beethoven; so soll es unter uns ferner
gehalten werden. Daran wird so wenig das heute von der eitelkeit-
vollen und seit Jeher niusikalisch-unft*uchtbaren Seinestadt sich her-
andrängende Blendwerk, trotz aller Künste der Clique und Ciaque
und ErkaufUng, etwas Wesentliches ändern, als es Jemals die un-
endlich mehr verführerische Sinnensüssigkeit der Welschen ver-
mocht. Jenen ruft der ächte Künstler das Wort zu, das Marat von
Voltaire hat hSren müssen :
Je vous laisse le n^ant! un vaste empire.
Berlin, am 14. Oktober 1851
und 4. März 1860.
Adolf Bernhard Marx.
Allgemeine Inhaltsanzeige.
Vierter Theil.
\ Seile
^ ForUetziiDg der angewaadten Konpositionslebra 1
Eioleltniig 3
1. Aofgabe des vierten Theils.
2. VorbildoDg.
3. GrÜBze der Kompositionslehre 4
Achtes Buch«
Die Harmoniemusik 5
EiBleitans 7
Erste Abtheilang. Die Orgelkomposition 8
Erster Abschnitt. Kenntniss des Instran^ents.
1. Tonwesen.
2. Klaogw.esen 11
3. Schallkrsfl 13
4. Spielweise 14
Zwei ter Abschnitt. Karakter der Orgel 19
Dritter Abschnitt. Styl und Form der Orgelkomposition 27
A. Breite und Ruhe der Anlage and Fährong.
B. Massenkraft ond Polypbonie 32
C. Knnstformen 34
1. Füge.
2. Fngirter Choral, Choral mit Fnge^ ChoraHlguration .... 38
3. Orgelfantasie 39
j 4. Sonate.
5. Variation 40
6. Berücksichtigung der gottesdienstliehen Verhültnisse bei den
Orgelformen 41
Hierzu der AnhangA 493
Seile
Zweite Abtheilnog. Der Satz for Bleehinslramente 42
Hieran der AnhaDipB 498
ErsterAbsehnitt. Renotniss der Trompete uod Paoke 43
A. Die Norraaltrompete.
B. Arten nod Stimnaogeo der Tronprte 48
1—3 Dtei7-bis /^-Tniinpete 49
4—10. Die E$' bis H- Trompete 50
C. Die Panke 5t
Zwei t er Absehnitt. Der Satz fdr Trompeten ond Paokeo 54
1. Zwei Trompeten ond Panken 55
2. Drei oder vier Trompeten ood Paakeo 56
3. Trompeten versehiedoer Stimmangp 58
Dritter Abschnitt. Renntoiss der Posaone 61
A. Eiorichtong des Instruments.
B. Toogehalt 62
Hierza der Anhang C 504
C. Karakter ond Verm5g:ea 66
Vierter Absehnitt. Salz fdr die Posanne 68
A. Dreistimmiger Posaunensatz.
B. Vierstimmiger Posaoneosatz 70
C. Satz fdr Trompeten, Pauken und Posaunen 71
Fit nfter Abschnitt. Renntoiss des Horns 76
A. Das Normalhorn.
B. Arten ood Stimmungen des Horns 80
1. 2. Das tiere i9-Horn und das C-Horo.
3—6. Das D' bis F-Horn 81
7—9. Das G- bis hohe if-Horn 82
Sechster Abschnitt. Der Horosatz 83
1. Satz für zwei HSrner.
2. Satz fdr drei HSroer 84
3. Satz Tür vier HSroer 86
4. Grössere uod mannigfaltigere ZosanimeDsteltuoj;en .... 88
5. Verbindung von Hörnern mit Troitipeteo, Posaunen nnd Pauken 9U
Hierzu der A n b a n g D 509
Dritte Abthellang. Die Veotilinstromente 91
Erster Abschnitt. Struktur und Rarakter der Venlilinslrumente im
Allgemeinen 92
Hierzu der Anhang E 514
Zweiter Abschnitt. MiUel und R«rakler der wichtigsten Ventilin-
strumeote 95
1. Die Ventiltrompete.
2. Die Venliibassposauoe 97
3. Das Ventilborn 98
4. 5. 0. Homette, FlägelbSrner, das Pistoa 99
XI
7. Das ebromalisebe Tenorhorn UM
8. Der Tenorbass«
9. Die Tuba 102
10. Das Klappenhoro 103
Hierzo der A n b a d g F 5!^0
Dritter Ab seb Di tt. Gebraocb der VentiliDstramente 103
Vierte Abtheilang. Die wichtigsteo RobriostmmeDte 110
Erster Absebnitt. Allgemeioe Betracbtnsgeo und Lebren.
A Stmktur der Robrinstniiiieote.
B. Allgemeine Rarakteristik der Robrinstrnmeote \\2
C. Beberrsebung des Tongebalts.
D. Uebung and Lehrmethode 113
1. Das Lehr- und (Jebnngsverfahren 114
% Aligemeine Grnndsätze.
a. Die Tonregion.
b. Das Rlangwesen tl^
Zweiter Abschnitt. Renntniss der Rlari nette nnd des Fagotts .... 1 1 8
A. Die Rlarinette.
1.2. Die /!• nnd i9-Rlariaetle 122
3. Die C-Rlarinette 123
4.5.6. Die £«-, F- and Alt-Rlarioette 124
Hierzn der A n b a n g G 522
B. Das Fagott 12.i
Das Rontrafagott 127
Dritter Absebnitt. Der Satz Tor Rlarioetten nnd Fagotte 128
A. Binfacbe Sitze mit verschmolznen Stimmen 120
Hierzo der An ha n g H .' 526
B. Znrichtnng gegebner Sätze rdr bestimmte Instrumente 133
Vierter Absebnitt. Erweiterte Anfgaben 135
A. Satz rdr eine Prinzipalklarinette mit Begleitung von zwei Rlari-
netten nnd zwei Fagotten.
B. Zoziebang des Rontrafagotts 139
C. Zuziehang von H5rDern 140
Fünfter Abschnitt. Betracbtangen über die Vereinigung nod Mischung
der Instrumente Ii4
1. Tonsystem.
2. Fülle des Schalls 146
3. Rlangwesen 150
Fiioftc AbthellttOg. Vollendong der Darraoniemnsik 1 52
Erster Absebnitt. Renntniss der Oboe nnd FlSte.
A. Die Oboe.
B. DieFlHte 155
XU
Seile
1. Die Terzflöte 157
2. 3. 4. Die OktavflSte, ÄiFlöte, i?-Plölc 15«
Zweiter Abschnitt. Verein von Flöten mit Klarinetten, Fagotten
und Hörnern 159
Dritter Abschnitt. Zutritt der Oboen 175
1. Oboe und Klarinette 176
2. Oboe and Flöte 179
3. Oboe mit Fagott und Waldborn 181
Hierzu der Anhang! 529
Vierter Abschnitt. Zutritt der Pikkolflöteo 187
Hierzu der A oh ang K 543
Fünft erAbschnitt. Verstärkungen der Harmooiemusik 198
A. Für die Mittellage.
1. Das Bassetborn.
2. Das englische Hörn 200
B. Für den Bass 201
3. Der Serpeot.
4. Die Ophikleide.
5. Das Basshorn 202
6. Das Bombardon 203
C. Schall- und Klangwerkzeuge.
7. 8. Die grosse Trommel. Die Rolltrommel.
9—13. Militairtremmel, Tamtam, Triangel, Becken, Giockeolyra 204
SechsterAbsehnitt. Zusammenstellung grosser Uarmoniemusik . . .205
A. Tonwesen und Scballkraft.
1. Für die Oberstimmen.
2. Für die Mittelstimmen 206
3. Für den Bass.
B. Klangwesen 209
Siebenter Abschnitt. Der Satz Hir grosse Harmoniemu5tk 212
Achter Ab sehn i tt. Aufgaben 225
Hierzu der An ha ng L 549
Neuntes Buch.
Orchestersatz 230
Einleitang 241
Erste Abtheilong. Keoutniss der Streichinstrumente 243
Erster Abschnitt. Betrachtung der Streichinstrumente im Allge-
meinen.
Zwei ter Abschnitt. Technik der Violine 23!
I. Die natürliche Behandlnngsweise.
XIII
Seile
A. Im eiDStimmigea Satze 254
1. Leere Saiteo.
2. looerhalb einer Lagpe.
S. Verbindung der Lagen 261
B. Doppelgriffe 262
C. Drei' und vierfache Griffe 264
D. MebrsUmmiges Spiel 266
II. Das Flageoleltspiel 269
IIL Das Spiel mit Dämpfong 271
IV. Das Pizzikato.
Dritter Abs ebnitt. Technik der Bratsche 273
Vierter Ab seh ni tt. Technik des VioIonceUs 275
a. Die natürliche Behandlung 277
b. Das Flageolettspiel 278
Fünfter Ab scfa nitt. Technik des Kontrabasses 280
Zweite Abtheilang. Zusamoienstelinng des Streicberchors 283
Erster Abschnitt. Regelmässige Organisation.
Zweiter Abschnitt. Verwendung der Stimmen 286
A. Der Bass.
B. Die Oberstimme 293
C. Das Zusammenwirken 298
Hierzu der A n h a n g 191 559
D. Besondre Bestimmung der Mittelstimmen 301
Dritter Abschnitt. Ausnahmsweise Organisationen oder Verwen-
dungen 307
A. Vermehrung der StimmzahL
B. Unvolistündiges Quartett 313
Hierzu der A n h a n g N 563
Orltte Abtheilnng. Ausdrucksweisen des Strelchercbors 32t
Erster Abschnitt. Die Komposition Tur den Streicherchor.
A. Beweglichkeit 323
B. Leichtigkeit 327
C. Zusammenziehung von Quartettstimmen 329
D. Stricharten 33t
B. Melodiebildung 334
P. Spielweisen 335
Z weiter Abschnitt. Aufgaben für den Streicherehor 337
1. Die Menuett 338
2. Sätze langsamer Bewegung 339
3. Ouvertüre in Fugen form.
Anhang. Das Pizzikato 343
XIV
Seile
Vierte Abtbeiliing. Das volle Orchester 347
Erster Abschnitt. Priifnog aller Miltel des Orchesters.
1. Tonlage 348
2. Tonveriiiögeo 349
3. Klangweise.
4. Schallkrafk 351
Zweiter Absefanitt. Zosammenstellaog des Orchesters 352
Hierzu der An hang O 572
1. Bediirfoiss der Blaslnstramente.
2. Gleichgewicht der Tonlagen 35 i
3. Vollklsng 355
4. Grosse Rraftrntwickelang 356
5. Mässignng und Zurückhaltong 357
6. Karakteristische Wahl der Instramente.
Dritter Abschnitt. Die einfachsten Steltongea der verschied nen Chöre
zu einander 359
A. Die Bläser als Haaptchor 362
B. Die Bläser als Verstärkang des Quartetts.
1. Erste Weise der Verstärkung . 363
2' Zweite Weise der Verstärkang 364
Vierter Abschnitt. Die eigenthiiml ichern Steilnngen der Orchester-
Chöre 370
Uierza der AnhangP 584
C. Die Bläser als Hasse vereinigt 372
D. Die Bläser individnalisirt 379
Fünfter Abschnitt. Die Individoalisirnng der Bläser 380
A. Einzelne Bläser als Verstärkang einzelner Qoartettsttinnif n.
1. Das Fagott 381
2. Die Flöte 382
3. Die Oboe 383
4. Die Klarinette.
B. Einzelne Bläser zur Ansfullnng des Quartetts 384
C. Einzelne Streichinstraraente im Bläserchor.
D. Das Quartett untergeordnet unter den Chor der Bläser 387
Sechster Abschnitt. Die Individaalistrung des ganzen Orchesters. . 388
Fünfle AbtheiliiBg. Orcbesterkomposition 394
Hierzu der Anhang Q 589
Erster Abschnitt. Vorbereitende Aufgaben 394
1. Ouvertüre in Fugenfonn.
2. Die Marscbform 397
3. Die Form der Menuett.
Zweiter Abschnitt. Die eigen thümlichen Orehesterformen 398
A. Die Balletmusik.
XV
Seile
B. Die Masik der Zwiseheoakte 399
G. Melodramatisebe Afustk.
Dritter A bscb Dill. Die ^rSssero OpefaesterformeD 402
D. Die Oavertiire.
B. Die Symphonie 407
ABhaiig 412
1. Die Harfe.
2. Die Mandolioe . 41tt
3. Die Gnitarre.
Zehntes Buch.
Ensemblesats 419
ElBleitang 421
Erste AbtheiluDg. InsirameDtalsolosatz 422
Brster Abschnitt. Klavier im Verein mit andern SoloinslmmenteD.
Zweiter Abschnitt. Solosatz für StreicbiDstrameDte 431
Dritter Abschnitt. Solosatz fdr Blasinstrumeote, oder vereinigte Bias-
nod Streichinstrumente 436
VierterAbschnitt. Koozertsatz 438
Zweite Abthellnng. Gesang mit Orcbesterbegleitung 442
Erster Abschnitt. Das Orchester als Begleitnog des Gesanges . . . . 443
A. Verhältniss des Orchesters zum Gesang.
1. Scballmasse 446
2. Wahl der Instnimenle.
3. BebaodloDgsweise.
B. Federangen der Gesangpartie an das Orehester 4i7
1. Verstärkung des Gesanges 44S
2. Begleitung des Gesanges 453
C. Bigenthümlicher Inhalt des Orchesters 457
D. Obligate Stimmen des Orchesters 463
Zweiter Abschnitt. Bestimmung der Gesangpartie im Allgemeinen . . 465
A. Verhältniss der Gesangpartie zum Instrumentale 467
B. Bestimmung der Rompositionsgestalt ans dem Text und dem ihn tra-
genden Sinn 470
Hierzu der AnhangR 593
1. Zahl der Gesangstimmen 471
2. Wahl der Begleitung 472
3. Form der Komposition 475
Dritter Abschnitt. Die Arie 476
1. Arie in Liedform.
2. Arie in Rondoform ....*... 477
3. Arie in Sonatenform 480
XVI
Seite
4. Arie zasammeDgesetzter Form 48t
5. Soeoe 483
Vierter Abschnitt. Die mehrBtlmiDigeD Solosatze 485
1. DasDoett 486
2. Die mehr als zweistimmigen SolosStze 488
3. Das Gesang-Ensemble 489
4. Die Introduktion.
5. Das Finale.
Anhang.
EriKnteningen and Zusätze zum vierten Tbeile 491
' A. Die Orgel zur Begleitung von Rirehenmusik 493
B. Methodik der Instrumentation sieh re . . . 498
C. Posannenarten 504
1. Die Diskantposaune.
%, Die Altposaune 505
3. Die Tenorbassposanne 506
4. Der Quiotbass 507
5. Die tiefste Tonlage der Posaunen.
D. Zur Rarakteristik der Blechinstrumente 509
B. Zur Rarakteristik der Ventilinstrumente 514
F. Nene Ventilfamilien 520
G. Die Bassklarinette 522
H. Was die Lehre vermag 526
I. Zur Rarakteristik der Oboe 529
R. Zur Rarakteristik der Flöte und Pikkolflöte 543
L. Fingerzeige; Vielerlei 549
M. Weite Lage des Streichquartetts 559
N. Tbeilung des Streichquartetts 563
0. Die neuen Orcbesterbildungen 572
P. Anordnung der Partitur 584
Q. Entwurf und Anlage der Partitur 589
R. Aneignung des Textes 593
Sachregister 597
Notenbellagen.
Vierter Theil.
Porls-etzung
der angewandten Kompositionslehre.
Marx, Komp. L. fV. 3. Aufl.
Einleitung.
1. Aufgabe des vierten Theils.
J3er vierte und letzte Theil des Lehrbuchg hat die im dritten begon-
nene Lehre von der angewandten Komposition zu vollenden. Sein In-
halt stellt sich in folgenden Gruppen zusammen.
1. Harmoniemnsik,
oder Komposition für Blasinstrumente. Dass und aus welchem Grunde
wir dieser Lehre die von der Orgelkomposition zuordnen, wird sich an
seinem Orte (S. 7) zeigen.
IL Orchestersatz,
der den Satz für volles Orchester, also für den Verein der Saiteninstru-
mente mit Harmoniemnsik begreift. Auch die Schlaginstrumente (Pau-
ken n. s. w.) gehören, wie sich versteht, dem Inbegriff des Orchesters
an, kommen aber schon bei der Harmoniemusik zur Sprache.
III. Ensemblesatz.
Mit diesem Namen — in Ermangelung eines deutschen — bezeichnen
wir den Verein von Solo- und Orcbestersatz , von Solo- und Chorge-
sang im Verein mit dem Orchester. Hier erst kommen diejenigen For-
men der Gesangmusik (Arie u. s. w.) zur Sprache, die zwar auch ohne
Orchester, z. B. mit Klavierbegleitung, darstellbar sind, in der Regel
aber und am günstigsten mit Orcbesterbegleitung auftreten. Da sie aus
frühem Lehrabschnitten geläufig sind, so konnten sie unbedenklich so-
gleich zu vollkommener Ausübung überliefert werden.
2. Vorbildung.
Die wichtigste Vorbereitung für diesen Theil der Lehre, nächst
dem in den frühem Theilen Gegebenen , ist unausgesetzte , aufmerk-
samste Beobachtung aller Orcbesterinstrumenle, vornehmlich nach dem
Klang eines jeden und nach ihrer Verschmelzung unter einander. Keine
Sprache — wir wiederholen nochmals mit Nachdruck das Th. HL S. 8
Gesagte*) — reicht für Bezeichnung dieser so schwer zu bestimmenden
*) Es scbeiDt Dicht iiberfliissig , das Theil III zur VorbereituDg for den Jänner
Attsgesprochne hier, wo die Zeit der AowendoDg gekommen ist, za wiederholen,
da wir mehr als einmal erfahren, dass jene Vorerinnerang verpacblüssigt and dann
die Folgen drückend nnd hemmend genug empfunden worden sind.
„Wir ratben (sagt Theil III) Jedem, dem es mit seinen künstlerischen Stodien
Ernst ist, driogend: schon jetzt und von hieran unausgesetzt den Klang der
verschiedenen Instromente — und zwar in jeder Tonlage — mit
der höchsten Aufmerksamkeit und oiemols nachlassender Beharrlichkeit zu be-
obachten und sich einznpragen. Es ist anerlassliche Bedingung für die an
Gestalten und Freuden überreiche Kunst der Instrumentation, überhaupt für tiefere
nnd volUtändigc Knnstbilduog, dass man sich in Klang und Wesen der Kunstorgaoe
ganz und mit inniger Theilnabme eingelebt, sich mit iboen vollkommen vertraut
gemacht^ habe. Wer diese Bedingung nicht erfüllt, wird auch das Wort der Lehre
and doch so bedeatungs vollen und einflassreichen Wesenheiten hin;
kein Lehrer kann mehr als Andeatangen geben , and selbst diese nur
in der Form ungefährer, niemals ganz treffender Vergleichungen.
Hier muss also notbweodig die sinnliche Wahrnehmung des Jüngers
dem blos andeutenden Worte des Lehrers entgegen nnd zu Hülfe kom-
men. Diese Foderung und der am angeführten Ort an sie geknüpfte
Ralh ist um so gegründeter, da wir uns hier auf ein Gebiet begeben,
auf dem selbst die Heister weiter von einander abweichen , als auf
frühern, ein Gebiet — das der Orchestration — das selbst in der Kunst
noch zu nea angebaut, im wahrhaft freien Bewusstsein zu jung ist (man
kann ohne Ungerechtigkeit gegen einzelne Lichtblicke und Kraftäusse-
rungen der Vorgänger kaum Gluck, mit Sicherheit nur erstHaydn
als ersten Meister nennen), als dass die Lehre wagen dürfte, allgemeine
Einstimmung nur zu hoffen, geschweige zu fodern.
3. Gränze der Kompositionslehre.
Schon hierin werden wir also eine nothwendige Gränze der Kom-
positionslehre gewahr ; sie geleitet bis in das sich selber noch lange
nicht, oder vielmehr niemals abgeschlossene Runstleben, das nun der
gereifte Kunstjünger -^ und Jünger bleiben wir alle , selbst in der so-
genannten Meisterschaft , denn wer lernt aus ! — mitzuleben und an
seinem Theil zu fördern hat. Zugleich sehen wir den Kreis der Kunst-
formen und das Reich der Kunstorgane sich vollständig abrunden -, wir
habeü erfahren und hoffentlich erprobt, womit und wie — in welchen
Formen wir wirken können. Was uns zu wirken, zu schaffen beschie-
den? — das hängt von höherer Bestimmung, von dem Inhalt unsrer
selbst, von unsrer allgemeinen Bildung, von dem Zeit- und Volksmo-
meut ab , in dem wir leben, von der Treue und Liebe gegen unsre und
unsrer Zeit und Kunst Bestimmung. Das künstlerisch-wissenschaflliche
Bewusstsein hierüber zu wecken und zu festigen, liegt ausser denGrän-
zen der Kompositionslehre; es ist das die Aufgabe der Musikwissen-
schaft.
nicht fassen, vielweniger mit Lebendigkeit nnd Eigentbümlichkeic Tdr jene Organe
erßnden können. '^
,,Za diesem Zwecke genügt keineswegs, dass man blos'Mnsik — qnd w'ar' es
die beste — böre. Denn bei der Emprängliebkeit Fdr Kunst, die in jediun Jünger
vorausgesetzt werden muss, ist, je trefflicher die Kunstdarstellung, um so mehr zu
erwarten, dass -der Hörer über der Macht des Kunstwerk« im Ganzen die Beobach-
tung der mitwirkenden , oft untergeordneten Tonstoffe versäume. Es musa daher
je>de Gelegenheit wahrgenommen werden, die Instrumente einzeln, ausserhalb jener
irerrufarerischen Darstellongen zu hören. Hier, in Musikproben, bei geringern we-
niger anziehenden AuiTübrungen (in denen wir uns leichter vom Ganzen ab aof die
einzelnen Stofftheile wenden) ist in der That oft tiefer zu beobachten, als tu wich-
tigem und anziehendem Musiken."
Der Sludireode (fügen wir zu) muss äbstrabireh- lernen vom Ganzen, um sich
nur der Beobachtung des bestimmten In;itruments hinzugehen. Er soll taub sein für
den Inhalt des Toasatzes, mag nicht wissen, ob ^eV^eibe ein Marsch oder Tanz,
Dur oder MoU sei ; aber unabliissig soll er sich einprägen; wie klingt dieses Instru-
ment? wie klingt es in der Höbe? in der Tiefe? u. s. w.
Uebrigeos ist bei Anführungen aus den vorangehenden Theilen die 5. Auflage
des ersten , die 4. des zweiten , die 3. des dritten Theils, — sowie die 6. Auflage
der allgemeinen Musikjlgfare gemeint.
Achtes Buch.
Die Harmoniemusik.
Einleitung.
Unter Harmoniemosik versiebt man bekanntlich den Satz für
Blasinstrumente. Diesen scbliessen sich , als zu demselben Satze
gehörig, die Schlaginstrumente (Pauken, grosse Trommel und
die übrigen zur Janitscharenmusik gehörigen) an.
Der Chor der Blasinstrumente ist zwar mannigfacher besetzt, ab
der der Saiteninstrumente. Aber Karakter und Wirkungsweise aller
hierher gehörigen Instrumente sind weit einfacher ; auch der Satz und
die Aufgaben für Harmoniemusik müssen dem Karakter der Instrumente
gemäss einfacher und im Allgemeinen von untergeordneter Wichtigkeit
sein. Hierzu kommt, dass die Harmoniemusik zur Lösung ihrer Auf-
gaben für sich selbst bestehend wirken kann , während das Orchester
der Saiteninstrumente nur in seltnen Ausnahrafallen ftir sich allein auf-
tritt, meistens sich mit Blasinstrumenten verbindet. Aus diesen Grün-
den erscheint es zweckmässig , mit dem Satze für Harmoniemusik zu
beginnen, und dann erst, nach Zuziehung der Saiteninstrumente, zum
Orchestersatze, Verein von Saiten- und Blasinstrumenten, überzugehn.
Der Chor der Blasinstrumente zerfällt in die von Metall angefer-
tigten, oder
die Blechinstrumente,
und in die von Holz angefertigten, die man Holzblasinstrumente,
oder kürzer
Rohrinstrumente, *
oder Röhre nennen kann. Die nähere Bestimmung und Berichtigung
dieser Eintheilung wird an ihrem Ort erfolgen. Hier sind nun wieder
die Blechinstrumente die einfachem, werden daher den Rohrinstrumen-
len vorgehn.
Voran aber stellen wir die Orgel. Sie nimmt in sofern an der
Natur der Blasinstrumente Theil, als ihre Töne vorzngsweis* auf den
an einer Luftsäule im Innern einer Pfeife durch Anblasen erregten
Sehwingnngen beruhn, wie die Töne der Blasinstrumente, nur dass be-
kanntlich die letztem vom lebendigen Athem des Bläsers zum Schallen
erregt werden, die Orgelpfeifen aber durch den auf den Druck einer
Taste, also ganz mechanisch, eindringenden Luftstrom aus den Orgel-
bälgen. Aus dem erstem Umstand^ ergiebt sich ihre Aebniichkeit mit
den Blasinstrumenten^ ihre Behandlung aber iat der des Klaviers sehr
8
nahe verwandt. Daher scheint sie geeignet, ans ans yertrautem Gebiet
in das fremdere der Harmoniemnsik vorbereitend überzuführen, wie
"viel und wie wichtige Unterschiede sich auch zwischen beiden Organen
ergeben werden.
Erste Abtheilnng.
Die Orgelkomposition.
Erster Abschnitt.
Kenntniss des Instrumeuts.
Die Töne der Orgel werden bekanntlich durch Pfeifen hervorge-
bracht, sobald das Niederdrücken einer Taste den Eintritt des Windes
aus den Bätgen (BKisbälgen, Orgelbälgen) durch die Windlade u. s. w.
in die Pfeife, die ertönen soll, gestaltet. Der Mechanismus der Wind-
führung, sowie die ganze Struktur des vielfach zusammengesetzten
Werkes*) liegen ausser unserm hier gefassteo Gesichtskreise ; dem
Komponisten ist nur wichtig, Ton- und Klangwesen, nebst Schallkrafl
•und Spielweise des Instruments zu kennen und sich aus beidem eine
sichre Vorstellung von dem Vermögen und Karakter desselben zu
bilden.
1. Das Tonwesen.
Gehen wir (für die , denen es mehr oder weniger nöthig) bei der
Erkenntniss der Orgel vom Anblick der Klaviaturen aus, durch die das
Instrument 2Um Tönen gebracht wird : so haben wir zunächst zweier-
lei Klaviaturen zu bemerken, eine — oder auch ^wei, ja drei und vier
Klaviaturen , ^ie wie bei dem Klavier für das Spiel mit den Händen
bestimmt sind und
Manuale
heissen , und eine , auch wohl zwei Tastaturen , deren Tasten mit den
Füssen angeschlagen (niedergedrückt) werden und den Namen
Pedal
führen
Das M^inual zeigt eine Reihe Tasten vom grossen C bis zum
dreigestrichnen c^d^ auch/ und g. Das Pedal zeigt eine Reihe Tasten
vom grossen C bis zum eingestricbnen c, </, auch wohl e. Die meisten
*) Wer sich hierüber oäheroDterrichten will, denverweisen wir auf Becker'«
Rathgeber fdr On^anisten, Seid-ePs „die Orgel und ihr Baa*S Töpfer*« Orgel-
baükuDst und eigne Anschaaung unter Leitung eines Sachkundigen.
— ~ 9
Orgeln-reicfaen im Manual und Pedal nicht weiter , als bis zu dem an-
gegebenen höchsten ^*); es scheint daher rathsam, in der Komposition
nicht höher zu setzen, zumal die Orgel — wie sich gleich zeigen
wird — noch anf anderm Wege weit höherer Tonreihen wenigstens
für das Manual mächtig ist.
Das Tonsystem , was sich nach dem Anblick der Klaviaturen zu
ergeben scheint, ist aber niicht auf eiue einzige Reihe von Tönen oder
von ertönen sollenden Pfeifen beschränkt; es sind mehrere, bei
grössern Orgeln viele Pfeifenreihen, die durch dieselben Klaviaturen
bald einzeln, bald zu zwei oder mebrern, bald aliesammt vereinigt zur
Wirkung kommen. Jede dieser Pfeifen- und Tonreihen heisst be-
kanntlich
Register.
und wird mittels eines neben oder über den Manualen angebrachten
Registerzugs (kurzweg auch .Register genadnl) tnr Wirksamkeit eröff-
net, so dass eine niedergedrückte Taste die von ihr abhängigen Pfeifen
jedes Registers zum Tönen bringt, das gezogen worden ist. Angenom-
men, es ständen im Manual einer Orgel die drei Register
Violon 8 Fuss,
Rohrflöte 8 Fuss,
Gedakt 8 Fuss,
so würde jedes dieser Register eine Reihe Pfeifen enthalten , die die
Töne vom grossen C bis zum dreigestrichnen d (oder wie hoch die
Klaviatur reicht) angäbe. Zöge nun der Spieler das erste Register, so
brächte jede Taste ihre Pfeife in diesem Register zum Tönen ; zog* er
zwei oder alle drei Register, so würde jede Taste bei ihrem Anschlag
die zwei oder drei Pfeifen der gezognen Register zum Tönen bringen,
es wurde jeder Ton von zwei oder drei verbundnen Instrumenten
(Pfeifen) angegeben werden.
Diese Register sind vor allen Dingen nach der Tonhöhe und
dem Toniuhalt verschieden. Einige geben die Töne so an, wie wir sie
oben genannt und wie sie auf dem Klavier erscheinen. Diese Register-
heissen
achtfüssige,
oder haben Achtfusston**), Andere geben statt des geschriebenen Tons
die tiefere Oktave, so dass also die Noten
*) Alten dnd unvollkommeneo Werken (Orgeln)- fehlt bisweilen das grosse Cit^
oder anch ein Theil der tiefsten Oktave, oder die Töoe der Obertasten. Auf der-
gleichen Mangelbaftigkeiten ist nicht weiter Rücksicht zu nehmen , da sie nur zu
den seUnen Ansnahmen geh-öreo.
♦♦) Die Pfeife des tiefsten Tons <Gross C) hat acht Foss Länge ; daher der
Nane. Die folgenden Namen sind in gleicher Weise zu erklären.
10
1 =^^^^^^ •*•**" '^°"* ^^^~i~^~i~—
ergeben ; sie heissen
sechszebnfüssige,
oder haben Secbszehnfusston. Andre geben statt des gescbriebenen
Tons die zweite tiefere Oktare, so dass also die Noten
2 g*^^^f=g=^ ^»es« Töne ^=^^^^
ergeben ; sie beissen
zweiunddreissigfüssige,
oder baben Zweiunddreissigfusston.
So giebt es nun ferner
Vierfuss-Register,
die die böhern Oktaven der vorgescbriebenen Töne angeben , so dass
die Noten
SiE^:
=H=g— *-^ als diese Töne :3^^=iK^^^=t:=
erklingen; femer
Z w ei fuss- Register,
die die zweite höhere Oktave geben (statt de3 grossen C das einge-
stricbne); endlich
Einfuss-Register,
die die dritte höhere Oktave (statt des grossen C das zweigestrichne)
hören lassen.
Hiernach ergiebt sich ein Gesammtumfang des Tonsfstems
vom zweiunddreissigfüssigen C (zwei Oktaven unter dem grossen) bis
wenigstens zum fünfgestrichnen c, oder von wenigstens acht
Oktaven.
Allein diese Tonreibe kann nicht füglich selbständig gebraucht
werden. Die Zweionddreissigfuss-Register bringen besonders in der
Tiefe theils so unsichre, theils so rauhe Töne hervor, dass man sie
nicht — oder wenigstens nicht nach dem Sinn und Knrakter des In-
strnments für sich allein gebrauchen kann. Sie werden nur in Vcr*
bindung mit sechszebnfüssigen und noch böhern Registern zu deren
macht- und würdevoller Verstärkung verwendet, so dass eigentlich
nicht sie, sondern derAchtfusston oder Secbszehnfusston als hauptsäch-
licher Ton, als Kern des Tonkörpers gelten. Wiederum liegen die
zwei- und einfiissigen Register so weit über die wichtigste und wirk-
samste Tonregion hinaus und sind in den höbern Regionen von so
spitzem und dabei nicht einmal genugsam starkem Klange, dass auch
sie nicht für sich allein , sondern nur zur Verstärkung der tiefern Re-
— 11 —
gister, namentlich bei vollem Werke, gebraucht werden. Auch von
den Vierfiissregistern gilt mit seltnen Ausnahmen dasselbe, so dass man
die wirklich geltende Tonreihe der Orgel höchstens vom Kontra-C
(dem tiefsten Ton der Sechszehnfassstimmen) bis zum viergestrichnen
c oder d (dem höchsten Ton im Vierfiisssystem) rechnen darf. Und
auch dies nur in seltnen Ausnahmen. In der Regel dienen auch die
secbszehn- und vierfüssigen Register nur zur Verstärkung des Acht-
fosstons; und wenn Vierfussstimmen allein, als selbstgelteod gebraucht
werden, so ßhrt man sie nie (oder sehr selten) höher, als das Acht-
fasssystem reicht.
Die bisher betrachteten Stimmen sind als Haupt- oder Grund-
stimmen anzusehn; ihre Tonhöhe ist es, die der Komponist als we-
sentlichen Ausdruck seines Gedankens zu hören geben will. Neben
ihnen treten noch Füll- oder Nebenstimmen auf, die von dem vor-
geschriebnen Ton die Quinte oder Terz, — und endlich Mixtu-
ren, die zu jedem Ton der Grundstimme mehrere, dem auf jenem
gebauten grossen Dreiklang angehörige Töne angeben. Alle diese Ne-
bentöne sollen nicht für sich gelten und gehört werden , sondern nur
— gleich den von Natur mitklingenden Tönen der Aliquottheile*) —
die Verstärkung, gleichsam die musikalische Atmosphäre des Haupttons
bilden. Dieser muss daher auch so stark, von so vielen und starken
Grandstimmen angegeben werden, dass er die mitklingenden Töne der
Nebenstimmen und Mixturen in sich aufnimmt und nicht zu selbständi-
ger Wirkung kommen lässt. Dann dienen diese wahrhaft zur Stärkung
und Verschärfung, nicht zur Verdunkelung des vom Komponisten
eigentlich gewollten Tons. Hieraus folgt, dass auch durch die Neben-
slimmen und Mixturen das Toosystem der Orgel für den Komponisten
nicfat erweitert wird.
2. Das Klangwesen.
Bis hierher haben wir alle Register nur nach ihrem Tongehalt be-
trachtet. Sie sind aber auch dem Klange nach von grösster Ver-
schiedenheit. Einige ahmen den Klang der üblichen Orchesterinstru-
mente nach und führen deren Namen, z. B. Violon, Flöte, Oboe,
Pagott, Trompete, Posaune, — oder veralteter Instrumente, z. B.
Schallmey, Bombardon; andere sind der Orgel ganz eigenthümlich,
z. B. die Gedakte, Prinzipale und andere mehr; auch vox humana und
vox angelica^ die Menschen- und Engelstimmen darstellen sollen,
mögen hierher gezählt werden. Es wäre uuthunlich und unnütz, alle
Register (man kann deren wohl 60 und mehr annehmen) hier aufzu-
zählen und zu karakterisiren ; das letzlere ist kaum mit blosser Be-
*) Allg. MMiUebre, S. 150, 174 d«r 6. Aofl.
12
lehreibttog aosfohrbar ond die Ansdiaaiiiif^ auf Behrera Oi^lwerkcn
ist um Bo oneDtbebrlicber, da dieselben Register aof ▼erschiednen
Werken bald unter rerschiednem Namen, bald mit merklicb abwei-
chendem Klang auftreten. Nur einige Hauptmomente müssen erwabni
werden.
Alle Orgelpfeiren (also alle Register oder Summen) scheiden sicli
in zwei Hanptklassen : in Labialpfeifen oder Flöten — und in
Rohr- oder Znngenpfeifen. In den erstem ist die in der Pfeife
enthaltene Luftsäule der tonende Körper. Der Klang dieser Pfeifen ist
zwar nach der Struktur in den verschiednen Registern höchst mannig-
faltig unterschieden (wie man schon an den Prinzipal -Flöten- und
Violonstimmen bemerken kann, die äliesammt Flötenregister sind),
kommt aber doch bei allen darin überein , dass er gefüllt und bei aller
Schallkraft, ja sogar bei einem gewissen Grade von Rauheit oder Kör-
nigkeii (wie man unter andern an den Prinzipalen gewahr werden
kann) doch nicht hart, sondern eher sanftansprechend, auch etwas
dumpf heraustritt. In den Zungenwerken wird der Ton einer innerhalb
der Pfeife durch den eindringenden Loftstrom in Schwingung gesetzten
Zunge (einem nur am einen Ende befestigten Messingstreifen, auch
Blatt genannt) abgewonnen und die Luftsäule in der Pfeife ist nur
mitwirkend , besonders zur Verstärkung des Schalls und zur Bildung
des Klanges. Auch die 21ungenregister (wie man an den hierher gehö-
rigen Stimmen Oboe, Fagott, Trompete und Posaune bemerken kann)
weichen im Karakter bedeutend von einander ab , kommen aber darin
überein, dass sie einen scharfen, einschneidenden, hell hervortretenden
Klang haben. ,,So wie der Ton der Labialpfeifen das Geheimnissvolle,
Würdige and Ernsthafte in sich vereint und überhaupt das Fundament
und die Mauern des Orgeltons bildet , so ist der Ton der Rohrwerke
gewissermassen der Putz oder Anstrich derselben, er ist aufmunternd
und freundlich, er verleiht dem Orgeltön erst den rechten Glanz, be-
nimmt ihm das Matte oder Düstre und umgiebt ihn, so zu sagen, mit dem
Feslkleide der Wonne und Freude'**).
Aus d^r Reihe der Labialregister heben wir noch diejenigen her-
vor, deren Pfeifen oben verschlossen sind, so dass die Schwingung der
Luftsäule zurückgeworfen und zum doppelt langen Weg genöthigt
wird**). Sie heissen Gedakte (gedeckte Pfeifen) und haben einen
dumpfem, bedeckten, stillem Klang als die offnen. Eine Mittelklasse
bilden die halbgedeckten Pfeifen, die zwar gedeckt, in deren
Deckung aber eine kleinere, nach oben offne Röhre angebracht ist.
Flöte , Subbass und die ausdrücklich so genannten Gedakte sind ganz
•) Seidel, a. t. 0. S. 77.
**) Die Däebflte Fol;« ist, dt» eioe solche Pfeife eioeo noch eiomal so tiefen
(um eine Oktave tierern) Ton angiebtj als ihre eiseotliche LüDge gewähren würde.
13
gedeckte, — die Robrflöte ist ein balbgedecktes, die Prinzipale sind
offne FiÖtenregisler.
Werden nun verschiedne Stimmen, z.B. Violpn und Flöte» gleich-
zeitig auf derselben Klaviatur vereinigt, so entstehn gemischte Klänge^
die wiederum ganz andern Karakter haben, als die einfachen Register.
Die hierbei möglichen Kombiuationen durcbzugehn und, wenn auch nur
andeutungsweise, zu karakterisiren, ist noch unthunlicher, als die Auf-
zählung der einfachen Register. So viel ist klar, dass es von der Wahl
der Register (von der Registrirung, wie der Kunslausdruck heisst)
abhängt, ob man sich nur auf die Flötenstimmen oder gar nur auf die
Gedakte beschränken , oder ob man mehr oder weniger Rohrstimmen
beimischen, oder sich Mos letzterer. bedienen und so entweder den
Karakter der Flöten- oder der Rofirstimmen zur Geltung bringen oder
einen gemischten Klang bilden will. Das Nähere mnss der. eignen
Beobachtung und Registerwahl überlassen bleiben.
3. Schallkraft.
Die Schallkrafl der Orgel hängt bei jeder Ausführung zunächst
von der Wahl des einzelnen Registers, oder der mehrern vereint wir-
kenden ab; und zwar können nicht blos die Stimmen einer Klaviatur,
sondern auch die Stimmen der verscbiednen Manuale und des Pedals
mittels der Koppeln (Verbindungszüge zum Verein der verscbiednen
Klaviaturen) mit einander verbunden werden. ISur ist zu bemerken,
dass durch Koppelung die Tasten der verbandnen Klaviaturen auf den
meisten Orgeln mit einander zusammenhängend werden. Wenn also
dieser Salz —
* <
Äi^fe
mit gekoppelten Klaviaturen (Pedal und Manual vereint) gespielt wer-
den sollte: so würden in der vieilen Mahuälslimme die mit f bezeich-
neten Töne wegfallen , weil ihre Tasten schon mit demselben Ton im
Pedale hinuntergezogen sind. Und wenn' auch auf andern Orgeln die
Tasten von einander gelöst bleiben, so sind doch die Pfeifen der Ma-
nuale schon in Wirksamkeit gesetzt , können mithin nicht von neuem,
als neuer Manualton wirken.
14
So bietet ans die Orgel nach Tonhöhe, Klang nnd Scballkrafl
grosse Mannigfaltigkeit und es steht dem Spieler nur mittels des Her-
ausziehens oder Abstossens (Hineinstossens) der Register, die er hören
oder wieder schweigen lassen will, selbst im Laufe der Ausführung
grosse Abwechselung zu Gebote , die er selbst bei fortwährender Be-
schäftigung beider Hände nölhigenfalls durch Zuziehung von Gehulfen
zum Ausziehen und Abstossen der Register erhalten kann und die ihm
die Möglichkeit bietet, einzelne Sätze in verschiednen Graden der
Stärke und Weisen des Klanges , nach dem Sinn eines jeden zu Gehör
zu bringen. Die sinnvolle Auswahl und Zusammenstellung der Register
ist daher eine wichtige Bedingung für die Wirkung des Instruments.
Auch der Komponist muss damit wenigstens im Wesentlichen be-
kanntsein; die nähere Kenntniss der Registrirkunst hat er aus den
vorgenannten Orgelbüchern und besonders durch eigne Versuche am
Werke zu schöpfen.
4. Spielweise.
Jedes der Manuale stellt eine Klaviatur dar, ganz wie die des
Pianoforte eingerichtet (wenn auch von minderer Ausdehnung) und
spielbar. Nur fallen die Tasten auf den Orgelklaviaturen tiefer und
spielen sich , je mehr Register gezogen werden , um so schwerer (am
schwersten also bei vollem Werk), so dass es schon desshalb un-
möglich ist, bei gleicher Kraft und Fertigkeit des Spielers auf der Orgel
so leicht und schnell zu spielen als auf dem Klavier. Ferner klingt
jeder Ton unwandelbar so lange fort, als seine Taste niedergedruckt
bleibt, und verschwindet, sobald die Taste losgelassen wird. Daher er-
fodert die Orgel ein weit genaueres Spiel als das Klavier. Wenn man
auf letzterm einen Gang (a.) —
ZU kurz abgestossen spielt, so haben selbst bei sorgsam gebauten In*
strumeuten die Saiten doch immer einen leisen Nachhall, der den
Fehler des Spielers einigermassen mildert ; lässt man den oder jenen
Finger liegen, so tritt bei der Schwäche des Fortklingens (Tb. III.
S. 18) der Missklang nicht gar zu herb heraus. Auf der Orgel dagegen
wird ein Gang bei zu kurzem Anschlag durch Pausen (b.) zerrissen,
bei liegenbleibenden Fingern klingt jeder Ton unerbittlich in gleicher
Stärke fort und kann leicht (wie bei c. zu sehn) die widrigsten Miss-
stände herbeiführen. Daher muss schon der Komponist dafür sorgen,
dass die Hände des Spielers eine sichre Haltung bewahren können;
jene weiten Spannungen von Nonen und Dezimen, jene gewagten Pi-
guralionen , die auf dem Klavier (namentlich mit Hülfe des Pedals),
15
alleablb gelingen, weil kleinere Mängel nicht grell hervortreten , sind
im Orgelsatz anzulässig, wo nicht unmöglich.
Das Pedal gleicht in der Anordnung seiner Tasten ebenfalls der
Klaviatur des Pianoforte , nur dass die Tasten durch Zwischeuräume
von einander geschieden sind, damit man sie sicherer, ohne die Neben-
tasten za berühren , treffe. Diese Tasten werden bekanntlich mit den
Füssen berührt, und zwar kann von jedem Fusse Spitze und Absatz
gebraucht werden. Staunenswerthe Fertigkeit und Sicherheit wird
allerdings mit diesen einfachen, noch obenein dem Auge fast ganz ent-
ruckten Mitteln geleistet*). Allein es ist hier wie überall ralhsam,
nicht auf das Ausserordentliche und Seltene zu rechnen und besonders
unnöthige Schwierigkeiten zu meiden ; je genauer .man die Technik
des Instrumentes kennt und beachtet, desto sicherer und günstiger wird
es in Wirksamkeit treten. Für die nicht Orgel Spielenden sei daher
wenigstens das Näcbstnölhige bemerkt.
Erstens können die Füsse nicht an den äussersten Enden des
Pedals (in der höchsten oder tiefsten Tonregion) beschäftigt werden,
ohne dass die Hallung des Spielers auf der Orgelbank einigermassen
an ihrer Sicherheit verliere oder derselbe sich jenen äussersten Enden
näher rücke. Einzelne entfernte Tasten können zwar mit dem ihnen
nächsten Fusse gut abgelangt werden; so führt z. B. Seb. Bach in
einem Präludium aus^moll**) das Pedal in Oklavschritten, —
« <
Man.
j-
li
i:^j±jJR,uLUi:,.j^f=m
w
Ped. ^
r'^ziTT i-tii j njj f
die ihn in tieferer Lage zu einem Sprunge von fast zwei Oktaven,
i
5^
l^L-i-^jn
S
£S£
^cfhc;
^^^!
*) Mae Buitf den Kapellmeister Fr. Schoeiderio Dessau, die Musikdirek^
toreo Schneider ia Dresden, Hesse in Breslau, Becker und Schellenberg
in Leipzig , Organisten Haupt in Berlin — und wie viele würdige Namen wären
noch zu nennen I — gehört haben, um eine Vorstellung von dieser Seite des Orgel-
spielfl zu fassen.
*«) Baek's Orgelkompositionen, bei Breitkopf und Härtet. Heft 1.
16
fast von der letzten Tiefe znr anssersten Höbe nöthigen, ohne dass die
Ausführung ein Bedenken hätte. Wollte man aber beide Fasse von
der ädssersten Höhe schnell zur änssersten Tiefe fuhren^ z. B.
8 :^.
so würde die Haltung des Spielers gefährdet und die Ausführung un-
sicher, bei schnellem Tempo sogar unmöglich.
Zweitens sind Figuren, in denen beide Füsse einander Ton um
Ton ablosen können, z. B.
a. RX.RX. 11. 8. w. b.
am leichtesten ausführbar, daher man sie auch in den Orgelsätzen am
häufigsten angewendet findet und nicht aus Bequemlichkeit oder Nach-
ahmerei der Komponisten , sondern nach den in der Sache liegenden
Bedingungen*). Je näher dabei die Füsse einander bleiben und je we-
niger sie zu wechseln und zu springen haben , desto bequemer ist die
Ausführung. Daher ist in Nr. 9 der Satz a. leichter als b., beide sind
leichter ^als Nr. 6 und 7.
Drittens wechseln Absatz und Spitze desselben Fusses am be-
quemsten , wenn letztere Obertasten, ersterer Untertasten zu nehmen
hat. In dieser Stelle z. B.
A. s. A
10
^E^^Eg^^gH^pg^^JE
würde g und as bequem mit Absatz und Spitze des rechten Fusses,
y*, esj dj c, H m\\. dem linken genommen werden.
Nur so viel kann hier über die Applikalur im Pedal gesagt werden,
in der übrigens — wie sich von selbst versieht — ebensowohl ver-
schiedne Behandlung derselben Stellen möglich und oll nach den beson-
dem Umständen noth wendig ist, als im Fingersatz auf den Manualen
oder dem Pianoforte. Eigenes Nachdenken wird , selbst wenn prakti-
sche Uebung unerlangbar sein sollte , wenigstens das Wichtigere erge-
ben und vor grobem Fehlgriffen sicher stellen.
Jedenfalls ist klar, dass die Spielbarkeit des Pedals beschränkter
ist, als die des Manuals oder Klaviers. Es wird daher rathsam , dem
erstem nur das ihm Erreichbare zuziiertheiien und in solchen Sätzen,
die sowohl vom Manual als Pedal ausgeführt werden sollen , zunächst
die Ausführbarkeit auf diesem in das Auge zu fassen; was hier erreich-
bar, ist auf dem Manual leicht. Dieser letzte Rath trifft besonders die
*) Etwas AehDlicbes fanden wir Th. III. S. 462 bei den Pieren fdrClioripesto^.
17
Pogenthemate , die bekanDtlich in j€der Summe, also auch im Pedal,
aufgeführt werden müssen. Geht man dieselben bei Meistern des Or-
gelsatzes, namentlich bei Seb. Bach, durch, so stellt sich die durch-
greifende Rucksicht auf das Pedal, — z. B. hier*)
deutlich heraus, oder das Thema wird zu Gunsten der Spielbarkeit für
das Pedal umgeändert. So setzt Bach diese Themate —
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jfi — &-
für das Pedal in nachslehender Weise, —
deren Erleichterungen in das Auge fiiUen, um.
^) Ans der erwähoten Sammlua; mit Ausoabme der in Nr. 12 zuerst aoge-
rdkrten Foge. Das Beispiel e. in Nr. 12 aus der bei Pe te r s erschieneneo vortreif-
lieben Aassabe der Baeb'scbeo Orselkomposiiiooen, Band IV. S. 37.
Marx,Konp. L. IV. 9. Aufl. 2
18
Dass eodlicb id laogjiaoier Bewegung jede Weise der Tonfolge
ausführbar ist, dass dann jeder Fussobne Mitwirkung des andern sei*
nen Satz vortragen, jeder eine besondre Stimme fübreo kann, daran
erinnere dieses Fragment —
aus dem durchfugirten Cboral: ,, Aus tiefer Noth schrei ich zu dir'*
von Seb. Bach. Es ist zuerst die vierte Stimme mit dem ersten Sub-
jekt (der ersten Choralstrophe) auf h^-e^ dann die dritte , die erste,
die zweite Stimme eingetreten \ oben setzt im ersten Takte die sechste,
und endlich im dritten Takte, während die vierte und erste Stimme das
Thema wiederholen (also in iibervoHsländiger Durchführung, — >- die
Eintritte dieses Taktes bilden eineEngfuhrung), setzt die funfleStimme
mit dem Thema ein und fuhrt es vergrössert durch. Diese fiinfle Stimme
kann und muss vom rechten, sowie die sechste Stimme vom linken
Fuss- allein vorgetragen werden.
— 1» — -
Zweiter Abschnitt,
karäkt^r der Orgel.
Die Orgel enthalt, wie wir bereits aus dem vorigen Abschnitte.
wissen, eine grosse Masse von Stimmen. Einige derselben, z. B. die
Gedakte, Robrflöten, Flöten u. s.w., sind sehr zart, ja dampfen Schal-
les, andere, z. B. die Prinzipale, die Trompeten, Posaunen u. s. w.,
sind von vollerer, schärferer, zümTheil hart eingreifender Schallkraft,
das volle Werk (natürlich immer eine wohlgebaute und reich ausge-
stattete Orgel vorausgesetzt) braust wie ein Orkan und scheint die
breiten Kirchengewölbe erschüttern und sprengen zu wollen; das
grösste Orchester kann sich mit solcher Uebergewall nicht messen.
Von der zartesten , nur eben hinhauchenden Stimme bis zum Donner-
sturm des vollen Werks bietet sich durch die Wahl und Häufung der
Register eine grosse Reihe von Abstufungen der Schallkraft dar. So
wissen wir auch, dass die einzelnen Register grosse Abwechselung
im Klang gestalten, die durch Mischung verschiedner Register noch,
vermehrt werden kann.
Mancherlei Umstände und Eigenheiten der Orgel vermindern je-
doch die Anwendbarkeit dieses anscheinend unerschöpflichen Reich-
Ihnms an Schallr und Klangmitteln. Der weite Raum der Kirchen und
die in denselben wie nach der Natur des Instruments zur Sprache
kommenden Empfindungen und Vorstellungen fodern in der Regel vol-
lem Schall und beschränken den Gebrauch, der zartern und dumpfen
Stimmen in der Vereinzelung anf wenige nicht weitreichende Ausnahm-
lalle ; nur selten ^im Vergleich zu der häufigen und ausgedehnten An-
wendung des Orgelspiels) wird man Grund haben , ein Gedaktregister
(etwa Bordun oder Flöte oder auch die hellere Rohrflöte) allein zu aus-
gebreiteter Wirksamkeit zu bringen. Sobald man aber über die einzel-.
nea Register hiitausgeht und einige oder mehrere zu verbinden an-
Tangt, schwindet immer mehr die Eigentbümlichkeit der einzelnen
Stimmen fderen Verschiedenheit ohnehin nicht so durchgreifend ist als
die der Orchesterstimmen) und es tritt der allgemeine Orgelklang
an ihre Stelle. Dieser Orgelklang ist aber in der That dem Karakter
des Orts und des Instruments am meisten angemessen. Daher fühlt sich
der Spieler gedrungen , ihn immer entschiedher und würdiger darzu-
stellen, sich dem vollen Werk immer näher zu bringen oder dasselbe
anzuwenden, wo nur irgend der Sinn der Romposition und Rück-
sicht anf äussere Verhältnisse (z. B. auf eine minder zahlreiche Ge-
meine, auf den stillern Sinn einer besondern goltesdienstlichen Feier)
es gestattet. In Allem kann auch die Orgel übertroflTen werden, nur
nicht in der Gewalt ihres Tonsturms; in vielen ihrer Stimmen (ässt sie
2*
20
sich zur Nachahmung des Orchesters herbei , nur im Orgelklang ist sie
eigenthünilich und vom Orchester nicht einmal nachzuahmen*).
Noch mehr beschränkt die Organisirung des Instruments den
Spieler in Auswahl und Anordnung der Stimmen.
Gleichzeitig können verschiedne Stimmen nur so weit gefuhrt
werden, als die Zahl der Manuale und Pedale, der Hände and
Füsse reicht. Jede Hand kann auf einem besondern Manual eine ver-
schiedne Stimme führen (z. B. die eine kann auf dem Obermanual Flöt''
oder Oboe, die andre auf dem Hauptmanuai Violon hören lassen), die
Füsse können eine dritte verschiedne Stimme auf dem Pedal zufügen ;
damit ist also eine Anzahl von dfei dem Klange nach verschiednen Stim-
men anwendbar. Hierdurch ist die Form des
Orgeltrio
veranlasst (von der im folgenden Abschnitte zu reden sein wird), in dem
drei verschiedne Stimmen gegen einander treten. Es können auch von
diesen drei Stimmen zwei — oder selbst alle drei eine Zeitlang im Ein-
klang gefuhrt werden, so dass dadurch Mischklänge (aus der ersten
und zweiten , ersten und dritten , zweiten und dritten , allen dreien)
entstehen; so beginnt z. B. Seb. Bach die letzte seiner Orgelso-
naten**) —
Man. 1.
mit einem Einklang der Manuale. Die Hauptsache bleibt aber doch die
Verschiedenheit der drei unvermischten Stimmen, weil man in jenen
Ausnahmfällen auf den zwei- oder einstimmigen Satz zurückgedrängt
wird. Ueber die Dreistimmigkeit aber kann man hinansgehn, wenn
*) Das hat sich vor Jahren io Spontioi's Agoes vob HoheDstaafen klar her-
aasgestelU, so reich der Aufwind von Blasiostramenten und so geschickt ihre Ver-
wendung war, mit denen Orgelklang hinter der Bühne nachgeahmt werden sollte.
**) Praktische Orgelschule, enthaltend sephs Sonaten für zwei Manuale and
durchaus obligates Pedal. Nageli in Zürich. Neue Aasgabe von Bach's Orgelkom.
Positionen bfii Peters, Band I.
21
man auf einem der Manuale — also mit einer Hand (oder auf jedem,
oder auch auf dem Pedal) mehr als eine Stimme führt So ist z. B. der
Th. IL S. 177 unter Nr. 251 angefahrte Choral angelegt. Die Einlei-
tung, in der der cantusfimms figurirt auftritt, wird von beiden Händen
auf dem einen Manual (Hauptmanual) und auf dem nicht gleich , aber
ähnlich registrirten Pedal (dieses bildet durchweg einen gehenden , an
den Figuren des Manoalsatzes nicht näher theilnehmenden Bass) aus-
gefShrt. Nun tritt mit einem unterschiednen, etwas hervorste-
chenden Register auf dem andern Manual (Obermanual) der cantusßr-
mu9 unverändert als Hauptstimme auf, — und von hier an ist der Satz
für das Hauptmanual so eingerichtet , dass er von einer einzigen Hand
ausgeführt werden kann. Das Wesentliche bei dieser und ähnlichen
Kompositionen bleibt, dass gleichzeitig nur dreierlei verschieden klin*
gende Stimmen zo Gehör kommen.
Am entscheidendsten ist die Wirkung solcher Klangmischnngen,
wenn man sich durchaus oder wenigstens für die Hauptstimmen auf
einzelne oder wenige verbundne Register beschränkt, weil dann der
eigenthümliche Klang am reinsten hervor- und mit den andern Stimmen
in Gegensatz tritt. Geht man weiter, so bleibt etwa noch der Gegen-
satz des Hauptmanuals und Pedals (oder des gekoppelten Werks) gegen
das Obermanual , — also einer stärkern und tieferliegenden Tonmasse
gegen eine minder starke und höherliegende übrig ; beide sind sich im
Orgelklang ähnlich und nah verwandt. Hier fehlt es also an energisch
ausgesprochner Karakteristik , wie im erstem Falle (wenn man auf die
Massenkraft verzichtet und sich auf wenige einzelne Register be-
schränkt) an der der Orgel eignen und gebührenden Macht.
In der Zeitfolge kann man Stimmwechsel erlangen, indem
man von einem Manual (oder dem Pedal) auf das andre abweichend regi-
strirte übergeht; so kann bei drei oder vier Manualen über den Um-
kreis des Orgeltrios — der Stimmwahl, wenn auch nicht der Stimm-
führung nach , da diese an die Zahl der Hände und Füsse gebunden ist
— hinausgegangen werden. Oder es können während des Spiels neue
Register hinzngenommen , die Klaviere gekoppelt, oder die Koppel ge-
löst und ein Theil der Register abgestossen (zum Schweigen gebracht)
werden. Allein alle diese Aenderungen treten ohne Verschmel-
zung ein: plötzlich ist eine, sind mehrere neue Stimmen da oder bisher
gebrauchte still geworden , der Klang und die Schallkraft ist plötzlich
geändert und steht nun wieder starr da , bis zu einer ebenso unvermit-
telten Aenderung. Selbst bei dem vorsichtigst abgemessenen Fortschrei-
ten von einem oder wenigen Registern bis allmählich zu vielen oder zum
vollen Werk, und umgekehrt vom vollen Werk bis in's Pianissimo,
wird jeder Schritt ein Stoss sein, nimmermehr wird man diese Opera-
tionen mit dem Anschwellen und Abnehmen des Orchesters und der
zarten Klangwechselung desselben auf eine Linie bringen können.
— ^2 - —
' Diese Siarrbeit der Or^elstimmen wird dadurch za ifarem
höchsten Ausdruck gebracht, dass bekanntiich die aufeinanderfolgen*
den Töne nicht nur nicht verscbmolxen , in einander übergeführt wer^-
den können, wie. auf Streich- und BlasinstcomenteB und von der Sing*
stimme, sondern auch keines Ab- und Zunehmens*), keines Wechsels
von Forte iijid Piano — > ausser denr durch, v^rschiedne Registratar im
Ganzen zu erreichenden — fähig sind. Jeder Orgelton, der zarteste
wie der stärkste, steht starr und unveränderlich da wie eine
Säule, ist bei aller elemenlariscben Macht oder Sussigkeit unleben*
dig, — während alles Lebendige im ewigen Wechsel und UmgestaU
ten, in Verstärkung oder Verhärtung und Milderung oder Sohwäohung,
in Festigung oder Beugung begriffen ist und eben darin, sogar im Aus-
druck der Schwäche, zu der es herabsinkt oder aus der es sich wieder
erhebt, sich als ein Lebendiges bezeigt, mit dem wir unmittelbar sym-
patbisiren können, weil wir in ihm die Wechsel, den anschwellendenr
und sich legenden Wellenschlag des eignen Gemülhs wiederfinden.
In dieser Hinsicht erweist sich also die Orgel untheilnehmend,
fremd gegen das eigentliche Gemfilhsleben , das wie jedes
Leben als erstes Kennzeichen innre Bewegung und Wandlung weiset. In
jeder Stimme, in jeder Stimmkombination giebt uns die Orgel unver-
änderlich gleichen Ausdruck und wiederum ist jeder einzelne Ton von
der ersten Ansprache bis zum letzten Hauch ein unveränderlich starrer
Anklang, wie sanft und süss auch sein Material sein mag. Es ist die
ungemütblichc, ja unmenschliche Seite des in andrer Hinsicht so wun-
derwürdigen Instruments, weil'es die. unlebendige ist. Und dies mag
der Grund seih, weshalb die neuere Tonkunst neben den nnermess-
lichen Fortschritten namentlich des Instrumentalsatzes und ungeachtet
des unverkennbaren hohen Talents so manches Orgelkomponisten doch
im Orgelsatze qicht wesentlich weiter gekommen, sondern eher gegen
die Leistung der alten Meister, namentlich Seh. Bach*s, zurückge-
blieben ist*^). Das Gemütb, überhaupt die Subjektivität — das per-»
*) MaD bot mtoeberlei Brfiodangea gentLcht^ z.B. Dich«* öder Tbörscbweller
«od Jalousiescbweller , darch die eio die Pfetfeo umgebeodes Gehäuse bald mehr, .
bald weniger geöffnet, —. Windschweller, dorcb die der die Pfeiren aoblaseode
Wind gemindert werden kann, Rompressionsbälge, die den Rohrpfeireo mit frei
•cbwingenden Zangen crese. ond deeresc, rerleihen. Aber tbeils sind diese Erfin- -
dnogen novolllcommen^ tbeils- Ist der vorgesetzte Zweelt mit dem Rarakter des In-
•trnm^nts in Wideraprneb, der dadoreb w«bl gescbwäebt, nicbt aber angewandelt
werden könnte.
**) AebtangsvoU muss das Streben Seh eilen berg's erwähnt nnd im Ange
bebaUeo werden, das darauf geriehtet ist, der Orgel neue Bahnen , nähere Tbeil-
nähme amGenihls- und Ideengang neuerer Zeit zu* gewinnen, namentlich die rejcber
ausgebreiteten Formen unsr^r Periode ihr anzueignen mit voller Erkenntniss ihres
Wesens und Vermögens. Ein solehes Streben ist gewiss ein kfinstlerisebes und fnbrt
23
gonliche Leben ist in. dem leisten balhea Jahrhundert za entschieden
Kam SelbstbewQSsUein and zar Geliendmachung gelangt, der Ideenkreis
der Kunst ist damit ^n weit und frei geworden, als dass sieb das Alles
UBterdrücken pnd vergessen liesse. Und doch findet es auf der Orgel
nicbt den rechten und genijgenden Aasdruck . Six ist denn der Qrgelkompo-
Bist ansrer Zeit bald genöthigt, den liebsten und eigenthümlichsten In-
hak seines Lebens zuräckzahalten oder zurückzuweisen, ~-^. oder. er
tritt im Ausdruck desselben in Widerspruch mit dem Instrument, das
zu mächtig ist, sich unterdrücken oder zu fremden Zwecken, ungestraft
brauchen zu lassen*).
Ans denselben Gründen aber ergiebt sich nan der positive Karak-
ter des Instruments. Indem es die persönlich-gemüthlichen, den Wech-
sel des individuellen Lebens an sich tragenden Stimmungen und Aus-
drucke entbehrt und in sich selber abgeschlossen und unabänderlich
fest, unwandelbar dasteht, ist es der rechte Ausdruck für die Kirche,
in ihrem Gegensatze zum weltlich - menschlichen oder individuellen
Leben. Sie spricht die von jeder Rücksicht auf die Person freie unab-
änderliche Satzung aus, gelte es nun dem Ausdruck der allgemeinen
Feierlichkeit, Herrlichkeit, Macht der Kirche, oder dem typischen
Ausdruck einer der besondern Vorstellungen oder Stinamungen, die
im Verlauf des kirchlichen Lebens zur Sprache zu bringen sind ; sie ist
das dogniatische Instrument, so fest und unabänderlich und
rücksichtslos, wie das Dogma; sie ist der rechte Dicnek* der .Kirche, —
und wahrlich ein würdiger Diener des hohen Herrn. Das ist sie ganz,,
und hiermit ein mächtiges und reiches Wesen; ein Andres kann sie
nicht sein. Sie gleicht hierin dem gotbischen Kirchenbau, der Stätte
ihrer Geburt und ihrer grössten Thaten.
Entscheidende Bedingung dazu ist ihre Unerschöpflichkeit..
Ihr Schall strömt hernieder, so lange der Dienst es fodert; jederTon
steht fest, so lauge er stehen soll; er steht allein da, oder im Gegen-
rieberlieh — sollte sich anch das Metail der Orgel alltnaprtfde beleihen 7- f einea
Loka für RöaeUer nod Koost mit steh. '6 ö th e sa^t :
„Aochr dieses Wort bat nicht gelogen :
\VeD Gott beträgt, der ist wob 1 betrogen/*
Wir darfen nie abscbliessen.
*) Nor andichten lässt sich der Orgel ein inniges, gemüthlich-persö'nlicbcs
GefSbl, ond auch dies pnr in begranitern Anfgaben. Der Art sind einige Choral-
lignratiotten von Seb. Bach , z. B. ,, Schmücke dich, 0 Ifebe Seele** and das iny-
•Ijsebe, tratineriscb-seeleabewegte „Das alte JabrTergangea ist'*. Zo den gerdbl-
iroU«D Weisen, die sich hier züsammenireben, bietet die Orgel zar(e, süsse Stimmen.
Aber — sprechen diese Stimmen das innig vom Tondichter Gefüblle und Brsonnene
innig, mit eignem lebendigem Genibl ans? Unmöglich. Man singe nur irgend eine
der StÜlmeo («dar geige sie) mit bingegebner fieel« -* 90f wird man gleich fassen,
wie viel von dem Gefdblten ^. Wie gerade- das .bewegte qatflleade Leben des Ge-
fühls anf der Orgeilait» einteftisit wird. '
24
salz gegen andre auf ihn eindringende oder von ihm zurückweichende
Stimmen. Hiermit ist auch die vorzügliche Fähigkeit zur Mehrstimmig-
keit, zur eigentlichen Polyphonie gegeben, ohne die eine reiche oder
nur genügende Entfaltung des Orgelspiels kaum denkbar ist, die einen
Thcil ihrer Gestaltungen und Regeln entweder von der Orgel entlehnt
oder doch an ihr zur ausgeprägtesten Form gebracht hat. Als Beispiel
nennen wir den Orgelpunkt, der nirgend so häufig, so ausgedehnt
und so klar hervortritt, als im Orgelsatze. So fangt (um nur zwei
Fälle zu nennen) die mächtige Tokkate in Fdur Von Seb. Bach —
16
JH-? I i \ ^ i I I I I I
m
mit einem Orgelpünkt von 54 Takten an und wiederholt denselben (auf
der Dominante) nach einem Zwischensatz von 28 Takten vollständig.
So steht ein kleineres Tonstück, die Pastor ella*) von Seb. Bach
(37Takte V), vom Anfang bis zum Ende, mit Ausnahme von drei Ach-
teln, auf Orgelpunkttönen. Auch die Vorhalte und namentlich die —
wenn auch in ihrem allgemeinen Ausdruck übereilte ältere Regel , dass
Vorhalttöne gebunden werden sollen, finden nirgend so häufige An-
wendung, als im Orgelspiel.
Der letzte entscheidende Karakterzug ist, dass die Orgel keine
befriedigend ausgesprochne Accentnation haben kann (weil sie die
Töne innerhalb derselben Registratur nicht stärker oder schwächer zu
nehmen vermag) , folglich der lebendigen Bezeichnung des Rhythmus
und Taktes entbehrt**). Hiermit ist ihr die feinere und bestimmtere
Zeichnung der Tongedanken , die Unterordnung der Nebenzüge unter
die Hauptmomente , kurz das Mittel individuell ausgeprägten Vortrags
— wenigstens das geistigste Mittel — entzogen , es bleiben nur die
Gegensätze von Stärke und Schwäche (oder , auf dieselbe Registratur
*) Bei Scblesiojper in Berti o.
**) Die Mittel des Zasammenschleifens nod AbsetzeDS , wcdd sie aiick mit so
bewaoderoswiirdiger Feiobeit and Geaanigkeit aoseweodet werden , wie von eiaem
A. Hesse, könoeo doeb die eigeatliebe Betonaog aiebt ersetzen.
25
angewendet, von Einzelstinime und Masse) und von Länge und Kärze.
Beide Gegensätze wendet sie daher aach machtvoller an, als irgend ein
andres Mosikorgan, weil sie sich auf sie beschränkt sieht, während
andern Instrumenten noch ausserdem das Mittel der Betonung zusteht.
So beginnt Seb. Bach eines seiner herrlichen Präludien mit einem hell
und fröhlich blitzenden Eingang, der einstimmig —
Tres Titemenl.
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im Manual (wohl Obermanual mit heller hoher Registratur) 28 Takte
weit gebt und dann erst einem vollstimmigen Satze (wohl volles Werk)
Raum giebt, —
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18
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Ped.
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der sich in grösster Fülle and Breite auslegt. So folgt dem orgelpunk-
tischen drei- und vierslimniigeD Anfang, dessen wir bei Nr. 16 gedacht,
ein Gegensatz für das Pedal allein, —
^^^M
26
der sich eiostinmig 26 Takte weit erstreekt und nach Wiederholang
des ersten Satzes auf der Dominante eben&Us 32 Takte laog wieder-
kehrt.
In diesen Fällen sehn wir Gegensätze von weitester Ausdebnaog.
Dass solche nicht immer anwendbar nnd dass sie nur geeignet sind, die
Komposition in ihren grossen Partien auseinanderzusetzen, nicht aber
die rhythoiische frewegung hi ihren einzelnen Gliedern zu zeichnen,
versteht sich. Ai>er auch die genauere Zeichnung wird — freilich nicht
bis in die feinen, nur durch Nüancirung der Schallkraft in den einzel-
nen Tönen erreichbaren Abstufungen — durch ähnliche Kontrastirung
wenigstens an einzelnen Stellen angedeutet. Dies geschieht durch
kurzem Gegensatz von Pedal und Hanualmasse, z. B. aus dem bei
Nr. 19 angeführten Tonstück, —
= E?^
20/
Jl . Jl
\}m^^^^^^m
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zTzn-rz-h
wo die vorgreifenden Pedaltöne mit den nachschleifenden Manualbar-
monien den Takt klar genug bezeichnen , — oder durch den noch
starkem Gegensatz einer Mannalstimme gegen volle, vom Pedal unter-
stützte Griffe, z. B. hier —
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. 27
ras iem £moU*Prähidiuni*), ^o beMe Mitlei oacb einander in An-
wendan^ kommen, — Oberhaupt durch den Gegensatz voller Griffe
gegen einfache oder schwächere Momente. Es. ist unnöihig, der Wähl
ood Erfindung des Komponisten in solchen Wendungen und Mitteln
weiter vorzogreifen. Wer sich neben der techniscben Rennlniss auch
ein sichres Bild vom Karakter des Instruments eingeprägt hat, dem
kann der angemessne Ausdruck auf demselben nicht fehlen.
Dritter Abschnitt.
Styl und Form der Orgelkomposition.
Gehen wir nun von einer klaren Erkenntniss des Instrumenta zu
der Komposition für dasselbe, so wird sich für diese eine gewisse Rieh«
tung, ein gewisser Ideenkreis ergeben, denen wir getreu bleiben
mpssen , wenn nicht unser Gedanke in Widerspruch gerathen soll mit
dem Organ, in dem upd durch welches er lebendig werden soll. Dies
ist eben die volle und wahre Aufgabe des Künstlers : nicht abstrakte
Vorstellungen willkiibrlich irgend einem zurällig ergriffnen Organ auf-
zudringen, sondern sich objektiv in dieses oder jenes Organ zu verseng
ken und aus ihm heraus, nach seinem Wesen seine Idee zum Leben zu
fähren, wie der* ächte Dramatiker nicht selbst redet, sondern seine
Personen, jede nach ihrer Weise, für sich redßn lässt. So ergiebt sich
für jedes Organ eine besondre Weise und ein* besondrer Ideenkreis^
deren künstlerische Durchführung der Styl dieses Organs (oder für
dasselbe) genannt werden kann. Dieser Styl ist nichts äusserlich Vor^
geschriebnes oder, etwa Uerk(>mmliches ; er ist Folge und Ausdruck
vom Wesen des Organs selber , mithin ein Nothwendiges , weil Ver-.
nunAiges.
A. Breite und Rohe der Anlag« md Ffllinms.
Die Orgel fodert vor allem für dqn weiten Raum der Kirche, für
den ernsten und würdigen Zweck , dem dieser Raum geweiht ist , für
die Fülle und Ausdauer ihrer Sprache breite und ruhige Anlage
and Führung der Sätze,' und zwar um so breitere und ruhigere^ je
mehr sie in ihrer eigentlichen Macht, als volles Werk, oder doch bei
starker und voller Registrirung, zur Wirksamkeit kommen soll. Ueber-
eilte Bewegung würde vor allem den Toninhalt nicht deutlich vernehm-
*) Im dritieD Heft der oben erwäliDtoD BroitkopMlärtorsebett Sanmlang.
28
bor weriem laftcn, weO die zveile Hanaone schoe dalrir, dbe der
Mehlig Schall 4cr entca sick gcaagfas aasgebreilcl halle. Sa fiadcB
wir öfter, z. B. in 4er groasoi HaoU-Tokkate tob Sefc. Bach, adhst
eittco eiozeincfl Akkord, der Mehlig wirken aoU, —
hreit aaseinandergezogeii (es versteht sich, dass alle Töne feslgehallen
werden und sich damit ein Crescendo durch Hassen Vermehrung bildet)
und damit gewichtiger dargelegt; so finden wir überall bei den Mei-
stern, z. B. in Seh. Bach's j^dur-Prälodiam*), die vollsliromigsteii
Sätze — nach einer einstimmigen Einleitung —
in ruhigster Haltung ausgebreitet, oder auch — wie in Bach's CmolU
Präludium —
p^M^^^4^^
24
Ui
s^^Mfc^
*) Aus der leUterwähoteo Sammtnog.
29
in doppelehöriger Form auseinandergesetzt. Selbst die Pugenthemate,
für die wir im Allgemeinen (Th. II. S. 244) gedrängteste Passong
wünschen müssen, nehmen für die Orgel häufig (man sehe Nr. It und
12) eine sonst kaum zulässige Fülle und Breite an.
Dieser ersten Foderung widerspricht nicht die gelegentliche An-
wendung schnell bewegter Figuren, sondern sie kommt ihr oft in
eigenthümlicher Weise zu Hülfe. Bisweilen nämlich ist die Figur nichts
weiter, als die Auflösung einer mit ihrer Hülfe belebt und eindring-
licher werdenden Harmonie, wie z. B. in Bach's J9dur-Prälu-
dinra*), —
25 <
I { I I f ! ' ! I I i I ' ! i { 7| l
m
oder die aasfüllende Umschreibung eines an sich sehr einfachen ein-
oder mehrsümniigen Ganges. So z. B. der nach Nr. 22 eintretende
Gang in Seb. Bach's />moii-TolLkate
Preslissimo.
seßsn
'r
-^^^^^^^^^
i
itiiz?=
g^^^--^^^^^feg^-g^
(die Linke geht in der Oktave mit), der eigentlich nur die belebende
*) Heft 2 der Breitkopf-Harterschen SammluDg, der auch die folgenden Bei-
spiele entlehnt sind.
30
wd itmh SpieMÜUe (Tk. III. S. 24) venlirkte {»schrakug dieses
ein- aad zwtisiimmigtn Ganges *) —
I
i=i
1 f^
J L.
27
iCt
I|=C=
^» •-
ist. In andern Fällen wieder sind dergleichen Gestallnngen nur dier
Schmuck eines in Wesenüichen höchst einfachen Satzes , z. B. za An-
fang der Cmoll-Fantasie von Seb. 3ach, —
h
oder die Figuralion eines im Wesentlichen ebenso einfachen mehr-
stimmigen Satzes,. wie z. Bi dieser, —
2» <
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L-i*
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Bl5=E
fe*
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^^^^^^
*} Ueber deoselbea Gang s. Tb. I. S. 405. Die Quinteofolse aesMlbea er-
31
der sich deinem wesentUoheü Inbalt nach nur in halben SehlMgen vinr-
wärU bewegt.
Mit solchen Mitteln nun, wie. die Orgel bietet, finden wir die
Meister, namentlich Seb. Bach, in sichrer Ruhe oft den einfachsten
Gedanken oder Zug so weil verfolgen , wie unter andern Uiuständen, '
z. B. im Orchester- oder gar Klaviersatse, nie ohne Mattigkeit und
Leere hätte geschehn dürfen. Wenn der Meister , wie wir S. 25 ge-
sehn, einstimmige Figuralioiien gleich zwanzig und dreissig Takte weil
(brtfiihrt, — wenn er sich selbst in Fugen ähnliche Zwischfmsätze ge-
stattet, z. B. in dem Fugensatze der Z) moU-Tokkale (Nr. 22) gleich
nach dem Eintritte des zweiten Tbeils folgenden Zwiscbensiitz auf-
führt —
—^— • — W—m ¥'—m'
5-^
•g
&^^S"
C'rhema.)
und nach einmaliger Anführung des Thema's sogleich das Arpeggjp .(in
der tiefern Oktave) ähnlich wiederholt und einen, zweitoi Zwischen-
satz von 14 Takten bildet: so durfte dies Alles geschehn, weil schon
der blosse Orgelklang in seiner Fülle und Gesältigtheit , in seiner un*
versiegbaren Macht und ungetrübten Helligkeit (es ist bei all diesen
Sätzen entweder auf volles Werk, oder doch auf starke Registratur
mit vielen Rohrwerken gerechnet) für sich allein die Kraft hat,, unser
Gehör zu füllen, sinnlich-geistig einzunehmen und zu sättigen, — und
weil schon die Mittel des Instruments nach solchen Ruhemomenten die
stärksten Gegensätze {wie wir an Nr. 22, 23, 24, 29 gesehn) darbie-
ten. Man muss sich die Gestahenfulle und den Reichthum der feinsten,
aber rasttos unerschöpflichen Fortschreituogen in Bach's Klavierkom-
sebeiot in ihrer figaraleo Form aod Tdr die Bestimmung des Ganges, in klingeod-
hellem Tongewirbel hinabzardbreo bis zumWiedereiotritt des Pedals und des Testen
Akkordes, vollkommen gerechtfertigt und nothweodig. Hatte Baeh in einfacher
stiller Weise gebä wollen, so würde es wie eben in Nr. 27 gesehehn teio.
32
Positionen (namentlich in seinem Sehatzkästlein , dem wohltemperirten
Riavier) vergegenwärtigen , um ganz klar zu erkennen, wie sprechend
diese Züge seiner Orgelkomposition für den Karakter des Instruments
and für seine Erkenntniss desselben zeugen.
B. lassenkraft und Poljphome.
So gewiss wir (Th. 1. S. 284) die Melodie als eigeut-
licbes Lebenselement aller Musik erkannt haben, so gewiss
müssen wir anerkennen , dass die Orgel weniger geeignet ist zu leben-
diger Darstellung derselben, als irgend ein Blas- oder Saiteninstrument,
selbst als Harfe und Klavier. Denn es fehlt ihr nicht nur, wie den letzt-
genannten , die Verschmelzung und wahre Bindung der Töne, sondern
auch — innerhalb ein und derselben, von einem einzigen Register oder
Registervereinignng vorzutragenden Stimme — der Wechsel von Porte
und Piano und damit (S. 24) das eigentliche Mittel rhythmischer Beto-
nung. In jenem Wechsel aber liegt der nächste Ausdruck stärkerer
oder verminderter Erregtheit und Theilnahme, in der Betonung die
allgemeine verständige Würdigung und Ordnung des Inhalts; eine
Stimme, die Beides nicht vernehmen lässt, muss leblos erscheinen.
Nicht also in der Kraft der Melodie oder, genauer zu reden, einer
einzelnen Melodie kann die Orgel ihre eigenthtimliche Aufgabe finden.
Und dieser Mangel entspricht sogar ihrem Wesen und ihrer Bestim-
mung. Denn die einzelne Melodie , das ist eine einzelne Stimme , also
der Ausdruck eines einzelnen Wesens, einer Subjektivität; wie Ich
fühle, Ich mich freue oder betrübe u. s. w. , das allein spricht sich in
meiner Stimme oder Melodie ans. Die Orgel aber hat es gar nicht mit
der Subjektivität , mit diesem oder jenem Einzelnen zu thun , sie hat
der Gemeine Aller, oder der Alle in sich fassenden Kirche ihre Stimme
zn leihen.
Hierzu bietet sie sich aber in zwiefacher Weise als mächtigstes
Organ. Massenkraft, — weite erschütternde oder feierlich stille
und volle Akkorde, ist die eine ihrer Mächtigkeiten^ Polyphonie die
andre. Die erstere kann nur einzelnen Momenten eines grossem
Kunstwerks zuzuertheilen sein, die letztere ist die wahre Redeweise
der Orgel. Denn sie entspricht der umfassenden kirchlichen Bestim-
mung des Instruments ebensowohl, als seinem Vermögen, Stimme
gegen Stimme zu führen, eine Stimme oder einzelne Töne der einen
gegen die andre festzuhalten und mit Hülfe der verschiednen Klaviatu-
ren oder im Gegensatze des Pedals gegen das Manual zwei oder drei
Stimmen selbst durch Klang- und Schallverschiedenheit von einander
zu scheiden. Durch den Gegensatz der Manuale ist sogar die Möglich-
keit gegeben, Stimmen von verschiedner Klangweise einander ohne
Verwirrung, mit klarer Wirkung kreuzen zu lassen, wie dies zwei
Stellen aus der sechsten Orgelsonate von Seb. Bach —
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zeigen ; darcb die in jeder guten Orgel zu treffenden Vierfuss-Register
im Pedal ist es leicbt, einen cantusßrmus ruhig durchzuführen und
ihm in den Manualen die reichste Figuration entgegen zu stellen , so
weit die Mittel beider Hände im gebundnen Spiel reichen.
So gewiss iudess die Orgel nach Bestimmung und Vermögen Poly-
pbonie fodert, so rathsam ist es doch , hier nicht zu weit zu gehn, —
nicht in Häurung der Stimmen die Kraft der Komposition zu suchen.
In einzelnen Fällen ist allerdings die Vicistimmigkeit für den besondern
Inhalt eines Werkes notbwendig bedingt oder doch besonders zusa*
gend ; so z. B* in der bei Nr. 14 angeführten Durchfngirung des Cho-
rals: „Aus tiefer Noth<* von Seb. Bach, in der wahrscheinlich der
mächtig, wie der Nothruf von Sturmglocken mahnende und gleich zu
vielfältiger Wiederholung und Engfiihrung lockende Anfang den Kom-
ponisten zur Secbsstimmigkeit angeregt hat. Allein in den meisten
Pillen ist die Vielstimmigkeit nicht so vielversprechend oder gar notb-
wendig, dass man ihr die Deutlichkeit und Freiheit der Slimmfibrung
znm Opfer zu bringen hätte. Es tritt hier nicht blos das allgemeine Be-
denken gegen Häufung der Stimmen (Tb. I. S. 345, ThJI. S. 178,397)
warnend entgegen, auch das Vermögen der Orgel reicht nicht aus, viele
Stimmen wahrhaft deutlich neben einander fortzofubren und von einan*
der zn scheiden , da die Töne derselben Stimme nicht verschmolzen,
«och nicht (bei gleicher Registratur) durch verschiedneNtiancirung von
Porte und Piano von denen der andern Stimmen unterschieden werden
können, sondern nur der Gegensatz von Tonlage und Ton Verbindung,
Balteton und Bewegung, allenfalls von mehr gebundner und lockerer
Portschreitung wirksam sein kann. Am entschiedensten tritt dieser
Gegensatz in einer Pedalstimme gegen eine oder mehr Manualstimraen
hervor, da das Pedal nicht blos andre Registratur zulässt, sondern auch
Marx, Kmnp. L. IV. 3. Aufl. 3
34
seine eigenthüinliche Spielweise hat ; daher wird auch das Pedal von
den Meistern als eingreifendste Stimme gern für sparsame , dann aber
entscheidende Momente, für die Haupt « und Höhenpunkte der Kompo-
sition gespart. Die im Manual geführten Stimmen stehen einander (ab-
gesehn von dem Spiel auf verschiednen Manualen im Orgeltrio und
ahnlichen Satzweisen) nach Klang und Spielweise gleich, sind also um
so weniger zu unterscheiden, je mehr ihre Anzahl wächst und je enger
sie in Folge dessen liegen. Wenige Stimmen in weiter Lage entspre-
chen daher dem wahren Sinn der Polyphonie hier besser, Ms melirere;
daher man selbst den Hochmeister der Polfphonie, Seb. Bach, in der
Mehrzahl seiner Orgelsätze geneigter finden wird, dreistimmig zu
schreiben (oder gar auf Zwei- und Einsttmmig1t«it zurtSckzugehn)
als vielstimmig; seihst in den vier- und mehrstimmig angelegten
Sätzen wendet er gern und für ausgedehnte Partien minderstimmigen
Satz an.
Von diesem Gesichtspunkt aus ergeben sich endliah auch
0. die Kustformei,
die der Orgelkomposition am günstigsten sind , von selber. Es sind,
mit einem Wort ausgesprochen , die polyphonen, mithin vor allen
der Gipfel polyphoner Kunst :
1. die Fuge.
In der Fuge ist, wie wir läAgst (Th. U. S. 234) wissen, nicht eine
Hauptmelodie der Ausdruck einer besondern Persönlichkeit, sondern
eine Schaar von Stimmen, die einander unlersiützen und sich
zum Ausspruch, zur Durchführung und cum Durchleben eines ge*
mainsamen Hauptgedankens (des Themata) oder Hauptinhalts ver-
binden. Diese Form ist daher wie geschaffen für die Orgel , in der die
einzelne Melodie weder genügender Inhalt sein, noch genügend zur
Ausprägung kommen konnte, — die vielmehr einen über den Kreis der
einzelnen Persönlichkeit hinausgehenden Inhalt auszusprechen hat und so-
wohl dazu als wegen der Unzulänglichkeit ihres melodischen Ausdrucks
mehrerer glekbzeitigen Melodien oder Stimmen £u gegenseitiger Untere
stutzung und Hebung bedarf.
Ja man muss anerkennen, dass in der Orgelkomposition die Fu-
genform als solche zu ihren reinsten Ausdrucke kommt. Denn im
Gesang sowohl wie im Orchester oder Quartett werden die Fugenstim-
men von beseelten, die Sympathie der fühlenden Brust unmittelbar tref-
fendea und erregenden Organen zn Gehör gebracht, also vom Kompo*
nisten für solche — für mitfühlende Wesen geschaffen ; selbst auf dem
an sich indifferenten Klavier steht es in der Macht des Aasfuhrenden,
sieb dem wahren GefttUsauadruck durah alle Stufen der Betonoag
35
u. 8. w. weDigstens nahe zu bringeD. Ueberall ist daher die Poge
bereit, sich besoodern Stimmungen hinzugeben und den mannigfachsten
Karakter (Th. II. S. 298) anzunehmen; sie ist daher nur eine geeig-
nete Form für das Anszusprecheude von vielFallig verschiednem Inhalt.
Nur auf der Orgel findet sie starre, untbeilnehmende Stimmen (S, 22)
statt der beseelten des Orchesters oder Chors, Stimmen, die nichts
können und sollen, als sich einem allgemeinen unpersönlichen Inhalt,
einem Gedanken so unabänderlich wie die Satzung, zum Organ her«
geben. Hier sind daher immer noch (wie sich von selbst versteht) ver-
sehiedne Themate und verschiedne Ausführungsweisen möglich. Aber
durch alle Verschiedenheit hindurch wird der Orgelklang und Orgel«
karakter doch als Hauptsache, als der eigentlich wesentliche Inhalt sich
geltend machen.
Dies zeigt sich schon bei derVergleichung der Themate verschied-
ner Fugen, z. B. der vier in Nr. 11 und 12 mitgetheilten und der
hier*) —
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zugefügten. Sie sind der Ausdehnung , der Tonart , auch mehr oder
weniger dem Inhalt und der Stimmung nach unterschieden ; besonders
das letztere, blos für das Manual {manualmente) geschrieben, hebt sich
durch einen Anflug von Heiterkeit und Leichtbeweglichkeit vor den
andern hervor. Allein der durch alle hindurchgehende und in allen vor-
herrschende Grundzng ist festlich-feierliche Ruhe und, wo es nicht die
allzngrosse Kürze (oben bei a.) verhindert, eine gewisse besohaulicbe
Breite, die sich bald (oben bei c. , in Nr. 12 bei a.) iu einem Anflug
von Zweistimmigkeit innerhalb des Thema^s selber, bald (oben bei d.,
Nr. 11 ond 12 a. und b.) in weiterstreckter Fortführung der an sich
ruhigen Motive ansspricht. Man muss diese Themate mit andern des-
selben Meters (namentlich ans dem temperirten Klavier) vergleichen,
die 80 oft mit einem schneidend karakteristischen Zug uns in ihre Stim-^
mang bineinreissen und fast ohne alle Ausnahme so eng und energisch
zusammengeschlossen sind : um zu erkennen , dass es eben bei den Or-
geUützes weniger auf einen besonda*n schnell und scharf auszuprSgen*
*) Ans der erwähnten Sammtang; das letzte Beispiel «us den bei Breilkopf nad
mürlel ]kmxM$t%^tik9ti Choral vorspiele«.
3»
36
den Inhalt, als aaf den allen gemeinsamen nnd wiehtigen Orgelkarak-
ter and Orgelzweck ankam.
Noch einleacbtender wird diese Richtung in der Ausarbeitung er-
kannt Jene bald heftigen, bald kunstreichen Bngfuhrungen, Verkebrun-
gen, kurz alle die einzelnen Momente , in denen sich der Gang andrer
Pagen neu belebt und zu gesteigerter Energie bebt, weichen in der
Orgelfage vor der Ruhe und Breite des Orgelkarakters so entschieden
zurück, dass es in den. meisten Fällen gar nicht auf eine Steigerung
der spätem Partien gegen die frühem abgesehn ist, sondern nur darauf,
dass das Werk seinen Gedanken in gleicher Fülle durch den weiten
Raum der Kirche und bis zur Sättigung der Gemuther mit kirchlicher
Stimmung ausbreite.
So wird z. B. das in Nr. 32 c. mitgetheilte Thema von höherer
Stimme beantwortet, während die vorige eine Achtelreihe (in Sexten
mit den gehenden Tönen des Thema^s) als Gegensatz bringt. Beide
Stimmen fallen dann in diesen —
83
ZwiscbeBsalz. Nun tritt, zwei Takte weiter, die Oberstimme mit dem
Thema auf upd geht zu einem' oeuen Zwischensatz —
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Ober , der erst vier Takte weiter polyphone Form annimmt und dem
noch vier Takte später endlich die letzte Stimme der Durchführung,
da& Pedal (das also 21 Takte lang geschwiegen hatte), nachkommt. Im
vierten Takte von da wird der erste Theil der Fuge in der Parallele
geschlossen und dann der zweite mit einer neuen Anführung des The-
ma's im Tenor (Bass des Manuals) mit dem Gegensatz in der Ober>
stimme begonnen. Hierauf folgt nun, It Takte lang, der schon in
Nr. 30 angeführte und dort karakterisirte Zwischensatz, dann nach
einer abermaligen Anführung des Thema's in der Oberstimme (im
Hauptton) mit dem Gegensatze darunter — wie zuvor wieder zwei-
37
slimiiiig *— ein äbnlicher Zwischensatz ton 15 Takten. Nun (also nach
29 Takten) tritt das Pedal wieder auf, giebt das Thema in Cmoll und
den Gegensatz (während das Thema von einer Mitteistimme in der Ok-
tave beantwortet wird), und von hier wird mit 15 Takten zum Orgel-
punkt gegangen, wo das Thema wieder in der Mitte erscheint; der Satz
ist hierbei durchaus nur drei-, ein Paar Takte lang blos zweistimmig.
Nach dem Orgelpunkte (oder will man es dazu rechnen?) giebt der
Bass das Thema auf derselben Stufe ohne irgend einen Gegensatz, also
einstimmig ; ein an Nr. 30 anlehnender Zwischensatz von 8 Takten
fuhrt nach der Unterdeminante zu einer Andeutung des Thema's, —
Manual.
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das znm letztenmal über dem Orgelpunkt der Tonika im Pedal in drei-
stimmigem Salz in der Mittelslimme erscheint. Von. hier geht der Fu-
gensatz in freie Fantasie zurück.
In gleicher oder noch grösserer, behaglich festlicher Ruhe und
bequemer Breite ist der Fugensatz zu dem Thema Nr. 11 a. ausge-
führt; überall tritt das Genügen an der Fülle und Feierlichkeil des Or^
gelklangs» an der Sättigung jeder Orgelstimme, besonders des Pedals,
an der Entschiedenheit, die im Gegensätze von Pedal und Manual liegt,
maassgebend in den Schö'pfungsakt des Komponisten, dessen Weisheit
und Grösse sich eben darin zuerst bewährt, dass er sein Organ voll-
kommen erkannt hat, sich ganz in dasselbe versenkt und es für sich
reden lässt. Auch hier — und noch mehr wie im vorhergehenden Fall —
ist der Satz meist zwei- und dreistimmig, oft einstimmig; wird auch
gegen das Ende ein stärkerer Gegensatz des Manuals gegen das Pedal
begehrt, so gestaltet er sich doch —
Man« 1^ ik
d6
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so einfach, dass der Satz mit grösserm Rechte zwei- als siebenstimmig
(wie er, äasserlich genommen, erscheint) genannt werden muss. Andre
Fugen, z.B. die in Nr. 11 b., sind reicher an Arbeit, drangvoller schon
im Thema und dadurch in der Führung der Stimmen gegen einander ;
aber auch sie beurkunden den oben aufgewiesneo Grundsatz.
38
Dieser voroehibsteii Porai der Polyphonie schfiesseo sieb nun die
andeni,
2. fugirter Choral, Choral mit Fuge, Choral-
figuratioa
(oder aach Choral mii kanooiscb^ Begleituog) an, in deren Ausfüh-
rung (die Form an und für sich ist uns sehon aus Th. II bekannt) mao
schon von selbst dieselbe zunächst auf das Geltendwerden des Instro-
ments gerichtete Tendenz voraussetzen wird, da sogar die weit selb-
ständigere Form der Fuge sich ihr so entschieden unterworfen bai.
Aus diesem Gesichtspunkt begreifen sich namentlich die oft so weiter-
streckten Choralfigurationen Seb. Bach's, deren einige im Th. 11 an-
geführt worden. In seinem ,, Christ unser Herr^% — das wir (Th. II.
S. 160) als eine der tiefsinnigsten Kompositionen kennen gelernt, in
der zweistimmigen Figuration des ,, Allein Gott in der Höh' sei Ehr'^^*)
und ähnlichen Salzen, z. B. ,,Wo soll ich fliehen hin^^ und ,,Wer nur
den lieben Gott iässt walten'^**), in denen das Pedal mitVierfuss-Stim-
men den cantus ßrmus fuhrt, vollendet die Figuration in ruhigster,
nur selten gesteigerter Breite ihre Aufgabe. Hier ist auch der rechte
Schauplatz für jene wahrhaft, — geistig gebundnen Formen (Tb. II.
S. 457) der kanonischen Führung des cantus ftrmns^ z. B. in dem
prachtvoll ausgelegten ,,Dies sind die heiligen zehn Gebot''* **♦), oder der
kanonischen Begleitung des cantus firmus^ z.B. in ,,Vom Himmel hoch
da komm' ich her^'f); die Orgel bietet in der ihr eignen Buhe den
Raum für so weite und streng bemessnc Führung und fodert nicht, —
lehnt vielmehr höhere Erregung, eigenthümlicheru Inhalt freier For-
men ab.
Tritt aber in einer ChoralGguration innigeres , mehr persönliches
Gefühl in die Umschreibung des cantus firmus oder in die Figaralslim-
men : so wird in den meisten Fällen schon die Kürze der Komposition,
im Gegensatz zu der breiten Auslage der hier angeführten und ihnen
verwandten , darauf hindeuten , dass die Orgel hier nicht zu ihrem
wahren Ausdruck gekommen, dass der Komponist in sie hineinge-
dichtet (S. 23, die Anmerkung), nicht aus ihr, ihrem Wesen ge-
mäss herausgesprochen hat. Wer wollte dem freien schaflenden
Geist dieses Becht bestreiten? Wie manches unschätzbare Tongedicht
verdanken wir schon dieser Bichtung! Allein, ist es weder Pflicht
noch Recht, dem Künstlergeist mit Satzungen entgegen zu treten, so ist
*) Seb. Baoh's Choralvorspiele« Boue Aasgabe bei BreitkopfaDd HIrtel, aas
welcher Sammlaos alle diese Beispiele seoomiDeo sind.
**) Nr. 52 Dod 49 im vierten Hefte der neueo Aas|;abe.
***) Nr. 17 im zweiten Hefte der neuen Aasj^abe.
f) Fünf liaDODisehe VerSoderaogea aber das Weihnaehtlied „Von Himmel
hoch'* etc. Var. 1 ; bei Breitkopfvod Hartel nea erscbieoea.
39
es d«€h Sirderlich, überall ««mBewussUeia dessen, was aiob ibm und er
ans bietet, vorzudriogeo. Jene innigem Gesänge (Sinngedichte des
Gemulhs könnte man sie nennen) mögen der Orgel zugewiesen werden,
weangleieh diese nicht genügen kann für den vollen und getreuen Aus-
druck des in ihnen lebenden Gefühls ; die Sympathie des Hörers wird
den unvoUkoBiinfien Aasdruck ergänzen , wenn und so weit sie es ver*
mag. Nur muss dem Künstler bewusst bleiben , dass die Orgel eben
hier nicht ihre eigenthümliche Aufgabe gefunden hat. — Gleiches gih
von jenen gewaltigen Polyphonien (S. 18)» die gewiss nicht ihrem
ganzen Stimmgewebe nach durchhörti also nicht vollkommen aufgefasst
werden können, die aber kein angemessneres Organ finden, als die Or-
gel, and vermöge ihrer geistigen Bedeutung das vollste Recht haben
zum Dasein. lu diesen Fällen wird die Orgel Dienmn des überlfsg"'
aen Geistes \ seiner Macht und seinem Rechte bringt sie das Opfer ihrer
Eigenlhümlichkeit. ISia wahrhaftes Recht hat aber in solchen Fällen
aar der, der das Wesen des Instruments erkannt und sich als einen
solchen bewährt hat, ehe er von dem höbem Recht des Gedankens
darüber hinaus berufea wird.
Nächst diesen fealer gezeichneten Farmen ist
3. die Orgelfantasie
zu nennen, Einleitung oder Introduktion genannt, w«nn sie zu
einer Fuge oder sonst zu einer bestimmtem Form überführt, bei den
altern Meistern aoeh wohl Tokkate, wenn sie einen grossem Spiel-
reichthum entfaltet. Es versteht sich nach allem Bisherigen, dass auch
ihr Inhalt dem Wesen der Orgel in gleicher Weise wie die vorge-
nannten Formen zu entsprechen bat; polyphone Sätze, Massenwirkung
und minder- oder einstimmige Sätze können hier noch viel freier und
reicher gequscbt und einander entgegengesetzt werden, als in den
strengen Formen. Es bedarf hierüber, nach dem Tb. HI. S. 335 Ge-
sagten, keiner Erörterung.
Weniger güoalig erscheinen dagegen für die Orgel folgende
Formen.
4. Die Sonate,
oder auch bei den altem Meistern das Orgelkonzert. Die Sonaten-
form beruht, wie wir (Th. 111. S. 202) wissen, auf dem Liedsatz, und
zwar auf der Verknüpfung verscbiedner Liedsätze. Der Liedsatz aber
ist vorzugsweise homophon , hat eine Melodie als Hauptmelodie geltend
zu machen, der sich die übrigen Stimmen mehr oder weniger unterord-
nen. Zwar kann von den zwei, drei oder mehrern Liedsätzen eines
Sonatensalzes einer oder der andere polyphonen Inhalt wählen, doch
bleibt im Ganzen Homophonie, das Hervorlreten einer Hauptmelodie —
und dann die energis^e Unterscheidung der verscbiednen , mehr oder
weniger der Hom^pb^^v^e eigQ4»n Liedsätze für die Form kapakteristisoh
40
und QOth wendig. Kraft der Melodie ist aber gerade nicht die starke
Seite der Orgel. Daher ist aach die Orgelsonate nur in der fröhero
Zeit, in der diese Form sich noch nicht vollendet hatte, bald unter
diesem Namen , bald (wenn sie spielvolier erschien) als Orgelkonzert
fleissig gesetzt worden, und bat sich weder bei den allen Meistern auf
die Höhe anderer Formen des Orgeisatzes erheben, noch an den Fort-
schritten und der Vollendung dieser Form in der Haydn-Beethoven'schea
Zrit theilnehmen können.
Dasselbe Urlheil IriBl
5. die Variation.
Wenn unter diesem Namen eine Reihe figuraler, kanonischer,
fugenhafler Bearbeitungen eines als Thema dienenden Chorals zusam-
mengefasst wird: so kann, wie sich von selbst versteht, jede einzelne
dieser Arbeiten demKarakter des Instruments vollkommen entsprechen.
Nur ist zu besorgen, dass die'Gesammlheit derselben schon desswegen
einförmig erscheinen werde, weil in ihnen allen der polyphone Satz in
seinen drei Hauptformen vorwaltet oder ansschiiesslich zur Anwen»
düng kommt. Dann aber dürfte selten oder vielleicht niemals innre
Nolhwendigkeit diese Reihe von Einzelheiten verknüpren , weil jede
derselben nach der ihr gegebnen Form schon ein für sich genügendes,
abgeschlossnes Wesen an sich bat, das den meist liedformigen oder
doch leichter gehaltnen Sätzen der eigentlichen VariationenForm ab-
geht. Eben darin, dass die einzelne Variation nicht befriedigt, liegt
das Bedürfniss zum Fortschritt und hiermit die Begründung und Recht-
fertigung der Variationenform ; Beides fehlt der Orgelkomposition, die
au$ polyphonen Sätzen bestebn soll.
Entschieden ungünstiger ist diese Form für die Orgel, wenn man
ihr. ein Thema von freier Liedform und ganz oder vorherrschend ho-
mophonem Inhalt giebt; der Grund liegt in der schon erkannten Un-
geeignetheil der Orgel für homophon «melodischen Ausdruck. Wie ta-
lentvoll daher auch die Ausführung einer solchen Komposition, wie
geschickt der Spieler, und wie sehr er auch bedacht sei, der Unfähig-
keit des Instruments durch alle auf demselben möglichen Vorlragsmit-
tel abzuhelfen: stets, fürchten wir, wird sich die Aufgabe als eine un-
günstige, das in seiner Welt so reiche und mächtige lustrument gegen
dergleichen Zumuthungen spröde und ungelenk beweisen und der Er-
folg wenigstens kein vollkommen befriedigender sein.
Eine eigenthümliche Form der alten Meister kann hier nicht un-
erwogen bleiben, weil sie gewissermassenin das Fach der Varia-
tion eingreift; dies ist die Th. II. S. 406 besprochne Form des
festen Basses.
Allein wenn auch das Thema (der feste Bass) ein Satz , also liedfor-
mig ist, so kommt er doch nicht zu liedförmigen Abschlüssen; und
41
wcoa er auch bisweüeo homophon behaDdellwird^sobildetsich doch das
Stioinigewebe vorherrscbeod polyphon und zu einem grossen Ganzen
oder zu mehrern grossen Massen aus. Es fallen also beide gegen die
eigentliche Variation gerichtete Bedenken weg und es bestätigt sich die
Steilnng dieser Form unter die der Fuge verwandten. Das grösste
Werk dieser Gattung für Orgel, die Passacaglia von Seb. Bach, ist
schon Tb. II. S. 411 erwähnt worden.
Alle diese Formen, — Figuralion, Fuge, Liiedform, Sonate, Va-
riation können sich als
Orgeltrip
darstellen, wenn man sie dreistimmig flir zwei Manuale und Pedal
setzt und die Stimmen obligat, wenigstens vorherrschend polyphon
führt.
Schliesslich ist hier noch
6. die Berücksichtigung der gottesdienstlichen
Verhältnisse bei den Orgelformen
zur Sprache zu bringen. Im Gottesdienst erweisen sich die Kunstfor*
men oft zu ausgedehnt für den Zweck ihrer Anwendung. Wie weit dies
für die erste Einleitung eines ganzen Gottesdienstes und für den Ab-
schluss desselben der Fall sein kann, bleibt zweifelhaft; es sollte dem
Organisten wohl frei stehn oder vielmehr gedankt werden, wenn er ein
Paar Minuten früher begönne oder später schlösse, um Zeit für ein
ausführlicheres und nach seinem Ermessen befriedigenderes Werk zu
gewinnen. Hier bat also der Komponist, wie uns scheint, keine Rück-
sicht zu nehmen. Allein im Laufe des Gottesdienstes kann zur Einlei-
tung eines neuen Gesangs oder sonstigen Moments gedrängtere Form
des Orgelspiels nöthig sein. Hier bieten sieb die kürzern Einleitun-
gen (Tb. III. S. 301), dann statt der Fugen die Fugato's, statt der
Figurationen ganzer Choralmelodien solche Figurationen dar, die
sich nur auf die erste Zeile oder einen Thcil des Chorals beschrän-
ken und dann sogleich abschliessen, oder in den Choral selbst, den die
Gemeine zu singen hat, überleiten. Dies Alles sind aber nur Umbil-
dungen bekannter Formen, die keiner besondern Einweisung bedürfen.
Das Nöthige ist darüber bereits Tb. II gesagt*).
*) Biena der Aobans A.
42
Ikir 8ate fbr Blaehiimtniinrate.
Die BeocnDoog Biechinstrameiite gebfibrt orsprunglicb den-
jeBtgen Blasinsiraiiienten, die ans einem ron Metall (Messing) angefer-
tigten Rohr beslebn und dorch ein metallnes Mundstück angeblasen
werden. Die bierher gebörigen Inslrnmente sind Trompete, Posanne,
Waldbom — kurzweg Hörn genannt. Von den Blasinstrumenten, die
ganz oder ror^ug^weise aus bölzemen Röhren besteho , nuterscheiden
jene Biechinslrnm^ote sich auch dadurch , dass das Rohr der Holzblas-
instrumente Tonlöcher bat, die durch den Finger des Spielers unmittel-
bar oder mit Hu'ire von Klappen geschlossen und geöfiTnel werden
ko'pnen und durch die dem Spieler eine vollständige Tonleiter zu Ge-
bote steht, während die Blechinstrumente dieser Tonlöcher enibehren.
Bei der forlgeschrittnen Entwickelung des Inslrumentenhaus ist
indess für obige Erklärung ein doppelter Zusatz nöthig.
Erstens sind Blasinstrumente in Anwendung gekommen (z. B.
die Ophikle'iden), deren Körper (Rohr) ebenfalls von Metall verfertigt,
aber nach Art der Holzblasinstrumente mit Tönlöcbern versehn wird.
Da Letzteres fiir das Tonsystem, mithin auch für das Wesen des In-
struments, das Entscheidende ist, so gehören diese Instrumente nicht
zu den eigentlichen Blechinstrumenten , sondern sind zu den Holzblas-
instrumenten zu stellen.
Zweitens sind den oben genannten Instrumenten, namentlich
Trompeten und Hörnern , Vorrichtungen (und zwar Ventile) zugefügt
worden, durch die ibre Tonreihe vervollständigt, aber auch ihr Karak-
ter bedeutend verändert worden. Diesen Instrumenten (die nach der
ihnen zugefügten Vorrichtung Venliltronipeten und Ventilhörner heissen)
haben sich andre ähnlich konstruirte (Kornette, Tuben u. s. w.) zuge-
sellt, die allesammt in die Klasse der Blechinstrumente gehören, jeden-
falls eher ihnen als den Holzblasinstrumenten sich anschliessen. Dem-
ungeachtet sondern wir diese ganze Klasse von Instrumenten , die wir
kurzweg Ventilinstrumente nennen wollen, ab, um die eigentli-
chen oder ursprünglichen Blechinstrumente zunächst in ihrem reinen
Karakter und in ihrer wesentlichen Bedeutung kennen und gebrauchen
zu lernen. Die Ventilinstrumente werden abgesondert behandelt.
Wir haben es daher in dieser Abtheilung nur mit Trompeten,
Hörnern (sogenannten Naturlrompelen und Naturhörnern im Gegen-
4Ä
salz zu Ventillrorapeten und -höraern) und Posauoen za thnn. Dieften
^seilen wir die Pauken zu. Es versteht sieb, dass dieses Schlag-
instrument nur aus einem äusserlichen , aber künstlerischen Grund
in die Reihe der Blasinstrumente tritt, — weil es nämlich zunächst im
Verein mit ihnen zurThatigkeit kommt.
Von hier an durch die ganze Orchesterlebre hindurch werden wir
den Stoff so zu ordnen haben, dass mit jedein Schritt der Reiehthum
ODsrer Mittel wächst und jede vorhergehende Stufe den Forlschritt er-
leichtert.
Den eigentlichen Konstaufgabea werden wieder Vorübungen
(also gewissermassen Nachträge zur Elementarlehrc) vorangehn, deren
Erspriesslichkeit sich aus reichen, seit Jahren gesammelten Erfabrun«
gen an den verschiedenst begabten und vorgebildeten Schülern ergeben
und erprobt bat. Sie ersparen dem Jünger die Quat^ sich in grössern
Werken dnrch Unerfabreuheit und Ungewandlheit in der Instrumenta-
tion allaugenblickiich gehemmt und eine Reihe grösserer, in jeder an-
dern Beziehung befriedigender Arbeiten ganz oder theilwei^Q verdorben
ZQ sehn. Eigne Erfahrung wird ihn von der Wichtigkeit der Vorarbei-
ten überzeugen*).
Erster Abschnitt.
Kenntniss der Trompete und Pauke.
Die Trompete wird in verschiednen Stimmungen angewendet, die
später zu erläutern, und denen zu Folge verschiedne Arten des In-
struments zu unterscheiden sind. Wir nehmen eine dieser Arten oder
Stimmungen,' die in C stehende, als Norm, um an ihr das allen Arten
Gemeinsame des Instruments zu zeigen.
A. Die Normal-Trompete.
Die Trompete**) besteht aus einem acht Puss (mehr oder weni-
ger) langen, engen, erst gegen das Ende hin sich erweiternden Mes-
singrohr***), das zweimalherum in ein länglich Viereck (Oblongnra)
mit abgerundeten schmalen Seiten zusammengelegt ist, an demeinen
offnen Ende mittels eines kesselförmig gebildeten, enggeöffneten Mund-
stücks angeblasen wird, an dem andern Ende in eine Erweiterung,
*) flieran der Anhasg B.
^ llalieoiseli tromba^ elartno* in der Metirzabl trombe, clarini.
***) lo fdrstlieheo Rapelleo nod bei bevorsa^eo Mililair-MankebÖreo Model
man bUweileo silberDe Trompeten. Sie habeo aber weniger bellev Klaog.
44
den Schalltrichter (Becher, Stürze) geoanDt, aasläaft. Das Rohr ist
darchgängig geschlossen , ohne Tonlöcber oder andre Vorrichlnng zur
Tonerzeugang.
Dieses Instrument bringt znnSchst folgende Natur töne her-
S7
von denen jedoch 1) der tiefste Ton (gross c) nur schwer und rauh an-
spricht nnd nicht recht feststeht; 2) auch der nächste Ton (kleine) einen
rauhen Klang*) hat; 3) das eingestrichne b ursprünglich zwar etwas
zu tief ist, jedoch vom Bläser mittels starkern Druckes fest und rein
inlonirt werden kann**); 4) das zweigestrichne b und das dreige-
*) Die AlleD naooteo, bezeichDend ^enog, das tiefste (7 Fla tter^rob und
das Diebsle G r 0 b s li m m e.
*>) Dieses tod den Komponisteo beaalsle b kann voo jedem Orebester-Tronpe-
Cer sieber gerodert nod za mancherlei KlfekteD beoutzt werden. So verwendet es
Beethoven in der beroiscben Symphonie (in Es dür^ S. 79 der bei Simrock er-
schieoeneo Parti tar) wie hier bei a. —
(b des) b. Tr. in C.
Trombo
in Es.
Kla^er-
antzng.
i
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^^^^^Ä=j^^E
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^5:
-*i-^
>. > > >
zam m'ächtifcsten Anklang seines sebärtsten Tons ; so könnte in einem Tonsatz ans
^dormit C-Trompeteo eine starke Modulalion durch TrompetentSoe, die der ur^
spriioglichen Stimmung scheinbar fremd sind , eingeleitet oder unterstützt werden,
wie oben bei b.
Was hier mit verschiednen Stimmungen der Trompeten, mit Ks-t C-Trompe-
ten u. s. w. gemeint, flndetsieh weiterbin erläutert«
45
slricbne i/ und eDur sehr schwer and seilen, — auf den jetzigen Trompeten
vielleicht von keinem Bläser erreicht wird, auch 5) das dreigestrichne
c nur auf den Trompeten tiefster Stimmungen, aufJS-, C^y D-^ Es-Trom-
pelen, und in der gunstigsten Tonfolge, z. B. im aufsteigenden Ak-
korde, —
und auch da nur von wenigen Bläsern unter günstigen Umständen,
wenn der Bläser noch nicht ermüdet ist, gefasst werden kann. So be-
schränkt sich abo die R^ihe der sicher zu habenden Töne auf diese
Tonfolge :
^o^^^^^B
Fh^?=c
rp
Die hier ausgelassenen*) sind nicht füglich im Orchester zu fodern;
wenigstens thut man wohl, auf sie nicht für wiesentliche und her-
vortretende Züge der Komposition zu rechnen. Wie viel dagegen ein-
zelnie Virtuosen vermögen und was man ihnen im Solosatze zumu-
then kann, ist nicht vorauszubestimmen.
Neben diesen Naturtöoen können durch Stopfen noch andre her-
vorgebracht werden. Zunächst erscheinen (durch sogenanntes halbes
Stopfen) mit Leichtigkeit (weil man sie mit gleichem Lippendruck
fasst) die Halblöne unter den drei höchsten Naturtönen , sowie auch
(durch sogenanntes ganzes Stopfen) der Ganzton unter dem höchsten,
femer der (halbgestopfte) Halbton unter dem mittlem g^ —
41
^ig^p^
von denen zwar der dritte (y*) leicht etwas zu hoch anspricht, in dia-
tonischer Folge aber, besonders von oben nach unten (weil dann der
Naturton den von ihm aus gestopften vorausgeht), —
*) Doch bat der Verf. io ^ioem lug^bren iDstrameoralsatz — ond zwar im
Piano — von der tiefen Oktave (klein 0, eingestrichen e) mit sicher zutreffendem
Erfolge Gebraacb gemacht; und zwar mit brancbbaren, keineswegs aber ausge-
zeichneten Bläsern. U h0bern Stimmangea erscheint klein e ohne Sehwierigkeit
und gut.
**) Aus dem Messias von Händel, mit Mozart's Tnstrumentation , Nr. 44
der bei Breitkopf und Härtet beransgegebneo Partitur. Die Trompete ist eine D-
Trompete.
46
aueb wohHn chromatischer Folge , nicht so sicher aber io Sprüngen
oder mit friscbem Einsatz rein und sicher kommt.
Auch jn der eiBgestrichnen Oktave ist von jedem Naturton zu-
oäcbst (durch balbes Stopfen) der tiefere Halbton, dann (durch ganzes
Stopfen) der tiefere Ganzton —
ganzes, lialhcs g., h., h., halhea Stopfen.
zu erlangen, aber schwerer und unsichrer, besonders die ganz gestopf-
ten Töne, die nur nach Vorausgang der Naturtöne , von denen aus sie
gebildet werden , einigermassen sicher zu fassen sind. Man thut daher
wohl, auf sie ganz zu verzichten und sich überhaupt für das Orche-
ster.auf diese Tonreihe, —
44
:±=\z
allenfalU mit nnd »
lOr
und zwar unter der oben (5r den Gebranch des /angedeuteten Weise
zu beschränken.
Die Natur tone der Trompete (Nr. 40) haben einen hellen,
durchdringenden und in der tiefern Region, bis zum zweigestrichnen c,
schmetternden Klang; das Schmetternde und etwas Rauhe verliert sich
von c an und der Klang tritt nun in noch gedrängterer und veredelter
Kraft hervor. Die leicht erreichbaren Stopftöue der zweigestrichnen
Oktave (Nr. 41) schliessen sich dem Klang der Naturtöne fast nnnnter-
scheidbar an; die andern haben einen gedrücktem Klang. Alle Töne
des Instruments können übrigens so lange gehalten werden, als der
Athem des Bläsers reicht.
Was nun die Behandlung der Trompete betrifft, so kann jeder
ihrer zuvor (Nr. 44) aufgeführten Töne für sich mit Sicherheit einge-
setzt werden ; nur ist der freie Einsatz des/und/^ nicht so sicher, als
der der andern Töne, man bringt sie lieber (wie in Nr. 42 gezeigt wor-
den) im Gefolge von bequemern Tönen vor. Auch das höchste g' und
das tiefste (kleine) c — wenn man letzteres überhaupt gebrauchen will
— ist nicht siclier zum ersten Einsatz , sondern erst nach Vorgang be-
quemerer Töne zu fodem.
Abgesehn hiervon ist jede Ton folge innerhalb des angegebnen
Tonsystems, also auch jeder beliebige Sprung möglich; allein je
weiter die Sprünge , deslo schwerer und unsichrer sind sie (weil die
hohen Töne eine andre LippenhalUing nölhig machen als die tiefen),
desto mehr fodem sie Zeil zwischen dem einen und dem andern Tone, —
desto ermüdender endlich sind sie für den Bläser. Am leichtesten ge-
lingen die der Tonfolge des Systems selbst entsprechenden , die an die
einfachsten Grundformen der Melodie anlehnenden Tonreihen, z. B.
47
*^ ^^F^^^^^^^^^^^^^^
wie wir sie einst (Th. 1. S. 59) schon bei dem Satz der NatarharmoDie
kennen gelernt haben ; atich diese sind nm so leichter nnd kdnnen um
so kräftiger oder schnellbewegter hervorgebracht werden, je mehr sie
sich anf einen engen Raum beschränken. Am schnellsten ausFcihrbar
isl die Tonfolge in den harmonischen Figuren der eingestrichnen Ok-
tave (wie in Nr. 45 a., b.) bis zum zweigestrichnen c, höchstens e;
hier ist eine Bewegung, wie etwa die der Sechszehntel im Allegro
moderato^ wohl ausfuhrbar. Die Töne der zweigestrichnen Oktave, be-
sonders in weiterer diatonischer oder gar chromatischer Folge (Nr. 41,
42), können nicht wohl schneller als in derAchteibewegungdes J^///>^/*o
möderato gefodert werden; doch gelingt die schnellere Bewegung
zweier oder dreier wiederholt wechselnder Töne in schrittweiser Folge,
z. B. hier bei a., —
a. ^ifMMi I ; CSS fm ^*
ioi Forle anch in dieser Region, nur nieht höher. Uebrigens ist schnelle
Bewegung aus tiefem zu höhern Tönen (Nr. 45 a.) leichter, als die
entgegengesetzte (Nr. 46 b.).
Auch die Wiederholung desselben Tons ist je nach der
Tonregion in gleicher Schuelligkeit, wie oben angegeben, möglich und,
wenn sie sich nicht über vier bis seclis gleiche Tonanschläge, — wie
Wer —
"^m
TLrH-
r^t££rr
erstreckt, leicht und wohl, ohne Ungleichheit und Anstrengung,
möglich.
Eine eigenthümliche Tonwiederholung unterscheiden wir von
dieser gemessenen: das als Rarakterbezeichnung für die Trompete
schon im allgemeinen Sprachgebrauch stehend gewordne Schmet-
tern, den
Schmetterschall
der Trompete. Dnrdi Hineinstosscn gewisser Silben in das Instrument
unter dem Blasen kann nämlich der Trompeter einen Ton in grosser
Schnelligkeit (so schnell seine Zunge den Laut wiederholen kann) und
sehr lange (so lange Athem und Zungenkraft reichen, — wir haben
deren drei und vier Takte % im Allegro mo^erato lang gehört) in
jedem Grade der Stärke von /7p bis^, auch ab- und zunehmend diese
48
Schailweise fortsetzen. Der Trompeter nennt diese Spielweise die
,,Zange*% wenn, er sie in bestimmter Weise rbylhmisirt, den ,,ZttD-
genscblag^S Die Zunge findet man bier —
bei A.| den Zangenschlag bei den Triolen angewendet. Beide Formen
ergeben ein krallig erbebendes oder scbütlerndes Wiederholen des
Tons, das dem lebendigen nnd energischen Klang des Instruments sehr
entsprechend und ihm vor andern Blasinstrumenten theiis vorzugsweis,
theils ausschliesslich eigenthümlich ist. Uebrigens kann dies Schmet-
tern nur ati den vier untern Tönen g — c— e — g^ — allenfalls noch auf
b und c, am besten auf dem untern e und g^ mit Leichtigkeit und Kraft
ausgeübt werden; mit jedem höhern Ton wird es schwerer, in den
höchsten Tönen unausführbar. Bezeichnet wird es , wie Nr. 48 zeigt,
bald als Tremolo, bald als Triller*).
Dies ist der Tonumfang und Wirkungskreis der Trompete. Aeus-
serlich betrachtet erscheint er sehr beschränkt, ja höchst lückenhaft*
Allein tiefer eingehende Auffassung zeigt zwischen dem Karakter und
den Mitteln des Instruments die erwünschteste Uebereinstimmung. Für
den heldenhaft klaren und eindringlichen Klang des Instruments , für
diesen Heldenkarakter, der selber nur ein einfacher, nicht ein vielsei*
tiger ist, bedarf es keines Reichthums an Tonwendungen und Mitteln ^
der vorhandne — die Töne des hellsten Akkordes (des grossen Drei-
klangs durcli mehr als zwei Oktaven), die zweite harmonische Masse
(Th. I. S. 56), die Tonleiter bis zur Dominante können genügen. Diese
Töne stehn in allen Abstufungen der Stärke , in schneller Folge und
weithin rufendem Aushallen, besonders mit dem metallen durchbrechen-
den Schmetterton zu Gebote. Selbst die Armuth der Tonreihe dient
dem das Instrument tiefer Erkennenden zum fördernden Winke; sie
nöthigt ihn, einem andern künstlerischen Mittel um so entscheidendere
Kraft zuzuertheilen, — nämlich dem Rhythmus, der für seine entschei-
dende Kraft am entscheidungskräfUgen Instrumente das entsprechende
Organ findet.
B. Arten und SUmmiingeB der Trompete.
Allein bei alledem würde der Tongehalt der Trompete für die Mit-
wirkung bei ausgedehntem, modulationsreichen oder von Hans ans
*) Die letztere Bezeicbnaog ist eioe uneigeDtliche nod kSoote iosofero einiget
0edf*ol[en findea, als wirkliche Triller aaf dem zweigestncbneo d—e^ e — d^ aoeh
e^b möglich siod. Alleid letztere taugen seilen etwas, sollten also lieber ganz oo-
gebraucht bleiben , und so füllt das Bedenken gegen die Triller- statt Tremolo-Be-
zeichnung weg.
49
nicht in Cdar, sondern in andern Tonarten stehenden Kooiposiüonen
nnzureicbend, oft gar nicht anwendbar s«in. Man hat daher Trompeten
von yerschiedner Grösse (Länge des Rohrs) eingeführt, die den im Vor-
herigen aufgewiesnen Tongebalt aaf andern Stufen darstellen, mitbin
fiir andre Tonarien oder Akkorde ebenso anwendbar sind, als der oben
gefandne Tongehalt für die Tonart Cdur. Ein längeres Robr giebt ein
tiereres, ein kürzeres giebt ein höberes Tonsystem. Hierauf bezieht
sich der Zusatz zu der S. 43 angegebnen Länge der Trompete von
achtFoss; eine Trompete mit so langem Rohr giebt ihren Tongehalt
auf dem Urton C oder in Cdur an.
Die Stimmungen der Trompete , vermöge der grossem oder min-
dern Länge des Rohrs, begründen verschiedne Arten des Instruments,
die sich übrigens in Allem gleich , mir in ihrem Urton und damit in der
hohem oder tiefern Lage ihres Tonsystems verschieden sind; eine Ver-
schiedenheit, die dann noch einige später zu erwähnende Folgen nach
sich zieht. Die Noten für sämmtliche Arten der Trompete werden so
geschrieben, als wäre das Tonsystem stets auf den Urton C gegründet;
ßr alle Trompeten-Arten wird also durchgängig in Cdur gesetzt, wie
wir von Nr. 37 bis hierher gethan bähen. Für jede Art aber werden
diese Noten in das besondre Tonsystem übertragen, das von dieser Art
angegeben wird.
Es giebt zunächst folgende Arten der Trompete ;
1. Die 5-Trompete (tromba in ß),
deren Töne eine Stufe unter dem Normalton C, also in der Tonart
BivLV stehn. Der so —
.. ^pSWg^ii^g^^^
in Noten geschriebne Tongehalt der JS-Trompete erklingt mithin so, -
«^^^^^^s^^m
also in der Tonart J9dur.
2. Die C-Trompcle.
Diese giebt ihre Tonreihe an, wie sie geschrieben wird; es ist also
hier Alles, was wir von ihr als Normaltrompete gesagt haben, ohne
Umsetzung in eine andre Tonart zu verstehn.
3. Die D-Trompete,
die, wie schon der Name zeigt, eine Stufe höber steht als die Normal-
trompete; ihre Notenreihe (Nr. 49) ertönt mitbin so :
51
i^^^zS!^
m
M«rx,Kottp. L. IV. S.Aofl.
50
sie
4. Die £i-Troinpete ;
siebt in Es dur; ihre Noteoreibe (Nr. 49) ertöot so:
5. Die ^-Trompete»
6. Die F-Trompelc,
7. Die C-Trompele,
8. Die ^-Trompete,
9. Die hohe A-Trompete,
welche letztere eine Oktav über der «gewöhnlichen oder tiefen i?-Trom-
pete steht, daher sie mit tromba in B ailOj die tiefere 0-Trompete da-
gegen mit tromba in B basso bezeichnet wird ^ endlich
10. Die ZT-Trompete.
Die Stimmung der Trompetenarten von 5. bis 10. versteht sich
nach dem Vorhergehenden von selbst; man kann sich Stimmung and
Umfang aller Arten in folgendem Schema —
1. tiefefi-Trompetey* b d f as b hccisdes'e^T
2. C-Trompete g c e g b Tc^^^T^ßs^ c
3. Z)-Trompete a 1 fis a T Sf Jis e J' ßf g gu «*
4. JE>-Trompete b es g b 3es S 7 J^ßi ' 'g ^ ^ T
5. C-Trompete k 7 gü h 3" T ßß g gü ^ iS I
6. F-Trompete 7 / a 7 es jTß g gts ^ T T c
7. G-Trompete 4 ? A 7 ^ g gis'a ^ T
8. ^-Trompete e a w^g^iisT'ocM
9. hohe 0-Trom-
petc ß F 7 ß as T T ccw7
10. Ä-Troropete ßs J iBsßs a K c cu T Mi
vergegenwärtigen.
Das hier aasgelassene kleine c (S. 45) ist in den tiefen Arten
(tiefe B-y C- and Z)-Trompeten) nicht so wohl berauszubringen*), als
bei den höhern Arten.
Die tiefe B^ und die C'Trompete kann die höchste oben gesetzte
Note (also die J9-Tjrompete das zweigestrichne b , die C-Trompete das
*} Für />-Trompetea liaU4(S.45) der Verf. da« kleioe e in einem drtmatitcheD
Satze selbst gesetzt und vellkomBieo gelaagea iQsfdbrea boren ; derRlan^ war^ wie
oben gesagt, rauh, entspraeh aber eben dadurch dem Sinne der Situation.
51
dreigestrichne c) aUenfalls, die /^-Trompele kann sie vielleicht, die
böhern Arten können sie schwerlich erreichen*); die Es- und f-Trom-
pete können die Note g wohl im Akkordgange (a.)» —
» ^^^fegfejßrEc^:^
nicht so wohl aber sprongweis oder in diatonischer Folge (b.) erreichen.
Die F-Trompete kann allenfalls den Gang in Nr. 54 a. , nicht aber f
nni Jis herausbringen; die höhern Trompeten**) dürften mit Sicherheit
nicht über die Note des zweigeslrichnen e, die hohe J9-Trompete nicht
über das zweigestrichne c (dem Ton nach b) hinaufzufahren sein.
Für die hier fehlenden Stimmungen ist allerdings noch durch
besondre
Setzstücke
gesorgt, — bogenförmige Röhren , die zwischen Mundstück und Rohr
eingeschoben werden und das letztere verlängern. Hierdurch wird die
Stimmung um eine halbe Stufe erniedrigt, es wird also
aus der ^-Trompete eine ^ - Trompete,
- . C- . - H - •**)
- - />. - - Des- -
- . C- - . Ges" -
- -^- - - hohe j4s'
und so entstehen fünf neue Arten, deren Tongehalt man sich nach dem
Schema Nr* 53 leicht vorstellen kann. Hiernach gab' es nun Trompe-
ten von tief -^, tief 5, iST, C, Cis oder Des^ ö, Es^ E^ F, Fis oder
GeSf G, As^ hoch A^ hoch B und hoch H. Allein durch die
Setzstücke scheint Klang und Tonreinheit der Trompete mehr oder
weniger — denn auch hier kann ein geschickter Bläser nachhelfen —
beeinträchtigt zu werden. Es dürfte daher rathsam sein, sich auf die
bei Nr. 53 von 1. bis T.f) aufgeführten Arten zu beschränken.
*) Volle Bestimmtheit ist in all diesen Punkten nicht zu peben , weil dabei
sa viel auf die besondre Anlage ond Uebnog jedes einzelnen Bläsers ankommt ; dem
Binen %e\\ik$i^ was der Andre für ODansfohrbar erklärt. Man tbnt wohl, das Bedenk-
liche zn vermeiden — nod kann es in der Regel ohne wesentlichen Verlust.
**) Der Verf. kennt diese (die (7-, A-^ hohe ^-Trompete) nur ans Büchern,
nicht ans eigner Auffassung, erinnert sich auch nicht, sie in den Partituren der
Meister je gefunden zu haben, kann also nicht sicher nber sie berichten. In Mili-
tairmusikch&'rea werden sie, wird sogar hier und dort eine hohe C-Trompete ange-
wendet, nicht, wie wir von sachverständigen Zeugen vernehmen, in der prenssi-
sehen Militairmusik.
***) J7- Trompeten hat unter andern R. M. v. Weber in der Einleitung zum
dritten Akt der Enryaothe, naobgehends auch R. Wagner im Tannhäuaer ge-
braucht.
f ) In den MusikebSren der preussiscben Infanterie ist die (T-Trompete fest
eingeführt und wird durch Setzstücke für die tiefem Stimmungen verwendbar ge-
macht.
52
Dies sind die weseallichsten Unterschiede der Trompetenarlen .
Aber auch im Klange scheint eine Verschiedenheit stattzufinden , die
von der Geschicklichkeit des Bläsers wenigstens nicht gänzlich über-
wunden werden kann. Die A-Trompete hat einen vollen, etwas posau-
nenhaften, — die C- und /)- Trompete haben einen kalten, etwas
rauhen Klang, — die Es-^E- und F-Trompelen haben einen festen und
gedrungenen, durchdringenden, nicht aber rauhen Klang, daher sie am
liebsten zu reichen (konzertirenden) Solosätzen benutzt werden. Vor-
nehmlich hängt allerdings die Wahl der Trompete von der Tonart der
Komposition ab ; man wird daher in der Regel zu Kompositionen in Es
auch £« -Trompeten setzen, und so in andern Fällen. Allein die Er-
kenntniss des besondern Klangkarakters kann (wie später zur Sprache
kommen wird) auch hierin Manches ändern.
In grössern Kompositionen kann man bei dem Uebergang in fremde
Tonarten die Mitwirkung der Trompeten nothwendig, gleichwohl die
ursprünglich gewählte Trompetenart für die neue Tonart unanwendbar,
oder doch nicht ergiebig genug finden. Hier bietet sich dann die Aus-
kunft dar, im Laufe der Komposition andere Trompeten ergreifen zu
lassen , oder die Stimmung (durch Einsatz neuer Bogen, die das Rohr
der Trompete verlängern oder verkürzen) zu verändern, z. B. aus den
Z)-Trompeten £>e«-Troropeten zu machen. Allein der Bläser muss zu
dem Einsatz der Bogen Zeit haben, — etwa 12 bis 16 Takte Pansen im
langsamen, oder 20 bis 24 im schnellen Tempo.
C. Die Pauke.
Die Pauke bat bekanntlich ein über einen kesseiförmigen , Klang
und Schallkraft bedingenden Körper von Kupferblech straff gezogenes
Fell, auf dem der Ton durch den Anschlag mit Paukenstöcken (Schlä-
geln) hervorgebracht wird. Jede Hand führt bekanntlich einen solchen
Schlägel*), es kann daher die Pauke mit einem einzigen oder beiden
Schlägeln gleichzeitig (oder möglichst schnell nach einander, fast gleich-
zeitig) oder auch abwechselnd mit einem nach dem andern angeschla-
gen werden. Der gleichzeitige oder fast gleichzeitige Anschlag giebt
einen vollem, der Anschlag mit einem einzigen Schlägel einen härtern,
abgebrochnern Klang ; fände man nöthig, den erstem ausdrücklich vor-
zuschreiben, so müsste die Note auf- und abwärts gestrichen werden.
Die Pauke giebt nur einen einzigen Ton ; dieser kann vom leise-
sten Piano bis zum dröhnenden, härtesten Forte, er kann kurz abge-
*) Die Schlägel babeo an dem aaffehlageodeo Eode bekaootlich HelzkoSpfe.
Lässt man diese oobedeekt, so ist derKlaog des lostraments dörr, trocken; werden
sie mit Leder öberzogeo, so ist er gemildert, doch trocken; werden sie mit
Schwamm , Filz oder Gnmmi elastleom aberzogen , so ist der Klang weich , etwas
dumpf, gleichsam omdonkelt.
53
brochen (slaccaio) in allen möglichen rhythmischen Figuren bis zum
rollendsten Wirbel, in dem kaum noch die einzelnen Schläge zu unter-
scheiden sind , wiederholt werden ; der Wirbel wird mit dem Triller-
zeichen — fr oder -^^-^^-^^ — angezeichnet.
Dieser eine Ton der Pauke kann durch Stimmung höher oder tie*
fer genommen werden, aber nur innerhalb des Raums einer Quinte
vom grossen F bis klein c und von gross B bis klein/; bei tieferer
Stimmung wnrde das Paukenfell zu schlaff und der Schall zerflatternd,
der Ton nicht bestimmt herauskommen , bei höherer Stimmung würde
das Pell zu straff angezogen und der Klang zu hart, wahrscheinlich die
Stimmung auch nicht feststehend sein. Die Stimmung der Pauke, nach
ihrer bisherigen Einrichtung, fodert einige Zeit und ein wenn auch leises
Versuchen ; nach einer verbesserten , aber noch nicht allgemein ver-
breiteten Einrichtung kann das Stimmen augenblicklich geschehn , also
im Laufe der Ausfuhrung selber, was nach der altern Einrichtung nur
bei einer Reihe von Pausen (10 bis 20 Takte im Allegro moderato)
ralhsam und im Allgemeinen nicht erwünscht war. Die verbesserte
Pauke lässt sich auch einen Ton tiefer stimmen, bis gross Es.
Bei der Tonarmoth des Instruments werden in der Regel zwei
Pauken, eine grössere und eine kleinere, neben einander gestellt und
in die wichtigsten Töne, Tonika und Dominante, gestimmt. Bisweilen
findet der Komponist sich zu abweichenden Stimmungen bewogen ; so
bat z.B. Beethoven im Finale der achten uiid im Scherzo der neun-
ten Symphonie die Pauken in die Oktave jP--;/* stimmen lassen. Bis-
weilen wird eine dritte Pauke gesetzt und entweder in die Unterdomi-
nante oder in einen andren in Folge besondrer Modulation nöthig wer-
denden Ton gestimmt, — eine Maassnahme, die nach der neuen
Paukeneinrichtung überflüssig wird*). Dies sind Aasnahmfalle, die
man nach der Richtung der jedesmaligen Komposition zu beurtheilen
hat: als Regel darf wohl gelten, dass die wichtigsten Töne, die zu-
gleich Grandtöne der wichtigsten Akkorde und nächstnölhigen Ton-
arten sind , durch das rhythmisch so mächtige Instrument noch einen
bevorzugten Nachdruck erhalten.
Auch die Pauken können, wie die Trompeten, im Lauf eines Ton«
Stücks umgestimmt werden, am leichtesten in nahe gelegne Tonstufeu,
z. B. aus dm c oder es. Bei der in neuester Zeit getroffnen Einrieb-
tang der Pauken kann dieUmstimmung, wie gesagt, schnell und sicher
geschehn.
*) Man hat so^ar in aotera Tagen zur Anfstelldng von acht Paar Pauken ge^
griffen , worüber denn hier niebt weiter za artheilen ist. Im vorigen Jahrhundert
gaben farstliche Hofpanker anf 14 Paoken Konzert nnd warfen dabei noeh die
Schlägel wihrend dea Spiels geschickt in die Luft, indem sie sie ohne Taktfebler
wieder6flgeii.
54
' Will man der Pauke eiDen damprern, lagubern Klang gebeo , so
wird das Fell mit der Decke locker überdeckt (der Komponist mnss das
ausdrücklich mit
timpani coperti
vorschreii>en), oder — was einen reinem Ton nud gleicbmässigern
Klang giebt — es werden die Schlägelknöpfe mit Gummi , Filz oder
Schwamm (Anmerkung S. 52) überzogen.
Die Pauken werden übrigens ebenfalls, wie die Trompeten, Inder
Regel in C (G — e) notirt und die eigentliche Tonhöhe dann vorge-
sehrieben. Doch geht man von dieser regelmässigen Schreibart gele-
gentlich auch ab, wenn die Notirung der wahren Tonhöhe (wie in
den obigen Beethoven'schen Fällen) bequemer und deutlicher lesbar
scheint.
Zweiter Abschnitt.
Der Sati ffir Trompeten und Pauken.
Selbständige Kompositionen für Trompeten und Pauken , mit Aus*
schlttss aller andern Instrumente, können bei dem beschränkten Ton-
gehalt jener Organe nur von beschränktem Umfang und der Hauptsache
nach von keinem andern Inhalt sein, als dem in der Naturbarmonic
(Tb. I. S. 55) gegebnen. Dergleichen Aufgaben mögen im Vergleich
mit den bisher schon gelösten unbedeulend erscheinen (im hohem Sinn
ist keine Gestaltung mehr oder weniger bedeutend als eine andre, jede
ist die rechte und vollgenögende , die der Idee des Kunstwerks ent«
spricht) : jedenfolls dienen sie zur Vorübung ßir nmfassendere lostm-
menlationen und Aufgaben.
Wenn der freie Künstler seine Idee zu offenbaren hat, so bieten
sich ihm -^ oder wählt er die Instrumente, die sich jener Idee eignen»
so dass Inhalt und Organ der Komposition einig und Eins sind. Der
Jünger muss von der entgegengesetzten Seite zu dieser Einheit hin-
streben. Ihm wird das Organ gegeben und er hat aus dessen Karakter
die Form und den Inhalt seiner Komposition zu bestimmen. Dieser
Weg ist nicht blos ein methodisch nothwendiger, er ist auch ein künsl-
lerischer. Der ächte Musiker kann sich kein Musikorgan, z. B. nicht
den Verein von Trompeten und Pauken vorstellen , ohne vom Karakter
desselben angeregt , zu sympathischer Hervorbringung gestimmt zu
werden.
Der durchdringende, metallisch -helle Trompetenklang, der fun-
kelnde Schmetlerton , der einfache, aber klare und energische Tonge-
halt des heroischen Instruments, dazu die Kraftschläge oder der rol-
55
leode, bald dumpfere, bald körnigere Donner der Packe : das Alles ruft
znnächst maebtvolle, gewalllbälige, kriegerische Stimmang hervor;
aaf unserm jetzigen beschränkten Standpunkte bieten sich für sie nur
begränzte Aufgaben, — Fanfaren und kriegerische Märsche.
Man mache sich und dem Schüler vollkommen klar, dass der Ton-
setzer, der nur an abstrakte Melodien und Harmonien denken wollte,
hier nichts Nennenswerthes zu tbun hätte. Die Sache ändert sich aber
vollständig, wenn die Phantasie sich mit dem Klang und Wesen der
Instrumente erfüllt hat und man aus dieser Vorstellung heraus Melodie
und Harmonie erfindet. Erst den Tonsatz ausdenken und dann Instru-
mente herbeiholen, die Ihn ausführen sollen, ist todtes Machwerk, Ar-
raogemenl; aus den Instrumenten heraus erfinden, sie nach ihrer Weise
sich aussprechen lassen gleich den mannigfaltigen Personen eines Dra-
ma% das ist's, was den Meister im Orcheslersatz macht.
Diese einfachen Aufgaben können mit mehr oder minderm Auf-
wand von Mitteln gelöst werden. Die beschränkteste» aber noch ge-
nSgende Aufstellung würden
1. Zwei Trompeten und Pauken
abgeben; die Pauken erscheinen sofort als Bass, die beiden Trompeten
würden als die gleichartigen Instrumente sich so eng, wie wir einst in
der Maturharmonie (Th. I. S. ß2) gelernt, an einander schliessen. Mit
diesen Mitteln würden sich freilich nur Sätze wie dieser —
MaeAtoso.
IVomhe
iu D.
55
Timpani
in D. A.
i^ip^^^^^i
s
g— .-p^E^EEEfe^P!^^
bilden lassen, die aber bei der Macht der Instrumente (vollends wenn
die Trompetenstimmen doppelt oder mehrfach besetzt werden können)
nicht so wirkungslos bleiben würden, als sie etwa am Klavier er-
scheinen.
Die beiden Trompeten ballen wir gern zusammen. Aaf kurze
Glieder können sie vielleicht einmal mit Erfolg getrennt werden , wenn
z. B., wie hier, —
56
Glarini
in Es.
56
Timpani
in B. Es.
eio Schmetterion (gleichsam als besondre dritte oder vierte Stimme)
die Hauptmomente unterbricht und die eine Stimme (hier die erste) ihn
nicht ohne zu weite Sprünge mit fassen kann. Dies kann aber nur als
Ausnahme gelten und nicht wohl auf ganze Abschnitte oder Sätze aus-
gedehnt werden , weil die Mittel doch zu gering sind, um selbständige
Stimmen möglich zu machen. Auch die Pauken verbinden wir aus dem-
selben Grunde mit den Trompeten möglichst eng; in Nr. 55 schweigen
sie nur zu den Auftakten und einigen mittlem Taktnoten, um in ihrem
eignen Elemente, dem Rhythmus, noch energischer einzugreifen.
Hiernach ergiebt sich schon von selbst, dass man die zweite
Trompete nicht leicht über das hohe e hinauf und die erste nur vor-
übergehend zu dem eingestricbnen c oder gar zum kleinen ff hinabfüh-
ren wird. Da die hohen Töne andre Lippenhaltung fodern als die lie-
fern, so stört man diese (and erhält eine unvollkommnere Ausführung),
wenn man die erste Trompete (den Primarius) zu tief und die zweite
(den Sekundarias) zu hoch blasen lässt.
Stehen uns mehr Trompeten zu Gebote, so können wir statt der
zahlreichern Besetzung zweier Stimmen mehr Stimmen setzen, zu-
nächst zum Satz mit
.2. Drei oder vier Trompeten*) lind Pauken
übergehn. Allerdings ist bei der Beschränktheit des Tonsyslems auch
dann nicht auf einen wahrhaft drei- oder vierstimmigen Satz zu rech-
nen; nicht einmal von der Gegenbewegung zwei und zweier Stimmen
könnte ein andrer als höchst seltner und beschränkter Gebrauch ge-
macht werden, weil bei der spröden Stärke und Heftigkeit des Instru-
ments ein Durchkreuzen der Stimmen sehr wild herauskommen würde.
Doch gewönne man bei vollstimmiger Besetzung wenigstens von Zeit
zu Zeit grössere Harmoniemassen. Die nachstehende Intrade**), —
*) Bei drei Trompeten oaDDte man die unterste, wenigstens früher, princf/^a/e,
bei vieren die dritte principale und die vierte toceata ; zwei wurden clarini, drei
und vier trombe oder elarini e trombe genau at.
**) lutrade heisst eine für Trompeten and Pauken, oder vollständige Bteob-
musik gesetzte Einleitung oder Einnibrung eines grössern Musikstücks (also Einlei.
tung), oder einer feierlichen, bedeutsamen Handlung, Verkündigung u. s. w.
57
&^T^-i1i1^
die man sich breiter und weiter ausgeführt denken muss, giebl dazu
ein Paar Belege. Bei solcher Masse der Trompeten durfte schon ein be-
stimmterer Gegensatz dieser und der Pauken gewagt werden ; im vier-
ten Takte bilden sich vollere Harmoniemassen , so auch im vorletzten ;
im vorhergehenden versucht sich ein Gegensatz unter den Trompeten
selbst zu bilden , der sich im letzten fortsetzt. — Für den Anfang hät-
ten dem Tongehalt nach eine und zwei Trompeten genügt ; sollen wir
nicht mit diesen allein anfangen und die übrigen erst folgen lassen,
wenn sie nöthig sind? Nein 1 Das wäre Zersplitterung der Masse und
der Kraft, und gerade bei dem energischen, zu Machtwirkungen be-
stimmten Instrument am wenigsten gut angebracht. Selbst wenn ein
Crescendo beabsichtigt wäre , würde es dem Vortrag der Ausführenden
überlassen werden können und keiner Tbeilung der Stimmen bedürfen ;
58
vielmehr gewinnt eben im Piano der Klang der Trompete durch Slimm-
foile an Glanz und Wohllaut.
Man merke schliesslich noch Folgendes , um nicht gegen die übri-
gens wobibegründete Praktik der Orchester zu Verstössen.
— Da zu einer einigermassen vollständigen Wirkung des Trompeten-
chors wenigstens zwei Trompeten gehören s so sind in jedem Orche*
ster zunächst zwei Trompeter — also ein Primarius und ein Sekunda-
rius — zu fodern« Geht man zu einer stärkern Besetzung über, so ist
das Angemessensie : dem ersten Trompeterpaar ein zweites — also
wieder einen Primarius und einen Sekundarius — zuzufügen. Polglich
ist die dritte Trompete wieder von einem Primarius be-
setzt, der mehr aufhöbe als tiefe Tonlagen eingerichtet und berech-
tigt ist, nur für jene, nicht für diese verwendet zu werden. So liegt in
Nr. 57 die dritte Trompete höher als die zweite; sie ist eine Prim -
stimme (obgleich dem Inhalt zufolge unter der ersten Trompete
stehend), die zweite und vierte Trompete sind Sekundstimmen.
Einen den Tongehalt bereichernden Gebrauch Uetet die zahlreiche
Besetzung, wenn man
3. Trompeten verschiedner Stimmung
mit einander zu einem Salze vereinigt ; hier ergänzen sich die Ton-
systeme gegenseitig. Wenn man z. B. B- und i?«-Trompelen (Domi-
nante und Tonika) vereinigt, so geben (S. 50;
die jB-Trompelen :J\ bj rf, f, as^ d, c, d^ eT, y*,
nnddief^-Trompeten: £, es^ g, b, des^ ^» 7> Fl ^» ^
beide also vereint diese Tonreihe —
M
1
221212221
1 1 . 1 1
^^^^^^^^
^
(mit 2 sind die £-, mit 1 die ^^-Trompelen , mit l beide zugleich be-
zeichnet), die schwerer erreichbaren oder sonst bedenklichen Töne bei
Seite gelassen. Fügte man noch F-Trompeteu zu, so erhielte man fol-
gende Tonreihe —
1 1
1
59
1 2 12 225131
23213i232S12d»^
^.^^e^^^g^^
(mit 3 sind die F-Trompeten bezeichnet) , aus der man seine harmo-
nischen Massen zusammenstellen könnte. Wir geben znr Proke einen
kleinen Satz, —
CUrinl
in Es.
Trombe
in B.
Timpani
in F: B.
^^^^^^^^^^^^
^^g^^^^N^^
-^^T;r^mi$
r
nach dem man ungefähr ermessen kann, wie viel Erfolg dergleichen Zu-
sammenslellangen bei mehr oder weniger Sorgfalt und Talent bieten ; es
bleibt in der Thal zweifelhaft, ob nicht durch Zusammenhaltung aller
Trompeten in einer einzigen Stimmung an Glanz und Kraft der viel-
fachen Besetzung mehr gewonnen würde, als durch die Vertheiiung in
verschiedne Stimmung an Tongehalt für die Komposition — der am
Ende doch kein bedeutender sein kann.
60
Wollte man noch mehr Trompeten iu verscbiednen SlimmuDgeii
zusammeostelleii oder die vorhandnen Paare in noch mehr Tonarten
zerstreuen, so würde auch der Tongehalt wachsen, könnte man sogar
Trompetensätze in Moll herausknnsteln, denn darauf läuft der-
gleichen Arbeit zuletzt hinaus. Allein der Gewinn würde die Zersplit-
terung der Kräfte (schon in unserm Satz kommen die Instrumente nur
in einzelnen Momenten zum Tutti zusammen) nicht aufwiegen und man
würde sich immer weiter von dem eigentlichen einfach-mächtigen Ra-
rakter, der Grundkraft des Trompetensatzes entfernen.
Wer dergleichen Zusammenstellungen versuchen will und den Ton-
gehalt der verschiednen Stimmungen noch nicht geläuGg handhaben kann,
thut wohl, sich zuerst diesen (wie oben in Nr. 58 und 59) vorzustel-
len, dann die Romposition so zu notiren, wie sie ertönen wird (wir
geben als Beispiel den Anfang des obigen Satzes), —
2cIo
und sie dann iu die den Instrumenten gebührende Weise (nach Cdur
mit vorgezeichneten Stimmungen) zu übertragen.
Es mag Jeder einige solche Versuche machen, um auch hierin Ge-
läufigkeit zu erlangen. Die Hauptsache bleibt aber die Uebung in kur-
zen einfachen Sätzen , wie die in Nr. 55 bis 57 gegebnen. Dem Ton-
gehalt und der Form nach könnten diese Aufgaben gering und unnütz
erscheinen. Gewöhnt sich aber der Uebende, bei ihrer Abfassung stets
den Klang und Rarakter der Instrumente sich gegenwärtig und lebhaft
vorzuhalten, so prägt er sich Beides in künstlerischer -- das heisst
schöpferischer Weise ein und hat für künftige grössere Aufgaben einen
Tbeil der Organik zu eigen erworben.
61
Dritter Abschnitt.
Kenntniss der Posaune.
A. Einrichtung des Instniments.
Die Posauoe bat man sich zunächst als eioe Trompete vorzustel-
len; Rohr, Schalltrichter, Mundstück haben dieselbe Porm^ nur grösser
und weiter. Sie hat also auch die Naturtöne der Trompete.
Sodann aber ist an der Posaune eine Vorrichtung getroffen , durch
die es ihr möglich wird , eine vollständige chromatische Tonleiter her-
vorzubringen. Ihr Rohr nämlich ist nicht aus einem einzigen Stuck,
wie das der Trompete , sondern aus zwei ineinandersteckenden und
auseinanderzuschiebenden Stücken gebildet, so dass durch das Aus-
einanderschieben (Ausziehen) die Länge des Rohrs vergrössert, folg-
lich eine neue Reihe von Naturtönen , ein tieferes Tonsystem erlangt
wird*). Dieses Ausziehen kann während des Spiels geschebn, die Po-
saune also ihr Tonsystem ohne Unterbrechung des Spiels fortwährend
ändern , während dies für die Trompete nur dadurch erreichbar sein
würde^ dass man eine Art mit der andern (F- mit J?-, Es-, J9-Trompe-
ten u. s. w.) wechseln liesse.
Solcher Auszüge oder Züge kann sich der Posaunist sechs be-
dienen, — ungerechnet die ursprüngliche geschlossne Haltung des In-
struments , bei welcher die Rohrstücke fest ineinandergeschoben sind,
mithin die höchste Tonlage geben. Jeder der sechs Züge erniedrigt die
ganze Tonlage des Instruments , also jeden einzelnen Ton , um eine
halbe Stufe, so dass z. B.
c durch den ersten Zug zu A,
durch den zweiten Zug zu &,
durch den dritten Zug zu a
wird u. s. w.
Nur bedient man sich des sechsten Zugs nicht gern, weil durch
ihn die beiden Rohrstöcke am weitesten auseinandergeschoben werden
und die Haltung an Sicherheit verliert. Diese Schwierigkeit ist indess
keineswegs unüberwindlich. Wenn ein durch den sechsten Zug erlang*
barer Ton dem Komponisten wesentlich nothwendig ist, so muss
*) Die beiden Tbeile des Rohrs sind l)da8Haoptstück: zwei gleicblange,
einzelne, oben dnrcb einen Qnergriff festverbnndne Röhren , on deren einer das
Mnndstüelc aufgesetzt wird, während die andre in den Schalltrichter anslänft;
2) die Stangen (Stiefel), zwei durch ein Bogenstück verbandne Röhren, die
auf die Röhren des Haoptstücks passen and auf demselben bin nnd her geschoben
werden können.
62
man auf die Geschicklichkeit uod Aufmerksamkeil des Spielers rechnen
dürfen ; ist der Ton des sechsten Zugs nicht unentbehrlich , so scheint
es wohlgeratheu, dem Spieler keine unnölbige Schwierigkeil zu
machen.
B. Tongehalt.
Obgleich auf der Posaune vermöge ihrer grossem Länge und
Weite nicht alle Naturtöne so gut zu haben sind, wie auf der Trom-
pete'*)9 so steht ihr doch durch ihre Züge eine weit vollständigere Ton-
reihe zu Gebot. Um dieser nach Höhe und Tiefe grössere Ausdehnung
zu geben, bedient man sich der Posaune in verschiednen Grössen , und
zwar sind jetzt drei, also drei verschiedne
Arten der Posaune
üblich**). Diese Arten sind, abgesehn von der Grösse und der dadurch
bedingten Lage des Tonsystems , durchaus von gleicher Beschaflenheit
und Behandlung. Wir wollen sie erst kennen lernen , um einen Ueber-
blick über das gesammte Tongebiet der Posaune zu gewinnen , dann
aber alle zusammenfassen zur Erkenntniss ihres Karakters und der für
sie geeigneten Setzweise.
Die drei Arten der Posaune werden nach ihrer Tonlage B a s s -,
Tenor- und Alt- Posaune genannt. Bleibt das Rohr geschlossen
(die Stangen so weit wie möglich über die Röhre des Hauptstücks ge-
zogen), so ist der Tongehall***), — den wir die Naturtöne der Po-
saune nennen wollen, —
1. für die Bassposaune dieser:
62
^E
:t
s
^
fcit=
m
für die Tenorposaune dieser
63
=i^
■^
*:
3. für die Altposanne dieser:
64
tlZJ^t
^MM-.
*) Waren doch aocb auf dieser oicbt alle, oder doeb nicbt alle sieber aod wobl-
kliogeod zu baben, s. B. das grosse C (Flattergrob) nicbt fügUcb zu erlaogeo.
**) Hierza der Anbaog C.
**^) Wenn man die nacbrolgenden Notenreiben in die Tonart Cdnr , in welcher
rdr die Trompeten notirt wird, überträgt, so erhält _niao
e g c e g b c,
also die Natartöne; nar dass von diesen der Urgrnodlon C (Tb. I. S. 56} in der
Tiefe und die TSne d7 g b ü fehlen. Sie sind auf der Pesaane wegen der
grossem Länge und Weite schwerer hervorzabringen, — wie schon aof der Trom-
pete zum Tbeil der Fall war.
63
Nimmt mao aan zu dieser ersten Tonreihe die fänf am sichersten
braacbbaren Züge, so ergiebt sieb folgende Tonreihe:
1» Für die Bassposaune:
5 4321054321(4325
0 1
C. Cü. D. Du. E. F. . G. Gis. A. B. H. c. cts. d. du. e.
43 5435454 3 2 10
0 2 1 0 2 1 3 2 1 U
0 __ _ _ _
/, ^. g. gis* a. b. h. c. cts. d. du. e. f,
2. Pur die Tenorposaune:
54321054321543 2 5 43
0 1 0
¥. Pü. G. Gis. A. B. . c. eis. d. dis. e. f. fis. g. gis. a. b. h.
5435454 3 2 10
2 10 2 13 2 1 0
_ — - « ^ _
c. eis. 1. dis. e. f. fis. g. gis. a. b.
3. Für die Aitposaune:
343210 54321543 2 5 43
0 1 0
B. ff. c. eis. d. es,, f. fis. g.gis. a. b. h. e. eis. rf. dis. T.
5435454 3 2 10
2 10 2 13 2 1 0
fifi^' g» gis. a. b. h. e. cts. J! iifi».
bei der wir durch Ziffern angedeutet haben , mit welchem Zug (oder
mit welchen verschieduen Zügen) jeder Ton erlangt wird; durch 0
ist die ursprüngliche Tonreihe der Natnrlöne — bei eingeschobnen
Röhren — bezeichnet*). Man bemerkt, dass hiernach der Bassposaune
das grosse Fis oder Ges , der Tenorposaune das grosse ff, der Altpo-
sanne das kleine e fehlt.
Nimmt man den sechsten Zug zu Hülfe , so gewinnt durch ihn die
Bassposanne noch die Tonreihe:
Kontra-ff, gross Fisj Hy dis^fisy a, A,
die Tenorposaune die Tonreihe:
£, ff^ e, gis, Ä, rf, tf,
die Altposaune die Tonreihe :
A, e, «, cisj e, g, 7,
— »
*) Andre neooea die gescblossoe Haltongp des lostninenU (also die ebne Aus-
zag) deo ersteo Zog ; daon wird also noser erster Zog zum zweiteo, nikser fünfter
zum sechstea; dar sechste und letzte würde als siebenter bezeichnet werden
Bossen.
64
ztt den scboD angegebnen. Hiervon sind aber nar die beiden ersten
Töne, nämlich für die Bassposanne Kontra-ff und gross Fü^ fiir die
Tenorposaune E und £f, fiir die Ailposaune A und e neu, die folgen-
den Töne sind schon mit andern Zügen, nämlich — nach ihrer Reihe
vom tiefsten — mit
1 2 3 3 i
0 1
ZU erlangen; und von ihnen würden wieder die tiefsten, besonders
Kontra-tf auf der Bassposaune — eben wegen ihrer Tiefe am unsicher-
sten und rauhesten ansprechen.
Diese Uebersicbt der Züge dient dazu, zu erkennen, welche Ton-
folgen am leichtesten gelingen ; sie lässt Folgendes erkennen.
Erstens. Am leichtesten und sichersten und auch in schnellster
Folge ist die innerhalb eines Tonsystems (also innerhalb der ursprüng-
lichen , in Nr. 62 bis 64 angegebnen Tonreihe , oder innerhalb eines
einzigen Zugs) gelegne Tonreihe, z. B. für Bassposaune diese Ton-
reihe, —
65
::»=
=)=!*:
-:B
die des dritten Zugs, — zu haben , vorausgesetzt , dass man nicht za
grosse und häufige Spränge macht , oder die äussersle Höhe und Tiefe
zu oft mit einander — wenn auch nach Zwischentönen — wechseln
lässl. Eine solche Tonreihe ist ganz wie dieselbe Tonreihe auf der
Trompete zu erlangen und vom Komponisten zu betrachten ; nur dass
bei den grossem Maassen der Posaune die Töne derselben schwerer
und langsamer ansprechen (und zwar um so mehr, je tiefer sie sind),
also die Bewegung verlangsamt, die Sprünge erschwert, die Ton Wie-
derholung (der Schmelterton) wo nicht unmöglich, doch schwerfälliger
und nur auf zwei, höchstens drei schnellere Slösse beschränkt wird.
Zweitens. Je näher ein neu zu gebrauchender Zug liegt, desto
leichter sind die Töne des vorhergehenden Zugs mit den seinigen zn
verbinden , also am leichtesten die ursprüngliche Tonreihe mit der des
ersten Zugs, diese mit der Tonreihe des zweiten Zugs und so ferner.
Umgekehrt in je entferntere Züge man überzugehn hat, desto schwerer
ist die Tonverbindung. Es werden z. B. auf der Bassposanne Tonfol*
gen wie die hier bei a. gegebnen —
mm^^^^m^
=t:*:l
^^
66
£
Tpr
^^fe^^^^^^^^
in Beziehung auf den Zugwechsel leichter gelingen, ab die bei b. ge-
setzten.
65
Drittens. Je häafiger mit Zagen gewechselt und besonders in
entfernte gesprangen wird , je mehr dabei zagleich mit dem Zagwech-
sel in den Natnrtönen gewechselt wird , desto schwerer ist die Ton-
folge. In Nr. 66 a. z. B. gehören die drei ersten Töne dem dritten Zug
nnd d ist in demselben der höchste Ton ; von diesem Zug wird auf den
vierten übergegangen , dies aber mit beibehaltner Mnndhaltung, weil
Dun wieder eis der höchste Ton ist. In Nr. 66 b. dagegen wird von
r» nadiJ7gegangen, — cü der dritte Ton des vierten Zugs, IT der zweite
Ton des ersten Zugs, — femer von E nach m, ^ ersteres der erste
Ton des ersten, letzteres der dritte Ton des vierten Zugs.
Viertens ist die Anwendung des sechsten Zugs einigermassen
bedenklich , weil bei ihm beide Rohrstöcke sehr weit auseinanderge-
schoben werden und an der Festigkeit des Zusammenhalts leicht ver-
lieren. Da nun der sechste Zug ohnehin nur einen einzigen zur
Ausfüllung der Tonreihe nothwendigen Ton (für die Bassposaune
gross Fisj für die Tenorposaune gross H^ für die Altposaune klein e)
bringt: so ist ralhsam, diesen Ton entweder ganz zu vermeiden, oder
ihn wenigstens nicht unvortheilhaft, z. B. in schnellerer Bewegung, zu
fodem. Die Stelle bei a. —
Allegro.
ist wohl ausführbar*), die bei b. in gleicher Bewegung oder selbst im
Andante würde bedenklich sein.
Debrigens sind alle Tonverbindungen innerhalb des zugänglichen
Tongebiets berauszubringen , sobald die Bewegung nur langsam genug
ist, dem Bläser für Lippen und Hand die rechte Zeit zu lassen ; der
erste Satz bei b. in Nr. 66 hat im Allegro moderato oder pocovivaesy
<ler zweile im Andante kein Bedenken, in verdoppelter Bewegung
worden sie, besonders der letzte, unsicher herauskommen. Nur bei
lebhafler Bewegung und bei besonders in sanfter, gehaltner Weise
{piano tegato) vorzntragendeti Sätzen ist also die Tonfolge mit mehr
Sorgfalt zu ermessen. Und in der That bietet die Posaune bei sorgfiil-
tiger Beobachtung ihrer Behandlang Alles , was man ihrem Karakter
gemäss von ihr wünschen kann. Dies wird weiter unten klar werden ;
sehen hier, wo wir ihren Tongehalt allein prüfen, erhellt ans der An-
schauung der Züge, dass der Posaune
1. sechs grosse Dreiklänge und die aus ihnen gebildeten Dominant-
akkorde (z. B. der Bassposaune die Dreiklänge und Dominant-
akkorde auf F, £, E$y D, De$, C),
«) Sie itt aus den Hose (S.211 der Brettkopf-Hirterschen Partitar) entlehnt
■Ddlel alle« AnnahmageD, deaen der Verf. beigewohnt, vellkeiinieB g«t aotg«-
fibit werden.
»tri, K<Mip.L. IV. SAdA. &
6«
2. grosse Folgen chvomatisoher Tonleiter, z. 6. 4«r Allpdsaune
diese, —
543210 543210 5 48210
p^^^^^^i^^^
68
m
w^^UäJM^M
und zwar im Biaabstetgcn noch leichter,
3. Fo^n in der DartoDleiter, z. B. der Aitposaane diese, —
a i ^ ♦ * «i * 5 * ♦ «lue- ' ' • '
e» iHRr^
. 5 5 i.ji Ifi. 3 4'°
uD(l zwar mehr in der Höhe,
4. Folgen in der Molltonleiter, z. B. der Altposaune diese, —
i ^ ^ ,^ \.^ hL ^ 3434*^*
t
leicht werden, und zwair die erstem Tonfolgen leichter oder in grösse-
rer Ausdehnung leicht , als die folgenden. Das Weitere ist nach die-
sen Beispielen zu ennessep.
C. KaraUeraid TermAgen.
Kehren wir nun, nachdem wir das Tongebiet erkanat, zu dem
Karakter des lastroments im Allgemeinen zurück, so ist an seinem
Klang vor allem die Verwandtschaft mit der Trompete nicht zu Ter-
kennen. AHein die grössere Länge und Weite des Rohrs kann niobi
ohne wesentUehen Einflmss bleiben. Der Klang verliert an seiner Klar-
heit und nimmt eine dnoklcre Färbung an , durch die ihm im Verein
mit ier grössern dröhnenden Sckailkraft* erschütternde Macht, hehre,
strenge Würde und Feieriiehkeit zuwächst.
Dieser Karakter tritt stärker entwickelt hervor iB den tfefem Po-
sannenarten f am stärksten also in der Bassposanne ^ am wenigsten
enischieden in der AUposaune. Er macht sieh mebr geltend in den üt^
fern Tonlagen, als in den hohen. Es folgt hieraus sogteieb,
1. dass. die Posanne in ihren heben Tönen an Karakter und Macht
vsriiept, daher wir ratben , s» weh ee imr möglich , die A 1 tp o -
saune nicht höher als bis zum »weigestrichnen c (sobcfn dieser
Ton klingt gezwängt), —
die Tenorposaune nicht gern über das eiogestrichne g^ —
die Bassposaune nicht ohne besondem Grund über das eiage-
strichne d hinauszufuhren. Die höheren Töne der Basspesanne
67
sind noch am besten zu gebraachen bis zum eingeslrichnen f
hinauf, weil bei der Grösse und Weite des Instruments die Höhe
(wie bei den tiefen Trompeten, S. 50) leichter anspricht und
den ursprünglichen Karakter bewahrt« Umgekehrt ist zu be-
merken,
2. dass bei den tiefeten Tonlagen die für den Karakter der Posaune
so bezeichnende Fülle und Beständigkeit des Schalls (wieder wie
bei den Trompeten , deren tiefe Arten schon das kleine c nicht
mehr gut fassen können) abnimmt.
Bei der Bassposaune wird man auf diese Tiefe nicht leicht verzichten
wollen; auch kommt eben an ihr, bei der grossen Macht des Instru*
ments, keine Schwäche oder Unfestigkeit des Sehalls zum Vorschein.
Dagegen rathen wir: nicht ohne besondern Grund
die Tenorposaune unter das grosse B^
die Altposaune unter das kleine (/oder et
zn fuhren ; die hier aufgegebnen Töne kommen besser auf den tiefern
Posaunen heraus.
Die letzte hier zu erwähnende Folge von der Grösse and Weite
der Posaune ist ihr schon S. 64 bemerktes Ungeschick filr sehneile Be*
wegong, das wieder bei den tiefern Arten mehr hervortritt. Es hängt
hier natürlich viel vom besondern Q^scbick des Bläsers ab; im Allge-
meinen kann man die Bassposaune wohl nicht schneller als Achtel
im ALlegro modetüto — und auch dies nur auf kürzere Strecken, die
Tenor- und Altposaune etwas schneller, etwa wie Achtel*Triolen
im Allegro moderato fuhren , den letztern auch wohl ein Paar Sechs-
zehntel in demselben Tempo zumuthen. Behält man den Karakter des
Instruments im Sinne, so wird man ohnehin nicht leicht auf schnellere
Bewegung, selbst auf die oben angegebne nur in verbältnissmässig selt^
nern Fällen geführt. Das Starke, Grossartige bewegt sich gemessen,
Aaf der andern Seite wird aber dein Posaunisten das lange
Ansballender Tone schwer und im Forle fast unmöglieh (das Instru-^
meni braucht zu viel Lunge) , und zwar ist dies wieder bei den tiefen
Arten und den tiefem Tonlagen mehr als in den hohen der Fall. Im
Piano lassen sich Vierviertel' oder ganze Noten dea AUegra mod$rato
gut und gleich aushattieny im Forte etwa halb so lange. Bedarf man
eines Tons viel länger, so ist es gerathen, ihn in irgend einer zusa-
genden rhythmischen Form wiederholt angeben Zu lassen ; dies scheint
uns wenigstens im Allgemeinen vortheilbafteri als es darauf ankommen
zu kflsen , dass der Ton matt und ungleich fortklingl oder der Bläser
ihn nach eignem fiedürfniss und Ermessen abkürzt.
68
Vierter Abschnitt.
Satz ffir die Posaune.
Die Posaaaen siod selten (aus den Arbeiten der Meister ist ans
kein einziger Fall erinnerlich) für sieb aliein, sondern meistens nur im
Verein mit dem grossen Orchester, der Harmoniemnsik, oder wenig-
stens mit andern Blechinstrumenten gebraucht worden. Welche Macht
sie zu einem jeden Verein herzubringen durch die Gewalt ihres Schalls
und durch ihre Theilnahme an allen Arten der Tonbewegung, ist klar
und wird später genauer erwogen werden. Ebenso klar ist, dass sie
einen ganz eigenthnmiichen Rarakter darstellen , — dem der Trompete
verwandt, aber doch wesentlich von ihm unterschieden.
Beides — die Macht der Posaune im Allgemeinen und ihr Rarak-
ter nach seiner nähern Zeichnung — bedingt, dass man dieses Instru-
ment nicht vereinzle, sondern in der Regel mehrstimmig anwende.
Nur ausnahmsweise — man denke an das Tuba mirum spargens sonum
in Mozart's Requiem — kann eine einzelne Posaune ftir einen Solo-
satz, oder können zwei Posaunen (man denke an das Finale von
Beethoven's Pastoralsymphonie^zur Füllung des Orchesters mit mil*
dem Posaunenhall angewendet werden. In den meisten Fällen lässt
man die drei Posaunenarten vereint wirken. Soll übrigens eine Posaune
allein, also als Solo-Instrument, auftreten, so ist im Allgemeinen
die Tenorposanne durch Tonlage, Beweglichkeit und mildem Rlang
dazu am geeignetsten; die Bassposanne würde sich nach Tonlage,
Schallschwere und minderer Beweglichkeit nur für ernste, ruhige , ge-
wichtige Sätze ei{;nen. Die Altposaune, die in der tiefern Lage
nicht die Riangfnlle der Tenorposaune hat, in der Höhe gepresst und
leicht schreiend wird, scheint weniger geeignet, ist aber gleichwohl
nicht immer zu entbehren; wurde z. B. in jenem Mozart'schen tuba
mirum den Satz des Fagotts (Solo) zu tibernehmen vielleicht geeigne-
ter sein, als die Tenorposaune.
Hier knüpfen wir nun eine Reibe Vorübungen (S. 54) an , be-
stimmt, mit dem Instrumente vertrauter zu machen.
A. Dreistimmiger Posauaensatz.
Die Posaunen, fiir sich allein und nach ihrem Rarakter angewen-
det, eignen sich zu einfachen, ruhigen, grossartig rhythmisirten Sätzen,
in denen ihr majestätischer Schall , im Porte mit dröhnender» erschüt-
ternder Gewalt, im Piano mit stiller, oft geheimnissvoll schauriger
Macht, wirken kann. Da lebhaftere Bewegung, feinere und kleine
Rhythmisirung ihrem Wesen nicht zusagt , so ist um so mehr das Ele-
ment der Harmonie in Wirksamkeit zu setzen, — nicht durch gesuchte
~ 69
Wendungeii odersdlDe Akkorde, soDdern in seiner, schon Th.I. S.275
bezeidmeten Gmndkraft. Hier mitesen wir noch einmal anf die beiden
Darstellungsweisen für Harmonie, auf weite und enge Akkordlage
(Th. I. S. 147) zuröekkommen.
Der Posaunenchor stellt die Wirkungen beider Lagen um so ent>
schiedner dar, je gewaltiger die Schallmasse ist, die er in Bewegung
setzt. In enger Lage, z. B. hier, —
71
und Importe wirken sie mit schmetternder Gewalt; die einzelnen Töne
des Akkords dröhnen in einander zu härtestem Klang, und zwar um
so heftiger, je höher und enger die Stimmen treten. Im Piano könnte
eine solche Schreibweise wohl zu unheimlichem Ausdrucke dienen ; die
Stimmen würden in einander klingen und ihre Mächtigkeit wohl zu-
rückgehalten werden vom Piano , nicht aber unterdrückt oder verbor-
gen. In weiterer Lage, z. B. —
Tromboni
alio, tenore.
72
'"Zsr l^#@^
p=^
iöE
to:
m
würden die einzelnen Stimmen von einander frei, sie würden nnn erst
jede für sich klar vernommen , jeder ihrer Töne fände Raum , seine
Schallwellen frei binschwingen zu lassen, frei auszustrahlen, das
Ganze würde reiner, würdiger, feierlicher erklingen , der letztere Ka-
rakter würde im Piano noch gewinnender hervortreten*). Hier würde,
dem macht- und karaktervoUen Klang gegenüber, die Bedeutungslosig-
keit der Melodie (der in Nr. 71 ohne besondre melodische Intention ge-
bildeten Oberstimme) schon fühlbar $ man könnte sie unter Umständen
wie bei a., —
*) Dem reioeo , klareu Ansball der Akkorde co Guosten würden wir ans die
QuiBteD in vierteD und fünfteoTokte von Nr.72 nnbedenklicb ertauben. Wo nicht*
so könnte der Alt Takt 4 g* -/, der Tenor Takt 5 den mit kleinen Noten gesetzten
Gang nehmen.
70
oder mit noch eotwickelterer Mittelstim ve , wie beib. , imigesliitoD,
wobei allerdings die einbeitsvoli dabinströmende Macht der Akkorde
mehr und mehr verloren ginge.
B. Vierstimmiger Posannensati.
Cieben wir die Werke der Meisler für grosses Orchester dareh, so
muss auffallen , dass sie mit seltner Uebereinstimmung den Posaunen-
eher dreistimmig setzen, während bekanntlich (Th. I. S. 378) der
vierstimmige Satz als Norm gilt. Von Gluck, Haydn, Mozart,
Beethoven ist auch nicht eine Ausnahme bekannt^ unter ihren näch-
sten Nachfolgern hat nur Fr. Schneider bisweilen, z. B. in seinem
Oratorium ,, das Weltgericht^' (in andern, z. B. im „Absalon'% nicht), den
Posaunensatz vierstimmig angewendet. Der Grund hiervon ist wohl
nicht darin zu suchen , dass eben nur drei Arten der Posaune üblich
sind; denn es hat ja vier Arten (Anhang D) gegeben, und abgesehn da-
von liegt es nahe, eine Art, z. B. die Tenorposaone , doppelt zu ver-
wenden*). Vielmehr scheint eben das Abweichende des dreistimmigen
Satzes von dem sonst überall — im Chor, Streichquartett, in der Blas-
harmonie vorherrschenden vierstimmigen die Komponisten angezogen
zu haben ; dem mächtig waltenden Posaunenchor gebührt eben eigen-
thümlich anszeicbnende , zu besondrer Führung nöthigende Form. So
ist Nr. 7t nach Art des vierstimmigen Satzes geschrieben. Denke man
sich diesen Gedanken von Chor und Orchester einfach vierstimmig vor-
getragen und von Posaunen so wie in Nr. 72 begleitet: so würden'
diese die Scballmasse allerdings verstärken, würden vermöge ihrer
Kraft auch durchdringend erklingen, aber nur materiell, nicht in der
Würde und Bedeutung eigenthümlioher und machtvoller Karaktere mit-
wirken. Dies würde sogleich der Fall, der Gedanke würde geistig be-
reichert nnd erhoben sein , wenn man die Posaunen dreistimmig und
eigenthümlich, etwa wie in Nr. 73 a., führte.
Sieht mau aber von dieser geistigem Bedentang ab, so ist begreif-
lieb, dass bei vollerer Besetznng, z. B. bei dieser Darstellnng des vori-
gen Satzes, —
74
Tromboni
alto,
tenori, <
hasso.
«E
^^^^^fe^^
^1— djto \-o=tPi
*) N«eb «eoiger kaas in nnsrer Zeit , w» ntn bei «lleii Re^OMDterii ■■< in
allen Städteo PostanenehSre findet, derGednnlie an die Sehwieriflieit derBetettnng
Binfloss gehabt haben.
71
der Schall de$ ohnehin so maclilig andringenSen Chors «oeh gehobner^
noch strömender und herrschender hervorireten würde*)«
Wir ratb«ii, in beiden Sehreibarten einige Sätze mit recht lebhaft
ter Vergegenwärtigung des PosaunenscbaUs und Karakters und , ver^
steht sich, im Sinne des letztem zu entwerfen. Gesetzt werden die
drei oder vier Posaunen nach ihrer Eintheüung auf drei oder viet
Systemen in den jeder Art gebührenden Schlüsseln^ wie oben in Nr. 74.
Fehlt es an Raum, oder ist die Stimmführung einfach genug , es zu er«
lauben, so kann man sich an zwei Systemen (wie in Nr. 72 und 73)
genügen lasseaund Tenor- und Altposaune mit Tenorschlüssel notiren»
Oder man kann sieh selbst auf eine einzige Linie, wie in Nr. 71, be*
schränken und für alle drei Arien den F-Schlüssel — oder bei höherer
Tonlage den Tenorschlüssel anwenden.
Als letzte Uebung schlagen wir den
C. Satx für Trompeteii , Paiikaii und Posannei
vor. Hier treffen verwandte Elemente auf einander ; Trompeten - und
Posaanenklang und Kraft vermfthien sich gem. Doch gelnelel die Ver*
scbiedenheit beider auch mancherlei Rucksicht. Die Posaunen können
an der Beweglicbkeil der Trompeten nieht Theil nehmen, wohl aber
deren Kraft mächtig erhöhen, die Grundsehläge hervorheben. So könnte
z. B. der Satz Nr. ä? vom fünften Takt an mit Posaunen unterstützt
werden, -—
*} Gewaiiilioh werden so vierstianigem Posaooeosatze zweiBassposau-
oen geDommen. Das scbaiot uns der SberwUltigeodeo Macht aod Schwere dieses
Inatruments oiebt angemessen. Gegen zwei Bassposanoen sind eine Tenor- und eine
Altposaune zo schwach, wohl aber iat eine Bassposanne gegen zwei Tenorposannen
und eine Aitpesanoe stark genug. Aach ist eine Bassposaune als Mil^elstitnm^ zu
schwer ufld ausser Verbattniss mit der Yon Tenor besetzten Bodem Mittelstimme.
72
die freilich hier, wo man bei der Romposition nicht auf sie gerechnet
hat, onr'die untergeordnete Rolle unterstützender Instrumente über-
nehmen mössten. Auf der andern Seite sind die Posaunen den Trom-
peten an Tongehait überlegen, können also nicht blos die von den
Trompeten unvollständig gelassne Harmonie erfüllen, sondern auch
Sitze ausfuhren, an denen jene gar keinen, oder nur untei^eordneten
Antheil nehmen können. Stellen wir uns vor, die Nr. 57 begonnene
Intrade wäre zum ersten Theil eines Marsches ausgeführt und auf der
Dominante (mit dem Halbscblusse, der die ersten Theile in derNatorhar-
monie endet) abgeschlossen worden, habe aber neben den Trompeten (die
man sich doppelt besetzt denkt) vier Posaunen, wie in Nr. 74. Dann könnte
der zweite Theil mit Hülfe der Posaunen folgenden Eingang nehmen, —
Sohlvss Ton Takt 5.
76
Tromb«
inD. I. n.
Tromhe in
D. III. IV.
Tromboni
alto, ten. I.
tenor« II.
basso.
Timpani.
. I ^ cresc.
,1 P creac.
rrm^Tf
^^h^^^fr'tthi
4*L
73
oder es könnte der Satz einrach auf D (mit einem Rirchenschluss auf
g^b-df d-Jis-a) zuletzt — oder gleich diufßs (^moU oder /Tdur,
mit Haibscblnss) wiederholt werden , während die Trompeten die ge-
nannten Haltetöne wie oben das a besetzten ; zuletzt würde man auf
den Hauptsatz (Nr. 57) zurückkommen, — die Trompeten übernähmen
wieder die Hauptpartie, — und damit scbliessen.
Schon bei diesen Aufgaben wird der Schüler wohl tbun, sich erst
eine Skizze seines Satzes auf zwei Systemen zu entwerfen, bevor er
ihn in Partitur bringt. Diese Skizze wird flüchtig angelegt , dann all-
mählich vervollständigt ; zuletzt wird der Antheil jedes Instruments mit
Worten, Abkürzungen oder Zeichen in ihr vermerkt; wir setzen vor-
aus, dass bei dem ganzen Verfahren die lebendige Vorstellung von dem
Wesen der Instrumente (S. 54) bestimmend und leitend sei. Dann hat
die Ausfährung in Partitur keine Schwierigkeit. Dass dasselbe Verfah-
ren auch bei grossem Aufgaben angewendet wird, versteht sich.
Bei dieser ersten Verknüpfung verschiedner Instrumentklassen,
wie bei allen spätem, ist .
eine wichtige Regel
wohl im Auge zu behalten, deren Beobachtung viele Missstände erspart
and von der der Anfänger in der Instrumentation nie oder nur im
dringendsten Nothfall abweichen sollte. Diese Regel ist:
jede Instrumentklasse so viel als möglich in sich vollständig za
setzen, dass sie auch ohne den Zutritt der andern Klasse (oder ein-
zelner Instrumente aus dieser) eine genügende Harmonie bildet
und einen möglichst befriedigenden Sinn ausspricht.
Der Gmnd der Regel ist die nie ganz za verbergende Verschiedenheit
der Instrumentklassen. So nahe verwandt z. B. Trompete und Posaune
74
sind j so unterscheiden sie sieb doch im Klang und Karakler, und der
Trompetensatz hier bei a. —
Tromhe
in B.
I
77
Trombone 1
alto. (^
wird sich ungeachtet der Leerheit seiner Harmonien besser ausnehmen,
klarer und einheitlicher wirken, als in der Behandlung bei b., wo die
— zwar der Trompete zunächst stehende , aber doch von ihr abwei-
chende Posaune sich als ein Fremdes einschiebt und dadurch eine Au&
merksamkeit auf sich zieht, die gar nicht in der Absicht des Komponi-
sten liegen kann. Entsprechend dieser Regel sind in Nr. 76 die Posau-
nen gesetzt; sie stellen auch ohne die Trompeten den ihnen zuge-
wiesuen Salz vollständig dar. Aber auch die Trompeten genügen;
wenn sie auch keine Harmonie bilden, so hat doch ihr Halteton (Th. I.
8. 77, 274), ihr Unisono einen für sich befriedigenden Sinn. Aus dem-
selben Grunde sind in Nr. 75 die höhern Posaunen im dritten Takt in
die Terzlage geführt. Die Sextlage , wie man sie am Schlüsse des vo-
rigen Takts sieht, würde für die Posaunen (S. 69) wohl- und vollklin-
geuder gewesen sein, hätte aber diesem Chor keine fortschreitende
Melodie (von d empor nach e) gegeben und seinen Gang sowohl der
Melodie als der Harmonielage nach in Widerspruch gesetzt mit dem
des Trompetenchors.
Allerdings giebt es genug Fälle, in denen von jener ersten Regel
der Kombination verschiedner Organe abgegangen werden kann und
muss — wir werden deren selbst finden und daraus unser Prinzip er-
weitern ; — aber als begründetes Prinzip und erste Sicherung des Er-
folgs bleibt jene Regel demungeachtet in ihrer vollen Wichtigkeit be-
stehn.
Hiermit haben wir nun zum ersten Mal eine schon ansehnliche
Orchestermasse zusammengebracht: Trompeten in beliebiger Zahl, —
Posaunen, ihrer drei oder vier, — und Pauken; darunter Instrumente
mit einem vollständigen Tonsy^stem , übrigens alle unter einander ver-
wandt, aber doch jede Klasse von der andern unterschieden. Es bieten
sich uns dabei. im Allgemeinen dreierlei Anwendungen. Wir könuen
Erßtens die ganze Masse als einen einzigen Körper behandeln,
wenngleich jeden einzelnen Theil nach seiner Eigentbümlicbkeit. So
i^ in Nr. 75 und 76 geschehn.
Zweitens können wir Klasse von Klasse sondern; so ist oben
S. 72 angenommen worden, es sollten die ersten vier Takte (aus Nr. 57)
von Trompeten und Pauken allein genommen werden , — so hätte die
75
ie Nr. 76 gegebne Einleitung den Posaunen allein oder ihnen und den
Pauken mit Ausschluss der Trompeten gegeben werden können.
Drittens könnte wohl der Gedanke feinerer Zergliederung
schon hier nahe treten ; eingedenk der Kräfte, die im polyphonen Satze
sich entbinden , könnten wir wünschen , schon hier Stimmsonderungen
and Gegensätze einzelner Stimmen gegen einander zu ben^|zeo• Dies
scheint iodess nicht gerathen , wenigstens darf man auf diesem Wege
nicht weit geha, ohne mehr zu verlieren, als zu gewinnen. Es kann
wohl einmal der Posaune ein kurzer Solosatz gegeben und die Masse
der übrigen Instrumente als Gegensatz gebraucht* werden, —
Brioso.
a^u
78
oder in gleicher Weise könnte — wenn auch nicbt eine einzelne Trom*
pete (da der edlere Trompetenklang in der Regel wenigstens zwei
Trompeten fodert) , ein Paar ans dem Chor der Trompeten als Haupt-
stimme (oder Hauptchor) gegen das Tutti tretenv Allein viel weiter
kann man hier nicht kommen, weil nur die* Posaunen eigenlbömlieher
und dabei nicht zu beschränkter Melodik fähig sind , i^ugleich aber die
Gmndkraft in der Hassenwirkung bieten , mithin gern für diese aufge*
spart und zusammengehalten werden. An einer wahrhaft polyphonen
Ansföhrung würden Trompeten und Pauken nur in sehr untergeordne-
ter Weise theilnehmen können und ihrethalb musste man der Modula-
tion Fesseln anlegen, die dem Satz alle Bedeutung nähmen.
Allein diese Einschränkung ist keineswegs ein Verlust. Dem
machtvollen, bald heftig oder kriegerisch klar, bald in feierlichem Strom
der Harmonie, auch wohl im geheimnissvoll zurückhaltenden Hall zu
uns dringenden Karakter der Posaunen und Trompeten ist polyphone
. Gestaltung gar nicht entsprechend. Sie sind berufen, in fest zusammen-
gehaltner Kraft — sei es im Porte oder Piano — das Wort des Helden-
thnms oder der Hochfeier aushallen zu lassen. Nur im Verein mit an-
dern Orchestermassen kann ihnen eine andre Anlgabe werden, and
anch dann nur ausnahmswdse. Jene metalüscb-gläuEande, spröd-ge-
wallige, betdenhaft-eindriogende Macht bleibt der Groodzug ihres We-
sens« Nur in dieser Weise ist es rathaam, m zur Bethätigung zu biin*
gen, wenn man auf sie allein angewiesen ist.
76
Fünfter Abschnitt.
Kenntniss des Horns«
Das Hörn (oder Waldborn, corno) wird, wie die Trompete, in
verschiednen Grössen , die ebenso viel Arten und Stimmungen des In-
struments begründen, angewendet. Aneh hier wollen wir, wie S. 43
bei der Trompete, eine Stimmung, und zwar die in C, als Nornial-Iu-
strument zu Grunde legen , um an ihr das allen Arten Gemeinsame su
zeigen.
A. Das Hormal-Honi.
Das Hom*) besteht ans einem 16 Puss (mehr oder weniger) lan-
gen, kreisförmig in zwei Umläufen zusammengewundnen Rohr von
Messingblech, das oben etwa einen Drittelzoll Weite (im Durchmesser)
bat, sich dann aber bis auf anderthalb Zoll etwa erweitert, in einem
einen Fuss weiten Schalltrichter ausläuft und mittels eines kegelförmi-
gen Hundstäcks , das weiter ist als das der Trompete (nämlich nicht
der Kessel, sondern die Rohröffnung desselben), angeblasen wird.
Das Hom hat dieselben Naturtöne, wie die Trompete, nur alle im
Sechszehnfusston, so dass es eine Oktave tiefer steht, als dieses Instru-
ment. Notirt wird für das Hom ebenfalls, wie für die Trompete, im F-
und C-Schlüssel; aber die in letzterm notirten Töne erklingen eine
Oktave tiefer, — oder umgekehrt : die beiden tiefsten Töne werden in
ihrer wirklichen Tonhöhe, und zwar im JP-Scblüssel notirt, die höhern
Töne aber — und zwar vom dritten an , werden eine Oktave höher
notirt, als sie zu Gehör kommen, und zwar im G-Schlüssel. Hier sieht
man die Naturtöne des Horas nebst ihrer Notirung. —
Wirkliche Tonhohe. ^
79 '
"^^
Notirung. p hO g> I&g
Man sieht, dass das kleine c ebensowohl im jP-Schlössel und dann im
8 Fusston (so wie es ertönt), als im 6-Scblüssel und dann eine Oktave
höher, als es ertönt (im 16 Pusston), noUrt wird. Auch das tiefste^
könnte im F*Schlüssel , und dann acbtfiis^g notirt werden ; hierza ist
aber selten oder nie Anlass (uns ist wenigstens kein Fall erimerlicb).
*) Zum Uotersobied von dem in der folgenden Ahtheilung zn bei«prechenden
Ventilborn auch Natnrhoro (corno naturaU) genannt.
77 --
da naD diesen Ton nicht anders als im Zasama^nhanff mit den höhern
gebraucht, das kleine c aber öfters mit dem tiebten verbindet, für das
der £^SchIo'ssel unbequem wäre.
Von diesen Naturiönen ist aber 1. das tiebte C (das grosse) nur bei
den hohem Stimmungen (Arten) des Homs sicher nnd fest ansprechend
und aoch da , noch mehr aber bei den tiefer liegenden Homarten, mat-
ter nnd unsichrer , als die hohem Töne ; 2« sind die beiden höchsten
Töne (dreigestrichen d und e) , sowie das zweigestrichne b nur von
wenigen Blasern zu erreichen, also im Orchester nicht zu fodern;
3. kann auch das dreigeslrichne c, wo es wirklich zu erreichen ist, nur
in bequemer Folge, z. B. —
so
— eben wie bei der Trompete — gefedert werden*).
Einen grossen Vortheil aber hat das Hörn in Bezug auf Ton-
reichthum vermittels des Stopfens vor der Trompete voraus, das auf
dem Hörn sehr wohl gelingt, während es auf der Trompete keine gün-
stige Rolle spielt.
Mit Hülfe des Stopfens ist es leicht, nach Angabe des Naturtons
den darunter liegenden (sogenannten halbgestopAen) Halbton auch in
der Tiefe zu fassen, —
81
fl^t^^***
^^^^^^m
obwohl übrigens auch auf diesem Instrument das Stopfen in den hohem
Tonlagen besser gelingt und klingt, als in den tiefern, und in diesen
wieder besser in den höhern Hornslimmungen (von denen weiter-
hin unter B. die Rede sein wird), als in den tiefern. Ferner gelingen
diese Tonfolgen, —
S2
#lfjg^J4^Eg^N^iF^^^^
ganz oder theilweis gebraucht, auf- und abwärts sehr wohl, in lang-
samerer Bewegung auch die chromatische Tonfolge in der tiefern Ok-
tave, — wenigstens mit ein Paar Auslassungen und Ruhepunkten, —
83
^rpzihiJz^E^^^
*) Das sweisestrichoe d (der NoteoMhrift nach) ist in allen Hornstimmnngen
ein wenig sn hoch, das zweisestricfane 0 dasegen aaf dem J?- ondF-Horn bisweilen
ein wenig zv tief. Doefa kSnnea beide Fehler in der Reinheit der Intonation vom
Bläser leicht überwanden werden.
78
4
wobei übrigetis das Hiiuibsteigen leichter und bewer geiiegt, weil da
jedem geslopika Ton derNaliirtoBi aaa de« man ihn bildet, vorangebt.
Die sogenannten halbgestopften Tone (S. 45) kömien auch frei
eingesetzt werden « wenn nur einige Zeit vorher ihr Naturton -^ oder
ttberbftupi nahe gelegne Naturlöne veransgegangen sind. Ganz zu An-
fang oder nach langen Pansen ist es ratbsam, das Hörn lieber mit Na*
tnrtönea etatcelen zu lassen.
fiedenkbeher ist es, die sogenannten ganzgestopften T8ne firei
einsetzen zu lassen, wofern nicht andere Instrumente sie zogleicii
geben oder kurz zuvor gegeben haben. Im 6efoIge von nahe gdegnen
Naturtönen gelingen auch die ganzgestopften voUkonimen; so sehn
wir in Nr. 82 das tiefste d nach c, y*nach e, und a nach g eintreten,
obgleich d von e^ fvon g^ und a von b aus erzeugt wird. Mit Unter-
stützung des Orchesters gelingen selbst diese Tonfolgen, —
84 ^ij^g^3^^^~
~^^
von denen die ersten beiden unter (Tie vorige Kategorie zu fallen schei-
nen, die dritte und vierte aber Töne {des und tief /7^) enthält, deren
einer anderthalb Stufen , der andre gar eine grosse Terz unter dem
Naturton liegt, von dem aus er gestopft werden könnte. IHese Töne
werden nämlich gar nicht in der gewöhnlichen Weise des Stopfens*)
erlangt, sondern der vorausgehende Naturton wird ein wenig gestopfl,
der nachfolgende künstliche Ton dagegen (also as^f^ des, und das tiefe
as) unter Aufhebung des Stopfens mit den Lippen hinaufgetrieben.
Uebrigens ist diesen Tönen stets ein hohler und stumpfer Klang eigen
(namentlich dem tiefen und hohen as) , und man thut wohl, sie zu ver-
meiden.
' Die Naturtöne des Horns haben einen sanften und etwas dum-
pfen, aber dabei doch gefüllten, gleichsam aufquellenden Klang, in der
liefe etwas rauher, aber leicht bis zum Pianissimo zu massigen, in der
Höhe — besonders in hohen Stimmungen — voller, gedrungner bis
zum Gellenden fast, und nicht so' leicht in der Schallkraft znrnckznhal-
ten. Scharf angegriffen und in kurzen Stössen kann dieser Homklang,
uamenttich in der Tiefe, bis zur Rauheit der Posanne (wenn auch nicht
zu deren gedrungner Kraft) getrieben , umgekehrt in sanftem Anhauch
und bei ruhigem Aushalten oder leisem Anschwellen in so luftiger
Weiche ausgezogen werden, dass die Klänge wie von fern herüber uns
anwehen , dass dieselbe Stelle (wenn sie in der mittlem Tonregion ge*
halten ist) erst sanft vorgetragen, dann im gehauchtesten Pianissimo,
wie ein leisestes, kaum vernehmbares Echo, wiederholt wird.
*) Dies barubt aaf den mehr eder weniger auagedebiiteB Schiiesae« def Rohr»
darch Eiofübroog der Hand in den Schall trieb ter.
79
Verglttcheo wir den HonrklaDg mit den Khiig der Trompete, so
laden wir znnäcbst bei der Trompete einen sebärfera oder spitzem
Anklang, der heftig und tief in nnser Gebor dringt, bei dem Hom mebr
Weite und Rundung, mehr Rsom so zu sagen im Klange; die Trompete
ist Rem, ist von der Mitte des RIangs herans gedningne Krafit, der
H^mklang bat mehr peripberisches Wesen and weniger festen Hern,
gleichsam mehr luftige Ansfüllung. Die hohen Töne der Trompete, wo
der Schmetterton (S. 47) wegßUt, kommen noch am nächsten mit den
höchsten des Horns in den höchsten Stimmungen zosammen, überbieten
sie aber immer noch in Gedrungenheit, Heftigkeit und RIarbeit, bebal-
ten immer noch etwas vom schneidenden Grundklang des Instruments
im G^ensatz zu dem verhülltem Wesen des Homs.
Die Posaune steht dem Hom schon vermöge der tiefem Tonlage
and grössern Fülle des Sehalk näher als die Trompete , schliesst sich
aber in Renigkeil , Schärfe und Macht doch mehr der letztern an , mit
der sie (S. 61) eigentfich gleichen Gmndbau hat.
IKe halbgestopften Horntöne können — zumal bei guter Vor-
berettnng und in der Mitte oder höhern Region — von guten BHisern
den Nsturtönen gleich oder doch fest gleich gebildet werden, unterschei-
den sich aber im ungünstigem Falle durch gedrückten oder gezwäng-
ten Riang. Noch gepresster und dumpfer , auch etwas näselnd klingen
die ganzgestopften Töne, wenn nicht gute Vorbereitung und Ab-
hälfe sie wem'gstens Ms auf einen gewissen Grad ausgleichen. Aehn-
lieh , nnr noch näselnder und dabei heftig hervordringend , erscheinen
die bei Nr. 84 erwähnten, durch Lippen druck gebildeten Töne. —
Wir wollen uns aber hier nicht übereilt herbeilassen, alle diese unbe-
günstigtern Töne aufzugeben. Die jetzt hochgesteigerte und weitver-
breitete Geschicklichkeit der Bläser gleicht gar Vieles aus, was früher
schwer gewagt heissen durfte f und diese gedrücktem Tönekömien gar
vielen Intentionen des Komponisten weit entsprechender sein , als die
grössere Helligkeit und Glätte der Natnrtöne. Wir haben längst (Th. I.
S. 496) anerkannt, dass die Kunst eine unendlich tiefere und umfassen-^
dere Aufgabe zu lösen hat, ais die abstrakte sogenaAnte Schönheit oder
gar nur den Wohlklang darzustellen.
Die Tonfolge darf auf dem Hom nicht zn schnell genommen
werden , in leichten Gängen kann man im Orchester höchstens Sechs*
zehntelbewegttng, in engliegenden Arpeggien (Nr. 45 a., b.) Sechs-
zehntel-Triolen im Alhgro moderato foderuf lebhaftere Bewegung
würde ohnehin seinem Karakter nicht zusagen. Für den Solosatz
kann man weiter gehn; selbst Triller, z. B. diese —
können da gesetzt werden.
80
ToDwiederholuDg gelingl leicht, doch nicht in so schneller
Bewegung, wie der Schmetterton der Trompete sie giebt, oder doch
nnr aofeine kor^e Strecke, aof zwei bis drei Stösse, sobald sie das
oben angedeutete Maass der Bew^ung überschreitet.
Das Tonaushalten kann so lange gefodert werden, als der
Athem des Bläsers reicht ; nur bei den hohen Tönen ist langes Aushal-
ten für die Lippen schwer und darum nicht ohne Noth zu fodero.
In allem Uebrigen ist die Behandlung und Fähigkeit des Homs der
der Trompete gl^ch ; wir verweisen daher auf das S. 46 Gesagte.
B. Arten und Stimmungen des Borns.
Obgleich das Hörn mit Hülfe des Stopfens über ein weit Tollständigeres
Tonsystem gebietet, als die Trompete, so ist es doch ebenfalls nicht un-
beschränkt frei in seinen Tonbewegungen $ sein Kern, die Natnrtöne,
ist ebenfalls eng gemessen und seine gestopften Töne können meist nur
unter Bedingungen , also nicht nach jeder Richtung , die Tongedanken
nehmen , gebraucht werden , sind auch nicht durchaus gleichklingend
mit den Naturtönen. Man hat daher ebenfalls, wie bei der Trompete,
verschiedne Stimmungen oder Arten des Homs nöthig befunden. Es
sind folgende :
1. Das tiefe ^-Horn (como in B basso).
Das £-Hom steht eine Stufe tiefer, als das Normalhorn; seine
Noten sind also eine Stufe tiefer zu lesen und ertönen dann noch eine
Oktave tiefer, — oder im Ganzen eine grosse None tiefer. Diese Noten
also —
^ ^^3^4^^^
sind zu lesen als 6, </,y, b und ertönen so, —
87 ^=^=f=^
wie hier steht.
Das tiefe i9-Horn kann gross C (den Noten nach) entweder gar
nicht, oder doch nicht mit Sicherheit und Festigkeit erreichen, dagegen
bis zum zweigestrichnen a oder auch wohl bis zum dreigestrichnen c
(den Noten nach , — dem Ton nach bis zum eingestrichnen g und b)
in diaionischer Folge (wie vielmehr akkordisch, — das heisst im Ak-
korde des (rrnndtons — ) hinaufgehn.
Sein Klang ist voll, aber etwas rauh.
2. Das C-Horn.
Dies ist die als Normal-Instrument aufgestellte Hornart. Tongebiet
und Klang sind dem des tiefen JB-Horns gleich, letzterer scheint uns
etwas weniger voll, aber kälter.
81
3. Das Z^-Hom.
Die Noten des Z>-Horns sind eine Stufe höber zu lesen, ertönen
aber dann , wie alle Hornarten , eine Oktave tiefer. Die Noten Nr. 86
sind also für das D-Üorn als d^ßs^ <7, d zu lesen and ertönen so, —
•Ol
^0^
■t:
wie hier steht.
Für das I>-Horn ist gross C (also der Ton gross D) schon er-
reichbar. In der Höhe geht es in diatonischer Folge bis zum zweige-
slricbnen a (also dem Tone nach dem eingestrichnen h) und akkor-
disch — auch in lebhaftem Fortgang und , wenn kein Piano gefedert
wird, diatonisch — bis zum dreigestrichnen c;
m.
ertönt wie j^j ^^J J"]^
ja, es können bei ihm und bei den tiefern Hornarten das höchste g und
Cj auch a im Forte nach Pausen frei eingesetzt werden.
Der Klang ist noch etwas rauh.
4. Das Es'üovü.
Die Noten des Es-Uoms sind eine kleine Terz höher (c als es) zu
lesen, ertönen aber von da eine Oktave tiefer ; die Noten Nr. 86 sind
als es, g^ A, es zu lesen und ertönen als klein es u. s. w.
Tongebiet und Behandlung sind gleich dem des D-Horns; das
höchste g und c können nach Pausen (nur nicht zum ersten Einsatz
in ein Tonstück) , auch das höchste a kann nach einer kleinen Pause,
sowohl im Forte als im Piano, frei eingesetzt werden.
Der Klang ist durch grössere Weichheit merklich vom i9-Hom
unterschieden; das Es-lAorn ist die sanfteste, am bedecktesten erklin-
gende Art.
5. Das jE^-Horn.
Die Noten des £-Homs sind eine grosse Terz höber (c aU e)
' zu lesen nnd ertönen von da eine Oktave tiefer, also der Satz Nr. 86
als klein e^ gis u. s. w. Tongebiet und Behandlung sind denen des Es-
Homs gleich ; der Klang ist sanft, aber heller nnd gefüllter, als der des
Es'Eorns.
6. Das F-Horn.
Die Noten des F-Horns sind eine Quarte höher zu lesen (c wie/),
ertönen aber von da eine Oktave tiefer, also der Satz Nr. 86 als klein
y, a u. s. w-
Diatonisch kann man bis zum zweigestrichnen g^ asy a (ertönt als
zweigestrichen c, eis, d)^ akkordisch bis zum dreigestrichnen o —
Marx, Konp.L. IV. 9. Aufl. 6
82
90
^^^^^^i crlönl als ^
ipciipc
fuhren, das höchste g und/ auch nach Pausen oder das erslere in
weilen Schritten, z. B.
ertönt als ^^^^^^
eintreten lassen.
Der Klang des Instruments ist schon merklich gedninj^ner, als der
des jf^'Honis , aber immer noch für sanften Ausdruck wohl geeignet.
Nar die Töne über <t werden leicht etwas zu voUgedrongeB, wo mcht
gar gellend ansprechen.
7. Das 6-Horn.
Die Noten des £^Homs sind eine Quinte hoher su lesen , ertönen
aber von da eine Oktave tiefer, also der Satz Nr. 86 als klein g^ h
n. s. w. Man kann bis zum höchsten g gehn , auch diesen Ton nach
Pansen eintreten lassen, wiewohl er leicht etwas gepresst erkKngl.
Ueberhaupt hat dieses Instrument einen gepressten , etwas gellen-
den Klang, besonders in den höhern Lagen.
8. Das ^-Horn.
Die Noten sind eine grosse Sexte höher zu lesen {c wie a) und
ertönen von da ab eine Oktave tiefer , also der Satz Nr. 86 wie klein
a u. s. w.
Tonumfang und Behandlung sind denen des C-Horns gleich , nur
erscheint das höchste g etwas übermächtig (wiewohl der Bläser es mil-
dem kann) und dürfte im freien Eintritt nicht immer glücken.
Der Klang ist gefüllter und eindringlicher, wie bei den tiefiem
Hornarten.
9. Das hohe JB-Horn (como in ß alto).
Dies steht eine Oktave höher als das tiefe 0-Hom, die Notenreihe
Nr. 86 ertönt also als klein £, eingestrichen d u. s. w. Man thnt wohl,
nicht über das zweigestrichne e (ertönt als zweigestrichen d) hinans- '
zugehn ; / klingt schon tibertrieben , g wird noch härter und ist nicht
gut lange zu halten.
Der Klang ist durchgehend härter und gepresster , wie in den tie-
fem Stimmungen.
Dies sind die eigentKeben Hornarten. Dorcb ei«en am Rohr zu
dessen Veriängerung angebrachten Aoszug — sichrer nnd besser,
mit reinerer Stimmung durch Auf- oder Einsetzen besonderer Bo-
gen ^^ kann die Stimmung jeder Horaart noch am eine halbe Stufe er-
niedrigt werden. So verwandelt sich denn
83
das tiefe 0-Horn in ein tief A -Hörn (como in A basso)^
/>---- Des- - oder Cw-Horn,
C- - - - 6?«- - - Ä>- - ,
^- - - - ^* - - ;
die Erniedrignog des £!f-, i?-, F*Honis erzeugt keioe neue Stimmung.
Alle diese Stimmungen sind übrigens nur selten in Gebrauch gekom*
men; der Klang des Instruments tritt bei ihrer Anwendung weniger
reio and wohltönend hervor. Auch abgesehn davon ist der Gewinn,
den diese Stimmungen bringen, vom Komponisten nieht eben hoch an-
zuschlagen. Für die helle, liebliche Tonart ^dur und für das heisse
HAvac würden tiefe A- und /f- Hörner zu dumpf und rauh, für das
feierlich -andächtige A^inv würden die hochliegenden ^«- Homer zu
heftig and gellend erklingen, dtfs ohnehin seltne Des- und GeaAxxr
weiset aus ähnlichen, in der Musikwissenschaft zu erörternden Grün-
den den Homklang zurück. Der erfahrne und gewandte Komponist
weiss mit den sichersten, reinsten Mitteln auszukommen und findet nicht
selten eben in der Beschränktheit dieses oder jenes Mittels einen Beiz,
durch neue Wendungen, also auf geistigem Wege jener Beschränkt-
heit abzuhelfen, während der unerfahrne nicht anders darüber hinaus-
kommt, als dass er mehr oder neue Mittel fodert, also materielle Hülfe
sucht. Es kann allerdings Ausnahmsfalle geben ; sie möchten aber sel-
ten sein*).
Sechster Abschnitt.
Der Homsatz.
Die Uebungen für Hornkomposition beginnen wir wieder mit der
dnbchsten Aufgabe , mit dem
1. Satz für zwei Hörncr**);
die noch einfachere Aufgabe, der Satz für ein Hom, würde nicht ein-
mal Harmonie bieten.
Da die Aufgabe sehr einlach ist, so beschränken wir uns auf kleine
Liedsätze, gleichsam Pederproben, bei denen wir bald diese, bald jene
*) Der AnfÜDser kann sich Lesen und Seb reiben der lostrameDtstlmmeD,
ieren Noten andre Tonreiiien geben, als die von ihnen eisentlich benannten, dnrch
maDeherlei Hälfsniittel erleichtern, in Betreff derer auf des Verf. AI lg. Masik-
lehre (S. ISS) verwiesen wird. Der Rompositionsjünger, der toDäcbst leichte Auf«
gaben — fdr zwei Trompeten oder zwei Hörner-» vor sich hat, orientirt sieh sehoa
an ihnen hinlaoglieh. Fär ihn ist es vortheilbaft , sich ohne solche Holfsmittel zn
gewöhnen, die Noten im gebührenden SehlUssel zn schreiben and zn lesen, und da-
bei gleieb tninsponirt, in der reehten Tonart sieh vorzustellen.
**) Sätze dieser Art heiiscn olrigeni Bici n 1 e n.
6«
84
HornstimmuDg zom Grunde legen , sanfter für die £«-Hörner, hirter
und frisch entschieden für die /^-Hörner, sanfl, aber ermuthigt für die
F-Hömer u. s. w.
Bei der Beschränktheit der Mittel sind wir von selbst auf die
einfachsten Harmonien hingewiesen, mithin der gestopften Töne wenig
oder gar nicht, oder doch nicht in schwieriger und bedenklicher An-
wendungsweise benöthigt.
Wie bei den Trompeten, so haben wir auch bei den Hörnern
darauf zu sehn , dass das erste Hörn nicht — oder nur wenig zu den
tiefsten, und das zweite nicht zu den höchsten Tonlagen gebraucht
werde. Der erste Hornist (Primarius) bedient sich sogar meist eines
engern Mundstücks , das ihm die Hervorbringung der hohem Töne er-
leichtert, ebenso aber die der tiefern erschwert. Dagegen hat das zweite
Hörn ein weiteres , mehr für die tiefiArn als hohen Tonlagen geeignetes
Mundstück. Das zweite Hörn sollte daher nicht leicht höber als bis
zum zweigestricbnen «, und in den hohen Stimmungen (in A-^ and
hoch i9-Hömern) nicht leicht über c oder d hinaus geführt werden.
Nach der Weise des hier vorherrschenden Natorsatzes (Th. I. S. 58)
macht sich dies Alles von selbst so.
Gehen wir über den einfachen Satz für zwei Homer hinaus, so
kommt naturgemäss der doppelzweistimmige (Th. I. S. 73). Es kann
jedoch aus mancherlei Gründen (z. B. für ein bestimmtes Personal) der
2. Salz für drei Hörner
dem Komponisten in einzelnen Fällen zusagen. Besonders in Komposi-
tionen für volles Orchester kann der Horasatz bisweilen voller als zwei-
stimmig und doch zugleich leichter als vierstimmig gewünscht werden.
So hat Beethoven in seiner heroischen Symphonie durchgehends drei
Höraer gesetzt, die im Trio des Scherzo*) zu entschiedenster Wir-
kung kommen; —
Allegro vivace.
»2 ^ SolL ^ I ■ I . ■ ^ ■ ■ I
Conti iaEs
1. 11.
in.
^iS^^^i^
-f-A
^^^1
■t=:.-.
^tT t'^T t5F^^^ ^^"^
T
r
'^m
A^-^-:i-
^?
:F=I=:
^
-^P^^-
EÖ
:*
:t
*) S. 139 der bei Simrock ersebieoeDeD Partitor. Die kleioeo Noten in Nr. 92
deatea Zwischeoscbläse der Streiebiostrameate aod Oboeo ao.
85
I
^^
j ^ J .-JL^i.:^
^T x^T T"
W-
=t=
Ef^
^E
=|c=--5^
in ähDÜcher Weise hat er die Leonoren-Arie im Fidelio*) mit drei
Hörnern und einem Fagott (als obligatem Chor im Orchester) begleitet.
Wenn auch dieser Fall wegen des zugefügten fremden Instruments
nicht genau hierher gehört, so sei doch der Scbluss der Hompartie (es
sind £-Hömer im AUegro eon brio , das Fagott unterstützt das dritte
Hom) —
93 <
Ä
llda.
^Jl J.
^^
i
r
TTn-
=^^5^3:^3
m
-0rr^tr.
J^
hierhei^esetzt, um im Verein mit Nr. 92 die Führuog bis zam hohen c
za zeigen.
Man bemerke, dass in Nr. 92 das dritte Hom (als ein Primhom)
übereinstimmend mit dem S. 58 Gesagten höher liegt, ab das zweite.
In Nr. 93 dagegen liegt das zweite Hörn höher — oder länger hoch, als
das dritte. Warum das? — Weil es die tiefen Töne bequemer und
sichrer einsetzt, während das dritte Hörn, wenn es nachahmend folgt,
von ihm gedeckt und gesichert wird. Sodann, weil es seinen Gipfelton,
das ihm eigentlich zu hoch liegende g , mit einer grössern Heftigkeit
herausbringt nnd den Ton sowohl , als den Gang zu ihm kräftiger in-
tonirt; das dritte Hom würde ihn leichter erlangt und darum eben
weniger durchdringend gegeben haben. In den andern Sätzen der Arie
hat Beethoven das dritte Hörn als Primstimme behandelt, weil kein
*) S. 220 der bei Farreoc in Paris bertasge^ebacD Pcrtitar.
86
Grund zu weitem Abweichungen war. — In gleichem Sinne hat er «las
Solo zu Anfang des Allegro seiner Pideiio-Onvertüre*) —
dem zweiten Hörn gegeben. Es sind wohl nicht Mos die tiefen
Schlusstöne, die ihn bestimmt haben, sondern er durfte daraufrechnen,
dass das zweite Hörn die ihm weniger leicht erreichbaren hohen Töne
(e-^ffy d—f) um so heftiger intoniren und um so überquellender damit
aus dem Dolce der ganzen Melodie sich erheben würde. Beide Aus-
nahmsfälle bestätigen die Regel ; denn in ihnen wird eben das (heftige-
res Heraustreten des zweiten Horns mit zu hoch liegenden Tönen) be-
zweckt, was im Allgemeinen nicht beabsichtigt, sondern vermieden wer-
den soll.
Als selbständige Hornmusik vollständiger ist
3. Der Satz für vier Hörner.
Hier müssen wir unterscheiden, ob die beiden Paare von gleicher
Stimmung sein sollen, oder von verschiedner.
Im erstem Falle gewähren, wie wir schon ansFrüherm abnehmen
können, die vier Hörner ungleich günstigem Ausdruck alles dessen, was
in dieser Instrumentklasse überhaupt zu erlangen ist. Getragne Sätze,
z.B.
m, IV.
'■^ f3n5=t^ 1
oder lebhafter bewegte Tongruppen, z. B.
96
CorniinD.
I. 11
UI. IV,
UHU
können hier harmoniereicher und in genügender VoIIslimmigkeit darge-
stellt, gestopfte Töne schon mit grösserer Freiheit eingemischt werden,
•) S. 7 der Parlitnr.
87
weil die Masse der sai^ioh erkfingeodea Natortöoe den Akelasd und
mmdcra Woblklaog verkirgU
Durch abweichende Sümmiuig der beiden Heni|MUire wird in den
HomsaU noeh grössere Mannigfaltigkdt gebracht. Wir haben sehe«
bei den Trompeten S« 58 aaf den Vortheit Terschiedenartiger Besetznog
auCmerksam gemacht; bei dem tonreichen Hörn mofis, wie Jeder selbst
ermessen kann, der Gewinn noch grösser sein. Als ein nicht etwa be-
sonders reiches ) mit besondrer Ranst aus den Mitteln des Homs kom-
binirtes*, sondern durch Natürlichkeit und Anmuth ausgezeichnetes Bei-
spiet stehe hier der Homsatz von K. M. v. Weber's Ouvertüre zum
Freischütz*), —
97
Comi
in F.
Comi
iaC.
Adagio.
Soli
^m
=^
v r I
*) 5. 4 Aer bei Sebletlofer in Berlin erscbienenen Partitur der Ouvertüre.
Uebrigeat «rinoere man sieb M dem obisen Satte (Nr. f7) de» S. 77 über tfefo
StopflGae uad de» S. 18 über des Uoterscbied der Prin- und Sefcvodatmiaien be-
sagten. Der tiefste Stopfloo, im vorletzten Takte af, ist erstens dem Sekandbom $9-
geben, dem die liefern Tonlagen bequemer und sicbrer zasageo; zweitens sind es
F-H5mer, also boebgestimmte, die ibn nehmen sollen. Aneb aof ^ nnd allenfalls
£#-H6rneni würde die Stelle gut gelingen ; weniger gut auf den tiefer liegenden
88
der ovr insofern aossei^alb unser« jeteigen Kreises liegl, als er von
einer harmonischen Begleitung der Saiteninstramente getragen wird.
Freier mischen sich Hörner verschiedner Stimmung in dem Jägerchor
im dritten Akte von Weheres Euryanthe, es sind zwei Es- und zwei
tiefe f^-Hömer (die der Komponist möglichst zahlreich besetzt wünscht)
mit Unterlage einer Bassposaune ; —
98
CoTDi r
iu Es.
Comi ,
inB basso. ^
Trombone
basso.
// ^^ -=1 =s
(Die drei ersten Tskle bis sva
Anriakt im dritten wiederbolt.)
PP ^ ' ' PP
die vorausgegangne Nr. 96 mag als Reminiscenz aus Enryanthe
gelten.
4. Grössere und mannigfaltigere Zusammenstellungen.
In den meisten Fällen wird über die Zahl von vier Hörnern , we-
nigstens in Orchesterwerken 9 nicht hinausgegangen ; man zieht lieber
andre. Instrumente hinzu, als dass man eine einzige Klasse, noch oben-
ein von tiefer Tonlage und dumpfem oder verhülltem Klang, so aufhäu-
fen soUte. Indess können mit vergrösserter Hornzahl allerdings noch
eigenthümlicbe Effekte gewonnen werden. Zunächst in gleicher Stimm-
art, nur bei zwei- oder mehrfacher Besetzung jeder Stimme; dann ist
es aber rathsam, den Satz noch einfacher anzurichten und sich aller eini-
germassen bedenklichen Töne zu enthalten , wie deren in Nr. 92, 93
und 95, — die auch ausdrücklich als Solosätze bezeichnet sind, — vor-
kommen.
Geht man mit mehr Hörnern über die Zahl von zwei Stimmungen
hinaus, so lässt sich Vieles erreichen, was ausserhalb der natürlichen
89
GrMnzeii der HarmoDienusik liegt, doch aber unler besondern Umstän-
den von Wirkung sein kann. So würde, während die ursprüngliche
Tonreihe des Horns auf Dur deutet, eine Verbindung von C-, Es- und
^«-Hörnern uns, wie dieses Schema zeigt, — in dem die natürlichen
und gestopften Töne durch die Schrift unterschieden sind, —
-»»- T I : i : ! : ! : ! 1 !
C-H5riier
Vr-xiuriicr. ; ;; • •••••• j.«
die vollständige und ausgedehnte Tonleiter von Cmoll mit vielen Hfilfs*
und Nebentönen —
fsj g^ ff, *, Ä, c, 5^ esj c, /, g^ OS, a, *, A*, T, m,
g, A, c, rf, es^ fy gy as, A, c,
ergeben*). Die Verbindung eines ^^o, F-, E- und C-Homs würde fol-
gende Tonleiter für j4s dur —
111322232 13 2 3 3 23 3 3 4 3 3 44 ^^.3. 3?
100
^^^
ir^t 2 ^ ^ ^ 121113 2221222111
ergeben (wobei die obere Zifferreihe zeigt , wie oft jeder Ton über-
haupt — und die untere , wie oft er als Naturton vorhanden ist) und
die wichtigsten Akkorde —
c - es -as- c " es - as - c,
b-es-g-b" des ^ es - g - b, vaiij'oitvjesj
f- as -des-f- as, _
c " f -as ' c- f - as - Cy
g- c -es - g - c " es ^ g - Cy
b-j -b -&- f -b.
*) Es versteht sich, dass alte die IVotea ond Namenreihea sechszebnrdasig zu
lesen sind.
90
in ftoleher Weise besetzen, 4ass die Mehiuhl der iDter^alle*) mit Na-
turtönen gegeben ivürde.
Allein der Gewinn aus so ktinstfichen Unternebmungen dürfte nur
ein zweideutiger and geringer sein. Der Komponist sieht sich dabei in
ein Netz von Berechnongen und Rücksichten verstrickt, die sein^
Freiheit im Schaffen — war' er auch noch so gewandt — alh;u enge
Schranken setzen ; die für Melodie oder Harmonie erfoderlichen Töne
müssen, sobald man sich vom Naturstande des Instruments entfernt,
auf den verschiedneh Hörnern zusammengesucht und zusammengesetzt,
und damit muss nicht blos der Gang der einzelnen Stimmen gestört, es
müssen auch die Glieder und Abschnitte der Melodie aus ihrem Zusam-
menhang gerissen werden; Und das Alles, Um das so naturfrische, der
natürlichen Empfindung so wohltbuende Instrument in fremde Harmo-
nien oder Tonarten hineinzuquälen. Wie weit erquicklicher wirkt ein
Hornpaar in den einfachsten Weisen der Naturharmonie, weil diese
seineoi eignen ungekünstelten, einfacb-natärljcbea Wesen gemäss sind!
Wie weit mächtiger wirkt der Einklang der Hörner in Gluck's Iphi-
genien- oder Cherubini*s Lodoiska-Ouvertüre, oder in der Einleitung
zu Schneider's Ouvertüre über den Dessauer Harsch, als volle von
Hörnern intonirte und durch den Hornklang überfüllte Akkorde t We-
nigßlens dürften so erkünstelte Zusammenstellungen nur in seltnen
Fällen sachgemäss befunden werden. Daher können wir sie auch nicht
zu besondrer Uebung empfehlen.
Es fragt sich zuletzt, ob nicht
5. Verbindung von Hörnern mit Trompeten, Po-
sannen und Pauken
zu versuchen sei? — Im Orchester , also im Verein mit andern Instru-
menten , werden diese Instrumente bekanntlich oft neben einander ge-
braucht. Dagegen würde der Verein von Trompeten und Hörnern allein
selten ein günstiges Resultat erwarten lassen, weil beide durch Tonge-
biet, Klang und Schallkraft zu weit von einander abstebn; der Schall
der Trompete würde den Hornklang zerreissen , ohne sich mit ihm zu
verschmelzen ; die Homer würden den Trompetensatz in der Tiefe nur
dumpf und malt verdoppeln und beschweren können. Eher liessen sich
Hörner mit Posaunen (jene mehrfach, diese einfach besetzt, wie K. M.
V. Weber zu dem in Nr. 98 angeführten Hornsatze verlangt) ver-
binden , da letztere durch Tonlage und Fülle des Schalls ihnen näher
stehn ; dann kann auch die Pauke zutreten. Indess auch dieser Verein
*) INar des (also die Septime im Domioantakkord, der Groodtoo im Dreiklangp
der ÜAterdoiaioaote a. s. w.) ist oicht natürlich kq baben. Der VoncbUf dieser
Rombioation gebort übriseos H. Der lioz an.
91
ersebeint iiioht anwendbar genug, «m za beson^em üebaogen aa^
safodern. Was er gewähren könnte, wird durch den Cbor der Venlii'*
Inalmmente besser erlangt, zu dem wir jetzt übergehn*).
Dritte AbtheOung.
Die Ventiliiistnunente.
In der vorigen Abiheilung haben wir erfahren , dass ein Theil der
Blechinstrumente (Trompeten und Hörner) nur eine unvollständige Toa-
leiter hat und die fehlenden Töne nur unvollkommen und bedingt erlan-
gen kann. Diese Unvollständigkeit hat man bald für eine Un-
Vollkommenheit angesehn und durch mancherlei Vorrichtungen am'
Instrument zu überwinden getrachtet. Unter den verschiednen hierzii
angestellten Versuchen verdient die Anbringung der Ventile wohl
unstreitig den Vorzug, hat auch in der That den Vorrang mit Hiow.egr
drängung der frühern Versuche errungen. Zunächst sind diese Ventile
an den Hörnern und Trompeten, dann auch an der Posaune an-
gebracht worden. Hierdurch ist ein System von Blechinstrumenten auf-
gestellt worden , das eine wesentlich andre Beschaffenheit und Bedeu-
toog bat, als die in der vorigen Ablheiliing aufgeführten natürlichen
Instrumente gleiches Namens.
Den so mit Ventilen versehenen alten Instrumenten ist sodann eine
Reibe neu erfundner (oder vielmehr altern ausser Uebui^ gekommnen
nachgebildeter) Instrumente hinzugefügt worden, die ebenfalls mit Ven-
tilen versehen sind; und so hat sich ein besondrer Chor von Blechin*
Strumenten zusammengestellt, der bald für sich allein, bald in Verbin-
dung mit andern Instrumenten zur Anwendung kommt, — oder aus
dessen Mitte ein und das andre Instrument den gewöhnlichen Organen
des Orchesters zugefügt wird.
Es versteht sich, dass der Komponist auch von diesen Mitteln
Kenntniss nehmen muss; sie können, — wenigstens einzelne von
ihnen können für die Darstellung dieser oder jener Stimmung oder Vor-
stellung die geeignetsten, ja unentbehrlich sein , und es kann im freien
Kunstgebiete Niemand sich unterfangen, Gränzen zu ziehn und irgend
ein Mittel auszuscheiden , da Niemand vorauszosehn vermag , welche
Aufgaben sich für einen andern Künstler, ja sogar für ihn selbst noch
ergeben werden. Gleichwohl ist eben hier eine hellere Erkenntniss
höchst rathsam, weil wir Gefahr laufen, um eines lässlichen Gewinns
*) Hierzu der Aobaog D.
92
willen ao Tonreicbtbnm weseoüich wichtige Karaklere aus aosem Or-
chester entstellt oder verdrängt zu sehn. Um hier sicher zu artheilen,
müssen wir einen Blick auf die Struktur der Ventilinstrumente werfen.
Erster Abschnitt.
struktur und Karakter der VeDtilinstrumente im
Allgemeinen.
Alle Ventilinstrumente bestehn aus einem Metallrohr (von Mes-
singblech) , gleich oder ähnlich dem der Trompeten und Hörner. Sie
haben daher auch nur die für Trompeten und Hörner (Nr. 37) ange-
gebne Reihe der Naturtöne, gleichviel ob vollständig oder nicht. Wollte
man nun noch andre Reihen von Tönen erlangen , so musste das Rohr
der Verlängerung und Verkürzung zugänglich gemacht werden, wie
die Posaune mittels ihrer Züge. Dies sollte aber in bequemerer Weise
erlangbar sein.
Man setzte daher innerhalb der Rohrwindung noch besondre Rohr-
stncke ein. Sind diese alle offen, so bilden sie mit dem Hauptrohr ein
Ganzes; sind sie alle verschlossen, so bleibt das Hauptrohr ganz für
sich ; auch kann von den eingesetzten Rohrstücken eins oder es können
zwei verschlossen bleiben und das dritte (oder zwei) geöffnet werden.
So stellen sich also verschiedne Längen des Rohrs dar. Nun sind bei
den Einsatzstficken Drücker — Ventile — angebracht, die im ruhi-
gen Zustande das Einsatzstück verschliessen, also ausser Mittbeilnahme
setzen, wenn sie aber niedergedrückt werden, das Einsatzstück öffnen,
also mit dem Hauptrohr in Verbindung bringen und dieses durch jenes
verlängern. Diese Drücker werden bequem mit den Fingern niederge*
drückt und wieder losgelassen ; die Handhabung ist ungleich leichter
und sichrer als die der Züge auf der Posaune oder des Stopfens auf
dem Hörn.
Solcher Ventile werden zwei oder drei (bei einigen Instrumen-
ten eins, aber auch vier, fünf und sechs) angebracht. Das erste ert
niedrigt , wenn es niedergedrückt und dadurch sein Rohrstück geöffne-
wird, um einen Ganzton, das zweite um einen Halbton, das dritte
um eine grosse Terz. Nun kann man aber zwei, ja alle drei Ventile
gleichzeitig öffnen , mithin die Naturtöne siebenmal um einen Halbton
erniedrigen, das heisst, dem Instrument acht verschiedne Stimmungen
(mit Einschluss der Naturtöne oder Grundstimmung) ertheilen , seinen
Naturgehalt verachtfachen. Stellen wir uns das an einigen Naturtönen
so vor —
NutortüDe . .
9«9
• S
c
e
g
Ventil 2*). . .
. >
h
dis
ßs
VenÜll . . .
• /
b
~d
f
VeDÜl 1 und 2 .
. e
a
eis
e
Ventils . . .
. et
as
e
es
Ventil 2 und 3 * . cf g^ h T
Ventil 1 and 3 . . eis ßs ats eis
Ventil 1, 2 und 3 . e / a T
und übertragen die Veränderungen auf die hier ausgelassenen Natur-
töne, so überblicken wir den vollen Gehalt der Ventilinstrumente , der
von der Höbe bis zum vorletzten Naturton (dem letzten vor' dem tief-
sten) eine ununterbrochne chromatische Tonreihe bietet.
Bei zwei Ventilen sind blos drei Umstimmungen , das heisst, mit
Einschluss der Naturtöne, nach obiger Darstellungsweise folgende
Slimmnagen, —
Naiurtöne . . g
c e g
Ventil 2 . . . >
h dis fit
VenÜll. . . /
b 1 7
Ventil 1 and 2 . e
a et* e
erlanebar und die chromatigche
Tonreihe ist in der Tiefe anvoll
Ständig.
Wir wollen diese Darstellungsweise nicht verlassen, ohne sie dem
Junger im Orchestersatze besonders zu empfehlen. Sie leitet ihn darauf
hin, das Ventilinslrument zunächst als ein vier- oder achtfaches Natnr«
instrument (jenachdem es zwei oder drei Ventile hat) anzuschauen,
nachdem er sich — voraus3etzlich ! — bereits früher mit den wirk-
lichen Naturinstrumenten bekannt gemacht; vor allen Dingen treten
ihm hieraus vier oder acht Reihen zusammengehöriger, leicht und wir-
l^QDgsvoll bebandelbarer Töne vor das Auge, in deren jeder er ein
Naturinstrument (wenn auch ein durch die Ventilisimng abgeschwächtes)
▼or sich bat, immer noch frei von dem eunuchisch-chromatischen Ton-
gewürgel. Die mechanische Zusammenstellung dieser chromatischen
Tonreihen kann Jeder selbst besorgen ; es folgen deren später.
BeidiesenVentileinrichlungen sind nun, abgesehn von den etwaigen
Locken in der Tiefe, chromatische und diatonische Tonreihen, auch alle
nicht zu sehr springende Tonfolgen (bei denen man nämlich
*) Bs ist eiomal Sblieb, das am eine ganze Stafe eraiedrigende Ventil das
erste, nod das am eine b a i b e das zweite zu nennen, obwohl dem Tonsystem
entsprecbender die Erniedrigung um eine halbe Stnfe als die nächste, folglieb
erste aufgerührt werden sollte. Bei zwei Veolilen könnte man beliebig amnennen,
Itei dreien aber liegt der Znsatzbogen (und das Ventil) für die halbe Stufe in der
Mitte der beiden andern, muss also als zweites gezählt werden.
94
zugleich den Natorlon ändern und die Ventile branefaen mnss) leicht
darzustellen. Aach Triller mit Zuziehong eines Nalurtons (weil das
Ventil nur mit ganzer aufgesetzter Hand schnell genug bewegt werden
kann) sind ausführbar.
Dagegen werden die Tone, zu denen man Ventile braucht, beson-
ders in der Tiefe unrein; sie erscheinen zu hoch, und zwar um so
mehr, je mehr Ventile nöthig sind*). Der geschickte Bläser kann
hier bis auf einen gewissen Punkt, nicht aber ganz and nicht ohne neue
Beeinträchtigung des Klanges nachhelfen.
Sodann verlieren die Naturinstrum ente, also namentlich Trompete,
Hörn und Posaune, durch die Vorrichtung der Venüle jene Frische und
GeHilltheit , man möchte sagen Gesundheit des Klanges , die ihnen ur-
sprünglich eigen ist. Das Hom büsst an Vollklang und Rundung ein
und neigt sich der beklemmtem Weise der Stopflöne zu ; die Trom-
pete besonders verliert die metallische Klarheit und siegreich durch-
dringende Macht ihres Klangs und wird unedel gepresst, auch sogar un-
kräfUger und dünner, und dies Alles besonders in den hohem Lagen,
etwa von d an; auch die Posaune büsst ihre Macht ein, sie wird mehr
dem natürlichen Hornklang nahe gebracht, obwohl sie stärker und
heller bleibt.
Und alle diese Nachtheile sollen wir auf uns nehmen , um Ton-
reihea zu gewinnen , die dem — zwar abzuschwächenden und zu ver*
unreinigenden, niemals aber ganz auszutilgenden und durchaus nicbi zu
entbehrenden Grundkarakter der genannten Instrumente unnöthig,
fremd — ja widersprechend sind ! Die T r o m p e te (S. 48) ist das Hel-
deninstmment und ist einfach, wie der Heldenkarakter; dem entspre-
chen alle ihre Mittel, die das Gerade, Starke, Hellleuchtende, Kühne —
und nichts weiter aussprechen. Das Hörn (S. 90) bedarf ebenso-
wenig für seine Naturlaute , für den reinen , einfachen GemSthsans-
drack, in dem es seine Welt findet, der Vielgewandtheit eines sich in
aUe Tonarten und Harmonien einschmiegenden und einschleichenden
Tonsysiems; so weites, ohne sich untreu zu werden, über seine eigenU
liehen Gränzen hinausschwärmt oder hinauswildert, dienen ihm die ge-
stopften Töne und haben sich allen unsem Meistern genügend erwie-
sen. Die Posaune endlich (S. 68) bringt in ihrer dröhnenden, scharf
und gewaltig eindringenden Sprache die letzte, feierlichste und nnwi-
dersprechliche Entscheidung und darf darin durch keine Künstelei nnd
Abschwächnng gestört und gehemmt werden; nicht ihr Tonreichthnm
und ihre etwas mehr oder weniger rafBnirte Gewandtheit, sondern ihre
Kraft, der Grundkarakter spröder und erschütterungsvoU entscheiden-
*) Eine reinere Stimmaog Hir die tiefern Töne , besonders f&r die Trompeten,
Hesse sich herstellen, wenn das dritte Ventil nur auf iVt Tod BraledrIgaDg ein|^
richtet and sein Rohrstöck ein wenig ISnger genomnen würde , als das erste vod
zweite tnsammengenommen.
95
der Stäii:e ist das ihr Wesentliche und dem Komponisten Unentbehr-
liche , weil er es in solcher Weise nur bei ihr findet.
Es ist also für alle Komponisten , denen an treffender und mannig.
facber Rai^kteristik in ihren Werken liegt, nnd für alle geistig theil-
nehniendeo Direktoren und Knustfrennde vom höchsten Gewicht, die
Natnrinstramente nicht durch Ventilinstrumente verdrängen zu lassen*).
In eiaer Zeit, wo der Karakter und das Karakteristisehe ohnehin nicht
blos in der Kunst , sondern nach allen Richtungen hin Abschwäcbung
and Verkennang erfahren nnd noch zu befahren bat, — und in einer
Angelegenheit, wo das Bessere leicht zu verdrängen, aber schwer wie-
der herzustellen sein dürfte, scheint es PSicht, immer und überall aa
das Rechte zu BM^hnen und vor Verderb zu warnen.
Zweiter Abschnitt.
Mittel und Karakter der wiehtigsten Ventlllnatrumente.
Wir beginnen die Reihe der Veolilinatrumente mit den uns be-
kannten Arten**).
1. Die Ventiltrompete.
Die Ventiltrompete wird mit zwei oder drei Ventilen gebaut.
Die Trompete mit zwei Ventilen hat folgende Tonreihe, —
101
UfS
bei welcher die Ziffern das eine oder die beiden für den Ton erfoder-
Heben Ventile***) andeuten. Sie stellt drei oder (wenn man beide
Ventile auch verbunden gebrauchen will) vier vereinigte Trompeten-
Systeme —
gcegbcdeg
ßs k dt$ ßs a k eis dis fi$
f b d f Oi b c d f
*) Hierzn der Aobtog E.
**) Viel voh dem hier Polsenden verdankt der Verfieser der Belebrnsg des
verdieostvoUeo Musikdirektor Gold e io Erfart.
♦*•) Dass maa Natortfiae aacb — voo eioem andern Natarton aas — mittels der
Ventile hervorbringen kann (man sehe den ersten Ton in Nr. 102) nnd wiefern dies
6tm Spieler moglicberweise bisweilen bequem sein mag, gebort za der Detailkennt-
aisa der technischen Bebandinog, auf die der Komponist als solcher nicht einzngehn
bemfen ist.
96
und
eacüegahcise
(fangt man höher an, noch mehrere, die anf der Tonika i>, Es n. s. w.
stehenden), also — die Stimmung in C vorausgesetzt — eine C-, fT-,
0., ^-Trompete n. s. w. dar, ergiebf die Tonleitern von A-, C*, A-,
Es'y J?-, F-, FiS'^ Cdur (vom kleinen b an) mit einfachen, die von
F- , 67- 9 ^', ff dur (vom kleinen f an) mit verbnndnen Ventilen,
ferner MoUtonleitem auf C, /l u. s. w. , die chromatische Tonleiter
von klein a oder besser vom eingestrichnen d an , Triller vom einge-
strichnen/an aufwärts, — besser anf höhern Stufen, — und alle die
Figuren, die man nach diesen Winken zusammensetzen kann.
Die Trompete mit drei Ventilen kann — wenn man bis zur
Verbindung aller drei Ventile gehn will, folgende Tonreihe —
3
2 3 3 2
112 3 112
ergeben. Hier Bndet sich vor allem die bei der vorigen Trompetenart
gebliebene Lücke durch das kleine ^2V oder as (mittels dessen sich unter
andern eine Durtonleiter ^mI Es von klein «6*) an mit einfachem Ven-
tilgebrauch darstellen liesse) ausgefüllt, dann (die C-Stimmung voraus-
gesetzt) zu den Tonsystemen der C-, ff-, ff-, ^-Trompete noch die
der As-^ £?-, Fis-y F-Trompete mit vorliegender Dominante von der
kleinen Oktave aus darstellbar, wenn man sich vereinter wie einzelner
Ventile bedienen will. Die genauere Erkenntniss der Mittel, die drei
Ventile geben , ist nach dem über zwei Ventile Gesagten leicht zu er-
werben. Wir erinnern nur, dass schon der gleichzeitige Gebrauch von
zwei Ventilen (S. 94) seine Bedenklichkeit bat, dass also der von drei
Ventilen deren noch mehr bieten muss; dass ferner die Stimmung bei
dem Gebrauch der Ventile besonders in der Tiefe unrein wird, daher
wir vom kleinen c als Natnrton (das möglicherweise durch die Ventile
zu gross ff, By A^ As^ Gj Ges^ F werden könnte) gar keine Notiz
. genommen haben.
Die Trompeten mit drei Ventilen sind in allen Stimmungen
möglich und vielleicht in diesem oder jenem Chor bald in dieser, bald
in jener Stimmung zu haben. Am verbreitetsten sind aber Ventiltrom-
peten in Dj Es j E und F; und man thut wohl, auf keine andern zu
rechnen. Diese genügen aber auch , und die grössere Vollsländigkeit
*) Der Behandtung des Instruments entsprechender w'er^es, sein Toosystem von
oben nach anten darzustellen , so dass der Natnrton vorangpinge und seine UmbiU
daogen durch die Ventile nachfolgten: g- mit ges und/, e mit es, d mit des, cmit A,
h mit a und ai n. s. w. Für die Anschauung des Komponisten schien die natürliche
Ordnung — von der Tiefe zur Höhe — vorznziehn.
97
des Tonsystems kann die Komponisten) welche einmal der Ventiltrom-
pete bedürfen , allerdings für diese oder jene Gattung bestimmen ; je
nach der für die Komposition nöthigen Stimmung ist demnach festzu-
setzen , ob man eine Ventiitrompete in />, F, E oder Es haben will.
Die Trompeten zu zwei Ventilen scheinen besonders noch bei den Mu-
sikchö'ren der Reiterei herrschend und stehen (so viel wir wissen) bei
der preussischen Reiterei in Es. Diese Stimmung , die bis zum zweige-
strichnen b hinauf und bis zum eingestrichnen es oder kleinen b , ja
g hinab reicht, scheint in den meisten Fällen die günstigste, wenn ein-
mal Ventiltrompeten zur Anwendung kommen müssen. In höhern Stim-
mungen sprechen (S. 50) die höchsten Naturtöne weniger gut an ; tie«
fere Tonreihen, als bis zu es oder klein ^, werden — abgesehn von
der hier eintretenden Unreinheit der Ventiltöne — schicklicher den Po-
saunen zuertheilt. Zwar sind diese weniger leicht-beweglich , als die
Trompeten; aber in solcher Tiefe den Trompeten gar noch schnelle
Gänge geben wollen , scheint uns der höchste Hissverstand des Instru-
ments.
Als besondere Arten der Ventiltrompete werden erwähnt
a. die Alttrompete,
eine i9-Trompete (S. 50) mit Ventilen,
b. die Tenortrompete,
die notirt wird wie die Alttrompete , ihre Töne aber eine Oktave tiefer
(sechszehnfössig) abgiebt,
c. die Basstrompete,
die notirt wird wie die ^(-Trompete, ihre Töne aber zwei Oktaven
tiefer giebt, so dass also die Noten —
103
auf der TeDortrompete, auf der Basstrompete
3E?Efe wie g^Ej:t3EgE^^g=E=-g^
^3=^^— ==3^t:====«:==Jä:^^
ertönen. Tenor- und Basstrompete sind nicht in den gewöhnlichen Or-
chestern, sondern wohl nur bei einigen Kavalleriechören (und auch da
wohl nicht allgemein, z. B. nicht in der preussischen Armee) zu finden,
scheinen auch in der That entbehrlich , da sie ganz in das Gebiet der
Posaune treten, und namentlich die gleich zu erwähnende Ventilpo-
saune nichts anders ist, als eine — nur eine Stufe höher stehende
Basstrompete, nur unter anderm Namen. Der Verf. kennt sie nicht aus
eigner Wahrnehmung.
2. Die Ventil-Bassposaune.
Sie ist eigentlich eine Trompete (Posaune ohne Züge) von gros-
sem Dimensionen und daher tieferer Stimmung, übrigens mit drei Ven-
tilen und diesem —
Marx, Komp. L. IV. S.AnD. 7
98
104
K
3 2 3 $ 2 2
231120 1231120 3112
0 11
n o n 1 2 0
0120202" u'^^i^fa^
den Umfang der Bassposaune umfassenden Tongebiet. Ihr Klang hält
die Mitte zwischen Posaune und Hörn ; sie scheint übrigens wenig ver-
breitet, -— vielleicht im Süden (in Oesterreich) mehr als in Nord-
deatschland*).
3. Das Ventilhorn.
Das Ventilborn hat man in allen Stimmungen, doch steht es mei-
stens in Fund hat stets drei Ventile, die dieselbe Einrichtung und Wir-
kung haben, wie die drei Ventile der Trompete. Dies —
3 3 2
12 3 112
105 fr
^
012311203112 0 112 0 1 2 0
t?-*»*
1202020201k?-2,iu
^^h:
ist seine Tonreibe, die man, die F-Stimmung vorauj^gesetzt, nach S.76
zu beurtheilen und mit Rücksicht auf das dort über das Natnrhom Ge-
sagte zu behandeln hat. Die höchste Tonlage wird man am liebsten nnr
in bequemster Führung, —
106
^00
^-
^
0 0 1
^&
EHE
iÖfi-
2 2
^
fa^
und auch so nicht zu häufig anwenden ; die tiefsten Naturton« nicht mit
Ventilen gebrauchen, da jene ohnehin nicht so sicher stehn, und die
Ventile in der Tiefe leicht Unreinheit zur Folge haben.
Bei dem Naturhom haben wir bereits auf den eigentfanmlichen
Karakter der gestopften Töne aufmerksam gemacht. Diese besondre
*) Der Verf. hat sie nur bei eioem sleyermärkischea Musikchor keonen ge-
lernt. Der ganz vorzüglich geschickte Steyermärker Klautschek behandelte sie
mit der grössten Geläufigkeit aad — wenn nao einmal den Posannenkarakter nicht
in seiner ursprüngliehen Macht und Strenge festiia^lten will «^ mit würdigem sehönem
Klang und einer dem Fagott oder Violoncell gleichkomme öden Geläufigkeit. Von
dem berühmten Queisser in Leipzig hören wir, dass er sich einer Tenorposaune
mit einem Ventil (bis Et oder D reiche'dd) bedient habe.
99
Klangweise gebt auf dem VentiliiorDe nicht verloren. Das Ventilborn
ohne Anwendung der Ventile ist — abgesehn von der Veränderong am
Klang — dem Natarbome gleich zu behandein, kann also z. B. in dieser
Stelle bei a. —
107
die Töne A,a, /als gestopfte hervorbringen, die ihm sonst auch (b.)nHttel8
Ventile — gleichsam als Natnrlöne einer tiefem Stimmung — zu
Gebote stebn. Ja , es kann Töne, die eigentlich Naturtöne (und zwar
ächte, der urspriinglichen Stimmung) sind, ebenlalls als Stopftöne her-
vortreten lassen. So wird bei c. der zweite Ton (h) mit Ventil genom-
men und von ihm aus b gestopft, obgleich in der Grundslimmung b
und g bekanntlich Natnrtöne sind; allein durch die Ventile wurde die
Grundstimmui^ auf andre Stufen , von c auf h und a gerückt. Uebri-
gens kann das Stopfen auf Ventilhörnern, untermischt mit Vealiltönen,
keinen so unterscheidenden Karakler behaupten, wie ihn der Komponist
zu besondern Zwecken oft dem Naturhorn abfodert. *
Ausser diesen durch Vefftile umgestalteten Inslrumenten sind nun
noch andre theils neu erfunden, theils aus längerer Vergessenheil her-
vorgeholt oder umgestaltet worden. Diese Instrumente stellen sich in
mehrere Familien zusammen , welche im Wesentlichen (dem konisch
sich erweiternden Bau des Rohrs und der Ventilisirung) übereinstim-
men , in Einzelheiten des Bau's und der Stimmung von einander ab-
weichen.
Zunächst sind es
4. die Kornette,
5. die Flügelhörner,
6. das Piston,
die wir zu betrachten haben.
Das Kornett ist einmal in Form der Trompete, nur in den Bie-
gungen abgerundeter, zusammengewunden, erweitert sich aber konisch
und geht, im letzten Theile des Rohrs gerad' geführt, ohne besondern
Schalltrichter (gleich denen der Trompete , des Horns , der Klarinette
u. s. w.) zu Ende ; das Mundstück ist eine Mittelform zwischen dem
des Horns und der Trompete. Der Klang dieses Instruments ist dem
der hohen Horntöne in höhern Stimmungen ähnlich , ohne jedoch ihre
Helligkeit zu erreichen; man muss ihn enger, beschränkter, unEreier,
engherziger nennen*)^.
*) Herr Militair-Mnsikdirektor Theodor Rode bezeichnet („Zar Geschichte
der R. P. Inranterie- und Jäfermusik" 1S38) ihn als stumpf und roh. Bio ebenso
bewährter Renoer, Herr Masikdirektor Pief ke, stimmt dem Urtheil bei.
100
Das Flugelhorn hat gleiche Rohriänge mit den Kornetts , nur
ist sein Rohr in den letzten zwei Dritteln seiner Länge (nngeiahr!)
weiter gebaut und hat das Schallstuck einer Trompete. Es ist daher
voUkliDgender und zugleich sanfter als das Kornett, wenngleich es
mit den entschiednen Karakteren des Naturwaldborns und der Natur-
trompete nicht wetteifern kann. Es theilt mit allen Ventiiinstrumenten
den Karakter der Zwitterhaftigkeit, insofern es, obgleich durchaus von
Blech, doch nicht den reinen Karakter der ungebrochen in ihrer Natur
beharrenden Blechinstrumente behauptet, sondern ein Mittelding von
Blech- und Holzinstrument ist. Uebrigens gewinnt es an Zartheit des
Klangs, wenn es mit einem elfenbeinernen Mundstück geblasen wird.
Das Piston (comet äpüton) hat ein engeres Rohr und kleineres
Mundstück, als das Kornett, schwächern, aber angenehmem Klang; so
lautet das Urtheil nächststehender Sachverständiger , dem wir in Er-
mangelung vertrauter Bekanntschaft nicht widersprechen dürfen, aber
auch nicht beistimmen mögen ; das Instrument (bei den von Grund aus
unmusikalischen und nur drastischen Wirkungen zugänglichen Franzo-
sen beliebt) gehört nicht der freien Kunst, sondern der Militair- und
Gartenmusik an.
Alle diese Instrumente haben folgende Naturtöne —
g^p^^^^i
und sind mit drei Ventilen versehen, die, von c aufwärts (da die Töne
unter T etwas rauh und hohl klingen und desshalb nicht empfehlens-
werth sind), folgende Tonreihe —
1 ^ 0
^ 0 1231120311201 1.2 0 i^g ^-g,tp.l»L:^ff::g:
gewähren. Von dieser ist^ und 7nocii mit Sicherheit zu erlangen, die
höhern Töne kann man nur bewährten Bläsern zumuthen.
Wie bei den Natur-Instrumenten hat man auch bei den Ventil-
Instrumenten verschiedne Grössen und Stimmungen. Voran steht
a. das Diskant- (Sopran-) Kornett und hohe Flugelhorn,
das die oben in Nr. 108 und 109 angegebne Notirung und Stimmung
hat, durch Aufsetzen von Setzstücken und Bogen aber die if-, iff-, A-
und ^«-Stimmung erhält; indess verliert das Instrument in den letzten
Stimmungen (^ und j4s) in den tiefern Tonlagen mehr oder weniger
an Reinheit des Tons. Eine Seitenart, das
iOl
b. Kornett in 0,
dessea Stiminang einen Ton tiefer ist (die Noten ^ j j"- ertönen
als b und ö)^ scheint weniger üblich.
c. Das Alt-Flügeiborn und Alt-Kornett
bat zweierlei Stimmangen, in F und Es^ deren letztere hauptsächlich
bei den preussischen Kavallerie- und Jägerchören in Gebrauch ist. In
beiden wird es, gleich Trompeten und Hörnern , im 6-Schlüssel notirt,
giebt aber seine Töne eine Quinte und Sexte tiefer, so dass die Natur-
töne —
110 «« Ä-^=or
in F als f c / a c ^ T '*
in Es 9\s es b es g b des es
hervortreten.
Einheimischer in freien Kompositionen sind die nachfolgenden In-
stromente.
7. Das chromatische Tenorhorn
(camo cromatico dt tenore) j auch Tenorhorn, Tenor-Flügel-
horn genannt; die letzten Namen weisen auf die Familie des Instru-
ments hin. Einrichtung und Behandlung sind der der schon genannten
Flngelfaörner und Kornetts gleich, nur dass das Tenorhorn eine Oktav
tiefer steht, als das 0-Komett, so dass seine Naturtöne —
111
:iO=
als B f b d f OS b
hervortreten. Auf den Umfang von gross As chromatisch bis zwei-
gestrichen c ist (wie wir erprobt haben) sicher zu rechnen ; diese Ton-
reihe hat Wohlklang. Ausserdem soll Kontra-0, gross £#,£ (schlecht),
F (besser), Fis u. s. w. zu haben sein, was wir in Ermangelung siche-
rer Notiz nicht verbürgen wollen. Jedenfalls erscheinen diese Töne
entbehrlich , da sie auf den folgenden Instrumenten besser und sicherer
zu haben sind.
Notirt wird für das Tenorhorn im Tenorschlussel und, in neuester
Zeit fast ausschliesslich, im 6-SchlüsseI, wie wir oben gethan.
Dem Tenorhorn zur Seite steht
8. der Tenorbass,
auch Bass-Flügelhorn, Euphonien, Baryten genannt. Er
hat gleiche Gestalt und Länge, das Hanptrohr aber ist im Ganzen weiter
und erweitert sich in seinem letzten Theile verhältnissmässig noch
102
mehr. Dies verleiht dem Klang grössere Stärke, besonders in der
Tiefe. Der angemessenste Schlüssel ist der F-Schlüssel ; doch wird
aueh im G-Schlüssel notiK, eine Oktav höher ootirt, so dass diese
Noten —
112 feEEE=^eT.^r~ gleich diesen g*Ete^^====^f
"na-
gelten. Man kann das Instrument von gross Fcbroraatiscb bis einge-
strichen g und b gebrauchen , jedoch bequemer und besser in den tie-
fem als höhern Lagen.
9. Die Tuba,
auch Basstuba und Kontrabasstuba genannt, mit 4, 5 und 6
Ventilen (die Einrichtuug mit fünf verdient den Vorzug) ausgerüstet,
sonst von der Bauart der Kornette, nur grösser und weiter. Die Tuba
ist in vier Stimmungen vorhanden , Tuba in F, Tuba in Es^ in C und
B ; die gebräuchlichste ist die F-Tuba. Die Naturtöne (wir beschrän-
ken uns auf die erste und letzte Stimmung) sind ^
113
Tuba in F. ^*Ä-f x"^: j Tuba in B. . . .^^ :f
^-Jp=<=^r^^^B^^^E^
und hiernach ist der durch die Ventile zu erreichende Umfang leicht
zu crmessen. lodess nur die nächsten zwei Haibtöne unter dem tiefsten
Naturtone (Kontra-^ und Es auf der F-Tuba, Doppel-Kontra-^ und
As auf der £-Tuba) sprechen noch ziemlich leicht an, die noch tiefem
Töne sind schwächer, sprechen unsicher und scbwerrällig an und sind
nicht ganz rein. Gut zu gebrauchen sind im Allgemeinen auf der F-Tuba
nurKontra-F,^^,^, chromatisch bis klein y*; die höhern Töne klingen
zu gepresst, — wiewohl wir ausnahmsweise von einem Virtuosen auf
diesem Instrumente zweigestrichen c sehr gut, fast im Klang eines
Naturhoms in F, gehört haben. Notirt wird für das Instrument im
F-Schlüssel.
Dieses Instrument ist von allen Blasinstrumenten das am tiefsten
reichende, von allen Bassinstrumenten das umfangreichste und behan-
delbarste. Allein sein Klang hat bei der grossen Weite des Rohrs ein
plumpes, ungeberdiges und ungelenkes, stierhaftes Wesen, das ihn hin-
dert, mit den Klängen der übrigen Instrumente zu wahrhaft einiger
Harmonie zu verschmelzen. Nur bei der Anwendung sehr grosser
Massen möchte die Tuba ais Führer des Basses und Träger des Ganzen
vollkommen an ihrer Stdle sein.
So erscheint dieses Instrument dem Sinn des Verfassers. Es muss
indess zugesetzt werden, dass man bei der jetzigen weiten Verbreituig
103
desselben yiel gesobickte Bläser aof demselben (eanientlich in der ber-
liner Kapelle ond der dortigen Gardeamsik) findet. Die hoben Töne be-
sonders sieben diesen HSnnem mit hellem , den hohen Horntönen Sbn-
liebem , nur an Folie überlegnem Klang zu Gebote; man hört das ein-
gestrichne Cy d^ e^ f^ gim erwünschtesten Hellklang. Nur bei den
tiefen Tonlagen seheint die Bändigung und Geschmeidigung der ur-
sprünglichen Plumpheit (himmelweit unterschieden von der schroffen»
aber stets edlen Gewalt der Bassposaune) nicht gleichmässig zu gelin-
gen; — und gerade die Tiefe ist es, auf die der Komponist sich we-
sentlich angewiesen sieht.
Zuletzt pennen wir
10. das Klappenhorn,
auch Kenthorn*) geheissen; ein hohes, mit Tonlöchern und
Klappen zu deren Scbluss und Oeffnung**) versehenes, hell — fast
den höhern , nicht schmetternden Trompetentönen gleichklingendes In-
strument, das diesen Umfang —
114
l^^-3^
chromatisch weiter bis
hat und in den Stimm uugen C, B und hoch Es zu haben ist.
Am besten bewegt sich das Klappenborn in den Be-Tonarten (Ton-
arten mit Erniedrigungszeichen) , auch noch in C-, allenfalls noch in
G^ und £>dur; vorzugsweise vor den andern Ventilinstrumenlen ist es
zu schnellen Figuren, diatonischen und chromatischen Läufen, auch
Trillern, besonders vor einem Nalurtone, geschickt. Indess verschwin-
det es jetzt immer mehr aus den Kapellen und wird durch PlügelhÖrner
ersetzt, die in der That nichts anders sind, als mit Ventilen versehene
Kentbörner***).
Dritter Abschnitt.
Gebrauch der Ventilinstruniente«
Die Ventilinstrumente können entweder) einzeln unter die
andern Klassen von Blasinstrumenten gemischt, oder vereinigt zu
einem Chor für sich allein, oder endlich als ein vereinter Chor in Ver-
bindung und im Gegensatze gegen die natürlichen Blechinstrumente ge-
braucht werden.
*) Eigeotlicb Ren t)i -Hörn gesebrieben.
**) Di« Erktärnn^ findet • ioh in der näebnte« Abtbeilan|^, S. 1 1 1
***) HierxQ d«r Aohaog F.
104
Der erste Fall kommt nicfat hier , soDdern erst bei den grossem
Kombinationen der vollen Harraeniemosik oder des grossen Orchesters
in Betracht. Der zweite Fall ist es, der uns hier vorzugsweise beschäf.
tigen wird. Wir fassen ihn sogleich mit dem dritten zusammen.
Ueberblicken wir die gesammte Reihe der Ventitinstrnmente , so
tritt uns in ihnen derselbe Unterschied im Rarakter entgegen , den wir
schon bei den natürlichen Blechinstrumenten kennen gelernt haben :
der Hör nk lang — und
der Trompetenkiang;
der erstere bedeckter, bohler, weicher, — der andere heller, gefüllter,
härter oder schärfer ; ,ein Unterschied, ähnlich dem der Plötenregister
and Rohrwerke auf der Orgel.
Bei den natürlichen Blechen stellen die Hörner allein das weichere
und dunklere Klangrej^ister dar^ die Trompeten und Posaunen aber
das härtere und hellere.
Bei den Ventiliostrumenten finden wir das weiche Register
durch die Ventilhörner, durch die Kornetts und chromatischen Hörner
(Tenorhorn, Tenorbass, Basstuba, Kontrabasstuba) und durch das Klap-
penhom besetzt. Es darf uns hierbei der gewaltsame Klang der Tuba
und der heller hervorquellende des Klappenhorns nicht irre machen ;
nur die Masse der in Schwingung gesetzten Luft im weiten Rohr der
Tuba und die Gepresstheit im kleinen Rohr des Klappenhorns treibt hier
den ursprünglich weichen und dumpfen Klang zu den äussersten (und
entgegengesetzten) Gränzpunkten seiner Macht.
Das harte Register wird zunächst durch die Ventiltrompeten
dargestellt. Ihnen würde sich die Ventilbassposaune zugesellen. Da
diese aber wenig verbreitet — und noch weniger wie jene zu empfeh-
len ist (weil die Posaunen bei ihrem grossem Tongeschlick noch weni-
ger der Vorrichtung von Ventilen bedürfen), so treten an ihre Stelle
natürliche Posaunen, denen auch Naturtrompeten zugefügt werden
können. Hiermit also gehn wir — und zwar unvermeidlich, wenn wir
ein nur einigermassen genügendes Ebenmaass zwischen beiden Regi-
stern herstellen wollen — zur Verbindung der Natur- und Ventilinstm-
mente über. Ebenso können dem weichen Register Naturhömer zuge-
fügt werden. Allein so gewiss diese sich zu ihrem Vortheil von
Ventilhörnem und diese wieder vom Klang der Kornette und chromati-
schen Hörner unterscheiden : so ist doch der Unterschied , zumal bei
zahlreicher Besetzung des Ventilchors , kein so klar hervortretender,
dass er auf den Karakter des Gesammtklangs wesentlichen Einfluss
äussern könnte. Es ist, als wollte der Maler zu seinem Blau noch einen
etwas hellem oder dunklem Ton, ebenfalls Blau, setzen.
Beide Chöre nun , aus denen die Ventilmnsik (mit Hinzuziehung
von natürlichen Posannen — nehmen wir an) besteht, können ebenso-
105
wohl SU einer Masse vereiaigt, als in der Form von Gegensäbsea ange*
wendet werden. Nicht blos iai letztem Fall , sondern auch im erstem
ist es in der Regel ratbsam , jeden Chor in sich vollständig harmonisch
zu setzen. Eine harte Stimme , die die Harmonie des weichen Chors
▼ervoUstindigen sollte, z. B.
115
Corno Kent
in B.
Cometlo
in B alto.
Tromba Tentile
in B.
Corno cromalico
di tenore.
^^^^^^^m
ö:ei==3is
m
i
^^
^nrj \^-i~H^=^=£=
m
^=t
^
^m
3E=*22
f?-y3~~^
würde durch ihren scharf eindringenden Klang das gleichartigere Zu*
sammenwirken der übrigen mehr stören als vollenden ; je enger sie
sich den andern Stimmen untermischte, desto härter würde sie ein-
reissen, — z. B. wenn man im vorstehenden Satze der Trompete die
zweite Stimme geben wollte. Umgekehrt würde eine weiche Stimme,
die der Harmonie des harten Chors zur Ergänzung eingemischt wäre,
nicht genügen, oder doch durch ihren dumpfem Klang abstechen und
die Helligkeit des ganzen Zusammenklangs trüben.
Diese Wahrnehmung (die — so viel wir haben erfahren können —
auch von den erfahrensten Praktikern in diesem Felde , den Militair-
Musikdirektoren, festgehalten wird) führt allerdings zu der Folgerung:
dass bei dem Verein der beiden Chöre die Helligkeit des harten Klang-
registers durch die Dumpfheit des weichen gedämpft und beides zu
einer Mitteltinte gemischt wird , in der kein Karakter zu seinem vollen
Rechte kommt. Diese mässigenden Mischungen haben natürlich ihre
ebenfalls sprechende Bedeotutig, sind dem Komponisten ebenfalls un-
entbehrlich. Allein für sie und überhaupt für das Mildere und Zartere
bieten sich — wie die folgende Abtheilung lehren wird — ganz andre
und weit günstigere Organe dar, ohne dass es nöthig wäre, den für
mächtige, hellausstrahlende, harte Wirkungen geschaffnen Blechchor
für jene Effekte abzuschwächen. So erinnert die Bedingung der richti-
gen Ventilbehandlung selbst an den Vorzug der Naturinstrumente.
Wenden wir uns indess zu dem Ventilchor zurück, so folgt ferner :
dass bei der fühlbaren Verschiedenheit des harten und weichen Chors
der Gegensatz beider nicht zu weit ausgedehnt werden darf, wenn nicht
die weich besetzten Abschnitte der Komposition von den harten zu sehr
106
verdüDkell werden sotten ; man wird in der Regel beide Cböre mit ein*
ander gebn lassen und nur im Innern des Satzes von einander onter^
scheiden. Dies macht sich im nachstehenden ersten Theil eines Kaval-
lerie-Marsches von Wieprecht*) ansebanlich. Es sind zu ihm Pan*
ken gesetzt, die wir des Raumes wegen weglassen; sie wirbeln in den
sechs ersten Takten auf es und scbliessen .sich dann der Bewegung der
letzten ^^-Trompeten an.
116. Feierlich. Grandiose. 76 halbe Takte in einer Minate.
Trombe in Ba dne. ten.
i
Iten. :
Tromba obl. ia Es. len.
L^j:nX-C-sr=^ \ l-U-^
S$m
w
^p"^^^^^b^^^--^fM^^^
Corni di lenore. I. II.
^i^SEoE
E?5
Tromb« in E». I. II.
^i
ten.
zai
p=tnn=
'f^m.
Trombo iu Es. III. IV.
Promba bassa, Ten. basso, Tnba. ten
1.«^: 1*««* P5-J^
*) Nr. 21 der bei !^eh les inf^er in Berlin in Partitur ersebieoeoeo Arnee-
maraebe.
107
len.
leu«
P^mm
ten.
s ten. t
ig
^*-^-i-
rt=tz:t
^ps^i^^f^a^^P^^
108
Hier bilden die vier ^#-Trompelen (auf der liinften und sechsten
Zeile) den harten Chor und (Ohren die Hauptstimme. Der Gegencbor
ist gemischt, doch vorzugsweise mit weichen Summen besetzt; die
Oberstimme gehört den Klappen- oder Rent- Hörnern (dritte Zeile)^
unter denen noch eine Es- und eine doppelt besetzte iS-Trompete —
in ihrer Mitte zwei fast durchweg im Einklang gehende Tenorhörner —
die Harmonie geben ; den Bass fuhren Tuba , Tenorbass und Basstrom-
pete. Beide Chöre greifen so eng in einander, dass man sie zwar unter-
scheidet, doch aber als ein Zusammengehöriges und durchaus Verbund-
nes auffassen muss, daher eben die Einmischung der Trompeten in den
weichen Chor nicht nur kein Bedenken hat, sondern noch zur Ver-
schmelzung vortheilhaft beiträgt. Zuletzt verbindet noch die rollende
Pauke beide Massen zu einer. Nach der Stimmzahl wurde übrigens der
harte Chor zurückstehn. Allein die preussischen Musikcorps der Kaval-
lerie, für welche der Marsch zunächst bestimmt ist, bestehn aus
21 Mann und besetzen die erste Trompete dreifach, die zweite und
dritte doppelt, die vierte wieder dreifach, wenn nicht einer dieser letz-
ten Mannschaft die Pauken zu übernehmen hat. Hier also wird der
Hauptchor von neun Trompeten (und die Hauptstimme darin von dreien)
gefuhrt , während der andre Chor , mit zehn oder elf Mann besetzt,
doch nur unterstützend und ergänzend eingreift*). Man bemerke, dass
im vorletzten Takte, wo die Melodie zur Vollendung kommt, die
Stimmfuhrenden Trompeten von den Kenthörnem unterstützt wer-
den, die untersten Trompeten aber in ihrer Schmetterfigur be-
harren.
Waren hier die beiden Chöre zwar in Sonderung gehalten , doch
aber dem weichen harte Stimmen beigemischt, so zeigt ein Ge-
schwindmarsch von Neithardt**) nur den harten Chor, diesen je-
doch mit zwei weichen Stimmen (aber den hellsten) unterstützt. —
*) Nicht immer sind die Stimmen wie im obigen Falle vertheilt. Die Norm
sebeint vielmehr folgende zu sein: der harte Chor, wie oben, mit nenn Trom-
peten und Pauken oder zehn Trompeten ohne Panken, die Trompeten in vier Stim-
men zu 3, 2, 2, 3 Mann vertheilt ; derweicheChor mit Cörno in B alto (zwei
Mann , meist onr einstimmig gesetzt), Cornetto in Es , RIappenhorn (zwei Mano^
einstimmig gesetzt), Tenorhorn (zwei Mann , ein- oder zweistimmig), Tenorbass,
Basstrofflpete nnd Tuba.
**) Nr. 15 der Schlesiogei^schen Aasgabe.
tot
117 Tiomb« ia C. I. n.
i
£
uiM^^
w.
^fi^^j^
^
*r
Trombeprincipali in C» I. IT,
Solo. => >
Die hohe £r-Troinpete, das erste Klappenhoni and die obersten C-Trom-
peten haben ein munter gaukelndes Dnrcheinanderspiel (vielleicht ist
der Marsch für Dhlanen oder sonst leichte Reiterei bestimmt, während
derimponirender angelegte Wi eprech t'sche vielleicht für schwere Rei-
terei in Parade) , das — wenn man das leichtentbehrliche h des Rent-
borns aufgeben will — auch mit blossen Naturinstrumenten wohl dar-
stellbar wäre ; auch im letzten Tbeil altemiren die Renthö'rner mit der
hohen C-Trompete, —
Kent-
H5rner.
110
während die andern InstninieDte in Achteln begleiten. Weniger wich-
tig scheint die F-Trompete , die den ganzen Harsch hindurch nur c-g
(f-c) wiederholt, von denen der erste Ton schon dnrch die Kentho'mer
besetzt ist. Entweder lag dem Komponisten daran, anch diesen Ton
von harter Stimme zu haben , oder es haben äussere Rücksichten mit-
gewirkt ; — so scheint es wenigstens uns, die wir uns jedoch gar sehr
hüten werden, einem so geschickten und erfahrnen Praktiker auf einem
Felde zu widersprechen , wo kein Komponist so bewandert sein kann,
wie die Direktoren der Militairchöre. Jedenfalls ist dieser Punkt für
die vorliegende Komposition nicht wichtig.
So viel, um von dem Satz für Ventilinstrumente und den dabei
hervortretenden Kombinationen eine Anschauung zu geben. Tiefer ein-
zudringen achten wir uns bei unsrer Grundansicht von der ganzen
Klasse dieser Instramente nicht verpflichtet, würden auch nach unserm
hiernach genommenen Standpunkte wenig Hoffnung haben, das Volige-
nügende zu geben ; dazu bedürfte es des Raths der erfahrnen Kompo-
i^sten für Militairchöre und zahlreicher eigner Versuche. Ist dies auch
nicht Jedermanns Sache, so wird doch Jeder Komponist wohl thun, sich
praktisch wenigstens bis auf einen gewissen Punkt mit jener Instru-
mentklasse bekannt zu machen. Es kann Niemand voraus wissen, ob
ihm nicht wenigstens einzelne Instrumente aus derselben in dieser oder
jener Aufgabe wichtig, ja unentbehrlich werden.
Vierte Abtheilong.
Die wichtigsten Sohrinstrumente.
Erster Abschoitt.
Allgemeine Betrachtungen und Lehren.
A. Struktur der Rohrinstniiiieiite.
Mit dem Namen Rohrinstrumente oder Röhre bezeichnen
wir (S. 42) alle Blasinstrumente, deren Schallrohr ganz oder haupt-
sächlich von Holz angefertigt ist. Beide Benennungen (sowie auch die
weitläufigere : Holzblasinstrumente) sind nicht ohne Einschrän-
kung treffend. Zunächst könnte man mit den erstem Namen diejenigen
Holzblasinstrumente bezeichnen, — Klarinetten, Fagotte u. s. w., —
die mittels eines Blattes oder Rohrs (Rohrblattes) angeblasen werden,
im Gegensatz zu denen, — den Flöten, •"— wo das nicht der Fall ist.
Sodann ist bei einigen hierher gerechneten Instrumenten, z. B. den
— 111 —
<
BassetUMiieni*)t eine metallne Slärze (ScbalHwcher) Migefigt) mUtAn
nicht das ganze Rabr von Holz. Endlieh werden hierher gehörige In*-
strnmente bisweilen von anderm Stoffe verfertigt, — e. B. Flöten von
Krystail, und haben wir dnrchaus netaUoe instramente (z.B. die
Opbiklei'de) hierher zu stellen gehabt, w^il sie nftdi Struktur ond Be-"
handlnng sich den Robrinstrumenten anscbliessen. Aliein bei allen
Knnstnamen kommt es zunächst auf bequeme Kürze an und ist eine
vorgängige Verständigung nicht zu entbehren..
Alle Rohrinstrumente (und die ihnen zngerechneten) kommen
darin überein, dass ihr Rohr nicht von einem Ende zum andern ge-
schlossen ist, wie das derNaturblechinstrumente, die nur im Mundstück
zum Anblasen und im Schalltrichter offen sind, — sondern dass es an
den Seiten (vorn und hinten) noch '
Tonlöcher
hat, Oeffnungeu, durch die — wenn sie unverschlossen sind, die äussere
Luft mit der im Rohr befindlichen Luftsäule in Verbindung tritt. Durch
diese Tonlöcher, die bald unmittelbar mit den Fingern , bald mit Hülfe
von Klappen (Tonklappen) geschlossen und geöffnet werden können,
ist auf den Robrinstrumenten eine (ganz oder meist) vollständige chro-
matische Tonreihe innerhalb des dem Instrument gegebnen Tonumfanj^
darstellbar ; in welcher Weise dies geschiebt, gehört nicht in den Krei^
der dem Komponisten als solchem nölhigen Kenntnisse.
Eine zweite Vorrichtung ist wenigstens der Mehrzahl der Rohrin-
strumente eigen: das Blatt (S. 12), mit dessen Hülfe sie angeblasen
werden. Das Tönende in jedem Blasinstrument ist zunächst die in ihm
eingesehlossne , durch den Einhauch oder Anhauch des Bläsers (durch
den aus dessen Mund eingestossnen Luftstrahl) in Schwingung gesetzte
Luftsäule. Dieses Anblasen der Luftsäule findet unmittelbar nur
bei den Flöten, durch ein besondres Mundstück vermittelt in den Blech-
instrumenten durchgängig, in der Klasse der Bohrinstrumente bei den
Serpents und Ophiklei'den statt.
Die andern Röhre haben in ihrem Mundstock ein am einen Ende
festgebundnes , am andern aber freischwingendes (nur durch die Lip»
pen und den nahe liegenden Holztheii des Mundstücks in der Bewegung
gehemmtes) Blatt, — ein dünngeschabtes, plattes Rohrstückchen, —
oder das Mundstück wird zunächst durch zwei über einander liegende,
am einen Ende fesigebundne Blätter (Doppelblatt)- ]gebildet. Auf
dieses Blatt oder Doppelblatt trifft der Luftstrahl aus dem Munde des
Bläsers zuerst und setzt es in Schwingung, so weit die der freien Be-
wegung entgegentretenden Hemmnisse dies gestalten. Die Schwingun-
gen oder Erbebungen des Blattes haben auf den Klang des Instru-
*) Etymologisch ricbtiser — aber schwerfälliger — würde mao Basse ttboro
sehreH>ea.
112
meats wesentlichen Einflnss; sie theilen ihm ein mehr matmelies,
mehr körniges Wesen mit, das sich von dem glattern Lnftkhng der
Flöten wesentlich unterscheidet, während bei Serpent nnd Ophiklei'de
die Massenhaftigkeit und Rauheit des Schalls den Luftklang nicht ka-
rakleristisch empfinden lässt. Dass bei dem Doppeiblatt der Einflnss
noch hervortretender ist, versteht sich. Doch hängt auch hier, wie
überhaupt, viel von der Mensur des Instruments ab; je grösser die
Masse seiner Luftsäule, — je weiter und länger das Rohr, — desto
mehr muss der Karakter des Luftklangs vorherrschend bleiben.
B. Allgemeine Karakteristik der Rohrinstromeiite.
Abgesehen von den einzelnen Unterschieden, ist der Klang der
Rohrinstrumenle glatt und weich, der Helligkeit, Fülle und auch in
einzelnen Arten einer gewissen Kernigkeit und einschneidenden Ge-
walt theilhaftig, in diesen Eigenschaften aber den Blechinstrumenten
nachstehend. Dieser allgemeine Karakter gestaltet sich indess je nach
der Tonlage , nach Weite und Gestalt des Rohrs , nach der Weise der
Anblasnng (mit Blatt, Doppelblatt, Posaunenmundstück , unmittelbarem
Anhauch) u. s. w. vielfältigst um , so dass in der Klasse der Rohr-
instrnmente eine Reihe von Individuen entgegentreten, alle von
wesentlich verschiednem, — wenn auch diese oder jene von mehr
oder weniger verwandtem Karakter. Diese verschiednen Karak-
tere können, wie sich von selbst versteht, Erstens einzeln, Zwei-
tens unter sich vereinigt, sodann Drittens mit andern Instrumenl-
klassen, z.B. den Blechinstrumenten, verbunden werden. In beiden
letztern Fällen verschmelzen sie mehr oder weniger unter einander,
oder mit den hinzutretenden Instrumenten andrer Klassen, und es geho
dann die Besonderheiten mehr oder weniger im Gesammtklang und
Gesammtkarakler des Ganzen auf. Selbst bei dieser Verwendung io
Masse wird aber noch der Karakter der Individuen je nach der Stellung
und Thätigkeit, die man einem jeden zuertheilt, unterscheidbar — und
für die Weise des Zusammenklangs mitbestimmend sein ; wie vielmehr
bei der Verbindung weniger oder dem Gebrauch einzelner Rohrinstru*
mente. Es ist daher genauere Auffassung der einzelnen Karaktere
durchaus nothwendig.
C. Behemchong des Tongehalts.
Das über die Bauart der Robrinstrumente Gesagte deutet bereits
den ungleich grössern Tonreichthum , die Vollständigkeit des Tonsy-
stems an , die wir von dieser Instrumentklasse zu erwarten haben.
Allein die Benutzung dieses Tonreichthums ist auch hier an mancherlei
Bedingungen geknüpft , die noch dazu bei den verschiednen Arten der
Rohrinstrumente vielfach verschieden sind. Im Allgemeinen —
113
das Besondre bringen wir l>ei den einzelnen Instrumenten — ist Fol-
gendes zn bemerken.
Erstens. Alle Tonleitern (oder Theile derselben) in C-, 6r-,/)*,
F- und Bivir sind, wenn nicht gar zu schnelle Bewegung gefedert
wird, auf alten Rohrinstrumenten ausführbar; ebenso Tonfolgen aus den
Tonleitern vonC-, G-, 0-, allenfalls £molly — besonders aus den nicht
streng methodisch gebildeten (Th. I. S. 501), sondern fliessender und
sanfter umgestalteten Tonleitern, z. B. dieser
c, rf, esy/jg, a, hyc—c, b, as^ g, /, es, rf, c
Cmoll-Tonleiter. Bedenklicher und mit minderer Leichtigkeit ausfuhr-
bar sind Folgen aus den Tonleitern von A- oder jF« dur, H- oder Fis
moll und noch stärker vorgezeichneten Tonarten.
Zweitens. Debermässige und verminderte Intervalle sind nicht
ohne Schwierigkeit zu erreichen, namentlich das der verminderten Sep-
time. Dagegen sind grosse Intervalle — namentlich grosse Sexten, die
bekanntlich enharmonisch gleich den verminderten Septimen sind —
leicht ausführbar. Hier , wie überhaupt, erinnert die Natur der Blasin-
strumente an die des Gesangorgans.
Drittens. Triller auf Ganztünen (dts-cü, b^-as u. s. w.) sind
theils schwer, theils ganz unausführbar. Ausnahme machen die TriUer
mit unyersetzten Ganztönen (d-c, e-d, g-f, a-g^ h-a), die alle aus-
führbar sind , wofern nicht einer von beiden Tönen auf diesem odei
jenem Instrumente zu hoch oder zu tief steht.
Viertens. Brechungen der Dominantakkorde auf G, C, Dy allen-
bUs auf Fund A sind leicht, auf andern Tönen (besonders in schneller
Bewegung) weniger bequem ; ausfahrbarer sind die Brechungen aller
yerminderlen Septimenakkorde.
Fünftens. Am gewandtesten für alle Arten von Figuren sind die
Flöten, dann die Klarinetten, weniger (besonders für sehr schnelle Be-
wegung) die Fagotte, am wenigsten die Oboen, alle diese Instrumente
mit ihren Abarten.
Secbstens. Die fortschreitende Technik aller Rohrinstrumente
bewirkt, dass Manches, was bis beute, — oder auf diesem Instrument,
— oder von diesem übrigens ganz geschickten Bläser schwer oder un-
erreichbar zu nennen war, morgen oder auf einem andern Instrument,
von einem andern Bläser wohl erreicht wird. Der Komponist tfaut da-
her wohl, nicht unnöthige Schwierigkeiten zu bieten, darf aber auch
licht allzu ängstlich gehn, wenn die Idee seines Werkes ihn nö-
Ihigt, auf die Hingebang der Ausfuhrenden — natürlich in denGränzen
ies Möglichen — zu rechnen.
D. Uebimg md Lehimefhode.
Hier treten wir also in ein weit mannigfaltigeres Leben und an
zusammengesetztere, vielseitigere Aufgaben heran, und es wird einer
Mtrs,Kaaip. L. IV. .1. Aafl. 8
114
besiifliinteQ Lehr- und Uebwigsmeihode bedörfen, mii mit möglichslcr
Sicherheit und ohne Zeitverlust in dem neuen Gebiete heimisch ed
werden.
Was zunächst
1. das Lehr- und Uebungsverfahren
belriffl, so theilen wir unsem Stoff. Wir überliefern nicht alle Rohrin-
strumente auf einmal, sondern zunächst nur die nächstnöthigen,
die zugleich die nächstzusammengehörigen und der Kern des
vollständigen Satzes für Rohrinstrumente (der sogenannten Harmonie-
musik) sind ; gelegentlich — und zwar ehe noch alle Röhre beisammen
sind — werden auch Blechinstrumente, wenn sie eben am brauchbar-
sten erscheinen , zugezogen. Die nähern Beweggründe für dieses Ver-
fahren werden sich bei seiner allmählichen Entwickelung aus ihm selbst
ergeben.
Sod^inn aber treten aus der Anschauung der Instrumente , ihrer
Verwandtschaft und Verschiedenheit gewisse
2. allgemeine Grundsätze
hervor, die uns einen begünstigenden Anhalt bieten , obwohl wir nick-
siebts ihrer wiederholen müssen, was wir längst (Th. I. S, 15) vod
allen Runstregehi gesagt und durch das ganze Lehrbuch nachgewieseo
haben: dass keine Rnnstregel die Gültigkeit eines absoluten GtsetsiAB in
Anspruch nehmen kann.
Diese Grundsitze finden wir, wenn wir die Instrumente nach ibreo
Weseeheiten
als tongebende — und
als klanggebende Organe,
ferner, wenn wir sie nach ihrer zwiefachen Wirksamkeit,
einzeln Qnd
in Masse vereint,
betrachten.
a. Die Tonregion.
Jedes Instrument gilt uns als ein selbständiges Wesen, als eine
Person gleichsam, die ihre eigenthümüehe Tonreihe, ihrTonsysten hat
und in demselben — - wie wir schon längst (Th. III. S. 354) von den
Singstimmen gesiq^t haben, die drei Stimmregionen s IGtte, Tiefe and
Hohe , dargestellt*). Wenn wir nun in den folgenden Abschrntteo er-
fahren werden, dass die versohiednen Rohrinstnunente verschiednc
Todregionen besetzen, dass z. B. die Tonreike der FagMte ans den
Rontratönen bis in die eingestrichne Oktave, die der Rlarinetlen nos
*) Dasselbe gilt von deo Blech instnimeDten ; oar war bei ihnen die Qetraeli-
tuDg unwiehtig , weil sie ohnebin nicht zu votlstSildiger Harmoniedarstellans be-
stiamt sind.
115
der kkiaen in die zwei-* uod dragesIrtokK Oktave reicht n. s. w. i so
ergiebt rieh sogleich als
erster GrtiQdsatz:
wir miissen Instromeilte verschiedüer Tonregion mit einander verbin-
den, nm unsre Romposition in günstiger Melodie- nnd Harmonielage
darzustellen.
Jede StimmregioD ferner hat bekanntlich ihren eignen Karak-
ter: die Tiefe in jeder Stimme ist minder bewegsant, minder stark und
voll (oder wird bei hervorgemfiier Stärke rauh), -^ die Höhe wird
heftiger und gedrungner, heller oder auch gellender, — die Mitte ist
die mildeste, zugleich aber klangvolle Region. Diese Karakteristik
(deren Bezeichnung hier nur sehr allgemein nnd andeutungsweise ge-
geben werden konnte) ist auf jedes Musikorgan anwendbar, in welcher
Tonregion es aach erschalle. Wenn wir z. B. dieselbe Tonfolge im
Tenor und Diskant setzen, —
so ist für beide Stimmen (Th. Ilf. S. 35S) die Tongruppe a. der tiefen,
die Tongruppe b. der mittlem, die Tongruppe c. der hohen Stimmre-
giott zugehörig. Hieraus ergiebt sich für solche Organe , deren Tonre^
gion eine Oktave (oder ungerähr so viel) auseinanderliegt, die also
gegen einander im 16- und 8-, oder im 8- und 4 -Pusston stehn, ein
sehr tiefgreifender
zweiter Grundsatz:
Instnimeute von (gleichsam oder wirklich) verschiednem Fusston oder
wesentlich verscbiedner Tonregion können sich nicht nach der abstrak-
ten Reihe ihrer Töne ablösen, ergänzen und fortsetzen*).
Zar Erläuterung geben wir hier ein einfaches Beispiel.
120
Im abstrakten Tonsystem odei^ auf dem abstrakte« Klsfier (oder ^
einem einzigen ksttniment, £. 6*. dem Violodcello, vorgetragen) bicflec
diese Zeile eine stetig emporscbreitende Tonfblge dar^ Wollte mam sMl
aber unter Organe verscbiedner Tonnegioti oder versdhi^dnen Pnssfo-
nes vertheiien, z. B. die TbidMge A. d«m Bttss oder Tenor, Fagott oder
Violoncell , — und die Tonfblge B. dem Alt oder Diskant, der Klieiri«
nette, Geige oder Oboe fibertragen: so vrürie d«^ Ganze nicht mehr
*) Derselbe Gnindsatz bitte scboD bei der Karakteristik der mSinDliclien nad
veiUieiefl Siidgatiuneit attageiproelreti wemfed Mlfea, wtat der Verf. 6s niebt —
übersebD hätte.
8*
116
eine stetige Portschreitung bilden, sondern B. worde zur blossen
Wiederholung von A. (wenn auch in höherer Region) werden,
weil es wieder in der Tiefe oder Mitte anfinge , während A. nach glei-
chem Anfang bereits zur Höhe gelangt wäre. Wollte man die stetige
Fortschreitung beibehalten, so müsste das nachfolgende Organ eine Ok-
tave höher als oben einsetzen, der Satz also sich so —
gestalten, — wobei dahingestellt bleibt, ob diese Höhe (iir jedes der
oben genannten Organe wohlgerathen wäre.
So gewiss übrigens der Grundsatz und die ihn stützende Beobach-
tung richtig ist, so hat man doch eben von ihm mannigfachen Anlass
abzuweichen , namentlich dann , wenn die stetige Fortschreitaog nach
der Idee der Romposition nothwendig, nach dem Umfang der Organe
aber in der oben (Nr. 121) gezeigten Weise unausführbar ist.
b. Das Klangwesen.
Der Klang der Rohrinstrumente hängt, wie wir schon oben (S. 111)
gesagt, von ihrem ganzen Bau, namentlich auch von der, Weise der
Anblasung und von der Grösse (Stärke) der Luftsäule ab. In ersterer
Beziehung haben wir bereits den Unterschied aufgefasst :
1. der Flöten, die durch unmittelbaren Anhauch des Bläsers zom
Erschallen gebracht werden;
2. der Serpents und Ophikleiden , die zur Auffassung des Anhauchs
ein kesselartiges Mundstück (gleich den Posaunen) haben ;
3. der Klarinetten, in deren Mundstück ein durch den Anhanch in
Schwingung gerathendes Blatt befindlich ist;
4. der Fagotte und Oboen, deren Mundstück aus zwei auf einander
liegenden Blättern gebildet wird.
Man kann schon im Voraus entnehmen , dass sich hiernach der Karak-
ter der Instrumente scheidet, dass — von den Serpents ond Ophikleiden
fiir diesmal abgesehn — die Klarinetten (als Instrumente mit einem
einzigen Blatt) den Flöten näher stehn, als die Oboen. Die Fagotte
müssten den Flöten ebenso fem stehn , als die Oboen : bei ihnen aber
wird der Einflnss des Mundstücks durch die überwiegende Masse der
Luftsäule gemildert, überdem aber der Vergleichspunkt und das Ge-
fühl des Unterschieds femer gerückt durch die grosse Verschiedenheit
der Tonregien zwischen den Fagotten , die Bassinstramente , und den
Flöten u. s. w., die Diskantinstrumente sind.
So stehn uns also schon bei fluchtigem Ueberblick vier Arten von
Rohrinstrumenten gegenüber, deren jede von den andem karakteristisch
verschieden , jede aber mit einer der andem Klassen übereinstimmen-
der, näher verwandt ist, als mit einer andem. Ohne Weiteres ist hier
anleuchtend :
117
dass die gleichen lostrainente am volikommen-
sten yerschmelzen, die einander entferntesten
am wenigsten, die einander ähnlichen oder
verwandten besser als die entgegengesetzten;
eineBeobachtong, die, so nahe sie zu liegen scheint, doch oft genag
selbst von wackem Musikern zum Nachtheil ihrer Werke aus dem Auge
verloren worden.
Der Komponist nun bedarf — und hier fiissen wir die Verwendung
für abgesonderte und Massenwirkung in das Auge — beider Formen ;
er raoss die innigste Verschmelzung, er muss eine mehr oder weniger
scharfe Scheidung oder Individualisirung der Stimmen in seiner Gewak
haben. Damit die erstere nicht gar zu sehr beeinträchtigt werde,
ist als
dritter Grundsatz
auszusprechen : dass jede Klasse der Rohrinstrumeate doppelt besetzt
werde, man also zwei Flöten, zwei Klarinetten u. s. w. zur gleich^
artigsten Verschmelzung bereit habe. Dass hiervon vielerlei Ausnah-
men stattßnden, dass man bisweilen einen Chor drei- und vierfach (wie
bei dem Blechchor Homer und Trompeten) besetzt, bisweilen nur ein-
fach , sehn wir voraus. Hierüber wird später zu reden sein.
Abgesehen von der doppelten oder mehrfachen Besetzung einer
Instrumentklasse tritt für grössere Massen Verschmelzung aus der obigen
Betrachtung ein
vierter Grundsatz
hervor : die gleichartigen oder näher stehenden Instrumente vereinigen
sich und verschmelzen am besten. Es vereinigen sich also z. B.
Flöten und Klarinetten
besser, als Flöten und Oboen ; ferner vereinigen sich besser
Klarinetten und Fagotte,
weil der Unterschied des einfachen und Doppelblatts durch die grössere
Luftmasse im Fagott ausgeglichen und durch die Entlegenheit der Ton-
region weniger fühlbar gemacht wird.
Diesem Grundsatz steht als sein Gegenüber der
fünfte Grundsatz
zur Seite : entgegengesetzte Instrumente unterscheiden 0Bh besser von
einander, als gleichartige oder verwandte; Flöten z. B. und Oboen,
oder auch Oboen und Klarinetten bilden eher einen Gegensatz zu ein-
ander, trennen sich und stossen sich zurück, als dass sie sich einigten
und verschmölzen.
Zuletzt fassen wir das Wesen der Blasinstrumente im
Ganzen zusammen. Sie haben insgesanmt selbst bei dem zartesten
Anblasen ganz bestimmte Intonation , jeder ihrer Töne tritt ganz deut«
lieh und kenntlich auf: sie haben gesättigten und füllenden, an sich
118
seU>er sebon den Hörer befriedigenden , zudem durcb Ansebwelleo und
Abaehmeii ttocb böbier beseelten und oacb «einem ganzen Wesen der
manschlieben Stmne verwandten Klang. In diesem f osiiiren Wesea
ist es begrandet, daas der Inbait, den der EAmponist aetnen Bläsern
giebt, viel ent6cbiedner,deiitiicber«fid€uigreifend«»r bervortreten mnas,
als auf den Saiteniafttnuneiiieo notbwendig ist. Auf Klavier und Harfe
mischen sich die Stimmen leicht in einander , auf den Strei«haos4mmeii-
ten iei zwar aefar entsobiediMr , — aber auch ßebr iiabestimmter,
vierschwimiDendeF Ejffiaiz möglieb» und diireb ihn kanoliaaebes gemil-
dert oder der AuflSassung entzogen werden» was in der Harmoniemusik
mit «nerbiltlicber DeuUicbkeit beraustriu.
Hieraas ergiebt sieh der
sechste Grundsatz:
es darf in den Bläsern nicht leieht etwas gesetzt werden, das man nicht
deatlieh vemehmca lassen wiiL Bedenkliche oder auch unsangbare
Siiramfubnuigen 9 regelwidrige Auflösungen, ufigünslige Akkordlagen
oder auch nur schäHere Widersprüche des Akkordes mit länger blei-
benden oder sonst wiUknhrlich zutretenden Tönen sind in den Bläsern
weit geTäbrlisher, als in den Saiteniustriimenten ; die natumäch*
sten Bildungen und Führungen (Th. I. S. 275 und 571) bab^B
for die Lnftnatnr der Bläser — im Aligemeinen und abgesebn von allem
besondeni Inhalt und der ans ihm bervortretenden böhern Notbwen-
digkeit — den Vorzog.
Mit diesen Vorbegriffen gehn wir nun wieder zur Praktik über.
Instrumentkennlniss und Verwendung der erkannten Instrumente zur
Romposition, wenn auch nur zu kleinern, gleichsam versuchweisen
Sätzen und leichtem Aufgaben, müssen nun mit einander wechseln, bis
die ganze Harmoniemusik beisammen ist.
Zweiter Abschnitt.
Kenntai»» der Ktarinette uDd de« Fagotte.
^ A. bie Klarinette,
Die Klarinette hat ein aus einem Mundstück (Schnabel mit Blatt
und Bim), Mittelslnefcen und einem SefaaUtrichter (Beeher) zusammen-
geseüstes, in gerader Richtung fortlaufendes, ziemlich weites Rebr, auf
dem mittels Tonlöcher und Klappen eine vollständige ehromatiseheTon*
reihe herv4>rznbringen ist. Man bedient sieh dieses Instruments in meh-
rem Stimmnngen. Wir gehn daher, wie bei den Trompeten «nd Här*
nera, von einer dieser Stimmungen , der in C (die ihre Tfine so an-
giebt, wie notirt wird) als der
119
NormaUKiarinelte
aus.
Die (Normal-)Klarinette hat einen Umfang von
122
chromaliacK bis :£" l^ «ucK :(:
-IJl-±±i.
n
ja selbst bis zam viergestrichnen c. Diese äussersle Höhe steht jedoch
nicht jedem Bläser sieber und wohlklingend zu Gebote ; man tbnt wohl,
im Orchestersatze nicht über das dreigestricbne c oder dj höchstens e
oder^ hinauf zu gehn.
Innerhalb dieses Tongebiets ist die Klarinette Fähig, jeden Ton, so
lange der Athem des Bläsers reicht, stark oder sohwach ansae^halten,
aus leisem Anhauche bis zo bedeutender Püfle anschwellMi und
abnehmen zn lassen , einen Ton schnell und oft 211 wiederholen»
Arpeggien (besonders grosser Dreiklänge und Dominantakkorde),
diatonische — auch chromatische Läufe, gebunden nnd gestossen,
in grosser Leiehtigkeit nad Schnelligkeit aaszufubrea , in langsame-
rer Bewegang auch Spränge innerhalb einer Dezime und noch viel
weiter zu machen, Triller in grosser Schnelle und Ab- oder Anschwel-
len, Porte und Piano, meKsma tische Figuren in .jeder Form der Bin-
dang und Absonderung hervorzahringen ^ karz, es stehn diesem Instm-
ment fast alle Tonbewegungen und Verbiaduagen zu Gebote., — wenn
auch allerdings einige weniger leicht und günstig ab andre. In diesier
Hinsicht bemerken wir Folgendes.
Im Allgemeinen ertönt die Klarinette am reinsten oad ist am
brauchbarsten in ihrer orspränglichen Stimamng , z. B. die oben aage^
führte Normal -Klarinette in Cdur. Je weiter sie sich von dieser
Stimmung, von ihrem Haaptton, entfernt, desto anreiaer wer^
den ihre Scalen. Muss ne aber in neue Toaarlea äbergeffelhrt wer*
den, so bewegt sie sich beqaemer und sichrer inBe-Tonarten, am besten
bis zu drei Been (also Es inr oder Cmoll), and auf der andern Seite
bis zu zwei Kreuzen (also bis zu D^dar oder /if moll). Dies ist keines-
wegs 00 zu verstebn , als war* es der Klarhette namöglich , sich in
Tonarien mit mehr Been oder Rrenzea zn bewegen ; man mnss sich
nur, wenn sie in solchen Tonlagen wirken soll ^ auf ruhigere nnd eia-
fächere Tonfolgen beschränken uad alles Schwierigere noch sorgfältiger
meiden.
Besonders sind naehfolgende Teaveririffdangen —
lö^^ÄÖ
120
nicht gut zusammenzuschleifen und sclmell xn wiederholen (a. ist etwas
leichter, b. schwerer), auch nachfolgende Triller —
tr ^ tr ^ tr ^^ tr ^^ rr .. tr .. tr tr
^q{J^|2^t^^^F^|tf
theils unausfahrbar, theils schwer und ungünstig; indess im schnellen
Ueberhingehn , z. B. in diatonischen oder chromatischen Läufern oder
Arpeggien, wird das Stocken auf diesen Punkten nicht auffallen, beson-
ders wenn man die Stelle durch andre mitgehende Instrumente deckt.
Ueberbaupt hängt hier viel mehr noch wie anderswo von der Geschick-
lichkeit des Bläsers ab , da die Klarinetten nicht einmal ganz überein-
stimmend eingerichtet und durch einzelne Abänderungen bald die eine,
bald die andre Schwierigkeit beseitigt wird. Im Allgemeinen kann man
jetzt innerhalb des bequemen Tonumfangs alles Sangbare und Fliessend-
bewegte schreiben ; .nur bei besonders hervorstechenden oder entschei-
denden und bei eigenthumlich gebildeten Stellen ist mit Vorsicht zu
Werke zu gehn und lieber ein Nebenzug im Satze zu opfern, als etwas
Unausführbares oder ungünstig Herauskommendes zu wagen.
Die Schallkraft der Klarinette ist nicht durchaus gleich. Die
drei tiefsten Töne (klein e, f,ßs) sind stark, das folgende kleine g
schwächer, klein gü wieder stärker, klein a schwächer, klein6,A, ein-
gestrichen c, eis stärker, die Töne von da bis etwa zum eingestrichnen
b sind wieder stiller, von da bis gegen das zweigestrichne b voller und
klarer , die höhern härter und gleichmässiger. Auch hierauf ist indess
nicht zu ängstlich und zu sehr in's Einzekie gehend Rücksicht zu neh-
men. Vor allen Dingen ist es Aufgabe des Spielers, seine Tonleiter aus-
zugleichen, indem €v die schwachem Töne zu stärken, die hartem zu
massigen sucht; man kann also, in Rechnung hierauf, Läufer und andre
Figuren, besonders aber getragne Melodien, von den tiefsten Tönen bis
gegen die Höhe hin in gleichmässigem Grade des Forle oder Piano und
in jeder vom Sinn der Komposition bedingten Form des Ab- oder Zu-
nehmens fodern. Sodann entspricht die grössre Heiligkeit und Härte
oder das Gellendere der hohen Tonlage dem allgemeinen Sinn der Ton-
höhe und Tontiefe in aller Musik (Th. 1. S. 22), wird also den Inten-
tionen des Komponisten in der Regel nur zu Hülfe kommen , selten
widerstreben. Dann endlich wird sich bei der Einfnhrang in die Kom-
position immer deutlicher ergeben , dass der Klarinette in den meisten
Fällen schon von selbst die ihr günstigste Tonlage zugewiesen und die
bedenklichere meistens durch andre Instrumente verschlossen wird, die
121
in der Höhe ibre bequemere, oft ihre einsig wirksame SleUang findeii.
Sollten also Slellen, wie diese —
Andante«
ten. ,ten. ten.
Allegr
aDSgefiihrt werden, so wurden sie auf der Klarinette hell, ja gellend
und wild heraustreten , während andre Instrumente , z. B. die Flöte,
sie auch sanft hervorbringen könnten. Es friige sich daher, ob das Er-
stere oder das Letztere dem Sinn der Romposition entspräche ; im er-
stem Falle, besonders bei wilden, starken Tuttisätzen, wäre die An-
wendung der Klarinette wohl zu rechtfertigen ; in den meisten Fällen
würde sie zu grell hervortreten, die andern hohen Instrumente (Flöten,
Oboen) von der ihnen vorzugsweise eignen Stelle verdrängen oder
überschreien. — Was in Konzertsätzen statthaft sein kann, ermisst sieb
nach der vorzüglichen Geschicklichkeit der Virtuosen , die nicht blos
über höhere Tonlagen sichrer gebieten , sondern auch (wie wir von
Hermstädt, Bärmann, I.Müller und so manchem jungem Mei-
ster gehört) die höchsten Töne zu sänftigen und zart zu verschmelzen
wissen.
Üebrigens ist die Klarinette bis zu den hohem Regionen einer
Mässigung bis zum leisesten Hauche fähig , wie ausser ihr von allen
Blasinstrumenten nur noch das Hörn, und auch dies nur in seinen gün-
stigsten Tonlagen.
Auch der Klang der Klarinette ist nicht durchweg ein ganz glei-
cher. Die tiefsten Töne (besonders die oben als stark bezeichneten)
treten im Forte leicht mit einer gewissen UeberfüUung — man möchte
fast sagen: blökend — hervor. Damit soll aber keineswegs etwas
durchaus Hässliches oder gar Unverbrauchbares bezeichnet sein. In der
ohnehin durchaus phantastischen Instramentenwelt braucht man allerlei
Farben und Klänge, und oft die wunderlichsten ; und so hat namentlich
und zuerst K. M. v. Weber die tiefsten Klarinett*Töne zu unheim-
liehen, koboldhaften Effekten benutzt. Gemildert haben dieselben Töne
etwas gläsem oder wasserhaft Durchschimmerndes, eine gewisse Hohl-
heit des Klanges, die ebensowenig wie der Forteklang von irgend einem
andern Instrumente wiedergegeben werden kann. Die eingestrichne
Oktave (besonders von d oder f an) hat bedecktem , etwas dumpfen,
aber sehr sanften Klang ; in der zweigestrichnen Oktave gewinnt das
Instrument immer mehr Helligkeit und Glätte und wird dem luflartigem
Flötenklang ähnlicher, jedoch mit grosser Ueberiegenheit an immer ge-
122
druDgMer PiBIkraft*). Legt man im mit tiesen Häekticbtei ehe K\m*
rinettstimme so an , dass sie sich vorzagsweise in der klangvollem Re-
gion hält, aus der stillern Tiefe sich wieder in jene erhebt, auch wohl
yermöge ihres grossen Tonumfangs in die böchs^ii Tonlagen auf-
schwingt und die Kraft der tiefsten Töne gelegenüicb mit benutzt : so
nimmt das Instrument im Ganzen einen Rarakter von sinnlicher Fülle,
von gefühlvoll edlem Wesen, auch von Ceppigkeit und Wildheit an, der
es als das gebietende und vorherrschende in der Klasse der fiöhre be-
zeichnet. In seiner sinnlichen Fülle und Anmutb hat Mozart es oft
(in den Opern) konzertirend angewendet.
Endlich ist noch zu bemerken, dass einige Tonarten der Klarinette
ganz besonders zusagend sind ; und zwar nicht blos leichter ausfuhr-
bar, sondern auch geeignet, ihrem Karakter eine eigne oder günstige
Entwicklung zu geben. So gewinnt die Klarinette in der Tonart Adur
einen eigenthümlichen zarten Klangt dasselbe gilt von Cmoll. In Gdnr
wird der Klang heller und frischer, in J9dur schärfer und etwas
schreiend. Die Mitte zwischen B- und 6dur würde etwa Fiar sein,
während Cdur kalt klingt. — Wir werden gleich auf den Karakter der
verschiednen Klarineltarten zu sprechen kommen, auf den weichern
der ß' und den härtern der C-Klarinelte. Eben hier nun lässt sich die
Einwirkung der Tonart ermessen. Eine C-KIarinetle in ^dur gebla-
sen nähert sich der weichen Fülle der ^-Klarinette , während eine
i}-Klarinette in Cdur geblasen (Vorzeichnung von Dinr) sich der
Härte der C- Klarinette nähert.
Um nun «die Klarinette überall möglichst bequem und vortheilhaft
anwenden zu können, hat man sie von verschiedner Grösse gebaut und
dadurch verschiedne Stimmungen oder
Arten der Klarinette
hergestellt. Die gebräuchlichsten und in jedem Orchester zu fodern-
den sind
1. Die y^-Klarinette;
ihre Noten ertönen eine kleine Terz tiefer, also —
126
f^7=t:^ ertönt wie |~7 p ^
2. Die i7-Klarinette$
ihre Noten ertönen eine Stufe tiefer, also —
127
'^-^ r T= ertönt wie ^^_^_.
•) NienMd Upd PMbr, ak der Verf. Mlbcr, 4m$ Uoeigeatlicke, Uo««liB§-
liebe, Uofiehre aller hier und aaderwärts gebravchteo Beieichova^a aod Gieieh-
nisse empfiodeo. Allein er mvss wiederholen, was schon S. 4 voraosgesast worden :
die Sprache hat keine genügenden Aasdrocke, es können nur Andeutungen gegeben
werden , zu deren VerstMadniss eine vielfiiftigt an<f genave WahmebnraBg «der
Baabaebtaag aaerlKseHabe Vorbediagsag i«t. Mehr »darMssikwisfeasabaft.
123
3. Die C-Klarinette
f die wir als Normal-Klarinette angeDommen haben), 4eren Noten erttf-
nen, wie sie geschrieben find.
Passen wir zunächst diese gebräuchlichsten Artep znsaiQ«ep« s«
zeigt sich in Bezog auf Stimmung Folgendes.
Die A-Klarinette ist am geeignetsten für alleBe-Tonarten; ohne
Vorzeichnung stellt sie Adur, mit einem Rrenz JPdur , mit einem Be
Es dur, mit drei Been Des dur dar.
Die ^-Rlarin e tte ist am geeignetsten für Kreuz-Tonarten ; ohne
Vorzeichnong stellt sie ^dnr dar, mit einem und zwei Kreuzen £- und
ÜTdnr, mit einem und zwei Been D- and C?dur.
Die C- Klar] nette wird noch bequem genug bis Es- und 17 dur
gebraucht werden können, wenn man nicht die andern Klarinetten an-
wenden will.
Die Parallelmolltonarten sind überall ebenso zu verthei-
len ) nur darf man nicht vergessen , dass jede einen in der Vorzeioh»
noiig nicht ausgedruckten erhöhten Ton hat.
Die Behandlung dieser drei — sowie aller übrigen Klarinettarte»
ist eine ganz gleiche. Aber eben desswegen ist auf der einen Klarinette
leicht und wohl zu erlangen, was der andern weniger gut gelingt.
Der Klang ist dagegen auf den Klarinettarten merkenswerth ver-
schieden, und so auch die Schallkraft. Dies wird nicht blos durch
die verschiedne Länge , sondern auch durch die engere oder weitere
Mensur des Rohrs bewirkt. Die ^-Klarinette, deren Rohr das
längste und weiteste unter den hier genannten Arten ist, erklingt sehr
sanft; ihre Töne treten etwas dumpf, verblasst, gleichsam farbloser und
bohler hervor. Die A-Klarinette, etwas kiirz^ und enger von
Rohr, hat vollem und safUgem, dabei aber noch sanften und weichen
Klang. Die C- Klarinette hat ein schon erheblich engeres und kür-
zeres Rohr, daher auch hellem, schon etwas spröden oder harten
Klang, Dass in allen Rlarinettarten die Schallkraft gesteigert und ge-
mildert werden kann und sie (wie der Klang) sich in den verschiedneo
Tonregionen verschieden modifizirt, versteht sieh nach dem S. 122
Gesagten von selbst*).
*) Viele RlariMCtiatea Mbenea dieBlirteder6?'-<rinettsimOpehester8pieIaB4
neboen statt ihrer ei gen mächtig die /?-Klarioett6 zar Hand. Dies kaoo »iebt
gebilligt werdeu. Mao nass v4N>aassetseo, dass der Benpeaiit oieht oboe Bedacht,
dass er mit RBeksicht aof dep Kärakter seioer Kosi^ositioa dke Klarinettsrt be-
stiiiuBt habe — nod darf ihn io dieser seioer lotentioo nicht beeiotrichtigen, indem
man eine andre Art des Instruments unterschiebt. Mozart bat zu seiner Titos-
Oavertfire (bekaantlieb C dar) Ü-Rlariaetten statt der näher liegenden T-Klarinet-
tan geseint, weit ibm der weiebere «nd dabei inrtlere , ippigerc Hlaag derselbea fSr
diese Remposition BMbr zusagte. So gewiss ar dabei in seinem Reebte war, so gu>
wiss iLann ein andrer Komponist in der Stimmung seines Werks Grande finden, statt
d«r (rielleieht sogar aftbar liegeadaa) B- oder i^-Klari netten £?-Riarinetten zu
wählen.
124
Ausser diesen gebriiacUiolisten Rlarinettarien sind , besonders in
IGlitair- und Hamoniemusik,
4. die j&«-RIarinette,
deren Noten eine kleine Terz höher (also zweigestrichen c wie zwei-
gestrichen es) ertönen, und
5. die F-KIarinette,
deren Noten eine Quarte höber (also zweigestrichen c wie zweigeslri-
oben/) ertönen, fast überall zu haben. Die J?f -Klarinette bat, beson-
ders in der hohen Region, einen harten, gellenden Klang, ist auch
wegen der engern Lage der Tonlöcher und Klappen etwas schwerer zu
behandeln. Alles dies gilt in noch höherm Grade von der noch enger
mensurirten F-Klarinette*;.
Eine besondre Art der Klarinette ist noch zu erwähnen :
6. Die Alt-Klarinette.
Sie ist grösser und unter dem Hundstück in einem stumpfen Winkel
nach unten gelenkt, damit ihre Behandlung durch die grössere Länge
des Rohrs nicht erschwert werde. Behandlung und Tousystem ist dem
der Normalklarinelte gleich, nur dass das letztere eine Quinte tiefer
steht, der tiefste Ton also nicht klein e, sondern gross ^ ist. Sie wird
eine Quinte höher im C-Schlüssel notirt, so dass also die Noten —
3^
128
fei^
=Cfi:
rt
diese Töne
bedeuten**).
Eigenthämiich ist, dass Sponti ni in seioen drei berii fam testen Opero (Ve-
stalin , Rortez , Olympia, — die Pariitareo der spMtero siod dem Verf. nicht be-
kannt) tnnr C-Klari netten gebraucht (und zwar selbst za den sanfftesteo Sützea),
auoh nirgends aogedeutet hat, dass er eine Uebertraguog auf if- oder i^-Klarinetien
will. Die Gewohnheit der damaligen pariser Orchester, anf die man sich hierbei
bemfen hat, kano wenigstens nicht alleio den Anlass gegeben haben, da Spootini
frühzeitig neben Glnek schon Haydn und Mozart gekannt hat. War diese Weise
nicht wenigsteos zum Tbeil Folge seines eignen, vorzngsweise anf das Heroische
(wir möchten sagen : Napoleonisch-Militairische) und Starke hiogewendeten Sinnest
— dieses Sinnes, der ihn hoch emporgetragen in den heroischen Jahrzehnten und
der nachher, in der Restanrations- und Rokoko-Periode, nicht mehr allgemeinea
Anklang finden konnte T
*) Noch andre RlariBettarten , — die I^-Rlarinette , deren Noten eine Stufe
höher ertSoen (c als d), die J^Rlarioette , deren Noten eine grosse Terz höher ertö-
nen (c als 0), die (7-Rlarinette^ deren Noten eine Qninte höher ertönen (c als ^), die
^i-Rlarinette, in der dieNote~e als äi, eine kleine Sexte höher, ertönt, dieüf-Rla*
rinette, deren Noten eine halbe Stufe tiefer ertönen (c^alaA), — ilbergehnwir,dasie
nur an einzelneu Orten gefunden werden , mitbin der Romponist nicht wohl thnu
würde, auf sie zu rechnen.
**) Eine zweite Art der Alt-Rlari nette steht eine Quinte tiefer, als die ^-Rla-
rinette, so dass die Noten —
125
B. Bas Fagott.
Das Pagott besteht aus einem im Verhältniss seiner Länge nicht
eben weit mensorirten Rohr, das der bequemern Handhabung wegen
ans zwei nnterwärts verbundnen Rohrstücken besteht, mit einer blossen
SebaUöffbttng nach oben. Von diesem Hauptrohr, dessen Länge den
Grandton des Instruments bestimmt und das mit Tonlöchem und Klap-
pen versöhn ist, fuhrt ein enges, in Gestalt eines S gebogenes Metall-
röhr (das S genannt) zu dem eigentlichen Mundstück , das durch zwei
aber einander gebundne Blätter (ein Doppelblatt) gebildet wird. Dieses
Doppelblatt empfängt im Munde des Bläsers den Luflstoss , die Metall-
rohre leitet den Luflstrahl , das Hauptrohr empfängt ihn und bestimmt
den Ton, während alle genannten Theile Klang und Schallkraft be-
dingen.
Das Tonsystem des Fagotts ist folgendes —
130
ST
&
Ton hier chro- D? *
matUch bis
.^.ILu chrom. his .^.chrom. bis
^
Se
^
"W^r^
ond wird im F-ScUussel, in den hohen Tonlagen im Tenor-, ja allen-
falls fiir die- höchsten Gänge im C-Schlüssel notirt.
Die Töne Kontra-Zf und gross Cis fehlen auf den altem
Instrumenten ; auf neuern sind beide Töne — oder auf andern wenig-
stens das grosse Cis durch besondre Klappen erreichbar gemacht, wäh-
rend ein Theil der Fagottisten diese Klappen dem Instrumente nicht
vortheilhaft erachtet. Beide Töne sind auch, wenn die tiefem voraus-
gegangen, —
aus diesen mit schärferm Anblasen hervorzutreiben (B und C werden
hinaufgetrieben bis zur nächsten Halbstufe) , können aber dann nicht
Bö sicher, rein, sanft und wohllautend gegeben werden , als ursprüng-
lich gegriffne Töne. Man thut also wohl, auf diese Töne, besonders
auf Kontra-/r, nicht zu rechnen, sie wenigstens nicht als unbedingt
nothwendige zu setzen, sondern nur da, wo der Bläser statt ihrer die
129
i^^
w
diese T6oe
bedenteo. Sie ist, so viel wir wissen , in Deatsebland sellner zu flnden ; beide Ar-
ten mäfsten mit dem Znsatz (Clarinetio alto oder egntf^alto) in C — in if anter-
lebieden werden.
Hierxa der Anbang G.
12«
höhere Oktave nehmcD kann » oder andre Instramente den Ton» der
auf den Fagotten vielleicht ausbleibt, geben.
Auf der andern Seite sind die hohen Töne des Fagotts schwer
ansprechend, weil das Zusammenpressen der Lippen anstrengt nnd das
Blatt, wenn es für die Tiefe gut, das heisst dünner und weicher ist, die
för die Höbe nöthige Steifigkeit nicht hat. Man tbnt daher wohl , im
Orchester nicht — oder nur selten und nothgedningen über das ein*
gestricbne g^ a oderA hinauszugehen, selbst den Solosats nicht
leicht höher hinaufzufuhren und die genannten Töne (g^ Ot b) i^icbt
piano oder für sehr zarte Stellen zu fodern, auch nicht zu lange und
oft aushalten zu lassen» Die Töne der zweigestrichnea Oktave sind
nur für Virtuosen zu setzen.
Innerhalb der hier bezeichneten Sphäre nun ist das Fagott sowohl
zum Aushalten im Piano und Forte , Ab- und Anschwellen aller Töne
(nur die tiefsten geben , wie die höchsten, nicht leicht ein Pianissimo
her), als zu schneUer Tonwiederhoiung, zu gebundnem*) und gestoss-
nem Vortrag nnd rascher Bewegung in diatonischen, chromatischen
Läufern , harmonischen Figurationen aller Art und weiten Sprüngen,
wenn sie nicht gar zu sckaeli erfolgen (nicht schneller ala Achiel im
AUegrOj höchstens Sechazehntel im M^derato), geschickt. Auch Tril-
ler stebn ihm überall — am günstigsten zwischen dem grossen G und
eingestrichneny — zu Gebote; nvr folgende —
isa
3E
if
fr
^g*?l*lf=^*s5*^*^Vi#
m
E
^ t II fy. n-^
sind — zum Theil schon wegen fehlender Töne — unausführbar,
werden auch in solcher Tiefe selten begehrenswerth erscheinen; und
folgende —
134
^
tr , tr .. tr , tr ,, ^tr .. ^tr ... fttr .. rtr ..
Jf S ■■ »J,
^fe
sind schwer ausführbar.
*) Ifnr siad nindnasen von noteo nach oben in folgenden Flfpifea —
127
Am bequemsten sind dem Fagotte die Toaarteii bw zu drei Been
oder Kreuzen, also von Es inr bis ^dur und deren Parallelen.
Die tiefsten Töne, Kontra-^, gross C undl^, und voll, starik, von
etwas raabera Klang; bis zum grossen B bleibt der Klang ziemlieb
gletebmässig stark und voll, von da bis znm kleinen b ist er stiller nnd
dampf, gleichsam verschlossen wie der Gesang einer Bassstimme mit
verschlossnen Lippen; dann wird er allmählicb wieder gedrungner nnd
stärker, gewinnt aber schon vom eiogestrichnen e oder y* ein gepresalea
Wesen , das in den höhern und höchsten Tönen noch fühlbarer hervor-
tritt und leicht den Karakter übertriebner Sentimentalität annimmt,
wozu dann die Stille und Dumpfheit der kleinen Oktave wohl stimmt.
Den tiefen Tönen ist dieser Karakter weniger eigen ; sie treten voller,
auch bei kurzer Angabe härter hervor und können dadurch bei unbe-
dachtem Gebrauch leicht auffällige oder komische Wirkung haben, da
dem vorherrschend bleibenden stillen Wesen des Instruments das plötz-
liche Hervorplatzen kurzer vereinzelter Töne nicht angemessen er-
scheint.
Eine besondre Art*) des Pagotts ist
das Kontrafagott,
das von gleicher Bauart und Behandlung ist, auch gleich notirt
wird, dessen Töne aber eine Oktave tiefer erscheinen, als die gleich
notirten des Fagotts, so dass die Noten —
135
^ f f'^^ f ' diese Töne ^""-' ~^ — ^^^='- '^
-l- -I J- ■ -H —
bedeuten.
Kontra*/} und gross C (nämlich den Noten nach — in der That
also die tiefere Oktave der genannten Töne) sprechen zu schwer und
sobleeht an ; dasselbe ist der Fall mit den Tönen über dem kl^en 6
oder höehstens eingestrichnen d (den Noten nach , in der That das
kleine </), so dass man wohl thul, das Kontrabgott nur in dem Um-
fange von
oder fy o(l«r
136
=j-t— — ^ (ertgntals^=^ ^)
anzuwenden.
Die Töne dieses Instruments sprechen — besonders in der Tiefe —
langsamer an, lassen daher keine schnelle Bewegung — nicht gern
*) Siaeandr«, «b#r ii«r «a wenigca Ortea iiblicb« Art ict doTeiior- 9in
Q«i»tf«gott,da8 MBQ Quinte höher steht, ee dus s. B. die Noten freie J9, F, M
ertSnee als groM ^, klein e n&d/.
128
eine schnellere , ak Achtel im Moderato — zu, die auch fSr den Ra-
rakter des Instruments nicht passen würde.
Der Klang desselben ist dem Fagottkiang gleich, nur weniger glatt,
gleichsam weniger konsistent ; man fShlt besonders bei den tiefen Tö-
nen noch die Luftschwingungen oder Erzittemngen durch , deren
Samme den Ton ergiebt. Dass das Geschick des Bläsers und des In-
stmmentenbauers dem Klang erhöhten Voll* und Wohllaut geben kann,
versteht sich hier, wie überall, von selbst»^
Dritter Abschnitt.
Der Satz fttr Klarinetten und Fagotte.
Für unsre ersten Uebungen vereinigen wir nun Klarinetten und
Fagotte, — und zwar nach unserm dritten Grundsätze (S. 117) zwei
Klarinetten und zwei Fagotte.
Schon in Hinsicht auf das Tonische, auf Melodie und Harmo-
nie , erscheint diese Wahl — wenn es einmal methodisch rathsam ist,
mit der geringsten zureichenden Inslrumentzabl*) anzulangen — ge-
rechtfertigt , da diese zweimal zwei Instrumente die Möglichkeit vier-
stimmigen Satzes darbieten, da durch sie Tiefe und Höhe besetzt wird
und ihr Tonsystem besser ineinandergreift (Klarinette und Fagott haben
mehr als 10 gemeinsame Tonstufen), als das höher und tiefer liegender
Instrumente, z. B. der Fagotte (oder gar Kontrafagotte) und Flöten.
Auch das schadet nicht, dass die Schall kraft der Klarinette der des
Fagotts im Allgemeinen überlegen ist $ denn die Klarinette lasst bis auf
ihre höchsten Regionen einen bedeutenden Grad von Mässigung zu und
in den meisten Fällen , namentlich im homophonen Satze , kann ein —
nur nicht übermässiges Vordringen der Oberstimme günstig wirken.
In Hinsicht des Klanges nähern beide Instrumentarten (S. 117)
sich einander mehr als Fagott und Oboe oder Flöte. Beide haben wei-
chen, luftvollen, runden Klang $ wenn die Klarinette in der Höbe gellen-
der und üppig wird , so nehmen die hohen Töne des Fagotts dringen-
dem, gepressten, — in ihrer Art also auch leidenschaftlicher eindrin-
genden Karakter an.
Unsre Uebung nun, an die sich die weitern Betrachtungen bangen,
beschränkt sich auf leichte, höchst einfache Sätze, — gleichsam blosse
*) Boi Trompetea und HSrnero konoten wir schon mit zwei Instrameoten ab-
fansen , weil der RliDg und die Sehallkraft dieser InstnmieDte io sich mSohtiger
■od daram befriedigender ist und bei ihnen ohnehin nicht auf YolLstÜndise Hanao>
niedarstellnns, sondern nur auf Nsturharmonie (Tb. 1. S. 67) aassesaasieB wird.
129
Peder|»*obeii , — bei denen es durchaus nicht auf geistigen oder
kÜDStierischen Crehalt ankommen darf, sondern schlechterdings nur
darauf.
Klang und Wesen der Instmmente vor der Seele zu haben
and aus ihnen heraus zu setzen.
Wir müssen den Instrumenten zu Willen sein, ihnen dienen , damit sie
später auch uns willig und förderlich werden.
Bei zweimal zwei verwandten Instrumenten tritt kein einzelnes
mit Entschiedenheit hervor. Die Oberstimme (erste Klarinette) liesse
sich als Hauptstimme mit Auszeichnung behandeln ; aber dann blieben
drei, und zwar untereinander ungleiche Instrumente zur Begleitung
übrig, von denen das oberste (die zweite Klarinette) eher geneigt wäre,
mit der Hauptstimme, als mit den Unterstimmen zu verschmelzen. Diese
Betrachtung weiset auf den Standpunkt, auf den sich die ersten Uebungs-
sätze beschränken müssen. Es können nur
A. eiifaclie Sitxe mit fenehmolneii Stiamen
werden.
Wir wählen die weichen und dabei doch vollklingenden ^«Klari-
netten statt der verblasnen A- oder härtern C-Klarinette. Nach unserm
dritten und vierten Grundsatze (S. 117) werden wir, soweit sich beides
vereinigen und auf den gegebnen Inhalt anwenden lässt, zunächst jedes
Stimmpaar für sich zusammenhalten, zugleich auch beide Stimmpaare
verschmelzen müssen. Versuchen wir es zunächst an diesem Satze:
137 <
^^
^J^E^^EdE
rf^T=^=*i=^
Wir worden ihn nicht so, wie er hier gesetzt ist , auch nicht in enger
Harmonie —
188
Clarinetli |
in B.
^rtr^ijj:^
FagottiJ
aAaAAa
^^^
^
^
I
billigen können, — hier wie überall von besondem Intentionen des
Komponisten oder einwirkenden Verhältnissen abgesehn. Denn in
Nr. 137 liegen die Instmmente zu vereinzelt (and die Klarinetten bei a.
Marx, Koiip.L. IV. S. Anfl. 9
130
2a weit von eioander geschieden) , «is dass sie einen VoUklang oder
wahrhaft verschmelzenden Zusammenklang bilden könnten; bei Nr. ll\S
aber würde das hinaufgetriebne erste Pagott sich störend hervordrän-*
gen und das Klarineltpaar für sich allein bei b. keinen guten Zusammen-
klang haben , weil seine Stimmen ungleich gehn und keine fliessenden
Intervalle (Terzen nnd Sexten), sondern der Fortführung uniahige
Quarten und Quinten haben. Am vollsten und frischesten träte der
Satz so, wie hier bei a., —
139
BKIarinetten. 1
Fagotte.
^
^^_^.aM4ä
ä
i^%^
:i^^
Sj:
hervor , wo jedes Stionnpaar auf das engste geschlossen und beide ein-
ander verdoppelnd emporschreiten^ die rhythmische Aenderung und
dasVortragsosetchen sind aus dem Sinn dieses Zusammenklangs hervor-
gegangen. Bei b. ist das Hinaufsteigen in milderer Weise geschebn.
In gleichem Sinne mit Nr. 139 a. ist der nachstehende Satz —
140
B-Klarinetten
Fagotte
AUegretto animato
fen.
ftFt?g£gT-i=^^^
Jc::J_.J3J._jSJ
Z^SFU^l
T==^
^^^^T^=Fp~^~^r
^
^i^
131
^^Ff=^^^^ä
rilard.
lempo.
Jr M -i'
fes
^
^ize
ESE^pi
^^^f^
-^^
r
erfunden. Hier ist das Haoptmotiv geradezu der Naturharmonie ent-
lehnt, wenn auch bald über sie hinausgeführt; die Stimmpaare sind in
den Hauptmomenten jedes in sich geschlossen und mit dem andern in
Verdoppelung oder doch gleicher Bewegung und Motivirung verbun-
den. Zugleich ist aber die erste Klarinette zu einer hervortretenden
Bedeutsamkeit gelangt. Dies war in dem erregtem , so früh eintreten-
den Aufschwung der Melodie bis in das hohe b (c der Klarinette) be-
dingt, hatte aber die grössere Absonderung bald beider Klarinetten,
bald der ersten allein zur Folge , und zog so , als Gegensatz fast noth-
wendig, auch das im Anfang erscheinende Hervortreten der Fagotte
nach sich. An solchen Stellen ordnen sich die begleitenden Stimmen,
in eine Masse vereinigt , durchaus unter oder pausiren; hier ist anch
gelegentlich (Takt 3) zu Gunsten des grössern Vollklangs in der Be-
gleitungsmasse der zweiten Klarinette eine minder nahe und sangbare
Portschreitang zugemnthet worden. — Wir werden später auf diesen
Satz mit neuen Betrachtungen zurückkommen.
Einfacher gestaltet sich in melodischer Beziehung dieser Satz, —
... Larghelto
B- Klari-
netten.
Fagotte.
'jA
g^^^^
#=f^ri
=t=S
^^=~. ^.►7
£a^
d-^
^^"r^m^^^^^
i^i3
132
der seiner Stimmung nach nicht im nächsten Takte schon befriedigend
schliessen könnte , sondern vielleicht zu einer der einfachem Rondo-
formen führen müsste. Hier ist (Takt 6, 8, 11) schon mancher frem-
dere Zusammenklang eingetreten, weniger an sich, als durch seine
Darstellung in Blasinstrumenten — und zwar so wenigen — bedenk-
lich. Jedenfalls werden diese Stellen mit Rohrinstrumenten lugubrer
(oder, wenn man will, sentimentaler) heraustreten, als mit Saiteninstru-
menten; gewiss würde Takt 8 die zweite Klarinette statt d lieber h
nehmen, während — abgesehn vom Instrumentkarakter — die Schreib-
art in Nr. 141 wohl den Vorzug verdiente.
üebrigens sei bei diesen ersten Versuchen nochmals bemerkt, dass
man bei so feinen Unterschieden noch weniger wie früher in der Ent*
Wicklung der Formen oder der Harmonie entschieden und mit Gründen
das Eine für besser , das Andre für schlechter oder auch nur weniger
wohllautend u. s. w. erklären kann. Wie schwankend, unbestimmt,
unzureichend und darum unzulässig die Bezeichnungen gut und schlecht,
richtig und falsch, wohl- und übellautend u. s. w. ohne nähere Bestim-
mung sind , ist theils von selber einleuchtend , theils bei verschieduen
Anlässen nachgewiesen worden. Bei den noch mehr als die Tonwelt in
das Gebiet des unmittelbaren, nicht weiter aufzuklärenden Empfindens
fallenden Klangphänomenen würde mit solchem üeberhinfahren noch we-
niger auszurichten sein ; man moss sie vielfach gehört und durchem-
pfunden, dann sich eingeprägt haben, um sie im Moment des Schaffens
so sicher, wie der Maler die Farbe von der Palette, zu ergreifen oder
zu mischen — oder an einem schon vorliegenden Werk ihre Weise mit
der Intention und Stimmung des Werks benrtheilend zusammenzuhal-
ten und zu wissen, ob Beides einander entspricht. Nur so scheint ein
Urtheil, nur so wahre Bildung nach dieser Seite hin möglich*). Ohne
wahre Bildung aber, — die im Grunde nichts andres ist, als ein (nur
bewusstes und geleitetes) Hineinleben in die Kunst, — bleibt die In-
strumentation stets der zu irgend einer Manier und Einseitigkeit iiih*
renden Routine, oder der platten Nachahmung irgend eines Vortreters
— und dem guten Glück anheimgegeben , nnd kann es bei günstiger
Anlage nnd Erregung des Komponisten wohl zu einzeben (vielleicht
*) Hiersn der Anhang H.
133
eben darum noch aufTallenderu und blendendem) Effekten und Apergu^s
bringea, niemals aber zu fortwirkender, stets der Idee sieh zueignen-
der Macht.
Mehr Bedenken findet bisweilen eine anscheinend leichtere Auf-
gabe, die
B. Znrichtimg gegebner Sätze ffir bestimmte Instnimente,
— hier also für zwei Klarinetten und zwei Fagotte; die grössere
Schwierigkeit hat darin ihren Grund , dass wir hier nicht aus den In-
strumenten heraus erfinden , sondern an einen für andre Organe gebil-
deten Satz gebunden sind und für ihn die möglichst günstige Seite der
neuen Instrumente herausfinden müssen , was nicht immer vollkommen
gelingen kann. Versuchen wir dies an dem schon Th. I. S. 403 viel-
seitig betrachteten Choral: ,,Nun ruhen alle Wälder* ^ —
142 B- Klarinetten.
Fagotte Jtg . JL J, j
s
$^
^
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^
-H — •— • — m-
ȟjygii^
l^-v
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I
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1
r-
't-
^E^^^^^E^.
i
lhh=i-T^
^^^^^^
^
'^
Hier ist zn Gunsten der Bläser (um ^4- oder gar C-Klarinetten, oder
drei Erhöhungen für die 0-Klarinetten zu vermeiden) Fdur statt fifdur
gewählt, auch an der Melodie Manches geändert oder verziert worden,
wie es besonders dem beweglich weichen und zierlichen Klarinett-Ka-
rakter annehmlich schien. Ob alle diese Aenderungen und die ganze
Behandlung k i r c h 1 i c b, -— das heisst der in der Kirche gewohnten Weise
entsprechend und nicht störend, — das kommt hier nicht in Betracht;
wollte man dies auf das Sicherste erreichen , so musste der Choral so
134
gesetzt werden, wie iu der Lelire Tom Gborakats geseigt worden.
Nicht hierauf kam es jetzt an, soadern darauf: den Choral ohoe za
weit gehende Aendernng seines Inhalts dem Sinn der Instrumente näher
zu bringen , jedes derselben nach seinem Karakter zu behandeln und
sie untir einander möglichst gut zu verschmelzen.
Allerdings haben sich die beiden Paare, besonders die Klarinetten,
nicht so einträchtig führen lassen, wie in den vorhergehenden Beispie-
len; es wäre, — z. B. für die erste Strophe, die so, wie hierbei a.
oder b. —
^ b.
143
(^^^^^^N
lAj.
^SB-A
hätte geführt werden können , — nicht ohne noch weitere Entfernung
vom Choral-Karakter ausführbar gewesen. Die Fagotte trennen sich
noch mehr, können es aber besser dulden, wie die Klarinetten, da ihnen
vermöge des Doppelblatts schon eine schärfer sich zeichnende Intona-
tion — wenngleich bei mindrer Schallkraft im Ganzen — eigen ist,
welche die abgesonderte Führung der beiden Stimmen begünstigt. Das
erste Fagott sinkt übrigens besonders am Schlüsse der ersten und vier-
ten Strophe in die unvortbeilhaft matten Hitteltöne. Man hätte im er-
sten Falle so , wie oben bei c. abhelfen können, wollte aber nicht die
Möglichkeit einer Steigerung autgeben.
Zuletzt sei bemerkt, wie das erste Fagott in allen diesen Choral-
sätzen den Karakter der Tenorstimme (Th.I. S. 379) annimmt. Foderl
einmal die Au^abe Auflösung der Stimmpaare, — deren Zusammenhalt
wir in freien Sätzen besser bewirken konnten, — so nimmt das erste
Fagott fast unabsichtlich (auch in Nr. 140 und 141 zeigen sidi Spuren
davon) diese Richtung ; die gepressten and dadurch schon leidenschaft-
lichem hohen Töne des Instruments entsprechen ihr und befördern sie.
Bei grösaern Znsammenstellungen werden wir denselben Hang des In-
struments wieder finden $ nur werden wir ihn da günstiger benutzen
135
kÄMea, wXhraBd ifatt hier nkiit ohae BeekKrädiügiiiig des ZHsanmen-
Uaii^i »idSeliiDelzes, der die BiagbanBonie ziert iiod lid»t, gewilUiliii
werben kano.
Vierter Abschnitt.
Erweiterte Avfjgaben.
, Die bisherigen Uebangen sind besonders desswegen beschränkt zu
nennen, weil die gewählten Instrumente den Hang haben, verbünden
ZQ bleiben , und hierdurch eine freiere und reiehere Entwicklung der
Melodie gehindert — oder eben nur auf Kosten des Zusammenkiangs
erreicht wird. Wir hätten dazu eine Stimme, am besten die erste Kla-
rinette, absondern müssen ; aber dann wären nur drei Instrumente —
und zwar verschiedenartige , eine Klarinette und zwei Fagotte — zur
Begleitungsmasse übrig geblieben.
Diese einfache Bemerkung zeichnet den Fortschritt vor, den wir
zunächst zn thun haben: wir müssen ausser unsem vier Instrumenten
ein fünftes (oder vielmehr erstes) für freie Melodiefübrung haben. Wie
wichtig demungeachtet der Beginn mit den zwei Instrumentpaaren
war, wird sich immer mehr zeigen. Da wir noch keine andern Instru-
mente für die der Melodiefübrung günstigste Oberstimme besitzen , so
muss es eine Klarinette sein, die wir zufügen. Diese heisst dann Prin*
zipal-Klarinette, oder Solo-Klarinette, oder erste, während die andern
Ripienstimmen heissen oder zur zweiten und dritten werden. Die
nächste Aufgabe ist also
A. Satz fBr eine Priuipal-KlariBette mit Begleitung Ton zwei
Klarinetten nnd zwei Fagotten.
Hier haben wir nun in den zwei Paaren verwandter Instrumente
eine verschmelzende Harmonie und ausser ihr, ohne ihre Beeinträchti-
gung , ein Organ für freie Melodie. Dies beides ist festzuhalten ; die
Melodie entwickelt sich , wie die Aufgabe , die Stimmung des Augen-
blicks und die Natur des Instruments es gewähren ; ihr gegenüber bil*
den die vier Ripienstimmen eine innig verbundne Masse, in der sich dei
Schmelz der Blaser, ihr breiter^ sanfter und doch voller, des schönsten
Anschwellens fähiger Zusammenklang erhalten lässt. An eigentliehe
Pünfstimmigkeit, wie wir sie einst erstrebt {Th. lund II), ist hier nicht
zn denken. Es kommt nicht darauf an, fünf Stimmen selbständig und
eigenthümlich 'zu fuhren $ dies wäre hier der Natur der Organe und
der Anfgabe zuwider. Unsre Tongebilde haben vielmehr nur zwei ein-
ander entgegenstehende Bestandtfaeile; die fianptstinune — und die zu
einer einigen Masse möglichst verschmolznen BegleiUingssUmmen. '
136
Was aber haoptsächlich hier zor Anschattimg kommen und geübt
werden mass, ist dieses Massebilden, der scbmelzvoUe Znsaramenklaiig, in
dem die Blasbarmonie ibren eigensten Reiz ond ibre Bestimmung findet.
Denn wie im ausbauenden , an - und abscbwellenden Scball das Blasin*
strument alieo übrigen Instrumenten überlegen ist : so überbietet auch
der Zusammenscbail woblgewäbller und wobibenutzter Bläser den Zu-
sammenklang der andern Instrumente, wenn eben das Aushalten, An-
und Abschwellen, die Massenwirkung schmelzender Harmonien der
Absicht des Komponisten entspricht.
Die Begleitungsmasse kann sich in ruhenden Harmonien dar-
stellen, —
144
CUrinello in B
piincipale.
CUrinettiinB. <
Adagio
tO^r
oder sich rhythmisch bewegen,
--- Allegrelto.
**^ B-Klariiielte I.
oder harmonisch figurirt werden, —
137
146
Clarinetto
Solo lA B.
CUrinetti
ripieni iiiB. i
Andante.
Fagotti,
dolce
fe^j^^^:d^^
^^ä^^^
T
F"
g^^^^^^
stets ist es rathsam , sie in der einfachsten Weise zusammenzuhalten
und fortzuführen ; um so wohlthuender wird sie verschmelzen und die
Hauptstimme hervorheben.
Was in den vorstehenden Sätzen dem Heraustreten der Haupt-
stimme entgegenwirkt, das ist ihre voUkommne Gleichartigkeit mit zwei
Begleitungsstimmen; alle drei sind Klarinetten — und sogar Klari-
netten gleicher Stimmung. Das Nächste ist, dass wir wenigstens
eine höhere Stimmklasse für die Prinzipal-Klarinette nehmen, z.B. eine
£!f-Klarinette aU Solo-Instrument und zwei J9-Klarinelten zur Beglei-
tung. Da die höhern Klarinettarten engere Mensur und darum gepress-
lem , gellendem Klang haben, so unterscheidet sich die von ihnen ge-
führte Stimme von der Begleitung andrer Klarinettarten besser, als
würde sie auf gleichartiger Klarinette vorgetragen, wie die Prinzipal-
stimme in den vorigen Beispielen. Das letzte derselben würde, in eine
günstigere Tonart übertragen, sich etwa so —
I4<7 Andante.
Clarinetto
in £e.
Clarinetti
in B. <
FagotCi.
^^^a^^j^tfgjfj-l
138
darstellen lassen. Die Tonart ict eine Stufe tiefer gewählt, damit es
nicht nolbig würde, das Hauptinstrument in Diur zn setzen*). Die
Melodie ist nach dem allgemeinen Tonsystem höher gelegt und gefuhrt,
hat aber auf dem Tonsysten der £'s-Rlarinette doch seinen Sitz in einer
etwas tiefem Tonlage; eben dessbalb mnssle sie schon im zweiten Takt
umgestaltet werden, damit sie nieht in die dumpfere Region des Instru-
ments versänke. Dem heller klingenden Hauptinstrumeute gegenüber
ist die Begleitungsmasse enger zusammengerückt und damit gekräf«-
^g^ gleichsam saftiger geworden.
Zuletzt wollen wir nicht unbemerkt lassen , dass manche für die
eine RIarinettart ungünstig liegende Tonfolge auf einer andern Rlari-
nette leichter ausführbar wird. Nr. 144 bietet einige Beispiele solcher
Tonverbindungen, namentlich in Takt 6, dessen Töne zarler ver-
schmolzen werden könnten , wenn man den Satz in Es übertrüge und %
zur Hauptstimme die f^-Rlarinette wählte. Ob Tonart und Instrument
für diesen Satz geeignet wären, kommt hier nicht in Betracht.
Allein der Zutritt eines Prinzipalinstruments , zumal in höherer
Stimmung und hellerm oder grellerm Rlange, regt eine neue Sorge an.
Lässt man das heller und heftiger wirkende Prinzipalinstrument nach
dem muthvoUen, üppigen Rarakter der Rlarinetlgattung (S. 120) ge-
währen, sich, wie schon die weitere Ausführung der oben ange*
fangnen Sätze mit sich bringen würde , frisch und frei entfalten : so
fehlt es ihm gegenüber der Begleitungsmasse an Fülle und Blütbe ; zw^
sanfte Rlarinetten und zwei stille Fagotte — zumal in der Behand-
lungsweise, die wir hier für die angemessne erkennen müssen — geben
zu matten Rlang im Gegensatz und als tragender Untersatz zu einer
üppig geschwungnen £s-Rlarinette. Namentlich sind diese vier Instru-
mente nicht wohl im Stande , einen kräftig heraustretenden Bass abzu-
*) SoIUe die frühere Tonart beibebelten werdeo , so bäUe mao statt der Em-
Klarniette eise C- oder F-Klariaette wäblea köoneB. Doeb scheioeo im Allgemein
Den die in Quarten von einander abstehenden Klarinetten , — also B- und Es-VUsl-
riaetten , C- and F-Klari netten, — bester snsammenzastiAUien , als willköbrlieb
geDisebte.
139
geben ; die in Nr. 145 genommne Wendung ist offenbar ein Notbbe-
helf , nicht immer anwendbar, noch weniger immer befriedigend.
Wir müssen also unser Orchester erweitern.
B. Zuielraiig des Kontrtfltgotts.
Zur Führung des Basses nehmen wur das einzige für jetzt noch zu
Gebot stehende Instrument , das Kontrafagott. Es wird bald allein den
Bass fuhren , bald sich vom zweiten Fagott dabei unterstützen lassen ;
schon mit seiner Hülfe allein gelangen wir, wie sich hier —
148
Allegretto.
Clarinetto in £0,
Clarinülti in B.
I Fagoiti. 1^
Contra -Fagotto.
l^Sli
-:£^^=^^.m
-^-*«-
an einer Umarbeitung von Nr. 145 zeigt, — zu einem freiem und
wirksamem Basse , zu einer ruhigem Massenwirkung der Mittelstim-
men und damit der ganzen Begleitung, gelegentlich auch (Takt 3) zu
Harmonisirungen , die mit weniger Instrumenten nicht (ugiich darstelU
bar gewesen wären.
Uebrigens kann, wie wir auch hier gethan, dem Kontrafagott nach
seiner mindern Lenksamkeit und dem Karakter seines dumpfern und
unebnen Klangs nur untergeordnete Mitwirkung zu Theil werden;
wollte er sich z. B. hier der Bewegung des zweiten Fagotts anschlies-
sen , so würde er plump und für die Form der Begleitung beschwerend
auftreten. Selbst bei solcber Zurückhaltung, wie wir oben geübt, wird
sein Klang und seine abgelegne Tiefe bisweilen unerwünscht hervor-
treten. Man wird ihn also in ausgeführtem Kompositionen bei den zar-
tem oder leichtern Stellen pausiren lassen , oder — für einen ihm das
Gleichgewicht haltenden vollem Klang der Hittelstimmen durch stär*
kere Besetzung oder die Weise ihres Gebrauchs (engere Lage , wie in
Nr. 148 , — höhere Stimmlage , regere Bewegung u. s. w.) sorgen
müssen.
Unter den uns schon bekannten Instramenten sind es unstreitig
die Hörner, die sich dem jetzt versammelten Chor am günstigsten zu-
gesellen.
140
C. Zuziehung tob Hftrneni.
Sie gehören zwar einer andern Klasse, den Bieobinslrumenlen, an^
sind aber durch die Weichheit und Luftartigkeit ihres Klangs ebenso
wohl, fast noch mehr geneigt, sich den Klarinetten und Fagotten
anzuschliessen, als den übrigen Blechen. Voll und zugleich Infi weich,
langhintönend, des Verhallens und des Anquellens fähig, in der Höhe
(besonders den hohen Stimmungen) leicht etwas Gellendes annehmend,
— zeigen sie sich in allen diesen Karakterzügen den Klarinetten nahe
verwandt und verschmelzen mit ihnen in Stellen wie diese, —
149
Clarinelti
in B.
Corni in Es.
oder vereinigen sich als Begleitung mit einer Klarinettmelodie, z. B. —
150 Adagio.
Clarinello
Solo in B.
Corni in F
auf das Innigste. Dagegen sind sie von ihnen und allen Rohrinstru-
menten bekanntlich durch das Tonsystem unterschieden und ebenso
durch den Klang, wenn sie »forzato assai angeblasen, oder bis zu
ihrer höchsten Stärke getrieben werden ; dann nähert sich ihr Klang
mehr dem der Trompete oder vielmehr Posaune.
Weniger verwandt sind die Hörner mit dem Pagottkiang. Das
Fagott hat, vermöge seines Doppelblatts, seines engern Mundstücks
(des S; und seines gleichmässigen — nicht sich erweiternden , nicht
durch einen weiten Schallbecher gelüfteten Rohrs, mehr Materielles und
weniger Lufiklang (weniger Durchsichtigkeit gleichsam oder Durch-
Schimmer des Klangs), auch weniger Fähigkeit des Verhallens und An-
quellens, auch überhaupt weniger Schallkrafi; werden seine Töne, be-
sonders in Tiefe und Höhe, zur Stärke getrieben , so nimmt der Klang
141
in der Tiefe ein rauheres, unebnes Wesen an und wird in der Höbe ge-
presst und ängstlich, während die hoben Horntöne bei starker An-
sprache zwar aach beengt, aber dabei nur mächtiger und kühner, gel-
lend erklingen.
Aus diesen Griinden bietet die Mischung von Hörnern und Fagot-
ten im Allgemeinen einen weniger günstigen Klangkörper dar, als die
TOD Klarinetten und Hörnern oder Klarinetten und Fagotten ; die Fa-
gotte beeinträchtigen den reinem anmuthigern Hornklang, sie mischen
in die Naturpoesie des schwärmerischen Homs ein wenig von dem
Positivismus der Prosa — und sind doch an sich selber nicht einmal
der Schallkraft des Homs gewachsen. Nur wenn der Tongedanke des
Komponisten sich nicht anders darstellen lässt (weil z. B. das Tonsy-
stem der Hörner für sich nicht ausreicht) , oder wenn er sogar diese
angleiche Verknüpfung fodert, — z. B. in einem Harmoniesatze die
Horamelodie darch eine anschliessende, aber untergeordnete B^ieitung
gehoben werden soll, —
151
Corao in
Es Solo.
Fagolti. ^
Contra-
^*5«>"*>- \tz=y'nt-r=:^r- — —1-7 — r^rzizz=zyfcc
nur dann kann , — wie Alles am rechten Ort, — auch dieser Verein
gunstigen Erfolg haben.
Gleiche Bewandniss hat es mit der Zusammenstellung von drei
Hörnem und Fagott in der Leonoren-Arie in Beethoven's Fidelio*).
Wir geben hier —
Adagio. -""*""
152
Como I
In £.
Como II
in £.
Coino m
In E.
r«gotto.
■ ^7t'
P dolcc
I^^T'^j^^-tF^gi^'-ffi
^rg^^^plFjg^ '^kr^tyl
m^
^'^^^ffi^ftti
*) S. 926 (Akt 2) der Pariser Ptirtitar. Die Sceoe enthält oocb mehr Belege
fSr die abig» Ansieht.
142
^m
-.#*A.
msüzBi
'So-
m
l^^^^^^^^^pi
isai^li^
nur drei Sätze zur vorläufigen Anschauung. Schon hier erkennt man
Erstens, dass die Hörner gar nicht zu dem vollen Ausdruck ihres
tiefeindringenden Natnrlautes kommen sollen, sondern konzertirend
— nnd dabei allerdings der Stimmung des Augenblicks eulsprechend
gebraucht werden ; dies beweisen die häufigen Stopftöne und viele He-
lodiewendungen. Zweitens kommt solcher Anwendung die Unterlage
des tonfestern und materiellem Fagotts wohl zu Statten. Drittens
werden diese Sätze vom Streichquartett begleitet und das Pagott dient
(wie wir später erkennen werden) zwischen diesem und dem Homtrio
als vermittelndes Bindeglied.
Ohnehin wird der Verein von Hörnern und Fagotten nur in selt-
nen Fällen in setner Reinheit und Nacktheit auftreten ; meist wird man
zu den tiefliegenden Instrumenten wenigstens ein Paar höher liegende
fügen , um die der Meiodiefubrung günstigem Tonregionen , eine voH^
ständige und wohlgelegte Harmonie und Stimmfuhrang zu erlangen.
Dann aber lösen sich die einzelnen Ungleichheiten der Instrumente im
Zusammenklang aller, dienen selbst dazu, die geistige Mattigkeit oder
Einförmigkeit, die aus durchgehender Gleichartigkeit des Rlangs ent-
springen kann , zu überwinden. So würde der Satz Nn 140 sieb mit
vier Hörnern (und allenfalls einer verstärkenden Prinzi|MÜ-Rlariiietle) —
143
153
Es-KlarinetI«.
B-Klarinellen.
Bs-Hörncr
I. II.
Es-Hörner
in. IV.
^^^gfep^^^
'^^^^m
m
allertfngs voUfclingender aasnehmen and dareh den miebliger geword-
nen Hornklang an Frische , gteichsam an Natnrlaut gewinnen. Allein
eine neue Farbe würde in ihn hineinkommen , sein Rarakter ein mehr
in sich gefasstes und befriedigtes Wesen annehmen^ wenn man statt
des zweiten Hömerpaars — oder sogar ncJien ihm noch Fagotte mit
Unterstfitzang eines Kontrafagotts —
154*)
Es-Klarinetle.
B-KIarinetten.
Es-H5rner
I. U.
^••H0mer
III. IV.
f^g^^^^^^^ggi
^^^m
■^
i
^^^^^
Fagottr.
Kontra lagott.
Sü
^.
^ä;
See
1=**^
^^^^^^
*) Bei diesem und melirero folgenden Sätzen weichen wir von der in der
Allgem. Musiklehre vorgeschlagnen Anordnung ab. Nach der ersten Regel
(MasiUehre S. 18!^) für die Anordniing der Stimmen io einer Partitur, -*- alle zu
eiaer Klasse gebörigen Stimmen angetreaat su einaader au sohreibea, — bÜttea
die Fagotte zu den Klarinetten treten (die RSbre beisammen stehn) und die Hörner
als Blechklasse abgesondert, über die Röhre gestellt werden müssen. Allein in den
hier fraglichen Sitzen dienen die HÖrner als Mittelstimmen des Ganzen nnd ordnen
sieb deo Rühren uatencbiedlos bei.
144
zuzöge. Wie der Maler nicht gern mit Einer Farbe oder Farbenkiasse,
z. B. mit lauter Roth malt, sondern nach dem Vorbilde der Natur selbst
zu den scheinbar einfachsten Färbungen, — einer Rose 9 einer jung-
fräulichen oder Kinderstirn, dem Abend- oder Morgenroth, — gar man-
nigfache, oft entgegengesetzte Farbentöne vereinigt : so reizt es auch
den Musiker , abweichende Klänge zu mischen und aus ihrer Mischung
einen dritten Gesammtklang zu seinen Zwecken zu bilden.
Fünfter Abschnitt
Betrachtungen über die Vereinigung und Miseiiung der
Instrumente.
Wir haben nnn eine Reihe von Versuchen und Uebungen an uns
vorübergehen lassen und den Kreis unsers Orchesters schon einiger-
massen erweiterl ; es stehen uns zwei oder drei Klarinetten , Fagotte
und Kontrafagott, zwei oder vier Hörner — also eine Harmoniemusik
von vier bis zehn Stimmen zu Gebote ; Trompeten , Pauken , Posaunen
sind einstweilen noch bei Seite geblieben. Aber auch ohne sie sind wir
mittelreich genug, um über Wahl und Verwendung unsers Vermögens
uns zu besinnen , und haben schon einige praktische Erfahrung , die
uns des abstrakt -leeren Theoretisirens überhebt. Es ist also an der
Zeit, unsre vorläufigen Betrachtungen (S. 116) fortzusetzen und mit
der Ausübung näher zu verknüpfen.
Nach welchen Gesichtspunkten haben wir unser Orchester zusam-
menzustellen und die versammelten Organe in Thätigkeit zu führen?
— Dies ist die Frage. Wir können sie nur dann befriedigend beant-
worten , wenn wir uns vollständig vorstellen , was das Orchester zu
leisten haben wird.
]. Tonsystem.
Wollen wir unser Inneres in Fülle und Vollständigkeit in der
Musik verlautbaren, so bedürfen wir der vollständigen Tonsprache;
was uns an letzterer fehlt, können wir auch nicht aussprechen.
Mag daher ein unvollständiges Tonsystem, z. B. das der Natur-
harmonie , eine Seite unsers Seelenlebens zum Ausdruck bringen, —
und vielleicht zu einem tief eingreifenden: dennoch kann umfassenden
Ausdruck nur das umfassende, vollständige Tonsystem gewähren.
Daher hat die eigentliche Komposition erst mit dem Satz für Klarinet-
ten und Fagotte wieder begonnen ; erst diese Instrumente bieten eine
vollständige und zugleich Höhe und Tiefe umfassende Tonreihe. Die
vorangegangne Blechmusik, — zunächst Trompeten und Hörner , —
145
verhält sieb za diesem Satze, wie dnst (Th. I) die Nalorharmonie zur
KoDstharmonie; sie bat Tiefe aad Macht ibres Inhalts, aber dieser In-
halt ist ein höchst beschränkter. Aach die Posaunen ändern den Karak-
ter nicht wesentlich ; sie sind in Tonumfang und Behandlung zu be-
schränkt, in ihrem Rarakter za wenig mannigfaltig, in ihrer Kraft zu
unbändig, als dass ihre Wirksamkeit, — wenn man sie allein lässt oder
das Blech zusammenfasst, — vielseitig und reich sein könnte.
Vollständigkeit und Ausdehnung des Tonsystems, das
waren also unsre ersten Bedürfnisse, und sie wurden schon durch die
zuerst gewählten vier Röhre einigermassen befriedigt. Sobald wir aber
(S. 135) Anlass fanden, über die erste Anlage hinauszugehn, entstand
ein drittes Bedfirfniss; das des Gleichgewichts in Bezug auf die
Tonlage der Instrumente.
Höhe, Tiefe und Mitte des Tonsystems sind im' Allgemeinen
gleich wichtig, müssen also gleichmässig bedacht werden , sonst wird
die Melodie gegen die übrigen Stimmen oder Bass und Diskant gegen
die Mittelstimmen zu stark oder zu schwach erscheinen und Eins vom
Andern unterdrückt werden. Sobald wir daher (in Nr. 144) Anlass
nahmen, in der Höhe ein melodieführendes Instrument zuzufügen , trat
auch das Bedürfoiss hervor , den Bass — und gegen beide die Mittel-
stimmen zu verstärken. Wie dies gelungen , wie das Tongebiet
von unsem zuerst in Nr. 154 zusammengebrachten Instrumenten be-
setzt ist, sehn wir hier —
Es-Klarinetie.
155
BTRlariAette.
Es-Hömer.
m
^fF^
Fagotte. ^ I J 3: =
if
i=^
^"i
rt
I
Kontrafagott.
der Hauptsache nach dargestellt; am reichsten ist die Mitte vom kleinen
es oder g bis zum zweigestrichnen besetzt; am vereinzeltsten die
äosserste Höhe und Tiefe, die beide in der Regel nur für Verdopplung
der Melodie oder des Basses bestimmt sind. Nach diesem Schema, das
uns an ein älteres (Tb. I. S. 62) erinnert, würde man sich ebenso
wohl orietatireQ können , wenn der Tonsatz um ein Paar Stufen höher
oder tiefer stände , oder wenn die Höhe oder Tiefe noch grössere Ver-
stärkung erhielte ; stets müsste für gleichmässige Verstärkung der Tiefe
oder Höhe und Mitte gesorgt werden. Erst mit dieser Herstellung und
Marx, RoBp.L.IV.S.Aofl. 10
146
Erbaltnng des Gleichgewichts unter den TCffschiediiea StiMiregioBeo
kommt anser erster Gnindsatz (S. 115) zn voller Bedeatang.
Dass übrigens diese Ebenmässigkeit in der Benntsong aller
Tonregionen nicht bindende Regel ist, versteht sich. Im Allgemei**
nen bietet sie die günstigsten Verhältnisse für Tonsatz. In besoB'-
dern Fällen aber kann der Komponist veranlasst sein, der Höhe oder
der Tiefe das Cebergewicbt zn geben, oder sich ganz (wenigstens eine
Zeitlang) auf eine oder die andre zn beschränken. So würde z, B.
schon die Verbindung von Fagotten und Kontrafagott, Hörnern und
Posaanen (mit oder ohne Pauken) ein entsprechendes Kolorit für sebr
ernste, düstre, logubre Sätze bieten; wiewohl wir dazu später noch
ganz andre Mittd finden werden.
2. Fülle des Schalls.
Eine zweite Rücksicht haben wir zu nehmen auf die Kräftigkeit
und Sättigung, in der ein Satz erschallen soll. Allerdings kann für
besondre Stimmungen weniger voller Schall , Beschränkung auf wenig
Ittstramente — ja sogar auf ein einziges — die angemessenste Satz-
weise sein. So hatSeb. Bach in seiner Matthäi'schen Passion man-
chen seiner Sätze mit zwei Flöten oder zwei Oboen und Bass (Nr. 9,
10, 18, 19), oder mit Laute und Viola da gamba*) im Einklang und
Bass begleitet. Meyer beer hat in seinem Feldlager und den Huge-
notten sich ebenfalls bisweilen auf ein einziges Instrument beschränkt;
und wenn au^h einige dieser Sätze nicht aus innrer Nothwendigkeit —
also nicht mit Recht so behandelt worden , so ist doch in andern diese
Behandlung aus innerm Bediirfniss hervorgegangen. Ferner sind ge-
wisse Instrumentverbindungen in sich so wohl verschmolzen und be-
friedigend, dass ein Zutritt andrer Instrumente nur benachtheiligen
könnte. So würde der Satz Nr. 150 wenigstens in den ersten vier
Takten durch den Zusatz irgendwelcher Instrumente nur an Lauter-
keit und Frische verlieren; eher könnten bei der Wiederholung von
Takt 5 an gewisse andre Instrumente, die wir noch nicht in Besitz ge-
nommen, zutreten und dem Satz eine neue Färbung geben.
Allein diese Fälle stehn doch als vereinzelte Ausnahmen da und
im Allgemeinen ist es Bedurfniss, das Auszusprechende mit einer gewissen
Fülle, die der Ausdruck innrer Gesundheit, Kraft und Gewissheit ist,
laut werden zu lassen. Was ich bestimmt will, spreche oder thue ich
auch mit Festigkeit und Nachdruck; was Kraft und Fülle hat, tritt auch
mit Frische und Vermögen auf; das eine Extrem: Spärlichkeit,
schwächliche Dünne, — ist ebenso vom Uebel, als das andre : unange-
messene Massenhäufung. Ja, das Bediirfniss einer gewissen Fülle und
*) Ehe Art von Violoneell mit ft, 6, auch 7 Stiten, ISoftt «iiM«r Gebraseh.
147
Saftigkeil ist bei der BlashaniioDie noeb vorirallieii#Br oiid allgemeiner,
als in den Saiteninstrumenten. In diesen ist Beweglichkeit eine vor-
herrsebende Eigenschaft, also Bewegung (wie wir später noch besser
erkennen werden) ein Hanptelement der KompositioB, Schallkraft da-
gegen im Vergleich zu Blasinstrument and Singstimme nur von unter-
geordneter Macht und Wirksamkeit*). Im Blaeinstrunient aber ist der
Klang, und im Verein von Bläsern der Zusammenklang, die Scballmasse
von überwiegender Kraft und Bedeutung ; würde sie vernachlässigt, s«
träfe der Mangel ein Hauptmoment der Wirksamkeit.
Hierzu kommt noch die Ungleichheit im Klang und in der Schall-
kraft der einzelnen Bläser. Klarinetten und Fagotte, — Klarinetten
and Hörner, — Hö'rner und Fagotte sind einander mehr oder weniger
verwandt oder ähnlich, doch aber jedes vom andern unterschieden ; je
vereinzelter die Individuen auftreten, desto deutlicher stellt sich der
Unterschied heraus, desto weniger schmelzen sie zu einem einigen
Schallkörper zusammen. Treten nun mehrere Instrumentarten zusam-
men , so finden sie unter einander mannigfaehe Beziehungen und Ver-
wandtschaften, und die Verschmelzung erfolgt vielseiligier ; auch über-
windet die vergrösserte Schallkraft die vorbandnen Verschiedenheiten
leichter und gründlicher. Klarinetten haben z. B. flüssigen Luftklang
and so hohe Kraft im Anquellen , dass sie in beiden Beziehungen dem
Waldhorn verwandt erscheinen. Gleichwohl wirkt bei ihnen die gleich-
massige (cylindrische) Mensur des Rohrs und das Blatt im Mundstücke
dahin , dem Klang eine gewisse Körperlichkeit und Begränztbeit — im
Gegensatz zu dem gleichsam in ungemessne Feme hin erklingenden
Waldhorn — zu ertheilen , der sie vom Hörn unterscheidet und dem
Fagott näher bringt. Homer und Fagotte wiederam stehn sich im Ton-
gebiet nahe und haben eine gewisse Weise des Klangs mit einander ge-
raein; dagegen trennt sich das Fagott durch seine Schwäche, durch die
Gedrücktheit seiner Höhe vom Hörn und nähert sich durch die mate-
riellere Weise seines Klangs der Klarinette« So bildet sich also durch
den Verein der drei Instrumentarten ein vielseitigerer Bezug, in dem
auf der einen Seite ausgeglichen wird , was auf der andern nicht zu*
sammenpassen wollte.
Wenden wir uns von diesen Betrachtungen auf einen bestimmten
Fall, — den Satz Nr. 140, — zurück : so wird nun die Dürftigkeit der
*) Otber kann ein Qatrtett von StreicbiMtnimeat«n kohe Befriedigung ge-
währeo, während maD vier eiDzeloea Blasiostninieiileo «omöglicb gleich tasgedehnt«
Aofgaben mit gleichem Erfolg überlassea iLeoote. Haydo, Mozart, Beetho*
ven haben bekanntlich sehr viele Streichquartette geschrieben, nie aber an Blas-
qnartette gleicher Ausdehnung gedacht. Weoo A. Reicha in Paris Quintette für
Bläser geschrieben, so hat ihn wohl zunächst seine und seiner Brüder Stellung anter
den Blasern — und die Absicht, den Parisern etwas Neues zu bieten, geleitet.
10»
t48
ersten BehaDdlong wohl klar. Sohon die Sehallnias^ von zwei Rlari-
netten und zwei Fagotten erfüllt das Obr nicht mit jenem Vollklang,
der der Stimmung dieses Satzes die ihr gemässe Sicherheit und Nach*
drückiichkeit, wir möchten sagen: Vollherzigkeit, giebt; dies ist um
so gewisser wahr, da die Fagotte meist in den Mittellagen gebalteii
und nicht selten getrennt, also (S. 117) in ihrer Schallkraft noch mehr
geschwächt werden mussten. Vereinigen wir für denselben Satz Klari-
netten, Fagotte und Hörner in derselben Weise, wie in Nr. 154, —
156
Es-Klarinette.
B-Klarinelten.
B-Horner
. I. n.
B-H5nier
III. IV.
Fagotlc.
Kontrafagott.
Bigic V [J g J Hai. i'g^-F-J-i'
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80 ist nun erst die Begleitung zu einer festen und volltönenden Masse
geworden, die einen kräftigen Gegensatz , einen tüchtigen Träger der
Melodie abgiebt ; die Melodie selbst wird herrortretend intonirt , der
Bass ist ebenfalls verstärkt. Es bleibt nur die Frage , ob der Satz in
seiner neuen Bearbeitung nicht zu massenhaft geworden? ob diese
SchallfäUe seiner Stimmung gemäss ist? — Vielleicht überzeugen wir
uns bald von dem Vorzug einer dritten, mittlem Behandlung.
150
3. Kiangwesen.
Zuvor haben wir danach getrachtet, den Schall aller Instru-
mente zu einem einzigen zusammenzuschmelzen, im Gesammtklang
alter die Besonderheiten , den eigenthümlichen Klang eines jeden ver-
schwinden zu lassen. Nun richten wir unsre Aufmerksamkeit auf die
Klangverschiedeuheiten , die das erweiterte Orchester darbietet. In
Nr. 140 hatten sich Klarinetten und Fagotte^ — in Nr. 150 Klarinetten
und Homer, — in Nr. 156 haben sich alle drei Klangorgane gemischt,
— es wäre noch (wenn auch nicht für unsern Satz) eine Verknüpfung
von Hörnern und Fagotten (ohne Klarinetten) möglich. In Nr. 156 sind
nach dem Vorbilde von 154 vier Hörner angewendet; eine Folge davon
war, dass auch die Melodie durch eine Prinzipalklarinette, folglich auch
derBass durch das Kontrafagott verstärkt werden musste. Allein inner-
lich notfa wendig ist diese Beschwerung der Ober- und Mittelstimmen
und des Basses durch verdoppelte Besetzung keineswegs; vielmehr
widerstrebt sie dem beweglichem Sinn der Komposition und giebt zu
viel , wie die erste Bearbeitung zu wenig gab. Angemessner war' eine
einfachere Behandlung, von der hier —
157 B-Klarinetten,
m^^h^T^M^
m:
Fagotte, rt J
wenigstens ein Paar Proben gegeben werden. Hier haben die Homer kein
Uebergewicht, sondern können blos die vorhandne Masse der Röhre
füllen und kräftigen ; daher hat es weder der härtern jB>-Klarinette,
noch des Kontrafagotts bedurft. Der Anfang hat gegen Nr. 156 an
Frische verloren, nicht blos durch Verminderung der Schallmasse,
sondern weil an die Stelle der muthigen Hörner wieder die stillen
Fagotte getreten sind. Die Melodie der Miltelslimme im achten und
zehnten Takte musste in Nr. 140 den Fagotten gegeben werden , die
sie, zumal in der Mittellage, nicht klingend und muthvoU genug vor-
tragen können $ in Nr. 156 ist sie massenhaft geworden durch zwei-
stimmige Behandlung ; jetzt hat sie den bessern, zugleich muthigen und
doch leichten Vortrag gefunden.
151
Noch gar viele Umsetzungen wären möglich, deren jede der Stim-
mung des Satzes bald diese , bald jene Färbung ertheilen würde. Sie
durchzusprechen oder gar alle aufzuweisen , scheint weder rathsam,
noch, des Raumes wegen, zulässig. Der Jünger mag wenigstens einige
versuchen , darf aber — wenn sein Studium Frucht bringen soll —
keinen Satz lesen oder verfiissen , ohne sich den Rlang der einzelnen
Organe und den gemischten Zusammenklang der verbundnen klar vor-
zustellen. Und um dies sichur zu könneü , muss er bei jeder Gelegen-
heit (S. 4) den Klang der einzelnen Instrumente in allen Tonregionen
und ihren Zusammenklang zq hören und sich einzuprägen trachten.
Dass übrigens unsre zehn Stimmen in Nr. 156 (wie in Nr. 154)
nicht einen zehnstimmigen Satz bilden , sondern meist einen drei- oder
vierstimmigen, — indem bald die JE^-Klarinette mit der ersten £*Rla-
rinette im Einklang, bald Uörner oder Fagotte mit den Klarinetten in
Oktaven, oder die zwei Hompaare unter einander oder mit den Fagot*>
ten im Einklang gehn, — hat man schon bemerkt. Dieses Zusammenball-
ten der Bläser in möglichst wenigen (drei oder vier) Stimmen begün-
stigt die Klarheit des Klangs und — bei dem vollem Schall und der
Neigung der Bläser zu schwellenden und abnehmenden Intonationen —
auch die Deutlichkeit des Tongewebes , wogegen Auseinanderziehn in
viele Stimmen, wenn diese auch gut geführt werden , leicht ein Durch-
einander von Tönen und Dumpfheit des Zusammenklangs zur Folge hat.
Manchem erfahrnem Setzer und Dirigenten von Harmoniemusik (bei
den Regimentern) möchte selbst unsre Behandlung stellenweis noch zu
wenig einfach, noch überladen ersehenen.
152
Fiinfte AbtheUag.
VoUendimg der Harmoniemiudk.
Der Inhalt der jetzigen Abtheilang ist die Fortsetzung der vori-
gen; wir überliefern nach einander die übrigen Röhre und die sich
ihnen ansehliessenden Schlaginstramente und fuhren sie allmählich in
Verbindung mit den Blechen zur vollständigen Harmoniemusik zusam-
men. Die Scheidung des Stoffes in zwei Abtheilungen mag dem Jünger
ein Wink sein , nicht eher in die jetzige Abtheilung einzudringen, als
bis er des Stoffes der vorigen in Kenntniss und Behandlung mächtig
geworden. Es lässt sich mit diesem Stoffe gar viel ausrichten, mancher
erfreuliche und selbst gehaltreiche Satz bilden.
Erster Abschnitt
Kenntniss der Oboe und Flöte.
A. Die Oboe.
Die Oboe ist bekanntlich ein der Klarinette ähnlich gebautes Rohr-
instrument ; nur ist das Rohr kürzer, Rohr und Schallbecher sind enger
und das Mundstück wird von zwei an einander gebimdnen Blättern ge-
bildet. Sie hat einen Tonumfang von —
chromatisch bis d! auch J: nnd X
^ -r- T 1 ^:r=
»*8 gC_4-j--^=i---^:-EE^E^EE^E^
Das kleine k ist erst in neuerer Zeit den Oboen gegeben worden.
Einige Instrumente haben auch noch klein 6; doch kann man nicht
überall darauf rechnen, thut also besser, sich seiner zu enthalten. Die
höchsten Töne, das dreigestrichne e unij, sprechen nicht bequem an ;
man thut also, wenn man sich ihrer überhaupt bedienen will, wohl, sie,
besonders das/, nicht frei einsetzen zu lassen , sondern auf sie hinzu-
führen. Das tiefste (eingestrichne)^ intonirt auf vielen Oboen zu tief;
der Bläser kann mit der Zunge nachhelfen , jedoch nur bei langsamerer
Tonfolge. In schnellerer Bewegung sollte man daher wenigstens nicht
bei zartem oder besonders hervortretenden Stellen dieses ßs als we-
sentlichen und hervorstechenden Ton setzen.
t&3
Innerhalb dieses Tongebiets nnn und abgesebn vi^n den schon be-
merkten Schwierigkeiten ist die Oboe fähig, jeden Ton sicher einzu-
setzen, anszuhaiten, anschwellen und abnehmen zu lassen, oder schnell
hinter einander zu wiederholen. Besonders leicht erfolgt die Tonan-
sprache in diesem Tonraume, —
159
3;
4
und noch leichter und bequemer .^^
:t=^
während die höhern und tiefern Töne schwerer und ungefüger erschei-
nen, namentlich die tiefern Töne (A, e, d) kein solches Piano und Ab-
nehmen bis in das Pianissimo gewähren, wie die mittlem.
Im bequemem Tongebiet ist die Oboe aller Arten von Tonfolgen
mächtig, kann diatonische Läufer und Arpeggien schnell, auch chroma-
tische Gänge mit Geläufigkeit hervorbringen, auch grosse Sprünge
sicher intoniren, nicht aber weit entlegne Töne gut binden. Auch Tril-
ler stehn ihr zu Gebote ; nur diese —
160
•le
und die noch hohem sind unausführbar, und die folgenden —
IM
^^^^
^^^m
sind schwer ; das letztere gilt auch von der Bindung der tiefsten Töne,
wie hier —
162
bei a., sowie weiter Intervalle, wie oben bei b., und des zweigeslrich-
nenßs-a^ während im Staccato alle Tonfiguren, wofern sie nicht (wie
bei d.) in den höchsten Regionen liegen, bequemer erlangt werden.
Endlich ist noch eine Eigenlhümlichkeit der Oboe nicht aus dem
Ange zn lassen. Der Oboebläser braucht nämlich , im Gegensatz zu
andern Bläsern, zu seinen Intonationen nur sehr wenig Luft , muss da-
her die nicht zu verwendende Lufl ausathmen und hierzu das Rohr aus
dem Munde nehmen. Dies kommt dabei ans der Lage und muss jedes^
mal beim Athemholen erst wieder mundrecht gesetzt werden. Man
thut daher wohl, der Oboe nicht zu lange Polgen gehaltner und ge-
bundner Töne zu geben, vielmehr ihre Kantilene durch Pausen (wenn
auch nur kleinere) gelegnen Orts zu unterbrechen, oder sie wenigstens
154
aus nicht za langen Abschnitten und Gliedern zn bilden, zwischen
denen der Bläser ohne Störnng absetzen könne.
Im Allgemeinen sind der Oboe die Tonarten bis zu zwei Kreuzen
und dreiBeen, — also vonZ>dur oder/^moU bis zufi!fdur oder CmoU,
— die bequemsten ; es versteht sich dabei immer von selbst , dass auf
den Inhalt das Meiste ankommt, dass namentlich einfache Sätze und
langsamere Bewegung auch in entlegnen Tonarten keine Schwierigkei-
ten haben können.
Die Schallkraft und der Klang der Oboe werden zunächst
durch die enge Mensur und Kurze des Rohrs und durch das als Mund-
stück dienende Doppelblatt bestimmt. Bei der im Vergleich mit der
Klarinette oder gar dem Fagott geringen Ausdehnung der Luftsäule
hat die im Mundstück schon eintretende Beengung des Luftstrahls und
die Erzitterung der beiden Blätter einen weit hervortretenden Einfluss
auf den Klang. Derselbe verliert ungleich mehr von dem Luftartigen
des Klarinettklangs und wird körperlicher, körniger, gewinnt auch eine
gewisse eindringliche , selbst im Piano noch einschneidende Schärfe.
Diese hier Mos allgemein bezeichnete Eigenschaft nimmt aber in den
verschiednen Tongebieten des Instruments einen wohl unterscheidbaren
Karakter an.
Die tiefsten Töne , bis zum eingestricbnen e oder /, sind hart,
gleichsam scharfkantig und aufdringlich, plärrend und schnarrend, dem
Nasalen im Gesang (den Nasentönen) verwandt, dabei aber von erheb-
licher Schallkraft. Dies gilt vorzüglich von den zwei oder drei unter-
sten Stufen, die an Schallkrafl und Eindringlichkeit dem Klang der
Trompete fast gleichkommen und alle übrigen Instrumente überschreien
können, so weit sie auch von dem klaren, metallisch glänzenden, hel-
denhaften Karakter jenes Instruments fern bleiben. Diese Töne, beson-
ders die tiefsten, geben auch kein rechtes Piano her, ihr Karakter lässt
sich nicht sonderlich verbergen oder ändern. — Die folgenden Töne
bis zum zweigestrichnen d oder e mildern sich stufen weis, bleiben aber,
besonders nach der Tiefe zu, immer noch eckig irad scharf eingreifend.
— Von y* oder ^, besonders von a an verfeinert sich nan der Klang,
er wird hier, ohne seine Schärfe aufengeben, überaus zart, des feinsten
Ausdrucks fähig , bis er endlich in der Höhe , besonders vom dreige-
strichnen d an , wieder ein mehr spitzes und weniger biegsames, be-
handlungsfähiges Wesen annimmt, durch dasselbe auch wieder etwas
Durchdringendes erhält, da» ihm in der zartem Region nicht eigen ist.
Es lassen sich also ungefShr folgende Klangregionen, •—
163
^Ü^iffl^
155
in imtn wieder Tiefe, Mitte, Höhe karakteristiscb von einander treten,
uniorseheiden , wiewohl durch sie alle hindarch der Klang sein seharf
abgeschloaanes, — man möchte bisweilen sagen: sein preziöses Wesen
behält. Daher fehlt der Oboe das Schmelzende, Flüssige der Klari-
nette , sie ist spröde ; nnd darum sagen ihr lebhafte and besonders weit
fortgesetzte Passagen , namentlich schnelle Arpeggiofiguren — wenn-
gleich sie sie technisch hervorbringen kann — ihrem innem Wesen
nach nicht zu. Feiner, inniger Gesang, zierliche, kokette Bewegungen,
tiefeinschneidende Accente , — das ist es , was sie besser als irgend ein
andres Blasinstrument vorzubringen vermag.
B. Die FlAte.
Die Flöte ist bekanntlich ein Rohrinstrument, das aus einem oben
geschlossnen Kopfstücke mit dem Mundloche , Mittelstücken und einem
Endstücke (Puss) besteht und durch den unmittelbar die innere Luft-
säule streifenden Anhaueh des Bläsers zum Tönen gebracht wird.
Sie hat einen Tonumfang von —
8 8 8
164
i
chromatisch bis
JMisogartj^
^fF
Doch sind die zwei letzten Töne meist (es kommt hier allerdings auf
den Bau des Instruments und das Geschick des Bläsers an) zu hart, als
dass ihr Gebrauch rathsam wäre ; dagegen spricht dreigestrichen b eben-
so gut, wo nicht besser an, als dreigestrichen a.
Früher reichte die Flöte nur bis zum eingestrichnencf hinab und ist
der <?-Stufe erst durch den C-Fuss mächtig geworden. Eipige Flöten
können jetzt sogar das kleine k geben; allgemein kann man wohl nur
das eingestrichne c fodem.
Dieses Instrument ist der schnellsten und leichtesten Bewegung in
allen Arten von diatonischen und akkordischen Figuren , auch weiter
Sprüuge in schneller Bewegung, z. B. dieser —
Allcgro.ji ^ ^ jl
^ Ji -*- -- 4- -H
t^.^rrftf U-
and ähnlicher, und zwar in allen Tonarten, sowie auch schneller
Tonwiederholung, z. B.
AUegro»
166
156
fähig. Nor darf die Tonwiederholung nicht za anhaltend geMert
werden , weil der Znngenstoss , durch den man sie bewirkt, ermifdet*
Anch Sprünge in langen , grossen Bogen und Arpeggien von grossem
Umfange sind wegen der für sie nöthigen Lippenänderong schwer ans»
fuhrbar oder ermüdend.
. Triller gelingen, besonders in der zweigestriehnenOktaye, — und
in der dreigestrichnen bis zu e*) oievßs, leicht. Dagegen wäre die
Tonfolge des Dominantakkordes auf 6, wie z. B. hier —
bei a. , sowie die Bindung der bei b. angegebnen Terzen, besonders in
schneller Folge, nicht bequem.
Am günstigsten sind der Flöte die Tonarten C-, 6?-, 2>-, A- und
Fdur nebst ihren Parallelen; in den mit mehr als einem Be vorgezeich-
neten Tonarten ist der Klang des Instruments weicher, in den Kreuz-
tonarten heller«
Die Schallkraft des Instruments ist in der Tiefe, bis etwa zum
eingestrichuen a oder zweigestrichnen cü^ sehr gering, der Klang ist
hier sehr sanft und luftig, aber hohl und matt, gleichsam verblasst, wie
der sogenannte blaue Himmel in den nördlichem Breiten. Von da, bis
zu dem dreigestrichnen eis oder d^ erhöht sich die Schallkraft, der
Klang bleibt sanft und mild, wird aber etwas fester, — bis weiter nach
der Höhe die Kraft des Instruments zunimmt und der Klang heller, end-
lich grell und etwas hart wird , obwohl er nie die durchgellende Kraft
der gleich hohen Klarinetttöne erlangt. Auch auf diesem Instrument
unterscheiden sich also die drei Tonregionen, die man so —
168
i
"^
:t:
^
S3=
s^i
:t=::|:
i^
umschreiben könnte. Selbst das hat die Flöte mit den andern Instru-
menten gemein, dass ihre tiefsten Töne einer gewissen Verstärkung
fähig sind ; sie bleiben aber doch hohl und weit unter der Schallkraft
der tiefsten Klarinett- und Oboetöne.
Im Ganzen herrscht in der Flöte Luftklang, — man könnte ihren
Karakter der himmel- oder blassblauen Farbe vergleichen ; dies ist der
unmittelbare Ausdruck ihres Wesens und Baues , da ihre Luftsäule im
*) Auf neuem FlSten ist dts dreigestriehne e nicht ganz rein, sondern etwas
ZQ tief; daher wird der Triller oft nicht ganz rein gelingen, anch im Pianissimo
der Fehler des lostrunents bemerkt werden, wlhreod beim Ansebwellen oder Forte
der Bläser im Stande ist, den Ton rein darzosUlien.
157
Vergleich zu ihrer Länge mehr Weite hat. als die der Klarinette — und
viel mehr als die der Oboe , aach kein den Athem zusammenfassendes
Mundstück oder ihn materialisirendes Blatt oder Doppelblatt einwirkt,
sondern der reine Anhauch den Ton erweckt, Luft unmittelbar auf Luft
wirkt. Dieser Luftklang ist glatt, weich , auch hell, — aber ohne Fär-
bung, ohne Leidenschaftlichkeit oder Erwärmung, die erst aus dem
Zusammentreffen verschiedner und einander widersprechender Ele-
mente hervorgeht. Auch fehlt ihr natürlich jener romantische, fern-
hin und gleichsam von fern herüber tönende Klang, den das Waldhorn
vorzüglich der Form seines Rohrs und der Erweiterung seiner Luftsäule
von dem engen Mqndstück bis zu dem sehr weiten Schalltrichter ver-
dankt. Heitre, leichte, kindliche Weisen sind es, die der Flöte zu-
nächst zusagen ; was sie im Verein mit andern Organen werden kann,
davon ist späterhin zu reden.
Von der Flöte sind , um höhere Lagen mit Leichtigkeit und Kraft
benutzen zu können , noch einige Nebenarten in Anwendung gebracht
worden, die wir hier au&ählen. Es ist
1. die Terzflöte,
eine kleinere Flötenart, deren Töne eine kleine Terz höher erscheinen,
als sie notirt sind und auf der gewöhnlichen Flöte eintreten würden,
z. B. die Noten bei a., —
169
^^^^m^^^
SO wie bei b. geschrieben ist, mithin als/bis a aus der ein- bis dreige-
strichnen Oktave. Die Tonreihe der Terzilöte beginnt übrigens — den
Noten nach — mit dem eingestrichnen cf , in der Wirklichkeit also mit
dem eingestrichnen/.
Die Terzflöte bat vermöge ihres kurzem und engern Rohrs här-
tern, in der Höhe bald grell werdenden Klang, und wird besonders bei
starker Harmoniemnsik (z. B. in Militairmusikchören) statt der ge-
wöhnlichen Flöte gebraucht, deren Schallkraft hier nicht ausreichen
würde. Im grossen Orchester ist sie unsers Wissens selten (vonHaydn,
Mozart, Beethoven nie, von Spohr in seiner ,, Weihe der Töne*^)
gebraucht worden. Man kann sie wohl in den meisten Fällen hier ent-
behren und thut dann gewiss gut, nicht auf sie zu rechnen. Doch
wollen wir weder hier noch sonst wo uns oder Andre zum Verzicht
auf ein Kunstmittel verurtheilen, wenn dasselbe zweckgemäss er-
scheinet«
158
2. Die Oktavflöte,
auch kleine Flöie*), ßauto piccolo^ Pikkolflöte geDannt. Sie steht eine
Oktave höher als die gewöhnliche Flöte und intonirt auch ihre Noten
eine Oktave höher. Ihr Tonumfang geht — den Noten nach — vom
eiugestrichnen d bis zum dreigestrichnen a oder b, also ^
Sva
170
j^
=tn:
fc^rgdfe^
auch \iß
:ir.
in der Wirklichkeit aber vom zweigestrichnen d
- 8va
171
m
i=g
=t:
4
I
t
bis in die viergestricbne Oktave. Ihr Klang ist bei der Kürze und
Enge des Rohrs knapp und im Vergleich zu der grossen Flöte hart oder
doch herb; in der Höhe wird er, besonders in der dritten der oben
angedeuteten Tonregionen , sehr grell und schneidend eindringlich. In
der ersten Oktave (in der ersten der oben abgezweigten Regionen) da-
gegen ist die Schallkraft zu gering und der Klang daher Verblasen.
Sie hat sowohl in der Harmoniemusik wie im Orchester ihre Stelle
gefunden und ist an beiden Orten unentbehrlich.
Ausschliesslich dagegen der Militairmusik eigen ist
3. die Es'FlöU
oder Nonenflöte, deren Töne eine kleine None höher ansprechen, ab
sie geschrieben werden, also die Noten —
172
und
^m
^^^
i
4. die F-Flöte
oder Oktavterzflöte, deren Töne eine kleine Dezime höber ansprechen,
also die Noten —
17a
^
^
=1=
it
=fc
Alle diese Flötenarten werden im Allgemeinen behandelt wie die
grosse Flöte. Nur sind wegen der Kleinheit des Mundlochs und der
*) Im Gegeotatxe zn des kleioero FlStenarten beiast die gewöboUche FtöU
,^die grosse*', — oder aacb vorzagsweise (im Geseosatz zu den andern Blasinstni-
meoteo , obgleieb alle kleinen Flöten denselben Namen in Aosprncb nebmen könn-
ten) Qaerflöte, Fiäte traüeriiere. Wird in einer Parlitar Flöte (Fiauto) ebne Zo-
salz vorgescbrieben, so ist stets die grosse gemeint.
— lö» —
engern'Lage der Tonlöcber die Griffe sowohl wie die Intonation (der
Ansatz; rembouchure) schwerer und weniger heqaem; besonders
fallen den Oktav- und noch kleinem Flöten sehr schnelle Tonfiguren
in Tonarten mit mehr als vier Kreuzen und mehr als drei Been ^ ferner
chromatische Läufer und Triller, vornehmlich diese, —
^&
_^ tr _^ tr x-I?L. — -F^
174
schwer. Aus denselben Gründen sind den kleinen Flöten, namentlich
der Pikkolflöte, auch die stark vlorgezeichneten Tonarten schwerer; am
bequemsten ist Z>dur (i/moll), 6?-, C- und Finr mit ihren Parallelen.
Je höher übrigens die Stimmung, desto schwerer spricht die Höhe an;
schon die Pikkolflöte sollte nicht über dreigestrichen ^, höchstens a
(in Noten) geführt werden*).
Zweiter Abschnitt
Verein von FlMen mit Klarinetten, Fagotten und Hörnern.
Für unsre letzten Aufgaben hatten wir ein Orchester von Kla-
rinetten , Hörnern und Fagotten mit Kontrafagott zusammengebracht.
Der Trompeten und Pauken enthielten wir uns, weil der Chor der
Rohrinstrumente noch nicht stark genug besetzt war; der Posaunen
theils aus diesem Grunde, theiis weil die Oberstimmen (abgesehn von
den tonarmen Trompeten) nur von Klarinetten besetzt, mithin im ent-
schiedensten Nachtheil gegen die Unterstimmen waren. Es soll übri-
gens damit nicht in Abrede gestellt werden , dass auch zu jenen Auf-
gaben Trompeten und Posaunen hätten zugezogen werden können ; wir
konnten uns ja die Klarinettstimmen vielfach besetzt denken , oder statt
zwei oder drei Klarineltpartien vier oder fünf schreiben. Nur würde
dann wieder die eiue Instrumentart auf geistlose Weise das Ueber-
gewicht über jede andre erhalten haben, der Klarinettklang hätte die
Eigenthümlichkeit der andern Instrumente überdeckt.
Jetzt stehn uns noch andre Instrumente für die Oberstimmen zu
Gebote; wir ziehn sie nach und nach in unsern Chor. Indem wir
*) Froher httte mtn grossere, eioe Qainte tiefer steheode Flöteo, die io unse-
rer Zeit (wo man oft von neoen — oder vergessnen tlten — ond gehtoften Mittein
neae „Effekte" hoift) anter dem Namen Pantnlon wieder zom Vorschein ge-
l^ommen.
160
Schritt für Schritt vorwärts gehn , knäplt sich eine Reihe von kieinerä
and grossem Versuchen und Aufgaben an. Die erste Stufe bildet der
Zutritt der Flöten , die sich den bis jetzt von uns gebrauchten Rohrin-
strumenten ziuiäcbst anschliessen.
Die FJöle hat vermöge ihres Luftklangs Verwandtschaft mit Kla-
rinette und Hörn, besonders mit der Klarinette; die Sanftheit und Run-
dung ihres Schalls giebt ihr eine gewisse Beziehung zum Pagott, ob-
gleich dieses Instrument dunklern , schattigem Klang hat und in der
hohen Tonlage eine Leidenschaftlichkeit annimmt, die weder der Stärke
noch der Art ihres gepressten Ausdrucks nach in der Flöte vorhanden
ist. Am nächsten steht, wie gesagt, die Flöte der Klarinette, wird
aber von dieser durch Fülle und Kraft des Schalles, durch die Macht
weit stärkern Anschwellens , durch Wärme , Leidenschaftlichkeit und
Ueppigkeit des ganzen Ausdmcks weit überboten. So zeigen sich auch
hier wieder (S. 117) Beziehungen und Unterschiede unter den ver-
schiednen Instmmentarten. Wir können Flöten und Klarinetten als die
einander nächststehenden Instramente , — Flöten und Fagotte als ähn-
liche, besonders gleich sanfte Organe, — allenfalls Flöten und Homer
vermöge des Luftartigen in ihrem Klange verbinden ; wir werden Flö-
ten , Klarinetten und Fagotte vereinen und den Abstand der äussersten
Instrumente durch die Klarinetten vermittelt, die üppige Kraft der Kla-
rinetten von den stillen Fagotten und kühlem Flöten umhüllt und ge-
dämpft sehn ; auch Flöten und Hörner werden durch den Zutritt der
Klarinetten besser verschmelzen.
Ein Fall, wie geschaffen, um unsrer Auffassung als Beispiel zu
dienen, findet sich in Beethoven's Ouvertüre zum Fidelio, gegen das
Ende*). Hier —
175
Flöte.
Adagio
\-Klari netten
E-Höraer.
Fagott.
*) S. 32 der Pariser Partitur.
161
treten zwei HSmer auf, denen sich als Oberstimme eine RIarineUe
(S. 140) zugesellt Die Klarinetlmelodie wird von der Flöte, also
vom verwandtesten Instrnment, anfgefasst und in die Höhe gefuhrt, in
welcher die Klarinette nicht sanft und leicht genug ansprechen würde;
die Homer begleiten die Flöte, wie zuvor die Klarinette. Nun senkt
sich die Komposition in die dunklere Unterdominante und die Klarinet*
ten nehmen den Satz der Hörner. Hier tritt das dunklere Fagott mit
dem Gegensatz auf, wie vorher die Klarinette. Es wird fortgesetzt von
dem Violoncell und damit (wie wir später bei der Lehre vom Streich-
quartett erkennen werden) in das Materiellere und Dunklere geflibrt, wie
zuvor die Klarinette durch die luftartigere Flöte in das Hellere und Stoff-
leichtere*).
Es tritt aber noch ein besondres Verbältniss hervor, das wohl be-
achtet werden muss.
Die Flöte hat — abgesehn von den ihr mangelnden Tönen der
kleinen Oktave — dieselbe Tonreihe mit der Klarinette. Allein ihre
eingestrichne Oktave ist so matt und verblasen , dass sie unmöglich mit
denselben Tönen der Klarinette gleichen Rang behaupten kann; ihre
zweigestrichne Oktave wird zwar stärker, bleibt aber wieder hinter
der durchdringenden Kraft derselben Tonreihe auf der Klarinette zu-
rück ; — sie steht ungefähr in gleicher Macht mit der eingestrichnen
Oktave der Klarinette. Ebenso verhält es sich mit der dreigestrichnen
Oktave der Flöte ; sie hat ungefähr gleiche Macht mit der zweigestrich-
nen Oktave der Klarinette. Diese Notenreihen —
Flöte.
*) Dass die Instromeate, nameBtlieh Rlarioette, Flöte und Fagott , zogleieh io
den günstigsten Lagen auftreten, ist gewiss ; man darf aber nicht hierin den ersten
Bestimmangsgrnnd für die Romposition Sachen^ denn er würde sich sogleich als
■ieht durchgreifend erweisen lassen. Abgesehn von den mSglieherweise einzumi-
schenden Streichinstrumenten könnten in Rücksicht auf die Tonlagen statt der Ria-
rinetten Oboen und statt des Fagotts ein Waldhorn genommen werden.
Marx, Komp. L. IV. S.Aofl. 11
l«fi
zeigen , welche Tonregionea in beiden Instramenten einander an Kraft
und Helligkeit des Klangs am besten enfsprechen.
Diese Betrachtung giebt einen wichtigen Grundsatz für die
Behandlung der Flöte an die Hand: wir mässen sie eine Ok-
tave höher setzen als die Klarinette , wenn wir gleiche Wirkung von
ihr begehren, — wir müssen
die Flöte so ans«fan, alsständ* sie im Vierfnsl-
ton gegen die Klarinette,
obgleich dies im Grunde nicht der Fall ist. Nun treten also für diese
lostrumente dieselben Grundsätze in Auweuduog , die wir für alle Or*
gane verschiedner Tonregion, Bir männliche und weibliche Stimmen
(S. 115, Anm.), für Trompeten nnd Hörner (S. 114, Anm.) u. s. w.
gefunden haben.
Wollen wir also irgend einen Satz von Klarinellea und FlSlen in
der Verdopplung vortragen lassen, so darf dieselbe nicht, nach flem
Vorschlag eines neuem Lehrers, im Einklänge, wie hier bei a., oder
wie bei b., —
177
FUtiti.
Clariuetti in B.
^i^i
^^m^
^
sie muss in Oktaven
178
Flötea.
A-Klariaetten.
^^^#
-4-
geschehn. Erst hier wirken die Flöten (freilich immer nach ihrem Ver-
mögen und in ihrer Weise) mit gleicher Frische und Eindringlichkeit
wie die Klarinetten , steigern also , was diese auszusprechen haben , in
der angemessensten und in einer durchaus kräftigen Ameise. Ebenso
müsste ein Gang oder Satz, den die Flöten von den Klarinetten aufneh-
men und weiter führen sollten, nioiitin derselben Tonregion, —
Flöten.
A->Kliiriaetten.
163
sondern in der höhern Oktave —
180
Fldten.
A-Klarinelten.
*im s
^^^^^^m
^^^5iSS-£S
inlonirt werden. Hier treten jedoch (wie wir schon S. 1 16 bei Sbnli-
chem Afilass bemerke müssten) dann Abweichungen ein , wenn die
wirkliche Portfähning (z. B. in diatoiiisdien und chromatisciien Gängen
die Fortführung einer Tonleiter) in der Idfee des Kunstwerks uothwen-
dig and auf ein und demselben Instrumente nicht darstellbar ist. So ist
in diesem Satze —
181
Flöten.
Imo
A-Klariuefleit,
■M^^^^^^^m
weder die Hinaufführung der Rlatinelte bis zum dreigestrichnen e (er-
tönt als eis), noch die Erhöhung der Flöte in die drei- und vierg^-
strichne Oktave rathsam und ausführbar; der Gedanke des Komponisteli
lässt sich auf den vorgeschriebnen Insiramenten nicht anders, als oben
geschehn, ausfuhren.
Wir kehren von diesem Falle, wo die Nothwendigkeit uns zwang,
von utiseTm %bfgen Grundsatze (S. 162) abzugehn , auf den ersten
Fall (Ifr. 177) zurück. . Wurde so gesetzt, was wäre die Folge? Die
Flöten würdea das, was die Klarinetten volltönend und hell veraehmeti
lassen, in matten, verblasnen Tön^n geben. Diese Töne Würdea also
den KIarin«ttklang nicht etwa stärken und erhöhn , sondern mit ihrem
hohlen Wesen gleichsam einhüllen und schwächen; die vereintet!
lostrameate würden iveniger stark und volltönend wirken, als die
Rlarinetteik allein. Es muss also wie in Nr. 178 gesetzt werden, wenn
der Zatritt der Flötea den Satz wirklich verstärken und nicht schwä-
chen soll.
Idoch dnmdfl Zeigen wir dieses Verbältniss der Flöten — ihren
Registerstand gleichsam — zo den andern Instrutnenten an der bekann-
ten anmuthig süssen Stelle im zweiten Theil der Zauberflöten-Ouver-
türe. Mozart hat hier sein reizvolles Spiel mit dem Hauptmotiv des
Fugentbema's und dnlerbvicht die witrai^tnde Hast dieser Sätzchen
darch denjenigen Gang, atfden M-niSs afukMH»^ Hier -^
164
182
Flöte I.
Oboe I.
Fagott I.
Violine I.
Violine H.
Bratsche.
m
Allegro.
^
££
Pf/ p »f
steht der ganze Satz. Betrachten wir das Fagott als tenorisirendes In*
striunent, in dem Register der Mäonerstimmen stehend : so würde ein
diskantisirendes Instrument, z. B. Oboe oder Klarinette, den Fagott-
gang in dieser Tonlage —
i«3p j^diß^
1«5
(Dämlieh der Diskantlage) haben begleiten miissen. Dies bewährt Mo-
zart auch an derselben Stelle, wo er zum Sehluss derselben an der
Stelle der Flöten KUrinetten einsetzt und nun Flöten und Fagotte —
184
Flöten.
B-Klurinetten. <
Fagotte.
zutreten , die Fagotte (gleich den Männerstimmen) eine Oktave tiefer
als die diskantisirenden Klarinetten, die Flöten eine Oktave höher,
gleichsam als Klarinetten im Vierfusslon.
Fassen wir nun diese Betrachtungen zusammen , so ergeben sich
aus ihnen zunächst drei sehr wichtige Lehren.
Erstens.
Die Flöten wirken nur eine Oktave höher als die Klarinetten mit
einer diesen angemessnen Kraft.
Zweitens.
Sie können bei ihrem Zusammentritt mit Klarinetten und Fagotten
in der Regel als Verdopplung der Klarinetten in der höhern Oktave —
and die Klarinetten als die eigentlich wesentlichen (realen) Stimmen, —
folglich Klarinetten und Fagotte als der eigentliche Kern des Satzes
(daher wir auch den Satz für Rohrinstrumente S. 128 mit ihnen aus-
schliesslich begonnen haben) und Flöten als blosser Zusatz zur Ver-
stärkung, Füllung u. s. w. angesehn werden*). Die Melodie des Sätz-
chens Nr. 184 ist also nicht etwa so —
zu fassen, sondern so, wie sie in der Klarinettstimme steht; so ist sie
zuvor (Nr. 182) dagewesen und so , auf dem eingestrichnen es schlies-
send, wird sie von den Violinen auf demselben Ton aufgefasst und weiter
geführt. Diese Auffassung leidet, wie jede Regel, ihre Ausnahmen,
wird sich aber als leitender Grundsatz nützlich erweisen. Sie bezeich-
net dem angehenden Tonsetzer sogleich den Mittelpunkt, von dem aus
die Stimmen gesetzt und beurtheilt sein wollen. Es ist die mittlere Lage
(man denke an das vorlängst Tb. I. S. 137 aufgefundne Gesetz) des
Tonsfstems, der von der Natur des Tonwesens seihst bezeichnete Sam-
♦) Vergl. S. 169.
166
meljpaiikt und Kern der Harnonie, den er in der Regel zuerst bede»-«
ken nnd besetzen nnd am kräftigsteo befestigen muss.
Drittens
erkennen wir hier zum ersten Male*), dass nicht jeder Zutritt neuer
Organe Verstärkung ist. Treten schwache Stimmen zu starken , z. B.
Flöten mit ihrem matten Tonregister zu Klarinetten in der heilem
Tonlage, wie in Nr. 177 : so bat sich freilich die Zahl dar Stimmen und
die Schallmasse — die Hasse der hl^rbar sohwingendep Luft — un-
leugbar vermehrt. Aber der hellere Klang des kräftig wiiikenden Instru-
ments wird durch den matten Klang des schwachen odet in schwacher
Wirkung zutretenden umhällt und gedämpft. So wird, um ein Gleich-
niss zu gebrauchen, die Masse des Schwertes, wenn itian es in seine
Scheide steckt, allerdings vermehrt, die Schlagkraft und Schärfe
der Klinge aber verminde;rt oder ganz aufgehoben«
Dass diese dritte Lehre , die wir dem Zutritt der Flöten zu den
Klarinetten verdanken, sich nicht aiif den einen Fall beschränkt, son-
dern noch vielfache Anwendung zulässt, erkennt Jeder im Vqraus« Wii^
wollen sie gleich auf eine andre Zusammenstellung übertragen , zu der
bald Gelegenheit sein wird , auf die von Trompeten und Hörnern. Die
Trompete ist hell, scharf eindringend, schmetternd; das Hörn ist dumpf
oder dunkel, quellend rund, selbst im Forte weit entfernt von der
Schmetterkraft der Trompete, beiläufig auch für die der Trompete eigen-
thümlicbe Sehmetterfigur (S. 47) bei Weitem weniger gesohiokt; Woll-
ten wir nun einen Trompetensatz mit Hörnern im Einklang Verdop-
z. B.
Maestoso
186
Trombe in B.
Corni in B alto.'
m'j^
?n
so würde zwar die Schallmasse vermehrt, die Schärfe der Trompeten
aber und damit die EindriagUchkeit desSajtzesbeetoträcbtigt**), — ob^
gleich hier noch die Giedr^ngeiibeit günstig einwirkte , die doiyi Ui^rn-
klang in den hohen Stimmungen eigen isA. Eatfernle man die Höraer
um eine Oktave (nähni^ man z. -B. statt der hohen liefe A*H<$rner> oder
£$-Tramp«ten und Es-Üörner) j. se würden die Trompeten wenigsftens
«) Versl.S. POuDd 105.
**) Wer mit Farbeogebnos einigertaiassen Bescbeid weiss, stelle sieb die
Wirkung der Trompeten als Sebarlaebrotb vor. Führt man über diese Farbe ein
Blau, so ist stofflich mehr Farbe angewendet; aber die Kraft der Liehtfarbe ist
gebrochen, aus Roth ist schattiges Violett geworden.
l«7:
in ihrer eignen Tonlage frei sein« Am angehetnmtesten , reinsten and
krafUgstett \riirden sie wiAen, am enei^iscfasttn wurde der Satz her-
austreten, wenn die Trompeten allein gelassen würden und die Hörner
ganz wegblieben. — Wj)llle man umgekehrt die Hörner (hoch B) noch
enger den Trompeten anschiiessen , sollten sie. auch den Schmetterton
derselben mttmaehen , so wurde damit die letzte Eigenthümlichkeit der
Trompeten durch die mindere Beweglichkeit der Hörner unterdrückt.
Sehreiten wir nunmehr zu der Bildung von Sätzen, ßo zeigen sich
folgende Weisen der Verwendung für sie.
Erstens können alle Bläser zusammen harmonische Massen bil-
den. Hier — ,
187'
FUiiH.
CkirinettiUC.
Corni in D.
F«go<]U.
CoBtrafa^ffo.
■^■^^i^iMiä
SS
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1^ ' I t ,
^^^^M^
^^EäE^g^ä
Stehe der erste Versuch. Für die Tonlage des Ganzen, für. die etwas
rauhen D-Hömer und die hohe Intonation der Flöten haben wir statt
der zu weichen ^^Klarinetten die hartem in C genommen. Das zu weit,
abliegende Kontrafagott musste mit dem zweiten Pagott unterstützt wer-
den; folglich war es rathsam, das erste Fagott anth tiefer zu Mtnen,
um beide nicht zu trennen. Nun war zwischen den Ober- und Unter-
stimmen* (zwischen Klarinetten und Fagotten) eine Leere entstanden,
die zufriedenstellend ausgefällt werden musste ; dazu vereinigen sich
die HöTAef im Einklang. Hätlen wir bereits ii^gend ein kräftigeres
Blasinstninient oder deren mehrere , so iäs» wir nicht nöthig gehabt,
die Fagotte von den übrigen Instrumenten wegznziehn und in die —
ohnehin für sie nicht günstige tiefere Lage zu bringen ; da^Hrürde der
Satz sich ehcf so —
168
188
Flölen.
G-Klarinciten.
Fagotte.
D«Höracr.
Bhss.
^^^^^äö
^j^^44Mf^y
1^^^^^^
S i
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M:t5=W
stellen. Hier wird der Haaptgedaoke (in den Klarinetten and Flöten)
noch von den Fagotten in wirksamer Tonlage unterstützt und die Hör-
ner treten, ihrem weithintönenden Wesen gemäss, breit und volltönend
in die Mitte. Bei dem zweiten Einsätze wird die Melodie vom zweiten
Fagott , dagegen die vom ersten Born libernommne Mitielstimme vom
ersten unterstützt. Bei dem dritten Einsätze verdoppelt die zweite Kla-
rinette den Gesang der ersten Flöte , die zweite Flöte und erste Klari-
nette werden Mittelstimmen, und beide Klarinetten gewinnen dabei eine
bessere — nämlich höhere und helltönendere Lage und engern Zusam-
menhalt.
Wollten wir endlich die weite Lage aufgeben , so könnte der Satz
eine dritte Stellung —
Flötea
160
annehmen, in der der Zusammenklang durch die hohe Lage alter Instru-
mente und durch rierfache Verdopplung noch gekräftigt wäre, die Me*^
lodie ebenfalls durch Verdopplung der Klarmetten «nd Flöten durch
B$rner noch stärker betont würde, — freilich aber das Kontrafagott
zu seinen höchsten , gezwängt ansprechenden Tönen (um sie nur ein-
fuhren zu können , haben wir eine Einführung in den ehemaligen An-
fang vorausgeschickt) genöthigt wäre, überhaupt die vielfache Verdopp-
lung und die hohe und enge Lage aller Instrumente dem Ganzen etwas
Ctewaltsames aneignete, das in der ursprünglichen Anlage des Satzes
(Nr. 187) keineswegs vorbanden oder veranlasst war. Zum Schluss
übernimmt die erste Flöte , das erste Hörn zu verdoppeln ; Klarinette»
zweite Flöte und zweites Hörn können für die eigentliche Melodie um
so eher genügen, da nichts verloren geht, wenn man wirklieb zuletzt
e statt d als Melodieton aufTasst.
Beiläufig haben wir hier inNr. 189 und vorher in Nr. 188 Fälle vor
uns, wo (am Schlüsse) die Flöte nicht blosse Verdopplung der Klarinette
ist, sondern ihre eigne Melodie geltend macht, so dass man diese und
nicht die Klarinettmelodie als Hauptstimme auflassen kann*). Dies kann
man daher als Ausnahmen von dem S. 162 ausgesprochnen Grundsatz
betrachten. Wie wenig sie aber den Grundsatz erschüttern, zeigt der
Augenschein. Es ist klar, dass der Gedanke, — der Kern des Satzes
kein andrer , als dieser —
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190
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(drei- oder vierstimmig gesetzt, mit dieser oder der Schlusswendung
von Nr. 187) gewesen, und dass man ihn zunächst auf das Geradeste
und Einfachste hat aussprechen lassen, dann aber gelegentlich die Kla-
rinette heller intoniren , oder die Schlussharmonie durch einen für die
erste Flöte hervorgezognen Toh in eine andre, höhere Lage bringen
wollen. — Diese zweite Auffassung, in der die Flöten sich als wirk-
liche Melodiefübrer — und dann also die Klarinetten als deren blosse
tiefer (in der Klarinettregion) liegende Unterstützung — geltend machen,
tritt dann besonders in ihr Recht, wenn der Zusammenhang des Ganzen
eine hochliegende Melodie fodert, oder wenn der Chor der Bläser so
eng vereint ist und zugleich die Flöten so kräftig eintreten, dass man
die Bläser als eine ganz verscbmolzne Masse auffassen und die Flöten
als herrschende Stimme vernehmen kann. Das Letztere ist bei den va-
*) So wollen wir es uns aoch gero g^falleo lassen, weno ein nataraüstisch ,
nach dem blossen sinnlichen Efndrack Urtbeilender den M ozart'scben Gang aus
Nr. 184 — dareh den anziehenden hoben Eintritt der Flöte verleitet — so anffasst,
wie er in Nr. 185 geschrieben ist. Dann wäre dieselbe eine Aasnahme mehr, die
ebensowenig den Grundsalz erschüttern liönnte.
170
ngeo Säl£«B wohl der Fall, so gßmias aaoh ihr Kern wid id Nr.' ItiO
.aobufiisseii ist. Das Erstere würde von dem Salze Nr. 19% mUmI
dann gelten ^ wennfMasart derFlö4e einen KlafiAettunteraatt (über
den Fa^oU'oder sjtalt desselben) gegeben hielte'; dean die Lage der
erfiteaGeifpe bezeiobnet die Melodie —
=^^H
^m
aLs eine hochliegeude, der Flötenregion angebörige.
Zweitens haben wir nun noch mehr, wie früher, Stoff, den
Gegensatz von grössern und kleinern Massen darzustellen. Nr. 189
giebt uns folgendes Beispiel an die Hand. —
192
Flöten,
A-IChirinellen.
D-lI6ra«n ^
Fagotte*
Kontrafagott«
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174
Stau der C^RbyrioelleD-ftibd die-wcfitbeniiitf-Kl<iriiieUei> geooaisieii,
die Kr den saDherB ZwisdMnsatz., vo» Höroem und FagotteniiBtee*
stiilzt, geeigneter sind. Im Tatii (in der grössera liasae) Werdeo die
Klarinetteo durch Flöteii io der Hohe ver4Qp|»eM ited d«ireh die festgeh
seblossiie Masse der IKraer und Pagolte getragen ; diese mittlere Lage
onterstützt zwar die Hauptstimmen , ohne sieh • ihnen jedoch su skla-
visch, Tod für Ton, anzuscbliessen. Es haben sich — abgesehn von
dem einfacher gesetzten Kontrafagott — zwei zwar eng zusammenge-
hörige, aber doch nnterscheid bare Massen geMMet; die höhere meio^
diefahrende von Flöten und Klarinetten '— und die tiefere harmeoieaa»-
fiillende von Hörnern und Fagotten.
Drittens haben wir nun erst genügenden Stoff, den CSegensatz
von Höhe und Tiefe in Massen darzustellen, z. B. hier, —
193
Flöten.
A->Kliirin«iteiu
D-Hörner. <
Fagolle.
KonlcAfagetu
Andante.'
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172
zu dem fräber für die höhere Masse niehis ab Klarinetleii zo Gebete
gestanden hätten. Jetzt haben wir ausser den Klarinetten noch ein
andres und zwar höher liegendes Stimmregister. Im vorliegenden Bei-
spiel (das man sich als Fragment, vielleicht als Schluss eines grössern
Satzes denken mag) ist die höhere Masse von einem Fagott, dann von
Fagott und Hörn unterstützt.
Allerdings haben zur Darstellung dieses Gedankens eigenthüm-
liehe, im Bisherigen noch nicht zur Sprache gekommene Wege einge-
schlagen werden müssen. In der tiefem Masse fuhrt das erste Hom
vermöge seiner überlegnen Schallkrafl und der Anmuth seines Klangs
die Melodie; ihm zunächst tritt das erste Fagott mit seinen eindring-
lichen höhern Tönen ; beide Stimmpaare mischen sich so, dass der mu-
thigere Hornklang wohl die Melodie heben kann, doch aber durch die
dumpfer, gedrängter hineinredenden Fagotte eine tiefere Schattirung
über das Ganze sich breitet. Den reinsten Gegensatz hätten nun Flöten
und Klarinetten (allenfalls mit einem Hörn , wenn das Tonvermögen
desselben genügt hätte) gegeben : Höhe und heller Luftklang gegenüber
der dunklern Färbung und tiefem Lage. Hier sollte der Zutritt des
Fagotts vor allem die Stimmung des Anfangs weiter klingen lassen und
einheitvoli durchführen; dann durfte man auch durch den fremden
Fagottklang anreizende Einmischung (S. 117) für die ohnehin zu gleich-
formige höhere Masse hoffen. — Noch auffallender kann nach dem Bis-
herigen der Gebrauch der Flöten Takt 3 und 4 sein ; sie dienen als
Mittelstimmen zwischen den Klarinetten , und zwar in ihrer mattem
Tonlage. Allein — andre Instrumente für die Mitlelsämmen waren
nicht vorhanden. Hätten wir die Melodie der Flöte, die Mittelstimmen
aber den Klarinetten geben wollen , so wäre dieselbe entweder (in der
zweigestrichnen Oktave) zu unkräflig und besonders zu kühl, zu wenig
angeregt und anregend (5. 165) aufgetreten , oder wir hätten sie zu
Gunsten der Flöte in die höhere Oktave legen müssen. Aber dies so-
wohl , wie überhaupt der Flötenklang wäre ihr und dem Zusammen-
hang des Ganzen nicht angemessen gewesen. — Bei dem zweiten Ein-
tritt der höhern Masse hebt sich die Melodie, gleichsam aus. Takt 3 und
4 heraus ; hier tritt die Flöte wieder in ihre gebührende Tonlage und
wird melodieffihrend (also wieder eine Abweichung von dem S. 162
ausgesprochnen Grundsatz), während die Klarinetten als Mittelslimmen
dienen.
Dass diese Gegensätze und Massen auf noch mannigfaltigere
Weise sich bilden lassen , ist gewiss. Wir hätten in Nr. 193 die tie-
fere Masse durch tiefgelegte Klarinetten vergrössern, die erste höhere
auf Klarinetten and Flöten , oder eine Klarinette und zwei Flöten —
173
194
Flöun.
A-Klnrinette.
(die Flöten worden freilieb etwas Verblasen klingen), oder Klarinetten
und ein Hom —
195
A-Klarinetlen.
D-Horn.
^^0^^^
i
^m
^sfe
beschränken können. Selbst in Tattisätzen mit verdoppelnden Stimmen
(wie z. B. in Nr. 189 oder 192) kann dem Ganzen mehr Leichtigkeit
nnd der Melodie mehr Eindringlichkeit gegeben werden, wenn man
nnr die erste Flöte die Melodie — natürlich in der höbern Oktave —
verdoppeln, die zweite schweigen lässt. Alle diese Besonderheiten
werden dem Darcharbeiten und geistigen Durchhören des Jüngers
überlassen.
Viertens endlich bietet sich uns eine reichere Auswahl bin-
sichts des melodiefiihrenden Instruments. Allerdings wird hier im
Allgemeinen die Klarinette , besonders wenn wir eine dritte als Prin-
zipalstimme nehmen können, stets den Vorzug behaupten ; als Diskant-
instrument gebührt er ihr vor den tieferliegenden, vermöge ihrer über-
legnen Schallkraft und ihres warmem, vielseitigem Ausdrucks fähi-
gem Klangs vor den Flöten. Allein der besondre Sinn eines Satzes,
das Bedürfniss hoher Melodielage, schon der Wunsch, dem Ganzen
Wechsel und Mannigfiiltigkeit zu geben, kann die Flöte an die
Stelle der Klarinette berufen oder beide abwechseln lassen. Aus
gleichen Gründen kann gelegentlich einer tiefem Mittelstimme, wie
hier, —
174
196
Flanti.
Clarinelti üiB.
Corno solo j
in Es. \
Fagotti.
Contrafagotto
'ikilagro moderato.
^ma=t
^^irrnfr^
oder dem Basse —
197 MwÄtoto;
Flanti^ '
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.a-
id^
Sl
Clai«iR«tlf in B.
1=8:^
5^ee:-^hee}jN=l^^s
TT
Conti in D.
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Lt£
I
IT
'JSC.
-m.
FagfTlli e Contrafagotto
^r
g;-.±rr-^^^
^^^^^^^
Contra-F.|
175
die vorbeiTMiieDd» IMofie öbergeben werden; voD'riön ItitlelstiiBDien
würde ▼eraogsweise das Hörn durch seine Scbalifcraft und Kiang^höne
für Melodie geeignet sdn. Das einzelne Pagott wäre meist zu schwach ;
woMte man aber beide Fagotte vereinen, so bliebe nur das fernliegende
«d dumpfe Kontrafagott für den Bass tibrig. -^
Dass übrigens der Stimm * wie der Massenweehsel nioht willkäbr-
lieb, nacb Laune und ungeordnet geschehn darf, ist «ehon aus der Form-
lehre von selbst einleuchtend. Jedes Instrument ist fdr die Stimme einer
Person zu achten, -<- eines Wesens, das Selbständigkeit hat, das Recht,
sich voll auszusprechen und seiner Eigenibämlichkeit nach zu behaup-
ten ; jede Instramentmasse ist einem Chor , einer vereinten Anzahl von
Individuen gleich zu achten. So wenig wir in irgend einer Form Stim-
men willkührlich wegwerfen dürfen, so wenig darf es im Orchestersalz
geschehn. Und noch weniger. Denn im Orchester sind die einzelnen
Instrumente durch die Verschiedenheit des Klangs noch bestimmter und
kenntlicher von einander geschieden , als etwa die Stimmen in einem
Klavier- oder Orgelsatze; folglich wird jede leichter« aufgefasst und
verfolgt und ein etwaiger Fehlgriff oder Mangel in ijirem Eintreten
oder Absetzen um so deutlicher undemplindlicher bemerkt. Hier haben
also unsre längst beobachteten Regeln über den Eintritt und das Aus-
scheiden der Stimmen doppelten Angprucb auf Geltung.
Dritter Abschnitt.
Zutritt 4er ObMii.
Bei den Versuchen des vorigen Abschnitts wurden unsrer Blas-
barmonie Flöten zugesellt, weit'^iiese den. Klarinetten am ähnlichsten
und darmn :zur inniigstfen Verschmelznng nat ihnen am geschicktesten
sind. So gewiss das wahr ist, so liegt doch eben in dbr Aehnlichkeit
beider Instrumeatarten eine gewisse Eptönigkeit, die leicht Mattig-
keit zur Folge haben kann. Klarinetten uiid Flöten sind dem Klange
nach zu ähnlich, als dass sie sich als verscfaiedne Stimmen deutlich auf-
fassen Hessen ^ die letztern sind ^— wo man sie nach ihrer nächsllie-
genden Bestimmung behandelt — gewissermassen nur Wiederholung
der erstem in der böhern Oktave. ,
Anders stellt sich das Verhältniss zu den Oboen.
Die Oboe ist mit ihrem scharfgeschnittnen , spröden, in der Tiefe
bärtlich und herb, in der Höhe fein eindringenden Klang von allen
uns bis jetzt zugänglichen Instrumenten , namentlich von dem üppig
sobwellenden Klang der Klarinetten, und noch mehr von den Flöten in
ihrer weichen, runden, kahlen Klangweise durchaus geschieden. Durch
176
sie kommt in deo bisher za gleichartigen Zusammeokkng das eine
flnemde, nicht in den andern aufgehende, sondern sich hebauptende und
durcbseteende Wesen ; sie bringt den Gegensatz , weckt den Reiz.
Am nächsten steht sie, der Tonregion nach, zn der Klarinette.
Diese bat die Töne der kleinen Oktave iur sich allein , ist in der einge-
strichnen Oktave zwar nicht so eingreifend wie die Oboe , aber doch
nicht gar zu schwach, hat auch in der zweigestrichnen Oktave ihren
günstigsten, von Grellheit und Schwäche gleich weit entfernten Klang,
wie die Oboe in ihrer Weise ebenfalls. Dagegen ist die Flöte in der
eingestrichnen Oktave viel zu schwach , um neben der Oboe in dersel-
ben Tonregion bestehn zu können ; und wo sie ihre Kraft gewinnt, —
in der dreigestrichnen Oktave, — da findet die Oboe die Gränze ihres
Wirkens*
Daher ist die nächste Bestimmung der Oboen im Tottisatze: mit
den Klarinetten zu gehen, dieselben in gleicher Tonhöhe, z. B.
198
Obol.
ClarinelllinA.
^g#P^^
^^^^m
zu verdoppeln, während sich umgekehrt die Flöten zu den Oboen eben-
so verhalten wie zu den Klarinetten , nämlich als Instrumente gleich-
sam (S. 162) von Vierfusston, mithin sie der Regel nach in der Oktave
verdoppeln. Der obige Satz wurde also mit Flöten so —
Flöten.
Oboen.
A-Klarinelten.
^^1 n_nri\£
ir^-gmff^^^
zu stehen kommen.
So viel , um die Stellung der Oboen vorerst im Allgemeinen, na-
mentlich hinsichts der Tonregion zu bestimmen. Dies kann jedoch
nicht genügen, wenn es um treffende, karakteristische Wendungen zu
thun ist. Hierzu müssen wir die Weise der Oboe und ihr Verhältniss
zu jedem der andern Instrumente beobachten.
1. Oboe und Klarinette.
Die Schallkraft der Oboe ist am stärksten, ihr Schall nament-
lich am gefülltesten, stoffhaltigsten in der untern Tonregion (S. 154),
177
in derselben Tonlage , wo die Klarinette gerade ihre stillste Partie bat,
wenn aocb bei weitem nicht zu der Mattigkeit der Flöte (S. 156)
herabsinkt. In der zweiten Oktave werden die Töne der Oboe spitzer,
aber auch feiner nnd weniger materiell, die Klarinetttöne dagegen wer-
den gedrungner, mäcbtiger, zuletzt gellend. Ueberall aber bieten Kla-
rinette und Oboe den Gegensatz von quellendem nnd rundem (Klari-
nette) nnd von scharfkantig oder spitz eindringendem Klang (Oboe) dar.
Hiernach ist die Anwendung beider Instrumente zu erwägen.
Findet man nur den Klang der Oboe, oder nur den der Klarinette
dem Sinn seines Satzes angemessen und dabei die eine Instrumentart
ausreichend , so entsagt man , wie sich von selbst versteht , der an-
dern ganz.
Will man, ohne besondre Rücksicht auf den eigenthfimUchen
Klangkarakter, von beiden Instrumentarten nur die stärkste Wirkung :
so muss man jede in ihre mächtigste Region versetzen, die Klarinetten
ako höher stellen, als die Oboen. Hier —
200
Obo9ii*
G-Klarinetten.
C-Horner.
Fagotte unil
Konlrafagott«
Serioso.
haben wir mit.Zuziehung einiger Instrumente (deren Beitritt die scharfe
Lage der Oboen und Klarinetten rechtfertigen kann, indem sie einen
angemessen starken Untersatz bieten) ein Beispiel gegeben, in welchem
die hoch und hell, — schon etwas grell einsetzende Klarinettmelodie
eine ihr gewachsne Unterlage fodert und damit den Oboensatz in den
seharfkantigen und materiellsten Tönen der untersten Oktave recht-
fertigt. Das Schnarrende und Quarrende dieser Tonlage — beson-*
ders bei dem ersten Einsätze -* wird durch den quellenden und
mächtigen Klang der .hocheinsetzenden Hörner und durch den star-
ken Bass, auch durch Mitwirkung der hinzutretenden zweiten Kla*
rinette umhüllt und ermässigt. Wenn in diesem Beispiele die Me-
lodie bestimmend war, so tritt hier —
Marx, Roap. L. IV. S. Aafl. 1 2
178
201 Risolnto.
Oboi
Glarinetti
jä5
W^^^^^^^
US* .
td.
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-JtJL
^*r,
Corni ia F.
^^^i^^Pm^iö
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FagotÜ.
i'^-^Tirr?
7*
Contra fagotto
gi
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-^-':^'^
^1
t=
nur die reine Neigung zu der kräüigsteu und schärfsten Intonation des
ganzen Satzes hervor. Man kehre diesen Satz um , gebe die Oboenpar-
tie den Klarinetten, die Klarinettpartie den Oboen : so bat er die Hälfte
seiner Schallkraft und Eindringlichkeit eingebusst und sein Karakter
ist verändert. Dann würde auch die Verstärkung des Haltetons über-
trieben sein , man müsste ihn den Hörnern allein überlassen und die
Fagotte — etwa in dieser Weise —
202
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^^=g
3ef
t=^
*=t
:Ji
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(die Klarinetten — mit der jetzigen Oboepartie — schlössen auf e-g)
zur Unterstützung; der Hauptstimmen verwenden; das Kontrafagott
bliebe dann besser ganz weg.
Bedarf man umgekehrt nicht einer besondern Kraft und Schärfe^
sondern nur des Zusammenklangs der Röhre, so wird man besser thun,
die Oboen in die höhere und feinere, die Klarinetten aber in ihre tiefere
und sanfter ansprechende Tonlage zu bringen. Dies ist die gewöhnliche
Setzweise, tbeils weil es den Komponisten meisl um Wohllaut eher
als um karakieristische Schärfe zu thun ist, theils weil sich allerdings
im Orchester noch andre — bisweilen blos wohllautendere, biswei*
len aber auch karakterisirende — Organe für mächtigen oder schar^
fen Ausdruck vorfinden. Indess muss der Künstler jedes Mittel kennen
und bereit haben, und keines aus Weichlichkeit oder Schönthuerei
scbenCB , wenn es der Idee seines Werkes entspricht. Für jene Weise
geben wir ein Beispiel aus dem Finale von Beethoven's*) heroiseher
Symphonie. —
*) S. ;^11 der bei Simroek heraoigekommenea Partitur.
179
20S Poco Andante.
Corni in Es I. II.
con espMMlon«
Dass liir diese Melodie und die Idee des ganzen Satzes die Oboe das
einzig geeignete Instrament für die HanpUtimme war, kommt hier nicht
in Betracht. Wenn man auch die Klarinette für ebenso angemessen
halten wollte, so würde doch die Oboe den Vorzug erhalten müssen,
weil Klarinetten wohl einen massigen und verschmelzenden Untersatz
für Oboen, nicht aber diese für jene abgeben können*
Wir wenden uns zu dem Verhältnisse ron
2. Oboe und Flöte.
Die Oboe bildet durchweg den entschiedensten Gegensatz zur
Flöte. Sie hat ihre vollsten und materiellsten KISnge, wö die Flöte matt
and Verblasen anspricht, sie wird spitz, wo die Flöte Rnndaog und Fülle
gewinnt, sie muss schweigen, wo die Flöte zur höchsten Kraft gelangt ;
ihr Klang ist materiell, scbarrgeschnitteii, einschneidend oder spitz ein-
dringend, wihrend der Plölenklang luftartig, weich und glatt, selbst in
der stärker ansprechenden Hohe noch rond ist. Wie können diese bei-
den Instrumente mit einander gebn? — Dies muss sorgfältig erwogen
werden, wenn nicht Missverhältnisse entstehn sollen«
Oboen für sich allein als Untersatz für die Flöte werden in den
meisten Fällen zu scharf, Flöten als Unterlage für eine Oboemelodie
fiir sich allein umgekehrt zu matt und schwach sein. Treten aber andre
Instrumente als Unterlage hinzu, so können Flöte und Oboe einen reiz-
vollen Gegensatz unter einander und zn jenen bilden. Das Andante*)
^) S. 67 der bei Breitkopf nod Härtel eitehieBetea Partitor.
12*
1«0
von B e e l h o V e n's CmoII-Sympbonie bietet ein treffendes Betspiel dazu
in einem ans dem Hauptsatz entspringenden Gange. —
204
Flöte I
Oboe I.
Die Scharre der Oboe wird umbüllt und gemildert durch die dicht
darüber liegende Flöte und den Gegensatz der weichen , erst bei dem
höchsten Aufschwung*) der Oberstimmen heller werdenden Klarinet-
ten. Zugleich aber schärft und würzt sie den Zusammenklang der wei-
*) Hier habeo wir wieder einen Beleg fdr die Ueberlegenheit des nelodiftefaen
Efementi über das bannonische, w«Ton firiiber (Tb. I. S. 568) mebmaU zv reden
gewesen. Der Zusammenklang von rf«-«-/-«: in derselben Oktave oben bei a.
ist faarmoniscb niebt zu recbtfertigen , aber die Stimmentwicklang eine Nothwen-
iiigkeit — und darum jener Zusammenklang recht.
181
chen Instranente und kommt besonders der kahlen Flöte zu Hiplfe ; sie
unterstützt die tiefern und mattern Tonlagen derselben mit ihrem Mark,
und ihre spitzem, leicht einschneidenden Töne werden von den vollem
und doch weichern der Flöte überdeckt. Nähme man statt der Oboe
eine zweite Flöte , so wurde das Ganze fade und flau klingen ; nähme
man — war' es auch nur für die erste Hälfte — stalt der Flöte noch
eine Oboe, so wurde das Ganze breit, herb und schnarrend , Fluss und
Schmelz wären verloren.
Daher gereicht auch die Verdopplung der Oboen durch Flöten im
Einklänge (wie wir schon früher, S. 163, bei weichen und scharfen
Instrumenten befunden haben) zwar zur grossem Schallfüllung, nicht
aber zur Verschärfung, sondern zur Mildemng des Klangs. Statt vieler
Beispiele stehe hier —
205 Adagio.
i^^^^i^^^
Oboen
^^^^^^^m
I T^ *
Tr.n.III.B.
1er Eingang zu der Prfifungsscene in H oz'ä rt's ZauberOöte*). Flöten
wären zu matt, Oboen zu scharf, Klarinetten zu üppig gewesen. Die
Schärfe und Milde der Oboen und Flöten mussle verschmolzen werden
zu einer Mischfarbe (wie Blao und Karmin zu Violett), um dem myste-
riösen Karakler der Scene gleich vom ersten Anfang den rechten Klang
zu gewähren. — Die hochgedrückten Fagotte, das eingreifende Violon-
eell, die Altposaune thun das Ihrige dazu.
3. Oboe mit Fagott und Waldhorn.
Von Fagott und Waldhorn ist die Oboe schon durch die Tonre-
gion geschieden, sie kann sich ihnen nicht so weit nähern wie die Kla-
rinette. Auch kann sie nicht so angemessen wie die Klarinette in der
höbern Oktave decken oder begleiten , da die Schallkrafl ihrer Tonla-
gen, — wie dieses Schema —
*) S. 284 d«r bei Sinrock io Boou arschieneiiaD Partilor.
182
206
Oboe.
C-KUrinelte.
C-Horn.
Fagott,
veranscbaalicbt.
Umtt wefdcaA
|^^3^^g£3=
^^m
quellender
IZLt
f..JL,
quellender
r^
Et
=t=
m
/ p
^^^^.
gedrnngenc^ _^,
mit jenen nicht übereinstimmt. Endlich ist ihre
Rlangweise und selbst ihr Tonsystem , besonders von dem flomklang,
gänzlich verschieden; das Hörn loftartig, qaellend, weithin tönend,
verhallend, die Oboe materiell, scharf, positiv begräi^t, stets be-
stimmt; das Hörn zn akkordischen Figuren, überhaupt zum Auf«
Schwünge geeignet and geneigt, die Oboe gerade für sie dem Karakter
nach ungünstig, — scharf, fein und innig, nicht aber schwungvoll sieh
aussprechend.
Näher steht sie dem Fagott, das materieller , begränzter ist als
Hörn und selbst Klarinette; aber hier ist wieder der Unterschied der
Schallkraft erheblich und macht den Zutritt vermittelnder Instrumentei
— wenn es Röhre sein sollen, am besten der Klarinetten, — wön*
schenswerth. Selbst die Flöten können hier (wie schon an Nr. 203
gezeigt worden) hutfreich werden. Legt man sie mit den Oboen im
Einklang zusammen, —
fto^^^^^^^ta
Cornl ia C
^^m
80 umhüllen und mildern sie als weichere Instrumente (S. 163) die
Schärfe derselben; legt man sie höher, fto decken sie, wie sehen bei
Nr. 204 zur Sprache gekommen. Nur ist im vorstehenden Satze keine
Nothwendigkeit ersichtlich , eben diese Instrumente zu nehmen. Hau
hätte statt der Flöten Klarinetten, oder diese allein nehmen können.
l»3
Noch dietfii gMooderted BeirachBiiogen wird die yerwendung der
Oboen im Verein mit anserm bjsherig^en Orchester leichter und sich-
rer gelingen.
SoUen die vereinigten Biüser Masse bilden, so können die Oboen
ztnäohst ab blosse Verstärkung der Klarinetten mit denselben im Ein-
klang gehtt, wie in Nr. 199, oder anoh in Oktaven, wie in Nr 201,
und in der umgekehrten, ebenfalls schon S. 178 betrachteten Weise.
Auch der seltnere Fall ihres Vereins mit den Flöten ist in Nr. 207
schon aufgewiesen worden. Inniger werden die Instrumente zu einer
Hasse verschmolzen, wenn Flöten und Klarinetten — als die verwand-
testen höhera Stimmen — einander verdoppein und die Oboen verbin-
dend dazwischen irelen« —
208
Fiauii.
Oboi.
Clarittetli in fi.
Corni in B.
Fagotd.
Maestoso. _ jl -Ol"
mM.
^^^
184
indem sie den untern Flöten- und obenUfRlarinettton verdoppeln, wie
oben bei a., oder die Klarinetten verstärken , weil dies ihrer Lage zn*
sagt, oder Zwischentöne zwischen die Flöten oder Klarinetten (letzte*
res oben beib.) einschieben and durch dieselben die Reihe der über ein-
ander gestellten Harmonietöne ausfüllen. Treten zu einem solchen Ak-
kordaufbau nicht blos ein Paar Homer, sondern auch noch Trompeten
und Posaunen : so entfaltet der Bläsercbor seine ganze Pracht. Eine
kleine Probe davon giebt die Einleitung znm zweiten Theil von Mo-
zartes Ouvertüre zur Zauberflöte. —
200«) Adagio.
FUoti.
Trombe in Et.
gjrBMt-4~T*^^
^^m
Hier legen sich zwei Massen an und in einander; erstens die
Röhre in den sechs Oberstimmen den Akkord vollständig besetzend,
die Fagotte den Grundton mehr als zwei Oktaven davon entfernt neh-
mend; zweitens die Bleche in voller Lage vom Grundton der Röhre
bis zum tiefsten Ton der Oberstimmen —
^> Hier — nao vergleieba die Aom. S. 143 and die AUg. Mosiklebre S. 186
— tritt der Bleebebor io der Anordnaag der Partitar anter den Chor der Robria-
•immeote , ^eil auch in ihm der Bass vollitaadig «ntbaltea iit and oan die Ober-
stimmen, die in den RSbren enthalten find, aoeh die obente Stelle (Allg. Musik-
lehre S. 187) erbalten.
18»
210
Röhre. (gleichzeitig^ Bleche.
dazu- und in die Röhre hinein tretend, das Ganze in breiter, voller
Pracht der VieUtimmigkeit. Dies ist der Intention des Satzes yollkom-
men angemessen. Wäre sie aber eine andre gewesen , war' es dem
Komponisten um die möglichst energische Angabe dieser Akkorde zu
tbon gewesen, so würde ein Znsammenziehn der kräftigem Instrnmente
in die Mitte der Harmonie, etwa in dieser Weise, —
211
Flauti.
Oboi.
Clariuetti in B.
Fagotti.
Trom.be in Ea.
Corni in Es«
3 Tromboni.
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Fsas
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wirksamer gewesen sein. Hier sind die Flöten blosse Verdopplung ihrer
Unterlagen; die Oboen mischen ihre Schärfe mit der Helligkeit und 6e-
fulltheil der Klarinetten ; die Hörner haben die massige Quinte des Ak-
kordes (Th. I. S. 93) aufgegeben und ihre Kraft auf die Oktave des
Grund tons geworfen; die Posaunen haben sich aus ihrer breiten,
prachtvollen und schöngeordneteu (S. 68, Th. I. S. 58) Lage auf die
entscheidendsten Akkordtöne zurückgezogen ; — ob nicht das Zusam-
mentreten von Bass- und Tenorposaune zuletzt auf dem hohen b über-
trieben heftig und dröhnend sei? — muss der Sinn und Zusammenhang
186
der ganzen Komposition zeigen. An dieser Stelle hat die Bassposaune,
bei dem ersten Einsalz haben die beiden Oboen und die Teoorposanne ihre
harten Tonlagem besetzt; dies ist der Grund, warum die Oboen nicht
auch hier die Klarinetten blos verdoppeln.
Es knüpfl sich hier noch eine Betrachtung von Wichtigkeil an,
die nicht früher anschaulich zu machen gewesen.
Schon vieirtiltfg — durch die ganze Lehre — ist auf den Sinn der
rerschiednen Iniervalle*) hingedeutet worden; wir haben nSamenÜieii
livigst erkannt, d^is von de« im tonischen Dreiklang enthaltoen Inter-
vallen die Oktave Verstärkung aod Bekräflligung des Grnndtons ist, die
Terz feslbestimmien , eingreifenden Karakter haty die Sexte sanft,
fliessend, gemilderte Umkebrung der Terz ist, die Quinte ein weil
— in das Unbestimmte hink^nendes, und darum in sich selber nicht be»
stimmtes Wesen hat. Dass dieser Sinn der Intervalle nicht blos in der
Melodie, sondern audi iai«r Harmonie zum. Ausdruck kommt, dass —
um nur ein einziges Beispiel zu geben, der Dreiklang —
212
ESE
K
1^
roi
mit verdoppelter Terz (a.) von dieser Terz**) überschrieen und selbst
schreiend, mit obenliegender Terz (b.) scharf eingreifend, ohne Quinte
(c.) heller tönend wjrd, als mit der eingemischten Quinte (d.), und am
mildesten wirkt, wenn (e.) alle Intervalle in weiter Harmonie sich aus-
einandersetzen, — ist bekannt. Daher greifen die Posaunen in Nr. 211
fester ein als in Nr. 209, weil sie sich auf Grundton und Terz beschrän-
ken ; und die Hörner treten schlagender mit dem Grundton , als mit
Grundton und Quinte ein.
Aber der Ausdruck der Intervalle macht sich auch in ihrer Anord-
nung in der Instrumentation geltend. Wenn man starkschallenden In-
strumenten weichere oder weniger entschieden eingreifende Intervalle
giebt, so schwächt man ihre Wirkung. Der Eintritt der Klarinetten
und obern Posaunen in Nr. 21 1 mit einer Sexte kann daher schon nach
dem Karakter des Intervalls nicht die Kraft der nachfolgenden Terz
haben, auch ahgeaebn von der Erhöhung der Tonlage.
Hiermit haben wir nun einen Ueberblick über die nächstwichtigen
Anwendungen der Oboe im Verein mit andern Blasinstrumenten, na-
mentlich über ihren Beitritt zu der Massenwirkung. Dass sich nicht
alle Rücksichten vereinen, selbst für einen einfachen Zweck nicht alle
«) Vergl. Allg. Mttsiklebre S. 327.
••) Th. I. S. lld.
187
Sldhagen od«r V#rtbtUe gfoichzeilig i>eQok&eiirla»teD,i^t. leicht einzv«
sehn. So treten z. B. in Nr. 211 4ie Oboen nhngs in ihren iieinten
Tönen (S. 154) enggeschUssen (S. 1 17) im IntervaU einer Tefn »nt
Aber diese Terz enthält die Quinte des Akkordes (S. 186) , nnd die
erste Oboe kann nicht die erste Klarinette rerdoppehi (S. 183) ; nach*
her geschiebt dies, aber die Oboen haben ihre schallstSrkste Lage ver-
lassen. Weiche Seite nun der Komponist benutzen will, das moss er in
jedem einzelnen Fall nach Sinn und Stimmung desselben und nach dem
Gang seiner Stimmen erwägen. Es würde den Pluss und die Kraft
des ganzen Satzes beeinträchtigen, wollte man, um in jedem einzelnen
Moment die günstigsten Lagen und Intervalle zu fassen, die Stimmen
willkührlich und gegen die Gesetze der Melodie und Stimmführung hin
nnd her reissen. ^ Vielmehr kommen wir auf einen der wichtigsten
Grundsätze (S. 151) zurück und wollen die möglichst einfocbe Gestal-
tung und Pühmi^ der Bläser unausgesetzt zur Pflicht machen*).
Vierter Abschnitt.
Zutritt der PikkolflOten.
Die Pikkolflöte steht gegen die gewöhnliche Flöte im Vierfusston,
mithin eine Oktave höber. In dieser ihrer höhern Stellang zeigt ihre
Tonreihe dasselbe Verbältniss der Schallstärke, das wir (S. 156) an
der grossen Flöte erkannt haben; ihre unterste Oktave (geschrieben
die eingestricbne , der Tonhöbe nach die zweigestrichne) ist schwach
und hohl oder Verblasen ; ihre mittlere Oktave ffillt sich zu stärkerm
Schall; ihre höchste Oktave wird stark, ja hart, grell und durch-
bohrend.
Hiernach bestimmt sich ihre Stellung sowohl zur Flöte, als zu den
andern Rohrinstrumenten.
In der Regel wird sie geschrieben werden im Einklang mit der
Flöte, also eine Oktave höber ertönen und hiermit die ange-
messne KlangstSrke haben. Wollte man wirklichen Einklang beider
Instrumente erzwingen, so müsste man die PtkkolBöte eine Oktave
tiefer schreiben, wie hier —
213 a. C^ine OktaTe hSlier ertSoend.) b.
^ 171 «Sin «flAAnlA.
Flavto piooolo
*) Rierzo der Anhang I.
188
bei a. geathehn* Alleiii es ist hieiTOB keine gisslige Wirkno^ abca-
sehn; die Pikkolflöte worde zu Anfang mit ihrer matten Tiefe der
SehaUkrafl der grossen Flete eher Abbruch Uran, nachher ihr nicht za
grosser Kraft verhelfen. Es würe besser gewesen , zwei grosse Flöten
im Einklang gehen zo lassen » wenn einmal die Flöte durchaus von
einer aadem Flöte im Einklang verdoppelt werden sollte. — Wenn auf
den uttunterbrochnen Fortgang weniger ankommt, oder derselbe noch
durch andre Instrumente aufrecht erhalten wird (z.B. durch die VioBnen
im Einklang, Klarinetten und Oboen in der tiefen Oktave) , dann kann
man die PikkolBölen, wie oben bei b. , erst im Einklang, dann in der
tiefen Oktave mit den Flöten führen. Nun aber wissen wir, dass die
Flöte im Verein mit Klarinetten und Oboen gleichsam als ein Vierfuss-
instrument zu betrachten ist, wenn sie kräftig wirken soll. Zu ihr steht
wieder die Pikkolflöte im Vierfusston; folglich moss sie, um kraftig
einzugreifen^ zu den Klarinetten und Oboen als im Zweifusston stehend
betrachtet und mit den grossen Flöten im Einklang geschrieben werden,
um eine Oktave höher wie sie und zwei Oktaven höher wie Klarinetten
und Oboen zu ertönen. Es bedarf hierzu keines besondem Beispiels.
Sollte irgend einer unsrer Sätze, — z. B. der dem Hozart'schen
Satze (mit Uebertreibung der Kraft) nachgebildete in Nr. 211, — noch
durch Pikkolflöten verstärkt werden , so müsste man sie über die Flö-
ten stellen und mit denselben im Einklang setzen.
In dieser durch die Rücksicht auf das Tonische gebolnen Behand-
lung nehmen aber allerdings die Pikkolflöten mit dem kieselharten, grell
und spitz eindringenden Klang ihrer Höhe eine solche Heftigkeit an,
dringen durch diese und ihre isolirte Höhe mit solcher Gewaltsamkeit
hervor, dass nicht nur die Schallkraft des Ganzen bedeutend gesteigert,
sondern sehr leicht die Hasse der tiefer liegenden Diskantinstrumente
überschrieen wird und die Pikkolflöten gleichsam für sich allein gebort
werden, ohne eigentlich mit der Gesammtmasse in Eins zu verschmel-
zen. Der Komponist hat zweierlei sehr reiflich zu erwägen: Erstens:
ob seiner Idee die Verstärkung und Härte der Pikkolflöten , in solcher
Weise gebraucht, überhaupt zusagt? — und Zweitens: wie er die
übrige Masse der Instrumente zusammensetzen und behandeln will^ da-
mit sie einen genügenden Untersatz fiir die Pikkolflöten biete und die-,
sen möglich mache, mit ihnen zu verschmelzen? Nur die zweite Frage
beschäftigt uns hier; die erste muss in jedem einzelnen Fall nach der
besondern Intention des Komponisten entschieden werden.
Sollen also Pikkolflöten in ihrer vollen Kraft wirken und doch nicht
vordringlich und vereinzelt heraustreten, so muss vor allen Dingen das
Orchester zahlreich genug besetzt sein, um den Zutritt dieser hefti-
gen Organe zu tragen und erträglich zu machen. Abgesehn von den
uns fiir jetzt noch unzugänglichen Instrumenten würde also der Verein
von Flöten, Oboen, Klarinetten , Fagotten und Kontrafogott, femer ein
Igg
voller Blechcbor, — - wenigstens Hönicr, Trompeten und Pauken, wo
möglich auch Posaunen, — ratbsam werden. Könnten zu den gewöhn-
lichen Klarinetten noch andre von höherer Stimmung, zu dem gewöhn-
lichen Hornpaar ein zweites treten, «tatt der grossen Flöten Terzflöten
genommen werden : so wurde ein noch tüchtigerer Unterhau gewonnen.
Sodann moss im Satze selbst fb*r eine kräftige Mittellage in
der Harmonie (Th. I. S. 137) gesorgt werden. Bisweilen wird schon
der Verein von Oboen und Klarinetten im Einklang und von Fagotten
in der tiefern Oktave diesen Zweck erfüllen ; meistens aber werden die
Blechinstrumente die Mitte der Harmonie zu stärken, oder auch (wie
in Nr. 209) allein zu besetzen haben.
Endlich muss , so weit es der Gang des Ganzen zulässt, engere
Verknöpfung des hohen Registers (Flöten und Pikkolflöten) mit der
untern Lage befördert werden, indem man die geeignetsten Instrumente
hoch genug legt , um den Pikkolflölen und Flöten näher zu kommen.
Hierzu bieten sich, wenn nicht besondre höhere Klarinetten (in Es oder
P) vorhanden sind, als geeignetste Instrumente die Oboen dar, die
durch ihre spitzeindringende und im Klang so unterscbeidbar hervor-
tretende Höhe sich geltend machen und verhindern, dass die Pikkolflö-
ten allein zu stehen scheinen. Doch kann auch unter Umständen ent-
gegengesetzte Behandlung, die Stellung der Oboen in ihre markige Tiefe
und der Klarinetten in ihre durchdringende Höhe, zu demselben Resul*
tat führen.
Wir zeigen Beides an einem unsrer frühern Sätze, Nr. 201. Sollte
derselbe in höchst gesteigerter Schallkraft mit Pikkolflöten auftreten,
so würden wir vor allen Dingen noch Flöten, Trompeten und Posaunen
zuziehn, — vielleicht auch eine höhere Klarinette, Pauken und ein
zweites Hornpaar. Dann könnte er — eine Stufe tiefer geruckt — so —
(Siebe umsteheod das Beispiel Nr. 214.)
auftreten. Die Klarinetten bilden in ihrer heftigen Tonlage den nach*«
sten Untersatz zu den Flöten und werden dabei von dem stärkstea
Sehallregister der Oboen, also in der untern Oktave unterstutzt; die
höhern Posannen, die Fagotte, Trompeten und Hörner bilden die Mit-
tellage. Das Solo der Klarinetten (Takt 2) unterstützen die Oboen im
Einklang mit jenen; so schärfen sie den Klang, während sie, wenn sie
in der tiefem Oktave blieben , den Gang verbreitem und belästigen
würden.
Nun treten wir mit demselben Satz und denselben Instrumenten
eine Quarte höher; — (Siehe das Beispiel S. 191, Nr. 216.)
die Flöten und Klarinetten liegen weniger hoch und einschneidend, Fa*.
gotte und Oboen unterstützen aber^hr Motiv in der Gegenbewegnng,
and zwar letztere in der Verke)irung, die den Schall der Flöten und
Klarinetten durchschneidet und dadurch mässigt. Das Motiv Takt 2
würde von Klarinetten und Oboen in der etwas tiefern Lage weniger
190
214
Flaati
piccoli.
Flaut!.
Oboi.
Clarinelli
in B.
Fagotti «
Contrafag*
Trombe
in Et.
Corni
in Ks.
3 Troin-
boni.
Risoliito
'^M=
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4^-^^^^
«iark gegeben werden , wird also durch verdoppelnde Flöten und Fa-
gotte versUIrkt. Im Hauptmotiv sind es besonders die böhern Posaunen,
nach Lage und Führung, die eine Steigerung in Vergleich zu Nr. 214
bewirken; überhaupt hat man den neoen Satz ab eine Folge und Stei*
geruligvon Nr. 214 anzosehn.
Dass man nun diese heftigste Wirkung derPikkolflöten nicht über^
all» im Ganzen nur weniger oft beabsichtigt, ist leicht za ermessen»
Für minder heftige Schallmassen begnügt man sich daher entweder für
die ganze Komposition mit einer einzigen Pikkolflöte, oder lüsst —
wenn im Ganzen ihrer zwei nöthig gewesen — in den mildem Stellen
die zweite PikkoiOöte pausiren.
Die Wirkung einer einzigen Pikkolflöte ist bei der bisher in das
Auge gefassten Anwendung die , dass die Melodie (Oberstimme) eines
Satzes, von ihr in noch höherer Oktave begleitet, sieht Mos slirker,
sondern auch heller — wir möchten lieber sagen : erhellter oder besser
in das Li^ht gestellt — wird. Das Gi^ze gewinnt so an Klarheit nnd
Starke in der Hanptpartie, ohne in ein schreienAei Durcbeinaadcr ge*
trieben zo werden. So würden die Sätze Nr. 214 und 215, wenn nun
I9r
215
PikkolflSten.
Flöten.
Oboen.
B-KJariuetton.
Fagotle und
Koniralfegott.
Bs-Trompeten,
Et-Hörner.
3 Posaunen.
j^ßM^^^j^S^^
n /^Ht ! n I n, I
fA ^ ,4
^^PE^^
die zweite Pikkolflöle schweigen liesse , weniger an Schallmasse ver-
lieren, als an Bestimmlheit der Melodie gewinnen-; sie würden civilisir-
ter werden.
Die Beschränkung auf eine einzige Pikkolflöle bietet aber dogleieb
noch eine andre Verwendung dar. Indem die übrigen Instrumente der
Regel nach paarweis — und in den starken Partien meist in Verdopp-
lungen — wirken und so zu einer einzigen Masse verschmelzen, bleibt
die eine Pikkolflöte vermöge ihrer Einzelheit , ihrer Tonhöhe , ihrer
eigen thümlichen Rlangweise als besondre Stimme stehn und sondert sieb
ab , um in der höchsten Region einen Gegensatz gegen die Melodie zu
bilden. In folgender Stelle aus Beethoven's Siegessymphonie*) —
*) S. 70 der Partitur tob „WelliDgton't Sieg oder die Sehlacbt bei Vittoria",
bei Steiner Id Wien heraaigegeben. la der obigen Anrdbrung ist das Streiebqnar-
tett ansgelasscD, dessen Geigen (zan Theil in ihrer Weise figurirt) mit den Oboen,
die Bratschen (zweistimmig gebraneht) mit den Fagotten, die Bässe mit denPavken
gebn. Die Posanaeo treten erst später zu.
192
193
Marx, Komp. L. IV. 3. Ana
194
finden sich alle diese Wendungen benatzt. In rauschender Pracht —
nicht in durchdringender Kraft oder Hefligkeit — soll sich der Triumph-
roarsch entfalten ; daher legt Beethoven alle seine Rohrinstrumente
(und die Streichinstrumente zumal) in Verdopplungen durch vier, und
mit der Pikkolflöte durch fünf Oktaven breit auseinander ; die Klarinet-
ten in die eingestricbneOktave^ bekanntlich nicht ihre stärkste Tonlage.
Die Mittellage halten ausser den Klarinetten erst vier, dann zwei Hör-
ner; T^rompeten und Pattken (und Kontrabässe mit den Violoncellen)
heben den Rhythmus , führen und unterstützen den Bass , gelegentlich
auch (die Trompeten Takt 2 und 4) die Melodie. Die Pikkolflöte nun
geht anfangs im Einklang mit der ersten Flöte , liegt aber dabei in den
hellen Tönen ihrer zweiten Oktave. Dann (Takt 8 bis 11) legt sie sich
mit einem Halteton — mit Unterstützung der ersten Trompeten — über
die Melodie und zuletzt (Takt 11, 12) schwingt sie sich zur Oktave der
ersten Flöte auf, steht also zwei Oktaven über den Oboen und der in
der Regel den Klarinetten eignen Tonlage.
Nicht immer dient indess die Pikkolflöte als Verstärkung und Ver-
dopplung der grossen Flöten; sie wird auch an der Stella dersel-
ben angewendet, wenn ihr Karakter den Intentionen des Komponisten
besser entspricht, wenn statt des selbst noch in der Höbe seine Weiche
und Rundung, sein flüssiges Wesen behauptenden Plötenklangs der här-
tere, greller und kurz abspringende Klang und die durchdringendere
Schallkraft der Pikkolflöte der Melodie und dem Ganzen zusagen. Die
oben angezogne Symphonie von Beethoven gewährt uns zwei tref-
fende Beispiele. Dem Schlachtgemälde ihres ersten Theils gejien die
Märsche der Engländer (Rule Britania) und der Franzoseh (Marlbo-
rongh s*en va-t-en guerre) voraus. Beide haben statt der grossen
Flöte eine Pikkolflöte als Oberstimme. Der englische Marsch setzt ohne
Streichinstrumente > so — (Siehe das Beispiel 217, folg. Seite.)
ein ; erst die Schlnssformel » die wir hier übergehn , wird von dem
vollen Orchester (mit Zutritt der Streichinstrumente) wiederholt und
bestärkend erhoben. Wie diesem Marsche das Spiel englischer Trom-
meln und der Signalruf englischer Trompeten (in Es) voraufgegangen :
so setzen nun , in lebhafterer Bewegung, französische Trommeln ein ;
ihnen folgt der Signalruf französischer Trompeten (in C) und der fran-
zösische Marsch*), — ebenfalls ohne Streichinstrumente, -^
(Siehe das Beispiel 218, S. 196.)
die (nebst grossen Flöten, in der höhern Oktave mit den Oboen gebend)
erst bei der Wiederholung des Marsches zutreten und denselben eben-
falls bekräftigt zu Ende führen.
Diese beiden Tonsätxe geben bei all ihrer Einfechheit H^ncfaerlei
zu erwägen und zu lernen.
*) S. 1t derPtrcUur.
19d
217 Flanlo picc.
Fagolti. Unit.
-^-^ — ^-«-
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ifcFf?g4?="=ffiig-iFH^
Corni in Es
Gran Tamburo.
r scmpre.
^
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r— yr- ijrr:^
•^
3^a^
13»
196
218
Flanto piccolo,
Oboi.
Clarinettl in C.
Fagotti.
Corni in C.
Tromha in C.
Triangolo e
Fiatti.
Gran Tambnro.
m^^^^^.
^m
w^
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^^^^^^f^=^t^.tJL.l
197
Zanächst hatte der Komponist in beiden die Aufgabe , beide zum
Kampf antretende Nationalitaten zu karakterisiren, — wobei ihm aller-
dings die gewählten Volkslieder glücklichen Vorschub leisteten, — in
beiden Märschen aber durchaus'den kriegerischen (oder vielmehr: sol-
datischen) Ausdruck festzuhalten. Dies Letztere bestimmte ihn, für beide
die Pikkolflöte zur Erhärtung der Melodie zu nehmen. Die gewählten
karakteristischen Tonarten, — das dunklere, weichere und feierliche
EsiviT für England, das helle, etwas schreierische, gemüthlose Cdur*)
für Frankreich, — brachten die Pikkolflöte im englischen Marsch in
eine höhere und durchgreifendere Tonregion, als im französischen. Für
letztern die Pikkolflöte in eine höhere Oktave zu stellen , hätte über-
triebne Heftigkeit und Wildheit in den Satz gebracht und eine weit
vollere und stärkere Unterlage (S. 188) bedingt, als hier zuträglich
sein konnte.
Der englische Marsch wird nur von den milden ^-Klarinetten, von
Fagotten und weichen ^«-Hörnern drei- oder vierstimmig vorgetragen,
die Melodie aber von der hochliegenden ersten Klarinette und der Pik-
kolflöte hell, durchdringend, warm zu Gehör gebracht. In dem franzö-
sischen Marsche setzen sich harte C-Hörner und , — im Einklang mit
ihnen, alscr tiefliegend, — C-Klarinetten , eine Oktave höher Oboen
(deren härtlicber, etwas schnarrender oder näselnder Klang hier unbe-
deckt heraustritt^ unter die Pikkolflöte , um über dem französisch-ein-
tönigen Fagottbasse (man denke an die Orgelpunktanfänge so vieler
französischen Ouvertüren, an die karakteristisch nationalen Musetten
des ancien regime) die Melodie breit und praschig — mit vielem Auf-
heben — durchzusetzen.
Beiden Märschen darf das kopfverdrehende Charivari des Solda-
tenwesens nicht abgehn; Triangel, Becken, grosse Trommel müssen
mitreden. Im englischen Zuge klingeln sie (namentlich der Triangel)
etwas unschuldig hinein ; im französischen Marsche schliessen sie sich
dem Rhythmus näher an und setzen sich damit entschiedner durch.
Dasselbe thut hier die Trompete (deren Fanforonaden Takt 4 und 8, —
im letztem redet sie gar in den Fagottbass hinein, — nicht unbemerkt
bleiben dürfen), während sie im englischen Marsche mehr willkührlich
nebenher geht, lustig und launig, nicht eben sehr tnartialisch^).
*) Allg. ttluiMelir« S. 331.
**) Hierxa der AoliaD^ K.
198
Fünfter Absclmitt
Verstärkungen der Harmonlemusilu
Bei dem ailmählichen Aowachsen des Chors der Rohrinstrumente
ist deatlich geworden , dass es für grosse Massenwirkaog besonders an
zwei Stellen noch an ausreichenden Organen fehlt. Wir haben erstens
im Chor der Röhre noch nicht Instmmente genag za voller Besetzung
der Mittelstimmen, während die hohe Tonlage durch PikkolOöten, grosse
Flöten , Oboen und Klarinetten (deren kräftigeres Eingreifen ja eben-
falls der Höhe angehört) vertreten ist. Noch weit mehr fehlt uns zwei-
tens eine angemessne Besetzung des Basses (in Nr. 188 haben wir
dieselbe unbestimmt lassen müssen) , da dem Kontrafagott sowohl die
Schallkraft, als HelUgkeit und BewegUchkeit mangelt, am den Hittel-
und Oberstimmen gewachsen za sein.
Genannt haben wir (S. 124) allerdings für die Mittellage*) die
Altklarinette, noch aber sie nicht gebraucht , weil mit jeder Ver-
stärkung der hohem Tonlagen die Unzulänglichkeit der Bassbesetzung
sich empfindlicher gemacht hätte.
Unter solchen Umständen wird die Mittellage vom Chor der Blech-
instrumente (S. 184) vertreten und kann die Bassposaune den Bass ver-
stärken. Allein auch das ist nicht immer anwendbar und ausreichend.
Wir bedürfen einer Verstärkung im Chor der Rohrinstrumente sel-
ber; und diese finden wir, abgesehn von den Allklarinetten und allen
sonst schon aufgeführten Organen , in folgenden Instrumenten.
A. FSr die Kttenage.
1. Das Bassethorn.
Das Bassethorn (como di btuseUo) ist eineKUriaette von läagerm
Rohr und desshalb, am bequemer gebandbabt werden xu könaea, in
einen stampfen Winkel (in ein Knie) gebrochen , unten in eineii ellip-
tisch geöffneten Schallbecher von Metall ausgehend.
Vermöge seiner grossem Länge steht das BasseÜioni eine Quinte
tiefer ab die C-Klarinette. Hiemach würde sein Tonsystem in der
Tiefe bis zum grossen ^ reichen ; durch zwei besondre Klappen sind
ihm aber noch zwei tiefere Stufen, gross F und C, gegeben worden.
In der Höhe erstreckt sich seine Tonreihe von gross j4 chromatisch bis
zum dreigestrichnen c, — oder selbst y. Da aber die Höhe wegen
des dünnem Blatts im Mundstucke des Bassethoms weniger gut an-
*) GeiuiB«t ist aaeh fdr deo Bass (im Anhans G) die BasskUriaette. Sie
warde ab«r ebeo falls aieht ifenüfea, abseMbn davon , dais sie wenig yerbreilet ist,
■an also oicht wokl that, aafsie za reehoea.
199
spriehi, aoch leiebi unrein intonirl: so ist ratbsam, das instrumeut
nicht k^fcer, «Is bis zam dreigestriehnenczu gebrauciien.
Nach der Weise der wirklichen Klarinetten werden die Töne des
Bassetboms nach dem Normat-*C im Violinschlüssel notirt , erscheinen
aber eine Qoioie titfer. Das Tonsystem würde also so —
21«
Chromat iscbi bis
liigd ±
::t==:t
ij
=r
zu notiren sein and so
chromaiiseh*^ bi« uitd
220
4=
3E
:t:
EE
^
zu Gehör kommen.
um übrigens für tiefe Töne die Menge der Nebenlinien zu sparen,
bedient man sich flir die tiefere Tonreihe, etwa vom kleinen y an, des
Bass^chlussels; dann aber wird eine Quarte tiefer ootirt. Hier —
Wirklicke Tonhöhe. .
(3E
221 <
m
^^
:t
a-
Notirung im Violin-Schlüitsel.
-^ — r
=aF3F
Notirang im Ba 88- Schlüssel.
m^ — r
£=f^
3^EE££
sind beide Schreibweisen mit der von ihnen ausgedrückten Tonhöhe
zusammengestellt.
Die Behandlung des Bassethorns ist gleich der der Klarinette, doch
aber die Schwierigkeit grösser, weil das Instrument unbequemer zu
halten nnd dieTosUeher weiter van einander liegen. Die tiefsten Töne
(gross F und 6, gesehrieben c und d) können nicht gebunden werden
oder schnell auf einander folgen, weil die Klappen beider mit dem rech-
ten Daumen gegriffen werden müssen. Ueberhaupt wird man die Tiefe
nicht zu schnellem Läuren u. s. w. brauchen. Wie die Klarinette, so
liebt auoh das Bassethom die Be-Tonarten.
Die Sc hall kraft des Instruments ist der der Klarinette überlegen,
entwickelt sich aber besonders in der Tiefe bedeutend. Der Klang ist
allerdings dem der Kkrinelte sehr ähnlich, bat aber yernöge der Grösse
des Instruments, seines dännern md daher stärker schwingenden Blatts,
*) Neuere Baiiethorner haben auch pross Fis oiid Gis , mitbia die ganze Ton-
reihe cbronalisefa voUatäadig.
200
— auch die Brechang des Roiirs im Knie ond der angeselEte meUUne
Scballbecher mögen wohl mitwirken, — ein dunkleres , sehattigeres
Wesen, mehr Bebung (lässt die Schwingungen des Blatts deutlicher
vernehmen), mehr nasale Belegtbeit, und erlangt selbst in den hohen
Tonregionen die reine Helligkeit der Klarinette nicht ganz*
So vereinigen sich Tonlage, mindere Beweglichkeit and dasEigea-
thümliche des Schalls und Klangs, dem Instrument ein dunkleres
Wesen, einen trübem, aber dabei pathetischem, schwermüthigem
Ausdmck zu geben. Mozart hat in seinem Requiem keine andern
Robriuslrumente als Fagotte und Bassethörner gebraucht, letztere
auch sonst (namentlich im Titus) mit Vorliebe und glücklicher AufTas-
süng — wie man bei solchem Meister schon voraussetzt — gebraucht.
2. Das englische Hörn,
corno inglese^ auch früher (z.B. von Seb. Bach) Oboe da caccia ge-
nannt, ist eine grössere Oboenart, wie das Bassethorn in ein Knie ge-
brochen , oder auch von oben bis unten zu einem flachen Bogen ge-
formt. Gleich dem Bassethorn wird das englische Hörn notirt wie die
Oboe , giebt aber die nofirten Töne eine Quinte tiefer an. Sein Tonsy-
stem geht in Noten von —
chroniatiscli bis if Qp :|: oder gar (aber seilet) bis £
222 p ' ' ^
^=r
also der wirklichen Tönung nach von —
eil roma tisch bis j^^ .^ oder gar (aber selten) bis ^
— "^ ^^ — % h —
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223
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hinauf; die höchsten Töne sind aber bedenklich und zugleich entbehr-
lich , weil man sie weit beqaemer und sichrer -^ und dabei von ähnli-
' chem Klang auf der Oboe haben kann. Am besten wirkt das Instrument
vom eingestricbnen e bis zweigestrichnen a , dem Tone nach : vom
kleinen a bis zweigestrichnen d.
Die Schallkraft dieses Instruments ist grösser als die der Oboe,
der Klang ist dem Oboenklang am verwandtesten, aber körniger und
bedeckter zugleich, von lugubrem Ausdmck. Die Ansprache des Instni-
ments ist schwerer , erfolgt langsamer ; es ist daher nur für langsa-
mere, einfache Weisen oder Begleitungsfiguren wohl geeignet*).
*) lu den deatscheo Orchestern ist das eogiiscbe Hora nur selten (wohl nnr in
eiaigen der grössten) zu haben, es ist also bedeaklicb , aaf dasselbe za rechnen.
201
B. Fflr den Bass.
3. Der Serpent.
Der Serpent oder das Schlangenrohr hat den Namen von seinem
schlangenartig gewnndnen j weiten und bald sich noch erweiternden,
dann aber ohne Scballbecher endenden Rohr. Er wird mit einem Mund-
stück gleich dem der Posaune angeblasen.
Seine Tonreibe geht von —
ch romalisch bis ^ zSl ja bis 3l ond sogar
— 11"^=^ ' z^
324
^
nnd erscheint so, wie sie hier geschrieben ist. Die höchsten Töne ge-
lingen nicht jedem Blaser $ man thut desshalb wohl , es nicbt höher als
bis zum eingestricbnen d oder es zu gebrauchen.
Seine Schallkraft ist gross, doch nicht gleichmässig \ klein d^ a
und eingestrichen d sind stärker, klein des nnd es schwächer als die
übrigen Töne. Allerdings darf man von einem geschickten Bläser (wie
bei der Klarinette, S. 120) fodem, dass er den Unterschied ausgleiche
und Stärke und Schwäche nur nach dem Sinn der Komposition ver-
tbeile; immer ist es jedoch gut zu wissen, wo man besondre Stärke
findet und wo man nicht auf ihren höchsten Grad rechnen darf.
Der Klang des Serpents ist schroff und rauh und hat bei aller
Schallkrafl etwas Dumpfes , kann aber doch in der höhern Hälfte des
Tonsystems glatter und heller werden. Hier kann man dem Instrumente
sogar hervortretende Töne oder Motive anvertrauen; in der Regel wird
man es aber nur in Verbindung mit andern Bassinstrumenten (Fagot-
ten, Kontrafagott) gebrauchen , die durch seine Kraft unterstützt wer-
den, indem sie zugleich seine schroffe Härte umhüllen und mildem.
Auch mit der Bassposaune kann es verbunden werden; allein der edlere
Metallklang der letztem würde darunter leiden, und selten wird es
nöthig sein, einem so starken Instrument mit einem gleicbmächtigen zu
Hülfe zu kommen. Nur zu ganz besondern Wirkungen oder bei sehr
grossen Instrumentmassen wird ein solcher Verein nöthig.
Der Serpent bewegt sich gleich allen tiefen und dabei schallvollen
und rauhen Instrumenten gern langsam , ist jedoch auch einer lebhaf-
tem Bewegung fähig, kann z. B. diatonische Läufer in der Schnellig-
keit von Sechszehnteln etwa im Allegro moderato ausfuhren. Chro*
matische Gänge lassen sich nicht schnell nnd nicht weit machen. Im
Allgemeinen sind die Be-Tonarten leichter zu behandeln.
4. Die Ophiklei'de.
Sie besteht aus zwei weiten, nach Art des Fagottbaues neben ein-
ander liegenden , unten durch einen Bogen verbundnen Rohrstücken,
202
deren eines in die geschlungne enge Röhre des Mandsliicks, deren an-
deres in einen weiten SchaUbecher ausläuft. Das Instrument ist von
Messing oder Kupfer gebaut, aber mit Tonlöcfaern und Klappen ver-
sehn und desshalb, wie nach seiner ganzen, Bauart, die eigentlich ein
verstärktes und erweitertes metallnes Fagott darstellt, iugUcber zu den
Rqbrr als BJechinstrumeptea (S. 111) zu zählen.
Ihr Tonsystem geht von Kontra- C, oder dach von -^
chromatisch bis ^ -«-41 j* 9tlh9t bis
i
225
d= fa? *
l^anu aber nur bis zum eingestrichnen g oder a sicher benoizt werden ;
die Töne über dem eingestrichnen a und unter Kontra-^ sprechen nur
sehr schwer an.
Die Schailkraft des Instruments istgross, der Klang ranh,
dumpf und in der Höhe wridbeftig. Es ist nur in langsamer Bewegung
und einfacher Weise zur Unterstützung des Basses bei grosser Be-
setzung der Harmonie zu gebrauchen.
Abarten der Ophikleide, — die Alt-Ophikleide, die Kontra-
bas s« Op h i k I e id e (sechszehnfussig) , dann das Bassinstrnment B a -
tbyphon (nach der Klarinette gebildet) dürfen bei Seite gelassen
werden , da sie unsers Wissens in Deutschland keine Aufnahme, we-
nigstens keine Stelle in grössern Kunstwerken gefunden haben. Der
Bass-Ophiklei'de bedient sich unter andern Meyerbeer in den Huge-
notten zur Verstärkung des Posaunenchors, in dem sie mit der Basspo-
saune bald im Einklang, bald in der tiefem Oktave geht. Selbst bei
den MilitairmusikcfaÖrcn ist sie von der Tuba und dem Bombardon (de-
nen die Bläser allgemein grössere Brauchbarkeit beizumessen scheinen)
verdrängt, und wird nur beibehalten , wo man einmal das Instrument
besitzt und die Kosten eines neuen Ankaufs scheut.
5. Das Bassbom,
auch englisches Basshom {corno basso) genannt , ist ein fagottartiges
Instrument , dessen Rohr von Holz , kurz , aber weit und unten ver-
schlossen*), oben in einen weiten Schallbecher von Messingblech aus-
läuft und mit einem S (wie das Fagott, aber weiter), auf diesem aber
durch ein posaunenartiges (kegelförmiges) Mundstück von Elfenbein
oder Horo angeblasen wird. Sechs Tonlöcher und eine bis drei Klappen
geben dem Instrument eine vollständige Tonleiter von —
«hromatUch bis ^ oder x oder andi
226 ^' =^ ^
^ oder jedenfalls 1
*) Dieser Verscblttss verdoppelt, wie bei gedeckten Orgelp fei Fe o (S. 12,
Allg. Masiklehre S. 175), die Tiefe des InstrumeDts, maobt aber den Klaog noch
daflipfer, als er ohnehin hei der Weite und sonstigeB KonstrokUoB Mio wärde.
208
in der 69 sich ia masaiger G^sohwhMÜgkeil utid iiiebii verwiekelten Fi^
guren bewegen , besonders in einfacher StirnnfübniDg ind longyamer
Bewegang zur Unterstätzang des Basses wohl verwenden iässt. Am
begoemsten sind ihm die Tonarien O-, &y F*^Br WB^JEsAmr und ihre
Parallelen.
Der Klang des Instmments ist dampf and dabei doch vordring-
lich durch die erhebliche Schallstärke, Es ist in neuester Zeit von
den Toben und Bombardons meist verdrängt , auch nnsers Wissens im
grossen Orchester nie zu erheblicher Aawendaog gekommen.
6. Das Bombardon
endlich ist der Basstaba in Bauart*) and Wirkung ähnlich und hat
einen Umfang von —
chromatiach bis ^.ja hUzp
227
WO nicht noch höher. Die tiefern, der Tuba erreichbaren Töne sind auf
dem Bombardon theils anerreichbar, theils schlecht , die Höhe dagegen
soll es leichter und biegsamer haben, als die Tuba, lieber die gegensei-
tigen Vorzüge beider Instrumente ist nichts Sicheres mitzutheilen.
Jeder Bläser belobt das seinige und schilt das andre roh and plump ;
vielleicht haben beide Theile Recht. Im grossen Orchester sind beide
Instramente wenigstens in deutschen Werken ansers Wissens nicht
einheimisch geworden.
Zu diesen Verstärkungen treten nun noch als blosse
C. ScbaU* und Klangwerkzenge
folgende Instrumente.
7. Die grosse Trommel
(ffran tamburo)^ bekanntlich von Holz gebaut, mit einem lederumhiill-
ten Schlägel zum Schallen gebracht, von tieFem, aber nicht tonbestimm-
tem, dumpfem, mächt^em Schalle,, gewöhnlich auf aaem Linieiisystem
mit Bassschlüssel**) notirt.
8. Die Rolltrommel
(tamhuro ruUante) , eine längliche, aber enge Trommel von Holzge-
banse, mit zwei Trommelstöcken geschlagen, ohne bestimmte Tonhöhe,
*} Das Bombardon hat drei Ventile, die Taba fänr, seebs, sieben.
♦♦) Die Vorzeichnanif des Äj in Nr. 21T ist wohl ein Drackfehler in der Beet-
h o T e naschen Partitur.
204
gewöhnlich zo dampfen Wirbeln gebrancbt, ebeoMls im Bassscblussel
notirt. Die Wirbel werden mit
angezeichnet , kurze, einfache oder mehrfoehe VorschÜge mit kleinen
Noten, —
wie in gewöhnlicher Notenschrift.
9. Die Militairtrommel
(tamburo miHtare), von bekannter Beschaffenheit , notirt wie die Roll-
trommel.
10. Der Tamtam*),
eine grosse kesseiförmige Schale von eigenthümlich zosam mengesetz-
tem Glockengut, in der Tenor- oder Altlage, jedoch ohne bestimmte
Tonhöhe, machtvoll metallen schallend nnd lange nachhallend, mit
irgend einer Note auf einem der Liniensysteme oder auch durch ein
blQsses Zeichen von beliebiger Form, z. B.
O oder ^
angeschrieben.
11. Der Triangel
(triangölo)^ das bekannte in ein offnes Dreieck gebogne Slabinstru-
meut von Stahl, das, mit einem Stahlgriffel angeschlagen, fein und
glockenhell klingende Schalle von hoher, nicht näher zu bestimmender
Tonlage giebt und im Violinschlüssel notirt wird.
12. Die Becken
(pfattt\ badnelli)^ die ebenfalls bekannten Metallschalen, die zu klir-
rendem Schall zusammengeschlagen und im Violinschlüssel notirt
werden **).
Zuletzt mag noch eines neuern (aber an uralte, chinesische Vor*
ganger erinnernden) Instruments gedacht werden, der
13. Glockenlyra,
deren Töne, chromatisch von es bis c im Violinschlüssel notirt, aber
eine Oktave höher, also von es bis c hervortretend, aus hängenden
Stahlplatten gewonnen werden , die mit Klöppeln geschlagen werden.
Das Instrument hat besonders in der Höbe durchdringenden Klang, ist
übrigens nur bei der Militairmusik gebräuchlich.
*) Das lostrament ist chioesischeD (Jrsprongs, ansers Wissens zuerst von
S p o n t i n i in seioeo Opern nnd von Cherubini in seinem Requiem gebraucht.
**) Der tiirkisobe Mond (Scbellenmond, Muhamedsfahne) ist von der Militair-
musik her, die ihn allein gebraucht, bekannt.
206
Sechster Abschnitt
Zusammenstelluiis grosser Harmoniemusik.
Fassen wir nun alle allmählich aufgeführten Instrnmente für Har-
moniemusik zusammen, so finden wir allerdings deren eine grosse Zahl
von der mannigfaltigsten Beschaffenheit. Wir haben
1« den Chor der Blechinstrumente,
2. den Chor der Ventilinstmmente,
3. den Chor der Rohrinstrumente,
4. eine Reihe von Schlag- und Schallorganen.
Sie alle können möglicher Weise, — wenn es auch vielleicht noch nie
geschehn ist und äusserst selten rathsam sein dürfte, — zu einem Satze
mit einander verbunden, oder aus allen vier Chören kann eine Auswahl
getroffen werden. Dies ist das Häufigere und der nächste Gegenstand
nnsrer Betrachtung.
Es fragt sich zunächst also : welches ist die zweckmässigste Aus-
wahl und Zusammenstellung für grosse Harmonie Wirkungen 7 — Dass
hier nicht allgemein anwendbare Verzeichnisse von dem, was man neh-
men müsse oder nicht nehmen dürfe, zu erwarten sind , weiss der mit
unsem Grundsätzen Vertraute schon voraus. Es können nur allge-
meine Gesichtspunkte*) aufgestellt werden, nach denen man sich in
jedem einzelnen Falle zu bestimmen hat. Diese Gesichtspunkte aber er-
geben sich, wenn wir uns die verschiednen Seiten eines Tonstücks vor-
stellen.
A. Tonwesea und Schallbaft.
Für Melodie und Harmonie bedürfen wir einer Auswahl soloher
Instrumente, die geeignet sind, Oberstimme, Mittelstimmen und Basa
zu besetzen. Fassen wir die lougebenden Instrumente aller Chöre zu-
sammen, so finden wir
1. für die Oberstimmen:
Pikkolflöten, hohe Hörner,
Flöten (und Terzflöten), Ventiltrompeten,
Oboen, hohe j9-Romette,
RIarinetten, Rlappenhorn ;
Trompeten,
*) Eioeo woUeo wir voraas in Betraeht oehmen, w«od er auch kein rein
konntleriscber ist. Bs ist die Rüeksicht anf die Ausführbarkeit and Verbreitung
ansrer Musikstiieke. Sie widerrStb den Gebraaeh soleber Instrumente , die nur an
wenig Orten zu haben sind. Daher woiien wir auf englisebes Hörn, Bass-
klar in ette^ Alt- and Rontrabass-OphikleVde, Bombardon, Batby-
phon, sowie auf maneherlei andre, theila nicht orebestermässis gewordoe, theils
— 2m —
2. für die Mittelstimmen:
Oboen, Hörner,
Kiarinetteo^ Alt- und Tenorposaune,
Allklarinetten, Alt- und Tenortrompete,
Basselhörner, JS'^-Kornette,
Fagotte, Tenorhorn ;
Trompetep^
3. für den Bass:
Fagotte, VientilhSrner,
Kontrafagott, Basslrompetc,
Serpe;nt, Tenorbass,
Ophikleide, Basstuba,
Hörner, Pauken.
Bassposaune,
Halten wir nun blos den Gesichtspunkt des Tonwesens fest, so
haben wir zunächst auf ein Gleichgewicht unter den drei Stimmklasscn
zu achten; es ist im Allgemeinen wünschenswerth, dass die Besetzung
der Ober-, Mittel- und Basspartien gleicbmässige Schallstärke gewäh-
ren, nicht eine dieser Partien im Verhältniss zur andern zu stark oder
zu schwach wirke*).
Es ist aber klar, dass bei dem Ermessen der Stimmkraft nicht blos
die Wahl der Instrumente , sondern auch die Stärke der Besetzung in
Betracht kommt. Der Komponist als solcher hat hier nichts zu bestim-
men, wohl aber muss ihm ein ungefährer Maassstab dessen, was er zu
erwarten hat, erwünscht sein, damit er sieh sicher vorsiellen könne,
welche Schallkraft er ungefähr zu verwenden habe. Um hier einen
thatsäehliehen Anhalt zu finden , theilen wir ein Verzeichniss der Be«
Setzung mit, die bei der preussischen Garde (hier nach Wieprecht's**)
Vorschlägen), bei der österreichischen und russischen Infanteriemusik
als normal angegeben wird.
wieder veraltete lostromeate (Flag^eolelt, Flute tTamour, Posthorn, Lt«te n. s. w.)
aiebt weiter eiogehn. Dieselbe EUeksieht warot aach, Oberhaupt niehtzo viel lo-
stromeote za federn. Es ist ein bedeokliches Zeicheo, von derMeoge der Mittel die
Kraft des Kaostwerks zu hoffen.
*) Bei ansero Uebongssätzeo fehlte es zuerst an melodieriibrendeD , naebbei
an hioläogiicb starken Bassinstmineoteo.
**) Das Einzelne können wir nicht vertreten; es konmt aaeb nicht darauf,
sondern aar aaf eine allgemeiae Ansehannng an. Kbeasewenig kSanea wir auf den
Widersprach naher eingebe, den Theodor Rode (Geschiobte dar preass. Infan-
terie- und Jägemueik) lud Andre mit f rossean Nachdrack gegan die W ie pre e h t'-
seben fiiorichtiiagen and Vorschläge erhoben haben.
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208
Allerdings ist nieht äberall auf so sUrkbesetzte Chöre zo rechnen,
▼iel weniger öberall dieselbe Slimmanswahl za finden. Doch hat man
hiernach schon einen durch Erfahrung geprüften Maassstab, nach
dem das Mehr und Minder sich ermessen lässt. Wir versuchen hier
noch ein Paar Zusammenstellungen für vollzählige, aber doch minder
starke Chöre.
(flUrk, seb wacher, ■•eh schwächer)
Pikkolflöte 1 ... 1 ... 1.
Flöte 2 ... 2 ... 1.
Oboe 2 ... 2 ... 2.
hohe Klarinette ... 2 ... 1 ... 1.
(in Es, F)
Erste Klarinette ... 5 ... 4 ... 3.
(in A, Ä, C)
Zweite Klarinette .. 5 ... 4 ... 3.
(in A, Ä, C)
Bassethorn 2 . . . 2 . . .
Fagott 4 ... 3 ... 2.
Kontrafagott .... 2 ... t ... 1.
Serpent 1 ... 1 ... 1.
Basshom 1 . . . 1 . . .
Hörn 4 ... 4 ... 2.
Trompete 4 . . . 4 • . . 2.
Bassposaune ....1...1...1.
Tenorposaune. ...1...1...1.
Altposaune 1 ... 1 ... 1.
Tuba 1
Tenorhorn 1 . . . t . . .
Man bemerke , dass überall die grossen Klarinetten am zahlreich-
sten besetzt sind. Dies ist nothwendig, da sie (mit Hülfe der höhern
Instrumente) die geeignetsten Instrumente zur Melodieführung sind
und zugleich als Mittelstimmen dienen , namentlich am brauchbarsten
zu figorirten Mittelstimmen sich erweisen , daher nicht selten in vier
verschiedoe Stimmen auseinandertreten.
Im Obigen ist zuvörderst die Ges^mmtwirkung des ganzen Chors
im Auge gewesen und hat sie das Gesetz gegeben für Zusammenstel-
lung und Besetzung der Stimmen. Soll nun in einzelnen Partien einer
Komposition, z. B. iu Pianosätzen, nicht das Ganze zusammenwirken,
so müssen hier wieder die Stimmen für Melodie , Bass und Mitte in das
Gleichgewicht gebracht werden. Es könnte z. B. ein sanft vorzutragen-
der Satz folgende Besetzung —
Erste Klarinette in B,
Zweite Klarinette in Ä(nach Erfodem in zwei Partien zu theilen),
Bassethömer,
909
2 Horner,
Kootrafag^U oftd ein drittes Fagott
habea; die nächste Verstärkuog würde durch den Zutritt einer Flöte
und einer hohen Klarinette, dann zweier Flöten, zweier Oboen, zweier
Hörner und Trompeten, und statt des dritten Fagotts eines Serpents
oder einer Ophikieide erreicht.
DiQse Ansätze können und sollfsn indess nur als Beispiele gelten ;
es lassen 3ich, wie sich von selbst verateht, schwächere Besetzungen
and noch mehr Abstufungen von der schwächsten Besetzung bis zur
stärksten , sowie auch mannigfach abweichende Wahlen und Zusam-
menstellungen der Instrumente treffen. Je sicherer man sich nach
unserm ersten und wichtigsten Rath (S. 4) die Wirkung jedes einzel-
nen Instruments eingeprägt, je heller man ihr Zusammenwirken nach
SchaükrafI; und Klangweise erfahren und zur bleibenden Vorstellong
gemacht, desto treffender wird man in jedem einzelnen Fall das Rechte
zu ergreifen versle.hn«
B. Klangweseo.
üeber den Klang der einzelnen Organe und Klassen haben wir
schon Betrachtungen aingestellt, die sich jetzt leicht er«i^eitern lassen.
Wir wissen , dass jede Inslrumentart ihre eigenthümliche Klang-
weise hat und hierin ein vorzüglich hervortretender Karakterzug aller
liegt.
Wir haben ferner beobachtet, dass verschiedne Instrumentarien
im Klange sich mehr oder weniger ähnlich , daher von dieser Seite her
mehr oder weniger einander verwandt, geeignet sind zu verschmelzen-
der Einigung.
Zunächst waren alle Klarinettarten ungeachtet des Ein-
flusses ihrer engern oder weitern und kurzem oder längern Mensnr
unter einander verwandt. Ihnen schliessen sich jetzt die Bassethör-
ner an, zwar durch den Einfluss des verhähnissmässig donnern Blatts»
des grössern und in ein Knie gebrochnen Rohrs und des metallnen
Schallbechers von plattgedrückter Form von dunklerm, bebenderm
Klang und von grösserer Schallkraft der Tiefe, aber doch den Klarinet-
ten am ähnlichsten.
Wie die Flöten und Fagotte (mit Kontrafagott) sieh den Kla-
rinetten anschliessen mochten, so treten sie auch mit den Basset-
hörnerD in ein Verbal tniss, — wenngleich erstere (nach der oben
angedeuteten Verschiedenheit) in ein weniger vertrautes.
Zu den Oboen treten jetzt (wenn man sich ihrer bedienen will)
die englischen Hörner. Auch die Bassetbörner stehn ihnen
durch die Bedecktheit und Bebung ihres Klanges näher als die Klari-
netten, obwohl der Tonlage nach ferner. Sie bieten aber eine Klang-
Marx, Komp. L. IV. 3. Aufl. 1 4
210
vermittlang^ zwischen Oboe und Klarinette, and letztere wieder eine
TonvermittluDg zwischen jenen. Den englischen Hörnern, wenn
sie gebraucht werden, würden die Fagotte an Schallkraft noeh weni-
ger gewachsen sein, als den Oboen, auch durch den stillen rnnden
Klang ihrer Mittellage entschieden von ibnen abgewendet. Doch liesse
sich unter der mildernden und verschmelzenden Mitwirkung andrer In-
strumente der Verein aller drei genannten Arten mit Erfolg benutzen.
Auch hier sind es die Basset hörner, ii6 nach Klang und Ton den
Fagotten näher slehn, als die übrigen genannten Instromente.
Aus dem Chor der Blechinstramente sehiiessen bekanotlicb Trom-
peten und Posaunen zusammen, allenfalls aueh zu beeondem Wir-
kungen Posaunen und Hörner.
Die Hörner schliessen sich von dieser Klasse zunächst den Kla-
rinetten und Fagotten an; sie werden sich nun auch mitdenBas-
sethörnern gut vereinigen.
Ist so der Chor der Rohrinstramente stark genug angewachsen
und vielleicht auch durch den Zutritt der Hörn er dem Melallklang
näher gebracht, so treten Serpent oder Basshorn mit dem Ge-
sammtklang in angemessne Verbindung.
Noch eine Anknüpfung zwischen dem Chor der Rohr- und dem der
Blechinstrumente liesse sich in einer gewissen Aehnliehkeit von
Trompete und Oboe in der tiefen Tonlage finden. Die Oboe ist in
der Tbat hier von einer Schärfe und GefüUlheit des Klangs, von einer
Schallkrafl, von einem so dezidirt einschneidenden V^esen, dass man
an die gleichen Eigenschafleo der Trompete erinnert wird. Kommt es
nun blos auf seharfbestimmted und vollstarken Zusammenbang an ^ so
kann eine Lage von Oboen, Trompeten und Posaunen wohl ein-
greifen. Allein bei tieferm, innigerm Eingehn kann der grosse Unter-
schied des metalUsch glänzenden, hehren and innerlich mäehtigen
Trompetenklangs von dem holzig gezwängten , mehr gespreizten als
mächtigen V^esea der tiefen Oboetöoe Niemandem ealgebn; der Trom-
petenklang wird verunreinigt durch solche Verbindung, wenn nicht be-
sondre Intentionen sie fodern pder Massen andrer Instrum^te sie be-
decken.
Von dem Chor der Ventilinstrumente scbliessen sich die
Ventiltrompeten ihren edlern Schwestern, dea Naturtrompe-
ten und damit den Posaunen an, würden übrigeoa in einer Verbin-
dung mit den Oboen weniger zu verlieren haben.
in demselben Verhältniss stehen dieVentilbömer zu den Na-
turhörnern. Dass sie an Reinheit, Freiheit und LuftfüUe des KUagCii
gegen jene sich im Nacbtheil befinden , wird wohl nicht mit Grand ge-
leugnet werden können.
Die Kornette haben ebenfalls Verwandtschaft mit den Hör-
nern, aber oiclii deren freies, weithin und gleichsam v<m fern her-
211
über bauendes Wesen ; sie sind verschiossner, bescbräDkler, beiläafig
aucb weniger der quellend starken Höbe, der schmetternden Schaükraft
der Tiefe , und amgekebrt des leisesten Verhallens « wie in Luft, wie
Echo vom Echo fähig, das eben dem Hom diesen schwärmerisch ro-
mantischen Karakter znerlheilt. Sie lassen sich daher allerdings mit
Hörnern nahe genag verbinden , können mit ihnen zn einer Masse 'zu-
sammenschmelzen y allein der geistigere Reiz des Homs gebt dabei ver-
loren. Gunstiger erweisen sieb noch diePlngelbörner.
Die tiefen Ventilinstrnmente, Tenorhorn^ Tenorbass, Tuba,
stebn ebenfalls dem Hom nahe , bilden aber vermöge ibrer Grösse und
Scballkraft alimahlicb der Posaune sich annähernde Mittelstttfen zwi«
sehen dieser und dem Hom.
Dasselbe gilt von der Ventilposaune, die die dröhnende
Scbmetterkrafi der Posaune zu dem dunklern und mndem Horn-
klang ermassigty doch aber diesem an Scfaallslärke und Helligkeit
überlegen bleibt.
Vermöge ihres gescblossnem , begränztern, weniger Infi- und
Betailfreien Wesens treten die Ventilinstrumente auch niher
zn dem Chor der Rohrinstrnmente heran, als die natürlichen
Blechinstrumente; sie bilden einen Miltelchor zwischen dem reinen
Blecb- ond dem Rohrchor. Den Uebergang machen hier die 0 p h i kl e'i«
den mit ihrem Metallkörper und die Serpents mit ihrem Posaunen-
mundstöck. Ohne Frage können die Ventilinstrumente daher mit
den Rofarinstrumenten inniger verschmolzen werden, als die Na-
tnrbleehinstrumente, und stehn wiederum in näherm Bezug zn
letztem, als diese zn den Rohr Instrumenten ; denn sie bilden eine Mit-
telgattung zwischen den beiden andern Chören. In diesem Sinne stellt
aucb Herr Dir. Wieprecht (S. 207) sie als ,,Miltelregister'' zwischen
die Rohrinstrumente und die Blechinstrumente (die er mit Bassluben
unterstutzt) und bezeichnet ganz treffend hinsichts der Schallkraft die
Robrinstrumente als das „leichte^', die Ventilinstramente als das ,, etwas
scbwerere'S die Blechinstrumente als ,, stärkstes Register^*.
Allein eben bierin Hegt das Bedenkliche*) ihrer Anwendung in
Hasse. Sie als Miltelgattung verschmelzen die beiden andern Chöre so
dnrcbgreifend , dass deren eigenthümticher Karakter seine Schärfe ver-
liert und der grosse, selbst im Tutti noch wirksame Gegensatz von
Blech und Rohr gebrochen wird. Allerdings kann ihn der Komponist in
dnzelnen Partien aufrecht erhalten; er kann einen Satz blos den Rohr-
instnimeuten, eiaen andern blos den NaUirbleohinstnimenten zuerthei-
*) Fär die EinführaDg des Ventilchors in die Militairmostk bat Herr Dir. W.
nocb ssoz besondre in der militairiscben Aufslellnus and Anordnung berabende
Groade vorsetragen, die «ber ausser dem Kreis niisrer rein kanstleriseben Betracb-
•at8:ti0aMi.
14*
212
leo. Aber jedenfalls wird «r in andern Partien die VentiliBslniiilenie,
oder sie mit dem einen oder andern Chor , oder (in den meisten Fäl*
len, namenllich zum Schluss) alle drei Chöre in Verein bringen — und
dann wird eben doch der Karakter der drei Chöre ineinanderfliessen,
das heisst, mehr oder weniger geschwächt and aufgehoben werden«
Hierzu kommt die eigenthiimliche Anziehungskrafl der lostromente für
den Komponisten. Sobald er ihnen die Schranken seiner Partitnr ein«
mal geöffnet hat, umstehen, locken und drängen sie ihn gleich selb«
ständig lebenden Wesen, wollen auch herbeigerufen sein, auch mitre-
den ond sich geltend machen , und man nniss sich selber und sie schon
sieher beherrschen und seiner Idee voll ond getren sein , wenn man
nicht von ihnen zu anzeitiger Anhäufung oder unbegründetem Wechsel
▼erfuhrt werden soll.
Anders verhält es sich mit der Herbeiziehang einzelner Ventilin-
stmmente zu den andern Chören. Das chromatische Tenorhorn
kann sich vortrefflich mit Naturhörnern und Po&aunen zn tief-
tönenden, voll, aber dabei mild erschallenden Klängen verbinden; die
Tuba kann für grosse Harmoaiemassen im Verein mit Fagotten ond
Kontrafagotten geeignet sein zur Führung des Basses; jedes Ven*
tilinstrument kann für besondre Intentionen günstig, ja das einsig
Rechte sein. — Selbst die Eiuführuog des vollen Ventilchors können
wir nach uoserm obersten Grundsatze (Th. I. S. 15) so wenig, wie
irgend eine künstlerische Gestallung für unstalthafl oder falsch erach-
ten. Wohl aber musslen wir die Folgen dieser Einführnng bezeichnen,
waren um so mehr dazu verpflichtet, je mehr die Richtung des beuti-
gen Tages auch in der Musik sich von dem Karaktms tischen, Bestimm-
ten und darin Wahrhaften abwendet.
Siebenter Abschnitt.
Der Satz fttr grosse Uarmoniemusik.
Nach allem Vorangegangnen darf sich die Lehre jetzt auf wenig
Sätze und Beispiele beschränken. '
Je grösser die Masse der vereinten Bliser ist, desto mehr tritt die
Besonderheit der einzelnen Klassen , Arten und Stimmen znrück, und
desto entschiedner macht sich das vorherrschende Element aller Blas-
instrumente, — der tönende Hauch, der Schall, — geltend. Daher ist
es dringend rathsam, mit der Vergrösserung der Masse immer umsich-
tiger der Einfachheit zuzustreben. Der Mozart'sche Satz Nr. 209,
die Beethoven'schen Märsche Nr. 217 und 218 geben hier schla-
gende Beispiele $ wir fügen ihnen in der Beilage I noch ein instnunent-'
213
rcieberes aus der Feder eines auf diesem Felde Torzöglich erfTrobten
ToDsetzeni*) zu. Mau bat bei derBetracbUmg^ dieses Marscbsatzes eine
Beseteung gteicb (oAer ziemlich gleich) den S. 207 aDgerdhrten vor*
auszusetzen, da er für di^elbeii oder gleichstehende Mititairmusikchöre
geschrieben ist.
Hier führen im Forte Pikkolflöte, F-Klarinelle (wahrscheinlich 2)
und erste C-Klariuette (wahrscheinlich 6) die Melodie, und zwar in
,hoher, scharfaDsprecbender Tonlage. Dieser Oberstimme steht ein Bass
gegenüber, vom zweiten Fagott (doppelt besetzt), Serpenl, Kontrafa-
gott (doppelt besetzt) und Bassposaune (2 oder 3) durchgeführt; viel-
leicht ist dabei noch auf Basshörn oder Ophikleide gerechnet. Soleben
Aussenstimraen dienen nun die zweiten Klarinetten (6) , die Bassethör-
ner, das eiste Fagott (doppelt besetzt), vier Hörner — und unbedenk-
lieh die sonst wegen ihrer Schärfe nicht wohl zur Begleitung geeigne-
ten Oboen, dann auch die Trompeten (5) und höhern Posaunen (2) als
Mittelstimmen.
Die Kraft der Mittelstimmen liegt hauptsächlich in der kleinen nnd
eingestrichnen Oktave ; dies bezeichnet schon der Antritt der Basset-
hörner und des ersten Fagotts (a.), • —
■ ; I
der Hörner und Posaunen (b.) wnd der Trompeten (c). Während diese
Hauptlage derMiltelstimmen sich den Bassinslrumenten eng anschliesst,
treten Oboen und zweite Klarinette (d.) darüber, um die Verbindung
mit der hochliegenden und scharf intonirten Melodie zu bilden.
Im PianQsatze tritt die PikkolOöle von dqr Melodie zurück, die
nur von der F- und ersten C-Klarinelte geführt wird, mit einer Gegen-
*) Aus einem Gesc1iwiDdinttrsciie''voii A. Neitbardt (danraTs Direktor eines
Gtrdemnsikchors , jetzt Direktor des Berliner Domcbors),.. bei Sohlesinger in
Berlin unter Nr. 94 als Armeemarsql^ in Partitar beraasgegebeo. Bei der vorlie-
gendea Komposition and dep meisten Arbeiten gleicber Bestimma.ng kann die Beant-
wortung der Frage: ob die firfiodong karakten'oll oder doch mehr oder weniger
aosprecbeod sei^ dem Tonsetzer niemals ohne Weiteres einen Vorwurf erregen.
Denn wer kennt nicht die hunderterlei Wunsche und -— Andentangen, die in mas-
sigen Garnisonleben aus GSrten, Theatern, ß&lleo n.s. w. aaf die Parade geschleppt
werden und denen sich der Mosikdirektor sch^evlicb versagen kaqnt Er muss zu-
frieden sein, wenn er — wie unser bo£hgeachtelerToosetzer — Kraft nnd Gelegen-
heit gefunden, sein Talent nnd seinen Sinn in zahlreichen eignen Arbeiten glück-
lieh zu bewibren.
Für onsera Zweok ist dieser Paukt vollends nnerheblidi : für uns ist nor das
die Frage: wie kann und soll eine ^gegebne, z. B« diese Melodie behandelt werden?
— zu
stimme, die sich unter einer iB- und Ventil-F-Trompete (so weil es an-»
gebt, soll die iB-Trompete als Natarinstroment wirken) vertheilu Von
der Begleitung treten Oboen and Trompeten zurück und alle Instru-
mente werden in gemässigter Weise gebraucht.
Im ganzen Satze herrscht durchaus einfachste Behandlung«
In Bezug auf Klang und Rarakter ist — wenn man jene Gegen-
stimme in den Trompeten nicht in Anrechnung bringen will — kein er-
heblicher Gegensalz hervortretend ; alle Instrumente sind zu -einer ein-
zigen Hasse zusammengeschmolzen.
Die Beilage II*) zeigt ähuliche Benutzung des Orchesters erst im
Piano, dann im Porte, im Piano wird die Melodie Mos von der ersten
Klarinette (sechsfach besetzt) «oi^etragen. Die zweite Klarinette mit
dem ersten Fagott führt eine fliessende Begleitnngsfigur (a.) durch, —
229
li^^^^^^g
äi
Lmtizj
während zweites Fagott, Basshom und Kontrafagott den Bass, und die
Hörner mit den Bassethömern vereint (b.) die Mittellage der Harmonie
bilden. Die Begleitung würde nach Zahl und Schallkraft der Instru-
mente zu stark sein , im Verhällniss zur Besetzung der Melodie , wenn
sie nicht dreifach getheilt wäre, — zwei Stimmen figuriren, der Bass
und die tibriggebliebnen Miltelstimmen wechseln viertelweise. Im Forte
wird dieselbe Melodie von den Pikkolflöten, F-Klarinetten, der ersten
C-Klarioelle und ersten Oboe vorgetragen, die Figur in ihrer Ober-
stimme von der zweiten Klarinette und Oboe und dem ersten Basset-
horn, — in ihrer Unterstimme von dem zweiten Bassetborn und ersten
Fagott ausgeführt; zu der in gescblossnen Akkorden Viertel auf Viertel
auftretenden Begleitung sind ausser den obigen Instrumenten noch
Trompeten und Posaunen getreten; die Trompeten lösen das je zweite
Viertel in Sechszehntel auf und tragen dadurch ein neues Element der
Erregung in das Ganze.
Auch in diesem Fall ist keine Sonderung der Stimmehöre vorge-
nommen worden. Alles vereinigt sich zu einem einzigen Schallkörper.
Dieselbe Form zeigt sich zu Anfang der Beilage Nr. III. Dann aber
tritt die Hauptmelodie in die erste C-Klarinette (zuletzt mit Unter-
stützung der zweiten, der Bassethörner und Fagotte) ; die BegleituQgs-
harmonie unter dieser Melodie aber wird durch den Zutritt der Oboen,
jP-Rlarinetten und Pikkolflöten über jene hinaus aufgebaut, so dass die
*) Die Beilasen 11 und III siod aus Nr. i% der bei SeblesiDser ersehieneoeii
Armeemlirsche ; Nr. II ebeofallt von A. N e i t b a r d t.
215
Melodie gewiaseraiasseii zor MiUebtimme wird. T«kt 4 und 5 würde
sie daher verduakeU wierden , besonders durch die ebenfallg üggrirkA
Pikkolflölen, —
230
Pikkolflören und
rweiu F* Klarinette
(in G umgesetzt^.
Erste F-Klarlnette
(in C «mgesetzQ,
Erste C-Klarinotte,
A^
^J.
^^^^m
wena oicbl am bedürftigsteo (und zugleich rhythmisch geeigoetsten)
Punkte die F-KIarineUe in heller Hochiage unterstützend eingriffe.
In der Beilage Nr. IV geben wir ein Beispiel, wie im grossen Tutti
die Melodie in einer Mittelslimme behandelt werden könne; man hat
die gegebnen Takte als Bruchstück eines grossem Ganzen anzusehen.
Hier stellt sich der Salz schon weniger einfach; es sind vier Partien, -—
1. die Melodie,
2. der (einigermassen wenigstens) selbständig hervortretende Bass,
3. die Begleitungsfigur in den Klarinetten u« s. w.»
4. die harmoniefüllenden Eintritte der Trompeten u. s. w.
zu uDterscheiden.
Die Haoptstimme wird von den vier Hörnern und dem chromati-
schen Tenorhorn vorgetragen, ihr Heraustreten durch die Pause zo
Anfang jedes Takts in den flgurirendeo Stimmen und durch die Pausen
der Begleitung begünstigt. Stiege sie für die zweiten Hörner zu hoch,
oder sollte sie in Klang und Sdiallkraft gesteigert werden, ^o könnten
von dem Zeicbeo * in Takt 4 an die böbem Posaunen zu ihr und die
zweiten Hörner zur übrigen Blechmaase treten. Diese würde dann aber
an Scballkraft verlieren und yon dem MetailgUnz ihres Klanges ein-
bqssen. Naehtheiiig für die M»cht deS: Klangs und den Karakter der
Melodie würde die Zuziehung von Fagott oder Bassetbörnern oder bei-
den vereint sein. Der Hornklaog würde beschränkt und verfärbt. Ja,
die ganze Melodie wäre — für Fagotte und Bassethörner gedacht —
eine Unwahrheit ; den Hörnern sind ihre weiten akkordischen Schritte,
ist ihre Bescliränkung auf die beiden harmonischen Massen (Th. I.
S. 59) angebüi ig ; Fagotte und Bassethörner wollen mehr Fliessendes,
Diatontsehes, faaheo sanftere, wehmütbige, nicht herausfahrende Dinge
zu erzählen. Und wollte man sie in solcher Weise —
i^^^p^^^^p
sai
g:g3::.HT~v^%^^^-
•■äs
216
einfübreD , so würde für rie wieder die gresse Besetsvng mpastend,
das Blech karakterwidrig nnd erdradcend , die hohe Lage der Pikkol-
flölen 0. s. w. zu schreiend , oder bei ermässigter Begleilang wieder
die Melodie mit zwei Instromeolpaaren za stark und angefäUl sein ')•
üebrigens haben wir es hier mil dem Satz for grosse Massen zu thnn,
und da würden sich schwerlich andre als Blechinstromente**) für eine
Melodie in den Mittelstimmen eignen.
Der Melodie in der Mittelslimme muss eine wenigstens nicht ganz
inhaltlose Oberstimme gegenüberstehn ; dies bedingte die Begleitongs*
figur in den Klarinetten u. s. w. Sehr leicht konnte eine bedeutendere
oder reichere Gegenstimme gefunden werden ; allein dann durfte sie
nicht so viel Instrumente an sich ziehen , oder wurde erdruckend für
die Hauptmelodie. Die Fio;ur ist den beweglichsten und weichsten
Instrumenten, Flöten und Klarinetten , übergeben ; die ^^r-Klarinelten
durften nicht in ihrer durchdringenden Höhe gesetzt werden, wenn sie
nicht die Figur zu heftig und der Haoptstimme gefährlich machen soll*
teu. Fagotte und Bassethörner waren der Figur nicht gerade nöthig
(sie entziehen ihr sogar durch die tiefe Lage einen Theil ihrer Leich-
tigkeit und Helle), schliessen sich aber ihr besser an, als der Masse der
Bleche, — bei der man sie so —
:fr^^g=t^«:!
ä^Ü^^^^^i^SS^
232
einführen könnte, -^ in der sie den reinen Blechklang beeinträchtigen
würden. Ob sie in einem grössern Zusammenhange nicht lieber pausi*
ren sollten ? — liegt ausser unsrer Betrachtung, die nur auf die Be-
handlung des grossen Tulti gerichtet ist.
Einfacher und insofern fasslicber wäre das Ganze geworden,
wenn wir die Bassposaune mit Serpent und Kontrafagott gefuhrt hät-
ten , statt diese mit ihr zo kreuzen ; es schien aber rortheilhaft, das
*) Dass hier and überall der Vortrag viel thoo und ändern iana,dasa meh-
rere lastromente, wenn sie eine Melodie piano vortragen, vielleicht nicht zu stark,
vielleicht sebwacber als ein elüzigea /orte blasendes sind, — versteht sich. Aber
die Lehre tod der Abwägaag der Kräfte in der Komposition kaan sidi auf diese
endlos veränderbaren äasserÜeben Hilfen des Vortrags nickt einlassen tiod bst es
niebt nöthig. Denn wer die Instramente erst nach ihrem Wesen kennt, weiss sieh
nach ihre Wirknng im Piano vnd Forte vorznstfllen.
**) Namentlioh könnte auch die Basstuba hier gnte Anwendung Qnden.
Wenngleich ihre Tiefe (wenigstens nach dem Gefühl des Verf.) leicht etwas Schrof-
fes, Unbändiges, Unverschmelzbarea. an nimmt, so ist ihr doch gerade in der Tenoro
läge ein edlerer, den andern Kornetten verwandter, aber an innerlicher Kraft über-
legner Klang erreichbar.
217
Blech in einfadister Form su dem nagebrocbeosteD ZnsmuDeawirkeo
bei einander zu lassen.
Die Führung einer Bassmelodie bedarf nach dem bei Nr. 197 Ge-
zeigten keines weilem Nachweises ; sie bietet mindere Schwierigkeit,
als die vorhergehende Aufgabe, weil sfe nicht oben und unten, sondern
nur über sich den Chor der andern Stimmen zu berücksichtigen hat.
Verwickelter ist die Aufgabe, Melodie gegen Melodie zu steilen.
Die Beilage Nr. V (aus einer grössern Komposition des Grafen Re-
deru) giebt dafür ein anziehendes und für diese Musikgatlung lehrrei-
ches Beispiel. Dem Salz der Flöten und ersten Ä-Klarinelten stellen
Fagott und Euphoneon einen Gegensatz gegenüber , Oboen und Flügel-
horn nebst der ersten £j-Trompele schliessen sich , den ersten Satz
nachahmend, an, so dass sich ein artiges Spiel, von drei Stim-
men bildet, leichtgeführl, wie dem Harmonie-- und Ensemblesalze
wohl zusteht. Die Fortführung und Begleitung mag Jeder für sich
prüfen; daa Ganze ist von erfahrner und geschickter Hand (Herr Musik-
direktor Piefke bat das Arrangement gemacht) gfcbiWcl und vpn voU-
komlnnem Wohlklange. '
Bei eigentlich polyphonen Sätzen wächst die Schwierigkeit. Es
ist unmöglich, dergleichen so einfach darzustellen, als derKarakter der
Harmoniemusik Wühschenswerlh macht ; nicht blos sollen die drei oder
vier Stimmen, die den wesentlichen Inhalt des Satzes vortragen, gleich-»
zeitig geführt und vom Hörer gefasst werden ; son4ern die Masse d^it
Instrumente fodert für die verschiedtren Lagen ihres Tonsystems undf'
für die verschiednen Fähigkeiten und Karaktere Verdopplungen in Ter-*
zen, Oktaven u. s. w. , füllende Stimmen, neue Motive — und so ge-^
räth man unvermerkt von der einfachen Grundlage in immer zusam-
mengesetztere Gestaltungen und Schritt für Schritt immer mehr in die
(vielleicht nie ganz zu vermeidende) Gefahr, ükerladne und verworrne
Sätze 2u bilden. Veranschaulichen wir uns dies an einem Beispiel.
Der hier —
233 <
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E33HSj£=Ä3*=i5SS
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^^l^ä^^S^^
218
gebildete Satz, iea man als 'Braebslück «ioes frSssern Garnen ansn-
sehen bat , würde von zwei oder drei (oder vier) Instrumenten kUr
vorgestellt werden köouen. Atleio eine so slimniaroie und dabei mit
den Stimmen so weit aoseinanderbleibende Behandlung würde dem
Karakler der Blasinstrumente , ihrem Haag nach Voilklang unangemes-
sen sein. Sie wäre sogar für grosse Besetzung — die wir hier aus-
schliesslich im Auge haben — unausführbar; ciuige Instrumente können
die Stimmen des Satzes gar nicht vortragen, die übrigen würden durch
ihre Aufliäufung im Einklänge den Stimmen übertriebne Klangfülle
geben.
Man müssle daher den Satz Aller, — etwa in dieser Weise —
2U
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ausführen, an für höhere uod liefere MiUelstitnmen und eine neue
Oberstimme für die höchstliegenden Instrumente Raum und Stoff zu
finden. Denken wir uns den Satz in solctier Gestaltung v^n Klarinet-
ten (durch Oboen verdoppelt, oder eine Oboe als erste und eine Klari-
nette als zweite Stimme der mittlem Partie) und Fagotten, einer Flöte
und einem hinlänglich starken Bass ausgeführt : so würde er zwar nicht
jene Klarheit, jenen reinen, weithin reiehesden Zusammenklang haben,
der die eigenste und darum schönste Aeusserung der Blasbarraonie ge*
219
a»nnt werden kann, aber doeh dentlidi nnd verst&mHieh genüge herans«
kommen, am im rechten Zusammenhang gelten zu können.
Sollte endlich derselbe Satz im vollen Chor der Bläser auftreten^
so würde er sich etwa so , wie in der Beilage Nr. VI zu sehn ist , ge-
stalten müssen. Die oberste Lage der figurirenden Mittelstimmen haben
Klarinetten und Oboen, die Flöten haben sich auch nirgends besser an^
sehliessen können ; die dritte (und vierte) jener Stimmen wird abwech^
selnd von Basselhörnern und Fagotten gegeben, zuletzt nur von Fagot-
ten, während die Bassethörner zu den Klarinetten treten*). Die Ober-
stimme hat erste Pikkolflöte und erste £'^-Klarinette , die zweiten tre^
ten erst ganz zuletzt ein ; das Blech tritt auf rhythmische Hauptpunkte
und gewährt dem krausen Durcheinander so vieler Stimmen Anhalt.
Allein es entsteht doch bei alier Vorsicht, die man angewendet zu
haben meint, eine so zusammengesetzte Tongestalt für Harmoniemusik,
dass man nur in eigeuthümlicfaem Zusammenhange mit Recht darauf ge-
fahrt werden könnte und dringend nach sofortigem Eintritt ruhiger,
breiter Massen verlangen müsste, in deren klarem Zusammenhang sich
der Friede wieder herstellte und die wahre Macht der Hannoniemusik
wieder hervorträte.
Es scheint hier der Ort für eine
allgemeinere Betrachtung,
die weitgehende Lehren und Anwendungen nach sich ziehen kann und
zu deren Veranschaulichung wir erst jetzt genügenden Stoff beisammen
haben.
Jedes Organ und jede Klasse von Organen bat einen ihr ange-
messensten Wirkungskreis, kann aber über denselben hinausgeführt
werden**). Dann tritt üeberreizung und Verwilderung seines Wesens
ein, die zwar bisweilen dem Sinne des Werks entsprechen kann , doch
nicht ohne reiflichen Bedacht zugelassen werden darf, weil sie eben
ausserhalb des naturlichen Kreises des Organs liegt.
Zunächst knüpfen wir diese Beobachtung an eine schon lang be-
kannte andre. Singstimmen und Blasinstrumente, die über die ihnen
bequeme Tonhöhe hinausgeführt werden, geralhen in Heftigkeit, Härte,
Gewaltsamkeit des Schalles. Hier sehn wir also an einer Seite des
Organs , was oben allgemeiner ausgesprochen wurde. Ebenso nehmen
Organe, die man zu einem ihnen nicht bequem erreichbaren Grad von
*) Da die BassetbSroer anfangs io ihrer vollero Tiefe aoil die Fagotte io der
La^e ihrer gedriingoern hoheoTöoe auftreieo, sind sie deo darüber liegeodea Stim-
■ea woht gewacbseo. Wollte mao sie im Eiohiang znaamoiea legen, so würde der
Gegeosati, deo sie gegeo einaader bilden, verloreo geho and die Miltelpartie noch
aBfefSlIter nod lastender werden.
**) Dass sie unter ihrer Kraft gelassen werden kSnoen, z. B. die tiefsten Töne
der Siogstimmen , Horner a. s. w. noch nicht genagsame Seballkraft liaben, ein zu
lang «Qsgebaltaer Ton ermatteo und hinsterben mass, Ist ebenfalls wahr and be-
kannt, gehSrt aber nicht hierher.
2ZQ
Stärke Dötlrigt, ein« Härte, Greilbeit od^ Spitagkeit des RUngea an
(sie werden gellend, kreischend u. s. w.) , die ibaen sonst keineswegs
eigen sind. Nun zu einer geistigern Anwendang.
Das eiigenüicbe Element des Btasinstruments ist der Schall) das
Ausschallen, der gehaltne, getragne Ton und die aus soloben bestehen-
den oder auf ihnen doch beruhenden Harmonien und Melodien. Hierin
zeigt sich — zumal bei angemessner Stellung und Führung der Stim-
men— der Wohl- und Vollklang , die eigenthumlichste und schdaste
Wirkung des Blasinstruments und noch mehr eines vereinten Chors yoii
Blasinstrumenten.
Man kann aber auch das Blasinstrument zu schnellen Tonbewe^
gungea und Tonfolgen gebrauchen. Allein dann nimmt es einen Karak-
ter von Wildheit und Ueppigkeit an , der ihm sonst gar nicht, oder in
weit geringerm Grad eigen ist. Und dies ist um so mehr der Fall , je
mehr, die Bewegung nach Schnelligkeit tind Inhalt über das eigent-
liche Wesen -des Instruments .bioausgebt. :£& entsiebt dann für jeden
einzelnen Fall die Frage : ob diese Wildheit oder HefLigkeit der Idee
des Kunstwerks entspreche.
So ist z. B. der gehaltue Ton oder die ruhige Tonfolge auf der
Trompete vom edelsten, Metallglanz ähnlichen Klang, ^ nud beson-
ders sind es die Töne, —
235
die schon ;iach der Natur des Instruments vorzugsweise für melodische
Anwendung bestimmt sind. Die SchmetierHguren dagegen (S. 47,
Nr. 55, 75 u. a.) geben dem Instrument eine Wildheil, die für kriege-
rischen Ausdruck, aufregende Pracblentwickelung und ähnliche Aufga-
ben höchst karakleristisch ist, am unrechten Ort aber, oder imUeber-
maass angewendet, das Instrument (und mit ihm den Tonsatz) leicht aus
seiner reinen Sphäre in eine niedre, gemeine und rohe hinabzieht.
Diese Ausartung macht sich nur desshalb seltner fühlbar, weil das In-
strument schon seinem Karakter nach selber zum Hefligen und Gewalt-
samen hinneigt. Dasselbe wäre von den Schmettertönen der Posau-
nen zu sagen; nur wirken sie bei der grössern Schallkraft, mindern
Beweglichkeit und liefern Tonlage bekanntlich noch gewaltsamer und
arten leichler in das Rohe aus. — Auch das Hörn kann den Schmet-
terton, wenn auch kürzer —
^36
i^i^i^Eji^iife^ii
und unbehülflich hervorbringen; hier aber erscheint er sehr bald raub
und roh. Endlich finden Tonwiederholungen im Chor der Rohrin-
strumente statt. Aber schon unter den mildesten Umständen, z. B.
in dieser Stelle —
22t
237
F - Hdrner.
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B-KUrinetten.
Fagotte.
I.
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Bratsche.
Basa.
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ans Beethovep's Pastoral-Symphooie*), in Agv pictno vorgeAchrie-
bea, die sanftesten Aobrinstrunienle in weicher Tonlage , die Hörner
ebenfalls in weicherer Tonlage (ihnen lag es, abgesehn von der Schall«
Wirkung, näher, in der höhern Lage, —
*) S. 7 der bei BreitkopFvod Härtel erscbieaeoeD Partitur.
HZ
238
i
BB
-^-^~^—>-^-*
^
in der sie schon waren und die den Melodieton oben bat, zu bleiben)
gebraucht werden, treten die Bläser angeregt hervor, — wie es diesem
Aufbeben des Natnrlebens und des Gemöths im neupulsirenden Früh-
lingserwachen vollkommen entspricht. — Bei stärkerer Anwendung,
z. B. in solchen Stellen, —
AUegro maestoso.
Fiaulo piccolo. ff i •
23»
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Glarineffi in C.
ipi^^i^^i^^
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Corni in F.
;Orni in * • // I I T
iVomhe in F. , «■ ' ■ i /«-n
^
:^-C=|sr3z
1— I 1-^ . 1— j — > : ,*
Tromboni
^Ü^^^S
die noch wilder erklänge, wenn man die Klarinetten zu den Oboen
stellte, die Trompeten mit den Hörnern gehen Hesse, während die Po-
saunen im ersten nod zweiten Takt an die Stelle derTrompeten träten,
steigert sieb sogleich die Schallkraft und tritt eine höhere Gereiztheit
in die Bläser.
Schnelle Tonfolgen, zumal diatonische, kommen erst bei den Rohr-
instrumenlen in Anwendung. Hier steigern sie schon in den kleinsten
Formen, z. B. hier —
223
Pit»t».
Flauio piccolo.
^i-BrJ-irU- tiS:
^iaulo. CUr. -^
H>boi e Clarinelii ia C. -«- 7~
II««
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Fagolli,
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Corni in F.
Trombe in V.
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Tromboni.
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Fl. picc. e FlÄull. ^ i». -oo.
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Fagolti.
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Tromb« • Conti in C
1
^^=^it^ß=^m^^;s^
1
r*^^^ #■ -or
Tromhoni.
31
^.
ä
.jpi.
immlli
224
in den Flöten, Oboen und Klarinetten, die Heftigkeit des Einsatzes mehr,
als Mosse Verdopplung der Besetzung vermocbt hätte. Im dritten Bei-
spiel (zu dem man sich gern noch mehr Instrumente, vielleicht die Hit-
wirkung des Streichquartetts hinzudenkt) geht die Weise der Flöten
und ^.f'Riarinetten Lis iur Wildheit, die man noch hätte in den Oboen
und ^-Klarinetten durch ähnlich wirkende Figuren, z. B. diese, —
241
Flöten.
Oboern.
B j - B , B ,• ■
Steigern können. — Was hier an einzelnen Würfen, nur gleichsam
gelegentlich eingemischten Läufen und Vorschlägen bemerkt worden,
gilt auch von ganzen Sätzen , die von einer den Bläsern nicht wesent-
lich eignen Bewegung erfüllt sind. In ihnen sind es ni<cbt, wie oben,
einzelne Riss- und Schlagmomente ; sondern sie nehmen in ihrer gan-
zen Bildung eine Heftigkeit und Wildheit an, die man auf andre Weise
nicht erlangen kann, die aber sorgsam abzu^^ägen, nafch Mee .und Stirn«*
mung der Komposition zu prüfen ist. Der in der Beilage VI gegebne
Satz mag auch hier als Beispiel dienen.
Selbst in einem einzelnen \3lasinstrumente kann diese eigenthüm-
liche Wendung des Karakters beobachtet werden. Ei^ ^nerkwürdiges
Beispiel bietet die unsterbliche Einleitung zu J. Haydn's Schöpfung,
die der Meister ,,die Vorstellung des Chaos^^ genannt liaL Wie hier
Alles erst aus dem Dunkel hervor nach Gestaltung tappt und schleich)
und ringt, und erst im sechsundzwanzigsten Takt*) ein Moment grösse-
rer Festigung eintritt, in dem mild und voll, sanft bewegt und be-
schwichtigend die zweite Klarinette mit ihrer Begleitungsfignr gleich-
sam hervorquillt, -r-
242**) ;
sL-i=
-mE
Tl
M M ' l
"Fcr-
-r
*) S. 4 aod 5 der bei BreitkopF antl Här^I erschieDeoeo Partitur.
**) Die kleinen Noten' de« ten das^treicbqaarlett aB,'^i<^^ber8ti]nmeo im zwei-
ten Takte sind Oboen. Das Bfeiste fehlt, — und (gerade hier ist jedes einzelne In*
stromeot von tiefsinnigste Q^dentunf . An einem andern Orte kommen wir dnranf
inriick. ' ' ,
225
4*8 Udbe bier bei Sdte ; es ist der Scblass dieses Abschnittfi (Takt 31,
S. 5) 9 der «Ueiii zar Betrachtang kommt. Wenn auf diesen Takt das
Orchester (in diesem Aagenblieke Streichquartett, eine Flöte, Oboen,
Klarinetten, Fagotte, Hörner, die hohem Posaanen) in den Quartsezt-
akkord tritt, wirft sich, ohne weitere Motivirang, ab dass man schon
Klarittetten gehört hat, die erste Klarinette, —
Klar. I. ^A<Üi^_
243*)^
8treichqiiart« ,^
wie ein jnnger Stern eroporschiessend , mit einem rapiden Laaf in die
Höhe. Rein andres Instrument, alle vereinten Geigen würden nicht so
glänsendfrisch , so iibermoth voll , so jugendlich üppig emporgestiegen
sein. Dass aber dieser Rlarinettenlauf das Instrument nicht bis zur
Wildheit (S. 224) aufregt, liegt in dem Verhältniss der Schallstärke
des einen Instruments gegen das Streichquartett und die kurz voraus-
gegangnen Bläser, in dem milden Karakter der A-Rlarinette und in der
Vorbereitung durch die unmittelbar zuvor (Nr. 242) hervorgehobne
zweite Rfariiiette.
Achter Abschnitt.
Aufgaben.
In den vorangegangnen Abschnitten dieser und der vorigen Ab-
tbeiliing ist so Vieles zu beobachten nnd zu versuchen gewesen , dass
die Aofmerksamkeit nicht durch Einmischung fernerer Betrachtungen
zersplittert werden durfte. Daher können wir erst hier**) die Selbstthä-
*) Die mit a. aosezeichoetea Noten bat die erste Geige, b. ist zweite Geige
» naä Bratsebe, e. Violoneell, d. Kontrabass, den wir Takt 2 gesebriebea beben, wie
er ertoDt.
**) Im lebendigen Uoterriebte' sebiiessen, wie sieb von selbst verstebt, ba*
etimmte Anfgaben sieb ao jeden Portscbritt der Lebre, nnd erbalten dadnreh den
Jfinger In nnanterbroeben köostlerischer Betbatignog. Wer in der Lage ist, die In-
atrameatatioQ für sieb allein za stndiren, wird sieb ebenso einzvriebten saeben.
Mars, Roap. L. IV. 8. Anfl. 15
226
ügkeik des Lernenden bestinmtor tnr Sprache bringen. Vovansgesetet
wird , das8 er Schritt für Schritt alle ihm allmählioh tiberlieferlen Or*
gane in einzelnen Sätzen nach allen Seiten hin in Anwendung gebraeht
habe, wie aneh schon frnher begehrt worden. Diese kleinen Vorver-
suche machen es, wie schon S. 129 gesagt worden, dem Uebenden
leicht, seine ganze Aufmerksamkeit und Theiinahme den Instrumenten
zuzuwenden, sich ganz in ihr Wesen zu versenken und aus ihnen her-
aus zu erfinden, eben weil die Komposition selbst keinen eigenthümlich
bestimmenden Inhalt hat.
Die wirklichen Kompositionsübungen nun, die sich den Vbrver-
suchen anschlieasen, müssen, wenn sie im Einklang mit der Lehrte blei-
ben wollen, Tornehmlieh zwei Bedingungen erfüllen. Sie müssen Er-
stens jedesmal den bestimmten Umkreis von Instrumenten, der dem
Jünger in den verschiednen Lehrabschnitten gezogen Ist , inne kalten,
sich also zuerst (S. 128) auf den Verein yon zwei Klarinetten und Pn-
gollen , dann von drei Klarinetten , zwei Fagotten beschränken | dann
Kontrafagott, dann Homer zuziehn u. s. w. Zweitens mnsnien sie
dem Karakter der Harmoniemusik , und zwar auf jeder Stufe dem der
eben vereiaten Instrumente — jedes einzelnen und ihres Vereins emMr
sprechen.
Im Allgemeinen entsprechen der Harmoniemusik von aUen Kom-
positionsformen die einfachem am besten, weil die Blasinstrumente sei-
.ber für einfachere Wirkungen am geeignetsten sind. Schon dies weiset
auf die Liedformen, namentlich Tanz nndMarsch^ und auf die
kleinen Rondoformen. Sie alle haben für Harjuoniemnsik aaeh
den Vortheil der Kürze. Denn das Blasinstmment — und so aneb der
Verein von Blasinstmmenten — ist von so bestimmtem and daher «■«
gränztem Karakter, dass er denselben bald zum Ausdruck gebracht
hat, dann aber bald in Gefahr geräth, einförmig und ermüdend zu wer-
den, während die minder positiven Saiteninstrnmente weit mannig-
fachere Stimmungen und Bedeutungen in sich tragen nnd längere Zeit
brauchen, sich auszusprechen, ohne Gefahr der Eintönigkeit und Er-
schöpfung. Es fragt sich nun noch, welche Aufgaben auf jeder Stufe
die angemessenem sein mögen? Hier soll nnd darf keine Vorschrift dem
eignen Ermessen eines Jeden vorgreifen; was wir darüber äuaaeni,
sind Vorschläge, die nur unsre Ansicht vom Karakter und VefmögeA
jeder Stufe andeuten.
Mit dem Quartett von zwei Klarinetten nnd zwei Fagotten schei-
nen blos einfache, bald sanftere, bald muthigere Liedsätze darstellbar
zn sein, in denen weder eine Hanptatimme zu freier und reicher Est- <
Wicklung kommt, noch Individualisirung der einzelnen Stimmen weiter,
als etwa in Nr. 140, verfolgt werden kann.
Mit dem Zulritt einer Prinzipalklarinette ist die AusHihrung einer
freien und reichem Hauptstimme mit voller Begleitung möglich. Diese
227
RaapUtimHie, die Rlariiiette alse, bedingt im Keralcter des Ganzen*
Wir eiicben eine Liedform , deren Karakter dem der Kiariuetie ent-
spricbl und die eine reieher entfaltete Hauptstimme federt; es scheint
iLOoe so geeignet ak die Form der Polonaise (Nr. 145, Tb. II.
S. 506), die also bier nnsre Aufgabe wird. Andre Liedsätze sollen hier-
mit Hiebt ansgesoblossen sein.
Sobald das Kontrafagott nnd dann 4ie H<{rner zogezogen sind,
können Tänze, Märsche zn ländlichen Aufzügen u. s. w. schon mit
Unreichender Besetzung geschrieben , Ober- und Unterstimme schon in
CSegensatz gebracht, ^ dann kann bei dem Zotritt der Flöten und
Oboen die Melodie wechselnd bald diesem , bald jenem Instrument und
den Terscbiednen Zosamatenstellnngen derselben gegeben , auch in die
Milte gel^ werden. Besonders in Adagiosätzen (kidne Rondo-
oder Liedformen) und Variationen ist dies unter steter Beobachtung
des Karakteristiscben jedes Instruments ausfahrbar.
Für grosse Harmooiemusik sind Märsche und Tänze, nament-
Keb wieder die Polonaise, die nächsten Aufgaben.
In all' diesen Formen kann der Satz fSr Harmoniemusik künstle-
risch auf mannigfaltige Weise geübt und eine Seite und Wirkongsart
der Blasinstrumente nach der andern zur Geltung gebracht werden. Es
feUt aber noch eine Form, die Gelegenheit giebt; ein und denselben
Gedanken durch Wahl der Organe und Behandlung in das maunigfal*-
tigste Licht zu stellen ; — oder umgekehrt : die verscbiednen Organe
nnd ihre Verknüpfungen an demselben Gedanken zu betbätigen und da-
bei die Auffassung ihres Wesens und Karakters zn erproben. Keine
Ton allen Kunstformen ist dazu so wohl geeignet, als *-* die Fuge*).
Wir stellen daher als letzte nnd höchste Aufgabe für das Studium
des Hannoniesatzes
eine Ouvertüre in Fugenform,
*) ZnaäclMt s^ken wir sie cur Uebnii;. Da ob mb$t »i« Msflohem, dec veran-
lasst ist für HarmoDiemusik zn achreibeo, ein Wink aof die (grosse Macht sein, zu
der sich die Hannoniemiigik in polyphonen Satz erbehen kann, eine Macht, die
kisber fast gar nicht benutzt worden ist nnd deren Vernaehlässignng eine von den
Unaebeo ist, die das gaoce Raostgebiet aof niederer Stnfe festbalten» als ihm er-
reiebbar wäre. Mag aach der Karakter der Haraonieoiasik and der im Leben ibr
aagewiesene Sebanplatz in freier Luft and im Hreise des Volks mehr auf Zusam-
■easeball and einCäcbste Gestaltung eingerichtet sein, doch sollte die andre Seite,
tiefere dramatische Entfaltung der Stimmen, nicht versäumt bleiben, schon um des
GegeoiStzes and der MaonigfaUigkeft willen. Damit würde dem ewigen GelS'rm,
dem «Bablistigea C^scbrei des nieefae und dieser fibeln Maskerade gestenert, die
BeethoTen'sebe Rlaviersonaten oder Mozart'scbe und Verdi'sebe Opern noter
die Janitscbareomusik steckt, in der sie sieb oft ausnehmen wie zarte Kinder unter
der Last eiserner HeloM und Panzer. Unsre geschiekten Militairmasiker kSnnen
Beseerea leisten, vielleicht als sie selber ahnen , und haben von seleher Arbeit (wir
spreehen ans eigner Brfahrnog) Freuden zn erwarten, die sie bisher versiiamt.
15«
228
während die äUieben Formen der Oavertiire hb einem 'tndem Orte zar
Sprache kommen. Die hier zar Uebung vorgeschlagne Füge wird dess-
wegen als Ouvertüre*) bezeichnet, damit der Komponist sogleich darauf
hingewiesen werde , ihr einen gewissen Karakter der Oeffeatlicbkeit^
Grossartigkeit, Pracht, Feierlichkeit — und was sich ihm sonst zu
Gunsten grossartiger und mannigfaltiger Orcbesterwirkung vorstellt —
zu geben. Denn dass die Fugenform anoh ganz andre Stimmungen, —
die der StiUe, der Wehmuth, heitrer Laune u. s. w. in sich aofnebmeQ
kann, wissen wir (Tb. II. S. 260) längst, wollen nnsiaber all' diese
der Massenwirkung ungünstigen Wege versagen. Die Fuge ist anch
in dieser Beschränkung desswegen für unsern Zweck die geeignetste
Form , weil sie in der vielfachen Wiederholang^ ihres Thema's Anläse
gieht, dasselbe nebst seiner Umgebung auch vielfach anders zu instrn-
mentiren^i
Es versteht sich übrigens, dass bei dieser und allen grSsiem Aof-
gaben ein Entwarf der Abfassung der Partitur vorausgebn mnss. Schon
bei den höbern Aufgaben der frübern Theile und im vorliegenden schon
bei den Sätzen für mehrere Blechinstrumente (S. 73) haben wir die
Wichtigkeit des Entwurfs hervorgehoben; bei den jetzigen weit zusam-
mengesetztem Aufgaben ist er unerlässlich. Zuerst hält man in ihm
nur die wesentlichen Tonmomente fest , indem man jedoch von Anfang
an sich bestimmte Instrumente vorstellt. Dann werden die Grundzüge
vervollständigt, dann — unter steter Rücksicht auf die Instrumente,
die man dazu aosersefan — die Verdopplungen o. s.w. zugefugt und die
Instrumentation mit Zeichen, abgekürzten Worten u. s. w. angemerkt
Bei verwiekelten Stellen kann man von zwei Systemen adfdrei ond
noch mehr übergehn. Anfiings wird die Skizze das Ansehn eines ein-
fachen Klavierauszugs annehmen, nach und nach das eines überlade-
nen. Nur so kann man Wirrnissen und schweren Umänderungen in
der Partitur entgehn.
Wie ist nun die obige Aufgabe auf das Sacbgemässeste zu lösen 7
Vor allen Dingen setzen wir fest, dass für diese grösste und gross-
arligste Aufgabe grosse Besetzung genommen werde.
Sodann erkennen wir zwar die Vortheile, die die Fugenform
bringt, dürfen aber dabei auch die Gefahr nicht übersehn ,. uns durch
Hingebung an den polyphonen Satz (S. 217) von jener Einfachheit zu
entfernen, in der die grossartigste Massen Wirkung, also die mächtig-
sten Aeusserungen gerade der Harmoniemusik zu ßnden sind. Diese
Massenwirkung — und zu ihren Gunsten selbst Rückkehr zu homopho-
nem Satze — dürfen wir uns nicht versagen. Wir wollen daher zur
*) Di6 Oav«rtäre Ut bekaontlieh zur Eröffnaog irgead etoM ftieriicbM oder
fettliefaeo Voif asgs, eioer dranatiBehen DarsteUnog n. s. w. bestimait. Das Nihere
späterliia.
229
Page eine Einleitung komfoniren, in der die Massen wirkong unbe-
schränkt vorwalte; vielleicht kehrt die Einleitung als Schlusssatz
wieder. Demnächst wollen wir uns in der Fuge selbst, und zwar in
den Zwischensätzen, gelegentlich leichtere und freiere Behandlung,
sogar Rückkehr zum Homophonen gestatten, um grössere Ruhe und
Einfachheit wieder zu gewinnen, als die Fuge gewährt. Auf diese
Weise finden wir auch Gelegenheit zu einem Ruhe- und Sammelpunkt
unsers Orchesters am Schlüsse des ersten Theils.
Prüfen wir nun in Bezug auf die Fuge selbst die Kräfte unsers
Orchesters, so slossen wir vor allem auf eine hier wesentliche Vw-
schiedenheit. Ein Theil unsrer Instrumente ist zu lebhafter Bewegung
und der Ausführung mannigfacher Figuren fähig, ein andrer weniger
oder gar nicht; Flöten, Klarinetten, Fagotte, Oboen, Bassethörner, —
in enger Begränzung allenfalls auch das Hörn, — gehören in die erste
Reihe; Posaunen, Trompeten, Serpenl, Kontrafagott u. s. w. in die
zweite. Wir müssen daher die letztem Instrumente entweder von der
Fugenarbeit ausschliessen nnd zur Ausfüllung der einfachem Zwischen-
sätze n. s. w. gebrauchen, — wodurch die Hauptsätze durch Schall-
schwäche in Schatten gestellt würden ; oder wir müssen die Fnge selbst
so einrichten, dass alle, dass wenigstens die meisten Instrumente
(allenfalls mit Ausschluss der Trompeten , Hörner und Pauken) in ihr
als Realsümuien mitwirken können. Unangemessen war' es aber, woll-
ten wir zu Gunsten der schwerern Instrumente auch die leichten, die
ganze Komposition von lebhafterer Bewegung zurückhalten ; es muss
für beiderlei gesorgt werden.
Dies ist füglich nicht besser zu erreichen , als in der Form der
Doppelfnge, in der ein schwereres und ein leichteres Subjekt gegen
einander treten ; setzen wir als Beispiel diese beiden Subjekte —
2** II.
fest, um an' ihnen das Nöthige aufzuweisen. Zunächst bemerken wir,
dass beide Subjekte zuletzt um eine Dezime auseinandertreten, mithin
bei der Umkehrung —
^^^i^i^^
4=
245
einander kreuzen , wenn die Versetzung nicht um zwei Oktaven er-
folgt. Günstig trifft es sich, dass die Subjekte, jedes einzeln nnd beide
gleichzeitig, — wie hier —
230
^-^t-
m^^^^^^
nur an ein Paar Rombinatiooen zu sehen ist , — die Verdopplung in
der höhern oder tiefern, oder das eine in der höhern, das andre in der
tiefern Terz zulassen*), mithin Anlass geben, dieses oder jenes Instru-
ment in einer ihm günstigem Tonlage höher oder tiefer einzuführen,
oder durch Verdopplung in der Terz oder Sexte die Instrumente so-
gleich verbunden und verstärkt auflreten zu lassen.
Setzen wir endlich noch hinzn, dass die zweite Form der Doppel*
fuge (Th. II. S. 468) für unsre jetzige Aufgabe die günstigste scheint,
weil sie neben dem Festen und Ruhigen zugleich das Bewegtere und
Anregendere giebt.
So viel zur Vorbereitung. Es kann auf dieser Stufe des Lehr-
gangs nicht nöthig erscheinen , über die Fugenkomposition an sich et-
was zu sagen, oder die oben vorgeschlagnen Snbjekte zu einer voll-
ständigen Fuge zu verarbeiten. Nur darauf kommt es noch an, zu er-
wägen : wie die Fuge von Harmoniemusik darzustellen, — und umge-
kehrt , wie diese in der Fugenform zu vielseitiger Geltung zu bringen
ist? Um dies gleich in künstlerischer Weise zur Anschauung zu brin-
gen, lassen wir eine Fuge in Gedanken in naturgemässer Ordnung sich
vor uns entwickeln.
Nach der Einleitung hebt die erste Durchführung an, zuerst zwei-
stimmig, dann drei- oder vierstimmig. Hier bedarf es keiner gesteiger-
*) Es bat sich also ein vierracher polymorp bisch er Rootrapankt gebildet, dea-
seD zahlreiche KombioatioDeo ans Th. II. S. 595 bis 602 bekanot sind. Allein eg
ist in der That cnfällig geschebo und mao kann oicht rathen, hier, — wo alle Anf-
merksamkeit auf die InstramentatioD geriebtet seio soll, dergleleben GeataltODgeo
absichtlich za bilden.
231
ten Kraft, ancb ist es noch nicht an der Zeil^ die Instramente zu indi-
vidaalisiren; das Erstere wird durch den Vertauf der Fuge herbeige-
fabrt, das Letztere findet seine angenessnere Stelle im zweiten Theile
der Fuge, der bekanntlich vorzugsweise den etgenthümlicbern, feinem,
bewegtem nnd erregtem Partien*) gewidmet ist Die erste Durchfüh-
rung wird also von den Instrumenten , die sich am besten für die Ton-
lage eignen, und so stark, dass beide Subjekte den gebührenden Nach-
druck erhallen y besetzt. Nehmen wir Nr. 244 als ersten Einsatz der
Foge an» so könnte das erste Subjekt von Fagotten und Bassethörnern«
das zweite vion der ersten iß^Rlarinetta genommen werden. Die Ant-
wort auf das erste Subjekt würde von der zweiten ^Klarinette und
beiden Oboen, auf das zweite von den Bassetbörnern —
Ullis.
247
Oboen.
Zweite
B-Klarinelte.
BaieedLÖmer.
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^
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^■
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3«-
^rrr.-
iinis.
gegeben , wobei zwar die Oboen den ersten Ton aussetzen oder eine
Oktave höher nehmen müssten, der Einsatz der Klarinette aber auf
einen ihrer stärkern Tone (S. 120) fiele. Wollte man die Durchkreu-
zung der Stimmen vermeiden , so müssten statt der Bassethöruer die
Fagotte das zweite Subjekt eine Oktave liefer nehmen; indess hat die
Kreuzung der Stimmen um so weniger zu sagen, da die Klangverscbie-
denheit unterscheiden hilft.
Znm dritten und vierten Mal könnten die Subjekte folgender-
massen anflreten^ bei A. —
A. B.
wurde das erste von Oboen und FlQten, das zweite von Fagotten, bei
B. das erste von Fagotten und dem Serpent, das zweite von den Flöten
und der ersten Oboe , oder bei stärker besetztem Gegensatze der Es-
Klarinette genommen werden können. Es würden also die Instrumente
folgendermassen ^ .
*) Ans der Lehre voo der Groodform derFage wisseo wir, dass EDgrdbrung,
Verkleioemng, Zergliedere Dg, Verkebron^, nene und gesteigcite Gegensätze ihreu
HflaptsiU in zweiteaTfaeil haben.
2S2
1)
3)
4)
I. Fagotte nnd Bassethörner,
II. erste JS-RlariDette,
I. Oboen and zweite ff-RIarinette,
II. Bassethörner, — oder Fagotte, '
I. Oboen und Flöten,
II. Fagotte,
I. Serpent and Fagotte,
IL Flöten nnd erste Oboe, — oder jE!»-RIarinette,
vertheilt sein; das erste, schwere Subjekt wSre stets scbäifer ond
stärker, das zweite leichter und vorzugsweise von den flüssigem la-
strumenten besetzt; die Klangfarbe würde bei jedem Eintritt eines Sub-
jekts eine andre sein und dadurch jeder Eintritt berrorgefaoben , das
Ganze mannigfacher werden. Dass sich noch andre Kombinatio-
nen treffen Hessen, beiläufig der zweimalige Eintritt der Oboen zum
ersten Subjekt etwas einfarbig wirkt (sie sind nur geeignet, demselben
Nachdruck und Schärfe zu geben), bemerkt man leicht.
Nehmen wir nun auch an, dass innerhalb dieser Durchfuhrung
noch andre Instrumente (Hörner z. B. und chromatisches Tenorhorn)
den Gegen- oder Zwischensatz verstärkt haben: so fehlt es doch am
letzten Nachdruck, an der Einfuhrung des Tutti. Soll dieses erst
im Zwischensatz auftreten, so wird der Nachdruck auf eine Nebenpar-
tie gelegt. Wir würden vorziehn , noch innerhalb der Durchführung
das Orchester zur vollen Wirkung zu bringen, mithin die Durchfuhrung
zu einer öbervollständigen zu erweitern, und zwar — dem Karakter
jedes Subjekts gemäss — das erste Subjekt dem Basse , das andre der
Oberstimme zu geben. Es könnte vom letzten Standpunkte der The-
mate, fidur, zuletzt (nach längerm Zwischensatz oder ohnedem) das
Orchester in dieser — oder einer ähnlichen Weise -^
(Siebe das Beispiel U9, fol;. Seite.)
in den Hauption und zum letzten Eintritt beider Subjekte geführt wer-
den. Hier legen wir das erste Subjekt in die tiefste , das zweite in die
oberste, beide noch unbenutzte Tonlagen, —
, ~TT T ^
250
beide unter starker Besetzung, und stellen in die Mitte die ganze nicht
für jene verwendete Masse der Instrumente. Die Beilage VII giebt
einige Takte als Beispiel , wie diese Stelle sich bilden liesse ; es wird
vorausgesetzt, dass von da aas der Zwischensatz sich möglichstein-
233
249
Flöten.
Oboen.
B- Klarinetten«
Tagotle. <
KontrAfaffOtl
nnd Serpen t.
Es-Trompeten
und Homer.
B- Pauke,
gr. Trommel
u. e. w.
Ss^^r
^y^^
g^
w
i>.
^
'm^^^^^m
■fj— rr?
rr
^
^*=F=2=»='=^==?=S
■JJPITL^S:!^
^^^^^H^^^
284
fach , aber mit ToUem Orchester fortsetze ond den ersten Theil der
Fuge mit Kraft abschliesse.
Volltönender hätte sich übrigens der in dsr Beilage gegebne Satz
gemacht, wenn die erste Oboe nud Klarinette das zweite Sabjekt ge-
nommen ond die Flöten es nnr in der Oktave verdoppelt hätten. Allein
dann würden jene Instmmente als Hanptstimme vernommen worden
sein und das Thema wäre dnreh die Verdopplung für seinen Karakter
zo stark ond lastend geworden. Jetzt liegt es eine Oktave höher; in
dieser Lage ond der dabei nöthigen Besetzang würde es zu heftig and
pfeifend hervortreten, wenn es nicht auf so voilstimmiger und starker
Unterlage rnhte, als hier vorausgesetzt ist.
In dem weitern Forlgang der Fuge wird nun der reichlichste An-
lass gefunden, neben der Entwicklung des Ganzen die verschiednen In-
strumente und ihre Zusammenstellung zur mannigfachsten Geltung zu
bringen. Die Fuge wird leichtere und schwerere » beweglichere und
minder bewegliche Durchhihrnngen , Zwischensätze u. 6. w. fodem ;
jeder dieser Momente bedingt die besondre Wahl der gerade für ihn
geeigneten Instrumente. Eine leichtere und zartere Einifiihrang beider
Subjekte könnte z. B. in dieser Weise*) —
FlSteiu
*) Hier ist, wie flpesas^ wader (des Ramnes wegen) aasfobrbar, ooeh rathtamy
eine voIUtSodige Ouvertüre yorzuarbeitea, oder die ia ihr mSgliebeo KombiDatio-
nee io grösserer VoUständiglLelt anfzardbren ; dies werde onnStbig sein ned dem
Jünger deo Vortbeil eigner Er» eod Auffindung sehmiilern. Es bedarf nur einiger
Andevtaagen, die wir leichterer Uebersicht wegen alle in den Hauptton setzen.
2S3
m
?i^^
i^
^
^
E^
F^^
nao'-
sBSS
läEjE
statthaben; erste Flöte und Obo^ oebnieii in Terzverdopplung das
erste, Bassethorn das zweite, — dann Oboe und Klarinette das erste, Pa^^
gotte das zweite Subjekt in Verdopplung, — wobei die Unterstimme
des letztern tonleicbler gebildet wird , um den beweglichen Satz nicht
zu sehr zu belästigen. Die Themate sind hier von verscbiedner Klang-
bxhe'y das erste setzt in der Flöte schwach ein, wenn nicht im voraus-
setzlichen Zusammenhange der erste Ton der Oberstimme von andern
Instrumenten unterstützt wird; schärfer bildet sich der Einsatz in
Cmoll, wo man annehmen muss, dass die erste Klarinette zu neuem
bedeutendem Einsätze vorbehalten bleibt.
Hier ist die Bewegung in Unterstimmen gelegt und durch das
schwerere erste Subjekt gehemmt. In leichterer Weise tritt hier —
Oboe.
pLU^xTD^ff^^^^^^^^m
256
das zweite Sobjekt allein io den Oberstiramen, in einer ntcfat weit oder
streng; darcbgesetzten Engfiihrnng auf. Es würde sich übrigens bei der
Ansführung zeigen, was wir schon S. 217 bemerkt haben: dass die
Individualisirung der Stimmen, der polyphone Satz in der Harmoniemu«-
sik selbst bei so leichter Besetzung wie die obige stets eine Schwere
annimmt, die nicht immer der Intention des Komponisten entspricht.
Auch in unserm Fugenprojekt würden die leich testen Partien entweder
ganz homophon gehalten {wie wir selbst von dem Hochmeister der
Fugenkunst, Seb. Bach, aus seinen grossen Klavier- und Orgelfugen
lernen können), oder doch weit leichter an den eigentlichen Fugensatz
angeknüpft werden müssen. Es konnte vielleicht dem vorstehenden
Satz eine leichtere Gangpartie vorausgegangen sein und in dieser —
253
F15ten.
Oboea.
Q-KlariiiettttB*
Es-Trompeteii,
Ba-Horn.
Fagotte.
^P
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^^^^^^^
^m
3?=3=^T£^g^3^35
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Efti
-1 J M j,
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Weise »af jeoien und iböt ftüekkehr in das Spiel 4er Subjekte einge^
leokt werden.
Diesen Herleitnngen aus dem zweiten Soijekt gegenüber könnte
aiicb das erste einmal aosscbiiessfieh und mit den iboi gebtibrenden
Nacbdmcke znr Geltung kommen wollen i* es kömte sieb eine Eng«
fiibrang —
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254
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bilden, deren drei Stimmen (A., B., C.) vielleicht so —
A. — ^ll-, Tenorposaune, chromatiscbes Hom,
B. — Bassposaune, Serpent,
G. — Oboen, j^^-Klarioelte,
zu besetzen wären, während Flöten, Klarinetten, Fagotte u. s. w. für
den Gegensatz oder zu neuen Eintritten übrig blieben.
Zum Schlüsse geben wir noch in der Beilage Vlil einen Satz, der
mit der Einführung beider verdoppelten und stark bjesetzten Subjekte
anhebt, sich zum Tulti erbebt, dann aber d(|s erste Motiv des zweiten
Subjekts benuUit., um InstrvmeG^t.anf Instrument , — es treten nai;h
einander
Bassetbörner mit Fagott,
Oboen,
Trompeten,
zweite A-KIarinette,
erste i}-Klarinetle mit ^«-Klarinette,
zweite Flöte mit ^«-Klarinette,
erste Flöte mit Pikkolflöte
ein, — gleichsam herbeizulocken und so durch Ansammlung derselben
ein crescendo der Instrumentation zu bilden.
Diese Weise des Anwachsens ist ein drittes Mittel zu einem
Zwecke, der immer als derselbe erscheint: znr Steigemng« Wir
können steigern
1. durch Emporschreiten in höhere Tonlagen,
2. durch das eigentliche crescendo , — indem wir uns ans piano
oder meno forte zvimpiü forte ^ forte n. s^. w. erheben,
3. durch Stimmvermehrung,
die wir schon im Klavier- und Chorsatze beobachtet haben, die aber
erst im Orchestersatze , wo jede Stimme durch eigne und meist klang-
yerschiedne Organe dargestellt ist, wichtig wird. Allein der Zweck und
Sinn dieser drei Steigerungen ist doch ein innerlich verschiedner.
2M
Wenn eme Slim»e oier mebrere mit eioander so hofaern Tönlageii
sich erheben, so ist dies (Th. L S. 22) Spannung and Steigerung ihrer
Stioiniung , ihres Indern , des iahaUs der Tonfolge. Wenn die Musik
sieh in einzeljien Sehlägen oder ganzen Partien zum forte erhebt, so
spriebt siob darin Aas Bewussisein aua , dieser Schlag oder diese Partie
sei eine vorzugsweis' zu bemerkende — und der Wille, sie hervorzu-
heben. Die Ansammlung von Stimmen endlich ist der Ausdruck dafür,
oder vielmehr die Folge davon, dass mehr und mehr Individuen an dem
musikalischen Vorgang sich beihätigen , dass dieser ein allgemeinerer
— und damit auch ein vielseitigerer wird. Diese letztere Gestaltung,
die wir oben in das Auge gefasst, ist also eine mehrfach bedeutsame :
es treten mehr und mehr Stimmen zusammen, —
es treten Stimmen verschiednen Klangs und Rarakters zu-
sammen, —
sie haben bei ihrer Theilnahme am Satze mehr oder weniger
verschiednen Inhalt zu äussern, —
ihre Ansammlung vermehrt die Schallmasse, bringt also
(gleichsam gelegentlich) dadurch auch du eigentliches
crescendo hervor;
aber sie ist von den andern Gestaltungen nnd namentlich vom cre-
scendo im Innern wie Aeussem wesentlich verschieden.
Und eben diese Stelle giebt besonders in ihrem siebenten Takte
nochmals zu bedenken, wie leicht man sich aus der den Bläsern zu-
träglichen Einfachheit hinauslocken lässt*).
*) Hiersa der Anbaos L.
Neuntes Buch.
Orchestersatz.
Einleitung.
Die BenenDUDg Orchester ist zwar gelegentlich schon für die
Masse der zur Harmoniemusik vereinten Instrumente gebraucht wor-
den. Genauer aber bezeichnet dieser Name (S. 3) den Verein von Sai-
ten-, namentlich von Streichinstrumeuten , in mehrfacher Besetzung,
and Blasharmonie zu massenweiser Wirksamkeit.
In diesem bestimmtem Sinne wird der Name von nun an ge-
braucht. Der Orchestersatz, den das neunte Buch abzuhandeln
hat, ist der Satz für die in Hassen vereinten Streich-, auch sonstigen
Saiteninstrumente und die Blasharmonie, also für den Verein von
Streichinstrumenten,
Rohrinstrumenten,
Blechinstromenten,
zu dem die Schlaginstrumente, auch sonstige Saiteninstrumente und
die Orgel zutreten können.
Dieser Verein von Instrumenten kann mehr oder weniger umfas-
send sein.
Umfasst er blos Blasinstrumente , so heisst er , wie wir wissen,
Harmoniemusik. Hierüber hat das vorige Buch berichtet.
Beschränkt er sich auf die massenweise Verwendung von Streich-
instrumenten, so m&sste er Orchester oder Chor der Streichin-
strumente genannt werden. Es ist übrigens dem Verf. kein unserer
Zeit angehöriges Kunstwerk dieser Art bekannt*). Nur ein Paar Ouver-
türen von altern Komponisten (A. Scarlatti, Händel u. A.) wären zu
erwähnen,, beweisen aber nichts, als die — Genügsamkeit damaligen
Instrumentalsatzes.
Verbindet er mit dem Streich chor**) Blasinstrumente, — ist
also Orchester im eigentlichen Sinne vorbanden, — so können weniger
*) Das« in ParU eigentliclie Qaartette (für Solo-Streicbiostruroeiite kompooirt)
mit vier- oder sechsfaclidr Besetzaog gegeben worden, — entscbieden gegen die
Absieht der Komponisten nnd gegen den Sinn derKompositionsgattung, die in jeder
Slimme dorcbaaa indivtdaelle Feinheit will, — iLommt bier nicbt in Beträcht, weil
die WerlLe eben n i e h t für Orchester gesetzt sind.
**) Diesen Chor nennt man meistens nach der gewb'hnlieben Zahl seiner Stiic-
■en Streichquartett. Es ist gegen Sprachgebranch schwer anxnkämpfen und
in der Rege! hat derselbe irgend einen wenn nor einseitig haltbaren Gmnd ; so der
Name Streichquartett. Allein es bezeichnet auch den nicht orchestralen (^mehrPach
besetzten) , sendern Soloverein von vier Streichinstrumenten zu der Kunstform
des Quartetts.
Marx, Konp.L.IV. 8. Aufl. 16
242
oder inebrBlasinslrainenteinThäligkeit koromeii, und dies io gar i
nigfacherZabl and Auswahl. Es ist oDDÖthig, diese verscbiedDeoZosain-
menstellangen aafzozäblen and dorch Kilnstbenennangen za nnlerschei-
den. Nar eine Unterscheidiing ist in der Konstspracbe so eingebürgert,
dass sie nicbl übergangen werden darf. Es ist der-Gegensatz von
Orchester, oder kleinem Orchester*),
and Ton
grossem Orchester.
Hit der Benennung: kleines Orchester oder Orchester schlecht-
weg bezeichnet man nämlich oft den Verein von Streichchor oder
Streichquartett mit Robrinstrumenten (mebrem oder wenigem), aoch
wohl mit Zuziehung von Hörnern. Im Gegensatz hierzn bezeichnet der
Ausdruck: grosses Orchester den Verein von Streicherchor, Robrinslru*
mentea (mehr oder weniger, mit oder ohne Hörner) und Trorapetea
und Pauken, mit oder ohne Posaunen. Erwägt man, dass die Hörner
(wie wir von S. 140 an auch gethan) wohl geeignet sind, sich den
Rohrinstromenten anzoschliessen, gleichsam in ihren Chor einzutreten:
so liesse sich der Unterschied von kleinem und grossem Orchester kurz
dahin aassprechen , dass im letztem Rohr- und BJechchor wesentlich
vertreten sind, im erstem nicht. — Im Lehrgange haben wir von dieser
Unterscheidung keine Anwendung zu machen.
Eine noch umfassendere Kombination, als das grosse Orchester, ist
das Doppelorchester,
oder auch der Verein von noch mehrern Orchestern , von denen jedes
ein geschlossnes Ganzes fb'r sich ausmacht, alle mit einander aber zu
einem grössern Ganzen zusammentreten. Auch hierüber bedarf es
keiner besondern Hiltheilungen. Die Fälle, wo es eines Doppelor-
chesters bedarf, sind äusserst selten, und beschränken sich fast nur auf
die Einfuhrung eines Instrumentencbors auf der Bühne (in Opern) zu
dem eigentlichen Orchester. Wer aber ein Orchester zu behandeln
weiss, hat auch für die Behandlung eines Nebenchors keine weitere
Anweisung nöthig. — Bach's Matthäi'sche Passion ist bekanntlich für
Doppelchor und Doppelorcbester geschrieben.
Die Lehre nun vom Orchestersatz findet zunächst einen ganz
neuen Stoff, — die Saiten- und besonders die Streichinstramente,
— auf dessen Aneignung und Behandlang ea zunächsi ankommt. Von
diesen sind
die Streichinstrumente
*) Nicht zn verwechselo mit kleiner, nimlich WMig zahlreicher Be-
«etzuofr der Stimmen.
— Ui —
insofern die wicbUgsUai weil ^ie einen geos&en Cbor im Orchester,
gewöbnlich
das Streichquartett
genannt, bilden, nnd zwar den baoptsäcblichsten Chor des Ganztn.
Die andern Saiteninstrumente, yon denen das Riavier bereits Tb. III.
S. 17 zur Sprache gebracht worden, dienen meist nur als Soloinstru-
mente und treten selten zum vollen Orchester.
Wir werden also zuerst den Chor der Streichinstrumente kennen
and behandeln lernen, dann denselben in verschiednen Abstufungen mit
denChören der Bläser vereinen, und zuletzt erst die übrigen Saitenin-
stmmente, sofern sie Theil nehmen am Orchester, kennen lernen.
Bei dem Orchestersatze kommen neue Runstformen, — oder
vielmehr neue Anwendungen schon bekannter, — zur Sprache.
Hiermit ist also der Inhalt des neunten Buchs wenigstens in allge-
meinen Umrissen bezeichnet.
festf AktheiliiHg.
Kenntniss der Streichinstnuufiiite.
Erster Abschnitt.
Betrachtung der Streichinstrumente Im Allgemeinen»
Streichinstrumente heissen hckannllich diejenigen Saiteninstru-
mente, die aus einem Körper oder Kasten (ßesonanzkasten), dessen
Miterschallen den Scball des Instrumeats verstärkt, — einem Hals
and Griffbrett, — vier Saiten, die über einen Steg und das Griff-
brett laufen und am Ende des Körpers in einem Brettchen (Saiten-
b alter, Saitenfessel), am Ende des Halses aber (das der Kopf heisst)
in einer Höhlung (den Wirbelkasten) an Wirbeln befestigt sind,
— bestehn und in der Regel durch Anstreichen mit einem Bogen
zum Schallen gebracht werden« Am Bogen (seine Gestalt ist wie das
Instrument selbst bekannt) ist der Griff nni iie Spitze zu bemer-
ken : von einem zum andern sind die Rosshaare ausgespannt, mit denen
die Saiten angestrichen und zum Erschallen gebracht werden.
Die Saiten haben auf jeder Art von Streichinstrumenten ihre ein
16*
244
für allemal*) feststehende Stimmnng. Sie können aber Erstens darch
die Finger des Spielenden an das Griffbrett fest angedrückt werden ;
dadurch schneidet man für die Dauer des Drucks einen Tbeil der Saite
von dem zum Schallen kommenden andern Theile gleichsam ab und er-
hält von der so verkürzten Saite einen höhern Ton**), Diese die Saite
abkürzenden Griffe können von der kleinsten Abstufung aus fortgesetzt
werden , s6 weit die Spannung der Hand gestattet und der für den Ton
frei bleibende Theil der Saite für Schallschwingung lang genug bleibt.
Z wei tens können die Saiten durch leises Anisen der Finger an
gewissen Stellen zu einer besoadern Schwingungsart, zu den Längen*-
oder Longitudinal- Schwingungen***) gebracht werden. Die so ent-
stehenden Töne heissen Flageoletttöne.
*) Nicht durchaat ; eiozeloe Spieler haben hitweilen ahweichende Stimmnog
der Saiten za hesondern Zwecken aDffewendet. Im Orchester ist iodess aar die
normale Stimmung vorantznsetzen und man thnt wohl , anch für Solosatz keine
andre zu rodern, da eine fremde den wenifpsten Spielern genehm sein kann.
**) Vergl. Ailgem. Musiklehre S. 47 und 159. Saiten verhalten sich wie Pfeifen ;
je kürzer, desto sehneller schwingen, also desto höber ertönen sie.
«**) Um das Flageolettspiel zu begreifen , moss man sich (vergl. Ailgem. Nnsik-
lehre S. 47) erinnern, dass Saiten oder die in Blasinstrumenten zum Tönen kom-
menden Luftsäulen , jenachdem sie in aehnellere oder langsamere Schwingungen
geratheo, höhere oder tiefere Töne zu vernehmen geben. Eine Saite, die noch ein-
mal so schnell schwingt als die andre, bringt einen um eine Oktave hohem Ton her-
vor ; folgende Reibe von SchwingnogsverbSltnissen —
1:2:3:4:5:6
giebt zum Gmndton (1) die Tonverbältnisse
der Oktave, höhern Quinte (Duodezime), zweiten Oktave, grojsen Terz
(von der letzten Oktave) und der Oktave der Quinte,
also z. B. von dem Grundton C aus die Tonreihe
^ — c — g — c"— e*— g"
an.
Je lüoger aber eine Saite (oder Luftsäule) ist, desto langsamer, je kHrzer,
desto schneller schwingt sie. Und zwar verhalten sich die Läogen umgekehrt, wie
die Schwingungen ; eine Saite, die halb so lang ist als die andre, giebt noch einmal
so viel Schwingungen *, also 4, 3, 1 Länge geben Grandtoa, Oktave, zweite Oktave.
Lässt man nun eine gespannte Saite (a — b) f^ei aehwingen , «o schwingt sie
von einem befestigten Punkte (a) zum andern (b) so :
f'-'-..,: — ^ ■ j^ .-.■-^t
Drückt man eine Saite (a — ^b) auf irgend einem Punkte (z. B. bei c) fest an den
5teg, so wird das untere Stück (c-b)
g.^-' ' ~^-^g 6
245
Wir haben schon ohen bemerkt, dass die Töne der Streiehinslru-
menie in der Regel durch den Anstrich der Saiten mit dem Bogen her-
vorgebracht würden. Ausnahmsweise geschieht es aber auch durch
Anziehen und Loslassen mit deqi Finger, in derselben Weise, wie bei
der Harfe, Guitarre n. s. w. Dieses Gerissenwerden der Saiten wird
püzicato (pizz,)
genannt*). ^
Kehren wir nun zu der vornehmlichen Behandlung der Streichin-
atrumente zurück , so steht schon durch diese , abgesehn vom Flageo-
lettspiel , jedem Streichinstrument vom Ton seiner tiefsten Saite auf-
wärts eine durch mehrere Oktaven reichende, vollständige Tonreihe zu
Gebot. Jeder Ton innerhalb dieser Reibe ist vollkommen sicher und
gleichftm abgeschnitten, ausser TheiUabnie vad Tbätigkeit gesetzt ; es ist oicht
»ehr die Saile a — b, soodern die Saite (das Saitensliick) a — c schwiognogsfahig;
das Saiteostüek e — b ist gehemmt, gleichsam nicht vorhanden.
• Legt man aber endUeh den Piager an irgend einem Plukte , z. B. in der Mitte
der Saite bei t, —
f^
nnr leise an, so schneidet man.die Schwingungen bei c nicht ab, wohl aber hindert
man die Seite, in ihrer Ganzheit (wie im ersten Falle) zn schwingen ; die Schwin-
geogen brechen sich am li^rükrten Punkt end es schwingt jede Hälfte der Saite,
a— c «ad c — b, gleich awei besoadera Saiten, jedoch gleichzeitig, far sich. Folg-
lich vernimmt maa dann die Oktave des Tons, den die Saite a— b geben würde, von
der Hälfte a— c nnd von der andern Hälfte c— b angegeben. Legt man den Finger
auf einem Viertel der Saite an, z. B. bei d, —
=*^=r ..,/'- -vi J
so theilt sich die Saile in gleicher Weise in vier Tbeile (gleichsam in die beson*
dem Saiten a — e, e— c, e— d, d— b) and giebt die zweite Oktave des von a— b ge-
gebnen Grandtons. Legt man den Finger auf einem Drittel, z. B. bei e —
f^ ^ll.
.^-n"
an , so zerlegt sieh die Saite in drei Tbeile nnd giebt die höhere Quinte (Duode-
zime) des Gruodtons. Dies ist die Tooerzeagung des Flageolettspiels, dem übri-
gens noch andre Tone ausser den hier angegebnen zu Gebot stehen.
*) Namentlich bei den höhern Streichinstrumenten ist nächst Bogenspiel und
pizzicato eine dritte Weise der Tonerzeugung zu erwähnen, die die Saiten mit
dem Bogeostab schlägt und mit
col legHo
(gesehlagen) angeceichoet wird. Der bärtliche und etwas schwirrende Klang ist
jedoch nur ßr theatralische oder Taozstücke bisher anwendbar erachtet worden.
246
rein zu haben ; — Tonfolgen aller Art kann das Streicbinstrament un-
gleich zahlreieher nnd meist sicherer nnd leichter hervorbringen, als
die Blasinstrumente ; ^ in allen Tonarten kann es sich mit überlegner
Leichtigkeit bewegen ; — den einzelnen Ton kann es so schnell wie-
derholen , als die Hand den Bogen auf- und abzuziehn vermag ; in den
bequemern Tonfolgen ist es der schnellsten Bewegung Fähig und aucb
hierin den Bläsern meist überlegen.
Jeder Ton kann ferner so lange , als es beliebt, ausgezogen wer-
den, auch ab- und zunehmen. Hierin stehen die Streichinstrumente den
Bläsern insofern nach, als letztere, überlegne SchaHkrafl und dadurch
die Möglichkeit eines stärkern An- und Abschwelleos haben. Auch kann
das Blasinstrument den Ton ruhiger bis zu Ende halten , jedoch nicht
Knger, als der Athem währt. Das Streichinstrument dagegen kann
allerdings den Ton beliebig lange halten , indem der Bogen wechselnd
auf- und abgeführt wird ; das kann aber nicht mit vollkommner Ruhe
geschehn (der Bogenstrich bleibt bei langsamer Führung nicht vollkom-
men gleich) und auch nicht in grösserer Kraftfülle.
I Die Bindung eines Toos an den andera oder ganzer Tonfoigen
kann das Streichinstrument inniger als irgend ein andren Instrument
mit leisem feinem , oder vollem und breitem Uebergang bewirken, so-
gar einen Ton in den andern überziehen. Auf der andern Seite ^leht
ihm das leichteste staccato zu Gebote.
Endlich hat das Streichinstrument die Fähigkeit, zwei Töne auf
verschi^dnen Saiten gleichzeitig , ja drei und vier Töne auf verschied-
nen Saiten in einem Bogenzug ao schnell nach einander zo nehmen,
dass sie fast wie gleichzeitige (als schnellstes Arpeggio) wirken; es
können sogar mit Hülfe der gleichzeitigen Angabe zweier Töne (Dop-
pelgriffe nennt man sie) zweistimmige Sätze, — ja mit Hülfe der in
einem Bogenzug schnell nach einander zu vereinenden drei und vier
Töne gewissermassen drei- und vierstimmige Sätze auf einem einzigen
Instrumente hervorgebracht werden. Mag auch diese Zwei- oder Mehr-
stimmigkeit, mögen selbst die einzelnen DoppelgrilFe nur auf wenig
Fälle (im Vergleich zu allen in der Musik vorhandnen, — im Orchester,
auf dem Klavier und der Orgel erreichbaren Möglichkeiten) beschränkt
sein : immer bleibt sie ein Vermögen , das das Streichinstrument vor
den Bläsern*) voraus hat.
Die Schallkraft der Streichinstrumente ist der der Blasinstrumente
im Allgemeinen nicht gleichkommend ; daher werden dieselben im Or-
*) Dass eio Vi vier (uod in älterer Zeit aneh aodre Virtaosen) dem Horo
drei gleiebzeitige Tooe nod eine Art tod DreislimmiglLeit abgewiaat, aach FlStea
darch heftiges Anblasen zor fast gleichzeitigen Angabe von Olitaven gezwungen
werden können , das sind so vereiacelle und inf so engen Ranm beseh rankte Ge-
schick Uebkeiten, daas der Komponist wanigsteos im OrohMter nieht aaf sie raeh-
oen darf.
247
ehester stets meArfacb besetzt*). Allein die Sohallstärke ist nicht blos
eine geringere, sie ist .von andrer Form : sie k^nn nur durch schärfern
Druck und besonders grössern Verbrauch des Rogens , dessen Reibung
die Saite zum Erschallen bringt, -«- durch schnellem, reissenden Ro-
genstrich erlangt werden. Die höchste Stärke kann also nur eineq
Augenblick dauern $ nachher kann. der Ton wohl noch verlängert wer-
den , aber nicht in gleicher oder entsprechender Stärke. Anders ver-
hält es sich mit der Schallkraft des Riasinstruments; sie kann gleich-
massig oder in allmählichem An- und Abschwellen festgehalten werden,
so weit die Athemkraft des Rläsers reicht.
Kuns ausgesprochen : die Kraft des Riasinstruments istAnshaU
len, die Kraft des Streichinstruments ist Seh lag oder Riss; ein
Sehlag übrigens, der durch das Zusammenfassen von zwei bis vier
Saiten vervieirältigle Stärke erhält
Wenn die Sehallkraft des Streichinstruments verbältnissmassig be-
schränkt ist, so kann es dagegen bis zum leisesten Gelispel gemässigt
werden , sich bis in das fast Unbörbare oder Ununtersebeidbare verlie-
ren und in dieser Weise das Zarteste, schmetterlinghaft Flatternde und
Schwebende, Durchsichtigste, Schwankendste, nebelhaft Hin- und Weg-
gebauchte, das sich der Phantasie des Tondichters darbieten mag, durch
das lauschend gespannte, zweifelnde Ohr in die Seele und Vorstellung
des Hörers bringen.
Jene schnell und kurz treffende Schlagkraft, in rechter Weise
und hinlänglicher Resetzung alle andern Organe durchbrechend, —
und diese ätherische Feinheit: beides sind Extreme, die in solcher
Weise und Ausbildung nur den Streichinstrumenten eigen sind. Nimmt
man die äusserste Leichtigkeit der Tonwiederholung, der
Tonfolge, des Staccato und die vollkommenste R in düng dazu:
so stellt sich schon hier die höchste Ueberlegenheit des Streichinstru-
ments hinsichts der Vielseitigkeit seines Vermögens an das
Licht. Nimmt man ferner hinzu, dass die Streichinstrumente an
Bauart, Behandlung, Schallkraft und Klangweise , — kurz nach ihrem
ganzen Wesen einander weit verwandter und näherstehend sind, als
die Bläser, dass sie sich desswegen enger an einander schliessen und
einander ergänzen , dass sie endlich in ihrer Gesammtheit das ganze
Tongebiet von Rontra-J? bis zum viergestrichnen c oder a umfassen :
so muss man schon hier den Chor der Streichinstrumente als
*) WeDD das Orchester zwei Flöten, Oboen , Klarinetten, Fagotte and Hb'rner
enthilt, müsste jede der beiden Violinslimmen etwa sechsfach, Bratsche und Vio-
loacell vierfach, der Konirabass doppelt beaetxt werden. «Die nähere Erörterung
dieser Verhältnisse schert nicht hierher; es sollte nur ein Anhalt gegeben wer-
dnn , nach dem der Jünger sich die Stärke des Strnichqnartett« im Orchester vor-
stellen kann.
248
Haaptchor und Kern des ganzen Orchesters
erkennen, wie er es denn in der That bei allen Meistern stets gewe-
sen ist.
Auch die Klang weisender Streichinstrumente trägt zu deren
Vielseitigkeit bei; sie selber ist eine sehr vielseitige. Wir haben hier
vor allem die Weisen zu unterscheiden, wie das Instrument zum TcSnen
gebracht wird.
Erste BehaadlüDgsweise.
Die erste Behandlungsweise ist die einfache , mit dem Bogenstrich
auf blosser (ungegriCPner) oder auf festgegriffner Saite. Der Klang*)
ist materieller und , weil man stets das Rieseln oder Reiben des Rogens
hört j — minder glatt als auf irgend einem RIasiostrument ; er ist im
Vergleich zu dem Bläserklang enger, schärfer einschneidend und kann
nicht das Lufiartige, Quellende der tönenden Lan;säule ii^en. Daher
ähnelt ihm am meisten der Klang der materiellem, durch ein Doppel-
blatt intonirten Instrumente, — der Oboe und des Fagotts; während
die luflfreiern, Klarinette, Flöte , Waldhorn u. s« w. , weit vpnihm
Allein dieser Klang erleidet durch mancherlei Nebenumstände Ver-
änderungen , die dem Komponisten ebensowohl bekannt sein müssen
wie dem Spieler.
Erstens ist der Klang der leeren oder blossen Saiten ein hellerer
und stärkerer, als der der gegriffnen, weil durch den Aufdruck des
Fingers die Saite (oder vielmehr der zum Tönen kommende Saiten-
theil) nicht so scharf abgeschnitten werden kann, wie durch den Steg
und den Rand des Kopfes, sondern immer durch einen überragenden
Theil der Fingerkuppe gedämpft wird, also dumpfer erklingt.
Zweitens ist der Klang der tiefern Saiten (die besponnen sind)
ein rauherer, als der der höhern, zugleich aber — schon vermöge
der tiefern Stimmung — ein vollerer, während die höhern Saiten heller
und glatter, aber weniger voll, sondern geschärfter oder gespitzter er-
klingen.
Drittens geben die Saiten, wenn man sie am Steg {sulponti-
cello) anstreicht, einen etwas rauh klirrenden, metallnen, — wenn
man sie über dem Griffbrett (stir la touche) anstreicht, dumpfen,
etwas vermischten, surrenden Klang.
Viertens kommt die Art des Bogengebrauchs in Betracht. Wenn
der Bogen niederstreicht, wird der Klang breiter und etwas ranher, —
*) Es mass hier i^Aeder in Erinoerunp gebracht werdeo , dass keine Sprache
uod kein Gieichniss das Wesen des Klangs erseböpfend oder eur aoEWojdeatis be-
zeiebaen, dass also die Lehre nur andeuten, nur erinnern kann, in der Voraoe-
Setzung voraogegangner und fortwäbrender Beobachtung des Lernenden.
249
wenn er binanfstreicbt, wird er etwas sebärfer und nimmt — wenn
aach nur in leider Färbong — etwas metallischen oder gläsernen Bei-
klang an. Man bezeichnet den N i e d e r s t r i c h mit
*"> oder A ,
den A u f s t r i c b dagegen mit
r_j oder V;
auch die Ueberscbrift
fuartellaio (gehämmert)
für hart zn spielende Stellen bedeutet y dass jede Note mit Niederstrich,
und zwar mit vollem Bogen genommen werden soll.
Wird femer mit^der Spitze des Bogens {punto delt arco) ge-
spielt, so erhält man perlend leichte Töne von rundem, nicht aber
energischem Wesen ; wird mit dem untern Ende des Bogens aufge»
setzt, so erklingt das Instrument härter; wird der ganze Bogen über
die Saite gefiibrt (breiter Bogenstrich), so gewinnt es die ganze
Klangfülle und Klangrund ung, deren es überhaupt Fähig ist«
Zweite Bebandlongsweise.
Die zweite Behandlungs weise ist die des Flageolett spie^ls. Die
Flageoletttöne haben einen hellen , fast flötenartigen Klang von durch*
dringender Feinheit,
In der ersten wie zweiten Behandluogsweise kann noch eine ei-
genthüroliche Klangweise durch das Aufsetzen von Dämpfern (con
Sordino)*) erlangt werden, kammartig eingeschniltnen und der Länge
nach abermals offnen Holzplättchen , die auf den Steg des Instromenis
gesetzt werden. Die Dämpfung mindert die Einwirkung der Saiten-
schwingung auf den Resonanzkörper des Instruments, macht also den
Klang dumpfer, gleichsam verschleiert und dunkel, und theilt ihm (weil
der Dämpfer ebenfalls in Schwingung und Erzitterung geräth) ein ge-
wisses Beben mit, das dem nächtigen , elegischen Karakter des Sordi-
nenspiels entsprechend und forderlich ist. Auch die Schallkrafl wird
gemindert.
Dritte BehABdlimgsweise.
Die dritte Behandlungsweise der Streichinstrumente ist das pizzi-
cato ^ die harfen- oder guitarrenähnliche Rührung oder Anschnellung
der Saiten mit dem Finger statt mit dem Bogen**). Hier hört das Instru-
ment auf Streichinstrument zu sein , es wird harfenartig. Die Töne
sprechen kurz und mit sehr geringem Nachhall an, sind aber besonders
bei den kleinern Arten der Streichinstrumente weniger voll- und aus-
hallend, kürzer, härter, gleichsam klopfender. Es ist dies die Folge
*) Die Wegoahme der Dämpfer wird mit Menza sordino angezeigt.
**) Soll nach dem pizzicato wieder Bogeospiel eiotreteo, so wird dies mit eoW
arco oder kurzweg areo aDgezeigt.
zso
voD der Kürze der Suiten und ihrem diebleo Anliegeo am Körper des
Instruments, im Gegensstz zu den freiscbwingeoden Harren- und län«
gern Guitarresaiten, Aach ist das pizzicato der Streichinstramente
nicht so zarter Mässigung fähig, als das Spiel auf Harfe oder Gui-
tarre.
Passen wir aber diese vielfachen Klangweisen der Streichinstru-
mente zusammen , so zeigt sich auch hier — ungeachtet des Minder-
günstigen in Einzelheiten — eine Vielseitigkeit, mit der die Fähigkeit
keines andern lustrumentchors wetteifern kann. Auch abgesehn da-
von, dass das Streichinstrument im piss»icato sich gleichsam in ein
andres, lauten- oder barfenartiges Instrument verwandelt und doch auch
wieder eine von den Harfenarten verschiedne — härtere und holzarti-
gere Klangweise darbietet, finden wir flötenartige, beilere und dum-
pfere, weiche und rauhere, verschleierte und metallen klirrende Klänge
in mannigfachster Darstellung, die eine ganze Reihe karakteristischer
Färbungen bieten.
Es kommt noch Eins hinzu : dass nämlich der Klang der Streich-
instrumente in seinem Grundwesen , ungeachtet aller Färbungen und
Schattipungen, die man ihm geben kann, nicht so gesättigt, so bestimmt
karakterisirt ist, als der der Bläser. Jedes Blasinstrument, z. B. die
Trompete oder Klarinette , ist ungleich beschränkter , ist im Vergleich
zu Streichinstrumenten einseitig zu nennen. Aber diese eine Seite ist
bei ihm vollausgesprochen , diesen beschränktem Beruf erfüllt es ent-
schieden. Es folgt eben hieraus abermals, dass das unbestimmtere
Streichinstrument sich zu ungleich vielseitigerm und vieirältigenn Ge-
brauch hergiebt, also eine ungleich ausgedehntere Verwendbarkeit be-
titzl.
Dies ist einer von den Hauptgründen, die Streichinstrnmente
erst nach dem Studium der Blasinstrumente im Lehrgang einzufüh-
ren. Das Einfachere und Bestimmtere ist leichter zu fassen und siche-
rer zu verwenden ; das Mannigfachere ist schwerer zu bewältigen und
zieht mannigfaltigere und zusammengesetztere Aufgaben nach sich.
Bis hierher haben wir die Streichinstrumente im Ganzen und All-
gemeinen betrachtet. Wir gehen nun zu der Kenntiiiss der einzelnen
Arten über und haben
die Violine,
die Bratsche,
das Violoncell, und
den Koutrabass
besonders zu betrachten *).
*) Berlioz berirbtet oeuerdinss in Buinem Che/ä^orckeMtre von einem neneo
io Frankreich cafi^estelUen kolossalen Streichinstrunenl,
Oktobast {Oeiobaue)
251
Zweiter Abschnitt.
Technik der Violine.
Die Geige oder Violine {F'iolino^ Fiolon) ist bekannllich das
kleinste der Streichinstrumente und hat für ihre vier Saiten (deren
tiefste besponnen ist, deren höchste die Quinte, chanterelle, heisst) in
der Regel*) diese Stimmung, —
255
*^^
4:
mithin das kleine g als tiefsten Ton. Ihr Schlüssel ist der G- oder
Violinschlüssel. Um den Reichthnm und die Behandlungsweise dieses
Instruments klarer überschauen zu können, betrachten wir abge-
sondert
L die natflrliche Behandlungsweise,
nämlich die mit dem Bogenstrich und fesigegriffnen Tönen, von der be*
reits S. 248 geredet worden ist.
Durch Aufsatz — und zwar festen Aufsatz der Finger**) gewinnt
genanot , dessen drei Saiten in Rontra-C, Kontra-(? und Gross-^ gestimmt und
(wagen des aazarctehenden Vermögens der Finger) mittels Tasten gegriffen werden.
Der Umfang gebe von KoaUra-C bia Gros»-(r. Scbaeller Bewegung sei das Instru-
ment nicht fähig, wohl aber sei sein Klang voll und stark, ohne rauh zu werden.
Berlioz denkt sich die Verwendung bei Orchestern von mehr als 150 Instrumenten
vortbeilhaft; da müsse man ihrer drei Oktobässe vereinen und ihnen eine besondre,
Tom Kontrabass haafig abweichende Siimme geben. — Dies böte denn eine lang-
sam-bewegliche Unterstimme, die wenig geeignet wäre, dem so vielseitigen Inhalt
unserer Orchestersätze sich karaktervoll anzuscbliesseo, und die die tiefen und
dumpfklingenden KontrabXsse als Millfilstimme zu tragen halle.
*) Berlioz Sn seiaem gehalireieben Cours i/V/iffri<meA/a/ton (Schlesinger
io Berlin) erwähnt abweieheadÄr Stimmungen von
Paganini:
in
at,
M,
by
/:
de Beriet:
in
«,
d,
a,
•,
Bailiot:
in
ß*>
s;
a,
«.
Winter:
in
/,
d,
«1
•,
über die die erste Anm. S. 244 naebzolesen ist.
«
**) Der Daumen der greifenden (linken) Hand bält nebst dem Ballen des
Zeigefingers das Instrument, kann also nicht milgreifen ;'der zweite Finger wird als
erster gerecbaet und mit 1, der Mitteliager mit 2, der vierte mit 3 , der kleine mit
4i die leere Saite wird mit 0 bezeichnet. Die Ziffern iiber den Noten in Nr. 256
zeigen die Tonreihe mit Benutzong der leeren Saiten ; die Ziffern darunter zei-
gen dieselbe Tonreihe mit Vermeidung der leeren Saiten ; nämlich d wird auf der
(?-Saite, a auf der 27-Saite, e auf der ^-Saite gegriffen.
252
die Geige ausser den Tönen der blossen Saiten zunächst folgende Reihe
von Tonstafen, —
i
3 0 12 3
:=t==t=
2S6
ffW
4 1
3 4
12 3
die sich, wie man sieht, bis zum zweigestrichnen A, also über zwei
Oktaven und eine Terz erstreckt. Dehnt man die Hand aus, so kann
mit dem ersten Finger der nächste tiefere H^lbton, dessgleichen mit
dem kleinen Finger auf jeder Saite, — also namentlich auf
der höchsten — noch der nächste
Halbton erreicht (abgelangt oder a b-
gereicht, in der Sprache der Geiger)
. werden, so dass. also die oben ange-
^ gebne Tonreihe um einen Halbton, bis
'*^ I zum dreigestrichnen c, sich erweitert.
3 Will nun der Geiger seine Ton-
<§ reihe ausdehnen , so muss er höher
^ greifen, das heisst: seine Hand in eine
. höhere Lage (näher nach dem Körper
des Instruments) bringen.
Solcher Lagen hat man acht an-
genommen. Die erste, oben in Noten
,2 angegebne, stellen wir so —
g:
-l-
5^
• 7
c!r
!--«
o
SQ
•
o
o.
o.
z
1
t
/
a
1
•
',
tr.
/"
1
/
r
's
.
i
=
_
C
y
^ \a
^
7
»-
^
l
«
,
<
1
^
1
1
• 7
£
e
3
4
e
. e
J
J
a
- - • . . •»
g . , • , a h c ä
dar. Man rücke das Lagenbild so, dass
die Namen der leeren Saiten dem Le-
senden gegenüber, die Namen der höch-
sten Töne ihm zunächst stehen (wie
nebenstehendes Schema zeigt), so ver-
tritt es den Versuch auf einer wirkli-
chen Geige.
In der zweiten L^e stellt sich
der Finger eine Stufe höher, — also
auf der £-Saite auf A, auf der /)-, ^-,
£-Saite anf y*, c und ^, — und somit
reicht diese Lage ohne Ablangen bis
zum dreigestrichnen c.
Die dritte Lage ist diese:
0
se:
9W%M
1
»
3
4
~a
1
c
1
7
e
7
g
g
a
h
c
c
d
e
/.
6 . . . .
a . . .
1. . .
g . . :
die vierte Lage geht vom eiogestriohoen cf bis 2um dreigeslrjlch-
nen «, die fünfte Lage ist diese:
0 A 1 L L
y c d ^ f
«^ • • • • Z £* ^ 2
d h c H e
g ^ 7 g ^5
so rücken auch die sechste, siebente und achte Lage eine Stufe
höher. Die achte Lage reicht also bis zum dreigestrichnen h und kann
(S. 252) das viergestrichoe c ablängen. Da man nun diese Lagen (und
zwar am leichtesten die erste, dritte und fünfte)*) im Laufe des
Spiels unter einander verknüpfen kann, so ergiebt sich für die Geige zu-
nächst ein Tonumfang von —
? I
Us i, und mit Hülfe d^ Ablängen« bis ::
257
T
und zwar Mos von den natürlichen Tönen (S. 244) , also ungerechnet
die Flageoletttöne.
Diese Tonreihe vom kleinen g bis zum viergestrichnen c, — also
von drei Oktaven und einer Quarte, — ist chromatisch durchaus
vollstSudig; denn dieselben Pinger, die wir im Obigen für die reinem
Stufentöne angegeben haben, nehmen durch Hinaufrücken deren Er-
höhung und durch Hinabrücken deren Erniedrigung um eine halbe
Stufe. Die Tonreihe müsste also vollständig so — >
_ 0 l'^^ 2^ S'^S 0 1''^ 2^^ 8^^3 0
258
i^T^-;r^=fr-^=s^^^
*) Die zweite L$gt ist öfter xu entbehren , weil ihr bScbster Tod (dreifpeslri-
eben e) in der ersten Lape abgelängt werden kann; die vit^te ebenfalls, weil man
ibren btfehsten Ton (das dreigestriehne e) leieht im Flageolett (Nr. 319) erlangen
JLaon.
254
oder (gleichmässiger im Klange) mit Umgehung der leeren Sailen so —
0 l'^^l üT^l dT^^ 4 1-^^ 2^^
i
259
tF^^^^i^^^=^
^f==i=^
3^^^3^S^1jS
(auf der D- Saite)
aurgestellt werden.
Kräftig erschallt übrigens die Geige nur bis zum dreigestrichnen d
oder e; für höhere Tone sind die Saiten so kurz gegriffen, dass sie an
Schailfulle verlieren müssen. Daher wird auch das Orchester nicht gern
. höher, als bis zum dreigestrichnen^ oder a geführt*).
Da ferner in den höhern Lagen das Spiel und besonders das Rein-
greifen schwerer wird (die Finger müssen je höher, um so enger ge-
setzt werden), so lässt man das Orchester nicht gern höher, als auf dem
dreigestrichnen d oievßs (/ist schwerer) oder dem im Flageolett ge-
nommnen e einsetzen.
Aof dem weiten Tong^hiet der Geige sind nun
A. im einstimmigen Salze,
wie sich von. selbst versteht, am leichtesten erlaogbar
1.
die in Nr. 255 notirten leeren Saiten.' Nur wenn man zu schnell (und
zu häufig) von einer SailQ auf die dritte oder vierte — mitUebergehung
einer oder zweier dazwischen liegenden springen wollte, würde die
Bogenfuhrung schwierig, wo nicht unmöglich werden; eine Bewegung,
etwa wie Viertel im Allegro oder Allegro assai^ wäre noch aus-
führbar.
ZudSchst leicht sind
im Altgemeinen die in .einer einsigen Lage vorfindUcben Töne»
Bringen wir nan noch einmal die der ersten Lage in Noten vor
Augen — '
<G-3aile. D*Stfil6. A-Salle. E^Saite. ^
01234 012 34 0 1234 Ol??!
360
^01234 012 34 0 1234 0 1 2^..,,:#-
w^
*) Auch hier kaoo kein absolates Geaetz pe^ebea werden; die Idee eioes
Satzes schreibt bisweilen gebieterisch die üeberschreitaag der im AllgemeioeD
rätbtieliea Sehraakeo vor. Sd h«t Beethoven in der Bgmont^Oavertöre die Gei-
gen wiederholt (S.44, 45 der Brei ti^opf-Hi&rterachen Partitur) bis znm viergettricb-
nen e hiaavffShren nüBsea. Dia SuUe wiederholt sieh xnai Sehlofs in der Sieges*
Symphonie S. 160 nnd 161.
255
(das oberste c ist abzolangen), so erkenift Jetter sogleieb^ dass Stellen
wie diese — .
^^^^iJUil^i^^^^^
leicht aasfnbrbar sein müssen ; für jeden kommenden Ton ist der er-
foderliche Finger frei und der Bogen wird stets nur cur nächstliegenden
Saite geführt^ nuss nie eine zwischenliegende überspringen.
Um von dieser Bemerkung Vorlheii zn ziehn , muss man aber bei
jedem Satze vor allem genau ermessen, in welcher Lage er iiberbaopt
ansfiihrbar ist und in welcher von mehrern für ihn möglichen Lagen er
am sichersten nnd günstigsten stehen kann. Hierüber Folgendes.
Es ist scboii oben bemerkt worden, dass das Ablangen eines aus-
serhalb der Lage befindlichen höhern Halbtons auf jeder Saite statt-
finden, z. B. in der ersten Lage auf der G-Saile eingestrichen es^
auf der I7-Saite &, auf der ^-Saite/ erlangt werden kann. Diese Töne
sind zwar auf der nächst böhern Saite ebenfalls zu haben ; allein das
Ablangen ist namentlich wegen der Bindung solcher Töne bisweilen
Yorzuziehn, die nach der regelmässigen Applikatur auf zwei nicht
neben einander liegenden Saiten zu nehmen sein würden. Folgende
Stelle z. B., —
in deren letztem ^aktey*and g gebunden werden sollen, ist nicht mit
regelmässiger Applikator (/auf der £-Saite, g auf der Z^-Saite) , son-
dern vielmehr durch Ablangen des /auf der ^-Saite vorschriftmässig
vorzatragen , weil dann die zu bindenden Töne aof neben einander lie-
genden Saiten liegen. Dasselbe würde von dieser Stelle —
256
gelteD, wenn sie in enter Lage und gebonden Torgetragen werden
sollte.
Allein das Ablangen eines Tons ist nicht so sicher wie die regel-
mässige Applikalur und wird nicht gern oft hinter einander angewendet,
— ausser etwa bei der Wiederholung derselben Tonstufen, wie in
Nr. 263 bei a. und noch mehr bei b. ; der Geiger langt nur ab, wenn
er binden muss (wie oben), oder um nicht (wie in Nr. 261) wegen 'eines
einzigen Tons in eine neue Lage überzugehn. Wird daher ein mög-
licherweise abzulangender Ton, z. B. das hohe c in dieser Stelle, —
443244324432
mehrmals nach einander verlangt : so könnte der Spieler ihn allerdings
mehrmals ablängen, mithin die üb er. den Noten angegebaen Finger
anwenden; er wird indess mit Recht nur das erste c ablangen, dann
aber zu h den dritten Finger (mit einem Wort , die unter den Noten
verzeichnete Fingerselzung) nehmen, das heisst: in die zweite
Lage —
E-Saite. .
265
G-Saite.
112 3
D-Saite.
12 3 4
A-Saite.
12 3 4
^^^^^^m
(klein ais und dreigestrichen des ist abzulangen) übergebn*). Hier
würde diejetzte Hälfte des vorigen Satzes, sowie z. B. auch dieser —
ganz bequem liegen. Wir erkennen jetzt, dass auch der in Nr. 263
bei a. mitgetheilte Fall in der zweiten Lage ohne den Nothbehelf des
Ablangens gebunden auszuführen ist, wiewohl er unter Umstanden,
z. B. in diesem Zusammenbange, —
4 «
0 12 3 4 12
der ersten Lage angehörig bleibt.
Allein die zweite Lage wird (wie schon S. 253 bemerkt worden)
nicht so gern genommen, als die dritte —
•*) Die blotsea Saiteq sind übersaDgen^ weil nan sie in den faSberD Lifen Dor
za SprÜBgeo bomitzt. ...
257
268
G-Saite.
112 8
•^-9-
(klein h und dreigestricben es ist abzulängen, e als Plageoletlton zu
haben) und hier würde der Satz a. aus Nr. 263 mit diesen Fingern —
bequem auszuführen sein.
Bis hierher haben wir die Nothwendtgkeit, zu andern Lagen zu
greifen, blos in gewissen, in tiefem Lagen nicht ausführbaren Bindun-
gen gezeigt; dass höhere Tonreihen höhere Lagen fodern, versteht
sich von selbst. Indess kann auch schon die leichtere Ausführbarkeit
(allein oder im Zusammenhang mit dem ersten Beweggrunde) die
Wahl höherer Lagen bedingen. So würde dieser Satz —
2 3 13
r.4 2 3
seinem Tongehalt näcb allerdings der ersten Lage angehören, in der-
selben aber drei Saiten (£, ^, D) fodern, mithin für Bogenführung
und Bindung, besonders bei schneller Bogenführung, nicht ohne Schwie-
rigkeit sein. In der zweiten oder dritten Lage, — in letzterer mit
dieser Fingersetzung, —
finden sich alle seine Töne auf zwei Saiten (^ und D)^ sind also leicht
zu erreichen und zu binden.
Kehren wir nun auf Nr. 266 zurück und erweitern das ersle Mo-
tiv etwa in dieser Weise, —
272
so würden die ersten sechs Noten (wie bei a. angedeutet ist) wohl in
der zweiten Lage zu haben sein , aber die sechs letzten weder in die-
ser, noch — ohne wiederholtes Ablangen oder Flageolett — in der
dritten. Hier wäre mithin die vierte Lage vorzuziehn, die wir in
Noten so —
Marx, Komp. L. IV. 9. Aufl. .17
258
E-Süile.
i
G-Saiie.
1 12
3 4
D-Sailc.
12 3
s:3e^^
A-8aito. 0 3 ♦ i....-J-
4 1 2 34- 4 *"=t ?"'*5 i.
273
'#==
::t
3E
jnzt
darstellen. In dieser Lage ist zunächst nach unten auf der (?-Saite ds
abzulangen; auf den andern Saiten würden nach unten noch gis^ dis
und ais abzulangen sein — und so bekanntlich auf allen bisherigen und
fernem Lagen. Nach oben würden auf der G-^ D- und ^-Saite grf,
dis und aü^ auf der £-Saite nicht blos der nächste Halbton /*, sondern
aucb^ und g abzulangen sein ^ ebenso könnte in der dritten Lage e
abgelangt werden. Der Grund ist, dass in den höhern Tonlagen die
Griffe näher an einander liegen, mithin allmählich enger werden und die
Fiuger weiter reichen, so dass sich e. B. folgende Stelle (a,) —
in der vierten Lage durch Ablangen von /, ßs und g ausführbar zeigt.
Der Satz aus Nr. 272 ist bei b. in vierter Lage gegeben.
Setzen wir nun Nr. 264 eine Quarte höher, —
so ist klar, dass die Ausführung jetzt in der vierten Lage ebenso —
durch Ablangen Aesf — möglich wäre, wie die von Nr. 264 in der
ersten, dass man aber ebenso gewiss sicherer gehen wird, statt des
wiederholten Ablangens gleich in eine höhere Lage, also in die fünfte
Lage (wie bei Nr. 264 in [die zweite) zu rücken, in der Nr. 275 eben-
so zu beliandeln sein würde , als Nr. 264 in der zweiten. Die fünfte
Lage stellen wir jetzt so —
276
G-Saite.
12 3 4
D-Sailc.
12 3
A-S»ilc.
... 3 4
p^^^^
E-Sai««
3
i 4-.
kiMMM:^%
.4
3:
:i
1
(fo^ gi g*'*9 « abzalangen) dar.
Die Wahl der sechsten , siebenten und achten Lage bedarf nun
keines weilern Nachweises. Dass von allen diesen Lagen, die erste,
dritte uod fünfte am meisteft gebraucht .werde« , ist sehen S. 253
gesagt.
Alle diatonischen Tonfolgen nun, die in einer Lage enthalten sind,
können leicht und schnell , ja auf kurze Strecken —
259
Allegro molui«
277
mit reissender Schnelligkeit ausgeftfhrt werden.
Chromatische Tonfolgen sind weder so r<isch, noch so ausge-
dehnt ausführbar, weil — wie wir schon bei Nr. 258 und 259 gesehn
— derselbe Pinger durch Portrücken die natürliche Stufe und ihre Er-
höhung oder Erniedrigung zu nehmen hat. Man tbut wohl,/ vom Or-
chester chromatische Gänge nicht schneller, als etwa Achtel im Jli/pgro
mqderato , und nicht weiter, als über das Intervall einer Quinte ausge-
dehnt, z. B.
Andante«
278
^^m
ZU fodern. Solospieler führen chromatische Gänge eine und zwei Ok-
taven weit.
Harmonische in einer Lage «nthaUene Figuren sind um so
leichter, je weniger schnell und häufig mehrere Saiten gebrauciit wer-
den. Figuren auf einer oder zwei Saiten (a.) —
279
i_t.fc .f ~W::Prf^t:' t-fnf^
sind offenbar hier die leichtesten und können in schnellster Bewegung,
z.B.ais Tremolo (b.)» ausgefuhrl werden, während die schnelle Anwen-
dung mehrerer Saiten —
280
^^g^^^^
stufen weis schwerer wird, je häufiger und schneller man mit den Saiten
wechseln muss. Das Ueberspringen der Saiten würde, wenn es nöthig,
noch grössere Schwierigkeit bringen.
Hiernach lassen sich gemischte Figuren ebenfalls beurtheilen.
Diese an Nr. 278 geknüpfte Figur z. B. —
Andante con moto. . * 1 > IJJ"^
», 1^^^^
m
kann nur in ihrer ersten Hälfte Schwierigkeit haben, und zwar nur die
bei Nr. 278 gezeigte \ besonders schwierig ist in rascherer Bewegung
die cbromatisdie Tonleiter abwärts, z. 6.
260
zumal in der Höhe , wo die Finger eng auf einander gedruckt werden
müssen. So kann diese Stelle —
nur darin etwas weniger leicht sein , dass die beginnende harmonische
Figur über drei Saiten gefuhrt werden muss, wie aber schon aus
Nr. 280 b. zu ersehn gewesen.
Dasselbe gilt von Sätzen, die weile Sprünge enthalten , dabei
aber in einer einzigen Lage zu greifen sind, z. B.
Allegro risolulo.
^P^
Sie sind leicht, wenn der Bogen Zeit hat, über die zwischenliegenden
Saiten hinwegzukommen. Können, wie z .B. hier, —
285
**f
iF^ttnl:
o=
i^t:«
s-fe
5ES^f3:S
^^
0 j:oo o3= ^0
0 0
leere Saiten für die entfernt liegenden Töne benutzt werden, so haben
die weitesten Sprünge — wenn man nur dem Bogen Zeit lässt, über
die Saiten zu kommen — keine Schwierigkeit.
Als Anhang zu d^n gemischten Figuren führen wir noch Triller
und Tonwiederholungen auf. Dass der Triller auf allen Tonstafen
ausfuhrbar sein muss, leuchtet ein. Nur auf dem untersten Tou(a.) —
J4
)> tr-
•±4D-
— ^0 ohnehin der Nachschlag unmöglich wäre — und in den obersten
Tönen, etwa vom dreigestrichnen g oder a an , ist er unpraktisch ; in
der Höhe liegen die Finger zu eng an einander, auf dem untersten Ton
würde der Triller ungleich werdea, weil er aus einem gegriffnen und
einem Ton der leeren Saite bestehen müsste.
Die Tonwiederholung —
Allegro. Allegro tssai. , a ' -Ia jOL
erwähnen wir nur der Vollständigkeit wegen ; es versteht sich , dass
sie auf jeder Stufe so schnell, als der Bogen geben will, ausführbar ist,
auch in Gängen jeder Ton so oft, als die Armbewegung innerhalb seiner
261
Dauer erlaubt, wiederholt werden kann. Hierauf sind bekanntlich eine
Menge Figuren, z. B. die oben angegebne, sowie die hier —
Presto.
2S8
m
^R
ULt:
-=»— =k-
^^^^^^^^g|
zusammengestellten vier, gegründet. Soll die Tonwiederholung so
schnell wie möglich ohne bestimmte Geltung der einzelnen Striche er-
Iblgen, so bezeichnet man dies mit dem Namen tremoio in der hier —
trem. trem. i Irem. trem.
290
^^^m^^.
bei a. angegebnen Weise*). Auch der möglichst schnc^Ue Wechsel
zweier Töne, gleichviel ob auf einer oder zwei neben einander liegen-
den Saiten (b.), wird als Tremolo bezeichnet.
So viel von dem Spiel in einer Lage. Man hat übrigens nicht Ur-
sache, bei dem Salz für Violinen zu ängstlich zu gehn; das Geigen-
spiel ist so weit ausgebildet, dass den guten Spielern selbst für schwie-
rigere Fälle gar mancherlei Wege und Vorlheile zu Gebote stehn , die
dem Komponisten (wenn er nicht ebenfalls ein guter Spieler ist) nicht
alle vor Augen sein können, während er schreibt. Allein er muss we-
nigstens im Allgemeinen und in allen wichtigem Momenten beurtbei-
len können, was dem Spieler günstig liegt oder Schwierigkeit bietet.
Es kommt nunmehr
die Verbindung der Lagen in Betracht, die Art, wie im Spiele von einer
Lage in die andre übergegangen wird.
Am leichtesten geschieht dies durch Vermittlung von eingestreuten
Pausen oder mit Hülfe blosser Saiten. Hier z. B. —
-1^
.fcj
Ite - - - I 3te ite - I 3tc ite - - - |3te Lage.
^\2
|3te Lage.
*) Man begoägt sicli aach allenfalls im AUegro mit SecbszeholeUtreichoDg
und im Adagio mit der Angabe der Zweinnddreissigstel. Sicherer scheint jedoch
eine Bezeichnung in schnellem Geltungen, weil Sechszebntel im AUegro ond Zwei-
nnddreissigstel im Adagio oft als Taktglieder bestimmter Geltung vorkommen nnd
dann nicht die Schnelligkeit und Unbestimmtheit haben, die den Rarakter des Tre-
molo ausmachen.
— 262
seba wir bei a. und b. den Uebergaog aos der ersten in die drifte Lage
dorch die leere ^*Saite fremiittelt, da wahrend deren Gebranch die
Hand binaufräclLen luion ; bei a. bat sie daza mehr Zeit. Bei c. oinss
in die erste Lage zornckgegangen werden, wozu die Paase Zeit schafft.
Dann bedarf man bei d. wieder der dritten Lage; hier schalt die leere
£-Saite Zeit.
Wo weder Pansen noch leere Saiten zu Hülfe kommen , bewirkt
der Geiger den Uebergang am besten, indem er einen eben gebrauchten
Pinger in die neue Lage nberfohrt. So könnte schon in Nr. 289 bei d.
der Uebergang in die dritte Lage dadurch erfolgen, dass man den zwei-
ten Pinger von eis auf e führte; dies könnte wohl rathsam sein, wenn
man sanft und gleichmässig vorzutragen und daher den Zwischenkiang
der leeren Saite zu meiden hätte. Ueberträgt man den Satz b. aus
Nr. 291 nach X/e^dur, wo keine leeren Saiten anzuwenden sind, —
(Dritte Lage.)
2 4 2 1
2t)2 ~
2|2
Ito 131«
M kann der erste Takt sogleich und ganz in der dritten Lage genom-
men werden ; der Anfang des zweiten Takts gehört aber nolhwendig
der ersten Lage an , und der Uebergang in die dritte würde sich durch
Ueberführung des zweiten Pingers von c nach es machen. Hüsste man
(des Vorhergehenden wegen) den ersten Takt ebenfalls in erster.Lage
einsetzen, so geschähe dieselbe Ueberführung vony*nach as.
Am leichtesten verbindet sich übrigens (wie S. 253 gesagt wor-
den) die erste Lage mit der dritten und diese mit der fünften , sowie
umgekehrt die fünfte mit der dritten und diese mit der ersten.
So viel , um das einstimmige Spiel für den Nicht-Geiger zur An-
schauung zu bringen, wenigstens für weitere Beobachtungen und
Ueberlegungen Anhalt zu geben. Die weiter hier folgenden Betrachtun-
gen finden in dem Obigen, namentlich in einer klaren Anschauung von
den Lagen und dem Uebergang aus einer Lage in die andre ihre
Grundlage.
B. Doppelgriffe.
Der Ausdruck Doppelgriffe bezeichnet bekanntlich (S. 246) das
gleichzeitige Anstreichen zweier Saiten.
Am leichtesten ist der gleichzeitige Gebranch zweier neben einan-
der liegender blosser Saiten, wie hier —
263
bei a. ; sodann zweier neben einander liegender Saiten, von denen nur
die eine gegriflen werden mnss , wie bei b. Selbst die weitesten Dop-
pelgriffe sind leicbt, wenn man für den einen Ton, wie hier, —
eine blosse Saite und für den andern zu greifenden Ton die günstige
Lage hat. Unter andern ergiebt sich hierbei eine besondre Verstärkung
der Töne dj a und e; man kanu sie nämlich zugleich auf den blossen
Saiten und gegriffen auf der jedesmaligen tiefern, —
0
J-J-X
295 g&— I */■-
I
d auf der blossen/)- und zugleich nuf der gegriffnen 6-Saite, a auf der
blossen A- und zugleich auf der gegriffnen D-Saite uehmen, u. s. w.
Hiernächst sind von den Doppelgriffen , zu denen beide Jone ge-
griffeh werden, diejenigen bequem, die man mit den einander nächst-
liegenden— oder doch mit nicht zu entferntei» Fingern greifen
kann. Daher sind — man blicke immer auf die Lagentabellen — Sex-
ten^, besonders grosse, am leichtesten zu greifen, weil mau sie mit
dem ersten und zweiten, oder zweiten und dritten, oder dritten und
vierten Finger fasst; nach ihnen Septimen, zu denen man den ersten
und dritten, oder zweiten und vierten Finger, — dann Oktaven, zu
denen man den ersten und vierten Finger braucht. — Monen sind
schwer, Dezimen nur von einer grossen Hand zu spannen, beide da-
her im Orchesterspiel nicht zu fodern. — Quarten werden wieder
mit neben einander liegenden Fingern, — Terzen mit erstem und
drittem, oder zweitem und viertem, ^— Sekunden mit erstem und
viertem Finger gefasst, wonach der Grad ihrer Spielbarkeit zu ermessen.
Es ergiebt sich, dass Sexten und Terzen die bequemsten Doppel-
griffe sind.
Quinten — und zwar grosse — sind schwerer rein zu greifen
als Sexten, — kleine Quinten, wie überhaupt alle verminderten
und übermässigen Intervalle, sind schwer.
Alle Doppelgriffe aber, deren beide Töne gegriffen werden müssen,
werden in der Höhe , namentlich in der dreigestrichncn Oktave, von
Schritt zu Schritt schwerer, weil die Finger zunehmend enger und
darum unbequemer gesetzt werden müssen. In der Kürze mag man
sich merken, dass
Sekunden von c-r/ bis ^-</t
Terzen von h-d bis ^-A,
264
Qaarten vod a-d bis /- A, "
Quinten von g-d bis ^- g^
Sexten von g-e bis e- c,
Septimpo von^-y* bis e- flf,
Oktaven von g-g bis c- e
im Allgemeinen die bequemem, chromatische Doppelgriffe zum Theil
schwerer sind.
Der Gebrauch der Doppelgriffe ist leichter oder schwerer je nach
der Stellung, in der sich Hand und Finger bei ihrem Eintritte befinden.
Am leichtesten fasst man die Doppelgriffe, in deren Lage sich die Hand
befindet und für die man die erfoderiichen Finger frei hat, — die die
Leichligkeil des Doppeigriffs an sich voraussetzt, z. B.
296
x-H. -^^
3
BePände sich dagegen die Hand eben in einer hoben Lage und
sollte schnell einen Doppelgriff in der Tiefe der ersten Lage fassen, so
wäre dies durch die Umstände erschwert; noch mehr das Umgekehrte,
wenn man ans tiefer Lage hohe Doppelgriffe fassen sollte , da letztere
ohnehin ungünstiger zu greifen sind.
C. Drei- und vierfache Griffe.
Drei Töne können am leichtesten mit einem Bogenstrich in
engster Zeitfolge, fast gleichzeitig genommen werden, wenn einer
oder zwei ihrer Töne, wie hier, —
297
auf blossen Saiten zu haben sind. Hiernächst sind diejenigen dreifachen
Griffe die^bequenisten, deren Töne durch neben einander liegende Fin-
ger (man sehe dieLagentafein), z.B. in der ersten Lage diese heia., —
398
oder doch in nicht zu unbequemer Handhaltung, mit Auslassung eines
Fingers, z. B. die bei b., gefasst werden können. Man gebt dabei nicht
gern höher, als die dritte Lage reicht, — also bis zum dreigestricb-
nen d.
265
Vierfache Griffe sind im Orchester nor ralhsam, wenn man
zu einem bequemen dreifachen oder Doppelgriff eine oder zwei leere
Saiten fassen kann» z. B.
39»
^ j -j- -4- 3f I ! I XJjJJJW-Ö^
(bei * sind drei leere Saiten zu einer gegriffnen gekommen), bedürfen
aber grösserer Vorsicht, wenn, wie hier, —
300
alle vier Töne gegriffen werden müssen. Auch hier giebt die Betrach-
tung der Lagentafeln wenigstens die nächstnöthige Anschauung*).
Kehren wir von hier aus noch einmal zu den Bemerkungen über
harmonische Figuren und Spränge (S. 259) zurück: so ist jetzt ohne
Weiteres klar, dass alle Töne, die gleichzeitig in Doppelgriffen oder
fast gleichzeitig in drei- und vierfachen Griffen verbunden werden kön-
nen, auch mit gleicher oder noch grösserer Leichtigkeit nach einander
sich spielen lassen, — aber wohlzumerken — in der Reihenfolge der
Saiten, z. B. die erste Tongruppe in Nr. 299 so wie bei a., —
*) Nar d%a NachstoStbige kann (wie uns aebeint) dem, der das Instrnmeot
nicht selber spielt oder lange beobachtet and studirt hat, mit wahrem Nutzen ge-
wiesen werden. Berlioz tbeilt grosse Massen drei- und vierstimmiger Griffe mit
und sein Fleiss ist auch hier rühme oswerth. Allein oboe eigne Einsicht miisste der
Tonsetzer alle answendig lernen oder stets nachschlagen und würde damit eher
befangen und gehemmt werden, als gefördert. Indess mag fdr die Bequemem eben-
falls eine Sammlung hier —
Raum finden , deren Fingersatz sich Jeder aus dem Vorhergehenden leicht erküren
kann.
266
302
^^m^
r-p-^jr
nicht so wie bei b. fwenn nicht die Bewegung langsam genug ist, um
das Ueberspringen des Bogens von der ersten zur dritten Saite mög-
lich zu machen), und wenn der Bogen nicht durch zq schnelle Tonfolge
genöthigt wird, zu schnell über die Saiten zu gehn.
D. Mehrstimmiges Spiel.
Eigentliche Mehrstimmigkeit ist auf der Geige nur mit Ein-
schränkung und bei genauer Kennlniss des Instruments, verbunden mit
vollkommner Gewandtheit im Salze, möglich. Das Höchste hat hier
Seb. Bach in seinen sechs Solo's für eine Geige geleistet. Die Ein-
mischung von drei- oder vierfachen Griffen, z. B.
303
kann nur als eine Scheinmehrstimmigkeil gelten , obwohl die Töne der
mehrstimmigen Griffe dem harmonischen Inhalte nach zusammenhän-
gen. Die wirkliche Führung von drei- oder vierstimmigen Griffen,
z. B.
ist jedenfalls höchst unfrei; der Komponist kann nicht die systematisch
nächst gelegnen oder seiner Stimmung zusagenden Harmonien , nicht
die günstigste Lage ergreifen, nicht reiche Harmoniefolgen entfalten,
sondern muss Schritt für Schritt den Bedingungen gehorchen, die das
Instrument und seine Behandlung ihm vorschreibt. An freie Stimment-
faltung , oder auch nur an freiere Führung der Oberstimme ist noch
weniger zu denken ; und dazu ist die Darstellungsweise der Harmonie in
schnellem Arpeggio mit reissendem Bogen schon an sich ungünstig.
Man erkennt aus Allem , dass eigentliche Harmoniefübrung gar nicht
oder nur äusserst beschränkt von der einzelnen Geige gefedert werden
kann und dass drei- und vierfache Griffe hauptsächlich nur zur Dar-
stellung oder Verstärkung einzelner Schlagmomente bestimmt sind.
Gänstigern Spielraum bietet die Führung zweier Stimmen. Hier
treten als die leichtesten zuerst solche Sätze vor , in denen der Ton
267
einer "blossen Saite festgehalten wird gegen irgend eine auf der näcbst-
liegendea Saite ausfuhrbare Figur, z. B.
305 p
fp^Trjp-'
W
j^^^^^P
ffm
uad zwar können dergleichen Sätze in beiden Stimmen durchaus ge-
bunden (die eine halt aus , die andre bindet, nimmt ihre Töne in einen
einzigen Bogenstrich zusammen) oder, wie hier, —
nur theilweis gebunden (Takt 1 und 4), oder gar nicht gebunden
(Takt 3) , sondern mit absonderndem Nieder- nnd Aufstrich für jeden
einzelnen Ton dargestellt, es kann auch über solchem liegenbleibenden
Tone, wie hier bei a. oder wie Beethoven im Trio seines Quatuors
Op. 132 bei b. gethan, auf der andern Saite in höhere Lagen überge-
gangen, —
307
also der Spielraum erweitert werden.
Diesen Sätzen schliessen sich solche an , wo ein gegriffner Ton
auf einer Saite festgehalten und, wie hier, —
308
auf der andern Saite die Töne entgegengestellt werden , die mit den
freien Fingern noch erlangbar sind.
Sollen beide Stimmen sich gleichzeitig bewegen, so sind zunächst
Sexten folgen auf drei Schritt — oder mit Zuziehung einer leeren
Saite auf vier Schritt —
309
I
2 3
1 2
P=^
^^
^*-
^
2 3
1 2
*=F-
iCTTlr
?■*
1^^^
äÖ^:
am leicblesten (weil so weit die Finger gleich bereit liegen), lassen sich
aber auch in mannigfacher Weise, z. B. so —
26S
Ite I 3le Lage,
forlselzen. Es versteht sich, dass man auch hier zu erwägeu hat, in
welcher Lage sich die Hand des Spielers vor den Doppelgriffen befan-
den. Die nachfolgende Stelle z. B. —
^5x5^
311
5=ä^^-^a^S^S
mnss nach dem früher und besonders S. 264 Gesagten bequem erschei-
nen; dagegen würden diese Stellen — wir greifen bei ihnen vor, zu
andern Doppelgriffen —
312
stufenweis schwieriger sein, der Doppelgriffe selbst und der Lage
wegen.
Terzen folgen, besonders in erster nnd dritter Lage, sind durch
die ganze Tonleiter, —
313
^^m.
itn^p:
=P=n:
anch in langsamer Bewegung Oktaven folgen, —
314
^3EiS
^35
=»<=
ferner wechselnde Septimen und Sexten, —
315
^^^!^^
Oktaven und Sexten, Oktaven und Septimen, — -
316
und so noch mancherlei Folgen, die auch der Nichtgeiger sich aus den
Lagentafeln entnehmen kann, erlangbar.
Dagegen sind Spränge in Doppelgriffen, z. B. diese bei a., —
^^^^iyt^^y
317
269
s^^hwer, sofern sie nicht blosse Theilungen eines vierfachen Griffes sind,
wie die vorstehenden bei b., und die Bewegung langsam genag ist, um
dem Bogen Zeit zu lassen , auf die andern Saiten zu kommen. In glei-
cher Weise sind auch Doppelgriffe leicht zu fassen, die anscheinend von
vorhergehenden oder nachfolgenden einzelnen Tönen weit abliegen,
wenn diese nämlich, wie hier, —
S18 ^--3—^—3=^=
ir=^
m
mit dem Doppelgriff in einem drei- oder vierfachen Griffe zusammenge-
fasst werden könnten.
Im Allgemeinen ist übrigens das zweistimmige Spiel in Dur leich-
ter als in Moll.
II. Das Flageolettspiel.
Das Flageoleftspiel ist auf der Geige einst von alten Meistern, in
unsrer Zeit von Paganini sehr weit ausgebildet worden, so dass man
ganze Sätze, ja selbst Doppeltöne mit demselben hervorbringen kann.
Die einfachste Weise des Piageolettspiels ist die, dass man die
leere Saite an ihrer Hälfte, ihrer Eindrittel- oder Zweidriltellänge,
ihrer Einviertel- oder Drei viertellänge mit dem Finger leise berührt
(S. 244) und dadurch die Oktave, Duodezime und zweite Oktave, also
von allen vier Saiten folgende Töne*) —
319
0 0 4
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0 0
-o-
0 0
0 i?i
rtzrpz:^:
0 0
4 -#
gewinnt.
Hiermit erweitert sich vor allem der S. 253 mit dem viergestrich-
nen c abgegränzte Umfang der Geige noch um einen höhern Ton, das
viergestrichne e. Sodann zeigt sich mancher Ton mit Hülfe des Pia-
geolettspiels leichter erreichbar; endlich hat man an den Flageoletttö-
nen eine andre Klangart (S. 249) gewonnen.
Dieser Plageoletttöne moss jeder branchbare Spieler mächtig sein.
Im Orchester würde man demungeachtet nicht wohl thnn , sie zu fo-
dem, weil da der reine Zusammenklang bisweilen fehlen könnte.
Die weitere Entfaltung des Piageolettspiels beruht nun zunächst
darauf, dass man sich neue Grnndtöne schafft, indem man einen
Pinger fest anf die Saite setzt und dann einen andern Pinger leise an-
*) Die s>D<®n Noten steileo die vier leereo StiteD , die Viertelaoten die aaf
jeder erlaogtea FltgeoletltöDe (oebst deren Bezifferung Pdr den Spieler) dar.
270
leg;t, also von der Terkfinten Saile den Pbgeoietlloo gewinnt. Setzt
man z. B. anfder nnlersten, also der C-Saite den ersten Pinger von
einer Stnfe zor andern fest auf, so dass , wenn man nnn ohne Wei-
teres anstriche, die Tonreihe —
a h c d e a. s. w.
entstehen wurde , legt aber zugleich den vierten Pinger auf der jedes-
maligen Hälfte der Saite leise an , — wir deuten hier und in den nach-
folgenden Beispielen die fesigegriffnen Töne durch Ganznoten , die be-
rührten Intervallpnnkte durch Viertelnoten an, —
4 * i * *,•••-•*>
320
^ ^-^ -^ o — ® — ^
^ ^ T ^^
SO gewinnt man die obere Notenreihe in Plageoletltönen. Aliein — wir
fähren diese Beihe nur der Vollständigkeit wegen an ; denn die Span-
nung des ersten and vierten Pingers auf derselben Saite ist so schwer,
dass man sie fast unausGohrbar, gewiss höchst anpraktisch nennen
kann.
Berührt man bei gleicher Grundlage das Driliel der Saite, wie
hier —
^a. 444444 b. Ji.--#--^
yTYT • '
bei a. , so erhält man die höhere Oktave der obem Notenreihe, also
zweigestrichen ^ u. s. w., wie oben bei b. ; beröhrt man bei gleicher
Grundlage das Viertel der Saite, wie hier —
^ •• 3 4 4 4 4 3 /^\ ^ JfL :gr -t ^
322
u
Wl
Hr
bei a., so erhält man die zweite Oktave der Grundtöne (oben bei b.)
in Plageoletttönen. (Jebertragt man das hier an der 6-Saite Gewiesene
auf die drei höheru Saiten , so ergiebt sich die vollständige Tonreihe
des Flageoletts , so weit die bis hierher gezeigten Griffe reichen , eine
Tonreibe, die sich bis zum viergestrichnen g hinaufstrecki.
Uebrigens bemerkt man, dass die letzte Tonreibe (Nr. 322 a.), die
man so —
*) Mao führt auf der (r-Saite aicbt gera hoher als bis zoai eiBf^estrichaea a
oder A , weil hoher hioaaf die starke oad xa knn s^S^^b« %%\\!^ «iaca pfeifenden
Rlaog anaiinnt.
^
271
harmoniqne«
823 '^
bezeichnet, die leichteste, sowie die erste (Nr. 321) we^en der weiten
Spannung die schwerste der hier gegebnen ist. Allein demangeachtet ist
keine dieser Tonreihen (wie schon bei den ersten in Nr. 319 bemerkt)
im Orchester mit Sicherheit za verlangen, ebenso wenig und noch
weniger die sonst noch möglichen und zum Theil noch schwierigem —
nnd ungleichem , oder gar das DoppelOageolett. Wir dürfen also dies
Alles bei Seite lassen*).
Uebrigens können Plageoletttöne nitht so schnell eintreten, wie
feslgegriffne , weil das Anlegen des Pingers mehr Feinheit und Sorgfalt
fodert, als der feste Griff.
IIL Du Spiel Bit Dtepftug.
Es versteht sich von selbst, dass Alles, was überhaupt auf der
Violine zu spielen ist, ebenfalls und ebenso leicht mit aufgesetztem
Dämpfer gegeben werden kann. Nur Eins ist hier anzumerken. Sollen
im Lauf eines Stückes die Dämprer aufgesetzt oder weggenommen wer-
den, so bedarf es dazu einer Zeit von etwa einer Vierlelminute, oder
von drei bis vier Viervierteltakten etwa im AUegro tnoderaio.
IT. Das Pizzikato.
Im Pizzikato kann die Bewegung nicht so schnell erfolgen, wie
im Bogenspiel, weil die Finger nicht so schnell die Saiten röhren köii-
uen, als der Bogen, der leicht auf- und abfahrt, «der selbst mehrere
Töne in einem Striche zusammenfasst. Der höchste Grad der Schnel-
ligkeit, auf den man sicher rechnen kann, dürfte etwa die Bewegung
von Secbszehnteln im AUegro moderato oder AUegro sein. Nur die
Töne der Doppel-, drei- und vierfachen Griffe lassen sich einmal vom
untersten zum obersten oder umgekehrt schneller geben. Uebrigens
*) Auch über das Flaseolettgiebt Be rl iox' Cours d* int Immen tation ausfubr-
licbe MiUbeiluogeo. Wer aber über das, was im Orcbesler (aod Quartett) sicher
gerodert werden darf, binaosgebo, wer Virta4)sit&t in Anspruch oebmeD will, der
kaoa, wie uos sobeint, nur durch eigne nod zwar bedeutende Spielfertigkeit , nicbt
durch blosse Vermittlueg eines Dritten sicher gestellt und zu reieher Leistung ge-
fordert werden. Spohr — uastreilig eine d«r grössten AnterilStea für VloUnspiel
— bestärkt unsre Ansicht, insorern er (in seiner Violinsobule) das Plageoiettspiel
überhaupt nicbt weiter ausgedehnt wissen will, als wir oben in Nr. 320 angegeben
haben, nnd sich namentlied gegen den reichern Gebrauch erklärt, den Pagaoini
▼om Flageolett gemacht. Dies ^ als Eingriff in die künstlerische Freiheit — kön-
nen wir nun wiederum nicht billigen. Sehr bäuligeB Gebrauch vomFlageoleli mftcbi
in seinen dramatisehea und den dazu gebörigenOrehestersätseuR.Wagner; aber
die Flageeletttöne werden besondern Soloviolineu zuertbeilt, die er dann neben den
Ripienstimmen abgesondert fuhrt. Liszt und Andre sind ihm hierin gefolgt.
272
würde der kurz abgebrochne harte Klang des Pizzikato eine schnellere
Bewegung nur in seltnen Fällen rathsam machen.
Je höher man steigt , desto kürzer wird die Saite , folglich desto
hervortretender der harte Bruch des Pizzikatoklangs. Man thut daher
wohlf im Pizzikato nicht über das zweigestrichne A, höchstens das drei-
gestrichne d zu steigen *). — Dass übrigens Plageoletlspiel und Pizzikato
nicht vereinigt werden können, ist klar. Aufsatz der Dämpfer und Piz>
zikalospiel sind vereinbar; allein der Klang würde dabei doppelt unter-
drückt — und nur selten (wenn je I) dürfte dieser Verein sich dienlich
oder gar nolhwendig erweisen.
Der Vollständigkeit wegen wollen wir bemerken, dass in ein-
zelnen Sätzen Pizzikato- und Bogenspiel auf demselben Instru-
mente gleichzeitig angewendet werden können, wenn nämlich
die auf dem Griffbrett beschäftigte Hand so weit frei ist, das Pizzi-
kato neben den zu greifenden Tönen abzulängen. So könnte diese
Stelle —
KU* I ^
5= r I *■ ip^—
pizz.
auf einer einzigen Geige, und diese
325 pianiBsimo.
Yno.I.arco.
in einem Quarteltsatze (bei einfacher Besetzung, wie gewöhnlich) aus-
geführt werden. Ungleich kühnern Gebrauch hat Paganini, zu höchst
*) Noch eioe Weise der Tooerzeai^ang ist hier zo erwahoen, weil sie wenifp-
steDS eine gewisse Aebolicbkeit mit dem Pizzikato hat. Sie besteht dario, dass die
Saite mit dem Bogenstab geschlagen, statt mit dem Haar gestricbea wird. Der
Klaog hat etwas Surreades oder Kaisterndes, aber die Schallkraft ist so geriog, dass
nur bei grösserer Besetzuog noch eioigermassen von einer Wirkung die Rede^ sein
kann« Dass dergleichen Töne nicht gehalten werden können, ist ohnehin klar. Dem
Verf. ist nicht erinnerlich, dass in einem bedeotendern Kanstwerke von dieser
Spiel weise Gebrauch gemacht worden wäre ; schwerlich wird sie irgendwo tiefere
Bedeutsamkeit zeigen.
273
phantastischer Wirkung , von diesem Doppelspiel gemacht. Gleichwohl
dürfte ihm schwerlich ein andrer Schauplatz , als das Solo fiir Virtuo-
sen, znzugestehn sein, daher wir auch hier nicht weiter darauf ein-
gehn.
Fassen wir zuletzt alle Spielweisen zusammen, so bleibt für
sie alle im Allgemeinen zu bemerken, dass der Geige zwar alle
Tonarten zu Gebote stehn, dass üe sich aber im Allgemeinen am
bequemsten in Z>-, G-, ^-, C-, F-, -ß-, £>-, i?-, HAüt , dessgleichen
in £-, £f-, Fis-y Z>-, C-, -/^-, C-, FmoU, weniger bequem in Jts-^
Cü'y FisAuT und fi-, Es-, As-, Ct^moll bewegt. Man wird ihr daher
in den schwerern Tonarten weniger Schwierigkeiten zumulhen dürfen.
Am kräftigsten wirkt die Geige in den Tonarten D-, A-, 6-, F-, C-,
iE-, ^dur, £-, G-, urfmoll, — weicher in Ä-, JJs-, y/*dur, C-, F-,
jB moU.
Dritter Abschnitt.
Technik der Bratsehe.
Die Bratsche ist nichts anderes, als eine Violine von grösserer
Hensnr und tieferer Stimmung. Ihre Saiten (von denen die beiden un-
tern besponnen) sind in klein c, g, (/, u gestimmt, so dass das Instru-
ment eine Quinte tiefer steht, als die Geige. Ihre Töne werden im
Altscblüssel, — sehr hohe Lagen auch wohl im Violinschlüssel —
t:
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326
notirt.
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Die Behandlung des Instruments ist ebenfalls dieselbe , wie die der
Violine; die erste Lage stellt sich also — natürlich eine Quinte tiefer
als anf der Violine — so, —
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c . . . . d
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ihre dritte so —
Marx, Koiap.L. IV. 3. Aufl.
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274
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7 . . . . ^ 1 Z l.
fl^ . . . . ^ a h c
g . , . . c d e f
c . . . . f g a h
dar, uad so fort.
Nur hat die grössere Meosar des Instruments zur Folge , dass die
Griffe weiter sind, mitbin die weiten Griffie, also auch weit ausgedehnte
Doppel- und mehrfache Griffe etwas schwerer zu erlangen (wofern
nicht, wie hier, —
327
4=4=4
«^^1^:
r
blosse Saiten zu Hülfe kommen), auch eine gleich schnelle Bewegung,
ausser in den bequemsten Figuren, nicht so leicht ist, wie auf der Geige.
Namentlich ist das Ablangen der ausserhalb der Lage befindlichen Töne
begreiflicher Weise schwerer, als auf der Geige. Man thut also wohl,
die Bratsche einfacher und ruhiger zu führen , — was ohnehin ihrer
tiefern Lage und ihrem Klangkarakter zusagt, — und sich der Doppei-
und mehrfachen Griffe, namentlich auch des zweistimmigen Satzes mit
noch grösserer Zurückhaltung, mit Beschränkung auf die leichtesten
Kombinationen zu bedienen.
Was die Bratsche vor der Geige voraus hat, ist offenbar ihre
Tiefe , die C-Saite mit ihrem Tongehall. Daher erweist sich eben die
Tiefe — und somit die erste Lage als ihre vorzugsweis karakteristisrhe
Seite.
Auch der Klang des Instruments thut dazu , diese karaktcristische
Seite noch mehr hervorzuheben. Das Instrument hat vermöge seiner
grössern Mensur und Tiefe einen materiellern oder rauhern Klang und
seine tiefste Saite nicht Mos dies im höhern Maasse, sondern auch
grössere Schallkrafl, als die Geige und deren G-Saite. So bietet es also
in der Tiefe einen eignen von dem der Violine verschiednen Karakter.
Dass die Bratsche in der Höhe wenigstens um fünf Stufen der Vio>
line nachsteht, ist schon aus ihrer Stimmung klar. Ueberhaupt aber be-
dient man sich in der Regel ihrer hohen Lagen weniger gern, als der
tiefen. Denn die hohen Tonreihen sind im Streichquartett Eigentham
der Geigen und können von diesen leichter dargestellt und weiter ver-
folgt werden , während die Bratsche , um sie zu geben , die ihr eigen-
thümliche und von der Geige nicht erreichbare Tiefe aufgeben müsste.
Hierzu kommt, dass die hohen Tonlagen -der Bratsche aus doppeltem
Grund einen verdunkelten, gepressten und näselnden Klang haben ; ein-
mal I wie alle bochgegriffnen und damit verkürzten Saiten, dann , weil
275
diese Verkürzang stärkere Saiten betrifft, als auf der Violine. Man
tbat daher wohl , die Bratsche nicht leicht über das zweigestrichne g
oder a hinaarzufiihren und selbst diese Höhe nur in dringenden Fällen
in Gängen oder im Einklang mit den Geigen (oder in Solosätzen zu be-
sondern Effekten) zu gebrauchen. Die beste Wirkung leistet jedes In-
strumetit — und so auch die Bratsche — In dem ihm eigenlhiimlichen
und bequemen Gebiete.
Auch das Flageolettspiel ist auf der Bratsche in derselben
Weise wie auf der Geige ausführbar. Der Komponist wird aber hier
noch seltner Anlass haben, auf dasselbe zu rechnen, als^ bei der Vio-
line, — zumal in Orchestersätzen. Denn die durch dasselbe erreichbare
Höhe wird (wie oben gesagt) besser den Geigen überlassen und der fei-
nere metallische oder flötenartige Klang des Flageoletts eignet sich in
den allermeisten Fällen ebenfalls mehr für die den Geigen zugefallne
Aufgabe im Orchester; wie weit aber der Spieler sich auch auf der
Bratsche des Flageoletts bedient, um einzelne Töne besser zu errei-
chen, kommt hier nicht in Frage.
Doch darf auch ein Fall nicht unerwähnt bleiben, in dem das Fla-
geolett der Bratsche reich ausgebeutet worden: es ist die nur von einer
Bratsche begleitete Liebesromanze Raouls in Meyerbeer's Huge-
notten,
Donx comme hermine.
Vielleicht war es dieses Bild, das dem geistreichen, in dergleichen
rafBnirt bezeichnenden uud eigenthümlichen Mitteln unerschöpflichen
Künstler den glattkühlen Schimmerschein , das streichelweiche Spiel —
doux comme hermine — des Bratschen-Flageoletts vor die Seele ge-
führt.
Vierter Abschiiitt
Technik des Violoncells.
Das Violoncell ist bekanntlich ein der Violine ähnlich gebautes,
nur weit grösseres Instrument , das zwischen den Knien des Spielen-
den ruht, mit aufwärts gerichtetem Halse, und dessen vier Saiten (die
beiden tiefsten mit Silberdrath bespounen) in gross C, 6, klein d und
a gestimmt sind. Die Zwischeutöne werden wie bei der Geige durch
festen , die Saite verkürzenden Aufsatz oder durch Anlegen der Finger
an die Schwingungsknoten *) der Saiten , — also in natürlicher Weise
oder im Flageolett erlangt.
*) So heisseo die Punkt«, wo die Sebeidva; tob Aliqaolheiten der Saiten
(oder überhaupt hörbar schwingender Korper) liegt, olso die GrSna^pnokte von
einem Halb, einem Drittel, einem Viertel u. 8. w.
18*
276
Die Töne werden haupUäclilich im F- oder BassschlOsscl noliit,
für die höhern tritt der Tenorschlüsscl, —
328
3E
--^x-
m
nl—
rt
zt:
EteE^
für noch höhere der Violinschlüssel ein. In dem Gebrauche dieses letz-
tern herrscht aber keineswegs die wünschenswerlhe Uebereinstimmong.
Bei altern Komponisten wird er häufig sechszehnfüssig verstanden, die
Noten bei a. also —
329
^p^g^gB^i^gp;
itzitnt:
werden wie bei b. oder c. gelesen ; bei Neuern gelten mit Recht die
im G-Schlüssel gesetzten Noten meistens in der ihnen eigenthümlichen
Tonhöhe, z. B. die in Nr. 329 bei a. notirten für Töne der zweige-
strichneo Oktave. Folgt der 6-Schlüssel auf den Tenorschlüssei,
z. B.
330
^^^^^m^m
^ =
lOlfcä
so ist es klar, dass er in seiner eigentlichen Bedeutung auftritt, denn
sonst wäre seine Einfuhrung unnütz und man wäre mit dem Tenor-
schlüssel bequemer fertig geworden. So kann auch der Zusammenhang
ergeben, dass nach dem Bassschlüssel der G-Schlüssel ebenfalls in
seiner eignen Weise (achtfiissig) gelesen werden soll ; die obige Stelle
hätte z. B. ebensowohl (und noch einfacher) so —
331
Wz
^.
=1=i?v
*^^
K-Tl-g-
#
3^
—01
^
m
3^=::::
z^^
geschrieben werden können; die aufstrebende Richtung der Melodie
macht es wenigstens unwahrscheinlich , dass die im G-Schlüssel notir-
ten Töne eine Oktave tiefer genommen werden sollten. Umgekehrt
kann man in dieser Stelle —
m ^^jj^*^
m
^
;^
rt
nicht annehmen, dass vom eingestrichnen e aus eine Dezime weit hin-
aufgesprungen werden sollte; hier muss der G-Schlüssel sechszehnfüs-
sig verstanden werden. Tritt derselbe endlich zu Anfang eines Satzes
ein , z. B. wie hier —
bei a , so wird er meistens sechszehnfüssig verstanden.
277
Uns scheint die sechszehnfüssige Anwendung des C-Schlüssels un-
DDtz; für so tiefe Tonlagen genügt der Tenorschlüssel , wie man in
Nr. 333 b. sieht. Der G-Schlnssel sollte stets nur für die dem Tenor-
sohlussel nicht bequem erreichbaren Tonlagen (z. B. in Nr. 331) an-
gewendet werden, dann aber in seiner eigentlichen Bedeutung.
Gehen wir nun auf die Behandlung und den Gebalt des Instruments
näher ein, so werden, was
a. die natürliche Behandlung
betrifft, die Töne ebenfalls durch festes Aufsetzen der Finger gegriffen
ond, wie bei der Geige Lagen, so hier Positionen — ihrer vier —
angenommen. Bei dem weit grössern Bau des Instruments ist es beque-
mer, auf die Spannung des Ganztons den je dritten Pinger zu verwen-
den und den ausfallenden Finger für den zwischenliegenden Halbton auf-
zubewahren. So bildet sich denn die erste Position folgendermassen :
0 134 0134 01240124
C — DEF, G A H c, d e f gy a h 'c ?,
die zweite von E^ die dritte von F, die vierte von G aus. Dies ergiebt
eine Tonreihe vom grossen C bis eingestrichnen g. Für höhere Ton-
lagen bietet sich indess dem Violoncellisten ein Mittel, das der Geiger
nicht hat. Da jener sein Instrument schon zwischen den Knien fest-
hält, so kann er den Daumen*) aufsetzen, hiermit also die Saite zu
einer höhern Intonation verkürzen und nun mit den übrigen Fingern
in der oben gewiesnen Art weiter greifen. In dieser Weise erhält das
Violoncell einen sehr erweiterten Umfang von —
für das Orchester bis ..^ ^ auch für Solo bis und
334
SEE^E^EEE^E^IE?:
fe
ztz.:.
und kann sich innerhalb dieses Tonumfangs, besonders bis zum einge-
strichnen a, mit Leichtigkeit bewegen. Doch ist rathsam, nicht höher
als eingestrichen ^j, g^ a einsetzen zu lassen, auch bei neuen hohen
Einsätzen im Lauf einer Komposition dem Sp'eler durch eine kleine
Pause zu Hülfe zu kommen.
In diatonischen Figoren, die sich nicht über vier oder fünf
Stufen erstrecken, z. B.
Maestoso.
ist das Instrument einer Schnelligkeit gleich der der Geige (Nr. 277)
Täbig; bei ausgedehntem Gängen kann man — abgesehn von besondern
**) Das Zeichen für den Daum^naufsaiz ist : f
278
Schwierigkeiten — eine Schnelligkeit , angefabr gleich der der Sechs-
zehntel im Allegro oder AUegro con bri& fodern. Tonwiederho*
lang, Triller, Tremolo — sind wie auf der Geige ausführbar,
chromatische Gänge ebenfalls, jedoch nicht ausgedehnt und lang*
samer.
Von den Doppelgriffen sind Quinten und Sexten (beson-
ders grosse), auch Septimen, ferner Folgen von abwechselnden
Quinten und Sexten, oder Sexten und Septimen —
Ix-^l
336
^^c:^^^-^A ;^i
Z-O-
^g^
— *«
-o-
If^E^
leicht und wohlklingend, dagegen Terzen und Quarten oder Fol-
gen leider Intervalle weniger günstig; Oktaven in der Tiefe nicht
leicht, mit Daumenaufsatz (also in den höhern Lagen) leicht. Weite
Griffe, z. B. Dezimen, sind nur dann erlangbar, wenn der tiefere
Ton auf blosser Saite genommen werden kann.
Von den drei- und mehrfachen Griffen sind, ebenfalls wie
bei der Geige, diejenigen die leichtesten, wo zu einzelnen gegriffnen
Tönen oder gut erlangbaren Doppelgriffen eine oder zwei blosse Saiten,
z. B. wie hier, —
337
Wz
^=^
"f-r
m
4i
EhEE^
^ ^
hinzugenommen werden.
Ebenfalls aus der weiten Mensirr des Instruments folgt, dass har-
monische Figurationen von grossem Umfang und in schneller
Bewegung weniger leicht gelingen, als auf der Geige.
Endlich ist auch das Pizzikato nicht so schnell — nicht leicht
schneller als ungefähr die Achtel im Allegro — ausführbar.
b. Das Plageolettspiel
ist auf dem Violoncell ebenso reich ausgebildet ^— und im Solospiel iü
unsrer Zeit vielleicht noch reicher in Anwendung gebracht, als auf der
Geige. Wenn von der blossen Saite und durch Veränderung ihres
Grundtons (S. 269) durch festen Daumenaufsatz die Quarte berührt
wird, —
338
^
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3^
■?T^
?
© — O-
■-^=0=::
so erschein! diese Tonreihe, —
279
33y
^^
^
E£
nämlich die Doppeloktave ; wean — was aber nur in dea böbern Ton-
lagen ausfobrbar ist» wo die Griffe enger liegen — anter festem Dan-
menaufsatze die Quinte leicht berührt wird, —
3 3
340
SEEF5E
£^
l^pro~-^-
o=ez
9 ? ? 9 9
SO erhält man die Duodezime der Grundtöue, also diese Tonreihe,
341 «TZ
i=iJJ=Ä
and so lässt sich das Flageolett noch höher ausdehnen. Die eibracbste
Anwendung des Flageoletts beruht auf der Berührung der Schwin-
gungsknoten, in denen die Aliquotlheile der Saite sich abgränzen. Man
erhält damit auf den vier Saiten folgendes Flageolett, —
0
und zwar auf der A-A«ite.
6
342
i.&-t —
^ti^Bj^p^^^i
^^^m^^m
auf der D-Saile. ,. _-. *^^
m
igir^;
^m^^m
i^m
W^
ä
i^^S
and selbst noch die nächste höhere grosse Terz , also auf der ^-Saite
viergestrichen eis. Diese Töne*) folgen einander im reinsten, zarten
Wohlklang bis zur dritten Oktave des Grundtons, der blossen Saiten;
sie haben im Klang eine Aehnlichkeit von den höchsten Geigentönen,
aber mehr Fülle und doch ein etwas verschleiertes Wesen.
*) Der siebfDte Toa in jeder Reibe ^ a. B. auf der ^-Saite das iweigestricboe
cfif, Ut niebt Flageolett, aber ebenso leicbt iBitzuaehmeo«>
280
Fünfter Abschnitt
Technik des Kontrabasses.
Der Kontrabass ist das grösste und tiefste der Streichinstrumente.
Seine vier Saiten*) werden (in der Regel) in —
343
m
m
gestimmt und seine Noten im Bassscblüssel auFgezeichnet. Allein das
Instrument hat Sechszehnfusston , seine Saiten stehen also dem
wirklichen Tone nach in Kontra-JS*, ^, gross D und G.
Der Umfang dieses Instruments geht von —
bia ^. ofler :
ja noch weiter bis if I^ oder gar "X
=2 znziiiiziziurrzitiz ^X-
1
344
das beisst also (was wir hier ein- für allemal bemerken) den Noten
nach von gross E bis eingestrichen rf, ^»y» §"> ^> — der wirkli-
chen Tonhöhe nach von Rontra-j& bis klein dy e^fy g^ a.
Allein vom einges(richnen/an ist die Saite schon zu kurz gegrif;
fen und der ohnehin nicht helle Klang der starken Saiten wird gar zu
gedrückt und stumpf. Es ist also ralhsam, das Instrument nicht höher
als zum eingestricbnen d oder höchstens e (den Noten nach) zu führen..
Die ältere Behandlung dieses Instruments beruhte auf folgendem
Fingersatze, —
0 2 4
424 02424 024
345
^E
während man jetzt wohl allgemein diese Applikatur —
01234 01234 01234 012
346
3E
---»*
0^^^^^^m
anwendet und ungleich grossem Schwierigkeiten gewachsen ist, als
früher.
Diatonische Figuren innerhalb weniger Stufen, z. B.
^^^
*) Eioe kleinere Arl bat iiar drei Saiteu, die dann meist in G—d—a ode^
anch j4 — d—a gestimmt sind. Früher gab man iboeo auch bisweileo einen Bezog
von f üia f in E—A—d—ßt^ a oder F- A—d—JU—a gestimmten Saiten.
281
ferner dergleichen Folgen innerhalb einer Oktave in den Tonarten
C-, D-, Es'y E'<, Fdur, und nichl höher als bis zum eingestrichnen d
oder 0, z. B.
34$
^^^^^^m^
-•--?»-
sind leicht und sehr schnell ausführbar; in andern Tonarten oder höher
hinaufreichend sind sie schwerer. Ist die Bewegung indess nicht zu
schnell, — nicht schneller als etwa Achlel im AUegro fissai\ — und
die Figur nicht gar zu umfangreich : so kann man des Gelingens schon
gewiss sein. Zu schnelle Bewegung ist ohnehin nur bei ganz kurzen
Figuren (wie in Nr. 347) rathsam, da sie selbst bei dem fertigsten und
sichersten Spiel wegen der Tiefe des Instruments (besonders in seinen
untersten Lagen) Uudeutlichkeit zur Folge hat.
Ebenso kann eine Tonwi eder hol ung in schneller, aber be-
stimmter Bewegung auf kurze Strecke, z. B. hier, —
mit springendem Bogen ausgeführt werden; schwerer auf längerer
Strecke, wie hier bei a., —
a. b.
wogegen das eigentliche Tremolo (bei b.) in jeder Ausdehnung leicht
ausfuhrbar ist.
Auch chromatische Gänge sind eine Quinte weit und in nicht
zu schneller Bewegung (etwa Sechszehntel im Atlegro moderato oder
Allegretto) wohl ausführbar.
Von springenden Intervallen sind Terzen, Quarten, Quin-
ten, Sexten, Septimen, auch Oktaven, sowohl einzeln als in Gängen,
z.B.
Allegro moderato.
351
Allegro moderalo.
.:?-.< tr
^^^ip^^^il^
(wobei die mit * bezeichneten Töne natürlich auf der ^-Saite genom-
men werden) von nicht zu rascher Bewegung wohl ausführbar, dage-
gen Arpeggien von weiter Ausdelmung schwerer. In langsamer Bewe-
gung und durch den Zwischentritt blosser Saiten, z. B.
Maestoso oder auch Allegro vivace.
^
^
11
^
:^0:
'-W:^
352
^
werden auch sie ausführbar.
282 -
Dagegen ist eine bei ällern Meistern , z. B. J. Haydn, ofl er-
scheinende Figur, die schnelle und oft wiederholte Wiederholung von
Oktaven (wie hier bei a.), —
Allegro. ,
-P^
wofern nicht eine leere Saite dabei benutzt werden kann (wie bei b.)»
nicht leicht ausführbar.
Auch harmonische Figuren innerhalb einer Oktave und in
den Tonarten C-, />-, £*-, JF-, Fdur , z. B.
wofern sie nicht Saiten zu überspringen haben, z. B.
(Beethoven.) Ph^mmmii
a55
sind gut und ziemlich schnell ausführbar.
Dop pclgriffe sind auf dem Kontrabass allerdings möglich, —
besonders mit Benutzung leerer Saiten, z. B.
356 ^EiE|Eä5Ef^Eg;|Eg.^E^{^^
allein äusserst selten wird man ihre Anwendung — in solcher Tiefe
und auf einem ohnehin schon dumpfen Instrumenle, das vermöge der
Dicke und Länge seiner Saiten selbst einzelne Töne nicht so vollkom-
men klar und deutlich hervorbringen kann , wie andre Instrumenle —
rathsam finden. Dem Verf. ist aus den Werken der Meisler kein Fall
erinnerlich*), dass der Kontrabass zu Doppelgriffen gebraucht wor-
den wäre.
Ebensowenig bedient man sich für dieses Inslrument der Däm-
pfung; die Aufsetzung von Sordinen würde, so weit sie bei dem ma-
teriellen Umfang des Instruments und der Stärke seiner Saiten über-
haupt zu wirken vermöchte, nur die unerwünschte Folge haben, den
dumpfen Klang noch dumpfer zu machen.
Das Pizzikato dagegen ist im Forte und Piano sehr wohl an-
wendbar. Nur ist es rathsam^ es nicht zu hoch zu führen (nicht gern
über das kleine h oder eingestrichne c hinauf) , weil bei den hohem
Griffen die Saiten zu kurz werden, als dass sie ein einigermassen
klangvolles Pizzikato zuliessea,
*) Nar aas eioem frühem Werke von HeelorBerlioz {Seines de Faust ^
Partitar bei Schlesiof^er in Paris), das ihm leider nicht (gleich zur Hand ist, erin-
nert er sich der Anwendung^ von Doppelgriffen der Kontrabässe.
283
Zweite Abtheflug«
Zusanuneustellimg des Streicherchors.
Erster Abschnitt.
RegelmAssige Organiaatioo.
Es ist schon S. 248 bemerkt worden, dass der Chor der Streich-
iDslromente als Kern des Orchesters und unter den zwei oder drei Or-
chestermassen (Bläser und Saiten-, oder Blech- und Rohrinslrumente
and Streichinstrumente) als die vielseitigst verwendbare angesebu wer-
den muss. Daher ist es nöthig, mit verdoppelter Umsicht an seinen Ge-
brauch heranzutreten, wie wir auch schon bei dem Einblick in die
Technik der einzelnen ihm angehörigen Instrumente getban haben. In
Bezug auf diese Technik war auch so Vieles mitzutbeilen, dass es rath-
sam schien, alles Weitere davon abzusondern. Es wird im Folgenden
seine Stelle finden.
In der Regel wird der Chor der Streicher in vier Stimmen zu-
sammengestellt, so dass auch hier die Normalstimmzahl (Tb. I. S. 93)
sich geltend macht. Die vier Stimmen sind bekanntlich
erste Violin,
zweite Violin,
Bratsche,
Violoncell und Kontrabass ;
jede der Stimmen wird im Orchester mehrfach*) besetzt. Violoncell und
Kontrabass sind zu einer Stimme verbunden und werden als solche
*) Die geringste orchestrale Besetzaog würde etwa ans 3 oder 4 ersten , eben-
so viel zweiten Geigen^ 2 oder 3 Bratschen, 1 Kontrabass nnd 2 Violoncellen be-
stebn, fnr Mitwirkung des Blechs aber fast zu schwach sein; 6 erste, ebenso viel
zweite Geigen , 4 Bratschen , 2 Kontrabässe und 4 Violoncello wurden für 8 oder
9 Rohrinstrnmeote^ 2 HÖrner, 2 Trompeten ond Pauken wohl ausreichen; bei 12
ersten und ebenso viel zweiten Geigen, 8--12 Bratschen, 4—6 Kontrabässen und
8 — 12 Violoncellen müssten die Robrinstrumeote und Hörner, auch wohl die Trom-
peten verdoppelt werden. Es kann hier nur annäherungsweise gesprochen werden»
weil anr die Tiicbligkeit der Spieler, auf das Lokal und manches Andre viel an-
kommt. Doch genügt dies, um dem Komponisten eine Vorstellung von der Wirkung
zu geben.
284
betrachtet, obgleich der letztere die gemeinschaftlicheo Noteo sechs-
zehorCissig, eine Oktave tiefer als das Violoncell, zu hören giebt. In
der Regel werden daher auch diese vier Stimmen auf vierzeiliger Par-
titur notirt. In der Zählung und Notirung der Stimmen macht es kei-
nen Unterschied , wenn auch eine und die andre Stimme in Doppelgrif-
fen oder selbst in eigentlich zweistimmigem Satze geführt, mithin aus
dem vierstimmigen ein mehrstimmiger Satz, wie z. B. hier —
557 a.
Violino I
Viola.
Violoncello e Contrahasso.
^^gg
ft\::
r
'^m
-cn
^i
bei b., wo der einfache vierstimmige Satz a. — abgesehn von der Ver-
dopplung der Violonceiinolen durch den Kontrabass in der tiefem
Oktave — mit zwölf und dreizehn Noten vollgriffig dargestellt
wird. Bei c. ist offenbar fonfstimmiger Satz vorhanden , da die Brat-
sche zwei Stimmen enthält: allein auch dies hindert, als vorüber-
gehende Abweichung, nicht, den Satz im Ganzen für vierstimmig zu
achten.
Abgesehn von den vorübergehenden Mehrstimmigkeiten , die auf
Doppelgriffen oder kurzen zweistimmigen Sätzen in einer oder meh-
rern Stimmen (Nr. 357) ihren Grund haben, ist es besondei's die
Bassstimme , die den Anschein geben kann, als sei ein mehr als vier-
stimmiger Satz vorhanden. Zunächst steht bekanntlich (S. 280) der
Kontrabass im Sechszehnfusston und giebt die Noten des Violoncells in
der tiefem Oktave. Allein wir wissen längst (Th. I. S. 55), dass
Oktavenverdopplung für blosse Verstärkung, nicht für zwei besondre
Stimmen gilt. Sodann kann der Kontrabass vermöge seiner beschränk-
tem Beweglichkeit bisweilen an Gängen, die dem Violoncell gegeben
werden, nur unvollkommen Theil nehmen; man lässt ihn nur die
wesentlich nöthigcn Töne des Ganges verstärken. So sehen wir
hier —
285
Aliegro con spirito.
358 Erste Violine.
"fr b. Aliegro assai.
Zweite Violine,
p^^^^
^^i
Bratsche.
^^^fe
Violoncell und Kontrabass«
zwei einander ähnliche Gänge für die Bassstimme , die für das Violon <
cell ausführbar sind, vom Kontrabass aber nur undeutlicher und schwer-
fallig gegeben werden könnten. Er nimmt also bei a. von je vier Noten
des Violoncells nur zwei und bei der schnellsten Bewegung (b.) nur
eine, und verstärkt so den Bass weit klarer und wirkungsvoller, als
wenn er alle für ihn zu schnellen und theilweis zu hohen Noten mit-
spielen wollte. lodess auch in solchen Fällen werden beide Instrumente
als eine einzige Stimme gezählt; es ist nur eine figurirte Oktavverdopp-
lung (Th. I. S. b7) vorhanden.
Umgekehrt wird, wie sich von selbst versteht, der Begriff und
Rarakter der Vierstimmigkeit im Ganzen nicht aufgehoben, wenn eine
Zeitlang eine Stimme pausirt oder zwei Stimmen, z. B. die beiden Gei-
gen, oder mehr mit einander im Einklang oder in Oktaven gehn, wie
oben bei a.
Die Fälle , in denen man von Haus aus und für ganze Kompositio-
nen auf die Vollständigkeit des Quartetts verzichtet, sind äusserst sel-
ten und möchten noch seltner eine innere Nothwendigkeit für sich
haben*). Schon an sich bietet die Vierslimmigkeit, wie wir längst
. *) lo oeaerer Zeit wiissteo wir oiebt eioraal eio Beispiel daza. Aas älterer
Zeit and aas eigoem Einblick in dieParlitar keooen wir ebeofalls DÖr zwei Werke,
— eio Miserere von Giuseppe Sarti, das keioe Geigen, sondern nar drei Brat-
schen hat, — and eine französische Oper (irren wir nicht, so ist es: Ottian ou les
Bordes von L e s a e u r, oder vielleicht die auch von B e r li o z angeführte Oper Uthal
von Mebal), in der ebeofalls durchweg keine Geigen aogeweodet siod Sarti hat
damit deo Ausdruck der Trauer, der fraozösische'Konipooist deo elegischeo Grund-
zag im Karakter Ossians oder der gaelischen Heldenstige treffen wollen. Man sieht,
wie einseitig and oberflächlich diese Auschauong uod wie verbaogoissvoll das ihr
gebrachte Opfer des allgemeio wicbligsieo Oichesterorgaos war. Beide Werke siod
trocken uod voo geriogem Gehalt; es fehlt ihoeo — von Schritt zu Schritt empfind-
licher — Liebt und Kraft.
286
(Th. I. S. 93) wissen, entschiedne Vortheiie; sie werden noch ver-
mehrt durch die Eigenthümüchkeit, die das Streichquartett in seinen
einzelnen Organen und seiner Gesammtwirkung dem Komponisten
bietet.
Zweifer Abschnitt.
Verwendung der Stimmen.
Erwägen wir nun die Verwendung der einzelnen Stimmen des
Quartetts, so ist es vor allem derBass, der nnsre Aufmerksamkeit
fodert.
A. Der Bass.
Er ist wie bekannt von zwei Instrumenten, dem Violoncell and
Kontrabass, besetzt und erhält so die Kraft, den andern Stimmen
feste Grundlage und erfoderlichen Falls energischen Gegensatz m
gewähren. Der Gang beider Instrumente in Oktaven giebt ihm
Fülle, der Kontrabass verleiht Tiefe und Macht, das Violoncell
schärfere Bestimmtheit und nähern Zusammenhang mit den höhern
Stimmen.
Wird in einzelnen Momenten eine sanftere, zarte, höhere Bassfah-
rung gefodert, so lässt man in ihnen den Kontrabass schweigen und
wendet allein die Violoncelle an. So in diesem Satze, —
359 Adagio .
Vno.I. •
fno. I. i
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i-tfMTr4^4^^
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Vno. II.
;>dolce
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Vc. « Cb.
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t=?
Vc.
m.
Cb.
den man sich etwa als Einleitung zu einer grössern Komposition zu
denken hat. Es wird stark, also mit vereintem Violoncell und Kontra-
287
bass eingesetzt ; an dem Pianosalz im dritten und vierten Takte — der
ohnehin im Ganzen und namentlich in der Unterstimme für den Kon-
trabass za hoch liegt — nehmen blos die Violoncelle Theil ; bei dem
Porte treten die Kontrabässe wieder zu. Dass die Violoncelle üllein
spielen sollen, wird mit
Fe. oder f^io/oncelii oder f^ioloncelli soli^
auch mit
senza Contrabasso^
dass der Kontrabass wieder zutreten soll, wird mit
Cb. oder c. CBasso oder c. 0«, auch Bassi
angedeutet.
Es scheint jedoch nicht rathsam , von dieser Zurückstellung des
Kontrabasses blos um des Piano willen und häufiger Gebrauch zu
machen, denn Piano und Pianissimo sind auch vom Kontrabasse zu er-
langen. Mit dem Rücktritte desselben geht aber die Tiefe, Fülle und
Würde des Streichquartetts zum guten Theil verloren, und es tritt der
schärfer eindringende , heissere Karakter des Violoncells mehr in den
Vordergrund ; dies ist selbst dann der Fall , wenn das Violoncell, wie
hier, —
3€0 AUegro.
Violino I.
Violino n
crescendo
•IPf crescendo. l/Zf VP
•SPP
Viola
p^^^^^
^fPP ' ' " crescendo.
Violoncello e Contrahasso.
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af-aK-»i>-ai»f -j _<^~V-|
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Vc.
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I
crescendo.
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5-fE
i^
^m
//Cb. Vc
tief liegt. Daher muss man in jedem einzelnen Falle erwägen, ob die
Auslassung des Kontrabasses und das Alieinwirken des Violoncells
dem Sinn des Satzes gemäss ist. In Nr. 3ö9 gab nicht blos das ge-
federte Piano, sondern auch die Höhe der Unterslimme Anlass, den
Kontrabass schweigen zu lassen. Hier, wie in Nr. 360, schien auch
der Sinn das Alleinwirken des Violoncells zu fodern; in beiden
Fällen tritt der Kontrabass nicht blos als Verstärkung, sondern da
ein, wo sein rauherer, dumpferer Klang und sein Sechszehn fuss-
toQ dem Sinne gemäss scheint. Dass selbst in Nicht- Pianosätzen
288
die Auslassung des Koolrabasses sinngemäss and wirksam sein
kann 9 mag eine Stelle ans Spohr's Oratorium: ,,der Fall Baby-
lon's^^ anschaulich machen*). In einem stark instrumentirten Rrie-
gerchor —
Hoch empor, da Siegesfaboe,
Perserbaooer ia die Lnft,
Porebt' ea, tapfre Stadi, aod zitlre !
soll der Preis des Feldherrn wärmer und edler , aber dabei stark ver-
kündigt werden. Spohr setzt zum Kriegerchor diese Begleitung; —
361 Marziale.
Yiolino I.
Viola.
^m^^^^^
Cy-ru8 sei-nen Arm er-he-hend, Cy-rus sei-ncn Armer -he-bend,
Bassi.
a^^=i
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f^
Violoncello.
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TEI
iteü
^
der schärfere und hellere Klang der Violoncelle giebt der Instrument!-
rung metallischere. Farbe und zugleich leichlern und edlem Schwung.
Die Kontrabässe (zugleich mit Klarinelten und Fagotten) treten erst
zuletzt hinzu ; wollte man sie mitgehn lassen, so würden sie das Ganze
zwar stärker, aber auch schwerfällig und ungestünl gemacht und jenen
metallisch scharfen Klang unterdrückt haben.
Dass die Kontrabässe bisweilen nur unvollständig an der Partie
der Violoncelle Theil nehmen, ist an Nr. 358 anschaulich gemacht
worden.
Seltner ist es rathsam, die Kontrabässe ohne Violoncelle gehn zu
lassen ; für sich allein haben sie nicht die im Allgemeinen wünschens
werlhe Klarheit und Deutlichkeit des Tons. Nur dann, wenn die Violon-
celle zu einer eignen Melodie oder Figur gebraucht werden, wie hier, —
*) Partitur bei BreitlLopf und Härtet, S. 97.
289
362 AUegro con brio
Vnol ^^
TiolonceUo. =3^± Ilf-
J^ ^trf-
Contraba88o
^^^
te^^
3^
^
ist die Führung des Kontrabasses fiir sieb allein ohne Weiteres gerecht-
fertigt. Aber selbst dann findet man es oft ralbsam, die Violoncelle zu
tbeilen und einen Theil zur Unterstützung des Kontrabasses zu verwen-
den. Aus den zahlreichen Beispielen hierzu greifen wir eins aus dem
oben genannten Oratorium von Spohr heraus, die Arie des Gyrus,
die so —
363 Larghetto.
Violiuo I._
Mars, KoBp.L.IV. 8.Aiiir.
290
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mich, dein schweres Wort, dein Ge-bot -will ich er - fiil
3B;
^^m
m
dim.
anfäDgl*). Hier sind die Violoncelle dreifach getheilt; das erste hat
seinen vom Bass ganz abweichenden Gang, das dritte geht durchaus,
das zweite grösstentheils mit dem Kontrabasse. Der weitere Bau des
Satzes kommt später in Betracht. — In den Fällen übrigens , wo das
Violoncell seinen mehr oder weniger vom Kontrabass abweichenden
Weg gebt, hat der Komponist zu erwägen: ob der Bass einer andern
Unterstützung bedarf.
So viel über die Trennung der beiden Bassinstrumeute. Allein
auch ihre Verbindung geschieht in mannigfacher Weise. Die regel-
mässige ist die oben zu Grunde gelegte , beide Instrumente dieselben
Noten spielen zu lassen , so dass der Kontrabass sie eine Oktave tiefer
zu hören giebt.
Kommt es aber darauf an, dem Bass eine strenge, harte Energie zu
verleihen , so kann dem Violoncell die tiefere Oktave (in Noten) gege-
ben werden, wie hier, —
*) S. 67 der Partitur. Das B — es io den ersten Takten der Bassstimme wird
von JE«-HIJrnern in Oktaven unterstützt.
291
^fe^t4=fe
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Violino H. ^^^ #•
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7
Viola
5-^
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Siizi^r
Violoncello.
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:*=45r
riiizipr^pz
^^
^fii^
-r
Contrahasso.
igg^fegEpg^ElE
itlTifSI
SO dass es nun in wirklieben Einklang mit dem Kontrabass tritt. Hier
bildet das Violoncell nicht mehr eine Verbindung zwischen dem Sechs-
zehnfusston des Kontrabasses und den Oberstimmen , sondern der Bass
bleibt abgerückt von diesen für sich stehn. Sodann aber vereinen sich
die rauhern und materiell stärkern tiefen Töne des Violoncells mit
denen des Kontrabasses und geben der Stimme einen ganz andern,
härtern Klang*).
Dasselbe Mittel finden wir in dem Spohr'schen Oratorium**)
selbst im Pianissimo angewendet , um dem Basse , von dem die Hälfte
der Violoncellbesetzung für eine eigne Stimme abgezweigt ist, —
365 Marzia. _
Viio. I
I. f '
II.
1^5^^.
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Vc
^
9s=Ä
H'i'':
^
^^^m
II,
PPl
Cb.
rr T T—rrTT—^
PP
festem Klang, gleichsam Ersatz für die entzognen Violoncelle zu geben.
— Es ist der Anklang eines Marsches , der den Sturm des Perserheers
gegen Babylon andeuten soll.
*) Man mag^ sich die Oberstimmen im obern Beispiel durch Harmoniemasik ver-
stärkt und aasgefdllt denken, um den Bass noihwendig zu finden.
♦*) S. %0% der Partitur.
19*
292
Nar äusserst selten mag Anlass zu dem Entgegengesetzten seio,
den Kontrabass eine Oktave (den Noten nach) unter das Violoncell
zu stellen, so dass er zwei Oktaven darunter ertönt. Doch finden
Vfiv eine karakteristiscbe Stelle in Spontini's Vestalia, in der In-
troduktion des dritten Akts*), die auf die, schwerer Bedrängniss
vollen Momente vorzubereiten hat. Der Komponist führt, wie man
hier —
366
Yioloa I.
vioiott n.
2 Haotbois.
Altos.
Yioloncelles.
Contre-Basses.
Andante sostenuto«
(Fagotte eiue Oktave tiefer mit den Oboen.)
EE^fei!^^!^
■^
1^^
^^^^^^f^
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a due.
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&:
*) S. 342 der Partitur.
293
sieht , seine Sireichinstrumente nach einander ein , das Violoncell zu-
erst, ein jedes heftig zufahrend und scharf accentuirt (beides, wie
Spontini's impetuoser Karakter es liebt und der Moment zu fodem
schien), doch stets wieder in das Piano — wie erschrocken — zurück-
tretend. Zuletzt tritt der Kontrabass auf in der ihm eignen Tonlage«
Aliein das Violoncell begleitet ihn eine Oktave (das heisst also zwei
Oktaven) höher, so dass wir in der That zwei geschiedne Instrumente
vernehmen, jedes in karakteristischer Lage , das Violoncell eindring-
lich und scharf, den Kontrabass in seiner dunkeln Tiefe. — Es ist
gleichgültig, ob eine solche Stellung wiederholte Anwendung findet;
sie dient, den Karakter der Instrumente vielseitiger zu erkennen. ,
Nächst dem Bass ist es
B. die Oberstimme,
die wir zu betrachten haben. Sie hat in der Regel die Hauptmelodie
und ist von der ersten Geige besetzt , welche dazu alle Tonlagen und
Kräfte zu benutzen vermag , die wir an der Violine schon im Allge-
meinen kennen gelernt. Soll die Melodie der Oberstimme hervortre-
ten, so müssen dazu die höhern Tönlagen der Geige benutzt und
TOD den begleitenden Stimmen abgesondert werden. Es bedarf
hierzu weder eines Beweises, noch eines neuen Beispiels; Nr. 362
genügt. Hier muss die erste Violine mit jedem Schritte , den sie
von den andern Stimmen hinwegthut, abgesonderter und nach dem
Karakter der Höhe (Th. I. S. 22) durchdringender hervortreten. Das-
selbe ist in Nr. 359 zu beobachten ; der zweite Abschnitt {b aag gf)
mass in der ersten Geige entschiedner wirken, als der erste; auch
im Piano werden ihre hochgelegnen und von der Begleitung abge-
sonderten Töne vorherrschen. Dass man übrigens nicht zu hoch
steigen darf, weil die höchsten Töne keine genügende Fülle haben,
ist bekannt. Dass es ferner nicht immer darauf ankommt und im
Sinn vieler Sätze gar nicht angeht, die Oberstimme hoch und ab-
gelegen zu führen, versteht sich von selbst; Nr. 361 und 363
können als Beispiele dienen. Nur ist gewiss , dass Kompositionen,
in denen die erste Geige beharrlich oder gar ausschliesslich in den
mittlem Lagen und in enger Stellung zu den andern Streichinstru-
menten gebalten wird, leicht den Glanz und selbst die Entschieden-
heit entbehren, die der Inhalt des Werks zugelassen oder gefedert
hätte. %
In der Führung der Oberstimme wird die erste Violine auf man-
nigfaltige Weise unterstützt. Abgesehn vom Zutritt der Blasinstru-
mente, von dem noch nicht die Rede sein kann, schliesst sich gelegent-
lich jedes Streichinstrument (mit Ausnahme des Rontrabasses) der er-
sten Geige unterstützend an.
294
Zunächst die zweite Geige, als das nächstliegende nnd durchaas
gleichartige Instrument. Entweder geht sie in der tiefem Oktave mit —
367 Risoliito, #-s^-
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,.vno. n
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EiiBES!^
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Bassi.
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und giebl damit der Melodie Fülle und Breite, macht auch dann die Füh-
rung der ersten Geige bis in die äusserste im Allgemeinen (S. 254) zu-
lässige Höhe statthaft, indem sie die höchsten Töne unterslützt und mit
der Masse verbindet. Oder sie geht mit der ersten Geige im Einklang,
verdoppelt also die Zahl der Spielenden*) und verleiht dadurch der
Oberstimme gedrungne Kraft und einen durch die Oktavverdopplung
nicht erreichbaren Glanz. So bedient sich Beethoven im ersten Satze
seiner CmoU- Symphonie zum Schluss des Hauptsatzes**) der Oktav-
verdopplung, —
368 AUegro conbrio.
Bläser u. Pauken
■'^f-^^
Violino II
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rim-tiizifjz
. Bassi
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I I I
~l 1 — H
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ir^i^
«) — und zwar, nach der gewöholicheu Stelluog, über die ganze Breite des
Orchesters, was die Wirkaog natürlich auch akustisch erhöht.
**) S, 6 der Partitur.
295
theils um die zweite Geige nicht bis in das hohe es hinanfeuwerfen,
iheils aber um mit breiter Fülle schnell und entschieden Ende zu machen
und sogleich den Seilensatz in feinerer Gestaltung folgen zulassen. Den
Gang aus dem Seitensatz aber führen die Geigen fest und glänzend im
Einklang aus*), —
1^- 1 — -• ' ■■■» ' — ■ *- ■*■
369
Violino
I. II.
Viola.
Baasi.
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obgleich sie unmittelbar zuvor in Oktaven gegangen waren und in der
Mitte wieder Oktaven nehmen.
Statt der zweiten Geige verdoppelt die Bratsche die Oberstimme,
wenn man durch ihren in der Höhe gepressten Klang der Melodie eine
dunklere Farbe geben will. So verfährt Spontini im Andante der
Ouvertüre zur Veslalin **) ;
370
Violino I.
Violino II.
Bläser .
Viola.
(Ob., Klar., Hörner, Fag.)
^^
t^s
Violoncello
e Basfto.
■'/ V
*) S. 9 der Partitur; die anfangs auf das erste Viertel, später auf das zweite
schlag^enden Blaser sind weg^gelassen. Aehnliche Beispiele sied zu häufig, als dass
es weiterer Aoführungen bedürfte.
•*) S. 5 der Partitur.
296
Fl, mit V. I
die zweite Geige fülit die Mitte aus, an ihrer Statt verdoppelt die Brat-
sche und giebt mit ihren eindringlichen Tönen der Melodie wärmere
Färbung. — Eine Stelle aus Mose*) darf angeführt werden, weil in der-
selben kurz nach einander der Einklang der ersten Geige mit der Brat-
sche und dann mit der zweiten Geige gefedert wurde. Es ist in der
Einleitung zum Abendgoltesdienste , nach den Worten Aarons :
Seid nan stille mit Weinen. Versammlet euch za einander ....
371
Yiolino I.
Violine II.
Viola.
Aaron.
Bassi.
Andante sostenuto, qnasi Adagio,
sul G.
' ^ : — ccr 'V -^ —
i
m
Se^
lÄT^
mi:
iMp:
&^T\Ttn^^
denn der Tag ist hin.
m3E
i3j_jir[f^^^^
*) S. 5» der Parlitnr.
297
^
/ > j' Vj^j^^ffr^-tri
dim.
^" ^ ' dim.
^
"Weinet nicht, ste-Ket auf!
m
=i&^^^^^^^^Eg^=-f=
WO nach den Aufregungen der vorangebenden Scenen Rübe wird und
den mühseligen Tag die beschwichtigenden Schatten des Abends erlö-
sen. Hier bot der Einklang der Bratsche die willkommne Farbe ; der
Einklang der Geigen deutet weiter auf den erbobnern Sinn des nachfol-
genden Gesangs.
Zart und glanzvoll zugleich ist die Unterstützung, die der Zutritt
des Violoncells zur ersten Geige gewährt. Es genügt dafür ein einzi-
ges Beispiel, das wir einem Ballet aus Spontini's Vestalin*) ent-
lehnen, —
372 Andante nn poco lento.
*) Akt 1, S. 166 der Partitur.
298
in dem sich die weiche Mittellage der ersteo Geigen mit den zarten und
dabei glänzenden höbern Tönen des Violoncells in Oktaven verbindet.
Die Bratsche wäre hier gedrückt und dunkel, der Einklang der Geigen
zu fest und herrschend , die tiefere Oktave der zweiten Geige zu mate-
riell gewesen ; nur der Untersatz des Violoncells verlieh der Melodie
mit erhöhter Fülle höhern Glanz, ohne ihr den schmeichelnden Aus«
druck zu schmälern.
Wenden wir nun unser n Blick auf
C. das Zusammenwirken
des Streichquartetts , so ergeben sich folgende Hauptgrundsätze theils
aus schon früher bekannten Erfahrungen, theils aus dem so eben Er-
mittelten.
Erstens ist es von höchster Wichtigkeit, das Streichquartett un-
getrennt beisammen zu halten, weil man nur dann über den wichtig-
sten Chor des ganzen Orchesters in voUkommner Kraft gebietet. Aller-
dings giebt es von diesem Grundsätze fast so viel Ausnahmen , als An-
lässe da sind , eine oder ein Paar Stimmen allein oder eine nach der
andern eintreten zu lassen. Aber diese Ausnahmen bestärken nur die
Regel. Wenn — um gleich den entschiedensten Fall hinzustellen —
ein Fugensatz allerdings erst eine Stimme aufführt, dann eine zweite,
dritte zutreten lässt: so wissen wir doch (Th. II. S. 348) längst, dass
die Durchführung nur mit dem Eintritt der letzten und im Zusammen-
wirken aller zur Vollendung und höchsten Kraft gelangt. So hebt der
Spontini'sche Satz Nr. 366 mit einer einzigen Stimme an, erreicht
aber seinen Gipfel doch erst im fünften Takte. So treten inBeetho*
ven's CmoU-Symphonie nach den ersten Schlägen die Streichinstru-
mente nach einander ein, allein sie eilen gleichsam zur Wiedervereini-
gung. —
373
Violino I.
Violiiio n.
Viola.
Bassi.
(Klarine Iten mit^
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I
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nachdem sie vereint in voller Kraft aufgetreten waren; — bei f ist
Tutli des ganzen Orchesters. Diese Form wiederholt sich mehrmals in
demselben Satze.
AufTallender ist der Anfang des Allegro in Beethoven's dritter
Leonoren-Ouvertüre. Hier tritt das Streichquartett allein auf, die erste
Geige vom Violoucell in Oktaven unterstützt, — r
374
Violino I.
Viola.
Violoncello.
Contrabasso.
Si=^'
331
E^Epf^iES
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während die zweite Geige erst im neunzeboteii Takte (sechs Takte
früher sind schon die Bläser mit Ausnahme der Trompeten und Posau-
nen eingetreten) sich anschliesst und die erste in tieferer Oktave unter-
stützt. Allein hier ist der ganze Hauptsatz so breit angelegt und die
Melodie so weit und so allmählich hoch emporgeföhrt, dass die Ver-
bältnisse sich durchgängig erweitern und der Komponist seine Kräfte
sorgsam zu Rathe ballen musste , um für die weit ausgedehnte Steige-
rung (erst im neunundzwanzigsten Takte wird der Gipfel, das Fortis-
simo, erreicht) stets genügende Mittel zu finden.
Zweitens ist schon aus den allgemeinen Grundsätzen über Har-
monielage (Tb. I. S. 146) zu entnehmen, dass auch im Streichquartett
die Stimmen — und besonders die Mittelstimmen — fest zusammenge-
halten werden müssen, wenn sie fest und kräftig wirken sollen. Dieser
Grundsalz ist bei dem Quartett doppelt wichtig, da die Streichinstru-
mente keinen so gesättigten aushallenden Klang haben , wie die Blä-
ser, mithin nur durch Zusammenwirken Fülle und Kraft erlangen kön-
nen. Steht nun ein Satz (wie z. B.Nr. 373) überhaupt in enger Stimm-
lage, so ist damit schon das Rechte erreicht: Wird aber die Oberstimme
hinaufgeführt, wie z. B. in diesem Salze, —
375 Allegro agitato.
Yiolino I.
301 —
oder setzt sie gleich hoch ein, wie hier, —
376 Allegro moderato.
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oder treten Ober- und Unterstimmen auseinander , wie in Nr. 362 : so
müssen die andern Stimmen oder wenigstens die Mittelstimmen zusam-
mengehalten werden , wenn nicht das Ganze an Haltung und Energie
Terlieren soll. Und zwar muss um so sorgfältiger für eine feste Mitte
gesorgt werden, je weiter und länger die Hauptstimmen sich von ihr
entfernen.
Der Zusammenhalt wird übrigens befördert , wenn es nach dem
Inhalte des Satzes möglich ist, den Mittelstimmen eine Bewegung zu
geben, die durch Ton Wiederholung oder tonhäufende Figuration ersetzt,
was den Streichinstrumenten an Klangfülle (im Vergleich zu Bläsern)
abgeht. Wollte man daher in Nr. 376 Bratsche und zweite Geige ihre
Töne nur in ganzen oder halben Tönen oder Vierteln ausfuhren lassen,
so würde zwar derselbe abstrakte Toninhalt, nicht aber die rhythmi-
sche nnd Scballkraft erzielt, die dem Ganzen Halt gäbe. Eine Figura-
tion der Mittelstimmen, z. B.
377
Vno. I
■r^€IMA
kann unter Umständen diese Haltekraft noch vermehren. Die Mehrzahl
der vorangegangenen Beispiele zeigt bewegte Mittelstimmen*).
Endlich ist noch die
D. besondre Bestimmung der IDttelstimmen
zu erwägen \ ihre allgemeine ist eben, die mittlere Harmonielage oder
die zweite und dritte Stimme im Quartett zu sein.
*) Hierzu der Aobang M.
302
Dass Erstens sowohl die zweite Geige, als die Bratsche (und
das Violoncell) gelegentlich zur Verstärkung der Oberstimme dienen,
ist schon S. 293 dargelegt.
Bedarf Zweitens der Bass einer Verstärkung, so ist im Quartett
keine andre Stimme dafür vorhanden, als die Bratsche. So sehen wir
hier —
378 Violiiio I.^ ^ ^ ^
"*Ä"^
dieselbe den Bass im ersten Abschnitt im Einklang , im zweiten in der
Oktave verstärken. Die erste Form ist unstreitig die energischere,
weil sie fester an den Bass schliesst und die markigen Töne der Brat-
sche zur Anwendung bringt. Die andre stellt über die Oktaven des
Basses (Violoncell und Kontrabass) eine dritte Oktave, hat also nicht
die gedrängte Kraft des Einklangs, statt deren aber die weite Lage
dreier Verdopplungen für sich , — abgesehn davon , dass der Einklang
nicht immer (nämlich bei zu tief gehenden Bässen) anwendbar ist*). So
*) Oder hätte man ia Nr. 378 die Melodie äodera und, sobald es ging, z. B. so
wie hier bei a., —
379 1-^^
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b.
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in die tiefere Tonlage einlenken sollen? — Aefanliches Hesse sich oft anch mit der
verstärkenden zweiten Geige thun, z. B. in Nr. 368, wo dieselbe wie in Nr. 379 b.
gefdhrt werden konnte, da es nicht rathsam schien j sie gleich so hoch wie die erste
Geige einsetzen za lassen.
Allein dieser Aasweg leidet an der Zweideutigkeit nnd Schwäche, die jeder
Halbheit eigen sind. Dnrch das Umlenken in die andre Tonregion wird der eigen-
thiimliche Gang der Melodie gebrochen; sie ist gewissermassen eine andre gewor-
den und doch im Wesentlichen dieselbe geblieben. So verstärken sich zwar die
Töne der Melodie (and einige nachdrücklicher), nicht aber die Melodie selber, die
unterstützt werden sollte und statt dessen zweigestaltig geworden ist.
Man hat daher in jedem eiozelneo Falle wohl zu überlegen , ob es wichtiger
ist, einen Theil der Töne im Einzelnen oder den Gang der Melodie im Ganzen zu
verstärken ; im Allgemeinen thut man gut, den letztern so selten und so wenig wie
möglich zu beeinträchtigen.
303
giebt Beethoven in seiner heroischen Symphonie dem berühmten
Andrang der Bässe gegen den Gesaog der Bläser —
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380 AUegro coa brio. Fl. J -t- J J J ^tli^ ^ r* Y^ -O- ^
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Violino I.
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die Bratsche in höherer Oktave mit. Die Stimme sollte an Ausdehnung,
nicht an Schalikraft (denn es ist piano vorgeschrieben) gewinnen.
Eine eigenlhümliche Stellung nimmt die Bratsche gegen Bass und
Violinen in Mozart's ,, Entführung** ein, in dem Terzett ,,Fort, fort,
fort^^ In diesem überaus leicht und geistvoll geschriebenen Satze geht
sie mit dem Bass in der Oktave, dringt aber dabei —
381 Violine I. II.
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Bratsche ._
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Yioloiicell und Kontrabass.
304
in die Partie der rereinten ersten und zweiten Violin, die offenbar nichts
als Figaration der Bass- und Bratschenstimme ist. So geht also , dem
Wesentlichen nach , das ganze Quartett im Einklang' und die leich-
ten Striche der Bratsche heben die Haupttöne der Geigen nur noch klin-
gender hervor, während sie zugleich den Bass dnrch ihre höhere Lage
gleichsam erhellen. Eine Verdopplung des Basses, im Einklang würde
ihn und das Ganze mürrisch gemacht haben.
Die Verstärkung des Basses durch die Bratsche kann noch beson-
dern Anlass darin Gnden, dass man jenem die Violoncelle entzogen, um
sie zu besondrer Melodie zu yerwenden, wie z. B. hier, —
382 Allegro moderato.
Violiao I.
Viola, pizz.
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Violoncello.
ÖS^
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con anima.
ConlrabaAso. pizz.
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^
oder ihnen sonst eine andre Aufgabe zu stellen. So begleitet Beetho-
ven im ersten Duett des Fidelio*) das verlegne Stammeln Jaquino's,
der bei Marzelline kein Gehör findet , mit dem zaghaft und murmelnd
schlagenden Violoncell, — (Siehe das Beispiel 383, folg. Seite.)
während die Bratsche den Bass unterstützt ; — freilich eine Oktave zu
hoch liegend » weil der Bass in der höhern Oktave zu positiv , zu ge-
drungen für die herrschende Gemüthslage ansprechen würde. Ja» es
kann sehr wohl der Fall eintreten, dass man die Bratsche mit dem
Basse gebn lässt, weil sie keinen eignen Gang nehmen kann , ohne un-
bedeutend oder störend zu werden ; eins oder das andre würde z. B. in
diesen Sätzen der Fall — (Siehe das Beispiel 384, folg. Seite.)
und daher vorzuziehn sein, die Bratsche im ersten Salz in der Oktave,
im zweiten im Einklang mit dem Basse gehn zu lassen.
Wie die Bratsche vorzugsweise geneigt ist, sich zum Basse zu
halten : so schliesst sich die zweite Geige gern der ersten an , da beide
*) S. 49 der Partitur.
305
4IS$ All«gro modgrato^
Fagotte
''^tjffTfifitjj^Wfm^üiii^TiW^
gleicher^Art und gewöhnlich in gleicher Stärke besetzt sind. Dies haben
wir schon an den Verdopplungen der Oberstimme (S. 294) beobachten
können. Es folgt aber daraus, — und dies ist die dritte und letzte Be-
merkungy — dass auch im Zusammenwirken die mit einander gehenden
Stimmen gern den beiden Geigen — und ihnen gegenüber der Bratsche
und dem Basse gegeben werden. Sätze also, wie diese, —
$85 VioUno I. 11
•7^
liarx,RoMp.L. IV. S.Aiiil,
.306
wirken am besten , wenn die henrortretenden iiad nSohst verbandneD
Slimmen den gleichen und gleicbbesetzten Instrumenten gegeben sind ;
sie würden verlieren , wenn man Bratsche und zweite Geige ihre Stim-
men wechseln liesse. Ueberhaupt giebt man hervortretende , oder b^
weglicher oder stärker herauszuhebende Partien — wenn sie beiden
Instrumenten gleich bequem liegen — lieber der zweiten Geige, als der
Bratsche, weil die letztere nur in den den Geigen fehlenden tieCitea
Tonlagen grössere Kraft, in den hohem dagegen die Violine mehr Hei*
ligkeit und wegen der starkem Besetzung mehr Kraft hat. Daher —
um aus zahllosen Beispielen eins herauszuheben — setzt Haydn ia
seiner />dur-Symphonie*) S05 —
386 AUegro.
^^^^^-^^^,
er giebt der zweiten Geige die tiefere, aber sogleich durch Terz und
Grundton hervortretende und gradaus geführte Stimme, und dann die
Bewegung, der Bratsche aber die durchaus untergeordnete Partie. Ja,
*) S. 4 der Partitar, Breitkopf und Bärterscbe Ausgabe Nr. 2. Die mitwir*
kendea Bl&ser kommea für aniera jetzigen Standponkt nicht in Betrackt.
— ao7 —
wo die Geifea mäclitig und bell nach ihrem Karakter wirken sollen^ —
z. B. in ihren Gängen im Einklang oder in der Oktave in Nr. 364 «od
367, — zieht man die Bratsche oft lieber zum Bass oder beschäftigt
sie (wenn es auch nicht um des Ganzen willen nöthig sein sollte) als
Fällstimme, als dass man sie mit den Geigen , etwa in der tiefem Ok-
tave , mitgehn liesse , wo sie doch nur einen schwächlichen und ab-
stechenden Beiklang gäbe.
Dritter Abschnitt.
Ausnahmsweise Organisationen oder Verwendungen.
Wir haben im vorigen Abschnitte die Vierstimmigkeit als Grund-
form in der Besetzung und Behandlung des Streicherchors anerkennen
müssen ; sie ist in der That von allen Komponisten in den bei weitem
zahlreichsten Fällen ebenso angesehn worden. Indess konnten wir
schon dort gelegentlich Abweichungen von der Grundform ^bemerken.
In Nr. 368 ist nur eine Bratsche genannt; aber es-ges in der kleinen
Oktave können nicht von einer gespielt werden. In Nr. 363, 365 und
372 sind zwei oder drei Violoncellpartien gesetzt ; in Nr. 367 , 375,
376 hätte Theilung einer Mittelstimme in zwei stattfinden können. Auf
der andern Seite hat nicht unerwähnt bleiben können, dass das Quar--
tett nicht unausgesetzt alle seine Stimmen in Thätigkeit setzt. Wir
haben nach beiden Richtungen einige Betrachtungen anzustellen.
A. Temebning der StimmsaltL
Die Vermehrung der Stimmzahl findet zunächst statt, wenn die
Vierstimmigkeit für die Darstellung des reinen Gedankens nicht zu-
reicht. Als Beispiel diene Nr. 368. Wenn es einmal nöthig war, den
Gang der Oberstimme durch die zweite Geige zu verstärken, so be-
durfte Beethoven zweier Bratschen, um die Harmonie nicht zu un-
vollständig zu lassen*).
Dehnt sich nun das Bedürfniss einer grossem Stimmzahl auf
einen ganzen Satz aus, so wird, wie sich versteht, eine der vier
Normalstimmen — oder werden deren mehr in zwei oder mehr Partien
gelheilt und in der Partitur — jenachdem die Stimme Raum fodert —
jede der flinf, sechs oder mehr Stimmen , oder zwei und zwei zusam-
mengehörige auf ein System gesetzt. So beginnt z. B. Spontini den
*) Zwar ist sie im Bläserchor vollständig ; sie masste es aber i|iich in Strei-
cherchor seia ; c-e$ oder e-ge» allein hätte zu dürr dorchgeklnogen .
20*
308
Trauerau&ug im dritten Akte der Veslalin , der Julie zum Tode ge*
leitet *), —
387
I.
Violini.
n.
3 Tromboni.
Timpani eaFa»
en sourdineA. ^
^=n^yi/-rE=i^=^^
mit zwei Bratschen.
*) S. 389 der Partitor.
309
bt aber die TheüoBg einer Stimme aar yoriibergehend, so wird
ne — wie wir eben&Us bei Spontini sehn — durch
divisi (div.)
©der durch P und IT*", oder wenigstens durch Hinauf- und Hinunterstrei-
chen der Noten (wie in Nr. 365 in der Bratsche) angedeutet. Biswei-
len unterlassen die Komponisten Beides , was nur dann zu billigen ist,
wenn die Spielart (wie in Nr. 368 , wo eine Bratsche unmöglich beide
ihr gegebnen Töne nehmen kann) ausser Zweifel ist. — In Nr. 359
hatte allenfalls das Hinunterstreichen für den Kontrabass unterbleiben
und blos die Oktare /7-£i{ notirt werden können; denn da der Kontra-
bass das grosse D (in Noten) nicht hat , so versteht sich von selber,
dass er nur das kleine nehmen kann*).
Die Theilung einer oder mehrerer Stimmen findet übrigens nicht
blos darum statt, weil man eines vollständigem Satzes überhaupt be-
darf, sondern auch , um Sätze, die allenfalls auf einem Streichinstru-
ment in Doppelgriffen gegeben werden könnten, sicherer und deutlicher
zu erhalten, sowie endlich um besondrer von diesem oder jenem In-
strument zu erlangender Wirkungen willen.
Es ist nämlich einleuchtend , dass ein einzelner Ton leichter, be-
stimmter, fester getroffen werden kann, als selbst der leichteste Dop-
pelgriff, — schon dess wegen , weil der Bogenstrich eine einzige Saite
bestimmter fassen kann, als zwei. Wie vielmehr muss dies von schwe-
rem Doppelgriffen gelten! Die erste Hälfte des Spontini'schen Satzes
Nr. 387 könnte ohne Schwierigkeit von einer Bratsche ausgeführt
werden, die zweite ist auch nicht zu schwer ; doch ging der Komponist
sicherer und gewann deutlichere Ausführung, indem er die Bratsche
theilte.
Zugleich haben wir an diesem Satze das erste Beispiel einer Stimm-
verdopplnng nm einer besondera , karakteristischen Wirkung willen.
Das Tremolo der Streichinstrumente, ihre enge Lage, das in die Tiefe,
*) Es ift jedoeh io aden Fällen die dentliebste Schreibart voraniiebD und oa-
meBtlieh nicht zo billigen, dass viele Komponisten in der Bassstimme bisweilen un-
gewiss lassen, wie sie den Kontrabass geführt haben wollen. Wenn fdr Violoneell
oad Kontrabass dieser Gang —
gegeben ist, so hat das Violoneell ihn wörtlich ausznfahren ; aber dem Kontrabass
fehlt der letzte Ton, er muss irgendwo in die hSbere Oktave treten. Soll er nun in
einer von diesen Weisen —
oder Boeh anders spielen? — Das kann in vielen Fallen sehr zweifelhaft sein.
310
in den Einklang mit dem Rontrabass gelegte Violoncell, die in die Be-
bungen des Quartetts dumpf bineinroilende Panke mit den Msen vmi
engen Posaunenklängen, — Alles dient, dem schauerlichen Todesge-
leite die karakteristiscbe Farbe zu geben. Hier musste die Bratsche
mit ihrem trübem, rauhern Klange besonders geltend gemacht werden;
sie geht in Oktaven mit den Geigen einher. In gleicher Weise braucht
Spohr in Nr. 363 die VioIonceUe zur Verdopplung der Mittelstimmen
bald in Oktaven, bald im Einklang; er will damit dem Gesang des Kö-
nigs eine klang- und würdevollere Unterlage geben , als Geigen und
Bratsche für sich allein vermocht hätten. Als drittes Beispiel stehe
^'^^— 'divisi —
ein Satz aus dem Allegro von Spon tini's Ouvertüre zu Olympia. Der
Hauptsatz und überhaupt der grösste Theil dieser Romposition ist von
feurigem, starkem Karakter ; der Seitensatz , aus dem unser Beispiel
genommen, ist zart gebildet und von leichter Bewegung. Wenn der
Tonsetzer hier zu Verdopplungen griff, so war es ihm also nicht um
verstärkte Schallkraft zu thun, noch weniger um Vielstimmigkeit, da
er vielmehr nur drei oder vier Stimmen braucht. Er will aber seine
311
Melodie fein oad zart betooen. Der Kern derselben liegt ia der zweige-
stricboea OlLtave, wo sie von der ersten Violine, ersten Klarinette und
ersten Flöte vorgetragen wird ; das erste Fagott geht in der ihm ge-
bührenden Tonlage (eine Oktave tiefer) mit. Nun aber bedurfte es
noch jenes feinen, eindringlichen Aroms gleichsam , mit dem der sonst
so impetuoseTonkünstler seine zarten Sätze zu durchhauchen liebt. Und
dies gewährt ihm die feine , bell eindringende hohe Tonlage der Vio-
line; die erste Violine wird getheilt und führt die Melodie in Oktaven.
Hiermit ist möglich geworden , die zweite Violine noch^ in der tiefern
Oktave mitzufahren , so dass der Klang der Geigen drei Oktaven über
einander für die Melodie gewonnen ist. — Keine andre Kombination
hätte das Gleiche gewährt. Das Nächstliegende wäre gewesen, die erste
Violine mit der Klarinette in der zweigestrichnen, die Flöte in der drei«»
gestrichnen, das Fagott in der eingestrichhen Oktave zu führen, und
die übrigen Streichinstrumente zur Begleitung zu verwenden. Allein
dann hätte die milde und ruhige Flöte obgesiegt und den nervös aufge«
regten Geigenklang zugleich befestigt und beschwichtigt. Hätte mai|
beide Geigen in Oktaven geführt (wie jetzt die getheilte erste), so wäre
die Melodie, namentlich in der obern Oktave , zu beladen gewesen und
jedenÜEills die dritte Oktave eingebüsst worden. Jetzt schwebt der Gei-
genklang über allen Stimmen , und zwar in leichter (halbstarker) Be«
Setzung. Selbst die Flöte weicht um seinetwillen aus der ihr (S. 162)
gebührenden Region und — mildert (S. 163) die Klarinette.
Dass, dieser Darstellung der Melodie gegenüber, auch die Bratschen
und Violoncello sich getheilt in Oktaven über einander stellen mussten^
lencbtet ein. ^
Hier war die Theilung der ersten Violine gerechtfertigt, weil eben
die höchste Oktave im Sinne des Komponisten den zartesten Klang
haben musste und zu massiv geworden wäre, hätte man etwa die ganze
erste Violine für die hohe Oktave verwenden , die zweite aber für die
beiden untern Oktaven theilen wollen. In den meisten Fällen wird man
aber anders zu verfahren haben ; die erste Violine wird man zum Vor-
trag der Haaptstimme oder zu einer hervortretenden Figur zusammen«*
halten und die etwa nöthigen Theilungen in der zweiten Violine oder
der Bratsche, oder in beiden vornehmen. Ebenso wird man nicht ohne
besondern Anlass den Bass -^ die andre Hauptstimme — durch Abtreu-
nmig oder Zertheilung der Violoncello schwächen; doch dürfte dies
immer noch häufiger rathsam sein , als die Theilung der Oberstimme.
So finden sich in Beethoven's Pastoralsymphonie, in diesem von
fruhlingfrischen Lebenssäften üppig überquellenden Naturbilde, häufige
Verdopplungen der Bratschen entweder in eignen Gängen, oder zur
Unterstützung der Geigen, z. B. im ersten Satze*), —
*)$.4St «od 59 der Breitkopf-Härtel'sebeii Partiter. In ersterit Satze sind die
BUUer nur anvoUstSndig aogedeolet, im letstero gebeft die Höroer uod KontralmMe
atz
891 AU^gro, ma non troppo
Blüser, cresc.
i
JSL^'-^ |-gj!g |ia^£a|£g^=H
oder der Violoncelle anter der zweiten Geige nnd Bratsche, z. B, im
Andante, —
(diete piMzioato auf jedem ersten Viertel) deo GrandtoD. In Nr. 391 sind die fimt-
aeken gescliriebeo, als hättea sie doppeUrriffiges Spiel ; es rerstekt aiek aber, dass
sie getbeiU sind, — es fehlt die BeMiehamig di»i$ü
313
3«^ Tiolino I. 11,
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i@iil
».^l.V'j >T^|Ii!!r-^-^i•;^4j:JL_^_gL4:4ri^
'^gjairv^iifs:t£j^^
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Viola.
^arg^^l
während die erste Violine (und hier auch die zweite) angetheilt bleibt.
Auch in diesen Stellen ist nicht eigentliche Mehrstimmigkeit ^ sondern
diese saftige Breite im warm rieselnden Klang der Streichinstrumente
beabsichtigt.
B. nnvoUstlndiges Cinartett.
Dass man nicht ohne wesentlichen Nachtheil — wenigstens nur
in äusserst seltnen Fällen — eine oder gar mehrere Stimmen des
Streichquartetts ganze Tonsätze hindurch aufgeben kann, ist
schon S. 285 erwogen. Gleichwohl kann oft und unter mancherlei
Umständen eine Zeitlang eine oder die andre Stimme aufgegeben
werden.
Wenn es im Bau oder Sinne der Romposition liegt, dass sie sich
eine Weile auf wenig Stimmen beschränke: so versteht sich jenes Opfer
von selber. Es liegt z. B. bekanntlich im Gedanken der Fugenform,
dass sie znerst eine (oder zwei) Stimmen eintreten und die andern fol-
gen lässt; eine Fuge für das Streichquartett muss also nothwendig zu
Anfong mit nnvoUständigem Quartett anheben*). Und selbst hier könnte
bisweilen eine andre Wendung möglich und erfolgreich werden. Sollte
z. B. eine Fuge nach einem stark geführten Einleitnngssatz ebenfalls
stark einsetzen, so könnte die anhebende erste Geige durch die zweite,
die antwortende zweite durch die Bratsche, die Bratsche durch dasVio-
loncell (im Einklang) verstärkt werden und das letztere mit dem Ron»
trabass als vierte Stimme die Durchführung vollenden. Aehnliche Ge-
staltungen können auch in figurirten und freien Sätzen eintreten.
*) Eine der n&ehtissten WirknngeD hat Häodel, ohnehin in solchen Sehll-
geo stark, in seiner Schlnssrnge znm Messias erreicht Nachdem er die erste
Dnrehfohrnng bis zun Totti hiDaufgefdhrt, intonirt die erste Geige in der H8he
ganz allein das Thema, die zweite antwortet nnter dem Gegenspiel der ersten, nnd
«na tritt das ganze Orchester mit Trompeten nnd Panken nnd der ganze Chor, das
Thema im Basse, in höchster Gewalt nnd Pracht entgegen. Ahermals fSihren beide
Geigen allein einen Zwischensatz ans nnd ahermals strömt die volle Masse von Chor
nnd Orchester anf den angedonnerten flörer nieder.
314
Sie können endlich — vnd dies bedarf nocli einer genanem Er*
wägung — anch im besondern Sinne der Komposition ihren Anlass
haben. Wenden wir uns hier gleich an einen der entscheidendsten
Fälle, an das unsterbliche Aliegretto in Beethoven's y#dnr-Sfmpho*
nie. Auf die tiefere Bedeutung dieses Satzes*) ist hier nicht weiter einzo*
gehn; genug 9 Beethoven führt ihn aus der Tiefe empor. Folglich
liegt ihm die Geige fiir den ersten Anfang zu hoch und er setzt sein
Thema zuerst nur in Bratsche, Violoneell und Rontrabass ein. Allein
selbst hier zeigt sich das Bedürfniss der Vierstimmigkeit ; die Bratschen
werden vorübergehend zweistimmig, die Violoncelle theilensich, sie
führen zur Hälfte eine eigne Stimme, zur Hälfte gehn sie mit den Kon-
trabässen, so dass der Satz**) —
ten. ^
3tö <
tt=4=Äa^4s
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len
j- — (-4—4», — ^_+ p-j.-4._A — A_4 1 ■ i \ * — t.-4._M \. . _|. .
1"1 — rf"1'~T1~FT"
drei- und vierstimmig wird. Diese ganze Gestaltung erstreckt sich über
den zweiten Theil und dessen Wiederholung, vierundzwanzig Takte
lang. Dann tritt die zweite Violine zu und Bratsche und erstes Violon-
eell fti Einklänge —
394 Violiuo II.
ten.
bilden ans den vorigen Mittelstimmen einen Gegensftiz; derBass ist
figurirl. Endlich tritt auch die erste Geige zu, —
*) lieber deo Satz und die Symphonie, der er aDgektfrt, überteif t tlberB«etb»-
veB's Werke, kat fttch der Verf. io „L. v. Beetkovaa, Leben uad Sehaffaa"
(1869) anigesproebea.
♦♦) S. 65 der ParUtar.
315
395 Violino I.
fen.
f^
cfciic:
:t=t-
=P=i
m
-ß-A-ß-\
febfe
t=^
P cresc. poco a poco
Violino li.
^^^^^^^^^^S
Viola e Vc. I.
^p^^g^^^^^
Vc. U. e Cb.
^^"^^^^p^^fei^^
die zweite nimmt den Gegensatz , der Bass gestaltet sich wieder um,
erstes Violoacell und Bratsche fahren ein neues Figuralmotiv im Ein-
klänge durch. Erst mit dem neunundvierzigsten Takt ist also das Quar-
tett ToUsiändig geworden und eine wirkliche Vierstimmigkeit festge-
stellt. Das Weitere (der Eintritt einiger Bläser sechszehn Takte weiter,
die ntehmalige Wiederholung des Thema^s vom vollen Orchester)
kommt hier nicht in Betracht.
Dies ist vielleicht der ausgedehnteste Satz mit unvollständigem
Quartett. Aber der Beweggrund ist nicht zu verkennen ; es kam darauf
an, ein Thema in dreimaliger Erhebung durchzuführen, und zwar va-
riirt. Hiermit war die Wahl und Anordnung der Instrumente entschie-
den, '— namentlich zu Anfang die Beschränkung auf Bratschen und
Bässe. Glücklich stimmt der dunklere Klang dieser Kombination zum
Thema und der Idee des Ganzen, die sich dann in der allmählichen
höhern Erhebung und Steigerung des Orchesters weiter entfaltet.
Eine ähnliche Anlage giebt Beethoven im Pidelio der Einleitung
in das kanonische Quartett*). Auch hier —
396
Viole.
Violoncelli.
li^
\
Contrahasso.
Andante soslenuio.
sempre «
sempre p
^
•-T-7— 1t
•f^
'pizz.
^p§^EE?E3EE^
♦) S. 94 der Partitur.
316
^^^^^^
i
]fct:
'^^.
beginneo Bratschen, Violoncelle und Bass ohne Geigen and BISser; ihr
danklerer Klang soll zu dem Gesänge stimmen , in dem jede der theil-
nehmenden Personen von geheimen Sorgen nnd Vorstellangen bewegt
ist. Nach der Einleitung hebt Marzelline den Kanon an, von Brat-
schen und Violoncellen in der tiefern Oktave pixxicato unterstützt;
zwei Klarinetten in der sanften Tonlage bilden einen Gegensatz. Dann
tritt Leonore kanonisch ein, von der zweiten Violine /yfs«icff/o im Ein-
klang geleitet; zwei Flöten (ohne Klarinetten) nehmen — ebenso sanft
wie jene, aber süsser — den Gegensatz. Nun erst, mit der dritten Ge-
sangstimme (Tenor), erscheint die erste Geige. Das Weitere dürfen wir
übergehn; unser jetziges Interesse wendet sich vornehmlich der Einlei-
tung zu.
Noch konzentrirter setzt Beethoven das Andante seiner Cmoll-
Symphonie*) blos mit Bratsche, Violoncell und Bass ein, —
die erstem im Einklänge die M^die führend.
*) S. 45 der Partitar.
317
D%8 leiste Beispiel enllehnen wir aas Spontini's Vestalin, aus
dem Morgeobymnus der Priesterinnen*) im ersten Akte. Hier —
Hymne du matin. Fliltes«
Larghelto eon moto. p trösdouz.
*^*_ Yiolon I. r«ligi«n«emejit. --*^
*) S. 57 der Partitar.
ats
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^^i^^^^^ftg
tritt zwar das volle Streichquartett mit vier einleitenden Takten ein,
das eigentliche Thema aber (Takt 5) wird nur von Bratschen gegeben,
die, bald von Fagotten, bald von Flöten, Klarinetten, Oboen begleiiet|
die Hauptpartie im Orchester bilden^ während die Violinen zu Zwischen*
Sätzen verspart werden. Dass jene und nicht die Blasinstrumente all
Hauptpartie gelten , erkennt man schron daraas , dass kein Blasinstru-
ment die Melodie vollständig vorträgt, sondern eins das andre ablöst
nnd dabei öfters (z. B. mit den Klarinetten zum ersten, mit den Flöten
zum zweiten Mal) willkührlich — nämlich in Bezug auf das Melodische
des Satzes — eingesetzt wird. Dass ferner hier die Bratschen nicht
um tieferer Tonlage willen genommen sind, ist ebenfalls klar; sie gehen
bis zum zweigestrichueny* hinauf, könnten der Tonlage nach fast durch-
gängig vollkommen gut, ja zum Theil noch bequemer durch Geigen
(wenigstens für die Oberstimme) ersetzt werden. Es ist also klar, dass
es dem Komponisten um ihren Klang zu thun war, dessen bedecktesi
verhüllteres Wesen ihm der feierlichen, still-jungfräulichen Würde des
Vesialenhjrmnus entsprechend schien. — Ebenso verfährt der Kompo*
nist im jzweiten Gesang der Vestalinnen, im ersten Finale*), wenn mit
dem Anrufe —
♦) S. 121 der Parlitor.
819
De Ve«ta eM^te prdtr«we
»ir Weihe tind Krönuag 'des Triamphators gesehriUen wird« Auob
hier führen Bralsehen den Gesang nnd haben sogleich mil dem zweige-
striebnen e — c, in der bequemsten Geigenlage, etazusetzen. Auoh hier
werden die Geigen zu den starkem Zwischensätzen aufgespart und
überlassen den Bratschen durchaus die Führung der Hauptpartie.
Dass übrigens das Aufsparen der Geigen zu den Zwischensätzen
ein zweiter Bestimmungsgrund für den Komponisten gewesen, ist nicht
zu übersebn. Allein 9ur Ausführung und zum Hervorheben der Zmu
schensätze blieben ihm (z. B« durch Zuziehnug von Bläsern) mannig*
fache andre Mittel , nnd er würde sich blos um ihretwillen nicht das
Bauptorgan des Orchesters versagt haben , wenn ihm nicht die Brat«-
sehen karakteristischer für den Ausdruck des Moments erschienep
wären.
Die Bedeutsamkeit aUer in diesem Abschnitt au%ewiesnen Gestal«
tungen ist nicht zu verkennen. Wer dieser Gestaltungen unkundig
wäre, oder sich eigensinnig ihrer enthalten wollte, würde eine unbe-
rechenbare Reihe von karakteristischen Wirkungen einbüssen , ja bis*
weilen bei den einfachsten Aufgaben in Verlegenheit sein. Wie wollte
er z. B. die Fortestelle in Nr. 391 im Quartett gestalten? Sollte die
Bratsche zum Bass treten? -^ oder mit der ersten Geige Oktaven bil-
den —
Violini jj;r^^^
Viola.
ZU schreierischer Verdopplung? oder statt dessen die zweite Geige
fiberladen? oder wollte man ihr das Violoncell, —
400
Violini.
VioU.
ViolonceUo. lll^ÖSE
gftSfrffj^^^^^
i^fe
Wie bei a., zur Unterlage, oder — was wegen der überlegnen Hellig-
keit und Kraft desselben jedenfalls vorzuziehn wäre — zur Oberstimme
geben, wie bei b«? Dies wäre noch die beste Gestaltung von allen vor-
320
geschlagenen; aber auch sie verbände zwei ongleicharüge Organe, wo
man gleiehartigen Klang brancht, schwächte nnd yerdumpfte den Bass.
— Oder wollte man endlich der Bratsche eine eigne Figor geben nnd
dadurch dem einfachen Satze seine Klarheit entziehn? — Man erkennt,
dass nur die Theilang der Bratsche das Rechte giebt nnd dass in vielen
Fällen, z. B. wo mehr als vier Stimmen gebraucht werden, ohne
Stimmvermehrung gar nicht auszukommen ist. '
Demungeachtet wollen wir eingedenk bleiben , dass jede Tbeilung
der Quartett^artien oder jede längere Auslassung einer dieser Partien
nur als Ausnahme gelten kann. Die Tbeilung einer Partie schwächt sie,
die Tbeilung mehrerer Partien droht, die gedrungne, wohlabgewogne
Kraft des Quartetts aufeulösen und zerflattern zu lassen ; was ein
fester, kräftiger Körper sein sollte, um far sich zu bestehn oder den
Kern für das ganze Orchester abzugeben, löset sich gleichsam gasartig
auf, fähig, wie Schimmer und Duft unsem Sinn zu umschweben, aber
nicht mehr einen selbständigen Gedanken, als eben den des Vorschwe«
bens und Schimmerns, bestimmt hinzustellen. Und selbst diese Vorstel-
lung wird um so mehr geschwächt und bedeutungslos werden , je häu-
figer man zu ihr greift. Denn es liegt in der Natur dieser Auflösungen,
dass sie einander ähnlich sein müssen ; sie können fast nur aus Ver-
dopplungen bestehn , da man nicht leicht über vier reale Stimmen hin-
ausgeht, und wenn man es wollte, seine fünf oder mehr Stimmen gern
auch energisch — also mit fester und starker Besetzung durchführt*).
*) Hierza der Anhaos N.
321
Dritte AUheihng.
Ausdracksweisen des Streicherchon.
Erster Abschnitt.
Die Komposition fDr den Streicherehor.
Bei*der Komposition für SlreichiDstromente kommt es nächst der
tecbniscben Kenntniss der einzelnen , ihrer Zusammenstellnng und der
Aufgabe , die innerhalb des Chors im Allgemeinen jedem Instrumente
zufallt, nnn zunächst auf die Prüfung an : was man von ihnen allen
verlangen kann und wie man sie zu gebrauchen hat, damit sie den
verschiednen dem Komponisten sich darbietenden Intentionen entspre-
chen. Vieles hier in Frage Kommende ist bereits in der vorigen Abthei-
lung Iheils mitgetheilt, theils vorbereitet worden, und wir werden uns
darauf berufen und stützen können*). Ein Theil unsrer Betrachtungen
wird durch Rückblick auf die Anschauungen erleichtert und erhellt
werden , die wir von der Natur und Wirkungsweise der Blasinstru-
mente im achten Buch der Lehre gewonnen haben. Der durchgreifende
Gegensatz , der im Wesen der Streich- und der BJasinstramente ge-
geben ist , wird die einen an den andern erläutern.
Zwei Hauptmomenle der Karakteristik sind uns an den beiden
Hälften des Orchesters schon bekannt geworden.
Das Schall- und RIangwesen
ist im Streicherchor bei weitem weniger mächtig und mannigfach aus-
gebildet, als im Bläserchor. Das einzelne Blasinstrument, wie der
volle Chor der Bläser, hat im AUgemeiAen stärkern und ganz beson-
ders ausdauernder starken Schall , als das einzelne Streichinstru-
ment oder der Chor der Streichinstrumente. Mag die Geige in einem
einzigen Momente , besonders auf ihrer rauhern C-Saite, stärker an-
*) Ueberhaupt ist der lobalt der vorangesangoeo aod der Daehfolgeoden Be-
traehtODgeo so eng zDsamuieDhängend in der Sache, dass aach die Scheidung im
Lehrgang Dicht in absolnter Scharfe and Nothwendigkeit bat erfolgen können. Notk-
wendig war nar Scheidung and Abtbeilang überbanfit, schon am der grossen Masse
des theils xa Merkenden , theils xa Erwägenden and zu liebenden sicherer und
leickler Herr zu werden.
Marx, Komp. L. IV. 3. Aufl. 21
322
sprecbeDy als einzelne Blasinstrumente, z.B. die Flöte in der Tiefe ond
Mitte : so ist doch die höchste Kraft des Streichinstruments eben nur
auf einen Moment beschränkt, sie ist (wie wir sie S. 247 bezeichnet
haben) nur eine Schlagkraft; denn um sie hervorzubringen, muss
der Bogen möglichst schnell aber die Saite gefuhrt , — gerissen wer-
den. So auch verhalt es sich mit dem Chor der Streicher im Gegensatz
zu den Bläsern. Einen Augenblick lang kann ein vollgrifüger Schlag —
oder etwa ein Einklang auf den leeren Saiten den ganzen Chor der
Bläser, mit Trompeten, Pauken und Posaunen, durcbdröhnen ; aber
eben nur einen Augenblick lang, während die Schallkrafl der Bläser
fortdauert oder auch anschwillt.
Der Klang des Streichercbors ist ebenfalls nicht so bestimmt ka-
rakterisirt und nicht so mannigfaltig als der des Bläserchors ; die ver-
schiednen Schatlirungen des Auf- und Niederstricbs , des Spiels am
Steg, in der Mitte und über dem Griffbrett, selbst des Flageolett* und
natürlichen , des Sordinenspiels und des nicht gedämpden , sowie der
verscbiednen Streichinstrumente unter einander — sind gleichsam' nur
Grade derselben Farbe oder leise Beimischungen, während Oboe und
Flöte, Trompete und Klarinette, Fagott und Posaune u. s. w. greiflich
verschiedne Farben- oder Klangkaraktere bieten.
Auf der andern Seite ist
das Tonweseu
im Streichquartett bis zu einer fast unbegränzten Anwendbarkeit und
Leichtigkeit ausgebildet. Alle Tonabstufungen sind erreichbar ; Ton-
verbindungen, Tonßguren aller Art stebn ungleich zahlreicher und
leichter zu Gebote , als bei den Bläsern ; die Bewegung kann in einer
den Bläsern nur selten und vorübergehend möglichen Leichtigkeit und
Schnelligkeit erfolgen — und zwar ebenso im leisesten Piano als im
Forte ; endlich — dies ist wichtig — sind die Ausübenden an Streich-
instrumenten bei weitem weniger und später der Erschöpfung ausge-
setzt, als die Bläser, da bei jenen nur Pinger und Arm, bei diesen Brust
und Lippen in Thätigkeit gesetzt werden.
Indem wir diese schon bekannten Verhältnisse zusammenfassen,
können wir uns über die Aufgabe der Streichinstrumente leicht und
sicher aufklären. Wir sprechen als oberste Grundsätze für diese, wie
für jede Klasse von Organen aus :
dass jedes Organ mit dem, was es am besten vermag, auch
am besten in Wirksamkeit kommt,
nnd dass es ferner
mit diesem seinem besten Vermögen auch das, was ihm nach
andern Seiten hin abgeht, möglichst zu ersetzen bat;
323
Grundsätze , die jetzt — wo der grosse Gegensatz von Blas- und Sai-
teninstrumenten belehrende Vergleiche bietet — tiefer erkannt und an-
gewendet werden können , als früher.
Fragen wir nun nach dem Karakter und der Aufgabe der Streich-
instrumente, so dürfen wir als ersten Karakterzug derselben
A. Beweglichkeit
aussprechen. Die Streichinstrumente können sich am besten bewegen
und darum bewegen sie sich am liebsten , darum — von der andern
Seite angesehn — denkt der Komponist an sie , sobald er Bewegung
braucht. Dies wird sogleich in allen zunächst für Streichinstrumente
(oder besser gesagt: aus ihnen heraus) erfundnen Sätzen klar;
die Schwierigkeit des Beweises kann hier nur darin liegen , dass sich
zu viel Beläge anbieten, unter denen man zu wählen hat. Nehmen wir
also zunächst Mozart^s Ouvertüre zu Cosi Jan tutte^ so kann das
Presto } das sich wie aus Nichts zusammenscherzt, gleich dem Tages-
treiben der flatterigen vornehmen Welt, gar nicht anders anfangen, als
mit dem lustigen Geflirr der Geigen, denen der Hauptsatz —
401
VioliiioI.II.
Tiola.
Bassi.
^^^^m
gehört. Kein Blasinstrument würde sich in dieser so weit geführten
Bewegung vortheilhaft zeigen*), es würde nicht Leichtigkeit und An-
*) Dass die Klarinattca aod io böbern ToflUgen noch leichter die FIb'ten der-
gleichen ansrdbreo iLÖnneo, dass sie es io ArraDgements der Orchester wirke für
HariDODiefflusik ofl mUsseo, beweist lUDoh nicht, dasa m ihaeo eigeothümlicb
21*
324
spruchlosigkeit genug dazu haben, würde schon durch seinen karakle-
ristischern Klang eine Bedeutang hineinlegen, die Mozart nicht im
Mindesten gewollt hat. Dies zeigt sich gleich im zweiten (oderdriUeo^
Gedanken des Hauptsatzes. Hier geht die einmal angeregte Be^re-
gnng in' die Bläser über, —
Ob.
WaXTTrTTiHgTr^
aber sie ist singender geworden und vertheilt sich unter Oboe, Flöte
und wieder Oboe mit Fagott, so dass jedes Blasinstrument nur eine be-
schränktere Bewegung erhält, seinen Antheil gleichsam wie einen Ein-
fall dem andern zuwirfl.
Einen ebenso treffenden Belag bietet das Allegro der Ouverläre
zur Zauberflöte*). Es ist bekanntlich fugirt, folglich kann man schon
voraussehn, dass das Thema und überhaupt die Fugenarbeit (wir geben
hier —
jTP-Hp-iJJp
^^
nur den Gefährten mit dem Gegensatze) sich auch den Bläsern mitthei-
len wird. Allein es gehört zu Anfang und durch den ganzen Satz vor-
zugsweise dem Quartett an und tritt nur vorübergehend und niemals
vollständig in den Bläsern auf, sondern nur mit der ersten Hälfte**).
Noch entschiedner zeigt sich dieser Hang zur Beweglichkeit in
den Gängen. Hier bietet Mozart's C7moll-Symphonie***) in ihrem
Finale ein überwiegendes Beispiel. Im Hauptsatze, den die erste Vio-
line so —
znsasend ist. Jeder Tooseiser sieht aagenblicklieb , wie vieles Vortheilbafiere aai
deo KlarioetteD gebeo kSootei wenn mim ihnen den HaopUaU geben wollte.
' *) Die M osart'scben Onvert'dren in Partitar bei Scblesinger in Berlin.
*^) Nor die Fagotte machen eine in der folgenden Abtbeilnng zu besprechende
Ansnahne.
*«<*) S. 45 der Breitkopf-Härtersehen Partitor.
325
404
ffepgf^^^l^^'^^g^gf^g
jy^j-fi^"^ I jl^ r'try r#i
anhebt , ist die Figur fiir den Gang schon gegeben , der sieb aus dem
zweiten Theile des Hauptsatzes —
405
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^ ^1 »ifji^iibia^%g=
in dieser Weise —
106
ö>iJ_2^
entwickelt, während die Bläser (die Flöte ungerechnet, die oben ange-
deutet ist) nur einfach begleiten und sich erst nach obigem Theil des
Ganges drei Takte lang den Geigen anscbliessen. Von da ab wird die
Bewegung noch einundzwanzig Takte weit im Quartett fortgesetzt, bald
in den Bässen, bald in den Mittel- oder Oberstimmen. — Mag auch
so weit erstreckte Bewegung im Orchester seilen sein , der vorliegende
Fall deutet im vollsten Maass an, was man in unzählig andern in
beschränkterm Räume bestätigt finden wird. Man überzeugt sich an
ihm sogleich, dass eine gleiche Bewegung in der Harmoniemusik durch-
aus karakterwidrig , unpassend, ja unter Umständen unerträglich sein
wurde.
Am stärksten bewährt sich das Bewegungsprinzip, wenn es sich
nicht auf eine Stimme beschränkt, sondern das ganze Quartett oder
einen grössern Theil desselben ergreift. Hier soll uns Haydn^s grosse
Ddur-Symphonie die Beläge liefern. Sie ist durchweg, namentlich in
326
ihrem ersten Satz und im Finale, von sprühender Laune und aufj^ereg-
ter Lebendigkeit beseelt; und da musste denn schon das Quartett eine
vorzügliche Rolle spielen. Greifen wir nun gleich in den zweiten Theil
des ersten Satzes hinein , so finden wir bald*) beide Geigen, bald die
zweite in Bewegung gegen Bläser und Bässe, die das Thema vortragen
oder unterstützen. Dann geben die Oberstimmen des Quartetts mit be-
wegter Mittelstimme aliein weiter, —
407 AUegro^
Violino I. U,
^Tjj,i,^.,,iij i-fTTj.
oder beide Geigen haben gegen die einfachen Unter- und Bläserstimmen
die Bewegung, —
bis diese sich im folgenden Takt' allen Stimmen des Quartetts mit Aus-
nahme der ersten Geige miltheilt, —
4Ü9
VioUno I.
Violino ir.
Viola.
Violoncello
e Contrahasso.
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^ r f |f "^f--|.^££d£
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s
*
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=M=S=^&=^=M
i
*) Breilkopf oad Härtersclie Partitaransgabe Nr. 2, 8. 9 u. f.
327
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i^^±^££lfW^t#^ji^^^
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FR
fc^^£jfgrll>£^rrr^i
S
und so die Achtelbewegung vierundfunfzig Takte weit bis an das Ende
des zweiten TAeils*) erslreckt; wie sich von selbst rersteht, in man-
nigfachem Stimm- und Figuren Wechsel, aber stets im Quartett. Allein
es sind nicht Mos die Achtel, die den Karakter der Beweglichkeit zei-
gen; er zeigt sich überall, wo Anlass ist, z. B. in den Viertelschlägen
der Bratsche in Nr. 407, statt deren Blasiustriunente aushaltende Gänge,
oder gemischte Dreiviertel- und Viertelnoten genommen hätten.
Mit dieser Beweglichkeit hängt
B. Leiebtigkeit
der Begleitang, — oder, wenn die Bewegung in dieser ihren Hauptsitz
hat, in der Melodie selbst zusammen. Hier dient gleich unser erstes
Beispiel Nr. 401 zum Belag , nicht weniger der Hauptsatz des Andante
in der obigen Hay dn'scben Symphonie, der zuerst von den Streichin-
stramenten so —
410
Violitto I.
Violino n.
Viola.
Baftsi.
^
^j=Ff-H-f>?y'|^^c>'lr
*) Der SatE bat SoDateofonn.
328
^3=^
W-
^^
^m
r-TT / > I A
vorgetragen, dann in den Bläsern von Flöte, Oboen nnd Pagott
80*)-
411
Flauti.
Ohoi.
Fagotti.
^^^^^^
dai^estellt wird. Man darf sich nicht damit abfinden, dass der Kompo-
nist den Satz hat anders und gerade in Moll und gebunden darstellen
wollen. Entweder war dies seine Absicht, nnd dann boten sich ihm
die Bläser als die zum Aushalten geeignetem Organe an, wie die
Streichinstrumente als die leichtem und beweglichem ; oder er wollte
das Thema den Bläsem geben , nnd dann gestaltete es sich nach deren
Weise um. Das Wahre wird wohl sein, dass beide Vorstellungen im
Komponisten gleichzeitig vorhanden gewesen. — Uebrigens tritt
gleich nach jenem Satze (Nr. 411) das Quartett in voller Bewe-
gung auf.
Das letzte Beispiel für die Leichtigkeit und Beweglichkeit des
Quartetts liefere der Hauptsatz vom ersten Aliegro der Mozart'-
schen Gmoll-Symphonie, der in dieser Weise —
*) S. 19 ttod 21 der Partitur.
329
412
Violino I. II.
Viole.
Violoncello
e Contrabasso,
Allegro molto.
m
■^j),j fij j^i4-=^
'^ r ^r 5^7
e^^
i
^""^^'^TT Cr r trfirf-
einsetzt. Die Begleitung ist beweglich in der Mittellage , leicht in der
Unterstimme, die Melodie bei aller Wärme und Bewegtheit des 6e-
müths, die aus ihr wie aus der ganzen Komposition herausdringt in
das Gemfitb des Hörers , leicht geführt durch die Figurirung des An-
fiingstons, durch den gleitenden Rhythmus, durch die eingestreuten
Pausen.
Diese Leichtbeweglichkeit , die wir als Grundzug im Karakter des
Quartetts erkannt haben, äussert ihren Einfluss nach allen Seiten. Von
ihr ans geht die
C. Zasammenziehiug von Qnaitetfartimmeii,
also die Zuriicktuhrung des Quartetts auf drei oder zwei Partien aus,
ohne dass es durch Auslassung oder längeres Pausiren einer Stimme
oder mehrerer geschwächt werden müsste. Hier kann unter vielen
andern schon der obige Satz Nr. 412 oder der Hauptsatz aus dem Fi-
nale von Mo zart's £jdur-Symphonie*) als Beispiel dienen , der Mos
mit erster und zweiler Violine einsetzt, —
Allyo^,g|-J5?g/^
*) S. 44 der Breitkopf-Härterschen Partitor.
330
^m^^^^^^
r
u^^
daoQ lu der Weise im Forte wiederholt wird 9 dass die Eweite Violiue
mit der ersten in Oktaven gebt, Bratsche und Violoncell eine Oktave
tiefer als oben dieselbe Begleitung nehmen und derBass (der für solche
Bewegung zu schwer sein würde) in Achteln auf den Taktgliedern mit-
gebt. So ist also auch das volle Quartett zweistimmig.
Nur noch ein Beispiel entlehnen wir aus Haydn's jElrdur-Sym-
phonie*), deren Andante seinen- ersten Theil so —
unisono
anhebt , also bei vollem Gebrauch des Quartetts nur zweistimmig. —
Man stelle sich alle diese Sätze^fiir Bläser geschrieben vor, so wird
man von diesen weder die Leichtigkeit noch die Beweglichkeit gleich
vortheilhaft erlangen können, so wird man — wenn sie durchaus in
Harmoniemusik übertragen werden sollten — sich gedrungen fühlen,
die Begleitung, wenn auch möglichst leicht, doch in vollen Akkorden
zu führen. Niemandem, dem Klang und Wesen der Blasinstrumente**)
anschaulich geworden, wird es i>eikommen| den vorsteheaden Satz,
*) BreUkopfnod Härter«efae Partitaraosgabe Nr. I, S. 18.
**) Der Mame ,,Harmoniemasik*^ ist iosofero bezeicbnend für die ihnen gebäh*
rende Bebandlnng.
331
wie wir ilw in Nr. 414 vor uds haben , etwa auf Klarioetle ttfii FagoU
(einfach oder verdoppelt) zu übertragen; er würde eine höhere Lage und
jedenfalls vollstimmige Begleitung — wenigstens wie die nachstehende —
415
Obol.
CUrinelti in B.
Fagottl.
mm
^fe^pH^
rtr
3fe*
k2
r ^''zJ
^
wählen, vielleicht die Melodie noch höher legen und Hörner, vielleicht
auch noch ein Bassinstrument hinzuziehn.
Wenden wir uns nun auf die einzelnen Stimmen des Quartetts
zurück, so wissen wir bereits, dass jede derselben, — zumeist die
Violinen, dann Bratsche und Violoncell , am wenigsten allerdings der
Rontrabass, — der feinsten und reichsten Abstufungen von Stärke und
Schwäche, Binden und Abstossen fähig sind, mehr wie irgend ein
andres Instrument, und dass mit Hülfe dieser Mittel, die man die
D. Stricharten
nennt, dem Rhythmus eine Feinheit und Bestimmtheit, der Melodie eine
Mannigfaltigkeit des Ausdrucks geliehen wird , die in gleichem Grade
wieder keinem andern Organ gelingen können. Nehme man die ein-
fachste Tonfolge als Beispiel, so ist ihr Sinn ein verschiedner, wenn
wir sie, wie bei a., ganz oder, wie bei b. und c, —
416
Theii fiir Theil binden (iegatOj liS)y oder sie ganz einfach mitAuf- und
Niederstrich für jeden Ton, wie hier bei d. —
417 4. e. -^s. _ f.
^m^
(wo JlSf dj d und h niedergestrichen werden, e, m, eis und a auf-
wärts), oder in einem einzigen Nieder- oder Aufstrich ihrer mehrere,
aber mit Nachdruck (durch die bogenfuhrende Hand) auf jedem Ton,
wie bei e.,oder abgesetzt, aber mit energischer Angabe (j/acca/o), wie
bei f., oder abgesetzt und leicht angegeben (scioUo ^ detache^ vergl.
S. 246) , wie bei g. , vortragen , oder Binden und Stossen in mannig-
fachster Weise, z. B.
332
mischen. Allerdings sind diese Formen der Betonung und Bewegung
auch andern Instrumenten erreichbar, aber keinem so leicht nnd in
solcher Mannigfaltigkeit und Vollkommenheit, als den Slreichinsiru-
menten. Es ist daher nothwendig, dass diese Stricharten dem Kompo-
nisten bei dem Satze für das Quartett vorschweben und von ihm zur
karakleristischen Ausbildung der Stimmen benutzt werden. Im Allge-
meinen ist Folgendes darüber zu bemerken.
Erstens. Jeder Ton erhält, wenn der Komponist nicht anders
bestimmt hat, seinen besondem Strich , und zwar der erste im Takte
Nieder-, der zweite Aufstrich, u. s. w.
Diese Spielweise (Nr. 417 d.) istam geeignetsten für die
Ausübung des Forte, weil der Spieler jedem Ton so grossen Bo-
genstrich zuertheilen kann , als Geltung der Noten und Tempo erlau-
ben. Eine besondre — aber ausdrücklich mit r-i r-i über jeder Note
oder mit Martellato (S. 249) vorzuschreibende — Abart ist die, jeden
Ton im Niederstrich , also in der schärfsten und stärksten Weise zu
nehmen.
Zweitens. Weil der Niederstrich die Saite am entschiedensten
fasst und ansprechen lässt, wird er — wenn nicht ausdrücklich etwas
Anderes vorgeschrieben ist — vor allem der ersten Note.im Takt und.
überhaupt jedem Haupt- oder gewesenen Haupttakttheil*), sowie bei
näherer Gliederung jedem ersten Tongliede zuertheilt. Die folgenden
Sätze —
A
2s£:
A
^rfc 'flg^^ii
=1:
419
fefefe
m
--i=:^
^
:i=l=
it
m
werden auch ohne ausdrückliche Bezeichnung so gespielt, wie hier die
Zeichen bestimmen. Selbst dann, wenn nur Haupttheile, oder nur sie
mit gewesenen Haupttheilen abwechselnd gespielt werden , z. B.
4*iO
^
t:=^r:p^
^^f-Ep=|^^
^F^
wird stets mit Nieder- und Aufstrich gewechselt, wofern nicht ein
Andres vorgeschrieben ist.
*) Den sogeoanDten ^uten Takttbeileo, i in Gegensatze ku den sogenannten
sc bl echten. Allg. Musiklehre S. 105.
333 ^
Drittens. Ganz ebenso verfährt man bei dreitheiliger Taklart
oder Gliederung; man geht» wie hier, —
421
^
A
aj-ff— I
t=t
^r^fw^hdlt^-fJJ
davon aus , dem ersten Haupttakttheil den Niederstrich zu geben, und
wechselt nun Note für Note mit Nieder- und Aufstrich.
Viertens. Jede besonders verlangte Strichart hat die Bedeutung
eines Motivs (und zwar eines rhythmischen), da sie ja ein Ausdruck,
eine Intention des Komponisten ist ; folglich darf sie , wie jedes Motiv,
nicht willkiihrlich, nicht zu bald und zu häufig gegen andre Stricharten
aufgegeben werden. Die kleinen Sätzchen in Nr. 418 sind, wenn auch
im kleinsten Räume, folgerecht und insofern gut gebildet. Wollte man
ihre Stricharien durcheinanderwü'rfeln, z. B. so, —
422
^^^^^^
SO würde ein Motiv das andre und eine Wirkung die andre ver-
drängen.
Uebrigens erschwert auch unregelmässige Mischung der Strich-
arten die Ausfuhrung, die um so leichter, sicherer, wirksamer wird ^
je gleichmässiger die Bogeniuhrung sich gestaltet.
Fünftens. Je mehr Noten mit einander gebunden
werden sollen , desto mehr vertheilf sich das Gewicht des Bogens,
desto weniger ist also Porte oder Fortissimo zu erreichen.
Die höchste Stärke erlangt man, wie S. 332 gesagt, wenn der ganze
Bogenstrich auf eine einzige — oder auf jede Note verwendet werden
kann. Am nächsten kommt die Verbindung von möglichst wenig Noten
in raschem Zuge, z. B. hier, —
wo das, was am Gewicht des Strichs auf einen Ton verloren geht,
durch die Tonfolge und deren Wirkung ersetzt wird*). Grössere
Reihen gebundner Noten, z. B. hier bei a., —
*) Die erste Note würde, wie sieb von selbst versteht , den Niederstrteh er-
halten, aber die erste Ton^roppe (d — e—fis) ebeDfalls, weil sie den gewesenen
Hanpttheil trifft; die zweite, aof das vierte Viertel fallende Toncprappe (fis—g — a)
hätte Aufstrich nnd der folgende Niederstrieh träfe wieder den Hanpttheil des neuen
Taktes. Durch die ohnehin gerechtfertigte Abweiehung bei der ersten Tongruppe
(die nach der Reihenfolge hätte den Aufstrich erhalten sollen) ist das Ganze wohl-
geordnet.
334
424 R-
AUegro jjsoloto«
können nicht so stark wie die vorigen Gruppen oder gar wie einzeln
gestricbne Töne herauskommen ; höchstens kann bei schnellerer Ton-
folge die erste Note jeder Gruppe betont werden, wie oben bei )>. die
Bezeichnung angiebt.
Sechstens endlich kann die Strichart in eine an sich nicht
schwere Tonfolge schon dadurch Schwierigkeiten bringen, dass sie eine
sehr verwickelte ist und die Bogenführung verkünstelt und verwirrt.
Auch hier also werden wir auf den Vorzug der Einfachheit zurückge-
wiesen.
Die hohe Ausbildung zu jeder Art von rhythmischer Bewegung,
verbunden mit der Leichtigkeit, alle Arten von Tonverbindungen her-
vorzubringen , die den Streichinstrumenten vor allen andern Organen
eigen ist, hat natürlich auch Einfluss auf die
E. lelodiebildnng.
Die Rantilene der Streichinstrumente — und vorzugsweise die der
Violine — bildet sich gern frei, keck und leicht aus, mehr wie die irgend
eines andern Organs , weil es i)ir mehr als irgend einem andern mög-
lich ist und die einzelnen Momente derselben, die einzelnen Töne, nicht
so volle Befriedigung gewähren, als der gesättigtere oder sonst reizen-
dere oder eigenthümlichere Klang andrer Organe. Dies kann aller
Orten in den mannigfachsten Gestalten und Aeusserungen beobachtet
werden. Einen kleinen Zug davon gicbt schon in Nr. 410 die erste
Geige mit ihrem launisch willkührlichen Schritte von b nach d vom
sechsten zum siebenten Takt, oder Hay d n in seiner Z?dur-Symphonie,
S. 3 der Partitur, —
425
Violino I. U.
Viola.
Allc^o. I ,
Bassi.
//
^-jzjzztzi:
E^^:=j
^
//
335
oder in derselben im Andante unmitleibar nach dem in Nr. 411 mitge-
theillen Satze —
426 Flöten, Oboen.
'^^^^^^m
Brat »che* i
BS BS
Bass.
i—'A
S^ÜI
m
"37
-a-
3tn
(die Klarinetten gehen in der hohem Oktave mit den Fagotten^
Trompeten, Hörner und Pauken sind ebenfalls dabei), und Glei«
ches, bald kühn und scharf Eingreifendes, bald leicht Scherzendes
und Gaukelndes kann wie gesagt bei allen kundigen Tonsetzeni nach-»
gewiesen werden. Schwerlich ist je ein Blasinstrument, so geführt
worden, wie die erste Geige in Nr. 426^ die Bläser schliessen sich eher
der Weise der Singstimmen an und finden ihre höchste Befriedigung
in dem im engern Sinne Sangbaren , wie wir Th. 1. S. 571 und jetzt
S. 118 angedeutet haben.
Bis hierher haben wir das eigenthümliche Vermögen der Streicbin*
strumeute betrachtet. Zuletzt müssen noch die
F. Spielweisen
oder vielmehr Tonfiguren erwähnt werden, durch die das Streich-
infttruttent seinen Mängeln» namentlich seinem Mangel an aushaU
336
tender Schallkrafl und überhaopi an gesättigtem Schall und Klang
abhiia.
Das Streicbinstrument kann (S. 246) allerdings seine Töne belie-
big lang ausziehen, aber weder vollkommen gleichmässig , noch stark.
Diese lang gehaltnen Töne können daher im Piano, z. B. in dieser
Stelle —
427 Allegro. F1>I.
YioUno I. II. I
ijÖUi^M
Viola.
Violoncello
ContrabMSO
• V
unsrer H ay dn'schen Symphonie (S. 325 f.), fein anshalten. Soll aber
der ausbauende Ton eindringlicher werden , so muss man ihn wieder«
holen , entweder in der unbestimmt ineinanderwischenden Form der
Synkope, wie Haydn in demselben Satze die erste Geige —
428
Violino I.
Violino U.
Viola.
(Clar. e Corni)
:t=^
fe=^Qtfe=^
O'c, Cb. e Fag.)
pm=mmM
ft
J^*L
I I I
=^^^
T-T^r
I
gegen die hier angedeuteten Stimmen und die aushaltenden Flöten und
Oboen festhält , — oder in schnellem oder langsamem Tonwiederbo-
lungen, oder im Tremolo.
Auch hier entscheidet die Schnelligkeit der Tonwiederholung über
den Stärkegrad. Ist die Bewegung nicht zu lebhaft, so dass auf die ein-
zelnen Striche ein durchgreifender Bogenzug verwendet werden kann
337
(höchstens Sechszehntelbewegung im Allegro moderato)^ so kann der
Ton stark gegeben werden ; ist die Bewegung zu schnell , so dass nur
kurze Striche möglich sind, so ist auch kein erheblicher Stärkegrad er-
reichbar. Dies gilt namentlich von dem bereits S. 261 erwähnten Tre-
molo, selbst wenn es vom ganzen Slreicherchor ausgeführt wird. Das
Erbeben so vieler Stimmen kann uns schauerlich und leidenschaft-
lich aufregend ergreifen, nicht aber grosse Schallkraft ausüben, gleich
der eines kraftvollen von derselben Masse ausgeführten Strichs. In
hoher Tonlage kann ein solches Tremolo z. B. der Geigen ein unheim-
Kchcs Geflüster oder Gezischel geben*), oder die Tonwiederholung in
mancherlei Formen, z. B.
der Melodie innerliche Bewegung, Erregtheit, Nüancirung mannig-
fachen Ausdrucks verleihen ; stets aber wird der Stärkegrad von der
Zeit abhängig bleiben, die zum Bogenstrich gelassen ist.
Zweiter Abschnitt.
Aufgaben fttr den Streicherehor.
Wir haben nicht umhin gekonnt, die Streichinstrumente mit be-
sondrer Genauigkeit (wie ihre Vielseitigkeit und ihre Bedeutung im
Orchester foderte) zu betrachten und zahlreiche Anwendungen der-
selben zu untersuchen. Um so kürzer dürfen wir uns jetzt bei einigen
Uebungen fassen, die dazu dienen können, den Jünger im Satze für
Streichinstrumente einheimisch zu machen, ehe er zur Komposition
für das volle Orchester vorschreitet. Es wird hier fast nur dar-
auf ankommen , solche Aufgaben zu finden, die sich vorzugsweise
für den Streicherchor eignen und zu deren Ausführung keine von
der Beachtung des eigentlich zu Uebeuden, — von der karak-
teristischen Behandlung der Instrumente abziehende Schwierigkeit sich
bietet.
Wir stellen zu diesem Zwecke folgende Formen als Aufgaben.
*) Daher ist diese Form bei den Opernkomponisten der oeaen französiseb-
italieDiseben Schule der stereotype Ausdruck fdr Geisteroähe, Geisterersebeinuog,
Ahono; Q. 8. w. — das heisst zu einer Phrase geworden.
Marx, Konp. L. IV. 3. Aufl . 22
338
1. Die Menuett.
Die Menuett, in dem Sinne gefasst, wie sie seit Haydn ein Be-
stand tbeil unsrer Symphonien geworden, bis Beethoven aus ihr das
freiere Scherzo bildete, ist uns nach Form und Karakter (Tb. IL S.94)
längst bekannt. Der frische , humoristisch erregte und doch auch dem
Zarten und Zärtlichen nicht abgewendete Sinn dieser Kunstform Gndet
im Streicherchor das entsprechendste Organ. Werfen wir einen Blick
auf die Menuett in Mozart's jE^dur-Symphonie*), —
430
Violino I, n.
Viola. i
Allegrelto
so finden wir, dass der aufgeweckte, frisch-derbe Sinn des Tonstucks
durchaus mit dem seines Organs Eins geworden ist; die keck hin- und
hergeworfenen Geigen, die sich im festen Einklänge so frei empor-
schwingen, so rührig überall auf dem Platze sind, die Bässe, die so
dreist drauf los gehn und sich gar ungestüm in die Oberstimme hinein-
wühlen, die Bratsche, die Takt 6 zwei Oktaven zu tief hinabPährt,
um den Bass unten zu halten, — Alles stimmt ebenso treffend zum
Karakter der Kunstform, als es aus dem des Streichquartetts hervor-
gegangen ist.
Oder blicken wir auf den zweiten Theil der Menuett in Hay dn's
£^dur-Symphonie**), —
*) S. 40 der BreUkopf-Härlerscben Partitur. Die Bläser sind bis znm tebteo
Takt in Viertelschlä^ceo als PöUstimmeo verweodel.
**) Breitkopf-Härterscbe Partitarausgabe Nr. 6, S. 31.
339
431 Yiolino I. U.
unisono.
/
Viola. Bassi.
N^
M
8va_
m^^a^^m
E
SO sehen wir in gleicher Rührigkeit das Quartett in zwei Partien gc-
Iheilt , dann die Geigen im Piano wiederholen, was zuvor im Grossen
geschehn war. Hier und bei Mozart zeigt sich die Konzentration des
Quartetts in zwei Stimmen, in der es (S.329) seine Schallstärke hesser
geltend machen kann , als in der Zerlheilung in vier und mehr Stim-
men; Mozart schreibt das Forte zweistimmig, das Piano vierstimmig.
Im Gegensatz zur Menuett wird das Trio bekanntlich (Th. IL
S. 95) zarter gestaltet. Dies überlassen wir dem Versuche des
liebenden.
Die zweite Aufgabe seien
2. Sätze langsamer Bewegung,
also Adagio's oder Andante's, wie sie in Symphonien oder Sonaten als
Hiltelsätze vorkommen. Wir wissen aus Th. III. S. 316, dass sie in
der Regel erste oder zweite Rondoform oder Sonatenform haben,
würden aber die erste und zweite Form vorziehen, weil sie bei aller
Einfachheit der Gestaltung doch Anlass genug geben zur Satz- und
Gangbildung im Sinne des Andante; die ausgedehntem Formen würden
leicht die Einseitigkeit des Streichquartetts empfindlich machen und den
Wunsch nach einem Gegensatz durch Blasinstrumente wecken.
Die letzte Aufgabe, die wir stellen, ist
3. eine Ouvertüre in Fugenform*).
Wir setzen voraus, dass ihr eine Einleitung (Th. III. S. 325) ge-
geben werde, richten aber unser Augenmerk auf den Hauptsatz, die
Fuge.
Diese Fuge soll als Ouvertüre dienen und wird schon desshalb
einen festlichem, oder feierlichem, anregenden, auf irgend etwas Be-
deutsames (eine Feier, ein Kunstwerk , das nachfolgt) vorbereitenden
Karakter annehmen. Dieser Rarakter wird sich aber nach dem uns jetzt
zugewiesnen Organ (dem Quartett) oder vielmehr aus ihm heraus näher
beslimmen.
*) „Eid Vorzag guter Foriaea besteht dario, daM das seistige Elemeol
sich darcb solche immer höher auszobilden vermag/* Das mag der geniale Raval-
lerietaktiker V. Bismark für unser Znriickkommeo auf die Fugenform (S.227 und
hier) sagen, wenn es Jemand auff&üig finden seilte.
22*
340
Die Form selbst ist uns bekannt. Sie wird nicht nm ihrer selbst
willen (wie einst in der abstrakten Pugenlehre Tb. II) geübt, son-
dern um in ihr das Quartett zu dem vorgesetzten Zwecke zu belbäli-
gen. Aehnlicb ist sie besonders von altern Komponisten benutzt "wor-
den. Händel z.B. bildet den Hauptsatz seiner Ouvertüre zum Messaas
fugenroässig, —
432 Allegro moderato.
ffrntfffg^
io^^
Violine I. n,
Viola u. Baas.
ohne auf die Form auch nur so viel Gewicht zu legen, dass er die erste
Durchführung vollständig machte. Hat er die Bratsche zu schwach er-
achtet, das Thema durchzubringen, oder hat ihn sein Ungestüm hinge-
rissen: genug, nach der Durchführung der beiden Geigen macht er
Tutti , indem er den Bässen das Thema giebt. Nun spielt er mit dem
beweglichen Theil des Thema^s —
umim
^m
^
'a i^£
m^
weiter, — der fernere Verlauf der Fuge kann hier bei Seite gelassen
werden. Noch leichter gestaltet sich der — kaum Fuge , höchstens
Fngato zu nennende Hauptsatz in HändeTs Ouvertüre zu seiner Oper
341
Porus *) , von der wir nur Thema , Antwort und Gegensatz anführen
wollen, —
434 Allegro
V. I.
Ob- I. ^
V.U. Ob. n.J
r-p
am an die feine und scharfe, witzig-spitzige Manier zu erinnern , die
UDsre Alten oft liebten und die allerdings ebenfalls im Sinn der Violin
liegt, wenngleich wir sie nicht leicht so oft und entschieden ohne be-
sondern Grund herauskehren, als hier von Händel geschehn ist.
Wiefern und mit welchem Erfolg der alle Meister dem Sinn seines
Oratoriums und seiner Oper in den Ouvertüren sich zugewendet, bleibt
hier natürlich ausser Betracht. Wir wollen zunächst von ihm lernen,
die Fugenform als Mittel zum Zweck zu betrachten, so dass es
(wie bei einer ähnlichen Aufgabe, S. 228) nicht zunächst darauf an-
kommt, dieser Form recht volles Genüge zu thun, sondern mit ihrer
Hälfe dem Chor der Streichinstrumente nach seinem Vermögen und
Rarakter eine günstige Wirksamkeit zu eröffnen.
Hierauf muss schon die Bildung des Tbema's gerichtet sein, das
wohl am besten für die Hauptstimme des Quartetts, die Violine, erfun-
den WMrd , — jedoch in einer Weise , die seine Uebertragung auf die
andern Instrumente, namentlich den Kontrabass, zulässt. Das nach-
stehende Thema —
435 AUegro risoluto
A A A A ^
-. U A A A . A r^ ^^— ^ ^— ^ . A A ^ . A A ^
könnte wohl für ein in diesem Sinn erfundenes gelten.
Die erste Durchführung könnte vollständig — oder selbst über-
vollständig, wie wir hier —
*) la London 1731 komponirt; mit den Violinen gehen Oboen. Vergl. Onver-
tSren von G. F. Handel, in Partitur heraasgegeben von C. F. Becker bei Hof-
meister in Leipzig. Erste Lieferung S. 18. — Mozart hat (Band 6 der Breitkopf-
Härterschen Ausgabe, Nr. 8 der neuen Einzelausgabe der „Zwölf Klavierstücke*')
eine Fagen-OuvertUre im Handerschen Styl^ jedoch klaviermässig, geschrieben.
342
iTc. e Cb
dorch die blossea Eintrittnoten andealen , oder noch heller in dieser
Stimmordnang —
v.u. T^7'J31.J^
437
m
3^t
^■■JUl
1^
, V«.
*
T-7
Tc; e Cb.
gebildet, Tielleicbt iu ihr oder später das Thema durch Verbindung von
je zwei Stimmen im Einklänge (S. 313) henrorgehoben werden. Wie
viel uod welche Kombinationen die Fugenform sonst noch darböte, ist hier
nicht erst zu erörlem , das ist als längst geläufig vorauszusetzen. Uns
würde bei der Ausführung und in jedem Zuge derselben vor allem das
die Aufgabe sein , die Kriifte des Quartetts und jeder seiuer Stimmen
oder doch der wichtigsten in Wirksamkeit zu setzen ; wir würden das
erste Motiv, die Tonwiederholung, eindringlich, — vielleicht in dieser
Weise gegen den Schluss hin, —
V. II
438 <
m^mmt^' JK jf|f>-^r^
343
durclisetzeii, die Bewegungsfigur und das hier in den beiden letzten
Takten im Bass ergriffne Motiv ausgeführter in Gegensatz bringen und
durchweg weniger auf strenge Vierstimmigkeit sehn , als vielmehr auf
stärkende Verbindung der Geigen, oder der Geigen und Bratsche gegen
den Bass , oder des Basses mit der Bratsche gegen beide Geigen , kurz
mehr auf die Macht der wirklichen Darstellung , als auf einen in An-
wendung auf das Quartett oft nur papiernen Reichthum von Stimmen*
Ohnehin kann dem, der uns bis hierher treu — das heiss t selbst-
thätig gefolgt ist, die Eitelkeit auf sogenannte kunstreichere Vielstim-
migkeit nichts anhaben. Denn es muss ihm , abstrakt aus technischem
Gesichtspunkte betrachtet, gleich leicht oder gleich schwer erscheinen,
mehr oder weniger Stimmen in Thätigkeit zu setzen. Eins wie das
Andre ist dem Geübten an der rechten Stelle leicht uod an der unrech-
ten Stelle schwer oder widerstrebend.
Allhang.
Das Pizzikato.
Wir haben absichtlich in den vorstehenden der Ausübung gewid-
meten Abschnitten das Pizzikato bei Seite gelassen. Der Grund war,
weil dasselbe aus den Streichinstrumenten in der That ganz andre Or-
gane macht , nämlich harfen- oder guitarrenähnliche Instrumente , die
den in ihrer eigenthümlichen Weise — nämlich mit Bogenstrich behan-
delten Streichinstrumenten ziemlich ebenso fern und unterschieden ge-
genüber stebn, als die Blasinstrumente. Der Wirkung nach könnte
man geradezu drei Instrumentklassen annehmen,
Bläser, —
mit Bogenstrich behandelte Saiteninstrumente, —
harfenartig behandelte Saiteninstrumente ;
und dürfte in der letztem Klasse zu den pizzikato gespielten Streichin
Strumenten Harfe, Guitarre u. s* w. , selbst das Pianoforte stellen, mit
deren Wirkung die des Pizzikato unstreitig nähern Zusammenhang hat,
als mit der des Bogenstrichs. Nur weil das Pizzikato von den Streich-
instrumenten selber ansgefuhrt wird, leidet jene Eintheilung blos tbeo-
reliscbe und keine praktische Anwendung.
Das pizzikato bebandelte Streichinstrument büsst an Schallkraft
und zugleich an der Fähigkeit ein, das leiseste Piano zu geben. Es
kann (S. 272) von seinen hohen Tonlagen keinen Gebrauch machen,^
weil die zu kurz gewordne Saite nicht Schwungkraft genug zu hellem
344
und kräftigem Schalle besitzt; das Flageolettspiel ist oatiirlicb mit den
Pizzikato unaosfahrbar ; die Schnelligkeit der Bewegung ist der des
Bogenspiels nicht gleichkommend. Dies Alles haben wir bereits S. 271
erwogen , und so kann uns das Pizzikato im Allgemeinen nur als eine
untergeordnete Anwendung der Streichinstrumente gelten , — als eine
um so bedenklichere , da es natürlich die vomehmlichste , die mit dem
Bogen , aufhebt.
Demungeachtet ist dasselbe von entscheidender Wichtigkeit, —
schon darum, weil es sich so wesentlich von der Bogenwirkung unter-
scheidet, dass es einen entschiednen Gegensatz gegen dieselbe darbie-
tet. Dann hat der kurz anschlagende, etwas harte Klang der gerissnen
Saite eine bestimmende Kraft, die den Schwingungen gestrichner Saiten
eine feste und entscbiedne Rhythmik entgegenhält oder sie damit
unterstützt ; zuletzt bieten — ganz abgesehn von dem Gegensatz der
Bogenwirkung — diese in der Höhe hellen und harten , in der Tiefe
dumpfen Klänge sich als ein gleichsam eignes Organ für unzählige Aus-
drücke dessen , was in der Seele des Komponisten lebt. Er kann im
tiefsten Pizzikato der Bässe eine Wirkung ähnlich der des kurzen,
dumpfen Paukenschlags finden, schwächer und verhüllter, aber auf
allen Tonstufen erlangbar; die mittlem und höhern Tonlagen bieten
ihm bald trockne, gleichsam dürre Tonschläge, bald humoristisch,
ja jovialisch kurz gebundne Klangfolgen, — es wäre ebenso unausführ-
bar als unnütz, alle Wirkungen und Bedeutungen aufzählen zu wollen,
die das Pizzikato schon dargeboten hat und noch darbieten kann. Der
Komponist muss den Klang auf allen Streichinstrumenten und in allen
Tonlagen und Nuancen kennen, mag von ihm träumen, darf nicht
unterlassen, den Gebrauch, den die Meister davon gemacht, zu beobach-
ten ; — das Weitere giebt dann die schöpferische Stunde.
Hier können und müssen wir uns daher auf wenige allgemeine
Betrachtungen beschränken.
Dem Gebrauch des Quartetts, wie wir ihn bis hierher beobachtet,
Stehtals entschiedner Gegensatz die Behandlung des gesammten Quartetts
im Pizzikato gegenüber. Es verwandelt den ganzen Chor der Streich-
instrumente gleichsam in eine kolossal mächtige Harfe. Die wirkliche
Harfe hat vermöge ihrer freischwingenden Saiten Helligkeit und Glanz
des Klangs voraus , das Pizzikato so vieler zusammentreffender Saiten
übt — wenn auch in dumpferm, verhtiUterm Klange — überlegne
Macht aus. Allein dieses gleichsam neue Organ entzieht uns, so
lange es in Wirksamkeit ist, die entscheidende Bogenwirkung; der
Hauptchor des Orchesters hat seine Macht eingebüsst. Im Ganzen
wird daher nur seltner und nur vorübergehend von dem Pizzikato
des ganzen Quartetts Gebrauch gemacht werden. Nur der Zutritt
von Bläsern oder Singstimmen kann dieser Verwendung des Quar-
345
tetts zu stalten kommen; davon ist aber jetzt noch nieht zu
reden«
Häufiger wird das Pizzikato einer einzelnen Stimme oder einem
Theil des Quartetts im Gegensatz zu dem andern mit dem Bogen be-
handelten Theil gegeben. Hier kann entweder der Bass den Oberstim-
men entgegentreten, z. B.
und in ihren Zug und verschmelzendem Gang die bestimmter ordnen-
den Schläge des Pizzikato mischen. Oder es kann sich ein Theil des
Quartetts dem andern entgegensetzen, z. B. hier, —
440^ V. I.
pizz.
m
Ä
^^^
w^^^
^^^^^^^^.^^^^^
^
^^^
^»^^^c^Ftefe
WO übrigens die Stimmen zu verschieden geführt sind, als dass der
Satz mit innerer Energie wirken könnte. Solcher Kombinationen sind,
wie schon gesagt, zu viele möglich, als dass man sich auf ihre Zusam-
menstellung einlassen möchte, selbst wenn sie nicht so überflüssig
oder vielmehr belästigend und störend statt förderlich für den Jünger
erschiene.
346
In welcher Form nan auch das Pizzikato angewendet werde, so
hat es — gleich der Einfiihrang eines neuen Organs — die Bedeutung
und den Anspruch eines Kompositionsmotivs. Es tritt ein, wo der
Komponist das Bedürfniss und das Recht hat, ein neues Motiv einzu-
führen. Ist es eingeführt, so kann man es nicht sofort und überhaupt
nicht willkührlich wieder fallen lassen, sondern muss es durchführen ;
wir haben schon in allen Kunstformen gelernt, Motive (der Ton-
folge, des Rhythmus, der Harmonie, der Orchestration) durchzu-
setzen, bis der Satz oder Gang, in dem sie aufgetreten, vollendet ist,
oder sie in ein andres Motiv übergegangen sind. Nehmen wir an, dass
der in Nr. 439 angefangne Satz zuvor in allen Stimmen colT arco vor-
getragen worden wäre, so könnte bei der Wiederholung die Form
von Nr. 439 ergriffen werden, und diese könnte wieder bei einer
Wiederholung zu der erweiterten Anwendung des Pizzikato in
Nr. 440 fuhren. So könnte auch von Abschnitt zu Abschnitt inner-
halb eines Ganges oder Satzes in eine neue Form übergegangen wer-
den, nicht aber durfte man die verschiednen Formen willkührlich
durch einander mischen.
347
Vierte AbtheUng.
Das yoUe Orchester.
Der Name Orchester oder volles Orchester bezeichDel bekanntlich
(S.241) den Verein derStreichinstramente in orchestraler (mehrfacher)
Besetzung mit Blasinstrumenten. Die letztem können mehr oder weni-
ger zahlreich vertreten sein , — nur einige oder mehrere, oder alle
Rohrinstnimente , nur wenige oder alle, oder gar keine Blechinstru-
mente ; dass zu letztem sich die Schlaginstrumente gesellen, ist schon '
S. 43 gesagt* Hiernach nun lässt sich nicht blos eine Unterscheidung
zwischen sogenanntem grossen und kleinen Orchester (S. 242) machen,
es wären sogar mehrere Abstufungen zu bemerken. Wir haben indess
nicht Ursache, auf jene Unterscheidung und noch feinere einzugehn;
die Stufen des Lehrgangs bestimmen sich aus andern Gesichtspunkten,
— so weit es überhaupt deren noch bedarf.
Die Kenntniss der Blas- und Saiteninstrumente , sowie die bishe-
rigen Uebungen kommen uns jetzt, bei der Vereinigung aller, bisher nur
in abgesonderten Chören angewendeten Mittel, zu Hülfe. Unser näch-
stes Geschäft kann kein andres sein, als unsre Mittel zusammenzustel-
len und gegen einander abzuwägen, um zu erfahren, wie sie sich ver-
einen nnd vereint anwenden lassen.
Erster Abschnitt
Prüfung aller Mittel des Orchesters.
Im Orchester treten drei Chore,
Streichinstrumente,
Rohrinstrumente,
Blechinstrumente,
zusammen, denen sich Schlaginstrumente zugesellen können. Wenn
wir einstweilen von diesen, sowie von dem Chor der Ventilinstrnmente
absehu, so haben wir jetzt über drei Massen zu gebieten, die sich
in mannigfachen Beziehungen unterscheiden und in andern wieder ver-
bindungsfähig oder einander verwandt zeigen.
348
Verwandt sind die Rohr- und Blechinstrumente, insofern sie alle-
sammt Blasinstrumente, mitbin in Schallkraft, Klangweise, Behandlung
und Fähigkeit einander mehr oder weniger gleichartig oder ähnlich
sind. In diesen Beziehungen sind sie beide von den Streichinstrumen-
ten wesentlich unterschieden.
Auf der andern Seite lehnen sich die Rohrinstrumente durch die
Vollständigkeit ihres Tonsystems und die im Vergleich zu den Blechin-
strumenten freie und leichte Beherrschung desselben den Streichinstru-
menten an.
Gehen wir näher auf die einzelnen Organe ein, aus denen die
Chöre bestehen, und vergleichen
1. die Tonlage,
so finden wir für diehoheTonlage in allen drei Chören folgende
Stimmen :
Violinen, Flöten, Trompeten,
(Pikkolflöten),
Oboen,
Klarinetten,
für die mittlere Tonlage:
Violinen, Klarinetten, Trompeten,
Bratschen, (Bassethörner), Hörner,
(englisches Hörn), Alt- und Tenor-
Fagotte, posaune,
für die tiefe Tonlage:
Violoncell, Fagotte,
Kontrabass, Kontrafagott,
Serpent u, s. w.,
Hörner,
Tenor- und
Bassposaune,
Pauken ;
oder, — wenn wir auf die normale Vierstimmigkeit zurück-
gehn, — für die erste Stimme:
Violine I., Flöte I.,
(Pikkolflöte I.),
Oboe I.,
Klarinette I.,
für die zweite Stimme:
Violine H., Flöte H.,
(Pikkolflöte II.),
Oboe n.,
Klarinette IL,
englisches Hörn,
Bassethom L,
Trompete I.,
Trompete II.,
Hörn L,
Altposaune,
349
fiir die dritte Stimme:
Bratsche, Basselhorn IL, Boro II.,
Violoncell, Fagott I., Tenorposaune,
für die vierte Stimme:
Violoncell, Fagott IL, Hörn IL,
Rontrabass, Kontrafagott, Bassposaune,
• Pauken.
Man bemerkt, dass in beiden Zusammenstellungen manches Instru*
ment zwiefach aufgeführt ist, z. B. die Klarinetten und Trompeten für
hohe und mittlere Tonlage, die Fagotte und Hörner für mittlere und
tiefe. Wenn man aber den Umfang und das Vermögen der einzelnen
Instrumente erwägt, so wird man nicht nur dies erklärt finden, son*
dem erkennt auch, dass manche Instrumente noch ganz andre Stellen
einzunehmen geeignet sind; die Klarinetten können möglicherweise
dritte Stimme , die Bassethörner zweite oder selbst erste Stimme sein,
und so noch andre Anderes. Es kam zunächst nur darauf an , eine
allgemeine und ungefähre Uebersicht aller Tonmittel zu erlangen.
Ziehen wir
2. das Tonvermögen
in Betracht, so wissen wir, dass die Streichinstrumente im All-
gemeinen die reichsten und geschicktesten, namentlich auch die beweg-
lichsten sind. Ihnen schliessen sich zunächst die Rohrins tr um ente
an, und unter diesen wieder am geschicktesten für schnelle und vielsei-
tige Bewegung die Flöten, Klarinetten undFagotte. Von den
Blechinstrumenten sind die Posaunen am geschicktesten, ein vollstän-
diges Tonsystem herzustellen, die Trompeten am beweglichsten, aber
tonärmsten, die Hörn er tonreicher als die Trompeten und beweg-
licher als die Posaunen.
Vergleichen wir sodann
3. die Rlangweise
der verschiednen Chöre und Instrumentarten, so finden sich man-
nigfache Beziehungen, die aus einem Chor in das andre hinüber-
führen.
Im Allgemeinen kann man wohl die Instrumente jedes
Chors unter einander für verwandt und verschmelzbar achten;
also alle Blasinstrumente, — näher alle Rohrinstrumente , alle Blech-
instrumente , — alle Streichinstrumente. Treten wir aber näher, so
zeigen sich doch innerhalb der Chöre grosse Verschiedenheiten und
wiederum von einem Chor zum andern Beziehungen.
Am gleichartigsten sind die Streichinstrumente unter einander.
Unter den Rohrinstrumenten treten die Oboen durch die Schärfe und
350
Sprödigkeit ihres Klanges von den iibrigen Rohrinslromenten fern ab.
Ihnen schliesst sich zunächst nnd als ein fast gleichartiges Wesen nur
das englische Hörn an. Unter den Blechinstrumenten sind es die Hör-
ner, die sich durch die Weichheit und Rundung ihres Klangs von den
Trompeten und Posaunen wesentlich und unverkennbar abscheiden* —
Wie weit diese Verschiedenheiten sich durch vermittelnde Instrumente,
durch Verstärkung der abweichenden Instrumente mit den übrigen,
durch äussere Massregeln (z.B. durch Pianissimo der Posaunen, in dem
sie den Hörnern ähnlicher wirken) ausgleichen oder verbergen lassen,
ist theils schon besprochen, theils noch weiter zu erörtern.
Auf der andern Seite schliessen sich die Hörner dem Klange nach
leicht den Rohrinstrumenten, namentlich den Klarinetten, Fagotten und
Flöten an. Und wiederum lehnen sich die Oboen besonders in den
böhem und feinem Lagen leicht an die Violinen , während sie in der
Härte der tiefen Tonlagen eine gewisse Aehnlichkeit mit der Trompete
(nicht zu ihrem Vortheil) zu erkennen geben. Die Fagotte wiederum
nähern sich dem Klang der Violoncelle , und die rauhern tiefen Töne
der Bratsche sind nicht ohne einen gewissen Anklang vom Wesen der
Trompete.
Auf diese Weise bilden sich nun Reihen von Instrumenten , die
unter einander in näherer Beziehung stehen nnd eins in das andre
überfuhren, oder eins das andre anziehen. Wir stellen folgende Reiben
auf, —
Violine — Oboe — Trompete — Bratsche,
Violoncell — Fagott — Hörn,
Oboe — Fagott — Klarinette — Flöte,
Fagott — Hom — Klarinette — Flöte,
Trompete — Posaune — Hom — Fagott,
Kontrabass — Bratsche — Trompete — Posaune,
nicht erschöpfend, Sondern nur als Beispiel für mancherlei andre zu
bildende Ketten ähnlicher Bedeutung.
Dass an allen hier in Beziehung gesetzten Instrumenten auch
mehr oder weniger starke Verschiedenheiten hervorgehoben werden
können, ist gewiss. Die ganze Betrachtungsweise kann schon darum
nicht vollkommen genugthun, weil der Klang desselben Instraments in
verschiednen Tonlagen (man denke nur au die Tiefe und Höhe der
Oboe) und selbst bei verschiednem Stärkegrad (man denke an das
Piano und Forte der Hörner und Posaunen) ein sehr verschiedner sein
kann. Allein diese Abweichungen und Nebenunterschiede haben für
jetzt keine Bedeutung. Es kommt jetzt nur vor allem darauf an: sich
einen grossen und freien Blick über das gesammte Material nnd seine
Wechselbeziehungen zu verschaffen. Wir fassen zuerst das Orchester
als ein Ganzes , ein einiges Organ auf, unterscheiden dann seine zwei
oder drei Massen, und fassen wieder jede als ein in sich geschlossen
361
Zusammengehöriges auf. Nun erst entdecken wir theils vertrautere
Beziehungen, theils feinere Scheidungen, und bilden durch die ver-
schiedneu Massen hindurch unsre Ketten. Diese Anschauungs- oder
Auffassungs weise , die den Komponisten (nicht Mos den Lernenden, —
denn hier lernt Niemand aus) stets von Neuem beschäftigen muss, dringt
so vom Allgemeinsten bis in das Besonderste jedes einzelnen Instru-
ments, lässt aber das Einzelne nicht mehr vereinzelt, sondern stets in
seinem Verhältniss zu Anderm und dem Ganzen erscheinen«
Dasselbe gilt, wenn wir zuletzt
4. die SchallkrafI
der einzelnen Instrumente ermessen ; auch diese ist in den verscfaied-
nen Tonlagen verschieden, z. B. in der tiefen Oktave der Flöte ge-
ring, in der hohen bedeutender. Im Allgemeinen kann man jedoch den
Blechinstrumenten überlegne Schallkraft vor den Rohrinstru-
menten, den Bläsern mehr aushaltende, den Streichinstru-
menten mehr Schlagkraft beimessen. Unter den Blechinstrumenten
sind die Hörn er, unter den Rohrinstrumenten Flöten und Fagotte
die mildesten.
Wir kommen zumSchluss auf die einstweilen bei Seite gelassenen
Schlag- und Ventilinstrumente zurück. Die erstem, von denen
wir nur Pauken und grosse Trommel betrachten, sind bekannt-
lich ebensowohl des Piano als des höchsten Grades von Forte fähig
und mit jeder orchestralen Zusammenstellung vereinbar. Im Piano oder
Forte haben sie ursprunglich nur Schlagkraft; der Paukenwirbel aber
kann gleich dem Tremolo der Streichinstrumente den Ton gewisser-
massen verlängern , — und zwar auf beliebige Zeit, so lange der Spie-
ler nicht ermüdet, — und dabei anschwellen und abnehmen lassen.
Dieses Vermögen ist es, das die Vereinigung der Pauken mit den
Streichinstrumenten und Bläsern begünstigt.
Von den Ventilinstrumenten müssen wir schon Ventiltrompe-
t e n und V e n t i 1 h ö r n e r als die verzognen Geschwister {enfans gätes)
der natürlichen Trompeten und Hörner zu diesen oder an deren Ort
stellen, — wenn man sie einmal nicht entbehren kann. Das chroma-
tische Tenorhorn würde sich zu den Posaunen gesellen, die stier-
hafte Tuba (Kontrabasstuba) aber mag, wenn man sie durchaus ha-
ben will, den Bass des gesammten Bläserchors verstärken. Sollten noch
Flügelhörner u. s. w. zutreten , so würden sie zwischen Hörnern und
Rohrinstrumenten ein Mittelglied bilden.
352
Zweiter Abschnitt.
Zu9ainineii8telluDg des Orchesters*).
Weoa wir jetzt an die ZusammensteliuDg ansers Orchesters gehe,
sind wir von der Einseitigkeit, die uns bisher anf Blas- oder auf
Streichinstrumente beschränkt hat, frei. Hiervon ist nicht mehr die
Rede , sondern vom Verein des Quartetts mit Blas- und Schlaginstru-
menten. Das Streichquartett wird (S. 248) als Kern des Orchesters in
seiner Vollständigkeit (S. 298) vorausgesetzt. Folglich bleibt nur die
Frage :
Welche Blas - und Schlaginstrumente wollen wir dem Quar-
tett zugesellen?
zn beantworten. Wir wollen dabei von den Ventilinstrumenten,
dem englischen Hpm, den Ophikleiden, dem englischen Basshorn,
den ungebräuchlichem Flöten- und RIarinettarten und den Schlag-
instrumenten ausser Pauken und grosser Trommel einstweilen ab-
sehn , und behalten uns vor , gelegentlich auf eins oder das andre die-
ser Instrumente hinzuweisen. Diese Beschränkung — die uns, beiläufig
gesagt, in den Besitzkreis versetzt, innerhalb dessen unsre Meister sich
bewegt haben — droht auch für den Fall keinen Verlust, dass man
noch neue Instrumente für besondre Zwecke zuziehen wollte; denn
die Grundsätze würden ohne Weiteres sich auf sie anwenden lassen.
Bei der Zusammenstellung seines Orchesters nun hat der Kompo-
nist mehr als einen Gesichtspunkt zu fassen.
1. Bedürfniss der Blasinstrumente.
Zunächst wird im Allgemeinen die Aufhebung jeuer Einseitigkeit
wünschenswerth sein, die in der ausschliesslichen Anwendung von
Streichinstrumenten liegt. Die Wirkung derselben im Orchester ohne
Zutritt oder Zwischentritt von Bläsern nimmt leicht eine gewisse heisse
Dürre '^*) an, der Satz wird unruhig (weil das Streichinstrument die
Bewegung liebt), abgebrochen und scharf, oder bei zarter Behandlung
dünn , und kann — wie auch der sonstige lohalt sei — auf die Länge
peinlich werden. Wir werden also durch einen künstlerischen Grund
auf dieselbe Stelle geführt, die uns oben durch den Lehrgang angewie-
sen worden: auf die im Allgemeinen bestehende Noth wendigkeit,
zu dem Quartett Blasinstrumente zu gesellen.
*) Hierzu der Aobangp O.
**) Dasa io diesen Diogen nnr gleichoissweise sesprochen werden kann and
jedes Gleichniss nozuläD^lich nnd dem Missverständniss ausgesetzt bleibt, wenn
die Intelligenz des Lesers nicht zu Hülfe kommt, ist scboa früher (S. 4) gesagt.
353
Ein treffenderes Zeagniss für diesen unsern ersten Grundsatz lässt
sich vielleicht nicht finden, als bei dem allseitigsten aller Instrumen-
tisten, bei J. Haydn, in den Jahreszeiten die schwüle Arie, die
den Druck der Mittagsglut im Sommer singt*). Haydn fühlte gar
wohl, dass hier nur das Quartett wirken, das Organ für die ent-
alhmende Schwüle sein könne; und doch vermochte sein musikali-
sches Wohlgefühl es nicht leicht, auf den mildernden Hauch der
Bläser ganz zu verzichten. Er mischt also eine Flöte und eine
Oboe ein. Allein beiden ist gleichsam nur ein tröstendes Wort er-
laubt; hier —
441
Fl. Oh.
ViolinoI.II,
Viola.
Tenor« •
Largo
g£7T^^?^#
♦) S. 170, Tb. 2 der Breilkopf-Hiirlerschen Parlitar.
Marx, Komp. L.IV. S.Aafl.
23
354
Fl.
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S^ife-
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-\vel - ke Blu-men, dür - re
Wieftcn
^»-Plt=t=
^
-t^«
-^-'-
sehen wir den Schluss des Ritornells und den Anfang des Gesangs, und
nach dem ersten Abschnitte des letztern jenes einzige den Bläsern ge-
staltete Wort. Es kommt noch einmal (wiederholt) im Kitomell und
zum letzten Mal (ebenFalls wiederhol!) in der Mitte der Arie beim Wie-
deranfang vor und sonst nirgends. Ueberall sonst ist nur Begleitung
des Streichorchesters. Die Bläser wären wegzulassen gewesen, wenn
das rein musikalische Gefühl sie nicht begehrt hätte; sie konnten
mehr — oder es konnten deren mehrere gebraucht werden, wenn nicht
der Sinn der Situation ausschliesslich oder doch im entschiedensten
Uebergewicht Bogenwirkung verlangt hätte. — Wenn unmittelbar
darauf ,,der kühlende Schirm des dunkeln Hains^' willkommen ge-
heissen wird, treten zu den Saiten gleich Flöte, Oboen, Fagotte, Hör-
ner in erfrischendem Anhauch auf.
Sobald nun der Zutritt von Bläsern feststeht, ergiebt sich das
zweite Bedürfniss, das wir als
2. Gleichgewicht der Tonlagen
bezeichnen wollen. Das Streichquartett besetzt für sich allein Höhe,
Mitte und Tiefe des Tonsystems; allein es wirkt als ein besondrer
Chor. Sobald Bläser zutreten, bilden sie einen zweiten wohl unter-
scheidbaren Chor, für den wir ebenfalls verhältnissmässige Besetzung
der Tonlagen wünschen müssen. In der Regel wird man also gern
tiefe nnd hohe Bläser, mithin (nach deren schon S. 117 festgesetzter
paarweiser Stellung) wenigstens ein tiefes und ein hohes Bläserpaar
zusammenstellen, um den Bläserchor in sich selber nach Höhe und
Tiefe ebenmässig auszubilden. Man wird also gern
355
Oboen uod Fagotte,
Klarinetlen and Hörner oder Psigotte
als Bläsercbor aufstellen , wenn man sich auf einen kleinen Chor zu
beschränken bat.
Allerdings sind auch hier zahlreiche Ausnahmen vorhanden, die
aber, wenn sie gerechtfertigt sein sollen, in einer besondern Intention
des Komponisten ihren Grund haben müssen. Gleich der bei Nr. 441
angeführte Satz ist eine solche Ausnahme. Haydn musste sich auf die
engste Zahl der Bläser beschränken , wenn er nicht die Lokalfarbe für
seine Situation trüben oder ganz verändern wollte; seine Oboe lehnt
sich an die Violinen fast wie ihres Gleichen , die Flöte ist fast das ein-
zige Labsal im heissen stillen Zug der Bogen ; ein Paar Fagotte oder
Hörner, — ja ein einziges — hätten Schatten und Kühlung gegeben
und durften erst bei dem folgenden Satze mitreden. Was übrigens die-
sen und andre Ausnabmfalle von der musikalischen Seite begreiflich
und leichter erträglich macht, liegt vor Aagen. Wenn nämlich durch
einseitige Macht von lauter hoben oder lauter tiefen Blasinstrumenten
ein Uebergewicht nach der Höbe oder Tiefe in der Anlage der Parti-
tur veranlasst scheint , so kann ja doch noch in der Ausführung das
Quartett so gesetzt werden , dass es die tiefere Lage im Gegensatz zu
den hohen Bläsern hervorbebt , — oder es können die hohen Blasin-
strumente selber mehr in der Tiefe und Mitte gebraucht werden. So
hat auch Haydn verfahren.
Der Rücksicht auf gleichmässige Besetzung der Tonlagen inner-
halb des Bläserchors liegt schon der Gedanke zum Grunde , dass der-
selbe in sich selber befriedigend gestaltet sein müsse. Wir wissen aber,
dass im Karakter der Bläser Fülle des Klangs als einer der Grundzüge
hervortritt, und zwar im Blech noch mehr als in denRohrinstrumenlen.
Daher ist nun auch
3. Vollklang
eines der allgemeinen Bedürfnisse, deren sich der Komponist nicht ohne
besondern Grund entschlagen kann.
Der Vollklang hängt natürlich nicht blos von der Wahl der Instru-
mente ab , — Klarinetten gewähren ihn mehr als Flöten oder Oboen,
Posaunen mehr als Hörner, — sondern auch von der Masse derselben ;
wenn zu den Oboen und Fagotten noch Flöten oder Klarinetten treten,
oder beide zusammen, so versteht sich von selbst, dass die Schallmasse
sich vergrössert. Allein es tritt hier doch noch ein Drittes hinzu.
Es ist nämlich , von allen besondern Intentionen abgesebn , vor-
tbeilhaft für den Wohl- und Vollklang, wenn Rohr- und Blechinstru-
mente vereinigt werden, weil dann die Eigenthümlichkeiten beider ein-
ander gegenseitig ergänzen und Eins das Andre schon durch den
Gegensatz hervorhebt. Daher würde die grösste Aufhäufung von Rohr-
23*
356
instramenten — wollte man auch zu Flöten, Oboen, Klarinetten ond
Fagotten noch Alt- und Bassklarinetten und Bassethörner, oder stall
zweier Fagotte drei oder vier obligate nehmen — keinen so wobige-
bildeten Klangkörper geben, als wenn man zu weit weniger InstninieB-
ten, z. B. zu Klarinetten und Fagotten, noch Hörner setzt; selbst Kla-
rinelten und Höruer allein (wofern nur der Tongebalt der letztem
genügt) gewähren eine Fülle von Wohllaut, die grossem Zosammeo-
Stellungen ohne Beimischung von Blech nicht leicht eigen ist. Und so
dient umgekehrt der Zutritt von Rohrinstrumenten — wären es auch
nur Klarinetten (oder Oboen) und Fagotte, oder selbst nur die letztem
— einer Blechmasse, die in sich selber stark genug gebildet sein mag^
um voll zu klingen , zu besserer Abrundung und zur Annäherung an
das Quartett oder Verschmelzung mit demselben. Hiernach bieten ans
Zusammenstellungen von
Klarinetten (oder Oboen), Fagotten und Hörnern,
Flöten, Oboen (oder Klarinetten), Fagotten und Höraera
schon eine beßriedigende Masse für jenen Vollklang, den wir als ersten
Karakterzug und Reiz aller Harmoniemusik — und somit auch des
Bläserchors im Orchester erkennen.
So weit führt uns das allgemeine Bedürfniss, dem Slreichercfaor
Bläser zuzugesellen und diese als eignen Chor in befriedigender Weise
aufzustellen. Alles Weitere hängt nun von der besondern Aufgabe ab,
die sich dem Komponisten in dem oder jenem Werke darbietet. Hier-
über erschöpfend zu reden, würde ebensowohl unausführbar als unnütz
— oder vielmehr benachtheiligend sein. Es können nur noch einzelne
Winke über häufig eintretende oder besonders lehrreiche Verbältnisse
gegeben werden.
Wenn es dem Komponisten auf
4. grosse Kraftentwickelung
ankommt, so ist allerdings das nächste Mittel, das sich ihm darzubieten
scheint, eine vergrösserte Instrumentation. Zunächst wird er also za
seinen Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotten und Hörnern noch Trom-
peten und Pauken, — dann vielleicht Posaunen, — zu den Flöten viel-
leicht PikkolOöten , zu den normalmässigen zwei Hörnern ein zweites
Hornpaar oder ein drittes Hörn setzen, und so fort. Allerdings wird auf
diesem Wege die Schallmasse vergrössert.
Allein mit dem Anwachsen der Masse wird keineswegs die Kraft
des Ganzen jederzeit gesteigert. Wir haben schon früher (S. 166) be-
merken müssen , dass Instrumente von rundem , weichem Klange die
Schallkraft scharfer und harter Instrumente nicht immer erhöben , son-
dern vielmehr umhüllend zu schwächen dröhn , wenn dem nicht etwa
durch besonders geschickte Stellung vorgebeugt wird, was nicht immer
angebt. Flöten, wenn sie nicht in der höchsten Tonlage gehalten
357
werden , nehmen den Oboen leicht ihre eindringliche Schärfe, Homer
than dasselbe den Trompeten, Hörner und Fagotte den Posaunen.
Wollte man zu Flöten, Klarinetten, Fagotten und Hörnern ein zweites
Hompaar und Bassethörner setzen mit oder ohne Oboen, so würde
darch die Hasse sauftquellenden gerundeten luftvollen Klanges die
Schmetterkrafk der Trompeten und Posaunen gehemmt oder gar ge-
brochen; es könnte so ein vollströmender, ja erhabner Vollklang ge-
wonnen werden, nicht aber durchdringende erschütternde Kraft.
Und endlich würde der entgegengesetzte Uebelstand von dem ein-
treten, den wir zuerst gewahr wurden. Zuerst erkannten wir die
Mangelhaftigkeit in der Wirkung von Streichinstrumenten ohne
Bläser; jetzt würde die überhäufte Masse der Bläser dem Streich-
quartett alle Energie und Schärfe abstumpfen. Und wenn man diesem
Nachtheil durch verdoppelte Besetzung des Quartetts entginge, — was
doch nur an den wenigsten Orten die Mittel erlauben , — so würde in
der gehäuften Masse der Bläser und Streicher jede Individualität ihren
Karakter einbüssen, ein Klang würde den andern verschlingen, die
Schallmasse — das Materielle auf Kosten des Geistigen überwältigend
werden.
Diese Ueberlegung führt uns auf einen Grundsatz, der von den
Meistern stets festgehalten worden ; er heissl
5. Mässigung und Zurückhaltung
in der Zusammenstellung des Orchesters und hängt eng zusammen mit
dem höchsten Grundsatz, den wir für die Bildung des Orchesters über-
haupt auszusprechen haben :
6. karakterislische Wahl der Instrumente.
Beide Grundsätze treten uns überall entgegen, wo es dem Künstler
um das wahrhaft Künstlerische, — um OBenbarung eines geistigen In-
halts, eines tiefergriffnen Seelenzustandes, einer Idee — zu thun war,
während alle zuvor erwähnLed Rücksichten, so gewiss sie ihre Berech-
liguDg haben , doch zunächst nur dem Sinnlichen, — dem sinnlichen
Wohlklang, der materiellen Gewalt — oder dem abstrakt Verständigen
angehörten.
Den wahren Meisler in der Instrumentation erkennt man vor
allem in der Zurückhaltung, die ihn von allem Material, das nicht
streng nothwendig ist für seine Idee, absehen lässt. J. Haydn nimmt
zu seiner sprühend lebendigen iSdur-Symphonie, zur derartigen Gdur-<
Symphonie nur Flöten , Oboen (keine Klarinetten) und Fagotte , Hör-
ner, Trompeten und Pauken. Mozart hat in seiner ff moU-Symphonie,
einer der geistvollsten und leidenschaftlichsten, die er geschrieben, nur
eine Flöte, Oboen, Fagotte und zwei Höruer, keine Klarinetten, keine
Trompeten und Pauken.
358
Wenn man vielleicht geneigt sein sollte, diese ZurückbaltUDg äl-
terer Meisler Lheilweis' mit auf die Beschränktheit der damaligen Or-
chester zu beziehen: so findet man doch denselben Grundsatz auch bei
Beethoven, der überall und namentlich in seinem Wien auf die zu-
reichenden Mittel der Ausführung rechnen konnte. In seiner heroischen
Symphonie, zu der ihn bekanntlich die Heldengestalt Napoleons begei-
stert hat und in der ihm Bilder des Kriegs in ihrer kühnsten , gewalt-
samst andringenden Macht vorschwebten, hat er keine Posaunen, keine
Pikkolflöten, sondern setzt den gewöhnlichen Instrumenten — Flöten,
Oboen, Klarinetten, Fagotten, Trompeten und Pauken und zwei Hör-
nern — nur noch ein drittes Hörn zu. In seiner Pasloralsymphonie
enthält er sich in den ersten beiden Sätzen selbst der Trompeten, die erst
im dritten — und da auch nur im Trio auftreten. Erst im vierten Satze
(Gewitter, Sturm) kommen zu den Trompeten noch Pauken, eine Pik-
koltlöte und Posaunen — aber nur Alt- und Tenorposaune hinzu. Pau-
ken und Pikkolflöte treten hier wieder ab. In der Cmoll-Symphooie
werden Posaunen, Pikkolflöte und Kontrafagott ebenfalls bis zum Finale
gespart. Selbst in dem mächtigsten aller Orchesterwerke, in Beetho-
ven's neunter Symphonie (mit Chor), wirkt das Kontrafagott erst im
vierten Satze bei der Einleitung in das Rezitativ der Bässe mit; Pikkol-
flöte, grosse Trommel, Becken und Triangel treten erst xmAlla marcia
der Kantate, —
Froh wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmels prächtigen Plan,
Laufet Brüder eure Bahn
und die Posaunen treten erst im Trio des Scherzo, dann aber nicht
eher wieder, als zu dem wie Tempelweihe gesungnen
Seid nrnscblnngen, Millionen !
auf*). Es bedarf nur eines Blicks in die Partitur, um zu erkennen,
dass selbst diese gewaltigsten Instrumente nicht um der Massen- oder
Schallverstärkung willen gesetzt sind.
Die letztern Beispiele scheinen uns um desswillen die beweisend-
sten , weil der Künstler hier Mittel geschont und gespart hat, die er in
demselben Werk an andern Orten in Thätigkeit setzt, deren Vorhan-
densein er also fodert. Hier hat ihn also augenscheinlich nicht etwa
ausscrlicli noLh wendige Sparsamkeit oder soust ein Dicht wesentlicher
LiDistiuid besUüiini, sondern nur die Idee des Werkes und jene keusche
Zuruckhahung von allem nicht für den Ausdruck der Idee nöthigen
ÄJatericil, iieiii iiicbl versl-r' Süil, das Geistigt* üppig zu über-
wtichcrti. So enthäll^M i«o^art in der Ouvertüre zum Don
JUÄ» der PosüiUici^ jjy N nur m einer Ouvertüre, der zur
Zauberllö1i% ^BP"^ ^ ^ ^^^' ^P<^^ selbst braucht.
m b**riiu*i?epbnen Partitor.
359
Den Nachweis des Karakteristischen in der Wahl der Instrumente
können wir kürzer fassen. Sobald nur erst erkannt ist, dass es nicht
der Aufhäufung von Instnimentmassen bedarf, dass sie vielmehr ihr
Bedenkliches hat, wofern sie nicht der Idee des Kunstwerkes entspre«
chend und nothwendig ist: wird man von selbst geneigt sein, bei der
ratbsamen Beschränkung die der Idee des Werks entsprechendsten In-
strumente den andern vorzuziehn. Hier könnten nun die auffallendsten
Zuge aus unsern Meisterwerken gegeben werden ; wir beschränken
uns nur auf einen einzigen Fall, auf Mozart's Requiem. Mozart ent-
hält sich das ganze Werk hindurch der Flöten, Oboen, Klarinetten und
Hörner. Zwei Bassethörner und zwei Fagotte bilden den Chor der
Rohrinslrumente ; ihre tiefere Tonlage, ihr verschleierter lugubrer
Klang geben die trübe Lokalfarbe für den Trauergesang, der weder
durch üppige Klarinetten noch milde Flöten erhellt , oder durch die po-
sitivere Oboe zu festerer Haltung im Klange gehoben werden sollte.
Wo es der kirchlichen Feier oder schärferer Eingriffe des Pathos be-
darf, da dienen Trompeten und Pauken und Posaunen, ungemildert und
unvermittelt durch Hörner; der romantische Waldklang, die weltliche
Schwärmerei des Horns durfte hier nicht vernommen werden.
Dritter Abschnitt.
Die eiufaehsteii Stellungen der verseliiediieu ChOre zu
einander.
Wir haben bereits das Streichquartett als wichtigsten Chor des
Orchesters anerkannt, da dasselbe die ausgedehnteste Befähigung zu
allen Arten von Tonverbindungen und Bewegungen besitzt, sich mehr
wie die andern Orchesterchöre den mannigfachsten Stimmungen und
Vorstellungen des Komponisten anzuschmiegen und als Organ herzu-
geben vermag und, eben weil es keinen so gesättigten und sättigenden
Klang hat wie die Bläser, länger die Theilnahme des Schaffenden und
Hörenden fesselt. Daher sprechen wir es als ersten Grundsatz für die
Behandlung des Orchesters aus,
das Streichquartett als Kern des Orchesters
auzusehn, mithin von ihm aus den Satz aufzuerbauen , — das Quar-
tett als Hauptchor im Sinne zu haben und die übrigen Chöre erst in
Beziehung zu ihm hinzuzuführen.
In der That ist dieser Grundsatz so tief begründet, dass ihm ge-
radezu alle Partituren der Meister oder überhaupt der irgend orientir-
len Musiker zur Bestätigung dienen. Nur wollen wir uns vor zweierlei
Missverständniss dabei verwahren.
360
ZaenU wolle man aaeh hier eiogedenk UeibeB, dass eis Ronst-
werk nichl sltickweis zasammeagetragea wird , sondern gleich jedem
lebendigen Organismus als ein einheitvolles Ganzes enUtehL So wenig
der Komponist zoerst die Melodie and hinterdrein (Th. li. S. 15) die
Harmonie und Begleitnngsform erfindet, so wenig kann davon die Bede
sein , dass er zoerst sein Qaartett kompooire und dann die Bläser zu-
setze. Ihm slehn alle Chöre ond alle Organe vor dem innem Aoge
und jedes spricht zu ihm , wird von ihm aufgerufen nach dem ihm
eigenthümlichen Wesen. Aber eben in dieser Stellung, wo er von jedem
Organ vernimmt, was es als sein Wesen auszusagen bal, und wo er
jedes nach seiner Weise in den ideenkreis des Werkes einfahrt, eben
da moss ihm die amfossendere and vorwaltende Bedeutung des Quar-
tetts als eine längst vertraute stets vor Aagen sein.
Sodann ist der obige Grundsatz so wenig wie irgend ein Kanstge-
setz (Th. 1. S. 15) eine Fessel. Ans der vorwaltenden Wichtigkeit des
Quartetts folgt keineswegs, dass es überall der vorwaltende Chor sei;
es kann sogar eine Zeitlang ganz ausser Thätigkeit treten , es können
in grossem Werken ganze Sätze, z. B. in Opern, Märschen oder an-
dern Gelegenheitsmusiken (Serenaden n. s. w.), oder solche, die sich
nach Situation und Stimmung dazu eignen , blos dem Bläserchor über-
lassen werden. Aach in reinen Instramentalwerken kann das Quartett
eine Zeitlang pausiren, z. B. in dem Nr. 203 angeführten Salz aus dem
Finale von Beethoven^s heroischer Symphonie. Allein schon die Sel-
tenheit und räumliche Beschränktheit solcher Sätze weiset dann doch
wieder auf den Grundsatz zurück; man wird stets erkennen, dass der
Komponist nur so lange, als Idee oder Stimmung es durchaus foderte,
auf das Quartett hat verzichten wollen.
Dies spricht sich besonders noch darin aus , dass selbst an solchen
Stellen , die wesentlich dem Bläsercbor angehören , doch das Quartett
wenigstens nebenbei sich in Erinnerung bringt. Wir können dies zu-
erst an Beethoven's Ouvertüre zu König Stephan beobachten. Der
Hauptsatz*) —
jO.
fe
fis^'^rB
t>\
*) S. 5 und 7 der bei Haslioger io VVieo erschieaeoeo Parlitur.
361
gehört ganz den Bläsern (Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotten, Es-
und C-Hörnern) an ; aber das Quartett mass wenigstens im ersten und
dritten Takte den Akkord mit angeben. Und wenn sich nach dem
Thema eine Art von zweitem Tbeil anspinnt, — nämlich dieser —
Satz von den jE^-Hörnern unter aushaltenden Oboen und Fagotten
vorgetragen, dann von Hörnern und Fagotten (in tieferer Oktave) bei
aushaltenden Oboen wiederholt wird: so kann das Quartett nicht mehr'
zurückgehalten werden bis zum Hauptmoment seiner nächsten Wirk-
samkeit, bis zur Wiederholung desThema's, sondern es wirft sich schon
in die nächste Wiederholung des überleitenden Satzes, —
444 Corni in Es.
fl^L-^T-J^li /I^^fHf
"'T=lX^r^=T^rr^?T^^f
Flanti
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Oboi, ^ ^ ^^'^
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(Contrafägotlo col Basao.)
fe£i
J-M^
P cresc
Basal. ,
^
PI
z^
^
fc*=
zi=
t:
steigert ihn und führt so schwungvoller in das Tulti des Tbema's , als
den Bläsern für sich allein möglich gewesen wäre. Hier war es vor-
362 -
zugsweise die Bewegungsfahigkeil, — die iitoere Beweglicbkdt and Ud-
rohe, die das Quartett in dea Momenl der Bewegung hineinzog.
Dasselbe in noch freierer und darum karakteristiscberer Weise
können wir an dem Eintritt des ersten Allegro in Beelboven's
.^dur-Sympbonie beobachten . Aucb bier gebort das Tbema in seinem
ersten Auftreten*; wesentlich — und sogar mit der Einleitung dazu
dem Bläsercbor. Aliein das Quartett kann, wie man in der Beilage Xlil
siebt, sieb gleichsam nicht zurückhalten; es pocht an, es bestärkt den
Schluss (Takt 11), es drängt sich erweiternd in den zweiten Theil,
der sich eigentlich so bilden wollte, wie hier —
die erste Zeile angiebt, wird dann im Uebergang zum Tbema Haupt-
chor und trägt in dieser Stellung das Thema im Tutli des ganzen Or-
chesters vor. Beide Sätze Beethoveu's — und besonders der letz-
tere — beruhn auf einer durchdringenden Anschauung vom Wesen
des Quartetts und geben in der That treffenderes Zeugniss von demsel-
ben, als solche Sätze, wo das Quartett schon als Hauptchor aufge-
führt ist.
Von hieraus bestimmt sich die Stellung des Bläserchors als
eine vierfache. Zwei dieser Stellongen, die einfachsten, bringen wir
zuerst zur Sprache.
A. Die Bläser als Hanptchor.
Die Blasinstrumente treten als Hauptchor auf, wenn das Streich-
quartett (wie in Nr. 203 oder der Beilage X) entweder gar nicht mit-
wirkt, oder doch nur eine untergeordnete Aufgabe (wie in Nr. 444 oder
der Beilage Xlfl) übernimmt. Dies ist die ausuahmsweise Stel-
lung, die wir schon oben erwogen haben.
B. Die Blaser als Verstärkung des Quartetts.
Diese Verwendung tritt ein , wenn der Komponist keinen weitern
Inhalt zu verlaulbaren hat, als der in den Stimmen des Quartetts gege-
ben ist, wohl aber das hier Gegebne zu verstärken oder mit einem ge-
sättigtem oder eigenthümlich gefärbleu Klang zu karakterisiren Veran-
lassung findet.
*) S. 1^ der ueoea Haslioger'schcD Partitarausgabc.
363
1. Erste Weise der Verstärkung.
Wenn das ganze Quartett — also der gesammte Stimmeninhall
der Komposition von den Bläsern verstärkt werden soll, so wird ge-
wöhnlich
der ersten Vioh'ne die erste Oboe und Klarinette,
der zweiten Violine die zweite Oboe und Klarinette^
der Bratsche das erste Pagott,
dem Bass das zweite Fagott und Kontrafagott oder Serpent
zuertheilt. Die Flöten gehn entweder im Einklabg oder in der böhern
Oktave mit den Oboen und Klarinetten; das Erstere, wenn die Lage
in der höhern Oktave allzuhoch führen würde, oder wenn man die
Oberstimmen nicht zu stark werden lassen will. Allein diese Verstär-
kung würde noch mancherlei andern Rücksichten auf die Fähigkeit und
Eigentbümlichkeit der Instrumente unterworfen sein. Sollte z. B. der
in Nr. 4.V2 und 433 angeführte Fugensatz von Händel (wir fassen die
erste Tuttislelle, die von Nr. 432 überführt) durch Bläser — und zwar
durch Flöten, Oboen, ^-Klarinetten, Fagotte und Kontrafagott — ver-
stärkt werden *) : so könnte sich der Satz in dieser Weise —
^F=f^ylH^
i^^m
■J^H-I-
i-r^r
^Si^*^^
V. I, J
I J J J3l -i. J» _^ jp-j ,
BratAche.
Bass.
i-v^-t-
-p — ,^
"^^^^^r.
*) Wir wördeo übrigens deo Zutritt der Bläser nach dem Sino des Satzes
dorcbaus unmotivii-t und nachtfaeilbriogeDd findeu; Mosart bat sebr
364
gestalten. Wir habea ans hier so einfach wie möglich an die obige
Formel der Verdoppelung halten wollen, doch aber mannigfach abwei-
chen müssen. Zunächst konnte Takt 2 und 3 das erste Fagott nicht
mit der Bratsche gehn ; wir haben den Oktavensprung aufgegeben nnd
das Fagott mit der zweiten Klarinette an der zweiten Geige, die zweite
Flöte und Oboe aber an der Bratsche anschliessen lassen. Sodann haben
die ^-Klarinetten zu Anfang pausiren müssen, um nicht zu hoch für
ihre Tonlage — oder eine Oktave unter den Hauptstimmen einzu-
setzen. Femer haben die ersten Bläser Takt 2 statt des unruhigen
Oktavensprungs in der ersten Geige einen Halteton; endlich durfte
die Stimmkreuzung Takt 4 , die in den Geigen leicht vor sich geht,
von den Oboen und Klarinetten nicht füglich belastet nnd verschärft
werden.
Schon innerhalb dieser Anlage sind mannigfache Umgestaltungen
möglich. Es kann durch stärkere und schwächere Besetzung der
Bläser mehr Abwechslung in das Ganze gebracht und für einzelne
Stellen zweckmässigere Behandlung gewonnen werden. So dürfte
zu Anfang (in Nr. 432) die Häufung von Flöten und Oboen allzu-
schwer auf den Stimmgang drücken, man könnte sich auf Flöten
oder Oboen beschränken, oder der ersten Geige die erste Flöte,
der zweiten Geige die (erste) Oboe zufügen, bis Takt 2 in Nr. 446
das Tutti einträte. Man könnte im weitern Forlgange (Nr. 433) im
ersten Abschnitte nur Klarinetten und Fagotte, im zweiten nur
Oboen und Klarinetten setzen — und dergleichen mehr. Hätte man
Basselhörner und — was dann gewiss nötbig wäre — Kontrafagott
oder Serpent zur Verstärkung des Basses, so würden die Bassetbör-
ner bald zweite Klarinette und erstes Fagott, bald nur das erste
Fagott, bald beide Fagotte verstärken, jenachdem die Stimmlage es
zuliesse und der Satz hier oder da stärkere Besetzung wnnschenswerlh
machte.
2. Zweite Weise der Verstärkung.
Die obige Satzweise hat nur den Zweck der SMmmverstärkung,
ohne auf die Eigenthümlichkeit der verstärkenden Instrumente mehr
richtig erkaoDt, dass die Beweslichkeit uod unruhige Führung der Strcichinstru-
uiente durch Bläser nur belästigt und yergröbert werden würde, dass auch die
Bläser gar keine Gelegenheit zum erfolgreichen Eingreifen haben würden. Wenn
aber doch Blaser zutreten sollten , so würden sie wenigstens nicht durchweg zur
blossen Stimm Verdoppelung, sondern in andern, spater zu besprechenden Formen
zu verwenden sein. Es war aber hier bios um ein naheliegeades Beispiel zu
thun.
365
als die nöthigste Rücksicht zu nehmen. Indem jedes Instrumenten«
paar sich auf zwei Stimmen yertheilt und verschiedne Instrumente —
z. B. Oboen und Klarinetten — in Einklang treten , macht sich der
besondre Klang und Karakter derselben nicht weiter gellend. Diese
Form ist gut, wenn das Orchester als eine einige Masse wir-
ken soll.
Anders muss verfahren werden, wenn es darauf ankommt, die
Stimmen zu individualisiren , jeder einen möglichst eigenthnmlichen
Klangkarakter zu geben, oder umgekehrt den Karakter der Instru-
mente in den Stimmen selbst geltend zu machen. Beide Zwecke
(sie sind im Grunde nur einer, von zwei Seiten angesehn) fodem,
dass jeder Stimme besondre Instrumente zuertheilt werden, dass
man z. B.
der ersten Violine eine oder beide Flöten,
der zweiten Violine eine oder beide Oboen,
der Bratsche die Klarinetten,
dem Bass die.Pagotle
zufügt, oder wenigstens, so viel wie der Inhalt des Satzes zulässt, die
Instrumentarten geschieden halte. Ein gelegnes Beispiel bietet uns
Beethoven's Pestouvertüre in Cdur*). Das Allegro führt in freier
Fugenform diese beiden Subjekte —
447
^|ä^i^^^
durch, die zuerst von erster und zweiter Geige , dann (in der Um-
kehrung) von Violoncell (I) und Bratsche, dann von Bass (Violon-
cell und Kontrabass) und erster Geige (II), dann von erster Geige
(I) und Bass genommen werden; die Zwischensätze und die Stim-
men des Gegensatzes lassen wir für jetzt bei Seite. Bis hierher
stellen sich nun die Stimmen in der Partitur in folgender Besetzung
dar :
I. Violine 1, Flöten, Oboen,
IL Violine 2 , Klarinetten, —
I. Violoncell, Fagotte,
II. Bratsche, Klarinetten und Homer, nämlich so :
*) Op. 124, S. 17—22 der bei Schott in Maioz heransgegebneo Partitur. Die
Ouvertüre ist zur EröffouDg des Pesther Theaters geseb rieben.
366
C-Klarlnellen
ferner :
I. Vioioncell und Kontrabass,
II. erste Violine, Flöten und Oboen, —
I. erste Violine,
II. Bass und Fagotte.
Man sieht bei jeder Aufstellung die Subjekte durch verschiedenar-
tige Besetzung unter einander in Gegensatz gebracht.
Bei dieser Behandlung, wie bei der zuerst gezeigten , finden sich
mancherlei Anlässe zu Abweichungen im Einzelnen. Bisweilen will
man eine Stimme verstärken , aber nicht drückend werden lassen. So
wird in der letzten obenerwähnten Aufstellung der Subjekte die erste
Violin in der That von den Flöten unterstützt. Aber die ohnehin hoch-
liegende und darum scharf eingreifende Stimme soll nicht zu stark
werden ; daher gehu die Flöten, wie man hier sieht, —
449
Flöten.
Violine I.
a=^3E
-ir
t
^B^pMm^
'ff
'^f
9f
♦-f-
nur auf die harmonische Unterstützung ein , ohne die Geigen in ihrem
leichten Gang zu belästigen. Gleich darauf*) werden beide Subjekte
noch einmal stark dargestellt; das zweite wird von Bratsche und Bass,
das erste von Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotten und der ersten
Geige dargestellt. Allein die letztere findet ihr Thema von acht Blasin-
strumenten so stark besetzt, dass sie sich ihrer beweglichen Natur
») S. 23 der Parlityr.
367
überlassen und das Thema Ggurircn darf. Harmonisch unterstützend
schUesst sich nun auch noch die zweite Geige (und anfangs die erste
Trompete mit vier Hörnern) an ; die fiir unsre Betrachtung wichtigen
Stimmen stellen sich so —
450 Fl., Ob., Clar., Fag.
^^
Uj «egiic ^
I-4iA^_^^^,_ „ , Tf Tt?f ro^f T^^f .
dar, — wiederum vom Gegensatz abgesehn. — In welcher Weise
Beethoven die Stimmen ferner verlheilt, kann hier übergangen wer-
den: so viel ist klar, dass die Verlheilung auf vielfache Weise, —
dass die Besetzung der Stimmen stärker oder schwächer, im Einklang
oder in Oktaven, mit genau übereinstimmenden Stimmen oder mit ab-
weichender Figurirung einer und der andern, in gleichmässiger Schall-
kraft aller oder mit vorzugsweiser Verstärkung einer oder einiger
Stimmen geschehn kann. Welche Weise in jedem einzelnen Falle
vorzuziehen sei, kann nur nach dem Sinn der Komposition und nach
der Bedeutung der fraglichen Stelle entschieden werden. Im Allgemei-
nen lässt sich so viel sagen, dass gleichmässige Verstärkung aller
Stimmen zum Gleichgewicht der Harmonie oder des Stimmgewebes
beiträgt; eine zu schwach, — das heisst von zu wenigen oder zu
wenig starkschallenden Instrumenten besetzte Stimme wird leicht von
den stärker besetzten überschrieen und unwirksam. Auch die Zahl
und Schallstärke der Instrumente im Allgemeinen leistet noch nicht
Gewähr für ihre Wirkung am gegebnen Orte; es fragt sich, ob die
Instrumente auch in schallstarken Tonlagen gebraucht sind. Der
Verein von Flöten in der tiefen und Klarinetten in der mittlem
Oktave mit der Bratsche, — wenn z. B. Beethoven seine Sub-
jekte so —
368
451 Fl5ten und Klarinerien.
hätte einfühFen wollen, — würde UDgeachtel der Zahl von vier
Bläsern nur eine schwache Stimme gegen beide vereinigte Geigen
oder eine Geige und eine Oboe abgeben, gegen beide Geigen nnd
Oboen aber gar nicht aufkommen; — gegen ihren weichen Klang wür-
den überdem die scharfen Striche der Bratsche einen ungünstigen Ab-
stand bilden.
Wir befinden uns noch bei den einfachsten Formen, in denen
Bläser und Streichinstrumente zusammentreten , die Vereinigung bei-
der Chöre hat zunächst blos quantitative Verstärkung der Stimmen
zum Zweck. Und doch macht sich schon , gleichsam ohne unsre Ab-
sicht, das Vliesen der einzelnen Organe geltend. Bald müssen wir von
der nackten Verdoppelung der Stimmen abgehn, weil einige Instrnmente
nicht fähig sind, den Toninhalt der Stimme vollständig wiederzugeben ;
bald bringen wir einige Instrumente in höhere oder tiefere Okta-
ven, weil sie nur in diesen mit voller Kraft wirken können; bald
endlich geben wir einzelnen Instrumenten die ihnen obliegende
Stimme in irgend einer einfachem oder figurirtern Gestalt, wie ihrer
Eigenthümlichkeit oder dem Sinn des Ganzen zuträglich scheint.
Hier macht sich besonders der Unterschied der Blas- und Streich-
instrumente geltend , den wir bereits bei der Karakterisirung der letz-
tern (S. 247) in das Auge gefasst haben. Das Blasinstrument kann an
der Beweglichkeit des Streichinstruments nicht vollständig und mit
gleichem Erfolg Theil nehmen; und dieses wiederum mnss durch Be-
weglichkeit, durch Tonwiederholung oder Tonhäufung ersetzen , was
ihm in Vergleich mit den Blasinstrumenten an Klangfülle und Schall-
dauer abgeht. Daher müssen Melodien , die von Streich- und Blasin-
strumenten mit übereinkommender Wirkung vorgetragen werden sol-
len, vielfältig umgewandelt werden. Hätten wir z. B. die Oberstimme
dieses Sätzchens —
452
Risoluto. ^*g ^^ j^ ^^
mm
__ 369 .
ZQ iiislrumentireD , so könnten die Bläser sie unverändert vortragen ;
die Geigen könnten dies ebenfalls, würden aber, wenn der Satz be-
weglicher, unruhiger, flatternder u. s. w. werden sollte, zweckmässi-
ger zu irgend einer Figuration, z. B. zu einer von diesen —
^=±;=^^^'
greifen. Selbst solche Figurationen , die durch Vorhalte, Vorausnah-
men, Htilfstöne von den zum Grunde liegenden Harmonietönen abwei-
chen, z. B.
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können unbedenklich mit den zum Grunde liegenden rein akkordmässi-
gen Gängen der Bläser im Einklang oder in Oktaven zusammentreten,
z. B.
Violine.
J|t_+-
fe=g^l^
ohne dass daraus eine Störung der Slimmgänge oder ein empfindlicher
Widerspruch zwischen den abweichenden Organen entstünde; man
empfindet , dass jedes Organ in der ihm eigenthümlichen Weise den-
selben Gedanken vorstellt, und vernimmt durch alle von Nr. 453 bis
455 aufgeführte Figurirungen hindurch im Wesentlichen nur die in
Nr. 452 gegebnen Sätze. — Es versteht sich übrigens von selbst, dass
die Beispiele von Nr. 453 nicht motivirte Komposition , sondern Auf-
sammlung aneinandergereihter Motive sind.
Marx, Ro»p. L. IV. .r Aull.
•)'-
370
Vierter Abschnitt.
Die cigenthamlichern Siellungeii der OrchesterchOre*)«
Im vorigen Abschnitte worden Bläser und Streichquartett entwe-
der als nicht gleichzeitig wirkende oder als in einander aufgebende
Chöre aufgefasst; beide dienten im letztern Falle nur zu stärkerer
Besetzung der Stimmen. Hierbei wurde jedoch schon zweierlei be-
merkbar.
Zunächst mussten Bläser und Streicher aus mancherlei Gründen
dieselbe Stimme, die sie gemeinscbafUich vorzutragen hatten, in ein-
zelnen Punkten abändern. Hierüber ist das Nöthige schon erwähnt
worden.
Sodann vermissen wir in der Reihe der mit den Quarteltstimmen
sich vereinigenden Blaser mehrere wichtige Stimmen. Die Hörner haben
einmal gelegentlich (Nr. 448) mitgehen können ; aber von ihnen und
den Trompeten ist nur gleichsam zufällig Gebrauch zu machen gewe-
sen , die Posaunen und Pauken sind gar nicht zur Anwendung gekom-
men. Der naheliegende Grund ist, dass Trompeten, Pauken und Hörner
an den meisten Tonfolgen nicht Iheilnehmen können, die Posaunen aber
zu schwer beweglich und zu schallmächtig sind , als dass man sie so
leicht zur blossen Stimm Verstärkung verwenden dürfte. Nur in den
einfachsten und zugleich für grosse Kraflentwickluug bestimmten
Sätzen, z. B. bei dem feurigen Einsalz der Ouvertüre zu Spontini's
Olympia, — (Siehe das Beispiel 456, folg. Seile.)
oder bei dem Triumphruf, mit dem das Finale von Beethoveu^s
Cmoll-Symphonie auftritt, ist die Vereinigung aller Chöre zu densel-
ben Stimmgängeu ausführbar; und selbst dann wird man noch auf die
Schwere der Posaunen und andern Blechinstrumente Rücksicht zu
nehmen haben. 3pontini vereinfacht im dritten Takte das Blech.
Beethoven führt von Takt 4»*) sein Quartett so weiter, —
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*) Hieran der Anbanfc P.
**) S. no der Partitor.
371
456
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Allegro marcato assai coii fierezza
FI. pico.
Fl, :£: coir Oboi air Sva.
tl — H — &5-1^T;Äi.'=*' — --^-^z±z£-i ^+-*— 1 i
icH^nEEEy^g^^s,:
Viola, I ^^^ . . , .
Violoncpllo. _Cl
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m^0\0^?mim'^^^^
CuEilrBibaMOi
24*
372
und lässt zu Anfang alle RohrinstmiDente , Trompeten, Hörner und
Pauken mit dem Streichquartett, dann von Takt 3 an wenigstens Flö-
ten, Pikkolo und Oboen mit der ersten Geige, die Fagotte (natürlich in
gehaltnen Noten; mit den Bratschen gehn ; aber die Posaunen haben
durchaus , die übrigen Blechinstrumente später einen einfachem Gang ;
selbst die Klarinetten — wir geben hier —
45S Paaken.
I.
11.
III.
l'rompeten nnd Hörner,
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:SiJ;
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Posaunen«
1©^
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-w^
3^^
alle abweichenden Instrumente — erhalten von der Melodie nur die
Haopttöne.
So werden wir also von allen Seiten darauf hingewiesen, die
Bläser in ein ihnen eigenthümlicheres Verhältniss, als die beiden
im vorigen Abschnitt betrachteten, zum Quartett zu bringen. Das
Nächste ist,
G. die Bliser als Masse vereinigt
gegen das Quartett zu stellen. Dem Streichinstrument ist die Bewe-
gung, — also die Melodie das günstigste Element; das Blasinstrument
ist ihm hierin nicht gleich, in Klang und Schallkrail überlegen. Ebenso
ist die Intonation der Harmonie vom Bläserchor dessen eigenthüm-
liebste Wirkungsweise (S. 212) und der gleichen Wirksamkeit des
Quartetts in jeder Hinsicht überlegen; die Harmonie ertönt im Blä-
serchor vor allem ruhiger, hat feslere Verschmelzung der Stimmen,
weitere Stimmfülle facht normale Rohrinstrumente, vier, sechs oder
neun normale Blechinstrumente) , mehr Sättigung und Reiz des mate-
riellen Klanges, die grösste Ueberlegenheit im Aushalten, und alles dies
sowohl im Piano als im Forte. Es war dies einer der Gründe , der
das Bedürfniss der Blasinstrumente für den Vollklang des Orchesters
gezeigt hat. Nun aber stellen wir den Bläserchor auch so auf, wie er
den Vollklang, die Ausfüllung des Satzes am günstigsten gewährt: als
festverbundne aushaltende Masse. Melodie und überhaupt Bewegung
373
bleibt dem Quartett überlassen. So hebt — um aus unzähligen Beispie-
len nur eins herauszugreifen — Beethoven den ersten Satz seiner
CmoU- Symphonie in der Nr. 373 gezeigten Weise mit gesonderten
Stimmen des Quartetts an. Sobald er aber steigern will , bildet er aus
den Blasinstrumenten (wie wir in der Beilage XIV nachlesen können)
eine Harmoniemasse, — und zwar eine anwachsende , zuerst Hörner,
dann Oboen und Fagotte, dann zu diesen Klarinetten, endlich Tutti, — ^
und überlässt die Melodie wie überhaupt alle Bewegung dem Streich-
quartett.
Hier können wir an einem einfachen Fall alle wesentlichen Ver-
bältnisse beobachten. Jeder der beiden Chöre ist nach seiner vorzüg-
lichen Fähigkeit benutzt. Das Quartett hat die Bewegung und nament-
lich die bewegte Hauptstimme, die Melodie; seine Unterstimmen unter-
stützen dieselbe in bewegter und dabei gleicbmässigster Weise. Die
Bläser bilden einfach harmonische Massen , zuerst scharf und kurz ein-
greifend, dann in voller Schallkraft aushaltend; und das eben können
sie am besten. Die Streichinstrumente halten fest an einander ; und
wenn die erste Geige sich von den Uuterstimmen entfernt, schliessen
zweite Geige und Bratsche um so enger an einander. Die Bläser dage-
gen bilden eine weite, über mehr als drei Oktaven ausgedehnte Schall-
masse, während doch wieder jedes einzelne Paar fest zusammengehal-
len wird. Nur Trompeten und Pauken werden von der Masse abgeson-
dert, um den Rhythmus der Abschnitte zu zeichnen ; allein im letzten
Abschnitte*) treten auch sie (die Pauken Achtel schlagend) zur Masse.
Hier streichen auch die Bässe Achtel und steigern sich und das Ganze
zu höherer Kraft.
Wir müssen noch einen Augenblick bei der Bildung der Harmo-
niemasse im Bläserchor verweilen.
Das Erste, was wir bemerken, ist: dass sie als ein für sich be-
stehender Tonkörper ihre eigne, keineswegs mit der Hauptstimme über-
einkommende Oberstimme bat. Diese Oberstimme kann in einzelnen
Momenten oder fortwährend über der Hauptstimme liegen, ohne dieser
— wenn sie nur hinlänglich stark besetzt oder durch Tonlage und
Bewegung hervorgehoben ist — nachtbeilig zu werden. Denn die
ganze Masse der Bläser ordnet sich eben aus Mangel an melodischem
und rhythmischem Gebalt dem Hauptchor des Orchesters unter und
wirkt unbeschadet der höhern oder tiefern Lage nur als Begleitung.
Allein in dieser Begleitungsmasse selber kann zweitens die
Stimmung und Erregtheit des Komponisten wieder ihren angemessenen
Ausdruck finden. Beethoven — wir knüpfen unsre Betrachtungen
an das letzte ihm entlehnte Beispiel — hatte in dem ersten Satze seiner
CmoU-Sympbouie ein inneres, düsleres, leidenschaftliches Ringen auszu-
•) S. 4 und « der Partitur.
374
tönen , aber das Ringen eines edlen und starken Karakters, — einer
Persönlichkeit, die erregt, aber nicht ausser sich gesetzt, hingerissen,
aber nicht umgerissen werden kann, sondern sich heldenmiitbig und
mit der Kraft innerlicher Gesundheit und Sicherheit durchkämpft. Dies
scheint uns der Sinn des Satzes, ihm scheint jeder Zug entsprechend —
und unter andern auch die erste (in der Beilage XIV gegebne) Massen-
bildung. Die Bläser liegen im Porte weit aus einander, Klarinetten und
Fagotte tief und nicht in einer schallstarken Tonlage; doch werden er-
slere durch die Hörner, letztere durch die Bratschen gestärkt und jeder
Bläserchor hält fest zusammen. Dies ergiebt einen festen und starken,
aber nicht heftigen und übermächtigen Schall, dessen Tonlage die Tiefe
grollend ^vernehmen lässt; Beethoven selbst findet bei der dritten
Wiederholung des Satzes ein Mittel der Steigerung in der höhern Lage
der Klarinetten, Fagotte und Bratschen (Beilage XV) , wobei übrigens
die quere Quarte der Fagotte {es-a statt es-ges oder es-c oder
a-c) auch das Ihrige thut. In jener ersten Stelle hätte daher Beetho-
ven seine Masse nicht zweckmässiger bilden können. Nehmen wir
nun an, er habe hier weniger ernst und stark zu uns zu sprechen,
seinen Gedanken mehr nebelhaft oder traumartig, in weicher Triibniss
statt mit leidenschaftlicher Energie auszuführen gehabt, so masste er
seine Harmoniemasse weniger fest bilden , in die Tiefe verweisen, —
oder vielleicht die Höhe in träumerischem Sinnen anklingen lassen.
Hier —
459
Es-Hörner.
Flöten.
Oboen.
B-KJlariuetteu.
Fagotte.
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Imo
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Imo
Imo
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geben wir einige Andeutungen , ohne an erschöpfende Aufzählung zn
denken. — Hätte umgekehrt Beethoven einen leidenschaftlichem
Aufschrei im Forte vernehmen lassen wollen , so würde er der Bläser-
masse eine höhere und heftigere Lage, z. B. eine von den hier —
375
460
PaukeBinC.G.
C-Trompelen.
Es 'Hörner.
Flölen
Oboen.
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CT^3^{^sg3;p
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B-KiarineUen«
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angedeateten, haben geben müssen.
Drillens kann in einer solchen Masse dei' Chor der Blech- und
Rohrinstrumente verschmolzen oder durch Lage, Bewegung u. s. w.
abgesondert, es können die weichern und schärfern Instrumente unter
einander verbunden , es kann diese oder jene Instrumentart hervorge-
hoben werden, kurz die ganze Mannigfaltigkeit, die der Bläserchor dem
kundigen Setzer darbietet , kann hier zu karakteristischer Anwendung
kommen. Endlich kann
Viertens die Masse der Bläser in solchen Fällen, wo es nöthig
ist, die Streichinstrumente weit aus einander zu legen, zur Ptiilung der
Uarmoniemitte , zur Verbindung der Ober- und Unterstimme dienen.
Wir geben hier zu der Beetho ven'schen Instrumentation —
(Siebe das Beispiel 461, folg. Seite.)
eia Beispiel *), das man sich als Bruchstück eines heftigen Satzes vor-
zustellen hat; die Geigen, von einer Flöte unterstützt, — und die
Bässe, von der Bratsche unterstützt, — werden in Verbindung ge-
setzt durch die Bläsermasse, deren grösste Kraft sich zwischen den
Aussenstimmen zusammendrängt.
Ueberblicken wir noch einmal die beiden Verwendungen des Blä-
serchors unter B. und C. in diesem und dem vorigen Abschnitte : so
kommen beide darin überein , dass die Bläspr nur zur Unterstützung
*) Es ist aus Nr. 384 gebildet.
376
^Ä^
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'^^^^^^m
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i^^jiiS^^^SS^^J^
des Qaartelts auftreten, dieses aber durchaas.Hauptsacbe bleibt. In der
erstem Weise (B.) gaben sieb die Bläser ganz hin, wurden blos Ver*
Stärkung der Streichinstrumente; in der letztem (G.) schlössen sie sich
nicht den einzelnen Streichinstrumenten , sondern als Masse der vom
Quartett gebildeten Masse an und vermochten so mehr ihrem Rarakter
gemäss zu wirken, ohne dass doch derselbe zu besondrer Entwicklung
gekommen wäre.
Selten oder nie wird man eine oder die andre dieser Verwendun-
gen längere Zeit rein durchfuhren wollen oder können. Gebt man auch
darauf aus, die Bläser in der erstem Weise, zur Verstärkung der Stim-
men zu verwenden: so sind doch nicht alle Bläser dazu geeignet, das
377
Blech wird meistens nur Masse bilden können. Und bildet man umge--
kehrt starke Massen, so wird man häufig (wie z. B. in Nr. 461) das
Bediirrniss finden, die Melodie, oder Ober- und Unterstimme durch einen
Theii der Bläser gegen die Masse der übrigen zu verstärken. Aber
selbst die rein stimmige Behandlung des Bläsercbors kann sich dem
Karakter der Massenwirkung nähern, wenn die Slimmordnung des
Quartetts in den Bläsern verändert wird. Wollte man diesen Satz —
Fresro.
i
462
VioUno I. n.
Viola.
Bassi.
*fo» ^ ^ ^ ^ ^
7/
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**—*»-
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J.
1»— 1* —
von den Bläsern stark und voll begleiten lassen , so würde man nicht
Masse bilden, sondern sich nur dem Stimmgang ansch Hessen können.
Allein die Sextenfolge der Oberstimmen ist nach der Natur des Inter-
valls nicht kräftig und würde alle Oberstimmen der Bläser, die sich ihr
anschlössen, ebenfalls mit ihrem weichen Karakter durchdringen, übri-
gens sie alle in unkräflige Tonlagen hineinziehn. Man müsste wenig-
stens einen Theil der Bläser anders legen, z. B.
463
Flöten.
Oboen und
Klarinetlen.
Ü^^Ü^^ä^ü
oder bei gleicher Behandlung die zweite Flöte (die mit ihrer weichen
Tonlage mehr deckt als stärkt) weglassen, oder dieselbe mit der ersten
im Einklang setzen, oder endlich, — was das Stärkste wäre, alle Ober-
stimmen in die höhere Lage bringen, —
(Siebe das Beispiel 464, folg. Seiter)
die Fagotte mit dem Basse führen , das Blech aber zur Füllung — also
massenhaft verwenden. Die einzelnen Abweichungen von dem hier
Ausgesprochenen mag der Studirende für sich prüfen.
Nun erst ist die Einseitigkeit der beiden Behandlungsweisen über-
wonVen. Die stimmige Führung der Bläser würde nun blos da ange>
wendet, wo entweder (wie im obigen Satz) eine andre gar nicht aus-
tührbar wäre, oder wo der Inhalt der Stimmen ein durchaus wichtiger
ist, — also meistens in den wahrhaft polyphonen Sätzen. Die mas-
378
164
Fanken in C. G.
C-Trompeten.
C-Homer.
Flöten.
*** W m — ^-
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IT
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-m r* T*
4 I I . I
ff
-I — --
T~' ' f u^rt^
-^ T* ¥^
Oboen.
C-KJarinellen.
Fagotte.
I I I I I -1-1— I X=l
^^
s
//
4— l-t-
I
I
sCDhafte Slellang wird da bervorlrelen , wo entweder nicht slimmig
gesetzt werden kann, — wie z. B. im Blech des obigen Beispiels, oder
wo die Stimmen nicht in ihrer Besonderheit, sondern als ein zusam-
mengeschmolznes Ganzes wirken sollen (Beilage XIV), also meist
in den homophonen Sätzen.
Rehren wir jetzt zn der bei Nr. 447 o. f. betrachteten Beetho-
y entgehen OuFertäre zurück. Die beiden Subjekte sind, von den Gei-
gen, Flöten, Oboen und Klarinetten stark besetzt, eingeführt; beson-
ders das erste ertönt scharf. In der Antwort treten wieder die Violon-
Celle nnd Fagotte, die Bratschen, Klarinetten und hochliegende Hörner
mit ihnen anf und geben dem zweiten Subjekt sollen , dem ersten ge-
drängtem Klang. Hätte Beethoven ohne Weiteres so gesetzt, so
wurde seine Fuge eine Schärfe und bittere Heftigkeit angenommen
haben, die dem Sinne des Werks nicht gemäss wäre und das Orchester
nicht in seiner Fülle nnd Pracht, als vollschallende Hasse, hätte auf-
kommen lassen. Er bringt aber schon nach der Aufstellung der Sub-
jekte (Nr. 447) einen Zwischensatz, der ihm Masse zn bilden erlaubt, —
(Siehe das Beispiel 465« folg. Seite.)
und mischt so die heitern Vollklänge des Orchesters zu dem strelgem
und schärfer eindringlichen Fugengewebe. Die Bläser bilden — nur
nach dem Sinn des Satzes rhythmisch erregt •— Masse, die erste Creige
spielt mit dem Hauptmotiv des ersten Subjekts, bis sie (wie schon früher
379
465 Fl. und Ob
^^^w^s^^mm
ff
C -Klarinetten
j=^^^
C-H5rner.
-^^^^mmä
^^E^
£23^
ff
C-Trompeten.
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E3=P3^?H^ipH^^3^5^?^^
■^^-r
Vauken in C. G.
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(— 3-»— *«-
at-
^-J-iM-
Jrrit?
ff
Violino I.
■i:i:=i
^3S^^^
die zweite Geige) einen beweglichen Gegensatz vorbereitet für den Ein-
tritt der Gerährten. Dieser Zwischensatz krönt die ganze Durchrührung
hindurch und später noch häu6g jede AulTiihrung der Subjekte.
Wir haben nun die Bläser stimmig behandelt, aber als blosse ver-
stärkende Beigabe zum Quartett, ferner zu selbständigerer Wirkung,
aber blos als Masse. Es bleibt übrig,
D. die BUser individaalisirt
neben dem Quartett einzuführen, so dass ihr Chor ebenso wohl wie
dieses bald eine Masse allein oder mit dem Quartett bildet, bald ganz
oder theilweis' in obligate Stimmen auseinandertritt. Es scheint ange-
messen, hier einen neuen Kreis der Betrachtung zu ziehen.
380
Fünfter Abschnitt.
Die Individualisirung der BIAser.
Sobald der Bläserchor ebenso wohl wie das Qoartett iodividuali-
sirt, das beisst Dicht nur zur Verstärkung oder als Masse, sondern auch
zu selbständiger Darslellung besondrer Stimmen gebraucht wird , ge-
winnt die andre Seite des Orchesters erst ihre vollkommne, allseitige
Lebendigkeit und wird in ihren Organen selbständig und frei. Die früher
betrachteten Verhältnisse der Orchesterchöre erscheinen jetzt — nicht
etwa als unrichtige oder unzulässige, aber als einseitige und darum un-
zulängliche. Noch immer werden wir
1. diese zwei oder drei Chöre abgesondert brauchen,
2. die Bläser insgesammt als Verstärkung,
3. die Bläser — oder Mos die Blechinstrumente — verbunden zu
einer Masse
verwenden. Aber wir werden auch
4. den Biäserchor auflösen in seine einzelnen Glieder,
einzelne — oder mehrere Blasinstrumente als selbständige Organe im
grossen Verein des Orchesters verwenden.
Hier kann nun nicht mehr von einer absoluten Herrschaft oder
einem unbedingten Vorzug des Quartetts die Rede sein. Es wird den
Vorzug behaupten, den es durch seine Eigenschaften in der Mehrzahl
aller Orcheslerverwendungen hat. Aber in einzelnen Fällen können die
Rollen wechseln; das Quartett kann dienend, untergeordnet auftreten,
und Bläser, einzelne oder mehrere, können als herrschende Organe die
eine Hauptstimme oder mehrere Stimmen übernehmen.
Es dürfte kaum ausführbar und aus bekannten Gründen gewiss
nicht erspriesslich sein , alle möglichen Fälle hier durchzugehn. Doch
dürfen wir nicht unterlassen, wenigstens die folgenreichsten oder
fruchtbarsten herauszuheben. Wir werden dabei vom gewohnten Ge-
sichtspunkt ausgehen und das Quartelt als Kern des Ganzen im Auge
behalten; die entgegengesetzte Seite wird von selber in ihr Recht
treten.
A. Einzelne Bläser als Terstarknng einzelner Qaartettstimmen.
Schon S. 362 haben wir den ganzen Bläserchor sich zur Verstär-
kung des Quartetts hergeben sehn. Jetzt betrachten wir den Fall, wo
nur einzelne Stimmen des Quartetts von einzelnen Stimmen des Bläser-*
chors unterstützt werden , während die übrigen Bläser entweder pau-
siren, oder Masse bilden, oder selbständige Stimmen führen.
Die unterstützenden einzelnen Bläser verstärken nicht blos durch
Vermehrung der Schallmasse, sondern noch mehr dadurch ^ dass sie
381
darch die festere, gleicbmSssigere HaltuDg ihrer Töne dem beweg-
licbera, unrubigern Slreicbinstrument, mit dem sie sieb verbinden,
ruhigere und festere Haltung, — gewissermassen mehr Solidität ge-
ben. Es ist also vor allen Dingen zu überlegen , ob nach dem Sinne
der Romposition eine solche Verstärkung — man möchte, abgesehn von
der nachtheiligen Seite des Ausdrucks, sagen: Verdickung oder Aus-
füllung des Schalls — auch angemessen erscheint? Wenn Mozart
seine erste Violine in Nr. 412 durch die zweite (in der Oktave) ver-
stärkt: so behält der Satz immer noch jene Erregtheit und fieberhafte
Unruhe, die kein entsprechenderes Organ findet, als die Geige. Hätte
er statt oder neben der Geigenverstärkung auch nur das leichteste Blas*
Instrument zugesetzt, so wäre der Klang gesättigt, kompakt geworden
und der Karakter der Komposition verfehlt. Dasselbe würde von dem
Andante-Anfang Beethoven's in Nr. 397, von dem Salz in Nr. 374
und vielen andern gelten. Man wird in allen Fällen , wo der Karakter
des Streichquartetts wesentlich ist, lieber beide Geigen und Bratsche,
Bratsche und Violoncell u. s. w. verknüpfen, lieber alle oder die mei-
sten Bläser (wie in Nr. 465) zur Harmonie verweisen und alle Streich-
instrumente in einer oder zwei Stimmen vereinigen , als diese wesent-
lichen Stimmen durch Zuziehung von Bläsern in ihrem Karakter
stören, gewissermassen verunreinigen.
Ist aber die Zuziehung eines Blasinstruments dem Sinn entspre-
chend, so fragt sich, welches zu wählen sei? Je ähnlicher und näher-
liegend das Blasinstrument dem zu verstärkenden Streichinstrument ist,
desto mehr verschmelzen beide, je unähnlicher, entfernter und je
schallkräftiger zugleich das Blasinstrument ist, desto mehr macht es
neben der Quarletlstimme seine Eigenthümlichkeit geltend. Gehen wir
nach dieser Vorausschickung die einzelnen Bläser durch, so finden wir
1. das Fagott
am geeignetsten, sich mit dem Violoncell und den tiefern Lagen der
Bratsche zu verschmelzen. Diesen Instrumenten ist es nach Tonlage,
Beweglichkeit, Schallkraft und Klangweise so nahe verwandt, dass man
kaum irgend ein andres Instrument so häufig zur Verstärkung einer
Stimme angewendet finden wird , als das Fagott zu der des Basses.
Wenn dies vorzugsweise bei J. Haydn der Fall zu sein scheint, so
mag wohl einerseits die schwächere Besetzung der Bässe in seiner
Zeit, andrerseits aber die humoristische, bewegliche Heiterkeit des
liebenswürdigsten, ewig jungen Alten es veranlasst haben, der dem
beweglich im Bass figurirenden Fagott wohl manchen scurrilen Zug
abgelauscht hat. Weniger häufig ist vielleicht seine Verwendung zur
Unterstützung der Bratsche, oder überhaupt der Mitte des Quartetts.
Eines der bemerkenswertheslen Beispiele dafür giebt Mozart in seiner
Zauberflöte, in dem Terzett „Soli ich dicb,Theurer, nicht mehr sehn*^
382
Die Cut durchweg reio dea SingstiBimeD catfliessende Melodie wird,
daMil ihr reizvoller, Alles id Allem enthaltender Gang angestörl bleibe,
in einfaebftler Weise —
Andante moderato.
456
I
begleitet. Die UnleratiDime hat der Kontrabass , die beiden Oberstim-
men haben die Geigen, die Achtelfignr, — der eigentliche Rem nnd
Bewegnngssitz der ganzen Begleitung, — wird von den Violoncellen,
Bratschen nnd Fagotten vorgetragen; die stillen Fagotte geben der
Figur Fälle ond Halt, nnd wirken eher dahin, die Schärfe des Bogens
(besonders in der Tiefe der Bratschen) bedeckend zu mildem , als den
Schall zn verstärken, und diese Weise wird fast das ganze Tonstnck
hindurch mit voller Befriedigung beibehalten , so sicher war in ihr das
einzig Rechte ergriffen. Eben dies ist das Lehrreiche des Falls bei all
seiner Einfachheit.
Wie das Fagott sich der Tiefe und Mitte anschmiegt, so finden
wir (fast ebenso häufig)
2. die Flöte
als Unterstützung der Höhe , namentlich der ersten Violine. Geht sie
mit ihr im Einklang , so mildert und füllt sie die Schärfe und Dürrig-
keit des Geigenstrichs , namentlich in den höhern Lagen. Dieser Füh-
rung im Einklang — und zwar selbst in den tiefem Lagen — begeg-
nen wir am häufigsten bei den altern Hompooisten. Zunächst mag
wohl wieder das Bedürfuiss reiner Schallverstärkung bei der früher
schwächern Besetzung den Anlass gegeben haben \ in zahlreichen Fäl-
len bei Haydn, der die Flöte oft in den bewegtesten, muntersten Gän-
gen durch Hoch und Tief mit der Geige gehen lässt, wüssten wir kei-
nen andern Grund anzugeben. Gluck ist oft ebenso verfahren, oft aber
verwendet er diese Instrumentalion in seinen Opfer- und Gebetchören
zur treffenden Bezeichnung stiller, ernslliebiicber Feier ; die schärfern Bo-
genzüge und die weichen, blassgefarbten Flötenklänge der tiefern Lagen
vermählen sich, ohne sich zu vermischen, indem sie einander gegensei-
tig wärmer und doch milder hervorheben.
Gebt die Flöte eine Oktave höher mit der Geige (also in der
Weise, in der sie sich nach S. 162 den Oboen und Riarinetten anzn-
schliessen pflegt), so bleiben natürlich die Instrumente un vermischt, aber
die Stimme wird vermöge der klangvollem Höhe der Flöte stärker her-
ausgehoben. Allein diese Stellung kann bei längerer oder häufiger An-
383
Wendung leicht einen gemeinen Ausdruck ergeben; der geistiger erregte,
wärmere Klang der Geige kann die leichtfertigere und in ihrer 6e-
müthskühle selbstgeniigsame Flöte, wenn sie gar zu deutlich und lange
nebenhergeht, blosslellen.
Verwandtere Seiten mit der Geige als die Flöte hat
3. die Oboe.
Aber einestfaeils beschränkt sich die Verwandtschaft doch nur auf
die höhere Hälfte, anderntheils ist dieses spröde Instrument für die Be-
weglichkeit und so manchen feinern Karakterzug der Geige nicht wohl
zu gewinnen. Wo indess beide Instrumente übereinstimmen, z. B. in
Sätzen von diesem Karakter, —
Andante maestoso«
Tutli.X" ten.
coir Oboe
iJi v/nov« fc7 .
Vno
f"^^^^^^^^^
4:
da wird die Stimme zu einer Schärfe und durchdringenden Kraft ge-
steigert, wie von der Verschmelzung so energischer und so klang-
verwandter Instrumente zu erwarten ist.
Weniger geeignet zur Verschmelzung des Klangs ist
4. die Klarinette
in Verbindung mit der Geige oder Bratsche. Allein sie stärkt nicht blos
materiell die Stimme , sondern durchwärmt sie auch mit ihrer üppigen
Sentimentalität oder theilt ihr die Wildheit ihrer höhern Tonlagen mit.
Nach diesen Andeutungen kann man die Anschliessungslabigkeit
der übrigen Ii^trumente ermessen.
Bisher haben wir nur einzelne Instrumente zur Verstärkung her-
angezogen. Allein wir wissen schon aus der Lehre vom Harmonie-
satze (S. 165), dass mehrere Bläser sich vereinigen lassen zu einer
einzigen Melodie, und so versteht sich, dass unsre Oberstimme
auch von
Oboe und Klarinette,
Oboe und Flöte,
Flöte, Klarinette (oder Oboe) und Fagott,
Flöte und Fagott
u. s. w. , oder auch vom Fagott allein in der tiefern Oktave (wie vom
Violoncell S. 297) unterstützt werden kann.
384
B. Einzelne BUser znr AosfUlong des QaartetU.
In der Notbwendigkeit einer vielstimmigen AusKibrung, die man
nicht auf Kosten der Kraft der Quartettstimmen durch deren Trennung
(S. 320) erreichen darf, kann das Bedürfniss begründet sein, dem
Quartett noch andre Organe zur Darstellung selbständiger Stimmen zu-
zufügen. Diesen Fall lassen wir für jetzt bei Seite, weil mit ihm ein
neuer Gesichtspunkt eintritt, von dem aus wir alle Organe vereinzelt
oder theilweise verbunden als ebenso viel Stimmen auffassen. Im Ka-
rakter des Quartetts selber aber kann das Bedürfuiss eines fremden
hinzutretenden Organs von grösserer oder ruhigerer Haltekrafl oder
eigenthümlichem Klang und Karakter für eine besondre Stimme liegen;.
Sollte folgender Satz —
Andante sosteniito.
^^0iM^^^^
468 <
instrumentirt werden, so würde wohl die Zahl, nicht aber die Qualität
der Streichinstrumente für seinen Inhalt genügen; das aushaltende h
würde in jedem Streichinstrumente unruhig und dünn oder rauh erklin-
gen. Nur ein Blasinstrument kann es gleichmässig und ruhig aushal-
ten, anschwellen, aushallen lassen; am quellendsten , anmuthigsten,
verlangendsten das Waldhorn. Und dieses h ist nicht nur als Halteton
das Band des Satzes (in der Bratsche und Geige liegt es auch, ohne
dieselbe Wirkung) , sondern vielmehr durch den vollquellenden Luft-
klang, der nur den Blasinstrumenten und vor allen dem Hörn eigen
ist. Aehnliche Bedeutung haben die Fagotte in Nr. 383. Die Vio-
loncelle geben denselben Ton; wollte man sie aber auch in der Oktave
verdoppeln, immer würde es eines Blasinstruments bedürfen, um dem
Satze Fülle und Halt zu geben. Beethoven bedurfte übrigens der
Fagotte für die dunklere, gedrückte Stimmung seines Salzes. Derglei-
chen Haltetöne stellen sich — gleich der von den Bläsern gebildeten
Masse, nur auf einen kleinern Raum beschränkt — als zugleich füllen-
der und hebender Gegensatz in den fremden Chor.
Wie nun hier einzelne Blasinstrumente das Quartett füllen und
heben sollten, so können umgekehrt
G. einzelne Streichinstnimente im Bliserchor
ihre Stelle finden. Hier können sie nicht zur Füllung dienen, — denn
das liegt nicht in ihrer Natur, — sondern als Gegensalz des Feinem,
385
Erregtem gegen den gesättigten Klang der Bläser. Ein berühmter Salz
Beetboven's diene als Beispiel, das Trio aus dem Scherzo seiner
^dur-Symphonie. Der Hauptsatz (Fdur bekanntlich) wird unter ent-
schiednem Vorherrschen des Qnartetls ausgeführt und wirft sich zu-
letzt auf ^, das von Flöten, Oboen, Fagotten und dem Quartett aus-
gehalten wird. Die übrigen Instrumente nun biegen ab auf D und nur
die Geigen bleiben liegen. Das Trio entspinnt sich dann so, —
469 Presto. Meno ansai.
D-Hörner.
T^::Crr—^^^
F^^golle.^
V. I. II
Steigert sich in der Wiederholung,
470
D-Höruer
-.noruer. j^ ^ ^ i
Flöten.
^^^
CLjl jdTjLi-
JC3L JLJ.
^^^^^^^J=e|^^
Oboen.
^*rt:
@feE35^^t=a^=^£ifi5
i
■4—1 ^— — H
p
A-KUr
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^^^^fp^^^jpel
Faeotte.
1^8
a.LJ.,4
.j»a!__l»_
?p^i?^^=3
^
?^&?^
Marx, Komp. L. IV. 3. Aufl.
386
und überall, durch den ersten ond zweiten Theil, ziehen die Viotinen
ihr stilles a über und durch die Klänge der Bläser , bis znm Schlüsse
das volle Orchester den Satz vorträgt und Trompeten (über wirbelnden
Pauken) tin der Stelle der Violinen das a siegfeiemd aoshallea*). —
Dergleichen Halletöne der Streichinstrumente legen sich wie ein
Schleier über den vom Bläserchor auszuführenden Satz.
Aus demselben unsterblichen Werk entlehnen wir das Beispiel,
wie einzelne Streichinstrumente nicht blos mit Haltetönen, sondern
stimmführend in den Bläserchor treten. In der Einleitung ist es, wo die
Modulation sich aus A auf die Dominante von C wirft und folgender
Satz —
Poco sostenulo.-— ^^ '^ p-, J^ _j, """^^ '.^
Olioeit.
A-Klar.
FagoUe. <
Violinen
I.
II.
Bratsche.
P dol,
m^^^^^^
^
feJL|J_j — f^^E^ki^
^m
*=fc=:
^m
rf^^
S^E^i^^^^^^^^^i^
•) Vergl. Aolisog L, 3, bei Nr. rfr «n^ ifr-
387
aafgeslellt wird, der sieb nachher *) in erhöhter Festfeier in F wieder-
faolL Dem Tongehalt nach war die Bratsche nicht nothwendig ; aber
ihr rieselnder Klang (auf der besponnenen G-oder besser C-Saite) sollte
dem Hauch der Bläser nervige .Kraft einmischen ; zart und dabei doch
siegreich, fein und eindringlich ziehen sich dann die Violinen hinein.
Es ist dies eine von den genialen Kombinationen, die nachzuahmen ein
undankbares Miss verstand niss wäre, die aber dem versiehenden Blick
ein tieferes Eindringen in das Wesen der Organe, die hier zusammen-
wirken, gewähren.
Schon in den letzten Fällen war der Chor der Bläser Hauptchor
geworden, dem einzelne Streichinstrumente sich bei- und unterordne-
ten. Dies leitet auf den letzten Fall, in dem das ursprüngliche Ver-
hähniss (S. 243) des Bläser- und Saitenchors sich entschieden um-
kehrt und
D. das Quartett nntergeordBet nnter den Chor der Bläser
tritt. Ein bekanntes und erschöpfendes Beispiel giebt uns die Einleitung
von Mozart's Requiem. Dass in derselben das Blech ruht (bis vor
dem Einsatz der Singsümmen) und der Qior der Rohrinstrumente nur
mit Bassethörnern und Fagotten besetzt ist, darauf kommt nichts an.
Mozart hat (S. 359) Grund gehabt, eben nur diese Instrumente mit
Ausschluss aller andern Rohrinstrumente anzuwenden, und so stellt
sich in ihnen der Chor der Rohrinslrumente vollständig dar.
Diese vier Instrumente nun intoniren den Nachahmungs- oder Fu-
gatosatz, in dem gleich darauf das Kyrie eleison gesungen wird, und
das Quarieit, -^ wir gelten wenigstens den Anfang, —
17^ Aiiitt;nj*
BassfUiöriier. -^ -^'^, 2"^'"'^ iJ -JL A
^fe^l^^j^^^i
tri I n I I J I T ! J
,^tg^^!S«r^i^i^p^^^^£^^
dient in einfachster Form blps als Begleiiung.
♦) S. 5 und 9 der f artUur.
25'
388
Sechster Abschnitt.
I>ie liidividiialisirung des ganzen Orchesters.
Die vorhergebendea Abschnitte haben uns vorbereitend auf den
Gipfel der Anschauung geleitet, die der Komponist von dem mächtig-
reichen Organ zu gewinnen hat, das sich ihm im Orchester darbietet.
Wir haben zuerst das Quartelt, dann den Bläserchor neben dem Quar-
telt individualisirt und erst jenes, dann diesen als Hauptchor aufgefasst.
Jede dieser Auffassungen war richtig und an ihrer Stelle wohlberech-
tigt; aber jede war einseitig. Daher möchte schwerlich in irgend einer
umfassendem Komposition eine oder die andre Gestaltung ausschliess-
lich wallen.
Wir haben vielmehr nun das Orchester in seiner Ganzheit und
Einheit — als diesen Verband vieler und mannigfaltiger Organe aufzu-
fassen, deren jedes sein Recht und seine eigenthümliche Fähigkeit hat,
im Kunstwerke milzuleben und mitzuwirken , bald allein herrschend,
bald mit andern gleichberechtigt (polyphon jn allgemeinster Bedeutung
des Worts j, bald sich unterordnend, wie es die Idee des Ganzen fodert.
Jetzt erst bietet sich dem Schallen des Künstlers unbeschränkte
Mannigfaltigkeit des Gestaltens.
1.
Er kann das ganze Orchester zusammenfassen als eine einige
Masse. Da dient es ihm in voller materiellerund einfachster Kraft, da
bewährt es sich als diese Macht , die alle Laute so vieler Organe in
einen einzigen erschütternden Strom von Schall zusammenfasst und in
das Ohr des Hörers ei^iesst. Es ist das die einfachste und zugleich ge-
waltigste Wirkung, um so mächtiger , je sorgsamer man sie zum rech-
ten Moment aufspart und dann bis zur Sättigung gewähren lässt, —
um so kräftiger, je mehr man jedes der verschmolznen Organe in
seiner günstigsten Tonlage und Darstellungsweise verwendet, — um
so leichter erschöpft, je unmotivirter , unzeitiger und je häu6german
sie hervorruft.
2.
Er kann die einzelnen Chöre , oder einen gegen den andern mas-
senweise bewegen. Oder er kann aus allen scharfen, aus allen weichen
Organen neue in sich gleichartige Massen bilden. Je reiner und voll-
ständiger die Chöre oder Massen einander entgegentreten , desto ent-
schiedner spricht sich ihr Karakter aus und desto reiner und klarer
wirkt ihr Gegensatz gegen einander.
389
3.
Er kann, das ganze Orchester als eine verbundne Schaar einzel-
ner Organe zusammenfassend , aus jedem der Cböre beliebige Organe
für seine Hauptstimme und die Begleitung, oder für die verschieduen
' gleichberechtigten Stimmen eines polyphonen Satzes herausheben.
Dies ist die jetzt und zuletzt zu betrachtende Behandlungsweise,
die wir mit dem Ausdruck ,,Individualisirungdes Orchesters^*
zu bezeichnen versuchen. Er soll andeuten, dass nunmehr jedes der
Organe, das eine Stimme übernimmt, oder jeder Verein von Organen
(z.B. von im Einklang oder in Oktaven zusammengestellten Bläsern oder
Saiteninstrumenten), der eine Stimme oder eine eigne Mas^e bildet, als
eine eigenthümliche, selbständige Persönlichkeit gleichsam geltend wer-
den soll , ebenso wie wir auf den untergeordneten Stufen jede Stimme
des Quartetts oder des Singchors u. s. w. als eine solche aufgefasst haben.
Hiermit ist das Orchester durch und durch, im Ganzen, in seinen
grossen Massen, in seinen einzelnen Organen lebendig geworden,
durchgeistet, in karakteristische und dramatische Thätigkeit gesetzt. Es
ist die geistreichste und inhaltreichste Verwendung des Orchesters.
Aber sie gewährt nicht die einige, in einem einzigen Gedanken und
einer einzigen Gestalt siegreich , unwiderstehlich hervortretende All-
macht des Orchesters. Wir erfahren hier, was schon auf einem frühern
untergeordneten Standpunkte (Th. II. S. 333; klar werden musste:
dass alle Gewaltigkeit der Polyphonie doch zuletzt nur zur Einigung
in einem einzigen Gedanken, unter eine Hauptstimme, — dass alle Po-
lyphonie zur Homophonie zurückführen müsse, um hier die vollendete
Kraft und die geuugthuendste Befriedigung zu finden.
Haben wir nun schon in enger gezognen Kreisen (S. 350) auf
Vollständigkeit in der Betrachtung aller möglichen Verknüpfungen ver-
zichten müssen : so ist dies hier noch gewisser der Fall. Es können
aber alle Instrumente des Orchesters eiuzeln , es kann jedes mit jedem
andern oder mehrern in der mannigfaltigsten Weise verknüpft werden ;
wer wollte da nachrechnen? und wem wäre mit dem Nachrechnen ge*
dient? Nicht hierauf hat man sich einzulassen, sondern es bleibt nur
noch übrig, gewisse allgemeine Gesichtspunkte und Rücksichten her-
vorzuheben, die uns bei jeder Wahl oder Zusammenstellung leiten und
vor Missgrifien sichern können.
Die Vorbedingung bei der freiem Beherrschung und Führung des
Orchesters ist die : jedes Organ desselben nach seiner Kraft, Fähigkeit
und seinem besondern Karakter zu kennen. Dies sichert vor allem bei
der Wahl der einzelnen Instrumeute für die einzelnen in einer Kompo-
sition sich darbietenden Aufgaben. Wenn also z. B. Beethoven im
Fortgang seiner Fugenouverlüre (Nr. 447) das Quartett mit dem ersten
Subjekt und dem bewegten Gegensätze (Nr. 465), und die Bläser mit
dem zweiten Subjekt einführt —
390
473 Blaser, gy.i
Viola u7 Violoncell, j^^
(der Biäserchor enthält die Flöten, Oboen, Klarinetten und Fagotte io
drei Oktaven Ober einander)^ so sehen wir jedes Organ gerade in der
ihm zusagendsten Partie bethätigt. Wenn in derselben weit uod in an-
ziehendster Mannigfaltigkeit ausgeführten Komposition gleich darauf
beide Themate in den höhern Quartettstiramen leicht und fein vorüber-
flattem sollen, —
474
fT^ , ■TR.nLni
?
=g=5=^-
c - - b)
so sehen wir wieder alle Instrumente in der einem jeden zusagenden
Bethätigung : das erste Subjekt in der ersten Violine, — das zweite in
der Bratsche, aber in Bewegung gesetzt, — die «weite Violine hastig
und unruhig, — die Hörner einen Halteton aushaltend , — die übrigen
Bläser Masse bildend, damit der Hauptsatz nicht zerflattere , aber diese
Masse zergliedert, bewegt, der Niederschläge entbehrend, damit sie
leicht genug bleibe, um dem Gedanken des Hauptsatzes zu entsprechen.
391
WeoD wir mitbin als ersles Erfoderuiss eioer kuustgeoiässeu
Individoalisirung aussprechen , dass kein Organ anders als seinem Ka-
rakter gemäss zur Tbätigkeit komme: so wagen wir zweitens als
Recht des Orchesters und höhere Pflicht des Komponisten zu bezeich-
nen, dass jedes einmal in der Partitqr aufgenommene Instrument auch
seinen Fähigkeiten gemäss zur rechten Geltupg gebracht, ihm wesent-
licher Antheil am Werke gegönnt , keines als blosser Aushelfer für die
andern , als blosse Füllslimme verbraucht werde. Hier ist es , wo sich
die wahrhafte Kunstbildung bewährt. Wer die Alles beseelende und
erhöhende Idee der Polyphonie (Tb, II. S. 143) in sich aufgenommen
und sich von ihr hat durchdringen und kräftigen lassen , dem wird die-
ser Anspruch kein unerwarteter sein. Mag in einzelnen Werken we-
niger Raum oder Anlass liegen , ihn reich zu erfüllen, immer wird das
alle Wort (Th. II. S. 103), dass er ,,der Schuldner jeder Stimme^* sei,
den darchgebildeten Künstler mahnen und treiben, jedem Instrumente
gerecht zu werden , jedes in seiner Weise und so viel die herrschende
Idee des jedesmaligen Kunstwerks gestattet zu begünstigen. Das ist
der innere Vorzug , den die Orchesterwerke der deutschen Meister und
vor allen andern Haydn's und Beethoven's vor den nur aus sub-
jektiver Richtung und Bildung hervorgegangenen fremdländischen be-
haupten; es ist die Kraft der Durchgeistung, die das kleine Ha yd na-
sche Orchester belebter, mächtiger, nerviger ertönen lässl, als die
neaen mit doppelt so vielen Instrumenten beladnen, von oben bis unten
mit Blech gepanzerten Massen;. es ist der Sieg der Polyphonie oder
musikalischen Dramatik über die Homophonie oder musi-
kalische Lyrik.
Und wenn nun dieser polyphone Trieb dabin führt, auch diejeni-
gen Instrumente an einem Gedanken Theil nehmen, ihn vortragen zu
lassen, für die er eigentlich weniger geeignet ist : so wird drittens
das vorbeduogne Bewusstsein vom Wesen aller Organe auch hier noch
schirmend walten. Ein Instrument, das weniger geeignet ist für einen
Gedanken, enthält sich seiner, bis derselbe siegreich das Ganze durch-
drungen hat und nun auch das Widerstrebende an sich heranzwingt.
Das bewegliche Fugenthema der Zauberflöten-Ouvertüre und namentlich
das Hauptmotiv desselben —
bringt Mozart zuerst in den rührigsten Instrumenten, in den Geigen;
den Bratscheu und dann den Bässen schliessen sich die verwandtesten
Bläser (S. 381), die Fagotte, dann erst den Geigen die leichten Flöten
und theilweis die Oboen an; später übernehmen es abwechselnd Fagotte
uud Klarinetten. Im zweiten Theil wird es wieder zuerst von Geigen,
Violoncellen , Fagotten und Bässen, Bratschen, Flöten, — im dritten
Theil wieder zuerst vom Quartett gebracht, dem Flöten, Oboen, Fa-
392
gölte sich anschliesseD. Endlich müssen auch die Hörner und Trompeten
mit Pauken*) — so gut sie können, wenigstens in Bewegung und Ton-
Wiederholung sich ihm ergeben. Nur die Posaunen sind es ihrer Würde
und Mächtigkeit schuldig, davon fernzubleiben; sie greifen in ihrer
Weise ein. — Was dieses eine Werk andeutet, Hesse sich in der Mehr-
zahl oder allen Meisterwerken nachweisen, gleichviel ob sie fngirt
sind oder nicht.
Für diese Beseelung, zu der sich alle Instrumente im Geiste des
Komponisten herandrängen, überhaupt für jede Orchesterwendung ist nun
endlich viertens eine mehr äusserliche , aber unumgängliche Rück-
sicht erfoderlich : auf eine richtige Kraflverlheilung unter den Stim-
men. Die Melodie oder Hauptstimme muss hervortreten, mehrere
gleich wichtige Stimmen müssen in gleicher Stärke — oder wenigstens
insoweit gleicher Stärke gegeben werden , dass nicht eine die andre
unterdrücke; wesentliche Stimmen müssen den Nebenstimmen überle-
gen sein, wenigstens nicht schwächer besetzt werden. Allerdings kana
der Vortrag eine Abweichung von diesen Regeln beschönigen ; eine zu
schwache Stimme kann stark betont, zu stark besetzte Stimmen können
durch Pianovortrag gemildert werden , — es kann dergleichen selbst
in einzelnen Fällen der Absicht des Komponisten entsprechend und
dann die Abweichung von der Regel gerechtfertigt sein. Aber von sol-
chen Ausnahmfällen abgesehen bleibt wohl die Regel unbestreitbar.
Ihre Absicht kann aber nicht durch ein Mos äusserliches Abzählen
der Instrumente erreicht, werden. Nicht die Masse der verbundnen
Instrumente, sondern das Vermögen eines jeden, und zwar sein Ver-
mögen in der Tonlage, wo es wirken soll, — dann auch die Art der
Verbindung zusammenwirkender Instrumente und die Behandlung der
entgegenstehenden, endlich vor allem die Energie des Inhalts einer
Stimme kommt bei der Abwägung in wesentlichen Betracht.
Wenn Beethoven in Nr. 473 das zweite Subjekt mit acht Blä-
sern in drei Oktaven über einander besetzt, so sind es eben nur Rohr-
instrumentc, und die stärksten unter ihnen (Oboen und Klarinetten)
nicht in der stärksten Lage; ihnen gegenüber ist das erste Subjekt
durch Besetzung (Bratsche und Violoncell) und Bewegung stark ge-
nug. Wenn in Nr. 474 dem Hauptgedanken im Quartett — sogar im
Piano neben der zweiten Violine sechs Bläser entgegentreten : so sind
diese wieder in nicht vordringlicher Weise gesetzt ; die Hörner halten
aus, die Klarinetten liegen in der Tiefe , sie und die Oboen sind rhyth-
misch gebrochen. Wenn Mozart in Nr. 472 zum Vortrag der Haupt-
stimmen die stillsten Rohrinstrumente , vereinzelte Bassethörner und
Fagotte, nimmt : so hat er den Streichercbor in einfachster und nichts
weniger als kräftiger Weise entgegengestellt. Wenn — um ein letztes
*) S. 19, 22, 23 der Scblesin^er'scheo Partitur.
393
Beispiel zu geben — Beethoven in seiner heroischen Symphonie*)
gegen das volle Orchester mit Trompeten und Pauken der ersten Vio-
line ganz allein die Hauptstimme giebt, so hat sie dieselbe schon län-
gere Zeit zuvor gegen geringere Massen des Orchesters geführt, so
dass der Hörer sie schon bemerkt hat und leichter verfolgen kann, —
so ist ferner ihre Melodie —
Allegro con moto
^ If ^T7 TT^ 77 n?7 IT-^ 57 "* i7
476 fegEjifc
J7 fr f7 V sf $7
n=ö
&|LjL^r=ljScS
%
6=3^tz$
-w
>7 — Tf-
eine scharfgezeichnete und liegt in der eindringlichsten Tonregion des
Instruments.
*) S. 35 der Partitur.
394
FiMfte Abtheilug.
Orchesterkomposition ^) .
Nach so vielen Vorbereitungen ond Vorarbeiten kann sich die
Lehre jetzt nur kurz fassen. Es wird hauptsächlich noch auf Bezeich-
nung eines förderlichen Stufengangs in den Arbeiten und Aufweisung
der Formen des Orchestersatzes ankommen.
Erster Abschnitt.
Vorbereitende Aufgaben.
Die Kunst selber hat sich nicht von Anfang her im Besitz alier
Mittel gesehn, die jetzt unser Orchester vereinigt, und hat nicht sobald
über die gegebnen Mittel mit solcher Freiheit und in so reicher Geislig-
keit geboten, als unsrer durch die Vorarbeiten so vieler Meister und
durch den allgemeinen Entwicklungsgang des Geistes geförderten Zeil
zusteht. Möge das noch im letzten Stadium des Lehrgangs — wie in
seinem ganzen Lauf uns erinnern , dass auch wir mit Besonnenheit die
letzten Schritte thun. Jede Zurückhaltung entschädigt uns durch be-
sondre und durchaus künstlerische Aufgaben.
Wir stellen als letzte Vorbereitungen — aber eben schon als
künstlerische ihrer drei —
1.
Eine Ouvertüre in Fugenform für Quartett, Oboen, Trompe-
ten und Pauken.
Diese Aufgabe, durch S. Baches Meisterwerke (Symphonien)
ähnlicher Gestaltung angeregt, führt uns zu einer Form zurück, die
wir stets und zuletzt auch zum Eindringen in das Quartett (S. 339)
fördersam befunden haben. Die Besetzung beschränkt uns im Bläser-
chor, giebt aber seine beiden Massen, Blech und Rohr, jede wenigstens
von einer Klasse vorgestellt; es bleibt dem Arbeitenden anheimgege-
ben, Oboen und Trompeten wie gewöhnlich zweistimmig, oder (nach
Bach's Beispiel) dreistimmig zu behandeln.
*) Hierzu der Anhang Q.
395
Wie früher, so sagen wir auch hier, dass es nicht der eigenlliche
Zweck ist : eine Pogc zo scbreibeo , die von den gegebnen Instrumen-
ten ausgeführt werden kann , sondern dass es vielmehr gilt : das Or-
chester, wie es nun auch zusammengesetzt sei, in dieser Form zu be-
thätigeu; das Orchester und seine Geltendmachung ist Zweck, die Form
ist das ausbedungne Mittel.
Wahrscheinlich wird der Komponist seiner Fuge eine Einleitung
vorausschicken , in welcher er sein Orchester in Massenkraft wirken
lässt, oder in welcher er vielleicht in stiller Weise erst zum kräftigen
Hauptsatze hinführt. Vielleicht wird diese Einleitung inmitten oder am
Schlüsse des Hauptsatzes wiederkehren oder anklingen. Dies, und wie
dabei die Mittel des Orchesters zu verwenden, bleibe dahingestellt.
Wir wenden uns gleich zum Hauptsatze.
Für diesen , für die Fuge , tritt das Quartett sogleich mit unbe-
streitbarem Recht als Hauptchor auf, schon desswegen, weil es allein
zur Aufstellung der normalen vier Stimmen geeignet ist. Das Thema
wird in seinem Sinne zu erfinden sein, Gegensatz und das weitere
Stimmgewebe wird zunächst ihm zufallen und nach seinem Wesen sich
bilden. In dieser Hinsicht stehen wir also auf dem Boden einer frühem
Aufgabe, der S. 339 besprochnen Quartettfuge. Allein nun treten,
wenn auch in beschränkter Besetzung, die Rohr- und Blechinstru-
mente zu.
Die Oboen (wir nehmen hier ihrer drei an) werden in den mei-
sten Fällen fähig sein , das für Violinen erfundne Thema und den wei-
tern daraus sich entwickelnden Fugeninhalt aufzunehmen ; wenigstens
bedarf es einer nicht zu lästigen Rücksicht bei der Erfindung, um die
Theilnahme der Oboen möglich zu machen , — die in Nr. 432 bis 435
gegebnen Themate z. B. würden den Anschluss der Oboen zulassen.
Allein dieser Anschluss könnte nur ein gelegentlicher sein ; die Oboen
können einmal gelegentlich zur Verstärkung der Violinen und Bratschen
verwendet werden, sie können einmal eine Durchführung oder die
höhern Stimmen einer solchen statt der Violinen übernehmen. Dies
würde aber nur ausnahmsweis und nur selten mitVortheil geschehn
können. Denn die Violinen werden durch ihre Beweglichkeit und
Schmiegsamkeit, durch die unerschöpfliche Mannigfaltigkeit ihres Aus-
drucks stets den Vorzug vor den spröden, in der Mitte und Tiefe sich
spreizenden Oboen verdienen ; ein zwei- oder dreistimmiger Satz vol-
lends , der von Saiteninstrumenten so leicht und zart gegeben werden
kann, würde sich , von Oboen vorgetragen, leicht breit macheu. Man
betrachte das Nr. 435 gegebne Thema , — man bilde dazu einen Ge-
gensatz, z. B. diesen —
396
oder irgend einea andern aus dem Thema entwickelten : so wird man
Beides wohl für die leicht darüber hingehenden Streichiuslramenle,
schwerlich aber (besonders Takt 3 und 4) für die umständlichen und
preziös deutlichen Oboen wohlgeeignet finden. Und dasselbe wird man
bei den meisten im Sinn des lebhaften und feinen oder leichtgegüeder-
ten Quartetts erfundnen Themalen , z. B. auch bei dem oben angedeu-
teten von Bach*), —
^^^^^^^
sich bethäligen sehn.
Was wird also ausser diesen ausnahmsweisen Bethätigungen die
Aufgabe der Oboen sein? — sie werden Masse bilden; was ihnen
dazu an Stimmzahl und Ausdehnung des Tongebiets abgeht, wird die
Schwere und Eindringlichkeit ihres Klangs, werden sie durch festes
Zusammenhalten in vollen Sextakkordgängen, — in Zwischen- oder
in Gegensätzen zum Thema, z. B.
479 Violine I. .^^ ^ ^ ^
►•"*=*-^f-
oder in Gängen im Einklang u. s. w. ersetzen, während die Streichin-
strumente sie in erhöhter Bewegung umgeben, oder ebenfalls zu ver-
stärkten Stimmen zusammengetreten ihnen entgegen arbeiten.
Die Trompeten werden nur in den seltensten Fällen an der Fu-
genarbeit Theil nehmen können ; ein Thema, das von ihnen darstellbar
wäre, würde für Oboen und Quartett zu einseitig und unergiebig sein.
Dass sie gelegentlich das Thema unterstützen, z. B. das obige in sei-
nem ersten Motiv verstärken oder dieses Motiv in enger Folge gleich
einer Engführung wiederholen, kann nicht als befriedigende Beschäfti-
gung für sie gelten. Sie noch mehr wie die Oboen können sich in Ver-
bindung mit den Pauken und jenen nur als Masse , als letzten Aus-
*} Aas dem Gedachtnisse, vielleicht nicht genau.
397
schlag, den sie der Orchesterkraft (S. 351) geben, vollgeltend machen«
Dazu aber werden sie um so erwünschter auftreten , je beschränkter
die Mittel der vorbedungenen Besetzung eben fiir diesen Zweck sind.
Diese Erwägung der dargebotnen Kräfte wird nun über die ganze
Gestaltung der Komposition entscheiden.
Wie kunstreich und gehaltvoll auch die Fuge geführt werde, das
kann nicht genügen, da in ihr nicht alle festgesetzten Instrumente
(S. 396) und in ihrer Form auch das Orchester als Masse in der Kraft
seiner homophonen Einigkeit nicht zur Geltung kommen würde. Es
werden sich also — besonders am Schlüsse des ersten Theils und zu
Ende — breitere Zwischensätze bilden müssen, in denen sich die Blä-
ser , besonders das Blech , in denen sich das Orchester in seiner Mas-
senkraft geltend macht.
Aus diesem Gesichtspunkt angesehen bietet unsre Aufgabe Anlass,
die drei Massen des Orchesters — und zwar in erleichternder Be-
setzung mit einander zu verknüpfen und jede in ihrer Weise zu be-
thätigen.
Die folgenden vorbereitenden Aufgaben sind ^
2. die Marschform,
und
3. die Form der Menuett.
Die erstere wird in der Regel vorherrschende Massenwirkung
fodern und Anlass bieten, das Orchester in dieser Richtung und in einer
einfachen, nicht weil aussehenden Form anwenden zu lernen. Der
einfache Gegensatz von Hauptsatz und Trio ladet zu tiem Versuch ein,
denselben durch eine verschiedengestaltete Instrumentation hervorzu-
heben; vielleicht wird der Hauptsatz vom vollen Orchester, das Trio
von einer der Massen, oder einander ablösenden Massen, oder von
mehr vereinzelten Stimmen u. s. w. dargestellt werden.
Die Menuett wird vermöge ihrer Beweglichkeit das Quartett und
mit ihm dieRohrinstnimente vorzugsweise beschäftigen. Wie nun diese
Chöre und das Blech bald mit einander, bald wechselnd in Thätigkeit
kommen, das Trio auch hier sanftere Weisen der Instrumentation her-
vorruft, bedarf nach allem Vorhergegangenen keiner weitern Auseinan-
dersetzung. Das Lehrbuch überlässt von hier immer mehr der persön-
lichen Unterweisung und Berathung und dem Studium der Partituren
die weitere Leitung.
Und so darf auch jede weitere Uebung in den kleinen Instrumen-
taUbrmen, namentlich in den Tanz formen und im Scherzo, dem
individuellen Ermessen des Jüngers überlassen bleiben.
398
Zweiter Abschnitt.
Die eigenthamlichen Orchesterfornien.
Im vorigeii Abschnitt ist des Marsches, des Scherzo, der Menuett
und andrer Tanzformen als Aufgaben für das Orchester gedacht wor-
den. Sie sind also unstreitig Orchesterformen und können die höchste
künstlerische Wichtigkeit, ja auch eine bedeutende formeile Ausdeh-
nung an sich haben; man denke nur der Scherzi, die Beethoven in
mebrern seiner Symphonien, z. B. in der heroischen, in der ^dur-, in
der />moll- (der neunten) Symphonie giebt. Demungeachtet konnten
wir diese Formen als vorbereitende Aufgaben benutzen. Nur
das Scherzo erhebt sich, formell betrachtet, zu höhern Kombinationen
und dann zu grösserer Ausdehnung, tritt aber in der Regel nur als
Theil eines grössern Ganzen auf, der Symphonie.
Von diesen kleinern Formen aus gehen wir nun zu den eigenthüm-
lichern über.
A. Die Balletmosik.
Die Balietmusik hat zum Theil feststehende Formen, die meist von
Nationaltänzen entlehnt sind , z. B. die Form des Walzers, der Me-
nuett, des Fandango, auch die des Marsches. Andern Theils bedient
sie sich ganz frei (ohne besondre Rücksicht auf eine hergebrachte oder
innerlich nothwendige Form , wie in den Nationaltänzen und dem
Marsche) der Liedformen , der kleinen Rondoformen , auch wohl der
Sonatenform (dieser meist nur in das Enge gezogen) im langsamen und
schnellen Tempo, je nach den Erfodernissen der Scene oder der Tanz-
formen , die der Moment im Ballet mit sich bringt und die vom Ballet-
uieister bestimmt oder doch mit ihm verabredet werden müssen. Für
die rein dramatischen Partien des Ballets, für die Pantomime, kann
ausserdem eine ganz freie Gestaltung nöthig werden, die unter den
Formbegriff der Fantasie (Th. III. S. 335) zu stellen ist. Alle diese
Formen können vereinzelt oder an einander gereiht zu einem grössern
Ganzen angewendet werden.
Hierüber hat die Kompositionslehre wenigstens nichts Weiteres
zu sagen. Die Formen sind bekannt; ihre Wahl, Ausdehnung, Ver-
knüpfung und ihr Inhalt hängen in jedem einzelnen Falle von der Auf-
gabe und von den Erfodernissen des Tanzes, wie derselbe scenisch
vom Balletmeister geordnet werden kann, ab. Der einzige allgemeinere
Rath^ der hier gegeben werden kann, ist der: die für den eigentlichen
Tanz bestimmten Balietsätze höchst fasslicb und ebenmässig zu bilden
und den Rhythmus in Klarheit und Ebeumaass sehr bestimmt hervor-
treten zu lassen. Dass dabei von verwickelter Stimmführung nicht
füglich die Rede sein kann , dass , um den höchsten Grad von Klarheit
399
SU erreichen , auch die Instraoientation einfach und ebenmSssi^ ange-
legt ^ z. B. nicht zu häufig mit den Instrumenten gewechselt werden
moss u. s. w., erräth man von selbst. In dieser Hinsicht möchte wohl
die Balletmusik von Spontini als Muster dastehn, während Gluck
in einem Theil seiner Ballete die treffendste Karakteristik giebt, in
mannigfaltigem und kühnern Rhythmen, ab man vor und nach ihm
gewagt hat. Es Hessen sich noch sehr glückliche Leistungen von K.M.
V. Weber und andern Komponisten älterer*) und neuerer Zeit anfiih-
reo , wenn die Kompositionslehre überhaupt der Ort wäre, auf diesen
Gegenstand näher einzugehn.
In demselben Verhältnisse steht zu ihr
B. die Ifuik der Zwischenakte.
Weno die Akte eines dramatischen Werkes durch Musik eingelei-
let oder auch verbunden werden sollen, so wird bekanntlich dem ersten
oder vielmehr dem Ganzen eine Ouvertüre vorausgeschickt; von
dieser ist im folgenden Abschnitte zu reden. Den andern Akten dienen
kürzere Tonsätze, — die sogenannten Entreakte, — zur Einleitung.
Diese Tonsätze, die auf Stimmung uud Handlung des nächsten Akts
vorbereiten sollen, haben meist Liedform, die kleinem Rondoformen,
Sonatinenform (beschränkt) in schneller oder langsamer Bewegung;
möglicherweise ist auch jede andre Form zulässig; gelegentlich werden
mehrere Formen mit einander verbunden, z. B. einem Marsch oder
Tanz oder Rondo eine Einleitung vorausgeschickt, und was derglei-
chen mehr.
Auch hier hat die Kompositionslehre kein weiteres Geschäft, da
die Formen bekannt sind und ihre Wahl, ihre Behandlung, der ganze
Inhalt von der Idee abhängen, die das Drama im Komponisten erweckt.
Wer eine Anschauung solcher Kompositionen begehrt, der sei auf die
berühmteste ^und vollendetste, die wir kennen, verwiesen, auf die Zwi-
schenakte, die Beethoven zu Goethe's Egmont geschrieben hat.
Ebensowenig hat sich die Kompositionslehre auf die schon Tb. III.
S. 384 zur Sprache gebrachte
C. melodramatische Insik
näher einzulassen, mit der in Opern und andern Dramen**) das Orche-
ster bisweilen den Dialog und die Handlung begleitet und zu tteferm
oder bestimmterm Eindruck zu wirken sucht.
*) Gero nenoeo wir Schall, den talentvollen Komponisten, der dem (grossen
Balletmeister Gaieotli zn seinen pantomimischen Tragödien (wir kennen von
ihnen nur flomeo nnd Julie und Blauhart) würdige Musik schuf. Leider sind die
Ballete und ihre Musik nicht Öffentlich geworden — und kaum durften sie jetzt
noch ein anderes als historisehea Interesse haben. Die Musik war im Kiavierauszug
(in Kopenhagen?) erschienen.
**) Früher, von J. J. Rousseau zuerst in seinem Pygmalion versucht, wur*
den ganze Dramen für melodramatische Behandlung gedichtet und so kemponirt,
400
Die Masik neben dem Dialog soll bisweilen einen neben ihm vor-
gehenden, aber auf ihn oder die allgemeine Stimmung einwirkenden
Vorgang bezeichnen, z. B. eine wirkliche — etwa von fem in den
Hergang auf der Bühne hineinklingende Musik, z. B. in Schiller^s
Wilhelm Teil die Musik des gehemmten Hochzeitzuges, die in Gesslers
Todeskampf hiueintönt, oder (in künstlerischer Andeutung) eine über-
sinnliche Erscheinung, ein Schlachtgewühl u. s. w. Hier können be-
stimmtere Formen oder die Kunstform der Fantasie Anwendung finden.
Die eigentlich mehr dramatische Musik hat mit diesen änsserlicben
Anlässen und Andeutungen nichts zu thun, oder geht doch über diesel-
ben hinaus und will neben der gesprochnen Rede die Stimmung des
Redenden zum Ausdruck oder zu erhöhtem Ausdruck bringen. Da aber
das Wort nicht unterdrückt und so wenig wie möglich gestört werden
soll, so — kann die Musik nicht zu vollem ungestörtem Ausdruck kom-
men , es muss abwechselnd die Rede und die Musik unterbrochen wer-
den, damit wenigsteujs Eins um das Andre sich äussern könne. Die
Musik kann daher nur Andeutungen geben, nur anklingen
und nacbhallen, was in der Seele des Redenden erwacht oder in
seinem Worte schon laut geworden ist; sie kann auch erinnern an
frühere musikalische Momente, die zu bestimmterer Wirkung gekom-
men sind und deren Stimmung dadurch wieder erweckt, oder doch wie-
der angeregt oder angedeutet werden soll. So deutet Beethoven in
der melodramatischen Sccne im letztet^ Akte des Fidelio, wenn Rokko
und Leonore sich fragen , ob Florestan noch lebt, durch eine Reminis-
ccnz anf den Moment in der vorigen Scene zurück, in dem Florestan
die Vision eines Engels hat mit Leonorens Zügen, der ihn zur Freiheit
führt; — vielleicht umschwebt ihn während ihrer bangen Frage im
Traum ihr Bild.
Welche Berechtigung das Unternehmen einer solchen Romposition
hat? — ob und wie weil das Melodrama dem Wesen der ITunst gemäss
sei: das hat nicht die Kompositionslehre, sondern die Musikwissen-
schaft zu untersuchen; die erstere hat nur aufzuweisen, welche Form
jede Komposition annehmen und wie diese Form gestaltet werden kann.
Allein dieses Geschäft ist in Bezug auf melodramatische Musik bald ab-
gethan. So weit die Musik des Melodrams äusserliche Vorgänge, die
mit Musik verbunden sein können, — z.B. den Vorübermarsch kriegeri-
scher Schaaren, ländlichen Tanz, Gottesdienst, — anzudeuten hat, bedient
sie sich der für solche Gelegenheiten üblichen Formen, z. B. des Mar-
sches, des Tanzes, auch des Gesangs. Hat sie Vorgänge, z. B. ein
Schlachtgetümmel hinter der Scene, nur gleichnissweis anzudeuten, so
z. B. von Go tt er Medea and Gersteoberg Ariadoe mit Musik voo G. Ben da.
Mozart iiess sich von Benda^s Leistung so einnehmen, dass er grosse Lost be-
zeigte, ein gleiches Werk zu schaffen.
401
kann sie sich dabei festerer Formen bedienen , wird aber meistens nur
die der Fantasie wählen, da jene Vorgänge doch nur als Hintergrund
oder Episode für die eigentliche Handlung geltend werden sollen , mit-
hin anch von Seiten der Musik nur in unbestimmten Zügen angedeutet,
nicht in plastisch vordringender fester Form in den Vordergrund geho-
ben werden sollen. Mischt sich aber die Musik in den Dialog, so ist
eine feste Form nun gar nicht mehr denkbar; sie kann einzelne Sätze
bilden, — diese oder einen Gang, ein Motiv später, wenn der Dialog
CS mit sich bringt, — wiederholen , — wird sich aber meist nur in
jener lockern Weise fortspinnen, in der Zwischensätze und Begleitung
eines Rezitativs neben dem Gesänge fortgehn. Beethoven z.B. leitet
den Monolog Egmont's mit diesem —
Foco sosteniitü.
480 ^^-gE5güzgj^;^^jzJ[
8otto| Toce 1
einfach vom Quartett vorgetragnen Salz ein. Nach den Worten :
Sosser Schlaf! du komiDst wie eiD reioea Glück,
knüpft nun das Orchester wieder rezitativmässig an, —
481
"^^ ^^ u^t I^ n-t. UM*. r ■^— ■ I... j„ "•
ungebeten üb unerfleht am willigsten | 'f M fac: du
lij: unerfleht am willigsten ( 'P m fc:
hält zu den Worten
ungehindert flieset der Kreis ioorer HarmoDie....
Akkorde ans und begleitet erst nach Egmont's Entschlummern die Er-
scheinung in fester, zusammenhängender Weise, aber auch hier nur
fanlasiemässig. Ein bestimmt gebildeter Satz wird erst bei Egmont^s
Abgang möglich ; hier wiederholt der Komponist den Schlusssatz seiner
Ouvertüre als ,,Siegess]rmphonie^% über den Tod des Helden hinaus-
weisend auf den Sieg der Freiheit, der jetzt durch Blut erkauft wird.
Wie in solchen Tongebilden die Form nicht vorher bestimmbar,
sondern durchaus und in jedem Zuge vom Moment abhängig ist, so
auch die Instrumentalion. Es kann hier von einer weitern Lehre oder
Vorübung nicht die Rede sein. Jeder giebt, was ihm gegeben wird.
Marx, Komp. L. IV. 3. Aufl. 26
402
Dritter Abschnitt.
Die grossem Orehesterfornieii.
Der vorige Abschnitt hat uns schon auf die nächste der grossem
Formen hingewiesen, die hier zur Betrachtung kommen. Es ist
D. die Oavertfire.
Die Ouvertüre ist bekanntlich bestimmt, eine grössere künstleri-
sche Darstellung, — Oper, Oratorium, Kantate, Schauspiel, Konzert-
aufTührung, — zu eröffnen und in den Ideenkreis oder die Stimmung
des Hauptgegenslandes einzuführen. Wir besitzen zahlreiche Ouver-
türen zu Oratorien von Händel bis auf die neueste Zeit, — zu Opern
von Gluck, Mozart und vielen Andern, — zu festlichen Anlässen,
z. B. die Jubelouvertüre von C. M. v. W eher, — zu Schauspielen, z, B.
von Beethoven zu Egmont, Koriolan u. s. w. ; Mendelssohn und
Andere haben sich derselben Form für selbständige Tongemälde be-
dient. Schon der flüchtigste Ueberblick über die Verwendungen der
Kunstform lässl voraussehn , dass dieselbe nach Inhalt und Gestaltung
auf das Mannigfaltigste verwendet wordeu sein muss.
Zweierlei formelle Rücksichten treten bei der Ouvertüre, wenn
sie nicht als selbständiges Kunstwerk, sondern zur Einleitung eines
grössern Werkes bestimmt ist, ein. Sie muss nämlich zu diesem ihrem
ursprünglichen Zweck ein dem Werk angemessenes Gewicht und schon
räumlich die Kraft, — also eine gewisse Ausdehnung haben, um auf das
Hauptwerk vorzubereiten.
Hierzu aber bedarf es in den meisten Fällen mannigfacher An-
regungen, mehr als eines Satzes oder Gedankens, um den in der Regel
weit reichern Inhalt des Hauptwerks in Stimmung und Vorstellung des
Zuhörers anzuregen. Und zu gleicher Zeit hat sie sich räumlich zu
beschränken, um nicht Zeit und Kraft dem Hauptwerke zu entziehn.
Beide Absichten stehn gegen einander mehr oder weniger in Wider-
spruch; in der Ausübung wird bald grössere Ausdehnung, bald en-
gere Begränzung rathsam erscheinen. Es bedarf also für die Ouver-
türe einer Form, die zu dem Einen wie dem Andern wohlgeeignet er-
scheint, die also dem Komponisten im Schaffen selber gestattet wei-
ter zu gehn oder sich einzuschränken.
Daher ist die regelmässige Form für die Ouvertüre
die Souatenform.
Von ihr wissen wir (Th. HL S. 265), dass sie mehrere Gedanken
vereinigen , sich aber auch auf zwei oder drei beschränken , — dass
403
sie mit zwei Theilen (Sonatine) aaskommen, aber aach auf drei Tbeilc
sich ausdelmeo und ihren Baum durch Einleitung, Zwischensätze, An-
hang U.S. w. erweitern, — dass sie für Haupt- und Seitensatz (auch den
Schlusssalz) ein oder mehr Themate verwenden, ihre Theile (und na-
mentlich den zweiten) kürzer fassen oder reicher ausgestalten, — end-
lich dass sie ihre Sätze auf das Mannigfachste bilden kann, homophon
als Satz oder Periode , figural- und fugenmässig. Diese Vielgewandt-
heit, die vom Leichtfertigsten bis zum Ernstesten reicht, die die andre
Hauptform, die Fuge (Th. II. S. 348), im Hauptsatz oder im zweiten
Theile (Th. IH. S. 246) oder in allen drei Theilen aufzunehmen ver-
mag, ist es, die der Sonatenform für die mannigfaltigen und doch in der
Hauptsache übereinkommenden Tendenzen der Ouvertüre vor allen an-
dern Formen in der Regel den Vorzug giebt.
Ob nun demnngeachtet in einzelnen Fällen davon abgegangen
werden und in welcher Weise die Sonatenforni angewandt werden soll,
entscheidet sich durchaus nach Stimmung und Inhalt des Hauptwerkes
oder der Gelegenheit, für die die Ouvertüre bestimmt ist. Dies versteht
sich nach unsern Grundsätzen ohnehin von selbst. Da aber die Ouver-
türe (abgesehn von ihrer ausnahmsweisen selbständigen Stellung) über-
haupt nur um des Hauptwerks willen da ist, so kann dieses auf die
Ausführung derselben ungewöhnlichen Einfluss äussern, z. B. den
selbständigen Abschluss der Ouvertüre hindern. So schliesst bekannt-
lich Mozart seine Don Juan-Ouvertüre gar nicht, sondern wendet sich
vom Schlussakkord in die Unterdominaule (rdur, von da nach jPdur,
und endet nun mit einem Orgelpunkt auf der Dominante dieses Tones,
um sogleich in die Introduktion der Oper (Fdur) überzugebn. Gluck's
Ouvertüre zu Ipbigenie in Tauris besteht aus einem Einleitungssatz,
Andante V« it^dur, und — dem Anfang eines Alle^rosatzes, l^moll.
Denn der letztere Satz geht sogleich in die Introduktion der Oper über;
er malt den Meeressturm, in den hinein die Klagegesänge der Prieste-
rinnen und Iphigenieus erschallen.
Abgesehen von diesen Aeuderungen und Abkürzungen der Form
durch Rücksichten auf das Hauptwerk finden wir die Sonalenform
so ziemlich in allen ihren besondern Gestalten und Wendungen in den
Ouvertüren angewendet. Es kann, da wir die Form aus Th. III ken-
nen, nicht mehr auf ausführliche Nachweise, sondern nur noch auf
einige Andeutungen ankommen.
Die Sonatinenform finden wir in Mozart's Ouvertüre zu
Figaro. Die Hauptpartie bildet sich aus zwei Sätzen , die wiederholt
werden, und einem locker angeknüpften Gang, der zu einem Halb-
schlusse führt. Nun tritt die Seilenpartie in der Tonart der Dominante
ein, ebenfalls aus zwei sich wiederholenden Sätzen bestehend ; dann
folgt ein dritter breiter und wiederholter Satz, der als Schlusssatz
dient. Ein leicht figurirter Orgelpunkt führt zum zweiten Theil, der
26*
404
sich normal nach dem ersten gestaltet. Alles ist leicht , fluchtig hinge-
worfen and aneinandergereiht, wie es sich für die Champagner- Oper
passt. — Fast in gleicher Weise gestaltet sich Beethoven's Oarer-
täre zu König Stephan ; allein vor allem geht dem Hauptsatz eine viel-
leicht durch den Inhalt des Drama's veranlasste Einleitung voraus , die
nach dem ersten Theil wieder in Erinnerung komii^t. Der eine Haupt-
satz wird wiederholt und erweitert, auf die Dominante zum Halbschluss
gefuhrt ; Seitensatz, Gang, Schlusssatz, zweiter Theil, Alles folgt nor-
mal. — Mo zartes Ouvertüre zu Belmonte endlich bildet ihren ersten
Theil zwar in voller Sonatenform (mit dem förmlichen Uebergang von
C über D nach G) , stellt aber statt des zweiten Sonatentheils einen
vollkommen neuen und fremden Satz auf (Andante % Cmoll^ nach
Presto % Cdur) und wiederholt, auf dessen Schlusston einsetzend, den
ersten Satz. Dieser wird aber nicht zu Ende gebracht; sondern an der
Stelle, wo im ersten Theile (durch eis) nach D und von da zumSeiten-
u
satz in 6 gegangen wurde, führt jetzt Moz art (durch ^e^) nacbFmoIl,
geht auf die Dominaute des Haupttons, den er aber hier in Moll nimmt,
und endet dann auf der Dominante mit einem Halbschlusse. Nun fliegt
der Vorhang auf und jenes Andante kehrt als Belmonte 's zärtliche
Arie —
Wo werd' ich sie nur finden I
im süssen tröstlich hellen Dur wieder. — Man müsste die Form als
Sonatinenform bezeichnen (ungeachtet des sonatenarligenUebergangs),
von der der Seitensatz und Schluss weggelassen worden ; der — frei-
lich ziemlich vollständig ausgeführte Mittelsatz müsste als ein fremder
Zwischen- oder Verbindungssatz (Th. III. S. 217) gelten. Alle Abwei-
chungen von der Form sind von der Rücksicht auf die Oper, in die ein-
geführt werden sollte , geboten. Ueberbaupt ist kein Komponist, selbst
Beethoven nicht, — wie weil dieser auch an Tiefe des Inhalts und
Grossheit der Gestaltung allen übrigen vorangeht, — in der GesUltung
der Ouvertüre so mannigfaltig, so frei und geistreich und so rücksichts-
voll auf die jedesmaligen Verhältnisse gewesen, als Mozart.
Sonaten form, und zwar vollständig ausgeführte, finden wir in
der Mehrzahl von Beethoven's Ouvertüren, z. B. in der aus Cdur
Op. 115, in welcher zwar der Hauptsatz nur halbscblussarlig endet,
das übergangne D dur aber am Schlüsse des Theils mit Nachdruck den
Modulationssitz befestigt; dann der zweite Theil durch den ersten Satz
der Hauptpartie eröfl'net, weiter aber zur dreimaligen Aufstellung des
Seitensatzes in ^dur, ^moll, Fdur benutzt und der dritte Theil ganz
normalmässig und vollbefriedigend gebildet wird. Zum Theil noch weit
ausführlicher zeigt sich die Sonatenform in der Egmont-Ouvertüre, in
der Fidelio-Ouveriüre, in der grossen Leonoren-Ouverlüre und andern.
405
Es ist 9 wie gesagt, annöthig , auf die eiozeloen Wendungen der schon
bekannten Form einzugebn.
Wobl aber kommen wir noch einmal auf Mozart und seine Ti-
tus-Ouvertüre zurück. Sie hat Sonatenform, weicht aber wieder in geist-
reich treffender Weise ab. Nach einer Inirade in demselben Tempo
setzt (Takt 8) der erste Theil ein. Die Modulation wendet sich vom
Hauptsatze leicht — wie der Inhalt der Sätze — ohne zweite Tonart
nach der Dominante (Gdur), wo der Seitensatz aufgestellt und mit dem
Gedanken des Hauptsatzes (stall Schlnsssatz) geschlossen wird . Mi t einem
leichten und freien Uebergang wendet sich nun Mozart nach Es i\xr
und gestaltet mit dem Hauptgedanken und einem ihm opponirenden
Kontrapunkt einen zweiten Sonatentheil von reicher, gegen den irrsten
Theil überlegner Ausführung; orgelpunklartig wird mit demselben ge-
schlossen. Allein nun darf Mozart nicht wagen, denselben sofort
wiederzubringen. Folglich beginnt« er seinen dritten Theil — mit dem
Seitensalz ; erst nach diesem , der zu unkräftig ist, einen Schluss her-
beizuführen, kehrt er auf den ersten Anfang zurück, wiederholt die
lulrade, den Hauptsatz, kuüpfl auch den Gang an, führt ihu aber nun
zum breiten glänzenden Schlüsse.
Nicht weiter dürfen wir die Form und ihre Abweichungen ver-
folgen, deren sich noch manche interessante nachweisen liesseu. Auch
die als sellene Ausnahmen erscheinenden Formen des Rondo (Beetho-
ven hat der Ouvertüre zu den Ruinen von Athen eine Art von Rondo-
form gegeben, Rossini hat irgend eine Ouvertüre — vielleicht die
zurSemiramis — in Rondoform geschrieben) und der wirklichen Fuge,
die Bach, Händel, Beethoven u. A. gebraucht haben , ühergehu
wir als bekannt und zum Theil genu<rsam vorgeübt, lieber den Inhalt
selbst aber, den die Ouvertüre haben kann, möge hier noch eine letzte
allgemeine Bemerkung slehn, mehr um einer von bedeutenden Namen
in Schutz genommenen Richtung gegenüber zum Nachdenken aufzufo-
dern, als um der höhern Lehre, die von hier ab der Musikwissenschaft
gehört, vorzugreifen.
Wenn nämlich ein Komponist bei der Verfassung einer Ouvertüre
sich unbefangen seiner Stimmung überlässt: so wird er schreiben, was
diese Stimmung , seine Idee, die Richtung des Werks oder Vorgangs,
für den die Ouvertüre gehört, endlich die anregende Vorstellung des
Orchesters mit derSchaar seiner beseelten und beseelenden Organe ihm
eingiebt. Wie weit dann hierin das Rechte geschehe , ist theils in den
vorhergehenden Lehrabschnitten abgehandelt, theils kommt es in der
höhern Lehre zur Erwägung.
Nun aber bat der Gedanke, dass die Ouvertüre auf das Werk, dem
• sie zur Einführung bestimmt ist, auch ausdrücklichen Bezug nehmen —
müsse oder doch könne , die Komponisten häufig dahin geführt, Sätze
aus dem Werke selber der Ouvertüre einzuverleiben. Wir haben es
406
oben von Mozarl's Belmonte^Ouvertüre zu bemerken gehabt ; aoehdie
Einleitang seiner Don Juan- und seiner Cosifan tuUe-Onweriüre , so-
wie Beethoven's Leonoren-Ouvertöre nnd viele andre Werke enthal-
ten deren mehrere oder weniger , wichtigere nnd ausgedehntere, oder
nicht. K. M. v. Weber ist hierin vielleicht mit seiner Euryanthe-Oa-
vertiire am weitesten gegangen, die unter dem Einfloss des Strebens,
möglichst viel Momente ans der Oper zum Anklang zu bringen, wohl
unstreitig an jenerEinheit des Gusses und der Wirkung verloren hat,
die jedem Kunstwerke so wichtig ist. — In gleicher Linie stehen die
freien Ouvertüren, die auf ein Volkslied oder ähnliche populäre Melo-
dien gebaut werden, z. B. die von Fr. Schneider über den Dessauer
Marsch.
Dass man nun die Stimmung und Idee eines Werkes anbahnen
könne , ohne Melodien aus demsejben zu entlehnen , steht wohl fest ;
die Kunst hat schon Tieferes vermocht. Dass auf der andern Seite Mo-
tive aus dem Werk, in der Ouvertüre aufgenommen, zu dem Zweck
der Ouvertüre beitragen und , wenn sie dann im Werke wiederkehren,
ein helleres Licht auf die Situation werfen können, der sie angehören,
ist ebenso gewiss. Aber — dies ist nnsre Bemerkung — Beides ist
nur zu erwarten, wenn die fremd aufgenommene oder aus dem Werke
vorausgenommene Melodie an sich selber die Kraft hat, künstlerisch —
nnd zwar im Orchester die von ihr begehrte Wirkung auszuüben.
Denn die Bedeutung, welche ihr vielleicht durch äusserliche Verhält-
nisse oder durch Situationen in der Oper oder durch den Text verliehen
wird, ist ja entweder eine dem Kunstwerk ganz fremde und fremdblei-
bende, oder tritt erst später hervor, wenn die Situation oder der Text
sie giebt oder verdeutlicht und verstärkt; folglich ist diese Bedeutung
in der Ouvertüre noch nicht vorhanden und kann das Motiv nicht oder
nicht in der rechten Weise wirksam machen. Es scheint uns daher ein
nachtheiliger Irrlhum, in der Ouvertüre Sätze auTzunehmen, die nicht
an sich selber ein hinlänglich starkes Interesse harben, ihre Stelle zu
verdienen, — ganz abgesehn von dem ihnen äusserlich anhängenden
oder später zuwachsenden.
Ein treffenderes Beispiel wnssten wir nicht zu geben, als K. H.
V. Weber's Oberon-Onvertnre. Nach der Einleitung, die uns zuerst
den ,, leisen Elfentritt^' auf Oberon's Ruf so zauberisch -neckisch ver-
nehmen lässt, rauscht der Hauptsatz so jugendfrisch und romantisch
auf, wie nur immer die Zeit der Avanture mit ihrem Schwerterklang
und Rosseschnauben zu uns herüberkliogen kann. Noch einmal ertönt
das Oberonshorn und raschelt klingender Elfenlritt vorüber, — und nun
hält es Weber nach seiner Weise, die Ouvertüre recht reich mit An-
klängen aus der Oper auszustatten, für nöthig, diesen Liedsatz aus der-
selben —
407
482
4
Allegro COR faoco.
fef§%
^^Büa
als Seitensatz zu nehmen. Hiermit ist der edle Schwung der Ouver-
türe gebrochen. Denn dieser Salz mag — wir lassen es dahingestellt —
in der Oper gesungen, mit dem Texte, zu dem er entstand, seine volle
Geltung haben : an sich ist er nicht bedeutend und belebt genug, um in
dieser Ouvertüre und neben diesem Hauptsatze zu stehen. Er ist viel-
mehr dem ganzen Gang der Komposition und namentlich dem Hauptge-
danken —
483
so fremd, dass er gar nicht in stetiger Entwickelung hervorgeführt wer-
denkonnte, sondern äusserlich angehängt werden musste, — nach jenem
Elfensatze, —
Klarinette.
und schon hier tritt die Erlahmung ein. Und weil der Satz nicht orche-
stral erfunden war, so wird er es auch nicht. Erst giebt ihn die Kla-
rinette über den ruhenden Unterstimmen des Quartetts, dann wieder-
holt ihn die erste Violine unter gleicher Begleitung, später (im zweiten
Theile) *) wird er mit mancher anziehenden Wendung benutzt — und
überall bleibt er der fremde und schwache Punkt, wenigstens im Ver-
gleich zu dem Aufschwung, den Weber in dieser Ouvertüre vielleicht
vor allen seinen frühern gewonnen hat.
Die letzte hier zu erwähnende Kunslform ist
E. die Symphonie.
Obgleich sie die grösste und wichtigste Aufgabe der reinen Instru-
mentalmusik genannt werden muss , hat doch die Kompositionslehre,
die nur auf das Gestalten sich einzulassen berufen ist, bei ihr nur
wenig zu thun. Sie tritt hier, — unter der Voraussetzung, dass zuvor
*) S. 19, 37 bis 41 der Schlesioger'scheo Partitur.
408
Uebuug und Parlitursludiam das Ibrige gewirkt haben werden, — za-
rück und lasst einer höbern Lehre das Wort.
Was nun also die Form der Symphonie — das einzig hier za
Besprechende — betriffi;, so ist sie in der Regel, fast ohne Ausnahme,
die der grossen Sonate. Die Symphonie besteht, gleich dieser, aus vier
Sätzen : einem Aiiegrosatz (mit oder ohne Einleitung) , einem langsa-
men Satz, einer Menuett oder Scherzo (bisweilen wird auch der lang*
same Satz erst nach dem Scherzo gebracht) und dem Finale. Der erste
Satz hat gewöhnlich Sonatenform ; der langsame eine der ersten Ron-
doformen, abgekürzte Sonatenform, Liedform mit Variationen; das
Scherzo hat bisweilen erste oder zweite RondoForm, oder blos ausge-
dehnte Liedform, oder ist fugirt; das Finale hat Sonatenform, eine der
grossen Rondoformen, oder ist Fuge. Alles dies bedarf nach dem
im Th. III Vorgetragenen keiner weitern Erörterung.
In diesen vier Sätzen wird ein zusammenhängendes Ganzes aus
dem Seelenleben oder Ideenkreise des Künstlers musikalisch, und zwar
mittels des Orchesters offenbart. Was der Inhalt eines solchen künst-
lerischen Ganzen sein könne , aus welchen Gründen dieser sich in die
genannten vier Theile auseinandersetze und wie er geistig sich als
ein zusammenhängender und einiger beweise, — das hat die höhere
Lehre zu ergründen. Wie aber formell diese Einheit sich bewährt,
ist schon Th. HL bei der Sonate zur Sprache gekommen.
Dass übrigens die V i e r t h e i 1 i g k e i t nicht absolute Nolhwendig-
keit für die Symphonie ist, leuchtet ein. Beethoven hat seine Pasto-
ralsymphonie aus fünf Sätzen gebildet; es ist nicht einznsehn (wenn
auch unsers Wissens kein Beispiel vorliegt), warum nicht auch eine
Symphonie in drei Tbeilen möglich sein sollte, so gut wir Sonaten —
und zwar vom grossartigsten Wurf und Inhalt — von drei Tbeilen
haben. Ja, jene selbständigen Ouvertüren, deren wir S.402 gedachten,
gehören im Grunde eher der Gattung der Symphonie an (eine Ouver-
türe, die etwas Anderes als Eröffnungsmusik oder Ouvertüre sein soll,
scheint ein Widerspruch) und würden mithin als Symphonien ans
einem Satze (mit oder ohne Einleitung) zu achten sein. Mendels-
so hn's Ouvertüre ,, Meeresstille und glückliche Fahrt^' würde sich als
eine Symphonie von zwei Sätzen darstellen; denn wenngleich der
erste Satz nur kurz gehalten und nicht selbständig geschlossen ist , so
hat er doch einen ganz selbständigen Inhalt und würde desshalb nicht
füglich als blosse Einleitung anzusehen sein.
Dürfen wir nun in Bezug auf die Anlage der Partien einer
Symphonie grössere Freiheit statthaft finden, als sich bis jetzt die
Komponisten genommen haben : so müssen wir für den Inhalt und die
Ausführung der Sätze einen Grundsatz wiederholen , den wir durch die
ganze Orchesterlehre festgehalten, der aber bei den höchsten Aufgaben
der Instrumentalmusik — bei der Symphonie nnd Ouvertüre — mit
409
erhöhter Wichtigkeit geltend Wird. Es ist der: dass das Orchesterwerk
auch orchestermässig erfundeo werde , dass man nicht Gedanken, die
für ein andres Organ oder gar nur abstrakt sich gebildet haben, auf das
Orchester übertrage. Das wahre Kunstwerk entsteht in untrennbarer
Einheit des Inhalts und der Versinnlichung; dem Künstler tritt in der
rechten Stunde nicht eine Tongestnit, z. B. eine Melodie vor die Seele,
zu der er nun ein Organ suchen müsste, sondern diese Melodie oder
dieser Satz stellt sich ihm gleich als die Aeusserung dieses oder jenes
bestimmten Musikorgans oder Verbands von Instrumenten vor. Unser
ganzer Lehrgang hat es als Hauptaufgabe anerkannt, dahin' zu leiten,
dass nicht abstrakt, sondern aus dem Wesen, aus der Seele des jedes-
maligen Organs oder Chors heraus erfunden und gebildet werde«
So fodern wir jetzt , im Besitz des vollen Orchesters , nochmals
dasselbe :
das Orchesterwerk muss im Sinn, aus der
Seele des Orchesters heraus erfunden und
gestaltet werden;
und zwar im Ganzen, bis in die Einzelheilen jedes Moments und jeder
Stimme hinein.
Wir haben getrachtet, dahin vorzubilden. Allein die Vorbildung
genügt nicht, wenn nicht der Komponist — von dem Augenblick an,
wo eine Idee ihn ergreift, die zu ihrer Darstellung das Orchester fodert,
— sich mit der lebendigsten Vorstellung des Orchesters erfüllt , sich
in dasselbe hineinbegiebt und in ihm lebt, in seiner grossen vielstim-
migen und vielfach beseelten Macht, in seinen Chören und Massen, in
der Eigcnthümlichkeit seiner für den Künstler lebendigen und persön-
lichen Organe mit ihren Beziehungen und Verschmelzungen, Abneigun-
gen und Widersprüchen. Ist der Komponist mit dieser Vorstellung er-
füllt, dann wird ihm nicht nur nichts Orcb esterwidriges oder Orchester-
fremdes nahen, sondern es wird die Grösse und Macht des Organs, —
des Körpers, in dem sein Geisl Wohnung nimmt, — auf diesen zurück-
wirken und jedem Gedanken, jeder Ausführung, dem ganzen Tonge-
bilde den orchestralen Sinn einflössen und damit auch die Gestaltung be-
dingen.
Bis auf einen gewissen Punkt lassen sich die formalen Folgen die-
ses Sinnes, des orchestralen Standpunkts des Komponisten, nachweisen;
am anschaulichsten im Vergleich einer Komposition für Orchester mit
der für ein einzelnes Instrument, z. B. das Klavier.
Das Klavier giebt sich jeder Stimmung und Laune des Komponi-
sten am gefälligsten und schmiegsamsten hin ; es ist gross und klein
mit ihm, fein und stark, kurz angebunden und für weite Güsse eben-
falls geeignet; was es nicht wirklich ausdrücken kann , das spiegelt es
(Th. III. S. 25) unsrer nachhelfenden Einbildungskraft vor. Endlich
in der Ausfuhrung wird es von einem einzigen Spieler (das vierhändige
410
Spiel bildet ja nur die Ausnahme) beherrscht und ist auch in dieser
Hinsicht den feinsten, freiesten, gar nicht vorher zu berechnenden
Regungen augenblicklicher Stimmung in einem einzigen Wesen zu-
gänglich.
Diese Feinheit, diese Freiheit bis zur EigenwiUigkeit und Laune
des Augenblicks ist im Orchester selbst unter den günstigsten Umstän-
den unmöglich; ja sie wurde der Idee desselben als eines Vereins vieler
Organe — das heisst idealer Personen — widersprechen , wenn man
ihren Schein durch unerschöpfliche Uebungen und Verabredungen er-
zwingen wollte. Das Orchester hat ein Anderes und Höheres oder Rei-
cheres auszusprechen, als das rein Subjektive, es steht dem Einzelin-
strument als Chor (Th. IH. S. 442), und zwar als Verein Vieler gegen-
über, deren Gemeinsames es auszuklingen , deren Gegensätze und
Widersprüche es gegen einander zu führen und mit einander zu ver-
söhnen hat; und dieses Gemeinsame ist gewichtvoller als ein Einzelnes,
diese Gegensätze sind zahlreicher und karakteristischer, und ihre Ver-
söhnung muss mit überlegner Macht und Tiefe erfolgen.
Tritt also ein Gedanke — Satz oder Gang — in das Tulti des Or-
chesters, so wird er nicht Mos geistig an der Macht des Organs sich
steigern, sondern er wird sich gern breiter auslegen, um dem Schall
des gewaltigen Tonkörpers Zeit zu lassen zum Ausschwingen. Tritt
ein Gedanke nicht im Tutti, sondern nur in einem Theil des Orchesters
auf, so fodern die andern Stimmen ihr gleiches Recht ; entweder wollen
sie denselben Gedanken wiederholen,*oder sich ihm allmählich anschlies-
sen, oder einen andern ihm entgegensetzen. In allen diesen Fällen
wird man ebenfalls Raum geben müssen, damit dem Orchester Theil für
Theil genug geschehe.
Hiermit gewinnt aber eben der Orchestergedanke materielle und
formelle öebermacht gegen den Gedanken des Einzelinstruments, er
fesselt uns stärker , beschäftigt uns länger — und daher werden wir
weniger Anlass und Befugniss haben , von ihm abzuspringen auf einen
andern , während in der Klavierkomposition — z. B. der Sonate — die
freier, persönlicher waltende Phantasie häu6g und mitRecht von Einem
zum Andern schweift und in der Hauptpartie oder der Seitenpartie
allein zwei oder drei verschiedne Sätze an einander reiht.
Und indem die Reihe der Gedanken im Orchesterwerk sich
beschränkt und der einzelne Gedanke an Wichtigkeit gewinnt, folgt
wiederum daraus, dass der Komponist sich oft zu reicherer Ausarbei-
tung bewogen findet, — wie denn schwerlich irgend ein Klavierwerk so
weit ausgeführt sein möchte, als der erste Satz von Beethoven's
heroischer Symphonie, oder von dessen neunter.
' Allein so wohlbegründet diese Anschauung auch erscheint,
wollen wir uns doch hüten , sie zu einem formalen Gebot erwachsen
oder uns von Vorstellungen gefangen nehmen zu lassen , die Kunst-
411
richter und Runstlebi'er sich öfters von einem besondern Styl*) machen,
den sie
Orchesterslyl
oder in Bezog auf die höchste Form der Orchestermusik
Symphoniestyl
genannt haben. Wenn diese Namen nur die Bedingungen bezeichnen
sollen, die aus dem Wesen des Orchesters und der Symphonieform
folgen, so kann man nichts gegen sie einwenden; aber es müsste oder
könnte mit gleichem Recht von einem Styl für jedes Instrument und
jeden Instromentenverein, sowie für jede Form die Rede sein. Allein
dergleichen Stichworte oder mots de guerre der Kunstphilosophie rufen
in der Regel den Hang hervor, sie recht entschieden und umfangreich
geltend zu machen ; und so hat sich auch vielfältig an die Benennungen
Orchester- und Symphoniestyl die Zumuthung geknüpft: es müsse da
Alles recht stark und gross und prächtig zugehen, es müsse mehr aus
dem Ganzen gcwirthschaftet, — oder nach Anderer Meinung, es müsse
eben hier recht sorgfältig und ausführlich gearbeitet werden, und was
dergleichen mehr. Aus solchem Gesichtspunkt ist ein sonst sehr kennt-
nissreicher, einsichts-, ja geistvoller Mann, der verdiente H. G. Nä-
geli**), dahin gelangt, J. Haydn's Symphonien nicht für ächte Sym-
phonien, dem Symphoniestyl angehörig, zu erachten. Umgekehrt würde
es nicht schwer fallen, an mehr als einer Komposition und bei mehr als
einem Kunstgenossen nachzuweisen, wie dergleichen vorgefasste Mei-
nungen zu Gespreiztheit und Aufgeblasenheit oder doch zu Einseitig-
keit und Einförmigkeit geführt haben , während der unbefangne Künst-
ler sich 'die Freiheit erhält, fast in jedem Werk eine neue Stimmung
und eigne Idee zu verfolgen. Zum Glück fehlt es nicht an* Zeug-
nissen für das Rechte. Von den kindlich heilern , oft neckischen Spie-
len, in denen J. Haydn mit seinem Orchester zu scherzen weiss, —
wobei denn doch niemals der Moment versäumt wird, wo es sich macht-
voll erhebt, wie ein Löwe aus Blumenketten der Liebesgötter, — bis zu
der Erhabenheit eines Beethoven^schen Epos hat der Genius der
Symphonie in einer Reihe von unsterblichen Thaten die unerschöpfliche
Vielseitigkeit seines Lebens und Waltens bekundet.
*) Allg. Mnsiklefare S. 304.
**) Id seioeD VorleBUDgeQ über Musik.
412
Anhang,
Wir haben in den vorstehenden Ablheiinngen die Lehre vom Or-
cheslersalz absichtlich innerhalb des Kreises derjenigen Inslrumenle
abgeschlossen , die sich in unsrer Instrumentalmusik (der hier abge-
handelten reinen) eingebürgert Gnden; die Masse des zu Bewältigenden
durfte nicht mehr als nöthig gehäuft werden. Nur einige Blasinstru-
mente konnten, wenn sie auch unsrer Orchestermusik weniger eng an-
gehören, sofort mit erwähnt werden, weil ihre Notiz sich am leichte-
sten der von gebräuchlichem Blasinstrumenten anschloss.
Es bleibt uns noch die Pflicht, über einige Instrumente das Nächst-
nöthige mitzutheilen , die bisweilen — wenn auch in seltenern Fällen
und besonders in Gesangkompositionen — zu unserm Orchester hinzu-
treten. Das wichtigste von ihnen ist
1. die Harfe.
Wir finden sie besonders häufig in französischen Opern oder sol-
chen, die für Frankreich geschrieben worden, z. B. in denen von
Spontini und Meyerbeer, auch in italienischen, z. B. in Rossi-
ni's Othello. In deutschen Werken sind sie seltener; doch hat sie schon
Gluck im Orpheus, Abt Stadler in seinem Oratorium (Jerusalem),
Fr. Schneider im Absalon u. A. gebraucht.
Die Harfe (arpa) hat eine grosse Reihe von Veränderungen und
Verbesserungen durchlaufen müssen, über die hier nur das Wesent-
lichste Aufnahme finden kann. Ihre Saiten stellten längst eine durch
mehrere Oktaven gehende Durtonleiter dar; fremde Halbtöne konnten
während des Spiels nur durch das Umdrehen von Häkchen (das förm-
liche Umstimmen wäre noch umständlicher gewesen) erlangt werden,
die neben jeder Saite standen und beim Umdrehen die Saite spannten,
folglich erhöhten. Dies war die Haken bar fe; ihre Unvollkommen-
heit bestand zunächst darin, dass das Umstimmen mittels der Häkchen
nur durch die Hand des Spielers geschehen konnte , mithin das Spiel
störte.
Es wurde daher die Pedalharfe erfunden. Sie war meist
in Esiüv gestimmt und reichte von Kontra -(J?^ oder) F oder G bis
zum dreigestrichnen as oder viergestrichnen c (oder es) hinauf.
Zum Umstimmen waren erst fünf, dann sieben Pedale in folgender
Stellung —
413
angebracht, die mit den Füssen regiert und auch angehängt werden
konnten und durch deren Antreten jede der genannten Tonstufea
durch alle Oktaven hindurch um einen Haibton erhöht wurde.
Nahm man z. B. das Pedal von As^ so wurden alle As in A umge-
stimmt und man erhielt die Tonart ^dur. Hiermit war das lästige Um-
drehen der Häkchen mit den Händen beseitigt und man konnte die
Durtonarten von Es bis £, sowie die ihnen entsprechenden Mollton-
arten gebrauchen. Die übrigen Tonarten und verschiedue Akkorde*)
waren nicht ausführbar ohne häutige Aenderungen während des Spiels.
Eine Verbesserung dieser Pedalharfe ist die Doppcl-Pedal-
harfe (ä double mouvement)^ auch nach ihrem angesehensten Ver-
ferliger die Brard'sche Harfe genannt. Sie ist in CesA\xv gestimmt
und reicht von Kontra- C^a* bis zum viergestrichnen ces. Ihre sieben
Pedale sind so eingerichtet, dass jedes zweimal , in zwei Abstufungen,
niedergetreten und befestigt werden kann. Jeder Miedertritt erhöht um
einen Halblon ; werden also sämmlliche Pedale eine Stufe tiefer ge-
bracht, so wird aus
Ces^ Desy Es^ Fes^ Ges^ Asj B
die Tonreihe
\C, D, E, F, G, A, H;
werden sie die zweite Stufe tiefer gebracht, so erscheint die Tonreihe
CiSy Disy Eisy Füy GiSj Ais^ His,
und somit sind nun alle Tonarten und Akkorde**) erreichbar.
Die Harfe wird bekanntlich mit beiden Händen gespielt und daher
auch für sie , wie für das Klavier , auf zwei verbundnen Systemen mit
*) Zn Hdur z. B. würde man H, Cis, Dis, E, FiSj Gt's, Ais braachea, mit-
hin die /^-Saiten einmal z\iAit (enharmoniscb) und eioma] znH, Als Akkordbeispiel
diene der kleine Nonenakkord B-d-f-at-ces , zu dem man die ^-Saiten für den
Ton B und für h (eoharmoniscfa ces) nölbig bat.
**) Bei einracbem Pedal war die Tonart H (zu der die Saite B lu H umzu-
stimmen war' und doch Tür Ais nöthig ist) nicht auf einmal darzustellen, bei dop-
peltem ist sie die enharmoniscbe Uninennung der Grondtonleiter. Bei einTacbem
Pedal war der kleine Nonenakkord nicht auf einmal darstellbar, jetzt ist er leicht.
414
F- iiod &-Scblo8sel noiirt. Jede Hand kann vier Saiten innerhalb der
Oktave mit Sicherbeil, innerhalb einer Dezime schwerer nnd weniger
beilklingend greifen ; bei schneller Bewegung sind die weitem GrilTe
kaom möglich. Es ist ratbsam , die Bände sechs bis acht Stufen weit
anseioanderzuhalten , weil sie sich sonst im Wege sein können. Da-
her sind Dezimen-, Oktaven-, Sextengänge für zwei Hände bequemer als
Terzengänge; letztere, wenn die Bewegung nicht zu schnell ist, kön-
nen — abwärts — mit einer Hand ausgeführt werden. Arpeggien ge-
lingen leichler und wohlklingender, wenn man sie einfach setzt, dass
die Hände von drei zu drei , oder vier zu vier Saiten einander ablösen
können; doppelte Arpeggien, wenn sie weit und schnell ausgeführt
werden sollen, sind schwer. Triller, besonders in den hoben Tonlagen,
nnd Ton Wiederholungen sind gut ausführbar; letztere können auf der
Erard^schen Harfe — mit Ausnahme der Töne Z>, G und A*) — auf
zwei einander ablösenden Saiten nnd dann noch leichter und fliessender
ausgeführt werden.
Eine besondre Tonbervorbringong zeigt sich in den tiefem Tonla-
gen (am besten in der grossen und kleinen Oktave) anwendbar. Man
legt nämlich den Ballen der Hand an die Mitte der Saite und setzt die-
selbe durch den Daumen oder die ersten zwei Finger in Schwingung;
sie giebl dann die höhere Oktave (z. B. die Saite klein es das einge-
stricbne es) an. Diese Töne — von denen man gleichzeitig zwei und
sogar drei nahe bei einander^gelegne mit der einen Hand , dazu aber
mit der andern nur einen angeben kann — heissen Harmonikatöne
nnd haben einen etwas bedeckten und sehr sanften Klang.
Noch ein eigenlhümliches Spiel ist innerhalb eines verminderten
Septimenakkordes (auf jeder beliebigen Stufe) möglich. Man kann näm-
lich , wie ein Blick auf die Saitentafel mit ihren Umstimmungen in der
letzten Anmerkung zeigt, sämmtliche Saiten in jeden beliebigen vermin-
*) Man bat oämlich Tor jeden Too zwei Saiteo zor Verfde^Dp (z. B. Cef aoeli
als erste ErbÖhoos von B als H)^ nur Tür />, Gy A nicht. Wir stellen hier oocli
übersichtlich zu<aninieD, in welchen und in wie viel Weisen jeder Ton auf der Harfe
zn haben ist. Die Saiten in ihrer ursprünglichen Stimmung — Ce#, He«, Em^ Ft$,
Ge$^ At^ B — sollen mit römischen Ziffern und angebängter Null — I«, tU J^l«
Q. s. w. — , die erste und zweite Umstimmung mit angebängter 1 und t, hinter den
römischen Ziffern gesetzt, — also z. B. Cesy C und CtM mit 1« , 1^, 1, — bezeich-
net werden ; die eoharmonischen Töne werden natürlich als dieselben Tonhöhen,
also z. B. Cis gleich Des angenommen, so dass also z. B. I, und 11« (Cii und Des)
als derselbe Ton auf zwei verschiednen Saiten gelten. Dies vorausgesetzt sehen wir
hier —
C, CiM, D, Dis, E, F, Fis, C, C«, A, B, i/,
i„ i„ II., ii„ nr., IV., iv„ V., V., vi., vii., vii.,
vir,, ij., .. lifo, iVo, HU, v^, .. VI., .. vi„ u,
auf wie viel und auf welchen Saiten jeder Ton (innerhalb derselben Oktave) zu
haben ist.
__ 415 ^
derten Septimenakkord *) stiinmeD. Bei leisem Ueberhinstreichen über alle
Saiten erzeugt sich nun ein ätherisch zartes Tongeschalle , das je nach
der Richtung der Tonlage aus der aufrauschenden Tiefe sich in nervös
feine Höhe verliert, oder aus dem Gelispel und Geflüster der hohen
Saiten sich in die dumpfere hallende Tiefe ausbreitet und mit glüsicatopp
bezeichnet zu werden pflegt. Es ist ein in der Thal unvergleichliches
Klangerzeugniss, — aber ganz isolirt dastehend, eben nur auf den
einen Akkord beschränkt, nur diesen einen Efl^ekt bietend und desshalb
doch nur mehr von materieller als geistiger Bedeutung.
Wenden wir uns nun von diesen Besonderheiten auf die Grund'^
Wirkung der Harfe zurück, so ist der Klang ihrer bekanntlich durch
Abschnellen mit den Fingern zur Ansprache kommenden frei schweben-
den Saiten hell und volltönend besonders in den tiefern und mittlem
Oktaven, dumpfer in der tiefsten, härter und kurzklingend in den hoch*
sten Tonlagen. Die Tondauer kann nur kurz sein; sie ist im Grunde
nur ein Schlag (der Augenblick , wo die Saite vom Finger abschnellt)
und das Nachklingen unverhällnissmässig schwächer, weit schwächer
sogar wie auf dem Klavier, weil bei letzterm der Resonanzboden grösser
und wirksamer ist. Auch die Abstufungen von forte und piano sind
nicht so weilreichend als auf einem guten Klavier , die Schnelligkeit
ebenfalls mit Ausnahme der einfachsten Arpeggiofiguren beschränkter^
im Aligemeinen wohl nicht über das Maass von Sechszehnleln im Alle-
gro vivace zu treiben. Unter diesen Umständen dürfte die Hauptauf-
gabe der Harfe im Orchester sich auf die Begleitung mit harmonischen
Figurationen, auf dergleichen mehr oder weniger weil geführte Figuren
und auf gebrochen (arpeggiato) angegebne volle Akkorde beschrän-
ken. Es versteht sich, dass sie auch Melodien und selbst verschiedne
polyphon gegen einander führen kann. Allein da sie die Töne dersel-
ben noch weniger auszuhallen vermag, als das Klavier, auch ausser
Stande ist, sie in einander zu schmelzen oder anschwellen zu lassen:
so ist sie hierin allen Streich- und Blasinstrumenten entschieden unter-
geordnet» Ja, sie erscheint als ein ihnen fremdes, entgegengesetztes
Wesen, verschmilzt weniger mit einem der beiden Chöre, als Blas- und
Saileninstrumenle, die das Aushalten, An- und Abschwellen der Töne
und (mehr oder weniger) die Tonverschmelzung, das Ineinanderziehn
der Töne mit einander gemeinsam haben. Nur dem Pizzikato der
Streichinstrumente schliesst sich die Harfe als ein gleichartiges, hier
aber freieres, tonreicheres und klanghelleres Organ an.
♦) Z. B. den Akkord Cis-ets-gis-h so :
Ces, Des, Es, Fes, Ges, As, B
oder
bilden.
416 —
Eben diese Abgesonderlheit und Beschränktheit der Harfe scheint
Ursache, dass sie in musikalisch tiefern Werken verhältnissmässig nur
selten zur Anwendung gekommen ist; sie kann eine neue Ton- und
Klangmasse neben den andern des Orchesters darbieten, nicht aber an
dem tiefem und bei aller Selbständigkeit doch in steter Wechselbe«
Ziehung und Wechselwirkung stehenden Leben der andern Organe
theilnehmeu, — sie kann , um auf einen technischen Ausdrnck zurück-
zukehren, nicht im Orchester verarbeitet werden und mit demselben
verschmelzen, sondern tritt nur als ein Neues, Besonderes hinzu. Für
diese Auffassung spricht selbst der Gebrauch, der meistens von ihr ge-
macht worden ist. Entweder tritt sie in ganz realer Bedeutung auf,
wenn die Scene Harfenspiel fodert, — oder in einer verwandten mehr
idealen, wenn der Gesang von Genien, Engeln u. s. w. eine unge-
wöhnliche Begleitung fodert, — oder zur Unterstützung besonders fest-
licher Momente eines Opfers, Gebets u. s. w.
Dass übrigens unser Standpunkt auch hier keine voreilige Be-
schränkung gestattet, sondern jede weiterschreitende oder freiere Ein-
mischung der Harfe in das Orchester*) für rechtmässig erkennt, die
dem Wesen der Instrumente und der Idee der besondern Komposition
entspricht, versteht sich.
2. Die Mandoline.
DieMandoline ist ein lautenartiges Instrument, entweder (und ge-
wöhnlich) mit viermal zwei Saiten — nämlich je zwei Saiten sind in
den Einklang gestimmt, das Instrument ist also, nach dem technischen
Ausdrucke, zweichörig bezogen — bespannt, die die Stimmung der
Geige (g — d — a — e) haben ; oder mit fünf Saiten doppelchörig, die dann
in g — c—a—d und e stimmen. Die Töne werden wie auf den Streich-
instrumenten gegriffen, aber mit einem harten Federkiel oder breit-
und glattgeschnittnen Holzsläbchen gerissen.
Wir erwähnen das Instrument nur zu Ehren seiner Anwendung
bei dem Ständchen in Mo zartes Don Juan. Schwerlich wird es je
anders als zu scenischer Bedeutung verwandt werden.
Zuletzt haben wir noch auf
3. die Guitarre
wenigstens einen flüchtigen Blick zu werfen , da dieses Instrument un-
sers Wissens zwar niemals als integrirendferTheil des Orchesters (wozu
es gar nicht geeignet wäre) gebraucht worden, doch aber zur Gesang-
*) Meyer beer bat die Harfe io seioer Ouvertüre zu Straensee (Partitur bei
Scblesinger in Berlin) angewendet.
___ 417
begleitODg selbst in grössern dranatischen Werken Anwendung gefun-
den und eben in solchen Werken (z. B. für Scenen, in denea eine Se*
renale gebracht werden soll) oft das geeignetste Instrument ist. Wie
ausgebreitet der Gebrauch der Guitarre im Kreise der Kunstfreunde
zur Liederbegleilung gewesen , dass man sie auch als selbständiges In-
strument (Th. III. S. 12) ohne Gesang, sogar als Konzertinstrnment
und in Verbindung mit andern Soloinstrumenten , ja selbst mit Orche-
sterbegleitung zu behandeln gewagt, — dies und die Frage nach ihrer
Befähigung hierzu lassen wir bei Seite , da das Instrument die Zeit der
Mode und Ueberschätzung hinter sich hat und wir bei ihm nur dem
dringendsten Bedürfniss zu entsprechen haben ^).
Die Guitarre ist bekanntlich ein lautenartiges Instrument, nur mit
flachem Boden und flacher Decke und einem Griffbrett, auf dem zum
festen und sichern Greifen der Töne Querleistchen von Elfenbein (Ton-
bünde genannt) angebracht sind. Der gewöhnliche Bezug besteht aus
sechs Saiten, die in der Regel in
jB, A, rf, g, A, e
gestimmt **) und mit den Fingern der rechten Hand in Harfenweise oder
wie beim Pizzikatospiel gerührt werden , während die vier Finger der
linken Hand die Griffe an den Tonbünden zu bewerkstelligen haben.
Die die Saiten rührende rechte Hand stützt sich mit dem kleinen Finger
auf den Resonanzboden und bestreicht mit dem Daumen die drei unter-
sten Saiten, mit dem Zeigefinger die 6-Saite, mit dem dritten und vier-
ten die beiden höchsten Saiten.
Nach dieser Behandlungsweise folgt erstens, dass von den sechs
Saiten nur vier auf einmal gegriffen, die andern entweder nur leer (un-
gegriffen) oder gar nicht mit den andern zugleich genommen werden
können; zweitens, dass man nicht wohl tliut, die erste und dritte
Saite von unten mit Uebergehung der dazwischen liegenden zweiten in
schneller Folge zu fodern, weil sonst der Daumen die letztere über-
springen müsste, was in schneller Bewegung nicht möglich ist.
Notirt wird für die Guitarre im 6?-Schlüssel, aber eine Oktave zu -
hoch ; also die leeren Saiten werden so wie hier bei a. —
a. b. ^
~i f • v^-rT^^^m
485
f^
*) Aiisfab Hiebe re MiUbetluD^en würde man ia eioer der vielea Gnitarresebv-
len (yoD Carnlli, Givliaoi, Härder n. A.), oder in Berti oz finden.
**) ürapränitlich (in Italien nnd Spanien) batte die Gnitarre {Chitarra) nur
fnof Saiten ; später bat man ibr in der Regel secbs, seltener aneb sieben Saiten ge-
geben. Aacb in der Stimmung finden sieb Abweicbnngen ; für £dur werden die Sai-
ten bisweilen in E, H, e, gü, h, e, für F- und B dur in Ff A,d,gfh, e" gestimmt.
Andre Abweiebungen sind nnvortbeilbafter befanden worden.
Man, Ronp.L. IV. S. Anll. 27
418
notirt, erklingeD aber, wie gesagt, so wie bei b. geschrieben ist. Das
Insiroment steht mithin im Sechszehnfusston. Sein Tonumfang
geht von der tiefsten Saite bis zur Oktave der höchsten , also bis zum
dreigestricbnen e in Noten.
Es wird für Begleitung des Gesangs besonders in einfachen , aber
vollgriffigen Akkorden and den aus ihnen abgeleiteten Figuren —
3= 2E =»
-*- nr -#- w
gebraucht, ist aber auch lahig, diatonische und chromatische Tonfolgen,
wenn die Bewegung nicht zu schnell ist, zu geben. Auch Folgen von
Terzen, Sexten und Oktaven in nicht zu schneller Bewegung sind
wohl ausführbar.
Am bequemsten bewegt sich die Gultarre in Cdur und Kreuzton-
arten, weniger leicht inBe-Tonarten. Als Beispiele ausführbarer Griffe
geben wir hier —
ijjj.j
u
SS
^$¥rf*f$-+**¥
ä^^
*^*^
tM:
I I J
LUu^i=U^
^^^^^Wi
ein Paar Harmoniefolgen, die entweder vollständig oder theilweis, ein-
fach oder figurirt ausführbar sind. Sie können natürlich dem des In-
struments nicht kundigen Komponisten keine ausreichende Grundlage
gewähren, aber doch ein Beispiel, an dem er sich die Greifbarkeit
andrer Harmonien veranschaulichen kann.
Zehntes Buch.
Ensemblesatz.
27»
Einleitung.
Der Name, den dieses letzte Bach der Kompositionslehre führt,
ist, wie schon S. 3 angedeutet worden, eine nur ungenaue Bezeichnung
des Inhalts. Unter Ensemblesatz*) wird znnächst der Satz für
mehrere Gesangsolostimmen verstanden, die nicht blos eine Hanpi-
stimme begleitend , sondern bald wechselweis Hauptstimme , bald Me-
benstimme werdend, bald polyphon zusammenwirkend ein grösseres
Ganzes bilden. Ferner bezeichnet man mit demselben Namen auch den
Verein mehrerer Instrumente (und zwar in der Regel nur den die Zahl
von vier oder fünf übersteigenden) zu gleichem Werke.
Wir werden nicht blos diese Kompositionsformen, sondern auch
die Komposition für zwei bis vier , fünf und mehr Soloinstrumente und
Solosingstimmen , ferner die Lehre von der Arienkomposition und von
dem Verein von Solospiel und von Gesang mit Orchester in diesem Buch
abzuhandein haben , müssen aber sogleich anerkennen , dass ein Theil
dieses Inhalts nicht unter dem Titel Ensemblegesang inbegriffen ist.
Allein man wird uns hierin wohl nachsehen müssen, da es keinen
Namen giebt , der diesen Inhalt wirklich bezeichnend zusammenzufas-
sen vermöchte, und wir daher genöthigt waren , den Namen nach der
vorwiegenden Masse des Gesammtinhalts zu bestimmen.
Dass aber so mancherlei und so wesentlich verschiedne Gegen-
stände in einem einzigen Buche vereinigt werden, musste geschehn,
weil sie in den vorangehenden Lehrlbeilen keine Stelle finden konnten
und nach allem bisher Erörterten keine um&ngreiche Behandlung erfo-
dern. Immer mehr tritt die formale Lehre zurück und überlässt den
Jünger seinem eignen Forschen und Arbeiten und dem Ralh einer
hohem Lehre.
*) Dass man mit dem Aosdnick Ensemble das Znsammeospiel und Zusam-
meDsingea, die mehr oder weniger gelno^oe Weise, Bnsemblesätze aaszn rubren,
verstebt| ist hier nnr beilänfi; zn bemerken.
— 422
Erste AbtltelhiBg.
Instrumentalflolosatz.
Wir haben in dieser AbtbeilHUg dettSats für zwei oder mehr Solo-
instromente , sowie für Solosatz mit Begleitung des Orchesters zu be«
trachten. Der Satz fär ein Soloinstrument ohne Begleitung des Orche-
sters würde allerdings ebenfiiHs unter den gewählten Titel gehören.
Allein so weit er für die wichtigsten selbständigen Instrumente — für
Klavier und Orgel ^ verfasst werden soll, ist er schon Trüber
(Tb. Iir. S. 17, Tb. IV. S. 8) abgehandelt worden*). Das dritte selb-
ständige Instrument (S. 412), das wir kennen gelernt, die Harfe,
schliesst sich der Lehre vom Klaviersatz an, so weit und in der Weise,
wie die Fähigkeit des Instruments es zulässt ; dasselbe würde von jedem
andern Instrumente za sagen sein, das man für sieh allein, als selbstän-
diges oder gleichsam selbständiges behandeln wollte.
Erster Abschnitt.
Klavier im Verbin mit andern Soioinstriimenten.
Das Klavier kann im Verein mit einem, zwei, drei und noch mehr
Soloinstrumenten als Organ für Komposition gewählt werden ; es ent-
stehen daraus die Komposittonen des Duo, — ^Trio, — Quatuor
u. s. w. , die diese Namen mit zugefügter Benennung der mit einander
verbundncn Instrumente (z. B. Duo für Piano undVioline) luV
reu oder einfach ihren eignen Pormnamen — ebenfalls mit Anfüh-
rung der gewählten Instrumente (z. B. Sonate für Piano und
Violine).
*) Dass dies — besonders die Abbaadluo; des Klaviersatzes — an der von
ans erwäblteo Stelle ratbsam gewesen, scbeint sich dadurch za erweisen, dass wir
die dort erkannten und am einfachsten and bekanntesten Or^an geübten Formen
fortwährend gebraucht haben und ihre Kenntnis« besonders jetzt uns zu Gute kom-
men wird.
423
Für diese Kompositiooen zeigen sieh solche PormeB als die güu-
stigsten , die Gelegenheit und Radm geben , den gpössern Reichthum
vereinter Instrumente auszubreiten und jedes derselben nach seinem
Vermögen und Karakter in Thäligkeit zu setzen. Die Liedform und
die kleinen Rondo formen bieten dafür nicht hinlänglichen Spiel-
raum, eher die Variationenform und die grössern Rondofor-
men, unter denen wieder die dritte und vierte obenanstehn, deren
Lockerheit dem freien Schweifen, dem sich im Ensemblesatze die Stim-
men gern ergeben, mehr zusagt, als die zusammengenommnere fünfte.
Fugenform und Kanon treten dagegen weniger günstig auf ; denn
sie fodern Gleichheit der Stimmen , während im Ensemblesatze schon
die Rlangverschiedenheit eine unüberwindliche Scheidewand zwischen
denselben zieht, die besonders das Klavier von den übrigen Stimmen
fernhält und in Nachtheil versetzt. Die vom Klavier intonirte Fugen-
stimme kann nicht aufkommen gegen die durchdringende und aushal-
tende Stimme der andern Instromente.
Obenan unter allen Formen steht aber die reichste und ausbreit-
barste von allen, die der Sonate, und zwar der in vier Sätzen, die
Th. III. S. 329 abgehandelt worden. Im Umkreise dieses weitesten In-
strumentaigebildes finden auch die Formen des Lieds und der Fnge,
wenn die Idee des Ganzen sie fodert, Aufnahme. Beethoven hat
in seiner Sonate für Pianoforte und Violoncell, Op. 102, dem Finale
Fugengestalt gegeben ; weit hinaus führt die Flocht der Stimmen und
ihr unermüdlich Ringen , so hat die Idee des Ganzen , ohne Widerrede
zu gestatten, gewollt. Man erkennt dies, man wird hingerissen von
diesem Geistessturm , — aber nimmermehr wird die dem Violoncell
übergebne Stimme die gleiche der vom Piano geführten Stimmen und
das Gewebe ein gleichartiges. In dergleichen Gestaltungen kaon die
schärfere Stimme des Streich- oder Blasiostruments stellenweise sehr
willkommen sein, Haoptmomente , z. B. das Thema, hervorzuheben;
um ebenso viel verdunkelt und stört sie aber, wenn sie sich einer Pia-
nofortestimme gegenüber unterordnen und einen Nebengedanken aus-
führen soll.
Hiermit treten wir zu der wichtigsten Erwägung, die bei den be-
vorstehenden Aufgaben uns obliegt. Die Formen sind uns insgesammt
vertraut. Es fragt sich nur, wie die verbnndnen Instrumente sich in
ihnen erweisen , wie sie sich geltend machen und auf die Form rück-
wirken? Diese Frage wird aus der Natur der Instrumente beantwortet.
Zunächst fällt der Gegensatz zwischen Klavier und jedem Streich-
und Blasinstrument in die Augen. Das Klavier, tonreieher und der ver-
schiedensten Tonformen, — aller Tonarten , der allermeisten Tonfigu-
ren, der Harmonie und Führung mehrerer Stimmen neben einander
fähiger als irgend ein Blas- oder Streichinstrument, ist (Th. III. S. 18)
in der Durchführung der Melodie jedem derselben nulergeordnel.
424
weil es den einzelnen Ton nicht wirksam lange halten, nicht anschwel-
len , Ton mit Ton nicht innig verbinden (einen in den andern hinein*
fliessen lassen) kann , auch, Ton gegen Ton gerechnet , nicht gleiche
Schallkraft besitzt. Ersatz und eigenthümlichen Wirkenskreis findet
es dafür in Voligriffigkeit und Spielfulie; Tonmassen müssen
ersetzen, was dem einzelnen Ton oder der einzelnen Tonreihe versagt
ist. Hierdurch und durch die dazukommende Klangverschiedenheit ist
es von den andern Instrumenten geschieden, es kann nicht mit ihnen
zu einem vollkommen einheitvollen Organismus verschmelzen, es kann
nur mit ihnen abwechseln oder sich ihnen stützend und begleitend bei-
oder vielmehr unterordnen. Hieran ändert weder Komposition noch
Ausführung etwas Wesentliches ; der leiseste Bogenstrich durchscbnei*
det die Tonwellen des Klaviers , der zarteste Bläserhauch quillt durch
sie hindurch ; tibernehmen jene Instrumente (was vorübei^ehend in
jedem Ton werke stattfinden muss) die Begleitung, so fällt die Trocken-
heit und Zerbröckeltheit der vom Piano geführten Melodie noch mehr
auf, selbst wenn man sie (was doch auch nicht dnrchgehends geschehen
kann) in Oktaven verdoppelt.
Wenn wir demungeachtet alle Meister von Bach bis Beetho-
ven und bis auf diesen Tag mit Neigung und bisweilen mit tiefster
Hingebung diesen Verbindungen sich widmen sehn : so geschieht es,
weil allerdings der Verein des Klaviers mit einem oder mehr andern
Instrumenten einen grossen Reichthum an Tonmitteln darbietet. Neben
das Klavier, das zwei oder mehr Stimmen fuhren und durch Verdopp-
lung und Figurirung kräftigen , — das volltonend und in den mannig-
fachsten Formen begleiten und figuriren kann, tritt nun noch ein oder
treten mehrere Instrumente von überlegnem melodischen Vermögen.
Diese Masse von Stimmen voller Fähigkeit zu den mannigfaltigsten und
fireiesten melodischen und polyphonen Bewegungen und Verknüpfungen
lo^kt den Webegeist des Künstlers und lässt ihn und auch den Hörer
die innerliche Verschiedenheit und Unverschmolzenheit der Organe
mehr oder weniger vergessen, reizt auch die Erfindungskraft, die tren-
nenden Unterschiede zu tiberwinden oder zu verbergen.
Dies scheint uns , wenn wir vorurtheilsfrei — ungeschreckt durch
die Namen der Meister nnd unverführt durch die Liebe, die uns so
manches unsterbliche Werk auch auf diesem Felde abgewonnen — hin-
blicken , die Lage der Sache. Die Verknüpfung von Piano nnd Blas-
oder Streichinstrumenten kann , sie als einen einzigen Körper genom-
men, nicht als ein wahrhaft in sich einiges, im Gleichmaass und in
Gleichheit aller seiner Stimmen vollkommen befriedigendes Organ gel-
ten. Allein es ist ein, wenn nach diesen Seiten unvollkommnes , doch
nach Ton- und Stimmgehalt reiches Organ. Es kommt nur darauf an,
es möglichst günstig zusammenzufügen und zu verwenden. Nehmen
wir nun noch dazu , dass die mit dem Piano sich verbindenden Instru-
425
raente Solostimmen sind, von denen nicht blos das volle technische
Vermögen und Geschick des Instruments gefedert, sondern auch die
feinste Verständniss und Ausfuhrung erwartet werden darf: so begreift
sich nicht nur jene Geneigtheit der Komponisten für dergleichen Arbei-
ten, sondern auch der Karakler derselben, der sich vorwiegend feiner,
geistvoller, phantasievoller Gestaltung hinzugeben liebt. Niemand hat
hier so geist- und phantasievoll gewaltet, als Beethoven*), den man
nicht aufhören kann zu studiren , wenn man sich auf die Bahn des In-
strnmentalisten berufen fühlt , oder auch nur tiefen und umfassenden
Blick in diesem Gebiete gewinnen will.
Den letzten Aufschluss über das Wesen des Ensemblesatzes ge-
währt uns ebenfalls die Erwägung über das Wesen der Instrumente,
von der wir ausgegangen.
Das Klavier bietet schon Mittel zu reichem Tonsatze, — was also
haben neben ihm die andern Instrumente zu thun ? Denn blosse Beglei-
tung oder Verstärkung war' eine zu geringe, Verein mit dem Klavier
zu streng polyphonen Ausführungen ist , wie wir oben gefunden , eine
Aufgabe, die nur ausnahmweise statthaft sein kann.
Hier ergiebt sich die ganz naturgemässe Aufgabe der Instrumente
im Ensemblesatze, die zwar auch bei andern Gelegenheiten hervortritt,
nirgends aber so fleissig und ausgebreitet zur Lösung kommt, als hier.
Wenn die Instrumente nicht Melodie führen , nämlich die Hauptmelo-
die, das Thema oder seinen Gegensatz, — und auch nicht zu blosser
Begleitung verwendet werden : so treten sie mit Nebensätzen, mit bei-
läufigen, gar nicht wesentlich nothwendigen Zusätzen hinzu, gleichsam
als wollten sie mitreden, bevor noch die Zeit gekommen, in der sie» mit
Nothwendigkeit und Recht in den Satz eingreifen. Es ist eine Mittel-
weise zwischen eigentlicher Polyphonie, in der jede Stimme gleiches
Anrecht hat, und blosser Begleitung, die sich einer Hauptstimme ganz
selbstlos unterordnet; Beethoven, der diese Weise besonders ge-
liebt, meint: er sei mit einem ,-,obligaten Akkompagnement'^ geboren,
um die Sache und seine Zuneigung zu bezeichnen.
Es gieht keinen Ensemblesatz , der nicht hiervon Beispiele böte.
In Beelhoven's grossem fidnr-Trio (Op. 97^ führt das Klavier allein
den Hauptsatz —
488
*) Vergl. Ladwif^ van Beethoven, Leben und Schaffen (vom Verf.), Tb. I.
111, u.a.
**) Natürlich aar dSrre Skizze.
426
ein; aber schon auf dem sechsten Takte, ehe der Satz vollendet oder
nur der Vordersatz geschlossen ist (das erfolgt Takt 8), greifen Violin
and Viöloncell —
489 Vno» ». Vc.
•'(Takte)
-0-^-^^T
^
Piano V
8 (volle Griffe)
nngeduldig, sich zu betheiligen, gleichsam voreilig ein und führen Takt 14
die Wiederholung des Satzes herbei ; hier ist das Piano blos begleitend,
die Violin bat die Melodie, das Viöloncell, das auf d gelangt war, —
490
*fP ^ ifp s/p—
ergeht sich in ganz freier Weise melodisch , bis es vom letzten Takte
(aus Nr, 490) sich zu einfacher Begleitung hergiebt. Nach dem aberma-
ligen Schlüsse des Vordersatzes übernimmt wieder das Piano neben der
Begleitung die Melodie, das Viöloncell ruht auf einem Halteton, die
Violin tritt mit still aushaltenden Tönen begleitend, doch nicht ohne
Anklang au die Melodie, in die Mitte. So spielen die drei Instrumente
um einander herum, vollkommen frei nach Eintritt und Führung, doch
natürlich nicht ohne gesittete Ordnung, ohne dass eins dem andern zu
seiner Zeit das Wort Uesse, ohne dass eins des andern Rede störte
oder darüberwegspräche und sein Wort verdunkelte. Es ist gleich-
sam die angeregte Unterhaltung geist* und gemöthreicher Persönlich-
keiten, die sich frei ergehn, einander achtend und gelten lassend , aber
sich selber auch.
Dies ist der Grundzug im Karakter des Ensemblesatzes. Nur muss
man dabei beherzigen, dass im Kreise solchen Austausches von Gedan-
ken keineswegs blos geistreiche Schwätzerei Raum findet, sondern
Alles, was das Gemüth anziehn und erfüllen , ja zur Leidenschaft und
bisweilen zu den tiefsten Ahnungen und Gesichten erwecken kann.
Wir wollen hier mit grosserAchtung und Dankbarkeit R. Schumann's
und seines Z^moU-Trio's (Op. 63) gedenken. Hier ist voller Gemüths-
drang, ein Ringen um das Tiefste, ein Durst, das Leben am Born der
Tonkunst, der es sich ganz geweiht, zu reinigen und zu erlaben. Hier
427
zeigt sich Schamann als MehMn länger Beethoven's, hier als
Naehrolger auf seinem Pfade, nicht Nachahmer, vielweniger Ueberstör-
zer und Uebertreiber (wie wir deren in Berlioz und seinen Nachfol-
gern zu ertragen habe ), und als Nachfolger ungleich raännh'cher und
feuriger, eigenthümiicher und neuzeitiger, als die weit über ihn hinaus
gepriesenen Schubert nnd Mendelssohn. Was aber Beethoven
selber dieser Kompositionsgattung anzuvertrauen gehabt, z. B. in den
Trio 's Op. 70 und 97 und in der Sonate Op. 102, das haben wir an
anderm Orte*) versucht zu bezeichnen.
In dieser lockern Gestaltung des Ensemblesatzes liegt der Grund,
wesshaib die Vertrautheit mit den Kunstformen vorausgesetzt, der Lehre
nur allgemeine Weisungen zustehn können , die , man kann es nicht
leugnen, jedem Nachdenkenden sich leicht von selbst ergeben würden.
Zunächst also muss man rathsam beBnden , dem Klavier nicht zu
viel und nicht zu schallstarke Instrumente entgegenzustellen, damit
nicht entweder sein ohnehin untergeordnetes Schallvermögen noch
mehr überboten, oder man genöthigt werde, die übrigen Instrumente
zerstreut anzuwenden oder sonst von der Anwendung ihrer vollen Kraft
zurückzuhalten.
Am beeinträchtigendsten sind in dieser Hinsicht unstreitig die
Blasinstrumente wegen der Sälligung und Fülle oder Schärfe
ihres Klanges. Die stärksten Blasinstrumente wegen ihrer Uebermacht
und geringem Melodiefähigkeit ganz bei Seite gelassen, erscheinen schon
Waldhorn, Oboe, Klarinette dem Klavier so überlegen, dass
ihr Verein unter einander oder mit Streichinstrumenten nicht ohne
Rücksichtnahme erfolgen dürfte. Beethoven (und vor ihm Mozart)
hat indess schon in einem frühern Werke, dem Quintett Op. 16, Oboe,
Klarinette , Fagott und Hörn mit dem Klavier zu vereinen gewusst,
ohne letzteres zu beeinträchtigen. Einzelne Bläser sind natürlich noch
ungefährlicher, am sichersten die leichte Flöte, — aber auch am uner-
giebigsten , da ihr kühles Wesen keinen hinlänglich anziehenden Ge-
gensatz gegen das abstrakte Klavier darbietet. Günstiger lässt sich das
Waldhorn (wie in Beethoven's Sonate) oder die Klarinette mit dem
Klavier verbinden, wiewohl beide jenem in den oben berührten Eigen-
schaften weit überlegen sind ; weniger günstig scheint uns die Oboe
wegen ihrer Schärfe und der Weise ihrer tiefen Tonlage.
Ungleich vorlheilhafler beGndet sich das Klavier im Verein mit
Streichinstrumenten; daher erscheinen auch seine Verbindungen
mit Bläsern gleichsam nur als Ausnahmrälle gegen die Masse von
Duo's oder Sonaten u. s. w. für Piano und Violine oder Piano und
Violoncell, — von Trio's für Piano mit Violine und Violoncell, von
Qualuor's mit zwei Violinen (oder einer Violin und Bratsche) und
*) Beethoven. Leben und Schaffen.
428
Violoncell u. 8. w. Das StreichinstrumeDt ist nachgiebiger » anschmie-
gender in seinem ganzen Wesen and lässt sich daher leichter mit dem
Piano vereinen ; es stellt dessen Schwächen nicht so oft bios.
Ist die Wahl der Instrumente getroffen, so wird die Phantasie sich
mit ihrem Wesen za erfüllen haben. Nach dem stets von den Heistern
im Satze festgehaltenen Grundsatze, dem wir die höchsten Heister-
werke Beethoven's (wie einst Haydn's und Hozart's) verdanken,
dürfen die Instrumente nicht gleich todten Werkzeugen gebraucht und
gelegentlich gemissbraucht werden. Sie gelten dem ächten Tondichter
als ebenso viel lebendige Organismen, Wesen von bestimmtem Rarak-
ter, und nur aus diesem heraus redend und am musischen Drama theil-
nehmend. Der Tondichter, so gewiss sein Geist das Ganze beseelt,
gebt doch vor allem mit diesem seinem Geist' in die aufgerurenen Per-
sönlichkeiten, die Instrumente, ein und lässt sie statt seiner reden.
Nur so kann erreicht werden, dass ein einiger Geist das Ganze durch-
dringt, dass der Grundgedanke nichts in sich hat, was nicht im Inhalt
und Karakter der ausführenden Organe gegeben war', und dass diese
Organe ganz verschmelzen mit dem Gedanken und Leben des Werks.
Es ist ein falscher Weg zu nennen, wenn der Komponist irgend
einen Gedanken erst fasst und dann das Instrument hervorsucht, das ihn
wohl vortragen könnte. Die Menschen kommen nicht erst als Geister
zur Welt und suchen sich dann einen Leib $ ebensowenig werden sie
als Leichname geboren und dann der Lebensodem in ihre Nasen gebla-
sen ; sondern Geist und Körper, Leben und Stoff treten gleichzeitig, als
untrennbare Einheit hervor. Trennung ist Tod ; das Rechte ist , dass
die Idee, die erste noch unfixirte Vorstellung, die vom künftigen
Werk' im Künstler entsteht, die ihr gemässen Instrumente herbeirnfl
und von da an sein Geist sich in sie versenkt, mit ihnen Eins wird und
aus ihnen heraus schafft und redet.
So hat Beethoven überall gethan*), so namentlich in dem oben
erwähnten Quintelt für Piano mit Blasinstrumenten. Sobald einmal der
Entschluss gefasst war , Blasinstrumente zur Handlung zu fähren, —
oder seine dermalige Stimmung sich dahin geneigt hatte , wo jene vor
andern Instrumenten am Platze sind , gestalteten sich auch ohne Wei-
teres alle Sätze ihnen gemäss; sie wurden maassgebend für das
Ganze, denn das Klavier kann alles mitmachen , weil es das allgelenk-
same und universale Instrument ist, ohne einseitig abgeschlossenen
Karakter.
*) Dass Beethoven mehrere seioer Werke für andre als die OrisinalbesetniDS
nrngearbeitet nod nmarbeiten lassen , beweist oicbts dagegen. Es waren , wie die
Biographie nachweist, nicht die einzigen Zugestand o isse , die er der Oekono-
mie machen mnsste; ancb wirkte sein Verlangen mit , alle Mnsikäbenden an er-
freuen.
429
Gleich der erste Satz der Einleitung —
beruht auf harmonischer Figuratioo, die das Lehenselement der Bläser,
namentlich der Klarinette und des Homs ist; Fagott und Ohoe können
sich ihr leicht anschliessen , wenngleich die letztere durch die Gebun-
denheit ihres Klangs und Sinns so freiem Schwünge nicht geneigt ist
wie die erstem. Nicht bedeutungslos ist es, dass das Klavier mit einem
leicht aufgeschwungenen Arpeggio zum Nachsatz einlenkt; denn gleich
der folgende Satz —
B-Klarinette
Fagott.
zeigt die Bläser in dieser ihnen gemässesten Weise : voran, frei und
muthig aushallend das Hörn , dann schwungvoll und empfindselig nach
der Septime langend die Klarinette, dann das Fagott, gepresst nach
Moll (h in g-h-d-f) sich wendend ; da findet sich auch die Oboe her-
bei. Dass es übrigens nicht bei dieser luftigsten , aber auch leersten
Gestaltungsweise bleibt, versteht sich. Dann ist es besonders die woh-
lige Klarinette, die, schwungvoller als die andern Bläser, maassgebend
wird. Der Hauptsatz des AUegro —
könnte von den meisten Instrumenten vorgetragen werden und wird
vom Klavier eingeführt ; aber die Klarinette vor allen Instrumenten ist
ihm anmnthend, er ist aus ihr heraus erfunden.
Um sich dergleichen klar zu machen, nehme man einen Satz für
ein andres Instrument herzu, z. B. den in Nr. 490 mitgetheilten für
die Geige, und denke sich die Instrumente vertauscht. Die Violine kann
natürlich Nr. 493, die Klarinette Nr. 490 ausführen, — und recht gut.
Aber wo sollte die Violine den wohligen quellenden Klang zum ^ und
as hernehmen? und das Hinabschmelzen der Melodie bis as und ^, das
in der Natur der Klarinette liegt? und was würde aus der geistreich
feinen Geigenmelodie im Munde der üppig -sentimentalen Klarinette?
430
Nicht einmal die Lage, nähme man die von Nr. 490 oder die höhere
Oktave, war' ihr genehm.
Welches nun auch die Instramente seien , die man dem Rlayier
zugeselle, sie werden vorzugsweise berücksichtigt, wieder desswegen,
weil sie scharf bestimmten Karakter haben und das Riavier nicht, und
weil das Klavier sich in Alles fugeu und schicken kann, die andern aber
nicht. Dafür wird das Klavier bei der Ausführung entschädigt; es ist,
wenn auch nicht das tonangebende , doch das geschäftigste von allen
Instrumenten, und wird dadurch das anführende, wenngleich die andern
es ihm in der Melodieführung häufig zuvortbun.
Sind nun dem Klavier mehrere Instrumente (mehr als eins) zuge-
seilt, so geht allerdings das Trachten des Komponisten dahin, jedem
möglichst reichen , allen gleich abgewogenen Antheil zu geben. Allein
die Natur der Instrumente widerstrebt und fodert unwidersprecbiieii
Zugeständnisse. Im Verein von zwei oder mehr Slreichinstrumenten
wird stets, im Ganzen genommen, die erste Violine schon als Ober-
stimme, dann aber auch wegen ihrer Regsamkeit den Vorrang behaup-
ten, und nach ihr, gegenüber der Bratsche und zweiten Geige, dasVio-
loncell als Aussenstimme (Tb. I. S. 378) und kräftiger Bass. Im Ver-
ein von Bläsern wird stets die vollsaftige Klarinette den Reigen führen,
im Verein von Blas- und Streichinstrumenten wird sie mit der ersten
Geige die Herrschaft theilen. So steht sie im Beethoven^schen Quin-
tett durchaus voran und führt selbst über der die Höhe liebenden Oboe
die Melodie, wo es nur geht, oder lockt sie zu Nachahmung und Wech-
selgesang herbei. Auch sind die Melodien vorzugsweise, nicht Mos die
aus Nr. 493, aus ihrem Wesen hervorgegangen. Ueberhaupt wüssten
wir keine Komposition, die für den Verein von Bläsern mit Klavier so
musterhaft und lehrreich wäre wie dieses anmuthige Quintett, gleich-
viel ob es nach seinem allgemein geistigen Gehalt so reich befunden
wird, als andre Werke des Meisters, — wenn man sich einmal auf solch
abstraktes Bemessen eines Werks an einem andern, und zwar an ganz
fremdartigen, einlassen mag.
So wenig nun der Einfluss der Deberlegenheit eines Instruments
vor andern abzuleugnen und abzuwenden ist, dennoch bleibt als Grund-
satz bestehn: dass allen Instrumenten — so viel wie möglich und jedem
nach seiner Natur — gleicher Antheil am Werke gebührt. Sobald
man hiervon ablässt, sei es ans Vorliebe für ein Instrument, während
dem darcbgebiideten Komponisten jedes an seiner Stelle gleich lieb ist,
aei es aus Unachtsamkeit oder Ungewandtheit im Satze, sinken die ver-
nachlässigten Instrumente zur Bedeutungslosigkeit herab , werden un-
organische Masse, Last des Lebensganges, und ziehn nothwendig das
Ganze mit sich nieder. Im Kunstwerke muss Alles Leben sein, wenn
nicht das Leben auch in den begünstigten Organen stocken soll. Es
ist wie im natürlichen Organismus. Ist nur einem der Systeme, die der
431
meDschliehe Körper in sich vereint, ja nnr einem einzigen Gliede Ge-
sundheit und Kraft entzogen, so leidet unfehlbar das ganze Dasein mit.
Diese Notbwendigkeit gerade , allen Theilnehmem gerecht zu *
werden, führt auf die Kunstform der Sonate zurück, die wir oben als
die günstigste für Ensemblesatz bezeichnet haben. Sie ist die günstigste,
weil sie den weitesten Spielraum für die Betheilignng mehrerer Organe
gewährt. Man erwäge nur einen Satz, etwa das erste Allegro ; wie viel
kann in ihm zusammenkommen ! Da ist der Hauptsatz oder gar die
Hauptpartie mit mehr als einem Satze , da ist der Seitensatz oder die
Seitenparlie ebenfalls mit mehr als einem Satze , da folgt endlich der
Schlusssatz, der Gänge und sonstiger Zwischenglieder nicht zu erwäh-
nen. Jeder Satz liebt wiederholt zu werden, kann im zweiten Theile,
muss im dritten Theile wiederkehren , möglicherweise kann ein Satz
fünfmal und noch weit öfter aufgeführt werden. Diese Wiederholungen
sind aber sehr geneigt , Umgestaltung der Sätze zu werden , und es
kann dem Komponisten nur willkommen sein , wenn der Verein meh-
rerer Organe neue Möglichkeiten gewährt, über den Bereich des reinen
Klaviersatzes hinaus, das Leben der Sätze zu vervielfältigen« Jeder
Satz kann von allen Instrumenten im Tutti, vom Klavier allein, vom
Verein der übrigen Instrumente allein , anter Anfuhrung bald dieses,
bald jenes Instruments als Hauptinstrument, unter dem Wechsel zweier
oder mehrerer Instrumente in der Austübruug der Hauptpartie darge-
stellt werden ; dasselbe gilt natürlich von den Gängen. Es ist unbe-
rechenbar, wie viel Umgestaltungen desselben Satzes, wie viel Gegen-
sätze eines Gedankens gegen ^c andern hierdurch möglich werden.
Das Lehrbuch tritt hier zurück, um dem erfahrnen Lehrer die Be-
rathang der einzelnen Fälle, dem Studium der Partituren die Vollen-
dung der Lehre zu überlassen.
Zweiter Abschnitt.
Solosatz für Streichinstrumente.
Der Solosatz für Streichinstmmente nmfasst das Trio , gewöhn*
lieh für Violine, Bratsche und Violoncell, — das Quartett oder Qua-
tuor, für zwei Violinen, Bratsche und Violoncell, — das Quintett
oder Quintuor, für zwei Violinen, zwei Bratschen und Violoncell, —
das Ottet toder Doppelquartett, für die verdoppelte Besetzung des
Quartetts zu acht realen Stimmen. Dass auch noch andre Zusammen-
stellnngen, — von sechs, sieben, neun Stimmen möglich und vielleicht
(ohne dass sich der Verf. erinnert) schon ausgeführt worden, dass
432
ferner bei grösserer StimmzabI auch ein Soiokontrabass zugezogen,
oder die Zusammenstellnng der Instrumente auf noch andre Weise ge^
troffen werden kann , ist gewiss. Es kommt jedoch nichts darauf an.
Denn was überhaupt von der Gattung zu sagen ist, trifft alle unter ihr
begriffnen Arten. Daher nennt man auch in der Kunstsprache die ganze
Gattung von Kompositionen
Quartettsatz,
weil in der That das Quartett als normale Art anzusehn ist und der
Salz des Quintetts, Ottetts, Trio's u. s. w. durchaus denselben Ge-
setzen folgt.
Der Verein von Streichinstrumenten für Solosatz ist in der That
unter allen möglichen Vereinen von Soloinstrumenten der geschick-
teste, weil er durchaus gleichartige Instrumente zusammenstellt, mit-
hin vollkommenste Verschmelzung und gleichmässigste Behandlung aller
Stimmen möglich macht. Weder Bläser unter sich (man müsste sich
denn auf eine einzige Art, z. B. nur auf Klarinetten beschränken), noch
Bläser und Streichinstrumente können so durchaus Eins werden ; dass
das Piano sich mit den andern Instrumenten noch weniger verschmilzt,
ist bereits S. 424 erkannt worden.
Was dem Verein von Streichinstrumenten noch besonders für
Kompositionen zu statten kommt, ist der Umstand, dass sie keinen so
bestimmt abgeschlossenen Karakter haben (S. 247), als die Blasinstru-
mente, sondern sich zu den vielseitigsten Stimmungen und Richtungen
hergeben, ja dass auch ihr Klang, ihre sinjiliche Wirkung weniger be-
friedigend und darum nicht so schnell sättigend ist, mithin dem Kompo-
nisten weiter fortgesetzte und reicher auszubeutende Wirksamkeit ge-
stattet.
Dass übrigens vor allen Arten dieser Kompositionsgattuug im All-
gemeinen das Quartett den Vorzug verdient, ist schon aus dem S. 283
Gesagten zu erkennen. Das Quartett stellt den Norm aisatz, die
Vierslimmigkeit , dar, gestattet aber gleichwohl nach dem Vermögen
der Streichinstrumente (S. 246), in einzelnen Momenten vollgriffiger
oder auch wirklich mehrstimmiger zu werden. Es umfasst ein weites
Tongebiet von wenigstens fünf Oktaven und räumt dem vornehmsten
Streichinstrument, der Violine, den Vorzug ein , indem es zwei Violi-
nen aufstellt. Das Quintett ist um eine Stimme reicher, lässt aber
den Karakter der Bratsche oder des Violoncells in einer Fülle hervor-
treten, die im Allgemeinen nicht begründet erscheint. Das Ottett stellt
das Verhältniss der Instrumente in gleicher Weise wieder her wie das
Quartett. Allein es sollte scheinen , als wenn der Verein von vier Vio-
linen, zwei Bratschen und zwei Violoncellen das Verlangen nach einem
kräftigen Träger des Ganzen , nach einem Kontrabass erregen müsste,
der den Gegenbalt in der Tiefe bildete gegen die stark besetzte Höhe
433
and Mitte. Allerdings wurde dann in dem zum Nonett gewordnen
Werke der Karakter des Solosatzes noch mehr zurücktreten und das
Ganze sich noch mehr der Behandlung und Wirkung des Orchesters
nähern. Allein dies ist ohnehin schon bei dem Ottett wenigstens theil-
weis der Fall (wie man andern Ottett von Mendelssohn, der ge*
schickteslen und talentvollsten Leistung in dieser Form , sehen kann),
und es ist kein absoluter Nachtheil darin zu sehn , wenn auch hier —
wie überall — die Formen einander näher kommen und in einander
übergehn.
Auf der andern Seite haben wir sogar bei dem Streichorchester
(S. 352) erkennen müssen , dass ihm für sich allein die Fülle und Sät-
tigung des Klanges abgeht, die zur Befriedigung des Sinns und zum
allseitigen und tiefersohöpfenden Ausdruck der Seelenbewegungen und
Vorstellungen erfoderlich ist. Dies muss noch weit mehr vom Solosalz
für Streichinstrumente gelten. Ihm fehlt nicht nur die Klangfülle und
die Kraft des Aushallens , sondern auch dicf Schallkraft der Blasinstru-
mente. Ueberhaupt ist ein grosses Maass materieller Kraft ihm nicht
eigen ; selbst das Piano kann in seiner Spielfülle und der Fähigkeit,
Tonmassen verscfaiedner Oktaven in einander schallen zu lassen,
grössere Massenwirkung und grössere Steigerung hervorbringen.
Dies ist im Allgemeinen der Anlass, über das Quartett hinaus zum
Quintett und Ottett zu gehn; das Trio von Streichinstrumenten kann
dagegen nur durch feinere und bewegtere Stimmführung für den Man-
gel an Fülle entschädigen , der ihm selbst im Vergleich zum Quartett
eigen ist.
Diese Ansicht von den verschiednen Besetzungen der Solokompo-
sition für Streichinstrumente scheint sich auch bei der Mehrzahl der
Komponisten oder bei allen geltend gemacht zu haben. Denn die bei
weitem überwiegende Menge aller hierhergehörigen Werke sind Quar-
tette; nach dem Quartett ist das Quintett am meisten angebaut, nach
diesem kommt das Trio, am seltensten das Ottett*).
So viel über die verschiednen Arten des Satzes für Soloslreichin-
strumente. In dem Wenigen, was über die Komposition zu sagen übrig
bleibt, fassen wir sie alle zusammen , da die Besetzung keinen wesent-
lichen Unterschied bewirkt.
Die Form für diese Kompositionen ist in der Regel — fast ohne Aus-
nahme — die der Sonate. Sie mit ihren vier Sätzen (die Einleitung
ungerechnet) von mannigfachem Karakter, — mit ihrer Fähigkeit, alle
Gestaltungen des Lieds, des Rondo's, der Fuge, der Variation, der So-
natenform in ihrem Umkreis aufzunehmen, — mit den zahlreichen
*) Dass die Rücksicht auf leichtere Besetzbarkeit nod Ausnihrung wealgsteus
nicht allein entscheidet, ist leicht zu erkennen. Denn von diesem Gesichtspookt aus
niisste das Trio hänflger angebaut werden, als das Quartett.
Man, Konp. L. IV. 3. AuO. 28
434
Tbematen , Durchführangen nod DarcharbeitODgen, karz in ihrer Dm-
fassuDgskraft bietet dem Ergeben der geistreichen, beweglichen, viel-
seitigen Instramente den erwünschtesten Raum. Schon bei der Sym-
phonie (S. 407) massle dies erkannt werden, nachdem wir es an der
Klaviersonate gelernt hatten. Diese Erinnerung aber an die vorange-
gangenen Anwendungen der Form führt uns auf die letzte hier anzu-
knüpfende Betrachtung.
In der Symphonie bedarf der Komponist der umfassendsten Form,
um in ihr auf das Vollständigste und Reichste seine Idee zu verwirk-
lichen. Und sie wird verwirklicht, — so weit es überhaupt dem
Menschen gegeben ist; Alles, was der künstlerische Geist an Organen
geschaffen, ist bereit, dem Künstler zu dienen und seine Idee in das
Leben zu führen, wie es im jetzigen Lebensmoment der Kunst möglich
ist und wie es eigentlich dem Künstler hätte allein vorschweben dür-
fen. Denn was darüber hinaus liegt, was dem Geist erscheint ohne
Möglichkeit des Wirklichwerdens, das ist streng genommen nicht
Kunst, nicht Geist in leiblicher Erscheinung, — obwohl es ein Höheres
sein kann, als die Kunst in diesem oder jenem Zeitmoment und unter
den obwaltenden Verhältnissen, — oder vielleicht jemals verwirklichen
kann.
Die Klaviersonate steht in der Kraft der Verwirklichung weit zu-
rück gegen das Orchesterwerk, ihr Organ kann vieles, z. B. gleich die
Verschmelzung der Melodie, nur andeuten. Aber das liegt so offen und
ursprünglich in ihrem Organ , dass man sich sofort darein ergiebt und
den Genuss des Klavierwerks vielleicht mehr, vielleicht wenigstens
ebenso weit in dem findet, was die sinnliche Mittheilung in unsrer
Phantasie und auf diesem Weg in unserm Gemülh anregt , als in dem,
was sie in Wirklichkeit giebt. Hierzu kommt noch der unermessliche
Gewinn, den die Einheit der Darstellung giebt : das ganze Kunstwerk
wird in der Person des Ausübenden ein durchaus einiges und frei aas
dem Moment wiedergebornes.
Das Quartett (und seine Beiarten) steht in der Mitte. Volle Wirk-
lichkeit der Befriedigung kann es nicht geben, denn jede Instrumenten-
klasse ist einseilig und kann nur auf eine Zeit lang, nur für einen Theil
des künstlerischen Inhalts befriedigen. Hierin steht es dem Orchester-
werke nach. Dagegen ist es in der Innerlichkeit, Sangeskraft und dem
Darstellungsvermögen seiner Stimmen dem Klavier weit überlegen;
unmöglich können auf diesem vier Stimmen so unabhängig von einan-
der, so frei gegen einander geführt werden, — schon jede einzelne
Stimme ist im Quartett überlegen.
Diese vier Stimmen nun , das ist der ganze Reichthum des Quar-
tetts. Aber sie werden von den feinsten , beweglichsten, vielseitigsten
Instrumenten dargestellt, und diese können ihr eigenstes, feinstes
Wesen unbeschränkt geltend machen, da weder Berücksichtigung
435
fremder Organe, noch vielfache Besetzung, — die immer (Th. III.
S. 462) grössere Gemessenheit und Einfachheit fodert, — in den Weg
treten. Die tiefste Versenkung also in das Wesen der Instrumente und
die feinste Ausarbeitung sind hier Hauptbedingung. Die erstere haben
wir überall gefodert ; doch ist einleuchtend , dass in Orchesterwerken
mancher Irrthum durch die Massenwirkung , durch den reichen Wech-
sel der Instrumentirung verborgen wird, ja, dass sogar mitNothwen-
digkeit dieses od^r jenes Instrument einen ihm fremdern Gedanken in
der Durchführung übernehmen muss. Die Kunst der Ausführung darf
sich ebenfalls nirgends vermissen lassen. Aber wiederum wird sie
im Orchesterwerke vor der Grossheit und Einfachheit der Hauptgedan-
ken oft zurücktreten , während die Gedanken des Quartetts nach der
Natur seiner Organe nur ausnahmsweise gleichen Aufschwung und
gleiche einfache Macht erlangen. Selbst im Klaviersatze kann die Aus-
arbeitung nicht so vielgliedrig die Stimmen durchdringen, da das Instru-
ment (Th. HL S. 22) zu mehrstimmiger Polyphonie weniger geschickt
ist. Sie ist in der Instrnmentalkomposition in grossartiger Weise das
Eigenthum des Orchesters und in seiner Anwendung die Hauptaufgabe
des Quartetts.
Auch hier erkennt übrigens nach der Bezeichnung des Karakters,
der dem Quartett eigen ist, das Lehrbuch seine Gränze. Weiter kann
der Rath des erfahrnen Lehrers dem Jünger bei der Ausführung be-
stimmter Werke zu Statten kommen. Lehrer aber und Lehrbuch müs-
sen hier dem Parliturstudium das Beste überlassen. Was Haydn und
Mozart, Mendelssohn und viele sonst noch zu nennende neuere
und ältere Komponisten (fast nur Deutsche) hierzu beigesteuert, ist all-
gemein bekannt oder leicht zu erfahren. Ueber alle hinaus ragt Beet-
hoven; es ist unmöglich, das Quartettstudium zu vollenden, ohne seine
Werke dieser Gattung vom ersten bis zum letzten auf das Ernstlichste
und Tiefste zu durchdringen ; eher könnte man alle übrigen Quartetti-
sten insgesammt entbehren, als ihn. Was der Verf. über ihn und seine
Quartette zu sagen gehabt, ist (so weit der Raum gestattete) anderswo*)
niedergelegt.
*) la der Biographie.
28*
436
Dritter Abschnitt.
Solosatz für Blasinstrumente, oder vereinigte Blas- und
Streicliinstruniente.
Die Aufgaben, die wir hier zusammenfassen, sind in Hinsicht auf
ihre äusseriiche Erscheinung mannigfaltiger, ohne darum für Kunst und
Kunstiehre wichtiger und wahrhaft ergiebiger zu sein.
Es versteht sich von selbst , dass musikalische Sätze auch durch
Blasinstrumente, j.edes' als Soloinstrument genommen , dargestellt wer-
den können. Allein die Natur der Blasinstrumente wird immer als
erstes Erfoderniss das Massebilden (S. 146) ergeben , und so werden
sich Soiosätze für Blasinstrumente sehr eng, fast ununterscheidbar der
gewöhnlichen Harmoniemusik, wie wir sie bereits kennen gelernt
haben, anschliessen.
Zuvörderst wird man in Hinsicht auf Zahl und Auswahl der In-
strumente dahin zu sehn haben, dass alle oder doch die meisten von
ihnen nach Tonreichthum , Beweglichkeit und Schallmaass geeignet
seien, als Soloinstrumente zu wirken. — Allein weiche Instrumente
könnten durch die Geschicklichkeit der Virtuosen nicht dahin ausgebil-
det werden? Kaum wagt man, es von den Pauken und Trompeten zu
behaupten ; die Posaune (besonders Tenorposaune) , das chromatische
Hörn und die Tuba*) haben sich schon vielfältig als Solo-, ja als Kon-
zertinstrumente gezeigt. Es fragt sich nur, ob dergleichen für einfache
und machtvolle Wirkung geschaffne Organe, wie z. B. die Posaune,
nicht ihr eigenstes Wesen verleugnen müssen, um als Soloinstrumente
vielleicht beinah so wohl zu bestehn, als schwächere Instrumente,
denen sie sich an ihrer gebührenden Stelle weit überlegen zeigen. Man
wird es dem Ausübenden nur zum Guten anrechnen , wenn er seine
Uebungen — auf welchem Instrument es sei — so weit wie möglich
ausdehnt, wird ihm endlich auch den Wunsch nicht verargen, gelegent-
lich zu zeigen » was er und was sein Instrument vermag. Allein hier-
mit hat der Komponist als Künstler nichts zu thun. Als solcher hat er
ohne zufällige Rücksichten die für seine jedesmalige Aufgabe geeigneten
Organe zu wählen , also für Solosatz die für diesen hinlänglich begab-
ten und — geschmeidigen; und da er jedes Organ nach seinem Karak-
ter und Vermögen geltend zu machen hat, so fehlt er, wenn er Instru-
mente wählt, deren Wesen dem Solosatze widerstrebt.
*) Auch der Kootrabass ist scboo als KoDsertinstromeDt aafgetreteo , so fein
und fliok ond boch wie eine Geige — beioab.
437 - -
In Hinsicht auf die Aaswahi ist also der Komponist zunächst an
Flöte, Klarinette, Fagott, Waldborn, Bassethorn, — dann an die sprö-
dere Oboe, an das chromatische Tenorhorn verwiesen. Das Bedörfniss
der Massenbildung wird ihm ratbsam machen , nicht zu wenig Instru-
mente, — jedenfalls mehr als vier, — und besonders die verschmelz-
baren und die Mittellage bildenden in derMehrzahl zu nehmen. Es mag
also an einer Flöte, oder einer Flöle und Oboe genügen, wiinschcns-
werth sind aber zwei Klarinetten (oder eine Klarinette und ein Basset-
born), sodann — besonders wenn man nur eine Klarinette nehmen
will, zwei Waldhörner. Dass auch noch andre Bläser und andre Arten
der Zusammenstellung gewählt werden können, versteht sich; wir
haben nur die nächstgelegnen als Beispiele genannt.
Wenn schon die Wahl der Instrumente mehr Mannigraltigkeit bie-
tet , als bei dem Solosatz für Streichinstrumente , so ist dies auch bei
der Form der Kompositionen zu bemerken. Tanzform, Marschform,
Scherzo, Variation , alle Formen des Rondo sind häufig angebaut wor-
den; ferner das sogenannte Divertissement, — eine willköhrUch
gebildete, nicht enger zusammenhängende Kette kleinerer und grösserer
Formen, besonders Lied- und Rondoformen, auch Sonatenform. Seltener
ist die Sonate für Blasinstrumente , die am reichsten noch durch die
Quintette für Blasinstrumente von Reich a vertreten ist.
Dass auch die Blasinstrumente bei ihrer Verwendung znm Solo-
satze feiner und freier als im Tutlisatz, — auch mit gesteigerten An-
sprüchen an die Geschicklichkeit der Ausübenden behandelt werden
können und müssen, versteht sich. In letzterer Beziehung haben wir
schon bei der Lehre von der Technik der Instrumente auf den Unter-
schied von Solo- und Orchestersatz Rücksicht genommen.
Was bis hierher vom Solosatze gesagt worden, findet endlich auch
auf den Solosatz für gemischte Blas- und Streichinstrumente Anwen-
dung. Es ist nur der eine Rath zuzufügen , dass man bei solchen Zu-
sammensetzungen — wie bei der Zusammenstellung des Orchesters —
darauf sehe, jeden Instrumentchor wenigstens so stark zu besetzen,
dass er in sich selber ein Ganzes darstellen und sich dem andern ge-
genüber mit gebührendem Nachdruck behaupten könne. Vier oder fünf
Bläsern gegenüber würde es daher wenigstens dreier Streichinstru-
mente, vier Streichinstrumenten gegenüber wenigstens zweier oder
dreier Bläser bedürfen. Etwas Näheres lässt sich schon desswegen
nicht voraus bestimmen, weil dabei hauptsächlich die Wahl und Be-
schäftigung der einzelnen Instrumetite in Betracht kommt. Die allge-
meinen Grundsätze aber sind in der Lehre vom Orchestersalze ge-
geben.
Für diese grossem Instrumenlvereine ist die Form der Sonate
öfters in Anwendung gekommen , bisweilen auch die gewöhnliche Zahl
ihrer Sätze überschritten worden. So stellt Beethoven in seinem
438
Septuor ausser Eialeituogea zum ersten uod letzten Satze ein Allegro
in Sonatenform, ein Adagio, Menuett mit Trio , Andante mit Variatio-
nen, Scherzo mit Trio, und Pinale auf, also sechs Hauptsätze. Nach der
Zahl der Instrumente werden übrigens die Rompositionen als Quin-
tett, Sextett, Septett, Nonett u. s. w., — nach besondern In-
tentionen der Komponisten als Serenate, Notturno u. s. w. be^
zeichnet.
Vierter Abschnitt.
Konzertsatz.
Unter Konzertsatz ist die Behandlung eines oder mehrerer Instru-
mente zu dem besondern Zwecke, sie vorzugsweise vor andern Instro-
menten — und die besondre Geschicklichkeit des Ausübenden zu zei-
gen, zu verstehn. Beide Zwecke sind nicht rein künstlerische, denn sie
stellen neben die eigentliche Aufgabe jedes Kunstwerks noch die Rück-
sicht auf irgend eine künstlerische Persönlichkeit, — auf ein Instru-
ment, oder auf die Auszeichnung des Ausübenden. Mehr oder weniger
wird also bei Kompositionen dieser Gattung von den reinen Kunsfge-
setzen abgewichen werden müssen. Das Hauptinstrument (Prinzi-
palinstrument oder Prinzipalslimme) oder die mehrern Haupt- oder
konzertirenden Instrumente werden vor den andern blos be-
gleitenden Instrumenten (Ripienstimmen, Begleitung) begünstigt,
in grösserer Ausdehnung und mit Aufwand aller ihnen eigpen Mittel
benutzt werden müssen, während die begleitenden Instrumente vom
vollen Gebrauch ihres Vermögens eher abgeballen werden und sich
unterordnen, um das Hauptinstrument desto vortheilhafter hervortreten
zu lassen. Die Rücksicht auf den Ausführenden femer veranlasst in der
Komposition vorzugsweis' Ausbreitung der Gänge zu Passagen,
und für sie wie für die Begleitung — gelegentlich auch für die Darstel-
lung, Ausschmückung, Veränderung der Sätze, den Vorzug besonders
schwieriger Figuren und Gänge (Bravourpassagen), an denen sich
die vorzügliche Fertigkeit des Spielers bewähren kann. Endlich liegt
es in dieser Tendenz de^ Konzertsatzes , dass man sich mehr oder we-
niger klar bewusst für seine Ausführung eine glänzende Versammlung,
einen Salon vorstelle, in der man nicht sowohl (und vielleicht nicht
gern) tiefer und reiner Offenbarungen des künstlerischen Genius harrt,
als den Genuss ausgezeichneter und darum seltener und kostbarer
künstlerischer Geschicklichkeit halb vornehm kühl , halb künstlerisch
angeregt entgegenzunehmen geneigt ist. Daher wird im Allgemeinen
das Glanzvolle und Exquisite im Konzertsatze vorherrschen, selbst da.
439
WO (wie in Hozarl's, Beethoven's, Moscbeles', HammeTs,
Gbopin's, Meadelssoho's und Andrer Konzerten) das reich aasge-
bildeie Talent des Komponisten sich zu geistreichen und kunsiyoiien,
ja theilweis höher angeregten Ergüssen — gewissermassen trotz der
nicht künstlerisch reinen Intention erhebt, selbst da, wo (wie in Beet-
hoven's Gdur-Konzert, Op. 58, im Andante) der Genius sich eine
Zeitlang ganz der freien und reinen Dichtung zurtickgiebt, die äusser-
lichen Rücksichten auf Fertigkeit und Glanz fallen iässt und — eine
Zeitlang wenigstens die einseitige Bevorzugung des Konzertinstruments
gerechtfertigt zeigt.
Die Bedingung zum Gelingen des Konzertsatzes ist tiefste Kennt-
niss des Instruments. Was wir in dieser Hinsicht mitzutheilen im Stande
gewesen sind , kann ohne lang fortgesetzte Beobachtung und tief ein-
dringendes Partiturstudium gewiss nicht zureichend sein. Dagegen lasse
man sich auch nicht — - wenn man überhaupt Beruf fühlt für diese
Kompositionsgattung — durch die oft gehörte Behauptung zurück-
schrecken : es könne nur der für ein Instrument günstig schreiben, der
es vollkommen gut selber spielt. Wer dies vermag, hat unstreitig einen
grossen Vortheil voraus ; dass man aber auch ohne denselben mit Er-
folg das Instrument kennen lernen und behandeln kann — selbst für
Ronzertsatz, beweisen Mozart's Konzerte für Klarinette und Wald-
horn, Spohr*s und K. M. v. Weber's Konzerte für Klarinette und
manche andre Arbeiten. Hermstädt verdankt — natürlich nächst
seiner eignen Trefflichkeit — den Konzerten Spobr^s, Bä rmann (der
Vater) denen Weber's bei gleicher Virtuosität die Hälfte seines Ruhms.
Hinsichts der Instrumentenwahl giebt es nun
Konzertstücke für ein einzelnes Instrument
ohne Begleitung, meist in Variation-, Rondo- oder Fantasieform ; ferner
die Form des
Duo concertani
ohne Begleitung, z. B. für Piano und Violine, oder für Violine und
Violoncell, meist in Rondo- oder Sonatenform komponirt; ferner das
sogenannte
Quaiuor brillant
oder Quatuor concertant, ein wirkliches Streichquartett in der Quar-
tettfbrm (S. 433) geschrieben, aber so gesetzt, dass die erste Violin
als Hauptstimme hervortritt and dem Spieler Gelegenheit zu glänzen-
der Darlegung seiner Virtuosität bietet.
Dies sind die untergeordneten Arten der Konzertkomposition. Das
eigentliche
Konzert
bedingt die Begleitung des Orchesters neben dem Prinzipalinstrumente.
Seine Form ist die der Sonate in drei Sätzen. Der erste Satz oder das
-— 440
Allegro gestaltet sich meist so , dass das Orchester zur Einleitang die
sämmtlichea oder vorzüglichsten Sätze der Haupt- und Seitenpartie mit
dem Schlusssatze (Th. HI. S. 201) vorführt, und zwar durchaus im Haupt-
ton, oder im Hauptton und der Dominante (oder Parallele) und in den
erstem zurückkehrend. Dann führt das Prinzipalinstrument theils allein,
theils vom Orchester (oder einigen Instrumenten desselben) unterstützt,
die Gedanken der Hauptpartie in seiner und zwar konzertirenden Weise
aus, fuhrt ihnen auch wohl neue Sätze zu, geht — mit oder ohne Or-
chester, meist das Erstere — in die Dominante, um da den Seiten- und
Schlusssatz auszuführen, und schliesst mit dem Orchester ganz nach
dem Gange der Sonatenform den ersten Theil , oder überlässt (meist)
dem Orchester allein diesen Abschluss. Nun bildet sich der zweite
Theil, in dem die Melodie der Sätze meist von wechselnden Orchester-
instrumenten gegen die Figuren und Passagen der Prinzipalstimme
durchgeführt wird; statt des Orgelpunkts tritt gewöhnlich die Kadenz
des Hauptinstruments ein , — eine freiere Fantasie aus Passagen und
Motiven oder Sätzen der Komposition selbst gewebt , vom Orgelpunkt
ausgebend und auf ihn zurückkehrend ; endlich gestaltet sich der dritte
Theil nach bekannter Form unter wechselnder oder zusammentreffen-
der Wirksamkeit des Soloinstruments und Orchesters, und das letztere
schliesst. Der Einleitungssatz des Orchesters und dessen Satz in der
Dominante heissen Ritornelle. Zwischen den beiden Ritornellen und
dem Schlüsse des Orchesters stellt sich die Ausführung des Hauptin-
struments in zwei grossen Massen, den Solo's, zusammen.
Der zweite Satz des Konzerts hat Andanteform , der dritte meist
grössere Rondo- oder Sonatenform, lieber sie ist nach dem schon Re-
kannten nichts weiter zu bemerken.
Von dieser Form finden mancherlei Abweichungen statt, — z. H.
der Anfang des ersten Satzes mit dem Prinzipalinstrument statt mit
dem Orchester, — die in der That mehr von der freien Laune des Ton-
setzers ausgehn, als von tiefem Gründen angeregt werden. Eine be-
merkenswerthere ist die unter dem Namen
Konzertino
bekannte Reschränkung des Konzerts auf einen einzigen Satz in Sona-
tenform, oder auch in grösserer Rondoform. Spohr hat ein Violinkon-
zert in Form einer Gesangscene geschrieben ; der vorzügliche Violinist
David hat dieselbe Form zu einem Konzert für die Posaune angewen-
det; K. M. Weber und Mendelssohn haben Klavierkonzerte ge-
schrieben,, die zwar die gewöhnlichen drei Sätze enthalten, aber diesel-
ben ohne Zwischentritt von Absätzen in einem ununterbrochenen Zu-
sammenhange vortragen.
Nur der Vollständigkeit wegen erwähnen wir noch das
Doppelkonzert, —
441
Dussek unter andern hat eins für zwei Pianoforte geschrieben, —
und das
Tripelkonzert,
z. B. das für drei Flügel von Seb. Bach*), und das für Pianoforte,
Violine und Violoncell von Beethoven. Der Name schon zeigt an,
dass im Doppelkonzerte zwei;, im Tripelkonzerte drei Prinzipalinstru-
mente (ausser dem Orchester) auftreten, die bald wechselnd, bald ver-
bunden die Solopartie ausführen. Die Form ist die des Konzerts.
Beschränkt sich eine solche Komposition auf einen einzigen Satz,
so wird sie meist
Konzertante
genannt; sie steht dann der Form nach dem Konzertino gleich.
*) Derselbe hat Konzerte für mehrere — bis zu neao lostrumenteii gesebrie-
beo, eigt^ntlich mehr Sympbooieslitze mit vorzügiicber Benutzung konzertirender
in strömen te.
442
Zweite Abtheilag.
Gesang mit Orchesterbegleitung.
Die Lehre toq der Gesangkomposition ist im siebenten Buche
(Th. III. S. 341) begründet und nächst der elementaren Vorbereitung
über die Formen des Rezitativs und Arioso, — des Lieds, mehrstim-
migen Sologesangs in Liedform und mit Liedesinhalt und des Chorlie-
des, — 'dann des Chors , und zwar der Piguralformen , der Fuge und
Motette erstreckt worden. Die Begleitung, welche wenigstens für einen
Theil dieser Formen nöthig, für einen andern rathsam oder doch mög-
lich, ward dem Klavier zugewiesen, oder, wenn auch ohne nähere Be-
stimmung, als eine dem Orchester zustehende gedacht. Diese Formen
dienten , abgesehn von der ihnen eignen Bedeutung , auch als Vorstu-
dien in der Auffassung des Textes, Behandlung der Stimme , kurz für
die Gesangkomposition.
Jetzt haben wir die Lehre der Gesangkomposition zu vollenden,
diejenigen Formen zur Betrachtung zu ziehen, die früher nicht zu voll-
kommner Erwägung und Ausübung hätten kommen können , weil sie
sich in der Regel im Verein mit Orchesterbegleitung darstellen und je-
denfalls dazu dienen , den Verein von Gesang und Orchester zu zeigen
und zur Anwendung zu bringen.
Es versteht sich von selbst , dass wir auch hier die früher aner-
kannten Grundsätze festzuhalten und anzuwenden haben. Vor allem
wiederholen wir das Th. 111. S. 368 Ausgesprochne:
die Form aller Gesangkomposition bestimmt
und entwickelt sich nach den vom Text gebo-
tenen Verhältnissen.
Dieser Gedanke wird uns vom zweiten Abschnitt an durch alle
noch abzuhandelnden Formen leiten, Formen übrigens, die sich insge-
sammt als schon bekannte erweisen.
Zuerst aber richten wir unsern Blick auf das wesentlich Neue des
jetzigen Lehrabschnitts, auf die Vereinigung von Gesang und Or-
chester.
443
Erster Abschnitt.
Das Orehester als Begleitung des Gesanges.
Wenn Orchester und Gesang sich in einem einzigen Satze verei-
nen, so fassen wir zunächst beides, — also die Instrumente und
die Singstimme, oder die mebrern Singstimmen , — als Organe des
künstlerischen Wirkens auf. Der Verein dieser Organe kann
nur dann von gutem und sicherm Erfolge sein , wenn wir das Wesen
beider Partien genau erkannt und ihr gegenseitiges Verhältuiss genau
erwogen haben.
A. Terbiltniss des Qrcbestera zum Cfesang.
Vom Gesang haben wir vor allem (Th. HI. S. 343) das anerken-
nen müssen, dass er die dem Menschen eigenste und treueste, die rein
menschliche — die Menschenmusik ist. Denn nicht nur wird sein
Inhalt aus dem Geiste des Menschen geboren, — das hat er mit jeder
künstlerischen Gestaltung gemein, — sondern das Werkzeug seiner
Offenbarung ist der Mensch selber; Geist und Körper, Gedanke und
Organ ist Eins und ist unmittelbare Menschenäusserung. Daher kann
den Instrumenten mancher Vorzug vor dem Gesang eigen sein, das
eine kann umfangreicher, das andre schallstärker, das dritte beweg-
licher sein u. s. w. ; stets wird aber der Gesang dies vor allen voraus
haben, dass er unmittelbare Aeusserung des Menschen ist, dass der Le-
bensodem in ihm weht, der Nerv in ihm mitbebt, und dass dies jeder
Mensch sympathisch mitempfindet. Hierzu kommt nun noch das Ent-
scheidende, dass der Gesang sich mit der Sprache, mit dem eigensten
Organ des Menschengeistes, vereint, dass also in ihm die beiden Grund-
formen der Geistesthätigkeit, Gefühl und Bewusstsein, in ihren eigen-
sten in Eins verbundnen Organen zusammentreffen.
Hiermit ist gerechtfertigt, was auch stets die Ausübung als Grund-
satz anerkannt und die Erfahrung bewährt hat :
in der Verbindung von Gesang und Instru-
ment oder Orchester ist der erstere das Herr-
schende und Bestimmende, das letztere das
sich Unterordnende und Folgende;
dies durfte schon unsre Uebersicht voraussetzen.
Wollen wir nun näher wissen , wie sich das Orchester in dieser
Stellung zu verbalten habe , so muss sein Vermögen nach allen Seiten
erwogen werden.
Zunächst denken wir der beiden Hauptmassen, der Bläser und
Saiteninstrumente.
444
Die Blasinstrumente stehen der meuscblicben Stimme unstrei-
tig näher, sind ihr verwandter als die Streichinstrumente. Aach sie
werden vom Athem des Menschen beseelt (und erfahren die Einwir-
kung der Mundtbeile) und hängen von der Atbemkrafl ab, — so dass
der Bläser halb und halb Sänger sein muss. Nur trifft der lebendige
Athem nicht ein mitlebendes Organ wie im Gesänge, sondern ein todtes
Werkzeug. Schon von hier aus erbellt die Abweichung und Unterge-
ordnelheit des Blasinstruments. — Die Streichinstrumente erfah-
ren vom Spieler nur mechanische Behandlung, nicht Einwirkung eines
dem Ton- und Gefühlsleben unmittelbar zugeeigneten Organs ; hiermit
ist ihre entferntere Stellung vom Gesang bezeichnet , mit dem sie übri-
gens die Fähigkeit, den Ton auszuhalten, an- und abschwellen zu las-
sen, bis auf einen gewissen Grad gemeinsam haben. Die nicht mit dem
Bogen behandelten Saiteninstrumente, — also das Pizzikato des
Quartetts, die harfenartigen Instrumente, das Piano, — entbeh-
ren auch diese Eigenschaft , stehn also dem Gesang am fernsten.
Diese Betrachtung führt auf einen Hauptgrundsatz bei der Anord-
nung des Orchesters zur Gesangbegleitung :
die günstigste Unterstützung für den Gesang
gewähren die Saiteninstrumente, und die un-
günstigste die Blasinstrumente;
denn jene heben ihn durch den entschiedensten Gegensatz und entbeh-
ren entscheidende Eigenschaften, die die Bläser mit der Singstimme ge-
meinsam haben.
Daher finden wir .auch im Verhäitniss zu den Singstimmen das
Streichquartett als Hauptchor des Orchesters bethätigt; besonders ist
es neben seiner grössern Unähnlichkeit mit der Singstimme seine
Schmiegsamkeit und Feinheit, seine Fähigkeit, auf die verschiedensten
Karaktere einzugehn und sich unterzuordnen (S. 247), die ihm auch
hier den Vorzug gewähren. Nur äusserst selten wird man veranlasst
sein , den Gesang durch Harmoniemusik (ohne Quartett) begleiten zn
lassen*), während in sehr vielen Tonslücken und in grossen Partien
fast aller Tonstücke das Quartett allein die Begleitung des Gesangs
übernimmt und fast überall die Hauptmasse der Begleitung darstellt.
Besonders da, wo der Gesang oder gar das Wort im Gesänge mit
vorzüglicher Wichtigkeit vortreten, das Orchester nur den Gesang lei-
ten, harmonisch unterstützen, als Tonmasse tragen soll, ist das Quar-
tett die Hauptmasse oder auch der einzige wirkende Theil des Orche-
sters. Dies bewährt sich an der Form des Rezitativs, derjenigen
*) Von den Fallen, wo aasserlicbe RUcksichteD — z. B. das Nichtvorhanden-
sein des Quartetts — den Komponisten bestimmen, kann natürlich nicht die Rede
sein.
445
Gesaogform, in welcher bekanntiicb (Th. III. S. 386) die Rede erst in
die musikalische Sphäre übertritt, aber noch nicht feste (satzhafle)
Gestaltung annimmt. Fast alle Rezitative sind nur vom Quartett be-
gleitet, das entweder mit blossen vereinzelt zum Gesang oder in dessen
Pausen tretenden Akkorden (man sehe Tb. III. Nr. 402, 409j die Har-
monie zur Unterstützung der Singstimme angiebt*) , oder die Akkorde
in liegenbleibenden Tönen (Th. III. Nr. 405) als ruhige Begleitungs-
masse der Singstimme unterbreitet, oder dieselben (Th. IIl. Nr. 412)
figurirt, oder Zwischensätze bildet (Th. III. Nr. 413), oder in diesen
Formen (Th. III. Nr. 411) wechselt. Nur in bedeutendem, vorzüglich
leidenschafllichen Momenten des Rezitativs , oder zur Versinnlichung
besondrer Vorstellungen — in der That also nur ausnahmsweise —
treten die Bläser zum Rezitativ; so im Rezitativ der grossen Scene
Leonorens in Beethoven's Fidelio, wo die Worte —
Doch toben auch wie Meereswogea
Dir io dej^eele Zorn und Wntb
zum Tremolo der Violinen und Bratschen und einer sich abwärts win-
denden Figur der Kontrabässe , die zuletzt auch in Tremolo übergeht,
rezitirt werden, bei den Worten aber —
So leaclile mir ein Farbeobogeo,
Der hell auf dookelo Wolken rnbt
Flöte , Oboen , Klarinette und Fagott mit ausgehaltnen Harmonien (in
höherer Lage) an die Stelle des Quartetts (in tieferer Lage) treten, bis
bei den Worten —
Der blickt so still, so friedlich nieder.
Der spiegelt alte Zeiten wieder
das Quartett wieder in tiefer Lage die Akkorde süll auszieht und die
Bläser dieselben in leisen Achtelschlägen höher emporklingen lassen.
Soll nun das Orchester der Singstimme gegenüber durch Bläser
verstärkt werden, so kommen hier alle die Grundsätze und Bemerkun-
gen in Anwendung, die sich uns bei der Harmonie- und Orchestermnsik
bereits ergeben haben. Es bedarf also nur noch der Erwägung, welche
Rücksichten der Gesang vom Orchester fodert. Das Wesentliche s^int
sich in folgenden Punkten zusammenfassen zu lassen, bei denen stets
unser erster Grundsatz (S. 443) festgehalten, der Gesang als die herr-
schende, das Instrumentale als die dienende, oder nur bei- und unter-
geordnete Partie aufgefasst wird.
*) FrBher — bis auf H a y d n and Mozart nnd noch weiter , z. B. bei vielen
Rezitativen R o s si n i's — wurde nicht einmal das ganze Quartett, son(!ern im soge-
nannten iteet/j/tvo «ecro (Th. III. S. 390) nur der Bass zur Angabe der Unterstimme
der Harmonie verwendet und die übrigen Akkordtöne worden generalbassmässig
auf dem Riavier oder vom Violoneell, — in der Kirche nothgedrungen anf der
Orgel angegeben; das volle Quartett trat erst bei Aem Recitativo aecompagnato
(bei obligat werdender Begleitung) in Thätigkeit.
446
1. Schallmasse.
Vor allem also darf, wie sich von selbst versteht, die Besetzung
des Orchesters nicht der Gesangpartie überlegen sein; sie kann und
soll nach Umständen einen kräftigen Gegensatz bilden, sie mag anstür-
men gegen die Singstimme, aber sie darf sie nicht überwältigen, wenn
nicht das Gleichgewicht der zusammenwirkenden Organe aufgehoben
und obenein das Wichtigere dem Untergeordneten aufgeopfert wer-
den soll.
Bei der Abwägung der Orchesterkraft giebl natürlich die in Thä-
tigkeit zu setzende Schallmasse des Gesangs den Maassstab. Es ver-
steht sich von selbst, dass ein Chorgesang volleres Instrumentale, die
Anwendung der grössten Orchesterbesetzung gestattet, während der
Gesang einzelner Stimmen mehr Schonung bei der Bildung des Orche-
sters fodert; dass ferner viel darauf ankommt , in welcher Weise der
Gesang sich bethätigt, — ob in heftiger und starkschallender, oder
sanfterer, — ob, bei mehrstimmigem Solo€bder Chorgesang, die Sing-
stimmen mit einander gehn und sich unterstützen, oder getrennt wir-
ken, entweder einander ablösend, oder mit einander im Gegensatze.
Ebenso klar ist, dass die Schallkraft des Orchesters nicht blos von der
Anzahl der Organe abhängt, dass vielmehr
2. die Wahl der Instrumente
von höchster Wichtigkeit ist. Eine gehäufte Masse von Bläsern muss
(S. 444) für die Wirkung des Gesangs beeinträchtigender sein, als die
gleiche oder selbst noch grössere Masse von Saiteninstrumenten. Unter
den Bläsern sind wiederum die schallstarken und scharfklingenden, —
Pikkolflöten, Oboen, Trompeten, Posaunen, drückender für dieStimme,
als die sanftem, — Flöten, Klarinetten, Fagotte, Waldhörner. Erin-
nern wir uns hierbei der Verschiedenheit in Schallkraft und Klang-
weise , die die verschiednen Tonlagen desselben Instruments bisweilen
haben, z. B. der lastenden und kantig sich eindrückenden Tiefe und
der Zartheit und Höhe, die wir bei der Oboe wahrzunehmen gehabt.
3. Behandlungsweise.
Endlich kommt bei jeder Beisetzung und Instrumentenwahl Alles
auf die Behandlungsweise des Orchesters an.
Legt sich das Orchester tiefer als die Singstimme, so hat diese
den Vortheil 'der hohen Tonlage , sie macht sich nach dem Maass ihrer
Kraft und nach deren Verhältniss zur Schallkraft des Orchesters stärker
geltend. Uebersteigt ds^s Orchester die Tonlage der Singstimme mit
starken und scharfen Instrumenten, so wird um so eher Verdun-
kelung der Singstimme zu besorgen sein. Dies gilt namentlich von den
gefährlichen Bläsern. Eine feine Violinstimme mag sich über die Sing-
stimme hinziehen, die leichte Flöte kann sie in der höhern Oktave be-
447
gleiten oder eioe eigne höhere Siimme bilden; die Oboe — ungeachtet
ihre Höhe feiner anklingt, ist schon bedenklicher; die gellende Höhe
der Klarinette oder gar der Trompete M^tirde die Singstimme über-
schreien.
Bilden die Instrumente — namentlich die Bläser — blos Masse,
so üben sie weit weniger Macht gegen die Singstimme ans, als wenn
sie obligat geführt werden, — selbst wenn die hohem Stimmen der
Masse die Tonhöhe des Gesangs überragen. Dies hat darin seinen
Grand', dass die ausgebildete Stimme, die Melodie, sich mehr geltend
macht, den Antheil des Hörers an sich zieht, aber auch den des Spie-
lers, der daher leicht bewögen wird , seine Partie mit allem zu Gebot
stehendem Vermögen zu voller Geltung zu bringen — und dabei die
Rücksiebt auf die Hauptpartie eher aus den Augen zu verlieren. In der
Regel wird man daher nur eine oder nur wenige Orchesterstimmen
(und besonders nur ein oder nur wenige Blasinstrumente) individuali-
siren, — wird zunächst nur die weichern dazu wählen, — wird, wenn
mehrere nölhig sind , sie lieber wechseln oder mit einander gehn las-
sen, als unter einander und dann wieder mit der Singstimme in Gegen-
salz bringen.
Bedarf man stärkerer Besetzung, so wird es um so rathsamer, sie
nicht fortwährend auf dem Gesänge lasten zu lassen , sondern sie auf
die wichtigsten Momente zu beschränken, sie so viel wie möglich nur
da eingreifen zu lassen, wo die Singstimme Absätze hat oder wo sie in
ihrer höchsten Kraft wirkt. Dasselbe gilt von den Fällen, wo man
scharf eingreifender Organe (z. B. der Oboe, der Trompete) oder einer
Verwebung unter den Orebesterstimmen bedarf.
Soll die Singstimme besonders klar hervortreten und sich durch-
aus als herrschende geltend machen , so muss das Orchester nur oder
meist in unterbrochnen Schlägen dazwischentreten. Als ein. Beispiel
diene der Tb. Hl. Nr. 411 mitgetheilte Rezitativsatz, den man als sol-
chen oder als Theil einer Arie sich vorstellen mag ; offenbar tritt hier,
selbst wenn das Quartett durch Bläser verstärkt würde, die Singstimme
freier hervor, als etwa in Nr. 405 desselben Bandes. Und hier wieder
würde die Singstimme freier wirken, wenn sich nicht das Orchester
zum Theil über sie bin weglegte; dass Gluck zu dieser Behandlung
des Orchesters Grund gehabt, ist dort (S. 400) gezeigt worden.
B. FodeniDgen der Gesugpartio u das Orchester.
Im Obigen wurde das Verhällniss von Orchester- und Gesangpar-
tie von der Seite des erstem angesehn ; es war die Frage, wie das Or-
chester überhaupt beschaffen sein , wie es zusammengestellt und ge-
führt werden müsse, um dem Gesang dienen zu können und nicht etwa
statt dessen nachtheilig zu werden. Fassen wir nun das Verhältniss
448
aus dem ent^gengesetzten Standpunkte. Es fragt sich, welche Dienste
der Gesang von dem Orchester — dessen zweckmässige Bildung und
Führung im Allgemeinen vorausgesetzt — fodert?
1. Verstärkung des Gesanges.
Zunächst kann der Gesang das Orchester zur Verstärkung
nöthig haben. Dies ist die untergeordnetste Stellung des Orchesters ; sie
setzt voraus, dass aller wesentliche Inhalt der Komposition schon im
Gesang enthalten und nur materielle Steigerung, daneben alfenfalls
Leitung und Sicherung des Gesangs in Hinsicht der Intonation u. s. w.
durch sicherer treffende Organe gefedert werde. Diese Verwen-
dung des Orchesters kann in der Regel nur in mehrstimmigen Ge-
sangsätzen stattfinden , in denen der Gesang selber auch die Harmonie
enthält: befriedigen kann sie aber nur dann, wenn (wie vorausgesetzt)
die Gesangpartie nicht blos die Harmonie, sondern wirklich den ganzen
wesentlichen Inhalt des Satzes in sich trägt. Dies ist in der Regel bei
polyphonen Sätzen der Fall; in Fugen, Figuralsätzen u. s. w. bleibt,
wenn die Singstimmen sich zu voller Lebendigkeit entfaltet haben, dem
Orchester in den meisten Fällen nichts zu thun , als jenen sich anzn-
schliessen.
Bei dieser Verwendung des Orchesters geht in der Regel die erste
Violin, Flöte, Oboe, Klarinette mit dem Sopran, — die zweite Vio-
lin, Flöte, Oboe, Klarinette mit dem Alt, — Bratsche und erstes
Pagott (auch das Violoncell , wenn es nicht für den Bass in Anspruch
genommen ist) mit dem Tenor, — Violoncell, Kontrabass, zweites Fa-
gott und Kontrafagott mit dem Bass; die drei Posaunen schliessen sich,
wenn der Inhalt des Satzes es erlaubt, entweder durchweg oder gegen
das Ende des Satzes, oder in allen starken Stellen den drei Unterstim-
men des Chors an. Allein aus vielerlei Gründen sieht man sich bewo-
gen, von dieser Anordnung abzuweichen. Bisweilen vereinigt man, be-
sonders wenn der Chor nicht mit allen Stimmen beisammen ist, meh-
rere Orchesterstimmen (z. B. beide Geigen) zu einer einzigen, um
nicht mit geschwächtem Orchester einzutreten oder fortzuschreiten.
Bisweilen hebt man den Alt, noch öfter den Tenor (der in der That,
besonders wenn nicht Posaunen mitgehn, am wenigsten unterstützt ist)
dadurch hervor, dass man eine der Violinen in höherer Oktave mit ihm
gehen lässt, unbekümmert um die dadurch entstehenden Oktaven. Auf
diese Art können sich gewissermassen zwei Oberstimmen geltend
machen : die Diskantstimme des Chors , unterstützt von einer der Vio-
linen , Oboe , Klarinette und Flöte (diese im Einklang oder in höherer
Oktave), und die Tenor- oder Altstimme, hervorgehoben durch die
andre Violine in höherer Oktave.
Bei dieser Verwendung des Orchesters zur Verstärkung oder
Unterstützung der Singstimmen gelten die uns schon geläufigen Grund-
449
salze : den einseinen Instnunenten muss die einem jeden gebührende
Behandlung werden und das ganze Orchester muss zu der vollen Wir*
kung kommen , die der Inhalt des Satzes in jedem Moment ihm zuwci«
set und gestattet. Die Streichinstrumente werden also aushaltende Töne
oder einfachere Tonfolgen öfters figuriren müssen und sich gegen die
Singstimmen in einem ähnlichen Verhältnisse befinden, wie gegen die
Bläser. Diese werden umgekehrt manchen in den Singslimmen viel*
leicht blos des Textes wegen zergliederten Ton zusammenziehn und
damit ihr vornehmliches Vermögen des Aushaltens geltend machen.
Das Orchester im Ganzen und besonders das Streichquartett wird gern
zusammenhalten , um die ihm vor allen Organen eigne und wichtige
Massenwirkung so viel, wie der jedesmalige Inhalt des Satzes gestat-
tet, zu behaupten. Zu diesem Zwecke wird es oft nöthtg, Stimmen des
Orchesters weiter zu fuhren, wenn die Singstimmen , denen sie zu-
nächst blos beitreten sollten, pausiren.
Alle diese Wendungen und Bethätigungen des Orchesters werden
nach den vorausgeschickten Lehren mit Sicherheit getroffen, wenn der
Komponist
den Inhalt der Gesangpartie als Aufgabe, gleichsam als
Grundgedanken erfasst ;
und sich nun fragt :
wie dieser Inhalt vom Orchester nach dessen eigenthüm-
lieber Weise darzustellen sei? —
natürlich stets im Sinne der Komposition und jedes Moments.
Der Schlusschor der Schöpfung von Haydn soll für diese allgemei-
ner gehaltnen Andeutungen die nächstnöthige Anschauung geben. Wir
greifen zu ihm, nicht weil jene Andeutungen nur hier oder am vollkom-
mensten hier zu finden wären, sondern weil für Gestaltungen, in denen
die verschiednen Komponisten wenigstens im Wesentlichen zusammen-
treffen müssen, jedes Beispiel befriedigt und das populärste und durch-
sichtigste den Vorzug verdient.
Haydn intonirt seinen Schlusschor*) homophon —
494
Andante.
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Singt dtiu Her- reu al - Xe SlimAien ! Dankt ihm, dankt jKm
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*) S. 28a der 6reltkopf-Härter«chea Partitur.
Marx, Komp-L. IV. S. Aafl.
29
450
ne Wer - ke.
Aj^ ^ jn
i^
^m
und begleitet ihn auch so , den ersten Abschnitt mit volieni Orchester,
den zweiten blos mit dem Quartett. Allein schon hier gestaltet sich das
Orchester nach seiner Weise. Das Quartett —
^^s&L^iiAM^Ä
^^^^^m^^^^
stellt im ersten Takt die Hauptschläge des Rhythmus und seine beweg-
li($her6 Natur heraus, ohne sich genau an die Chorstimmen zu binden.
Im dritten Takte schliesst es sich ihnen pünktlicher an; der Tenor aber
wird durch die zweite Geige in der höhern Oktave dargestellt, und so
liegen die Quartett- , besonders die beiden Geigenstimmen vortheilhaft
(S. 298) eng beisammen. Die Pausen lassen das Quartett feiner, rhyth-
misch betonender , den Ausdruck des Gesangs bekräftigend auftreten ;
man muss anerkennen, dass der Salz für das Quartett ebenso yortheil-
halt gebildet ist, als für die Singstimmen.
Die Blasinstrumente verstärken blos den ersten Abschnitt in die-
ser Weise, —
496
Flöten.
Oboen.
Klarinetten.
Alt- and
Teaorposaune.
Fagotte.
Kontrafagott.
ifcae S-fii—rA
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t=c
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wobei die Bassposaune mit dem Kontrafagott geht, Trompeten und Pau-
ken halbe Schläge geben; die Klarinetten, Wer in C notirt, stehn iniB.
451
Haydn lässt den zweiten Abschnitt ebne Bläser, um diese bei der
Wiederholung des Satzes and der Einleitung dazu wieder iriseh ein-
setzen za lassen. Hätte er sie fortführen wollen (was hier unangemes-
sen erscheinen müsstß) , so würde er im nächsten Takt entweder die
Chorstimmen vollständig begleitet, oder zur Verstärkung des Ausdrucks
in der Mitte des Takts eingesetzt und den Pläserehor so, —
497
I
h.
m^^^m^
ftfff
i
J_jU-
*r=*i
wie bei a. mit Anschluss an die Chormelodie ^ oder mit einer abwei-
chenden Oberstimme wie bei b. , geordnet haben. In beiden Fällen
konnten und mussten die drei ersten Achtel des letzten Takts in eine
Note zusammengezogen werden; so schallen die Bläser besser heraus,
während die Singstimmen durch den Text zur Zergliederung genö-
tbigt sind.
Der Hauftsatz nun mit dem Texte i
Des Herren ftnlim, er bleibt io Ewigkeit Amen.
setzt im Chor so —
498 AUcgro.
^^^^^^^M
(Ali)
De« Herren Rulun, er bleibt in E - -vvigkeit,^^ *^
(TcÄOr^
452
ein; an ihm ist hauptsächlich die Begleitung des Orchesters zn be-
obachten.
Zu Anfang nämlich geht die zweite Violin mit dem Alt, die Brat-
sche mit dem Tenor, die erste Geige mit denx Diskant. Allein schon
im dritten Takte würde der Satz für Quartett zu dünn und auseinau-
dergezogen sein; das Violoncell tritt zur Bratsche und das Quartett
bildet den dritten und vierten Takt so —
499
VioUno I. II. I
Viola.
Violoncello.
aus, dass das Violoncell neben der Unterstützung des Tenors einen
gehenden Bass zum Ganzen bildet, die Bratsche ausfüllt, wo es DOtbig
schien. Die Blasinstrumeute hat Haydn weislich zurückgehalten;
theils sollte der neue Satz erst von den Singstimmen deutlich ausge-
sprochen werden, theils blieb ihm in dem spätem Zutritt der Bläser ein
Mittel der Steigerung.
Nun , Takt 5 , tritt der Cborbass ein, unterstützt von Violoncell,
Kontrabass, Bassposaune und Kontrafagott , die vier ersten Noten ver-
stärkt durch Alt- und Tenorposaune. Dieses Motiv (f-f-f-b) schlägt
von Takt 6 zu 7 (Posaunen, hohe erste Oboe, — die zweite kommt mit
&'i^-^-y^nach), von Takt 7 zu 8 (Posaunen und Klarinetten, letztere
auf d schlagend und dem Diskant anschliessend), tritt im neunten, und
vom zehnten zum elften Takt in den Posaunen, Trompeten und Pauken
auf. Im fünften Takt ergreifen es die Flöten und bilden daraus eine
Melodie, —
die an das Thema der Fuge erinnert und eine zweite höhere Ober-
stimme zu der des Chors und Quartetts bildet. Die einzelnen Abwei-
__„ 453
chiingen und Ausfiiiluogen im Quartett übergebn wir; man hat sie sich
nach der in Nr. 499 angedeuteten Weise zu denken. Im Ganzen dient
in der That das Orchester nur zur Verstärkung der Cborstimmen ; aber
es richtet das Gewebe derselben orchestral ein und wird gelegentlich
eine neue Stimme — oder einen Stimmensatz hinein, die im Chor kei-
nen Raum fanden. Der Tenor, Takt 7, wird von der zweiten, der Alt,
Takt 9, von der ersten Geige in der höhern Oktave verdoppelt.
2. Begleitung des Gesangs.
Selbständiger wirkt das Orchester schon dann mit, wenn man sich
seiner nicht zur blossen Verstärkung der Stimmen , sondern zu deren
freier gestalteter Begleitung, namentlich zur Darstellung oder Vervoll-
ständigung der in der Gesangpartie nicht vollständig enthaltenen Har-
monie bedient; — gleichviel, ob einzelne Stimmen desselben zur
blossen Verdoppelung des Gesangs dienen, z. B. die erste Geige oder
Bläser mit der Gesangmelodie im Einklang oder Oktaven gehn. Diese
Verwendung des Orchesters findet besonders bei einstimmigen oder
wenigstimmigen Gesangsätzen, oft aber auch bei vollstimmig besetzten
statt, wenn die Singstimmen zu einer oder wenig Partien zusammen*
treten , oder in solcher Weise figuriren , dass die in ihnen enthaltene
Harmonie nicht hinlänglich verschmolzen für den Sinn der Komposition
heraustritt.
Es versteht sich , dass auch bei dieser Aufgabe das Orchester im
Ganzen wie in seinen einzelnen Chören und Theilen seiner uns
schon anschaulich gewordnen Weise gemäss zu behandeln ist; vor
allem muss es also so weit zu seiner Fülle und Macht kommen, als der
Sinn des Satzes gestattet, die Bläser müssen ebenso weit ihrer Nei-
gung des Verschmelzens zu einer Masse , die Streichinstrumente dem
Bedürfniss beweglicher Darstellung Folge geben. Alles Nähere be-
stimmt sich nach dem Sinn des Satzes und nach der Rücksicht, die
auf den Gesang als Hauptpartie zu nehmen ist.
Zunächst die Stärke und Auswahl der Besetzung. Die gewonnene
Einsicht in Karakter und Vermögen der Instrumente wird für jede Auf-
gabe und jeden Moment das Rechte geben , sobald nur der Komponist
sich ganz getreu seiner Aufgabe widmet, sich in den Sinn derselben
vertieft und nichts anders will, als ihn auch in der Orchesterpartie zur
Geltung bringen, ohne alle Nebenrücksicht und äusserliche Maass-
nahme. Wir möchten hier im Allgemeinen (denn nur das kann auf
dieser Lehrstufe noch zur Sprache kommen) vor zweierlei Abwegen
warnen. Der eine ist j^ne üeberladung, die besonders durch die
französischen Opern (oder die für die französische Bühne und in deren
Sinn geschriebneu deutschen) in neuester Zeit den Gesang zu erdrücken
droht, oder zu gewaltsamen Anstrengungen uqd dem Verweilen in den
454
befligen hohen Stimmldgeii nölhigt , dadurob aber n]<}ht Mos die Stim-
meD fräbzeilig zu Grande richtet , sondern auch den Ausdruck über-
treibt, verfälscht, und dem Komponisten dnes der bedeutsamsten Mittel
der Steigerung entzieht. Wenn Meyerbeer in der ersten Scene sei-
ner Hugenotten das Gelag übermiithiger Edelleute darzostellen hatte,
80 mochte er es sieh auf den Gipfel der Ausgelassenheit gebracht vor-
stellen, durfte aber nicht aus dem Auge verlieren, dass der Adel Prank-
reichs auch in jenem Jahrhundert — selbst nach dem Zeugniss seiner
eignen Melodie —
nicht eine wüst und wuthend tobende Horde war, wie ihn das Geschrei
des Orchesters (Streichquartett, Pikkoiflöted, Flöten, Oboen, Klarinet-
ten, Fagotte , Hörner und Trompeten — wenn wir nicht irren 4 und
4 — , Posaunen und Ophikleide, Pauken (?) und grosse Trommel) dar-
stellt. Wenn dies der sonst so geistreiche und feinsinnige Komponist
that und obenein Angesichts einer Reihe von Scenen , welche die ge-
waltsamsten Mittel fodern, die hier so unnöthig vorweggenommen wor-
den : so möchte man schwerlich einen andern Beweggrund als das
Streben, sogleich einen schlagenden Effekt hervorzubringen, für dieses
Verfahren auffinden. — Der andere Abweg ist der einer zu grossen
Beschränkung, die ohne innere Nothwendigkeit dem Orchester Kraft
ütid Vielseitigkeit entzieht, bald, um eben durch die ungewöhnliche Be-
schränkung den Reiz der Neuheil zu erlangen, bald aus Mangel hin-
länglicher Beachtung. Das Erstere ist in neuester Zeit der bei weitem
seltenere Fall, erscheint uns übrigens nirgends so auffallend als gesuch-
tes Effektmittel, als wieder bei Meyer beer, der aus der ücbermassc
seines Orchesters sich ganze Sätze lang auf eine Bratsche oder eine
Bassklarinette oder Pikkolflöte mit Bass oder Pauke allein zurückzieht.
Es geschieht das von dem feinen Kenner der Instrumente nie anders,
als dass das gewählte Organ eine karakterisirende, bisweilen spezifisch
treffende Bedeutsamkeit für den Moment hat, dem es gewidmet wird.
Allein nicht blos die sinnliche Fülle, sondern anch jene Poesie des
Orchesters, die es als einen Gesang und Handlung geleitenden, tra-
genden, mitlebenden Chor beseelter Wesen auffasst und mit Liebe fest-
hält, wird dabei dem espfit der mehr witzig raffinirten als liebevoll
empfundenen Karakteristik geopfert. Auf der andern Seite kann aber
auch nicht geleugnet werden, dass bei den deutschen Meistern, nament-
lich bei dem grossen Mozart, das Orchester bisweilen ans einfacher
Versäumniss nicht zu der Fülle seines Wesens , wie der Moment sie
foderte, gekommen ist. Ein schmerzliches Beispiel giebt die erste Arie
455
der Donna Anna im Don Juan, in der die Orchesterfiihriing weit hinter
der Grossartigkeil und Tiefe der Zeichnung zurückbleibt*).
Wie die Zusammenstellung des Orchesters muss auch dessen Püh*-
rung nach dem Sinn des Satzes, nach dem Karakter des Orchesters un^
jedes Instruments und nach der dem Gesang gebührenden Rücksicht er-
wogen werden. Was diese letztere betrilFt (denn die ersten Punkte sind
theiis aus der Orchesterkunde festzustellen, theils lassen sie keine all*
gemeinen Bestimmungen zu, sondern wollen in jedem einzelnen Falle
nach dessen besonderer Bedeutung erwogen werden) , so muss beson*
ders der Unterschied einer fortgehenden oder unterbrochnen Orchester*
Wirkung (S. 447) in das Auge gefasst werden. Eine fortlönende Massei
z. B. hier bei a., —
502 Andante con molo.
Sirtgslünme
1
{^^m.
überdeckt imd unterdrückt, wie sich von selbst versteht, die Sing-
stimme mehr, als unterbroehne Intonationen, wie bei b. , würden si^
auch von zahlreiebem oder schallstärk ern Instrumenten angegeben.
Ebenso einleuchtend ist aus bekannten Gesetzen , dass eine die Sing*
stimme überragende Instrumentalmasse drückender für dieselbe wird,
als eine sich der Höhe nach unterordnende, — dass ferner eine in meh*
rern oder allen Stimmen geführte Bewegung ebenfalls für den Gesang
beeinträchtigender ist, als eine auf eine oder wenig Stimmen be«
schränkte. Ein einziges Beispiel genüge für alte diese leicblfassUcheq
Grundsätze ; wir wählen dazu einen Satz **) aus der Introduktion zu
Mozart's Don Juan. Don Juan entgegnet der ihn verfolgenden Donna
Anna, und die drei Stimmen itpien zum ersten Mal zusammen. -^
(Siehe das Beispiel 503, foiy. Seite.)
In den ersten Takten schweigen die Bläser und die Bewegung ist
nur in den Geigen , die uniern Instrumente geben erst halbe Schläge,
steigern sich dann zu Achtelbewegung und fuhren zum Porte , in dem
die Bläser nach ihner Art Masse machen , die Streichinstrumente Takt
*) MSglieii war' es, da«s i« obigeo ood mas^lieni abalichea Falle die Ausröh-
rnmf; der laetroBieDlatioii nicht HßzarTs Weii fewesen, der sieh 10 der HasI
seioes kurzen, viel beanspmchtett Lebens öfters der Beihülfe Anderer, z.fi. seines
Schalers Sässmaier, bedient hat.
**) Die Wiederholnng des Takt 4 und 5 ist in den Sinf^stiromen nicht ff«'naa,
kann aber nach jedem Klavieraaszng berichtigt werben.
456
50S AUrgro molto
Bratadie
^^-
läE
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^
1
71öteo, Oboen, Fagotte.
Donna Anna.
P*^
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Don Juan, Leporello.
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D.J. Don-na - fol - le ! indar- no gri-di: chi son io tu non sa-
Hörncr*), Bass.
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Non spe - rar, se non .... mal, non sperar cK'io ti
sa
r- ^ N> i
^i^^Ms^^sk
isA
Donna io tu non aa - prai, tu
multo! O 11 pa - dron In
*) Die Höroer sind /^«Höraer.
457
Hin Takt Bewegoa^ und Rahe wecksein lassen nnd suleCzt Bratschen,
Bässe and Fagotte eine bewegte Gegenstioinie bilden , wie zuvor die
erste Geige. Man kann mehr und weniger thun, — stärker und
schwächer besetzen, voller oder einfacher figuriren u. s. w. ; aber dies
Alles sind nur verscbiedne Abstufungen oder Gestaltungen derselben
Wirkungsweise und eben darnm kann eine einzige Anwendung wie
das obige Beispiel, reiflich durchdacht, Aufschluss über alle ähnlichen
Aufgaben ertheilen.
C. Eigenthümlicher Inbalt des Orchesters.
Schon in den vorangegangenen Beispielen zeigten sich in der Or*
chesterpartie einzelne Züge selbständigen Inhalts , die uns erinnerten,
dass keine Partie eines Kunstwerks, am wenigsten der lebensvolle Ver-
ein des Orchestefs, sich Mos als dienendes Mittel verhalten könne, viel-
mehr zu selbständiger Mitwirkung strebe, — dass das Lebensprinzip
aller höhern Tongestaltung, die Idee der Polyphonie, sich auch bei der
Begleitung des Gesangs im Orchester geltend mache.
Vor allem sind es die Einleitungen (Ritornelle genannt),
Zwischensätze und Schlüsse, mit denen das Orchester vor oder
nach dem Gesang, oder zwischen zwei getrennten Partien desselben
auftritt, in denen es allein, also in durchaus selbständiger Weise wirkl^
gleichviel, ob der von ihm vorgetragne Satz vor- oder nachher auch
als Eigenthum der Gesangpartie erscheint. Hierüber ist nichts Neues
mitzutheilen ; das Orchester wirkt selbständig und wird in der in den
vorhergehenden Lehrabschnitten erkannten Weise behandelt. Das
Nähere gehört in die Lehre von den besondern Formen der Gesaug-
komposition.
Sodann aber hat das Orchester auch in unmittelbarem Gegensatze
zum Gesang eigenthümlichen Inbalt aufzustellen oder den ihm vom Ge*
sang zugebrachten in selbständiger Weise weiter zu tragen. Dies ge-
schieht in den mannigfachsten Formen, denen überall die Voraussetzung
unterliegt, dass die Gesangpartie für sich allein entweder nicht ausrei*
cbeud gewesen für die Fülle des Inhalts, oder dass sie dem besondern
Inhalt eines Satzes oder ihrer Natur nach nicht dazu im Stande sei.
Dies kann selbst bei reicher Entfaltung der Gesangmittel und in allen
freiem wie strengern Formen der Fall sein.
Wenn Seb. Bach in seiner hohen Messe*) das Credo in unum
Drum auf den alten Caritas firmus durch alle fünf Stimmen des Chors
durchgeführt hat, tönt es noch zweimal aus dem Orchester hervor, um
nachher gleich wieder durch die vier höhern Chorslimmen zu gehn und
wieder im Orchester in Engführung zu erscheinen; der Chorbass (in
der Vergrösserung) und — in Engführung gegen jenen (aber in rechter
*) Die Ausgabe des BacbvereiDs bei Breitkopf aod Härtel.
458
Grösse) — die zweite and dritte Stimne (iaSexteiiyerdoppeliiiig) ueh-
men noch einmal das Thema and zuletzt erscheint es wieder selbständig
in der Oberstimme des Orchesters. Es sollte das Credo ,,aliiiber-
al)*^ ertönen, — and um das Unbegränzte aaszadrücken , musste es
die Gränzen der eigentlich redenden Stimmen (des Chors) überschrei-
ten. Ein ähnlicher Gedanke ward dem hohen Meisler offenbar , als er
den Gesang ,,Ein' feste Burg*'"^) in Fugensätze — aber von flammen-
der Begeisterung umgedichtete — verwandelt durchführte und am
Schluss jeder Strophe die Melodie in ursprünglicher Einfachheit und
Macht von Oboe und Orchesterbass in der Engführung anschloss, dass
er von den Höhen hernieder und aus der Tiefe empor wiederhalle als
ein immerdar fortwirkender.
Hier war der Gesang fähig , aber nicht ausreichend gewesen filr
den dichterischen Gedanken. Wenn wiederum Hajrdn in seiner Schö-
pfung den Jubelchor ,,Der Herr ist gross'* bei den Worten ,y[Jnd ewig
bleibt sein Rahm*' gleichsam in Staunen versinken lässt vor dem. Ge-
danken der Ewigkeit : so bedurfte das Gemüth in seiner aufwallenden
Bewegung des Orchesters —
504
Violinen
Discant, AU und Tenor.
Bass.
i
r^r
-t=X:
#3:
Vc. n. Cb,
und
-w^ig»
- wig
^iS^gü^^^^^^pl
rdie Bläser unterstützen den Chor), um den Moment nach seinen beiden
Seiten hin auszutönen. Beide waren dem Gesang erreichbar, aber der
Chor von der einen Vorstellung so ganz erfüllt , dass er für die andre
keinen Raum finden konnte.
Betrachtiing.
Schon hier (und so in frühern Beispielen) zeigt sich das Orchester
und in ihm wieder das Quartett — besonders als Organ für das Be-
•) Bei Breitkopf mid Hirtel.
459 —
weglichere, der Gesang als das Weilende» Dies liegt nicht blos in sei-
ner maleriellen Natur, die dem We^en der Blasinstrumente nächst ver*
wandt ist , sondern aaeh vornehmlich im Gehalt des Worts und der
Grundbedingung , unter der es sich geltend macht. Jedes Wort, jeder
Redesatz ist ein einzelner für sich daseiender Gedanke, der erst für sich
verstanden und bedacht sein will , ehe man ihm das Weitere zugesellt»
während das Wesen der Musik auf Portschallen , Fortschreiten , flies-
sendem Zusammenhange beruht; das einzelne Motiv ist für sich alleia
noch unentschieden und erlangt erst in seiner Fortbewegung Wirkungs-
kraft und Bedeutung. Man könnte diesen Gegensatz zwischen Wort
und Musik in seinem EUniluss auf Komposition kurz so bezeichnen :
das Wort steht und trennt, die Mnsik fliesst und
vereinigt,
eine Ansichtsweise , die überallhin Bestätigung findet und den Weg des
Komponisten erleuchtet. Schon im Gesänge vereinzelt das Wort
(Th. 111. S.449> die Musikmomente und muss dasselbe hinter dem rein
musikalischen Singen (Th. III. S. 46i) zurücktreten, sobald es auf
fliessenden — das heisst vorherrschend musikalischeil Fortgang an-
kommt. Demungeachtet kann und darf der Einfluss des Worts auch in
diesen Partien nicht aufgehoben werden ; schon die leichtere Erschö«
pfung der Singslimme und das Bediirfniss des Athemholens erinnert
daran. Rein musikalisch und frei dem musikalischen Triebe hingegeben
ist dagegen das Orchester — oder überhaupt die Begleitung. In ihm
ist daher das Moment der Bewegung und Vereinigung das waltende.
Schon die vorangegangenen Beispiele weisen darauf hin $ sie sind
aber insofern nicht rein beweisend , weil in ihnen das Orchester und
seine Führung dadurch bedingt war, dass die Gesangparlie nicht ein-
mal zur äusserlich vollständigen Darstellung geeignet oder frei war.
Ein bezeichnenderer Fall aus Mozart's Requiem**) lehnt sich an den
ihm äusserlich ähnlichen in Nr. 504. In der Fürbitte , die Seelen vor
der Macht und Pein der Hölle zu bewahren , treten die Worte Ne ab-
sorbeat eas tartarus, ne cadant in obscurum erfüllt von dem Ab-
scheu hervor, den das Bild der Qualenstätte erweckt. Das Orchester —
(Siehe das Beispiel 505, folg. Seile.)
unterstützt mit den Posaunen die drei untern Singslimmen , bildet mit
Bassethörnern und Fagott eine festverschmolzne Harmoniefolge und
ergiesst seine Hauptmasse in einer bis zum Ende des Satzes fortströ-
menden mächtigen, Alles zusammenfassenden und tragenden Bewegung.
Ueber deren tiefere Bedeutung haben wir hier nicht Anlass , Betracb*
tnngen anzuknüpfen; es genügt vor der Hand, in ihr das Moment des
fliessenden Zusammenhangs zu erkennen.
*) S. 69 der fireitkopf-HarterseheD Partitur.
460
505 Geigen und Bcateche.
k
Basselhorner .u. Fagott I
I
Tenor.
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Ne ab - sor-b(
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leat e -
tar - ta-rus, ne ca - dant in ob-
^=
1/
scn-rum,
w—ti — F=i-7 — L \ y~f — ü — t-f-
"tr
ne ca-dant, ne ca-dant in ob-scu-
^^^^^^^^^^
Und nun stellen wir gleich einen einfachen Salz mit ähnlicher Or-
chesterführung jenem zusammengesetztem zur Seite, den Anfang eines
Terzetts aus Mo zart's Titus*). Die Unruhe, die innere Zerrissenheil
lässt Vitellia besonders anfangs nicht zu fest zusammenhängender Rede
kommen; es sind einzelne Ausrufe, die erst bei den Worten Oh sdegno
mio funesto ! etwas fester zusammentreten ; erst mit dem Zutritt der
beiden andern Personen gewinnt die Gesangpartie Fluss. Diese so ka-
rakteristische Darstellung wäre geradezu unausführbar gewesen, hätte
Mozart ihr nicht im Orchester Anhalt, verbindendes und bewegendes
Element geben können. Er setzt so —
(Siehe das Beispiel 506, folg. Seite.)
ein. Zweite Geige und Bratsche, unterstützt von den Bläsern und den
treibenden Anschlägen des Basses (eine gefälltere Bassstimme hätte auf
den Gesang gedrückt und die Bewegung gehemmt), geben den Boden,
die Figur der ersten Geige ist der eigentliche Orchestergedanke, in dem
•) Akt ], Nr. 10, S. 37 der Breitkopf-HärlerflcbeD Partitor«
— 461
506 Allegro.
Vno. I.
m
Vno. II. Va.
.ä5Z?£EE-£^f.^^:
w
ZIZ^Z
^^
Fl., Ob., Fag.
-^—^■
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Viicllia.
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Ven - gol
Basfl.
4^^-EEE^'E^'^
S
Aspet-
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_ 1 ^ . tmtm^t^ » Ä ;, —
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Fag
«^:^,
!EEE
ta - te !
Se - - - stol
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462
^ — i I r ^ ^ — ti ' ' ' '■
^^
Ahi - m^ •
Se -
- «to!
m^:^-
^
das unstete Hin und Her der Singenden seinen orchestralen Ausdruck
und der ganze Satz fortfliessende Bewegung und Einheit gefunden hat.
Eiu letztes Beispiel soll wieder das Requiem geben. Der achte
und neunte Satz schliesst mit einer figurirten Ausführung der Worte
Quam oiim Abrahae prumisisti et semini ejus. Sie waren nur auszu-
sprechen, dem Gebet um Erlösung Nachdruck zu geben; daher waltet
hier das Wort vor, und der musikalisch festere Zusammenbang kann
nur durch das Orchester erlangt werden. Mozart unterstützt die
SingstiimneB mit den Bläsern (Bassethörner, Fagotte, drei PosauneD)^
setzt ihnen aber das Quartett in ununterbrochner Pigurirung —
507 Andante.
Vw». I. n.
^rt
1^
^
Äd^
B. « T
rnTft
iiftm olim A - hraliac
^ i'^P
entgegen und verschmilzt damit die vereinzelten Stimmen des Chors zu
einem fest zusammeahaltenden und dabei J>ewegungsvoll fortsdireiten-
iden (janzeii.
Dass an die Stelle einer solchen mehrstimmigen UBd steiigeo
Durchführung die uns längst (Tb. IL S. 232) bekannten Formen des
463
gebentoi Basses oder sogeaasaten Bumtraponkts io einer Obers timne
treten (meist liegt letzterer in der ersten oder ersten und zweiten €eige,
S. Bacb giebt ihn gelegentlich ancb denFlßten) und alle diese Formen
wechselnd angewendet werden können, ist oline weitere Beis^ele
zu erkennen. Die altern Komponisten, namentlich Bach und Härndel,
hatten ihren polyphon meistens höchst bewegten Ghorsätsen nn4 der
dagegen oft ärmera «nd steirem Kantilene ihrer Soiosätze gegenüber
das Bedürfniss einer ebenfalls stetig und gleichartig diircbgeführten Ge-
genstimme, die sie am liebsten als Träger der Gesangpartie in den
Bass {ConÜnuo) legten. Die Neuem (znerst il ay dn) zogen , dem Be-
dürfniss erhöhter Bewegung — weniger energisch ausgebildeten Chor-
stimmeo gegenüber — folgend , oft eine lebhaft und glänzend gefährte
Geigenstinme (Kontrapunkt) vor, oder gingen von der einfachen Unter-
stützung und Begieitnng bald gelegentlieh, baid stetig (wie Mozart im
obigen Pagensatze) zur Fignration einzelner oöer mehrerer Stimmen
über. JSleis — und namentlich seit der böhern Entfaltung des Orche-
sters durch Haydn und seine Nachfolger — blieb die eigentliche 'Avf-
gäbe: das Orchester nadi seiner Weise und imt Befriedigung seines
eignen Wesens so theilnehmea zu lassen, dass es die der Gesangpartie
nicht erreichbare Fülle, Bewegung, Vielgestaltigkeit gewähre , jene
unterstütze und den Satz in seiner Ganzheit vollende.
D. Obligate Stimmeii des Orchesters.
Die letzte Form, in der das Orchester sich dem Gesang ergänzend
verknüpft, ist die Znfögung obligater Solostimmen a«s dem Instrumen-
tale; eine Form, die vorzüglich bei Sdo- oder Ensembiegesang An-
wendnng 6ndet.
Ein solches obligates oder Soloinstrument tritt aus der Masse
des Orchesters — entweder für immer oder für einzelne Theile 4tf
RomposiliMi — heraus und wird ne^en der Gesangpartte zu einer
Haoptstimme, die
a) die Singstimme im Einklang oder in der Oktave verdoppeln,
b) dieselbe in Terzen, Dezimen, Oktaven begleiten,
c) ihren selbständigen Gang nehmen und gegen die Singstimme einen
Gegensatz bilden,
oder in air diese« Verwendungen wechseln und gelegentlich auch wie-
der in ^ie Orchestermasse zurückkehren kann. So fügt Seh. Bach in
der Matthäi^schen Passion der Arie ,, Erbarme dich, mein'Gott^* eine
obligate Soloviolin ausser dem begleitenden Streichtiuartett zu, Mo-
zart selzt im Tftus zu der Arie ,, Parle" eine obligate Rlarfnette, zn
der letzten Arie der VitelKa ein oHtgatcs Basscrhom; Beethoven
braucht zu der Scene Leonorens im Pidelio drei Waldhörner und ein
Pagott (Nr. 93) zu obligater Mitwirkung. Die Beispiele sind zn biiiifig
464
und leicht zagäng;lich, als dass weitere AufzähluDg nötbig sein
köDnte.
Aach hier bedarf es keiner neuen Lehre ; die bekannten Gnuid-
sälze und Erfahrungen genügen.
Bei dei^ Auswahl obligater Instrumente ist der Sinn der Kompo-
sition natürlich erster Bestimmungsgrund. Wenn Mozart im Requiem
dem ^^Tuba mirum spargens sonum^^ ein Posaunensoio zuertheilt,
Händel im Messias zu der Arie „Sie schallt die Posaun'^^ eine obli-
gate Trompete (man s. S. 45, Nr. 42) setzt, Gluck die Oboe mit dem
Klagesang der tauridischen Iphigenie vermählt, jener Gesang des Sex-
tus (Porta) mit der üppig schmiegsamen Klarinette durchflochten , der
elegische Gesang Vitelliens mit dem Bassethorn, Leonorens ronaDti-
scher Aufschwung mit dem romantisch-heldenmütbigen und doch mehr
sehnsuchtsroUer Hingebung fähigen Hornklang unterstützt und geho-
ben wird : so erkennen wir in all' diesen Bestimman|^n der Künstler,
dass nur dem Sinn und der Stimmung des Satzes Folge gegeben wor-
den ist.
Hiernächst ist allerdings auf das Verhältniss der obligaten Instni-
raente zur Singstimme Rücksicht zu nehmen, im Allgemeinen — und
abgesehn von dem Sinne des Satzes — wird man die sanftem Instra-
mente: Flöte, Klarinette, Fagott, Waldhorn, Violin, Violoocell, ror-
ziehn, weil sie sich der Singstimme gelinder anschmiegen und die-
selbe weniger in Gefahr setzen , übertönt und zurückgedrängt zu wer-
den. Die schweren oder schärfern Instrumente wird man seltener ond
schonungsvoller setzen und in der Regel nur den starkem Singstimmeo
zufügen; z. B. die Oboe mehr in den feinen höhern Tonlagen gebraa-
eben, Trompete und Posaune (wie Händel und Mozart in den oben
erwähnten Fällen gethan) wohl dem Bass oder Tenor, nicht leicht aber
weiblichen Stimmen zugesellen und mehr zu Zwischensätzen, als gleich-
zeitig mit dem Gesang verwenden.
Was endlich den Satz selber betrifft, so treten die allgemeiDeo
Grundsätze unbedingt in Anwendung. Namentlich bei der Verdoppelung
der Gesangmelodie durch Instrumente wird jedes Instrument in der ihm
eignen Tonregion geführt. Soll also z. B. eine Alt- oder Diskant-
melodie verdoppelt werden, so geht in der Regel Violin, Oboe, Kla-
rinette in derselben Oktave, die Flöte in der hohem, Fagott, Wald-
born, Violoncell in der tiefern Oktave mit; ausnahmsweise kann die
Flöte zu sanfterer und dunklerer Wirkung im Einklang mit der
Stimme, die Violin zu feinerer Wirkung in der höhern Oktave, die
Klarinette zu besonderer Herausstellung des Klangs ihrer Tiefe in der
tiefern Oktave mitgehn. Soll umgekehrt eine Bass- oder Tenorme-
lodie unterstützt werden, so geht in der Regel Fagott , Violonceli,
Waldhorn im Einklang, Violin, Oboe, Klarinette in der höbem Ok-
tave, die Flöte zwei Oktaven höher mit.
465
Zweiter Abschnitt
Bestimmung de> Gesangpartie im Allgemeinen.
Nachdem wir im vorigen Abschnitte das Nötbige über die Auf-
gabe des Orchesters in seinem Verein mit Gesang yoraasbemerkt, wen-
den wir uns nun zu der Hauptpartie in den bevorstehenden Aurgaben,
zum Gesang. Hinsiebts seiner fussen wir auf den im siebenten Buch
der Lehre (Th. III. S. 341) gewonnenen Grundlagen.
Folgendes steht fest. Erstens: die Singstimme muss, auch ab-
gesehn von dem Worte, das sie zu verkündigen hat, als das dem Men*
sehen eigenste, am tie&ten ihn erfassende Organ (Tb. 111. S. 343) an-
erkannt werden. Zweitens: das Wort, der sprachliche Inhalt des
Gesangs , verleiht demselben einen theils der reinen Musik gar nicht,
theils nicht so bestimmt und schnell (Th. III. S. 368) erfassbaren In-
halt, der dem Gesänge wiederum und noch entschiedner den Vorrang
vor den mit ihm zusammentretenden Organen sichert. Daher musste
der Gesangtext zunächst als das Bestimmende für alle Formen der Ge-
sangmusik (Th. III. S. 368) aufgefasst, konnten von hier aus die For-
men des Rezitativs, des gesungnen Lieds und des Chors (Th. III.
S. 386, 421, 465) entwickelt werden. In diesen Formen durfte die
Mitwirkung des Instrumentale als Nebensache gelten, wesshalb wir es
auch nur auf das Klavier beschränkten. Stets lag der Hauptinhalt im
Gesänge. Im Rezitativ halte das Wort so entschieden den Vorrang,
dass wir es zunächst als eine musikalisch bestimmte und gekräftigte
Rede auffassen konnten ; im Lied war die Gesammtempfindüng des gan*
zen Textes, in den Chorkompositionen Gedanke und Gefühl des Tex-
tes der eigentliche Gegenstand der Komposition. Das Instrumentale
fugte dem Gesang der einzelnen Stimme nur die unterstützende Har-
monie bei , oder diente (Tb. III. S. 466) zur nöthigen Ablösung und
Erleichterung desselben.
Das damals dem KlavierZugewiesene kann nun allerdings auch mit
andern Instrumenten (z. B. der Harfe, Guitarre, Orgel) oder mit dem
Orchester geleistet werden; wir haben schon gelegentlich erwähnt,
dass die Begleitung des Rezitativs , der Choralfiguration , der Singfuge
u. 8. w. auch vom Orchester übernommen werde. Dann gewinnt die
Begleitung nicht blos an Schallkraft und Tonfülle, sondern es kommt
ihr auch der ganze Organeureichthum des Orchesters mit seiner Man-
nigfaltigkeit an Klängen zu statten. Hierüber ist im vorhergehenden
Abschnitte und der ganzen Lehre von der Instrumentation das Nötbige
bereits gesagt. Allein auf diesem Wege wird nichts wesentlich Neues
erlangt. Ein Rezitativ oder Lied mit Orchesterbegleitung ist nach Form
Marx, KoBp.L. IV. S. Aufl. 3U
466
and weseotlichem Inhalte nicht vom Rezitativ und Lied mit Klavierbe-
gleitung unterschieden ; der Hauptinhalt liegt durchaus im Gesang, uod
die Begleitung ist durchaus nur um des Gesangs willen, nur als Unter-
geordnetes und Nebensache vorhanden.
Erst dann gelangen wir zu neuen Formen, wenn ein Inhalt, der
über den der früher aufgewieseneu Formen hinausgeht, der Gesangpar-
tie uud zugleich dem Instrumentale neue und umfassende Aufgaben
stellt, — umfassender eben desswegen, weil die alten Formen and ihre
Mittel für sie unzureichend sind. Die neuen Formen entwickeln sich
übrigens so stetig aus den bereits anfgefassten , dass auch hier eioe
scharfe Scheidung so wenig wie auf andern Gränzlinien der Knnstfor-
men (Th. II. S. 172, Tb. Hl. S. 307) möglich ist. Wir haben scboo
darauf hingewiesen , dass auch die frühem Formen Orchester zulassen
und oft erhalten ; umgekehrt können die erst jetzt zu entwickelnden
Formen, — Arie, Duett, Ensemble u. s. w. auch mit blosser Klavier-
begleitung oder zum Tbeil ohne alle Begleitung benutzt, oder die Kla-
vierpartie zu selbständiger Mitwirkung mit eigenthümlichem Inhalt er-
hoben werden.
Bei dem Eintritt nun in die Gesang komposition durften wir kurz-
weg das Wort als das Bestimmende bezeichnen. Aber schon
in der ersten und einfachsten Form, dem Rezitativ , wurde bald klar,
dass nicht der blos sprachliche Inhalt , sondern der Sinn, den das
Gemüth des Tondichters im Worte findet — oder in dasselbe hinein*
trägt, die eigcnlliche und befriedigende Aufgabe für die Komposition
ist. Die blosse Uebertragung der gesprochnen Rede in eine musikalisch
betonte wäre nur Deklamation und könnte kaum zu den untergeordnet-
sten Aufgaben des Rezitativs genügen, mit allen Künsten der Rhetorik
nicht weiter; schon die hohem Aufgaben des Rezitativs fodem tie-
fern und künstlerischen Inhalt, uud schon die erste Anregung des
musikalischen Elements in der Brust des Tonkunstlers ßihrt über die
Nüchternheit abstrakter Deklamation hinaus.
Es kann uns daher nicht fremd sein, wenn wir jenen ersten Lehi^
satz der Gesangkompositiou jetzt zu vollkommnerer Gestalt erheben:
der Sinu, den das Wort gegeben oder in dem es aofge-
fässt wird, bedingt die Gestaltung der Gesangkomposition. Dieser
Sinn ist durch das abstrakte Zeichen des Worts nur angedeutet; er ist
nicht eigentlich in ihm enthalten, sondern in den Verhältnissen, die das
Wort hervorgerufen haben ; und diese Verhältnisse, das ist nicht blos der
Gemütbszustand des Redenden (oder Singenden), sondern auch die
auf sein Gemüth zurückwirkende , in ihm reflektirte äussere Lage (die
Situation), in der er sich befindet. Daher eben genügt das blosse
gesangmässig ausgesprochne Wort nicht und haben wir bereits im sie-
benten Buche, selbst* im Rezitative (z.B. in denen Seb. Bach's), noch
mehr im Cborsatze (man denke an den Unterschied der redenden und
467
siogenden Fuge, Th. III. S. 486), über dasselbe hinausgeheo mösaeii.
Daher erkennen wir in der Instrumentalbegleitung zum Ge-
sänge nicht Mos eine änsserlicb oder abslraict harmonisch ratbsame
Stütze für den Gesang, sondern ein Organ, durch das ein Theil vom
geistigen, wesentlichen Inhalt des Kunstwerks offenbar wird. Auf der
aadem Seite begreifen wir jetzt erst voJistandiger, dass derselbe Text
vom Komponisten verschieden aufgefasst werden kann ; denn nicht das
abstrakte Wort, sondern der Sinn, den es im Komponisten anregt, ist
der eigentliche Inhalt der Komposition. *
Von hier aus erweitert sich unser Gesichtskreis nach zwei Seilen:
wir haben einerseits das Verhältuiss Schärfer zu bestimmen, in das die
Gesangpartie zur Instrumentalpartie tritt , andererseits die gestaltende
Kraft des Textes und des Sinnes, in dem wir ihn und die ihm unterlie-
gende Stimmung und Situation auffassen.
A. TerliUtBitt der Cfeaangpartie nun bstmmeAtale.
Ist der geistige Inhalt der Komposition vornehmlich an das Wort
geknüpft, so herrscht der Gesang unbedingt vor. Entweder bedarf es
dann gar keiner Instrumentalbegleitung (so in den reinen Vokalchören
oder in mehrstimmigen Sologesängen ohne Begleitung) , oder die Be-
gleitung dient nur zur äussern Stüize oder Verstärkung (S. 448) des
Gesangs.
Macht sich neben dem eigentlichen Wortinhalt noch die Stimmung
oder Bewegung der Seele gellend , aus der das Wort nur als ein Theil
dessen , was im Singenden lebt und treibt, hervortrat; so gewinnt das
rein musikalische, in der Instrumentalpartie herrschende Element mehr
oder weniger wesentlichen Inhalt, bietet dem Gesang eine bindende,
verschmelzende, bewegungsvolle Unterlage, fasst — vorbereitend, wie-
derholend, nachahmend — die Gesangsätze oder stellt ihnen andre ihm
cigoe entgegen und vertieft oder vervollständigt den Ausdruck der
Stimmung, der im Wort und im Gesang nicht vollständig enthalten sein
konnte. Dies ist die Bedeutung der bald auf eine Stimme beschränkten
(gehende Bässe, Gegenstimme) , bald auf mehrere oder iiber alle ver-
breiteten Pigurationen des Orchesters , von denen wir im vorigen Ab-
schnitt einige Beispiele gesehn haben. Auch die obligaten Solostimmen
gehören grösstenlheils hierher.
Ist die Stimmung des zu komponirenden Moments lief angeregt,
so scheint sie dem von ihr Erfüllten sich über die ganze Umgebung,
über das ganze Dasein auszubreiten ; dem Glücklichen lacht die ganze
Natur, erscheint selbst das Widrige und Gefahrdrohende im versöhn-
lichen, begütigenden Lichte; dem Tiefbetnibten legt sich Trübniss wie
ein Trauerflor selbst über die heitersten Bilder. Dies wird für den
30*
468
Komponisten der Anlass, über den Wortsinn des Textes hinaas, ja bis-
weilen selbst im Widerspruch gegen denselben *) dieser Stimmung als
dem eigentlichen Inhalte der Komposition nachzuhängen und Ausdruck
zu geben. Dann aber wird — wenn auch nicht immer, doch oft *-
dem Instrumentale vornehmliche, bisweilen sogar vorherr^ichende Be-
deutung zu Theil, da der Gesaog mehr oder weniger an das Wort ge-
bunden bleiben muss.
Hiermit hängen die Momente eng zusammen , in denen die Stim-
mung oder Situation eine zusammenhängende Aeusserung der Siog-
stimme unzulässig macht; ein Fall, von dem wir in Nr. 506 ein
Beispiel sehn. Eine solche Singslimme hat in sich selber keinen musika-
lisch festen Zusammenhalt, — sie ist, technisch zu reden, keine salz-
formig gebildete Melodie , kann sich nur noch dem Ausdruck der ver-
einzelten Worte im Sinn der herrschenden Stimmung widmen. Hier
tritt das Instrumentale als Organ für das Musikelemeut und für die
herrschende Stimmung hervor. Es nimmt die vereinzelten Gesangmo-
mente auf, trägt und verschmilzt sie und wird, von der rein musikali-
schen Seite angesehn, zur Hauptpartie (so weit es die überlegne Natur
der Menschenstimme und des Worts zulässt) , gleichviel , ob es sieb
*) Dem Verf. liegt eben kein Beispiel näher , als das eines Hein e*seheii Ge-
dichts, das in seinem „Frählingsspiel'* eine Stelle gefunden. Der Dichter singt:
Gekommen ist der Maie,
Die Blumen und Bänme bliibn.
Und doreb des Himmels Bläue
Die rosigen Wolken ziebn !
Die Nachtigallen singen
Herab ans laubiger Höh',
Die weissen Lämmer springen
Im weichen grünen Klee.
Dies scheint ein heiteres FriihUngslied, nicht mehr ond nicht weniger, ^ >•'
in solchem Sinne zu komponiren. Allein der letzte Vers erschlieast den tiefer
liegenden wahren Sinn :
Ich kann nicht singen und springen^
Ich liege krank im Gras ;
loh höre fernes Klingen,
Mir tränmt^ — ich weiss nicht was.
Es ist also nicht der jnnge Mai, der den Sänger zu frischen süssen Weisen e^
ragt ; sein GemSth ist erfüllt von einem Träameo , von einem Verlangen, das ik*
noch in anbestimmten Zügen vorschwebt; es krankt daran. Dies ist die Stia-
mongy gegen die der belebende Hauch des Lenzes vergebens seine Macht venoelit.
Der Mai mit aller Last ist dem kranken Hinblick verschleiert, and es würde eise
Unwahrheit sein, woUte der Komponist sich den Worten hingeben, die sein heitere«
Bild — vergebens herbeirafen.
469
nur figoraliv gestaltet, wie in Nr. 506, oder eine eigne, satzartig fest-
gebildete Melodie darchftihrt.
Ein Gleiches ergiebt. sich in tiefern Aufgaben oder Auffassungen
dann , wenn ein Moment vom Gesang zwar mit Nachdruck aufgefasst
werden kann, sein geistiger Inhalt aber weit hinausreicht, selbst über
das volle Vermögen unsers höchsten Organs. Ein merkwürdiger Fall
dieser Art findet sich in Beethoven's grosser Messe *), der tiefsin-
nigsten Tonschöpfung unsers Jahrhunderts, — zu tief, zu gedanken-
reich, zu schwer ausführbar, als dass selbst der schon festgestellte hohe
Raf des Dichters die Zeitgenossen — oder auch nur die Kunstgenossen
(mit einzelnen Ausnahmen) hätte um dieselbe versammeln können. Das
Halbstarke und Halbwahre und Halbliefe — vom Nichtigen zu schwei-
gen I — hat stets den Vortheil gehabt , der Mehrzahl erlangbarer und
darum zusagender zu sein.
Das Credo dieser Messe **) wird, — ein Grundzug im Karakter des
ganzen Werks und unsrer Zeit, — nicht in jener hingegebnen Fröm-
migkeit oder Würde gesungen, die dem unerschütterten Glauben,
den unangefochten dastehenden Dogmen einer Kirche eigen ist, die
sich als die alleinseligmachende und ewig fortbestehende erkennt und
festhält. Es wird , wie in Zeiten des Zweifels und der Bewegung sein
muss, mit zusammengefasster Stärke, mit Eifer und Streilfertigkeit be-
hauptet, es soll bewiesen werden, bewiesen, wie eben der Künstler be-
weisen kann, durch Anschauung. Indem der Sänger sein crtdo in unum
Deünty pairem omnipotentem behauptet , hebt sich sein Blick über die
zweifelvolle Erde empor , weiset er, uns ganz zu bewältigen, hinauf,
wo den allmächtigen Vater Aller die Lobgesänge der Engel in süsser,
heiliger Feier umschweben und das Credo der Erde im hohem Chor
wiederhalleu. Dies kann nicht in die vierSingstimmen unten gelegt, —
köonte nicht durch einen Doppelchor *'^*) verkündet werden, denn da
würde auf beiden Seiten nur Menschenstimme und Menschenwort re-
den; Beethoven aber braucht mystische Stimmen. Die kann ihm
nur das Orchester geben. Nun gestaltet sich der Satz, wunderwürdig
in jedem Zuge, so. Die instrumentale Anlage , die Slimmordnung, die
machtvolle Bewegung des Orchesterbasses, die Führung der Stimme
selbst, — Alles wendet dem Bass des Chors die Herrschaft im Gesang
ZQ. Und wenn er nun unter dem Aushallen der ruhenden Oberstimmen
mit Nachdruck sein ^factorem coeli anstimmt in fester, von den Orche-
slerbässen gekräftigter Melodie: schallt ein ganz andrer unerhörter
*) Op. 123, bei Schott in Mainz erschienen.
**) Vergl. d. Verf. : Beethoven Leben and Schaffen , Tb. 2.
**^) Diese Aflerpoeaie hat K. P. E. Bach in seinem einst so gerühmten „Bei-
liS** geliefert Der Bogelcbor bat abstrakt fremde Modulation , der Völkerchor
ledern Fngenwerk.
470
Salz IQ den höchsten Stimmen und Lagen des Orchesters ihm entgegen,
dem sich erst weiterhin der Diskant anzusehliessen strd^t*).
Zuletzt kann die Situation ihre Andeutung oder Unterstützung
Yom Orchester fodern , während die Singstiramen dazu gar nicht ge-
eignet und für andre Zwecke bestimmt sind. Ein Beispiel giebt uns
Mozart's Figaro**) in der Scene, wo das Orchester den Marsch nnd
dann den Fandango intonirt, während die Singstimmen ihren Dialog
fortsetzen. In solchen Momenten werden die Singstimmen ungeachtet
ihres innern Uebergewichts zu Nebenpartien, da der mnsikalisebe
Hauptgedanke und Zusammenhang nicht in ihnen , sondern in der In*
strumentalpartie liegt.
B. Bestinmiuig der Kompositiousgestalt au dem Text und den
ibn tragenden Sinn.
Sobald wir unsem alten Grundsatz (Tb. III. S. 368), dass der
Text die Form bestimme, dahin (S. 466) erweitert haben, dass nicht
sowohl das Wort, — das bei aller Tiefe doch nur ein Gefäss für den
geistigen Inhalt ist, sondern die Stimmung, das ganze geistige
Beisammen von Situation, Stimmung nnd lautem Aus-
druck (Wort) das Bestimmende für die Gestaltung einer Komposition
ist: dürfen wir den Grundsatz auch durch alle noch bevorstehenden
Aufgaben der Gesangmusik als leitenden und stutzenden festhalten.
Man wird auch hier nicht absolute Entscheidungen für den einzelnen
Fall zu erwarten haben ; diese sind vielmehr im Voraus als nnmögfich
zu erkennen , da schon das Wort an sich vielfacher Auslegung fähig
ist, die Auffassung oder das Hinzudichten der Stimmung und Situation
aber noch weit mannigfaltiger nach Individualität und Standpunkt des
Auffassenden erfolgen kann. Wenn wir aber auf solche Entscheidungen
verzichten, — und gern, da jedes absolute Gesetz ausser dem allge-
meinsten (Th. I. S. 15) das Wesen der freien Kunst aufhebt, — so
wollen wir darum nicht die Hülfe leitender Grundsätze , nicht Vorbil-
dung und Vorerwägung versäumen, die vor herumtappendem fNa-
tnralismus und seinen unzählbaren Irrungen bewahrt. Das Wort des
bellsehendsten Dichters :
Der Irrtbnm schadet nicht,
Das Irren ist verderblich.
*) Wer sich noch nicht hineingelebt hat in die s^istig^e Spfa'are aosrer Konst,
kann allerdinss die Anffassoo^; dieses Satzes anzweifeln. Nar dass es nichts weni-
ger als der einzige von gleicher Bedeutung in diesem Werk (und andern l) ist. Das
Ineamatus giebt einen noch tiefern Zag, der aber schwer darzulegen ist.
**) Bin noch reicheres Beispiel giebt der Don Jean, wenn in ersten Finale
(S.259 der Breitkopf-HSrtersohen Partitur) drei Orchester drei verschiedne Tänze
gleichzeitig ausfuhren, wahrend die Singstimmen dialogisiren.
471 - —
steht uns zur Seite. Irgend ein Fehlgriff oder Mangel im Einzelnen
unsers Werkes wird es nicht so leiebt verderben , er kann durch die
glücklichen Momente übertragen werden. Aber ein Fehlgriff in der
Grundanlage bedroht das Werk in seiner Ganzheit; wäre es dann auch
der Fall , dass viele , vielleicht alle Einzelheiten irgend einen Reiz an
sich trügen , so würde doch immer die eigentliche Aufgabe onerfiiilt
bleiben, das Werk als Ganzes, als Verwirklichung der Idee, die es
offenbaren sollte, wäre verfehlt*).
Auf diesem Standpunkt also , der höhern Stufe des schon früher
(Th. 111. S. 368) gewonnenen , ist es die erste Aufgabe des Komponi-
sten, sich mit seinem Text auf das Innigste und Vollständigste vertraut
zu machen ; dies aber nicht blos dem Wortgelialt nach , sondern sich
ganz zu vertiefen in die Situation , in Karakter und Stimmung der re-
denden (singenden) und handelnden Personen**). Was er daran ver-
säumt, wird unausbleiblich in seiner Komposition als Mangel oder Ver-
irrung und Unwahrheit sich strafend und schmerzlich fühlbar machen.
Aus dieser Auffassung erzeugt sich zuletzt der Inhalt der Kom-
position Zug für Zog; dies bleibt hier ausser Betracht, da das Einzelne
theils in den frühern Lehrabschnitten zur Anschauung und Uebung ge-
kommen, im Uebrigen dem Moment des Schaffens zu überlassen ist.
Zuvor aber bestimmt sich aus dieser Auffassung die Form — wenig-
stens in allen Grundzügen, während das Weitere ebenfalls im Schaffen
sich ergiebt. Die wichtigsten Forma Ibesli mm ungen sind wohl in fol-
gende Punkte zusammenzufassen.
1. Zahl der Gesangslimmen.
In der Regel giebt der Inhalt des Textes hierüber schon genügeude
Auskunft; die Aeusserungen einer einzigen Persönlichkeit, die Wecb^
seirede zweier, dreier Individuen u. s. w. bezeichnet schon die Form
des Sologesangs (des eigentlichen für eine Stimme), des Duetts, Ter-
zetts u. s. w. Indess wiederholt sich hier die schon im siebenten Buch
gemachte Bemerkung, dass bisweilen Grund vorhanden ist, zwei und
mehr Stimmen einzufuhren , wo nach dem Textinhalt für sich nur eine
einzige erfoderlich scheint. So haben wir schon damals (Th.IH.S. 439
und 447) Lieder mehrstimmig und Aeusserungen, die zunächst nur
*) Hierzu der Anhang R«
**) Darf der Verf. hier (wo das Lehren sich aafiöst i n den Rath, den
ein Künstler dem andern zn geben vermag) auf seine Pers5nlicbkeit zuriickgehn,
aas der allein er sicheres Zeugniss geben kann : so mnss er bekennen , dass beson-
ders dramatische Aufgaben (wie b. B. der Mose) sieb ihm nie anders ersehlossei
und gelöst haben, als in dem AngenbUcke, wo er — - seiner nnd alles Fremden ao-
bewusst — nur Situation, Handlang, Personen, die der Moment in sieb fasste, wie
leiblich geschaut und vernommen. Ob das Jedem nothwendig — und ob er selber
das Reebte geschaut, steht nicht zn seiner Entseheidung.
L. 472
einem Einzelnen angehörten (z. B. ein müerere mei^ ein ,,Au8 4er
Tiefe ruf ich za dir'^), für Chor behandelbar gefanden, wenn der In-
halt allgemein und bedeotsani genug war, um die Theilnahme Mehrerer
an ihm za veranlassen. Wenn also z. B. Mozart im Reqniem das
Recordare, die Worte sed signifer sanetus Michael und Andres für
Tier Solostimmen setzt, Seb. Bach in der hohen Hesse nach dem
funfstimmigen Chor Itj/rie eleison das Christe eleüqfi als Duett behan-
delt: so ist dafür zwar im Texte keine Nothwendigkeit vorhanden;
jene Sätze hätten wenigstens theilweis vom Chor und insgesammt von
einer oder zwei, drei Stimmen gesungen werden können. Aber jeden-
falk stand den Komponisten auch ihre Entscheidung wohl zu, denn der
Text widerstand ihr keineswegs; übrigens liess Mozart sich durch
das Bedürfniss einer gemilderten Darstellung inmitten heftiger Chor-
sätze bestimmen, und Bach scheint durch die Absicht geleitet zu sein,
das Gebet an den Mittler zarter, weiblicher aussprechen zu lassen , als
das an den Vater.
2. Wahl der Begleitung.
Ob ein Gesangstück überhaupt Begleitung erfodre? diese Frage ist
bereits S. 448 zur Erledigung gekommen. Die nächste Frage ist : ob es
Klavier (oder statt dessen ein andres selbständiges Instrument) oder
Orchesterbegleitung fodre — oder zulasse? Ist diese Frage erst
beantwortet , so entscheidet sich die nähere nach der Wahl des beglei-
tenden Instruments oder der Besetzung des Orchesters nach Wesen und
Karakter der Organe und dem Sinn der jedesmaligen Aufgabe leicht.
Das Klavier (und mehr oder minder auch die andern selbständigen
Instrumente) vermag alle Formen der Musik — also auch der Beglei-
tung — darzustellen und in ihnen einen Reichtbum an Gefühlsausdruck
und Vorstellungen zu entfalten, der sich bekanntlich für die tiefsten und
umfassendsten selbständigen Kunstwerke ausreichend erwiesen. Nur
konnte uns bei der Prüfung dieses Instruments (Th. III. S. 24) nicht
entgehen , dass es an Beseeltheit des Tons , an Schmelz der Melodie,
kurz an Innerlichkeit (wie wir damals den Begriff fassten) hinter
den meisten unselbständigen Instrumenten — wie vielmehr gegen das
Orchester I — zurücksteht und in der That mehr durch das wirkt, was
es andeutet und in der Phantasie des Hörers anregt , als durch das,
was es wirklich giebt. Was das Klavier nur gleichsam verspricht, giebt
das Orchester im reichsten Maasse. Schallmachl, die mannigfaltigsten
Klangverschiedenbeiten , die vollste Harmonie, die befriedigendste Me-
lodie und Polyphonie, — Alles ist hier in Wirklichkeit vorbanden, was
das Klavier oft nur in leisen , entfernt hinter der Wiiicb'chkeit bleiben-
den Zügen anzudeuten vermag. Dies ist der gewaltige Vorzug des Or-
chesters. Dagegen hat aber das Klavier den höchst bedeutenden an-
dern Vorzug aufzuweisen: dass es eben durch die Unzulänglichkeit
473
seiner Mittel den Geist des Hörers zumitscböpferischer Thäiigkeit auf-
reizt*). — Es ist ein Gegensatz wie von Traum und Wirklichkeit, von
Hoffen und Erfüllung. Jedes hat seine Reize.
Wer sich diesen Gegenstand reeht klar macht, wird den Bestim-
mungsgrund finden, nach dem geistig die Wahl von Piano oder Orche-
ster zur Gesangbegleitung zu treffen ist. Drängt sich der Gegenstand
der Komposition und besonders der Inhalt der Begleitung in plastischer
Fülle hervor , wollen diese Massen und Stimmen der Begleitung dem
Gesang als ein Chor gleichsam wirklicher Persönlichkeiten sich ansohlies-
sen oder entgegentreten, will die Situation in voller gesättigter Färbung
neben dem Gesang emporblühn : so wird es wohl nicht ohne Orchester
gelingen. Wiegt nach der Idee des Kunstwerks der Inhalt der Gesang-
partie so vor, dass es mehr einer Andeutung als Verwirklichung des
instrumentalen Inhalts bedarf, — mag dieser nun blosse Unterstützung
des im Gemüth des Sängers sich Bewegenden sein , oder als Gegensatz
zu dessen höherer Anregung oder zur Vervollständigung des psycholo-
gischen Moments dienen, oder endlich die Situation andeuten, in wel-
cher und durch welche jener Moment hervortritt : dann ist das Klavier
an seiner Stelle und wird in seiner Aufgabe durch die freie Behandlung,
die ein einziger Spieler selbst vor dem bestgeleiteten Verein vieler vor-
aus hat, auf das Angemessenste unterstützt.
Allerdings muss sich, so gegründet uns diese Auffassung im Allge-
meinen scheint, nach dem Wesen freier Kunst eine Reihe zweifelhafter
Fälle finden, in denen zuletzt die Subjektivität des Komponisten**) und
*) AUerdiogs Dar, weno er daza Fähig ist. AHeiD aaf diese FSbigkeit miug
jedes dichterische Werk recbneD. „Dem Vandalen sind sie Stein !*^ hat
schon Schiller zu Nichtfähigen gesagt. Wie Viele diese Fähigkeit io sich and
andern schlummern lassen, bezeugt die Unbekanntschaft so aoglaoblich vieler, im
Uebrigen eifrig Strebender mit den geistigen Werken Beethoven*s and das Ab-
lenken so vieler Lehrender und Schreibender von ihnen anf andre, oft so anglaub-
lieh geringe Tonstücke unter dem Vorgeben : jene seien nicht (oder weniger) piaao-
fortemüssig, spielbar (!) oder dankbar. Eben weil in diesen Dichtungen der Geist
zum Geiste sich wendet, finden die Finger und die Moden und Launen der Virtuo-
sität sich nicht gerade anf den Ehrenplatz gesetzt, können aber wohl die höchste
Ehre gewinnen: gute Diener des Geistes zu sein.
**) Vielleicht darf der Verf. zu weiterer Erläuterung auf eine eigne Komposition
hinweisen : „Nahid und Oma r'S <^ioe Novelle, bei Chaliier in Berlin. Es ist dies
eine Reibe lyrisch-dramatischer Scenen Tdr eine bis vier Solostimmen, mit Klavier
begleitet und eingeleitet, der ein dichterischer Vorgang zum Grunde liegt. Dieser
Vorgang ist dramatisch aufgefasst und dargestellt und insofern könnte das Ganze
Oper oder Operette heissen. Allein die Handlang ist so leicht und anspruchslos, die
einzelnen Sitoatiooen sind so einfach und fasslich , dass offenbar das Gemöthsleben
der Handelnden mit Uebergewicht als Hauptsache vortritt, Handlung und Situation
sieh gar nicht herausdrängen, sondern mehr errathen sein wollen um ihrer Rück-
wirkung willen auf jene innerlichen Vorgänge, die zum Theil aus ihnen hervor-
gehn, zum Theil durch sie bestimmt werden. Hier schien nun die Klavierbeglei-
tung (die nichts weniger als auf blosse Begleitung beschränkt sein will) dem Or-
474
äusseriiche Rncksichten entscheidend werden. Für einige dieser Päite
Itann der Verein des Klaviers mit einem oder mebrern andern Instra-
menten (Violine, Violoncell, Waldborn) einen Ausweg bieten^).
Die änsserlichen Rücksichten begreifen sich von selber. Romposi-
tionen, die für grosse Räume und starkbesetzte Chöre bestimmt sind,
wie z. B. Opern und Oratorien, fodern das Orchester. Ist dies einmal
in Wirkung getreten , so vermag in demselben Werk ein einzelnes In-
strument nur vorübergehend zu befriedigen, selbst wenn eine einzelne
Partie des Werks eher einfache als Orchesterbegleilung bedingte. Mo-
zart hat dies im Ständchen, das Don Juan Elviren bringt, wohl er-
kannt. Er begleitet es mit der Mandoline und hat damit der Scene an
sich genügende Lokalfarbe gegeben. Allein das darüber hinausgehende,
poetisch-musikalische Bednrfniss und schon das des genügenden Voll-
klangs federt die Mittheilnahme des Orchesters ; das Quartett mnss die
Mandoline mit Pizzikatospiel unterstützen**)^ — Dass auf der andern
ehester darchaas vorsazieheD; — wiewobl die Kompositioo Dicht verlaogneii kaon,
dass dem Scbreibendeo oft orchestrale Vorstellungen näher getreten sind. Der Zu-
tritt des Orchesters, gleichviel in welcher Zusammenstellung, würde dem flüchtigen
Pfaantasiebild eine plastische Objektivität und Anspruchsrülie aufgedrungen haben,
denen es seinem Wesen und Inhalt nach fern bleiben musste.
*) Das bedeutangsvoUste Beispiel ist die Sammlung ,, schottischer Lieder*^ von
Beethoven (vier Hefte, neue Ausg. bei Schlesinger in Berlin) mit Begleitung vo&
Klavier, Violine und Violoncell, ein Werk von unaussprechbarem Kunstwerlhe, das
bereits Jahrzehnte voller Lieder und Liederkomponisten neben sich hat aufkommen,
vergöttert — und vergessen werden sehn , und noch immer nur von Einzelnen ge-
fasst worden , die es dann freilich Tür immer im Herzen tragen. Es ist zu tief und
darum zu fern der oben abschöpfenden, zerstreuungslustigen Menge.
**) Wir kommen hier auf eine Bemerkung S. 454 gegen einige Momente in
Opern Meyerbeer's zurück. Dass ein se geistreicher und feindenkender Kompo-
nist nicht um des blossen änsserlichen Kontrastes willen sich aus dem vollen Or-
chester auf ein einzelnes Instrument zurückgezogen haben werde, nicht ohne einen
geistigen Anlass in sich gefanden zu haben , versteht sich und ist dort angemerkt.
Aber dieser Anlass scheint uns eben nicht ein rein dichterischer und darum ein
fabcher. Wenn im Tunften Akte der Hugenotten Marzeil die Liebenden in kirch-
lieber Form durch Trauung vermählt, dies aber nicht zum Leben, sondern Ange-
sichts des sie erwartenden Todes, nicht an heiliger Statte durch den berufenen
Priester, sondern in der Mordnacht, auf der Strasse, von einem Krieger in Waffen
geschieht, so fand der Komponist einen kirchlichen Moment vor, aber dureft die
Notb der Zeit und den Drang der Leidenschaft ans der Kirche, von Altar und Or-
gelklang gleichsam binaosgezerrt auf die Gasse. Diese Scene begleitet er — und in
der französischen Partitur weit ausgedehnter als in den Berliner Aufführungen,
für die er gekürzt hat — blos mit einer Bassklarinette. Sollte ihm nicht dabei die
Vorstellung nahe gewesen sein, dass die kirehliche Handlung, weangleiefa auf nn-
geweihte Stätte geflüchtet und des feiernden Orgelklangs beraubt, — dass diese nur
gleichsam kirehliche Handlung durch einen Gleichsam-Orgelklang
(die Bassklarinette erinnert wohl an ein sanftes Schalmei-, oder Flöten- und Ge-
dakt-Register) bezeichnet werden müsse T — Wenigstens wüssten wir keine andre
Bedentang aufzuweisen; das Instrument und voUeods die Beschränkung darauf and
475
Seite manches Werk nur darom mit KlavierbegleitaDg erscheint , weil
der Komponist sich der Schwierigkeit, ein Orchester zu erlangen und
grosse Partituren mit Erfolg herauszugeben , unterwerfen zu müssen
glaubte, — kann hier nur erwähnt, aus rein künstlerischem Stand-
punkte nicht gerechtfertigt werden.
3. Form der Romposition.
Zuletzt wenden wir uns zu den Kompositionsformen selbst, die in
den folgenden Abschnitten zur nähern Betrachtung und Hebung kommen.
Neue 'Formen (S. 466) werden in den Fällen nöthig, wenn der
Inhalt oder Umfang des Textes oder das Bedürfniss , neben dem Aus-
druck des unmittelbaren Textinhalts die Stimmung und Situation auszu-
prägen, in den bisher (im siebenten Buche) betrachteten Formen nicht
Raum und Befriedigung finden. Dies ist also — um im Voraus einen
Anhalt zu finden — unter andern der Fall, wenn an die Stelle einfa-
cher Gefühlsäusserung, wie die Liedform gab, eine Entwickelung von
Gemüthsznständen , an die Stelle unbestimmter Persönlichkeiten die
Ausbildung festgezeichneter Karaktere tritt, wenn neben dem Ausdruck
des Worts in einer oder mehr Stimmen der Widerstreit oder die Wech-
selwirkung verschiedner in einer Situation oder einer Handlung zu-
sammentreffender Persönlichkeiten zur Aufgabe wird.
Selbst die reichsten der bisher erfassten Kompositionsformen , die
des fugirten Chors, der Motette n. s. w., reichen hier nicht aus; ja sie
sind hier nur ausnahmsweise anwendbar. Denn sie haben es, gleich-
viel ob in einer einzigen Summe oder durch alle Stimmen hindurch,
nur mit dem Ausdruck des Textes zu thun und vermögen am wenig-
sten , hiervon abzugehn ; wir müssen aber Formen haben , die über
diese Schranken hinauslangen und selbst neben dem Texte, ja über
ihn hinaus noch die Stimmung und Situation auszuprägen gestatten.
Hierzu dienen neben den beizubehaltenden bisherigen Formen die
freiem des Rondos und der Sonate und die (motetten- oder fantasiear-
tige •— Th.III. S.510 und 335) Verknüpfung aller Formen zu grossem
Ganzen.
Diese Formen sind jetzt durchzugehen.
der ihm mertheilte lohalt zeige» weder auf die StimmaDS der Liebenden oderMar-
zelU, noch aaf den Moment , der sie vereint, irgend einen nähern Bezug.
Aber eben jene Andeutungsweise, die gleichsam durch ein herbeigetragnea
Stückchen Orgel den Orgelklang und die geweihte Stalte vnr die Seele bringen
will, acbeint uns undichterisehe Unterschiebung des Materiellen an die Stelle
dea Geistigen, mehr klug ersonnen als küastlerisch erfundea, und dabei thener er-
kauft durch das Schweigen des beredsamen Orchesters; es ist die falsche
Poesie der Materie. — £ine Taufe wird darum nicht heiliger und wirksamer,
weil man sie mit achtem Wasser aus dem Jordan vollzieht, hätte auch der Legiti-
mitäU-Don Quixotte Chateaubriand es eigenhändig geschöpft. Vielleicht aber haben
wir uns in der Auslegung dea Satzes geirrt.
476
Dritter Abschnitt.
Die Arie.
Die erste der neuen^ Formen ist die der Arie. Sie gebt aus der
L i e d f o r m und dem Grundgedanken des Lieds hervor.
Die Aufgabe der Liedkomposition ist (Tb. IIL S. 421) im Wesent-
lichen, die allgemeine Stimmung eines dazu geeigneten Gedichts in
einer einfachen Liedform festzuhalten und auszutönen. Diese Stimmnng
kann allgemeiner oder näher bestimmt sein, — es kann z. B. das Ge-
fühl der Zärtlichkeit oder Freude ganz allgemein gefasst, oder ein be-
sondrer Anlass und damit eine besondre Färbung der Stimmung — z.B.
die Zärtlichkeit eines Abschieds, die Freude am Wiedererwachen der
Natur zum Ausdruck gebracht werden ; überall hat es die eigentliche
Liedkomposition zunächst nur mit dieser Stimmung und ihrem Aus-
druck im Allgemeinen zu thun. Dies ist das Hauptsächliche und der be-
sondre Ausdruck dieses und jenes dichterischen Zuges oder des einzel-
nen Wortes wird entweder gar nicht erstrebt, oder ordnet sich doch
durchaus unter. Es sind für die Auffassung dieser Kunstform besonders
solche Aufgaben karakteristisch bezeichnend, in denen es sogar unmög-
lich erscheint, über die Liedform hinauszugehn. Klärchens Lied in
Goethe's Egmont
Freudvoll und leidvoll,
Gedankeavoll seio
nöthigt den Komponisten unbedingt, nur die allgemeine Stimmnng fest-
zuhalten; auf den besondern Ausdruck der Gegensätze, auf dieses
,,freudvolI^^ und ,,leidvoll'% auf dieses „himmelhoch jauchzend^'
und ,,zum Tode betrübt'^ einzugehn und jedes einzeln auszudrücken,
ist geradezu unmöglich, — und eben damit bezeichnet sich Gedicht und
Komposition mit Nothwendigkeit als Lied.
Sobald nun das Gedicht — oder die Auffassung des Komponisten
in irgend einer Beziehung mit einem festgebildeten (nicht blos rezitati-
vischen) Einzelgesang über die Sphäre des Lieds , — über dessen All-
gemeinheit hinausgeht, betritt man das Gebiet der Arie. Wir müssen
aber allerdings auch hier darauf gefasst sein, dass die Gränzen sich
nicht mit abstrakter Schärfe ziehn lassen, sondern beide Formen in
einander überfliessen und erst allmählich bestimmter anseinandertreten.
1. Arie in Liedform.
Zuerst also wird die Gränze des Lieds überschritten, wenn nicht
blos die allgemeine Stimmung dem Wortinhalt nach , sondern der per-
477
sönliche Rarakter einer dichterischen Person , — also z. B. nicht hlos
die Liebe , sondern die Liebe in diesem bestimmten Liebenden anszo-
sprechen ist. Mag dann anch die Stimmung einfache AufTassung
gestatten , so wird doch in oder neben ihr noch ein Anderes, der Ka-
rakter der Person, zum Ausdruck kommen müssen. Dies wird sich auch
dann an der Komposition ausprägen , wenn letztere auch im Allgemei-
nen der Liedform angehört. Der Th. lU. S. 614 mitgetbeilte Gesang
Iphigeniens ist nach seiner allgemeinen Gestaltung durchaus der Lied-
form angehörig und von Gluck (selbst formell sogar mit Wiederho-
lungszeichen) als zweitheiliges Lied gesetzt. Allein schon der Inhalt
der Worte kann nur einer bestimmten Person in bestimmter Lage eigen
sein , es kommt daher auch auf den besondern Ausdruck (z. B. des
jusquau tombeau)^ ja auf die Zeichnung des Karakters bei dieser oder
jener Wendung des Textes (z. B. bei Oui^ sous lefer und et man der-
nier sotiptrj — vergl. Th. III. S. 612) an, — und hiermit geht die
Romposition durch ihren Inhalt über das Lied hinaus.
Etwas deutlicher scheidet diese liedähnliche Arie sich vom eigent-
lichen Liede, wenn der Komponist noch besondre musikalische Mitthei-
lungen nöthig findet, um den Rarakter des Singenden bestimmter zu
zeichnen. Der Gesang des Monostatos in Mozart's Zauberflöte ,, Alles
rühlt der Liebe Freuden^' ist dem Inhalte der Singstimme nach Lied.
Aber Mozart musste mehr Raum haben und geben für die prickelnde
Aufgeregtheit des Mohren; er brauchte Vorspiel, Zwischensatz, Nach-
satz, wie sie dem reinen Liede nicht nöthig gewesen wären.
Auch die Fälle gehören hierher , in denen neben dem allgemein
If rischea Inhalt und der Karakterzeichnung noch die Situation , ja so-
gar die Lokalität Berücksichtigung fodert. R. M. Weber konnte seine
Earyanthe zunächst nicht anders und besser karakterisiren , als indem
er sie als Burgfräulein im Burggarten von Nevers aufführte. Dies ist
die Grundlage ihrer Existenz, der adelig ritterliche Rarakter ist es, der
ihre Liebe , ihre Treue , ihr Wesen und Leben bedingt. Dies mochte
der Romponist mit Recht nicht der scenischen Dekoration allein über-
lassen; er schickt dem Gesang (Glöcklein im Thal) eine ausführliche
Introduktion voraus, die uns in die Lokalstimmung bringen soll.
2. Arie in Rondoform. t
In der liedformigen Arie war zuletzt doch nur ein einziger Haupt-
oder herrschender Gedanke zu fassen, dem sich nur unter- oder neben-
geordnete Aeusserungen, Andeutungen n. s. w. anschlössen, oder aus
dem sie sich durch tieferes Eingehn entwickelten. Schreiten wir nnn
zu zusammengesetztem Texten.
478
Mozart fiiod in seinen Figaro unter andern diesen Text fnrChe-
robin *) za kompoairen.
Ihr, die ihr Triebe, Bald Prost, bald HlUe
Des Herzens kennt, Dorcb meine Braat.
Sprecbl : ist es Liebe,
Was hier so brennt? Ein heimlich Sehnen
Zieht, wo ieh bin,
Ich will's Bneh sagen. Zu fernen ScbSnen
Was in mir wühlt, Mich traalich bin ;
Buch will ich^s klagen,
Buch, die ihr fühlt. Dann wird von Leiden
Und iooerm Harm
Sonst war's im Herzen Und dann von Prenden
Mir leicht ond frei. Mein Busen warm.
Bs waren Schmerzen
Und Angst mir neu ; Es winkt und folgt mir
Nun überall, —
Jetzt fahrt wie Blitze Und doch bebagt mir
Bald Pein, bald Lust, Die süsse Qual.
Die Unruhe , die sich in dem erwachenden Herzen des verzognen
Edelknaben regt, das wäre der allgemeine Inhalt des Gedichts. Sollte
nur er laut und fühlbar werden , so wäre die Liedform eingetreten.
Allein das wäre für die Scene wie für die Karakteristik Cberubin's
zu wenig, — es wäre nicht einmal ausführbar gewesen im Raum eines
so engen Verses. Dass die letztere Behauptung richtig bleibt , selbst
wenn man die etwa zulässige Textwiederholung und eine Orchesterein-
leitung hinzudenkt, bezeugt Mozart's Komposition; in ihr macht das
Orchester eine Einleitung und werden die beiden letzten Zeilen des
ersten Verses wiederholt — und Niemand würde sich mit einem Schlüsse
der Komposition an dieser Stelle (Takt 20) zufrieden gestellt finden.
Innerlich und äusserlich wird also eine umfassendere Form nothig.
Mozart erkennt im ersten Verse den eigentlichen Hauptinhalt: dieses
Ahnen , das in Frage hervorbrechende Bewusstwerden des neuen Ge-
fühls. Dieser Vers wird also Hauptsatz seiner Komposition und
nimmt nach bekannten Gesetzen (Tb. III. S. 94) Liedform an. Die
übrigen Verse haben gemeinsamen Inhalt: Schilderung der Verände-
rnng , der Regungen , die in dem Gemüth des Knaben stattgefunden.
Diese ganze Schilderung findet ihre Bedeutung und Wichtigkeit eben nur
im ersten Verse; da klären sich alle diese einzelnen Regungen zu
dem Bewusstwerden jenes neuen Gefühls auf; der Inhalt des ersten
*) Es scbiea sweckmässlfr^ die populärsten und fasslicbsten Beispiele ood statt
des vielleicht nicht Jedermann geläufigen italienischen Textes dl« (wenn auch etwas
ungelenke) Uebersetzung su nehmen^ — wo es obneVerr&ckung des Gesichtapunkts
^ehea wollte.
479
Verses beslätigt sich hieraiit als Hauptsache ond der der übrigen Verse
als Nebensache. Wenn das schon vom gesammten Inhalt der letzten
sechs Verse gelten muss, dann noch vielmehr von den einzelnen Mo*
menten desselben ; jeder Zug ist hier eben nur ein Strich im ganzen
Bilde, keiner bat für sich besoodre Wichtigkeit.
Hiermit ist die Form entschieden. Nach dem Hauptsatze können
die übrigen Verse nur — Gang werden, und zwar Gang von einzel-
nen Sätzen , die nach Inhalt und Modulation locker an einander gereibt
sind, wie die einzelnen Züge des Gedichts innerhalb der letzten sechs
Verse. Mozart stellt den Hauptsatz in Binv auf und schliesst voll-
kommen. Nun folgt ein Satz (vier Takte) in zwei Abschnitten in Fdur,
— ein zweiter in zweimal zwei Takten, der nach /^moll und Cdur
geht, — ein dritter, der wieder in Fdur auftritt und nach einem Halb-
scbluss einen vierten in FtnoW schliessenden nach sich zieht , und so
folgen Sätze in ^^dur, C- und 67moll, EsAuv^ F- und 6moll, Biuv
mit einem Scbluss auf Fdur. Alle diese Sätze sind mehr oder weniger
fest abgeschlossen , haben mehr oder weniger Aehnlichkeit unter ein-
ander, gelegentlich eine Entlehnung aus dem Hauptsatz, endlich eine
durch die ganze Komposition festgehaltne gemeinsame Begleitungsfigur.
Aber schon ihre Anzahl und lockere Folge, dann die schweifende Modu-
lation, — alles beweist, dass hier weder ein einziger Satz vorhanden,
noch von den verscbiednen Sätzen einer der Kern , dass vielmehr alle
eine Satzkette (Tb. I. S. 231), ein Gang sind.
Folglich kann der Komponist ebenso wenig an ihnen Befriedigung,
als der Dichter in ihnen den Gipfel finden ; er kehrt in den Hauptton
zurück, und so ist also für seine Arie
die erste Rondoform
nothwendig geworden.
Eine verwandte Konstruktion zeigt die Arie Non piü andrai (dort
vergiss) in derselben Oper. Mozart bildet einen Hauptsatz (bis
Takt 13) in Cdur, in dem der Hauptinhalt (Figaro ermahnt den Pagen,
der sein Offizierpatent erhalten hat, unter den Waffen alle Liebelei zu
vergessen und nur der Ehre zu leben) ausgesprochen und vollkommen
in C geschlossen wird. — Nun wird dem Jüngling gesagt, dass es mit
dem bisherigen Tand und Schmuck ein Ende habe. Dieser Zusatz und
Nebengedanke tritt als Seitensa tz in 6dur auf, und wenn auch der
Gesang selber nicht zum Gange wird , so tritt doch die Begleitung zu
dem mehrmals wiederholten Schlüsse gangartig auf und fuhrt zur Wie-
derholung des Hauptsatzes. — Eine zweite Abschweifung, die das
kriegerische Leben schildert, hebt satzarlig an, gebt aber bald gangar-
tig von Cdur über Gdur, DmoU, £moll, Cdur (wo ein fest geprägter
Satz sich bildet) nach Cdur, wo sich die gangartige Bewegung über
der Schlussformel , wie nach dem ersten Seiteasalz bemerkt worden^
480
wiederholt« Nach dieser halb gaDg-, halb satzartigen, gleiehsam
zweiten Seitensatz darstellenden Aasfuhmng wird der Haoptsali
wiederholt und aus jenem schon in der zweiten Seitenpartie bervorge-
hobnen Salz ein marschartiger Anhang gebildet, so dass man die
Arie als
Rondo dritter Form
anzusprechen hätte.
3. Arie in Sonatenform.
Die Rondoformen fanden ihre Begründung darin , dass ein Theil
des Textes als Kern des Ganzen, als Hauptsache und Hauptsatz hervor-
trat, der andre Theil des Textes aber sich jenem nur als Nebensache
und Nebensatz anschloss. Hier bedurfte der Hauptsatz der Wiederho-
lung, nicht aber der Nebensatz. Betrachten wir nun einen andern Text,
den der Tenorarie aus dem zweiten Akt des Don Juan:
Tbräneiif vom Prenod getrocknet,
Ad seiner Brust vergossen :
Bald ist aas euch geflossen
Der ewigen Treue Quell.
Lass aber Dir die Himmel
Mit Schrecken sieb umtbürmen ;
Naht Dir bei ihren Stürmen
Ein Freund, Dich zu beschirmen,
Dein Himmel bleibt dann hell.
Hier gehört das ganze Gedicht dem einen Gedanken an , 1) wel-
chen Trost und 2) welche Stütze Freundschaft gewährt. Beide Verse
widmen sich also demselben Gedanken, jeder aber fasst eine wesentlich
unterschiedne Seite, und man kann nicht behaupten, dass eine von bei-
den die wichtigere sei , die andre nur beiläuBg zur Betrachtung kom-
men dürfe.
Mozart fasst den ersten Vers als Hauptsatz in Biur und bil-
det ihn in zweitheiliger Liedform (die zwei ersten Verse geben den er-
sten, in Fdur schUessenden Theil) mit Anhang und vollkommnem
Schluss aus. Der zweite Vers tritt als Seitensatz in Gmoü auf,
wendet sich sogleich in die gebührende Tonart Fdur , und zum Schluss
eines ersten Theils in Cdur, dann zu einem zweiten Theil nach F.
Hier schliesst der Seitensatz (der also wieder zweitheilige Liedform
hat) und wendet mit einer Passage über dem Schlusston (orgelpunktar-
tige Bewegung statt des Ganges) zum Hauptsatze zurück. Könnte
mit diesem geschlossen werden, so hätten wir ein Rondo zweiter Form
vor uns; es ist aber schon oben unstatthaft befunden worden, eineo
Theil dieses Textes gleichsam als Nebensache zurückzusetzen. Daher
wird zuerst der Hauptsatz, dann aber auch (wenigstens dem wichtigem
481
Inhalte nach, — der Anfang ist geändert) der Seitensatz , natürlich im
Hauptton, wiederholt Es ist also hier Sonaten-, oder genauer gespro-
chen SonatiD^nform zur Anwendung gekommen.
Die Arien , die wir bis hierher besprochen , sind auf eine einzige
der schon bekannten Formen beschränkt. In der Liedform , Rondo-
und Sonatenform liess sich ihr ganzer Inhalt vollständig fassen. Die
Vertheilung des Textes unter Haupt- und Seitenpartie folgte durchaus
der wesentlichen Gliederung seines Inhalts, keineswegs etwa dem
blossen äusserlichen Längenmaass der verschiednen Verse oder Ab-
schnitte; in der S. 478 betrachteten Arie z. B. nimmt der Hauptsatz
einen, und der Gang oder die Seitenpartie nimmt sechs Verse ein. Es
ist in Bezug auf das äusserliche Maass nur das Eine zu wünschen, dass
der Text im Ganzen oder einer einzelnen Partie nicht zu kurz sei^
um ohne' überhäufte Wiederholung oder übertriebene Dehnung der
Worte Stoff genug für die Ausführung des musikalischen Gedankens zu
geben, — und nicht zu lang, um^ nicht den Komponisten zur Deh-
nung der Musik zu zwingen. Allein so wohlbegrundel das eine und
audre Begehr ist, so lässt sich doch etwas Genaueres, z. B. ein be-
stimmtes Maass für jede Form oder jeden Theil, unmöglich festsetzen,
weil es in jedem einzelnen Fall auf den Inhalt ankommt und auf die
Möglichkeit, ihn zu dehnen oder zu drängen, ihn ganz oder theilweis
za wiederholen oder leicht und kurz zusammenzufassen.
Dieselben Grundsätze bestimmen nun auch die grössern Arienbil-
doDgen , deren im Wesentlichen zwei zu unterscheiden sind , nämlich
zunächst die
4. Arie zusammengesetzter Form.
Wir betrachten sie an einem aus Mozart's Idomeneu$ entlehnten
Beispiele zuerst. Idomeneus, der durch ein übereiltes Gelübde sich ge-
drängt sieht, den eignen Sohn zu opfern, tritt mit dieser Arie —
A Eid klagender Schatten
Wird micli amsch weben,
Za jeder Stande
Werd' ich erbeben
Vor seinem Biiek.
B Mit blat'^er Wunde,
Mit blassem Antlitz
Wird er mich mahnen
An mein V'erbrecben,
• An sein Geschick.
C Welche Schrecken!
Welch' Entsetzen i
D Ach, mein Herz,
Von Qual zerrissen,
Leidet tansendfaehen Tod.
Marl, Komp. L. IV. 3. Aufl. 31
482
auf, deren einheitsvoller Inhalt der Schmerz über die ihm auferlegte
Unthat und ihre Polgen ist.
Treten wir dem Inhalt näher , so scheidet er sich in zi^ei Partien.
In der ersten (A and B) stellt sich Idomenpus die Folge seiner T>ni als
ein Zuktinlliges vor; der Schatten Idamants wird ihm erscheinen, wiH
ihn verfolgen. In der zweiten Partie (C and D) fiihlt er jene Qualen
schon als gegenwärtige, ist ihnen schon hingegeben im Geist, ehe noch
das Schreckliche geschehn.
Fassen wir die erste Partie für sich, so tritt sie wieder io
zwei Abschnitte auseinander; im ersten (A) spricht Idomeneus mehr
aus seiner eignen Empfindung (ihn wird der Schatten umschweben, er
wird erbeben), spricht mehr sein Gefühl subjektiv aus ; im zweiten (B)
vertieft er sich mehr objektiv in die ihm drohende Erscheinung. CD-
streitig ist der Inhalt des ersten dieser Abschnitte für die Empfindung
des Singenden Hauptsache und somit die erste oder zweite Rod-
doform vom Texte bedingt. Mozart hat sich für die letztere ent-
schieden und mit vollem Rechte.
Betrachten wir die zweite Partie der Arie für sich, so hat sie
dem Gedanken nach nur einen einigen Inhalt : die Qual des Gewissens.
Demtmgeachlet hat Mozart auch diese Partie in zwei Abschnitte (C
und D) zerlegt und wieder mit vollem Rechte. Denn die wenigen Worte
des ersten Abschnitts (C), wenn sie auch keinen eignen und abge-
schlossnen Gedanken aussprechen, umfassen doch in der Seele des Lei-
denden eine Welt von Schmerz, in die der mitlebende und mitfühlende
Tondichter sich vertiefen, in der er weilen, die er vollständig austöDcn
musste, unmöglich mit blosser Rezitation, als eine blosse Zusatzphrase
zu dem Folgenden abfertigen konnte. Diese zwei kurzen Zeilen werden
Hauptsatz und die letzten (D) werden ein neuer Satz, also Seiteo-
satz. Aber der Inhalt des Seitensatzes vervollständigt, vollendet erst
den Inhalt der vorigen Verse , die ohne ihn Exklamationen ohne be-
stimmten Gegenstand sein würden; er ist also ebenso wichtig. Folglich
muss nicht blos der Hauptsatz C, sondern auch der Seitensatz D wie-
derholt werden, und somit ist für die zweite Partie der Arie die Sona-
ten form noth wendig. Mozart hat sie ergriffen.
Es bleibt aber noch das Letzte zu bedenken: wie vereinigen
sich die beiden Partien der Arie? — Denn es ist zu besorgen, dass mit
dem Abschluss des Rondo^s eine formelle Befriedigung gegeben wird,
die jede weitere Fortführung als ein nicht mehr Erwartetes, als ei%
nicht mehr Dazugehöriges und darum Lästiges aufnehmen lasse. Dies
würde namentlich auch in der Modulation empfindbar werden. Mo-
zart setzt die Rondopartie in Cdur, die Sonatenpartie in Cmoü (mit
Durschluss) , also würde C auf C folgen lassen. — Es darf also das
Rondo nicht befriedigend abschliessen ; Mozart unterlässt im Rondo
483
die WiederboloDg des Hauptsatzes ond fuhrt da, wo man sie erwartet,
deu Hauptsatz (C) und die ganze zweite Partie ein.
Hiermit ist der Weg bezeichnet zu noch weitern Zusammen-
setzungen und zu der grössten, in der die Arie den Namen
5. Scene
annimmt. Unter Scene versteht man einen aus mehrem Partien — und
namentlich einer rezitativischen — zusammengesetzten Sologesang. In
den meisten Fällen wird mit dem Rezitativ (als der untergeordnetsten
Form) angefangen ; es folgt ein langsamer Salz in Lied - oder kleiner
Roudoform ; den Schluss macht ein grösserer in Rondo- oder Sonaten»
form geschriebner Satz in schnellerer Rewegung. Von dieser gebräuch-
lichsten Gestaltung kann es indess so viel Ausnahmen geben , als es
Wege ^ebt für die Entwickelung eines lyrisch-dramatischen Zustandes;
das Rezitativ kann nicht blos zu Anfang, es kann zwischen den andern
Sätzen auftreten und sie verknüpfen , es kann den Schluss der Scene
machen, wenn in derselben die Wichtigkeit des Worts zuletzt vor-
herrscht, — oder die Stimmung wieder in Gegensätze auseinandertritt,
die (Th. 111. S. 387) gegen einander erwogen, nicht verschmolzen sein
wollen^ — oder endlich , wenn die Gewalt der Leidenschaft so über-
wältigend hervortritt , dass das Maass der bestimmtem Formen nicht
mehr ohne Verläugnung oder Schwächung des Inhalts festgehalten wer-
den kann. Ein karakteristisch erschöpfendes Beispiel dafür giebt die
erste Scene des Orpheus {Chiamo ü mio ben cosi) in Gluck's
Oper. So ist auch eine Umordnung oder andre Wahl der festen Theile
der Scene in vielfälligen Richtungen möglich. Ueber alle diese Gestaltun-
gen lässt sich im Allgemeinen nur wenig sagen Es muss zuvörderst
jede Partie in sich befriedigend (damit man jede nach voller Bedeutung
und Kraft fasse), aber doch in solcher Weise (also mit einem rhythmisch,
oder melodisch, oder harmonisch gestörten Schluss) abgeschlossen wer-
den, dass die Folge einer neuen Partie vorausgefühlt und Theilnahme
Tür dieselbe erweckt werde. — Die einzelnen Partien müssen (wie wir
schon in mannigfachen Formen gelernt haben) durch Modulationsord-
uQog, Inhalt und Stimmung in Einheit unter einander erhalten werden,
in der Regel wird diese Einheit befördert, wenn die Scene in dem
Tone schliesst , iu dem sie angefangen ; dies ist jedoch keineswegs für
unerlässlich zu achten , kann vielmehr durch Inhalt und Stimmung oll
nnthanlich werden. — Endlich ist es rathsam, nicht zu viel und vielerlei
Partien auf einander zu häufen , weil damit Haltung des Ganzen und
Nachdruck des Einzelnen gleichmässig gefährdet werden.
Hierauf muss die allgemeine Lehre , wenn sie nicht in abstrakten
Vorschriften zum Unrecht oder zur Nichtbeachtung gegen den Inhalt
der Kunst sich verirren soll , sich beschränken ; alles Nähere über die
Anlage der Scene hängt vom Inhalt und den Verhältnissen der beson-
dem Aufgabe ab und kann besonders in dramatischen Aufgaben — wo
31«
484
allerdings die Handlang auf der Bühne erläuternd nnd anreizend mit-
wirkt — weit von dem oben Angedeuteten abweichen und darober hiih
ausgehn. Dass übrigens auch in nicht-theatralischen Scenen sehr weil
gegangen werden kann, zeigt die Scene Ahperfido! von Beethoven
und noch mehr das Monodrama ,,Ariadne auf Naxos^' von Haydn;
das letztere besteht eigentlich aus zwei — aber durchaus zusammengf-
hörigen Scenen.
Dies sind die wesentlichen Formen der Arie. Ist dieselbe leichten
Inhalts und beschränkt sie sich auf eine einzige Form (meistens Rondo-
form), so wird sie
Ariette
genannt. Ist sie sanftem , stillen Inhalts und wieder auf einen (meist
wohl liedförmigen) Satz in langsamerer Bewegung beschränkt, so er-
hält sie bisweilen den Namen
Kavatine,
dessen Anwendung aber oft ziemlich willkührlich geschieht*).
Wird ein Tbeil der Arie, — meist der aus dem letzten Satze
(Haupt- oder Seitensatz) zum Schluss fuhrende, — zu Passagen oad
Rouladen benutzt, in denen sich die Kehlfertigkeit des Sängers zeigeo
soll, so heisst die Arie
Bravourarie;
wird in der Arie ein obligates Instrument zu besonders glänzeadeoi,
gleichsam mit der Singstimme wetteiferndem Spiel verwendet , so er-
hält die Komposition den Namen
konzertirende Scene oder Arie;
tritt endlich der Solostimme ausser dem Orchester auch ein Chor von
Stimmen zur Seite , so entsteht die
Scene oder Arie mit Chor.
lieber alle diese Anwendungsweisen oder Gestaltungsweisen ist
keine weitere Bemerkung nöthig. Die wichtigste derselben ist die Arie
*) Der Name bat seinen Urspraog und seine bestimmte Bedentunp io der vor-
mozartiscben Periode, in der die Arien (besonders die Operuarieo der damals herr-
schenden Italiener, — Händel, Gluck u. A. hatten sich schon frei za bewegei
gewasst) meist eines ganz bestimmten Zoschnitt hatten. Sie bestanden aimlidi
(wies. B.die io Graa d's Tod Jesu) aas einem ersten Satz (Allegro) uad etaem zwei-
ten (Adagio, Andante), nach weichem der erste Note fdr Note wiederholt wvrde.
Eine Arie nun, die sich auf den ersten Satz (also ohne Andante und Wiederholoofr
des ersten Satzes) beschränlLte, hiess Ariette, — die sich nur auf den zweites
Satz (ohne die Allegro^s) besehrinkte, hiess Cavata oder Cavatiaa.
485
mit Cbor. Sie beruht darauf, dass die Rede der Haoptperson von eiBem
Chor ihr Bei - oder Entgegentretender ZustiDimung oder Widerspruch
erfährt; im erstem Falle wird der Sologesang vom Chor unterstützt, im
letztero geräth er mit demselben in Gegensatz , und es kann in beiden
Fallen, besonders im erstem, an geistiger Bereicherung und Steigerung
Dicht fehlen. Der Komponist hat die Aufgabe, einerseits den Chor in
gehaltvoller und seiner Bedeutung angemessener Weise zu beschäfti-
gen, andererseits aber ihn doch auch so weil zurückzuhalten, dass die
Solostimme als herrschende und Hauptpartie sich dem Chor wie dem
Orchester gegenüber behaupten könne. Was in äusserlicher Beziehung
darüber zu sagen wäre, ist aus dem zu entnehmen, was über das Ver-
hältniss des Orchesters zum Gesang (besonders Sologesang) und der
Ripienstimmen zu obligaten oder Hauptstimmen mitgetheilt worden.
Das Nähere muss nach Situation und Text ermessen werden.
Vierter Abschnitt.
Die luehrstimmigen SolosAtie.
Abgesehen vom mehrstimmigen Liede, das bereits Th. HI. S. 439
zur Erwägung gekommen, sind hier diejenigen Sätze zu betrachten, in
denen zwei oder mehr Solostimmen selbständig, — nicht blos die
eioe zur Begleitung der andern, zusammenwirken.
Es tritt in dergleichen Sätzen der Dialog zweier oder mehrerer
Personen in die musikalische Sphäre , deren jede eigenthümlichen In-
halt auszusprechen und sich damit als selbständige , künstlerische Per-
son darzustellen hat, während doch alle durch gemeinsame und gleich-
zeitige Empfindung oder Handlung, durch gemeinsames oder widerspre-
chendes Interesse an einem bestimmten Gegenstand unter einander in
Beziehung treten. Zärtliche Geständnisse oder Bitte und Gewährung
zweier Liebenden gegen einander , — irgend ein Streit zweier gegen
einen dritten, oder zweier unter einander, während der Dritte betrach-
tend, begütigend, aufreizend hinzutritt, — dies sind Momente, in denen
verschiedne Individualitäten, jede sich selbständig erhaltend und be-
wahrend, doch durch ein zusammentreffendes Interesse oder durch
einen, jede Partie nach ihrer Seite hin interessirenden Widerstreit zu
einer einheitvollen Wechselwirkung verbunden werden. Fehlt diese
verneinende Beziehung , so können einzelne Personen sich nach einan-
der aussprechen, aber es ist kein innerer Grund vorhanden, sie zusam-
menzubringen, und ihrem Verein würde die Kraft wahrer innerer Ein-
heit fehlen. Ein Beispiel giebt Goethe's Gedicht ,, Verschiedne Em-
486
pfindnngen an einem Platze^*. Hier tritt zuerst ,,da8 Mädchen" auf,
entzuckt und erschreckt vom Anblick des Geliebten, — dann „der
Jonglin^'S dieGeh'ebte sehnsuchtsvoll suchend, — dann „der Schmach.
tende'S der, ,, verkannt von derMenge^*, die Einsamkeit sucht für seia
Leiden, das doch auch sein Gläck ist, — zuletzt ,,der Jiger^S der
Jagdbeute froh. Die beiden ersten Personen kann man sich noch in Be-
ziehung zu einander denken , nur dass diese nicht in einem einigenden
Augenblick hervortritt und zur thätigen Wechselbeziehung wiH; die
dritte — und noch auffallender die vierte Person bleiben von jeder Be-
ziehung zu den vorigen uud unter einander ausgeschlossen. Es ist dies
also eine Reihe von vier Gedichten , nur durch die lockere Vorsteilnag
aneinandergehalten , dass diese vier Personen (und möglicher Weise
noch viele andre) zufällig nach einander dieselbe Stelle — etwa im
Walde betreten und sich da eine jede ihrem eignen Interesse überlassen
haben. Der Komponist würde hier so wenig eine innere Einheit erhal-
ten, als der Dichter sie hat geben wollen ; ja, er würde , wenn er die
vier Personen in einem Moment musikalisch vereinigte , ihre Stimmeo
mehr oder weniger verwebte und verband^ unvermeidlich Worte uod
Karaktere durch einander wirren und einander gegenseitig störend
und verdunkelnd machen.
Wenden wir uns nun von dieser gemeinsamen Vorbestimmung u
die einzelnen Formen, so ist
1. das Duett
die einfachste derselben, und desshalb zuerst zu betrachten.
Im Duett treten zwei Personen zu einander , haben also jede sich
als selbständige, eigentbümliche Person, — zugleich aber auch als zwei
Personen, deren Interesse in einem Moment und Zeitpunkt zusammen-
ivitti, zu bewähren. Diese beiden Foderungen können in der manoig-
fachsten Weise erfüllt werden, und hiernach bestimmt sich lohalt and
Form des Duetts«
Wenn z. B. in Mozart's Titus die beiden Freunde in folgendes
Versen —
lo deinem Arm za weilea,
Freand , welche Seligkeit 1
Lass Gluck nod Scbmen ans theilen,
Voll treuer Zärtiiefakeit.
die ihnen gemeinsame und ganz gleiche Empfindung aussprechen: so
konnte es schon genügen , beiden die Verse zu gleichzeitigem Vorlng
und ohne alle Individnalisirung , also in homophoner Zweistimmigkeil
zu geben; dann wäre die Romposition ein zweistimmiges Lied ge-
worden« Mozart ist nur einen Schritt weiter gegangen. Nachdem
487
er das Gaaze in eiofacher Liedweise vorgestellt, verlbeill er die
Worte
Lass Glück — aod Schmerz — nns theileo — voll treuer.
oDler die einander ablosenden Stimmen , die dann im nächsten Worle
wieder zusammentreten und durchaus liedmässig zu Ende gehu. Bei
der voUkommnen Einigkeit der Personen und Interessen genügte diese
flüchtige Unterscheidung.
Eine fast gleiche Aufgabe stellte sich demselben Komponisten in
dem Duett des Annio und der Servilia. Auch hier sind es zwei innig
verbundne, in Gesinnung und Stimmung verwandte Personen, die das
Duett vereint. Annio beginnt :
Ach verzeih*, du Auserwählte,
Dieseo Nainen meioem Munde,
Noch g^ewohnt vod uaserm Bunde,
Ihn mit Wonne dir zu weihn.
Servilia entgegnet in gleicher Stimmung und daher in derselben
Melodie :
Ach, hör* auf mein Herz zu quälen *),
Du, der Erste , desi ich brannte,
Den ich mein auf Erden nannte,
Dn wirst auch der Letzte sein.
Nur eine leise Färbung des Orchesters (die Melodie wird bei Annio
vom Fagott, bei Servilia von der Flöte begleitet) unterscheidet beide
Persönlichkeiten, da Annio sogar derselben Stimmklasse, dem Diskant,
angehört. Dies ist der Hauptsatz, von einer einzelnen Stimme vor-
getragen, von der andern, ebenfalls allein gehenden, wiederholt. — Nun
treten beide Stimmen mit Wechselrede auf, —
Cari accenti del nio bene ! —
Ob mia dolce cara speme I —
beide über einem Grundgedanken etwas abweichend geformt, und ver-
einen sich dann in den Worten :
Pia che ascotto i sensi tuni.
In me cresce piu Tardor.
zum ersten Mal in einfacher Zweislimmigkeil. Diese Partie, deren
Hauptsitz die Dominante des Haupttons ist, bildet einen Seiteusatz,
*) Manche Unebenheit, die so^ar die Auffassung Mozart's bisweilen zweifel-
haft machen könnte^ gehört dem untergelegten Text an und ist im Originaltext nicht
vorbanden.
488
nach dem in einem einigen Ausdruck des gegenseitigen GefShb der
Hauptsatz im Hauptton wiederkehrt, zweistimmig und homophon, aber
mit einer gelegentlich eigenthümlichem Zeichnung der zweiten Stimme.
So ergab sich die zweite Rondoform*
Als letztes Beispiel diene das erste Duett dieser Oper, in dem wie-
der zwei Liebende , aber mit getrenntem Interessen auftreten. Sextus
ist nur von seiner Liebe erfüllt und durch sie bestimmt, jedes Verlan-
gen der Geliebten zu erfüllen ; Vitellia begehrt Wiedereinsetzung auf
den Thron, den Titus ihr vorenthalte, und wird sich nur dem Wieder-
hersteller ihrer Rechte geben; das Interesse beider ist nicht ein gleiches>
aber ein verknüpftes und in der leidenschaftlichen Erregung beider
noch inniger zusammenschmelzendes. Dieser Inhalt bestimmt die Form,
aber eine andre als die bisher aufgefundnen.
Sextu^ spricht seine Bereitwilligkeit für Vilellias Willen aus, sie
ihreFoderung; er in einem periodischen Liedsatz inFdur, sie in einem
Liedsatz in Cdur, gleichsam Haupt- und Seitensatz. In kürzerer Wech-
selrede , die das Orchester mit laufenden Figuren (gleichsam statt des
Ganges) begleitet, fuhren beide Singende diese Partie (Andante) zu
einem orgelpunktartigen Schluss auf der Dominante des Haupttons.
Hätte es der Inhalt erlaubt, so konnte nun der Hauptsatz wiederholt
und das Ganze als Rondo zweiter Form geschlossen werden. Allein
noch fehlt der Brennpunkt, in dem beide Gemüther — und beide Stim-
men zusammenschmelzen. Diesen gewähren die Verse :
Fao mille affelti iosieme
Battag^lia ia me spietata,
Uli* alma lacerata
Piü della niia dod v^k.
Jedes der Verspaare giebt eine Periode, in der beide Stimmen ho-
mophon mit einander gehn; dann werden dieselben Worte in einem
dritten Satz in kanonischer (übrigens natürlich leicht gehaltener) und
nochmals in einem viertenSatz in freierer Nachahmung vorübergefährt,
und endlich wird mit beiden geschlossen. Dieser ganze zweite Theil
der Arie (AUegro) mit seinen vier oder, den Schluss mitgerechnet, fünf
Sätzen steht durchaus in Finr\ Tonart, Fluss und Bewegung, Aehn-
lichkeiten in der Gestaltung des Einzelnen und Stimmung machen ihn
bei aller Mannigfaltigkeit des Inhalts zu einem einigen und festznsam-
menhängenden ; die vielgliedrige Form erinnert an eine Tb. III. S.5I0
betrachtete Motetten form.
Von hier aus sind
2. die mehr als zweistimmigen Solosät^e,
ämlich das Terzett, Quartett, Quintett n. s. w., sowie
489
3. das Gesang-Ensemble,
10 dem zu melirern Soiosümmen auch noch der Chor Irilt, fer-
ner die meist noch umfasseudem Zusammensetzungen versehiedner
Sätze:
4. die Introduktion,
und
5. das Finale,
die zur Einleitung und zum Schluss grösserer musikalischer Werke,
z. B. der Akte und Theile von Opern, Oratorien u. s. w. dienen und
in denen Solostimmen allein oder mit Chor verbunden zusammenwir-
ken , nach ihrer formellen Beschaffenheit — und so weit sie noch in
den Kreis nnsrer Betrachtung gehören, aufeufassen.
In allen diesen Formen bestimmt der Text : welche Personen ver-
banden, welche abwechselnd oder gegen einander auftreten, ob und wo
der Chor sich ihnen unterstützend zugesellen , allein eintreten, zu den
Solostimmen einen Gegensatz bilden, — ob und wo zwischen dem Ge-
sang reines Orchesterspiel für Zwischensätze, Einleitungen u. s. w.,
oder in selbständigen Ausfuhrungen (z. B. Märschen und Tänzen) ein-
treten soll ; nach dem Texte bestimmt der Komponist, welcher Ausdeh-
nung und Gliederung sein Werk für den Inhalt bedarf, weicher For-
men er sich einzeln oder aneinandergereiht zu bedienen , wie er die-
selben auszuführen und zu verketten, wie er die verschiednen Sätze
unter die Stimmen zu vertbeilen hat.
Hier, wo alles auf den besondern Inhalt ankommt und kaum ein
Fall dem andern gleicht, tritt die Lehre zurück und überlässt den Jün-
ger dem Studium der Meisterwerke und dem eignen Nachdenken. Soll
sie aber den Meister bezeichnen, dem wir eben in solchen Aufgaben die
reichsten und vollendetsten Vorbilder verdanken, so nennt sie den
Namen
Mozart.
Er nahm die Formen der Introduktion und besonders des Finale
aus den Händen weniger Vorgänger und Zeitgenossen (unter denen ihm
in dieser Hinsicht Cimarosa wohl am nächsten steht), erweiterte zu-
gleich und kräftigte sie durch energischen Zusammenschluss der ver-
schiednen Partien, aus denen sie zusammengefügt sind. Frei und geist-
reich im Spiel mit allen Formen, darum kurzgefasster und doch befrie-
digender in jeder Partie, — fugte er sie in gePälligem , leichtem und
doch sicherm Ebenmaass , als der geschickteste Baumeister im luftigen
Reiche der Melodien , zusammen und wusste fast immer den Bau in
490
schwungvoller Krönung zu schliessen. Keiner seiner Nachfolger —
auch Beethoven nicht — hat in dieser Hinsicht einen wahren
Fortschritt gethan; er scheint geradehin unmöglich; denn Massenthiir-
aiuttg(wieMeyerbeer namentlich im „Peldlager^^ ungeheuerlich voll-
bracht) ohne jepes architektonische Bbenmaass, ohne jene Anmuth und
schwungvolle Erhebung ist eher Rückschritt, durch die üppig wildern-
den Gelüste unsrer Restaurationszeit dem nachgiebigen Künstler abge»
presst. Darum muss der Jünger auf jenes glücklichere Vorbild zurück-
gewiesen werden.
Allhang.
Erläuterungen und Zusätze
zum
vierten Theile.
A.
Die Orgel zur Begleitung von Kirchenmusik.
Zu Seile 41.
In der Eotwickelung der Lebre haben wir die Orgel nur in derje-
nigen Richtung ihrer Wirksamkeit betrachtet, für welche der Kompo-
nist tbätig zu sein beruren wird. Es versteht sich, dass die An-
wendung der Orgel zur Begleitung und Leitung des Gemeinegesangs,
sowie die nach dem engsten Bedürfniss und Herkommen des Gottes-
dienstes zugeschnittenen Zwischenspiele (wenn auch von Zeit zu Zeit
Cboralbücher ^^mit Zwischenspielen^^ verfasst und herausgegeben
worden sind) und ähnliche kleine Improvisationen in der Kompositions-
lehre keine weitere Berücksichtigung finden können. Das dafür vonsei-
ten der Lehre Nöthige ist bereits in der Elementarlehre und bei dem
Choralsatz (Tb. I. S. 294, Tb. II. S. 186) gegeben.
Allein in einer Beziehung kann die Aufmerksamkeit des Komponi-
sten noch auf die Orgel gelenkt werden ; nämlich in der Benutzung der
•
Orgel zur Begleitung von Kirchenmusik.
Eine solche Begleitung kann vom Komponisten ausdrücklich ge-
foderty oder sie kann von dem Dirigenten bei Aufführung einer Kirchen-
musik nach freiem Ermessen hinzugefügt werden. Beide Fälle sind
nach derselben Grundansicbt zu beurtheilen.
Wir haben schon bei der Auffassung der Orgel als selbständiges
Instrument erkennen müssen, wie arm sie im Vergleich mit den andern
Mnsikorganen an Mitteln für den Ausdruck lebendig bewegten Gefühls
ist, wie starr und unlebendig die unabänderliche Gleichheit ihrer Schall-
kraft gegen den Wechsel von Stark und Schwach , Ab- und Zunehmen
der andern Organe ist, wie hierdurch auch die feinere und mannigfalli-
gere Zeichnung des Rhythmus unerreichbar bleibt, oder doch nur sehr
unvollkommen durch andre Vortragsmittel erlangt wird, die schon
desshalb nicht zu Gunsten der Orgel in BeU*acht kommen , weil sie den
andern Organen ebenfalls, und den meisten noch obenein yoUkommen
zu Gebote stehen. .
Wenn sich dies schon bei dem selbständigen , unvermischlen Gc-
brauch der Orgel fühlbar macht: wie viel mehr wird es empfindlich
494
werden, wenn neben der unlebendigen Orgel lebenvollere, — wir
möchten sagen, gemüthvollere Organe, Orchester und Gesang wirken
und ihre biegsamen , verschmelzenden Töne , ihre voUkommne Beto-
nung, Schatten und Licht ihrer Forte- und Piano-Sätze, ihre ausdrucke
volle Melodik uns gleichsam zwingen zum Vergleich, uns das Hin *>
eindichten von tieferm Ausdruck, den das Orgelspiel nicht giebl
(S. 38), unmöglich machen ! In solchem Verein lebendiger und starrer
Stimmen muss Leblosigkeit der letztern doppelt ungünstig empfunden
und muss — was das Debelste ist — die gemüthansprechende Leben-
digkeit der andern Organe gestört werden durch das Eindringen des
Leblosen. Den wachen Sinn trifft dabei ein Eindruck, als wenn sich,
etwa durch einen Zauber, Steinbilder in den beseelten Reigen Leben-
diger mischten.
Hierzu kommt noch ein Zweites. Soll irgend ein Organ zur Wirkung
kommen, so ist es vernunftgemäss, es — wenn auch nicht immer, doch
öfters, oder endlich einmal — in seiner wahren Kraft und Schöne gel-
tend zu machen. Dieses natürliche Begehr muss man sieh bei der Orgel
in ihrem Verein mit Orchester oder Chor versagen. Die Herrlichkeil
und wahre Macht der Orgel beginnt (S. 32) erst mit ihrem Vollklang. Das
volle Werk oder wenigstens eine starke Registratur, die den eigentli-
chen Orgelklang hervortreten lässt, — dies in breiten, ruhig ge-
führten Massen, das ist ihre eigenthömliche Wirksamkeit; hier ist sie
das hochwürdige Organ der Kirche, allen andern Instrumenten weit
überlegen, durch keines zu ersetzen oder zu erreichen.
Aber eben in solcher Weise kann die Orgel im Verband mit an-
dern Organen nicht angewendet werden. Das stärkste Orchester und
der grösste Chor würden den Vollklang oder auch nur starke Registra-
turen eines nur massig starken Orgelwerks nicht ertragen ; sie würden
von ihm verschlungen oder doch so zermürbt werden , dass ihre Wir-
kung kleinlich erschiene. Man muss daher, um die Orgel nur überhaupt
gebrauchen zu können, sie ihrer eignen Kraft und Würde berauben^
muss sie herabsetzen zu einem schwächern Organ , als die Masse der
übrigen Organe. Dies ist eine wohl ohne Weiteres ebenso klare als
Iraurige Nothwendigkeit. Zum Ueberfluss vernehme man als Zeugniss
die Vorschriften eines erfahrnen Organisten , über die man wenigstens
nicht weit wird hinausgehen können. Seidel*) räth, zur Begleitung
der Kturgischen Gesänge „im Manual zwei, auch drei Sfüssige, im Pe-
dal eine 16- und eine Sfossige Labialstimme^S zur Begleitung der Kir-
•cbenmusik ,,im Manual ein einziges Sfüssiges Gedakt oder dergleichen
Flöte, für's Pedal einen Subbass (eine gedeckte, schwache, sanfte
Stimme) 16 Pusslon noch mit einer Sfüssigen gedeckten Stimme'S —
wenn die Orchesterbässe schwach sind , noch ,,Violon 16 und 8 Puss
*) S. 141 seines «ngefülM'ten Handbacbs.
495
oder Oktavbass 8 Pass^* binzazufugen, — wenn die Bässe ganz fehlen
und blos durch das Orgelpedal gegeben werden sollen, y,alle 8« und
löfüssigen Register (aaeh noch — aber nicht gern — Superoktave
4 Fass) desselben, mit Ausnahme der Robrwerke'^ (also der bellen
Stimmen) zu ziehen. So ängstlich beschränkt ein von seinem Instru-
ment begeisterter Mann (S. 12) dessen Wirkungskraft; und in der
Hauptsache gewiss mitRecht, wenn man auch bei grosser Besetzung des
Orchesters und Chors (wie er selbst andeutet) über sein Maass ein wenig
binaasgehen darf.
Aliein — auch die Schwächung und Erniedrigung der Orgel bringt
noch kein gutes Verhältniss hervor. Der Ton des dumpfsten Registers,
so lange er nur irgend vernehmbar bleibt, wird in seiner Unwandel-
barkeit endlich die stärkste Besetzung der Orchesterstimmen, — die be-
weglich , unslät , ab* und zunehmend , ungleich sind wie alles Leben-
dige, — überwinden oder doch beeinträchtigen. Der stärkste Schlag
der Streichinstramente hat nur in einem Moment (S. 247) seine höchste
Kraft , das helle Geschmetter der Trompeten und Posaunen hat seine
Ebbe, seine Momente des Nachlassens, während ein einziger Ton im
Violon 8 Fuss, oder gar in einer Oboe oder Trompete (wenn man zu
Rohrwerken greifep wollte) in unerschöpflich gleichem Schalle fort-
wirkt und die Momente des Nachlassens im Orchester als Schwächen
empfinden lässt.
Hierzu kommt noch als letzter Entscheidungsgrund der der Orgel
eigenthümliche , von der Weise des Orchesters oder Chors so w*esenl-
lich abweichende Styl. Gerade die eigenthümlichsten Züge des Orgel-
satzes (man blicke auf die in Nr. 11 und 12 mitgetheilten Pugenthe*
mate) sind ungeeignet für Orchester und Chor, und so meist umgekehrt;
so dass im Verein beider widersprechenden Elemente bald das eine,
bald das andre sich zu fremden Zwecken hergeben , oder die Orgel in
wahrhaft obligater Behandlung einen noch hartem Ankampf gegen Or-
chester und Gesang fähren muss.
Aus diesen Gründen erscheint uns die Benutzung der Orgel neben
Orchester und Chor ungünstig und unkünstlerisch. Wenn äussere Ver-
hältnisse (z. B. der Mangel eines Orchesters) zur Benutzung der Orgel
nöthigen , so mag Jeder zusehn , wie er sich mit ihnen abfinde und die
Missstände der ungehörigen Vereinigung möglichst ausgleiche oder
verberge. Ein äusserlicber Zwang aber vermag weder das für die
Kunst in ihrer Freiheit als richtig Erkannte zu widerlegen, noch in der
Kunstlehre sich Rücksicht zu erwerben.
Auch das entkräftet unsre Ansicht nicht, dass in früherer Zeit die-
Orgel zu den Kirchenmusiken gespielt worden ist, dass namentlich
Händel sich derselben bei der AuiTuhrung seiner Oratorien bedient
hat, und zwar nicht zu blossem Generalbassspiel , sondern zo eigen»
thümlicher — also oft obligater Begleitung und zu Solosätzen. Ma»
496
tritt dem grossen Meister und seinen Zeitgenossen nicht za nahe, wenn
man annimmt, dass der Sinn für die Klangwelt, also für den Klang und
überhaupt das Wesen der Instrumente in ihrer Zeit noch nicht so hell
erweckt und verfeinert gewesen, als in einer Zeit, die iniHavdn's,
M 0 za r t's , B e e t h o v e n's Schule erzogen worden , in der die Instra-
mentalmusik erst zu ihrer Vollendung gekommen ist; denn jeder Kunst-
ler, auch der grösste, steht unter den Bedingungen der Zeit, ist mehr
oder weniger ihrer Schwächen und Mängel theilhaftig*) und kann nicht
das, was eine spätere Periode im Leben der Kunst an Renntniss«
Kunstmitteln und Kunstbewusstsein erst entwickeln soll, schon in sich
haben. Sodann aber war namentlich in HändeTs Zeit das Instrumen-
tale noch auf einer so niedem Stufe der Enlwickelung (es scheint sogar
in England, für das H ändel seine Oratorien schuf, ärmer an Mitteln ge-
westn zu sein, als in Deutschland), namentlich im Chor der Blasin-
strumente so weit hinter seinem jetzigen Bestand und Geschick zurück :
dass es noch eines besondem Organs zur Ergänzung bedurfte; und
das konnte kein andres sein , als die Orgel, — das mechanisirte
Blas -Orchester**).
Auffallender ist, dass einer der grössten Instrumentisten, Beetho-
ven, die Orgel ausdrücklich für eines seiner letzten und tiefsten Werke,
für die grosse Messe in /^***), gewählt und in der Partitur neben den
vollen Chor des modernen Orchesters gesetzt hat. Die höchste Vereh-
rung, die wir dem Meister dank- und lieberfüllt zollen, darf indess nicht
die Selbständigkeit eignen Urtheils verkümmern, dürfte dies nicht,
selbst wenn wir nicht — in dem Beetbove n'schen Werke selbst unsre
Ansicht bestätigt und bestärkt fanden, wie allerdings der Fall ist.
Denn: wie bat nun der Meister die Orgel benutzt? Werfen wir
nur einige flüchtige Blicke in seine Partitur.
Da findet sich erstens auch nicht eine einzige Stelle, in der die
Orgel zu einer selbständigen obligaten Wirksamkeit benutzt wäre.
*) Wer tich mit dieser Aosicbt io Bezug auf Hä o d e Ts Orcbestratioo za ver.
sSbnen oötbig bat, der gebe aar nocb ein Jahrhundert weiter znröck ood nebe, wie
da allelDStrnmeote zu MosserMassenwirkaogöber einaader gehäuft oder wiederum
za beriooderm Aoadrock ganz vereinzelt verbraucht wurden, wie aeaerdings
Meyerbeer wieder bervorgenucbt bat.
**) In neuerer Zeit sind, namentlich durch Meudelssobn, Händerscbe Orato-
rien mit dem nicht vermehrten Händel'scbeu Instrumentale (Muzart u. A. haben
bekanntlich Oratorien instrumentirt) nnd zugefügter Orgel aufgeführt worden, und
man bat die Eigentbümlichkeit und Würde dieser Darstellungsweise gerühmt. Das
Brstere — und dass man nun das Werk wie zu H ü n d e Ts Zeit gehört, — mag zu-
gestanden , auch die Würde eines Zusamnienklangs von Orgel und grossen Chor-
und Orcbestermassen mag nicbl in Abrede gestellt werden. Aber die Versehmel-
zuDg und Lebendigkeit reinen Orebesterspiels mosa dabei beeinträcbtigt werden.
***) Op. 113, Partitur bei Schott in Mainz.
497
während jedes Orchesterinstraraent zu seiner Zeit auf das Tiefsinnigste
und Wirkungsvollste hervortritt. Die Orgel ist nur begleitend.
Zweitens ist selbst die Begleitung der Orgel sehr eingeschränkt.
Sie giebt z. B. bei dem ersten Eintritt (S. 2 der Partitur) den vollen
Akkord an und schweigt dann (jsenxa Organa^ — der neben diesen
Worten fortlaufende Orgelbass scheint nur für .den Nothfall gesetzt)
bis zu dem Eintritte des Chors , dessen dreimaligen Anruf Kyrie sie
mit drei vollen Akkorden begleitet; später werden einzelne Sätze ge-
neralbassmässig , andre so wie die Zwischensätze zwischen jenen An-
rufen Mos mit dem Orgelbass begleitet oder geleitet; in dem bewegt
und polyphon geschriebnen Ckriste eleison Gnden wir nur den Orgel-
bass im Einklang mit dem Basse des Orchesters. Zu dem feurig erreg-
ten Gloria geht die Orgel lange Zeit nur in Oktaven mit dem Basse des
Orchesters, dazwischen hat sie einfache Generalbassbegleitung; bei dem
pax hominibus schweigt sie, in dem fugirten in gloriaDei begleitet sie
mehr oder weniger vollständig die Chorstimmen. Und dies bleibt der
Wirkungskreis der Orgel durch das ganze Werk ; wo ^it nicht schweigt
oder blos den Bass zu unterstützen hat , wird sie generalbassmässig
oder doch nur zur Verdoppelung der Chorstimmen (und dies nur aus-
nahmsweise) gebraucht.
Das ist nicht die Weise Beethoven's, dessen Instrumentale —
besonders in den letzten Werken — durch und durch beseelt , bis in
das ärmste Instrument hinein individualisirt, zu eigenthü'mlicher Bedeu-
tung eines jeden Organs durchgeistet ist. Die Orgel steht in Beetho-
V e n's Partitur, aber sie war nicht in seinen Schöpfnngsmomenten mitge-
genwärtig und ist nicht von seiner Schöpferkraft mitergriffen und miAe-
seelt worden. Er hat sie zugesetzt, entweder blos in der abstrakten
Vorstellung, dass seine heilige Messe auch von dem vorzugsweise
kirchlichen Organen mitgefeiert werden solle, — oder gar nur durch
die äusserliche Rücksicht auf unvoUkommne Orchesterbesetzung, um
den zu weiten Raum der Kirche würdig zu fällen ; in diesem Falle war'
es also nur eine vorgeschriebne Generalbassbegleitnng, um den Miss-
griffen einer improvisirten vorzubeugen.
Marx, KoDip.L. IV. S.Auü. 32
498
, Methodik der lostrumentationslehre.
Zu Seite 43
Es scheiot hier ooibwendig, weoi^steps eiaen flücbtigeQ Blick aur
die methodisobe Seite der Lehre voo der InstrumeDla-
tioQ zu werfea, die une gerade in diesem Theil der ganzen ünlerw^*
suug von besondrer Wichtigkeit: zu sein dünkt.
Eine mehr oder weniger reiicbe Uebersicht der Orchesterinstru*
mente ist (von ällern Lehrbüchern aus der Zeit vor dem jetzigen , seit
J. Haydn datirenden Zustand abgesehn) von Swoboda, Sundelin,
Gassner*), H.ßerlioz**), Zamminer u.A. gegeben und mit nütz-
lichen Winken über Behandinng , Zusammenstellung u. s. w. begleitet
worden. Hieraufwar die TbätigkeitdergenanntenMänner vorzugsweise
gerichtet. Was hingegen die Einführung und (Jebung in der Kunst des
Instrumentirens selbst anbetrifft, so wurde hauptsächlich auf Beobach-
tung bei der AaiTuhrung fremder Werke , auf Partiturstudium und Er-
labrung, die man an eignen Werken sammeln könne, gerechnet. Dass
es kein Lehrer bei dem miipdjfcben Unterricht an Winken , Zurecht-
weisungen u. s* w.. wird haben fehlen lassen, versteht sich ^ hierüber
ist indess nichts Näheres miUulheilen , weH das von der Persönlichkeit
und dem Gutbetinden j^des Lehrers abhängt und nirgends bestimmte
Kunde davon gegeben ist. Nur das Eine ist zufällig znr Kenntniss des
Verf. gekommen, dass häufig Lehrer die Uebung in der Instrumeqla-
tion dnniit einleiten , Klavierkompositionen für das Orchester einrieh-
ten zu lassen.
Will man Instrumentation stadiren oder lehren, oder die Lehrme-
thoden prüfen, so mnss man vor allen Dingen die Beding^ngen fiir das
Fach in's Auge fassen, ünerlässiich ist
1. Kenntniss der einzelnen Instrumente nach ihrem technischen Ver-
mögen und ihrem Klange,
2. sichere Vorstellung vom Zusammenklang verschiedner Instru-
mente ;
hülfreich ist
3. Beobachtung an fremden Werken, Partiturstudium,
4. Erfahrung an eignen.
*) PartiturkeoDtniss.
**) Grand traiti iVinsfrutneniatwfi, mit deatsebertJebersetznog bei Scblesio-
^tv in Berlin.
499
Wm nuD zanaehst iit eraie Bedingiuig anlangt 9 so ist besonders
in Hinsiebt aaf Schall and Klang der InstroiaeAte eigne Beobachinng
ohne Weiteres unentbehrlich zu nennen; schon desswegen, weil keine
sprachliche Mittheiluug für sich allein im Stande ist, den Klang, über-
banpt die Wirkangsweise der Instrumente zu yersinnliehen ; jedes Wort
bleibt nur Andentung, jedes Gleichniss oder sonstige Redemittel hat nur
theiiweise Richtigkeit, kann nur für den berichtigend und fruchtbar
werden, der schon sinnliche Erfahrung mitbringt. Auch wir haben da^
her alles Ernstes (S. 4) stetige und atifmerksame Beobachtungen in
diesem Bereich anempfehlen müssen. Diese Beobachtuigen werden
übrigens (wir haben schon darauf hingewiesen) besonders zu Anfang
sicherer und fruchtbringender bei unbedeutenden Auflühruugen, als bei
künstlerisch bedeutenden angestellt; denn die letztern reissead^n Hö-
rer mit sich fort, erfüllen ihn mit dem Geiste des Kunstwerks und ziehn
ihn von der Beobachtung der Einzelheiten, -^ dieses oder jenes einzel-
uen Instruments, in der Höhe oder Tiefe, im Forte oder Piano u. s^ w.
ab. Bei Militair- oder Garlenmusiken , in Virtuosenkonzerien, — > kurz
überall, wo der Gegenstand der Aufführung weniger bedeutend ist,
kann der AnPänger am ungestörtesten beobachten.
Indess können diese Beobachtungen für sich allein noch nicht als
Schule dienen ; sie sind nur Vorbereitung und Unterstützung des eigent-
lichen Studiums. Dies wird Jeder an sich erfahren haben oder noch er-
fahren , der sich bios aus solchen Beobachtungen zur Instrumentation
befähigen will. Schon dass man wisse, was eigentlich und wie be-
obachtet werden solle , worauf es bei der Instrumentation ankomme»
schon das fodert Studium und Nachdenken ; dann sind die Fälle so man-
nigfach verschieden, dass das blosse Beobachten wohl zumlüachmachen
und Machahmen, nicht aber zur freien eigenthümlichen That und Weise
fordern kann, worauf doch in der Kunst zuletzt alles ankommt.
Auch das ist höchst forderlich, wenn ein Komponist mehrere In-
strumente spielt; an ihnen wird seine Beobachtung eine durchdringen-
dere und sichrere sein. Indess ist diese Uebung- auf mehrern Instru-
menten nicht von jedem sonst zur Komposition Berufenen zu erlangen;
dann aber kann unvollkommne Bildung für ein Instrument — und wie
Wenige haben Zeit und Beruf zu einer genügenden für mehrere! —
leicht über dasselbe täuschen, indem man es für mangelhaft hält, wo
nur das eigne Geschick maugelt, oder umgekehrt ihm Unstatthaftes zu-
muthet, in der Voraussetzung, dass ein grösseres Geschick als das
eigne das für uns Unausführbare vollfuhren könne.
Die Erkenntniss einzelner Instrumente dient der Vorstellung
vomZusammen klänge zur. Grundlage ; dass Beobacbtung des Zu-
sammenklangs bei Werken, die man hört, hinzukommt, versteht sich.
Dieser Beobachtung ist ein weites Feld geöffnet; wie viel ist schon in*.
strumenUrt 1 und auf wie vielfache Weise 1 Allein die Beobachtung ge-
32*
500
nögt nicht gegeotiber der uDerschöpIten Rohe möglicher Zasammen-
klänge; die Phantasie mnss weiter arbeiten. Sie kann dies auf zweier-
lei Wegen, auf dem Wege rein-materialer Mischungen, der sein
höchstes Ziel im Herausfinden neuer Kombinationen erblickt, und auf
dem acht künstlerischen , der auf die Idee der jedesmaligen Aufgabe,
statt auf abstrakt neue Aeusserlichkeiten gerichtet ist, und auf dem jedes
Instrument als ein eigner selbständiger Organismus , als eine der Per-
sonen im grossen orchestralen Drama auftritt und wirkt und seiner
Natur gemäss hier mit andern sympathisch verschmilzt, dort sich
andern spröde , ja feindlich erweist, — jener der Weg aller Effektjä-
ger, namentlich der ganzen neufranzösischen Schule, dieser der Weg
der deutschen Meister von Haydn bis Beethoven und die sich die-
sem Anschliessenden.
Die nächste Stutze fiir die Kunst der Instrumentation ist nach jenen
ersten Bedingnissen Partitnrstudium. Welcher Lehrer wird seine
Wichtigkeit verkennen und welcher ächte Kunstjunger die Bekannt-
schaft mit den Meisterwerken entbehren wollen? keine Lehre kann und
will dieses Studium überflüssig machen, sondern muss vielmehr in ihm
ihre Stütze und Vollendung erkennen , nachdem sie zu ihm hingeführt
hat. Aber vorbereitende Lehre mnss begreiflicher Weise vorausgehn
und das Partiturstudium fortwährend geleiten, weil die Partitur nur
sagt, was der Meister gethan, nicht warum er es gethan und was
wir in ähnlichen oder andern Fällen zu tbun haben, und der sich selbst
überlassene Schüler Jahre verlieren würde, um nach schmerzlichem
Irren vielleicht endlich dahin zu gelangen, wohin die Lehre den
kürzesten Weg weist. «
Es kommt hierzu noch , dass die Kunst der Instrumentation selbst
bei sonst ausgezeichneten Künstlern noch keineswegs so feststeht, als
andre Seiten der Kunstbildung, — und dass sie besonders bei den älte-
sten Meistern zum Theil von mancherlei äussern Umständen abhing,
die sich aus der blossen Partitur nicht sofort ergeben. Händel ent-
behrte einen Theil unsrer Instrumente und rechnete dafür (S. 496) auf
die Orgel, die bei uns nur in seltenen AusnahmsfäUen zur Anwendung
kommt. Seb. Bach hat zahlreichere Instrumentarten angewendet, als
Händel. Aber einige (zum Theil von ihm selber erfunden) sind
ausser Gebrauch, andre (z. B. die Trompeten) sind so umgestaltet
und in ihrer Technik verändert, dass man von ihrer damaligen An-
wendbarkeit auf die jetzige keinen Schluss machen kann. Sodann —
und dies ist die Hauptsache — ist bei den alten Meistern das Instru-
mentale noch weit entfernt von jener Selbständigkeit und Freiheit , die
es durch und seit Haydn erlangt hat; es ist meist begleitend. Bach
z. B. wählt seine Instrumente oft höchst eigenthümlieh , zu dieser oder
•jener Arie eine Laote oder eine Laute und Gambe im Einklang, oder
Bass und zwei Flöten oder zwei Oboen u. s* w. Aber diese Auswahl
501
bleibt aan für den ganzen Satz stereotyp; der Meister, von der Vor*
stellang seines Haoptinstroments, der Orgel, erfüUt, bebandelt sein Or-
chester ebenfalls wie eine Orgel , hat im Pedal Violon 16 und 8 Fnss,
im Manual Flöte oder Oboe oder Trompete gezogen , und fuhrt nun
diese Stimmen folgereobt und beharrlich durch. — Diese Meister und
der schon weit freiere Gluck haben, wie sich yon so hoch begabten
und gebildeten Künstlern von selbst versteht, auch in der Instrumen-
tation (Bach namentlich auch in den Orchester-Suiten u. s. w.) Herr-
liches und Wirkungsreiches gegeben; gewiss ist auch ihre Instrumen-
tation mit dem Wesen ihrer Komposition in solchem Einklang , dass
man nicht ohne Missverstand und Nacbtheil daran ändern , etwa neue
Instrumente zusetzen könnte. Aber ebenso gewiss genügt ihre Weise
nicht für die ganz veränderte Richtung und Aufgabe unsrer neuen
Musik und ihrer ganz veränderten orchestralen Ausrüstung.
Erst mit Joseph Haydn wird die Instrumentation ein wahrhaft
freier und selbständiger Organismus. Nur dass auch bei ihm öfters die
schwächere Besetzung noch vonEinflnss scheint; wahrscheinlich würde
er seine Flöten nicht so oft mit den Geigen , die Bratsehen und Fagotte
nicht so oft mit den Bässen haben gehn lassen , wäre sein Streichquar-
tett hinreichend stark, wie das unsrige, besetzt gewesen. Es genügt
dieser Hinblick (zu dessen Schluss nur noch der andre vollendete Mei-
ster in der Instrumentation, Beethoven, zu nennen ist), um wenig-
stens nachdenklich zu machen über den Erfolg eines ohne Vorbereitung
und Leitung unternommenen Partiturstudiums.
Haben wir die Verweisung auf eigne Beobachtung und Partitur-
stndium ohne weitere Lehre unzureichend befunden , so möchten wir
die auf eigne Versuche mit dem Orchester fast grausam schel-
ten. Wo hat denn der junge Musiker Gelegenheit, so viel Versuche mit
dem Orchester anzustellen*) und wie oft soll er sich denn vor denAus-
*) Eis nenerer Lehrer scbläst vor, der Sebfiler solle eiooB Säte voa 4 Takten
konpoaireo und deoselbea handertmai instromentlreo ; das gHhe 400 Takte, die
vott Orchester ans GefaUigkeit oder für wenig Geld ihm in einer halben Stande
vorsespielt werden könnten. — Der Vorseblas scheint praktisch, ist es aber nicht
and ist vor ailem darchaas ankönstlerisch. Vor allem würde diese halbe
Stonde mit hondertmaUser Instramentalyeranderang desselben Satzes wahrhaft
sinnverwirrend vorüberstürmen » der Schüler würde (wenn wir aneh doppelte Zeit
and die Hälfte der Ao%abe setien) nicht wissen^ was er gehört und getban and ge-
wollt. Dann müsste seinem (Jrtheil jeder Anhalt fehlen. Denn in der Instramenta-
tion wie in der Kunst üherhanpt ist jede Gestaltung nur nach ihrem Zwecke nach
der Idee des Satees xu bestimmen und xu ermessen; es giebt (Tb. I. S. 15) nichts
absolut Falsches oder Riehtiges ; der Probesate könnte aber keine Idee hinter sieh
bähen, weil er eben nur Probesatz ist ohne bestimmte künstlerische Richtung. Kun,
der Vorschlag lüuft auf ein ganz äusserliohes und darum unkünstlerisches Experi-
mentiren hinaus , das gerade Gegentheil vom künstlerischen Schaffen und Wesen.
Der Künstler hat sein bestimmtes Ziel im Geiste vor sich; dem strebt er su mit aller
502
übenden blosstellen und ihre Geduld nussbrauchen, ehe er nur einiger-
mästen festsiebt? Und wie soll er, bevor er eine gewisse Sicberlieit
und Reife erlangt hat, nnbefangen über die Wirkung an seinem eignen
Werk urtheikn? wie oft wird er die Fehler der Instrumentation dem
Gedanken seiner Koropositioo beimessen oder umgekehrt die Ungeeig*-
netheit seiner Gedanken für das Orchester der Anordnung des instru-
mentale, oder gar der Ausführung! wie oft wird die von einer Anflnh-
rung besonders, für den AnPäRger unzertrennliche Aufregung ihm die
Schwächen und Fehler der Instrumentation verbergen! Wie zweifelhaft
wird ihm bei wirklieb entdeckten Schwächen der Sitz des Fekkrs und
die Weise der Verbesserung bleiben !
In der Tbat haben wir vielleiebt nur darin Unrecht, die Nothwenr-
digkeit einer gründlichen Anleitong tarsi noch des Beweises bedürftig
zu achten ; sie kann nur von unerfahmen und unbedachten Lehrern
rerkannt, oder nur, um die Schuld der Vernachlässigung abzulehnen,
bestritten werden.
Diese Anleitung kann sich aber nicht. auf bbsseMittheilungen über
das Vermögen oder auch den Klang der Instrumente beschranken , sie
muss die Verknüpfung und Verschmelzung derselben aufweisen , in die
Praktik selbst einrühren , den Jünger in der Instrumentenwelt ebenso
heimisch machen und zur Herrschafl erheben, als die Formlehre in der
Formenwelt. Die Organe des Orchesters müssen unmittelbar Organe
seines eignen Geistes werden; er muss in ihnen leben und aua ihnen
heraus schaffen , nicht ein abstrakt Ersoiftnenes hinterher ihnen anpaa-
Kraft des Gemütbs, nur das will er. Er kann dabei irren ; daoo, weoQ er es gewahr
wird, strebt er auf den rechten Weg zurück. So inuss der Kuostjünger von Aofang
an gerichtet und geleitet werden, nicht e rfit nnlcünstlerisch , mit dem Vorbehalt,
nachher einen andern Menschen, einen Künstler ans ihm zn machen , oder wer-
den zu sehn. Man lernt nicht erst auf dem Trocknen schwimmen, sondern gleich
im Wasser. Der Knnstjöoger, — das übersehn die mei.sten Lehrer in Verhängnis«-
voller Weise, — ist von Anfang an nach Beruf und Streben Küasller (gleichviel,
was ihm an Rünstlerbildung fehlt) und als Künstler zu fassen und zu behandeln.
Sobald and soweit mau iba anders fasst, etwa als Meehaaiker oder Teehniker, bil-
det man ihn nicbt zum Künstler, sondern verbildet man ihn nod leitet ihn von der
Rünatlorbabn ab.
Dies maas für jediea KunsAlebrer Groadsatz sein; wer das ntobt einsiebt, muss
Pädagogen z« Halbe aiehn, kein einsicfatigier Pädagog wird einen andern Graedsalz
aufstellen. Dann aber bewahre sieb die Paebkenatniss oad Bidsiebt dee Kaestleh-
rers darin, mit diesem Grundsätze die atuFoBweise Ausbildeng des Jüngers zu rer*
eiabaren. Jede A.nfgabe, die er dem Jünger setzt, mats eine kinatierlseht sein and
mit künstlerischem Sinne gelöst werden^- So haben wir hier gffiraebtet, den Jünger
vorwärts zu leiten vad allmähUob in den Besitz aller Mittel und Kräfte zu setzen.
Selbst die lebrreicbe A.»fgabe, denselben Satz in versah iedoer Weise zu instranea-
tiren, darf nicht fehle» , muss aber künstleriscb, niebt als änsserliobes
Herumvarsaehea, gestellt and gelöst werde«. S. B^ indel sie die reehte
Stelle, Anregangen schon früher.
. «HS
— — ^ VVPV — — —
mm und «ofdrittgeo wollen. Diese b«be Aafgabe , die Usber mir iroii
sweien ansrer Meister, von Haydo und Beethovea, votlkottiiieo
g0M5t scbemly dft?f nicht jahrel^ttgeiiK Saeb^D ood Vergiichett, orit dem
Jeder gteichsam von Neuem anfängt, «bertassen Ueiben.
Am verkebrleslen sebeint uns endlieh jene Weise der Ant^tiing,
die dem Schöler fremde Ktaviersächen sor Umarikeilung ^ das Orohe^
stergiebt. Sind sie gnl geaetit, so werden sie eben desswegeti für Or-
chester niehl geeignet sein , da bei dem rechten Kiinstter die Idee das
Organ bedingt und umgekehrt dieses auf die Ausgestaltung jener riick*
wirkt. Traf aber auch die Aufgabe auf geeignete Werke, so wtrde
doeh der Jänger gerade von dem, was die vornehmste Bedingung deä
Gelittgens ist, at^ewendet'; er würde nicht dabin gefordert, das Kaust-
werk in seiner Einheit, Gedanken und Organ als ein Einiges gleichzei-
tig zu fassen, sondern förmlich genöthigt, beide abstrakt auseinander-
zuhalten.
Auf wirkliche Anletiung zum Instrumentiren sind nur Reichs ,
Berlio2 und Lobe ausge^ngen. Berlioz ist bemöbt, nebeo reichen
Hittkeiluttgen über Technik (hr Instruiunile den Karakler derselben im
EitazelBea treffend, ja Usweikn mit dichterisch^iebeudiger Bindringlicb«
keit*) zu sdnldem. Dann aber* tritt das Prinzip seiner Kompositions-
weise and seines musikalischen Scaddpunkts überhaupt heran und giebl
seiner Lehre eioeWendong, der wir — auf dem Standpunkte der deut**
sehen Kunst ^ ans nicht anschliessen können. Sein Stamiponkt und
setn instrumentationsprinzip können nwt dem einen Ausdruck b<»mo-*
pbon bezeicbaet werden. Die Instrumente sind ihm nicht persöniieb
geworden , sie sind ihm war Mittel zum Ausdruck dessen , was er in
Melodie ind Begleitung zo sagen hal. Kommt es nun darauf an, die
Natur und Bedeutung eines aoMien Mittels zu erkennen und in den
Meisterwerken Gluek's und Andrer nachzuweisen, so steht ihm die
glücklichste Anschauung, die feinste Verständniss, eine oft hinreissende
Sprache zu Gebot, — wie sie selten in unserm Felde gehört worden
ist. Sobald er aber weiter schreitet, zeigt sich neben den geistreich-
*) VoD der Geige z. B.sagt er: ,,Da8 ist die wahre FraaeDstimnie dea Orehe-
•tera, leideasehaftlich zngieicb aod züchtig, herzzerreisseod nud lieblich , die
Stimme, welche weint nnd schreit and klagt, oder siogt aod bittet aod träumt, oder
io Freadentöne aasbricht, wie keine andre es vermöchte. '^ Und von der Flöte in
Glnck's Orpheus, in der stnmmen'Scene in den elisäischen Feldern: ,, Anfangs iat
sie eine kaum vernehni'bare Stimme, von der es scheiot, als rdrcbte sie sich gehört
ZV werden ; daira'seafzt sie leise anf, erhebt sich bis znm Aceent des Vorwurfs, des
tiefen Schmerzes, Ja bis znmSehrei eines von unheilbaren WundeazerfisaeneoMer«
zensy bis sie allmählich in die Klage, ia da» Setafzeo, in das kummervolle Murren
eiher ergebenen Seele zurüekrallt.** Wir folgen hier der bei Breitkopf und Härtet
erschienenen Aasgabe: H. ft erFioz, die Kunst der Instrtimentation^ Sber^etzt von
hei Irre et , In itr i&i Wesentliehe dea grt^d ir&iU zu finden isC.
SfH
8ten EinblickeD, dass ihm die Instmaiente niobl, wie auerii Meistere
und besonders dem von ihm so hooh gestellten Beethoven, lebende
Organismen , liebevoll und treu geleitete Personen im grossen Drama
des Orchesters geworden, sondern blos mechanische Apparate geblieben
sindi die er geschickt zu verbrauchen denkt, wie Farben zu einer schoa
ohne sie fertigen Zeichnung. So schilt er den Gebrauch von vier glei-
chen Hörnern ungeschickt; er will nicht blos Paare von versehiedner
Stimmung, sondern jedes einzelne Hom soll in einem andern Tone
stehn, weil dann — viel mehr Harmonien vollständig gegeben werden
können. Dass aber diese Harmonien in ihrer Vollständigkeit dem Ka-
rakter des Horns nicht entsprechen , dass das Hörn (wie die Naturbar-
monie schon lehrt) seinem Wesen nach Zweistimmigkeit und selbst bei
drei- und vierfacher Setzung im Wesentlichen keinen andern Inhalt be-
gehrt, als den der Zweistimmigkeit: das verbirgt sich ihm (so gewiss
sein dichterisch erschlossener Geist auch hier hätte leicht eindringen
können), weil es seinen musikalischen Zwecken nicht dient. In gleicher
Weise wünscht er, sobald er vom Klang eines Instrumente ergriffen —
hingerissen ist, gleich Massen dieses und andrer entgegengesetzter in
Anwendung zu klingen ; da soll eine Anzahl Harfen nach oben , «ne
Schaar Flöten nach unten sich bewegen, eine Anzahl Pianoforte's eine
dritte Bewegung ausführen, — und das alles gleichzeitig. Nur schade,
dass Effekte, die so gewonnen werden können, mit dem Veriust jeder
dramatischen oder dialogischen, — jeder polyphonen Entfaltung (das
Kunstwort im weiten Sinne genommen, vergl. S. 388) erkauft werden,
dass in diesen breitangelegten Schimmermassen alle individuelle und
reiche Lebensentfaltung untergeht. Es ist dasselbe Streben, aus dem-
selben Grunde hervorgegangen und zu demselben Ziel hinführend, wie
die Behandlung, die das Pianoforte von den neuesten Virtuosen erfi&hrt.
Wir werden noch. einmal darauf zurückkommen müssen«
c.
Posaunenarten.
Zn Seite 62.
Wir haben hier noch einige Bemerkungen über die Arten und den
Tongehalt der Posaune nachzutragen, weil das oder jenes noch heut' an
einzeben Orten Anwendung finden mag, oder sonst einmal der Erwä-
gung werth ist.
1. Die Diskantposaune.
Früher war noch eine vierte Posaunenart, d^e Diskantpo-
saune, üblich, von gleicher Rohrlänge , also gleiobem Tonfioss mit
605
der Altposaune , aber engerm Kaliber des Rohrs (engerer Mensur)
und dadurch geeignet, die Höbe herauszubringen. Die Naturtöne der
Diskantposaune konnten füglich bis ^ —
benutzt werden, dagegen war schon das hier zuerst notirte es der en-
gem Mensur wegen nicht wohl zu erlangen. Man brauchte diese vierte
Posaune in Verbindung mit den andern dreien zur vierstimmigen Be-
gleitung der Choräle. Doch hat schon Gluck zu ähnlichen Zwecken
(z. B. zum Trauerchor in seinem Orpheus) statt der Diskantposaune
Kornette gebraucht. Jetzt ist an ihre Stelle die Ventiltrompete (S. 95)
getreten. In künstlerischer Beziehung muss uns nach dem S. 70 Vor-
getragnen diese Posaunenart entbehrlich erscheinen.
2. Die Altposaune.
Bisweilen, — man versichert es uns von der sächsischen Militair-
musik, — wird die Altposaune in höherer Stimmung (also mit kärzerra
Rohr) gebraucht, so dass Ihre Naturtöne diese sind, —
h- -•-
t^^^^P^B
mithin ihre Tonreihe nach der Höhe eine Stufe gewonnen, nach der
Tiefe eine verloren hat. Ob die in F stehenden Posannen engere Me»*
sur haben und dadurch geeigneter sind für die Ansprache der hohem
Töne, wissen wir nicht, müssen es aber vermalben.
Allein für Orchester, für künstlerische Aufgaben seheint uns die
tiefere Stimmung, mit deren weiterer Mensur auch grössere Fülle des
Klangs verbunden ist, der höhern mit ihrem bei gleicher Behandlung
nothwendig spitzem und gepresstera Klang entschieden den Vorzug zo
▼erdienen, zumal in den höhern Tonlagen die Trompeten (so viel ihr
Tonsystem erlaubt) den Posaunen zur Unterstützung oder Fortsetzung
dienen. Die mittlem und tiefen Töne der in Es stehenden Altposaune
genügen vollkommen im Verein mit Tenor- und Bassposaune, die Har-
monie in den wirkungsreichsten Lagen erschallen zu lassen , reichen
auch für die ohnehin ßr dieses Instrument seltenem Solo- oder polypho-
nen Sätze gut aus, so dass es zu den seltensten Fällen gehören möchte,
wenn ein Komponist aus triftigen Gründen in. die höchsten Töne
der Altposanne in Es steigt und noch höhere, als die wohl erlangba-
ren (S. 66) fodern muss. Da nun ohnehin die ^«-Stimmung, so viel
wir wissen, die bei weitem verbreitetere ist, so haben wir im Lehr-
gang nna auf sie alleiA eingelassen.
506
3. Die Tenorbassposuuue.
Es ist einer von den betrübenden EinflüsseDy den die fraazösiseh-
itatische Musik bei ihrem Eindringen in unsre Bohnen geäussert, —
und ein Einfluss, der tiichl so bald überwunden und beseitigt werden
wird , wie seine Ursach' ! — dass unser Orchester durch die Richtaog
jener Musik, ja selbst durch ihre Mangelhaftigkeit in den Mitteln viel-
fällig verderbt worden ist. Die zu hohe Stimmung des Orchesters , die
hinaufgetriebnen Tenöre und Bässe , die für alle Launen und Einfalle
des Kompositeurs zubereiteten Veniiltrompeten und Ventilhorner, die
bald unsre körnigen und karaktervollen Naturtrompeten und Nalurhör-
ner zu verdrängen dröhn, werden noch länger an die Zwischenzeit, in
der unsre Oper jetzt steckt, erinnern. So soll auch die Basspo-
saune, die unsern Nachbarn für Brust und Lippen zu mächtig ist,
gleichfalls in deutschen Orchestern durch ein leichteres Instrument,
durch die Tenorbassposanne, ersetzt werden.
Die Tenorbassposaune bat den Fussten (die Robrlänge) der
eigentlichen Tenorposaune; ihre Naturtöne sind also ebenfalls die
hier —
62
T^-rV^jr
bei a. aofgefohrten. Nur ist ihr Rohr von weiterer Mensur und darum
ihr Rla»g nicht allein voller , sondern auch die Ansprache ihrer Tiefe
leichter und günstiger.
Allein bei alle dem ist ihr Klang und ihreSchalHcraft nicht gleich de-
nem der Bassposanne uffd — was die Hauptsache — sie verliert eine volle
Quarte, alle in Nr. -/^ bei b. aufgeführten Basstöne, auf die unsre Mei-
ster so oft gerechnet, die auch wir so schwer und ungem missen möchten
und für die wir schlechthin keinen Ersatz finden, da keines der andern
Blasin&tmnente den Klang lind Karakter der Posaune hat und zum GWrder
Posaunen u-nd Trompeten den gleichartigen Baas abgeben katm« Am
wenigsten ist die Eohe, welche die Tenorbassposanne vor derei^entlivhen
Bassposaune varaus hat, Ersatz. Diese Höhe besitzen wir ^ und zwar
erreichbarer — schon in der Tenorposaune; es ist also kein künsÜeriL-
scher Chrund vorhanden, durch ein eingeschobenes Ji/^le-mtZ/^tf-lnstru^
ment zwei reine nnd festausgesprocbene Karaktere zu kompromittiren.
Es scheint uns ebensowohl im Interesse aller iienern, wie der vor-
angegangenen Komponisten deutscher Zutige, dass jeder an der rechten
und reichen Besetzung des Posaunenchors hnlte nnd, so viel er vermag,
die Verderbnng des Orchesters. abwende. Auch die Bassposaunisten
müssen es ehrenhafter finden , eine eigenlUmlfche «und nneraHzIiehe
507
Rolle zu «bersebraeii, als eine auf der einen Seite unxureiehende und
auf der andern (bei gleichen Mitteln) nothwendig tibertroffen wer-
dende.
4. Qttintbass.
Früher hat man zwei Arten der Bassposanne gehabt, den Quart-
bass (Quarlbassposaune) und den Qnintbass. We erslere Art ist die
noch jetzt übliche , eine Quarte unter der Tenorposaune , auf F
stehende, deren Naturtöne wir S. 62 in Nr. 62 aufgeführt haben. Die
Quintposaune (Quinlbassposaune) stand eine Quinte unter der Tenor-
posaune, hatte mithin diese Naturtöne, —
62 71^^=1- L_:=rr^^mr=:
folglich in der Tiefe eine Stufe gewonnen , in der Höhe eine verloren«
Dieser Gewinn (Rontra-A und -H) scheint uns nicht erheblieh genug,
um zwei Gattungen (und zwar die eine tiefere in der Tiefe schwerer
ansprechend) neben einander festzuhalten. Noch weniger rathsam
scheint es, an der Stelle der Quartpo:»aane die schwerer zu behan-
delnde Quintposanne zurückzuführen; dann war' es folgerecht, die
Altposaune ebenfalls eine Quinte über (Ke Tenorposaune, also auf JP
zo setzen und hiermit den Posaunenchor unvortheilbaH auseinanderzu"*
legen. Indess bei der Aichtnng nach der Höhe ist ohnehin an die Wie-
dereinführung des Quintbasses nicht zu denken.
5. Die tiefste Tonlage der Posaunen.
Wir haben schon S. 62 in^er Anmerkung auf den bei dem Ton-
Sfstem der Posaune (Nr. 62 bis 64) ausgelassenen Urgrundton hinge-
wiesen. Dieser ist auf den drei Posaunen, die wir S. 62 ab feststehend
angenommen haben, der hier —
62 ^i::
« 12 3 4 5 12 3 4 5
bei a. für die Bassposaune , bei b. fiir die Tenor-, bei c. für die Altpo-
saune notirte. Fügt man diesen Tönen noch ihre Folge durch die fünf
Züge zu, so erhält man für die Tenorposaune die bei d., für die Altpo-
saune die bei e. notirten fünf Töne, so dass die Tenorposaune folgende
Tonreihe, —
Kontra-F, Fis^ C, Cw, Ay Ä, — Gross-F u. s. w., wie Nr. VV <••>
die Altposaune folgende Tonreihe —
Kontra-0, Ä, Gross-6*, Cw, 1>, Es^ — Ä u. &. w., wie Nr. -f^ e.,
erhalten würde.
508
H. Berlioz riHtoit namentiich för die Tenorposanne die üerem
vier Töne (B, A^ j4s^ G) , die er als y^uDgebeure prachtvolle Pedal-
töae'^ bezeichnet. Es ist jedenfalls dankenswerth und verdienstlich,
dass er auf diese Tonreihe zuerst aufmerksam gemacht hat, deren Vor-
handensein, wie er richtig bemerkt, selbst manchem Posaunisten unbe-
kannt ist; möglicher Weise kann dieser Tonregion einmal be-
sondrer Effekt abgewonnen werden. Demungeachtet können wir nicht
rathen, auf sie zu rechnen; die Gründe, die ihren Gebrauch höchst
bedenklich machen, sind von Berlioz, soweit sie der Technik des
Instruments entnommen werden, selbst anerkannt und auseinanderge-
setzt.
Schon der Grundton nämlich (also auf der Tenorposaune Kou-
tra-0) federt so viel Wind und spricht so langsam und schwer an, —
man denke an das ,,Flattergrob*^ der so viel kleinern und leichter zu
handhabenden Trompete! — dass keineswegs alle Bläser den Toa
sicher herausbringen , geschweige ihm einen vollen und festen Schall
verleihen können. Je tiefer man geht, desto mehr wächst die Schwie-
rigkeit der Intonation; vom Kontra- G^ bemerkt auch Berlioz aus-
drücklich, dass sein Klang äusserst rauh und sein Ansatz gewagt sei.
Alle aber können nur dann einigermassen Erfolg haben, wenn man die
ganze Stimme tief hält, also in die Region der Bassposaune tritt, —
wenn man bequem auf sie führt, z. B. zum Kontra-JS vom grossen B
oder F, — wenn man sie lange halten lässt, damit der Ton nur zum
Stehen komme, wenn sie einander langsam folgen und von Pausen zur
Erholung des Bläsers unterbrochen werden.
Und mit all' diesen Rücksichten und Opfern ist dann eine kleine
Reihe von Tönen gewonnen , die von dem Hauptsitze der Töne durch
den Raum einer Quinte getrennt sind, folglich in keinen freien melodi-
schen Zusammenhang mit ihnen treten können ; es ist dann ein Effekt-
mittel gewonnen von äusserst zweifelhaftem Erfolg.
Auf der Altposaune würden dieselben Töne etwas besser heraus-
zubringen sein, aber noch weniger Werth haben , da sie grösstentheils
auf der Bassposaune besser und sicherer zu haben sind. Auf der Bass-
posaune aber möchte ihre Erzeugung äusserst schwer und selten er-
langbar, wo nicht unmöglich sein.
509
Zur Karakteristik der Blechinstrumente.
Zu Seite 91.
Im Lehrgänge kann zunächst nur so viel aufgewiesen und zur
Sprache gebracht werden, 'als zur Kennlniss und Behandlungsweise der
auf dem jedesmaligen Standpunkte vorliegenden Instrumente erfbder-
lieh ist. Im Anhange dürfen wir freier gehn, manches Beispiel benutzen,
das neben dem bis zum gegenwärtigen Punkte Bekannten auch fremde
Elemente enthält, und mit Hülfe dieser Beispiele tiefer auf die Karakte-
ristik der Instrumente oder auf eigenthümliche Verwendungen derset
ben eingehn. So knüpft der Anhang Verbindungsfädea, die ans der
eigeutlichen Lehre in das Partiturstudium überleiten.
Passen wir nun zu solchem Zwecke den Chor der Blechinstru-
mente in seiner Gesammtheit in das Auge , so wüssten wir uns kaum
einer glänzendem Wirkung dieses Chors zu erinnern, als der im
Triumphmarsch im dritten Akte von Spontini's Olympia*). Hier galt
es, den heroischen Erzglanz der Krieger Alexanders mit asiatischem
Herrscherprunk vereint zu entfalten , den griechisch-morgenländischen
Fürsten (Kassander) im Schimmer der Hoheit und Liebe, im Geleite des
Siegerheers, vom Volk umjauchzt , aufzuführen. Zu dieser Scene bil-
den Trompetea (vier Stimmen , aber jede mehrfach besetzt), mit Hör-
nern (zweistimmig), Bassposaune und Basshorn unterstützt, in dieser
Weise —
1
100
I. II.
Trombe in D.
m. IV.
Conti in D.
Tromb. basso
« Corno basso.
Maestoso oon moto.
mi^i^utam
*) In Berlin wareo, so viel wir wissea, eioige cwaozig Trompeten nitwirkend.
510
die Eialeitang. Die grosge Biafaehheii in der Bebandlang, die erst bei
dem böbern Aufschwung der ersten Trompeten einen Gegensatz des
zweiten Trompetenpaars zulässt 9 gestattet eben dem Metallklang der
Trompeten die machtvolle Wirkung. Dass der Salz so lange in den
511
liefern 'noch AchaHstärikern Tonkg^n verweiil, erbdht diekriegeri^be
Feieriicbkeit und PrachL; die Slädrke der Besetzung*) komiiit der Ten«
deuz des Komponisten allerdings zu Hülfe.
Aehaliche Wirkung mit äbniichen Mitteln bietet die Bioleitimg
zu dem Cbor ^^Bachus Schlauch ist unser Brbtbeil^^ in fländeTs
Alejcanderfest mit Mozart's Instrumentirung. Hier sind es die
Höraer, —
100
Corni in F.
Trombe in F. <
TimpaniinF.C.
i^^^:
3^e|
>1="
igÜg^juss^fe^si
'^ V
die Melodie (uhren, und in ihre anmuthig ruhige Erhebung klingen
Trompeten und Pauken feierlich leise hinein**). — In beiden Fällen
(Nr. t^ und -{-f^} sehen wir, scheinbar im Widerspruch mit dem
*) lo der Zeit, wo Sponti ni nnd seine Olympia io beneidetem Glaoze stan-
den, war es besonders dieser Marsch, der zom Beweise dienen sollte, dass Spon-
ti ni betäubenden Lärm liebe and macbe. So wenig uns diese alten Händel hier
kümmern , so wollen wir doch aaf das dabei zu BrwMgeode hinzudeuten nieht
unterlassen, und bemerken Folgendes. Eine Trompete dringt bell, mächtig, scharf
und einschneidend durch eine ganze Masse andrer Instrsmente. Diese Wirkung
wird durch massenweise Anwendung der Trompeten nicht etwa mecbaniscJi
oder arttbmetiscb vergrössert, gkichsam multiplizirt, sondern sie wird verwaadelt:
der Glanz und die Macht ies Trompetenklangs werden erhobt und ausgebreitet,
aber dem Schall wird das Scharfe nnd Spitze genommen. So bohrt eine Schwert-
spitze leicht ein, aber viele zusammengelegte nicht. Es ist nicht das gr$sste Un-
reebt» das man Spoatini getban.
**) Wir erinnern uns ans dem Bericht über eine Aufführung des Alexander-
festes in Wien, dass (wenn wir nicht irren) 44 HÖrner, 12 Paar Trompeten und
8 Paar Pauken diese loirade jrtaittMtmo angehoben haben sollen. Die Wirkung
muss aufregend erhaben gewesen sein. — Dass in solchen Fallen das ganze Orche-
ster gleichmässig verstärkt werden niass, versteht sich.
512
S. 90 Gesagten , Trooipeten und Hdnier vereint. Allein im ietztera
Falle sind die Hörner selbständig gebraucht und die Trompeten werfen
blos ihre Glanzlichte in die mnthig, aber doch nur bedeckt erklingen-
den Hörner. Im ersten Fall aber sind vor allen Dingen die Trompeten
nach Stimmzahl und Behandlung*) überwiegend ; dann bilden Basspo-
saune und Basshorn ein vermittelndes Glied zwischen Hörn- und Trom-
petenklang und stärken und erhellen namentlich die untere Tonlage.
Endlich konnte hier nicht der scharfe und harte Trompetenklang zur
Anwendung kommen; es war nicht ein rauher Schlachtruf oder das
schreiende Gelärm wilder Kriegerlust, sondern der kriegerisch fürst-
liche Glanz eines Prachtzuges zu verbreiten. — Das Gegenstuck zu
dieser Anwendung des Blechs bietet ein kleiner Satz aus K. M. v. We-
be r's Euryanthe. Im Finale des zweiten Akts solILysiart, der falsche,
tückische Ritter , seinen Einzug in Burg Nevers halten. Nachdem die
Trompete des Thurmwarts ihn verkündigt, leiten vier /^-Trompeten
mit Pauken —
Pauken in D. A. (4 D-Trompeten. 3
100
^m
wm^fn
r #-
seinen festlichen Eintritt und Empfang ein. Hier war nichts als ein
Anklang an Ritterspiel und Ritterprunk — und wohl mag dem sinnigen
Komponisten bei dieser etwas gemein klingenden Intrade der gleissne-
rische, innerlich hohle und gemeine Karakter der einzuführenden
Person maassgebend geworden sein«
Ein Beispiel von Verknüpfung der Hörner und Posaunen entlehnen
wir der Alceste von Gluck. Die Götter wollen Admet'sTod und gegen
ihren Eigenwillen tritt in sittlicher Grossheit die Treue der Gattin, die
sich für den Gemahl zu opfern beschliesst, in Kampf. Dies ist das Pa«
thos der Tragödie, die Gluck unsterblich gemacht; es tritt am klar-
sten in AIcestens Arie ^^Divinites^*' im ersten Akt**) hervor. Schon
in der Einleitung —
100
Andftule,
P=^^^^^^^
^^33;^^j^J4-r-J ^'\i i
*
treten Posaunen und ^-Hörner, vereint mit Fagotten, Klarinetten und
Oboen, mit mächtigen, herausfodernden Rufen (es sind die ganzen
*) lrr«a wir oieht, so war aveh die Besettnog d«r Trompeten oBterSpeii-
t i tt i^s LeituBf fiberwiegend stilrker.
**) S. 84 der bei Des Lauriers heraosgekommeiien Partitur.
513
Noten im obigen Beispiel) in den GBug des Simehquartetts ; hier ist
also das Blech zwar überwiegend, aber mit uid^ Bläsern vereint«
Später aber, wenn die Macht der opferbereiten LieR Akeste höber er-
hebt, in diesem —
100 Hörner in B.
Posaunen»
m
m
Geigen and Bratsche.
Je n'in - Yo - 9[uerai point Yo-tre pi - ti^ crn - el - le,
Kontrabass.
..-jj-j^^-ij^zi^--
^^
IF
je n'in- Yo-querai point,
je n'in-
und dem zweiten lebhaftem Satze « verbinden siehPosauBen und Hör*
ner — ohne Bfitwirknng der andern Bläser — zu herausfoderndem
Rnfe. Hier wirkt also reiner BlechkUmg ; aber die Härte und Schmet-
terkraft der Posannen ist vom Homklang gemildert and die Gesammt*
Wirkung ist erhaben ohne alle Gewaltsamkeit, nuwklToU und doch
milde* Wenn die Sängerin an Macht der Stimne^ Edelämügkeit und
Tiefendes Attsdmoks ihrer Aufgabe gewachaea ist: so kann vielleicht
kein erhabnerer Moment, als diese Scene, au%efuflbden werden; gewiss
Marx, Konp. L. IV. 8. Aufl. 33
614
keioer, in dem die milde uad ernste Macht vereinten Hörn- und Posao-
nenklangs so einla^ and grossartig hervorträte.
Wir finden wMer den Raum , noch das Bedärfniss, Beispiele voa
glücklichen und sinnreichen Anwendungen des Blechchors zu häufen,
und beschränken uns gern auf die wenigen , die in so einfacher Weise
mächtige Wirkungen hervorgerufen haben.
Zur Karakteristik der Ventilinstrumente.
Zn Seite 95.
Der Kampf oder Widerstand , zu dem hier eine dringende Mab-
nung gegeben werden musste , hat — man muss es gestehn — keine
Versicherung des Erfolgs. Es ist gar nicht zu leugnen, dasser
gegen die in den letzten Jahren durch ganz Europa herrschend ge-
wordene Richtung des Musikwesens und die dadurch hervoi^gemfefie
Einrichtung vieler Ausübenden und ganzer Kapellen zu fuhren seil
wird; und gar schwer ist's, gegen eine ganze Zeitströmong ood
vollends gegen die schon merkbar gewordene Bequemung anzukämpfco.
Selbst der festeste Karakter, wie gern und leicht er sich auch zn Ent-
sagung und Opfer entschlossen habe, wird da oft bis in die Tiefes
seines Bewusstseins erschüttert , fragt sich betroffen , oh es nicht ver-
wegen und anmasslich sei, seine Meinung gegen die der grossen Mehr-
zahl zu setzen? — ob nicht wenigstens da oder dort der Streit auCsa-
geben sei? ^
Sei es nun auch dem Einzelnen unmöglich, die Verhältnisse
überall zu zwingen , so ziemt doch Jedem , für das Rechte nach Rrä^
ten zu ringen. Besonders aber ziemt dem, der Autheil an der Ausbil-
dung der Kunstjünger nimmt, denen ja die Zukunft der Kunst zunächst
— so weit Schicksal und Geist des Volkes gewähren — anvertraut ist:
überall die reine Ueberzeugung zu Tage zu geben, ohne ängstliches Vor-
herberechnen des Erfolgs. Und je mehr das, was uns als ScbwächBiig
oder Verwirrung erscheint, um sich zu greifen und einzuwurzeio
droht, desto ziemlicher, dringender und pflichtmässiger ist der Widci^
stand.
Die Venlifoirung der Blechinstrumente hat ihren Anlass in der
Wahmebmong, wie unvollständig die Tonreihen dieser Instrumente im
natürlichen 2«ustand — und wie schwer und unvollkommen die Luckei
ausfnllbar sind. Man wollte ihnen einen ebenso vollständigen Tooge-
515
halt gebeo , als den andern Blasinstramenten , wenn auch in engern
Gränzen, — und hat dabei ihrer Grnndkraft Abbruch getban und ihrem
Rarakter eine mit ihm selbst im Widerspruch stehende Ausweitung er-
Iheilt. Dies hat nun gerade die entschiedensten Karaktere, die Ab-
schwächung hat gerade die Organe höchster Kraft, die Mittel der höch-
sten und letzten Entscheidung betroffen. Dafür bieten sich diese Mittel
jetzt für jeden beliebigen Moment dar und werden gar gern für jeden
augenblicklichen Einfall benutzt. Dies hat zunächst zweierlei Folgen.
Erstens werden den modifizirten Instrumenten Gedanken zuer-
tbeilt, die ihrem zwar abgeschwächten, nicht aber ausgetilgten Karak-
ter widersprechen; das Waldhorn klemmt sich in Pagottwindungen
herum, die Trompete spinnt wie Herkules bei Omphale irgend eine
schäferlicbe oder sentimentale Lied- ohne -Worte-Melodie ab , etwa in
Cmoll, oder in einem Zwölftonarteniiede.
Zweitens wird durch das Eindringen der entscheidenden Kräfte
in jeden beliebigen Moment grösserer Kompositionen die Architektonik,
diese hochwichtige Maassnahme für die Wirkung im Grossen , in den
Grundfesten erschüttert. Wer nnsre grössern Formen (Fuge, Rondo,
Sonatenform) in das Auge fasst, erkennt, dass nach der Grundidee die-
ser Formen die Hauptmomente des Inhalts , in denen sich derselbe am
hellsten, entschiedensten, kraftvollsten ausspricht , auf die Hauptmo-
mente der Modulation, zunächst auf den Hauptton faUen ; hier bedarf
es der gesammelten und in sich gefesteten Kraft, hier bieten sich jene
mächtigsten Naturinstrumente zur geradesten und klarsten Mitwirkung
an und entscheiden durch die Cripfelung der Massengewalt oder durch
die heroische Helligkeit , oder irgend eine andre herrschende Eigen-
schaft ihres eigenthümlichen Wesens. Auch anderswo können sie dann
noch mitwirken ; dies geschieht indess beschränkt und in einer gewis-
sermassen verwegenen Weise, indem irgend einer ihrer Töne zur
Grondlage eines fremdem Modulationssitzes oder zu einem scheinbar
willkührlich gewählten Bestandtheil einer fremdern Harmonie wird.
Aber auch hier zeigen sie sich dann ihrem Karakter gemäss , nur von
einer andern Seite, bald gleichsam gewaltsam , bald fremdartig sich in
Verhältnisse mischend, die ihnen nicht ursprünglich zugewiesen waren.
So 6ndet mithin der einsichtige Komponist überall Anlass zu den natur-
gemässesten, treffendsten, geistreichsten Kombinationen; die materiale
Beschränkung selbst schlägt um in geistige Bereicherung ; — abgesehen
davon, dass ihm für ganz besondre Fälle doppelte Besetzung oder
Wechsel der Stimmung im Laufe der Komposition zu Gebote steht.
Dieses ganze Verhältniss wird geändert oder vielmehr geradezu aufge-
hoben, sobald uusre NatMrinslrumente ebenfalls zu Allerweltsleuten ab-
geschliffen werden , die sich überall und zu allerlei gebrauchen lassen
nnd dann auch, wie die Menschen eben sind, gebraucht und verbraucht
33*
616
werden*). Dass dies wirklieli der Gang der Sache geworden, ist aas
den neuem und neuesten Werken , besonders der französischen wäi
italischen Buhne (und den ihr zugewendeten deutschen), leider auf das
Unwidersprechlichste zu beweisen.
Nun aber hängt sich an diese nSchsten Polgen noch eine dritte,
die uns ebenso bedenklich scheint. Wenn nämlich der Karakter der
Naturinstrumente durch ihre Ventilisirung gebrochen und durch unke-
schränkte Verwendung geschwächt worden : so bleibt doch für jedei
Komponisten das Bedürihiss hervortretender Glanz- und Maehtmomenle
bestehn. Das kann dann nur durch den Zuzug neuer Instrumente ia
den Chor der Bleche befriedigt werden und hat Aniass g^eben zu der
Einführung des vollständigen Ventilchors, in dem man die hohen Ko^
netts (in B) als Diskant (Diskant-TViba), die £^-Kornetts als Alt (Alt-
Tuba), das chromatische Tenorhom als Tenor (Tenor-Tuba), die Bass-
trompete als Bass (Bass-Tuba), deoTenorbass als Bariton, die Tuba als
Kontrabass-Instrnment ansehn kann. Aber eben diese vollständige Or-
ganisation im Verein mit der Umgestaltong nnd Abschwäcbung des
Blechkarakters macht diesen Chor dem der Rohr- oder Holzbiasinslr«-
mente zu ähnlich und schwächt nicht Mos die Wirkung des letzten,
sondern auch den Gegensatz im Karakter beider Chöre. Auch in dieser
Hinsicht ist also das Karakteristische zurückgesetzt oder geschwächt,
das Materielle auf Kosten des Geistigen begünstigt worden. Und das
Letztere nicht einmal in vortheilhafier Weise. Ein reicher Chor voa
Trompeten ist das Glanzvollste, — mit Posaunen und Pauken nnte^
stützt , das Machtvollste und Herrlichste, was die Musik an Orchester-
mitteln aufzubieten vermag; der Zutritt der Tuben und andern Ventil-
oder Kiappeninstrumente verdunkelt den Glanz und stumpft die Macht
des Eindrucks ab, — er wirkt wie die Degenscheide, wenn sie die
blanke scharfe Klinge umschliesst.
Dass übrigens Ventilinstrumente in einzelnen Fällen**) die gän-
*) Mao könnte hier einwenden^ dass es ja vom Kompouisteo abbäosiS l^^^i^
sich der nozeitigen oder zu häufigen Anwendung zn entbailen. Aber om ebenso
viel giebt er dann die Vortheile der Ventilisirung anf ; will man sieh erst s« dieser
allerdings rathsamen Enthaltsamkeit verstehen , daoo wird man noeh waniger •■
kt«iaer und xweidevttger £inselgewione willea die Instramente abschwächen oad
verdankein lassen.
**) Hier mass wohl zunächst unterschieden werden zwischen solchen Ventilis-
stmmenten, die neu zu dem frühem Orchester zatreten (den Kornetts, den ehro-
matischen Tenoh- nnd Tenorbasshömern , den Taben «ad nach Belieben aoeh den
RIappenhom), and denen, die aas aehon rorhandnen Jnatramentem gaUldetstad
(Veotiltrompete, Ventilposauoe and Ventilboro) und die Natarinstraaente za ve^
dräogcn aachen. Die letztem sind es, die den Orchestern bleibenden Nachtheii
drohen; die erstem mag Jeder nach eignem Ermessen anwenden. Auch der Verf.
hat sich im Mose des chromatischen Tenorhorns bedient, das durch Milde aad
Kraft , durch ein voUatändiges Tonsystem von mehr als zwei Oktaven «ad seiaea
517
sligste Wirkung thiui köonen uod daun ebenso berechtigt sind , wie
jedes rechte Mittel für den recbteo Zweck : wer wollte das leugnen?
Nor dagegen ist Einspruch zu thun , dass um einzelner und seltener
Fälle willen das wesentliche Organ für die mächtigsten Orchestermo-
ntente geschwächt werde. Leichter wird man in jenen einzelnen Fällen
sich behelfen oder bescheiden können. Es kommt demnach in jeder
Beziehung durchaus darauf an , dass nur vorerst die Komponisten sich
eioe sichere und klare Anschauung von den Organen und ihrer Wir-
kungsweise verschaffen, dass sie wohl erwägen, wie viel sie aufgeben
müssen, um zu den Vortheilen der Ventilisirung zu gelangen , — und
wohin diese Vortheile ihren schaffenden Geist, nach dem Gang aller
menschlichen Dinge, fortzureissen dröhn. Dann wird in einer oder der
andern Weise das Rechte erlangt und erhalten werden.
Schliesslich sei noch Eins bemerkt. Man sollte meinen, über diese
Angelegenheit (nnd ähnliche) die sicherste Auskunft bei den Männern
vom Fach, hei den Ausübenden, zu erlangen. Dem ist aber nicht so.
Der ausübende Musiker muss noth wendig für das Instrument, das er
jahrelang geübt hat, Vorliebe haben, die um so fester wurzelt, je höber
die Virtuosität des Ausübenden gesteigert ist. Jeder Ausübende ferner
hat den natürlichen Trieb, gleichsam die ganze Musik, wie sie in ilmai
leibt nnd lebt, auf sein Instrument zu übertragen ; dies ist ein notbwen-
diger Ausflnss ans dem Grundtrieb nnd der Grundbedingung alles
RüDstlerlebens, das Innere in äusserer Erscheinung zu offenbaren, —
so karrikirt es auch von höherm Gesichtspunkt aus erscheint, wenn
jedes Instrument Alles sein soll, wenn das Fagott trillert und tändelt, der
Rontrabass Geige spielt und die Posaune sentimental seufzt und ftiUet.
Diesem Triebe kommt nun für den Trompeter und Hornisten die Ven-
zwisohen B»rn vad Posaune ttehendeo, also beide vereioeodea Kiaog vor den aiH
dero VeDtilinstramenteD ia vielen Fällen den Vorzog verdienen möchte.
Meyerbeer bedientsicb (wenigstens in seinen fdr Paris geschriebenen Opern)
sehr häufig der Vea tiltrompeteo, die nach uosrer Ansicht zu dea bedenkliebsten
von allen Ventilinstrumeoten gehören. Wie dies mitseioerganzen Richtung und dem
Binflasse zusamntenhSDgt, den seine lange Thätigkeit fdr die italische und fraiizf»-
sisehe Oper auf ihn gehabt, ist an einem andern Orte zu erörtern. Hier wollen wir
diastm fekeOy an wahrhaft spezifisch karakteristiachen Zögen überreiebear Geiste
gern zugestehn, dass jedes Mittel an seiner Stelle das rechte ist, — und zwar zu-
nächst in Bezug anf eine Anwendung der gewiss nicht mit Unrecht beschoUenen
Ventittrompeten. Wenn im vierten Akte der Hogenotten die fanatiscbenr Mönche
eiittreteD, um Schwerler und Dolche zum Meuchelmord ztr weihen, wird ibr Gesirng
mm sehe die Beilage IX «^ eingeleitet uod begleitet von aehreiertseheo oad doeh
gepreasteo Ventlitrompeten, die nur die Heftigk^t, nicht den edlen, beldenthümli-
eben Gang der Naturtrompeten an sich haben und ohnehin von Bratschen begleitet
und gedeckt sind. Es ist der KriegsruF tückisch bervorscbleicheoder Fanatiker in
der Priesterktttte. If. s. die In Paris bei Schlesinger erschienene Partitur {Entt&e
d^nurint*) S. Sil.
518
ülisirung hülfreich eotgegen ; was ihm bisher unmöglich oder schwer
gewesen, ist jetzt leicht ; er kann es der Klarinette und dem Pagott —
so ziemlich — gleichthan. Daher wird man selten einen Ausübenden
finden, der nicht fiir die Ventilisirung spräche. Fragt man ausdrück-
lich, ob nicht Klang und Schallkraft verloren habe, so bietet der Spie-
ler alle Sorgfalt und Krafl^auf , um thatsächlich das Gegentheil zu be-
weisen, — vergisst aber, wie viel mehr auf dem Naturinstrument er-
reicht werden würde, wenn man aufrichtig und gewissenhaft auch hier
die höchste Sorgfalt und Kraft bei der Probe anwendete. Wer also hier
zu einem sichern Resultat kommen will, muss die Ausübenden in unbe-
fangenen Momenten und mit eigner Unbefangenheit — und , wie sich
versteht, mit unablässigem Fleisse — beobachten.
Zur letzten Unterstützung in dieser höchst wichtigen, einen Le-
benspunkt für unsre Kunst vielleicht auf Menschenalter hinaus treffen-
den Erörterung kommt ein Zeugniss des Herrn Musikdirektor Wie-
p recht erwünscht zu statten, das derselbe in einem Bericht über den
Homvirtuosen Vi vi er im zweiten Jahrgang der Berl. musik. Zeitg.
(Nr. 50, 13. Dezbr. 45) in Bezug auf das Hörn abgelegt. Dieses Zeug-
niss hat die Bedeutung eines Geständnisses oder Zugeständnisses , da
der Herr Verf. für die Ventilinstrumente selber auf das Eifrigste thätig
gewesen, mithin eher für als gegen sie eingenommen sein muss, gleich-
wohl aber das Rechte, als es ihm gegenübertrat , erkannt und ehrlich
anerkannt hat. Wir geben seinen ganzen Aufsatz. —
„Das einfache Waldhorn, obgleich eines der ältesten Blasinstru-
mente, ist durch Vi vi er wieder eine durchaus ne ne Erscheinung ge-
worden.
Ursprünglich beschränkte man sich nur auf die Naturtöne dieses
Instruments. Die Hornisten in den Orchestern richteten beim Blasen
den Schallbecher nicht wie jetzt nach unten, sondern oben hinaus. Die
Wirkung des Tons war daher eine viel grossartigere , als die unserer
jetzigen Waldhörner.
Im Verlaufe der Zeit entdeckte man die sogenannten Stopflöne,
begnügte sich jedoch antänglicb nur damit, jeden Naturton, durch das
Eindrängen der Hand in den Schallbecher, einen halben Ton tiefer zu
machen ; später erweiterten die Virtuosen dieses Feld noch mehr und
stopften die Hand so tief in das Schallstück, dass die, einen ganzen Ton
tiefer als die Naturtöne liegenden Töne eine sehr gedämpfte, sordinen-
artige Tonfarbe erhielten. Wem sind die schönen Klangef*
fekte der stark angeblasenen Stopftöne des Waldhorns
in den Glnck'schen Opern nicht bekannt? — ff^ir sind der
Meinung^ dass das einfache fFaUthom^ so b^.handeltj in technischer
Beziehung ein unverbesserliches Instrument ist. Dieselben Bemer-
kungen gelten auch, beiläufig gesagt, für die uralten Zugposaunen.
Beide Instrumente leiden durch die Ventile. Das Wald-
51»
hörn kann der Ventile enibehren, weil es schon an sich dorch sein lan-
ges Rohr in der .vierten Oktave diatonische, und in der fünften sogar
chromatische Naturtöne besitzt; ja, es leidet durch die Ven-
tile an Kraft und Ton, weil durch seinen engen Röh-
renbau die Luft sich mehr durch die unlufldichten*;
Ventile drängt, als bei den Trompeten, Kornetten und
Tenorhörnern, deren Röhrenbau noch einmal so kurz und viel
weiter ist. Bei der Posaune sind die Ventile noch schädlicher, weil der
helle schmetternde Klang durch Veränderung der Posaunenform ver-
loren geht und das Piangendo nur durch einen beweglichen Zug aus-
fuhrbar ist. Es ist vielfach versucht worden , und ich habe durch die
Erfindung meines Piangendo's (eines spielbaren Zuges mit einer Druck-
maschine versehen) mich bemäht, bei. den Blechinstrumenten die Nach-
theile der Ventile mit ihren grossen Vortheilen auszugleichen; ich
glaube aber, dass dies eine Unmöglichkeit ist, und bin durch Hm. Vi-
vier's vollendetes Spiel zu der Ueberzeugung gelangt, dass, wie ich
vorhin schon aussprach , dies bei dem Waldhorn obendrein äberfiiissig
ist, weil es in seinem Naturzustande bei solcher kunstvollen Behand-
lung ein durchaus vollkommenes Instrument ist. Wenn an demselben
noch Verbesserungen möglich wären , so wäre es in akustischer Hin-
sicht, obwohl Hm. Vi vieres Waldhorn in seinem Schallbecher richtiger
konstruirt ist, als die jetzt gebräuchlichen chromatischen ; denn um die
Töne leichler stopfen zu können , ist man nach und nach von der ur-
sprünglichen Konstmktion des Schallstücks abgewichen, indem man es
immer mehr verengte. Wie aber der Ton durch dies Ver-
fahren an Kraft und Fülle verloren hat, hören wir,
wenn wir die Töne des chromatifichen mit denen des
natürlichen Waldhorns vergleichen. Andererseits ist nicht
zu leugnen, dass wir selbst vortreffliche Virtuosen auf dem chromati-
schen Waldhorne, wie z. B. Schunke, besitzen, die sich vor dem
Missbrauche der Ventile bewahrt und den Karakter des Instruments
möglichst festgehalten haben. *^
*) Loftdieht kann ein spielbar bewcgliehes Ventil niemals sein.
520
F.
Neue Ventilfamilien.
Za Seite 163.
Zu den in Deatschlaad üblichen Veatilinstruinenten, denen allen-
falls noch
das Piccolo
(Cametto piccolo) zuzufügen war', ein nur in der Kavallerie- UBd Ja-
genoBsik übliches Kornett in hoch Es^ steUeü sich in Frankreich noch
die Familien der Saxophone, Saxhörner, Saxtromben und
Saxiuben, die wir nicht genauer aus eigner Wahrnehmung, sondern
nur theoretisch aus Berlioz*) kennen, den Kornetten, Flügelhörnern,
Ventiltrompeten und Tuben gleich oder ähnlich gestaltete Instrumente
aus der Fabrik des geschickten Brüsseler Instrumentmachers Sax,
ihres Erfinders.
Die Saxophone sind Blechinstrumente von der Gestalt eines
parabolisch gebogenen Kegels, mit einem Klappensystem, einfachem
Mundstück und dem Sohnabel der Klarinette verseben. Schon der Bau
karakterisirt sie als Mitiel-* oder Mischgattung von Klarinette und FIü-
gelhorn. Berlioz bezeichnet ihren Klang als sanft und durchdringend
in der Höhe, voll nnd markig in der Tiefe, tief- ausdrucksvoll in
der Mitte, einen Klang ,^sui gener ü^^y dem Violoncell, der Klarinette,
dem englischen Hörn ähnlich, eine Halbfarbe des Blechs , — allerdings
eine eigenthumliche Erläuterung des sui generü. Das Instrument soll
leicht beweglich für nicht zu schnelle Passagen, besonders aber für
langsame, sanfte Sätze gunstig sein, da habe die Höhe etwas Klagendes
und Schmerzliches, die Tiefe grandiose, priesterliche Ruhe, das An-
schwellen und Verhallen der tiefsten Töne biete bisher unerhörte
Effekte, ähnlich der Expressivorgel ; die hoben Saxophone seien durch-
dringender als B' und C-, nnd nicht so scharf als ^s-Klarinetten.
Die Saxophone, erfahren wir weiter von Berlioz, können auch
Triller mit Ganz- und Halbtönen ausfuhren, mit Ausnahme von eis--
dis^ßs'-gisy C'-TT^ cts-dis^ c-d^ d-es^ es-fj e-f, — das heisst,
der auf diesen Stufen notirten Töne, abgesehen von der Verschieden-
heit der Stimmung.
Es sind nämlich von ihnen sechs Hauptstimmungen oder Arten
vorhanden, alle gleichgebaut, nur von verschiedner Grösse ; für alle
wird im 6-Schlässel notirt.
*) Berlioz: LechefePorehestre. Sehlesioger in Berlin.
521
Das Saxophone aigu (in Es) hat eine chromatische Tonreibe
— anf Noten von klein h bis dreigestrichen i/, erklingend als eingestri-
chen d bis dreigestrichen y*.
Das Saxophone soprano (in C) hat die Tonreihe von klein
h bis dreigestrichen d. Eine Seitenart ist das Saxophone in B^ ebenso
notirt, aber eine Stufe tiefer, von klein a bis dreigestrichen c, ertönend.
Hieraof^olgt das Saxophone alto mit der Ausdehnung von
klein h bis dreigestrichen y*, ebenfalls in zwei Stimmungen, in JPmit
dem Tonumfang von klein e bis zweigestrichen b , und in Es , einen
Ton tiefer; dann
das Saxophone ienore in zwei Stimmungen, in C mit dem
Tonumfang von gross ilT bis zweigestrichen y*(notirt im G-Scblussel als
klein A bis dreigestrichen y*), und in 0, einen Ton tiefer; femer
das Saxophone baryton^ notirt wie das vorige, in zwei
Stimmungen , in F mit dem Umfange von gross E bis eingestrichen &,
und in Es , einen Ton tiefer ; endlich
das Saxophone basse, notirt wie das vorige, in der Stim-
mung von C mit dem Umfange von KouVtsl-H bis eingestrichen es^ und
in der Stimmung von Bj einen Ton tiefer.
Dies sind sechs Arten mit elf Stimmungen.
DieSaxhörner (Saxhoms) haben nach Berlioz* Bericht run-
den, reinen, volltönenden, im ganzen Umfang des Instruments vollkom-
men gleichmässigen Klang. Sie sind, wie die Saxophone, in verschied-
nen Stimmungen vorhanden, die Noten werden im G-Schlüssel ge-
schrieben. Obenan steht
das Saxhorn sur-'aigu in C, Umfang den Noten nach von
c bis dy e, f, eine Oktav tiefer ertönend, und das in Bj einen Ton tie-
fer stehend, dessen tiefste Töne, unter dem tiefsten a, Berlioz als
schlecht , dessen höchste Oktav er als glänzend , fein , dnrehdringend
und klar bezeichnet ; dann folgen
Saxhorn-Sopranoy in Esj mit dem Umfange von a bis e^
notirt ^^ bis a,
Saxharn-Alto^ in A, Umfang 0-Ä^
Saxhorn-Tenorej in Es^ Umfang ji-gj
Saxhorn-Bary ton j in B, Umfang £-<^
Saxhorn'Bassej von gleichem Tonsystem, aber mit weiterm
Rohr und vier Ventilen , leichter in der Tiefe ansprechend,
Saxhorn-Contrabassej in £«, Umfang Rontra-^«-6,
Saxhorn-Bourdon^ in £, eine Oktave tiefer als das Sax-
hom-Baryton, — zusammen wieder acht oder neun Arten.
Die Saxtrompeten und Saxtuben dürfen wir übergehu. —
522
Was wir von deo VenülinstrameDteii gesagt , muss begreiflicher
Weise auch aaf diese Inslnimente , selbst wenn sie einzelne Vorzöge
haben , Anwendung finden.
Die Bassklarinette.
Zu Seite 125.
In neuester Zeit hat Meyerbeer in seinen Hugenotten und im
Feldlager in Schlesien noch eine besondre Art der Klarinette in An-
wendung gebracht,
^ die Bassklarinette,
deren Töne eine Oktave tiefer erklingen, als die der A-Rlarinette, so
dass die Noten —
129 ffl rTX
ä^
diese Töne
^^
4Di.
:t
bezeichnen*). Neben und nach ihm haben Wagner und Liszt sich
des Instruments bedient.
Der Klang dieses Instruments ist dem der gewöhnlichen Klarinette,
besonders dem stillen , sanften , etwas verblasenen Klang der Altkla-
rinette gleich, mag übrigens in den tiefsten Tönen einer grossem
Schallkraft theilhaflig sein, als der Verf. Gelegenheit gehabt, von ihr
zu vernehmen.
Der nächste Vortheil, den dieses Instrument bietet, ist Fort-
fährung des Klarinetlklanges in den tiefen Tonlagen, in denen derselbe
anders nicht zu haben ist ; so finden wir die Bassklarinette in den Hu-
genotten aus den hohem Tonlagen , die auch der gewöhnlichen Klari-
nette gegeben werden konnten, gleichsam unversehens und unvermerkt
(weil man nämlich gewohnt ist, die Klarinette nur in den hohem Ton-
*) Aneb die Btssklariaette ist ia zweierlei Stinmaogea vorhaaden, in der oben
angenommenen in if, und als Basaklarinette in £7, bei der die Noten —
_2_
129
^^
nSE:
: diese T5ne
gqFf#
it
bezeichnen. Die i?-Stimmang soll die gebräach liebere sein. Uebrigens kann man
aneb für beide Klarinettarten im Bassscblfissel notiren.
523
lagen za vernehmen) in die nur ihr erreichbare Tiefe hinabgeführt*
Wir geben hier —
12»
Clarinelte bassel
en 8i b.
Marcel.
Molto maestoso.
crescendo
^^ P cantabUe ' ^-. — ^ ^^^-^
(Yalenline et Raoul k genonz ; Marcel, debout
entr'eux, prie avant d'iiilerroger.)
^;
^
^^
St^ /
^^^
'^^^^
^
ÖE
Toix graye et severe
mgzz^
t severe. *)
T"i i 't cjy.^
te*^
S
vous, qu'en joignant vos mains dans ces te - ni
bres, je consacre et b^ - uis
le banquet des a-
1^ nSfrjT
cresc.^J^
-EJEL
n 1*
^X=t
j
»3=^
^^^=g.^a~§^ ,^1i;T=j:jP^
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et «es no - oes fn - ni
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524
^^-,-y „— 1^^
^s
'N'nna an _ vnna nn'jrn />4o1 «Anl
Noas sa - rons, qn'aa ciel senl
wenigstens den Anfang dieser Scene*), da nicht jedem Musiker Gele-
genheit gegeben ist, das Instrument zu hören oder die Partitur einzu-
sebn. In den ersten drei Takten könnte man meinen , nur eine (stär-
kere) A-Klarinette zu hören ; erst mit dem vierten Takte schreitet das
Instrument aus dem Bereiche der iS-Rlarinette heraus. Es sollte — wie
es scheint — mit seinen an Orgelklang erinnernden Tönen Lokalfarbe
verleiben der Handlung, die sonst unter kirchiieber Feier und dem
Walten des Priesters begangen zu werden pflegt, hier aber unter Waf-
fen, von einem alten Krieger aufgeführt wird , auf morddurchwütheter
Gasse , an Liebenden , die sich nur zum nahen gemeinsamen blutigen
Ende vereinen.
Sodann kann die Wirksamkeit der Bassklarinette erprobt werden
in Verbindung mit andern Instrumenten. Schon Ivan Müller, der
berühmte Klarinettist, trug sich mit dem Plan (oder hat er ihn ausge-
führt?), zwei gewöhnliche, eine Alt- und eine Bassklarinette zum Vor-
trag Haydn'scher Quartettmusik zu vereinigen; wobei nur die geist-
reich feine und bewegliche Komposition mit dem gesättigten, sentimen-
tal-sinnlichen Klang der Klarinette — und gar von lauter Klarinetten! —
in Widerspruch gerathen sein müsste. Auch Berlioz, der in seiner
ausgezeichnet scharfsinnigen Auffassung der Einzeleflekte die ,, schau-
rig drohende Wirkung, die schwarzen Accente regungsloser Wuth^S
die K.M. T. Weber der Tiefe des Instruments abgewonnen, und viele
andre Wirkungen wohl erkannt und bezeichnet, verspricht sich von
der Intonation eines cis-^e-g-b durch vier Klarinetten (zu unterst
in ^-Klarinetten) den Eindruck des Schrecklichen, der noch verdüstert
werden müsste, wenn eine Bassklarinette das tiefe G —
zusetzte.
Dass der Zusammenklang mehrerer Klarinetten, der Zutritt —
oder auch die abgesonderte Wirksamkeit der Bassklarinette in einzel-
nen Fällen einen eigentbümlichen und entsprechenden Eindruck machen
könne: wer wollte das leugnen? oder wer dürfte dem Komponislen
solche Mittel versagen? Für ihn kam' es zunächst auf die Frage an:
*) S. 877 lier Pirtitor. Die Scene ist avch mit dem kirehlieb solenoea Worte
^yiuterregßioire'^ iiberschrbJbea.
526
ob ihm so viel Mittel zu Gebote stehn und wiritlicb Dothwendig sind.
Meyerbeer hatte über die Mittel der Pariser und Berliner Oper
schrankenlos zu gebieten nnd in beiden Opern eine so weiterstreckte
Reihe der mannigfaltigsten Situationen, Effekte nnd Kontraste zn durch-
laufen übernommen , dass seine ebenso begünstigte wie beanspruchte
Stellung auch in der Oekonomie der Mittel nicht beschränkt werden
durfte.
Abgesehn aber von solchen ausnahmsweisen , zunächst aus der
Richtung der Pariser modernen Bühne hervorgegangnen Fällen scheint
uns der Gewinn, den das neue Instrument bietet, nicht von entschei-
dender Wichtigkeit. Die Blasinstrumente und namentlich die Röhre
haben einen so bestimmt ausgesprochnen , in sich so gesättigten Karak-
ter , dass sie eben durch denselben leichter und schneller befriedigen,
als die zu mancherlei verschiedenartigen Sinnes- und Ausdrucksweisen
geeigneten Streichinstrumente. Daher sind diese (S. 248) stets als
Hauptcbor des ganzen Orchesters zu betrachten und zu vollständiger
Wirksamkeit durch alle Stimmen vom Diskant bis zum Bass — mit
ziemlich gleichem Karakter zu besetzen gewesen; demungeachtet —
und abgesehn von den Verschiedenheiten des Klangs und der Behand-
lung, die aus der Verschiedenheit der Grösse hervorgehn — ist dieser
Chor des mannigfachsten Karakters , sogar kontrastirenden Ausdrucks
in demselben Momente (man denke an den Gegens9ilz von pizzicato und
coir arcoy von tremolo und cantabile u. s. w.) fähig.
Nicht ebenso verhält es sich mit dem Chor der Bläser. Es ist da-
her von grösster Wichtigkeit, dass derselbe durch innerliche Verschie-
denheit der Besetzung die Mannigfoltigkeit gewonnen hat, die dem
Streichquartett vermöge seines beweglichem Karakters eigen ist. Flö-
ten, Oboen, Klarinetten, Fagotte u. s. w. sind zwar als Robrinstm-
mente von verwandtem , doch aber unter einander durch Verschieden-
heit des Klangs u. s. w. von hinlänglich mannigfaltigem Karakter, um
(ur die verschiedenartigsten Beziehungen entsprechende Klangregister
darzubieten, wofern nur der Konlp^^nist zu wählen und zu mischen ver-
steht. Ja, in ihrer Verschiedenheit, selbst in der ünvQ|lständigkeit des
Tonsystems jeder einzelnen Art liegt bekanntlich ein Reiz zu stets eig-
nen und neuen Verknüpfungen, ein Reiz, der wegFällt, wenn eine oder
gar jede Art das Tonsystem vollständig besetzt.
Soll das Orchester ein vollständiges Klarinettsystem enthalten
(Bass-, Alt-, zwei oder drei höhere Klarinetten), so müssen den Oboen
englische Homer, den Fagotten Tenorfagotte, den Flöten höhere Flöten
und vielleicht die tiefere Fiute damowr zugesellt werden, damit nicht
der Klarioettklang allzusehr vorwalte, — was jedenfiills nur in einzel-
nen seltenen Momenten gerechtfertigt sein könnte. Dann muss ferner
der Chor der Bleche wenigstens verdoppelt oder verdreifacht werden, —
und so gerathen wir in eine Massenbafkigkeit der Harmoniemusik, die
52ft
alle geistvollere AnsfiiliniDg, alle Polfphonie hemmt, zo massenfaafler
Besetzung des Streichquartetts nöthigt und doch dasselbe zurückdrängt
und um die reizvolle Wirkung seiner Feinheit und Beweglichkeit bringt,
die Singstimmen aber, wenn sie mitwirken sollen, zu erdrücken droht,
oder wenigstens zu verdoppelter Anstrengung, höbern Stimmlagen und
heftigerm Vortrage nöthigt.
Es soll und darf, wie gesagt, weder dem berühmten Einführer der
Bassklariuette (und manches andern nicht üblichen Instruments), noch
irgend einem Komponisten ängstlich nachgerechnet werden, wenn er für
besondre Fälle besondre Mittel sucht und findet. Wir wollen uns nur da-
vor wahren, solche in einzelnen Fällen gerechtfertigte Mittel als allge-
meines Bedürfhiss anzusehen , oder übereilt für notbwendig zu achten,
wo es nur eines tiefern Einblicks bedarf, um die stets bereiten Mittel
genügend oder vorzüglicher zu finden.
Was die Lehre vermag.
Za Seite 132.
Es ist hier der letzte Ort, auf eine Doppelfrage zurückzukommen,
die der Kompositionslehre gleich bei ihrem Erscheinen und später aus
theilnehmendem sowohl, wie misstranischem Sinn aufgeworfen worden ;
die Frage : ob durch die Einwirkung einer verbesserten und vervoll-
ständigten Lehre nun wohl grössere Künstler und glücklichere
Schöpfungen hervorgerufen werden möchten ? — und ebenso : ob nicht
eben das die Entbehrlichkeit solcher Lehre beweise, dass auch ohne sie
unsre Meister geworden, was wir ewig an ihnen zu bewundem und zu
lieben haben? — « '
Theilen wir diese Fragen.
Ob unsre oder irgend eine gelungene und vollendete Lehre uns
einen neuen Mozart oder Beethoven schaffen werde? — Nein, ge-
wiss nicht. Keine Lehre kann Menschen schaffen, geschweige
ihnen den Genius einhauchen; die Lehre kann nur Menschen bilden;
— auch das nicht einmal : sie kann nur zur Bildung mitwir-
ken. Denn am Menschen bildet das ganze Leben, das er lebt und das
um ihn herum lebt und auf ihn einwirkt; seine Geburl und Körperlich-
keit, seine Eltern und die sonst Nahestehenden oder Mitwirkenden,
seine ganze geistkörperliche Entwickelung und Erziehung , seine ge-
sammte Bildung , seine Umgebungen , Erlebnisse, — Alles, was das
kurze Wort Leben umfasst, wirkt und macht den Menschen. Und
527
in diesem tauseiidföltigeD Eins ist die Lehre ein einziges Moment. Wie
könnte diese Eins im Tausend alles Cebrige nicht blos ersetzen» son-
dern zuvor wirkungslos machen, um dann aus sich die Wirkung von
Allem zu leisten?
Jede Lehre, durfte sie sich auch für die denkbar vollkommenste hal-
ten, kann sich in Bezug auf einen gegebnen Zögling nur als ein einzel*
nes Moment im gesammten Leben desselben erkennen und verpflichtet
achten ; — ihre Aufgabe ist keine weitere und andre, als : dasjenige,
was ursprüngliche Anlage und Leben an Bildungsstoff gewähren , für
den Zweck der Bildung zu organisiren und zu ergänzen. Hat sie das
auf die sicherste und vollständigste (nicht blos äusserlich vollzähligste,
sondern auch tiefste oder tiefstwirkende) Weise gethan , so ist ihrem
Berufe genügt ; ein Weiteres vermag sie nicht , hat sie also auch nicht
zn verantworten. Von dem Kunstlehrer ist also nicht zu fodem: dass
er jeden Schüler zu einem Künstler gleich Mozart oder Gluck mache $
sondern nur: dass er ihn so weit entwickle, als der Inbegriff seiner
Persönlichkeit und seines Lebens (also auch seiner Lebensverhältnisse)
es möglich machen *). Wie viel aber hierin und hierzu die Lehre ver-
mag, das wird wohl hin und wieder aus Unbedacht oder Eigensinn an-
gezweifelt, im Grund' aber von Jedermann ohne Ausnahme für wahr
und gewiss erkannt; Niemand wird sich oder den Seinen mit Bedacht
die Lehre entziehen, oder die Methode und den Lehrer, die ihm die
bessern scheinen, willkührlich gegen eine von ihm geringer geachtete
vertauschen.
Hiermit ist im Grund' auch die zweite Präge beantwortet. Jede
besondre Lehre oder Lehr- und Bildungsweise kann für diesen oder
jenen Einzelnen entbehrlich sein. Denn das, was heute noch das Leben
mir nicht zugeführt und was heute die Lehre ergänzen sollte , kann
mir ja morgen auf irgend einem nicht vorherzuwissenden Wege zu-
kommen; die fordernde und fruchtbare Ordnung, welche die Lehre in
den Bildungsgang zu bringen hat , kann theilweis' ertappt oder durch
günstige Verhältnisse und einzelne zufällig Einwirkende gefordert , —
oder ihr Mangel durch verdoppelten Zeit- und Kraftaufwand unschäd-
lich gemacht werden.
Zur Erläuterung dieses Punktes steht uns gerade hier einer der
schlagendsten Pälle, den man irgend finden könnte, zu Gebot. Indem
wir, auf Nachdenken und Erfahrung gestützt, für die Kunst der Instru-
mentation Vorbereitung, Studien, geordnete Versuche und Uebungen
*) Daher giebt es keioeD guten Lehrer, der aieht aueh aabedeuteode oder
nissrathene SehiiUr hinterlasseo, aod amgekehrt bat maocher schlechte Lehrer io
seiDem Scholerverceichaias berühmte Namen anfzaweiseD, — für die das Leben ge-
than, was der Lehrer versäumte. Aach der Verf. ist nicht so glöcklieh, jeden seiner
Schüler vertreten za können.
528
anrathen , tritt ans das Bild JosephHaydn^s vor die Seele , des er-
sten genialen und des vollen Orchesters mächtig gewordenen Instroaeii-
tisten, der bis hente nicht seines Gleichen, nur Einen in kesondrer
Richtung gleich hoch Vollendeten neben sich hat. Wie wenig b seiner
Zeit von einer systematischen oder nur methodisch wohlgeordnetes
Lehre die Rede sein konnte, ist bekannt; dass er nicht durch genofseoe
Anleitung zum Herrn des Orchesters geworden, ist klar; denn die
Knnst der Instrumentation ist erst dnrch ihn zn einer freien nnd damit
selbstbewussten geworden. Und nun: wer von allen Meistern ohne
Ausnahme hat so nach allen Seiten hin frei, — nach allen Strahlen der
Windrose, in denen der Hauch des Geistes weht, so frisch, so beseelt,
so lebenweckend gewirkt, — wer hat so schalkhaft scherzen , so e^
schüttemd donnern, so blitzend jnbiliren, so mondscheinstill träomeB,—
mit einer Flöte, einem Fagott so lang' und genügsam spielen, so mäct-
tig und zügelsicher air die unbändig aufgeregten Stimmen durch einao-
der jagen und wieder stillen können, — wem ist so Alles gelimgeB,
was er unternahm , und wer hat so vorschanend Alles gemieden, wu
nicht gelingen kann, — in der Instrumentation, — als Er? —
Wenn irgendwo, könnte man hier den Zweifel an die Nothweo-
digkeit systematischer Bildung begründen. —
Er ist zu dieser Meisterherrschaft, wie gesagt, nicht dnrdi syste-
matische Bildung gekommen. Sondern so. Von Kindheit auf bat er eia
Instrument nach dem andern gelernt, schon in früher Jugend ist er aiil
Andern herumgezogen in Wiens Gassen und hat den Leuten aufgespelt
zum Tanze, zur Hochzeit, stets zu ihrer Lust. Was er dazu setzte
(Menuetten u. s.w. ohne Zahl), musste spielbar sein und klingen, sonst
ging's nicht. Später wurde er auf gar lange Zeit Kompositeor und Diri-
gent einer Kapelle ; und da musste für seinen Herrn und seine Leote
wieder ebenso, wenn auch in höhern Kreisen, gesorgt werden; dan
wurden Symphonien, Quartette u. s. w. zu Hunderten, Messen ofl'
Opern schier dutzendweis gesehrieben. Indem er so allenthalben Hfod
anlegte. Allen diente, wurde er Aller Herr; wie eine Mutter ihre
Kinder, so lernte er seine Instrumente kennen, indem er sie in ihren eis-
zelnen Kräften und Schwächen liebevoll belauschte, um zu fördern nsd
zu helfen und Alles zu erfreun. Unermessbare Erfahrung und Uebungf
— wie sie nur selten Einem erlangbar sind und noch tausendmal selte-
ner an den rechten Mann , an einen Tondichter kommen, — hat ibm
den Mangel systematischer Bildung ersetzt.
Und doch nur nach vieljährigem Arbeiten. Seine frühem Arbeiten
sind namentlich in der Instrumentationskunst überraschend weit tob
seinen letzten, von der Vollendung seiner Schöpfung, der Jabressriteo,
der letzten Symphonien entfernt.
529
I.
Zur Karakteristik der Oboe.
Za Seite 187.
Die Oboe ist iinstreitig eines der eigeuthümlicbsten iDstrumente
und Foderl vor gar vielen sorgsame Kenntniss und überlegteste Wahl
und Bebandlung.
Mit ihrem scharfen Klange, in der Höhe der grössten Feinheit und
zugleich durchdringender Spilzigkeil fähig, in der Tiefe eckig, schrei-
erisch oder „praschend^^*), überall preziös und doch wieder zierlich,
steht sie ganz allein, während Flöten, Klariuellen, Hörner und Fagotte
leicht in einander verschmelzen. Der Trompete würde sie sich an-
schliessen, aber zum Schaden derselben ; vom Fagott ist sie durch des-
sen Weichheit, von ihm und den Posaunen schon durch die beidersei-
tige Tonlage geschieden. Dagegen nähern sich , wie S. 350 erörtert
wird, ihre höhern Tonlagen der Geige,
Eben diese Eigenthümlichkeit, diese Entschiedenheit auf der einen,
diese Feinheit und jungfräuliche Sprödigkeit und Zierlichkeit auf der
andern Seite , haben ihr in den Meisterwerken stets eine mit Vorliebe
gewählte Stimme gewonnen. Da sie zugleich eines der altern Blasin-
strumente ist (namentlich älter als die Klarinette) , so kann es nicht
auffallen, wenn man ihr schon früh begegnet.
Zierlicher und feiner ist sie von Niemand bebandelt worden, als
von Seb. Bach, in dessen Gemüth ihr herb-siisses Wesen wohl einen
eignen besonders starken Anklang erweckt haben mag. Es ist hier
wegen der Menge gleich liefgeluhlter und gleich sinnig ausgeführter
Anwendungen nicht wohl eine bestimmte Auswahl zu treffen; daher
tbeilen wir den ersten besten Fall mit , in dem die Oboe fast allein
wirkt, das Ritornell zu der Arie Nr. 26 aus der Mattbäi'scben
Passion**), —
Antlaute._
212
Oboe solo.
Batso .
g^^g^^sSg^fS^
SiE^^aä
*) Das Wort bedeutet bekaontlich: viel laates, aofdringlicbes Gerede
nichend.
**) S. 58 der Aasgabe der Bacbgesellschari, bei Breitkopf aud Uärtel.
Mtri, Konp.L. IV. S.AuS. 34
530
l^^^i^^
^^^g^^^e^:
wo eiD Tenor bei der Erinneraog an die Nacht in Gethsemaoe, da
Jesus ,, Seele betrübt war bis in den Tod'*, sin^t:
leb will bei meioem Jesu waebeo.
Meioeo Tod
BUsset seioer Seelen Notb ;
und der Chor mit der Betrachtung
So Schilfen unsre Sünden ein
dazwischen tritt. Die Chorstellen werden vom Streichchor (mit Zatritt
tiefliegender Flöten) begleitet, der Tenor nur von Oboe und Bass, z. B.
gleich bei seinem Eintritte —
2
212
Oboe.
Bass.
^^^^^
Ich -will bei meinem
^iE
*?=f^Et=i
^^^^^
und weiter hin *) —
*) S. 60 and 64 der Ptrtitnr.
531
^^^^fe^^#^
212
IS^^^EEE
Mei-nen
S^Ü^^E^^^^^^^
^^^^^^m
lbj!J£a^g#t^^r^'^%^^^^
in einer Weise begleitet, die vor allem die markige Tiefe (mit Aas-
schlass der untersten und herbsten Töne) und die schmelzendere Höhe
gieichmässig zur Wirkung bringt. Ganz abgesehn von dem absoluten
Inhalt der Oboenmelodie für das Gemüth , geben gleich die ersten vier
Takte (Nr. ^{-g) dem Instrumente Anlass , seine markvollen und doch
nicht mehr petulanten Mitteltöue zu benutzen, einen höhern und schon
zartern Ton schwellend aaszuhalten und mit feinem crescendo sich
empor zu bewegen. Die Wiederholung desselben Satzes in Nr. 7}^
giebt ihn in höherer Lage und dadurch in verfeinertem, süsserm
Klange. Der Singstimme gegenüber verhält sich die Üboe durchaus
duettirend und ist, — wie solche Stellen*) —
*) S. 62 der Partitar.
34«
532
p^f^EEEE^^E^m
212
i
w
^^^i^^^^i
S5
zzyrz
Ich -will bei mei-nem Je - su, liel mei-nem Je - 8u
l^
£
^
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^^
i
(wo das Instrument gleichsam Seufzer in den Gesang einstreut) noch
deutlicher zeigen , — dem Komponisten zu einem beseelten Wesen,
gewjssermassen zu einer zweiten Singstimme geworden. Kein andres
Instrument würde hier an die Stelle der Oboe treten können; der Geige
hätte das Mark , die positive Fülle, der Flöte Kraft und Innigkeit, der
Klarinette diese Keuschheit bei aller Innigkeit gemangelt; sie wäre zu
sinnlich und weich iiir diese ,, religiöse Empfindsamkeit** (möchten wir
sagen), die Flöte zu oberflächlich und leichtsinnig, die Geige zu selbst-
bewegt und unruhvoll. In solcher Anwendung begreift sich nun auch,
warum man die Oboe oft als das vorzugsweise kirchliche Instrument
im Orchester genannt hat, — so weit diese Auffassung nicht blos darin
ihren Grund findet, dass die Oboe (wie gesagt) schon in der Zeit der
grossen Kirchenkomponisten angewendet wurde, die Klarinette aber
nicht, jene daher als gewohntes Organ in der Kirchenmusik sich schon
dem Bewusslsein eingeprägt hatte. Eine freiere Anschauung weiss
allerdings jedes Instrument nach seiner Eigenthümlichkeit aufzufassen
und anzuwenden, — in der Kirchenmusik, wie in jeder andern. ^
Aus einem andern Werke *) Bach's theilen wir noch zwei Bruch-
stücke mit, —
A ria. Oboe solo.
2i2
*) Ans der Kirchenmiisik „Herr, {?ebe oiebt in^s Gericbt*% fitod ^ der von
Verf. bei Simrock berausgegeboeo SammloDS, S. 14.
533
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A=F^<g=
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Wie zit-tern und -wanken der Sünder Ge- danken
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an denen erkannt werden kann, j^ie fein und urspränglich der alte
Meister die innere Beziehung von der Oboe zur Geige erkannt bat. In
dem jungfräulich naiven Gesänge durchdringen die Geigen sich mit der
Oboe und löset diese sich wieder mit der Singstimme schwesterlich
duettirend ab, — und die Bratsche ist dazu der genügende Bass. Man
muss wenigstens den Text
Wie zittern und wanken
Der Sünder Gedanken,
Indem sie sieh unter einander verklagten
Und wiederum sich zu entschuldigen wagen.
mit einiger Vollständigkeit vor Augen haben, um zu ermessen, wie
eigenst die feine Mischung dieser Stimmen der naiven , mitfühlenden,
aber nicht selbst leidenschaftlichen oder zu leidenschaftlicher Erregtheit
hinreissenden Betrachtung entspricht. Dergleichen gereicht nächst der
künstlerischen Wirkung zur tiefern Erkenntuiss. Nachgeahmt darf es
weniger werden , wie vieles Allgemeinere. Denn das wahrhaft — spe-
zifisch Karakteristische ist nur in dem einen Falle treffend, wie ein spe-
zifisches Heilmittel nur für eine Krankheitsart das eigenst angemessene
ist. Wollte man die obige Instrumentation für leidenschafUichere oder
prophetische Momente u. s. w. einer Komposition nachahmend benutzen,
so würde sie so gewiss zur Unwahrheit werden, als wenn man in der
Bach'scheu Arie statt der Oboe ein andres Instrument oder überhaupt
eine andre Instrumentation setzen wollte.
Auch Gluck hat der Oboe die mannigfachsten Stimmungen abge-
lauscht $ wir wollen nur an die Gdur-Arie in der tanridischen Iphigenie
erinnern, wo der Gesang der jungfräulichen Priesterin von der ebenso
jungfräulichen Melodie der Oboe in gleich grossartigem Zuge begleitet
wird. Und so könnten noch von altern und neuern Meistern zahlreiche
Fälle in Erinnerung gebracht werden. Statt dessen verweisen wir auf
den andern Meister in der Instrumentation, auf Beethoven. Wie
534
je4e$ InstmmeDt, das er io seioen Chor zog*), ward ihn auch die
Oboe zü eioem beseelleo Wesen , zo einer wirklieben Person von spe-
zi6sebem Karakter in seinem Drama, nimmt die Stelle ein, die ihr ge-
bührt und von Niemand sonst eingenommen werden kann.
Dies spricht sich recht vollständig im dritten Zwischenakte zn Eg-
mont ans. Klärchen hat ihr Wort and Wesen —
i5^r^^
*
EÖE
Gliick-lich al - lein i«l die See - le, die liebl, glücklich al-leia
(Übrigens in ^dur) hinaosgesungen ans der übervollen beissen Brusl,
das berbsQsse Mädchen in die weite kfihltheilnehmende Weit, in der
es allein steht. Und nun braust das Orchester, der Chor mitfühlender
Geister, auf und Klärchens Bild erscheint gleich einer feenhaften Pata
morgana. Wer könnte hier eintreten, als die Oboe? sie fasst den Lie-
desschluss, phantasirt aaf dem innigen „Allein !^< weiter —
poco mepo Allo. poco meno AUo.
Allegro
Violinen^ "•••^•= ^«»««»»il« = - canlabile
u. Bass. 1 1 I >
und weilt sinnend , während der gutmuthige Fagott und die harmlose
Flöte das „Glücklich allein ist die Seele. . .^' nachseufzen und nachsin-
gen, — und träumt dann weiter den endlosen Traum einsamer Liebe.
Das geht weit, weit hinaus; was fliegt nicht dem still und aufgeregt
arbeitenden Mädchenherzen vorüber! lange Blicke des Staunens in un-
berechenbare Weiten und Gesichte, tändelnde Heiterkeit, Seelen-
schmelz und Klage, die mit Hnthwillen traumschnell wechselt, — und
daneben, vertrauenvoll wie Eidhelfer, Flöte und Pagott und das
stützende Orchester (mit den wohlabwägenden Bässen zu Anfang des
Allegretto) Zug um Zug ein Lebensbild in Fülle und Wahrhaftigkeit.
Man muss erst das Körperliche des Instruments und dann sein
dichterisches Dasein studiren.
Noch einen Satz fuhren wir aus demselben Werk' auf, den, der
Klärchens Tod so bitter und so süss bezeichnen soll. Dies^*) —
(Siehe das Beispiel j\j, folg. Seile.)
ist der Anfang des tief innigen Satzes, der wenigstens andeuten möge,
wie die Oboe hier verwendet und geführt ist. Es versteht sich übrigens
von selber, dass mit der blossen Wahl des rechten instrumenta oder
aller geeigneten Instrumente nur erst eine Bedingung des Gelingens
*)L. V. Beethoven, Lebeo aod Schaffen (vom Verf.) giebt überall davon
Kunde.
**) S. 136 der bei Breitkopf und Härtet eriobienenen Partitur.
535
8
212
Oboe.
Clar. in B.
Fagolli.
Comi in D.
Larglieito.
rrgfieito.
SV^^^
^^
^^^^
:£=t
^^
^^^^
erfüllt ist, dass damit gleicbsaoi erst die Hauptfarbe festgesetzt oder die
Palette gemischt ist und es nan noch auf den Gebrauch, — auf deu
melodisch-harmonischeu Inhalt, auf die Führung der Instrumente u. s. w.
ankommt. Allein ohne jene erste Bedingung werden auch die andern
nicht befriedigen.
Dies scheint uns, mit aller Ehrfurcht vor dem grossen Meister sei
es gesagt, denn der Wahrheit und Lebrerpflicht gebührt noch grössere!
— bei der Arie der Donna Anna im ersten Akt des Don Juan*) von
Mozart der Fall. Betrachten wir die Singstimme und den melodisch-
harmonischen Inhalt, kurz den ganzen geistigen Gang dieser Komposi-
tion, so finden wir Alles grossartig, mächtig, zuletzt bis zum Heroi-
schen sich aufschwingend, und damit dem Rarakter der edlen, tödtlich
beleidigten Tochter — so wie er bis hierhin und fast überall gezeichnet
« ist — durchaus gemäss , der Situation durchaus entsprechend. Nur die
Instrumentation wissen wir mit dem sonstigen Inhalt der Arie nicht zu
vereinen; sie scheint theilweis zerstreut und dadurch geschwächt, ja
*) S. 175, Tb. I der Breitkopf- Härterschen (altero) Ptrtitar; Nr. 10 der
Sätze.
536
kleinlich, der grossartigen Fäbrang der Singslimme und — des Basses
gegenüber. Dies dürfte namentlich von der Oboe gelten ; sie ist eben-
falls hier angewendet und möchte allerdings unentbehrlich gewesen
sein; allein dann musste sie in grossartige Wirksamkeit gesetzt wer-
den, in einem hohen Sinne, wie in jener Gluck'schen Scene, deren
wir oben gedachten. Hier —
9 Andante.
212 ( j^^|:7;pza5=C
Viollno I. n.
Viola.
Oboi.
Fagolli
^^^^^^^^=^
Donna Anna
Contrabasso.
537
.ch^^
^
^M
:Sr=£^zz:z,t
S^
EEE^E^-E^
fuil
tra - di
to-re, che il pa- dre, che il
^i^"nfg-p^^
sei wenigstens der Anfang gegeben. Oboe und Fagott ^ also ist schon
nicht die reine Oboewirkung erzielt — bilden kleine Zwiscbensätzchen
zwischen den Abschnitten der Gesangmelodie, die in ihrer Kürze nicht
von tiefergreifendem Inhalt sein können und doch für blosse Ausfüllung
durch die Vordringlichkeit des Oboeklanges zu wenig Leichtigkeit und
Anspruchslosigkeit haben. Im siebenten Takte tritt die zweite Oboe
zur ersten , aber wieder nur zu einer schnell vorübergehenden Wirk-
samkeit. Gleich darauf stürzen sich Geige und Bass in grossartigem
Wurfe —
Viio. II. e
Viola.
Basal.
538
m^B
^
^^^
V ¥■
iü dea Racheruf — und wieder treten die Oboen mit einem karzea
Zwischensatz (dem viermaligen a) ein. Vielleicht liegt es in dieser Be-
handlung des Hauptsalzes , wenn die Arie — eine der grossartig^sten
und karaktervoUslen des unsterblichen Heisters — sich bei den Sänge-
rinnen und im Publikum mindere Gunst errungen zu haben schein!.
Sie ist der Wendepunkt im Karakter der Anna und einer der entscbei-
dendsteu im Drama; aber es hat uns immer geschienen, als wenn sie
sich bei den Hörern nicht als solcher geltend mache. Der Mittelsatx,
mit dem tiefgefühlten Dialog von Bratsche » Fagott und Oboe, wurde
ebenfalls zu voller Wirkung kommen , wenn sich der Hauptsatz in der
Instrumentation so grossarlig, als seine Zeichnung ist, hätte gestallen
wollen.
Zum Schlüsse kommen wir noch auf eine für die Oboe merkens-
würdige Komposition , die Scene des Florestan, in Beethoven's Fi-
delio. Florestan beßndet sich im Kerker , ein Opfer seines Freiheits-
muths und gewaltbaberischer Tücke, erkrankt, fieberhaft aufgeregt von
geistigem und körperlichem Leid. Bei der Erinnerung an seines „Le-
bens Frühlingstage' S an sein Glück, sind es -die quellenden, weichen,
wohligen Klarinetten , die den Grundklang für die Instrumentation an-
geben. Sie leiten, unterstützt von Fagotten und Hörnern*), —
*) S. 339 (Akt 3) der französischen Partitur; auf dem letzten Takte setzt das
Streichquartett ein. Dieser Salz war in der zweiten und dritten Ouvertüre vor-
bereitend eing^erdhrt; Beethoven bat beide (vielleicht, weil die erst« ihm
Längen zu haben schien, vielleicht, -~ weil sie vom Pablikum nicht aufgefassl
wurden) zum Opfer {gebracht.
539
11 Adagio cantabile
•MI2 Clar. in B:
ein und nehmen am ganzen Adagio warmen Antheii. ImAUegro, wenn
der von allen Verlassene , Aufgegebene in fieberischer Vision sich von
,, linder, sanftsäuselnder Luft*^ umweht fühlt, sein Grab sich ihm erhel-
let, ein Engel, ,,Leonoren so gleich, im rosigen Dufte tröstend sich
ihm zur Seite stellt'S — da kann es wieder nur die Oboe sein, die in
ähnlichem Sinne, wie in jener Gluck'schen Iphigenieuscene und der
Bach'schen Tenorarie, den Grundklang giebt, im Instrumentale die
Haupipartie übernimmt. Dies geschieht im grossartigsten Zuge*), —
Oboe.
12
212
Poco Allegro.
ferro=
p--^-^^)^
f:
:^?V,
s
-L-'J? 7 !J? 7 J? 7 t
dim.
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ZBSZ
m
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S:
in
dolce
E|£^^
7tt=ibJtfZ
^
Und
-de,
spür' ich niiht liii-de, sanft-
uod es musste , nach dem Inhalt der Scene , vorzugsweise die höhere
und feinere Tonlage des Instruments zur Geltung kommen. Wie tief
empfunden und noth wendig das ist, bedarf nach dem Vorbergegangnen
keiner Erörterung. Wohl aber eine Folge davon.
Der Faden der Komposition leitet nämlich die Oboe bis in ihre
höchsten Regionen, zweimal**) —
*) S. Zi2; Geigeo, BSsse und HSrner seblagen, wie oben aogedeatet, Achtel
an, die Bratschen halten aus.
^ S.3A5; das Streichquartett ribrirt io Sechszehoteln und liegt hoch, bis sum
zweigestrichnea ff, a, b reichend.
540
S ^^^
ZU den Worten
-ß~m—
qrzti
^^^E^^
r
„Der (Engel) Tührt zar Freiheit,
Zar Freiheit io's bimialische Reich I^'
dann noch einmal zum Scbluss*), — als Nachhall zu diesen Worten, —
1^
dim.
worauf das Streichorchester allein , in ohnmachtäbnlichem Schlummer
hinsinkend, schliesst.
Diese wiederholten Angaben des hohen y*, — eines schon ^an sich
bedenklichen Tones, — sind sehr misslich und verunglücken selbst
guten Oboisten nicht selten ; der Ton bleibt aus oder schlägt um.
Demungeachtet würden wir nicht wagen, Beethoven einen
Vorwurf zu machen. Seine Auffassung des Moments ist tief und gross-
sinnig, die Wahl der Oboe notbwendig, ihre Führung durch und durch
folgerichtig, jene Stelle — schwer, gefährlich, aber nicht unmöglich.
Wem ziemt es mehr als dem Künstler, für seine Idee zu wagen? und
wo sind die Erfahrungen häufiger als in der Musik, dass das, was eben
erst für schwer, ja für unausführbar galt , in einer spätem, oft nahen
Zeit ausführbar, sicher, ja leicht gelingt? Unsre Meinung — ein
Mehreres kann sich Niemand in solchen Dingen beimessen — ist diese.
Das wahrhaft Unmögliche soll und kann kein Komponist fodem. Das
Schwierige und Gefährliche soll er vermeiden, wo und so weit es irgend
möglich ist ohne Untreue gegen die Idee des Kunstwerkes. Wo aber
ein wichtiger und wesentlicher Gedanke es fodert, da soll der Künstler
selbst vor dem Schwierigsten nicht zurücktreten. Sehn wir Virtuosen
aller Klassen an technische Kunslstückchen monatelangen Pleiss ver-
schwenden, so wird es auch niemals an rechten Künstlern fehlen, die
einer tiefen Idee des Komponisten — wenn sie sie nur erst erkannt
haben — Pleiss und Treue widmen.
Aber der Anfänger in der Instrumentation soll sich das Recht zu
Wagnissen und Ansprüchen erst erwerben durch sorgfaltiges Stadium
des den Instrumenten Zusagendsten.
Wir kehren noch einmal zu Beethoven zurück. Die Nothwen-
digkeit der Oboe wird keines weitern Beweises bedürfen, auch das
*) S. 347; das Streichquartett geht nur bis zoin zweic^estrichaen/.
541
Emporstreben der von ihr geführten Stimme nicht. Aber hätte nicht,
wenn nicht dorchans, doch bei den schwierigen Stellen, ein andres
Instrument an ihre Stelle gesetzt werden können? — Die Violine ist
im Streichquartett unentbehrlich und wurde nicht vornehmlich hervor-
treten, geschweige diesen spezifischen Karakter der Oboe ersetzen
können, der schon bei Gelegenheit der Bac haschen Sätze zur Sprache
gebracht ist. Die Klarinette würde das hohe g (f) sicherer, aber gewiss
mit einem ganz falschen Ausdrucke geben , sie würde — in der Mittel-
lage weich, dann sentimental anschwellend, üppig, in der höchsten Höhe
gellend — nirgends die Mahnung an einen Aufschwung über dieses
Leben im Kerker gewesen sein. Die Flöte würde den Satz , wie wir
ihn in Nr. ^^V und ^^ vor uns haben, auf das Leichteste herstellen,
aber ihr würde darin aller Aufschwung der Seele , alle Innerlichkeit,
alle Selbstgewissheit mangeln, die in der Stimme der Oboe spricht und
aus ihr in uns übergeht.
Es giebt dafür einen schönen Beweis ; Beethoven selbst hat ihn
geführt. Wenn nach jener Scene Leonore (verkleidet als Pidclio) mit
dem alten Kerkermeister das Grab gräbt, das (ihr unbewusst) den Gat-
ten aufnehmen soll, dann wird ihr mild wie Honig fliessender Gesang*)
von der kindlich unschuldigen Flöte —
15 Andante con moto,
Ihr »olll ja nicht zu kla-gcn ha-hen, Ihr sollt ge-wiss zu- frieden sein!
begleitet und die Oboe zieht milempfindungsvoll ihre Töne darunter,
während die erste Violin eine Oktave tiefer die Flöte unterstützt und
die übrigen Streichinstrumente (zum Theil figurirend) mit Fagotten und
Hörnern die Harmonie bilden. Und diese tief verstandene karakterwahre
Behandlung beider Instrumente geht durch das ganze Duett und noch
durch das anschliessende. Terzett (mit Florestan), wie denn überhaupt
beide Sätze für karakteristische und seelenvolle Behandlung der Blasin-
strumente musterhaft sind bis auf den letzten Takt und in jeder Note.
Namentlich aber erläutern sich förmlich die beiden oben hervorgehobe-
nen Stimmen y Flöte und Oboe. Die schüchterne, bang schmeichelnde
*) S. 353.
542
Leonore konnte nur von der Flöte geleitet werden , die fieberhafte Vi-
sion nur von der Oboe die Stimme leihn ; in Floreslan ist kein Frie^
sondern Exaltation , in Leonore ist noch keine Leidenschaft, kein Pa-
lhos, denn noch hat sie den Gatten nicht erkannt und weiss nicht, dass
sie ihm das Grab gräbt und ihm die Labung reicht, in dem einzigci
und einzig schönen Augenblick, wo sie sich edler und höher erhebt: —
Wer du auch seist,
Bei Gott, du sollst kein Opfer sein I
Gewiss, ich löse deine Ketten,
leb will, du Armer, dich befreio.
treten die Flöten zurück und bei dem „Gewiss, gewiss!'^ IntonireB,
heiss und voll eindringlicher Entschiedenheil, die Oboen*) —
212
Oboi.
Clar. iti C.
Fagolli.
Corni in C«
Coutrafag.
Vno. I. II.
Voce.
Viola.
Vc. Cb.
m
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ich Id-se deUe
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hoch über allen Bläsern, über dem Streichquartett und der Singstii
und geben damit wieder dem ganzen Satze ihre eigne Grundfarbe.
*) S. 363.
543
Zur Karakteristik der Flöte und Pikkolflöte.
Zu Seite 197.
Was wir S. 156 vom Karakter der Flöte gesagt, findet zu viel
BesläUgaog in den Partituren der Meister und ist zu leicht dem blossen
Hinhören auf das Instrument zu entnehmen, als dass es umständlicher
Nachweise bedürfte. Es ist das Instrument der beilern , harmlosen Un«
schuld, bell und freundlich und jeder Leidenscbafllicbkeit unzugänglich
wie das blaue Kinderauge. Man höre die Flöte im kindlichen Spiel des
Priifungsmarsches in Mozart's Zauberflöte —
Adagio
(Blechinstrumente und feierliche Pauken geben die sparsam vertheille
Unterlage), oder in der Ouvertüre, hoch über dem Fagott schwebend —
218
575 «&3E
.^^-gg:^^-
i
EÖS
"P"(Fiig. vreiter)
^^
ond doch innig mit ihm verschmolzen , um sich ihr Bild für immer ein-
zuprägen.
Hier trat dies Bild klar und ganz der Aufgabe gemäss hervor. Selt-
sam wiederholt es sich in der dritten Ouvertüre zd Beethoven's Fide-
lio. Hier hebt sich im zweiten Tbeile die Flöte zu dem Thema empor, —
^ffl^l
IMä^
(Thema)
das zu Anfang des Satzes die Violinen wie auf Adicrfittigen emporge-
tragen hatten , und spielt lange, weithin, mit dem Fagott duettirend,
in kindhalterUDbewusslbeit damit, ganz ihrem Karakter gemäss, wenn-
gleich die Gehöri|^keit oder Nothwendigkeit dieses Satzes für die Idee
des Ganzen kaum nachzuweisen wäre*). —
*) Wie tiefbedeateDd BeethoveD anderwärts and hänfls die FlSte verwen-
det, kann in dessen Biographie (vom Verf.) naebgelesen werden.
544
Die Pikkolflöle gehört wie die Oboe — and noch mehr wie sie,
wegen ihres schwer mit andern Organen verschmelzenden Wesens und
zugleich wegen ihrer entlegnen Tonhöhe zn den mit besondrer Sorg-
falt zu behandelnden Instrumenten. Wenn es nur darauf ankommt,
lauten und eindringlichen Massenschall zu erlangen, so ist freilich keine
Schwierigkeit vorhanden; man setzt, wie in Nr. 214 und 215 gezeigt
worden , die Pikkolflöten über alle Instrumente zur Verdoppelung der
Flöten oder statt derselben, wie in Nr. 216. Dies ist die Weise der ge-
wöhnlichen Militairmnsik und der nach ihrer Manier gebildeten Harmo-
niemusik für alltägliche Unterhaltung in Gärten n.s.w. In eigentlichen
Kunstwerken aber kann dies nicht durchweg genügen. An Militairmär-
sehen selber, — die aber integrirende Theile eines hohem Kunstwerks
sind, haben wir in Nr. 217 und 218 schon ein andres Verfahren ge-
sehn. Da traten die Pikkolflöten an die Stelle der grossen Flöten ; diese
oder Terzflöteu hätten für den Tongebalt ausgereicht. Der Komponist
foderte also von den Pikkolflöten nicht blosse Verstärkung, sondern
eine andre Färbung. Er wollte härtern, grellem Klang, der an das
Mililairische erinnern sollte. So braucht er im dritten Zwischenakte zu
Egmont*) zum Marsch die Pikkolflöte, die er bis dahin hatte schweigen
lassen, — und auch da erst zum Forte. So spielt sie sogar in Klär-
chens Soldatenliede**) neckisch munter mit, weil hier Soldat gespielt
wird, tritt aber in der Ouvertüre erst im Schlnsssatze bei dem höchsten
Jubel des ganzen Orchesters ein , der den Reiz der Freiheit vorbedeatel
und bei Egmonl's letzten Worten sich mächtig und prophetisch wieder-
holt***). Auch in Beethoven's Cmoll-Symphonie findet die Pikkol-
flöle erst im letzten Satze, im triumpbirenden Finalef), ihre Stelle,
ebenso in der Pastoralsymphonie im vierten Satz (Gewitter, Sturm),
und auch da erst spät ff), kurz vor dem heftigsten Schlage, zu dem
die bis dahin versparten Posaunen eintreten.
Diese Anwendungen sind indess leichter zu fassen^ entweder
schreien die kleinen Flöten im Tumult aller Instrumente mit, oder —
was das Geistreichere und geistig Wirksamere ist — sie werfen klug
gesparte Blitze in die Masse des Orchesters und erhöhen damit den
Glanz, wie Schlaglichter ein Gemälde. Schwerer zu fassen ist die iso-
lirtere Anwendung dieses Instruments in seinen tiefern Lagen. Der
noch nicht sichere Instrumentist kann da bald zu wenig thun, — näm-
lich das Instrument in die schlechthin unwirksame tiefe Tonlage führen,
bald sich von den Ausführenden zu dem entgegengesetzten Fehler
*) S. 104 und 114.
♦*) S. 37.
♦•♦) S. 15«.
f) S. 120 der Breilkopr-Härtel'scben Partitur,
it) S. 133 der Breitkopf-Harterscbeo Partitur.
545
bereden lassen. Denn der Ausfährende (das begreift sich) hat vor allen
Dingen sein Instrument im Sinne, will damit gehört und möglichst ge-
hört sein , ist aber nicht immer in der Lage, die Wirkung im Ganzen
zu ermessen. Der Pikkolbläser wird also gern die höhere Lage (etwa
vom zweigestrichnen a — in Noten — an) und am unliebsten die tie-
fere (etwa vom eingestrichneu g oder a an) haben, weil hier sein In-
strument nicht hervortreten kann wie in jener, und weil er meint, dass
dergleichen Lagen ebenso gut oder besser von der grossen Flöte ver-
treten werden.
In Bezug auf Ton und Schallkrafl ist dies anzuerkennen. Allein
auf der andern Seite darf nicht aus der Acht gelassen werden, dass die
Klangverschiedenheit den Komponisten bestimmen kann, die Pikkol-
flöte da zu gebrauchen , wo dem Tougehalt nach die grosse ausreichen
könnte.
Ein Beispiel giebt uns Haydn in seinen Jahreszeiten, in der
Arie, die die Arbeit auf dem Felde schildert*). Haydn hat zu dersel-
ben ausser dem Streichquartett 6-Hörner, Fagotte, Oboen und eine
Pikkolflöte, die den zweiten Satz der Hauptpartie einleitet, und, wie
man hier —
AUegrelto«
Vno. L
JL
sieht, in der mittlem Lage auftritt, auch meistens in derselben bleibt.
An zwei Stellen**), namentlich in dieser, —
*) S. 54 der Breitkopf-Härter sehen Partitur.
**) S. 57 «od 63 daselbst.
Man, Komp.L. IV. S.Aul.
35
- 546
218
YioHflo I.
Fl. plcc.
Oboe. <
Comi.
y«M.
"'$35d^
In . . Un > gen Fnr-dten »chreitet er dem Pfla-ge ftö • temd
^^^:||
nach, in Un-gen Furchen schrei-tet er dem Pfiu-ge flo-tend
ilberschreilel die kleine Flöte das Tongebiel der grossen ; aber dies ist
weder der Harmonie, noch der Stimmlage wegen nötfaig» die grosse
Flöte könnte diese Stellen in ihrer Weise (wie die Noten geschrieben
sind, nicht wie sie diePikkolflöte, eine Oktave höher, giebt) nehmen. Es
war also zunächst der Klangkarakter, der den Komponisten bestimmte.
Er wollte den gedrängtem , prallen Klang des Pikkolo, um dem länd-
lichen Bilde seine Lokaifarbe zu geben ; und das hätte ihm die grosse
Flöte selbst in derselben Tonlage (z. B. bei ^f^) nicht gewährt. Uebri-
gens ist das letzte Beispiel eine von jenen reizenden InstrumentaÜoneD,
deren Einfachheit, Durchsichtigkeit und Karakleristik bis jetzt nur
Haydn's Eigenihum geblieben. Mit einer Bescheidenheit, in die sich
_ 547
ein wenig Scbalkbeit zu mischen scheint, wählt der ewig jugendliche
Greis wenig Instrumente *>» — aber gerade die einzig treffenden, -^ und
*) Allerdioffs haben anch andre Komponisten sieh bisweilen anf weni; lostrn-
meate besehrankt; wir habrn dergleichen Fälle sohon von Seb. Baeb nod
Hey erbeer angerührt. Der letztere brascht in seinen Hugenotten (S. 10Ö der
ParlUnr) anch die PtkkolflÖte sehr isolirt, — wir geben hier —
Jl_ Chaiison Hnguenofle.
218 Pelite FlAte. Solo.^ u«»"
■ g — =-|-i^=f=s=i-^|=f^=#
^
i
4 Baseoas.
dim.
St^^E^E
-Zr-
Gr. Caisse
et Crmballes. loujoiirs tr^s l^girement tooeli^.
Je chan-iais pifF, paiF, piff, paff!
Contrebasses (sans Yc.^.
Sn
^^i^^j^^i^^
-t-j?&- *Si— H*S" &
k
^i^^^=fffli^=¥5^:g;gEgt::prziiE^
toujolirs p et ir^s dcta^he
loujours mar^iii et ddtach^
^^^^^^^^^^^^^
^—
adrr=-:
(nidemcnO
^tE
3*
se
Four Ics coH^enls c*cst fi-ni, li*s nioi-
pizz.
S^^-^^g^^
den Anfang der CAan^off ^vg-tia;i0fia , die darebgehends so begleitet i;«t. Allein
dergleichen ist ein geistreiches apperpu^ eine Lokatfarbe, eben hier mit treffendem
Humor gefanden und gesetzt, vielleicht nur hier, für den etwas wild {rudement)
35 •
548
führt sie in solcher Weise, dassman keines weglassen, aber auch keins
ohne Störung des Sinns zusetzen kann. Im ersten Satze (Nr. -g^)
wird das Pikkolo von der ersten Geige , den Oboen und Hörnern (oder
für diese dem Fagott) getragen , zweite Geige und Bratsche figuriren
dieselbe Melodie, derBass tritt auf das Einfachste entgegen; das Ganze
ist zweistimmig, die kräftig unterbaute Pikkolflöte verschmilzt mit den
andern Stimmen, geht aber doch nicht in ihnen verloren, sondern theiit
dem Zusammenklang ihre Farbe mit. Im zweiten Satze (Nr. yf^), den
man sich durch das Vorangehende vorbereitet denken muss, tritt das
Pikkolo reizend nett, fein und etwas ländlich grell heraus und wird nur
von der ebenfalls härtlichen und scharfen Oboe unterbaut; die erste
Geige, meist auf der rauhern £?-Saite, hilft den Hörnern tragen, der
Gesang wirkt als Miltelstimme.
Ebenso treffend braucht Mozart das Pikkolo in dem Liede des
verliebten Mohren in der Zauberflöle*). Auch hier ist es zunächst
weder um letzte Schärfung grosser Massen , noch um hohe Tonlage zu
thun ; vielmehr beschränkt sich die Instrumentation auf Streichquartett,
Fagotte, C-Klarinetlen , Flöte und Pikkolo, und das letztere geht mei-
stens, z. B. gleich zu Anfang, —
Flaute
Piocolo.
I ^ p
k^^^^^^^^^m
im Einklang mit der Flöte, der nur gelegentlich, — wie schon im vo-
rigen Satz oder den folgenden, —
an ff^e regten, herausroderod bSbniscbea Krieg^skoecbt anwendbar. Dass die iDstru-
mentation und zugleich die Zeiebnnng der Person hier in das Barlesk^ streift oder
dazu gehört, findet seine Begrnndong in der Oper und kann nos erinnern, dass
selbst die extremsten Mitlei an rechter Stelle recht sind. Mehr ist hier nicht zu
lernen ; nacbzaahmeo aber sind solche Spezialitäten am allerwenigsten. Derglei-
chen hat nnr einmal Recht.
*) S. %Q6 der Partitur.
549
Ficcolo
{
i
^^^
ein wenig modifizirt ist, um dem Gang beider Instrumente, und nament-
lich der PJöte, noch mehr Leichtigkeit zu geben. Auch um Verstär-
kung der Flöte war es Mozart nicht zu thnn (sie wird von der ersten
Geige und Klarinette unterstützt und ist der leichten Instrumenta-
tion und dem gleich anfangs vorgeschriebnen Piano allein gewach-
sen), sondern nur um jene Mischung des weichen Flötenklangs mit
dem grellern und spilzern des Pikkolo, in der der feinsinnige Ton-
dichter den Ausdruck der geheim prickelnden leichtfertigen Lüstern-
heit fand.
IL.
Fingerzeige j Vielerlei.
Zd Seite 258.
Am Schlüsse der Lehre von der Harmonieniusik finden einige Be-
obachtungen gelegne Stelle , die den schon orientirten Jünger der In-
strumentation in diese und jene Feinheiten oder Besonderheiten ein-
weisen können. Sie wollen nur als gelegentliche Fingerzei^^e gelten
und dürfen um so weniger auf Vollständigkeit Anspruch machen , als
die Lehre doch selbst bei der grösstmöglicbsten Ausbreitung das Parti-
lurstudium nicht ersparen oder rauben durfte , vielmehr nur dazu vor-
bereiten und darauf hinleiten soll. Da wir nur zerstreute Beobachtun-
gen geben, — theils Bestätigungen zu dem bereits Aufgewiesenen, theils
Neuanschliessendes, — so ist uns gestattet , gleich an das zuletzt (im
Anhang K) Gegebene anzuknüpfen.
550
1.
Dort hattea wir einige feinere Kombinationen betrachtet, in deoen
wenig Instrumente dem Komponisten genägen konnten ; besonders war
dabei das kindlich zutrauliche Wesen Haydn's in seiner Sinaigkeit
und Liebenswürdigkeit hervorgetreten, mit dem ersieh wenigen In-
strumenten anzuvertrauen liebt. Einen gleichen Fall entlehnen wir
seiner />dur-Symphonie, in der im Finale*; die Flöte und zwei Oboen
ganz allein diesen Satz —
1
254
Fl.
Ob.
Allegro spiritoso.
Utftffttf
— t^ — *-a'
fr
m
3<=^=F ^^=i=^- --0=2 JD.-— i:
Kkrf^T^
o^
I
ls=ri^
TZr:^ez
:t=x:
iM
feEe=i
-p-«-
4=C:
^^^^^
oo.
ausfuhren. Der Meister scheut nicht die harte Fülle der tiefen Oboe-
töne (Takt 2), da die Flöte gunstig genug liegt, wirft kühn vertraat
die Flöte unter beide Oboen gleichsam als Bass, und darf bei der Lage
seiner drei Instrumente nicht furchten , zu schwach und dünn instm-
menlirl zu haben. Eher könnte man ein zu vordringliches Wesen be-
sorgen, wenn nicht unmittelbar vor und nach dem Satze das Orchester-
tutti (mit Trompeten und Pauken) in voller Macht gewirkt hätte. Diese
besonnene Abwägung und dann dieses leicht hin- und herwerfende Spiel
mit den Stimmen ist hier das Merkenswerthe ; der Inhalt selber kommt
nicht in Betracht, könnte nur im Zusammenhang des Ganzen gewär^
diget werden.
Höchst anziehend ist in ähnlicher Beziehung dasRitornell, mit dem
Weber in seiner Euryaathe (Akt 2, Mr. 14) Adolar in der festlich er-
leuchteten Säulenhalle des Königsschlosses einfuhrt, vor der Arie
Weben tti^ Lüfte Rnb',
StrSmea mir Düfte bq.
*) S. 52 der bei Breiikopf und Härtel erdcbienenen Partitvr; Nr. 2 der iwSIf
Sympbonieo.
551
Larghetto noit lenlo
254 ^
dolce
Clar. in B
i
*^-=s
t=;e
dolce
^^^ip
Fagolli.
^i^=
m
jLSS^e^-^^^?^
-j^f-r-w-v:-^
^SS^F^t^FP
Soli.
l^ii
i^
P
i.
Jii ^^
-^E^e
fM
^■-
^W-
-■o-
= =1^1: SJ
Die loftigsteD und verschmelzbarsten Blasinstrumente, Flöten und Kla-
rinetten, — selbst ohne Hörner, die hier nicht frei hätten theiinehmen
können, — genügen, in dieser heitern süssdurchdufLeten Atmosphäre
die Träume und die Sehnsucht des Liebenden zu wecken und zu tra-
gen. Nicht einmal eine Oboe (z. B. anfangs statt der zweiten Flöte)
hätte ihre feinen, aber eindringend bestimmten Klänge in dieses luftige
Sohimmerbild einmischen dürfen, das erst durch den Zutritt der Fagotte
festem Halt und dunklere Färbung erhält. Der Anklang von Sentimen-
talität, der sich hierin und besonders io der Melodie des ersten Fagotts
vernehmbar macht, der aber auch in den luttigern Oberstimmen (Takt 3
552
der ersleo Klarinette, Takt 7 und 9 der ersten Flöte) henrortritt,
scheint uns nicht sowohl dem Grundgedanken des Satzes — und noch
weniger dem Rarakter der Flöte angehörig, als der künstlerischen Per-
sönlichkeit Weber's, was hier nicht weiter zu erörtern ist.
Verwandt dieser Stelle ist eine zweite desselben Werks, der An-
fang des zweiten Finale, die nach einer Intrade der Pauken in C so —
3
254
FlauÜ.
Oboi.
Allee ro O rT^i ßm^^
Clarinelti in B. ">
Corni in F.
Fagolti.
r^i'^n
^^^^^
^
^^
*=i»t
e=.=w;
i
i
I I 1 . «.
i
Vc. el^Cb.c.Vno.airgv»
den Eintritt des Hofes in die Festhalle begleitet. Den dichlerischen
Tonsetzer bestimmte hier, wie durch die ganze Oper, die voll der geist-
reichsten Einzelznge ist , der innerliche Anblick der duftenden , fried-
lich heitern Provence, des Vaterlands der Troubadoure. Hier hal sich
das Königthom nicht mit starrem Kriegertrotz und gebieterisch strenger
553 — -
Pracht amgeben ; man athmet die linden Lüfte der Liebe und Poesie.
Schon im vorigen Satze (Nr-yf,^) bedingte dies die Instromentenwahl $
so aach hier. Allein die Scene füllt sich, das Fest soll beginnen und ein
volierer Chor ist erfoderlicb ; es treten Höroer als Füllstimmen auf,
beide Fagotte vereinen sich im Einklänge, den Bass zu führen, und
nun dürfen auch die Oboen nicht länger säumen ; die erste stärkt und
schärft die Melodie, die zweite dient als Füllstimme, umhüllt und ge-
mildert durch die feste Oberstimme , die Bewegung der zweiten Klari-
nelte und der Fagotte und die Unterlage der Hörner. Bemerkenswerth
ist der kecke Eintritt der ersten Klarinette auf dem hohen d^ er giebt
sogleich der Melodie die Vorgewalt. Der OboenkJaug übrigens, gedeckt
voo Klarinette und Flöte, kann nicht vordringen, sondern verschmilzt
mit jenen.
Abgesehn von diesen Oboen, deren Klang von der Uebermacht der
andern Bläser verdeckt wird, dienen uns beide letzte Fälle als Beispiele
von der Verschmelzung gleichartiger oder verwandter Instrumente
(S. 209; , während Nr. ^j^^ einen weiter nicht erheblichen Gegensatz
verschieden klingender bringt. Bezeichnender ist schon dieser Satz —
Flöte
254^
Flöte, r X Ä*:rf:fvi<- k"V --> ^^TZ
cresc.
Oboe.
cresc. f — P
cresc
B- Klarinetten
cresc. / i. P I I ! >— ^
aas dem Andante*) von Beethoven's Cmoll-Symphqnie. Hier macht
sich die Oboe gegen die von Flöte und Klarinette verdoppelte Melodie
gellend und verleiht dieser durch den Gegensatz höhern Reiz. Ohne
Oboe würden die Oktaven der andern zwei Instrumente als eine einzige
blos verstärkte Melodie gelten; jetzt, getrennt durch ein fremdes We-
sen, lassen sie ebenfalls ihre Klangverschiedenheit durchfühlen.
Statt vieler andern Beispiele ähnlichen Sinnes entlehnen wir das
*) S. 53 der Partitur. Einfacher ist der Satz achoo S. 46 gegeben.
554
letzte aas BeethoveD's y^dar*Symphonie; es ist der unvergleich-
liche Scbluss*) des uDSterblicben zweiten Satzes. —
254
Fielen.
Oboen.
A-Klarjne(lcii.
Fagotte.
E-Höruer.
Streichquartett
Allegreito. 1^
^^^^
"T-j-
^tenT
Imo
tcn.'T;
pp
ij
r^.
m
LnM
^^^^m
3IZ3E
^g
J.hL
-^m^
i 4 4^
r-tr-^
*) S. 92 (1er bei HasliDger in Wien erschieoenen Partitur, «weite Aasgabe, in
Polio.
555
Hier kann man an der Ablösung und Durchdringung der ver-
schiednen Blasinstrumente sowohl den Grundsatz von der Verschmel-
zung des Gleichartigen als von dem Gegensatz verschiedenklingender
Instrumente (S. 115) beobachten. In den ersten Takten schärft die
Oboe; sie könnte leicht die Melodie (in der zweiten Flöte) überwältigen,
wenn nicht durch die erste Flöte der Fiötenklang verstärkt würde.
Wenn zum zweiten Mal Flöte und Oboe zusammentreten , klingen sie
fein wie Glas ineinander; die Flöte liegt zu hoch, um überwältigt zu
werden , aber sie lässt sich durchdringen von der Oboe. Auch die Kla-
rinetten werden geschärft durch die dazwischentretende Oboe; aber
hier geben sie schon durch die Mehrzahl und beim zweiten Satze durch
die günstige hohe Lage den vorherrschenden Klang. Dass die Fagotte
sich dem Hom unterordnen, ist klar; beide bilden aber gegen einander
wieder den schon früher (S. 140) besprochnen Gegensatz.
So gewiss die einfachste Satzweise der Bläser ihrer Natur am ge-
mässesten ist und Zersplitterung in Nebenzüge hier mehr als anderswo
nachtheilig wirken kann, so finden sich doch mannigfache Anlässe, über
das Einfachere hinauszugehn ; oft liegen dieselben (wie S. 229 und an-
derwärts schon gezeigt worden) im Satze selber oder in der Beschaffen-
heit der Instrumente, bisweilen aber auch in besondern Intentionen
des Komponisten. Wenn z. B. Spontini im ersten Finale derVestalin
den Triumphmarsch*) so — •'
IMarche triomphale.
Hauthois.
^^m^
Cors en Re.
I
wm
^
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'1
Bastons«
S-^^
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m^^m^m=n=f=^m
:f^
P TT
Triangle, Timb. et Gr. G.ita.
S=^E
_^
=^
f=
--f-^-^
r^
*) S. 98 der bei Brard in Paris erschieneDen Partitur.
556
(hioter der Sceoe) eiotreten lässl, so ist nicht zu verkennen, dass die
Oboen den Salz überdecken, ihn minder klar zur Geltung kommeD
lassen. Aber eben das war der Absicht des Komponisten gemäss, der
den Triumpbzug erst wie von fern und durch das Geräusch des zuströ*
menden Volkes beranklingen lässt*). Vier Takte weiter (die den Sing-
stimmen auf der Scene und dem Streichchor gehören) erklingt derselbe
Satz. Hier —
Fl.
254
-^-
E^EE^^g^EE^^^
Jz
-r
''XM=U:,=^^,=l^L=U:^
ci.
Cora.
:*>ar:
F«g.
ÖiEsE
Bmida.
P^^^^^?4^^
^E^l
=P-:^^=i=
rp:^=::
ip-isip—^^t^z:^-^
I
haben sich die Oboen mit den Klarinetten zu festerm Klange vereinigt
und die Flöten treten — aber mit minderer Schärfe und Fülle — an die
Stelle der Oboen. Dass der Satz nachher in voller Kraft und Klarheit
aufgeführt wird, versteht sich.
4.
Die Lehre hat es zunächst mit dem allgemein Wissenswürdigen
und für künstlerische Zwecke Nöthigen zu thun. Welche eigenthum-
liehe Folgerungen aus einem tiefern Eindringen in das Wesen der In-
strumente für einzelne besondre Aufgaben gezogen werden , kann sie
nicht verfolgen, noch weniger erschöpfen wollen. Wer fände Zeit und
Raum, die Besonderheiten auf diesem Felde zusammenzustellen? und
*) GSostiger fdr diese lotentioD waren Streichinstrumeote gewesen ; sie aber
musste der Rouiponist fdr das Folgende anfsparen.
557
>ver wollte sich die Freude vorweg nehmen lassen, sie selber zu
finden? — und endlich würde das Verzeichniss ewig nicht geschlossen
werden können, so lange noch eigenthümliche Geister sich in Tönen
auszusprechen haben. Doch versagen wir uns nicht, wenigstens einige
Einzelheiten aus der Menge der mittheilungswerthen zu geben.
Die erste sei der Anfang der Lüanies des Jemmes catholiques
aus Meyerbeer's Hugenotten*).
254
rsoin
Flilles.
CSoli)
Hautbois.
CSolO
Clarinelies en
Si b.
Denx jennes
iilies cathol.
Choeiir de
femmes catliol.
Allegreilo moderato. Vn peu moins vile.
fP P fP P^ fP P fP P^ I ^
i
^=^^^
^m
~7p~ P
iSr-Ü:
fP P
fP P ^=^
=3^^^^^:
t*
bs
¥
*) S. 464 der Partitur.
&58
i- i 7
(Vom Komp. in der berliner
Farlilur ziigefügiO
BE
^^^s^^i
S^
-^_^
t^=^
Ö
-y —
l>ri
ponr le pe - cheur:
LS^Ii
V-
-ri--
r-
a - ve, a - vcl
Der geistreiche Komponist mischt , um einen fremden — wie ans
vergangnen Jahrhunderten herübergewehten Klang zu gewinnen , Flu-
ten, Oboen und Klarinetten in eigenlhSmlicher Weise. Die Oboen
schärfen im Ritornell die Melodie der Fiöle und geben zugleich in ihrer
an die Orgeischnarrwerke erinnernden Tiefe den Bass; die zweite Flöte
wird von der ersten Klarinette verdoppelt und bildet so mit der Ober-
stimme eine feste Oberlage ; die zweite Klarinette ist in stillern Tonre-
gionen gehalten und vermittelt nur leise den Zusammenklang des obem
Terzengangs mit der Unterslimme; nicht unbemerkt darf der erste
Schritt der zweiten Klarinette bleiben. Wie alles Uebrige zusammen*
wirkt für den Zweck des Komponisten, bedarf hier keiner weitem Er-
örterung.
Der zweite Fall ist der ,, prachtvolle Hocbzeitzug^^ Egiantinens
und Lysiarts aus dem dritten Akt (Nr. 23) von Weheres Euryanthe,
von dem die Beilage X den Anfang giebt. Das arge Paar hat nun Alles
erreicht, die Liebenden sind getrennt, ihre reiche Herrschaft ist dem
Verräther zugefallen und seine Hand erhebt und belohnt die Mitschul-
dige. An scbreierischem, hoffartigem Prunk, aufgesteifter Wurde und
gewaltsam aufgeregter Freude oder Freudeugrimasse fehlt es nicht;
aber es will nicht recht gebn und klingen. Wie viel hierbei die Melodie
und die Führung der Komposition überhaupt thut, lassen wir bei Seite;
nur die Instrumentation ist unser Augenmerk. Und hier muss sogleich
auffallen , dass jedes Instrument sich gewissermassen blossstellt, seine
rauhe und harte Seite herauskehrt, isolirl bleibt, mit alle dem zu nichts
Rechtem kommt. Die Trompeten und Hörner treten ganz stattlich und
trotzig, wie pochend und herausfodernd auf; aber es führt zu nichts,
559
sie können in dem queren Moll und seiner Modulation niebt mit fort;
beiläufig klingt die herausgehauene Quinte der Trompeten gemein.
Oboen und Klarinetten verdoppeln sich im Einklang und werden damit
(S. 183) schallstark, in den Oktavgängen durchschneidend, büssen aber
gegenseitig ihre Eigenlhümlichkeil und jeden mildern Reiz ein. Wo sie
zuerst abweichen (Takt 8), geschieht's mit einem Widerklang. Dann
fallen die Pikkolflöten in den Satz hinein, die Klarinetten steigen in die
gellende Höhe, die Oboen in die schnarrende Tiefe , bis die letztern in
JD dur gar Pülistimme werden, und zwar in der Tiefe und in Acbtelbe-
wegung. Hier bringen sich die Trompeten wieder an und treflen un-
glücklich (S.210) in die Oboenlage. Kurz, es ist jeder Zug gezwungen,
gewaltsam, gemein. Und das musste hier so sein.
Die dritte Gabe wollen wir ebenfalls Weber danken. Es ist die
Einleitung des ersten Akts von Oberen, das Ritornell zum Elfenschlum*
merchor, wovon Beilage XI die ersten Takte giebt. Mit diesem Beispiel
überschreiten wir unser jetziges Gebiet, weil der Streicherchor we-
sentlich mitwirkt. Daher unterbleibe jede nähere Erörterung und sei
nur auf das elfenhaft luftige Herabhuschen der Flöten und Klarinetten,
wie wenn geflügelte Füsse über Tuberosen und Hortensien hernieder
eilen zum Wiesenteppich, — hingedeutet, eine der geistreichsten und
dichterischsten Abschweifungen von der den Bläsern (S. 368) vorge-
zeichneten Bahn. Die Anhauche tiefer Flöteu und Klarinetten im Ge-
neset der Saiteninstrumente klingen eben auch fremd und wie aus Lüf-
ten und Geislernähe heraus.
K.
Weite Lag^e des Streichquartetts.
Za Seite 301.
Die S. 298 gegebne Lehre ist unstreitig eine der wichtigsten für
den angehenden Instrumentisten , - da von dem Zusammenbalten des
Quartetts die Kräfligkeit seiner Wirkung abhängt, — das heisst die
Kraft des Hauptchors im Orchester. Es wurde nicht schwer sein, die
Dringlichkeit unsrer Erinnerung selbst aus Kompositionen geschickter
und nicht unerfahrner Tonsetzer nachzuweisen , denen eben diese Be*
merkung entgangen und die manchen an sich treffenden und starken
Satz im Quartett schwach dargestellt haben. Oft sollen in solchen Fäl-
len gehäufte Blasinstrumente aushelfen, und allerdings können diese
dann für sich selber laut genug hineinscbreien. Allein wenn das Quar-
tett nicht zweckmässig gelegt ist — oder nicht die besondere Intention
560
eines ToosaUes seine Zertheilang und das Hineingreifen des Bläser-
cbors fodert, — wird dadurch nur die Schwäche oder Zerstreutheil des
Quartetts berausgesteiit , seine vereinzelten Stimmen werden anler-
drück,t und die organische Kraft des Ganzen doch nicht hergestellt.
Demungeachtet wollen wir auch hier eingedenk bleiben, dass es in
der Kunst keine absolute Regel (Tb. I. S. 15) giebi, als die eine und
ewige: dem Zwecke gemäss — die Richtigkeit desselben vorausge-
setzt — zu schreiben.
So im vorliegenden Falle. Das Zusammenhalten des Quartetts
oder wenigstens seiner Mitte giebt auch seinem Schall zusammenge-
haltene und damit einheitvolle und eindringliche Kraft. Wir haben diese
Wirkung enger Lage schon in der Harmonie (Tb. I. S. 146) erwogen;
bei den Streichinstrumenten ist aber die Beherzigung der alten Lehre
doppelt wichtig, weil ihr Chor der Kern des ganzen Orchesters sein
muss und gleichwohl die Schallkraft des einzelnen Instruments der der
meisten (eigentlich aller) Bläser entschieden nachsteht. Wie aber,
wenn die Intention des Komponisten nicht jene eindringliche Kraft, son-
dern ganz andre Wirkung fodert? — Dann würde die Befolgung uns-
rer Regel Sinnwidrigkeit, also ein Fehler sein.
Ein erstes Beispiel giebt uns Beethoven in der Einleitung zu
der Scene der Leonore im Fidelio*), —
Allegro agitato.
V. I. II.
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1PZ
*) S. 220 der Parütur.
561
wo die Stiminen des Quartetts so erschreckt, so ausser Passung und
Haltung zu einander kommen , wie nach ihnen Leonore. Noch spre-
chender ist die Einleitung zum Chor der Gefangenen im Pidelio*), die
das Quartett so —
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bildet; — auf dem letzten y* treten Hörner ein und beginnen denUeber-
gang zum Chor. Wie auf derScene die Gefangenen aus der Kerkerthür
vereinzelt, schwach, eingeschüchtert hervorschleichen und kaum ver-
mögen, die ungewohnte frische Luft in kräftigen Zügen zu trinken, bis
allmählich ,,Lust in freier Luft'' die gedrückte Brust hebt: das hat gar
nicht treuer und wahrer und ergreifender dargestellt werden können,
als durch diesen leisen Zug der Streichinstrumente, durch diese Hoch-
erhebang ohne innere Kraft, dünn und auseinandergehend, wie die
Alhemlosigkeit langen* Verzagens and langer Beklemmung in Kerker-
laft. Es ist wohl einer der schönsten Züge in dem schönen Werke.
Das letzte Beispiel entlehnen wir dem Altvaler Bach mit der be-
sondern Freude und Genugthuung , mit der man beobacbtet;i wie das
Wahre vom wahren Künstler zu jeder Zeit erkannt und erfasst worden
ist. Id der Matthäi'schen Passion wird dieKede Jesu in den Rezitativea
stets vom Quartett leise begleitet, das bisweilen enger zusammentritt,
bisweilen gleichsam allegorisch in besondern Figuren den Inhalt der
Worte versinnlicht**), bisweilen aber auch seine Stimmen weit aus ein-
ander sendet. Eine solche Stellung des Quartetts zeigt gleich das erste
Rezitativ , das hier —
*) S. 245 der Partitar.
**) Z. B. io dem Rezitativ: „Voo dqd an wird*s f escbeben , dass ihr sebea
werdet des Meoscben Sohn sitteo zar Rechten der Kraft and kommeo in den Wol-
^«n des Himmels.«*
Marx, RoB«. L. IV. S. A«fl. 36
562
„Viii. Va.
377
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sprach er zu Mi-nen Jungem : Ihr -wisaet, daasnachzweeATagCA,
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Oafern wird, uad des Menachea Sohn -wird fl - ber - ant-wor-teC
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wer-den, dass er ge • krea
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allein mitgetheilt werden kann. Hier und in allen Rezitaliven Jesu
— bis er vor Pilatus verstummt — umschimmern die getrennten
oder auch sich mystisch kreuzenden Bogenztige des Quartetts den
Gesang, wie ein zartdurcbsichtiger Heiligenschein das Haupt des
Heiligen. — Dass Bach in klarbewusster Anschauung und Absiebt
geschrieben, ist unverkennbar; denn nirgends bedient er sich der-
selben Form bei der Rede der Andern, nie versäumt er sie bei
denen Jesu, bis dieser sich in die Hände der Gewalt ergiebt und
dem Loos der Sterblichkeit verfallen ist. Da erlischt der Heiligen-
schein und der dürre Positivismus der prosaischen und heacbleri-
583
sehen Gewalt verübt die Macht, die ihm eine Weile über Recht und
Wahrheit gegeben worden.
BT.
Theilung des Streichquartetts.
Zu Seite 320.
In eigenthiimlicher Bescheidenheit macht Spontini (dem man
gewöhnlich — und wie uns scheint sehr oft mit Unrecht — - das Gegen*
theil beigemessen hat) in seiner Vestalin von einer Stimmlbeilung Ge-
brauch. Es ist der Anfang des zweiten Akts*) ; die Vestaiinnen, in der
Mondnacht Im Tempel ihrer Göttin versammelt, werden die ^^Hyrnnt
du sotr^^ anstimmen. Dies —
400
Yiolon I.
Yiolon U.
2 Con ea Ut.
2 Baasons.
Andanle maettoio
Altot.
ViolonccUet.
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*) & 214 aer PartUor.
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565
ist die Einleitong des Orchesters. Man siebt, dass die Trenoung nur
Violoncell and Kontrabass betroffen, die getrennt worden, ein Fall, den
wir scbon in Nr. 362 und an verschiedenen andern Orten beobachtet
haben. Nicht als etwas Neues kann daher dieses Beispiel angeführt
werden , sondern weil sich mancherlei andere Betrachtungen an das-
selbe knüpfen.
Znnächst fällt der Kontrabass auf, der anscheinend zum grossen (7,
das er bekanntlich gar nicht hat, hinabgeführt wird. Wir müssen an-
nehmen , dass der Komponist , obgleich es in der Partitur nicht ange-
merkt ist, einen Theil der Violoncelle bei dem Kontrabass hat lassen
wollen und der letztere mitspielt, wie er kann , nämlich gross C eine
Oktave höber nehmend*).
Sodann sehn wir die Melodie der zweiten Violine übergeben,
während die erste mit einer sanft schmeichelnden BegleitungsGgur über
ihr liegt und sie bedeckt. Diese Figuralion , in der Tiefe die des Vio-
loncells, die ausgebildeten (nicht blos begleitenden) Stimmen der Brat-
sche und des Kontrabasses bilden ein Gewebe, das wie ein Schleier,- —
wie das Ungewisse Spiel von Licht und Schatten einer Mondnacht, in
der die Hymne angestimmt wird, — den Gesang umhüllen. So wenige
Mittel in der Hauptsache konnten dem Komponisten genügen. Wir
werden erinnert, dass es selbst bei besondern Aufgaben nicht immer
einer Häufung oder Zersetzung der Stimmen bedarf.
Werfen wir noch einen Blick auf das melodieführende Instrument,
so finden wir es bald vom Hörn, bald vom Fagott unterstützt und wer-
den damit an den ähnlichen Fall in Nr. 398 erinnert, wo wir ungeach-
tet des Zutritts der Bläser die Bratsche als Hauptpartie anzuerkennen
hatten. Im jetzigen Fall ist es im Ganzen unstreitig die zweite Vio-'
line; nur zu Anfang ist es zweifelhaft. Denn das Hörn steht wohl dem
abstrakten Tonmaasse nach mit ihr im Einklänge , dem Stimmkarakter
*) Aebnliehe ovr bei dem ertteo Hinblick aoffalleade FübraogeD de« Kontra-
basses io die ihm anerreicbbare Tiefe findet man öfter bei den bedeutendsten In-
strumentisteo, z. B. bei Beeth oven in der Cmoll-SympboDie (S. 121 der Parti-
tur), wo Violoncell und Base auf besoodern Systemen so —
Violoncello.
Seschrieben (oder vielleicht nur gedruckt) sind ; in derselben Symphonie S. 133, in
der Pastoralsymphonie S. 126 der Partitur und anderwärts; m. s. aneb Nr. 39S,
S. 316.
566
Dach aber eioe Oktave höher, weil es in seiner hohen Oktave einsetzt,
die zweite Violine aber in ihrer tiefen. Allein schon im zweiten Takte
tritt das Hörn in die Rolle blosser Begleitung zurück. Eben diese gp-
wissermassen zweifelhafte oder ungewisse Stellung, — in der man za-
erst den Gesang des Horns und die Violine nur mittönend vemimmt,
dann wieder diese vortritt und das Hörn sich zurückzieht, — dieses
Ablösen der tiefen Bläser, dieses Verschwimmen gleichsam der Om-
risse ward der glücklich getroffene Ausdruck der Situation.
Weit reichern Gebrauch macht Spontini in seiner Olympia von
der Theilung des Quartetts. Wir wollen aus mehrern Fällen nur diesen
einen mittheilen aus dem ersten Finale. Die Scene ist der gold- und
lichtschimmernde Tempel zu Ephesus , in dem die Hymenäen Kassan-
ders und der Tochter Alexanders, Olympia, gefeiert werden sollen.
Andrang des Volks , Züge hochgeschmückter Kriegsschaaren mit den
Fürsten , Priester und Schwärme festlicher Tänzerinnen, zwanzig zu-
gleich flammende, Opferweihrauch verbreitende Altäre, zugleich der
grollende und nahen Ausbruch drohende Grimm des neidischen Anli-
gonus und seiner Verbündeten, — Alles verbreitet jenen Schimmer und
jene fieberhafte Spannung, die wir uns als Atmosphäre jener hellenisch-
morgenländischen Zeit zu denken haben , in der die Satrapen Alexan-
ders sich um die blutigen Glieder der Welt stritten. Hier muss Alles
erhöhte Farbe haben , die keusche Mondnacht der Vestalinnen würde
hier erbleichen und uns durchkälten. Wenn nua in jener Scene Olym-
pia, Kassander und der Oberpriester, von den Feierzügen noch umge-
ben und unsichtbar, ihr Gebet erbeben ^ dann gestaltet sich das einlei-
tende Orchester so, — (Siebe das Beispiel tH» ^^^€' Seite.)
dass eine Abtheilung der ersten und zweiten Violine und der Bratschen
(die Violinstimmen drei- oder vierfach. besetzt, von den Bratschen die
Hälfte) in der höhern Oktave die Hauptstimme und nächste Begleitung
bilden, die übrigen Violinen (zuerst im Einklang, dann sich theilend),
die andre Hälfte der Bratschen , Violoncelie ond Bässe in der tiefern
Lage begleiten. Die hochliegenden Violinen, Bratschen und ersten Vio-
loucelle spielen con sordino , die tiefliegenden Violinen und Bratschen
senza sordino , die zweiten Violoncello ebenfalls senza sordino und
mit den Kontrabässen pizzicato. Die Hauptstimmen werden vom eng-
lischen Hörn und Fagott unterstützt.
Es versteht sich , dass hier keine einzige Stimme für sich vortre-
ten soll, als allenfalls die oberste Geige mit ihrer nSchstenUnterslimrae;
alles Uebrige, — die Triolenfignr der Geigen nnd die Achtel der Bässe
am ehesten , dann aber auch die Stimmen der Bratschen und ersten
Violoncelie, — verschwimmt in einander, umhüllt auch die Bläser und
leiht der Scene diesen Scbimmerklang, der, halb durchsichtig, halb ver-
hüllend wie aufsteigendes Rauchgewölk von den goldnen Altären im
567
Tempel, der beraoscheoden S^eoe entsprach. Dass der dunklere und
etwas fremdartige Klang des eoglisehen Horas , in engster Verbindung
mit der hohen Fagottmelodie und beide fnanUsimo con dolcezza^ das
Klangbild vervollständigen, ist gewiss. Man betrachte den unten fol*
geoden Satz.
Eine ähnliche Gestaltniig nuisste sich dem Verf. im Mose*) aufer-
baaen, die er in der Beilage XII zurPrüfung^arlegt. Wenn Alles voll«
bracht ist, — die doppelte Befreiung des Volks iwd di«^ Söhne seines
Abfalls, dann wird das Auge des Mose geöflhet; der rnft:
Die Herrlichkeit Gottes des Herro geht auf über mir !
nod ihm verkünden Stimmen den andern Propheten , den nach ihm
400
Violini I. n.
con aordini.
Viola
con Sordini«
Engl. Horu.
Solo-Fflgott.
Yiolud I. U.
senza sordini.
Viola
•enza sordini.
Violoneelli I.
con sordini.
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der Herr senden wird. p9ies wird dareb den in der Beilage gegebenen
Satz eingeleitet, nachdem das Volk sich flehend zu seinem Gott gewen-
det. Die Violinen leiten von da (Adar) hinauf zum hohen y*
(eü) und in jenen Satz ein. Auch hier gab es für den Verf. kei«
nen andern Klang, als den feinen nervösen der hochliegenden Vio-
linen ; die erste theilt sich in Oktaven und wird in der untern durch
die Hälfte der zweiten Violine, in der obern von einer Flöte gelei-
tet, die bei dem Beginn des Hauptgedanken (Takt 7) ebenfalls zu-
rücktritt. Das Gewebe der Begleitung in der zweiten Violine, den
Bratschen und Violoncellen wird und soll ein schwebendes Ganzes
bilden, nicht in den einzelnen Figoren. sich geltend machen. Durch
dieses Gewebe hindurch vernimmt man erst sehr schwach, dann vol-
ler, aber stets ganz leise und tief Stimmen, den Chor der Bläser.
Beide Seiten, dieser Chor und das Gewebe der Saiteninstrumente,
entfalten sich weiter unter dem Gesang des Mose und dem Eintritt
569
des wirklichea Chors, der Stimmen der VerkuodigaDg. So war es dem
Verf. gegeben. Die Benrtbeilung gehört nicht ihm.
Und nun werde noch zuletzt die tief geistvolle Anschauong We-
ber's zur Betrachtung gezogen, die ihm in der Euryanthe geworden.
Die Fabel dieser Oper bezieht sich darauf zurück , dass Euryanthe
früher der Geist einer Liebenden erschienen , die in der Verzweiflung
Hand an sich gelegt und ihre Erlösung von Euryanthes Bewährung
in schwerer Prüfung erwartet. Schon in der Ouvertüre wird — wie es
Weber's Art war — auf diesen Moment hingewiesen; es ist dieser
Satz, —
4 Largo, ma uon troppo. (Tutti legato.^
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von acht Violinen con »ordino, denen die Bratschen zuletzt zur Unter-
lage dienen, vorgetragen. Der Hauptsitz dieses Gedankens ist aber im
ersten Akte, wenn Euryanthe der falschen Freundin ihr Geheimniss,
die Geistererscbeinung, mitlheilt. Hier —
570
5 Flauti. Largo
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571
isl diese zweite Stelle, wie die erste von mehrern Solo^Violinen com
Sordino vorgetragen, von Ripien- Geigen und Bratschen im Tremolo
unterstützt; Flöten in tiefer, hohl klingender Tonregion, wenn sie höher
treten, weit aaseinandergezogen (S. 129) und dadurch ihres festen Zu-
sammenklangs verlustig, mischen sich ein.
Es kann an dieser Stelle nicht die Frage sein , ob dieses Tonbild,
das uns das geheimnissvoU schwebende Nahen eines unsichtbaren We-
sens, eines Geistes, dem noch die zartere Weise der Weiblichkeit oder
Jungfräulichkeit eigen und der Ausdruek tiefsten stillen Leids aufge*
prägt ist, — ob dieses Bild hier am Orte war, wo der Geist nicht
wirklich erscheint, sondern nur von ihm erzählt wird — allerdings mit
Schauern auch in der Erinnerung. Im dritten Akt umschweben diesel-
ben Töne Egiantinen, und man kann ahnen, dass es hier nicht blosse
Erinnerung, sondern das wirkliche Nahen des Geistes ist, das die Ver*
rätherin in den Tod drängt. Diese Erörterung gehört in eine höhere
Lehre; hier sagen wir nur: wenn die Vorstellong des Geistes dem
Tondichter nahen durfte , masste sie so gewiss das volle Gepräge der
Persönlichkeit tragen, — das jungfräulich zarte , im bittersten Jammer
nur still leidende Wesen, so gewiss der Geist des erschlagenen Hamlet
als Ritter und König, in Rüstung und im Hauskleid erscheint. Und dann
ist dem an einzelnen Karakterziigen so reichen Tonkünsiler hier einer
der treffendsten zugefallen. Die kisen heimlichsiedenden Töne mehre-
rer Violinen neben einander in Nr. ^f^- schweben in der That — zu-
mal im Gegensatz zu den Kraftschlägen des vollen Orchesters vor- und
nachher — wie ätherisch , gleichsam unkörperlich und doch so ein-
dringiich in die Nerven, wie kein anderes Organ vermöchte. Das ganz
unmotivirt zutretende Tremolo der Bratschen durchschauert überra-
schend, als wenn die geisterhaDe Erscheinung mehr Körper, mehr Ge-
wissheit und Wirklichkeit angezogen hätte. Körperlicher hat sich das
Bild in Nr. -^^ gestaltet und musste es; denn im ersten Falle stand es
ganz allein und man gab sich nur ihm bin, jetzt aber bildet es Mos deo
Hintergrund zu Euryanthes Erzählung und wir hängen zunächst an
dieser*). Zugleich dienen die Flöten und das ausgebreitete Tremolo,
der Singstimme festere Unterlage zu geben und sie mit dem Hauptge-
danken im Orchester mehr zu verschmelzen. Sollte aber irgend ein
Blasinstrument mitwirken, so konnten es durchaus nur Flöten, und nur
<*) Man kSoDte, um Weber's Tonbild zo motiviren, annehmen, dass der Geist
bei Earyaolhes Brzählnn^ wirklieh nahe sei. Aber wozu ist er geaaht? omza war-
nea «ad zn bemroeat -^ daza fehlt j«4e Andevtaag nad jader Brf^lg. Ea war* also
eio zweckloses Anftretea eines Wesens, das wir ujds iibennicbtis und tiefi^sbaoend
denken müssen; ein Geist, der beides nicht wÜre, konnte nns nicht Scbaaer der
Ehrforcht and Sehen, die Ahnung einer geistigen und dadurch mächtigem Welt
wecken, aoodeni aur IHitleid, 4«9 aa Geringscbätanog grunzte.
572
in der hohlen untern Tonlage and sie allein mit Ansscblnss jedes an*
dem Instruments sein.
o.
Die neuen Orchesterbildungpen.
Ztt Seite 352.
Die nächste Rücksicht hat die Lehre dem in der unverhäilnias-
massig grossen Mehrzahl aller Werke herrschenden Tbatbestande zu
widmen, zumal da diese Mehrzahl alle Meister der Tonkunst von
Gluck und Haj^dn bis Beethoven und alle durch ächte Kunstbil-
düng ausgezeichneten Nachfolger derselben in sich scbliesst.
Allein die Uebereinstimmung aller Meister und aller Musiker bis
auf diese Stunde beweiset noch nicht, dass nicht auch anders verfahren
werden könne, als sie gethan. In Sachen der Kunst gtebt es keine Au-
torität, als das eigne Gefühl und die Vernunft der Sache. Niemand
kann dem Künstler Gesetze geben, als diese Vernunft der Sache; das
Verfahren der Andern, selbst der grössten Meister, selbst Aller, kann
ihn nur zur Prüfung desselben durch seine Vernunft auffodern. Ent-
scheidung und Enlschluss sind sein unveräusserlich Recht, — aber
auch sein Verhängniss. Hat er reiflich geprüft und richtig entschieden»
so hat er das Rechte gethan und dem Vorhandnen neue Gaben zuge-
fügt, oder selbst der Kunst einen Fortschritt gewonnen ; hat er geirrt,
so mögen die Andern das erkennen und beherzigen.
Ja, der Fortschritt ist gar nicht anders denkbar, als dass man et-
was Anderes ihue, als das bisher Geschehene. Wer ihn verbieten
wollte, würde damit die Entwickeluog der Kunst zu hemmen trachten,
im Widerspruch mit dem Urstreben des menschlichen Geistes nach
Fortbewegung, das heisst: nach Leben; wer ihn im Sinn trüge, aber
zu vollfuhren nicht wagte, war' aus Feigheit ebenso treulos an seinem
Berufe, wie der Andre, der vorwitzig sich von der bewährten Bahn
ohne reiflichste Prüfung entfernte. Den Reaktionären und Hemmungs-
männern dürfte man zurufen: Ihr, die ihr auf irgend einem rückwärts
gelegnen Punkte slillstehn wollet und nun uns Fortschreitende schel*
tet, weil wir nicht auf demselben Punkte stiilstebn mögen, hättet ihr
nicht ebenso gut gegen eaern Beethoven, euern Mozart, enem
Bach (oder auf wen ihr sonst schwört) eifern müssen, wenn die zu
eurer Zeit aufgetreten wären, da jeder von ihnen über seine Vorgänger
hinausgegangen ist? — Und mit gleichem Rechte dürfte man den Aben-
573
theorern, die jede Fortkewegang ohne WeHeres schon als ForUehritt
preisen und auf die Heister allenEaills mit kühler Schonung als auf einen
,, überwundenen Standpunkte^ herabblicken, die dürfte man fragen:
Habt ihr einen so geringen Begriff von der Kunst, der ihr euch widmet,
dass ihr anders als nach allseitiger und durchdringendster Prüfung euch
vorzuschreiten unterfangt, als war' jene ein geringer GegensUnd, gut
genug für jeden Versuch (ßat itxperimentum in corpore viliy sagen die
Mediziner) und jedes wildernde Gelüsten der Effekt- und Beutema-
cherei? —
Ein solch fragliches Unternehmen liegt vor; es ist mit solcher
Energie in das Leben getreten, so geistreiche Männer, so bedeutende
Musiktaiente haben sich an ihm beiheiligt, dass die Kunstlehre sich ge-
wissenhafter Prüfung nicht enlziehn darf, wenn sie nicht ihrer PQicht
untreu werden will. Um so weniger, als in dieser Angelegenheit zwei
Priflzipe gegen einander in Kampf treten , die von jeher die Kunst und
die kunstübenden Völker getheilt haben und deren vollkommne Eini-
gung stets nurPrel^nnd Kennzeichen der höchsten Meister war. Es
ist, um es kurz anzudeuten, der Gegensatz von Sinnlichkeit und Geist,
von Materialismus und Idealismus , von romanischer und germanischer
Sinnesart, der sich auch in der Orchestration hat bethätigen müssen, in
der Bildung und Verwendung des Orchesters.
Es ist nicht hier der Ort, diese Erscheinung erschöpfend zu be-
trachten ; das wird einer andern Stelle vorbehalten. Wir haben für
diesmal nur die über den bisherigen, — bestimmter: über den Beetfao-
ven'schen Standpunkt hinausgehenden Orchesterbildungen mit ihren
nächsten Folgen zu beurlheilen.
Kann man über das Beethoven'sche Orchester hin-
ausgehn?
Diese Frage ist im Lehrbuche vollständig beantwortet. Wir haben
ganze Reiben von Instrumenten kennen gelernt, die Beethoven gar
nicht gekannt hat; als Beispiel dienen alle Ventilinstrumente. Wenn
Beethoven nächst dem Quartett und den Schlaginstrumenten nur den
Gegensatz von Blech- und Holzblasinstrumenten besass , so stellt sich
uns die ganze Klasse der Venlilinstrumenle zu Gebot, Mittel- und
Miscbgestalten zwischen dem bestimmt geschiednen Karakter der Röhre
und Natur-Blechinstrumente.
Darf man von ihnen und andern neuen Instrumen-
ten Gebrauch machen?
Warum nicht ebenso gut, als Beethoven das Mozart'scbe
Orchester erweitert hat und Mozart das vor ihm gebräuchliche? Es
kommt nur auf die Folgen an, die unausbleiblich sich an die Erwei-
terung hängen , und diese werden durch Masse und Auswahl des Zu-
wachses bedingt, den man dem bisherigen Orchester beifügt. Dass der
Komponist gelegentlich nach der Idee seines Werks veranlasst sein
576
rein tonkunsüerischea mitwirkend gewesen sind and sich, dann einmal
eingebui^ert, auch auf Dicbteceniscbe Werke (FausuOavertäre) über-
tragen haben. Wagner bildet sein Orchester (wir nehmen Lohengrin
als Beispiel) näcbst dem Quartett ans
3 Flöten (1 Pikkolflöte), 3 Trompeten,
3 Oboen (1 engl. Dorn), 4 Hörnern,
3 Klarinetten (1 BasskUrinelte), 3 Posaunen, wozu stets
3 FagoUen, 1 Tuba als vierte Stimme Irilt,
2 Pauken,
verwendet selbstverständlich bisweilen weniger Stimmen, geht aber
auch darüber hinaus ^ indem er die Violinen in 4 Solo- und 4 Ripien-
parlien zertheilt, Harfe, Becken und — hier aus rein-scenischen Ruck*
sichten — ein zweites Orchester auf der Bühne zufügt.
F. Liszt stellt in seinen symphonischen Dichtungen neben dem
Quartelt
2 Flöten (öfter mit 1 Pikkolflöte), 2, 3, auch 4 Trompeten,
2 Oboen (öfter mit 1 engl. Hörn), 4 Homer,
2 KJarinetleu (bisweilen 1 Basski.), 3 Posaunen, wozu stets
2, auch 3 Fagotte, 1 Tuba als vierte Stimme tritt,
2, 3, auch 4 Pauken,
ausserdem, und zwar nicht selten,
1, auch 2 Harfen, grosse Trbmmel, Militairtrommel, Becken,
Triangel
zusammen.
H. Berlioz stellt in seinen symphonischen Dichtungen ein Or-
chester von
2 Flöten, 2 Kornetten,
2 Oboen, 2 Trompeten,
2 Klarinetten, 4 Hörnern,
4 Fagotten, 3 Posaunen
auf, zu denen Pauken, gelegentlich bis zu 4, von 4 Spielern zu beban-
deln, eine oder zwei Harfen (die „wenigstens^^ doppelt zu besetzen
sind), Ophiklei'de oder Tuba, grosse Trommel, Triangel, Becken, bas-
kiscbe Trommeln bei einzelnen Sätzen (zu gleichsam scenischen Effek-
ten) zutreten. In seiner symphonisch-scenischen Dichtung Harold en
Italic wird dem Quartett eine Solo-Bratsche obligat melodieführend zu*
gefügt, anderswo wird erste und zweite Violin in drei, die Bratsche in
zwei Partien getheilt.
So finden wir denn die Röhre um 2 bis 4 , das Blech um 3 bis 5
Stimmen vermehrt, einen dritten Chor zu denen der Bläser und Streich*
instrumente, die Harfenpartie, zugefügt. Natürlich muss vor allen Din-
gen das Quartett, um der grössern Bläser- und Harfenmasse gewachsen
zu sein, stärker besetzt werden; Berlioz federt im Harold aus-
drücklich
577
„weDigstens'* 15 erste Violinen,
,, 15 zweite Violinen,
„ 10 Bratschen,
,, 12 (in der Episode de la vie d'un artiste 11)
Violoncelle,
„ 9 Kontrabässe, —
und man mass allerdings diese Foderung als gar nicht übertrieben an-
erkennen.
Das nächste and allgemein3te Ergebniss der nenen Orchestration
ist also offenbar Vergrösserung der Schallmasse, des mate-
riellen Theils der Kunstgebilde, und damit drastischere Ein-
wirkung auf den körperlichen Sinn der Hörer. Dies Ei^ebniss ist so
unverborgen , dass es nothwendig Absiebt der Komponisten gewesen
sein mnss. Zum Deberfluss legt der Führer auf diesem Pfade, H. Ber-
lioz, in seinem Cours d*instrumentaiion darüber vollgültigstes Zeug-
niss ab. Er verspricht wahre Wunder von den Aufführungen eines
Orchesters ans 456 Instrumenten , worunter 120 Violinen , 40 Brat-
sehen, 45 Violoncelle , 33 Kontrabässe , 30 Warfen, 30 Forlepiano's,
14 Flöten u. s. w. ,,In den tausend möglichen Zusammenstellungen
dieses Riesenorchesters (versichert er) würde ein Reichthum von
Harmonien (er kann nicht neue Akkordbildungen oder Verknüpfungen
meinen, sondern Zusammenklänge, Klangphänomene), eine Mannig-
faltigkeit von Klangfarben, eine Aufeinanderfolge von Gegensätzen
wohnen, womit sich Nichts, was bis auf den heutigen Tag in der Kunst
geschaffen worden, vergleichen liesse, und obenein eine unberechen-
bare Gewalt der Melodie (hier kann wieder nicht der tonische Inhalt,
das Wesen der Melodie, sondern ihre Darstellung durch verstärkte
und mannigfaltigere Organe gemeint sein), des Ausdrucks und des
Rhythmus, eine durchdringende Kraft, wie in nichts Anderm, eine
wunderbare Begabung für Schattirungen im Ganzen, wie im Einzelnen.
Seine Ruhe würde majestätisch sein , wie der Schlummer des Ozeans;
seine Bewegungen würden an die Stürme der Tropenländer, seine Aus-
brüche an das Tosen der Vulkane erinnern ; man würde darin die Kla-
gen, das Gemurmel , das geheimnissvolle Geräusch der Urwälder wie-
derfinden, das Flehen, die Bitten, die Triumph- oder Trauergesänge
eines ganzen Volks voll mittheiienden Gemüthes, voll glühenden Her-
zens, voll wilder Leidenschaften; sein Stillschweigen würde Furcht
einflössen durch seine Feierlichkeit, und selbst die zähesten Naturen
mnssten erbeben , sähen sie , wie sein crescendo brüllend grösser und
grösser würde, gleich einer Ungeheuern erhabenen Feuersbrunst.''
Nicht blos das Heer der Instrumente, das dem Anführer auf diesem
Weg' als Begehrenswürdigstes erscheint, giebt Zeugniss für das hier
vorwaltende Prinzip des Materialismus, die bildergeschmückte
Verbeissung verstärkt das Zeugniss; sie ist nicht nur bilderreich,
AI a r X , Komp. L. IV. .1. Aufl. 37
578
sondern bezeichnend, wenn sie die Sliirnie der Tropenländer , das To-
sen der Vulkane , die geheimoissvolie Stiaime der Urwälder, das brül-
lend, gleich einer nngeheuern Peuersbrunst anschwellende crescendo,
die durchschütlerndslen Erscheinungen der Sinnenwelt als Zielpunkte
hinstellt. Das ist für den sinnlichen, materialistischen Franzosen (wir
meinen nicht Berlioz, sondern sein Volk), der bei air seiner Regsam-
keit und Bewegsamkeit, bei seiner technischen Geschicklichkeit und
dem Flackerfeuer seines leichterregten und leichtverschwundenen En-
thusiasmus doch durch und durch prosaisch ist nnd bleibt, ganz natur-
gemäss. Dem Deutschen ist ein höher Ziel gesetzt ; er ist auf das Ideal
hingewiesen. Die geistige Seite des Lebens, des Menscheutbums gilt
ihm über Alles und die glänzendsten und erregendsten Naturerschei-
nungen können ihm nur Beiwerk oder mitbestimmendes Verhältniss
sein, Idealität ist ihm als Ziel gesetzt. Daher bedarf er gar nicht jener
gewaltigen Ausrüstung, nur um Naturmomente recht realistisch ausge-
stopft hinzustellen. Im Gegeniheil findet er im Vorwalten des Geistes
vollgenügende Mittel, der Phantasie des Hörers alle Wunder der Aus-
senwelt vorzuzaubern \ und hierauf kommt es ja doch allein an , jede
realistische Nachahmung der Naturgewalten ist für sich allein doch nur
ärmliches Kinderspieizeug. Man kann sich die Bedeutung der Masse
schon daran klar machen, dass jede der Ueberbietung preisgegeben,
dass nichts für den spekulirenden Verstand wohlfeiler ist, als dem Ber-
lioz'schen Riesenorcbester von 456 Mann ein Gigantenorchester von
912 Mann nachfolgen zu lassen. Und in der That hat Berlioz selber
dem Riesenorchester neuerdings noch den neuerfundenen Oktobass
(S. 250) zugefügt.
Was wir übrigens als Ziel deutscher Kunst bezeichnet haben,
Menschenthum und Ideal, ist die Aufgabe aller ächten und grossen
Künstler gewesen und muss es alP ihren Nachfolgern für ewig bleiben;
die Griechen ebensowohl, wie Raphael, wie Shakespeare, wie Schiller
und Goethe, Mozart und Beethoven sind dess Zeugen. Auch die Mo-
mente des Völkerlebens haben sie niemals anders , als durch geistige
Mittel zur Anschauung bringen können. So hat Beethoven unter
andern in der Heldensymphonie gethan , ohne grössern Aufwand , als
den eines dritten Horns ; nicht einmal der Posaunen und Pikkolflöten
bedurft' er für dieses Bild des Kriegs- und Heldenlebens. Hätten seine
Gedanken nicht an die Grösse der Aufgabe hinangereicht : Aufhäufung
des Materials hätte das Kunstgebilde nicht grösser, sondern nur
dick und fett machen , hätte das Trommelfell betäuben und sprengen
können, ohne das Gebilde zu beleben und die Phantasie zurTheilnahme
zu wecken. Und endlich — wo bleiben denn diese weltumfassenden
Entwürfe? für die zerstreuten Begebenheiten eines Räuber- oder Kunst-
lerlebens , für die Träume und Leidenschaften eines natürlicherweise
verliebten Künstlers, dem das Bild der Geliebten nie anders erscheint,
579
als an eine bestimmte mnsikalische Phrase gabaodeii (wie arm!), für
einen Ball, auf dem ihn das Bild umschwebt, für eine ländliche Scene, wo
zwei Hirten den Kuhreigen (französisch: ranz de vaches) „dialogi-
siren'' und der arme Knabe über seine Verlassenheit nachdenkt, für
den Gang zur Hinrichtung, für einen Hexentanz wäre das Klavier über-
genügend gewesen. Beethoven hat unendlich Tieferes dem Klavier
und Quartett anvertraut und sein Orchester nur für höhere Aufgaben
berufen.
Der Ueberflüssigkeit der Mittel wär^ indess nachzusehn , wenn sie
nicht zu einem Prinzip der Instrumentation führte, das mit
wahrer Kunst schlechthin unverträglich ist. Nicht ungestraft (die
Kunst kennt so gut das Uebel der Fettsucht, wie der Körper) häuft
man üeberfluss des Materials zusammen ; er hemmt und erstickt das
geistige Leben und die gesunde, leichte, fröhliche Bewegung. Wie
glücklich, wie heiter tanzt ein Haydn'scher, Beethoven'scher
Salz dahin, wie findet da jedes Organ Spielraum, führt frei und
ungehemmt sein Leben, gleich den Personen im wohlgestalteten Drama
des Dichters! Jede Stimme wird dem Tondichter lebendige, karakter-
volle Persönlichkeit, die für sich allein handelt, oder sich mit gleichge-
sinnten vereint und verschmilzt, mit fremdartigen, Rarakter gegen
Karakter, streitet und vielleicht verträgt, bis im rechten Augenblick
jedes sein eigen Selbst vergisst und im grossen Verein Aller aufgeht,
recht, wie jeder Einzelne sich selber aufgiebt, um im Leben seines
Volks,- wenn es gilt, aufzugehn. Der Dichter aber, der sie schuf, liebt
jede seiner Personen und lässt väterlich jede nach ihrer Weise gewäh-
ren, bis die Macht des Augenblicks Alles vereint.
Dies ist das schnurgerade Gegentheil des französischen, überhaupt
des romanischen Geistes, in der Kunst wie im Leben ; individuale Frei-
heit, selbständige Entwickelung eines Jeden aus sich heraus, Eigen-
thümlichkeit — den eigensten Ausdruck des selbständigen Karakters,
kennen sie nicht diese einstmaligen Knechte des alten Rom , das allen
Unterworfenen den Stempel seiner Einheit unaustilgbar aufgeprägt bat;
alle sind sie aus derselben Form , mit demselben Prinzip hervorgegan-
gen. Allerdings sind sie darum auch schneller forroirt, haben sie von
da her das Streben nach Gemeinsamkeit und Uniform und Machtstel-
lung, — und in äusserlichen Verhältnissen haben sie sich dessen oft
genug auf unsre Kosten zu erfreuen gehabt.
Dies spricht sich vollkommen klar in der Neubildung des Orche-
sters aus, die von Frankreich ausgegangen ist. Diese Instrumente ^ die
dem deutschen Tondichter als lebende Personen seines Drama's gegen-
übertreten (erinnere mich, ruft Mozart im Arbeiten seiner Schwester
zu, dass ich dem Hörn was zu thun gebe), gerinnen zu einem einzigen
Organ oder Werkzeug zusammen, das die einzig-lebendige Subjeklivi-
37*
580
tat des Komponisten bandhabt, wie der grosse Pianist sein Instrument;
an die Stelle viellebiger Dramatik ist Mechanismus getreten,
allerdings ein ausserordentlich reicher, schallgewaltiger, an Klangfar-
ben vielleicht noch mannigfaltigerer, als das klassische Orchester, wenn
man die Klangreihen blos materiell abschätzt.
Der Gipfel dieses Strebens, wir haben es schon gesagt, ist die
Masse and Massenwirkung, die aus dem in Eins zusammenge-
schmolzenen Heer der Instrumente gewonnen wird. Aber dasselbe
Prinzip spricht sich nicht blos im Zusammenfluss der gesammten In-
strumentenschaar aus , es durchwaltet auch den ganzen Organismus.
Wenn die Flöten (mit Pikkolflöte), die Oboen (mit englischem Hörn),
die Klarinetten (mit Bassklarinette) zu dreien , die Fagotte und Trom-
peten zu drei und vieren, die Hörner zu vieren aufgeführt werden, und
das nicht ausnahmsweise für besondere Zwecke , sondern als Grund-
norm: so wiederholt sich hier wieder das Streben, Masse zu bilden;
jede lustrumentart bildet eine kleinere in sich gefüllte Masse in der
grossen aller Bläser oder des ganzen Orchesters. Diese kleinen Massen
können bisweilen sehr erwünschte Klangeinheit gewähren. Aber schon
dadurch widerstreben sie der geistigern und darum geistweckendern
Aufgabe, der sich die Meister so gern und so glücklich unterzogen,
das materiell Ungleichartige zu geistiger Einheit zu verbinden ; es ist
wie der Verein von Freien, gegenüber dem Zusammenfluss einem
Despoten Unterworfener.
Hierzu tritt nun noch verhängnissvoll die Veotilisirung der Hör-
ner und Trompeten , die den Karakter der unvergleichlichen Oi^ane
(S. 94) bricht , und die Zuthat andrer Venlilinslrumente. Diese Misch-
linge von Rohr- und Natur-Blechinstrumenten sind wie berufen, den
Karakter ihrer Nachbarn zu verwischen und alle Bläser zu einer unter-
schiedlosen Masse (man lese Berlioz* Urtbeil über die Saxophone und
Saxhörner, S. 520) zusammenlaufen zu lassen. Am schlagendsten tritt
das bei der Gruppe der Posaunen hervor. Nicht ohne triftigen Grund
(S. 70) werden die Posaunen in der Regel in der Dreizahl aufgestellt;
will man, gleichviel aus welchem Grund', eine vierte Posaune zufügen,
so bleibt wenigstens die Einheit des Karakters erhalten. Weder das
Eine noch das Andre befriedigt die Anhänger der neuen Orcheslerbil-
düng; sie bilden aus drei Posaunen und — der Tuba einen Chor, gehn
also wieder zur Massigkeit vor und verunreinigen den reinen Posau-
nenhall durch die dumpf-ungeschlachte Tuba.
Die letzte Bestätigung des Massenprinzips geben die Har-
fen, von jeher eine Liebhaberei der französischen Musiker. Die Harfe
verschmilzt niemals mit dem. Orchester; man verstärke dasselbe, wie
man wolle : so lange die Harfe noch hörbar wird , treten die kurzen
Schläge ihrer Saiten als Besonderheiten und Fremdheiten heraus. Dazu
kommt, dass das Instrument kaum für karaktervoUe Durchführung
581
einer Stimme, vorzugsweise zu vollen Akkorden und harmonischer Fi-
guration (Arpeggien) geeignet ist, das heissl, nvieder zum Massebil-
den. Daher ist Berlioz' Wunsch, 30 Harfen und 30 Fortepiano's zu-
sammenzustellen, ganz folgerichtig; die Macht der Masse liegt
in der Häufung. Soviel des Harfenartigen das Orchester bedarf,
haben die Meister im Pizzikato gefunden, das gerade durch seine Sel-
tenheit um so karaktervoUer hervortrat.
Dass übrigens grosse, vielfach zusammengesetzte Massen Mo-
mente grosser Macht, ja Pracht gewähren können, dass sie
einen fteichthum von Klangkombinationen darbieten, der den des klas-
sischen Orchesters noch zu überbieten vermag, wer wollte das bestrei-
ten? ein einfaches Rechenexempel würde den Beweis liefern, wenn
nicht schon in den Werken dieser Richtung die Thatsache genugsam
vorläge. Gleichwohl findet sich, dass selbst dieser, dem Anschein nach
unfehlbare Gewinn weit hinter der Voraussetzung zurückbleibt uud
selbst hier , wo es sich anscheinend nur um Massen , also Materielles
handelt, der Geist über die Materie den Sieg davonträgt.
Schallwirkungen nämlich, wie Lichtwirknngen finden das
Maass ihrer Krafl; zunächst im Gegensatze gegen andre Wir-
kungen derselben Art; der Gegensatz gegen eine schwächere Wir-
kang ist es, der die stärkere hebt. Die Maler wissen das längst; sie
brauchen zur Darstellung der Lichtpunkte nicht etwa Metallglanz (man
betrachte die Goldgründe und Goldverzierung auf alten Bildern) oder
gar durchleuchtendes Feuer, sondern die Gegenslellung dunklerer, bis
in die Nacht abgestufter Umgebung. Auch die Meister in der Tonkunst
haben das längst gewusst und geübt. WennHaydn lange genug mit
seinem schwachbesetzten Quartett und seinen Paar Bläsern gespielt
und gekoset hat und endlich im mutbwilligen Eifer seine zwei Trompe-
ten mit den muntern Pauken loslässt : so machen die mehr Lärm , als
die Korybantenwirthschaft des französischen Orchesters; denn dies
wüthet und toset immerfort und macht gegen den Lärm gleichgültig,
während Haydn's Trompeten hervorblitzen wie ein Licht durch die
dämmernde Nacht. So auch hat keine der Massen, die das französische
Orchester von Anfang an loslässt , die hehre Pracht des Finale oder
auch der Cdur-Sätze des Andante in Beethoven's £7moll-Symphonie
erreicht.
Dies hat aber noch einen zweiten Grund: die Reinheit der
Klangfarben. Drei Posaunen sind für sich allein in der That stär-
ker, als im Verein mit der dumpfen Tuba, wie Roth strahlender ist, als
Rolhblau oder Violett; wir haben im Lehrbuch öfter zu bemerken ge-
habt , dass die schärfern Instrumente durch Zutritt der mildern keines-
wegs gestärkt, sondern verhüllt und gesänftigt werden. So bewirken
auch vier Fagotte gegenüber den hohem Röhren und vier Hörner ge-
genüber den Trompeten und Posaunen nicht Erhellung, sondern Ver-
582
dumprung des Sehalis. Gleiche Verdütikelutigen stebn auch dem klas*
siseben Orchester zu Gebot, es bat daza seine Höroer, seine Robrin-
Strumente, besonders die weichen Klarinetten und Fagotte; aber es
bat sich weislich der Ueberladnng enthalten, die allaugenbiicklicb jene
Mischklättge herbeiführen, und es braucht desswegen auch nicht allent-
halben zu den Schlägen der Trommeln und Becken sefne Zuflucht za
nehmen , um in die breite Schallmasse und ihren Nachhall (denn jeder
starke Scbnll hallt nach) Aocent und Halt zu bringen.
Wunderlicberweise zeigt sich selbst der Reicbthum an Klang*
mischungen, von dem man meinen sollte, dass sie errechnet wer-
den könnten, täuschend. Die Möglichkeit zahlreicherer Klangmischon-
gen ist allerdings arithmetisch festzustellen, auch haben alle obenge-
nanute Künstler neue, zum Theil spezifisch bezeichnende gefunden.
Gleichwohl ist keiner reicher darin gewesen , als wieder Haydn in
seinen Naturspielen in Schöpfung und Jahreszeiten, dem sich höchst
geistreich Weber und Meyerbeer anschlössen, dieser schon mit der
neuen Orchestration. Beethoven darr hier nicht mitgenannt werden ;
er ist zwar in Klangbildungen reicher wie irgend einer, aber bei ihm
sind sie nicht Efl^ektmittel fiir den einzelnen Moment, sondern AusOässe
ans dem Erguss des ganzen Kunstgebildes«
Warum aber sind die Komponisten mit dem vergrösserten Besäz
ihres Orchesters nicht zu reichern Aerndten gekommen? — weil aucli
bei ihnen nicht der materielle Reicbthum, sondern der Geist, ihr
Prinzip der Orchestration , entscheidet.
Nicht ungestraft, wir wiederholen es, sucht man im Aufthörmen
des Materials den Erfolg. Diese Schaar von Instrumenten ist einmal
eingezogen in die Phantasie des Komponisten; nun will sie zu thun
haben und drängt sich unablässig herbei , nimmt den breitesten Raum
ein und lässt nur spärlich dem einzelnen Instrument oder wenigen Ge-
legenheit zu feinern und eigen gefärbten Aeusserungen. Kommt es
aber zu Solosätzen , so müssen sie, um des Gegensatzes willen zu der
vorwallenden Masse, durchdringenden Instrumenten anvertraut, oder
in durchdringenden Tonlagen aufgestellt werden , oder es wird ihnen,
gleichsam unter dem Druck der Masse , der Ausdruck jenes Klagens
und Stöhnens zu Theil, der den Franzosen von jeher als Empfindung
und Schwärmerei gegolten bat. Zugleich wird unter der Last der
Masse die Bewegung des Ganzen unvermeidlich verlangsamt, ja schlep-
pend in Vergleich mit dem behenden leichten Binherscbritt des klassi-
schen Orchesters ; dies ist akustische Nothwendigkeit, weil der gefäll-
tere Schall mehr Zeit braucht, sich auszubreiten üiid zu verhallen.
Damit wird auch die Schlagfertigkeit, der heitere Tanz, die Vielge-
staltigkeit des Rhythmus, die uns in Beethoven auf starkem Pittig
davonträgt, beschränkt. Es ist ein leidiger Trost, wenn man diesem
beschwerten Gange nachrühmt, der Satz sti j^largement^^ gescbrie-
583
beo ; dies targement steht auch dem leichtera Orchester , auch dem
Quatuor uad Kiaviersatz zu Gebote , aber es ist ihm nicht als Unver-
meidlichkeit auferlegt.
So sehn wir das neuere Prinzip der Orchestration die ganze Kom-
position durchwalten; es begreift sich nun, dass es aller individuellen
Entwickelung im Wege steht , dass es die freie, leichte, mannigfaltige
Melodie, dass es noch viel mehr die dramatische Wechsel- und Gegen-
rede (technisch zureden: diePoIyphonie), den Preis aller Kunst, hemmt
oder ganz verdrängt. Die Melodie, die Hede des Einzelnen, würde ab-
solut frei , aber dürftig wie ein Einsamer sein , wenn sie ganz allein
stand' als Monodie; der nächste Schritt darüber hinaus ist, dass man ihr
harmonische Grundlage, Begleitung als Anhalt, der bedeutsamere, dass
man ihr eine Gegenmelodie , einen Gegensatz giebt, der ihren Inhalt
dilrch seinen entgegenatrebenden Inhalt schärfer hervortreibt. Aber die
Begleitung muss tragen , nicht durch überflüssige Masse drücken und
überdecken ; sonst nöthigt sie , zur Verstärkung der Melodie ebenfalls
Instrumente zu häufen , und zieht wieder die Massenbaftigkeit als vor-
waltenden Zustand herbei, die nur für Momente der Entscheidung oder
für besondre Verbältnisse wirken soll und es um so sicherer thut, je
sparsamer man sie braucht. Noch mehr, als die einzelne Melodie, be-
darf die Führung von Satz gegen Satz freier und leichtergreifbarer
Darstellung. Man kann allerdings grosse Massen in zwei Stimmen zu-
sammenhäufen; oft hat Beethoven alle Bläser zu einer, alle Saiten-
instrumente zu einer zweiten oder Gegenstimme verschmolzen; dies ist
dann der stärkste Ausdruck des Gegensatzes« Aber eh' es zu diesem
Gipfelpunkt, zu dieser höchsten Entscheidung kommt, welch' ein rei«
ches, buntes Leben drängt sich da gleich der Knospenüberfülle des
Frühlings wetteifernd zur Entfaltung 1 Alle Stimmen des Orchesters
begehren rein für sich und verschmolzen zu zweien und dreien, ein-
zeln oder gepaart , an diesem heitern und vielbedeuligen Reigentanz,
der das Leben des Orchesters ist, theilzunebmen ; das wechselt, das
wandelt sich , das vereinzelt sich fast bis zum Sichverlieren , das paart
nnd scbaart sich wieder, bis zuletzt alles Einzelne sich darangicbt , die
Macht des Ganzen in ehernem Gusse siegen und entscheiden zu lassen.
Es ist, wir wiederholen es, das Bild eines freien, in jedem Einzelnen
regsamen und^ eigenbeseelten Volkes gegenüber einer unter den Eigen-
willen eines Einzelnen gesobaart^u Menge.
584
Anordnung* der Partitur.
Za Seite 370.
Es ist hier , wo wir die gesammten Chöre des Orchesters zusam-
menführen, höchste Zeit, über
die Anordnung der Partitur
wenigstens das Nöthigste zu sagen. Im Werke selber haben wir jedes
entlehnte oder selbstgebildete Beispiel in der Anordnung gegeben , die
es in der Originalpartitur hatte oder die uns eben die bequemste war.
Allein aus zwei Gründen dürfen wir es nicht bei dieser Zufälligkeit
bewenden lassen ; einmal, weil es nicht gleichgültig ist, ob unsre Par-
tituren übersichtlich oder erschwert abgefasst werden ; dann, weil man
dorch angeschickte oder auch nur ungewöhnliche Anordnung leicht das
Vorurtheil der Gewohnheitsmänner gegen ein Werk erregt, für das
man ihre Tbeilnahme nicht entbehren kann — und es unklug ist, dem
Vorurtheil und der Missstimmung Trotz zu bieten , wo nicht höhere
Bestimmungsgründe dazu nöthigen. Uebrigens ist nicht zu leugnen,
dass für mancherlei Aufgaben verschiedne Anordnungen üblich und
bisweilen von ungefähr gleichem Werthe sind. Aber dies ist nur ein
Grund mehr, die Sache zur Sprache*) zu bringen und auf bestimmte
Grundsätze zurückzuführen ; nur so ist ein übereinstimmendes Verhal-
ten der Komponisten und Verleger und damit erhebliche Erleichterung
des Partiturlesens zu erreichen.
Der Zweck der Partiturordnung ist natürlich kein andrer, als, die
Uebersicht der Stimmen zu erleichtern.
Hierzu führt vor allem eine erste Regel:
man muss die Stimmen nach ihrer natürlichen Tonordnung
aufstellen , die tiefste zu unterst , die je höher liegenden dar-
über, die höchste zu oberst ;
die auch vollkommen ausreichend ist, wenn die Partitur nur einen ein-
zigen Stimmchor enthält. Man setzt also Singchor und Quartett, jedes
für sich, in dieser Stimmordnung :
Diskant, Erste Violine,
Alt, Zweite Violine,
Tenor, Bratsche,
Bass, Bass ;
*) Versl. All;. Musiklehre, S. 181.
585
Robr- und Blechinstrumeote io gleicher Ordnung so :
Flöten, Trompeten,
Oboen, Homer,
Klarinetten, Pauken.
Fagotte,
Nach gleichem Grundsatze wird verfahren , wenn die hier aufge-
führten Partien getheiit oder zahlreicher gebraucht werden; die je
höbern Stimmen werden über die tiefern gesetzt. Z. B.
Soprano I., Flauto piccolo,
Soprano IL, u. s. w. Flauti,
Oboi,
Trombe in Es, Clarinetti,
Comi in Es, Corni di bassetto,
Corni in B basso, n. s. w. Fagotti,
Serpente e Contra fagotto, u. s. w.
In solcher Weise ist die Partitur in Nr. 430, 503 des dritten , so-
wie Nr. 55, 60, 97, 140, 144, 357 u. s. w. des vorliegenden Tbeils
geordnet.
Wenn zwei und mehr Stimmchöre zusammentreten, ist es be*
kanntlich Grundsatz , jeden der Chöre als ein Zusammengehöriges zu
behandeln. Dem entspricht nun eine zweite Regel für die Partitur-
ordnung :
die zusammengehörenden, einen Chor bildenden Stimmen
müssen zusammengestellt werden $
ein Doppelchor für Gesang, oder vereinte Chöre von Rohr- und Blech-
instrumenten müssen daher so gesetzt werden , dass die Stimmen jedes
Chors beisammen bleiben, — die Rohrinstrumente für sich und das
Blech für sich.
Ehe wir aber hierauf näher eingebn, ist zu erwägen, dass Er-
stens von verschiednen Chören in der Regel einer vor dem andern
insofern den Vorzug hat, als er mehr oder gewichtiger in Thätigkeit
tritt; und Zwei tens, dass die tiefste und dabei beschäftigtste Stimme
in modulatorischer Hinsicht besonders wichtig ist, weil sie die meisten
Grundtöne enthält , mithin beim Oeberblick der Partitur den Leitfaden
durch die Modulation bietet. Hieraus ergiebt sich die dritte Regel:
der wichtigere und namentlich der die reichste Unterstimme
enthaltende Chor wird zu unterst gesetzt ;
denn dann findet das Auge die wichtigste Stimme zu unterst als Träge-
rin des Ganzen. Vereinigen sieh also z. B. Sologesangstimmen mit
Chorgesang, oder mehrere Gesangchöre, oder das Streichquartett mit
dem Chor der Rohrinstrumente , oder der letzlere Chor mit dem der
Blechinstrumente : so wird so —
586
Soprauo Solo,
Alto Solo, u. s.
Canto (Chor),
Alto, u. s. w.
C. I.
CIL
(Soprano 1., u. s. w.
Basso I.
{Soprano II , u. s. w.
Basso Ih
ferner so —
tt. s, w.
Flauti,
Pagoüi,
Violino Lj u. s.
Basso
s. w.
TroDtbe, u.
Timpani,
Flauti, u. s. w.
Contrafagotto
gesetzt. Von zwei oder mehrem Gesangcbören wird, wie man Th.III.
Nr. 521 und 522 sehen kann, der liefere zu unterst gestellt. Die
Vortheile dieser Aufstellung sind einleuchtend.
Neben diesen Grundregeln zeigen sich indess mancherlei Ausnah-
men wohlberechtigt, die meistens darauf beruhen, dass die Hegeln ge-
gen einander in Widerspruch treten und man Ursach' hat, bald der
eiuen, bald der andern Folge zu geben.
Erstens stellt man im Chor der Rohrinstrumente die höhern
Klarinettarien mit den tiefern zusammen, wenn jene auch höher liegen
sollten , als die Oboen (ebenso müssten die englischen Hörner zu den
Oboen treten;, —
Oboi, Flauti,
Corni inglesi, Oboi,
Clarinetti, Gorni inglesi,
oder : Clarinetto in Esj
Clarinetti, Clarinetti in B,
Oboi, Corni di bassetto
Gorni inglesi, /
giebt also der zweiten Regel Folge vor der ersten.
Zweitens setzt man, wenn blos Höruer zu den Rohriuslrumen-
ten treten , dieselben lediglich nach der ersten Regel unter die Rohrin-
strumente, z. B.
Clarinetti,
Gorni,
Fagotti,
wie wir in Nr. 154, 200 und 2U6 gethan. Der Grund , hier die zweite
Regel zu verlassen, ist, dass die Hörner sich den Röhren oft inniger
anschmiegen, als dem übrigen Blech, und es um so weniger nölhig ist,
sie auf Kosten der ersten Regel abzusondern, wenn sie aus dem Blech-
chor allein auftreten.
Driitens setzt man im Blechchor aus gleichem Grunde dieTrom*
pelen bisweilen unter die Hörner zu den Pauken, z. B.
587
CoFDi in Esj Gortri in Es,
Corni in B, Gorni in ff,
Trombe in B, Trombe in Es^
Timpani, Timpani,
wenn nämlich Trompeten und Pauken immer oder vorberrscbend zu-
sammenhalten, die Hörner aber sich mehr den Röhren aaschlies$en. —
Sehr verbreitet ist eine andre Stellung, die gleichen Grund haben mag
und die Pauken über die Trompeten bringt, —
Timpani,
Giarini,
Gorni,
Plauti, n. s. w.
die uns aber weniger billigenswerth scheint ^ da sie zu aif gegen die
erste Regel verstösst und Tief^tes^ Hohes, Mittleres und Höchstes durcb-
einanderwirfl.
Viertens werden im Blechchor die Posaunen zwar stets beisam-
men gelassen, bald aber (nach der ersten Regel) unter Trompeten und
Hörner, bald als besondrer Gbor (nach der zweiten Regel) über sie ge-
stellt.
Wenn nun Fünftens alle drei Ghöre des Orchesters zusammen-
treten, so wird nach der dritten Regel das Streichquartett zu unlerst
gestellt. Hinsichts der Blaser bestehen in neuerer Zeit besonders zwei
Weisen , die wir hier —
Timpani, Flauti, u. s. w.
Trombe, Fagotti,
Gorni, Trombe, u. s. w.
Flauti, u. s. w. Gorni,
Fagotti, Timpani,
Violine I., u. s. w. Violino I., u. s. w.
andeuten. Abgesehen von der Verletzung der ersten Regel im Blech
erscheint die erste dieser Aufstellungen ganz folgerichtig nach der
S. 586 gegebenen Zusammenstellung der Röhre mit dem Blech. Doch
ziehen wir die zweite vor. Denn in dieser stehen die hochsteigenden
Flöten obenan, können also bequem ausgeschrieben werden; die erste
Violine hat das notenarme System der Pauken über sich , kann also
ebenfalls gut geschrieben werden; beide Hauptchöre sind durch das oft
pausireude, ganz anders gestaltete Blech geschieden und dadurch leich-
ter auf- und zusammenzufassen. Wenn übrigens die Pikkolflöte bis-
weilen unter die grosse Flöte gesetzt wird, so scheint diese Verkehrung
auch nur den Grund zu haben , für die Noten der Flöte mehr Raum zu
finden.
Seohslens scheint es in der letztem Anordnung wohlgelhan,
die Posaunen und die vielleicht angewendete grosse Trommel zwischen
das Rohr und übrige Blech —
588
Plaati, Q. s. w.
Pagotti,
Tromboni,
Grao tamboro,
Clarini, u. s. w.
Timpani,
Violino L, u. s. w.
zu stellen , da sie entweder als eigner Chor auftreten, oder sieb ibrena
Tongehalt nach mehr zu dem Robr halten, als zu Trompeten und
Hörnern.
Wenn Siebentens zum Orchester Singstimmen treten, so müs-
sen diese der Regel nach als Hauptchor gelten, sollten also zu unterst
stehen. Dies ist aber nicht rathsam, weil nicht in ihnen, sondern im
Quartett die vollständigere Bassstimme zu finden ist. Hier muss also
zwischen der zweiten und dritten Regel ein Abkommen stattfinden;
man schiebt die Singstimmen, wie hier —
Plauti, u. s. w.
Violino I.,
Violino n.,
Viola,
Canto, u. s. w.
Violoncello e Basso,
angedeutet ist, in dem Quartett, zwischen Bratsche und Bass ein, so
dass man zu unterst die wichtigste Unterstimme und dann sogleich den
wichtigsten Chor zur Hand hat.
Weniger zweckmässig erscheint die ältere Schreibart, die die
Violinen und Bratsche zu oberst , den Bass zu unterst stellte und da-
zwischen nicht blos die Singstimmen, sondern auch (über diesen) alle
Bläser einschob; diese Ordnung fand ihr Entstehen und ihren Anlass
wohl nur in der noch altern (vor-Haydn^schen) Satzweise, die die
Bläser fast ausschliesslich zur Verdoppelung der Streichinstrumente ver-
wandte. Noch zersplitternder lrifi*t unser Auge die ältere Anordnung,
die mit der eben erwähnten in dem Auseinanderreissen des Quartetts
übereinkam, die Bratsche aber von den Geigen weg zum Bass stellte,
auch wohl die Pagolte vom Rohr weg zum Bass brachte , weil beide
Instrumente mehr zum Bass hielten, als selbständig gingen.
Sollen endlich Achtens Ventilinstrumente angewendet werden,
so müssen sie entweder den ihnen verwandtesten Blechinstrumenten
anschliessen, — z. B. Tenorhorn und Tuba den Posaunen , Ventilhorn
und Ventiltrompete den Naturhörnern und Naturtrompeten, — oder als
selbständiger Chor zwischen Rohr und Blech (Naturinstrumenle) treten.
Das Weitere lehrt der Anblick unsrer Beispiele , oder ist in der
Musiklebre zu finden.
589
Eiftwurf und Anlage der Partitur.
Za Seite 394.
Zam Schluss der Lehre kommen wir noch einmal auf einen zwar
nur äusserlichen, aber höchst einflassreicben Gegenstand zurück : a u f
die Weise, grössere Werke zu Tollenden und zu Papier
zu bringen; und in Anwendung anf Orchester- nnd grössere Ge-
sangkomposition: auf die Art, sie in Partitur zu setzen.
Schon bei weit einfachem Aufgaben (z. B. bei der Choralfigura- .
tion und Fuge, Th. 11, S. 112, 134, 363, 393) wurde die Erspriess-
lichkeit erkannt, zuvörderst einen Entwurf zu machen, in dem nur das
Nölhigsle und Feststehende angedeutet, alles Zweifelhafte und Hem-
mende bei Seite gelassen würde, der leicht und schnell niedergeschrie-
ben, verändert, ausgefüllt werden könnte und nach vorgängiger Prü-
fung in mehrmaligem Ueberarbeiten endlich zur Ausführung nnd zum
vollständigen Werke gedeihe. Dass bei noch umfassendem und viel-
seitigem Werken , namentlich bei grössern Kompositionen für Orche-
ster und Gesang , ein solcher Entwurf noch nothwendiger und förder-
licher sein muss, versteht sich von selber. Wir haben daher auch in
diesem Theile wiederholt auf die Nothwendigkeit des Entwerfens hin-
gewiesen. Zwar können wir nicht in Abrede stellen, dass geschärfte
Vorstellungskraft, unterstützt von ausgebildetem Gedächtnisse, dessel-
ben weniger dringend bedarf, vielleicht in einzelnen Fällen es ganz ent-
behren kann. Allein eine solche — und zwar durchaus sicherstellende
Begabung und Gewöhnung ist als Ausnahme zu erachten, ja sie ist
nicht einmal Bedingung oder Zeichen höherer künstlerischer Kraft. In
der Regel ist Entwerfen erspriesslich, wo nicht nothwendig. Es gestat-
tet, dem Gedankenfluge so schnell als möglich zu folgen , bei unerkäl-
teter Schaifensglut und in ununterbrochener unveränderter Stimmung,
also mit gegründeter Hoffnung auf innere Einheit (Th. 111. S. 328) das
Ganze wenigstens der Hauptsache nach zu vollenden; es schützt vor
Störungen durch einzelne Zweifel, die vielleicht nur Nebenpunkte be-
treffen; es erspart, besonders in grossem Werken (z. B. Partituren),
den lähmenden Verdruss, von Zeit zn Zeit mehrere Bogen wegzuwer-
fen, vielleicht um einiger verfehlten Takte willen. Daher finden wir
bei Künstlern aller Richtungen das Hulfsmittel des Entwerfens ange-
wendet; der Dramatiker entwirft sein Scenarium und notirt gelegent-
lich einzelne Wenduugen, Karakterztige , ja ganze Sceneu; — der
Maler entwirft erst in Umrissen , dann in Nacktzeichnung mit ange-
deutetem Licht- und Schatteneffekt, dann in einer Farbenskizze sein
590
Gemälde, wie solcher Eotworfe viele von Raphael, Habens a. A.
io Wien, Muncheo, Dresdeo, Berlin nod anderwärts zn finden sind; —
von Haydn, Mozart, Beethoven sind ebenfalls Entwürfe tbeils
faksimilirt, theils in den Sammlungen aufbewahrt. «
Eine andre Frage ist : in welcher Gestall dergleichen Entwürfe
am zweckmässigsten zn machen seien. — Hier giebt es unstreitig vie-
lerlei Weisen , deren jede diesen oder jenen besondern Vortheil bielen
kann. Es kommt darauf an, die leichteste Weise zu finden, die zugleich
Raum für das Nöthigste bietet. Bei einfachem Werken mag ein Ko-
tensystem genügen; so hat der Verf. einen ersten Entwarf von Beet-
hoven zur Adelaide auf einem System gesehn. In der Regel haben
zwei Systeme den Vorzug, da man auf ihnen für Tiefe und Höhe gleich-
zeilig Raum findet und daneben noch Vielerlei notiren und bemerken
kann. Der Verf. hat selbst bei Entwürfen für Doppelchor und Orchester
daran genug gehabt, die Chöre mit I, II bezeichnet, die Instrumente —
für den ersten Augenblick— mit Gl. Ob. Fl. Pc. V I. Tr.Pos. P.BI. Ms.
R. St. (Klarinette, Oboe, Flöte, Pikkolo, Violine I., Trompete, Posaune,
Pauke, Blech , Masse, Rohr, Streichinstrumente), oder mit mehr will-
kührlichen Zeichen, z. B. —
D. d.
-r* r*
;=^-
:^=^l^t:
^1
:t=
(G- und F-Schlüssel sind vorausgesetzt, D. d, bedeutet Z>dur, der
Strich durch beide Systeme volle Masse in breiter Lage, das Zeichen
- - - - einen Lauf der Geigen — oder der ersten Geige, mit oder ohne
Flöten u. s. w.) angedeutet. Andre mögen es mit gleichem oder grös-
serm Vortheil anders machen ; es kommt dabei das Meiste auf Gewohn-
heit an. Wollen die zwei Systeme für besonders verwickelte Stellen
nicht reichen , so wird ausnahmsweis' ein drittes zugezogeo. Bei der
wiederholten Prüfung des Entwurfs findet sich dann Zeit und Raum
zum Nachtragen, so dass zuletzt alles irgend Wesentliche im Entwurf
angedeutet ist.
Kommt es dann zur Ausführung des Entwurfs in der Partitur,
dann ist alles Wesentliche tbeils notirt, theils reiflich bedacht $ dann
kann die Partitur gleich vollständig, Seite für Seite, niedergeschrieben
werden, — mit dem Vorbehalt, dass man neu aufTailende schwierige
Stellen in einer systemreichern Skizze erst auf einem besondem Bläit*
591
eben aufzeiehnen und verbessern dürfe*). Wie nun übrigens die Par-
titur selbst geschrieben werde, das kommt auf die Umstände an. Bei
ganz unzweifelhaften Stellen kann von Takt zu Takt oder gar von oben
nach unten , Zeile 4ur Zeile über die ganze Seite hinweg geschrieben
werden; steht der Satz noch nicht vollkommen klar vor dem Auge, so
notirt man zuerst Melodie und Bass und fügt dann die Mitlelstimmen
zu; ist wohl der Satz, nicht aber die Instrumentation durchgängig ge-
fasst, so notirt man erst jenen in den für ihn nothwendigen oder sonst
festslebenden Stimmen (z. B. polyphone Steilen erst für den Chor oder
die wesentlich für sie bestimmten Orchesterpartien) und fügt dann das
Weitere zu. — Dass Mozart einmal im Uebermuthe (wenn es wahr
ist!) das zweite Hörn zoerst notirt habe, ist wenigstens nicht unmög-
lich; es beweiset nur, dass ihm der ganze Satz vollkommen klar und
sicher im Geiste feststand.
Zur guten Stunde kommt uns bei diesem Gegenstande soeben ein
anziehender Aufsatz von Herrn Prof. Lobe**) zu Gesicht: ,, Gespräche
mit Hummel'' überschrieben, in dem unter andern gehaltvollen Mit-
theilungen auch Hummefs Weise, in Partitur zu setzen, und aus
Hummel's Munde Nachrichten über die Gewohnheit Mozart'S)
Haydn's, Beethoven's, Weigfs u. A. gegeben werden. Was
uns hier zunächst angeht, ist der Punkt, in dem Hummel von der
oben angedeuteten Weise abzuweichen scheint. Er sagt Folgendes.
,, Welches Instrument diesen oder jenen Theil der grossen Melodie
(damit bezeichnet er die durch eine ganze Komposition gebende Haupt-
kantilene) übernehmen soll , stellt sich immer zunächst und am leich-
testen vor. Welche Farben aber jeden zu beleben haben in Hinsicht
auf Folge und Kontrast, auf Schatten und Licht, so dass zuletzt das
Ganze als ein wohlgruppirtes Gemälde erscheint, das kommt nicht
immer so leicht gleich mit, das stellt sich erst nach und nach ein. Am
schnellsten bildet sich mir in der Regel das Ganze aus , wenn ich erst
den Bass zufüge, dann die übrigen Streichinstrumente , dann die Holz-
blasinstrumente und zuletzt das Blech. Doch ändere ich diese Ordnung
auch nach Maassgabe besonderer Instrumentationszwecke, welche sich
für diese oder jene Periode einfinden. Sollen z.B. die Blechinstrumente
besonders hervortreten , so schreibe ich sie zuerst hin ; ich habe dann
anschaulicher vor mir, was ich von andern Instrumenten hinzuthun
und hinweglassen muss , um die beabsichtigte Wirkung nicht etwa zu
dick zu übermalen.''
*) Weoigslens der Verf. muss diese Weise fdr lordersam balteo , wofero mao
sicli an sie gewöbot tiat. Sie bat iliin z. B. niögticb gemacbt, den ersten Tbeil des
Mose in 24 Tagen in Partitur zu setzen, — natürlich , nachdem das Werk lange
genug im Geiste herumgetragen und in Entwürfen festgehalten war, und natürlich
die Zeit späterer Verbesserungen angerechnet.
•«) AUg. mus. Zeitung vom 12. Mai 1847 , Nr. 19.
592
,,Wer Seite für Seite in der Partitur gleich fertig instrumentirt,
hat nicht allein den Nachtheil, das Bild nur einmal zu durchdenken,
sondern auch den Blick auf jede einzelne Stelle sehr lange zu fixiren,
wodurch er leicht das Verbältniss derselben zu den andern und zum
Ganzen aus dem Auge verliert. Woher bei so vielen Kompositionen
der Mangel glücklicher, einander unterstützender und hebender, sowie
das Dasein harter, eckiger Kontraste kommen mag. Kurz, die Gedan-
ken sind zu sehr nur in ihrer Gestalt für sich und zu wenig im Ver-
hältnisse zur ganzen Folgenreihe und dem daraus hervorgehenden To-
tale instrumentirt.^^
„Aber noch ein weiterer bedeutender Vortbeil fliesst ans meiner
Methode. Man fühlt beim fortgesetzten Hinschreiben einer Stimme aoch
im Akkompagnement ihr melodisches Bedürfuiss mehr, die gute Stimm-
führung kommt leichter. Sehen Sie die Mozar tischen Partituren ein-
mal in dieser Hinsicht durch, verfolgen Sie die einzelnen Stimmen für
sich durch die ganzen Stücke und Sie werden erkennen , wie selbstän-
dig, wie fliessend jede für sich hinwandelt.'^
,,Auch das ist kein geringer Vortbeil, dass man bei dieser Schreib-
weise die Partitur schnell anwachsen und in sehr kurzer Zeit schon et-
was Fertiges vor sich sieht, während man, Seite vor Seite fertig in-
slrumentirend, kaum vom Flecke zu kommen scheint. Es ist dies aber
für das Gedeihen der Arbeit wichtiger als man glaubt. Der Geist wird
gut gelaunt und verrichtet sein Ansführungswerk leichter und williger.
— Und endlich — obgleich das öftere wieder von vorn Anfangen
scheinbar mehr Zeit zu erfodern scheint, so wird man in derXhat doch
eher fertig. Mozart hätte nicht so viel schreiben können ohne diese
Methode.** —
Dass Mozart wenigstens bisweilen so verfahren , wird uns noch
von andrer Seite bestätigt. Ein Freund will in der Originalpartitnr der
Zauberflöten-Ouvertüre (im Besilz.des Herrn Andre in Offenbacb) an
der Verschiedenheit der Tinte bemerkt haben, dass zuerst das Quartelt
geschrieben, dann das Uebrige zugesetzt worden. Demungeachtet
scheint uns das Verfahren, wenn es als Regel gellen soll, nicht unbe-
denklich. Es stellt das Quartett zu entschieden als Hauptsache und die
übrigen Instrumente als Zugabe dar, entspricht also alle den Sätzen
nicht genau, in denen das ganze Orchester individualisirt, der Inhalt
gemischten Stimmen aus allen Chören zugewiesen werden soll. Ja, es
könnte wohl gar verleiten , Manches in das Quartett zu schreiben (um
es 'nur fertig und fest vor Augen zu haben), was eher andern Stimmen
zugewiesen worden wäre ; — oder man schriebe das Quartett unvoll-
ständig hin und liesse die Partitur ohne die- wesentlichen Züge, die den
Bläsern zugebören, indem man sich bemühte, diese fortwährend
im Gedächtnisse zu bewahren, statt sie sogleich niederzuschreiben. Alle
gewebtem Instrumentalsätze (namentlich in den grossem Werken
593
Beethoven's) würden, wenn man sie einstweilen blos im Quartett
Diedergescbrieben denkt, in ihrem wesentlichen Inhalt beeinträchtigt, ja
zum Theil unverständlich erscheinen.
Ja, man> darf selbst den Aussagen des Gewährsmanns nicht unbe-
dingt vertrauen ; so gewiss an Hummefs Wahrhaftigkeit zu
zweifeln kein Grund vorliegt, so nahe mag ihm die gute Absicht
gelegen haben, seinen Rath dem jungen Künstler noch gewichtiger ein«
zuprägeu durch die Versicherung, die Meister hätten es' gemacht wie
er. Hummel selber, seiner sonstigen Verdienste unbeschadet darf es
gesagt werden , ist keineswegs unter den Meistern in der Instrumenta-
tion zu nennen — und hat für seine Kompositionen in derThat
mit jener Abfassungsweise auskommen können, da die wahre Dramatik
des Orchesters nicht seine Aufgabe war. Ob und wo er die genannten
Meister am Werke beobachtet? steht dahin, ist in Bezug auf B ee tho-
ven mehr als zweifelhaft^ dessen handschriftliche Partituren kein
Zeichen jener Aliuvial-Eutstehung zeigen , so gewiss ihr Inhalt wider
sie zeugt.
Indess, eine ernstlichere Erörterung kann erspart werden, da
jeder Komponist sich seine eigne Weise nach der Natur der Sache und
eignem Behagen bildet.
Aneignung des Textes.
Zu Seite 471.
Die Auffassung des Textes nach Sinn und Situation muss der
Hauptsache nach allerdings dem geistigen Standpunkte, der allgemei-
nen Vorbildung eines Jeden und der besondern Stimmung und Inten-
tion in der Zeit des Schaffens überlassen bleiben. Indess ist der Verf.
durch wiederkehrende Erfahrungcu im lebendigen Unterrichte darauf
hingewiesen worden, dass wenigstens für einen Theil der Kunstjünger
ein Wink, wie sie sich ihres Textes zu bemächligcn haben , willkom-
men sein möchte. Er hat diese Beobachtungen zum Theil an talentvol-
len und gebildeten Schülern gesammelt , denen man durchaus nicht den
Beruf und das Recht absprechen kann, sich in unsrer Kunst einheimisch
zu machen. Wer die nachfolgenden Audeutungen für sich unnöthig
findet, möge darum von Andern nicht tu ungünstig urtheilen ; es würde
gar leicht sein, ganze Reihen als talentvoll anerkannter Musiker zu
nennen , die in der Wahl und Auffassung der Texte Mängel in ihrer
Vorbereitung zum Schaden ihres Werks haben blicken lassen. Dem Leh-
Man, Konp. L. IV. .1. Aufl. 38
594
rer ist diese Angel^eobeil aoch noch ans einem zweiten Grande wich-
tig. Er muss bei dem Stodinm der Gesangkomposition die Wahl nad
ZurechUlellong des Textes dem Schnler überiassen ond kann diesem
flir einen Tbeii der Aufgaben (Rezitativ ond poivphonen Chor) keine
reichhaltigere Qoelle nachweisen, als die Bibel, die gleichwohl nnsem
Zeitgenossen nicht so vertraulich nahe steht, wie denen eines Bach
nnd seiner Vorgänger. Da wird auch er, wie der Verf., erfahren, dass
mancher selbst der begabtera Schäler befremdet und kalt dem narer-
trauten Bibeiworte gegenübersteht nnd, ohne Hülfe, in seinen Portschrit-
ten stockt.
Jeder Text ist uns zunächst ein Fremdes; als solches können wir
ihn höchstens musikalisch aussprechen im Rezitativ, und auch das nar
kalt und ungenügend. Er muss erst unser Eigen werden, sich unser
Gemüth öffnen, damit dasselbe aus ihm ein Werk schaffen könne. Einige
Texte non bieten in ihrem unmittelbaren Inhalt unserm Gemnth so tref-
fende und weckende Beziehungen, dass sie unmittelbar zum schöpferi-
schen Moment werden. Bei andern ist ein Hinzuthnn, Hinzudichten
nöthig ; und daraus folgt keineswegs, dass sie zu verwerfen seien, viel-
mehr sind sie oft die günstigsten und fruchtbarsten, weil sie am schärf-
sten zur eignen dichterischen Bethatigung wecken. Mit den letztem
haben wir hier zu thun.
Wenn dem Jünger die Aufgabe wird, sich einen Text (aus der
Bibel oder sonst woher) zu wählen, so ist er vorerst in einer nnkünst-
lerischen Lage; er hat noch für keinen der vorliegenden Texte wahren
Anlheil, sondern schwankt zwischen mehrern unentschieden, fremd
und kalt. Je länger diese Zweifelmüthigkeit währt, desto zersetzender
wirkt sie auf die künstlerische Stimmung und Schaffenskraft; jeder
Komponist wird das an sich erfahren haben — und nicht blos in den
sogenannten Scbülerjahren. Hier wollen wir nur vor allem nnsern
alten Grundsalz neu anwenden : wir wollen rasch entschieden ergrei-
fen, was sich nur irgend der Behandlung fähig nnd würdig zeigt; dem
Ergriffenen wollen wir Alles abfragen und ablocken, was in ihm zu fin-
den und aus ihm heranszndichten ist. Dann werden unverhofft eine
Menge Texte sich uns beseelen, die wir ohnedem kallsinnig halten fal-
len lassen, das ümhersuchen und Umherzweifeln wird zurückgedrängt
und auch für günstigere Aufgaben unsre Kraft erhöhl, aus ihnen her-
auszufinden, was sie Unausgesprochenes bergen.
Ein Paar Beispiele , aus der Lehrerfahrung gegriffen und unver-
ändert mitgelheilt, mögen das Verfahren erläutern. Schülern, die sich
in der Texlwahl unentschieden zeigten, wurden auf das Geradewohl
Bibelscilen aufgeschlagen und irgend ein nicht durchaus unmöglicher
Vers zur Erwägung gegeben.
Der erste solcher Texte fand sich zufällig Josua 9, 9—10,
595
9 ,,8ie spraefaen: Deine Knechte sind aus sehr feraen Landen f^ekominen,
um des Namens willen des Herrn, deines Gottes; denn wir haben sein
Gerücht gehöret und alles, was er in Egypleu gethan bat,
10 „und alles u. s. w.
Da der Satz als Chor komponirt werden sollte, so wurden vor
allem die Aufangsworte (Sie sprachen) weggelassen ; ferner wurde der
zehnte Vers ausgeschlossen, weil sein mehr in das Besondre gehender
Inhalt nicht chormassig erscheint. Ob nicht auch vom Vers 9 der Nach-
satz (denn wir) wegbleiben würde, oder vielleicht als bekrähigeuder
Anhang gesetzt werden könne, blieb unentschieden bis zur Stunde des
Schaffens *).
Wie man nun auch über alle diese Punkte entscheide, so scheint uns
dieser Text auf den ersten Hinblick keinen künstlerisch erweckenden
Inhalt darzubieten. Dass vor Jahrtausenden Fremde zu Josua gepilgert
sind, um sich zu seinem Gott, dem Gott Israels, zu bekennen, kann
jetzt nicht mehr das Gemülh neu und tief bewegen. Nur damals, bald
nach der Erlösung des Volks und der Stiftung des Bundes, hatte es Be-
deutung für die Bekenner, die den Namen ihres Gottes sich ausbreiten
sahen, und für die seinen Schutz Suchenden. Während also unser per-
sönlicher Anlheil wenig berührt wird , schauen wir einstweilen gleich-
gültig auf jene, von denen der Vers erzählt. Wer sind sie? Fremde,
aus fernen Landen hergepilgert, eben gekommen und noch ermattet
von der weiten Fahrt. Hier tritt uns schon ein menschlich Bild , ein
menschlich EmpGndcu nahe; wir können die Redenden uns vorstellen,
mit ihnen emp6nden, ihr müdes Herantreten weckt schon musika-
lische Vorstellungen. Und was hat sie getrieben zur Wanderung und
ist stärker gewesen, als Ermüdung und Gefahr? Der Name des unbe-
kannten Gottes hat ihr Ohr und Gemüth getroffen, Staunen, Glauben,
Hoffnung in ihnen erweckt. Dies vollendet und erbebt die Vorstellung.
Körperliches Ermüdet- und geistiges Erwecktsein treten in Gegen- und
Wechselwirkung; bat die Komposition zunächst das Erstere (was ja
zuerst bemerkt werden musste) aufgefasst, die Fremdlinge vielleicht
einzeln (nämlich in den idealen Personen der vier Chorstimmen) her-
angeführt, wie die Kraft eines Jeden vermochte : so kann sie nun Alle
einmülhig oder zunächst wieder in Wechselrede, aber dringender, den
Drang ihres Herzens aussprechen lassen. Hier ist für Jeden, der
*) Aus eigner Erfaliraog bemerkeD'wir, data es höchst vorlbellhaft ist, eher
mtfhr als weniger Text zur Komposition bereit zu haben, wenn es nämlich möglich
bleibt^ ihn nach Erfodern zu kürzen , wie im obigen Falle. Denn dasKärzen ist
leicht geschehn ; macht sich aber während der Komposition das Bedürfniss einer
Texterweitemng Tüblbar, so kann über dem Suchen und Wahlen leicht die Stim-
mung gestört oder wesentlich, auf Kosten der Einheit der Komposition , verändert
werden.
38»
596
menscblich fübleii und käostierisch gestallen kaoD , reicher Sloff zu
einem lebendigen, tiefempfundenen Cborgesang.
Ungünstiger — fast bis zur Unbranchbarkeit oder Wunderlichkeit
zeigte sich ein ebenso herausgegriffener Vers aus dem zweiten Buch
Samuelis 24, 2, Mit Wegiassung alles für einen Chor Unerfassbaren
und VerwandluDg des ersten Wortes stellt er sich so dar:
Geht onher ia alleo Stänmea uod zühlet das Volk,
eine Fodernng oder ein Vornehmen , das in sich selber keinen Anre-
gnngsmomenl für den Künstler hat. Der Zusammenhang ergiebt, dass
es ein Gebot Davids gewesen, der sich damit in königlichem Hochmuth
gegen Gottes Willen versündiget. Auch hieraus ist künstlerisch nichts
zu gewinnen ; und vor allem sollte der Satz Chor , musste also die
Aeusserung einer Menge, einer Schaar werden statt des Königs allein.
Nun aber: was treibt diese Sehaar zu dem Entschlüsse, das Volk zu
zählen? Ist es Neugier? das wäre ein unkünstleriscbes oder doch klein«
liebes Motiv für einen Chor. -^ In der Ueberlieferung ertheilt David
den Befehl ,, seinem Feldhauptm'ann^^ Dies mahnt uns an Krieg uod
Kriegsnoth. Das Volk soll gezählt werden, die Streitbaren will man
wissen und versammeln; man stellt sich die drängende Notb des Au-
genblicks, vielleicht nach einer Niederlage, vor einem drohenden
Sturme vor, das Wogen der Gemüther zwischen banger Sorge und dem
Entschluss zum äussersten Widerstand mit allen Kräften. In dieser
Aufregung des Gemütes, etwa nach schwankender Beralhung, verthei^
len sich die Entschlossenen durch die schweigende Nacht, um alle Hel-
fer zu zählen und zu werben. Es könnte ein Chorsalz werden, der in
seiner unbeimUchen Regsamkeit^ in der sich unabsichtlich verrathenden
Angst und Spannung , selbst in der Zerstreuung seiner Stimmen einen
tief wahren und lebensvollen Moment vor die Seele führte. —
Wir wollen noch einmal zugeben, dass dieses Kalechesiren
des Textes nicht für Jedermann nöthig zu lehren um) zu lernen ist.
Allein von der andern Seite wird auch nicht verkannt werden dürfen,
dass so mancher onlebendig aofgefosste Satz nicht aus mangelndem
Talent verfehlt worden ist, sondern weil man so viellach versäumt bat,
sein geistiges Auge für dichterische Auffassung des Gegenstandes
zu üben.
Uebrigens wird uns Niemand missverslehen dürfen und etwa ab-
sichtlich ungünstige Texte wählen, um sie erst künstlich zurecht zu
legen. Man soll nicht leichtfertig und gleichgültig das Erste Beste er-
greifen, aber auch nicht allzuwählerisoh sich die Frisch« und Wärme
zur Arbeit verderben , ehe noch die Arbeit selber begonnen hat. Die
oben betrachteten Texte geben nur einen Belag, dass man auch ungün-
stigen eine vortheilhafle Seite abgewinnen , künstlerisches Leben ein-
hauchen könne. Besser sind bessere.
Sachregister.
Absatz 15.
Aceeolaation 24.
Acbiraaslon 9.
Adagiosau 227. 339.
y^-Horn 82. 83.
Akkordlage 6ü. 168.
^-Klarioelte 122.
Aliquollheile 11. 244.
Alt-Flugelbora 101.
AU-KIarioelle 124. 198.
Alt-Kornell 101.
All-Opbiklelde 202. 205.
AluPosaune C2. 60. 505.
All-Trompete 97.
Ansatz 159.
Areo (coIP) 249.
Arie 476.
Arielte 484.
Arpa, s. Harre.
^-Saite 254.
j^s-Uoru 83.
^«-Klarinette 124.
>/«-Trompete 51.
y^-Trompele 50.
Aofgabeii 135. 225. 337. 39«.
Aur«trich 249.
Ausbauen 247.
Aastag 82.
Bach (G. P. B.) 469.
Bach (Scb.) 15. 17. 20. 23. 2i. 25. 28. 32.
33. 38. 4t. 146. 200. 236. 242. 304. 396.
405. 441. 457. 463. 472. 529. 532. 501.
Blrmann 121. 439.
Baillol 251.
Balg, Blasbalg 8.
Ballet 398.
Baryton 101.
Bass 201. 206. 286.
Basselborn 111. 198. 200.
Bass-FIOgRlhorn 101.
Bassbnru 202. 210.
Bass-Klarinelle 108. 205. 522.
Bass-Posanae 62. 66.
Bass-TrompetA 97.
Bass-Taba 102. 211. 216.
Balhypbon 202. 205.
Beeber, s. Scballbecher.
Becken 204.
Becker (G. F.) 8. 15.
Beeihoven 44. 53. 70. 84. 85. 141. 147. 157.
160. 178. 180. 191. 194. 221. 254. 267. 294.
298. 299. 303. 304. 307. Sil. 314. 315. 316.
358. 360. 362. 365. 367. 370. 373. 375. 378.
381. 384. 385. 389. 893. 400. 401. 402. 404.
405. 408. 423. 425. 428. 435. 439. 441. 445.
463. 469. 484. 490. 496. 534. 538. 543. 553.
560. 565. 574. 578.
Begleilong 448. 453. 472.
Benda (G.) 400.
Beriet (de) 251.
Berlioz 90. 250. 251. 365.
498. 503. 608. 520. 676.
Bt*selzDDg (orcbestrale) 283.
271. 282. 417.
Beweglicbkeit 323.
^•Horn 80. 82.
Bicioien 83.
Bindung 246.
Birn 118.
Bismark 339.
^-Klarinette 122.
Blasinstrument 3. 7. 110. 116. 352. 362. 380.
384. 436. 444. 649.
Blatt 12. 110. 111. 116. 118.
Blechinstruaient 7. 42. 210. 370. 509.
Bogen 243.
Bogenstricb 249.
Bombardon 11. 203. 205.
Bratsche 250. 273.
Bravour-Arie 484.
Bravonrpassage 438.
i^-Trompete 49. 60.
Canlns 6rmiis 33. 38.
Garuin 417.
Cavata, Gavatine, s. Kavatine.
Ghanlerelle, s. Quinte.
Cbernbini 90. 204.
Ghilarra, s. Qpitarre.
Ghopin 439.
Ghoml (fugirter) 33. 38.
Ghoralügnration 38.
Choral mit Fuge 38.
Ghorgesang 3.
C-Horn 80.
Cimarosa 489.
Cinelli, s. Becken.
(7ij-Horn, s. /'««-Hörn.
C-Klarinette 123.
Glarino, s. Trompete.
Gonlinno 463.
Gornet i pislon, s. Pistoo.
Gorno, s. llorn.
Gorno basso, s. Bassborn.
Gorno cromatico di teiiore, s. Tenorhurir.
Gorno di bassello, s. ßassetbnrn.
Gorno ioglese, s. Englisches Horu.
/7-Trompete 49.
Dumpfer 249. 271. 282.
David 440.
De»-Hova 83.
/'«t-Trompete 61.
/'-Hörn 81.
Diskant-Kornett 100.
Diskant-Posaune 504.
Divertissement 437.
Divisi 309.
/'-Klarinette 124.
Doppelblatl 111. 125.
Doppel fnge 239.
DoppelRrlOr 246. 262. 278.
Doppelbarfe 413.
Doppelkoniert 44((K
Doppel-Orchester 242.
Deppelqnartett 431.
/'-Saite 254.
/'-Trompete 49.
598
Dm 422. 4».
DsMck 441.
B'Uoru Sl.
Eiaraurepsler 10.
Eisleitsag 9. 229. AST. 48».
Baboaebare, t. Ansatz.
EaglUebc» Hara 3(W, 203. 200.
EaMMble 421. 489.
EaseableMiz 3. 419. 421.
Eatr'akt, i, Z«i«cbeBak(.
^-Ktartnctie 124.
Bt'fXMt I.5S.
ÜB'HOf Sl.
/r#.Klarinelle I2f.
i?«-Trompere dU.
e-TrompeU M.
eopboatoa 101.
FagoU 11. 110. 116. 125. 128. 135. 159.
181. 209. 381.
Paar«r0 55,
Feiobeit 247.
Fester ßass 40.
^-FlSle 158.
^-Ilora 81.
Finale 408. 489.
Fit-Hon^ s. Ges'Horu.
/'-Klarinette 124.
Flageolell (loslruaeal) 206.
FIsKeoleU (Spiel) 244. 249. 269. 271. 375. 278.
Flageolettion, t. Flageol eltspiel.
Flaller|[rob 44. 62.
Flnnlo, s. FI5te.
Flaoli piccolo, s. PikkolOSte.
FI6(e 11. 12. 110. 116. 155. 150. 175. 179.
209. 382. 503. 5f3.
Flüicrnioru 99. 100. 101. 211.
Fidle dUnoor 206.
^-Trompele 50.
Faxe Si. 227. 399. 405. 423.
FUlUlimme 11.
«■leolli 399.
Gassner 498.
Gedakl9. 11. 12. 202.
Geice, s. VioliiiR.
Gesanff 442. 465.
Gefang-Eosemblfl 489.
(fM-ilorn 83.
(7m- Trompete 51.
G'Hon 82.
Gioliaoi 417.
(7.KUrinetle I2i.
Glorkrnlyra 204.
Gluck 4. 70. 00. 382. 399. 403. 403. 412. 464.
477. 484. 501. 512. 533.
Goethe 23.
Golde 95.
Grliize der Komposition 4.
Griff 243. 264.
Griffbret 243. 248.
Grobsiimme 44.
Grundslimme 11.
(7-8aile 254.
(7-Trompele 50.
Goitarre 416.
lUiidel 43. 241. 313. 340. 341. 363. 402. 405.
463. 46i. 48 i. 495. 500. 511.
Hdlieiiharre 412.
HaibKedeckle Pfeireo 12.
Hals 213.
Härder 417.
Harfe 412.
HarMairauik 3. i. 7. 108. 144. 1«. 198.
205. 212. je.
HanaMikatSae 414.
HaapI 15.
Haaplstimme 11.
HaapUiSck 61.
Haydo 4. 70. 147. 157. 224. 90«. 32». 337.
330. 334. 336. 338. 353. 355. 357. 3SI. S^
391. 411. 449. 451. 458. 463. 4&4. 501. 528.
545. 550.
Heraslidl 121. 4S9.
Hesse 15. 24.
i/.Hora 83.
i/-Klariaelte 124.
Holzblasiaslnimeai, s. RabriastraBcat.
Hoaopboaie 391.
Nora 42. 76. 83. 91. 94. 149. 159. 161. 210.
Horaartea 80.
HoramaadstBek 76.
ff-Tronpete 50.
Baaael 439. 591.
Jaaitsebareaansik 7.
laJiridDalisirnns (des Orcbeslers) 380. 38S.
iBslrnmeatal-Solosaiz 432.
lastrameate (selbstladiee) 422.
Intervalle (Sian drr) 186.
lotrade 56.
latrodoklioB, s. Einleitanir.
Ikadeaz 440.
Kanon 433.
Kasten 243.
Kavatioe 484.
Kentborn, s. Klappenbom.
Kirchenmusik 493.
KlaiiRweseu 11. 19. 46. 66. 78. 94. 1(4. 112.
116. 121. 127. 150. 154. 156. 161. 1G6. 176,
209. 248. 321. 349. 355. 357. 359. 581.
Klappe 42. 103. 111.
Klappenhorn 10.1.
Klarinetlarlen 122.
Klarineile 110. 116. 118. 128. 135. 150. 176.
209. 225. 383.
Klaatscbek 98.
Klaviatur 9.
Kleine FtSle, s. PikkulflSlr.
KSrper 243.
Kompositionslehre 4.
Konirabass 250. 280.
Konlrabass-OphikleTde 2U2. 205.
Kontrabass-Tuba, s. Bait^-Tuha.
Koutrafafrott 127. 139. 209. 213.
Konzert 439.
Konzertante 441.
Konzerlino 440.
Konzertsalz 438.
Kopf 243.
Koppel, Koppeluofif 1.3.
Kornett 99. 100. 101. 210.
Kunsirorm 34. 466. 475.
KuBSllebre 526.
Labialpreife 12.
Lage 252.
Laute 146. 206.
hefno (col) 245.
LeichliKkeit 247. 327.
hesueur 285.
Liedrorm 226. 423. 476.
Liszt 271. 522. 576.
Lobe 503.
599
Mandolioe 416.
MiDual 8. 21.
MaDoaimeole 35.
Marach 55. 226. 397.
MartelUlo 249. 332.
MassebildODfc 167. 183. 372. 396. 580.
Masttenkraft 32.
Mehrslimmiges Spiel 2G6.
Mehui 285.
Melodie 32.
Melodiebildanf^ 384.
Alelodrama 309.
Mt-ndelMohD 402. 408. 427. 433. 439. 440.
Mensur 112.
MeDVeil 338. 397. 438.
Methodik der iDSirDmeutationAiehre 498.
Meyerbeer 146. 202. 275. 412. 416. 454. 474.
490. 496. 517. 522. 547. 557.
Militairlrommel 20i.
Millellage 189. 19K. 306.
Miltel.Htimme 206. 216. SOI.
MilteUiack 118.
Mixtur II.
Mond (turkiAfher), s. Scbellenmond.
Moschelea 439.
MnlelteDrorro 488.
Moxarl 45. 68. 70. 122. 123. 147. 157. 163.
165. 170. 181. 184. 188. 200. 303. 323. 324.
328. 329. 338. 341. 3.'>7. 359. 381. 3^7. 391.
402. 403. 404. 416. 439. iM. 450. 460. 4&i.
470. 472. 477. 478. 481. 486. 489. 511. 535.
543. 548.
MQIIcrd.) 121. 524.
Moheaedsfahne, s. SchellenmoDd.
Moodslück 42. 43. 76. 118.
Mnniklehre II. 83. 143. 186. 107. 244.
Masikwissenschaft 4. 83. 122. 400.
NlReli 411.
Naturbieehinatrvmenl, f. BlechiustnimeDt.
Nalurhom, s. Hom.
Nalorton 44. 46. 62. 76. 78.
Nalnrtrompete, a. Trompete.
Nebenstimme 11.
Neilhardt 108. 213. 214.
Niederslrieii 249.
Nooell 433. 438.
^ormalborn 76.
Normaiklarioelle 110.
Normaltmmpele 43.
Noiinmo 438.
Oberstimme 2(Ki. 293.
ObÜKat 463.
Oboe 11. 116. 152. 175. 179. 181. 209. 383. 529.
Oboe da caccia, s. Englisches Hurn.
Oktar-PISie, s. PikkolflSte.
Oktobass 250.
OphikleTde 111. 116. 201. 211.
Orrhesler 3. 241. 242. 347. 352. 370. 388.
443. 572.
Orchestersatt 3. 239. 241. 370. 304. 398.
402. 400.
Orgel 3. 7. 8. 19. 493.
Orgelbalg 8.
Orgel raDta.<»ie S9.
OrgelkoDxert 39. 40.
Orgeltrio 20. 41.
Oltett 431.
OaverlOre 227. 339. 394. 390. 402.
Paganioi 251. 269. 271. 272.
PanauloD 159.
Psrliloranlage 589.
PartitarordnoDg 584.
Partitorstodiom 500.
Passage 438.
Pauke 3. 7. 43. 53. 54. 71.
Paukenschlllgel, PankeBstock 52.
Pedal 8. 15.
Pedalharfe 412.
Pedallöne (der Posaane) 507.
Pfeire 8. 9.
Piatti, s. Deckea.
Piccolo, 8. PikkolflSle.
Piefke 09. 217.
PikkolflSte 158. 187. 543. 547.
PislOD 90. 100.
Pizzikato 245. 240. 271. 278. 282. 343. 4f4.
Polooaise 227.
Polyphonie 32. 217. 377. 388. 301. 504.
PoDticeilo (sul) 248.
' Posaune 11. 42. 61. 66. 68. 04. 210. S04.
Posannenarten 62. 504.
PosannenmundstOck 61. 111. 112. 116.
Position 277.
Posthorn 206.
Primarius 56. 84.
Principale 56.
Prinzipal 11.
Prinzipalinstronent, s. Prinzipalslinme.
Prinzipal- Klarineile 135.
Prinzipaislimme 438.
Puoto delP areo 249.
Quarlbass, Qnartbassposauoo 607.
guartetl 243. 422. 431. 439. 488.
Quart ettsalz 432.
Quatuor, s. Quartett.
Queisser 08.
QuerflSte 158.
Quinibass, Quintbasaposaune 507.
Quinte 251.
Qaintelt 431. 438. 488.
Quiuiragott 127.
Quintuor, s. Quintett.
Redern 217.
Begister 0. 10. II. 104. 211.
Kegisterzug, s. Register.
Registrirnng 13. 14.
Reichs (A.) 147. 437. 503.
Resooanzkaslen 243.
Rezitali? 444.
Ripienstimme 438.
Riss 247.
Ritornell 440.
Rode (Theodor) 00. 206.
Rohr 43. 110.
RobrflSte 0. 13.
Kohriustrnment 7. 110. 112. 210. 211.
Rohrpfeire 12.
Rolltrommei 203.
Rondo 226. 405. Ai^. 477.
Rossini 405. 412.
Rousseau (J. J.) 300.
S 125. 202.
Saitenfessel, Saiienhaiter 243.
Saiteninstrument 3.
Sani 285.
Satzregel 73. 113. 168. 165. 210.
Saxophone, SaxhBrner etc. 520.
Searletti (A.) 241.
Scene 483.
Schall 390.
Schallhecber 44. 111. 118.
Schallkrafi 13. 10. 48. 66. 78. 04. 120. 128.
146. 154. 156. 166. 100. 200. 201. 203. 205.
246. 321. 351. 355. 446. 581.
600
Schallmei 11.
Scballrohr, s. Rohr.
Scballlrichler 44. 118.
SchelteDbei'ir (H.) lA. 22.
ScbelleDroond 204.
Scberzo S97. 398.
Schlägel, s. Paukenaebilgel.
Sehlag UAl.
SchlaginslrBmeDl 3. 7. 43. 303. 204.
Schlagkran 166. 247. 332.
Schlaogeorohr, s. Serpeat.
Schlnsssalz 229.
Schmeltertou 47.
Schnabel 118.
Schneider (F.) 15. 70. 00. 406. 412.
Schumano (R.) 426.
Schwingung 244.
Sechszebnrossloo 10. 76. 127. 280. 418.
Seidel 8. 494.
SekoDdarius Ö6.
Sepluor 438.
Serenale 438.
Serpent 111. 116. 301. 210. 211.
SeUsluck 51. 82.
Sexluor 438.
Silnation 466. 470.
Sologesang 3. 485. 488.
Solosalx 3. 45. 431. 436.
Soloverein, a. QuarteU.
Sonate 39. 423. 437. 480.
Sordino 249. 282.
Spielweise 14. 33.5.
Spitze 15. 243. 249.
Spohr 157. 271. 288. 289. 291. 310. 439. 440.
SpoBlini 20. 124. 204. 292. 295. 297. 307. 310.
317. 370. .399. 412. 509. 511. 555. 563. 566,
Slaccalo 24a. 247.
Stadler 412.
Stange 61.
Steg 243. 248.
Stierel , s. Stange.
Sllmmvog 470.
Stimmzahl 307. 329.
Stopfen 45. 77. 79. 87. 98.
Streicherebor 241. 243. 247. 2HS. 313. 321.
337. 359. 370. 380. 384. 431. 559. 56.1.
StreichinalruBenl 241. 242. 243. 247. 283.
321. 359. 427. 481. 444. 560.
Sireichquartett, s. Streicherebor.
Sirichart 331.
Stürze, •. Schallbeeber.
Styl 27. 411.
Snbbaas 12.
SQssmayer 455.
Sandelin 498.
Swoboda 498.
Symphonie 407.
Tamburo (grau), a. grosae Troroiael.
Tamburo militare, a. Mllitairlrommel.
Tambufo rullanle,a. RolUronimcl.
Tamtam 20i.
Tanz 226. 397.
Tastatur 8.
Tenorbaas 101. 211.
Tenorbaasposaune 506.
Tenorfagull 127.
Tenorhoro 101. 211. 212.
Teoorposauna 62. 66. 506.
Tenorlrompet« 97.
Terzelt 488.
TeizflSte 157.
Text 166. 470. SOS.
Timpaui coperli 54.
Timpaoo, a. Pauke.
Toccala 56.
Töpfer 8.
Tokkaie 39.
Toofolge, 8. Tonwesen.
Tonklappe, s. Klappe.
ToDlocb 42. 103. Itl.
Tonwesen 8. 44. 58. 62. 79. 89. 93. 96. 111.
112. 144. 161. 169. 206. 2«7. 322. 346. 354.
ToBwiederholung 47. 79. 80. 247. 260. 281. Ml.
374. 381. 384.
Touche (sur U) 248.
Tremolo 48. 261. 278. 300.
Triangel (Triaogolo) 204.
Triller 48. 79. 120. 126. 159. 260. 278.
Trio 422. 431.
Tripelkonzert 441.
Tromba, s. Trompete.
Trombone, s. Posaune.
Trommel (grosae) 7. 203.
Trompele 11. 42. 43. 48. 5i. 71. 91. 94. 2tO.
220. 509.
Trompelenarten 48.
Trompetenmundstuck 43.
Tttba, 8. Basstuba.
TariatioB 40. 227. 423.
Ventil 91. 92.
Venlilbassposaone 97.
Venliihorn 42. 76. 98. 210.
Veniilioslramenl 42. 91. 92. 103. 210. 514. 520.
Venlilposaune 97. 211,
Veniiltrompete 42. 95. 97. 210. 517.
Vielseitigkeit 247.
Vierfussregister 10.
Viola da ganiba 146.
Violine 251. 503.
Violioo, VioloD, 8. Violine.
Violon 9. 11.
Violoocell 250. 275.
Vivier 246. 518.
Vollklang 355.
Vorbildung 3.
Vox angelica 11.
Vox bnmana 11.
Wagner (R.) 51. 271. 522. 675.
Waldhorn, a. Hörn.
Weber (G. M. ?.) 51. 87. 88. 90. 121. 389.
402. 406. 439. 440. 477. 512. A24. 520. 552.
558. 569.
WeiRl 591.
Werk 8.
Wieprechl 106. 109. 206. 211. 518.
Windlade 8.
Winter 251.
WIrbclkasten 243.
Zammiitcr 408.
Zug 61.
Zunge 12. 48.
Zangen pfeife 12.
Zungenschlag 48.
Zuaammenwiiken 298.
Zweifussregisler 10.
Zweiunddreissigfass 10.
Zwischenakt SW.
Zwischensalz 229. 457.
pirroio
OviaetH
(lariaetti
X? T. Gcmdnrindaiamdi itmNeäkudt.
Comidi
lalTctto.
SerjKiilff
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