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Full text of "Die letzen Jahre des zweiten Punischen Krieges: Ein Beitrag zur Geschichte ..."

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DIE LETZTEN JAHRE 



DES- 



ZWEITEN PUNI8CHEN KRIEGES. 



\ 



EIN BEITRAG 



ZUR GESCHICHTE CJND QUELLENKUNDE. 



INAUGÜRAL-DISSERTÄTION 

ZUR ERLANGUNG DER DOCTORWÜRDE 

EINGEBEICHT 

AN DER PHILOSOPHISCHEN FACUL'^ÄT 

DER 

UNIVERSITÄT LEIPZIG 

* VON 

THADDAEUS ZIELINSKI 

Ans KIEW. 



< ■ • ■ I 



DRUCK VON B. G. TßUBNER IN LEIPZIG. 

1880. • . 



4f 



X 



Diese Dissertation bildet den Anfang zu einer grösseren Schrift, die 
aus zwei Teilen besteht und im Verlage von B. G. Teubner in Leipzig 
demnächst erscheinen wird. 






Li. 



J 



3 37 

ZU4 



Ich^ Thaddaeus Stephan Zieliuski^ bin im September 1859 auf 
einem Gute bei Kiew (in Russland) geboren. Mein Vater, Franz 
Zieliuski, war russischer Kronbeamter, meine Mutter, Louise geb. 
Grudziuska, die Tochter eines Gutsbesitzers; sie sind jetzt beide 
todt. Ich bekenne mich zum römisch-katholischen Glauben. Meine 
Kindheit verlebte ich in St. Petersburg. Im Herbste 1869 trat ich 
in die Quinta des dortigen St. Annen-Gymnasiums ein, in welchem 
ich auch bis zur Erlangung meines Maturitätszeugnisses im Sommer 
1876 verblieb. Anfangs mathematischen und naturwissenschaftlichen 
Studien zugetan^ bekam ich erst in der Prima durch den treffüchen 
Unterricht, der mir durch den Director Herrn Dr. Kirchner und 
den Oberlehrer Herrn König zu Teil ward, Neigung zur Philologie. 
Um diesem Studiuip obzuliegen, kam ich im Herbste 1876 als 
Stipendiat des kais. russ. philologischen Seminars nach Leipzig. 
Während der sieben Semester, die ich hier zubrachte, war ich Mitglied 
der philologischen Gesellschaften der Herren Prof. Goetz, Ribbeck, 
Ritschi — die damals Prof. Scholl leitete, — der römisch -anti- 
quarischen des Herrn Prof. Lange und der philosophischen des 
Herrn Prof. Gör in g und besuchte die Vorlesungen der Herren Prof. 
Curtius, Göring, Goetz, Lange, Lipsius, Overbeck, Ribbeck, 
Scholl. Diesen allen, namentlich Herrn Prof. Lange, der mich 
durch die vielfachste wissenschaftliche Anregung in meinen Studien 
gefördert hat, fühle ich mich zu tiefem Danke verpflichtet. 



164092 



A. Der Tatbestand. 

§ 1. 

Die sicilischen Legionen. 

Nachdem Scipio im Jahre 205 zum CodsuI gewählt worden war, 
erhielt er zwar nach einer sturmischen Senatssitzung die Erlaubniss, 
den Krieg nach Africa zu verlegen; eine Aushebung aber zum Zwecke 
der Kriegführung wurde ihm nicht bewilligt. Auch verlangte ihn, 
wie Livius berichtet (B. XXVIII, c. 45, 13), nicht allzusehr danach; 
dagegen setzte er es durch, dass ihm gestattet wurde, Freiwillige 
zum. Kampf gegen Karthago aufzubieten. 

Aehnlich ist der Bericht des Appian (Lib. 7); nur setzt dieser 
die Bestimmung hinzu, es sei Scipio erlaubt gewesen, iror^ afjupl 
rriv EiTtsXCav hc ovöc xQV^^^f" Dieser Zusatz drückt nur etwas 
selbstverständliches aua, denn da Scipio als Consul nach Sicilien, 
seiner Provinz, gieng, musste ihm auch die dortige Heeresmacht zur 
Verfügung stehen. Es befremdet uns daher keineswegs, wenn wir 
B. XXIX, c. 1, 12 f. von einer Musterung der sicilischen Legionen 
durch Scipio lesen; wohl nimmt es uns aber Wunder, wenn es eben- 
daselbst heisst, Scipio hätte aus den im Heere vorhandenen Vete- 
ranen eine auserwählte Truppe gebildet, zumeist aus solchen, die 
unter Marcellus gedient hatten, weil er bei ihnen voraussetzen konnte, 
dass sie an strenge Zucht gewöhnt wären und seit der Einnahme 
von Syracus an Erfahrung im ßelagerungskriege wesentlich gewonnen 
hätten. Dies ist unmöglich, weil das Heer des Marcellus, wie wir 
B. XXVI, c. 28, 10 erfahren, im J. 210 aufgelöst worden war. Auch 
stimmt die Nachricht nicht zu B. XXIX, c. 24, 12 f.; dort erzäUt 
Livius, Scipio hätte die beiden cannensischen Legionen zur Ueber- 
fahrt nach Africa bestimmt, und es wird auch ihnen Erfahrung im 
Belagerungswesen nachgerühmt. 

Diesen Widerspruch haben schon Weissenborn und Frieders- 
dorlT^) bemerkt; Weissenborn begnügt sich mit der FeststeUung des- 

1) Livius etPolybius, Scipionis rerum scriptores. Göttingen, 1869. S. 30. 

Zielinski, die letzten Jahre d. zw. pun. Kr. 1 



2 A. Der Tatbestand. 

selben; Friedersdorff gibt eine Art von Erklärung, indem er die sich 
widersprechenden Abschnitte auf verschiedene Quellen zurückfuhrt 
Ueber den wahren Tatbestand gibt weder er, noch sonst jemand Auf- 
schluss. Die Schwierigkeit ist aber grösser, als bis jetzt bemerkt 
worden ist. 

Die gewölinliche Annahme ist, dass im J. 205 Sicilien ausser . 
den beiden cannensischen Legionen keine Truppen hatte. Auch 
Livius scheint diese Ansicht bisweilen zu teilen, namentlich B. XXX, 
c. 2, 1: In Siciliam tria milia militum sunt scripta . . . quia, quod 
roboris ea provincia habuerat, in Africam transvectum fuerat; über- 
gesetzt wurden aber nach B. XXIX, c. 24, 13 blos die beiden can- 
nensischen Legionen. Begründet wird ferner diese Ansicht, wie wir 
sehen werden, durch die Geschichte des siciHschen Heeres vor 205. 

Indessen erheben sich mehrere schwerwiegende Bedenken gegen sie. 

Es war seit dem Jahre 213 üblich geworden, Sicilien in die 
provincia vetus und die provincia nova einzuteilen; letztere umfasste 
das vormalige Reich Hiero's und hatte Syracus zur Hauptstadt (B.XXIV, 
c. 44, 4). War der eine von den beiden Machthabern ein Consul, 
so war selbstverständUch diese die consularische Provinz. Jedem 
von den beiden wurde, was gleichfalls selbstverständlich ist, ein 
eigenes Heer gegeben. Zuweilen hielt sich noch ein dritter Befehls- 
haber auf der Insel auf, der die Flotte befehligte; dieser hatte an 
der Verwaltung des Landes kein Teil, das Commando über die 
Flotte war seine Provinz (vgl. B. XXX, c. 43, 1). 

So waren wir es bisher gewöhnt. Auch im J. 205 begegnet 
uns die Zweiteilung Siciliens; aber beide Provinzen haben zusammen 
nur ein Heer — zwei Legionen — , und wenn der Consül der be- 
stimmten Weisung des Senates zufolge (B. XXVHI, c. 45, 8) nach 
Africa übersetzte, war der Praetor wehrlos und ausser Stande, den 
unruhigen Syracusanern gegenüber das Ansehen Roms zu behaupten 
(dass die Stadt nondum ex magnis belli motibus satis tranquilla 
war, sagt Livius B. XXIX, c. 1, 15). Ein solcher Zustand ist un- 
denkbar, und es ist zwecklos, wenn man sich auf die Missgunst der 
fabianischen Partei beruft (vgl. Friedersdorff a. a. 0.). Diese kannte 
wohl eine Schwächung Scipio's wünschen; aber wenn dem Consul 
das Recht zugestanden war, nach Belieben über die sicilischen Le- 
gionen zu verfügen, dann konnte die in Frage stehende Massregel 
blos eine Schwächung des Praetors, vielleicht einen Aufstand in Sy- 
racus zur Folge haben. 

Als ferner die Vorgänge in Locri den Römern bekannt wurden 
und die Fabianer dieselben in ehrenrührigster Weise gegen Scipio 



§ 1. Die sicilischen Legionen. 3 

ausbeuteten^ die Angelegenheit aber für diesen eine unerwartet gün- 
stige Wendung nahm^ wurde auch die Teilnahme des Senates für 
seine Unternehmung wärmer. Man begann an ihn zu glauben; aus 
der lauen und halb widerwilligen Erlaubniss, nach Africa überzu- 
setzen, wurde ein dringender (primo quoque tempore B. XXIX, c. 
22, 11) Auftrag; die Erlaubniss, über die sicilischen Legionen nach 
Belieben zu verfugen, wurde auch im neuen Senatusconsulte hinzu- 
gesetzt; der Wortlaut desselben ist folgender: . . . ut senatus cen- 
seret, primo quoque tempore in Africam traiciendum, Scipionique 
permitteretur, ut ex iis exercitibus, qui in Sicilia essent, ipse eli- 
geret, quos in Africam secum traiceret, quos provinciae relinqueret 
praesidio. 

Durch diese Stelle gewinnen wir einen ganz anderen Einblick 
in die sicilischen Heeresverhältnisse. Hier scheint Livius, oder viel- 
mehr der von ihm wiedergegebene Senatsbeschluss, mehr als zwei 
Legionen in der Provinz vorauszusetzen; denn einerseits bilden zwei 
Legionen noch keine exercitüs^ andererseits konnten sich Consul und 
Praetor nicht in zwei Legionen teilen; weder konnte Scipio mit nur 
einer Legion, auch wenn er ihr seine Freiwilligen beigab, in Africa 
den Krieg fähren, noch auch war eine Legion zum Schutze der 
Insel ausreichend. Dazu kommt, was alles entscheidet, dass Scipio 
tatsächlich die beiden cannensischen Legionen mitnahm (B. XXiX, 
c. 24, 13); dies wäre eine etwas starke Ausnutzung der erhaltenen 
Erlaubniss, wenn diese die ganze Wehrkraft der Provinz gebildet 
hätten. — 

Noch deutlicher drückt sich Livius c. 26, 8 aus: ad hoc legiones, 
quae in Sicilia relinquebantur, ad prosequendos commilitones proces- 
serant. Diese Stelle widerlegt die landläufige Ansicht aufs schla- 
gendste, und Weissenborn hat sich vergeblich bemüht, sie mit der- 
selben in Einklang zu bringen. Angesichts* dieser Sachlage können 
wir nur fragen, wie die überschüssigen Legionen nach Sicilien ge- 
kommen seien; und zur Lösung dieser Frage wird uns die Geschichte 
der Verwaltung Siciliens die nötigen Ausgangspuncte liefern. Die- 
selbe wird uns auch die Mittel an die Hand geben, um die erwähn- 
ten Widersprüche bei Livius zu erklären. 

Im Jahre 214 erhielt der Praetor P. Cornelius Lentulus Sicilien 
(B. XXIV, c. 10, 5), soweit es damals römische Provinz war, mit zwei 
Legionen (ebd. c. 11, 2); dass es die cannensischen waren, geht 
aus B. XXV, c. 5, 10 hervor. Im selben Jahre erhielt der Consul 
M. Claudius Marcellus die Weisung, Syracus mit zwei Legionen zu 
belagern (B. XXIV, c. 11, 2; vgl. c. 21, 1). Dass Livius blos vier 

1* 



/ 



4 A. Der Tatbestand. 

Legionen kennt^ die dazumal in Sicilien gewesen waren, geht aus 
seiner Aufzählung der im J. 214 von Rom aufgebotenen Truppen 
hervor (ebd. c. 11). 

Im Jahre 213 wurde die alte Provinz wiederum dem Lentulus^ 
die neue dem Marcellus übergeben. Die Slärke des Heeres blieb 
dieselbe (B. XXIV, c. 44, 4). 

Im Jahre 212 blieben dieselben Machthaber mit derselben Heeres- 
macht in Sicilien. Das Gesuch der Cannenser, unter Marcellus kämpfen 
zu dürfen, wurde von diesem dem Senate überwiesen, vom Senate 
aber abgelehnt (B. XXV^ c. 3, 6; c. 5, 10 — 7, 4). 

Im Jahre 211 wurde dem Marcellus das imperium in Sicilien 
verlängert, damit er als Proconsul mit dem alten Heere den Krieg 
zu Ende führe; die Lücken seiner Legionen durfte er mit Soldaten 
aus des Praetors Truppen ausfüllen, jedoch mit der. Einschränkung, 
dass er keine Cannenser in sein Heer aufnehme. Diese fielen mit 
der provincia vetus dem Praetor C. Sulpicius zu, der sie aus den 
Truppen des Cn. Fnlvius ergänzte. Auch über die Fulvianer wurde 
dieselbe Schmach verhängt, wie über die Cannenser; für beide trat 
als Verschärfung der Strafe das Verbot hinzu, in Städten zu über- 
wintern, oder die Winterquartiere In der Nähe einer Stadt aufzu- 
schlagen (B. XXVI, c. 1, 6 — 10). Dem T. Otacilius endlich wurden 
hundert Schiffe überwiesen und zwei Legionen als Mannschaft (ebd. 
§ 12). Als Marcellus nach Rom zurückgerufen wurde, übernahm 
M. Cornelius Cethegus, der Praetor in Apulien, -die Führung seines 
Heeres. Die Soldaten murrten, und nur mit Mühe gelang es dem 
Praetor, eine Meuterei zu verhindern. Sie waren, wie Livius be- 
richtet, einesteils deshalb unzufrieden^ weil sie nicht mit dem Feld- 
herrn nach Italien zurückkehren durften, andernteils aber, weil ihnen 
verboten war, in Städten zu überwintern (ebd. c. 21, 16 f.). 

Im Jahre 210 wurde die nova als Consularprovinz dem M. Va- 
lerius Laevinus zugeteilt, mit ihr auch die Flotte des T. Otacilius 
und die beiden Heere — vier Legionen — , die bis dahin in Etru- 
rien und Gallien gestanden hatten (ebd. c. 28, 3 — 4). L. Cincius, 
der Praetor, erhielt die vetus und die Cannenser duarum instar 
legionum. Das Heer des Marcellus wurde entlassen (ebd. § 10 ff.). 
Die Gesammtzahl der Legionen war somit für das Jahr 210 acht, 
nämlich 2 als Bemannung der Flotte, 4 in der Consularprovinz, 2 
unter L. Cincius. 

Im Jahre 209 wurden dem Consul Q. Fulvius FJaccus für seine 
Provinz Lucanien und Bruttii zwei von den Legionen des Laevinus 
zugewiesen; diesem, sowie L. Cincius wurde das imperium in Si- 



§ 1. Die sicilischen Legionen. Ö 

cilien verlängert, und man gab ihnen die beiden cannensischen 
Legionen mit der Weisung, dieselben aus den Ueberresten des fol- 
vianischen Heeres zu ergänzen. Auch die Flotte wurde ihnen ge- 
geben mit Ausnahme von dreissig Fünfruderern, die an den Consul 
Q. Fabius nach Tarent abzusenden waren (B. XXVII, c. 7, 9 ff.). — 

Weiter brauchen wir die Geschichte Siciliens nicht zu ver- 
folgen. 

Wir haben gesehen, dass Laevinus im J. 210 ausser der Flotte 
noch vier Legionen zu Lande befehligte. Von diesen wurden zwei 
nach Lucanien geschickt; wir fragen, wie über die beiden anderen 
verfugt worden sei? Livius gibt uns keine Auskunft darüber. Weder 
im 27*®", noch im 28*®*^ Buche ist von ihnen die Rede; statt dessen 
begegnet uns schon im J. 209 die befremdende Tatsache, dass beiden, 
dem Proconsul und dem Propraetor, zur Erhaltung der Ordnung auf 
der Insel nur zwei Legionen beigegeben werden. Livius ist sich 
dieser Schwierigkeit wohl bewusst; man sieht es an seinen Be- 
mühungen, aus den beiden Legionen zwei Heere zu machen.^) 

Bei diesem Sachverhalte haben wir wohl das Recht, die beiden 
verschwundenen Legionen mit denjenigen in Zusammenhang zu brin- 
gen, welche i. J. 205 in Sicilien zum Vorschein kommen. Auf- 
fallig bleibt es immerhin, dass Livius dieser Legionen von 209 bis 206 
nirgends Erwähnung tut; dieses Bedenken ist aber bei der Nach- 
lässigkeit, mit der Livius sonst in seinen Angaben über die Heeres- 
macht Roms verfährt, nicht hoch anzuschlagen. 

Von dieser Nachlässigkeit haben wir oben ein Beispiel ange- 
führt. B. XXIX, c. 1, 12 vergisst Livius, dass die Legionen des 
Marcellus längst entlassen waren; ebenso weiss er c. 24, 12 nicht 
mehr, dass die Cannenser procul ab omni militia waren. An beiden 
Stellen verwechselt er die Cannenser mit dem Heere des Marcellus. 
Derselbe Irrtum ist von ihm auch B. XXVI, c. 21, 16 ff. begangen 
worden, wo er als Grund der Missstimmung des marcellinischen 
Heeres das Verbot, in Städten zu überwintern, anführt. Die Ver- 
wechselung mit den Cannensern ist offenbar, nichtsdestoweniger hat 



1) Ebd. c. 8, 14 if. : Nihil eae ductae ex insula legiones minuerunt nee 
viribus nee speeie eins -provinciae praesidium. nam cum praeter egregie 
suppletas duaB veter es legiones transfngarum etiam Numidarnm equitum 
peditumque magnam vim haberet, Siculos quoque, qui in exercitu Epi- 
cydis aut Poenorum fuerant, belli peritos vires, milites scripsit. ea ex- 
terna auxilia cum singulis Romanis legionibus adiunxisset, duorum speciem 
exercituum servavit; altero L. Cincium partem insulae . .. . tueri iussit, 
altero ipse ceteram insulam toebatur. 



6 A. Der Tatbestand. 

sich Friedersdorff nicht veranlasst gefühlt, an jener Stelle die Be- 
nutzung einer besonderen Quelle anzunehmen. 

§. 2. 
Die Ausfahrt des Laelius. 

Noch im J. 205 nach Africa überzusetzen wurde Scipio teils 
durch die Geschäfte der Provinzverwaltung, teils durch die Muhe, 
die ihm die Einübung seiner Freiwilligenschaaren kostete, teils durth 
den schlechten Zustand der ihm zur Verfügung gestellten SchifTe 
verhindert. Ehe er aber die Winterquartiere bezog, sandte er seinen 
Legaten C. Laelius mit einigen Schiffen nach Africa, um die feind- 
liche Küste zu brandschatzen (B. XXIX, c. 1, 14). Laelius landet 
Nachts bei Hippo Regius und führt bei Tagesanbruch seine Soldaten 
in's benachbarte Land, ehe sich die friedlichen Einwohner dessen 
versahen. Ein grosser Schrecken kam über Karthago. Man hatte 
über die Grösse der eingefallenen Schaar keine sichere Kunde und 
glaubte schon, der römische Feldherr sei selber an der Spitze seines 
Heeres gelandet. Nach den ersten haltlosen Ausbrüchen des Schmerzes 
ergriffen die Karthager Massregeln, um der drohenden Gefahr zu be- 
gegnen; sie hoben Heere aus, boten die libysche Bundesgenossen- 
schaft auf, befestigten die Stadt^ sorgten für Getreidezufuhr, rüsteten 
Schiffe, um sie nach Hippo gegen die römische Flotte zu senden — 
da meldete ein Bote, Scipio sei noch mit der Hauptmacht in Sici- 
lien, blos Laelius sei zu einem Plünderungszuge gelandet. Nuo er- 
holten ^sich die Karthager; sie schickten Gesandte an Syphax und 
andere Numidierhäuptlinge, um sich ihrer Treue zu versichern, des- 
gleichen an Philipp und an Mago; letzterem wurden auch beträcht- 
liche Unterstützungen an Geld und an Mannschaft gesandt. 

Während Laelius das wehrlose Land plünderte und reiche Beute 
gewann, kam Masinissa mit einigen Reitern zu ihm; er beklagte sich 
über Scipio's Saumseligkeit, bat den Legaten, dass er dem Feldherrn 
eine möglichst schleunige Ueberfahrt an's Herz lege, gab ihm wich- 
tige Aufschlüsse über die Unzuverlässigkeit des Syphax, sagte im 
Falle einer Kriegführung in Africa seine eigene nicht zu verach- 
tende Hilfe zu und riet zuletzt dem Laelius, nicht länger in Africa 
zu verweilen, weil eine karthagische Flotte im Anzug sei. Am 
nächsten Tage liess Laelius die Anker lichten und kehrte von Hippo 
nach Sicilien zurück. So lautet der Bericht des Livius^) (B. XXIX, 
c. 4, 7 - 5, 1). 

1) Für die Auefahrt des Laelius ist Livius die einzige Quelle. Cassius 



§ 2. Die Ausfahrt des Laelius. 7 

Was uns zunächst daran auffallt; ist der Name ;;Hippo Regius". 
Es war' dies eine Colonie^ welche die Karthager an der Küste des 
Massylierlandes angelegt hatten. König der Massylier war aber da- 
mals Masinissa^ und eine Brandschatzunig des Hippo benachbarten 
Ackergebietes musste diesen treuesten aller Bundesgenossen Roms 
schwer verletzen — in einer Zeit, wo die Römer seiner Freund- 
schaft mehr als je bedurften. Diesen Gruftd hat schon Weissenborn 
gegen die Ueberlieferung geltend gemacht; es kommen aber noch 
andere hinzu. 

Raubfahrten nach Africa zu veranstalten war die gewöhnliche 
Beschäftigung der römischen Flotte, welche sonst mussig der sici- 
lischen Küste entlang kreuzte. Agathocles hatte zuerst gezeigt, wie 
i^ehrlos der Feind in seinem eigenen Lande sei, und nach seinem 
Vorgange haben zahlreiche römische Flottßn mit grösserem oder ge- 
ringerem Erfolge Truppenmassen nach der feindlichen Küste beför- 
dert. Indessen richtete sich der Angriff ausschliesslich gegen den- 
jenigen Teil Africas, der später Africa im engeren Sinne genannt 
wurde.^) So landete der Consul C. Atilius Regulus i. J. 256 in 

Die erwähnt sie nicht, nach Zonaras zu schliessen, wenn er sie auch ge- 
kannt zu haben scheint. Die Massregehi, welche die Karthager nach der 
Landung des Laelius ergreifen, werden auch bei Zonaras erwähnt (B. IX, 
c. 11 a. E.), sie werden aber durch den allgemeinen Satz begründet: ovrio 
d' Ol Ka(fX7i$6vi,oi, trjv 6(f(i,7jv avtov (n. rov ZuvnCfovo^ idsiaaVy mats . . . 
Ferner setzen die Worte des Zonaras: . . . nccl tcqoxsqov fisv Mccaiviaaav, 
TOXB S\ %al rov I^cpaita (jLsta'nalsiad'ai avrovg tcctl xQOv^iovaiv iy^aXeiv 
(vgl. Liy. c. 24, 5) das Zusammentreffen Masinissa^s mit Laelius voraus. 
Sonst nehmen die Alten nie Bezug darauf, soviel ich weiss. Die castra 
LaeHa bei Pomponius Mela (B. I, 7.) beruhen auf einer höchst unsicheren 
Vermutung Tzschuoke's ; überliefert ist das unverständliche „castra Dellia*', 
und dies ist höchst wahrscheinlich eine Dittographie des folgenden „castra 
Cornelia**. Für diese Annahme spricht die Tatsache, dass der ältere Pli* 
nius (B. V, c. 4, s. 3, 24), dessen Quelle hier Pomponius ist (vgl. B. I), 
blos die castra Cornelia kennt. 

1) Dass auch der Einfall des Agathocles gegen das Karthago unmittel- 
bar benachbarte Land gerichtet wurde, sagt zwar Diodor nicht ausdrück- 
lich (B. XX a. A.), es lässt sich aber mit grosser Wahrscheinlichkeit aus 
seinen Worten erschliessen. Zunächst stimmt seine Beschreibung des von 
Agathocles durchzogenen Landes vollkommen mit der Schilderung über- 
ein, welche Livius von den Emporien gibt (vgl. Diod. B. XX, c. 3, 3 mit Liv. 
B.XXIX, c. 25, 11 ; über die Emporien s.u. d. Exe). Dann wird als Landungs- 
platz des sicilischen Tyrannen das Vorgebirge Mercur^s nicht unklar zu 
erkennen gegeben (c. 6, 3). Diodor sagt: 6 d* 'Aya^ouXijg dnoßißäaotg 



8 A. Der Tatbestand. 

Clupea am hermaeischen Vorgebirge (Pol. I, 29); ebenso i. J. 255 
die Consuln Ser. Fulvius Nobiiior und M. Aemilius PauUus (Orosius 
IV, 9); von den Consuln Cn. Servilius Caepio und C. Sempronius 
Blaesus wissen wir nur, dass sie i. J. 254 einen Beutezug nach den 
Emporien veranstalteten (Solin. 38, 9). Aus dem zweiten puniscben 
Kriege ist die Ausfahrt des T. Otalicius nach Utica i. J. 212 zu er- 
wähnen (Liv. B. XXV, c. 31, 12 ff.), ferner die des M. Valerius Mes- 
salla i. J. 210 ebenfalls nach Utica (B. XXVÜ, c. 6, 8), i. J. 208 
nach Clupea (ebd. c. 29, 7) und i. J. 207 nach Utica (B. XXVIII, 
c. 4, 5). 

Die Bömer hatten auch guten Grund, wenp sie hauptsächlich 
Zeugitana und Byzacium in ihren Plunderungszugen heimsuchten; 
dort hatten sie stets auf reiche Beute zu hoffen, während die un- 
bebauten Wiesen der Nomaden für sie keinen Reiz hatten (vgl. 
Liv. B. XXIX, c. 31, 10). Namentlich aber lockten sie die Em- 
porien mit ihren fruchtbaren Aeckern (vgl. Plin. V, 4, 24) und ihren 
reichen, jedem Angriff biosgestellten Städten (vgl. Justin. B. XXII, 
5,5V) 

Wir sind daher schon aus diesen Gründen wohl berechtigt, an 
dem Namen ;;HJppo Regius^^ Anstoss zu nehmen. Zu ihnen gesellen 
sich indessen noch folgende: 

Hippo Regius liegt eine geraume Strecke von Karthago entfernt 
— Procopius (de b. Vand. II, 4; p. 244, 6) gibt die Entfernung 
auf zehn Tagemärsche an. — Der Schrecken in Karthago ist also 



rrlv dvvaybiv ngog raff lialovfjLSvag Aaroiiiccg nctl ;|^a^axo; ßaX6fi>£vog i% d'a- 
Xciacrig elg &aXaacav ivedoXurjas rag vavg. Zu vergleichen ist diese Stelle 
mit den Worten Strabo'a (F. 834): iv avtm S^ tm yioXntp, iv insq xal 17 
KaQ%ri9(ov^ Tvvig iezl noXig yial d'SQfAa kckI Xatopiiai Tiv.sg* etd"* tj ^Eg^aia 
a%gct (vgl. Mannert, Geographie d. Griechen u. Römer X, 2, S. 266). Dass 
diese und keine anderen Steinbrüche von Diodor gemeint sind, beweist der 
Ausdruck in d^aXdcarjg sig d'dXaaeccv ; blos eine so schmale Landzunge, wie 
die von Strabo beschriebene, Hess eine solche Bezeichnung zu. Dass 
Diodor unter Xatofiiai eine Stadt versteht, tut der Sache keinen Eintrag; 
von ihm ist derselbe Irrtum begangen worden, wie von Alexander Cor- 
nelius, der XaXvisia für eine Stadt in Libyen ausgab, während es Erzberg- 
werke waren (vgl. Steph. Byz. u. XaX^sia), 

1) . . . huc accedere, quod urbes castellaque Africae non muris cin- 
ctae, non in montibus positae sunt, sed in planis campis sine uUis muni- 
mentis iacent. Dass die Emporien gemeint seien, geht aus der Vergleichung 
dieser Stelle mit dem entsprechenden Berichte des Diodor (B. XX a. A.) 
hervor. 



§ 2. Die Ausfahrt des Laelius. 9 

unerfflärlieh, auch wenn wir von den Uebertreibungen absehen, mit 
denen Livius seine Darstellung ausgeschmückt hat. Weissenborn hat 
sich durch diesen Umstand verleiten lassen, bei Livius eine Nach- 
lässigkeit anzunehmen; er habe das in nächster Nähe von Karthago 
gelegene Hippo Diarrhytus gemeint. Allein auch bei dieser Annahme 
finden nicht alle Schwierigkeiten ihre Lösung. Wir erfahren durch 
die livianische Erzählung, dass Laelius bei Hippo mit Masinissa zu- 
sanunentraf; nun hielt sich aber der fluchtige Massylierkönig zu jener 
Zeit an den Gestaden der kleinen Syrte auf (c. 33, 8 f.), und Weissen- 
born selber bemerkt zur angeführten Liviusstelle: „übrigens ist es 
ebensowenig klar, wie er durch das karthagische Gebiet dahin, als 
me er von da zu LaeUus nach Hippo Regius habe kommen können.^' 
Der erste diesier Einwände wird sofort von der Darstellung des 
Livius (B. XXIX, c. 29, 6 — c. 33) widerlegt, wenn wir die Iden- 
tität des c. 32, 6 erwähnten Clupea mit der bekannten Stadt dieses 
Namens beherzigen; der zweite scheint mir jedoch vollkommen stich- 
haltig zu sein, und wird, denk' ich, jedem einleuchten, der die 
Schicksale des vertriebenen und verfolgten Fürsten sich vergegen- 
wärtigt. Und es Jst klar, dass die Sachlage unverändert bleibt, wenn 
man sich an die Stelle des Hippo Regius den Diarrhytus denkt. 
Dazu kommt noch folgender Umstand: Hippo Diarrhytus war von 
Karthago vielleicht einen Tagemarsch, von der kleinen Syrte etwa 
zehn entfernt; ist es also denkbar, dass Masinissa mit Laelius zu- 
sammengetroffen wäre, ehe die Karthager eine Flotte gegen die Ein- 
dringlinge aussandten? Endlich ist noch zu erwähnen, dass die Gegend, 
welche Laelius brandschatzte, inermis et nuda praesidiis genannt wird 
(c. 4, 7); diese Bezeichnung kommt dem Küstensaume ßyzaciums sehr 
wohl zu (vgl. die oben angeführten Worte Justins), auf keinen Fall 
aber dem Ackergebiete von Utica und Hippo Diarrhytus (vgl. App. 
Lib. 30). 

Nach dem Gesagten dürfen wir die Behauptung aufstellen, dass 
der Ort, in- dessen Nähe Laelius landete, nicht Hippo Regius und 
nicht Hippo Diarrhytus war, sondern eine Stadt in nicht allzugrosser 
Entfernung von Karthago, so gelegen, dass Masinissa, um dahin zu 
gelangen, seinen Weg nicht durch das feindliche Gebiet zu nehmen 
brauchte; also eine Stadt an der Küste von Byzacium. 

Die Wahrscheinlichkeit dieser Behauptung würde bedeutend er- 
höht werden, wenn wir beweisen könnten, dass es in der be- 
schriebenen Gegend in der Tat eine Stadt, Namens Hippo ^ ge- 
geben hat. 

Und wir können es beweisen. — 



10 A. Der Tatbestand. 

Am Anfang seines zwanzigsten Buches beschreibt Diodor ^J den 
Einfall des Agathocies in Africa. Nach der Einnahme von ütica 
schlug dieser sein Lager auf ixl rrjv ^iTCnov xakovfisvrjv axQav, 
Gi%VQGi^BV7iv q)v0LXc5g tij TtaQaxec^evtj kC^vy. Dass Hippo Diar- 
rhytus darunter gemeint ist/ unterliegt keinem Zweifel, die Anzeichen 
stimmen vollkommen mit dem überein, was wir sonst von dieser 
Stadt wissen. Sie lag kaum vier Meilen von ütica entfernt und war 
im Norden vom Meere, im Süden vom hipponitischen See bespült.^) 
Noch zur Zeit des dritten punischen Krieges > waren in Hippo die 
Befestigungen des Agathocies vorhanden (vgl. App. Lib. 110). 

Bald darauf musste jedoch Agathocies auf weitere Eroberungen 
in Africa verzichten, da die Umtriebe in Syracus seine Anwesenheit 
nötig machten; doch Hess er das Heer unter der Führung seines Sohnes 
Archagathus in Africa zurück. Dieser sandte seinen Unterfeldherrn 
Eumachus mit einem Teile der Truppen zu einem Beutezuge nach 
dem Innern Africas aus (^elg rovg avm tonovg). Eumachus hatte 
seltenes Glück. Zuerst bezwang er Tocae, eine grosse Stadt, und 



1) Die Glaubwürdigkeit des Diodor in den geographischen Angaben 
ist von Haake (de Duride Samio S. 24) für den von uns behandelten Teil 
in Abrede gestellt worden, und es versteht sich, dass wir seine Gründe 
vor allem zu prüfen haben. Es sind deren zwei. Zunächst bestreitet 
Haake die Richtigkeit der von Diodor angegebenen Entfernung des Abv^oq 
Tvvrjg von Karthago (c. 8) auf Grund des poljbianischen Zeugnisses 
(B. XIV, c. 10); indessen hat schon Wesseling, wie Haake wohl weiss, 
den von Agathocies zerstörten Asvnog Tvvrjg und den im zweiten puni* 
sehen Kriege noch bestehenden Tyrr^g für zwei verschiedene Städte erklärt. 
Dann hält es Haake für unmöglich, dass Agathocies auf einen Berg ge- 
langt wäre, auf dem er sowohl von den Hadrumetinern, wie auch von den 
Tunes belagernden Karthagern hätte gesehen werden können. Dieser Ein- 
wand ist unbedacht. Ein bioser Blick auf die Landkarte genügt nicht, 
um Diodor's Zeugniss zu widerlegen. Dagegen gibt Shaw, der im vorigen 
Jahrhundert Algier und Tunis durchreist hat, folgende Beschreibung des 
Berges Zagwan, der zwischen Aphrodisium und Thugga liegt (ich benutze 
sein Werk in französischer üebersetzung „Voyages de Monsr. Shaw." 
S. 235): „II est certain, qu'on a sur son sommet la vue de la plus grande 
partie du royaume (Tunis), et ce pourrait fort bien etre ici le lieu d'oü 
Agathocies vit le pays des Adrumetiens et des Carthaginois." 

2) Vgl. Scylax §.111 (ed. Müller): '^Innov noXig^ xal XCiivri lii avtij. 
Ausführlicher handelt der jüngere Plinius über diesen See (Ep. 9, 33). 
Adiacet navigabile stagnum, ex quo in modum fluminis aestuarium emergit, 
quod vice altema, prout aestus repressit aut impulit, nunc infertur mari, 
nunc redditur stagno. 



§ 2. Die Ausfahrt des Laelias. 11 

machte sich die umwohnenden Nomaden zu Bundesgenossen; dann 
eroberte er Phelline und unterjochte den Stamm der Asphodeloden^ 
der die benachbarte Gegend bewohnte. Ferner nahm er die grosse 
Stadt Meschela ein^ welche „die von Troia heimkehrenden Hellenen 
dereinst gegründet hatten''; i^ijg ds rijv ovoiia^opLSvi^v axQav 
"Itctcov xriv ofidvv^ov tij xsLQod'eLörj xata XQcitog vtc ^Aya^o- 
xXdovg^ xal teXsvta£av tiiv TCQoqayoQBvoyiivr^v ^Anglda Ttoliv 
avtovoiiov^ die er plünderte. Dann kehrte er zu Archagathus zu- 
ruck mit reicher Beute und wurde von diesem belobt. Der glück- 
liche Erfolg seines ersten Unternehmens verlockte ihp zu einem 
zweiten. Er machte denselben Weg, durchzog die eroberten Städte 
noch einmal unä überfiel plötzlich das ^^sogenannte'^ Miltine; es gab 
einen Strassenkampf, bei dem Eumachus mit grossen Verlusten zu- 
rückgeschlagen wurde. Von da führte ihn sein Weg durch ein 
hohes Gebirgsland, das so voll von Katzen war, dass kein Vogel in 
Baum und Kluft nistete, in ein Land, wo es eine Menge von Affen 
gab. Dort fand er drei Städte, die nach diesen Tieren benannt 
waren, griechisch etwa durch nvd"i]xov00ai wiederzugeben; eine 
zerstörte er, mit den beiden anderen schloss er Bundesgenossen- 
schaft. Bald nachher wurde sein Heer vom Karthager Himilco auf- 
gerieben. So lautet der Bericht Diodors (c. 55; c. 57 — 60.), der 
von niemand bis jetzt erklärt worden ist. 

Für uns handelt es sich freilich nur um die Bestimmung der 
Lage der zweiten "I^n:ov ccxga; doch kann diese Stadt nicht ge- 
trennt von den übrigen behandelt werden. 

Ihr Name war bis jetzt der Ausgangspunkt für die Unter- 
suchung über den ganzen Zug des Eumachus. Die Gelehrten — 
ich nenne Mannert (X, 2, S. 369), C. Müller (zu Scylax 111) — 
hielten es für ausgemacht, dass darunter Hippo Regius zu verstehen 
sei. F]ine solche Folgerung müsste, auch wenn ihr sonst nichts im 
Wege stünde, willkürlich genannt werden; sie beruht auf der Voraus- 
setzung, dass es ausser dem Regius und Diarrhytus keine Stadt 
Namens Hippo gegeben habe, während dieser Name bei den Phoeni- 
ciern sehr gewöhnlich war; denn abgesehen von den ausserafricani- 
schen Städten dieses Namens — wie Hippo an der Küste von Bae- 
tica (Neuhippo b. Plin. HI c. 1), am Strande des todten Meeres — 
kennen wir eine an der grossen Syrte (Anon. Stadiasmus maris 
magni 85; 86.) eine im westlichen Africa und eine in Numidien 
(beide erwähnt von Ptolemaeus B. IV). 

Indessen verträgt sich die Annahme, dass Diodors '^ Ijctcov axga 
gleich dem späteren Hippo Regius sei, nicht einmal mit den übrigen 



12 A. Der Tatbestand. 

Spuren, die wir in seiner Erzählung finden. Aus der Gegend von 
Hippo Diarrhytus, heisst es dort, zog Eumachus in's Innere von 
Africa. Man werfe einen Blick auf die Landkarte; konnte er aaf 
diesem Wege nach Hippo Regius kommen? 

Trotzdem» enthält gerade der Name Tättov axQa eine mchtige 
Spur, die wir verwerten werden. Er weist unzweideutig darauf 
hin, dass die fragliche Stadt eine Seestadt war. "Atiqu bedeutet 
„Vorgebirge" und kann als Bezeichnung einer Stadt nur die Ueber- 
setziing des punischen „rus'^ (z. B. in Rusazu^ Rusgunia, Rusippisir, 
Rusicade, R.uspae, Ruspina, Rusubricari, Rusuccurru, Rusucmon, 
lauter Seestädten) sein; wie auch Scylax (§111) die Stadt Rusaddir 
in Mauretanien durch "Axqu wiedergibt. 

Wenn wir daran festhalten, dass Eumachus nach dem Inneren 
Africas gezogen ist und dass ^Iitnov axga eine Seestadt war, so 
ergibt sich für die letztere keine andere Lage als an der Küste von 
Byzacium. In der Tat ist der Weg von Hippo Diarrhytus nach den 
Emporien der einzige in jener Gegend, der von einem Meer durch 
das Binnenland nach dem andern führt. 

Wir sin8 indessen in der Lage, den gelieferten Beweis durch 
einen anderen, von ihm völlig unabhängigen verstärken zu können, 
indem wir Herodot's Beschreibung von Libyen zur Vergleichung 
heranziehen. Die Untersuchung wird uns etwas weit führen, aber 
wir sind überzeugt, dass durch die beabsichtigte Vergleichung nicht 
allein für die Ausfahrt des Laelius und den Einfall des Agathocles^ 
sondern auch für die Geographie Africas nicht wenig gew^onnen wird. 

Am Ende des vierten Buches nennt Herodot die Völkerschaften, 
welche das nördUche Libyen bewohnen. Westlich vom Tritonflusse ^) 
— sagt er c. 191 — leben die Maxyer; (paöl di ovrot alvai täv 
ix TQoirig avÖQäv, Aus dieser Stelle schUesst Stein, dass die 
Maxyer Abkömmlinge der Troianer gewesen seien; indessen wird 
man uns zugeben müssen, dass die Worte ot ix TgoCag avÖQag 
ebenso wohl die Erklärung „die aus Troia heimkehrenden Hellenen" 
zulassen; denn wir sind berechtigt, ix TQoiag rein wörtlich zu 
fassen — gerade so wie Pol. XV, 4, 5 o[ ix 'Pciiirig TCQBOßevtal 
nicht die römischen Gesandten, sondern die aus Rom heimkehrenden 
Gesandten des Scipio und der Karthager sind. — Es ist dies, wie 
aus dem Zusammenhange ersichtlich ist, dasselbe Volk, von dem 
Scylax a. a. 0. spricht: negiinovöi öe avtriv Aißvsg Ttdvveg ^d'vog, 



1) lieber den Tritonfluss vgl. Scylax § 110 und die Erklärung C. 
Müllers zu dieser Stelle. 



§ 2. Die Ausfahrt des Laelius. 13 

xal TCoXiq to vxixaiva TtQog tiXiov dv0iidg. ovt ol yoQ anavxsg 
ACßvBg kdyovrai l^avd'olj aaaoroi xal xdlXi0toi. Die Stelle ist 
verderbt^ allein so Tiel lässt sich aus ihr erkennen, dass die Libyer 
westwärts vom Triton durch ihr helleres Haar sich scharf von' den 
umwohnenden Semiten und Aethiopiern unterschieden und sich da- 
durch als zur indogermanischen Völkerfamilie gehörig auswiesen. 

lieber diese eigenthuroliche Colonie sind wir ziemlich spärlich 
unterrichtet. Die auf uns gekommenen Nachrichten hat Movers (die 
Phoenicier Bd. II, 2 S. 383 ff.) gesammelt und einer ebenso scharf- 
sinnigen, wie gründlichen Erörterung unterworfen, so dass wir uns 
im folgenden seinen Ausführungen anschliessen können. 

Die Maxyer oder Maxiken bewohnten ursprünglich das Land, 
in welchem später Karthago gegründet wurde. Ihre Beziehungen 
zu den Fremdlingen waren zuerst freundschaftliche; sie änderten 
sich aber mit der wachsenden Macht der jungen Ansiedelung, und 
es kam zu harten Fehden; zuletzt schlugen die Karthager die 
Maxyer, zwangen sie, weiter von Karthago neue Wohnsitze zu be- 
zielfen und zogen, um gegen ihre Angriffe fürder sicher zu sein, 
die sogenannten punischen Gräben^) um das neueroberte Land. 
Soweit Movers. 



1) Es dürfte an der Zeit sein, der bisherigen irrtümlichen Ansicht 
über die Lage dieger punischen Gräben zu begegnen. Die Gelehrten — 
wie Weissenbom (zu Liv. B. XXX, c. 16, 10), Nissen (de pace a. 201 Cartha- 
giniensibus data S. 15 ff.) — lassen sie bei Thenae das Meer berühren, 
indem sie sich auf Plin. N. H. B. V. c. 4, 24 berufen: Ea pars, quam Afri- 
cam appellavimns, dividitur in duas provinciae, veterein ac novam, discre- 
tas fossa inter Africanum sequentem et reges (n. die Söhne des Masinissa) 
Thenas usque perducta. Damach müssten die punischen Gräben erst auf 
Befehl des jüngeren Africanus gegraben worden sein — und es scheint 
mir ein hoffnungsloser Versuch zu sein, wenn Nissen a. a. 0. auf schwanke 
Wahrscheinlichkeitsgründe gestützt sich gegen das Zwanggebot der Gram- 
matik sträubt, welche keine andere Erklärung der fraglichen Stelle zu- 
lässt. — Dieser Annahme stehen jedoch mehrere Gründe im Wege. Die 
punisclien Gräben werden an folgenden Stellen genannt: App. Lib. 32 
(unter den Friedensbedingungen): Ka^xtjdov£ovg . . . fir^Öh nolvnQceyfiovsiv 
Ti niqa mv i%ovoiv ivzog tav Xeyofbivcav ^oivm^^mv tdcpQoav. ebd. 54 
XQTj . . . tag (pQovQotg vfiag i^ayccyeCv ir, rmv noXemv oaai t&v ^oivtulSaiv 
z(xq>q<ov ^xTOg bIoiv, ebd. 59: xal noXBoav änaamv dqtlctavxai xal %(&Qag 
oarjg aQxovaiv iyitog tmv ^otvin^dav tdtpQcov. Phlegon Mirabilia c. XYIII 
Ev(Aaxog Si qt-qüiv iv nsQLtjyjqasi., KaQxv^ov^ovg TCSQiTatpQSvovtag tr^p IdCav 
inuQX^v svifsiv o^vaaovtecg dvo isuslstovg iv üOQoig %sip,ivovg. Diese 
Stellen, besonders die letztangeführte, beweisen ein viel höheres Alter der 



14 A. Der Tatbestand. 

Die Stadt Maxula bei Karthago — Altmaxald; wie sie zum 
Unterschiede von der römischen Colonie Maxula bei Ptolemaeus 
heisst — wird nicht mit Unrecht .von Stein mit den Maxyern in 
Zusammenhang gebracht. £in Irrtum ist es aber^ wenn derselbe 
Gelehrte meint^ aus der Lage dieser Stadt Maxula Hessen sich die 
Wohnsitze der Maxyer bestimmen ; dann würden ja diese erschlossenen 
Wohnsitze mit den Angaben des Herodot selber im Widerspruch 
stehen. Wohl gerechtfertigt ist dagegen die Annahme^ Maxula wäre 
die ursprungliche Hauptstadt der Maxyer gewesen; von den Kar- 
thagern vertrieben haben sie jenseits der punischen Gräben eine 
neue Stadt gegründet^ und das wird die von Scylax erwähnte sein. 



panischen Gräben, und damit auch die Verschiedenheit derselben von den 
bei Plinius angeführten. 

Diese lässt sich ausserdem durch zwei selbständige, von einander an- 
abhängige Gründe erhärten, welche uns zugleich über die Lage der echten 
punischen Gräben aufklären. 

Ueber die Grenzstreitigkeiten zwischen Masinissa und den Karthagern 
berichtet Livius am Ende des 34. Buches. Masinissa hatte den Umstand 
benutzt^ dass die Karthager uneinig waren und bei den Römern in bösem 
Leumund standen, um sich unrechtmässiger Weise einige Städte anzu- 
eignen. Emporia vocant eam regionem . . . una civitas eins Leptis. Zu 
welchem Zwecke, fragen wir, erwähnt Livius hier Leptis? — dass dar- 
unter Kleinleptis zu verstehen sei, werden wir unten (s. i. Exe.) beweisen. 
Die grösste unter den Emporien war Leptis sicherlich nicht (vgl. Stad. 
mar. magn. § 118), und hatte sonst auch keine Eigenschaft, welche ihre 
Erwähnung an dieser Stelle rechtfertigen könnte. Diese Hervorhebung 
der kleinen Stadt können wir uns blos dann erklären, wenn wir annehmen, 
dass Leptis die erste Stadt jenseits der Grenze war, die den Masinissa 
von seinen Feinden trennte, dass Masinissa durch einen Angriff auf sie 
zuerst die Grenze überschritt, zuerst die Friedensbedingungen verletzte. 
Und diese Grenze waren eben nach Appian die punischen Gräben. 

Der zweite Beweis ist noch schlagender. Der Verfasser des Stadias- 
mus maris magni zählt die Eüstenstödte Africas von Osten nach Westen 
auf, indem er sie nach den Landschaften, denen sie gehören, ordnet. Nun 
lässt er 112 den Abschnitt, den er lontov 2v(ftig fii%(fä betitelt hatte, 
mit Thapsus enden, und beginnt den neuen „lomov $otv6(7j" (sequitur 
punica regio) mit Kleinleptis. Dies Verfahren konnte bis jetzt nicht er- 
klärt werden; 0. Müller nahm seine Zuflucht zur Annahme eines Ver- 
sehens seitens des Schreibers. Meines Erachtens wird dadurch aufs 
schlagendste bewiesen, dass die Grenze, die das karthagische Gebiet vom 
übrigen Lande trennte — die punischen Gräben — zwischen Thapsus und 
Kleinleptis anzusetzen sind. Nur auf diese Weise findet die Stelle eine 
ungezwungene Erklärung. 



§ 2. Die Ausfahrt des Laelius. 15 

Wenn mich meine Vermutung nicht täuscht — und dies ist 
angesichts ^iner solchen Uebereinstimmung kaum anzunehmen — 
so haben wir in dieser Stadt^ in diesem Neumaxula das von Diodor 
erwähnte Meschela zu suchen^ ,,die Gründung der von Troia heim- 
kehrenden Hellenen'^; wie es bei ihm heisst. 

Der Vergleich mit Herodot kann indessen noch fortgeführt 
werden. Wie vorhin mit den Maxyern, so werden wir es jetzt mit 
den Gyzanten zu tun haben. 

Die Gyzanten werden von Herodot Nachbarn der Zaueken^ diese 
Nachbarn der Maxyer genannt. Schon auf Grund dieser Angaben 
ist es mir unbegreiflich, wie Bochart (Chanaan S. 539) auf den Ein- 
fall kommen konnte, dieser Völkerschaft Wohnsitze am numidischen 
Meerbusen anzuweisen; der Name selbst zwingt ups, sie für die- 
selben zu halten mit den Byzanten, nach denen Byzacium genannt 
ist. — Sie werden also von Herodot geschildert (c. 194): fiiX- 
xovvxai S'^v Jtccvreg xal Tttd'tixoipayBovöL' oC de öq)L aq)d'ovoi 
oöOL iv XO10L OQS0L yCvovxtti, xaxu tovxovg d% XsyovöL KaQxtj- 
tfoi/fcot xaeö^ac vij0ov xy ovvona slvat KvQavvLVy^) fi^xog (ihv 
ÖLTiKoöLCDv öxaSCdov ^ TcXdxog di öxsivriv. Auch das Land, in 
welches Diodor den Eumachus kommen lässt, erzeugte eine Menge 
von Aßen; und um die Uebereinstimmung vollkommen zu machen, 
hiess die Stadt, von der aus £umachus in jenes Land gelangte, 
MiXxCvTi — das „sogenannte'' Miltine, Mennigstadt — womit man 
die Worte Herodot's yyiiLkxovvxat tf'oJv jcdvxsg" in Zusammenhang 
bringen möge. — 

Nach dieser Auseinandersetzung sind wir im Stande, die Lage 
des von uns erschlossenen Hippo anzugeben. Es war an der Küste 



1) Einen Beweis dafür, wie schwankend die Meinungen der Gelehrten 
über die geographischen Verhältnisse Libyens sind und wie wenig auf 
diesem .Gebiete vorgearbeitet worden ist, liefert die Tatsache, dass Nie- 
bnhr (kl. Sehr. I, 148) daran denken konnte, die Insel Cyraunis in der 
von Hanno im Periplus erwähnten Gerne (südlich von den canarischen 
Inseln) zu suchen. Vielmehr ist es augenscheinlich, dass Cyraunis und 
Cercina zwei Namen fär dieselbe Insel sind; man vergleiche mit der hero- 
doteischen Beschreibung von Cyraunis die Schilderung, die Plinius (V, 7, 41) 
von Cercina gibt: Ab ea (sc. Meninge) C M. p. Cercina cum urbe eiusdem 
nominis libera, longa XXV M. p. lata dimidinm eins, ubi plurumum, at 
in extreme non plus V M. p. Vgl. Agathemerus^ Geogr. I, 5: Kiquivcc 
vijoog (irjfiog i%Bt ctdSioc o' , nXdzog S' onov atsvmzdtrj cxddia n'. — 
Damach lassen sich auch die Wohnsitze der Gyzanten endgültig fest- 
stellen. 



16 A. Der Tatbestand. 

von Byzacium zwischen Kleinlepüs und dem Cercina gegenAberliegen- 
den Ufersaume gelegen. 

Ist es nun zu kühn^ anzunehmen, dass Laelhis an dieser Stelle 
gelandet ist? 

Der Zweck der ganzen Ausfahrt erscheint uns jetzt in einem 
anderen Lichte. In der Tat, mussten wir uns bis jetzt fragen, wes- 
halb setzte Scipio seinen Legaten der Gefahr aus? Nach Beute 
kann es ihn nicht übermässig verlangt haben, der^n Lebensmittel 
hatte er mehr als genug. Jetzt stellt sich die Sachlage anders dar. 
Die Unterredung mit Masinissa, deren Livius ziemlich im Vorbeigehn 
erwähnt, wird zur Hauptsache, die Auskundschaftung der feindlichen 
Verhältnisse, die Auffindung eines günstigen Landungsplatzes, die 
Benachrichtigung der Bundesgenossen zum wahren Zwecke der Aus- 
fahrt. Und jetzt Yerstehen wir es erst ganz, wenn Scipio bei seiner 
Abfahrt den Schiff sfuhrern befiehlt, ut Emporia peterent. — 

Excurs. 
Die Emporien. 

Ueber die Lage der Emporien sind die Gelehrten uneinig. 
Kiepert bezeichnet mit diesem Namen die Küstenlandschaft von 
Macomades (= NeapoHs) bis Sabrata (= Abrotonum). Weissenborn 
lässt darunter „die zahlreichen phoenicischen, damals den Karthagern 
unterworfenen Ansiedelungen von den punischen Gräben (also von 
Thenae) südlich und östlich an der kleinen Syrte bis Tripolis'' 
(zu B. XXIX, c. 25, 11) verstehen. Mannert behauptet, die Städte 
an der kleinen Syrte, — Tacape, Macomades, Thenae — hätten 
diesen Namen geführt (X, 2, S. 160); auf die wichtige Stelle Liv. 
B. XXXIV, c. 62 scheint er somit keine Rücksicht genommen zu 
haben. Bochart's Ansicht lässt sich mit einiger Mühe aus folgenden 
Worten erkennen (Chanaan S. 528; 539; 542): „Quam opulenta 
fuerit Leptis (er meint Grossleptis) collige ex bis Livii 1. XXXIV 
(c. 62) 'ea singula in dies talenta Carthaginiensibus dedit'. Hae Lep- 
titanis opes cum aliunde suppetebant, tum praecipue ex ubertate 
regionis. Emporia veteres appellabant." Dann „Nempe Graeca voce 
usurpata, quomodo in Chaldaica paraphrasi Jonathanis Genes. 25^ 3 
^emporin', sunt i^noQOi ^mercatores' et in Tanchuma ^enporioth'. 
Quid si in graeco nomine allusionem quaesierint ad Hebraeum 
^emporja', quasi ^matrem fecundam' dixeris? quo epitheto insigniri 
iure merito potuit terra tot frugum parens.^' Ferner: „Loca Africae 
fertilissima fuere Byzacium et Emporia." Endlich: „Inter Byzacium 



§ 2. Die Ausfahrt des Laelius. 17 

et Emporia est Syrtis minor^ in quam Triton amnis influit/^ — 
Movers (die Phoenicier 11, 2, S. 471 ff.) hat eingehender über die 
Frage gehandelt. Er denkt sich unter den Emporien die Gegend 
von den punischen Gräben bis zur grossen Syrte. 

• Wir können uns auf eine eingehende Widerlegung dieser Mei- 
nungen nicht einlassen; es wird aber genügen^ wenn wir die ent- 
scheidenden Stellen dem Wortlaute nach anführen und einer genauen 
Besprechung unterwerfen; der Schluss, zu dem wir dann gelangen^ 
wird zugleich die schlagendste Widerlegung der bisherigen, auf 
mangelhafter Benutzung der einschlägigen Stellen gestützten An- 
sichten sein. 

Polybius erwähnt der Emporien dreimal. Das erste Mal in der 
Geschichte des ersten punischen Krieges (I, 82, 6): a\ka 8\ rovrotg 
xal xaq 7taQaxoiii^o(idvag ayoQccg ix täv tzuq' avtotg xa^ovfievav 
'ß^noQicav^ iq> alg el%ov tag fisyiötag iXitCdag tieqC %b r^g XQoq>rig 
xal täv &kX(ov ijCLtrjdsicaVy dLaq)d'aQijvaL öwsßi] xata ^akatxav 
6ko0%£Qcig VTtO tov ;|r6tfi(5v0g. 

Das andere Mal in der Erklärung zum ersten Vertrage der 
Karthager mit den Römern (ß. III, c. 23, 2): [rov KaXov axgcj- 
zriQiov] xa^uTCai, inixEiva Jtketv cjg TCgog ueöfiiißQiav ovx otovtac 
dstv Ol KaQ%riS6vL0L tovg Pconaiovg fiaxQatg vavöl dia ro ft^ 
ßovXeö^at yivciöxsLv avtovg^ (Dg ifiol öoxsl^ (irjts tovg xata 
xijv Bvö6atLV, (ii]t€ rovg ocatcc tiiv ncocQav EvQttv tonovg^ a d^ 
xalovöLv ^E^jLitOQia, 

Das dritte Mal bei der Erzählung der Zerwürfnisse, die den 
dritten punischen Krieg herbeiführten (Pol. XXXII, c. 2, 1): Maa- 
aava00rig ^smQmv tb nXi^^og täv 3c6XeG>v täv tcsqI tr^v ^lxqccv 
2]vQtiv ixttöiisvcav xal tb xdXkog tijg xäQag rjv xaXovöiv 
'E^jcoQLa, xal TtaXat tb nXrjd^og täv TtQogodiov täv yivoiisvcDv 
iv tovtovg tolg toTCoig 6<pd^aX^iäv^ inaßaXsto xatansigd^ov täv 
Ka^XridovCcüv ov noXXotg äveit€Qov XQOvovg täv Xsyonevov xaiqäv. 

Livius erwähnt die Emporien gleichfalls dreimal: 

(ß. XXIX, c. 25, 11): [Scipio] Emporia ut peterent guberna- 
toribus edixit. fertilissimus ager eoque abundans omnium copia 
rerum est regio, et imbelles, quod plerumque in uberi agro evenit; 
barbari sunt. 

(B. XXIX, c. 33, 8): ipse (Masinissa) cum sexaginta equitibus 
ad minorem Syrtim pervenit; ibi cum conscientia egregia saepe 
repetiti regni paterni inter Punica Emporia gentemque Garamantum 
omne tempus usque ad C. Laeli classisque Romanae adventum in 
Africam consumpsit. 

Zielinski, die letzten Jahre des 2. pun. Kr. 2 



18 A. Der Tatbestand. 

(ß. XXXIV, c. 62): Masinissa agrum maritimum eorum (Cartha- 
giniensium) et depopulatus est, et quasdam urbes vectigalis 
Carthaginiensiiim sibi coegit Stipendium peodere. Emporia vocant 
eaiTi regionem; ora est minoris Syrtis et agri uberis; una civitas 
eius Leptis. 

Appian endlich spricht zweimal von dieser Gegend auf unzwei- 
deutige Weise, ebenfalls im dritten punischen Kriege; c. 72; yiyvo- 
lisvcov Sl JtQ0S9cX1i6ec^v ol KaQxrjdovcoL reo Maööavdööt] r^i/ 
fihv jzsqI ro ^E^TCOQLOv yr^v aXsyov ^sd-rjeeiv; und c. 79 (in der 
Rede der Karthager) ajcavötcog 8^ £%g}v xal ccd'6[iiöt(os ig T^ficcg 
aal ro ^Satpog^ iv co itQagyrj xal inaiSsvd'ri^ y^v aXXr^v rjficii/ 
ccjceöTca xsqI ro 'EiiTtoQi^ov, 

Von diesen Stellen legen wir am meisten Gewicht auf die- 
jenigen, welche auf die Grenzstreitigkeiten zwischen Masinissa und 
den Karthagern sich beziehen. Um deren Bedeutung zu würdigen, 
müssen wir auf den Vertrag eingehen, welchen die Römer i. J. 201 
mit den Karthagern schlössen. 

Es versteht sich indessen, dass blos die Bestimmungen über 
die Grenzen, innerhalb deren sich Karthago zu halten hatte, für unseren 
Zweck Bedeutung haben. 

Dass diese Frage noch nicht gelöst ist, müssen wu^ bedauern, 
wir werden dadurch gezwungen, sie an dieser Stelle zu besprechen. 
FreiHch hat Nissen den Frieden von 201 zum Gegenstande einer 
besonderen Abhandlung gemacht; indessen ist meines Erachtens 
unsere Frage durch ihn nicht einmal wesentlich gefördert worden. 

Appian (c. 54) giebt die Grenze an, innerhalb deren die Kar- 
thager unbedingte Herrscher sein sollten; es sind dies die punischen 
Gräben. Livius und Polybius wissen nichts von dieser Bestimmung; 
nach ihnen (Liv. B. XXX, c. 37 = Pol. B. XV, c. 18) sollen die 
Karthager über das Land gebieten, das sie vor Beginn des zweiten 
punischen Krieges in Africa besassen, mit der einzigen Beschränkung, 
dass dem Masinissa das Land und die Städte wiedererstattet werden, 
die er oder seine Vorfahren „innerhalb der vorzuschreibenden Grenzen" 
(Pol.) besessen. Diesen Unterschied bespricht Nissen ausführlich, 
kommt aber zum wunderlichen Ergebniss, Appians Quelle hätte den 
wahren Tatbestand zu Gunsten Masinissa's entstellt (de pace etc. 
S. 15 ff.). — Gesetzt indessen, Appians Quelle hätte sich vor einer 
Fälschung zu Gunsten des Numidiers nicht gescheut; was hätte er 
gerade mit dieser Fälschung erreicht? Tatsächlich begnügt sich ja 
der ländergierige Fürst mit den Städten diesseits der punischen 
Gräben nicht; tatsächlich überschreitet er auch nach Appian die ihm 



§ 2. Die Ausfahrt des Laelius. 19 

vorgeschriebene Grenze, und erst nachdem es durch ihn zur Ver- 
zweiflung getrieben ist, entschliesst sich Karthago zur Notwehr 
(c. 79). Auch waren die Friedensbedingungeu, wie sie Polybius 
darstellt, in ihrer Unbestimmtheit und Zweideutigkeit für Masinissa's 
Raublust unendlich günstiger; besonders da die „vorzuschreibenden 
Grenzen^' in Wirklichkeit nie vorgeschrieben worden sind. Hier gab 
es zu zweifeln und zu deuteln, hier war keine Stadt, nicht einmal 
Karthago selbst, vor dem Schicksale sicher, vor Zeiten einem der 
Altvordern Masinissa's gehört zu haben. Betrachten wir ferner, dass 
Nissen auch nicht einen einzigen greifbaren Grund beigebracht hat, 
um Appian's Darstellung zu verdächtigen, dass ferner Polybius sehr 
wohl mit ihr vereinbart werden kann, wenn man nur in den ajto^ 
Ö8i%^ri66yLevoL oqol eben die punischen Gräben siebt, so werden wir 
uns der Ueberzeugnng nicht verschliessen dürfen, dass in der Tat 
seit dem J. 201 die punischen Gräben das Land einschlössen, welches 
Masinissa nicht angreifen konnte ohne die Verträge zu verletzen. 

Der Freundschaft der Römer vertrauend greift Masinissa die 
Karthager trotzdem an; er besetzt ihre Ländereien und Städte 
„wider die Verträge", wie Appian wiederholt bemerkt (c. 69, c. 70). 
Da sie sich von ihren Freunden und Bundesgenossen, den Römern, 
verraten sehen, verstehen sich die Karthager zu weiterer Nach- 
giebigkeit; sie treten dem Masinissa xriv tcbqI xo ^E^noQiov 
yijv ^) ab. 

Diese Tatsache ist äusserst wichtig. Sie beweist, dass die 
Emporien sich auch nach Norden von den punischen Gräben — 
also nach Norden von Thenae, wie wir vorläufig annehmen müssen, 
erstreckten. 

Wir haben indessen noch andere Beweise. Die Stelle des 
Llvius im 34. Buche lehrt uns, dass Leptis eine von den „Emporia'^ 
genannten Städten war. Man kann nun fragen, ob Grossleptis oder 
Kleinleptis gemeint sei; und die Gelehrten, soweit sie überhaupt 



1) Der Ausdruck bleibt etwas sonderbar. An ein bestimmtes Em- 
porion scheint Appian gedacht zu haben, und dieses wird wohl dasselbe 
sein wie das von Strabo (B. XVII, A. 3, 17, S. 836) erwähnte: xal iv 
avtfi S'k xfi Ev^tBi noX{%vai rtvsg bIol^ xara S\ tov iivxov iati Ttafifiiys- 
^es ifiTtOQiov, notanov i%ov ifißdXlovxa slg xov %6Xnov. Unter dem Flusse 
ist wahrscheinlich der Triton zu verstehen; das Emporion ist rätselhaft. 
*H nsql zQ 'EiinvQiov yij wird demnach das ganze Gestade der kleinen 
Syrte mindestens bis Kleinleptis gewesen sein; die Ausdehnung nach Süd- 
osten können wir nicht bestimmen. Dass der Ausdruck an der gedachten 
Stelle ungenau ist, muss man jedenfalls zugeben. 

2* 



20 ' A. Der Tatbestand. 

diese Stelle berücksichtigt haben; neigten sich der erstgedachten 
Ansicht zu. Diese ist jedoch unhaltbar. Erstens liegt Grossleptis 
fast ebenso weit von der kleinen Syrte wie von der grossen. Zwei- 
tens war die Gegend zwischen dem Triton und dem Cinyps, an dem 
Grossleptis lag, wüst und unbewässert (vgl. Herodot B. IV. a. E.^ 
Strabo S. 836 ff., Mela B. I, 8, Lucan Phars. B. IX, 438); dies gibt 
auch Movers zu, wenn er (S. 475) von der „grossen Steppe" spricht, 
welche die kleine Syrte von Cyrene trennte. 

Dies zur Lage der Emporien. Zum Schluss will ich noch be- 
merken, dass der Satz „ea singula in dies talenta vectigal Cartha- 
giniensibus dedit" (Liv. B. XXXIV, c. 62, 3) nicht gegen meine An- 
sicht spricht Allerdings hat man ihn auf Leptis beziehen wollen ; 
indessen hindert uns nichts, unter „ea" die Emporien (ora) zu verstehen. 
Dies ist um so wahrscheinlicher, da nach der bisherigen Annahme 
der Reichtum von Grossleptis geradezu märchenhaft gewesen sein 
müsste.^) — 

§3. 
Die Ueberfahrt des Scipio. 

Durch den Senatsbeschluss, der den Verhandlungen über die 
locrischen Unruhen folgte, wurde dem Scipio eine schleunige Ueber- 
fahrt dringend an's Herz gelegt. Er wünschte es selbst nicht anders, 
konnte aber sein Vorhaben nicht so bald ausführen; und er hätte 
vielleicht noch länger gezaudert, hätte ihn nicht ein Umstand zu 
raschem Entschlüsse getrieben; es war dies der offene Abfall des 
Syphax, der im Frühling d. J. 204 erfolgte. Dies gab den Aus- 
schlag. Scipio lud den Praetor zur gemeinschaftlichen Beratschlagung 
nach Lilybaeum ein — M. Pomponius Matho war zur Zeit Praetor 
in Sicilien — ; sie wollten sich darüber verständigen, w'elche von 
den vier Legionen in Sicilien zu lassen, welche nach Africa mitzu- 
nehmen seien. Zu letzterem Zwecke ersah sich Scipio, wie Livius 
erzählt, die Cannenser^) aus. 



1) VgL die AuBfahrangen von Movers (S. 488) : „Zur Zeit des zweiten 
pnnischen Krieges zahlte Leptis an Karthago einen Tribut, welcher mehr 
betrug, als ganz Phoenicien mit den Nachbarsländem den Perserkönigen 
zu entrichten hatte. Und doch waren in damaliger Zeit die Emporien an 
den Syrten von Karthago^s Handelseiferiäucht schwer bedrückt.*' 

2) Eine Angabe, der wir billigerweise misstrauen müssen. Einer- 
seits war den Cannensem jede Kriegführung verboten (vgl. B. XXV, c. 7), 
und sie waren auch für d. J. 204 dem Praetor beigegeben. Andererseits 



§ 3. Die üeberfahrt des Scipio. 21 

Diese schiffte er ein und gab^ nach dem üblichen Opfer und 
Gebete, das Zeichen zur Abfahrt. Das Wetter war zuerst günstig, 
der Wind etwas heftig; allein schon um Mittag umfieng ein dichter 
Nebel die Flotte, so dass man kaum das Zusammenstossen der Schiffe 
vermeiden konnte; der Wind legte sich etwas. Der Nebel blieb die 
ganze Nacht hindurch und wurde erst durch die Sonne des folgen- 
den Tages zerstreut. Schon sah man das Land; das hermaeische 
Vorgebirge war auf die Entfernung einer Meile vom Meere aus sicht- 
bar. Der Aufforderung des Steuermanns , dahin die Schiffe zu 
lenken — also nach den Steinbrüchen, oder in den Hafen von 
Ciupea ^leistet Scipio keine Folge; dare vela et alium infra navi- 
bus accessum petere iubet. Wir sehen daraus, dass er seinem 
früheren Vorsatze, bei den Emporien zu landen, treu bleibt 
(c. 25, 11). 

Da raubte ihnen der Nebel den Anblick des Landes, der Wind 
legte sich. Die Unsicherheit ihrer Lage wurde durch die Nacht ver- 
mehrt. Um Unglücksfälle zu vermeiden, legten sie sich vor Anker 
und blieben die ganze Nacht auf derselben Stelle. Als der Morgen 
graute, erhob sich der Wind wieder, der Nebel wich, und das Ge- 
stade Africa's zeigte sich den Augen Scipio's. Auf seine Frage, wie 
das nächste Vorgebirge heisse, wurde ihm gesagt, man nenne es 
das „schöne" Vorgebirge. Voller Freude über das günstige Vor- 
zeichen lässt Scipio seine Flotte dort landen. Die Schiffe laufen 
an's Land, die Legionen steigen aus, schlagen ein Lager auf, und 
dieses Lager befindet sich — bei Utica. * 

Dies die Erzählung des Livius (c. 27 — 28). Ihr Ende ist, man 
wird es uns zugeben, überraschend. Um aber ihre gänzliche Un- 
gereimtheit zu erkennen, müssen mr über die Lage des schönen 
Vorgebirges zur Einsicht zu gelangen suchen. 

Erwähnt wird es nur noch einmal, Pol. B. III, c. 22 ff. bei 
der Behandlung des ältesten Vertrages zwischen Rom und Karthago. 
Dort . wird den Römern und ihren Bundesgenossen verwehrt, sich 
mit ihren Kriegsschiffen an der Küste von Africa jenseits vom 
schönen Vorgebirge sehen zu lassen. Dazu sagt Polybius: ro (liv 
ovv KaXbv axQoti^QLov i(Sxi to tcqoxbliibvov avt'^g f^g KccqxV 
dovog cag TtQog tag aQxtovg^ ov xad-dütal^ inixsiva TtXstv cog TtQog 
lietffifißQiav ovx otovtai detv oC KaQ%ri86vioL tovg 'Ptofiaiovg^ 



lag es für die erfinderische römische GeschicbtschreibuDg nahe, dieselben 
Heere, die bei Gannae gefochten, mit entgegengesetztem Erfolge bei Zama 
kämpfen zu lassen. 



22 A. Der Tatbestand. 

dia To firi ßovXBöd'ai yLvdöxecv avtovg fiijrf tovg xarcc zr^v 
Bv60a%iv^ fiijif tovg xata rijv fitxQav Evqxvv toTCovg^ a öij 
xalovöLV ^EybitoQia^ ölcc xyiv agatriv tijg xcigag , . , . eig de Kccq- 
Xrjdova xal nä6uv xriv inl tdde rov Kalov atiqotriQCov rijg Außiii^g 
Xci^av xal XaQÖova ocal Ucxekiav . . . jrAftv Pcoiiaioig s^€0rt.^^ 

Wenn also Karthago diesseits^ Byzacium jenseits des schönen 
Vorgebirges liegt, wenn ferner man vom schönen Vorgebirge nach 
Süden schüfen muss, um nach Byzacium zu gelangen, wenn endlich 
das schöne Vorgebirge Karthago nördlich gegenüberliegt — so kann 
kein Zweifel darüber sein, dass darunter das hermaeische Vorge- 
birge zu verstehen sei. Zum mindesten hat Polybius diese Ansicht 
gehabt, und ihm dürfen wir jedenfalls glauben; zudem heisst 
dieses Vorgebirge noch jetzt bei den einheimischen das schöne 
(Bas Ad dar). 

Nun erst wird die Unverständlichkeit bei Livius gross. Scipio 
hatte also den Vorsatz, an der Küste der Emporien zu landen, tat- 
sächlich landet er beim hermaeischen Vorgebirge; wie er aber aus- 
gestiegen ist, finden wir ihn bei ütica. 



1) Man sollte denken, an Klarheit und Bestimmtheit liesse es die 
polybianische Darstellung nicht fehlen; wie verhalten sich nun unsere 
Geographen ihr gegenüber? Mannert's Worte sind folgende (X, 2, S. 293): 
„Polybius weiss sehr gut, dass dieses Promontorium Pulcrum das näm- 
liche mit dem ist, welches der Lateiner in späten Jahrhunderten Promon- 
torium ApoUinis nannte, denn er sagt: es liegt der Stadt Karthago nörd- 
lich gegenüber (dies sind wohlweislich die einzigen Worte, die Mannert 
aus Polybius citiert). Weil er aber als eigene Vermutung beifügt, das 
Verbot sei wahrscheinlich geschehen, um die Römer von aller Kenntniss 
der Städte an der Ostküste und kleinen Syrte auszuschliessen , so führte 
er spätere Erklärer zu der unrichtigen Auslegung, dass das schöne Vor- 
gebirge einerlei mit dem Prom. Mercurii sei , von welchem der gerade 
nächste Weg nach der Ostküste führt. Aber schon die Voraussetzung des 
Polybius ist unrichtig. In ihren zusammenhängenden Städten hatten die 
Karthager die seeräuberischen Excursionen der römischen Küstenstädte 
nicht zu befürchten, wohl aber an den westlichen Küsten von Africa, wo 
Karthago und Utica nur zerstreute Küstenanlagen hatten, welchen ein 
unvermuteter Anfall leicht gefährlich werden konnte. (Die Justinstelle, 
welche das Verhältniss anders darstellt, scheint Mannert nicht zu kennen.) 
An der unrichtigen Auslegung ist Polybius völlig unschuldig.*' Wir wollen 
unser Urteil über dies Verfahren nicht aussprechen; der Leser wird wissen, 
was er von einer solchen Kritik zu halten hat. — Zu bemerken ist noch, 
dass Kiepert, Weissenborn (z. u. St.) und Shaw (S. 177) derselben, oder 
einer ebenso verfehlten Ansicht huldigen. 



§ 3. Die üeberfahrt des.Scipio. 23 

Ein Blick auf die Landkarte wird genügen ; um jeden von der 
Unvereinbarkeit dieser Angaben zu überzeugen; wie haben wir uns 
aber ihr Vorhandensein zu erklären? 

Der entsprechende Bericht des Zonaras lautet: xaika sItcg^v 
[jLTidBv ixt iiekXrjöag i^avi^x^V' ^^^ ^Qog ro axQmti^QLOV ro xalov- 
(jL^vov ^Anokkmviov jCQogoQ^iCccg ... 

Diese Worte beweisen deutlich, dass die mittlere der hervor- 
gehobenen Angaben erfunden ist. Verdächtig war sie schon aus 
inneren Gründen; Livius selbst unterscheidet ja das hermaeische 
vom schönen Vorgebirge, und dass er's tut, ist Beweises genug für 
die ünechtheit der fraglichen Angabe. Wer hat sie aber erfunden 
und zu welchem Zwecke? 

Auf die erste dieser Fragen werden wir unten zurückkommen; 
sie lässt sieh von der Frage nach den Quellenverhältnissen des 
29. Buches nicht trennen und darf daher an dieser Stelle nicht 
erörtert werden. Die zweite dagegen hoffen mr schon hier beant- 
worten zu können. Der Zwischenfall ist erfunden, damit schon der 
Name des Ortes, an dem Scipio sein Heer ausschifit, von guter Vor- 
bedeutung für das Unternehmen des letzteren sei. 

Das Spielen mit Vorzeichen war bei den Alten nichts unge- 
wöhnUches. Besonders bei Ereignissen von entscheidender Bedeu- 
tung liebten sie es, die Vorsehung unmittelbar eingreifen zu lassen. 
Auch die Landung Scipio's in Africa ist vielfach durch solche 
Märchen ausgeschmückt worden. Cassius Dio^) berichtet darüber 
folgendes: ol ^PcD^atot ta ütli^öva oQfj xara 0%6vxBg ötQatoxsdov 
TS iv imzi]dsLa) iütOLi^Cavto xal näv avto 0tavQci^a6t jt6QV£q)Qa^aVj 
Xcigccxag hl avxo xovx ivsyxdfievoi. ccqxi xb xaxBöxBvaöxo ^ xal 
Sgaxov nag avxo (idyag Siä xrig i%l xr^v Ka^xV^ova g)BQ0ViSi]g 
odov TCaQBLQTCvöBv, SgxB xal ix xovxov xov UxLTticDva xaxa xi^v 
jtegl xovxaov [yvcifirjv liBydXriv av^Yi6B0%'at olofiBVov xr^v] iavxov 
q)i]liriv BTiid'a^Qi^öavxa ütQod'V[i6xBQOv xriv xb %(6Qav noQ%'ri6av 
xal xatg nokBöv TtQoggit^ai. Eine andere von Caesar auf Scipio 
übertragene Erzählung ist in der Epitome von Nepotian^) überliefert; 
sie fehlt bei Valerius Maximus. „Scipio ut in Africanam terram 
descendit — heisst es dort — cecidit. hoc factum pavente exercitu 
exclamavit ^teneo te, terra Africa' et vicit. 

Dass diese beiden Erzählungen erfunden sind, braucht nicht 
erst nachgewiesen zu werden. Nicht besser steht es indessen mit 
dem von Livius geschilderten Vorgange. Um die Wahrscheinlichkeit 



1) Fr. 57, 63; S. 105 Dind. 2) II, 7, 3. 



24 A, Der Tatbestand. 

dieser Behauptung zu erhöhen^ wollen wir hier einen durchaus ähn- 
lichen Vorfall erörtern^ der bei der Landung ilannibals in Africa 
stattgefunden haben soll. 

B. XXX^ c. 25, 11 sagt Livius folgendes: Hannibali iam terrae 
appropinquanti iussus e nauticis unus escendere in malum, ut specu* 
laretur, quam tenerent regionem, cum dixisset sepulcrum dirututn 
proram spectare, abominatus praetervehi iussö gubernatore ad Leption 
adpulit classem atque ibi copias exposuit. 

Was unter diesem sepulcrum dirutum zu verstehen sei, ist bis 
jetzt nicht klargestellt worden. Das eine stand aber fest, dass ein 
wirkliches Grabmal darunter nicht gemeint sein konnte, dass viel- 
mehr sepulcrum dirutum die Uebersetzung eines Ortsnamens in die 
lateinische Sprache sei. Sehen wir uns aber nach einem solchen 
um, so bietet sich uns der Name „Thapsus" als der erste und ein- 
zige dar, der dem livianischen Ausdrucke zu Grunde liegen könnte. 
Abgesehen davon, dass die Stadt Thapsus in nächster Nähe von 
Kleinleptis liegt, gehört sie auch zu den wenigen, auf welche der 
Beiname „dirutus*' Anwendung findet. Allerdings darf aber dieses 
Beiwort nicht von „diruo" abgeleitet werden, denn Thapsus war da- 
mals noch nicht zerstört. Vielmehr müssen wir uns an eine Plinius- 
stelle halten (V, 4, 23), in welcher das griechische diaQQvrog durch 
dirutus wiedergegeben ist: „ . . . proxumum ab oppido, quod Hipponem 
Dirutum vocant, Diarrhytum Graecis dictum propter aquarum inri- 
gua." Das „dirutus" also ist eine vox hibrida, indem das zu 
Grunde liegende Wort zum Teil übersetzt, zum Teil beibehalten 
worden ist. 

Somit dürfen wir den Ausdruck „sepulcrum dirutum" auf die 
griechische Verbindung &dipog didQQvvog zurückführen. Dass 
Thapsus diesen Beinamen mit demselben Bechte, wie Hippo, führen 
konnte, beweist die Beschreibung, welche Cassius Dio (B. XLIII, 
c. 7) von dieser Stadt gibt: rj de drj @cc^og xsttav (lev iv xbqqo- 
v^öG) xQOTtov Tti/a, svd'sv [liv rijg d'cc^.döörjg ^ svd'sv dh kC^ivrig 
TtccQfjxovörjg ^ ötevov de d^ roi/ i0d'iLOV xal ikcidri dicc (i£0ov 
ovrcog sxec^ Sgzs dLxij (lev^ 8i ila%i6tov Sa iq) sxccTeQa rov 
i'Xovg Ttag* avti^v triv ^a%vav d^q)ot£Qod'€v naQiivai. — 

Diese angebliche Landung des Hannibal bei Leptis ist aber für 
eine Erfindung zu halten. Meine Gründe für diese Annahme sind 
folgende : 

Erstens weiss die ganze übrige Ueberlieferung nichts von einer 
Landung Hannibals bei Leptis. Appians Worte sind folgende (c. 33): 
yiyvoiisvcov ö' hc tovtcav 6 ^AvvCßag axcav ig KaQxrjdova iitkai^ 



§ 3. Die Ueberfahrt des Scipio. 25 

TT^v ig tovg &Q%ovxag a7ti0tLav rov dijftov xccl xa%vBQylav 
vtpoQci^Bvog. am0Täv tf' hi rag 07tovSccg ^6a0d'a^^ xal ai yavoivto^ 
B'u aldiog ovx ig Ttokv ßaßaiovg i0o^avag^ ig ^AÖQViiritov Jißvrig 
Tcccxr^yaxo %6Xiv, — Diese Stelle hat Weissenborn, nebenbei be- 
merkt^ näissverstanden^ wenn er (z. B. XXX, c. 29, 1) behauptet, 
bei Appian erscheine Hannibal von Karthago aus in Hadrumetum. — 
Bei Polybius fehlt die darauf bezugliche Stelle; Zonaras ist zu kurz. 
Aber auch Livius weiss im folgenden nichts mehr von einer Lan- 
dung in Leptis; c. 29, 1 sagt er: iam Hadrumetum venerat Hannibal, 
unde ad reficieudum ex iactatione maritima paucis diebus sumptis . . . 
Zamam contendit. Die Worte „ex iactatione maritima'' beweisen, 
dass hier von einer Landung die Rede ist. -^ Mithin stehen hier 
zwei Nachrichten einander schroff gegenüber. Das berühmte Haus- 
mittelchen mit den zwei Quellen (vgl. Friedersdorff S. 45) bringt 
uns keinen Schritt weiter. Wir müssen uns entscheiden, eine von 
den beiden Angaben für erfunden zu halten. 

Zweitens konnte Hannibal nicht einmal in Leptis landen; dies 
erhellt aus der Beschreibung, die der Verfasser des Stadiasmus von 
der Stadt gibt (113): nokig ^cxqcc i0tr xaxatpavfi a%ai ßQccxri' 
xal ij xatay(oyiq i0xiv alg riji/ TCokiv Svgxokog navv. 

Drittens war das Wortspiel mit Thapsus (vgl. abominatus) für 
einen Karthager unverständlich. Für ihn hatte der Name die gänz- 
lich unverfängliche Bedeutung des deutschen „Fürth", und es ist 
nicht anzunehmen, dass Hannibal mit seinen Matrosen griechisch ge- 
sprochen hätte. — 

Die Uebereinstimmung dieser Erzählung mit der vorhin ge- 
nannten ist auffallend. Hier wie dort handelt es sich um eine 
Landung, hier des Hannibal, dort des Scipio; hier wie dort ist es 
' der Name des zuerst vom Meere aus gesehenen Ortes, der die Feld- 
herrn mit einer Ahnung der kommenden Ereignisse erfüllt; hier wie 
dort ist endlich, um die Vorbedeutung zu ermöglichen, eine Lüge 
an der Geographie begangen worden, die sich glücklicherweise 
selbst verrät. 

Diese Uebereinstimmung entscheidet alles. Wenn bei unseren 
früheren Ausführungen beim Leser ein Gefühl des Zweifels, der Un- 
sicherheit, der Unbefriedigung zurückbleiben musste, so ist jetzt die 
Schwierigkeit in bündigster Weise gelöst worden. Wir haben nicht 
blos festgestellt, dass die Landungen am schönen Vorgebirge und in 
Leptis erfunden seien; wir haben die Absicht des Erfinders erkannt, 
haben uns überzeugt, dass er diese seine Absicht folgerecht ausge- 
führt hat. Einen vollständigeren Beweis verlangt die Kritik nicht. 



26 A. Der Tatbeatand. 

Die Landung am schönen Vorgebirge ist somit aus der Reihe 
des wirklich geschehenen zu streichen^ und mit ihr fallt die mittlere 
der drei Angaben^ die wir hervorgehoben haben. Die erste und die 
letzte bleibt aber^ und diese beiden stehen einander allerdings un- 
versöhnlich gegenüber. 

Keine von beiden dürfen wir im Verdachte der Unechtheit 
haben; dass Scipio die Absicht gehabt hat^ an der Emporienküste 
zu landen^ müssen wir aus inneren Gründen als feststehend be- 
trachten, und ebensowenig erlaubt uns die Ueberlieferung, an seiner 
tatsächlichen Landung bei Utica zu zweifeln. Zwei Quellen anzu- 
nehmen (Friedersdorif S. 36) ist wohlfeil, aber damit stellen wir, 
wenn wir dabei stehen bleiben, uns ' selbst ein testimonium 
paupertatis aus. 

Es bleibt uns kein anderes Mittel, wir werden uns zur An- 
nahme bequemen müssen, Scipio sei verhindert gewesen, seinen Vor- 
satz auszuführen. Diesen Gedanken spricht Appian aus, wenn er 
sagt: xal iözQaroTtsSevov ov iiaxQccv ait dXXi^lcDV ^Aödgovßag 
xs xal 2Jvg)ai xal Maööavdöörjg negl ^Itvxriv TtoXiv^ ig rjv 6 
UxLTticDv xarax^Blg int dvEficDV xal avtog iötQatoTtedsvöB tcsqI 
avriqv. Auch aus der Darstellung des Livius geht dieses hervor, 
wenn wir sie aufmerksam betrachten; nur dass hier durch das da- 
zwischen getretene schöne Vorgebirge und die dadurch erzeugte 
fröhliche Stimmung des Scipio der Schwerpunkt des Nachdrucks 
verschoben worden ist. Wir wollen uns aber die Sachlage klar 
machen. Um Mittag, heisst es, erhob sich ein dichter Nebel, der 
den Anblick des Landes entzog; zur Nacht wurden aber, weil die 
Fahrt gar zu unsicher war, die Anker' geworfen. Somit ist das 
Heer einen ganzen Nachmittag und Abend im dichtesten Nebel ziel- 
los und zwecklos umhergesegelt; es hatte also wahrlich Zeit genug, 
um vom hermaeischen Vorgebirge nach dem apollinischen ver- 
schlagen zu werden. 

Diese Erwägung lässt uns die Landung des Götterfreundes 
Scipio in einem verdächtigen Lichte erscheinen. Man begreift jetzt, 
warum der Krieg in Africa in der ersten Zeit so kümmerlich ge- 
führt wurde; man begreift aber auch, dass die Lobredner Scipio's 
alle Hände voll zu tun hatten, wenn sie dieses lächerliche Unheil 
gebührend in den Hintergrund rücken wollten. Namentlich musste 
ihnen das „schöne" Vorgebirge sehr gelegen kommen. Wurden doch 
dadurch die Götter selbst als die Hüter und Beschützer des römi- 
schen Feldherrn dargestellt; aus dem menschlichen Fehler wurde 
ein göttlicher Ratschluss, aus dem Versehen ein Verhängniss. Und 



§ 4. Die Kämpfe bei Utica. 27 

auf die kleine Fälschung kam es ja nicht an; man durfte voraus- 
setzen^ dass kein Leser sich nach der eigentlichen Lage des promun- 
turium Pulcrum erkundigen wurde. 

§ 4. 
Die £ämpfe bei Utica. 

Wie gieng es aber bei den Karthagern zu, und wie haben wir 
es uns zu erklären, dass Scipio nicht sogleich bei seiner Ankunft 
von den Feinden aufgehoben wurde? 

Der Bericht des Livius ist/»fur die Beantwortung dieser Frage un- 
zulänglich; wir müssen die Darstellungen des Appian und des Zonaras 
heranziehen. 

Nachdem er die Feindseligkeiten zwischen Masinissa und den 
Karthagern erzählt, fährt Appian (c. 13) also fort: „Als Scipio die 
Angelegenheiten in Sicilien alle wohl geordnet hatte, opferte er dem 
Zeus und dem Poseidon und segelte mit zwei und fünfzig Kriegs- 
schiffen und vierhundert LastschiiTen nach Africa; es folgten ihm 
aber viele Kutter und Kähne. Sein Heer bestand aus sechszehn- 
tausend Fusssoldaten und sechszehnhundert Reitern; dann führte er 
noch Geschosse und Waffen und allerlei Belagerungswerkzeug und 
eine Fülle von Lebensmitteln. Auf diese Weise stach Scipio in See. 
Als die Karthager und Syphax dies erfuhren, hielten sie es für ge- 
boten, sich vorläu Gg Masinissa gegenüber zu verstellen und sich mit 
ihm zu befreunden, *bis dass sie Scipio überwänden. Masinissa wusste 
wohl, dass er getäuscht werden sollte; in der Absicht aber, die 
Gegner zu überlisten, kam er, indem er den Scipio von allem in 
Kenntniss setzte, mit seinen Reitern zu Hasdrubal zum Zwecke des 
Vertrages. So lagerten in geringer Entfernung von einander Has- 
drubal, Syphax und Massinissa um Utica, wo auch Scipio, von den 
Winden verschlagen, sein Lager aufschlug." 

Diese Erzählung ist chronologisch sehr bedenklich. Scipios 
Ueb Abfahrt dauerte nach Livius zwei Tage und zwei Nächte; länger 
konnte sie auch nicht dauern, da nach Scylax (§ 111) die Ent- 
fernung Lilybaeums von Cossyra eine Tagereise betrug. Die Kar- 
thager nutzen aber, wie wir sehen, diese zwei Tage redlich aus. 
Wie sie Scipio's Abfahrt erfahren — was doch auch einige Zeit in 
Anspruch nahm — lassen sie den Masinissa — aus den Emporien 
— holen und verhandeln mit ihm vor Utica; Masinissa setzt den 
"Scipio, der sich unterdessen, wie man annehmen muss, auf offener 
See umhertreibt, von allem in Kenntniss, und als alle vor Utica ver- 



28 A. Der Tatbestand. 

sammelt sind, kommt Scipio an. Dies ist ein Widersinn. Zudem 
fragt man sich, was sollen die Karthager mit ihren Bundesheeren 
vor Utica? wollen sie vielleicht die treue Stadt belagern? Und ist 
nicht die seltene Geschicklichkeit Scipio' s zu bewundern, mit der er 
an der einzigen Stelle landet^ wo die Landung für ihn geföhrlich 
war? Und gar die Höflichkeit und Rücksichtnahme der Karthager^ 
die ihren Feind ruhig seine Truppen vor ihren Augen ausschiffen 
lassen und nicht eher angreifen, als bis er festen Fuss in ihrem 
Lande gefasst! 

Es wird Mühe kosten, dieses wunderlich verflochtene Gewebe 
zu entwirren. » 

Vor allem ist zu beherzigen, dass wir dem Appian, dessen Sorg- 
losigkeit oft an Liederlichkeit grenzt, — ich verweise auf Nissen, 
Krit. Unters. S. 115 — nicht dieselbe Rücksicht schuldig sind, 
wie etwa dem Livius oder gar dem Polybius und Cassius Dio. 

Zonaras' entsprechender Bericht ist folgender: ,,Aus Furcht, 
Masinissa möchte sich zu Scipio schlagen, bewogen die Karthager 
den Syphax, ersterem sein Erbe abzutreten, indem sie ihm die 
Wiedererlangung desselben in Aussicht stellten. Masinissa durch- 
schaute den Anschlag wohl, doch gieng er auf den Vertrag ein, um 
unter der Larve der Zuverlässigkeit seinen Feinden grossen Schaden 
ziuzufügen; denn er zürnte ihnen mehr um Sophonisbens, als um 
des Thrones wegen. Auf die Weise war er tatsächUch Bundesge- 
nosse der Römer, während er Freundschaft für Karthago zur Schau 
trug; umgekehrt war Syphax, während er in Wirklichkeit auf Seiten 
der Karthager stand, scheinbar Verbündeter der Römer; in dieser 
Eigenschaft schickte er zu Scipio und widerriet ihm, die Ueberfahrt 
zu wagen. Dies erfuhr Scipio in heimlichem Zwiegespräche mit dem 
Herold; um die Kunde vor den Soldaten zu verbergen, fertigte er 
den Herold noch am selben Tage ab, bevor dieser Zeit hatte, mit 
anderen zusammenzukommen; dann berief er sein Heer und be- 
schleunigte die Ueberfahrt, indem er vorgab, die Karthager seien 
noch nicht vorbereitet, und schon vorhin hätte Masinissa zur' Ab- 
fahrt gedrängt und sich über die Saumsehgkeit der Römer beklagt, 
nun täte auch Syphax dasselbe. Nach diesen Worten fuhr er ab 
und landete am apollinischen Vorgebirge^' (B. IX, c. 12.). 

Hiernach stellt sich die Chronologie ganz anders dar. Zunächst 
fällt die verwirrende Zeitbestimmung fort, als hätten die Karthager, 
erst nachdem ihnen die Abfahrt Scipio's gemeldet war, den Versuch 
gemacht, Masinissa's Bundesgenossenschaft zu erwerben. — Die" 
Heirat des Syphax mit Sophonisbe, der Tochter des Hasdrubal, 



§ 4. Die Kämpfe bei ütica. 29 

die bei Livius im Winter 205 — 204 stattgefunden haben soll, 
föUt, um dieses im Vorbeigehen zu bemerken, nach Zonaras in den 
Winter 206 — 205. — Dann hat dieser auch die unwahrschein- 
liche Angabe nicht, dass die Karthager den Masinissa aus seinem 
Schlupfwinkel in der kleinen Syrte geholt hätten — • unwahrschein- 
lich, weil Masinissa sich wohl gehütet hätte, dieser Einladung im 
Vertrauen auf die „karthagische Treue" Folge zu leisten. Vielmehr 
müssen wir annehmen, wenn wir den allzukurzen Bericht des Zo- 
naras nach Livius (B. XXIX, c. 33, 9) ergänzen, dass Hasdrubal 
mit Masinissa in den Emporien verhandelt hat. Eine weitere Be- 
stätigung dieser Annahme ist Liv. c. 34, 2. Es fehlt endlich bei 
Zonoras die ganz sinnlose Angabe, Hasdrubal und Syphax hätten den 
Scipio vor ütica erwartet. Und mit Wegräumung dieser letzten 
Schwierigkeit wird alles klar. 

Als Scipio vor Utica landete, war Hasdrubal sowie Syphax ab- 
wesend. Hasdrubal sammelte sich ein Heer im Inneren des Landes 
und pflog mit Masinissa Verhandlungen; Syphax genoss der unver- 
wüstlichsten Ruhe in der -Hauptstadt seines Reiches. 

Aber wie — wird man uns fragen — war denn Karthago nicht 
mächtig genug, um die Landung des feindlichen Feldherrn, oder doch 
seine Raubzuge im Gefilde von Utica zu verhindern? 

Es hängt manches davon ab, ob wir dieser Frage Berechtigung 
zugestehen. 

In der Tat haben die Karthager, wenn wir dem Livius Glauben 
schenken wollen, den Versuch gemacht, die Landung der Feinde zu 
vereiteln; dieser Versuch misslang, weil sie die Macht und die Ge- 
schicklichkeit Scipio's unterschätzten. Hier ist der Bericht des Livius 
(c. 28—29, 5; c. 34—35, 2): 

„Als die Rdmer ihr Lager an den nächstgelegenen Hügeln auf- 
schlugen, war Karthago in grosse Angst geraten. Sie überlegten, 
dass sie weder einen Feldherrn noch ein Heer zu Hause hätten, und 
dass Hasdrubal dem Scipio ebensowenig gewachsen sei, wie sein zu- 
sammengelaufenes Heer den römischen Legionen. Sie rüsteten, 
schlössen eilig die Tore der Stadt, durchwachten die Nacht und 
sandten am nächsten Tage eine Reiterschaar aus^^ — die Zahl ist 
ausgefallen — „um die Legionen während der Landung zu belästigen. 
Scipio hatte aber unterdessen die Landung beendet, hatte die Flotte 
vor Utica geschickt, war selber auf den nächstliegenden Hügeln ge- 
lagert und hatte schon einen kleinen Raubzug unternommen. Seine 
Reiter empfiengen in bester Ordnung die feindliche Schaar; es gab 
ein Scharmützel, wobei eine Anzahl Karthager fielen; die meisten 



30 A. Der Tatbestand. 

anderen, darunter der Reiteroberst Hanno, verloren ihr Leben auf 
der Flucht. 

Scipio fahrt fort, das Ackergebiet von Utica zu verwüsten; er 
erobert sogar eine nahegelegene recht bedeutende libysche Stadt und 
macht reiche Beute, die er nach Sicilien schickt. Am meisten er- 
freut ihn aber die Ankunft Masinissas.^' 

Nach einem längeren Abschnitte, in dem er die Schicksale Masi- 
nissas bespricht, fährt Livius also fort: „Nach Verlust der ersten 
Schaar rüsten die Karthager eine neue aus und übergeben sie dem 
Hanno, dem Sohne des Hamilcar; zu gleicher Zeit schicken sie an 
Hasdrubal und an Syphax. Hanno vermehrt zunächst seine Truppen 
bis zur Zahl von viertausend und besetzt mit ihnen die Stadt Sa- 
laeca. Scipio hatte unterdessen sein Lager zwischen Utica und Sa-' 
laeca — die Städte waren etwas über drei Meilen von einander ent- 
fernt — aufgeschlagen. Auf die Nachricht von der Anwesenheit 
d«r Feinde in Salaeca sandte er den Masinissa mit den numidischeii 
Reitern hin, um sie zur Schlacht herauszulocken; er selbst folgte 
mit der römischen Reiterei. Die Unternehmung hatte Erfolg. Durch 
Masinissa's verstellte Flucht verlockt stürzten die Karthager aus der 
Stadt hervor und wandten sich in ungeordneten Schaaren zur 
Verfolgung. Bald trafen sie auf die Römer. Die ersten Tausend, 
mit ihnen Hanno selbst, wurden umzingelt und niedergehauen; die 
übrigen fielen fast sämmtlicb auf der Flucht. — Duos eodem no- 
mine Carthaginiensium duces duobus equestribus praeHis interfectos 
non omnes auctores sunt, veriti, credo, ne falleret bis relata 
eadem res; Caelius quidem et Valerius captum etiam Hannonem 
tradunt." 

Mit diesen Worten schliesst Livius den Abschnitt, den wir zu 
behandeln haben. Es lag nahe genug, die beiden von Livius er- 
zählten Schlachten für zwei verschiedene Berichte über dieselbe Be- 
gebenheit zu halten; Weissenborn neigt sich zu dieser Ansicht; Lud- 
wig Keller sucht sie zu beweisen und folgerecht auszuführen (der 
zweite punische Krieg und seine Quellen S. 30; 98). „Wie ist es 
denkbar," fragt er, „dass kurz nach dem ersten Reitertreffen ein 
zweites mit dem durchaus gleichen Verlauf, ja sogar unter der An- 
führung eines gleichnamigen feindlichen Feldherrn stattgefunden, dass 
kurz nach der Einnahme jener „sehr grossen Stadt" eine zweite und 
kurz nach dem ersten Plünderungszug ein abermaliger ausgeführt 
worden. Und dieser Complex von Ereignissen soll sich zweimal in 
derselben Reihenfolge vollzogen haben! .... Diese Darstellung nun 
— fahrt Keller fort — welche durch sich selbst gerichtet wird, tritt 



§. 4. Die Kämpfe bei ütica. 31 

in ein noch ungünstigeres Licht, wenn wir die Relation des Juba 
(d. i. Appian) mit ihr vergleichen." 

Auf dien Bericht des Appian werden wir im folgenden zurück- 
kommen; hier haben wir zunächst die weiteren Folgen der Keller'- 
schen Behauptung zu erörtern. Nachdem dieser S. 30 blos die 
Uebereinstimmung der beiden Berichte des Livius hervorgehoben, 
kommt er S. 98 ff. auf die Unterschiede zu sprechen. ,,Der Gegen- 
satz, in welchem die letztere (Darstellung) zur ersteren steht, ist in 
der Tat höchst, charakteristisch. Dort rhetorische Wendungen und 
Floskeln, welche in Ausrufen des Scipio gipfeln, ein gesuchter Aus- 
druck, panegyrische Darstellungsweise, hier ein ganz kurzer, nüch- 
terner Bericht, der sich lediglich auf die Wiedergabe der Facta be- 
schränkt. Aber noch mehr. Die scipionische Darstellung (d. i. c. 
34) gefällt sich nicht nur in breiter Ausmalung, sondern sie macht 
auch, wie oben bemerkt, aus dem Gefecht, von welchem wir durch 
App. 14 — 15 wissen, eine förmliche Schlacht, in welcher 3000 
Feinde kampfunfähig gemacht werden. Wie ganz anders lautet der 
Bericht von 28, lOff.! 1 ... die ganze Affaire läuft auf ein Vor- 
postengefecht hinaus. — Der Gegensatz ist unverkennbar; ist der- 
selbe zufallig? Gewiss nicht. Sehen wir Juba's Darstellung ein, so 
ergibt sich die merkwürdige Tatsache, dass das fragliche Rencontre 
in der letzteren Darstellung (c. 28, 10) ebensosehr in unwahrer 
Weise verkleinert als von. der Quelle S (c. 34) vergrössert worden 
ist. Daraus geht denn mit Evidenz hervor, dass wir es in der 
römischen Ueberlieferung mit zwei tendenziösen Erzählungen zu tun 
haben. Auf Grund unserer früheren Resultate behaupten wir mit 
Zuversicht, dass die eine derselben ebensogewiss auf einen scipio- 
nischen (P. Scipio?) als die andere auf einen antiscipionischen 
Schriftsteller (Fabius Pictor?) zurückgeht. Beide Darstellungen sind 
später von einem offenbar gewissenhaften und nach Unparteilichkeit 
strebenden Autor compilirt worden, und diese Compilation hat sich 
bis auf Livius fortgepflanzt." 

Es war notwendig, einen grösseren Abschnitt aus Keller's Buche 
dem Wortlaute nach auszuschreiben. Wir hätten es freilich nicht 
getan, wenn wir keinen weiteren Zweck damit hätten erreichen 
wollen, als den Tatbestand der Kämpfe vor Utica festzustellen. — 

Erst einige Worte über die Methode. 

Woran erkennen wir, ob zwei Darstellungen dasselbe Ereigniss 
zum Vorwurfe haben, oder zwei verschiedene? Wir bemessen das 
an der Anzahl und der Bedeutung der Angaben, die in den beiden 
gleich oder verschieden sind; unser Urteil hängt von dem Verhält- 



\ 



32 . A. Der Tatbestand. 

nisse der Uebereinstimmungen zu den Ungleichheiten ab. Je grösser 
die Zahl und die Bedeutung der ersteren ist, um so geneigter werden 
wir sein, anzunehmen, dass. beiden Berichten dieselbe Begebenheit 
zu Grunde liegt. Vollkommen zweifellos wird diese Annahme erst 
dann, wenn den Uebereinstimmungen gar keine Verschiedenheiten 
gegenüberstehen — vorausgesetzt, dass die fraglichen Darstellungen 
umfangreich genug sind, und dass keine äusseren Gründe gegen die 
genannte Annahme sprechen — , indessen verhehlen wir uns keines- 
wegs, dass solche Fälle nicht vorkommen. Ein Beweis für die Ver- 
doppelung wird daher — wiederum abgesehen von äusseren Gründen 
— nur Anspruch auf grössere oder geringere Wahrscheinlichkeit 
machen dürfen, der eine geringere oder grössere Möglichkeit einer 
NichtVerdoppelung gegenübersteht. 

Daraus ergibt sich der Grundsatz: eine Anzahl von Ueberein- 
stimmungen beweist nichts; beweisend ist nur das Verhältniss der- 
selben zu der Zahl der Ungleichheiten. Und die erste und unab- 
weisliche Pflicht, welcher sich jeder, der den Beweis für eine 
Verdoppelung fähren will, zu unterziehen hat, ist — sorgfältig und 
gewissenhaft neben den Uebereinstimmungen die Verschiedenheiten 
aufzuzählen. 

Damit ist der Beweis indessen noch nicht abgeschlossen. Das- 
selbe Ereigniss — so urteilt der unbefangene Verstand — findet 
unter denselben Umständen statt. Wenn die Umstände verschieden 
sind, entschUessen wir uns nur schwer zur Annahme, dass es wirk- 
lich dieselbe Begebenheit sei, die nur zweimal erzählt werde. — 
Daraus geht für den Anwalt dieser Ansicht die zweite Pflicht hervor, 
die Beweiskraft der Verschiedenheiten als nichtig darzutun. Dies 
geschieht, wenn er auf Grund des bereits bekannten eine Erklärung 
dafür gibt, wie — unter der Voraussetzung, dass in beiden Fällen 
dasselbe Ereigniss gemeint sei — , es trotzdem geschehen konnte, 
dass der Berichterstatter sich Abweichungen vom wirklichen Tat- 
bestande erlaubte. Als eine Verirrung muss aber sein Verfahren 
bezeichnet werden, wenn er diese Verschiedenheiten, die zunächst 
den zu liefernden Beweis erschüttern, selbst wiederum als Grundlage 
für weitere Vermutungen benutzt; es ist dies nichts anders, als jene 
nach den Gesetzen der Logik straffällige petitio principii. 

Hand in Hand mit dieser Tätigkeit muss aber noch eine wei- 
tere gehen. Gewisse Uebereinstimmungen kommen auch bei aner- 
kannt verschiedenen Ereignissen vor; diese Erwägung legt dem 
beweisführenden die dritte Pflicht auf, aus der Reibe der Ueberein- 
stimmungen, die er als beweiskräftig für seine Ansicht anführt, die- 



§. 4. Die Kämpfe bei Utica. 33 

jenigen auszuscheiden^ die sich auch unter der Voraussetzung^ dass 
es sich um zwei verschiedene Ereignisse handle^ ungezwungen er- 
klären lassen. £rst das übrig bleibende ist entscheidend. 

Dazu tritt als vierte Pflicht die Berücksichtigung äusserer Gründe, 
die natürlich für jeden einzelnen Fall verschieden sind. 

Wir können den Beweis erst dann als geliefert betrachten, wenn 
diesen vier Pflichten Genüge geleistet ist; und wir hoffen, dass der 
Leser über die von uns aufgestellten Grundsätze mit uns einer 
Meinung sein wird. 

Heileres Beweisführung ist nun als eine nach allen Seiten hin 
verfehlte zu betrachten. Auf S. 30 werden nur die Uebereinstim- 
mungen erwähnt, über die Verschiedenheiten wird der Leser völlig 
im unklaren gelassen. Erst S. 99 kommen diese an die Reihe und 
werden, bezeichnend genug, mit dem Zusätze „wie ganz anders lautet 
der Bericht von 280!.!" eingeführt. Und, als wenn der Beweis der 
Verdoppelung vollkommen feststünde, will Keller auf Grund dieser 
Verschiedenheiten die Benutzung des Fabius an der einen, des Scipio 
an der anderen Stelle dartun. Und nicht einmal erklärt werden 
die Verschiedenheiten durch diese an sich höchst willkürliche An- 
nahme; nur mühsam und gewaltsam wird der livianische Doppel- 
bericht in die Folterschuhe der Fabius Scipiohypothese eingezwängt. 
Wirkliche Verschiedenheiten (wie dass im ersteren P'alle die Kar- 
thager, im zweiten die Römer angreifen u. a.) werden' mit Still- 
schweigen übergangen; andere willkürlich hinzuerfunden. Letzteres 
ist namentlich bei dem Satze „dort rhetorische Wendungen und 
Floskeln, welche in Ausrufen des Scipio gipfeln, ein gesuchter Aus- 
druck, panegyrische Darstellungsweise — " der Fall. Wir gestehen, 
dass wir von alledem im fraglichen Abschnitte nichts gefunden 
haben, als den einsamen „Gipfel'^ im Ausrufe Scipios „aestiva sub 
tectis equitatus! sint vel plures, dum talem ducem habeant.^' Wohl 
haben wir aber alles das im „nüchternen" Berichte gefunden, der 
angeblich dem Fabius entstammt (vgl. S. 30). Man möge nur c. 28, 
2—9 nachlesen. 

Prüft man ferner die Uebereinstimmungen, so wird man keine 
einzige auch nur einigermassen entscheidende finden, keine einzige, 
die den Verschiedenheiten gegenüber auch nur einigermassen in Be- 
tracht käme. Wohl scheint der Schauplatz der Schlacht in beiden 
Fällen derselbe zu sein; allein er konnte auch kein anderer sein 
und bleibt auch für das J. 203 derselbe. Wohl heisst der feind- 
liche Oberst Hanno, aber die Auswahl, welche die Feldherrnfamilien 
der Karthager in den Eigennamen hatten, war auch gar zu gering. 

Zielinski, die letzten Jahre d. zw. pun. Kr. 3