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/ »8»7
AKTES SCIENTl/^ VERITAS
f
DIE
MUNDART VON IM8T.
LAUT- UND PLEXIONSLEHRE
VON
JOSEPH SCHATZ.
MIT UNTERSTÜTZUNG DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER
WISSENSCHAFTEN IN WIEN.
\f
8TR ASS BURG.
VERLAG VON KARL J. TRÜBNER.
1897.
630.4
G. Otto's Uof-Buchdruckerei in Darmstadt.
^i(- ^^Vo-^
HERRN
PROF. \S^- JOSEPH SEEMÜLLER
IN DANKBARKEIT
GEWIDMET.
U
1
Uie Mundart, deren Laut- und Flexionslehre die vor-
legende Arbeit behandelt, ist die des Marktes Im st im
Oberinntale Tirols. Aus der historischen Entwickelung der
Einzellaute ergibt sich, dass sie bodenständig und keine
Mischmundart ist. Die ansässigen Bewohner, gegen 2400,
sprechen sie einheitlich, es finden sich keine Unterschiede,
welche auf eine getrennte Entwicklung Schlüsse gestatteten.
Viele haben das Bewusstsein, dass die angeborne Mundart
tiefer stehe als die ^städtische in Innsbruck herrschende, und
sie bemühen sich im Verkehr mit solchen, welche die
städtische Mundart oder die Schriftsprache gebrauchen, die
mundartlichen Eigenheiten möglichst abzustreifen; die auf-
fallenden Unterschiede zwischen der Imster und Innsbrucker
Mundart werden dabei in der Regel richtig herausgefühlt.
Es sind hauptsächlich a für das Imster ou (mhd. ow), e für a
mhd. e vor /, r), in den Endsilben sonantisches n, m, tj für 9
(mhd. -m). Da auch fast alle Handwerker und Handelsleute
des Marktes Landwirtschaft betreiben, ist eine einheitliche
Verkehrssprache in Imst gewahrt und dem Eindringen frem-
der Bestandteile eine bedeutende Schranke gesetzt ; denn der
Bauer ist so in die Lage versetzt, seine Geschäfte im Markte
selbst abwickeln zu können und seine Mundart wird des-
halb nicht unmittelbar von einer fremden beeinflusst. Die-
jenigen Kreise aber, welche in engerem Verkehr mit Inns-
bruck stehen, können nicht so sehr fremdes Sprachgut
(abgesehen vom Wortschatz) in die Mundart bringen,
weil sie mit den Bauern nur in der angebornen Mundart
verkehren. Diese sind fremdem Einflüsse nur schwer zu-
gänglich.
— VI —
Die Imster Mundart wird ausserhalb des Marktes und
der zu ihm gehörenden Weiler Gunggelrün (geschrieben
Gungelgrün) und Brennbühel (Brennbichl) noch in Tarrenz,
eine halbe Stunde nordöstlich von Imst, in Karres, eine
Stunde, und Koppen, zwei Stunden südöstlich, gesprochen.
Die nächsten Ortschaften, Wald, Arzl, eine Stunde südlich,
Imsterberg, Mils südwestlich haben die Dehnung des i, e,
vor r in weiterm Umfange als Imst lautgesetzlich durch-
geführt. Nassreid zwei Stunden nordöstlich von Imst hat
r vielfach zur stimmhaften, bezw. stimmlosen Spirans ent-
wickelt; der musikalische Hochton ruht zum grössten Teil
auf den exspiratorisch schwachtonigen Silben. Östlich da-
von und östlich von Koppen sind die n der Nebensilben
erhalten.
Dass unsere Mundart dem bairischen Dialektgebiete
angehört, ergibt sich ohne weiteres aus den Vokalen der
Stammsilben. Den Verlauf der West- und Nordgrenze des
Bairischen in Tirol habe ich in der Deutschen Litteratur-
zeitung 1895 Sp. 78 f. angegeben. Es ist die tirolische
Landesgrenze: Graubündten, Vorarlberg und das Allgäu
sprechen alemannisch. Nur der Weiler Lechleiten im obersten
Lechtal, der noch zu Tirol gehört, hat die alemannische
Mundart wie das eine Viertelstunde entfernte vorarl-
bergische Wart; das nächste tirolische Dorf Steg im Lech-
tal ist davon 14 km. entfernt. Die bairischen Grenzorte
gegen das Schwäbische sind Forchach, Rinnen, Nassreid;
schwäbisch sind Weissenbach, Berwang, Bieberwier.
Eine wissenschaftliche Arbeit über die Imster Mund-
art ist nicht vorhanden. Vielfach wird das Sprachgebiet
des Oberinntals dem Alemannischen oder Schwäbischen zu-
geteilt. Vgl. Schöpf in Frommanns deutschen Mundarten
II S. 332 f., Thaler ebenda III S. 317, beide mit unklaren
Ansichten; Weinhold, bair. Gramm. S. 5 (alemannisch),
ebenso Behaghel in Pauls Grundriss I S. 539. I. V. Zingerle
nannte die Oberinntaler und Vinstgauer „germanisierte Ko-
manen, welche den alemannischen Dialekt angenommen
haben . . .", siehe Tirol. Weisthümer 2, S. VIII f. V. Hintner
in Österreich-Ungarn in Wort und Bild, Abteilung Tirol
— VII —
und Vorarlberg 1893 S. 298 weist die ganze Mundart des
Oberinntals dem Schwäbischen zu. Den Unterschied zwischen
der Sprache des Oberinntals gegenüber dem Schwäbisch-
Alemannischen betonen richtig Staffier, Tirol und Vorarl-
berg, Innsbruck 1839 S. 105 ff. und Schneller, Zeitschrift
des Ferdinandeums, Innsbruck 1877 S. 70. Dem Bairischen
weisen sie zu H. Fischer, Geographie der schwäbischen
Mundart 1895; vgl. auch Karte 26; Eauffmann, deutsche
Grammatik 2 1895 S. 6 und 0. Bremer bei Mentz, Biblio-
graphie der deutschen Mundartenforschung 1892.
Die Urkunden des Imster Gemeindearchivs reichen bis
1448 zurück, die des Pfarrarchivs bis 1435. Für die freund-
liche Zugänglichmachung der Archive sei Herrn Bürger-
meister 0. Pfeifer und Herrn Kanonikus J. P. Rauch
auch an dieser Stelle gedankt. Was sich aus ihnen zur
Aufhellung der historischen Entwicklung der Mundart ge-
winnen lässt, habe ich an Ort und Stelle verzeichnet.
Von in der Imster Mundart verfassten Gedichten sind
die von K. Deutsch, A Sträussla vom Barg, Imst 1890
zu nennen, so wie das 'Gespräch über die Herren' von
Lutterotti in seinen Gedichten im Tiroler Dialekte, Inns-
bruck 1854 (18968).
Die Lautschrift ist im Anschlüsse an Kauffmann ge-
wählt; nur für den gutturalen Reibelaut habe ich x statt x
verwendet.
Herr Prof. J. E. Wacker n eil und Herr Dr. Leo-
pold Huter haben den Verfasser durch manche Beihilfe
zu Dank verpflichtet ; in besonderem Masse aber gebürt der
Dank Herrn Prof. J. Seemüller, dessen Anregung und
Förderung die Arbeit ihr Entstehen verdankt, der mich auch
bei der Korrektur sämtlicher Bogen wesentlich unterstützte,
und der kaiserlichen Akademie der Wissen-
schaften in Wien, welche in freigebiger Weise einen
Teil der Druckkosten übernahm und so die Veröffentlichung
des Buches ermöglichte.
Innsbruck, am 11. Dezember 1896.
u
INHALT.
Die nicht mit § bezeichneten Zahlen beziehen sich auf die Seiten.
Seite.
EINLEITUNG.
LAUTLEHRE. §§ 1—84 3—116
I. ZUR PHONETIK DER MUNDART. §§ i_32 . 3-37
A. DIE EINZELLAÜTE. §§1—20 3-14
DIE VOKALE. §§ 1—5 3 — 6
Reine Vokale 3. Nasalierte Yokale 4. Reine Diph-
thonge 4. Nasalierte Diphthonge 5. Triphthonge 6.
DIE KONSONANTEN. §§ 6—20 6—14
Der Halbvokal ./ 6. Der r-Laut 6. Der Z-Laut 6.
Die Nasale 7. Die Lippenlaute 7. Die Zahlenlaute 8.
Die Gaumenlaute 9. Der Hauchlaut /^9. Die Stimm-
losen; Fortis und Lenis der Yersohlusslaute 9.
Fortis und Lenis der Reibelaute 11. Die sono-
ren Konsonanten 13.
B. LAUT VERBINDUNGEN. §§ 21-27 . 14—24
Einsatz und Absatz der Laute 14. Lautübergänge 14.
VERBINDUNGEN DER KONSONANTEN UNTEREINANDER. §§
23—27 15—24
a) Änderungen der Artikulationsart 15 — ^19
Homorgane Konsonanten 15. Nicht homorgane
Konsonanten 17. 1. Labiale und Dentale 17. 2. La-
biale und Gutturale 17. 3. Gutturale und Labiale 18.
4. Gutturale und Dentale 18. 5. Dentale und Labiale
19. 6. Dentale und Gutturale 19.
b) Änderung der Artikulationsstärke .... 19 — 24
Das Zusammentreffen stimmloser Laute im Worte
und Satze 19. Verstärkung der Lenes zu Fortes 20.
Das Anlautgesetz der Mundart 21. Übereinstimmung
— IX —
Seite.
desselben mit der Ue^el Notkers 22; diese kann nur
bei der Annahme, dass ahd. (obd.) b^ d, g stimmlos
waren, erklärt werden 23. Die sonoren Fortes und
Lenes 24.
C. DIE SILBE. §§ 28—30 24-28
Silbenbau 24. Silbentrennung 24. Silbenbetonung
26. Silbeulänge 27.
D. ZUR KENNTNIS DES EXSPIRATORISCHEN WORT-
UND SATZACCENTES. § 31 28-30
E. ZUR KENNTNIS DES TONISCHEN WORT- UND
SATZACCENTES. § 32 31—37
Behauptungssätze 31. Fragesätze 33. Hypotaktisohe
Verbindungen 36.
II. DIE HISTORISCHE ENTWICKELUNG DER
LAUTE. §§ 33—84 38—116
Behandlung der mundartlichen Entsprechungen der
einzelnen Laute des Mhd., beziehungsweise des Ahd.
oder des Germ.
A. VOKALISMUS DER STARKTONIGEN SILBEN. §§
33—56 38—67
Mhd. a und ä 38. Das a junger Lehnwörter 39.
Dag ahd. umgelautete e 40 Das mhd. weite (offene),
umgelautete e 43. Mhd. ce 45. Zur Geschichte dieser
Umlautvokale 47. Mhd. e 49; mhd. e vor l^ r 50.
Mhd. e 52. Zur Geschichte der Qualität des mhd. e
52. Mhd. i 53; mhd. i vor r 53. Mhd. I 54. Mhd o
54; mhd. o vor r 55. Mhd. ö 55; mhd. o vor r 56.
Mhd. 6 56. Mhd. oe 56. Mhd. u 57. Der Umlaut
ist teilweise unterblieben 57. Mhd. ü 58. Mhd. ü und
tu 59. Zur Geschichte der Entrundung der mhd. ge-
rundeten Vokale 59. Mhd. ei 60. Mhd. ouy du 62.
Germ, eu und ew 64; ahd. iu^ tu und io 64; das ahd.
umgelautete iu 65. Germ, enges (geschlossenes) i 67.
Mhd. uOy üe 67.
B. VOKALISMUS DER NEBENTONIGEN SILBEN. §§
57—59 68—73
1. fi^ n d 8 i ] b e n. Sämtliche auslautenden Vokale
sind abgefallen 68. Schwund des e der mhd. End-
silben -el^ -er 68. Auslautendes -9 der Mundart ist
entstanden aus -en^ -in, -in 69. Inlautendes -9- ist
entstanden aus -e?»- 69, aus langem gedecktem Vokale
{d, ty /; e%) 70. Die Vokale der Deminutivendungen
-/a und 9^ 70. % in Nebensilben 71.
— X —
Seite.
2. Vorsilben. Mhd. be-^ ge-^ ver-; cbr- der Mund-
art 72. Schwächung der Vokale in pro- und enklitischer
Stellung 73.
C. KONSONANTISMUS. §§60-79 73-108
1. Die Labialen. Germ, p 73; germ. pp 75. 73-84
Germ, b 75; germ. mb 76. Westgerm, bb 76. Germ.
/ 77. Germ, w 78. Die Vertretungen des germ. b
und to decken sich im In- und Auslaut 81. Geschicht-
liches zur Entwicklung des germ. b und tv 81. Obd.
b war stimmlos 82. Mhd. m 83. ^
2. Die Dentalen. Germ, f 84; germ « 85. Germ. 84—97
d und dd 86. Germ, p 88 ; germ. pp .89 ; germ. p als
t 90. Germ, .s 91; ahd. sk 91, ts der Mundart 92.
Ahd. r 93. Ahd. n 94. Schwund desselben 95. Satz-
phonetisches n nach -9 vor starktonigen Vokalen 95.
Nasalierung der Vokale 96. Mhd. l 97.
3. Die Gutturalen. Germ, ä; 97. Fremdwörter 97—108
mit anlautender Affrikata 98. Tenuis k fehlt im Wort-
anlaut 98. Germ, k nach l, r 99; germ. nk 100. Germ.
und westgerm. kk 100. Geographische Verbreitung
der Affrikata k^ 101. Germ, k als g in Nebensilben
102. G«rm. g 102; germ. g ist durch die Affrikata
k;^ vertreten 103. Westgerm, gg 104. Germ, x 106 J
ahd. ^ als ks 107. Germ, ng 107. Germ, j 108.
D. ÄNDERUNGEN IN DER QUANTITÄT. §§ 80—84 . 109—115
1. DEHNUNG KURZER VOKA.LE. §§ 80 — 82 109-115
Vor stimmlosen Konsonanten. Dehnung kurzer
Vokale in offener Silbe und vor Lenis im Auslaut 109.
Erhaltung der Kürze vor inlautender Fortis 109.
Dehnung vor auslautender Spirans 109. Geschichtliche
Entwicklung dieser Verhältnisse HO; sie sind durch
die Art des Accentes bestimmt 110. Dehnung yor t
(germ. einfachem d) 111. Erhaltung der Kürze vor
auslautender Verschlussfortis 112.
Vor stimmhaften Lauten. Verden inlautenden
sonoren Portes ist die Kürze erhalten geblieben 113.
Die Dehnung eines kurzen Vokals mit einem aus-
lautenden Sonorkonsonant hängt von der Stellung im
Satznuslaute ab 113. Dehnung vor r 114.
2. KÜRZUNG LANGER VOKALE. §§ 83 — 84 115—116
Vereinzelte Kürzung alter Längen 115. Kürzung
heutiger Längen in der Flexion vor mehrfacher Kon-^
sonanz 116. Vereinzelte Fälle 116.
— XI —
Seite.
FLEXIONSLEHRE. §§ 85-170 . . . 119—179
L DAS SUBSTANTIV. §§ 85-128 119-144
DIE KASUS DER MÜNDART. §§ 85—87 119-121
Der Nominativ, Dati? und Accusati? sind als syn-
taktische Kasus erhalten 119. Der (}enetly kann nur
zu persönlichen Substantiven, für alle drei Geschlechter
gleich, gebildet werden 119. Erstarrte Reste des
Genetivs 120. Im Plural fehlt der Genetiv. Die Kasus
des Singulars lauten untereinander gleich, ebenso die
des Plurals 120.
A. MÄNNLICHE SUBSTANTIVE. §§ 88—109 . . . 121—131
Die 0- und «' -Stämme. Die Flexionsend jngen
sind verloren. Reste des Dativs Plural in adverbialen
Wendungen. Singular und Plural sind ohne Endungen
121. Der Plural unterscheidet sich durch den Um>
laut des Stammvokals vom Singular; die o-St/lmme
sind zu den t-Stämmen übergetreten 121. Gr\ippen
der im Plural umlautenden Maskulina 122. m zu t;
U9 ZM i9\ au zu ai ; q zu ö, öi^ zu a ; o zu o ; ou zu öi ;
qa zu fa; Maskulina auf -|, auf -9r, auf -9 125. Nicht
umlautfähige starke Stämme 125. Bildung des Plurals
durch -ar verbunden mit dem Umlaut 126.
Die n-Stämme. Zwei Gruppen dieser Maskulina :
Die erste hat im Singular die apokopierte Form des
Nominativs, im Flural -9, die zweite in beiden Ztihlen
-d 127. Beispiele der ersten Gruppe, zu der alle
Namen der Lebewesen gehören 127. Beispiele der
zweiten Gruppe 128. Von dieser bilden mehrere den
Plural durch den Umlaut 128. Stark gewordene n-
Stämme 129.
Die Jo-Stämme. Sie sind zur o- oder n-Deklination
übergegangen 129. Die Jo-Stämme auf ahd. dri 130.
Nomina actionis der Mundart auf -dr 130 Anm.
ResteandererStämme. t/;o- und i^-Stämme 180
— Belege aus den Imster Urkunden für die Dekli-
nation der Maskulina. S. 130 § 101) Anm.
B. WEIBLICHE SUBSTANTIVE. §§ 110^-119 .... 131—139
Die d' und y^t -Stämme. Der Singular ist ohne
Endungen 131. Der Plural geht auf 9 aus 132. Die
y^-Stämme sind mit den ^-Stämmen zusammen gefallen
132.
Die^n-und^'(ln-Stämme. Lautliche Gestaltung
des Singulars und des Plurals 133, Plurale auf n».
Übertritt von (^-Stämmen zu den «in-Stämmen 134.
— XII —
Seite.
Wörter mit dem Plural auf -na 134. Feminina, welche
den Singular und Plural gleich haben 135. Gestaltung
der mehrsilbigen Feminina 136.
Die Feminina abstracta. Zwei Gruppen der-
selben 137.
Die «'-Stämme. Die Endungen sind verloren,
ein Teil hat den Umlaut im Plural bewahrt 138; ein
Teil ist zu den ^-Stämmen übergetreten 138.
Reste anderer Stämme 139. — Urkundliche
Belege für die Deklination des Femininums. S. 139,
§ 119 Anm.
C. SACHLICHE SUBSTANTIVE. §§ 120—126 .... 139-144
Die 0- und ^o-S t ä m m e. Die Endungen sind ver-
loren. Die Pluralbildung auf -9r, in Verbindung mit
dem Umlaut, ist herrschend 140. Selten ist der Plural
dem Singular gleich 141. Die Deminutive 141.
Die n-Stämme sind erhalten 142. Vereinzelte
Pluralformen 142. Vereinzelte Wortgruppen 142.
Urkundliche Belege 143 Anm.
ÜBERSICHTSTABELLE über die Pluralbildungen der
Mundart. § 127 143
Wörter, deren Geschlecht vom Nhd., beziehungs-
weise vom Mhd. und Ahd. abweicht. § 128 . . . 144
IL DAS ADJEKTIV. §§ 129-134 145-153
Die Deklination des Adjektivs; zwei Arten derselben
145. Die Flexion des Pronominaladjektivs lüd (mhd.
ein) ist in vierfacher Gestalt vorhanden 147. Das
Pronominaladjektiv h-^ti^^ hyiyü^ 150. Die Bildung des
Komparativs und Superlativs 151. Isolierte Kompa-
rative und Superlative 153.
III. DAS PRONOMEN. §§ 135~147 154-162
Das ungeschlechtige Pronomen der ersten Person
154, der zweiten Person 155. Das Reflexivum 155.
Das geschlechtige Pronomen 155. Die Possessiva
157. Die Entwickelung von mhd der^ diu^ daz unter
starkem Accent (Demonstrativ und Relativ) 157, unter
schwachem Accent (Artikel) 158. Reste von mhd.
jener^ selb, solch 160. Mhd. wer, waz 160. Reste von
ahd. wel^h, wedar 161. Indefinite 161. Urkundliche
Belege der Pronominalflexion 161.
IV. DAS ZAHLWORT. §§ 148-149 163~164
Die Grundzahlen 163. Die Ordinalzahlen 1 64. Zahl-
komposita 164.
— XUI —
Seite.
V. DAS VERBUM. §§ i50-i70 165-179
Die Modi des Aktivs 165.
Das starke Yerbum. Konjugation des Indika-
tivs Präsens 165. Die Formen des Konjunktivs Präsens
166. Der Imperativ 167. Der Konjunktiv des Prä-
teritums 167. Die Vorsilbe des Partizips des Präte-
ritums mhd. ge 167. Die Ablautgruppen der starken
Verba 168. Die Verba der 1. Ablautreihe 168, die
der^2. Reihe 169, die der 3. Reihe a) 170 und b) 171,
die der 4. Reihe 171, die der 5. Reihe 172, die der
6. Reihe 172. Die reduplizierenden Verba 173.
Das schwache Verbum. Seine Konjugation
im Präsens 174, im Präteritum 175. Übertritt schwacher
Verba zu den starken 175. Die Formen von hqw9
haben 176.
Unregelmässige. Die Präteritopräsentia 176.
Mhd. wellen 177. Mhd. hin 178. Mhd. tum 178. Mhd.
ghi^ 8thh 178. Die Bildung der zusammengesetzten
Formen des Zeitwortes 178. Urkundliche Belege für
die Konjugation. S. 179 Anm.
BERICHTIGUNG.
S. 78 lese man § 63 statt § 53
LAUTLEHRE.
Schatz, Die Mundart von Imgt.
I. ZUR PHONETIK DER MÜNDART.
A. DIE EINZELLAUTE.
DIE VOKALE.
§1. ReineVokale, solche die dem Gehör von nasalem
Beiklange frei erscheinen.
i. Der Zungenrücken bildet am vordersten harten
Gaumen bis zur Kante der Alveolen Enge; die Spannung
der Zunge ist deutlich fühlbar beim langen i (?), weniger
beim kurzen i [i), bei dem auch die Ausflussöflfnung etwas
weiter ist. Der Klangfarbe nach unterscheiden sich i und t
der Imster Mundart nicht von einander. Die Lippen be-
wegen sich beim kurzen i schwach seitlich, beim langen t
energischer, so dass die Mundwinkel sich öflfnen.
e. Die Artikulationsstelle liegt etwas weiter rück-
wärts als beim i. Es hat die Klangfarbe eines mittleren e;
die Mundwinkel bewegen sich nur schwach seitlich. Zwischen
langem und kurzem e {e und e) besteht kein merkbarer
Unterschied der Artikulation oder der Klangfarbe.
ö. Der Zungenrücken ist gegen den mittleren (hinteren)
harten Gaumen emporgehoben, die Spannung ist fühlbarer
als bei irgend einer anderen Vokalartikulation; die Engen-
bildung geschieht weiter rückwärts als beim e, die Lippen
nehmen eine Mittelstellung zwischen Längs- und Rund-
öflfnung ein, die Mundwinkel sind geschlossen.
a. Es hat die Klangfarbe des rein gesprochenen schrift-
deutschen a ; der Zungenkörper senkt sich etwas und bewegt
1*
— 4 —
sich schwach nach rückwärts, die Lippen bilden die grösste
Öffnung, die bei Vokalen der Ma. vorkommt.
o. Dieser Vokal nimmt seiner Klangfarbe nach ziem-
lich genau die Mitte zwischen a und o ein. Der Zungen-
rücken ist massig gegen den weichen Gaumen hin gehoben,
die Lippen sind etwas vorgeschoben und bilden Rundöflfnung.
Die Längen ä und q unterscheiden sich von den Kürzen a
und q nicht.
o. Seine Klangfarbe entspricht der eines mittleren
schriftdeutschen o. Der Zungenrücken artikuliert weiter
rückwärts als bei q und u, die Lippen werden vorgeschoben
und bilden eine Rundöflfnung. Langes o kommt nicht vor,
ebenso nicht langes ö (dafür die Diphthonge ou und öi).
u. Die Engenbildung ist stärker als bei o, geschieht
aber etwas weiter vorne; die Lippen werden stark vorge-
stülpt, die Rundöffnung ist schmal, die seitlichen Teile sind
geschlossen, u und ü werden gleich artikuliert.
9. Es ist der Vokal, der sich bei annähernd passiver
Lage der Artikulationsorgane ergibt. Seine Klangfarbe ist
der des a ähnlich, vor Nasalen der des o, u. Steht 9 am
Ende eines Satzes, vor einer Pause, so tritt Senkung des
Gaumensegels ein, es ist schwach nasaliert.
§2. Nasalierte Vokale. Das Gaumensegel hängt
schlaflf herab wie beim ruhigen Atmen, i, 5, a, d, unter-
scheiden sich der Artikulation nach nicht von i, l, a, ä ; bei
e ist die Engenbildung etwas stärker als bei e, es kommt,
abgesehen vom Nasalklang, der Klangfarbe des schrift-
deutschen engen e am nächsten, ö, ?i, ü entsprechen einem
weit gebildeten o, u in der Artikulation, in der Klangfarbe
aber dem o, ii der Mundart, e und ö kommen nur als Kürzen
vor, die Längen dazu sind die Diphthonge ei, du.
§ 3. Die reinen Diphthonge der Ma. sind:
i9* i hat hier die Artikulation und Klangfarbe eines
offenen ^, die Lippen beteiligen sich nur schwach.
öi, ö ist hier geschlossener als ö, es scheint überhaupt
mit einem längeren Teile des Zungenrückens artikuliert zu
werden (mouilliert?); das i ergibt sich bei dieser Bildungs-
— 5 —
weise von selbst, wenn die ö- Artikulation, noch während die
Stimme tönt, von rückwärts gelöst wird.
ea. q ist sehr weit gebildet; die Zungenartikulation
nach vörne und oben ist schwach. Das a kommt dem a-
Vokal am nächsten, doch liegt es um eine Stufe nach e hin.
ai. Der Mund wird bei a nicht so weit geöffnet wie
beim a-Vokal es hat auch etwas hellere Resonanz ohne sich
vom a weiter zu entfernen; i ist weit gebildet, die Lippen
artikulieren nur schwach; seine Klangfarbe kommt der des
weiten i des Schriftdeutschen näher als der des engen e.
au. a kommt dem isolierten a-Laut fast gleich : u ist
sehr weit, hat aber ?/-Klang, nicht ö-Färbung; die Vor-
stülpung der Lippen ist nicht merklich, dagegen die Bildung
der engen Rundöflfnung energisch.
qa* Das q hier unterscheidet sich kaum von dem q.
Die Lippenartikulation ist dieselbe, a ist dem a- Vokale
sehr ähnlich, bei der Bildung senkt sich Zunge und Unter-
kiefer.
ou. Bei nimmt man deutlich eine Bewegung der
Zunge nach rückwärts wahr, bei u eine solche nach auf-
wärts. Die Lippen nehmen ziemlich dieselbe Stellung ein
wie bei o und schliessen sich bei u noch mehr ohne nach
vorwärts sich zu bewegen, o ist enger als isoliertes o, u
weiter als u.
U9. u ist weit gebildet; d hat hier eine ö-Färbung,
doch tritt nicht irgend ein bestimmter Vokalklang zu Tage.
ui. u und i sind hier dem Klange nach den isolierten
Vokalen u und i gleich zu setzen, u auch der Artikulation
nach, während i unter schwächerem Ausatmungsdruck ge-
bildet und schlaffer artikuliert wird.
ai (in lois Alois, mqthois Mattheus, moisds Moses), o und
i sind weite Laute.
§4. Die nasalierten Diphthonge 1^, dr, at/, ou,
U09 ut sind in Betreff der Mundartikulationen den reinen
id, ai, au, ou, ud, iii gleichzustellen. Für etymologisch voraus-
zusetzendes qa, qa erscheint id, U9. (Vgl. die geschlossenen
e, ö für *^n, *qn § 2). Für ö tritt bei Nasalierung die ^-Arti-
~ 6 —
kalation ein. el hat geschlossenes e. Das Gaumensegel ist
bei all diesen Diphthongen vollständig geöffnet.
§5. Die Triphth enge. Wenn sich in der Silben-
folge U9'd, id'd, Qa-9, ^a-d, ein / (Halbvokal i) als Übergangs-
laut einstellt, so wird vor dem j noch ein i (offen) arti-
kuliert, das sich mit dem Diphthonge zum Triphthong ver-
bindet, udijd, idiJ9, Qciipf (^aip z. B. rudijd ruhen, pli9iJ9
blühen, tidijd thuen (mhd. Konj. tüejen), mqaij9 Mai (mhd.
meie^ meije), gqaiß gehen (Konj. Präs.), frqaiß Frohsein (ahd.
*fröt). Doch wird in diesen Fällen überall auch die Form
mit Schwund des 7 gebraucht, also: ru9-9, pli9-9, ti9-9f mqa-^
gqa'9 frqa-9. Nasalierte Triphthonge sind nur im Satzgefüge
möglich; kxmijqr kein Jahr (k^ttb-), si giSi jq sie gehen ja
DIE KONSONANTEN.
§ 6. Der Halbvokal j ist ohne wahrnehmbares Reibe-
geräusch ; der Zungenrücken artikuliert in derselben Höhe
und an der gleichen Stelle wie für ein weites i,
§ 7. r ist in Imst, Tarrenz und Nassreid fast aus-
schliesslich uvular; im weitern Oberinnthal werden Zungen
r und Zäpfchen r neben einander gesprochen. Die Hinter-
zunge bildet eine Längsrinne, in der das Zäpfchen schwingt.
Je energischer diese Artikulation ausgeführt wird , um so
deutlicher ist das r für das Gehör. Wird die Rinnenbildung
lässig gemacht so hat das Zäpfchen nicht völlig freie Be-
wegung zum Schwingen und es stellt sich leicht ein Reibe-
geräusch ein. In Imst ist es im Durchschnitt deutlich hör-
bar, auch wenn r unter sehr schwachem Ausatmungsdrucke
gebildet wird, macht das Zäpfchen immer noch einige
Schwingungen. Ich habe nur stimmhafte r beobachten
können. In Nassreid tritt gewöhnlich für r stimmhafter guttu-
raler Reibelaut ein ; der ma. Ausdruck dafür ist „scharren",
sqrr9, sq7ß9.
§ 8. h Das Zungenblatt bildet an der Kante der
Alveolen mittleren Mundverschluss. Der Luftstrom tritt
entweder an beiden Seiten der Zunge aus, oder nur an
einer, während die andere geschlossen ist (bilaterale und
- 7 -
unilaterale /). Bei der Bildung eines zwischen vokalischen /
berührt die Zunge die oberen Schneidezähne nie. Nur nach
den stimmlosen t, d ruht die Zunge bei der Bildung des
medianen /-Verschlusses an den oberen Schneidezähnen.
Nach den Labialen /?, / legt sich die Zunge an den hintern
Teil der Alveolen. Es kostet mich, wenn ich die l in aZ,
il, pluj fla an der gleichen Artikulationsstelle bilden will,
eine gewisse Aufmerksamkeit. Der Zungenrücken ist aber
bei allen l verhältnismässig gehoben. Auch der Zungen-
rücken kann am harten Gaumen mittleren Verschluss bilden.
Die so gebildeten l sind an die Stellung nach den Gaumen-
verschlusslauten k, g gebunden.
§ 9. D i e N a s a 1 e. m. Der Mund verschluss wird durch
die Lippen hergestellt. Wenn stark artikuliertes m vor oder
nach dem (labiodentalen) f steht, berührt die Unterlippe die
obere Zahnreihe. Labiodental wird m gebildet, wenn es
unter schwachem Ausatmungsdruck vor / steht. Die Unter-
lippe liegt an den Oberzähnen, die Oberlippe ist frei und
an der Artikulation nicht beteiligt. Vgl. z. B. tsutn fir/td
zum fürchten, fum fQt^r vom Vater; tsum, fiim haben den
Schwachton. Bei n bildet das Zungenblatt am Zahnfleisch
hinter den Oberzähnen Verschluss, tj wird stets am weichen
Gaumen durch den Zungenrücken gebildet. Die Artikula-
tionsstelle hängt von dem voraufgehenden Vokale ab; am
weitesten rückwärts liegt sie bei or?; dann folgen urj, ar^,
§ 10. Die Lippenlaute. Die Artikulationsstellen
für die Laute sind die Lippen und Oberzähne. Von stimm-
losen kommen vor die labiolabialen Verschlusslaute p, &,
und das labiodentale / Bei p, b bilden beide Lippen Ver-
schluss, bei / die Unterlippe an den Oberzähnen die Keibe-
enge. Der Stimmton tritt bei / nie ein. In der Verbindung
pf wird p zwar bilabial gebildet, aber die Unterlippe be-
rührt auch die oberen Schneidezähne.
Der einzige stimmhafte Laut dieser Gruppe ist w. Das
wesentliche Moment für seine Bildung ist, dass die Lippen
bis auf einen minimalen Spalt geschlossen sind. Dieser
Spalt ist bei mir regelmässig doppelseitig, die Lippen sind
- 8 —
in der Mitte geschlossen, zu beiden Seiten ist eine Öffnung
kleinster Ausdehnung, die Mundwinkel sind geschlossen;
V4, kaum Vs der Lippen ist geöffnet. — Andere bilden wieder
eine einheitliche Lippenöflfnung , die oft auch etwas seit-
wärts liegt. Die doppelseitige Bildung habe ich häufig be-
obachten können. Ein Vorstülpen der Lippen findet nicht
statt, ebenso wirkt auch die Zunge nicht mit; sie bleibt
in der Ruhelage. Das Reibegeräusch fehlt immer, w kann
daher eigentlich nicht zu den Geräuschlauten gezählt werden ;
es ist von einem bilabialen stimmhaften Reibelaut ebenso
entfernt durch Mangel des Reibegeräusches, wie von einem
Halbvokal u durch Fehlen der Zungenartikulation. Am
ehesten könnte man unser w zu den /-Lauten stellen, inso-
ferne bei l und w die Mundhöhle zum Teil geschlossen ist,
die Stimme tönt und keine Geräuschbildung sich einstellt-
§ 11. Die Zahnlaute. Die Verschlusslaute f, d
werden durch Artikulation des Zungenblattes oder -randes
an den Alveolen hinter den Oberzähnen gebildet; die Zunge
erreicht in der Regel noch die Zähne. Beim Reibelaut s
bildet die Vorderzunge leicht eine Rinne und Reibeenge an
den Alveolen. Die Zungenspitze liegt V2 cm hinter den
Zahnreihen. Der Unterkiefer ist etwas vorgeschoben, die
Zahnreihen stehen sich fast gegenüber, ohne sich zu be-
rühren. Oft bewegen sich die Lippen stark seitlich, die
Mundwinkel sind dann geöffnet. Durch diese Bewegung der
Lippen erhält das s eine helle Färbung, weil der Resonanz-
raum zwischen den Zahnreihen und Lippen verkleinert wird.
«. Die Lippen werden etwas vorgeschoben. Die Zahn-
reihen sind wie beim s gestellt. Die Zungenspitze ist nach
oben gekehrt und steht der Kante der Alveolen gegenüber,
mit welcher sie einen schmalen Spalt bildet. Mit der Zungen-
spitze ist auch der Rücken gehoben. Wie weit der Rücken
an der s-Artikulation Anteil hat, entzieht sich der direkten
Beobachtung. Die Rinnenbildung hinter der Zungenspitze
wird gefühlt. Die Lippen wirken bei der s-Resonanz immer
mit, die grössere oder geringere Verschiebung ist individuell.
t, d, 5, s sind immer stimmlos.
— 9 —
§ 12. Die Gaumenlaute, Die stimmlosen Ver-
schlusslaute fe, ff werden durch den Zungenrücken am
harten Gaumen artikuliert wenn sie nach e, ö, i stehen, am
weichen in den übrigen Fällen. Für den stimmlosen Reibe-
laut X wird die Reibeenge immer am hintern weichen Gaumen
gebildet.
§ 13. Zu diesen kommt der Hauchlaut fe, der vom
praktischen Standpunkte aus den „Konsonanten" zugezählt
werden muss. In der Imster Ma. ist er durchwegs ein
etymologisch entwickelter Laut.
Wenn im folgenden von der speziellen Bezeichnung
„Sonor-" und „Geräuschlaute" abgesehen und von Vokalen
und Konsonanten die Rede ist, so sind diese Ausdrücke aus
praktischen Gründen gewählt. Für die wissenschaftliche
Betrachtung des Verhältnisses der Laute zu einander, für die
phonetische und historische Lautlehre, sind die Bezeich-
nungen Vokale und Konsonanten so eingebürgert, dass man
mit rein phonetischen Ausdrücken die Verständlichkeit be-
einträchtigen würde.
§ 14. Die Stimmlosen; Fortis und Lenis. Die
Verschlusslaute, p, b — t, d — k, g, haben je die Artikula-
tionsstelle gemeinsam. Sie unterscheiden sich durch die
Stärke des Ausatmungsdruckes, durch die Art der Ver-
schlussbildung und die Dauer des Verschlusses. Die letztern
beiden Faktoren sind von der Exspirationsstärke abhängig.
(Vgl. Sievers § 335). Je stärker der Ausatmungsdruck ist,
um so ausgedehnter ist die Verschlussbildung und um so
länger die Dauer des Verschlusses.
p, b. In loup Laub, werden die Lippen fest aufein-
ander gepresst, der Druck der Exspiration ist sehr merk-
lich, die Muskelanspannung wird deutlich gefühlt; sie zeigt
sich äusserlich dadurch, dass sich die Lippen nach einwärts
bewegen und während der Dauer des Verschlusses in dieser
Stellung verharren. Die Dauer des Verschlusses dürfte der
des ou gleich kommen. Eine genaue Angabe ist ohne exakte
Messung nicht möglich. Bei der Bildung des b in loub Lob,
berühren sich die Lippen so zu sagen nur linear. Der
Exspirationsdruck ist äusserst gering, die Dauer des Ver-
~ 10 —
Schlusses nur momentan. Das b der Imster Ma. ist das
überhaupt mögliche Minimum der stimmlosen Verschluss-
bildung. Jeder Versuch sie schwächer zu bilden führt zu
dem W'haute, mit dem sich der Stimmton verbindet. — w
ist auch die historische Vertretung des b vor Vokalen; b hat
seine Stelle nur im Auslaut und vor (?) m (r). Es ist un-
möglich für die Artikulations Verhältnisse der Imster Ma.
das b, wie es in loub gesprochen wird, vor Vokalen zu bilden;
hQw9 und nicht *hqb9, haben.
§ 15. Analoge Verhältnisse wie bei p, b zeigen sich
bei f, d. Bei der Bildung des t in raito reiten , rqt Rat,
wird die Zunge fest an die Alveolen und seitlich an die
Backenzähne gedrückt ; die Zungenspitze berührt die Ober-
zähne am Rande des Zahnfleisches, dieses ist durch die
Vorderzunge bis zur Kante bedeckt. Der Umfang des Ver-
schlussgebietes ist also, dem energischen Exspirationsdrucke
entsprechend, gross. Die Dauer des Verschlusses ist wie
bei p, also etwa gleich der des ai, q. In raidg, drehen (ahd.
rtdan), rqd, Rad, wird zur Artikulation des d der Zungen-
rand so gehoben, dass er das (mittlere) Zahnfleisch und die
Backenzähne gerade berührt. Der Druck der Exspiration
ist sehr gering, die Dauer des Verschlusses minimal.
§ 16. k, g. Bei der Bildung des k in nqakd neigen,
trans. {Vinaigjan-) presst sich ein Teil des Zungenrückens
unter fühlbarer Muskelspannung an den Gaumen, der Ex-
spirationsdruck ist stark, die Dauer wie bei p, t. — Beim
g in Uqagd zeigen, sind Exspirationsdruck, Ausdehnung des
Verschlussgebietes und Dauer auf ein Minimum beschränkt.
Die Bezeichnungen Fortis und Lenis (Sievers § 172)
sind für die Imster Ma. vollkommen zutreffend, um die beiden
homorganen Verschlusslaute (p, b — t, d — A, g) zu unter-
scheiden. Unsere Verschlussfortes p, t, h sind energisch
artikulierte Laute, die Lenes b, d, g weisen ein Minimum
der Artikulation (in Ausatmungsstärke, Ausdehnung des
Verschlussgebietes und Dauer) auf.
Anm. Wenn Lenis g am harten Gaumen artikuliert wird, nach
/ also , kann es vorkommen, dass die Yerschlussbildung, — Berührung
des Gaumens durch den Zungenrücken — nicht mehr vollständig aus-
— 11 — •
geführt wird. In diesem Falle stellt sieh der Stimmton ein; es ist kein
Reibelaut sondern eine Art i, das den Übergang zur folgenden Silbe
bildet; yon einem Reibegeräusch ist nichts wahrzunehmen, staigd steigen,
kann als staijd gesprochen werden. Regelmässig wird aber auch hier
die Verschlussbildung durchgeführt; der Stimmton hört auf einen Moment
auf. — Der Übergang des g in i ist derselbe, welcher bei b (in w) seit
Jahrhunderten schon durchgeführt ist. Bei d kann ich eine derartige
schlaffe Durchführung der Artikulation nicht beobachten.
§ 17. ff xmAf. slqffd schlafen, h^fd Hafen. Die Unter-
lippe liegt an den oberen Schneidezähnen und Eckzähnen
und bedeckt sie zum Teil, d. h. sie berührt die Zähne viel-
fach ohne völligen Verschluss herzustellen. Der zur Bildung
des ff' verwendete Exspirationsstrom ist stärker, die Dauer
ungefähr der des q gleich. Die Enge, welche die Unterlippe
bei ff an den Zähnen bildet , ist stärker als bei /, ebenso
die Berührungsbreite; die Unterlippe ist etwas mehr ge-
hoben. Bei der Lenis / ist der Ausatmungsdruck bedeutend
schwächer, die Dauer nicht so gross, doch ist der Unter-
schied zwischen ff und / in Exspirationsdruck und Dauer
nicht so bedeutend wie bei den Verschlusslauten p und b.
Die Lenis / stellt nicht das Minimum der für die Bildung
möglichen Artikulationsfaktoren dar. Dieses Gegenüber von
Fortis^^ und Lenis / hat die Mundart nur im Inlaut zwischen
Vokalen in der Stellung nach der Starktonsilbe. Im Aus-
laut ist nach kurzem, betontem Vokale die Fortis in der-
selben Stärke wie in slqffd; vgl. sqff Schaff, huff Hüfte (mhd.
huf). Nach langem Vokale: kxouf Kauf, (ahd. etymol. houff^
und houf Hof, hat die Artikulation, was Energie der Ver-
schlussbildung, Exspirationsdruck und Dauer anbetrifft, eine
gewisse mittlere Stärke. Nach meiner Beurteilung hält der
Reibelaut / in dieser Auslautstellung die Mitte zwischen^
und /.
§ 18. SS und s. hqassd heissen, hqasyr heiser; bei ss
ist die Ausflussöflfnung sehr klein, die Zunge wird seitlich
fest an die Backenzähne und an die seitlichen Teile der
Alveolen gedrückt. Die Bildung der Reibeenge hat grössere
Ausdehnung ; der Exspirationsdruck ist stark und das Zisch-
geräusch scharf. Im gleichen Verhältnisse ist die seitliche
Artikulation der Lippen energisch. Für s ist der verwendete
— 12 —
Ausatmungsdruck schwach, die Engenbildung schlaff, die
seitlichen Teile des Zahnfleisches werden nicht berührt oder
nur schwach, die Reibeöflfnung ist grösser. Auch die Bildung
der Lenis s kann nicht das Minimum der möglichen Arti-
kulation genanht werden (wie f nicht). Im Auslaut: Nach
kurzem, betontem Vokale steht Fortis ss, hqss Hass, nach
langem ein s {hqas heiss, rqas Reise), das gleich wie aus-
lautendes / eine mittlere Stellung zwischen Fortis ss und
Lenis s einnimmt. Der Ausatmungsdruck ist schwächer als bei
SS, stärker als bei s, die Enge der Reibung so, dass die
Zunge noch die seitlichen Teile des Zahnfleisches berührt,
ohne sie wie bei ss fest zu decken; ebenso ist die Dauer
eine mittlere, (f : f : f = ss : s: s = S : 2 : 1).
§ 19. s und /. s kommt im Inlaute nur als Fortis
vor. Zwischen dem s in was9 waschen (genauer wass9 mit
Geminata) und in flaisig fleischig, besteht kein Artikulations-
unterschied. — Im Auslaut zeigt sich nach langem Vokal
eine mittlere Stufe analog wie bei /, s, Ausatmungsdruck
und Dauer sind in flais Fleisch, raus Rausch, etwas geringer
als in wass9, fis Fisch.
X ist wie s Fortis. Der starke Exspirationsdruck ver-
langt hier starke Engenbildung. Der hintere Zungenrücken
schliesst sich fest an die seitlichen Mundwände und bildet
mit dem I hintern weichen Gaumen die schmale Reibeenge.
Im Auslaut nach langem Vokal (Diphthong) ist die Arti-
kulation des X etwas schwächer als bei s: wqx wach,
sixx^^ sicher, rouxx^ rauchen, roux Rauch ; ^ und x si^d ener-
gisch artikulierte Laute ; sie sind als Fortes zu bezeichnen.
Die Lenes dazu lassen sich leicht bilden, sind aber der Ma.
fremd.
Anm. (über die Lautschrift). Allen diesen Abstufungen der
Reibelaute durch die Schreibung gerecht zu werden, geht aus praktischen
Gründen nicht an. Die Fortes ffy ss müssen, da ihnen Lenes gegenüber
stehen, von diesen geschieden werden ; sie können am klarsten durch
Doppelschreibung bezeichnet werden. Für s, j^ ist Doppelsohreibung
nur da verwendet, wo sie als Geminata nach kurzem Vokale stehen.
Die Reibelaute mittlerer Qualität können leicht unbezeichnet gelassen
werden, da sie an die Auslautstellung nach langem Vokal (Diphthong)
— 13 —
gebunden sind. Wo ein Abweichen von dieser Norm n6tig ist, wird es
besonders angemerkt.
§ 20. Sonore Konsonanten. II und l in fqU Fall, ti}l
Tal,/(?ifo fallen, Ui^b zahlen. Bei U ist der Stimmten kräftiger,
die Artikulation der Zunge energisch. Die Zunge legt sich
fest und breit an die Kante der Alveolen und lässt seitlich
(bezw. nur auf einer Seite) nur einen Spalt offen. Bei der
Bildung des / in tql, tsQb ist es nur eine momentane Be-
rührung.
rr und r in dirr dürr, fir für, k^qrrg Karren, spqr9
sparen. Zur Artikulation des rr wird eine kleine Aus-
flussöffnung für den Exspirationsstrom gebildet. Die seit-
lichen Teile der Hinterzunge sind fest an die Mundwände
gelegt, das Zäpfchen schwingt energisch in der Rinne. Bei
r ist die Ausflussöffnung gross, das Zäpfchen macht nur ein
paar Schwingungen.
mm und m; stamm Stamm, poum Baum. Für mm ist ener-
gischer Lippenverschluss in breiter Ausdehnung gefordert,
bei m berühren sich die Lippen so zu sagen nur linear.
Analog ist es bei nn und w. rinnd Rinne, jnn9 Bühne ;
für nn ist das Verschlussgebiet breit, für n möglichst
gering.
Ebenso ist es für v^vi und ^; hor^rid hangen, hiTeijort
Heimgarten. Bei 7^7^ erstreckt sich der Verschluss über einen
grossen Teil des weichen Gaumens und ist fest gebildet;
bei fj ist nur schwache Artikulation.
Die Fortis der Sonorlaute ist von der Stärke des
Stimmtones bedingt (Sievers § 173). Die kräftigere Arti-
kulation ist von dem Ausatmungsdrucke abhängig. Dazu
kommt, wenn die Fortis im Auslaut oder zwischen Vokalen
steht, ein drittes Moment, durch welches sie von der Lenis
geschieden ist, die Dauer. Nach kurzem starktonigem Vokal
ist jeder Sonorlaut Fortis. Folgt ihm ein silbenschliessender
Konsonant, so ist seine Dauer nicht so gross, wie wenn er
frei steht. In omt Amt, hunt Hund, walt Welt, hqrt hart,
sind w, n, Z, r mit starkem Exspirationsdruck gebildet, aber
die Artikulation wird nicht so lange eingehalten wie bei
- u -
den obigen mm, nn, U, rr, (t^tj). Die Dauer ist also bei den
Sonor-Portes nur accidentell nicht essentiell.
Für j und w sind, was schon durch ihre Artikulation
bedingt ist (§ 6. 10), keine Stärkeabstufungen vorhanden.
(Doch vgl. § 26)
B. LAUTVERBINDUNGEN.
§ 21. Einsatz und Absatz der Laute. Für alle
Laute ist der leise Ein- und Absatz Regel. (Sievers 860. 367).
Fester Ein- und Absatz kommt bei Vokalen vor, der Ein-
satz am Beginne des Satzes, wenn der anlautende Vokal
mit besonders starkem Exspirationsdruck erzeugt wird; z. B.
'qhal als Befehl, „herab", 'ouder? zornig fragend „oder*.
Aber auch der leise Einsatz kommt hier vor. Der feste
Absatz findrft sich bei einsilbigen, vokalisch auslautenden
Wörtern wie jq zweifelnd „ja" (aber es könnte doch anders
sein . . u. ä.) na „nein" ( — doch nicht). Die h der Ma. stehen
nur vor Sonorlauten und sind, vom phonetischen Standpunkte
aus beurteilt, gehauchte Einsätze, 'qr (hqr), Hat,r, qdiqhd),
stql {stqhl)j Stahl, nängr {nähridr), näher u. a. Die Inter-
jektion „hm" (vgl. Sievers 371, Heusler, Alem. Kons, von
Basel-St. S. 126) kommt in Imst in mehreren Schattierungen
vor; 'm, nun ja, 'm'm (mit Betonung des zweiten w?) ja, 'fn'm
(mit Betonung des ersten m) ja freilich; mm „nein!" (auch
*^ m) u. a.
Gehauchter Absatz fehlt. Die Ma. hat keine Aspiraten.
Nur wenn wortanlautendes h im Satze nach einem Ver-
schlusslaut zu stehen kommt, bleibt der Hauch. Vgl. phauptd
behaupten (paupto), thennd die Henne (t'ennd)^ tsqaghqa zeig
her (Silbentrennung tsqa-ghqa und tsqag-fK^a), grqdhqllw9
gerade halb Uhr (grq-dhqlkvo und grqd-hqllwd). Kehlkopf-
verschluss kann bei Verschlussfortes eintreten, wenn sie
aussergewöhnlich stark artikuliert werden. So beim Rufen
auf weite Entfernung jqkhl priT^^j tlqttd nauhd Jakob, bringe
die Latte herauf. In der gewöhnlichen Rede fehlt er.
§ 22. Für die Berührungen der Laute im Worte und
Satze gilt der direkte Übergang (Sievers 378 f.). Wenn
Vokale, die verschiedenen Silben angehören, zusammentreffen,
- 15 --
herrscht der direkte Übergang ; es kann j als Übergangs-
laut eintreten, wenn der die zweite Silbe anlautende Vokal 9
ist. j wird immer gesprochen bei der Silbenfolge i-d : rui(i)J9
reuen {^ruien)^ pfui jg wurm pfui ein Wurm, saijo seien (und
*sei ein'), kxlqa-9 und k/l(^aij9 Klaue (mhd. Mo), ntd9 und
ru9ij9 ruhen (mhd. ruowen, ruoen). Ist der erste Vokal lang,
so ergibt sich bei einem J-Übergang ein Diphthong mit
langem erstem Komponenten : mag und maijg mähen, sä-g
und saip säen, k/rqg und kxrqijd Krähe u. a. Ist der erste
silbenauslautende Vokal 9, so stellt sich immer n als Über-
gangslaut ein. d gugtg n qrt, eine gute Art (g gugtg tsait, eine
gute Zeit), 9 n qrm, ein Arm, si göiwgn qlls sie geben alles
{si göitv9 dgr sie geben dir). Dieses Übergangs n hat sich
aus historischen Gesetzen entwickelt (§ 73). Über die Diph-
thonge und Triphthonge der Ma. (d. h. über die zwei (drei)
Komponenten einer Vokalreihe) vgl. § 3 und 5.
Folgt in einem Worte auf den Vokal ein Nasal *w,
w, ^, so wird die Artikulation des Konsonanten in der Weise
vorweg genommen, dass schon bei Beginn des Vokals (Diph-
thongs) das Gaumensegel gesenkt wird und der Nasenzugang
vollständig offen steht. Dies gilt nur für das Wort, nicht
für den Satz. hÖ7it Hand, sünng Sonne, nimm nimm, löv^r^
lang, namg neun, tsding zäunen, noumg Namen, hugygrt Heim-
garten, hämgrg hämmern, shid Schiene. , Aus praktischen
Gründen ist im folgenden der Nasalvokal nur bei Längen
(Diphthongen) bezeichnet (mit"), weil nach einem kurzen nasa-
lierten Vokal immer der die Nasalierung bewirkende Nasal-
konsonant erhalten ist; bei Längen ist auslautendes n ge-
schwunden (die Verschlussbildung wird nicht mehr ausge-
führt), poit Bahn, tsau Zaun, rüg Rain, sPg schön, mätig
Montag, sist sonst, l Inn, sä Sohn.
VERBINDUNGEN DER KONSONANTEN UNTEREINANDER.
a) Änderungen der Artikulationsart.
§23. Homorgane Konsonanten, /?, 6 explodieren,
wenn m auf sie folgt durch die Nase, kxlaupmdr klaube mir,
^arppihmd Erdbeben (mhd. hihenen), p, b, m, behalten zwar,
~ 16 —
wenn ihnen /folgt, ihre bilabiale Verschlussbildung, zu-
gleich wird aber durch die Vorausnahme der labiodentalen
Artikulation des /die Unterlippe an die Oberzähne gehalten.
In den Verbindungen /)/ (*6/ erscheint als pf), mf ist p, m
labiolabiodental. pfail Pfeil, loup ßgrd Laub führen, fimmf9
fünf, ummfqll9- umfallen. — Über ein labiodentales m vgl.
§ 9. Für die Verbindung mf ist noch der besondere Fall
zu beachten, wenn /im Auslaut steht; es ist in dieser Stellung
von mittlerer Stärke § 17. mf kann da regelmässig wie im
Inlaut artikuliert werden, oft hört man aber dafür mpf
fimmf und fimpf 5. p ist hier erzeugt durch Hebung des
Gaumensegels und Aufhören des Stimmtones vor der Lösung
des Lippen(zahn)verschlusses für w. Die Ursache ist die
energischere Artikulation des f — In den Wörtern hotnpf
Hanf, und sempf Senf (mhd. hanef^ senef, germ. p) ist das
mpf fest geworden. Für den umgekehrten Fall, für fp, fm,
tritt keine Änderung der Artikulation ein.
t, d werden, wenn sie mit s zusammentreten, etwas
weiter rückwärts artikuliert als in der Stellung zwischen
Vokalen {ds, sd wird zu ts, st). Doch ist der Unterschied
nicht gross. Die Zungenspitze, die bei t (zwischen Vokalen)
in der Regel noch das Zahnfleisch bis zu den Zähnen hin
bedeckt, reicht in diesem Falle bei der Verschlussbildung
bis zur Mitte der Alveolen. Die Ursache ist zu frühes
Zurückziehen der Zunge für die s-Bildung, bezw. bei St der
enge Anschluss der Verschlussartikulation an die Engen-
bildung; pötstqt Bettstatt, r^tsudx Radschuh, püt^l? bist
du da ? Für die Verbindung nn und l (Lenis n und l kann
nicht vorkommen, weil auslautende Lenis n geschwunden
ist) ist das Auftreten eines d charakteristisch, nndL Das
Gaumensegel wird immer einen Moment früher gehoben,
bevor der Mundverschluss des n seitlich gelöst wird; dadurch
wird eine d-Artikulation erzeugt, mit der sich ein momen-
tanes Aussetzen des Stimmtones verbindet. Dieses d ist
der Lenis d völlig gleich, l ist stimmhaft. In der gleichen
Weise ist das t in der Fügung nn s zu nnfs zu erklären :
Hebung des Gaumensegels und Aufhören des Stimmtones
vor der Mittelöflfnung des n- Verschlusses. Vgl. für nndl
~ 17 -
manndb Männlein, k/onndb Kanne (mhd. kanele), prinndh
Brünnlein zu Brunnen, trenndb ein Kleid auftrennen (mhd.
*trennlen), i pinn dlai/t tsfrtdd ich bin leicht zufrieden,
pann dlidyt beim Lichte, mennts Mensch, mnnts9 wünschen,
i hon7i tsidr ich habe schier, wenn tsuo wenn schon. Auch
zwischen / und s wird t artikuliert; der mittlere Verschluss
des l wird erst gelöst, nachdem die Zunge die seitliche
Verschlussartikulation für das s gebildet hat. walts wälsch,
föltso fälschen, wilts willst, hqalts heilst du,* tqaltstokx
Teil stock (am Brünnen), 3ir willtserikx9 er will schenken.
Bei der Verbindung von nn, l mit s wird die Artikulation
regelmässig durchgeführt: honns Hans, i pinns ich bin
es, hqlls Hals. Der Grund der verschiedenen Behandlung
in den Verbindungen von nn, l und s einerseits, ww, l und
s anderseits liegt in der energischen Artikulation des s, zu
dessen Bildung auch ein breiterer Teil der Zunge verwendet
wird. Bei sw, sl wird die Bildung für beide Teile normal
durchgeführt. In tl, dl explodieren t und l seitlich, in tn^ dn
durch die Nase, s und s wird zu s : ausüs Ausschuss, wqs-
sraist? was schreist du?
§ 24. Nicht homorgane Konsonanten.
1. Labiale und Dentale. Bei pl, hl wird die Zungen-
stellung für l während des Verschlusses des p, b gebildet.
Anm. Für bl wird häufig auch wl gesprochen, je nach der Silben-
trennung. Man spricht sowohl grä-wld als grcLb-ld „Öräblein^. h steht
im zweiten Falle im Auslaut, wo t^ nicht vorkommt. Eine Aussprache
gräW'ld mit der Silbengrenze nach w ist nicht vorhanden.
Bei pn wird der Lippen verschluss erst gelöst, nach-
dem der Zungenverschluss für das n gebildet und das Gaumen-
segel geöffnet ist. Wir haben in diesem Falle ein w, das im
Beginne einen Doppel verschluss, linguodentalen und labialen
hat. Die Resonanz eines so gebildeten n ist nicht ganz
dieselbe wie die eines bloss durch Zungenverschluss er-
zeugten, doch ist der Unterschied nur eben wahrnehmbar.
(Es muss also der zwischen den Zähnen und Lippen liegende
Mundraum an der Resonanz teilnehmen), k/nqp nöiwd knapp
neben.
2. Labiale und Gutturale, m und k, g; der Verschluss
Schatz, Die Mundart von Imst. 2
— 18 ->
des k, g wird gebildet noch während der Dauer des w. Es
liegt in diesem Falle ein Nasallaut vor mit gutturaler und
labialer Verschlussbildung. Selten ist es, dass die Lippen-
verschlussbildung vollständig aufgegeben wird und ij für
m ein tritt: ufjgöigot Umgebung („Umgegend"). Doch wird
auch bei dieser Lautverbindung das Aufgeben der wi-Arti-
mm
kulation (Öffnung der Lippen und Schliessung des Gaumen-
segels) und die Bildung des ^-Verschlusses gleichzeitig
durchgeführt, wenigstens kann ich beide Arten an mir
beobachten.
3. Gutturale und Labiale. Tjfj und ni. Der Lippen-
verschluss wird gebildet, während die Zunge noch den weichen
Gaumen abschliesst: lorpjmdr lange mir. Bei ^i^ und /:
Während der Verschlussstellung für r^ wird noch das Gaumen-
segel gehoben und der Stimmton aufgegeben, also ein Teil
der /-Artikulation vorausgenommen. Der so entstehende
gutturale Verschlusslaut ist von kurzer Dauer. Iot^tj kfqar
lange vor.
4. Gutturale und Dentale, i, g und s. s ist hier ein
wenig weiter rückwärts artikuliert als in der Stellung
zwischen andern Lauten. Die Färbung des Geräusches liegt
eine Stufe gegen s hin, doch ist es immer noch deutlich als s
gefühlt, qksb Achsel, i sqks ich sage es. Die Ursache ist
die Zusammenziehung der Zunge nach rückwärts bei der
Bildung des gutturalen Verschlusslautes, sie wird für die
.s-Bildung nicht in die Lage der reinen s-Artikulation vor-
geschoben, k, g und /. l ist hier am Gaumen gebildet, der
Zungenverschluss des g wird bloss seitlich gelöst. Doch
fühlt man bei kl, dass sich mit der seitlichen Öffnung auch
der hintere verschlussbildende Teil des Zungenrückens vom
Gaumen entfernt ; der vordere bleibt in seiner Stellung. Bei
fji] und 5 entsteht ein k in gleicher Weise wie t in nnts aus
*ns. oijTjksf Angst, he7]7]kst hängst, i priijrik sud ich bringe
schon. Bei der Verbindung ijij und s erscheint dieses fc
wohl im festen Wortkörper nicht aber im Satze : loyksom
langsam, aber i prhj9] S9 ich bringe sie. Wahrscheinlich hat
sich das g im ersten Falle erhalten in der Fügung ngs (als
ks)'^ ks ist dann als Produkt etymologischer Entwicklung,
— 19 —
nicht phonetischer Faktoren anzusehen, n wird nach k und
g zu 73, in w'6igij(ly dem Wege nach, nqakt] neige ihn.
5. Dentale und Labiale. Die dentalen Verschlusslaute
t, d, n werden zu labialen vor den Lippenlauten p, m und
vor /. — Natürlich treten dann die Modifikationen ein,
welche oben § 23 erörtert wurden: or hqt pqld wird zu dr
hqp pqld er hat bald ; 9 hompfoU aus o hont foll eine Hand
voll, snaidopmo SLUQ snaiddt ma schneidet man, grqpinni k/emmd
gerade bin ich gekommen, aus grqd pinm\ d röid fidro wird
zu 9 röip fi9rd eine Rede führen; 9 sombmqxx9 aus 9 sond
niqxx^ eine Schande machen. Hier und in hompfoll haben
wir Beispiele, welche zeigen wie intensiv diese Assimilation
ist; alle voraufgehenden dentalen Verschlusslaute werden
zu labialen; wenn fqrst wird zu tvemm fqrst wann fährst
du? i honn prq/t zu i komm pr^yt ich habe gebracht, i
pinn mit gwöst zu i pim mit gwöst ich bin mit gewesen.
6. Dentale und Gutturale, t, d, n werden vor k, g zu
k^ g, ri'. fitrt gib zu furk kto fort gehen, gwont kxqst9 zu
gwoijk k/qst9 „Gewand Kasten" Kleiderkasten, unt9rs rqk
k/emnid aus rQd k/ unter das Rad kommen.
Anm. 1. Es muss erwähnt werden, dass bei der Verbindung
ms sich kein p als Übergangslaut einstellt, sondern direkter Übergang
besteht: imSt^ nicht impst^ Imst: k^anis kämest du; die Schreibung „Imst"
kam erst im vorigen Jahrhundert zur Geltung. Früher findet man
immer Vrnbst geschrieben {Ynibst). Wahrscheinlich wurde der Über-
gangslaut auch gesprochen. Für mt^ yt herrscht heute direkter Über-
gang, k^imt kommt (ahd. quimit)^ siyt singt, omt Amt, hoyt hangt.
t wird hier immer beibehalten, auch bei pt im Auslaut: löpt lebt, grqpt
gräbt. Viele bairische Ma. haben mpt (m/?), yJct (^ä^), p für mt, yt^ pt^
vgl. Weinhold, bair. Gramm. § 122. 143.
Anm. 2. Der Hauchlaut h wird zu ;^, wenn er im Satze sich an
ein X anschliesst: i lai^ x^a ich leihe her, fnü/x^fi Milchhafen, aufy,
strik^ x^VV^ ^^^ ^®^ Strick hängen.
b) Änderung der Artikulationsstärke.
§ 25. Für die stimmlosen Konsonanten sind die Stärke-
abstufungen, wie sie sich zwischen Sonoren und im Auslaut
zeigen, oben § 14 — 19 erörtert worden. — Für die Berüh-
rung stimmloser Laute im Worte oder im Satzgefüge gilt
2*
— 20 —
das Gesetz: Treten Verschlusslaute aneinander, so haben sie die
volle Fortisstärke. Die Lenes werden also, sowohl wenn sie mit
Fortes, als wenn sie mit Lenes zusammentreffen, zu Fortes.
Treten Reibelaute mit Verschluss- oder Reibelauten zusammen,
so ist ihre Artikulation um ein geringes schwächer als die
der Fortes; dieselbe leise Schwächung haben die Verschluss-
laute. Nur homorgane Spiranten (f und f, s und s, s und s)
ergeben volle Fortes. (Vgl. Sievers § 175, Heusler, Alem.
Kons. d. Ma. v. Basel-Stadt S. 24, Kauflfmann, Geschichte
d. Schwab. Ma. S. 11. A. 3, Schild, Brienzer Ma. I. S. 31).
k/fiQppan tqar knapp beim Tore, riptqal Ripp(en)teil, tsruk
prifitjo zurück bringen, löptig lebendig und Lebtag, frqkt
fragt, rött redet, 9r hakkqar9 aus or hat gebärd er hätte gern,
si söittdrs aus si söü d^rs sie sagt dirs {söit mhd. seit)^
trqkpqr tragbar, Tragbahre, tsrvkter^kxd aus tsruk derjk/d
zurückdenken, dräkk(^9 „Drahtgarn", gedrehtes Garn, mqkt
Magd, jqkt Jagd, i gip tdr {i gib dsr) ich gebe dir, gri^t tur^
{grqd dur/) gerade durch, snaik ku9t (snaid gudt) schneide
gut, dr hqp kqr {hQb gqr) er habe gar, ftiijkkrudwo Fund-
grube.
Für- die Verbindung von Verschlusslaut und Reibelaut
sind die Aflfrikaten an erster Stelle zu nennen, p/", ts^ k/.
hupfd hüpfen, slqapf9 Fahrzeug, das am Boden schleift (zu
mhd. sleipfen), sitsd sitzen, ivqats9 Weizen, sqkx Sack, pr6ky9
Brocken. Es ist ein leiser Unterschied in der Energie der
Lautbildung zu bemerken zwischen. p in Iqapd übrig lassen,
(Haibjan) und jenem in slqapfd. Im ersten Falle haben wir
volle Fortis, im zweiten ist zwar auch Fortis aber die Arti-
kulation ist nicht ganz so energisch. Ebenso verhält es
sich mit / in slqapfo und der vollen Fortis ff in ätrqaffd
streifen (mhd. streifen, streipfen). Das Gleiche gilt für alle
Verbindungen mit Verschlusslauten, Lenis und Fortis. Vgl.
an Beispielen: stompfa stampfen, sumpf Sumpf, loupfidro Laub
führen, groupfäh grob fehlen , plqpföruo blau färben {plqb
blau), in trqpfqr9 im Trabe fahren, {trqp Trab), oft oft,
srqpfdrlioro das Rad verlieren, in hoiif ki^ in den Hof gehen,
dowöikfdrfäb den Weg verfehlen, gaitsig geizig, hqast heisst,
7-qasi reist, pqst Bast, qstig astig, uöspo Wespe, hqspl Haspel,
— 21 —
rqtsu9x Radschuh, wastig wasche dich, wlsparg Wiesberg,
gl^^tökxl Glasdeckel {dök/D, tsruksöiho zurücksehen, sQks sage
es, grqskalt Grasgeld (Weidegeld), nqxV^^' Nachbar, maxtig
mächtig, mqxtig mache dich, nqxkio nachgehen, ^raw/s schraube
es [sravfd), lotffmlw9r laufe selber {loiiffo laufen), is krqsfqrv
ins Gras fahren, lq§fairqwd(i) lass Feierabend (Abendgruss),
houßtqt Hofstatt, tcarxätqt W erksteitt [war x)iflciisfarwigÜeisd\'-
farbig, nqxsötsd nachsetzen, durxsains durchscheinen, wassqal
Wäscheseil.
Bei der Verbindung homorganer Reibelaute erscheint
volle Fortis. In 9s ist haus und houffdrprunno, es ist Haus
und Hof verbrannt, hat ff dieselbe Stärke wie in lotfffo
laufen; shausstoxo, das Haus suchen, ss ist gleich wie in
ausso hinaus. Die leise Schwächung der Verschlussfortis in
der Verbindung mit Spiranten tritt nicht ein, wenn zwei
Fortes vor einem Reibelaut zu stehen kommen. Sie be-
halten ihre volle Stärke, die Lenes werden zu vollen Fortes.
In tsrukk/emmo zurückkommen, slqhtsaü Zaun um ein Holz-
schlag, hqlptsud halb zu, hat k, p dieselbe Stärke wie in
tsrukha zurücktun, hqlptoü halbgetan. Zwischen dem x ii^
loupkxouffd Laub kaufen, und in qkxouffd abkaufen [q =
ab) besteht kein Unterschied, wohl aber zwischen k in beiden
Beispielen.
§ 26. In der Stellung nach Pause, also im Anfange
eines Satzes oder Satzteiles, wird jeder stimmlose Kon-
sonant als Fortis gesprochen. Die Versclilusslenes rf, g er-
scheinen in dieser Stellung als t, k. — Lenis h kommt im
Wortanlaut nicht vor; dafür steht p: tcijkx nqx denke nach,
i defjkx nqx ich denke nach, tlf dunto da drunten, tunt9 dq
laits drunten da liegt es, t9r fqt9r iss9S der Vater ist es,
i od9r d9r fqf9r? Ich oder der Vater? töis tu9 das tue, tu.o
döis tue das, ktbhqa gib her, k^a gthr^s geh gib ihm's, tqar
g^t der geht ; im Wortanlaut fehlt Fortis k. ffqr i9ts fahre
jetzt, rmr fqr9 wir fahren, ffri99r gqats it früher gehts
nicht, wi9 fri9'^ wie früh? ssQgm9rs sage mir's, kqa sqks geh
sage es.
Um den Grund dieses Satzanlautgesetzes zu erkennen,
muss auch das Verhalten der Sonorkonsonanten und der
— 22 —
Vokale nach Pause berücksichtigt werden. Vgl. mio^r mioss9
wir müssen, nalno wqarts sai neun Uhr wird's sein, Iqssi^'
lonffo lass ihn laufen, rqar it weine nicht (mhd. reren), jqjQ
jaja, tcqs mlhr? was will er? w^ar wqas? wer weiss? Die
m, w, Z, r, j, w im Satzanlaut sind unter erheblich stärkerem
Ausatmungsdruck gebildet als die inlautenden. Demgemäss
ist auch die Einstellung der Artikulationsorgane energischer.
Ein Vergleich mit den inlautenden Fortes mm, nn, II, rr
kann nicht gemacht werden, da diese von dem voraus-
gehenden Vokale abhängig sind (§ 20). Bei den betonten
Vokalen ist es schwer genaues zu beobachten ; sie haben als
Silbenträger immer den stärksten Exspirationsdruck. Doch
glaube ich im absoluten Anlaut einen etwas stärkeren Ex-
spirationsdruck wahrzunehmen als im Satzinnern : öiwo eben,
und piöitvQ ganz eben {bi eben). Merklich stärker ist er
bei schwachtonigen Vokalen: 9r hqt er hat, und hqttor hat
er: das satzanlautende 9 ist energischer gebildet als das
der Nebensilbe. Vor allem aber zeigt den stärkeren Aus-
atmungsdruck im Satzanlaut h. In haus und houf Haus
und Hof, ist das h von haus viel energischer gehaucht als
das von houf. Hier kann von einem Fortis-Hauch gesprochen
werden. Die Ma. beginnt also den Satz mit starker Exspira-
tion. Nun ist für die Lenes der Ma. eben der schwache
Ausatmungsdruck massgebend, die übrigen Faktoren, Energie
der Artikulationsstellung und Dauer, hängen davon ab. (Vgl.
§ 14 — 20), Die stimmlosen Lenes müssen also im Satzanlaut
zu Fortes werden.
Anm. Ich unterlasse es die Verstärkungen der Lenes durch
die Schreibung widerzugeben. In dieser Arbeit handelt es sich haupt-
sächlich um das Einzelwort und es würde die Deutlichkeit wesentlich
beeinträchtigen, wollte man z. B. die verstärkten Reibelenes durch Doppel-
schreibung bezeichnen.
Heusler hat a. a. 0. S. 27 A. die Schreibweise Notkers
für den Inlaut nach den schweizerischen Maa. erklärt. Da
die Imster Ma. — und mit ihr das westliche Oberinntal
mit seinen Nebentälern (die Ostgrenze vermag ich nicht
genau anzugeben) ebenso auch das bair.-österr. Lechtal —
den Wandel der Lenes zu Fortes auch im Satzanlaut auf-
— 23 —
weist, liegt es nahe diese Aussprache auch für die Ma.
Notkers vorauszusetzen. Heute ist das Satzanlautgesetz im
St. Gallischen nicht mehr wirksam. — Heuslers Annahme,
dass Notker für den Satzanlaut einem traditionellen Schreib-
gebrauch gefolgt sei, a. a. 0. und Anz. f. d. A. 19, 43 f.
kann nicht richtig sein, da Notker doch im Inlaut aus
phonetischen Gründen von der überlieferten Schreibweise
abweicht. Wäre die Aussprache der Lenes im Satzanlaut
in Notkers Ma. nicht eine andere gewesen als die nach
Sonoren, so würde er gewiss nicht das Zeichen der Portes
dafür geschrieben haben. An letzterer Stelle hat Heusler
daneben die Möglichkeit offen gelassen, dass in Notkers
Sprache im Satzanlaut starker Nachdruck geherrscht habe.
In der Ma. von Imst ist das der Fall und diese Vermutung
Heuslers ist die einzig richtige Erklärung der Vertretung
von b^ d, g, {v) durch /), t, i, (/) im Satzanlaute.
Bei dieser Ansicht über den Wandel von h, d, g, (v) zu
Pf iy ^> (/) in Notkers Schriften (und den wenigen Spuren
bei andern) wird vorausgesetzt, dass die obd. 6, d, </, {v)
im Ahd. stimmlose Lenes gewesen sind. Was in neuester
Zeit Wilmanns, Deutsche Gr. S. 52 f. für die Stimmhaftig-
keit von b, d, g vorbringt, kann nicht überzeugend genannt
werden. In der Sprache Notkers ist z. B. t (aus germ. d)
gewiss stimmlose Fortis ; wenn nun d (aus germ. p) im
Anlaut und nach Stimmlosen als t geschrieben wird, so
muss d in dieser Stellung doch eine Verstärkung zur Fortis
erlitten haben. Wäre t hier nur das Zeichen für die stimm-
lose Lenis, so müsste man annehmen, dass Notker dadurch
zwischen stimmhafter und stimmloser 'Media unterschieden
hätte. Nun ist aber für einen phonetisch nicht Geschulten,
der vorurteilslos beobachtet, ein solcher war Notker, der
Unterschied zwischen stimmloser Fortis und Lenis bedeutend
grösser und viel leichter wahrnehmbar als der zwischen
stimmloser und stimmhafter 'Media' (Lenis). Notker hätte
gewiss nicht für zwei so weit von einander abstehende
Laute, wie es stimmlose Fortis und Lenis sind, dasselbe
Zeichen gebraucht, nur um die stimmlose Lenis von der
durch den Stimmton sich unterscheidenden stimmhaften aus-
— 24 —
einander zu halten. Der Umstand, dass nur d (germ. p)
als t erscheint und für t (germ. d) der Wechsel mit d nicht
statt hat, erweist, dass 6, d, g für Notker die Normalform
der Laute gewesen sind und nicht p, t, k, wie Braune, ahd.
6r.2 § 103. 1, annehmen will. Die Normalform eines Lautes
zeigt sich doch da, wo sich seine Artikulation frei ent-
falten kann.
§ 27. Sonore Fortis {II, rr, mm, nn, fjtj) kann nur nach
kurzem starktonigem Vokale stehen. Wo diese Bedingung
nicht eintritt, erscheint jede zu erwartende Fortis als Lenis.
Vgl. alu9 allein, fila'i/t vielleicht qlhmql allemale, aber qldtnql
jedesmal (mit dem Ton auf der letzten Silbe), pämou aus
pam mou beim MannO; tsunemmd aus tsun nemmd zum nehmen,
doraissd (dor-raisso) zerreissen, fornk/t aus fdrriikxi verrückt,
mipmf()tdT(Jid9 [mit n fqtdr röids) mit dem Vater reden. Nach
langem starktonigem Vokale : liu^f]9rt Heimgarten, das ^ geht
auf fjfj aus mg zurück. Vgl. poijJidrt Baumgarten mit Kürzung
des Vokals (ö aus ow), gri&mot Grummet (aus grtionmät{d)),
fqare/t aus fqar re/t Vorrecht, flröidd aus ftr röid9 vor-
reden (mhd. mr reden), kxwqlaids aus kxwql laids Qual leiden,
tsoumqxx9 aus tsmm mqxx^ zahm machen, i sämig aus i säm
mig ich schäme mich.
C. DIE SILBE.
ÜBER DEN SILBENBAÜ.
Der Silbenträger ist der Vokal, in schwachtonigen
Nebensilben kann auch l, m, n, rj als Sonant fungiei^n Q, m,
n, 7^): kxittl Kittel, gibf^s gib ihm's, i praux'^ ich brauche
ihn, sqgi^s sage ihm's. Sonantisches r (f) kennt die Ma.
nicht. Wo ein solches zu erwarten wäre, ist immer 9 vor
dem r als Silbenträger vorhanden. fqt9r Vater, hunddrt
hundert, mqgdrdig^ mag er dich?
§ 28. Silbentrennung. Die Ma. hat nur Drucksilben,
der Ausatmungsdruck beim Übergange von einer Silbe zur
andern ist nicht einheitlich, nicht gleichmässig anwachsend
oder abnehmend, sondern erreicht das Minimum [zwischen
beiden Silben (Sievers § 510 f. 515). Sind die Sonanten
— 25 —
zweier Silben durch eine Lenis getrennt, so wird diese zur
Folgesilbe gezogen, sie hat anwachsende Exspiration: glou-to9
glauben, h^-fd Hafen, nöu-mg Name, sQ-d9 Schaden, löi-sQ
lesen , tsQ-b zahlen, dD-ne dienen , stai-go steigen , isä-Jwr
Zähre, spq-rd sparen, hiTd-ijdrt Heimgarten, su-wis Schön-
wies (Dorf), p9-fol'hd befohlen, gd-doijkxd Gedanke, k/a-lender
Kalender, dd-rinndvd erinnern (ddr-), stai-gciise Steigeisen,
sQ'diss9s schade ist es. Wenn zwei Sonore oder Sonor-
konsonant und stimmlose Lenis zwischen den Silbenträgern
stehen, so gehört der erste der ersten Silbe an, der zweite
(die sti. Lenis) wird zur Folgesilbe gezogen : päm-b Bäum-
lein, stamm-b Stämmlein, wör-m9r wärmer, gwqr-nd gewahr
werden, sö7-/5 Obstschale (ahd. sceliva), gul-d9 Gulden, mqr'g9
Morgen, kyöl-ivdr Kälber, halm-h „Hälmlein", han-s] Hansel,
pem-sl Pinsel. Stimmlose Lenis und Sonorkonsonant werden
entweder zur zweiten Silbe gezogen, oder die stimmlose
Lenis bildet den Schluss der ersten Silbe; beides ist mög-
lich : mäd-b und mä-dh Mädchen, häf-iwr und hä-fner Hafner,
Ü9b'lig und li9-hlig lieblich, louS'n9 und loU'Sn9 horchen (ahd.
losen), gräS'b und grä-sb Gräslein, gröid-n9r und gröi'dn9r
Grödner, fräg-b und frä-gb ausforschen (ahd. *ß'ägilon),
laug'f]9 und Iau-g7j9 läugnen. Die Fortes sind zwischen
stimmhaften Lauten immer Geminaten (ausser im Anlaute
einer Starktonsilbe, der eine seh wachtonige vorangeht): rqp-p9
Raben, hit't9 Hütte, ruk'k9 Rücken, hof'f9 hoffen, ös-s9
essen, was-s9 waschen, lqz-/9 lachen, fql-b fallen, sp'ör-ro
sperren, stem'm9 stemmen, sliß-rio singen, ton-n9 Tanne.
Natürlich ist die Artikulation einheitlich, die Diskontinuität
des Ausatmungsdruckes ist aber deutlich wahrnehmbar.
Auch nach langem Vokal und nach stimmhaften Konsonanten
(i, r, w, w, fji) ist die Fortis Geminata. Der Wechsel in der
Ausatmungsstärke während der Dauer der Fortisartikulation
ist hier nicht deutlich wahrnehmbar, aber sicher ist, dass
der Einsatz der Fortis noch der ersten Silbe angehört. Die
Fortis nach kurzem Vokal setzt mit der vollen Exspirations-
stärke ein ; diese ist nach langem Vokal beim Einsätze der
Fortis bereits abgeschwächt, weshalb auch der Absatz be-
deutend stärker ins Gehör fällt. Dass in früherer Zeit nicht
— 26 —
jede Fortis in dieser Stellung auch Geminata war, beweisen
die Dehnungen des Stammvokals vor t ; vor p, i, ß\ ss, xx
ist die Kürze immer erhalten geblieben. Inlautendes t war
einfache Fortis, />, k waren Geminaten (aus westgerm. 66,
gg). kxlaup'p^ klauben, louf-fd laufen, f^i-tdr Vater, grias-sd
grüssen, flais-sig fleischig, nqak-kd neigen, rou/'xo rauchen,
half'fd helfen, gilt-tig giltig, raijk-kb ringen (im Scherz),
wirx-yd weben (mhd. würken)^ tsqax-ynd zeichnen, gqas-sh
Geissei, slaijk'kl Schlingel. Bei Affrikaten fällt die Druck-
grenze in den Verschlusslaut: hup-pfd hüpfen, sit-tsd sitzen,
hqk'kxp hacken, wqat-tsd Weizen, Iqah-kxh anlocken, stotnp*pf9
stampfen, wint-tsig winzig, der^k-kyo denken. Sind die Silben-
träger durch zwei stimmlose Verschlusslau^e oder durch stimm-
lose Spirans und Verschlusslaut getrennt, so fällt die Silben-
grenze zwischen beide : löp-tor lebt er, mqk-tdlwno Magdalena,
höf'td heften, qs-tig astig, may-fig mächtig, nqy-por Nach-
bar, wöS'pj Wespe. Vgl. auch nqy-tlqgär Nachtlager, ^qs-pfty
Mastvieh, gars-td Gerste, hqlf-tdvd Halfter. Für den Satz
gelten selbstverständlich alle die Angaben wie für das Wort.
9r hqt'ti^S'Salt'tou er hat ihm's selbst getan, d-siä-touk-kytiok-
kxe^a'rd-pliwd es ist auch kein Kern geblieben, wqs-mqx-
yi-gq-iodr wen-nöiS'nix'tqr'WO'tdt ? (auch wq-stnox-xi-gq-wor
u>en-nöi-smy'tqr'Wf)-i9t) , was mache ich aber, wenn ihr
nichts arbeitet, nix-kyo^i-nik-tto nichts kann ich tun.
§29. Silbenbetonung. Die Exspiration einer Silbe
ist beim normalen Sprechen einheitlich ; sie hat ihre grösste
Stärke im Silbenträger und sinkt von da gleichmässig bis
zum Schlüsse der Silbe; hqss Hass: Die Exspiration steigt
rasch, erreicht in q den Höhepunkt und verliert sich, immer
schwächer werdend, beim Absätze des ss. In tilg Tag, sqd
schade, gr^h Grab, ist das Aufhören der Exspiration beim
Absätze des g, d, b deutlich vernehmbar, ohne dass dieser
etwa fest oder gehaucht wäre. Am Beginne des q hat die
Exspiration die grösste Stärke, das Sinken ist von da an
gleichmässig durch das ^g, Qd, qb hindurch. Der exspira-
torische Silbenaccent der Ma. ist einheitlich also eingipfelig
(Sievers 542), Zweigipfelige Silbenbetonung fehlt der nor-
malen Sprechweise; nur wenn ein starktoniges, einsilbiges
— 27 —
Wort mit Nachdruck gebraucht wird tritt sie ein: /(><>, un-
williges ja* (gleich: ich höre es ja, sei nicht so lästig), ivi)j
starkbetontes wie' gleich nhd. „Wie, lass mich ungeschoren"
oder ähnlich.
Für starktonige Silben gilt die Regel, dass kurze
Vokale den stark geschnittenen Silbenaccent haben, lange
den schwach geschnittenen. Lange Vokale haben nur aus-
nahmsweise, wenn ein Wort besonders scharf markiert
werden soll, den stark geschnittenen Accent. Die Exspira-
tion hält dann in gleicher Stärke durch den ganzen Sonanten
hindurch an. In nebentonigen Silben können auch kurze
Vokale den schwach geschnittenen Accent haben. Vgl. ^linmi
nimm, sqtt satt, oss,) essen, Iq//j lachen, im ihm, vQt Nat,
lölsj lesen, prq/9 brach machen, ßlal/t vielleicht, soldqt Soldat,
Iqr^ksöm (auch Ur^ksomm) langsam, re/nüf^ (f'^/7imj}j) Rechnung.
Der tonische Silbenaccent lässt sich schwer von der Be-
handlung des tonischen Satzaccentes loslösen, da die tonische
Accentuierung einer Silbe stets von ihrer Stellung im Satze
und, falls sie als selbständiger Satz fungiert, von der logischen
Art des Satzes abhängig ist.
§30. Silbenlänge. Ausser den auf Vokal auslautenden
auch bei normalem Sprechen mit dem scharf geschnittenen
Accent versehenen Interjektionen wie dq da (schau), sS hier
nimm (sieh), d ach, ach was, kennt die Mundart nur lange
starktonige Silben. Ist der Vokal kurz, so erscheint die
Konsonanz lang. Vgl. ivoül wohl, wall ja.
Abstufungen in der Länge starktoniger Silben lassen
sich nicht erkennen, wenigstens nicht ohne experimentelle
Messungen, wotd und ivoll beanspruchen dieselbe Dauer.
s^d schade, und s^rfi> schaden : sqd und sq-{d<T>) haben gleiche
Quantität. In Beispielen wie gold Gold, hqlt halt, parg
Berg, hqrt hart, /'und Fund, hunt Hund, haben Id und
ft, rg und rt, nd und nt dieselbe Quantität. Nach dem
Silbenaccentgesetze (Sievers 560 f.) ist, da diese Wörter den
starkgeschnittenen Accent haben, zu erwarten, dass Z, r, n
als Fortes auftreten. Wie schon oben § 20 angedeutet
wurde, fällt ein Teil der Dauer der Fortis /, r, n dem t zu,
— 28 —
nur wenn Lenis folgt, haben die Sonorkonsonanten nahezu
dieselbe Dauer wie als Fortes zwischen Vokalen.
Abstufungen in der Quantität langer Vokale kommen
vor. q in rqt Rat , ist dehnbar (also lang) aber nicht so
lang wie q in rqd Rad. Die Länge der ganzen Silbe ist
bei beiden dieselbe; was in rQt das ^ kürzer ist, kommt der
Dauer des t zu gute; die Dauer des d in rqd ist gering,
folglich q länger.
D. ZUR KENNTNIS DES EXSPIRATORISCHEN WORT-
UND SATZACCENTES.
§ 31. Hierüber können die Angaben nur allgemeiner
Art sein, da die Stärkeabstufungen der einzelnen Glieder
untereinander sich nach dem blossen Gehör nicht mit der
Genauigkeit bestimmen lassen, welche für eine eingehende
Behandlung dieses Abschnittes wünschenswert wäre. Am
kräftigsten ist die Ausatmung bei der Erzeugung der logisch
bedeutsamsten Silbe des Wortes. In doi]k/pqr dankbar, hat
doTjkx den Starkton, schwächer, aber noch immerhin kräftig
ist die Exspiration in pqr. In hailig hat hai den Starkton,
Hg einen Nebenton, der schwächer ist als der von pqr.
In söih9 sehen hat söi den Starkton, ho ist schwach ge-
bildet. In diesen drei Wörtern liegen vier Stärkeabstufungen
des Accentes vor. Die Stammsilben tragen den Starkton,
die Accentierung von pqr und lig kann nebentonig genannt
werden , pqr hat starken Nebenton , lig schwachen ; die
Silbe hj hat den Schwachton. Die Abstufungen sind deut-
lich, der Stärkeabstand von söi und h9 sehr gross. In dem
Worte umfqlld umfallen, ist das Verhältnis in der Accen-
tuierung von fql und U ziemlich dasselbe wie in söi-h9, um-
ist aber stärker gebildet als fql, es gibt also auch Ab-
stufungen von starktonigen Silben. (Vgl. auch Sievers 613).
In der Zusammensetzung von dof^k/, pqr und k/ait hat die
erste Silbe doTjk/ den Starkton, k/ait ist erheblich schwächer,
am schwächsten ist pqr^ jedoch stärker als h9 in söih9, l9
in timfqllo] es stellt sich dem lig im isolierten hailig gleich,
hat schwachen Nebenton. doTjk/pf^rk/ait Dankbarkeit (1 =
1 3 2
- 29 --
Starkton, 2 = starker Nebenton): Silben mit starkem Neben-
ton können eine Schwächung der Accentuierung erleiden,
wenn sie vor einer stärker betonten zu stehen kommen.
In hailig9pilt9r, Heiligenbilder ist -fö- stärker betont als
'ffi^; der Unterschied ist nicht gross; in thailigd fdrqard A\q
Heiligen verehren, verliert -W- den Nebenton zu Gunsten
des -^^. Silben mit schwachem Nebenton können in der
rhythmischen Gliederung des Satzes den Nebenton an eine
im isolierten Wortkörper schwachtonige Silbe abgeben und
sinken zum Schwachton herab. In re/nui] Rechnung, hat
utj starken Nebenton : tre/nui]9 tsqh die Rechnungen zahlen,
la 2 4 Ib 4
tre/nuij^ fdrprennd die Rechnungen verbrennen. Der starke
la^ 2 4 4 Ib 4
Nebenton bleibt einer Silbe erhalten , wo ferne nicht die
darauffolgende Silbe stärker betont ist. Vgl. dor^k/jpörkxait
1*32
und tre/nufj tsqld die Rechnung zahlen, wo uf^ nur schwachen
la 3 Ib
Nebenton hat. — Silben, die sonst den Nebenton haben,
können vor einer stärker betonten völlig schwachtonig werden.
qawdkxait neben qawik/ait Ewigkeit; vgl. Udndtswuotsk ein
14 2 13*2 142
und zwanzig.
Dieselben Verhältnisse hat die Ma. im Satze, mqrgd
2
muds I qls a ddr \ qrwdt \ sal Morgen muss alles an der Arbeit
la Ib 2
sein. Die Starktonsilben des 1 . und 4. Taktes mqr und sai
sind etwa gleich stark, erheblich stärker ist dagegen qls
und qr-, letzteres etwas schwächer, mms sinkt hier vor
dem am stärksten accentuierten qls zu einer Schwachton-
silbe herab und wird in solchen Fällen oft auch als m9s
mit einem w-artig klingenden 9 gesprochen. — Starktonig
ist es in mqrgd mudss dr gw morgen muss er gehen,
wenngleich die logische Bedeutung dieselbe ist, wie im
ersten Satze, hqt md \ n i ddr \ ferstaig9ruf] \ ni/ifdr \ k/ouft?
2 4 (3) 4 4 2 4 4 la 4 Ib.
Hat man in der Versteigerung nichts verkauft? — Den
Satzstarkton hat nixt ; am nächsten steht kxouft. Mit diesen
verglichen haben hqt und stai- nur starken Nebenton, sind
aber in ihren Satztakten die dominierenden Starktöne, ur^
— :^» —
fttfrht auf de^«^♦:l^>frn Stufe wie r^r. Diese Sciiwich.m^ des
Nf;hf?ntone!^ vor St^rktön i-t «i:*r rr-»ach*:r. liiL-s «ia> Suffix
'Un auch als i//. '// erHih^^ii.r: /^yV f-J^^^.^i.j gn^tt Is-t die
^jl^^ung** Mer Erlu'^.^ i^utr t.tairig löi^.^ tii^ Zirirung lesen.
iV/ für ww ist heute wjch an di^'^e Bedic^un-rt-n geknüpft,
aber der Anstoss zu einem Wandel des SuftLxes -m» zu ly
i.st dadurch gegeben, is^ ff*r hf li 'J^^rnn f>ri..tii't Ist die
Versteigerung vorbei? Hier hat ntt den starken Nel^enton.
— Von diesem Gesicht.-^punkte aus wird sich auch der Si^hwund
des mhd. in im Artikel Fem. SlcI. und Neutr. Plur. erklären
lassen, da sonst auslautendes -'W nie schwindet. Er erscheint
heute als t. Betonungen, wie liie bei Sievers 612 ange-
führte konfitantinopelj oder im Satzgefüge 61t> foritsufj sind
1 2 1 '' ^ 13 2
der Ma. nicht geläufig. Man spricht k/otisfantinofil und
Ib 2 3 la
(ihondlurj Abhandlung. Schwere Xebensilben sind heute die,
1 2 3
welche die vollen Vokale erhalten haben, som, fnilsom fried-
sam, pQT, mlim' scheinbar, hqft, sqdhqft schadhaft, sqft
faVsQft Feindschaft, -?<w, -halt, ksitnthait Gesundheit, -k^ait
u. a. — Dass man aus der Erhaltung ihrer vollen Vokale
nicht unbedingt auf die Accentverhältnisse in einer frühern
Zeit allgemein schliessen darf, zeigen Beispiele, wie Qrw9t
Arbeit, hqatsH Hochzeit, kxroi]k/9t Krankheit, Qrm9t Armut,
vqxp^r Nachbar. Schwächere Xebensilben der heutigen Ma.
sind die mit /-Vokal; in Adjektiven auf -«y (ahd. ig, ag, ug)
auf 'Hg (mhd. Hch) auf -?s, Substantiven auf ig, Ug : süntig
Sonntag, snitlig Schnittlauch, hampflig Hänfling u. a. Der
schwache Accent gehört den Silben mit -^- Vokal an. Reihen
sich im Worte und Satze mehrere solche aneinander, so
kann eine etwas stärker accentuiert werden als die um-
gebenden: i ddr kxommdro fdrstökx^ in der Kammer ver-
8 4 la 4 3 4 Ib 4
stocken. Nur in der ma. Metrik kann auch ein d den Stark-
ton haben: hossld, hossb, rait9 (schaukeln, schaukeln, reiten),
la 4 Ib 4 la Ib
kens kt<* g^nopfdr [t gens gr<i) die Gänse gehen zum (gegen)
U Ib la Ib
Opfer, (x X, >< X, X, >< und x, x, x x, x).
— 31 —
E. ZUR KENNTNIS DES TONISCHEN WORT- UND
SATZACCENTES.
§ 32. Die Behandlung des tonischen Accentes ist eine
der schwierigsten Aufgaben für die Maa.-Erforschung. Der
Beobachter ist sehr leicht geneigt, seine eigene Aussprache
als wirklich mundartliche Eigenheit anzusehen; aber gerade
der tonische Accent wird am leichtesten abgestreift, wenn
man einmal längere Zeit sich der Schriftsprache bedient
hat. Die folgenden Beobachtungen sind alle aus dem
Volksmunde geschöpft und wiederholt durchgeprüft. Im
Aussagesatz trägt die Starktonsilbe eines Taktes den Hoch-
ton; die schwach accentuierten Silben sind im allgemeinen
um IV- bis 3 Töne tiefer als die starktonige. Je schwächer
der exspiratorische Accent einer Schwachtonsilbe ist, um so
tiefer ist der musikalische. Doch sind die Intervalle zwischen
den Schwachtonsilben nicht grösser als etwa V- Ton.
mqrga röigr^dts morgen regnet es.
e es g es
röi hat den Stark- und Hochton.
i9ts ist 9r dq jetzt ist er da ; der Starkton ist auf dq.
es e es g
dqar iss9s der ist es, mit dem Starkton auf iss-.
e g es(d)
dqar iss9s der ist es; der Starkton ruht auf d^ar.
g e es
Steht die Starktonsilbe am Schlüsse eines Aussage-
satzes, so kann sie, wenn ihr Sonant lang ist, einen Doppel-
ton haben; derselbe ist stets fallend (Terz bis Quart).
döis tuats das thut's.
e g^d
dr hqt gqr er hat gar.
e e{es)g^es.
Reihen sich in einem Satze mehrere Takte aneinander,
so hat der am stärksten accentuierte den Hochton ; die ihm
untergeordneten Takte stehen zu ihm in demselben Ver-
hältnis wie die schwachtonigen Silben eines Taktes zu ihrer
Hauptsilbe. Der tonische Accent der Silben eines Neben-
- 32 —
taktes ist schwebend zu nennen, die Intervalle betragen
etwa einen halben Ton.
si frq I g9 ni/t \ ddrnqx sie fragen nichts darnach.
es e es g e es
döis I gqat \ nimmd das geht nicht mehr.
e es g d
dq ist tsuig \ gr^udg da ist Zeug genug.
e d(es) es g^d
9s ist I hqlw^ \ tswölfd es ist halb zwölf (Uhr).
es e es d g d
tswiBnig und \ tsfll \ ist snqrrd tsil
e es d g e g e es
zu wenig und zu viel ist des Narren Ziel.
es mues sdt es muss sein; es mu9s säi.
es e g^es es g d
hä%d ist dr ou toid^r in wqld gwöst
e es d g es d — es d
heute ist er auch wieder im Walde gewesen.
mit sölnd lait k/onnme ni/t öufofj7^9
es e es e es g e d des
mit solchen Leuten kann man nichts anfangen.
tmaurd nist umkfqlld die Mauer ist umgefallen.
g e es f e es
i glops it g^r9 ich glaube es nicht gerne.
es e g d des
mqrgd wqard topf] fu dein9 drai petm prok/t
e ' es ' e - es g e es e d
Morgen werden die Äpfel von diesen drei Bäumen
gepflückt.
Auch bei der parataktischen Verbindung zweier Aus-
sagesätze hat der stärkste Takt den Hochton. Im ersten
Gliede tritt, wenn dem Starktone noch Silbenfolgen (schwach-
tonige und Satztakte) ebener Ton ein bis zum Schlüsse des
ersten Satzes; das zweite Glied wird wie der einfache Satz
behandelt.
i9ts g^a ig tsun prunnd n und houl 9 wqssdr
es e es d g g es f e g d
jetzt gehe ich zum Brunnen und hole (ein) Wasser
I
«
^ 33 -
fdrgössdts it \ und kxemmdt pqld
es g e es es g e es
vergesst es nicht und kommet bald.
i gaf^fj SU9 \ Qw9r 9s ist tSpät
es g g es - - d g
ich gienge schon, aber es ist zu spät.
9r hqt d9 hunt gsöih9 \ drum ist 9r it plm9
es e es g g g{d) es e es d g d
er hat den Hund gesehen, darum ist er nicht geblieben.
Im Befehlsatze herrschen dieselben Verhältnisse wie
in der Aussage. Der tonische Accent ist mit dem exspira-
torischen verbunden. Je stärker dieser ist, desto höher ist
jener. Die Intervalle sind häufiger Quart (manchmal auch
^/2 Ton darüber) als Terz. Vielfach sind im Befehlsatze die
exspiratorischen Accente schärfer markiert als in der Aus-
sage. Der Exspirationsdruck ist durch die ganze stark-
tonige Silbe hindurch energisch (scharf geschnittene lange
Vokale); der tonische Accent kommt deshalb im Befehl-
satze bei solchen Silben mehr zur Geltung. Öfter ist auch
mit dem Befehlsatze höhere Stimmlage verbunden (etwa um
einen halben Ton). Vgl.
i räum tstüw9 n au ich räume die Stube auf.
es e g es d
räum tstüwd n au, als Befehl aber auch:
e g es d
ges a f e
gqa in wqld \ und houl d holts
e es g es e es g{ges)
geh in den Wald und hole (ein) Holz.
houUt dd wqgd hqa und löigH nq/x^ n au
e es dg ges g es e es e(es) es g
holet den Wagen her und leget dann (nachher) auf.
Auch hier ist wie beim Aussagesatz ebener Ton von
der stärkstbetonten Silbe des ersten Satzes bis zum Schlüsse.
FRAGESÄTZE.
Besteht ein Fragesatz nur aus einem Satztakte, so
kann dieser einsilbig sein, wqs ? was ? Die Silbe ist exspira-
Schntz, Die Mundart von Jmst. 3
— 34 —
torisch eingipfelig, hat aber einen musikalischen Doppelton
in aufsteigender Folge. Der Unterschied der beiden Töne
beträgt zum mindesten eine Terz; in der normalen Sprech-
weise mag der Gebrauch eines Tonunterschiedes von einer
grossen und kleinen Terz gleichwertig sein, wqs ?
e^g oder e^as.
Dieser Doppelton der einsilbigen Frage ist nicht auf die
Schallfülle der Silbe beschränkt, da er auch Wörtern zu-
kommt, deren kurzer Vokal zwischen stimmlosen Konso-
nanten steht, pis? bist du? tsukxst? zuckst du? gqats? geht es?
e^as e^as e^g
Gehen der doppeltonigen Silbe Nebensilben voran, so gilt
die Regel: Die unmittelbar vor der Starktonsilbe stehende
ist etwa V^ Ton tiefer als der erste Ton jener.
wqs willst? was willst du? ferluirst? verlierst du.
es e^g es e^as
Gehen mehrere Nebensilben voran, so haben sie ebenen Ton.
QW9r haui? aber heute?
es es e^as
Folgen schwachtonige Silben, so schliessen sie sich, konti-
nuierlich fallend, dem zweiten Tone der Hauptsilbe an.
hqw9ts? habt ihr? houls9s? holst du's? wölldsds? wollen sie es?
e^g ges e^g ges e^g-ges
Der zweite Ton wird manchmal der Nebensilbe zugeteilt,
wenn der Vokal der Starktonsilbe kurz ist.
ist9rs? ist ers? und ist9rs? glopsds du? „glaubst es du**?
e as e^as g e g ges
Wenn vor und nach der Starktonsilbe Nebensilben stehen,
so haben wir eine Kombination der angegebenen Verhält-
nisse. Eben (leise steigend) bis zum ersten Ton der Haupt-
silbe und leise fallend nach derselben.
wi^s söit 9r? wid mqxtmdsB? Was sagt er? Wie macht man sie?
es e^g ges es e^g - ges
Besteht der Fragesatz aus mehreren gleich starken Takten,
so hat der erste den Doppelton, der zweite nur einen, den
Hochton des ersten.
wld hqast md döis? Wie heisst man das?
^s e^g ge^ g
es
- 35 —
w^ar issds gwöst? Wer ist es gewesen?
es f^^'' ^
{ e g
Wenn dem zweiten (letzten) Takte schwachtonige Silben
folgen, sinkt der Ton von der Starksilbe ab um eine Terz
(auch Quart).
m9 hqt nidn k/qas$9? Wie hat man ihn geheissen?
\e g ^ <''^
Haben die Satztakte verschiedene Stärkeabstufung, so kommt
der den Fragesatz charakterisierende Doppelton dem stärkst
betonten Takte zu, die« andern Takte haben den höhern Ton
dieser doppeltonigen Silbe, wenn sie ihr nachfolgen, den
tiefern, wenn sie vorangehen.
hqwdsds kxoult? Haben sie es geholt?
e es d e^g
Iqt m9 dig mit? Lässt man dich mit?
e es d e^g
gef^ij9ts öis mqrg9 n it h/ir/d? Gehet ihr Morgen in
eis d e es d\ / ^
die Kirche?
f as g
hqt ddr mötsk9r sflais prq/t? Hat der Metzger das
e es e €8 e e^g Fleisch gebracht?
' saits na/t is widrtshaus goyy9?
es e es e^g ges ges d
Seid ihr gestern ins Wirtshaus gegangen?
wqs wqar9 s9 n öpp9 widdr wöll9?
es e^g - ges ges f ges Jgd
Was werden sie etwa wieder wollen?
Wie eng in der Imster Ma. der Hochton mit dem Starkton
verbunden ist, kann man aus der Variation eines Frage-
satzes ersehen.
mqrgd gva m9r? Morgen gehen wir?
es^g ges g e
mqrgd gCd mar? Morgen gehen wir?
e es es^g ges
mqrgd gi9 mi^r? Morgen gehen wir?
e es d{es) es^g
3*
- 36 —
saits naxt is wi9rtshaus gotjtj»?
es g ges f ges es es c
Seid ihr gestern ins Wirtshaus gegangen?
saits na/t is wisrtshaus goyyd?
es e^g ges g f f d
Seid ihr gestern ins Wirtshaus gegangen?
saits tia/t is wi^rtshaus go'i]tj9?
es e es e es e g ges
Seid ihr gestern ins Wirtshaus gegangen?
saits öis na/t is widrtshaus gofjije? Seid ihr u. s. w.
es e^g ges f ges f f d
Vgl. dazu das Beispiel oben. Für Sie Doppelfrage ändert
sich die Betonung nicht.
w^ar gqat \ i \ oddr du? Wer geht, ich oder du?
es e^g g e g
stqast au I oddr it? Stehst du auf oder nicht?
es e^g es g?
sdt S9 n in wold giv'öst od^r a ddr qlb?
e es d e^g ges e - d e^g
Sind sie im Walde gewesen oder auf der Alpe?
hqttdr sgalt, oddr mudss drs laih9?
e g ges , es e es e^g ges
Hat er das Geld, oder muss er es leihen?
In hypotaktischen Verbindungen hat auch das am stärksten
accentuierte Wort den Hochton.
wenn gu9t wött9r ist^ k/onn mds wqgd
e es g ges g e e g d
Wenn gutes Wetter ist, kann man's wagen.
ds ist qlwig dsou wenn ddr summor dqhqa k/imt
e g f e e - ges f e f e
Er ist immer so, wenn der Sommer daher kommt.
9r hqt gwist dass ds ni/t ist (dass 9s niyt ist)
es g es f es es • es f
Er hat gewusst, dass es nichts ist.
duss ds dsou k/imt hat nt^indt gmudt
e es ' f f es g e es
Dass es so kommt, hätte niemand gemeint.
— 37 —
9r rot nimmd wail mdn atislqx^
es e g e es d f d
Er redet nicht mehr, weil man ihn auslacht.
wi9 m9s traiht so gqats Wie man's treibt, so geht's.
es
e es g
^ -^ {a$ e
m9 k/onns it qlwig h^wd wi9 mds grqd mext
d es e g e es d es d d , e
Man kann es nicht immer haben, wie man es gerade möchte.
du mudst össd^ qars k/qH w^art
e es g d es f es
Du musst essen, bevor es kalt wird.
qar gqat fqar tsunnd n au ist
es e g e es d des
Er geht, bevor die Sonne auf ist.
fqar hat den stärksten Ton des Satzes und deshalb auch den
Hochton.
IL DIE HISTORISCHE ENTWICKLUNG DER LAUTE,
A. VOKALISMÜS DER STARKTONIGEN SILBEN.
Ȥ 33. Mhd. a erscheint als (?, gedehnt als q; vor
Nasalen als ö, gedehnt als ou: Iqst Last, sqttd Schatten,
Iqttd Latte, nqss nass, rqsO rasten, fqst fast, rqts Ratte
(mhd. ratze), k/rqts9 kratzen, pqrt Bart, kyqrO Karte, ddr-
pqnn9 erbarmen, gQrwd Garbe, qrg arg, gqlg^ Galgen, pqlU
Ballen, wqld Wald, kyolwd Kalbin, hqls Hals, hynqp Knappe,
hqftd haften, sqffd schaffen, pqxx^ backen (ahd. hahhan),
twdrnqyp übernachten, kyqyp Kachel, trqyt Tracht, sqk/
Sack, wqkkd grosser Stein in einem Bache (ahd. waggo),
ivqks Wachs ; tql Tal, tsql9 zahlen, wqs9 Rasen (mhd. wase)
sQd9 Schaden, stqd} Stadel, fqra fahren, qrtig artig, gqr gar,
mQr mürbe (ahd. maro)^ wqtd waten, fqt9r Vater, grqwd
Graben, hqfd Hafen, tqfld Tafel, stqh Stab, hqg Hag, mqgd
Magen, stqh] Stahl, plqhd Blähe (mhd. blähe), ksmqy Geschmack
(ahd. smah), lofjf] lang, tsoijfp Zange, ofif^Br Anger, stvofjkyd
schwanken, dov^kx Dank, hont Hand, sronts Schranz, tonn^
Tanne, tsond Zahn (ahd. zand), hondl Handel, hommd Tier-
schenkel (ahd. hamma), fdrdomt verdammt, stomm Stamm,
kxommdrd Kammer, saurompfdr Sauerampfer, lomp Lamm,
ou an, mound mahnen, nnyU- Mann, hou Hahn, pou Bahn,
noumd Namen, löum lahm, kyroum Krampf (mhd. kram),
houmdr Hammer, wöumU wimmeln (Ablautbildung).
§ 34. Mhd. ä wurde zu q, gekürzt zu q, vor Nasalen
zu ou: qwH Abend, s^ Schaf, slqffd schlafen, gqh Gabe,
grqf Graf, strqffd strafen, grqt Grat, qtdrd Natter (mhd.
- 39 —
nätere), pl^tdrd Blatter, mqd Mahd, nqdl9 Nadel, öpi/^ Atem,
pl(lsd blasen, m^s Mass, ^s Aas, h^r Haar, kfqr Gefahr, mqU
malen, nqU Ahle (mhd. äle), frqg^ fragen, swqgdr Schwager,
spr^ Sprache, pr^/d brachen, d^/t Docht (mhd. däht), kyrQs
k/rqij9 Krähe (ahd. krätoa), wqr wahr; mou Mond (Mann,
vgl. § 33) (mhd. mäne), möunet Monat (mhd. mänöt), öU,
öund ohne (mhd. äne), spöii Span, wousinmq wahnsinnig,
kxroumdr Krämer (mhd. krämer), souma Samen, oumar Be-
gierde (ahd. äwar), joumar Jammer (jämar), droum^ Dach-
balken (mhd. dräme), lqss9 lassen (mhd. lä^en)^ strqss Strasse
(mhd. strafe), nqxy9 nachher, dann (mhd. nach-), nq/pdr
Nachbar [nächhür)^ k/rqpf^ Krapfen (kräpfo),
§ 35. Mhd. a und ä sind heute qualitativ nicht von
einander geschieden. Dass. auch das kurze mhd. a als q
(bez. als ein weiter rückwärts gebildeter Vokal) erscheint,
kann ein Kennzeichen dieses westlichen Teiles des bairisch-
österreichischen Dialektes gegenüber dem angrenzenden
schwäbisch-alemannischen, welcher die Qualität des mhd.
kurzen a bewahrt hat, genannt werden. (Über die Ent-
sprechung q für a Weinhold, bair. Gr. S. 17. 37). Für die
Imster Ma. ist wieder kennzeichnend, dass a und ä dieselbe
Entsprechung q, q, vor Nasalen oü, haben. Sie erstreckt
sich über das ganze Oberinntal und das bairische Lech-
tal und reicht bis in die Nähe von Innsbruck. Auch das
obere Vintschgau hat q für a und a. In dem Bereiche von
Innsbruck und Meran ist eine Differenzierung zwischen dem
kurz gebliebenen mhd. a und dem gedehnten {ä) und langen
d vorhanden. Vgl. die Angaben bei Maister, die Vokal-
verhältnisse der Ma. im Burggrafenamte, S. 5 f. , die im
wesentlichen auch für Innsbruck gelten. Dem kurzen a
entspricht q wie in Imst, dem gedehnten und langen jedoch
qu mit offenem o, vor Nasalen ü,
Fremdwörter, die erst spät in die Ma. aufgenommen
wurden, haben ihr a bewahrt: watta Watte, praf brav,
pat9r Pater, Mönch, äpar aper, schneefrei. (Vgl. Kluge,
etym. Wb.'^ s. v.). Wäre unser Wort urgerm., so müsste
kurzer Vokal herrschen (aus westgerm. *abbr- hätte nie
äpar entstehen können, da vor p nie Dehnung eintritt).
(
-- 40 —
kspass Spass, sakk9r9 Interjektion aus lat. sacrawentum,
mars Marsch, maks Max, martdrd martern, kyasarmd Kaserne
(ital. casarma, caserma), päl Ball, prak/tis praktisch, tawak
Tabak, massd Masse, säl Shawl, tsavik linkischer Mensch
(grödner. zanco link), prants Bande, Trupp (frz. branchejy
laks schlaflf (lat. laxus)^ rar köstlich (rarm), grass^ Mut
(wälschtirol. curagia) u. a. m.
§ 36. Dem umgelauteten a entspricht in der Ma, ö,
öi im allgemeinen in jenen Wörtern, in denen der Umlaut
bereits im Ahd. durch e bezeichnet wird.
s'öpf9 schöpfen, sröpfd schröpfen, kxVöppd kleben (west-
germ. *klabjan), spi7in9wöpp9 Spinne (ahd. spinnaweppi), löffl
Löffel,, Äö/^a heften, höft Heft, k/röftig kräftig, öpfl Sgl. u.
PI. Apfel; der Umlaut wurde aus dem Plural ^ephli, ephili
(Braune, ahd. 6r.^ § 27. 4) in den Sing, übertragen, bez.
der Sing, aphul nach dem Plur. ephili zu aphil ephil umge-
wandelt. höiw9 heben, höifommd Hebamme, höif] M. Hefe
zum Ansäuern des Teiges (zu *hafy'an), söiwig schäbig (zu
schaben), söiw9 Hautkrankheit, fröiwd freuen, fröid Freude
(di\iA.freiven,frewida)^ mhd.frÖ7iwen, fröude gehen auf ahd.
frauwen (aus frawwjan) *frauida zurück ; lägen diese der
Ma. zu Grunde, müsste man fraijd, fraid, erwarten, wie sie
tatsächlich bereits in Flaurling, 4 Stunden westlich von
Innsbruck, gesprochen werden (frai^ fraid). str'öiw9 streuen
(ahd. strewen), pöt Bett, wött9 wetten, kyöttnd Kette, föttdr
Vetter, söttigd sättigen, röttd retten, gVöttd glätten, trotte
treten [tradjan Paul, mhd. Gr.^ § 75), tsöttld Garn zetteln,
fröttd fretten (mhd. vr^tten), studmöts Steinmetz, wöfsB wetzen,
höts9 hetzen, sötsd setzen, lots schlecht (westgerm. latj-; zu
ahd. la^)y k^rötsd kratzen , ötsd ätzen (davon ötstql Otztal)>
nöts Netz, nötsd netzen, zu *nass*, mössdr Messer, föst fest,
ÖSS9 Esche, löss9 löschen (schw. Ztw.), kx'östnd Kastanie (ahd.
chestinna), mötskd metzgen, möstd mästen, prennössU Brenn-
nessel, wöidU wedeln, r'öid9 reden, 'öid} edel, gröidd gerade
machen, öis] Esel, söidig9 schädigen, löid Bretterzaun an
Wegen, zu lqd9 Laden {*lap^'o-), stöitig widerspenstig (mhd-
stetec), dök/a decken, pök/ Bäcker (mhd. hecke), wök/9 wecken'
sök/l Säckel, flök/9 Bodenbrett (zu 'flach* yiakja?), smökx^
- 41 —
schmecken, siökx» stecken, Ä;;^Zö4;f%hinreichen, genügen (mhd.
kkcken), rökyd recken, ökk9 eggen, Egge, ök Ecke, lökk^ Holz
aufschichten (ahd. lecken aus Hagjan-), wökk» Weck, srökx^
in Schrecken setzen, sröig schräg, löigd legen, k^öigl Kegel ;
öih9r Ähre, ist das einzige Beispiel mit h ; dies hat den
Umlaut nicht gehemmt, (Braune ahd. Gr. §27. 2c); viel-
leicht gehört älöist, slöit hierher, wenn nämlich ahd. slehis,
slehit die Grundform ist; möglicherweise trat schon im Ahd.
slegis, slegif dafür ein, das sich dann zu slöist, slöit entwickelt
hätte, wie tröist, tröit (trägst, trägt) aus tregis(t), tregit^ söist,
söit (sagst, sagt) aus segis, segit (Braune a. a. 0. § 368. 2),
ksöit, gesagt, aus gisegit, löist, löit, glöit, legst, legt, gelegt,
aus legis, legit, gilegit, das seltene jöist, jöit, gjöit aus jegisj
jegüj gijegif jagst, jagt, gejagt, entstanden sind. Die Ent-
wicklung des öiin diesen Wörtern ist -egi- (mit geschlossenem
e) -ep; ei (zweisilbig), ei, öi, Dass demnach Reime wie
mhd. breit : seit, treit, leit, in der Imster Ma. nie verwendet
werden konnten, liegt klar. (Hartmann von Starkenberg
(bei Imst) v. d. Hagen. M. S. No. 85 reimt seit : leit (Leid)).
Vgl. Kaufifmann, Geschichte d. schwäb. Ma. S. 91. 281. —
wöll9 wollen (mhd. wellen Paul, mhd. Gr.'* § 43. 2), ölldt
Elend (mhd. eilende), öll Elle, höll Hölle, k/ölh Kelle, ksöll
Geselle, swöll9 schwellen (trans.), swölldr Schwelle, snölb
schnellen, knallen (zu mhd. snal):^ prölU prellen, stolld stellen,
fölU fällen, föUt, fölt, fällst, fällt, höllig ermattet (mhd.
hellec), föllig fällig, kföllig gefällig, tswölf zwölf, sölf^
Obstschale (ahd. sceliva), Aö7p Axtstiel (*Aa/6;a Kluge etym.
Wb. Halfter), wölgU wälzen (mhd. welgeln), wöltsd wälzen,
ddrgöltd, gqlt machen, gqlt keine Milch gebend, smölfs^
schmelzen (trans.) , fölts9 fälschen, gwölm Gewölbe, k/öltns
k/ölt9 Kälte, ölt9r N. Alter (;o- Stamm?), öltard Eltern,
öilendig elendig, wöiU wählen, tsöiU zählen, iwdrtsöilig über-
zählig, stöü Stelle (mhd. stele), söilo schälen, tröild beim
Essen verschütten (Schmeller bair. Wb. I. 660), ddrwöil
welcher (Braune, a. a. 0. § 292. 1; kaum ist welih Grund-
form, Paul mhd. Gr.^ § 43. 3), dörrd dörren (geht auf ^arr-
jan- zurück. Kluge, a. a. 0. „Darre"), örwd erben, spörrd
sperren, fdrdörwd verderben (trans.), örml Ärmel, sorg
— 42 —
Scherge, hörpst Herbst, giwrmd wärinen,/örwa färben (trans.),
örgdr^ Arger, örgdrd ärgern, hörwrig Herberge, hört hart (ahd.
herti\ daneben in gleicher Bedeutung hqrt hart, *hartci),
örtS' Präfix *Erz', örtslump Erzlump, swörtsd schwärzen, mörk/9
merken; die Schreibnamen hörting Hörting (vgl. hartung),
hörtnqgl Hörtnagel, Ruine Hörtenberg bei Telfs. kxörk/9r
Kerker, pöir Beere, möir Meer, föirst fährst, föirt fährt,
kföirt N. Fahrzeug, kx'öir9 kehren, wöirB wehren, gwöir Ge-
wehr, nöir9 nähren, swöird schwören, tsöird zehren , möirfs
März, k/öirts9 Kerze, öidb {^öirle) Erle.
Anm. ör wird auch mit e als er (sperrd^ swertsd) gesprochen, eine
junge Aussprache, vgl. unten.
Vor Nasalen erscheint dieses ahd. e als e (ßi): hemmdt.
HemA, fremd fremd {^xx^hfrend gesprochen), stemm9 stemmen,
stempfl Stössel (mhd. stempfei), tempfd dämpfen, swemma
schwemmen, k^remmig, etwas wie Krämpfe fühlend zu mhd.
kram, § 33, remh sich balgen (zu mhd. ram), k/lemmd
klemmen, temme dämmen, slemms Liegerstätte auf Alpen
(Schmeller bair. Wb. II. 522), ddrgremmd in Grimm bringen
(Ablautbildung "^grammjan), k/jlm Nische für das Stuben-
feuer (ahd. kemi aus lat. caminus, dies wurde später wieder
entlehnt: k/am Kamin), ent Ende, me7its Mensch, henn9
Henne, kxennd kennen, nenn9 nennen, prennd brennen, trans.,
seltener, wie nhd. intrans., dafür das starke prinnd, swentsd
ein Gefäss durch Schwenken ausspielen (aus swenkazzen),
glentso glänzen, srentsd schrenzen, zerreissen, wentd, we7id9
wenden, auswendig auswendig, end^rd ändern, sentd schänden,
plentd blenden, ougents» „angänzen" vom Ganzen ein Stück
wegnehmen, tenn9 Tenne, sejindr Senne (Kluge, a. a. 0.
S. 347), er^ij enge, streyr] streng, ei^kstigd ängstigen, tswefjfj9
zwängen, tei]gl9 dengeln [totjgl die Schneide der Sense,
mhd. tengeln), k/efjf} Gehänge, ksiefjfj Stangengitter (ahd
*gastengi), me7ji]9 mengen, Menge, weyk/9 wanken machen,
trer^kx^ tränken , seTjk/a schenken [snyk/tiim Geschenk, ab-
strakt), defjli'x9 denken, f^rer^kx^ verdrehen (mhd. renken)^
sef]kxl Senkblei , dretjfjB drängen , hefjf]9 hängen, sprev^r^a
sprengen, gerir^ guten Gang habend (ahd. gengi), ddrger^r^d
zergehen machen.
- 43 -
§ 37. In jenen Fällen, in welchen der Umlaut erst im
Mhd. geschrieben wird (vgl. dazu Wilmanns deutsche Gram.
S. 192 f. Paul, a. a. 0. § 40. 1), hat die Ma. a, a, vor Nasalen
ä, ä: haxl9 Hechel, gmax N. schlecht Gemachtes (ahd. *gimahhi),
ksmax/ig sclimackhaft (ahd. *gisfiiahhTg), na/t Nächte, ge-
stern (Dat. ahd. nahti), tra/tig trächtig, fruchtbar, ma/Hg
mächtig, pfdx^ig das rechte Mass habend (Kluge, a. a. 0.
, Pegel"), slaytig (mhd. slehtec), kslaxt von einer Gestalt,
vdtsaxt vereinzelt (mhd. einzeht), wa/tUf, mit einem Gegen-
stand rasche Bewegungen machen, fächeln (zur Wurzel germ.
wag weg (bewegen) ?), gwaks Gewächs, gwaksig gut wachsend,
aks Achse (mhd. ahse ehse), k/raksa Tragreflf (mhd. krehse),
haks9 Fuss, Bein (mhd. hehse), flaks9s n. adj. zu 'Flachs'
(ahd. flah^nez), waksd mit Wachs bestreichen.
Der Vokal des sog. spätem Umlautes tritt also in der
Ma. vor x gleich germ. k und yj^^ ^^ gleich germ. ht, hs {cht
chs?) durchwegs auf, nie der des frühern. Vor r haben
einige a, die Mehrzahl aber ö, öV, vgl. die Beispiele im
vorigen §. Den Grund der Differenzierung vermag ich nicht
anzugeben; einzelne mögen spätere Bildungen sein, widdr^
wartig, widerwärtig, wartsa Warze (mhd. warze, werze) marx9y
mit einer Marke versehen, §narxl9 schnarchen (vielleicht
Deminutivbildung dazu), sädlig hoher Grasstengel (Schmel-
1er, II 447), tiv}gwädlig nicht sicher (mhd. ungewerltch),
harh herbe, garwd gerben, farwd färben intrans. vgl. oben
f'örw9 mit ö vor rw, arwds Erbse (mhd. arwei^, erwei^),
pfarx^ einpferchen (ahd. pfarrih), larx Lärche (lat. laric-),
tsarrd zerren, narra narren, narris närrisch. Vor l und
Konsonant tritt a als Umlautsvokal nur in udfaltig ein-
faltig, waltS wälsch (ahd. walhisc) und in den f-Stämmen
palg Bälge, hals Hälse, auf. Andere Beispiele sind nicht
sicher.
Auf ein i der dritten Silbe (Braune ahd. Gr.^ § 27. 4)
ist a als Umlautvokal mit Sicherheit zurückzuführen in:
gatdr Gatter (nach Ausweis von mhd. geter liegt ein ;o-St.
vor), aijijd abgefallene Baumnadeln, aus agene (vgl. mhd.
egen), kxlaffl Glockenschwengel (mhd. kleffel), staffl Stufe,
Staffel. Der Vokal stammt aus dem Plur. ; ahd. klaff ali
— 44 —
Staffali tsah^r Zähre (ebenfalls durch Einwirkung des Plurals
umgelautet), hafndr Hafner ahd. Viafnäri, jäg9r Jäger,
glaxt9r Gelächter, gwass^r Gewässer, k/räm9t Wachholder
(nihd. kranewite), ärts Erz (ahd. aruzzi), antd Ente (ahd.
anut, PI. anuti), ant9r9 nachäffen (mhd. anteren, enteren),
häm9r9 hämmern, täm9r9 klopfen (mhd. temeren), wass9r9
wässern, stahU stählen,/ädZd fädeln, sand9 sammeln, kxlapp9r9
klappern, pflast9r9 pflastern.
Vielfach lässt es sich nicht entscheiden, weshalb a als
Umlaut vokal erscheint. Vgl. ksaftig geschäftig, saftig, saftig,
hantig bitter (ahd. hantag), kspi'a^ij lästiges Herumspringen
(ein /ö-Neutr.), gwant9 mit Gewand versehen, k/amp9 Kadauf-
satz, k/ampl Kamm, sla^jk} Schlingel (beiden scheint Suffix
'il zuzukommen), säm9 schämen (mhd. Schemen hat Umlauts
e, nicht e wie Beiträge 13, 217 angenommen wird), tsäm9
zusammen, hantsig Handschuh (mhd. hendeschuoch) k/antlig
kenntlich, santlig schändlich, tragig trächtig, jägig brünstig,
waitwäsig weitwasig, kspärig sparsam, spärlich, sats9 schätzen,
swats9 schwätzen, raff9 raufen (mhd. reffen). Vor s sind
einige ahd. a umgelautet worden (vgl. Paul mhd. Gr.*
§ 40, 9) : tass9 Tasche, wass9 waschen, was Wäsche , mass9
Masche, as Asch (Flussfisch), ass9r Asche, mit sekundärem
Suffix.
Mehrfach hat sich a als Umlautvokal zu q zum Bildungs-
prinzip entwickelt ; so bei der Pluralbildung der masc. Sub-
stantive, deren Stammvokal im Sing, q ist ; nur fünf Ursprung-
liehe i-Stämme: göst Gäste, sökx Säcke, öst Aste, söts Sätze,
slöig Schläge, haben den Vokal des ersten Umlauts bewahrt,
die übrigen sowie alle o-Stämme lauten qm a um ; organisch
ist letzteres entwickelt bei pa^ Bäche, (ahd. bahhi, behhi)
wegen des /, vielleicht auch bei den oben genannten palg,
hals. Vgl. fall Fälle, i)art Barte, napf Näpfe, snäbl Schnäbel,
stähl Stähle, akx9r Acker, fad9 Fäden, mand9r Männer u. a.
Nur ö (aus a) wird zu e : tsend Zähne, stend Stände, stemm
Stämme, tempf Dämpfe, prent Brände, k/rents Kränze, k/leyy
Klänge, heim9r Hämmer, er^ff^r Anger, mer^gl Mängel. Bei
den Neutren, deren Plur. durch den Umlaut und das Suffix
'9r (ahd. ir) gebildet ist, überwiegt ö, öi, plött9r Blätter,
^ 45 —
k/ölwdr Kälber, pöiddr Bäder, röirf^r Räder, gröiwdr GrdiSiQT,
gröisdr Gräser, glöis^r Gläser, töihr Täler, aber da^x^r
Dächer, mar/9r Kennzeichen (mhd. march N.), safdr zu sqf
Schaff. — Die Mehrzahl hat den Vokal des ersten Umlautes
und man kann wohl schliessen, dass er auf lautgesetzlichem
Wege entstanden ist, dass also das Suffix -ir schon frühe
weit verbreitet gewesen ist.
Die Deminutive zu Substantiven mit q im Stamme
haben alle den Umlaut a. Der herrschend gewordenen
Deminutivendung -19 entspricht mhd. eltn. Da das i in der
dritten Silbe steht (wo ahd. -ütn als Suffix vorkommt, hat
das zweite lange t den Ton und nur betonte Vokale können
auf ihre Umgebung eine bedeutende Wirkung ausüben), ist
das a als Umlaut regelmässig entwickelt, pa/la Bächlein,
sa/l3 (Sache), salbU Sälbchen, k/albl9 Kälblein, Jc/astl^ Käst-
chen, kxarrah (Karren), städdU (Stadel), wag9ld Wägelchen,
faddU Fädchen, rädh Bädlein, gräsU Gräschen, affl9 Affchen,
armld Armchen, sak/h Säckchen, strassh Strässchen, tcassdrU
Wässerlein, /(^wafe Fähnchen, tsandld Zähnchen, lampU Lämm-
lein, landld Ländchen, mandU Männlein, garth Gärtchen,
u. d. übr. — Bei Deminutiven zu Verben: snatsU schnitzeln
(Ablautbildung), jayteU gern jagen (zu jqxt Jagd) , laxx^^
lächeln, rar^kld spielend raufen (zu rorik9 zerren), pantb
bändeln, stampf 9l9 leicht stampfen vor Zorn u. a. Der Vokal
des ersten Umlautes ö, öi ist herrschend geworden bei der
Bildung der Komparative und Superlative sowie der Femi-
nina abstracta von Adjektiven: smöiUr schmäler, smöiU
Schmalheit, lerjjcst längst, leviij Länge, wörmdr wärmer,
wörmd Wärme, sörffdr schärfer, sörff9 Schärfe, nössdst nässest,
nöss9 Nässe, glött9r glätter, glött9 Glätte, fölts9r falscher,
fblts9 Falschheit, gröid9r gerader, gröid9 Geradheit, swörts9r
schwärzer, swöris9 Schwarzheit, störx9r stärker, swö/jc^r
schwächer, swöx/9 Schwäche. Hier zeigt sich die Analogie
deutlich, da ö vor x erscheint.
§ 38. Der Umlaut des langen ^, mhd. ce, erscheint
als a, vor Nasalen als ä: tsäx zähe, wäx stolz (mhd. wcehe),
gäx jäh (mhd. gcehe)^ öulag ansteigend (zu ahd. lägt steil),
lär leer (mhd. leere) ; der o-Stamm ahd. Här liegt im Flur-
— 46 —
namen iQrsenn Alptal westlich von Imst, ^leere Senn(alpe)*'
vor; swär schwer, anmär offenkundig {{tf-mcere)^ ras zu stark
gesalzen (mhd. rwze), spät spät, stät langsam, ruhig (mhd.
stcetejy hol glatt, schlüpfrig (mhd. hcde), sär Schere, hxäs
Käse, hfrüs schlechtes Essen (mhd. gevrceie), prat Gebräte,
gmäl das Gemalte, raf9 Dachbalken (ahd. rdvo neben *rävjo,
wie die Ma. durch den Umlaut erweist), säff^r Schäfer,
gäd9r das Geäder, nahn9 Nähe, gdpläs Gebläse, tasig herab-
gestimmt (mhd. tcBsec), assig gut essbar, schmackhaft (mhd.
öP2«^)> kfrässig gefrässig, massig massig, flatig schön (mhd.
ßcetec), gfjädig gnädig, kf adlig gefährlich, gwqltätig gewalt-
tätig, ratlig rätlich, sälig selig, äm9rig verlangend, gätsd
atzen, ässen, die Jungen füttern, {*ga-ätjan), pfald pfählen,
lärd leeren, waijd wehen, mäijd mähen, päijd bähen, dros
drehen, plä» blähen, saijd säen, naijd nähen, kxraijd krähen.
Die Umlaute erweisen, dass in der Ma. die /-Ableitungen
zu Grunde liegen. (Vgl. Kauffmann, Gesch. d. schwäb. Ma.
S. 55. A. 3). jäm9rd jammern, mätig Montag (mhd. mcmtac
vgl. Kauflfmann, a. a. 0. S. 57), jäl9 kleines Stück Acker •
(Kluge, et. Wb.^ S. 178 Jahn), sax sähe (mhd. Konj. Prät.
scehe), ksax geschähe, präxt brächte, tat täte, war wäre,
gab gäbe. — ratsl Rätsel, ratig Rettich (mhd. rcetich), jädlig
jährlich, gefjTj und gab gang und gäbe. Auch wo Kürzung
eintrat, erscheint a: hat hätte (mhd. hcete), ass ässe, sass
sässe, frass frässe, fergass vergässe, draksldr Drechsler
(ahd. drähsil). Wenn zu mqd (mhd. mäd) der Plur. auch
möiddr lautet, zu nqh9 nahe, der Komp. auch nöihndr, Superl.
nöihn9st, so liegt es klar, dass es Analogiebildungen zu den
im vorigen § genannten Gruppen sind.
In einigen Wörtern erscheint e als Umlaut von a; es
ist durch die Schriftsprache in die Ma. gekommen : tBglig täg-
lich, kse/t Geschäft (dagegen oben ksaftig echt mundartlich)
heks Hexe (im Lechtal haks), pre/ßg prächtig, lestig lästig,
kxwets9 quetschen aber h/m^tsk/opf *Dickkopf , nekx^ necken
(f oder ^?), feig fähig (müsste *fahig lauten), tBtig tätig
(vgl. oben gwqltätig). Aus einem benachbarten schwäbischen
oder alemannischen Dialekte scheint das e in pef^rd höhnend
nachplappern (von Kindern) zu stammen; ahd. avaren.
— 47 —
§ 39. Klar ist, dass der Umlaut des ahd. ä mit dem
spätem des kurzen a zusammengefallen ist. Das heutige a
als Umlaut von ahd. ä und a ist über das ganze bairiseh-
österreichische Gebiet verbreitet und ein Charakteristikum
desselben. (Vgl. Weinhold, bair. Gr. S. 17 unten, S. 46 f.).
Das angrenzende Schwäbisch-Alemannische spricht für das
bairische a einen offenen «-Laut und hat damit das Ursprüng-
liche gewahrt. Sicherlich hat auch das Bairische in spät
ahd. Zeit noch den offenen «-Laut gesprochen, der erst
später zum heutigen a wurde, vor diesem Wandel muss
aber das nicht umgelautete a zu q geworden sein. Nagl
(Blätter des Vereins f. Landeskunde von Nieder-Österreich,
Jgg. 24, 25, 27 jetzt Sonderabdruck, Wien 1895 und Paul-
Braune, Beiträge 18, 268) will den Wandel des a zu q schon
der ahd. Zeit zuweisen und den sog. 2. Umlaut als Wandel
des q zum heutigen a fassen. Nach unserer heutigen Auf-
fassung des «-Umlautes muss diese Vermutung fallen gelassen
werden. Die beiden Umlauts vokale für a sind wohl zur gleichen
Zeit entstanden ; nur qualitativ wurde ein Unterschied hervor-
gerufen durch die bei Braune, ahd. Gr.^ § 27. A. 2—4 ge-
nannten Faktoren. Vgl. die zu Beginn des § 37 genannten
Arbeiten von Wilmanns , Paul. Die Scheidung in zwei Um-
lautsperioden (Braune, a. a. 0. § 51 A. 2) könnte also nur auf
die Qualität des Umlauts von a bezogen werden nicht auf die
zeitliche Verschiedenheit; diese bezieht sich dann nur auf die
Schreibung; die Chronologie des Umlauts, welche Kauffmann
Gesch. d. schw. Ma. S. 50 § 63 so sehr betont, wäre nur
der sekundäre Faktor in dieser Frage.
Nach den Belegen, welche Weinhold, bair. Gr. S. 18
für die Schreibung von a für o verzeichnet (ich bin der
Ansicht, dass darin der ^-Laut des a zum Ausdruck kommt
und nicht eine Aussprache des o wie a, wie Weinhold meint)
kann man sagen, dass im 13. Jh. a als q (bez. als ein o-
artiger Laut) gesprochen wurde. Eine genaue Zeitbestim-
mung für den Übergang des offenen Umlauts-e in den a-Laut
ist bis jetzt nicht möglich. Im 15. Jh. war er sicherlich
vollzogen. An Wörtern, in denen heute a gesprochen wird,
bieten die Urkunden folgende Belege: 1448. nämleichen,
- 48 —
gnedigen{2), gnedigen^ gänzlichen, m'imgUeichen{2), Järlichen,
steten, steten {2), fetten (mhd. testen); 1450. stäten^ steten (2),
fetten, Tänzlein, Tmzlein (heute Name tants] Danzel u. ähnl.)
nämlichen, gänzlichen (2), Berchtold teschen (Name toä Tasch),
gäber (mhd. gcebe), menigklichen, Jarliches, schaden Plur. (sada),
1451. gnedign, gerwstuhen {garb Gerberei), gäbe (Konj. Prät.
(mhd. gcebe), hett, menigklich, nächsten, 1455. a) statin (2 staete)
tätten, b) gäber, hättn, war (wcere), 1458. scheden^ 1467, ge-
Schafts, mit häss{hce^e) 14:68, allermänigUich, beschwätzung {2),
geschäftj gnädigen, mängl, war, warn, ägker (Flur.), agkher
(Plur.). 1471. Ärzill (Flurname artsiU), perchtold täschen^
Conrat Nageli {nag9l9 Nägele), Oswald Hätly. 1473. arbis
{arwds Erbsen). 1476. änichleins (Enkelein), Clas Spängier
(spafjgldr), drt^ knapp, Jenwein Hendl (Handl, Hähnel). 1478.
Larchach (Flurn. lar/ig). 1493. Jarnlich^ stdt, Händl, Spengler,
1500. Rägkleins (Raggl rakk}) ungevarlich, tätn, 1503. un-
geverlich tet, saugen, 1516. gagenwertig, pigenatz Flurname
pig9näts). 1526. nächer (näher). 1535. weinachten {wama/Ja).
1541. weihenacht, 1543. neg^ten weihenechten, 1550. Hanns
Jäger [jägdr), 1557 erscheint Oswald Schrey Jdckh{2) heute
Schreiegg, eine Bildung aus schrei und jakkd Jakob, {srai-
jakkd), die zu Schrei egg (ck) wurde. Im 17. und 18. Jh.
ist die gewöhnliche Schreibung für heutiges a das bekannte ä.
Das grosse Schwanken in der Schreibung des Vokals führt
zum Schlüsse, dass er wie heute als a gesprochen wurde;
den Schreibern stand kein bestimmtes Zeichen zu Gebote.
Für das geschlossene e und für mhd. e wird durchwegs e
geschrieben ; a dient zur Bezeichnung des nicht umgelauteten
ahd. a. Die Fälle in denen heutiges a als a geschrieben
wird, sind den andern gegenüber häufig genug, um die Ver-
mutung, es liege etwa ein Schreibfehler, ein Vergessen des
® " ' über a vor, von der Hand zu weisen.
Der dem ahd. e entsprechende Umlautvokal ö (öi)
kommt seinem Klange nach unter den nhd. Vokalen dem
am nächsten. (Vgl. § 1). Ein ö-artiger Laut scheint auf
dem ganzen bairischen Gebiete zu herrschen (Weinhold,
bair. Gr. S. 41, Schmeller, Baierns Maa. S. 69/70). Aus
Weinholds Belegen geht auch hervor, dass er im 15. Jh.
- 49 -
bereits vorhanden war. Die Imster Urkunden bieten sehr
wenig : 1473 Spiegelf röd (Flurname spieglfröid), toman PröU,
Ker Osten Ortsname, heute k/aröistB oder öistd, Osten bei
Imst. öistd ist der Plur. zu dem in Imst nicht erhaltenen
asten (Schöpf tirol. Idiot. S. 20) Niederalpe. 1568 Georg
Schabenseckhl von Kdrrerösten, 1503 und öfters wollen. In
den Ratsprotokollen von 1611 an mehren sich die ö*-Schrei-
bungen, 1611 Fol. i.Gsöllbriesfer, pösser, Fol. 5 söckhl da-
neben herbrig (Herberge), 1612 Fol. 12 kelherskopf, gröber
(Gräber) u. a. m. Für fremde Gebiete ist es eine heikle
Sache, über den phonetischen Wert der heutigen Entsprechung
zu urteilen. Ich kann deshalb nur eine Vermutung wagen,
wenn ich sage, dass wir in dem ö einen ursprünglichen Laut
haben, der aus dem Umlaut des a entstanden ist. Die
Artikulation der Zunge rückt beim Wandel von gasti zu gesti
(Sievers, Phon. § 676) allmählich nach vorn hin. Phonetisch
wäre es sehr leicht zu erklären, wenn das ahd. (bair. ?) a
nur bis zum ö-Laute, der nicht so weit vorn artikuliert
wird wie der wissenschaftlich angesetzte geschlossene e-Laut,
entwickelt wurde. Dagegen könnte man einwenden, dass
ö in der Schreibung erst seit dem 15. und 16. Jh. auftritt;
allein in dieser Zeit war die Entrundung der gerundeten
Vokale bereits vorhanden; das Zeichen, welches für das ge-
rundete ö überliefert war, wurde naturgemäss auf den Umlaut
von a, mit dem der Umlaut von o zum Teil zusammen-
gefallen war, angewendet.
§ 40. Mhd. e: Es erscheint als o, öi: köpf 9 Hefe (Bei-
träge 12, 518), öpp9r, öpp9s mhd. etewer, etwa^^ tröffd treffen,
stöfta F. Stift (weibl. *stefta), pföpr Pfeffer, öiw9 eben, göiu:9
geben, löiwif leben, löiwdrd Leber, swöiwd schweben, nöiw]
Nebel, wöiwd weben, swöifl Schwefel, kxöifdr Käfer, k/löiwdrd
Klette (zu *kleben'), swöstdr Schwester, nö^t {pst) Nest, drössd
dreschen, döstd desto , lössd löschen (Berührung mit dem
schwachen mhd. leschen), wö§t wüsste (mhd. w'este), öss9
essen, fröss9 fressen, ergösse vergessen, wöttdr Wetter, jöttd
jäten, kxnöttd kneten, tröttd treten (möglich ist bei allen
dreien Vermischung mit schwachen mit Umlauts e), pöita
beten, pöitU betteln, söidl Schädel, löiddr Leder, löidig ledig,
Schatz, Die Mundart von Imst. 4
«- 50 -
entwöid9r entweder, pröit Brett, löis9 lesen, gwöisd gewesen,
pöi89 Besen , söih^ sehen, ksöihd geschehen, pöi/, Pech, pVöi^
Blech, röig9 Regen, s'öig9 Segen, p^wöige bewegen, pludföig]
Blutegel, pflöig Pflege, swöigU Schwegel, s'öigdsd Sense, stöig
Steg, wöigd wegen, wöig Weg, kxökx keck, drökx Dreck
(Beiträge 12, 516, 3), spökx Speck, sr'ökx^ Schrecken, dwök/
weg (mhd. enwec), snök Schnecke (Beiträge 12, 521), tsökkdt
scheckig, söks9, söks sechs, wöksl Wechsel. In folgenden
Wörtern wird teils ö teils e gesprochen ; beide Aussprachen
sind gleich gebraucht: le/tl, lö/tl Lechtal, re^ty röyt recht,
sU/ty slö/t schlecht, k^ne^ty k/nö/t Knecht, fe/p fechten,
flext9 flechten, leyjskd lechzen, J>re/j^d, W^XX^ brechen, ste^/o
stechen, slek/9 schlecken, lek/d lecken. Auch Umlauts ö
kann vor x (und r) als e gesprochen werden; man hat es
hier also wohl mit einer neueren Aussprache des ö/ als e/
zu tun nicht mit einer Bewahrung des ursprünglichen e^,
— Als e tritt mhd. e auf in : rexn9 rechnen, se/tsk sechzig,
se/tsenn9 sechzehn, fre/x frech, re/x'^ (selten röx/9) Rechen,
tswek/ Zweck, spekx^r kleine Steinkugel (zu spicken*), sprekl9
sprenkeln (Kluge, et. Wb. s. v.), k/reps Krebs, snepf Schnepfe,
^sep/ Zehnkreuzerstück (Neubildung zu ^Zipfef?), leftskif Lippe
(mhd. lefs^), seps schief (Beitr. 12, 535), fets9 Fetzen, ^16^9
abreiben (an der Wand u. s. w. Schmeller I, 1731), sessl
(selten sössf) Sessel, lett9 (selten lött9) Letten, presthqft (selten
pröst') bresthaft. Fremdwörter behalten ihr e bei : e/t echt,
. net nett, press9 pressen, rest Rest, pe^/^r Becher, tsell Zelle,
fet fett (? Beitr. 12, 535), ekstdrd extra, pesta Bestie, sepp}
Josef (ital. Giuseppe), tres Theres, spetsial Spezial, k^etsar
Ketzer, re^| Regel, tsekkdr Handkorb, Schmeller II, 1081.
Mhd. el, er treten, wenn die Kürze des Vokals be-
wahrt wurde, als al, ar auf, als ^al, ^ar aber, wenn Dehnung
eintrat: walt, W^elt, galt Geld, sali selbst (die Entstehung
des t ist nicht klar), salU selten, saltsom seltsam, was man
selten hat (nie = absonderlich), galtB gelten, salt9 schelten,
tsaltd Zelten, malts9 Speise mit der Zunge zerdrücken (Kluge,
et. Wb. 'Malz', ags. meltan), fald Feld, staltsa Stelze (Heim-
burger setzt falsch e an, Beitr. 13, 220), k/alp9r9 Hunde-
halsband (aus mhd. kel und bern), mall schnell, hall hell,
— 51 -^
wall9 wellen (den Teig), sall9 schellen, Schelle, naU9 Genick
(zu ahd. hnel), kswalU anschwellen, k/alUr Keller, palU
bellen, smalx welk (mhd. smelhe schmal, gering; also über-
tragene Bedeutung in der Ma.), smalhd Schmiele (mhd. smelhe),
halffd helfen, malyd melken, salhd selchen (ist mit e anzu-
setzen nach Ausweis jener Maa., welche el als el haben:
selhi^). Dieser Lautwandel el zu al erstreckt sich über das
ganze Oberinntal (und das bair. Lechtal) bis gegen Zirl. In
Hötting wird el gesprochen. Wo Dehnung eintrat, ist ^al:
g^al gelb, mqal Mehl, stqab stehlen, /^o/ Fell, h^aU hehlen;
(^a herrscht auch für gedehntes er: ^ar er, d^ar der, w^ar
wer, p^ar Bär, h^a her, smqar (mhd. smer), cbrtsw^are
schwären, gqar9 gern, k/qar9 Kern, wouf^ard woferne, f^aro
Feni(pass), fqamdr Ferner, Gletscher, s^ard scheren, Iqarnd
lernen, stqard Stern, qarnst Ernst, w^ar9 werden, ^rt Erde,
h^art Herd, f^art voriges Jahr (mhd. vert auch bei Hart-
mann V. Starkenberg) , wqart Wert, fqarSn9 Ferse (ahd.
Versand), k/^addr Köder (mhd. k'erder). Die Dehnung des
el, er zu ^al, qar erstreckt sich über das oben angegebene
Gebiet und geht darüber hinaus (Maister, a. a. 0. 7). Dem
er mit Bewahrung der Kürze des Vokals entspricht in Imst
ar. Westlich von Imst ist hier überall Dehnung eingetreten.
Die Grenzorte sind Imst, Karres, Roppen; das Lechtal hat
wie Imst ar. Nach Osten deckt sich die Grenze mit der
von al aus el. hart Herde (ahd. h'erta), harts Herz, smarts
Schmerz, k^arstd Kirsche (mhd. kerse), garSt9 Gerste, war/
Werk, Werg, starwd sterben, warffa werfen, parg Berg, fdr-
parg9 verbergen, fdrdartv^^ verderben, Verderben, pargdld
Halsband (Demin. zu mhd. herc), k/arr9 ein Tier reizen
durch Zischen, Pfauchen (mhd. kerren), sarrd Rinde in der
Pfanne {e nach Ausweis der westlichen Maa. sqar9), 8arw9
dahinsiechen (mhd. serwen, westl. Maa. sqarw9), farkdU Trag-
himmel, früh entlehntes /er cw/wm, k/ßdl, aus kxarl mit später
Dehuung, Kerl, tswar/ zwerch-, slarp9, schlürfen, lecken,
(der Zusammenhang mit 'schlürfen ist wahrscheinlich, doch
nicht klar; westl. Maa. sl^arpd)^ tarpj^ Maismehlspeise (westl.
Maa. tqarpl), tswerg] Zwerg, kann kein echt mundartliches
Wort sein; es wäre "^tswarg zu erwarten. Das Deminutiv
4*
- 52 -
tswargdh zeigt die regelrechte Form. Die westlichen Maa.
(s. oben) haben er durchwegs zu qa gedehnt.
Vor Nasal ist e zu ex geworden, prelmd Bremse (mhd.
brems) j stremo mit dem Haspel gewickeltes Garn (mhd.
strene), seind Sehne, tsel, tsein9 zehn, neben tsöihd, fsöihn9.
§ 41. Mhd. i hat sich zu qa, vor Nasalen zu t9 ent-
wickelt: ^r Ehre, r^ara weinen (mhd. reren), pJ^ard häss-
lich weinen (auch von Tieren, mhd. bl^en, blerren ist daraus
gekürzt; vorahd. Hlairrjan), s^ar wund (mhd. ser)^ hqar
Herr (mhd. her)^ m^ardr mehr (-er), l^ar Lehre, ^arst erst,
der erste, k/qard kehren (vertere), ^a Ehe, s^a See, kyl^a
Klee, w^a Weh, r^a^ ßeh, slqahd Schlehe, tsqahd Zehe, Iqahd
Lehen (selten, Eigenname Iqahnsr Lechner), s^al Seele, sn^a
Schnee, orir^dnqas alte Form für Agnes, heute meist ägfjes,
wi^nig wenig, mtd mehr (mhd. mi mit progressiver Nasa-
lierung), gtd gehen (mhd. gen), Stio stehen {st^n), mqktdUdnd
Magdalena.
In den Urkunden sind die Schreibungen ee für mhd.
^ seit 1450 häufig, z. B. Seelhaws, geet, eebig, Eeren, See,
steen u. a. Da der Übergang von i zu fa eine Vorstufe e9
voraussetzen lässt, haben wir in der Schreibung ee wohl die
Bezeichnung eines Diphthongs zu sehen.
§ 42. Vor l, r erscheint mhd. e in der Imster Ma.
anders behandelt als vor andern Konsonanten. Die Ent-
sprechung a, qa muss auf eine offene Aussprache des e vor
/, r zurückgeführt werden. Der Übergang von el zu al
(und gewiss auch von er zu ar) war im 15. Jh. bereits
vollzogen; urkdl. 1467 wält Welt, 1473 gält'^ Geldes; ä ist
der Laut des heutigen a, wie oben ausgeführt wurde. Die
Differenzierung zwischen e vor l, r und e vor den übrigen
Konsonanten reicht in frühe Zeit zurück; es mag hier auf
die Schreibung halm, parkt in Eigennamen des 10. Jh.s ver-
wiesen werden (Weinhold, bair. Gr. S. 15). Vor dem Ein-
tritt der Dehnung war e vor /, r sicher ein einheitlicher
Laut und wie die Dehnung zu qa beweist, verschieden von
dem offenen Umlauts-(^, das gedehnt als a erscheint; el, er
kann erst nach der Dehnung zu al, ar geworden sein. Die
Fälle, in denen ö, öi für e erscheint, sind so zahlreich, dass
- 53 —
man ^inen spontanen Übergang des e zu ö, öi annehmen
muss. Zu demselben Ergebnisse kommt Brenner, PBB. 20,
87. Die wenigen Wörter, in welchen e als e auftritt, ver-
mag ich nicht hinreichend zu erklären. Man vgl. z. B.
drökx Dreck, gegenüber tswek^. Beide gehen auf e zurück,
sind o-Stämme. — Ein i der Folgesilbe kann nur für wenige
nachgewiesen werden: ötlig9 (mhd. etliche) pölts Velz {belli^),
pröidig Predig, vielleicht föls9 Felsen , so ferne nicht Um-
lauts-e vorliegt (Paul, mhd. Gr.'* § 43. 3).
Für die Zeit des Überganges von e zri ö erweisen die
Belege bei Weinhold S. 41, dass er im 16. Jh. vollzogen
war {wollen hat Umlauts e). Eine Imster Urkunde von 1507
schreibt löchleitner Lechleitner; vor/ wurde also ö gesprochen,
ein deutlicher Hinweis dass die offene Aussprache vor x
erst Jüngern Ursprunges ist (Xech* aus röm. 'Licus).
Anm. Zu erwähnen sind die Fremdwörter mit e, welche in
der Ma. als a erscheinen: tall^r N. Teller, lartn^ Lärm, fldksd Flechse,
fäl9 fehlen, fälai89 kleiner Wagen für die Briefpost („Felleisen* lat.
valisia).
§ 43. Mhd. i. Es erscheint als «, gedehnt als T; vor
Nasalen 1 gedehnt I. mit mit, tsittdr9 zittern, switsd schwitzen,
icissd wissen, pissd gebissen, fis Fisch, kxistn9 Kiste, Still still,
hilft hilft, silh9 schielen (mhd. schilhen), tsipf] Zipfel, gnff9
gegriffen, loippd Witwe, flikyd flicken, strik/ Strick, ksi/t
Gesicht, kStrix/9 gestrichen, sif]7]9 singen, Htjtj leicht, gering,
sinn Sinn, kswind geschwind, spinna spinnen, himml Himmel,
tsimmarmöu Zimmermann, himpöir Himbeere {hinther), rigl
Riegel, ligd liegen, stri/ Strich, /f/ Vieh, tsiha geziehen,
glihd geliehen, wid9r Widder, srmd Schmied, pisd das Laufen
des Viehs, wenn es von Bremsen gestochen wird (mhd. bisen),
tswislt in zwei Teile geteilt (mhd. zwisel), ätti Stiel, lls9
Elisabeth, Stfar Schiefer, pUw9 geblieben, grif Griff, sin9
Schiene, AI hin, i Inn, trln9 Kathrine, im ihm, stnmd Narbe,
Wulst (ahd. strimo). Vor r haben die westlichen Maa. i
durchwegs zu i9 entwickelt. In Imst (samt Roppen, Karres,
Tarrenz, Nassreid) ist i^r für ir nur in folgenden Wörtern :
i9r irre, i9r9 irren, ksi9r Geschirr, miar mir, diar dir, iar ihr
(geschlechtig), tswidra Zwirn, hidrd Hirn, widrt Wirt, fiaHt
— 54 -
First (Dach-), hi9rt Hirt, hi9rs Hirsch, pi9rlig kleiner Heu-
haufe (mhd. birlinc), §midr9 schmieren, sli9r9 den Speichel
fliessen lassen (Schmeller, b. Wb. H 532). Dagegen: hxirx^
Kirche, g^pirg Gebirge, pirx9 Birke, wirft wirft, stirpt stirbt,
westlich von Imst: k^i^ryo, gepi9rg, piaryd^ wi9rft, stidrpt.
Diese Erscheinung hängt mit der Dehnung des i vor r zu-
sammen, die in Imst nicht eintritt, wenn Labiale und Gutturale
auf das r folgen. Die Entwicklung zu i9 scheint an Zuge-
hörigkeit des r zur selben Silbe gebunden zu sein; vgl.
pird Birne (mhd. hi-re) gtrig gierig, und die Nebenformen
tswird, hlrd (aus zm-ren, hi-ren?) neben tsu'hr9, hidrd,
§ 44. Mhd. i. Es tritt durchwegs als ai auf bis an
die Landesgrenze hin, das angrenzende alemannische Gebiet
(Schweiz, Vorarlberg) hat? nach bestimmten Gesetzen erhalten:
sait seit, paijd Biene (mhd. bU), hyaidd keimen (zu mhd. Mde),
rais Reis, tswaig Zweig, faig9 Feige, gaitig geizig (mhd.
gitec), aiffdr Eifer, swaits Schweiz, ai ein (mhd. tn)y sdind
scheinen, pai Pein, laist, lait liegst, liegt, gaist, galt gibst,
gibt (mhd. list Itt, gtst gtt). Urkundl. regelmässig leit, legt,
leitt 1450, 55, 67 u. ö. In den Urkunden ist kein einziger
Fall, dass t als solches geschrieben wäre, es herrscht aus-
nahmslos ei. — Vielfach ist es auch in der Nebensilbe
lieh diphthongiert. Heute herrscht in der Aussprache -ig
mit kurzem i. 1448 eleich und elich, 1435 (Pfarr-Arch.) giftig-
kleichen geschenksweise, 1448 Hainreich u. a. m.
§ 45. Mhd. 0. Es entspricht o, gedehnt om, ausser
vor r: prok^^ Brocken, als Ztw. pflücken fzu brechen*), rokkd
Roggen, jox Joch, kstox/9 gestochen, h/Jok/B klopfen (ahd.
klocchön), tokx9 hölzerner Auslass an einem Weiher (zum
Schliessen und Offnen, zu mhd. locken, vgl. § 75), poiig9
Bogen, gebogen, roug] locker (mhd. rogel), glougd gelogen,
fougl Vogel, kxoux Koch, ksottd gesotten, rots Rotz, gottl
Gottlieb, pfost9 Pfosten , kxost Kost , ross Ross, fall voll,
holts Holz , gold Gold , Tpxroutd Kröte (ahd. chrota), loud^
Loden, mouddrfaul, moderfaul, hous9 Hose, kslous Schloss,
souh Sohle, moul weich (durch Schlagen, zu mhd. müllen),
houhrstaudd Holunderstaude, tropf 9 Tropfen, ropf9 rupfen
(ahd. rophön), sopp9 schoppen, oft oft, hof 9 hoSexiy of oSen,
— 55 -
soutv9r Schober (Heu-), houf Hof, groub grob, k/louw9 ge-
kloben, tond^ra donnern, hoUnig Honig (selten mit Umlaut
heinig), tou Ton, pdrsou Person. Die Dehnung des o zu
ou weist darauf hin, dass mhd. o in den Maa., welche
heute ou für o haben, ein geschlossener Laut war (Wein-
hold, bair. Gr. S. 103).
Vor r wurde o offen gesprochen; es erscheint heute
als (?, wo seine Kürze bewahrt blieb (vor Labialen und
Gutturalen bewirkte r keine Dehnung im Gebiete von Imst
bis gegen Zirl), als qa wo Dehnung eintrat, im Auslaut und
vor Dentalen. (Die westl. Maa. haben die Dehnung qa
überall), fqrhd Föhre (ahd. forahd), fqryt Furcht (mhd.
vorhte), dqrrd dorren, sqrg9 sorgen] urkdl. 1468 versargen (2)
ist das einzige Beispiel, das ich aus den Urkunden anführen
kann; es beweist, dass <? gesprochen wurde. mqrg9 morgen,
kxqrh Korb, stqrfa dürrer, schlechter Baumstamm (zu mhd.
storre mit labialem Suffix, vgl. sölf9 Obstschale ahd. sceliva
und „Schale*), gwqrffd geworfen, kstqrwd gestorben, ferdqrtcd
verdorben, dqrf Dorf, f^rpqrgd verborgen. Westlich von
Imst wird in all diesen Fällen qa gesprochen. Im Otztal
wird dieses qr als ar mit reinem a gesprochen. Dehnung
zeigt sich in: fqar vor, tqar Tor, qart Ort, wqart Wort,
yqard bohren, kxqar9 Korn, hqard Hom, tsqard Zorn, dqard
Dorn , fqarn9 vorne , fdvlqard verloren , gwqard geworden,
ddriswqard Part. z. ddri^w^nrd schwären, kfrqard gefroren,
qarnd ordnen, spqard mit den Füssen stossen, scharren (mhd.
sporn), qarhöU Auerhahn (mhd. orhan Kluge, et. Wb.) pqar-
k/irx^ Emporkirche, fqaddrd fordern, fqaddr vorder, pqart9
Borten. Demnach sind nhd. Einflüsse zuzuweisen: forst Forst,
portd Pforte (lat. junges Lehnwort) , kswoiird geschworen, gepourd
geboren; wr für or zeigen :/wrm M. Form (Lehnwort), fürt fort
(jetzt dringt nhd. *fort' wieder ein), murts in murtslär ganz
leer ; wie mortsk/adl ein ganzer Kerl (neue Bildung) beweist,
liegt der Gen. mar des (zu morts) vor.
§ 46. Mhd. ö. Ausser vor r entspricht dem mhd. ö
derselbe Laut ö, öi, der für ahd. Umlaut e auftritt: p'ölbr
Böller, davon abgeleitet pölddr9 lärmen, löxx^r Löcher, pök^
Böcke, fölkxU Völklein, jöxx^^' Jöcher, stöky Stöcke, kyöpfi^
— 56 —
köpfisch, föllig völlig, oil Öl, söifl so viel (aus mhd. sl^viC),
pöitin Bötin, höifi9 Höflein, pöid9 Böden, sröifl9 Schröflein
u. a. Da ö als Umlaut zu o analogisch gebildet ist (vgl.
ahd. loh PI. luhhir)^ ist es erklärlich, dass zu qr aus or der
Umlaut a ist, k^arb Körbe, darffU Dörflein. Mhd. gedehntem
ör entspricht ^a(r), m^ar^ar Mörser, fqaddr das vordere
(Kompar. Umlaut), m^ddra (mhd. mördern) mit einem stumpfen
Messer die Haut abziehen, m^artl Mörtel, spqar trocken
(mhd. spöre), d^rd Dorn (cf. oben dqar9), ^artdr Orter,
w^artar Wörter, pearst^r M. vielleicht nach dem Plur. börster
zu mhd. borst N. gebildet, n^addr- aus nörder, nqadrig nörd-
lich, auf der Schattenseite. Vor r muss auch ö offen ge-
wesen sein.
§ 47. Mhd. ö. Die heutige*^ Entsprechung ist qa, vor
Nasalen wa; 6 war also ein offener Laut, tqat tot, tqad
Tod, rqat rot, nqat Not, prqat Brot (häufig auch prout, nhd.
Einfluss), Ä:;^^a^ Kot , stqass9 stossen, grqas gross, pqashqft
boshaft, Sqas Schoss, plqas bloss, flqas Floss, rqast Rost (im
Herde), qastord Ostern, k/lqast9r Kloster, trqast Trost, Iqqsuij
Losung, Erlös, rqdsd Rose (dagegen rousd Rosa, nhd.) rqar
Rohr, qar Ohr, flqax Floh, hqax hoch, kxlqaijd Klaue (mhd.
klö u. Ä:?t?€, ahd. kldwa), frqa froh, s^r(ja Stroh, Iqa/ M. Lohe
(Gerber-), rqa/ roh, pw'^wa Bohne (Imster Marktordnung von
1524 poenen und arbis), svänd schonen. Im Lohn, siT^ schon,
k/ruHcurg Kronburg, Ruine westlich von Imst, aber k/rdun»
Krone als Geld, Wirtshausschild.
§ 48. Mhd. oe. Die Diphthongierung zu qa entspricht
der von ö zu qa: hqar9 hören, k^^ard gehören, kx^ar Gehör,
Zugehör; Flurname für das Klostergut, kfr^ard gefrieren
machen (mhd. gevroeren), lqas9 lösen, fl^ass9 flössen, srqat
Plur. (auch als Sgl. gebraucht) Schrot, ^ad öde, pl^ad blöde,
fade schmeckend, nqat9 mühsam arbeiten, gri^atig viel be-
schäftigt, t^at9 töten, r^atd RötO; tr^ast9 trösten, p^as böse,
r^ast9 rösten, rqas rasch, stürmisch (verlangt mhd. roesche
vgl. K. Luick, Beiträge, 14, 132), trqaätdla Drossel (vgl. Bei-
träge 18, 330, Kauflfmann, Gesch. d. schw. Ma. S. 185),
kxr^as Gekröse, t^ar störrisch (mhd. toere), kx^al Kohl [koele].
Vor Nasalen erscheint ^ als i^ : std schön, hQnd wild weinen
— 57 —
(mhd. hoenm nhd. höhnen), k^ridU Krönlein. Auch für mhd.
(B ist offener Laut vorauszusetzen (für unsere Ma.)
§ 49. Mhd. u. Es erscheint w, gedehnt w; vor Nasalen
ü, ü: tukx Tücke (mhd. tucK)j truk^^ trocken, ruk;^ Ruck,
fuks Fuchs, tsüg Zug, püg Biegung, flüg Flug, sügl Lamm
ohne Mutter (Ablaut zu ^saugen ), trüh9 Truhe, grüx Geruch,
sprü/ Spruch, fur^ Furche (ahd. furuh), dur/ durch, wurm
Wurm, surts M. Schurz, gurgla Gurgel, tür9 Turm, ür Uhr,
gapürt Geburt, sür Salzwasser zur Aufbewahrung des Fleisches,
überhaupt saure Flüssigkeit, sür9 in Salzwasser legen, ein-
säuern (im Ablaut zu sauer *sür-) , truts Trotz , S7nuts
Schmutz, putt9r M. Butter, k/uttd Herde, Menge (chutta),
k/uttU Kutteln, sut einmaliges Sieden, trutt9 Drude (mhd.
trnte), hüddr Hader, Fetzen, südU sudeln, güs Guss, griüs
Genuss, tüs still, niedergeschlagen (Ablaut zu mhd. tüie),
lull» lullen, äuld Schuld, pull9 Lockruf für die Hennen (roman.
Abkunft, lat, ptillus), fuijkx» Funken, ksufjt]» gesungen, sunn9
Sonne, gwunn9 gewonnen, grunn9 geronnen, nimnd Nonne,
summdr Sommer, psunddrs besonders, trummd Trommel,
ksu'umm9 geschwommen; ii ist hier in der Ma. durchwegs
bewahrt, kxupfar Kupfer, snupf» schnupfen, snüfl^ schnüffeln,
huf Hüfte (mhd. huf), rüfd Eiterkruste (zu ahd, hriof, hriiif
Aussatz), stüwd Stube.
Der Umlaut des w ist vielfach nicht eingetreten. Vgl.
unter anderen v. Bahder, Grundlagen S. 199 ff. prukkd
Brücke, rukkd Rücken, tsruh zurück, miikk» Mücke, luk
locker (mhd. lücke)^ gnkk9 gucken, rukk9s roggenes (mhd.
rucktni), pukkl Buckel, Rücken (Suffix -il? ahd. buggil? Es
gehört zum Stamm bug- biegen und ist nicht von bücken
abgeleitet, wie v. Bahder a. a. 0., Wilmanns, Deutsche Gr.
S. 188 annehmen), pukx9 bücken, tsiik/^ zucken (? ahd.
zucchen und zucchön) , ruk;(9 rücken, druk/9 drücken, luk/9
Lücke, kxruk/9 Krücke, stukx Stück, luk^ N. Deckel (zu
Loch /o-St. Hukja-), k^uxx^ Küche, purt Bürde (ahd. burdt?
oder ein i-St. ?), slnrft9 schlürfen, purg9r Bürger, nuts nütze,
nuts9 nützen, wtdUs wollenes {wuUin^), guld9 Gulden, duld9
dulden, suldig schuldig, tu7jrj9 düngen, tur^k/ß dünken, umm
um (ahd. umbi), hupf 9 hüpfen, tupf 9 tupfen, stupf9 stechend
— 5S —
stossen ^mhd. sfupfen, stüpfen\, ^*'Pf^ anfheb«! (mhd. lupfen^
lüpfen). supf9 schlürfen (zu 'saufend, rupf 9 grobes Tuch (mhd.
rupf in t , tupp9 geklobener Baamstamm (zu mhd. tühd),
kxlupp» Kluppe. Die Eonj. Prat der starken Verba der
2. Klasse und der 3. Klasse haben nie den Umlaut: lüg löge,
püg böge, flüg flöge, tsüy zöge, ßüx flöhe, f^rlär verlöre,
d^rfrür erfröre. gus8 gösse, süss schösse, f^rdruss verdrösse,
Äf(/f , söffe*, sluff , schlöffe*, ebenso /i//f wurde laufen, k^lüb
klöbe, ^üb schöbe, — ^furb stürbe, uurf , würfe*, irür würde,
hidf , hülfe*. Die der 3. a haben das « des Konj. durch
a ersetzt.
Mhd. M wurde zu i : fsiH'lprunn» Ziehbrunnen {*zHgil''),
fik/9 tücken, fikjri^ tückisch, glik/ Glück, (vgl. migltik/som,
kein Glück bringend), trik/n^ Trockenheit (Fem. abstr.
^truckam), nitslig nützlich, sprits^ spritzen, hitt9 Hütte, tsritt
verrückt, zerrüttet, sitt^ schütten, ßitt^ dünne Schnitte Speck
{^ftndja- zu idg. Wz. plt die in 'Fladen* vorliegt, vgl. Kluge,
et. Wb.), grik Gerüst, pi^s?h Büschelchen, griss» Kleie (mhd.
grüsch, das gewöhnlich zu ital. crusca gestellt wird), spri^sl
Sprössel, sissl^ Schüssel, slissl Schlüssel, sits Schütze, pUs9
Wiesenteich (ahd. puzzi lat. puteus), tsint^ zünden, simm9r9
das Vieh den Sommer über füttern, winf^9 wünschen, ginsiig
günstig, k/imftig künftig, p7n^ Bühne, kj^mg König (ahd.
kuning), hiippr^ hungern lassen, jitpfBr jünger, jhjgl^ Junge
werfen, dind dünn, tinfsfig dunstig, sind Sünde, k^indB künden,
frimmd bestellen {vrümmen), ins uns (aus unsih), ins9r unser,
tipß^ tüpfeln, fsippl eine Anzahl von Gegenständen (zu schieben
^scubiJ'), ripfl Heurupfer {*rnpßl zu Vupfen'), siff^ig süffig,
8ipfl9 süpfeln), k/ipf9rn9r kupferner {-in), Uft9 lüften, stipfl
Lochbohrer zum Pflanzensetzen (zum obigen stupf9)^ ^X^^Pf^
knüpfen, ßU9 füllen, fsilh Zülle, hild9r9 hallen (zu hohl,
^hidiron), mill9r Müller, gin9 Gülle, gmill Kehricht (zu mhd.
müllefi), hils9 Hülse, hilis9rndr hölzerner, tsigj9 zügeln, züchten,
rigl9 rütteln (zu mhd. rogel, "^rugljan), Hlg] Flügel, stlr^ stöbern
(mhd. stiirn), inr9 an etwas herumbohren {bürn zu bohren),
slr9 schüren, lcspTr9 verspüren, flr für, pirst9 Bürste, first
Fürst, fiy'xt^ fürchten, tpirg9 würgen, pirg Bürge, tnirk mürbe,
feucht (/o-Adj., mhd. inurc o-St.), fhi9r9 fördern (oilrderen),
— 59 —
tirmlig taumelnd (mhd. türmelic), tirxlk/öll9 durchlöcherte
Siebkelle (zu mhd. dürchel) ; es ist zu beachten, dass tr aus
ür nie zu i9 diphthongiert wird ; %w9r über, twl übel, k/%wl
Kübel, tlwl Zapfen (mhd. tübel),
Anm. Beachtenswerte Neubüdungen sind mu;( Michael, zu tni^xl
und k^ruit Christian, ^u kp'isth
§ 50. Mhd. ^, Umlaut iu. Es entspricht au, dem m,
ai: praux Brauch, paux Bauch, hatihd hauchen, raux rauh,
kxraut Kraut, haut Haut, staud9 Staude, tausdt 1000, kxlausd
Klause (Eindämmung beim Holzschwemmen), aus aus, aussd
aussen, hinaus; im Stanzertal und Paznaun lautet es uss9,
hus$9, auf die Ablautsform mit kurzem u zurückgehend,
graus9 grausen, raus Rausch, taus9 tauschen, maul Maul
(*Mund* fehlt der yLsi,)ffaul9 faulen, paur Bauer, saur9 hageln,
säur Hagel (mhd. schür), maurd Mauer, taurd dauern, säur
sauer, ein Adjektiv mhd. sür {süre?), s. § 49, möchte ich
auf Grund des Flurnamens sTr^puit erschliessen ; puit ist
mhd. biunt eingezäumtes Feld, der Name würde also *saure
Wiese*, Feld mit schlechtem Grase bedeuten, vgl. den Flur-
nanoen saurofj7j9r der saure Anger, den Ortsnamen saurs Saurs?
2 Stdn. westlich von Imst. Urkdl. ist 1483 ain stugk mad
genandt dg Süessaw erwähnt, pau Bau, pau9 bauen, trau9
trauen, hauffd Haufen, traup9 Traube, tauw9 Taube, hauu'9
Haube, snauf9 schnauben, au auf, tsau Zaun, laun9 Laune,
prau braun, dalimB Daumen, räum Raum, raumd räumen,
fdrsaumd versäumen (mhd. rümen, siimen). jüxtsk9 hat die
Diphthongierung nicht mitgemacht; es ist eine lautnach-
ahmende Bildung in lebendigem Zusammenhang mit dem
Naturlaut jü. (Läge mhd. u vor, so wäre die Dehnung nicht
erklärlich).
Für den Umlaut vgl. fai/t feucht (ahd. fühti), pait}
Beutel (ahd. bütü), kxraits Kreuz, paild Beule (Kluge, et. Wb.
s. V.), sail Säule (ahd. sid i-St.), aitdr Euter, rais9 (ahd. rüssa,
*rüsga) Reuse, haiffig häufig, dalmlig, Däumling (des Hand-
schuhs), aissdrlig äusserlich, graislig eckelhaft (zu grause),
haitdr Häuter, haisdr Häuser, raiha Rauheit (Fem. abstr.)
saiw^rd säubern u. a.
§ 51. Die Entsprechung i für mhd. ü, ai für mhd.
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monophthonges iu, ö der Imster Ma. für mhd. ö, qa für oe
zeigen, dass die Ma. in historischer Zeit die mit Vorstülpung
und Rundung der Lippen gebildeten Vokale verloren hat.
Gewiss ist das Aufgeben der bezeichneten Lippenartikulation
auf einen und denselben Prozess bei allen zurückzuführen,
der für alle im gleichen Zeitraum eingetreten ist. Zur Zeit
der Dehnung muss noch ein Unterschied zwischen i und ü
gewesen sein. Wie schon angedeutet wurde, ist i vor r und
Dental zu i9 geworden, ü wurde nun zu T, wo Dehnung
stattfand. Mhd. mir zeigt sich als mi9r^ mhd. vür als ftr;
mhd. virst als fi9rstj mhd. vürste als first. In dieser Behand-
lung des mhd. ür stimmt das ganze Oberinntal (speziell
die westlichen Maa.) mit Imst überein. Die Dehnung der
kurzen Vokale wurde wahrscheinlich im 13. Jh. durch-
geführt; es geht wohl kaum an, die Entrundung des ü schon
ins 12. Jh. zu versetzen (Weinhold, bair. Gr. § 19). Über-
haupt lässt sich aus den Angaben bei Weinhold S. 26 {e für ö)
S. 41 {ö für e, e, ä) S. 82 {ei für eu) S. 90 {eu für ei) eine
sichere Datierung für den Übergang gerundeter Vokale nicht
gewinnen. Im 16. Jh. war er vollzogen. Die Imster Ur-
kunden schreiben bis zur Mitte des 16. Jhs. immer ö, ü, 6,
oe, w, soweit der Umlaut überhaupt bezeichnet wird: 1543,
gewendlich (gewöhnlich), 1550 ebenso, 1569 geherig gehörig.
In der Baumeisterrechnung von 1600, Schnee/lichten (Schnee-
flüchte: Zufluchtsorte vor Schneewehen in den Hochalpen),
hurten (2), {liierten 2), betrüfft, hitten Hütten. Im Ratsprotokoll
von 1611: dariher, wwm^^/^cA unmöglich, sovil nnglich, gehirt
(Fol. 3), mindtlichy besen bösen (Fol. 4), von neten (Fol. 5),
aisserlichs, gepreichig (auch in der Baumeisterrechnung 1600)
(Fol. 6), Crei7,gang, peucht (Fol. 8).
§ 52. Mhd. ei. Es entspricht durchwegs qa: Iqab Laib,
swqaf Schweif, rqaf Reif, prqat9 breiten, sqadd scheiden,
Iqad leid, trqad M. Getreide, mqastdr Meister (in diesen beiden
ist das ursprüngliche agi frühe zu ei, ai geworden, wahr-
scheinlich ist das g geschwunden (palatalisiert worden),
bevor a durch den Umlaut geändert worden ist), hqad»
Heiderich, gqas Geiss, gqassb Geissei, glqas Geleise, mqa
Mai, tqal^ teilen, gqal fad schmeckend (mhd. geil), tsqagd
- 61 —
zeigen, m<^ar Name Mair, pqar Baier u. a. Vor Nasalen
erscheint mhd. ei (qa) als uo: stu9 Stein, hwMg heimlich
(heifdiche)f suocll9 (aus ^seindlen, zu mhd. seine) nachlässig
arbeiten, hil)n9 lehnen (mhd. leinev), hu^r^9rt Heimgarten,
Plauderei, Besuch, mit^nuij Meinung, m1> ein, fuam Feim,
ktdm Schaum (mhd. scheim)^ ]k/hi9n9 klein machen, iswudtsk
(mhd. zweimec). ai für mhd. ei haben folgende Wörter:
gaist Geist, hailig heilig, gaistlig Geistliche; die Urkunden,
welche altes ^t als ai, neues ei aus t als ei, ey konsequent wider-
geben (nur 1542 maines mhd. mtnes, gemeinlich mhd. gemein-
liehe), schreiben 1498 Heylign, 1500 heylign gaist, 1509 heiligen^
1512, 16 geistlich, geystlich^ 1517 heiligefi geyst, 1451 Aa^-
ligen. Nach diesen Schreibungen zu schliessen, drang (durch
eine Kirchensprache ?) ei für ai {ai für t^a) in der zweiten Hälfte
des 15. Jhs. durch. Für flais Fleisch, vgl. 1467 flaisch, 1611
(Fol. 4) fleisch. Auch im 17. Jh. werden die Schreibungen
ei und ai auseinander gehalten, Verwechselungen sind ver-
einzeint, aigdtlig eigentlich, neben (?a^a eigen; Ä:;^öfis.^r Kaiser,
selten kxQas9r, ferstqagdrd und /ers^o/^^r^ versteigern, wqagard
und waigdr9 weigern, haid Heide (mhd. heiden); das Suffix
'heit erscheint, wo es nicht zu h9t abgeschwächt ist, als -hait,
ksunthait Gesundheit, qawikyait Ewigkeit {k/rofjkx9t Krank-
heit, wqrhBt Wahrheit); dagegen schreiben die Urkunden
regelmässig -hait, 1467 siechait, 1450 warhait, auch in den
Ratsprotokollen immer -hait. In Zams, Landeck stehen die
Komponenten des qa einander näher ; q ist mehr dem a ge-
nähert; im Stanzertal und Paznaun wird reines ä für Imster
qn gesprochen: /arf leid, plä^^ bleichen, mos Stück gerodeter
Waldfläche (= Reut) davon der Name Maass = Bauer der
eine mäs bewohnt, (zu mhd. mei'^en) ; da auch vor Nasalen
mhd. ei als ä erscheint, haben wir es in diesem a mit einem
lautlich entwickelten zu tun. stä Stein, alä allein, mänd
meinen ; Nagl (Zs. f. österr. Volkskunde I S. 34) will a für
mhd. ei als fremdes, nicht im Bairischen entwickeltes Sprach-
gut fassen. Aus den Angaben bei Weinhold, bair. Gr. S. 52,
Schöpf, in Frommanns D. Maa. 3, 89, ist zu ersehen, dass
a für mhd. ei auch auf bairischem Boden organisch ent-
wickelt wurde. Eine Art i-Umlaut des ei scheint in p^add
-- 62 ~
beide, vorzuliegen, wohl schon ahd. (Braune, ahd. Gr. § 43, 5)
bide durch das Neütr. beidiu zu bidiu? Zu qa kann nach
dem Muster von mhd. 6: oe (heute ?a, qa) ein Umlaut ^a
gebildet werden: preat Breite, hqas Hitze, w^a/o Weichheit;
alle Fem. abstract. haben den Umlaut. Für die Entwick-
lung des qa vgl. man aus den Urkunden: 1477 Plaeckh
Anger (heute zu plqak^^engl, Flurname bei Obtarrenz, ge-
worden, vgl. Schmellerl, 328), 1479 zwoe (neutr. 1504 Oswald
Maer (Mair). Aus diesen Abweichungen vom gewöhnlichen
ai ist doch zu entnehmen, dass bereits qa gesprochen wurde.
1504 den man nembt Poener ^ 1524 Jacob Poener ^ 1543 Hans
Poener, 1569 Jacob Payner. Zu Grunde liegt diesem Namen
ö, dessen Diphthongierung man zu bezeichnen versuchte;
sie deckte sich aber mit der des mhd. ei (am), daher
die Schreibung Payner statt Pöner (zu mhd. böne F.) ; 1585
Hans Joes, der Name wird heute Jais geschrieben (wie vom
17. Jh. an) (jqas); es ist eine Kurzform zu *Josef und ver-
langt eine frühe Form Jos. In Innsbruck kommt der Familien-
name Joas vor (dialektische Schreibung).
§ 53. Mhd. ow, öu. Die Ma. bietet zwei Laute dafür,
ou (ou) und au: oug Auge, loug^ Lauge, goukh herumfuchteln
gaukeln, roux Bauch, rouyd rauchen, ou auch, glouwd glauben,
ddrlomvd erlauben, goiifld hohle Hand (mhd. goufe), slouf
Masche (zu mhd. slöufen), kxovffd kaufen, louffd laufen,
trouf M. Traufe, stoup Staub, loup Laub, soup Schaub (Stroh-),
toup erzürnt (mhd. toup), touffd taufen, roupd Koppen; der
Diphthong geht auf altes au zurück ; die Schreibung 'Koppen'
ist falsch; im 14. Jh. ist Rauppen geschrieben, vor p kann
in der Imster Ma. kurzes o nie gedehnt werden; vielleicht
hat auch altes o\i der Name roufd (Kofen, Rofenstein und
ähnl.). roup9 und roufd lassen sich unter einer idg. Wz. rup^
Ablaut roup, vereinen (vgl. beim Konsonantismus), tvoum
Traum, d9rtroumd träumen, /?owm.Baum, röum Kahm, söum
Saum. Da sich die ou dieser Wörter vollständig mit denen
aus mhd. gedehntem und langem a vor Nasal decken , so
ist es erklärlich, dass ihre Deminutive analog diesen gebildet
werden: pouin Baum, petm Bäume, pämb Bäumlein, wie
roum9 Kahmen rämUf soumd Samen, sämld: rämla dünner
— 63 -^
Kahm (zu roUm), Für die Umlaute zu diesen vgl. man:
göikdld zwecklos sich beschäftigen (zu mhd. gouckeln und
nicht wie bei Lexer I, 1044 zu gogeln), röi/9 räuchern; in
Tarrenz und westlich von Imst: rauchen (Tabak). utjglöiwUg
unglaublich, löiffig läufig, stöipa stäuben, ddrtöipd erzürnen
zu toupj üdnökkdt einäugig, entstand aus *einöuggent (ahd.
einoucki),
au haben : laugijd läugnen, taug9 taugen, august (junges
Lehnwort) August (Monat und Name); hauptsqx Haupt-
sache, haupmöu Hauptmann, (das einfache Haupt fehlt der
Ma.), tsauwdrd zaubern, rauwd rauben, der Einfluss des Nhd.
auf die Gestaltung des ou zu au lässt sich heute beobachten,
da neben den oben genannten ou auch au gesprochen wird
bei aug Auge, glauwd Glauben, tauff9 taufen, Urlaub Ur-
laub. (Urkdl. 1485 hopt, hobt, als Plur. von mhd. houbet).
Nur au und dies in lautgesetzlicher Entwicklung kommt
den Wörtern zu, die ihr ou (mhd.) aus germ. aw entwickelt
haben: frau Frau, au Au, hau9 hauen, grjau genau, tau
Thau, saug9 schauen; der Umlaut dazu ist ai, aild kleine
Au, fraild Fräulein, taijdlB leicht regnen (zu Thau), haijdU
Tätschchen, zu hau9 ; gai Gau , hai Heu , gehen auf altes
gauwj' mhd. göuwe zurück. Von Telfs an östlich und vom
Vintschgau an spricht man für das ou der Imster Ma. (ahd.
ou) ä, a ; nur vor altem w und teilweise vor g wird au
gesprochen. Inwieweit au vor g lautgesetzlich ist, kann
nur auf Grund von reichlichem Material aus den Maa. ent-
schieden werden. (Vgl. die Angaben bei Maister, a. a. 0.
S. 10. u. 16). Gewiss ist, dass der aus germ. aww, auw ent-
standene Diphthong ahd. ouw eine andere Behandlung erfuhr,
als der aus germ. au entstandene. Dies lässt sich bereits
fürs 12. Jh. erschliessen ; für den Fall, dass z. B. ahd. houwan
und koufön gleiches ou besassen, muss w vor dem 13. Jh.
den Diphthong in houwan so beeinflusst haben, dass er als
au erscheint gegenüber dem ou in koufön. Der Schwund
des w fällt bereits ins 12. Jh. (siehe beim Konsonantismus).
Wenn wir nun heute in der Ma. des Otztales finden, dass
die ou der Imster Ma. als ö gesprochen werden, (vgl. hüfy
lödan für Imster houf, loud9, k/öffan, rüx gegen kyouffd.
_ 64 -
roii/) so wird man zugeben, dass ahd. ou einst zu Ö wurde,
von dem aber das ahd. 6 (germ. ou) verschieden war.
Dies haben wir für unsere Ma. anzusetzen. Die ahd. ou
wurden Monophthonge, nur so ist es begreiflich, dass die
Entwicklung des alten ü zu au (über *ou) die alten Diph-
thonge nicht berührte. Wo w folgte, behielt ou sein diph-
thongisches Element, gai Gau, hai Heu, geben die Erklärung
für k/röil Kräuel, ihm liegt mhd. krewel nicht kröuwel zu
Grunde (ahd. krewil, nicht krouwil). Vgl. § 36.
§ 54. Germ, eu und ew. Es erscheint im Ahd. obd.
als io und iu, Braune, ahd. Gr. § 47. — Ahd. io entspricht
ia, für tu zeigt sich i9, ui, ai. Auf ahd. io geht i9 der
Imster Ma. zurück in ; liad Lied, ridd der häufige Ortsname
Ried, fast jedes Dorf hat sein Ried, Beiträge 18, 331, niat»
Niete, ni^r» Niere, sti9r Stier^ ti^r Tier, didrnd Dirne, dtand
dienen, gi9ss9 F. Seitenarm des Innes, kx'rd9 Knie, liax^ Licht,
si9x hässlich (o-St.). Die starken Verba der 2. Klasse a, haben
id lautgesetzlich im Ind. Plur. Präs. im Konj. Inf. Part.
fidid bieten, siadd sieden, gidss9 giessen, si9ss9 schiessen,
slidasd schliessen, gijidssd gemessen, f9rdridss9 verdriessen,
spri9ss9 spriessen, flidssd fliessen, nmd niesen, ferlidrd ver-
lieren, kfridrd gefrieren, tsidhd ziehen, flidh? fliehen. Auf
ahd. iu geht i9 der Ma. zurück in: li9h lieb, didh Dieb, tidf,
tief, rwm9 Riemen, si9x, Scheltwort: gierischer Mensch;
kyli9wd klieben, stidwd stieben, si9W9 schi-eben, tridffd triefen,
slidffd schliefen , rid^^ riechen , rauchen , kxri^x^ kriechen,
Ii9g9 lügen, pidgd biegen, fli^g^ fliegen, tri^ga trügen, ui ent-
spricht heute ahd. iu im Präs. Sing. Ind. Imp. der ange-
führten starken Verba der 2. Kl.: i puit ich biete, du puigst
du biegst, 9r darfruirt er erfriert, tsuix ziehe, fluig fliege.
Hier konnte keine Brechung eintreten, da in der Folgesilbe
w, i stand oder kein Vokal (Imp.). Wo dem ahd. obd. iu
heute i9 entspricht, ist die Brechung später durchgedrungen;
die labiale, gutturale Konsonanz hemmte die Entwicklung
zu io; doch nur teilweise: Die Qualität des iu z. B. in piugu
muss eine andere gewesen sein, als die des iu in riumo,
piugent] die Veränderung, welche iu vor Dentalen durch
Brechung erlitt, war grösser als die des iu vor Labialen
- 65 —
und Gutturalen. Vgl. Wilmanns, deutsche Gr. S. 167. Es
kann hier äüf die im Grunde analoge Erscheinung beim
Umlaute des ahd. a verwiesen werden. Das Verbum zeigt
die Brechung des germ. eu klar: piugu mit reinem iu, piugan
mit afficiertem iu (iv^. Nach dieser meines Erachtens unan-
fechtbaren Aufstellung, die ich Wilmanns (a. a. 0.) entnehme,
können wir für die ahd. Zeit ein Paradigma mit Doppel-
formen konstruieren. Lautlich entwickelt flektierte z. B.
diub\ Nom. S. diuh, 6. di^bes, D. d^^be, A. diuh. PI. N. ditf^ba,
G. di't^bo, Dat. diubun, Ausgleich konnte nun nach zwei
Seiten hin eintreten ; einerseits konnte der Diphthong i^(
(mhd. ie) über alle Kasus ausgedehnt werden (Imst didb,
mhd. diep), oder das ungebrochene iu herrschend werden
(Schöpf, tir. Id. S. 93, duib, doib^ mhd. diiip). So erklären
sich die Doppelformen von mhd. tief, Huf, liep^ liup^ Prät.
lief, Huf. Für Imst sind die vorauszusetzenden Doppel-
formen überall ausgeglichen worden, teils zu Gunsten des
ii( (heute *>), s.oben, teils des iu (heute ui): fluigd Fliege,
gruip9 Griebe, svird Eiterbläschen (vgl. Schmeller b. Wb. II
322), luiksd Leuchse, stuifmwHdr, -k/ind Stiefmutter, -kind,
tsuig N. Zeug, tsuig M. Zeuge (mhd. geziuge); ui hat das
isolierte Neutrum drui (mhd. driu) drei Uhr, huire heuer
(ahd. hinru). ai für iu erscheint in taits deutsch {diutisc),
lait (Plur. liuti), daitd deuten (ahd. diuten), namd neun {nal)
aus dem Neutr. mhd. muniu, gaid» geuden {^giudjan), lai/t9
leuchten (liuhtjan), faixtd Fichte {^fiuhtjön- Kluge, et. Wb.''
s. V.). In diesen Beispielen liegt i-Umlaut des iu vor, vgl.
Braune, ahd. Gr. § 49 und die dort verzeichneten Verweise.
Die Brechung trat nicht ein vor w (W^ilnianns, a. a. 0. A. 1):
ruij9 reuen {riuwen), pluijd bläuen (bliuwen), k/wß kauen
(kiutcen), pruijd brauen (briuwen, häufiger ist heute praij9,
sicher durch nhd. Einfluss), k/nuid} Knäuel (mhd. kniuwel)'^
der Name zweier Hochalpen (Imster, Namloser) truijd dürfte
auf ein ahd. "^triuwa zurückgehen, das mit ahd treo, got.
triu, zu verbinden wäre. Der Umlaut des iu trat nicht ein
vor w: nui neu (ahd. niuwi)^ trui treu (ahd. triuwi), auch
nicht vor A, vgl. sui/ scheu, suih9 scheuen (mhd. schiuhe,
schiuhen), ebenso nicht vor r: tuir teuer (ahd. Huri). Die
Schatz, Die Mundart vou Imst. 5
- 66 -
gleiche Aufstellung vor w, r hat Brenner, PBB. 20, S. 84.
Demnach muss stuir Steuer ein yä-Stamm sein, da es ahd.
ein starkes Fem. ist und iu hat, nicht *stiora wie man nach
den Gesetzen erwarten sollte. Den ^'o-Stamm *stiur;'a weist
Sievers, ebenda, 20, 81 A. 1, nach, altsächs. heristiuria.
Die 2. 3. Sing, der angeführten starken Verba hat ui in
Analogie zur 1. Pers. (und zum Imp.); die lautliche Ent-
wicklung müsste heute ai ergeben (Brenner, a. a. 0.).
Als ui erscheinen die mhd. iu folgender Wörter : fruit
Freund, puit (mhd. biunt) Kluge, et. Wb.^ Beunde, tuif} (und
taiß) Teufel, pfui pfui, hui Interjektion, fuir Feuer hat wohl
immer ui gehabt, ahd. vuir Braune, ahd. Gr. § 49 A. 3. ui
kann aus iu kaum anders als durch Metathese entstanden
sein. Jedenfalls ist kein Monophthong Vorstufe des ui ge-
wesen. Dieser ist nur für jene iu anzusetzen, welche heute
als ai auftreten, also umgelautet wurden, iu zu iü zu ^,
Braune, a. a. 0. § 49. — ui war im 15. Jh. bereits vor-
handen. Urkdl. 1485 puitet, 1500 genant der Nuipruch^
truilich und ungevarlich^ in truien (in Treue), gezuige (Zeuge).
1501 truilich^ mit handtgelobten truien an aydesstat, gezuigen,
1504, 1506, 1507 (2) truien, zuign, truilich. Das sind deut-
liche Belege für das Leben des ui zur damaligen Zeit. Früher
und später wird immer ew, eu geschrieben, 1448 lewt, 1476
frewndes, 1477 pewntt (puif), 1516 neusst (geniesst). iu muss
noch zur Zeit des Schwundes des w (12. Jh.) geherrscht
haben, da w nach i nicht wegfällt. Nach diesen Aus-
führungen haben wir für das Ahd. (Obd.) drei Schattierungen
des iu anzusetzen: iu, i% das mhd. als ie auftritt, und iw,
das monophthongisiert wird und zu ai sich entwickelt; Nagls
Bemerkung (Zs. f. österr. Volkskunde I, 59), ai = mhd.
iu sei nicht bairisch, entbehrt der Begründung. Wenn
Nagl im Euphorien II, 645 zur Stütze seiner Ansicht, ahd.
iu sei im Bair. einheitlich vertreten, nach Schöpf (Frommanns
Dtsch. Maa. 3) tirol. loit, doitsch anführt, ist er durch Schöpf
irre geführt; mhd. iu wird in Teilen Tirols als oi gesprochen,
wo es dem Diphthong entspricht, als qi, wo es auf das
umgelautete mhd. iu zurückgeht; /oiV, toirj noi aber Iqit,
tqiis wie k^rqits.
- 67 —
§ 55. German. geschlossenes^) S. Es erscheint im Mhd.
als ie, in der Ma. als io: tsidgl Ziegel, sior schier, miHd das
Vieh auf den Alpen mit Salz, Mehl füttern (Schöpf, tirol.
Id. S. 437 f.), pridf Brief, spidg] Spiegel, kxid Kien.
id haben auch: i9ts jetzt, nid nie, ddr idd (der) jeder,
8 idtwöid9r jedes.
§ 56. Mhd. MO, üe. Die Ma. bietet ud, id, vor Nasalen
w^, 19: mudtdr Mutter, prudddr Bruder, tsud zu, hudf Huf,
stu^l Stuhl, ru9 Ruhe, spwU Spule, fudddr Fuder, tud tue,
wudld wühlen, /le^r Fuhre, su9/d suchen, sw^A^ Schuhe machen,
su9xtdr Schuster (aus schuochsutcere , *schuochtcere), flv^x^
fluchen, stvidffd Stufe, pud/os buchenes [buochinz), hÜ9 Huhn,
nudsld aus der Nase reden, näseln, geht auf idg. nas- zurück
und beweist, dass die Ablautsstufe mit ä auch im Germanischen
vorkommt (Kluge, et. Wb.), rudssig russig; iewd üben, ridwig
[rudijig) ruhig, si9pd Kopfschuppe (westgerm. ^scöbja-), trtBb
trübe, fi9r9 führen, k/iel kühl, k/iah kühl machen, vgl. k^udl
(o-St.) von Speisen: nicht mehr heiss, abgekühlt. Vgl. das
Lied: 9S röigij9l9t, ds snaiwdldt^ 9s g^at d kxudUr wint, es
regnet und schneit durcheinander, es geht ein kühler Wind.
kxu9ld kühl werden, widtd wüten, pli^td bluten, ri9jff9 rufen
(mhd. riiefen), mi9ss9 müssen, midd müde, mia Mühe, midiig
lästig (mhd. müelich) , pri9 Brühe, midddr Mieder (mhd.
müeder), pridl kleine ruhige Wasserquelle, Brühl, (vgl. Kluge,
et. Wb. s. V.), widst wüst, grji^g^ F. Genügen, ridr9 rühren,
spiald spülen, tri9g trüge, slidg schlüge, ht9l9 Hühnlein, widr
Schutzmauer im Bachbett, auf altes wörjä- weisend, wie
Schmeller, bair. Wb. H 972 unten, das Wort richtig zu war-
(idg. wdr, Vollstufe dazu idg. "^wär-, germ. *wör') „wehren**
stellt, sies süss, hidtd hüten. Der Übergang von üe zu i9
beruht auf demselben Vorgange der Entrundung, der § 51
dargelegt ist. Die ersten urkdl. Belege von ie für we sind
1588 ob berierter sacken, 1600 Meten, 1611 Fol. 4 behieten,
Fol. 6 Caspar Siessmayr, dagegen aber noch 1501 rüebigklich
(mhd. ruowicltch).
*) Dass das genn. e^ kein geschlossenes (enges) e war, sucht
van Holten, PBB. 21, 438 f., zu begründen.
5*
- 68 ^
B. VOKALISMUS DER NEBENTONIGEN SILBEN.
1. ENDSILBEN.
§ 57. Sämtliche auslautenden Vokale sind abgefallen.
Die vokalischen Endungen des Mhd. fehlen heute. Vgl.
pax mhd. bechey naxt mhd. nehte, hidrt mhd. hirte, k/äs mhd.
kcese, sqd schade, oug mhd. ouge, tsw'öig zuwege, qlwig immer,
{allewege)^ (tjrj enge, lär leer (ahd. läri), spät spät (mhd. sparte),
tri9b trübe (trüebe), pqas böse; die Adverbien: lorj^tj lange,
tswQr zwar, gtju^g genug (mhd. genuoge), fqst fast {vaste),
sud schon {schöne); die Verbalendungen: 1. 3. Präs. Sing.
Konj. staig (mhd. süge), 1. 3. Prät. Konj. st%g (mhd. stige)^
2. Sing. Imp. der schwachen Verba; frqg (mhd. vrdge), die
Femin. abstracta auf -/: h^a^ (ahd. hohl), grqas Grösse, lefjT^
Länge, prqat Breite, gmuD Gemeinde (mhd. gemeine) u. a.
haid heute (mhd. hiute)^ fröid Freude, röid Rede, k/ais Ge-
häuse u. s. w.). Im Inlaut ist mhd. e unter gewissen Be-
dingungen ausgefallen : Immer in ursprünglich zweisilbigen
Wörtern, ausser wenn e zwischen zwei Verschlusslauten,
deren erster p, t, d, k ist, oder zwischen den Spiranten s,
s und s steht; in diesem Falle erscheint es als 9. mqrkxi
Markt (mhd. market), mqkt Magd (mhd. maget), jqkt Jagd
(mhd. jaget), omt Amt (mhd. ambet), k/reps Krebs (mhd.
krebe^); das e von mhd. zec in den Zehnerzahlen: draisk 30,
(mhd. driiec), fuftsk 50 {mhi. fünf zec)\ in der Konjugation
staigst, staigt (mhd. stigest, stiget), tsui/t (mhd. zitfhet), plqst
(mhd. blaset), ropft (mhd. ropfet), nimt {nimet), kfrqgt (gevräget);
der Vokal des Superlativsuffixes mlid. -est, rai/st (rtchest-),
lefjkst {lengest'), dagegen: pintdst bindest, sqd0t schadet,
paissdst beissest, aber paist beisst, waitdst weitest, p^as9st,
bösest. Diese Erhaltung des e ist dem Bestreben der Sprache
Konsonantenhäufungen zu vermeiden zuzuschreiben. Vgl.
die Belege aus den Urkunden § 170 Anm., welche erkennen
lassen, dass diese Regelung jung ist. — Vgl. Flexionslehre
Mhd. -el ist zu l geworden; löffl Löflfel, plhl Bühl (mhd.
bühel); mhd. -er erscheint immer als -ar: fqt9r Vater, t8qag9r
Zeiger, fudtdrd füttern u. s. w. ; dies kann nicht immer so
— 69 —
gewesen sein; die Entwicklung eines d in Verbindungen
mhd. 'ler- -ner- ist nur möglich, wenn der Vokal ausge-
fallen ist. Vgl. swcbr schöner {*schoe7tr'), [urkundl. 1611
Fol. 4, erinnderen (aus erinnren, heute ddrinndrd)], ferner
sold^r Söller (mhd. solre)\ im einfachen Wortkörper ist die
zu erwartende Folge von Konsonant und r immer durch
-9' getrennt. Schwund eines langen Vokales (Diphthongs)
weisen einige Zusammensetzungen auf: fqartl Vorteil, ivolfl
wohlfeil, soufl söifl so viel ; wahrscheinlich geht nq/p9r auf
nachpr zurück, üngewiss ist auch die Herkunft des 9 in
pofjijdrt Baumgarten, hu^ijdrt Heimgarten, es kann das abge-
schwächte a von garte sein oder auch sich aus f (pongft)
entwickelt haben.
Der Vokal der Schwachtonsilbe ist in der heutigen
Ma. 9. Auslautendes -^ geht zurück auf mhd. -en (nicht
anlautende Lenis n ist in der Ma. geschwunden): wqg^ Wagen
(mhd. wagen), fqdd Faden (mhd. vaden), hqars Plur. Herren
(mhd. h&ren), fraud Plur. Frauen (vrouwen); in der Verbal-
flexion endet die 1. 3. Präs. Plur. Ind. Konj., Prät. Plur.
Konj. auf -a (mhd. en), staigd Präs. , stlgB Prät. , auch das
Part, (der starken Verba, z. B. kstlg9 gestiegen ; tsQihd 10
(mhd. zehen), öiwB eben {eben), truk/9 trocken [trucken), nüno
nirgends (mhd. nienen); das -a in huir9 weist auf früheres
*hiuren mit adverbial ableitendem n, Kluge, et. Wb*^ s. v.
nun ; auf mhd. in in den Zusammensetzungen mit -hin :
auh9 hma,uf, qh9 hinab, tsu9h9 hinzu, ouh9 hinan; auf mhd.
in: rupf9 (mhd. rupftn), guld9 Gulden (mhd. guldin)-, die
Deminutive lauten alle auf -fo aus (mhd. eltn): plattl9 Blatt-
lein, pi8sl9 (ein) bisschen, wäg9l9 Wägelein. Ostlich, von Silz
und Mieming an, ist heute silbisches l Deminutivsuffix in
zweisilbigen Wörtern: platt], pfaiffl Pfeifchen; bei mehr-
silbigen kommt l9 vor: fög9l9 Vögelein, wag9l9 u. a. Auf
tn zurückzuführen sind die -9 der Fem. abstracta, da t ge-
schwunden ist (s. 0.): tvait9 Weite, swörts9 Schwärze. Die
Mehrzahl dieser Fem. hat die Bildung auf -9, im Gegensatz
zum Mhd., das die Bildungen auf ^, mhd. -e, fast ausschliess-
lich hat (Paul mhd. Gr. § 126. 3).
Inlautendes -9- entspricht: Mhd. en: qard9lig (mhd.
— 70 —
ordenliche), söigdSd Sense (mhd. segense) ; -ent der Part. Präs.
ist zu H geworden: löiwdt lebend, louff9t laufend; die 2. Plur.
Präs. Ind. Konj., Prät. Konj. lautet 9t, auf ent zurückgehend:
sqgdt sagt, öis gawdt ihr gäbet, öis saijdt ihr seiet. Lange
gedeckte Vokale einer schwachtonig gewordenen Silbe sind
zu 9 geworden: hairdt Heirat (mhd. hirät), grudmdt Grummet
{gruonmät), moundt Monat (mänöt), hu9m9t Heimat; hqatsat
Hochzeit (höchzU), qrw9t Arbeit, arwds Erbse {arwei^), k/roy-
kydt Krankheit, wqrh9t Wahrheit, ommds9 Ameise, ompds
Amboss ; die in in Stoflfadjektiven : pu9ydn9r buchener, pu^/^s
buchenes (mhd. bnochiner, buochtnz), wulUndr wollener, wullds
wollenes, tiax^ndr, tidx9s (mhd. tüechtner, tüechtnz), goldos
goldenes (u. guldds), faixt9s, piry^s holts Fichten- Birken-
holz (mhd. viuhtini^ hircMn^. Das Deminutivsuffix erscheint
heute teils als Id teils als dld; U ist die organisch ent-
wickelte Form; bei den starken Substantiven, z. B. mhd.
wegeltn, stetelin, wtbeltn trat Schwund des e ein: wöigld,
stattld, waibld'^ bei den schwachen trat mhd. eltn an das e
des Nominativs: gerteltn (zu garte), züngeltn (zu zunge)
öugeltn (zu ouge), auch hier musste e schwinden. Vgl. payl^
(zu pq/ Bach), pargU (zu parg Berg); k/nöpfl9 (zu k/nopf
Knopf), natl9 (zu nqt Nat), höfila (zu höft Heft), da/h (zu
dqx Dach), k/astld (zu kxqst9 Kasten), palk/l^ (zu pqlk/9
Balken), gräwh (zu grqwd Graben), tsapfld (zu tsqpfd Zapfen),
säml9 (zu soumd Samen), satüd (zu sqttd Schatten), prök/p
(zu prokyß Brocken), kyölbld (zu kyolwd Kolben), pf'östU (zu
pfostd Pfosten), tröpfl9 (zu tropfe Tropfen), slUU (zu slita
Schlitten), rwmU (zu riemd Riemen). Die heute auf Kon-
sonant auslautenden Feminine haben alle die Deminutiv-
bildung -fe; von denen, die heute auf Vokal ausgehen (-^),
haben viele 49, andere -^fo: prikb (zu p^wÄ;te Brücke), wlsb
(zu WIS9 Wiese), höisU (zu hous9 Hose), kyiryle (zu kyiry9
Kirche), plidmU (zu plu9m9 Blume), pfaifl9 (zu pfaiff9 Pfeife),
salhh (zu sqlw9 Salbe), s^adU (zu sqad9 Scheide), tasU (zu
tass9 Tasche), flasl9 (zu flqss9 Flasche) u. s. w. Nun ist aber
das Deminutiv gewiss nicht bei allen im Gebrauche gewesen,
die es heute haben. Neubildungen wurden nach dem Muster
der genannten hergestellt, an die Form des Substantivs trat
— 71 -
49; lautete dieses auf -^ aus, so hatte das Deminutiv die
Gestalt -dl9. In dieser Gestalt war das Suffix in jenen
Wörtern organisch entwickelt, welche mhd. auf -en aus-
gehen; vgl. wügdh (zu mhd. wagen), pöisdl9 (zu mhd. hesem,
hesm); ferner in den Wörtern auf -el z. B. mhd. vögeUin
heute föig9l9; die Geminata // erforderte für die Silbe eil
einen stärkeren Ausatmungsdruck, wodurch ihr ein Neben-
ton gewahrt blieb, der den Vokal vor Schwund schützte.
Iöf9l9 (zu löfl Löffel), piss9l9 (zu puH Büschel, Blume),
stlwdla (zu stuw9 Stube), gassdlB (zu gqsss Gasse), rinndld
(zu rinn9 Rinne), pir9l9 (zu p%r9 Birne), stmppU (zu st07]y9
Stange), tonn9ld (zu tonn9 Tanne), faixt9l9 (zu fai/M Fichte),
trlh9l9 (zu truh9 Truhe), srag9l9 (zu srqg9 Schrägen), pöig9l9
(zu poug9 Bogen), kxräg9l9 (zu kyrqg9 Kragen), kxarrdl9 (zu
kxqrr9 Karren), wäs9l9 (zu wqs9 Rasen), haiff9l9 (zu hauff9
Haufen), siokx^l^ (zu ätökx9 Stecken), fän9l9 (zu foun9 M.
Fahne), rikk9l9 (zu rvkk9 (Berg-) Rücken). Die einsilbigen
auf l auslautenden Substantive haben -919 ; tälab (zu tql Tal),
sttl9l9 (zu stU Stiel), sqal9l9 (zu sqal Seil), stalUU (zu stqll
Stall). Dass wir es hier mit dem sekundären Suffix -919
zu tun haben, erweisen alem. Formen wie t^lb {tabU) (Vorarl-
berg), das aus mhd. teleltn durch Synkope entstanden ist.
Auch bei zweisilbigen mit l im Stammauslaut tritt das er-
weiterte '9l9 an. snall9l9 (zu snqll9 Schnalle), kxöll9l9 (zu
k/ölU Kelle) , tsill9l9 (zu tsüh ZüUe) , grall9l9 (zu grqlld
Koralle, Kügelein am Rosenkranz), falbU (zu fqll9 Falle),
pölUU (zu poll9 Bollen), s'öil9l9 (zu soul9 Sohle), saUU (zu
sql9 Schale) u. a.
§ 58. i erscheint in Nebensilben im Adjektivsuffix
is (ahd. isc): swainis, schweinisch (geschwunden ist es in
sais unreinlich, „säuisch"), pairis bäurisch, pqaris bairisch,
hqaris^ was zu den Herren („den gebildeten Ständen") gehört,
herrisch, im$t9ris imsterisch, röigr}9ns regnerisch u. a. m.
Das Suffix 'ig kommt Substantiven und Adjektiven zu. kymig
König, höunig Honig. Auf Guttural auslautende Stämme,
die als zweiter Teil eines Kompositums der Vokalschwächung
unterliegen, erscheinen heute als -ig: suntig Sonntag, mätig
Montag, ör/tig Dienstag (mhd. erchtac), mutig Mittwoch
— 72 —
(selten, häufiger mittro/), pßntstig Donnerstag (mhd. pfinztac),
fraitig Freitag, somstig Samstag, fairtig Feiertag, warxtig
Werktag, hantsig Handschuh (dagegen -hausu»/ Hausschuh),
iirtig Schürze (mhd. vürtuoch), snütlig Schnittlauch, k/nouflig
Knoblauch, lailig Leintuch (mhd. Itnlachen, lilachen), piarlig
(mhd. hirlinc), hampflig Hämpfling, grii9wig, plötsig (Name
von Hochalpen, im 17. Jh. noch gruehach, pVötzach), Das
Adjektivsuffix mhd. -ec (ahd. -ag -ug) erscheint heute als
-ig gleich dem ahd. tg-^ vgl. tsaitig (mhd. zUec) zeitig, Qrtig
artig, wqldig waldig, uetsig einzig, mntsig winzig. k/röftig
kräftig, (ahd. kreftig), ma/tig mächtig (ahd. mahttg) u. a.
Mhd. 'lieh ist durchwegs zu -lig geworden; frailig freilich,
tsaiüig zeitlich, gutlig gütlich. Die Urkunden des 15. und
16. Jhs. schreiben noch häufig -leich, das sich aus stark-
tonigem 'liehe entwickelt hat. Das Feminin-Suffix Hnnja
tritt als in {hm) auf, das aus früherem -i/me entstanden ist;
daneben erscheint ^ sekundär aus in geschwächt, pöitin
(pöit'^) Bötin, hais9rin Häuserin, k/elUrp^ Kellnerin u. s. w.
2. VORSILBEN.
Mhd. be- ge- ; be- zeigt sich als jp?- vor p, w, m, t, d,
w> h 9i /; 9^' als g9' vor p, t, d, k, g, vor den andern
Konsonanten und vor Vokalen ist der Vokal abgefallen.
pdpau9 bebauen, pnoais Beweis, p9mörk/9 bemerken, pdtrq/t9
betrachten, pddeijkx^ bedenken, pmutsd benutzen, p^k/lqgd
beklagen, pdg^ard begehren, pdfolhd befohlen ; psitsd besitzen,
psais89 (betrügen), phondh behandeln, ployf}» sich sehnen
(mhd. belangen), plaiwd bleiben, gepöit Gebet, g^dof^k/e Ge-
danken, gdtämdr Klopfen (mhd. getemet*); aber kfunds ge-
funden, kfqr Gefahr, gmudt gemeint, gijädig gnädig, gfjommd
genommen, ksixt Geschichte, ksaid gescheit, gllhd geliehen,
grqid gerade, gwöir Gewehr, gwqrtdt gewartet, k/qar9 {k/
aus gh) gehören, k/üf Gehilfe, kxolffd geholfen. Mhd. ver-
ist heute /^r. Für er, zer, ent hat die Ma. ddr (geschwächt
aus *durch*): d9rsam9 erscheinen, deraiss» zerreissen, vgl.
ddrpfqhd empfangen, begrüssen (mhd. emphähen), ddrpfind9
empfinden. Eine andere Auffassung dieses ddr vertritt Kauflf-
mann, deutsche Gr.'^ 1895 S. 65.
,4
— 73 —
§ 59. Die Schwächung der Vokale vorzüglich einsilbiger
Wörter in pro- und enklitischer Stellung betrifft zumeist
die Präpositionen und Pronomina: tsud zu (mhd. zuo) betont,
tsu, tsur zu der, tsun zu dem, tsu da zu den, ts zu, vor dem
Inf. (mhd. ze), ddrfou da von, als Präp. fu von, /wr von der,
fun von dem, fu dd von den; au auf, a/, aw/, afi^, aufy^
auf dem, af da auf den, du an, an an dem, a dar an der,
a da an den, in in, i dar in der (vgl. al, ein alter Ablaut
mhd. m); pai bei, pan beim, par bei der; iwar, iwar über
u. s. w. mar wir, betont miar, qar, ar er; du, du du, Z, e ich,
sl, si sie; ^s es,. hat keine starktonige Form mehr; es steht
immer proklitisch as oder enklitisch -s. Die Formen des
Artikels: dar der, da den, t die, s das, in (aus m) dem.
Proklitisch sind unter andern: ana ihnen, ara ihr [iren), mar
mir, dar dir, »wijr mich, rf/j^ dich, sig sich, ww einem u. a.
Die Erscheinung der Apokope und Synkope hat Wein-
hold, bair. Gr. § 14. 15 schon aus dem 13. Jh. belegt. Die
Imster Urkunden haben die auslautenden Vokale nicht mehr,
von den heute synkopierten inlautenden werden nur ver-
einzelte noch geschrieben.
C. KONSONANTISMUS.
1. DIE LABIALEN.
§ 60. Germ, p. Im Anlaut «erscheint die Affrikata pf.
Die Hauptmasse der Wörter lÄit anlautendem pf sind Lehn-
wörter, pfqat Hemd (mhd. pfeit), pfonna Pfanne, pfa^tig das
rechte Mass habend (zu mhd. pfehten, vgl. Kluge, et. Wb.^
s. V. Pegel), pfüsa brodeln (zu mhd. pfüsen), pfar/a ab-
grenzen (mhd. pferchen), pfoiffa Pfeife, pfenta pfänden, pfq^^r
Pfarre, pfqrrar Pfarrer, pflti^g Pflug, pfioiga pflegen, pflduma
F. Flaumfeder (mhd. pflüme)^ pfrauma Pflaume (mhd. pftüme
*pfrüme lat. prunum), farpfriatna sich verpfründen, pfmha
schwer atmen (vgl. mhd. pfnehen). Zu beachten sind pUsa
Teich, Bache auf Wiesen (wie in nhd. Pfütze liegt lat.
pvteus zu Grunde, das wegen der Aflfrikata ts wohl als
*puttju8 *buUjus entlehnt wurde) vgl. Schmeller bair. Wb.^ I
— 74 —
418, und pöix Pech. Das lat. p dieser Wörter muss zur
Zeit der Entlehnung anders (sicher nicht aspiriert) gesprochen
worden sein, als die anlautenden westgerm. p. Das t (ttj?)
und c haben an der Verschiebung Teil genommen. (Vgl.
Heusler, AI. Kons. v. Basel-St. S. 2 f. ; für das Ahd. Braune,
ahd. Gr.2 § 133, 1). pf hat pflqstdr Pflaster, p haben pressd
pressen, pdi Pein, portd Klosterpforte (s. o. § 45.). Zu pq/t
Pacht, pqyp pachten, vgl. Kluge, et. Wb.^
Im In- und Auslaut entspricht germ. p die Affrikata
in der Verbindung mp: tsimpfdrlig zimperlich, empfindsam,
glimpflig milde, zart (mhd. gelimpflich), simpfd schimpfen,
schelten, simpfld spielen (von Kindern) hat die ursprüng-
liche Bedeutung „scherzen" bewahrt; ätumpf Stumpf, Strumpf
(strumpf) y Stomp f 9 stampfen, stempf] Stössel, „Stempel",
Ä/wwjp/ Holzgefäss für den Wetzstein (mhd. kumpf), k^rompf
Krampf, tompf Dampf, tempf9 dämpfen, sieden (westgerm.
dampjan), sumpf Sumpf, «wpp impfen, saurompfdr Sauer-
ampfer; mpf haben auch die jungen Lehnwörter trumpf
Trumpf, gompfdr Kampfer. In allen übrigen Fällen ist
germ. p durch die Spirans ff vertreten, die im Auslaut zur
Halbfortis wird (§ 17), wenn die vorausgehende Silbe lang
ist. sqfd schaffen, hoffd hoffen, gqffd gaffen, griffl Griffel,
^/Mffl Klöppel (mhd. kleffel), kslif» geschliffen, pfif^ ge-
pfiffen, siffig gut zu trinken (mhd. "^süffic zu 'saufen*), griff
Konj. Prät. 1. 3. ich, ergriffe, qf A&e, ofoflen, sg^ Schaff,
huff Hüfte (mjid. äw/), stuff sich abgestossen, verletzt fühlend
(zu stupfen'), stöfl Name eines steilen Waldhanges bei Imst,
wohl zu mhd. stouf (vgl. PBB. 18, 223); hauff» Haufen,
sauff9 saufen, kyouffa kaufen, touffd taufen, /ow^^ laufen,
graiffd greifen, raiffd Reif (mhd. rife), sqaff9 Seife, strqaffa
streifen (mhd. streifen), rieffa rufen (mhd. rüefen), sltBffa
schliefen, slöiffld ein Band einfügen (zu mhd. sloufen), stiaff-
mudtdr [stuiff-) Stiefmutter, tiaff^d Tiefe, slqffa schlafen, säffdr
Schäfer, warffd werfen, sörffa Schärfe, tarffd dürfen (germ.
purp- vgl. Kluge, et. Wb.^ S. 81); rqaf Reif, ^t>/tief, raif
reif, sqf Schaf, kxaif fest, derb (mhd. kif), swqaf Schweif,
trouf M. Traufe, hilf Hilfe, wurf Wurf, sqrf scharf, dqrf
Dorf. Die Fortis ff ist von der Lenis / streng geschieden
j
— 75 —
(§ 17), die Schwächung zur Halbfortis im Auslaut nach
langer Silbe kommt nur dem Satzauslaut zu. Im Wort-
und Satzgefüge tritt immer das etymologische jf auf. (Einzelne
Fälle, in denen heute germ. p Lenis / entspricht, siehe
unten § 80). Sqf Schaf, äaffla Schäflein, trouf Traufe, trouff-
rinnd Traufrinne, Dachrinne, is dqrff mh9 ins Dorf hinein,
i hilf ich helfe, i hilffi^ ich helfe ihm u. s. w.
Die Geminata pp erscheint in der Ma. als Affrikata:
supfd stossend schieben (zu ^schieben', germ. scupp-), hupfd
hüpfen, snupfd schnupfen, rupf 9 grobes Tuch (mhd. rupf in),
ropfd rupfen, raufen (ahd. ropfön), ripfl Haken zum Heu-
rupfen, stupfd stechen, stossen (vgl. PBB. 18, 217), kynopf
Knopf, höpfd Hefe (PBB. 12, 518), snepf M. Schnepfe, isupfd
zupfen, tsipfl Zipfel, tsepf Zehnkreuzerstück, wohl zum
vorigen (man vgl. dazu Kluge, et. Wb.^ S. 276 Ort^), gipfl
Gipfel, k/ropf Kropf, tsqpfd Zapfen, tropf d Tropfen, slipfd
schlüpfen (zu schliefen', m\iA! schlüpf en), slipfd gleiten (mhd.
Schlipfen, zu 'schleifen*), gripfd (mhd. gripfen) zwicken, kratzen,
zu 'greifen , öpf] Äpfel, söpfd schöpfen, sqpfdr Schöpfkanne,
tqpfdr tüchtig, stark gewachsen, sröpfd schröpfen, sripfd
schürfen, schinden, pfipf Pips, tupfe Tupfen, strupfd die
Milch sauber abmelken (zu mhd. ströufen), supfd schluck-
weise trinken, zu 'saufen*, k/ipfd Stemmleiste am Wagen
(wohl zu kyaif mhd. Mf), stqpfd F. Fussstapfe, kyopf Kopf,
kyupfd^* Kupfer; slqapfd (zu mhd. sleipfen), Halb wagen zum
Holzführen, kyrqpfe Krapfe (ahd. kräpfo, PBB. 7, 123), sirpfd
schürfen (mhd. schürpfen), harpfd Harfe, harpfd klettern
Schöpf, tir. Id. 246, Schmeller, bair. Wb.^ I 1165 (Etymo-
logie ?).
§ 61. Germ. 6. Im Wortanlaut entspricht p, im Wort-
und Silbenauslaut 6, im Silbenanlaut w;; wortanlautendes h
fehlt der Ma. Vgl. die Darlegung § 14. pqx Bach, pihl
Bühl, pqar Bär, pössdr besser, pissig bissig, pqld bald, pai
bei, pintd Binde, binden, plits Blitz, plqb blau, prif^r^a bringen,
prö//9 brechen, prums^ brummen ; grqb 'Grab, lieb lieb, höib
Halt, Stütze {*hahja), pibmo beben (ahd. bibinon), gloubmdr
glaube mir, hqtod haben, glouwd glauben, lidwdr lieber, Iwdr
über, iw9rdd%w9r über und über (über den Haufen), hqwdr
— 76 —
Hafer (mhd. hoher), löiwdrd Leber, örb Erbe, örwd erben,
starwd sterben, kyqlb Kalb, kx'ölwdr Kälber, hqlwar halber
Kreuzer.
Die Verbindung mb erscheint als mf: lomp Lamm,
lempdr Lämmer, k^omp Kamm, kyompd Radfelge, k/ampl
Haarkamm, womp9 Bauch (ahd. wamba), k^rump krumm,
simpl Schimmel (ahd. scimbal), rumph rumpeln, stumpd
Stumpf, Stummel, timpar dumpf (mhd. timber), k/lomp9r9
Klammer (vgl. mhd. klampfer mit anderer Stufe des Labials),
k/lumpd Klumpen, das Wort ist gut mundartlich, sicher
nicht dem Nhd. entlehnt, und zu anord. klumba zu stellen
(das nhd. 'Klumpen' ist ndd. Herkunft, Kluge, et. Wb.*^ s. v.).
Vgl. empar Eimer (Kluge s. v.) und tsüw9r Zuber (Kluge
s. V.). Als mm zeigt sich altes mb in umm um (mhd. umbe).
tumm dumm, entspricht mhd. tum flect. fumm- (nicht tump);
tsimmdrd zimmern (mhd. zimbern, got. timrjan). Die p in
slompd umherschlendern (Schmeller, b. Wb.^ H 523), gtimpB
(mhd. gumpen, westg. mbb?), gimpl Gimpel (Kluge, et. Wb.)
entziehen sich der genauen Beurteilung. Dass tromp9,
trompl9 trampeln, dem Ndd. entlehnt ist (Kluge, et. Wb.)
scheint mir zweifelhaft ; vgl. mhd. trampeln und die Labial-
stufen in stumpf, §tumpd, stumm,
Westgerm, bb. Es tritt als Fortis p auf: rip Rippe,
grip Gerippe, k^ripps Krippe, sipäqft Sippschaft (verächt-
lich), kyluppd Feuerzange, Kluppe, tupp9 grosses Stück Holz
(zu mhd. tübel), k/löppd kleben (fact. klabjan-) trans. u.
intrs., spinn9wöpp9 Spinne (mhd. spinneweppe), ksrap Stein-
Schiefergeröll (zu mhd. schraf, "^scrab), kynqp Knappe (Berg-),
'Knabe* fehlt, dafür pii9 Bube, rqp Rabe, rqppd zusammen-
raffen (mit raffd raufen (mhd. reffen), zu idg. rap- lat.
rapio), Iqp Laflfe (mhd. läppe), sopp9 Schoppen (zu schieben),
tqpp9 tappen, erwischen, tqpp9r plumper Fuss, tappig täppisch
(vgl. Kluge, et. Wb.'^ S. 372), snqpp9 schnappen (zu snqbl
Schnabel), mappl9 schnitzeln zum vorigen (Heusler, Alem.
Kons. S. 118) gf}qpp9 nicken (mhd. gnaben, gnappen), trqppl9
Falle (ahd. trappa), kynippl Knüttel, mit westgerm. Dehnung
zu mhd. knübel; in mhd. knüpf el liegt urgerm. bb (zu pp,
hd. pf) vor. täippl Schopf, Büschel, und tsiwl mhd. schübel,
- 77 -
kxnoppdrd feine Knollen der Gerberlohe, mit kxnippl^ k/nopf
zum Stamm germ. fcwiei-, slqppdra (mhd. slappern) vom
Wassertrinken des Hundes; die ursprüngliche Bedeutung
muss ,,herabhängen", „baumeln** gewesen sein. Zu diesem
Stamme auch älapsudy Lederhausschuhe ohne Hinterteil
(Schmeller, b. Wb.^ H 530). grqppl^ herumgreifen, krauen,
zu 'graben*, rippl» und rtbh reiben (mhd. rippeln), West-
germ, hb nach langer Silbe: sirpd Scherbe (vgl. ahd. scirbt)
setzt ein westgerm. ^scirbj- voraus, sqrpa scharren, kratzen
(wohl zum Stamm des vorigen, vgl. Scharben bei Schöpf, tir.
Id. S. 591), hölp Axtstiel {^halbja-), silp9r9 Holzsplitter, zum
Stamm scel- in *Schale' mit Labialsuffix, vgl. sölf» Obst-
schale (ahd. sceliva), slarpa schlecken (ar aus er) zu slurflff
schlürfen, Iqape übrig lassen {Haibjan-), k/lqap^r was kleben
bleibt, hinfallig (Ableitung zu "^klaibjan- ahd. kleiben), s%9p9
Schuppe {scöbja- mhd. schuope), traupd Traube (PBB. 12, 527),
gruip9 Griebe, roup9 Ortsname Roppen (§ 53), ri9p9 Schutt-
SteinrinnO; die Schreibung rüep Schöpf, tir. Id. S. 567, lässt
sich nicht rechtfertigen ; beide lassen sich unter einer Wurzel
idg. rup' vereinen. Germ. Ablautstufen raub- reub-, vielleicht
auch rauf' (§53) ; aus raub-, westgerm. raubn-, entwickelte sich
roup9j aus retib-, westg. rewftw-, wurde *riwpa, ri9p9, Schwierig-
keiten bieten der Erklärung die p folgender Wörter: toiip
erzürnt (mhd. toup) es bietet sich keine Flexionsform, welche
die Geminata (bb) hätte erzeugen können; vgl. d9rtöip9, toup
machen, erzürnen, {taubjan); vielleicht ist die Fortis vom
Zeitwort übertragen worden, lotip Laub (ahd. loub); vgl.
glöip Laubwald (Flurname) {^galaubja-), und ahd. louppa
Laube, stoup Staub, stöip9 (staubjan) stäuben, aber sti9w9
stieben, soup Schaub, Strohbund (mhd. schoub); war das
Wort ursprünglich einw-Stamm (vgl. Schaupen bei Schmeller,
b. Wb.'^ II 436), so erklärt sich p einfach ; vgl. Tropf (heute
stark) und Tropfen (schwach) u. a. m.
§ 62. Germ. /. Es ist als Lenis / erhalten. Anlaut:
ftl viel, fu9ddr Fuder, foug] Vogel, fqast fett (mhd. vei^et),
fe^al Fell, fqar vor, /^r- ver-, flr für u. s. w. Vereinzelt
erscheint pf an Stelle von anlautendem /: pflenn9 flennen,
pflarr9 breiter Schmutzfleck (mhd. vlerre), pfiittdr9 kichern
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(mhd. vlittern), pftqttdrd flattern. Es sind satzphonetische
Scheideformen, die in andern Gebieten grössere Verbreitung
haben; vgl. Kauflfmann, Gesch. d. schw. Ma. S. 183, Heusler,
AI. Kons, S. 92 1, Weinhold, bair. Gr. S. 132 f., Schöpf,
tir. Id. S. 494 flf. Inlaut: oufd Ofen, sroufd Schrofen, h^f»
Hafen, Topf, slf9r Schiefer, houfdlig achtsam (mhd. hoveltch),
tswaifl Zweifel, kx'öifdr Käfer, tuif} Teufel, saufl9 Schaufel,
rufd Eiterkruste (Braune, ahd. Gr.^ § 139, 5), goufl9 hohle
Hand (mhd. youfe), güfl kleine Felsenhöhle (zum vorigen),
räfd Dachbalken (ahd. rävjo)^ elfd elf, tswölfa zwölf (mhd.
elviu^ tswölviu), snüß9 schnüffeln, snaufi schnauben, sraUfs
Schraube, sttfl Stange zum Stützen der Schlingpflanzen
(Fisolen), mhd. stivel Schmeller, b. Wb. II 736; PBB. 18,
224, tswlfl Zwiebel, tsifdr allgemein vom Kleinvieh, (vgl.
ahd. zebar), untstf^r Ungeziefer, k/nouflig Knoblauch , höi/^
Sauerteig (PBB. 12, 518; 14, 423), höifomfm Hebamme,
pef9r9 gesprochenes riachäflfen (von Kindern) Braune, ahd.
Gr.2 § 139, 5, sliirfl9 schlürfen, sllfdrd Eis laufen, fordert
idg. p, kann also nicht zum Stamme germ. slip „schleifen"
gestellt werden, wiflig Weiberrock der alten Volkstracht,
(zu ahd. weibön, idg. Wurzel vip, Kluge, et. Wb. s. v. Wippe);
möglich ist auch beim vorigen ein Nebeneinander von idg.
slib und slip. stqrfd dürrer Stamm (§ 45); die/ in der Ver-
bindung ft sind erhalten: luft Luft, srift Schrift, kxrqft
Kraft, ksaftig geschäftig u. s. w. Im Auslaut ist/ selten ;
es muss im Satzauslaut zur Halbfortis werden, zwischen
stimmhaften Lauten im Satzinnern muss die Lenis / er-
scheinen ; houf Hof, houfund' Hof und. Etymologisches f
wird im Auslaut nach langer Silbe zur Halbfortis. Wenn
nun in gr^f Graf, in den inlautenden Formen ff erscheint
für etymol. /, kann die Ursache nur eine Neubildung der
inlautenden / nach dem Muster von etwa k/ouf Kauf und
kxouffd kaufen, slq f und slqff^ schlafen, sein. Auf derselben
Stufe wie grqf stehen : pri9f Brief (vgl./^rpri?^^ verbriefen,
pridfflig brieflich), staif steif, in den flektierten Formen mit
ff, ebenso si9f schief.
§ 53. Germ, w. Es ist im Wortanlaut vor Vokalen
erhalten: wqrm warm, tvqssdr Wasser, urlnt Wind; die germ.
- 79 —
Anlautverbindung wl^ tor erscheint als l, r wie schon im
Ahd. (Braune, ahd. Gr. § 106); über wqsd Wasen, Basen
(dies fehlt der Ma.) vgl. Kluge, et. Wb. s. v. Germ, qu
tritt als kxw und k^ auf: kxwidrd ächzen (ahd. *quirren zu
queran), k/wql Qual, k/wöil» quälen ; ohne w sind k/ök/ keck
(ahd. quec), kyittd Quitte, kxemm9 kommen (ahd. qtieman),
ky^addr Köder (mhd. querder) ; kxqat, Kot, geht dixxiköt zurück,
6 entstand aus uä (ahd. quät)^ in k/uttld ist kyn wahrschein-
lich aus qui zu erklären (Kutteln) Kluge, e. W. S. 222. —
Lehnwörter sind kxwqddr viereckiges Gartenbeet (mhd. quäder
aus dem Latein.), k/wit quitt, kxwökxsüwdr Quecksilber; über
den Schwund des w in hiidstd Husten, sids süss (aus hwösU
swöti') vgl. Braune, ahd. Gr. § 107 A. 1. In den anlautenden
Verbindungen von Dentalen und w ist w erhalten: swqrts
schwarz, swöU9 schwellen, kswind geschwind, tswqa zwei,
tsiwlf zwölf, tswif}f}9 zwingen, tswar/ (zwerch-) quer; eine
Neubildung ist das w in gwunuB gönnen (ahd. ga-unnmi
wohl über *gU'Unnan zu gwunn9). Das heute gesprochene
w hat seine Stellung nur im Silbenanlaut, im Auslaut wird
es zu J, genau wie das dem germ. h ensprechende w^ b.
Inlautendes w ist erhalten in: fröiw9 freuen (ahd.
frewen), ströiwd streuen (ahd. strewen), öib Mutterschaf (ahd.
Nom. OM, Gen. ewi), spaiw9 speien (ahd. sptwan), snaiwd
schneien (ahd. sntwan), ridwig (mhd, rüemc) ruhig, e^awig
ewig (mhd. ^wic), aivod Eibe (mhd. iwe)^ löib Löwe (ahd.
lewo); plqb (flekt. pl^w9r) blau, grqb {grqwdr) grau und Iqb
{Iqiüdr) lau, haben das w aus den Formen, in welchen w
inlautend stand, in den Auslaut übernommen, in welchem
das w ahd. als Vokal auftritt {bläo, g'fäo); harb herbe (ahd.
harawi), förwd färben, garwd gerben (ahd. ferweii, garawen),
arwds Erbse (mhd. erwei'i), sarw9 siechen (mhd. serwen),
harw9s StoflFadj. Neutr. 'flachsenes ; dagegen das Substantiv
hqr Flachs (vgl. Kluge, et. Wb. Haar^); k/ilb mild (von der
Witterung) mhd. gehilwe bewölkt, swqlmd Schwalbe, mit
sekundärem Übergang, des Iw in Im, vgl. gwölm Gewölbe
(zu mhd. weihen) ; weitere Beispiele für diesen Übergang
bietet Weinhold, bair. Gr. S. 143 f. Geschwunden ist w in
hau9 hauen (ahd. houwan), pluijd bläuen (ahd. Uiuu?an),
- 80 -
ruij9 reuen (ahd. riuwan), k/uip kauen (ahd. kinwan), priiij»
brauen (ahd. briuwan), nui neu (flekt. nuijdr neuer, nutjo
neue, neuen), trui treu (selten) ahd. triuwi, truip Flurname
ahd. Hriuwa nach der Erklärung im § 54, hat Heu (mhcl.
höuwe ahd. houwi), gai Gau, Landgegend (selten) ahd. gouwf^
strqa Stroh (ahd. strao zu s^trö)^ frqa froh (ahd. frao zu
/rö), ru9 Ruhe (mhd. ruowe), ru99, ru9ij'<^ ruhen, s^a See
(ahd. seo)^ kxl^a Klee (ahd. kUo)^ kxni9 Knie (ahd. kneo)^ e^a
Ehe (ahd. ewa), smur9 schmieren (mhd. smirwen). In g^al
gelb (ahd. gelo), mqal Mehl (ahd. melo), fql falb (ahd. falQ),
mqr mürbe (ahd maro), wirkten die auslautenden Formen,
deren vokalisiertes w dem Schwunde unterlag, auf die
inlautenden. Durch g vertreten ist heute altes w in äaug^
schauen (ahd. scouwan) ; vgl. Wilmanns deutsche Gramm.
S. 98, A., Weinhold, bair. Gr. S. 185, Pfaflf, Paul-Braune,
Beitr. 15, 192, wo andere Beispiele dieser Art angeführt
werden, d für w liegt vor in k/nuidl; es ist dies vereinzelt,
scheint aber alt zu sein: Maister, Vokalism. d. Ma. im Burg-
grafenamt S. 10 verzeichnet haudn hauen {houwen). h für
w zeigen Iqa^ M. Gerberlohe (x ist im Auslaut Vertreter
des inlautenden A, vgl. Adj. Iqahig mit Lohe vermengt);
rqax roh, ungekocht, mhd. ro und (dial.) roch, roher. Die
A in diesen Wörtern sind weit verbreitet; vgl. Schöpf, tir.
Id. S. 396, Schmeller, b. Wb.2 I 1467, II 85. Nach Kluge
(«. W. s. V.) sind die Grundformen germ. law- hraw-. Im
Ahd. findet sich manchmal für ursprüngliches w im Inlaute
A (Braune, ahd. Gr. § 110. 3). Fasst man die A {-x) in den
beiden Wörtern als sekundär entwickelte Übergangslaute,
so ist die Entstehung so zu denken: Germ, law-, hratc-
wurden im Ahd. auslautend zu lao, hrao, diese zu 16, ro ; im
Inlaut ist die regelmässig entwickelte Form z. B. lawes,
rawir; die 6 der auslautenden Formen wurden nun in den
Inlaut übertragen, löwes, röwSr ; für w trat A ein (vielleicht
schon lahes, rahSr), löhes, roher, das später über alle Kasus
sich ausdehnte.
Vereinzelt sind Wandlungen des w, wie in mi9r wir
{m aus w, w bei enklitischer Stellung nach dem Verbum
sagen wir zu sage mir vgl. mhd. sage wir Paul, mhd. Gr.
— 81 —
§ 155. 3), k^rilm^t Waehholder l'mhd. l-mntirite: Kranebitteii.
1 Stunde westl. von Innsbruck, heisst in der Ma, l'/rrätn^tA,
mpp9 Witwe (mhd. iri/ir^), inpp>r Witwer (sec. gebildet),
opp9r jemand, ,etwer' (mhd. eftrer). öpp^s etwas, öpp^ etwa,
§ 64. Die erhaltenen inlautenden -ir- (auslaut. -A)
stehen mit den aus germ. b entstandenen -ir-, -b heute auf
derselben Stufe. Treten sie im Wort- und Satzgefüge vor
stimmlose Konsonanten, so werden sie zu p. Vgl. die
Flexionsformen: fröiic9 freuen, % fröib ich freue, du frop^i
du freust, 9r fröpt er freut, fröptig freue dich, kfröpt ge-
freut; plöb blau, 9 plfnc^r ein blauer, 9 plöps ein blaues;
höitr9 heben, t hoib ich hebe, du höpst du hebst, 9r höpt er
hebt, hops hebe es, h/öpt schw. Part, gehoben; ffroub grob,
9 groutr9r ein grober, 9 groups ein grobes, d9r gröii^st der
gröbste. Schwund eines b zeigen einige Formen zu h<iir9
haben: i honn ich habe, du hqst du hast, 9r hqt er hat (mhd.
hän, hast, hät)\ homm9r haben wir, nur in dieser Stellung
{hän iüir), i hat, hatst, hat, hatt9, hattet, hatt9 (Konj. Prät.
mhd. hcete u. s. w.), Part, k/öt gehabt (ahd. gahebit ent-
sprechend, Braune ahd. Gr. § 368. 2. 4). Zu göhe9 geben
lautet die 2. 3. Sing, gaist gibst, gait gibt (schon mhd. gist,
git). Manchmal tritt Angleichung des b {w) an m ein im
Imp., gimm9r und gtbm9r gib mir. Mhd. ab erscheint als <>
überall in hochtoniger Stellung; nur in qpsqts Absatz des
Schuhes, ist 6 als p (vor s) erhalten, in schwachtoniger ist
b vorhanden, qb, ^m poum „ab dem Baume" (vom Baume
herab). Es wird ebenso behandelt wie mhd. itf auf; in
hochtoniger Stellung als Adverb ist / verloren, in schwach-
toniger als Präposition ist / erhalten: austia aufstehen,
tii9 au tue auf; auf tdr ponkx auf der Bank, affppoHd9 auf
dem Boden.
§ 65. Über die historische Entwicklung von germ. b
und w sei folgendes beigebracht. Die Belege, welche Wein-
hold, bair. 6r. S. 128 f. für die Schreibung von b für histo-
risches w und S. 140 von w für germ. b bietet, erweisen,
dass die heute herrschende Vertretung des nachtonigen b
durch w {'b) bereits im 13. Jh. vorhanden war. Ihre Ver-
breitung über das ganze bairische Gebiet bezeugt Schmellor,
Schatz, Die Mundart Yon Imst. 6
- 82 -
Maa. Bai. S. 82; aus den Imster Urkunden sei angeführt:
1455 ebig (ewic)^ 1473 arbis (mhd. arwei^), 1509 albeg (mhd.
allewege immer). Es ist meines Erachtens nicht richtig, aus
der Vertretung des germ. b durch w den Schluss zu ziehen,
dass das obd. b ein stimmhafter Laut gewesen sei (Wilmanns,
deutsche Gr. S. 55). Vor dem Wandel zu w war b ein
stimmloser bilabialer Verschlusslaut schwächster Artikula-
tion und kürzester Dauer, wie ihn unsere Ma. heute im
Auslaut und vor m spricht: gt^qb Grab, griab-U Grüblein,
ib-rig übrig, höibtn9r hebe mir. Um von stimmlosem b zu
w zu gelangen, ist es nicht nötig, dass b zuerst stimmhaft
wird und dann erst die Verschlussbildung aufgegeben wird.
Vielmehr ist der Übergang so zu denken, dass die äusserst
schwache Artikulation der Verschlussbildung nicht naehr aus-
geführt und der Stimmton durch das so entstandene w hin-
durch beibehalten wurde; denn das wesentliche für einen
stimmlosen Laut dieser Artikulation, die Verschlussbildung,
fehlte; (z. B. graben zu grawen). Einen genau analogen
Vorgang zeigt die lebende Ma. bei der Aufgabe der ^-Arti-
kulation nach i (s. § 16 Anm.).
Das ahd. w war ein Halbvokal mit m- Artikulation der
Zunge (Braune, ahd. Gr. § 104); dem w der Imster Ma.
kommt nur die Lippenartikulation zu. Von einer Entwick-
lung des ahd. w zum Spiranten, wie Wilmanns,* a. a. 0.
S. 98 und Behaghel, Pauls Grdr. I S. 579, annehmen, kann
für das Bairische nicht die Rede sein. Die Schreibungen b
für w und w für b lassen keinen andern Schluss zu , als
dass für b dieselbe Aussprache herrschte wie für w, und
zwar die des w des heutigen Bairischen. Wäre die ange-
führte Ansicht von der spirantischen Aussprache des b und
w im 13. Jh. richtig, so müsste man annehmen, dass einer-
seits b zum stimmhaften Spiranten, anderseits w vom Halb-
vokal zum Spiranten und beide in der weiteren Entwick-
lung zu unserm lo geworden seien. Dafür, dass das ahd. b
(obd.) ein stimmloser Verschlusslaut war, spricht die Ver-
tretung des germ. mb durch mp. Wir haben keinen Grund
zur Annahme, dass mb durch die Lautverschiebung anders
entwickelt worden sei, als etwa Ib oder b zwischen Vokalen.
- 83 -
Die Entwicklung des stimmlosen b in mb zu p entspricht
der des anlautenden b zu p, welche über ein grosses Gebiet
verbreitet ist. (Schmeller, Maa. Bai. S. 81, Schöpf, tir. Id.
S. 24 f., V. Bahder, Grundlagen d. nhd. Lautsyst. S. 226 f.).
In wieweit die heutigen bairischen Maa. Lenis oder Fortis
im Anlaute sprechen, ob germ. wortanlautendes b überall
einheitlich vertreten ist, wie in der Imster Ma., bleibt des
Nähern zu untersuchen. In einigen romanischen Lehnwörtern
entspricht dem anlautenden b in der Ma. w: warb} Bar-
bara, wqstl Sebastian (vgl. 1524 Bastion Schaz), weinedikxt
Benedikt (vgl. Weinhold, bair. Gr. S. 140). Zur Zeit der
Entlehnung wurde also das einheimische b im Anlaut wohl
sicher als Fortis, zum mindesten als stimmloser Laut ge-
sprochen. Die Zusammensetzungen kyrudwurg Schloss Kron-
burg, hörwrig Herberge, sqawrig Name einer Hochalpe „See-
berg", in denen das anlautende b des zweiten Bestandteiles
gleich den inlautenden b behandelt wurde, sprechen dafür,
dass die Differenzierungen der heute herrschenden Ent-
sprechungen des germ. b in unserer Ma. eine jüngere Ent-
wicklung sind und nicht in die früh ahd. Zeit zurückreichen
(also nicht durch die Lautverschiebung hervorgerufen wurden).
Da b schon im 13. Jh. als w erscheint und durchwegs er-
halten geblieben ist, muss der Schwund des inlautenden w
(gleich ahd. u>) bereits im 12. Jh. durchgeführt gewesen sein.
mm
(Vgl. § 54). über vereinzelten Schwund des b vgl. § 64.
Dazu noch pi(9 Sing. Bube, der Plur. hat w: pu9u)9, Demin.
jn^bh Büblein; das bairische Lechtal scheint den Schwund
eines auslautenden b in grösserem Umfange zu kennen, vgl.
wai Weib, gt gib; es ist offenbar ein später Vorgang.
§ 66. m. Es ist im An- und Inlaut erhalten: mtidtdr
Mutter, mimi9 meinen, movnd mahnen, mqgd Magen, Mohn
(mhd. inage)j ralm9 prahlen (mhd. nrnen Reime machen),
houm9r Hammer, swimm9 schwimmen, simmdrd schimmern,
summBr Sommer u. a. m. Die tw im Auslaut sind aus den
inlautenden Formen übertragen (Braune, ahd. Gr. § 124):
stomm Stamm, tumm dumm (mhd. tum, tummes), loum lahm,
poum Baum, hirom (Heim) heim, lalm Leim. Den alten
Übergang des auslautenden m zu n zeigen heute noch:
6*
— 84 -
hii9lig heimlich (auslautende Lenis n schwand), tür9 Turm ;
es geht auf turen zurück, das aus turn, türm entstanden ist.
Vgl. dagegen: wurm Wurm, qrm Arm, dqnn Darm, sinn
Schirm, hqbn Halm. In schwachtonigen Silben ist auslautendes
m geschwunden, wie alle n: poudd Boden (mhd. bodem), fqd9
Faden (mhd. vadem), gqd9 Schlafgemach (mhd. gadem), pöis9
Besen (mhd. hese^n); von diesem bewahrten das Demin.
pöismdl9 (neben pöis9l9) und das Verb pöisni» mit dem Besen
rühren, das suffixale m,
2. DIE DENTALEN.
§ 67. Germ, t. Es ist als t erhalten in den Ver-
bindungen tr: traud trauen, troug Trog, ft: luft Luft, k/röftig
kräftig, st: stw stehen, mist Mist, ht: nq^two/t^r Nacht-
wächter; im Inlaut zeigen sich einige germ. fr im Hd. als
ttr: pitidr bitter, tsittdrd zittern, lattdrd locker angebracht
sein (gehört zu ahd. lai und geht auf westgerm. latr- zurück).
Die Aflfrikata ts erscheint für germ. t im Anlaut vor Vokalen
und nach l, r, n: tsqrgd Zarge, Rand, tsqrt zart, tsonnd zäunen,
Gesichter schneiden, tsqwle zappeln, tsah9r Zähre (ahd. zahar),
tsaih9 zeihen, tsöirs zehren, tsöttl Zettel, tsidh9 ziehen, tsilh
Zülle, Kahn, tsirwB Zirbel (mhd. zirben); germ. tw ist heute
zu tstv geworden, ebenso auch germ. dw, pw: tswaif] Zweifel,
tswölfd zwölf, tswikx^ zwicken, iswaig Zweig, tswiss9 zwischen,
tswqa zwei , tswtslt gabelförmig geteilt , tswittBr Zwitter,
tswidr9 Zwirn ; tswar/ zwerch , tswiyyB zwingen , tswerg
Zwerg u. a. ; holts Holz, filts Filz, wqltsd walzen, milts Milz,
mqlts Malz, maltsa weiche Speisen mit der Zunge zerdrücken
(Fact. *maltja?i' zu germ. (ags.) meltan zergehen), ämqlts
Schmalz, polts Bolz, fqlts M. langes Bindseil, mit dem das
Bergheu auf die Schlitten gebunden wird (zu mhd. valzen)
stalts9 Stelze ; swqrts schwarz, wurts9 Wurzel, wartsd Warze,
harts Herz, k/urts kurz, surts M. Schürze, part89 refl. sich
auf die Zehen stellen (Schmeller, b. W. I 284), stqrts9 Pflanzen-
strunk (aus dem Boden hervordringend) zu mhd. sterzen hervor-
stehen (vgl. Streitberg, urgerm. Gr. S. 139), möirts März, kyöirtsd
Kerze; gonts ganz, srowfsSchranz,^^owA<fa Pflanze, wm^sa Minze,
pfintstig J)onnevstRg {mhd, 2)ßnztac);tswti9tskzwanzigy siwHsk 70
— 85 —
(mhd. sibetizec), näitsk 90, fidrtsk 40; nach diesen Formen
trat ts ein in fuftsk 50, wo aus vorahd. *fuftug t nicht zu
ts hätte werden können, da ft erhalten blieb; ebenso sind
die ts analogisch eingeführt in fuftsöihd 15, desgleichen
auch in draitsöihd 13, gegenüber draisk, das lautgesetzlich
entwickelt ist (mhd. drizec aus westgerm. *prUug),
Nach Vokalen entspricht dem in- und auslautenden
germ. t der Spirant ss (-ä), der heute an derselben Stelle
artikuliert Vird, wie s (aus ahd. s). Der Unterschied
zwischen beiden ist heute im allgemeinen der von Fortis
und Lenis. Über den Wandel des ahd. Spiranten z (zz) zu
88 vgl. Braune, ahd. Gr. § 168. 1, Paul mhd. Gr. § 29. Im
Auslaut wird dieser Spirant nach langem Vokal als Halb-
fortis gesprochen (analog wie bei j^ und hh). Der Wechsel
zwischen der geschwächten Fortis im Auslaut und der vollen
im Inlaut eines und desselben Wortes ist regelmässig be-
wahrt. gQS89 Gasse, fqss Fass, pissig bissig, wiss9 wissen,
griss9 gerissen, prennössh Brennessel, pöss9r besser, fdrgössd
vergessen, rqssU sich bei der Arbeit unmässig anstrengen
(mhd. ra'i'j^eln, zu rceie), ksmissd geschmissen, kslossd ge-
schlossen, suss Konj. Prät. schösse (mhd. schune), nussd F.
Nuss (die obd. Maa. setzen ein schwaches Fem. mhd. nune
voraus, vgl. Schweiz. (Brienz) nussän), wassdro wässern, gqas
Geiss, gqassdr Geisshirt, mqas gerodete Waldfläche, mqassl
Meissel (beide zu mhd. meinen), hqass9 heissen, grqas gross
Komp. gr^assdr, ruds Russ, ru9ssig russig, rudss] Kamin-
kehrer , puds Busse, pi9ssd büssen , raissB reissen , si^sss
schiessen, mqas Schweiss, gru9s Gruss u. a. m.
■
Germ, tt. Ihm entspricht Aflfrikata ts: switsd schwitzen,
hits Hitze, k/its N. Kitze, kxqtsd Katze, rqts Ratte (mhd.
ratze), k^rqts» kratzen, tnqts^ F. durch einen Stoss erzeugte
Vertiefung im Holz, in der Mauer, stüetnöts Steinmetz (beide
gehören zur germ. Wurzel mat vgl. Kluge, e. W. Metze^),
möts9 M. kleines Getreidemass (mhd. metze) , wötsd wetzen,
söts9 setzen, sitsB sitzen, nöts9 netzen, nöts Netz, hötsd hetzen,
öt89 ätzen, Igts schlecht, übel daran (mhd. letze), tratsd necken
(mhd. tretzen), swatsd schwätzen, nutsd Nutzen, suts9 in die
Höhe werfen (zu *schiessen* *scutt-), woats9 Weizen, hqatsd
- 86 —
heizen, pqats] (neben pqassl) Sauerdorn (Schmeller, b. W. I
287) zu *beissen\ pqatsd beizen (zu ^beissen'), spraitsd refl.
sich spreitzen, zum Stamme germ. spreut- ahd. spHuzen ;
eine Form sprüU setzt das Subst. spraus M. Stütze, voraus ;
snaits9 schneuzen, snduts Schnauze, kxlqats9 F. gedörrte Birne,
zu mhd. klö^ auf westgerm. klautU weisend (Schöpf, tir.
Id. S. 326), gäts9 zu essen geben i^ga-ätjan), gäts N. Ein-
geweide, Ursprung], das Gegessene.
§ 68. Germ. d. Er erscheint als Fortis t an allen
Stellen des Wortes. Für den Anlaut vgl. man: tomm Damm,
tompf Dampf, tumm dumm, tufjk^l dunkel, ttiyr]9 düngen,
teygl9 dengeln, tunst Dunst, tuft Duft (selten), tift9 eine
Flüssigkeit leicht durchsickern lassen (intrans.), trutt9 „Drude"
mhd. trufe, trqkx ein im Verhältnis ungewöhnlich grosses
Tier (ahd. traccho, lat. drac6),taixl hölzerne Brunnenröhre(mhd.
tiuchel), tould überdecktes Rinnsal eines Gassenbaches, gehört
mit tudld kleines Loch im Boden, zu Tal' (idg. dh}- und dhol-),
täsig in gedrückter Stimmung (mhd. dcesec) ; nach Schmellers
Belegen, b. W. I 545 liegt hier westgerm. d- vor. Im In-
und Auslaut: fqt9r Vater, gatar Gatter, wqt9 waten, pöit9
beten, kxroutd Kröte, §llt9 Schlitten, pröit Brett, pout Bote,
wait weit, saitd Seite, sqatd Saite, rqat rot, hqat9r heiter,
giftig gütig, wiH9 wüten, ruHd Rute, muHdr Mutter, fudtdr
Futter, plqtdrd Blatter, qtdrd Natter (mhd. nätere), spät spät,
gaitig geizig (mhd. gttec), prqtd braten, l^atd löten, haut
Haut, nidtd Niete, nqat Not, gmudt gemeint, kfolt gefällt,
tsöirt zehrt, 9r ^rait er schreit u. a.
Dem westgerm. dd entspricht Fortis t (Geminata tt) ;
da bei der Silbendehnung in der Lautfolge kurzer Vokal +
einfachem t {= germ. d) vielfach die Kürze des Vokals
erhalten blieb und t gedehnt wurde, ist die sekundäre
Geminata mit der ursprünglichen (westgerm. dd) zusammen-
gefallen, tuttd Zitze (mhd. tutte)^ k/utt^ F. Herde, Menge (zu
mhd, kütte), sqttd Schatten, trött9 treten, prittd F. Brettchen
{*britja-)y sittdr locker, dünn (mhd. schitere yo-Adj.), pitt9
bitten, wötf^ wetten, wöttdr Wetter, witt9rd wittern, hütd
Hütte, kxuttU Kuteln. Sicher einfaches t liegt den Parti-
zipien zu Grunde: hsottB gesotten, ddraottsrdt ausgemergelt.
- 87 —
erschlafft, ksnittd geschnitten, gritt^ geritten, kstrittd ge-
stritten, glitta gelitten ; plqtte Platte, glöU9 glätten, glqt glatt,
mqt matt, st(^t Stadt, sqt satt, söttiga sättigen, sütd Sitte,
mit mit, hqttld Ziege (mhd. hatele), gritfd die Beine ausein-
ander strecken (mhd. griten) , k/nqttld Kotballen in den
Haaren der Tiere (von Schöpf, tir. Id. S. 327 richtig zu
'kneten' gestellt), fötUr Vetter, platts weibliches Hühnchen
(zu mhd. hlate-, weil der Kamm fehlt?).
sqrtd Scharte, hart Herde (ahd. herta)^ swqrtd Schwarte,
tsqvt zart, hörtd härten, gurt Gurt, widrt Wirt, Jmrt Hirt,
dsr fidrt der vierte, wqrtd warten, gartndr Gärtner, wqart
Wort, qart Ort; Ä(?Z^^ halten, sqH9ra Bsirnhaum (mhd. schaltere),
spilt9rd Zaunstecken (mhd. spütere), walt Welt, galt Geld,
gddult Geduld, gsdultig gedultig, saltd selten, swd/ifqltdrd
Schmetterling (umgebildet aus ahd. vtvaltra), gwqltig ge-
waltig, silt Schild; wintd winden, wintld N. Windel, pintd
binden, nt herrscht in allen Ableitungen: pont Band, petitigd
bändigen, iimpentig unbändig; sintd schinden, sunt Schund,
slintd schlingen (mhd. slinden), slunt Schlund, hinte hinten,
rint9 Rinde, plint blind, tvint Wind, grint Kopf (mhd. grint),
hont Hand, sont Sand, ront Rand, gwont Gewand, gwantd
bekleiden, pfont Pfand, pfentd pfänden, ksunt gesund, M.
Gesundheit, hunt Hund, untd unten, ent N. Ende, pront Brand,
ontd ahnden (ahd. anton), tsintd zünden, tsunt] Zündschwamm,
tsuntdrd F. Zwergkiefer (Schmeller, b. Wb. H 1134), snintd
F. Riss in der Haut (mhd. schrunde), glent N. Feldname
„Gelände** zu *Land', hier kann z. B. westgerm. ddj vor-
liegen *ga-tandj-\ doch ist im Ahd. wohl kaum ein Unter-
schied zwischen nt aus *nd und dem aus ^ndd-; swintd
schwinden, swintU schwindeln, {Icswir^kb den Schwindel haben
refl. ; es hat r^k für nt^ die leichte Umbildung wurde durch
das anlautende k veranlasst), antdrd nachäffen (ahd. antaren),
sentd schänden, farsantU herabsetzen , t in antd Ente (ahd.
anut); in wintdr liegt germ. ntr vor. In der Partizipial-
endung des Präs. erscheint altes -nt- als t {-H): raissdt
reissend, 9 sttdnatar ein stehender, slqffHd schlafende, löiwdtdr
lebender. Dieser grossen Zahl von Wörtern , in welchen
germ. nd zu nt verschoben ist, stehen einige gegenüber mit
— 88 —
Lenis d statt der zu erwartenden Fortis t: londLa,nd (ahd.
lani), hald heute (mhd. htnte), pfiind Pfund (ahd. pfunt),
ivindd Winde, wendd wenden, aM5-, al-, nqatwendig aus-, ein-,
notwendig, qwendig abwendig, wund9 Wunde, wunddr Wunder,
fdrswendo verschwenden, und und, psunder 'besonder' in allen
Abteilungen. In jenen Fällen, in welchen d auf idg. t
zurückzuführen ist, könnte man an grammatischen Wechsel
denken, dass also neben den in den germ. Dialekten allein
überlieferten Formen mit nd solche mit np bestanden; die
Annahme einer Beeinflussung durchs Nhd. lässt sich schwer
erweisen. Sicher ist, dass diesem Wandel des ahd. nt zu
nd (soferne wir ahd. nt anzusetzen haben) kein Gesetz der
Ma. zu Grunde liegt. Das nd in hundert (ahd. hunt) beruht
auf fremdem Einflüsse; die Form hundert erscheint erst
seit dem 12. Jh. in der Litteratur (Braune, ahd. Gr. § 274).
Auffallend ist nd in allen Formen zu ahd. stantan : Präs. Plur.
stend9, Konj. stend, stendd, Konj. Prät. Stand, Stande, Part. Prät.
kstondd, pstenduj beständig, stond Stand, kstanddr Geständer,
pstond Bestand, Pacht, stund Stunde, stunde eine Pause machen,
aussetzen ; alle diese d statt des zu erwartenden t aus fremder
Beeinflussung zu erklären, ist bedenklich. Es liegt idg. t zu
Grunde; doch hat das Germ, nur nd, nie np, Stammbetonung
zeigt das analog wie standan gebildete got. fraihnan, (Vgl.
Braune, got. Gr. § 177. 3). Demzufolge könnte man denken,
dass das nd der Imster Ma. auf urgerm. ^stanp- zurück-
gehe. (Kann die Verschiedenheit der Betonung, welche got.
hausjan, laisjan, nasjan einerseits, ahd. hören, leren, nerien
anderseits aufweisen, als Stütze für die Annahme, dass
germ. nebeneinander stanp- und stand- vorkam, geltend ge-
macht werden?), siwd Sünde, sond Schande, zeigen in den
Wendungen sint unt sqd Sünde und Schade, e sont und e spot
eine Schande und ein Spott, dass ursprünglich Fortis nt
vorhanden war. Heute ist hier die Lenis nd herrschend.
§ 69. Germ. p. Ihm entspricht im spätern Ahd. rf, in
der Ma. Lenis d. Wo t erscheint, liegt eine spätere Wand-
lung vor. dqx Dach, dq da, dq/t Docht, deijkxe denken,
dqks Dachs, dik^ dick, daume Daumen, dirr dürr, dqrm
Darm, dir^ri Ding, durx durch, durst Durst, düle Dachboden
— 89 —
(mhd. dile), diost Dienst, dM Dieb, dqrf Dorf,
diar dir, gddult Geduld, pddait9 bedeuten, /arrfarw?^ ve
driijvid dringen, drnkx^ drücken, drai drei, dröss9 d
drahsUr Drechsler, draijd drehen, drqt Drat, dr'ökx -<.**,
drumm Trumm; röid9 reden, kxaidd keimen (zu ahd.
chidi), laidd leiden, Iqad leid, maidd meiden, raidd drehen
(ahd. rtdan), rld Wegbiegung; hierher auch der Ortsname
Nassereit, der fälschlich mit t (th) geschrieben wird, nqs-
raid und nqssraid wird gesprochen, daher ist der Name als
Kompositum von nass und *rid zu erklären; die Betonung
des zweiten Bestandteiles erklärt, dass Lenis s für mhd. ^
erscheint. hqad9 Heiderich (mhd. heide), wide F. Weiden-
strang (zu mhd. Wide), wqad Weide, tqad Tod, (Adj. tqat
tot), äqadd Scheide, prudd^r Bruder, lidd^rlig liederlich, midd
müde, mqd Mahd, grqd gerade, stqdl Stadel, mädb Mädchen
(Deminut. zu mhd. maget, ahd, magad), widor wieder; Widder,
söidig9 schädigen, p^ada beide, poud9 Boden, fqd9 Faden,
Iii9d9r Luder, fudd9r Fuder, flqdd Fladen (nach Kluge, e. W.
idg. plat, dazu flittd F. dünne Schnitte Speck idg. plt- germ.
*fludj-?); findd finden, lind lind, kswind geschwind, kxind
Kind, rind Rind, tsond Zahn (ahd. zand), onddr ander, frend
fremd, glanddr Geländer, londd F. Karrendeichsel (mit n
Erweiterung zu germ. lap- (Laden) s. Kluge, e. Wb. Ge-
länder); nd zeigen auch die Lehnwörter sindU Schindel,
spende spenden; wqld Wald, wild wild, suld Schuld (ahd.
sculd Braune, ahd. Gr. § 163. 6), gold Gold, pqld bald, fqldd
und fqltd Falte (mit Bewahrung der Doppelform "^falp,
*fald).
Germ, pp wurde im Hd. über dd zu tt: smittd Schmiede
{§mid9 schmieden), spottd spotten, Iqttd Latte (zu Iqdd Laden),
kxlöttd Klette, motts langsam ohne Flamme brennen, glimmen
(Schmeller, b. Wb. I 1693) zu monddr Moder; es setzt germ.
mopp' voraus — bei der Annahme eines westgerm. modd-
bleibt die Gemination unerklärt.
Anm. Nhd. ^Schotter* hat in der Ma. soudar als Entsprechung;
demnach ist mir wahrscheinlicher, dass westgerm. scop- u. scoppr- neben-
einander bestanden, als dass 'Schotter* dieselbe Dentalstufe (germ. d) hat
wie 'schütten'.
\
— 90 —
Zusammen gehören auch: ts^ddrd Fleischfaser und ahd.
zata [tap- u. tad-) (Schmeller, b. Wb. II 1085, 1166), tsoiitl
M. ungeordnetes Haar, weist auf germ. tod-, mhd. zotte auf
auf germ. topp; (Kluge, e. Wb. „Zote").
Die Fälle, in denen einem westgerm. p in der Ma.
Fortis t entspricht, sind: Anlautend: taits deutsch, tait9
deuten (dagegen d in pddaitd), tausdt tausend, tarff^ dürfen,
tir/lk/ölle Siebkelle (mhd. Adj. dürkel), totiddrd donnern, tqas9
tosen (mhd. dösen), ttfrjkx^ dünken, treastdld Drossel (Kluge,
e. W. s. V.), tridssd Drüse, iraupd M. Traube, t als Artikel
des Fem. Sing. Nom. Acc, des Plur. Nom. Acc. »die** 9r
will t qrwdt er will die Arbeit, a t oug9 an die Augen,
t qltd die Alten; die Erklärung, dass die Fortis t, welche
im Satzanlaut und nach stimmlosen Konsonanten gesprochen
wird, die etymologische Lenis d verdrängt hat, (Behaghel,
Pauls Grdr. I 589 o.), befriedigt am meisten; dazu stimmt,
dass in der Ma. alle Fremdwörter mit anlautendem d mit
Fortis t erscheinen: tüsd Dose, tuhqt9 ßukaten, topplt doppelt,
tutsdt Dutzend, tüdls^kx Dudelsack, tau7'9 dauern (durare),
tetsemm9r Dezember, idk/rSt Dekret, tifddidrd dividieren,
tokxtdr Doktor, toii Ton (mhd. don), tattum Datum, tek^a,
tekx9 Deka, telik^at delikat, tes9rter Deserteur, tikxti9ra
diktieren, tiskant Diskant, tispens Dispens, tisk9ri9r9 dis-
kurieren, tett9 detto u. a. ; fremde Wörter werden immer als
einzelne aufgenommen und nicht im Gefüge des Satzes,
ihnen kann also nur Fortis t zukommen. Unklar sind mir
die t in pilt Bild (mhd. bilde); /-Dehnung (westgerm. *bilipja')
ist in nebentoniger Silbe wohl ausgeschlossen, ebenso auch
grammatischer Wechsel (es ist nach Kluge, et. Wb. bi-lip-
ja-) ; sait seit (ahd. std), aber saiddr seitdem (mhd. "^stder) ;
ahd. sid ist germ. ein «(-Stamm, bei denen suffixale Betonung
Regel ist (Kluge, Nominale Stamm bildungslehre § 182);
doch ist germ. "^siä nicht belegt, fort, fürt fort (ahd. twrd),
faltdrdr Feldhüter zu Marktzeiten, eine Bildung aus dem
Plur., mhd. ^veldercere. Germ, rp ist mit Schwund des r zu
d geworden, wo es nach der Wirkung der Auslautgesetze
inlautend blieb: fqaddrd fordern, fqad9r vorder, f^addr
nach vorne liegend (Komparativbildung), f%d9r9 fördern,
- 91 —
fertig machen (mhd. v'drdern), k/^adar Köder (mhd. querder),
m^addrd zerfetzen (mhd. "^m'ördern, mürdern), mqddr Marder,
n^ad9r nördlich, n^addrsaitd Schattenseite, nqadrig auf der
Schattenseite (an einem Nordabhange) gelegen. Nur mhd.
werden erscheint in allen Formen mit Schwund des d und
Bewahrung des r; wqara werden, wür würde, gwqard ge-
worden. (S. Kauffmann, Gesch. d. schwäb. Ma. S. 182, A. 2).
Germ, rp ist heute im Auslaut rt\ wqart Wert, prw^artd
verwerten (spätere Ableitung), qart Erde, analog ^artig
erdig, hqart Herd, fürt fort (ahd. vord), Dass diese Ent-
wicklung jung ist, liegt auf der Hand ; vgl. ahd. herta Herde,
hart, und erda Erde, (^art-^ sie kann erst nach der Dehnung
eingetreten sein. Alter ist der Schwund des r im inlautenden
rrf; Belege bei Weinhold, bair. Gr. S. 168. In den Imster
Urkunden: 1468 erfodern, 1473 erfodertt, 1476 vodrung,
vordrang — [Yglrqardöpfl 'Erdapfel', Kartoffel).
§ 70. Germ, s. Es ist in der Umgebung von Vokalen
erhalten: sou so, sif^tjB .singen, sqlts Ss\z, sunn9 Sonne, söihd
sehen, sä% sein, löisd lesen, wlsd Wiese, nqsd Nase, r^asdb
leicht rösten, zu 'Rost*, germ. Würz. *rötes-; *rus liegt vor
in rouslig mit Sommersprossen bedeckt, rüs9l9 Plur. Masern
(also „Flecke"), vgl. mhd. rosel, rosem; aisig eisig, ais9 Eisen,
plqs9 blasen, pqas böse, glqs Glas, grasl9 Gräslein, wu9s
Mus; hs erscheint als ks: wqksd wachsen, söks sechs. Erhalten
ist s auch nach l, n: hqls Hals, fölsd Felsen, gons Gans.
Altes SS haben: ross ßoss, k/röss M. Kresse, puss9 küssen
(Schmeller, b. Wb. I 295), gwissd Gewissen, tsussld nach-
lässig gekleidetes, unordentliches Weib (Schöpf, tir. Id. 835,
Schmeller, b. Wb. H 1157), misslig misslich, gqassU Geisel,
Peitsche, der nhd. Schreibung 'Geissel* liegt ss zu Grunde;
«s ist westgerm. Dehnung durch w, ^gaiswala- nach Kluge,
e. Wb. s. V., trid8S9 Drüse (germ. prösja-),
Ahd. sk wurde zu s\ salnd scheinen, sudx Schuh, sqld
Schale, '6^äm^ schämen, ivass9 waschen, missd mischen, pttösl
Büschel, Blume, ments Mensch, pairis bäurisch; s wurde zu
s in den alten Verbindungen st, sp an allen Stellen des
Wortes: stiid Stein, stalle Stollen, m^a^ter Meister, ist ist,
'^(((xU meist, gai^t gibst (mhd. gist), re/ndst rechnest, spqrd
— 92 —
sparen, sprer^f^d sprengen, hqsp] Haspel, wösp9 Wesj ?, rqspU
raspeln, tswösp9 Zwetsche ; slj sm^ sn, sw sind im Wortanlaut
zu sl, sm, sn, sw geworden: slö/J schlecht, slQg9 schlagen,
kslalnd refl. sich beeilen (zu 'schleunig'), ämaiss9 schmeissen,
smql schmal, smi9r Schnur, snall schnell, snaiifd schnauben,
swqrts schwarz, swöird schwören, swär schwer, kkvind ge-
schwind. Inlautend erscheint sl als sl nur in omsh Amsel.
Der Übergang war hier durch die Stellung des sl im Silben-
anlaut hervorgerufen: qmsld aus am-sh (ahd. amsala). Vgl.
hqsl9 Haselnuss, -strauch, möismdr Mesner, lousnd horchen
(zu mhd. losen). Altes rs wurde zu rs: qrs Arsch, mqars^r
Mörser, k/irsn9r Kürschner, fqarsn9 Ferse (ahd. versana),
pidrs^ unmässig arbeiten (mhd. hirsen), pur§ Bursch, fers
„Vers", Spruch-, Sinngedicht, hintdrsig rückwärts, hinter
sich, iwdräig darüber, über sich, fträig vorwärts {vür sich) ;
diese drei sind frühe Zusammenfügungen* zu einem Wort.
Wo s in Flexionsformen vor t zu stehen kommt, oder als
Endung des Adj. Neutr. an r antritt, bleibt es als s: löis9y
lesen, 9r löist er liest, glöist (schw. Part.), onddrs anderes,
dagegen: ondors, ond^rst anders; pswwdar^ besonders, uaitdrs
weiters, 9 sauwdrs ein sauberes. Da diese Scheidung genau
durchgeführt ist, muss der Übergang des s in s in den an-
geführten Fällen schon frühe eingetreten sein, jedenfalls
vor der Synkope der Flexionsvokale. (Vgl. Kauflfmann,
Gesch. d. schwäb. Ma. S. 194 A. 2). Ahd. Spirans z wurde
zu s in löst letzte, mhd. lezte, leste, grqaät grösste, p'öät
beste. Die Synkope des Mittelvokals muss frühe schon
eingetreten sein; vgl. fqast fett (mhd. vei^et). Auch rg ist
einmal zu rs geworden in hiers Hirsch (ahd. hiruz, mhd. hir^).
§ 71. tä. Es ist eine junge Laut Verbindung. Im An-
laut der Wörter mag ts durch satzphonetische Scheide-
formen gewonnen sein (auslautend t und anlautend s), fstwl,
tsippl Schopf, Büschel (mhd. schühel), tsopf Schopf, tsäupl
Schopf, Kamm der Vögel, tsüddra sprudeln. (Wrz. skup-;
Schmeller, b. W. II 490), tseppdrd klappern (Schmeller,
b. Wb. II 354) ts^Ud schief drein schauen , schielen (zu
mhd. schiec schief). In tsivikdld geht ts wahrscheinlich auf
gs (ks) zurück; es gehört zu 'singen (Heusler, der alem. Kons.
— 93 —
V. Basel-St. S. 65). f§ark9 beim Gehen mit den Füssen den
Boden streifen (vgl. 'schergken' bei Schmeller, b. Wb. II 467).
Für den Inlaut ist es schwer eine sichere Erklärung des
ts zu geben ; für einige Wörter hat die von Winteler, PBB.
14, 455 ff. dargelegte Deutung grosse Wahrscheinlichkeit.
Anspruch auf allgemeine Gültigkeit kann die dort gegebene
Regel nicht erheben.
Anm. Ich muss mich begnügen, die FSlle, welche die Imster
Na. bietet, anzuführen: rüts9 rutschen (PBB. 14, 443. 461 aus ruckezen)
mhd. rutschen^ g^'ätsd mit gespreizten Beinen gehen (ßeitr. 14, 461),
fäüd Windel, Wickelband (nach Weinhold, bair. Gr. S. 163 aus lat.
fascia^ s. Kauffmann, a. a. 0. S. 183), 1c^iats9 zerdrücken (B. 14, 492.
463), frät8l9 schwätzen (zu 'fragen' B. 14, 465), pföits^ M. Äste der
Kadelholzbäume (s. Schöpf, tir. Id. S. 591), rtti^ Gassenbach (nach
Schöpf, S. 559 zu ital ruscello)^ pqts^ M. grobe Hausschuhe aus Tuch,
Filz; grosser Schmutz- Blutfleck. (Schöpf, a. a. 0.. 490, Beitr. 18, 310);
glats N. Sohmutzlache, Nässe auf Wegen bes. von geschmolzenem Schnee,
(nach Wintelers Regel zu lakx9, Lache ?), wats^ Ohrfeige (Schöpf 804),
ghits<f einen Baum durch Abschälen eines Stückes Rinde kennzeichnen
(Schweiz. Idiot. I 1235 yerzeichnet ßäts in der gleichen Bedeutung),
tat89 mit der Hand flach aufschlagen (Beitr. 14, 462), pßtsB zischen,
sausen, räts9 schwätzen (mhd. retschen, Eauffmann, a. a. 0. S. 194 c),
pWt89 F. grosses Pflanzenblatt (ders. ebda.), tuts9l9 von Kindern, sich
anschmiegen um zu schlafen (nach Wintelers Regel zu ducken ?), tqats^
Kotfladen {qa aus ö; a;? verwandt mit schwäb. dots^ Kauffmann,
a. a. O. S. 194), nouts M. Schopf, dichte Baumkrone, nqats M. Haus-
käppchen (der Geistlichen), pluts9 F. durch Vorschieben der Lippen
verzerrtes Gesicht, peats männliches Schwein (Schöpf, tir. Id. 39).
§ 72. r. Das ahd. r war Zungen -r; in der Ma. herrscht
jetzt das Zäpfchen -r. Es ist überall erhalten : nY^i^ Ring,
raiwd reiben, rqd Rad, pqard bohren, ridrd rühren, hqrt hart,
sirpd Scherbe, freund brennen, frqa froh, traurig traurig,
sraijd schreien, grünt Grund, k/ruog Krug, mqar Maier, tsarrd
zerren, nqrr Narr, kxqrrd Karren, clirr dürr. Alte Fortis
rr ist zur Lenis geworden in i9r irr, idrd irren, ksi9r Ge-
schirr. (Über den Schwund des r bei inlautendem rd vgl.
§ 69). Schon in ahd. Zeit zurück reicht der Abfall des
auslautenden r (Behaghel, Grdr. I 581 § 75) in dq, wou
(mhd. da; wou ist spätere Entwicklung aus *w'ö), 9 mqa aus
am S früher (ahd. er), qak/adl9 PI. „Frühkare*', Bergspitze
nordwestl. v. Imst (in den Karten zu 'Oder Karlekopf um-
- »4 —
gedeutet), mi3 mehr (das ahd. Ädv. mSr, Braune, ahd, Gr.
§ 268. 1, musste sich zu me (inhd.) entwickeln; 19 ist aus
späterer progressiver Nasalierung zu erklären). Vereinzelt
ist h^a her (abd. hera). Der Diphthong weist auf späten
Schwund des r (rahd. Sr zu ^ar). Heute wird vor l jedes r
im Worte und beim Zusammentreffen im Satze als d ge-
sprochen: hxä^dl Kerl (mhd. kSrl), öidU Erle, pi»d(ig Heu-
haufe (mhd, lirlinc), äqdlqx Scharlach, swadtig schwerlich,
iiarfb Tierlein, kyjldl Karl, w^dlouft wer lauft, sksiadlaih»
das Geschirr leihen u. a. Die Erklärung ergibt sich daraus,
dass alle r einstens als Zungen-r gesprochen wurden. Beim
allmählichen Verdrängen desselben durch das Zäpfchen-r be-
hielt man die bei rl zur Verwendung kommende Artikula-
tion der Vorderzunge bei. Die Aussprache rl ist für den,
der nur die Artikulationsbasis der Imster Ma. sich ange-
wöhnt hat, mit einer gewissen Anstrengung verbunden. Aus
der ursprünglich alveolaren Bildung des r sind auch einige
d zu erklären, die sich als „Uhergangslaute" zwischen nr
und Ir gebildet und erhalten haben.
Einen parallelen Vorgang kennt heute die Ma. bei der
Artikulation von nl (§ 23): sddsr Söller (mhd. solre), pökhrs
poltern (mhd. bölreti), hild^r» stark widerhallen {zu hohl,
mhd. "^hülren), k^oldtr» lärmen, schreien (zu mhd. kolre),
dirSÖldsr» (eine verbale r-Ahleitung zu 'schälen') aus den
Fugen schütteln, sich durch einen Fall, Schlag das Fleisch
losschälen, mandar Männer, tondsr Donner, dinä dünn ; hier
ist das d aus den Formen mit r im Suffix zu erklären
(/.. it. UL*n, Fem. diUirc, Komp. diinres, dünrt). Die Adj. /ai
fein, QrC) gi-Ün, sß schön, k/ßri klein, prau braun, rm rein
{nicht rein mundartlich, es sollte riß lauten, mhd. rein, vgl.
fiitt sutjumr Ttpsr tial stify, isSi^s tridsr rua, rinnt das Wasser
llhor 9 Steine, ist es wieder rein) haben neben den regel-
■Komparativbildnngpn futnar,grfi'n9r,S&mr,kxlu»mr,
'trOitiäf, roiHSr, Formen mit d statt w, fätd^r
*ßr, kxlt^»r, (kxlOd^r), prtiiddr, {rätd^r); dies
^m ^netige Doppel formon. Wo r auf w folgte, ent-
' J^ ein d.
n ist im VVoil- mtd Silbenanlaut erbalten.
- 95 —
In starktoniger Silbe nach kurzem Vokal ist n Fortis, weil
jeder kurze betonte Vokal unter scharfgeschnittenem Accent
gesprochen wird. Geschwunden ist Lenis n nach langem
Vokal und im In- und Auslaut schwachtoniger Silben. Als
Silbenträger (^) kommt n nur . als Vertreter des Pron. der
3. Pers. 'ihm, ihn' vor: 9r hqtig,s er bat ihm's, dr hqti^ er hat
ihn, femer als Abschwächung des Fem. Suffixes mhd. -inne:
yair'^ und pairin Bäuerin, haisdri^, hais9rin Häuserin, und
als Dat. Acc. des Artikels nach Präpositionen: miti^ mit dem,
Aiw^ar^ hinter dem, den. Der Schwund des n nach langem
Vokal ist dem Bair. zum grossen Teil eigen. (Weinhold,
bair. Gr. S. 172 f.). Den lautgesetzlichen Schwund des nicht
anlautenden n in nebentoniger Silbe weist nur das Oberinn-
tal und das bairische Lechtal auf; die Grenzorte nach
Osten sind Roppen und Nassreid (2 Stdn. östlich von Imst).
Gemeinsam ist diese Erscheinung dem genannten Gebiete
mit dem angrenzenden Alemannischen (Vorarlberg) und Schwä-
bischen (Reutte, Ausserfern). Ein Charakteristikum dieser
Mundarten kann sie nicht genannt werden, da z. B. die Maa.
des Kantons Bern die auslautenden n ohne Nasalierung des
voraufgehenden Vokals bewahrt haben (Schild, Brienzer
Ma. I. an der betr. Stelle). nQs9 Nase, noumd Name, nixt nichts,
nalnd neun (flect.) mhd. niuniu, nennd nennen, nunn9 Nonne,
yont Band, tsond Zahn, prunnd Brunnen, sunm Sonne, tonnd
Tanne, pfonnd Pfanne, henrid Henne, hounig Honig, hantig
bitter (ahd. hantag), gwound gewöhnen intrans., gwemd trans.
u. intrs., rexnB rechnen, wTsub Plur. Wiesen, wal Wein, säi
sein, SÜ9 schon, fruit Freund, du mu'g^t, dr mudt du meinst,
er meint, i mud ich meine, ddr ud der eine (mhd. der ein),
t uend die einen (andern). Alle mhd. auslautenden -en sind
heute -a: mu9n9 meinen, tqlt9 die Alten.
Im Satzgefüge waren die auslautenden n schwachtoniger
Silben seiner Zeit berechtigt; vor Vokalen wurden sie als
Anlaut zur Folgesilbe gezogen, also z. B. mhd. die ölten
und die jungen wurde zu tqlt9 nunt jui]i]9; das n von alten
bildete den Anlaut des tifid {alte nund), das von jungen fiel
ab. Aus solchen Silbentrennungen im Satze stammt der
Gebrauch, dass heute zwischen -9 und einen folgenden Vokal
- 96 —
n geschoben wird ; dabei bleibt es gleichgültig , ob -9 auf
mhd. -en oder -in zurückgeht: 9 nqlt9 nqrt eine alte Art
(mhd. ein altiu art). So erhielten im Satzgefüge vokalisch
anlautende Wörter nach -a ein w. Aus der Verallgemeine-
rung der satzinlautenden Formen mit w-Anlaut erklären
sich: n^l9 Ahle, neln9 Grossvater (mhd. ene), näU Qrossmutter
(Deminutiv zu ahd. «wo), nann9 Dem. nann9l9 Anna, nqssU
Assel ; umgekehrt wurde nach dem Muster von etwa t qd9r9
und 9 nQd9r9 die Ader, eine Ader, aus der Fügung 9 nqtdr9
mit stammhaft anlautendem n ein t Qt9r9 entnommen (eine
Natter, die Natter); qt9r9 ist allein geltend. Doppelformen
hat Nest: nöH und öst. Dass die heute allein gebrauchte
Negation it nicht, Fortsetzung des mhd. iht ist, wie Wein-
hold, S. 171 Anm. annimmt, ist fraglich, da wir keine
Anhaltspunkte dafür haben, dass mhd. iht im Behauptungs-
satze ohne en (ne) als verneinende Partikel gebraucht wurde.
Das n schwand hier in derselben Weise, wie in Qt9r9, öst,
ni/t nichts, hält sein n fest.
Vereinzelt ist der Schwund des n in rauft Ranft (vgl.
sompft sanft, fdrnumpft Vernunft, k/impftig künftig), ebenso
in wlssl9 winseln, auch die Fortis ss bleibt hier unklar.
Weite Verbreitung hat der Schwund des inlautenden n vor
Spiranten im Alemannischen, s. Staub in Frommanns deutsch.
Maa. 7, 18 flf. Auch im Bairischen ist inlautend n vor
Konsonanten vielfach geschwunden; doch ist hier noch die
Nasalierung vorhanden. Weinhold bair. Gr. § 166 b.
Im Wortkörper wird jeder dem w, w, i^ vorangehende
Vokal mit geöffnetem Nasenzugange gesprochen. Als Zeit
für den Eintritt der Nasalierung bestimmt Kauffmann, a. a. 0.
S. 165, fürs Alemannisch-Schwäbische das 12. Jh. ; wie die
Behandlung der nicht anlautenden Lenis n zeigt, steht Imst
auf derselben Stufe mit dieser Dialektgruppe. In den Ur-
kunden finden sich nur spärliche Schreibungen, welche auf
Nasalierung schliessen lassen: 1467 one ohne (mhd. äne)
(1448, 50 arte), 1472 on ohne, von da an immer, nur 1493
an, 1472 geton getan, 1451 montag (ob mundartlich? heute
mätig *mcentag). Im Pfarrarchiv: 1452 gethon, 1466 ow, 1497
mit nomen. Dass die Nasalierung schon früh eingetreten
— 97 -
ist, lässt sich aus der verschiedenen Behandlung der Vokale
vor Nasalen schliessen. (Vgl. Vokalismus). Progressiv ist
die Nasalierung in snauts M. „Schnauze* Schnurrbart, nöu
noch, snouk9 Schnake, mid mehr (mhd. mi), nv^ nie, nu9sl9
näseln (^nuoslen). Unklar ist sie in k^auts Kauz, isaupl
Schopf, Kamm (zu mhd. schoup), höukd Haken. Isolierte
Wandlungen des n in m liegen vor in möism^r Mesner,
pems} Pinsel, pimmdss9 Binse (mhd. bine^); Sievers, Phon.*
§ 699.
§ 74. L Es ist überall erhalten: laih9 leihen, lomp
Lamm, Iqatdrd Leiter, laut laut, halffd helfen, hqlh halb,
wild wild, hqls Hals, pqlg Balg, milx Milch, wolk/9 Wolke.
kylQr klar, pflöig9 pflegen, ßüg Flug, §lqah9 Schlehe, gfqt
glatt, woU9 Wolle, ätill still, rnqal Mehl, tqaU teilen, plhl
Bühl, fougl Vogel, sqttl Sattel, ätqdl Stadel. Fortis II kann
nur nach starktonigem kurzem Vokal stehen; etymologisches
// ist nach schwachtonigem Vokale vereinfacht: 91119 allein,
filai/t vielleicht, löff9ld Löffelchen (mhd. leffellin). Vereinzelt
ist n für / in k/miidl Knäuel (mhd. kliuwet). Die Konj.
Prät. von 8Öll9, wölU sollen, wollen, haben immer tt für It:
i sott, wött ich sollte, wollte, m9r sött9, wött9 wir sollten,
wollten (Heusler, a. a. 0. S. 114). Selten ist pqll für pqld
bald, galt für galt (mhd. gelte) gelt.
3. DIE GUTTURALEN.
§ 75. Germ. k. Ihm entspricht im Anlaut vor Vokalen
und vor Z, r, n [w) die Affrikata fc;^; ebenso in der Gemi-
nation, germ. kk\ kyqlb Kalb, kxqät9 Kasten, k/qrwoxx^ Char-
woche, k/enn9 kennen, kyrng] Kegel, k^ind Kind, kyopf Kopf,
kxoul Kohle, N. kyonffd kaufen, kyuwpf Holzgefäss für den
Wetzstein (mhd. kumj)f), kyail Keil, kyits N. Kitz, kyöif9r
Käfer, kyäs Käse, kyöss] Kessel, kyittl Kittel, kylqa Klee,
kxlemm9 klemmen, k/li9w9 klieben, kyloky9 klopfen (ahd.
chlocchön), kylv/9 klein, kylaffl Klöppel (mhd. kleffel), kyluky
Riss (mhd. kluc), kylqaät9r Kloster, kylöppd kleben, kylqft9r
Klafter, kxlu9g klug, fein, kyli}]7^9 klingen. Klinge, kylaupd
klauben, kylöttd Klette, kytieyt Knecht, ky7ioud9 Knöchel,
kynqp knapp. Knappe, kyni9 Knie, kyno/y9 Knochen, kynopf
Schatz. Die Mundart von Imst. 7
- 98 —
Knopf, kxnilld prügeln (mhd. knilllen), k/rqft Kraft, kxripp9
Krippe, k/rump krumm , k/rouU Kröte , k/rofjk/ krank,
kxrüijd krähen, k/rämH Wachholder (mhd. kranewite), k/reps
Krebs, k/rqbla kriechen, krabbeln, kxrtidg Krug, kyrqtsd kratzen,
kxraksd Traggestell (mhd. krehse), k/röil Kräuel, Spat (ahd.
*chrewil mit dem Vokal des ersten Umlautes,' der des zweiten
liegt vor in kyräld kratzen), k/ri9y9 kriechen, kxwi9r9 ächzen
(*ahd. quirren), k/ök/ keck, k/itta Quitte, kxu'ökxsilw9r Queck-
silber (vgl. § 63).
Fremdwörter mit anlautendem k/ (zum Teil schon früh
entlehnt) : kxarätd Kirsche (mhd. kerse), k/irw9s Kürbis,
k/^wds Kohl (aus lat. caput), kxontsU Kanzel, k/Qpp9 Kappe,
kxqpp^h N. Kapelle, kyqrrd Karren, kxlqr klar, k/qrt9 Karte,
k/eim Stubenkamin (ahd. ch^mi), k/amt Kamin, Rauchfang,
k/anäl Kanal, k/aputs9 Kaputze, kyopitt] Kapitel, k/qplou
Kaplan, kyarakyt9r Charakter, k/anötma Kanone, k/amill9
Kamille, kxum9r^t Kämerad, k/apitäl Kapital, k/aput kaput,
kyasarm9 Kaserne , k^amot bequem , kxalend9r Kalender,
k/adaM9r Kataster, k^unU Konto, k/üfer Koffer, kxatolliä
katholisch, kxCid9r Cadre, k/amed9 „Komödie", lärmende
Unterhaltung, k/laus Nikolaus, k/laus9 Klause u. a. m.
Anlautende Tenuis k fehlt der Ma. als etymologischer
Laut. Beachtenswert ist gits9l9 kitzeln {gtisl, gütsl Kitzel).
Die Grundform der germ. Wurzel muss tig- gewesen sein,
die mit urgerm. Dehnung englisch als tickle erscheint; unsere
Mundart hat tsek/9 mit den Fingern stossen, um zu necken,
(vgl. alem. ^lickle Kluge, e. Wb. „Kitzel"). Durch Ver-
tauschung der Konsonanten der urgerm. Form tig- entstand
git-, das mit westgerm. Z-Gemination (gittl) sich zu dem
gitsdU der Ma. entwickelte. Die von Kluge, a. a. 0. auf-
gestellte germ. Grundform kit, kut kann nach Ausweis der
Imster Ma. nur sekundär sein. Das Verhältnis von gltsdl^
zu „kitzeln" ist genau dasselbe wie das von *Geiss' zu 'Kitz
(Kluge, e. Wb. „Ziege"), grioib M. Schustermesser (Lexer,
mhd. Hwb. I 1042, Schmeller, b. W. I 1349), griikk9 knicken,
knausern (vgl. engl, knife und to knicke). Wie sich in
beiden gri und engl, kn verhält, ist nicht klar ; sollte germ.
ga-hni' zu Grunde liegen? Vgl. Kluge, a. a. 0. kneipen.
— 99 —
glokkd F. Glocke, ist Lehnwort. In gomppr Kampfer, golUr
N. Koller, gimmdrU Gurke (ital. cucummero), güt§d Kutsche,
grqll9 Koralle, graidif Kreide, entspricht das anlautende g
einem k der fremden Sprache, das in dem entlehnten Worte
sicher unaspiriert gesprochen wurde und mit dem allein
herrschenden ^r-Anlaut zusammenfiel.
Im In- und Auslaut entspricht germ. k nach Vokalen
und l, r die Spirans Fortis /: k/oy/9 kochen, mqyjyd machen,
^(IX. Sache, Stö/x^ stechen, si^ydr sicher, rqxx^ Rachen, rqx/P
schnarchen, röcheln, wqx wach, u:oxx^ Woche, ^oxx^r Stroh-
haufen (zu 'Schock'), si/^l^ Sichel, /f<?/ flach, Mmaxx^9 schmack-
haft, schmeichelnd, Ableitung zu mhd. gesmach^ Imst. k$mqx
Geschmack, paxxl^ Bächlein, hx Loch, töxx.^^ Dechant (lat.
decanus), proxx^ gebrochen, kätrixx^ gestrichen, plox Block,
pqxx^ backen, tsöx Zecke, laix Leiche, glaix gleich, waix^
weichen, §laix^ schleichen, taiy} Brunnenröhre (mhd. tiuchel),
prau/9 brauchen, plqax bleich, wqax weich, riex^ riechen,
roux9 rauchen, si9x Geizhals, Nimmersatt, lqax9 (von den
Gelenken, Augen) den Dienst versagen, tsqax^ Zeichen,
qax9l9 N. Eichel, §pqayd Speiche, äpqaxl Speichel, prQx^
brachen, das Feld umbrechen, lsi9xß Zieche, Decke, smaixl^
schmeicheln, pudx^ Buche, fludyd fluchen, fdrUaux'^ refl. sich
(Hand, Fuss) verrenken (PBB. 18, 221), Uaux^ Nonnen-
schleier (mhd. Stücke), su9x^ suchen u. a. Germ, rk ist als
rxy Ik als Ix vertreten: piry^ Birke, ünarxl^ schnarchen,
toirx^ wirken, warx^ wirken, warx Werk, Werg, mqrx Marke,
marx^ kennzeichnen , abgrenzen, ätqrx stark, lary^ Lerche
(aus mhd. l'erche, rk nach ags. lawerce), qrx^ Flussmauer
(Lexer, mhd. Hwb. I 92), kyqlx Kalk, niilx Milch, maly^
melken, wqlx^ walken. In kyirx^ Kirche, larx M. Lärche, tswüx
Zwilch, k/ölx Kelch, ist der Mittelvokal etymologisch be-
rechtigt gewesen ; diese / aus k sind zwischen Vokalen ent-
wickelt. In tirxlkxölld Siebkelle, muss tirxl auf eine germ.
Form purkil' zurückgeführt werden, das k (aus urgerm. gn)
entspricht dem in got. pairkö Loch; *durch' gehört zum
selben Stamme. Wäre rx in tir/l auf germ. rh zurück-
zuführen, so müsste man annehmen, dass h durch l geminiert
worden sei. Aber Synkope des i in ^purhil- ist ausge-
7*
— 100 —
schlössen, da dieses i Umlaut bewirkte. Den Übergang von
rh zu ri, den Wilmanns, deutsche Gramm. § 92, aufstellt,
vermag ich aus der Imster Ma. nicht zu bestätigen. Wie
die angeführten Beispiele von r;^, Ix zeigen, haben wir in
den IJc/, rhx von pqlk/o Balken, Fenster, wolkx^ Wolke,
gwilkx Gewölke (mhd. gewülke), mörkx^ merken, Ikk, rkk zu
suchen (westgerm. balkn-, wolkn-, gawulkj-, mark;-); kx in
folkx Volk, kann nicht mundartlich entwickelt sein (ahd.
folh), mqrk/t Markt, ist ein Lehnwort.
Germ, nk ist heute ykx: poTjkx Bank, älofjkx schlank,
kxroykx krank, do^kx^ danken, äwotjkyß schwanken, si^kx^
sinken, ser^kx] Senkblei, derikyj^ Denken, weTjkx^ wanken
machen, ätiTjkx^ stinken, tritjkx^ trinken, froykx frank, si't^kx^
Schenkel, äeijkyd schenken, hxlav^kyld mit dem Glocken-
schwengel anschlagen, muss mit mhd. klenken auf gerni.
klank zurückgeführt werden, iretjkx^ schränken, tuTjkx^ dünken,
tuv^kxl dunkel, wifjkxl Winkel, ß'tjkx Fink, hi^ky^ hinken,
glerikxig gelenkig.
Germ, und westgerm. kk. Die Geminata kk zeigt sich
als kx' trukx^ trocken, lukx^ Lücke zu *Loch* {*lukkja-), die
bei Kluge, e. Wb. „Lücke" erhobenen Bedenken gegen die
Zusammenstellung von 'Loch* und Xücke' sind nicht stich-
hältig; Schweiz, lugg ist eben vom Stamme lug (locker) ab-
geleitet und hat dieselbe Bedeutung wie ahd. luccha, das,
wie es scheint, dem Alemannischen verloren gieng. pukx^
bücken (zu 'biegen', urgerm. bugn- zu bukk-), tsukx^ zucken, zu
^ziehen*, dukx^ ducken; Zusammenhang mit 'tauchen ist mir
wegen des anlautenden d nicht wahrscheinlich ; es wäre der
einzige Fall in unserer Ma., dass anlautend ^ zu d ge-
worden, ärikx^ M. Schrecken (mhd. schricken), tuk/ M. Tücke
(PBB. 18, 220), pokx Bock, lokx^ locken, Locke, dökx^ decken,
dikx dick, sikx^rd sickern (gut mundartlich), wökx^ wecken,
drökx Dreck,, äpökx Speck, tswekx Zweck, tswikx^ zwicken,
rökx^ recken, ätökx^ stecken. Stecken, k/ökx keck, flökx
Fleck, flökx^ Bodendiele (Ableitung zu 'flach* ^flakkja-), pikxl
Pickel, wikxU wickeln, ddrätikx^ ersticken, ätikx] steil (Kluge,
Nom. Stammbldgl. § 188), rukx^ rücken (zu mhd. rogel, Imst.
rougl locker, also urgerm. ^rugn- zu *rukkf-), ämukx^l^ sich
- 101 -
*
anschmiegen (Paul PBB. 7, 133 A. 2 zu ^schmiegen'), ^i;^^r
Acker, trqkx grosses Tier (westgerm. w-Gem., ahd. traccho),
kxrik/9 brechen, schadhaft machen (zu ^krachen'), hak^l
Hautausschlag an den Händen zu 'Hechel*, vgl. Heusler, der
alem. Konson. v. Basel-St. S. 69, nqkx^t nackt, hokx^ sitzen,
verschieden davon ist hok^drld N. kleiner Heuhaufe, es ge-
hört zu *hoch' (germ. %auh-, ^haug-, "^hugn-), wik^fi Wicke,
plikx^ blicken, ätuk/ Stück, luk/ N. Deckel (mhd. lue, Ab-
leitung zu belucken), tsud luk^^ zudecken, äpek/9 mit dem
Finger fortschnellen, mit äpöih9 verjagen, zusammenhängend
und auf idg. spik- weisend (lat. spicultim?), germ. spegn-
und speh-, lekx^ lecken, älekx^ schlecken, plek^^ blecken,
hQkx9 hacken, wqkx^r wacker, ätokx Stock, ätrikx Strick,
ätrökx^ strecken, kätok/nd von Flüssigkeiten , dick werden
(PBB. 18, 223), ämökx9 schmecken, älnk^^ schlucken, ^ikx^
schicken, rokx Rock, prokx^ Brocken, pflücken (zu ^brechen*),
pqkx^ packen, tokx^ M. hölzerner Auslass an einem Weiher,
zu mhd. tocken versenken (zu 'tauchen'), &okx9 Socken, sqkx
Sack, sökxl Säckel, kxlokx^ klopfen, nekyd necken, glökx N-
Hofname bei Obtarrenz; ein /o-Neutr. zu 'Lache', "^ga-
lakja- „der Hof bei den Lachen", lakx^ Lsiche, kxlökx^ intrans.
ausreichen (mhd. kleckert). Nach langem Vokal haben wir
kx nur in Iqakxl^ anlocken, zu mhd. leichen, westgerm. *laikkj',
tqakxnd Holzgefasse ins Wasser tauchen, um sie wasserdicht
zu machen; es lässt sich am leichtesten zu 'Teich stellen.
{*daikkj'); der Flurname plqakxengl bei Obtarrenz ist 1477
urkdl. als Plaeck-Anger verzeichnet, man vergleiche dazu
die Verweise im § 52.
Die Vertretung des germanischen k durch kx im An-
laut, nach n und in der Gemination erstreckt sich über das
ganze bairisch- österreichische Westtirol (Oberinntal und
Etschtal). Die Ostgrenzen vermag ich derzeit nicht an-
zugeben. Dass wir hier eine Stufe der hd. Lautverschie-
bung vorliegen haben, ist ohne weiteres klar. Die zahl-
reichen Fremdwörter mit anlautendem kx beweisen , dass
die Ma. die Affrikata seit den frühesten Zeiten besessen
hat. Gegenüber den Angaben bei Behaghel, Pauls Grdr. I 591,
welcher die Affrikata nur einem beschränkten Teile des
~ 102 —
Alemannischen zuschreibt, muss das Vorhandensein der Aflfri-
kata auf bairischem Boden nachdrücklich betont werden.
Vgl. Jellinek, Zs. f. d. A. 36, 77 ff. Wilmanns, deutsche
Gramm. S. 29, hat seine Darstellung der Verbreitung von
A:;^[]nach Behaghel gemacht,|[obwohl er den genannten Aufsatz
Jellineks kannte (vgl. Deutsche Gr. S. 57 § 70).
Als g erscheint germ. k heute in dem nebentonigen
'ig, das der Ableitung mhd. -liehe entspricht: frailig freilich,
hauslig häuslich, sparsam, ,^il9lig schonend {*sch6nltch) ; ferner
in den enklitisch gebrauchten mig, dig, sig mich, dich, sich,
in ^och toniger Stellung ist hier ch geschwunden, mi, dl {st);
weiters in k^nouflig Knoblauch, inittlig Schnittlauch, lailig
Leintuch (mhd. Itnlachen), rätig Rettich. In den Urkunden
und selbst noch in den Ratsprotokollen des 17. Jhs. wird das
etymologische / immer als ch geschrieben und von g (Suffix
mhd. ec) getrennt gehalten. Die Ma. des Otztals hat die
alten x i^^ nebentonigen Silben bewahrt. Der Übergang zu
g ist also sehr jung und wohl durch Angleichung an das
Suffix ig (ahd. ig, ag, ug) bewerkstelligt worden. An phone-
tischen Ursprung kann kaum gedacht werden. Für die An-
nahme, dass rein analogischer Übergang des Suffixes -ich
zu ig vorliegt, spricht der Umstand, dass diese neuen g
durchaus fest sind (im Gegensatz zu schweizerischen Maa.,
vgl. Heusler, a. a. 0. S. 58). Im Stanzertal ist neben-
toniges g im Auslaut geschwunden; Imst: frailig freilich,
ratig Rettich, 1 Stanzertal : fraili, räti aber auch: tsaiti,
zeitig, ilqssmi lass mich, für tsaitig, Iqssmig der Imster Ma.
Anm. Die Namen der Hoohalpen *Grubig, Plötzig, Plattig*, nord-
westl. (5 Stdn.) von Imst {gru9mgf plötsig, plqttig) werden im 17. Jh.
als Gruebachf Plötzach, Plattach geschrieben; es liegt das Suffix ahd.
-ah vor, Kluge, Nom. Stammbldl. § 67, 202. Ihr -^ (gleich germ. /) ist
in derselben Weise behandelt worden wie das nebentonige / aus
germ. k.
§ 76. Germ. g. Die regelmässige Entsprechung ist g:
g^ard gerne, galt Geld, gift Gift, gu9t Gut, gqät Gast, glouwd
Glauben, glonts Glanz, glqs Glas, glikx Glück, grqas gross,
graiffd greifen, grünt Grund, grqt Grat, griv^g genug, gmvd
Gemeinde (ahd. gimeini), grqd gerade, grqast gereist, trqg»
— 103 —
tragen, fiuigd Fliege, Udg9 lügen, parg Berg, folgd folgen,
troug Trog, slqg Schlag, k/l^g Klage, stöig Steg, wöig Weg,
tswaig Zweig, tsüg Zug.
Schwund des g oder vielmehr Vokalisierung (vgl. die
zutreffende Darstellung bei Heusler a. a. 0., S. 67 u. f.)
zeigen: mqastdr Meister, trqad Getreide, wie qa aus agi
zeigt, sehr alte Zusammenziehungen; später sind: tröist,
tröit trägst, trägt, söist, söit sagst, sagt, löist, löit legst, legt,
ksöit gesagt, glöit gelegt, selten jöist, Jöit, gjöit neben jqkst,
jqkt, gjqkt jagst, jagt, gejagt, laist, lait liegst, liegt (mhd.
list, Itt), mädld Mädchen (Dem. zu ahd. magad *magadelm)
mit dem Vokal des spätem Umlauts.
Statt des zu erwartenden g im Auslaut haben folgende
Wörter Ä-;^: 9wökx weg! (mhd. enwec), park/mqd Bergmahd,
parkymqastdr Bergmeister (Aufseher über die Alpen), park/-
rixt^r Bergrichter (des einstigen Bergbaus), (pqark/w^ar/s-
kxopf wird im Westen von Imst eine Spitze genannt „Berg-
werkskopf"), dagegen parg Berg, loijkxwaüig langweilig,
ler^kylig länglich, lofjki^wtd die hintere Stange am Wagen
(vgl. Frommanns D. Maa. 3, 299) qrk/wou Argwohn. Es
sind isolierte Formen {wöig Weg, parg Berg, lor^ij lang, qrg
arg); ihre Affrikata kann kaum anders erklärt werden, als
dass einst in einer frühern Sprachperiode die auslautenden
g nicht als einfache Verschlusslenes gesprochen wurden.
(Vgl. Jellinek, PBB. 15, 268 ff, Braune ahd. Gr. § 149, 5,
Jellinek, Zs. f. d. A. 36. 77 flf). Eine Media affrikata, welche
Jellinek annimmt, scheint mir phonetisch nicht möglich,
da bair. g sicher stimmlos war. Sollte bairisch auslautendes
g als Media aspirata gesprochen worden sein ? Der Wandel
zur Affrikata würde sich dann auf eine Stufe stellen mit
dem von anlautendem gh zu ky: wo im Wortanlaut die
synkopierte Partikel ge, g mit h zusammentrifft, wird Affri-
kata kx gesprochen : k/ßh (mhd. gehilwe bewölkt) mild (vom
Wetter), kxaijd umwerfen (mhd. gehten), kx^ord gehören,
kxqltd behalten {gehalten)^ kyais Gehäuse. Dagegen könnte
man nicht einwenden, dass die Vorsilbe ge bei Schwund
des Vokals zur Fortis k geworden sei (wie tatsächlich in
schweizerischen Mundarten, Heusler, a. a. 0. S. 3 A. 1),
— 104 -
dass also diese anlautenden hx aus kh entstanden seien.
Unsere Ma. (das Bairische überhaupt?) hat für die Vorsilbe
ge überall, wo der Vokal geschwunden ist, Lenis g, na-
türlich vor Stimmhaften. Dass kx für auslautend g nur in
so wenigen Wörtern erhalten ist, erklärt sich, wenn man
bedenkt, dass die obigen Wörter und Zusammensetzungen
isoliert sind; den übrigen Wörtern standen Formen zur
Seite, in welchen g den Anlaut der Flexionssilbe bildete.
(Also etwa N. S. zwikx, G. zwtges, Imp. Sgl. trakx, Plur.
traget). Die Ausgleichung geschah überall zu Gunsten des g.
In den Urkunden finden sich die Doppelkomposita der Adj.
'iglich häufig mit gk, ck, ckh geschrieben, 1450 nfännigklich,
1435 giftigkleichen, 1477 ewicklich. Ferner junckfraw, Jungk-
fratv, junckhfrau im 15. Jh. — Die ersten Ratsprotokolle
(von 1611 an) schreiben gerne hinwögkh, perkhrichter, perckh-
maister.
mqrx N. Mark, lautet im Ahd. marg, Mhd. ist in bair.
Denkmälern eine Form march belegt (Lexer, mhd. Hwb.).
Vielleicht ist rx hier auf folgende Weise zu erklären. Das
Nebeneinander von marg, marges erscheint im Bairischen
als markx, marges. Nun kann ganz wohl eine Ausgleichung
in der Weise erfolgt sein, dass das auslautende kx in den
Inlaut drang: markxes; das so entstandene markx, markxes
stellte sich bezüglich der inlautenden Form rk^ mit G. starches
(d. h. starkxeSf vgl. Braune, ahd. Gr. § 144, 5) auf eine Linie.
Dem starches mit inlautendem rkx stand auslautend rh, stark
aus starah zur Seite. Wie starkxes zu stark bildete sich
markxes zu mark; marx wurde allein geltend. Es ist eine
gewundene Erklärung, wie ich zugebe, aber unmöglich ist
diese Umbildung nicht. Eine Stütze dafür kann das Lehn-
wort p9tsirx Bezirk, bieten. Es ist in ahd. Zeit nach der
Lautverschiebung entlehnt {ci zu tsi) ; rc muss als rkh ge-
sprochen worden sein nicht als rk ohne Hauch, kk trat in
unserer Ma., welche keine (reine) Tenuis Aspirata kannte,
mit kx zusammen. Wie starches zu stark bildete man zirkxes,
zirkx {zirkhes, zirkk) zu tsirkxes, tsirx um.
Westgerm. gg. Die Entsprechung ist Fortis k (Gemi-
nata kk): inidka Mücke, rukk9 Rücken, tsruk zurück, prukk^
— 105 —
Brücke, luh locker (mhd. lücke), ök N. Ecke, ökka eggen,
Egge, U'ökk9 Weck, lökka Holz aufschichten, fikks sich die
Haut wundreiben (zu *fegen), g^jak Genick, das lautliche
Verhältnis zu ahd. nacch ist nicht klar, pfr^akkd dickes,
schwer atmendes Weib (zu pfnlhd schwer atmen, Schmeller,
b. Wb. I 451), pukkl Buckel (westgerm. gg, Kauflfmann,
a. a. 0. S. 197, setzt fälschlich urgerm. gg also germ. kk
an, es gehört zu pidg9 biegen vgl. puk/s), tsikkU aus dem
Ziehbrunnen [tsikklprunnd) Wasser schöpfen (zu *ziehen* ^srng-),
sukkld schlürfend trinken, zu 'saugen', stakkl Eisenspitze am
Bergstock (PBB. 18, 224), lakk} nachlässiger Kerl, möglicher
Weise zu Iqb lau (Kauflfmann, a. a. 0. S. 197), gwqkkU
wackeln, wqkkB Bachstein, Wagge (Kluge, e. Wb.^ 393)
tsqkkU Troddel, Quaste (zu zagel), snök M. Schnecke, rokk9
Koggen, pqkk9 Backen, eine Form mit k/, ahd. haccho ent-
sprechend, fehlt, pqkkd setzt *baggo- voraus, also westgerm.
*bagn'j es ist mit mhd. buog Schenkel, zu verbinden, dessen
idg. Form bhagh- ist. Die Schwundstufe dazu, bhdgh-, ent-
wickelte sich im Germ, zu bag-; idg. bhägh- verhält sich zu
bhdgh' wie mägh- zu mdgh- (Streitberg, urgerm. Gramm.
S. 44). sprekkld sprenkeln (Kluge, e. W. s. v.), grqkkd dürre
Zweige (vgl. Schöpf, tir. Id. S. 205, 207) Schweiz, grageln,
rigSre PBB. 14, 461, flqkkd flackern (zu ahd. ßagarön), tsökkat
scheckig (ein Lehnwort? Kluge, e. Wb.), fdrmukkb ver-
heimlichen, weist mit fdrmauhU dass. auf eine germ. Form
*müg, die als Nebenform zu muk zu betrachten ist (Kluge,
e. Wb. unter „meucheln"), gukk9 gucken (bei Kauflfmann
fälschlich mit germ. kk angeführt a. a. 0.), nqak9 beugen
[hnaigjan), goukU herumfuchteln, gaukeln, hqak] heikel (auf
westgerm. gg im Gegensatz zu Schweiz, heik/el Kluge, e. W.
s. V., weisend), snoukd Schnake (bei Kauflfmann, a. a. 0.
fälschlich als mit westgerm. M), houkd Haken, tsudkd Zacken
mit sekundärer Nasalierung (vgl. Kluge, e. Wb. „Zweig"),
tsi^kU schielen, zu mhd. schiec^ tMrikdld nach Brand riechen,
zu 'sengen', stoTjko F. staTjker M. Stange, Pfahl (zu *Stange*),
royk9 zerren (mhd. ranken), rar^kld sich balgen, rofjk97' un-
artige Kinder, poyk^r dass. zu mhd. bangen stossen, tsor^k^
zanken, zerren („zanken" ?), sZa^A:^ Schlingel, s/e^jife schlenkern,
— 106 —
pufjkB stossen, schlagen, purjh9r9 klopfen, lärmen, pirikl durch
Stoss, Schlag entstandene Geschwulst (alle drei zu mhd.
bunge), fletjbf Fetzen, Zipfel (Heusler, a. a. 0. S. 67), lii^k
link, tetjk link, glatjkh baumeln (zu lang*), slifjk9 Schling-
pflanze, mirk mürbe (/o-Adj. zu mhd. murc), t8ark9 mit den
Schuhen den Boden streifen (vgl. ahd. scurgan bei Schmeller,
b. Wb. II 467), slqrlc9 geht auf slorken zurück, Oberinntal
slqarkd schlechte Schuhe, zu schlurken bei Schmeller, b.
Wb. II 533.
§ 77. Germ, x- Es ist regelmässig erhalten und zwar
als h im Wort- und Silbenanlaut, als x vor stimmlosen Kon-
sonanten und im Auslaut. Nur in den anlautenden Ver-
bindungen hl, hr, hw, hn ist h geschwunden wie schon im
Ahd. {louff^ laufen, ritjtj Ring, wqar wer, nqpf Napf), hommd
Schenkel (ahd. hammd), haus Haus, höiw9 heben, hqr Haar,
hqalB heilen, halffd helfen, hint9 hinten, holts Holz, söih9
sehen, öih9r Ähre (ahd. ehir), tsdhdr Zähre, trühd Truhe,
plqhd Blähe, fi/ Vieh, fihis viehisch, waihd weihen, laihd
leihen, saihd seihen, tsik9 geziehen, isiifhd ziehen, fliBhd fliehen,
suih^ scheuen, sui^ scheu, pih] Bühl, stiehl Stahl, paih] Beil
(mhd. hihel) Iqaha als Ortsname „Lehen*', silh9 schielen (mhd.
schuhen), pdfolhB befohlen (mhd. hevolhen), fqrhd Föhre (ahd.
voraha), tiay stolz, 9 wäh9r ein stolzer (germ. wih-), dazu
sicher o^iBx üppig wachsend (mhd. *wüehe germ. *wöhi^, aus
idg. wök, wäk?), tsä/ zähe, gä/ jäh, si9x unschön, für/ Furche
(ahd. funih). Dem organischen W^echsel von auslautendem x
mit inlautendem h steht und stand eine Vertretung mit
auslautendem x {^^ langer Silbe) und inlautendem x (gleich
germ. k) gegenüber. Die auslautenden x sind heute in beiden
Fällen dieselben (Halbfortis). Daraus ergibt sich die Er-
klärung, dass einige Wörter, deren auslautendes x gleich
germ. k ist, heute in den inlautenden Formen h aufweisen.
paux, panhig Bauch, bauchig, d9 pauhausnaicb den Bauch
aufschneiden, pöix Pech, f9rpöihd mit Pech verkleben, plöix
Blech, plöih9ni9r blechener, rnilx Milch, milhig milchig, aber
malx^ melken, kxqlx Kalk, kxqlhig kalkig, ksmqx Geschmack
(Geruch), Dem. ksmähld feiner Duft; so auch in allen, in
welchen kurzer Vokal vor auslautender Fortis x (^'Us k
~ 107 —
s. § 80) gedehnt wurde. Umgekehrt ist auslautend x ^^
den Inlaut gedrungen in tswar/, d tswar/^ hont eine quere
Hand (seltener 9 tswarh»). Vielfach ist im Bairischen in-
lautendes h durch x vertreten, z. B. im Zillertal; wie weit
der Wechsel von -x und -A-, wie ihn die Imster Ma. auf-
weist, nach Osten reicht, bleibt noch festzustellen. West-
germ. Dehnung des h liegt vor in Iqxx^ lachen, k/u^x^
Schlittenkufe (PBB. 12, 524), tsöx/^ zechen, kaum in Qx
Ache, Qx^^Q^ Achental (got. a^a) ; eher ist hier Verdrängung
des inlautenden -A- durch das -x des Auslauts anzunehmen.
Altes hs wurde zu ks: drakshr Drechsler, wqksd wachsen,
wqks Wachs, wiksd wichsen, oks Ochse, fuks Fuchs, daiksh
Deichsel, piks9 Büchse, luiksa M. Leuchse, aks Achse, söks
6, haks9 Puss (mhd. hehse), höirddaks eine eigene Umformung
des mhd. egedehse; frühe Synkope zeigt nakst Sup. der nächste
in der Folge, aber wöA^^/,wöÄw9^'/ der nächste, hökstps höchstens,
ist auffallend, da ö durch ^a vertreten sein sollte, siks
siehst, neben sTxst. Schwund des A liegt vor in gäligg plötz-
lich einmal, mhd. gceheltchen, wairoux Weihrauch (mhd.
wihroHch)y wtimaxt Weihnacht (mhd. wihenehte), tselndy tsel
zehn, neben tsöihna, tsöihd (hier ist der Schwund des A nicht
identisch mit dem in ahd. z^n vorliegenden ; zen hätte zu tsi9
werden müssen). Die drei ersteren standen nicht mehr im
Zusammenhang mit gcehe, wih-\ hl, hr, hn wurden wie im Ahd.
im Wortanlaut zu /, r, n. Die untrennbare Verbalpartikel ddr
ist aus schwach tonigem durch entstanden (= nhd. er-, zer-,
ent) § 58. Schwachtonigkeit ist auch Ursache des Schwundes
in it nicht, nou noch; ebenso ist der Schwund des A [/)
gleich germ. k zu beurteilen in ou auch (mhd. oiich), glai
Adv. gleich (mhd. geltch). Vgl. nqrrdt närrisch (mhd. narreht),
rqatlaxt neben r^atdldt rötlich, trotsaxt einzeln.
§ 78. Germ. ng. Es ist zu 'fjy geworden : si}]fj9 singen,
hetjya hängen, [Uor^rid Schlange, tswoT^fj Zwapg, rifjj] Ring,
spruTjfj Sprung, hufjfj9r Hunger. Altes gn erscheint als ^»j,
also mit Artikulationsausgleichung in: afj7]9 Baumnadeln
(mhd. agene), or^fioYK^as Agnes, moriij Magnus; Vgl. noch
poi}y97't Baumgarten, hudtjdrt Heimgarten. In diesen wurde
das auslautende m des ersten Kompositionsteiles zuerst nach
— 108 —
dem Gesetze zu «, dann vor g zu ij, poumgarto zu poungarte
zu poTji^art — Urkdl. 1455 pongartli,
§ 79. Germ. ./. Es ist anlautend erhalten: jqr Jahr,
juijfj jung, jug9t Jugend, jöurngr Jammer, järmra jammern,
j(}g9 jagen, ^'qx^ Jagd, jütska jauchzen, jäh Dem. zu dem
seltenen jou kleiner Fleck Acker (Kluge e. AV. S. 178),
jöttd jäten. Über den Schwund des / in öümdr (ahd. ämar)
Gier, Sucht und eihqlb (mhd. enhalp) vgl. Sievers PBB. 18,
407 f., Streitberg urg. Gr. S. 60, Hoff mann -Krayer, Kuhns
Zeitschrift 34, 144 ff. Über die heute zwischen Vokalen
stehenden inlautenden / vgl. § 10. Darnach stehen neben
den Formen mit j solche ohne /. ; muss stehen nach den
Diphthongen, deren zweiter Bestandteil i ist, also nach ai,
ui. saijQ seien, ruijg reuen. Hier ist eine Aussprache said,
ruid ausgeschlossen. Als g ist j erhalten in tilgd Ottilie
(tUje), gilgd Lilie (mhd. gilge), sorg Scherge (ahd. scerio),
Iqticergd Latwerge (mhd. latwerje),
Anm. Auf .;' geht das k in m'6tsTc9 zurück (mhd. metzjen). Wie
die k in leftsk» (mhd. lefse) Lippe, saiftsk9 seufzen, öiixtsk9 ächzen, jüUk»
jauchzen, zu erklären sind, steht dahin. (Vgl. Winteler, PBB. 14, 455 f.).
plmt8k9 ist aus hlinkazzen blinzen, entstanden, eine ähnliche Metathese
mag vorliegen in sutskd (Beitr. 14, 461), grutsks Yom Knarren der Schuhe
(ß. 14. 461) (grügl9 murren) grugatzen? 8tqtsk9 stottern, q geht auf a
zurück, yielleicht stakatzen., stak zu *stecken* u. a.
Auf Erhaltung des / weisen die s in pläs9 F. Schale
der Hülsenfrüchte (Erbse, Bohne. Fisole) "^bläsja zu 'blasen*,
raiä^ Reuse, *rüsja (Kluge e. Wb.). sj wurde zu sk (sg)
dieses zu ^?^) Im Gegensatz zum Nhd. und vielen deutschen
Maa. ist der Diphthong mhd. ie als i9 erhalten in: 9n idder ein
jeder, ddr idd jeder, iets jetzt (mhd. ieze). Für Georg ist
im allgemeinen jörg im Gebrauch; vgl. honserg Hansjörg.
Das lateinische *higenuin' erscheint als jennstval und genn9rh;
geschrieben wird es als Schreibnanie *Jennewein und Genne-
wein*.
*) ni^S9 F. Schimpfwort für 'Gesicht, Antlitz', kann in dieser Weise
als germ. nösj- F. erklärt werden ; idg. näs-^ Ygl. § 56, also gleich *Nase\
109 —
a ÄNDERUNGEN IN DER QUANTITÄT.
1. DEHNUNG KÜRZER VOKALE.
Vor stimmlosen Konsonsanten.
§ 80. Kurzer Vokal in offener Silbe wurde gedehnt.
Silbenauslautend waren kurze Vokale vor den intervoka-
lischen Lenes b, d, g, /, s, h. gröw9 Graben, löiw9 leben,
pliW9 geblieben, ouwd oben, hqfd Hafen, höifommd Hebamme,
rüf9 Eiterkruste (ahd. hrufa), houfdlig schonend, achtsam
{jnhA. hovelich), s^d^ schaden, röid^ reden, /ö/A^r ledig, Midd
geschieden, po%i49 Boden, pqsd Base, wqs9 Rasen, wlsd Wiese,
löisd lesen, housd Hose, tr(lgd tragen, jqgy jagen, sqgd sagen,
mqgd Magen, llg9 liegen, Icstigd gestiegen, wöigd wegen,
kfloug» geflogen, poug9 Bogen, trühd Truhe, s'öih9 sehen,
öihdr Ähre, tsah9r Zähre, tsouh9 gezogen, kßom9 geflohen.
Vor auslautender Lenis ist ebenfalls durchwegs die
Dehnung eingetreten, stqb Stab, oub ob, süb Schub, trib
Trieb, sTb Sieb, houf Hof, rqä Rad, glqs Glas, giqs Gras,
mous Moos, tQg Tag, slQg Schlag, tcöig Weg, stöig Steg,
troug Trog, püg Bug, tsüg Zug.
Vor den Fortes p (westg. bb), t (wg. rfrf), k (gg), ff
(wg. p), SS (zz aus t), / (aus Ic) ist im Inlaut die Kürze
immer erhalten geblieben, ebenso vor kxy pf, fi^ st, ht,
s: rqppd Raben, wöttd wetten, nnikkd Mücke, hoffd hoffen,
Ö8S9 essen, tnqxx^ machen, Iq//^ lachen, dök/^ decken, gipß
Gipfel, k/röftig, kräftig, rqst9 rasten, trqxta trachten, wiss9
wischen. Das Gleiche gilt für die Formen, in welchen
diese Konsonanten auslautend sind.
Doch bilden hier eine^ Reihe von W^örtern mit kurzem
Vokal und auslautender Spirans Fortis (ahd.) eine Aus-
nahme, indem in ihnen der kurze Vokal gedehnt wurde,
der auslautende Spirant zur Halbfertig geschwächt erscheint,
die im Satzinlaut vor Vokalen als Lenis auftritt, grif
Griff, sltf Schliff, pfif Pfiff, slüf Schluflf, söif Schiff (mhd.
schef), pTs Biss, ksis (mhd. geschiz) lat. nuces, rls Riss, süs
Schuss, slüs Schluss, fdrdrüs Verdruss, gf^üs Genuss, kslous
Schloss, ksous Geschoss, Sprössling, gwls gewiss, (mhd. ge-
— 110 -
tris), döis das, tr^s als satzauslautende Frage, was? im
Innern oft noch wqss zumal vor Konsonanten, stly, Stich,
prüx, Bruch, grüy, Geruch, Jcsrnq/ Geschmack, Geruch (mhd.
gesmach)y pöi/ Pech, plöi/ Blech, strt/ Strich, sUx Schlich,
sprü/ Spruch, k/ou/ Koch, löi/ Lech, aber löt/l, p(^ Bach
in Hark9p^ Starkenbach, Weiler 2 Stn. westl. von Irast,
pqlm9pQx Flurname bei Imst, Palmenbach, sonst immer
PQX mit Kürze.
Aus der Tatsache, dass Wörter von der Form kurzer
Vokal + inlautender Spirans Fortis nie Dehnung haben, er-
gibt sich von selbst, dass die Dehnung eines kurzen Vokals
vor auslautender Spirans Fortis nicht durch die inlautenden
Formen verursacht sein kann, wie man allenfalls für aus-
lautende Lenis annehmen könnte und für die Schriftsprache
auch anzunehmen hat (Wilmanns, deutsche Gramm. § 245).
In der Imster Ma. haben sich die gedehnten Formen über
Sing, und Plur. verallgemeinert. Der Wechsel von kurzem
und langem Vokal innerhalb der Flexion desselben Wortes
kommt nicht mehr vor. Mit dieser Dehnung vor aus-
lautender Spirans Fortis steht unsere Ma. nicht vereinzelt
da; das Alemannische kennt sie (vgl. Heusler a. a. 0. 22 A.)
und im Bairischen ist sie Regel. Hier haben alle Wörter
mit kurzem Vokale und (im Mhd.) auslautender stimmloser
Konsonanz die Dehnung erfahren (Weinhold, bair. Gr. §§ 7.
36, 48, 51, 55, 61 u. ö.). Dass die Dehnung heute nicht
überall durchgedrungen ist, erklärt sich durch den Einfluss
der inlautenden Formen, denen gesetzlich die Kürze zu-
kommt. Vielfach hat das Bair. noch das Nebeneinander
von gedehnten, ursprünglich auslautenden und kurzen, ur-
sprünglich inlautenden Formen bewahrt (Schmeller Maa.
Bai. S. 160, § 691).
Aus dieser Tatsache geht deutlich hervor, dass seiner-
zeit kurzer Vokal mit auslautender Konsonanz (Fortis) anders
gesprochen wurde als mit inlautender Konsonanz. Für den
letzteren Fall, wenn Fortis Konsonanz auf den kurzen Vokal
folgte, ist es sicher, dass der kurze Vokal den stark ge-
schnittenen Silbenaccent hatte. Man vgl. z. B. nur die
Entwicklung des germ. einfachen inlautenden p, ^, k zur
- 111 —
Geminata jf, zz, /x. Die Vorstufe für die Dehnung der
auslautenden Form kann nur eine Aussprache des Vokals
unter schwach geschnittenem Accente gewesen sein. Wörter
mit kurzem Vokale und auslautender Lenis können nur
unter schwach geschnittenem Accente gesprochen worden
sein; wäre der Vokal scharf geschnitten gewesen, so hätte
nach dem Silbenaccentgesetze (Sievers Phon. S. 206) die
Lenis zur Fortis werden müssen. Das mhd. Auslautgesetz
kann nicht durch das Silbenaccentgesetz erklärt werden,
weil die Schreibung p, t, c für h, rf, g ebenso nach langem Vo-
kale und Z, r, m, w, (^) auftritt wie nach kurzem. Ich sehe
für die Erklärung dieser Dehnung keine andere Möglichkeit,
als dass die auslautenden Formen den schwach geschnittenen
Vokal hatten, die inlautenden den starkgeschnittenen.
So war z. B. von gnf Vorstufe der Dehnung gr\f mit
schwach geschnittenem Vokale, im Inlaut war er stark
geschnitten: griffe; fürs Bairische im Ganzen vgl. z. B.
köbf Plur. kepf (Schmeller a. a. 0.) aus köpf, PI. köpfe,
Dass dieses Gesetz, Dehnung des Vokals einsilbiger Wörter,
nur im Satzauslaut (vor Pause) eingetreten ist, leuchtet
ein ; denn die inlautenden Formen des Wortes sind konform
der Inlautstellung im Satzgefüge (vgl. dazu die Dehnung
im Schwäbischen, Kauflfmann, a. a. 0. § 127 flf.).
Dehnung vor t gleich einfachem d: pöitd beten, pöitl9
betteln, g^pöit Gebet, pröit Brett, trqta waten, k/lQt9 Klaue,
(mhd. klate), k/läild klettern (zum vorigen), k^rontd Kröte,
fqt^r Vater, gätdr Gatter, stöitig widerspenstig (mhd. stetic),
slUd Schlitten, pout Bote, plt Zuwarten (mhd. hite), töit 'Göth*,
tout9 Patin (mhd. tote), ksout geschnittenes Heu, das gebrüht
wird (zu sieden' *gisot), Dass das t in den inlautenden
Formen zur Zeit der Dehnung und früher Anlaut der schwach-
tonigen Silbe war, kann nicht bezweifelt werden, also ahd.
be-tdn , kro-ta , va-ter ; demnach hatte der Stammvokal
schwachgeschnittenen Accent, die Dehnung vor t ist also
identisch mit der vor den inlautenden Lenes : Kurzer Vokal
in offener Silbe wird gedehnt. Dass die Wörter mit aus-
lautendem t die Dehnung aus dem Inlaut überkommen haben,
ergibt sich aus den zahlreichen Beispielen, in denen aus-
— 112 —
lautende Kürze in den Inlaut tibertragen wurde, got Gott,
mit mit, srit Schritt, trit Tritt, snit Schnitt, sut M. ein-
maliges Sieden, glqt glatt, plqt Blatt, sqt satt, stqt Stadt.
Daraus erhellt auch, dass die Ma. vor auslautender
Verschlussfortis den Vokal nicht dehnte; in einer
solchen Silbe wurde also der (oben für alle einsilbigen
Wörter angesetzte) schwachgeschnittene Accent durch den
starkgeschnittenen ersetzt und zwar gesetzmässig, wie sowohl
die Überzahl der Beispiele mit auslautender Fortis t und
aller mit auslautender Afifrikata erweisen; anzusetzendes
str\kx erscheint in der Imster Ma. als strik/; im grössten
Teile des Bairischen aber als strzk; ebenso Imst: mit, srit,
spits, k/opf mit Kürze, östlich mit Länge, mit, srtt, spUs,
k^oupf. Wie sich die Erhaltung der Kürze in änitt9 (ahd.
snita) Schnitte, sitt9 (mhd. site) Sitte, erklären lässt, steht
dahin. Letzteres kann unter schriftsprachlichem Einflüsse
stehen, denn für das nhd. Sitte ist meist praux verwendet.
Das erstere ist ein schw. Fem.; möglich, dass die Flexions-
endung des einen oder anderen Kasus seinerzeit so beschaffen
war, dass ein n auf t folgte, wodurch dieses in den Silben-
auslaut zu stehen kam. Die Erhaltung der Kürze in föttdr
Vetter, kxöttn^ Kette, k/uttld Kuteln, hqttl9 Ziege (mhd. hatle),
spqttld kleine Schaufel des Malers (mhd. spatle) ferner in
grittd, glittd, kstrittd, ksnitt9, ksott9 geritten, gelitten, ge-
stritten, geschnitten, gesotten, muss in der Weise erklärt
werden, dass neben Formen, in welchen t die Folgesilbe
anlautete, solche bei welchen eine Silbentrennung t-r^ t-n,
t-l getroffen wurde, Bestand hatten. Diese verdrängten die
andern, denen Dehnung hätte zukommen müssen. Für pitt9
(schw.) bitten, muss ahd. bitten gefordert werden. trött9
treten (nur schw.) hat ein ahd. Fakt, tretten ; demnach sind
wohl auch für /ö^^a jäten, k/nöttd kneten (beide schw.), Fakti-
tive Ursache der tt. Vor ts gleich westgerm. tt hat Dehnung:
k/rits Kritz, gits9l9 kitzeln, smüts Schmutz, k/louts9 Klotz,
pUs9 Pfütze ; aus den Gesetzen der Ma. lässt sie sich nicht
erklären; sie müssen die Dehnung fremdem Einflüsse ver-
danken. smarontsB schmarotzen, ist ein Lehnwort (Kluge,
e. Wb. S. 329). Unklar ist die lautliche Entwicklung von
- 113 -
spqts Spatz, stüts9 Stutzen, kürzen (PBB. 14, 465), toutsif
Kreisel, Klotz, kleiner Mensch (zu mhd. tokzen?)^ hxrdtskd
Traggestell (auf dem Rücken getragen) zu mhd. hretze,
smöitsdU schmunzeln, zu mhd. smoizen (vgl. Kluge, e. Wb.
schmunzeln).
Vor stimmhaften Lauten.
§ 81. Vor den inlautenden Fortes II, mm, nn (yfyf) ist
die Kürze des Vokals durchgehends erhalten: fqlh fallen,
wölb wollen, tsilh Zülle, dilld Dachboden (mhd. dille), salb
Schelle, qlb alle, stemm9 stemmen, swimm^ schwimmen,
grimmd Bauchgrimmen, wonn9 Wanne, tinnd Stirne (mhd.
tinne), hennd Henne, sinnig sinnig. Auch wo im Auslaut
etymologische Fortis stand, ist die Kürze erhalten ; fqll, Fall
^tqtl Stall, hall hell, snall schnell, foll voll, Momm Stamm,
tumm dumm, sinn Sinn, i k/onn ich kann. Dehnung zeigen
möU Mann (ahd. mayi, mannes), Plur. mand^r, Dem. mandb,
f^al Fell; es hat qa auch im Inlaut: Plur. fyabr. In beiden
muss die Dehnung von den einsilbigen Formen ausgegangen
sein, für die schwach geschnittener Accent im Satzauslaute
anzusetzen ist : man, fH. Vgl. k/röiim Krampf (mhd. kram
Gen, krammes) und kxremmig einen leichten Krampf habend.
Vor den inlautenden Lenes l, w, n ist die Dehnung regelmässig:
tsQh zahlen, st^ab stehlen, söib schälen, tsib zielen, niQh
mahlen, höib höhlen; nöumd Name, sämd schämen, strimd
Strich, Narbe (mhd. strime), preinw Bremse (mhd. breme)
mdun9 mahnen, ptnd Bühne, ksind geschienen, memd mit
einem Gespann arbeiten. Ebenso ist vor auslautender Lenis
Dehnung: ^$/ Tal, diapstQl Diehstah], §tU Stiel, tsil Ziel, houl
hohl, moul weich geschlagen (zu mhd. müllen), tsoum zahm,
loum lahm, tsX Zinn, Ä?hin, sü Sohn, mou, fqal, k/roüin zeigen,
dass im Auslaut Dehnung ohne Einfluss der inlautenden
Formen erfolgen konnte ; die umgekehrte Erscheinung, dass
kurzer Vokal mit auslautender Lenis heute als Kürze und
Fortis auftritt, zeigen die Parallelformen: ou an, und onn
an, letztere als Präpos. in betonter Stellung onn ddr an dir,
onn sig an sich, foli und fonn von, d^rföu davon, fonn ddr
von dir. Vgl. i pinn ich binn (mhd. bin ahd. bim); die
Schatz, Die Mundart Ton Imst. S
— 114 —
Vorsilbe ww- ist immer kurz starktonig; uyg^ar9 ungeme,
unsinnig unsinnig, umpqr unpaarig, drumm Trumm (mhd.
drum), woll (mhd. wol), ja, auf eine verneinende Frage,
wolfl wohlfei], gegen wouldi^ndr Wohldiener, Schmeichler.
In den folgenden ist die Kürze des Vokals vor Lenis bewahrt;
sie verdanken sie den inlautenden Formen, in welchen /, wi,
n im Silbenauslaut war. pölUr Böller (mhd. holer), kxold9r9
lärmen (zu mhd. kolre), pöld0r9 poltern (mhd. bollern), solddr
Söller (mhd. solre), hildBrd hohl widerhallen !r- Ableitung zu
*hohr), tond9r9 donnern, tsimmdrd zimmern (got. timrjan),
Ä:/ommar9 Kammer, nummdr9 Nummer, ^at^Za sammeln, groml9
Flachs brechen (Schmeller, b. Wb. I 995), himml Himmel,
simml Schimmel, summ9r Sommer, simmdr Schimmer. Vgl.
die Durchführung der Dehnung in: woumld wimmeln (Wrzl.
wim, warn), fimh die reifen männl. Hanfstengel schneiden,
Schmeller, b. Wb. I 718 femeln, drelm] Hebebaum (mhd.
dremel), wimdr Narbe, Fleck (mhd. wimer), houmar Hammer,
hämdrd hämmern. In allen konnten Doppelformen, solche
mit aus- und solche mit anlautendem l, m, n bestehen.
Kurzer Vokal mit silbenauslautender Lenis l, m, n, wurde
wohl nur im Satzauslaute gedehnt, im Inlaut blieb die Kürze ;
so erklären sich unsere Verhältnisse am einfachsten, nenimd
nehmen, kxemmd kommen, haben in allen Formen die Kürze:
nimm, kyimm, gyomm9 genommen, kxemm9 gekommen; in
der Umgebung von Imst ist im Präsens dieser beiden Verba
(in den ^-Formen) die Dehnung durchgeführt: Ind. und Inf.
Plur. nelmd, kxe%m9 Part. ne%m9t, k/etmdt, aber in Imst nemm9t,
k/emmdt; das Part. Prät. zu hxemm9 lautet in den benach-
barten Maa. kxelm9 wie das Präsens.
§ 82. Vor Lenis r ist Dehnung eingetreten: fqr9 fahren,
wöira wehren, kxöir9 kehren (fegen), tür9 (aus turen) Turm,
hqar9 Hörn, hi9r9 Hirn. Im Silbenauslaut: mi^r mir, di9r
dir, pi9dlig Heuhaufe (mhd. birlinc), wqar wer, d^ar der,
^ar er, hqa her, fqar vor, tqar Tor (die Entwicklung des
gedehnten Vokals vor r ist nach den einzelnen Vokalen ver-
schieden, s. Vokalismus). Vor r + Konsonant und vor rr ist
die Dehnung je nach den Vokalen eine verschiedene. Mhd.
irr, ir mit dental. Kons, wurde zu i9r gedehnt: i9r irr, i9r9
— 115 —
irren, ksi^r Geschirr, wi^rt Wirt, hi9rt Hirt, ß^rst First,
hi9rs Hirsch. Folgt auf ir labiale oder gutturale Konsonanz,
so bleibt die Kürze erhalten: g9pirg Gebirge, kxirx9 Kirche,
tsirk] Zirkel, sirpd Scherbe, tcirf ich werfe, wirf, siirh ich
sterbe, stirb. Die Maa. westlich von Imst haben hier vor
lab. und gutt. Konsonanz die Dehnung (§ 43). Mhd. er
mit dent. Lenis wurde zu qa gedehnt: ^art Erde, wqart Wert,
hqart Herd, f^arsnd Ferse. Kürze blieb erhalten vor rr^ r
mit dent. Fortis, mit lab. gutt. Kons.; vgl. die Beispiele
§ 40. Auch hier dehnen die Ortschaften im Westen alle
er zu ^ar, Mhd. or mit Dental wurde gedehnt, or mit Lab.
Gutt. blieb kurz (§ 45). Vereinzelt sind qrt Art, qrtig artig,
tsqrt zart, filrt Fahrt (vgl. dagegen förtig fertig), qrs, kxöirtsd
Kerze, möirts März, kföirt N. Fahrzeug, gepürt Geburt. Die
Behandlung kurzer Vokale vor r beruht auf dem früher ge-
sprochenen Zungen-r. Mir ist es sehr schwer ein alveolares
r zu bilden — die Beurteilung der Dehnungen vor r
kann aber nur dann richtig geschehen, wenn man sich
über die Artikulation des Zungen-r völlig klar ist.
2. KÜRZUNG LANGER VOKALE.
§ 83. Die Fälle sind zu vereinzelt, als dass daraus
eine Regel gezogen werden könnte. draksUr Drechsler (zu
ahd. drdhsil), dar nakst der nächste, k/ropfd Krapfe (ahd.
chräpfo), nqx)fl nachher, nach (mhd. nächhin, nachher — hier
mag die Schwachtonigkeit im Satze mitgewirkt haben),
nqxpar Nachbar (mhd. nächb(4r), strqss Strasse, Iqss9 lassen
mit allen Ableitungen: glass Benehmen, sich gehen lassen
{^gelceie), Qblqss u. s. w. Die Konj. Prät. der starken Verba
der 4. «5. Klasse, die im Präsens Kürze bewahrt haben,
zeigen a (mhd. ce) : prax bräche, stax stäche, namm nähme,
ass ässe, frass frässe, fargass vergässe, sass sässe, k/amm
käme. Vergleicht man nominale Ableitungen wie assig gut
essbar (ce^ec), kfrass schlechtes Essen (gevrce^e), prqx^ brachen,
sprQx Sprache, so wird man zur Annahme geführt, dass hier
analogische Durchführung des kurzen Stammvokals durch
alle Ablautformen vorliegt. Eine Kürzung liegt auch vor
in dem harrgotl Ruf: Herrgott (nach Ausweis des Vokals
8*
— 116 -
früh gekürzt, ir zu er zu ar), lar/d Lerche, verlangt älteres
Urche (ahd. lerahha),
§ 84. Kürzung gedehnter Vokale und ursprünglicher
Längen zeigt sich in der Flexion des Verbums mit inlauten-
der Lenis 6, ^, wenn sich ein stimmloser Eons, anschliesst:
löiwa leben, löpst lebst, löpt lebt, grqw9 graben, grqpst gräbst,
grqpt gräbt, fröiw9 freuen, fröpt freut, kfröpt gefreut (§ 64),
kxl<lg^ klagen, kxlqkst klagst, k/lqkt klagt, geklagt, frqg9
fragen (mhd. vrägen), frqkst fragst, frqkt fragt. Die ou von
loutod loben, glouw9 glauben (mhd. lohen, gelouben) sind heute
dieselben, 9r lopt er lobt, ebenso dr glopt glaubt. Zu göiwd
geben, Konj. Prät. i gab, aber i gaptdr ich gäbe dir, du gapst
du gäbest. Da diese Kürzung vor stimmloser Flexionsendung
ebenso alte Längen wie gedehnte Vokale trifft, kann sie
erst sekundär entstanden sein, veranlasst durch die mehr-
fache Fortiskonsonanz, so dass also die Tendenz nach Ent-
lastung überlanger Silben (Paul, PBB. 9, 122) der Ma. nur
in beschränktem Masse zukommt. Im selbständigen Worte
fehlt diese Kürzung fast völlig, vgl. k/l^t^r, Klafter, dq/t
Docht, li^/t Licht. Doch pqpst Papst (mhd. bähest); auch
propst Propst (mhd. brobest), k/reps Krebs (mhd. krebei),
opst Obst (mhd. obez), werden spätere Kürzungen sein {krebei
zu krebes zu kreps zu k/reps).
FLEXIONSLEHRE.
I. DAS SUBSTANTIV.
DIE KASUS DER MÜNDART.
§ 85. Von den vier Kasus des Mhd. (Nom. Gen. Dat.
Acc.) ist der Mundart der Gen. in freier syntaktischer Ver-
wendung verloren gegangen. Nur im Sing, kann zu persön-
lichen Substantiven — solchen, unter welchen der Sprechende
eine bestimmte Person versteht — ein Gen. gebildet werden.
Es kann aber auch in diesem Falle ebenso, wie es bei den
unpersönlichen Substantiven immer geschieht, die syntaktisch
gleichwertige Umschreibung mit Von' (fu) mit dem Dat. an-
gewendet werden, die ja auch den Gen. verdrängt hat.
Diese Sonderbildung des Gen. geschieht auf -s oder -a, ent-
sprechend den Gen.-Endungen des Mhd. ^es, -en. Die Bildung
auf 'S wird gebraucht bei Wörtern mit seh wach toniger
Nebensilbe, die auf -9 bei solchen, deren letzte Silbe stark-
oder nebentonig ist, oder auf -s endigt; es sind meist ein-
silbige. Beide Bildungen haben sich über alle drei Ge-
schlechter des Substantivs ausgedehnt. Beispiele: Männ-
liche; auf -s: 8 IqarBrs des Lehrers, s fqtdrs des Vaters,
8 jakkos des Jakob (Jakka) , ä tnixxjfi des Michael {mi/ji)-,
s g^hls des Gabi (Familienname); auf -a; s pök/9 des Bäckers
(mhd. hecke), s grqffd des Grafen, s hannaso des Hans [hannds)^
s mdrtd des Wirtes, s smidd des Schmiedes. Bei den letzten
beiden kann auch die Bildung auf -s gebraucht werden, ihrer
ursprünglichen Deklination entsprechend: s wurts, s smlds
mhd. des wirtes, des smides. Sehr selten ist die Verwendung
des -5 bei w-Stämmen: s grqjf's. Weibliche: s mii9t9rs der
- 120 --
Mutter; hier ist auch der Artikel vom Mask. übernommen,
seltener ist der mudtdrs mit dem weiblichen Artikel, s pqs^s
der Base, s grqate der Margaretha (gr^at). Sächliche,
8 tcaiw9 des Weibes, s nanneles des Annchens {nanneU):
s waihlds des Weibleins, s wi^rths des Wirtleins u. a. Diese
Gen. können nur attributiv verwendet werden; sie stehen
dabei immer vor dem Substantiv.
Die Tatsache, dass Feminine einen Gen. auf -s bilden
können, sowie männliche vokalische Stämme einen auf -^
und umgekehrt w-Stämme einen auf -s, zeigt, dass diese
Sonderbildung den Boden historischer Entwicklung ver-
lassen hat. Sie ist auf eine bestimmte Wortgruppe be-
schränkt und es wird nur vom Wohllaute bestimmt, ob der
Gen. nach der vokalischen Deklination auf -5 oder nach der
der w-Stämme auf -9 gebildet wird. Beispiele der Um-
schreibung mit von [fu) : fun l^ardr, fun fqt9r, fun pök/,
ftm widrt ; für mudtdr, für pqs9, fun waib, fun nanndld, fun
wiertU u, a.
§ 86. Reste des Genetivs sind erhalteu in adverbialen
Wendungen: stqks des Tages, im Tage, sjqrs des Jahres, im
Jahre; in ts Qw9ts des Abends, am Abend, ist das -s des
Artikels durch die Präposition ts (mhd. ze) vertreten, wohl
weil zu einer Zeit das -s des Artikels bei Sächlichen über-
haupt nicht mehr als Gen. gefühlt wurde; bei stqks^ sjqrs
hat der Wohllaut das s erhalten; ts mqrgdts des Morgens,
morgens, ist nach ts Qwets gebildet, man würde ts mqrgds
erwarten ; ts nqxts nachts ; nqxts ist ein alter Gen., ahd. des
nahtes Braune, ahd. Gramm.^ § 241, 2.
§ 87. Der Gen. Plur. ist völlig geschwunden. Dativ
und Accusativ werden in beiden Zahlen syntaktisch und
durch den Artikel von einander getrennt gehalten. Die
Flexionsendungen jedoch, welche noch im Mhd. und im Nhd.
die Grundlage der Deklination bilden, sind der Mundart
als Kennzeichen einzelner Kasus verloren gegangen. Es
kann zu einem Nom. kein Dat. Acc. derselben Zahl durch
Anfügung einer Suffixendung gebildet werden. Der Singular
hat nur eine Form für alle Kasus ebenso der Plural. Diese
Verhältnisse sind teils durch die Auslautgesetze der Mund-
- 121 —
art, teils durch analogische Bildung herbeigeführt worden.
Im folgenden wird ihre Entwicklung jedesmal bei der Be-
handlung der einzelnen Klassen dargestellt werden.
A. MÄNNLICHE SUBSTANTIVE.
Die 0- und i-Stämme.
§ 88. Die Flexionsendungen der o- und i-Stämme sind
im Mhd. gleich: tag^ tages, tage, tag; tage, tage, tagen, tage,
gast^ gastes, gaste, gast-, geste, geste, gesten, geste. In der
Mundart sind alle Endungen dieser Stämme verloren ge-
gangen. Alle kurzen auslautenden Vokale sind abgefallen,
durch dieses für die Flexion wichtige Gesetz wurden der
Dat. Sing., der Nom. Acc. Plur., dem Nom. Acc. Sing, gleich.
Die Endung -en des Dat. Plur. sollte regelmässig entwickelt
-a lauten; tatsächlich ist sie erhalten in den festen Wen-
dungen: i ddn qlt9 t^^gd in den alten Tagen, fu sinnd von
Sinnen. Sonst ist sie überall geschwunden und der Dat.
Plur. hat analogisch die Form der übrigen Kasus. Es heisst
also: i drai tQg in drei Tagen, d9 lait den Leuten, pai dd
göst bei den Gästen, avf dd parg auf den Bergen, mit dB
fi9s mit den Füssen.
§ 89. Der Umlaut im Plural, welcher bei den t-Stämmen
im Ahd. soweit er möglich war eingetreten ist, blieb auch
nachdem sich das * der Endsilben zu -e entwickelt hatte.
Dadurch wurde im Mhd. eine Zweiteilung der z-Stämme
herbeigeführt. Die eine Gruppe hatte im Singular und
Plural denselben Stammvokal, bei den umlautfähigen war im
Plural der umgelautete. Schon frühe muss der Umlaut bei
diesen als charakteristische Eigenschaft des Plurals empfunden
worden sein; denn schon im Mhd. nehmen o-Stämme analog
den i-Stämmen im Plural den Umlaut an, vgl. Paul, mhd.
Gramm.^ § 119, 2. In der Mundart sind heute so ziemlich
alle o-Stämme zu den i-Stänimen übergetreten, d. h. sie
bilden ihren Plural durch den Umlaut des Stammvokals,
jene natürlich, deren Stammvokal umgelautet werden konnte.
Durch den Verlust der Flexionsvokale konnte diese Plural-
— 122 —
bildung nur gefordert werden, weil sich in ihr der Sprache
ein Mittel bot die beiden Zahlen von einander zu scheiden.
Im folgenden sind die starken Maskulina, welche
ihren Plural durch Umlaut bilden, zusammengestellt. Die
Anordnung ist zur besseren Übersicht nach Vokalen ge-
macht.
§ 90. Dem u entspricht i als Umlautsvokal, mhd.
u zn ü: tsüg Plur. tslg Zug, /lüg, fllg Flug, püg^ pig Bug,
irüg^ trTg Trug, fuks, fiks Fuchs, tuk/, tik/ Tücke (mhd.
tue), ruk/, rikx Ruck, slükx^ slikx Schluck, grüXj 9^X Geruch,
^f^%> ^P^'^jt Spruch, prüxj prix Bruch, güs, gls 6uss, slüs,
Slfs Schluss, f^rslüs, f9rslis Verschluss, fdrdrüs, firdris Ver-
druss, fluss, Hiss Fluss, wurm, wirtn Wurm, stürm, stirm
Sturm, surts, sirts Schurz, wurf, wirf Wurf, lupf, lipf das
Emporheben (zu lupf9 mhd. lupfen), hupf, hipf das Empor-
springen, zu hupf9 hüpfen, süb, sib Schub, sprmjij, sprifjy
Sprung, truTjkx, tritjkx Trunk, punt, pint Bund, grünt, grint
Grund, slunt, sunt Schlund, wuntä, wints Wunsch, tunit, tinst
Dunst, runst, rinst das Fliessen, das Rinnsal (mhd. runst),
trumpf, trimpf Trumpf, stumpf, stimpf Strumpf, also die
gleiche Bedeutung wie strumpf, strimpf Strumpf, sumpf,
simpf Sumpf, k/umpf, k/impf hölzernes Wetzsteingefäss,
mhd. kumpf. Mit Ausnahme einiger auf u mit Nasal sind
diese Wörter mit u Angehörige der t-KIasse, schon aus
lautlichen Gründen, hunt Hund, hat im Plural gewöhnlich
hunt seltener hint; süs Schuss, hat meist süs.
§ 91. Zu M^ ist i9 Umlaut, mhd. uo zu üe: kuH, hidt
Hut, fu9s, fi9s Fuss (ursprünglich konsonantisch), gruds^ gri9s
Gruss, pfluag, pfli9g Pflug, kyrudg, k/ri9g Krug, flu^x, flidx
Fluch, pludst, pli9ät Blüte, Knospe mhd. bluost, fusg, fiag
„Fug" in „mit Fug", umfudg^ umfing Unfug, ätu^l, äti9l Stuhl;
nur äu9x hat immer äudx Schuh.
§ 92. Dem au entspricht ai, mhd. ü zu iw: paux, paix
Bauch, praux, p^<^ix Brauch, slaux, slaix Schlauch, raws, rais
Rausch, taus, tais Tausch, straus, Urals Strauss, gaul, gail
Gaul.
§ 93. q hat zwei Umlautvokale wie mhd. a, welchem
es entspricht. Der eine ist ö, gedehnt öi (mhd., ahd. e):
- 123 —
gqst, göst Gast, qst, öst Ast, sqkx, sök/ Sack, sqts, söts Satz
(der gesprochene), äl(^g, älöig Schlag, Hieb. In allen übrigen
Wörtern dieser Klassen mit q in der Stammsilbe ist heute
a, gedehnt ä der Umlautvokal des Plural ; es liegt "hier laut-
liche Entwicklung vor und Analogiebildung. Den i-Stämmen,
deren Stammvokal im Plural im Ahd. nicht zu e wurde ((ä,
a und umlauthindernde Konsonanz) schlössen sich die o-
Stämme, welche ihren Plural analog bildeten, an und dieser
starken Gruppe folgten wiederum t-Stämme, welche im Ahd.
im Plural e hatten. Die in der Mundart lebendige Plural-
bildung ist die von q zu a, während ^ zu ö erstarrt ist.
Anders ist es vor Nasalen : hier entspricht heute durchwegs
e im Plural, auch bei ursprünglichen o-Stämmen. Klar ist,
dass diese Verhältnisse erst infolge späterer, ausgleichender
Entwicklung entstanden sind, pq/^ pa/ Bach, pqlg, palg Balg,
wqld, wald Wald, nqpf, napf Napf, ^rs, ärs, sl(lg, släg Holz-
schlag, vgl. oben ^löig, der verschiedenen Bedeutung ent-
sprechen verschiedene Pluralformen, äläg ist analogisch ; sqts
sats Satz, Einsatz, Sprung, vgl. oben söts; hqss, hass Hass,
fqll, fall Fall, stqll, ätall Stall, hqll, hall Hall, Widerhall, snqll,
SnaÜ Platzgeräusch, mhd. snal, pfQl, pfal Pfahl, sQl, sal Saal,
wqly ival kleines Bachbett, hqlm^ halm Halm, hqls, hals Hals,
dqrm, darm Darm, pqrt, pari Bart, fqrm, form Farnkraut,
swqrm, swarm Schwärm, mqrk/t, market Markt, pqst, past
Bast, glqts, glats Glatze, mask. Bildung wie spit9 Spitze, plqts^
plats Platz, stqb, stab Stab, pqk/y pak/ Pack, Bündel, h(lg, hag
Hag, dqkSf daks Dachs; grqt, grat Grat eines Berges und
Gräte des Fisches, drqt, drat Draht, r$^, rät Eat, älqf, äläf
Schlaf, Schläfe, dqxt, dä/t Docht, mhd. ahd. dähf, t(}g, tag
Tag, als Zeitmass aber Plur. tqg vgl. gtot^ tag gute Tage,
tswqa tQg zwei Tage; Qblqss und Qlqss: Qblass, (^lass Ablass,
Abkehrvorrichtung an einem Bache, auslqss, — lass, Auslass,
ein Stück Wald, das nicht abgeholzt werden darf, im 17.
Jh. 'Premstair Ort, an dem das Vieh vor den Bremsen Schutz
im Gehölz fand, allqss, — lass Einlass. ätomm, ätemm Stamm,
totnm, temm Damm, äwomm, äwemm. Schwamm, tsond, tsend
Zahn, ahd. zand, ätond, ätend Stand, pront, prent Brand, k^ronts,
k/rents Kranz, äwonts, äwents Schwanz, Clonts, älents das
— 124 —
Herumschlendern, zu mhd. slenzen, äronts, ärents Schranz,
tonts, tents Tanz, kxrompf, k/rempf Krampf, tompf, ternpf
Dampf, hompf, hempf Hanf, 5^0^^, ^6?^^ Gang, k/lofj'ij, k/lefjfj
Klang, trof]kx, trenk/ Trank, rmft, reift Eanft, Rand.
§ 94. lautet zu ö um, gedehntes ou zu o^, mhd.
zu (sekundärem) ö: pokx, pök/ Bock, rok/, rökx Rock, Stok/,
ätök/ Stock, täopf, tsöpf Schopf, k/opf, k/öpf Kopf, k/ropf,
k/röpf Kropf, k/nopf, k/nöpf Knopf, tropf, tropf Tropf, loolf,
wölf Wolf, fr OS, frö§ Frosch, pros, pröä Broche, trotig, tröig
Trog, houf, höif Hof, k^ou/, k/öi/ Koch.
§ 95. ou wird zu öi, mhd. ou zu öu : k/ouf, k/öif
Kauf, trouf tröif Traufe (ahd. trouf), äoup, söip Schaub,
Strohbündel, poum, peim Baum, soum, selm Saum, tröum, trelm
Traum, rouy, röi/ Rauch, stoup, ätöip Staub.
§ 96. qa lautet zu (^a um, mhd. 6 zu oe: tqad, tqad Tod,
trqaät, trqaät Trost, rqaSt, rqaät Rost, flqci/, fl^ay Floh, stqas,
ätqas Stoss, tqas tqas Tosen. Dieser organisch entwickelte
Umlaut von qa zu qa hat auf jene qa gewirkt, welche mhd.
ei entsprechen : rqaf, r^af Reif, äwqaf, äwqaf Schweif, strqaf,
str^af Streif, srqa, srqa Schrei, k^rqas, k/rqas Kreis, swqas,
sw^as Schweiss, trqad, tr^ad Getreideernte, mhd. der treid,
strqax, strqa/ und strqa/ Streich, tqal, tqal und tqal Teil,
Iqast, Iqast und IqaSt Leisten; ferner noch südm, si^m Schaum,
mhd. schehn^ ludm, bom Lehm, mhd. leim.
§ 97. Die umlautfähigen Maskulina auf -J bilden den
Plural regelmässig durch Umlaut: n(^gl Nagel, ist das ein-
zige dieser Gruppe, dessen q zu öl umlautet, und beweist
dadurch den frühen Übertritt dieses konson. Stammes zu
den i-Stämmen; ahd. negili, Braune, ahd. Gramm. § 216, 1,
§ 27, 4. sqttl, sattl Sattel, hospl, hasp] Haspel, änqb], snäbl
Schnabel, tqdl, tädl Ta,de], ^tqdl, ^^ä(y| Stadel, wqd], wädlWade,
ätQh}, stähl Stahl ; moijgl Mangel und of^gl Angel, haben meijgl,
er^g] vgl. oben § 93, hondl aber hat hand} Handel, foug],
föiglYoge], mondl, möidl Form, Modell (mhd. model), güß, glfl
Höhlung in Felsen vgl. § 62, pukk], pikk] Buckel, fqartl, fqarf]
Vorteil, selbst mqassl Meissel, bildet mqassl. Nie tritt der
Umlaut ein bei sügl Sauglamm, püdl Pudel, humml Hummel,
Plur. sügl, V^^h humml. In öpfl Apfel, ist die umgelautete
- 125 —
Form auch in den Singular gedrungen. Ahd. aphul Plural
ephili; nach dem Plural ist ein Singular *aphil gebildet
worden, dem öpß entspricht {^aphil wurde zu ephil), Plur.
öpfl, ätaffl Staffel, Stufe, kylaffl Klöpfel mhd. kleffel^ haben
im Singular einen unigelauteten Vokal; aus dem ahd. Plural
*stafalif klaffali, in welchem a bereits vom i der Schlusssilbe
afficiert gewesen sein muss, konnte späteres Steffel kleffel
mit dem offenen Umlauts-e hervorgehen und den Singular
beeinflussen. Die Plurale lauten heute staffle kxlaffl.
§ 98. Auch die Substantive auf -ar haben im Plural
Umlaut: siimm9r, s/mw^r Sommer, kyummdt% k/immer Kummer,
tsüw9r, tstwdr Zuber, äouwdr, äöiwdr Schober, (iky^r, ak/dr
Acker, höum9r, helmdr Hammer, omnBr, elmdr Verlangen,
Begierde ahd. ämar, jmmdr^ jelmdr Jammer, Oij'tj^r, e^ijar
Anger; die Analogiebildung hat also überall die historisch
berechtigten Lautformen beeinträchtigt, tsähdr Plural tsahar
Zähre, hat im Singular Umlaut wie die im vorigen § ge-
nannten Staffl, k/laffl. Nur wud/dr Wucher, bildet den
Plural ohne Umlaut: u-ud/dr,
§ 99. Die Wörter auf -9 (mhd. -en, o-Stämme) lauten
alle um: wqg<), wäga Wagen, fqdd, fadd Faden, hqf9, häfd
Hafen, poudd, pöido Boden, oi{f9, öifd Ofen, türd, tird Turm
(setzt turen aus mhd. turn voraus), tsqard, tsqara Zorn, dQar9
hat zwei Plurale mit verschiedener Bedeutung : dqar9 Schliess-
dorn einer Kette, dqara Dornen *spinae ; auch ein Singular
d^ar9 *spina' ist häufig gebraucht. Es ist möglich, dass
der Singular dqara schon sehr alt ist. Im Ahd. flektiert
der ursprüngliche w-Stamm dorn nach der o-Deklination,
Braune, ahd. Gramm^ § 229, 1; es kann nun sehr wohl
sein, dass im Ahd. auch ein Plural nach den ^-Stämmen
gebildet wurde, dass dann dorni den Singular beeinflusste.
§ 100. Jene Wörter, deren Stammvokal nicht umlaut-
fähig ist, bieten keine Besonderheiten. Sie haben im Plural
dieselbe Form wie im Singular. Zu den Vokalen, die nicht
umgelautet werden können, gehört auch das a der Ma.
Einige Beispiele mögen die hiehergehörigen Gruppen ver-
anschaulichen: §trikx Plur. §trikx, Strick, ärit Sing, und
— 126 —
Plur. Schritt, trib Trieb ; k/ne/t Knecht, herpät Herbst, wöig
Weg; tri9l Unterlippe (mhd. trtel)^ wi9rt Wirt, di9b Dieb;
ätaig Steig, kyail Keil, ätraü Streit; parg Berg, marS Marsch;
ßf}f}dr Finger, mddr Widder; griffl Griffel, paihl Beil, äliss]
Schlüssel, ätempfl Stössel (mhd. stempfei); söig9 Segen, röig9
Eegen; k/tnig König, piddlig {pi9rl-) Heubündel (§ 43),
f adlig einjähriges Stück Vieh, hampflig Hänfling, hantiig
Handschuh, saidlig (sairl-) Säuerling, latjfjQts Lenz (mhd.
lengez),
§ 101. Mehrere Substantive bilden den Plural durch
die Endung -ar, mit der auch Umlaut des Stammvokals
verbunden ist. Ausgegangen ist diese Bildung von den
Sächlichen, bei denen sie die regelmässige ist, und in das
Maskulinum durch solche Wörter gedrungen, die männlichen
und sächlichen Geschlechtes waren, qart Plur. qartor Ort
(heute noch m. und s.), äiltj SUtdr Schild, grint, grintdr Kopf
(mhd. grint)j Iqab, Iqawdr und Iqah Laib. Regel ist diese
Pluralbildung bei jenen einsilbigen Mask. geworden, welche
im Mhd. auf Lenis n endigten. Das n ist geschwunden,
der vorhergehende Vokal nasaliert: twow, mand^r Mann,
tsa% tsätr Zaun, kstrau, kstrdlr wälschtirol. castraun ital.
castrone, sü, str Sohn, lu9, Ißr Lohn; immer ohne Umlaut
sind siüd, s^wyr Stein, rud, rwsr Rain; man kann darin den
Beweis erblicken, dass die Endung -er sich bei diesen
Wörtern frühe schon festgesetzt hat, zu einer Zeit als mhd.
ei in der Mundart noch nicht zu dem umlautfähigen qa {ud)
sich entwickelt hatte. Schon Oswald von Wolkenstein hat
Steiner. Auch das aus dem Nhd. in die Mundart gedrungene
fdräi Verein, hat im Plur. fdrdir wie sdi Schein, smr,
moundt (m. und s.) Monat, Plur. moundtBr und möun9t, an
dieses scheinen sich angeschlossen zu haben: qt4?9t Abend,
üwH und äwdt^r, sqldt Salat, säldt9r, sp^gH, Spagat, äpdgH
und äpagdt9r. Häufig bilden einen Plural auf -ar die Namen
der Wochentage: suntig Sonntag, suntig und suntig^r^ analog
die übrigen auf -ig : mätig^ ^^X^ig, pß^siig, fraitig, samstig,
Montag, Dienstag, Donnerstag (mhd. pfinztag), Freitag,
Samstag.
1
— 127 —
Die w-Stämme.
§ 102. Die männlichen w-Stämme haben sich im
Singular zu zwei Gruppen entwickelt. Die eine zeigt die
Form des Nom. über den Dat. und Acc. ausgedehnt; mhd.
böte erscheint als pout und dies ist die Form des Singulars,
der Plural lautet potdd, entsprechend mhd. boten. Die zweite
Gruppe hat im Nom. die Form des Dat. Acc, der ganze
Singular lautet auf -9 aus ebenso der Plural: sllt^ Plur.
slltd Schlitten.
§ 103. Zur ersten Gruppe gehören alle Substantive,
welche Lebewesen bezeichnen: kxnqp Plur. kynqppd Knappe,
sitSy sits9 Schütze, pök/, pökx^ Bäcker (mhd. becke), hqar,
hqard Herr, prints, p'ints9 Prinz, ksöll, ksölld Geselle, kyilf,
kxilff^ Gehilfe, sorg, sörgd Scherge, örb, örwd Erbe, gr^
gr^ff^ Graf, tsuig, tsuigd {tsaig, tsaigo, mhd. ziuge und geziuge
voraussetzend; die Urkunden haben immer des sind {sein)
gezuigen, gezeugen) Zeuge, pirg, pirg9 Bürge, nqrr, nqrvB,
Narr, frqts, frqts9 Fratz (übles Kind), pii9y vgl. § 65, pudwd
Bube, föttdr, föttdrd Vetter; first, first9 Fürst, ments, mentsd
Mensch. Nur schwach sind in der Mundart: rFs, risd Biese,
(ahd. riso und risi), paur, paur9 Bauer. Dieser Klasse der
schwachen Substantive haben sich alle Fremdwörter an-
geschlossen : sqldqt, soldqt9 Soldat, sendarm, sendarm» Gens-
darm, aff9kxcit, aff9kxät9 Advokat, kxontsliät, kxontslist» Kanz-
list, rekxrut, rekxrutt9 Rekrut, kxum9dant, kxum9dant9 Kom-
mandant u. a. m. Völkernamen: pqar, pqar9 Baier, swqb,
swqw9 Schwabe, sqks, sqks9 Sachse, swöid, suöidd Schwede,
prais, prais9 Preusse, walfs, walts9 Wälsche, franfsous, fran-
tsou89 Franzose, tirk, tirkd Türke, kxrqwqt^ k/rqwqtt9 Kroat,
poiil, pould Pole, jüd, jüdd u. a. Familiennamen mit be-
tonter letzter Silbe : wöirts, wöiris9 Wörz, renn, renn9 Renn.
Mhd. Christen, heiden haben sich diesen angeschlossen: k/rist,
kxristd^ hqad, hqad9 und haid, haid9. Tiernamen: hqs^ hqsd
Hase, p^ar, p^ar9 Bär, oks, oks9 Ochse, rqts, rqts9 Ratte (mhd.
ratze M.), rqp, rqpp9 Rabe, löib, löiw9 Löwe, qff, qffd Affe,
/j^ji/, iirikx9 Fink, spqts, spqtsd Spatz, Uär, stär9 Staar,
— 128 —
snepf, snepfd Schnepfe, häsrök/, häsrökx^ Heuschrecke, gair^
gair9 Geier (mhd. st. und schw.), hidrs, hi9rs9 Hirsch.
§ 104. Zur zweiten Gruppe gehören alle unpersönlichen
schwachen Stämme. Singular und Plural lauten gleich-
förmig auf '9 aus. Einige Beispiele : sl%t9 Plur. slitd Schlitten,
ri^md Riemen, stök/9 Stecken, sirpd Scherbe (westgerm.
*skirbj- voraussetzend, § 61), ^ifjJc/^ Schenkel, raif» Reifen
(mhd. nfe pruina) ; gqrta Garten, aber pofjij9rt Baumgarten,
huoijert Heimgarten, Plur. pe^'ij9rt, hi^fj9rt.
Anm. Zu erwähnen sind einige unpersönliche Wörter, die im
Singular die apokopierte Form des Nom. haben : mou Mond (mhd.
mäne\ mqa Mai selten mqaijd (mhd. meie\ möirts März (mhd. merze),
Plurale dazu kommen nie vor. Mhd. smerze hat im Singular selten
smarts9 neben smarts, im Plural sma7'ts9] psqlniy psqlm9 Psalm, steht
unter fremdem Einflüsse.
§ 105. Mehrere der hieh ergehörigen Wörter bilden
ihren Plural heute durch Umlaut des Stammvokals in An-
lehnung an die o- und «'-Stämme : ärqga Plural §räg9 Schrägen,
k/rqg» Plur. k/räga Kragen, mqg», mägd Magen, äqdd, südd
Schaden (die ursprüngliche Form des Nom. ist erhalten in
ds ist sqd es ist schade), Iqde, ladd Laden, pqrd, pärB Barn
(ahd. parno), wqsd, wäsd Rasen, grqwd, grawd Graben, pqkkOj
pakkd Backen, kxqstd, kxastd Kasten, pqtsd, pats9 Knollen
aus Kot, Teig, k/qrrB, k/arrd Karren, pqlk/d^ palk/9 Balken,
Fenster, gqlgB^ gcilg^ Galgen, pqlld, palla Ballen (aber Plural
snqapqlld Schneeballen), /oMM9,/^i«a Fahne (nur mask.), droumd
Plur. drämd und drelmd Dachbalken (mhd. st. und schw.),
noumd Plur. nelmd und näm9 Name, soum9, seim9 und sämd
Samen; roumd Eahmen und gddoijk/d Gedanken (mhd. gedanc
und gedanke) haben nie Umlaut. Schwache Mask. mit kurzem
im Stamme lauten nie um: prokx^ Plur. prok/9 Brocken,
k/no/yB Knochen, kxolwd Kolben, stolld Stollen, k/noll9
Knollen, sokx9 Socken, pfost9 Pfosten, tropf9 Tropfen, zu
tsopf9 Zopf (Schmeller bair. Wörterb.^ IL 1145) ist eine
häufige Nebenform tsopf Plur. tsöpf. Gedehntes mhd. o
lautet um in: pougd^ poigo Bogen, srouf9, sröif9 Schrofen,
nicht aber in: k/noiidB Knöchel, u in prunn9, prinnd Brunnen,
au in hauffd, haiff9 Haufen; dagegen: puts9 Plur. puts9 Butzen,
tupf 9 Tupfen, stüts9 Stutzen, nuts9 Nutzen (heute nur schwach,
- 129 —
mhd. st. und schw.), gdumd Gaumen, daumd Daumen. Der
Umlaut zeigt sich also nur bei q vollständig durchgeführt,
bei andern Vokalen ist er vereinzelt. Aus der Tatsache,
dass das einzige schwache Mask., welches in den Imster
Urkunden des 15. Jahrh. vorkommt, mhd. schade, durchwegs
die Formen Sing. Nom. schad, Gen. Dat. Acc. schaden, Plur.
schaden aufweist, ergibt sich, dass der Umlaut an und für
sich schon als Charakteristikum des Plurals gefasst wurde
und dass nicht erst eine Ausgleichung des Singulars statt-
gefunden hat, bevor der Umlaut eintrat; es war demnach
nicht die direkte Analogie zu etwa mhd. wagen, faden als
Singular-Formen wirksam; der Plural zeigt sich hier unab-
hängig von der Singularflexion.
§ 106. Mit abweichender Entwicklung sind zu ver-
zeichnen: fiQbl Plur. wä6| Nabel, erml Plur. erml Ärmel,
U9slgl Einsiedel (ahd. nabulo^ ermilo^ einsidilo), Sie haben
sich der grossen Gruppe der starken Mask. auf -J ange-
schlossen. Die Mundart kennt keinen männlichen w-Stamm
mit einer solchen /-Ableitung, welcher der schwachen Flexion
erhalten geblieben wäre und auf -Id auslauten würde, gätdr
Gatter (ahd. gataro) hat im Plur. neben gdtdr seltener gätdrd
als Rest der ursprünglichen Deklination ; k/öifir Käfer, hat
immer kyöifdr.
Die Jo-Stämme.
§ 107. Einfache ;o-Stämme sind selten. Sie haben
sich teils der o-, teils der w-Deklination angeschlossen. Ihre
ursprüngliche Flexion muss früh verloren gegangen sein,
sonst wäre der Übergang in die w-Klasse nicht zu erklären
(vgl. Paul, mhd. Gramm. § 121. 1); denn ihr Plural war dem
der 0- und /-Stämme gleich und die lautgesetzliche Ent-
wicklung ihrer Deklination hätte zu einem Zusammenfall
mit diesen Stämmen geführt. Nur kyßs Käse, und hölp
Axtstiel (mhd. bereits help), erscheinen heute wie die starken
Stämme, Plural k/äs^ hölp. rukkd Rücken, hat im Plural
rukk9 und rikk9, wökkd Weck; wqatsd Weizen, Plur. auch
w^atsd'^ diese drei sind schwach geworden, hhrt Hirt, Plural
hidrtd flektiert heute wie die persönlichen schwachen Stämme.
Schatz, Die Mundart von Imst. 9
— 130 —
§ In*. Die yo-Stämme anf ahd. -äri haben sich regel-
recht entwickelt und lauten im Sintrular und Plural auf -J?r
aus: im Plural tritt nie der Umlaut ein. Vgl. SiDgolar und
Plural lf;ar»r Lehrer, fuf/ftco/t^r Nach twä echter, trög^r Träger,
mt^d^' Mäher (Bildung zu uu^d Mahdi. su^xt^r Schuster,
rait^r Reiter, nnr-ttdr Arbeiter, ü-^r^r Führer u. a.
Anm. An dieser Stc-lle sind eine Gruppe Ton SnbstantiTen anf
-?r zu nennen. Sie bind Ton Zeinrortern abgeleitet, ihre Gnmdbedeatung
ist die einmalige, rasche Tätigkeit: es sind demnach Nomina actionis.
Ihrer Flexion nach decken sie sicn mit den soeben genannten jo-Stämmen
auf '?r. Vgl- t'iU'^^r eio einmali^s, ra-ches Ritzen, it-toss^r ein unver-
mu toter, rascher Stoss, ^'/ o*''/yr zu l-jriol-/9 kJopfen, för^r das rasche
darüber hin Fahren mit der Hand, das Durchzucken zu fön^ plin^k^r zu
plini^k-^ bliDzeo. ['Hfi^r zu i'.iii-^ blitzen, rt-f/j^r zu rt^/ö schütteln, s///&r
zo ^itt^i schatte! a, (0//?r das schrille Auflachen zu iozz^ lachen, uXssl^r
zu iri^^i^ winseln, dia^r zu drca drehen, supOr zu Supfj stossen, paU^r
zu /"//!9 bellen, oitj^Ul-^r zu ouj^tA'^ ächzen, Uid-jr^r zu Uuk^^ zucken,
pril'ifr zu prill? brüllen, drukjrin' zu timk^j drucken, hu^sUr zu hii»st9
Hursfcn, hyui'i'^r zu kj^urr? knurren, ^priti^-^r zu spritz-? spritzen, slipfir
zu ^'t'pfj schlüpfen, tnAA^r zu tci.H? wischen. ^'•/*'^j[/^^>' m ^'Z^'OXX^ krachen;
die Beispiele lassen sich häufen. Man vgl. aus dem Xhd. Seufzer,
Jauchzer. Bei Seh melier sind !^olche nur spärlich belegt ^bair. Wörterb.^
II. 2:n, 70*^1.
§ l<i9. Ueste anderer tStämme. Die wenigen wo^
Stämme sind mit den o-Stämmen zusammengefallen, sn^a
Schnee, k/lm Klee, tcea Weh, puu Plur. pau und pai Bau,
sPü See; siftla ist schwach geworden und lautet im Plural um:
sattd Schatten.
Die langsilbigen «-Stämme sind bereits im Ahd. (Braune,
ahd. Gramm.*- § 229) zu den o- und /-Stämmen übergetreten.
Von den kurzsilbigen kommen nur noch slg Sieg, und frtd
Friede, vor; früh verrät nlid. Einfluss. .'^m Sohn, ist'jbereits
behandelt (§ 10 Ij. siti<^ ist lieute weiblich. Die drei
Verw^andtschaftsnamen prvcni./r Bruder, strög<fr Schwager,
föi^r Vater, bilden den Plural durch Umlaut : prhdar^ swägar^
fät^r: daneben aucli, wohl in Anlehnung an föttar (§ 103), ein
fätyr9.
Anm. Die urkundlichen Beleg:e für die Deklination des starken
Mask. zeigen folgende Verhaltnisse: Der Gen. Sing, hat immer » {briefs,
kauf 8^ pharrers, UueberSy mangels); der Dativ ist ohne Endung, nur
— 131 —
1471 an sant Veitz tage \m Plur. sind der Nom. Gen. Aco. immer
ohne Endung, der Dat. hat ohne Ausnahme -en. Von umlautfähigen
sind belegt: Acc 1468 dgker^ agker^ intlngl, 1624 bdch^ stendtf Dat. 1471
Nufzn^ 1524 margtatägen, das in einem Zusatz von späterer Hand
morichtsfngen geschrieben ist. Der Dat. Plur. ist also noch nicht den
übrigen Kasus angeglichen worden ; dass dies auch in der Ma. zu dieser
Zeit noch nicht der Fall war, wird durch die Tatsache wahrscheinlich
gemacht, dass das vordere Ötztal den Dat. Plur. heute noch auf n bildet:
laitiQ, Leuten, hainarp Häusern, kj^9ii Kühen. Die übrigen Kasus haben
den EndungsYokal verloren. Der Umlaut im Plural erscheint ebenfalls
über die o-Stämnie ausgedehnt; das Nebeneinander von ägker und agker
1468, margtstögen und morkhtsiagen 1524 ist bloss durch den Schreib-
gebrauch veranlasst, die a sind ebenso als Umlautsvokale (§ 37) auf-
zufassen wie die ä.
Das schwache Mask. zeigt den Nom. durchwegs ohne Endung,
den Gen. Dat. Acc. dagegen immer auf en^ n gebildet. Ygl. z. B. Nom.
1448 Gerhah, her, Hanns, 1450 schad\ Gen. Herren, fürsten, perchtolden,
Hatmsen, Micheln, Matheisen, Jörgen; Dat. haunsen, namen, garten,
Jacoben, Acc. prunnen, schaden u. s. w. Da der einzige Nom. der un-
persönlichen schwachen Mask., den die Urkunden bieten, die Apokope
des mhd. e zeigt, 1450 schad, und andrerseits alle persönlichen schwachen
Mask. den Nom. apokopiert haben (1448 gt'aue zu Tyrol, 1450 graffe zu
Tyrol sind starre "Wendungen), den Gen. Dat. Acc. aber auf en bilden,
so muss man schliessen, dass die heute geltende Trennung zwischen
persönlichen und unpersönlichen »-Stämmen damals noch nicht vor-
handen war; die Ratsprotokolle des 17. Jahrh. aber weisen sie auf;
es kommt dort kein apokopierter Nom. von unpersönlichen Mask. vor,
wohl aber apokopierte Dat. Acc. von persönlichen. Der Plur. hat in
allen Kasus en', die beiden einzigen belegten umlautfähigen sind 1450
schaden Gen. Acc, 1451 prunnen Nom. Gen. Acc; soweit daraus, dass
kein umlautfähiges mit a vorkommt, welches nicht den Umlaut hätte,
Schlüsse gezogen werden können, zeigt sich, dass der Plural analog zu
den starken Mask. Umlaut annehmen konnte, auch ohne dass die Kasus
des Sing, ausgeglichen waren, prunnen ist ohne Umlaut; die betreffende
Urkunde schreibt für, würden, bezeichnet also das umgelauteto u.
B. WEIBLICHE SUBSTANTIVE.
Die a- und ya-Stämnie.
§ 110. Der Singular geht im Mhd. in allen vier Kasus
auf -e aus; die Mundart hat diese Endung in lautlicher Ent-
wicklung verloren. Demnach bleibt es der Beobachtung
entzogen, ob und inwieweit in der Mundart die im Ahd.
9*
- 132 -
ohne Endung erscheinende Form des Nom. (Braune, ahd.
6ramm.2 § 207. 2) vorhanden gewesen ist. Der Singular
mhd. gdhe erscheint als gqh Gabe. Der Plural hat in allen
Kasus die Endung -9, welche auf -en zurückgeht; diese
kommt im Mhd. nur dem Gen. Dat. Plural zu. Sie hat sich
über den Nom. Acc. ausgedehnt, gewiss unter Einfluss der
schwachen Feminina, die im Plural im Mhd. -en haben.
Dieselbe Entwicklung wie g^h : gqtPd haben folgende ci-
Stämme: gnqd^ gni^d» Gnade, hart, hartg Herde, tsQl, tsqb
Zahl, kxuqly k/wqh Qual, qar, qard Ehre, i^ar, lqar9 Lehre,
sqal, sejild Seele, ^a, qaip (vgl. § 5) Ehe, qart, ^arta Erde,
Inot, hu9f9 Hut, das Hüten, fuar, fuare Fuhre, pit, pitta Bitte,
spais, äpaisa Speise, fröui, fröidd Freude, sond, sondd Schande,
sld, sldd Scheidung, das Absondern, rqas, rqasd Reise, pudS,
pudssQ Busse, grents, grentsd Grenze, pou, poiim Bahn, ptfi,
patfiQ Pein, gmud, gmmno Gemeinde, wqad, wqad9 Weide,
suld, suldd Schuld, su9l, sudb Schule, hqb (h^wdj Habe, strqf,
strqffd Strafe, fqrb, fqrwd Farbe, wqg, w^gd Wage, hxl^g,
fc/lqgQ Klage, frqg, frqgd Frage, aussqg, aussqgd Aussage,
oütsqag, outsqagd Anzeige, sqx, sqx/d Sache, sprQxy sprq/d
Sprache, Q^, q/9 Ache, sqrg, sqrgd Sorge, folg, folg9 Folge,
trudg, trudga Traglast, lüg, lügg Lüge (setzt ein * luga vor-
aus) Iqg, lQg9 Lage, holtslöig, -löigo Holzlege, misllöig Mist-
lege, pai/tf pai/to Beicht, snaid, snoido Schneide, Wagemut,
„Schneid" (der Flurname snaidd fordert ein schwaches mhd.
sntde), sonts, sontss Schanze, pflöig, pßöigd Pflege, rui, ruijd
•Reue, fairj faird Feier, fqryt, fqrxt^ Furcht, wais, waisd
Weise, wq/f, wqyp Wacht, wqx, wqx/^ Wache, waü, waih
Weile, pqr, pqrd Bahre, wid, widd Strang aus Zweigen, sqr,
sqr9 Schar, aw, aud Au, hilf, hilfd Hilfe, kfqr, kfqrd Gefahr,
möss, mössd Messe, stimm, stimmo Stimme, pit das Warten
(auf eine Schuld ohne Schein, mhd. bite), mqas, mqassd ge-
rodeter Waldstrich. — Die Ja-Stämme sind im Mhd. bereits
mit den ^-Stämmen zusammengefallen ; sind^ sindd Sünde,
höll, hölh Hölle, röid, röidd Rede, ripp, rippg Rippe,
k/lemm^ k/lemma Klemme, tre^jk/, tre^jk^s Tränke, stuir,
stuirQ Steuer (vgl. § 54). Ferner gehören hierher alle mit
der Ableitung auf -uy (ahd. ung, unga): tsi^hut} Ziehung
— 133 —
Plur. tsi9hufj9, tnu9nuf], mtibriufjB Meinung, falduij, faldmp
Faldung, tsaiiufj, tsaitutjo Zeitung, Iqasur^^ Iqasufj^ Erlös,
hoffnur^, hofnvf]9 Hoifnung, Q^tufj^ (Q/tuf]9) Achtung, pössQrm}
Besserung, fdrsomlufi, fdrsomluf^o Versammlung u. a. Die
wenigen Feminina auf -wts haben im Plural niss9] vom
Standpunkt der Mundart aus kann nicht mehr beurteilt
werden, ob ahd. nisst oder nissja zu Grunde liegt (Braune,
ahd. Gramm.2 § 201. 1) farnis, färniss9 fahrendes Gut,
finst9rniSj ßnst9rnis89 Finsternis, p9gröibm9S, p9gröibmisS'^
(auch sächlich) Begräbnis, wildnis, wildnissd Wildnis, pswär-
7iis, pswärni8S9 Beschwerlichkeit, p9dre7jnis, p9dreijniss9 Be-
drängnis. Die Feminina auf mhd. inne (/Ä-Stämme) gehen
im Singular auf -m aus; daneben kommt seltener -*jt vor;
der Plural lautet -inn9, sie schliessen sich also den starken
Stämmen an. pairin und pairi^, pairinn9 Bäuerin, tvidrtin,
wi9rtf^, wiertinn9 Wirtin, hai$9rin, hais9ri^ Häuserin u. a.
Die Wörter auf -ai (nhd. -et) haben im Plural aij9^ swälm-
rai, swdin9raij9 Schweinerei, litt9nai, Iitt9naij9 Litanei, sin-
t9rai, sint9raij9 Schinderei, 8enn9rai, senn9raij9 Sennerei,
Ii9w9lai, Ii9u>9laij9 Liebelei, $raiw9raij sraiw9raij9 Schreiberei.
Dieselbe Pluralbildung haben auch alle auf einen Konsonanten
ausgehenden Fremdwörter: pröidig, pröidig9 Predig, nqtür,
nqtür9 Natur, figür^ fiffü^'^ Figur, Ur^ ürd Uhr, fabriky,
fabrik/9 Fabrik, müsig, müsig9 Musik, ass, ass9 Ass im
Kartenspiel, meditst, meditsln» Medizin, mikstür, mtkstür9 Mix-
tur, prants, prants9 Branche, Trupp, post^ post9 Post, k/ßär,
k/itar9 Guitarre.
Die an- und jöw-Stämme.
§ 111. Im Mhd. ging der Nom. Singular auf -e (zunge)
aus, die übrigen Kasus des Singulars und die des Plurals
hatten die Endung -en. Die Mundart hat im Sing, und
Plur. -^, also den Nom., der * ts)fißiß mit Abwerfung des -e
lauten sollte, den übrigen Kasus angeglichen. Bei manchen
Wörtern kann ein abweichender Plural gebildet werden auf
'n9 : stüiüd, Plur. stüw9 und stübtn9 Stube, staud9, Plur. stoud9
und staudn9 Staude, k/ir^^j Plur. k/irx^ und kxirxn9. Doch
ist diese Pluialbildung keine feststehende; sie kann nicht
- 134 -
bei allen Femininen verwendet werden, jedoch bei allen auch
fehlen. Ihre Entstehung erklärt sich am einfachsten so:
für die (i-Stämme muss eine Deklination gdb^ Plur. (fähen
vorausgesetzt werden, da der Abfall des auslautenden -e
früher erfolgte, als der des -w. Für die aw -Stämme setzen
die heutigen Verhältnisse einen Sing, stuben^ Plur. stuben
voraus. Aus gab : gäbest entnahm das Sprachgefühl ein
Plural bildendes -en^ welches nun neu an an-Sisunme trat;
wie gäben zu gab bildete man stubenen zu stuben und aus
stubenen hat sich das heutige stübni9 entwickelt. Jetzt hat
diese Gleichung keine Geltung mehr. Die Pluralendung -«9
kommt fast ausschliesslich schwachen Stämmen zu.
§ 112. Bereits in ahd. Zeit sind (t- Stämme in die
Deklination der aw-Stämme übergetreten; die Mundart hat
eine Reihe von Beispielen aufzuweisen. Eine genaue Schei-
dung der heute im Sing, auf -a auslautenden weiblichen
Stämme in ursprünglich starke und schwache ist nicht immer
möglich (Braune, ahd. Gramm. ^ § 208, 2). Ursprünglich
stark flektierten: wompd^ Plur. wompd und wompmd Bauch
(ahd. wamba) qrx^ Ufermauer, yru9wd ^ Plur. grudud und
gnidbmd Grube, maurd, Plur. rnaur^ und maurnd Mauer,
portd Borte, saitd, Plur. saitB Seite, wundd Wunde, hqad^
Heiderich, standd Staude, })iaiU Meile, sqlw^ Salbe, sqrtd
Scharte, pintd Binde, rintd Rinde, windo Winde, sruntd
Schrunde, staig9 Hühnersteige; prvkkd Brücke, hitU Hütte,
k^rippd Krippe, suird grosser, leerer Raum, Scheuer, und
wohl noch andere der auf -^ auslautenden Feminina, für
die mir keine Belege starker Formen zu Gebote stehen.
Die Aufzählung der ä- (ja-) Stämme bei Gripim, Gramm. I,
ist nicht erschöpfend.
§ 113. Die Wörter, welche im Plural neben der Form
des Singulars, also der regelmässigen Entwicklung, die Bil-
dung auf -nd haben, sind: pfaiffd, pfaiffnd Pfeife, saitc»,
saibrnd Scheibe, sqn/f^, soaffnd Seife, snpf<f, supfnd Schuppen,
k/lupp9, k/luppm9 Kluppe, wippd, uippmd Witwe, glüf^,
glüfnd Stecknadel, swqlw^, sirqlbm9 Schwalbe, hoiisd, housn9
Hose, mqs9, mqsnd Narbe, Fleck (mhd. friäse), nqs9, nffsnB
Nase, pqs9j pqsnd Base, tass^, tassn9 Tasche, gqss9, gossn9
- 135 --
Gasse, kxrqt89, k/rqtsn^ Kratze, Spaten, hxqtsd, kyqtm^ Katze,
sprits9j spritsnd Spritze, pflonts9, pflonUm Pflanze, sqads,
sqadn9 Scheide, k/ir/9, k/ir/nB Kirche, k/ai/9, k/ai/nd Ge-
fängnis, hqlc/9, hqk/n9 Hacke, stidgd, stidgn9 Stiege, cßokkd,
glokkrjd Glocke, slögr*, s/qgf}9 Schlagfalle, truh9, truhm Truhe,
plilhdj piqhns Blähe, sqg^, sqgf]9j Säge, suppe, Buppmd Suppe;
vereinzelt haben auch noch andere Wörter diese Bildung
des Plurals; doch ist ihre Anwendung nach meinem Sprach-
gefühl individuell und nicht allgemein in Gebrauch. Gehört
habe ich Plurale wie : swittnd zu smittd Schmiede, flqssn9 zu
flqss9 Flasche, k^lousfiB zu k/laus9 Klause, Verhau beim
Holzrichten, tmibmd zu taiiw9 Taube, strqssn9 zu strqss
Strasse, qlbm9 zu qlb Alpe, kylassnd zu k/lass Klasse, fa-
brikynd zu fabriky Fabrik.
§ 114. Von schwachen Femininen, die den Singular
und Plural gleich haben, seien angeführt: wösp9 Wespe,
gqnr9 Garbe, siliv9 Silbe, hauw9 Haube, ruf 9 Eiterkruste,
(zu ahd. hruf), qsp9 Espe, sölf9 Schale von Früchten (ahd.
sceliva), k/ipf9 Wagenleiste, k/qlw9 weibl. Rind, das zum
erstenmal trächtig ist (zu Kalb), soul9 Sohle, sql9 Schale,
nql9 Ahle (vgl. § 73), roll9 Rolle, sall9 Schelle, S7iqll9 Schnalle,
t8ail9 Zeile, icoJl9 Wolle, fail9 Feile, nall9 Genick (zu ahd.
/jW£^'Z Hinterhaupt), kxqpp9 Kappe, plmmB Blume, homm9 Schen-
kel (ahd. hamma), pfraum9 Pflaume, höifomm9 Hebamme,
rqa39 Rose, lqas9 Wagenspur, im Plur. Geleise, uts9 Wiese,
lqtf9 Latte, tutt9 Zitze, k/roiit9 Kröte, sqat9 Saite, plqtt9
Platte, ni9t9 Niete, iuonts9 Wanze, staltsd Stelze, wqltsd Walze,
sqat9 Hobelspan, swqrt9 Schw^arte, k/rusfB Kruste, pirsf9
Bürste, kxarst9 Kirsche, warts9 Warze, stöft9 Stift, hqff9
Hafte, pfonn9 Pfanne, rinn9 Rinne, sm9 Schiene, Iä7i9 La-
wine, pht9 Bühne, Bretterboden, tonn9 Tanne, sunn9 Sonne,
t€onn9 Wanne, nunn9 Nunne, tinn9 Stirn (mhd. tinue), k/rhin9
Kerbe, Rinne (mhd. krinne), lu<)n9 Lehne (mhd. leine), lvk/9
Lücke, faig9 Feige, fiiiig9 Fliege, lar/B Lerche, wox/r^ Woche,
sl^ah9 Schlehe, fu9gi) Fuge, m9g9 Wiege, tsi9x9 Zieche, Decke,
pu9x9 Buche, pirx9 Birke, sqlho Weide (rnhd. salhe), spqa/9
Speiche, saih9 Seihe, tsqrg9 Zarge, tsm]'t]9 Zunge, storiij9
Stange, slif^f^9 Schlinge, sloipp Schlange, tsor^}j9 Zange,
- 136 —
Jc/lit}f}9 Klinge, paijo Biene (mhd. bic), di9rnd Dirne; löhkd
Holzschicht (zu ^hd. leg gen), ökka Egge, k^öirtsa Kerze,
dill9 Dachboden (vgl. nhd. Diele), lät?i9 Leine, kxrukx^ Krücke,
mukkd Mücke, prukko Brücke, hetjfja Hängvorrichtung, Ge-
stell, das an der Wand hängt, k/ölU Kelle, tri9ss9 Drüse,
prittB schmales Brettchen (germ. ^bridiön-)^ pail9 Beule,
faixt9 Fichte, henn9 Henne, tsiU9 ZüUe, Schiffchen, honthöiw9
Handhabe.
§ 115. Die mehrsilbigen Feminina mit der Ableitung
-ala, 'ila^ -ula^ -ara u. s. w. gehen heute alle auf -9 bezw.
auf -Z^, r9 aus. Die hierher fallenden Stämme sind also
alle schwach geworden. Die Mundart kennt kein mehr-
silbiges Femininum auf -i, -r (im Gegensatz zum grössten
Teile des Bairisch-Osterreichischen, wo diese Feminina alle
auf -Z, -r ausgehen). n(^dl9 Nadel, k^ügh Kugel, gqwl9^
Gabel; fc;^(?;ffe Kachel, sixla Sichel, &7ss/a Schüssel, musl9 Muschel,
qssld Assel, gqassb Geissei, prennössU Brennessel, sq/Ü9
Schachtel, hqttU Ziege (mhd. hatele)^ tqfl9 Tafel, tq/th Dachtel,
Ohrfeige, lutjgb Lunge (und lut}t}9)^ kxondl9 Kanne (mhd.
kanele)^ mondU Mandel, waidU Weide, gromU Flachsbreche
(vgl. Schmeller, bair. Wörterb.^ I, 995), sindld Schindel,
saufl9 Schaufel, qrgU Orgel, drissla Drischel, wqlgU BaUen
(vgl. mhd. welgeln)^ pqppl9 Pappel, gurgh Gurgel, daiksh
Deichsel, k/ontsb Kanzel, nüdl9 Nudel, wqxtl9 Wachtel,
ha/h Hechel, swöigU Schwegel, gruspb Gruspel, omsl9 Amsel,
qksl9 Achsel, spindl9 Spindel, hqsU Haselnuss, wurtsU Wurzel
(und wurts9)^ fqk/p Fackel, tsussld unordentliches Weib,
öidl9 Erle, ompU Ampel; dass regl Regel, und päsl Base,
mundartliche Lehnwörter sind, ist leicht zu ersehen; qd^r9
Ader, qt9r9 Natter, pl^t9r9 Blatter, Blase, qlst9r9 Elster,
sqlt9r9 Barnbaum, an welchem die Ketten hängen (vgl. nhd.
Schalter), hqlft9r9 Halfter, kyomni9rd Kammer, numm9r9
Nnmmer, kxlomp9r9 Klammer, ef}f}9r9 grosser Anger, fast
nur als Flurname gebraucht (zu *Auger), Iöiw9r9 Leber, föi-
d9rd Feder, kxüwerd junges weibl. Schaf (ahd. chilpurrea)^
spilt9rd Zaunspilter, silpdrd Splitter, tsitt9r9 Zither, Iqaf9r9
Leiter, rait9r9 Kornsieb (mhd. ritere). Auf -9 auch im
Singular lauten auch alle folgenden aus (abweichend vom
— 137 —
Bairischen im allgemeinen): s'ölg9sd Sense (mhd. segense)^
sifjffis9 Schelle (Schöpf, tirol. Id. S. 675), omm989 Ameise,
pmm9S9 Binse, PQxx9t9 Speckseite (zu ahd. pacho)^ öig^rtd
Wiesenfleck (mhd. egerte)^ tsügBta Holzlast, welche am Boden
geschleift wird (zu ^ziehen'), hmidtd an einen Baum gelehnter
Holzhaufen, goss9t9 in einer Pfanne kalt gewordenes Schmalz
(zu ^giessen*), heijf}9t9 eine Reihe aufgehängter Gegenstände.
Als schwach flektierend werden für die Mundart vorausgesetzt:
hxöttn9 Kette, f^arsn9 Ferse, k/ßtn9 Kiste; auf einen starken
Stamm weist J^/uxx^ Küche, weil *k/uxxn9 zu erwarten wäre,
falls ein schw. ahd. kiichina vorläge; schwach ist pir9 Birne.
Die ursprünglich schwachen Stämme frau Frau, hu9r
Hure, zeigen im Singular heute eine starke Form, beide
wohl unter nhd. Einfluss. Vgl. die schwachen Formen in
der Zusammensetzung: frau9t(lg Frauentag (in Imst der 15.
August), hu9r9pokxj hu9r9jäg9r.
Die Feminina abstracta.
§ 116. Die von Adjektiven abgeleiteten Substantive
gehen heute bei einigen auf Konsonanten, bei der Mehrzahl
aber auf -a aus; die ersteren müssen auf den ahd. Singular
auf -t (hoht)^ die übrigen auf die Nebenform auf -in zu-
rückgeführt werden; es sind die alten Doppelformen (Braune,
ahd. Gramm.2 § 212) erhalten. In der Entwicklung der-
selben bevorzugt die Mundart die Form auf -wj, sie weicht
also vom mhd. Gebrauche ab (vgl. Paul, mhd. Gramm.'
§ 126. 3). lefjf} Länge, pr^at Breite, gr^as Grösse, h^a/
Höhe, li9b Liebe, hqas Hitze; so weit Plurale vorkommen,
werden sie auf -9 gebildet. Alle übrigen haben im Singu-
lar -9 wie im Plural : wait9 Weite, ti9ff9 Tiefe, smöih Schmäle,
swöx/9 Schwäche, dirr9 Dürre, waiss9 das weiss Sein, swörts9
Schwärze» rqat9 Röte, e^9 Enge, Ii9;^t9 das licht Sein,
rif]f]9 Leichtigkeit an Gewicht (zu mhd. ring)^ finst9r9 Finster-
heit, stikxl9 Steilheit (zu stikx] steil), gröid9 Geradheit, tuir9
Teuerung, saiw9rd Sauberkeit, kxi9l9 Kühle, fölh Vollsein,
ksmndd Geschwindigkeit, mld9 Wildheit, sair9 das sauer
Sein, stör/9 Stärke, hört9 Härte, möig9r9 das mager Sein,
Si^n9 Schönheit, trik/to Trockenheit u. a. m.
— 138 —
Die /-Stämme.
§ 117. Die regelmässige Entwicklung der Endungen
der /-Stämme führte mit analogischer Verdrängung des
Dat. Plur. zum Schwunde derselben, ffoas Sing, und Plur.
Geiss, ariv9s Erbse. Die Doppelformen des Singulars (mhd.
Nom. Acc. kraft, Gen. Dat. kraft, krefte) wurden meist zu
Gunsten des Nom. Acc. ausgeglichen. Der Umlaut im
Plural ist nur bei einem Teile erhalten; diese und die
beiden angeführten haben auch den Plural ohne Endung.
stQt, stöf Stadt, ^iQ/ty nayt Nacht, mqkt, mökt Magd, f^rdq/J,
prdäxt Verdacht, hont, hent Hand, wont, went Wand, poi]kx,
pefjkx Bank, gojis, gens Gans, k/u9, k/id Kuh, sau, sai Sru,
hu ff, hiff Hüfte, fur/^ fir/^ Furche, luft, lift Luft (auch Mask.
erstarrt ist der Dat. Sing, a ddr lift in der Luft), k^luft,
kylift Kluft, gruft, grift Gruft, fluxt Flucht, Plur. in sn^afli/t
Schutzorte vor Schnee im Hochgebirge, prws^, prist Brust,
pürt, plrt Bürde, siixt, si/t Sucht, Krankheit, fruxt^ f^i/t
Frucht, wiirst^ wirst Wurst, kyunst, Ä;f/ws^ Kunst, . Aa?/i, hait
Haut, maus, mais Maus, laus, lais Laus, praut, prait Braut,
fdust^ f elf st Faust. Der umgelautete Gen. Dat. Sing, hat
sich über den Nom. Acc. ausgedehnt in sail Säule (ahd.
5//Z), öib Mutterschaf (ahd. au Gen. ewl^ Braune, ahd. Gram.^
§ 219, 3), sär Schere (ahd. scdr) ; der Plural wird zu diesen
auf -9 gebildet: saife, öitvd^ särd^ sie fielen also mit den d-
Stämmen zusammen. Dasselbe musste eintreten bei tir
Thüre, dem der Umlaut auch im Nom. Acc. zukam (ahd.
turi). Zu o'^kst Angst, kyjqft Kraft, können zwei Plurale
gebildet werden: erikst^ kxröft und erjlcst9^ kxröftd] letztere
stammen aus dem Dat. Plur., der sich in den festen Wen-
dungen i d9 n efjkst9 in den Ängsten, pai, fu kxröftd bei,
von Kräften, erhalten hat.
§ 118. Eine Reihe umlautfähiger i-Stämme und alle
nicht umlautfähigen bilden den Plural mit -3, sind also in
die Analogie der (^-Stämme übergetreten. Für die letzteren
erklärt sich der Anschluss leicht: die Gruppe der a-Stämme
hatte eine ungleich grössere Anzahl von Substantiven; dass
das Streben, den Plur. vom Sing, zu "scheiden, der Mundart
- 139 -
eigen ist, zeigt die ganze Entwicklung der Deklinationsver-
hältnisse. Die Tatsache, dass auch umlautfähige /-Stämme
zu den a-Stämmen übergetreten sind, zeigt, dass der Um-
laut bei den Femininen nicht produktiv geworden ist, wie
bei den Maskulinen. Die Beispiele für diesen Übertritt
sind : walt Welt, Plur. wali9, tsait, fsait9 Zeit, pfli/t, vfliyp
Pflicht, srift, irif'id Schrift, frist, friste Frist, laix^ lai/9
Leiche, trift, trift9 Trift, ksixt, kst/t9 Geschichte, si/t^ si/tff
Schicht, Taglohn, hqatsH, hqats9t9 Hochzeit, qnvH^ Qrw9t9
Arbeit; die auf -hau {-k/ait): ksunthait Gesundheit, qawik/ait,
qawikxoiid Ewigkeit u. a.; trqyt. troyto Tracht, slqxt, slqytd
Schlacht, y^?;^^, jqyj9, jqkt, jqkta Jagd, Iqst, Iqstd Last, iqt^ tötj
Tat, qrt, qrtd Art, fqrt, fqrid Fahrt, sqt, sqtd Saat, purg, piirgd
Burg, g^purt^ g9pürf9 Geburt; die auf -sqft: qag^sqft, qagosqfta
Eigenschaft, fruHäqft, frmfsqfO Verwandtschaft. Der um-
gekehrte Fall, dass a-Stämme den Plural durch Umlaut
bilden, kommt nie vor. anta^ Ente, ist die Form des ahd.
Gen. Dat. anuti; das -^ weist darauf hin, dass es zu den
(^w-Stämmen übergetreten ist.
§ 119. Wörter anderer Stämme sind frühe schon zu
den «- und «^-Stämmen übergegangen. Zu hont ist der alte
Dat. Plur: erhalten in ts hontd zu Händen, fu hontd von
statten. Von den \'erwandtschaftsnamen hat swöst9r im
Plur. swöstdr», Schwester, toxtdr Tochter, ist selten, Plur.
töypVj mtotdr Mutter, hat mi9tdr und mi9t9r9, letzteres in
Anlehnung an sicöstard und fatdrd (vgl. § 109).
Anm. Das starke Fem. zeigt in den Urkunden im Sing. überaU
die apokopierten Formen, im Plur. sind nur Gen. und'Dat. belegt, beide
auf «?, n.
Vom schwachen Fem. ist der einzige belegte Nom. Hausfraw
1448 u. ö. ; Gen. Dat. Acc. zeigen ausnahmslos -«w, Hmtsfrauen^ Jungk-
frawen, Dat. seitn (2) 1471, Acc. messerschmitiev, gertcstubev vnd päd-
btuben 1451; gassen 1471; leider kommt nur der oben genannte Nom.
Yor, doch darf man schliessen, dass die Flexionsendungen des Singulars
sich lautlich entwickelt haben, der Nom. also sein e verlor; war das
in der Mundart der Fall, so ist er erst spät in Analogie zum Dat. Acc.
umgebildet worden. Wichtig ist, dass der Sing, der schwachen Fem.
scharf yon dem der starken geschieden ist. Dieser hat die Endung e
(des Mhd.) apokopiert. in jenem sind die schwachen en des Gen. Dat.
Acc. erhalten. Der Dat. Sing, seiiv zeigt, dass dieses Wort früh schon
zu den schwachen übergetreten ist.
- 140 -
C. SÄCHLICHE SUBSTANTIVE.
§ 120. Die Deklinationsendimgen der o- und ^'o-Klasse
unterliegen dem Schwunde nach den Auslautgesetzen der
Mundart, der Dativ Phiral ist überall analogisch verdrängt.
Die ahd. Neubildung des Plurals auf -ir ist in der
Mundart herrschend geworden (-9r). Interessant für die
Geschichte dieses Suffixes sind die erstarrten Genetive der
Mundart in den Zusammensetzungen kyölwQrskxopf, der ab-
geschnittene Kopf eines Kalbes, k/ölworsk/m, Kuh die ge-
kalbt hat. Sie sind identisch mit den ahd. Genitiven Sing.
rindares, Kelbirisbach , Pletirsbahc, Braune ahd. Gramm.2§ 197,
1. Heute bilden die meisten starken Neutra den Plural auf
•or: nöät Plur. nöSt9r Nest, /a/d, faldar Feld, übt, ti^rdr Tier,
galt, galtdr Geld, k/ind, k/indBr Kind, rind, rinddr Eind, waih,
tvaiw9r Weib, fuir, fuirdr Feuer, f^al, fqaUr Fell, pröit,
pröitdr Brett, tod, lidddr Lied, äait, äaitdr Scheit, rais, raisBr
Reis, Ii9/Ji K^;f/^r Licht; g^pai, g9paij9r Gehsiude, pöf, pöttdr
Bett, nöts, nötsdr Netz, gri^t, gri^tBr Gericht, ksi/t, ksi/t^r
Gesicht, piltj piltdr Bild, hemmst, hemmdtdr Hemd, gwaks,
gwaksdr Gewächs, k^erif^, k/ef^tjsr Gehänge, ent, entdr Ende,
ök, ökkdr Eck, gwöir, gwöirdr Gewehr, kfru, kfrtsdr Antlitz
(eine /o-Bildung zu „fressen" "^gafrizzi), pzs, pisdr Gebiss,
höft, höft9r Heft, kseft, kseftdr Geschäft, gtri^t, gwi/pr Ge-
wicht, gmiift, gmidtdr Gemüt, g^plist, gdplidtdr Geblüte, griak,
gfjakk'^r Genick, gltd, gUddr Glied, swai, suäljdr und swalr
Schwein, piid, pudr Bein, qa, qar Ei, plai, plaijdr und plair
Bleigewicht -Stäbchen, k/^eim, Ä:;i;el/w^r Stubenherd {ahd. kernt),
k^ami, kyamlr Kamin, ris, ris9r abschüssige Bodenrinne,
ksle)(t, ksle/tsr Geschlecht; /^/^ /^^^^ Vieh (w-Stamm), möir,
möirdr Meer.
§ 121. Die Umlautfähigen nehmen im Plural mit der
Endung -dr auch den Umlaut an. holts, höltsdr Holz, plo/,
plöx/^r Block, lo/, lö/x^^' Loch, folk/, fölk/dr Volk, ross,
rösser und ross ßoss, ^'o/, ^'öxx9r Joch, mous, möisdr Moos,
kslous, kslöis9r Schloss, pus/, pid/dr Buch, tto/, tidysr Tuch,
gudt, giet^r Gut, hud, htdr Huhn, haus, Iiais^r Haus, k/raut,
kxrait9r Kraut, loup, löipsr Laub, maul, maiUr Maul, drumm.
- 141 -
drimmdr nhd. Plur. Trümmer (mhd. drum), luky, Hk/9r
Deckel, dqrf^ darffdr Dorf, pqd, pöiddr Bad, rqd, röiddr Rad,
ylqt, plöttBr Blatt, kxqlh, k/ßlw9r Kalb, grqh, gvöiwer Grab,
grqs, gröisdr Gras, glf^s, glöisdr Glas, tql, töil^r Tal, SpitQl,
spitöü9r Spital, lomp, lempdr Lamm, lond, lenddr Land,
pont, pentdr Band, pfont, pfentdv Pfand, gwont, gwentdr Ge-
wand, omt, emt9r Amt, mqd, mader und möiddr Mahd, mql,
mähr Mal, Fleck, dqx, da^/er Dach, fqss, fassdv Fass, sqfi,
safer Schaff, mqr/, mar /er die Marke (mhd. marc Neutr.),
mqs, masser Mass. Beachtenswert ist, dass auch bei den
Sächlichen zu q zwei Umlautvokale vorhanden sind, a und
ö\ öt; letzterer ist produktiv geworden, wie der Plur. spi-
töüer, möider (mhd. mdd) erweist. Die Wörter, in welchen
a herrscht, müssen den Umlaut auf lautgesetzlichem Wege
erhalten haben (vgl. § 38 ff.). Das Suffix -ir ist also im
Plural der Neutra früh schon weit verbreitet gewesen,
andernfalls könnte die Scheidung zwischen a und ö, öi nicht
wohl erklärt werden. Dass der Umlaut mit der Endung -er
eng verbunden ist, erweist sqal Plur. später Seil; ange-
schlossen hat es sich an tqar, tqarer Tor.
§ 122. Selten ist die einfache Pluralform ohne -er,
die dem Sing, gleich ist. sqf Plur. sqf Schaf, r^a/ Reh,
kxits Kitze, pfund Pfund, mues Mus. Einige Wörter haben
neben der Bildung auf -er die alte Plur. Form erhalten.
Beide Plurale haben dann gewöhnlich verschiedene Be-
deutung, wqart Plur. wqart Worte, wqarter Wörter, stuk/^
PI. stiikx eine Gesamtzahl von Stücken und stik/er einzelne
Stücke, qart Plur. qart und parier (vgl. § 101, auch männ-
lich); zu diesem ist der Dativ qarte (mhd. Dat. Plur. orten)
erhalten, daneben wird auch qart als Dat. Plur. verwendet.
hqr Plur. hqr Haar und hä^-er einzelne Haare, difjtj Plur.
dii^Tj Dinge, dirir^dv einzelne, rqar Plur. rqar, rqarer Rohr,
söif Schiff, söif und söifer.
§ 123. Die Deminutive haben in regelmässiger Ent-
wicklung im Singular und Plural dieselbe Form erhalten;
Plurale auf -er kommen bei ihnen nicht vor. föigele Plur.
föigele Vögelein, waldele Wäldchen, haisle Häuschen. Wie
die Deminutive, welche alle auf 4e ausgehen, haben die
^ 142 -
wenigen Wörter auf -^ im Plural nur die Form des Sing.
icqpp9 Plur. tcqppd Wappen, aisd Eisen, f^rgr^idga Vergnügen,
löiiC9 Leben, tsqu// Zeichen; ferner die im Mhd. einsilbigen
auf -rn, das heute über -ren zu r^ geworden ist. hi9r9 Hirn,
gqr9 Garn, hqarB Hörn, k/qard Korn.
§ 124. Die w -Stämme. Die im Mhd. erhaltenen
hat auch die Mundart als schwach flektierend bewahrt. Im
Singular zeigt sich überall die apokopierte Form, harts
Herz, ong Auge, qar Ohr, ivo'ii'q Wange; der Gen. Dat. haben
die Form des Nominativs angenommen. Der Plural geht
in regelmässiger Entwicklung auf -d aus harts^ [harts^r für
Herz-Karten), oug^, qar^, frotjij». Ein erstarrter Dat. Sing,
erscheint in den festen Wendungen fn hartsd von Herzen, ts
harts9 zu Herzen.
§ 125. Bei Neutralen, welche im Singular auf -dr aus-
gehen, kommt vereinzelt ein Plural auf -a, also -^r^, vor,
der jedesfalls nach dem Muster der schwachen Substantive
gebildet ist. Schon die Erhaltung der schwachen Deklination
bei den vier genannten Wörtern zeigt, dass die aus ihr ge-
bildeten Formen {oug, ougd) lebenskräftig genug waren, andere
W^örter in Analogie zu ziehen, fenstar Plur, fenät^r und fenst9r9
Fenster, liod^r Plur. ludddrd Luder, fuBddr Plur. fu9d9r und
fudddr9 Fuder, möss9r Plur. möss9r und inöss9r9 Messer, ait9r
Plur. ait9r, aii9r9 Eutei*, wÖtt9r Plui*. wött9r und wött9r9 Wetter ;
t€qss9r Plur. mit Umlaut wass9r, selten wass9r9; es ist nahe
liegend zur Erklärung des Umlauts die /o-Ableitung gua$s9r
Gewässer Sg. und Plur., heranzuziehen. Nie tritt diese Plural-
bildung auf -9 ein bei lqst9r Sing, und Plur. i^aster, löig9r
Lagerplatz des Viehes (mhd. leger), wund9r Wunder, fu9t9r
Futter, kxlqft9r Klafter, k/wqd97' viereckiges Gartenbeet (aus
latein. quudr-), jqr Jahr, hat im Plur. jqr und jqr9^ dies
besonders gerne im Dativ.
§ 126. Von den mehrsilbigen Neutren anderer Art
bilden die auf -niss eine Gruppe. Sie haben im Plural neben
der Form des Singulars auch die Bildung auf -dr. kfef^nis
Gefängnis, kfetjnis und kfetjnissar, tsaigtjis Zeugnis, tsaig^is
und tsaigfjiss9r, hint9rnis Hindernis, hint9rnis und hintornls$9r^
glai/nis Gleichnis, ylaixnis und glai/niss^r^ örgeruis Ärgernis,
- 143 -
Örg9rnis und Ö7*g9rnissdr, if'ögTjis Wagnis, wqgv^if^ und w^g-
rjiss9r, k/iAdinnis Geheimnis, kx^^mnis und kxu9mniss9r u. a.
Ihl Plur. Tb] Übel, touhlt Plur. toublt Tobel (mhd. ^oie/),
te'wd^ Singular und Plural ksindl, Fenidwörter nehmen im
Plural gewöhnlich -^ an. paij9net Bajonnet, pa^dnet und
pai]9fiet9r, purtret Porträt, purtretdr, imtrument Instrument,
in$trument9r, pergdment selten pirment Pergament, Urkunde
perg9ment9r Urkunden, eldment Element, el9mentdr,
Anm. Das Neutr zeigt in den urkundlichen Belegen überall
apokopierte Formen, nur der Dat. Plur. hat immer «ti, n. 1448 ist der
Aec. Plur. rechte (1) neben recht (1) erbrecht (6) belegt. Plur. auf er
kommen vor guter ^ gutem oft, kinder, hindern j ayr 1471 ; durchwegs
auf -er bildet den Plural siugk (siügker). Der Gen Sing, hat -5.
Zur Übersicht.
§ 127. Vom gegenwärtigen Standpunkt aus besitzt
die Ma. folgende Pluralbildungen.
A. Für das männliche Geschlecht.
I. Der Plural ist vom Singular verschieden:
1) durch den Umlaut, 2) durch das Suffix -9,
3) durch das Suffix -dr.
IL Der Plural ist dem Singular gleich.
B. Für das weibliche Geschlecht.
I. Der Plural ist vom Singular verschieden:
1) durch den Umlaut, 2) durch das Suffix -d be-
ziehungsweise 'fij,
II. Der Plural ist dem Singular gleich.
C. Für das sächliche Geschlecht.
I. Der Plural ist vom Singular verschieden:
1) durch das Suffix -^r, mit dem sich der Um-
laut verbindet, 2) durch das Suffix -9,
II. Der Plural ist dem Singular gleich.
§ 128, Als Anhang zur Behandlung der Substantiv-
deklination sei ein Verzeichnis jener Wörter gegeben, welche
in der Mundart ein anderes Geschlecht haben als im Nhd.
beziehungsweise im Mhd. Ahd. Durchwegs männlich sind
— 144 —
k/röss Kresse, uijgunst Ungunst, ha%r9t Heirat, rqts Ratte
(mhd. ratze mask. Bildung), snök Schnecke, snepf Schnepfe,
paihl Beil, sraufd Schraube, spits Spitze, glqts Glatze (mask.
Adjektive substantiviert), tronf Traufe, tenn9 Tenne, foun»
Fahne, is^hd Zehn, claum9 Daumen, tstaifl Zwiebel, furm
Form, luiks9 Leuchse, plu9sf Blüte, Knospe, lar^ Lärche,
{ratig ist ebenfalls männlich, vgl. latein. larixj radix), putt9r
Butter, haks9 Fuss (mhd. hehse latein. coxa), gOt^r Gatter,
poUOr Polster, isäh^r Zähre, ötA^r Ähre; häsrök/ Heuschiecke,
spueh Spule. Immer sächlich sind talUr Teller, ök Ecke,
k/oul Kohle.
Doppeltes Geschlecht haben: hmstd Husten, gams
Gemse, toiif Taufe, traups Traube, gteqU Gewalt, flQa^ Floh,
sqas Schoss, luft Luft, wolk/d Wolke, höir9daks Eidechse,
tqts9 Tatze (vgl. oben tsqahd, haksd, die mhd. Feminina sind);
diese haben das männliche und weibliche Geschlecht. Männ-
lich und sächlich sind : lonh Lob, hounig Honig (die Neben-
form heinig ist nur sächlich), mdundt Monat, tswaig Zweig.
Weiblich und sächlich ist g^/t Gicht.
II. DAS ADJEKTIV.
§ 129. Von den Kasus sind Nom. Dat. Acc. vorhanden.
Der Gen. wird durch fu von, mit dem Dat. umschrieben.
Die Flexion des Singulars ist heute eine zweifache. Ist das
Adjektiv mit dem bestimmten Artikel verbunden (substan-
tivisch und attributivisch), so hat sie folgende Gestalt.
rai/^ reich.
Mask.
Fem.
Neutr.
Nom.
ddr raix
t raix
s raix
Dat.
in rai/9
ddr raix
in raiyd
Acc.
d9 rai/9
t raix
s raix
Im Mhd. wird in dieser Fügung regelmässig die schwache
Form verwendet (Weinhold, mhd. Gr.^ § 523). Das Mask.
und Neutr. lassen sich ohne Schwierigkeit auf schwache
Formen zurückführen (der daz rtche, dem den riehen; aus-
lautendes -e ist geschwunden, -en zu -9 geworden.). Beim
Fem. entspricht nur der Nom. der mhd. Form [diu rtche);
der Dat. und Acc. sind analogisch gebildet. Zuerst muss
der Acc. sich dem Nom. angeschlossen haben, vergleiche im
Nhd. den Acc. „die reiche" mhd. die riehen. Beide Kasus
haben dann auf den Dat. eingewirkt. Einfluss von Seite
der starken Substantivdeklination des Fem. ist wohl aus-
geschlossen.
Die zweite Art der mundartlichen Adjektivflexion wird
verwendet, wenn das Adjektiv mit dem unbestimmten Ar-
tikel verbunden wird (substantivisch und attributivisch)
oder mit dem Possessiv.
Schatz. Die Mundart von Imst. ]0
- 146 -
Mask. Fem. Neutr.
Nom. 9 raix^r 9 rai^^ b rai^s
Dat. in dn rai^^ in 9r9 rai/9 in 9n raix9
Acc. 9n rai^d 9 raix9 9 raixs
Der Nom. entspricht den flektierten starken Formen
des Mtd., ebenso der Dat. Acc. des Mask. Neutr. (-em wurde
wie -en zu -9). Sollen beim Fem. der Dat. Acc. aus den
starken Formen (mhd. rtcher, riche) erklärt werden, so ist
man zur Annahme gezwungen, dass der Acc. sich an den
Nom. angeschlossen hat und beide Kasus den Dat. sich
gleich gestaltet haben, dessen -«r zu Gunsten des heutigen
-9 verdrängt wurde. Einfacher gestaltet sich die Erklärung,
wenn auch für unsere Mundart der mhd. Gebrauch voraus-
gesetzt werden darf, dass im Gen. Dat. in der Verbindung
mit dem unbestimmten Artikel neben den starken Formen
die schwachen verwendet werden konnten (Weinhold, a. a.
0. § 521). Das Nhd. , einer reichen" ist in dieser Weise
zu erklären.
Der Gebrauch des Adjektivs als Attribut ohne Artikel
ist nur teilweise erhalten; durchwegs nur der Nom., der
syntaktisch als Vokativ fungiert. Vgl. dt( qrmBr ments du
armer Mensch, kxly9n9r Kleiner, grqasss walt grosse
Welt, swqrts^^ (du) Schwarze, li9ps k/ind liebes Kind. Von
obliquen Kasus mit dieser Konstruktion sind nur einige er-
starrte Wendungen erhalten; sie zeigen die starke Adjektiv-
flexion, tummifr wais dummer Weise, slauhdr — , gu9ttmllig9r
wais schlauer, gutwilliger Weise. Es sind Genetive; sie
kommen nur in der Verbindung mit wais vor. Starke Da-
tive sind von den Fem. mi9 Mühe, qrw9t Arbeit, in Gebrauch:
mitfil9r — , grqassdr — . hqrtdr mid mit vieler, grosser, harter
Mühe; pai hqrtdr qrw9t bei harter Arbeit. Sonst: pai gu9t9r,
rauhBr, sleytdr witt9ru7j bei gutem, rauhem, schlechtem
Wetter ; mit waiss^r fqrb mit weisser Farbe, pai äle^tdr k^ost
bei schlechter Kost. Individuell mag noch die eine oder andere
Verbindung dieser Art gebraucht werden, aber nur bei
wenigen. Die s. g. unflektierte Form bewahren noch die
Wendungen sle/t — , guet — , rau/ — , S19 wött9r, schlecht,
gut(es), rauh(es), schön Wetter; af gudt glick/ auf gut
— 147 -
Glück. Vom Mask. kommt nur gudt, sleyt wöig gut(er),
schlecht(er) Weg, vor.
Der Plural endigt beim Adjektiv heute auf -9, raix9,
in allen Kasus der drei Geschlechter. Es ist dies die Form
der schwachen Flexion (mhd. -en). Beim zweiten Paradigma
ist die starke Pluralflexion verdrängt worden. Erleichtert
wurde die analogische Bildung der heutigen Verhältnisse
durch den Dativ (mhd. riehen wurde zu rai/9) sowie durch
den Nom. Acc. des Neutr., dessen -in zu -9 geworden ist;
in zweiter Linie durch die Gleichförmigkeit des schwachen
Plurals, dessen -eti überall als -9 auftritt.
Im prädikativen Gebrauch des Adjektivs kann für
alle Geschlechter in allen Kasus des Sing, und Plur. neben
der (unflektierten) einfachen Form, rai/, eine auf -^r, rai:^9r,
angewendet werden. Wahrscheinlich ist die flektierte Form
des Nom. Sing. Mask. (mhd. rtcher) die Grundlage für diesen
Gebrauch ; vielleicht hat auch der Gen. Sing. Fem. zur Ver-
allgemeinerung beigetragen, indem das wais in Wendungen
wie k/ro7]k/9r wais, gu9t9r wais kranker, guter Weise, und
ähnlichen wegfiel und der Gen. des Adjektivs erstarrte.
Vgl. 9r ist k/ro7jk/9r fvrt und kiunt9r kyemm9, er ist krank
fort und gesund gekommen, si höw9 Iqxx^tdr tsu9 ksaukf,
sie haben lachend zugesehen (geschaut), si sai gtvqksnor
ksfqrw9 sie sei erwachsen gestorben, 9r hqts kxQlt9r gössd
er hat es kalt gegessen, s grqs grwndr mäij9 das „grüne
Gras" mähen.
§ 130. Die Flexion des Pronominaladjektivs m) (mhd.
ein) hat sich in der Mundart in vierfacher Weise ausge-
staltet. 1. Es ist mit dem bestimmten Artikel verbunden
(als Substantiv und Adjektiv); seine Flexion in dieser
Stellung deckt sich mit der des Adjektivs.
Masc. Fem. Neutr.
Nom. d9r m t iCd s to)
Dat. in U9n9 d9r tw in ir9n9
Acc. ä9n %i9n9 t U9 s ifj
Plur. N. t ir9n9 D. dm ^9^9 A. t mn9.
Seine Bedeutung in dieser Verwendung ist : *der eine,
der andere'.
10*
— 148 —
2. Es ist substantivisch als Zahlwort und Pronomen
gebraucht (ohne Artikel).
Mask.
Fem.
Neut
Nom.
U9r
Ü9n9
uds
Dat.
Ü9n
u^r9
mn
Acc,
udn
U9n9
U9S
Diese Formen entsprechen der starken Flexion des Mhd. :
einer, einiu, einez. Der Dat. Acc. um sind auf Foimen mit
langem Nasal zurückzuführen, da heute n im Auslaut steht;
früheres eineme, einen über einm, einn zu der heutigen Form
mit Lenis. Daneben ist eine Form f^tn, in schwachtoniger
Stellung um, vorhanden, welche als Dat. und Acc. verwendet
wird und die Funktion eines verallgemeinernden Pronomens
hat, mit dem der Sprechende immer sich selbst meint. Vgl.
du muast um it gwqlt öuti^j du musst mir nicht Gewalt an-
tun, si tarff9 n u^n sü ouröicb, sie dürfen mich schon an-
reden. Der Dat. Fem. vor» hat sein -^ (mhd. einer konnte
nur zu U9r werden) in Analogie zum Nom. U9n9 angenommen,
der auch den Acc. beeinflusst hat; für mhd. eine wäre v^
zu erwarten. Im Fem. ist also wie beim Adjektiv für alle
Kasus eine einheitliche Form hergestellt worden.
3. Es steht attributivisch als Zahlwort.
Mask. Fem. Neutr.
Nom. U9 U9 ti9
Dat. (in) U9n U9r iVan
Acc. U9n U9 U9
Der Nom. geht auf die s. g. unflektierten Formen zu-
rück, der Dat. Acc. U9n sind wie in 2. zu beurteilen; die
Formen des Fem. sind normal entwickelt, aus mhd. einer,
eine konnte nur U9r, U9 werden.
4. In seiner Verwendung als unbestimmter Artikel
zeigt es die in der schwachtonigen Stellung entwickelten
Formen; die erweiterten des Dat. und Acc. sind sekundär
entstanden auf Grundlage der einsilbigen.
Mask. Fem. Neutr.
Nom. 9 9 9
9n, 9n9n, ndn 9rd an, 9n9n, nen
9n, dn9n, n9n 9, 9n9, n9 9, 9n9, n9
- 149 —
Die einsilbigen Formen decken sieh mit Abschwächung
des Diphthongs zu 9 mit denen von 3; die zweisilbigen sind
aus der Verbindung des unbestimmten Artikels mit Prä-
positionen hervorgegangen. Den Ausgangspunkt bildete die
Präposition nöiw9 neben. Vor vokalischem Anlaut stellt
sich nach dem 9 das n ein. Aus einem Dat. nöiwd n9n
stiü neben einem Steine, wurde mechanisch n9n als Dat.
des unbestimmten Artikels nach andern Präpositionen ver-
wendet: hinf9rn97t poum hinter einem Baum, nnt9rn9n k/qrb,
unter einem Korbe, tw9rn9n pröü über einem Brette. Nach
nöiirdn9n haben sich weitere Verbindungen einsilbiger Prä-
positionen gebildet wie fqar 9n9n vor einem, pai 9n9n bei
einem ; neben diesen erweiterten Formen wird die einfache
9}i gebraucht, fqar 9n vor einem, tsu9 9n zu einem, hint9r
9n hinter einem, unt9r 9n unter einem. 9n9n trat auch an
zweisilbige Präpositionen, so dass wir heute drei Fügungen
besitzen : hint9r an, hinter n9n, hint9r 9n9n, Dem Ineinandeir
greifen dieser Fügungen ist es zu verdanken, dass die Prä-
position nöm9 auch einsilbig als nöiw, vor stimmlosen Kon-
sonanten als nöp, auftritt, ebenso göig9 gegen, auch als
göig, gök: nöiw9 mi9r, nötb m9r neben mir, nöiw9 didr, nöiw9
dar, nöp t9r neben dir, g'öig9 t lait gegen die Leute, gök t9r
kxirx9 gegenüber der Kirche (gegen die Kirche hin). Seltener
ist n9n nach einsilbigen Präpositionen: in nen stqll in einem
(einen) Stall, auf n9n haus auf einem Haus. Die Formen
9n9, n9 des Acc. Fem. Neutr. erklären sich in gleicher Weise.
nöiw9 n9 kyist9 neben eine Kiste, hint9r n9 wont hinter eine
Wand, U7it9r 9n9 plqtt9 unter eine Platte; gleichwertig sind
hini9r a, unt9r 9, fqar 9 hitt9 vor eine Hütte, fir 9 kxu9
für eine Kuh, daneben fqar 9n9, fir 9n9, selten bei einsilbigen
Präpositionen n9, fqar n9. in 9 haus in ein Haus, hint9rn9
glasU hinter ein Gläschen, flr 9n9 dq/ für ein Dach, nöiw9
n9 lox neben ein Loch. Der Dat. Fem. könnte in regel-
mässiger Entwickelung nur zu 9r geworden sein; 9r9, das
ausschliesslich vorkommt, ist in Analogie zum zweisilbigen
Acc. 9n9 gebildet; r9 ist theoretisch zu fordern aber nach
Konsonanten nach den heutigen Artikulationsverhältnissen
nicht möglich (vgl. § 57). Dass die Herleitung dieser zwei-
— 150 —
silbigen Formen aus einer Kombination der zweisilbigen
Präpositionen mit den einsilbigen Kasus des unbestimmten
Artikels und der analogen Weiterbildung daraus das richtige
trijfft, erweist der Umstand, dass die zweisilbigen Artikel-
formen nur in der Verbindung mit Präpositionen verwendet
werden; der Dat. kommt überhaupt nicht ohne Präposition
vor — wo man den einfachen Artikel erwarten würde,
steht die Präposition in : in 9n pu9 einem Buben, in 9rd
swöstsr einer Schwester, in 9n waib einem Weibe (darüber
s. u. § 144).
Das Pronominaladjektiv k/ti^ kein, flektiert wie tiif 3
als Adjektiv, k/ifor keiner, wie «^r 2 als Substantiv.
Mask.
Fem.
Neutr.
Nom.
k/ud
k/U9
kxU9
Dat.
k/u0n
kx^9r
kxu9n
Acc.
k/iTan
kxU9
kxu9
Plur.
kxU9n9
Nom.
k/udr
k/udnd
kxü^s
Dat.
k/udn
k/udrd
kxudn
Acc.
k/Udn
k/nond
kxuds
Plur. kx'U9n9
§ 131. Wie rai/ werden sämtliche Adjektive flektiert,
wobei die lautliche Gestaltung des Wortes keinen Ertrag
tut. Die yo-Stämme haben den im Mhd. als e erscheinenden
Vokal verloren und sind nur mehr am Umlaut bezw. an
der Konsonantendehnung als solche zu erkennen, soweit
das j überhaupt eine Wirkung hinterlassen hat. Auch die
WO' (und n-) Stämme decken sich mit den o-Stämmen. Die
Flexion der Partizipien ist dieselbe wie die des Adjektivs.
Die des Präsens endigen auf '9t (aus ent)^ die des Präteritums
auf -9 (aus -en) und -t, -91. Iqxx^t lachend, wqks9t wachsend;
gllh9 geliehen, das im Auslaut geschwundene n ist in den
inlautenden Formen bewahrt: gUhn9r geliehener, d9 glihid
den geliehenen; kslqg9 geschlagen, kälqgri9 geschlagene.
In derselben Weise zeigen die Adjektive auf -a (mhd. -en)
im Inlaut das n : trukx9 trocken, trnkxn9r trockner, off9 oflfen,
qff^n9 offenen. Schwache Partizipien: tsöilt gezählt, tsöilt9
gezählte; kxöft9t geheftet, kx'öjt9t9r gehefteter.
— 151 —
§ 132. Die Bildung des Komparativs erfolgt heute
durch das Suffix -^r, rai/dr; bei den umlautfahigen tritt
meistens der Umlaut ein, der, ursprünglich durch das Suffix
'ir hervorgerufen, sich zum Komparativ- und Superlativ-
bildungsprinzip entwickelt hat.
Der Superlativ hat das Suffix -st, rai/st. Sein Stamm-
vokal ist derselbe wie der des Komparativs; wo dieser den
Vokal des Positivs umlautet, hat auch jener den Umlaut.
Die Flexion des Komparativs ist von der des Positivs nicht
verschieden, der Superlativ erscheint nur mit dem bestimmten
Artikel verbunden.
Mask. Fem. Neutr.
Nom. d9r raix^r t rai/^r s raix^r
Dat. in raix^rd d^r raix^r in raix^r^
Acc. d9 raix9r9 t rai^^r s raix^^
Plur. t raix^rd
Nom. 9 raiyßrdr a raix^rd d raix^rs
Dat. in dn raix^rd in drd raix^rd in dn raiy9r9
Acc. 9n raix9r9 d raix9r9 d raix^rs
Plur. raix9r9
ddr rai/ßt t raixst s raixst
in raixst9 ddr raixst in raixst^
d9 rai/std t raixst .<? raixst
Plur. t raixst9.
Die Adverbien des Positivs und Komparativs stimmen
mit der nicht flektierten Form überein; auch der Stamm-
vokal ist derselbe. Nur fqst fast, und su9, schwachtonig sw,
SU schon, zeigen die alte Form. Sie haben sich der Be-
deutung nach vom Adjektiv isoliert wie im Nhd.
Erhaltene Reste der mhd. Adverbien auf 'liehen zeigen
galig9 jählings*, allmählich, mhd. gaeheltchen, glaixUg^, gleich-
lich; darnach gebildet scheint das vereinzelt gebrauchte
wi9nig9 wenig. Das Adverb des Superlativs ist dem Nhd.
gleich aw, 9n, in raixst9 am reichsten, 9n ksaid9st9 am ge-
gescheitesten, wi wi9nikst9 am wenigsten.
§ 133. Die umlautfähigen, im Komparativ und Super-
lativ umlautenden Adjektive der Mundart sind ; swqx schwach,
- 152 —
Komp. swö/x^r^ Siip. swö/st; stqr/ stark, sför/9r, störxsf ;
qrg arg, örgdr, örkst; qrm arm, örm^r, örmst; wqrm warm,
wörmdr, wörmSt; äqrf scharf, Sörffdr, sörfst; smql schmal,
smöiUr, smöilst; lo7]fj lang, ley7}9r, letjfjst (kf^kst); poijfi bang,
pefjfj9r, perjhst; tsoum zahm, tselm9r, tselmst; löUm lahm,
leimdr, leimst; qlt alt, ölt^r, öltdst] k/qlt kalt, k/ölUr, k/ölt9st;
wqt matt, mött9r, mött9st; glqt glatt, glött9r, glött9ät; sqt
satt, söttsr, söttest; nqss nass, nös89r, nöss9ät; piqss blass,
plö8s9r, plössdst; swqrts schwarz, swörtsdr, swörtsdst; qltä
falsch, föltä9r, fölts9st; grqd gerade, gröidar, gröiddst (Vgl.
S. 68).
Dass sich der Umlautjanalogisch weiter ausdehnte, zeigen
plqh blau, plöiwdr^ plöipst; grqh grau, gröiwdr, gröipst (mhd.
hläiC'j grdW') ; nqhd nahe, nöihn9r, nöihn9st und nahn9r, nähn9ät
toll tüchtig, tolUr, tölst; foll voll, /öZfor, fölst\ groub grob,
gröiw9r, gröipst; noiibl nobel ^ nöibl9r, nöiblst; wolfl wohlfeil,
wölfl9r, wölßsi. k/urts kurz, kxirtssr, k/irts9st; ksunt gesund,
ksint9r, ksint^st; runt rund, rint9r, rinf9St; tum dumm, timmdr,
tim$t; k/rump krumm, kxrimpdr; juyfj jung, jifjr}9r, jifjkSt;
truk/9 trocken, trikxn9r^ trikx7i9si; k/lu9g fein, k/li9g9r,
kxli9kst; gi]U9g genug, g'))i9g9r; rqat rotj r^at9r, r^at9st\ nqat
(nur prädikativ gebraucht, sieh Lexer IL 103) nötig, 9s hqt
nqat es ist nötig, hat not, wi9r tu9ts nqat9r ich kann es eher
brauchen; rqax roh, r^ah9r, r^a/st; hqa/ hoch, hqah9r, h.a/st,
frqa froh, frqa9r, fr^ast ; grqas gross, gr^as89r, gr^ät (frühe
Synkope). Analogische ümlautbildung zeigen deutlich fol-
gende: hqakl heikel, h^akl9r, h^aklst; prqat breit, prqat9r,
prqatdst'^ hqas heiss, hqass9r, hqass9st; wqa/ weich, wqa/9r,
wqax^t; plqax bleich, plqax9r, pl^ayst. Sie schlössen sich
den Adjektiven an, deren qa sich aus ö entwickelt hat.
raux rauh, raih9r, raixst; säur sauer, sair9r, sairst; faul,
fsiulj fail9r, failst; slaux schlau, slaih9r, Slaixst; sauw9r sauber,
sahv9r9r, saiw9rst\ selbst zum alten /o-Stamme luk locker,
kann ein Komparativ likkdr, ein Superlativ likst gebildet
werden. Es ist zu beachten, dass zu allen Adjektiven
neben der umgelauteten Stammform im Komparativ und
und Superlativ vereinzelt auch die nicht umgelautete, also
die des Positivs vorkommt.
— 153 —
Nie tritt der Umlaut ein bei kylqr klar, kyl^rdr, k/lqrst.
ffo/ flach, flqxx^^ selten flöx)fir, ftq/st und ßö/st. Die Ad-
jektive mit betonter Nebensilbe haben den Vokal des Posi-
tivs auch im Komp. Superl. nqrrdt närrisch (mhd. narrehf),
nqrrdtdr, nqrr9tst] Qrtig artig, qrtigdr, qrtikst; fqrwig farbig,
fqnvigdr, fqrwikst] strqfpqr strafbar, strqfpqrar, StrqfpQrst;
nqrhqft nahrhaft, nl^rhqftdr^ nQrhqft^st; sQdhqft schadhaft,
sqdhqftdr, sqdhqfMt; die auf -som können auch umlauten:
hqalsom heilsam, hqalsom9r, hqalsomst seltener hqalsemdr,
hqalsemst; spQrsom sparsam, spqrsom9r, spqrsomst, vereinzelt
spqrsemät; loijksom langsam, lorjksom^r, lo'tjksemsr, lefiksomdr,
Iffjksemdr, lorj^ksomät, loyksemst, lerjksomst, leyksemsf.
Der Vokal der Komparativ- (und Superlativ-) Endung
war einst synkopiert worden ; das beweisen folgende Doppel-
formen: k/ltf^ klein, k/liuner, kxli9n9r und k/lnQddr, kylidddr^
k/lu9stj k/lihst; die d stammen aus einer einstigen Laut-
folge nr (vgl. § 72). prau braun, präindr, praiddr, prdist;
fai iem, fäid^r, fdtu9r, fdisi; sio schön, §i9ndr , sidd9r ^ sfost;
gnl> grün, grl^ndr, grwdffr^ griost.
§ 134. Isolierte Komparative und Superlative sind :
oiiW9r ober, ovivsrät und öiw9rät; tintdr unter, untdr§t\ die
Annahme, dass ouw9r§t, unidrät sowie die Komparative als
mit den Suffixen ahd. or, ost gebildet für unsere Mundart
vorausgesetzt werden dürfen, wird durch den Mangel des
Umlautes befestigt. pöss9r besser, pö§t beste, zu gu9t; Adverb.
mr9, mqar9r mehr, mqaät meiste (mhd. wl, m^rer, meiste),
ein erweiterter Superlativ zum Komp. mqar9r ist m^arikät;
zu ifit9 wird mt9^t gebildet. Zu ßl viel, auch ftl9r, ftlät;
zu wiimig wenig, w0nig9r, wt9mkät und minder, mind9§t; zu
lots (mhd. letze) schlecht, übel daran, löt89r, löfs9ät, daneben
ein Superlativ löät mit isolierter Bedeutung *der letzte*.
m. DAS PRONOMEN.
§ 135. Mhd. ich tritt in betonter Stellung als t auf,
sehwachtonig in pro- und enklitischer Stellung als i, in
letzterer auch als ig. ig hat sich aus ich gebildet wie das
Adjektivsuffix mhd. -lieh heute zu lig geworden ist (§ 75);
wie aus altem vrtlich frailig, so aus Fügungen wie bin ich,
sag ich unser pinnig, sqgig, Schwund des Konsonanten konnte
nur in schwachtoniger Stellung eintreten, zunächst in Fü-
gungen wie dQ pinn i gqaro da bin ich gerne, i gqa it ich
gehe nicht Dem hochtonigen ich ist der Konsonant durch
Einwirkung des unbetonten i verloren gegangen. Die Formen
des Acc. nn, mi, mig sind genau in gleicher Weise zu be-
urteilen.
Der Gen., der nur in der Verbindung mit der Prä-
position uöigd wegen, vorkommt, lautet mdmdr, tna%ddr, zeigt
also eine erweiterte Form. Das -er {dr) ist vom starken
Femininum des Adjektivs übertragen worden ; das d in der
Nebenform nuPiddr wird durch mhd. minre (Weinhold mhd.
Gr.2 § 471) erklärt.
Der Dat. ist midr in betonter, m9r in unbetonter Stel-
lung, also normal entwickelt.
Der Plural: Im Nom. ist midr und mdr allein gebraucht;
über m. für w vgl. § 63. Der Gen., mhd. unsei', wird nur
in der Verbindung mit wöig9 wegen, verwendet und in der
Fügung mit udr, einer; wöigd n insar, insdr udr unser einer.
i ist aus u umgelautet; ursprünglich kam der Umlaut des
u zu il nur dem Acc. (ahd. tinsih) zu, er hat sich über alle
— 155 —
Formen des Stammes uns ausgedeht. Dat. Acc. lauten iws
(vgl. das Possessiv ins9r).
§ 136. Mhd. du. Es erscheint als du in starktoniger,
als du, d9 in schwachtoniger Stellung. Von dem gedehnten
ahd. mhd. du ist keine Spur vorhanden. Die schwächste
Form t mit Schwund des Vokals wird noch in dem t der
zweiten Person Sing, des Verbs gefühlt: löpät lebst du.
du löpä du lebst, aber auch {du) löpät. Nur bei der zweiten
Person kann das pronominale Subjekt fehlen ; die alte Satz-
fügung mit dem enklitischen Anschluss des schwachtonigen
Pronomens, der das st der deutschen Konjugation in der
zweiten Person erzeugt hat, ist also noch lebendig, du ist
proklitisch, d9 enklitisch: du piääds du bist es, du mudät
folgd du musst folgen, wld de wiUt wie du willst.
Der Gen. (mhd. dhi) lautet dam9r, ist also zu beur-
teilen wie main9r. Der Dat. zeigt die Formen di9r, d9r,
der Acc. di, dt, dig; für sie gilt das über den Dat. Acc.
der ersten Person bemerkte.
Im Plural fehlen die mhd. Pluralformen ir u. s. w.
gänzlich ; dafür sind öis ihr, erjk/er euer, enk/ Dat. und Acc.
euch, gebraucht. Zu öis (älter bair. e^) lautet die schwach-
tonige Form ÖS, 9s\ an die zweite Person Plur. des Verbums
ist s suffigiert und mit t zu ts verschmolzen, so dass neben
einander z. B. ös hqwdts und ös hqwdt ihr habt, hqwdt öis
und hqwdts öis verwendet werden.
§ 137. Das Reflexivum. Der Gen. mhd. sin zeigt sich
in erweiterter Form sam9r, sald9r und fungiert nur als Gen.
des geschlechtigen Pronomens der dritten Person, im gleichen
Umfange wie die Gen. der Pronomina der ersten und zweiten
Person. Der mhd. Acc. sich hat die Form sig und wird
nur schwachtonig in der Enklise gebraucht; sig ist das
Reflexiv für den Dat. und Acc. des Sing, und Plur.
§ 138. Mhd. er. Der Nom. hat sich in starktoniger
Stellung zu e^ar, in schwachtoniger zu 9r entwickelt. Der
alte Gen. es ist nicht erhalten. Der Dat. im, mhd. im, wird
immer starktonig verwendet; in unbetonter Stellung er-
scheint er als n, nach Vokalen n, aber nur enklitisch. %m
~ 156 -
tH9ts ni/t ihm tut es nichts, ^r hqt i^ Qivr^r gökv» er hat
ihm aber gegeben, si laih^n sgalt sie leihen ihm das Gold;
wo dieser Dat., der auch als Reflexiv gebraucht wird, (wie
im Mhd. Ahd.), vor dem Verbum steht, ist immer ein starker
Ton damit verbunden. Die auslautende Nasalis erscheint
also hier wir beim Dat. Acc. der Formen von mhd. ein in
der Mundart als Charakteristikum dieser Kasus. Ganz gleich
sind diese Verhältnisse im Acc. dieses Pronomens: in in
starktoniger, ^, n in nebentoniger Stellung. %n wqart m9
miUnd ihn wird man meinen, 9s hqt ^ gloix t^'offd es hat
ihn gleich getroffen, mdr älQg9n wir schlagen ihn. Nur
wenn der Dat. und Acc. in schwachtoniger Stellung ver-
bunden erscheinen, zeigt sich bei beiden eine regelmässig
entwickelte Form dn9, aus im, in über enen: md gait m9
man gibt ihm ihn. Dass in 9n9 der Dativ an erster Stelle
steht, möchte man aus Verbindungen wie gib mdr ^i
gib mir ihn, i tu9 ddr ^ ich tue dir ihn, und analogen
schliessen.
§ 139. Mhd. si tritt im Nom. als 5^ in betonter, si in
schwachtoniger, s9 in enklitischer Stellung auf. Schwund
des Vokals kommt nie vor. Der Dat. mhd. ir (ire) lautet
i9r9j in der Enklise 9r9; es liegt hier — an Erhaltung des
ahd. u als a ist nicht zu denken — eine Erweiterung durch
die schwache Adjektivendung -en vor, die wohl durch das
Fem. des Possessivs vermittelt wurde. In der Verbindung
mit wöig9j wöig9n idrd und wöigdrd, kann ebenso ein Dativ
wie ein Gen. vorliegen. Der Acc. ist ganz dem Nom. gleich:
s% si, s9. Von den alten Doppelformen dieses Pronomens,
mhd. siu, st, sie ist in der Mundart keine Spur nach-
zuweisen.
§ 140. Mhd. ez. Der Nom. und Acc. werden heute
nur schwachtonig gebraucht: 9s und enklitisch s, der Acc.
nur s, 98 mqxt siq es macht sich; tvid tu9ts wie tut es;
w^ar gaits wer gibt es ; nur nach s, ä des Verbums wird
im Acc. auch 9s gebraucht, i tvqass98 ich weiss es, gegen
i k/oufs ich kaufe es; waää 9s wasche es, wa§ä9ts waschet es.
Für den Dativ ist das schwachtonige ^, nach Vokalen n, also
dieselben Formen wie beim Mask., gebraucht; die starktonige
- 157 —
Form wird auch hier wie im Nom. und Acc. durch das
Substantiv ersetzt; das gleiche gilt für den neutralen
Plural.
§ 141. Der Plural des geschlechtigen Pronomens. Für
den Nom. Acc. gilt sf, wo er betont ist, si in proklitischer
und enklitischer, 89 nur in letzterer Stellung. sT höw9 t suld
sie haben die Schuld; hqwa si t suld? haben sie die Schuld?
si hl}w9s sie haben es; wqs k/enn9S9 praux^? was können
sie brauchen ? Im Acc. ist das starktonige st für das Mask.
Fem. selten. Der Dativ lautet fne, in9, 9n9y dem nhd. 'ihnen'
entsprechend ; das zu Grunde liegende -en ist als schwache,
vom Adjektiv übernommene Kasusendung aufzufassen. Auch
im Plural haben die seh wach tonigen Formen die starktonigen,
mhd. st, siu, sie, verdrängt gleich wie im Sing. Fem. und
beim Personalpronomen.
§ 142. Die Possessiva, mdi mein, ddi dein, sdi sein,
i9r ihr (im Mhd. fehlend), ins9r unser, e')jkx9r euer, flektieren
genau so wie d9r ud und Ü9 (§ 130). Vgl. d9r ddi der
Deine, s ddi holts dein Holz und ddi holts, dair hitt9 deiner
Hütte, i d9r ddi hitt9 (in) deiner Hütte. i9r ist ebenso wie
im Nhd. für den Sing, und Plur. verwendet, si hqt i9r p
hiidt sie hat ihren Hut, si göiw9 sig mit i9ri^ tsuig tsfrid9
sie geben sich mit ihrem Zeug zufrieden; iar^ kann in
beiden Fällen sowohl eine Einzahl als eine Mehrzahl von
Besitzenden vertreten.
Sehr häufig ist die meist mit dem bestimmten Artikel
verbunden auftretende Weiterbildung der Possessiva auf -ig :
mdtnig, ddmig, sdmig, i9rig, ins9rig, €nk/9rig. Selten steht
hier der unbestimmte Artikel.
§ 143. Mhd. der diu daz. Es hat sich in zweifacher
Weise entwickelt, 1. aus den betonten Formen 2. aus den
unbetonten. Die ersteren fungieren heute als Demonstrativ
und ßelativ wie nhd. 'der die das', die letztern als bestimmter
Artikel. 1. Die Formen des Sing. Mask. sind: Nom. d^ar\
Gen. nur in der Verbindung mit wöig9 als dös8wöig9; Dat.
und Acc. dem. Syntaktisch sind beide Kasus geschieden,
den lautlichen Zusammenfall mag einerseits eine schwächer
betonte Dativform dem verursacht haben, andrerseits die
— 158 -
Dative der Formen von mhd. ein (udn, an), von im (^ n),
in welchen ja das auslautende n ebenso wie im Acc. in der
lebenden Mundart als Kasusendung gefühlt wird. Der Sing.
Fem. di9 im Nom. und Acc. entspricht dem mhd. Acc. die;
vom Nom. diu ist keine Spur vorhanden. di9 kann sehr
wohl im Satzgefüge vor einem folgenden a, e, o in ahd. Zeit
aus diu entstanden sein, Analogie zum Acc. ist ebenfalls
möglich. Der Dat. mhd. der erscheint als d^ar und d^are;
letzteres entspricht nhd. 'deren', dqar wird vor dem Sub-
stantiv gebraucht, also attributivisch, substantivisch nur als
Relativum, wenn sich ihm ein enklitisches Wort anschliesst.
dqar9 kann nicht attributivisch stehen, dqar hittd dieser
Hütte, sqg dqar9 sage der, dqar9 mqg ni^mdt öppes *der mag
niemand etwas', diese achtet niemand, d^ar m9s fürt hqt
der man es fort hat. Der Gen. ist in attributiver Verwendung
als d'ßr9 vorhanden : 9s sal dqara k/ind^r es sind die Kinder
*dieser Frau', i d^ard lait tu9ts ni/t deren Leuten (den
Leuten dieser Frau) tut es nichts ; als Relativ : de^ard haus
9r görpt hqt deren Haus er geerbt hat; Der Nom. Acc.
Neutr. lautet döis, entsprechend dem mhd. dez, das sich in
der Stellung vor i im Satze entwickelt hat — daz ist zu dez
ist, das schwachtonige daz ist zeigt sich schon im Ahd. als
deist. Der Dat. dem ist zu beurteilen wie beim Mask. Der
Plural lautet für alle drei Geschlechter gleich. Nom. di^
ebenso der Acc. ; das J^eutr. mhd. diu ist verloren ge-
gangen. Als Gen. erscheint d^ar9 in der gleichen Ver-
wendung wie bei Sing. Fem. qll9 lait, dqar9 galt alle Leute,
deren Geld. Der Dat. dem9 zeigt eine erweiterte Form.
§ 144. Der Entwicklung unter schwachem Accent ent-
sprechen die Formen des bestimmten Artikels. Mask. Nom.
c/ar. Gen. s. Dat. m, ^, w, Acc. da, in. Über die Ver-
wendung des Gen. vgl. § 85. Der Schwund des anlauten-
den d ist aus der Stellung im Satze zu erklären; frühe
Belege bietet Weinhold, bair. Gramm. S. 376. Die Form in
mit dem dem Dat. und Acc. eigenen n ist offenbar bezüglich
des Vokals durch die Präposition in, i in, beeinflusst; auf
lautlichem Wege ist die Entstehung des in aus dem voraus-
zusetzenden em, en nicht denkbar. Der heute herrschende
- 159 —
mundartliche Sprachgebrauch, jeden Dat. mit der Präposition
in zu bilden, erklärt sich aus dieser Vermischung des Dat.
des Artikels mit der Präposition in. Vgl. in fqtdr dem
Vater, i d9r mu9t9r neben d9r mu9t9r der Mutter, i ddr kx,iry9
neben ddr k/ir/9 der Kirche, i dB lait neben dB lait den
Leuten, i da pelm neben da pelm den Bäumen; beim Ad-
jektiv: i ddr raix neben dar rai/ der reichen, i dd ralya
neben dd rai/d den reichen; beim unbestimmten Artikel
steht im Dat. immer in s. o. ; beim Possessiv: i dar ntat
neben ddr mdi der meinen, i dd sdtnd neben dd sd/md den
seinen ; hier kann in nicht fehlen, wenn das Possessiv als
Attribut vor einem Substantiv steht: i mam fqtdr meinem
Vater, i mmr mudtdr meiner Mutter; selbst beim substan-
tivischen Pronomen i miifr neben midr mir, i didr neben
didr dir, in erjk/ neben e^k/ euch, i welm und trelm wem.
Steht in, i als Präposition, so lautet die Konstruktion genau
gleich: i ddr k/ir/d in der Kirche, in ef]k^ in euch u. s. w.
Die Formen ^, n werden nach Präpositionen gebraucht,
aw/^ tiä auf dem Tisch, hintdri^ parg hinter dem Berge,
fqar%i houf vor dem Hof, nöiwdn ätudl neben dem Stuhle,
fun qk/dr vom Acker, tsun oks zum Ochsen. In derselben
Weise werden ^, n beim Acc. verwendet, aufy. wöig auf
den Weg, untdn^ poudd unter den Boden, göigdn gqrtd gegen
den Garten. Die dem Dat. eigene Neubildung mit /w, i fehlt
dem Acc. gänzlich; es kann nur heisen: dd fqtdr und in fqtdr
den Vater, nicht aber i dd fqtdr.
Der Nom. des Fem. ist t, also mit völligem Schwunde
des ursprünglichen Diphthongs; dass die Fortis t erscheint
für die zu erwartende Lenis d, erklärt sich aus der Stellung
des Artikels im Satze, t verbindet sich mit den folgenden
Konsonanten nach den Gesetzen der Mundart: t qU die alte,
t housd die Hose, t Iqg die Lage, t nqxt die Nacht, p mudtdr
die Mutter, tonnd die Tanne, tik^ die Dicke (diky), kqb die
Gabe (gQb), pfqrhd die Föhre (fqrhd), pfonnd die Pfanne,
k/ir/d die Kirche. Der Acc. ist dem Nom. gleich: t. Der
Gen. lautet ddr ; er kommt nur bei persönlichen Substantiven
vor (vgl. § 85). Der Dat. ist dem Gen. gleich: ddr; in Ver-
bindung mit vokalisch auslautenden Präpositionen zeigt sich
- 160 -
r analog dem ^, n des Mask. pair bei der, tsur, tsudr zu
der, für von der, nöiwdr neben der.
Der Nom. Ace. des Neutr. ist ä, ebenso der Genitiv;
der Dat. ist dem des Mask. gleich, s qrwHd das Arbeiten,
s mädUs des Mädchens, in k^ind dem Kinde, fqary^ haus vor
dem Hause, untern dqx unter dem Dache, nöiw^n pöt neben
dem Bette.
Der Plural lautet im Nom. Acc. wie im Fem. t für
alle drei Geschlechter; der Dat. ist d9 {i rf«?); der Gen.
kommt fast nur in dem Ausdruck dar kxind9r formöigB der
Kinder Vermögen, vor.
§ 145. Mhd. diser fehlt der Mundart, ebenso das ein-
fache jener. Von diesem hat sich eine Spur in elhqlb (mhd.
enhalb) erhalten, doch hat es nicht mehr die Bedeutung jen-
seits' sondern ist zum Ortsnamen geworden, unter dem man
in Imst die Gegend über dem Inne, also Arzl, Imsterberg
versteht, ts ethqlb zu — , auf — auf — , fu — von — .
Als Kompositum ist erhalten dqarjelnig derjenige ; beide Be-
standteile werden flektiert, d^ar wie das Demonstrativ,
/einig wie das Adjektiv in der Verbindung mit dem be-
stimmten Artikel, didjeinig diejenige, döisjeiniy dasjenige,
Dat. {i) df^inje1nig9, (i) d^arjemig u. s. w.
Mhd. selp erscheint als salwdr, salt; beide Formen sind
unflektierbar und können für alle drei Geschlechter ver-
wendet werden. Sie tragen immer einen Hauptton und be-
deuten 'selbst*, ddrsall (mhd. derselbe) flektiert wie ein
schwaches Adjektiv; es bedeutet jener, t sali 'dieselbe', in
salU 'demselben, s sali 'dasselbe*, t salla 'dieselben u. s. w.
'jene, jenem, jenes, jene*.
Mhd. solch ist erhalten in 9 sölner ein solcher, zu dem
auch eine erweiterte Form 9 sölnigdr vorkommt. Beide
haben immer den unbestimmten Artikel bei sich und werden
wie das Adjektiv flektiert. Das n ist als Rest des ein (söl-
heifier zu '^'sölhner zu sölndr) : 9 söln9, 9 sölnigs eine solche,
ein solches, Plur. sölnig9^ söln9 solche.
§ 146. Das alte Fragepronomen wer^ waz ist relativ und
fragend gebraucht, w^ar Neutr. wqs, wqss^ schwachtonig wqs.
Dat. welm in regelmässiger Entwicklung; seltener ist wdin
- 161 —
mit dem charakteristischen n, Acc. wem. Das Nebeneinander
von weim und wün im Dat. hat ein analoges wetm für den
Acc. hervorgerufen, i wqass it welm d9 gmiidt hq§t^ ich weiss
nicht, wen du gemeint hast, neben wem dd gmudt hqst.
Gewöhnlich als Fragepronomen, seltener als Relativ,
wird verwendet: d^rwöil 'welcher. Es ist zusammengesetzt
aus dem Artikel und wöü (ahd. welth); beide werden flektiert.
Das einfache *wöil 'welch' fehlt. Die Erweiterung auf -ig:
d9rwöUig , die gleich wie derwöil flektiert, kommt nicht
häufig vor. Das nhd. was für einer kennt die Mundart:
wqss firudr ; U9r wird flektiert. Weiterbildungen dazu sind
ivqssftrndr (als Stamm davon gilt heute wqssßrn-^ dr ist
Flexionsendung), wqssfirnigdr (aus dem vorigen mit -ig ge-
bildet), wqssflrigdr (nach wqssftrüdr); sie haben immer den
unbestimmten Artikel vor sich, ihre Bedeutung ist die des
nhd. was für einer . Ihre Flexion deckt sich mit der von
9 rai/9r,
§ 147. Teils Fragepronomen, teils unbestimmtes ist
ddricöiddr wer von zweien, der eine von beiden' (ahd. wedar);
es hat immer den bestimmten Artikel vor sich und flektiert
wie das Adjektiv in dieser Stellung (Fem. Nom. t wöid9r,
Neutr. swöid^r).
Von Indefiniten kommen vor: ddr h^u^twöiddr 'keiner
von beiden*, zusammengesetzt aus k/u9 kein, und dem ahd.
deweder-y ddr udtw'öid9r 'der eine von beiden, aus iva ein, und
ahd. deweder*^ ddr idtwöidar 'jeder von beiden', auch allge-
mein 'jeder (mhd. ietweder) ; 9n idddr *jeder ist nur mit dem
unbestimmten Artikel verbunden in Gebrauch, -dr ist heute
Flexionsendung. Fem. 9n iddd 'jede', Neutr. dn idds 'jedes*.
(Spät ahd. ioweder; doch lässt sich i9d9r^ ebenso wie nhd.
jeder als spätere Bildung ie-der, ie-diu auffassen). Jung
ist ddr idd jeder', Fem. t idd, Neutr. s idd. öppdr 'etwer' je-
mand, ist nicht flektierbar, das alte Neutr. öppds etwas,
ist erstarrt. nt9m9t niemand, öttligd etliche; andere
fehlen.
Anm. Die urkundlichen Belege des Pronomens schliessen sich
näher den mhd. Formen an: ich^ mich, wir, uns, er, es, im, sy, ir; der
Dat. Plur. des geschlechtigen Pronomens erscheint als in, inn, 1473
Schatz, Die Mimdart -ron Imst. 11
— 162 —
in neben itten^ später regelmässig itiev. Mhd. der zeigt als Artikel und
als Demonstrativ, Relativ die gleichen Formen: der, des, dem, den\
die, dy, der, der, die, dy; das, des; Plur. die, dy (y wird im Auslaut
für mild, ie (üe) geschrieben), der, den, die, dy. In den Formeln nach
dem egemeltn landsrechten ist in den frühen Urkunden der Artikel
als dem belegt, sonst immer als den (Dat. Plur.). Mhd. diser ist im
Acc. Neutr. belegt diizs, dizs, im Acc. Masc. disen hrief. Das Possessiv
ir ist bereits für den Sing. Fem. und den Plur. gebraucht: mit Ir
arhait, Acc. ir phriivd, iren erben, ir lebtag.
IV. DAS ZAHLWORT.
§ 148. Von den Grundzahlen hat nur ug 1, eine
Flexion (§ 130). tswqa 2, ist nicht flektierbar ; es entspricht
dem ahd. Neutr. zwei; auch die Fem. Form zwo hätte zu
tswqa werden müssen. Vom alten Mask. zwene ist keine
Spur vorhanden. Die Zahlen 4 — 19 haben, wenn sie nicht
attributiv (vor einem Substantiv) stehen, eine Endung -5,
die auf die alte Pluralendung des Neutr., -m, zurückgeht.
Von 3 sind Doppelformen erhalten : drai mhd. drt und drui
mhd. Neutr. driu^ letzteres nur von der Stundenzeit ge-
braucht, hqlw9 drui halb drei, drui drei Uhr. fidr 4 und
yfor^, z. B. U)i9fl sals? fidr k/raitsor — fi9r9. Wie viel sind
es ? Vier Kreuzer — vier, fitnf, fimfd 5 ; söä:S; s'6k%9 6 ;
s\w9, stbfn9 7 ; qht, qht9 8 ; na% nalnd 9 ; tsöihd, tsöihn9 und
tsei, tselnd 10; die Formen ohne h sind jungen Ursprungs
und dürfen nicht mit Notkers zen in Verbindung gebracht
werden, elf^ elfd 11; selten ist U9lfy udlfd\ tswölf^ tswölfd
12; draitsei^ draitseno 13; in den mit 10 zusammengesetzten
Zahlen ist die ältere Form tsöiha, tsöihnd seltener gebraucht.
fisrtsel, fi^rtsena 14 ; fuftsel, fuftsend 15 (über den Schwund
des Nasals vgl. Kauflfmann PBB. 12, 512 A.); sextse% se/-
isen9 16; 8lw9t8e% slwdtsend 17; qytsel q^tsend 18; naUset
nmtsend 19. Die Zehnzahlen 20 — 90 sind heute Zusammen-
setzungen der betreffenden Einheit mit tsk {zug mit der
Synkope des w). tsumtsk 20 ; draisk 30 ; fi^rtsk 40 ; fufisk 50;
sextsk 60 ; stwotsk 70 ; dq/tsk 80 ; naltsk 90 ; die Zwischen-
zahlen 21—29 u. s. w. gehen auf eine Zusammenfügung der
Einer mit der Zehnzabl durch und zurück; dieses und hat
I 11*
9
— 164 —
sich unter Schwachton zu d entwickelt, udndtswtidtsk 21 ;
tswqaddraisk 32; drßijdfidrtsk 43; ß0rdfuftsk 54; fimf98€xtsk
65; söks9sn>w9tsk 76; ^hmddq/tsh 87; qxt^dq/jtsk 88; nalwanaT^^Ä;
99. Vor dem vokalisch anlautenden mhd. aÄ^ec ist das d von
wwrf erhalten und durch die Silbentrennung von q/t9dq:ctsk
u. s. w. auf die Zehnzahl übertragen worden: dq^tsk. Um-
gekehrt hat sich der Anlaut der Zehnzahl in den Zusammen-
setzungen festgesetzt in den übrigen Zahlen ausser den
Zwanzigern. Man würde als Wirkung des d z. B. *draij9
traisk (aus dd), 'ßtnf9 pfidrtsk (aus df), *fi9r9 tse^tsk (aus ds)
u. s. w. erwarten.
hunddrt 100; tausdt 1000; die Zwischenzahlen werden
durch einfache Anfügung an hundert (selten durch eine Ver-
bindung mit und) gebildet. Vgl. hundert q/t 108 {hunddrt
und qxt). Die Zahlen 4 — 19 behalten in diesen Zusammen-
setzungen die Fähigkeit ein Endungs-e anzunehmen, drai-
hunddrttswölf guldd 312 Gulden, tswqataus9tundfimf9 2005.
§ 149. Die Ordinalzahlen von 2—19 werden durch
Anfügung eines t an die Grundzahl gebildet. Sie flektieren
wie die Adjektive mit dem bestimmten und unbestimmten
Artikel, cfer tswqat^ 9 tsuqat9r der zweite, ein zweiter ; d9r
fuftsöih9t der fünfzehnte; zu drai ist die Ordinalzahl d^r
drit, 9 dritter vom alten Ablautstamm gebildet (ahd. drittel),
zu 149 1, ist (wie ahd. aristo) d9r qarst im Gebrauch. Von
20 an werden die Ordinalzahlen durch ist (9st) gebildet. d9r
tswirdtskistf der 20., d9r fimf0stw9tsk9st] der 75. Der Vokal
dieses Suffixes zeigt sich synkopiert in : d9r hund9rtät der
100., der taus9tst der 1000.
Eigentliche Distributivzahlen fehlen; für nhd. je zwei'
wird tswqa und tswqa gebraucht, u^fqx einfach, draiskfqx
dreissigfach, fünfmql fünfmal, hundertmql hundertmal u. s. w.
Zu erwähnen sind die adjektivischen Bildungen dritsig^fierlsig^
fimftsig dreifach, vierfach, fünffach (nur beim Kartenspiele
verwendete Ausdrücke); es liegt ihnen wohl dasselbe Suffix
zu Grunde, welches u'dtsig einzig, hat. (Vgl. Kluge, etyni.
Wb.^ 'einzig, winzig).
V. DAS VERBÜM.
§ 150. Vom Aktiv ist in der Mundart das Präsens
(Indicativ, Konjunktiv (Optativ) und Imperativ) und der
Konjunktiv Präteritum erhalten. Alle diese Modi haben
Singular und Plural. Von den Nominalformen des Verbums
sind vorhanden: Infinitiv Präsens, Partizip Präsens und Prä-
teritum ; das Gerundium fehlt.
Das starke Verbum.
§ 151. Mit Ausnahme des Imperativs sind die durch
die Entwicklung der Flexionsendungen entstandenen Formen
logisch nicht mehr so bedeutsam, dass sie ohne Pronomen
verwendet werden könnten (doch vgl. § 136). Der Indikativ
des Präsens zeigt folgende Formen, staigs steigen.
Sing. Plur.
1. ätaig ätaigd §taig
2. Staigät ätaigä älaigdt ätaigdts
3. ätaigt ätaig9.
Die 1. Sing, zeigt den mhd. kurzen, auslautenden Vokal
apokopiert; in der 2. 3. ist der inlautende Vokal synkopiert.
Erhalten ist er als a in der 2. nach (p) t (k) d, s, ä des
Stammes : raitdät reitest, änaiddät schneidest, §uissdät schies-
sest, in der 3. nach (/?) t {k) d: pintet bindet, suid^t siedet.
Dass diese Verhältnisse erst spät aus Gründen des Wohl-
lautes geregelt worden sind, erweisen die urkundlichen Be-
lage (§ 170 Anm.). Analog sind die Verhältnisse im Kon-
junktiv Präsens (und beim schwachen Verbum im Präsens
— 166 -
und Partizip Präter). Von den Doppelformen der 2. Sing,
ist Staigät die primäre ; sie geht auf eine sekundäre Bildung
zurück, welche schon im Ahd. vorhanden ist (Braune, ahd.
Gramm.2 § 306, 4. 5). Das t setzte sich in den Stellungen
fest, in welchen das Pronomen du enklitisch an die 2. Person
trat ; aus -st ging ät hervor. Wenn in der lebenden Mund-
art das Pronomen schwachtonig auf das Verbum folgt, wird
du in dem t gefühlt, ätaigät auf ^ poum ? Steigst du auf
den Baum? Aus satzphonetischen Scheideformen und solchen
Stellungen wie der vorhergenannten erklärt sich die Neben-
form ätaig^. Die 1. Plur. §taig9 entspricht in regelmässiger
Entwicklung mhd. sügen; §taig wird nur verwendet, wenn
das Pronomen nachfolgt und enklitisch ist und auch in
diesem Fall kann ätaig^ gebraucht werden, ätaigmer steigen
wir, wie mhd. sttge wir (Paul mhd. Gramm."^ § 155, 2, Wein-
hold, bair. Gramm. § 283). Das e von mhd. sttge wir wurde
synkopiert. Die 2. Plur. zeigt einen Vokal 9, Lautgesetz-
lich kann dieser nur aus ent entstanden sein, oder aus ge-
decktem langem Vokal ; letzterer war in den Formen des Konj.
vorhanden und dieser hat wohl auf den Indikativ gewirkt;
doch ist ent als Endung der 2. Plur. Ind. nicht abzu-
weisen (Weinhold mhd. Gramm.^ § 369, bair. Gramm. § 284).
Die 3. Plur. endet auf -9; die Endung ent (des Mhd.) ist
durch Analogiebildung nach der 1. Plur. einerseits, nach
der 3. Plur. Konj. andrerseits verdrängt worden. Die Neben-
form der 2. Plur. Staig9ts ist durch Enklise des schwach-
tonigen Pronomens entstanden, ätaigdts kann 'steiget' und
steiget ihr bedeuten ; öis ätaigHs und öis §taig9t ihr steigt,
ätaigdts und ätaigdts öis steiget ihr. Diese Bildung ist der
ahd. Erweiterung der 2. Sing, is: ist vollkommen parallel.
§ 152. Die Formen des Konj. sind:
Sing. Plur.
1. ätaig ätaigd
2. ätaig ä ätaigät ätaigdt ätaigdts
3. ätaig ätaigd.
Die Entwicklung der Endungen ist wie im Ind. zu be-
urteilen; die Synkope in der 2. Sing, ist analog zu der im
— 167 —
Ind., lautgesetzlich hätte der lange Vokal des Ahd. als b er-
halten bleiben müssen, ätaigät und ätaigdts sind seltener,
da der Konj. n;ieist in Wendungen gebraucht wird, in welchen
das Pronomen vorausgeht.
Der Imperativ hat im Sing, regelmässig die Stamm-
form: ätaig steig; der Plur. ätaig9t ist analog dem Konj.
und Ind. gebildet. Die Form -Hs fehlt dem Imp., sie konnte
hier nicht entstehen, da das Pronomen sich nie enklitisch
anschliesst. Dies gibt auch den Hinweis, dass 9ts als Endung
verhältnismässig jung ist; es kann sich erst gebildet haben,
nachdem der Imperativ analogisch die Endung -dt erhalten
hatte. Sonst wäre es nicht zu erklären, dass der Imp. nicht
auch dts hätte, das im Ind. (Konj.) mit 9t gleichwertig ist.
§ 153. Der Konjunktiv des Präteritums unterscheidet
sich in den Flexionsendungen nicht vom Präsens.
Sing. Plur.
1. äUg ^tlgd §Hg
2. ättgät stvjdt ätigdts
3. ätig ättg9.
Der Infinitiv endigt auf -a in regelmässiger Entwick-
lung des -en ; das Part. Präs. auf '9t (aus ent), das des Prät.
auf '9 (aus -en). Über die Flexion des Part. vgl. § 181.
ätaig9 steigen, ätaig9t steigend, g$tig9 {kätJ-g9), gestiegen.
Die Vorsilbe mhd. ge des Part. Prät. erscheint als g
vor Vokalen und stimmhaften Lauten, als Je vor /, s, mit h
verbindet sie sich zu k/; dagegen fehlt sie vor den Ver-
schlusslauten gänzlich. Dies gilt für alle Verba, für die
starken und schwachen. Vgl. öss9 essen, göss9 gegessen,
ltg9 liegen, glöig9 gelegen; m(ix/9 machen, gmq/t gemacht;
JQg9 jagen, gjqkt, gjöit geydgt; wöife wählen, ^ww7^ gewählt;
fqrd fahren, kfqr9 gefahren ; sits9 sitzen, ksöss9 gesessen ;
hQass9 heissen, k/Qass9 geheissen; hüU9 hauen, k/aut gehauen;
paiss9 beissen, pt's^a" gebissen; pfefit9 pfänden, pfent9t ge-
pfändet; tt9 tun, tou getan; tsqU zahlen', tsqlt gezahlt';
k/uij9 käuen, k/uit gekäut; deijk/9 denken, de^^k/t gedacht;
druk/9 drücken, druk/t gedrückt ; göiw^ geben, göiw9 ge-
geben ; graiffd greifen, griff9 gegriffen. Für d und g möchte
— 168 —
man t und k erwarten (ged- geg- über gd, gg zu t, k). Ent-
standen ist dieser Schwund durch Assimilation des g an
den Konsonanten, zunächst an k in kx, dann an g; wie k/ttijd
k/uit bildete man göiw9 Part, g'öhc» für *koiw^ u. s. w.
§ 154. Die Ablautgruppen der starken Verba sind in
der Mundart erhalten ; der Vokal bezw. Diphthong des Ind.
Prät. ist verloren wie der Modus. Der Konj. Prät. kann
zu jedem starken Verbum auf »t 4- Endung vom Stamme
des Präsens nach Art der schwachen Verba gebildet werden.
Manche haben nur diesen schwachen Konj. Prät., dagegen
noch die starken Partizipien; wenn aber dieses schwach
geworden ist, ist auch der Übergang zu den schwachen
Verben vollzogen. Kein starkes Verb hat das Prät. bewahrt,
wenn das Part, schwach gebildet wird.
Die Verba der 1. Ablautreihe. Mhd. Präs. sttgen, Konj.
Prät. stige, Part. Präs. gestigen. Die Mundart hat i zu ai
entwickelt, kurzes i vor Lenis gedehnt, staigd, sttg, k^tigd ;
waix^ weichen wix, gi^i/z^y ^tf'oiiz^ streichen ätrixj ^^^'^ZZ^'y
älaix^ schleichen äli/, käli'xz^', paiss9 beissen piss, piss» ge-
bissen ; raiss^ reissen riss, griss» ; äaiss9, Siss, käiss9 ; ^aiss9
schmeissen ämiss, kämiss9 ; p9flaiss9 befleissen p9fliss, peßiss9 ;
rQit9 reiten rit, gritt9; §rait9 schreiten ärit, käritt^; straits
streiten strit, ksiritt^; pfaiffd pfeifen pfiff, pfifft; g^'^^ff^ greifen
9^\ffj 9^W^''> slaiffe schleifen sliff, ksliff»; plaiw9 bleiben plib
pliw9] raiujd reiben Hft, grtwd; §raiw9 schreiben ärib, käriwd]
traiw9 treiben trib, trTw9; äpaiicd speien äpth, käpJw9; snaiir»
schneien ämbf k§ntiü9; äatn» scheinen äfn, käTn9; äraij»
schreien än9, käria; in den Präteritalformen dieses Verbs
erscheint der Vokal der Endung überall mit dem i des
Stammes zum Diphtong i9 verbunden, d und t wechselt
in: laidd leiden lit, glitte; änaidd schneiden snit^ k§tntid\
verallgemeinert wurde d in maid9 meiden rmd, gm%d9 und
raid9 drehen nd, grtd9; in letzterem ist bereits im Ahd.
das Part, giridan allein herrsehend, (Braune ahd. Gramm. ^
§ 330, 2). Man vgl. dazu die Mask. änit Schnitt, rit Ritt,
aber rtd Drehung, Krümmung. tsai}i9 zeihen tsTx, tsth9;
laih0 leihen Itz, glTh9; saih9 seihen st/, gsthd- selten ist
naig9, grflg9 neigen. Mhd. schiden hat sich in der Mundart
- 169 —
mit dem reduplizierenden scheiden vermischt. Im Präs.
kommt fast nur §Qad9 (mhd. scheiden) vor, im Prät. äQadet
und si9d (selten) im Part. kSqadH] dafür ist regelmässig
Prät. §td, ksldd in Verwendung. Selten gebraucht sind die
Part, käungd geschwiegen, dlgd gediehen, die Präs. dazu
fehlen. — Die Kindersprache bildet nicht ungern schwache
Prät. und Part, zu allen starken Verben.
§ 155. Die Verba der 2. Ablautreihe. Mhd. Präs.
hiuge^ biegen, Konj. Prät. huge, Part, gebogen; die Verba
dieser Reihen haben in der Mundart im Präs. die Diphthonge
ui und id, im Prät. u oder ü, im Part, o oder ou ; ü und ou
vor Lenis und zum Teil vor t. Die ui im Präs. Ind. Imp.
Sing, sind ziemlich fest, doch kommen auch Formen mit
19 vor, eine durch die Schriftsprache wesentlich geförderte
Analogiebildung nach dem Plural. Das u des Konj, ist nicht
umgelautet worden. Präs. Sing. Ind. 1. puig, 2. puigä,
puigät {k§)j 3. puigt, Imp. puig; daneben seltener p^a^, pi^gS,
pi9gtf pi9g; Plur. Ind., Konj. Inf. i9: pi^g^; Konj. Prät. püg,
Part. poug9 biegen ; luig, lidgd, lüg, glougd lügen ; truig, tridgd,
trougd trügen, Konj. Prät. nur schwach tridg9t; fluig, fli^g^,
ftüg, kftougd fliegen ; fluix, fli^tiB, flu/, kflouhd fliehen ; tsidx,
tsidhd, tsü/j tsouhd ziehen; der Wechsel zwischen h und g
ist in diesen beiden zu Gunsten des h aufgegeben, k/rui/,
kxridx^, kxriax^t, kxroxx^ kriechen ; rui/y ri9x9t, groxx^ riechen ;
§mi9g9 schmiegen, hat nur das Part, stark ksmougd; äuis
§i98S9, äuss, k§oss9 schiessen; äluis, äli9ssd, Miiss, kslossB
schliessen; guis, gidssd^ guss, gosso giessen; fdrdruist, fdr-
dri9ss9, fdrdruss, f9rdross9 verdriessen ; gvjuis, giji9S89, grjoss»
geniessen ; äpruist, äpridssd, äpri9ss9t, k§prossd spriessen ; fiuist,
flidssd, fluss, kflossd fliessen; nuis, nids9 niesen; ui ist sehr
selten, das Prät. ist nur schwach nidsdt, gyi^st; pult, pi9t9,
pi9t9t, pout9 neben pott9 bieten ykxluib, kxli9w9, kxlüb, kxlouwa
klieben ; §uib, äi9w^, süb, käouw9 schieben ; Muif, äli9ff9, äluff,
k§loff9 schliefen; ätuib, äti9w9, §tüb, kätouw9 stieben; truifi,
tri9ffj triefen, Prät. tri9ff9t, tri9ft ; k fruit, kfri9r9, kfrür, kfrqar9
(pr zu qar) geirieren; f9rluir, f9rlidr9,f9rlür^f9rlqar9 verlieren;
in beiden ist r auch im Präs. fest geworden, d und t wechselt
in si9d9 sieden, suid, sut, ksott9 wie noch im Nhd.; saujf9
~ 170 -
saufen, saugd saugen, haben im ganzen Präsens au, im Part.
ksoffd, ksougd, der Konj. Prät. ist suff, saug9t. Zu den
sehwachen Verben übergetreten sind von dieser Klasse:
pluijd bläuen, ruijB reuen, k/ui^'9 käuen; ihnen fehlte im
Präsens der Wechsel ui : t>, sie konnten sich wegen der
Sonderentwicklung des Stammvokals als starke Verba nicht
halten, pruijd brauen, ist durch das nhd. praij9, praud nahezu
verdrängt.
§ 156. Die 3. Ablautreihe, a) Mhd. binde, band, bundm,
gebunden ; die Mundart hat im Präsens i, im Part. Prät. w,
im Konj. Prät. aber a, also einen Umlautvokal. Hier liegt
keine rein lautgesetzliche Entwicklung vor; wenn das a
durch die i der Konjunktivendung umgelautet wäre, müsste
eine Verallgemeinerung des a vom Sing. Ind. Prät. über
das ganze Präteritum für sehr frühe Zeit angenommen
werden; dafür aber fehlt es an Belegen. Man muss sich
mit der Annahme begnügen, dass das ursprüngliche u des
Konj. in Analogie zu den Konj. der Verba der 4. und 5. Reihe
welche umgelautetes a haben, durch a verdrängt wurde;
dass das Bestreben die Vokale des Konj. und Part. Prät.
zu trennen mitgewirkt hat, wird durch die Abteilung b)
dieser Reihe, welche im Konj. u im Part, o hat, nahe gelegt.
prinnd, prann, prunn9 brennen; rinn9, rann, grunn^ rinnen;
sinn9, sann, ksunnd sinnen; äpinnd, äpann, käpunnd spinnen;
ddrtrinnd, d9rtrann, ddrtrunn9 entrinnen; gwinnd, gwann,
gwunnd gewinnen; pintd, pant, puntd binden; älinid, Slatit
(gewöhnlich älintdt), kilunt9 verschlingen (ahd. slintan) ; äint9
(Prät. fehlt), käuntd schinden; wintB, want, gwunt9 winden;
§wint9, äwant, käwimtd schwinden; fdräwindd (seltener ist
hier nt bewahrt f9rSwint9), f9räu'and,f9räwund9 verschwinden;
findd, fand, kfundd {d im Prät. wie im Präs.) finden ; drifjfj»,
dra7]fj, druf^r^d dringen; k/U7j7j9, kylar^r^, k/luriijd klingen;
gUr}7j9, glar^ij, glrnji^d gelingen; sir^rid, sar^ri, kswtjfje singen;
f9rsUijvi9, ferälafjfj, fdrSlur^rid Verschlingen sich verwickeln;
äprir}r}9, äpraijTj, kSpru7j7}9 springen; tswiijij9, tswarjfj, tsumyye
zwingen; hiijkx^, k/un^kx^ hinken; sir^kx^, saijkx, ksufjkx^y
sinken; ätiijkx^, ätaijkx, kätwtjk/B stinken; triijkx^, traykxy
tru7jkx9 trinken. wirikx9, gwufjkx9 winken; pri^fj9, pruytj9
- 171 —
bringen (Part, häufiger prqxt; Konj. pra/t; über das starke
Part. vgl. Kluge, Pauls Grundr. I. S. 376).
b) Mhd. hilfe, helfen (half), hülfen, geholfen. Die Mund-
art hat den Wechsel im Präs., mhd. i und e, teilweise ge-
wahrt; e vor r. l wurden zu a, gedehnt zu ea\ im Konj.
Prät. fehlt der Umlaut, hilf, hälffd, hulf, kxolffd helfen; i
ist im Präs. Sing. Ind. Imp.; gilt, galtd, gult, golU gelten;
käwill, Mwalld, MwalM, käwolU anschwellen (mhd. geswellen) ;
Mal/9, gmolx9 melken (im Präs. überall a, im Prät. schwach),
von mhd. snieken ist nur die 3. Sg. Ind. Präs. ämiltst erhalten,
desgleichen das Part. kämolts9 geschmolzen, die übrigen
Formen werden vom Fakt. Smölts9 (ahd. smelzen) gebildet;
von mhd. bevelhen, schelten sind die Part. pefolh9, ksoltd
erhalten, die übrigen Formen sind schwach; ganz schwach
geworden sind: palU bellen, walU wälzen, salU schellen.
Vor r zeigen sich die Vokale i, a, u, q in §tirb, ätartv9, §tiirb,
k$tQrw9 sterben ; wirf, warff'9, wurf, gwqrff9 werfen ; f9rdirb
f9rdarw9, f9rdurb, f9rdqrw9 verderben ; von mhd. bergen ist
das Präs. als parg9, das Part, als pqrg9 vorhanden. Mhd.
werden ist zu w^ar9 geworden mit Schwund des d: Präs.
wqar, wefir9, Konj. Prät. wür, Part. gwqar9 (und wqar9 nach
einem Part., gllh9 wqar9 geliehen worden).
§ 157. Die 4. Ablautreihe. Mhd. nime, nemen [nam),
nceme, getiommen. Die Mundart hat: nim, nemm9, namm,
gyomm9 nehmen; pri/, pröx/9, pra/, pro/x^ brechen; äti/y
stöx/9, sta/, kstoyx^ stechen; spri/^ sprö/x^, spra/, ksproxx^
sprechen; trif, troff 9, traf, troff 9 treffen; auffallend ist die
Kürze des Vokals im Konj. Prät. gegenüber mhd. cß, ahd.
ä ; sie kann nur durch eine Ausgleichung der Quantität aller
Ablautvokale entstanden sein. Nominale Ableitungen von
diesen Stämmen zeigen die Länge sprqx Sprache; prqx brach.
d9xiriky9 erschrecken hat i im ganzen Präs. unter Einfluss des
Mask. srikx^ Schrecken, und um es von d9rsrökx9 in Schrecken
setzen, zu scheiden; Prät. d9rsrakx Part. d9rsrokx9 (Vgl.
Braune ahd. Gr..^ § 341, 2) ; früh schon in die 5. Reihe über-
getreten ist k/imm, kxemm9, kyam, k/emm» kommen (Braune
a. a. 0. § 340, 2). Gedehnter Stammvokal liegt vor in:
d9rtäw^ar9 schwären, d9rtäiiür, d9rtswqar9, das ganze Präsens
— 172 —
hat ^ ; stqah stehlen stül, kstouU ; Analogiebildung nach den
Verben der 2. Reihe zeigt die Nebenform des Präs. dieses
Verbums Uiiil, veranlasst durch die Übereinstimmung des
Konj. und Part. Schwach geworden sind: s^ard scheren,
drö^ä^ dreschen, fext9 fechten; zu iiöxt^ flechten ist das
Part, kflo/p noch vorhanden, lo^s» löschen, hat sich mit
dem Faktitivum vermengt; selten sind Präs. ddrlist erlischt,
Part. d9rlos§9 erloschen. Mhd. bern ist der Mundart nicht
erhalten, das Partizip gapourB zeigt im g9 und our nhd.
Einfluss.
§ 158. Die 5. Ablautreihe. Mhd. sihe, sehen, (sach)
scehe, gesehen. Die Mundart hat: sX/, söih^, sä/, ksöihd
sehen; ksi/t, ksöih9, ksä/, ksöihd geschehen; m, össd, ass,
gössd essen; f9rgiss, fdrgössd, prgass, fdrgöss^ vergessen;
über die Kürzung des Stammvokals im Konj. Prät. vgl. das
bei der vierten Reihe bemerkte; assig gut zum Essen,
kfros schlechtes Essen (mhd. gevraeze) zeigen die Länge.
göiwd geben, hat in der T. Präs. Sing. Ind. gib, in der 2. 3.
gaiät, gait, entsprechend mhd. gtst, git; das gleiche ist der
Fall beim y- Präsens ltg9 liegen, laist, lait, mhd. Itst, lU;
Prät. gab, lag, göiwd, glöig9, sits9 sitzen, hat wie lig9 im
Präs. i, im Prät. mit Kürzung sass, im Part. hsöss9. Schwach
geworden sind: pflöigd pflegen, wöigd wiegen, p9wöig9 be-
wegen, wöiw9 weben, löis9 lesen, möss9 messen, pitt9 bitten,
Part. Prät. pitt9t, jött9 jäten, tröttd treten (mhd. neben treten
ein Fakt, treten, das sicher mitgewirkt hat die starke Flexion
zu verdrängen), k/nöit^ kneten. Vom Stamme wes- sind an
Verbalformen erhalten: Konj. Prät. uär wäre, und Part.
Prät. gu'öis9, nicht selten ist das schwach gebildete gtwst
gebraucht.
§ 159. Die 6. Ablautreihe ist die schwächste, weil sie
nur zwei Vokalstufen hat, von denen die eine nur dem Konj.
Prät. zukommt. Dieser ist in der Mundart nur bei drei
ursprünglich starken vorhanden ; sein Vokal ist i» aus üe,
also umgelautet. Es sind fi^r zu fqr9 fahren, tri^g zu trqg9
tragen, äli^g zu älQg9 schlagen; letzteres hat den gramma-
tischen Wechsel wie im Nhd. aufgegeben. Diese drei haben
im Präsens in der 2. 3. Person den JJmlsiut föir st fährst, föirt
— 173 -
fährt, älÖist schlägst, slöit schlägt, trö%st,tröit, trägst, trägt ;
aus slöisi älöU lässt sich vermuten, dass bereits in ahd. Zeit
g für h eindrang; denn slehis, slehit hätten nicht zu sleisf,
deit werden können und später eingeführtes g für h wäre
nicht vokalisiert worden. Schon im Ahd. kommt im Prät.
Sing, g für h vor, Braune a. a. 0. § 346, 2. Die Partizipien
lauten kfqr9^ trqga, kälqy». Starke Partizipien (neben schwachen
Konj.) sind vorhanden von Iqd^ laden, gl^di^', ntqli^ mahlen,
gwqh] wqksa wachsen, gwqks9; äqffd schaffen, käqffd und ksqfft\
ganz schwach sind nqgd nagen, pqx/.^ backen, wqtd waten,
waää^ waschen, grqw9 graben ; äöpfd schöpfen, höiw9 heben,
äicöira schwören , sind ^-Präs. ; zu letzterm wird das Part.
käwour9, also in nhd. Lautform, (für Imst wäre käwqard zu
erwarten) gebraucht.
§ 160. Die ursprünglich reduplizierenden Verba sind
stark zusammengeschmolzen, fqllo fallen, fölst, fölt fällst,
fällt, ;^'^/ fiele, kfqll9 gefallen; hqlt9 halten, hielt, kxqlt9; das
komponierte k;(qlt9 (mhd. gehalten), behalten ist ganz schwach
geworden; rqt9, riat, grqt9 raten; grqt» geraten, gelingen,
entbehren, Part, grqta; hqassa, hias, k/qassd heissen; ätqassa,
äti98, kätqass9 stossen, louffd laufen, liaf und Ivff im An-
schluss an die 2. Reihe (schon mhd., Paul, mhd. Gramm.
§ 164 A. 3). Iqss9 lassen, zeigt Formen, die der schwach-
tonigen Stellung im Satze zugeschrieben werden müssen.
Überall ist der Stammvokal q kurz, du Iqät du lassest, weist
auf frühe Synkope des ahd. i {läzist zu *läzst Hast), Iqt er
lässt (schon ahd. lät). Die 1. Plur. Iqssd, loss, in der schnellen
Rede manchmal bei Enklise des Pronomens lomm9r (vgl.
mhd. län wir) ; die 2. Iqss9t, Iqt, die 3. Iqssd, Der Konj. Präs.
hat die Formen Iqss, Iqssaä Iqä^ Iqss, lqss9^ lq8S9t, lqss9; der
Imp. hat Iqss, seltener Iq in schwachtoniger Stellung, Plur.
Iqs89t, Iqt; der Konj. Prät. Was, dies ist die regelrechte Form;
daneben kommt vor eine schwache Bildung Iqssat, eine Misch-
bildung Ii9ss9t, in welcher an die ursprünglichen Konjunktiv-
formen die heute gebrauchte schwache Präteritalendung trat,
und li9ät, deren t ebenfalls dem schwachen Prät. zu ver-
danken ist ; das Part, glqt, also schwach gebildet. — Starke
Partizipien haben folgende bewahrt: älqf9 schlafen, kälqff'9^
— 174 --
Prät. Konj. SlqffH, sehr selten äli^f; sqltsd salzen, ksqlts9\
ämqlts9 schmalzen, Mmqltsd'^ ganz zu den schwachen über-
gegangen ist: plqsd blasen, prqt9 braten, äponnd spannen,
ponn9 bannen, fqU^^ falten, wqlx^ walken, hau9 hauen, fqh9
fangen (mhd. vähen\ öufof}7}9 anfangen.
^ Das schwache Verbum.
§ 161. In der lebenden Ma. müssen zwei Gruppen
unterschieden werden , die einsilbigen und die mehrsilbigen
Stämme. Die einsilbigen flektieren im Präsens genau wie die
starken Verba. tsqag» zeigen, Präs. Ind. Sing. 1. tsqag^ 2.
tsqagät, tsqagä, 3. tsqagt^ Plur. 1. tsqagd^ tsqag, 2. tsqagdt,
tsqag9is, 3. tsqaga ; Präs. Konj. Sing. 3. tsqag, Imp. 2. tsqag
Plur. tsqagdt, Part, tsqagdt.
Die mehrsilbigen haben folgende Präsensformen : re/n9
rechnen, südl9 sudeln, ^r^«?ajf9 arbeiten, pdtnig9 peinigen. Präs.
Ind. Singl. 1. r^/wa, sudU^ qrw9t9, painig»^ 2. re^nBät, südl9ät,
qrwdtd§t^ pälnigdät., (neben 9ät auch ds), 3. rexndtj südM, qr-
tv9t9t, palnigdt^ Plur. 1. rexnd^ südl9 u. s. w., selten die
kürzere Form ohne 9 vor dem enklitischen m9r z. B. qr»
W9tm9r^ 2. rennet ^ rexn9ts u. s. w. 3. rexn9; Konj. Sing.
3. rexn9^ südh^ qrw9t9^ pamig9^ die übrigen Formen gleich
dem Ind. ; Imp. Sing. 2. rexn9^ südl9, qrw9t9, pa%nig9, Plur.
re/n9t.
Das a der 1. Sing, lässt sich nicht anders als aus -ew
entstanden erklären; dies ist die Fortsetzung des ahd. öw,
in der schwachen Verba der 2. und 3. Klasse (Paul mhd.
Gramm. § 167, 3). Die Endung dieser Verba hat sich er-
halten und in der Entwicklung der Mundart auf alle mehr-
silbigen ausgedehnt, während sie den einsilbigen verloren
ging; ich verweise auf die mehrsilbigen Feminine, welche
heute alle der schwachen Deklination zugefallen sind § 115.
Eine gleiche Verschiebung der ursprünglichen Klassenver-
hältnisse zeigt die 2. 3. Präs. Sing. Ind., deren Vokal 9 als
Entsprechung des langen ö, e der ahd. Konjugation zu deuten
ist, ahd. salbös, habes, salböt, habet-, die mehrsilbigen vom
Typus rexn9, südb haben daneben Formen mit ^, l also
rex'^st, rexi^tj südlst^ südjt für das häufigere n9sf, n9t, Uät^
— 175 -
fe^; es ist dies die Entsprechung für die mit kurzem Vokal
gebildete Endung (der ahd. 1. Klasse). Der Imp. Sing, reyjn»
u. s. w. ist analogisch gebildet.
§ 162. Das Präteritum wird zu allen schwachen Verben
auf dt gebildet : tsqagH ich würde zeigen, re/ndt^ sudl9t, qr-
ivdtdt^ pamigdt. Die Flexionsendungen sind dieselben wie im
Konj. Präs.; 2. tsqagdtät^ Qrw9t9tät^ 3. tsqagdt^ qrwHdt^ Plur.
1. tsqag9t9j qrwdtdtdf tsqagdt m9r zeigten wir, 2. tsqagdtdts^
tsoagHdtj 3. tsqagdtd. Auch hier bieten die schwachen Verba
der 2. 3. Klasse des Ahd. die Erklärung ; die langen Vokale
der Konj. Endung öti^ eti blieben erhalten und diese Bildung
dehnte sich über die gesamten schwachen Verba aus; der
kurze Vokal der Prät. der 1. schwachen Klasse musste der
Synkopierung erliegen. Der ganze bairische Dialekt hat
heute diese Bildungsweise vgl. Weinhold, bair. Gramm. § 316.
Dass in der Ma. die Konj. Bildung auf ot- dominierend ist,
zeigt die 2. Sing., deren Endung nicht 9ät ist, wie man nach
dem t erwarten würde, sondern st, also ohne Vokal. Die lang-
silbigen der ahd. 1. Klasse haben in der Ma. durchwegs im
Prät. 9t, der *Rückumlaut' ist überall analogisch beseitigt.
Vgl. de7jk/9 denken, Prät. de7}kx9t, Part. Prät. de^jk/t; prenn9
brennen, prenn9t^ prent; k/enn9 kennen, kxenn9t^ kxent\
renn9 rennen, renn9t, grent; nenn9 nennen, nenn9t^ grient.
Das Part. Prät. endet auf t bei denen, welche in der 3. Präs.
Sing. Ind. die Synkope haben : tsqagt gezeigt, gfrqgt gefragt,
kyqst gehasst, k/ötst gehetzt.; auf 9t nach p, t^ k: gsopp9t
zu Schoppen, glqat9t geleitet, g(lrt9t geartet, gf^qak9t geneigt,
zu nqak9 neigen (trans.), ferner bei den mehrsilbigen ; grexn9t
gerechnet, ksüdUt gesudelt (seltener gre/y^t, gsüdlt), gqrw9t9t
gearbeitet, pmmg9t, gepeinigt. Über die durch Vokalisierung
des g entstandenen Formen der Verba sqg9 sagen, ;qg9 jagen,
löig9 legen, vgl. § 36, § 76. Ihre Part. Prät. sind Über-
reste der Part. Bildung der ahd. schwachen Verba der
1. Klasse, ebenso auch k/öt gehabt (ahd. gihebit, vgl. Braune
ahd. Gramm. 2 § 368, 2).
§ 163. Einzelne schwache Verba sind zu den starken
übergegangen. In die erste Ablautreihe : wais9 weisen, Prät.
wts, Part. gwls9\ prais9 preisen, prls, pr%s9'^ glc^i/^ gleichen.
~ 176 —
9^^Xj 9^^XX,^i spraiss9 spreitzen, spriss, kspriss^; snaitsd
schneuzen, snits, ksnits^-^ alle auf weiterem Gebiete, vgl. für
die beiden letzten Schmeller b. Wb.^ IL 591, 706. tvaih9
weihen, hat waihdt und wtx. gwai^t und gwthf^; laiU läuten,
laitdt, glait9ty selten glittd. In die dritte Ablautreihe: tsint9
zünden, Prät. tsinM, Part. tsunt9'^ simpfd schimpfen, kswnpf»-,
wints^ wünschen, gwunts9 neben gwinst; zweifelhaft ist, ob
(hrwisse erwischen, Part. d9rwuss9 hieher gehört, vielleicht
haben sich zwei Wortstämme vermischt (vgl. Schmeller a.
a. 0. II. 1042). Zu den vier Zeitwörtern frqgd fragen,
jqgd jagen, sqgd sagen, ^y^Q/X^ machen, können Prät. nach
Art der reduplizierenden Klasse gebildet werden: fri9g,
jidg, si9g, mi^/ und mi9xt ; westlich von Imst und in Vorarl-
berg sind die Part. kfrQg9y gj^g^ vorhanden. Vgl. Wein-
hold, bair. Gramm. § 323. Zu stök/9 stecken, kommt ein
(intrans.) Prät. Stak/ vor, das nach dem alten Prät. stacta
gebildet sein dürfte.
§ 164. Zu verzeichnen sind die vielfach zusammen-
gezogenen Formen von hqw9 haben: Präs. Sing. Ind. 1. honn
ich habe (ahd. mhd. hän), 2. hqst (mhd. hast), 3. hqt (mhd.
hat), Plur. 1. hQw9, hommdr haben wir (mhd. hän wir) selten
hQbmdr, 2. hqw9t, hl^ts, 3. hqw9 ; der Konj. ist regelmässig,
1. 3. hQb, 2. hqps, Plur. 1. 3. hQt4;9, 2. h^dts. Das Prät.
zeigt die kontrahierte Form hat, die sich mhd. hoite ver-
gleicht und ein ahd. *häti erschliessen lässt (vgl. Braune
a. a. 0. § 368, 4). Part, k/öt gehabt, dagegen kyöpt zu
hmw9 heben.
Un regelmässige.
§ 165. wiss9 wissen. Präs. Sing. Ind. 1. wqas, 2. wqast,
3. wqas\ es sind regelmässig entwickelte Formen; neben
wqast kommt selten wqass9§t vor, eine deutliche Analogie-
bildung. Plur. %Diss9 (wissm9r), mssat, wiss9; Konj. wiss,
wiss9§t, toiss, wiss9, iciss9t, wiss9; Konj. Prät. wi^t und wöSt
(mhd. wiste, weste). Das Part. Prät. gioist ist eine Neu-
bildung zum Inf.; mhd. gwwt müsste als *gtüiät erscheinen.
Mhd. touc und gan haben sich zu schwachen Verben
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entwickelt: taug9 taugen, mit dem Vokal des Sing., und
gwunnd gönnen, mit dem Vokal des Plur.
kxenn9 können. Präs. Sing. Ind. 1. 3. k/onn, 2. k^onSt
(k/ontä); Plur. kyenndy k/enn9t, k/enn9; Konj. k/enn u. s. w.;
Prät. k/ant, Part, k/ent. Der Sing. Präs. ist regelmässig
(mhd. kati, kanst); der Vokal des Plurals ist jedenfalls von
dem nhd. o' zu trennen und als umgelautet aus a zu er-
klären, das analogisch nach dem Sing, für das ursprüngliche
u eindrang. Brenner erklärt PBB. 20, 87 den Umlaut durch
die suffigierten Pronomina wir, si. Der Konj. Prät. k^ant
geht sicher auf eine ältere Stammform kan zurück; der
Umlaut vergleicht sich dem von hat hätte.
tarf dürfen, ist völlig schwach ; Plur. tarffe, Prät. tarff'9t
Part, tarft Da die Ma. westlich von Imst die Form tqarf
hat, haben wir "^derf vorauszusetzen und sind demnach ge-
zwungen anzunehmen, dass ein Zeitwort mit e im Stamme
früh das Prät.-Präs. ahd. darf, durfun verdrängt hat.
Ahd. 8cal soll, wird nur noch als Konj. gebraucht.
Präs. soll, Prät. söU, söt. Das ö wird als späterer Umlaut
zu zu fassen sein, da der grösste Teil des bairischen
Dialektes Formen mit o kennt; Weinhold a. a. 0. § 327,
Braune a. a. 0. § 374. Der Konj. söt zeigt Schwund des
l wie wöt wollte s. § 74.
mqg mögen (wie nhd.), 2. mqkät sekundär gebildet;
Plur. möigd, Konj. möig, öi ist Umlaut zu a (ahd. magun);
Konj. Prät. me/t, e kann lautlich nur aus altem ö (mhd.
möhte) erklärt werden; das Part, gmökt ist nach dem Präs.
gebildet. In der Umgebung von Imst ist im Präs. Ind.
Plur. und Konj. vielfach mtg», rrng in Gebrauch (umgelautet
aus ahd. mugim); auch die alte Bedeutung Vermögen, können
ist in diesen Maa. noch erhalten.
mu9s muss, hat in der 2. mM9st die ursprüngliche Form
mit altem st erhalten; der Plur. und der Konj. haben Um-
laut mi9ss9; der Konj. Prät. zeigt das alte st:midst, das
Part, ist nach dem Präsens gebildet, gmidst,
§ 166. Mhd. wellen. Präs. will, 2. sekundär wilst, Plur.
und Konj. wöUb mit ö als Umlaut von altem ci. Der Konj.
Prät. wot, wöt, daneben wolt, wölt, das Part, gwölt,
Schatz, Die Mundart Yon Imst. 12
- 178 -
§ 167. Die Formen zu mhd. hin. Präs. Sing, pimi^
piSt pis, ist iS; in der 2. 3. sind die Doppelformen genau
so unterschiedslos verwendet wie ätj s als Endung der 2.
Sing, des Verbums (§ 151); der Plural 1. sdt, 2. sait, 3. sai
in Analogie zur 1. Plur. wie bei staig». Der Konj. sai, saist
saiä, sai Plur. saija, saijdt saijdts, saij9; die Konj.-Bildung
geschah im Anschluss an die regelmässigen Yerba. Der
Imp. sai, Plur. sait; der Konj. Prät. tvär, nhd. wäre, das
Part. gwöis9 ^gewesen und gwöst, letzteres eine junge Bildung
und nicht mhd. gewest entsprechend, da st und nicht st
erscheint. Inf. Präs. sdt.
§ 168. Mhd. tuon. Die 1. Sing. Präs. Ind. tud ist
sekundär nach der 2. tiidst^ 3. tuH gebildet, da ahd. tuon
zu tu9 hätte werden müssen. Der Plur. 1. ti^, 2. tidt, 3. tt9
zeigt Umlaut wie der Konj. tid, ti^st, Plur. ti9y9, tidijdt, der
die gewöhnlichen Endungen zeigt. Inf. mit Umlaut ti^ wie
möig9, mi9ss9, k/enh». Imp. tue, Plur. ti9t, Konj. Prät. tat
u. s. w. wie mhd. tcete, Part, toa mhd. getan.
§ 169. Die Verba mhd. g^n, st&n. Inf. jriS, stfo, Präs.
Sing, g^a, g^ast, g^at, stqa, st^aät, stqat Plur. gt^, g^at, gi9,
stiD, stqat, sti9; die 1. Sing, hat sich nach der 2. 3. gerichtet,
die 2. Plur. zeigt wie bei sdi, tid {sait, tidt), die ursprüngliche
Bildung ohne n im Gegensatz zum Alemannischen. Der
Konj. Präs. hat im Plur. neben den dem Ind. gleichen Formen
auch nach Art der regelmässigen Verba erweiterte: g^aijd,
g^aijdt, gqaij9, stqaijd, st^aijdt. Imp. gqa, st^a, g^at^ st^at.
Das Part. Präs. ist durch Anfügung von »t an die Infinitiv-
form sekundär gebildet: gmidt, stf<m9t.
Der Konj. und das Part. Prät. werden dazu von den
Stämmen gang, stand gebildet. Konj. gaijij, ätand\ Part.
goijy9, kstondd (mhd. gangen, gestanden). Der Vokal des
Konj. a ist nicht klar. Von diesen Stämmen sind auch
Präs. Formen im Gebrauch: Präs. Ind. Imp. Plur. geyf}9,
gefjy9t, Konj. gefjy u. s. w. ; stendd, stenddt, Konj. stend ; sie
zeigen ebenso Umlaut wie trd tun, möigd mögen, kxennd
können, mi^ssa müssen. Keine Doppelform hat der Sing.
Ind. Imp. Präs.
§ 170. Die Bildung der s. g. zusammengesetzten Formen