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Full text of "Die Musik"

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DIEMUSIK 

HALBMONATSSCHRIFT  MIT  BILDERN  UND  NOTEN 
HERAUSGEGEBEN  VON  KAPELLMEISTER 

BERNHARD  SCHUSTER 


SIEBENTER  JAHRGANG 

VIERTER  QUARTALSBAND 

BAND  XXVIII 


lä'AMHi 


VERLEGT  BEI  SCHUSTER  &  LOEFFLER 
BERLIN  UND  LEIPZIG 

1907—1908 


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DIE  MUSIK 

VERZEICHNIS  DER  KUNSTBEILAGEN 
DES  SIEBENTEN  JAHRGANGS  (1907—1908) 


Notenbellageni 

Eugen  d'AIbert,  Ballade  fSr  KUTier,  op.29,  No.  1. 

Leo  Blech,  Aus:  .Verslegelf,  op.  18.   (Erste  VerOffentllcbung.) 

August  BuDgert,  Den  Hut  scbwenkend:  Avantll  Aus:  »Uater  der  Blume",  Lieder  vom 
Rhein  von  Carmen  Sylva  für  eine  Slngstlmme  und  Klavier,  op.  57,  Nr.  IQ, 

Carl  Goldmark,  Der  Knecht.  Gedicht  von  J.  J.  David  für  eine  Singatlmine  mit  Be- 
gleitung des  Planoforte.    (Erste  Ver&ffentllchung.) 

Siegmund  von  Hausegger,  Erster  Schnee  (Gottfried  Keller).  Für  eine  Singatimme 
und  Klavier.    (Erste  VerSff entlieh  ung.; 

Friedrieb  Klose,  Streichquartett    Langsamer  Satz.    Partitur.  (Erste  VerOfTentlichung.) 

Arnold  Mendelssohn,  Aus  den  Gruben,  bier  am  Graben  (Goethe).  Für  eine  Slng- 
stimme  und  Klavier.    (Erste  VerSStantllcbung.) 

Gottiieb  Nemo,  Walzer  und  Couplet  aus  einer  romantischen  Fascbingssulte  für  Klavier 
mit  Gesang  und  Tanz,  unter  teilweiser  Benutzung  eines  Gedichtes  von 
Rudolf  Alexander  SchrOder  für  den  five  o'  clock  tea  einer  Snobsdame  kom- 
poniert, op.  0,05.    (Erste  VerSITentlichung.) 

Hans  Pfitzner,  MJcbaelskirchplatz  (Carl  Busse).  Für  eine  Singstimme  und  Klavier, 
op.  19,  No.  2. 

Max  Reger,  Ewig  Dein!    Salonstück  ffir  PianotOrte,  op.  17  523.  (Erste  VerAffentllcbung.) 

Felix  Weingartner,  Der  Eldervogel.  Gedicht  von  Henrik  Ibsen,  deutsche  Oberaetzung 
von  Christian  Morgenstern,  für  eine  Singstimme  und  Klavier.  (Erste  Ver- 
öffentlichung.} 

Autographen  in  Faksimile: 

Eugen  d'AIbert,  Eine  Seite  aus  der  Partitur  zu  .Tragaldabas'  (Akt  IV,  Szene  3). 
Ludwig  Ysn  Beethoven,  Kanon,  .Gott  Ist  eine  feste  Burg". 

—  Verkleinerte  Wiedergabe  des  Trinkliedes  aus  der  .Musik  zu  einem  Ritterballet". 
Leo  Blech,  Eine  Partiturseite  aus  der  Oper  .Verslegelt". 
Max  Bruch,   Die  ersten   zwanzig  Takte  des  zweiten  Satzes  aus   dem  Violinkonzert  in 

g-moll. 
August  Bungert,  Eine  Pirtituraeite  aus  dem  ersten  Akt  des  Musikdramas  .Kirke". 
Pr6ddric  Chopin,  Erste  Seite  des  Es-dur  Walzers,  op.  18. 

Carl  Goldmark,  Erste  Seite  des  Origloalmanuskripiea  des  Liedes  .Der  Knecht". 
Edvard  Grieg,  Brief  an  den  Herausgeber  der  .Musik*. 

Siegmund  von  Hausegger,  Eine  Seite  aus  der  Originalpartitur  des  .Nachtschwirmer". 
Friedrich  Klose,  Eine  Partiturseile  aus  der  vierten  Szene  von  .llsebiU". 
Carl  Loewe,  Erste  Seite  der  Originalpartitur  des  Chorlledes  .Mir2nacht". 
Arnold  Mendelssohn,  Eine  Partiturseite  aus  .Pada*. 
Hans  Pfitzner,  Eine  Partituraeite  des  Liedes  .Sonst". 
Max  Reger,  Erste  Seite  des  Klavierstackes  .Ewig  Dein!" 
Franz  Schubert,  Autograph  des  unveröffentlichten  .Canon  a  tri". 
Felix  Weingartner,  Eine  Partlturselte  aus  der  .Fausf-Musik. 


192684 


Kunst : 

Ctrl  Begas,  Jugendbildnis  von  Felix  Mendelssohn-Btrtholdy. 

Edutrd  Bendemtnn,  Felix  Mendelssohn-Btrtholdy  tuf  dem  Totenbett 

Eugdne  DeltcroiXy  Nicolo  Pagtnini. 

—  Fr6d6ric  Chopin. 

H.  D tum! er,  Hector  Berlioz. 

Anton  Dietrich,  Ludwig  vtn  Beethoven. 

Giorgone,  Ein  Konzert. 

Jetn  Btptiste  Grenze,  Christoph  Willibald  Gluck. 

Edmund  Hellmer,  Das  Johann  Strauß-Denkmal  für  Wien. 

Wilhelm  Hensel,  Felix  Mendelssohn-Bartholdy. 

Christian  Hornemann,  Ludwig  van  Beethoven. 

Johann  Jakob  Ihle,  Johann  Sebastian  Bach. 

Wilhelm  von  Kaulbach,  Tod  der  Elisabeth. 

—  Lohengrins  Abschied. 

•—  Isolde  an  Tristans  Leiche. 
Ernst  Benedikt  Kietz,  Richard  Wagner. 
August  von  Kloeber,  Ludwig  van  Beethoven. 
Hermann  Knaur,  Felix  Mendelssohn-Bartholdy-Bfiste. 
Julie  V.  d.  Lage,  Das  Geburtshaus  Palestrina's. 
Hugo  Lederer,  Büste  Hans  Pfitzners. 
Filippino  Lippi,  Allegorie  der  Musik. 

Max  Littmann,  Das  neue  Großherzogliche  Hoftheater  in  Weimar. 
Eduard  Magnus,  Wilhelm  Friedrich  Ernst  Bach. 
Adolph  Menzel,  Richard  Wagner  in  den  Proben  zu  Bayreuth. 
A.  Renoir,  Richard  Wagner. 
Ricard,  Stephen  Heller. 
Roslin,  Jean-Frangois  MarmonteL 
F.  Rumpf,  Johann  Sebastian  Bach. 
Carlo  Saraceni,  Die  Ruhe  auf  der  Flucht. 
Ferdinand  Schimon,  Ludwig  van  Beethoven. 
Karl  Seffner,  Das  Leipziger  Bach-Denkmal.    Erster  Entwurf  vom  Jahre  1806. 

—  Das  Leipziger  Bach-Denkmal. 

—  PortritbQste  von  Edvard  Grieg. 
Joseph  Stieler,  Ludwig  van  Beethoven. 
F.  G.Wald  mQller,  Ludwig  van  Beethoven. 
Rudolf  Weyr,  Das  Brahms-Denkmal  in  Wien. 


Portrats: 


Eugen  d'Albert  zwei  Jugendbilder. 

—  alt  JGnglinc. 

—  nach  einer  Aufkiahme  aua  fOngater  Zelt. 

Cicilie  Avenarius. 
Johann  Sebastian  Bach 

aquarellierte  Bleiadftzelchnung  unbekannten  Autors. 

—  nach  E.  G.  HauOmann  (Besitzer:  Thomasachule). 

—  nach  E.  G.  HauOmann  (Bealtier:  Peters). 

—  nach  dem  Bild  Im  Stidtiachen  Muaeum  zu  Erfurt 
(ursprQnglicher  Zustand). 

—  dasselbe  (restauriert). 

—  nach  einem  unbekannten  Maler  (Bes. :  Volbach). 

—  angebliches  Bach-Bild  (Herzog  Wilhelm  Ernst 
von  Weimar?). 

Carl    Philipp    Emanuel    Bach    nach 

G.  F.  Bach. 

Johann  Christian  Bach  nach  Matbieu. 


Wilhelm    Friedemann    Bach.     Maier 

unbekannt. 

Woldemar  Bargiel. 

Leo  Blech  Jugendblld. 

—  nach  einer  Auftiahme  aus  jüngster  Zeit. 

Luise  Brockhaus. 
Ottilie  Brockhaus. 

Max  Bruch  Jugendbild. 

—  im  Alter  von  35  Jahren. 

—  nach  einer  Aufnahme  vom  Jahre  1903. 

Ignaz  Brüll  zvel  Bilder. 

Hans  von   Bfilow  mit  Namenszng. 

August  Bungert  im  Alter  von  29  Jahren. 

—  im  Alter  von  32  Jahren. 

—  nach  einer  Auftaahme  aus  fOngster  Zelt. 


Johtnn  Btptist  Crtmer. 

GtSttnO  Donizetti  nach  Kriehuber. 
Alextnder  DreySChOCk  nach  Kriehuber. 

Major  Einbeck. 
Fran^ois-Auguste  GevaSrt. 

Carl  Goldmtrk  im  Alter  von  30  Jahren. 

—  nach  einer  Aufnahme  aus  JGncster  Zelt. 

Charles-Frtn^ois  Gounod. 

Edvard  Grieg  im  Alter  von  15  Jahren. 

—  nach  einer  Auftaahme  von  A.  Scherl. 

—  nach  einer  Aufnahme  von  N.  Perscheid. 

—  im  Garten  seiner  Villa  in  Trollhougen. 

—  auf  dem  Totenbett. 

Louise  Htrriers-Wippern 

nach  A.  Rohrbach. 

Siegmund  von  Hausegger. 

Emil  Heckel. 

Ludwig  Heß. 

Johann  Nepomuk  Hummel. 

Johanna  Jachmann-Wagner. 

Friedrich  Klose. 

Hermann  Kretzschmar. 

Johann  Kuhnau. 

Theodor  Kullak. 

La  Mara  (Marie  Lipsius). 

Henry  LitOlff  nach  Weger. 

Carl  Loewe. 
Panline  Lucca 
Gustav  Mahler. 

Arnold  Mendelssohn  imAlter  von  20  Jahren. 

—  nscb  einer  Aufnehme  aus  iOncster  Zeit. 


Felix  Mendelssohn-Bartholdy. 

Giacomo  Meyerbeer  aaeb  f.  Rumpf. 

Anton  Mitterwurzer. 

Felix  MottL 

Angelo  Neumann. 

Aloys  Obrist. 

Wladimir  von  Fachmann. 

Hans  Pfitzner  nach  einer  Aufnahme  des  Atelier 
HGlsen. 

—  nach  einer  Aufnahme  des  Atelier  Veritas. 

—  nach  einer  Aufnahme  von  GustI  Bandau. 

Martin  PlQddemann. 
Giacomo  Puccini. 
Max  Reger. 
Alfred  Reisenauer. 
Joseph  Sucher. 
Ernst  Eduard  Taubert. 
Arturo  Toscanini. 
Cosima  Wagner. 
Minna  Wagner. 

Richard   Wagner   nach  einer  Wiener  Photo- 
(raphie  1862. 

—  nach  einer  Moskauer  Photofrapbie  1883. 

—  nach  einer  MQnchever  Pbotosraphie  1864. 

—  nach  einer  MQnchener  Photographie  1880. 

Gottfried  Weber. 

Felix   Weingartner   nach  einer  Aufnabme 
aus  JGn(Ster  Zeit. 

August  Wilhelmj. 
Clara  Wolfram. 
Ludwig  Wullner. 
Eugdne  Ysaye. 


Gruppenbilder : 

Der  Breuningsche  Familienkreis: 

Gerhard,  Stephan,  Helene  und  Christoph  von  Breuning. 

Die  gräflichen  Freundinnen  Beethovens: 

Grifin  Therese  von  Brunswick,  Gräfin  Guicciardi,  Gräfin  Erdddy.    • 

Siegmund  und  Friedrich  von  Hausegger. 

Friedrich  Klose  und  Dr.  Hugo  Hoffmann. 

Zwei  Jugendbilder  von  Felix  Weingartner. 

Zum    44.  TonkQnstlerfest    des    Allgemeinen    Deutschen    Musikvereins   in 
München: 
Karl  Pottgießer,  Richard  Lederer,  Joseph  Krug-Waldsee,  Jan  van  Gilse. 
Frederick  Delius,  Ernest  Schelling,  Paul  Juon,  Karl  Kämpf. 
Paul  von  Klenau,  Karl  Bleyle,  Henri  Marteau,  Georg  VoUerthun. 
Walter   Braunfels,    Hermann    Bischoff,    Roderich    von    Mojsisovics, 
Carl  Ehrenberg. 

Das  Münchener  Streichquartett: 

Theodor  Kilian,  Georg  Knauer,   Ludwig  Vollnhals,    Heinrich  Kiefer. 

Das  Ahner-Quartett: 

Bruno  Ahner,  Emil  Wagner,  August  Haindl,  Karl  Ebner. 

Das  Russische  Trio: 

Vera  Maurina-Preß,  Michael  Preß,  Joseph  Preß. 


Karikaturen: 

GusIXT  Mabler  nach  einem  Schattenriß  von  Dr.  Otto  BShIer. 

Eugen  d'Albert,  FelU  Draeseke,  Engelbert  Humperdinck,  Gustav  Mahler, 
Hans  Pfitzner,  Mai  Reger,  Max  Schillings,  Richard  Straua,  Felix 
Veingartner.    Simtlich  mit  Namenszug.    Karllcaturen  von  Hans  Llndloff. 

Verschiedenes: 

Johann  Sebastian  Bach: 

Maske  unbekannten  Ursprungs  in  der  Karl  Alexander-Bibliotbek  zu  Eisenach. 
Ludwig  van  Beethoven: 

Beetbovens  Schidel  oacb  der  Aufnahme  von  Felix  von  Luschan. 

Beethovens  Sch^eibpul^ 
Theodor  Bertram  als  .Wanderer-. 
Edvard  Grieg: 

Grieg's  Haus  In  Trollhougen;   Trollbougen  mit  Blick   auf  Grieg's   Haus;    Grieg's 

Musikzimmer  in  Trollhougen. 
Johann  Kuhnau: 

Titelblatt  der  .Neuen  Clavier-Obung"  von  1689. 
Carl  Loewe: 

Originaltitel  des  Chorliedes  .Gutenbergs  Bild". 
Felix  MeodelsBobn-Bartholdy: 

Studierzimmer  in  seiner  letzten  Wohnung  in  Leipzig. 
Martin  PIGddemann: 

Totenmaske. 
Richard  Wagner: 

Die  erste  AufTübrung  des  .Rlenil"  im  Dresdener  Hoftheater  am  20.  Oktober  I84Z. 
Vierter  Akt,  letzte  Szene.    Nach  einem  Holzschnitt  aus  dem  Jahre  1843. 

Der  Weiße  und  Rote  LSwe  in  Leipzig,  Wagners  Geburtsbaus. 

Palczzo  GtustlnlanI    In   Venedig,    Wagners  Wohnhaus   vom   20.   August    1S58   bis 
itim  24.  Mirz  1859. 

Palazzo  Vendraroln  in  Venedig,  Wagners  Sterbehsus. 
Die  neue  Musikhalle  in  Hamburg. 
Das  abgebrannte  Melninger  HoFtheater. 
Die  neue  Filmische  Oper  in  Antwerpen. 

Der  BIQthner-Saal  in  Berlin;   Der  Klindwortb-SGharwenka>6aal  in    Berlin. 
Das  variable  Proszenium  mit  offenem  Orchester  im  neuen  Weimarer  Hof- 
theater. 
Das    variable    Proszenium    für  das  Wartdrama  im    neuen   Weimarer   Hof> 

theater. 
Das  variable  Proszenium   mit  versenktem    und   verdecktem   Orchester  im 

neuen  Weimarer  Hoftheater. 


INHALT 


Seilet 

Richtrd  Zimmermann,  Das  Künstlerdrama  in  Wagners  »ParsifoP 3 

Friedrich  Panzer,  Richard  Wagners  „Tannhluser*.  Sein  Aufbau  und  seine  Quellen      11 

Kurt  Schröder,  Zwei  Briefe  Richard  Wagners  an  Julius  Stocks.    Zum  ersten  Male 

veröffentlicht  und  eingeleitet 28 

Ejnar  Forchhammer,  Einiges  über  „Tristan  und  Isolde**.    Angeregt  durch  Lilli 

Lehmanns:   „Studie  zu  Tristan  und  Isolde** 31.  87 

Pa>ul  Moos,  Bemard  Shaw  und  sein  Wagnerbrevier 49 

Neue  Wagner-Literatur 55 

Wilhelm  Altmann,   Briefe  Meyerbeers  an  Gottfried  Weber  aus  den  Jahren  1811 

bis  1815^  1833  und  1837 71.  155 

Eduard  Wahl,  Vom  44.  Tonkfinstlerfest  des  Allgemeinen  Deutschen  Musikvereins 

in  München g5' 

Richard  HIhn,  Der  4.  Musikpidagogische  Kongreß  in  Berlin \   .   .   .  101 

Max  Hirschberg,  Die  Prinzipien  des  geltenden  musikalischen  Urheberrechts.  .  135 

Alfred  Heuß,  Eine  HIndel-Beethoven-Brahms-Parallele .147 

Arno  Nadel,   Gedichte f 152 

Richard  Heuberger,  Anton  Weidinger.    Biographische  Skizze 162 

Rudolf  Kastner,  Das  9.  Schweizerische  Tonkünstlerfest      167 

Wilibald  Nagel,   Arnold  Mendelssohn 199 

Arnold  Mendelssohn,  Allerlei 214 

Ernst  Rychnowsky,  Leo  Blech 219 

Leopold  Hirschberg,  Carl  Loewes  Cborgesinge  weltlichen  Inhalts    ....  263.  346 

Karl  Grunsky,  Die  Bayreuther  Festspiele 284 

Robert  Mayrhofer,  Eine  Frage  an  das  Gehör 291 

Bruno  Weigl,  Die  italienische  Oper  in  Deutschland 296 

Georg  Capellen,  Was  können  uns  exotische  Melodieen  lehren? 301 

Zur  Partituren-Reform 307 

Edgar  Istel,  Wagners  Tristanakkorde  eine  „Reminiszenz** 327 

Karl  Nef,  Alte  Meister  des  Klaviers.    I:  Johann  Kuhnau  (1660—1722) 333 

Jos6  Vianna  da  Motta,   Hans  von  Bülows  Bedeutung  für  das  Konzertleben  der 

Gegenwart 341- 


Besprechungen  (Bücher  und  Musikalien) 55.  103.  170.  234.  308.  362 

Revue  der  Revueen 109.  177.  242.  316.  369 

Anmerkungen  zu  unseren  Beilagen 68.  132.  196.  260.  324.  380 


Brambeii  .  . 

BrOiiD     .   .  . 

DmuIi  .   .  ■ 

Dmmu  .  .  . 
fnlbort  1.  B. 
Gera  .... 

Gotha    .  .  . 

Halle  1.8.  . 

KasMl    .   .  . 

Kid    ...  . 

Aacben  .    .  . 

Aenm    ■   .  ■ 

Alteobori  .  . 
AatwMpen 

Augiburt   .  . 

Beni  .... 

Boatoa  .  .  . 
BrauDicbwelf 

Bremea  .    ,  . 

Bromberc  .  . 

Brflaael  .   .  . 

BndapMt    .  . 

Chemnltt   .  . 

Chlcato      .  ■ 

OnclDiiatl  .  . 

Coblenz      .  . 

Danzig   .   .  . 

Dammadt .  . 

Deaaau  .   .  . 

Dutabnit  .  . 
DOaaeldorf 

Elberfcld    .  . 

Eifun  .  .  . 
Freiburc  I.  B. 

CleOea  .   .  . 


INHALT 
Kritik  <Oper) 

Sein 

K«lii IIS.  248 

Krefeld I 

Um I 

Ltibeck I 

LORlch I 

Moskau i 

MQncheo i 

Odma I 

Paria 1 

PbUadelpbla 1 

Poeen I 

Kritik  IKooiert) 

SsiK 

Glelwla ] 

Görlitz : 

Gotha : 

Graz 1 

Halle  a.  S 188 

Heldelfrrc I 

Jena i 

Johaaneaburx i 

Karlarube 1 

Klagenhirt 1S8 

KOIa I 

KOalgaberg 127 

KopeDbageD  I 

Krefeld I 

Leipzig 1 

Lemberg IZ7 

Llni < 

London  I 

Lübeck i 

Lflnicb : 

Magdeburg 128 

Mailand I 

Mainz I 

Mancheater 190 

Mannbeim ! 

Moskau 1 

M.GIadbaeb I 

MOnater  1.  T I 


Prag 182 

Reichenberg  1.  B ItS 

Rio  Grande 370 

Roatock 1 10 

StetäD 110 

SiraObnrg )>0 

Teimar 1 10 

Wien 120 

VOnburg 122 


NOmberg  .  .  .  . 
Oberachlealeo    .    . 

Odeaaa 

Oanabrtlck     .   .    . 

Paria 

Pforehrim .    .    .    . 

Poaeo    

PreDburg  .  .  .  . 
Reicheoberg  i.  B.  . 

Roatock 

San  Franciaco  .  . 
St.  Petenburg  .  . 
Spej-er 

StraDburg  .  .  .  . 
Stuttgart  .  .  .  . 
Teplitz-Schfloau     . 

Tüiit 

Tsinguu     .    .    .    . 

Verden 

Wien 

Vleabaden     .   .   . 

Terms 

TOrzburg  .    .    .    . 

Zarich 

Zwickau     .    .    .   . 


NAMEN-  UND 
SACHREGISTER 

ZUM  IV.  QUARTALSBAND  DES  SIEBENTEN 
JAHRGANGS    DER    MUSIK   (1907/8) 


Abendrotb,  Hermann,  253. 
Abraham,  O,  301. 
Achron,  Joseph,  129. 
Adami  jr.  (Danzig)  185. 
Adami-Droste,  Maria,  251. 
Adamowski,  Josef,  124. 
Adamowski,  Timotheus,  124. 
Adamowski-Trio  124. 
Adels -V.  MQochhausen,    Berta, 

130. 
Adler,  Guido,  58. 
Agloda,  Olga,  115. 
Ahner,  Bruno,  99.  255. 
Ahner-Quartett  99. 
Alard,  Delphin,  366. 
Albers,  Henri,  121. 
d' Albert,  Eugen,  114.  115.  118. 

119.   123.  221.  240.  345. 
d'Albert,  V,  141. 
Alexis,  Willibald,  272.  275.  276. 

351. 
Alfv^n,  H.,  364. 
AUekotte,  August^  195. 
Alten,  Bella,  289. 
Altmann-Kuntz,  Margarete,  130. 
d'Ambrosio  364. 
AmObius  363. 
Andersen,  Joachim,  189. 
Andes  (Singerin)  253. 
d'Andrade,  Francesco,  182. 
Andr6,  Joh.,  73.  79. 
Andreae,Volkmar,  124. 131.  167. 

192.  249.  368. 
Angelus  Silesius  207. 
Anger,  Albert,  124. 
Ankenbrank,  Theodor,  251.  255. 
Anschfltz,  Albin,  251. 
Ansorge,  Conrad,  184.  194.  251. 

257. 
Ansorge,  Max,  125. 
Anton-Cordes,  SofR,  1 1 5. 
Appun,  H.,  105. 
Arcadelt,  Jakob,  190. 
Archangelsky,  A.,  190. 
Arensky,  Anton,  130.  100.  366. 
Ariosti,  Attilio,  254. 
Aristophanes  378. 
Aristoteles  327. 
Arlberg,  Hjalmar,  193. 
Arlo,  Henny,  257. 
Arndt,  Rita,   126. 
▼.  Arnim,  Aehim,  215. 


Arnoldson,  Sigrid,  114. 
Arnoud-Crever  238.  239. 
Artdt  de  Padilla,  Lola,  248. 
Astorga,  Emanuele,  103. 
Attenkofer,  Carl,  102.  251. 
Atterbom,  P.  D.  A.,  264. 
V.  Auer,  Leopold,  120.  101. 
Auerbach,  Max,  125. 
Augener  &  Cie.  334. 
Bach,  J.  S.,   4.    103.    106.  123. 

125.   126.  127.  128.  130.  131. 

151.   183.  184.  186.  187.  188. 

189.  190.  191.  192.  106.  200. 

201.  203.  204.  206.  217.  234. 

235.  250.  251.  252.  253.  254. 

255.  256.  257.  250.  280.  311. 

314.  328.  336. 
Bach,  K.  Ph.  E.,  103.   123. 
Bach,  Leonhard  Emil,  221. 
Bach,  Wilh.  Friedemann,  126. 
Bach-Verein  (Heidelberg)  188. 
Bach- Verein  (Karlsruhe)  127. 
Bach- Verein  (Narnberg)  120. 
Bach  mann,  Walter,  258. 
Bachmann-Trio  258. 
Backer-GrOndahl,    Agathe,  324. 
Backhaus,  Elfriede,  377. 
Backhaus,  Wilhelm,    182.    187. 

103.  254. 
Bade.  Philipp,  103. 
Baedeker,  G.  D.,  302. 
Badet  (Tänzerin)  117. 
Baker,  Dalton,  184. 
Bakunin,  M.  A.,  50. 
Balling,  Michael,  287. 
Bangert,  Emilius,  180. 
Barblan,  Otto,  314. 
Bargiel,  Hermine,  380. 
Bargiel,    Woldemar,    210.    380 

(Bild). 
Barth,  Max,  114. 
Barthsche    Madrlgalverelnigung 

123.  183.  186.  251. 
Birtich,  R.,  258. 
BartmuO,  Richard,  314. 
V.  Bary,  Alfred,  114.  121.  286. 

287.  280. 
Batka,  Richard,  227.  230. 
Batz,  Reinhold,  240. 
Bauberger,  Alfred,  06.  378.  370. 
Bauer,  Harold,  257. 
Bauerkeller,  Rudolf,  100. 


Baumgarten,  Wilhelm,  f02. 
V.  BauOnern,  Waldemar,  186. 180. 
Bechstein,  Ludwig,  26. 
Bechstein,  Reinhold,  65. 
Becht,  Ella,  250. 
Becker,  Benno,  378. 
Becker,  Gottfried,  114.  110. 
Becker,  Hugo,  122.   123. 
Becker,  Nikolaus,  278. 
Becker  (Danzig)  185.  ' 
Beddoe  (Singer)  184. 
B6dier,  Josef,  65. 
Beer-Walbrunn,  Anton,  378. 
van   Beethoven,    Ludwig,   4.  5. 
71.    82.    83.    00.    107.    122. 

123.  124.  126.  127.  120.  130. 
131.  137.  138.  147ff  (Eine 
Händel-  B.-Brahms-Parallele). 
160  182  183.  185.  186.  188. 
180.  100.  101.  102.  103  104. 
105.  201.  203.  214.  228.  236. 
240.  250.  251.  252.  253  254. 
255.  256.  257.  258.  250.  275. 
308.  312  328  334.  342.  351. 
361    364.  365.  366. 

Behm,  Eduard,  188. 

Behr,  B.,  331.  334. 

Behr,  Hermann,  125. 

Beier,  Franz,  377. 

Beines,  Carl,  250. 

B^lart,  Hans,  60. 

Bellwidt,  Emma,  188.  240.  252. 

Bemmann,  A.,  126. 

Bender,  Paul,  96.  122.  255.  378. 

Benedict,  S.,  130. 

Bengell,  Else,  115. 

Benndorf,  K.,  334« 

Bennet,  John,  187. 

Benoit,  Peter,  183. 

Bensch,  G.,  103. 

Benzinger,  Dr.,  362. 

de  B^ranger,  P.  J.,  255. 

Berber,  Felix,  257.  258. 

Berger,   Rudolf,    103.  287.  200. 

Berger,  Wilhelm,  126.  104.  240. 

251.  252.  254. 
de  B^riot,  Charles,  366. 
Beriioz,   Hector,   05.  407.   116. 

124.  125.  127.  120.  130.  188. 
101.  103.  212.  250.  251.  253. 
254.  257.  258.  308.  300.  337. 

Bernard,  Carl,  82. 

I 


II 


NAMENREGISTER 


Berr,  Jos«,  168. 

BertODy  H.  M.,  157.  161. 

Bessel,  A ,  67. 

Beuer,  Hans,  114.  115. 

Beyer  &  SOhne  312. 

Biber,  H.  J.  F.,  335. 

Bie,  Oskar,  362. 

Bieler,  August,  124. 

V.  Bieling,  Hermann,  129. 

Bierbaum,  O.  J.,  224. 

Bieraath,  Ernst,  362. 

Binder,  Fritz,  185. 

V.  Binzer,  Erika,  250. 

Birkedal-Barfod  (Komponist)364. 

Birn,  M.,  314. 

Birnbaum,  A.  Z.,  125.  169. 

Bischoff,  Fritz,  115. 

Bischoff,  Hans,  324. 

Bischoff,  Hermann,  100.  378. 

Bischoff,  Johannes,  114. 

V.  Bismarck,  Otto,  50. 

Bizet,  Georges,  116.  222. 

Blaremberg  (Komponist)  249. 

BlaO,  Arthur,   129. 

Blech,  Leo,   219ff  (L.  B).  260 

(Bilder). 
Bleyle,  Karl,  98.  125. 
Bloomfleld-Zeisler,  Fannie,  126. 
Blumenfeld,  Felix,  117.  129. 
Biathgen,  Victor,  223. 
Boccherini,  Luigi,  190. 
Bodenstein,  Ernst,  193. 
Bo€llmann,  lAoa,  249. 
Boehe,  Ernst,  251. 
Böhm,  Georg,  313. 
Bohn,  Emil,   125. 
Böhmer,  Ludwig,  251. 
Boieldieu,  F.  A.,  86.  115. 
du  Bois-Reymond,  L.,  211. 
Boito,  Arrigo,  116.  379. 
Bojukli,  V.,   191. 
Boekelmann,  B.,  364. 
Bökemann,  Anna,  258. 
Bokemeyer,  Elisabeth,  193. 
de  Bom,  Joris,  183. 
Bonci,  Alessandro,  117. 
Boenisch,  Hedwig,  125. 
van  den  Boom-Cochet  125. 
Bopp-Glaser,  Auguste,  129. 
Boepple,  Paul,  169. 
Borchers,  Henriette,  119. 
Bomschein,  Eduard,  189. 
Borodin,  Alexander,    125.    186. 

190.  254. 
Boruttau,  Alfred,  368. 
Bosettl,  Hermine,  122.  131.  255. 

378.  379. 
Bossert,  L.,  65. 

Bossi,  Enrico,  123. 185. 249. 297. 
Bote  &  Bock  206.  223.  227.  273. 
Bourbon,  J.  C,  248. 
Brackenhammer,  Johanna,    115. 

251. 
Bradsky,  Bozena,  00. 


Brahms,  Johannes,  82.  99.  106. 

107.  122.  123.  124.  125.  126. 

127.     130.    138.    147ff  (Eine 

Händel  •  Beethoven  -  B.-  Paral- 
lele). 167.  183.  185.  187.  188. 

189.  190.  191.  192.  193.  194. 

195.  203.  210.  249.  250.  251. 

252.  253.  254.  255.  256.  257. 

258.  341.  344.  345.  366.  379. 
Brahy  (Dirigent)  254. 
Brandstaeter,  G.,  185. 
BrandstOtter  (Singer)  253. 
Brandt,  Prof.,  128. 
Brase,  Kapellmeister,  191.  192. 
Bratfisch,  G.,  263. 
Brauer,  Max,  127. 
Braun,  Carl,  287.  289. 
Braunfels,  Walter,  99.  194. 
Brause,  Hermann,  257. 
Breitenfeld,  Richard,  115.  116. 
Breithaupt,  Rud.  M.,    101.  238. 
Breitkopf  &  Hirtel  64.  75.  124. 

207.  272.  273.  301.  308.  334. 

341.  352. 
Breu,  Simon,  195. 
Breuer,  Hans,  289. 
Breughel,  Pieter,  357. 
Brdval,  Luclenne,  117. 
Briesemeister,   Otto,    115.    184. 

194.  256.  257.  289. 
Brockhaus,  M.,  225. 
Brode,  Max,  127. 
Brodersen,  Friedrich,  378. 
Brodsky-Quartett  190. 
Brohly  (Singerin)  117. 
Bromberger,  David,  124. 
Bruch,    Max,    126.    129.    130. 

183.  185.  187.  188.  193.  195. 

251.  255.  258.  314. 
Bruch,  Wilhelm,  123.  129. 
V.  Brucken-Fock,  G.  H.  G.,  106. 
Brückner,  Anton,  97.  107.  123. 

127.   129.  169.  182.  184.  186. 

189.  190.  191.  195.  250.251. 

255.  257. 
Brackner,  Max,  120. 
BrOgelmann,  Hedwig,   191. 
Brau,  Ignaz,  114. 
Brun,  Fritz,  123.  168. 
Bruneau,  Alfred,  254. 
Brunow,  Hans,  114. 
Bruns-Molar,    Paul,    104.    105. 

310.  311. 
van  der  Bruyn,  W.,  124. 
Buisson,  Marie,  187. 
V.  BQlow,  Hans,  138.  168. 341  ff 

(H.  V.  B.s  Bedeutung  fflr  das 

Konzertleben  der  Gegenwart). 

380  (Bild). 
Bulthaupt,  Heinrich,  359. 
Bulytschew,  W.,  190. 
Buongiomo,  Crescenzo,  297. 
Burckhardt,  C.  A.  H.,  327. 
Burgmaier,  Lisa,  250. 


Burgstaller,  Alois,  290. 
Burk-Berger,  Marie,  122. 
Burkert,  O.,  184. 
Burkhardt,  Max,  102. 
Burmeister,  Richard,  176. 
Burmester,  Willy,  189.  191.  192. 

253.  254.  256. 
Burrian,  Carl,  121.  248.  287. 
Busch,  Wilhelm,  208. 
Busebbeck,  Hermann,  100.  378. 
BQsching,  J.  G.  G.,  65. 
Busjaeger,  Marie,  186. 
Busoni,  Ferruccio,  131.  176.  183. 

190.  194. 
Busse,  Carl,  223. 
Buths,  Julius,  186. 
Buxtehude,  Dietrich,  259. 
Buysson,  Jean,  95. 
Byrd,  William,  313. 
Cahnbley,  E.,  256. 
Cahnbley- Hinken,    Tllly,    122. 

126.   186.  187.  249. 
Calvocoressi,  M.-D.,  173. 
Calzin,  Alfred,  125. 
Capellen,  Georg,  302.  307. 
Capelli,  Bianchini,  116. 
Capocci,  F.,  314. 
Caponsacchi-Jeisler,  Marguerite, 

191. 
Carr«,  Marguerite,  117. 
Carreno,  Teresa,  124.  257. 
<^aruso,  Enrico,  117. 
Casadesus,  Henri,  187. 
Casals,  Pablo,  127.  192. 
Casella,  Alfkvd,  187. 
Castellano,  Francesco,  116. 
Castelli,  Ignaz  Fr.,  76. 
Castles,  Amy,  193. 
Catalani,  Angelica,  86. 
Cattabeni,  F.,  131. 
Cauer,  Maria,  202. 
Cebrian,  Graf,  163. 
Certani,  Alessandro,  125. 
Chabrier,  Emanuel,  239. 
Challier,  C.  A.,  264.  269.  272. 
Chamberiain,  H.  St.,  56.  64.  88. 
Charpentier,  Gustave,  118.  130. 
Cherubini,  Luigi,  77.   131. 
Chopin,  Fr6d6ric,  123.  125.  126. 

187.  192.  194.  196.  250.  254. 

258.  342. 
Chrysander,  Friedrich,  150. 
Clari,  G.  C.  M.,  125. 
Claudius,  Matthias,  273. 
de  C16ry,  M.,  248. 
Clutsam  (Komponiat)  126. 
Cobell,  Heinrich,  126. 
Coducci,  Moro,  68. 
Cohn,  Isidor,  190. 
V.  Collin,  Heinrich,  83. 
V.  Collin,  Matthius,  83. 
Cqlonne,  Edouard,  248. 
Colonne-Orchester  192. 
Conried,  Heinrich,  118. 


NAMENREGISTER 


III 


Copony,  Hans,  114. 

Corbach)  E.,  254. 

Corelli,   Arcangelo,    126.    192. 

259.  336. 
CoraeliuSy  Peter,  119.  126.  168. 

182.  186.  193.  221.  253.  350. 
Cortolezia,  Fritz,  57.  100.  378. 
Cortot,  Alfred,  192.  254. 
Corvinus,  Lorenz,  119.  289. 
Courvoisier,  Walter,  168.  251. 
Graft,  Marcella,  115. 
Gramer,  Job.  Bapt.,  132  (Bild). 
Grucigery  Gurt,  182. 
Gul,  Gtear,  173. 
Gulp,  Julia,  125.  193.  251. 
Gurti,  F.,  251. 
Gzemiawski,  Gebrflder,  379. 
Gzerwonky,  Riebard,  124. 
Dalmords,Gbarle8, 11 8. 1 19. 286. 
Damann,  Helene,  114. 
Damenchorverein,  Ungarischer, 

184. 
Damrosch,  Walter,  126. 
Daquin,  L.  C,  313. 
Damley,  Lord,  363. 
Dawison,  Max,  286.  289. 
DebeNe,  Jules,  254. 
Debussy,  Glaude,  98.  125.  185. 

190.  192.  239.  248.  254. 
Decbert,  Hugo,   123.  124.  194. 

249. 
Decsey,  Ernst,  182.  202. 
Dehmlow,  Hertba,  193.  258. 
Dehn«  Siegfried,  158. 
Delius,  Frederick,  97.  98. 
Delmas,  J.  F.,  117. 
Delsemme,  J.,  254. 
Delune,  Louis,  254. 
Demuth,  Leopold,  128.  248. 
D6n6r«az,  AI.,  169. 
Dennery,  Mathilde,  1 15. 130. 186. 
Denys,  Thomas,  194. 
Deppe,  Ludwig,  310. 
Dercks,  E.,  125. 
Dessoff,  Otto,  364. 
Dessolr,  Susanne,  125. 251.  253. 

258. 
Destinn,  Emmy,  195.  223. 
Devrient,  Eduard,  105. 
Devrient,  Otto,  119. 
DUbelli,  A.,   137. 
Diebold,  Job.,  314. 
Dieckmann,  Ernst,  131. 
DIebl,  Prof.,  195. 
Diemer,  Louis,  125.  192. 
Dlergarty  Elisabeth,  186. 
Dietel»  M.,  259. 
Dietrich,  Fritt,  189. 
Diecz,  Johanna,  130.  194.  195. 

256.  258. 
Dinger,  Hugo,  57.  59. 
Dippel,  Andreas,  117. 
Dippel,  Fritz,  195. 
▼.  Dittersdorf,  Gari,  172.  250. 


Dittrich,  R.,  304. 

V.  Dobninyi,   Ernst,    127.    191. 

193.  251. 
Dohm,  Georg,  124.  125. 
Dolina,  M.,  190. 
Domchor,  Berliner,  184. 
Donizetti,  Gaetano,  114.  251. 
Dopler,  Marie,  116.  253. 
Doret,  G.,  116. 
Dorn,  Otto,  364. 
Dorner,  Hans,  129.  255. 
Dorrenboom  (Danzlg)  185. 
Mac  Dowell,  Edward,  128. 
Draeseke,  Felix,  125.  255. 
Dreilflien,  Verlag,  307. 
Dreyschock,Alexander,380(Bild). 
Dreyscbock,  Elisabeth,  380. 
Dron,  Marthe,  192. 
Drossdow  (Pianist)  130. 
Dufeau,  Jenny,  130. 
Dukas,  Paul,  239. 
Dulicbius,  Philipp,   126. 
Dupont,  Gabriel,  248. 
Dupuis,  Sylvain,  248. 
Durant  (Kapellmeister)  125. 
Durand  &  Fils  334. 
DQrer,  Albrecbt,  127. 
Durigo,  Ilona,  130.  193. 
Dusch  76.  77.  82.  85. 
Dux,  Glaire,  248. 
Dvorik,  Anton,    106.  123.  124. 

125.  191.  192.  195.  366. 
van  Dyck,  Ernst,  47. 
Eames,  Emma,  117. 
Ebner,  K.,  99. 
Eccard,  Job.,  187. 
Ehlers,  Paul,  100. 
Ehlers  (Singerin)  124. 
Ehrenberg,  Kari,  99. 
Ehrhart,  Jacques,  168. 
Ehriich  (Musikdirektor)  183. 
Eibenschatz,  Jos«,  250. 251. 257. 
Eichberger  (Musikdirektor)  252. 
Eichholz,  Vera,  189. 
Eilers,  Franz,  114. 
Eilhart  v.  Oberg  65.  66. 
El-Tur,  Anna,  192. 
Eidering,  Bram,  191. 
Eleonore,  GroOherzogin  von 

Hessen,  249. 
Elgar,  Edward,  123.  125.  190. 
Elisabeth    Königin,  363. 
Ellis,  W.  A.,  59. 
Elman,  Mischa,  128.  254. 
Elsasser,  Eva,  126. 
Elster,  Ernst,  13. 
Eneri,  Irene,  129. 
Engels,  Georg,  223. 
Engler,  Martha,   185.  | 

Enna,  August,  221.  251. 
Epp,  A.,  257.  ! 

Erb,  M.J.,  130. 
Erk-BOhme  12.  16. 
Erler,  Fritz,  377. 


Erler,  Klara,  125. 

Erler-Schnaudt,  Anna,  186. 

Ernst,  Alfred,  62.  115  (»Gou- 
verneur und  MQller."  Urauf- 
rohrung  in  Halle  a.  S.). 

Ernst  Ludwig,  GroOherzog  von 
Hessen,  249. 

Essipow,  Annette,  129.   130. 

Ettelt,  O.,  124. 

Eunike,  Friedrich,  74. 

Euripides  359. 

Everts,  Ernst,  249. 

van  Eweyk,  Arthur,  1 86. 1 9 1 .  25 1 . 

Farrar,  Geraldine,  117. 

Farrenc,  Aristide,  334. 

Farwell,  Arthur,  174. 

FaObender,  Zdenka,  95.  1 14.  1 15. 

Fassin  (Singerin)  254. 

Fauth,  Albert,  257. 

Favart,  Gh.  S.,  378. 

Fay,  Maud,  378. 

Fedisch  (Fagottist)  131. 

Feinhals,  Fritz,  96.  114.  184. 
248.  378. 

Feist,  Gottfried,  188. 

Felmy,  Maximilian,  379. 

Feiser,  Frida,  114.  248. 

Fenteo,  Wilhelm,  114.  129.  191. 

Ferraria  (Komponist)  364. 

V.  Ferro,  L.,  377. 

F«tis,  F.  J.,  324. 

Filke,  Max,  188. 

Fischer,  G.  A,  126. 

Fischer,  Franz,  379. 

Fischer,  Gerhard,  255.  256. 

Fischer,  H.,  252. 

Fischer,  Richard,  186.  249. 

Fischer,  S.,  49. 

Fischer,  Walter,  257. 

Fischer-Maretzki,  Gertrud,  252. 

FItzau,  Franz,  124.  185. 

Fitzner-Quartett  253. 

Fladnitzer,  Luise,  190. 

V.  Fladung,  Irene,  378.  379. 

Fleck  (Komponist)  250. 

Fleischer-Edel,  Katharina,  121. 
286. 

Flesch,  Gari,  131. 

Fletcher,  Alice,  174. 

Flockenhaus,  Ewald,  186. 

Flonzaley-Quartett  123.  124. 

V.  Florentin,  Paula,  190. 

Forberg  207. 

Forchhammer,  Tb.,  314. 

Forst,  Grete,  253. 

Foerster,  Anton,  187.  258. 

Förster,  Meta,  185. 

Förster,  W.,  130. 

V.  Fossard,  A.,  128. 

Franchetti,  Alberto,  297. 

Franck,  Gtear,  130.  185.  257. 
259.  364. 

Frank,  Franz,  115. 

Franke,  Fr.  Wiih.,  186.  191. 

I* 


IV 


NAMENREGISTER 


Frankenstein,  Ludwig,  331. 
Frankenttein,  Margarete,  126. 
Franz  Josef  I.,  Kaiser,  253. 
Franz,  Anita,  100. 
Franz,  Robert,  59.  188. 
Robert     Franz- Singakademie 

(Halle)  188. 
Freiligrath,  Ferdinand,  353. 
Fremstad,  Olive,  117. 
Freund,  Maria,  125. 
Freund,  Robert,  131. 
Frey,  Emil,  123.  131.  16a. 
Fricke,  Ricliard,  127. 
Fried,  Richard,  119    130. 
Friedberg,  Cari,  252. 
Friederici,  David,  187. 
Friedfeldt,  Mara,  187. 
Friedlinder,  Max,  122. 
Friedman,  Ignaz,  128. 
Friedrich  \7ilhelm   IV.,    König, 

271.  346. 
Fröhlich,  Joseph,  78. 
Frohmeyer,  Dr.,  362. 
Frontini  (Komponist)  364. 
Frugatta,  Giuseppe,  364. 
Fuchs,  Anton,  96.  248. 
Fuchs,  Georg,  100.  377.  378. 
Fumagalli  (Singer)  220. 
Gabler  (Klarinettist)  131. 
Gabrilowitsch,  Ossip,  191.  252. 

256. 
Gade,  Niels  W.,  125.  251.  258. 

364.  366.  380. 
Gadski,  Johanna,  184.  185. 
Gail,  Jean  Baptiste,  77. 
Gail,  Sophie,  77. 
Gall,  Yvonne,  117. 
Garden,  Mary,  118.  248. 
Girtner,  Maria,  114. 
Gastoldi,  G.  S.,  187. 
Gatti-Casazza,  Giulio,  117. 
Gebauer,  Franz,  188. 
Geehl,  Henry  E.,  128. 
Gehrke,  Albert,  67. 
Geiger,  Albert,  67. 
Geim,  W.,  258. 
Geis,  Josef,  248.  378. 
Geisler,  Paul,  257. 
GeiOe-Winkel,  Nicolaus,  286. 
Geist,  W.,  130. 
Gelbke,  Hans,  191. 
Geller- Wolter,  Luise,  191. 
Gentlemen's  Concerts  190. 
Gerbard,  Georg,  121. 
Gerhardt,  Elena,  124.  257. 
Gerhardt,  Paul,  259. 
Gerhiuser,  Emil,  96. 
v.  Gerlach,  Arthur,  114. 
Gern,  Georg,  74. 
Gemsheim,  Friedrich,  251.  366. 
de  Gerzabek,  Frl.,  169. 
Geselschap,  Marie,  195. 
Gevaert,  F.  A.,  196  (Bild). 
Geyer,  Stefl,  123.  252. 


Geyer-Dierich,  Meta,  125.  186. 

193. 
Geyr  (Dirigent)  191. 
Ghiti,  Giovanni,  190. 
Giesebrecht,  Ludwig,  279.  347. 

355.  361. 
Gigout,  E.,  314. 
Gilibert,  Charles,  118. 
Gill,  Andr6,  55. 
Gille,  Dr.,  252. 
Gillenhammer,  Patrik,  126. 
GUlmann,  Max,  378. 
van  Gilse,  Jean,  97. 
Gimkewitz,  S.  379. 
Giordano,  Umberto,  182.  297. 
Giorgone  380  (Bild). 
Girod  (Singer)  254. 
Glasenapp,  C.  Fr.,   28.  29.  55. 

59.  64. 
Glaß,  Louis,  364. 
Glazounow,  Alexander,  129. 191. 

192    256. 
V.  Glehn,  Rhoda,  129. 
Gliire,  Reinhold,  192. 
Glinka,  Michael,  129    248   258. 
Glöggl,  Fr.  X.,  78   81. 
Glömme,  Edwin,  186. 
Gluck,  Chr.  W,  100.  116.  122. 

127.  221.  258.  378. 
GmQr,  Rudolf,  98.  99.  115.  187. 

251. 
Godard,  Benjamin,  129.  366. 
Gogl,  Rupert,  115. 
de  Gogorza,  E.,  127. 
Göhler,  Georg,  182. 
Goldmark,     Carl,      114.      115. 

366. 
Goldschmidt,  Paul,  187. 
Göllerich,  August,  253. 
Göllerich,  Gisela,  253. 
Goltermann,  Georg,  366. 
Golther,  Wolfgang,    13.  26.  63. 

64.  65.  66. 
Goman,  Lilly,  187. 
Gomes,  Carlo,  379. 
Gorter,  Albert,  114.  119. 
Goethe,   Johann    Wolfgang,    4. 

11.   56.   57.    119.    120.    196. 

208.  211.  215.223.260.273 

308.  327.  350.  351.  354.  357. 

365.  368. 
Gottfried  V.  StraOburg   65.    66. 
Gottscheidt,  Franz,  115. 
Goetz,  Gina,  128. 
Goetz,  Hermann,  125.  167.  168. 

169.  251.  253. 
Götze,  Karl,  105. 
Götzl,  Anselm,  114. 
Gouin  156. 

Gounod,  Charles,  196  (Bild). 
Graf,  Ferdinand,  166. 
Grainger,  Percy,  190. 
del  Grande,  Cario,  250. 
Grasegger,  Franz,  114. 


Graupner,  Christoph,  103. 
Grebin,  Kurt,  114. 
de  Greef,  Arthur,  125. 
Gregorovius,  Ferdinand,  324. 
Greith,  Kari,  188. 
Grell,  Eduard,  201. 
Gresntck,  A.  F.,  254. 
Gr6try,  A.  E.  M.,  123    254. 
Gretschanfnow,  Alexander,  192. 
Grieser  (Dirigent)  195. 
Griesmer,  Bertha,  123. 
Grifft,  Emil,   115. 
Grillet,  Laurent,  362.   . 
Grillparzer,  Franz,  227. 
Grimm,  BrOder,  15.  17. 
Grimm,  Jakob,  65. 
Grimm,  J.  O.,  191.  249. 
Grisebach,  Eduard,  13.  14. 
Grieg,   Edvard,   126.    184.    185. 

188.  191.  192.  194.  195.  251. 

252.  253.  258.  259.  364.  306. 
Grosch,  Geore,  190.  258. 
GroD,  Cari,  377. 
V.  GroD  55.  58. 
de  Grote  252. 
Grube  120. 
Grumbacher-de  Jong,  Jeannette, 

126.   191.  193.  251. 
Grunert  (Pianistin)  188. 
Grflnfeld,  Alfred,  324. 
Grunsky,  Kari,  57.  58.  331. 
GrQtzmacherjun.,  Friedrich,  186. 

366. 
Guen6e  (Komponist)  86. 
Guilmant,  Alexandre,  125.  249. 
Gulbins,  Max,  125. 
Gulbranson,  Ellen,  290. 
Guntter,  Theodor,  251. 
Gura,  Eugen,   194. 
Gura,  Hermann,  122.  182.  193. 

194.  254. 
Guszalewicz,  Alice,  114. 
Gutheil-Schoder,  Marie,  114. 
Gutzmann,  Dr.,  101. 
de  Haan,  Willem,  187. 
Haas,  F.,  130. 
Haas,  Josef,  313. 
Haasters-Zinkeisen,  Anna,  131. 
Haberl,  Benno,  98. 
Hacken  berger,  Oscar,  257. 
Hadenfeldt,  Lilly,  186. 
Hadwiger,  Alois,  115.287.289. 
Hafgren-Waag,  Lilly,  289. 
Hagel,  Richard,  189.  190. 
V.  d.  Hagen,  K.,  65. 
Hagen,  Otfried,  96. 
Hager,  Paula,  251. 
Hahn,  Reynaldo,  190. 
Hihn,  Richard,  186. 
Haindl,  August,  99. 
Hal6vy,  F.,  56. 
Halir,  Karl,  123.  189.  194.  249. 

250. 
Halir-Quartett  127. 


NAMENREGISTER 


Hall«,  Gh.,  190. 
Halperin,  Frau,  117. 
Hamal,  H.  G.,  254. 
Hamerik,  Asgar»  189. 
Hammer,  J.,  258. 
Hammerschmidt,  Andreas,  126. 
Hammerstein,  Oscar,  117.  118. 
Hlndel,  G.  F.,   123.  125.    126. 

129.  147ff(EineH.-Beethoven- 

Brahms-Parallele.)    200.  251. 

253.  272.  311. 
Handschin,  G.,  190. 
Hanfiitingl  55. 
Haenlein,  A.,  128. 
Hanslkk,  Eduard,  236. 
Harbaum  256. 
Harriers -Vippem,  Louise,   380 

(Bild). 
V.  HlrUing,  Frl.,  77. 
V.  Hartmann,  Eduard,  67. 
Hiser,  Georg,  168. 
Hasler,  Hans  Leo,  187. 
HasÜAger,  Tobias,  76. 
Hasse,  K.,  188. 
Hasselbach  (Direlitor)  346. 
Hasselbaum,  Otto,  129. 
HiOler,  Glara,  251. 
Haupt,  K.  A.,  200. 
Hauptmann,  Moritz,  380. 
V.  Hausegger,  Siegmund,  98. 192. 
Häuser,  Franz,  105. 
Hluser  (Komponist)  116. 
Havemann,  Gustav,  249. 
Haydn,  Joseph,  52. 8a  103.  1 24. 

126.  130.  131.  164.  184.  187. 

188.  191.  193.  203.  214.  249. 

250.  251.  254.  256.  258.  366. 
Haydn,  Michael,  189. 
Haym,  Hans,  186. 
Hebbel,  Friedrieb,  96.  324. 
Hegar,  Friedrich,  123.  167.  192. 

193.  251. 
Hegar,  Johannes,  187.  253. 
Heger,  Robert,  119. 
Hegner,  Anna,  123. 
Heilmann  &  Littmann  377. 
Heine,  Heinrich,  12.  13.  14.  15. 

16.  17.  26.  27.  223.  266.  282. 

380. 
Heinemann,  Alexander,  127. 184. 

186.  189.  250. 
Heinrich,  Prinz  v.  Bourbon,  68. 
Heinrich  XXIV.,    Prinz    Reufi, 

185.  191. 
Heinrich  XXVIL,  Erbprinz  von 

RenO,  114. 
Heinrich  v.  Freiberg  65. 
Heiarickshofens  Verisg  223. 
Hell,  Fr.,  256. 
Hell,  R.,  256. 
HeUarich,  Radolf,  254. 
HeUriegel,  F.,  258. 
HcUwig,  B.,  251. 
Helmboltz,  Hermann,  304. 


V.  Helvig,  Amalie,  264. 
Hempel,   Frida,  248.  250.  251. 

289.  378. 
Hendreich  (Musikdirektor)    183. 
Henke,  Marie,  123. 
Hennig,  Prof.,  257. 
Henning,  Kari  \7.,  73. 
Henriques,  Robert,  364. 
Henschel,  Georg,  106. 
Hensel,  Heinrich,  193. 
Hensel-Schweitzer,  Elsa,  114.131. 
Herbeck,  Johann,  251. 
Herder,  J.  G.,  276.  280.  286. 
Hering,  Dr.,  258. 
V.  Herkomer,  Hubert,  55. 
Hermann,  Hans,  249. 
Hermann,  P.,  125. 
Hermant  (Singer)  254. 
Herper,  Frieda,  377. 
Herrmann,  Clara,  254. 
Hertz,  Alfred,  39. 
Hertz,  \7ilhelm,  15.  65.  66.  168. 
Hertzer,  Ludwig,  377. 
Herwarth,  Conrad,  126. 
Herwegh,  Georg,  63. 
V.  Herzogenberg,  Heinricli,  183. 
Heß,  Ludwig,  97.  99.  182.  191. 

249.  252.  257. 
Heß,  M.  Gh.,  118. 
Heß,  Theodor,  131. 
Heß,  Willy,  124.  183. 
Heuberger,  Richard,  114.  221. 
Hielscher,  Hans,  125. 
Hildach,  Eugen,  126. 
Hilf,  Arno,  254.  259. 
Hiller,  Ferdinand,  202.  219. 
Hiller,  Job.  Adam,  122.  127.  172. 

184.  186.  194.  252. 
HimmelstoO,  Richard,  125. 
Hinkley,   Allan,  122.  286.  287. 

290. 
Hirschberg,  Leopold,  324. 
Hirschmann     116    («Hemani*. 

Uraufrahrung  in  Lflttich). 
Hirt,  A.,  251. 
Hirt,  Fritz,  129. 
Hirzel-Langenhan,  Anna,  253. 
Hochheim,  Paul,  114. 
Hock,  Hermann,  195. 
Hoffmann,  Anna,  185. 
Hoffmann,  E.  T.  A.,  12.   13.  14. 

18.    19.  20.   21.  22.  24.  25. 

26.  27.  77.  79.  98.  331. 
Hoffmann,  L.,  124. 
Hofkapelle,  Darrastidter,  249. 
Hofkapelle,  Karlsruher,  257. 
Hofkapelle,  Meininger,251.252. 
Hofkapelle,  Mflnchner,  97. 
Hofkapelle,  Stuttgarter,  97. 
Hofknann,  Heinrich,  324. 
Hofmann,  Joseph,  257. 
Hofmeier,  A.,  254. 
Hohmeyer,  Ludwig,  195. 
HOhne,  Alflrad,  183.  186. 


Holienberg,  Otto,  123. 

Homer  327. 

Homilius,  L.,  129. 

Hopfe,  Cari,  183. 

Horaz  269.  270.  271.  356. 

Horbelt,  J.,  99. 

Hermann,  Heinrich,  250. 

V.  Hombostel,  E.  M.,  301  ff. 

Homemann,  J.  O.  E.,  364. 

V.  Homstein,  Robert,  59. 

Horszowski,  Mlecio,  123. 

Hoesl.  Marie,  186. 

van  Hout  (Bratschist)  125. 

HOvelmann-Tomauer,  Luise,  1 83. 

V.  d.  Hoya,  Amadeo,  253. 

Hoyer,  B.,  99. 

Huber,  Hans,  167.  168. 

Huberman,  Bronislaw,  128. 

Hubert,  Carola,  189.  191.  250. 

Hugo,  Victor,  116. 

Huhn,  Charlotte,  93.  116.  193. 

Hummel,  Job«  Nep.,  124.  165. 

Humperdinck,    Engelbert,   202. 

220.  223.  296.  297.  341. 
Hutter,  Hans,  255. 
Hyde,  J.,  379. 
Itriand,  A.  V.,  73.  8a 
Igumnoff  (Pianist)  191. 
Illing,  Arthur,  119. 
d'Indy,  Vincent,  190.  192.  254. 
Innfelder-Keßler  (Singerin)  190. 
Instrumentalvereinigun^  Nieder- 
rheinische, 183. 
Isler,  Ernst,  168. 
Isouard,  Niccolo,  86. 
Jach  mann- Wagner,  Johanna,  380 

(Bild). 
Jadassohn,  S.,  125.  366. 
Jadlowker,  Hermann,   121.  252. 
Jiger  (Lithograph)  380. 
V.  Jan,  Ludwig  Hermann,  157. 
Janssen,  Max,  125. 
Jaques-Dalcroze,  Emile,  102. 122. 

167. 
Jirosy,  Albert,  187. 
Jaspar,  Maurice,  254. 
Jauei,  Wentzel,  163. 
Jensen,  Adolf,  314.  364. 
Jermolenko  (Singerin)  117. 
Jessen,  Hermana,  189. 
Joachim,  Amalie,  311. 
Joachim,  Joseph,  127.  189.  191. 

194.  250.  251.  252.  253.  257. 

258. 
Jobst  (Singer)  258. 
Johnson  (Singer)  185. 
Jonss,  Ella,  124. 
Josephson,  Walter,  249. 
Josquin  de  Prte  190. 
Jungblnt,  Albert,  126c  195.  252. 

254.  256. 
JOngst,  H.,  255. 
Juon,  Paul,  99. 
Jflttner  (Montreux)  250. 


VI 


NAMENREGISTER 


Kalbeck,  Max,  378. 
Kalinnikow  100. 
Kaliscb,  Paul,  248. 
KalleDsee,  Olga,  115. 
Kammermusikfest,   Darmstidter, 

249. 
Kammermusikvereinigung,     LQ- 

becker,  254. 
Kammermusikvereinigung,  MQn- 

ebener,  250. 
Kammermusikverelnigung,Worm- 

ser,  105. 
Kammermusikvereinigung       fOr 

Blasinstrumente  und    Klavier 

(Hannover)  131. 
Kimpf,  Kall,  00.  100 
Kaempfert,  Anna,  128.  187.  188. 
Kander,  Hugo,  103. 
Kandl,  Eduard,  115. 
Kant,  Immanuel,  236. 
Kanzow,  \7olfgang,  130. 
Kaps,  Robert,  110. 
Karg-Elert,  Sigfrid,  241. 
Karmin,  Fritz,  168. 
Karol  77.  82. 
Käse,  Alfred,  126.  248. 
Kaspar  (Geiger)  105. 
Kastner,  Job.  Georg,  157. 
Kastorski,  \7.,  117. 
Katona,  H.,  186. 
Katzenstein,  Dr.,  101. 
Kauer,  Ferdinand,  80. 
KaufTmann,  Emil,  201. 
Kauffmann,  Fritz,  128. 
Kaufmann,    Hedwig,    183.    185. 

240. 
Kaufmann,  Lotte,  187. 
V.  Kaulbacb,  \7ilhelm,  68. 
Kann,  Hugo,  130.  185. 
Keferstei^  351. 
Keldorfer,  Marie,  126. 
Keller,    GottfHed,  63.  08.  100. 

168.  211.  378. 
Kellmann  (Danzig)  185. 
Kemp,  Barbara,  114. 
Kempter,  Lotbar,  124.  167. 
Kerll,  Kaspar,  313. 
Kes,  Willem,  252.  253. 
Kettling,  Else,  105.  252. 
Kiebitz,  €.,  105. 
Kiefer,  Heinrieb,  187.  255. 
Kiel,    Friedrieb,  188    201.  324. 
Kienzl,  Wilbelm,  103.  220. 
Kiesel,  Helene,  125. 
Kiesewetter,  R.  G.,  301. 
Kietz,  E.  B.,  55. 
Kilian,  Theodor,  255. 
Kinkel,  Gottfried,  63. 
Kircbl,  Adolf,  251. 
Kirchner  (Komponist)  251. 
Kirn  berger,  Job.  Ph.,  313. 
Kirsch,  Hedwig,  186. 
Kitamura,  S.,  303. 
Kittel,  Hermine,  280. 


Klanert,  Kari,  188. 

Kleemann,  Carl,  115. 

V.  Kleist,  Heinrich,  61. 

V.  Klenau,  Paul,  07. 

Kiengel,  Julius,  188.  366. 

Kliebert,  Kari,  105. 

KlOpfel,  F.,  131. 

Klopstock  76. 

Klose,  Friedrich,  05.06. 127. 168. 

Kloß,  Erich,  58.  61.  62. 

Klossegk-Mflller,  Luise,  105. 

Klotz,  Anna,  258. 

Kluge,  Margarete,  186. 

Klughardt,  August,  125.  186. 

Knauerj  Georg,  255. 

Kneisel-Quartett  124. 

Knorr,  Hilmar,  31.  36.  30. 

Knudsen,  Henrik,  189. 

KnQpfer,  Paul,  114.  188.  248. 

Koboth,  Irma,  130.  378. 

Koch,  F.  E.,  101. 

Koch,  Max,  14. 

Koch,  Dr.,  251. 

Koch,  Geschwister,  124. 

Kochanski,  \7.,  128. 

V.  KOchel,    Ludwig  Ritter,  124. 

328. 
KOchly,  Hermann,  63. 
V.   Koczalski,   Raoul,   123.  250. 

257. 
Kogel,  G.  F.,  131. 
Koegel,  Martin,  377. 
Kohmann,  Anton,  124.  130.  186. 

188. 
KOlbing,  Eugen,  65. 
Kolkmeyer,  H.,  124. 
Komauer,  Edwin,  180. 
Koenen,  Tilly,  180.  253. 
V.  KOnigslOw,  O.,  202. 
KOnigstorfer,  Fri ,  253. 
KOnigswirtber,  Moriz,  80.  82. 
KOnigswerth,  Fanny,  70. 
Koennecke,  Richard,  251. 
Kopf,  Max,  187. 
Kopiske,  Lydia,  183. 
Körten,  E.,  186. 
Kosleck,  Julius,  165. 
Kossow,  Dr.,  102. 
Koester  (FlOtist)  185. 
Kothe,  Robert,  131.  253.  254. 
Kozeluch,  Anton,  164. 
Krasselt,  Alfred,  185.  252. 
Krasselt,  R.,  182.  185. 
V.  Kraus,  Felix,  122.  186.  250. 

251.  253.  257.  287. 
V.  KrauS'Osbome,  Adrienne,  186. 

251.  257.  280. 
KrauOe,  F.,  105. 
Krebs,  Kari,  362. 
Kreisler,  Fritz,  126.  251.  257. 
Kreisler,  Lotte,  183.  250. 
Kremser,  Eduard,  100. 
Kremser,  G.,  100. 
Kretzschmar,  Hermann,  103. 234. 


Kreutzer,  Conradin,  193. 
Kriehuber,  Josef,  380. 
Kroemer,  Hugo,  185. 
Kroemer,  Richard,  185. 
Krone,  Walter,  172. 
Kronen,  Franz,  115.  255. 
Krug-Waldsee,  Josef,  98. 
Krull,  Annie,  114.  119. 
Kruse,  Wilhelm,  186. 
Kugler,  Franz,  351. 
Kahling,  Willy,  183. 
Kubnau,  Johann,  300.  313.  334  fr 

(Alte    Meister    des    Klaviers. 

I.:  J.  K.).  380  (Bild). 
Kulenkampff,  Gustav,  102. 
KuUak,  Theodor,  324  (Bild). 
Kun,  Ladislaus,  184. 
Kunhardt,  D.,  226.  227. 
Kunwald,  Ernst,  90. 
Kuper,  Emil,  190.  248. 
Kurtscholz,  Georg,  116. 
Kurz,  Hermann,  66. 
Kutzschbach,  Hermann,  129.193. 
Kutscherra,  Elise,  190. 
Kwast-Hodapp,  Frieda,  249. 
Kyoyeki  303. 
Laeisz,  Heinrich,  132. 
LagerlOf,  Selma,  99. 
Lalo,  Edouard,  130.  187.  366. 
Lalo,  Pierre,  117. 
Lambrino,  Telemaque,  190. 
Lammen,  Mientje,  97.  98.  99. 

256.  257. 
Lamond,  Frederic,  123.  127. 185. 

195.  251. 
Lamoureux-Orchester  192. 
Lamprecht,  Kari,  202. 
Lang,  Karl,  193. 
de  Lange,  Samuel,  130. 
Lassen,  Eduard,  120. 
Lasso  190. 
Latour«  Fantin,  309. 
Lattermann,  Theodor,  114. 
Lattmann  (Landgerichtsrat)  102. 
Lauber  168.  169. 
Lazarus,  Glta,  184. 
Leander,  Richard,  324. 
Lebeil,  Ludwig,  128. 
Lederer,  Richard,  99. 
Lederer  (Sänger)  128. 
Lederer- Prina,  Felix,    114.  183. 

191. 
LefTler-Burckard,    Martha,  248. 

287.  290. 
Lehir,  Franz,  1 15. 130.  253. 297. 
Lehmann,    Lilli,    31fr  und  87fr 

(Einiges    Ober    »Tristan    und 

Isolde*.    Angeregt   durch   L. 

L.'s  Studie  zu  «Tristan  und 

Isolde-.)  250. 
Lehrergesangverein,    Barmer, 

183. 
Lehrergesangverein ,  Berliner, 

254. 


NAMENREGISTER 


VII 


Lehrersesangverein ,     GOrlitzer, 

251. 
Lehrergesangverein,  KOnigs- 

hOtter,  256. 
Lehrergesangverein ,     Lübecker, 

254. 
Lehrergesangverein,  Osna- 

brflcker,  256. 
Lehrer-   und  Lehrerinnen-Chor, 

Mflnchner,  254.  255. 
Leimer,  August,  187. 
Lekeu,  Guillaume,  254. 
Lenau,  Nikolaus,  168.  352. 
V.  Lenbacb,  Franz,  55.  60. 
v.  Lenz,  \7ilhelm,  364.  365. 
Leo,  Maria,  102. 
Leoncavallo,  Ruggiero,  207. 
Leroux,  Xavier,  116. 
Leschetizki,  Theodor,  126. 
LeOmann,  Eva,  240.  250. 
Leucht  (Cellist)  105. 
L^vy,  Lazare,  102. 
Leydhecker,  Agnes,  185.  254. 
Lichey,  R.,  314. 
Lichtenberg,  Emil,  184. 
Lichtenberger,  Henri,  16. 
Lichtenstein  65. 
Lichtwark,  Karl,  254. 
Liedertafel,     Deutsche     (Ant- 
werpen), 183. 
Liepe,  Emil,  250. 
van  Lier,  Jacques,  102. 
Lietzmann,  Kurt,  185. 
V.  Liliencron,  Detlev,  100. 
Lilienthal,  Herbert,  183. 
Lindner,  Joh.,  55. 
Lippi,  Filippino,  380  (Bild). 
Lipps,  Theodor,  172.  202. 
Liszewsky,  Tillman,  183.  248. 
Liszt,  Franz,  63.  100.  114.  115. 

122.  123.  124.  125.  126.  127. 

128.  130.  131.  147.  175.  185 

186.  187.  180.  100.  101.  103 

104.  105.  212.  220.  236.  240. 

250.  251.  252.  253.  254.  255. 

256.  257.  258.  250.  328  331. 

332.  341.  343.  345.  380. 
Litolff,  Henry,  132  (Bild). 
Ljadow,  Anatol,  120. 
Lobpreiß,  Joseph,  163. 
Locatelli,  Pietro,  254. 
Lob  fing,  Max,  122. 
Lohse,  Otto,  116.  248. 
Loomis,  H.  W.,  174. 
Lorentz,  Alfred,   115.  127.  251. 

257. 
Lorenz,  C  Ad.,  103. 
Loritz,  Josef,  240. 
Lortzing,  Albert,  115}  220.  248. 
Löschhom,  Albert,  201. 
UVseth  65. 
Lotto,  Lorenzo,  380. 
Louis,  Rudolf,  16.  332. 
Loewe,Carl,  126.  156.  104.  105. 


263flr(C.  L.'sChorgesinge  welt- 
lichen Inhalts.  I).  324  (Bild). 
345  er  (C.  L.'s  Chorgesinge 
weltlichen  Inhalts.    Schluß). 

Lowe,  Ferdinand,  182.  255. 

LoewenboflT  (Pianistin)  128. 

v.  Lflbke  256. 

Lucas  26. 

Ludikar,  Paul,  121. 

Ludwig  r,  GroOherzog  v.  Hessen, 
77.  78.  70.  80.  81. 

Ludwig  IL,  KOnig,  60. 

Ludwig  XV.,  KOnig  v.  Frank- 
reich, 116. 

Ludwig  XVI.,  König  v.  Frank- 
reich, 164. 

Ludwig  XVIIf.,  KOnig  v.  Frank- 
reich, 86. 

Ludwig,  Hermann,  157. 

Luiek,  Fery,  180. 

Luther,  Martin,  341.  362. 

Lutter,  Heinrich,  186.  256. 

V.  Lattgendorflr,  \7.  L.,  362. 

Mac  Dowell  siehe  unter  Dowell. 

Mahlendorfr,   Bernbardine,   110. 

Mahler,  Gustav,  117.  118.  104. 
251.  258. 

Maier,  L.,  255. 

MaiUart,  Aim6,  248. 

Maison,  Fri.  (Pianistin),  254. 

V.  Maixdorflr,  Carl,  114. 

Major,  Carl,  131. 

Malherbe  (Singer)  254. 

Mii^ei,  J.  N.,  77.  82.  83.  84. 

Man6n,  Joan,  183.  187.  103. 

Manker,  Franz,  163. 

Mann,  Bruno,  126. 

Mann,  Eduard,  250. 

Minnerchor,  Barmer,  183. 

Minnerchor,  Zflrcher,  102. 

Minnergesangverein,  Kölner, 
183.  100. 

Mannscbedel  (Pianist)  255. 

Mansfeld,  Max,  114. 

Manskopf,  N.,  55. 

Marbacb  66. 

Maria  Stuart  363. 

Mariquita  (Balletmeisterin)  117. 

Marpurg,  F.  W.,  313. 

Marschner,   Heinrich,  221.  331. 

Marsick  (Komponist)  254. 

Marsop,  Paul,  05.  378. 

Marteau,  Henri,  08.  00.  127.  131. 
168.  160.  187.  102.  103.  104. 
240.  251.  253.  256. 

Marteau-Quartett  256. 

Martens  102. 

Martin,  Emma,  123. 

Martini,  Padre,  123. 

Marx,  Ad.  B.,  270.  324.  361. 

Marx-Goldschmidt,  Berthe,  123. 
180.  102.  103.  257.  250. 

Mascagni,  Pietro,  116.  227.  206. 
207. 


Maschke,  Ernst,  188. 

Massenet,  Jules,  116.  127.  130. 
221.  258.  370. 

Maeterlinck,  Maurice,  248. 

Matthay,  Tobias,  300.  310. 

Mattheson,  Johann,  336. 

Maurick,  Ludwig,  114.  186. 

Mawet  (Komponist)  130.  254. 

Mayer,  R.,  188. 

Mayer-Mahr,  Moritz,  102.  127. 
250.  257. 

MayerhoflT,  Franz,  126.  103. 

Mayr,  Richard,  287.  200. 

Mayrberger,  Carl,  328. 

Meinke,  A.  W.,  258. 

Meißner,  Gertrud,  251. 

Meister,  Ludwig,  188.  255.  256. 

Meitschik,  M.,  100.  101. 

Melville,  Marguerite,  128. 

Melzer,  Josef,  125. 

Mendel,  Hermann,  74. 

Mendelssohn,  Arnold,  100  CT  (A. 
M.).  240,  260  (Bilder). 

Mendelssohn,  Luise,  200. 

Mendelssohn,  Moses,  100. 

Mendelssohn,  Wilhelm,  200. 

Mendelssohn-Bartholdy,  Felix, 
105.  123.  125.  126.  131.  183. 
100.  102.  105.  100.  206.250. 
254.  257.  275.  357.  358. 

Menn,  Albert,  256. 

Mennicke,  Carl,  103. 

Menzel,  Adolph,  68. 

Merkel,  K.  L.,  104. 

Mertens,  Meta,  128. 

Messchaert,  Jobannes,  101.  102. 

Metzger,  Oscar,  250. 

Metzger- Froitzheim,  Ottilie,  120. 
248.  251. 

Mey,  Kurt,  58. 

Meyer,  Albert,  168. 

Meyer,  C.  F.,  63.  240. 

Meyer,  Hedwig,  180. 

Meyer,  Heinrich,  124. 

Meyer-OIbersleben,  Max,  1 05. 
256. 

Meyerbeer,  Giacomo,  51.  54. 
71  er  (Briefe  M.s  an  Gott- 
fried Weber  aus  den  Jahren 
1811—1815,  1833  und  1837). 
116.  117.  126.  132.  155flr 
(Briefe  M.s  an  Gottfried  Weber 
usw.  Schluß). 

Manch,  Ernst,  130. 

Manch,  Martha,  105. 

Mflnchhoflr,  Mary,  251. 

Munzinger,  Karl,  168. 

Muret,  Emest,  65. 

Musikverein,   Pforzheimer,  257. 

Musikvereins-Quartett  (Klagen- 
furt) 188. 

Mysz-Gmeiner,  Lula,  124.  120. 
184.  188. 

Meyrowitz,  Selmar,  182. 


VIII 


NAMENREGISTER 


Michalek,  Iranz,  180. 
Michel,  Fr.,  65. 
Michelangelo  284. 
Middelschulte,  Wilhelm,  126. 
Mikorey,  Franz,  186. 
V.  Milde,  R.,  114.  187. 
Miller,  William,  186. 
Mitau,  Margarete,  195. 
Mittmann,  Paul,  188. 
MObius,  Dr.,  101. 
MOhl-Knabl,  M.,  240. 
V.  Mojsisovics,  Roderich,  00. 
Moke,  Camilla,  308. 
Moliire  227. 
Moleschott,  Jakob,  63. 
Mollath,  Emmy,  186. 
Mommsen,  Theodor,  63. 
Moor,  Emanuel,    168.    160.  377 

(«Hochzeitsglocken*.     Urauf- 
führung in  Kassel). 
Morati,  A.,  248. 
Morena,  Herta,  117. 
MOrike,  Eduard  (Kapellmeister), 

115. 
Moers,  Andreas,  115. 
Mors,  Richard,  120. 
Morsch,  Anna,  102. 
Moscheies,  Ignaz,  324.  380. 
Mosel,     Ignaz    Franz,    82.    83. 

85    86. 
Moest,  Rudolf,  248. 
Moszkowski,  Moriz,  324. 
da  Motta,  Jos6  Vianna,  380. 
de    la    Motte-Fouqu6,    Friedrich 

Frhr.,  13. 18.  10.  21.22.23.26. 
Moth,  K.,  123. 
Mottl,  Felix,  05.  06.  07.  100.  1 14. 

123.  248.  255.  258.  288.  342. 

378.  370. 
Moussorgsky,  Modeste,  116.  117. 

173.  100. 
Mozart,    W.  A.,    52.    114.    117. 

110.  122.  123.  124.  125.  126. 

131.  185.  186.  187.  188.  180. 

101.  102.  103.  104.203.215. 

216.  220.  222.  240.  250.  251. 

252.  253.  254.  256.  258.  300. 

328.  320.  330.  331.  332.  366. 

378. 
Mozartorchester,   Berliner,    1 03. 
Mozart-Verein  (Darmstadt)  240. 
Muck,    Carl,     124.    126.    287. 

288 
Mahlfeld,  Richard,  252. 
Maller,  Adolf,  124.  103. 
Mailer,  Adolf  (Frankfürt  a.  M.), 

120. 
Mailer,  Carl,  287. 
Mailer,  C.  H.,  65. 
V.  Malier,  Friedrich,  327. 
Mailer,  Jean,  110. 
Mailer,  Karl,  120. 
Maller,  M.,  101. 
Mailer,  Paul,  124. 


Mailer,  Wenzel,  172. 
Mailer-Brunow  104.  105. 
Mailer-Reichel,  Therese,  254. 
Mailer-Reuter,  Theodor,  180. 
Mailerhartung,  Carl,  314. 
Nagel,  Albine,  251. 
Nagel,  Wilibald,  260. 
Napoleon  I.  86. 
Narbutt-Hryschkewitsch,      Jos., 

100. 
Nast,  Minnie,  122.  126.  248. 
Naumann,  Otto,  128. 
Naus,  Leo,  223.  224.  226. 
de  Neergaard,  Brun,  180. 
Nef,  Karl,  380. 
Neitzel,  Otto,  184.  187.  324. 
Neldel,  Carl,  248. 
Neubeck,  Kithe,  114. 
Neugebauer-Ravoth,  Kithe,  186. 

187. 
Neuhold,  Peter,  162.  163. 
V.  Neukomm,  S.,  164. 
Neumann,     Angelo,     182.    106 

(Bild).  221. 
Neumeister,  Martha,  258. 
Nichelmann,  Christoph,  313. 
Nichols,  Agnes,  100. 
Nicod6,  J.    L.,    125.    126.    101. 

104. 
Nicolo  (s.  Isouard)  86. 
Niedermann,  Gustav,  168. 
Nielsen,  Kari,  180. 
Niemann,  Rudolph,  364. 
Niemann,  Walter,  313.  334. 
Niepel,  E.,  183. 
Niepen,  Wilhelm,  101. 
Nietzsche,  Friedrich,  50.  60.  08. 

135.  286. 
Niggli,  Fritz,  131. 
Nikisch,  Arthur,  124.   130.  100. 

248. 
NoC,  Otto,  187. 
Nolte  (Musikdirektor)  183. 
Novak,  W.,  366. 
de  la  Nux  221. 
Obrist,  Aloys,  07.  130. 
Ockert,  Otto,  114. 
Offenbach,  Jacques,  115.  258. 
Oley,  R.,  131. 
Ontrop  (Dirigent)  183. 
Oppermann,  Frl.  (Singerin),  256. 
Orchester,  Städtisches  (Barmen), 

186. 
Orchester      des      Zoologischen 

Gartens  (Frankfurt)   187. 
V.  Othegraven,  August,  240.  251. 

256. 
Ottenheimer,  Paul,  182. 
Ottho,  W.,  100. 
Otto,  Anton,  115. 
Otto,  Georg,   186. 
Pachelbel,  Joh.,  180. 
V.    Fachmann,    Wladimir ,    106 

(Bild). 


Paderewski,    Ignaz,     126.    257. 

312.  313. 
Paganini,  Nicolo,  314. 
Palestrina  100.  201. 
Panthis,  Marie,  160. 
Panzner,  Karl,  124. 
Parent,  Armand,  102. 
Paris,  Gaston,  65. 
Paris,  Heinrich,  150. 
Parlow,  Kathleen,  120. 
Pisler,  Kari,  334. 
Passow-Vogt,  Helene,  180. 
V.  Paszthory,  Palma,  253. 
Patti,  Adelina,  118. 
Paul  (Veriag)  350. 
Pauli,  Max,  248. 
Paulsen,  J.,  100. 
Paur,  Emil,  126.   127. 
Paus,  Karl,  240. 
Pellegrin,  Abb«,  116, 
Pembaur  (Pianistin)  187. 
Pennarini,  Alois,  182.  180.  102. 
V.  Perfall,  Kari  Frhr,  125. 
Pergolese,  G.  B.,  56. 
Perron,  Carl,  115.  100. 
Peteani,  Eugen,  253. 
Peters,  C.  F.,  76. 
Peters,  M.,  lOO.  258. 
Peters  (Dirigent)  370. 
Peterson-Berger,  Wilhelm,  364. 
Petrenko  (Singerin)  117. 
Petri,  Henri,  251. 
Petry,  Ad.,  250. 
Petschnlkoff,     Alexander,     184. 

186.  250. 
Pfannstiehl,  Bernhard,  126. 
PfeiflTer,  August,  103. 
Pfeilschneider,  Hertha,  110. 
Pfltzner,   Hans,   130.  252.  253. 

258.  366.  368. 
V.  Pfuel,  General,  346. 
Pfund  (Singer)  253. 
Philharmonisches    Orchester, 

Berliner,  186.  250. 
Philharmonisches    Orchester, 

(Narnberg)  123. 
Philipp,  L.,  258. 
Philipp  85. 
Philippi,  Maria,  160.  183.   186. 

252.  253. 
Pick,  Adolf,  123. 
Piening,  C,  101.  251. 
Piern6,  Gabriel,  126.  120.  184. 

185.  180.  105.  258. 
Pindar  355. 
Pinks,  Emil,  125.  103. 
Pirro,  Andr6,  235. 
Pitionl,  G.  A.,  258. 
Plaichinger,  Thila,  115. 
Plamondon   (Singer)    117.  254. 
Planck,  Fritz,  287. 
Plantade,  Ch.  H.,  86. 
Planta,  Francis,  238. 
Plaschke,  Friedrich,  182.  IM. 


NAMENREGISTER 


V.  Platen,  August  Graf,  06. 

Playfair,  Elsie,  123. 

Pleyel,  Ignaz,  80. 

Plflddemann,  Martin,  278. 

Pohl,  Richard,  59. 

Pohle,  Max,  125. 

Polak,  A.  J.,  301fr. 

Poldinl,  Eduard,  364. 

Polo-Quartett  100. 

Ponchielll,  Amilcare,  125.  370. 

Popper,  David,  184. 

Porges,  \7alter,  188. 

Porpora,  Nicolo,  254. 

POrsken,  Adolf,  256. 

la  Porte,  Walter,  186. 

V.  Possart,  Ernst,  188.  251.  254. 

250. 
Post,  Arthur,  120. 
Pottgießer,  Karl,  00. 
Praeger,  Ferdinand,  50.  63.  64. 
Preuse-Matzenauer,     Margarete, 

05.  06.  114.  121.  255.  378. 
Price  65. 

Prins,  Henry,  126. 
Prod'homme,  J.-G.,  56. 306.  300. 
Pron,  Rudolf,  114. 
Pucdni,  Giacomo,  1 14.  1 16.  1 18. 

110.    132    (Bild).     182.    221. 

248.  207.  208.  300. 
Quartettvereinigung,  Frankfurter, 

105^ 
Qu6s,  €.,  248. 
Raabe,  Peter,  120.  183. 
Raabe,  Wilhelm,  61. 
Rabicb,  Ernst,  251. 
RachmaninoflT,  Sergei,  102. 
Racine,  J.-B.,  116. 
Radoux,  Charles,  254. 
Radoux,  Th,  125. 
Raff,  Joachim,  125.  120.  366. 
Rahn,  Klara,  240. 
Raimund,  Ferdinand,  173.  227. 
Rains,  Lten,  114.  100. 
Ramann,  Lina,  332. 
Rameau,  J.-B.,  1 16. 1 17. 180. 102. 
V.  d.  Rappe  258. 
Raupacb,  Ernst,  233.  275.  361. 
Rauter  (Klagenfürt)  188. 
Raven,  Theo,  115. 
Raway  254. 
Rebbert,  Otto,  183. 
Rebhun,  E.,  126. 
Rebikoff,  W.,  126. 
Rebner,  Adolf,  187.  253. 
Rebner-Quartett  123. 
Reger,  Max,  51.  122.  123.  124. 

125.   126.  127.  128.  131.  167. 

168.   183.  184.  185.  186.  100. 

103.  104.  241.  240.  250.  252. 

253.  255.  200.  313.  314.  366. 
Rehberg,  Willy,  122.  160. 
RehfüO  75. 
Reichs,  Anton,  85. 
Reichardt,  Joh.  Fr.,  76.  187. 


Reichardt,  L.,  187. 
Reichert,  Johannes,  104. 
Reifner,  Vincenz,  104. 
Reimers,  Paul,  250.  251. 
Reinecke,  Carl,  251.  258.  366. 
Reisenauer,  Alfred,  127. 
Reiß,  Albert,  248. 
Reiter,  Josef,  125.  253. 
Rellsub,  Joh.  K.  Fr.,  74. 
Rembrandt  357. 
Rendsburg  (Cellist)  202. 
van  Rennes,  Catharina,  176. 
Reubke,  Otto,  188. 
Reuß-Beice,  Luise,  1 14. 1 15.  280. 
V.  Reuter,  Florizel,  183. 
Rheinberger,  Joseph,  184.  251. 

314. 
Ribera,  Antonio,  62. 
Richard,  August,  183. 
Ricbardi,  Richard,  115. 
Richards,  Max,  115. 
Richter,  Eugen,  126. 
Richter,  Hans,  200. 
Richter,  Philipp,  163. 
Richter,  Willibald,  100. 
Richter  (Klagenfurt)  188. 
Rickborn  126. 
Rider,  Cornelia,  251. 
Rief-Kiß  (Singerin)  188. 
Riemann,  Hugo,  103.  147.  140. 

185.  106.  100.  284.  312. 
Riemann,  Ludwig,  301.  302.  304. 
Ries  &  Erler  206.  208.  211. 
RieO,  Adele,  105. 
Rieter-Biedermann  206.  207. 
Rietz,  Julius,  380. 
Rimsky-Korssakow,  Nicolai,  117. 

125.  120.  100.  248. 
Risler,  Edouard,  123.  102.  253. 
Ritter,  Alexander,  186.  344. 
Ritter,  F.,  252. 
Rizzio,  David,  363. 
ROber,  Friedrich,  66. 
Robertson,  Charles,  126. 
Rochlitz,  Job.  Fr.,  75.  83. 
Rocke-Heindl,  Anna,  120. 
R6ckel,  August,  54. 
Rode,  Mina,  250. 
Roeder  102. 
Rodin,  Auguste,  312. 
Rohde,  Magdalene,  258. 
ROhl,  Kithe,  183. 
Röhmeyer,  Theodor,  257. 
Röhr,  Hugo,  370. 
Romanowsky  (Pianist)  130. 
Roosevelt,  Theodore,  118. 
Ros6-Quartett  254. 
Rosegger,  Peter,  311. 
Rosenmalier,  J.,  335.  336. 
Rosenthal,  Moriz,  102. 
ROsler,  Franz,  180. 
V.  Roessel,  Anatol,  187. 
Rossi,  Frau  (Singerin),  254. 
Rossini,  Gioachino,  51. 


Rost,  Carl,  180. 
Rotbauer,  Max,  188. 
ROthig-Quartett  250. 
ROttiger  65. 

Rousseau,  J.-J.,  160.  327. 
Roussel,  A.,   125. 
Rözycki,  Ludomir,  127. 
Rubens,  P.  P.,  312. 
Rubinstein,  Anton,  101.240.254. 

342.  363.  366. 
Rubinstein,  Nikolai,  106. 
RQckbeil,  Hugo,  130.  131. 
Rackert,  Friedrich,  273.274.275. 

282.  311. 
Rudel,  Hugo,  287. 
Ruederer,  Josef,  378. 
Rudorff,  Ernst,  210. 
Rafer,  Philipp,  254. 
Ruegger,  Elsa,  254.  257. 
Ruhlmann  (Kapellmeister)  117. 
Rumpf,  F.,  132. 
Runze,  Maximilian,  272. 274. 340. 

357. 
Rupp,  Erwin,  130. 
Rupprecbt,  E.,  125. 
Rfiscbe-Endorf,  Cicilie,  183.200. 
Rastow,  W.  Fr.,  63. 
Ratger  77.  80. 
Ruthardt,  Adolf,  364. 
Rfltzel,  Michael,  67. 
Rychnovsky,  Ernst,  260. 
Saar,  L.  V.,  366. 
Saatweber-Schlieper,  Ellen,  160. 
Sacchetto,  RiU,  114. 
Sachnowski,  J.,  100. 
Sachs,  Hans,  66.  311. 
Sachs  (Komponist)  126. 
Sachse- Friedel,  Rosa,  114. 
Sageblel,  Fr.,  252. 
Saint-Cricq,  Caroline,  332. 
Saint-Sa€ns,  Camille,   123.  125. 

183.  187.  100.  101.  102.  221. 

238.  254.  258.  304.  366. 
Samhaber,  E.,  253. 
Singerhain  (Oberbannen)  183. 
Santarelli  (Singerin)  116. 
Saraceni,  Carlo,  380  (Bild), 
de  Sarasate,    Pablo,    123.   180. 

100.  102.  103.  257.  250. 
Sardou,  Victorien,  311. 
del  Sarto,  Andrea,  312. 
Sartori  16. 
Saß,  Arthur,  257. 
Sauer,  Emil,  125.  254. 
Sauer,  Wilhelm,  252. 
Sauret,  fimile,  123. 
de  Sauset,  Th.,  186. 
Saville,  Willi,   115. 
Saxe,  Hilda,  120. 
Scarlatti,  Alessandro,  336. 
Scarlatti,  Domenico,  313.  314. 
SchablaO,  Theodor,  1 10(,LeoD''. 

UrauffQhrung  in  Gablonz.) 
Schade,  Curt,  126. 


NAMENREGISTER 


Schadow,  Goitfriod,  312. 
ScbUbr,  JobMnea,  101. 
Scbal)apio,  Feodor,  117. 
Schalk,  Franz,  131. 
Schanze  (Mualkdlretlor)   193. 
Schtper,  Friedrich,  312. 
Scharvenka,  Philipp,  324. 
Scbarvcnka,  Xaver,  254.  324. 
Scbamchneider,  A.,  183. 
Schauer- Bercmann,  Martha,  1B3. 

251. 
SchefTei,  J.  V.,  311. 
Scbeffer,  Riebard,  193. 
Scbeffler,  Job.,  207. 
vom  Scbeldi,  Seims,  187. 
Sclicinpflug,  Paul,     24. 
Schdble.  Joh.  Nep.   155. 
Schelle,  Hcnrieite,  ISS. 
SchellloE,  Erneat,  97. 
Sclielper,  Otto,  91. 
Schenk,  Georg,   119. 
Scherber,   Ferdinand,   298.  200. 
Scberrcr,  H.,  99. 
SchUanedcr,  Emaouel,  173. 
Schlkaneder,  Karl,  173. 
Scbliler,  .Friedrich,  4.  fll.  103. 

209.  215.  258.  275.  31 1.  340. 

350.  361. 
SchllilnEa,    Max,   05.    08.   07. 

129.  182.  240.  251.  258.  307. 

377. 
Scblodter,  Kurt,  100. 
SchladlOcker,  Michael,   163. 
Scblnk,  Airred,    2Z. 
Scfainkel,  K.  Fr.,  312. 
Scbirow,  Marie,  186. 
Schkolntck,  Atjoacbi,  253.  254. 
Schlegel,  A.  V.,  312. 
Schlegel,  Friedrich,  312. 
Schle$ingcrschc   Musikbandluag 

58.  227.  349.  351.  350. 
Schmalz,  Auguste,  74. 
Scbmedea,  Erik.  114. 
ScbmeiOer,  Enieat,  188. 
Schmid,  Otto,  241. 
Scfamld,  Richard,  101. 
Scbmld-Llndner,  Auguat,  00. 124. 

104.  250. 
Schmidt,  Eroit,  240. 
Schmidt,  Felix,  254. 
Schmidt  (Zwickau)  258. 
Schmldt-Canther,  Rom,  110. 
Schmidt-Reinecke.  H.,  256. 
Scbmiedel,  Ona,  50.  60. 
Schmitt,  Aloya,  28.  30. 
SchnlH,  Julius,  103. 
Schnabel,  Anur,   124.   125.   127. 

251.  257.  258. 
Schnabel   Behr,    Thereae;     125. 

251.  256. 
Schaecgaoa,  Ludwig,  66. 
Scbatevolgt,  Sigrid,  250. 
ScbDelder,  Eliaabeth,  120. 
Scboaider,  Friedrich,  157. 


Schneider,  Saacba,  312. 
Scholuer,  Germalne,  127. 
SchoBck,  Oihmar,  168. 
Scholinder,  Sven,  250. 
SchOnberger  84. 
SchSnberger,  Johanna,   ISO. 
Scbönholtz  (Singerin)   130. 
Schopenhauer,  Arthur,  52.  SO. 
Scbott's   Sohne,    B,    158.    207. 

223.  2Zä.  275. 
Schreck,  Gustav,    125. 
V    Schreiber.  A,    74. 
Schreiber,  Arthur,   126. 
Schreiber,  Felix,  115. 
Schreiber,  Frida,  190. 
Scbroeder,  Alwin,   124. 
Schroeder,  Otto,   131. 
5<:hubert,Fr>ni,g3. 123. 124.125. 

126.  130.  182.  185.  186.  187> 
188.  101.  192.203.  210.  212. 
239.  250.  251,  252.  254.  256. 
257.  258.  263.  275.  354.  306. 
379. 

V.  Scbucb,  Eraat,  182.  227. 
ScbOler,  Hedwig,  258. 
Schulz,  H.,  103. 
Schuli,  J.  A.  P.,  187. 
Schulze-Prisca,  Walter,   101. 
Schumann,  Clara,  380. 
Schumann,    Georg,     123.     124. 

127.  185.  104.240.254.256. 
Schumann,     Robert,     00.     123. 

124.   125.   126.  129.  130.  183. 

185.   188.   191.  102.  103.  104. 

203.  221.  239.  240.  250.  251. 

252.  254.  256.  257.  258.  250. 

263.  307.  328.  342.  306.  367. 

379. 
Schumann- Trio  249. 
Scliumann-Hdnk,EraMtine,l85. 

289. 
ScbOnemaBo,  Elae,  99.  187.  189. 

253. 
Schuster,  Margarete,  377. 
Schuster  &  LoelTler  63. 
Schott,  Eduard,  258. 
ScbOtz,  Heinrieb,  201.  203.  206. 

207. 
Schfltzcndorr-Bellividi,      Allbas, 

287.  289. 
Schwab,  K.  J.,  131. 
Schwabe,  Carl,  254. 
Schwarz,  Josef,  183. 
Schwan  77.  185. 
Schweitzer,    Alben,    200.    234. 

235. 
Schwkkeraib,     Eberhard,     122. 

123. 
Schwidewskl,  Eugen,  185. 
Scott,  Vaiter,  85. 
Scottl  (SlDger)   117. 
Scrlbe,  Engtne,  86.  117. 
Seebe,  Cbariotte,  250. 
Seemann  Nachf.  147. 


Seguin  (Singer)  254. 

Seiht,  Georg,  126. 

Seldl,  Anbur,  236.  237. 

Seiffen,  Max,  333. 

Seklea,  Bernhard,  ISO.  240. 

Selmer,  Job.,  126. 

Seiva,  Blanche,  100. 

Semper,  Man^d,  60.  61. 

Semper,  Otto,  186. 

Senger  (Danzlg)   185. 

Sealus,  Felix,  123.  128. 185.  103. 

253. 
Sevilk-Quanett   102.  257. 
Seydel,  Dr.,   102. 
Serfhrdt,  E.  H.,  126.  130. 
Sgambati,  Giovanni,  128.  120. 

257. 
Shakespeare,  Vllllaro,  57.  308. 
Sbcdlock  334. 

Sibcllus.Jcan,  128. 130.251.368. 
Sibor.  B..   191- 

Sleglltz,  Georg,  248.  378.  370. 
Slcms,  Margarete,  126.  183. 
Sucher,  Friedrich,  192. 
Sileatus,  Aagelua,  240. 
Silotl,  Alexander.  100. 
Stmmank,  J.,  25Ö. 
Simons,  Rainer,  120.  122. 
Slmrock,  Karl,  66. 
Sinding,  Chriatlan,  185. 187.254. 

256. 
Sinigaglla,  Leone,  101.  * 
Sittard,  Alfted,  188.  314. 
I  SlOgrcn,  Emil,  364. 
■  Skalit/ky,  Ernsi,   124. 
Skarbek,  Pelagla  Crlfio,  102. 
I  Skrjabin,  Alexander,  120. 
Skrjabin,  Frau,  l20. 
Sleiak,  Leo,  182.  ISS.  248.  253. 
Smetsna,  Friedrich,  129. 185. 188. 

192.  251.  253.  256.  258.  366. 
Smirnow  (Singer)   117. 
Smith,  David  H.,   124. 
Smithson,  Harrict,  308.  300. 
Smolian,  Arthur      47. 
Srauldcrs,  Carl,  254. 
Sohantki  (Kapellmeister)  188. 
SoclAC  de  concerts  d'Iaatrumenn 

ancieos  128.  187.  257. 
Sokotorr  (Pianist)   ISS. 
Sokolowskv,  R..   13. 
Soldat- Roeger,  Marie,  252. 
SolotjrcfT.  "OC.,   190. 
Sommer,  Haas,  250. 
Son,  Henry,   186. 
Soomer,  Wallher,  1 14.  1 15.  122. 

251    258.  289 
V.  Speidel,  Frhr.,  05. 
Sp«aec>,  Julius,  253. 
Spiel  mann,  Leopold.  184. 
Spies,  Hermine,  311. 
Spinelli,  Nicola,  297. 
Spina,  Philipp,  234.  235.  340. 
Spitteler,  Karl,  96. 


NAMENREGISTER 


XI 


Spohr,   Ludwig»  126.  150.  328. 

329.  330.  331.  332. 
SpontinI,  Gaspaixs  76.  221.  357. 
Spörry,  H.,  188. 
Spreni^  Frl.,  102. 
Stadtegser,  Jnlie,  100. 
Städtische  Kapelle  (Krefeld)  180. 

101. 
Stadttheaterorchester,  Rostocker, 

114. 
Staesemaon,  Helene,    127.  253. 

254. 
Stagl,  Gusti,  121. 
Stahl,  Fritz,  56. 
Stamitz,  Karl,  103. 
Stapelfeldt,  Martha,  104. 
Starke,  G.,  250. 
Stassen,  Franz,  58. 
Stebel,  Paula,  254. 
Steigerwald,  Kite,  126. 
Stein,  Bruno,  183. 
Stein,  Fritz,  251.  252. 
Stein,  Lola,  114. 
Steinbach,  Emil,  128. 
Steinbach,  Fritz,  248.  250. 
Steinberg  (Komponist)  120. 
Stdnitzer,  Max,  250. 
Steinway  &  Sons  102. 
Stenhammar,  Wilhelm,  364. 
Stenz,  A.,  258. 
Stephani,  Alfred,  105. 
Stephani,  Hermann,  307. 
Stern,  J.,  324. 
Sternfeld,  Richard,  57. 
Stieglitz,  Olga,  102. 
Stinde,  Julius,  324. 
Stock,  Friedrich,  126.  185. 
Stockar-Escher,  C,  55. 
Stöcker,  Adele,  123. 
Stocks,  Julius,  28  fr  (Zwei  Briefe 

Richard  Wagners  an  J.  St.). 
Stolz,  Georg,  126. 
Storm,  Theodor,  100.  168. 
Stradal,  Dr.,  104. 
Strathmann,  Fritz,  187.  251. 
Strattner  (Komponist)  126. 
Strauß,   Richard,  51.    107.  115. 

122.  124.  125.  126.  127.  128. 
120.  131.  137.  167.  185.  186. 
101.  103.  204.221.  250.251. 
252.  255.  256.  257.  258.  250. 
208.  342.  366. 

Strebel  (Orgelbauer)  255. 
Streichquartett,  Aachener,  123. 
Streichquartett,  Barmer,  183. 
Streichquartett,  Bemer,  123. 
Streichquartett,  Böhmisches,  123. 

120.  250.  256. 
Streichquartett,  Bologneser,  182. 
Streichquartett,   Brüsseler,    122. 

123.  184.  101.  102.  103.  250. 
251.  254.  256. 

Streichquartett,  Frankfurter,  123. 
Streichquartett,  Lausanner,  160. 


Streichquartett,    Mflnchner,    00. 

122.  255. 
Streichquartett,  Pariser,  254. 
Streichquartett,  St  Petersburger, 

120. 
Streichquartett,      Süddeutsches, 

257. 
Streichquartett,  Weimarer,  252. 
Streichquartett,  Philharmonisches 

(Bremen),  124. 
(Streichquartett)  The  Lyric  String 

Quartett  (San  Francisco)  257. 
Stronck,  Richard,  183. 
Stronck-Kappel,  Anna,  123.  124. 

252. 
Stubenrauch,  Carlotta,  187. 
van    der  Stucken,    Frank,    126. 

127.  184. 
Stuckey,  Isabel,  187. 
Stuhlfeld,  Willy,  115. 
Stumpf,  Carl,  174. 
Stuve,  Frau  (Singerin),  256. 
Sucher,  Rosa,  60. 
Suck,  Wilhelm,  248. 
Sflddeutscher  Musikverlag  224. 
Suk,  Josef,  107.  102. 
Suske,  Ida,  103. 
säße,  Otto,  125.  103.  240.  252. 

256. 
Svirdström,  Geschwister,  120. 
Svendsen,  Johan,  125. 
de  Sweert,  Constantin,  183. 
de  Swert,  Jules,  257. 
Symiane,  M.,  248. 
Symphonieorchester,     Bostoner, 

126. 
Symphonieorchester,   Chicagoer, 

127.  185. 
Symphonieorchester,    Londoner, 

183. 
Symphonieorchester,  New  Yorker, 

126. 
Symphonieorchester,  Pittsburger, 

126. 
Szumowska,  Frau,  124. 
Tanejew,  Sergei,  102. 
Tinzler,  Hans,  114.  255. 
Tartini,  Giuseppe,  180. 
Taubert,  E.  E.,  201.  324  (Bild). 

365.  366. 
Terenghi  (Komponist)  364. 
Tesi,  Lola,  102. 
Tetrazzini,  Luisa,  118. 
Th^itre    royal    de    la   Monnaie 

(BrOssel)  248. 
Tbeinert,  H.,  380. 
Thibaud,  Jacques,  102. 
Tliibaut,  A.  F.  J.,  155. 
Thomas,  Ambroise,  66.  115.  126. 
Thomas-St.  Galli,  Frau,  250. 
Thomas-Orchester  126. 
Thuille,  Ludwig,  110.  126.  130. 

168.  185.  101.  253.  256. 
Thuren,  Hjalmar,  237.  238. 


Tieck,  Ludwig,  12.  13.  14.  17. 
18.  26. 

Tinel,  Edgar,  185. 

Tizian  380. 

Tölken,  E.  H.,  156.  157. 

ToUman,  Johann,  76. 

Tonkflnstlerorchester,  Wiener, 
253. 

Tordek,  Ella,  370. 

Torichler  251. 

Toscanini,  Arturo,  118. 

Trautmann,  Gustav,  187. 

Trautwein  (Vertag)  270. 

Trebitsch,  SigfHed,  40. 

de  Tr^ville,  Yvonne,  248. 

Trio,  Erfurter,  187. 

Trio,  Gießener,  187. 

Trio,  HolUndisches,  184. 

Trio,  Russisches,  00.  180.  251. 

Trostorif,  Fritz,  114. 

Troyer,  Carlos,  174.  175. 

V.  Trfltzschler,  Maly,  370. 

Tschaikowsky,  Peter,  106.  122. 
123.  124.  125.  128.  130.  184. 
185.  186.  187.  100.  101.  102. 
248.  250.  251.  252.  253.  254. 
257.  258.  366. 

Tschech  (I^hrer)  200. 

Tscherbina-Bekmann,  E.,  100. 

Tscherepnin,  N.,  101. 

Ucko,  Paula,  187.  251. 

Ufert,  Kite,  126. 

Uhland,  Ludwig,  282.  347. 

Uhlig,  Linus,  126. 

Uhlmann,  Eva,  126. 

Ulbrig,  Lisbeth,  06.  114. 

Ulrich,  Hugo,  258. 

Ulrich  V.  Tflrheim  65. 

Untersteiner,  A.,  362. 

UrluSi,  Jacques,  183. 

Urspruch,  Anton,  221. 

Vaterhaus,  Hans,  122.  123.  186. 
188. 

Vautyre  (Pianist)  254. 

Veit,  August,  114. 

Verdi,  Giuseppe,  51.  116.  118. 
110.  126.  131.  100.  248. 

Verein  der  Muslkf^unde  (Gör- 
litt) 251. 

Vereinigung  fflr  kirchlichen  Chor- 
gesang, LQbecker,  254. 

Vereinigung  fOr  alte  Musik, 
Deutsche,  103. 

Verhey  131. 

Veriaine,  Paul,  240. 

Vidron,  Angile,  183. 

Vieuxtemps,  Henri,  102. 

Vigner,  Albert,  124. 

Villemarqu«  65. 

Vivi«,  Emma,  105. 

Vogelstrom,  Fritz,  110.  120. 

Vogl,  Joh.  Nep.,  281.  346. 
340. 

Vogler,  Abt,  73.  76.  81.  1J^5. 


XII 


NAMENREGISTER 


Vogler,  Musikdirektor  (Baden), 
169. 

Vogrich,  Max,  187. 

Voigt,  Emil,  187. 

V.  VoigtllBder,  Edith,  187.  251. 
254. 

Vokalquartett,  Basler,  169. 

Vokalquartett,  Berliner,  249. 251 . 

Vokaltrio,  Nordisches,  124.  126. 

Volbach,  Fritz,  125.  249. 

Volck,  Hedwig,  129. 

Volke-Quartett  125. 

Volkmann,  Robert,  122.  130. 
187.  258.  366. 

Volkmann,  Toni,  126. 

VoUerthun,  Georg,  99. 

Vollhardt,  R.,  258.  259. 

Vollnhals,  Ludwig,  255. 

VoO,  Emanuel,  119. 

VoO,  Frederik,  250. 

Voß,  J.  H.,  269. 

Wacbsmuth,  l^alier,  124. 

Wagenseil,  Job.  Chr.,  12. 18.  19. 

I^aghalter-Quartett  130. 

l^agner.  Albert,  28. 

W^agner,  Coaima,  285.  288. 

Wagner,  E.,  09. 

Vagner,  Ernst,  266. 

Vagner,  Franziska,  28.  29. 

Wagner,  K.,  99. 

Wagner,  Minna,  59.  60. 

Wagner,  Richard,  3fr  (Das 
KOnstlerdrama  in  W.'s  »Par- 
sifal**).  1 1  ff  (R.  W.'s  »Tann- 
hiuser*.  Sein  Aufbau  und 
seineQuellen).  28fr  (Zwei  Briefe 
R.  W.'s  an  Julius  Stocks).  31  tt 
(Einiges  Aber  »Tristan  und 
Isolde".  I.).  49ff  (Bemard 
Shaw  und  sein  W.-Brevier). 
55  er  (Neue  W.-Literatur).  68 
(Bilder).  87  fr  (Einiges  Ober 
»Tristan  und  Isolde".  Schluß). 
107.  114.  115.  116.  118.  119. 
122.  125.  128.  131.  141.  147. 
167.  182.  187.  188.  189.  190. 
191.  103.  194.  196.  201.203. 
213.  216.  220.  227.  236.  237. 
248.  249.  250.  251.  252.  253. 
254.  255.  258.  284fr  (Die 
Bayreuther  Festspiele).  296. 
298.  327  fr  (W.'s  Trisun- 
Akkorde  eine  »Reminiszenz*). 
341.  343.  345.  378.  379. 

Wagner  -Verein ,  Akademischer 
(Graz),  127. 

Richard  Wagner- Verein  (Darm- 
stadt) 249. 

Wagner,  Siegfried,  1 19. 193.  221. 
285.  287.  288. 

Wahlen,  Gertrud,  119. 

Waltz,  G,  254. 

Walde,  Doris,  191.  256. 

Waldth««SMi-Stiftung  122. 


Walker,  Edith,  286.  287. 

WallnOfer,  Adolf,  121. 

Walter,  Benno,  130. 

Walter,  E,  193. 

Walter,  George  A.,  131.  185. 

Walter,  Ignaz,  77. 

Walter,  Raoul,250.255. 378.379. 

Walter- Choinanus,  Iduna,  124. 

125.  191. 
Walther-Schaeffer,  Paul,  186. 
Wanhal,  J.  B.,  80. 
Wareing,  H.,  314. 
V.  Wasielewski,  J.,  202. 
V.  Wasielewski,  W.,  362. 
Wassilenko,  S.,  190. 
WassUiew  (Moskau)  190. 
Weber,  A.,  71. 

Weber,  Bernhard  Anselm,73.76. 
von  Weber,  C.  M.,  71.  72.  73. 

75.   78.   83.    114.    110.    125. 

185.  191.  203.212.  221.222. 

254.  255.  258.  308.  328.  331. 
Weber,    Gottfried,    71  AT  (Briefe 

Meyerbeers  an  G.  W.  aus  den 

Jahren  1811-1815,  1833  und 

1837).  132  (Bild).  155fr(Briefe 

Meyerbeers  an  G.  W.  aus  den 

Jahren  1811  —  1815,  1833  und 

1837.  Schluß).  269. 
Weber,  Gusttv,  167.  249. 
Weber,  G.  (Komponist),  192. 
Weber,  Karl,  186. 
Weber,  Wilhelm,  123. 
Wedekind,  Erika,  182.  191. 
Weger  132. 
Wegmann,  F.,  124. 
Weidenhagen,  E.,  128. 
Weidig,  G.,  190. 
Weidioger,    Anton,      162  fr    (A. 

W.  Biographische  Skizze.) 
Weidinger,  Ferdinand,  146.  166. 
Weidinger,  Joseph,  166. 
Weidt,  K.  129.  188. 
Weil,  Hermann,   130. 
Weilen,  Josef,  66. 
V.  Weiler  77. 

Weills  (Kapellmeister)  116. 
Weltrich,  Richard,  57. 
Wendel-Quartett  127. 
Weingartner,    Felix,    116.    119. 

120.  123.  130.  185.  187.  188. 

191.  221.  249.  252.  258.307. 

366. 
V.  Weinzieri,  Max,  125. 
Weis,  Karl,  221. 
Weise,  Christian,  338. 
Weise,  Hermann,  186. 
Weiser,  Carl,  119.  120. 
Weismano,  Julius,  250. 
Weiß,  Josef,  183. 
Weilknborn,  Hermann,  256. 
WeiOleder,  Franz,  115. 
Weitzmann,  K.  Fr.,  300.  362. 
Welcker,  Felix,  183. 


Weiden,  Anna,  248. 

V.  Weiden,  Olga,  98.  123. 

Welker,  Max,  193. 

Wellmann,  Willi,  183. 

Welter,  Elsa,  190. 

Wendel,  Ernst,  127. 

Wendung,  Cari,  124. 

Wenzel,  Max,  186. 

Werner,  Anton,  114. 

Werner,  Philipp,  126. 

Werner,  Zacharias,  160. 

Werner  (Musikdirektor)  259. 

Wesendonk,  Mathilde,  55. 56.  59. 

Wesendonk,  Otto,  63. 

Wette,  H.,  202.  213. 

Wetz,  Richard,  186. 

Wetzel,  Hermann,  291. 

Whitehill,  Clarence,  287. 

Wickham,  Florence,  193. 

Widor,  Ch.   M.,  130.  131.  254. 

Wieck,  Friedrich,  380. 

Wieland,  H.  B.,  100.  378. 

Wiemann,  Robert,  256. 

Wieniawskl,Henri,183. 251.314. 

Wietrowetz-Quartett  187. 

Wihtol^  Joseph,  129.  365. 

Wilcke,  Fr.,  128. 

Wilde,  Oscar,  190. 

Wilhelm!,  August,  257. 

Wilhelmj-BöOneck  259. 

Wille,  Eliza,  63. 

Wille,  Georg,  257. 

Wille,  Hedwig,  258. 

Wille,  O.  K.,  258. 

V.  Wilm,  Nikolai,  126. 

Wilschauer,  Maria,  114.  119. 

Winckelshoir,  H.,  248. 

Winderstein-Orchester  249. 

Winkler,  R.,  126. 

Wlntzer,  Richard,  115. 

Wirth,  Moritz,  57. 

WiO,  Clara,  250. 

Wissiak,  Wilhelm,  119. 

Wittgenstein,  Prinzessin,  150. 

Wohlgemuth,  Gustav,  125. 

Wohllebe,  Walter,  119. 

Wolf,  Hugo,  115.  124.  125.  126. 
128.  167.  182.  188.  193.  195. 
200.  202.  203.  210.  212.  251. 
256.  257.  258.  366. 

Wolf,  Sofie,  115. 

Wolf-Ferrari,  Ermanne,  129. 186. 
221.  297. 

Wolff,  E.  J.,  257. 

Wolfr,  Hans,  186.  187.  194.251. 

Wolfr,  Julius,  324. 

Wolfhim,  Philipp,  188.  314. 

Wolter,  Chariotte,  250. 

Woltereck,  Marie,  183.  256. 

V.  Wolzogen,  Elsa  Laura  Frei- 
frau, 252.  259. 

V.  Wolzogen,  Hans  Frhr.,  58. 
59.  61. 

Woyrschy  FMk^  186. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  BÜCHER  UND  MUSIKALIEN 


XIII 


Wright,  loa,  251. 
Wailner,  Franz,  167.  203. 
l^Ollner,  Ludwig,  114.  184.  187. 

191.  193.  253.  324  (Bild), 
wonach,  Adolf,  124. 
Ysaye,  Eugene,   125.   127.  128. 

129.  131.  185.  188.  189.  190. 

194.   196  (Bild).  251.  253. 
Ytaye,  Th6o,  189. 
Zajie,  Florian,  127.  250.  257. 
Zalaman,  Gerard,  125.  282. 


Zanardini,  A,  62. 
van  Zanten,  Cornelie,  101. 
Zech,  Fr.,   125. 
Zehme-Janaon,  Frau,  251. 
Zeisa,  Eva,  164. 
Zeias,  Franz,  164. 
Zeiss,  Susaona,  164. 
Zeller,  Heinrich,  251. 
Zeppelin,  Graf,  284. 
Zichy,  G6za  Graf,  221. 
Ziehrer,  C.  M.,  253. 


Zilcher,  Hermann,  187. 
Zimin  (Privatoper)  248. 
Zimmert  Albert,  65.  125. 
Zippel,  Alfred,  126. 
Zöllner,  Heinrich,  183. 188.  193. 

195. 
Zöllner,  Geheimrat,  28. 
Zackerman,  Angusta,  193. 
Znmpe,  Herman,  182^. 
Zaachneid,  Kari,  129. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  BÜCHER 


B61art,  Hans :  Friedrich  Nietzsche 
und  Richard  Wagner.  60. 

Biemath,  Ernst:  Die  Gitarre 
aeit  dem  dritten  Jahrtausend 
vor  Christus.  Eine  musik- 
und  kulturgeschichtliche  Dar- 
stellung mit  genauer  Quellen- 
angabe.    362. 

Bruna,  Paul:  Neue  Gesangme- 
thode nach  erweiterten  Grund- 
lehren vom  primiren  Ton.  103. 

Calvocoressl ,  M.  -  D. :  Mous- 
sorgaky.     173. 

Chamberlain,  H.  St.:  Richard 
Wagner  an  Ferdinand  Priger. 
Zweite  Auflage.    63. 

EUis,  William  Ashton:  Life  of 
Richard  Wagner.  Vol.  VI.  59. 

Golther,  Wolfgang:  Richard 
Wagner  an  Eliza  Wille.  Zweite 
Auflage.    62. 

—  Tristan  und  Isolde  in  den 
Dichtungen  des  Mittelalters 
und  der  Neuen  Zeit.    64. 

Kielhauser,  E.  A.:  Die  Stimm- 
gabel, ihre  Schwingungsgesetze 
und  Anwendungen  in  der 
Physik.     105. 

KloD,  Erich:  Richard  Wagner  in 
seinen  Briefen.    58. 


KloD,  Erich :  Wagner- Anekdoten. 
61. 

Krone,  Walter:  Wenzel  Malier. 
Ein  Beitrag  zur  Geschichte 
der  komischen  Oper.     172. 

V.  Lenz,  Wilhelm:  Beethoven. 
Eine  Kunststudie.  I.  Teil: 
Das  Leben  des  Meisters.  Neu- 
druck mit  Ergänzungen  und 
Erläuterungen  von  Alfr.  Chr. 
Kalischer.     364. 

LIeonart,  Joseph  y  Ribera,  An- 
tonio: Lohengrin.  Traduccioen 
vers  directa  del  Alemany.   62. 

Lipps,  Theodor:  Ästhetik,  Psy- 
chologie des  Schonen  und  der 
Kunst.  Teil  2:  Die  ästhe- 
tische Betrachtung  und  die 
bildende  Kunst.     170. 

Mennicke,  Carl:  Hasse  und  die 
BrQder  Graun  als  Sympho- 
niker.    103. 

J.-G.  Prod'homme:  OEuvres  en 
prose  de  Richard  Wagner 
traduites  en  franyais.  Bd.  1. 
56. 

Prosniz,  Karl:  Handbuch  der 
Klavierliteratur  1 830—  1 904, 
historisch-kritische  Obersicht. 
363. 


Riedel,  F.:  Erläuterungen  zu 
Richard  Wagnera  Wel^Tra- 
gOdie  .Der  Ring  des  Nibe- 
lungen*.   56. 

SchmiedeljOtto:  RichardWagnera 
religiöse  Weltanschauung.  59. 

Schweitzer,  Albert:  J.  S.  Bach. 
234. 

Seidl,  Arthur:  Vom  Musikalisch- 
Erhabenen.  Zweite  Auflage. 
235. 

Semper,  Manfred:  Daa  Mflnche- 
ner  Festspielhaus.  Gottfried 
Semper  und  Riebard  Wagner. 
60. 

Thuren,  Hjalmar:  Folkesangen 
paa  Faereerne  (Der  Volks- 
gesang auf  den  Faröern).  237. 

Richard  Wagner-Jahrbuch.  Zwei- 
ter Band,  1907.     57. 

RichardWagnera  photographische 
Bildnisse.    55. 

V.  Wolzogen,  Hans:  Musikalisch- 
dramatische Parallelen.  Bei- 
träge zur  Erkenntnis  von  der 
Musik  als  Ausdruck.    58. 

—  Von  deutscher  Kunst.   61. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  MUSIKALIEN 


Agate,  Edward:  Sechs  Lieder  fOr 
eine  hohe  Singatimme  und 
Klavier.     108. 

Andreae,  Volkmar:op.  10.  Sechs 
Gedichte  von  C.  F.  Meyer  fflr 
eine  Singatimme  und  Klavier. 
368. 

Amoud-Krever:  La  perfection 
du  mteanisme.    238. 

Blech,  Leo:  op.  16.  Drei  Lieder. 
241. 

V.  Brücken  Fock,  G.  H.  G.:  Die 
Wiederkunft  Christi  oder  das 
nahende  Gotteareich.     106. 

Deutsche  altlivländiache  Volka- 


lieder  (Gustav  Frhr.  v.  Man- 

teuflTel).     365. 
Gemsheim,    Friedrich:   op.    78. 

Konzert  fflr  Violoncello   und 

Orchester.    366. 
Grfltzmacher  ]un.,  Fr.:  Kammer- 

muaikatudien  zeitgenössischer 

Tonsetzer  für  Violoncell.  366. 
Halm,   August:    Kompositionen 

fOr  Pianoforte,  Heft  II  und  III. 

367. 
Hundert    lettische    Volksweisen 

0.  Wihtol).     365. 
Karg -Eiert,     Sigfrid:     op.    69. 

.Dekameron".   Eine  Suite  von 


zehn     leichten,     instruktiven 

Charakteratflcken  fflr  Klavier 

zu  zwei  Händen.    241. 
Karlowicz,    Miecyalaw:    op.    9. 

„Wiederkehrende       Wellen." 

Tondichtung    für    Orchester. 

107. 
Kiengel,  Julius:  op.  45.  Konzert 

in  e  moll  für  zwei  Vloloncelle 

und  Orchester.    366. 
KOrber,  Jan:    Lieder    für   eine 

Singatimme    und     Orchester. 

176. 
Liazt,  Franz :  Concerto  pathftique 

in    e-moU    (Bearbeitung    für 


XIV      REGISTER  DER  BESPR.  ZEITSCHRIFTEN-  UND  ZEITUNGS AUFSÄTZE 


Pianoforte  und  Orchester  von 
Richard  Burmeiater).     175. 

Liazt,  Franz:  Mephisto  -  Walzer. 
(Bearbeitung  für  Pianoforte 
und  Orchester  von  Richard 
Burmeister.)     176. 

Medtner,  Nicolaus:  op.  1.  Acht 
Stimmungsbilder  fOr  Piano- 
forte. —  op.  2.  Trois  im- 
provisations  pour  piano.  — 
op.  7.  Drei  Arabesken  fQr 
Klavier.  —  op.  11.  Sonaten- 
triade fflr  Klavier.    367. 

Musik  am  sächsischen  Hofe. 
Bd.  10:  Altsichsische  histo- 
rische Mirsche  und  Königs- 
hymnus (Otto  Schmid).    240. 

v.  Othegraven,  August:  op.  20. 
9  Ritter  ritdem  Knappen  dies", 


fQr  Minnerchor,  vier  HOmer 
und  Klavier.    240. 

Pfitzner,  Hans:  op.  18.  An  den 
Mond.  Fflr  eine  Singstimme 
mit  Begleitung  des  Piano- 
forte. —  op.  10.  Zwei  Lieder. 
368. 

Reger,  Max:  op.  00.  Sechs 
Priludien  und  Fugen  fflr 
Klavier  zu  zwei  Hinden. 
Heft  I  und  II.    241. 

Scriibine,  Alexander:  op.  48. 
Quatre  prilu^es  pour  piano.  — 
op.  40.  Trois  morceaux  pour 
piano.  —  op.  51.  Quatre  mor- 
ceaux pour  piano.     367. 

Sibelius,Jean:  op.  17,  No.5,6,7. 
Drei  Gesinge  mit  Klavier- 
begleitung.    368. 


Suk,  Josef:  op.  27.  Symphonie 
»Asrael*.     106. 

Taubert,  Ernst  Eduard:  op.  70. 
Suite  (No.  2)  in  F-dur.  Sechs 
Tondichtungen  nach  Goethe- 
sehen  Worten  fOr  Pianoforte. 
365. 

Toch,  Ernst:  op.  0.  Melodische 
Skizzen  fflr  Klavier.  —  op.  10. 
Drei  Priludien  für  Klavier  zu 
zwei  Hinden.  —  op.  11. 
Scherzo  fflr  Klavier  zu  zwei 
Hinden.     367. 

The  Wa-Wan  Press  (Carlos 
Troyer:  Indianermelodieen). 
173. 

Zöllner,  Kurt:  op.  7,  8,  0.  Kom- 
positionen für  Klavier.     108. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  ZEITSCHRIFTEN- 

UND  ZEITUNGSAUFSÄTZE 


Abert,  Hermann :  Zur  Frage  des 
Gesangunterrichts  an  höheren 
Lehranstalten.     112. 

Adrian,  P.:  Die  Bemer  Lieder- 
ufel.     178. 

Allgeyer,  Andreas:  Modulation 
und  Mollgeschlecht  im  Gesang- 
unterricht derVolksschule.  112. 

AUix,  G. :  R6impression  de  trait6s 
musicaux  du  moyen  ige.  360. 

Antclilfe,  Herbert:  Music  the 
essential  art.    374. 

—  Schumann:  a  german  event. 
374. 

—  British  music  and  its  affluents. 
374. 

—  The  poetic  basis  of  Brahms* 
pianoforte  music.    375. 

Arnoux,  Alexandre:  Le  goOt  de 
la  musique  chez  Stendhal. 
360. 

Aubry,  Pierre:  Iter  Hispanicum. 
II.:  Deux  Chansonniers  fran^ais 
i  la  biblioth^ue  de  l'Escorial. 
III.:  Les  Cantigas  de  Santa 
Maria  de  don  Alfonso  el  Sabio. 
IV.:  Notes  sur  le  chant  mo- 
zarabe.  V.:  Folklore  musical 
d'Espagne.     178. 

Auer,  Max :  Zur  Wagner- Feier  der 
Liedertafel  (Salzburg).    247. 

d'Auriac,  Lionel:  Un  problime 
d*e8th6tique  wagn6rienne.  360. 

Bachmann,  Alberto:  L'oeuvre 
de  Paganini.    360. 

Barth,  Th.:  Zur  Diskussion  Ober 
den  vierstimmigen  Kirchen- 
gesang.    111. 


Bastico,  Guido:  Sagigio  di  una 
bibliografia  di  libretti  muslcali 
di  Feiice  Romani.     376. 

Bastyr,  Hans:  Zehn  goldene 
Singerregeln.     181. 

Batka,  Richard:  Musikunterricht. 
111. 

—  Der  Merker.     180. 
Baumann,  L.:   Etwas  über  den 

Vortrag.     181. 
Bayreuther    Blitter :     Theodor 
Bertram  f*     161. 

—  Richard  Wagner  an  Grifln 
Pourtalös.     181. 

—  Aus  dem  Briefwechsel  zwi- 
schen Wagner  und  Nietzsche. 
181. 

Becker,  S. :  Carl  Simon  Catel  und 
Ludwig  Niedermeyer.     111. 

V.  Beaulieu,  H.:  Der  »große 
Prozeß*  in  Richard  Wagners 
Dichtung.     246. 

Bein,  Leopold :  Zur  Volkskunde. 
181. 

Berg,  W.:  Die  Entstehung  der 
Stimme  im  Kindesalter.    110. 

Bemouilli,  Eduard:  Zu  Runges 
Textausgaben  mittelalterlicher 
Monodieen.     170. 

Bierbaum,  Willi:  Die  Singer- 
fahrt des  Basler  Minnerchors 
nach  Wien.     178. 

Böhme,  Meinhardt:  Ober  die 
Ursachen  des  Detonierens  im 
a  cappella-Gesang.     110. 

Bordes,  Charles:  De  1' Interpre- 
tation des  Oeuvres  de  Jean- 
Philippe  Rameau  et  des  mattres 


de  l*op6ra  fran^als  aux  XVII. 

et  XVIIL  si^cles.     371. 
Bomstein ,      Paul :       Friedrich 

Hebbel     und     Robert    Schu- 
mann.    246. 
Boutarel,  Am6d6e:  Sporschil  et 

Beethoven.     371. 
Bouyer,  Raymond:  Un  document 

inapperyu   sur  Torchestration 

des  mattres.     371. 

—  D'embarassantes  questions 
sur  r^volution  de  l*orchestre. 
371. 

—  Autres  probl^mes  soulev^s 
par  r^volution  de  l'orchestre. 
371. 

—  Orchestre  et  litt^rature: 
6change  de  bona  procMto. 
371. 

—  L*appr6hension  de  la  d6ca- 
dence  ou  la  superstition  du 
progris.    371. 

—  Interpreter  and  virtuoso.  372. 
Braun,  Otto:  Die  Todestragik  in 

Wagners  Dramen.     181. 
Brenet,      Michel:       Alexandre 
Ritter  d*aprte  un  livre  r^cent. 
370. 

—  Rameau.  Essai  de  bibliogra- 
phie.     371. 

Brodsky,  Mrs.:  An  attack  upon 
Dr.  Richard  Strauß.    373. 

Browne,  James  A.:  Modem 
music  for  the  people.    374. 

—  From  John  Banlster  to  Henry 
J.  Wood.    374. 

—  Orchestras  past  and  present. 
375. 


REGISTER  DER  BESPR.  ZEITSCHRIFTEN-  UND  ZBITUNGSAUFSÄTZE     XV 


BuBdi,  G.:  Kirchengesang  in  der 
Gemeinde  Zuoz.     111. 

Calvocoressiy  M.-D.:  Esquisse 
d*une  esth^tique  de  la  muaique 
ä  Programme.     170. 

—  Muaique  et  muaicologie  ang- 
laiaea.    369. 

—  Boris  Godunow.    369. 
Cametti,    Alberto:    Donizetti    a 

Roma.    376. 
Calmus,  Georgy :  Drei  satiriscli- 

kritische  Aufsitze  von  Addison 

Ober  die  italienische  Oper  in 

England.     170. 
Canudo,    Ricciotto:    Le    drame 

musical  contemporain.    360. 

—  Litt^rateurs  symphonistes. 
360. 

Carraud,  Gaston :  La  danse  dans 
rop6ra  de  Rameau.    371. 

Castex,  A.:  Die  Behandlung  der 
Stimmorgane.     110. 

Cebrian,  Adolf:  Der  Gesang- 
unterricht an  höheren  Knaben- 
schulen und  seine  Bedeutung 
fQr  die  allgemeine  Bildung. 
113. 

Celani,  Enrico:  Cantori  della 
Capella  Pontiflcia  nei  secoli 
XVI— XVIII.     375. 

—  Bekannte  Minnergesangs- 
Komponisten  im  Bilde  der 
Statistik.     181. 

Challier  sen.,  Ernst:  Heinrich 
Heine,  der  Lieblingsdichter 
der  deutschen  Komponisten. 
Eine  statistische  Plauderei. 
181. 

Chantavoine,  Jean:  L'afTalre 
Rameau.    371. 

Chass6y  Charles:  La  musique 
anglalse  moderne.  Une  inter- 
view avec  Mrs.  Rosa  New- 
march.     370. 

Chilesotti,  Oscar:  Notes  sur  le 
guitariste  Robert  de  Vis6e.  170. 

Classy,  Jean :  Musical  England. 
Quelques  notes  sur  les  soci6t6s 
choralea.    370. 

Clay,  Felix:  The  origin  of  the 
aeatbetic  emotion.     170. 

Collet,  Henri:  La  musique 
espagnole  moderne.     360. 

Le  Courrier  Musical:  Le  centra- 
lisation  et  lea  petites  chapellea 
musicales.    370. 

—  Vies  parall^lea  des  grands 
musiciena  contemporains.  I.: 
Camille  Saint-SaCns.    370. 

—  A  propos  de  Liszt.    370. 

—  Etudes  musicales  en  Alle- 
magno.    371. 

de  Courzon,  Henri:  Schumanns 
Lieder.    372. 


Creutzburg,  Nicolaus:  Zur  Kritik 
des  modernen  Materialismus. 
181. 

Cumberland,  Gerald :  The  scien- 
tific school  of  musical  criticism. 
372. 

—  A  new  composor:  Edward 
Agate.     373. 

Dihne,  Paul :  Siebentes  deutsches 

Singerbundesfest   in  Breslau. 

113. 
Dihnhardt,  Oskar:  Volkskunde 

und  Schule.     181. 
Debay,  Victor:  Pour  les  jeunes 

compositeurs.    370. 

—  Hippolyte  et  Ariele  i  Top^ra. 
371. 

Deiage,   Edmond:    La   musique 

i  Berlin.     370. 
Dent,  Edward  J.:  Leonardo  Leo. 

170. 

—  Jacopo  Calascione  and  the 
band  of  Venice.    375. 

Dodge,  Janet:  Ornamentation  as 
indicated  by  signs  in  lute 
tablature.     170. 

DrOmann,  Christian:  Welche 
Forderungen  sind  gegenwirtig 
zu  erheben,  um  einen  korrekten 
und  einheitlichen  Gang  der 
evangelischen  Kirchenlieder  zu 
erzielen?     113. 

Droste,  Carlos:  Hedwig  Reicher- 
Kindermann.    246. 

Ecorcbeville, Jules:  Germainset 
Francais.     181. 

—  Un  mariage  gr^gorien.    360. 

—  Le  lutb  et  sa  musique.    360. 
Ehlers»    Paul:    Das    MQnchner 

KQnstlertheater.    246. 

Eichberg,  Rieh.  J.:  Ober  die 
Aufgabe  von  Harmonium- 
Vereinen.     180. 

Einstein,  Alfred :  Italienische  Mu- 
siker am  Hofe  der  Neuburger 
Witteisbacher  (1614—1716). 
170. 

Emmanuel,  Maurice:  Le  »temps 
fort*  dans  le  rythme.    370. 

Ergo,  Emil:  Ober  Wagners 
Melodik  und  Harmonik.  III. 
181. 

Erler,  Hermann :  Niels  W.  Gade. 
242. 

Faur6,  Gabriel:  Edouard  Lalo. 
371. 

Feld,  Kaiman:  Äußerungen  be- 
rühmter Dirigenten  Ober  die 
Leonoren-OuvertQre  No.  3. 
243. 

Feiner,  Karl :  Zur  Naturgeschichte 
des  Schauspiels.     181. 

Ferber,  Fritz  Carl:  Hermann 
Beckh  f.     181. 


Fichna,  Frau :  Zur  sozialen  Lage 
der  Kunstgesanglehrer.     110. 

Fitz  Gibbon,  H.  M.:  Lady 
flautists.    372. 

Flauu,  Th.  S.:  Stimmveriust 
nach  Eingriffen  an  den  Stimm- 
lippen.    1 10. 

Foerster,  J.  B.:  Die  Laien  und 
die  Kunst.    376. 

Forchhammer,  Viggo:  Stimm- 
ansatz oder  Tonansatz.     100. 

Frankfurter  Zeitung:  Richard 
Wagner  als  Supplikant.    245. 

Freimark,  Hans:  Im  Konzert- 
saal.    180. 

Freuden berg,  Wilhelm :  Der  mu- 
sikalische Zeitgeschmack.  243. 

Freye,  Karl :  Romane  der  Gegen- 
wart und  Jean  Paul.     181. 

Gachnang,  Kd. :  Das  Schwelzer- 
psalm-Denkmal  in  Zarich. 
178. 

Galli,  Amintore:  Musica  artifi- 
ciosa.    375. 

Ghignoni,  P.:  La  musica  sacra 
e  la  realti  delle  cose.    376. 

Golther,  Wolfgang:  Der  »Parsi- 
fal"  -  Abend  des  Frauenbil- 
dungsvereins (Schwerin).  247. 

Götz,  Josef:  Die  Geschichte 
eines  Nachtwichtemifes.  181. 

GOtzinger,  F.:  Basler  Musik- 
schule und  Konservatorium. 
177. 

Grivell,  H.:  Germanen  und 
Franzosen.     181. 

Greilsamer,  Luden:  Lutherie. 
L'hygiine  du  violon.  Conseils 
pratiques  sur  l'entretien  des 
Instruments  i  archet  en  vue 
de  leur  conservation.     370. 

V.  Greyerz,  Otto:  Volkslieder. 
111. 

Groller,  B. :  Das  Geigenspiel  des 
Steirischen.     181. 

Groz,  Albert:  Une  nou  volle 
Oeuvre  de  M.  Vincent  d'Indy. 
370. 

—  Trois  Senates  modernes.  371. 

Grzymala,  Graf  Albert:  Chopins 
letzte  Stunden.    242. 

Gusinde,  A.:  Karl  Friedrich 
Zelter.     110. 

Gutzmann,  Hermann:  Ober  den 
sog.  primiren  Ton.     112. 

Haeser,  W.:  Joseph  von  Eichen- 
dorff.     111. 

Hamburger  Fremdenblatt:  Ri- 
chard Wagner  und  Herv6.  245. 

Handke,  Robert:  Zur  Disposition 
des  Volksschulgesangunter- 
richtes.    100. 

Harrison,  Bertha:  Twelve 
o'clocka:  new  and  old.    375. 


XVI    REGISTER  DER  BESPR.  ZEITSCHRIFTEN-  UND  ZEITUNGSAUFSÄTZE 


Das  Harmonium  (Leipzig) :  Cyrlll 
Kistler  f-     IBO. 

—  Wo  sind  die  bahnbrechenden 
Faktoren  in  der  Harmonium- 
literatur?     180. 

—  Eine  Krisis  im  Verein  der 
Harmoniumfreunde  in  Berlin. 
180. 

—  Rflckblick  auf  das  erste  Ver- 
elnsjabr  des  Vereins  der  Har- 
moniumfireunde  zu  Breslau. 
180. 

—  Hermann  Bürger.     180. 

—  Meyerbeer  als  Harmonium- 
komponist.    180. 

—  Betrachtungen  Qber  das  Werk 
,L*orgue  expressif  ou  Har- 
monium* von  Alphonse  MusteL 
180. 

—  Neue  Wagner-Bearbeitungen. 
180. 

—  Ober  Reinheit  der  Tonkunst. 
180.      • 

Harzen-MQller,  A.  N. :  Das  Ma- 
drigal.    112. 

Hassenstein,  Paul:  Das  Deto- 
nieren im  a  cappella-Gesang 
und  seine  Verhütung.     110. 

Hawardy  Lawrence:  The  oppor- 
tunity  of  the  promenade  con- 
certs.    374. 

Heinrich,  Traugott:  Phonetik 
und  Lautphysiologie  in  ihrem 
Verbiltnis  zur  Gesanglehre. 
113. 

Hervey,  Arthur:  Joachim  Raff. 
A  neglected  master.    375. 

HeO-Rfletschi,  Cari:  Ein-  oder 
vierstimmiger  Gemeindege- 
sang?    177. 

Heuß,  Alfred:  Zum  Thema: 
Mannheimer  Vorhalt.     180. 

—  Mozarts  siebentes  Violin- 
konzert.    180. 

Hildebrandt,UIrich:  Das  Stettiner 
Musikleben  in  wirtschaftlicher 

.    Beleuchtung.    247. 

Hoeft,  Bernhard:  Einfluß  der 
Herzogin  Amalie  von  Weimar 
auf  das  Theater  und  die  Musik 
ihrer  Zeit.     100. 

Hoffkneister,  K.:  Josef  Suk*s 
Symphonie  »Asrael*.    376. 

—  Conrad  Ansorge.     376. 

HoUaender,  Alexis:  Die  metho- 
dische Erziehung  zur  Fähig- 
keit eine  Unterstimme  zu 
singen.     113. 

HOvker,  Robert:  Eine  tonpsycho- 
logische Studie  Ober  » Kommt 
ein  Vogel  geflogen*.     110. 

Hudebni  Revue  (Prag) :  Die  neue 
Oper  am  Theater  Vlnohrady. 
376. 


Hudebni  Revue  (Prag):  Urteil 
von  Ambros  Aber  Ludwig 
Prochazka.    376. 

Hug,  Otto :  Der  Studentengesang- 
verein Zürich.     178. 

Hulka,  Karl:  Kimpfe  um  die 
AuffQbrung  in  tschechischer 
Sprache.     376. 

Hurft,  Jean:  Musical  dogmas: 
Eclecticism.     373. 

Imbart  de  la  Tour,  Georges: 
La  mise  en  sc^ne  d'Hippolyte 
et  Ariele.     360. 

Imbofer,  R.:  Ober  musikalisches 
GehOr  bei  Schwachsinnigen. 
109. 

Jaques-Dalcroze, Emile:  Causerie 
musicale.  La  trrraditlon.  370. 

Jedlinski,  Paul :  A  propos  de  la 
reprised*,lphig6nieenAulide*. 
370. 

Jendrosseky  Karl:  Die  »neuen 
Bestimmungen*  und  der  Ge- 
sangunterricht in  den  Lehrer- 
bildungsanstalten.    100. 

Jerichau,  Thorald:  Edvard  Grieg. 
179. 

Kaiser,  Georg:  Carl  Maria  von 
Weber  und  die  Schweiz.    178. 

Keller,  Otto:  Joseph  Pembaur. 
242. 

—  Die  Brahmsausstellung  in 
Wien.     242. 

Kienzly  Wilhelm:  Erinnerungen 
an  Ludwig  Prochazka.     376. 

Kilburn,  Nicolas:  The  recent 
London  .Promenades*.     180. 

Kling,  Henri :  Helmine  de  Chezy. 
375. 

Knapp,  M.:  Wie  Leonbard  Euler 
sich  den  Septimenakkord  er- 
kürte.    177. 

Knosp,  Gaston:  Les  chants 
d*amour  dans  la  musique 
Orientale.     370. 

Knott,  Karl:  Evangelische  Kir- 
chenmusik in  Österreich.  113. 

Kohut,  Adolph:  Max  Bruch  und 
Johannes  Brahma.    242. 

Korrespondenzblatt  des  evan- 
gelischen Kirchengesangver- 
eins fOr  Deutschland  (Darm- 
stadt): Der  Dresdener  Kreuz- 
chor.    1 1 3. 

—  Der  musikalische  Teil  der 
V.  Liliencronschen  Chor- 
ordnung.    113. 

— -  Das  Volksliederbuch  fflr 
Minnerchor.     113. 

—  Obersiebt  aber  die  Tätigkeit 
der  Kirchengesangvereine  im 
Jahre  1907.     113. 

Kruse,  Georg  Richard:  Otto 
Nicolai  und  die  Malibran.  180. 


Kruse,  Georg  Richard:  Otto 
Nicolais  »Lustige  Weiber*  und 
ihre  Vorgingerinnen.     242. 

Kafflner:  Musikalisches  aus 
Bayern.     1 1 2. 

—  F.  Wiedermanns  Notentafeln 
mit  Übungen  fOr  den  Schul- 
gesangunterricht.    112. 

Laloy,  Louis:  La  mer.  Trois 
esquisses  symphonlques  de 
Claude  Debussy.     360. 

—  Rimski-Korssakow.    370. 
de  la  Laurencie,  L.:  A  propos 

des  protecteurs  deJ.-M.  Leclair 
ratn6.     179. 

Lauterburg,  G. :  Reformierter 
Kirchengesang.     1 77. 

Leichtentritt,Hugo:Auffflhrungen 
ilterer  Musik  in  Berlin  wäh- 
rend des  Winters  1907—1008. 
180. 

Leno€l-Zevort,  Alix:  De  Tadap- 
tation  musicale.     360. 

Leu,  F.  O. :  Hugo  Brflckler  und 
seine  Lieder.     178. 

Levi,  C6sare:  Moliire  e  Lulli. 
376. 

Liebscher,  Arthur:  Ein  Lehr- 
mittel im  Dienste  der  sich- 
sischen  Seminarmusikreform. 
112. 

LObmann,Hugo:  Notenfuchserei. 
112. 

—  Die  Pflege  der  Mehrstimmig- 
keit in  der  Volksschule.     1 13. 

Lowe,  George:  The  music  of 
Edward  Mac  Dowell.    373. 

Loewenbach,  Jan:  Zieht  Nutzen 
aus  euren  Urheberrechten ! 
376. 

—  Deutsche  Erläuterungen  von 
Werken  Smeuna's«    376. 

—  Der  erste  Apostel  Smetana- 
scher  Musik.     376. 

Ludwig,  Friedrich:  Ober  Hei- 
mat und  Ursprung  der  mehr- 
stimmigen Tonkunst     170. 

Lux,  Joseph  August:  Schutz  den 
Beethovenhiusern.     244. 

Maclean,  Charles:  Music  and 
morals.     100. 

—  Seydley  Taylor  on  Handel's 
borrowings.     1 79. 

Miding,  Franz :  Julius  Gersdorff  f. 

181. 
Malherbe,    Charles:     Le     »Ra- 

misme*.    371. 
Marsop,    Paul:    Was    will    das 

Mflnchener     Kflnstlertheater? 

242. 

—  Die   beiden    Barbiere.     246. 

—  Verdi  und  das  Publikum.  246. 
Märten,  H.:   Zur  Geaanglehrer- 

f^age.     112. 


lifeGlSirält  DER  BE8PR.  2ElT9(äHinPTBN-  UND  2BITim€SA&l«JlTZE    XVtf 


Mtftiiii:  Bosnteche  Volksmustk. 

247. 
Mtcrtf,  Mmnd:  Tfa^«üiditor.  375. 
Maudair,     Camüle:     La    Vdix 

imtüdhe. '  370. 

—  L*h6roi8me    de    Liszt.    371. 

—  Impres^ions  8ur  Boris  Godou- 
now.    371. 

Maurat,  Edmood:  De  certatns 
mouvements  de  Töpinit^n  mu* 
sicale  contemporaine.    370. 

Menzel,  Paul:  Ein  Richard- 
Wagner-Gedenkblatt.     243. 

Moeglich,  Alfred:  Aus  dem 
Werdegange  eines  Geiger- 
kOnigs.  Zur  Erinnerung  an 
August  Wilhelm].    244. 

MOller,  Jörgen:  Vom  rationellen 
Sprechunterricht  und  seinem 
gegenwirtigen  Stande  in  Däne- 
mark.    110. 

Moos,  Paul:  Eine  populire 
Musikästhetik.     170. 

—  Psychologische  Musikästhetik. 
170. 

Morel,  Hermann:  Kari  Hermann 
und  seine  Lehre  der  Stimm- 
bildung.    110. 

Mortier,  Alfred:  Le  probl^me 
musical.     370. 

Moser,  Hans  Joachim:  Joseph 
Joachim.     181. 

Mugellini,  Bruno:  Süll*  inse- 
gnamento  del  pianoforte  negli 
Istituti  musicali  d*Italia.    376. 

MflUer,  Erich:  Dem  Andenken 
Franz  Kuglers.    247. 

Maller,  Ernst:  Schiller  und  die 
Musik.     243. 

MOUer,  Heinrich:  Die  Chor- 
schule.    113. 

Mflnch,  Amalie:  Cinfabrung  in 
das  Verständnis  der  Kantate 
von  J.  S.  Bach  , Meinen  Jesum 
laO  ich  nicht*.     113. 

—  Die  Pflege  des  rhythmischen 
Sinnes   in  der  Schule.     113. 

Montbly  Musical  Record  (Lon- 
don): The  new  .language  of 
muslc*.    373. 

—  Heine  and  music.    373. 

—  Page  for  girls  and  boys: 
About  great  musicians  and 
Great  Britain.    374. 

—  Joseph  Joachim.    374. 

—  The  quartetts  of  Haydn.  374. 

—  Page  for  girls  and  boys: 
More  about  geography.    374. 

—  Edvard  Grieg.    374. 

—  Page  for  girls  and  boys: 
About  duets.    374. 

The  Musical  World  (London): 
Reading  at  sight.     372. 

—  An  unsolved  problem.    372. 


The  Musical  World  (London):^ 
Mr.  Glazönnow  and  fh«  So- 
ciety of  Britfsh  Com^sers. 
372. 

—  My  Continental  holidajr.  372. 

—  Music  as  a  profeasioh.  372. 
-—  Charra  tn  music.    372» ' 

—  Jaques  -  Dalcrqze's  rhyth- 
mical  gymnastics.    372^ 

-^  Two  sorts  of  cönductors.  372. 

—  The  royal  academy  of  music: 
Price  day.    372. 

—  Royal  Manchester  College  of 
music:  Annual  public  exa- 
minations.     372. 

—  Moral  value  of  orchestral 
practice.    372. 

—  A  great  clarinettist.    372. 

—  Study,  for  its  own  sake.  372. 

—  Words  for  music.     372. 

—  Promenades  that  are  gone. 
372. 

—  Edvard  Grieg.     372. 

—  Joseph  Joachim.     372. 

—  The  teaching  of  musical 
aesthetics.     372. 

—  The  J.  S.  M.*  and  its 
examinations.    372. 

—  William  Havergal  Brian.  372. 

—  The  man  with  the  muck  rake. 
373. 

—  The  music  problem  in  Man- 
chester.   373. 

—  A  great  teacher:  Leschetitzky. 
373. 

—  How  did  music  originate? 
373. 

—  Are  musical  examinations  a 
modern  craze?    373. 

~  A  Chat  with  Mr.  Leopold 
Godowsky.     373. 

—  Two  english  composers:  Dr. 
James  Lyon.  —  Mr.  J.  W. 
Nicholl.     373. 

—  The  practical  side  of  har- 
mony  teaching.    373. 

—  The  most  proliflc  composers. 
373. 

—  Purity  in  music.    373. 

—  Orchestral  conducting.    373. 

—  Church  music  and  Services. 
373. 

—  Music  at  St.  Paurs  cathedral. 
373. 

—  The  sorrows  of  a  music 
critic.    373. 

—  A  Suggestion  to  Mr.  Hol- 
brooke  or  some  other.    373. 

—  Dr.  Perrin  of  Canterbury.  373. 

—  Pictures  .  .  .  and  the  musical 
glasses.     373. 

—  Paganiniana.     373. 

—  John  Coates,  actor-musician. 
373. 


The  Mutftal  WorTd  (LofKdoii): 
Do  exüminatfons  ktad  to 
cramming?    -373. 

—  Th^^aoiittittr  oroheitra.  373. 

—  How  orchestral  playefi  Are 
paW.    373. 

—  Early  overtures  by  Wagner. 
37^ 

-—  The  dassical  and  romantic 
scbools  of  music.     373. 

—  The  music  of  Granville 
Bantock.     373. 

—  Hugo  Wolf  and  Wagner.  373. 

—  When  should  candidates  be 
examined?    373. 

—  Edward  A.  Mac  Dowcll.  373. 

—  August  Wilhelm].     373. 

—  Haydn*s  pianoforte  sonatas. 
374. 

—  Page  for  girls  and  boys: 
About  music  and  languages. 
374. 

—  National  hymns.     374. 

—  Page  for  girls  and  boys: 
About   a   lively  family.     374. 

—  The  year  1907.     374. 

—  A  new  storehouse  teachers. 
375. 

—  Hugo  Wolf.     375. 

—  Page  for  girls  and  boys: 
On  calling  things  by  theyr 
wrong  names.     375. 

—  Viols.     375. 

—  Wagner  at  Zürich.    375. 

—  Page  for  girls  and  boys: 
More  about  oratorio.    375. 

—  Page  for  girls  and  boys: 
On  giving  up  music.     375. 

—  Justin  Heinrich  Knecht.  375. 

—  The  progress  of  the  appoggia- 
ture.  A  study  towards  the 
analysis  of  melody.    375. 

Nagel,  Wilibald:  Kleine  Mit- 
teilungen zur  Musikgeschichte 
aus  Augsburger  Akten.     170. 

Nebuska,  Otokar:  V.  Novak*s 
Tongedicht  «Toman  und  die 
Fee*.     376. 

Nef,  Kari:  Ein  Voriäufer  von 
Hector  Berlloz.     111. 

—  Die  EntWickelung  des  refor- 
mierten Kirchengesangs  in 
der  deutschen  Schweiz.     111. 

—  Die  Verbreitung  des  Alp- 
horns.    111. 

—  Die  Chorkonzerte.     177. 

—  Kammermusik.     177. 

—  Die  Symphoniekonzerte.  177. 

—  Das  Liederbuch  des  eidge- 
nossischen Sängervereins.  1 78. 

—  Elemente  der  Musikästhetik. 
178. 

—  Kunstlied  und  Volkslied.  180. 
Neuert,     Fritz:     Der    deutsche 

II 


XVIII     REGISTER  DER  BESPR.  ZEITSCHRIFTEN-  UNO  ZEITUNGSAU FSÄTZE 


MinaerKesing       und      Mioe 

Hauptvertreter.     181. 
Neumann,    Hedwig:     Aus    den 

Erinnerungen   eines   Konzert- 

flOgels.     180. 
Newmarch,    Rosa:    Stassow    as 

musical  crhic    375. 

—  Russian  opera  in  Paris: 
Moussorgsky's  «Boris  Godou- 
now*.    375. 

NieckSy  Fr.:  The  difilculties  of 
the  young  music  teaclier.   374. 

—  The  sons  of  J.  S.  Bach: 
Johann  Christian  Bach.    375. 

—  The  sons  ofj.  S.  Bach:  Carl 
Philipp  Emanuel  Bach.    375. 

—  The  sons  of  J.  S.  Bach: 
J.  C.  Friedrich  and  W.  Friede- 
mann Bach.     375. 

Noatzsch,  Richard:  Mozart  und 
Salzburg  in  ihrem  gegenseitigen 
Verhiltnis.     113. 

—  Die  Erziehung  des  Publikums 
zum  selbstindigen  GenieOen 
musikalischer  Kunstwerke. 
113. 

—  Rhythmische  Atemübungen. 
113. 

Noriind,  Tobias:  Vor  1700  ge- 
druckte Musikalien  in  den 
schwedischen  Bibliotheken. 
170. 

Novotny,  Vad.  J.:  Meine  Er- 
innerungen an  Friedrich  Sme- 
tana.     376. 

— Josef  Levs  Erinnerungen.  376. 

—  Frau  Marta  Prochazka.    376. 
Orthmann,     Willy:      Hermann 

Kretzschmar.    246. 
Parker,  D.  C. :  The  development 
of  music  in  the  human  mind. 
374. 

—  The  reformer  in  music.   374. 

—  The  place  of  Meyerbeer.  375. 
Pasini,  Francesco:  Prolegom^nes 

i  une  6tude  sur  les  sources 
de  l*histoire  musicale  de 
Tancienne  figypte.     179. 

—  Esquisse  d'une  philosophie 
de  rhistoire  musicale  de  la 
Grdce.     180. 

Paul,  Ernst:  Aus  der  Praxis  des 

Stimmbildners  Prof.  Ed.  Engel. 

113. 
Picka,    Frantisek:    Das    Opem- 

repertoire  des  Landestheaters. 

376. 
Piovano,  Francesco:    Un  op6ra 

inconnu  de  Gluck.     170. 

—  Baldassare  Galuppi.     376. 
Pirkl,  Leopold :  Hans  Staudinger. 

181. 
Pohl,  Luise:    Eine   Erinnerung 
an  Anton  Rubinstein.     245. 


Pommer,  Josef:  Pflegt  das 
deutsche  Volkslied  I     181. 

—  Ober  A.  R.  von  Spauns 
Sammlung  Österreichischer 
Volksweisen.    181. 

V.  d.  Pfordten,  H.  Frhr.:  Wie 
singt  man  Hugo  Wolf?    110. 

Pougin,  Arthur:  Antoine  Stradi- 
varius.    371. 

—  Quelques  Souvenirs  sur  le 
grand  vloliniste  Rode.    372. 

—  Une  famille  de  grands  luthiers 
Italiens:  ,Les  Guarnerius*. 
372. 

Prelinger,  Richard:  Richard  Wag- 
ners Briefe  an  seine  erste  Frau, 
Minna  Wagner.     178. 

Prendergast,  Anhur  H.  D. :  Talus 
and  the  ,Et  incarnatus".    170. 

Prod*homme,  J.-G.:  Deux  lettres 
de  R.Wagner.     170. 

Prout,  Ebenezer:  Two  valuable 
reprints.    373. 

Prflmers,  Adolf:  Zweck  und  Ziele 
des  Schulgesanges.     113. 

—  Die  Hand  aufs  Herz!     180. 

—  Königsberg  und  seine  Mu- 
siker.   246. 

Pruniires,  Henry:  Lecerf  de  la 
Vi6ville  et  Testhötique  musi- 
cale classique  au  XVIIesidcle. 
370. 

Quittard,     Henri:     Deux    fetes 
musicales   au   XV  e  et   XVI  e 
si^cles.     100. 

—  La  premiöre  comödie  fran- 
Caise  en  musique.     360. 

Reichel,  Alex :  Autorrechtlicbe 
Schicksale  eines  Studenten- 
liedes.    177. 

Reisert,  Karl:  Ein  ScbQlerabend 
Robert  Kothes.     112. 

Rendall,  E.  D.:  Towards  the 
reform  of  musical  notation. 
375. 

Riemann,  Hugo:  Die  Metro- 
phonie  der  Papadiken  als 
LOsung  der  byzantinischen 
Neumenschrift.     170. 

—  Beethovens  Mödlinger  Tinze 
vom  Jahre  1810.     170. 

—  Der  ScblQssel  der  altbyzan- 
tinischen Neumenschrift.    170. 

—  Der  strophische  Bau  der 
Tractusmelodieen.     170. 

Ritter,  William:  La  musique 
tcbdque  aprös  Smetana.    370. 

—  La  Sniegourotchka  de  Rimsky- 
Korssakow.     371. 

de  Robeck,  Nesta:  Notes  on 
the  Society  of  the  mastersingers. 
374. 

Robinson,  Percy:  Hindel,  Erba, 
Urio  and  Stradella.     170. 


Roeder»  Karl:  Ober  Dirigenten- 
praxis.    112. 

—  Die  Textbehandlttng  Im  Ge- 
sangunterricht.    113. 

Rohde,  Erwin:  Briefe  an  Wagner. 
181. 

Roner,  Anna:  R.  M.  Breithaupts 
»Die  natOrliche  Klavier- 
technik«.    111. 

Rflst,  S.:  Die  Gesangsmethode 
von  E.  Jaques-Dalcroze.  178. 

Sachs,  Curt:  Eine  bosnische 
DoppelflOte.     170. 

Saint-SaCns,  Camille:  La  musi- 
que de  Gluck.    371. 

Scharwenka,  Franz:  Der  Musik- 
lehrer.   243. 

Schering,  Arnold:  Joseph  Joa- 
chim.    100. 

—  Zum  Thema:  Hindels  Ent- 
lehnungen.    180. 

Scbeumann,  A.  Richard :  Minner- 
gesangfeste  in  Deutschland  von 
1827—1845.     113. 

—  Vor  25  Jahren!  Ein  Er- 
innerungsblatt an  das  Dritte 
Singerbundesfest  zu  Hamburg. 
113. 

—  Die  allgemeinen  deutschen 
Gesangfeste  In  den  Jahren 
1845,   1846  und  1847.     113. 

—  Heiteres  und  Ernstes  aus 
dem  Leben  und  Wirken  Julius 
Ottos.     113. 

—  Kleine  Ursachen  —  grolk 
Wirkungen.  Ein  Erinnerungs- 
blatt aus  der  Geschichte  der 
Regiments  -  Singerchöre  in 
PreuDen.     113. 

Schiedermair,  Ludwig:  Briefe 
Teresa  Belloc's,  Giuseppe 
Foppa*s  und  Giuseppe 
Gazzaniga's  an  Simon  Mayr. 
170. 

—  Die  Biatezeit  der  öttingen- 
Wallersteinschen  Hofkapelle. 
170. 

Schlegel,  Artur:  Die  Aufgaben 
des  Chordirigenten.     113. 

Schloesser,   Adolph :    Anton 
Schindler.     375. 

Schlosser,  Rudolf:  Max  Zenker 
f.     181. 

Schloß,  Ludwig:  Gesangunter- 
richt in  ungarischen  Volks- 
schulen.    110. 

Schmeck,  A.:  Dortmunds  Musik- 
verhiltnisse  vor  150  Jahren. 
244. 

Schneider,  Otto  Albert:  Renais- 
sance und  Barock  in  der  bil- 
denden Kunst  und  in  der 
Musik.     244. 

Scholz,   Bernhard:   Der  Nieder- 


REGISTER  DER  BESPR.  ZElTdCHRIPTEN-  UND  ZEITUNGSAUFSÄTZB     XIX 


gang  der  öffentlichen  Musik- 
pflege in  Franlifiirt  a.  M.  245. 
Schweizerische  Musikzeitung  und 
Singerblatt  (Zürich):  Minner- 
chOre  von  Peter  Cornelius. 
110. 

—  Auslindische  Rundschau.  1 10. 

—  Vom  Volkslied  im  Kanton 
Luzern.     111. 

—  Zum  50.  Todestage  von  Carl 
Czemy.     111. 

—  Edwin  Schultz  f.     Hl- 

—  Zur  Entwickelung  des  Min- 
nergesangs.    111. 

—  Zum  lOOjihrigen  Bestand 
der  Firma  Gebr.  Hug  &  Co. 
io  Zaricb.     111. 

—  Angerer-Jubilium.     111. 

—  Die  schweizerische  National- 
hymne.    178. 

—  Engiadina,  Cl^anzuns  ladinas. 
178. 

—  Zum  Jubilium  der  Berner 
Musikschule.     1 78. 

—  Die  musikalischen  Bestre- 
bungen in  Baden.     178. 

—  Das  kantonale  Singerfest  in 
Chur.     178. 

—  Die  IX.  Tagung  des  Vereins 
schweizerischer  Tonkflnstler 
in  Baden,  1908.     178. 

Seibt,  Georg:  Noch  einmal  Qber 
die  soziale  Lage  der  Singer 
und  der  Kunstgesanglebrer. 
110. 

SeifTert,  Max:  Die  Verzierung 
der  Sologesinge  in  Hindels 
«Messias**.     179. 

Seiling,  Max:  Gegen  den  Monis- 
mus.    181. 

Seydel,  Martin:  Goethes  Be- 
deutung für  die  Kultur  der 
Stimme.     109. 

Shtieber,  N.  G.:  Russian  gipsies 
and  their  music.     375. 

Silhan,  Anton:  Wagners  »Flie- 
gender Holunder**.     376. 

Sonneck,  O.  G.:  Edward  Mac 
Dowell.     109. 

Spelthahn,  Heinrich:  Exotische 
Musik.     246. 

Spitta,  Friedrich :  Zur  AufTQhrung 
der  Passionen  von  Heinrich 
Schatz.     113. 

Stein,  Bruno:  E.  Grieg  und 
seine  Bedeutung  fOr  die 
Musik,  insbesondere  fflr  den 
Gesang.     110. 


Steiner-Schweizer.  A.:  Joachims 
Beziehungen  zu  Zürich.  181. 

Die  Stimme  (Beriin):  Rflck- 
blick  auf  das  VII.  Deutsche 
Singerbundesfest  in  Breslau. 
109. 

Stober,  Heinrich:  Das  deutsche 
Volkslied  in  seinem  Wesen 
und  seiner  Geschichte.     181. 

Stolzing,  Josef:  Richard  Wagner 
und  die  Moderne.     242. 

—  Richard  Wagner  Ober  die 
Moderne.     243. 

Süddeutsche  Singer-Zeitung(Hei- 

delberg):  Franz  Curti  f    181. 
Teneo,  Martial:  Un  romintique 

sous  Louis-Philippe.    370. 
V.    TidebOhl,      Ellen:     Wassili 

Hjitsch  Safonoff.     374. 
Tiersot,    Julien:    Soixante    ans 

de  la  vie  de  Gluck  (1714  bis 

1774).     371. 

—  Une  lettre  in6dite  de  Rossini 
et  r Interruption  de  sa  carridre. 
371. 

Thari,  Eugen:  Volkslied  und 
Lautenspiel.     244. 

Thibaut,  A.  F.J.:  Ober  Bildung 
durch  Musiker.     180. 

Thomann,  Robert:  Der  Minner- 
chor Zürich.     177. 

Thomas,  Louis:  Poesie  et  musi- 
que.     370. 

Thuren,  Hjalmar:  Das  dinische 
Volkslied.     109 

—  Tanz  und  Tanzgesang  im 
nordischen  Mittelalter  nach 
der  dinischen  Balladendich- 
tung.    180. 

Thylleri,  Amölia:   Ein  Weg  zur 

Verbesserung     der     sozialen 

Lage    der  Kunstgesanglehrer. 

110. 
Tommasini,  Vincenzo:    Claude 

Debussy    e    Timpressionismo 

nella  musica.    376. 
Torchi,     Luigi:     „Salom^*     di 

Riccardo  Strauss.     376. 
La  Torre,    Feiice:    Degli  effetti 

dei  suoni  sugli  uomini.    376. 
Torrefranca,  Fausto:    L'allitera- 

zione  musicale.     376. 
Torri,  Luigi :  La  costenzione  ed 

i   costruttori  degli   istrumenti 

ad  arco.     375. 
Toye,  Francis,    und    Boulestin, 

Marcel :      Beckmessörianisme 

anglais.    369. 


Tucholsky,  Beru:  Erinnerungen 
an  Johannes  Brahma.     244. 

d'Udine,  Jean:  La  muslque  des 
syllabes  et  les  sirftnes  du 
Docteur  Marage.    369. 

—  La  Classification  des  timbres 
et  les  sons  complömentaires. 
370. 

—  Vies  paralleles.  II:  Massenet. 
370. 

—  Rimsky-Korssakow.    371. 
Ulrich,  Bernhard:   Die  »Pytha- 

gorischen  Schmids-FOncklein". 
179. 

Varton,  Pol:  Le  Journal  d*une 
chanteuse  annamite.    369. 

Veis,  J.:  Eine  einfache  Kehl- 
kopfmassage.    110. 

Vogel,  Georg:  Ober  deutsche 
Gesangsaussprache.     1 10. 

Wagner,  Peter:  Ober  Choral- 
rhythmus.    1 80. 

Weckerlin,  J.  B.:  Une  pr6face: 
Comment  je  devins  biblioth6- 
caire  du  conservatoire.     372. 

Wedgwood  James:  Modem  organ- 
building:  A  new  Manchester 
organ.    372. 

Wellner,  August:  Eduard  Grell. 
111. 

Werner,  Arno:  Musik  und  Mu- 
siker in  der  Landesschule 
Pforta.     178. 

Wettlo,  Franz :  Singenlernen  und 
Singenlehren.     109. 

Wiedermann,  Fr.:  Schillers  Be- 
ziehungen zur  Musik.     112. 

Williams,  C.  F.  A.:  Presentday 
accoropaniment  of  ancient 
Greek  melodies.     180. 

V.  Wolzogen,  Hans:  Richard 
Wagner  an  Minna  Wagner.  181. 

—  August  Wilhelm]  f-     181. 
Wustmann,  Rudolf:  Zwei  „Mes- 
sias**-Probleme.     180. 

—  Bachfest  in  Leipzig,  Kantate 
1908.     180. 

Zeitschrift  der  Internationalen 
Musikgesellschaft  (Leipzig): 
The  musician  astronomer.  109. 

—  »Harmony**  versus  ,»Counter- 
point"  in  teaching.     180. 

—  MufTaOs  «Coroponimenti*. 
180. 

—  Sibelius  in  England.     180. 
Ziegler,    Paul:    Wo    bleibt   das 

»Kinderbuch*  von  Ludwig 
Erk?     112. 


■■■r'-fux  .H-iiSB  ii-i' 


DAS  KÜNSTLERDRAMA  IN 
WAGNERS  PARSIFAL 


von  Dr.  Richard  Zimmermann-Lübeck 
^^^     ■      ^      I        1  ^       i      1       j      I  ■ 


Qrei^Sehnsuchtsquellen  speisen  den  Zaubersee  der  Vagnerschen 
.  Kunst:  die  natürliche  Sehnsucht  nach  einem  seeltsch-sinnlicben 
'  Vollglück  seines  Ich,  die  heilige  Sehnsucht  nach  einer  be- 
.  Friedigenden  Lebensgemeinschaft  aller  Schmerz  und  Lust  fühlen- 
den Wesen  dieser  Erde,  die  Sehnsucht  des  Künstlers  endlich  nach  einer 
befriedigenden  Existenz  des  Kunstwerks  wie  des  Künstlers. 

Die  hier  gedachte  Sooderung  ist  freilich  in  der  Person  und  der 
Kunst  Vagners  ebensowenig  vorhanden,  wie  in  der  Natur  gesonderte  Ele- 
mente sieb  finden.  Auch  in  seinem  .Parsifal"  durchdringen  sich  jene 
Strömungen.  Der  erkennende  Geist  aber  wird  ohne  diese  Trennung  sich 
nicht  vermitteln  können.  So  richten  sich  denn  die  folgenden  Betrachtungen 
nur  auf  eins  der  Lebenselemente  des  .Parsifal*;  nur  als  ein  Gleichnis 
seines  Künstlerlebens  und  -erlebens  sehe  ich  jetzt  den  .Psrsifsl*  an,  mir 
wohl  bewußt,  daß  damit  die  Lebens-  und  Sinnfülle  des  Werkes  durchaus 
nicht  erschöpft  ist. 

Der  Heilige  Gral 
Das  schönste  Phänomen  unseres  Seelenlebens  ist  jener  still  in  sieb 
and  ihrem  Gott  befriedete  Zustand  der  Seele,  der  bei  höher  organisienen 
Naturen  sieb  zu  einer  das  Subjekt  beglückenden  reichen  Innenwelt  der 
Gedanken  und  Gefühle  steigert.  Vorzügliche  Genien,  mit  der  Gabe  des 
Kunstschatfens  ausgestattet,  haben  jenem  seligen  Innenleben  in  Kunst- 
werken Vahmehmbarkeit  und  Dauer  verliehen,  andere  Genien,  zur  Religions- 
stiftung beanlagt,  haben  denselben  Zustand  als  religiöse  Vermichtnisse 
überliefert.  Umfaßt  man  beiderlei  Wirken  in  einem  Symbole,  so  ist  das 
segenspendende  Zaubergeßß,  der  Heilige  Oral,  das  sinnbildliche  Ergebnis 
aller  jener  edelsten  Betltigungen  des  menschlichen  Geistes. 

Grslsbüter 
Von  Geschlecht  zu  Geschlecht  lebt  und  erneuert  sich  der  Heilige 
Gral,  immer  neue  Genien  deuten  das  Vermichtnis  und  schaffen  von 
neuem  seine  Kraft  Als  solch  ein  berufener  Gralsbnter  fühlte  sich  Wagner; 
ja,  es  war  bei  zunehmendem  Alter  sein  immer  bestimmteres  Bewußtsein, 
daO  er  unter  allen  Zeitgenossen  der  erste  der  Berufenen,  daß  er  der  Grals- 
könig seiner  Zeit  sei. 


4 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


Die  Amfortaswunde 

Besteht  nun  das  Wesen  jener  höheren  Idealwelt  eben  darin,  daß  sie 
nur  als  beglückendes  Innenleben  vorhanden  ist,  höchstens  in  einem  selten 
sich  bildenden  Kreise  weniger  Auserlesenen  teilweise  sich  verwirklicht,  im 
fibrigen  aber  auf  das  Dasein  im  Kunstwerk  angewiesen  ist,  so  erzeugt 
diese  Absonderung  gerade  in  starken  Naturen  Verlangen  und  Drang  nach 
draußen,  nach  Eroberung  und  Gewinn  der  wirklichen  Welt,  die  so  golden 
uns  anlacht,  es  müßte  denn  sein,  daß  dem  Genius  für  die  Gestaltung 
seines  Lebens  eine  glückliche  Beschränkung  oder  wunschlose  Entsagung 
beigegeben  ist,  wie  es  etwa  bei  Bach  oder  Beethoven  (Titurel)  zu  er- 
kennen ist.  * 

Schon  der  an  sich  edle  Drang,  sich  mitzuteilen,  führt  aus  der  reinen 
Idealität  in  die  Arme  der  Frau  Welt.  Diesem  reinen  Wunsche  mischen 
sich  aber  sofort  Begehrungen  anderer  Art  bei.  Den  Künstler  verlangt  es 
nicht  nur,  sein  Innenglück  in  seine  Mitmenschen  zu  ergießen,  er  wünscht 
auch  Liebe  und  Anerkennung  dafür  einzutauschen,  er  will  von  Liebe  ge- 
tragen sein;  in  letzter  Linie,  je  bedeutender  und  stärker  sein  Naturell  ist, 
wird  er  den  Drang  verspüren,  auf  die  Gestaltung  der  wirklichen  Welt  ein- 
zuwirken, und  um  so  heftiger  nur,  je  herrlicher  das  Weltbild  ist,  das  ihm 
vor  der  Seele  steht.  Goethes  Eintritt  in  Weimar,  Schillers  Brief  an  das 
französische  Parlament,  ja  eigentlich  seine  ganze  Dichtungsweise  mögen 
als  bekannte  Beispiele  hierfür  gelten.  Den  Künstler  Wagner  ergriff  der 
Wahn,  die  Welt  nach  einem  Wunschbilde  zu  gestalten,  in  der  Revolutions- 
zeit von  1848.  Sein  stolzester  Gedanke  war,  der  in  seinem  Sinne  um- 
gewandelten Menschheit  diese  ihre  Umwandlung  in  einem  Kunstwerke  von 
unerhörter  Neuheit  darzustellen.  Künstler  und  Volk,  Ideal  und  Leben 
sollten  eine  Vermählung  feiern,  daß  Schillers  Wort  «Seid  umschlungen, 
Millionen''  eine  ungeahnte  Erfüllung  fände.  Frau  Welt  aber  verlachte  den 
Künstler,  der  ihr  mit  brünstiger  Umarmung  nahen  wollte.  Hohn  und 
Spott,  Verfolgung  und  Verbannung  trug  er  davon.  Nur  konnte  die  eine 
große  Schmach,  die  er  erlitt,  ihn  nicht  vor  neuer  Schmach  behüten.  Wohl 
konnte  er  davon  ablassen,  der  Wirklichkeit  eine  Wunschgestalt  aufprägen 
zu  wollen;  wohl  auch  davon,  seinem  Kunstwerke  (»Ring  des  Nibelungen'') 
die  unmittelbare  Beziehung  für  die  lebendige  Gegenwart  zu  erzwingen, 
nimmer  aber  davon,  das  Kunstwerk  selbst  seinem  Wunsche  gemäß  ins 
Leben  hineinzusetzen.  Und  auch  schon  dieser  Drang  leitete  ihn  immer 
wieder  wonneverlangend  in  die  Arme  der  Frau  Welt.  Wohin  ihn  auch 
sein  Dämon  führte,  überall  versuchte  er  sein  Kunstideal  der  Welt  annehm- 
bar zu  machen,  und  überall  gab  ihm  die  Welt  dieselbe  Antwort.  In  Zürich, 
in  Paris,  in  London,  in  Wien,  in  kleinen  und  großen  deutschen  Residenzen, 


5 
ZIMMERMANN:  KONSTLERDRAMA  IM  PARSIFAL 


ja,  selbst  in  Rußland  bot  er  sich  an,  und  überall  trug  er  die  aus  seines 
Sehnens  Quell  ewig  erneute  Qual,  fiberall  die  brennende  Wunde  davon, 
sich  wieder  an  den  Pranger  gestellt  zu  haben.  Überall  bedurfte  es  nur 
der  Enthfillung  seines  Kunstideals,  um  täuschende  Annäherung  in  Gleich- 
gültigkeit, um  schnell  verfliegende  Begeisterung  in  Spott  und  Verleumdung 
zu  verwandeln.  Und  der  Quell  der  Sehnsucht  nach  dieser  lachenden, 
goldigen  Welt  wollte  sich  dennoch  nicht  schließen.  Getragen  sein,  als 
der  Meister  anerkannt,  geliebt  sein,  —  es  wollte  in  ihm  nicht  aufhören, 
danach  zu  schmachten,  —  zu  seiner  eigenen,  furchtbaren  Pein.  Denn' 
tiefer,  als  irgendeiner  es  ahnen  konnte,  fühlte  er  die  Schmach,  die  er 
durch  dieses  Sichsehnen  seinem  bessern  Selbst,  seiner  hehren  Kunst  antat. 
Die  großen  Meister  vor  ihm,  wie  als  letzter  und  größter  Beethoven 
gelebt  hatte  (Titurel),  waren  glücklich  in  ihrem  Kunstschaffen,  weltabgekehrt, 
selbstgenügsam  in  spärlicher  Existenz,  durchaus  befriedet  im  Anschaun 
des  Kleinods  ihrer  Kunst;  nur  ihn  wollte  das  stachelnde  Verlangen  nach 
«Weltenwonne''  nicht  verlassen,  das  ihm  und  seiner  Kunst  nur  immer  neue 
Demütigungen  einbrachte.  Aus  solch  einem  wunden  Herzen  quillt  die 
Bitte:  «Erlöser,  schließe  die  Wunde,  daß  heilig  ich  sterbe,  rein  dir  ge- 
sunde I** 

Kundry 

Hiermit  sind  im  wesentlichen  schon  die  Lebenseindrücke  gezeichnet, 
die  den  Künstler  Wagner  zur  Gestaltung  des  hysterisch  lachenden  Weibes 
anreizten.  Noch  klarer  werden  uns  die  Züge  dieser  Gestalt,  wenn  wir 
Kundry  in  die  Reihe  oder  vielmehr  in  den  Gegensatz  zu  den  übrigen 
Frauengestalten  Wagners  stellen.  Denn  abgesehen  von  der  Venus  im 
sogenannten  «Pariser  Tannhäuser",  der  Wagner,  meines  Erachtens  nicht  zum 
Vorteil  dieser  Göttin,  Kundry-Elemente  zugeführt  hat,  steht  Kundry  ganz 
abseits  von  allen  Wagnerschen  Frauengestalten.  Isolde  freilich  und  in  ge- 
wisser Hinsicht  Eva  sind  auch  in  gesondener  Stellung.  Aber  auch  diese 
sind,  wie  die  übrigen,  im  Wesentlichen  Geschöpfe  seiner  Sehnsucht, 
Kundry  dagegen  bedeutete  für  Wagner  den  plastisch  angeschauten  Dämon 
der  Wirklichkeit. 

Regungen  der  Sehnsucht  sind  gewiß  allen  höher,  besonders  allen 
künstlerisch  organisierten  Naturen  eigentümlich,  auch  dann,  wenn  der  vor- 
herrschende Charakter  eines  Individuums  zu  einem  sich  selbst  genügenden 
Ruhestand  hinneigt,  dem  tiefen  Alpensee  vergleichbar,  der  Bergeszinnen, 
Mond  und  Sterne  rein  abspiegelt.  Diese  letztere  Anlage  tritt  in  Wagners 
Gesamtbild  jedenfalls  sehr  zurück  gegen  eine  nur  mit  heroischem  Maße 
zu  messende  Sehnsucht  einer  geradezu  hungernden  Seele.  Aus  dieser 
Seele  sind  die  Gestalten  entstiegen,  an  denen  der  Künstler  wie  der  Mensch 


6 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


ü 


seiner  Sehnsucht  Sättigung  zu  geben  suchte.  Dem  Plane  unserer  Be- 
trachtung entsprechend,  vergegenwärtigen  wir  uns  jetzt  an  der  Reihe  seiner 
Frauengestalten  nur  das,  wozu  der  Künstler  sie  für  den  Künstler  erschuf: 
Senta,  die  ersehnte  Heimat  für  den  in  der  Fremde  Irrenden;  Elisabeth, 
die  jungfräulich  deutsche  Seele  für  den  vom  weltstädtisch-französischen 
Genußleben  Unbefriedigten;  Elsa,  das  unbedingt  glaubende  Wesen  für  den 
einsamen,  von  der  Welt  unverstandenen  und  verdächtigten  Künstler;  Sieg- 
linde, das  gleich  wie  er  selbst,  wie  die  deutsche  Kunst,  wie  das  deutsche 
Volk  in  unwürdigen,  fremden  Banden  gefesselte  deutsche  Wesen,  das  sich 
aus  schmachvoller  Gesetzlichkeit  zur  Freiheit  und  Würde,  wenn  auch  dem 
Tode  entgegen,  losreißt;  Brünnhilde  endlich,  «das  kühne,  herrliche  Kind**, 
die  zu  neuem  Leben  erweckte  Germania,  und  ebenso,  des  mythischen 
Schimmers  ledig,  als  bürgerlich  schlichtes,  aber  nicht  minder  die  deutsche 
Art  verkörperndes  Wesen,  Eva,  die  es  selbst  ausspricht,  daß  sie  des 
Meisters  Geisteskind  ist: 

„Durch  dich  nur  dacht' 
ich  edel,  frei  und  kühn: 
dtt  ließest  mich  erblühn!'' 

—  sie  alle  sind  die  Geschöpfe  einer  allgewaltigen  Sehnsucht,  mit  der  er 
sich  in  die  Wunschseele  seiner  Nation  versenkte,  um  als  Weckrufer  ihr 
das  lebenvolle  Wesen  zu  entlocken,  das  die  Gabe  seines  Genius  liebend 
empfange.  Gewiß  haben  diese  germanisch-deutschen  Frauenbilder  wiederum 
in  unzähligen  jungen  Menschen  seelenbildend  gewirkt.  Im  Ganzen  aber 
blieb  ihm  die  Nation  den  beglückenden  und  zu  seinem  Lebenswerke 
stärkenden  Gegengruß  schuldig.  Witzbolde  nichtdeutscher  Herkunft  konnten 
die  Rolle  übernehmen,  ihm  zu  antworten.  Diese  bittere  Erfahrung,  die 
die  Summe  seines  Künstlerlebens  vergällte,  wirkte  dann  auch  mitschalfend 
an  der  letzten,  allen  früheren  so  entgegengesetzten  Frauengestalt  des 
Meisters,  an  Kundry,  dem  Dämon  der  «Frau  Weif*,  wie  mittelalterliche 
Dichter  sagen  würden.  Der  Glaube  an  ein  deutsches  Volk,  aus  dem  ihm 
das  blonde,  blauäugige,  stammesreine  Ideal  anstrahlte,  schwand  dahin.  Das 
Auge,  keiner  holden  Täuschung  mehr  fähig,  sah  das  semitisch-arische 
Völkergemisch  mit  seinen  unreinen  Instinkten,  unfähig,  das  Große  und 
Reine  zu  lieben,  ein  endlos  durch  das  Dasein  sich  wiedergebärendes  Etwas, 
lebenbegierig,  aber  in  und  mit  sich  in  tausendfältigem  Widerstreit  und  nur 
in  der  Wut  gegen  das  mit  reinem  Bewußtsein  sich  ihm  entziehende  Höher- 
geartete sich  immer  gleichbleibend.  Dieses  Weltwesen  verkörperte  sich 
ihm  in  Kundry,  «Gundryggia  dort**  germanischen  Anteils,  «Herodias"  hier, 
semitischer  Abkunft.  Wehe  dem  Künstler,  der  ihr  wonneverlangend  in 
die  Arme  sinkt!     Er  umarmt  ein  hysterisch  lachendes  Weib. 


ZIMMERMANN:  KÜNSTLERDRAMA  IM  PARSIFAL 


Klingsor's  Zauberschloß 

Der  Ort  nun,  wo  der  Kfinstler  und  Frau  Welt  sich  begegnen,  ist  ein 
Wunderschloß,  das  ein  Zaubermeister  mit  arger  List  hergerichtet  hat. 
Dieser  Zauberer  kennt  die  schlechten  Instinkte,  die  von  je  mit  den  höheren 
und  reineren  Trieben  ihren  Kampf  geführt  haben.  Er  kennt  den  Hang  der 
Welt  zu  schlaffSer  Verweichlichung,  er  kennt  ihre  öde  Langeweile,  die  sich 
zerstreuen  will.  Den  schlechten  Neigungen  zu  frönen,  lockte  er  an:  süße 
Kost  und  bunte  Pracht  bietet  er  aus.  Er  steht  nicht  im  Dienste  der  himm- 
lischen Muse,  die  als  heilig-ernste  Göttin,  als  Erlöserin,  als  beglückende 
Freundin  sich  herabneigt;  er  ist  der  Herr  und  Meister  seiner  Odalisken, 
die  vor  müden  Augen  ihren  Tanz  schlingen.  Selbst  unfähig,  die  Muse 
zeugend  zu  umarmen,  lockt  er  Schaffende  an  sich,  er  legt  ihnen  Fallstricke, 
stellt  ihnen  Preise  und  frohlockt  ihrer  „Feilheit'';  sind  sie  erst  einmal,  von 
Genuß-  und  Gewinnsucht  verführt,  in  seine  Dienste  getreten,  so  werden 
sie,  vor  sich  selbst  entehrt,  nie  wieder  den  Weg  zu  ihrem  bessern  Selbst, 
zum  Gralstempel  ihres  Schaffens  zurückfinden,  »sie  bleiben  ihm  zugewiesen**. 
Seiner  eigenen  Schmählichkeit  drückend  bewußt,  ist  er  der  Feind  alles  edlen 
Schaffens;  gerade  darum  aber  streckt  er  neidisch-lüstern  nach  dem  Aller- 
edelsten  (Gral)  seine  Hände  aus,  um  es  entstellt  und  verfälscht  als  neues 
Lockmittel  in  seinem  Zaubergarten  zu  verwenden.  Klingsor  heißt  der 
Magier  im  «Parsifal*.  In  der  Welt  hat  er  tausend  Namen  und  hat  immer 
und  überall  gelebt,  wo  die  Himmelsgabe  des  Genius  ins  Getriebe  des  Lebens 
hineingerät  An  die  schaffende  Kunst  macht  sich  die  Ausbeutung  der  Kunst 
heran.  Besonders  überall  da,  wo  die  Bretter  aufgeschlagen  werden,  die 
die  Welt  bedeuten,  lauert  der  Dämon  Klingsor,  und  immer  werden  hier 
die  Geister  des  Gralstempels  und  die  von  Klingsors  Zaubergarten  um  die 
Herrschaft  streiten.  In  der  Wirklichkeit  des  Lebens  wird  auch  hier  jene 
Mischung  eintreten,  die  überall  in  unserer  von  Widersprüchen  vollen  Welt 
zustandekommt.  Der  Dichter  aber  stellt  uns  in  seinem  Bilde  die  Geister 
rein  geschieden  dar.  Werden  wir  uns  daher  des  Künstlergletchnisses 
bewußt,  das  die  Handlung  im  „Parsifal**  keineswegs  ausmacht,  wohl  aber  als 
ätherisches  Element  durchdringt  und  umschimmert,  so  erkennen  wir  in 
dieser  Gedankensphäre  Klingsor  als  den  bösen  Geist  im  Leben  der  Kunst, 
der  mit  dem  Schlechten  seine  Rechnung  macht  und  durch  Geisterzwang 
auf  Beute  ausgeht.  Durch  die  heilige  Magie  der  wahren  Kunst  soll  dieser 
Geist  gebannt  und  die  von  ihm  vorgetäuschte  Pracht  »in  Trauer  und 
Trümmer*  gestürzt  werden.  Das  Drama  selbst  aber,  das  Klingsors  Ver- 
nichtung darstellt,  soll  als  Einweihung  der  neu  entstehenden  Bühne  die  guten 
Geister  als  Schutzgeister  ins  neue  Haus  einführen:  so  ist  das  Drama  ein 
Festspiel  zur  Bühnenweihe,  wie  es  sein  Meister  beziehungsvoll  genannt  hat. 


8 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


M 


Parslfal 

Dem  Kampfe  gegen  Klingsors  Geist  und  Reich  galt  recht  eigentlich 
die  ganze  Energie  von  Wagners  Künstlerleben;  aber  vor  dem  Kampfe  auf 
dem  weiten  Felde  der  Außenwelt  hatte  er  in  seiner  eigenen  Brust  den 
Entscheidungssieg  zu  erringen,  dem  nicht  unähnlich,  den  in  der  griechischen 
Fabel  Herakles  erringt,  als  die  beiden  Frauen  ihm  am  Scheidewege  er- 
scheinen. Auch  er  hatte  die  Wahl.  Wie  kein  anderer  hatte  er  den  Hang 
der  europäischen  Theaterwelt  ersehen,  er  kannte  die  Zauberkünste  der 
jüdisch-franzdsisch-italienischen  Oper,  er  beherrschte  ihre  berückenden 
Mittel  wie  kein  anderer;  ihm  winkten  die  goldenen  Ernten  auf  ihren  Gefilden; 
ein  stürmisches  Verlangen  nach  Freiheit  des  persönlichen  Lebens,  nach 
Getragensein  auf  wohliger,  dienstbarer  Woge  des  Lebens  jagte  durch  seine 
Adern  —  und  er  kehrte  sich  ab  von  Klingsors  Lustreiche,  jener  ernsten, 
erhabenen  Kunst  zugewandt,  der  er  unter  langen  Entbehrungen  und  Kämpfen 
unerhörter  Art  eine  reine  Stätte  zu  bereiten  gewillt  war.  So  wohnten  die 
Amfortassehnsucht  und  die  einer  höchsten  Lebensaufgabe  sich  weihende 
Entsagungskraft  Parsifals  nebeneinander  in  seiner  Brust. 

Ludwig  Parsifal 

Und  doch  trat  ihm  einst  auch  aus  der  Außenwelt  an  einem  ent- 
scheidungsvollen Wendepunkte  seines  Lebens  ein  rettender  Parsifal  leib- 
haftig entgegen,  gewiß  die  wunderbarste  Erscheinung  in  seinem  vielbewegten 
Leben.  Damals,  als  dem  50jährigen  Manne  nach  dem  Zusammenbruch 
seiner  Wiener  Existenz  «des  letzten  Trostes  Täuschung  schwand*,  als  alle 
vorhandenen  und  auch  die  noch  unfertigen  Partituren  im  voraus  verpfändet, 
als  alle  Anerbietungen,  selbst  demütigender  Art,  ihm  keine  Lebensbasis 
verschaffen  konnten,  da  erschien  ihm  Ludwig,  der  königliche  Jüngling,  welt- 
unberührt und  weltabgekehrt,  mit  einem  Herzen,  das  anscheinend  nur  von 
der  heiligen  Lust  erfüllt  war,  ein  erhabenes  Ziel  edelster  Kunst  zu  erreichen, 
das  Ziel,  dem  zuzustreben  dem  Manne  schon  der  Mut  zu  sinken  drohte. 
Von  Ludwig  wurde  er  von  neuem  zur  Dichtung  eines  « Parsifal '-Dramas 
begeistert;  Parsifal  nannte  er  den  königlichen  Jüngling  selbst  in  vertrautem 
Kreise.  Der  Glanz  dieser  bei  der  ersten  Berührung  so  magischen  Erscheinung 
mußte  freilich  beizeiten  erblassen,  und  vor  allem  die  Willenskraft,  die  zur 
Erreichung  eines  Parsifal-Lebenszieles  gehörte,  konnte  er  nur  im  eignen 
Busen  finden. 

Des  Speeres  Heimgeleite 

Der  Künstler,  der  der  Verwirklichung  eines  Kunstideales  sein  Leben 
weiht,  hat  in  dem  Kampfe  für  seüie  Kunst  nur  eine  siegbringende  Waffe: 
sein    Kunstwerk   selbst.     «Ich    kann   nur   in   Kunstwerken   reden",   sagte 


9 
ZIMMERMANN:  KÜNSTLERDRAMA  IM  PARSIFAL 


Wagner,  dem  doch  wie  keinem  anderen  Künstler  das  durchleuchtende  wie 
schneidende  Wort  zu  Gebote  stand.  Und  «ich  habe  keinen  Fuß  breit  Erde, 
wo  ich  ganz  das  sein  könnte,  was  ich  will".  Was  er  wollte,  war  groß 
und  neu,  aber  keineswegs  unmöglich.  Der  Geist  edler  Menschlichkeit, 
wie  er  aus  den  Werken  der  vergangenen  großen  Meister  in  Dichtung  und 
Musik  ausstrahlte,  hatte  in  seinem  Schaffen  eine  neue  Erscheinungsform 
gewonnen:  das  tonvermählte  Drama.  Um  dieser  Kunstform  zu  wirklichem 
Leben  zu  verhelfen,  bedurfte  es  einer  außergewöhnlichen  Veranstaltung: 
des  Festspiels.  Das  Festspiel  selbst  aber  wiederum  konnte  nur  dann  den 
ihm  innewohnenden  und  überhaupt  erst  Berechtigung  gebenden  menschlich- 
idealen Geist  offenbaren,  wenn  es  den  Händen  eines  geschäftlichen,  auf 
Gewinn  rechnenden  Unternehmertums  völlig  entwunden  und  als  reine 
Gabe  des  Genius  dargeboten  wurde.  Für  diese  Idee  hat  Wagner  über 
30  Jahre  gekämpft.  Rückschauend  müssen  wir  heute  gestehen,  daß  die 
Forderungen,  die  er  zugunsten  dieser  Idee  an  Fürsten  und  Volk,  -zuletzt 
an  Kaiser  und  Reich  stellte,  durchaus  bescheiden  waren,  bescheiden  im 
Verhältnis  zu  den  Mitteln,  die  anscheinend  für  andere  wohl  auch  ideale, 
aber  femliegende,  tote,  ja  oft  nichtige  Dinge  immerfort  flüssig  sind.  Daß 
hier  nun  er,  der  doch  auf  zweifellos  überragende  Kunsttaten  hinweisen 
konnte,  an  erbärmlichen  finanziellen  und  persönlichen  Hemmnissen  seine 
Kraft  aufreiben  mußte,  daß  er  immer  wieder  vom  Wege  abgedrängt  wurde, 
»wähnte  er  ihn  schon  recht  erkannt'',  das  mußte  ihm  wohl  wie  die  Wirkung 
eines  wilden  Fluches  erscheinen,  mit  dem  Frau  Welt  ihn  in  die  Irre  trieb, 
da  er  ihrem  Hang  und  ihrer  Neigung  zu  widerstehen  gewagt  hatte.  Werk 
um  Werk  gestaltete  sich  im  Reiche  seines  Schaffens,  und  eins  nach  dem 
andern  mußte  er  dahin  geben,  wo  es  entstellt  nur  zur  Mißdeutung  seines 
Wollens  und  zur  geschäftlichen  Ausbeutung  diente  und  ein  ihn  selbst  nur 
peinigendes  Scheinleben  gewann.  Ja,  er  selbst  mußte  sein  größtes  Werk 
zerstückeln  und  zersplittern,  um  es  —  widerspruchsvoll  genug  —  als 
Kampfmittel  für  die  Festspielaufführung  zu  verwenden,  und  als  nach  un- 
erhörten Mühen  die  Tat  gelungen  war,  zwang  ihn  die  äußere  Not  wieder, 
es  überall  hinzugeben,  wo  es  der  Verwahrlosung  und  Entstellung  anheim- 
fiel. Erkennen  wir  in  diesem  Lauf  der  Dinge  objektiv  auch  eine  ver- 
nünftige Notwendigkeit  und  sogar  vielleicht  einen  künstlerischen  Gewinn, 
so  werden  wir  dennoch  auch  den  an  Verzweiflung  grenzenden,  tiefen  Un- 
mut dessen  begreifen,  der  nach  allen  Mühen  seine  Idee  immer  wieder 
vereitelt  und  seine  Kunst  der  Verzerrung  anheimfallen  sah. 

In  solchem  Gewühl  äußerer  Kämpfe,  halber  Scheinerfolge  und  innerer 
Pein  durfte  er  sich  dennoch  eines  stillgeheimen  Trostes  versehen:  eines 
früh  empfangenen,  mit  ihm  wachsenden,  sich  umbildenden,  vertiefenden, 
die  Widersprüche  in  ihm  auseinanderlegenden  und  lösenden,  den  wahren 


DIE  MUSIK  VII.  19. 


Slon  seines  KQnstlerlebens  am  reiasten  spiegelnden  Verkes.  Und  nicht 
nur  seines  Künstlerlebens.  Aas  dem  eigenen  Leidenskern  erwuchs  ihm 
sympathetisch  das  Gefühl  vom  Leiden  der  Veit,  mit  der  eigoea  Entsagaogs- 
krart  gewann  er  Anteil  an  dem  erlfisenden  Heldentum,  das  den  schlingenden, 
zehrenden  Dämon,  der  die  Welt  durchrast,  als  reiner  Liebesgeist  zu  bannen 
vermag.  Dieses  Werk  hütete  und  wahrte  er  als  eine  heilige  Waffe  vor 
Entweihung  im  gemeinen  Kampfe  ums  Leben.  .Denn  nicht  Ihn  selber* 
—  den  heiligen  Speer  —  .dürft'  ich  führen  im  Streite";  .unentweiht" 
wollte  er  Ihn  an  seiner  Seite  führen  und  des  boheo  Tages  harren,  wo  er 
auf  heiligersehntem  Boden  den  Speer  aufpflanzen  kSnnte.  Und  der  Tag 
erschien.  Des  nun  fast  siebzigjährigen  Meisters  letztes  Werk,  von  keiner 
unberufenen  Hand  betastet,  keiner  Zerstückelung,  keiner  Alltagsschau- 
stellung zuvor  preisgegeben,  offenbarte  Klang  und  Bild  auf  dem  geweihten 
Hügel;  aheimgeleitet,  heil  und  hehr  schimmernd*,  als  des  Grales  heiliger 
Speer,  schloß  das  Werk  des  Meisters  Wunde,  der  nun  .nach  langer  Irr- 
fahrt Staub*  in  einem  reinen  Elemente,  „als  König*  von  den  Seinen  «ge- 
grüßt*, Werk,  Amt  und  Leben  beschloß. 


geutschheit  emei^tereRd*  vermerkte  Goethe  im  Schetnt  seiner 
n  Lebensgeschichte  als  bezeichnendes  Ergebnis  seiner  StraCburger 
I  Epoche.  Die  lange  gehegte  Vorliebe  für  franzdsisches  Wesen, 
I  der  Wunsch,  es  sich  völlig  zu  eigen  zu  machen,  hatte  ihn 
nach  Straßbnrg  getrieben,  und  er  mu&te  erleben,  dalt  er  eben  hier,  „an 
der  Grenze  von  Frankreich,  alles  Tranzesiscben  Wesens  auf  einmal  baar 
and  ledig*  werden  sollte. 

.Deutschheit  emergierend":  man  könnte  die  Worte  ebenso  als  ange- 
messene Überschrift  über  Richard  Wagners  Pariser  Lebensabschnitt  setzen. 
Mit  uusend  Masten  war  er  ausgefahren  nach  dieser  Hauptstadt  der  Kunst. 
Fröhliche  HoiAinng,  ehrgeizige  Träume  von  Ruhm  und  Erfolg  schwellten 
die  Segel.  Voll  aufrichtiger  Andacht  war  er  eingezogen  in  dieses  Mekka 
aller  Gläubigen  jungdeutscher  Konfession.  Nur  zu  bald  aber  sollte  bittere 
Enttäuschung  ihm  die  Augen  öffnen.  Nicht  lange  und  er  schrieb  nach 
Hanse:  .Wie  ist  mir  wohl,  daß  ich  ein  Deutscher  binl'  und  da  er  endlich 
heimkehrend,  nach  fast  drei  Jahren  der  tiefsten  Leiden  und  Entbehrungen, 
den  Rhein  erblickte,  schwur  er  mit  hellen  Tränen  im  Auge  dem  deutseben 
Vaterland  ewige  Treue. 

Man  weiß,  wie  er  den  Schwur  gehalten. 

In  Paris  noch  war  der  „Fliegende  Holländer'  aus  dieser  Sehnsucht 
nach  der  Heimat  geboren.  Freilich  einer  Heimat  in  einem  höheren  als  dem 
bloß  politischen  Sinne.  Deutsch  und  französisch  bedeuten  hier  mehr  als 
einen  nur  nationalen  Gegensatz;  es  sind  lediglich  bezeichnende  Ausdrucks- 
formen  entgegengesetzter  Lebens-  und  Kunstauffassungen.  Wagner  hat  in 
Paris  vor  allem  sich  selbst  gefunden.  Er  gibt  es  von  nun  an  auf,  mit 
seinem  Schaffen  äußeren  Erfolgen  nachzutrachten,  den  Forderungen  des 
Tages  sich  zu  bequemen.  Die  Sterne,  die  In  ihm  leuchten,  bestimmen 
fürder  allein  seinen  Kurs.  Man  kennt  seine  Bemerkung,  daß  er  mit  dem 
.Fliegenden  Holländer*  die  Bahn  des  Verfertigers  von  Opemtexten  verlassen 
habe,  um  wirklich  Dichter  zu  werden.  In  der  Tat  ist  dieses  Werk  zuerst 
ganz  Gelegenheitsdichtung  in  dem  Goetbeschen  Sinne  des  Wortes.  Und 
er  sucht  von  da  an  dauernd  nicht  mehr  nach  Stoffen,  die  Effekt  machen 
können;  er  kann    nur   mehr  gestalten,  was  ihn  als  Erlebnis  im  Innersten 


12 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


Ji 


getrofFen,  was  ihm,  mit  Goethe  zu  reden,  im  Augenblick  «auf  die  Nägel 
brannte".  Nur  über  die  äußeren  Formen,  in  denen  sein  Schaffen  sich 
bewegen  muß,  kann  er  wohl  noch  gelegentlich  schwanken.  Natur  hat 
ihm,  dem  Dichterkomponisten,  eine  einzigartige  Form  künstlerischer 
Äußerung  auferlegt,  deren  Gesetze  erst  erfahren  sein  wollen.  Der  dunkle 
Drang  des  Genies  weist  ihm  den  Weg,  den  bald  auch  theoretische  Über- 
legung  erhellen  wird.  Immer  deutlicher  kommt  ihm  zum  Bewußtsein,  daß 
allein  Mythus  und  Sage  ihm  Stoffe  bieten,  in  denen  er  seine  künstlerischen 
Absichten  zu  verwirklichen,  seine  künstlerischen  Visionen  in  ihrer  ganzen 
Tiefe  und  Reinheit  mitzuteilen  vermag.  Kein  Wunder  denn,  daß  wir  nach 
dem  «Holländer"  alle  anderen,  zum  Teil  schon  weit  geförderten  Pläne 
versinken  sehen,  als  ihm  der  Stoff  des  «Tannhäuser"  aufgegangen  ist. 

Wagner  hat  sich  in  der  «Mitteilung  an  meine  Freunde"  über  die 
Entstehungsgeschichte  dieses  Werkes  eingehend  geäußert  und  den  Kreis 
der  Quellen  bezeichnet,  die  er  dafür  benutzte^).  In  der  letzten  Zeit  seines 
Pariser  Aufenthaltes  sei  ihm  «das  deutsche  Volksbuch  von  Tannhäuser"  in 
die  Hände  gefallen,  das  ihn  sogleich  aufs  heftigste  ergriff.  Besonders  un- 
widerstehlich habe  ihn  die,  wenn  auch  lose  Verbindung  angezogen,  in  der 
hier  der  Tannhäuser  mit  dem  Sängerkrieg  auf  der  Wartburg  gebracht  war, 
den  er  schon  früher  aus  einer  Erzählung  E.  T.  A.  Hoffmanns  kennen 
gelernt  habe.  Nun  ward  er  veranlaßt,  das  alte  Gedicht  vom  Sängerkrieg 
zu  studieren,  auch  Tiecks  Novelle  «Der  getreue  Eckhardt  und  der  Tannen- 
häuser" sei  von  ihm  wieder  gelesen  worden,  freilich  ohne  daß  ihre 
mystisch-kokette,  katholisch-frivole  Tendenz  ihm  Teilnahme  abgenötigt  hätte. 

Man  hat  lange  eingesehen,  daß  diese  Angaben  unmöglich  genau  zu- 
treffend sein  können.  Es  gibt  kein  deutsches  «Volksbuch"  vom  Tann- 
häuser, und  nirgends  ist  in  alter  volkstümlicher  Überlieferung  seine  Gestalt 
mit  dem  Sängerkriege  in  Verbindung  gebracht.  Vielmehr  gehen  die  beiden 
Stoffe  in  der  Überlieferung  durchaus  getrennt  nebeneinander  her.  Die 
Tannhäusersage  lebt  in  dem  alten  Volksliede,  das  wir  bis  ins  16.  Jahr- 
hundert zurückverfolgen  können^.  Da  die  Gelehrten  des  17.  Jahrhunderts 
es  in  ihren  Kuriositätenkram  aufgenommen  hatten,  war  seine  Kenntnis 
auch  den  Gebildeten  nie  ganz  verloren  gegangen;  durch  die  Mitteilung  in 
«Des  Knaben  Wunderhom"  und  Heines  begeisterte  Lobpreisung  und  Be- 
arbeitung im  «Salon"  wurde  es  wieder  Gemeingut.  Die  Fiktion  des 
Sängerkriegs  aber  ging  aus  dem  alten  Gedichte  des  13.  Jahrhunderts  in 
die  meistersingerische  Tradition  über.  Direkt  aus  ihr  entnahm  den  Stoff, 
vermittelt  durch    Wagenseils   Schrift   «Von   der  Meistersinger  holdseliger 


>)  Schriften  4>,  260. 

*)  Man  übersieht  die  Oberlieferung  bequem  in  Erk-Böhmes  Liederbort,  1,  42ir. 


13 
PANZER:  TANNHÄUSBR 


9ff 


Kunst",  E.  T.  A.  Hoff  mann  und  gestaltete  ibn  zu  der  Novelle  .Der  Kampf 
der  Singer'',  die  zuerst  1810  erschien^);  er  gab  ihr  das  bewegende  Motiv 
durch  seine  Erfindung  eines  Streits  um  die  Liebe  der  Gräfin  Mathilde, 
Hofdame  des  Landgrafen,  zwischen  den  Freunden  Wolfframb  von  Eschin- 
bach  und  Heinrich  von  Ofterdingen.  Auch  dramatisch  aber  ward  der 
Stoff  bald  darauf  bearbeitet  von  Fouqu6  in  seinem  1828  erschienenen 
«Dichterspiel*:  Der  Sängerkrieg  auf  der  Wartburg. 

Diese  beiden  Überlieferungsreihen  sind  erst  in  Wagners  Werk  zu- 
sammengeflossen, und  was  uns  hier  heute  einen  so  wunderbar  einheitlichen 
Eindruck  macht,  als  sei  es  von  je  und  je  dagewesen,  entstammt  in  Wahrheit 
einer  eigenartigen  Kombination,  die  alle  ihre  Vorgänger  für  ihre  Zwecke 
zu  nützen  verstand.  Man  wird  sich  nicht  wundern,  daß  dieser  Umstand 
auch  die  Forschung  gereizt  hat.  Wir  besitzen  schon  eine  ganze  Reihe 
von  Untersuchungen  darüber^,  in  denen  der  Sachverhalt  sich  aber  doch 
nie  erschöpfend  und  in  einer  den  literarischen  Tatsachen  genau  ent- 
sprechenden Weise  dargestellt  findet.  So  mag  ein  neuer  Versuch  sich 
immer  lohnen;  er  schließt  sich  am  besten  an  eine  fortlaufende  Analyse 
des  Dramas  an. 

Der  Beginn  der  Oper  zeigt  die  durch  das  Tannhäuserlied  gegebene 
Situation:  der  Held  weilt  im  Venusberge.  Die  Schilderung  des  Lebens  im 
Berge  hat  Stimmung  und  Farben  von  Heine  und  Tieck  empfangen.  Vor 
der  Menschen  «blödem,  trübem  Wahn*  sind  hierher  .der  Freude  Götter 
entflohn  tief  in  der  Erde  wärmenden  Schoß*.  Das  entspricht  der  Auf- 
fassung Heines,  der  in  seinen  Auseinandersetzungen  über  die  Elementar- 
geister unmittelbar  vor  der  Mitteilung  des  Tannhäuserliedes  von  dieser 
Zertrümmerung  der  schönen  antiken  Götterwelt  durch  das  vordringende 
Christentum  gesprochen  hat.  Aus  ihr  trete  in  deutscher  Sage  besonders 
Venus  hervor,  «die,  als  ihre  Tempel  gebrochen  wurden,  sich  in  einen 
geheimen  Berg  flüchtete,  wo  sie  mit  dem  heitersten  Luftgesindel,  mit 
schönen  Wald-  und  Wassernymphen  das  abenteuerlichste  Freudenleben  führt. 
Schon  von  weitem,  wenn  du  dem  Berge  nahest,  hörst  du  das  vergnügte 
Lachen  und  die  süßen  Zitherklänge,  die  sich  wie  eine  unsichtbare  Kette 
um  dein  Herz  schlingen  und  dich  hineinziehen  in  den  Berg*^).  So  erscheinen 
denn  auch  bei  unserem  Dichter  Nymphen,  Amoretten,  Grazien  usw.  als 
Hofgesinde  der  Frau  Venus,   schwelgend  in  Düften  und  Klängen.     Gewiß 


0  Werke,  herausgegeben  von  Grisebacb,  7,  22  IT. 

*)  Ich  nenne  außer  den  einschlägigen  Abschnitten  der  Biographien  besonders 
die  Aufsitze  voa  W.  Gohber,  Bayreuther  Blätter,  1880,  S.  132ff.;  Bayreutber  Tascben- 
kalender,  1891,  S.  8ff.  und  R.  Sokolowsky,  Bayreutber  Blätter,  1904,  S.  223ff.  [Dazu 
kommt  jetzt  Golther,  Walhalla  3  (1907),  ISff.   Korrekturnote.] 

^  Heines  Werke,  herausgegeben  von  Elster,  4,  428. 


L\.r 


14 
DIE  MUSIK  Vll.  19. 


msm 


aber  gab  auch  Tieck  Anregung,  dessen  Tannenhäuser^)  im  Berge  «das 
Gewimmel  der  frohen  heidnischen  Götter,  Frau  Venus  an  ihrer  Spitze*, 
begrüßte;  »sie  sind  dorthin  gebannt  von  der  Gewalt  des  Allmächtigen  und 
ihr  Dienst  ist  von  der  Erde  vertilgt".  Und  was  dieser  Tannenhäuser  dort 
genossen,  wird  auch  Wagners  Helden  zuteil.  »Alle  Freuden,  die  die  Erde 
beut,  genoß  und  schmeckte  ich  hier  in  ihrer  vollsten  Blüte,  unersättlich 
war  mein  Busen  und  unendlich  mein  Genuß.  Die  berühmten  Schönheiten 
der  alten  Welt  waren  zugegen,  was  mein  Gedanke  wünschte,  war  in  meinem 
Besitz,  eine  Trunkenheit  folgte  der  andern,  mit  jedem  Tage  schien  um  mich 
her  die  Welt  in  bunteren  Farben  zu  brennen.  Ströme  des  köstlichsten 
Weines  löschten  den  grimmen  Durst,  und  die  holdseligsten  Gestalten  gau- 
kelten dann  in  der  Luft,  ein  Gewimmel  von  nackten  Mädchen  umgab  mich 
einladend,  Düfte  schwangen  sich  bezaubernd  um  mein  Haupt,  wie  aus  dem 
innersten  Herzen  der  seligsten  Natur  erklang  eine  Musik  und  kühlte  mit 
ihren  frischen  Wogen  der  Begierde  wilde  Lüsternheit*  usw.  Übrigens 
scheint  auch  die  Herrlichkeit,  die  Elis  Fröbom  im  Innern  des  Berges  von 
Falun  erschaut,  wo  die  hohe  Königin  thront,  Wagner  einige  Züge  für  die 
Schilderung  seines  Venusberges  gegeben  zu  haben'). 

Das  Drama  führt  uns  sogleich  den  Konflikt  vor  Augen.  Tannhäuser 
ist  müde  geworden  der  holden  Wunder,  die  er  im  Berge  genossen;  er 
sehnt  sich  zurück  nach  der  Oberwelt,  nach  ihren  Freuden  —  und  Schmerzen. 
Wohl  durfte  er  das  Höchste  genießen,   als  Gott  sich  fühlen  in  der  Liebe 

der  Göttin: 

«Doch  sterblich,  «cb!  bin  ich  geblieben, 
und  übergroß  ist  mir  dein  Lieben; 
' '  w6nn  stets  ein  Gott  genießen  kann, 

bin  ich  dem  Wechsel  Untertan; 
nicht  Lust  allein  liegt  mir  am  Herzen, 
aus  Freuden  sehn'  ich  mich  nach  Schmerzen.* 

Dieser  moderne  Zug  fehlt  dem  alten  Liede.  Es  verlangte  aber  schon 
Tiecks  Tannenhäuser  «wieder  jenes  Leben  zu  leben,  das  die  Menschen  in 
aller  Bewußtlosigkeit  führen,  mit  Leiden  und  abwechselnden  Freuden*.  In 
das  Lied  selbst  hat  dann  Heines  Bearbeitung  ihn  hineingetragen*): 


')  Schriften,  4  (Beriin  1828),  173  ff. 

*)  Bekanntlich  hat  Wagner  am  Ende  seines  Pariser  Aufenthaltes  E.  T.  A.  Hoff- 
manns Erzählung  «Die  Bergwerke  zu  Falun*  zu  einer  Oper  verarbeitet,  deren  Entwurf 
kurzlich  ans  Licht  getreten  ist.  Für  unser  Motiv  vergleiche  man  Hoffmanns  Werke, 
herausgegeben  von  Grisebacb,  5, 175  f.,  188  und  den  Entwurf,  Bayreutber  Blätter,  28, 174. 
Ober  diese  Beziehung  siehe  jetzt  auch  M.  Koch:  Richard  Wagner,  1,  307. 

*)  Er  war  dazu  angeregt  wohl  nicht  durch  die  oben  angeführte  Stelle  bei  Tieck, 
sondern  durch  das  alte  Lied  selbst.  Hier  sagt  der  Tannbluser  Str.  10  «Mein  Let>en 
das  ist  worden  krank",  d.  b.  mein  Leben  ist  elend,  wertlos  geworden;  denn  in  der 


15 
PANZER:  TANNHÄUSER 


«Frau  Vennsy  meine  schöne  Frau, 
Von  süßem  Wein  und  Kfissen 
Ist  meine  Seele  worden  krtnk; 
leb  schmscbte  nach  Bitternissen. 

Wir  haben  zuviel  gescherzt  und  gelacht, 
Ich  sehne  mich  nach  Trinen, 
Und  statt  mit  Rosen  möchf  ich  mein  Haupt 
Mit  spitzigen  Domen  Icrönen** 

Gewiß  ist  Wagner  von  diesen  Versen  Heines  angeregt  worden.  Sehr 
schön  hören  wir  seinen  Helden  aus  den  schwülen  Paradieseswonnen  des 
Berges  nach  der  reinen  Natur  sich  sehnen: 

»Doch  ich  aus  diesen  ros'gen  Düften 
verlange  nach  des  Waldes  Lüften, 
nach  unsres  Himmels  klarem  Blau, 
nach  unsrem  frischen  Grün  der  Au', 
nach  unsrer  Vöglein  liebem  Sänge, 
nach  unsrer  Glocken  trautem  Klange  — * 

Möglich,  daß  die  Stelle  im  letzten  Grunde  angeregt  ist  von  Tiecks 
Angabe,  den  Tannhäuser  habe  «der  Wunsch  zur  alten  unschuldigen  Erde 
mit  ihren  dürftigen  Freuden*"  ergriffen.  Jedenfalls  ist  die  Bemerkung  »die 
Zeit,  die  hier  ich  weil',  ich  kann  sie  nicht  ermessen:  -^  Tage,  Monde  — 
gibts  für  mich  nicht  mehr,  denn  nicht  mehr  sehe  ich  die  Sonne*  usw. 
durch  dieselbe  Quelle  veranlaßt.  » Wieviele  Jahre  so  verschwunden  sind, 
weiß  ich  nicht  zu  sagen,  denn  hier  gab  es  keine  Zeit  und  keine  Unter- 
schiede.* Daß  Wagner  gerade  dies  Motiv  aufgriff  und  ausbaute,  ist  auch 
ein  Zeugnis  jenes  sicheren  Instinkts  des  echten  Genies,  der  ihn,  wie  sich 
hundertfach  nachweisen  läßt,  überall  bei  seinen  Entwicklungen  und  Er- 
findungen über  die  alten  Quellen  hinaus,  durchaus  innerhalb  des  Geistes 
und  der  Möglichkeiten  der  echten  gewachsenen  Sage  halten  läßt.  Das 
unbemerkte  und  ungemessene  Hinschwinden  der  Zeit  im  Geisterreiche  ist 
ein  stehender  Zug,  den  ungezählte  alte  und  neue  Sagen  vieler  Völker 
berichten^).  VortrefTlich  ist  es  im  gleichen  Sinne,  daß  von  Wagner  gerade 
die  Glocken  hervorgehoben  werden.  In  zahlreichen  volkstümlichen  Ober- 
lieferungen wird  uns  erzählt,  daß  eben  die  Glocken  es  sind,  die  den  Sterb- 


alten Sprache  hat  «krank*  nicht  den  eingeschränkten  Sinn  wie  gegenwärtig,  sondern 
bedeutet,  «krafdos,  schwach*  überhaupt,  in  übertragenem  Sinne  «gering,  armselig, 
wertlos*  (vgl.  speziell  zu  unserer  Stelle  die  Beispiele  für  «krankes  Leben*  im  Grimmschen 
Wörterbuch  5^  2028).  Heine  hat  den  Vers  aber  offenbar  im  neuhochdeutschen  Sinne 
mißverstanden  und  nun  in  der  oben  bezeichneten  Weise  modern  entwickelt. 

*)  Vgl.  z.  B.  die  Samminngen  von  Wilhelm  Hertz:  Deutsche  Sage  im  Elsaß, 
S.  263IL,  Spielmannsbuch,  2.  Aufl.,  S.  355. 


16 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


liehen  von  den  Geistern  scheiden^).  Ihren  verheifiungsvollen,  sehnsüchtigen 
Klang  vermag  das  Geisterreich  nicht  zu  ertragen,  wie  der  Sterbliche  nicht 
zu  missen.  Sehr  schön  wird  also  Tannhäusers  Sehnsucht  in  ihrem  Grunde 
gleich  in  den  ersten  Worten  angedeutet: 

«Im  Traum  wir  mir'Sy  als  hörte  ich  — 

was  meinem  Ohr  so  lange  fremd! 

als  hörte  ich  der  Glocken  froh  Gellute:  — 

Oy  sag*!   Wie  lange  hört'  ich's  doch  nicht  mehr?* 

Das  Zwiegespräch  zwischen  Venus  und  Tannhäuser  entwickelt  sich 
nach  den  Andeutungen  des  Liedes.  Aus  ihm  stammt  die  lockende  Auf- 
forderung der  Göttin  nach  der  Grotte  («So  gehn  wir  in  ein  Kämmerlein 
und  spielen  der  edlen  Minne*,  heifit  es  im  Liede).  Dafi  Tannhäuser  vor 
seiner  entschiedenen  Ablehnung  nochmals  seine  dauernde  Anerkennung 
der  ewig  unvergänglichen  Reize  der  Göttin  betont  («Stets  soll  nur  dir,  nur 
dir  mein  Lied  ertönen  ...  dein  süßer  Reiz  ist  Quelle  alles  Schönen *"  usw.) 
fuhrt  deutlich  auf  Heine  zurück,  wo  der  Held  ähnlich  ablehnt  («Frau 
Venus,  meine  schöne  Frau,  dein  Reiz  wird  ewig  blühen*  usw.).  Es  mag 
aber  auch  hier  ausdrücklich  bemerkt  sein,  daß  der  entlehnte  Gedanke 
innerhalb  des  Dramas  doch  eine  ganz  andere  und  tiefere  Bedeutung  ge- 
wonnen hat,  da  er  die  dauernde  Berechtigung  der  sinnlichen  Seite  des 
Lebens  schon  hier  nachdrücklich  ausspricht,  die  ja  durch  das  ganze  Drama 
anerkannt  wird;  stehen  sich  Venusberg  und  Wartburg  doch  keineswegs 
schlechthin  als  böses  und  gutes  Prinzip  gegenüber.  Es  liegt  aber  außer- 
halb unserer  Aufgabe,  diesen  in  Wagners  ganzer  Persönlichkeit  fest  be- 
gründeten und  vielfach  sonst  von  ihm  theoretisch  und  künstlerisch  aus- 
gesprochenen Grundgedanken  des  Dramas  näher  zu  erörtern*). 

Ein  Name  befreit  schließlich  Tannhäuser  aus  dem  Berge: 

«Göttin  der  Wonne,  nicht  in  dir  — 
Mein  Fried',  mein  Heil  ruht  in  Maria!'' 

Die  Anrufung  der  Jungfrau  ist  aus  dem  Liede  genommen.  Sie  steht 
aber  nicht  in  der  von  Heine  nach  dem  «Wunderhorn*  mitgeteilten  Fassung. 
Denn  nicht  diese,  wohl  aber  andere  Varianten  (vgl.  Erk-Böhme,  Lieder- 
hort, 1,44)  kennen  zwischen  Strophe  13  und  14  die  Verse: 

«Frau  Venus,  nein,  das  will  ich  nicht, 
Ich  mag  nicht  länger  bleiben, 
Maria  Mutter,  reine  Magd, 
Nun  hilf  mir  von  den  Weihen.* 


^)  Vgl.  z.  B.  die  Zusammenstellungen  von  Sartori,  Zeitschrift  des  Vereins  für 
Volkskunde,  7,  360 f. 

*)  Vgl.  darfiber  etwa  Licbtenberger:  Richard  Wagner,  1899,  S.  114  f.  und  be- 
sonders Rudolf  Louis:  Die  Weltanschauung  Richard  Wagners,  S.  107f. 


PANZER:  TANNHÄUSER 


Wir  haben  hier  also  den  Beweis,  daß  Wagner  neben  Heines  Mit- 
teilung noch  eine  andere  Fassung  des  Liedes  benutzt  hat;  sehr  wohl  aber 
kann  dies  auch  die  Prosaauflösung  in  den  «Deutschen  Sagen*  der  Brüder 
Grimm  gewesen  sein,  die  (I,  215  der  2.  Auflage)  den  Zug  gleichfalls  enthält. 

Mit  einem  Schlage  sieht  Tannhäuser  aus  dem  Berge  sich  auf  die 
Oberwelt  versetzt  in  das  frühlingsgrüne  Tal  vor  der  Wartburg.  Bald  er- 
klingt der  Gesang  des  Hirten  und  nach  und  mit  ihm  der  Pilger;  Tann- 
häuser preist  die  Gnade  des  Allmächtigen,  die  ihn  der  Erde  wiedergegeben. 

Ich  habe  diese  Szene  immer  als  eine  der  schönsten  bewundert,  die 
Wagner  gelungen  sind.  Gewiß  ist  schon  die  äußere  Verwandlung  mit 
ihren  hart  aufeinander  prallenden  eigenartigen  Gegensätzen  höchst  wirkungs- 
voll. Ich  bewundere  die  kleine  Szene  aber  gerade  um  der  Feinheit  willen, 
mit  der  hier  bei  plötzlicher  Wandlung  des  Äußeren  doch  ein  sachter 
innerer  Obergang  aus  dem  Wunderreiche  des  Venusberges  auf  die  Erde 
bewerkstelligt  wird,  indem  Inneres  und  Äußeres  genial  auf  einander  be- 
zogen, wunderbar  in  eins  gewoben  erscheinen. 

Im  Liede  des  Hirten  hier,  der  Pilger  dort  stoßen  die  beiden  Welten 
noch  einmal  auf  einander.  Tannhäuser  sieht  sich  aus  dem  Götterreicho  des 
Berges  heraus  zurückversetzt  in  den  lachenden  irdischen  Frühling,  nach 
dem  er  sich  gesehnt.  Der  Glaube  der  Menschen  selbst  jedoch  führt  eben 
diesen  Frühling  auf  die  Göttin  zurück,  die,  aus  dem  Berge  mit  Glast  und 
Prangen  hervorgezogen,  über  Nacht  durch  Felder  und  Auen  wandelnd,  diese 
Lenzespracht  ersprossen  ließ.  Zugleich  aber  erklingt  schon  der  Gesang 
der  Pilger  aus  dem  Tal,  die  unten  sich  gesammelt  haben,  um  in  Rom  Er- 
leichterung von  der  Last  ihrer  Sünden  zu  suchen.  In  diesen  sinnlichen 
Erscheinungen  aber  sehen  wir  ja  nur  Tannhäusers  zerrissenes  Innere  gleich- 
sam nach  außen  projiziert  und  fühlen  tief  mit  ihm,  wie  er  ergriffen  in  den 
Gesang  der  Pilger  einstimmt: 

»Acb,  schwer  drückt  mich  der  Sünden  Last, 
kann  länger  sie  nicht  mehr  ertragen; 
drum  will  ich  auch  nicht  Ruh'  noch  Rast, 
und  wähle  gern  mir  Muh'  und  Plagen.* 

So  ist  die  kurze  Szene  als  Nachklang  des  Vorausgegangenen  und 
Vorklang  des  Kommenden  ein  vortrefflicher  Übergang;  zugleich  aber  bietet 
sie  eine  wundervolle  Versinnlichung  des  Innenlebens  des  Helden  in  einem 
scheinbar  absichtslosen,  durchaus  in  der  äußeren  Handlung  begründeten 
Geschehen. 

Stofflich  bot  für  diese  plötzliche  Versetzung  Tannhäusers  in  die 
frühlingsgrüne  Oberwelt  das  Volkslied  keine  Anregung.  Hier  heißt  es 
einfach:  «Da  schied  er  wieder  aus  dem  Berg  in  Jammer  und  in  Reuen." 
Aber  schon  bei  Tieck  erzählt  der  Tannenhäuser:  «Eine  unbegreifliche  Gnade 

VIL  19.  2 


18 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


des  Allmächtigen  verschaffte  mir  die  Rückkehr,  ich  befand  mich  plötzlich 
wieder  in  der  Welt.*  Das  Dankgebet  unseres  Tannhäuser:  vAllmächt'ger, 
Dir  sei  Preis!  Hehr  sind  die  Wunder  Deiner  Gnade!"  beweisen,  dafi 
Wagner  diese  Bemerkung  Tiecks  wirklich  vorschwebte.  Zugleich  aber 
stoßen  wir  hier  nun  zuerst  auf  das  zweite  Stoffelement,  das  unser  Drama 
aufbaut:  den  Sängerkrieg  auf  der  Wartburg.  Tannhäuser  ist  ja  zugleich 
der  Heinrich  von  Ofterdingen  des  Sängerstreits^).  Auch  dieser  weilte,  von 
den  Genossen  getrennt,  lange  in  zauberhafter  Feme,  bei  Klinsor  in  Sieben- 
bfirgen.  Und  aus  Klinsors  Zauberreich  wird  er  —  nicht  nach  der  Erzäh- 
lung Hoffmanns,  wohl  aber  nach  der  Darstellung  Fouqu6's  —  plötzlich  von 
Geistern  durch  die  Luft  nach  Eisenach  zurückversetzt  und  mit  Entzücken 
begrüßt  er,  wie  Wagners  Held,  die  herrliche  Natur  des  Landes: 

»Sprecht  I  —  Wären  wir  —  ? 

Meister  Klingsor:  Sind,  wo  Ihr  hin  begehrtet: 
In  Eurem  Eisland  oder  Eisenland. 

Heinrich  von  Ofterdingen  (durch  die  offenen  Fenster  zeigend): 
Das  nennt  Ihr  Eis?    Dies  liebliche  Geträume 
Von  Sonnenlicht  und  Schatten  auf  dem  Rasen? 
Das  nennt  Ihr  Eisen?    Diese  grfinen  Bäume, 
Von  duft'gen  LQfcen  schmeichelnd  angeblasen? 
Und  nennt  Ihr  Eis  die  quelldurcbströmten  Räume, 
Drauf  Lamm  und  Scbäflein  fröblichbfipfend  grasen?" 

Ich  halte  die  Vermutung  ffir  berechtigt,  dafi  Wagner  aus  dieser  Szene 
Fouqu6's,  dessen  Sängerkrieg  wir  ffir  andere  Stellen  noch  benutzt  sehen 
werden,  die  erste  Anregung  zur  plötzlichen  Versetzung  Tannhäusers  in 
den  Frühling  vor  der  Wartburg  genommen  hat.  Auch  der  Gedanke,  den 
Hirten  die  Wunder  des  Maies  preisen  zu  lassen,  kann  ihm  recht  wohl 
durch  sie  zuerst  nahegebracht  sein.  Wir  dürfen  aber  auch  hier  schon 
auf  Hoffmann  verweisen,  dessen  Heinrich  von  Ofterdingen  aus  Sieben- 
bürgen zurückkehrt,  während  die  Sänger  gerade  im  Garten  der  Wartburg 
versammelt  sind,  geschäftig  den  jungen  Frühling  zu  preisen.  Plötzlich 
tritt  er  da  hinter  den  Bäumen  hervor,  und  «mit  freudigem  Erschrecken 
erkannten  alle  in  ihm  den  verloren  geglaubten  Heinrich  von  Ofterdingen. 
Die  Meister  gingen  auf  ihn  zu  mit  freundlichen  herzlichen  Grüßen."  (S.  38.) 

Das  ist  ganz  die  Situation,  die  wir  bei  Wagner  finden.  Zugleich 
aber  ist  dem  Dramatiker  damit  jene  Traum vision  zusammengefiossen,  von 
der  Hoffmann  zu  Eingang  seiner  Erzählung  berichtet,  dafi  sie  ihm  über 
Wagenseils  Chronik  aufgestiegen  sei.  An  einem  Frühlingsmorgen  glaubte 
er  sich  im  Walde  liegend;  lustiges  Hömergetön  kündete  einen  Jagdzug  an, 
in  dem  eben  der  Landgraf  von  Thüringen  und  seine  Sänger  ritten,  von 
denen  er  vorher  in  Wagenseil  gelesen. 


^)  Von  diesem  übernimmt  er  bei  Wagner  auch  den  Vornamen  Heinrich. 


19. 
PANZER:  TANNHÄUSER 


Sechs  Sänger  treten  bei  Wagner,  wie  bei  Hoffmann,  auf.  Ihre  Namen 
atimmen  nicht  zu  diesem,  der  die  meistersingerisch  verderbten  Formen 
Wagenseils  beibehielt,  sondern  zu  den  alten,  reinen  Formen,  die  auch 
Fouqu6  aufnahm.  Aber  die  Charaktere  und  Masken  der  einzelnen  Sänger 
sind  vielfach  nach  den  bei  Hoflfmann  gegebenen  Andeutungen  entwickelt. 
Sogleich  tritt  Wolfram  bedeutsam  aus  ihrem  Kreise;  wie  bei  Hoflfmann 
wird  er  in  einem  engeren  Freundschaftsverhältnis  zu  Heinrich  gedacht. 
Auch  für  die  sinnlich-dämonische  Auffassung  des  Helden  selbst  hat  Hoflf- 
mann den  Grund  gelegt.  Als  einen  schönen  bleichen  JQngling  schildert 
er  Heinrich  von  Ofterdingen,  dem  ein  wildes  Feuer  aus  den  dunklen  Augen 
sprüht,  dem  alle  Muskeln  seines  Gesichtes  vor  Schmerz  zucken,  als  quäle 
ihn  ein  unsichtbares  Wesen,  das  hinter  ihm  aufgestiegen.  Sein  unruhiges 
zerrissenes  Innere  klingt  durch  seine  Lieder,  die  durch  die  innerste  Seele 
gingen.  »Er  wufite,  selbst  ganz  aufgelöst  in  schmerzlichem  Sehnen,  in 
jedes  Brust  die  tiefste  Wehmut  zu  entzünden.  Aber  oft  schnitten  grelle 
häfiliche  Töne  dazwischen,  die  mochten  wohl  aus  dem  wunden  zerrissenen 
Gemüt  kommen,  in  dem  sich  böser  Hohn  angesiedelt,  bohrend  und  zehrend 
wie  ein  giftiges  Insekt.*  Es  schien,  als  klagten  diese  Gesänge  »nur  die 
unermefiliche  Qual  des  irdischen  Seins  und  glichen  oft  dem  jammernden 
Wehlaut  des  auf  den  Tod  Wunden,  der  vergebens  hoflft  auf  Erlösung  im  Tode'. 

Mit  diesen  Liedern  aber  hat  der  Ofterdinger  sich  die  Gunst  der  Dame 
erzwungen,  die  als  »Stern  des  Hofes'  auf  der  Wartburg  leuchtet,  der 
Gräfin  Mathilde.  Sie  ist  bei  Wagner  ersetzt  durch  Elisabeth,  die  Nichte 
des  Landgrafen.  Die  Veränderung  war  gewifi  sehr  glücklich.  Dieser  Name 
findet  sogleich  eine  Resonanz  in  uns,  da  tt.  die  Erinnerung  an  die  all- 
bekannte, liebenswürdige  Legende  der  Heiligen  heraufbeschwört;  ihre  Ge- 
stalt erleichterte  zugleich  die  notwendige  sittliche  Vertiefung  und  Charakte- 
risierung der  Figur,  die  durch  Hoflfmanns  Novelle  als  ein  blasser  Schemen 
geht.  Der  Ersatz  lag  wohl  an  sich  nahe,  mag  aber  auch  noch  dadurch 
unterstfitzt  sein,  daß  Hoflfmann  selbst  durch  die  Prophezeiung  Klingsohrs 
auf  die  Geburt  der  Elisabeth  auf  die  Heilige  hinweist. 

Dramatisch  außerordentlich  geschickt  ist  es  nun  wieder,  wie  Tann- 
hänser,  der  nicht  in  den  Kreis  der  Sangesgenossen  zurückzukehren  begehrt, 
gewonnen  wird  durch  Wolframs  Mahnung:  »Bleib  bei  Elisabeth!'  Das  ist 
der  Zauber,  der  ihn  bindet.  Obermächtig  wird  die  Erinnerung  an  die  alte 
Zeit  in  ihm  lebendig  und  reißt  ihn  fort: 

»Zu  ihr!    Zu  ihr!    O,  führet  mich  zu  ihrl 
Ha,  jetzt  erkenne  ich  sie  wieder, 
die  schöne  Welt,  der  ich  entrückt! 
''  Der  Himmel  blickt  auf  mich  hernieder, 

die  Fluren  prangen  reichgetchmückt 


20 
DIE  MUSIK  Vll.  19. 


Der  Lenx  mit  UuteDd  holden  Klingen 
xof  jubelnd  In  die  Seele  mir; 
in  sfiilem,  ungestfimem  Dringen 
ruft  laut  mein  Herz:  zu  ihr,  zu  ihr!* 

Mit  diesem  Motiv  aber,  das  an  dieser  Stelle  notwendig  die  Handlung 
selbst  weiterscbiebt,  wird  zugleich  ebenso  die  Exposition  meisterhaft  voll- 
endet, als  der  beste  Obergang  zum  Folgenden  hergestellt.  Zudem  ahnen 
wir  hier  schon  eine  besondere  Teilnahme  Wolframs  an  diesem  Verhältnis. 
Die  Vergangenheit  Tannhäusers  aber,  die  wir  mit  Augen  gesehen,  läßt  uns 
nicht  ohne  die  beunruhigende  Ahnung  eines  Konfliktes  der  ferneren  Ent- 
wickelung  mit  wahrer  Spannung  entgegensehen. 

Der  zweite  Aufzug  führt  uns  in  der  ersten  und  zweiten  Szene  Elisa- 
beth zuerst  allein,  dann  im  Gespräch  mit  Tannhäuser  vor.  Die  Freude  über 
die  Ruckkehr  des  Geliebten  entreißt  ihr  das  Geständnis  ihrer  Liebe.  Die 
Szenen  erweisen  sich  als  dramatische  Ausgestaltung  der  von  Hoffmann 
gegebenen  Voraussetzungen.  Tannhäusers  Lieder  haben  Elisabeths  Herz 
bezwungen.    Immer  hat  sie  gerne  den  Sängern  gelauscht, 

«Doch  welch'  ein  seltsam  neues  Leben 

rief  euer  Lied  mir  in  die  Bmttl 

Bald  wollt*  es  mich  wie  Schmerz  durcbbeben, 

bald  drang't  in  mich  wie  jihe  Lust: 

Gefühle,  die  ich  nie  empfunden! 

Verlangen,  das  ich  nie  gekannt! 

Was  einst  mir  lieblich,  war  verschwunden 

vor  Wonnen,  die  noch  nie  genannt!  — 

Und  alt  ihr  nun  von  uns  gegangen,  — 

war  Frieden  mir  und  Lust  dabin; 

die  Weisen,  die  die  Singer  sangen, 

erschienen  matt  mir,  trüb'  ihr  Sinn; 

im  Traume  fühlt*  ich  dumpfe  Schmerzen, 

mein  Wachen  ward  trübserger  Wahn; 

die  Freude  zog  aus  meinem  Herzen:  — 

Heinrich!  Was  tatet  ihr  mir  an?* 
Das  entspricht  ganz  der  Angabe  Hoflfmanns,  Heinrich  von  Ofterdingen 
habe  Mathildens  Herz  durch  seinen  seltsam  unerhörten  Gesang  bezaubert. 
Er  sagt  auch,  die  Lieder  der  übrigen  Sänger  hätten  nach  Ofterdingens 
Scheiden  wirklich  ihren  Glanz  verloren  (S.  38):  «Man  betrauerte  ihn  wie 
einen  Toten  und  lange  Zeit  hindurch  lag  diese  Trauer  wie  ein  düsterer 
Schleier  auf  allen  Gesängen  der  Meister  und  nahm  ihnen  allen  Glanz 
und  Klangt).' 

^)  Tannbluser  lehnt  Elisabeths  Frage  nach  seinen  Erlebnissen  ab:  »Dichtea  Ver- 
gessen hat  zwischen  heut  und  gestern  sich  gesenkt"  Heinrich  von  Ofterdingen 
schreibt  (S.  02)  an  Wolffhimb:  »Es  ist  mir  viel  Seltsames  begegnet,  doch  —  laß 
mich  schweigen  über  die  Unbill  einer  Zeit,  die  hinter  mir  liegt  wie  ein  dunkles  un- 
durchdringliches Geheimnis.* 


21 
PANZER:  TANNHÄUSER 


Aas  dieser  Szene  lernen  wir  äberdies  Wolfram  abermals  als  Heinrichs 
Frennd,  zugleich  aber  mit  Bestimmtheit  durch  Spiel  und  Wort  (,So  flieht 
für  dieses  Leben  mir  jeder  Hoffnung  Schein*)  als  seinen  Nebenbuhler 
kennen.  Beide  Motive  sind  aus  Hoflfmann  übernommen,  nur  ist  das  letztere 
von  Wagner  vertieft,  indem  er  es  tragisch  ausgestaltete.  Bei  Hoflfmann 
ist  die  Liebe  Mathildens  zu  Heinrich  nur  eine  vorübergehende  Verwirrung, 
eine  Bezauberung  durch  des  Sängers  höllische  Lieder;  in  Wahrheit  gehört 
ihr  Herz  Wolflframb,  dem  sie  zufällt,  nachdem  der  Ofterdinger  geschieden. 

Die  dritte  Szene,  Elisabeth  mit  dem  Landgrafen,  ist  Wagners  Eigen- 
tum. An  sich  zart  und  ahnungsvoll,  bildet  sie  zugleich  die  geschickte 
Überleitung  zu  der  vierten  Szene,  dem  Höhepunkt  und  Umschwung  des 
Ganzen:  dem  Sängerstreit. 

Hier  mit  sogleich  auf,  daß  der  szenische  Hintergrund  von  Hoflfmanns 
Angaben  völlig  abweicht.  Bei  ihm  spielt  der  Streit  sich  ab  im  Burghofe 
der  Wartburg.  Wenn  Wagner  ihn  in  den  Saal  der  Burg  verlegt,  so  lag 
das  wohl  an  sich  nahe  (schwerlich  wird  das  alte  Gedicht  ihn  auch  anderswo 
gedacht  haben);  zudem  konnte  die  Art,  wie  er  ihn  mit  einem  prunkvollen 
Aufzuge  einleitet,  von  einem  Dichter,  hinter  dem  der  »Rienzi*  noch  nicht 
allzu  weit  zurücklag,  wohl  ohne  fremden  Einfluß  gewählt  werden.  Aber  man 
wird  doch  mit  der  Annahme  nicht  irregehen,  dafi  hier  auch  Pouqu6's  Sänger- 
krieg eingewirkt  hat.  Bei  ihm  lautet  die  szenische  Bemerkung  vor  dem 
Sängerstreit  (S.  227 f.):  «In  der  Wartburg.  Halle  . .  •  Trompetenstofi.  Land- 
graf Hermann  und  Landgräfln  Sophia  treten  auf  im  feierlichen  Zuge,  vor  ihnen 
her  Edelknaben  und  Hoffräulein;  desgleichen  in  ihrem  Gefolg.  Sie  nehmen 
Platz  auf  einem  erhöbeten  Sitz.  Bald  nach  ihnen  treten  ein  die  Sanges- 
meister Wolfram  von  Eschenbach,  Walter  von  der  Vogelweide,  Reimar  von 
Zweter,  Heinrich  der  Schreiber,  Biterolf  von  Eisenach  und  Heinrich  von 
Ofterdingen.  Sie  grüßen  die  Herrschaften  mit  Kniebeugung.  Dann  nehmen 
sie  auf  niedem  Sesseln  Platz,  dem  Hochsitz  gegenüber.*  Man  sieht,  daß 
diese  Anweisung  sich  ziemlich  genau  so  vor  Wagners  Szene  setzen  ließe. 
Eine  Ansprache  des  Landgrafen  eröffnet  dann  beiderseits  den  Dialog.  Eine 
Stelle  daraus  bei  Fouqu6: 

»—  wohlauf, 
Ihr  Meister  des  Gesanges,  hebt  inzwischen  noch, 
Wenn's  Euch  gefillt,  ein  heitres  RItselvorspiel  an  ..." 

scheint  in  Wagners: 

»Auf,  liebe  Singer!    Greifet  in  die  Saiten"  usw. 
noch  nachzuklingen. 

Der  innere  Aufbau  der  Szene  hat  dagegen  mit  Fouqu6  nichts  zu  tun, 
vielmehr  waren  seine  Elemente  durchaus  in  Hoflfmanns  Erzählung  gegeben. 
Ans  ihm  stammt  schon,  daß  Wolframs  Auftreten  durch  das  Los  bestimmt 


22 

DIE  MUSIK  VII.  19. 


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wird.  Die  reine  Liebe  ist  das  Thema  seines  Liedes,  wie  er  bei  Hoffmann 
im  Wettstreite  gegen  Nasias  (S.  54)  und  dann  wieder  im  Sängerkriege 
(S.  60)  ein  Lied  singt,  «das  in  den  herrlichsten,  gewaltigsten  Tönen  die 
Himmelsseligkeit  der  reinen  Liebe  des  frommen  Sängers  pries".  Tann- 
häuser  erwidert,  die  übrigen  Sänger  greifen  mit  feiner  Abstufung  nach 
ihren  Charakteren  in  den  Wettstreit  ein.  Der  Held  will  nichts  wissen  von 
der  zahmen  Liebe,  die  sie  rfihmen^);  er  erwidert  mit  sinnlich  glühenden 
Gesängen,  wie  Hoffmanns  Heinrich  beim  Wettstreit  Lieder  singt  (S.  59), 
«die  in  den  wunderlichsten  Weisen  solche  Lust  des  Lebens  atmeten,  daß, 
wie  von  dem  glutvollen  Blfitenhauch  der  Gewächse  des  fernen  Indiens 
berührt,  alle  in  süße  Betäubung  versanken".  Aufs  äußerste  gereizt  aber 
bricht  er  endlich  mit  dem  Preise  des  Venusberges  heraus.  Hoihnanns 
Ofterdingen  singt  beim  Wettstreite  das  Lied  des  Nasias;  dies  aber  handelte 
«von  der  schönen  Helena  und  von  den  überschwenglichen  Freuden  des 
Venusberges"  (S.  53). 

Daß  Tannhäusers  Leben  von  den  Sängern  und  dem  Landgrafen  be- 
droht wird,  ist  die  schöne  Umgestaltung  der  alten  Formulierung,  die  Hoff- 
mann und  Fouqu6  beibehielten,  wonach  das  Haupt  des  Besiegten  dem 
Scharfrichter  verfallen  sollte.  Zugleich  liegt  wohl  auch  Erinnerung  an 
einen  früheren  Streit  der  Wartburgsänger  vor,  von  dem  Hoffmann  vorher 
erzählt  (S.  44).  Da  treten  die  Meister,  durch  Ofterdingens  Lieder  heraus- 
gefordert, ähnlich  wie  hier  bei  Wagner  gegen  ihn  auf.  «Heinrich  Schreiber 
und  Johannes  Bitterolff  bewiesen,  den  falschen  Prunk  von  Ofterdingens 
Liedern  abstreifend,  die  Elendigkeit  der  magern  Gestalt,  die  sich  dahinter 
verborgen,  aber  Walter  von  der  Vogelweid  und  Reinhard  von  Zwekhstein 
gingen  weiter.  Die  sagten,  Ofterdingens  schnödes  Beginnen  verdiene  schwere 
Rache,  und  die  wollten  sie  an  ihm  nehmen,  mit  dem  Schwerte  in  der 
Hand.  So  sah  nun  Heinrich  von  Ofterdingen  seine  Meisterschaft  in  den 
Staub  getreten  und  selbst  sein  Leben  bedroht." 

Bei  Hoffmann  entgeht  Heinrich  dem  drohenden  Tode  durch  das  Da- 
zwischentreten seines  höllischen  Lehrers  Klingsohr,  der  ihn  in  einer  Wolke 
entrückt.  Bei  Wagner  wird  er  gerettet  durch  die  erbarmende  Liebe  einer 
Jungfrau,  die  er  soeben  unendlich  tiefer  und  persönlicher  verletzt  hat  als 
irgend  einen  von  denen,  die  ihn  hier  mit  dem  Schwerte  bedrohen.  Es  ist 
das  eine  wundervolle  Umgestaltung  des  Motivs   der  alten  Sage,  daß  der 


^)  Bei  HofTmann  lehnt  Ibnlich  Heinrichs  Lehrer  Kliofsohr  die  Getinge  der 
Meister  ab  (S.  57):  «Mag  es  doch  sein,  daß  ihr  frommer  Sinn  und  ihr  weiches  Gemiit 
(wie  sie  es  nennen)  ihnen  genug  ist  zum  Dichten  ihrer  Lieder,  und  daß  sie  sich  wie 
furchtsame  Kinder  nicht  hinauswagen  wollen  in  ein  fremdes  Gebiet,  ich  will  sie  darum 
gar  nicht  eben  verachten,  aber  mich  in  ihre  Reihe  xu  stellen,  das  bleibt  unmöglich.« 


23 
PANZER:  TANNHAUSER 


besiegte  Ofterdinger  vor  dem  drohenden  Tode  in  den  Schofi  der  Land- 
gräfin fifichtet. 

Dafi  dem  Helden  als  Sühne  die  Wallfahrt  nach  Rom  auferlegt  wird» 
ist  eine  sehr  gluckliche,  weil  ganz  innerhalb  der  Kultur  und  Gesinnung 
der  Zeit  gehaltene  Erfindung  Wagners.  Ihr  Inhalt  war  natürlich  durch  die 
Bufifahrt  gegeben,  die  das  Tannhäuserlied  erzählt;  zugleich  stoßen  wir 
aber  auch  hier  wieder  auf  deutliche  Anregungen  aus  Fouqu6. 

Auch  bei  Fouqu6  ist  Heinrich  in  einem  Verhältnisse  zur  Landgräfin 
(Sophia  heißt  sie  dort)  gedacht,  das  allerdings  mehr  angedeutet  als  aus- 
geführt wird.  Und  dort  (S.  107  f.)  zieht  er  wirklich  vom  Sängerkrieg  weg 
als  Pilgrim  in  die  Feme.  Scheidend  erbittet  er  sich  den  Segen  der 
Landgräfin : 

»Gern  will  ich  in  die  Fremde  wallen, 

Doch  wallt  zum  Heil  der  Pilgrim  nicht. 

Auf  welchen  Zornesatrahlen  feilen. 

Von  edlem  Stern,  sonst  lieb  und  licht. 

Laßt,  hohe  Herrin,  Euren  Segen 

Mit  mir,  dem  schier  Verstoßnen  gebn. 

(Die  Landgräfln  heißt  ihn  mit  Gott  ziehen.) 

Heinrich  von  Ofterdingen:  Hold  sprach  und  ernst  mein  Engelsrichter, 

Getrost  beginn'  ich  fernen  Lauf. 
Landgraf:  Mit  Gott,  Bedringt'ster  aller  Dichterl 

Heinrich  von  Ofterdingen:  Mit  Gott  hinunter  und  hinauf!  —  (Er  gebt  ab.)" 

Der  Aufbau  dieser  Szene  und  stellenweise  selbst  der  Wortlaut  stehen 
mit  dem  Schlüsse  des  zweiten  Aktes  unserer  Oper,  wie  man  sieht,  in 
einer  Verwandtschaft,  die  nicht  mehr  auf  Zufall  beruhen  kann. 

So  haben  wir  auch  für  diesen  zweiten  Akt  fast  alle  stofflichen 
Momente  schon  vor  Wagner  nachweisen  können.  Was  aber  hat  er  daraus 
gemacht!  Wie  einheitlich  geschlossen,  in  welch  wundervoller  Steigerung 
entwickelt  sich  bei  ihm  das  Ganze  in  einem  stetigen  Anschwellen  bis  zu 
stürmischster  Höhe  und  mähligem  Abklingen!  Wie  zartes  Morgenlicht  liegt 
es  über  den  ersten  Szenen  und  hebt  sich  dann  zum  sonnig  hellen  Mittag 
in  dem  festlichen  Aufzug  zum  Sängerstreite.  Bald  aber  steigen  die  ersten 
kleinen  Wölklein  auf  und  werden  dichter  und  dichter,  und  immer  schwärzer 
zieht  sich's  zusammen  und  bricht  dann  los  mit  Blitz  und  Wetterschlag, 
die  blühende  Flur  fiberschwemmend,  allen  gehoflften  Segen  mit  einem  Mal 
vernichtend.  Langsam  nur  verläuft  sich  die  dräuende  Flut.  Erbarmende 
Liebe  aber  spannt  ihren  Regenbogen  über  das  zerschlagene  Gefild,  und  unter 
ihm  zieht  Tannhäuser  —  so  hoffen  wir  —  einem  versöhnlichen  Gotte 
entgegen  •  • . 

Der  dritte  Akt  führt  uns  wieder  in  das  Tal  vor  der  Wartburg.  Die- 
selbe Landschaft  wie  am  Ausgange  des  ersten  Aktes  zeigt  sich  unserem 


24 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


Auge,  aber  im  herbstlichen  Gewände.  Schon  dies  ist  ein  wunderbares  Symbol, 
und  die  Musik  hat  uns  vorbereitet,  unterstützt  uns  und  läßt  uns  Zeit,  es 
ganz  auszufuhlen.  Das  Jauchzen  des  Frühlings  ist  vorüber;  als  einzige 
Hoffnung  bleibt  die  Aussicht  auf  den  stillen,  müden  Frieden  des  Winters. 

Wir  erblicken  Elisabeth  im  Gebete,  Wolfram  ist  ihr  von  ferne  ge- 
folgt. Die  nun  sich  entwickelnde  Szene  ist  nach  ihrem  geistigen  Gehalte 
durchaus  Wagners  Eigentum.  Und  sie  ist  in  sich  gewiß  wieder  vortrelTlich, 
ergreifend  durch  die  tief  verhaltene,  in  den  furchtbaren  Ereignissen,  deren 
Zeuge  wir  gewesen,  wie  mit  Asche  bedeckte  Glut  ihrer  Stimmung,  tragisch 
in  der  letzten  leidenschaftlichen  Berührung  zweier  edler  Menschen,  die 
für  einander  bestimmt  erscheinen  und  doch  durch  ein  unwandelbares 
Schicksal  sich  für  ewig  geschieden  finden.  Und  beständig  schwankt  der 
Schatten  jenes  irren  Pilgers,  der  sie  trennt,  ängstigend  durch  Worte, 
Handlung  und  Musik.  Was  ist  mit  ihm  geschehen?  Unsere  Spannung 
ist  aufs  äußerste  angezogen,  Tannhäusers  letztes  Auftreten  dadurch  vor- 
trefflich vorbereitet. 

Die  stofflichen  Elemente  dieser  Szene  aber  erweisen  sich  dem  Nach- 
forschenden abermals  deutlich  aus  verschiedenen  Quellen  entlehnt,  und 
wiederum  ist  hier  zunächst  Fouqu6  zu  nennen. 

Eine  Szene  der  zweiten  «Abenteure*  führt  dort  (S.  131)  die  Land- 
gräfin und  Sophia  Biterolf,  eine  Tochter  des  Sängers,  zusammen,  zwischen 
denen  die  Neigung  Heinrichs  schwankt.  Die  Landgräfin  fragt  das  Mädchen, 
warum  es  so  oft  weine. 

«Sophia  Biterolf:  Den  ich  bewein',  —  es  ist  ein  irrer  Pilger. 

Landgrlfin  Sophia:  Ein  irrer  Pilger!  —  Hast  du  irgend  Kunde  —  ? 

Sophia  Biterolf:  Nicht  neue  Kunde.    Doch  ein  Pilger  weilt 

Noch  immer  fern;  dem  einst  im  Ehrenrunde 
Ward  die  jetzt  nab'nde  Stunde  zugeteilt, 
Wo  er  geheilt  muß  sein  von  jeder  Wunde 
Der  Ehre,  die  nur  Ehre  selber  heilt;  — 
Wer  hilft  dem  Pilgriro,  wenn  sein  Obertreten 
Die  Zeit  versäumt?  — 

Landgräfin  Sophia:  Gott  hilft.    Komm,  laß  uns  beten! 

(Sie  knien  schweigend  in  die  Blumen  nieder.)' 

Zugleich  hat  aber  auch  Hoflfmann  Anregungen  gegeben.  Bei  ihm  ist 
(S.  60)  Mathilde  nach  dem  Sängerstreit  in  den  Garten  der  Wartburg 
hinausgegangen.  Wolflframb  ist  ihr  allein  dahin  gefolgt;  er  findet  sie  in 
schwermütigen  Betrachtungen  auf  eine  Rasenbank  hingesunken  und  erklärt 
ihr  seine  Liebe.  Das  Verhältnis  bleibt  bei  Wagner  natürlich  tragisch;  der 
Ort  ist  verändert,  in  Rücksicht  auf  die  folgenden  Szenen,  die  stoflFlich  in 
engster  Anlehnung  an  Hoflfmann,  und  zwar  in  der  Hauptsache  an 
zwei    Abschnitte    seiner    Novelle,    gebildet   sind.      Liebeskummer    treibt. 


«25  ^MM 

PANZER:  TANNHÄUSER  SK 

80  erzählt  HoffmaDn  (S.  32),  einst  Heinrich  von  Ofterdingen  in  den 
Wald.  Aus  einer  Schlucht  erblickt  er  die  Wartburg.  «Längst  war  die 
Sonne  untergegangen;  aus  den  düstem  Nebeln,  die  sich  über  die  Berge 
gelagert,  stieg  in  glühendem  Rot  die  Mondesscheibe  empor  ....  Heinrich, 
dem  das  Herz  zerspringen  wollte  vor  Sehnsucht  und  Verlangen,  ergriff  die 
Laute  und  begann  ein  Lied,  wie  er  vielleicht  noch  niemals  eins  gesungen. 
Der  Nachtwind  ruhte,  Baum  und  Gebüsch  schwiegen,  durch  die  trübe 
Stille  des  düstem  Waldes  leuchteten  Heinrichs  Töne  wie  mit  den  Mondes- 
strahlen verschlungen.*  Plötzlich  ertönt  hinter  ihm  ein  gellendes  Ge- 
lächter, ein  Fremder  tritt  hervor,  gibt  sich  für  Heinrichs  Freund  aus,  und 
es  entwickelt  sich  ein  Gespräch,  das  mehrfach  an  das  zwischen  Wolfram 
und  Tannhäuser  erinnert.  Man  sieht  hier  ebenso  Tannhäusers  Auftreten 
wie  Wolframs  Lied  vorbereitet;  wenn  es  bei  Wagner  an  den  Abendstem 
gerichtet  ist,  so  kommt  noch  jene  einleitende  Vision  Hoffmanns  in  Be- 
tracht, der  auch  das  Jagdmotiv  entlehnt  ist.  Als  der  Gesang  der  Meister 
verhallt  war,  da,  heißt  es  dort  (S.  26),  »stieg  in  ein  in  milchweißem 
Licht  herrlich  funkelnder  Stern  empor  aus  der  Tiefe  und  wandelte  daher 
auf  der  Himmelsbahn,  und  ihm  nach  zogen  die  Meister  auf  glänzenden 
Wolken  singend  und  ihr  Saitenspiel  rührend.*  Für  die  vierte  Szene 
aber  gab  vor  allem  Hoffmanns  Abendgespräch  zwischen  Wolfframb  und 
Heinrich  (S.  40)  Anregung.  »Es  begab  sich,  daß  am  späten  Abend,  als 
schon  die  tiefe  Dämmerung  eingebrochen,  Wolfframb  von  Eschinbach  den 
geliebten  Freund,  den  er  überall  vergebens  gesucht,  in  einem  Lustgange 
des  Schloßgartens  traf."  Heinrich  weicht  seiner  Umarmung  aus,  doch 
Wolfframb  versichert  ihn  der  vollkommenen  Aufrichtigkeit  seiner  Freund- 
schaft; und  wenn  er  je  einmal  in  den  Abgrund  hinabzustürzen  drohe, 
»dann  stehe  ich  festen  Muts  hinter  dir  und  halte  dich  fest  mit  starken 
Armen."     Er  verspricht  also,  was  er  bei  Wagner  wirklich  tut. 

Ein  Bekenntnis  hatte  auch  Hoffmanns  Heinrich  seinem  Freunde 
Wolfframb  schon  vorher,  auf  dem  Krankenbette,  abgelegt.  Bei  Wagner 
bildet  den  Inhalt  dieser  Beichte,  die  aus  dem  Tannhäuserlied  genommene, 
erschütternd  ausgestaltete  Erzählung  der  Pilgerfahrt  nach  Rom.  Es  dient 
zur  Vertiefung  ihrer  Wirkung,  daß  ihr  trostloses  Ergebnis  auf  demselben 
Schauplatze  berichtet  wird,  der  den  aus  den  Verlockungen  des  Berges 
Geretteten  einst  so  beseligend  empfangen,  den  der  Büßer  im  Frühling 
hoffend  verlassen.  Nun  öffnet  sich  der  Venusberg  dem  verzweifelt 
Suchenden  wieder,  wie  im  alten  Liede.  Aber  sein  höllisches  Reich  schlingt 
ihn  hier  nicht  mehr  ein,  denn  das  Erscheinen  Elisabeths  bannt  noch  ein- 
mal und  nun  für  immer  seinen  Zauber.  Die  Liebe,  die  für  ihn  gestorben, 
hat  den  Sünder  erlöst.  Erst  nachträglich  wird  das  Stabwunder  des  alten 
Liedes  von  den  heimkehrenden  jüngeren  Pilgern  berichtet.    Und  auch  bei 


26 

DIE  MUSIK  VIL  19. 


SR 


diesem  letzten  Motiv  der  alten  Sage  bewandern  wir  noch  die  feine  Um- 
gestaltang  des  modernen  Dichters:  nicht  mehr  als  Beschämung  des  hart- 
herzigen Priesters  wirkt  es  hier,  wie  wesentlich  im  alten  Liede,  es  erscheint 
nnr  noch  als  die  Bestätigung,  daß  auch  der  Richter  droben  feierlich  aner- 
kannt hat,  was  die  sittliche  Kraft  dieser  Menschen  schon  aus  sich  selbst 
zu  vollbringen  vermochte. 

Durch  diese  Ausführungen  dürfte  das  Quellenverhältnis  für  Wagners 
»Tannhäuser*  sachlich  und  zugleich  grundsätzlich  klar  gelegt  sein. 

Die  eigentliche  stoCFliche  Grundlage  und  den  hauptsächlichsten  Aus- 
gangspunkt bildete  augenscheinlich  Hoflfmanns  Novelle,  die  wir  für  Motive 
und  Charaktere  durchweg  aufs  intensivste  benutzt  fanden.  Die  bedeutendste 
Abweichung  Wagners  war  durch  die  Identifizierung  Heinrichs  von  Ofter- 
dingen  mit  Tannhäuser  gegeben.  Wir  haben  nun  klar  gesehen,  daß  die 
Anregung  dazu  durch  Hoflfmann  selbst  geboten  war,  der  seinen  Ofterdingen 
ein  Lied  von  den  Freuden  des  Venusberges  singen  läßt.  Diese  Angabe 
konnte  gewiß  für  sich  allein  völlig  ausreichen,  Wagner  die  Verbindung 
der  beiden  Stoffe  nahezulegen,  und  man  hat  an  sich  keinerlei  Veranlassung, 
dafür  die  Mitteilungen  von  Bechstein  oder  die  Behauptungen  von  Lucas 
anzurufen,  so  wenig  ich  leugnen  will,  daß  Wagner  auch  diese  Werke  im 
Verlaufe  der,  wie  immer,  ernsthaften  Vorstudien  zu  seinem  Drama  einge- 
sehen haben  kann^).  Für  die  Tannhäusersage  sahen  wir  das  Lied  sicher 
in  Heines  Bearbeitung  benutzt,  aber  auch  in  einer  abweichenden  Variante, 
vielleicht  nach  der  Mitteilung  in  den  deutschen  Sagen,  eingesehen.  Daß 
auch  Tiecks  Tannenhäuser,  so  sehr  Wagner  seine  Tendenz  ablehnte,  dem 
Venusberg  noch  einige  Farben  geliehen  hat,  ist  oben  deutlich  geworden. 
Endlich  aber  hat  auch  die  Beschäftigung  mit  einem  Dichter,  der  Wagner 
durch  seinen  Oheim  gewiß  von  früher  Jugend  vertraut  war,  den  er  nachher 
im  «Ring*  aufs  intensivste  herbeizog,  deutliche  Spuren  hinterlassen.  Wie 
gut  Wagner  Fouqu6's  vSängerkrieg**  gekannt  hat,  wird  auch  außerhalb  des 
«Tannhäuser*  deutlich;  ich  werde  an  anderem  Orte  nachweisen^,  daß  er 
noch  im  «Parsifal*  benutzt  ist. 

Der  Forscher  beobachtet  überall,  daß  Wagners  Lebenswerk  eine 
Kette  enggefügter  Glieder   darstellt;  überall   führen  deutliche  Fäden  von 


^)  Daß  Wagner  die  Schrift  von  Lucas  wirklich  gekannt  bat,  scheint  aus  der 
von  Goltber  a.  a.  O.,  S.  136,  zitierten  Vorbemerkung  zum  Textbuch  des  «Tannhiuser* 
hervorzui^ehen.  Man  sieht  ja  wohl  auch  leicht,  wie  Wagner  gerade  auf  diese  Schrift 
kam.  Das  alte  Gedicht  vermittelte  ihm  ,,einer  meiner  Freunde,  ein  deutscher  Philolog, 
der  es  zufällig  in  seinem  Besitze  bitte*.  (Schriften  4,  269).  Das  ist  doch  zweifellos 
Siegfried  Lehrs  gewesen,  der  aber  war  Königsberger  wie  Lucas. 

*)  Inzwischen  ist  dieser  Aufsatz  gedruckt  im  Jahrbuch  des  Freien  Deutschen 
Hochstifts  zu  Frankfurt  a.  M.  1007,  S.  157  fr. 


27 
PANZER:  TANNHlUSER 


eloem  Verke  zam  «nderen  hinQber.  Das  bestfttigt  sich  auch  «n  dem  hier 
aufgezeigten  Quellenkreis.  Heines  .Tannbluserlled"  steht  im  drillen  Bande 
destelben  .Salon",  dessen  zweitem  Bande  Wagner  den  Stoff  zum  aHollSnder" 
entnahm.  Im  Liede  erscheint  als  Beichtiger  Tannbiusers  eben  jener  Papst 
Urban  IV.,  der  der  historische  Gegner  Manfreds  von  Sizilien,  des  Helden 
der  aSarazenin*,  gewesen  ist.  Die  Novelle  Hoffmanns  aber,  des  literarischen 
Vertrauten  Wagners  von  früher  Jugend  an,  findet  sich  in  denselben  Sera- 
pionsbrüdem,  deren  «Bergwerke  zu  Fainn"  der  Künsller  am  Ende  des 
Pariser  Aurenihalls  zu  einem  Opementwurf  verarbeitete. 

Unsere  Ausfühmngen  haben  sich  bemfiht,  Szene  für  Szene  die  Bau- 
steine anbazeigen,  ans  denen  der  Dramatiker  sein  Kunstwerk  gefügt  bat. 
Solche  Untersuchungen  können  kleinlich  erscheinen:  solange  man  die  Be- 
rechtigung einer  Kunstgeschichte  anerkennt,  werden  sie  immer  unerUitlich 
sein.  Wir  hoffen  aber  dnrch  unsere  Darstellung  zugleich  auch  den 
richtigen  MaDstab  zur  grundsitzlicben  Beurteilung  der  hier  vorliegenden 
VerhUtnisse  gegeben  zu  haben.  Der  .TanobSuser'  ist  nur  ein  typisches 
Beispiel  für  ein  bei  Wagner  durchgehendes  Verhiltnis.  Es  UeQe  sich  wohl 
an  hst  allen  Punkten  seines  Schaffens,  noch  genauer  als  es  bisher  geschehen 
ist,  nachweisen,  wie  bei  ihm  einer  starken  Abhängigkeit  in  der  XuQeren 
Form  bis  in  die  sprachliche  Formulierung  hinein  überall  eine  vollkommene 
Freiheit  der  inneren  Form,  vor  allem  des  Ideengehalts  zur  Seite  steht  und 
eine  sonverioe  Oberlegenbeit  und  Instinktive  Sicherheit  in  allem  eigentlich 
Dramatischen.  Es  wird  nicht  zweifelhaft  sein,  was  hiervon  für  das  dra- 
matische Kunstwerk  das  eigentlich  Bestimmende  ist  Wir  wollen  aber 
doch  eine  gelegeniliche  ÄuSemng  Tiecks^)  zitieren,  die  wie  auf  unseren  Fall 
geprigt  scheint,  da  er  sagt:  .Beim  dramatischen  Dichter,  wenn  er  es 
wahrhaft  ist,  tritt  wohl  eine  andere  Erflodungskunst  ein,  als  beim  er- 
zihlenden,  denn  freilich  möchte  ich  lieber  eine  Szene  in  ,Wie  es  Euch 
geflUlt'  geschrieben  haben,  als  die  Novelle  erfunden,  aus  welcher  dies 
Lustspiel  entsprungen  ist.* 


■)  Scbrirteo,  4  (1S28X  171. 


ZWEI  BRIEFE^RICHARD  WAGNERS 
AN  JULIUS  STOCKS 

ZUM  ERSTEN  MALE  VERÖFFENTLICHT 

UND  EINGELEITET 

von  Kurt  Scbröder-Rostock 

er  die  ersten  deutschen  Bühnen,  die  Richard  T>tners  Terken  eine 
lürdlge  Aufnahme  bereiteten,  gehört  des  Hoftheater  in  Schwerin.  Hier 
I  ward  .Tannhiuser")  am  2a  Januar  1852,  der  .Fliegende  Hollinder* 
(1  6.  April  1853  und  .Lohengrin'  im  15.  Januar  1854  zuerst  gegeben. 
Es  ist  dies  wesentlich  das  Verdienst  des  Theaterrendanten  und 
Chordlrektora  der  dortigen  HofbQhne:  Julius  Stocks,  der  von  Anhng  an  ein  be- 
geisterter  Verehrer  Tagners  war.  Zuerst  seinen  Bemühungen,  hernach,  seit  1856,  der 
Titigkeit  des  Schweriner  ersten  Hofkapellmeisters  Äloys  Schmitt  ist  es  zu  verdanken, 
daß  Wagners  Terke  schon  früh  und  verhiltnismifiig  gut  in  Schwerin  zur  Auf- 
führung kamen. 

Julius  Stocks  wurde  am  t.  Januar  1802  in  Schwerin  geboren  und  zeigte  schon 
in  Rrüher  Jugend  ein  reges  Interesse  für  die  Kunst.  In  der  Musik  war  Stocks  t«1I- 
kommener  Autodidakt  Nachdem  er  eine  kurze  Zell  in  Berlin  Jura  studiert  hatte, 
widmete  er  sich  ausschließlich  der  Kunst.  Er  wandte  sich  dem  Singerberufe  tu. 
Nach  iweljlbrigem  Studium  wurde  er  1821  zum  Großhenoglich  Schwerinsctaen  Hof- 
und  Kirchensinger  ernannt.  Er  hat  sich  auch  mit  Erfolg  als  Bübnenslnger  versucht. 
1843  befBrdene  man  ihn  zum  Hoftheaterrendanten;  am  I.Juli  1847  wurde  er  auch 
Cbordlrektor.  In  diesen  Ämtern  wirkte  er  bis  zu  seinem  Tode  im  Jahre  1881  und 
erwarb  sich  oaroentlich  um  den  Hoftheiterchor  hohe  Verdienste.  Dieser  schwaog 
sich  unter  der  Direktion  Stocks'  zu  einer  solchen  LelstungsFIbigkeit  empor,  daß  er 
dem  Chore  jeder,  auch  der  größten,  Bühne  an  die  Seite  zu  stellen  Ist. 

Dieser  Mann  war  es  nun,  der  mit  allem  Eifer  daran  ging,  den  Werken  seines 
hochverehrten  Meisters  Bahn  zu  brechen.  Nur  durch  Aufbietung  seines  ganzen 
persönlichen  EinBusses  gelang  es  ihm,  den  damaligen  Hoftheaterintendanten,  Gehelm- 
rat  Zöllner,  zur  Aufführung  des  „Tannhiuser*  zu  bewegen.  Er  faßte  den  Plan  zu  einer 
„Lobengrin'-Aunührung  in  Schwerin,  weshalb  Sichard  Tagner  an  seine  Nichte  Franziska 
Vagner*),  die  damals  in  Schwerin  als  Schauspielerin  engagiert  war,  schreibt: 

„Herrn  Stocks  grüsse  bestens  von  mir:  ich  würde  ihm  schon  auf  seinen 
letzten  Brief  geantwortet  haben,  wenn  Ich  nicht  mich  sehr  schonen  müßte,  und 

>)  Daher  besitzt  Schwerin  auch  noch  die  sehr  seltene  ursprüngliche 
Fassung  von  Partitur  und  Auszug  für  den  „Tann hin ser^-Schluß.  (Vgl.  ,Muslk',  I.  4, 
S.  2015.) 

■)  Franziska  Tagner,  Tochter  Albert  Wagners,  spitere  Frau  Ritter,  siehe 
Glasenapp  .Leben  Richard  Tagners",  .Familienbriefe"  usw. 


20 
SCHRÖDER:  WAGNER  AN  STOCKS 


Briefschreiben  mich  nicht  unmäßig  anstrengte.    Daß  er  schon  für  Schwerin 

an  den  Lohengrin  denkt,  hat  mich  doch  fast  erschreckt;  doch  würde  ich 

mich  nicht  im  Stande  fühlen,  ihm  entgegen  zu  sein  .  .  .  .^^ 

Ein  Briefwechsel   hat  zwischen  Richard  Wagner  und  Julius  Stocks  bestanden, 

▼on  dem  leider  das  meiste  verloren  gegangen  ist.    Aber  schon  aus  den  zwei  unten 

folgenden  Briefen  geht  die  Freundschaft  hervor,  die  Richard  Wagner  dem  einziehen 

Theaterrendanten  entgegenbrachte. 

»Grüß  Herrn  Stocks  allerschönstens:   er  hat  mir  wieder  viel  Freude  ge- 
macht; wenn  ich  einen  Brief  von  ihm  erhalte,  weiss  ich  immer,  dass  was  Gutes 
kommt    Ich  sage  ihm  auch  diesmal  meinen  herzlichsten  und  besten  Dank.** 
So  schreibt  der  Meister  in  einem  zweiten  Briefe  an  Franziska  Wagner,  und  bei 
seinem  Besuche  in  Schwerin  Januar  1873  begrüßte  Wagner  mit  besonderer  Freude 
den  Altgetreuen  aus  den  Tagen  der  ersten  MTannhäuser''*Aufführungen.^) 
Es  mögen  nun  die  beiden  Briefe  folgen. 

I 

Werthester  Freund! 

Hier  schicke  ich  Ihnen  die  gewünschte  Quittung,  und  sage  dabei 
meinen  besten  Dank  ffir  Ihre  gute  Besorgung. 

Ihre  neueren  Berichte  über  die  Aufführungen  des  »Lohengrin" 
haben  mich  sehr  erheitert,  denn  ich  sehe  daraus,  dass  die  Dar- 
stellung wirklich  glücklich  gewesen  sein  muss;  ich  schliesse  das  aus 
einigen  Angaben,  die  mich  in  den  Stand  setzen,  mir  ein  gutes  Bild 
von  den  Leistungen  zu  entwerfen.  Es  gereicht  mir  das  zum  wahren 
Trost  seit  meinen  letzten  Erfahrungen  vom  Charakter  der  Leipziger 
Aufführung  der  selben  Oper.  Aus  den  von  mir  berichteten  Details 
muss  ich  schliessen,  dass  in  der  Hauptsache  die  dortige  Aufführung 
eine  ebenso  verfehlte,  als  die  Ihrige  eine  gelungene  war.  Mein  Mis- 
matb,  diese  Oper  nicht  selbst  aufführen  zu  können,  nimmt  stark  zu: 
es  wird  mir  zur  wahren  Qual.  Wenn  etwas  aber  sie  mildem  kann, 
so  sind  es  Nachrichten,  wie  die  Ihrigen.  Schliessen  Sie  hieraus,  ob 
ich  Ihnen  eine  blosse  Redensart  sage,  wenn  ich  Ihnen  danke! 

Leben  Sie  wohl  und  erhalten  Sie  mir  Ihre  Theilnahme,  wie  ich 
Ihnen  stets  ein  dankbares  Andenken  bewahren  werde!  ^— 

Vor  kurzem  habe  ich  die  Composition  des  ersten  Stückes  meiner 
Nibelungen-Dramen  beendigt:  ich  bin  wieder  ganz  im  Musiciren. 

Für  unsere  Theater  schreibe  ich  diess  Werk  allerdings  nicht: 
doch  hoffe  ich  Ihnen  es  dereinst  selbst  vorführen  zu  können! 

Zürich  Ihr 

15.  Febr.  1854  Richard  Wagner 


^)  Vgl.  Glasenapp  »Leben  Richard  Wagners«  V,  70. 


30 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


II 
Geehrtester  Herr  und  alter  Freund! 

Es  hat  mich  sehr  gefreut  wieder  etwas  von  Ihnen  zu  erfahren, 
da  auch  ich  gern  mich  daran  erinnere,  wie  zur  Zeit  der  ersten  Ver- 
breitung meiner  Werke  Ihr  lebhafter  Antheil  hieran  mir  wohl  tbat. 
Dass  Sie  mir  noch  immer  treu  geneigt  sind,  danke  ich  Ihnen  von 
Herzen.  Es  hat  mir  auch  Spass  gemacht,  zu  vernehmen,  dass  Sie 
nur  mit  Mfihe  sich  über  meinen  jetzigen  Aufenthalt  unterrichten 
konnten,  da  ich  daraus  zu  entnehmen  habe,  dass  es  mir  doch  end- 
lich gelingen  wird,  von  meiner  hochgeehrten  musikalischen  Mitwelt 
vollständig  vergessen  zu  werden,  —  das  Liebste,  was  sie  mir  er- 
weisen kann.  Dies  bekommt  in  so  weit  gut,  dass  ich  seit  einem 
Jahre  doch  wenigstens  wieder  etwas  habe  arbeiten  können.  Ich 
denke,  Sie  werden  nächsten  Herbst  etwas  davon  erfahren.  — 

Ich  danke  Ihnen  für  die  zugesagte  Sendung  des  Honorares  für 
Iphigenia;  noch  mehr  würden  Sie  mich  aber  verbinden,  wenn  Sie 
mir  das  Honorar  für  Rienzi^)  zugleich  mitschickten,  da  ich,  —  bei 
meiner  Abgeschiedenheit  —  es  mir  zum  Gesetz  gemacht  habe,  meine 
Honorare  beim  Empfang  der  Partitur  von  Seiten  des  betreffenden 
Theaters  zu  beziehen,  und  nicht  —  nach  altem  Style  —  erst  die 
gelegentliche  Aufführung  abzuwarten,  von  welcher  ich  unter  Um- 
ständen gar  nichts  erfahren  kann.  Ich  hoffe  der  hohen  Schweriner 
Hoftheaterintendanz  wird  diese  Auszahlung  nicht  zur  Last  fallen. 
Demnach  bin  ich  so  frei,  Ihnen  sogleich  auch  für  Rienzi  eine  Quittung 
beizulegen. 

Jetzt  haben  Sie  noch  besten  Dank  für  Ihre  freundschaftlichen 
Versicherungen,  haben  Sie  auch  die  Güte,  Herrn  Kapellmeister 
Schmitt  Grüsse  meinerseits  angelegentlichst  zu  erwidern,  und  er- 
halten Sie  Ihr  ferneres  Wohlwollen  Ihrem 

hochachtungsvoll  ergebenen 

Luzern  Richard  Wagner 

8.  März  1867 

Landhaus  Triebschen 
(ganz  richtig). 


^)  »Rienzi*'-Er8taufr&hning  in  Schwerin  am  3.  Mai  1868. 


^i- 

EINIGES  ÜBER 
TRISTAN  UND  ISOLDE 

ANGEREGT  DURCH  ULLI  LEHMANNS: 
.STUDIE  ZU  TRISTAN  UND  ISOLDE" 

von  EJDar  Forchhammer-Fnnkrurt  «. 


Mal  man  ein  geniiles  Kunstwerk  studiert,  hat  man  versucht,  sich 
n  in  die  erhabene  Gedankenwelt  des  Schöpfers  hineinzuleben,  und 
meint  man,  durch  diese  Vertiefung  einiges  entdeckt  zu  haben, 
I  was  die  meisten  anderen  entweder  falsch  verstanden  oder  gar 
nicht  beachtet  haben  —  dann  empfindet  man  oft  ein  starkes  Verlangen, 
das  Erschaute  auch  anderen  mitzuteilen;  man  f&hlt  es  als  seine  Pflicht, 
die  gewonnenen  Erfahrungen  in  die  Welt  hinauszurafen,  und  nur  die  Be- 
scheidenheil, die  Furcht,  als  anmaßend  betrachtet  zu  werden  —  manchmal 
wohl  auch  das  unbewußte  GefQhl,  daß  die  Entdeckangen  fßr  andere  nicht 
die  Bedeutung  haben  wfirden,  wie  für  einen  selbst  —  halten  einen  zurfick. 
So  ist  es  auch  mir  mit  .Tristan  und  Isolde*  gegangen.  Nun  hat 
aber  das  Beispiel  von  Frau  Lilli  Lehmann  mir  den  Mut  gegeben,  das 
Schweigen  zu  brechen.  Zwar  liegt  es  mir  fem,  mich  mit  dieser  genialen 
Künstlerin  vergleichen  zu  wollen,  aber  immerhin  meine  Ich  doch,  daß  es 
von  Bedeutung  sein  kann,  auch  von  anderen  Künstlern,  die  sich  mit  Ernst 
und  Begeisterung  in  die  Wagnersche  Wunderwelt  vertieft  haben,  einiges 
zu  hören.  Ich  darf  den  Vorwurf  der  Unbescheidenheit  mit  um  so  größerem 
Rechte  zurückweisen,  als  ich  nur  zum  Teil  im  eigenen  Namen  spreche: 
den  größten  Teil  von  dem,  was  Ich  im  Folgenden  ausführen  werde,  verdanke 
ich  —  direkt  oder  indirekt  —  meinem  lieben  Freunde,  meinem  hocbverehrten 
Lehrer  in  der  dramatischen  Kunst,  Herrn  Hohchauspleler  a,  D.  Hilmar 
Knorr.  Wie  Ich  ihm  sozusagen  alles,  was  Ich  als  Darsteller  leiste,  direkt 
oder  Indirekt  verdanke,  so  bin  ich  Ibm  auch  Dank  schuldig  für  unendlich 
viele  Anregungen  zum  tieferen  Verständnis  der  Wagnerschen  Dichtungen. 
Um  nun  zur  Sache  selbst  überzugehen,  möchte  ich  im  Folgendes 
Verschiedenes  aus  der  Darstellung  Lilli  Lehmanns  von  anderen  Gealcht»- 
pnnkteo  ans  beleuchten,  dann  aber  auch  Nenes  hinzufügen,  was  la  4ar 
»Studie*  keine  Berücksichtigung  gefunden  hat. 
Voi^eschlchte 
Wenn  Frau  Lehmann  (Seite  6)  schreibt: 

»Triiuuu   Übermal  fit  nicht  sn  enisctaiildlfeD,  Ist  aber  dia  UiaaA*  ^ 
Trafödk.     Seibit  wenn  lulde  Trliuo    ,>div«lKeDd*    dai  Leben  i 
^hwalfond'  vor  dea  Feindes  Rache  Itarg,  wußte  Tristan  doch  | 


32 

DIE  MUSIK  VII.  19. 


beider  Herzen  stand,  denn  er  schwur  ihr  —  vielleicht  auch  »schweigend'  —  mit 
tausend  Eiden  ewigen  Dank  und  Treue.  (Das  Wort  Liebe  fillt  nicht  in  Isoldens 
Erzählung.)" 

so  muß  ich  mit  aller  Entschiedenheit  dieser  Auffassung  entgegentreten. 
Tristans  Ȇbermut"  ist  sehr  wohl  zu  entschuldigen,  denn  er  hat  weder 
seine  eigene  noch  Isoldens  Liebe  gekannt. 

Als  Isolde  vor  sein  Bett  trat  und  das  Schwert  gegen  ihn  zückte,  um 

an  ihm,  dem  Ober-Frechen» 
Herrn  Morold's  Tod  zu  riehen, 

als  sie  vor  ihm  stand,  hoch  aufgerichtet,  mit  wogendem  Busen,  glühenden 

Wangen  und  zornsprühenden  Augen  —  da  verschwand   alles   andere  vor 

seinen  Augen:  wo  er  war,  wer  er  war,  was  sie  in  der  Hand  hielt,  was  sie 

gegen  ihn  vorhatte  —  das  alles  existierte  nicht  mehr  für  ihn;  er  sah  nur 

diese  herrliche  Gestalt,  von   deren   funkelnden  Augen  er  die  seinen  gar 

nicht  losreißen   konnte.     Doch   —    daß   das  so  mächtig  in  ihm  entfachte 

Gefühl  Liebe  sei,  das  wußte  er  nicht:  Isolde  war  ihm  —  glaubte  er  —  nur: 

der  Erde  schönste 
Königs-Braut; 

ihre  königliche  Gestalt,  ihr  strahlender  Blick,  die  hoheitsvolle  Ruhe,  wo- 
mit sie  ihn,  den  kranken  Fremdling,  pflegte  und  heilte  —  dies  alles  er- 
füllte ihn  mit  Bewunderung,  Ehrfurcht  und  Dankbarkeit  und  ließ  den  Ge- 
danken gar  nicht  in  ihm  aufkommen,  daß  er  sie  liebe. 

Diese  Glorie  des  Königlichen,  Erhabenen,  die  sein  Auge  so  blendete, 
daß  er  seine  Liebe  gar  nicht  gewahr  werden  konnte,  bezeichnet  Tristan 
im  zweiten  Akt  mit  den  Worten: 

Der  Tag!    Der  Tag,  Glanz  und  Licht 

der  dich  umgliß,  Isolde  mir  entrückt'! 

dahin,  wo  sie  

der  Sonne  glich,  in  lichten  Tages  Schein, 

in  hehrster  Ehren  wie  war  Isolde  mein? 

Als  er  nun  geheilt  von  Isolde  entlassen  wurde,  schwur  er  ihr  — 
und  gewiß  nicht  schweigend,  sondern  laut  und  aus  tief  und  wahrhaft 
empfindendem  Herzen  heraus  —  »mit  tausend  Eiden  ew'gen  Dank  und 
Treue".  Aber  «der  falsche  Tag",  der  ihn  seine  Liebe  nicht  erkennen 
ließ,  ließ  ihn  nun  auch  nicht  das  einzig  richtige  Mittel  finden,  Isolden  seine 
unendliche  Dankbarkeit  zu  zeigen.  —  Nach  Komwall  zurückgekehrt,  fand 
er  im  Volk  eine  tiefe  Mißstimmung  vor,  weil  König  Marke,  der  Witwer 
und  kinderlos  war,  von  einer  zweiten  Heirat  nichts  wissen  wollte.  Als 
nun  Tristan  in  den  Tönen  der  höchsten  Begeisterung  die  königlichen  Eigen- 
schaften, die  unvergleichliche  Schönheit  Isoldens  pries,  entstand  der  Ge- 
danke wohl  fast  von  selbst,  daß  Isolde  die  wünschenswerteste  Gemahlin 
für  König  Marke  wire.    Tristans  Neider,  die  ihm  seine  Ausnahmestellung 


3i 
FORCHHAMMER:  TRISTAN  UND  ISOLDE 


am  Hofe  seines  Oheims  nicht  gönnten  —  Marke  hatte  ihn  sogar  zu  seinem 
Erben  uiid  Nachfolger  erkoren  — ,  griffen  diesen  Gedanken  mit  Eifer  auf; 
selbst  sein  Freund  Melot  stellte  sich  an  die  Spitze  der  Dränger  und  hielt 
ihm  vor,  daß  seine  Passivität  als  auf  eigennützigen  Motiven  ruhend  be- 
trachtet werden  müßte,  während  er  »Ehr'  und  Ruhm  mehren"  würde, 
wenn  er,  auf  seine  eigenen  Rechte  verzichtend,  den  Ohm  bewegen  könnte, 
Isolde  zu  seiner  Königin  zu  nehmen. 

Da  nun,  nach  dem  glücklichen  Ausgang  des  Krieges  gegen  Irland, 
König  Marke  der  mächtigste  Herrscher  weit  und  breit  war,  meinte 
Tristan,  daß  er  seine  Treue  und  Dankbarkeit  gegen  Isolde  nicht  besser 
beweisen  könnte,  als  wenn  er  ihr  die  Hand  dieses  mächtigen  und  gütigen 
Königs  anböte.    Brangäne  hat  vollkommen  recht,  wenn  sie  zu  Isolde  sagt: 

Was  je  Herr  Tristan  dir  gab  er  der  Weit 

dir  verdankte,  begeh rlichtten  Lohn: 

tag',  kennt'  er's  höher  lohnen,  dem  eig'nen  Erbe, 

als  mit  der  herrlichsten  der  Kronen?  acht  und  edel, 

So  dient'  er  treu  enttagt'  er  zu  deinen  Fußen, 

dem  edlen  Ohm,  als  Königin  dich  zu  grüßen. 

Deshalb  gab  Tristan  dem  Drängen  des  „tückischen  Tages"  nach,  er 
sozusagen  zwang  den  Ohm  zu  Nachgiebigkeit  und  zog  als  „Brautwerber" 
nach  Irland. 

Die  vorhergehende  Schilderung,  die  dem  Werke  selbst  entnommen 
ist,  zeigt  uns  Tristans  »Übermut"  als  nicht  allein  im  höchsten  Grade  ver- 
zeihlich, sondern  vielmehr  als  edel  und  erhaben:  um  seine  Dankbarkeits- 
schuld gegen  Isolde  zu  zahlen,  um  ihr  seine  ew'ge  Treue  zu  beweisen, 
wirft  er  eine  glänzende  Zukunft,  die  mächtigste  Krone  «übermütig"  von 
sich,  unterdrückt  er  mit  »Übermut"  in  seinem  Herzen  das  quälende  Gefühl 
seiner  unbewußten  Liebe: 

Was  mir  das  Auge  mein  Herze  tief 

so  entzuckt',  zur  Erde  drückt' . . . 

In  seinem  Programm  zum  «Tristan"vorspiel  («Entwürfe,  Gedanken, 
Fragmente",  S.  101)  schreibt  Wagner: 

.Ein  altes,  unerlöschüch  neu  sich  gestaltendes,  in  allen  Sprachen  des  mittel* 
alterlicben  Europas  nachgedichtetes  Urliebesgedicbt  sagt  uns  von  Tristan  und  Isolde. 
Der  treue  Vasall  hatte  für  seinen  König  diejenige  gefreit,  die  selbst  zu  lieben  er 
sich  nicht  gestehen  wollte,  Isolden,  die  ihm  als  Braut  seines  Herren  folgte,  weil  sie 
dem  Freier  selbst  machtlos  folgen  mußte." 

Ich  glaube  jetzt  zur  Genüge  bewiesen  zu  haben,  daß  Tristans  Liebe 
zu  Isolde  ihm  nicht  bewußt  gewesen  ist.  Daß  Isolde  ihn  liebe,  fiel  ihm 
natürlich  noch  viel  weniger  ein. 

Wir  wollen  uns  jetzt  zu  Isolden  wenden.  Als  Tristan  die  großen, 
Beberglfihenden  Augen  in  dem  Moment  auf  sie  richtete,  als  sie  im  Begriff 

VII.  19.  3 


34 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


war,  ihn  mit  seinem  eigenen  Schwerte  zu  töten,  war  auch  ihr  Schicksal 

besiegelt:  «Mitleid  wandelt"  —  wie  Frau  Lehmann  schreibt  —  »Rache  in 

Liebe."     Diese  Liebe  ist  ihr  aber  zunächst  ebensowenig  bewußt,  wie  Tristan 

die  seine.     Es  ist  keine  Lüge,  wenn  sie  im  ersten  Akt  zu  Tristan  sagt: 

ich  pflag  des  Wunden,  ricbend  scblQge  der  Mann, 

daß  den  heil  Gesunden  der  Isolden  ihn  abgewann. 

Zweifellos  hat  Isolde  gerade  durch  diese  Ausrede  ihre  eigene  Schwache 
vor  sich  selbst  entschuldigen  wollen.  Sie  hat  mit  aller  Gewalt  versucht, 
die  Fiktion  der  Feindschaft  aufrechtzuhalten  und  hat  sich  dadurch  natur- 
gemäß den  Anschein  einer  erhabenen  Unnahbarkeit  und  Kälte  gegeben,  die 
es  wiederum  noch  begreiflicher  macht,  daß  Tristan  gar  nicht  zum  Bewußt- 
sein des  wahren  Charakters  seiner  Gefühle  kommen  konnte.  So  lange 
Tristan  in  Ihrer  Nähe  war,  konnte  sie  sich  einreden,  daß  ihre  Gedanken 
nur  deswegen  Tag  und  Nacht  mit  ihm  beschäftigt  waren,  weil  es  ihre 
Pflicht  war,  ihn  zu  pflegen.  Sobald  er  sie  aber  verlassen  hatte,  mußte 
ihre  Liebe  ihr  zum  Bewußtsein  kommen;  von  da  an  wartet  sie  mit  Sehn- 
sucht und  Ungeduld  auf  den  Geliebten,  der  ja  doch  zurückkehren  muß, 
der  sie  nicht  ewig  schmachten  lassen  kann.  Und  er  kommt  —  kommt 
und  wirbt  um  sie  für  einen  anderen! 

Diese  Enttäuschung,  die  wie  ein  jäher  Blitz  alle  HoflTiiung,  alles  Glück 
—  alles,  alles  vernichtet,  wirkt  auf  Isolde  zunächst  lähmend:  willenlos, 
gefühllos,  mit  leichenblassem,  starrem  Gesicht  läßt  sie,  ohne  ein  Wort 
zu  reden,  die  anderen  handeln,  läßt  mit  sich  machen,  was  die  anderen 
wollen.  Diese  dumpfe  Starrheit  hält  sich  auch  noch  auf  dem  Schiff,  fast 
während  der  ganzen  Fahrt.  Erst  als  sie  sich  durch  das  an  eine  ganz  andere 
Adresse  bestimmte  Lied  des  „jungen  Seemanns"  gehöhnt  glaubt,  wandelt 
sich  ihre  Apathie  in  lodernden  Zorn.  Wagner  läßt  Brangäne  diesen  Zu- 
stand der  starren,  wortlosen  Verzweiflung  mit  folgenden  Worten  bezeichnen: 

Isolde!    Herrin!  bleich  und  schweigend 

Teures  Herz!  auf  der  Fahrt, 

Was  barg'st  du  mir  so  lang'?  ohne  Nahrung, 

Nicht  eine  Trine  ohne  Schlaf 

weintest  du  Vater  und  Mutter;  wild  verstört, 

kaum  einen  Gruß  starr  und  elend,  — 

den  Bleibenden  botest  du:  wie  ertrug  ich's, 

von  der  Heimat  scheidend  so  dich  sehend 

kalt  und  stumm,  nichts  dir  mehr  zu  sein, 

fremd  vor  dir  zu  steh'n? 

Ich    kann    Lilli    Lehmann    deshalb    nicht    beistimmen,    wenn    sie   <S«   6) 

schreibt: 

»Scham,  Empörung,  Wut  und  Zorn  Qber  die  ihrem  Herzen  angetane  Schmach 
bewegen  Isolden,  König  Markes  Werbung  anzunehmen,  Tristan,  dem  Brautwerber  des 
Königs,  zu  folgen.    Vielleicht  verlockt  sie  auch  die  Aussicht,  dem  gellebten  Manne 


WmSSSBß 


35 
FORCHHAMMER:  TRISTAN  UND  ISOLDE 


nah  zu  sein.  (I)  Auf  dem  Scbiff  weiß  sie  sich  lange  Zeit  mit  Tristan  allein;  dort  wird 
sie  ihn  sprechen,  dort  Rat  schaffen.    Aber  sie  siebt  sich  bitter  enttiuscht.* 

Isolde  hat  die  Werbung  ebensowenig  angenommen  wie  abgelehnt  — 
sie  hat  sich  auch  hier  als  »des  Schweigens  Herrin**  gezeigt.  Sie  ist 
dem  Brautwerber  König  Markes  nicht  gefolgt,  weil  sie  gehofft  hat,  „dem 
geliebten  Manne  nah  zu  sein".  Wohl  hat  sie  aber  erwartet,  daß  Tristan 
während  der  Fahrt  zu  ihr  gekommen  wäre  und  ihr  sein  unbegreifliches 
Betragen  erklärt  hätte.  Daß  er  dies  nicht  tut,  treibt  natürlich  ihren  Zorn 
auf  die  äußerste  Spitze,  und  reift  in  ihr  den  unerschütterlichen  Entschluß, 
auf  Tristans  Haupt  den  Tod  herabzubeschwören,  dem  ihr  eigenes  Herz 
schon  längst  geweiht  ist: 

Tod  geweihtes  Haupt  t 
Tod  geweihtes  Herz! 

Durch  diesen  Tod  allein  kann  seine  Schuld  gesühnt,   nur  durch  ihn,  den 
auch  sie  teilen  will,  kann  sie  mit  dem  Geliebten  vereinigt  werden. 

Erster  Akt 

Wenn  der  Vorhang  auseinandergegangen  ist,  und  der  junge  Seemann 
sein  Lied  gesungen  hat,  fragt  Isolde  Brangäne,  wo  sie  sind,  worauf  diese 
antwortet: 

Blaue  Streifen  auf  ruhiger  See  vor  Abend 

stiegen  in  Westen  auf;  erreichen  wir  sicher  das  Land. 

sanft  und  schnell  Isolde:  Welches  Land? 

segelt  das  Schiff;  Brangäne:   Kornwall's  grünen  Strand. 

Wie  kann  Brangäne  Korn  wall  als  «in  Weste  n**  aufsteigend  bezeichnen? 
Darfiber  haben  sich  viele  kluge  Leute  den  Kopf  zerbrochen  —  denn  so- 
wohl in  der  Dichtung  wie  in  der  Partitur  steht  deutlich  «Westen*  und 
nicht  »Osten*.^  Ich  habe  von  hochgeschätzter  Seite  die  folgende  Erklärung  ge- 
hört: es  ist  eine  wissenschaftlich  festgestellte  Tatsache,  daß  Süd-England  und 
Süd-Irland  in  vorgeschichtlicher  Zeit  landfest  miteinander  verbunden  gewesen 
sind.  Nehmen  wir  nun  König  Markes  »Kornwall''  als  im  Südosten  Eng- 
lands liegend  an,  dann  müßte  Tristan  tatsächlich  südlich  um  die  Doppel- 
insel segeln  und  könnte  sehr  wohl,  wenn  er  z.  B.  aus  Rücksicht  auf 
Schären  oder  feindliche  Völker  nicht  gar  zu  nahe  am  Lande  fahren  möchte, 
die  letzte  Strecke  von  Osten  nach  Westen  segeln. 

Ob  die  Brangänen  sich  diese  Auffassung  zu  eigen  gemacht  haben, 
ob  aie  aua  Respekt  vor  dem  «Wort"  des  Meisters  oder  einfach  aus  Ge- 
dankenlosigkeit handeln  —  ich  darf  es  nicht  entscheiden,  aber  noch  immer 
singen  die  meisten  «Westen",  trotzdem  dies  Wort,  das  allerdings,  wie  ge- 
sagt, sowohl  in  der  Partitur  wie  in  der  Dichtung  steht,  nichts  als 

3^ 


36 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


ein  Schreibfehler  Wagners  ist.     Der   Beweis  hierfür   findet   sich   nur 

wenige  Zeilen  vorher  in  dem  Lied  des  jungen  Seemanns: 

Wettwirts 
schweift  der  Blick 

[oimllch  nach  Irland  zurfick,  wo  er  seine  »wilde,  minnige  Maid*  zurückgelassen] 

ostwirts 

streicht  das  Schiff. 

Wünschenswert  wire  es,  wenn  dieser  unzweifelhafte  Fehler  in 
Klavierauszügen  und  Textbüchern  korrigiert  werden  würde.  — 
Wenn  Brangäne  —  auf  Isoldens  Befehl: 

öffne!    öffne  dort  weit! 
die  Vorhänge  auseinandergezogen   hat,  sieht  man  bisweilen  den  hinteren 
Teil  des  Schiffes  mit  Tristan  am  Steuer  im  Halbdunkel,  während  Isoldens 
Zelt  im  Vordergrunde  strahlend  hell  beleuchtet  liegt.    Dies  geschieht  jeden- 
falls, um  Isoldens  Wort  im  zweiten  Akt: 

Im  Dunkel  du, 
im  Lichte  ich! 

schon  beim  ersten  Erscheinen  Tristans  deutlich  zu  veranschaulichen.  So 
lobenswert  diese  Absicht  auch  sein  mag,  kann  ich  diese  Anordnung  doch 
nicht  gut  heißen.  Erstens  muß  es  jedem  Zuschauer  als  etwas  Naturwidriges 
erscheinen,  daß  der  als  verschlossen  gedachte  Zeltraum  heller  beleuchtet 
ist  als  der  freie  offene  Teil  des  Schiffes,  selbst  wenn  man  annimmt,  daß 
dieser  durch  das  große  Segel  beschattet  wird;  zweitens  ist  es  sehr  un- 
günstig, wenn  die  sich  im  weitesten  Hintergrunde  der  Bühne  abspielende 
Szene  zwischen  Tristan  und  Brangäne  dem  Publikum  dadurch  noch  schwerer 
verständlich  gemacht  wird,  daß  die  Bühne  schlecht  beleuchtet  ist.  — 

Für  die  folgende  Szene  hat  mir  Knorr  ein  Arrangement  empfohlen, 
das  ich  mit  größter  Wärme  den  Herren  Regisseuren  weiter  empfehlen 
möchte.  Nach  Wagners  Vorschrift  soll  Tristan  »von  den  Rittern  und 
Knappen  etwas  entfernt  mit  verschränkten  Armen  stehen  und 
in  das  Meer  blicken*.  Ein  jeder,  der  nur  einmal  eine  Fahrt  in  einem 
größeren  Segelboot  unternommen  hat,  weiß,  daß  die  von  Wagner  gebotene 
Stellung  mit  derjenigen  eines  Steuermanns  unvereinbar  ist;  er  wird  wissen, 
daß  das  Steuer  eines  so  großen  Schiffes  einen  ganz  bedeutenden  Wider- 
stand leistet  und  die  ganze  Kraft  eines  Mannes  verlangt,  um  richtig  ge- 
handhabt zu  werden.  Wenn  er  dann  sieht,  wie  bei  fast  allen  Tristans  die 
Steuerstange  während  der  ganzen  Unterredung  mit  Brangänen  sich  leicht 
wie  ein  Streichholz  hin  und  her  bewegt,  dann  wirkt  dieser  an  und  für 
sich  doch  so  nebensächliche  Umstand  dermaßen  störend,  daß  es  ihm  wohl 
fast  unmöglich  wird,  die  Illusion  zu  wahren  und  das  Kunstwerk  rein  zu 
genießen.    Es  ist  deshalb  im  höchsten  Grade  zu  empfehlen,  daß  Tristan 


37 
FORCHHAMMER:  TRISTAN  UND  ISOLDE 


nicht  selbst  das  Steuer  in  der  Hand  hält,  sondern  nur  in  der  Nähe 
steht,  um  dem  Steuerer  seine  Anweisungen  zu  geben.  Dieser  muß  das 
Steuer  dann  so  anpacken  und  eine  solche  Stellung  einnehmen,  daß  das 
Publikum  glauben  kann,  er  stemme  sich  gegen  einen  großen  Widerstand. 
Wie  Wagner  nirgends  vorschreibt,  daß  Tristan  selber  die  Steuerstange  in 
der  Hand  haben  soll,  enthält  die  Dichtung  absolut  nichts,  was  dem  vor- 
geschlagenen Arrangement  widerspräche;  Tristan  kann  auch  so  mit  dem- 
selben Rechte  sagen: 

Ließ'  ich  dat  Steuer         wie  leokt*  ich  sicher  den  Kiel 
jetzt  zur  Stund',  zu  König  Marke's  Land? 

Wenn  ich  dies  Arrangement  dringend  empfehle,  bin  ich  —  wie 
Ulli  Lehmann  bei  einer  anderen  Gelegenheit  (S.  32)  —  »überzeugt,  zur 
Zufriedenheit  Richard  Wagners,  der  selbstschaffende,  ver- 
nünftige Künstler  selbständig  walten  ließ",  zu  handeln.  — 

Vor  einigen  Jahren  wurde  von  gelehrter  Seite  behauptet,  daß  die 
höfischen  Beziehungen  zwischen  Irland,  England  (Komwall)  und  Bretagne 
(Kareol),  wie  sie  Wagner  in  «Tristan  und  Isolde"  schildert,  den  tatsäch- 
lichen, geschichtlichen  Verhältnissen  im  13.  Jahrhundert  ganz  genau  ent- 
sprächen, daß  man  also  das  Drama  in  der  Kostümierung  dieser  Zeitepoche 
geben  müsse.  Tatsächlich  ließ  sich  auch  ein  großes  Opemtheater  bewegen, 
eine  neue  Ausstattung,  bei  der  alle  Beteiligten  in  Kostümen  ä  la  Tann- 
häuser erschienen,  anzuschaffen,  und  in  dieser  Gestalt  geht  noch  immer 
der  Tristan  über  die  geweihten  Bretter  dieses  Theaters! 

Es  ist  ganz  unbegreiflich,  wie  eine  solche,  ohne  Zusammenhang  mit 
dem  inneren  Leben  des  Dramas,  auf  zufälligen  Äußerlichkeiten,  in  der  Ge- 
lehrtenstube aufgebaute  Idee  Erfolg  haben  konnte !  Es  gibt  in  der  Weltliteratur 
neben  «Tristan  und  Isolde"  wohl  kaum  ein  zweites  Werk,  in  dem  fast 
die  ganze  Handlung  nach  Innen  verlegt  ist,  in  dem  die  äußere  Handlung 
vom  Dichter  dermaßen  störend  empfunden  wurde,  daß  sie  —  zum  größten 
Ärger  der  akademischen  Dramaturgen  —  auf  ein  Minimum  reduziert, 
entweder  erzählt  oder,  wo  es  unumgänglich  notwendig  ist,  in  wenigen 
Minuten  auf  der  Bühne  abgespielt  wird.  Wie  hat  man  ferner  übersehen 
können,  daß  Wagner  mit  Absicht  alles  Religiöse  vermieden  hat,  um  die 
Entscheidung,  ob  das  Drama  zu  heidnischer  oder  christlicher  Zeit  spielt,  offen 
zu  lassen,  um  also  eine  zeitliche  Fixierung  unmöglich  zu  machen,  weil 
er  um  jeden  Preis  den  Charakter  der  «sagenhaften  Urzeit"  wahren 
wollte?  Wagner  selbst  hat  «Tristan  und  Isolde"  als  die  vollendetste  Ver- 
wirklichung seiner  in  den  Schriften  niedergelegten  Theorieen  bezeichnet, 
und  damit  —  unter  anderem  —  ausgesagt,  daß  er  nach  seiner  Meinung 
in  diesem  Werk  das  Reinmenschliche,  von  jeder  Konvention,  von  jeder 
historischen  Einschränkung  losgelöst,   reiner  als  in  irgend  einer  anderen 


38 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


seiner  Dichtuogen  dargestellt  habe  —  und  dieses  Werk  will  man  sozusagen 
zu  einer  .historischen  Oper"  machen!  Daß  dies  eine  ungeheuerliche 
Verirrung  ist,  hat  man  wohl  jetzt  überall  erkannt,  wenn  man  auch  da,  wo 
man  die  «Reform"  eingeführt  hatte,  aus  praktischen  Rücksichten  einen 
Rückzug  nicht  sofort  antreten  konnte. 

Nimmt  man  also  an,  daß  das  Drama  in  sagenhafter  Un-  oder  Urzeit 
spielt,  so  ist  es  auch  ratsam,  in  der  Szenerie  alles,  was  «modern*  wirken 
könnte,  zu  vermeiden;  ich  möchte  deshalb  empfehlen,  die  wagerechte,  ganz 
im  Hintersteven  des  Schiffes  angebrachte  Steuerstange,  die  man  fast  überall 
sieht,  durch  die  Steuervorrichtung  der  Urzeit  —  ein  Ruder,  das  etwas  seit- 
wärts, schräg  nach  unten,  durch  die  Schiffswand  geht  —  zu  ersetzen.  — 

Gleich  die  ersten  Worte,  die  Tristan  zu  singen  hat,  bieten  dem  Sänger 
eine  nicht  geringe  Schwierigkeit. 

Wat  ist?  —  Isolde?  — 

ist  so  kurz  und  schnell  komponiert,  daß  der  Sänger  leicht  die  Gefahr 
läuft,  es  heftig,  zornig  herauszustoßen;  tatsächlich  klingt  es  auch  meistens 
wie  eine  wilde  Drohung.  Es  ist  gar  nicht  leicht,  das  «Isolde*  weich  und 
warm  herauszubringen,  und  doch  ist  es  von  der  allerentscheidendsten  Be- 
deutung, daß  dies  dem  Tristan  gelingt,  denn  —  wie  Frau  Lehmann  (S.  14) 
schreibt  —  «der  warme  Ton,  mit  dem  Tristan  das  Wort  ,Isolde< 
sagt,  genügt  uns  zu  verraten,  daß  er  nur  mit  ihr,  wenn  auch 
weitab  von  der  Gegenwart,  beschäftigt  gewesen."  — 

Ich  möchte  jetzt  ein  paar  Worte  über  Kurwenals  ersten  Eintritt  in 
Isoldens  Zelt  sprechen.  Wagner  schreibt  vor:  «Durch  die  Vorhänge 
tritt  mit  Ungestüm  Kurwenal",  und  dann  nach  vier  Zeilen  seiner  Rede: 
«Gemessener".  Es  ist  für  mich  über  jeden  Zweifel  erhaben,  daß  dies 
folgendermaßen  aufzufassen  ist:  Durch  die  Vorhänge  tritt  mit  Un- 
gestüm Kurwenal  und  ruft  in  den  Schiffsraum  hinab: 

(Er  wendet  sieb  zu  Isolde;  gemessener:) 
Auf,  aufl  Ihr  Frauen  I  Und  Frau  Isolden 

Frisch  und  froh!  sollt'  ich  sagen 

Rasch  gerüstet  I  von  Held  Tristan, 

Fertig,  hurtig  und  flinkl  —  meinem  Herrn:  —  usw. 

Der  Unterschied  im  Ton  zeigt  deutlich,  daß  der  erste  Ruf  an  die  ihm 
gleichgestellten  Frauen  gerichtet  ist,  die  am  Aktschluß  aus  der  Kajüte  herauf- 
kommen, um  Isolden  den  Königsmantel  anzulegen,  während  die  folgende  «ge- 
messene" Anrede  der  Herrin  gilt.  So  rüpelhaft  ist  Kurwenal  nun  doch  nicht, 
daß  er  sich  in  diesem  Ton  an  Isolde  und  Brangäne  wendet,  wenn  er  als 
Abgesandter  Tristans  kommt.  Wagner  hat  dies  wahrscheinlich  für  so  selbst- 
verständlich gehalten,  daß  er  gar  nicht  daran  gedacht  hat,  es  besonders  zu 
erwähnen.    Die  Herren  Baritöne  scheinen  aber  die  Rüpelhaftigkeit  Kurwenals 


39 
FORCHHAMMER:  TRISTAN  UND  ISOLDE 


für  anbegrenzt  zu  halten:  alle  —  oder  fast  alle  —  schleudern  sie  der  armen 
Isolde  die  ganze  Rede  ins  Gesicht.  — 

Wir  wollen  uns  jetzt  mit  einer  Stelle  beschäftigen,  die  nach  meiner 
Oberzeugung  von  fast  Allen  ganz  falsch  verstanden  wird.  Außer  Knorr, 
der  mir  auch  hier  die  Anregung  gegeben  hat,  bin  ich  eigentlich  nur 
einem  Menschen  —  Kapellmeister  Hertz  in  New  York  —  begegnet,  der 
auf  meine  Frage  die  betreffende  Stelle  in  meinem  Sinne  erklärte.  Ich 
meine  hiermit  den  Orchestersatz  vor  Tristans  Eintritt  in  Isoldens 
Zelt.  Allgemein  wird  dies  Zwischenspiel  als  das  «Vorspiel"  zu  Tristans 
Auftritt,  und  das  Hauptthema: 


Mo^^^  ^-  t^^^j.  I  j  i^^ 


^ 


42« 


als  das  Heldenmotiv  Tristans  bezeichnet. 

Selbst  ein  flüchtiges  Durchblättern  der  späteren  Werke  Wagners: 
«Tristan",  »Meistersinger",  „Ring",  «Parsifal",  überzeugt  uns  davon,  daß 
es  ein  festes  Prinzip  ist,  daß  die  für  eine  Person  charakteristische  Melodie 
im  Orchester  so  zu  sagen  immer  gleichzeitig  mit  dem  Auftreten  dieser 
Person  ertönt.  Man  denke  z.  B.  an  das  Auftreten  der  Riesen  im  «Rhein- 
gold" oder  des  Wanderers  im  1.  Akt  des  «Siegfried".  Wenn  ausnahms- 
weise diese  Melodie  kurz  vor  dem  Auftreten  der  Person  erklingt,  geschieht 
dies  immer,  um  die  Aufmerksamkeit  des  Zuhörers  auf  eine  wichtige,  ein- 
schneidende Handlung  dieser  Person  hinter  der  Bühne  zu  lenken,  zugleich 
auch  oft  um  einen  sich  auf  diese  Handlung  beziehenden  Vorgang  auf 
der  Bühne  zu  unterstützen.  In  der  «Walküre"  ertönt  z.  B.  das  Hunding- 
motiv  erst  ganz  leise,  als  Sieglinde  zusammenschrickt,  weil  sie  aus  der 
Feme  das  Pferd  Hundings  hört;  kurz  darauf  hört  sie  es  schon  vor  dem 
Tor  —  das  Motiv  ertönt  stärker;  wenn  Hunding  dann  das  Tor  öffnet 
und  hereintritt,  ertönt  die  Melodie  in  voller  Kraft  und  schärfster  Hand- 
greiflichkeit. In  «Parsifal"  ertönt  das  Parsifalmotiv  zum  ersten  Mal  kurz 
vor  dem  Auftreten  des  Knaben,  in  dem  Moment,  wo  er  hinter  der  Bühne 
den  Schwan  mit  seinem  Pfeil  trifft  —  usw.  In  allen  solchen  Fällen,  in 
denen  das  Erscheinen  einer  Person  durch  Ertönen  ihres  Motives  vorher  an- 
gekündigt wird,  ist  von  dem  Moment  des  Ertönens  an  bis  zum  Auftritt  die 
Handlung  eigentlich  hinter  die  Bühne  verlegt;  auf  der  Bühne  selbst  ge- 
schieht nichts  von  selbständiger  Bedeutung. 

Wie  ist  es  nun  in  dieser  Beziehung  mit  dem  sogenannten  Vorspiel 
zu  Tristans  Auftritt?  Von  Isoldens  erstem  Wort,  bis  Tristan  ihr  gegen 
Schluß  des  ersten  Aktes  den  Becher  entreißt,  ist  Isolde  entschieden  die 
Hauptperson  der  Handlung.  Während  Tristan  seine  Gefühle  höchstens  nur 
ahnen  läßt,  während  er  sich  ganz  passiv  zurückhält,  spricht  Isolde  ihre 


40 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


Gefühle  und  Gedanken  laut  und  leidenschaftlich  aus  und  tritt  im  höchsten 
Grade  aktiv  und  unternehmend  auf.  Wenn  deshalb  Kurwenal  Tristan  an- 
gemeldet hat,  wartet  man  natüriich  mit  intensiver  Spannung  auf  die  Begegnung 
der  Beiden;  das  dramatische  Interesse  ist  aber  bei  dieser  Erwartung  auf 
Isolde,  nicht  auf  Tristan  gerichtet,  weil  sie  die  dramatische  Handlung  in 
ihrer  Hand  hält.  Das  dramatisch  Bedeutungsvolle  liegt  also  nicht  hinter, 
sondern  auf  der  Bühne. 

Wir  wollen  nun  die  betreffende  Stelle  der  Partitur  und  der  Dichtung 
etwas  näher  untersuchen.  Wir  sehen  dann  zunächst,  daß  Wagner  mit  dem 
Einsetzen  des  Motivs  1  die  fünfte  Szene  —  die  Szene  zwischen  Tristan, 
Isolde  und  Brangäne  —  anfangen  läßt,  was  ja  anscheinend  für  die  Beur- 
teilung des  Orchestersatzes  als  »Vorspiel"  sprechen  könnte.  Aber  auch 
nur  anscheinend,  denn  wo  hätte  die  Szene  sonst  anfangen  sollen?  Tristan 
tritt  ja  mitten  in  dem  ein  musikalisches  Ganzes  bildenden  Stück  auf. 
Daraus  läßt  sich  also  nichts  schließen;  wahrscheinlich  werden  wir  aber  in 
den  Regiebemerkungen  des  Meisters  nützlichere  Fingerzeige  finden. 

Wir  finden  dann,  daß  Isolde  —  nachdem  sie  sich  „mit  furchtbarer 
Anstrengung  zu  fassen  gesucht"  und  Kurwenal 

Herr  Tristan  trete  nahl 
zugerufen  hat  —  „ihr  ganzes  Gefühl  zur  Entscheidung  zusammen- 
fassend, langsam,  mit  großer  Haltung,  dem  Ruhebette  zuschreitet, 
auf  dessen  Kopfende  sich  stützend  sie  den  Blick  fest  dem  Ein- 
gange zuwendet."  Sollte  es  vielleicht  dies  sein,  was  der  Meister  durch 
das  sogenannte  „Vorspiel"  musikalisch  ausdrücken  will?  Ist  es  eigentlich 
nicht  selbstverständlich,  daß  der  geniale  Dramatiker  mit  seiner  Musik  dies 
erschütternde  stumme  Spiel  der  Isolde,  diese  inneren  Vorgänge,  aus  denen 
die  ganze  folgende  Handlung  hervorgeht,  und  nicht  das  als  selbständige 
dramatische  Handlung  weit  unwichtigere  Nahen  Tristans  charakterisieren 
will?  Ich  darf  getrost  an  jeden  aufmerksamen  Zuschauer  appellieren:  ist 
die  Isolde  nur  halbwegs  gut,  wird  er  zweifellos  unumwunden  gestehen,  daß 
sie  —  nicht  das  Nahen  Tristans  —  seine  Aufmerksamkeit  während  des 
„Vorspiels"  in  Anspruch  nimmt.  Eine  Untersuchung  des  Orchestersatzes, 
sowie  der  folgenden  Szene  wird  die  Richtigkeit  unserer  Annahme  beweisen. 

Den  ganzen  Orchestersatz  bis  zu  den  ersten  Worten  Tristans  wollen 
wir  in  drei  Teile  zerlegen.  Die  ersten  15  Takte  sind  ganz  von  dem  Motiv  1 
beherrscht,  dann  tritt  mit  dem  16.  Takt  ein  neues  Motiv  auf: 


Motiv 


An  dieser  Stelle,  wo  zum  erstenmal  das  sogenannte  „Heldenmotiv  Tris- 


41 
FORCHHAMMER:  TRISTAN  UND  ISOLDE 


tans"  aussetzt  und  wo  gleichzeitig  der  bisherige  dreitaktige  Rhythmus  vier 
Takte  lang  einem  zweitaktigen  weicht,  tritt  Tristan  nach  Partitur  und 
Klavierauszugen,  sowie  nach  der  ausdrücklichen  Anordnung  des 
Meisters  (s.  Lilli  Lehmann,  S.  14)  auf.  Nach  diesen  vier  Takten  ist  der 
Rhythmus  wieder  drei  taktig,  und  das  Motiv  1  erscheint  wieder,  abwechselnd 
mit  dem  Schicksalsmotiv. 

Betrachten  wir  jetzt  das  Zwiegespräch  zwischen  Tristan  und  Isolde,  so 
gewahren  wir  zu  unserem  Erstaunen,  daß  dies  angebliche  Tristanmotiv  sich 
nirgends  auf  Tristan,  sondern  immer  auf  Isolde  bezieht.  Nicht  allein 
begleitet,  unterstützt  und  unterstreicht  es  die  meisten  Sätze  Isoldens,  diese 
singt  auch  wiederholt  auf  den  Noten  des  Motivs;  gleich  ihre  ersten  Worte: 


^rnr=^HgXf^-  f=f^=^^ 


WOß-test    du    nicbt,  was    ich     be  -  geh-re, 


dann  die  zornsprühenden: 


^FFMl^-^^ip^^ 


und: 


Ra  -  che     für      Mo  -  rold ! 


^c— 1^  r- 1<!  rr~r^ 


Wagst    du       zu      höh  -  nen? 

In  dem  ganzen  Zwiegespräch  bis  zum  »Sühneeid*  bezieht  sich  das 
»Motiv  1"  ausschließlich  auf  Isolde;  am  besten  kann  man  es  wohl  als  das 
»Motiv  der  tragischen  Entscheidung*  bezeichnen.  Nur  so  versteht 
man  die  volle,  tiefe  Bedeutung  dieser  Tonfolge,  die  nicht  heldenmäßig- 
schwungvoll  zu  verstehen  ist,  sondern  als  Ausdruck  eines  krampfhaft 
schmerzlichen  Zusammenfassens  aller  seelischen  Kräfte.  So  lange  Isolde 
die  Entscheidung  in  ihrer  Hand  hält,  begleitet  das  Motiv  ihre  Reden;  in 
dem  Moment,  in  dem  Tristan  den  Becher  ergreift,  um  den  Tod  zu  trinken, 
und  also  die  Entscheidung  in  seine  Hand  nimmt,  ertönt  es  im  Orchester, 
und  er  singt  dann  seinen  »Sühneeid*  auf  den  Noten  dieses  Motives.  Wir 
verstehen  jetzt,  daß  dies  Motiv  die  Alleinherrschaft  haben  muß,  von  der 
Meldung  Kurwenals  bis  Tristans  Auftritt;  wir  verstehen,  daß  es  in  diesem 
Moment  für  einen  Augenblick  weichen  und  einem  »Tristan-Motiv*,  dem 
Motiv  2,  Platz  geben  muß.  Dieses  Motiv  charakterisiert  Tristans  ehrerbietige 
Zurückhaltung  Isolden  gegenüber,  oder,  wie  diese  meint,  seine  »Furcht*: 


42 

DIE  MUSIK  VII.  19. 


^ 


j9ff 


m 


^ 


^^ 


1^ 


^ 


13^ 


t=* 


da   doch   die  Furcht,  mir't  zu     er  -   ful    -    len,     fern    utw. 


Wir  versteheo,  daß  Motiv  1  gleich  wieder  einsetzt,  mit  dem  Schicksals- 
motiv abwechselnd:  Tristan  und  Isolde  stehen  jetzt  einander  gegenfiber, 
und  das  Schicksal  beider  ist  durch  Isoldens  unerschfitterlichen  Entschluß 
besiegelt.     Wir  verstehen,  daß  Isoldens  erste  Worte: 

Wüßtest  du  nicht 
was  ich  begehre, 

auf  diesen  Tönen  gesungen  werden,  denn  sie  weiß',  was  sie  begehrt  — 
ganz  analog,  wie  sie  später 

Hart  am  Ziel 

auf  den  Noten  des  Todesmotivs  singt,  weil  der  Zuschauer  wissen  soll,  daß 

sie  mit  dem  «Ziel**  den  Tod  meint. 

Wir  verstehen,  daß 

Rache  für  Morold 

der  Deckmantel  ist,  unter  dem  sie  den  Entschluß,  die  Verschmähung  ihrer 
Liebe  an  Tristan  zu  rächen,  verbirgt,  wie  wir  mitfühlen,  daß  der  vermutete 
Hohn  Tristans  diesen  Entschluß  nur  noch  unerschütterlicher  machen  kann. 

Wäre  Motiv  1  wirklich  Tristans  Heldenmotiv,  dann  wäre  es  doch 
ganz  sonderbar,  daß  Wagner  von  seinem  ersten  Berliner  Tristan,  Albert 
Niemann,  ausdrücklich  verlangte,  daß  er  beim  Einsetzen  eines  ganz 
anderen  Motives  auftreten  sollte!  Dann  wäre  ja  der  große  Wagner-Dar- 
steller im  Recht,  wenn  er  sich  über  die  ausdrückliche  Anweisung  des  Meisters 
später  hinwegsetzte  und  gleich  beim  Erklingen  des  ersten  Tones  des  »Vor- 
spieles* die  Vorhänge  weit  auseinander  ziehen  ließ,  um  darauf  langsam  vom 
Steuer  die  Stufen  herunter-  und  in  das  Zelt  der  Isolde  hineinzuschreiten. 

Ein  interessantes  Licht  fällt  auf  das  Motiv  1,  wenn  wir  seine  Ent- 
stehungsgeschichte untersuchen.  In  der  musikalischen  Einleitung  zum 
ersten  Akt  tritt  im  zweiten  Takt  ein  kurzes  chromatisches  Thema  auf: 


Motiv  3. 


jijiu  h^'  rm 


43 
FORCHHAMMBR:  TRISTAN  UND  ISOLDE 


M 


das  wohl  am  besten  als  Motiv  der  Liebessehnsucht  bezeichnet  werden 
kann  und  sich,  teils  in  dieser  Gestalt,  teils  in  verschiedenen  Umbildungen, 
durch  das  ganze  Werk  als  eins  der  allerwichtigsten  Hauptmotive  zieht. 
Eine  Steigerung  des  Motivs  3,  die  gleich  am  Anfang  der  Einleitung  vor- 
kommt und  auch  später  im  Drama  oft  wiederholt  wird,  ist: 


Motiv  4. 


^ 


Aus  diesem  Motiv  ist  Motiv  1  durch  geringe  Veränderungen  gebildet; 
Motiv  4  wird  deshalb  auch  meistens  als  Tristanmotiv  bezeichnet  —  aber 
mit  Unrecht:  es  ist  einfach  eine  Steigerung  des  Sehnsuchtsmotives.  Ver- 
lassen wir  jetzt  die  Einleitung,  dann  sehen  wir,  daß  Motiv  3  zum  ersten- 
mal wieder  auftritt,  als  Isolde  mit  tief  bitterem  Schmerz  die 

zahme  Kunst 
der  Zauberin, 
die  nur  Balsamtränke  noch  brauet I 

höhnt;  wenn  Isoldes  Zorn  dann  mächtig  anschwillt,  setzt  das  Motiv  wieder 
ein,  und  Isolde  singt: 

zu  tobender  StQrme 

wütendem  Wirbel! 

sogar  auf  den  Tönen  dieses  Motives.  Das  zeigt  gleich  von  Anfang  an 
dem  Höi'er,  der  das  Vorspiel  ganz  verstanden  und  mitempfunden  hat,  daß 
es  die  unbezwingliche  Liebessehnsucht  Isoldens  ist,  die  ihren  Zorn  auf- 
lodern läßt.  Das  Entstehen  des  Motivs  1  aus  dem  Sehnsuchtsmotiv  zeigt 
uns  in  genau  derselben  Weise,  daß  der  unerschütterliche  Entschluß  Isoldens, 
den  Tod  beider  herbeizufuhren,  nur  ein  Ausschlag  ihrer  Sehnsucht  nach 
dem  heißgeliebten  Mann  ist. 

Die  Macht  der  Gewohnheit,  die  Macht  eingewurzelter  Vorstellungen 
kann  ihre  Allgewalt  wohl  kaum  besser  bewähren,  als  wenn  sie  —  wie  in 
diesem  Falle  —  eine  geniale  Künstlerin,  die  sich  mit  Liebe  und  Intelligenz 
in  ein  Kunstwerk  vertieft  hat,  auf  solche  Irrwege  führt,  daß  sie  den  Charakter 
eines  Orchesterzwischenspieles,  dessen  richtiges  Erfassen  doch  gerade  für 
ihr  Spiel  so  eminent  wichtig  ist,  ganz  und  gar  verkennen  konnte.  Daß 
nicht  einmal  die  Vorschrift  Wagners:  „Isolde,  ihr  ganzes  Gefühl  zur 
Entscheidung  zusammenfassend,  schreitet  langsam  mit  großer 
Haltung  dem  Ruhebette  zu",  sie  zum  Oberlegen  bringen  konnte!  Daß 
sie  schreiben  kann  (Seite  41): 

»Dazu  habe  ich  zu  bemerken,  daß  Isolde  nur  wenigZeit  für  ein  ganz  kurzes 
mimisches  Spiel  zu  Gebote  steht  und  sie  je  weniger,  je  besser  tut.  Alles  harrt  mit 
gespannter  Aufmerksamkeit  dem   Helden   entgegen.    Diese  Aufmerksamkeit  gehört 


44 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


Vütfi 


Tristan  ganz  allein  und  darf  von  niemandes  Spiel  unterbrochen,  nicht  einmal  auf 
Isolden  abgelenkt  werden." 

Gewiß,  die  Aufmerksamkeit  ist  auf  das  Nahen  Tristans  gerichtet,  aber 
hauptsächlich  doch  nur,  weil  wir  —  und  hier  wieder  namentlich  der  Isolde 
wegen  —  auf  die  Begegnung  der  beiden  gespannt  sind.  Diese  Spannung 
wird  aber  gerade  dadurch  seelisch  vertieft  und  verinnerlicht,  daß  sie  auf 
Isolde  konzentriert  wird,  indem  sie  sich  in  ihrem  Mienen-  und  Gebärdenspiel 
spiegelt.  Es  ist  deshalb  von  der  allergrößten  Wichtigkeit,  daß  keine  miß- 
verstandene Bescheidenheit  die  Darstellerin  der  Isolde  zurückhält,  die  ganze 
Zeit  von  Kurwenals  Meldung  bis  Tristans  Auftritt  ffir  sich  und  ihr  Spiel 
ausschließlich  in  Anspruch  zu  nehmen.  — 

Aus  dem  großen  Gespräch  zwischen  Tristan  und  Isolde 
möchte  ich  nur  ein  paar  Punkte  herausheben: 

Tristan:  Was  schwurt  ihr,  Frau?  seine  Waffen  batt'  ich  geweiht, 

Isolde:  Rache  für  Moitld!  fOr  mich  zog  er  in  Streit  .  .  . 

Tristan:  Müht  euch  die?  Tristan  (bleich  und  düster): 
Isolde:  Wagst  du  zu  höhnen?  War  Morold  dir  so  wert, 

Angelobt  war  er  mir,  nun  wieder  nimm  das  Schwert... 

der  hehre  Irenheld; 

Außer  dem  späteren  höhnischen: 

Ihren  Angelobten 

erschlug  ich  ihr  einst, 

sein  Haupt  sandt'  ich  ihr  heim  .  .  . 

ist  diese  Stelle  die  einzige  im  ganzen  Werk,  die  die  Beziehungen 
zwischen  Isolde  und  Morold  erwähnt.  Hat  aber  Tristan  von  diesen  Be- 
ziehungen Kenntnis  gehabt?  Von  vornherein  könnte  es  höchst  unwahr- 
scheinlich —  fast  unmöglich  —  erscheinen,  daß  Tristan  nicht  wissen  sollte, 
daß  der  Heerführer  der  Iren,  mit  dem  er  gekämpft  und  den  er  getötet 
hatte,  mit  der  Tochter  seines  Königs  verlobt  gewesen  war.  Und  doch  ist  es 
sehr  wohl  möglich,  daß  niemand  —  selbst  Tristan  nicht  —  von  dem  Ver- 
hältnis gewußt  hat.  Es  ist  eine  ganz  natürliche  und  ungezwungene  An- 
nahme, daß  Morold  um  die  Hand  Isoldens  geworben  und  von  ihrem  Vater 
eine  Zusage  erhalten  hatte,  daß  aber  das  öffentliche  Verlöbnis  aufge- 
schoben wurde,  bis  er  als  Sieger  über  die  aufrührerischen  Engländer  zurück- 
käme: dann  sollte  er  —  als  höchsten  Lohn  seiner  Tat  —  öffentlich  als 
«Angelobter*  Isoldens  proklamiert  werden.  Er  zog  also  in  den  Krieg,  um 
die  Hand  Isoldens  zu  erkämpfen: 

Für  mich  zog  er  in  Streit. 

Ich  bin  überzeugt,  daß  Wagner  sich  das  Verhältnis  ungefähr  so  ge- 
dacht hat;  dann  versteht  man  auch,  daß  der  Irenkönig,  der  das  Verlöbnis 
von  dem  Erfolg  Morolds  abhängig  gemacht  hatte,  gar  nicht  daran  dachte, 


45 
FORCHHAMMER:  TRISTAN  UND  ISOLDE 


einen   besonderen  Vergleich  zwischen   Isolde  und   Morolds  Töter  zuwege 

zu  bringen,  wogegen  Isolde,  die  die  Waffen  des  Irenhelden  geweiht  hatte, 

sich  noch  immer  als  dessen  Anverlobte  fühlte. 

Wenn  Tristan,  der  keine  Ahnung  davon  hatte,  daß  Isolde  ihn  liebe, 

gewußt   hätte,    wie  das   Verhältnis    zwischen   ihr  und    Morold    gewesen, 

wie  hätte  er  dann: 

MQht  euch  die? 

als  Antwort  auf  ihren  Ausruf: 

Rache  für  Morold! 

sagen  können;  er  will  sie  ja  doch  nicht  höhnen. 

Auch    der    unmittelbar    vorhergehende  Wortwechsel    bestätigt   diese 

Auffassung: 

Isolde:  Blutschuld  Tristan:  Im  ofTnen  Feld, 

schwebt  zwischen  uns.  vor  allem  Volk 

Tristan:  Die  ward  gesühnt.  ward  Urfehde  geschworen. 

Isolde:  Nicht  zwischen  unsl 

Hieraus  geht  doch  deutlich  hervor,  daß  Tristan  keine  Ahnung  davon 
hatte,  daß  er  Morolds  wegen  eine  besondere  Schuld  gegen  Isolde  zu 
sühnen  habe,  eine  Schuld,  die  wegen  des  persönlichen  Charakters  des 
Verhältnisses  zwischen  Isolde  und  Morold  in  die  allgemeine  politische 
Sühne  nicht  inbegriffen  sein  konnte. 

Wir  müssen  also  unbedingt  annehmen,  daß  Tristan  von  diesem  Ver- 
hältnis nichts  gewußt  hat,  und  verstehen  dann  auch,  daß  er  imstande  ge- 
wesen, ihre  Heilkunst  in  Anspruch  zu  nehmen;  es  würde  doch  sonst 
geradezu  eine  Gemütsroheit,  einen  totalen  Mangel  an  geistiger  Vornehmheit 
voraussetzen,  wenn  er,  der  Morold  getötet,  der  sein  Haupt  mit  Hohn 
«heimgesandt*  hatte,  sich  gerade  von  ihr  heilen  ließ.  Es  kann  deshalb 
den  Darstellern  des  Tristan  nicht  warm  genug  empfohlen  werden,  ihr  Spiel 
so  zu  gestalten,  daß  der  Zuschauer  deutlich  erkennt:  Hier  erfährt  Tristan 
zum  erstenmal,  daß  Morold  Isolden  angelobt  gewesen!  — 

Die  Erklärung,  die  Lilli  Lehmann  von: 

Des  Schwelgens  Herrin  faß'  ich,  was  sie  verschwieg, 

heißt  mich  schweigen:  verschweig'  ich,  was  sie  nicht  faßt. 

gibt,  kann  ich  nicht  gutheißen.  Was  Tristan  jetzt  «faßt",  kann  unmöglich 
Isoldens  Liebe,  die  er  erst  viel  später  «ahnt*,  sein.  Was  er  ihr  sagt,  ist 
ganz  einfach:  Da  du,  wie  ich  jetzt  weiß,  an  der  «Urfehde*  nicht  teil- 
genommen hast  und  mich  noch  immer  als  deinen  ärgsten  Feind  betrachtest, 
dessen  Tod  und  Vernichtung  als  Rache  für  Morold  dein  höchster  Wunsch 
ist,  wirst  du  nie  fassen  können,  daß  ich  dich  liebe  und  nur  aus  Dank- 
barkeit gegen  dich  diese  unselige  •  Brautfahrt  unternommen  habe.  Deshalb 
muß  ich  schweigen,  wie  du  dich  ja  auch  bis  jetzt  als  «des  Schweigens  Herrin* 


46 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


(d.  h.  nach  Wagners  eigener  Erklärung:  Meisterin  des  Schweigens)  er- 
wiesen hast.  — 

Es  ist  eine  Frage,  die  nicht  so  ganz  leicht  zu  beantworten  ist:  Wann 
versteht  Tristan,  daß  der  Sühnetrank  für  ihn  den  Tod  bedeutet?  Ich 
glaube  nicht  fehl  zu  gehen,  wenn  ich  behaupte,  daß  er  zu  dieser  Er- 
kenntnis kommt,  unmittelbar  bevor  er  »wild  auffahrend" 

Los  den  Anker! 
Das  Steuer  dem  Strom! 
Den  Winden  Segel  und  Mast! 

singt  und  «Isolden  ungestüm  die  Trinkschale  entreißt. *"  Isolde  hat  ihm 
soeben  mit  schneidendster  Selbstironie  auseinandergesetzt,  was  für  eine  tot- 
liche Kränkung  er  ihr  zugefügt.  Sie  hat  es  in  einer  solchen  Art  und  Weise 
getan,  daß  es  ihm  klar  sein  muß,  daß  es  dafür  kein  Vergeben,  keine  Sühne 
geben  kann.     Wenn  sie  trotzdem  ihre  Rede  mit  den  Worten  schließt: 

So  guter  Gaben  Sühne-Trank: 

holden  Dank  den  bot  mir  ibre  Huld, 

schuf  mir  ein  sGßer  zu  büßen  alle  Schuld." 

dann  kann  er  nicht  im  Zweifel  sein,  daß  es  der  Tod  ist,  den  sie  ihm  an- 
bietet. Bei  den  früheren  Erwähnungen  des  Sühnetrankes  mag  er  erstaunt 
darüber  sein,  daß  sie  ihm  Sühne  anbietet,  eine  leise  Ahnung  kann  auch 
allmählich  in  ihm  aufsteigen,  welcher  Art  diese  Sühne  sein  mag  —  volle 
Gewißheit  kann  er  aber  nach  meiner  Überzeugung  erst  an  der  oben  ge- 
nannten Stelle  gewinnen.  Sobald  er  nun  mit  Sicherheit  verstanden  bat, 
fährt  er  wild  auf,  ergreift  den  Becher  mit  dem  festen  Entschluß,  den  an- 
gebotenen Tod  sofort  zu  trinken.  Vorher  will  er  ihr  aber  in  dunklen 
Worten  sagen,  wie  es  um  ihn  bestellt  ist;  deshalb  spricht  er  den  «Sühne- 
eid", dessen  Erklärung  —  meinem  Gefühle  nach  —  Ulli  Lehmann  nicht 
ganz  gelungen  ist.     Ich  möchte  ihn  lieber  folgendermaßen  auslegen: 

Tristan's  Ehre  — 
höchste  TreuM 

das  heißt:  ich  habe  meine  Ehre  darangesetzt,  immer  die  höchste  Treue 
zu  zeigen.  Auch  dir  gegenüber  habe  ich  «höchste  Treue"  bewiesen:  dem 
eignen  Erbe  entsage  ich,  um  dir  «der  Welt  begehrlichsten  Lohn",  «die 
herrlichste  der  Kronen"  zum  Dank  für  deine  Wohltat  anbieten  zu  können, 

Tristan's  Elend  — 
kühnster  Trotz! 

das  heißt:  nachdem  es  mir  zum  Bewußtsein  gekommen,  daß  ich  dich  liebe, 
ist  es  mein  Elend  gewesen,  daß  ich,  um  meine  Ehre  zu  wahren,  meiner  Liebe 
zum  Trotz,  das  angefangene  Werk,  die  Brautwerbung,  vollenden  mußte. 

Trug  des  Herzens! 
das  heißt:  dadurch  ist  mein  Herz  um  sein  Glück  betrogen  worden. 


47 
FORCHHAMMER:  TRISTAN  UND  ISOLDE 


Traum  der  Ahnung! 
das  heißt:  eine  Ahnung  sagt  mir  aber,  daß  auch  du  mich  liebst. 

Nach  «Traum  der  Ahnung^  steht  in  der  Dichtung  ein  «:',  womit 
Wagner  jedenfalls  ausdrücken  will,  daß  nach  all  dem  vorhergegangenen 
jetzt  die  Konklusion  kommt: 

ew'ger  Trauer  Vergessens  güt'ger  Trankt 

einx'ger  Trost:  Dich  trink'  ich  sonder  Wank! 

Daß  diese  vier  Zeilen  sich  ausschließlich  auf  «Traum  der  Ahnung*  be- 
ziehen sollten,  daß  also  eine  Ahnung  ihm  sage,  daß  die  Sühne  der  Tod  sei, 
ist  ausgeschlossen.  Welcher  Art  der  Trank  ist,  «ahnt*  er  nicht,  das  weiß 
er,  das  muß  er,  wie  oben  erklärt,  nach  Isoldens  langer  ironischer  Rede  ganz 

genau  wissen  —  was  auch  aus  seinen  eigenen  Worten  ganz  deutlich  erhellt: 
Los  den  Anker!  Wunderkraft: 

Das  Steuer  dem  Strom!  den  Balsam  nutzt'  ich, 

Den  Winden  Segel  und  Mast!  —  den  sie  bot; 

Wohl  kenn'  ich  Irland's  den  Becher  nehm'  ich  nun, 

Königin,  daß  ganz  ich  heut*  genese! 
und  ihrer  Künste 

Als  Kuriosum  möchte  ich  nur  noch  erwähnen,  daß  der  Tristan  der 
Großen  Oper  in  Paris,  Herr  E.  van  Dyck  (der  frühere  Wiener  Helden- 
tenor), die  Stelle: 

Los  den  Anker! 

Das  Steuer  dem  Strom! 
Den  Winden  Segel  und  Mast! 

als  einen  Befehl  an  die  Mannschaft  auffaßt!  Gegen  dies  ungeheuerliche 
Mißverständnis  ist  es  aber  in  Deutschland  gewiß  jetzt  überflüssig  an- 
zukämpfen. — 

Die  Zeiten  dürften  wohl  jetzt  endgültig  vorbei  sein,  wo  man  auch  über 
die  Bedeutung  des  «Liebestrankes*  noch  im  Zweifel  war.  Mit  so  wenig 
Verständnis  wird  wohl  niemand,  der  ein  öffentliches  Urteil  abzugeben  hat, 
das  Werk  jetzt  lesen,  daß  er,  wie  früher  so  viele  Rezensenten,  glauben 
könnte,  die  Liebe  Tristans  und  Isoldens  sei  erst  durch  den  Trank  geweckt 
worden.  Allerdings,  wer  aus  dem  ersten  Akt  nicht  herauslesen  oder 
-hören  kann,  daß  beider  Herzen,  lange  ehe  sie  den  Becher  leeren,  von  der 
heftigsten  Liebe  entflammt  sind,  der  wird  durch  Tristans  eigene  Worte  im 

zweiten  Akt  auch  nicht  viel  klüger  werden: 

O  Heil  dem  Tranke!  darin  ich  sonst  nur  träumend  gewacht, 

Heil  seinem  Saft!  das  Wonnereich  der  Nacht. 

Heil  seines  Zaubers  Von  dem  Bild  in  des  Herzens 

hehrer  Kraft!  bergendem  Schrein 

Durch  des  Todes  Tor,  scheucht*  er  des  Tages 

wo  er  mir  floß,  täuschenden  Schein, 

weit  und  offen  daß  nachtsichtig  mein  Auge 

er  mir  erschloß,  wahr  es  zu  sehen  tauge.  — 


DIE  MUSIK  VII.  19. 


mS3B 


Wu  Lilli  Lehmann  zur  Charakterisierung  der  einzelnen  Personen, 
namentlich  Isoldens  und  Braogänens,  schreibt,  ist  vorzfiglich  und  im  höchsten 
Grade  beachtenswert,  wie  die  kleine  Schrift  natürlich  Oberhaupt  reich  an 
Bemerkungen  ist,  die  sowohl  die  Darsteller  wie  die  Regisseure  beherzigen 
sollten.  Ganz  besonders  habe  Ich  mich  fiber  ihre  Regiebemerkungen  zum 
Schluß  des  ersten  Aktes  gerreut;  fast  nie  und  nirgends  sieht  man 
ihn  so  ausgeführt,  wie  er  doch  von  Va^er  vorgeschrieben  ist,  und  trotzdem 
Brangine  Im  zweiten  Akt  singt: 

Da  don  *d  SctallTea  Bord  dfe  bleiche  Braut 

von  Trlatan't  bebender  Hand  kaum  ihrer  michllg 

K8nl(  Marke  empBng  — , 
trotzdem  wird  der  Schluß  auf  den  meisten  Bühnen  so  arrangiert,  daß  man 
annehmen  muß,  diese  Begegnung  mit  König  Marke  finde  unmittelbar  nach 
dem  Schließen  des  Vorhanges  statt.    Wegen  der  Wichtigkeit  der  Stelle  er- 
laube ich  mir  zu  zitieren,  was  Lilli  Lehmann  schreibt  (S.  10): 

.Mit  dem  Schrei: 

Trliiinl 

Muß  Ich  leben? 
■Inkl  Uolde  Trlilan  (mit  dem  Rücken)  an  dte  Bruai,  Ihr  Haupt  lehnt  an  seiner  rachtan 
Schulter.    In  dieser  Stellung  bleiben  aie,  bla  TrlsUn  austeruhn  tau: 
O  Wonne  voller  Tficke! 
O  Truc-gewelhtes  GIfickel 
denn  aelne  Torte  beliehen  ilcta  darauf.    Sofort  wird  Isolde  von  Brantfne  an  der 
linken,  von  Trlttan  an  der  recbten  Hand,  halb  ohnmlchilc  nach  dem  Hlniargrundt 
schwankend,  KSnlg  Marke  entgeienKetGtan.    Der  Vortaang  schlieBl  sieb  •chnell.' 


j^  BERNARD  SHAW 

1       UND  SEIN  WAGNERBREVIER 

■  von  Paul  Moos-Ulm 


tllernard  Shaw's  .Wagnerbrevier*  oder  »Kommentar  zam  Ring 
1  des  Nibelungen"  liegt  nun  auch  in  einer  deutschen  Ausgabe 
.  vor').  Die  Übersetzung  hat  Siegfried  Trebitsch  besorgt.  In 
'  England  scheint  die  Scbrirt  guten  Erfolg  gehabt  und  auch  Ein- 
fluß gewonnen  zu  haben.  Viele  deutsche  Leser  werden  vielleicht  weniger 
geneigt  sein,  sich  von  diesem  seltsamsten  aller  Wagnerapostel  widerspruchslos 
führen  zu  lassen.  Sbaw  verfaßte  die  Schrift  in  seiner  Doppeleigenschaft 
als  Musiker  und  Revolutionär.  Er  ist  stolz  darauf,  gerade  diese  beiden 
Eigenschaften  in  sich  zu  vereinen,  er  erblickt  darin  das  ihn  persönlich 
auszeichnende  Merkmal,  das  ihn  vor  allem  berechtige,  über  Wagner  zu- 
nächst In  England  ein  Wort  mitzureden. 

Über  den  , Revolutionär'  Sbaw  ein  woblbegründetes  Urteil  zu  fällen, 
müssen  wir  anderen  überlassen.  Eine  Musikzeitschrift  ist  dazu  wohl  nicht 
der  geeignete  Ort,  und  ihre  Mitarbeiter  sind  vermutlich  auch  nicht  die 
kompetentesten  Richter.  Nichtsdestoweniger  mdchle  ich  mir  als  deutscher 
Büiger  und  Reichstagswähler  —  ganz  privat  und  unter  uns  —  die  Mei- 
nung auszusprechen  erlauben,  daß  Shaw's  politisches  Bekenntnis  einen 
höchst  verworrenen  Eindruck  macht  und  ganz  und  gar  nicht  geeignet  ist, 
zu  imponieren.  Shaw  bekennt  sich  zum  Anarchismus  und  verlangt,  daß 
der  Protestantismus  sich  nach  dieser  Richtung  weiter  entwickele.  Schließlich 
kommt  er  aber  zu  dem  Ergebnis,  daß  auch  der  Anarchismus  kein  Uni- 
versalmittel bedeute.  Er  ist  der  Meinung,  daß  die  Mehrzahl  der  gegen- 
wärtig in  Europa  wohnenden  Menschen  gar  nicht  zu  existieren  brauchte; 
daher  werde  die  Menschheit  keinen  entscheidenden  Fortschritt  machen, 
bevor  sie  sich  nicht  ernstlich  und  wissenschaftlich  die  Aufgabe  stelle,  zu- 
verlässiges Menschenmaterial  zu  züchten.  Shaw  wird  gut  daran  tun,  sieb 
zwecks  Erreichung  dieses  Zieles  mit  der  Lehre  jenes  Wiener  Professors 
vertraut  zu  machen,-  der  die  Menschenzficbtung  nach  einem  bestimmten 
System  entdeckt  zu  haben  glaubte.  Hoffentlich  wird  aber  Shaw's  eigener 
Einfluß  auf  die  geplante  Regeneration  kein  allzu  großer  sein,  sonst  möchte 
es  kommen,  daß  die  Rasse  der  Zukunft  zwar  Überfluß  an  Witz,  Geist  und 

■)  5.  Fliehet,  Berlin  1908. 

VIL  IS.  4 


50 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


Scharfsinn,  zugleich  aber  auch  einen  bedenklichen  Mangel  an  Einfachheit 
und  Klarheit  des  Denkens  aufweist. 

Geistvoll-verschroben,  wie  er  ist,  tritt  Shaw  an  Wagners  Nibe- 
lungendramen heran  und  sucht  sie  seinen  eigenen  Gedanken  gemäß  zu 
interpretieren.  Es  kann  nicht  anders  sein,  als  daß  sich  dabei  eine  Ver- 
zerrung ergibt.  Shaw  nimmt  den  »Ring*"  nicht  als  ein  Kunstwerk 
schlechthin,  sondern  findet,  da  er  nun  doch  einmal  Musiker  und  Revo- 
lutionär zugleich  ist,  in  Wagners  Dramen  die  sozialwissenschaftlichen 
Ideen  dargestellt,  die  Europa  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  be- 
wegten und  von  Wagner  durch  den  Dresdener  Aufstand  deutlich  erfaßt 
worden  seien.  In  der  Sklaverei  der  Nibelungen  und  der  Tyrannei 
Alberichs  erkennt  Shaw  die  Abbildung  unseres  kapitalistisch-industriellen 
Systems  vom  Standpunkte  der  Sozialisten  aus.  Alberich  gilt  ihm  als  der 
Typus  des  geschworenen  Plutokraten  und  modernen  kapitalistischen  Unter- 
nehmers, der  sich  als  Fabrikbesitzer  die  Arbeit  von  Hunderten  dienstbar 
macht  und  selbst  in  Üppigkeit  lebt,  während  seine  Heloten  darben  und 
hinwelken.  Demgegenüber  repräsentiert  Wotan  Gottheit  und  Königtum, 
Loge  die  Logik  und  Einbildungskraft  oder  Gehirn  ohne  Herz,  Fricka  das 
Staatsgesetz.  Siegfried  aber  ist  eine  total  unmoralische  Persönlichkeit  ge- 
worden, ein  geborener  Anarchist,  das  Ideal  Bakunin's  und  eine  Vor- 
ahnung des  Nietzscheschen  Übermenschen.  Shaw  stellt  es  seinen  Lesern 
immerhin  frei,  ob  sie  Siegfried  einen  Anarchisten  oder,  da  dies  ehrbarer 
klinge,  lieber  einen  Neuprotestanten  nennen  wollen.  Die  Erschaffung  der 
Siegfriedgestalt  erscheint  ihm  als  die  unvermeidlichste  dramatische  Kon- 
zeption des  19.  Jahrhunderts,  das  gerade  einer  solchen  durch  den  Umsturz 
Ordnung  bringenden  Individualität  bedurft  habe. 

Durch  diese  Verquickung  der  Siegfriedgestalt  mit  den  politisch- 
sozialen Verhältnissen  jener  Zeit  wird  nun  in  den  »Ring**,  wie  Shaw  ihn 
auffaßt,  ein  sonderbarer  Zwiespalt  hineingetragen.  Die  Zeitverhältnisse 
führten  ja  zunächst  zur  Unterdrückung  der  revolutionären  Bestrebungen: 
nicht  Siegfried  kam,  sondern  Bismarck,  und  Röckel  war  ein  Gefangener. 
Für  den  Revolutionär  und  Anarchisten  Shaw  ist  der  Sieg  Bismarcks  gleich- 
bedeutend mit  dem  Siege  der  Reaktion.  Als  Wagner  die  «Götterdämmerung" 
beendete,  war  nach  Shaw  der  Mißerfolg  Siegfrieds  und  der  Triumph  der 
Wotan-Loge-Alberich-Dreieinigkeit  zur  Tatsache  geworden.  Daraus  ergab 
sich  nun,  meint  Shaw,  für  Wagner  ein  unlösbarer  Konflikt,  da  Shaw  ja 
doch  unentwegt  an  der  Fiktion  festhält,  daß  Wagner  im  «Ring*  die  sozial- 
politischen Zeitverhältnisse  habe  darstellen  wollen.  Nach  der  Meinung 
des  englischen  Musikers  und  Revolutionärs  hätte  Wagner  eigentlich  nun 
den  «Siegfried''  in  den  Papierkorb  werfen  und  den  «Ring*  von  der  «Wal- 
küre* ab  neu  schreiben  müssen.    Alsdann  hätte  der  «Ring*  konsequenter^ 


51 
MOOS:  SHAWS  WAGNERBREVIER 


weise  aufgehört,  eine  Nibelungendichtung  zu  sein,  wäre  vielmehr  ins 
moderne  Kostüm  übertragen  worden  mit  Zylindern  statt  Tarnhelmen, 
Fabriken  statt  Nebelheimen,  Villen  statt  Walhallas.  Shaw  beklagt  es, 
daß  Wagner  zu  dieser  ebenso  notwendigen,  wie  radikalen  Änderung  nicht 
mehr  imstande  gewesen  sei,  da  sie  sogar  seine  Riesenkraft  und  Ausdauer 
fiberstieg.  Auf  diese  Weise  kommt  Shaw  zu  dem  Ergebnis,  daß  der 
«Ring*  im  Grunde  ein  unbeendetes  und  für  immer  unbeendbares  Werk 
blieb.  Den  Abschluß,  den  Wagner  selbst  dem  Ganzen  gab,  hält  Shaw  für 
einen  traurigen  Notbehelf. 

Das  führt  uns  hinüber  zu  dem  Musiker  Shaw,  der  ein  ebenso  ab- 
sonderlicher Geselle  ist  wie  der  Revolutionär.  In  der  Beurteilung  Wagners 
gehen  diese  beiden  Kameraden  einträchtig  Hand  in  Hand;  was  der  eine 
behauptet,  bestätigt  der  andere  voll  Bereitwilligkeit.  Auch  der  Musiker 
Shaw  glaubt,  daß  der  »Ring'  einen  gänzlich  unzulänglichen  Abschluß  ge- 
funden habe.  Bei  der  näheren  Ausführung  und  Begründung  dieser  Meinung 
verfährt  er  aber  geradeso  leichtsinnig  wie  der  Revolutionär.  Es  ist  ja 
gewiß  über  die  späteren  Dramen  Wagners  noch  nicht  das  letzte  Wort  ge- 
schrieben und  gesprochen  worden.  Es  liegt  hier  sogar  das  wichtigste 
musikalische  Problem  der  Gegenwart,  noch  wichtiger  als  die  Frage  nach 
der  wahren  Bedeutung  von  Reger  und  Richard  Strauß.  Der  Revolutionär 
und  Musiker  Shaw  ist  in  all  seiner  Verwegenheit  aber  nicht  der  Mann, 
dies  wichtigste  musikalische  Problem  unserer  Zeit  zu  lösen  oder  auch  nur 
der  Lösung  näher  zu  bringen;  sein  sprühender  und  funkelnder  Geist  steht 
dieser  Frage,  wenn  man  näher  zusieht,  in  musikalisch-kritischer  Ohnmacht 
gegenüber,  alles  Blendwerk  und  Raketenfeuer  behenden  Witzes  hilft  nicht 
darüber  hinweg,  daß  es  ihm  an  wahrer  Sicherheit  des  musikalischen 
Urteils  gebricht.  Was  er  sagt,  ist  bizarr,  willkürlich  und  läßt  eine  ernst- 
liche Diskussion  gar  nicht  zu.  Wie  aus  der  Pistole  geschossen  kommt 
seine  Behauptung  daher,  daß  mit  dem  Zwiegesang  am  Schluß  des  «Sieg- 
fried* das  Drama  sich  in  eine  große  Oper  verwandle,  daß  der  »Ring*  von 
hier  ab  aufhöre,  philosophisch  zu  sein,  und  didaktisch  werde.  Siegfried 
sei  jetzt  nur  noch  der  primo  tenore  robusto  eines  Opernbuches,  Hagen 
ein  Opemschurke.  Die  «Götterdämmerung*  ist  für  Shaw  nichts  anderes 
als  «eine  ausgewachsene  große  Oper*,  die  den  Opemchor  in  voller  Parade 
auf  die  Bühne  stelle,  und  zwar  so,  daß  er  sich  ja  nicht  unterstehe,  die 
Primadonna  in  ihren  schmetternden  Tiraden  zu  stören.  Shaw  findet  in 
der  «Götterdämmerung*  theatralischen  Schwulst,  der  an  Meyerbeer  und 
Verdi  erinnere.  Ihr  Verhältnis  zu  den  vorhergehenden  drei  Dramen  setzt 
er  der  Art  gleich,  wie  Rossini  zuweilen  ernste  Kompositionen  mit  einem 
Galopp  abgerundet  habe.  Er  glaubt  sie  charakterisiert  durch  den  Mangel 
jeder  Einfachheit  und  Würde,  durch  die  Unmöglichkeit  einer  glaubwürdigen 

4^ 


52 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


Bfihnendarstellung  und  durch  die  äußerst  theatralische  Konvention,  die  über 
diese  Unmöglichkeit  hinweghelfen  soll.  Siegfrieds  Eintreffen  im  ersten 
Akt  erfolgt,  nach  Shaw,  mit  »opernhafter  Rechtzeitigkeit',  bei  dem  Schwur 
der  Blutbrüderschaft  bricht  »der  alte  Opernfuror  auf  spaßhafte  Weise  in 
Wagner  hervor*,  auch  im  zweiten  Akt  schwört  Siegfried  einen  «grandiosen 
Opernschwur*,  Brünnhilde,  Günther  und  Hagen  „brechen  in  ein  herku- 
lisches Trio  aus*,  sogar  den  Abschiedsgesang  des  auf  den  Tod  verwundeten 
Siegfried  bedenkt  Shaw  mit  seinem  törichten  Spott.  Er  meint,  Siegfried 
richte  sich  nach  alter  Opernsitte  noch  einmal  auf  und  singe  ungefähr 
dreißig  Takte  an  seine  Geliebte,  bevor  er  sich  schließlich  bei  den  Klingen 
der  berühmten  Trauermusik  fortschaffen  lasse.  Im  Sieglinden -Brunn- 
hildenthema  des  Schlusses  vermißt  Shaw  jede  dramatische  Logik,  er  kann 
ihm  wirklichen  musikalischen  Wert  nicht  zuerkennen,  glaubt,  daß  es 
ebensogut  die  Lieblingssteigerung  einer  volkstümlichen  sentimentalen  Ballade 
sein  könnte,  und  nennt  es  schließlich  den  bettelhaftesten  Satz  der  ganzen 
Tetralogie.  Auf  derselben  musikalisch-kritischen  Höhe  stehen  die  weiteren 
Behauptungen  Shaw's.  Für  das  Verständnis  der  Leitmotive  Wagners  ge- 
nügt nach  seiner  Meinung  die  Unterscheidungsfähigkeit  für  Militärsignale. 
Wagners  Tonmalereien  stellt  er  den  naiven  Schilderungen  Haydns  an  die 
Seite.  Außerdem  unterscheidet  er  auch  in  der  musikalischen  Gestaltung 
Vers  und  Prosa.  Mozart  hält  er  für  einen  musikalischen  Verskünstler. 
Welches  Gewicht  diesen  und  ähnlichen  Äußerungen  beizumessen  ist,  mag 
daraus  entnommen  werden,  daß  Shaw  glaubt,  die  dramatisch  wirksamsten 
Finali  Mozarls  seien  «mehr  oder  weniger  in  Sonatenform  wie  symphonische 
Sätze  geschrieben*  und  daher  als  musikalische  Prosa  zu  bezeichnen. 

Der  Spötter  Shaw  mokiert  sich  über  das  «Universalmitttel*  der  Liebe 
in  »Siegfried*  und  «Götterdämmerung*,  er  sieht  darin  das  Überbleibsel  einer 
unreifen,  opemhaften  Auffassung  der  Geschichte.  Er  selbst  gewinnt  als 
«vernünftiger  Jünger*  aus  dem  «Ring*  nicht  den  Glauben  an  die  Liebe, 
sondern  den  an  das  Leben  selbst,  das  als  unermüdliche  Kraft  beständig 
vorwärts  und  aufwärts  treibe.  In  den  Abschiedsworten  der  Brünnhilde 
findet  er  nicht  etwa  den  Ausdruck  eines  reinen  Gefühls,  sondern  den  heftiger 
sexueller  Leidenschaft. 

Shaw,  der  Philosoph,  spricht  nicht  wie  andere  gewöhnliche  Sterbliche 
von  Schopenhauers  «Metaphysik*,  sondern  —  um  auch  hier  seine  über 
alles  Alltägliche  erhabene  Originalität  zu  beweisen  —  von  dessen  «Meta- 
Physiologie*  und  glaubt  überdies  noch,  durch  diese  Bezeichnung  Mißver* 
Ständnissen  vorzubeugen.  Zugleich  konstatiert  er  die  verwunderliche  Tat- 
sache, daß  die  politische  Philosophie  Siegfrieds  derjenigen  Schopenhauers 
gerade  entgegengesetzt  sei. 

Auf  den  typischen   modernen  Deutschen  ist  Shaw  gar  nicht  gut  zu 


53 
MOOS:  SHAWS  WAGNERBREVIER 


sprechen;  er  macht  sich  auF  jede  nur  mögliche  Weise  über  ihn  lustig,  ver- 
spottet ihn  und  seine  „höheren  Triebe*,  über  die  er  selbst  sich  so  sehr 
erhaben  fühlt.  Man  darf  wohl  fragen,  warum  Shaw  seine  Bücher  über- 
haupt ins  Deutsche  übersetzen  läßt,  da  er  doch  eine  so  geringe  Meinung 
von  der  Mehrzahl  der  deutschen  Leser  hat?  Er  mag  sich  hüten  vor  dem 
gelehrten  und  gewissenhaften  Deutschen,  den  er  verhöhnt!  Der  Pfeil  möchte 
leicht  mit  verschärfter  Spitze  auf  ihn  selbst  zurückfliegen!  Der  deutsche 
Leser  fühlt  sich  ihm  durchaus  gewachsen,  amüsiert  sich  über  die  Harlekin- 
sprünge seines  Witzes  und  lacht  den  geistvollen  Einfaltspinsel  überall  da 
aus,  wo  er's  verdient. 

Auch  über  Bayreuth  ergießt  Shaw  die  Lauge  seines  Spottes.  Er  findet, 
daß  die  Deutschen  abscheulich  singen,  dabei  aber  physisch  ganz  prächtig 
gedeihen.  Aus  dem  finanziellen  Ergebnis  Bayreuths  zieht  der  närrische 
Kauz  den  Schluß,  daß  das  Publikum  Sommertheater  ersten  Ranges  brauche. 
Zugleich  ist  er  aber  Engländer  genug,  um  diese  Attraktion  seinem  eigenen 
Lande  zu  wünschen.  Und  das  ist  schließlich  des  Pudels  Kern.  Shaw 
kommt  zu  dem  Ergebnis,  daß  man  in  England  selbst  Wagnerfestspiele  ver- 
anstalten solle,  er  sieht  keinen  einzigen  Grund,  weshalb  nicht  ebenso  gute 
und  bessere  Aufführungen  des  »Ring*  in  England  zustande  gebracht  werden 
könnten  wie  in  Bayreuth.  Wagners  Partituren  sind  ja  nun  doch  einmal  auf 
der  Welt  und  allen  Nationen  in  gleicher  Weise  zugänglich !  Vielleicht  ent- 
schließt sich  ein  englisches  Konsortium,  Shaw  selbst  als  Direktor  des  neu 
zu  gründenden  Unternehmens  anzustellen.  Sein  Witz  und  rascher  Geist 
lassen  ihn  ja  als  für  diesen  Posten  prädestiniert  erscheinen.  Sehr  richtig 
hat  er  schon  erkannt,  daß  die  größte  Gefahr  für  das  künftige  englische 
Wagnertheater  in  den  vielen  Gesangslehrern  liegt,  die  England  überschwemmen, 
und  daß  Rettung  nur  von  denen  kommen  kann,  die'  zu  arm  sind,  um  Stunden 
zu  nehmen. 

Wir  wollen  jedoch  nicht  so  ungerecht  sein,  über  allen  diesen  Bizarrerieen 
zu  vergessen,  daß  Shaw  im  Grunde  doch  ein  geistvoller,  origineller,  selb- 
ständiger Kopf  ist,  daß  er  hoch  über  die  bloß  verständige  Mittelmäßigkeit 
hervorragt,  vor  allem  aber  über  die  eigentliche  deutsche  Wagner-Orthodoxie 
im  engeren  Sinn,  die  zum  Teil  ja  in  beschränkten  Persönlichkeiten  ihre 
wenig  sympathische  Verkörperung  findet.  Wenn  diese  Herren  überhaupt 
einer  Belehrung  zugänglich  wären,  so  könnten  sie  sich  von  Bemard  Shaw 
darüber  aufklären  lassen,  daß  das  echte  Wagnerianertum  nicht  in  hündischer 
Unterwürfigkeit  und  kritiklos-blinder  Verhimmelung  besteht.  Ist  Shaw  zwar 
bizarr,  so  ist  er  doch  auch  anregend;  ist  er  zwar  spottsüchtig,  so  doch  auch 
offenherzig  und  mutig.  Und  schließlich  tritt  er  ja  für  Wagner  wie  für  Ibsen 
mit  allen  seinen  Kräften  ein.  Sein  Spott  ist  in  diesem  Falle  nicht  Selbst- 
zweck, er  braucht  ihn  eben,   um  sich  als  Schriftsteller  überhaupt  seiner 


DIE  MUSIK  VII.  10. 


Eigenart  gemäß  betStigeo  zu  können;  nur  in  der  Paradoxie  entzünden  sich 
die  Blitze  seines  Geistes.  In  Wiriclictilteit  hat  er  sich  eingehend  und  liebe- 
voll mit  Wagners  Lebenswerk  beschlftigt,  ist  keineswegs  ein  Neuling  in 
diesen  Dingen.  Beherzigenswert  ist  sein  Ausspruch,  dafi  Wagner  nicht  am 
Anfang,  sondern  am  Ende  einer  Bewegung  stand.  Sehr  wobt  erkennt  er 
auch,  daß  Wagners  Angriif  auf  Meyerbeer  unvermeidlich  und  unpersSnlich 
war.  Er  ist  erfahren  genug,  zu  wissen,  daß  Wagner  beinahe  unbeschränkt 
gegen  sich  selbst  zitiert  werden  kann,  und  daß  auch  seine  Erklärungen  der 
eigenen  Werke  hXuflg  aus  subjektiv  zufälligen  Bedingungen  entsprangen. 
Hit  Recht  verficht  Shaw  den  Standpunkt,  daß  nicht  immer  der  Künstler 
selbst  die  beste  Auskunft  über  sein  eigenes  Werk  geben  kann.  Er  zitiert 
bei  dieser  Gelegenheit  das  bekannte  Wort  Wagners  aus  dem  Briefe  an 
RSckel  vom  23.  August  1856.  Aufrichtige  Verehrung  und  Bewunderung 
bringt  Shaw  allen  Großmeistern  der  deutschen  Musik  entgegen.  Die  Ver- 
suche, Wagner  im  Musikdrama  zu  überwagnern,  bezeichnet  er  als  aussichts- 
los. Dafi  er  zugleich  aber  doch  für  den  einzig  berufenen  Nachfolger 
Wagners  den  Komponisten  der  .Salome"  hält,  dem  ja  auch  die  deutsche 
Ausgabe  des  .Wagnerbreviers'  gewidmet  ist,  darin  mag  ein  neuer  und 
letzter  Beweis  für  die  in  seinem  blendenden  Geiste  doch  herrschende 
Unklarheit  liegen. 


Richard   Wagners  photographische   Bildnisse.     Mit  einem   Vorwort   von 
Albert  Vtnselow.    Verlag:  Bruckmtnn,  München  1908. 

Ein  tusgezeichneter  Gedanke,  diese  Biographie  in  Bildern!  Die  meisten  und 
jedenfalls  besten  Lichtbilder,  im  ganzen  34  aus  den  Jahren  1860—82  sind  hier  in  vor- 
züglicher Wiedergabe  vereinigt.  Das  Haus  Wahnfried  hat  seinen  Besitz  an  Bildern  in 
dankenswerter  Weise  zur  VerfQgung  gestellt.  Oberall  ist  die  Jahreszahl  und  der  Photograph 
angegeben.  Wir  haben  also  eine  reichhaltige,  wissenschaftlich  brauchbare  Bildersammlung 
vor  Augen.  Die  zahlreichen  Portrits  von  Kunstlerhand  sind  mit  Absicht  ausgeschlossen. 
«Das  KQnstlerauge  sieht  individuell,  und  gerade  die  größten  Portritisten  Wagners,  ein 
L^nbach,  ein  Herkomer,  geben  das  Geschaute  mit  einem  starken  Zusatz  persönlichen 
Empfindens  wieder."  «Die  Kamera  dagegen  ist  unpersönlich  wie  ein  Spiegel."  Die  be- 
weglichen Zuge  des  Meisters  durch  verschiedene  Lebensalter  hindurch  werden  uns  hier 
vermittelt  Dabei  finden  sich  ausgezeichnete  Bilder,  wie  die  von  Herrn  von  Groß  aus 
den  Jahren  1873  und  1882,  die  Hanfstinglsche  Aufnahme  von  1865  und  die  Londoner 
von  18^.  Diese  sind  besonders  schön  und  sorgfiltig  wiedergegeben;  aber  auch  alle 
andern,  soweit  ich  die  Originale  nachprüfen  konnte,  sind  durchaus  zuverlissig.  Und 
nun  der  biographische  Wert!  Wagner  schreibt  an  Frau  Wesendonk  am  6.  Juni  1863: 
.Wollen  Sie  sich  einen  Begriff  machen,  wie  mich  solche  Unternehmungen  angreifen,  so 
vergleichen  Sie  zum  Spaß  die  drei  Petersburger  Photographien,  welche  anfinglich  gemacht 
waren,  mit  der  Moskauer,  zu  welcher  ich  14  Tage  spiter  saß.*  Hierzu  vgl.  No.  6—8 
der  Sammlung.  Der  Hund  Pohl,  der  die  ganze  Muncbener  Zeit  mitmachte  und  im  Januar 
1866  in  Genf  starb  (Glasenapp  IV  und  Briefe  an  Frau  Wesendonk  im  Namenregister), 
liegt  zu  Fußen  seines  Herrn  No.  11  und  12.  Reizvoll  ist  es  auch,  die  wechselnde 
Tracht,  Straßenanzug  oder  Hausrock,  MQtze  und  dergleichen  auf  den  Bildern  zu  verfolgen. 
Hiufig  dienen  die  Photographieen  zur  Grundlage  von  kQnstlerischen  Portrits.  So  ist  die 
schöne  Radierung  von  Joh.  Lindner  (München  1882)  nach  dem  Pariser  Bild  von  1867 
(No.  18)  gemacht.  Auch  die  Vorlagen  der  Zerrbilder  lassen  sich  leicht  erkennen,  z.  B.  das 
von  Andtt  Gill  auf  dem  Titel  der  französischen  Obersetzung  der  Kapitulation  1876  nach 
der  Pariser  Aufnahme  No.  19.  So  gibt  das  BQchlein  nach  allen  Seiten  Anregung.  Aber 
es  sollte  womöglich  noch  vervollstindigt  werden,  was  etwa  mit  Hilfe  des  Eisenacher 
Wagner-Museums  oder  des  musikhistorischen  Museums  von  Manskopfin  Frankfurt  a.  M. 
leicht  möglich  wire.  Aus  dieser  Sammlung  brachte  z.  B.  die  «Musik*  im  I.  Jahrgang, 
0.  Heft  eine  Aufnahme  aus  den  60er  Jahren,  Wagner  im  Oberrock,  die  in  dem  BQchlein 
fehlt.  Die  Pariser  Auftiahme  (No.  2)  gehört  ins  Jahr  1860,  vor  die  Brfisseler  (No.  1),  wie 
aus  dem  Briefe  Wagners  an  Frau  Wesendonk  (Seite  236)  zu  ersehen  ist.  Auch  vermißt 
man  einige  Bilder  aus  den  letzten  Jahren;  neben  der  schönen  Albertschen  Aufnahme 
von  1880  (No.  33)  gibt  es  auch  noch  einige  andere.  Schließlich  wire  eine  entsprechende 
Sammlung  der  wertvollsten  Portrits  auch  sehr  wQnschenswert.  Allein  schon  die  ver- 
schiedenen Lenbachbilder  möchte  man  bequem  beisammen  haben.  Die  ZOge  des  fungen 
Wagner  sind  durch  die  Zeichnungen  von  E.  B.  Kietz  1842  und  C.  Stockar-Escher  1853 


56 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


«B 


(beide  vorzQglich  wiedergegeben  in  der  Bilderausgabe  von  Cbamberlains  »Richard  Wagner" 
und  in  der  «Musik«  Jahrgang  II,  Heft  16  und  Jahrgang  VII,  Hefe  12)  überliefert.  In  der 
Zeit,  wo  Lichtbilder  noch  fehlen,  sind  sie  als  Ersatz  dafür  unentbehrlich.  Das  BQchleio, 
dessen  Preis  mit  3  Mk.  sehr  billig  bemessen  ist,  wird  große  Verbreitung  finden.  Es  ist 
trefflich  ausgestattet  und  Qberaus  wertvoll.  Es  bildet  die  Grundlage  für  ein  vielleicht  in 
Zukunft  zu  erhoffendes  umfassendes  und  erschöpfendes  Werk  Ober  Wagnerbildnisse, 
wofür  genug  Stoff  vorhanden  wire.  Zunächst  sollte  das  vorliegende  Büchlein  in  weiteren 
Auflagen  tatsichlich  alle  Pbotographieen  vollzihlig  aufnehmen.  Der  begleitende  Text 
aber  müßte  sich  etwa  den  von  F.  Stahl  zu  den  Goethebildnissen  (Berlin  1905)  zum  Vor- 
bild nehmen. 

Oeuvres  en  prose  de  Kichard  Wagner  traduiies  en  fiangais  par  J.  G. 
Prod'homme.    Erster  Band  (1841—42).    Verlag:  Delagrave,  Paris  1907. 

Die  Obersetzung  der  Prosaschriften  ist  ein  schönes  Zeugnis  für  die  ernste  Auf- 
fassung, die  man  in  Frankreich  für  Richard  Wagner  hegt.  Der  vorliegende  erste  Band 
ist  aber  auch  für  deutsche  Leser  wichtig.  Er  entspricht  dem  ersten  Band  der  Gesammel- 
ten Schriften  ohne  die  «Rienzi*-  und  «Hollinder*dichtung,  jedoch  mit  dankenswerter  Ver- 
mehrung der  Prosaschriften  um  zwei  Aufsitze.  Der  Band  enthilt  hauptsichlich  Wagners 
Schriften  aus  Paris  1841—42.  Die  meisten  Aufsitze  erschienen  zuerst  in  französischer 
Obersetzung  in  Schlesingers  „Gazette  musicale",  als  deren  regelmißiger  Mitarbeiter 
Wagner  drei  Jahre  hindurch  auf  dem  Titelblatt  genannt  wurde.  Die  französische 
Obersetzung  nahm  allerlei  Änderungen,  Kürzungen  und  Zusitze  vor,  am  meisten  in 
den  beiden  Aufsitzen  vom  Virtuosen  und  Künstler  und  vom  Künstler  und  der  Öffent- 
lichkeit, die  bis  zur  Unkenntlichkeit  verstümmelt  wurden.  Die  Rücksicht  auf  den  fran- 
zösischen Leserkreis  und  die  Modegötzen  schien  diese  Eingriffe  den  Herausgetem  der 
Gazette  zu  gebieten.  Prod'homme  gibt  nun  die  Fassung  der  «Gazette  musicale*,  ver- 
zeichnet aber  in  den  Anmerkungen  sorgfiltig  alle  Abweichungen  der  Gesammelten 
Schriften.  Die  ursprünglichen  deutschen  Fassungen,  die  lange  Zeit  im  Besitz  von  Frau 
Wesendonk  sich  befanden  (vgl.  Richard  Wagner  an  Mathilde  Wesendonk,  S.  dOOf),  wurden 
erst  1871  in  den  Gesammelten  Schriften  veröffentlicht.  Es  ist  daher  von  geschichtlichem 
Wert,  die  Gestalt  zu  kennen,  in  der  diese  Aufsitze  zuerst  in  der  französischen  Fassung 
veröffentlicht  wurden.  Der  Bericht  über  Hal6vy's  ,»La  reine  de  Chypre"  erscheint  In 
doppelter  Fassung,  in  der  aus  den  Gesammelten  Schriften  bekannten  für  die  .Dresdener 
Abendzeitung**  geschriebenen  Form  und  in  einer  anderen,  dort  nicht  abgedruckten  der 
„Gazette  musicale*.  Ferner  finden  wir  bei  Prod'homme  den  Aufsatz  über  das  Stabat  mater 
von  Pergolese  aus  der  »Gazette  musicale*.  Also  erginzt  Prod'homme  zusammen  mit 
Stemfelds  ausgezeichneter  Ausgabe  der  Aufsitze  und  Kunstberichte  Wagners  aus  der 
Pariser  Zeit  (in  der  „Deutschen  Bücherei"  No.  64  und  65,  1906)  im  Vergleich  zur  Auswahl 
des  ersten  Bandes  der  Gesammelten  Schriften  sehr  wesentlich  das  Bild  der  schrift- 
stellerischen Titigkeit  des  jungen  Richard  Wagner. 

F.  Riedel:  Erliuterungen  zu  Richard  Wagners  Welt-Tragödie:  Der  Ring 
des  Nibelungen.  Mit  einem  Anhang  über  die  übrigen  Dramen  Wagners. 
Groß-Borstel,  im  Verlage  des  Verfassers,  1906. 

Das  Büchlein  ist  in  bester  Absicht  und  mit  großer  Begeisterung  geschrieben, 
aber  enthilt  nichts  neues  und  eignes,  sondern  nur  eine  Zusammenstellung  verschiedener 
Urteile  und  Aussprüche  über  Dichtung  und  Musik,  die  einer  erliutemden  Nacherzihlung 
der  Handlung  eingefügt  sind.  Die  Darstellung  ist  zu  breit  und  stellenweise  ungelenk. 
Der  Verfasser  hat  offenbar  keine  schriftstellerische  und  wissenschaftliche  Obung  und 
Schulung.     Die  benutzten  Quellen  sind  meist  gut,  doch  auch  dat>ei  tehlt  das  kritische 


57 
NEUE  WAGNER  LITERATUR 


Urteil.  Der  Anhang  bringt  nur  einige  Aussprüche  Wagners  über  seine  Werlce  und  ein 
sehr  unvollständiges  Schriftenverzeichnis. 

Richard  Wagner -Jahrbuch.  Zweiter  Band,  1007.  Herausgegeben  von 
Ludwig  Frankenstein.    Verlag:  Hermann  Paetel,  Berlin. 

Mit  besonderer  Freude  hebe  ich  hervor,  daß  der  zweite  Jahrgang  gegenüber  dem 
ersten  (vgl.  .Musik*,  Band  XXIV,  S.  367)  sich  entschieden  verbessert  hat.  Die  Beiträge 
sind  gehaltvoller;  ganz  wertlose  und  überflüssige  Aufsitze  finden  sich  nicht  mehr.  Der 
Herausgeber  ist  also  erfolgreich  bemüht  gewesen,  das  Jahrbuch  höheren  Ansprüchen 
gerecht  zu  machen.  Hoffentlich  gelingt  auch  ein  weiterer  Ausbau  des  Unternehmens 
nach  der  Richtung,  daß  es  ein  allseitig  anerkannter  Sammel-  und  Mittelpunkt  der 
Forschungen  über  Richard  Wagner  wird.  Dazu  wire  vor  allem  eine  möglichste  Ver- 
vollkommnung des  kritischen  Jahresberichts  vonnöten,  nach  dem  bewährten  Vorbild 
unserer  historischen  und  literarhistorischen  kritischen  Jahresberichte.  Wir  wünschen 
eine  umfassende  und  erschöpfende  Bibliographie,  eine  Oberschau  über  alles,  was  im 
Berichtsjahr  erschien.  Neben  der  Zusammenfassung  des  weitverstreuten,  oft  schwer 
zuginglichen  Materials  kime  es  vornehmlich  darauf  an,  die  wichtigen  Beitrige  aus  der 
Unmasse  des  Unbedeutenden  und  Wertlosen  entsprechend  herauszuheben,  durch  kurze, 
klare,  kritische  Inhaltsangabe  die  Aufmerksamkeit  auf  wertvolle  Erscheinungen  zu  lenken. 
Daß  das  Jahrbuch  eigene,  ausführliche  Besprechungen  enthilt,  ist  weniger  von  Belang, 
als  daß  es  den  wesentlichen  Inhalt  der  Bücher  und  Aufsitze  angibt  und  die  darüber 
anderwärts  erschienenen  Kritiken  verzeichnet.  Unverantwortliche  Raumverschwendung 
ist  z.  B.  Dingers  22  Seiten  umfassende  Anzeige  von  Wirths  unsinniger  «Mutter  Brünnhilde**. 
Derlei  gehört  etwa  wie  Weltrichs  Schmlhschrift  auf  „Tristan*  unter  Kuriosaund  Karikatur, 
nicht  aber  unter  ernsthafte  Wissenschaft.  Ein  solcher  Jahresbericht  erheischt  natürlich  die 
Mitarbeit  vieler,  insbesondere  der  Verfasser  von  Wagnerschriften,  die  ihre  Arbeiten  dem 
Herausgeber  oder  Verleger  zusenden  müßten.  Namentlich  die  Zeitungsschau  oder 
Bekanntgabe  von  Aufsitzen,  die  an  entlegenen  Orten  erscheinen,  wo  man  sie  kaum  ver- 
mutet und  sucht,  wlre  nur  auf  diese  Weise  denkbar.  Aber  dadurch  würde  das  Jahrbuch 
auch  wirklich  überaus  nützlich,  ja,  so  unentbehrlich  wie  das  Goethe-  oder  Shakespeare- 
Jahrbuch.  Die  hier  angedeuteten  Grundsitze  gelten  auch  für  die  von  Frankenstein  vor- 
bereitete und  angekündigte  Gesamtbibliographie.  —  Von  den  reichhaltigen  und  gediegenen 
selbstlndigen  Beitrlgen  des  neuen  Jahrgangs  erwlhne  ich  an  dieser  Stelle  nur  folgendes 
wenige:  zunlchst  einige  bisher  ungedruckte  Briefe  Wagners,  die  allerdings  keine  sehr 
wichtigen  Angelegenheiten  behandeln,  und  dankenswerte  Briefauszüge  aus  Auktions- 
verzeichnissen, Zeitungen  usw.  als  Erglnzung  zu  Altmanns  Regesten.  Ferner  zwei  aus- 
gezeichnete musikalische  Arbeiten  von  Stern  feld  undGrunsky.  Sternfeld  behandelt 
die  Entstehung  und  Entwickelung  des  Leitmotivs  in  Wagners  Jugendwerken.  In  den 
«Feen*  wird  die  Hexenromanze  als  ein  durchgreifendes  Leitmotiv  erwiesen;  aus  der 
Partitur  des  «Liebesverbotes*  macht  Sternfeld  durch  Kapellmeister  Cortolezis'  Vermittelung 
ganz  neue  Dinge  bekannt;  endlich  zeigt  er  ein  bisher  gar  nicht  erkanntes  Hauptmotiv 
des  «Rienzi*  auf,  das  gleich  in  den  ersten  Takten  des  Vorspiels  begegnet: 


IT ef- 


^=i 


«Weh  dem,  der  ein  verwandtes  Blut  zu  riehen  hati*  Also  nicht  erst  im  «Holunder*, 
sondern  bereits  in  den  «Feen*  hat  Wagner  das  ihm  ganz  und  gar  eigene  ideelle  Leitmotiv 
gescbaffien,  das  von  der  auch  vor  Wagner  üblichen  Wiederholung  einzelner  Themen  von 
Grund  aus  verschieden  ist:  «Wagner  hat  das  Leitmotiv  geschaffen  ohne  jeden  Vorginger*. 


58 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


Bei  dieser  Gelegenheit  wird  Guido  Adlers  tnmaßendes  Wagnerbuch,  das  sich  gerade  mit 
musikalischen  Kenntnissen  den  „Wagneriten*  gegenüber  brfistet,  als  eine  oberflichliche 
und  ungrundliche  Arbeit  scharf  und  gerecht  verurteilt.  Grunsicy  aber  untersucht  sehr 
genau  und  streng  musikwissenschaftlich  den  motivischen  Bau  im  Vorspiel  und  ersten 
Aufzug  des  «Tristan*.  Er  verfolgt  bis  in  die  feinsten  Einzelheiten  hinein  die  Umbildungen 
der  Motive  und  eröffnet  damit  einen  tiefen  Einblick  in  die  unerspbOpflich  reichen  Aus- 
drucksformen der  Wagnerschen  Tonkunst,  in  die  immer  neuen  Herrlichkeiten  dieser 
Wunderpartitur. 

Hans  V.  Wolzogen:  Musikalisch-dramatische  Parallelen,  Beiträge  zur 

Erkenntnis  von  der  Musik  als  Ausdruck.    Verlag:  Breitkopf  &  Hirtel, 

Leipzig  1906. 
«Musik  ist  Ausdruck.  Sie  druckt  Empflndungsgehalte  aus.  Verwandten  Empflndungs- 
gehalten  entspricht  verwandte  Ausdrucksforro."  Wolzogens  Buch  erwuchs  aus  gegen- 
seitiger Mitteilung  von  Beobachtungen,  die  sich  ihm  und  andern  aus  dem  Vergleich  der 
Wagnerschen  Werke  aufdrängten,  daß  nämlich  an  verschiedenen  Stellen  aus  verwandten 
dichterischen  Voraussetzungen  ähnliche  musikalische  Wendungen,  Harmonien,  Figuren 
und  Phrasen  wiederkehrten.  So  z.  B.  im  «Tannhäuser*  «der  Gnade  Wunder  Heil*  und  «der 
Glaube  lebt*  im  «Parsifal*;  das  Motiv  der  Erwartung  im  zweiten  Aufzug  des  «Tristan*  und 
im  Lied  «Erwartung*;  das  Blickmotiv  des  «Tristan*  in  der  «Faust*-Ouverture  und  «Rienzi*- 
Ouverture  usw.  Wolzogen  zählt  100  solcher  Parallelen  au(  die  er  in  sechs  Gruppen  — 
Stimmung,  Empfindung,  Situation,  Handlung,  Charakter,  Deklamation  —  einteilt  und  sehr 
geistvoll  deutet.  Es  sind  «orphische  Urworte*  der  Empfindung,  die  sich  im  musikalischen 
Drama  mit  zwingender  Notwendigkeit  einstellen.  Diese  Parallelen  sind  durchaus  ver- 
schieden von  den  «Leitmotiven*,  worüber  der  Verfasser  im  Nachwort  Seite  215 ff. 
spricht.  Er  erörtert  dabei  die  Geschichte  des  Wortes  Leitmotiv  und  seine  begriffliche 
Bedeutung.  Bei  diesem  Anlaß  wird  Seite  225 ff.  noch  einmal  das  Schwert  im  «Rheingold* 
als  durchaus  gerechtfertigt  und  notwendig  erwiesen.  Wolzogens  Untersuchungen  regen 
zu  tieferem  Nachdenken  Ober  die  Ausdrucksformen  des  musikalischen  Dramas  an.  Die 
zuerst  in  den  Bayreuther  Blättern  1894—1903  veröffentlichten  Aufsätze,  die  nun  in  einem 
handlichen  BQchlein  zusammengefaßt  sind,  erfuhren  auch  von  andrer  Seite  her,  z.  B. 
durch  Kurt  Mey  (Die  Musik  als  tönende  Weltidee,  1901)  willkommene  Ergänzung  und 
Bestätigung. 

Riebard  Wagner   in    seinen   Briefen.     Herausgegeben    von    Erich   KloiL 

(«BQcher  der  Schönheit  und  Weisheit*,  herausgegeben  von  Freiherm  von 

Grotthus.)  Verlag:  Greiner  &  Pfeiffer,  Stuttgart  1908. 
Hans  von  Wolzogen  gab  1904  ein  «Wagnerbrevier*  heraus,  eine  vortreffliche 
Zusammenstellung  der  Hauptideen  aus  Wagners  Schriften,  die  dem  Laien  ein  guter 
FGhrer  zu  den  Schriften,  dem  Kenner  eine  wertvolle  Obersicht,  eine  Anregung  zum  er- 
neuten Lesen  ist.  In  ähnlicher  Weise  hat  nun  Kloß  eine  sehr  geschickte  Auswahl  aus 
Wagners  Briefen  getroffen,  aus  der  die  Vielseitigkeit  und  Gedankentiefe  dieser  Urkunden 
Qberaus  anschaulich  uns  entgegentritt.  Die  einzelnen  Abschnitte  behandeln  Leben, 
Welt,  Kultur,  Religion,  Politik,  Familie,  Frauen,  Natur  und  Tierwelt,  Humor,  Zeitgenossen, 
Musik,  Musiker,  Theater,  Dichter  und  Dichtung,  Kunst  und  künstlerischen  Beruf, 
eigene  Werke,  Festspielgedanken  und  Bayreuth.  Alle  bisher  veröffentlichten  Briefsammlungen 
sind  mit  guten  Beispielen  vertreten.  Das  Buch  ist  schön  gedruckt,  mit  Zeichnungen 
von  Franz  Stassen  geschmückt  und  mit  einer  vorzQglicher  Wiedergabe  des  Großschen 
Wagnerbildes  von  1882  ausgestattet.  Möge  es  in  weiten  Kreisen  werbende  Kraft  be- 
währen zur  vertieften  und  wahren  Kenntnis  Wagners,  der  sich  am  unmittelbarsten  in 
seinen  Briefen  gibt. 


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59 
NEUE  WAGNER-LITERATUR 


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WUUam  Ashton  Ellis:  Lifepf  Richard  Wagner.  Vol.  VI.  Verlag:  Kegan 
Paal,  Trench,  TrQbner,  London  1908^). 

Der  Band  umfaßt  die  Zeit  vom  Juli  1855  bis  August  1850,  452  Seiten  entsprechend 
Glasenapp  III,  S.  98  bis  216;  die  Hauptereignisse  sind  die  Vollendung  der  »Walküre*, 
des  ersten  und  zweiten  «Siegfried'-Aktes,  die  Dichtung  und  Vertonung  des  »Tristan*. 
Zum  erstenmal  sind  die  Briefe  an  Mathilde  Wesendonk  in  eine  zusammenhingende 
Lebensbeschreibung  aufgenommen.  Zur  Ergänzung  gehört  hierher  Ellis'  Einleitung,  die 
er  der  englischen  Obersetzung  der  Wesendonk-Briefe  voranstellte.  (Vgl.  »Musik*  XX  (1906), 
S.  44.)  Was  1899  im  dritten  Band  Glasenapps  verhältnismäßig  flüchtig  behandelt  werden 
mußte,  gehört  jetzt  zu  den  Abschnitten,  wo  die  reichsten  Quellen  uns  fließen.  Und  die 
erschöpfende,  kritische  Verwertung  dieser  Quellen  beseitigt  ohne  weiteres  alte  Irrtümer 
und  Unklarheiten.  Das  erste  Kapitel  schildert  Wagners  Weltanschauung  in  ihrer  Ver- 
wandtschaft mit  der  Schopenhauers.  Voran  steht  der  Tod  des  Hundes  Peps,  die  tiefe 
Liebe  Wagners  zum  Tier,  die  gerade  in  diesem  Fall  durch  besonders  zahlreiche  und 
schöne  Briefotellen  bezeugt  ist.  Und  von  diesem  Mittelpunkt  aus  erwichst  die  Religion 
des  Mitleids,  die  schließlich  Schopenhauers  Pessimismus  zu  überwinden  vermochte. 
Ich  kenne  keine  Darstellung,  die  so  klar  und  anschaulich  die  wesentliche  und  grund- 
legende Einstimmung  zwischen  Wagners  und  Schopenhauers  Gedankenwelt  heraushebt, 
gleichsam  uns  wissend  macht  durchs  Gefühl,  nicht  durch  leere  Begriffe.  Endlich  glaubt 
Ellis  auch  einen  physiologischen  Grund  für  die  meisten  Pessimisten  und  auch  für  Wagner 
in  Sehstörungen  (Astigmatismus)  erweisen  zu  können.  Mag  sein,  aber  das  Psychologische 
steht  doch  ganz  unabhängig  für  sich  allein.  Seinen  ganzen  kritischen  Scharfsinn  be- 
währt Ellis  im  Abschnitt  über  die  Gäste  Wagners  auf  dem  Grünen  Hügel:  Praeger, 
R.  Franz,  Pohl.  Nicht  bloß  die  handgreiflichen  Lügen  Praegers  sind  ganz  zu  verwerfen, 
auch  die  Berichte  der  anderen  Zeugen  sind  teilweise  von  Entstellungen  und  Verdrehungen 
nicht  freizusprechen.  Schon  vorher,  S.  64  ff.,  wurden  Hornsteins  fragwürdige  Erinnerungen 
an  Wagner  der  nötigen  Kritik  unterzogen.  Im  »Tristan*- Abschnitt  aber  geht  Ellis  mit 
seinen  kritischen  Zweifeln  gelegentlich  zu  weit.  S.  300  f.  verwirft  er  die  überlieferte 
Tatsache,  daß  Parzival  einmal  im  dritten  Aufzug  des  »Tristan*  auftrat.  Ich  halte  an 
meiner  in  der  »Musik*  XX  (1006)  S.  10  ff.  und  in  meinem  »Tristan*-Bucb  (Leipzig  1907 
S.  446  f.)  gegebenen  Darlegung  fest.  Das  Karfreitagserlebnis  vom  April  1857  löste  die 
beiden  Stoffe  zu  selbständiger  Ausführung  von  einander.  Bei  der  Fülle  von  Stoff,  der 
gegenwärtig  uns  zufließt,  ist  das  Buch  bereits  wieder  durch  Nachträge  zu  ergänzen, 
durch  den  Prosaentwurf  zum  »Tristan*  vom  20.  August  (Richard  Wagner,  Entwürfe  zu 
»Meistersingern*,  »Tristan*,  »Parsifal*  1907)  und  durch  die  Minna-Briefe. 

Otto  Schmiedel:  Richard  Wagners  religiöse  Weltanschauung  (in  den 
religionsgeschicbtlichen  Volksbüchern,  herausgegeben  von  F.  M.  Schiele- 
Tübingen).     Verlag:  J.  C.  B.  Mohr,  Tübingen  1907. 

Schmiedeis  Schrift  ist  vom  selben  Grundgedanken  beherrscht,  wie  die  Dingers 
über  Wagners  geistige  Entwickelung;  der  Verfasser  betont  mit  allem  Nachdruck  die  äußeren 
Einflüsse  und  beachtet  nur  wenig  Wagners  Eigenart,  die  durch  jene  Einwirkungen  mehr 
gehemmt  als  gefördert  wurde.  Er  unterscheidet  vier  Hauptabschnitte:  die  Zeit  des 
jungen  Wagner  »auf  dem  Standpunkt  einer  bürgerlich  freisinnigen,  aber  im  ganzen  un- 
reflektierten  Religiosität*,  dann  die  Zeit  des  Feuerbachschen  Einflusses  mit  einer  »teil- 
weise  schroffen  Abwendung  von  Christentum  und  Religion  überhaupt*,  zum  dritten 
Schopenhauers  Pessimismus,  endlich  »ergänzt  Wagner  den  buddhistischen  Pessimismus 


')    Vgl.  »Musik*  X  (1904)  S.  272f.,  XIV  (1905)  S.  267f.,  XXIII  (1907)  S.  101  f.  und 
Riebard  Wagner-Jahrbuch  Bd.  III  (1908). 


60 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


durch  christlichen  Optimismus  und  hofft  auf  eine  Regeneration,  auf  eine  pbjrslsche, 
politische,  soziale«  künstlerische  und  religiöse  Wiedergeburt*.  Am  besten  sind  die  Be- 
merkungen Seite  38ff.  Ober  die  verschiedenen  Schlüsse  der  «Ring*-Dichtung,  in  denen  die 
Wandelungen  der  Weltanschauung  zum  Ausdruck  kommen.  Schmiedeis  Schrift  ist  fleißig, 
▼erstlndig,  ernstlich  bemüht  um  tiefere  Erkenntnis  und  wohl  vertraut  mit  der  Literatur. 
Irrig  ist  die  Behauptung  Seite  9,  Wagner  habe  mehrere  (!)  Semester  auf  der  Leipziger 
Universität  Musik  und  Philosophie  studiert!  Die  Dichtung  der  «Meistersinger*  wird 
fllschlich  Seite  34  nach  Biebrich  verlegt.  Sehr  flach  ist  die  Seite  42  vorgetragene  Ansiebt, 
Fricka  sei  ein  Abbild  Minnas,  (dagegen  vgl.  Wolzogen  »Aus  Richard  Wagners  Geistes- 
welt*, Seite  97  ff.)  Oberhaupt  lassen  Stil  und  Darstellung  viel  zu  wünschen  übrig,  auf 
Schritt  und  Tritt  begegnen  triviale  und  unpassende  Wendungen.  Kein  Wunder,  wenn 
der  Verfasser  Nietzsches  Schmähschrift  Seite  49  in  Schutz  nimmt  und  Wagners  Schrift 
gegen  die  Vivisektion  Seite  55  für  anfechtbar  hält.  Wer  ernsthaft  über  Wagner  schreiben 
will,  muß  das  rechte  Taktgefühl  haben  und  den  würdigen  Ton  anschlagen. 

Hans  B<&1art:  Friedrich  Nietzsche  und  Richard  Wagner.  Ihre  persön- 
lichen Beziehungen,  Kunst-  und  Weltanschauungen.  Verlag:  Franz  Wunder, 
Berlin  1907. 

B61arts  Schrift  hat  ihre  Bedeutung  in  der  übersichtlichen  Zusammenstellung  alles 
dessen,  was  Nietzsche  in  seinen  Schriften  für  oder  wider  Wagner  vorbrachte.  Neues 
erfahren  wir  nicht,  die  Auffassung  und  Beurteilung  der  Angelegenheit  dringt  nirgends 
tiefer.  Die  eigenen  Bemerkungen  des  Verfassers,  z.  B.  S.  55  und  67  zum  »Parsifal*  oder 
S.  94  ff.  unter  Verweis  auf  sein  »Taschenbuch  der  Wagnerkünstlerin*  über  Rosa  Sucher 
und  Bozena  Bradsky  als  Musen  der  Kunst  Wagners  und  Nietzsches,  sind  so  überflüssig 
wie  charakteristisch.  Was  Nietzsche  mit  den  niedrigen  Mitteln  der  Sensation  und  in  trivialstem 
Stil  und  ohne  jede  Spur  von  Logik  gegen  Wagner  schreibt,  hat  nur  pathologische  Be- 
deutung für  den  «Fall  Nietzsche*,  wie  der  Geisteskranke  alle  Vornehmheit  und  Jedes 
Taktgefühl  im  Banne  der  minderwertigsten  äußeren  Einflüsse  verlor.  Schmiedel  a.  a.  O« 
S.  49  versuchte  immerhin  eine  Erklärung.  Nietzsches  Schmähschriften  gehören  nur  in 
seine  Krankheitsgeschichte,  für  Wagner  und  die  Bayreuther  Kunst  sind  sie  völlig 
belanglos.  Prof.  Dr.  Wolfgang  Golther 

Manfred  Semper:  Das  Münchener  Festspielhaus.  Gottfried  Semper 
und  Richard  Wagner.    Verlag:  Konrad  H.  A.  Kloß,  Hamburg  1906. 

Der  Sohn  des  großen  Baumeisters  tritt  hervor,  um  seinen  Vater  von  mancherlei 
Gerede  in  der  Angelegenheit  des  Münchener  Festspielhausprojektes  der  sechziger  Jahre 
zu  befreien.  «Nicht  allein*  —  sagt  er  in  der  längeren  Vorrede  —  «als  Beitrag  xu  den 
Forschungen  über  Richard  Wagner  und  sein  Wirken  ist  eine  Klarstellung  geboten,  son- 
dern auch  im  Interesse  der  historischen  Wahrheit  und  Gerechtigkeit,  weil  durch  sie 
manche  weitverbreitete,  um  deswillen  aber  nicht  weniger  irrige  Oberliefbrungen  beseitigt 
werden  dürften.*  In  der  Tat  beweist  der  ganze  Briefwechsel,  ebenso  wie  diverse  Akten- 
stücke und  Berichte,  daß  die  leidige  Angelegenheit  nie  zu  einer  Verfeindung 
zwischen  Wagner  und  Semper  geführt  hat,  sondern  nur  zu  temporärer  Verstimmung, 
die  besonders  auf  Sempera  Seite  heftig  gewesen  sein  mag,  so  dsß  Lenbach  schliefiUdi 
vermittelnd  eingriff.  Heute  beklagen  wir  nicht  mehr,  daß  das  Projekt  sich  xerschlug; 
damals  allerdings  wsr  es  sehr  zu  beklagen.  Eine  niederträchtige  Hofkamarilla  in  der 
Umgebung  Ludwig  IL,  aber  auch  die  Wankelmütigkeit  des  Königs  selbst,  vernichteten 
die  idealen  Pläne,  an  die  nur  noch  Sempera  prächtiges  plastisches  Modell  erinnert 
Wsgner,  in  seiner  damals  überschwenglich-hoffnungsfreudigen  Stimmung,  vertraute  zuviel 
und  bewog  Semper  immer  wieder,  gleichfalls  zu  hoffen,  auszuharren  und  zu  schalibn. 
Der  mißtrauische  Architekt  behielt  nun  zwar  recht;  er  dehnte  aber  sein  Mifttranen  na- 


61 
NEUE  WAGNER-LITERATUR 


g^rechterweise  auch  auf  den  Freund  aus,  dessen  Mitteilungen  er  nicht  mehr  für  auf- 
richtig hielt,  obwohl  sie  es  im  höchsten  Maße  waren  und  nur  eben  Wagner  ebenfalls 
der  Getäuschte  und  somit  an  der  folgenden  Verstimmung  innerlich  unschuldig  war. 
Interetaant  ist  folgende  Mitteilung  über  das  Festspielhaus  in  Bayreuth.  «Das  Bayreuther 
Featspielhaus  erstand,  wenngleich  unter  Zugrundelegung  seiner  fQr  das  große  Festtheater 
in  Mfinchen  gemachten  Studien  und  Pläne,  so  doch  ohne  daß  Sem  per,  sei  es  direkt  und 
persönlich,  oder  indirekt  mitgewirkt  habe  oder  befragt  worden  sei,  aber  auch  ohne  daß 
er  dies  als  eine  Kränkung,  als  einen  Mangel  an  Rficksichtnahme  empfunden  und  sich 
jemals  in  diesem  Sinne  ausgesprochen  hätte  *  Der  Autor  knfipft  hieran  eine  unfreundliche 
Bemerkung;  er  steht  überhaupt  dem  Meister  von  Bayreuth  fem,  sonst  wurde  er  nicht 
konsequent  »Der  Ring  der  Nibelungen*  schreiben.  Im  ersten  Anhang  wird  der  Entwurf 
des  Mfinchener  Hauses  sehr  fesselnd  beschrieben:  nur  schade,  daß  keine  Zeichnungen 
beigegeben  sind!  Am  Schlüsse  erfahren  wir  den  Kostenanschlag  för  das  massive  sowie 
f&r  ein  provisorisches  Festspielhaus  und  endlich  auch  Sempera  maßvolle  und  ihm  doch 
erat  nach  langen  Scherereien,  AusflQchten  und  selbst  Täuschungen  bewilligten  Forderungen 
f&r  seine  gehabten  eigenen  Mfihen. 

Hans  von  Wolzogen:  Von   deutscher  Kunst.    Verlag:  C.  A.  Schwetschke 
&  Sohn,  Berlin  1006. 

Jeder,  der  den  Idealismus  hochhält,  wird  sich  über  ein  neues  Buch  von  Hans 
von  Wolzogen  aufrichtig  freuen,  der  nun  schon  drei  Jahrzehnte  hindurch  sich  als  -echter 
deutscher  Idealist  bewährt  hat,  jedoch  nicht  als  unklarer  und  verschwommener  Träumer, 
sondern  als  kräftige  und  dabei  höchst  eigenartige  Persönlichkeit.  Sein  neues  Buch  »Von 
deutscher  Kunst*  ist  die  Ergänzung  des  vorher  im  selben  Verlage  erschienenen  »Aus 
deutscher  Welt*.  Beide  enthalten  gesammelte,  im  einzelnen  schon  frQher  veröffentlichte 
Aufsätze,  die  aber  in  einen  fühlbaren  inneren  Zusammenhang  miteinander  gebracht 
sind.  Auch  einige  zeitlich  schon  weiter  abliegende  befinden  sich  darunter;  so  über 
Kleists  .Prinz  Friedrich  von  Homburg«  (1875)  und  über  Wilhelm  Raabe  (1881).  In  dem 
Anlsatz  »Gegenwartskunst*  nennt  der  Autor  unsere  Gegenwart  unkünstlerisch.  Nur  das 
Volk  habe  in  seinem  idealistischen  Bedürfnisse  die  Voiksschauspiele  geschaffen,  in 
denen  es  aber  auch  nicht  seine  eigene  Gegenwart,  sondern  seine  Vergangenheit  dar- 
stelle. Ausführlicher  werden  ähnliche  und  andere,  immer  aber  echt  deutsche  Gedanken 
ansgefChrt  in  der  ganz  prächtigen  und  höchst  beherzigenswerten  Studie  »Kunst  und 
Volk".  Tief  in  das  Wesen  des  Deutschtums  und  des  Christentums  dringt  der  Bayreuther 
Idealist  ein  in  dem  längeren  Aufsatz  »Was  hat  Richard  Wagner  seinem  Volke  hinter- 
lassen?*, während  er  in  »Richard  Wagner  und  das  Christentum*  von  der  tiefen  Religiosität 
des  Meisters  von  Bayreuth  handelt,  die  neben,  ja  vor  seinem  Deutschtum  die  Grundlage 
seiner  ganzen  Kunst  bildet.  Ganz  anders  und  doch  wieder  so  deutsch  und  heimisch 
ertönt  es  aus  dem  aus  den  »Bayreuther  Blättern*  bekannten  Aufsatz  »Märchenzüge  im 
»Ring";  und  wenn  wir  noch  die  »Gedanken  über  deutsche  Musik  und  Ballade«  und  die 
originelle  Studie  », Heimatkunst'  in  der  Höhenkunst,  eine  lokalgeschichtliche  Kuriosität 
inlSchillers  ,Wilhelm  Teil**  erwähnen,  so  haben  wir  alle  Aufsätze  des  schönen  Buches 
wenigatens  genannt,  dessen  Lektüre  wir  warm  empfehlen  können. 

Erich  Klofn:  Wagner-Anekdoten.    Aus  den  besten  Quellen  geschöpft. 
Verlag:  Schuster  &  LoefTler,  Berlin  und  Leipzig  1008. 

Unter  denjenigen  Schriftstellern  und  Forschem,  deren  Bestreben  dahin  gehen,  das 
Verständnis  für  die  Persönlichkeit  und  die  Kunst  Richatd  Wagners  in  weitere  Kreise 
zu  tragen,  nimmt  Erich  Kloß  zweifellos  gegenwärtig  die  erste  Stelle  ein.  Es  sei  nur 
an  aein  »Wagner*-Lesebuch  erinnert  und  auf  seine  jüngst  erschienene  Sammlung  »Wagner 
in  aeinen  Briefen*  hingewiesen.    Gegenwärtig  liegt  von  ihm  ein  Büchlein  in  kleinem 


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62 

DIE  MUSIK  VII.  19. 


Format  vor,  »Wagoer-Anekdoten**  betitelt.  Es  sind  kleine  Erzählungen  aus  dem  Leben 
des  Bayreuther  Meisters,  teils  humoristischen,  teils  allgemein-charakteristischen  Inhalts. 
Der  »Wagnerianer*  wird  sie  wenigstens  zum  größten  Teil  kennen;  doch  auch  ihn  wird 
die  wohlgeordnete  Zusammenstellung  reizen,  sie  alle  gerade  in  diesem  chronologischen 
Zusammenhange  nochmals  zu  lesen.  Für  den  Fernerstehenden  aber  bieten  sie  etwas 
gänzlich  Neues;  sie  führen  ihn  gewissermaßen  an  Richard  Wagner  selbst  näher  heran 
und  lehren  ihn  dessen  menschliche  Seiten  liebgewinnen.  Damit  tragen  sie  aber  auch 
direkt  zum  größeren  Verständnis  seiner  Kunst  bei,  deren  Schöpfer  gesagt  hat,  nur  wer 
ihn  liebe,  könne  ihn  und  damit  sie  verstehen.  Kloß  liebt  in  seinen  populären  Schriften 
klare  Übersichtlichkeit.  In  der  vorliegenden  ergab  sich  die  chronologische  als  die  ge- 
eignetste. Dadurch  wird  das  BQchlein  geradezu  zu  einer  anekdotischen  Ergänzung  jeder 
Wagnerbiographie;  ja,  es  ist  selbst  eine  Art  Wagnerbiographie,  und  zwar  eine  höchst 
originelle!  Doch,  da  wir  doch  den  Inhalt  hier  nicht  nochmals  erzählen  können,  wollen 
wir  uns  mit  Wiedergabe  des  Inhaltsverzeichnisses  begnQgen.  Vor  allem  darf  kein  Leser 
die  Vorrede  zu  lesen  vergessen.  Den  Beginn  machen  nach  ihr  die  Anekdoten  der 
Jugendjahre.  Ihnen  folgen  die  der  Wanderjahre  in  drei  Abteilungen:  »Im  Schweizer 
Exil";  »Wagners  Humor  im  Verkehr  mit  seinen  Freunden*  und  »München  und  Trieb- 
schen*.  Zuletzt  wird  die  »Bayreuther  Epoche*  («Wagner  und  seine  Künstler*)  behandelt.  — 
Das  Büchlein  braucht  gar  nicht  erst  besonders  empfohlen  zu  werden,  da  es  für  sich  selbst 
spricht.  Dies  konnte  man  am  besten  daraus  erkennen,  daß  wenige  Wochen  nach  seinem 
Erscheinen  die  erste  starke  Auflage  völlig  vergriffen  war  und  durch  eine  zweite  ersetzt 
werden  mußte.  —  Eine  nicht  unwesentliche  Vermehrung  wird  dieser  Anekdotenschatz 
für  weitere  Auflagen  wohl  noch  zu  gewinnen  haben  aus  der  neuesten  und  bedeutsamsten 
Briefsammlung  »Richard  Wagner  an  Minna  Wagner*. 

Richard  Wagaer:  »Lohengrin*.  Opera  romäntica  en  tres  actes.  Traducciö 
en  vers  directa  del  Alemany  adapta  a  la  müsica  per  Joseph  Lleonart  y 
Antoni  Ribera  (1905). 

Der  in  Bayreuth  nie  fehlende  Autor  hat  sich  zur  Aufgabe  gesetzt,  Richard  Wagners 
Dramen  ins  Spanische  zu  übersetzen.  Oder  vielmehr  in  das  stark  abweichende,  mehr 
keltisch  als  arabisch  beeinflußte  Katalonische.  Bisher  lagen  schon  vor:  »Tannhaeuser 
y  el  torneig  dels  cantayres  a  la  Wartburg*,  ,L'or  del  Rhin*,  »La  Walkyria*,  »Tristan  y 
Isoida*  und  »Eis  Mestres  Canteyres  de  Nurenberg*.  Nun  schließt  sich  »Lohengrin*  an. 
Die  Übersetzungen  sind  —  wie  die  des  letzten  französischen  Obersetzers  Alfred  Ernst 
—  genau  der  Musik  und  möglichst  genau  dem  Gesangsrhythmus  des  Originals  angepaßt 
und  überragen  z.  B.  die  italienische  »Ring*-Dbersetzung  von  A.  Zanardini  himmelhoch. 
Unvollkommen  sind  ja  notwendig  alle  Obersetzungen,  insbesondere  die  von  Dichtungen. 
Bei  Richard  Wagner  zumal  steigert  sich  die  Schwierigkeit  zuweilen  fast  bis  zur  Unmög- 
lichkeit. Um  so  mehr  ist  es  zu  bewundern,  bis  zu  welchem  Grade  Ribera  diese 
Schwierigkeiten  überwindet,  wobei  ihm  allerdings  seine  Gattin,  ein  Bayreuther  Kind,  treu 
hilft.  Näheres  lese  man  in  meinem  Aufsatz  »Romanische  Ringübersetzungen*  im  vierten 
Wagner-Heft  (1904)  der  »Musik*  nach.  So  klingt  Lohengrins  Frageverbot  im  spanischen 
Gewände:  ,.May  has  de  demanarme 

»ni  a  descubrir  tentarme 
»Lallä  hont  vingut  jo  soc 
»ni  ma  nissaga  y  nom.* 

Richard  Wagner  an  Eliza  Wille.  Fünfzehn  Briefe  des  Meisters  nebst 
Erinnerungen  und  Erläuterungen  von  Eliza  Wille.  Zweite  Auflage. 
Herausgegeben  von  Wolfgang  Golther.  Verlag:  Schuster  &  Loeiner, 
Berlin  und  Leipzig  1908. 


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63 
NEUE  WAGNER.LITERATUR 


Die  hier  neu  veröffentlichten  fünfzehn  Briefe  Richard  Wagners  an  Frau  Eliza 
Wille  waren  schon  1887  in  der  »Deutschen  Rundschau*  zum  Abdruck  gelangt.  Die 
geistvolle  Hamburger  Reederstochter,  die  selbst  poetisch  wie  literarisch  sehr  begabt  und 
ziemlich  produktiv  war,  zählte  zu  den  vertrauten,  älteren  Freundinnen  des  Meisters  von 
der  Zürcher  Zeit  her.  In  Lebensnöten  suchte  sie  diesen  zu  trösten  und  widmete  ihm 
fast  mütterliche  Zirtiichkeit,  wenn  er  bei  ihrem  Gatten  in  Mariafeld  bei  Zürich  zu  Be- 
such  weilte;  in  praktischen  Lebensfragen,  besonders  in  den  sogenannten  kleinen  Sorgen, 
suchte  sie  nach  Kräften  seine  Beraterin  zu  sein.  Ahnlich  wie  Wesendonks  berühmte 
Villa  auf  dem  Hügel  war  Wiiies  erwähnte  ländliche  Besitzung  der  Sammelpunkt  be- 
rühmter Männer  (Herwegh,  Liszt,  Mommsen,  Moleschott,  Köchly,  Rüstow,  Keller,  Semper, 
Kinkel,  C.  F.  Meyer,  vor  allen  aber  Richard  Wagner).  Wir  können  die  Bedeut- 
samkeit der  Beziehungen  zwischen  Wagner  und  Wille  nicht  besser  klarlegen  als  in 
Wolfgang  Goithers,  des  Herausgebers,  eigenen  Worten:  „Die  Erinnerungen,  die  Frau 
Wille  zu  den  Briefen  schrieb,  geben  ein  sehr  anschauliches  Bild  vom  regen  geistigen 
Leben  auf  Mariafeld.  Hier  und  auf  dem  grünen  Hügel  fand  Richard  Wagner  Freundschaft 
und  Teilnahme.  Die  Aufzeichnungen,  die  Frau  Wille  aus  dem  März  und  April  1864  machte, 
haben  hohen  Wert,  weil  sie  Einblick  verstatten  in  eine  ,stürmische  Fiebemacht',  die 
dem  endlich  aufleuchtenden  Lenz  voranging.  Die  Briefe  Wagners  aus  München  sind 
noch  immer  die  wichtigsten  Urkunden  über  sein  Verhältnis  zum  König  . . .  Die  Er- 
innerungen schweigen  von  dem,  was  Frau  Wille  allein  anvertraut  wurde,  ,daO  es  in 
Weihe  des  inneren  Verständnisses  eines  edlen  Todes  sterbe.'  Die  Briefe  Richard 
Wagners  an  Mathilde  Wesendonk  haben  dieses  Schweigen  entsiegelt  ...  In  ent-  » 
scheidenden  Augenblicken  schrieb  Wagner  an  die  vertraute  Freundin,  die  in  das  Ge- 
heimnis dieser  Liebe  eingeweiht  war.  Als  der  Meister  im  März  1864  in  höchster  Not, 
unmittelbar  vor  der  großen  Wendung,  auf  dem  grünen  Hügel  kein  Asyl  fand,  da  half 
die  Gastfreundschaft  von  Mariafeld  aus.  Und  diese  wahre  Hilfe  in  der  Not  hält  das 
Andenken  an  Frau  Eliza  Wille  für  alle  Zeiten  hoch  in  Ehren."  Dann  und  wann  hat 
man  allerdings  den  Eindruck,  als  lasse  Frau  Wille  in  ihren  Erinnerungen  ihre  eigene 
Person  zu  sehr  in  den  Vordergrund  treten;  indessen  geschieht  dies  immerhin  niemals  auf 
Kosten  Richard  Wagners,  für  den  sie  im  Gegenteil  immer  die  höchste  Verehrung  hegt, 
wenn  sie  ihn  auch  nicht  im  höchsten  wie  tiefsten  Maße  versteht.  Die  Briefe  und 
Erinnerungen  waren  erst  anfangs  dieses  Jahres  von  dem  Verlage  Schuster  &  Loeffler 
neu  herausgegeben  worden.  Nun  hat  sich  schon  eine  zweite  Auflage  als  notwendig 
erwiesen.  Diese  hat  den  Vorzug,  von  Wolfgang  Golther  eingeleitet  und  herausgegeben 
zu  sein,  der  auch  in  Anmerkungen  unter  dem  Text  dankenswerte  Hinweise  gibt. 

Richard  Wagner  an  Ferdinand  Prägen  Zweite,  neu  durchgesehene  Auf- 
lage. Herausgegeben  mit  kritischem  Anhang  von  Houston  Stewart 
Chamberlain.    Verlag:  Schuster  &  Loeffler,  Berlin  und  Leipzig  1008. 

Im  Jahre  1802  erschien,  gleichzeitig  in  einer  deutschen  und  in  einer  englischen 
Ausgabe,  ein  Aufsehen  erregendes  Buch  von  Ferdinand  Präger  (1815—1891)  »Wagner 
wie  ich  ihn  kannte*  («Wagner  as  I  knew  him*)  mit  35  Briefen  von  Richard  Wagner  an 
den  Autor.  In  dem  Buche  wurde  der  Meister  von  einem  sehr  tiefen  Standpunkte  aus 
geschildert;  es  war  so  recht  für  die  große  Masse,  die  alles  Hohe  und  Hehre  in  den 
Staub  zieht  und  beschmutzt,  berechnet.  Kein  Wunder,  daß  es  vom  größten  Teil  der 
Tagespresse,  die  doch  nun  einmal  von  dieser  großen,  unweisen  und  niedrig  gesinnten 
Masse  lebt  und  sie  mit  „geistiger*  Nahrung  versorgt,  begierig  aufgegriffen,  kommentiert 
und  abschnittweise  nachgedruckt  wurde.  Den  ernsten  und  gar  Wagner  und  seiner  Kunst 
näherstehenden  Menschen  mußte  allerdings  mancherlei  auffallen.  Zunächst  der  Name 
des  Autors  selbst,  den  man  bisher  eigentlich  so  gut  wie  gar  nicht  hatte  nennen  hören, 


64 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


und  dessen  Träger  sich  nun  plötzlich  als  vertrautester  Freund  Richard  Wagners  hin- 
stellte. Niemand  aber  fiel  (wie  Chamberlain  bemerkt  und  wie  wir  nachträglich  beschämt 
bedauern  müssen !)  das  miserable  Deutsch  in  den  hier  abgedrupkten  Briefen  Wagners 
auf,  die  man  im  Gegenteil  vergnügt  und  eifrig  nachdruckte,  allerdings  nicht,  um  dem 
Andenken  Richard  Wagners  zu  nutzen.  Chamberlain  nun,  der  namhafte,  des  Englischen 
wie  des  Deutschen  gleich  mächtige  Schriftsteller,  verglich  zi^nächst  die  35  Briefe  in  beiden 
Ausgaben.  Und  siehe  da,  es  stellte  sich  nicht  nur  heraus,  daß  die  deutschen  sus  dem  Eng- 
lischen zurfickfibersetzt  waren,  sondern  daß  die  deutschen  von  den  englischen  im  Satzbau 
und  unerhörterweise  auch  im  Inhalt  vielfach  und  bedenklich  von  einander  abwichen.  Ein 
Jahr  später  glückte  es  Chamberlain,  21  von  den  Briefen  Wagners  an  Präger  im  Original 
aufzufinden.  Es  fand  sich  dabei,  daß  in  Prägers  Buche  alle  diese  Briefe  nach  einem 
ganz  raffinierten  System  inhaltlich  verändert  worden  waren.  Dazu  gelang  es  Chamberlain, 
soweit  solches  überhaupt  möglich  war,  nachzuweisen,  daß  die  anderen  elf  Briefe  ganz 
und  gar  Fälschungen  waren.  Auch  den  Erzählungen  Prägers  über  Wagner  und  seine 
Beziehungen  zu  diesem  wies  Chsmberlain  viel  Falsches,  Erdichtetes  und  Erlogenes 
nach.  Seine  Kritik  war  beispiellos  und  wirkte  vernichtend.  Breitkopf  &  Härtel  zogen 
das  Buch  infolgedessen  ganz  aus  dem  Buchhandel  zurück;  und  das  war  eine  Ruhmestat, 
die  ihnen  unvergessen  bleiben  soll.  Die  deutsche  Presse  aber  verschwieg  mit  wenigen 
Ausnahmen  alle  diese  Tatsachen  und  hielt  somit  sn  Prägers  widerlegten  Verleumdungen 
der  Persönlichkeit  Richard  Wagners  teils  aus  sträflicher  Nachlässigkeit,  teils  aus  absieht* 
lieber  Bosheit  fest;  und  das  war  keine  Ruhmestat  der  deutschen  Presse!  —  Das  alles 
geschah  zwischen  1892  und  1894.  Chamberlain  verteidigt  nun  noch  in  treffender  Welse 
die  Herausgabe  einer  zweiten  Auflage  seiner  Prägerkritik.  Er  weist  nämlich  darauf  hin, 
daß  Prägers  Buch  zwar  dankenswerterweise  aus  dem  Buchhandel  zurückgezogen  sei,  daß 
es  sich  aber  doch  vielfach  nicht  nur  im  Privatbesitz,  sondern  auch  in  öffentlichen  Biblio- 
theken befinde,  wo  es  zu  Studienzwecken  benutzt  werden  und  widerlegte  Irrtümer  neu 
entstehen  lassen  könne.  Solange  es  noch  ein  Exemplar  von  Prägers  Buch  gibt,  so  lange 
muß  auch  Chamberlain's  Anti-Präger  immer  neu  aufgelegt  werden.  Die  neue  Auflage 
schließt  übrigens  mit  einer  Schilderung  der  Unbedeutendheit  Prägers  durch  Richard 
Wagner  selbst,  nach  Glasenapp.  Chamberlain's  Buch  ist  nicht  nur  für  Wagnerfreunde 
und  Musikgeschichtler  interessant  und  wertvoll,  sondern  eigentlich  für  alle  Menschen: 
denn  es  enthält  die  Geschichte  und  Aufdeckung  einer  literarischen  Fälschung  sonder- 
gleichen. 

Wolfgang  Golther:  Tristan  und  Isolde  in  den  Dichtungen  des  Mittel- 
alters und  der  Neuen  Zeit.    Verlag:  S.  Hirzel,  Leipzig  1907. 

Eine  ebenso  gründliche  sls  vollständige,  dabei  durchaus  wissenschaftliche  Schrift 
über  die  Sage  von  Tristan  und  Isolde  und  über  die  verschiedenartigen  Bearbeitungen 
dieses  Sagenstoffes  ist  aus  der  Feder  des  bekennten  Rostocker  Germanisten,  Literar- 
historikers und  ausgezeichneten  Wagnerschriftstellers  Professor  Dr.  Wolfgang  Golther 
geflossen.  Um  den  Leser  in  die  Absichten  des  Verfassers  einzuführen,  gestatten  wir 
uns  ein  längeres  Zitst  aus  der  Einleitung  in  das  Buch.  »Seit  der  Mitte  des  12.  Jahrhun- 
derts treten  Tristan  und  Isolde  in  der  altfranzösischen  Dichtung  hervor.  Bald  gelten  sie 
überall  als  das  berühmteste  Liebespaar.  Die  französischen  Tristangedichte  werden  in 
alle  Sprachen  übersetzt  und  bearbeitet.  Und  im  19.  Jahrhundert  erwacht  die  alte 
Liebesmär  zu  neuem  Leben.  Die  Tristansage  ist  daher  ein  sehr  lehrreiches  und  dank- 
bares Beispiel  der  vergleichenden  Betrachtung  eines  Stoffes,  der  unter  verschieden- 
artigen Voraussetzungen  immer  neu  gestaltet  ward.  Große  Dichter  sind  damit  vei knüpft. 
Darum  gewährt  die  Beschäftigung  mit  Tristan  und  Isolde  auch  reichsten  Lohn.  Die 
vergleichende  Literaturgeschichte  sucht  die  einzelnen  Tristangedichte  zu  einander  ins 


65 
NEUE  WAGNER-LITERATUR 


rechte  Verhiltois  zu  bringen.    Der  Ursprung  des  iltesteo  Tristangedichtes  fuhrt  aber  zur 
vergleichenden    Sagenkunde,   zur   Erörterung  der  Frage,   welchen    Anteil    Kelten    und 
Franzosen  an  Tristan  und  Isolde  haben.    Die  Wege  der  Forschung  sind  klar  vorgezeichnet ; 
aber  sie  sind  deshalb  dunkel  und  schwierig,    weil  gerade  die  ältesten  und  wichtigsten 
Quellen  verloren  gingen  oder  nur  in  Bruchstucken  vorliegen.    Daher  ist  viel  mQhsame 
Vorarbeit  nötig,  um  diese  verlorenen  Denkmäler,  die  Grundlagen  und  Vorbedingungen 
aller  Untersuchungen  zu  erschließen.    Die  Geschichte  der  Tristansage  hingt  eigentlich 
ganz   und  gar  nur  von  der  Vorstellung  ab,  die  wir  vom  ältesten  französischen  Tristan- 
gedicht   gewinnen.     Danach    bemiOt  sich    alles  andere,  das   Maß  der  schöpferischen 
ntigkeit  des  ersten  Tristandichters  und  die  Eigenart  seiner  einzelnen  Nachfolger  und  Be- 
arbeiter.* ^  Die  Aufgabe  der  Tristanforschung  ist  es,  die  Geschichte  des  Ur-Tristan,  der 
verloren  gegangenen,  gemeinsamen  Quelle  aller  Bearbeiter,  »sein  Werden  und  Wachsen 
und  seine  Verbreitung  in  mehr  oder  minder  freien  Bearbeitungen  des  Mittelalters  zu  be- 
schreiben.*   Aus  drei  französischen  Bearbeitungen  zwischen  1190  und  1230  gewinnt 
man  zunächst  das  Bild  eines  alten  verlorenen  Tristanromans   um  1150,  aus  dem   auch 
eine  anglonormannische  Bearbeitung  und  eine  norwegische  ProsaQbersetzung  (1226) 
hervorgingen.    Dazu  kamen  der  englische  »Sir  Tristrem*  (nach  1300)  und  Gottfrieds 
von  StraOburg  bekanntes,  großes,  aber  unvollendetes  Tristanepos  in  mittelhochdeutscher 
Sprache.  Auch  einige  Kapitel  des  italienischen  Prosaromans  »La  tavola  ritonda*  behan- 
deln die  Tristansage.  Aus  Eilharts  von  Oberg  1190  gedichtetem  deutschen  Tristan  ent- 
stand im  15. Jahrhundert  ein  deutscher  Prosaroman;  auch  Gottfrieds  Vollender  Ulrich 
von    Türheim    und    Heinrich   von    Freiberg  schöpften    aus   dieser    Quelle.     Die 
fhmzösischen  Spielleute  verbreiteten  Einzellieder  über  Tristan  und  Isolde,  die  aber  erst 
aus  dem  Ur-Trlstan  hervorgegangen  sind,  nicht  umgekehrt.    Den  ersten  Fortschritt  der 
vergleichenden  Tristanforschung  tat  1804  der  bekannte  englische  Erzähler  und  Dichter 
Walter  Scott  durch  Herausgabe  und  Ergänzung  des  »Sir  Tristrem*.    Price  bewies 
später,  daß  das  englische  Gedicht  aus  dem  Französischen  stamme.    »Weitere  Aufschlüsse 
ergab  die  Beschäftigung  mit  den  deutschen  Tristangedichten*,  von  denen  seit  1785  Neu- 
dmcke  erschienen;  unter  den  Germanisten  sind   hier  C.   H.   Müller,  v.  d.  Hagen, 
Busctalng  und  J.  Grimm   zu  nennen,  unter   den  Franzosen    Francisque   Michel 
(1835),   Villemarqu^    und    A.   Bossert.      1877  gab  Lichtenstein  den  Eilhart  von 
Oberg  heraoa,   1878  und   1883  K  öl  hing  die  nordische  und  englische  Wendung  der 
Tristansage.    1806  »beginnt  ein  neuer  Aulschwung  der  Tristanstudien,  zunächst  veranlaßt 
durch  mehrere  Arbeiten,  die  aus  der  Schule  von  Gaston  Paris  hervorgingen*,  so  von 
Josef  B6dier  und  Ernest  Muret.    1888  erschien  bereits  eine  kleinere  Schrift  Golthers 
über  die  Tristansage.    Dann  folgten  zahlreiche  kleinere  Abhandlungen,  wohl  meist  durch 
Richard  Wagners  Drama  angeregt,  z.  B.  von  Zimmer,  Wilhelm  Hertz,  Röttiger 
und  abermals  Muret  und   B^dler,  endlich  Löseth.    Rein  hold  Bechsteln  schrieb 
1876  ein  Buch  über  Tristan  und  Isolde  in  den  Dichtungen  der  Neuzeit,  aber  ohne  richtige 
Kritik,  weshalb  Golther  ein  neues  Werk  über  diesen  Stoff  für  nötig  hielt  und  verfaßte, 
und  zwar  mit  höchstem  Gelingen.    Er  faßt  wohl  alles  zusammen  und  ergänzt  es  durch 
eigene  Forschung,  was  bisher  über  Tristan  und  Isolde  geschrieben  und  geforscht  worden 
war.    Hören  wir  noch  einmal  den  Autor  selbst  (am  Schlüsse  der  erwähnten  Einleitung): 
»Die  Geschichte  der  Tristansage  Ist  im  Grunde  nichts  anderes,  als  die  Geschichte  des 
urspringlichen  Tristanromanes,  seiner  Entstehung  und  seiner  Bearbeitungen.    Die  Be- 
arbeitungen wurden  ihrerseits  wieder  Quellen  und  Vorlagen  Jüngerer  Neudicbtungen,  und 
die  späteren  standen  einer  reichen  Oberlieferung  gegenüber,  ans  der  sie  nach  Belieben 
answihlen  konnten.    So  verhalten  sich  «•  B.  Ulrich  von  Türhelm  und  Heinrich  von 
Preiberg  zu  Gottfried  und  Ellhart,  so  natürlich  auch  alle  neueren  Tristandichter,  denen 
VII.  10.  5 


66 
DIE  MUSIK  VII.  19. 


der  ursprfingHche  Tristanroman  völlig  vertcbwand,  aber  dafür  seine  zablreicben  Ab* 
kömmlinge  oft  in  verwirrender  Vielheit  zu  Gebot  atanden.  Daraus  ergaben  sieb  ffir  die 
späteren  auch  mannigfache  Kreuzungen,  insbesondere  der  Wendungen  des  Eilbart» 
Thomas,  Gottfried  und  des  französischen  Prosaromans.  Es  ist  Zeit,  endlich  mit  dem 
Wahn  zu  brechen,  als  vollzöge  sich  im  Mittelalter  alle  schöpferische  Dichtung  immer 
nur  hinter  den  erhaltenen  Denkmälern,  in  verborgenen,  tief  geheimen  Quellen,  die,  falls 
sie  vorhanden  wären,  die  Frage  nach  dem  Ursprung  einer  Sagendichtung  nicht  einmal 
lösten,  sondern  nur  um  eine  Stufe  rückwärts  schöben.  Irgend  jemand  muß  doch 
schließlich  für  die  Erfindung  und  Gestaltung  einer  Sage  verantwortlich  gewesen  sein. 
Und  andererseits  sind  auch  die  Bearbeiter  nicht  aller  eigenen  Phantasie  bar,  sie  können 
sogar  sehr  gute  Einnile  haben.  Ffir  den  Tristan  ist  die  Tatsache  jedenfalls  erwiesen, 
daß  alle  Dichtungen  ihren  Ursprung  im  alten  Tristanroman  haben,  daß  die  Oberlieferung 
von  dort  ab  rein  literarisch  geschieht,  daß  außer  dem  Roman  überhaupt  gar  keine 
Tristanquelle  vorhanden  und  zugänglich  sein  konnte.  Danach  ist  alles,  was  bei  seinen 
Nachfolgern  vom  Roman  abweicht  und  über  ihn  hinausgeht,  bewußte  spätere  Umänderung 
und  Zudichtung,  die  an  poetischer  Kraft  und  Bedeutung  die  älteste  Urkunde  ebenso 
wohl  überragen  als  auch  dahinter  zurückbleiben  kann.*  Golther  bewältigt  seine  große 
und  schwere  Aufgabe  nun  in  neun  größeren  und  kleineren  Teilen.  Die  ersten  drei 
Teile  behandeln  das  Gefüge  der  Fabel,  den  alten  Tristanroman  und  die  Bearbeitungen 
des  alten  Tristanromans.  Der  dritte  Teil  enthält  drei  Unterabteilungen:  Der  Tristan  des 
Eilhart  von  Oberg,  seine  Vorlage  und  seine  Bearbeitungen;  Berols  Tristan;  der 
französische  Prosaroman.  Der  vierte  Teil  behandelt  das  im  höfischen  Tone  gehaltene 
französische  Gedicht  von  Thomas.  Dieser  bildete  nicht  nur  die  Grundlage  für  Gottfrieds 
von  Straßburg  Tristanepos,  sondern  auch  für  eine  niederfränkische  Bearbeitung,  femer 
für  die  norwegische  Saga  und  ihre  Bearbeitungen  und  endlich  für  das  englische  Gedicht. 
Der  kurze  fünfte  Teil  weist  auf  die  vielfachen  Nachklänge  des  Tristanromans  bin,  der 
sechste  spricht  von  den  Tristannovellen  und  Tristanlais.  Hier  ist  auch  von  der  kym- 
rischen  (schottischen)  Tristansage  die  Rede,  die  man  früher  nischlich  für  die  Ursage 
gehalten  hat,  die  aber  zwar  mit  neuen  Zügen  geschmückt,  im  ganzen  aber  entlehnt  ist. 
Im  siebenten  Teile  lernen  wir  den  deutschen  Prosaroman  und  Hans  Sachsens  Tragedia 
kennen,  während  der  achte  Teil  die  Nichtphilologen  und  die  nichtphilologischen  Wagner- 
freunde hauptsächlich  ganz  besonders  interessieren  dürfte,  da  er  die  Tristandichtungen 
der  Neuzeit  behandelt,  unter  diesen  zunächst  Tristanepen  in  Strophen,  dann  die  Er- 
neuerungen von  Gottfrieds  Tristan  in  Reimpaaren,  alsdann  die  Tristandramen.  Unter 
Jenen  ist  eine  unglaublich  parodistisch  ausgefallene,  aber  doch  ernst  gemeinte  Bearbeitung 
des  gealterten  Simrock  besonders  auffallend,  wenn  auch  im  negativen  Sinne;  interessant 
ist  eine  von  Richard  Wagners  Schwager  Marbach,  besonders  schön  die  von  Immermann, 
zuverlässig  treu  die  von  Hermann  Kurz,  während  von  den  Gottfried-Obersetzungen  die 
von  Wilhelm  Hertz  von  Golther  bei  weitem  bevorzugt  wird.  Golther  bringt  eine  Szene 
aus  allen  Bearbeitungen  zur  Probe.  Bei  den  Tristandraroen  möchten  wir  noch  einen 
Augenblick  stehen  bleiben.  Graf  Platen  entwarf  nach  1825  ein  solches.  Das  erste  ge- 
druckte (1840)  war  von  Friedrich  Röber;  hier  heiratet  Marke  die  Brangäne.  »Tristan, 
eine  romantische  Tragödie  in  fünf  Aufzügen*  von  Josef  Weilen  entstand  gleichzeitig  mit, 
aber  unabhängig  von  Richard  Wagners  Werk.  Dieser  aber  veranlaßte  einige  Literatur- 
dichter zu  dramatischen  Neudichtungen,  bisweilen  mit  der  ausgesprochenen,  bescheidenen 
Absicht,  dem  Musiker  zu  zeigen,  wie  man  diesen  Stoff  dramatisch  zu  behandeln  habe. 
Golther  nennt  sie  mit  Recht  »ernstgemeinte  Parodien**.  Dabei  benutzen  sie  szenisch 
und  in  den  dramatischen  Situationen  oft  ganz  offöu  und  naiv  das  Wort-Tondrama 
des  Bayreuther  Meisters.    Die   erste   ist   von  Ludwig  Schoeegans.    Hier  sagt  Tristan: 


67 
NEUE  TAGNER-LITERATUR 


aliolde,  Engel,  Kind,  leb  Hebe  dlcb!  Den  Mlnnetranfc,  4«a  scbiumeaden,  den  sfißen, 
trink'  leb  TOD  deinem  Mund,  zu  deinen  FBßenl"  Tabracbelnllcb  vtr*s  all«  Champasnerl 
EiwM  b8ber  stebt  Alben  Gebrkes  Trlttandrmma  (Berlin  1869).  Vas  sagt  der  Leser  aber 
dain,  daS  nnur  dem  Pteudonrm  Carl  Robert  der  Groll-Lichtetrclder  Pbllosopb 
'Sdnard  von  Hartmann  1871  ein  Drama  „Triitan  nnd  Isolde'  benui(ibP  Er  woUie  darin 
Richard  Tagner  dicbteriacb  ebenso  mafircfeln  und  meistern,  wie  er  es  tpiier  In  seiner 
vAstbetlk*  im  alltamein  kDnsileriichen  Sinne  Teranchte.  Drama  und  Asthetllc  sind  dies- 
mal Pendanta:  beide  sind  arg  verfeblr,  wenn  aucb  diese  von  absoluten  Tbeoretlicern  nnd 
Scbematikern  bocbgepriesen  wird.  Alle  Verinderuogen  darin  sind  Verschlecb lern n gen. 
Als  Slllprobe  sei  Isoldes  (I)  Trsnkipruch  angeführt:  .Herr  Tristan,  scbtet  nun  auf  meinen 
Spnicbl  König  IWarkes  Vobil  Süboe  dem  Totenl  Fluch  dem  Hader,  Segen  der  Treu! 
Vergangnem  ev'ges  Vergessen,  der  Zukunft  Frieden  und  Helll'  1893  verSITenilictaien 
Michael  RQuel,  1895  A.  Beasel,  1006  Albert  Gelger  Trisiandramen.  Letztgenannten  liQt 
Goltber  gellen.  Dieser  behandelt  in  den  beiden  folgenden  Abschnitten  noch  die  eng- 
lischen und  franidsiscben  Dichtungen,  Gber  deren  große  Zahl  und  bisweilen  reiche  SctaSn* 
belten  der  Leser  staunen  wird.  Der  neunte  Teil  ist  Richard  Tagners  gewalligem 
Bfibnenwerk  gewidmet;  GolihersName  bfirgt  fGr  die  Trefrilctakeit  auch  dieses  Abschnittes. 
Sein  ganzes  Buch  verdlBDl  den  hSchsten  Preis;  es  füllt  eine  lange  empfundene  Lücke 
mdaterhaft  aus.  Trotz  seinem  großen  Umfange  (465  Selten  Großoktav)  wirkt  es  niemals 
ermfidend,  well  Gollhers  prignanter  Stil  und  seine  hervorragende  Oarslellungskuosi  den 
Leser  ununterbrochen  fesseln.  Der  nicht  philologisch  Gebildete  wird  allerdings  manche 
Stellen  fiberschlagen  m&sseo,  und  wer  nicht  der  b  au  pislcb  liebsten  modernen  Kult  Ursprachen 
mlcbilg  Ist,  noch  well  mehr:  aber  auch  solchen  bleibt  Golthera  Tortreffllchea  Buch  noch 
Immer  eine  Quelle  reichster  und  erwfinscbtester  Belehrung  nnd  w&rdigster  und  bester 
Unterhaltung.  Tenn  wir  es  daher  den  Lesern  der  bMusIIc*  auf  das  wirmste  snr  An- 
achairnng  empfehlen,  so  wollen  wir  Ihnen  damit  nur  eine  höbe  und  reine  geistige 
Freude  bereiten.  Kurt  Mey 


An  den  Anrang  unserer  diesmaligen  Kunsibeilagen  stellen  wir  vier  ganz  seltene 
photographische  Bildnisse  Richard  Vagners,  die  unseren  Lesern  zur  Erweiienin{ 
ihrer  Ttgnerportiits-Sammlung  nicht  unwillkommen  sein  dürften.  Es  sind  dies  eine  Viener 
Aufnahme  vom  Jahre  1862,  eine  Moskauer  von  1S63,  eine  Münchner  von  1864  und  end- 
lich abermals  eine  Münchner  von  1880. 

Daran  schließt  sich  das  Blatt  „Richard  Wagner  in  den  Proben  zu  Bayreuth" 
nach  der,  wie  aus  der  Signierung  ersichtlich,  am  S.  August  1875  in  der  Festspie Istadl 
flüchtig  hingeworfenen,  aber  überaus  charakteristischen  Sklize  von  Adolph  Menzel. 

Nach  einem  Holzschnitt  aus  dem  Jahre  1843  reproduzieren  wir  ein  Szenenbild 
aus  „Rlenzi"  (Vierter  Akt,  letzte  Szene),  das  an  die  erste  Aufführung  dieses  Werkes 
am  Dresdener  Hoftheater  (20.  Oktober  1842)  erinnert. 

Wir  fahren  in  diesem  Heft  mit  der  Abbildung  der  Wohnhiuser  des  Bayrenther 
Meisters  fort.  Und  zwar  bringen  vir  zuerst  sein  Geburtshaus,  den  1886  abgebrochenen 
.Wei&en  und  Roten  LSwen"  am  Brühl  in  Leipzig.  —  Nach  der  Katastrophe  auf  dem 
grünen  Hügel  weilte  Richard  Wagaer  vom  20.  August  1858  bis  zum  24.  MIrz  1856  In 
Venedig,  wo  er  den  zweiten  Akt  .Tristan'  schuf.  Hier  bewohnte  er  den  Palazio 
Giustinianl,  einen  der  zahlreichen  gotischen  Pallste  am  Canal  grande  aus  dem 
15.  Jahrhundert.  —  Wagners  Sterbehaus  ist  bekanntlich  der  Palaizo  Vendramin  in 
der  Lagunenstadt,  ursprünglich  Palazzo  Loredan,  im  Frührenaissancestil  am  ISOO  von 
Moro  Coducci  vollendet.  Es  ist  einer  der  schSnsten  Privatpallste  Venedigs  und  gehSrt 
Jetzt  dem  Prinzen  Heinrich  von  Bourbon.  Für  alle  Zeiten  ist  dieses  Gebinde  geweiht 
als  letzte  Wohnstitte  eines  der  erlauchtesten  Herrscher  im  Reiche  der  Geister. 

Den  BeschluB  bilden  drei  Blau  nach  berühmten,  in  edel-pathetischer  Llnien- 
f&hrung  gehaltenen  Zeichnungen  von  Wilhelm  von  Kaulbacb:  Tod  der  Elisabeth. 
Lohengrios  Abschied  und  Isolde  an  Tristans  Leiche. 

Nichdriick  nur  mit  «»dracUteher  ErUiiboll  de*  VcrUcd  icillliei 

Alle  BcchK,  InibcModerc  du  dtr  OfeeneniiBd  Twliahiltn 

FSr  dit  ZurflekMKdBiit  anvcrlinticr  oder  sieht  micncldettr  MuoikrtpM.  Mit  lim«!  nicht  fCDSiaad 

Pom  MUeti,  BberalEDiDi  d[e  Redikilon  keine  Girutle,     Schwv  leeerltehe  Miaoikripte  vcrdea  Heceprikfl 

lurUcktcaudL 

Verantwortlicher  Schriftleiter:  fCapellmeitter  Bernhard  Schalter 
Berlin  W  57,  Bfilowatraase  107'- 


RICHARD  WAGNER 
aach  einer  Tiener  Photographie  1862 


RICHARD  WAGNER 
Dich  einer  Moskauer  Photographie  1863 


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RICHARD  WAGNER 
iner  Münchner  Phoiogriphie  1864 


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RICHARD  WAGNER 
nach  einer  Münchner  Photographie 


RICHARD  WAGNER  IN   DEN  PROBEN  ZU  BAYREUTH 
Skizze  von  Adolph  Menzel 


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DER  WEISSE  UND  ROTE  LÖWE  IN  LEIPZIG 
RICHARD  WAGNERS  GEBURTSHAUS 


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TOD  DER  ELISABETH 
nach  Wilhelm  von  Kaulbach 


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LOHENGRINS  ABSCHIED 
nach  Wilhelm  von  Kaulbsch 


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LOHENGRINS  ABSCHIED 
nach  Wilbelm  von  Kiulbach 


ISOLDE  AN  TRISTANS  LEICHE 
nach  Vilhelin  von  Kaulbach 


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DIE  MUSIK 


Ua  dem  brieflichen  Nadilatt*)  des  berfihmteii  Theoretikers  Gott- 
'  fried  Weber,  des  Herausgebers  der  Zeitschrift  aCaecilia*,  der 
im  Hauptamt  Jurist  war,  befinden  sich  auch  fünfzehn  Briefe 
k  Meyerbeers  aus  den  Jahren  181 1—1815,  1833  und  1837.  Erstere 
lassen  deutlich  erkennen,  daQ  beide  MSnner  nicht  bloQ  miteinander  innig  be- 
freundet waren,  sondern  sogar  einen  Bund  mit  noch  anderen  Persönlichkeiten 
geschlossen  hatten,  um  sich  gegenseitig  zu  unterstützen  und  sich  nament- 
lich in  den  angesehensten  Zeitschriften  zu  loben.  Diese  Briefe  gewähren 
einen  ungemein  anschaulichen  Eindruck  von  dem  literariscb-musikaliscben 
Cliquenwesen  der  damaligen  Zeit,  das  so  ausgebildet  war,  wie  man  sich 
es  beute  gar  nicht  vorstellen  kann.  Eigentümlich  berührt  auch  der  sohon 
mebr  als  burschikose  Ton,  den  Meyerbeer  <geb.  1791)  gleich  im  ersten  Brief 
gegen  den  zwölf  Jahre  älteren,  damals  schon  ein  angesehenes  Richteramt 
in  Mannheim  bekleidenden  Weber  anschlägt;  dieser  war  ihm  damals  an 
Ruf  als  Komponist  entschieden  überlegen;  Webers  umfangreicher  .Versuch 
einer  geordneten  Theorie  der  Tonselzkonst'  erschien  freilich  erst*)  In  den 
Jabren  1817—1821.  Auch  die  Ungeniertheit,  mit  der  Meyerbeer  seine 
Liebesabenteuer  berichtet,  ist  auffallend.  Bemerkenswert  ist  auch  die 
Offenheit,  mit  der  er  Webers  Schwichen  hervorhebt. 

Auch  für  die  Biographie  Meyerbeers  und  über  seine  literarischen 
Pline  erfahren  wir  Verschiedenes  aus  diesen  Briefen,  die  übrigens  auch 
manches  für  die  Kulturgeschichte  der  damaligen  Zelt  interessante  Detail 
enthalten,  u.  a.  daran  erinnern,  wie  teuer  früher  das  Porto  für  Briefe  und 
gar  für  Packete  gewesen  ist.  _ 

Unzweifelhaft   ist  Meyerbeer  ein    amüsanter  und   gewandter    Brief- 

'}  Mir  itl  dieser  NachUD  von  dem  Enkel  Wettert,  Herrn  MInliterlalrat  Dr.  A. 
Veber  In  DarroitadI,  lur  wisienichatillcbea  Ausnutzung  anrertnint  vorden.  Erum- 
(■81  die  Jahre  1806—1837  und  lit  ifemlich  umfangreich,  doch  bietet  er  nicht  ■Hin  groOe 
Ausbeute,  da  er  im  wesentlichen  aus  rein  geschifil leben  Korreipondeniea  beitebl, 
da  «crtToUe  Briefe  von  Veber  lelnerielt  in  der  »Caecllla'  veröffentlicht  worden 
tlai  nad  die  besten  Stücke  acbon  vor  Jabren  herauageaommen  aeln  mQiien,  so  i.  B. 
ein  Brief  Beethovens,  die  meisten  Briefe  Karl  Maria  v.  Vebera  n.  a. 

*)  Die  dritte  Auflage  In  vier  Binden  iit  In  mehrere  fremde  Sprachen  Btter- 
•ent  worden. 


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72 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


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Schreiber  gewesen;  zu  bedauern  ist,  daß  er  über  seine  ersten  Pariser  Ein- 
drucke aus  Zeitmangel  Weber  so  wenig  berichtet  hat. 

Unterzeichnet  ist  keiner  der  Briefe  aus  den  Jahren  1811 — 1815  mit 
»Meyerbeer*,  manche  haben  gar  keine  Unterschrift,  einige  den  Namen 
«Philodikaios*  (=  der  Gerechtigkeitliebende),  den  er  in  jenem  »Bunde* 
führte.  Wenn  über  die  Person  des  Briefschreibers  auch  nach  No.  P) 
noch  ein  Zweifel  sein  könnte,  so  wird  dieser  durch  No.  VII  völlig  behoben. 
Die  Statuten  jenes  »Bundes**)  sowie  nähere  Mitteilungen  darüber  finden 
sich  übrigens  in  Gottfried  Webers  brieflichem  Nachlaß  nicht  vor. 

Man  muß  diese  10  Briefe  im  Zusammenhang  lesen,  sonst  wird  man 
manches  nicht  richtig  auffassen  oder  überhaupt  gar  nicht  verstehen,  wenn* 
gleich  ich  durch  Verweise  auf  den  Zusammenhang  genügend  auftnerksam 
gemacht  zu  haben  glaube. 

Der  Brief  aus  dem  Jahre  1833  (No.  XI)  ist  ein  beredtes  Zeugnis  von 
der  treuen  Freundschaft  Meyerbeers  zu  Gottfried  Weber,  den  er  auch  als 
Komponisten  sehr  schätzte. 

Wie  die  Briefe  von  181 1 — 1815,  so  bilden  auch  die  drei  vom  Jahre  1837 
eine  Gruppe  für  sich.  Sie  betreffen  vor  allem  Webers  Wahl  zum  Mit- 
gliede  der  Akademieen  zu  Berlin  und  Paris;  der  Brief  No.  XIII  enthält 
wichtige  Äußerungen  Meyerbeers  über  seine  »Hugenotten*.  Beachtenswert 
ist  auch,  was  Meyerbeer  darin  über  Zeitschriften,  besonders  musikalische, 
über  die  Lage  der  geistig  Produzierenden,  über  die  Zustände  der  Kritik 
und  über  sein  Verhalten  gegen  Angriffe  der  Kritik  sagt.  Der  letzte  Brief 
gibt  uns  Kenntnis  von  einem  schweren  Augenleiden  Meyerbeers. 

Es  erübrigt  noch,  die  Frage  zu  beantworten,  weshalb  die  Korrespondenz 
zwischen  Meyerbeer  und  Gottfried  Weber  in  den  Jahren  1816 — 1832, 
1834 — 1836  geruht  hat.  Irgendeine  Differenz  ist  zwischen  ihnen  nicht  vor- 
gefallen; der  Hauptgrund  war  Meyerbeers  von  ihm  oft  betonte  Schreibfaul- 
heit, die  im  Jahre  1817  von  seinem  Vater  und  Bruder  Weber  gegenüber 
als  Entschuldigung  angeführt  wird;  auch  mag  der  Umstand,  daß  Meyerbeer 
meist  außerhalb   Deutschlands,   teils   in   Italien  teils  in  Paris,  lebte,  auf 


')  Wie  aus  dem  Schluß  von  No.  I  sich  ergibt,  muß  übrigens  unserer  No.  I 
mindestens  ein  Brief  Meyerbeers  voraufgegangen  sein,  der  in  dem  mir  zugänglichen 
Material  nicht  enthalten  ist. 

*)  Die  Existenz  dieses  Bundes  wird  dadurch  nicht  widerlegt,  daß  Gottfried  Weber 
bei  der  Herausgabe  einiger  an  ihn  gerichteter  Briefe  Karl  Maria  von  Webers  (CaecUia, 
VII,  21)  sagt:  »Die  in  diesen  Briefen  fiberall  vorkommende  Benennung  Bruder 
bezieht  sich  weder  auf  eine  wirklich  verwandtschaftliche  noch  auf  eine  etwa  frei- 
maureriscbe  oder  sonstige  OrdensbrfiderschafI  .  .  .,  sondern  lediglich  auf  die  nater 
beiden  Korrespondenten  von  der  ersten  Zeit  ihrer  Bekanntschaft  an  (1810)  ange- 
nommene Weise,  sich  als  Brüder  zu  betrachten." 


73 
ALTMANN:  MEYERBEER  AN  GOTTFRIED  WEBER 


seine  Korrespondenz  mit  dem  Jugendfreunde  schädlich  eingewirkt  haben. 
Möglicherweise  sind  auch  Briefe  nur  nicht  mehr  auf  uns  gekommen. 

Konzepte  der  Briefe  Webers  an  Meyerbeer  habe  ich  nicht  gefunden. 

I. 

Hessen-Darmstadty  d.  22.  Mai  1811. 
Lieber  Bruder! 

Wer  denn  der  Herr  Henning^)  ist»  frigst  Du  mich?  Ein  recht  braver  Kom- 
ponist und  ein  sehr  braver  Violonist,  der  sogar  schon  einmal  das  Gluck  hatte,  mit 
dem  großen  Manne*)  ein  Doppel-Konzert  für  Violin  und  Pianoforte  zusammen  zu 
komponieren.*)  Ich  will  dem  Jungen  ein  Konzert  im  nichsten  Herbst  ausstatten, 
daO  sich  ganz  Berlin  wundem  soll,  und  Du  Hund  es  Dir  zur  großen  Ehre  rechnen, 
daß  Deine  Werke  in  einem  solchen  Konzerte  aufgeführt  werden.  Ich  werde  ihm  zu 
diesem  Ende  senden  1.  eine  neue  Symphonie  aus  Es-dur  von  mir'),  2.  Voglers^) 
Trichordium  (das  man  noch  nie  in  Berlin  gehört  hat),  3.  muß  WeberP)  dazu  seine 
tfirklsche  Ouvertfire  aus  »Abu  Hassan*  geben,  4.  das  Dir  bereits  oben  genannte 
Doppel-Konzert  von  mir  und  H  e n  n  i n  g,  welches  er  mit  einem  Eleven  von  mir  exekutieren 
wird,  und  5.  endlich  Dein  »Deucalion**),  weßhalb  ich  an  Iffland^  expreß  schreiben 
werde,  damit  er  die  Deklamation  fibernimmt,  und  welches  alsdann  mit  einem  Orchester 
und  Chor  von  60  Personen  unter  des  treflPlichen  Kapellmeister  Webers^  Leitung 
aufgef&hrt  werden  soU.  Rechne  dazu  noch  einige  Konzerte  und  Arien  der  ersten 
Virtuosen  und  Singer.  Ich  gebe  Dir  mein  Wort:  noch  ehe  die  Kasse  geöffnet  wird, 
mfissen  sich  die  Menschen  schadweise  zu  Tode  drficken.  FQr  die  nach  dem  Konzerte 
zu  exekutierenden  PosaunenstOße*)  werde  ich  sorgen. 

Ich  bin  der  Meinung,  daß  Du  die  Musik  vorher  nicht  in  Mannhelm  auffährst, 
doch  fil>erlege  Dir  das.  Ich  rechne  indeß  zwischen  hier  in  14  Tagen  auf  Deine  be- 
stimmte Erklirung,  ob  Du  mir  das  Werk  bis  zum  Herbste  liefern  wirst  oder  nicht; 
in  letzterm  Fall  wire  es  Dein  großer  Schade,  weil  ich  über  2  Jahren  gewiß  nicht 
mehr  in  Deutschland  bin  und  alsdann  nicht  mehr  so  titig  ffir  Dich  wirken  kann. 

Vom  Weberl  habe  ich  2  Briefe  nebst  3  Exemplaren  seines  »Momente 
capricioso*  ^^)  erhalten.   Wahrscheinlich  sollen  zwei  davon  ffir  Dich  sein.    Ich  sende  sie 


^)  Karl  W.  Henning,  der  1836  Musikdirektor,  1840  Kapellmeister  an  dem  Berliner 
Opernhaus  wurde,  in  welcher  Stellung  er  bis  1.  April  1848  wirkte. 

*)  »Der  große  Mann"  ist,  wie  sich  spiter  ergibt,  Meyerbeer  selbst. 

*)  Ungedruckt. 

^)  Abt  Georg  Joseph  Vogler,  geb.  1749  zu  Wfirzburg,  f  6.  Mai  1814  in  Darmstadt, 
wo  er  1807  als  Hofkapellmeister  und  besonders  als  Lehrer  wirkte.  Das  Trichordium 
und  Trias  Harmonica  oder  Lob  der  Harmonie  vom  Prof.  Meißner,  nach  J.  J.  Rousseau's 
Melodie  zu  drei  T((nen  komponiert,  erschien  1799  bei  Andr6  in  Offenbach. 

')  Damit  ist  natürlich  der  Mitschfiler  Meyerbeers  bei  Vogler,  Karl  Maria  v.  Weber, 
gemeint    »Abu  Hassan"  (Einakter)  wurde  1811  zuerst  in  MQnchen  aufgef&hrt. 

*)  Ungedruckt. 

')  Der  gefeierte  Schauspieler  und  Dichter,  bis  zu  seinem  Tode  am  22.  September 
1814  Direktor  des  Berliner  National-Theaters  (Königlichen  Schauspielhauses). 

*)  Bernhard  Anselm  Weber,  geb.  1766  zu  Mannheim,  seit  1792  Musikdirektor 
in  Königlich  preußischen  Diensten,  starb  als  Königlicher  Kapellmeister  am  23.  Mirz  1821. 

*)  d.  h.  gute  Kritiken  in  den  Zeitungen. 

^^  Karl  Maria  v.  Webers  op.  12  f&r  Klavier. 


DIE  MUSIK  VII.  20.  «Hb 

Dir  deshalb  mit  der  nichsten  fahrenden  Post  nebst  seinen  BriefSen  an  mich.  Zu 
gleicher  Zeit  werde  ich  alsdann  eine  kleine  ,Cantate^  von  mir  beilegen,  welche  ich 
vorige  Woche  auf  das  Geburtsfest  meines  Vaters  komponiert  habe.  (Nota  bene  in 
3Vi  Tagen.)  Ich  kann  mich  nun  einmal  fiber  meine  Sachen  nicht  freuen,  bis  ich 
weiß,  ob  sie  Dir,  verfluchter  Seehund,  gefallen  oder  nicht. 

Wie  mein  Oratorium^)  gefallen  bat,  frigst  Du  mich?  Der  Erfolg  davon  hat 
meine  allerkfihnsten  Erwartungen  übertroffen.  Schon  in  den  Proben  machte 
diese  Musik  ein  solches  Aufsehen,  daß  die  Musikliebhaber  haufenweise  herzuliefen. 
Die  Aufführung  entsprach  dem  Succeß,  den  die  Komponisten  ihr  schon  in  den  Proben 
vorausgesagt  hatten.  Freunde  und  Feinde,  Fremde  und  Bekannte  waren  von  gleichem 
Enthusiasmus  ergriffen.  Den  Morgen  nach  der  Aufführung  schrieben  mehrere  be- 
rühmte Komponisten  und  Dichter  (worunter  sich  sogar  meine  erklirte[n]  Gegner 
befanden)  die  schmeichelhaftesten  Billete  und  Briefe  an  mich;  unzählige  Gedichte 
wurden  auf  mich  und  sogar  auch  auf  Schreiber*)  gemacht  (ich  lege  Dir  ein  paar 
von  diesen  dummen  Dingern  in  Abschrift  mit  bei,  ein  paar  andere  findest  Du  in  der 
mitkommenden  Zeitung);  auch  die  Recensionen  in  den  beiden')  Berliner  Zeitungen, 
die  ich  Dir  mitsende,  wirst  Du  schmeichelhaft  genug  finden,  welches  um  so  mehr  zu 
verwundem  ist,  da  sie  beide  von  Feinden  von  mir  verfaßt  sind,  und  die  eine  sogar 
(welche  ich  angestrichen  habe)  meinen  berüchtigten  Gegner  Rellstab^)  zum  Autor 
hat,  der  einige  Monate  vorher  so  beißend  über  mich  abgeurteilt^)  hat  Welche  De- 
mütigung für  diesen  Elenden,  so  fast  wider  seinen  Willen  mich  loben  zu  müssen! 

Die  Aufführung  war  vortrefflich  von  selten  der  Instrumente  sowohl  als  auch 
des  Chors.  Die  Schmalz,*)  Gern '')  und  Eunike  ^)  sangen  herrlich,  besonders  letzterer. 
Als  man  ihm  in  der  Probe  zurief,  er  bitte  seine  Arie  wie  ein  Engel  gesungen,  ant- 
wortete er  darauf:  «Aber  die  Musik  dazu  kömmt  auch  vom  Himmel."  (Na,  Du 
Seehund,  verzieh  nur  nicht  so  malizieuse  die  Lippen,  indem  Du  dieses  liest.) 

Es  sind  mir  auch  schon  seit  der  Zeit  7  Opernsujets  angeboten  worden; 
kurzum  das  Publikum  ist  toll  und  voll  von  der  Musik. 

Ich  bin  es  überzeugt,  daß  Du  nicht  glaubst,  es  geschehe  aus  miserabler  Eitel- 
keit, daß  ich  Dir  alle  diese  Details  mitteile;  denn  wer  weiß  wohl  mehr  als  wir,  von 
wie  vielen  elenden  Zufillen  das  Gelingen  oder  Mißfallen  eines  Werkes  abhingt,  und 
welche  unrichtige  und  schiefe  Ansichten  meistenteils  das  Urteil  des  Publikums  leiten, 
wie  wenig  man  sich  also  auf  das  Reussieren  eines  Werks  zugute  tuen  darf.  Allein 
in  den  Verhiltnissen,  wo  wir  stehen,  halte  ich  es  sogar  für  Schuldigkeit,  Dir  auffi 
allergenaueste  zu  referieren,  und   habe  das   auch  ebenso  treulich  getan,  als  mein 


')  Meyerbeers  Oratorium  »Gott  und  die  Natur*  wurde  am  8.  Mai  1811  in  Berlin 
erstmalig  aufgeführt;  vgl.  Hermann  Mendel,  Giacomo  Meyerbeer  (1868)  S.  Uff. 

")  A.  V.  Schreiber  (nicht  Schelle),  Professor  in  Heidelberg,  hatte  den  Text  ge- 
dichtet; er  hat  auch  für  Meyerbeer  den  Operntext  «Jephthas  Tochter"  geliefert. 

')  Der  sogen.  Spenerschen  und  der  Vossischen. 

*)  Job.  Karl  Friedrich  Rellstab  (1759—1813),  der  berühmte  Kritiker  der 
Vossischen  Zeitung. 

^)  Nimlich  als  am  17.  Mirz  1811  der  »08.  Psalm*  in  Meyerbeers  Komposition 
in  der  Berliner  Singakademie  aufgeführt  worden  war. 

*)  Auguste  Schmalz,  geb.  1771,  von  1810—1817  Stern  an  der  Berliner  Oper. 

^  Georg  Gern,  von  1801—1830  Bassist  der  Berliner  Oper. 

*)  Friedrich  Eunike,  berühmter  Tenorist  der  Berliner  Oper  (1797  bis  ca.  1817). 


75 
ALTMANN:  MEYERBEER  AN  GOTTFRIED  WEBER 


»Psalm«  Sicht  ^)  gefiel.  Doch  genug  davon.  So  wie  die  Sachen  jetzt  stehen,  kannst  Du 
mit  Oberieugang  8  bis  10  pomp((se  Zeilen  ins  »Badische  Magazin*  von  der  Musilc 
einrficicen'),  um  die  Mannheimer  darauf  begierig  zu  machen;  denn  da  die  Musik  jetzt 
gewiß  gestochen  wird,  so  gehört  es  unter  meinen  Hauptwünschen  [I],  sie  [noch]  einmal 
zu  hören,  um  mich  von  unzihligen  Sachen,  über  die  ich  noch  schwanke,  zu  überzeugen. 

Im  Fall  Du  es  irgend  möglich  machen  kannst  und  Dich  vielleicht  das  Aus- 
schreiben genieren  sollte,  so  will  ich  das  wohl  besorgen,  denn  ich  habe  hier  einen 
exzellenten  Kopisten.  Allein  es  müßte  bald  sein,  spitestens  in  4  Wochen,  denn 
erstens  verreise  ich  bald  und  zweitens  kann  auch  mein  Verleger  nicht  mehr  sehr 
lange  warten. 

Ich  habe  nun  mit  Dir  über  meinen  Lieblingswunsch  ganz  frei  gesprochen; 
sage  Du  mir  nun  ebenso  frei,  ob  nicht  vielleicht  Hindernisse  und  Verhiltnisse  Dich 
verhindern,  ihn  zu  erfüllen.  Im  Falle  Du  es  aber  mit  Besiegung  einiger  Schwierig- 
keiten aufführen  könntest,  so  fürchte  nur  nicht,  daß  ich  Dir  alsdann  immerwihrend 
mit  meinen  Musiken  über  den  Hals  laufen  werde.  Im  Gegenteile;  sogar  will  ich  Dir 
zu  mehrerer  Sicherheit  das  schriftliche  Versprechen  geben,  nie  wieder  einen  Fuß 
in  Mannheim  zu  setzen. 

Ich  habe  vor  kurzer  Zeit  wieder  ein  neues  Blatt  gesehen:  »Süddeutsche  Miszellen 
für  Leben,  Litteratur  und  Kunst*.  Es  kömmt  in  Karlsruh  heraus  und  hat,  wie  man 
sagt,  einen  Herrn  Rehfuß  zum  Redakteur.  Warum  ist  dieses  Blatt  noch  nicht  unser? 
Karlsruh  liegt  in  Deinem  Departement;  schreibe  hin  oder  laß  den  Unknown*),  das 
geliebte  Beest,  schreiben;  dieser  Bruder  tut  gar  nichts   für  den  Bund. 

Ad  vocem  schreiben  und  rezensieren.  Du  wirst  aus  den  Berliner  Zeitungen 
ersehen,  daß  diese  Menschen  nicht  einmal  vernünftig  loben  können.  Das  »Chor  der 
Elemente*^)  berühren  sie  gar  nicht,  und  ich  wette  darauf,  sie  können  nicht  einmal 
dessen  Konzeption  entziffern.  Ebenso  geschah  es  mit  dem  Choral  No.  10.  Wie  wäre 
es  daher,  wenn  Du  Dir  aus  Deinem  trefflichen  gediegenen  Brief  an  mich  über  diesen 
Gegenstand  zwei  Auszüge  machtest,  einen  kleinen  und  einen  großen.  Den  erstem 
könntest  Du  nach  dem  »Morgenblatte*  senden,  den  zweiten  aber  '(da  Du  mit  der 
»Musikalischen  Zeitung*^)  brouilliert  bist)  an  Weber  1,  damit  er  denselben  unter 
seinem  Namen  an  Hirtel  schickte.  (Ich  schicke  Dir  zu  diesem  Ende  heute  Deinen 
Brief  wieder  zurück.)  Du  müßtest  aber  die  Gefälligkeit  haben.  Dich  gleich  an  diesem  [I] 
Auszuge  zu  machen,  damit  Dir  die  Berliner  Rezensenten  nicht  zuvorkommen.  Was 
die  Rezension  des  übrigen  Teils  des  Konzerts  enthilt,  so  kannst  Du  Dich  ja  ganz 
an  die  Berliner  Zeitungen  halten,  welche  ich  übrigens  übermorgen  schon  zurück- 
erwarte, weil  ich  sie  höchst  nötig  brauche.  Hörst  Du?  Du  kannst  sie  Dir  aber  auf 
meine  Kosten  abschreiben  lassen,  denn  sie  müssen  ja  ohnedem  ad  acta*)  kommen. 
Ich  hoff!e  übrigens  nicht,  daß  Du  der  Journalisten  halber  Anstand  nehmen  wirst,  ein 


«)  Vgl.  S.  74,  A.  5. 

*)  Gerade  acht  Zeilen  hat  Weber  darüber  in  der  »Eleganten  Zeitung*  S.  911 
geschrieben.    Diese  Zeitschrift  erschien  in  Mannheim  bei  Kaufmann. 

*)  Wer  dies  ist,  konnte  ich  nicht  feststellen. 

*)  Karl  Maria  v.  Weber  nennt  in  seiner  Besprechung  des  Meyerbeerschen 
Oratoriums  den  Chor  der  vier  Elemente  ein   »echt  kontrapunktisches  Meisterstück*. 

^)  Die  »Allgemeine  musikalische  Zeitung*  erschien  im  Verlag  von  Breit- 
kopf ft  Hirtel  in  Leipzig  unter  der  Redaktion  von  Joh.  Friedr.  Rochlitz  (1709—1842) 
von  1788—1818;  sie  ist  dann  1848  eingegangen. 

*)  Für  das  Bundesarchiv? 


DIE  MUSIK  VII.  20. 


In  Berlin  fciebeaes  Terk  lu  rezea>l«r«n,  vell  Da  in  Mannheim  bitt.    Da  kaaait 
Ja  dort  Deine  Korrnpondenicii   haben   oder  aelbat  auf  kurie  Zelt  da  (eveaea  aeln. 

Taa  macht  denn  der  Bruder  Rock?>)  Varnm  lai  er  noch  nicht  In  Tltiflceit? 
LaS  ihn  an  Caatelll'}  In  VIen  schreiben  (qua  Reitender),  den  Person ilbeitand  der 
Mannheimer  Bühne  einsenden  (dai  empflehli),  fiber  den  Verfall  der  Kirchenmusik 
klafen  und  dabei  Deiner  aMeasen*  rfihmlicbst  ervlhnen.  Aoch  etwas  fiber  Berlin 
kann  er  sagen:  die  .Veatalln*  von  Spontinl  und  BDeodsts*  vom  Kspellmelster 
Weber*)  kann  er  ezcentrisch  loben,  denn  sie  sind  Liebliogsstficke  des  dortigen  Publi- 
kums, das  erste*)  ve|en  seiner  Kenisllscben  VermlscbnnK  des  itallenlacben  und  fran- 
lösischen  Genres,  indem  sie  einen  (filiUcfaen  Geaang  mit  braver  Deklamation  und 
kunalreichen  Behandlung  des  Orchestera  vereinet  (letzteres  nur  etwas  au  chargiert); 
das  iweite  wegen  seiner  energlictaen  Accente  halber,  auch  wegen  der  kraftvollen  Dekla- 
mation und  des  echt  dramiHschen  Gelsi[s],  der  alch  In  allen  ChSren  ausapricht.  Der 
.Taueher' von  Reich ardt')  hat  nicht  gefsllen;  den  mufl  er  etwas  bedauern, da  Relchardt 
ein  verdienstvoller  Msno  ist.  Auch  etwas  von  Webers^  Concert  splrltnel  kann  er  sagen 
und  dabei  meines  Oratoriums')  erwihnen,  wozu  Du  ihm  die  nStIge  Anleitung  geben  kannst 

Ein  Konzert  In  Darmstsdt  lu  geben,  halle  ich  fSr  jetzt  hat  unmAgllch,  allein  es 
wird  mir  doch  Heb  sein,  Herrn  ToUm^ann")  kennen  lu  lernen;  empflehl  Ihn  mir  also. 

BSsmorl**)  wird  vor  3  bis  4  Wochen  nicht  gegeben  werden. 

Die  sHrronen*")  sind  noch  nicht  mein. 

Dusch")  danke  Ich  tausendmsl  für  sein  Gedicht.  NIchstens  werde  ieh  autfShr- 
lieber  dsrGber  schreiben,  denn  für  heute  mufl  Ich  schlleSen. 

Dein  treuer  Bruder  Pbiledlkslos. 
Ich  brsuche  meinen  Hut  notwendig.    Um   Gottes  willen,  so  mache  doch,  daß  icb 
ihn  bekomme, 

II. 

Frankrurt  s.  M.,  den  21.  Februar  ISI3, 
Bruder. 
Wundere  Dich  nur  nicht  gar  zu  sehr,  diD  Ich  Dir  heute  auf  Velln-Pspler  schrallM. 
Sieb  den  Bogen  recht  an,  so  wlrat  Du  finden,  dafl  er  zu  befieckt  Ist,  als  daß  Ich  an  einen 
andern  ehrlichen  Menschen  dsrsuf  schreiben  kfinnte.    Meine  nsse  sind  nun  ganz  In 


<)  Wohl  kein  Musiker. 

*)  Ignar  Franz  Castelll,  der  bekannte  Dichter  und  Musiker,  Hersasgeber  des 
BAllgemeinen  muaikailachen  Anteigers'  (Wien  bei  Hasllnger). 

•)  Vgl.  S.  73,  A.  8. 

*)  Von  hier  ab  wOrtlich  bis  aCbSren  ausiprlcbi*  in  der  .Eleganten  Zeitung" 
S.  911  von  Weber  sIs  Berliner  Korrespondenz  sbgedmckt. 

*)  Job.  Friedrich  RelchardU  (1752-1814)  Oper  .Der  Taucher*. 

•)  Vgl.  S.  73,  A.  8. 

^  .Gott  und  die  Natur'.    Vgl.  oben  S.  74. 

")  Job.  Toltroann,M775-1828,'Vlolinvlrtno8,  seit  1805  Musikdirektor  in  Buel. 

■)  Die  Oper  .SarooH'  von  Abt  Vogler  wurde  am  30.  Juni  1811  erstmslig  In 
Dsrmstsdt  gegeben;  vgl.  .Bsdlsches  Magazin*  1811,  S.  440. 

'■)  Wohl  die  am  3a  Juli  erstmslig  sufgeffibrten  Hymnen  des  Abt  Vogler;  vgl. 
Ib.  524;  vielleicht  auch  die  sieben  geistlichen  Gesinge  (Klopstock)  Meyerbeen,  dln 
bei  C.  F.  Peters  in  Leipzig  erschienen  sind. 

")  DuBCh  (Philokalos  im  Bunde  genannt)  wurde  a|dler  Cebeiner  t 
in  Karlsruhe. 


Btt 


77 
ALTMANN:  MEYERBEER  AN  GOTTFRIED  WEBER 


mt 


Richtigkeit,  allein  die  verfluchten  Briefe  aus  Mainz  sind  noch  nicht  angelcommen;  ich 
habe  daher  gestern  meinen  Bedienten  selbst  dortbin  geschickt  und  kann  also  nun  erst 
morgen  früh  abreisen.  Wiren  wir  beide  nicht  so  eklatant  dumm,  so  bitten  wir  das  von 
Mannheim  aus  getan,  und  ich  bitte  einen  Tag  linger  in  Deiner  Gesellschaft  verlebt. 

Dank  übrigens,  Bruder,  herzlichen  Dank  für  alles  Liebe  und  Freundliche,  was 
Du  mir  wihrend  meines  Aufenthalts  in  Mannheim  erzeigt  hast.  So  ein  14tigiges 
geistiges  Reiben  an  einem  Kerl  wie  Du  gibt  neue  Lust  zum  Versuchen,  neue  Kraft 
zum  Streben.    Ich  hoffe,  es  geht  Dir  ebenso. 

Ich  habe  mich  halb  zu  Tode  auf  der  Post  nach  Briefen  von  Dir  gefragt,  aber  es 
sind  keine  da.  Wo  bleibt  der  Brief  an  Milz eP)  von  Dusch*)  und  der  von  Walter') 
an  Ignaz  Walter^)  in  Regensburg?  Dummer  Kerl!  mit  dem  letztem  mußt  Du  Dich 
besonders  eilen  und  ihn  nach  Regensburg  poste  restante  adressieren,  denn  in  Wien 
hilft  er  mir  natürlich  nichts  mehr. 

Anbei  der  Brief  an  den  Großherzog ^),  nach  Vorschrift  damit  zu  verfahren.  Ich 
bitte  Dich  übrigens  recht  instindig  um  alle  mögliche  Vorsicht  und  Schnelligkeit.  Ltß 
Dir  doch  ja  von  Hoff  mann*)  antworten,  daß  er  wirklich  abgegeben  worden  ist. 
Ebenfalls  lege  ich  den  Karol^  an  Dein  treues  Bruderherz. 

A  propos.  Ich  habe  Voglern')  (aus  Gründen)  geschrieben,  daß  ich  in  Mann- 
heim unpißlich  war;  ich  sage  Dir  das,  damit  Du  es  geschickter  Weise  als  etwas 
Zufilliges  in  Deinem  nichsten  Brief  an  ihn  einfließen  lißt.  Den  beifolgenden  Brief 
an  Schwarz')  gib  gefälligst  sobald  als  möglich  auf  die  Post.  Ich  habe  Ursachen, 
warum  er  von  Mannheim  aus  abgegeben  werden  soll. 

Und  nun^  Bruder,  kommt  eine  Phrase,  die  Du  künftig  in  allen  meinen  Briefen 
finden  wirst:  treibe  Rütger^^^)  zum  Fleiß. 

Und  nun  lebe  wohl.  Deiner  ganzen  werten  Familie,  der  [!]  Friulein  von  Hirt- 
ling  und  Herrn  von  Weiler  viele  Empfehlungen  von  mir  als  Epilog  zu  meinem 
Abschiede;  ditto  an  den  Karolsmacher.^0 

Geil")  und  Hedler^')  lassen  Dir  sagen,  daß,  wenn  Du  Cherubinis^^) 
»Trauergesang*  von  Paris  aus  haben  wolltest,  solltest  Du  es  ihnen  schreiben,  und 
den  15.  Tag  nach  Ankunft  Deines  Briefes  würden  sie  es  [!]  Dir  schon  überliefern. 
Courage'^)  grüßt.  Dein  treuer  Bruder 

Der  arglose  Reisende. 

Da  es  schon  zu  spit  ist,  diesen  Brief  auf  die  Post  zu  geben,  so  nehme  ich  ihn 
nach  Würzburg  mit. 


>)  Johann  Nepomuk  Milzel,  der  bekannte  Mechaniker  (1772—1858),  der  Erfinder 
des  Panharmoniums  und  des  Metronoms  (1816). 

•)  Vgl.  S.  76,  A.  11.  ')  Wohl  kein  Musiker. 

^)  Ignaz  Walter,  Tenorist,  Singspieldichter  und  Theaterdichter  (1759-1822). 

^)  Ludwig  I.  (X),  Großherzog  von  Hessen  (—1830);  vgl.  Brief  III. 

')  Wohl  ein  höherer  Beamter.  ^  Wer  ist  dies? 

*)  Vgl.  S.  73,  A.  4.  •)  Wohl  kein  Musiker. 

^^  Wie  sich  aus  dem  Folgenden  ergibt,  offenbar  ein  Rechtsanwalt,  der  für 
Meyerbeer  einen  Prozeß  führte.  >')  Identisch  mit  Karol?  (oben  A.  7). 

")  Wohl  Sophie  Gail,  geb.  Garre,  die  1819  f  talentvolle  Pariser  Komponistin, 
vielleicht  auch  deren  Mann  Professor  Jean  Baptiste  Gail. 

>*)  Wer  ist  dies? 

>^)  Wohl  das  »Requiem*  in  c-moll,  vielleicht  auch  i^Chant  sur  la  mort  de 
Joseph  Haydn^  ^'^)  Wer  ist  dies? 


78 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


M 


III. 

Würzburg,  den  23.  Februar  1813. 
Bruder! 

Ich  war  bei  Fröhlich^);  aufgenommen  habe  ich  ihn  nicht,  denn  ich  reiae 
heute  schon  fort,  und  so  kurz  übers  Knie  zu  brechen,  iat  die  Sache  natürlich  nicht; 
doch  kannst  Du  Dir  denken,  daß  mein  Aufenthalt  nicht  ganz  fruchtlos  war.  Ich  habe 
die  Verabredung  getroffen,  daß  wir  uns  gegenseitig  beide  von  jeder  Aufführung 
oder  Erscheinung  unserer  Sachen  Nachricht  geben  wollten,  und  daß 
dann  der  andere  darüber  schreiben  sollte.  So  ist  denn  doch  ein  Schritt 
geschehen;  sehe  ich  dann,  daß  der  Kerl  eingreift  und  wirklich  arbeitet,  so  schlage 
ich  ihm  das  Bewußte  für  Dich,  sich  und  mich  vor.  Ich  habe  ihm  proponiert,  ihn 
dem  GlöggP)  in  Linz  und  der  »Musikalischen  Zeitung*  in  Wien  als  Mitarbeiter 
vorzuschlagen,  und  er  hat  es  dankbar  aufgenommen.  (Ich  habe  dies  aus  der  Ursache 
getan,  damit  er,  wenn  wir  ihn  einmal  in  Titigkeit  setzen,  debouch6s  hat.)  Er  hat 
mich  gebeten,  ihm  zu  erlauben  in  der  »Würzburger  Zeitung"  einen  Artikel  üt>er 
ajephta"  einrücken  zu  lassen,  welches  ich  angenommen  habe.  Ich  schreibe  Dir 
dieses,  damit  Du  gelegentlich,  wenn  Du  aufs  Museum')  gehest,  in  die  »Würzburger 
Zeitung*  guckst,  um  zu  sehen,  ob  er  Wort  hilt  oder  nur  Windkomplimente  macht 

Was  Dich  betrifft,  so  antwortete  er  mir  auf  meine  Frage  sein  Stillschweigen 
betreffend,  daß  ihn  die  Bescheidenheit  verhindert  habe,  Deine  Anfrage  zu  t>eantworten. 
Er  sei  nimlich  wirklich  der  Verfasser  mehrerer  Anzeigen  über  Dich.  Doch  fügte  er 
hinzu,  daß  er  noch  lange  nicht  so  viel  über  Dich  geschrieben  habe,  als  es  ihn  die 
große  Achtung,  die  er  für  Dich  empfinde,  seitdem  er  Deine  praktischen  Werke  kenne, 
wünschen  lasse,  und  daß  er  jede  Gelegenheit  mit  Freude  ergreifen  würde,  öffentlich 
über  Dich  und  Deine  Sachen  zu  sprechen.  Ich  habe  ihm  versprochen  über  sein 
Institut^)  einen  Aufsatz  zu  machen.  Apropos.  Er  wird  vielleicht  diesen  Frühling 
»Gott  und  die  Natur*  aufführen.  Ich  habe  ihm  gesagt,  daß  Du  Dich  gewiß  nicht 
weigern  würdest,  ihm  Partitur  und  Stimmen  alsdann  zu  leihen. 

Den  Brief  an  [den]  Großherzog ^)  bringt  Dir  das  [t]  Postwagen. 
Adieu. 

^)  Joseph  Fröhlich,  1780-1862,  Universititsmusikdirektorund  a.  o.  Profössor in 
Würzburg,  auch  als  Komponist  tätig,  ein  sehr  verdienter  Musiklehrer.  Die  »Musik* 
brachte  sein  Bild  Jahrgang  3,  Heft  19. 

*)  Franz  Xaver  Glöggl  1764—1830,  Theaterkapellmeister,  Musikalienhindler  and 
Verleger  verschiedener  Musikzeitschriften. 

")  Gesellige  Vereinigung  mit  Lesezimmer. 

*)  Ober  dieses  Institut,  aus  dem  sich  die  »Königliche  Musikschule  in  Würz- 
burg* entwickelt  hat,  schreibt  Fröhlich  am  24.  Februar  1813  an  Weber,  nachdem 
er  u.  a.  auch  Meyerbeers  Besuch  erwihnt  hat:  »Oberzeugt,  daß  ohne  die  Befördemng 
der  isthetischen  Bildung  keine  Erhebung  des  Geistes  bei  dem  Volke  möglich  sei  and 
daß  Musik  die  auf  das  Volk  wirksamste  und  in  jeder  Hinsicht  für  dasselbe  passendste 
Kunst  sei,  hatte  ich  schon  lingst  den  Gedanken,  zur  Emporbringung  der  Kunst,  vor- 
züglich der  musikalischen  alles  Mögliche  anzuwenden.  Ich  brachte  es  in  mehreren 
Jahren  durch  viele  Mühe  dahin,  daß  meine  musikalische  Anstalt  gegründet  wurde. 
Allein  zuerst  hatte  sie  die  allgemeine  Tendenz  nicht,  und  nur  nach  und  nach  brachte 
ich  es  dahin,  daß  sie  zu  einer  allgemeinen  Bildungsschule  für  unser  ganzes  L4ind,  zu 
einem  eigentlichen,  musikalischen  Konservatorium  erhoben  wurde.  Eine  wichtige  Klasse 
in  der  Anstalt  sind  die  Kandidaten  des  Schullehrerseminars,  welche  in  dieser  den 
Unterricht  in  allen  Teilen  der  Musik  erhalten.*        ^)  Vgl.  oben  S.  77,  A.  5. 


79 
ALTMANN:  MEYERBEER  AN  GOTTFRIED  WEBER 


IV. 

Neustadt  an  der  Aiscb,  den  25.  Februar  1813. 
Bruder! 
Der  Teufel  hat  den  Postwagen  in  Würzburg  geritten,  daß  er  erst  in  2  Tagen 
abgeht;  ich  wollte  ihn  erst  nach  Nürnberg  mitnehmen*);  allein  besseres  kommt 
al>er  Nacht,  und  da  es  mir  gar  pressant  mit  diesem  Briefe^)  (Avis  für  Dich!)  ist,  so 
schicke  ich  ihn  Dir  von  hier  aus  mit  der  Briefpost.  Du  mußt  so  gütig  sein,  diesen 
Brief  auf  die  Partitur')  zu  legen.  Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  das  Ganze  ein- 
gepackt wird,  und  auf  das  Packet  machst  Du  dieselbe  Adresse,  wie  ich  sie  auf  den 
Brief  machte.  Um  das  Packet  aber  mache  noch  einen  Umschlag,  worauf  Du  Hoff- 
manns*)  Adresse  setzet,  damit  derGroßherzog  nicht  das  Mannheimer  Postzeichen 
sieht,  weil  ich  den  Brief  von  München  datiert  habe.  Übrigens  besorge  alles  bald 
and  recht  schön,  wie  wir  es  verabredet  haben,  so  wird  Dir  meine  Gnade  niemals 

ermangeln.    Ich  weiß  auch,  Du  nimmst  mir  dieses  nicht  übel. 

Philodikaios. 

Ich  numerire  jetzt  meine  Briefe  an  Dich.    Dieses  erleichtert  die  Beantwortung. 

Thue  Du  es  auch. 

*)  Anmerkung  Meyerbeers:  Wen?  den  Postwagen?    Nein,  den  Brief. 

V. 

Nürnberg,  d.  26.  Februar  1813. 
Bruder ! 

Ich  will  Dir  Gelegenheit  verschaffen,  Deinen  neuen  Guitarrenliedem  ein  neues 
Relief  zu  geben.  Schicke  ein  Exemplar  derselben  an  Madame  Fanny  Königs werth 
in  Fürth  bei  Nürnberg.  Diese  jüngste  der  Grazien  ist  eben  so  gütig,  mir  in  den 
Brief  hineinzugucken,  und  ich  darf  daher  ihrer  Bescheidenheit  nicht  die  Notzucht 
antun,  in  das  Detail  der  Liebenswürdigkeiten  derjenigen  einzugehen,  die  Dir  das 
unverdiente  Glück  erzeigen  wird.  Deine  Lieder  zu  singen.  Schicke  daher  bald,  ernst- 
lich, Bruder,  unter  der  obgedachten  Adresse. 

Seriosamente  e  un  angelo  la  piccola  et  tu  mi  fara  il  piacere  di  mandergli  ben 
presto  an  esemplario.    Te  le  paghero. 

VI. 

Regensburg,  den  2.  Mirz  1813. 
Bruder ! 

Ich  habe  Deinen  Brief  vom  24ten  erhalten  und  mich  herzlich  damit  gefreut. 
Laut  Vorschrift  hal>e  ich  mich  [!]  sogleich  von  meinen  rauhen  Ideen  ein  Lidel  blasen 
lassen,  und  so  wire  der  Wechselgesang  fertig.  Ja,  Wechselgesang,  und  nicht 
Duett,  wie  Du  schreibst,  denn  da  uns  unsere  Ideen  nicht  in  ein  und  demfclben 
Moment  ein  Lidel  geblasen  haben,  so  gehört  dies  Blasen  auch  nicht  in  die  Klasse  des 
Duetts,  sondern  nur  in  die  des  Wechselgesangs.  O  Gott,  o  Gott,  wirst  Du  denn  nie 
lemeo,  Dich  in  scientiflschen  Sachen  pricis  auszudrücken? 

Daß  Du  den  »Abel**)  verlassen  hast,  um  am  »Requiem*^)  nichts  zu  machen, 
Bruder,  das  acheint  mir  nicht  gescheut.    Wäre  ich  wie  Du,  ich  ginge  wieder  daran. 

')  An  den  Großherzog  von  Hessen;  vgl.  S.  77,  A.  5. 

^  Des  Oratoriums  »Jephtha*. 

«)  Vgl  S.  77  A.  6. 

*)  Ungedrucktes,  wohl  auch  unvollendetes  Oratorium. 

*)  Requiem  den  Manen  der  Sieger  bei  Leipzig  (erschien  bei  Andr6  in  Offenbach). 


A  propos;  ich  will  Dir  eine  vorliuflge  Adresse  nach  Wien  geben;  tn  etc.  per 
Adresse  des  Herrn  Banquier  Moriz  Königswirther  in  Wien.  Unter  der  Adresse 
kannst  Du  mir  auch  gleich  einen  Wechsel  schicken,  im  Fall  ich  meinen  Proceß 
gewinne.  Ich  bitte  Dich,  dummes  Brüderchen,  (denk'  Dir  dabei  Ifflandischen  Dia- 
lekt), treibe  Rütger.^)  Ich  werde  (ganz  ernsthaft  gesprochen)  bald  Geld  gebrauchen 
und  wahrscheinlich  vor  einigen  Monaten  keines  von  zu  Hause  beziehen  können,  denn 
man  spricht,  daß  der  Postenlau f  jetzt  ganz  gehemmt  sei. 

A  propos,  hast  Du  meine  3  Briefe  vom  23.,  25.  u.  26.  bekommen?  Der  vom 
25.  ist  mir  der  wichtigste,  denn  er  enthielt  den  Brief  an  den  Großherzog.  Ich  habe 
Qber  alle  Scheine  genommen;  schreibe,  ob  Du  sie  erhalten  hast  Oberhaupt,  Kerl, 
hoflPe  ich  in  Wien  bald  Briefe  zu  bekommen  von  Dir,  da  Du  jetzt  Adresse  hast 

Morgen  früh  gehe  ich  mit  dem  Postschiffe  ab.  Heute  [Qber]  8  Tage  werde  ich 
wohl  da  sein.  Ich  habe  mich  hier  des  Postschiffes  halber  2Vs  Tage  aufhalten  mQssen« 
Man  erzeigt  mir  viele  Höflichkeiten.  Was  mir  Spaß  macht,  das  ist,  dsß  (obgleich 
die  Zeitungen  sich  gewiß  nicht  überschrieen  haben)  demohneracbtet  jeder,  den  ich  anf 
der  ganzen  Route  hieher  sprach,  von  gjephthas"  Erscheinung  wußte,  und  darunter 
waren  viele  Kaufleute  und  sonstige  Geschiftsminner,  die  sich  also  nicht  eben  ingst- 
lich  sonst  um  neue  Erscheinungen  in  der  Kunst  zu  bekümmern  pflegen. 

Adieu,  Bruder,  hier  hast  Du  einen  Brief  (verlangtermaßen),  den  Du,  ohne  ein 
Schelm  zu  sein,  gewiß  nicht  für  ein  rhetorisches  Meisterwerk  ausgeben  kannst 

Philodikaios. 

VIF. 

Linz,  den  10.  Mirz  1813. 
Bruder! 

Meinen  letzten  Brief  von  Regensburg  wirst  Du  erhalten  haben.  Ich  hielt 
mich  einen  Tag  dort  linger  auf,  als  ich  anfangs  wollte,  denn  ich  hatte  auf  der  Redoate 
ein  himmlisches  Abenteuer  angeknüpft  Item,  es  nahm  den  Tag  darauf  sein  befrie- 
digendes Ende,  und  24  Stunden  nach  dem  actus  reiste  ich  ab.  Da  die  Teorang 
fürchterlich  ist,  so  setzte  ich  mich  zur  Ersparung  der  Unkosten  mit  meinem  Bedienten 
auf  das  Postschiff  und  flutete  die  Donau  ganz  flott  hinunter.  Meine  Reisegefllhrten 
sind  zwei  Kaufleute,  der  eine  aus  Neuchatel,  der  andere  aus  Straßboarg.  Der 
jüngere,  sobald  er  hörte,  daß  ich  Musikant  sei,  pries  mir  sogleich  die  .Donannymphe**) 
als  seine  Favoritpiece,  der  ältere  aber  beklagte  sich  bitterlich,  daß  Vinhall^,  der 
ihm  (wie  er  sich  ausdrückte)  manche  kostbare  Stunde  gewährt  hal>e,  so  in  Verfall 
komme.  Beide  Kerls  waren  zu  meinem  Unglück  Dilettanten,  der  eine  hatte  sogsr 
einmal  in  einem  Picknick  die  zweite  Violine  bei  einem  PI eiel sehen*)  Qaatnor 
gegeigt,  und  überfluteten  mich  nun  mit  musikalischem  Unflat  Um  mich  zu  retten, 
muß  ich  nun  den  ganzen  Tag  Mariage  mit  den  Kerls  spielen.  Denke  Dir  mich,  der 
bisher  keine  Karte  kannte,  Mariage  mit  zwei  Eseln  spielen.  Das  Gesicht,  das  ich 
dabei  mache,  denke  ich  mir,  muß  einem  die  Frage  im  [t]  Munde  legen:  k  quoi 
pensez  vous,  quand  vous  ne  pensez  ä  rien? 


0  Vgl.  S.  77,  A.  10. 

*)  Gemeint  ist  wohl  Ferd.  Kauers  «Donau weibchen"  (1706),  das  1803  eine 
Fortsetzung  »Die  Nymphe  der  Donau"  erhielt 

*)  Job.  Bapt  Wanhal  (van  Hai),  geb.  1739,  f  26.  Aug.  1813  in  Wien,  schrieb 
sehr  viele  Symphonieen,  Streichquartette,  Violinduette. 

^)  Ignaz  Pleyel,  1757—1831,  ein  Schüler  Haydns,  ein  sehr  fruchtbarer  Korn* 
ponist,  später  Begründer  eines  Verlags  und  einer  Pianofortefabrik  in  Paris. 


ALTMANN:  MEYERBEER  AN  GOTTFRIED  WEBER 


Die  Fahrt  ging  sehr  schnell,  allein  im  ersten  östreichischen  Flecken  Asch ack 
Qberflel  uns  ein  schrecklicher  Sturm,  und  wir  mußten  3  Tage  —  sage  drei  —  still 
liegen«  Aus  lauter  Langeweile  verführte  ich  eine  Kaufmannstochter,  eine  Feldwebels- 
Witwe  und  die  Wirtin  meines  Gasthofes,  oder  vielmehr  sie  verführten  mich,  denn 
ich  habe  nirgends  Pucellage  gefunden,  obgleich  ich  sie  bei  der  erstem  stark  ver- 
mutete; demohnerachtet  waren  alle  3  liebe  Geschöpfe. 

Wihrend  dieser  Quarantäne  ließ  ich  mir  auch  Deine  »AbeIs*-Ouvertfire^)  ofc 
im  Kopf  hin  und  hergehen  und  instrumentierte  sie  (im  Kopf  versteht  sich)  mit 
wfitendem  Effekt.    Dabei  muß  ich  Dir  sagen,  ist  es  mir  bestimmt  klar  geworden,  daß 


das  erste 


^^^^"fr 


j 


-ef 


etc. 


ungeheuer    piano    sein 


muß.  Dieses  kann  auf  zweierlei  Weise  geschehen:  entweder  Du  erfindest  noch  Sor- 
dinen fOr  Flöten  (für  Klarinetten  und  Hörner  sind  sie  schon  erfunden)  und  läßt  die 
ganze  Stelle  con  sordini  exekutieren,  oder  Flöten,  Clarinetten,  Cor  entfernen  sich  bei 
den  letzten  Momenten  des  Allegros  und  blasen  das  Andante  aus  einem  ziemlich  ent- 
fernten Nebenzimmer.  Mache  es,  wie  Du  es  willst,  allein  das  E  dur  muß  ungeheuer 
piano  anfangen;  das  will  ich,  io  el  rey. 

Heute  frQh  endlich  legte  sich  der  Sturm,  und  um  Vt5  Uhr  früh  fuhren  wir  ab 
und  vor  einer  Stunde  kamen  wir  hier  in  Linz  an.  Wie  ich  aus  dem  Schiff  steige, 
packt  mich  ein  junger  Mensch  und  fragt  mich,  ob  ich  Meyerbeer  sei.  Auf  meine 
Bejahang  ladet  er  mich  von  Seiten  des  Kapellmeisters  Glöggl*)  ein,  sogleich  zu  ihm 
zu  kommen.  Ich  gehe  hin  u.,  wie  ich  die  Tfir  öffne,  tritt  mir  entgegen  —  Vogler; 
Bmder,  ich  dachte,  der  Schlag  träfe  mich!  Ich  weinte  vor  Freuden,  kQßte  ihm  die 
Hand,  den  Mund.  Wahrhaftig,  ich  liebe  doch  den  alten  Papa  mehr,  als  ich  es  weißt 
er  ist  auf  der  Reise  nach  Wien  und  hatte  in  den  Münchner  Zeitungen  meine 
Reise  nach  Wien  gelesen;  woher  die  Kerle  das  wissen,  mag  der  Teufel  wissen.  Er 
wir  auch  ganz  fldel,  umarmte  mich  und  gratulierte  mir  vor  der  zahlreichen  Gesell- 
schaft, indem  er  mir  die  Nachricht  mitteilte,  daß  mich  der  Großherzog  von 
Hessen  zu  seinem  Hof-  u.  Kammerkompositeur  ernannt  habe.  (Meine 
Verpflichtang,  wie  er  mir  privatim  sagte,  ist  weiter  keine,  als  von  jeder  größeren 
Komposition,  die  ich  vollendete,  dem  Großherzog  ein  Exemplar  zu  schicken,  wofür 
ich  jedesmal  aparte  honoriert  werde).  Du  kannst  Dir  denken,  wie  frappiert  ich  war, 
da  ich  von  der  Geschichte  kein  Wort  ahnte.  Der  Großherzog,  der  mich  in  Paris 
glaubte,  hat  mir  mein  Patent  mit  einem  eigenhändigen  Briefe  dorthin  geschickt. 
Betrachte  übrigens  diese  Erzählung  noch  als  eine  Konfldenz,  denn  bis  ich  dem 
Großherzog  schriftlich  gedankt  und  mein  Patent  von  Paris  zurückbekommen 
habe,  darf  dieses  des  Anstandes  halber  nicht  öffentlich  bekannt  werden,  wie  mir 
Vogler  sagte.  Dann  aber  auch  Du  kannst  Dir  denken,  wie  viel  mir  unter  den  jetzigen 
Umständen  daran  liegt,  bestimmt  zu  wissen,  ob  der  Großherzog  meine  Partitur  und 
Brief  von  Dir  erhalten  hat.  Den  letzteren  schickte  ich  Dir  von  Neustadt  an  der  Aisch 
(anbei  auch  den  Schein).  Melde  mir  sein  Erhalten  und  Deine  Expedition  gefälligst  bald 
nach  Wien.   Adieo,  in  einer  Viertelstunde  gehe  ich  wieder  auf  mein  Schiff  nach  Wien. 


M  Vgl.  S.  79,  A.  4. 
«)  Vgl.  S.  78,  A.  2. 


A  propos;  ich  will  Dir  eine  vorläufige  Adresse  nach  Wien  geben;  an  etc.  per 
Adresse  des  Herrn  Banquier  Moriz  Königswirtber  in  Wien.  Unter  der  Adresse 
kannst  Da  mir  aucb  gleicb  einen  Wecbsel  scbicken,  im  Fall  icb  meinen  Proceß 
gewinne.  Icb  bitte  Dieb,  dummes  BrQdercben,  (denk'  Dir  dabei  Ifflandltchen  Dia- 
lekt),  treibe  Rfitger.^)  Icb  werde  (ganz  ernstbaft  gesprocben)  bald  Geld  gebraacben 
und  wabrscbeinlicb  vor  einigen  Monaten  keines  von  zu  Hause  bezieben  können,  denn 
man  spricbt,  daß  der  Postenlauf  jetzt  ganz  gebemmt  sei. 

A  propos,  bast  Du  meine  3  Briefe  vom  23.,  25.  u.  26.  bekommen?  Der  vom 
25.  ist  mir  der  wicbtigste,  denn  er  entbleit  den  Brief  an  den  Großb erzog.  Ich  babe 
Qber  alle  Scbeine  genommen;  scbreibe,  ob  Du  sie  erbalten  bast  Oberbaupt,  Kerl, 
boffe  icb  in  Wien  bald  Briefe  zu  bekommen  von  Dir,  da  Du  jetzt  Adresse  hast 

Morgen  früh  gehe  icb  mit  dem  PostschiflPe  ab.  Heute  [Qber]  8  Tage  werde  icb 
wohl  da  sein.  Icb  babe  mich  hier  des  Postscbiffes  halber  2^1%  Tage  aufhalten  mQsten. 
Man  erzeigt  mir  viele  Höflichkeiten.  Was  mir  Spaß  macht,  das  Ist,  daß  (obgleich 
die  Zeitungen  sich  gewiß  nicht  überschrieen  haben)  demobnerachtet  jeder,  den  leb  anf 
der  ganzen  Route  hieher  sprach,  von  sjophtbas"  Erscheinung  wußte,  und  darunter 
waren  viele  Kaufleute  und  sonstige  Geschiftsminner,  die  sich  also  nicht  eben  ingst- 
lich  sonst  um  neue  Erscheinungen  in  der  Kunst  zu  bekfimmem  pflegen. 

Adieu,  Bruder,  hier  hast  Du  einen  Brief  (verlangtermaßen),  den  Du,  ohne  ein 
Schelm  zu  sein,  gewiß  nicht  für  ein  rhetorisches  Meisterwerk  auageben  kannst 

Pbiiodikaios. 

VIF. 

Linz,  den  10.  Mirz  1813. 
Bruder! 

Meinen  letzten  Brief  von  Regensburg  wirst  Du  erhalten  haben.    Ich  hielt 

mich  einen  Tag  dort  linger  auf,  als  ich  anfangs  wollte,  denn  ich  hatte  anf  der  Redoote 

ein  himmlisches  Abenteuer  angeknüpft    Item,  es  nahm  den  Tag  darauf  sein  befHe- 

digendes  Ende,  und  24  Stunden   nach   dem   actus  reiste  ich  ab.    Da  die  Teomnc 

fOrcbterlicb  ist,  so  setzte  ich  mich  zur  Ersparung  der  Unkosten  mit  meinem  Bedienten 

auf  das  Postschiff  und  flutete  die  Donau  ganz  flott  hinunter.    Meine  Relaegefllhrten 

sind  zwei  Kaufleute,  der  eine  aus  Neuchatel,  der  andere  aus  Straßbourg.    Der 

jüngere,  sobald  er  hörte,  daß  ich  Musikant  sei,  pries  mir  sogleich  die  «Donannympbe**) 

als  seine  Favoritpiece,  der  ältere  aber  beklagte  sich  bitterlich,  daß  Vinhall*),  der 

ihm  (wie  er  sich  ausdrückte)   manche  kostbare  Stunde  gewibrt  habe,  so  In  Verfall 

komme.    Beide  Kerls  waren  zu  meinem  Unglück  Dilettanten,  der  eine  hatte  sogar 

einmal  in   einem   Picknick   die    zweite  Violine   bei   einem   Pleielscben*)  Qnataor 

gegeigt,  und  überfluteten  mich  nun  mit  musikalischem  Unflat    Um  mich  xn  retten, 

muß  ich  nun  den  ganzen  Tag  Mariage  mit  den  Kerls  spielen.    Denke  Dir  mich,  der 

bisher  keine  Karte  kannte,   Mariage  mit  zwei  Eseln  spielen.    Das  Gesicht,  das  ich 

dabei  mache,  denke  icb   mir,  muß  einem  die  Frage  im  [!]  Munde  legen:  k  quo! 

pensez  vous,  quand  vous  ne  pensez  ä  rien? 


^)  Vgl.  S.  77,  A.  10. 

')  Gemeint  ist  wohl  Ferd.  Kauers  «Donauweibchen"  (1796),  das  1803  eine 
Fortsetzung  «Die  Nymphe  der  Donau"  erhielt 

*)  Job.  Bapt.  Wanhal  (van  Hai),  geb.  1739,  f  26.  Aug.  1813  In  Wien,  schrieb 
sehr  viele  Sympbonieen,  Streichquartette,  Violinduette. 

*)  Ignaz  Pleyel,  1757—1831,  ein  Schüler  Haydns,  ein  sehr  fruchtbarer  Rom* 
ponist,  später  Begründer  eines  Verlags  und  einer  Pianofortefabrik  in  Paris. 


ALTMANN:  MEYERBEER  AN  GOTTFRIED  WEBER 


Die  Fahrt  ging  sehr  schnell,  allein  im  ersten  östreichischen  Flecken  Aschack 
Qberflel  uns  ein  schrecklicher  Sturm,  und  wir  mußten  3  Tage  —  sage  drei  —  still 
liegen«  Aus  lauter  Langeweile  verführte  ich  eine  Kaufmannstochter,  eine  Feldwebels- 
Witwe  und  die  Wirtin  meines  Gasthofes,  oder  vielmehr  sie  verführten  mich,  denn 
ich  habe  nirgends  Pucellage  gefunden,  obgleich  ich  sie  bei  der  erstem  stark  ver- 
mutete; demohnerachtet  waren  alle  3  liebe  Geschöpfe. 

Wihrend  dieser  Quarantine  ließ  ich  mir  auch  Deine  »Abels'-OuvertOre^)  ofc 
im  Kopf  hin  und  hergehen  und  instrumentierte  sie  (im  Kopf  versteht  sich)  mit 
w&tendem  Effekt.    Dabei  muß  ich  Dir  sagen,  ist  es  mir  bestimmt  klar  geworden,  daß 


das  erste 


etc. 


ungeheuer    piano   sein 


muß.  Dieses  kann  auf  zweierlei  Weise  geschehen:  entweder  Du  erfindest  noch  Sor- 
dinen für  Flöten  (für  Klarinetten  und  Homer  sind  sie  schon  erfunden)  und  läßt  die 
ganze  Stelle  con  sordini  exekutieren,  oder  Flöten,  Clarinetten,  Cor  entfernen  sich  bei 
den  letzten  Momenten  des  Allegros  und  blasen  das  Andante  aus  einem  ziemlich  ent- 
fernten Nebenzimmer.  Mache  es,  wie  Du  es  willst,  allein  das  E  dur  muß  ungeheuer 
piano  anfangen;  das  will  ich,  io  el  rey. 

Heute  f^üh  endlich  legte  sich  der  Sturm,  und  um  Vt5  Uhr  früh  fuhren  wir  ab 
und  vor  einer  Stunde  kamen  wir  hier  in  Linz  an.  Wie  ich  aus  dem  SchiflP  steige, 
packt  mich  ein  junger  Mensch  und  fragt  mich,  ob  ich  Meyer  beer  sei.  Auf  meine 
Bejahung  ladet  er  mich  von  Seiten  des  Kapellmeisters  Glöggl*)  ein,  sogleich  zu  ihm 
zu  kommen.  Ich  gehe  hin  u.,  wie  ich  die  Tür  öffne,  tritt  mir  entgegen  —  Vogler; 
Bruder,  ich  dachte,  der  Schlag  trife  mich!  Ich  weinte  vor  Freuden,  küßte  ihm  die 
Hand,  den  Mund.  Wahrhaftig,  ich  liebe  doch  den  alten  Papa  mehr,  als  ich  es  weiß! 
er  ist  auf  der  Reise  nach  Wien  und  hatte  in  den  Münchner  Zeitungen  meine 
Reise  nach  Wien  gelesen;  woher  die  Kerle  das  wissen,  mag  der  Teufel  wissen.  Er 
wir  auch  ganz  fidel,  umarmte  mich  und  gratulierte  mir  vor  der  zahlreichen  Gesell- 
schaft, indem  er  mir  die  Nachricht  mitteilte,  daß  mich  der  Großherzog  von 
Hessen  zu  seinem  Hof-  u.  Kammerkompositeur  ernannt  habe.  (Meine 
Verpflichtung,  wie  er  mir  privatim  sagte,  ist  weiter  keine,  als  von  jeder  größeren 
Komposition,  die  ich  vollendete,  dem  Großherzog  ein  Exemplar  zu  schicken,  wofür 
ich  jedesmal  aparte  honoriert  werde).  Du  kannst  Dir  denken,  wie  frappiert  ich  war, 
da  ich  von  der  Geschichte  kein  Wort  ahnte.  Der  Großherzog,  der  mich  in  Paris 
glaubte,  hat  mir  mein  Patent  mit  einem  eigenhändigen  Briefe  dortbin  geschickt. 
Betrachte  übrigens  diese  Erzählung  noch  als  eine  Konfldenz,  denn  bis  ich  dem 
Großherzog  schriftlich  gedankt  und  mein  Patent  von  Paris  zurückbekommen 
habe,  darf  dieses  des  Anstandes  halber  nicht  öffentlich  bekannt  werden,  wie  mir 
Vogler  sagte.  Dann  aber  auch  Du  kannst  Dir  denken,  wie  viel  mir  unter  den  jetzigen 
Umständen  daran  liegt,  bestimmt  zu  wissen,  ob  der  Großherzog  meine  Partitur  und 
Brief  von  Dir  erhalten  hat.  Den  letzteren  schickte  ich  Dir  von  Neustadt  an  der  Aisch 
(anbei  auch  den  Schein).  Melde  mir  sein  Erhalten  und  Deine  Expedition  gefälligst  bald 
nach  Wien.   Adieu,  in  einer  Viertelstunde  gehe  ich  wieder  auf  mein  Schiff  nach  Wien. 


M  Vgl.  S.  79,  A.  4. 
«)  Vgl.  S.  78,  A.  2. 


82 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


VIII. 

Wien'),  d.  28.  Mirz  1813. 
Bruder! 

Deinem  Wunsche  gemäß  sende  ich  Dir  hier  einige  Opernbficher  zum  Kompooiereo. 
Daß  die  Sujets  gut  sind,  kann  ihnen  gewiß  Icein  Mensch  vorwerfen,  demohnerachtet 
aber  enthalten  sie  treffliche  musikalische  Situationen,  passen  also  excellent  f&r  Deinen 
Gebrauch.  Ich  habe  Dir  von  mehreren  Genres  gekauft,  damit  Du  für  Jede  Laune 
einen  Sfindenbock  hast.  Verbrauche  es  mit  Gesundheit  und  Nutzen  und  schreibe  mir 
gleich,  wenn  Du  dieses  Vierteldutzend  verbraucht  hast,  damit  ich  wieder  welche  einkaafe. 

Fragen. 

1.  Warum  schreibst  Du  mir  nicht?  ich  habe  Dir  ja  schon  von  Regen sburg 
aus  geschrieben,  daß  Du  mir  per  adresse  Moritz  Königswirthera  schreiben  sollat. 

2.  Warum  schickt  Dusch ^  vom  Karol')  nichts? 

3.  Habe  ich  denn  meinen  Prozeß^)  noch  nicht  gewonnen? 

Ph. 

IX. 
Paris,  d.  5.  December  1814  [verschrieben  statt  5.  Januar  1815]. 

Lieber  Bruder! 

Um  Dich  zu  überzeugen,  daß  ich  wenigstens  den  guten  Willen  habe,  prida  zu 
werden,  so  antworte  ich  Dir  in  der  nimlichen  Stunde,  wo  ich  Deinen  Brief  erhalte. 
Das  ist  aber  auch  alles,  was  ich  leider  in  diesem  Augenblick  tun  kann.  Die  Wunder- 
werke der  Kunst  und  Natur  und  besonders  die  Theater  haben  sich  meines  ganzen  Wesens 
mit  einer  solchen  Wut  bemichtiget,  es  ist  eine  solche  geistige  Genußsucht  in  mich  ge- 
fahren, daß  ich  von  Museum  zu  Museum,  von  Bibliothek  zu  Bibliothek,  von  Theater  zu 
Theater  etc.  mit  einer  Rastlosigkeit  wandre,  die  dem  ewigen  Juden  Ehre  machen  wQrde. 

Unter  solchen  Umständen  wirst  Du  es  begreiflich  finden,  wenn  Ich  Dich  yer- 
sichere,  daß  ich  bis  jetzt  kaum  3  oder  4  meiner  Empfehlungsbriefe  abgegeben  habe. 
(Die  Sachen  haben  mich  bis  jetzt  so  interessiert,  daß  ich  noch  gar  nicht  dasu  ge- 
kommen bin,  mich  um  die  Menschen  zu  bekümmern.)  Ich  bin  daher  In  diesem 
Augenblick  noch  in  die  [!]  Verhältnisse,  deren  Kenntnisse  es  bedfirfte,  um  Deine 
Aufträge  vollfuhren  zu  können,  so  fremd,  als  ich  es  nur  immer  vor  meiner  Ankunft 
in  Paris  sein  konnte.  Ich  furchte  daher,  daß  ich  in  diesem  Augenblicke  durchaus 
nichts  Schriftliches  für  den  Chronometer  (in  Paris)  werde  tun  können.  DafQr  werde 
ich  aber  sogleich,  wie  ich  Deinen  Aufsatz'^)  erhalte,  einen  Auszug  davon  In  die 
»Friedensblätter"  nach  Wien  senden  und  durch  diese  Gelegenheit  Dich  mit  dem 
Redakteur  derselben  Dr.  Bernard^)  in  Verbindung  setzen;  den  ganzen  Aufsatz  selbst 
werde  ich  an  Mosel ^  senden,  daß  er  ihn  in  die  »Wiener  Litteratur-Zeltung*  (das 


^)  Hier  wohnte  Meyerbeer  mit  seinem  Diener  in  dem  später  auch  durch  Brahma 
berfihmt  gewordenen  »Roten  Igel**. 

«)  Vgl.  S.  76,  A.  11. 

•)  Vgl.  S.  77,  A.  7. 

*)  Vgl.  S.  77,  A.  10. 

*)  Ober  chronometrische  Tempobezeichnung  überhaupt  und  insbesondere  gegen 
die  Einführung  der  J.  Mälzeischen  Taktmessungsmaschine.    (Erschien  erst  1817.) 

^)  Dessen  Oratorium  »Der  Sieg  des  Kreuzes*  wollte  Beethoven  kompenleran« 

')  Ignaz  Franz  Mosel,  1772—1844.  Sein  »Versuch  einer  Ästhetik  des  dra- 
matischen Tonsatzes*  erschien  1813. 


83 
ALTMANN:  MEYERBEER  AN  GOTTFRIED  WEBER 


einzice  respektable  östreicbische  Blatt  in  scientiflscber  Hinsichi)  besorgt.  A  propos, 
besser  wäre  es  nocb.  Du  rezensiertest  Mos  eis  »Aestbetik*  gleicb,  sendest  mir  das 
Manuskript:  ich  scbicke  es  dem  Redakteur  der  Wiener  Litteratur-Zeitung  (dem 
Bruder  des  berfibmten  Collin)')  nebst  Deiner  Cbronometer-Gescbichte  und  gebe 
ihm  zu  verstehen,  daß  er  Dieb  zum  Mitarbeiten  auffordern  soll.  Mosein  zeige  ich 
aUy  daß  Deine  Rezension  von  seiner  »Aestbetik*  in  der  Wiener  LitteraAr-Zeitung 
abgedruckt  wird  (was  ihm  ohnedem  das  liebste  Blatt  ist)  und  er  sich  bei  Dir  bedanken 
soll:  so  ist  gieicherzeit  die  Verbindung  mit  Mosel  und  der  Litteraturzeitung  angeknfipft. 
Laß  mich  hierfiber  Deine  Willensmeinung  wissen.  Da  flllt  mir  eben  ein,  aus  Deinem 
Brief^ scheint  hervorzugehen,  daß  Milzel*)  in  Paris  ist.  Ich  will  ihn  daher  aufsuchen 
und  sehen,  ob  ich  nicht  durch  seine  Vermittelung  etwas  in  die  Journale  rocken  lassen  kann. 

A  propos.  Hast  Du  denn  unserer  Verabredung  gemäß  an  die  »Musikalische 
Zeitung*  geschrieben*)  und  sie  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  ich  in  Paris  bin 
und  sie  mich  zum  Mitarbeiten  auffordern  sollen.  Suche  es  doch  möglich  zu  machen, 
daß  ich  mit  Rochlitz^)  persönlich  in  Korrespondenz  komme. 

So  ~  Von  Geschiften  habe  ich  Dir  nun  heute  nichts  mehr  zu  reden  und  doch 
noch  ein  kleines  Fleckchen  Papier  fibrig.  Das  will  ich  dazu  anwenden,  um  Dir 
meinen  Dank  für  den  höchst  angenehmen,  fldelen,  echt  kfinstlerisch  verlebten  Tag 
zu  sagen,  den  ich  bei  Dir  in  Mainz  zugebracht  habe.  Ich  kann  Dir  indeß  nicht 
verhehlen,  daß  Deine  jetzige  Lage,  die  in  gesellschaftlicher  und  k&nstlerischer  Hin- 
sicht so  ^nzlich  isoliert  ist,  mich  zu  einigen  Reflexionen  Veranlaßt  hat,  die  ich  für 
meine  Schuldigkeit  halte,  Dir  mitzuteilen.  Du  hast  (nach  meiner  individuellen 
Empfindung)  trotz  Deines  großen  Talentes  das  Erbübel  aller  Künstler,  die  spit  an- 
langen: man  sieht  die  Fugen  des  Gebiudes,  man  sieht  das  Skelett  durchs  Fleisch 
schimmern,  und  mich  dünkt,  zu  der  fast  magischen  Wirkung  der  Musik  gehört  es 
auch,  im  Augenblick  des  Hörens  das  (Wie  ist  das  gemacht?)  nicht  ergründen  zu 
können.  Das  ist  es,  was  mich  manchmal  an  Deinen  Musiken  genierte,  und  nicht, 
wie  ich  bisher  flilscblich  wihnte,  einige  Tendenz  zur  Steifheit.  Ich  habe  neulich  in 
Mainz  manche  der  Stellen  untersucht,  die  mir  steif  schienen  und  sie  so  rund,  so 
eurhythmisch  als  möglich  gefunden.  Es  wire  unbegreiflich,  daß  bei  Deinem  wenigen 
Schreiben  sich  dieser  Obelstand  so  gar  nicht  wesentlich,  so  durchaus  nur  einzeln, 
isoliert  vorfindet,  wenn  es  sich  nicht  daraus  erklärte,  daß  Du  bisher  so  viel  gehört 


')  Heinrich  von  Collin,  1771-1811,  Verf.  der  Tragödien  »Regulus*  und 
vCorioIan";  letztere  durch  Beethovens  Ouvertüre  berühmt  geworden;  Matthäus 
von  CoIIin,  1770-1823,  schrieb  auch  Tragödien;  sein  Gedicht  «Der  Zwerg*  lebt 
durch  Franz  Schuberts  Komposition  fort. 

•)  Vgl.  S.  77,  A.  1. 

*)  Erst  am  5.  Februar  1815  schrieb  Weber  an  die  Redaktion  der  »Allgemeinen  Mu- 
sikalischen Zeitung*  in  Leipzig:  »Meyerbeer  ist  vor  kurzem  von  Wien  hier  durch  nach 
Paris  gereist;  er  gedenkt  dort  wenigstens  zwei  bis  drei  Jahre  zu  bleiben  und  hat  mir 
geäußert,  daß  er  von  dort  aus  recht  gern  Korrespondent  der  Allgemeinen  Musikalischen 
Zeitung  werden  wolle,  wenn  Sie  ihm  desfalls  schreiben  wollten.  Ich  glaube,  daß  Sie  nicht 
leicht  einen  bessern  Korrespondenten  dort  finden  werden,  da,  wenigstens  nach  meinem 
Ermessen,  seine  Kunstansichten  die  trefflichsten  und  gediegensten  sind,  da  er  wissen- 
schaftlich und  litterarisch  sehr  gebildet  und  als  ausübender  Künstler  sehr  achtungswert  ist.* 

*)  Job.  Friedr.  Rochlitz,  1769-1842,  von  1708-1818  Redakteur  der  Leipziger 
»Allgemeinen  Musikalischen  Zeitung*,  bekannt  durch  sein  vierbändiges  Werk  »Für 
Freunde  der  Tonkunst*. 


JmBS  DIE  MUSIK  VII.  20.  SK 

hast,  was  doch  auch  immer  eine  wenn  auch  nur  passive  Reibung  ist  Allein  jetxt  flilfr 
dieses  weg,  und  es  ist  daher  nach  meiner  aufrichtigen  Meinung  die  höchste  Notwendig- 
keit, daß  Du  schreibst,  viel  schreibst,  wenn  Du  nicht  schlechter  werden  willatt 

Ich  schicke  Dir  beiliegend  Stoff  zu  einer  kleinen  Arbeit.  Dieses  Melodram  is. 
mir  von  einem  mir  bekannten  französischen  Schauspieler  präsentiert  worden,  um  et 
für  ihn  zu"  schreiben,  weil  er  eine  Reise  durch  die  Provinzen  macht,  wo  die  Tragödie 
überall  sehr  schlecht  bestellt  sein  soll.  Es  geflllt  mir  ganz  wohl,  und  ich  wfirde 
es  komponiert  haben,  wenn  ich  jetzt  nicht  zu  zerstreut  zum  Arbeiten  wire.  Auch 
fQr  Dich  scheint  mir  es  passend  zu  sein,  denn  es  ist  in  dem  Genre  wie  »Abel*^), 
den  Du  zu  lieben  scheinst,  und  hat  den  Vorzug,  daß  man  es  auch  auf  dem  T^ater 
bringen  kann.  Einige  wesentliche  Verbesserungen,  die  t>ei  der  Obersetzung  anzu- 
bringen wiren,  springen  so  in  die  Augen,  daß  ich  es  für  überflfissig  halte,  das  Papier 
damit  zu  belästigen. 

In  Eile.    Adieu,  lieber  Bruder. 

Viele  Grliße  an  Deine  liebe  Frau,  obgleich  sie  mich  so  hart  in  puncto  des 
Geldes  behandelt  hat.  Es  ist  indes  ihr  Schade,  denn  bei  einer  billigem  Behandlung 
wäre  es  mir  auf  einen  großen  Taler  Trinkgeld  nicht  angekommen.  Schön bergert 
sind  hier;  ich  habe  sie  ganz  zufällig  angetroffen.  Gesungen  hat  sie  noch  nicht  (Wie 
ist  denn  das  mit  dem  Darmstädter  Theater?) 

Bruder.  Ich  habe  diesen  Brief  noch  einen  Tag  liegen  lassen,  damit  er  gerade 
an  Deinem  Namenstag  (Dreikönigstag)  abgehe.  —  Meinen  herzlichen  Glfickwnnach 
und  Kuß  in  Gedanken.  Alter,  erinnerst  Du  Dich  wohl  noch,  daß  sich  vor  vier 
Jahren  um  eben  diese  Zeit  unsre  Verbrüderung  anknüpfte.  Ich  hatte  24  Stunden 
vor  Deinem  Namenstag  Mannheim  verlassen,  wo  ich  Dich  zum  ersten  Mal  besucht 
hatte,  und  schrieb  Dir  meinen  ersten  Brief  zu  Deinem  Namenstag.  ~  Wie  wird  es 
in  vier  Jahren  von  hier  mit  uns,  mit  unserm  Rufe  stehen?  Mit  unsrer  Freundschaffr» 
hoffe  ich,  beim  Alten,  denn  die  hat  ja  allen  Orkanen  des  Stillschweigens  getrotzt 

X. 

Paris,  den  14.  Februar  1815. 
Lieber  Bruder! 

Solltest  Du  es  glauben,  daß  ich  MälzeP)  erst  vor  ungefähr  fünf  Tagen  hal>e 
auffinden  können,  und  auch  seitdem  habe  ich  ihn  immer  nur  im  Fluge  sprechen 
können,  denn  er  läuft  jetzt  den  ganzen  Tag  herum,  besucht  jeden  berühmten  Kom- 
ponisten und  läßt  sich  von  ihm  die  Tempos  seiner  bekanntesten  Sachen  zeigen.  Da 
er  jedem  Komponisten  einen  sehr  sauber  gearbeiteten  Chronometer  (Metronometre 
heißt  es  jetzt)  schenkt,  allen  Journalisten  die  Cour  macht  und  in  14  Tagen  von  hier 
allen  diesen  Herren  ein  großes  Diner  geben  wird,  so  kannst  Du  Dir  wohl  denken, 
daß  er  hier  alles  durchsetzen  wird.  (Schreibe  mir  doch,  was  Du  für  Antwort  vom 
Conservatoire  bekommen  hast).  Sobald  er,  wie  er  mir  versprochen  hat,  mich  mit 
seinem  Metronometre  besuchen  wird,  so  werde  ich  Dir  nähere  Auskunft  fil>er  das 
Ding  geben.  Er  behauptet,  seit  einiger  Zeit  noch  neue  Verbesserungen  daran  gemacht  zu 
haben.  Es  versteht  sich  von  selbst,  daß  Du  diese  Notizen  nicht  öffentlich  benutzest, 
indem  er  mir  das  so  im  Vertrauen  mitgeteilt  bat,  da  wir  uns  ziemlich  genau  kennen. 

Die  Aufsätze,  die  Du  mir  über  denselben  Gegenstand  zugeschickt  hast,  haben 
mir  so  viel  Vergnügen  gemacht,  dsß  ich  sie  mehrere  Male  durchgelesen  habe.    Es 


')  Vgl.  S.  81,  A.  1. 
«)  Vgl.  S.  77,  A.  1. 


EINIGES  ÜBER 
TRISTAN  UND  ISOLDE 

ANGEREGT  DURCH  ULLI  LEHMANNS: 
.STUDIE  ZU  TRISTAN  UND  ISOLDE' 

TOD  Ejoar  Forchhammer-Fnuikfnrt  i.  M. 


SdiluB 

Zweiter  Akt 

Wer  den  zweiten  Akt  von  .Tristan  und  Isolde*  ttennt,  wer  in  diesen 
:rgleichlicben  Schönheitsbronnen  untergetaucht  ist,  der  mdchte  wohl  am 
tcn  auf  alles  andere  verzichten,  nur  um  sich  Ober  seine  dJcbleriscbeo 
musikalischen  Schönheiten  begeistert  auszulassen.  So  verlockend  es 
^ein  könnte,  auf  all  das  Wunderberrliche  aufmerksam  zu  machen, 
;:;  CS  doch  außerhalb  des  von  mir  io  diesem  Au^lz  Beabsichtigten 
.:  auGerdem  von  anderen  viel  besser  gemacht  worden,  als  ich  es  tun 
Ich  will  deshalb  lieber  Altbekanntes  fibergeheo  und  nur  einzelne 
.  die  ich  von  einem  neuen  oder  jedenfalls  bisher  nicht  genQgend 
'.'icn  Gesichtspunkte  aus  zu  beleuchten  imstande  bin,  herausgreifen, 
'unlchst  muQ  ich  Litli  Lehmann  vollkommen  beistimmen,  wenn  sie 
oüo  Szene  zwischen  Tri;  ond  Isolde  .keusch"  nennt.  Sie  ist 
trotz  der  ins  Ungeheuerliche  gesteigerten  Leidenschaft,  eine  der 
-Mta  Liebesszeoen,  die  die  Pliantasie  eines  Dichters  je  ersonnen 
I  sie  nicht  allein  ohne  eine  Spur  von  Frivolität,  sondern  sogar  ohne 
eil  ist.  Alles  ist  über:  ilich,  vergeistigt  und  beseelt. 
Tristan  und  Isolde  im  ersten  Akt  nur  angesichts  des  nahen 
linder  ihre  Liebe  gestehen,  so  ist  io  ihrer  grolleo  Szene  im 
t. der  Tod  immer  dei  dritte  Im  Bunde.  In  Sehnsucht  nach  dem 
V  Allein  vereinigen  kann,  löst  sich  ihre  Liebessehnsucbt  auf. 
'en  stürmischen  Begrüßung,  und  nachdem  sie  sich  in  dem 
und  Nachigesprlch  über  alles,  was  sie  getrennt,  über 
mit  all  se      m  Lug  und  Trug  ausgesprochen  haben, 

"  kerolc  e-  almm  mich  auf 

tle^  In  deinen  SchoO, 

IBse  von 

der  Teil  mich  loci 

■    1r  sie  nur  der  Tod  sein  kann,  wihreod 

n  ist,  das  wissen  sie  ja  eigentlich, 

»  verzweifelten  Ausruf:  .Muß  ich 

Jetzt  erst  sprechen   sie   es  aber 


86 
DIB  MUSIK  VII.  20. 


Dleie  4  Fttgea,  lieber  Bruder,  (loclualvc  der  von  der  Mosaischen  Sesenslon) 
nebsi  Nschrictaten  von  unsem  dentsctaen  Freunden  und  denisctieii  Knniterelfnlssen 
(wenn  welcbe  Tonehllen  sind)  werden  boBCnillcb  einen  Teil  Deines  nietasten  Briefes 
«usmacbeo,  den  leb  recbt  nibe  hoffe;  denn  Ich  weiß  nicht,  warum,  Bmder,  aber  Dn 
bial  mir  )etit  wieder  mehr  als  jemals  am  Herten  lewacbaen,  vielleicht  weil  Ich  selbst 
ein  wenig  besser  fewotden  bfn.  Nimm  es  nicht  übel,  wenn  das  etwa  wie  sin  Kompllmmt 
IcliDct;  es  Ist  nicht  so  bOte  gemeint 

Ich  bebe  mir  elgenilicta  vorgenommen  gehabt.  Dich  heute  ein  wenig  von  dem 
muslkalischeo  Paris  lu  unterhalten,  allein  ich  sehe  mit  Schreck,  4aD  Ich  nur  noch 
Gber  eine  Seite  lu  dlapooleren  habe,  und  das  verlohnt  sich  nicht  der  Mflhe  snin- 
fangen.  (Soviel  wire  kaum  hinreichend,  um  von  der  Caialani')  in  sprechen). 
Tsbrllch  Paris  Ist,  besonders  für  mich,  den  Litterstur,  Kunat,  Theatar  nnd  die  groBe 
Telt  gleich  stark  Interessiert,  ein  wsbrer  Abgrund  von  geistigen  Gen&ssen,  nnd  Atst  werde 
ich  geneigt,  der  etwas  ketierlschen  Betasupinng  einer  geistreichen  Schrlttstellerln  belin- 
Btimmen;  .Parta  est  le  Heu  od  I'on  peut  le  plua  slaement  ae  patser  du  bonhenr." 

Genug  für  beute  Bruder;  nur  noch  In  sller  Eile  Antwort  auf  Deine  Frage  wegea 
kleiner  franiSsiscber  Operetten,  die  ohne  Aufwand  und  leicht  lu  geben  sind:  La 
chambre  ft  conchei*);  Le  nouveau  selgneur  duvillage');  Lnlly  et  QulnauU*);  Le  mari 
de  circonsUnce');  Le  blllet  de  lottcrie<)  sind  bis  snf  No.  2  ohne  Chor  nnd  hst  ohne 
Dekorstion  lu  geben  und  dsbel  sllerllebst 

Adieu.  Scbreibe  mir  kflnftlg  direkt  unter  folgender  Adresse:  Rne  de  Richellma 
No.  71  pifis  l'op6ra. 


■}  Angelica  Catalanl,  geb.  HSO,  die  berQhmte  Uogerin,  war  nsdi  Nspoleon* 
Sturi  1814  nach  I>srls  lurGckgekehrt  und  hatte  in  Auftrag  KSnIg  Lndsrlgs  XVIII.  dia 
Direktion  des  .TbCitre  Italien'  mit  einer  Subvention  von  160000  Frsnka  fibemommaa. 

■)  Text  von  Scrlbe,  Musik  von  Guenfie  (1813). 

')  Musik  von  Bolcldicu  (1813). 

*)  Musik  von  Ntcolo  (1812). 

>)  Mnsik  von  Plantade  (1813). 

*)  Musik  von  Nicolo  (mit  der  such  In  DentiehlHd  viel  gaanncanan  Sopraa- 
srle  »Nein,  Ich  singe  nlcbt,  mein  Herr*). 


EINIGES  ÜBER 
TRISTAN  UND  ISOLDE 


ANGEREGT  DURCH  ULLI  LEHMANNS: 
.STUDIE  ZU  TRISTAN  UND  ISOLDE« 

von  Ejnar  Forchhammer-Frankfurt  a«  M. 


Zweiter  Akt 


Schlua 


Wer  den  zweiten  Akt  von  »Tristan  und  Isolde«  kennt,  wer  in  diesen 
unvergleichlichen  Schönheitsbronnen  untergetaucht  ist,  der  möchte  wohl  am 
liebsten  auf  alles  andere  verzichten,  nur  um  sich  fiber  seine  dichterischen 
und  musikalischen  Schönheiten  begeistert  auszulassen.  So  verlockend  es 
auch  sein  könnte,  auf  all  das  Wunderherrliche  aufmerksam  zu  machen, 
so  liegt  es  doch  außerhalb  des  von  mir  in  diesem  Aufsatz  Beabsichtigten 
und  ist  außerdem  von  anderen  viel  besser  gemacht  worden,  als  ich  es  tun 
könnte.  Ich  will  deshalb  lieber  Altbekanntes  fibergehen  und  nur  einzelne 
Punkte,  die  ich  von  einem  neuen  oder  jedenfalls  bisher  nicht  genügend 
beachteten  Gesichtspunkte  aus  zu  beleuchten  imstande  bin,  herausgreifen. 

Zunächst  muß  ich  Lilli  Lehmann  vollkommen  beistimmen,  wenn  sie 
die  große  Szene  zwischen  Tristan  und  Isolde  »keusch*  nennt.  Sie  ist 
wohl,  trotz  der  ins  Ungeheuerliche  gesteigerten  Leidenschaft,  eine  der 
keuschesten  Liebesszenen,  die  die  Phantasie  eines  Dichters  je  ersonnen 
hat,  weil  sie  nicht  allein  ohne  eine  Spur  von  Frivolität,  sondern  sogar  ohne 
Sinnlichkeit  ist.    Alles  ist  übersinnlich,  vergeistigt  und  beseelt. 

Wie  Tristan  und  Isolde  im  ersten  Akt  nur  angesichts  des  nahen 
Todes  einander  ihre  Liebe  gestehen,  so  ist  in  ihrer  großen  Szene  im 
zweiten  Akt  der  Tod  immer  der  dritte  im  Bunde.  In  Sehnsucht  nach  dem 
Tode,  der  sie  allein  vereinigen  kann,  löst  sich  ihre  Liebessehnsucht  auf. 
Nach  ihrer  ersten  stürmischen  Begrüßung,  und  nachdem  sie  sich  in  dem 
sogenannten  Tag-  und  Nachtgespräch  über  alles,  was  sie  getrennt,  fiber 
den  tfickischen  Tag  mit  all  seinem  Lug  und  Trug  ausgesprochen  haben, 
sind  ihre  ersten  Worte: 


O  sink'  hernieder, 
Nacht  der  Liebe, 
gib  Vergessen, 
daß  ich  lebe; 


nimm  mich  auf 
in  deinen  Schoß, 
löse  von 
der  Welt  mich  los! 


Daß  diese  «Nacht  der  Liebe*  für  sie  nur  der  Tod  sein  kann,  während 

der  Tag  das  ihrer  Liebe  feindliche  Leben  ist,  das  wissen  sie  ja  eigentlich, 

seit  Isolde  sich  auf  dem  Schilf  mit  dem  verzweifelten  Ausruf:  «Muß  ich 

eben*   an   Tristans   Brust  geworfen.    Jetzt   erst  sprechen   sie   es  aber 


88 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


m 


deutlich  aus;  und  Tristan  ist  es,  der  Isolde  dazu  bringt,  es  auszusagen. 
Sobald  sie  dies  getan,  sobald  sie  ausgesprochen  hat:  daß,  wenn  Tristan 
stürbe,  ihm  der  Tod  nicht  „anders  als  mit  Isoldes  eignem  Leben*  gegeben 
werden  könnte,  sieht  Tristan  sie  lächelnd  an:  sie  haben  sich  wieder  voll- 
kommen verstanden;  er  zieht  sie  langsam  und  feierlich  an  sein  Herz  und 
schildert  nun  —  die  Geliebte  innig  umarmend  —  die  Seligkeit  der  .Nacht 
der  Liebe",  wenn  sie  beide  „stürben*: 

So  stürben  wir,  ohn'  Erbangen, 

um  ungetrennt,  namenlos 

ewig  einig  in  Lieb'  umfangen, 

ohne  End',  ganz  uns  selbst  gegeben, 

ohn'  Erwachen,  der  Liebe  nur  zu  leben ! 

In  erhabener  Ekstase  wiederholt  Isolde  die  ersten  Worte: 

So  stürben  wir, 
um  ungetrennt  — 

Tristan  spinnt  den  Faden  weiter  mit  den  zwei  folgenden  Worten, 
und  der  ganze  „Sterbegesang*  wird  in  dieser  Weise  Wort  für  Wort,  ohne 
eine  einzige  Änderung  als  Zwiegesang  zu  Ende  geführt. 

Der  Wagnerkenner  wird  wahrscheinlich  hier  eine  kleine  Pause  machen 
und  sich  verwundert  fragen,  warum  ich  wohl  Tristan  „so  stürben  wir* 
singen  lasse,  trotzdem  Wagner  doch  sowohl  in  der  Dichtung  wie  in  der 
Partitur  „starben*  geschrieben  hat;  ich  werde  antworten:  weil  ich  dies 
„starben*  als  einen  einfachen  Schreibfehler  Wagners  betrachte.  Wir 
haben  am  Anfang  dieses  Aufsatzes  einen  Fall  besprochen,  wo  Wagner  aus 
Versehen  „Westen*  statt  „Osten*  sowohl  in  der  Dichtung  wie  in  der  Par* 
titur  geschrieben  hat.  So  etwas  kann  also  bei  Wagner  vorkommen  —  und 
ich  wage  zu  behaupten,  daß  er  kein  Mensch  gewesen,  wenn  in  diesen  nach 
allen  Richtungen  hin  gigantischen  Werken  nichts  derartiges  zu  finden 
wäre.  Die  Möglichkeit  muß  also  immerhin  zugegeben  werden,  daß  es 
sich  auch  bei  dem  Worte  „starben*  um  einen  Schreibfehler  handeln 
könnte.  Wie  sollte  man  sich  denn  sonst  die  Form  erklären?  Chamberlain 
faßt  sie  in  seinem  großen  Werk  „Richard  Wagner*  rein  indikativisch 
auf:  Tristan  und  Isolde  haben  sich  von  der  Welt  losgelöst,  sind  unserer 
Sinnenwelt  gestorben  und  können  also  in  Wahrheit  sagen:  „so  starben 
wir*.  —  Dazu  ist  nun  zu  sagen,  daß  nicht  Tristan  und  Isolde  dies  sagen: 
Nur  Tristan  erhebt  sich  —  wenn  wir  das  „starben*  so  verstehen  —  zu 
dieser  Ekstase,  während  Isolde  dann  bei  der  im  übrigen  wörtlichen 
Wiederholung  konjunktivisch  sagt:  „so  stürben  wir*.  Ich  frage  nun:  ist 
es  denkbar,  daß  Wagner,  der  unvergleichliche  Meister  der  Steigerung,  eine 
so  unglaublich  ernüchternde.  Ab  Schwächung  wirklich  beabsichtigt  haben 
sollte,  daß   er  Tristan  in   der  höchsten  Ekstase  anfangen  läßt,   um  dann 


89 
FORCHHAMMER:  TRISTAN  UND  ISOLDE 


J& 


Isolde  nüchtern  und  pedantisch  sagen  zu  lassen,  daß  er  sich  geirrt,  daß 
sie  noch  gar  nicht  gestorben  sind? 

Nein,  indikativisch,  wie  Chamberlain  meint,  kann  das  «starben* 
nicht  gedacht  sein.  Übrig  bleibt  also  nur  die  Möglichkeit,  die  Form  k  o  n  j  u  n  k  • 
tivisch  —  also  ungefähr  gleichbedeutend  mit  »stürben*  —  aufzufassen. 
Wäre  es  aber  in  diesem  Falle  nicht  ganz  vernünftig,  eine  Form,  die  selbst 
einen  Chamberlain  zu  ganz  augenscheinlichen  Mißverständnissen  verleitet, 
durch  eine  ungefähr  gleichlautende,  die  jedes  Mißverständnis  ausschließt, 
zu  ersetzen?  Ich  halte  das  jedenfalls  für  pietätvoller,  als  das  starre  Fest« 
halten  iam  überlieferten  Wort. 

Aber,  wie  gesagt,  das  „starben*  ist  zweifellos  weder  indikativisch 
noch  konjunktivisch  gedacht,  sondern  einfach  ein  Schreibfehler.  Die  wunder- 
bare Wirkung  dieser  Stelle  beruht  ja  zum  Teil  gerade  darauf,  daß  sie  — 
von  Tristan  zuerst  gesungen  —  unverändert  als  Wechselgesang  von  beiden 
wiederholt  wird.  Jawohl,  wird  der  Leser  vielleicht  sagen,  kann  dann  aber 
nicht  ebenso  gut  das  bei  der  Wiederholung  von  Isolde  gesungene  »stürben* 
ein  Schreibfehler  für  »starben*  sein?  Gewiß,  möglich  wäre  dies  natürlich; 
ich  halte  es  aber  für  im  allerhöchsten  Grade  unwahrscheinlich.  Ich 
bitte  den  verehrten  Leser,  das  vorhergehende  Gespräch  von  Isoldens  Wort: 

Tag  und  Tod,  tollten  unsre 

mit  gleichen  Streichen,  Lieb'  erreichen? 

an  durchzulesen.  Er  wird  dann  sehen,  daß  die  ganzen  Auseinandersetzungen 
konjunktivisch  gehalten  sind.  Sie  versuchen  darüber  zur  Klarheit  zu 
kommen,  was  aus  ihrer  Liebe,  die  sie  als  ewig  und  unsterblich  fühlen, 
werden  würde,  wenn  Tristan  stürbe.  Das  »Sterbelied*  ist  eine  direkte 
Fortsetzung  hiervon,  und  jeder,  der  das  Ganze  im  Zusammenhang  liest, 
muß  empflnden,  daß  es  unnatürlich  und  gezwungen  wäre,  wenn  hier  das 
»stürben*  plötzlich  in  ein  »starben*  überschlüge.  — 

Der  jähe  Abschluß  der  gewaltigen  Liebesszene  wird  auf  vielen 
Bühnen  nicht  richtig  gemacht,  trotzdem  gerade  hier  ein  genaues  Überein- 
stimmen zwischen  Handlung  und  Musik,  ein  peinliches  Befolgen  der  Vor- 
schriften des  Dichters  von  der  allergrößten  Wichtigkeit  ist.  Erstens  hört 
man  —  wie  Lilli  Lehmann  richtig  bemerkt  —  nie  den  von  Wagner  vor- 
geschriebenen Schrei  Brangänens.  Dann  kommt  diese  meistens  auch  viel 
zu  früh  vor,   um  die  Liebenden  auseinander  zu   reißen.     Oft  sind  diese 

allerdings  schon  bei  Kurwenals: 

Rette  dich,  Tristan! 
auseinander  gefahren,  so  daß  Brangänens  Erscheinen  ganz  überflüssig  wird. 
Wagner   schreibt  ausdrücklich   vor,   daß   Marke   und   sein  Gefolge    »der 
Gruppe  der  Liebendeq  gegenüber  entsetzt  anhalten  soll*.    Zu- 
gleich kommt  Brangäne  von  der  Zinne  herab   und  stürzt  auf  Isolde  zu. 


00 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


Dies  muß  —  genau  übereinstimmend  mit  der  Musik  —  folgeüdermafien 
ausgeführt  werden:  Sobald  der  hastige  synkopierte  Lauf  der  Streicher  ein- 
setzt, tritt  Marke  mit  Melot  und  den  Hofleuten  auf,  sie  gehen  «lebhaft 
nach  dem  Vordergrunde*,  so  daß  sie  am  Schluß  dieses  Laufes  soweit  vor- 
geschritten sind,  wie  sie  überhaupt  kommen  sollen,  und  beim  ff-Tniti- 
Akkord  «entsetzt  anhalten*".  Zugleich  ist  Brangäne  aufgetreten  und  reißt 
bei  demselben  j^'A^l^oi'd  Isolde  aus  Tristans  Armen.  Bis  zu  diesem 
Moment  dürfen  die  Liebenden  in  ihrer  weltentrückten  Entzückung  nicht 
ahnen,  was  um  sie  herum  geschieht. 

Nach  dem  ersten  Abschnitt  des  langen  Klageliedes  König  Markes: 


Wohin  nun  Treue, 

da  Tristan  mich  betrog? 

Wohin  nun  Ehr' 

und  echte  Art, 

da  aller  Ehren  Hort, 

da  Tristan  sie  verlor? 


Die  Trisun  sich 

zum  Schild  erkor. 

Wohin  ist  Tugend 

nun  entflobn, 

da  meinen  Freund  sie  flieht, 

da  Tristan  mich  verriet? 


bringt  das  Orchesterzwischenspiel  ein  ganz  neues  Thema: 


Motiv  5. 


PyFF»^ 


Ä 


!>■»•  b. 


=x 


t^ 


das  —  wie  mir  Kapellmeister  Dr.  Kunwald  zuerst  gezeigt  hat  —  eine 
Umkehrung  des  oben  viel  besprochenen  Motivs  1  (s.  VII.  10.  S.  39),  so 
wie  es  in  Tristans  Sühneeid  vorkommt,  ist. 


:^;ii^:z±t^ 


^ 


t 


Tri  -  stans    Eh  -  re  —  hoch  -  ste    Treu'! 

Die  Umkehrung  dieses  Motives,  die  nach  den  Worten  Markes  ertönt, 
während  Tristan,  nach  der  Regievorschrift  Wagners,  »langsam  den  Blick 
zu  Boden  senkt*,  kann  nicht  anders  aufgefaßt  werden  als  etwa: 

Tristans  Schmach: 

höchste  Untreu'. 

Wenn  man  diese  Bedeutung  des  Motivs  5,  .das  die  ganze  folgende 
Rede  Markes  beherrscht,  erkannt  hat,  versteht  man,  mit  welchem  Gefühl 
Tristan  den  Blick  zu  Boden  senkt,  welche  Gefühle  und  Gedanken  ihn 
während  dieser  langen  Rede  beherrschen.  Dieses  stumme  Spiel  ist  vielleicht 
die  schwierigste  schauspielerische  Aufgabe  der  ganzen  Tristan-Darstellung. 
Die  richtige  Grenze  zwischen  Zerknirschung  und  männlicher  Selbst- 
beherrschung zu  ziehen,  so  daß  man  weder  schwach  noch  gefühllos  er* 
scheint,  sondern  im  Gegenteil  bei  aller  Männlichkeit  ein  Herz  zeigt,  das 
bis  in  die  tiefsten  Wurzeln  erschüttert  ist,  dies  ist  wohl  als  eine  überaus 
schwierige  Aufgabe  zu  bezeichnen. 


91 
FORCHHAMMER:  TRISTAN  UND  ISOLDE 


Ji 


Dritter  Akt 

Es  ist  eine  nicht  zu  bestreitende  Tatsache,  daO  die  großen  Wagner- 
sehen  Dramen  die  besten  Zugstücke  der  heutigen  deutschen  Opernbühnen 
sind.  Wenn  »Tristan  **  oder  »Götterdämmerung*  gegeben  wird,  ist  das  Haus 
trotz  der  »großen*  oder  »erhöhten*  Preise  ausverkauft.  Manchmal  kommt 
einem  aber  ein  leiser  Zweifel,  ob  nun  auch  wirklich  das  Verständnis 
gleichen  Schritt  mit  dem  anscheinend  so  großen  Interesse  hält.  Wenn  man 
z.  B.  immer  und  zu  jeder  Jahreszeit  hört,  wie  bei  der  traurigen  Weise  des 
Hirten,  beim  großen  Solo  für  englisches  Hörn  am  Anfang  des  dritten  Aktes 
das  Publikum  in  einem  fort  hustet  und  sich  räuspert,  dann  fragt  man  sich 
unwillkürlich:  wäre  das  möglich,  wenn  das  Publikum  wirklich  verstünde, 
wenn  es  wirklich  von  der  unvergleichlich  traurigen  Stimmung  der  Öde  und 
Verlassenheit,  die  diese  Weise  vom  ersten  Ton  an  über  die  Bühne  verbreitet, 
ergriffen  wäre?  Ich  glaube  es  nicht.  Vielen  wird  dieser  Hirtenreigen  nur 
eine  lästige  Störung,  ein  unliebsames  Aufhalten  der  Handlung  sein.  Und 
doch,  wie  wundervoll  poetisch  ist  diese  stumme  Szene;  wie  genial  ist  es,  daß 
der  dritte  Akt,  der  nichts  anderes  ist,  als  das  Erwachen  Tristans  nach  langem, 
todähnlichem  Schlaf  zu  immer  sich  steigernder  Liebessehnsucht,  bis  er 
im  Moment  des  Wiedersehens  tot  zusammenbricht,  —  wie  genial  ist  es, 
daß  dieser  ungeheure  Klimax  aus  der  bewegungslosen  Stille,  aus  der 
öden,  sehnsüchtigen  Traurigkeit  dieser  Melodie,  die  sich  dann  wie  ein  roter 
Faden  durch  die  ganze  Szene  zieht,  herauswächst. 

Deshalb  kann  Tristan  auch  nicht  lange  genug  unbeweglich  liegen 
bleiben,  nicht  allmählich  genug  sein  Spiel  beleben.  Erst,  wo  der  alte  Haß 
gegen  den  Tag  von  neuem  hell  auflodert,  gegen  dieses  Licht, 

das  trügend  hell  und  golden 
noch  dir,  Isolden,  scheint! 

erst  dann  fängt  er  an  aus  der  Ruhe  des  todkranken  Mannes  in  die  lebhafte 
Erregtheit  des  von  heftigster  Sehnsucht  verzehrten  Liebenden  überzugehen. 

Bei  dieser  Stelle  verlangt  Wagner  von  Kurwenal,  daß  er  »von 
Grausen  gepackt  sein  Haupt  birgt*.  Kaum  ist  sein  Herr  aus  der  Todes- 
nacht  zum  Leben  zurückgekehrt,  kaum  ist  er  wieder  imstande,  klar  zu  denken 
und  zu  fühlen,  und  sofort  ist  er  von  der  unseligen  Leidenschaft  wieder  ganz 
beherrscht,  die  ihm  schon  von  Melots  Schwert  die  tödliche  Wunde  zugezogen 
hat.  Kurwenal  graust  es  vor  der  dämonischen  Gewalt  dieser  Leidenschaft, 
nnd  er  birgt  tief  betrübt  und  erschüttert  das  Gesicht  in  seinen  Händen. 
Dies  Spiel  —  worauf  mich  Otto  Schel  per  zuerst  aufmerksam  gemacht  hat  — 
läßt  sich  leider  fast  jeder  Kurwenal  entgehen,  weil  er  seine  Partie  aus 
dem  Kleinmichelschen  Klavierauszug,  der  diese  Regiebemerkung  weg- 
gelassen, gelernt  hat. 

Während  der  ganzen  langen  Szene   zwischen  Tristan  und  Kurwenal 


DIE  MUSIK  VII.  20. 


hat  dieser  die  nicht  ganz  leichte  Aufgabe,  sich  immer  liebevoll  besorgt 
um  seinen  Herrn  za  bemühen,  ohne  ihn  im  Spiet  za  beengen  oder  zu 
stören;  so  tucb  beim  LiebesBucb,  wo  Tristan  anbedingt  volle  Freiheit  zum 
Aufrichten  und  Zusammenbrechen  haben  muß.  Hier  muß  Kurwenal  sein 
Spiel  so  einrichten,  daß  er  entsetzt  zurückweicht,  aus  einer  gewissen  Ent- 
fernung dureh  nicht  zu  aufdringliche  Gebärden  versucht,  Tristan  zu  mißigen, 
und  erst  im  letzten  Moment,  als  Tristan  schon  zusammenbricht,  zu  tit- 
kräftiger Hilfe  herbeieilt. 

Nach  Tristans  Vision  schreibt  Wagner  vor: 

.Tibread  Kurwrnal  nocb  lOgernd  mit  Trlaran  rlnel,  lifil  der  Hirt  von  luOen 
die  Schalmei  eriSneD.' 

In  der  Partitur  fügt  er  dann  in  einer  Anmerkung  zu: 

„Das  eDglUcbe  Hora  soll  hier  die  Tiikuag  eine«  letar  ktiftigen  Nalarlnttni- 
menies,  wie  dai  Alpenhorn,  hcrvorbHngeii ;  es  iit  dataer  zd  raieo,  ]e  nach  Befand 
des  akustiscben  VerbiltnUsei,  ea  durch  Hoboen  und  Klarinetten  in  ventlrken,  lUIs 
man  nicht,  was  das  iweckmißigate  wire,  ein  beionderea  Instrament  (ani  Holz),  nach 
dem  Modell  der  Schweizer  AlpenbOrner,  bierfßr  anfertigen  lauen  wollte,  welches 
seiner  EInhcbbelr  wegen  (da  et  nur  die  Naiurakala  zu  baben  branchi)  weder  ictawierlg 
nocta  kostbar  sein  wird.' 

Es  geht  aus  diesen  Zitaten,  sowie  aus  der  Natur  der  Sache,  hervor, 
daß  die  fröhliche  Weise  klingen  soll,  als  ob  sie  von  derselben  Schalmei 
käme,  die  die  traurige  Weise  gespielt  hat;  nur  sollen  die  Töne  stärker 
sein,  als  sie  ein  englisches  Hörn  hervorzubringen  vermag,  um  die  Freude 
des  Hirten  deutlich  zum  Ausdruck  zu  bringen,  um  zu  zeigen,  daß  er  ans 
der  vollen  Kraft  seiner  Lungen  bläst,  um  das  Naben  des  Schiffes  anzukünden. 

Wie  steht  es  nun  in  diesem  Punkte  mit  dem  gewissenhaften  Befolgen 
der  Wünsche  und  Vorschriften  Wagners?  Wie  mir  scheint,  nicht  überall 
gut.  Ist  es  nicht  ziemlich  oft  recht  schwer,  zu  glauben,  daß  die  zwei 
Weisen  auf  demselben  Instrument  gespielt  werden?  Klingt  die  zweite 
nicht  manchmal,  selbst  an  größeren  Bühnen,  verdächtig  nach  Blech?  Ich 
lasse  die  Frage  an  die  Herren  Dirigenten  weiter  gehen.  — 

In   dem   dichterisch   wie   musikalisch  gleich  herrlichen  Klagegesang 
Isoldens  nach  Tristans  Tod  stört  es  mich  immer,   wenn  die  Darstellerin 
der  Isolde  sich  verpflichtet  fühlt,  bei  den  Worten: 
Muß  sie  nun  jammernd 
vor  dir  sleb'n  — 
wirklich  zu  stehen.     Sie  braucht  dies  Wort  doch  nicht  buchstäblich  aoN 
zufassen;   viel  natürlicher,'  schöner  und   poetischer  ist  es,  wenn  sie  et 
bildlich  deutet.     Unmittelbar  vorher  hat  sie  die  Leiche  des  Geliebten  la 
ihren  Armen  gehalten,  in  seine  Augen  gesehen,  nach  seinem  Hcntdilag' 
gelauscht,  mit  ihren  Lippen  an  den  seinen  versucht  auch  nnrdas 
Wehen  eines  Atems  zu  gewahren  —  und  dann  sollte  sie  eine  ganz  kurze 


PORCHHAMMER:  TRISTAN  UND  ISOLDE 


Pause  d»u  benutzen,  schnell  aufzuspringen,  nur  um  die  oben  zitierten 
Worte  stehend  singen  zn  können?  Oder  sie  muß  das  vorhergehende 
innige  und  schöne  Spiel  vemachlSssigen,  um  etwas  früher  anbostehen. 
Beides  ist  schlecht,  wirkt  gezwungen  und  unnatürlich  und  ist  deshalb 
dringend  abzuraten:  die  ganze  wundervolle  Stelle  mufl  unbedingt  in  der- 
selben, halb  liegenden  halb  knieenden  Stellung  gesungen  werden,  bis  .sie 
bewußtlos  über  der  Leiche  zusammensinkt." 

Für  den  feinfühligen  Zuschauer  sehr  störend  ist  es  auch,  wenn  Isolde 
—  was  man  nur  zu  oft  sieht  —  sich  wihrend  ihres  großen  Schlußgesanges 
von  Tristans  Leiche  entfernt,  ganz  nach  der  Lampenreihe  vorgeht,  um 
schließlich  wieder  zurückzugehen,  da  sie  ja  doch  zum  Schluß  bei  der 
Leiche  wieder  zusammensinken  muß. 

\Pie  wunderbar  schön,  wie  sinngemäß  und  poetisch  ist  dagegen  die 
Darstellung,  die  Lilll  Lehmann  in  ihrer  Broschüre  <S.  29 — 30)  gibt.  Auf  der 
Stelle,  wo  sie  liegt,  hebt  sie  sich  erst  zum  Knieen,  springt  dann  auf,  sich 
immer  mehr  in  eine  voll  aufgerichtete,  .schwebende'  Stellung  emporreckend, 
bis  gegen  Schluß  der  Rede  die  Spannung  nachläßt:  sie  kniet,  und  wenn  sie 
susgesongen  hat,  .rundet  sich  ihr  rechter  Arm  weich  um  Tristans 
Haupt,  und  ihre  Wange  schmiegt  sich  jungfräulich  an  die  seine, 
während  ihr  Körper  sich  neben  dem  seinen  streckt.  Sie  schließt 
die  Augen  und  vollendet  mit  der  letzten  Note.*  Wer  kann  die 
Schilderung  Fran  Lehmanns  von  diesem  Spiel  lesen  ohne  zu  sagen:  Ja, 
so  muß  das  gespielt  werdenl     Wie  wird  es  aber  meistens  dargestellt?! 

Ich  mfichte  mich  überhaupt  noch  einmal  nachdrücklichst  dagegen 
verwahren,  daß  der  Leser  dadurch,  daß  ich  hauptsächlich  das  heraushebe, 
womit  ich  mich  nicht  einverstanden  erklären  kann,  den  Eindruck  ge- 
winnt, als  ob  ich  die  kleine  Arbeit  der  genialen  Künstlerin  unterschätze. 
Wenn  ich  die  Vorgeschichte  ausnehme,  der  Lilli  Lehmann  entschieden  zu 
wenig  ernstes  Nachdenken  gewidmet  hat,  muß  ich  die  Schrift  als  vor- 
züglich bezeichnen,  wenn  ich  auch  eine  übersichtlichere  Ordnung  des 
Stoffes  gewünscht  hätte,  und  wenn  ich  auch,  wie  man  aus  diesem  Auf- 
satz ersehen  haben  wird,  nicht  in  jedem  einzelnen  Punkt  ihre  Ansicht 
teilen  kann.  Ich  muß  sie  deshalb  dringend  jedem  Interessierten  zu  ernst- 
haftem Studium  empfehlen;  namentlich  werden  die  Darstellerinnen  der 
beiden  weiblichen  Rollen  viel  lernen  können,  nicht  zum  mindesten  die 
Darstellerin  der  Brangäne.  Ich  glaube  aber,  wenn  Frau  Lehmann  die 
großzügig  und  dabei  doch  so  fein  und  diskret  dargestellte  Bran^ne  von 
Charlotte  Huho  ^kanot  bitte,  würde  sie  ihr  abmiiges  Urteil  nicht  auf 
•lle  Bnmglne-Darstellerinnen  ausgedehnt  haben. 

Znn^  SdiluS  möchte  Ich  nur  noch  die  Szene  besprechen,  die  nach 
der  Msidaog  des  Mirttn: 


94 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


Kurwenal!    HörM 
Eio  zweites  Schiff. 

anßngt.  Diese  szenischen  Vorgänge  gehen  auf  den  meisten  Bühnen  ziem- 
lich eindruckslos  vorüber,  wenn  sie  nicht  gar  lächerlich  wirken.  Der 
Steuermann,  der  hereinstürzt,  um  atemlos  zu  melden: 

Marke  mir  nach  Vergebene  Wehr! 

mit  Mann  und  Volk:  Bewältigt  sind  wir. 

wird  meistens  von  einer  ganz  unzulänglichen  Kraft,  wenn  nicht  gar  von 
einem  Choristen  gesungen;  er  kommt  ungeschickt  herein,  sieht  fortwährend 
den  Kapellmeister  krampfhaft  an  und  stellt  dadurch  die  Szene  gleich  vom 
Anfang  an  unter  das  Zeichen  der  Ungeschicklichkeit  und  Unfreiheit.  Noch 
viel  schlimmer  ist  es  aber,  daß  das  darauffolgende  Verrammeln  des  Tores 
sowie  die  tumultuarischen  Kampfszenen  fast  überall  unecht,  unwahr, 
theatralisch,  ja  oft  geradezu  lächerlich  wirken.  Selbst  wo  die  ganze  übrige 
Darstellung  von  einer  künstlerisch  verständnisvollen  Regie  Zeugnis  ablegt, 
wirkt  diese  Szene  doch  meistens  wie  oben  geschildert,  weil  die  modernen 
Opemtheater  unter  dem  Hochdruck  der  fabriksmäßigen  Arbeitsmethode, 
die  durch  die  heutige  Massenproduktion  bedingt  ist,  über  die  zur  künst- 
lerischen Ausarbeitung  solcher  kleinen  episodischen,  aber  sehr  schwierigen 
Szenen  unbedingt  erforderliche  Zeit  gar  nicht  verfügen.  Wie  hat  Richard 
Wagner  gegen  die  Massenproduktion  der  Opernbühnen  gewettert!  Wie  oft 
und  wie  dringend  hat  er  gefordert,  daß  die  Zahl  der  wöchentlichen  Auf- 
führungen herabgesetzt  würde!  Und  was  hat  es  geholfen?  Die  großen 
Operntheater,  die  früher  nur  fünfmal  in  der  Woche  spielten,  geben  jetzt 
sieben  bis  neun  wöchentliche  Vorstellungen!  Ein  trauriger  Beweis  unter 
vielen  anderen  dafür,  wie  unendlich  weit  wir  noch  immer  —  25  Jahre 
nach  des  Meisters  Tode  —  von  der  Verwirklichung  seiner  reformatorischen 
Ideen  entfernt  sind.  Unsere  Zeit,  die  so  reich  an  Gegensätzen  ist,  hat 
als  Haupteigentümlichkeit  ein  nervöses  Hasten  von  Genuß  zu  Genuß,  von 
Zerstreuung  zu  Zerstreuung.  Daneben  kommen  aber  Erscheinungen  zum 
Vorschein,  die  man  vielleicht  als  Vorboten  einer  neuen  Zeit  betrachten 
darf,  einer  Zeit,  die  nicht  nach  der  Quantität,  sondern  nach  der  Qualität 
fragt.  Wenn  die  Zeit  kommen  sollte,  wo  das  Publikum  nicht  mehr  eine 
Überhäufung  von  unnatürlichen  Reizmitteln  und  ein  Haschen  vom  einen 
zum  anderen  verlangt,  sondern  nach  dem  guten  alten  Rezept:  «Wenig 
aber  gut"  bedient  zu  werden  fordert,  dann  wird  es  auch  von  selbst  der 
heutigen  ungesunden  Massenproduktion  ein  Ziel  stecken,  und  dann  wird 
auch  die  Zeit  gekommen  sein,  wo  die  Dramen  Wagners  nicht  mehr  «Ge- 
nußmittel'', wie  etwa  «Salome*,  sein  werden,  wo  man  aber  keine  Zeit  nnd 
Arbeit  scheuen  wird,  um  in  die  Gedankenwelt  des  Meisters  einzndringen 
und  von  dort  aus  seine  Werke  verstehen  und  mitempfinden  zu  lernen. 
Wer  möchte  diese  Zeit  nicht  gern  noch  miterleben! 


® 


VOM  44.  TONKÜNSTLERFEST  DES 
ALLGEMEINEN  DEUTSCHEN  MUSIK- 
VEREINS  IN  MÜNCHEN 


fgeHhr  die  Hlirte  aller  Mitglieder  des  Allgemeinen  Deutschen  Musikvereins 
war  zur  44.  Jahresversammlung  in  den  Tagen  vom  30.  Mai  bis  S.  Juni  nach 
München  gekommen,  eine  Anzahl,  die  kaum  vorber  erreicht  worden  ist- 
Es  bcwlhrte  sich  eben  Münchens  alte  Anziebungskrart  als  Kunst-  und  Fest- 
stndi.  Die  gleichzeitige  Ausstellung  auf  der  Thercsienbßhe  mag  daiu  bei- 
getragen haben,  den  Zunud  zu  verstirken.  Aber  das  war  es  nicht  allein.  Man  er- 
wartete Besonderes.  Und  die  Ervartung  trog  nicht.  In  den  vier  Vorstellungen  im 
Prinzregenten -Theater  und  Im  Münchener  Künstlertheater  wurde  den  Tonkünstlern 
Deutschlanda  etwas  geboten,  was  ihnen  keine  Stadt,  kein  Fest  bis  jetzt  geboten  hat. 
Zugleich  handelte  es  sich  um  Ereignisse  für  München  selbst.  Das  nach  Bayreuther 
Muster  erbaute  Festspielhaus  auf  der  Bogetihauser  H5he  war  bislang  nur  der  Kunst 
Riebard  Wagners  gewidmet.  Nun  zum  ersten  Male  erklangen  da  Max  Schillings' 
,Moloch%  Friedrich  Kloses  .llscbill"  und  Berlioz'  „Trojaner-,  beide  Teile  an 
einem  Tage.  Diese  Leistung  stellte  an  Mottl  seihst  und  an  das  künstlerische  und 
technische  Personal  der  KBnigücben  Hoftheatcr  fast  übermenschliche  Anforderungen 
<»ar  doch  gleichseitig  der  Betrieb  im  Hofibeater,  im  Residenz-,  Prinz  rege  nten-  und 
Künstlertheater  aufrechtzuerhaltent);  die  Festteilnehmer  schulden  deshalb  allen  Be- 
teiligten ebensosehr  wie  der  KSniglicben  Generalintendanz  (Freiherr  von  Speidel) 
aufrichtigsten  Dank,  Dank  aber  auch  den  Minnern,  die  unermüdlich  daran  arbeiteten, 
das  Prinzregente  D-Theater  der  außer-  und  nachwagnerischen  Kunst  zu  erachließen,  in 
erster  Linie  Dr.  Paul  Marsop,  der  sich  auch  um  die  Schaffung  und  die  Erfolge  des 
Künstle rtheaters  unverglngliche  Verdienste  erworben  hat. 

Wie  schon  in  Karlsruhe,  ist  Mottl  in  München  begeistert  für  Berlioz'  BTrojaner" 
eingetreten.  Die  Aufführung  der  beiden  Teile  an  einem  Nachmittag  und  Abend  {von 
4  bis  6  und  von  7  bis  gegen  U  Uhr)  nun  war  ein  an  sich  und  für  den  besonderen 
Fall  ungemein  interessanles  Experiment,  das  in  den  gewöhnlichen  Bühnenhetrieh  ein- 
luf&hren  jedoch  keinesfalls  sich  empfehlen  worde.  Berlioz  steht  in  den  „TrojaDem" 
trotz  aller  oft  überwältigenden  SchGnheiien,  trotz  alter  merkwürdigsten  Antizipation 
der  künftigen  Entwickelung  im  Grunde  doch  zu  sehr  und  zu  hiußg  auf  dem  Boden 
der  franzüslschen  großen  Oper,  als  daß  wir  uns  noch  überall  so  ergriffen  und  mil- 
geriuen  fühlten  wie  z.  B.  in  den  zwei  letzten  Akten  der  ^Trojaner  in  Karthago". 
Aach  eine  so  ganz  das  gewöhnliche  Maß  überragende  Aufführung,  wie  sie  der  geniale 
Dirigent  Mottl  mit  seinem  Hoforchesier  und  unseren  ersten  Solisten  (Frl.  Faßbender: 
Dido;  Frau  Preuae-Matzenauer:  Kas^ndra,  Anna;  Buysson:  Aneas)  zustsnde 
brachte,  vennsg  nicht  dsrüber  hlnwegiutiuscben,  luroal  die  neue  Ausstattung  etwas 
sehr  im  Geschmack  eben  der  .Großen  Oper"  ausgefallen  war,  den  man  nach  den 
Lehren  des  Künstlerthesiers  doppelt  unangenehm  empßndet 

Daß  das  Amphitheater,  der  ruhige  und  große  Rahmen  des  Prinzregenten-Tkeaters 
alle  tragischen,  alle  pathetischen  Wirkungen  nur  zu  steigern  vermag,  versteht  sich 


96 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


von  selbst.  Auch  bei  Kloses  „Ilsebi II''  trat  das  zutage.  Die  dramatisehe  Steigerung, 
in  der  sie  meisterhaft  aufgebaut  ist,  ließ  den  durchaus  epischen  Charakter  des  Textes 
ebenso  übersehen  wie  die  starke  Abhängigkeit  der  Kloseschen  Tonsprache  von  Wagnen 
Auch  die  Singer  und  Sängerinnen  taten  ihr  Bestes,  Hagen  als  Fischer,  Frau  Burk- 
B erger  als  Ilsebill,  Baub erger  als  Wels. 

Den  weitaus  stärksten  Eindruck  machte  Schillings'  „Moloch**.  Für  Manchen 
war  es  eine  Erstaufführung,  längst  versprochen,  aber  gerade  zum  letzten  Termine 
erst  ermöglicht.  Hier  war  für  diejenigen,  die  die  Tragödie  in  Dresden  bereits 
gesehen  hatten,  eine  günstige  Vergleichsmöglichkeit  zwischen  dem  alten  Opernhaus 
und  der  neuen  Bühnengestaltung  gegeben.  Der  Vergleich  fiel,  wie  nicht  anders  zu 
erwarten,  zugunsten  des  Neuen  aus.  Werke,  wie  das  Schillings',  voll  innerer  Gehoben«' 
heit  und  Größe,  können  erst  in  solcher  Umgebung  ihre  volle  Kraft  entfalten.  Dazu 
kommt  der  Vorteil  des  verdeckten  Orchesters,  bei  dem  ich  nur  nach  wie  vor  eine 
Teilungsmöglichkeit  für  den  vorderen  Schalldeckel  wünschte,  damit  die  Höhepunkte  der 
Klangentfaltung  da,  wo  sie  den  Singstimmen  nicht  hindernd  im  Wege  stehen,  noch 
ursprünglicher  zur  Geltung  kommen  könnten.  Was  der  Textdichter,  Emil  Ger- 
häuser, aus  dem  Hebbelschen  Fragmente  gemacht  hat,  erregte  von  Anfang  an  viel 
Widerspruch,  und  mit  allem  Recht.  Hebbel  selbst  wußte  offensichtlich  nicht,  wie  er 
den  ungefügen  Stoff  bezwingen  sollte;  und  darin  allein  liegt  meines  Erachtens  der 
Grund,  daß  er  das  so  intensiv  von  ihm  erfaßte  Problem  als  dramatischen  Torso 
hinterließ.  Gerhäuser  beging  den  schweren  Fehler,  den  Hebbelschen  Vorwurf,  das 
verderbliche  erstmalige  Eingreifen  fremder  Priestermacht,  das  erste  Hineintragen  einer 
rohen  Religion  in  ein  bis  dahin  götterloses  Volk,  mehr  als  gut  zu  verweichlichen.  Der 
herrschsüchtige  Molochpriester  Hiram  war  als  Held  der  Tragödie  wohl  möglich;  der 
schwache  und  schwankende  Königssohn  Teut«  den  Gerhäuser  als  Hauptfigur  ins  Spiel 
eingestellt  hat,  ist  dazu  ganz  ungeeignet.  Und  nicht  nur  das.  Selbst  Hirams  Charakter- 
entwickelung und  Handlungsweise  ist  unlogisch  und  weist  zum  Schlüsse  unmotivierte 
Schwächlichkeit  auf.  Doch  all  diese  Fehler  der  Dichtung  tragen  nur  dazu  bei,  die  Vor- 
züge von  Schillings'  Musik  in  helleres  Licht  zu  setzen.  Der  musikalische  Bau,  den  der 
Komponist  aufgerichtet  hat,  ist  so  festgefügt  und  mit  so  starker  Hand  zur  Höhe  geführt» 
er  trägt  so  sehr  seine  eigensten  und  originellsten  Züge,  er  führt  die  Entwickelung  auch 
da,  wo  der  Textdichter  vom  richtigen  Wege  abgewichen  ist,  so  klar  und  überzeugend, 
so  folgerecht  durch,  daß  man  sich  der  Mängel  seiner  Textunterlage  während  des 
Hörens  kaum  bewußt  wird.  Schillings  hat  mit  dem  „Moloch'*  seine  früheren  Musik- 
dramen weit  hinter  sich  gelassen.  Von  selten  der  Regie  (Oberregisseur  Fuchs),  von 
Seiten  Mottls  und  seines  Orchesters  und  von  Seiten  der  Herren  Bender  (König), 
Feinhals  (Hiram),  Hagen  (Teut),  Bauberger  (Wolf),  der  Damen  Preuse-Matze- 
nauer  (Velleda)  und  Ulbrig  (Theoda)  war  alles  geschehen,  um  eine  nach  jeder 
Richtung  musterhafte  Aufführung  zustande  zu  bringen.  Feinhals  und  Bender  wie 
Frau  Preuse-Matzenauer  leisteten  geradezu  Unübertreffliches. 

Wie  auf  dem  Gebiete  der  Oper,  trug  Schillings  auch  mit  seinen  vier  Orchester- 
gesängen, „Glockenlieder**  nach  Texten  von  Spitteler,  über  alle  Mitbewerber  den  Sieg 
davon.  Er  war  unzweifelhaft  die  bedeutendste  Erscheinung  auf  dem  diesjährigen  Fest. 
Die  vier  Lieder  sind  in  ihrem  gegensätzlichen  Gehalt  so  ins  Tiefste  ausgeschöpft^ 
jedes  ist  so  geschlossen  und  fertig  in  seiner  Wirkung,  dabei  nimmt  die  Erfindung 
aus  erster  Hand  so  unmittelbar  gefangen,  daß  ich  für  mein  Teil  die  „Glockenlieder" 
für  das  Wertvollste  des  Festes  nicht  nur,  sondern  überhaupt  für  etwas  vom  Aller- 
wertvollsten  halte,  was  die  letzten  Jahre  uns  an  Musik  gebracht  haben.  Besieht  man 
sich  die  Partitur  näher   und  vergleicht  sie   mit   den   bei   der  Aufführung  errelchtea 


K 


97 
WAHL:  44.  TONKONSTLERFEST  IN  MÜNCHEN 


Klangwirkungen,  so  muß  man  staunend  das  geniale  Vorstellungsvermögen  erkennen, 
das  da  das  Läuten,  das  Summen  und  Schwingen  der  Glocken  und  Glöckchen  materiali- 
sierte, ohne  irgendwo  zu  den  grobsinnlichen  Mitteln  geschlagener  Eisenstäbe  oder 
ähnlicher  amöner  Radauwerkzeuge,  mit  denen  wir  von  anderer  Seite  reichlich  traktiert 
wurden,  seine  Zuflucht  zu  nehmen.  Auf  die  raffinierteste  Weise  ist  stets  der  gewollte 
Eindruck  erreicht,  wird  stets  die  gewünschte  Stimmung  angeschlagen,  und  doch  macht 
sich  nie  das  Raffinement  als  solches  bemerkbar,  sondern  erscheint  nur  als  der  Aus- 
fluß echter  Empfindung,  die  in  vollendete  Form  gegossen  worden  ist. 

Echte  Empfindung!  Wie  gerne  und  wie  berechtigt  kann  man  sie  manchen,  ja 
vielen  von  denen,  die  der  Musikausschuß  diesmal  der  Aufführung  für  würdig  befunden 
bat,  zugestehen;  und  wie  schmerzlich  vermißte  man  dabei  eben  nur  die  Vollendung, 
die  Möglichkeit,  das,  was  der  Komponist  sagen  wollte,  frei  und  unbeschränkt  nach 
innerer  Notwendigkeit  in  überzeugender  und  untadeliger  Weise  sagen  zu  können. 
Echte  Empfindung  offenbart  sicher  Paul  vonKlenau  in  seiner  Symphonie  (f-moll) 
für  großes  Orchester,  deren  drei  Sätze  die  Aufmerksamkeit  des  Hörers  oft  fesseln, 
hie  und  da  auch  irritieren,  z.  B.  durch  den  argen  Mißbrauch,  der  mit  den  Pauken 
getrieben  wird.  Kienaus  Erfindung  hat  langen  Atem;  Brückners  Einfluß  aber  ist  ganz 
unverkennbar,  im  rein  musikalischen  wie  im  formalen  Sinn,  ist  auch  lange  nicht 
alles  ausgereift,  so  ist  der  Komponist  doch  zu  denen  zu  zählen,  auf  deren  Zukunft 
man  Hoffnungen  setzen  darf.  Weniger  könnte  ich  das  von  Jan  van  Gilse  behaupten. 
Seiner  Symphonie  Nr.  3  für  eine  hohe  Sopranstimme  und  großes  Orchester,  „Er- 
hebung",  eignet  gewiß  viel  technisches  Können,  mehr  jedenfalls  wie  Kienaus  Werk; 
und  zu  Anfang  besticht  die  Musik  auch  durch  das  ihr  innewohnende  Pathos.  Allein 
der  weitere  Verlauf  offenbart  eine  so  verzweifelte  Unfähigkeit,  die  einmal  angenommene 
Linie  zu  verlassen,  in  ihrer  Richtung  zu  moderieren  oder  zu  variieren,  daß  das  End- 
resultat nur  Langeweile  sein  konnte,  die  mit  Wotan  sprach :  „Nur  eines  will  ich  noch : 
das  Ende,  das  Ende!**  Mientje  van  Lammen  erwies  sich  hier  wie  bei  späteren 
Gelegenheiten  als  ganz  ausgezeichnete  Sopranistin.  Das  erste  Orchesterkonzert, 
das  von  der  Königlich  Württembergischen  Hofkapelle  unter  Hofkapellmeister 
Dr.  Aloys  Obrist  ausgeführt  wurde,  brachte  noch  eine  Suite  fantastique  für  Klavier 
und  Orchester  von  Ernest  Schelling.  Wie  der  Musikausschuß  dazu  kam,  sie  ins 
Programm  aufzunehmen,  gehört  zu  den  zahlreichen  Unbegreiflichkeiten,  mit  denen  er 
diesmal  die  Festgäste  überraschte.  Diese  vier  Sätze  sind  Virtuosenmusik  im  guten 
wie  im  schlechten  Sinn,  glatt,  nicht  ohne  den  Geist  gemacht,  der  dieser  Art  von 
Kunstbetätigung  eigen  ist,  vorab  im  vierten  Satz  mit  seinen  amerikanisch-exotischen 
Themen,  für  viele  gewiß  bestechend  durch  ihre  fixe  Geschicklichkeit,  aber  leer,  leer 
und  bar  jeden  tieferen  Gefühls.  Wenn  ich  nicht  irre,  hatte  der  Allgemeine  Deutsche 
Musikverein  doch  einmal  gewisse  Leitsätze,  nach  denen  er  die  Musikentwickelung  fördern 
wollte?  Die  Württembergische  Hofkapelle  unter  Obrists  ruhiger  und  vornehmer  Leitung 
spielte  ganz  vorzüglich.  Sehr  voll  ist  der  Klang  ihrer  Blechbläser;  wenn  die  Stimmung 
der  Holzbläser  nicht  immer  ganz  befriedigte,  mag  daran  die  mehr  als  tropische 
Temperatur  im  Saale  schuld  gewesen  sein.  Die  »Glockenlieder**  dirigierte  Schillings 
selbst;  Ludwig  Heß  sang  sie  mit  all  dem  eindringenden  Verständnis,  das  ihn  zu- 
sammen mit  seinem  schönen  Tenor  zu  einem  der  ersten  Sänger  der  Gegenwart  macht. 
Ernest  Schelling  war  seiner  Suite  ein  brillanter  Interpret  am  Flügel. 

Das  zweite  Orchesterkonzert  stand  mit  unserem  Hoforchester  unter  Felix 
Mottls  wundervoller  Direktion,  mit  Ausnahme  von  Frederik  Delius'  »Eine  Messe 
des  Lebens**  (II.  Teil)  für  Soli,  Chor  und  Orchester,  die  der  Dirigent  der  mitwirkenden 
Gesellschaft  für  Cborgesang,  Kammersänger  Ludwig  Heß,  leitete.    Die  »Messe  des 


98 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


Lebens**  ist  auf  Texte  aus  Nietzsches  „Zarathustra**  (zusammengestellt  von  Paul 
Cassierer)  geschrieben;  an  sich  eine  unglückliche  Idee.  Nietzsches  Worte  enthalten 
einmal  so  viel  eigene  Musik,  daß  das  Hinzutreten  einer  zweiten  Musik  als  überflQssig, 
ja  störend  empfunden  wird.  Und  zweitens  bergen  —  und  verbergen  —  sie  einen  oft 
so  tiefen  Gedankengehalt,  daß  sie  lediglich  als  Stimmungssubstrat  nehmen,  wie  es 
der  Musiker  tut  und  tun  muß,  eigentlich  eine  ungeheure  Profanation  bedeutet.  Dazu 
kommt  die  sattsam  bekannte  Stellung  Nietzsches  zur  Musik  unserer  Zeit,  die  ihn  von 
der  Auffassung  Delius'  gewißlich  entrüstet  sich  hätte  abwenden  lassen.  Abstrahiert 
man  aber  von  alledem  gutwillig,  so  kann  man  konstatieren,  daß  Delius  vieles  zu 
sagen  hat,  was  über  die  Schablone  hinausgeht.  Er  verschmäht  bewußt  eine  feste 
Gestaltung  nach  jeder  Richtung,  seine  Töne  wollen  nur  Stimmung  malen  und  Stimmung 
erzeugen  (eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  der  französischen  Schule,  nicht  zuletzt  mit 
Debussy,  fällt  dabei  auf),  und  das  gelingt  ihm,  unterstützt  durch  eine  kluge  Instrumentation, 
des  öfteren  vollkommen,  wenn  auch  bei  ihm  die  Wandlungsmöglichkeit  im  Ausdruck 
recht  beschränkt  erscheint.  Neben  gänzlich  Mißglücktem  wie  dem  Baritonsolo 
„Erhebt  eure  Herzen*  —  an  dessen  ungenügender  Wirkung  übrigens  der  Baritonist 
Rudolf  Gmür  nicht  ganz  unschuldig  war  während  die  Gesamtleistung  von  Chor» 
Orchester  und  Solisten  (Damen  Mientje  van  Lammen,  Olga  von  Weiden,  Herren 
Benno  Haberl  und  Rudolf  Gmür)  vielfach  Lob  verdiente  —  stehen  Eingebungen 
edelster  Art  wie  in  dem  Teil:  „Die  Sonne  ist  lange  schon  hinunter*  oder  in  der 
»Mittagsphantasie*,  in  der  die  tiefen  Holzbläser  äußerst  glücklich  das  lautlose  Brüten 
und  Zittern  der  Luft  versinnlichen.  Geschmacklos  und  ohrenbetäubend  ist  der  Lirm, 
der  zum  Schluß  mit  geschlagenen  Eisenstangen  gemacht  wird.  Ihrer  bediente  sich 
auch,  ein  wenig  motivierter,  Karl  Bleyle  in  seinem  „Flagellantenzug*,  Tondichtung 
für  großes  Orchester,  op.  9.  Bleyle  ist  eines  der  besten  Talente,  mit  denen  uns  das 
Fest  bekannt  gemacht  hat,  nur  scheint  er  noch  zu  sehr  den  Lärm  für  das  allein- 
seligmachende Prinzip  der  modernen  Musik  zu  halten,  sonst  würde  er  schwerlich 
gleich  den  Hörer  mit  der  scheußlichen  Einleitung  auf  dem  übermäßigen  Dreiklsng 
überfallen.  Er  hätte  das  nicht  nötig;  denn  er  hat  Ernsthaftes  zu  sagen  und  versteht 
seine  Tondichtung  —  ein  nicht  zu  unterschätzender  Vorzug  —  durchsichtig  aufou* 
bauen  und  durchzuführen.  Auch  Josef  Krug-Waldsee  ist  diese  schwierige  Kunst 
zu  eigen,  die  er  in  seiner  symphonischen  Dichtung  „Der  goldene  Topf*  (nach 
E.  T.  A.  Hoffmann)  bewährte.  Nur  spielte  ihm  gleichfalls  die  Lärmwut  in  seiner 
Fuge  der  „bösen  Mächte*  einen  argen  Streich;  um  so  lange  zu  dauern,  ist  sie  zu 
gleichgültig  und  zu  peinigend.  Einen  großgearteten  Schluß  fand  das  Konzert  mit 
Siegmund  von  Hauseggers  „Sonnenaufgang*,  einem  Freiheitssang  nach  Gottfried 
Keller,  für  gemischten  Chor  und  großes  Orchester,  von  Hausegge>  selbst  dirigiert  und 
von  der  Konzertgesellschaft  für  Chorgesang  gesungen.  Wie  in  seinem  „Requiem*  zeigt 
Hausegger  auch  in  seinem  „Sonnenaufgang*,  daß  er  es  eminent  versteht,  die  Chor* 
massen  zum  Ausdruck  wuchtiger  Gedanken  zu  verwenden.  Sein  Freiheitsssng 
imponiert  aber  nicht  nur  durch  die  kluge  Verwendung  der  Massenwirkung,  sondern  durch 
das  in  ihm  verkörperte  außergewöhnliche  Können.  Hausegger  ist  ein  Erfinder  ersten 
Ranges.  Sein  Thema:  „Fahre  herauf,  du  kristallener  Wagen*  suggeriert  wirklich  mit 
unwiderstehlicher  Gewalt  das  Bild,  dem  es  als  Zeichen  dient. 

Die  zwei  Kammermusikkonzerte  verliefen  nicht  allzu  aufregend  —  oder 
negativ  aufregend,  wenn  man  will.  Indem  man  nämlich  noch  mehr  wie  in  den  Orchester* 
konzerten  Gelegenheit  bekam,  sich  über  die  Tätigkeit  eines  hohen  Musikausschusses  köpf* 
schüttelnd  zu  verwundem.  Am  meisten  bei  Henri  Marteau's  Kammersymphonie 
(Octette  symphonique)  für  Flöte,  Klarinette,  Hom  und  Streichquintett  f-moU  op.  !& 


99 
WAHL:  44.  TONKONSTLERFEST  IN  MÜNCHEN 


Die  einzige,  nicht  gerade  entschuldigende,  Entschuldigung  für  die  Herren  kann  die 
Annahme  sein,  daß  sie  gar  nicht  ansahen,  was  der  berühmte  Mann  ihnen  zuschickte; 
oder  daß  ihnen  eben  der  berühmte  Name  als  Gold  erscheinen  ließ,  was  kein  Gold 
war.  Die  hohe  Achtung,  die  man  vor  Henri  Marteau,  dem  Geiger,  haben  muß,  ver- 
bietet es,  näher  auf  sein  Oktett  einzugehen;  die  Diskrepanz,  die  in  dem  überlangen 
und  meist  schlechtklingenden  Werk  zwischen  hochstrebendem  Wollen,  wie  es  sich  in 
der  von  Marteau  verfaßten  ProgrammerUuterung  verrät,  und  zwischen  seinem  realen 
Können  zutage  tritt,  ist  allzu  traurig.  Die  ausführenden  Herren  Scherrer,  K.  Wagner, 
Hoyer,  Ahner,  £.  Wagner,  Haindl,  Ebner  und  Horbelt  gaben  sich  alle  Mühe, 
zu  retten,  was  nicht  zu  retten  war.  Weit  freundlicher  muteten  zwei  Quartette  von 
Richard  Lederer  und  Karl  Pottgießer  an;  das  fünfsätzige  in  D-dur  von  Pottgießer 
weist  so  wenig  wie  das  in  A-dur  von  Lederer  neue  Bahnen.  Was  für  beide  einnimmt, 
ist  die  Stilechtheit  und  Solidität  der  Arbeit  und  der  Gedankenreichtum,  der  insbesondere 
bei  Lederer  überraschend  mannigfaltig  ist.  Man  wird  bei  seinem  Quartett  nach  Art 
und  Inhalt  unwillkürlich  zeitweise  an  Beethoven  gemahnt,  ohne  daß  dem  Nach- 
geborenen dieser  Vergleich  abträglich  wäre.  Das  Ahn  er*  und  das  Münchener 
Streichquartett  bewährten  ihr  oft  gerühmtes  Können  auch  dieses  Mal.  Konzertmeister 
Ahn  er  brachte  noch  zusammen  mit  dem  ganz  hervorragenden  Pianisten  Prof.  Schmid- 
Lindner  eine  Violinsonate  von  Karl  Ehrenberg  zu  Gehör,  Es-dur  op.  14;  sie  be- 
stätigte das  günstige  Urteil,  das  man  über  Ehrenberg  in  Dresden  bereits  fällen  konnte. 
Frisch  und  frei  fließt  ihm  der  melodische  Quell,  Natürlichkeit  führt  ihm  die  Feder. 
Mit  der  Zeit  wird  sein  Schaffen  vielleicht  noch  mehr  in  die  Tiefe  gehen.  Heute  gibt 
er  schon  der  Geige  wie  dem  Klavier  dankbare  Aufgaben,  ohne  je  die  Grenze  guter 
Musik  um  irgendwelcher  Virtuosengelüste  willen  zu  überschreiten. 

Es  ist  eine  eigentümliche  Beobachtung,  daß,  je  mehr  unsere  Schaffenden  sich 
vom  gewaltsamen  Tiefsinn,  vom  hohen  Kothurn  des  Program mes  abwenden  —  und 
das  geschah  bei  diesem  Fest,  man  sehe  nur  die  Erläuterungen  im  Featheft  unserer 
Zeitschrift,  schier  auffällig  und  absichtlich  —  je  mehr  sie  versuchen  rein  musikalisch 
zu  wirken,  sie  der  Gefahr  melodischer  Banalität  allzuleicht  verfallen.  Bedauerlicher- 
weise ist  ihr  selbst  Paul  Juon  nicht  entgangen  in  seiner  Trio-Caprice  (nach  Selma 
Lagerlöf^  »Gösta  Berling'')  für  Klavier,  Violine  und  Violoncell  op.  39.  Seine  ersten 
zwei  Sätze  sind  untadelig,  ein  bißchen  gewollt  bizarr,  aber  doch  dem  Geist  des  Lager* 
löf^chen  Buches  nahe  verwandt.  Der  zweite  Satz  —  Andante,  Scherzo  (Vivace)  — 
gehört  sogar  zu  denen,  die  wiederzuhören  man  Verlangen  trägt,  weil  in  ihm  die  ganze 
Romantik  des  „Gösta  Berling*,  die  übermütig  todeslustige  und  überschwänglich  todes- 
traurige, zum  Klingen  kommt.  Leider  zerstört  der  letzte  Satz  alles  mit  seiner  Un- 
vomehmheit,  trotz  der  famosen  instrumentalen  Ausnutzung  der  Streicher.  Nur  in 
einer  so  wahrhaft  kongenialen  Ausführung,  wie  sie  das  Russische  Trio  ihm  und 
dem  ganzen  Werke  angedeihen  ließ,  ist  er  noch  erträglich.  Walter  Braunfels 
spielte  eine  Reihe  Bagatellen  und  Studien  eigener  Komposition  für  Klavier. 
Er  blieb  ihnen  pianistisch  einiges  schuldig.  Allzugleichartig  und  engbegrenzt  in  ihrem 
Gehalt  verraten  sie  auch  deutlich  ihre  bestimmenden  Vorbilder:  Brahms  und  Schumann. 

Blieben  noch  die  Lieder,  deren  es  eine  erkleckliche  Anzahl  gab,  gesungen  von 
den  Damen  Mientje  van  Lammen,  Else  Schünemann  und  den  Herren  Ludwig  Heß 
und  Rudolf  Gmür.  Unter  den  dabei  vertretenen  Tonsetzem  ragte  Roderich  von  Mojsi- 
80V i CS  mit  drei  Gesängen  hervor,  die  selbständiges  harmonisches  und  melodisches 
Fühlen  verraten;  er  war  jedenMls  die  einzige  wirkliche  Persönlichkeit  unter  seinen 
Konkurrenten.  Karl  Kämpf  hat  mit  Ausnahme  von  „Verschwunden''  nichts  von 
eigentlicher  Sonderart  zu  bieten;  eher  ist  das  der  Fall  bei  Georg  Vollerthun,  dessen 


100 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


Vertonungen  Liliencronscher  Gedichte  recht  sympathisch  berühren  durch  manchen 
feinen  Zug  und  durch  warmherziges  Erfassen  ihres  Wesens.  Manchmal  jedoch  nähert 
er  sich,  ebenso  wie  Kämpf,  so  z.  B.  in  Storms  „Oktoberlied%  bedenklich  der  Tri- 
vialität. Unbedenklich  tut  das  Kurt  Schindler.  Im  ersten  Kammermusikkonzert 
konnte  man  seinen  „Erfülltes  Schweigen**  und  „Vöglein  Schwermut*  einigen  Geschmack 
abgewinnen  wegen  ihrer  prätentionslosen  Schlichtheit;  dafür  rächte  er  sich  im  folgenden 
durch  den  Ungeschmack  der  drei  Lieder  nach  Gottfried  Keller,  die  munter  und  un- 
bekümmert im  Fahrwasser  der  Seichtigkeit  dahinschwimmen.  O  heiliger  Musikaus- 
schuß, war  das  deine  Meinung? 

Doch  richten  wir  zum  Abschluß  den  Blick  auf  Angenehmeres.  Als  Einleitung 
zum  Feste  wartete  der  Teilnehmer  ein  Abend  im  Münchener  Künstlertheater, 
der  Glucks  opdra  comique  „DieMaienkönigin**  (Les  amours  champfttres)  und  Her- 
mann Bischoffs  „DasTanzlegendchen**  vorführte.  Das  Münchener  Künstlertheater 
ist  eine  Schöpfung,  ein  Versuch  von  so  einschneidender  Wichtigkeit  für  unser  ganzes 
Theaterleben  der  Gegenwart  und  Zukunft,  daß  ich  seine  Darbietungen  nicht  mit  ein 
paar  Worten  abtun  möchte,  die  das  Eigentliche  der  Sache  kaum  treffen  könnten.  Es 
ist  zum  Verständnis  seines  Wollens  eine  weiter  ausgreifende  Darlegung  seiner  Ab- 
sichten und  seiner  Hilfsmittel  notwendig.  Heute  sei  nur  gesagt,  daß  Glucks  unend- 
lich reizvolles  Scbäferspiel,  mit  Dekorationen  und  Kostümen  von  Hermann  Busch- 
beck, Mottl  am  Dirigentenpult,  rauschenden  BeiMl  erntete,  während  Fritz 
Cortolezis  „Das  Tanzlegendchen**  —  nach  einer  alten  Legende  und  Gottfried  Kellers 
Erzählung  von  Georg  Fuchs,  Ausstattung  und  Kostüme  von  Hans  Beatus  Wieland  — 
trotz  seiner  prächtigen  Leitung  nicht  zu  ganz  so  reinem  Siege  führen  konnte,  weil 
Bischoffs  Musik  ungeachtet  aller  Grazie,  die  in  der  Partitur  lebt,  unter  ihrer  ungünstigen 
Instrumentation  leidet.  Die  Bühnenbilder  waren  bei  beiden  Stücken  ganz  einzigartig 
künstlerisch  bis  ins  kleinste  Detail  gesehen  und  durchdacht. 

Und  hierin,  es  sei  noch  einmal  betont,  in  den  Aufführungen  im  Prinzregenten- 
und  im  Künstlertheater,  nicht  in  den  Konzerten,  lag  die  nicht  hoch  genug  su 
schätzende  Bedeutung  der  diesjährigen  Tagung.  Ein  günstiger  Zufall  fügte  es,  daß  auch 
in  der  Generalversammlung,  nach  einem  ziemlich  scharfen  Zusammenstoß  des  Voc- 
standes  mit  dem  Vertreter  des  Allgemeinen  Deutschen  Musikerverbandes  bei  Gelegenheit 
der  Debatte  über  die  Münchener  Kaim-  und  Ausstellungsorchesterkrise,  gemäß  dem  An? 
trage  von  Paul  Ehlers  ein  Beschluß  gefaßt  wurde,  der  gleicherweise  verheißungsvoll  in 
die  Zukunft  weist:  der  Beschluß,  wenn  möglich  nach  dem  Muster  des  Allgemeinen 
Deutschen  Bühnenvereins  ein  Schiedsgericht  zu  gründen  für  Streitigkeiten  zwischen 
Orchesterleitern,  Musikgesellschaften  usw.  und  ihren  angestellten  Musikern.  So  stand 
auch  die  Münchener  Generalversammlung  im  Zeichen  wünschenswerten  Fortschrittes..  In 
den  Konzerten  schien  es  manchmal,  als  wäre  der  Verein  seiner  alten  Tendenz,  das 
musikalische  Leben  im  Sinne  fortschrittlicher  Entwicklung  zu  beeinflussen,  untreu 
geworden.  München  selbst  aber  hat  unwiderleglich  bewiesen,  daß  es  diesem  Leitsatz 
huldigt;  es  hat  bewiesen,  daß  es  eine  Musikstadt  ist  im  echten  und  wahren  Sinne 
des  Allgemeinen  Deutschen  Musikvereins  und  seines  Gründers  Franz  Liszt 


^••s 


0 


n  den  Teilnehmern  des  vierten  Musik  päd  «gogtschen  Kongresses  stellte  sich 
ein  außerordemlicbes  Mißverhältnis  io  der  Zahl  der  Auswärtigen  und  der 
I  Berliner  heraus  zu  Ungunsten  der  letzteren,  was  eine  besondere  Be- 
I  leuchtung  verdient.  Von  bekannten  und  berufenen  Berliner  Musikern 
'  sah  man  sehr  wenige,  und  die  meisten  der  fehlenden  machen  kein  Hehl 
«US  ihrer  Abneigung  und  begründen  ihr  Fernbleiben  mit  dem  Hinweis  auf  die 
mangelnden  Resultate  der  Kongresse.  Dieser  Begründung  kann  nun  nicht  scharf 
fenug  entgegengetreten  werden,  auch  wenn  zugegeben  werden  muß,  daß  mehr  positive 
Arbeit  geleistet  «erden  könnte.  Es  ist  aber  unter  allen  Umstinden  ein  sehr  wichtiges 
Resultat,  wenn  die  Diskusaion  eine  so  scharfe  und  begründete  Opposition  gegen 
minderwertige  Anträge  ergibt,  daß  deren  Verwirklichung  unmöglich  gemacht  wird. 
Und  schon  dieses  Zieles  halber  sollte  keiner,  soweit  er  überhaupt  über  seine  Tages- 
twscbiftigung  fainausschaut,  die  Unannehmlichkeiten  der  Sitzungen  scheuen.  Aber 
«uch  positiven  Gewinn  wird  der  Besucher  heimbringen,  denn  die  Diskussionen  ent- 
halten soviel  Anregungen  und  Hinweise,  daß  man  in  ihnen  das  eigentlich  wertvolle 
Moment  des  Kongresses  erblicken  muß.  Vielleicht  zieht  die  Leitung  aus  dem  Gang 
der  Verbandlungen  die  Lebre,  die  Diskussionsredner,  wenn  sie  etwas  zu  sagen  haben, 
.nihlg  ausreden  zu  lassen  und  andere,  die  aus  einem  Worte  zehn  machen,  als  nicht 
xuT  Sache  gehörig  zum  Schweigen  zu  bringen.  Diesmal  war  es  recht  hluflg  umgekehrt. 
Der  Schwerpunkt  des  vierten  Musikpidagogischen  Kongresses  lag  also,  wie  er- 
wlhnt,  in  den  Diskussionen,  die  zum  großen  Teil  mit  einer  famosen  Frische  und 
«iner  auf  gesunden  Füßen  stehenden  praktischen  Weltanschauung  geführt  wurden. 
Auf  gleicher  HShe  standen  die  Vortrige  nicht,  die  hiuflg  seltsame  Ansiebten  und 
merkwürdige  PbanCastereien  zutage  förderten.  Dahin  gehört  z.  B.  .Violintechnik  auf 
natüriicher  Grundlage",  wo  der  Redner  behauptete,  der  sogenannte  große  Ton  und 
der  Idealton  seien  eins.  Nein,  Herr  Dr.  Möbius!  Und  nicht  die  Quantitit,  sondern 
nur  die  Qualitit  des  Tones  darf  das  Ziel  des  Unterrichts  sein.  In  einer  Demon- 
strationssitzung «Die  moderne  Klavieriecbnik  und  ihre  Verwendbarkeit  im  praktiachen 
Klavierunterricht'  wollte  der  Vortragende  alle  ultramodernen  Methoden  in  Bausch 
und  Bogen  verwerfen,  vergaß  aber  wohl,  daß  erst  diese  modernen  Methoden,  besonders 
Breitbaupts  bekanntes  Buch,  der  durchgingigen  Anschauung  ein  Ende  machten,  als 
sei  der  Anschlag  etwas  Angeborenes,  nicht  Erlernbares. 

Interesaanter  ging  es  in  den  Kunstgesang-Silzungen  her.  Zwei  physiologische 
Vortifge  der  Herren  Dr.  Gutzmann  und  Dr.  Katzensiein-Berlin  zogen  ein  zahl- 
reiches Publikum  herbei.  Ich  möchte  dabei  erwSbnen,  daP  derartige  Vorliege  wohl 
recht  allgemein  bildend  sind,  der  Gesanglehrer  aber  auch  ohne  sie  auskommt.  Er 
muß  sich  sehr  hüten,  den  Schüler  auf  Hais  oder  Kehlkopf  zu  verweisen,  den  er, 
ebensowenig  wie  der  Pianist  die  Saiten,  irgendwie  direkt  zum  Guten  beelnliussen  kann, 
frl.  vao  Zanien-Berlin  forderte  eine  mögliebst  vielseitige  Vorbereitung  der  Gesa ngs- 
VII.  30.  S 


K 


102 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


Pädagogen.  Ich  sehe  wohl  mit  den  meisten  Einsichtigen  die  betrübenden  Leistungen 
des  Gros  der  Gesanglehrer  in  dem  äußerst  mangelhaften  praktischen  Können.  Den 
stärksten  Besuch  hatte  die  Demonstrationssitzung  der  Kunstgesangskommission  zu 
verzeichnen,  in  der  es  infolgedessen  auch  besonders  lebhaft  zuging.  Aber  auch  hier 
wird  der  Gesanglehrer  nicht  auf  seine  Kosten  gekommen  sein,  es  sei  denn  mit  dem 
Hinweise  Dr.  Seydels-Leipzig,  daß  der  Schüler,  soweit  irgend  möglich,  die  Nasen- 
atmung zu  betreiben  habe. 

Reicheren  Gewinn  ergaben  die  Sitzungen,  die  sich  mit  der  musikalischen 
Erziehung  aufden  Schulen  beschäftigten.  Von  den  offiziellen  Rednern  bestand 
allerdings  nur  Herr  Roed er- Herford  mit  Ehren,  der  den  minderwertigen  Gesang- 
unterricht auf  den  Volksschulen  für  die  ungenügende  Ausbildung  der  Schüler  der 
Lehrerbildungsanstalten  verantwortlich  machte.  Herrn  Dr.  Burkhardts-Berlln  Vor- 
schlag: Musikgeschichte  auf  den  höheren  Lehranstalten  während  der  Mutation  eiit- 
zuführen,  wurde  ebenso  kurz  wie  einstimmig  abgelehnt,  während  Herr  Msrtens- 
Altona  und  seine  Behauptung:  die  Übertragung  des  Gesangunterrichtes  an  einen 
Philologen  würde  keine  Förderung  bedeuten,  und  eine  Verbindung  des  philologischen 
Studiums  mit  der  musikpädagogischen  Fachausbildung  überhaupt  nicht  gut  zu  heißen 
sein,  eigentlich  die  schlimmste  Kritik  erfuhr.  Auch  der  Methode  Dalcroze  erging 
es  nicht  besser:  es  scheinen  sich  demnach  die  reizenden,  augenflllligen  Übungen  für 
den  Gesang-  und  Musikunterricht  an  den  Volksschulen  nicht  zu  eignen,  da  sie  all* 
seitig  in  sehr  ausführlicher  Behandlung  mit  schwerwiegenden  Argumenten  zurück* 
gewiesen  wurden. 

Der  sozialen  Frage  konnte  leider  der  beabsichtigte  breite  Raum  nicht  gt^ 
widmet  werden;  die  plötzlichen  Erkrankungen  der  Herren  Landgericbtsrat  Lattmann» 
Berlin  und  Professor  KulenkampfT-Potsdam  raubten  dem  Kongreß  zwei  Hauptredner» 
Einen  vollen  Erfolg  trug  der  feine,  durchdachte  Vortrag  von  Frl.  Stieglitz-Berlin 
davon,  in  dem  mir  besonders  bemerkenswert  der  Plan  der  Gründung  von  Volksmusik- 
schulen schien.  Bedeutend  kälter  dagegen  wurde  den  Ausführungen  von  FrLSprengel* 
Berlin  und  Frl.  Morsch-Berlin  begegnet,  die  die  Abwicklung  der  sozialen  Wunsche 
dem  Staate  zuschieben  wollten.  Den  vielfach  dabei  entwickelten  Widersprüchen  trat 
Frl.  Leo  scharf  entgegen,  die  sich  u.  a.  nachdrücklichst  gegen  die  Zumutung  wandte^ 
die  Musiklehrenden  sollten  sich  von  Staats  wegen  unter  den  Schutz  des  Reichs- 
invalidengesetzes begeben.  Dem  Staate  würde  ja  wohl  eine  so  einfache  Lösung  höchst 
bequem  sein,  für  die  Musiklehrenden  aber  eine  Verweisung  in  die  Stellung  des 
Dienstbotenpersonals  heißen.  Herr  Mayer-Mahr-Berlin  schließlich  machte  sich 
zum  Sprachrohr  weitester  Musikerkreise,  indem  er  die  Bildung  von  Musiker- 
kammern forderte,  die  ähnlich  der  Bühnengenossenschaft  eine  wirkliche  Organisation 
und  einen  ehernen  Zusammenschluß  der  Musikerwelt  und  —  die  Lösung  der  brennenden 
sozialen  Frage  bedeuten  würde. 


BÜCHER 

177.  Carl  HennlclLe:  Hasse  und  die  Brüder  Graun   als  Symphoniker.    Nebst 

Biograpbieen  und  thematischen  Katalogen.  Verlag:  Breiiicopr  &  Hirtel, 
Leipzig  1906. 
Im  vorliegenden  Terke  hat  der  Verfasser  einen  überaus  seh itiens werten  Betrag 
inr  Geschiebte  der  noch  venig  aufgehellten  vorhaydnschen  Musik  geliefen,  an  der  man 
neuerdings,  seit  der  wichtigen  Publikation  über  die  Mannheimer  Tonscbule  (Slamitz  u.  A.), 
wieder  regeres  Interesse  gewonnen  hat.  Sind  einmal  alle  Fäden  bloßgelegt,  die  nach 
Job.  Seb.  Bachs  Tode  von  dessen  künstlerischem  Ideale  ab-  und  der  neuen  Kunstrichtung 
zuführten,  die  in  der  Wiener  Glanzepoche  der  deutschen  Musik  ihren  Höhepunkt  er- 
reichte, so  wird  insbesondere  Haydn  noch  weit  weniger,  als  dies  schon  jetzt  der  Fall  ist, 
als  ein  Komponist  mit  nur  einem  Vorliufer,  C.  Pb.  Em.  Bach,  erscheinen.  Eine  aus- 
führliche Kritik  des  vorliegenden  Verkes  hier  zu  geben  ist  ganz  und  gar  unmöglich,  da 
die  Fülle  des  Neuen  darin  eine  forttauFende  Rubrizierung  ebenso  nötig  machen  würde, 
wie  die  vielen  polemischen  Abschnitte  des  Werkes  eine  Stellungnahme  erheischten,  die 
sich  nicht  mit  zwei  Worten  geben  liefle.  Diese  Polemik,  die  Mennicke  als  Partelginger 
Riemanns  gegen  Kretzschmar  und  seine  Schule  mehr  oder  weniger  versteckt  in  sein  Werk 
einflicht,  schadet  dem  überaus  fleißigen  Buche  in  doppelter  Weise:  sie  hat  der  Ein- 
heltlichkelt  der  Darstellung  Abbruch  getan  und  die  Arbeit  unnStig  breit  au^eschwellt. 
Mennicke  teilt  eine  riesige  Fülle  des  Materials  mit,  geht  aber  nicht  mit  der  wünschens- 
werten Ökonomie  mit  ihm  um;  so  zerstreuen  sich  die  Schlußfolgerungen  und  Resultate 
in  unliebsamer  Weise.  Das  alles  ist  freilich  nicht  dazu  angetan,  den  unleugbar  großen 
Wert  des  Werkes  dauernd  zu  beeintrlchtigen,  von  dem  ich,  um  auch  diese  Ausstinde 
noch  hervorzuheben,  bedauere,  daß  es  in  übertriebener  Weise  Gebrauch  von  allerhand 
wirklich  unnStlgen  Fremdwörtern  macht  und  an  einigen  Stellen  überaus  mangelhaft  (auch 
die  Revisoren  des  Druckes  in  der  Druckerei  selbst  sind  durchaus  nicht  ohne  Schuld) 
korrigiert  ist.  Daß  Mennicke,  der  die  Grenzen  seiner  Untersuchung  in  den  der  eigentlichen 
Zeit  seiner  Darstellung  voraufgehenden  Abschnitten  recht  weit  gezogen  bat,  nicht  auch 
Graupner  ausführlich  behandelt,  sondern  sich  im  wesentlichen  mit  der  einzigen  durch 
Riemtnn  in  seiner  ^Großen  Kompositionslehre"  gegebenen  Analyse  begnügt,  bedauere 
ich  persBnllcb  sehr.  Leider  ist  mein  seit  langer  Zeit  abgeschlossener  thematischer  Katalog 
von  Graupners  Symphonieen  und  französischen  Ouvertüren  noch  nicht  zum  Drucke 
gelangt    Mennickes  Arbeit  verlangt  und  verdient  eingehendes  Studium. 

Prof.  Dr.  WilMiald  Nagel 

178.  Paul   Bruns:     Neue    Gesangmethode    nach    erweiterten    Grundlehren 

vom    primSren    Ton.     In    gemeinfaßlicher    Darstellung.     Verlag:    Otto 

Dreyer,  Berlin. 

Der  Verfasser  versichert  uns  im  Vorwort,  daß  er  nicht  das  abgestandene  Klagelied 

über  den  Verhll  der  Gesangskunst  anstimmen  und  noch  weniger  die  heutige  so  regsame 

und  vielseitige  Gesangipidagogik  befehden  wolle.    Aber  er  hilt  sein  Versprechen  nicht, 

denn  auf  Schritt  und  Tritt  begegnen  wir  in  seinem  Buche  nicht  nur  einer  fortlaufenden 


104 
DIE  MUSIK  VIL  20. 


Polemik  gegen  die  bisherigen  Theorieen  und  ihre  Vertreter,  sondern  auch  der  immer 
wiederholten  Versicherung,  daß  mit  der  allgemeinen  Einführung  seiner  eigenen  Ton- 
bildungsprinzipien ein  großer  Aufschwung,  ja  eine  neue  Ära  der  Gesangskunst  bevor- 
stände. Es  ist  also  doch  das  alte  Lied  in  einer  neuen  Tonart:  Die  Gesangskunst  hat 
sich  bisher  mit  Ausnahme  einiger  genialer  Naturalisten,  die  instinktiv  das  Richtige  trafen« 
auf  dem  Holzwege  befunden,  und  erst  die  neue  Lehre  des  Verfassers  wird  „das  Volk, 
das  im  Dunkeln  wandelt**,  aufklären.  Bruns  sieht  das  Allheilmittel  für  alle  gesanglichen 
Schäden  der  Gegenwart  in  der  von  Müller-Brunow  begründeten  Lehre  vom  »primären 
Ton**,  die  er  selbst  in  eigentümlicher  Weise  ausgestaltet,  indem  er  das  Phänomen  der 
Obertöne  im  Stimmklang  für  den  Tonbildungsunterricht  praktisch  zu  verwerten  sucht. 
In  diesem  Phänomen  sieht  er  das  „Essentiale  des  primären  Tons**  und  verheißt  für 
später  eingehendere  Erklärungen  in  einer  Sonderbroschüre.  In  der  vorliegenden  Arbeit 
beschränkt  er  sich  auf  die  Erwähnung  der  mitklingenden  Oktave;  die  interessante  Frage, 
ob  der  Sänger  und  gar  der  Hörer  bei  jedem  Gesangston  eine  ganze,  den  Dreiklang  und 
die  Naturseptime  einschließende  Obertonreihe  mitempfinden  soll,  läßt  er  somit  unberührt. 
Wie  übrigens  ein  so  obertonreicher,  aus  günstigen  Resonanzfaktoren  ersprießender  Ton 
zu  der  heute  so  beliebten  Bezeichnung  „primär**  kommt,  ist  schwerverständlich.  Bruns 
polemisiert  sogar  (S.  64)  gegen  die  einzig  vernünftige,  ja  selbstverständliche  Begriffs- 
bestimmung Merkels,  der  den  von  der  Lunge  und  den  Stimmbändern  erzeugten,  noch 
nicht  im  Ansatzrohr  timbrierten  Stimm  klangt  „primären  Ton**  nannte.  Das  Erzeugnis 
des  Zusammenwirkens  von  Lunge,  Stimmbändern  und  Resonanzräumen  könnte  man  doch 
vernünftigerweise  nur  sekundären  Ton  nennen.  Aber  das  Feldgeschrei  aller  Gesangs- 
lehrer, die  nun  einmal  um  jeden  Preis  „modern**  sein  wollen,  ist  und  bleibt  der 
„primäre  Ton**.  Dabei  ist  der  Begriff  ebenso  verschwommen  und  unklar  wie  der  Name. 
Man  höre  nur  den  Verfasser  (S.  44):  „Hier  ist  primärer  Ton  ein  KollektivbegrifF  für 
einen  großen,  noch  nicht  geschlossenen  Kreis  neuer  tonbildnerischer  Ideen,  für  ein  System 
neuer  Thesen  zur  Klangentwickelung  der  Naturstimme,  ein  Klangbegriff  für  eine  Reibe 
klangplastischer  Vorstellungen,  stimmpädagogischer  termini  technici  und  einer  musi- 
kalischen harmonischen  Struktur  der  menschlichen  Stimme.**  Die  alleinseligmachende 
Lehre  vom  registerausgleichenden  primären  Ton  soll  an  die  Stelle  der  Dreiregistertheorie 
treten,  obwohl  der  Verfasser  doch  nicht  wagt,  „die  Register  als  stimmpbysiologische 
Fakta  wegzuleugnen**  (S.  20,  21);  aber  er  deutet  sie  „als  Obergänge,  als  schwache  Stellen 
im  Gesangsorganismus,  als  Störungen  und  Hemmungen  natürlicher  Resonanz"  (S.  21), 
die  durch  den  primären  Ton  beseitigt  werden  sollen.  Wie  ein  „stimmphysiologisches 
Faktum**  durch  eine  Resonanzerscheinung  aus  der  Welt  geschafft  werden  soll,  bleibt  das 
Geheimnis  des  Verfassers.  Die  üblichen  Ausdrücke  „Mittelstimme**,  „voix  mixte"  und 
„Falsett**  will  Bruns  aus  der  Terminologie  der  Gesangschulen  beseitigt  wissen,  ebenfalls 
zugunsten  der  Alleinherrschaft  des  primären  Tones.  „Falsetto  heißt  ,falsch*.  Etwas 
Falsches,  Unfertiges  kann  niemals  künstlerische  Wirkung  erzielen",  lautet  an  einer  Stelle 
<S.  22)  seine  Beweisführung.  Das  registerausgleichende  Element  des  primären  Tones 
findet  er  in  der  Kopfresonanz,  die  er  methodisch  auf  den  ganzen  Stimmumfting  über- 
tragen will  (S.  67).  Diese  „höchste  Resonanz"  ist  aber  nach  Bruns  niemals  angeboren 
und  somit  kein  Naturprodukt,  sondern  muß  allen,  auch  den  begnadetsten,  Naturstimmen 
erst  anerzogen  werden  (S.  74,  96).  Dafür  aber  besitzt  sie  die  Wunderkraft,  ,»Stimmen 
aus  dem  Nichts  zu  schaffen**  (S.  51)  und  bei  „jeder  primär  durchgebildeten  Frauenstimme 
unabhängig  vom  Klangcharakter  einen  Umfang  von  mindestens  zwei  und  einer  halben 
Oktave  im  crescendierten,  bühnenfähigen  klangvollen  Ton  mit  absoluter  Bestimmtheit" 
zu  entwickeln  (S.  54).  Aber  wenn  Bruns  auch  fest  an  die  Allmacht  seiner  Methode 
glaubt,  gesteht  er  andererseits  die  ewige  Ohnmacht  der  Theorie  zu:    „Das  wunderbare 


105 
BESPRECHUNGEN  (BOCHER) 


ü 


Geheimnis  der  menschlichen  Stimme  gleicht  der  Sphinx:  Die  Wissenschaft  wird  es  nicht 
ergründen,  das  steht  fest*  (S.  38,  vgl.  auch  S.  65).  Gewiß  wird  man  »die  geheimen 
Wechselbeziehungen  zwischen  Stimmband  und  Resonanzkörper*  niemals  mit  dem  Kehl- 
kopfspiegel  erkennen  können.  Wohl  aber  hat  das  feinhörige  Ohr  tüchtiger  Gesangsmeister 
schon  vor  Müller-Brunow  und  Bruns  erkannt,  daß  die  eigentliche  kritische  und  auf- 
bauende Tätigkeit  des  Tonbildners  von  den  Resonanzräumen  des  Stimmapparates  auszu- 
gehen hat.  Der  Verfasser  befindet  sich  somit  im  Irrtum,  wenn  er  (S.  66)  den  Gedanken« 
daß  der  künstlerische  Ton  eine  Resonanzerscheinung  sei,  als  »völlig  neue  tonbildnerische 
Anschauung"  bezeichnet.  Auch  mit  manchen  anderen  Behauptungen  wird  Bruns  auf 
heftigen  Widerstand  stoßen;  so  mit  der,  daß  alle  deutschen  Stimmen  auf  gewissen  Tönen 
ausnahmslos  detonieren  (S.  115),  und  mit  der  ebenso  kühnen,  daß  die  Unreinheiten  des 
Gesangstones  genau  nur  von  dem  Tonbildner  (natürlich  dem  primär  geschulten!)  beurteilt 
werden  können  (S.  113 ff.).  Ober  Reinheit  der  Intonation,  soweit  sie  von  der  Schwingungs- 
zahl abhängig  ist,  pflegt  unter  Menschen  mit  feinem  musikalischen  Gehör  keine 
Meinungsverschiedenheit  zu  bestehen.  Daß  die  Sänger  sehr  häuflg  nicht  zu  dieser 
Menschengattung  gehören,  kommt  eben  daher,  daß  viele  sich  der  Musik  widmen,  weil 
sie  Stimme  haben,  ohne  musikalisch  zu  sein.  Daß  das  Detonieren  bei  Kunstnovizen  an 
der  Tagesordnung  ist  (S.  109),  muß  ich  aus  eigener  langjähriger  Erfahrung  im  Gesang- 
unterricht bestreiten.  Insbesondere  ist  es  mir  nie  begegnet,  daß  Geiger,  die  sich  später 
im  Gesang  ausbildeten,  im  Anfang  unrein  gesungen  hätten,  während  ich  von  un- 
musikalischen Sängern  mit  vorzüglicher  Tonbildung  oft  eine  sehr  mangelhafte  Intonation 
vernommen  habe.  Anlage  und  Ausbildung  des  Ohres  fallen  eben  hierbei  mehr  ins 
Gewicht  als  die  Kultur  der  Stimme.  Auch  Behauptungen  wie  „Die  mezza  voce  ist  der 
deutschen  Schule  fast  fremd*  (S.  76)  und  »Absolute  Tonfreiheit  ist  beim  deutschen  Natur- 
sänger nie  vorhanden*  (S.  95)  sind  sehr  anfechtbar  und  verraten  die  alte,  so  gänzlich 
unbegründete  Oberschätzung  des  welschen  Gesanges,  gegen  die  schon  Felix  Mendelssohn 
in  seinen  Briefen  an  die  ausgezeichneten  deutschen  Sänger  Eduard  Devrient  und  Franz 
Hauser  im  Jahre  1831  lebhaft,  aber  vergeblich  protestiert  hat.  Ernst  Wolff 

179.  C.  A.  Klelhauser:  Die  Stimmgabel,  ihre  Schwingungsgesetze  und  An- 
wendungen in  der  Physik.  Verlag:  B.  G.  Teubner,  Leipzig  1907. 
Diese  auf  fremden  Untersuchungen  fußende  Monographie,  die  zugleich  eine  Samm- 
lung der  Forschungsergebnisse  auf  diesem  Gebiete  ist,  wie  sie  bisher  nur  in  den  ver- 
schiedensten deutschen  und  fremdsprachigen  Zeitschriften  zerstreut  vorlagen,  hat  für  den 
praktischen  Musiker  nur  wenig  direkt  Interessierendes.  Dahin  gehören  bestimmte  Maß- 
regeln für  die  Behandlung  der  Stimmgabel,  wenn  ihre  Tonhöhe  unverändert  bleiben  soll. 
Man  soll  sie  nämlich  erstens  gegen  Rost  schützen  und  sich  daher  hüten,  mit  den 
Fingern  über  ihre  Zinken  hinwegzustreichen;  weiter  spreche  man  nicht  über  die  Gabel 
hinweg  und  öle  sie,  wenn  man  sie  für  längere  Zeit  aufhebt,  mit  Büchsenschloßöl  ein 
oder  stecke  sie  in  eine  Hülle  von  weichem  Leder.  Endlich  soll  man  die  Gabel  vor 
mechanischen  Beschädigungen  bewahren  und  es  daher  vermeiden,  wie  es  meist  zu  ge- 
schehen pflegt,  sie  an  einen  harten  Gegenstand  anzuschlagen,  zumal  dann  die 
deutlich  dabei  auftretenden  Obertöne,  die  zum  Grundton  dissonant  sind,  die  Reinheit  des 
Klanges  beeinträchtigen.  Das  beste  Mittel  zur  Erregung  von  Gabeln  ist  das  Anstreichen 
mit  dem  Geigenbogen  (Viola-  oder  Cellobogen),  da  dabei  einerseits  eine  größere  Dauer 
und  Stärke  des  Klanges  erzielt,  andererseits  auch  die  Gabel  am  meisten  geschont  wird. 
Der  Musikwissenschaftler  findet  in  dem  Buche  die  Geschichte  der  Normalstimmungen 
bis  zu  den  Beschlüssen  der  Wiener  Stimmtonkonferenz,  auch  eine  Tabelle  über  die 
Schwingungszahlen  des  jeweiligen  a'  in  verschiedenen  Ländern,  in  zeitlicher  Folge  dar- 
gestellt. Das  Buch  zeichnet  sich  durch  sorgfliltige  und  zahlreiche  Literatumachweisungen  aus. 

Georg  Capellen 


WL 


106 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


MUSIKALIEN 

180.  G.  II.  G.   von    Brücken   Fock:     Die    Wiederkunft    Christi     oder    das 

nahende  Gottesreich.    Ein  Oratorium  für  Doppelchor,  Soli  und  Orchester. 

op.  19.  Verlag:  A.  A.  Noske,  Middelburg. 
Die  Gattung  des  Oratoriums  ist  heutzutage  bei  uns  selten  geworden;  darum  be- 
grüßen wir  jede  neue  Erscheinung  auf  diesem  Gebiet  mit  um  so  größerer  Aufmerksam- 
keit. Freilich  scheint  es,  als  ob  die  Seltenheit  des  Oratoriums  ihren  Grund  darin  hätte, 
daß  uns  das  Gefühl  für  den  echten  Oratorienstil  verloren  gegangen  sei  —  gerade  so 
wie  es  uns  für  den  Stil  der  Oper  verloren  gegangen  ist.  Aber  während  wir  auf  dem 
Gebiet  der  Oper  eifrig  nach  einem  Stil,  der  einen  zeitgemäßen  Inhalt  in  entsprechende 
Formen  zu  gießen  verstünde,  suchen  (ihn  leider  noch  immer  nicht  finden  können),  haben 
wir  das  Oratorium  völlig  aus  dem  Auge  verloren.  Betritt  ein  Komponist  wie  von  Brücken 
Fock  im  vorliegenden  Werk  dies  Gebiet,  so  liegt  die  Gefahr  nahe,  daß  er  der  Stil- 
vermengung  verföllt.  Das  ist  hier  ohne  Zweifel  geschehen.  Hört  man  den  ersten  Chor 
mit  seiner  erregten  Leidenschaftlichkeit,  so  fühlt  man  sich  durchaus  ins  Gebiet  der 
dramatischen  Musik  versetzt;  die  pochenden  Triolen  in  den  tiefen  Streichern  in  No«  7 
erinnern  der  Farbe  und  Struktur  nach  an  das  Vorspiel  zur  «Walküre^;  überhaupt  zeigt 
besonders  diese  Nummer  viel  opemhafte  Elemente.  Dagegen  zeigt  der  Choral  No.  3 
eine  Bachsche  Einfachheit  und  Innigkeit,  nur  ist  die  Stimmung  weicher,  fast  sentimen- 
tal. Das  Altsolo  aber  (No.  6)  mit  dem  Orgelpunkt  in  den  leise  tropfenden  Baßvierteln 
steht  direkt  unter  dem  Einfluß  von  Brahms  (Anfang  des  Deutschen  Requiems).  Sieht 
man  von  dieser  Stilvermischung  ab,  so  bieten  die  ersten  sieben  Nummern  des  Werkes 
viele  große  Schönheiten.  So  ist  auch  der  dem  Altsolo  folgende,  nur  durch  ein  bedeu- 
tungsloses Instrumentalzwischenspiel  von  ihm  getrennte  Chor  pompös  aufgebaut,  und  das 
strahlende  C-dur,  zu  dem  er  sich  schließlich  durch  mancherlei  harmonische  Labyrinthe 
hindurchwindet,  wirkt  grandios.  Auch  das  Baßsolo  (No.  4)  ist  wuchtig,  kraftvoll  und 
stellt  dankbare  Aufgaben,  dankbarere  jedenfalls  als  das  Soloquartett  in  No.  7,  dessen 
Stimmführung  trotz  aller  Künstelei,  oder  vielmehr  eben  wegen  dieser  Künstelei,  jede 
Klarheit  vermissen  läßt;  besonders  wenn  dann  noch  der  Chor  hinzutritt,  wird  es  unmög- 
lich sein,  beim  Hören  die  Fäden  zu  verfolgen.  Überhaupt  wird  es  von  hier  ab  schlimm. 
Der  Komponist  sucht  hier  den  Mangel  an  scharf  geschnittenen  Gedanken  zu  verdecken 
durch  eine  Künstelei  harmonischer  und  polyphoner  Art,  die  nach  den  schwungvollen 
Partieen  des  Anfangs  um  so  unangenehmer  wirkt.  Am  Schluß  verläuft  das  Ganze  im 
Sande.  Es  ist  eben  das  leidige  Übel,  dem  so  viele  unsrer  zeitgenössischen  Komponisten 
verfallen:  sie  schämen  sich,  wenn  ihnen  einmal  eine  gute  Melodie  einfällt,  sie  schlicht 
und  natürlich  hinzuschreiben,  und  sie  behängen  sie  mit  allerhand  kontrapunktischem 
und  harmonischem  Glitzerkram,  sodaß  von  der  herzerquickenden  Schlichtheit  nicht  viel 
übrig  bleibt.    Und  doch  täte  uns  gerade  die  Einfachheit  so  not! 

Dr.  Max  Burkhardt 

181.  Josef  Suk:   Symphonie  „Asrael**   für  Orchester,   op.  27.    Verlag:    Breit- 

kopf &  Härtel,  Leipzig. 
Asrael,  der  Todesengel,  regte  manchen  Tondichter  zur  Tat  an.  Tschalkowsky  gab 
in  einem  „den  Manen  eines  großen  Künstlers**  geweihten  Klaviertrio  seinem  Schmerz  um 
den  dahingegangenen  Freund  (Nikolai  Rubinstein)  Ausdruck,  Georg  Henschel  gedtchte 
der  Lebensgefährtin  in  einem  „Requiem**.  Die  vorliegende  Symphonie  spiegelt  die 
Stimmungen  wieder,  die  den  Komponisten  angesichts  des  Todes  seines  Meisters  und 
Landsmannes  Anton  DvoHk,  zu  dem  er  überdies  durch  seine  Heirat  in  verwandtschafttiche 
Beziehung  getreten  war,  ergriffen.    Die  Bezeichnung  „Symphonie**  darf  man  hier  nicht 


107 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


sonderlich  streng  nehmen;  es  zeigt  sich  zumeist  eine  ^freiere*'  Form.  Das  etwa  eine 
Stunde  dauernde  Werk  besteht  aus  fünf  Sätzen,  von  denen  drei  ohne  merkbare  Unter- 
brechung zu  spielen  sind  und  als  „I.  Teil**  gelten,  während  Satz  4  und  5  den  II.  Teil 
darstellen.  C-moll,  die  Tonart  der  Trauer,  des  Todessanges  —  wir  finden  sie  in  Beethovens 
«Marcla  funebre**  (Eroica),  in  der  Trauermusik  Wagners  (Götterdämmerung),  in  Strauß'  „Tod 
und  Verklärung**  u.  a.  —  auch  Suk  spricht  in  ihr  seine  Trauer  aus.    Diesem  einfachen. 

Andante  sostenuto 


^^^^ 


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j^ 


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ruhig  klagenden  Motiv,  dessen  erster  Takt  zumeist  in  der  markanteren,  energischeren  Gestalt 

auftritt,  ist  fast  alles  entsprossen,  was  die  Partitur  auf  ihren  252 
Seiten  birgt.  Mit  welcher  Liebe  und  Sicherhett  hat  der  Komponist 
besonders  Takt  1  und  2  dieses  Motives  verwertet!  Stets  läßt  er  den  Gedanken  in  neuer 
Farbe  und  in  verschiedenartigstem  Charakter  erscheinen,  jetzt  gekürzt,  dann  verlängert, 
in  Moll,  in  Dur,  in  der  Umkehrung,  bald  herrschend,  bald  begleitend.  Der  erste  Satz 
erzählt  uns  von  dumpfer  Trauer,  erwachendem  Schmerze  und  heftigstem  Klageausbruch; 
ein  packendes  Seelengemälde  schuf  hier  der  Tondichter.  Ruhigere  und  tröstende  Worte, 
unterbrochen  von  einem  stillen  Trauerzuge,  dringen  im  zweiten  Satze  (Andante)  an  unser 
Ohr;  eigenartig  stimmungsvoll  wirkt  hier  das  „ewig^'-hallende  des":  ein  endloser 
Klageton.  Der  folgende  Satz  (Vivace)  stellt  das  «Scherzo'*  der  Symphonie  dar:  wilde 
Harmonieen,  ungezügelte  Rhythmen,  nationales,  slawisches  Gepräge.  Den  entschiedensten 
Kontrast  bringt  ein  langsamer,  melodischer  und  auch  durch  eigenartige  Harmonieen 
fesselnder  Mittelsatz.  Wohllaut,  Innigkeit  und  Poesie  zeichnen  in  noch  höherem  Maße 
den  vierten  Satz  (Adagio)  aus;  auch  der  Komponist  scheint  diesen  Abschnitt  besonders 
hoch  zu  stellen,  denn  er  hat  von  dem  Rechte  der  Wiederholung  einzelner  Teile  einen 
ausgiebigeren  Gebrauch  gemacht  als  bei  den  übrigen  Sätzen,  er  schien  sich  schwer  los- 
reißen zu  können  —  und  der  Zuhörer  wird  ihm  recht  geben.  Im  Finale  gelangt  der 
Schmerz  noch  einmal  mit  Elementargewalt  zum  Ausbruch;  ruhige,  feierliche  Klänge 
(Blechbläser),  von  Himmelsfrieden  und  Seelenfrieden  zeugende  Harmonieen  beschließen 
das  Werk.  In  Summa  eine  Komposition,  die  ein  starkes  Können,  achtunggebietendes 
Talent  offenbart  und  auf  zahlreiche  Aufführungen  Anspruch  erheben  darf.  Modem  in 
der  Tonsprache,  modern  in  der  Instrumentierung  (Besetzung:  Holzbläser,  Trompeten  und 
Posaunen  dreifach,  vier  Hörner,  Tuba,  Harfe  usw.),  jedoch  allzu  „Gefährlichem**  aus  dem 
Wege  gehend,  wird  Suks  »Asrael**  beim  Publikum  auf  williges  Entgegenkommen  rechnen 
können.  Leicht  hat  es  der  Komponist  dem  Orchester  allerdings  nicht  gemacht;  sein 
Werk  verlangt  eine  treffliche  Musikerschar  und  einen  tüchtigen  Dirigenten. 

Franz  Dubitzky 
182.  Miecyslaw   Karlowicz:    »Wiederkehrende    Wellen**,    Tondichtung    für 

Orchester,     op.  9.    Verlag:   Schlesingersche   Buch-   und  Musikhandlung, 

Berlin. 
Etwas  sehr^  buntschillernd  sind  sie,  diese  „Wiederkehrenden  Wellen^  aber  hie  und 
da  kommen  doch  einige  recht  hübsche  Lichtbrechungen  zustande.  Der  Tonsetzer  bat 
die  Partituren  der  Modernen  von  Berlioz  bis  Strauß  ihrem  instrumentalen  Kolorit  nach 
sehr  gründlich  studiert  und  weiß  so  manches  farbenprächtige  Orchesterbild  zu  entwerfen. 
Leider  hält  diesem  Geschick  die  thematische  Erfindung  nicht  die  Wage.  Hier  fehlt  es 
so  Eigenem  und  Selbständigem,  und  obwohl  man  von  eigentlichen  „Reminiszenzen** 
nicht  reden  kann,  mutet  vieles  doch  recht  bekannt  an.  An  Wagner,  an  Strauß,  an 
Brückner  (vgl.  Seite  50  der  Partitur  „L'istesso  tempo**  mit  dem  Hauptmotiv  des  ersten 
Satzes  der  Achten  Symphonie),  ja  auch  an  Brahms  (vgl.  Ziffer  33  der  Partitur  mit  dem 


108 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


Schlußsatz  der  Ersten  Symphonie)  wird  man  gemahnt,  und  schon  die  Zusammenstellung 
dieser  Namen  läßt  erkennen,  daß  es  der  Tonsprache  des  Werkes  etwas  an  stilistischer 
Einheitlichkeit  fehlt,  ebenso  wie  der  thematischen  Entwicklung  an  rechter  Geschlossenheit. 
Dem  Titel  des  Werkes  nach,  der  übrigens  ziemlich  schleierhaft  bleibt,  sollte  man 
eine  Art  Rondoform  erwarten,  doch  kommt  trotz  einer  Reihe  thematischer  Wieder- 
holungen nichts  Derartiges  zustande.  Der  Grundton  des  Ganzen  ist  auf  bald  träumerische, 
bald  leidenschaftliche  Sehnsucht  gestimmt,  bisweilen  von  kräftigen  Episoden  wirkungs* 
voll  schattiert,  als  deren  hübscheste  das  Allegro  moderato  (Seite  39)  hervorgehoben  sei; 
schade,  daß  das  schwungvolle  A-dur-Thema  keine  weitere  Entwicklung  erfährt.  Im  ganzen 
darf  diese  Partitur  trotz  mangelnder  Reife  als  anerkennenswerte  Talentprobe  bezeichnet 
werden.  Auch  zeichnet  sich  die  Musik  bei  aller  modernen  Tendenz  doch  durch  ein  sehr 
sympathisches,  vornehmes  Maßhalten  aus.  Dr.  Eugen  Schmitz 

183.  Eduard  Agate:    Sechs  Lieder  für  eine  hohe  Singstimme  und  Klavier. 

Verlag:  Sidney  Riorden,  London. 
Während  man  in  No.  1  („Waldlied**)  und  namentlich  No.  2  („Bauernregel**)  noch 
etwas  kompositorische  Begabung  verspürt,  muß  man  über  die  folgenden  vier  Lieder  zum 
mindesten  den  Kopf  schütteln.  Der  Komponist  scheint  hier  ängstlich  darauf  bedacht 
gewesen  zu  sein,  nicht  zu  den  Reaktionären  gezählt  zu  werden  und  um  jeden  Preis 
modern  zu  erscheinen.  Man  verkennt  aber  moderne  bedeutende  Kompositionen  durchaus, 
wenn  man  besonders  hervortretende  Akkord kombinationen,  die,  am  rechten  Platz  an- 
gewandt, von  der  größten  Wirkung  sind,  unter  die  Lupe  nimmt  und  in  eigenen  Kompositionen 
verallgemeinert.  Ganz  rückständige  Theoretiker  (aus  Verachtung)  und  eine  große  Anzahl 
junger  Komponisten  (aus  Überbegeisterung),  denen  der  Komponist  der  vorliegenden  Lieder 
unbedingt  beigezählt  werden  kann,  scheinen  sich  —  wie  ja  überall  die  Extreme  —  in  der 
Ansicht  über  »moderne  Harmonik**  zu  berühren.  Nach  ihnen  gibt  es  nur  einen  einzigen 
Grundakkord  in  der  modernen  Musik,  der  auf  dem  Klavier  etwa  durch  Herunterdrücken 
möglichst  vieler  Tasten  mit  beiden  Armen  und  Händen  zu  Gehör  gebracht  werden  kann. 
Es  ist  statt  Harmonielehre  dann  nur  noch  eine  Regel  zu  lernen:  «Die  anderen  Akkorde 
entstehen  durch  Weglassen  einiger  oder  mehrerer  Töne;  jedoch  dürfen  niemals  so  viele 
Töne  fortfallen,  daß  etwa  ein  einfacher  Dreiklang  dabei  herauskommt.**  Die  Melodik 
kommt  bei  Agate  in  diesen  Liedern  —  wenn  man  hier  überhaupt  von  einer  Melodie 
reden  darf  —  natürlich  erst  in  zweiter  Linie  in  Betracht;  sie  muß  sich  aus  den  gewihlten 
Akkordfolgen  ergeben  und  tritt  nur  an  ganz  besonders  im  Text  hervortretenden  Stellen 
in  den  Vordergrund,  wie  z.  B.  bei  den  Worten:  „Der  Stundenwagen  kam  polternd  drein*, 
wo  der  Sänger  bei  „polternd**  wirklich  fortissimo  poltern  muß.  Wegen  ihrer  Unnatur  ist  die 
Singstimme  an  einigen  Stellen  fast  unsangbar,  an  anderen,  melodischeren  Stellen 
dagegen  sogar  trivial.  Eine  wirkliche  künstlerische  Befähigung  scheint  mir  vorläufig  nur 
in  einem  allerdings  ziemlich  ausgeprägten  Sinn  für  musikalische  Form  zu  liegen,  der 
sich  in  allen  Liedern  kundgibt  und  sie  hierin  vorteilhaft  von  ähnlichen  Kompositionen 
unterscheidet.  Nun,  hoffentlich  befindet  sich  Agate  noch  in  der  Sturm-  und  Drangperiode 
und  hat  uns  später  Reiferes  zu  sagen;  Ansätze  hierzu  sind,  wie  schon  erwähnt,  vorhanden. 

184.  Kurt  Zöllner:  Kompositionen  für  Klavier,    op.  7:  „Vier  leichte  Stücke*. 

op.  8:  „Variationen**,   op.  9:  „Acht  Miniaturen*.   Verlag:  Lauterbach  & 

Kuhn,  Leipzig. 
Auch  diese  Stücke  sind  wohl  für  Klavierschüler  auf  der  Anfangs-  und  Mittelstufe. 
bestimmt  und  als  solche  empfehlenswert.    Die  kleinen  Kompositionen  haben  noch '^  den: 
Vorzug  vor  ähnlichen,  daß  die  Harmoniefolgen  bei  aller  Einfachheit  gewählter  sind.  Die 
Variationen  op.  8  kann  man  in  dieser  Bezeichnung  besonders  loben.         Max  Vogel 


Aus  deutschen  Musikzeitschriften 

ZEITSCHRIFT  DER  INTERNATIONALEN  MUSIKGESELLSCHAFT  (Leipzig), 
VIII,  Heft  12  und  IX,  Heft  1.  —  A.  Schering  bespricht  in  dem  Aufsatz  „Joseph 
Joachim''  hauptsächlich  des  Meisters  Geigenspiel  und  seine  Lehrtätigkeit.  —  Die 
„Commission  internationale  pour  l'ötude  de  la  musique  de  luth**  berichtet  über 
ihre  Aufgaben  und  bittet  die  Gelehrten,  die  sich  für  das  Studium  der  Lautenmusik 
interessieren,  sich  mit  ihr  zu  verbinden  (Adresse:  J.  Ecorcheville,  7  Cit6  Vaneau, 
Paris).  —  Charles  Maclean  klagt  in  dem  Aufsatz  „Music  and  Morals**  über  den 
Verfall  der  Sitten  und  die  Schamlosigkeit  unserer  Zeit.  Auf  dem  Gebiete  der 
Musik  habe  zuerst  Richard  Wagner  den  sittlichen  Verfall  herbeigeführt  («Wagner 
began  the  declension**),  indem  er  in  die  Dichtung  „Der  Ring  des  Nibelungen** 
moderne  „sozialistische^  Ideen  vom  „freien  Helden**  und  von  der  „freien  Liebe** 
hineingebracht  („by  insisting  or  importing  into  it  modemisms  of  his  own  day,  the 
socialism  of  the  ,free-hero'  and  wild  mystifications  about  ,redemption'  by  free  love**) 
und  im  „Tristan**  das  verherrlicht  habe,  was  die  ganze  übrige  Welt  verdammt 
(«glorification  of  that  wich  all  the  rest  of  the  world  condemns**).  Natürlich  ver- 
urteilt Maclean  noch  mehr  Strauß'  „Salome**.  —  Henri  Quittard  veröfiPentlicht  in 
dem  Aufsatz  „Deux  fdtes  musicales  au  XV«  et  XVIe  sidcles**  Auszüge  aus  der 
„Chronique**  von  Mathieu  d'Escouchy  und  aus  Jodelle's  Werken  musikgeschicht- 
lich interessante  Berichte  über  französische  Hoffeste  in  den  Jahren  1453  und  1559. 
—  O.  G.  Sonneck  veröffentlicht  hier  unter  der  Oberschrift  „Edward  Mac  Dowell** 
(Heft  1)  einen  ausführlichen,  interessanten  Vortrag,  den  er  am  17.  Januar  1905,  also 
vor  der  Erkrankung  des  Komponisten,  gehalten  hat.  —  Ober  „Das  dänische 
Volkslied**  handelt  ein  kurzer  Aufsatz  von  Hjalmar  Thuren.  —  Der  anonyme 
Aufsatz  „The  Musician  Astronomer**  enthält  eine  Lebensbeschreibung  des  Astro- 
nomen und  Musikers  Frederick  William  Herschel  (1738—1822). 

DIE  STIMME  (Berlin),  1907  No.  12,  1908  No.  1-7.  —  Franz  Wethlo  veröffentlicht 
eine  psychologische  Studie  über  „Singenlemen  und  Singenlehren**  (No.  12).  — 
Karl  Jendrossek  beendet  seine  Abhandlung  über  „Die  , neuen  Bestimmungen* 
und  der  Gesangunterricht  in  den  Lehrerbildungsanstalten**.  —  Bernhard  Hoeft 
bespricht  den  „Einfluß  der  Herzogin  Amalie  von  Weimar  auf  das  Theater  und 
die  Musik  ihrer  Zeit^  —  — e.  wirft  einen  „Rückblick  auf  das  VII.  Deutsche 
Sängerbundesfest  in  Breslau**.  —  R.  Im  hofer  veröffentlicht  einen  auf  der  Ver- 
sammlung der  Naturfoscher  und  Ärzte  gehaltenen  Vortrag  „Über  musikalisches 
Gehör  bei  Schwachsinnigen**  (No.  2—3).  —  Robert  Handkes  Aufsatz  „Zur  Dis- 
position des  Volksschulgesangunterrichtes**  (No.  1  u.  2)  behandelt  I:  „Die  Laut- 
bildungsstudien**,  II:  „Treffübungen**.  —  Der  Aufsatz  „Goethes  Bedeutung  für  die 
Kultur  der  Stimme**  von  Martin  Seydel  (No.  2)  handelt  vornehmlich  von  Goethes 
Regeln  für  Schauspieler.  —  Viggo  Forchhamm  er  spricht  Inder  terminologischen 
Abhandlung  „Stimmansatz  oder  Tonansatz**  die  Ansicht  aus,  daß  das  Wort  Stimm- 
ansatz nicht  gebraucht  werden  sollte,  sondern  nur  das  Wort  Tonansatz.  —  Am61ia 
Thylleri  rät  in  dem  Aufsatz  „Ein  Weg  zur  Verbesserung  der  sozialen  Lage  der 


110 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


Kunstgesanglehrer^  den  Stimmbildnern,  sich  zusammenzuschließen,  damit  sie  ein- 
ander kennen  lernen,  und  jeder  Gesanglehrer  in  der  Lage  sei,  die  SchQler,  die  er 
selber  nicht  ausbilden  kann,  einem  Lehrer  zu  überweisen,  der  speziell  zur  Aus- 
bildung  dieses  Schülers  fähig  ist.  Hervorragende  Berufssinger  seien  oft  schlechte 
Lehrer;  deshalb  sollten  die  Stimmbildner  eine  große  Gemeinschaft  bilden,  die  von 
berühmten,  aber  als  Lehrer  unfähigen  Sängern  nicht  verdrängt  werden  könnte.  — 
Jörgen  Möller  berichtet  in  dem  Aufsatz  „Vom  rationellen  Sprechunterricht  und 
seinem  gegenwärtigen  Stande  in  Dänemark**  (No.  2)  über  die  Ausbildung  dänischer 
Seminarlehrer  im  richtigen  Sprechen.  —  A.  Gusindes'  Aufsatz  «Karl  Friedrich 
Zelter''  enthält  eine  kurze  Biographie  Zelters  und  bespricht  besonders  sein  Ver- 
hältnis zu  Goethe.  —  Paul  Hassenstein  beginnt  eine  Abhandlung  über  «Das  De- 
tonieren im  a  cappella-Gesang  und  seine  Verhütung**  (Heft  3),  in  der  er  zunächst 
»die  Forderungen,  welche  die  sogenannte  reine  Stimmung  an  den  a  cappella-Gesang 
zu  stellen  hat%  untersucht.  —  Gegen  diesen  Aufsatz  wendet  sich  ein  Artikel  „Ober 
die  Ursachen  des  Detonierens  im  a  cappella-Gesang**  von  Meinhardt  Böhme  (Heft 5). 
—  Frau  Fichna  erhebt  in  dem  Aufsatz  „Zur  sozialen  Lage  der  Kunstgesanglehrer** 
(Heft  3)  einige  Einwände  gegen  einen  früher  erschienenen  Artikel  von  Bruns- 
Molar.  Ihr  Aufsatz  handelt  aber  nicht  von  dem,  was  die  Oberschrift  ankündigt, 
sondern  von  Stimmbildung.  —  H.  Freiherr  von  der  Pfordten  spricht  in  dem 
lesenswerten  Aufsatz  „Wie  singt  man  Hugo  Wolf?**  (Heft  4—6)  eingehend  über  den 
Vortrag  Wolfscher  Lieder.  —  Robert  Hövker  hat  86  Schüler  im  Alter  von  14  bis 
20  Jahren,  von  verschiedener  musikalischer  Begabung  ein  Volkslied  hinter  einander 
in  verschiedenen  Tonarten  singen  lassen  und  berichtet  in  dem  Aufsatz  „Eine  ton- 
psychologische Studie  über  ,Kommt  ein  Vogel  geflogen'**  (Heft  4—6)  über  die 
Fehler,  die  besonders  beim  Singen  der  ersten  Töne  gemacht  wurden.  —  W.  Berg 
fordert  in  dem  Aufsatz  „Die  Entstellung  der  Stimme  im  Kindesalter**  (Heft  7),  daß 
die  Stimmbildung  in  die  Unterrichtsfächer  der  Schule  aufgenommen  werde.  — 
Der  Laryngologe  A.  Castex  erklärt  in  dem  Aufsatz  „Die  Behandlung  der  Stimm- 
organe** als  „die  beste  Gesangsmethode  ...  die  italienische,  gemildert  durch  die 
neuesten  Vervollkommnungen  der  Gesangskunst**.  Die  Dauer  der  täglichen  Obungen 
dürfe  nicht  mehr  als  1  -  2  Stunden  dauern;  „dazwischen  müssen  noch  Pausen  von  fünf 
Minuten  bis  zu  einer  Viertelstunde  eintreten.**  —  Georg  Seiht  sagt  in  dem  Auf- 
satz: „Noch  einmal  über  die  soziale  Lage  der  Sänger  und  der  Kunstgesanglehrer** 
(Heft  7):  ,Je  schlechter  es  unfähigen  Sängern  und  Gesangslehrern  ergeht,  um 
so  besser  für  die  Kunst.**  Das  wichtigste  Mittel,  dem  Stande  der  Sänger  und 
Gesangslehrer  zu  helfen,  sei  die  „rücksichtslose  Ausmerzung  der  Elemente,  die 
von  der  schweren  Kunst  des  Stimmbildens  keine  Ahnung  haben**.  —  Von  den 
übrigen  Aufsätzen  sind  die  folgenden  bemerkenswert:  „Karl  Hermann  und  seine 
Lehre  der  Stimmbildung**  von  Hermann  Morel  (Heft  4).  —  „Eine  einfache  Kehl- 
kopfmassage** von  J.  Veis  (Spezialarzt  für  Halsleiden).  —  „Ober  deutsche  Gesangs- 
aussprache**. (Mit  Berücksichtigung  der  „Studien**  von  Traugott  Heinrich)  von 
Georg  Vogel.  —  „E.  Grieg  und  seine  Bedeutung  für  die  Musik,  insbesondere  für 
den  Gesang**  von  Bruno  Stein.  —  „Stimm verlust  nach  Eingriffen  an  den  Stimm- 
lippen** von  Th.  S.  Flatau  (Heft  6—7).  -•  „Gesangunterricht  in  ungarischen 
Volksschulen**  von  Ludwig  Schloß  (Heft  6). 
SCHWEIZERISCHE  MUSIKZEITUNG  und  SÄNGERBLATT  (Zürich)  1907, 
No.  20—36.  —  E.  R.  bespricht  anläßlich  des  Ablaufs  der  Schutzfrist  der  Verke 
Cornelius'  die  „Männerchöre  von  Peter  Cornelius**  (No.  21).  —  Der  AuÜMtz 
„Ausländische   Rundschau**   (No.  22)    besteht    zum    größten   Teil   aus  Auszügen 


111 

REVUE  DER  REVUEEN 


aus  einem  im  »Tag**  erschienenen  Aufsatz  von  Gustav  Ernest  über  englische 
Komponisten.  —  Nf.  bespricht  in  dem  Aufsatz  «Vom  Volkslied  im  Kanton 
Luzem**  (No.  23)  A.  L.  Gaßmann's  Liedersammlung  „Dsls  Volkslied  im  Luzerner 
Wiggertal  und  Hinterland**.  —  Otto  von  Greyerz  tritt  in  dem  Aufsatz  „Volks- 
lieder* der  Ansicht  entgegen,  daß  das  Volkslied  aussterbe.  —  „Zum  50.  Todes- 
tage von  Carl  Czerny**  (No.  24)  veröffentlicht  £.  J.  eine  Biographie  Czernys, 
in  der  er  sagt,  daß  Breithaupts  Methode,  die  sich  mehr  für  die  weitere  Aus- 
bildung technisch  schon  vorgeschrittener  Schuler  als  für  den  Elementarunterricht 
eigne,  Czemys  Unterrichtswerke  nicht  verdrängen  könne.  —  G.  Becker  veröffent- 
licht unter  der  Überschrift  „Carl  Simon  Catel  und  Ludwig  Niedermeyer*  (No. 
25 — 26)  kurze  Lebensbeschreibungen  der  genannten  Komponisten  (Catel  1773  bis 
1830,  Niedermeyer  1802—1861).  —  Dem  am  20.  Mai  1907  gestorbenen  Männerchor- 
komponisten  Schultz  wird  ein   Nachruf  gewidmet  („Edwin  Schultz  f,   No.  25). 

—  In  dem  Aufsatz  „Zur  Entwickelung  des  Männergesangs**  (No.  27)  bespricht 
Nf.  einen  in  der  „Zeitschrift  der  I.  M.-G.**  erschienenen  Aufsatz  von  Alfred 
Heuß.  —  K.  Nef  bespricht  in  dem  Aufsatz  „Ein  Vorläufer  von  Hector  Berltoz** 
(No.  27)  kurz  eine  ungedruckte  Programmusik-Komposition  von  J.  L.  Dussek,  be- 
titelt: „Tableau  de  la  Situation  de  Marie  Antoinette,  Reine  de  France,  depuis  son 
emprisonnement  jusqu'au  dernier  moment  de  sa  vie,  rendu  dans  une  musique 
allegorique*.  —  Karl  Nef  versucht  in  dem  Aufsatz  „Die  Entwickelung  des  refor- 
mierten Kirchengesanges  in  der  deutschen  Schweiz**  (No.  28  und  29),  „die  Ent- 
wickelung des  reformierten  Kirchengesanges  vom  musikalischen  Standpunkt  aus 
zu  betrachten  und  .  .  .  glaubt,  da  das  Thema  bisher  vorwiegend  von  der  litera- 
rischen und  kirchengeschichtlichen  Seite  in  Angriff  genommen  worden  ist,  einige 
neue  Gesichtspunkte  gewonnen  zu  haben**.  —  Am  Schluß  des  Aufsatz  „Die  Ver- 
breitung des  Alphorns**  (No.  28)  spricht  Karl  Nef  die  Ansicht  aus,  „daß  das  Alp- 
horn in  verschiedenen  Gebirgsgegenden  weit,  fast  allgemein  verbreitet  war;  es 
scheint  nur  in  der  vielbereisten  und  viel  beschriebenen  Schweiz  besonders  be- 
merkt worden  zu  sein.**  —  „Zum  100jährigen  Bestand  der  Firma  Gebr.  Hug  &  Co. 
in  ZQrich**  (No.  30-32)  werden  lange  Auszuge  aus  der  von  der  jubilierenden 
Musikalienhandlung  herausgegebenen  Festschrift  veröffentlicht.  —  Zum  50.  Todes- 
tage Eichendorffs  veröffentlicht  W.  Haeser  den  Aufsatz  ,Joseph  von  Eichendorff** 
(No.  32  und  33),  der  eine  Charakteristik  der  Eichendorffschen  Lyrik  und  eine  Zu- 
sammenstellung von  Kompositionen  Eichendorffscher  Gedichte  enthält.  —  G. 
Bundi  berichtet  auf  Grund  der  „in  romanischer  Sprache  abgefaßten  Statuten  und 
Protokolle,  die  das  Zuozer  .Gemeindearchiv  bewahrt,**  über  den  „Kirchengesang 
In  der  Engadiner  Gemeinde  Zuoz**  (No.  34— 36)  von  1666  bis  zum  19.  Jahrhundert. 

—  E  J.  berichtet  unter  der  Überschrift  „Angerer-Jubiläum**  (No.  34)  über  die  vom 
Singenrerein  „Harmonie**  in  Zürich  zur  Feier  der  20jährigen  Wirksamkeit  seines 
Dirigenten  Gottfried  Angerer  veranstalteten  Konzerte.  —  Richard  Batka  erteilt 
in  dem  Aufsatz  „Musikunterricht**  den  Eltern  Ratschläge  betreffend  die  musika- 
lische Ausbildung  der  Kinder.  —  In  dem  Aufsatz  „Zur  Diskussion  über  den  vier- 
stimmigen Kirchengesang**  tritt  Pfarrer  Th.  Barth  (No.  35)  einem  Aufsatz  von  C. 
Hell  gegen  den  vierstimmigen  Gemeindegesang  entgegen.  Er  empfiehlt  den 
Gegnern  der  Mehrstimmigkeit,  den  vierstimmigen  Gesang  in  Basler  Kirchen  an- 
zuhören. —  Anna  Ron  er  bespricht  lobend  „R.  M.  Breithaupts  ,Die  natürliche 
Klaviertechnik'«  (No.  36). 

MONATSSCHRIFT  FÜR  SCHULGESANG  (Berlin),  Jahrgang  1907-8.  Heft 5-12. 

—  August  Wellner  beendet  seine  Biographie  Grells,  die  sich  hauptsächlich  auf 


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JBSS  I>IE  MUSIK  VII.  2a. 


Heinrich  Bellermanns  Werk  über  diesen  Komponisten  stutzt  („Eduard  Greift  Heft  5). 
—  Der  Aufsatz  „Ober  Dirigenlenpraxis''  von  Karl  Roeder  (Heft  5  u.  6)  enthält  Rat- 
schläge für  Dirigenten  kleinerer  Gesangvere/ne.  —  Unter  dem  Titel  „Ein  Lehrmittel 
im  Dienste  der  sächsischen  Seminarmusikrefbrm^  bespricht  Arthur  Liebscher  (HeftS) 
ausführlich  den  „Lehrgang  im  GesangunterHchte"*  von  Ernst  Paul.  —  Hermann  Gutz- 
mann  gibt  in  dem  Aufsatz  „Über  den  sog.  primären  Ton**  (Heft  7  u. 8)  „eine  kurze  Ober- 
sicht darüber,  was  unter  ,primärem  Toni'  von  den  verschiedenen  Standpunkten  des 
Akustikers,  des  Physiologen  und  des  G6sangspädagogen  zu  verstehen  ist^.  —  A.  N. 
Harzen-Mü Her  wird  durch  die  Konzerte  der  Barthschen  Madrigal-Vereinigung  ver- 
anlaßt, in  dem  Aufsatz  „Das  Madrigal*'  (No.  7)  „auf  das  Wesen  und  die  Geschichte  des 
Madrigals  . . .  näher  einzugehen  und  einige  Winke  und  Beispiele  für  seine  Anwendung 
im  Schulgesange  zu  geben**.  —  Fr.  Wiedermann  untersucht  auf  Grund  von  zwei 
als  Beilagen  zu  den  Jahresberichten  des  Zittauer  Gymnasiums  von  1885  und  1004 
erschienenen  Abhandlungen  von  Professor  Klötzer  „Schillers  Beziehungen  zur 
Musik**  (Heft  7  u.  8).  —  Hugo  Löbmann  sagt  in  dem  Aufsatz  „Noten fuchserei!* 
(Heft  7),  daß  man  in  der  Schule  zwar  nicht  „bloß  nach  dem  Gehör*  singen  lassen 
solle,  aber  auch  nicht  die  einseitige  Obung  im  Notenlesen  als  alleiniges  Heilmittel 
gegen  die  Obelstände  im  Schulgesang  betrachten  dürfe.  —  Küffner  bespricht  in 
dem  Aufsatz  „Musikalisches  aus  Bayern**  (Heft  0)  die  Vorschriften  des  neuen 
bayerischen  Oberrealschullehrplans  über  den  Gesangunterricht.  Er  fordert  «die  Auf- 
nahme des  Gesanges  unter  die  allgemein  verbindlichen  Unterrichtsgegenstände*.  — 
Der  in  der  „Revue**  in  Heft  VII,  8  schon  besprochene  Aufsatz  „Zur  Frage  des 
Gesangsunterrichts  an  höheren  Lehranstalten**  von  Hermann  Abert  wird  aus  der 
Zeltung  „Der  Tag**  abgedruckt  (No.O).  Die  Schriftleitung  widerspricht  in  einer  längeren 
Nachschrift  der  Ansicht  des  Verfassers,  daß  „die  Wertung  des  Gesangunterrichts 
an  den  höheren  Schulen  dadurch  erheblich  gewinnen  werde,  daß  Philologen  künftig 
mehr  als  bisher  die  Erteilung  desselben  übernehmen.*  „Der  Wert  eines  Unterrichts- 
faches wird  in  den  Augen  der  Schüler  fast  ganz  allein  danach  bemessen,  welche 
Bedeutung  das  Fach  für  die  Zensur,  die  Versetzung  und  das  Bestehen  der  Reife- 
prüfung hat*  Ferner  weist  die  Schriftleitung  daraufhin,  „daß  Oberlehrer-Kandidaten 
durch  ihre  wissenschaftlichen  Arbeiten  sehr  in  Anspruch  genommen  sind  und  daft 
die  Gesanglehrerprüfung  nicht  so  nebenher  aus  dem  Handgelenk  geschüttelt  werden 
kann.^  Die  Schriftleitung  meint,  daß  aus  diesem  Grunde  wahrscheinlich  nur 
wenige  Philologen  sich  bei  der  neuen  Prüfungskommission  in  Halle  um  die  Ge- 
sangfakultas bewerben  werden,  „zumal  es  den  Oberlehrern  wohl  bekannt  ist,  daß 
Gesangstunden  zu  den  schwersten  Unterrichtsstunden  gehören.*  —  Küffner  be« 
spricht  eingehend  und  sehr  lobend  „F.  Wiedermanns  Notentafelm  mit  Obungen 
für  den  Schulgesangunterricht**  (Heft  10).  —  Karl  Reisert  berichtet  unter  dem  Titel 
„Ein  Schülerabend  Robert  Kothes*  über  ein  Konzert,  in  dem  Kothe  vor  den  Schülern 
der  vier  höheren  Lehranstalten  in  Würzburg  Volkslieder  vortrug.  —  H.  Märten s 
Aufsatz  „Zur  Gesanglehrerfrage**  wendet  sich  gegen  verschiedene  Ausführungen 
Aberts  in  dem  oben  genannten  Artikel.  —  Paul  Ziegler  fragt  „Wo  bleibt  das 
»Kinderbuch*  von  Ludwig  Erk?**  (Heft  12).  Erk  fand  für  dieses  Werk  keinen  Ver- 
leger. Am  Schluß  des  Aufsatzes  heißt  es:  „Hat  man  es  verjähren  als  eine  Pflicht 
des  preußischen  Staates  erachtet,  die  Herausgabe  des  „Deutschen  Liederhortes* 
zu  ermöglichen,  um  an  Ludwig  Erk  eine  deutsche  Ehrenschuld  abzutragen,  so  sollte 
man  nicht  länger  säumen,  sein  ,Kinderbuch*  folgen  zu  lassen.*  —  Ferner  enthalten 
die  Hefte  die  folgenden  beachtenswerten  Aufsätze:  Andreas  Allgayer:  «Modulation 
und  Mollgeschlecht   im  Gesangunterricht   der  Volksschule*  (Heft  4).  —  Amalie 


113 
REVUE  DER  REVUEEN 


MGnch:  „Einrührung  in  das  Verständnis  der  Kantate  von  J.  S.  Bach:  Meinen 
Jesum  laß  ich  nicht'  (Heft  5).  —  Adolf  Prümers:  „Zweck  und  Ziele  des  Schul- 
gesanges*.  —  Ernst  Paul:  „Aus  der  Praxis  des  Stimmbildners  Prof.  Ed.  Engel" 
(No.  6).  —  Richard  Noatzsch:  „Mozart  und  Salzburg  in  ihrem  gegenseitigen  Ver- 
hlltnis."  —  Amalie  Münch:  „Die  Pflege  des  rhythmischen  Sinnes  in  der  Schute" 
(Heft  8).  ~  Alexis  Hollaender:  „Die  methodische  Erziehung  zur  FlhEgkei',  eine 
Unterstimme  zu  singen"  (Heft  9).  ~  Karl  Reeder:  .Die  Texibehandlung  im  Ce- 
sangunter rieht."  —  Richard  Noatzsch:  „Die  Erziehung  des  Publikums  zum  setb- 
stindigenGenießenmusikfllischerKunsiwerke"(HeftIOu.  11). —  Traugott  Heinrich: 
»Phonetik  und  Lauiphysiologie  in  ihrem  VerhSItnls  zur  Gesanglehre  <Heft  10—12; 
wird  fortgesetzt).  —  Adolf  Cebrian:  „Der  Gesangunterricht  an  bOheren  Knaben- 
schulen und  seine  Bedeutung  für  die  allgemeine  Bildung"  (Heft  10).  —  Richard 
Noatzsch:  „Rhythmische  Atemübungen"  (Heft  12).  —  H.  LObmann:  „Zur  Pflege 
der  Mehrstimmigkeit  in  der  Volksschule"  (eine  Erwiderung  auf  Hollaenders  Auf- 
satz in  Heft  9)  (Heft  12). 
KORRESPONDENZBLATT  DES  EVANGELISCHEN  KIRCHENGESANG- 
VEREINS FÜR  DEUTSCHLAND  (Darmstadt),  IWn  No.  8-12,  1908 No.  1-4. 
~  Die  Zeitschrift  enthlli  ausführliche  Berichte  über  die  Verhandlungen  In  den  Ver- 
sammlungen des  Vereins,  Bücherbesprechungen  usw.  und  die  folgenden  Aufsätze: 
„Der  Dresdner  Kreuzchor"  (No.  9j.  —  „Der  musikalische  Teil  der  von  Liliencron- 
schen  Chorordnung"  (No.  10),  —  „Die  Chorschule"  (im  Großherzogtum  Hessen) 
von  Heinrich  Müller.  —  „Das  Volksliederbucb  für  Minne rchor'  (No.  1).  —  „Welche 
Forderungen  sind  gegenwärtig  zu  erheben,  um  einen  korrekten  und  einheitlichen 
Gesang  der  evangelischen  Kirchenlieder  zu  erzielen?"  von  Christian  Drdmann 
(No.  2).  —  „Evangelische  Kirchenmusik  in  Österreich"  von  Ka'rl  Knott  (No.  3).  — 
,Zur  Aufführung  der  Passionen  von  Heinrich  Schütz"  von  Friedrich  Spitta  (No.  4). 

—  In  der  „Übersicht  über  die  Tätigkeit  der  Kirchengesangvereine  im  Jahre  1907" 
(No.  9,  1  und  2)  werden  Aulführungen  kirchlicher  IMusik  zusammengestellt,  aber 
nlcbt  besprochen. 

DIE  SÄNGERHALLE  (Leipzig),  1907,  No.  30-36,  40-43,  45-47,  52.  —  Diese 
Nummern  enthalten  u.a.  einen  ausführlichen  Bericht  über  das  Breslauer  Sänger- 
ffest  von  P.  Dibne  («Siebentes  deutsches  Sängerbundes  fest  In  Breslau";  No.  32 
bis  40)  und  die  folgenden  Lei  tauf  sät  ze :  „Männergesangs  feste  in  Deutschland  von 
1827—1845-  von  A.  Richard  Scheumann  (No.30~31>.  —  „Vor  25  Jahren!  Ein 
ErinnerungsblatI  an  das  Dritte  Sängerbundes  fest  zu  Hamburg"  von  A.  Richard 
Scheumann  (No.3&).  —  .Die  allgemeinen  deutschen  Gesangsfeste  in  den  Jahren 
1845,  1846,  1847"  von  A.  Richard  Scheumann  (No.  36).  —  „Heiteres  und  Ernstes 
aus  dem  Leben  und  Virken  Julius  Ottos"  von  A.  Richard  Scheumann  (No.  41 
bis  43).  —  „Die  Aufgaben  des  Chordirigenten"  von  Anur  Schlegel  (No.  45-40). 

—  „Kleine  Ursachen  —  große  Wirkungen.  Ein  Erinnerungsblalt  aus  der  Ge- 
schichte der  Regiments-Sänge rch 5 re  in  Preußen"  von  A.  Richard  Scbeumann 
.(No.  52).  Magnus  Schwantje 


KRITIK 


OPER 

BARMEN:  Die  Tätigkeit  der  Oper  während 
der  zweiten  Saisonhälfce  gipfelte  in  den 
Musikdramen  „Salome**  und  »Tiefland*.  Lang 
erwartet  und  aufs  beste  vorbereitet,  erfüllten 
sie  unter  Lederers  Leitung  Ansprüche,  die 
man  für  gewöhnlich  an  eine  Provinzbühne  kaum 
stellt.  Maria  Gärtner  überraschte  als  hervor- 
ragend dramatische  und  leidenschaftsglühende, 
stimmlich  prächtige  Prinzessin.  Dr.  Pro  11  war 
ein  ausgezeichneter  Jocbanaan.  Herodes  wurde 
neben  Hans  Brunow  durch  verschiedene  Gäste 
von  gutem  künstlerischen  Ruf  gegeben.  Keine 
zwingende  Notwendigkeit  lag  vor,  die  Rolle  der 
Marta  in  „Tiefland"  bei  sämtlichen  Auf- 
führungen durch  Frida  Felser-Köln  vertreten 
zu  lassen,  die  allerdings  unübertrefflich  war;  mit 
ihr  zusammen  bildeten  Theodor  Latter  mann 
(Sebastiano)  und  Paul  Hoch  heim  (Pedro)  ein 
seltenes  Trio.  In  zahlreichen  Abschiedsabenden 
trat  de  Sympathie  des  Publikums  für  die  vielen 
ausscheidenden  Künstler  zutage,  die  in  .Götter- 
dämmerurg**,  «Tristan*,  «Meistersinger**  und 
«Hoffmanns  Erzählungen**  der  Stätte  ihres  bis- 
herigen Wirkens  Lebewohl  sagten.  Zurzeit  führt 
das  Op^mensemble  nebst  dem  Orchester  in  den 
größ;iren  holländischen  Städten  mit  vielem  Er- 
folge Vagner-Opern  auf.  Bei  Berücksichtigung 
des  Umstandes,  daß  in  wichtigen  Fächern  viel- 
fach Besetzungsschwierigkeiten  vorlagen,  muß 
der  Ablauf  der  dritten  Spielzeit  unter  der  Direk- 
tion Ockert  als  recht  anerkennenswert  be- 
zeichnet werden.  Dr.  Gustav  Ollendorff 
BROMBERG:  Die  Monatsoper  (vorwiegend 
Rostocker  Kräfte)  stand  auf  höherem  Niveau 
als  voriges  Jahr,  besonders  darstellerisch  und 
szenisch.  Direktor :  Arthur vonGerlach,  Regie : 
Franz  Eilers.  Neuheiten  für  Bromberg: 
«Tristan*,  «Othello*,  «Tiefland*,  «Bobdme*; 
außerdem  «Walküre*,  «Siegfried*,  «Lohengrin*, 
«Tannhäuser*,  «Zar*,  «Waffenschmied*,  «Un- 
dine*,  «Zauberflöte*,  «Freischütz*,  «Trompeter", 
«Evangelimann*,  «Mignon*,  «Carmen*,  «Hansel 
und  Gretel*.  Mit  Auszeichnung  zu  nennen 
Maria  Wilschauer,  Lola  Stein,  Käthe  Neu- 
beck, Helene  Damann,  Barbara  Kemp;  Max 
Mansfeld,  Franz  Grasegger,  Anton  Werner, 
Kurt  G rebin;  gerngesehene  Gäste:  Ludwig 
Maurick  und  Max  Barth;  das  treffliche 
Rostocker  Orchester.  Dem  strebsamen 
Kapellmeister  Gottfried  Becker  fehlt  es  noch 
an  zwingender  Persönlichkeit.     W.  Well  mann 

BRONN:  Puccini's  «Madame  Butterfly*  war 
auch  auf  unserer  Bühne  ein  lebhafter,  durch 
eine  vortreffliche  Aufführung  geförderter  Erfolg 
beschieden.  Donizetti's  anmutiger  «Don  Pas- 
quale*  hat  in  der  Bierbaum-KIeefeldschen 
Bearbeitung  Anklang  gefunden.  Die  Maifest- 
spiele  brachten  uns  diesmal  die  «Meistersinger* 
mit  den  Herren  Bisch  off  (Hannover),  Beuer 
(Wien),  «Tristan*  mit  Marie  Burk-Berger, 
Herrn  Trostorff  (Breslau),  «Salome*  mit  Annie 
Krull  (Dresden)  und  «Tiefland*  mit  Marie 
Gutheil-Schoder  und  Erik  Schmedes 
als  Gästen.  Die  Aufführungen  waren  qualitativ 
ungleichmäßig,  hielten  sich  aber  durchwegs  auf 
einem  respektablen  Niveau.  Besonders  gut  ge- 
rieten die  «Tiefland*-Aufführungen,  die  nebst 
den  Darstellern   auch   den  Herren  von  Meix- 


dorff  (Regie)   und  Kapellmeister  Veit  reiche 
und  verdiente  Ehren  brachten. 

S.  Ehrenstein 

DESSAU:  Wagners  Todestag  beging  die  Hof- 
oper  durch  eine  erhebende  Aufführung  des 
«Tristan*-Drama8  mit  Alice  Guszalewicz-Kölo 
als  Isolde.  Am  8.  März  entzückte  Sigrid  Arnold- 
son  durch  ihre  vollendete  Garmen-Darstelluog. 
Der  März  brachte  außerdem  den  zweiten  «Ring*- 
Zyklus  der  Saison  mit  Luise  Reuß- Bei  ce(Fricka), 
Elsa  Hensel-Schweitzer  (Sieglinde),  Alice 
Guszalewicz  (Brfinnhilde)  und  L6on  Rains 
(Hagen)  als  Gästen.  —  Lebhaftes  Interesse  erregte 
die  Inszenierung  von  Liszts  dramatischer  Legende 
«Die  heilige  Elisabeth*.  Starke  Erfolge  erzielten 
Rita  Sacchetto  mit  ihren  idesl-schönen  Tsnz- 
bildern,  L6on  Rains  als  Mephisto,  Frau  Preuse- 
Matzenauer  als  Dalila  sowie  Dr.  Ladwis 
Wüllner  als  Manfred.  Eine  •Meistersinger*« 
Aufführung,  in  der  R.  v.  Milde  den  Sechs, 
Hans  Tänzler  (Karlsruhe)  den  Stelling,  Lfon 
Rains  (Dresden)  den  Pogner  und  Frsn  Sschse- 
Friedel  (Berlin)  die  Magdalena  ssng,  schloß 
die  dieswinterliche  Spielzeit.  Ernst  Hsmsnn 
CREIBURG  i.  B.:  Der  diesjährige  Opemsplel- 
^  plan  unseres  Stadttheaters  litt  diesmal  unge- 
wöhnlich viel  unter  anhaltenden  Indispositionen 
des  Sängerpersonals,  was  eine  Menge  mehr  oder 
weniger  erfolgreicher  Gastspiele  snswirtiger 
Künstler  zur  Folge  hatte.  Unter  diesen  viren 
die  von  Fritz  Fein  hals  (Wotsn  and  Donjoan), 
Dr.  Hans  Gopony  (Wilhelm  Meister)  und  Wil- 
helm Fenten  (Marke)  in  erster  Linie  zu  nennen. 
Als  neueinstudiert  erschienen:  Brfills  «Gol- 
denes Kreuz*,  d'Albert's  «Tiefland*,  Goldmsrks 
«Königin  von  Saba*  und  die  hundertste  Auf- 
führung von  Mozarts  «Figaro*  (erstmals  am 
8.  Januar  1828).  An  Erst-Aufffihrungen 
kamen  neben  Heubergers  ziemlich  spurlos  ver- 
laufener Oper  «Das  Barfüßele*  noch  zwei  Ein- 
akter: Götzls  «Zierpuppen*  und  Gorters  «Das 
süße  Gift*  zu  Gehör,  von  denen  sich  keine  ala 
eine  wirkliche  Bereicherung  des  Spielplans  er- 
wies. Natürlich  durfte  auch  «Die  lustige  Witwe* 
nicht  fehlen.  Weber  erschien  nur  mit  einem 
«(Freischütz*),  Mozart  mit  drei  und  Wagner  mit 
fünf  Werken,  darunter  «Tristan  und  Isolde*;  mit 
diesem  schloß  die  Spielzeit.  —  Der  Neubau  dea 
hiesigen  Stadttheaters  schreitet  so  rüstig  Tor- 
warts, daß  man  annimmt,  mit  der  Eröffnung  IBr 
Spätsommer  1909  rechnen  zu  dfirfSen. 

Victor  August  Loser 

GERA:  In  der  soeben  beendeten  Musikaalaon 
1907  hat  die  Kunst  in  der  Residenz  Gera 
durch  die  Protektion  unseres  Erbprinzen  Hein- 
rich XXVII.  wieder  eine  erfreuliche  Förderung 
erfahren.  Als  kunstbegeisterter  Schntzherr  der 
Richard  Wagner-Stipendienstiftung  für  Reufl  ]•  L. 
hat  der  Erbprinz  eine  mustergültige  Aufffilirnnff 
von  «Tristan  und  Isolde*  veranlaßt,  die  allein 
10000  Mk.  für  Inszenierung  des  Werkes»  naeh 
Bayreuther  Muster,  erforderte.  Die  Hauptpartleen 
lagen  in  den  Händen  bekannter  Wagner-Singer 
und  -Sängerinnen;  Tristan:  Dr.  Ton  Barf 
(Dresden),  Kurwenal:  Soomer  (Leipzigy,  K6nig 
Marke:  Paul  Knüpf  er  (Berlin),  Isolde:  Zdenka 
Faßbender  und  Brangine:  Lisbeth  Ulbrleh 
(München).  Die  Aufführung  unter  Mottle  Leitung 
war  eine  glanzvolle,  wobei  sich  auch  die  Ffirst- 
liche    Kapelle    wieder  Ruhmeskrinse    erwarb. 


115 
KRITIK:  OPER 


Horkapellmeister  Klee  mann  hatte  die  Musik 
vorbereitet.  —  Der  Musikalische  Verein  be- 
schloß die  Saison  mit  der  Auffuhrung  der 
«Legende  von  der  heiligen  Elisabeth"  von  Franz 
Liszt.  Als  Solistinnen  wirkten  mit  Mathilde 
Dennery  (Köln),  Else  Ben  gell  (Berlin);  ferner 
Rudolf  Gmur  (Weimar)  und  Walter  Soomer 
(Leipzig).  Hofkapellmeister  Kleemann  brachte 
das  Lisztsche  Werk  vortrefflich  zur  Ausfuhrung 
und  Idste  damit  beim  Publikum  begeisterten 
Beifall  aus.  Kleemann,  der  mit  dieser  Auf- 
führung hier  das  20.  Jahr  seiner  künstlerischen 
Titigkeit  beendete,  wurden  ehrende  Ovationen 
dmrgebracht.  A.  Straube 

GOTHA:Herzogliches  Hoftheater.  Winter 
1906.  Die  bemerkenswertesten  Taten  unsrer 
Hofoper  im  vergangenen  Winter  waren  die  Auf- 
fahriingen  des  »Ring"  und  von* «Tiefland". 
Mit  Zähigkeit  und  Energie  hat  Alfred  Lorenz 
die  mttstergfiltige  Wiedergabe  des  gesamten 
Nibelongenringes  (von  dem  bisher  nur  «Rhein- 
gold* und  die  «Walküre"  ermöglicht  worden 
waren)  durchgesetzt;  mit  Recht  wurde  er  in 
erster  Linie  als  der  geistige  Leiter  des  Ganzen 
gefeiert.  Außer  unseren  heimischen  Kräften  — 
▼on  denen  insbesondere  zu  erwähnen  sind 
Alois  Hadwiger  (Siegfried),  Richard  Richard! 
(Albericb),  Johanna  Brackenhammer  (Erde, 
Waltraate)  —  wirkten  in  den  Hauptpartieen  mit 
Moers  als  Loge,  Frau  Reuß-Belce  als  Fricka, 
Zdenka  Faßbender  als  Brünnhilde.  Unbegreif- 
lich bleibt  die  Besetzung  des  Wotan  im  «Rhein- 
fOld*  mit  einem  blutigen  Anfänger,  dessen  Name 
der  Vergessenheit  geweiht  bleibe,  ein  Verschulden, 
das  auf  das  Konto  der  nicht  gleichmäßig  von 
künstlerischen  Gesichtspunkten  aus  handelnden 
Intendanz  zu  setzen  ist,  deren  unheilvoller  Ein- 
floß übrigens  nunmehr  dank  dem  Eingreifen 
▼on  höchster  Stelle  aus  endgültig  beseitigt  wurde. 
«Tiefland"  war  von  anhaltendem  Eindrucke 
ttnd  gilt  allgemein  als  die  beste  Neuerwerbung 
nnd  Neuschöpfung.  Im  übrigen  litt  unsere  Oper 
an  einer  gewissen  Ungleichmäßigkeit  in  der 
Besetzung,  deren  Grund  bereits  angedeutet 
wurde;  such  in  dem  häufigen  Versagen  unseres 
Heldentenors,  der  im  ganzen  Winter  nur  achtmal 
xnm  Singen  kam.  Zur  Aufführung  gelangten: 
siebenmal  «Die  lustige  Witwe*,  viermal  „Mignon**, 
je  dreimal  «Lohengrin*,  «Johann  von  Paris*, 
«Heimchen  am  Herd*,  «Fortunios  Lied*,  je 
zweimal  «Carmen*,  «Barbier  von  Sevilla*, 
«Glöckcben  des  Eremiten*,  «Zampa*,  «Martha*, 
«Wintermärchen*,  «Domröschen*,  «Tiefland* 
nnd  je  einmal  «Margarete*,  «La  Traviata*, 
«Meistersinger*  (mit  Soomer  als  Hans  Sachs), 
«Regimentstochter*  (Olga  Kallensee-Kassel), 
«Rheingold*,  «Walküre*,  «Siegfried*,  «Götter- 
dämmemng*,  «Versprechen  hinter'm  Herd*, 
«Cavalleria  rusticana*,  «Waffenschmied*,  «Wild- 
schütz*, «Fledermaus*,  «Undine*,  «Orpheus  und 
Earydice*» «Zar  und  Zimmermann*,  «Troubadour*. 
Von  Komponisten  waren  am  meisten  vertreten: 
Wngner  achtmal,  sowie  mit  einer  Festaufführung 
nnd  einem  Konzert  zu  Wagners  Todestag  (u.  a. 
Ouvertüren  zu  «Kolumbus*  und  .Rule  Britannia*), 
Lehar  siebenmal,  Thomas  und  Lortzing  je  vier- 
mal, Boieldieo,  Goldmark,  Offenbach  je  dreimal. 

Dr.  Weigel 

HALLE  ••  S.:  Wie  vor  einigen  Jahren  die  Ur- 
anfffibning  des  «Marienkind*  von  Wintzer, 


so  bedeutete  auch  die  Uraufführung  der  so- 
genannten komischen  Oper  «Gouverneur  und 
Müller*  von  Alfred  Ernst  aus  St.  Louis  eine 
Niete  in  der  Opernlotterie.  Das  Werk  behandelt 
denselben  spanischen  Stoff  wie  Hugo  Wolfs 
»Corregidor*,  doch  hat  der  Textbearbeiter,  ver- 
mutlich der  Komponist,  die  Novelle  in  einer 
überaus  unglücklichen  Weise  als  Libretto  zurecht- 
gemacht. Die  Musik  fließt  von  Sentimentalität 
über,  wird  selten  einmal  der  Situation  gerecht 
und  weist  ziemlich  oft  Anklänge  an  berühmte 
Vorbilder  auf.  Der  selbst  dirigierende  Kompo- 
nist zog  sein  Musenkind  nach  der  ersten  Auf- 
führung zurück.  —  Eine  zum  großen  Teil  hoch- 
erfreuliche  Aufführung  des  «Ring*  schloß  die 
Saison  um  so  glücklicher  ab,  als  Hofrat  Richards 
für  jeden  Abend  einen  interessanten  Vertreter 
irgendeiner  Hauptrolle  von  auswärts  gewonnen 
hatte.  So  erregte  der  Meister-Loge  Dr.  Briese- 
meiste rs  ebenso  einhellige  Bewunderung  wie 
der  Muster-Mime  von  Hans  Breuer.  Für  Carl 
Perron  sprang  im  letzten  Moment  Herr  Kronen • 
Nürnberg  rettend  ein.  Sehr  gefiel  auch  Thila 
Plaichinger  als  Brünnhilde  in  der  «Götter- 
dämmerung*, wenngleich  sie  ihre  herrliche  Auf- 
gabe nicht  rest-  und  wunschlos  durchführte. 
Von  unseren  Kräften  zeichneten  sich  Sofie  Wolf 
als  Sieglinde  und  Gutrune  und  Frau  Agloda 
als  Walküre  und  Brünnhilde  ebenso  aus,  wie 
Herr  Frank  als  Wanderer  und  Wotan  und  Rupert 
GogI  als  Siegmund  und  Siegfried  Hervor- 
ragendes boten  Theo  Raven  als  Regisseur  nnd 
Kapellmeister  Mörike  mit  dem  Orchester. 

Martin  Frey 

KIEL:  Die  Oper  des  neuen  Stadttheaters,  Di- 
rektion Gottscheidt  (Oper)  und  Otto 
(Schauspiel),  eröffnete  ihre  Spielzeit  mit  einer 
gelungenen  Aufführung  des  «Fidelio*.  Dann 
folgte  eine  Zeit  des  Tiefstandes,  eine  Zeit  der 
Kinderkrankheiten.  «Bunte  Abende*  und  Ope- 
retten terrorisierten  das  Repertoire.  Allmählich 
nur  erholte  man  sich  vom  dramatischen 
Schrecken.  Die  üblichen  Wagner-Opern  boten 
nichts  Besonderes.  Das  Bedeutsamste  ist  mit 
den  guten  Aufführungen  von  d'Albert's  «Tief- 
land* und  Strauß'  «Salome*  zu  verzeichnen. 
Die  Spieloper  hätte  eine  liebevollere  Teilnahme 
verdient.  Der  Direktion  ist  das  lebhafte  Bestreben 
nachzusagen,  das  Beste  tun  und  nur  Gutes 
bieten  zu  wollen.  Aber  noch  stoßsn  sich  hart 
im  Raum  die  Sachen.  Die  ganz  ungenügende 
Besetzung  des  Alt-  und  Koloraturfachs  schädigte 
manche  Vorstellung,  und  die  Wirtschaft  mit  un- 
erfahrenen Kräften  hat  sich  nicht  bewährt.  Die 
leistungsfähigen  Stimmen  sind  vertreten  durch 
die  Damen  Anton-Cordes  und  Graft,  die 
Herren  Saville,  Bischoff,  Grifft,  Kandl, 
Stuhlfeld.  Kapellmeister  Seh  reiber  hat  Tüch- 
tiges geboten.  In  der  nächsten  Saison  wird  man 
viel  zu  tun  haben,  die  großen  Versprechungen 
vollgültig  einzulösen.        Hans  Sonderburg 

KÖLN:  In  einer  «Salome* -Aufführung,  die 
der  immer  schlagfertige  Franz  Weißleder 
in  trefflichem  Seile  leitete,  erschien  als  Aus- 
hilfsgast in  der  Rolle  des  Jochanaan  Richard 
Breitenfeld  von  der  Frankfurter  Oper,  früher 
Mitglied  der  hiesigen  Bühne.  Des  Sängers 
Organ,  das  allerdings  den  Maßstab  der  sieg- 
haften Stimmen  der  hiesigen  ersten  Baritonisten 
nicht  verträgt,  zeigte  gleichwohl  eine  beträcht. 


116 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


liehe  Klangfülle.  Daß  Charakterisieren  nicht 
Sache  Breitenfelds  ist,  hat  er  wie  ehedem  so 
«uch  jetzt  wieder  erwiesen.  —  Neben  bekannten 
Repertoire-Opern  bewahrten  wieder  die  zum 
eisernen  Bestände  unseres  Opernhauses  ge- 
hörenden beiden  Operetten  «Die  Fledermaus* 
und  »Der  Zigeunerbaron*  ihre  alte  Beliebtheit. 
—  Mit  Glucks  ,,Orpheus*  brachte  Otto  Lohse 
«m  27.  Mai,  also  kurz  vor  Schluß  der  offiziellen 
Spielzeit  (es  folgen  die  Festspiele!),  noch  eine 
wertvolle  Neueinstudierung.  Gab  er  die  Initiative 
zu  einer  außerordentlich  schönen  Orchester- 
leistung, so  war  Charlotte  Huhn  ein  hoch- 
ragender Orpheus  von  packender  dramatischer 
Kraft  und  edelster  Süßerer  Plastik. 

Paul  Hiller 

LINZ:  Mit  den  diesjährigen  Opernvorstellungen 
konnten  wir  im  großen  und  ganzen  zufrieden 
■sein.  Aus  der  Fülle  des  Gebotenen  erhob,  sich 
4ie  Mehrzahl  zu  vollwertigen  Leistungen.  Mit 
dem  Repertoire  konnte  man  allerdings  nicht 
einverstanden  sein.  Wagner  wurde  beispiels- 
weise fast  ganz  übergangen,  dafür  standen 
Puccini,  Meyerbeer,  Verdi,  Bizet  obenan.  Puccini's 
«Tosca*  gelangte  achtmal  zur  Aufführung.  »Die 
Afrikanerin*,  «Carmen*  und  «Troubadour*  wurden 
je  viermal  aufgeführt;  »Aida*,  «Hugenotten*, 
«Cavalleria  rusticana*,  «Martha*,  «Trompeter 
von  SSkkingen*,  «Lohengrin*  und  «Hollinder* 
kamen  je  dreimal  zur  Darbietung;  fe  zwei  Auf- 
führungen erlebten  «Rigoletto*,  «Waffenschmied*, 
^Boh6me*,  «Figaros  Hochzeit*,  «Zauberfiöte*, 
«Lucia*,  «Freischütz*  und  «Halil  Patrona*;  ein- 
mal wurden  die  «Lustigen  Weiber*  gegeben. 
Der  Oper  «Halil  Patrona*,  von  einem  Wiener 
Komponisten  Häuser,  wird  ein  kurzes  Leben 
foeschieden  sein.  Der  Stern  unserer  Oper  war 
die  Hochdramatische  Marie  Dop! er,  eine  An- 
fängerin, deren  natürliches  Können  in  mancher 
Rolle  an  Meisterschaft  heranreichte.  Wein- 
gartner  hat  die  junge  Künstlerin  für  die  Wiener 
Hofoper  gewonnen.  Alois  Königstorfer 
I  OBECK:DieletzteSaisondesInterim-Theaters, 
^  dessen  Direktion  leider  von  zu  wenig  künst- 
lerischem Ehrgeiz  beseelt  war,  veniägt  keine 
strengere  Kritik.  Alle  unsere  Hoffaungen  knüpfen 
sich  an  das  neue  Stadttheater,  das  am  I.Oktober 
der  Benutzung  übergeben  wird,  und  seinen  Leiter, 
Intendanzrat  Kurtscholz,  dem  ein  ausgezeichneter 
Ruf  vorangeht.  J.  Hennings 

f  Ottich  :  Nach  dem  außerordentlichen  Erfolg 
^  von  «Fausts  Verdammung*  von  Berlioz 
brachte  das  Königliche  Theater  das  Werk  eines 
jungen  Komponisten  zur  ersten  Aufführung: 
das  fünfaktige  lyrische  Drama  «Hernani*  von 
Hirschmann.  Die  Neuheit  wurde  ziemlich 
beifällig  aufgenommen,  obwohl  die  Musik  nicht 
.auf  der  Höhe  der  Hugo'schen  Dichtung  steht. 
Gleichfalls  zum  ersten  Male  in  Lüttich  kamen 
zur  Wiedergabe  «Griselidis*  von  Massenet 
und  «Les  Armaillis*  von  G.  Doret:  zwei 
interessante,  aber  nicht  gerade  überwältigende 
Werke.  —  Die  schon  seit  längerem  in  Aussicht 
genommene  .Zauberflöte*  wird  nun  im 
Oktober  in  Szene  gehen.  Femer  kündigt  die 
Direktion  an  Neuheiten  an:  Boito  («Meflsto- 
fele*),  Leroux  («Der  Landstreicher*),  Mussorgski 
{«Boris  Godunow").  Paul  Magnette 

/^DESSA:    In    jeder    Hinsicht   durchaus    un- 
^^  befriedigende    Vorstellungen    von    «Aida*, 


«Traviata*,  «Hugenotten*,  «Prophet*,  «Tosca*, 
«Troubadour*,  «Barbier  von  Sevilla*,  «Cavalleria 
rusticana**,  «Bajazzo*,  «Norma*  und  «Dämon* 
brachte  Francesco  Castellano  während  der 
großen  Fastenzeit.  Trotz  ungenügendster  Dar- 
stellung war  das  Haus  jeden  Abend  bis  zum 
letzten  Platz  besetzt,  da  Odessa  von  der  hier 
sehr  beliebten  italienischen  Oper  drei  Jahre 
lang  getrennt  war.  Leider  werden  Unternehmen 
dieser  Art  von  dem  anspruchslosen  Publikum 
unterstützt  und  ist  die  lokale  Kritik  ihnen  gegen- 
über machtlos.  Von  Puccini  gelangten  außer- 
dem zur  Wiedergabe  «Manon  Lescaut*  und 
«Boh6me*  und  als  örtliche  Erstaaff&hrang 
«Madame  Buttjerfly*.  Diese  Oper  wurde 
von  der  Kritik  ablehnend  besprochen;  ihr  größter 
Fehler  liegt  wohl  im  vollständigen  Mangel  an 
lokalem  Koloflt.  Zum  erstenmal  wurden  hier 
ferner  Mascagni's  «Iris*  und  «Amlca*  auf- 
geführt. Es  sind  Werkchen  ohne  jegliche  Be- 
deutung. Gute  Kräfte  des  italienischen  Ensembles 
sind  nur  der  Kapellmeister  Weills,  der  dra- 
matische Sopran  Bianchiqi  Capelli  und  die 
Koloratursängerin  Santarelli. 

A.  Getteman 

PARIS:  Als  Ludwig  XV.  die  Absicht  aossprach, 
Jean-Baptiste  Rameau  in  den  Adelsstand  zu 
erheben,  soll  dieser  ausgerufen  haben:  ^Eioen 
Adelsbrief  für  mich?  Castor  und  Dardanas 
haben  ihn  schon  lange  für  mich  unterschrieben.* 
Diesem  Ausruf  entspricht  es,  daß  vor  einigen 
Monaten  «Dardanus*  in  Dijon,  der  Heimat  Rt- 
meau's,  und  «Castor  et  Pollax*  etwas  später  in 
Montpellier  wieder  auf  die  Bühne  gd>racfat 
wurden.  Die  Große  Oper  in  Paris  hat  es  da- 
gegen vorgezogen,  das  dramatische  Erstlingswerk 
Rameau's,  «Hippolyte  et  Ariele*,  wieder  ins 
Leben  zu  rufen,  das  Rameau  offbnhar  sdbst 
weniger  schätzte,  und  das  auch  etwas  frfiher  als 
die  andern,  nach  dOjähriger  Existenx,  im  Jahre 
1763  von  den  Werken  Glucks  Terdringt  wurde. 
Für  diese  Wahl  scheint  npr  der  Umstand  den 
Ausschlag  gegeben  zu  haben,  daß  der  Stoff 
dieser  Oper  dank  der  «Phftdre*  Racine's  dem 
heutigen  Theaterpublikum  vertrauter  ist,  als  der 
des  «Castor*  odsr  des  «Dardanus*.  Dieser 
Grund  kann  jedoch  ebensogut  auch  gegen  die 
Wahl  der  Großen  Oper  ins  Feld  geführt  werden. 
Abb6  Pellegrin,  dem  Rameau  seinen  Opem- 
text  verdankt,  hat  nämlich  die  Tragödie  Racine*s 
in  einer  Weise  für  die  Musik  verunstaltet,  daß 
die  Erinnerung  an  jenes  Meisterwerk  den  musik- 
dramatiscben  Genuß  weit  mehr  hindert,  als 
fördert.  Die  nutzlose  Zutat  eines  langen  Prologs 
und  eines  noch  längeren  Epilogs,  in  dem  der 
von  dem  Ungeheuer  zerfleischte  unglückliche 
Hippolyte  von  Diana  wieder  zum,  Leben  erweckt 
und  mit  Ariele  vereinigt  wird,  schwächen  das 
Interesse  ab.  Dann  hat  der  gute  Abb6  seine 
Vorliebe  für  die  griechische  Vielgötterei  doc& 
zu  weit  getrieben,  indem  er  außer  der  Diana, 
die  er  wenigstens  bei  Euripides  im  «Hippoljrtos* 
vorfand,  auch  noch  Jupiter,  Pluto,  Neptiin, 
Merkur,  Amor,  Tisiphone  und  die  drei  Parzen 
in  Aktion  setzte.  Die  Große  Oper  hat  wenigstens 
den  Neptun  weggelassen,  aber  dadurch  ist  das 
von  Pellegrin  angeflickte  Ende  npch  unreratlnd- 
licher  geworden.  Trotzdem  gelang  das  Wagnis 
so  ziemlich,  eine  Oper  von  1733  dem  hentigen 
Theaterpublikum  vorzuführen.    So  steif  und  un- 


CEBSSb 


celenk  für  unser  Gefühl  Rameau's  Melodieen  und 
Harmonieen  sind,  so  dürftig  seine  Instrumentation 
ist,  so  rettet  ihn  doch  immer  wieder  die  Isräftige 
Rhythmisierung.  Weder  Delmas  (Theseus), 
noch  Plamondon  (Hippolytos),  weder  Lucienne 
Br^val  (Phldra),  noch  die  Anfängerin  Yvonne 
Call  (Aricia)  brauchen  es  zu  bereuen,  sich  in 
den  altertümlichen  Stil  eingearbeitet  zu  haben. 
—  Kaum  vierzehn  Tage  nach  der  Wieder- 
belebung Rameau's  unternahm  die  Große  Oper 
ein  neues  Wagnis,  indem  sie  neun  Vorstellungen 
▼on  Mttssorgski's  «Boris  Godunow**  mit 
rassischen  Solisten  und  Choristen  in  russischer 
Sprache  veranstaltete.  Das  Werk  stammt  aus 
dem  Jahre  1874  und  ist  noch  nie  außerhalb 
Rußlands  gegeben  worden,  obschon  es  wohl  das 
bezeichnendste  Bühnenwerk  der  neurussischen 
Schale  ist  und  durch  die  starke  Berücksichtigung 
des  volktfimlichen  Elements  die  sogenannte 
«historische  Oper*  in  einer  Weise  erneuert  hat, 
die  Scribe  und  Meyerbeer  nicht  vorausgesehen 
haben.  Der  berühmte  Baß« Bariton  S  c  h  a  1  j  a  p  i  n 
brachte  die  Gewissensbisse  des  Usurpators  und 
Prinzen mörders  Boris  zu  überraschender  Gel- 
tung, und  unter  den  übrigen  Solisten  ragten 
namentlich  der  Tenor  Smirnow,  der  Bassist 
Kastorski,  die  dramatische  Sängerin  Jermo- 
lenko  und  die  Altistin  Petrenko  hervor.  Der 
Petersburger  Dirigent  Blumenfeld  erreichte 
mehr  von  dem  indolenten  Orchester  der  Großen 
Oper,  als  die  einheimischen  Dirigenten.  Das 
Publikum  füllte  das  Haus  trotz  erhöhter  Preise, 
so  oft  «Boris*  gegeben  wurde.  Die  Aufführung 
in  französischer  Sprache  ist  für  nächstes  Jahr 
eine  beschlossene  Sache.  —  Dem  «Boris  Go- 
danow*  von  Mussorgski  in  der  Großen  Oper 
folgte  «Snjegurotschka*  von  Rimsky-Kor- 
ssakow  inderKomischenOper  aufdemFuße. 
Die  beiden  Direktoren  hätten  ein  solches  Zu- 
sammentreffen besser  vermieden,  so  verschieden 
auch  die  beiden  Werke  an  sich  sind,  denn  zu- 
▼iel  Eigenheiten  der  russischen  Kunstpflege  sind 
Ihnen  gemeinsam,  namentlich  die  gründliche 
Verachtung  jeder  Rücksicht  auf  harmonischen 
Aufbau  eines  dramatischen  Ganzen.  Da  sich 
Rimsky  einen  rein  phantastischen  Märchenstoff, 
den  er  bei  Ostrowski  vorfand,  ausgesucht  hat, 
so  ist  freilich  bei  ihm  die  Inkohärenz  erträg- 
licher. Immer  rettet  ihn  auch  seine  im  guten  Sinne 
des  Wortes  «amüsante*  Orchesterbehandlung. 
Er  bleibt  übrigens,  auch  wenn  er  für  die  Stimmen 
schreibt,  Instrumentalist.  Charakteristik,  Ge- 
IBhlsausdruck,  Dramatik  sind  ihm  Nebensache. 
Wenn  es  ihn  für  das  Ensemble  passend  dünkt, 
einen  uralten  König  Tenor  singen  zu  lassen, 
so  läßt  er  ihn  als  ersten  Liebhaber  girren,  und 
die  zeitweise  zum  Menschenkind  gewordene, 
aber  herzlos  gebliebene  Schneeflocke  Snjeg- 
arotschka  (Snjeg  bedeutet  Schnee  im  Russischen) 
drückt  sich  nicht  anders  aus  wie  die  durch  ihre 
Koketterie  ihres  Anbeters  beraubte,  tief  unglück- 
liche Bauerndime  Kupawa.  Nur  der  einer  Alt- 
stimme zugeteilte  Hirte  Lei,  der,  von  dem 
Schneemädchen  zurückgestoßen,  die  von  dem 
Kaufmann  Misgir  verlassene  Kupawa  tröstet,  ist 
eine  einigermaßen  menschliche  Figur  geworden. 
Frl.  Brohly,  die  schon  als  Klytämnestra  in 
Glucks  «Ipbigenie*  sehr  gefallen,  teilte  sich  mit 
Frau  Carrd,  die  die  sehr  anspruchsvolle  Titel- 
partle  reizend  sang,  in  den  Erfolg.    Der  Haupt- 

VII.  20. 


117 
KRITIK:  OPßflr 


anteil  fiel  freilich  dem  äußerst  munteren  Ballet 
zu,  an  dem  sich  neun  russische  Tänzer  be- 
teiligten, die  namentlich  durch  kühne  Sprünge 
Aufsehen  erregten.  Trotz  einer  wahrhaft  afri- 
kanischen Hitze  wurde  das  ganze  Ballet  in  der 
Generalprobe  von  Anfang  bis  Ende  wiederholt 
und  beim  zweitenmal  ebenso  lebhaft  beklatscht 
wie  beim  erstenmal.  Außer  der  Tanzmeisterin 
Mariquita,  die  ebensogut  antike  wie  echt  sla- 
wische Tänze  arrangiert,  und  der  ersten  Tänzerin 
Badet  hat  sich  auch  der  Orchesterdirigent 
Ruhlmann  großes  Verdienst  erworben.  An- 
erkennung verdient  auch  die  französische  Text- 
übertragung von  Pierre  La  lo  und  Frau  Hai  per  in. 
Daß  Ausstattung  und  Kostüme  hervorragend 
sind,  braucht  bei  der  Komischen  Oper  nicht  erst 
versichert  zu  werden.  Felix  Vogt 

PHILADELPHIA:  Der  Schluß  der  hiesigen 
Opernsaison  brachte  die  beiden  wichtigsten 
Ereignisse :  Gustav  M  a  h  1  e  r  als  Dirigenten  und  die 
Manhattan  Operngesellschsft  Oscar  Hammer- 
steins  aus  New  York.  Der  Dirigent  Mahler 
hat  hier  wohlverdiente  Triumphe  errungen,  vor 
allem  mit  einer  Meisteraufführung  des  «Tristsn*, 
bei  der  Olive  F  r  e  m  s  t  a  d ,  die  die  Partie  der  Isolde 
unter  seiner  Leitung  studiert  hatte,  geradezu 
begeisternd  wirkte,  wiewohl  die  Partie  ihrer 
Stimmlage  nicht  ganz  entspricht.  Innere  Be- 
wegtheit bei  äußerer  Ruhe  ist  wohl  das  Be- 
zeichnendste für  den  Dirigenten  Mahler.  Im 
«Ring*  wie  im  «Tristan*  ordnete  er  das 
Orchester  den  Singstimmen  in  einer  außerge- 
wöhnlichen Weise  unter.  Das  Dramatische  rückt 
dsdurch  in  die  erste  Linie.  Er  erzielte  damit 
besonders  im  «Tristsn*  mächtigeWirkungen, allein 
im  «Ring*  gingen  manche  zarte  Effekte  infolge 
der  eigenen  akustischen  Verhältpisse  unseres 
Hauses  mit  seinen  weiten  offenen  Parterrelogen 
und  seinen  tief  eingebauten  Galerieen  verloren. 
Was  abgedämpft  klingen  sollte,  klang  ver- 
schwommen. Wahrhaft  genial  war  seine  Inter- 
pretstion  des  «D  o  n  J  u  s  n*.  Das  war  Neuschaffung 
aus  dem  Geiste  Mozarts  und  seiner  Zeit.  Kaleido- 
skopisch bunt  zogen  die  einzelnen  Bilder  in 
rsscher  Folge  vorüber.  Kein  ängstlich  Wägen 
und  zsges  Philosophieren,  sondern  ein  fester 
Griff  aus  dem  Vollen,  und  die  opera  buffa  lebte 
wieder  auf.  Ein  Riesenerfolg,  trotz  der 
unzureichenden  Besetzung  der  beiden  Partieen 
der  Donna  Anna  und  Donna  Elvira.  Dafür  ent- 
schädigten der  Leporello  des  Russen  S  c  h  a  1  j  a  p  i  n , 
dessen  Registerarie  wohl  die  beste  individuelle 
Leistung  der  Saison  wsr  und  die  Farrar,  die 
eine  entzückende  Zerline  war.  Sonst  brachte 
die  M  etr  0  pol  itan-Ge  seil  Schaft  nichts  Neues 
von  Bedeutung.  Eine  treffliche  «Aids*-  und 
•Tosca*- Vorstellung  mit  Caruso,  Scotti  und 
Emma  Eames  in  den  Hauptrollen  war  schon 
von  den  früheren  Saisons  bekannt,  und  in  der 
«Bohöme*,  die  hier  immer  mehr  gefällt,  sang 
ausnahmsweise  statt  Caruso's  Bonci  den  Rodolfo 
mit  gutem  Gelingen.  Berts  Morena,  die  seit 
drei  Jahren  vergeblich  Erwartete,  trat  endlich 
als  Elisabeth  im  «Tannhäuser*  auf  und  bewährte 
den  Ruf,  der  ihr  von  München  vorausging,  voll- 
kommen. Der  finanzielle  Erfolg  der  Metropolitan 
war  hier  sehr  beträchtlich,  und  für  die  nächste 
Saison  werden  bereits  28  Vorstellungen  snge- 
kündigt.  Ob  sich  die  neue  directoriale  Zwei- 
herrschaft (Gatti-Casazza  und  Dippel)  bewähren 

9 


118 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


wird,  ist  recht  zweifelliaft.     Allein   plan-  und 
kopfloser  als  es  unter  Conried  zugegangen  ist, 
kann  es  nicht  mehr  werden.    Da  Mahler  und 
Toscanini    als    künstlerische    Leiter   gewonnen 
wurden,  so  glaubt  man   hier  sogar  auf  einen 
kfinstlerischen  Aufschwung  des  Unternehmens 
rechnen  zu  dürfen.  —  Zum  Schluß  der  Saison 
fand  sich  auch  Oscar  Hammerstein  veranlaßt» 
hier  mit  seiner  New  Yorker  Operngesellschaft 
zwei  Vorstellungen  zu  geben,  die  uralte  »Lucia* 
mit  dem  neuesten  Koloraturstar,  LuisaTetrazzi- 
ni,  und  Charpentier's  «Louise**.    Die  Nachfrage 
nach   Sitzen    für   diese    Vorstellungen    war   so 
enorm  y     daß     die     beiden     Opern      zehnmal 
hintereinander  bei   vollen  Häusern   hStten   ge- 
geben werden  können.    Diese  Tatsache,  sowie 
der  kfinstlerische  Erfolg  der  beiden  Vorstellungen 
veranlaßten  Herrn  Hammerstein,  den  Plan  der 
Errichtung  eines  eigenen  Operntheaters  in 
unserer  Stadt,  der,  wie  ich  Ihnen  berichtet,  be- 
reits  aufgegeben    war,   in   Wiedererwägung   zu 
ziehen    und    auch    gleich    zur   Ausführung   zu 
bringen.    Die  Grundmauern  des  neuen  Theaters 
werden    bereits   aufgeführt.    Das    Gebäude    im 
Stile  des  Münchener  Prinzregenten-Theaters  wird 
Raum  für  4000  Personen  bieten,  bereits  im  No- 
vember fertiggestellt  sein  und  die  neue  Opern- 
gesellschaft Hammersteins  beherbergen  können. 
Es  handelt  sich  nicht  etwa,  wie  beiderMetropolitan- 
Gesellschaft,   um   eine  Anzahl   Gastspiele  der 
New  Yorker  Oper,  vielmehr  sollen  die  beiden 
Hammersteinschen  Opemuntemehmungen  hier 
und  in  New  York  separat  geführt  werden  und  nur 
hie  und  da  soll  ein  Austausch  der  Vorstellungen 
oder  der  einzelnen    Künstler  stattfinden.    Was 
nun   die   beiden    Vorstellungen    der    Hammer- 
steinschen  Gesellschaft  anbelangt,  so  standen 
sie,  was  Stilechtheit,  Pracht  der  Inszenierungen, 
Ausstattung    und    Ensemblewirkung   anbelangt, 
weit  über  den  Vorstellungen  der  Metropolitan, 
wiewohl  diese  über  größere  Stars  verfugen  mag. 
Dies  gilt  nicht  von  Frau  Tetrazzini,  die  hier 
als  Lucia  einen  wahren  Patti-Triumph  errungen 
hat.    Eine  Patti  ist  sie  aber  noch  lange  nicht. 
Ihr  Organ  ist  in  der  Mittellage  und  der  unteren 
Partie  recht  unbedeutend  und  gewinnt  erst  von 
dem  G  der  zweigestrichenen  Oktave  an  Glanz. 
Von  einer  Ausgeglichenbeit  der  Stimme,  dem 
Hauptreiz  der  einstigen  Patti,  kann  keine  Rede 
sein.    Dafür  besitzt  Frau  Tetrazzini  einige  hohe 
Töne  von  phänomenaler  Leuchtkraft,  mit  denen 
sie  das  hiesige  Publikum,  das  sie  schon  durch 
ihre  etwas  südlich -üppige  Erscheinung  und  ihr 
dramatisch    bewegtes    Spiel    gewann,    vollends 
gefangen  nahm.    Charpentier's  «Louise**  hat  das 
hiesige  Publikum  trotz  einer  musterhaften  Auf- 
führung mehr  befremdet  als  begeistert.    Merk- 
würdigerweise war  es  nicht  die  für  jeden  Nicht- 
pariser  sinnlose  Vergötterung  von  Paris  und  das 
vergebliche  Mühen  des  Komponisten,  ihr  einen 
entsprechenden     musikalischen     Ausdruck     zu 
finden,    die    hier   anstießen.      Der   jämmerlich 
schwache    Montmartre-Akt    fand   sogar    Beifall. 
Worüber   sich   unsere    «Gesellschaft"    aufhielt, 
war  das  «Armeleut*-Milieu,   gerade   das   Beste 
der  Oper.    Dieses  urbürgerliche  Auslöffeln  der 
Suppe,    das    Nachfüllen    der    Kohle,    Plätten, 
Waschen  usf.  coram  publico,  das  konnte  unsere 
Plutokratie   nicht  verwinden.    Auch  ein  Stand- 
punkt   Mary  Garden   in   der  Titelpartie   und 


G  i  1  i  b  e  r  t  als  Vater  boten  vortre  ffliche  Loistungen, 
und  der  neue  Tenorist  Dalmores  erwies  sich 
als  trefflicher  Künstler.  —  Die  letzte  Theater- 
saison war  wegen  der  traurigen  wirtschaftlichen 
Verhältnisse  in  den  Vereinigten  Staaten  ein 
Fehlschlag.  Nur  die  Oper  machte  gute  Gescbifte. 
Die  Folge  ist,  daß  wir  nunmehr  mit  Opern- 
gesellschaften  überfiutet  sind.  Zwei  neue  eng- 
lische Gesellschaften,  eine  aas  New  York  and 
eine  aus  Boston,  veranstalten  hier  jetzt  Anf- 
führungen  von  italienischen  und  franzdsischen 
Opern,  die  einfach  schmachvoll  sind.  Allein 
die  Manager  machen  Geld,  und  das  ist  alles, 
was  sie  wollen.  Präsident  Roosevelt  hat  Ton 
den  neuen  Münzen  der  Vereinigten  Staaten  das 
alte  Motto  «In  God  we  Trust*  entfernen  lassen. 
Das  Motto  ist  für  die  Vereinigten  Staaten  in 
der  Tat  veraltet.  Es  hätte  schon  längst  durch 
das  einzig  passende  «non  ölet*  ersetzt  werden 
sollen.  Dr.  Martin  Darkow 

POSEN:  Der  Versuch,  den  mit  «Götter- 
dämmerung* begonnenen,  mit  »Siegfried" 
fortgesetzten  „Ring*  zu  Ende  zu  führen, 
scheiterte  bei  der  »Walküre*  an  der  Unznläns- 
lichkeit  einiger  Kräfte.  D'Albert'a  «Ab  reise*  ging 
unter  denselben  Verhältnissen  spurlos  TorGlier, 
während  M.  Gh.  Heß'  «Pierrots  Bekehrung* 
in  der  deutschen  Uraufführung  besser  abschnitt^ 
ein  harmloses  melodisches  Werkchen. 

A.  Hach 

REICHENBERG  i.  B.:  Spielzeit  1907/8.  Recht 
spärlich  war  die  Zahl  der  Novitäten.  An 
55  Opemabenden  15  Opern,  davon  drei  Erst- 
aufführungen. Die  Mitwirlraog  eines  illustren 
Gastes  aus  der  Gesellschaft  verhalf  Pnccini's 
stimmungsvoller  »Bohdme*  zu  einem  Teilen  Er* 
folge.  Wer  den  Mut  finden  konnte,  dem  Opem- 
leiter,  dessen  vorzügliche  musikalische  Qoalititen 
mir  genügend  bekannt  sind,  die  Anfffibning  Ten 
»Siegfried*  zu  empfehlen,  ist  mir  unbsgreiflidh. 
Alle  drei  Prämissen  Wagners  wurden  nicht  er- 
füllt. Die  Wagnerfrage  ist  bei  ans  haaptsicblich 
eine  Solisten-  und  Orchesterfriige.  Ein  einziger 
Sänger  (Wsnderer)  vermochte  annähernd  zu  be* 
friedigen.  Die  orchestrale  Wirkung,  die  Poeste 
des  zweiten  Aktes  blieb  gänzlich  aus.  Drei  erste 
Streicher,  ein  Cello,  minder  exskte  Helzbliser, 
eine  etwas  antiquierte  Harfe  und  noch  einige 
Instrumente,  die  längst  zum  alten  Eisen  ge> 
hören.  Doch  das  Publikum  und  der  minder 
anspruchsvolle  Teil  der  Lokalberichte  schienen 
nichts  zu  vermissen,  daher  erlasse  ich  mir  ein 
besonderes  Eingehen  suf  die  Fehler  und  Mingel 
dieser  Aufführung.  Auch  «Tannhiuser*  und 
«Lohengrin*  erfuhren  nur  eine  proTinsiale 
Durchschnittsaufführung.  In  Verdi*s  »Othelle* 
schienen  mir  die  grellen  Fsrben  zn  stark  saf- 
getragen.  Sonst  gab  es  das  bekannte  Progremm 
ohne  besondere  Momente;  nicht  einmal  »Trom- 
peter* und  «Troubadour*  fehlten.  Eine  ungleich 
größere  Zugkraft  übte  die  Operette  aus.  Nach 
der  .Lustigen  Witwe*  selbstverständlich  der 
,  Walzertraum*.  Auch  bei  uns  sind  eben  inflere 
Verbältnisse  maßgebender  als  die  besten  kfinst- 
lerischen Absichten.—  Auch  das  nahe  Gabions 
hat  seit  heuer  sein  eigenes  Stadttheater,  einen 
scböneil,  monumentalen  Bau,  auf  gfinstigeaa. 
Platze  inmitten  der  Stadt  gelegen,  mit  suier 
Akustik.  Entsprechende  Pfiege  Ton  Oper  and 
Operette,  auch   die   Uraufführung  einer  Oper 


3« 


119 
KRITIK:  OPER 


«Leon*  von  Kapellmeister  S c h a b  1  a ß ,  Bruckner- 
schfiler,  kann  ich  verzeichnen,  der  leider  nur 
eine  ganz  kurze  Lebensdauer  beschieden  war. 

Dr.  Robert  Schier 

ROSTOCK:  »Rheingold"  und  ,»GötterdIni- 
merung"  folgten  den  bereits  früher  auf- 
geführten vRing*-Dramen.  Maria  Wilschauer 
zeichnete  sich  besonders  als  Brünnbilde  in  der 
»Göuerdimmerung*  aus.  Die  musikalische 
Leitung  Kapellmeister  Beckers  verdient  hohes 
Lob.  Der  13.  Februar  wurde  durch  eine  Auf- 
führung des  «Tannhäuser"  in  der  Pariser  Be- 
arbeitnng  gefeiert.  Im  »Lobengrin*  sangen  als 
Giste  Annie  Krull  (Dresden)  und  Fritz  Vogel- 
strom (Mannheim),  dieser  mit  außerordentlichem 
Erfolg.  —  Von  Neuheiten  ist  noch  eine  gute 
AafKibrung  von  Puccini's  «Boheme*  zu  er- 
wihnen.  Prof.  Dr.  W.  Golther 

STETTIN:  Durch  relativ  gute  «Ring*-Auf- 
führungen,  die  fast  die  ganze  zweite  Hälfte 
des  Spielplans  beherrschten,  bat  die  Direktion 
llling  unsere  Bühne  fortgesetzt  auf  einen  be- 
friedigenden Höheostand  und  damit  das  Inter- 
esse des  Publikums  in  einer  Stetigkeit  er- 
halten, die  ehedem  oft  vermißt  wurden.  Da- 
zwischen eingestreute  wenige  Neuheiten  (Sieg- 
fried Wagners  „Bruder  Lustig^  Cornelius' 
„Barbier*  u.  a.)  dienten  eben  nur  dazu,  die 
Spielleitung  in  ihrer  Verbindlichkeit  zu  ent- 
lasten, die  dann  um  so  ruhiger  zum  kassen- 
füllenden  Richard  Wagner  und  leider  auch  zu 
dem  anscheinend  notwendig  gewordenen  Obel, 
dem  magenverderbenden  Operettenkonfekt,  zu- 
rückkehren konnte.  Kapellmeister  Wohllebe 
und  jenseits  der  Rampe  der  Tenor  Voß,  die 
Herren  Jean  Müller  und  Schenk  in  den  Bsß- 
und  Baritonflchern,  sowie  die  Damen  Pfeil- 
schneider und  Wahlen  leisteten  gute  Dienste, 
was  Ton  dem  Chor  nur  bedingt  gelten  konnte. 
An  namhaften  Gastspielen  war  kein  Mangel. 

Ulrich  Hildebrandt 

STRASSBURG:  Matn  wie  sie  verlaufen,  endigte 
auch  unsere  Opernsaison.  Oberhaupt  ist 
diese  „Mattigkeit*  in  jeder  Beziehung  die  Signatur 
des  hiesigen  Opembetriebes.  Dabei  sind  Or- 
chester sowohl  wie  Einzelkräfte  gut  (bis  auf  die 
Tenöre,  deren  Stimmen  nicht  ganz  dem  Ideal 
entsprechen),  zum  Teil  sogar  ausgezeichnet  — 
und  dennoch!  Was  fehlt,  ist  der  prometheische 
Pnnke,  der  vom  Kapellmeisterstab  auf  Sänger 
und  Publikum  überspringen  und  jenes  undefinier- 
bare Etwas  erzeugen  soll,  was  man  „Stimmung*, 
im  Komparativ  „Begeisterung*  nennt.  In  dieser 
Beziehung  sind  unsere  beiden  Dirigenten  Gorter 
und  Fried  (der  junge,  recht  begabte  Heger  ver- 
läßt uns,  nach  Ulm)  von  Apollo  nicht  ganz  aus- 
reichend t>edacht  worden.  Ober  eine  gewisse  bie- 
dere Wohlaoständigkeit  kommen  die  Vorstellungen 
gewöhnlich  nicht  hinaus  —  manchmal  hapert's 
sogar  damit,  und  die  heitere  Selbstzufriedenheit 
vermag  daran  nichts  zu  ändern.  —  Als  Novität 
erschien  noch  d' Albert's  „Tragaldabas*,  und 
Publikum  wie  Presse  besaßen  in  diesem  Falle 
Geschmack  genug,  um  diese  Mißgeburt  gründ- 
lich abzulehnen.  Wie  ein  feiner  Musiker  — 
denn  das  ist  d' Albert  trotz  alledem  —  sich  und 
seine  Mose  derart  entwürdigen  konnte,  ist  schwer 
zu  begreifen;  ein  paar  hübsche  orchestrale  und 
gesangliche  EinflUle  helfen  über  die  musikalische 
Selchtigkelt,  tillweise  Lotterigkeit  des  Ganzen 


und  über  das  Abstoßende  der  Titelfigur  nicht 
hinweg.  Möge  der  geschätzte  Komponist  der 
„Abreise*  sich  den  Löwen  und  nicht  das 
.Kaninchen  zum  Exempel  nehmen.  Ober  Gorters 
„Paria*  habe  ich  schon  berichtet.  Damit  ist 
das  Ergebnis  an  Neuheiten  auch  erschöpft.  Von 
erwähnenswerten  Werken  hörten  wir  sonst  noch 
Thuilles  liebenswürdigen  „Lobetanz*,  Web  ers 
so  arg  zu  Unrecht  vernachlässigte  „Euryanthe* 
(in  der  Titelrolle  Frau  Mablendorff  aus- 
gezeichnet, ebenso  wie  FrL  Borchers  als 
Eglantine),  Verdi's  zum  Teil  recht  brutalen 
„Othello*,  Mozarts  „Zauber fiöte*,  in  der  wir 
uns  nochmals  an  unserm  nach  Wien  gehenden 
trefflichen  Bassisten  Corvinus  erfreuen  konn- 
ten; sein  nicht  ganz  gleichwertiger  Nachfolger 
Wissiak  kommt  aus  Wien.  In  Vorstellungen 
wie  „Lustige  Weiber*  und  „Nibelungenring*,  mit 
dem  die  Saison  schloß,  durfte  man  sich  noch 
so  recht  über  die  absolute  Unzulänglichkeit 
einer  Regie  ärgern,  deren  Vertreter  glücklicher- 
weise nicht  wiederkehrt.  Als  Sänger  hatte  er 
(Robert  Kaps)  übrigens  noch  bis  in  sein  Alter 
hinein  in  manchen  Tenorbu (forollen  (Mime, 
David  usw.)  Gutes  geleistet  Die  „Ring*-Vor- 
stellung  bot  neben  manchem  Mißratenen  (be- 
sonders den  Rbeintöchtern)  auch  eine  Reihe 
gelungener  Momente,  so  die  Nornenszene  mit 
der  bemerkenswerten  Frau  Schmidt-Günther 
als  Gast  (die  auch  die  „Fledermaus*-Rosalinde 
nicht  minder  gewandt  gesungen  hatte)  und 
namentlich  die  großzügige  Brünnhilden-Wieder- 
gabe  durch  Frl.  Borchers,  Frau  Mahlen- 
dorffs  Sieglinde,  Corvinus'  Hagen,  krankte 
aber  an  den  eingangs  erwähnten  Symptomen, 
die  im  Fehlen  des  einheitlichen  Stiles  gipfeln. 
Waa  Stil  heißt,  konnte  man  gelegentlich  des 
Gastspiels  von  Dal  mores  merken,  namentlich 
in  seinem  Don  Jo86,  den  er  neben  dem  Lohen- 
grin  mit  glänzender  Höhe  vorführte. 

Dr.  Gustav  Altmann 

WEIMAR:  Aus  Anlaß  darin  Weimar Ugenden 
Generalversammlung  der  Goethegesellschaft 
wurde  der  bereits  zu  Ostern  in  der  Neuein- 
richtung unseres  Oberregisseurs  C.  Weiser  mit 
der  ebenfalls  neuen  Musik  Felix  Weingartners 
gegebene  Goetbesche  „Faust*  am  12.  resp. 
14.  Juni  mit  einigen  Retouchen  wiederholt. 
Gelegentlich  der  ersten  Aufführung  war  es  mir 
infolge  Abwesenheit  von  Weimar  nicht  möglich 
zu  berichten,  und  so  hole  ich  das  Versäumte  um 
80  lieber  heute  nach,  als  diese  Aufführung 
durch  Beseitigung  so  mancher  Obelstände 
wesentlich  gewonnen  hat.  Von  zu  langen  Ver- 
wandlungspausen, zu  dunkler  Bühne,  unrein 
singenden  Chören,  Stockungen  in  der  Handlung 
war  so  gut  wie  nichts  mehr  zu  spüren.  Diese 
„Neue  Weimarer  Einrichtung*  trat  an  Stelle  der 
bisher  seit  dem  Jahre  1876  fast  alljährlich  auf- 
geführten Devrientschen  Bearbeitung,  die  sich 
der  dreiteiligen  Mysterienbühne  bediente.  Weiser 
teilt  unter  möglichster  Wahrung  des  Goetheseben 
Szenariums  und  im  Gegensatz  zu  Devrient 
jeden  Teil  der  von  Goethe  wohl  nie  zur  Dar- 
stellung gedachten  Dichtung  in  zwei  Hälften, 
von  denen  die  des  ersten  Teils  in  je  fünf,  die 
des  zweiten  Teils  in  je  drei  Aufzüge  zerfallen. 
Die  erste  Hälfte  beginnt  sofort  mit  dem  Vor- 
spiel im  Himmel  bis  zur  Hexenküche  ein- 
schließlich, während  die  zweite  Hälfte  die  Gret- 

9» 


120 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


chentragödie  einschließlich  der  Walpurgisnacht 
bringt.  Des  zweiten  Teils  erste  Hälfte  umfaßt 
den  Gesang  Ariels  bis  zur  Islassischen  Walpurgis- 
nacht, und  die  zweite  Hälfte  enthält  die  Helena- 
Tragödie  bis  zu  Fausts  Tod  und  Verklärung. 
Um  der  Ermüdung  der  Zuschauer,  sowie  vor 
allen  Dingen  der  Darsteller  vorzubeugen,  findet 
nach  der  ersten  Hälfte  eines  jeden  Teils  des 
an  zwei  Tagen  zur  Aufführung  gelangenden 
Werkes  je  eine  zweistündige,  aber  auch  unbe- 
dingt notwendige,  Pause  statt.  Weisers  Ein- 
richtung verrät  überall  den  geschickten  Bühnen- 
praktiker und  denkenden  Künstler  und  macht 
sich  manches  Brauchbare  anderer  Bearbeitungen 
zunutze,  ohne  jedoch  einer  persönlichen  Note 
zu  entbehren.  Wenn  auch  die  vielen  Verwand- 
lungen als  Zerstörer  einer  einheitlichen  Stimmung 
nicht  nach  jedermanns  Geschmack  sein  dürften, 
80  gewinnen  doch  wiederum  viele  Einzelbilder 
an  Klarheit  und  tiefgehender  Wirkung.  Auf 
jeden  Fall  bedeutet  die  Weisersche  Einrichtung 
eine  ernste  künstlerische  Tat,  die  die  verschie- 
denen Experimente  von  „Faust*-Bearbeitungen 
resp. -Einrichtungen  um  ein  neues,  nicht  zu 
unterschätzendes  vermehrt  hat.  Ob  es  der 
.Faust*  der  Zukunft  werden  wird,  muß  die  Zeit 
lehren.  Einen  wichtigen  Verbfindeten  hatte 
Weiser  an  Prof.  Brückner  in  Koburg,  dessen 
zum  Teil  geradezu  hervorragend  gemalten  Deko- 
rationen eine  Zierde  unseres  neuen  Hoflheaters 
bilden.  Und  nun  zur  Musik.  Weingartner 
hatte  es  ja  im  Vergleich  zu  den  ziemlich  ver- 
alteten Musiken  von  Radziwill,  Eberwein,  Lind- 
paintner,  mit  Ausnahme  der  infolge  ihrer  ge- 
sunden melodischen  Einfälle  und  trefflichen 
Charakteristik  mit  Recht  populär  gewordenen 
Musik  L4issens,  verhältnismäßig  leicht,  eine 
begleitende  Musik  zum  ^P^ust*  zu  schaffen, 
um  so  mehr  als  ihm,  abgesehen  vom  guten 
Vorbilde  Lassens,  die  Errungenschaften  mo- 
demer Harmonik-  und  Instrumentationskunst 
zur  Verfögung  standen.  Er  hat  sich  seiner 
Aufgabe  nach  reiflichen  Erwägungen  und  Vor- 
studien in  der  verhältnismäßig  kurzen  Zeit  von 
einem  Jahre  in  München  in  künstlerisch 
ernstester  Weise  zu  entledigen  versucht.  Von 
der  richtigen  Voraussetzung  ausgehend,  daß  es 
sich  hier  hauptsächlich  um  das  praktische 
Bühnenbedürfnis  handle,  hat  Weingartner  sich 
im  allgemeinen  größter  Beschränkung  befleißigt, 
wenn  auch  nicht  geleugnet  werden  kann,  daß 
speziell  im  zweiten  Teil  die  Musik  einen  viel 
zu  breiten  Raum  einnimmt.  Das  zu  einer 
Oper  ausreichende  Musikmaterial  umfaßt  im 
ersten  Teil  24  meist  kleinere,  im  zweiten  Teil 
21  meist  größere  Nummern.  Den  Hauptschwer- 
punkt verlegt  Weingartner  auf  treffende  Charak- 
teristik resp.  Untermalung  und  Unterstreichung 
dazu  direkt  herausfordernder  Stellen.  Wenn  er 
dabei  manchmal  speziell  im  zweiten  Teil  zu 
weit  geht,  und  das  rauschende  Orchester  trotz 
seiner  Verdeckung  das  Wort  Goethes  unliebsam 
unterdrückt,  so  kann  man  ihm  das  nicht  zu 
sehr  anrechnen,  da  er  sich  wiederum  an  anderen 
Stellen  weisesten  Maßhaltens  befleißigt.  Vor- 
zugsweise das  Charakteristische  ist  dem  mit 
den  orchestralen  Mitteln  spielenden  Tonsetzer 
größtenteils  trefTlich  gelungen,  während  die  rein 
melodische  Erflndung  dagegen  zurücksteht.  Man 
kann  sich  sogar  öfter  nicht  des  Eindrucks  er- 


wehren, als  ob  Weingartner  jeder  natürlich 
melodischen  Wendung  absichtlich  aus  dem 
Wege  gegangen  sei.  Eine  Ausnahme  davon 
macht  die  etwas  bedenkliche  Melodik  des  Ge- 
sangs Raphaels.  Welch  grandiose  Steigerang 
hätte  sich  zum  Beispiel  am  Schluß  des  zweiten 
Teils  anbringen  lassen!  Von  größeren  ge- 
schlossenen Nummern  ragen  besonders  hervor: 
der  Prolog  im  Himmel,  der  sehr  stimmungs- 
volle Geisterchor  und  die  derb  realistische 
Hexenküchenmusik,  das  kurze,  sehr  schöne 
Orgelpräludium  in  D-dur,  die  ernste  d-moll  Fuge 
nach  Valentins  Tod,  die  sinnlich-bachantisctae 
Walpurgisnacht  des  ersten  Teils,  sowie  im 
zweiten  Teil  die  grandiose,  etwas  opemhaffl  an- 
mutende klassische  Walpurgisnacht,  der  Masken- 
zug und  der  ungemein  treffende  Gessns  der 
Lemuren  mit  der  das  Graben  and  Schaufeln 
glücklichst  imitierenden,  unheimlich  wirkenden 
Orchesterbegleitung.  Von  den  kleineren  Nummern 
sind  besonders  erwähnenswert:  der  Osterchor 
mit  seinem  auf  (f  c  des)  aufgebauten  Glocken- 
motiv, das  schlichte  Lied  des  Bettlers,  das 
Knurren  des  Pudels,  die  an  sich  sehr  hübsche 
Dorfmusik  mit  dem  Tanz  unter  der  Linde,  wenn 
auch  gerade  dieser  zu  einem  für  Weingartner 
nicht  sehr  günstigen  Vergleiche  mit  der  en^ 
zückenden  Musik  Lassens  direkt  herausfordert 
Ganz  besonders  originell  dagegen  ist  die  In- 
strumentation der  Homunculusszene  (hohe  pp 
Orgelstimme  und  Celeste)  sowie  die  Behand- 
lung der  charakteristischen  Dissonanz  spesiell 
bei  den  Auftritten  Mephistos  und  seiner  infernalen 
Gesellschaft  zu  glücklichster  Kontrastwirimng 
durch  die  beispielsweise  im  Prolog  im  Himmel 
der  Stimme  des  Herrn  untergelegten  Durdrei- 
klänge  gesteigert.  Trotz  der  vielen  Vorsfige 
dieser  neuen  Einrichtung  drängt  sich  unwill- 
kürlich die  Frage  nach  ihrer  Notwendig- 
keit auf;  auf  alle  Fälle  jedoch  wird  die  Ver- 
bannung der  mit  dem  Weimarischen  HoMieater 
durch  geheiligte  Tradition  verbundenen  »Faasf- 
Musik  Lassens  als  eine  wenig  pietätvolle  Tat 
empfunden  werden  müssen.  Doch:  «adhnc  sub 
judice  lis  est*!  Die  überaus  anstrengende  mn- 
sikalische  Leitung  lag  in  den  Händen  Peter 
Raab  es,  der  sich  seiner  im  gewissen  Sinne 
undankbaren  Aufgabe  mit  größter  Hingabe  und 
künstlerischer  Zuverlässigkeit  entledigte.  Von 
den  Hauptdarstellern  sind  In  allererster  Linie 
Weiser  als  vorzüglicher  Mephisto,  Prialein 
Schneider  als  Gretcben  und  Grube  als  nicht 
in  allen  Situationen  gleich  glücklicher  Faast  zu 
nennen.  —  Neben  dieser  ein  neues  Rohmes- 
blatt  in  der  Theatergeschichte  Weimars  bilden- 
den »Faust'^-Ioszenierung  sind  noch  zwei  sehr  be- 
merkenswerte Neueinstudierungen  von  «Tristan 
und  Isolde**  sowie  der  .Meistersinger* 
unter  Raabes  Leitung  zu  verzeichnen.  Be- 
fremdend wirkten  allerdings  manchmal  die  TÖllig 
ungewohnten  Tempi.  Wie  sagte  doch  gleich 
der  frühere  Wiener  Hofopemdirektor?  »Tradition 
ist  Schlamperei!"  Carl  Rorich 

WIEN:  Maifestspiele  in  der  Volksoper. 
Zu  den  Festspielstädten  München,  Köln, 
Prag  und  Salzburg  —  Bayreuth  gehört  nicht  in 
diesen  Zusammenhang  —  ist  jeut  Wien  hinzu- 
gekommen. Dem  Direktor  Rainer  Simons,  dem 
tüchtigen  und  zäh  energischen  Leiter  der  Volks- 
oper, dem  es  nie  vergessen  werden  darf,  daß  er 


121 
KRITIK:  OPER 


aus  dem  Nichts  und  ohne  Mittel  ein  wertvolles 
Institut  zur  Verbreitung  edler  dramatischer  Musik 
in  weiten,  naiv  empfilnglichen  Volkskreisen  ge- 
schaffen hat,  ist  der  Versuch  zu  danken,  vor- 
nehme deutsche  Singer  zu  festlichen  Auf- 
führungen des  »Figaro**,  des  „Don  Juan",  des 
„Fidelio*,  des  „Tannhiuser*  und  des  „Lohen- 
grin*  heranzuziehen.  Der  Versuch  ist  trotz 
vieler  fesselnden  Einzelheiten  nicht  gelungen; 
weder  ktinstlerlsch  noch  materiell,  —  und  die 
aufftülende  Teilnahmslosigkeit  des  Publikums, 
die  sicherlich  nicht  nur  den  —  für  ein  Caruso- 
gastspiel willig  bezahlten  —  sehr  erhöhten  Ein- 
trittspreisen zuzuschreiben  ist,  wird  den  sehr 
klarsehenden  Veranstalter  der  mit  starkem  Defizit 
abgeschlossenen  Vorstellungen  darüber  belehren, 
wo  die  Mingel  seiner  Unternehmung  zu  suchen 
waren.  Zunächst  in  dem  sehr  mißlichen  und 
von  vornherein  unkünstlerischen  Wesen  der- 
artiger „Muster'-Gastspiele  überhaupt.  Es  genügt 
nicht,  die  hervorragendsten  Darsteller  der 
wichtigen  Partieen  auf  einem  Fleck  zu  ver- 
sammeln und  dann  einfach  „loszugehen*.  Wenn 
die  Künstler  nicht,  wie  in  Bayreuth,  wochen- 
lange Muße  haben,  sich  aufeinander  einzu- 
stimmen, zu  einheitlichem  Stil  und  -einheitlicher 
Stimmung  zu  gelangen  und  in  dieser  durch* nichts 
verstörten  Stimmung  geraume  Zeit  zu  leben  und 
nachschöpferisch  zu  arbeiten,  kommt  nur  die 
MultipUlution  eines  Stargastspiels  zutage.  Eine 
kurze  Verstlndigungsprobe  für  das  bloß  Räum- 
liche —  das  war  hier  alles.  Die  Folge:  daß  jeder 
für  sich  spielte,  ohne  Resonanz  beim  Gegenpart, 
jeglicher  bestrebt,  sich  selber  zur  besten  Gel- 
tung zn  bringen  und  wenig  bekümmert  um  die 
Gesamtwirkung.  Wozu  noch  kommt,  daß  all 
diese  Sololeistungen  sich  auf  dem  Grunde  der 
bisherigen  Volksopeminszenierung  bewegten. 
Das  geht  aber  bei  „Festspielen*  nicht  an.  Hier 
bitte  zunächst  aufs  tätigste  eingegriffen  werden 
mossen:  eine  sorgfältige  Revidierung  des 
szenischen  Bildes,  ein  erneutes,  lebendiges 
Durchgestalten  der  Chöre  und  der  Statisterie 
und  genaueste  Orchesterproben  waren  dringend 
geboten,  um  den  im  Einzelnen  bedeutenden 
Leistungen  mancher  Künstler  das  nötige  Relief 
zu  geben;  ein  Stimmungs-Grundton  für  jede 
einzelne  Aufführung  wäre  zu  schaffen  gewesen, 
dem  sich  dann  die  Vertreter  der  Hauptpartieen, 
ihrer  Individualität  entsprechend  und  doch  dem 
Ganzen  gehorsam,  einfügen  müßten.  Dann  wäre 
wirklich  etwas  festliches,  ein  Hauch  der  Weihe 
in  diesen  Aufführungen  zu  spüren  gewesen  und 
sie  wären  ihrem  Sinn  näher  gekommen.  So 
aber  waren  es  gewöhnliche  Volksopemauf- 
ffiliningen  mit  allzu  oft  versagendem  Orchester 
und  mit  einem  durch  die  Folie  der  fremden 
Gaste  verdorbenen  Ensemble.  Und  ofc  weniger 
als  das:  die  klägliche  Elvira  der  Frau  Stagl, 
der  Florestan  des  Herrn  Wallnöfer,  der  Basilio 
des  Herrn  Gerhard  bedeuteten  Tiefpunkte,  die 
ganz  unabhängig  von  jener  Folie  waren,  die  in 
den  spielplanmäßtgen  Vorstellungen  kaum  erlebt 
wurden,  und  denen  einzig  der  tüchtige  Figaro 
des  Herrn  Ludikar  ein  tröstliches  Gegen- 
gewicht l>ot.  Ober  den  Charakter  der  einzelnen 
Vorstellungen  etwas  zu  sagen,  hat  also  keinen 
Sinn.  Et>en80wenig  freilich,  über  verunglückte 
Regienfiancen  und  anderes  Verdrießliche  noch 
detailliert  zu  raisonnieren.    Da  dem  Ganzen  der 


Ausdruck  eines  einheitlichen  künstlerischen 
Willens  fehlte,  bleibt  dem  Berichterstatter  nur 
die  Charakterisierung  der  einzelnen  Gäste  übrig. 
Haupterfolge:  Frau  Preuse-Matzenauer  als 
Ortrud  und  Herr  Jadlowkers  Oktavio.  Marga- 
rete Preuse-Matzenauer  ist  der  stärksten  Akzente 
fähig.  Ein  mächtig  brausendes  Organ  von  gleich- 
mäßigster Fülle  in  Tiefe  und  Höhe;  eine  offenbare 
Intelligenz,  die  nur  ihre  eigenen  Ausdrucksmittel 
der  Darstellung  noch  nicht  gefunden  hat:  es  ist 
ein  seltsamer  Widerspruch  zwischen  ihrer  ent- 
scheidend richtigen  Empfindung  jedes  dramati- 
schen Details  und  der  konventionellen  Geste,  mit 
der  sie  sie,  wenn  auch  voll  Impetus  und  jähem 
Temperament,  in  Aktion  umsetzt.  Eine  beaut6  du 
diable  und  ein  talent  du  diable,  dem  nur  die 
Hand  eines  überlegen  führenden  Regisseurs  fehlt. 
Hermann  Jadlowker  ist  ein  Gesangskünstler 
ersten  Ranges;  mit  seinem  glänzend  behandelten, 
schmiegsamen,  weichen,  schlanken  Tenor  und 
einer  geradezu  unvergleichlichen  Atemkunst  hat 
er  die  Hexerei  vollbracht,  das  Stiefkind  Oktavio 
in  den  Vordergrund  des  „Don  Juan*- Abends  zu 
stellen.   Herr  Albers  —  Don  Juan  und  Wolfram 

—  ist  gleichfalls  ein  Sänger  von  vornehmster 
Qualität  und  romanischer  Eleganz.  Ein  warmer 
Bariton;  musterhafter  bei  canto;  unbedingte 
Herrschaft  über  alle  Register.  Für  den  Don 
Juan  ein  wenig  zu  lässig,  zu  unherrisch,  zu 
wenig  befehlend  und  erobernd  —  aber  durch- 
aus Grandseigneur  von  vollendeten  Manieren. 
Sehr  fesselnd:  Dr.  von  Bary  als  Tannhäuser. 
Weniger  als  Lohengrin,  dem  —  ebenso  wie  dem 
Lohengrin  Burrians  —  doch  allzusehr  das  Ver- 
klärte und  Oberirdische  mit  all  seiner  schwer- 
mutvollen und  enttäuschten  Sehnsucht  nach  dem 
Irdischen  fehlt.  Sein  Tannhäuser  aber,  ohne 
freilich  mit  jener  überwältigenden  Echtheit  zu 
wirken,  die  Niemann  der  Gestalt  gegeben  hat, 
ist  durchaus  im  Sinn  des  Meisters  nachge- 
schaffen: in  Extremen  berauscht,  von  Leiden- 
schaften taumelnd  mitgerissen,  furchtbaren  Ver- 
zückungen und  furchtbarer  Verzweiflung  be- 
dingungslos hingegeben.  Nur  daß  doch  allzu  oft 
eine  rein  äulkrliche  Geberde,  ein  plötzliches 
Nachlassen  des  inneren  Anteils  das  Gefühl  des 
vollkommen  Oberzeugenden  nicht  immer  un- 
verletzt läßt  Und  daß  seine  Stimme  leider  so 
seltsam  gebrochen  ist:  ein  schöner  Baritonklang 
in  der  Tiefe,  schmetternd  erzene  Töne  in  der 
Höhe  und  eine  stumpfe  Mittellage,  die  bei  leisem 
Rezitieren  überdies  vollkommen  klanglos  wird. 
Bei  alledem:  eine  der  interessantesten  Indivi- 
dualitäten dieses  Gastspiels.  Ähnliches  gilt  von 
Burrian:  nur  daß  sein  glanzvolles  Organ,  das 
berückendsten  Wohllaut  mit  einem  edel-männ- 
lichen Timbre  vereint,  ihn  zu  Wirkungen  auch 
dort  gelangen  läßt,  wo  der  Darsteller  versagt, 
mit  dem  es  einem  eigentümlich  ergeht:  man 
kann  nichts  gegen  ihn  einwenden,  alle  Vor- 
schriften sind  erfüllt  —  bis  auf  ein  schweres 
künstlerisches  Vergehen:  das  Weglassen  des 
Höhepunkts  „zum  Heil  den  Sündigen  zu  führen!* 

—  jeder  Obergang  ist  da;  und  doch  bewirkt  die 
hurtige  Art  und  die  wenig  edle  Haltung  des 
Sängers  bei  allem  klugen  Befolgen  der  dichte- 
rischen Weisungen  ein  Gefühl  der  Inkongruenz, 
Es  fehlt  auch  hier  das  Oberzeugende.  Aber  es 
ist  ein  Vergnügen,  diese  Stimme  zu  hören.  Bei 
Frau  Fleischer-Edel   ist  es  anders:  der  in 


124 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


von  Hugo  Wolfs  Vtterlandshymnus  die  etwas 
pompöse  Ballade  des  Zürcher  Theaterkapell- 
meisters Lothar  Kempter  »Der  Tod  des  Sar- 
danapal".  Zu  Weihnachten  führte  der  Cäcilien- 
V  er  ein  »Des  Heilandes  Kindheit"  von  Berlioz 
auf,  in  seinem  Fruhlingskonzert  Haydns  »Jahres- 
zeiten*. Robert  Kieser 
BOSTON:  Wir  sind  hier  noch  mitten  in  der 
Konzertsaison.  Besonders  wurde  viel  Kammer- 
musik gegeben.  Das  New  Yorker  Flonzaley- 
Quartett  hat  hier  in  drei  Konzerten  viel  Bei- 
fall geerntet.  Sie  standen  auf  der  gleichen 
Stufe  wie  die  des  Kneisel-Quartetts,  das  wir  als 
das  beste  amerikanische  Streichquartett  be- 
trachten. Auch  Richard  Czerwonky,  unser 
zweiter  Konzertmeister,  hat  ein  Quartett  ge- 
gründet, das  ein  glänzendes  Konzert  gab.  Da 
Czerwonky  bald  nach  Deutschland  reisen  wird, 
befürchten  wir  aber,  daß  die  neue  Vereinigung 
sich  bald  auflösen  wird.  Indessen  wird  der  Cellist 
Alwin  Schroeder  sich  mit  dem  Geiger  Willy 
Heß  vereinigen,  um  ein  neues  Quartett  zu  bilden. 
Das  Schroeder- Heß- Streichquartett  wird  seine 
Tätigkeit  hier  im  November  beginnen.  —  Infolge 
der  Erkrankung  unseres  Dirigenten  Dr.  Carl  Muck 
dirigierte  Carl  Wendling  das  letzte  Symphonie- 
konzert. Er  hatte  großen  Erfolg.  Im  ersten  Satz 
der  e-moll  Symphonie  von  Brahms  brachte  er 
nicht  alle  die  subtilen  Nuancen  heraus,  aber  die 
Variationen  des  Finale  ließ  er  sehr  feinsinnig 
spielen.  Auch  eine  feurige  Wiedergabe  der  Ouver- 
türe »Benvenuto  Cellini*  fand  in  diesem  Kon- 
zerte statt.  Wendling  überraschte  die  Zuhörer 
durch  seine  Fähigkeit  als  Dirigent  und  erregte 
große  Begeisterung.  Auch  er  wird  in  dieser 
Saison  nach  Deutschland  zurückkehren.  —  Die 
»Klavierlöwin*  Teresa  Carrefio  gab  einen 
Klavierabend^  der  glänzend  verlief.  Es  war  eine 
angenehme  Überraschung,  zu  hören,  wie  diese 
heißblütige  Pianistin  Beethovens  Waldstein- 
Sonate  mit  aller  ehrfürchtigen  Sorgfalt  und  ohne 
zu  große  Individualisierung  vortrug. —  Das  Ada- 
mowski>Trio  (Geige:  Timotheus  Adamowski, 
Violoncello:  Josef  Adamowski,  Klavier:  Frau 
Szumowska)  gab  im  März  zwei  erfolgreiche  Kon- 
zerte. In  dem  einen  wurde  ein  neues  Trio  des 
amerikanischen  Komponisten  David  H.  Smith 
gespielt,  das  ein  ziemlich  ungleichmäßig  ge- 
ratenes, obwohl  in  guter,  klarer  Form  gearbeitetes 
Werk  zu  sein  scheint.  —  Gegen  die  ultramodeme 
Musik  in  unseren  Symphoniekonzerten  hat  sich 
in  den  letzten  Wochen  ein  kleiner  Aufruhr  er- 
hoben, und  in  den  Zeitungen  erschienen  viele 
Briefe,  die  gegen  die  Aufführung  so  vieler  un- 
ruhiger, häßlicher  und  schwer  verständlicher 
Musik  Einspruch  erhoben.  In  der  Tat  bekommt 
Boston  unverhältnismäßig  viel  von  dieser 
»Problemmusik*  (»puzzle-music*)  zu  hören;  die 
modernsten  und  radikalsten  Musiker  von  Europa 
scheinen  alle  in  unseren  Symphoniekonzerten 
Gehör  zu  finden.  Die  Folge  davon  ist,  daß  wir 
von  Schumann,  Schubert,  Beethoven  und  Brahms 
zu  wenig  zu  hören  bekommen.  Es  wäre  gut, 
wenn  die  Disharmonieen  öfter  mit  guter  klassi- 
scher Musik  aus  unsern  Ohren  hinausgespült 
würden.                                  Louis  C.  Elson 

BRAUNSCHWEIG:  Aus  der  Menge  der  sich 
gegen  Schluß  der  Saison  drängenden  Kon- 
zerte verdienen  nur  wenige  ein  allgemeineres  Inter- 
esse.  Dazu  gehören  das  des  »Nordischen  Vokal- 


Trios*  der  hiesigen  Geschwister  Koch  im 
Verein  mit  August  Schmid-Lindner- München, 
das  des  Chorgesangvereins  (»Heilige  Elisa- 
beth* von  Liszt),  das  letzte  populäre,  das  Direktor 
Wegmann  zu  einem  Reger-Abend  gestaltete. 
Der  Komponist,  der  mit  FrL  Ehlers  (Lieder), 
FrL  Hoff  mann  (vierhändige  Variationen  über 
ein  Thema  von  Beethoven)  und  Kammermusikas 
Wachsmuth  (Suite  für  Klavier  und  Violine  im 
alten  Stil)  seine  Werke  in  das  richtige  Licht 
stellte,  fand  viel  Beifall.  —  Der  Verein  IQr 
Kammermusik  (Hofkapellmeister  Riedel,  Hof» 
konzertmeister  Wünsch,  Kammervirtuos  Bie- 
1er,  Kammermusiker  Vigner  und  Meyer) 
schlössen  mit  dem  Klavier-Trio  (g-moll)  von 
Dvorak,  dem  Streichquartett  (op.  59  Nr.  3)  von 
Beethoven  und  dem  Forellenquintett  von  Schubert 
(Kontrabaß:  Herr  Anger)  den  Zyklus  glänzend 
ab.  —  Die  Konzerte  der  vielen  Vereine  hatten 
trotz  tüchtiger  Leistungen  meist  nur  lokale  Be- 
deutung. Ernst  Stier 
BREMEN:  Aus  den  letzten  Darbietungen  der 
Philharmonie  ist  als  Neuheit  erwähnens- 
wert die  vorzüglich  gearbeitete,  aber  mehr  aaf 
äußere  Wirkung  abzielende  »Symphonische 
Phantasie*  für  großes  —  sogar  sehr  großes  — 
Orchester,  Tenorsolo  und  Chortenor  (unisono 
hinter  der  Szene)  von  Volkmar  Andreae.  Den 
Schluß  der  Konzertfolge  bildete  auch  dies  Jahr 
eine  vorzügliche  Vorführung  der  »Neunten*,  die 
Panzner  lebhafte  Ehrungen  eintrug.  Solisten: 
Anna  Stronck-Kappel,  Iduna  Walter-Choi- 
nanus,  Anton  Kohmann,  Frans  Fitxao. 
Glänzenden  Erfolg  errang  mit  Tschaikowslcy*8 
b-moll  Konzert  das  überaus  kraftvolle  und  groft- 
zügige  Spiel  der  jungen  Pianistin  EUa  Jonas. 
Einen  prächtigen  Liederabend  im  Rahmen  der 
Philharmonie  gab  Lula  Mysz-Gmeiner,  ein 
nicht  minder  treffliches  eigenes  Konzert  Elens 
Gerhardt,  das  abertrotz  der  Begleitung  dnreh 
Nikisch  nur  mäßig  besucht  war.  Endlich  seien 
abschließend  noch  genannt  die  vorzüglichen 
Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Kammermusik, 
einesteils  vom  Philharmonischen  Quartett  (Kolk- 
meyer, Scheinpflug,  van  der  Bruyn, 
Ettelt)  sowie  von  unserm  Pianisten  Brom- 
berger  geboten,  andererseits  von  dem  Violinisten 
Skalitzky  in  Gemeinschaft  mit  den  Berliner 
Künstlern  Georg  Schumann,  Paul  und  Adolf 
Müller  und  Hugo  Dechert.  Paul  Schein- 
pflug gab  auch  in  diesem  Frühjahre  wieder 
eine  erfolgreiche  Vorführung  eigener  Schöpf 
ungen,  unter  denen  eine  Violinsonate,  an 
Männerchor  (»Die  Ulme  von  Hirssu*),  und  swsi 
Balladen  (»Der  Garten  von  Sankt  Marien*  und 
»Der  Triumph  des  Lebens*)  Früchte  des  letston 
Jahres  waren.                       Gustav  Kißllng 

BRESLAU:  Die  beiden  letzten  AtH>nnements- 
konzerte  des  Orchestervereins  gingen 
ohne  Aufregung  vorüber.  Wir  hörten  unter  der 
Leitung  Dr.  Dohrns  die  zweite  Symphonie  too 
Brahms,  die  fünfte  Symphonie  (der  Breitkopf 
&  Härteischen  Ausgabe)  von  Haydn,  „Till 
Eulenspiegels  lustige  Streiche*  von  Strauß  und 
das  für  den  Konzertsaal  nicht  sonderlich  ge- 
eignete »Tannhäuser"  -  Bacchanale  mit  voran- 
gehender Ouvertüre.  Artur  Schnabel  spielte 
das  d-moll  Konzert  von  Mozart  (Köchel  Nr.  406) 
mit  den  Kadenzen  von  Beethoven  im  ersten 
und  von  J.  N.  Hummel  im  letzten  Satze*   Seine 


125 
KRITIK:  KONZERT 


Sanz  aus  dem  Mozartscben  Geiste  beraus  ge- 
borene Leistung  fand  gebührende  Anerkennung, 
die  durch  den  ausgezeichneten  Vortrag  einiger 
SolostQcke  von  Chopin  noch  erhöht  wurde. 
Therese  Schnabel -Behr  sang  in  ruhiger, 
▼ometamer  Art  Lieder  von  Schubert  und  Wolf. 

—  Der  letzte  Kammermusik-Abend  brachte 
(mit  Himmelstoß,  Behr,  Hermann  und 
Melzer)  das  Streichquartett  op.  12  von  Mendels- 
sohn und  das  Streichquartett  a-moU  op.  51  Nr.  2 
▼on  Brahma.  Der  schon  im  vorigen  Jahre  ein- 
mal unternommene  Versuch,  den  Kammermusik- 
Abenden  eine  vokale  Bereicherung  durch  Einfüg- 
ung von  Gesangsduetten  zu  geben,  wurde  im 
letzten  Konzert  wiederholt:  Hedwig  Boenisch 
und  Maria  Freund  sangen  unter  Assistenz  des  fein- 
fühligen Begleiters  Max  Auerbach  fünf  Duette 
▼on  Händel,  Clari,  Brahmsund  DvoHk  und  hatten 
entschiedenen  Erfolg.  Nun  könnte  man  einen 
Schritt  weiter  gehen,  die  mittelalterlichen  Madri- 
gale als  eine  Art  vokaler  Kammermusik  an- 
sprechen und  die  entzückenden,  leider  aber  in 
weiten  Kreisen  unbekannten  Gesinge  zur  Be- 
lebung der  sonst  rein  instruqientalen  Kammer- 
masikprogramme  heranziehen.  Die  ausführenden 
Kräfte  sind  in  Breslau  mehr  als  einmal  vor- 
banden (Volke-Quartett  und  Quartette  der  Pani- 
schen Gesangsakademie).  —  Mit  Freude  begrüßt 
wurde  Susanne  Dessoir,  und  mit  Interesse 
borte  man  die  jugendlichen  Italiener  Alessandro 
Certani  (Violine)  und  Alfred  Calzin  (Klavier). 

—  Eine  Riesenarbeit  bat  Professor  Dr.  Hohn 
geleistet,  der  die  Nationalhymnen  der 
europäischen  Völker  herbeigescbafPr,  seinem 
Verein  (Bohnscher  Gesangverein)  in  der 
Originalsprache  einstudiert  und  in  dem  112. 
historischen  Konzert  einem  größeren  Publikum 
vorgeführt  hat.  In  einem  interessanten  Ein- 
leltungs vortrage  gab  er  eine  Geschichte  jeder 
einzelnen  Hymne,  dann  sang  der  Verein  die 
Nationalhymnen  aus  nicht  weniger  als  19  euro- 
pilschen  Staaten  bzw.  Völkern.  —  Dr.  Dohro 
f&brte  am  Karfreitag  mit  der  Singakademie 
Bachs  ajohannespassion*  mit  bedeutendem  Erfolg 
aaC  Die  Solopartieen  wurden  gesungen  von  Klara 
Erler(Sopran),IdunaWalter-Cboinanus(Alt), 
Emil  Rinke  (Tenor),  Süsse  (Baß)  und  Rupp- 
recht  (kleinere  Baßpartieen).  Musikdirektor 
Ansorge  spielte  die  Orgel  in  der  Bearbeitung 
von  Jadassohn,  die  namentlich  der  Partie  Jesu 
vortrefflich  zustatten  gekommen  ist.  —  Mit  un- 
zureichenden Mitteln  (50  Sänger  und  40  Orchester- 
mtislker)  unternahm  Musikdirektor  Gulbins  in 
der  Elisabethkirche  eine  Aufführung  des  »Deut- 
schen Requiems*  von  Brahma.  Zu  dem  recht 
mißigen  klanglichen  Eindruck  gesellte  sich 
▼erscbllmmemd  der  Umstand,  daß  der  Dirigent 
in  fast  sämtlichen  Chören  die  Tempi  verfehlte. 
Das  Sopransolo  sang  mit  zu  kräftiger  Stimme 
Meta  Geyer- Diericb,  das  Baritonsolo  mit 
großem  Erfolge  Hans  Hielscher.  —  Guten 
Eindruck  hinterließen  die  Karfreitag-Nachmittags- 
anff&brungen  in  der  Barbarakirche  und  der 
Elftausend  Jnngfrauenkirche  unter  Ansorge 
ni^  Dercks.  Verzeichnet  seien  namentlich  die 
Soll  von  Max  Janssen  (Tenor)  und  Helene 
Kiesel  (Alt),  sowie  der  meisterhafte  Vortrag 
der  enorm  schwierigen  Introduktion  und  Passa- 
caglia  In  f-moU  für  Orgel  (aus  den  Regerschen 
„Monologen*)  durch  E.  Dercks.    J.  Schink 


BRÜSSEL:  Durant  ist  mit  seinen  histori- 
schen Konzerten  bei  Liszt-Berlioz-Chopin 
angelangt.  »Les  Pr^ludes"  (im  Finale  überhetzt), 
«Harald*-Symphonie  (Bratsche:  HerrVan  Hout) 
und  „Benvenuto  Cellini*-Ouvertüre  waren  gut 
einstudiert  und  fanden  viel  Beifall.  Der  Pianist 
De  Greef  spielte  in  bekannter  Vortrefflich keit 
Liszts  A-Dur  Konzert  und  Solostücke  von 
Chopin.  —  Das  vierte  Concert  populaire 
enthielt  fast  nur  Novitäten,  darunter  das  b-moll 
Konzert  von  Brahma,  das,  von  Artur  Schnabel 
meisterhaft  gespielt  und  vom  Orchester  aus- 
gezeichnetbegleitet, bedeutenden  Eindruck  hinter- 
ließ. Eine  Symphonie  von  Frau  Van  den 
Boorn-Cochet  ging  spurlos  vorüber,  und  die 
Wald-Symphonie  von  A.  Rons  sei,  ein  inter- 
essantes, poetisches  Werk,  fand  durch  ihre 
fremdartigen  Dissonanzen  ä  la  Debussy  nur 
wenig  Verständnis.  Schnabel  spielte  dazwischen 
noch  Solostücke  von  Schubert  und  vervoll- 
ständigte dtmit  seinen  Erfolg.  «Sadko*  von 
Rimsky-Korssakow  beschloß  das  Konzert.  — 
Einen  herrlichen  Genuß  bot  das  sechste  Konzert 
Ysaye.  Alexander  Z.  Birnbaum  aus  Lausanne 
offenbarte  mit  der  wundervollen  Vorführung  von 
Brahma'  »Vierter*,  «Till  Eulenspiegel*  von  Strauß 
und  Liszts  Erster  Rhapsodie  ein  hervorragendes 
Dirigententalent.  Emil  Sauer  spielte  in  seiner 
eleganten  und  virtuosen  Weise  Schumanns  Kon- 
zert und  Solostücke  unter  größtem  Beifall.  — 
Im  dritten  Bachkonzert  (Zimmer)  war  Louis 
Diemer  aus  Paris  der  Magnet,  der  mit  dem 
Vortrag  des  E-dur  Konzertes  und  einer  Reihe 
kleiner  Stücke  für  Clavecin  großes  Entzücken 
hervorrief.  Der  Baritonist  Zalsman  sang  in 
tüchtiger  Weise  eine  Kantate  und  eine  Arie,  und 
zum  Schluß  wurde  die  h-moll  Suite  für  Flöte 
(Radoux)  und  Streicher  gespielt. 

Felix  Welcker 

CHEMNITZ:  In  den  letzten  zwei  Abonnements-,  . 
sechs  Symphonie-,  drei  Volkskonzerten,  einem 
Wagner-Abend  und  dem  zweiten  Lehrergesang- 
vereinskonzert (sämtlich  Max  Pöble)  wurde 
wieder  viel  Gutes,  Interessantes  und  Schönes  zu 
Gehör  gebracht.  Hervorgehoben  aus  der  Flut 
der  älteren  und  neueren  Werke  all  dieser  Ver- 
anstaltungen mögen  sein:  Sy  mphonieen:  Klug- 
hardt  D-dur,  Draeseke  „Tragica",  Hermann  Goetz 
F-dur,  Gäde  e-moll,  Tschaikowsky  Suite  3,  G-dur, 
Fr.  Zech  »Lamia*  (Manuskript),  Guilmant,  Sym- 
phonie für  Orgel  und  Orchester,  Raff  »Im  Walde* 
und  ein  Konzert  für  Viola,  Flöte,  Oboe,  Trom- 
pete und  Streichorchester  von  J.  Seb.  Bach. 
Programmusik:  Elgar  »Im  Süden*,  Dvorak 
»Husitskä*,  Weber  »Rübezahl*,  Berlioz  »Faust*, 
Borodin  »Steppenskizze*,  Liszt »Hunnenschlacht* 
und  »Pr^ludes*,  Svendsen  »Carneval*,  Saint- 
SaSns  »Totentanz*  und  Ponchielli  »Gioconda*. 
Männerchorwerke  von  Perfkll,  Wohlgemuth, 
Reiter,  Reger  (»Ober  die  Berge*),  Schreck,  Wein- 
zterl,  Volbach  (»Siegfrieds  Brunnen*)  und  Karl 
Bleyle  (»An  den  Mistral*).  In  einem  Extra- 
konzert gelangte  »Gloria*  von  J.  L.Nicod6  in 
einer  für  die  Ausführenden  sehr  schmeichelhaften 
Ausführung  unverkürzt  zur  ersten  hiesigen  Auf- 
führung^). —  Solisten:  a.  Gesang:  Julia  Culp, 


^)  Unser  Referent  war  leider  verhindert,  der 
Aufführung  beizuwohnen  und  uns,  wie  wir  es 
gewünscht  hatten,  etwas  ausführlicher  über  sie 


126 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


Rita  Arndt,  Conrad  Herwartb,  Margarete 
Siems,  Alfred  Zippel,  Gurt  Schade,  KIte 
Steigerwald,  Linus  Utalig,  Eva  Ublmann 
und  Margarete  Frankenstein.  (Arien  und 
Lieder  von  Schubert,  Brahma,  Loewe,  Leactae- 
titzki,  Cornelius,  Schumann,  Händel,  Strauß, 
Bruch,  Reger,  Rebikoff,  Berger,  Wolf,  Thomas, 
Verdi  und  E.  H.  Seyffardt).  —  b.  Orgel:  Bern- 
hard Pfannstiebl  (Ostermorgenpbantasie  von 
C.  A.  Fischer).  —  c.  Harfe:  Eva  Elsasser 
(Konzertstück  von  N.  v.  Wilm).  —  d.  Cello: 
Bruno  Mann  (Konzert  D-dur  von  Haydn).  — 
e.  Violine:  Heinrich  Cobell  (achtes  Konzert 
von  Spohr),  Henry  Prinsund  Arthur  Schreiber 
(Doppelkoozert  fOr  Violine  und  Viola  Es-dur 
von  Mozart).  —  Der  Musikverein  (Franz 
Mayerboff)  brachte  in  seinem  zweiten  Abonne- 
mentskonzert Gabriel  Pierne's  «Kinderkreuz- 
zug*  (Solisten:  Tilly  Gabnbley-Hinken,  Jean- 
nette Grumbacber-de  Jong,  Albert  Jung- 
blut und  Charles  Robertson).  —  Eigene  Abende 
gaben:  KäteUfertund  Franz  May  erhoff  (Lieder 
von  Brahma,  Grieg,  Schumann,  HildaCh,  Clut- 
sam,  Ufert,  Sachs,  MayerhofP,  Meyerbeer),  Minnie 
Nast  und  Eugen  Richter  (Lieder  von  Strauß 
und  Wolf,  Klavierwerke  von  Bach,  Liszt,  Beet- 
hoven und  Chopin).  Das  nordische  Vokal- 
trio (Schirmer-Koch-Koch)  wirkte  im  Lehrer- 
gesangvereinskonzert mit  (Gesinge  von  Job. 
Selmar,  Tbuille,  van  Rennes  und  Patrik  Gillen- 
hammer).  — Kirchenmusik:  St.  Jacobus  (Franz 
Mayerboff):  J.  S.  Bachs  Kantaten  „Christ  lag  in 
Todesbanden*,  „Ich  will  den  Kreuzstab"  und  «Nun 
lob'  mein  Seer*  und  Andreas  Hammerscbmidts 
»O  Herr  Jesus  Christus*.  (Orgel:  Eugen  Richter; 
Bariton:  Alfred  Käse.)  Chöre  von  Dulisius, 
Stratrner,  Bemmano,  Grieg  und  Winkler;  d-moll- 
Konzert  fär  Orgel  von  Friedemann  Bach  (Bern- 
hard Pfannstiebl),  Violinsoli  von  Corelli  und 
Bach  (Philipp  Werner)  und  Sologesinge  ver- 
schiedener Meister  (Toni  Volkmann);  —  St. 
Lucas  (Georg  Stolz),  Bach:  h-moll-Messe  (So- 
listen: Keldorfer,  Rebhuhn,  Seibt,  Herwartb  und 
Rickborn).  Oskar  Hoff  mann 

CHICAGO:  Das  Thomas-Orchester  unter 
Leitung  von  Friedrich  Stock  gab  eine  Auf- 
fuhrung von  Strauß'  „Sympbonia  Domestica*, 
der  ein  von  Wilhelm  Middel schulte  gespieltes 
Orgelkonzert  von  Händel  (F-dur)  voranging. 
Wohl  war  es  ein  schneidender  Kontrast,  dem 
friedlich-gemütlichen  Orgelkonzert  die  musika- 
lisch inszenierten  und  zwar  keineswegs  fried- 
fertigen häuslichen  Erlebnisse  folgen  zu  lassen, 
als  bräche  aus  heiter  ruhigem  Himmel  ein  ur- 
plötzlich Gewitter  moderner  Instrumentalkunst. 
Doch,  um  bei  dem  Gleichnis  einmal  zu  bleiben, 
von  dem  luftreinigenden  frischen  Ozon  eines 
Gewitters  merkte  man  nach  Anhören  des  Strauß- 


zu  berichten.  Die  „Chemnitzer  Neuesten  Nach- 
richten* schrieben  u.  a.:  „...  das  Sturm-  und 
Sonnenlied  ,G]oria'  von  Nicod6  wurde  zu  einem 
Siegeslied.  Die  Auffuhrung  zu  einer  Festfeier  . . . 
Noch  niemals  ist  ein  Werk  mit  solchem  Jubel 
aufgenommen  worden  . . .  Das  Ganze  zeigt,  was 
uns  die  früher  einzeln  gebotenen  Bruchstücke 
schon  ahnen  ließen  und  was  das  Studium  der 
Partitur  bestätigt,  daß  die  Symphonie  von  Nicod6 
zur  Höhen-  und  Gipfelkunst  moderner  Musik 
zu  zählen  ist...*     Redaktion  der  „Musik* 


sehen  Opus  nichts,  vielmehr  verließ  man  den 
Konzertsaal  mit  dem  Gefühl  der  drückenden 
Beklemmung,  daß  hier  das  Äußerste  erreicht 
sei,  wohin  Kunst  sich  wagen  dfirf^,  ohne  In  die 
Unnatürlichkeit  zu  verfallen.  Also  zurück  zum 
frischen,  freien  Luftzug  gesunder  Natürlichkeit, 
demgegenüber  das  mit  so  großartiger  Instru- 
mentation und  mit  so  wunderbarer  Filigranarbeit 
der  Fugenmotive  ausgestattete  Werk  doch  nur 
daa  Gefühl  hinterläßt,  als  sehne  man  sich  nach 
einem  langausgehaltenen  reinen  Moiartschen 
C-dur-Akkord.  War  das  Werk  keineswegs  be- 
friedigend, so  leistete  daa  verstärkte  Orchester 
(statt  der  acht  Homer  waren  es  freilich  nur 
sechs)  ganz  bedeutendes  in  der  DarchfOhmng 
der  schwierigen  Tonschöpfung,  die  obendrein 
der  Reisekonzerte  des  Orchesters  wegen  in  nnr 
wenigen  Proben  fertiggestellt  wurde.  ^  Raffi- 
nierte Krafcanhäufting  auf  Kosten  der  musika- 
lischen Schönheit  scheint  fa  wohl  das  Idol  der 
Modernen  zu  sein.  Erst  im  vorigen  Konzert 
hatten  wir  ein  solches  Werk,  eine  Komposition : 
Symphonischer  Prolog  zu  „William  Ratcliflf"  von 
Frank  van  der  Stucken,  der  seine  Schöpfung 
selbst  dirigierte.  Reich  instrumentiert,  stellen- 
weise etwas  grobmassiv,  ist  die  Komposition  nicht 
ohne  musikalische  Schönheit;  doch  was  soll  bei 
EfPektstellen  die  Einführung  eines  eztragroften 
Klavieres,  das  in  den  Arpeggiopassagen  mit  der 
Harfe  ein  Wettrennen  veranstaltet?  Die  Differenz 
in  der  beiderseitigen  Tonschwingung  wurde  dureh 
ein  gleichzeitig  sehr  kräftig  geschlagenes  Tam- 
tam glücklich  verdeckt.  —  Der  Solistenkonaerte 
hatten  wir  eine  große  Menge.  Fannie  Bloom- 
field-Zeisler  spielte  mit  großem  Beifall  das 
Mendelssohnkonzert  No.  1,  g-moll.  Paderewski 
tritt  am  10.  April  im  Beethovenkonxert  (No.  5, 
Es-dur)  auf.  Eugen  Käuffer 

CINCINN ATI :  Die  Serie  der  Gastspielkonserte 
wurde  durch  die  Besuche  des  New  Yorker 
Symphonieorchesters  unter  Walter  Dam- 
rosch,  des  Bostoner  unter  Muck  und  des 
Pittsburger  Orchesters  unter  Paur  fort- 
gesetzt und  beschlossen.  Die  Vorzüge  des 
Bostoner  Orchesters,  das  ohne  Solisten 
konzertierte,  näher  zu  beleuchten,  erscheint 
überflüssig.  Die  festbegründete  Virtuositit  des 
Zusammenspiels  wird  als  unantastbarer  Besitz 
noch  manchen  Dirigentenwechsel  und  Austausch 
von  Einzelkräften  überdauern.  Trotzdem  mnfi 
man  dem  Orcheater  wieder  eine  permanentste 
Besetzung  des  Dirigentenpostens  wfinschMi. 
Gar  zu  leicht  löst  in  diesem  Land  das  InteresM 
an  der  Persönlichkeit  das  sachliche  ab. 
Das  New  Yorker  Orchester  hatte  sich  der 
Mitwirkung  Fritz  Kreislers  versichert,  der  das 
Brshmssche  Konzert  mit  bezwingender  Kfinsüer- 
schaft  spielte.  Es  unterlaufen  ihm  gelegentliche 
Härten  durch  allzu  straff  gespannte  Rbjrthmi* 
sierungen,  aber  welche  MeisterscbafI  vefrlt 
diese  technisch  wie  geistig  erschöpfende  Wiedef» 
gäbe!  Es  war  die  einzige  Soliatengroßtat  dieser 
Konzerte.  Man  darf  nicht  verhehlen,  daß  Dam- 
rosch,  wie  gewöhnlich,  vortrefflich  begleitete, 
und  daß  die  Orchestervorträge  —  Wagnersehe 
Bruchstücke  hauptsächlich  —  aiißerordentlich  ge- 
flelen.  Überraschend  wsr  die  Verbesserung  in 
den  Leistungen  des  Pittsburger  Orchestere. 
Hat  der  Beginn  der  musikslischen  Saison  gelebrt, 
wie  schnell  ein  gutes  Orchester  unter  ^nen 


127 
KRITIK:  KONZERT 


Ji 


schlechten  Dirigenten  verlernty  so  zeigte  sich 
diesmaly  wie  viel  und  rasch  ein  sehr  mittel- 
mlBiges  Orchester  unter  einem  flhigen  und 
begeisterten  Leiter  lernen  Icsnn.  Klang  und 
Znsammenspiel  haben  sich  in  erfreulichster 
Weise  gehoben,  und  es  muß  betont  werden,  daß 
vielen  erfahrenen  Musikfreunden  die  beiden 
Konzerte  der  Pittsburger  als  die  willkommensten 
der  ganxen  Serie  erschienen.  Die  Leistungen 
gipfelten  in  einer  ergreifenden  und  technisch 
vollendeten  Wiedergabe  von  Strauß'  „Tod  und 
Verklärung*.  Im  geistigen  Erfassen  und  Wieder- 
geben dieses  Werkes  erscheint  Paur  ganz  beson- 
ders bevorzugt.  Er  inspiriert  nicht  bloß  sein 
Orchester,  sondern  auch  den  Zuhörer,  und 
man  fibersieht  gern  seine  eckigen  Bewegungen 
ober  der  glutvollen  Aufrichtigkeit  seines  WoUens 
and  Könnens.  Der  Baritonist  de  Gogorza 
iMt  sympathische  Zugaben  mit  dem  Vortrag 
Glockscher  und  Msssenet'scber  Arien.  Leider 
scheint  auch  der  Tätigkeit  Paurs  und  seines 
Orchesters  in  Pittsburg  ein  vorzeitiges  Ziel 
gesetzt  XU  sein.  Wie  hier,  scheitern  auch  dort 
die  besten  Bestrebungen  an  der  Teilnahms- 
losigkeit der  breiteren  Masse,  und,  ändert  sieb 
die  Ljige  nicht  in  letzter  Stunde,  so  wird  Pitts- 
barg  im  nächsten  Winter  ohne  Orchester  sein. 
—  Unsere  eigenen  Aussiebten  sind  sehr  trübe. 
Die  dieswinterliche  Gastspielserie  auswärtiger 
Orchester  schloß  mit  einem  beträchtlichen 
Defizit  ab,  das  aus  den  Taschen  solcher,  die's 
xwsr  können,  bezahlt  wird,  aber  man  kann's 
diesen  Leidträgem  menschlich  nachfühlen,  daß 
sie  sich  ffir  die  Folge  zu  weiteren  Taten  nicht 
ermutigt  fQblen.  Unser  Publikum  will  gar  nicht 
f&r  regelmäßige  Musikpflege  erzogen  werden. 
Es  kommt  sich  schon  sehr  musikalisch  vor, 
wenn  das  Interesse  und  Konzentrationsvermögen 
alle  zwei  Jahre  fönf  Tage  lang  standhält.  Dies 
bringt  mich  auf  das  nahende  Mai -Festival, 
das  vom  5.  bis  9.  Mai  stattfindet,  und  dessen 
Vorbereitungen  in  vollem  Gange  sind.  Leiter 
des  Ganzen  ist  van  der  Stucken,  der  seit 
Oktober  den  Festebor  unermfidlich  drillt.  Den 
orchestralen  Teil  übernimmt  das  Chicagoer 
Orchester  unter  Stock. 

Louis  Victor  Saar 

GRAZ:  Alexander  Heinemann  gewährte  ein 
eigenartiges  psychologisches  Erlebnis.  Im 
Konxerte  quälte  er  sich  mit  einer  Heiserkeit  ab  — 
ebenso  peinlich  für  ihn,  wie  für  den  Hörer;  im 
Zngsbenkonserte  sang  er  plötzlich  wie  ein  Gott, 
frei  von  jeder  Hemmung,  denn  er  war  an  kein 
Programm  mehr  gebunden.  Jubelnd  verfolgte 
das  Publikum  diesen  Sieg  des  Geistes  über  die 
Mitterie.  —  Am  Palmsonntag  führte  der  Aka- 
demische Wagner- Verein  Dürers  Passion  mit 
Be^eitang  Bachscher  Choräle  auf:  ein  echtes 
Osterstimmnngskonzert.  Dr.  E.  Decsey 

KARLSRUHE:  Im  fünften  Hoforchester- 
konzert  errang  u.  a.  Kloses  effektvoll 
iastmmentierter  »Elfenreigen"  und  Berlioz'  glän- 
lesde  Ouvertüre  „Le  Camaval  romain"  lebhaften 
BeilUL  Den  breitesten  Raum  des  letzten  Konzerts 
nahm  Beethovens  »Neunte*  ein,  deren  chorische 
ad  instmmentale  Wiedergabe  unter  Alfred 
Lorentz,  dem  verdienten  Leiter  der  sechs  Kon- 
zefte,  im  ganzen  eine  wohlbefriedigende  war.  — 
Voo  Pianisten  hörten  wir  den  ausgezeichneten 
Frsdoric    Lamond,     den     temperamentvollen 


E.  V.  Dohnänyi  und  den  technisch  wie  musi- 
kalisch gleich  tüchtigen  Mayer-Mahr.  Florian 
Zaiic  bestätigte  erneut  seinen  guten  Ruf  als 
trefTiicher  Geiger,  und  Pablo  Gas  als  hatte  als 
vorzüglicher  Cellist  wiederum  starken  Erfolg.  — 
Der  Bach-Verein  brachte  unter  Max  Brauer 
im  zehnten  Konzert  eine  stilgetreue  und  in  allen 
Stücken  wohlgelungeneWiedergabe  der„Mattbäus- 
passion*.  Franz  Zureich 

I/'ÖNIGSB^RG  i.  Pr.:  Zum  drittenmal  be- 
"^^  richte  ich  Ibnen  an  dieser  Stelle  über  musi- 
kalische Ereignisse  der  preuiSischen  Krönungs- 
stadt —  Vorkommnisse,  die  eigentlich  immer 
nur  lokale  Bedeutung  haben.  Doch  halt:  Liszts 
»Faust*  -  Symphonie  ließ  Ernst  Wendel 
mit  seinem  unerschrocknen  Musikverein  zum 
erstenmal  .  .  .  in  Königsberg  erklingen.  Ein 
Kommentar  zu  dieser  Aufführung,  die  fünfzig 
Jahre  hinter  dem  Entstehen  des  im  übrigen 
Deutschland  längst  zum  künstlerischen  Ge- 
meingut erhobenen  Werkes  nachhinkte,  ist 
wohl  überfiüssig.  Die  bezeichnende  Erscheinung 
für  den  Rückstand  des  hiesigen  Musiklebens 
erfährt  auch  durchaus  keine  Beschönigung, 
wenn  ich  melden  kann,  daß  in  den  drei  letzten 
Sympboniekonzerten  Strauß'  .Till*,  Brückners 
Fünfte  und  endlich  Regers  Hiller -Variationen 
unter  B rode  aufgeführt  wurden :  sind  doch  das 
alles  für  hier  nur  mitleidig  geduldete  Moderne. 
Daß  somit  auch  Max  Regers  persönliches 
Erscheinen  mit  Henri  Marteau  mehr  einen 
Sensationstaumel,  denn  ein  innerliches  Mit- 
erlebnis bedeutet,  ist  klar.  Zu  den  herben, 
leidensvollen  Variationen  über  das  Hillerthema 
bildet  als  musica  da  camera  Regers  Suite  im 
alten  Stil  ein  seltsames  Seitenstück.  Marteau 
meißelte  vorher  noch  eine  der  polyphonen  Solo- 
sonaten. —  Am  Abend,  da  Reisenauer  kommen 
sollte,  um  uns  am  Flügel  zu  dichten,  kam 
statt  seiner,  der  nun  vor  Königsbergs  Festungs- 
mauem  auf  dem  Friedhof  schlummen,  Germaine 
Schnitzer  und  zerstörte  durch  ihr  wildes  Ge- 
pauke  auch  den  kleinsten  Rest  von  Pietät.  Aber 
bald  folgten  Halir  und  Genossen,  die  noch 
Georg  Schumann  mitbrachten  und  sein 
fesselndes,  formschönes,  klanggesättigtes  Klavier- 
quartett f-moll  dazu.  —  Daß  Ysaye  geigte, 
braucht  bloß  konstatiert  zu  werden.  —  Helene 
Staegemann  verirrte  sich  mit  ihrer  Kleinkunst 
in  ein  großes  Konzert.  —  Artur  Schnabel 
bereitete  uns  ein  unvergeßliches  Erlebnis  mit 
der  schlechthin  unbeschreiblichen  Nachschalfung 
von  Brahms'  d-moll  Konzert.  —  Noch  ist  von 
einem  erquickenden  Fund  zu  sagen,  den  man  in 
Wendeis  letzter  Quartettaoir6e  machte:  einem 
Streichquartett  von  Richard  Fricke-Insterburg, 
op.  1,  von  Joachim  preisgekrönt,  das  sich  selbst 
aber  durch  seine  urgesunde  melodische  Frische, 
durch  den  Esprit  seines  Scherzo  und  die  mühe* 
lose  Gewandtheit  von  Form  und  Klangordnung 
krönt.  Rudolf  Kastner 

LEMBERG:  Ludomir  Röiycki,  ein  das  »Junge 
Polen*  repräsentierender,  hochmoderner  Ton- 
setzer, führte  in  einem  au ßerordentlichenKonzerte 
des  Galizischen  Musikvereines  eigene  Kompo- 
sitionen vor.  In  der  neuesten  Schule  aus- 
gebildet, erbrachte  Rözycki  sowohl  in  seinen 
symphonischen  Dichtungen  (»Twardowski*,  »Der 
Hofnarr*,  »Boleslaw  Smialy*),  in  seinen  Klavier- 
stücken   (Ballade  C-dur,  Fantaisie,  Impromptu, 


126 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


Rita  Arndt,  Conrad  Herwarth,  Margarete 
Siema,  Alfred  Zippel,  Gurt  Schade,  KIte 
Steigerwald,  Linus  Utalig,  Eva  Ublmann 
und  Margarete  Frankenstein.  (Arien  und 
Lieder  von  Schubert,  Brahma,  Loewe,  Leache- 
titzki,  Cornelius,  Schumann,  Händel,  Strauß, 
Bruch,  Reger,  Rebikoff,  Berger,  Wolf,  Thomas, 
Verdi  und  E.  H.  SeyfTardt).  —  b.  Orgel:  Bern- 
hard Pfannatiehl  (Ostermorgenphantasie  von 
C.  A.  Flacher).  —  c.  Harfe:  Eva  Elsasser 
(Konzertstuck  von  N.  v.  Wilm).  —  d.  Cello: 
Bruno  Mann  (Konzert  D-dur  von  Haydn).  — 
e.  Violine:  Heinrich  Cobell  (achtes  Konzert 
von  Spohr),  Henry  Prins  und  Arthur  Schreiber 
(Doppelkonzert  fOr  Violine  und  Viola  Es-dur 
von  Mozart).  —  Der  Musikverein  (Franz 
Mayerhoff)  brachte  in  seinem  zweiten  Abonne- 
mentskonzert Gabriel  Pierne's  MKinderkreuz- 
zug*  (Solisten:  Tilly  Gahnbley-Hinken,  Jean- 
nette Grumbacher-de  Jong,  Albert  Jung- 
blut und  Charles  Robertson).  —  Eigene  Abende 
gaben:  KäteUfertund  Franz  Mayerhoff  (Lieder 
von  Brahma,  Grieg,  Schumann,  Hildach,  Clut- 
aam,  Ufert,  Sachs,  MayerhofP,  Meyerbeer),  Minnie 
Nast  und  Eugen  Richter  (Lieder  von  Strauß 
und  Wolf,  Klavierwerke  von  Bach,  Liszt,  Beet- 
hoven und  Chopin).  Das  nordische  Vokal- 
trio (Schirmer-Koch-Koch)  wirkte  im  Lehrer- 
gesangvereinskonzert mit  (Gesänge  von  Job. 
Selmar,  Tbuille,  van  Rennes  und  Patrik  Gillen- 
hammer).  — Kirchenmusik:  St.  Jacobua (Franz 
Mayerhoff):  J.  S.  Bachs  Kantaten  «Christ  lag  in 
Todesbanden*,  ,»Ich  will  den  Kreuzstab"  und  «Nun 
lob'  mein  Seel'"  und  Andreas  Hammerschmidts 
»O  Herr  Jesus  Christus*.  (Orgel:  Eugen  Richter; 
Bariton:  Alfred  Käse.)  Chöre  von  Dulisius, 
Strattner,  Bemmann,  Grieg  und  Winkler;  d-moll- 
Konzert  für  Orgel  von  Friedemann  Bach  (Bern- 
hard Pfannatiehl),  VioHnsoli  von  Corelli  und 
Bach  (Philipp  Werner)  und  Sologesänge  ver- 
schiedener Meister  (Toni  Volkmann);  —  St. 
Lucas  (Georg  Stolz),  Bach:  h-moll-Messe  (So- 
listen: Keldorfer,  Rebhuhn,  Seiht,  Herwarth  und 
Rickbom).  Oskar  Hoffmann 

CHICAGO:  Das  Thomas-Orchester  unter 
Leitung  von  Friedrich  Stock  gab  eine  Auf- 
führung von  Strauß'  «Symphonia  Domestica*, 
der  ein  von  Wilhelm  Middelschulte  gespieltes 
Orgelkonzert  von  Händel  (F-dur)  voranging. 
Wohl  war  es  ein  schneidender  Kontrast,  dem 
friedlich-gemütlichen  Orgelkonzert  die  musika- 
liach  inszenierten  und  zwar  keineswegs  fried- 
fertigen häuslichen  Erlebnisse  folgen  zu  lassen, 
ala  bräche  aus  heiter  ruhigem  Himmel  ein  ur- 
plötzlich Gewitter  moderner  Instrumentalkunst. 
Doch,  um  bei  dem  Gleichnis  einmal  zu  bleiben, 
von  dem  luftreinigenden  frischen  Ozon  eines 
Gewitters  merkte  man  nach  Anhören  des  Strauß- 


zn  berichten.  Die  «Chemnitzer  Neueaten  Nach- 
richten* schrieben  u.  a.:  «...  das  Sturm-  und 
Sonnenlied  ,GIoria'  von  Nicod6  wurde  zu  einem 
Siegeslied.  Die  Auffuhrung  zu  einer  Festfeier  . . . 
Noch  niemals  ist  ein  Werk  mit  solchem  Jubel 
aufgenommen  worden  . . .  Das  Ganze  zeigt,  was 
uns  die  früher  einzeln  gebotenen  Bruchstücke 
schon  ahnen  ließen  und  was  daa  Studium  der 
Partitur  bestätigt,  daß  die  Symphonie  von  Nicod6 
zur  Höhen-  und  Gipfelkunst  moderner  Musik 
zu  zählen  ist...«     Redaktion  der  «Musik* 


sehen  Opus  nichts,  vielmehr  verließ  man  den 
Konzertsaal  mit  dem  GefGhl  der  drückenden 
Beklemmung,  daß  hier  das  Äußerste  erreicht 
sei,  wohin  Kunst  sich  wagen  dfirfe,  ohne  in  die 
Unnatfirlichkeit  zu  verftülen.  Also  zurück  zum 
frischen,  freien  Luftzug  gesunder  Natürlichkeit, 
demgegenüber  daa  mit  so  großartiger  Instru- 
mentation und  mit  ao  wunderbarer  Filigransrbeif 
der  Fugenmotive  ausgestattete  Werk  doch  nur 
das  Gefühl  hinterläßt,  ala  aehne  man  sich  nach 
einem  langauagehaltenen  reinen  Mozartseben 
C-dur-Akkord.  War  das  Werk  keineswegs  be- 
friedigend, so  leistete  daa  verstirkte  Orcbeaier 
(statt  der  acht  Homer  waren  ea  ffIreUicb  nur 
sechs)  ganz  bedeutendea  in  der  DurchfOhmng 
der  schwierigen  Tonschöpfung,  die  oliendrein 
der  Reisekonzerte  des  Orchesters  wegen  in  nur 
wenigen  Proben  fertiggestellt  wurde.  ^  Raffi- 
nierte Kraftanhänfting  auf  Kosten  der  musika- 
lischen Schönheit  scheint  ja  wohl  das  Idol  der 
Modernen  zu  sein.  Erst  im  vorigen  Konaeft 
hatten  wir  ein  aolches  Werk,  eine  Komposition: 
Symphonischer  Prolog  zu  «William  Ratcliflf*  von 
Frank  van  der  Stucken,  der  aeine  Schöpfung 
aelbst  dirigierte.  Reich  instrumentiert,  stellen- 
weise etwaa  grobmassiv,  ist  die  Komposition  nicht 
ohne  musikaliache  Schönheit;  doch  was  soll  bei 
Eflfektstellen  die  Einfuhrung  eines  extragroften 
Klavierea,  daa  in  den  Arpeulopaasagen  mit  der 
Harfe  ein  Wettrennen  veranstaltet?  Die  Differenz 
in  der  beideraeitigen  Tonachwingnng  wurde  durch 
ein  gleichzeitig  sehr  kräftig  geschlagenes  Tam- 
tam glücklich  verdeckt.  —  Der  Soliatenkontene 
hatten  wir  eine  große  Menge.  Fannie  Bloom- 
field-Zeisler  spielte  mit  großem  Beifall  das 
Mendelssobnkonzert  No.  1,  g-moU.  Paderewski 
tritt  am  10.  April  im  Beethovenkonzert  (No.  5, 
Es-dur)  auf.  Engen  Kiuffer 

CINCINN  ATI :  Die  Serie  der  Gaatapielkonzerre 
wurde  durch  die  Besuche  des  New  Yorker 
Symphonieorchesters  unter  Walter  Dam- 
roach,  des  Bostoner  unter  Muck  und  des 
Pittsburger  Orchesters  unter  Paur  fort- 
gesetzt und  beschlossen.  Die  Vorzüge  des 
Bostoner  Orchesters,  daa  ohne  Soliaten 
konzertierte,  näher  zu  beleuchten,  erscheint 
überflüssig.  Die  festbegründete  Virtuositlt  des 
Zusammenapiels  wird  ala  unantastbarer  Beslti 
noch  manchen  Dirigentenwechael  und  Auatansch 
von  Einzelkräften  überdauern.  Trotzdem  mufi 
man  dem  Orcheater  wieder  eine  permanentnte 
Beaetzung  dea  Dirigentenpoatens  wünschen. 
Gar  zu  leicht  löst  in  diesem  Land  das  InteresM 
an  der  Peraönlichkeit  das  aachliche  nb. 
Das  New  Yorker  Orcheater  hatte  sich  der 
Mitwirkung  Fritz  Kreislers  versichert,  der  das 
Brshmssche  Konzert  mit  bezwingender  Kfinsüer- 
schsft  spielte.  Es  unterlaufen  ihm  gelegentUdie 
Härten  durch  allzu  atraff  geapannte  Rbjrtbmi- 
sierungen,  aber  welche  MeiaterachafI  vecrit 
diese  technisch  wie  geistig  erschöpfende  Wieder- 
gäbe!  Es  wsr  die  einzige  SolistengroBtat  dieser 
Konzerte.  Man  darf  nicht  verhehlen,  daß  Dam- 
rosch,  wie  gewöhnlich,  vortrefflich  breitete, 
und  daß  die  Orcheatervorträge  —  Wagneraehe 
Bruchstücke  hauptsächlich  —  aiißerordentlich  ge- 
fielen. Überraachend  war  die  Veri>easemnK  in 
den  Leistungen  dea  Pittaburger  Orcheatere. 
Hat  der  Beginn  der  muaikaliachen  Saiaon  gelebrt, 
wie  schnell  ein  gutes  Orchester  unter  ^nen 


127 
KRITIK:  KONZERT 


schlechten  Dirigenten  verlernt,  so  zeigte  sich 
dieemaly  wie  yiel  und  rasch  ein  sehr  mittel- 
miBifes  Orchester  unter  einem  fibigen  und 
begeisterten  Leiter  lernen  kann.  Klang  und 
Znsammenspiel  haben  sich  in  erfreulichster 
Weise  gehoben,  und  es  muß  betont  werden,  daß 
vielen  erfahrenen  Musikfreunden  die  beiden 
Konzerte  der  Pittsburger  als  die  willkommensten 
der  ganzen  Serie  erschienen.  Die  Leistungen 
gipfelten  in  einer  ergreifenden  und  technisch 
▼oUendeten  Wiedergabe  von  Strauß'  „Tod  und 
Verklärung*.  Im  geistigen  Erfassen  und  Wieder- 
geben dieses  Werkes  erscheint  Paur  ganz  beson- 
ders bevorzugt.  Er  inspiriert  nicht  bloß  sein 
Orchester,  sondern  auch  den  Zuhörer,  und 
man  fibersieht  gern  seine  eckigen  Bewegungen 
fiber  der  glutvollen  Aufrichtigkeit  seines  WoUens 
nnd  Könnens.  Der  Baritonist  de  Gogorza 
l>ot  sympathische  Zugaben  mit  dem  Vortrag 
Gluckscher  und  Massenet'scher  Arien.  Leider 
scheint  auch  der  Tätigkeit  Paurs  und  seines 
Orchesters  in  Pittsburg  ein  vorzeitiges  Ziel 
fesetzt  zu  sein.  Wie  hier,  scheitern  auch  dort 
die  besten  Bestrebungen  an  der  Teilnahms- 
losigkeit der  breiteren  Masse,  und,  ändert  sich 
die  Lage  nicht  in  letzter  Stunde,  so  wird  Pitts- 
borg im  nächsten  Winter  ohne  Orchester  sein. 
—  Unsere  eigenen  Aussichten  sind  sehr  trübe. 
Die  dieswinterliche  Gastspielserie  auswärtiger 
Orchester  schloß  mit  einem  beträchtlichen 
Defizit  ab,  das  aus  den  Taschen  solcher,  die's 
zwar  können,  bezahlt  wird,  aber  man  kann's 
diesen  Leidträgern  menschlich  nachfühlen,  daß 
sie  sich  für  die  Folge  zu  weiteren  Taten  nicht 
ermutigt  fühlen.  Unser  Publikum  will  gar  nicht 
ffQr  regelmäßige  Musikpflege  erzogen  werden. 
Es  kommt  sich  schon  sehr  musikalisch  vor, 
wenn  das  Interesse  und  Konzentrationsvermögen 
alle  zwei  Jahre  fünf  Tage  lang  standhält.  Dies 
bringt  mich  auf  das  nahende  Mai-Festival, 
das  vom  5.  bis  9.  Mai  stattfindet,  und  dessen 
Vorbereitungen  in  vollem  Gange  sind.  Leiter 
des  Ganzen  ist  van  der  Stucken,  der  seit 
Oktober  den  Festchor  unermüdlich  drillt.  Den 
orcbestraleÄ  Teil  übernimmt  das  Chicagoer 
Orchester  unter  Stock. 

Louis  Victor  Saar 

GRAZ:  Alexander  Heinemann  gewähne  ein 
eigenartiges  psychologisches  Erlebnis.  Im 
Konzerte  quälte  er  sich  mit  einer  Heiserkeit  ab  — 
ebenso  peinlich  für  ihn,  wie  für  den  Hörer;  im 
Zogabenkonzerte  sang  er  plötzlich  wie  ein  Gott, 
frei  von  jeder  Hemmung,  denn  er  war  an  kein 
Programm  mehr  gebunden.  Jubelnd  verfolgte 
das  Publikum  diesen  Sieg  des  Geistes  über  die 
Materie.  —  Am  Palmsonntag  führte  der  Aka- 
demische Wagner- Verein  Dürers  Passion  mit 
A^eitang  Bachscher  Choräle  auf:  ein  echtes 
Osterstimmnngskonzert.  Dr.  E.  Decsey 

KARLSRUHE:  Im  fünften  Hoforchester- 
konzert errang  u.  a.  Kloses  effektvoll 
instmnentierter  »Elfenreigen"  und  Berlioz'  glän- 
zende Ouvertüre  „Le  Camaval  romain*  lebhaften 
Beiiül.  Den  breitesten  Raum  des  letzten  Konzerts 
nsbm  Beethovens  „Neunte*  ein,  deren  chorische 
nnd  instmmentale  Wiedergabe  unter  Alfred 
Lorentz,  dem  verdienten  Leiter  der  sechs  Kon- 
zerte, im  ganzen  eine  wohlbefriedigende  war.  — 
Von  Pianisten  hörten  wir  den  ausgezeichneten 
Frederic    Lamond,     den     temperamentvollen 


E.  V.  Dohnänyi  und  den  technisch  wie  musi- 
kalisch gleich  tüchtigen  Mayer-Mahr.  Florian 
Zaiic  bestätigte  erneut  seinen  guten  Ruf  als 
trefTÜcher  Geiger,  und  Pablo  Gas  als  hatte  als 
vorzüglicher  Cellist  wiederum  starken  Erfolg.  — 
Der  Bach-Verein  brachte  unter  Max  Brauer 
im  zehnten  Konzert  eine  stilgetreue  und  in  allen 
Stücken  wohlgelungene  Wiedergabe  der,,Matthäu8- 
pasüion*.  Franz  Zureich 

I/'ÖNIGSB^RG  i.  Pr.:  Zum  drittenmal  be- 
"^^  richte  ich  Ibnen  an  dieser  Stelle  über  musi- 
kalische Ereignisse  der  preußischen  Krönungs- 
stadt —  Vorkommnisse,  die  eigentlich  immer 
nur  lokale  Bedeutung  haben.  Doch  halt:  Liszts 
»Faust*  -  Symphonie  ließ  Ernst  Wendel 
mit  seinem  unerschrocknen  Musikverein  zum 
erstenmal  .  .  .  in  Königsberg  erklingen.  Ein 
Kommentar  zu  dieser  Aufführung,  die  fünfzig 
Jahre  hinter  dem  Entstehen  des  im  übrigen 
Deutschland  längst  zum  künstlerischen  Ge- 
meingut erhobenen  Werkes  nachhinkte,  ist 
wohl  überflüssig.  Die  bezeichnende  Erscheinung 
für  den  Rückstand  des  hiesigen  Musiklebens 
erfährt  auch  durchaus  keine  Beschönigung, 
wenn  ich  melden  kann,  daß  in  den  drei  letzten 
Sympboniekonzerten  Strauß'  »Till*,  Brückners 
Fünfte  und  endlich  Regers  Hiller -Variationen 
unter  Brode  aufgeführt  wurden:  sind  doch  das 
alles  für  hier  nur  mitleidig  geduldete  Moderne. 
Daß  somit  auch  Max  Regers  persönliches 
Erscheinen  mit  Henri  Marteau  mehr  einen 
Sensationstaumel,  denn  ein  innerliches  Mit- 
erlebnis bedeutet,  ist  klar.  Zu  den  herben, 
leidensvollen  Variationen  über  das  Hillerthema 
bildet  als  musica  da  camera  Regers  Suite  im 
alten  Stil  ein  seltsames  Seitenstück.  Marteau 
meißelte  vorher  noch  eine  der  polyphonen  Solo- 
sonaten. —  Am  Abend,  da  Reisenauer  kommen 
sollte,  um  uns  am  Flügel  zu  dichten,  kam 
statt  seiner,  der  nun  vor  Königsbergs  Festungs- 
mauern auf  dem  Friedhof  schlummert,  Germaine 
Schnitzer  und  zerstörte  durch  ihr  wildes  Ge- 
pauke  auch  den  kleinsten  Rest  von  Pietät.  Aber 
bald  folgten  Halir  und  Genossen,  die  noch 
Georg  Schumann  mitbrachten  und  sein 
fesselndes,  formschönes,  klanggesättigtes  Klavier- 
quartett f-moll  dazu.  —  Daß  Ysaye  geigte, 
braucht  bloß  konstatiert  zu  werden.  —  Helene 
Staegemann  verirrte  sich  mit  ihrer  Kleinkunst 
in  ein  großes  Konzert.  —  Artur  Schnabel 
bereitete  uns  ein  unvergeßliches  Erlebnis  mit 
der  schlechthin  unbeschreiblichen  NachschafPung 
von  Brahms'  d-moll  Konzert.  —  Noch  ist  von 
einem  erquickenden  Fund  zu  sagen,  den  man  in 
Wendeis  letzter  Quartettsoir6e  machte:  einem 
Streichquartett  von  Richard  Fricke-Insterburg, 
op.  1,  von  Joachim  preisgekrönt,  das  sich  selbst 
aber  durch  seine  urgesunde  melodische  Frische, 
durch  den  Esprit  seines  Scherzo  und  die  mühe* 
lose  Gewandtheit  von  Form  und  Klangordnung 
krönt.  Rudolf  Kastner 

LEMBERG:  Ludomir  Rö^ycki,  ein  das  «Junge 
Polen"  repräsentierender,  hochmoderner  Ton- 
setzer, führte  in  einem außerordentlichenKonzerte 
des  Galizischen  Musikvereines  eigene  Kompo- 
sitionen vor.  In  der  neuesten  Schule  aus- 
gebildet, erbrachte  Rözycki  sowohl  in  seinen 
symphonischen  Dichtungen  (»Twardowski*,  ^^Der 
Hofnarr*,  „Boleslaw  Smialy*),  in  seinen  Klavier- 
stücken   (Ballade  C-dur,  Fantaisie,  Impromptu, 


128 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


Legende),  als  auch  in  seinen  Liedern  den  vollen 
Beweis  eines  ecbten  Könnens  und  eines  wirk- 
lieb bedeutenden  Talents.  —  Der  Musikverein 
brachte  an  Novitäten  den  «Valse  triste"  von 
Sibelius  und  Wagners  i^Polonia*- Ouvertüre. 
FrL  Loewenboff  machte  uns  mit  Mac  Dowell's 
d-moll  Klavierkonzert  bekannt.  Großen  Beifall 
errang  die  Pianistin  Marguerite  Melville, 
besonders  durch  die  Wiedergabe  ihrer  Violin- 
sooate  g-moll  op.  6.  (Violine  W.  Kochanski). 
Außerdem  hörten  wir  alte  Bekannte:  Huber- 
man,  Friedman,  Ysaye,  die  ,»Soci6t6 
d'instruments  anciens*  und  Demuth. 

Alfred  Plohn 

LONDON:  Die  Symphoniekonzerte  unserer  ver- 
schiedenen Orchestergesellschaften  brachten 
trotz  ihrer  großen  Zahl  nichts  Neues,  und  nur 
die  gleichmäßige  VorzGglichkeit  der  Ausführung 
verdient  hervorgehoben  zu  werden.  Unter  den 
Virtuosen,  die  in  ihnen  auftraten,  war  es  nament- 
lich Mischa  El  man,  der  stets  das  Haus  bis 
zum  letzten  Plätzchen  füllte,  und  dessen  be- 
wunderungswürdiges Spiel  während  des  letzten 
Jahres  eine  Vertiefung  erfahren  hat,  die  ihn 
zu  einem  hervorragenden  Interpreten  unserer 
klassischen  Meister  macht.  —  Einer  der  jungen 
„britischen*  Komponisten  (britisch,  da  er  in  Eng- 
land geboren,  dabei  aber  deutscher  Abstammung 
ist),  Henry  E.  Geehl,  trat  in  einem  eigenen, 
höchst  erfolgreichen  Konzerte  hervor,  dessen 
ganzes  Programm  bis  auf  die  Lisztscbe  Rhapsodie 
Nr.  12  und  Tchaikowsky's  Variationen  über  ein 
Rokoko-Thema  für  Cello,  das  von  Ludwig 
Lebe  11  mit  wunderbarer  Technik  und  künst- 
lerischem Verständnis  gespielt  wurde,  aus 
eigenen  Kompositionen  bestand.  Der  junge 
Komponist,  der  auf  der  «Guildhall  School  of 
Music**  studierte,  hat  sich  bereits  als  Schüler 
durch  die  vom  Patrons'  Fund  zur  Aufführung 
gebrachten  Orchesterstücke  „Suite  Espagnole* 
und  »Im  Harzgebirge"  voneilbaft  bekannt  ge- 
macht. In  seinem  Konzert  hörten  wir  nun  ein 
Trio  Concertant  für  Klavier,  Violine  und  Cello 
und  eine  Suite  für  Violine  und  Klavier,  die  weit 
über  dem  Mittelmäßigen  stehen;  das  gesang- 
reiche Andante  und  das  fugierte  Schlußallegro 
mit  der  vortrefflichen  Durchführung  des  scharf- 
geprägten Themas  in  dem  Trio  verdienen  be- 
sonders erwähnt  zu  werden.  Sehr  beachtenswert 
sind  auch  die  »Comedy  Ouvertüre*  für  Orchester 
und  einige  der  zum  Vortrag  gelangten  durchweg 
hübschen  Lieder,  von  denen  insbesondere  »If 
all  tbe  Stars  were  Diamonds*  und  „Good  night, 
Dear  Heart*  und  „Springtime  blessed*  hervor- 
gehoben werden  müssen.  Die  Begleitung  dieser 
Lieder  bewegt  sich  auch  außerhalb  der  üblichen 
Bahnen  und  ist  äußerst  charakteristisch.  Der 
Konzertgeber  zeigte  sich  in  dem  Vortrage  von 
Liszts  Rhapsodie  und  zwei  eigenen  Klavier- 
stücken sowie  auch  als  Begleiter  als  vollendeter 
Pianist.  a.  r. 

JlM  AGDEBURG  :  Reiche  Frucht  trägt  hier  immer 
^^^  die  Vereinigung  unserer  beiden  größten  ge- 
mischten Chöre:  des  Reblingscben  Kirchen- 
gesangvereins und  des  Brandtschen  Ge- 
sangvereins zu  gemeinsamen  künstlerischen 
Taten,  in  deren  Direktion  die  beiden  Dirigenten 
Fritz  Kauffmann  und  Prof.  Brandt  abwechseln. 
Am  Charfreitag  abend  dirigierte  Fritz  Kauffmann 
in    der  Johanniskirche  die  Matthäuspassion 


Bachs  und  zwar  nach  der  Orlginalpartitnr. 
Dieser  geweihte  Charfreitagszauber  der  pro- 
testantischen Kirche,  diese  erschfitterode  Hei- 
landsklage wirkte  in  der  Originalfassung  tief 
und  mächtig.  Vieles  neue  und  noch  nie  gehörte 
Edle  und  Ursprüngliche  fiel  ins  Gehör.  Wie  ist 
dies  alles  so  einfach  gehalten,  so  rein  in  den 
Gegensätzen,  so  wunderbar  in  den  Wirkungen! 
Die  beiden  großen  Chöre  im  l>ewegten  Gegen- 
einander; die  kleineren  Solostimmen  von  hierher, 
von  dorther  —  die  ganze  tiefe  Perspektive  des 
Mysteriums  von  Golgatha  wurde  offenbar.  Der 
Klavierklang  nahm  sich  zu  den  Rezitativen  wie 
etwas  Vertrautes,  Selbstverständliches  aus; 
Orchester  und  Chorklang  hoben  sich  um  so 
wirksamer  von  ihm  ab,  die  Orgel  erschien  non 
erst  ganz  in  ihre  Königinnen- Rechte  eingesetst 
Der  Erfolg  war  vollkommen.  Solistisch  waren 
an  der  Aufführung  beteiligt  die  Herren  Lederer 
(Jesus),  A.  V.  Fossard  (Evangelist),  Weiden- 
bagen  (Orgel),  Wilcke  (Klavier),  sowie  die 
Damen  Meta  Mertens  und  Gina  Goetz. 

Max  Hasse 

MAINZ:  Das  letzte  Symphoniekonzert  der 
städtischen  Kapelle  brachte  neben  Hage 
Wolfs  wiederum  sehr  beifällig  aafjgenommener 
„Italienischer  Serenade*  als  Haupt-  und  Scblnft- 
nummer  die  Lisztscbe  »Faust-Symphonie*.  Emil 
Steinbach  hatte  dem  Werke  eine  sehr  lieberolle 
Einstudierung  zuteil  werden  lassen  und  nament- 
lich den  Schlußsatz  in  eindrucksvollster  und 
wirksamster  Weise  herausgearbeitet.  Das  Tenor- 
solo in  dem  von  dem  gesamten  minnli^en 
Opern  personal  unterstützten  Schlnfichor  ssng 
Felix  Senius,  dessen  weiches,  sympathisches 
Organ  auch  in  der  bekannten  Tenorsrie  ans 
»Cosi  fan  tutte*  und  in  dem  Bachschen  ,,Qaonism 
tu"  zu  bester  Geltung  kam.  —  Die  Lieder- 
tafel beschloß  die  Saison  mit  einem  Riciiard 
Strauß-Abend,  dessen  Leitung  der  Komponist 
selbst  übernommen  hatte.  Zur  Aoffihnmg  ge- 
langten die  symphonischen  Dichtungen  «Don 
Juan*  und  „Tod  und  Verklärung*,  die  Chor- 
werke „Wanderers  Sturmlied*  und  der  16stlm- 
mige  „Abend"  (dieser  unter  Leitung  des  neuen 
Liedertafeldirigenten  Otto  Naumann^  sowie 
eine  Anzahl  Lieder,  um  deren  Wieder^be  sich 
Anna  Kämpfert  aus  Frankfurt  sulterordentllch 
verdient  machte.  Den  Haupterfölg  hatten  die 
beiden  Orchesterwerke,  die  die  erheblich  Ter» 
stärkte  städtische  Kapelle  unter  des  Komponisten 
anfeuernder  Leitung  mit  seltener  Frische  nnd 
Begeisterung  zum  Vortrag  brachte«  Die  Chftie 
standen  trotz  eifrigsten  Studiums  nicht  gsni  nnf 
der  Höhe  ihrer  Aufgabe  und  ließen  namentlich 
bei  dem  (eigentlich  a  cappella  geschrieiMnen, 
aber  von  Strauß  selbst  mit  der  Orgel  unter- 
stützten) „Abend*  in  bezug  auf  Inton^onsreln- 
heit  gar  mancherlei  zu  wünschen  übrig.  —  Am 
Gründonnerstag  und  Karfreitag  fanden  noch 
zwei  Volksaufführungen  der  SgemlMtischen 
„Missa  da  Requiem*  (Billett  einschließlich  Gerde- 
robegeld  40  Pf.)  statt.  F.  Keiser 

MANNHEIM:  Musikdirektor  Haen lein  steUte 
in  einem  Orgelkonzerte  Bach  und  Reger 
in  der  Weise  einander  gegenüber,  daß  vor  nnd 
nach  einem  Choral  im  Bachschen  Tonsstte 
(vom  Verein  für  klassische  Kirchenmusik  ge- 
sungen) je  ein  Vorspiel  der  beiden  Meister  uns 
älterer  und  neuester  Zeit  geboten  ward.    Amh 


129 
KRITIK:  KONZERT 


der  Beiden  Toccaten  in  d-moll  wurden  einander 
fesenubergestellt,  und  der  junge  Leipziger  Ton- 
tetzer  bestand  neben  dem  alten  in  allen  Ebren. 

—  Einen  auserlesenen  künstlerischen  Genuß 
boten  die  Herren  Fenten  (Baß),  Kutzschbach 
(Klavier)  und  MuH  er  (Cello)  mit  einem  Beet- 
bovenabend,  der  zwei  Sonaten  für  Cello  und 
KUiTler,  den  Liederkreis  »An  die  ferne  Geliebte* 
ond  weitere  Beettaovenlieder  in  schlechterdings 
▼oUendeter  Weise  bot.  —  Diesem  Abend  ist  ein 
weiterer  för  intime  Musik  an  die  Seite  zu 
stellen,  den  Anbur  Blaß,  Solocellist  M  tili  er, 
Fritz  Vogelstrom  und  Arthur  Post  gaben. 
Kompositionen  von  Wolf-Ferrari,  Smetana,  Sgam- 
bati.  Raff,  Schumann,  Strauß  und  Godard  —  gute 
Kammermusik  und  gefällige  Hausmusik  in  ge- 
diegener Ausführung  —  bildeten  das  Programm. 

—  Im  vienen  Konzert  des  Philharmonischen 
Vereins  waren  Eugöne  Ysaye  und  Lula  Mysz- 
Cneiner  die  gefeierten  Solisten.  —  In  einem 
«Tamini'konzene  zeigte  sich  Otto  Hassel- 
baum,  ein  Mannheimer,  als  stimmlich  hervor- 
ragender, wenn  auch  künstlerisch  noch  nicht 
ausgereifter  Tenor.  Mit  ihm  waren  Hilda  Saxe 
<Klsvier)  und  Rhode  von  Glehn  (Sopran)  aus 
London  gekommen,  die  beide  ein  gutes  Können 
▼errieten.  Viel  zum  künstlerischen  Erfolge  des 
Abends  trug  die  Mitwirkung  des  Hoftheater- 
orcbesters  unter  Kutzschbachs  feinsinniger 
Leitung  bei.  —  Einen  Max  Bruch -Abend  (auch 
«iiter  Mitwirkung  des  Hoftheaterorchesters)  gab 
Ksri  Zaschneid,  der  Direktor  der  Hochschule 
fSr  Musik;  Vortrige  instrumentaler  und  vokaler 
Mtisik  wechselten  miteinander.  —  Ein  Volks- 
konzert, in  dem  17  hiesige  Männergesang- 
▼ereine  mit  etwa  800  Sängern  unter  Herrn  von 
Blelings  Leitung  nur  Gesamtchöre  zum  Vor- 
trage brachten  und  Adolf  Müll  er- Frankfurt  mit 
Frau  Rocke-Heindl  den  solistischen  Teil  über- 
nommen hatten,  war  von  einigen  Tausenden  be- 
socbt.  —  Ein  künstlerisch  vollendetes  Konzert 
bot  der  Lehrergesangverein,  der  unter  C.  Weidts 
impalsiver  Leitung  nur  Chöre  a  cappella  muster- 
gfiltig  zum  Vonrage  brachte.  Sehr  gefeiert  wurde 
die  &>listin  des  Abends,  Auguste  Bopp-Glaser 

gtnttgan).  —  Die  eigentliche  Saison  schloß  der 
nsikverein  mit  seiner  Karfreitagsaufführung 
flinzend  ab.  Hofkapellmeister  Kutzschbach 
brachte  das  „Requiem*  von  Berlioz  zur  gran- 
diosen Wiedergabe.  Das  »Tuba  mirum*  war  von 
erschfittemder  Wirkung.  Chor  und  Orchester, 
aticb  Fritz  Vogels trom  als  Solist,  boten  in 
der  Tat  Hervorragendes,  zum  größten  Teile  das 
Verdienst  Kutzschbachs,  der  großzügig  und  sieg- 
baft  dirigierte.  K.  Escbmann 

NÜRNBERG:  Die  letzten  Gäste,  die  uns  er- 
freuten, waren  die  Böhmen,  deren  Voll- 
endang  zu  rühmen  fast  trivial  wirkt.  —  Ottilie 
Metzger-Froitzheim  hätte  noch  eindring- 
licher wirken  können,  wenn  sie  ein  besseres 
Programm  gewählt  hätte.  Sie  sang  im  Philhar- 
monlMben  Verein,  in  dem  eine  mittelmäßige  Auf- 
l&bmng  der  Beethovenschen  Siebenten  und  der 
»Fee  Mab"  nicht  aufgewogen  werden  konnte  durch 
eine  bfibacbe  Wiedergabe  von  Schillings'  Vor- 
spiel zu  «Ingwelde*  (2.  Akt).  Sehr  schön  dagegen 
brachte  Wilhelm  Bruch  die  Neunte  von  Anton 
Broekner  heraus.  Es  tat  einem  wohl,  sich 
von  dem  zweifellos  begabten  Dirigenten  wieder 
imponieren  lassen  zu  können.  —   Als  die  Ge- 


schwister Svärdström  Soli,  Duette,  Terzette 
und  Quartette  sangen,  verlebte  man  einen  ganz 
netten  Abend,  nur  durfte  man  hohe  Kunst  nicht 
suchen. —  DasKonzert  des  Bachvereins  unter 
Richard  Mors'  sicherer  Leitung  brachte  Bachs 
Motette  «Singet  dem  Herrn*  imponierend  heraus; 
im  gleichen  Konzert  spielte  Fritz  Hirt  ganz 
wundervoll,  nur  die  Sopranistin,  Hedwig  Volck, 
war  durch  eine  starke  Heiserkeit  gehindert,  ihre 
ernste  Kunst  voll  entfalten  zu  können.  —  Der 
Verein  für  klassischen  Chorgesang 
schwang  sich  unter  Dorners  Dirigentenstab  zu 
einer  überaus  glänzenden,  technischen  Leistung 
auf,  als  er  Piern6's  „Kinderkreuzzug*  ein- 
führte. Dem  Werk  selbst  muß  ich  jeden  ernsten 
Wert  absprechen.  Ich  kenne  kaum  ein  oratorien- 
mäßiges Werk,  das  so  skrupellos  auf  den  Effekt 
lossteuert,  das  in  seinen  textlichen  Höhepunkten 
so  flach  und  seicht  und  in  allen  Solopartieen 
so  unwahr  ist.  Ich  betone  das  ausdrücklich, 
weil  wir  unendlich  höher  stehende  Werke 
deutscher  Komponisten  unaufgeführt  lassen  und 
einem  Ausländer  nachlaufen,  dessen  Reiz  für 
die  Dirigenten  lediglich  in  der  neuen  Aufgabe 
der  Kindercböre  liegen  kann.  Ein  Oratorium 
ähnlicher  Armut  würde  in  Frankreich  niemals 
Dirigenten  und  Publikum  finden. 

Dr.  Flatau 

ST.  PETERSBURG:  Das  letzte  russische  Sym- 
phoniekonzert im  großen  Saale  des  Konser- 
vatoriums brachte  unter  Felix  Blumenfelds 
Leitung  ein  ebenso  fesselndes  wie  gehaltvolles 
Programm.  Für  jedermanns  Geschmack  mag 
freilich  Joseph  WibtoTs  geistvolle  Ouvertüre, 
deren  poetischer  Stoff  einem  lettischen  Märchen 
entnommen  ist,  nicht  gewesen  sein,  desto  mehr 
Sympathie  brachte  das  große  Auditorium  der 
formschönen  und  interessanten  Symphonie  von 
Steinberg,  einem  hochbegabten  Schüler  Rimsky- 
Korssakow's,  entgegen.  Von  Frau  Skrjabin 
wurde  das  fis-moll-Klavierkonzert  ihres  Gatten 
musikalisch  vortreflnich  zu  Gehör  gebracht. 
Größeren  Beifall  noch  przielte  die  Künstlerin 
mit  dem  brillanten  Vortrag  der  B-dur- Variationen 
über  ein  Thema  von  Glinka  von  Ljadow  und 
zwei  effektvollen  Etüden  von  Skrjabin.  —  Em 
Extra-Konzert  des  Petersburger  Streich- 
quartetts verlief  in  besonders  animierter  Weise. 
Lag  es  doch  der  Hörerschaft  am  Herzen,  an 
dieser  Stelle  die  mitwirkende  Annette  Essipow 
anläßlich  ihres  vierzigjährigen  Künstlerjubiläums 
in  enthusiastischen,  nicht  endenwollenden  Bei- 
fallsmanifestationen zu  feiern.  Mit  diesem  Fest- 
konzert will  Rußlands  genialste  Pianistin  ihre 
Konzertlaufbahn  beschließen.  —  Die  größte  Hoff- 
nung, einst  eine  zweite  Essipow  zu  werden,  hat 
die  zehnjährige  Pianistin  und  Komponistin  Irene 
Eneri,  die  in  zwei  ausverkauften  Konzerten 
durch  ihr  künstlerisch  abgerundetes  und  natür- 
lich empfundenes  Spiel  Sensation  gemacht  hat. 
—  Kathleen  Parle w  und  Joseph  Achron,  die 
in  eigenen  Konzerten  unter  Mitwirkung  eines 
Orchesters  unter  Glazounows  und  Auers  Lei- 
tung debütierten,  beherrschen  die  Geige  mit  einer 
für  ihre  Jahre  bewundernswerten  Meisterschaft 
und  spielen  wie  echte  und  rechte  Musiker.  — 
Um  eine  Aufführung  des  seit  längerer  Zeit  nicht 
mehr  gehönen  Oratoriums  „Messias*  von  Händel 
machte  sich  der  St  Petri-Gesangverein  unter 
Leitung  von   Prof.  L.  Homilius   verdient.  — 


130 
DIE  MUSIK  VII.  20. 


Die  in  diesem  Winter  stark  grassierenden  Klavier- 
abende baben  Drossdow  und  Romanowslcy, 
Pianisten  der  Essipow'scben  Schule,  durch  er- 
folgreiche Konzerte  vermehrt.  —  Das  glänzende 
Pinale  unsererwioterlicbenKonzertsaison  bildeten 
wie  üblich  drei  große  Symphoniekonzerte  im 
kaiserlichen  Konservatorium  mit  Arthur  N  i  k  i  s  c  h 
an  der  Spitze  des  Hoforchesters. 

Bernhard  Wendel 

STRASSBURG:  Der  Reigen  der  Abonne- 
mentskonzerte schloß  mit  der  wahrhaft 
klassischen  Vorführung  von  Beethovens  i^Pasto- 
rale*  unter  nnserm  genialen  Dirigenten  Pfitzner; 
der  Aufbau  der  Schlußsätze,  besonders  die  ge- 
radezu dramatische  Gestaltung  des  ,»Gewitters*y 
war  schlechthin  unübertrefPlich.  Daneben  wirkten 
Werke  wie  Berlioz'  brutale  »Korsar'-Ouvenüre 
und  Thuilles  Gelegenheitsfestmarsch  als  Lücken- 
büßer; auch  die  Solistin,  Irma  Koboth -München, 
machte  im  Konzertsaal  mit  etwas  plumpem 
Liedervortrag  keine  gute  Figur.  —  Im  Ton- 
künstlerverein  brachte  ein  von  Benno  Walter 
geführtes  hiesiges  Quartett  mit  Erfolg  ein  Werk 
seines  Cellisten  Mawet  (Stil  C6sar  Franck) 
sowie  Weingartners  Sextett  zu  Gehör,  eins 
der  bestgemachten  Werke  dieses  «Durchaus- 
Komponisten",  der  zwar  das  Handwerkszeug  — 
mancbmal— wohl  meistert,  aber  einer  Kleinigkeit, 
nämlich  der  eigenen  Erfindung,  ermangelt. 
Aus  ganz  anderem  Holz  geschnitzt  zeigt  sich 
Pfitzner.  Sein  Frauenchorwerk  mit  Orchester 
«Der  Blumen  Rache*  ofPenbart  eine  Feinsinnig- 
keit der  Stimmungsmalerei,  in  der  ihm  kaum 
einergleichkommt,  ohne  die  billige  Klischeearbeit 
der  «Moderne",  —  Die  Städtische  Kammer- 
musik Vereinigung  schloß  mit  Brahma' Sextett 
und  einem  schwermütigen  Anton  Arensky- 
Quartett  »In  memoriam  Tschaikowsky's".  —  Or- 
chestral gab  es  noch  das  dritte  Volkskonzert-— 
Beethovens  Zweite,  eine  kurzatmige  Volkmann- 
Serenade  —  unter  Frieds  etwas  hastiger  Leitung, 
einen  »französischen"  Abend  der  «Philharmo- 
nie" (»Phädra"-Massenet,  »Roi  d'Ys"-Lalo  usw.), 
eine  poesielose  Wiedergabe  von  Goldmarks  unver- 
dient vergessener  »Ländlicher  Hochzeit"  vom 
Orchesterverein,  der  an  einem  unzuläng- 
lichen Dirigenten  krankt,  und  einen  heiteren 
Abend  von  Lübars  »Wiener  Tonkünstler- 
orchester", wobei  der  Autor  der  »Lustigen 
Witwe"  einige  ziemlich  traurige  Kompositionen 
vorbrachte.  —  In  einem  Liedertafelkonzert  des 
Männergesangvereins  bildete  Beethovens 
köstliches  Septett  den  Höhepunkt;  recht  gefällig 
erwies  sich  auch  ein  Oktett  des  hiesigen 
Komponisten  Erb  (Konzert  des  Emeriten Vereins). 
~  Einen  Höhepunkt  bildete  noch  die  »M  a  1 1  h  ä  u  s- 
passion"  unter  Prof.  Münch  ,  dem  das  Drama- 
tische darin  (sowie  die  Choräle)  allerdings  besser 
liegt  als  das  mystische  Helldunkel,  solistisch 
gestützt  von  K  o  b  m  a  n  n  -  Frankfurt  (Evangelist), 
Haas- Karlsruhe,  Geist,  (die  Sopranistin,  Frl. 
Du  bau,  Mühlhauser  Opernsoubrette,  ist  keine 
Bacbsängerin)  und  Frau  Altmann -Straßburg 
(Mt).  Allseitige  Anerkennung  fand  diese 
auch  in  ihrem  klassischen  Liederabend,  mit 
Schubert,  Schumann  (»Frauenliebe")  und  Brahms 
(»Ernste  Gesänge"  usw.).  —  Von  Sängerinnen 
hörte  man  noch  die  vielversprechende  hiesige 
Altistin  FrL  Schönholtz,  der  nur  noch  der 
richtig  »erweckende"  Lehrmeister  fehlt,  die  etwas 


soubrettistiscbe  Mezzosopranistin  Frau  Adels- 
von  Münchhausen,  und  verschiedene,  zum 
Teil  detonierende,  hiesige  Neulinge.  Auch 
mancherlei  kleinere  Vereine  aller  Art  sachten 
das  an  sich  hier  recht  rege  Musikleben  zu  be- 
reichem, freilich  manchmal  mehr  quantitativ 
als  qualitativ.  —  Als  Orgelmeister  zeigte  sich 
Musikdirektor  Rupp.  —  Mit  einer  firöhen  Hoff- 
nung verlassen  wir  diese  Saison  und  ihre  Vor- 
gänger, nämlich  daß  unter  der  Ägide  von  Hans 
Pfitzner  für  Straßburg  eine  neue  Mnsikira 
anbrechen  möge!  Dr.  G.  Alt  mann 

STUTTGART:  Im  letzten  Abonnementskonzert 
verabschiedete  sich  Dr.  O brist,  der  Gast- 
dirigent dieses  Winters,  mit  einigen  sehr  Inter- 
essanten Gaben  aus  der  französischen  Unter- 
haltungskunst:  Widor's  zweite  Suite  aus  »Conte 
d'Avril" hatte  großen  Erfolg;  ebenso  Charpentier's 
»Impressions  d'Italie".  Wo  aber  eine  edlere 
musikalische  Sprache  um  ihrer  eigenen  Ge- 
danken willen  geredet  wird,  reicht  das  Vermögen 
der  Franzosen,  wie  es  scheint,  nicht  recht  so: 
so  ist  Widor's  dritte  Symphonie  für  Orchester 
und  Orgel  (e-moU)  gerade  im  orchestralen  Teil 
nicht  sonderlich  bedeutend.  Widor  dirifierte 
übrigens  selbst  und  erntete  auch  mit  seinen 
glänzenden  Orgelstücken  lebhaften  BeifÜL 
FrL  Dennery  aus  Köln  sang  erfolgreich  firao- 
zösische  Arien.  —  Gegen  Ende  der  Splelseit 
häufen  sich  Chorkonzerte:  der  Nene  Slng- 
verein  (E.  H.  Seyffardt)  gab  den  »Odysaeas* 
von  Bruch ;  desgleichen  veranstaltete  der  Lebrer- 
gesangverein  (S.  de  Lange)  eine  Bruchfeier; 
Szenen  aus  Bruchs  »Frithior*  wählte  der  Stuft* 
garter  Liederkranz  (För stier)  für  sein  zweites 
Konzert.  Der  Kannstatter  Schubertverein  (R  fick* 
heil)  führte  Haydns  »Schöpfung*  auf.  Außerdem 
gaben  Konzerte:  die  Sängergesellschaft  »Akkord*, 
die  Stuttgarter  Liedertafel,  der  Beantensingchor. 
Am  Karfreitag  erschien  Bachs  Matthiuspassion 
im  Verein  für  klassische  Kirchenmusik,  geleitet 
von  S.  de  Lange.  Das  fünfte  Konzert  des 
Kannstatter  Kurorchesters  (Rfickbell)  berfiek- 
sichtigte  Sibelius  und  Kann;  der  letzte  Kammer- 
musik-Abend des  Waghalter-Qoartettes  hMt 
sich  ausschließlich  an  Brahms. —  Zugunsten  der 
Richard  Wagner-Sti pendien-Sttf tu ng  fand 
in  der  Stiftskirche  die  erste  hiesige  AuffOtamiic 
des  »Sonnenhymnus"  und  der  »Graner  Festmesso" 
von  Liszt  statt.  Dr.  Obrist,  mit  dieser  Mosll: 
innig  vertraut,  dirigierte  schwungvoll  und  brachte 
durch  eine  peinlich  sorgfältige  Vorbereitung  eine 
sichere  und  höchst  eindrucksvolle  Wieder^ibo 
zustande.  Das  Baritonsolo  im  Hymnus  eaog 
Herr  Weil  von  der  Hofoper  mit  prachtvoller 
Stimme;  das  Einzelquartett  bildeten  die  Damen 
Dietz  (aus  Frankfurt)  und  Schönberger,  die 
Herren  Kanzow  und  Weil.  Der  kfinstleriscbe 
Erfolg  stand  leider  im  umgekehrten  Verhiltnit 
zum  pekuniären  (ganz  im  Gegenaatz  za  den 
»Cbristus"-Aufführungen  von  1906);  doch  mög^ 
sich  Dr.  Benedict,  dem  wir  diese  wünschens- 
werten Ergänzungen  unseres  Konzertlebene  ver- 
danken, nicht  entmutigen  lassen,  weitere  anzii* 
regen  und  durchzuführen.  Zum  scbwieheron 
Besuch  trug  außer  der  Jahreszeit  vielleicht  bei» 
daß  gleich  noch  zwei  Konzerte  folgten:  die 
100.  Aufführung  des  Chorwerks  vonB.H.Seyffardt 
»Aus  Deutschlands  großer  Zeit*  and  ein  Bach- 
konzert zur  Begründung  eines  Bachlbnds,  voa 


KRITIK:  KONZERT 


dem   min   die   MInel   lor  Pflege   der   KaaMlen  1  jenem  rein  mectaaDiicben  Bacta-Musitlerea  gibt, 
(■»menilich    Im    Goiieidlenit)    erhofft.    —    Im   das  dl«  Erkenntnia  der  frommen  Mea acUicbkelt 
Orcbeaterrereln  brachte  Rfickbell,  tum  ersten-  j  dea  Melsiera  verwehrt  und   ein«  ganz  fältcbe, 
maIwlcderholl,eineanaprechende,  achtungiwerte    lu     tehr    eingebürgerte    Tradition    fOrden. 
Symphonie  von  K.J.  Schwab,  dem  ftüheren  Dlrl- .  Richard  Specht 

^ten,  der  voriges  Jahr  als  Kapelimeialer  In  W/IESBADEN:  Dai  sechste  Koniert  im  Hof- 
DaDilgstsrb.  Im  leimn  Konzert  der  Kannatatter  W  theaterbrachteeineAufTübrungvonStranO* 
Rnrkspellff  spielte  RDckbeil  ein  eigenes  neues  .Tsillefef,  einem  Werk,  das  hier  mehr  kühles 
Violinkonzert,  dem  wir  Verbreitung  wünschen  staunen  als  wsrme  Anteilnahme  hervorrief.  - 
S,«fi?2«-,..,  ,  „  Dr.  KsrI  Grunsky  in,  dritten  Clcillenkoniert  bSrten  wir  die 
VERDEN  (Aller):  Von  dem  regen  Kunst- !  «„miua-Pasalon-,  deren  Partitur  Kogel  in 
▼Imeresae  in  unserer  Stadt  legten  such  die  vielen  Teilen  einer  dsnkenawerten  »reinigenden- 
letzien  DsrWetnngen  dieses  Winters  Zeugnis  ßesTbeitung  unterzogen  hstte.  -  Im  letzten 
■b.  Im  Verein  für  Kunst  und  Wissen-  Küostvereini koniert  reierien  Reger  und  Msr- 
ichaft  brachten  die  Mitglieder  der  Kammer-  ,e,u  Triumphe;  jener  als  «rtfuhlender  Piinlst 
mntik-Vereinigung  für  Blaslnatrumente  f„t  mebr  denn  sla  Komponist:  seine  D-dur 
aad  KlaTler  der  KSnIglicben  Kspelle  lu  Sonste  für  Solovioline  kennten  wir  schon;  seine 
"VÜ*'V'«°'.'""'x'^"""'*''°'*y'''"P''"  -Sulteim  «Iten  Stil-  -  glsubten  wir  schon  zu 
nnd  Pianist  Major,  Quintette  von  Mozart,  Beet-   iieoneo  Otto  Dorn 

^iJ:^.''%i'JJ\'„"°m''^,i',l  *:Kr.';    yOmcn-.  Auch  im  Frtru«,  Min  und  I,  den 

BaMboTei»    Ei-dur    op.    16    wirkte    wie    eine   ^  »--11,, -„„u     .„„„    .i_     nh.T-h..n 

OIUlnniiiE.  El  I«  !u  bedinem,  diO  dieie  „.Ä;'«"  ^°"' » ff'A'  ,!'A,  SJ*,?,'?.;? 
S'i'S.tS.Ä'Ä;'  "■  'Äi'l'nri.Tn' '  «™.S..'  Ve°  d°,?  °T  d°e'.^'S;ÄS 
U,  "."i'w'S',:  gf  ^iS  RjrK«l!i";tM  =1-  •«"!«=  mn.,|;.,l.ohe  C-J™-f;;-  >.  de, 
.tollele,  udello.  ,=.cbult=  Stimme  elpel  .leb   J»»"";  ■?.?;  fl'T'  'vj!?™,   1  n  d ™f 

»i.nre(nicb.drL.nie,dl r.nnnllcb  meinen.    &,Jf:,.SiV,;Jl,f/™h«iSr.i,h   »i    .,f. 

-Ol»  Sebroedec  vom  Pbllbermonl.cben ,  "f;?''™;''"''«''«"'  ""f^^^^^ 
Orebetler  In  Bremen  1.1  ein  iSeblUer  H„ren-  '"»"i."'"?"'"""""";"  »"'"."'"'J""» 
.Urter.-Der  Or.ioDen-Vereln  bf.cble  unter  Sympbonlekonienen,  die  die.m.l  juf  ein  bervor- 
Unnt  de.  Unter.elcbneten  Pi.lm  95  und  ?«""  ■"■»"'I"  "■">  .bw.cb.liin,.r.leb» 
F»lma  ™n  Mendel..nbn  Im  Dom  .u,  A»r :;"«"»»  £■'■'''  ."Xir  d™  n.ltT.ViX 
mbnini.  find  d.mit  die  uncetellle  Zu.timmunt  rh^.n!™.";  .»;„;;,,.  ™»,i,hd™^^^^^ 
*r  Krlill  und  erinnerte  >n  der  Schwelle  iti '  t!L"  J^"i;""''S^^''l'''J'"'S. 
Hnnd..t|.hrleler  (3.  Febrn.r  1809)  d.r.n,  d.l :  S.\l'' Ä"  '™, S  K'.i.  .S  „-,  Jl, 
-«  Bher  den  Medemen  der  M.i.t.r 'einer  ^»Z:^.',?,.?':rn!l:..';H•^'Sr^l,,°.'°.,Ä; 
vorflouenen  Zeit  nicht  vergessen  darf 

Ernst  Dlecko 
WriBN:    Eine   hSchst   betrfibende   Außflbruni  ' ! 
**    ron  Bachs  .JohanneBpassIon-  in  den  Ge- 
seUscbaftskonzerten:  scbwnoglos,  unbelebt,  im 


Solisten  willen  trotz  dringender  Tflosche  nlcbt 

I  sua  den  Koniertiilen  verschwinden  will.    Dles- 

,  mal  war  Elsa  Hensel-Scbweltzer  aus  Frank- 

eloe    Meisterin    des    drsmatiscbeo    und 

lyriscben  Gesangs,  dsrsn  schuld.  —  Emil  Frey, 

süsrei-^^re-;;:;;  ";c7e:T.v»r»T,;i;h"t  jifnie'r';'Nr2"i'n°''c.V.'ir;ni'' ?;'  «•  ^\i!i7 

_.___!   j...     ._   j.n   —i.kti.b.    j—    c 1.    Konzert   Ho    2   in  c-moll   von   (..n.  m.   wldor. 

eumal  das,   ao  daß  wirklich    nur  dss    Formsle    t>„    if-_„„_i.,    jij_j_— .  «i.    (.i.-i-.i.. 

;r.V'iiS''it.ernur'dinnnrmi;ni^«'"Mi"™"><^^^ 


des  Beethovenschen  Klavierkonzertes  In 

m  lebten  Abonnemeniskoozeri  und  der  bewihrte 

liegst  Gereifter  aus  der 

Zürcher  Pisnlstenscbsr,   durch   die  Wiedergabe 


Klingen    gebracht    werden    ,„  .^„,„  ., 
kuin,  wenn  ungemein  zahlreiche  Proben  jedem    tJnh.,«   b, 
dnielnen  Cbortingcr  nl^l  nur  die  technische    ^?°'"   '^^^ 
Slcberbeli   gegeben   haben,   sondern   i 
daa  ergriffene  Miterleben  des  StofTllcbe 
Flblgkeit,  jegliche  dynamische  Wendung  mit 
llscbem  Gehalt  zu  erfüllen.    Davon  war  diesmal 
—  nnd  Im  letzten  Sinn  wohl  bJer  noch  niemals  — 

dlo  Rede.    Es  bleibe  dahin  gestellt,  ob  dem  sicher-    „■"'    *"""    ,*,!  ,"  J" 
lieb  aehr  kultivierten  und  empfindenden  Musike-  '  ^«"«»vens  Violinkon; 
Schalk  dss  Verblltois  zu  Bscb  fehlt,  das  solcbi 
S»TÄ;'„ZeSdeTe«'dlc'nr.e"DS'    A^llr.'.n^rertYrT'u.TSe.'i«;«'-.^».;^ 

SL, l.'.~F,.;  S»1!,H  ;;?d..  H.    ;„  f^.™    "»"'»  W™»  »'>"'■    *■■  Knmponl.t  erfuhr 
S.I  f  J'-.d  tS°  an,  H,™  iT,,^t"  ,£,,.'      Bu.oni,  der  .ein  Kon.ert  für  Kl..lir,  Orche.ter 

re?i;fd;,?r  Su^?  V™  ""VJiLJ'JfiieT  I  "^r;:J""fz^»a 


Slcberbeli   gegeben   haben,   sondern   vor  sllem    ..„,„..     il-     i  j.  ..^ü.;-      -.ri-ii™     u-T-S--! 

Ü!  rrf'J".!'!'"'."-'  '"  Sü«««'-  -'"  '"  SSp=.'.i„re.  ""Ä  eliÄmmeSu'IS: 
Abends.  Anstelle  von  Yssye,  mit  dem  es  eisen 
Programm  streit  gab,  wsr  CsrI  Fleach  (Amster- 
dsm)  zum  zehnten  Abonnemeotskonzert  mit 
als  Sollst  erschienen, 
und  dss  Ausbleiben  Yssyes  wurde  nicht  vermlQt. 
Haydns   C-dur   Symphonie    No.  7,    Cbembinl's 


lieber    «nf  die    Aufführung   versiebten    sollte; 
•cbon  deshalb,  weil  sie  ein  neues  Vorbild  lu 


!  sm  11.  Febrnsr  eine  recht  freusdilcbe  Autaabme. 
Dr.  Hermann  Kesser 


Der  dis  vorliegende  HeFt  einleitenden,  interessanten  Briefpnblikition  {eben  wir  die 
PortrSts  des  Bnerscb reibers  und  des  Empflagers  bei:  Giicomo  Meyerbeer  (nach 
F,  Rumpr)  und  GottTried  Teber  (nacb  einer  alten  Litbographie). 

[ntolge  unserer  letzten,  aucb  im  Bildeneil  einheltlicb  gehaltenen  Sonderbefte  war 
es  uns  nicht  möglich,  an  verschiedene  Gedenktage  durch  bildliche  Darstellangen  zu 
erinnern.  Wir  holen  es  in  diesem  Heft  zum  Teil  nach,  und  zwar  bringen  wir  lunichst 
«n  Portrat  von  Henry  LJtoIff  <geb.  6.  Februar  ISIS),  nacb  dem  Stieb  von  Weger.  Der 
Begründer  des  seinen  Namen  tragenden  Braunscbweiger  Musilcverlags  nahm  bekanntlich 
aucb  als  Klavierspieler  und  Komponist  eine  bedeutende  Stellung  ein.  AuOer  SctaOpfungen 
für  sein  Instrument,  unter  denen  seine  fünf  Konzertsymphonieen  f&r  Klavier  und 
Orctaesier,  sowie  eine  Reihe  von  brillanten  Solostucken  zu  nennen  sind,  außer  Kammer- 
musikkom Positionen,  einem  Trauermarsch  auf  Meyerbeer,  einem  kleinen  Oratorium  .Ruth 
und  Boas"  bat  Litolff  besonders  das  Gebiet  der  Oper  gepflegt  (.Die  Braut  von  Kynatf, 
vRodrigue  de  Tolöde",  „Die  Templer"), 

Aus  Anlaß  seines  50.  Geburtstages  (22.  Juni)  verfitTCntlictaen  wir  ein  BUd  von 
Giacomo  Puccini  nach  einer  alteren  Photographie.  Von  den  Werken  des  erTolcrelcben 
iungilalieni sehen  Dramatikers  haben  „Manon  Lescaut",  .Tasca',  .La  Boheme'  und 
„Madame  BuiterBy"  aucb  auf  unseren  deutschen  Bühnen  seit  langem  Bflrgerrecht  erUngt. 

Das  Portrfit  von  Johann  Baptist  Gramer  mfige  an  den  50.  Todeatag  (16.  April) 
eines  der  hervorragendsten  Pianisten  und  Klavierlehrer  aller  Zeiten  erinnern.  Geborener 
Mannheimer,  bat  Gramer  mit  Ausnahme  eines  dreizehnjährigen  Pariser  Aufenthalts  aeln 
Leben  in  London  verbracht,  wo  er  mit  Addison  1S28  den  noch  beute  bestehenden  Musik- 
verlag gründete.  Seine  zahlreichen  Kompositionen  sind  in  Vergessenheit  geraten,  dagegen 
haben  seine  .Große  Pianoforteschule"  und  seine  ^Schule  der  Fingerfertigkeif  noch  bis 
beute  ihre  Geltung  bewahrt. 

Es  folgt  eine  Ansicht  der  von  dem  verstorbenen  Reeder  Heinrich  Laetsz  nnd  seiner 
Frau  gestifteten  Musikhalle  in  Hamburg,  die  vor  kurzem  festlich  eingeweiht  worden 
ist.  Das  in  den  Formen  des  Barockstils  gehaltene  Bauwerk,  eine  SchSphing  der  Architekten 
Haller  und  Meerwein,  stellt  sich  dem  Beschauer  als  ein  nicht  übermaßig  hober,  ein- 
stöckiger, reichgegliedener  Backstein  roh  bau  dar,  der  durch  omamentalen  Schmuck  in 
Sandstein  anmutig  belebt  wird.    Der  große  Saal  enthalt  etwa  1900  Sitzplatze. 


rlaubnii  du  Vcrlw»  t*> 
T  ObeneRuDE,  vorbclulte 

uikriptc,  riltt  Ihne 


«rfichc  Muuitirlpie  werden  aottprAtl 


Vermniwortlicber  Schriftleiter:  Kapellmeister  BerabRrd  Schaster 
Berlin  W  57,  Bülowstrasse  107  >- 


GlACOMO  MEYERBEER 
nich  F.  Rumpf 


GOTTFRIED  WEBER 


dHHaUUMi 


HENRY  LITOLFF 
#  6.  Februar  1818 


GIACOMO  PUCCINI 
«  22.  Juni  185S 


JOHANN  BAPTIST  CRAMER 
f  16.  April  1858 


1 

1 

-     «  (•••«"«!<!g|(}<-      . 

1 

^^lüii    1 

1 

H^^Ii. 

DIE  MUSIK 


Traube  ist  aocb  nicbl  der  Weio  — 
Traube  will  gekeltert  sein. 
Wald  und  Flur  ist  Bild  noch  nicht 
Wirklichkeit  noch  nicht  Gedicht 
Geist  ist  das,  was  Leben  leiht  — 
Kunst  ist  Geist  der  Tlrklicbkelt. 

Ernat  t.  Vlldenbrueh 


VII.  JAHR  1907/1908  HEFT  21 

Erstes  Augustbeft 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 
Verlegt  bei  Schuster  &  Loeffler 
Berlin  W.  57,   Bülowsirasse  107 


jRie  ersttunlicb  feinsinnigen  Bemühnogen  der  neueren  Gesetz- 
n  gebung,  an  die  Stelle  der  ausscbließlicben  Berückslcbtigung  des 
1  Verlegers  einen  kräftigen  Scbatz  des  musikaliscben  Urbebers 
I  als  solcben  treten  zu  lassen,  haben  von  selten  der  scbaffenden 
Künstler  bisber  wenig  Gegenliebe  und  Unterstützung,  ja  kaum  die  gebfibreade 
Eteacbtung  gefunden.  Es  bängi  dies  zweifellos  in  erster  Linie  damit 
zusammen,  dait  die  Verwertung  und  wirtscbartlictae  Ausbeute  der  musi- 
kalischen Schöpfungen  fast  nie  in  direktem  Verkehr  des  Urbebers  mit 
dem  Publikum,  sondern  auf  dem  Umweg  über  den  Verleger  stattfindet,  der 
dann  naturgemSfi  mit  der  Wahrnehmung  seiner  eigenen  Rechte  aucb  deo 
Schutz  des  Urhebers  —  soweit  dieser  nicht  mit  der  Selbstverteidigung  des 
Verlegers  ohnehin  zusammenfallt  —  zu  übernehmen  pfiegt.  Diese  durch 
die  Sachlage  sich  ergebende  Fembaltung  der  .prohnen*  Rechtswabmehmung, 
vom  Komponisten  hat  jedoch  auch  Ibre  Schattenseiten;  denn  aus  diesen 
und  anderen  Gründen  zeigen  die  schaffenden  Künstler  einen  Mangel  aa 
Vielseitigkeit,  insbesondere  eine  Gleichgültigkeit  gegen  juristische  und 
andere  wissenschaftliche  Betrachtungsweisen  der  Musik,  daß  man  unwill- 
kürlich an  Nietzsches  Bemerkung  erinnert  wird,  die  Denkweise  des 
Künstlers  gleiche  der  ausgesprochen  antlwIssenschaFlllchen  Veranlagung  des 
typischen  Weibes.  Die  Rechtswissenschaft  teilt  diese  lieblose  Behandlung 
übrigens  mit  fast  allen  anderen  Wissenszweigen,  die  sich  mit  musikalischen 
Problemen  zu  befassen  haben,  so  Insbesondere  mit  der  Philosophie,  deren 
Singen  nach  psychologischer  und  islhetiscber  Erfassung  des  musikaliscben 
Gedankens  fast  durchweg  des  berufenen  künstlerischen  Beistands  entbehren; 
muß.  Hierzu  kommt  speziell  beim  Musiker  noch,  daß  seine  Kunst  allein, 
der  Kenntnis  des  Lebens  völlig  entbehren  kann  —  Gründe  genug  für  die 
der  juristischen  Betrachtungsweise  abboldeGescbmacksrlchlung  des  Künstlers.. 
Diese  antijuristiscbe  Veranlagung  des  Musikers  bedeutete  für  den 
Gesetzgeber  vielleicht  einen  Mangel  an  Ermunterung,  jedenfalls  aber  kein 
Hindernis;  eine  sehr  erhebliche  Schwierigkeit  stellte  dagegen  die  aus- 
gesprochen antijuristische  Veranlagung  der  Musik  selbst,  also  des  zu 
erfassenden  Gegenstandes,  dar;  denn  die  Rechtswlssenscbaft  und  Gesetz- 

10* 


':l 


136 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


gebung  bedarf  der  scharfen  Begriffe  und  der  klaren  Definitionen  —  und 
gerade  diesen  widerstreben  die  musikalischen  Probleme  aufs  äußerste. 
Man  muß  hervorheben,  daß  die  deutsche  Gesetzgebung  auf  dem  Gebiete 
des  musikalischen  Urheberschutzes  die  Spröde  des  Stoffs  mit  sehr 
bedeutender  Geschicklichkeit  gemeistert  hat ;  zudem  zeichnen  sich  die  ein- 
schlägigen Gesetze  durch  große  Einfachheit  aus,  eine  allerdings  nur  äußer- 
liche Einfachheit,  da  die  Schwierigkeiten  bloß  umgangen,  nicht  beseitigt 
sind.  Jedenfalls  sind  aber  die  Prinzipien  des  geltenden  musikalischen  Ur- 
heberrechts, die  rechtliche  Stellung  des  Komponisten  auf  Grund  seiner 
Schöpfung  in  klaren  Zügen  herausgearbeitet,  so  daß  man  sie  für  den  Nicht- 
juristen auch  in  gedrängter  Kürze  nachzeichnen  kann.  Und  dies  soll  im 
folgenden  versucht  werden ;  ein  Versuch,  zu  dessen  Rechtfertigung  (die  man 
von  dem  juristischen  Eindringling  in  diese  Zeitschrift  vielleicht  verlangen 
wird?)  diese  einleitenden  Worte  ja  eben  dienen  sollen. 

Pas  geltende  deutsche  Recht  beruht  in  erster  Linie  auf  dem  «Gesetz, 
betreffend  das  Urheberrecht  an  Werken  der  Literatur  und  Tonkunst*,  vom 
19.  Juni  1901,  das  an  die  Stelle  des  .alten  Urhebergesetzes*  von  1870 
getreten  ist;  die  Beziehungen  des  Autors  zum  Verleger  regelte  gleichzeitig 
das  .Gesetz  über  das  Verlagsrecht*,  ebenfalls  vom  19.  Juni  1901^).  Das 
letztere  Gesetz  soll  im  folgenden  aber  nur  insoweit  herangezogen  werden, 
als  es  nötig  ist,  um  die  Stellung  des  Urhebers  selbst  zu  beleuchten.  Die 
«Stellung  des  musikalischen  Urhebers*  —  da  haben  wir  ohne  Weiteres  die 
beiden  Fragen,  in  die  logischerweise  die  ganze  Untersuchung  eingeteilt 
werden  muß: 

I.  Wer  genießt  den  musikalischen  Urheberschutz?  und 
II.  worin  besteht  derselbe? 

I.  Was  die  erste  Frage  betrifft,  so  wird  sie  vom  Gesetz  prinzipiell 
höchst  einfach  und  klar  beantwortet:  Der  Urheber  eines  Werkes  der 
Tonkunst.  Man  meint  zunächst,  daß  damit  das  Problem  in  einer  ganz 
zweifelsfreien  Weise  gelöst  sei  und  daß  man  ohne  weiteres  zur  Beant- 
wortung der  zweiten  Frage  schreiten  könne.  Die  Einfachheit  der  Antwort 
ist  jedoch,  wie  sich  sogleich  zeigen  wird,  nur  eine  scheinbare;  denn  wie 
fast  alle  Begriffe  des  täglichen  Lebens  sind  auch  die  in  der  Antwort  des 
Gesetzes  enthaltenen  durchaus  nicht  so  einfach,  obwohl  jeder  zunächst 
meint,  sie  ohne  Mühe  definieren  zu  können.  Diese  Schwierigkeit  der 
Interpretation,  die  die  lapidarische  Kürze  der  gesetzlichen  Bestimmung  der 
Wissenschaft  und  Praxis  —  mit  vollem  Recht  —  aufbürdet,  liegt  nicht  in  der 
«juristischen  Spitzfindigkeit*,   sondern  in  der  ungeheuren  Mannigfaltigkeit 


^)  Die  Werke  der  bildenden  Kunst  und  der  Photographie  unterliegen  einem 
eigenen  Gesetze,  dem  neuen  « Kunstschutzgesetz''  vom  9.  Januar  1907. 


139 
HIRSCHBERG:  MUSIKALISCHES  URHEBERRECHT 


Die  Sonaten  selbst  sind  natürlich  frei  (s.  u.  über  die  Dauer  des  Urheber- 
rechts); die  eingestreuten  Notenfiguren  und  Vortragszeichen  gewähren  dem 
•Bearbeiter,  wie  dargelegt,  kein  Recht;  aber  die  Anmerkungen  und  Er- 
läuterungen, die  in  Textform  angefügt  sind,  genießen  ohne  jeden  Zweifel 
Urheberschutz  —  aber  welchen  ?  Natürlich  nicht  den  musikalischen  (denn 
«ie  sind  ja  keine  Werke  der  Tonkunst),  sondern  denselben  wie  alle  indi- 
viduellen sprachlichen  Erzeugnisse,  also  den  literarischen;  natürlich  ist  in 
•dieser  Richtung  Bülow  dann  als  Verfasser,  nicht  als  Bearbeiter  anzusehen. 
Nun  wäre  also  die  erste  Frage  völlig  beantwortet;  — doch  haltl  Wer 
•erlangt  denn  das  Urheberrecht,  wenn  nicht  Verfasser  und  Bearbeiter, 
sondern  mehrere  Urheber  in  Betracht  kommen?  Wenn  z.  B.  zwei  Kom- 
ponisten zusammen  eine  Operette  verfertigen?  Hier  kommt  es  darauf  an, 
ob  ihre  Arbeiten  sich  trennen  lassen;  in  diesem  Falle  (wenn  z.  B.  der 
«ine  nur  die  Ouvertüre  und  die  Märsche,  der  andere  den  Rest  komponiert 
hat)  erlangt  jeder  Urheberrecht  an  dem  von  ihm  verfaßten  Teile ;  läßt  sich 
4iber  der  Anteil  des  einzelnen  nicht  mehr  feststellen,  so  besteht  unter 
ihnen  Miturheberrecht,  d.  h.  eine  Gemeinschaft  nach  Bruchteilen,  die  im 
Bürgerlichen  Gesetzbuch  näher  geregelt  ist. 

Bei  anonymen  und  offensichtlich  Pseudonymen  Werken  —  ein  Fall, 
•der  in  der  Musik  ja  selten  ist  —  wird  der  Herausgeber,  und  falls  dieser 
nicht  angegeben  ist,  der  Verleger  vom  Gesetz  ermächtigt,  die  Rechte  des 
Urhebers  wahrzunehmen. 

IL  Das  also  versteht  das  Gesetz  unter  dem  «Urheber  eines  Werkes 
•der  Tonkunst*,  diese  Werke  also  genießen  den  Urheberschutz.  Es  bedarf 
nun  nur  noch  der  weiteren  Frage,  was  man  unter  diesem  Schutz  zu  ver- 
:8tehen  hat,  welche  Rechte  seinen  Inhalt  bilden.  Die  Antwort  auf  diese 
Frage  ist  abermals  eine  höchst  einfache:  der  musikalische  Urheber  hat 
l)rinzipiell  das  ausschließliche  Recht  zur  Vervielfältigung,  gewerbs- 
mäßigen Verbreitung  und  öffentlichen  Aufführung  seines  Werkes. 

1.  Ausschließliches  Recht  der  Vervielfältigung:  Vermöge  desselben 
kann  der  Autor  jedermann  verbieten,  seine  Komposition  zu  vervielfältigen, 
gleichviel  durch  welches  Verfahren  dies  bewirkt  wird.  Selbstverständlich 
ist  also  verboten  das  Abschreiben,  Nachdrucken  (im  eigentlichen  Sinn), 
Hektographieren  usw.  ohne  Erlaubnis  des  Autors.  Nach  dem  oben  über 
die  Entstehung  des  Urheberrechts  Gesagten  ist  auch  untersagt  das  Nach- 
^hreiben  einer  vom  Komponisten  bloß  vorgespielten  neuen  Schöpfung. 
Es  begründet  übrigens,  wie  das  Gesetz  ausdrücklich  hervorhebt,  keinen 
Unterschied,  ob  das  Werk  in  mehreren  oder  bloß  in  einem  Exemplar  un- 
befugt vervielfältigt  wird.  Sehr  streitig  war  nach  früherem  Recht  die 
infolge  der  Entwickelung  der  Technik  jetzt  zu  größter  Bedeutung  er- 
^rachsene  Frage,   ob   die  Vervielfältigung  auf  Platten   von  Phonographen, 


140 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


Jl 


Aristons  usw.  gestattet  ist ;  das  Reichsgericht  verneinte  die  Frage,  und  ihm 
schlössen  sich  die  meisten  deutschen  Gerichte  an.  Nun  hat  aber  das 
geltende  Urhebergesetz  diese  Frage  merkwürdigerweise  genau  im  um- 
gekehrten Sinne  geregelt  und  eine  Bestimmung  getroffen,  die  ich  ihrer 
großen  Wichtigkeit  wegen  im  Wortlaut  anfuhren  möchte: 

S  22.  .Zulässig  ist  die  Vervielfältigung,  wenn  ein  erschienenes 
Werk  der  Tonkunst  auf  solche  Scheiben,  Platten,  Walzen,  Binder  und 
ähnliche  Bestandteile  von  Instrumenten  fibertragen  wird,  welche  zur 
mechanischen  Wiedergabe  von  Musikstficken  dienen.  Diese  Vorschrift 
findet  auch  auf  auswechselbare  Bestandteile  Anwendung,  sofern  sie  nicht 
für  Instrumente  verwendbar  sind,  durch  die  das  Werk  hinsichtlich  der 
Stärke  und  Dauer  des  Tones  und  hinsichtlich  des  Zeitmaßes  nach  Art 
eines  persönlichen  Vortrags  wiedergegeben  werden  kann.* 

Mit  andern  Worten:  der  Urheber  kann  nicht  verbieten,  daß  sein 
Werk  von  jedermann  für  Phonographen,  Spieldosen  usw.  auf  Walzen  ver- 
vielfältigt wird;  ausgenommen  ist  das  Pianola.  Diese  Bestimmung,  fiber 
deren  Berechtigung  man  sehr  verschiedener  Meinung  sein  kann,  und  die 
genau  genommen  eine  große  Inkonsequenz  darstellt,  erklärt  sich  einerseits 
aus  der  Rücksichtnahme  auf  die  Industrie,  andererseits  daraus,  daß  Deutsch- 
land gemäß  der  Bemer  Übereinkunft  (s.  u.)  die  Vervielfältigung  für  Spiel* 
dosen,  Drehorgeln  usw.  gestatten  mußte  und  aus  Billigkeitsrficksicbten 
die  Phonographen  nicht  zurücksetzen  wollte. 

a)  Eine  Ausnahme  vom  Verbot  der  Vervielfältigung  bildet  eine 
weitere  Bestimmung,  wonach  jedermann  Abschriften  usw.  von  geschützten 
Werken  herstellen  darf,  sofern  dies  ohne  Erwerbsabsicht  lediglich  zum 
Privatgebrauch  geschieht;  es  darf  daher  jeder  Musikschüler  zu  Übungs- 
zwecken oder  für  seine  privaten  Studien  Abschriften  aus  fremden  Werken 
anfertigen. 

b)  Femer  dürfen  einzelne  Stellen  eines  bereits  erschienenen  Werkes 
in  einer  selbständigen  literarischen  Arbeit  angeführt  werden.  Wenn  dem- 
nach jemand  in  der  «Musik**  einen  Aufsatz  über  moderne  Kammermusik 
veröffentlicht,  so  kann  er  darin  nach  Belieben  Zitate  aus  den  erschienenen 
Werken  Pfitzners,  Regers  usw.  ohne  spezielle  Erlaubnis  dieser  Künstler 
als  Belegstellen  aufnehmen. 

c)  Ja  sogar  ganze  Kompositionen,  jedoch  nur  solche  von  geringem 
Umfang,  dürfen  nach  ihrem  Erscheinen  in  eine  selbständige  wissenschaft- 
liche Arbeit  aufgenommen  werden,  z.  B.  in  eine  «Geschichte  der  Variatioa 
seit  Beethoven". 

d)  Endlich  darf  jedermann  kleinere  erschienene  Kompositioaen  ia 
Sammelwerke  aufnehmen,  die  für  den  Unterricht  in  Schulen  mit  Ausnahme 


141 
HIRSCHBERG:  MUSIKALISCHES  URHEBERRECHT 


der  Musikschulen  bestimmt  sind.    Beispiel:  ein  Liederbuch  für  Volksschulen 
kann  Brahms'  «Wiegenlied"  einfach  nachdrucken. 

Es  war  dies  eine  etwas  trockene  AuMhlung  von  Ausnahmen;  ich 
glaubte  sie  aber  wegen  ihrer  großen  praktischen  Bedeutung  nicht  unter- 
schlagen zu  dürfen. 

2.  Ausschließliches  Recht  der  gewerbsmäßigen  Verbreitung:  Dar- 
über ist  nicht  viel  zu  sagen,  der  Begriff  ist  ja  leicht  verständlich.  Es 
liegt  darin  vor  allem,  daß  der  Autor  bestimmen  kann,  ob  das  Werk  über- 
haupt verbreitet  werden  soll.  Wenn  Richard  Wagner  seinen  «Parsifal'  dem 
Buchhandel  ganz  hätte  vorenthalten  wollen,  so  hätte  niemand  die  Macht 
gehabt,  ihm  das  zu  wehren  —  bis  zum  Ablauf  seines  Urheberrechts;  ein 
Moment,  in  dem  auch  das  Verbot  der  öffentlichen  Aufführung  außer- 
halb Bayreuths  hinfällig  wird,  wie  ja  allgemein  bekannt  ist.  Bemerkt  sei 
noch,  daß  in  der  gewerbsmäßigen  Verbreitung  das  gewerbsmäßige  Ver- 
leihen (in  Musikbibliotheken  usw.)  nach  ausdrücklicher  Vorschrift  des 
Gesetzes  nicht  mit  inbegriffen  ist. 

3.  Ausschließliches  Recht  der  öffentlichen  Aufführung:  Damit  stehen 
wir  vor  dem  heißumstrittensten  Punkt  der  ganzen  Frage,  in  dem  das  neue 
Urhebergesetz  von  1901  eine  Neuerung  von  einschneidendster  Bedeutung, 
ja  geradezu  eine  Umwälzung  hervorgerufen  hat.  Nach  dem  früheren  Ur- 
heberrecht (seit  1870)  war  nämlich  die  öffentliche  wie  private  Aufführung 
aller  Kompositionen  nach  Belieben  gestattet;  der  Autor  einer  Symphonie, 
einer  Sonate,  eines  Liedes  konnte  keinem  Künstler  untersagen,  sein  Werk 
aufzuführen;  verboten  war  nur  die  öffentliche  Aufführung  der  sogenannten 
.musik-dramatischen'  Werke  —  nebenbei  gesagt  einer  der  Begriffe,  die 
der  Gesetzgeber  mit  unschuldsvoller  Miene  als  die  klarste  Sache  von  der 
Welt  verwendet,  und  an  denen  sich  die  Wissenschaft  dann  hinterher  die 
Zähne  ausbeißen  darf.  Hier  hat  nun  das  neue  Urhebergesetz  eine  Regelung 
getroffen,  der  man  jedenfalls  den  Vorzug  der  Klarheit  und  Einfachheit 
nicht  absprechen  kann:  jetzt  sind  gegen  Aufführung  alle  dem  Gesetz 
überhaupt  unterliegenden  Musikstücke  geschützt  —  ohne  die  geringste  Aus- 
nahme. Man  vergegenwärtige  sich,  was  dies  in  der  Praxis  besagen  will: 
jeder  Leiermann  an  der  Straßenecke,  der  eine  Stelle  aus  dem  neuesten 
Opemschlager  herunterorgelt,  wäre  danach  gebührenpflichtig^)!  Aber  ver- 
lassen wir  auch  das  Gebiet  der  extremsten  Fälle,  mit  denen  man  bekannt- 
lich jeder  Einrichtung  eine  komische  Färbung  geben  kann,  so  bleiben  doch 
noch  genug  Bedenken,  die  man  den  großen  Vorzügen  der  Neuerung  ent- 
gegensetzen kann.     Indes,  wenn  man  mit  wenigen  Worten  auf  das  Gebiet 


*)  Daß  niemand  daran  denkt,  die  »verfallenen  Gebühren"  von  ihm  einzukassieren, 
ist  selbstverstindlich;  siehe  Dr.  W.  d'Albert:  «Die  Verwertung  des  musikalischen  Auf- 
ffibningtrecbtes  in  Deutschland',  Jena  1907. 


142 
DIE  MUSIK  VU.  21. 


der  Polemik  eingehen  wollte,  während  diese  Frage  doch  eine  höchst  grSiid* 
liehe  Abwägung  des  »Für"  und  »Wider"*  erfordert,  so  könnte  mmn  der 
Gefahr  der  Oberflächlichkeit  nicht  entgehen ;  ich  ziehe  es  daher  vor,  auch 
hier  meine  Erörterungen  auf  das  geltende  Recht  in  rein  refbrierender 
Weise  zu  beschränken;  nur  so  viel  sei  bemerkt,  daß  die  Gegner  der 
Neuerung  das  Ideal  von  der  »freien  Zugänglichkeit  der  Kunst*  nicht  als 
Palladium  erwählen  können.  Dieses  Ideal  hat  nämlich,  wie  so  viele  andere, 
sobald  man  mit  dem  Hammer  philosophiert,  einen  recht  metallischen  Klang; 
denn  es  ist  doch  klar,  daß  diese  Frage  eine  wirtschaftliche  in  erster  Linie 
und  eine  künstlerische  in  zweiter  Linie  ist  Jedenfalls  muß  aber  mit 
Rücksicht  auf  die  ideale  Seite  der  Frage  gefordert  werden,  daß  strebsamen 
neuen  Unternehmungen  oder  jungen  Künstlern  die  Aufführung  geschützter 
Werke  möglichst  erleichtert  wird.  Man  hat  sich  auch  bei  den  Beratungen 
im  Reichstag  seinerzeit  nicht  verhehlt,  daß  diese  Neuerung,  wie  alle  radi« 
kalen  Maßregeln,  auch  ihre  Bedenken  hat;  aber  man  hoifte,  daß  die  in 
Aussicht  genommene  »Anstalt  für  musikalisches  Aufführungsrecht*  alle 
Härten  beseitigen  und  gemeinnützigen  Zwecken  der  Komponisten  sich 
widmen  werde.  Diesen  Zielen  hat  sich  die  Anstalt  denn  auch  sofort  bei 
ihrer  Gründung  zugewandt;  ihre  Organisation  ist  kürz  die  folgende^):  Der 
»Genossenschaft  Deutscher  Tonsetzer*  in  Berlin  ist  die  »Anstalt  für 
musikalisches  Aufführungsrecht*  angegliedert,  die  Organe  beider  sind 
identisch.  Die  Tätigkeit  der  Anstalt  erstreckt  sich  auf  die  Verwertung  und 
den  Schutz  derjenigen  Aufführungsrechte,  die  ihnen  von  den  Berechtigten 
übertragen  worden  sind.  Diese  Übertragung  haben  so  ziemlich  alle  be* 
deutenden  Komponisten  und  Verlagsanstalten  vorgenommen,  sodaß  die 
Anstalt  die  weit  überwiegende  Masse  aller  überhaupt  bestehenden  Auf* 
führungsrechte  in  Deutschland  in  sich  vereinigt;  die  Vertragskontrahenten, 
die  diese  Abtretung  vorgenommen  haben  (Komponisten  oder  deren  Erben, 
Inhaber  des  Aufführungsrechtes  nachgelassener  Werke,  Musikverleger, 
Textdichter)  heißen  »Bezugsberechtigte*,  weil  auf  diese  der  Reingewion 
aus  den  Aufführungsgebühren  nach  einem  bestimmten  und  sehr  sinnreichen 
Einschätzungsplane  verteilt  wird.  Von  dem  Gesamtbeträge  der  eingehenden 
Aufführungsgebühren  werden  jedoch  nicht  nur  die  Verwaltungskosten  ab- 
gezogen, sondern  auch  noch  lO^o  des  so  verbleibenden  Nettoertrages  an 
die  Unterstützungskasse  der  Genossenschaft  abgeleitet.  Den  »Bezngs* 
berechtigten*  stehen  die  »Gebührenpflichtigen*  gegenüber;  darunter  fiallea 
alle  Veranstalter  einer  SCfentlichen  Aufführung  eines  geschützten  Werket 


^)  Für  die  liebenswürdige  Hilfsbereitschaft,  mit  der  mir  die  «Genotseoschafl* 
das  einscbligige  Mtteritl  zur  VerfQauni  stellte,  möchte  ich  ihr  auch  hier  verblndUdien 
Dank  sagen. 


»143  ttMfl 

HIRSQHBERG;  MUSIKALISCHES  URHEBERRECHT  SK 

der  Tonkunst;  Opern  und  Musikdramen  unterstehen  der  Tätigkeit  der  An- 
stalt nicht;  hier  werden  ja  von  den  Komponisten  stets  Separatverträge  ab- 
geschlossen. Eine  Erstreckung  der  Tätigkeit  der  Anstalt  auf  dieses  ganz  anders 
geartete  Gebiet,  bei  dem  der  Kreis  der  Abnehmer  ein  ganz  verschiedener  ist, 
erscheint  nicht  wünschenswert,  wird  auch  bisher  nicht  geplant.  Die  Ge- 
bühren werden  in  doppelter  Form  einkassiert:  entweder  als  «Einzel- 
gebühr' für  die  einzelne  Aufführung  oder  als  «Pauschgebühr";  im 
letzteren  Falle  zahlt  der  betreffende  ausübende  Künstler  eine  feste  Summe  für 
die  ganze  Vertragsdauer  und  erhält  dafür  das  Recht,  sämtliche  Werke,  die 
der  Anstalt  angehören,  aufzuführen.  Der  letztere  Modus  ist  für  Lieder- 
^nger,  ständige  Orchester  usw.  bei  weitem  bequemer  und  vorteilhafter, 
weshalb  er  denn  auch  in  der  weit  überwiegenden  Mehrzahl  aller  Fälle  an- 
gewandt wird;  so  wurden  an  ordentlichen  Einnahmen  1907  erzielt:  an 
Pauscbgebühren  etwa  127000  Mk.,  an  Einzelgebühren  nur  etwa  7400  Mk. 
Bemerkt  sei,  daß  die  Verwaltungskosten  relativ  sehr  gering  sind.  Gegen 
finanziell  schlecht  gestellte  Unternehmungen,  die  ernste  Ziele  verfolgen, 
lißt  die  Anstalt  möglichste  Rücksicht  walten;  auch  in  der  Bemessung  der 
Pauschgebühren  sucht  sie  die  ideale  Seite  der  Frage  im  Auge  zu  behalten. 
Daß  sie  gegen  prinzipielle  Leugner  ihrer  Rechte  schließlich  gerichtlich 
vorgeht,  ist  selbstverständlich.  Die  der  Anstalt  nicht  als  Mitglieder  oder 
Vertragskontrahenten  angehörigen  Komponisten  machen  von  dem  für  sie 
offenbar  zu  weitgehenden  Schutz  des  Gesetzes  meistens  überhaupt  keinen 
Gebrauch;  hier  ist  eben,  da  es  sich  vorwiegend  um  weniger  bekannte  Namen 
handelt,  der  ausübende  Künstler  der  Stärkere. 

Es  war  eben  von  der  öffentlichen  Aufführung  von  Opern  die  Rede; 
im  Anschluß  daran  muß  doch  über  die  durch  einen  Berliner  Prozeß  kürz- 
lich aktuell  gewordene  Frage  der  Urheberberechtigung  des  Textdichters 
ein  Wort  gesagt  werden.  Bei  Opern,  Chorwerken  usw.  hat  bekanntlich 
der  Librettist  an  seinem  Text  ein  selbständiges  literarisches  Autorrecht; 
wenn  also  dieses  noch  besteht,  dagegen  das  Recht  des  Komponisten  durch 
Zeitablauf  erloschen  ist,  ist  zwar  die  Musik  der  Oper  frei,  der  Text 
aber  nicht  (häufig  läßt  sich  der  Librettist  allerdings  sein  Recht  vom 
Musiker  abkaufen,  das  hat  auf  die  Dauer  desselben  aber  keinen  Einfluß). 
Trotz  dieser  selbständigen  Berechtigung  des  Librettisten  bestimmt  das  Ge- 
setz aus  praktischen  Gründen,  daß  zur  öffentlichen  Aufführung  einer  Oper 
oder  eines  sonstigen  Musikstückes  mit  Text  (inkl.  Lieder  I)  nur  die  Erlaub- 
nis des  Komponisten  erforderlich  ist.  Überhaupt  drückt  bei  der  Ver- 
bindung von  Musik  und  Dichtkunst  die  erstere  die  letztere  rechtlich  so 
ziemlich  tot;  denn  eine  in  diesen  Zusammenhang  gehörige  wichtige  Vor- 
schrift besagt  überdies,  daß  kleinere  Gedichte  und  Dichtungsteile  nach 
ihrem   Erscheinen  als  Text   zu   neuen  Musikwerken  verwendet  und  ver- 


144 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


vielfaltigt  werden  dürfen,  ohne  daß  hierzu  eine  Erlaubnis  des  Dichters 
erforderlich  wäre.  Jedes  Gedicht  von  nicht  bedeutendem  Umfang  kann 
also  von  jedermann  nach  Belieben  komponiert  werden;  ausgenommen  sind 
nur  solche  Gedichte,  die  ihrer  Gattung  nach  zur  Komposition  bestimmt 
sind.  Die  so  für  vogelfrei  erklärten  Dichtungen  (man  wird  diesen  Aus* 
druck  entschuldigen,  wenn  man  ihn  nur  auf  die  FflUe  bezieht,  in  denen 
ein  schönes  Gedicht  den  qualvollen  Tod  schlechter  Vertonung  gestorben 
ist)  dürfen  für  Konzertzwecke  dann  konsequenterweise  auch  als  Liedertezte 
vervielfältigt  werden. 

Das  öffentliche  Aufführungsverbot  gilt  nicht  für 

a)  Aufführungen  ohne  Entree,  die  keinen  gewerblichen  Zweck  verfolgen» 

b)  Volksfeste,  mit  Ausnahme  der  Musikfeste, 

c)  Wohltätigkeitsaufführungen,  bei  denen  alle  Mitwirkenden  auf  Honorar^) 
verzichten, 

d)  geschlossene  VereinsauflPührungen. 

Doch  fällt  die  bühnenmäßige  Aufführung  von  Opern,  Singspielen  usw. 
auch  in  diesen  Fällen  unter  das  Verbot. 

Ergänzend  sei  diesen  umfassenden  drei  Verbietungsrechten,  die  den 
Inhalt  des  Urheberschutzes  bilden,  hinzugefügt,  daß  der  Komponist  auf 
Grund  derselben  auch  allein  berechtigt  ist,  Auszüge  aus  seinem  Werk  her- 
zustellen oder  es  für  einzelne  oder  mehrere  Instrumente  oder  Stimmen  ein- 
zurichten; Klavierauszüge  usw.  von  Opern  oder  Symphonieen  können  also 
ohne  Erlaubnis  des  Komponisten  nur  von  fleißigen  Musikschülern  für  ihren 
Privatgebrauch  hergestellt  werden.  Dieses  ausschließliche  Bearbeitungs- 
recht des  Komponisten  erstreckt  sich,  wie  Allfeld  hervorgehoben  hat,  so- 
wohl auf  die  Reduzierung  der  Klangmittel  (Herstellung  von  Klavier- 
auszügen aus  Opern),  wie  auch  auf  die  Übertragung  auf  reichere  Aus- 
drucksmittel, z.  B.  Bearbeitung  eines  einfachen  Liedes  mit  Klavierbegleitung 
für  Chor,  Soli,  Orchester  und  Orgel. 

Damit  sind  die  beiden  Fragen  nach  dem  Begriff  des  Urhebers  und 
dem  Inhalt  des  Urheberrechts  in  ihren  Prinzipien  erschöpfend  beantwortet. 
Über  die  Dauer  des  Urheberrechts  nach  deutschem  Recht  brauche  ich 
nichts  zu  sagen,  denn  es  ist  ja  allgemein  bekannt,  daß  es  30  Jahre  nach 
dem  Tode  des  Urhebers  kraft  Gesetzes  erlischt;  man  muß  jedoch  hinzu- 
fügen, daß  nicht  allein  30  Jahre  seit  dem  Ableben  des  Autors,  sondern 
auch  außerdem  seit  der  ersten  Veröffentlichung  zehn  Jahre  abgelaufen  sein 
müssen,  sodaß  ein  erst  spät  veröffentlichtes  op.  posth.  also  die  30  Jahre 
ev.  überschreiten  kann. 


')  Man  versegenwirtige  sich  zu  diesem  Punkt  mit  einem  kleinen  Liebeln,  wie 
hier  der  Komponist  nolens  volens  in  den  Kreis  der  tufs  Honorar  Verzichtenden  auf- 
genommen wird! 


145 
HIRSCHBERG:  MUSIKALISCHES  URHEBERRECHT 


Nur  noch  einige  Pinselstriche  mfissen  dem  Bilde  hinzugefügt  werden, 
um  die  Ähnlichkeit  mit  dem  praktischen  Leben  noch  mehr  herauszuarbeiten; 
in  Wirklichkeit  bleibt  nämlich  das  Urheberrecht  fast  nie  in  dieser  reinen 
Gestalt  erhalten,  da  regelmäßig  durch  Verlagsvertrag  ein  Teil  der  urheber- 
rechtlichen Befugnisse  vom  Komponisten  dem  Verleger  fibertragen  wird* 
Auf  Grund  dieses  vertraglichen  Verhältnisses  wird  der  Autor  nämlich  nicht 
nur  zur  Überlassung  seines  Werkes  zwecks  Vervielfältigung  und  Verbreitung 
durch  den  Verleger  verpflichtet,  er  muß  auch  regelmäßig  dem  Verleger 
einen  Teil  seiner  Verbietungsrechte  übertragen;  so  ausgerüstet  kann 
der  Verleger  dann  nicht  nur  gegen  Dritte,  die  ins  Urheberrecht  eingreifen, 
vorgehen,  er  kann  sogar  nach  Maßgabe  des  Verlagsvertrags  dem  Autor 
selbst  verbieten,  irgendwelche  Vervielfältigungen  oder  Verbreitungen  des 
Werkes  vorzunehmen. 

Indes  wie  sich  dies  im  einzelnen  gestaltet,  kann  hier  nicht  erörtert 
werden,  da  nur  das  Urheberrecht  in  seiner  reinen,  unberührten  Gestalt, 
in  der  es  das  Licht  der  Welt  begrüßt,  dargestellt  werden  sollte;  es  genüge 
die  Andeutung,  daß  es  bei  der  Berührung  mit  dem  Verleger  einen  großen 
Teil  seines  Inhalts  diesem  zuwälzt  und  in  der  Person  des  Autors  daher 
erheblich  zusammenschrumpft. 

Eigentlich  wären  auch  noch  ein  paar  Worte  über  die  internationalen 
Verträge  zu  sagen;  denn  es  versteht  sich  von  selbst,  daß  es  für  den  Ur- 
heber nur  einen  fragwürdigen  Schutz  bedeuten  würde,  wenn  er  in  Deutsch- 
land 80  weitgehende  Rechte  hätte  und  außerhalb  des  Reiches  jedem  Nach- 
druck, jeder  Verbreitung,   jeder  Aufführung  schutzlos  preisgegeben  wäre. 
Aber  ich  muß  auch   an   dieser  Frage  mit  einem  bedauernden  Seitenblick 
vorübergehen,    wenn    ich    nicht   befürchten  will,    daß   bei   meinen  Unter- 
suchungen  —   wie   man  von   Mozarts   Leichenbegängnis    erzählt   —   das 
freundschaftliche  Geleite  am  Schlüsse  auf  ein  kleines  Häuflein  zusammen- 
geschmolzen   ist.     Daher   sei    nur    folgendes   hervorgehoben:    Der   große 
grundlegende  internationale  Schutzverband  wurde  gegründet  durch  die  sog. 
Berner  Obereinkunft  vom    9.  September  1886   mit  Pariser  Zusatzakte 
und  Deklaration  vom  4.  Mai  1896;    dieser  Konvention  gehören  vor  allem 
«n :  Deutschland,  Frankreich,  England,  Italien,  Norwegen,  Schweiz,  Spanien, 
Japan  und  —   Ha'iti.     Durch  SpezialVerträge  sind  mit  Deutschland  außer 
manchen  der  schon  genannten  verbunden :  Österreich-Ungarn  und  die  Ver- 
einigten Staaten.    Wir  vermissen   einige  europäische  Staaten  hier  mit  Er- 
staunen;   in  der  Tat  gewähren  uns  keinen  (gegenseitigen)  Urheberschutz: 
Portugal,  Schweden,  Niederlande,  Griechenland,  Dänemark  und  leider  auch 
Rußland.    Hier  bleibt  der  Zukunft  noch  manche  große  Aufgabe  vorbehalten. 
Während  ich  mich  dem  Schlüsse  zuwende,  fällt  mir  ein,  daß  ich  von 
-den  teils  zivilrechtlichen  (Schadenersatz,   Unterlassungsklage),  teils   straf- 


iL 


146 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


rechtlichen  (Geldstrafe,  Vernichtung  der  Nachdmcksexemplare)  Folgen  der 
Verletzung  eines  Autorrechtes  noch  nichts  gesagt  habe,  indes  es  dringen 
noch  so  viele  andere  Fragen  herzu,  die  auf  ihre  nahe  Verwandtschaft  mit 
dem  behandelten  Problem  pochen  können,  daß  nichts  Qbrig  bleibt,  als  mit 
einem  kurzen  Entschluß  die  Tfire  zuzuschlagen. 

Das  sind  also  in  großen  Zfigen  die  Rechte,  die  dem  Komponisten  aus 
der  Formgebung  seiner  Geistesschöpfung  erwachsen;  wenn  man  das  Retultiit 
der  ganzen  Untersuchung  auf  eine  kurze  Formel  bringen  will,  so  ist  es 
etwa  diese: 

Der  Urheber  eines  Werkes  hat,  solange  kein  Verlagsvertrag  ab- 
geschlossen wird,  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfSltiguiig,  gewerbs- 
mäßigen Verbreitung  und  Auffflhrung  seines  Werkes;  das  Urheberreclit  ist 
übertragbar  und  vererblich  und  erlischt  30  Jahre  nach  dem  Tode  des 
Komponisten. 

Ein  sehr  weitgehender  und  intensiver  Schutz  ist  es,  den  das  Gesett 
so  dem  musikalischen  Urheber  gewährt.  Die  Regelung  dieser  schwierigen 
Frage  darf  man  wohl  im  allgemeinen  als  eine  sehr  glfickliche  bezeiclmen* 
Denn  im  großen  und  ganzen  hat  das  Gesetz  offenbar  die  rechte  Mittel» 
linie  zwischen  der  freien  Zugänglichkeit  der  geistigen  Gfiter  einerseits  und 
einem  kräftigen  Schutz  des  Autors  andererseits  gefunden.  Darfiber  ist 
man  sich  eigentlich  ziemlich  einig;  nur  einige  ideale  Schwärmer  haben  den 
radikalen  Vorwurf  gegen  diese  Rechtsstellung  der  schaffenden  Kfinstler 
gerichtet,  daß  ein  Urheberrecht  überhaupt  nicht  existieren  dürfe,  weil  jede 
künstlerische  Schöpfung  von  Anfang  an  Gemeingut  des  Volkes  sein  mfisse; 
die  Bezahlung  des  Komponisten  oder  Dichters  sei  Staatsaufgabe  oder  Auf* 
gäbe  der  Großfinanziellen.  Indes  diese  Feinde  des  modernen  Urheber* 
Schutzes  haben  zwar  einen  Oberfluß  an  weltfremdem  Idealismus,  dafBr  aber 
eine  zu  geringe  Meinung  von  der  fortschreitenden  Kapitalisierung  des 
Marktes  für  künstlerische  Erzeugnisse;  denn  es  ist  zweifellos,  daß  eine 
Beseitigung  des  Urheberrechts  die  Kunst  nur  zum  Gemeingut  der  Verleger 
und  Musikalienhändler,  nicht  aber  zum  Gemeingut  des  Volkes  machen  wflrde. 
Wie  der  Urheberschutz  also  auszugestalten  ist,  um  den  lebendigen  Be-^ 
dürfnissen  zu  entsprechen,  darüber  kann  man  streiten;  unbestreitbar  ist 
aber  auf  jeden  Fall,  daß  er  nötig  ist. 


145 
HIRSCHBERG:  MUSIKALISCHES  URHEBERRECHT 


Nur  noch  einige  Pinselstriche  mfissen  dem  Bilde  hinzugefügt  werden, 
um  die  Ähnlichkeit  mit  dem  praktischen  Leben  noch  mehr  herauszuarbeiten; 
in  Wirklichkeit  bleibt  nämlich  das  Urheberrecht  fast  nie  in  dieser  reinen 
Gestalt  erhalten,  da  regelmäßig  durch  Verlagsvertrag  ein  Teil  der  urheber- 
rechtlichen Befugnisse  vom  Komponisten  dem  Verleger  übertragen  wird* 
Auf  Grund  dieses  vertraglichen  Verhältnisses  wird  der  Autor  nämlich  nicht 
nur  zur  Überlassung  seines  Werkes  zwecks  Vervielfältigung  und  Verbreitung 
durch  den  Verleger  verpflichtet,  er  muß  auch  regelmäßig  dem  Verleger 
einen  Teil  seiner  Verbietungsrechte  übertragen;  so  ausgerüstet  kann 
der  Verleger  dann  nicht  nur  gegen  Dritte,  die  ins  Urheberrecht  eingreifen, 
vorgehen,  er  kann  sogar  nach  Maßgabe  des  Verlagsvertrags  dem  Autor 
selbst  verbieten,  irgendwelche  Vervielfältigungen  oder  Verbreitungen  des 
Werkes  vorzunehmen. 

Indes  wie  sich  dies  im  einzelnen  gestaltet,  kann  hier  nicht  erörtert 
werden,  da  nur  das  Urheberrecht  in  seiner  reinen,  unberührten  Gestalt, 
in  der  es  das  Licht  der  Welt  begrüßt,  dargestellt  werden  sollte;  es  genüge 
die  Andeutung,  daß  es  bei  der  Berührung  mit  dem  Verleger  einen  großen 
Teil  seines  Inhalts  diesem  zuwälzt  und  in  der  Person  des  Autors  daher 
erheblich  zusammenschrumpft. 

Eigentlich  wären  auch  noch  ein  paar  Worte  über  die  internationalen 
Verträge  zu  sagen;  denn  es  versteht  sich  von  selbst,  daß  es  für  den  Ur- 
heber nur  einen  fragwürdigen  Schutz  bedeuten  würde,  wenn  er  in  Deutsch- 
land 80  weitgehende  Rechte  hätte  und  außerhalb  des  Reiches  jedem  Nach- 
druck, jeder  Verbreitung,  jeder  Aufführung  schutzlos  preisgegeben  wäre. 
Aber  ich  muß  auch  an  dieser  Frage  mit  einem  bedauernden  Seitenblick 
vorübergehen,  wenn  ich  nicht  befürchten  will,  daß  bei  meinen  Unter- 
suchungen —  wie  man  von  Mozarts  Leichenbegängnis  erzählt  —  das 
freundschaftliche  Geleite  am  Schlüsse  auf  ein  kleines  Häuflein  zusammen- 
geschmolzen ist.  Daher  sei  nur  folgendes  hervorgehoben:  Der  große 
grundlegende  internationale  Schutzverband  wurde  gegründet  durch  die  sog. 
Berner  Obereinkunft  vom  9.  September  1886  mit  Pariser  Zusatzakte 
und  Deklaration  vom  4.  Mai  1896;  dieser  Konvention  gehören  vor  allem 
an :  Deutschland,  Frankreich,  England,  Italien,  Norwegen,  Schweiz,  Spanien, 
Japan  und  —  Haiti.  Durch  SpezialVerträge  sind  mit  Deutschland  außer 
manchen  der  schon  genannten  verbunden :  Österreich-Ungarn  und  die  Ver- 
einigten Staaten.  Wir  vermissen  einige  europäische  Staaten  hier  mit  Er- 
staunen; in  der  Tat  gewähren  uns  keinen  (gegenseitigen)  Urheberschutz: 
Portugal,  Schweden,  Niederlande,  Griechenland,  Dänemark  und  leider  auch 
Rußland.    Hier  bleibt  der  Zukunft  noch  manche  große  Aufgabe  vorbehalten. 

Während  ich  mich  dem  Schlüsse  zuwende,  fällt  mir  ein,  daß  ich  von 
den  teils  zivilrechtlichen  (Schadenersatz,   Unterlassungsklage),  teils   straf- 


148 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


M 


Vergleich    herangezogen    wird.      Vorerst   seien  einmal    die   Stellen   ohne 

weiteren  Kommentar  nebeneinandergestellt.    Zunächst  Handel: 

Arioso: 
Larghetto 


^ 


K 


f\,  if.'J    'hl^    «;>;■;   ipu^rc  ffj  r 


Sebtuhln,      und  (leb,  schanhio,       und  aleh;      wer  kennet  «olche  Qualen 


Bei  Beethoven  handelt  es  sich  nm  eine  Episode,  die  unmittelbar  vor  dem 
zweiten  mit  drei  Kreuzen  versehenen  Teil  steht.  Es  kommen  im  ganzen 
neun  Takte  in  Frage;  doch  sollen  nur  die  ersten  zitiert  werden,  obgleich 
der  achte  and  neunte  (Beginn  des  mit  drei  Kreuzen  versehenen  Teils) 
eine  besondere  'Wichtigkeit  haben.  Indessen,  mag  jeder  die  Stelle  selbst 
nachschlagen: 


■li 


i 


■^ 


m 


^^ 


1^%. 


usw. 


^^^p^im 


Brahms  zitiert  sich  mit  Angabe  dieser  Stelle  beinahe  von  selbst 
gebe  von  der  Partitur  einzig  soviel,  als  für  unsern  Fall  in  Betracht  Im 


149 
HEUSS:  EINE  PARALLELE 


Es  ist  bezeichnend,  daß  Riemann  die  Brahmssche  Stelle  direkt  auf 
Händel  bezog,  obgleich  die  äußeren  Ähnlichkeiten  mit  dem  Beethovenschen 
Teil  sich  viel  rascher  aufdrängen.  Nicht  nur  die  Themagestalt  ist  bei 
Beethoven  ganz  ähnlich,  sondern  Brahms  hat  auch  die  arpeggierte  Be- 
gleitung der  Bässe  (Violoncelle  und  Violen)  sichtlich  nachweisbar  von 
Beethoven  übernommen.  Dennoch  hat  Händel  noch  beinahe  mehr  oder 
ebensoviel  mitgewirkt.  Da  ist  vor  allem  einmal  die  Tonart.  E-moll  mit 
ihrem  ausgeprägten  Stimmungscharakter  ist  keine  zufällige  Tonart,  und 
•sowohl  für  das  Händeische  Stuck  als  für  die  Symphonie  überaus 
'Charakteristisch.  Auf  Händel  ist  aber  auch  wohl  der  nachschlagende 
Rhythmus  der  Holzbläser  zurückzuführen;  denn  das  nachschlagende,  so 
eigentümlich  schwebende  Orchestermotiv  gibt  dem  Händeischen  Stück 
zu  einem  guten  Teil  seine  Eigenart.  In  der  Stimmung  schließt  sich 
Brahms  stärker  an  Händel,  in  der  Thematik  stärker  an  Beethoven  an. 

Etwas  schwieriger  ist  es  nachzuweisen,  daß  die  Beethovensche  Stelle 
«uf  Händel  fußt.  Sicherlich  handelt  es  sich  um  einen  ganz  freien  und 
vielleicht  unbewußten  Niederschlag.    Daß  die  Motive  sich  stark  gleichen,  z.  B. 

I: 


* 


'—j^'l^F     J—  etwas  ganz  ähnliches  ist  wie: 


drängt  sich  ohne  weiteres  auf.     Wichtiger  ist  aber  noch  die  Stimmung  der 

beiden  Stellen,  die,  bei    Händel   klar  ausgeprägt,   durch   Beethoven    eine 

starke,  subjektive  Steigerung  erfahren  hat.    Sehr  bezeichnend  sind  hierfür 

die   zwei   Takte   in   fis-moll   bei   Beethoven  (in  dem  Notenbeispiel  nicht 

mitgeteilt),  die  durch  die  von  Beethoven  gegebene  Bemerkung  smorzando 

ein  helles   Licht  (auf  die  ganzen  Takte)  werfen.     »Wer  kennet  solche 

Qualen,   schwer   wie  seine   Qualen",    diese   Worte   des  Händeischen 

Textes    dürfte    man    mit   einem    gewissen    Recht    über   diese   Takte    des 
VIL  21.  11 


150 
DIE  MUSIK  VIL  21. 


m 


m^Blf 


Beethovenschen  Satzes  setzen  oder  sie  wenigstens  in  diesem  Sinne  ver» 
stehen,  wobei  man  sie  allerdings  auf  Beethoven  selbst  beziehen  wird» 
Gerade  dieses  Analogen  berechtigt  noch  besonders  zu  der  Annahme^ 
daß  Beethoven  bei  dieser  Stelle  der  bei  ihm  ip  Fleisch  und  Blut 
übergegangene  «Messias'  von  Händel  vorschwebte.  Jedenfalls  wird  man* 
zugeben  müssen,  daß  das  Beethovensche  smorzando  kaum  eine  sinnigere 
Erklärung  als  durch  den  Hinweis  auF  diese  Stelle  im  «Messias*  finden  kann.. 
Ein  Wort  noch  über  den  Brahmsschen  Satz  im  Zusammenhang  mit 
den  beiden  Vorgängern  dieses  Themas.  So  offensichtlich  es  ist,  daO« 
Brahms  nicht  zufällig  auf  das  wichtigste  Material  seines  ersten  Satzes 
dieser  Symphonie  kam,  so  offenkundig  ist  es  für  jeden,  der  einen  Einblick  in  die 
Art  und  Weise  hat,  wie  große  Komponisten  fremdes  Material  benfitzen,  daß» 
Brahms  trotz  allem  ein  ganz  Neues,  Selbständiges  geschaffen  hat.  Man  darf 
sogar  betonen,  daß  erst  Brahms  den  Gedanken  seiner  Vorgänger  ihre  voll* 
kommene  Ausbildung  gegeben  hat,  daß  er  es  ist,  der  diese  Gedanken  an» 
helle  Licht  zog  und  sie  derart  selbständig  weiterbildete  und  mit  seiner 
Persönlichkeit  durchtränkte,  daß  man  trotz  allem  erst  hier  etwas  völlig 
Abgerundetes  vor  sich  hat.  Bei  Händel  handelt  es  sich  um  ein  kleines  Stflck,  bei 
Beethoven  um  eine  Episode.  Wer  wird  hier  von  Plagiat  reden,  so  f^i-^ 
gebig  man  heute  —  Händel  gegenüber  —  mit  diesem  Ausdruck  hemm-- 
wirft?  Gerade  bei  Brahms  lassen  sich  bekanntlich  eine  Menge  Themeoi 
auf  solche  früherer  Komponisten  zurückführen,  seine  SchalTensweise- 
gleicht  in  dieser  Beziehung  sehr  stark  der  Händeischen.  Bei  keinem  ver^ 
nünftigen  Beurteiler  Händeis  hat  der  Respekt  vor  Händel  dadurch  auchi 
nur  die  geringste  Einbuße  erlitten,  und  es  gibt  hierfür  nichts  Charak- 
teristischeres, als  daß  gerade  begeisterte  Händelforscher  es  sind,  die  un*- 
ermüdlich  das  Material  hervorziehen  und  untersuchen,  das  Händel  benutzt 
hat  Möge  man  Brahms  gegenüber,  der  überaus  viel  von  früheren  Kom- 
ponisten verwertet  hat,  was  sich  heute  noch  lange  nicht  genügend  nach* 
weisen  läßt,  einmal  nicht  eine  solche  Stellung  einnehmen,  wie  sie- 
heute vielfach  Händel  gegenüber  so  beliebt  ist.  Man  darf  hervor- 
heben, daß  gerade  auch  diese  Händel-Beethovensche  Benutzung  von» 
Seiten  Brahms'  sein  starkes  Bewußtsein  von  Selbständigkeit  und  Eigen- 
art zeigt  Einem  Brahms,  der  einen  Cbrysander  an  der  Arbeit  sah,  wie 
dieser  die  verborgensten  Werke  ans  Licht  zog,  die  Händel  gekannt  und 
benutzt  hat,  konnte  es  nicht  entgehen,  daß  seine  »Entlehnungen*  frfiher 
oder  später  aufgedeckt  würden.  Dennoch  trug  er  kein  Bedenken,  wie 
hier,  thematisches  Material  fremder  Komponisten  in  einer  seiner  be- 
deutendsten Schöpfungen  zu  verwerten  und  zwar  gleich  an  der  Spitze  des 
Werkes.  In  unserer  Zeit,  die  sich  auf  den  subjektiven  Ausdruck  so  viel 
zugute  tut  und  deshalb  auch  der  Ansicht  ist,  daß  nur  ein  eigenes  Thema  deir 


151 
HEUSS:  EINE  PARALLELE 


reine  Ansdnick  eines  Komponisten  sein  könne,  will  dies  Immerbla  etwas 
helftea.  Glücklicherweise  hat  —  fflr  unsere  Zeit  —  gerade  Brahms  ge- 
zeigt, daß  weder  die  Eigenart  eines  Komponisten  noch  die  moderoe  Mnaik 
Bberhaupt  von  derartigen  Parallelen  In  entscheidender  Weise  abhängig  ist 
Der  Wert  derartiger  Parallelstellen  rür  die  Musikästhetik  möge  hier 
mit  keinem  Worte  berfihrt  werden,  weil  dabei  Fragen  zur  Sprache  kommen 
müßten,  die  nar  im  grölten  Zusammenhange  eine  ergiebige  Bebandlung 
erfahren  können.  Schließlich  darf  vielleicht  —  einzig  als  bescbeidene 
Anregung  —  ausgesprochen  werden,  daß  es  allmShlich  Zeit  wSre,  wenn 
die  vielen  Beetbovenschriftsteller  einmal  daran  gingen,  unter  anderem  auch 
das  Verhlltnis  Beethovens  zu  HIndel  des  näheren  zu  untersuchen.  Aus 
dem  Biographischen  mQßte  die  Beethovenkunde  doch  allmählich  energisch 
herauskommen.  Oder  wartet  ale  auch  hier  auf  das  Eingreifender  Musik- 
wissenschaft, die  mit  der  Erforschung  noch  recht  dunkler  Zelten  vom 
10.  bis  19.  Jahrhundert  noch  lange  reichlich  zu  tun  hat?  Es  ist  jeden- 
Mlscbanütteristlsch,  daß  wir  Qber  einen  Bach  und  HXndel,  trotz  der  Schwierig- 
keit des  zu  bewältigenden  Stoffes,  in  kunstgescblcbtlicher  Beziehung  eigent- 
lich ein  viel  besseres  Wissen  besitzen,  als  über  Beethoven. 


Der  Künstler  an  die  Kunst 
I. 
All  meine  Liebe  will  ich  freudig  giefien 
In  deinen  Kelch,  du  hehres  GStterklnd; 
Ich  will  vor  deinem  reinen  Ang  erschließen 
Die  Schätze,  die  In  mir  verborgen,  sind. 
Was  ich  empBnde,  vas  ich  rüblend  denke, 
Das  will  ich  anvertrauen  deiner  Huld, 
Dafi  es  der  Armen  Brust  mit  Wonne  trXnke 
Und  bring  Vergessen  aller  trüben  Schuld. 
Du  bist  das  Leben,  du  das  Spiel  der  Spiele. 
Die  Menschen  wissen  nimmer,  was  sie  treiben; 
Dafi  sie  als  Werkzeug  dienen  deinem  Ziele 
Und  noch  befehlend  deine  Sklaven  bleiben. 

Doch  mich  bast  du  bestellt  zu  ihrem  Herrn. 

So  lafi  mich  selig  folgen  sel'gem  Stern. 

II. 

Die  du  mein  Sehnen  füllst  mit  süßem  Schauer, 
Mach,  dafi  ich  ständig  deinen  Odem  spure; 
Gib  deinem  stillen  Wirken  stete  Dauer, 
Auf  daß  der  Lockung  Macht  mich  nicht  verführe. 
Verhüte,  dafi  ich  wanke,  wenn  sie  kommen, 
Mir  ihre  falsche  Seligkeit  zu  zeigen, 
Und  wolle  nicht,  daß  deine  Boten  schweigen. 
Wenn  sie  der  zagen  Seele  Ruf  vernommen. 
Senk  heiigen  Durst  in  meines  Herzens  Tiefe, 
Und  mach  mich  reif  für  Einsamkeit  und  Leiden; 
Die  letzten  Gründe  meiner  Wünsche  prüfe. 
Ob  sie  die  Pfade  deiner  Weisung  melden. 

Umgib  mein  täglich  Werk  mit  deinem  Schimmer, 
Dafi  schön  es  sei  und  liebt  so  heut  wie  immer. 


153 
NADEL:  GEDICHTE 


m 


An  die  Musik 

Wenn  Worte  Zeichen  sind  für  Geist,  — 

Du  bist  das  Edelste  von  allem, 

Was  Geist  und  Seele  bergen. 

Du  bist  das  Atmen  tiefster  Beweger, 

Der  Zauber  uralter  Schöpfer. 

In  dir  ist  der  Rede  Beginnen  und  ^nde; 

Du  rufst, 

Und  alle  vergessen  ihr  Werden 

Und  ahnen  ihr  eigenstes  Leben, 

Du  schweigst, 

Und  die  Schönheit  war. 

Du  bist  alle  Wahrheit. 

Von  allem  Heiligen  auf  Erden 

Bleibst  du  uns  treu  allein,  — 

Du  hältst  die  Wacht, 

Wenn  Frevlerhand 

Des  Himmels  Tür  erbrechen  will. 

Vor  Gott,  dem  Herrn. 


Das  Konzert 

Merk  auf!     Nun  naht  die  Kunst  und  mit  ihr  Liebe. 
Es  webt  im  Saal  ein  seltsam  stilles  Leben, 
Das  macht  des  Daseins  tiefsten  Grund  erbeben. 
Und  jäh  verstummen  alle  bösen  Triebe. 
Der  dort  in  Seligkeit  der  Andacht  lauscht. 
Er  ist  im  Geist  ein  eitler  Geck,  ein  Tor; 
Das  Mädchen  hier,  es  weilt  im  heiigen  Chor, 
Ein  seichtes  Lob  ists  sonst,  was  sie  berauscht. 
Und  alle,  die  sich  selber  kaum  erkennen, 
Sie  leben  anderwärts  und  leben  gut; 
In  reines  Fühlen  wandelt  sich  ihr  Blut 
Sie  spüren  Kräfte,  die  nicht  Worte  nennen. 

Ein  Hauch  der  Ewigkeit  umweht  die  Seelen, 
Ein  Ahnen,  wie  sich  Sein  und  Sinn  vermählen. 


154 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


Der  Rbythmus 

Es  geht  durch  Knast,  durch  Zeit  und  Raum  ein  Geist 

Mit  würdevollen,  strenggemessnen  Schritten; 

Kein  Zauberwort,  kein  Zwingen  und  kein  Bitten, 

Den  niemand  noch  besiegt,  vom  Wege  weist. 

Es  zShmt  die  Flut  in  Vort  und  Ton  sein  Hauch, 

Den  ruhelosen  Trieb  in  Bild  und  Stein, 

Und  er  ists,  der  in  Blume,  Bium  und  Strauch 

Die  Formen  raubt  dem  fahlen,  starren  Sein. 

Es  achten  seines  Winks  die  lichten  Sterne, 

Es  folgen  seinem  Rufe  Lust  und  Leid; 

Es  wechselt  selbst  die  Welt  in  fernster  Feme 

Auf  sein  Geheiß  ihr  buntgewirktes  Kleid. 

Die  Tore  fremder  Welten  sind  ihm  nah; 

Wer  ihn  geschaut,  begreift,  was  je  geschab. 


XI. 

Karliroh,  d.  20.  Aupisi  33. 
IJflber  Brndert 

Hitteat  Du  mir  nicht  (eiaft,  daH  Dir  Rocki')  Briefe  aDangenebm  sind,  well 
«is  Immer  lo  viele  Venlcberanteo  eeloer  Liebe  und  Freundscbafi  eDtbielten,  to 
UttMt  Dn  (flwlB  schon  den  Tee  nach  meiner  Abreiae  aue  Darmatadt  eine  viel- 
■eiüfe  Uebeaerklirnoc  von  mir  erhallen,  denn  ea  bat  rolcb  vabrhaTi  |lQckaeli(  fc- 
macht,  als  Ich  Dich  vlederaab  nnd  Dir  (nachdem  Ich  meine  ,criefi'  vom  Herzen 
bemater  (eredet  batie)  safen  dnrfte,  vle  lener  und  wert  Du  meinem  Herzen  biet, 
und  iah,  dafi  auch  Dir  an  der  Seile  Delnea  llebsndea  Jucendfrenndes  bebafllch  za 
Mute  var.  —  So,  nun  wird  ea  doch  ein  Rockacher  Brief  nnd  toUie  sa  doch  nicht 
Doch  ea  dringt  mich  Dir  ea  wenlfstena  einmal  in  laiea. 

Die  Stunde  unaerer  Zuaammenknnfi  hatte  mich  ao  befeiatert,  daß  Ich  im  Tagen 
komponierte,  achvirmle,  velnte,  lachte,  allea  durcheinander  wie  ein  Narr.  Ala  ich 
wieder  etwaa  vemBaftlg  geworden  war,  laa  ich  Deine  .Hymne  an  Gott*.  Ein  hSchst 
InteresaanMs  originelles  Terk.  Zart  und  roll  jener  Voglerlicben  melodlSsen  Har- 
monieenfolgea  iai  die  Introduktion,  die  Fuge  kfibn  n.  voller  neuen  Tendungon, 
oameotlleh  la  den  Epiaoden.  HItte  Ich  etwaa  daran  auaznseuen,  so  wlre  ei,  daß 
Dn  bei  der  ersten  Anlage  nicht  mehr  auf  Verscbiedensrtlgkelt  der  Figuren  unter  den  ver- 
schiedenen Kontrssublsktsn  gesucht  hsai.  Manche  gelstreiche  IntentlOD  and  guter 
Eintritt  rauQ  dadurch  FDr  das  gewöhnliche  Dllettsnteaohr  verloren  gehen.  Ich  boffe, 
Du  nimmst  ea  nicht  fibel,  daH  ich  Dein  Geicbenk  wieder  verschenkte  und  es  dem 
Schelble*)  In  Frankfurt  für  den  Caeclllen* Verein  mitteilte.  Sie  führen  dort  vor- 
trenicb  alles  ana. 

Nun  lebe  wohl,  Bruder,  nnd  grSße  Deine  treltliche  Frau.  Hat  Dich  unser 
TIederseben  nur  halb  so  erwirmt  und  gefreut  als  mich,  so  wirst  Dn  gewiß  In  Zukunft 
wieder  mehr  Zell  der  gfittllcbea  Kunst  weihen,  der  Du  Dieb  durch  Deine  klssslsche 
Tonlehre  ao  hoch  verdient  gemacht  haat,  die  aber  eben  deshalb  noch  mehr  von  Dir 
zu  fordern  berechtigt  Ist,  vor  allem  Volleadung  eben  jeaes  groBea  Verkes. 

FBr  den  Brief  aa  Thlbaut*)  danke  Ich  herzlich.  Ich  habe  nach  Heidelberg 
der  Post  dämm  geachrieben,  um  Ihn  bei  gQasHger  Gelegenheit  elasi  benuusn  an 
fcSnnen,  denn  leider  muß  Ich  morgea  aach  Paris,  jedoch  hoffeaillch  nur  auf  kuTM 


>)  VgL  voriges  Heft  S.  10  A.  1. 

*i  Joh.  Nepomnk  Schelble,  der  Begründer  nnd  langjihrige  Leiter  dea  Caedllea- 
Veralaa  in  Frankfun  a.  M.  (I7B9-1837). 

^  Der  Heidelberger  Jurist  A.  F.  J.  Thibaut  (1774-1840),  VerfUaer  des  be- 
rthmtea  Terkea  (1825)  .Ober  Reinheit  der  Toaknnaf. 


156 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


Ji 


Zeit.  Hast  Du  mir  irgend  Wunsche  oder  Auftrige  für  dort  mitzuteilen,  so  adressiere 
sie  iL  Mr.  Gouin,  Chef  de  division  k  It  grande  poste,  Rue  J.  J.  Rousseau  (pour 
Mr.  Meyerbeer)  ä  Paris. 

Herzliche  Grfiße  von  Dusch i),  welcher  die  Grippe  hat,  doch  bald  wieder  aus- 
gehen wird. 


XII. 

Baden,  den  16.  OIctober  37« 

Lieber  Bruder 

Von  einer  Exkursion  nach  dem  Oberlande,  welche  drei  Tage  wihren  sollte  u» 
woraus  15  wurden,  bin  ich  gestern  zurfickgekehrt  u.  finde  Deinen  lieben  Brief*), 
welchen  ich  trotz  meiner  Schreibefaulheit  gleich  zu  beantworten  eile,  um  so  mehr 
da  er  dem  Datum  nach  lange  schon  angelangt  ist. 

Es  tat  mir  unendlich  weh,  Dich  bei  meiner  Durchreise  in  Darmstadt  nicht 
getroffen  zu  haben.  Ich  hatte  Dir  vieles  zu  sagen,  was  ich  fiber  Dich  wihrend  meiner 
Reise  spekuliert  hatte,  denn  unsre  letzte  Zusammenkunft,  Deine  trübe  Stimmung  hatteo 
mir  die  alte  warme  Liebe  und  Anhinglichkeit  für  meinen  Gotth-Ied,  für  sein  großes 
Talent,  seine  leuchtende  Intelligenz  wieder  wie  durch  einen  Zauberschlag  In  die  Seele 
gehext.  Leider  wird  bei  meiner  entsetzlichen,  unbesiegbaren  Schreibefaulheit  In 
20  Briefen  nicht  so  viel  u.  Gescheutes  herauskommen  als  in  einem  einzigen  Ge- 
spriche.    Allein  ich  will  es  versuchen. 

Einer  der  Gegenstinde,  weshalb  ich  Dich  gern  gesprochen  hitte,  betraf  die 
KönigL  Akademie  der  Künste  zu  Berlin.  Unter  den  deutschen  Akademleii 
nimmt  diese  unbestritten  den  ersten  Rang  ein.  Seit  4  Jahren  hat  sie  auch  eine 
musikalische  Sektion  (deren  Mitglied  ich  auch  bin).  Sie  nimmt  natürlich  wie  alle 
Akademien  ft'emde  berühmte  Künstler  als  Ehrenmitglieder  auf.  Ich  dachte,  daß  elD 
Mann  wie  Du,  dessen  Werk*)  ihn  zu  den  allerersten  der  jetzt  lebenden  Theoretiker 
erhebt,  schon  lingst  Ehrenmitglied  wire.  Doch  dem  war  nicht  so.  Ich  sprach  mit 
dem  beständigen  Sekretär  der  Akademie  der  Künste,  dem  (sehr  einflußreichen)  Pro- 
fessor Tölken^)  und  machte  ihm  Vorwürfe,  daß  ein  Name  wie  der  DelnIge  nnsrer 
Akademie  fehle,  um  so  mehr  da  Du  so  artig  gewesen  wirst,  mir  bei  meiner  Durch- 
reise Dein  berühmtes  Werk  nebst  einem  Brief  an  die  Akademie  mitzugeben,  welches 
ich  der  Akademie  als  hommage  von  Dir  hitte  überreichen  sollen,  allein  In  Frankfurt 
leider  aus  Versehen  vergessen  hätte  (verzeihe  mir  die  Lüge).  Ich  sprach  auch  mit 
mehreren  andern  Mitgliedern  u.  machte  bei  der  jährlichen  Sitzung,  wo  neue  Mitglieder 
ernannt  werden,  u.  welche  während  meiner  Anwesenheit  in  Berlin  flel,  die  Motion* 
Allein  ich  hatte  die  Reglements  nicht  genug  gekannt.  Die  Namen  der  aufiunehmendeB 
KünsUer  müssen  von  derjenigen  Kunstsektion,  wozu  sie  gehören,  dem  Direktor 
mehrere  Zeit  vor  der  Sitzung  schriftlich  präsentiert  werden,  ehe  die  Generalversamm* 
lung  über  sie  ballotiert.  Ferner  waren  dieses  Mal  der  musiluülschen  Sektion  nur 
2  Ehrenmitglieder  gestattet  worden,  und  diese  hatte  schon  längst  den  Dr.  Löwe*)  aus 


')  Vgl.  voriges  Heft  S.  76  A.  11. 

*)  Konzept  Webers  nicht  in  dessen  Nachlaß  enthalten. 

')  .Versuch  einer  geordneten  Theorie  der  Tonsetzkunst." 

*)  Ernst  Heinrich  Tölken  (1785—1869). 

^)  Den  bekannten  Balladenkomponisten  (1796—1869). 


ÜL. 


157 
ALTMANN:  MEYERBEER  AN  GOTTFRIED  WEBER 


Stettin  und  den  Dessttter  Schneider^)  dazu  aufgeschrieben.  Doch  brachte  ich  nun 
Deine  Wahl  für  das  nichste  Mal  auch  vor  der  musikalischen  Sektion  lebhaft  zur 
Sprache  und  hoffe,  daß  in  der  nächsten  Sitzung  ohnfehlbar  Du  ernannt  wirst*).  Diese 
ist  aber  freilich  erst  im  Mai.  Tue  mir  nun  den  GefUlen,  lieber  Bruder  (es  versteht 
sich,  daß  Du  alles  dieses  ignorieren  mußt,  denn  es  ist  den  Mitgliedern  nicht  erlaubt, 
den  Inhalt  der  vertraulichen  Sitzungen  mitzuteilen)  und  schicke  sobald  als  möglich 
ein  Exemplar  Deines  Werkes  als  hommage  an  die  Akademie  nebst  einigen  Zeilen  an 
die  Akademie  der  Kfinste  in  corpore;  adressire  dieses  an  den  Herrn  Professor  Tölken, 
bestindigen  Sekretär  der  KönigL  Akademie  der  Künste  . . .  und  begleite  dasselbe  mit 
einem  recht  freundlichen  Privatschreiben  an  Professor  Tölken  des  Inhaltes,  daß  ich 
Dich  unterrichtet  hätte,  er  sei  der  S6cretaire  perpetuel  der  Akademie  u.  wfirde  mithin 
die  Gfite  haben,  der  musikalischen  Sektion  dieses  Werk  als  ein[en]  Beweis  Deiner 
Achtung  für  die  ganze  Akademie  zu  fibereichen.  Es  ist  ein  einflußreicher  und  dabei 
sehr  achtungswerter  Mann,  welcher  sich  warm  für  Deine  Wahl  interessiert  (welches 
Du  aber  auch  natfirlich  ignorieren  mußt.) 

Der  zweite  zu  besprechende  t^unkt  betraf  die  Pariser  Akademie,  l'Institut  de 
France.  Wie  kannst  Du  Dir  nur  denken,  lieber  Bruder,  daß  ich  für  einen  so 
berühmten  Schriftsteller  wie  Du  einen  Brief  fabrizieren  werde?  Ich,  der  Jetzt  schon 
über  die  lumpige[n]  Zeilen  dieses  Briefes  ächze  und  schwitze,  als  trüge  ich  Centner- 
last I  Doch  sollte  es  Dich  genieren,  ihn  französisch  zu  schreiben,  so  sende  ihn 
mir  deutsch,  ich  will  ihn  gern  übersetzen.  Der  Brief  wird  übrigens  in  der  Sitzung 
vorgelesen;  es  wäre  also  gut,  wenn  er  soigniert  wäre.  Es  wäre  femer  gut,  wenn  Du 
diesem  Briefe  einen  Privatbrief  an  M£  le  Chevalier  Berten*),  membre  de  Tlnstitut, 
beifügtest,  des  Inhaltes,  daß  Du  wohl  wüßtest,  es  sei  Sitte,  die  Sendungen  für  die 
Akademie  an  den  söcretaire  perpetuel  zu  schicken,  allein  Du  hättest  Dir  das  Ver- 
gnügen nicht  versagen  [können],  sie  an  den  trefPlichen  Komponisten  Berten  zu 
adressieren,  den  Du  nicht  nur  als  den  berühmten  Komponisten  der  »Aline",  »Montana 
st  Stephanie"  und  anderer  Meisterwerke  bewunderst,  sondern  in  dem  Du  auch  den 
Verfasser  trefflicher  theoretischer  Werke  ehrtest.  Du  glaubtest  daher,  es  wäre  daher 
am  passendsten  und  für  Dich  am  ehrenvollsten,  wenn  die  Akademie  aus  seinen 
Händen  Dein  hommage  erhielte. 

Diese  beiden  Briefe  sende  mir  aber  recht  bald,  denn  wenn  ich  nicht  irre,  so 
geschehen  die  Wahlen  der  »membres  correspondants*  gegen  Ende  des  Jahres.  Deine 
beiden  Briefe  nebst  Deinem  Briefe  sende  ich  an  Berten  und  schreibe  ihm  nebst 
mehreren  andren  Gliedern  der  musikalischen  Sektion  und  noch  andern  das  Nötige 
dazu.  Zum  Patron  nehmen  wir  deshalb  Berten,  weil  er  als  der  einzige  Litterat  der 
musikalischen  Sektion  das  größte  Gewicht  bei  den  Wahlen  hat. 

Außerdem  werde  ich  noch  an  Kästner^)  schreiben,  einen  jungen  Straßburger 
und  Schüler  Bertons,  welcher  trefflich  deutsch  versteht,  daß  er  sich  vor  Abgabe 
Deines  Werkes  an  die  Akademie  dasselbe  von  Berten  geben  läßt,  um  in  der  »Ga- 
zette  musicale  de  Paris*  darüber  einen  Bericht  zu  erstatten,  den  ich  dann  den 
6  Mitgliedern  der  musikalischen  Sektion  mitteilen  werde.    Weit  besser,  zweckmäßiger 


^)  Friedrich  Schneider,  der  Komponist  des  berühmten  .Weltgerichts"  (1786 
bis  18S3). 

*)  Geschah  auch  wirklich. 

*)  Henri  Montan  Berten,  1767—1844,  Komponist  u.  a.  von  48  Opern. 

^)  Joh.  Georg  Kastner  (1810—1867),  der  sehr  verdiente  Theoretiker  und  Kom- 
ponist, dessen  Biographie  (in  drei  Bänden)  Hermann  Ludwig  (v.  Jan)  geschrieben  hat. 


158 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


und  kürzer  wäre  es  aber,  Du  schicktest  mir  diejenife  der  Recensionen,  die  Aber 
Dein  Werk  erschienen  sind,  welche  Du  als  die  gründlichste,  erschöpfendste  und  die 
genügendste  betrachtest  (es  sei  nun  gedruckt  oder  handschriftlich),  und  ich  würde 
dafür  sorgen,  daß  sie  etwas  arrangiert  und  übersetzt  in  der  »Gazette  musicale  de  Paris* 
al sobald  erschiene. 

Für  heute,  lieber  Bruder,  habe  ich  meiner  Schreibefkulheit  schon  das  IMögliche 
zugemutet  Ich  verschiebe  es  auf  morgen.  Dir  in  einem  zweiten  Brief  Ton  den  andern 
Gegenstinden  zu  sprechen,  die  ich  Dir  noch  mitteilen  wollte,  wie  auch  über  den 
Inhalt  Deines  lieben  Briefes.  Vorläufig  sende  ich  Dir,  wie  Du  es  verlangst,  das 
Schreiben  der  D!!«  H.^)  zurück.    Grüße  Deine  treue  mir  stes  werte  GusteL 

Dein  ewig  treuer 

Meyerbeer 


XIII. 

Baden,  d.  20.  Oktober  37. 

Lieber  Bruder  I 

Seit  meinem  letzten  Brief  an  Dich  war  ich  recht  ernstlich  unwohl  und  mußte 
sogar  das  Bette  zwei  Tage  hüten:  daher  die  Verzögerung  der  Portsetzung  meinet 
Briefes;  dieses  Mal  ist  meine  Schreibfaulheit  unschuldig  daran. 

Tief  hat  es  mich  betrübt,  Dich  bei  unserm  Wiedersehen  nicht  nur  in  der  Tat, 
sondern  auch  im  Sinne  abgewendet  und  entfremdet  von  allem  musikalischen  Wirken 
und  SchaflPen  zu  finden.  Wiel  Du,  der  die  lichtvollste  geistreichste  »Theorie*  der 
neuem  Zeit  aufgestellt  hat,  der  in  unzähligen  einzelnen  Aufsätzen  alle  Felder  des 
musikalischen  Wissens  behandelt  hat,  dessen  »Requiem"  und  »Lieder*  den  hohen 
Beruf  als  Komponist  beurkundet  haben,  du  verstummst  in  Deinen  besten  Mannes* 
jähren  und  läßt  den  Ehrenplatz,  den  Dein  Geist,  Deine  Werke  Dir  unbestritten  an* 
wiesen,  en  quenouille  fallen?  Müßtest  Du  nicht  der  Gesetzgeber,  die  oberste  Behörde 
der  musikalischen  Kritik  in  Deutschland  sein?  Die  einzige  musikalische  Wirk- 
samkeit, der  Du  Dich  noch  ergibst,  die  »Caecilia"),  verliert  durch  die  Ungeschick- 
lichkeit der  Publikation  Deines  Verlegers")  alle  Importanz.  In  so  weiten  Intervallen, 
und  besonders  in  unbestimmten  Zeiträumen  kann  heute  zu  Tage  keine  Zeitschrift 
mehr  einen  großen  Leserkreis  gewinnen,  besonders  eine  musiludische,  die  sich  doch 
ihrem  Publikum  nach  immer  mehr  zu  den  belletristischen  wie  zu  den  rein  gelehrten 
Zeitschriften  zu  zählen  hat  Gib  die  Hälfte  weniger  Material,  aber  gib  alle  14  Tage 
eine  Nummer,  und  Du  wirst  sehen,  ob  ich  recht  habe.   • 

Und  Deine  herrlichen  einzelnen  Aufsätze,  die  Du  seit  30  Jahren  in  die  vei^ 
schiedenen  musikalischen  Zeitschriften  Deutschlands  verstreut  hast,  warum  llftt  Du 
sie  der  Vergessenheit  überantworten?  Ja  wohl  der  Vergessenheit!  Denn  wer  lieet 
ein  Journal  andere  als  im  Moment  seines  Erscheinens,  und  wer  liest  es  mehr  als 
einmal?  Warum  verschmähst  Du  zu  tun,  was  die  größten  Schriftsteller  doeh  in  ihn- 
lichen  Fällen  taten.  Warum  sammelst  Du  nicht  diese  einzelne[n]  Aufsätze,  revidierst 


>)  Nicht  im  Weberschen  Nachlaß  enthalten. 

^  Die  »Caecilia,  Zeitschrift  für  die  musikalische  Welt*  hatte  G.  Weber  ISH 
begründet;  nach  seinem  Tode  gab  sie  S.  Dehn  bis  1848  heraus. 
*)  B.  Schotf  8  Söhne,  Mainz. 


150 
ALTMANN:  MEYERBEER  AN  GOTTFRIED  WEBER 

und  koordinierst  sie  und  gibst  sie  unter  dem  Titel  .G.  Webers  vermischte  musikalische 
Schriften"  (oder  unter  sonst  einem  andern  Titei)  heraus?^)  Alle  kritische[n]  Organe 
der  Musik  würden  natürlich  diese  Erscheinung  besprechen,  das  Publikum  von  heute 
das  für  ihn  [!]  neue  Werk  lesen,  und  endlich  wird  als  Werk  in  der  musikalischen 
Utteratur  einen  ehrenvollen  und  bleibenden  Platz  einnehmen,  was,  in  den  Zeitschriften 
versplittert,  vergessen  worden  wire. 

Und  warum  hast  Du  keinen  musikalischen  Wirkungskreis  in  Darmstadt? 
Warum  bist  Du  nicht  Intendant  der  Oper?  Hat  man  Dir  es  etwa  nicht  angeboten? 
Dss  sollte  mich  nicht  wundem,  falls  Du  selbst  keinen  Schritt  dazu  getan  hast.  Du 
bist  in  Darm  Stadt  die  einzige  musikalische  Superioritit.  Superiorititen  genieren 
und  demütigen,  und  man  dankt  Gott,  wenn  sie  das  Maul  halten.  Allein  liebt  man 
auch  Superiorititen  nicht,  so  furchtet  man  doch  ihren  Geist,  ihr  Wort,  ihre  Feder; 
und  fördert  die  Superioritit  vollends  nur,  was  ihr  gebührt,  so  schiigt  es  ihr  selten 
fehl.  Wolle  Intendant  sein,  lieber  Bruder;  scheue  Dich  nicht,  es  am  gehörigen  Ort 
zu  sagen,  und  Du  wirst  es  gewiß  sein.  Sollte  die  Prinzeß  Wittgenstein  (die  einzige 
Person  Eures  Hofes,  welche  mir  bekannt  ist)  noch  in  Paris  sein,  wenn  ich  dorthin 
komme,  so  werde  ich  ihr  über  diesen  Gegenstand  alles  das  sagen,  was  Du  nicht  sagen 
zu  wollen  scheinst. 

Und  endlich  warum  lißt  Du  Dein  herrliches  Kompositionstalent  so  ginzlich 
brachliegen?  Etwa  weil  Du  drückende  Berufsgeschifte  hast?  Das  ist  kein  hin- 
reichender Grund.  In  unserm  Deutschland,  wo  nie  von  oben  etwas  direkt  für  die 
Existenz  des  geistig  Produclerenden  getan  wird,  sind  von  jeher  die  Mtjoritit  der 
Gelehrten,  Schriftsteller  und  Künstier  genötiget  gewesen,  Ämter  zu  bekleiden,  um 
existieren  zu  können,  und  haben  doch  dabei  (wenn  sie  anders  Genie  hatten)  Meister- 
werke geliefert  Freilich  ist  die  Öffentlichkeit  hiuflg  ein  Dornenfeld  für  den,  welcher 
sich  darauf  zu  tummeln  genötigt  ist;  namentlich  in  unsrer  so  zerrissenen,  kon- 
vulsivisch bewegten  Zeit,  wo  die  einfachsten  Wahrheiten  nicht  mehr  unbestritten 
bleiben,  wo  die  Kritik  sich  so  hiuflg  in  den  Hinden  unberufener  Laien  beflndet,  oft 
auch  nur  als  Vehikel  persönlicher  Freundschaft  oder  Feindschaft  dient,  um  durch  die 
Beurteilung  des  Werkes  dessen  Verfasser  zu  deiflzieren  oder  zu  vernichten.  Allein 
wenn  man  sonst  nur  in  seinem  Innern  die  feste  Oberzeugung  hat,  das  Rechte  gewollt 
und  erkannt  zu  haben,  verwunden  auch  die  schirfsten,  gehissigsten  AngriflPe  nicht  so 
arg,  als  man  glauben  sollte. 

Ich  komme  nun  zur  Beantwortung  Deines  Briefes.  Den  herzlichsten  Dank, 
lieber  Bruder,  für  Deinen  fk'eundlichen  Avis  über  den  Dir  zugesandten  Aufsatz*)  gegen 
»die  Hugenotten*  und  die  liebevolle  Art,  mit  der  Du  es  meinem  Ermessen  anheim- 
stellst, ob  der  Aufsatz  in  der  «Caecilia*  erscheinen  soll  oder  nicht.  Mir  scheint.  Dein 
Scharfsinn  hat  auch  hier  gleich  das  Zweckmißigste  erkannt,  und  ich  bin  ganz  Deiner 
Meinung,  daß  der  Aufsatz  weniger  Schaden  in  der  »Caecilia*  wie  anderswo  tun  wird, 
weil,  wie  Du  bemerkst,  durch  Randglossen  und  Noten  dem  Gifte  gleich  das  Gegen- 
gift beigesellt  werden  kann.  (Ich  halte  Noten  für  besser  als  einen  förmlichen,  aber 
nacbtriglichen  Aufsatz.)    Du  frigst  mich,  wer  aber  diese  Noten  schreiben  soll,  da 


^)  Geschah  nicht 

^  Dieser  AufiMtz  von  Heinrich  Paris  (offenbar  einem  Pseudonym)  erschien 
nnter  dem  Titel  »Einige  deutsche  Gedanken  bei  Gelegenheit  einer  französischen 
Oper.  Von  einem  Laien"  im  20.  Bande  der  »Caecilia«  (Heft  70)  S.  1—51.  In  den 
beigefügten  Anmerkungen  der  Redaktion  (d.  i.  Gottft.  Weber)  ist  dieser  Brief  Meyer- 
beers  zum  Teil  wörtiich  benutzt 


160 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


Dir  das  Werk  unbekannt  ist?  Darauf,  lieber  Bruder,  weiß  ich  nichts  za  antworten^ 
allein  auf  keinen  Fall  ich  selbst,  wie  Du  es  vorschligst.  Ich  habe  es  mir  seit  Jahren 
zum  unverbrfichlichen  Gesetze  gemacht,  nie  persönlich  auf  AngriflPe  gegen  meine 
Arbeiten  zu  antworten  und  persönliche  Polemik  unter  keiner  Bedingung  weder  zo 
vertnltssen  noch  zu  erwidern.  Allein  da,  wie  Du  schreibst,  der  Aufsatz  fast  ginslich 
gegen  das  Stfick  gerichtet  ist  und  der  Musik  kaum  erwihnt,  so  kann  ich  Dir  die 
Kenntnis  des  Stfickes  verschaflPen,  denn  ich  habe  hier  ein  Exemplar  desselben,  welches 
ich  Dir  heute  noch  sende.  Ob  Dir  »die  Hugenotten*  als  Drama  gefallen  werden^ 
ob  Dir  der  StoflP  glücklich  oder  unpassend  für  ein  Opemsujet  erscheinen  wird,  das 
weiß  ich  nicht;  allein  das  hoflPe  ich.  Du  wirst  die  Behandlung  nicht  unsittlich,  nicht 
scandaleuse  finden  (wie  der  Verfasser  jenes  Aufsatzes).  Es  ist  freilich  ein  furchtbmret 
historisches  Faktum,  allein  doch  so  allgemein  bekannt,  selbst  so  oft  dramatisch 
bearbeitet,  daß  von  größerer  Veröffentlichung  durch  eine  Opembearbeitung  keine 
Rede  sein  kann.  Mich  dfinkt,  die  protestantische  Religion  wird  durch  das 
ganze  Stfick  in  das  edelste,  würdigste  Licht  gesetzt  Ffir  die  Katholiken  ist  in  dem 
Stücke,  wie  es  auch  geschichtlich  war,  die  ganze  St.  Barthelemy^)  nar  ein 
politisches  Faktum.  Ob  es  aber  fiberhaupt  ein  noch  nicht  dagewesener  Skandal 
sei,  religiöse  Streitigkeiten  auf  die  Bühne  zu  bringen  und  sogar  einen  wirk- 
lichen Choral  in  der  Oper  anzubringen,  die  Frage,  dünkt  mich,  ist  schon  Tor 
25  Jahre[n]  beantwortet  worden;  denn  so  lange  bereits  ist  es  her,  daß  in  dem 
lutherischen  Berlin  »Die  Weihe  der  Kraft*  von  Werner*)  gegeben  ward,  wo 
Luther  selbst  der  Held  des  Stückes  war,  u.  seine  religtöse[n]  Streitigkeiten 
mit  Papst  und  Kaiser  den  StoflP  des  Dramas  bilden  und  wo  such  mehrere 
seiner  Choräle  in  dem  Stücke  gesungen  werden.  Alles  dieses  erregte  damals 
keinen  Skandal,  ward  im  Gegenteil  vom  Puklikum  unzählige  Male  mit  Rührung  und 
Erhebung  angesehen.  Freilich  wenn  der  Choral  zur  Opernarie  gemacht  würde  (wie 
der  Verfasser  des  Aufsatzes  sagt),  so  wäre  das  wirklich  ein  Skandal.  Allein  wenn 
grade  im  Gegenteil  dieser  Choral  als  Gegensatz  der  weltlichen  Musik  stets  stren|^ 
und  kirchlich  behandelt  ist,  wenn  er  als  Anklang  aus  einer  bessern  Welt,  als  Symt>ol 
des  Glaubens  u.  HoflPens  immer  nur  als  Anrufung  bei  drohender  Gefahr  oder  in  den 
Momenten  der  höchsten  Erhebung  ertönt  und  sich  in  einzelnen  Anklängen  zwar 
durch  das  ganze  Stück  zieht,  aber  immer  nur  in  dem  Munde  derjenigen  Person  (der 
Diener  Marcel),  welche  als  Repräsentant  eines  einfachen,  aber  unerschütterlichen 
frommen  Glaubens,  ja  als  Märtyrer  gezeichnet  ist,  so  ist,  dünkt  mich,  eine  solche 
Behandlung  eher  Heiligung  als  Entweihung  eines  Kfrchengesanges  zu  nennen.  Ob> 
es  mir  gelungen,  diese  Intention  wirklich  ins  Leben  zu  rufen,  das  kannst  Du  flreUich 
nicht  wissen,  lieber  Bruder,  da  Du  die  Oper  nicht  kennst.  Ich  hatte  eigentlich  bei 
meinem  vorletzten  Besuche  eine  Partitur  der  »Hugenotten*  für  Dich  mitgebracht, 
allein  Du  sprachst  mir  mit  so  vieler  Apathie  damals  von  Musik,  daß  ich  nicht  wsgte,. 
Dir  meine  Intention  mitzuteilen.  Wisse  aber,  daß  das  Packet  noch  immer  mit  der 
Aufschrift  »an  Gottfried  Weber*  in  meinem  Zimmer  liegt,  u.  langweilt  es  Dich  nicht,. 
5  Akte  Musik  von  mir  zu  durchlesen,  so  schreibe  ein  Wort,  u.  die  Partitur  wandert 
zu  Dir. 

Und  nun  lieber  Bruder,  denke  ich  genug  geschwatzt  zu  haben.    Was  ich  über 


^)  Die  Bartholomäusnacht  (23/24.  August  1572). 

*)  Sonst  bekannt  u.  d.  T.:  »Martin  Luther*;  diesem  Stücke  stellte  Zschsriss 
Werner  (1768—1823),  nachdem  er  1811  katholisch  geworden  war,  die  »Weihe  derUn* 
kraft*  gleichsam  als  poetische  Buße  für  seinen  »Luther*  entgegen. 


150 
ALTMANN:  MEYERBEER  AN  GOTTFRIED  WEBER 


und  koordinierst  sie  und  gibst  sie  unter  dem  Titel  »G.  Vebers  vermischte  musikalische 
Schriften'  (oder  unter  sonst  einem  andern  Titel)  heraus?^)  Alle  kritische[n]  Organe 
der  Musik  wfirden  natfirlich  diese  Erscheinung  besprechen,  das  Publikum  von  heute 
das  f&r  ihn  [!]  neue  Verk  lesen,  und  endlich  wird  als  Werk  in  der  musikalischen 
Litteratur  einen  ehrenvollen  und  bleibenden  Platz  einnehmen,  was,  in  den  Zeitschriften 
Tersplittert,  vergessen  worden  wäre. 

Und  warum  hast  Du  keinen  musikalischen  Wirkungskreis  in  Darmstadt? 
Warum  bist  Du  nicht  Intendant  der  Oper?  Hat  man  Dir  es  etwa  nicht  angeboten? 
Das  sollte  mich  nicht  wundem,  falls  Du  selbst  keinen  Schritt  dazu  getan  hast  Du 
bist  in  Darmstadt  die  einzige  musikalische  Superiorität.  Superiorititen  genieren 
und  demfitigen,  und  man  dankt  Gott,  wenn  sie  das  Maul  halten.  Allein  liebt  man 
auch  Superiorititen  nicht,  so  fürchtet  man  doch  ihren  Geist,  ihr  Wort,  ihre  Feder; 
und  fördert  die  Superiorität  vollends  nur,  was  ihr  gebfihrt,  so  schlägt  es  ihr  selten 
fehl.  Wolle  Intendant  sein,  lieber  Bruder;  scheue  Dich  nicht,  es  am  gehörigen  Ort 
zu  sagen,  und  Du  wirst  es  gewiß  sein.  Sollte  die  Prinzeß  Wittgenstein  (die  einzige 
Person  Eures  Hofes,  welche  mir  bekannt  ist)  noch  in  Paris  sein,  wenn  ich  dorthin 
komme,  so  werde  ich  ihr  fiber  diesen  Gegenstand  alles  das  sagen,  was  Du  nicht  sagen 
zu  wollen  scheinst. 

Und  endlich  warum  läßt  Du  Dein  herrliches  Kompositionstalent  so  gänzlich 
brachliegen?  Etwa  weil  Du  drückende  Berufsgeschäfte  hast?  Das  ist  kein  hin- 
reichender Grund.  In  unserm  Deutschland,  wo  nie  von  oben  etwas  direkt  für  die 
Existenz  des  geistig  Producierenden  getan  wird,  sind  von  Jeher  die  Majorität  der 
Gelehrten,  Schriftsteller  und  Kfinstler  genötiget  gewesen,  Ämter  zu  bekleiden,  um 
existieren  zu  können,  und  haben  doch  dabei  (wenn  sie  anders  Genie  hatten)  Meister- 
werke geliefert  Freilich  ist  die  Öffentlichkeit  häufig  ein  Dornenfeld  für  den,  welcher 
sieh  darauf  zu  tummeln  genötigt  ist;  namentlich  in  unsrer  so  zerrissenen,  kon- 
vulsivisch bewegten  Zeit,  wo  die  einfachsten  Wahrheiten  nicht  mehr  unbestritten 
bleiben,  wo  die  Kritik  sich  so  häufig  in  den  Händen  unberufener  Laien  befindet,  oft 
auch  nur  als  Vehikel  persönlicher  Freundschaft  oder  Feindschaft  dient,  um  durch  die 
Beurteilung  des  Werkes  dessen  Verfasser  zu  deifizieren  oder  zu  vernichten.  Allein 
wenn  man  sonst  nur  in  seinem  Innern  die  feste  Oberzeugung  hat,  das  Rechte  gewollt 
und  erkannt  zu  haben,  verwunden  auch  die  schärfsten,  gehässigsten  Angriffe  nicht  so 
arg,  als  man  glauben  sollte. 

Ich  komme  nun  zur  Beantwortung  Deines  Briefes.  Den  herzlichsten  Dank, 
lieber  Bruder,  für  Deinen  ft'eundlichen  Avis  über  den  Dir  zugesandten  Aufsatz  *)  gegen 
»die  Hugenotten'  und  die  liebevolle  Art,  mit  der  Du  es  meinem  Ermessen  anheim- 
stellet, ob  der  Aufsatz  in  der  «Caecilia*  erscheinen  soll  oder  nicht  Mir  scheint,  Dein 
Scharfsinn  hat  auch  hier  gleich  das  Zweckmäßigste  erkannt,  und  ich  bin  ganz  Deiner 
Meinung,  daß  der  Aufsatz  weniger  Schaden  in  der  »Caecilia*  wie  anderswo  tun  wird, 
weil,  wie  Du  bemerkst,  durch  Randglossen  und  Noten  dem  Gifte  gleich  das  Gegen- 
gift beigesellt  werden  kann.  (Ich  halte  Noten  für  besser  als  einen  förmlichen,  aber 
nachträglichen  Aufsatz.)    Du  fragst  mich,  wer  aber  diese  Noten  schreiben  soll,  da 


^)  Geschah  nicht 

^  Dieser  Aufsatz  von  Heinrich  Paris  (offenbar  einem  Pseudonym)  erschien 
unter  dem  Titel  »Einige  deutsche  Gedanken  bei  Gelegenheit  einer  französischen 
O^,  Von  einem  Laien'  im  20.  Bande  der  »Caecilia*  (Heft  70)  S.  1—51.  In  den 
beigefügten  Anmerkungen  der  Redaktion  (d.  i.  Gottft'.  Weber)  ist  dieser  Brief  Meyer- 
beert zum  Teil  wörtlich  benutzt 


^er  moderne  Kompoaisl,  der  sich  In  der  Anvendung  mSglichit 
\  vieler,  überaus  vollkomineaer  Orchesterinstrameate  nicht  ge- 
I  nug  tun  kann,  gedenkt  wohl  selten  der  Zeiten,  da  den  poBen 
I  Meistern  früherer  Epochen  nur  kleine  Kapellen  mit  ziemlich 
primitiven  Instrumenten  zur  Verfügung  standen,  wo  der  Komponist  nicht 
durchweg  ungehemmt  seiner  Phantasie  folgen  konnte,  sondern  mit  der 
verhillnismi&ig  tiescheidenen  Technik  der  Streicher,  mit  den  zahlreichen 
Tonlücken  der  H5mer,  Trompeten  und  Posaunen  und  manchen  tecbniachen 
Beschränkungen  rechnen  mußte. 

Die  immer  farbenreicher  werdende  Musik  verlangte  endlich  Abhilfe 
dieses  Zustandes.  Findige  Künstler,  Musiker  und  Mechaniker,  begannen  den 
Mängeln  der  Tonwerkzeuge  zu  Leibe  zu  gehen,  und  so  kam  nach  und  nach 
jene  Vollkommenheit  zustande,  die  die  Heutigen  mit  schier  ungestfimer 
Freude  ihren  Zwecken  dienstbar  machen. 

Unter  denjenigen,  die  in  schon  recht  weit  zurückliegender  Zelt  erfolg- 
reiche Versuche  dieser  Art  machten,  ist  mit  besonderer  Ehre  ein  Österreicher 
zu  nennen,  Anton  Weidinger,  der  Erfinder  oder  doch  jedenfalls  Ver* 
besiterer  der  Klappentrompete,  der  Vorgängerin  unserer  Ventiltrompete. 

Er  war  1767  In  Wien  (Bezirk  Landstraße)  geboren  und  widmete  sieh 
schon  in  früher  Jugend  dem  Musikerberufe.  Peter  Neuhold,  Könl^lcher 
OberhoF-  und  Feldtrompeter,  wurde  sein  Lehrer.  Schon  mit  19  Jahren 
wurde  er  , freigesprochen*,  was  nachfolgender  aLehrbrief*  der  Trompeter- 
und Paukerzunft  bescheinigt: 

Seinor  RSmisch  kaiierUcben,  aach  lu  Hungarn  und  Bfihalm  kJIniglichaii 
aposloHacben  Majeiilt  Ober-  Hof-  und  Feldtrompeter,  Ich  Peter  Nenhold  bekenne 
hlemit  vor  allenninnigUch  in  Kraft  dleies  Lebrbriete*,  dafi  Anton  Teidlofar  in  dar 
k,  k.  Haupt  und  Reildenz  Siadt  TIen  (ebürtlt,  mich  um  Erlehraani  der  edlea  Ittjam 
und  ritterlichen  Kunst  der  Hof-  und  Feldirompeter  geziemend  an  ertncha^  weleh 
sein  blttllchei  Begebren  In  Erwegung  er  von  ebriictaen  Aeltem  gebohren  und  blan 
quallflciret,  euch  wegen  wobUDgemeaiener  AufrEhrung,  die  er  von  aicb  allemal  n 
Jedermann  beiter  ZuMedentaelt  hat  venpQhran  lueen,  Ihm  ein  solches  nicht  ab- 
■chlagen  wollen,  noch  sollen,  zumalen,  da  er  nebst  diesem  durch  eigenen  Fleiß  artoa 
Lehrzeit  von  lelbiten  verkSriet,  und  sich  so  tficbtig  gemacht,  dafi  er  nicht  aar 
■Hein  In  Feldkriegsdleniten,  sondern  auch  wo  Immer  bei  grollen  HSfbn  alle  Satla- 
facilon  leisten  kann.    Diesem  nacb,  und  um  so  viel  mehrer  einer  allerhSchatan  Vai^ 


161 
ALTMANN:  MEYERBEER  AN  GOTTFRIED  WEBER 


Dich  auf  dem  Herzen  hatte,  habe  ich  mit  der  Freimfitigkeit,  aber  auch  der  Liebe  eines 
25jihrigen  Freundes  ausgesprochen.  Mögen  diese  Zeilen  unsre  so  lange  ge- 
schlummerte [n]  freundliche[D]  Mitteilungen  und  Verbindung  wieder  aufs  neue  ins 
Leben  rufen.  Jugendfreundschaften  sollte  man  nie  fahren  lassen,  bis  sie  der  Tod 
trennt 

Lebe  wohl,  grüße  Deine  vortreffliche  Frau  und  glaube,  daß  ich  noch  heute  wie 
Tor  25  Jahren  Dir  treu  und  herzlich  ergeben  bin. 

Meyerbeer 


XIV. 

Baden,  den  12.  X.  [»  December]  37. 

Lieber  Bruder  I 

Ober  mich  als  pricisen  Correspondenten  waltet  ein  finstres  Fatum,  und  wenn 
ich  endlich  von  einem  so  heftigen  Reizmittel  galvanisiert  werde,  wie  das  mit  meinem 
liebsten,  teuersten  Jugendfreunde,  mit  Dir,  das  alte  herzliche  Liebesband  wieder  an- 
zuknüpfen, wirft  sich  der  liebe  Gott  selbst  dazwischen.  Ich  war  nicht  abwesend,  wie 
Du  zu  glauben  scheinst,  auch  nicht  schreibefaul,  wie  du  ebenfalls  glauben  dfirftest, 
aber  eine  doppelte  Kalamität  ist  fiber  mich  eingebrochen.  Meine  liebe  Frau  ward 
ernsthaft  krank,  und  zum  ersten  Mal  seit  unsrer  Verheiratung  war  meine  Schwieger- 
mutter, welche  bisher  nie  meine  Frau  verlassen  hatte,  wegen  Familienverhältnisse 
nach  Berlin  gereiset.  Da  war  ich  ungeschickter  Peter  mit  meiner  Totenangst  um  die 
schwerkranke  Frau  zum  ersten  Mal  ihr  und  meiner  Kinder  alleiniger  Schutz  und 
Krankenwärter.  War  es  moralische  Wirkung,  war  es  physische  Erkältung,  kurz  meine 
Frau  war  kaum  in  der  Genesung,  da  ward  ich  von  einer  Augenentzündung,  aber  so 
ernsthafter  Art  (mit  sehr  starkem  Fieber)  befallen,  daß  mein  Arzt  die  allerlebhaftesten 
Besorgnisse  für  die  Erhaltung  meines  Augenlichts  hatte.  Viele  Wochen  mußte  ich 
Im  stockdunkeln  Zimmer  zubringen.  Dem  Himmel  sei  es  Dank,  das  ist  nun  auch 
fiberstanden:  meine  Frau  sowohl  als  ich  dürfen  uns  den  Gesunden  wieder  zuzählen. 
Doch  kannst  Du  Dir  denken,  daß  meinen  Augen  eine  große  Schwäche  übrig  blieb, 
and  seit  wenig  Tagen  erst  ist  mir  förmlich  das  Schreiben  erlaubt.  Verzeihe  mir  da- 
her, wenn  ich  heute  Deinen  lieben  Brief  nur  kurz  beantworte.  Der  Hauptzweck  des 
meinigen  ist  hauptsächlich  Dir  die  traurige  Ursache  meines  Stillschweigens  mit- 
zuteilen. 

Binnen  sehr  wenig  Tage  gehe  ich  nach  Paris  ab,  wo  ich  eigentlich  schon  seit 
einem  Monat  hätte  sein  müssen,  wäre  ich  nicht  krank  gewesen.  Ich  werde  nun  selbst 
Deine  beiden  Briefe  an  die  Akademie  und  an  Berten  übergeben,  die  ganz  zweck- 
mäßig sind.  Du  schreibst,  daß  außer  dem  Exemplar  Deines  Werkes  für  die  Aka- 
demie, welches  ich  von  Darmstadt  mitgenommen  habe,  Du  ein  anderes  unter 
meiner  Adresse  nach  Paris  geschickt  hast,  welches  für  Berten  bestimmt  sei,  u.  ein 
drittes,  das  Du  mir  zudenkst  (womit  Du  mir  eine  große  Freude  machst).  Sei  doch 
so  gut  and  schreibe  mir  gleich,  wann  u.  mit  welcher  Gelegenheit  Du  sie  nach  Paris 
gesendet  hast  u.  wie  die  Adresse  lautete,  damit  ich  sie  gleich  bei  meiner  Ankunft  in 
Paris  holen  kann,    [ohne  Unterschrift;  ob  vollständig?] 


•  •  •*  .• 

•  ••'•      ••• 


164 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


^Sm 


und  sich  nach  einem  stabilen  Wohnsitz,  wohl  auch  nach  höherer  kfinst- 
lerischer  Tätigkeit  gesehnt  zu  haben.  Eine  Anstellung  im  «kk.  Theater* 
in  Wien  ließ  ihn  diese  Ziele  erreichen. 

Aus  dieser  Zeit,  oder  einer  nicht  viel  späteren,  dürfte  wohl  auch  seine 
Erfindung  stammen,  die  bis  dahin  lediglich  auf  ihre  Naturtöne  angewiesene 
Trompete  mit  Klappen  zu  versehen  und  diesem  Instrumente  dadurch  — 
ohne  seiner  Eigenart  nur  das  Geringste  zu  nehmen  —  zugleich  einen  ven* 
vielfachten  Tonreichtum  und  eine  unerhörte  Bewegungsfreiheit  zu  ven* 
schaffen.  Joseph  Haydn,  dem  Weidinger,  wie  zu  vermuten,  sein  nunmehr 
um  so  vieles  vollkommeneres  Instrument  vorführte,  scheint  sich  fOr  die 
wichtige  Neuerung  lebhaft  interessiert  zu  haben,  denn  er  schrieb  1706  In 
Wien  ein  schönes  »Concerto  für  Clarino-Solo*  mit  Orcbesterbegleitung 
(Es-dur,  1.  Satz  Allegro  ^/^,  2.  Satz  As-dur  Andante  e  cantabile  %,  3.  Satz 
Allegro  */^;  Manuskript  im  Archiv  der  Gesellschaft  der  Musikfreunde  in  Wien; 
bisher  ungedruckt),  das  in  der  Art  und  Weise  der  Behandlung  des  Soloin- 
strumentes klar  und  deutlich  auf  Weidingers  Klappentrompete  hinweist  Eine 
mir  seinerzeit  vom  inzwischen  verstorbenen  Enkel  Weidingers,  Herrn  Fer- 
dinand Weidinger^),  mitgeteilte  Familientradition  bestätigt  diese  Vermutung*)« 

Daß  Haydn  seine  Sympathie  für  den  Erfinder  auch  in  das  Privatleben 
übertrug,  beweist  der  Umstand,  daß  der  berühmte  Meister  bei  der  am 
6.  Februar  1797  in  Wien  stattgehabten  Vermählung  Weidingers  mit  Su- 
sanna Zeissin,  Tochter  des  Trompeters  Franz  Zeiss  und  dessen  Ehefirau 
Eva  geb.  Schmidin,  als  Trauzeuge  erschien. 

Weidinger  mag  nun,  vielleicht  veranlaßt  durch  die  Anforderungen 
seines  neuen  Hausstandes,  getrachtet  haben,  seiner  Erfindung  allgemeinere 
Geltung  zu  verschaffen.  In  Wien  trat  er  mehrere  Male  als  Konzertspieler 
auf;  so  in  einer  »großen  musikalischen  Akademie*  der  «Tonkünstler-Ge- 
sellschaft'  (später  führte  diese,  heutzutage  noch,  wenn  auch  lediglich  als 
Pensionsinstitut  blühende  Gesellschaft  den  Namen  .Haydn*)  am  22.  De- 
zember 1798,  wo  er  in  einem  »neuen  großen  Conzerte  von  der  Erfindung 
des  Herrn  Kozeluch,  k.  k.  Kompositor's  und  Kammerkapellmeister's*,  das 
dieser  für  Klavier,  Mandoline,  Trompete  und  Kontrabaß  geschrieben  hatte, 
die  »organisirte  Trompete**  blies. 

Bald  regte  sich  in  Weidinger  der  Gedanke,  das  «Ausland*  für  seine 
Sache  zu  gewinnen.  Er  rüstete  sich  zu  einer  für  damalige  Verhältnisse 
großen  Reise.  Bereits  im  November  1802  brachte  die  .  Leipziger  Allgemeine 
Musikalische  Zeitung*"  (Band  V,  S.  158)  folgende  Notiz:  .öffentlichen  Nach- 
richten zufolge  hat   der  kaiserl.   Hoftrompeter,    Herr  Weidenmeyer   [der 


^)  1849—1888.    ^  S.  V.  Neukomm   schrieb  in   seinem  Requiem  auf  den  Ted 
Ludwig  XVI.  eine  für  Weidinger  und  seine  Klappentrompete  berechnete  Partie. 


.. .:  •••  •••  •   • 

•  4.  •  * 


-'.  J 


165 
HEUBERGER:  ANTON  WEIDINGER 


Name  ist  verunstaltet]  eine  Trompete  mit  Klappen  erfunden,  auf  welcher 
man  durch  zwey  OIctaven  alle  halbe  Töne  ganz  rein  und  sicher  angeben 
kann.  Man  stehet  ohne  unser  Erinnern,  wie  Vieles  durch  diese  Erfindung 
gewonnen  ist,  wenn  es  sich  damit  wirklich  so  verhält  und  zugleich  das 
Instrument  nicht  am  Wesentlichen  seines  Tones  verliert.  Wir  wünschen 
durch  diese  vorläufige  Nachricht  diejenigen,  welche  über  die  Sache  ur- 
theilen  können  und  Gelegenheit  dazu  haben,  aufmerksam  zu  machen.* 

1803  trat  Weidinger  seine  große  Konzertreise  nach  Deutschland, 
Frankreich  und  England  an.  Die  «Leipziger  Musikalische  Zeitung"  vom 
5.  Januar  1803  schreibt  über  sein  Auftreten  in  »Klein- Paris':  „Der  kk. 
Hoftrompeter  Herr  Weidinger  aus  Wien  gab  uns  Gelegenheit,  seine  be- 
deutende Erfindung  zur  Vervollkommnung  der  Trompete  . . .  selbst  zu  be- 
urtheilen  und  zugleich  sein  meisterhaftes  Spiel  zu  bewundem.  Daß  Herr 
Weidinger  alle  halben  Töne,  die  im  Umfange  des  Instrumentes  liegen,  be- 
herrscht, und  zwar  so,  daß  er  Läufe  durch  dieselben  macht,  ist  vollkommen 
gegründet,  auch  die  von  uns  bey  Gelegenheit  der  ersten  Nachricht  über 
diese  Erfindung  geäußerte  Besorgniß,  es  möchte  dies  Instrument  dadurch 
vielleicht  an  seinem  pompösen  Charakter  verlohren  haben,  durch  seine 
ölTentlich  gegebenen  Proben  vollkommen  widerlegt.  Das  Instrument  hat 
noch  seinen  vollen,  durchdringenden  Ton,  aber  zugleich  einen  so  sanften 
und  zarten,  daß  man  ihn  auf  einer  Clarinette  nicht  weicher  anzugeben  im 
Stande  ist.  Daß  Herr  Weidinger  außer  einem  Conzert  und  mehreren  anderen 
konzertirenden  Stücken  ein  in  C  recht  brav  geschriebenes  Trio  für  Pianoforte, 
Violine  und  Trompete  von  HummeP)  in  Wien  vollkommen  glücklich  und 
seine  Solostellen  ebenso  zart  als  jene  beyden  Instrumente  ausführte.  Das 
crescendo  und  decrescendo,  die  klare,  bis  in  das  Mark  eindringende  Höhe,  be- 
sonders wo  Herr  Weidinger  sich  mehr  innerhalb  der,  dem  Instrumente  natür- 
lichen Tonart  hielt,  sind  ganz  unvergleichlich,  und  im  wörtlichen  Sinne  un- 
erhört. Wie  vieles  davon  der  neuen  Erfindung  und  wie  vieles  dem  ge- 
schickten Virtuosen  gebühre,  können  wir  nicht  entscheiden,  da  er  die 
nähere  Kenntniß  seines  Instrumentes  jetzt  noch  für  sich  behält.  [Nach 
einem  Londoner  Berichte  ließ  W.  seine  Trompete  von  niemand  genau 
besehen.]  Auf  jeden  Fall  verdient  Herr  Weidinger  vielen  Beifall  und  seine 
Erfindung  alle  Aufmerksamkeit.* 

Wie  aus  diesem  Berichte  zu  entnehmen  ist,  machte  Weidinger  seine 


>)  Unter  den  gedruckten  Werken  Hummelt  befindet  sich  kein  Trio  für  Pianoforte, 
Violioe  und  Trompete.  Möglicherweise  ist  das  von  Weidinger  produzierte  StBck,  das  wahr- 
scheinlich eigens  für  ihn  geschrieben  wurde,  nicht  zur  Ausgabe  gelangt.  Ein  Septett 
militalr  in  C-dur  von  Hummel  enthält  einen  Trompeten part,  dessen  Satzweise  dem  be- 
rfilimtf  n  Berliner  Trompeter  Kosleck  die  Meinung  aufdrängte,  die  Partie  sei  für  Klappen- 
trompete« also  wohl  für  Weidingers  Instrument  oder  gar  für  ihn  selbst,  geschrieben  worden. 

VII.  21.  12 


164 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


und  sich  nach  einem  stabilen  Wohnsitz,  wohl  auch  nach  höherer  kfinst- 
lerischer  Tätigkeit  gesehnt  zu  haben.  Eine  Anstellung  im  «kk.  Theater* 
in  Wien  ließ  ihn  diese  Ziele  erreichen. 

Aus  dieser  Zeit,  oder  einer  nicht  viel  späteren,  dürfte  wohl  auch  seine 
Erfindung  stammen,  die  bis  dahin  lediglich  auf  ihre  Naturtöne  angewiesene 
Trompete  mit  Klappen  zu  versehen  und  diesem  Instrumente  dadurch  — 
ohne  seiner  Eigenart  nur  das  Geringste  zu  nehmen  —  zugleich  einen  ven* 
vielfachten  Tonreichtum  und  eine  unerhörte  Bewegungsfreiheit  zu  ver- 
schaffen. Joseph  Haydn,  dem  Weidinger,  wie  zu  vermuten,  sein  nunmehr 
um  so  vieles  vollkommeneres  Instrument  vorführte,  scheint  sich  für  die 
wichtige  Neuerung  lebhaft  interessiert  zu  haben,  denn  er  schrieb  1706  in 
Wien  ein  schönes  »Concerto  für  Clarino-Solo*  mit  Orchesterbegleitung 
(Es-dur,  1.  Satz  Allegro  ^/^,  2.  Satz  As-dur  Andante  e  cantabile  ^gi  3.  Satz 
Allegro  */^;  Manuskript  im  Archiv  der  Gesellschaft  der  Musikfreunde  in  Wien; 
bisher  ungedruckt),  das  in  der  Art  und  Weise  der  Behandlung  des  Soloin- 
strumentes klar  und  deutlich  auf  Weidingers  Klappentrompete  hinweist  Eine 
mir  seinerzeit  vom  inzwischen  verstorbenen  Enkel  Weidingers,  Herrn  Fer- 
dinand Weidinger^),  mitgeteilte  Familientradition  bestätigt  diese  Vermutung*)« 

Daß  Haydn  seine  Sympathie  für  den  Erfinder  auch  in  das  Privatleben 
übertrug,  beweist  der  Umstand,  daß  der  berühmte  Meister  bei  der  am 
6.  Februar  1797  in  Wien  stattgehabten  Vermählung  Weidingers  mit  Su- 
sanna Zeissin,  Tochter  des  Trompeters  Franz  Zeiss  und  dessen  Ehefrau 
Eva  geb.  Schmidin,  als  Trauzeuge  erschien. 

Weidinger  mag  nun,  vielleicht  veranlaßt  durch  die  Anforderungen 
seines  neuen  Hausstandes,  getrachtet  haben,  seiner  Erfindung  allgemeinere 
Geltung  zu  verschaffen.  In  Wien  trat  er  mehrere  Male  als  Konzertspieler 
auf;  so  in  einer  »großen  musikalischen  Akademie*  der  .Tonkünstler-Ge- 
sellschaft' (später  führte  diese,  heutzutage  noch,  wenn  auch  lediglich  als 
Pensionsinstitut  blühende  Gesellschaft  den  Namen  «Haydn*)  am  22.  De- 
zember 1798,  wo  er  in  einem  »neuen  großen  Conzerte  von  der  Erfindung 
des  Herrn  Kozeluch,  k.  k.  Kompositor's  und  Kammerkapellmeister's*,  das 
dieser  für  Klavier,  Mandoline,  Trompete  und  Kontrabaß  geschrieben  hatte, 
die  „organisirte  Trompete**  blies. 

Bald  regte  sich  in  Weidinger  der  Gedanke,  das  «Ausland'  für  seine 
Sache  zu  gewinnen.  Er  rüstete  sich  zu  einer  für  damalige  Verhältnisse 
großen  Reise.  Bereits  im  November  1802  brachte  die  .  Leipziger  Allgemeine 
Musikalische  Zeitung*"  (Band  V,S.  158)  folgende  Notiz:  .öffentlichen  Nach- 
richten zufolge  hat  der  kaiserl.   Hoftrompeter,    Herr  Weidenmeyer  [der 


^)  1849—1888.    *)  S.  V.  Neukomm   schrieb  in  seinem  Requiem  auf  den  Ted 
Lqdwig  XVI.  eine  für  Weidinger  und  seine  KUppentrompete  berechnete  Partie. 


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HEUBERGER:  ANTON  WEIDINGER 


Mi 


Name  ist  verunstaltet]  eine  Trompete  mit  Klappen  erfunden,  auf  welcher 
man  durch  zwey  Oktaven  alle  halbe  Töne  ganz  rein  und  sicher  angeben 
kann.  Man  siebet  ohne  unser  Erinnern,  wie  Vieles  durch  diese  Erfindung 
gewonnen  ist,  wenn  es  sich  damit  wirklich  so  verhält  und  zugleich  das 
Instrument  nicht  am  Wesentlichen  seines  Tones  verliert.  Wir  wünschen 
durch  diese  vorläufige  Nachricht  diejenigen,  welche  über  die  Sache  ur- 
theilen  können  und  Gelegenheit  dazu  haben,  aufmerksam  zu  machen." 

1803  trat  Weidinger  seine  große  Konzertreise  nach  Deutschland, 
Frankreich  und  England  an.  Die  «Leipziger  Musikalische  Zeitung'  vom 
5.  Januar  1803  schreibt  über  sein  Auftreten  in  «Klein-Paris":  „Der  kk. 
Hoftrompeter  Herr  Weidinger  aus  Wien  gab  uns  Gelegenheit,  seine  be- 
deutende Erfindung  zur  Vervollkommnung  der  Trompete  .  .  .  selbst  zu  be- 
urtheilen  und  zugleich  sein  meisterhaftes  Spiel  zu  bewundem.  Daß  Herr 
Weidinger  alle  halben  Töne,  die  im  Umfange  des  Instrumentes  liegen,  be- 
herrscht, und  zwar  so,  daß  er  Läufe  durch  dieselben  macht,  ist  vollkommen 
gegründet,  auch  die  von  uns  bey  Gelegenheit  der  ersten  Nachricht  über 
diese  Erfindung  geäußerte  Besorgniß,  es  möchte  dies  Instrument  dadurch 
vielleicht  an  seinem  pompösen  Charakter  verlohren  haben,  durch  seine 
dlTentlich  gegebenen  Proben  vollkommen  widerlegt.  Das  Instrument  hat 
noch  seinen  vollen,  durchdringenden  Ton,  aber  zugleich  einen  so  sanften 
und  zarten,  daß  man  ihn  auf  einer  Clarinette  nicht  weicher  anzugeben  im 
Stande  ist.  Daß  Herr  Weidinger  außer  einem  Conzert  und  mehreren  anderen 
konzertirenden  Stücken  ein  in  C  recht  brav  geschriebenes  Trio  für  Pianoforte, 
Violine  und  Trompete  von  HummeP)  in  Wien  vollkommen  glücklich  und 
seine  Solostellen  ebenso  zart  als  jene  beyden  Instrumente  ausführte.  Das 
crescendo  und  decrescendo,  die  klare,  bis  in  das  Mark  eindringende  Höhe,  be- 
sonders wo  Herr  Weidinger  sich  mehr  innerhalb  der,  dem  Instrumente  natür- 
lichen Tonart  hielt,  sind  ganz  unvergleichlich,  und  im  wörtlichen  Sinne  un- 
erhört. Wie  vieles  davon  der  neuen  Erfindung  und  wie  vieles  dem  ge- 
schickten Virtuosen  gebühre,  können  wir  nicht  entscheiden,  da  er  die 
nähere  Kenntniß  seines  Instrumentes  jetzt  noch  für  sich  behält.  [Nach 
«inem  Londoner  Berichte  ließ  W.  seine  Trompete  von  niemand  genau 
besehen.]  Auf  jeden  Fall  verdient  Herr  Weidinger  vielen  Beifall  und  seine 
Erfindung  alle  Aufmerksamkeit. "^ 

Wie  aus  diesem  Berichte  zu  entnehmen  ist,  machte  Weidinger  seine 


')  Unter  den  gednickten  Werken  Hummels  befindet  sieb  kein  Trio  für  Pianoforte, 
Violine  und  Trompete.  Möglicherweise  ist  das  von  Weidinger  produzierte  StBck,  das  wabr- 
scheinlich  eigens  für  ihn  geschrieben  wurde,  nicht  zur  Ausgabe  gelangt.  Ein  Septett 
milltair  in  C-dur  von  Hummel  enthält  einen  Trompeten  part,  dessen  Satz  weite  dem  be- 
rfihmtf  n  Berliner  Trompeter  Kosleck  die  Meinung  aufdrängte,  die  Partie  sei  für  Klappen- 
trompete, also  wohl  für  Weldingers  Instrument  oder  gar  für  ihn  selbst,  geschrieben  worden. 

VIL  21.  12 


fjJHP  DIE  MUSIK  VII.  21.  MWC 

Erfindung  vorerst  der  Allgemeinheit  nicht  zugänglich,  scheint  sich  aber 
später  dazu  herbeigelassen  zu  haben.  Eine  «Instruction'  vom  31.  MIrz 
1807  trägt  ihm  auf,  »in  seinen  freyen  Stunden  die  Bildung  eines  oder 
mehrerer  von  ihm  zu  wählenden  Schülern  gegen  eine  »verhältnißmäßige 
Remuneration^  zu  übernehmen.'  (Es  dürfte  sich  da  wohl  um  den  Unter- 
richt im  Spiele  der  Klappentrompete  gehandelt  haben.)  Am  selben  Tage 
wird  ihm  (der  in  dem  Aktenstücke  »Mitglied  des  kk.  Hoftheaterorchesters" 
genannt  wird)  »eine  Gehaltszulage  von  150  fi.,  folglich  ein  Gehalt  von 
vierhundertfünfzig  Gulden"  bewilligt. 

Ein  »Zeignuß"  vom  4.  November  1813  bestätigt,  daß  Anton  Weidinger 
als  kk.  Hoftrompeter  »bey  dem  kk.  Obersthofstallmeisterstabe  angestellt  sey". 

Um  diese  Zeit  scheint  Weindinger  seine  anfänglich  nur  für  die 
Trompete  ersonnene  Erfindung  auch  auf  das  Waldhorn  fibertragen  zu 
haben.  Am  28.  Dezember  1813  ließ  sich  Weidingers  zwölfjähriger  Sohn 
Joseph,  der  schon  1810  als  Trompeter  aufgetreten  war,  in  Wien  im 
kleinen  Redoutensaale  auf  dem  »von  seinem  Vater  erfundenen  Klappen- 
Waldhorn  hören".  Am  4.  Juni  1817  konzertieren  Vater  und  Sohn 
wieder  im  kleinen  Redoutensaale,  wobei  der  Vater  die  Klappen- 
trompete, der  Sohn  das  Klappenhom  blies.  Leider  scheint  sich  das 
Publikum  sehr  wenig  für  die,  für  die  Instrumentalmusik  so  hochwichtige 
Sache  interessiert  zu  haben.  Der  Bericht  über  das  letztangefübrte  Konzert 
meldet  von  »in  großen  Entfernungen  ausgesäeten  Zuhörern". 

Noch  in  vorgeschrittenem  Alter  produzierte  sich  der  talentierte  und 
fleißige  Künstler  öffentlich;  so  u.  a.  bei  einem  am  10.  Mai  1829  im 
kleinen  Redoutensaale  in  Wien  stattgehabten  Konzerte.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit scheint  er  eine  neue  Konstruktions-Version  seiner  Erfindung 
vorgeführt  zu  haben,  denn  ein  Referat  über  die  Produktion  meldet  von 
»der  neuen,  von  ihm  verbesserten  Klappentrompete*. 

Mit  Intimat  des  k.  k.  Obersthofmeisteramtes  vom  27.  Juli  1850  wurde  Wei- 
dinger, »k.k.  Oberhoftrompeter'',  pensioniert  und  erhielt  »in  Anbetracht  seiner 
langen  Dienstzeit""  ^)  650  fl.  C.  M.  Pension.  Nur  zwei  Jahre  genoß  Weidinger 
seinen  Ruhegehalt.  Er  starb  am  20.  September  1852  »am  Strozzengrund 
No.  57''  (jetzt  VIII.  Strozzigasse  No.  42)  im  86.  Lebensjahre  an  Altersschwiche. 


^)  Die  Einsicht  in  alle  io  diesem  Aufsätze  benutzten  Dokumente  verdanke  ich  der 
Freundlichkeit  der  Witwe  des  Enkels  A.  Weidingers,  des  Herrn  Hoftnaslkers  Ferdinand 
Weidinger.  Sein  Vater,  der  Sohn  des  Erfinders  der  Klappeatrompete,  Ferdinand  Wei- 
dinger, war  ebenfalls  Musiker,  und  zwar  auch  Mitglied  des  Wiener  Hofopemorehesters. 
Manche  Daten  steuerte  der  Wiener  Hofkapellsinger  Herr  Ferdinand  Graf  bei,  woftr 
ich  ihm  meinen  besonderen  Dank  sage. 


waren  drei  Tochea  seit  den  .Iclasaiichen'  Tagen  des  ersten  Ost- 
preuQiscben  Mu^resies  vergangen,  da  taub  unten  in  Mfinctaen  die  große 
,  Tagung  der  lebenden  deutschen  Musllianten  an.  Vorher  aber  fübrie 
1  mich,  den  Exiremlustlgen,  ein  Zug  durch  laue  sommernlctatllclie  Luft 
>  nacb  dem  lieblich-pittoresk  von  der  Limmat  durchsctalingelten  Baden  im 
Aargauischen.  Dort,  zwanzig  Minuten  Bahnrahrt  ron  dem  masjkbislorisch  wegen  Tagner 
und  Goctz  uns  so  werten  Zürich  entfernt,  hielten  die  schweiieriscben  Ton- 
künstler  ihre  neunte  Tagung  ab.  Seit  1000  also,  dem  Gründungajabr  des 
schweiieriscben  Vereins,  trat  man  hier  in  stolzer  Abgeschlossentaeic  von  den  deutschen 
Versaminlungen  alljihrlich  zu  mehrligigen  Festen  zusammen.  Ist  dabei  eine  nationale 
tctaweiierische  Tonkunst  zutage  gefBrdert  worden?  Man  kann  die  Frage  jetzt  wotal 
mit  aller  Gewi  säen  taafiigkeit  verneinen.  Wir  alle  wissen,  daQ  Hans  Huber, 
Hegar,  der  sympathische,  fr  üb  verstorbene  Gustav  Teber,  der  junge  Volkmar 
Andreae,  um  die  wichtigsten  deutschen  Namen  der  musJIcallschen  Schweiz  zu 
nennen,  eine  gelluterte  Kultur  in  ihren  Werken  zeigen,  dsQ  sie  bedeutende  Werte 
geprlgt  haben  (man  denke  nur  an  Hubers  BSckI  in  Symphonie,  seine  zahlreiche 
Kammermusik,  an  Hegara  Cbfire,  die  symphonische  Dichtung  aSchwormut- 
Entrfickung-Vision"  Andreaea),  wir  schätzen  Dalcroze,  den  einzigen  bedeutenden 
französischen  Schweizer,  als  einen  der  getstvollsten  modernen  Musiker,  der  erst  nen- 
llch  Bis  Schöpfer  der  rhythmisch -gymnastischen  Methode  der  musikalischen  Volks- 
pidagoglk  so  ungemein  wichtige  Anregungen  gegeben.  Doch  wie  er  sich  als  Ton- 
setzer von  Brückner  weg  den  französischen  Impressionisten''  von  Debussy  bis  Ropartz 
und  d'lndy  zugewandt,  spezifisch  Scbweize Haches  in  höheren  Kunstwenen  überhaupt 
nicht,  im  Volkstümlichen  ailenhils  mit  den  »Rondes  enhntlnes'  und  ihren  vaudoisiscben 
Einfifissen  geprigt  bat,  so  füllen  die  genannten  (wie  die  zahllosen  kleineren  un- 
genannten) deutschen  Schweizer  durchaus  auf  dem  Wurzclreich  der  bodenstindlgen 
rcln-deuiscben  Musik,  sei's  in  der  Richtung  Brsbms  oder  Wagner-Strauß,  Wolf-Reger. 
Haben  wir  uns  dies  einmal  zur  Richtschnur  für  eine  objektive  Wertung  der 
Dinge  vorgezeichnet,  so  bleibt  Immerbin  noch  Grund  genug,  sich  über  die  Rührigkeit 
zu  freuen,  mit  der  die  schweizeriache  Jungmannsctaaft  (die  zum  Teil  bei  Wüllnerdem 
Alteren  In  KOln,  in  Leipzig,  Dresden  oder  München,  wenn  nicht  zu  Hause  bei  Meister 
Huber,  Daicroie,  Kempter,  Hegar  geschult  iat)  an  ihrer  Kunstfertigkeit  Im  Tonsati 
arbeitet,  ohne  es  allerdings  dabei  wieder  zu  dem  ersehnten  nationalen  .Etwas"  zu 
bringen,  tiei  dessen  etwaiger  Wahrnehmung  man  vielleicht  einmal  von  einer 
schweizerischen  Tonkunst  ebenso  wird  sprechen  kSnnen,  wie  von  der  deutschen.  Die 
Schweiier  mSgen  sich  aber  hierin  mit  den  Englindem  und  anderen  Kulturvölkern 
trSsien  .... 

12- 


168 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


JB9 


Daß  Friedrich  Klose/)  der  von  Brückner  und  Wagner  inspirierte  Musiker  aus 
dem  Schwabenlandy  der  feinsinnige  Tonspinner  des  Märleins  »vom  Fischer  un  syner 
Fru  Ilsebill*,  wie  auch  Marteau  noch  immer  auf  diesen  Tagungen  als  Schweizer  er- 
scheinen, daß  in  neuerer  Zeit  der  Ungar  Emanuel  Moor,  der  Wiener  Fritz  Karmin 
die  gleiche  Ehrung  erfahren  und  auch  Hermann  Goetz,  der  in  Königsberg  geborene, 
in  Berlin  von  Bülow  erzogene  Schöpfer  der  „Widerspenstigen*  in  den  Kreis  auf- 
genommen wird  —  wohl  da  er  das  letzte  Jahrzehnt  seines  Lebens  in  der  Schweiz  gewirkt; 
und  am  Hottinger  Hügel  sein  fHibes  Grab  gefunden  —  das  alles  ehrt  die  Gastfreund- 
schaft des  herrlichen  Landes,  ändert  aber  nichts  an  den  festgesetzten  Tatsachen. 

Die  diesjährige  Tagung  ergab  seitens  der  jüngeren  Musiker  kein  sonderlich 
gutes  Resultat.  Aus  der  langen  Reihe  der  Strebsamen  nennen  wir  Fritz  Brun  mit 
einer  von  ernsten  Gedanken,  edler  Form  und  schönem  Pathos  durchsetzten  Sonate 
für  Geige  und  Klavier,  desgleichen  einer  famos  thematisch  exponierten  und  im  Satz 
durchgearbeiteten  Symphonie,  beides  aber  zu  sehr  ausgedehnt,  den  bukol  drauf- 
gängerischen Regerschüler  Othmar  Schoeck,  der  ein^ humorvoll  rhythmisierte  und 
instrumentierte  Streicherserenade  (als  op.  1)  und  mehrere  melodisch  frisch  empfundene, 
in  brillante  Deklamation  und  Gesamtstimmung  gefaßte  Lieder  als  verheißungSTOllste 
Talentproben  aufführte,  während  Gustav  Niedermann,  Ernst  Isler,  Jos6  Berr  (auch 
dieser  kein  Schwyzer,  sondern  waschechtes  Münchner  Kindl),  besonders  aber  der 
jugendlich-heißspornige  Ernst  Frey  —  ein  hervorragendes  Klaviertalent  —  in  ihren 
Liedern,  Chören  und  Sonaten  großes  Satzgeschick,  manchmal  auch,  wie  Isler  z.  B., 
tiefpoetisches  Empfinden,  aber  auch  nicht  ein  Quentchen  Persönlichkeit,  Eigenart  ver- 
raten. Zwischen  diesen  „Jungen*  und  den  „Alten*  steht  als  speziell  zu  Bewertender 
der  Basler  Walter  Courvoisier.  Er  ist  von  Tbuille  mit  besonderer  Ffirsorge 
gefördert,  in  Münchens  Musikkultur  großgezogen  und  sucht  sich  mit  Glück  in  seiner 
Lyrik  —  von  der  hier  glänzend  feurige  Proben  auf  Texte  von  Lenau,  Storm,  Cornelius, 
Wilh.  Hertz  vertreten  waren  —  einen  eignen  Weg  aus  Wölfischer  Diktion  und 
Schillingsscher  Harmonik.  Beide  Elemente  beherrscht  er  meisterlich,  und  trifft 
damit  immer  den  innersten  Nerv  der  Dichtung;  sein  Klaviersatz  ist  von  edlem 
Geblüt,  schwungvoll  und  stimmungs vertiefend*  Von  Georg  H  äs  er,  dem  wir  eine  sinnige 
lyrische  Oper  auf  Gottfried  Kellers  Neugestaltung  der  Schweizersage  von  „Hadlaub* 
verdanken,  ward  in  Baden  eine  komplette  siebensätzige  Kanon-Suite  (die  progressiv 
alle  Intervalle  führt)  so  schlecht  mit  dem  vorhandenen  dürftigen  Orchestermaterial 
verspielt,  daß  man  ihren  mehr  als  theoretischen  Wert  nicht  erkennen  konnte.  Chöre 
von  Munzinger-Bem  und  Jacques  Ehrhart,  wie  eine  k  cappella-Kleinigkeit  von 
Karmin  bezeugten  neuerlich  den  guten  Geschmack  dieser  Tonsetzer,  ebenso  eine 
Violinsonate  von  Albert  Meyer-St.  Gallen,  deren  Gedankenbom  freilich  wieder  anper- 
sönlich genug  ist.  Aber  was  für  ein  Pracht-„Kerl*  in  goethischem  Sinne  ist  doch 
Hans  Huber!  Seine  dritte  Sonate  („lyrica*;  die  beiden  früheren  heißen  »appsssio- 
nata*  und  „graziosa*)  zeigt  den  geborenen  Vollblutmusiker,  dem  aparte,  beredt-prägnante 
Tonbilder  nur  so  aus  der  Feder  fließen;  alle  weisen  sie  meisterhaften  Formenguß, 
Warmherzigkeit  der  Empfindung  auf.  Ganz  wundersame  klangpoetische  Dinge  sind 
Huber  diesmal  in  einigen  lichtvoll  gesetzten  Frauenchören  geraten,  die  er  von  Klavier 
und  abwechselnd  von  Bratsche,  Flöte  oder  Hom  zu  ihrer  bald  archaistischen,  bald 


')  Das  vielgerühmte  Chorwerk  Kloses  „Vidi  aquam*,  wie  Orchester^Improvisationen 
von  Moor,  dann  das  „Paradis  perdu*  von  Lauber  müssen  hier  leider  unberührt 
bleiben;  ihre  Aufführung  in  Zürich  fiel  mit  dem  Beginn  der  Münchener  Tagung  zu- 
sammen.   D.  Verf. 


M 


169 
KASTNER:  9.  SCHWEIZERISCHES  MUSIKFEST 


böcklinisch-phantasievoll  modern  geführten  Harmoniewelt  klangherrlich  umspielen 
lißt;  kein  guter  Frauenchor  soll  sich  diese  erlesenen  Dinge  entgehen  lassen! 
Erwihne  ich  noch  den  ungemein  begabten  AI.  D6n6r6az-Lausanne  mit  einem  aus 
Beethovens  letzten  Gedankenkreisen  zum  Epos  des  Brucknerquintetts  fuhrenden 
Streichquartett  von  edler  Themensprache  und  herbem  Ernst,  Laubers  brillante 
Phantasie  ffir  zwei  Klaviere  auf  das  Carillonthema  von  Rousseau  (II)  einer  Genfer 
Kirche,  dann  Moors  kontrapunktisch  hervorragendes  Klavierpr^lude,  so  ist  wohl  alles 
Wesentliche  von  der  Badener  Tagung  genannt.  Musikdirektor  Vogler- Baden  hat  sich 
um  die  Leitung  mancher  dieser  Werke,  zum  Schluß  mit  dem  prachtvollen  137.  Psalm 
von  Goetz  redlich  bemüht:  doch  weder  der  Chor,  noch  das  Orchester  wollte  recht 
parieren.  Maria  Philippi  und  Paul  Boepple-Basel,  Ellen  Saatweber-Schlieper, 
eine  hochgediegene  Pianistin,  das  talentierte  aber  tonlich  allzu  robuste  Frl.  de  Ger- 
zabek,  das  famose  Lausanner  Streichquartett  (mit  Birnbaum,  dem  neuen 
Dirigenten  der  Berliner  Komischen  Oper,  als  Primarius),  die  Genfer  Pianistin  Mlle. 
Panthös,  das  prichtige  Basler  Vokalquartett  sekundierten  den  selbst  dirigierenden 
und  klavierspielenden  Tonsetzem  tapfer.  Willy  Rehberg,  der  Meister,  muß  da  be- 
sonders genannt  sein  und  einer,  den  ich  mir  bis  zuletzt  sparte:  Henri  Marteaul 

Nach  dem  Fiasko  in  München  fühle  ich  mich  doppelt  verpflichtet,  hier  Kunde 
zu  geben  von  einer  in  Form  und  harmonischer  Gliederung  gleich  maßvoll  abgewogenen, 
klanglich  und  instruktiv  ebenso  schönen  wie  geistvoll  anregenden  Chiaconna, 
die  Marteau  vor  vier  Jahren  für  die  Bratschen klasse  des  Pariser  Conservatoire 
geschrieben  und  die  ein  gesundes,  dabei  edelblüttges  Stück  Musik  darstellt. 
Der  geniale  Geiger  spielte  es  selbst  und  empflng  hernach  endlose  Ovationen.  In 
ihnen  klang  ein  bewegter  und  bewegender  Abschied  mit,  den  die  Schweizer  von 
Marteau  nahmen.  Hat  er  doch  in  dttn  Jahrzehnt  seines  Genfer  Wohnsitzes  dem 
Schweizer  Musikleben  zahlreiche  unvergeßliche  Dienste  geleistet,  es  mit  seiner  in 
Deutschland  nicht  minder  bekannten  Weitherzigkeit  gefördert. 


BÜCHER 


185.  Theodor  Lipps:     Ästhetik,   Psychologie   des  ScbSiien   und  der   Kunst. 

2.  Teil:   Die  isthetische  Betrachtung  und  die  bildende  Kunst*). 

Verlag:  Leopold  VoB,  Hamburg  und  Leipzig,  igOe. 
Obgleich  sich  der  vorliegende  Band  noch  nicht  mit  der  Musik  und  aucb  nicht  mit 
der  ihr  verwandten  Poesie  beschiftigt,  ist  es  doch  drlngenil  geboten,  auch  fn  dieiea 
Blittem  auf  ihn  hinzuweisen,  da  in  seinem  ersten  Teil  die  isthetische  Betrutatnng  als 
solche  behandelt  wird.  Der  zweite  Teil  ist  den  bildenden  Künsten  gewidmet  Auch  er 
enitailt  viel  Allgemeines  von  grfißtem  Werte;  aber  seine  Besprechung  Ist  hier  nicht  an- 
^nglg.  Der  Kernpunkt  oder,  wenn  man  will,  der  Zweck  der  istbetlichen  Betrachtung 
ist  die  Bstbetische  Einrühlung.  Mit  diesem  Ausdruck  bezeichnet  Lipps,  wie  scbon  In  dem 
Referat  über  den  ersten  Band  hervorgehoben  wurde,  die  Tatsache,  dafl  wir  unsere,  durch 
das  betrachtete  Objekt  bewirkte  innere  Titigkeit,  unser  inneres  Erleben  in  dieses  Objekt 
hineinlegen,  so  daß  es  uns  nun  als  seine  TStlgkeit,  sein  Erleben  entgegentritt.  Der  zweite 
Band  beginnt  nun  mit  der  Unterscheidung  der  Isthetlscbcn  Einfühlung  von  dem  bitdten 
Aufnehmen  und  Anerkennen  eines  Sschverhsltes.  Wenn  leb  einen  Satz  aussprcGtaen 
höre  und  die  in  ihm  enthaltene  Aussage  als  zutreffend  anerkenne,  so  habe  leb  mlcb  zwar 
in  gewissem  Sinne  in  den  Satz  eingefühlt;  aber  mein  inneres  Erleben  war  doch  nicht 
derartig,  daU  es  mir  aus  dem  Satze  objektiviert  bitte  entgegentreten  kCnnen.  Vielmehr 
ist  dss  Zustandekommen  der  isthetiscben  Einfühlung  an  zwei  Bedingungen  geknüpft: 
erstens  darf  die  Titigkeit,  die  wir  vollziehen  sollen,  nicht  durch  entgegengesetzte 
Tendenzen  gestört  werden,  d.  h.  der  Gehaii,  das  Leben,  das  uns  aus  dem  Objekt  ent- 
gegenirltt,  muß  uns  unbestritten  gegeben  sein.  Vir  dürfen  nicht  innerlich  frigen,  ob  es 
wirklich  existiert  und  ob  es  so  bescbsffen  Ist,  wie  es  uns  entgegentritt.  Wenn  es  mir 
scheint,  als  spiegele  sich  in  dem  Gesichte  eines  Menschen  ehrliche  Freude,  wenn  Ich 
aber  troiidem  zweifle,  ob  er  sich  nicht  vielleicht  doch  In  einer  andern  Stimmuns  befinde^ 
so  kann  ich  die  Freude  nicht  ungestört  in  mir  erleben,  mich  also  auch  nicht  rSIIlg  in  den 
anderen  Menschen  versetzen.  Zweitens  muD  die  Betrachtung  ausschlle&lfch  tat  du 
Objekt  selbst  gerichtet  sein;  denn  nur  dann  kann  es  seinen  vollen  Gehalt  oStonbven. 
Glaube  ich,  in  den^Gesichtszügen  eines  Menschen  Trsuer  zu  finden,  und  n«hme  Ich 
dsraufhin  an,  daß  er  tstsichlich  traurig  ist,  so  habe  Ich  mich  allerdings  fn  Ihn  ringefOblt. 
Aber  Indem  ich  die  Frage  nach  der  Wirklichkeit  seiner  Trauer  stellte,  bin  Ich  Über  tUe 
Betrachtung  des  Objektes  selbst  hinausgegangen;  denn  ob  irgend  etwas  wirklich  tat  oder 
nicht,  indert  nichts  an  seinem  Wesen.  Die  eben  geschilderte  Elntühlun(  nennt  Lipps 
praktische  Einfühlung.  Der  istbetischen  Einfühlung  aber  und  somit  der  Isthedtchen 
Betracbmng  Ist  wesentlich,  daß  die  Frage  nach  der  Wirklichkeit  oder  Nlchtirirkllchkeh 
überhaupt  nicht  auftaucht,  und  zwar  gilt  dies  sowohl  hinsichtlich  des  StoSfes,  also  bei- 
spielsweise des  Marmors  einer  Sutue,  als  aucb  hinsichtlich  des  Inhaltes,  also  i 


I)  Der  1.  Band  „Grundlegung  der  Ästhetik"  erschien  1903  und  Ist  Im  4.  Jatargans 
dieser  Zeitschrift,  2.  Quartal,  Seite  47  besprochen. 


171 
BESPRECHUNGEN  (BÜCHER) 


was  die  Statue  darstellt.  Die  Eigenschaft  des  ästhetischen  Objektes,  die  WirklichkeitsTrage 
In  uns  nicht  aufkommen  zu  lassen,  heißt  seine  ästhetische  Idealitit.  Der  ideelle  Inhalt 
unterscheidet  sich  vom  bloßem  Phantasiegebilde  dadurch,  daß  er  eben  in  eine  bestimmte 
sinnliche  Erscheinung  gebannt  ist,  daß  er  uns  nur  mit  dieser  und  durch  diese  vermittelt 
wird  (»ästhetische  Isoliertheit  des  Objektes^).  —  Eine  weitere,  sehr  wichtige  Eigenschaft 
des  isthetisch  zu  betrachtenden  Gegenstandes  ist  seine  isthetische  Objektivität.  Was 
damit  gemeint  ist,  wird  am  leichtesten  an  der  Dichtkunst  klar.  Selbstverständlich  stehen 
uns  die  Worte  und  Sätze  der  Dichtung  als  etwas  Objektives,  d.  h.  als  ein  Gegebenes, 
das  wir  nicht  bezweifeln  können,  gegenüber,  aber  ebenso  auch  z.  B.  die  Personen  des 
Epos,  obgleich  der  Dichter  doch  nur  von  ihnen  erzählt.  Solange  wir  sie  ästhetisch 
betrachten,  sind  sie  für  uns  selbständige,  vom  Dichter  unabhängige  Wesen.  Sie  fähren 
ihr  eigenes  Leben,  haben  ihren  eigenen  Charakter,  ja,  wir  können  von  ihnen  sprechen, 
als  wären  sie  wirkliche  Menschen.  Nur  wenn  ein  Gegenstand  Idealität,  Isoliertheit  und 
Objektivität  im  ästhetischen  Sinne  besitzt,  können  wir  uns  völlig  in  ihn  versetzen,  ihn 
wirklich  ästhetisch  betrachten.  Nur  su  kommt  die  ästhetische  Realität  zustande,  die 
nichts  anderes  bedeutet  als  daß  wir  den  in  dem  Objekt  liegenden  Gehalt  miterleben.  — 
Ober  die  Art  dieses  Miterlebens  ist  viel  gestritten  worden.  In  Wahrheit  besteht  der 
Unterschied  z.  B.  zwischen  dem  wirklichen  und  dem  in  der  ästhetischen  Betrachtung 
miterlebten  Zorn  darin,  daß  letzteren  nicht  meine  auf  die  Wirklichkeit  bezogene,  sondern 
meine  der  Betrachtung  völlig  hingegebene  Persönlichkeit  erlebt.  Bin  ich  aber  der  Be- 
trachtung hingegeben,  so  fällt  meine  Persönlichkeit  mit  dem,  was  ich  in  mich  aufhehme, 
völlig  zusammen.  Alle  übrigen  Beziehungen,  also  auch  diejenigen  zur  Wirklichkeit,  sind 
ausgeschaltet.  Demnach  kann  der  ästhetisch  erlebte  AfiPekt  nicht  zum  praktischen  Handeln 
fuhren.  Aber  darum  sind  doch  die  in  der  ästhetischen  Betrachtung  erregten  Gemüts- 
bewegungen nicht  schwächer  als  andere,  und  ebensowenig  sind  sie  nur  Scheingefühle, 
wie  man  öfters  behauptet  hat.  —  Indem  uns  die  ästhetische  Betrachtung  ermöglicht,  uns, 
unabhängig  von  allen  unseren  praktischen  Interessen,  ganz  in  das  im  Objekt  liegende  Leben 
zu  versenken,  führt  sie  uns  notwendig  tiefer  in  dieses  Leben  ein  als  irgend  eine  andere 
Art  der  Betrachtung  es  vermöchte  („ästhetische  Tiefet  und  da  das  Leben  des  Objektes 
im  letzten  Grunde  aus  uns  selbst  stammt,  unsere  eigene  Tätigkeit  ist,  und  wir  dabei 
Lustgefühle  haben,  so  werden  wir  in  dieser  Tiefe  stets  auf  einen  wertvollen  Teil  unserer 
Persönlichkeit  oder,  was  dasselbe  ist,  auf  etwas  menschlich  Wertvolles  stoßen.  So  beruht 
die  ästhetische  Betrachtung  schließlich  auf  der  ästhetischen  Sympathie.  Auch  das  in  der 
Kunst  dargestellte  Leiden  dient  keinem  anderen  Zwecke,  als  uns  menschlich  Wertvolles 
um  so  intensiver  miterleben  zu  lassen.  Man  sieht,  daß  hier  die  Wurzeln  des  Tragischen 
und  des  Komischen  (denn  auch  in  der  Komik  wird  das  ästhetische  Objekt  in  gewisser 
Weise  vernichtet  oder  doch  eingeschränkt)  aufgedeckt  werden.  Oberhaupt  ergibt  sich 
aus  dem  Fundament,  das  ich  im  Vorstehenden  mit  flüchtigen  Strichen  zu  skizzieren  ver- 
suchte, die  Beantwortung  einer  Reihe  der  wichtigsten  Fragen.  Ich  kann  hier  nur  einige 
der  Folgerungen  andeuten,  die  der  Verfasser  zieht.  Zunächst  ist  jetzt  ohne  weiteres 
einleuchtend,  wie  sich  die  ästhetische  Betrachtung  eines  Kunstwerkes  von  jeder  anderen 
Betrachtungsweise  desselben,  etwa  von  der  historischen  oder  der  finanziellen,  unter- 
scheidet Femer  ist  klar,  wie  sich  das  Kunstwerk  zur  Wirklichkeit  verhalten  muß.  Es 
muß  ihr  so  weit  treu  bleiben,  daß  wir  nicht  zu  der  Frage  nach  der  Wirklichkeit  oder 
NichtWirklichkeit  veranlaßt  werden.  Das  ist  alles.  Davon,  daß  die  Kunst  die  Natur 
nachzuahmen  habe,  kann  keine  Rede  sein;  denn  ihre  Angabe  ist,  menschlich  Wertvolles 
darzustellen,  d.  h.  uns  dieses  Wertvolle  in  höchster  Deutlichkeit  miterleben  zu  lassen. 
Auch  sehen  wir  jetzt,  wie  sich  der  Künstler  mit  der  historischen  Wahrheit  abzufinden 
hat    Auch  sie  hat  er  nur  insoweit  zu  respektieren,  als  er  fürchten  muß,  durch  ihre 


172 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


Veraachlissigung  unseren  Widerspruch  herauszufordern  und  uns  damit  von  der  istfaedschen 
Betrachtung  abzudrängen.  Der  alte  Streit  zwischen  der  Formal-  und  der  Inhtltsisthetik 
ist  jetzt  als  gegenstandslos  erwiesen;  denn  wenn  das  Wesen  des  Kunstwerkes  darin 
besteht,  uns  das  Leben  eines  sinnlichen  Objektes  zu  ofiPenbaren,  so  ist  in  aller  Kunst 
Form  ohne  Inhalt  oder  Inhalt  ohne  Form  undenkbar.  Von  größter  Wichtigkeit  ist  die 
Unterscheidung  zwischen  dem  Symbolischen  und  dem  Symbolistischen.  Symbolisch  ist 
jedes  wirklich  ästhetische  Objekt,  weil  uns  unmittelbar  aus  ihm  Leben  entgegenleuchtet» 
das,  wie  es  nicht  anders  sein  kann,  ein  Teil  unseres  eigenen  Lebens  ist  Symbolistisch 
dagegen  sind  Objekte,  die  uns  etwas  anderes  sagen  sollen  als  sie  uns  tatslchlich« 
d.  h.  unmittelbar,  ihrem  Wesen  gemäß  sagen.  Z.  B.  sagt  der  Heiligenschein  in  Wahrheit 
nichts  über  die  Heiligkeit  oder  überhaupt  den  Charakter  seines  Trägers.  Zum  Schlaft 
möchte  ich  an  diese  Bemerkung  noch  ein  wörtliches  Zitat  aus  unserm  Buche  anlmfipfen, 
teils  weil  es  auf  die  für  die  Gegenwart  charakteristischen  Verimingen  ein  grelles  Streif* 
licht  wirft,  teils  weil  auch  die  Tonkunst  mit  in  Betracht  gezogen  ist,  endlich  aber  auch, 
weil  es  gleichzeitig  eine  knappe  Formulierung  des  Grundprinzipes  der  Lippsschen  Ästhetik 
enthält.  Auf  Seite  94—95  heißt  es:  „Wir  begegnen  in  der  Geschichte  der  Kunst 
Zeiten,  in  welchen  mehr  als  zu  andern  Zeiten  der  Kunstler  an  den  Beschauer  die 
Forderung  stellt,  daß  er  aus  dem  Kunstwerk  heraustrete  und  allerlei  hinzuf&ge.  Dies 
sind  Zeiten  einer  primitiven  Kunstentwicklung  oder  Zeiten  des  Verfalles.  In  beideriei 
Zeiten  müssen  Kunstwerke  um  so  mehr  ,bedeutenS  je  weniger  sie  sind.  Der  Kfinstier 
,meint'  mit  dem  Kunstwerke  um  so  mehr,  je  weniger  das  Kunstwerk  zu  sagen  vennag. 
Die  Idee  ersetzt  den  Inhalt.  In  der  primitiven  Kunst  sollen  die  Heiligenscheine  and  die 
Spruchbänder  ,sagen',  was  das  Kunstwerk  nicht  sagt.  In  den  Zeiten  des  Verfdles 
sollen  wir  in  philosophischen  Interpretationen  für  das  Kunstwerk  Ersatz  finden.  Dabei 
hat  das  Spruchband  einen  entschiedenen  Vorzug.  Nicht  was  es  sagt,  aber  das  Spruch- 
band  selbst  ist  doch  wenigstens  dargestellt  und  wird  von  uns  gesehen.  Von  den  philo- 
sophischen Interpretationen  dagegen  sehen  wir  nichts.  Sie  haben  also  mit  dem  Kunst- 
werk schlechterdings  und  in  jedem  Sinne  nichts  zu  tun.  Man  kann  nun  einmal  Philosophie^ 
man  kann  überhaupt  Gedanken  und  Ideen  nicht  meißeln  noch  malen.  Man  kann  sie 
auch  nicht  dichten  und  musizieren.  Man  kann  nur  erlebbares  Leben  in  sinnliche 
Formen  bannen,  und  darin  besteht  aller  Sinn  der  Kunst.*  Dr.  R.  Hohenemssr 

186.  Walter  Krone:  Wenzel  Müller.  Ein  Beitrag  zur -Geschichte  der  komischen 
Oper.  Verlag:  E.  Ehering,  Berlin. 
Wenzel  Müller,  der  praktische  und  fruchtbare  Kapellmeister  des  volkstümlichen 
Leopoldstädter  Theaters  in  Wien,  der  die  von  Hiller,  Dittersdorf  u.  a.  geschaffenen  und 
ausgestalteten  Formen  des  deutschen  Singspiels  auf  das  Gebiet  der  populären  Wiener 
Dramatik  mit  ihren  Ritter-,  Gespenster-,  Räuber-  und  Zauberstücken  verpfianite,  ist  eine 
für  die  Gesamtentwickelung  des  deutschen  Theaters  und  der  theatralischen  Musik  so 
wichtige  Persönlichkeit,  daß  eine  Arbeit,  die  sich  mit  seiner  Wirksamkeit  behüt  und  Ihm 
den  ihm  in  der  Gesamtheit  gebührenden  Platz  anweist,  gewiß  willkommen  gehelBen 
werden  kann.  Der  Verfasser  der  mir  vorliegenden  kleinen  Schrift  hat,  abgesehen  yod 
der  glücklichen  Wahl  des  Stoffes,  das  Recht  auf  Anerkennung  des  lobenswerten  Elfers 
und  des  gründlichen  Fleißes,  womit  er  seinen  Stoff  behandelt  hat.  I'reillch  fehlt  im 
großen  und  ganzen  eine  wirkliche  Verarbeitung  des  gesammelten  reichen  Materials,  so- 
daß  das  Büchlein  mitunter  fast  wie  ein  bloßer  Vorläufer  einer  W.  Müller  gewidmeten 
größeren  Arbeit  anmutet.  Die  seitenlangen  Aufzeichnungen  von  Quellentiteln  wären  besser 
aus  dem  Text  unter  den  Strich  oder  in  einen  Anhang  verwiesen  worden,  die  Aofeihlang  der 
Stücke,  zu  denen  Müller  die  Musik  schrieb,  unterbrechen  manchmal  störend  den  Gsog 
der  Darstellung.    Als  Inkonsequenz  muß  es  getadelt  werden,  daß  Krone  die  Namen  der 


173 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


Textdichter  manchmal  angibt,  sehr  oft  aber  diese  Angabe  gerade  bei  wichtigeren  Dramen 
unterlißt.  Auch  sonst  erregen  Einzelheiten  Anstoß.  Emanuel  Schikaneder  wird  (z.  B. 
S.  30)  mit  seinem  NefiPen  Karl  verwechselt,  der  am  Leopoldstidter  Theater  engagiert  war, 
während  doch  sein  Oheim  ein  tötlicher  Konkurrent  dieses  Theaters  gewesen  war.  Die 
Entstehung  des  „Zauberfl5te''-Textes  wird  (S.  38)  ziemlich  anekdotenhaft  erzihlt.  Die 
Bekanntschaft  des  Lesers  mit  der  berühmten  „Köhlerszene"  in  Raimunds  „Alpenkönig 
und  Menschenfeind*  hätte  wohl  vorausgesetzt  werden  können.  Gleichwohl  interessieren 
die  mitgeteilten  Inhaltsangaben  und  die  eingestreuten  Proben  von  Möllers  Musik;  die 
letzteren  zeigen  recht  deutlich,  wie  viel  Ernstes  und  Tiefes  auch  in  dem  musikalischen 
Teil  dieser  oft  unterschätzten  Wiener  Zauberstücke  enthalten  ist. 

Dr.  Egon  v.  Komorzynski 

187.  M.-D.  Calvocoressi:   Moussorgsky.     („Les  Maltres  de  la  musique.*'    Publi^s 

sous  la  direction  de  M.Jean  Chantavoine.)  Verlag:  Felix  Alcan,  Paris  1908. 
Das  Buch  will  mehr  sein  als  eine  bloße  biographisch-kritische  Abhandlung  über 
den  urwüchsigsten  und  genialsten  Tondichter  der  sogenannten  neurussischen  Schule.  Der 
Verfasser  benutzt  das  Lebenswerk  Moussorgsky's  nur  als  Ausgangspunkt,  von  dem  aus 
er  die  schwierigsten  Gebiete  der  Musikästhetik  durchstreift,  und  zu  dem  er  nach  einer 
jeder  solchen  mehr  oder  weniger  gelungenen  Exkursion  wieder  zurückkehrt.  Die  ge- 
wonnenen Einsichten  allgemeinen  Charakters  werden  dann  stets  am  speziellen  Falle 
Moussorgsky  sorgfältig  nachgeprüft.  Es  muß  zugestanden  werden,  daß  kaum  ein  anderer 
modemer  Komponist  so  sehr  zur  Lösung  allgemeiner  musikästhetischer  Probleme  anregt, 
wie  gerade  Moussorgsky  auf  Grund  seines  durch  und  durch  originellen,  von  keinerlei 
Regeln  oder  traditionellen  Prinzipien  beeinflußten  Schaffens.  Für  die  Fixierung  der 
Grenzen  der  ästhetisch  zulässigen  Verwendbarkeit  musikalischer  Ausdrucksmöglichkeiten 
gewinnt  man  bei  der  Betrachtung  der  Moussorgsky'schen  Schöpfungen,  besonders  seiner 
Lieder,  vollständig  neue  Gesichtspunkte.  Calvocoressi  erweist  sich  gerade  in  diesen,  all- 
gemeinere Fragen  behandelnden  Seiten  seines  Buches  (Le  R6alisme  artistique  et  ses 
cons^uences)  als  überaus  feiner  Kopf.  Auch  in  den  Analysen  einzelner  Werke  zeigt  er 
oft  ein  subtiles,  für  einen  Nichtrussen  erstaunlich  biegsames  Einfühlungsvermögen  gegenüber 
den  komplizierten  psychischen  Regungen,  die  sich  im  dichterischen  und  musikalischen 
SchaffSensprozesse  Moussorgsky's  offenbaren.  Jedoch  nicht  immer.  Bei  der  Betrachtung 
der  Moussorgsky'schen  Klavierkompositionen,  höchst  unbedeutenden,  jugendgrünen 
Stchelchen,  trübt  ihm  der  Enthusiasmus  des  Biographen  den  Blick.  Völlig  verfehlt  ist 
der  Versuch,  die  Stellung  Moussorgsk/s  im  Verhältnis  zu  tien  übrigen  russischen  Kom- 
ponisten zu  fixieren.  Die  Behauptung,  daß  der  Komponist  des  ^Boris  Godunow'  sich 
«dans  quelque  mesure**  an  C^sar  Cui  anlehne,  ist  für  Moussorgsky  geradezu  beleidigend. 
Allein,  trotz  einiger  solcher,  den  Widerspruchsgeist  im  höchsten  Grade  reizender  Stellen 
—  es  würde  zu  weit  führen,  wollte  ich  alle  anführen  —  ist  das  Calvocoressi'sche  Buch 
eine  durchaus  beachtenswerte  Erscheinung  unter  den  neueren  musikliterarischen  Pu- 
blikationen. Es  ist  schon  das  zweite  dickleibige  Buch,  das  in  französischer  Sprache  über 
Moussorgsky  erscheint  (vor  wenigen  Jahren  veröfiPentlichte  Pierre  d'Alheim  seine  «Sept 
Conferences  sur  Moussorgsky").  Wann  wird  in  Deutschland  endlich  das  Interesse  für  diesen 
tiefeinnigen  und  originellen  Tondichter  erwachen?        Dr.  Oskar  v.  Riesemann 

MUSIKALIEN 

188.  The  Wa-Wan  Press.    Newton  Center,  Massachusetts.    . 

Die  Wa-Wan  Presse  ist  ein  vor  einigen  Jahren  von  amerikanischen  Komponisten 
organisiertes  und  geleitetes  Unternehmen  zur  Förderung  charakteristisch-amerikanischer 


M 


174 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


Musik,  namentlich  der  auf  bodenständiger  Grundlage  erwachsenen.  Es  war  bisher  nicht 
genügend  bekannt,  daß  der  indianische  Einschlag  in  der  amerikanischen  Kunstmasik 
von  viel  größerer  Bedeutung  gewesen  ist  und  noch  sein  wird  als  die  Negennusik. 
Nachdem  in  Deutschland  bereits  Prof.  C.  Stumpf  in  seinen  musik*p8ychologischen 
Arbeiten  die  Indianermusik  gewürdigt  hatte  und  zu  dem  Ergebnis  gekommen  war,  daß 
die  indianischen  Tonleitern,  wie  wir  sie  bisher  kennen,  keineswegs  einem  »archaistischen* 
oder  gar  «primitiven**  Musikzustande  angehören,  daß  vielmehr  die  Urzustinde  der  Musik 
vielleicht  weiter  dahinter  liegen  als  die  indianische  Musik  hinter  der  unsrigen,  habe  ich 
mich  selbst  durch  Studium  der  Werke  von  Alice  Fletcher  (»Indian  Story  and  Song 
from  North  America"  und  „The  Hako,  a  Pawnee  Ceremony**)  davon  Gberzeugt,  daß  die 
originale  Indianermusik  auf  einer  hohen  Stufe  steht,  wie  man  sie  sonst  bei  Naturvölkern 
nicht  findet  Sinn  und  Verständnis  für  Rhythmik  (Synkopen,  Taktwechsel  und  rhythmischer 
Kontrapunkt),  für  Form  und  Tonalität  sind  unverkennbar  und  trotz  oder  vielmehr 
wegen  Fehlens  der  Harmonie  lassen  diese  Gesänge  an  rhythmischer  Kompliziertheit 
die  europäischen  Volkslieder  weit  hinter  sich.  Neuerdings  haben  sich  um  die  Sammlung 
und  Veröffentlichung  von  Indianermusik  besonders  verdient  gemacht  Arthur  Farwell, 
Leiter  der  Wa-Wan  Presse,  Harvey  Worthington  Loomis  und  Carlos  Troyer.  Von 
letzterem  sind  die  mir  heute  vorliegenden  Gesänge:  1.  Traditional  songs  of  the 
Zufiis,  2.  Indian  Fire-Drill  Song  „Uru  Kuru%  3.  Ghost  Dance  of  the  Zaüls 
(mit  obligater  Violine,  ad  lib.),  4.  Kiowa-Apache  War  Dance  für  Klavier  bearbeitet 
(transcribed  and  harmonized)  und  mit  szenischen  Angaben  versehen.  Aus  No.  1  teile 
ich  als  Proben  folgende  Melodieanfänge  nebst  englischem  Text  mit: 

Znnian  LuUaby 

Adagio 


'      X 7 np -^""""^  ,^ 

6|r  C  6   r    ■'  gl^J'jj'lj    jL.J4]¥=E£q 


Now,  restthee  inpeace,with  thy  play  mates  a-bove;Closethineeyesmy  ba-by,  Go» 

PP 


y r  »c  i  ini'i  j.  „  j<.|j  ^m 


join    in    their  hap-py   en  -  joy-ments  my  love,  Sleep  on,  sound-Iy,  8weet*lyl  usw. 


i 


I 


The  Coming  of  Montezuma 

animato 


E 


t 


i»- 


X 


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s 


I 


± 


t 


dim. 


3 


^ 


He*s     CO  -  ming  Mon  -  te  -   zu  -  ma,  Mon  •  te  -   zu  -  ma     he   comt». 

Dieses  mit  pentatonischen  Wendungen  (s.  die  charakteristische  Tonfolge  e— g)  durchsetzte 
Montezumalied,  und  noch  mehr  No.  3  und  4,  sind  efiPektvolle  dramatisch*reallstisctae 
Tongemälde  mit  großartigen  Steigerungen  und  voll  urwüchsiger  Kraft  uod  Frische.  Die 
die  Indianermusik  begleitenden  Schlag-  und  Lärminstrumente  sind  vom  Bearbeiter  g^ 
schickt  dem  Klavier  angepaßt.    Das  Thema  des  Geistertanzes  ist: 

AUegretto 


175 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


6ir  c  c  r  '•  ;i^  jjj'ij  i,^^^ 


« 


1 


Fast  unglaublich  ist  folgende  chromatische  Melodiestelle  in  diesem  Tanze: 
Con  dolore 


gp     l^gl- 


t 


99         a 


^. 


i 


Ä^ 


«h 


% 


1^ 


m     \^    =b^        J     =^ 


t 


-^ 


r^ 


t 


Da  Carlos  Troyer  die  Indianermelodieen  an  Ort  und  Stelle  aufgezeichnet  hat,  so 
erscheint  eine  Mystifikation  ausgeschlossen.  Ich  möchte  aber  hier  doch  den  Wunsch 
aussprechen,  daß  die  Wa-Wan  Presse  künftig  die  nackte  Melodie  jedesmal  der  Be- 
arbeitung vorausstellt,  damit  man  Original  und  Zutaten  deutlich  von  einander  unterscheiden 
kann  und  nicht  nur  die  toleranten  Interessenten,  die  die  Harmonisierung  einstimmiger 
Melodieen  bei  vollständiger  Anpassung  von  Harmonie  und  Tonalitit  (ohne  Änderungen 
von  Melodie  und  Rhythmus)  für  erlaubt  halten,  befriedigt  werden,  sondern  auch  die 
radikalen  Wissenschaftler,  die  die  Harmonisierung  grundsitzlich  als  unzulässig  ver- 
werfen. So  kann  man  bei  dem  kunstvollen  Aufbau  des  „Ghost  Dance**  und  des  ,.Kiowa- 
Apache  War  Dance**  oft  unmöglich  sagen,  wo  die  originale  Melodie  aufhört  und  etwa 
die  harmonische  Zutat  anfängt  (s.  besonders  im  „War  Dance**  S.  8  den  raffinierten 
Melodiesturz  bei  Precipitato!).  Auch  allen  Verlegern  fremdartiger  Musik  möchte  ich  die 
Voranschickung  der  ursprünglichen  nackten  Melodie  mit  Originaltext  und  dessen 
wörtlicher  Obersetzung  im  Interesse  einer  ehrlichen  Kunst  dringend  empfehlen. 

Georg  Capellen 

189.  Franz  Liszt:  Concerto  path^tique  in  e-moll.    Nach  dem  Original  Tür  zwei 

Pianoforte  für  ein  Pianoforte  und  Orchester  bearbeitet  von  Richard  Bur- 
meister.   Verlag:  Breitkopf  &  Härtel,  Leipzig. 

190.  Franz  Liszt:  Mephisto-Walzer.    Bearbeitung   für  Pianoforte   und   Orchester 

von  Richard  Burmeister.  Verlag:  J.  Schuberth  &  Co.,  Leipzig. 
Daß  Liszt  auch  als  schaffender  Künstler  allmählich  jene  Bedeutung  erlangt,  die 
er  sich  als  unvergleichlicher  Virtuos  im  Sturm  zu  erobern  wußte,  verdankt  er  zum  nicht 
geringen  Teil  der  tatkräftigen  Initiative  und  der  beharrlichen  Rührigkeit,  mit  denen  seine 
Schüler  seit  jeher  einmütiglich  für  die  Werke  ihres  Meisters  eingetreten  sind.  Die  edle 
Selbstlosigkeit,  mit  der  Liszt  zeit  seines  Lebens  den  Werken  Anderer,  gleichviel  aus 
welchem  Lager  sie  kamen,  sei  es  durch  Übertragung  fürs  Klavier,  sei  es  als  Dirigent 
oder  als  geistreicher  Schriftsteller,  den  Weg  zu  ebnen  suchte,  wird  nun  von  seinen 
Schülern  durch  die  Popularisierung  seiner  eigenen  Werke  auf^  schönste  vergolten.  Einen 
Akt  dieser  Pietät  dürfen  wir  auch  in  der  Bearbeitung  der  beiden  oben  genannten  Klavier- 
werke erblicken.  Daß  das  Concerto  path^tique  im  ganzen  wenig  bekannt  geworden  ist, 
findet  leicht  seine  Erklärung,  denn  der  große  pathetische  Zug,  der  es  von  der 
ersten  bis  zur  letzten  Note  durchströmt  und  ihm  erst  sein  charakteristisches  Gepräge 


L 


176 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


auMrückt,  kann  niemals  durcb  zwei  Klaviere  allein,  und  würden  lie  auch  von  den  grSSten 
Künstlern  gespielt,  zu  einer  eindringlichen  und  nicbhalrigen  TIrkung  gelangen,  ZeichoM 
sieb  lucb  keines  der  vier  Themen,  auf  denen  das  Werk  aufgebaut  ist,  durch  elgendicbe 
Tiefe  oder  OiiginalitSt  aus,  enthlii  sogar  das  dem  Des-dur  Andante  zugrunde  liegende 
Motiv  einen  Stich  ins  Triviale,  so  gewinnen  die  Themen  doch  durch  ihre  scharfen  Gegen- 
sitze  und  Ibre  plastische  Abrundung  mehr  und  mehr  an  Bedeutung  und  steigen  zuletzt 
sogar  zu  imponierender  HOhe;  aber  die  Art,  wie  sie  einander  antworten  und  erglnzen,  wie 
das  scheinbar  IndiiTerente  Anfingsthema  sich  plStzlich  zum  gewichtigen  Führer  des 
Fugato  aufschwingt,  wie  namentlich  auf  S.  IS  der  Partitur  die  offenen  Quinten  und 
Oktaven  mit  ihren  drfihnenden  Akkorden  gleich  einem  Schicksalaruf  ihre  wuchti(ea 
Stimmen  erheben,  das  alles  verlangt  gebieterisch  nach  der  Mithilfe  orchestraler  Au>- 
drucksmlttel,  und  es  erscheint  ritselhaft,  weshalb  Liszl,  der  so  vielen  anderen  Terkea 
durch  seine  glänzende  Instrumeniatlonskunst  neues  Interesse  zu  verleihen  wußte,  sieb 
diesem  seinem  eigenen  Verk  gegenüber  so  zurückhaltend  verhielt.  Waren  im  Concerto 
pathitique  seiner  ganzen  Anlage  gemlB  die  Hiuptlinien  für  eine  Orcbesterbearbeitnng 
mebr  oder  weniger  schon  vorgezeichnet,  so  mußte  der  Bearbeiter  des  Mephisto-Walzers 
für  Pianotbrte  und  Orchester  vor  allem  auf  eine  geschickte  Gruppierung  der  beiden  sich 
gegenüberstehenden  Faktoren  bedacht  sein,  d,  h.  er  muflte  zu  diesem  Zweck  manches 
Unwichtige  opfern,  um  die  Hiuptlinien  desto  achirfer  und  bestimmter  herauszuroeifteln, 
eine  Aufgabe,  die  Richard  Burmeister  meisterhaft  gelöst  hat.  Der  Mephisw-Vslzer  gehSrt 
von  jeher  zu  den  beliebtesten  Konzertstücken  Liszts  und  ist  auch  In  den  verschiedcssten 
Arrangements  erschienen.  Im  Gegensatz  zu  der  Busonischen  Ausgabe,  in  der  der 
Lisztsche  Klaviersatz  noch  bedeutend  schwierigere  und  für  den  Solovortrag  wobl  aucb 
brillantere  Zutaten  erhalten  hat,  richtet  sich  Burmeister  in  der  Hauptsache  nach  dem 
Original,  und  wo  er  von  ihm  abweicht,  geschieht  es  aus  zwingenden  orchestrslen 
Gründen.  So  hat  er  gleich  zu  Anfang  der  besseren  Übersicht  halber  statt  des 
"e-  den  '/aTakt  vorgeschrieben,  verschiedene  frei  kadcnzierende  Klavierpassagen 
entweder  gekürzt  oder  rhythmisch  fest  gegliedert,  dafilr  am  Schlufi  eine  eigene 
hSchst  poetisch  erfundene  Kadenz  beigefügt,  ebenso  an  mehreren  Stellen  wie  i.  B.  auf 
S.  31  als  kontrapunktierende  Stimme  für  das  eine  Thema  den  Bruchteil  eines  anderen 
vorhergehenden  verwandt,  kurz  die  ganze  Bearbeitung  so  fein  geglittet  und  mit  s« 
künstlerischem  Geiste  erfüllt,  daS  sie  nicht,  wie  so  oft  in  Ihnllchen  Pillen,  nur  ein 
Surrogat,  sondern  für  den  Konzenvonrag  im  groOen  Stil  eine  wirkliche  Wertstelcerang 
des  Werkes  darstellt.  Beide  Bearbeitungen  werden  bei  dem  großen  Mangel  an  nenen 
großzügigen  Klavierwerken  mit  Orchesterbegleitung  von  allen  Freunden  modemer  Mssik, 
besonders  von  den  konzertierenden  Virtuosen,  dankbar  begrüßt  werden. 

Arno  Kleffel 
191.  Jan  KOrber:   Lieder  für  eine  Singstimme  und  Orchester.    Ausgabe  Ar 
Klavier  und  Gesang.    Verlag:  Harmonie,  Berlin. 
Die  Lieder  op.  14  ,Im  April",  op.  15  ,ln  der  Kirschblfit*  und  op.  19  ,^rBhlla|a- 
zauber"  sind   für  eine  höbe  Stimme,  op.  8  »Glockenklage"  fOr  eine  BsSstiDine  nod 
op.  20  „Drei  Wanderer*  für  eine  tiefe  oder  mittlere  Stimme  komponiert.    Oboe  origfntf 
zu  sein,  dürften  die  Lieder,  die  mit  Orchesterbegleitung  gesungen  in  werden  docb  «vU 
wenig    Berechdgnng    haben,    gerade    in    der    Klavierbearbeitnng  Anklang    bd   aiDHi 
großen  Teil  des  Publikums  finden.    Die  Slngstimme  Ist  durchweg  dankbar  faMteMn^ 
der  Klaviersatz  —  bis  auf  eine  in  op.  19  sich  befindende  wirklich  nicht  schhi,  mA  akfet 
als  .künstlerisch  beabsichtigt'  überzeugend  klingende  Quintenfolge  —  geschickt  gearbeitet 
und  die  Stimmung  fast  überall  getroffen.  Max  Vogel    -        ■ 


Aus  deutschen  Musikzeitschriften 

SCHWEIZERISCHE  MUSIKZEITUNG  UND  SÄNGERBLATT  (Zürich),  1908, 
No.  1—19.  —  Der  Aufsatz  „Der  Männerchor  Zfirich**  (No.  1  und  2)  von 
Rob.  Thomann  enthält  eine  Geschichte  dieses  Gesangvereins.  —  Karl  Nef 
spricht  in  dem  Aufsatz  „Die  Symphoniekonzerte''  („Unser  Konzertwesen^,  I.)  (No.  1) 
den  Wunsch  aus,  daß  mehr  populäre  Konzerte  veranstaltet  werden,  „in  denen 
Musik  um  ihrer  selbst  willen  gemacht  wird*  und  bei  deren  Veranstaltung  man 
sich  nicht  um  Gewinn  und  Verlust  bekümmert.  —  Carl  Heß-Rüetschi  entgegnet 
in  dem  Aufsatz  „Ein-  oder  vierstimmiger  Gemeindegesang? "  auf  die  Ausführungen 
von  Th.  Barth  in  No.  35  (siehe  „Revue**  in  Heft  20),  daß  das  vierstimmige  Gemeinde- 
lied schon  deshalb  „keine  Berechtigung"  habe,  weil  „alle  Einzelglieder**  dec  Gemeinde 
„gleichberechtigt**  seien,  beim  vierstimmigen  homophonen  Choralsatz  aber  Alt,  Tenor 
und  Baß  keine  eigenen  Gedanken  aussprächen,  sondern  nur  „als  Stützquadern  der 
Melodie**  dienten.  Aufgabe  der  Orgel  sei  es,  die  von  der  Gemeinde  unisono 
gesungene  Melodie  zu  kontrapunktieren.  —  Gegen  diese  Ansichten  wendet  sich 
Pfarrer  G.  Lauterburg  in  dem  Aufsatz  „Reformierter  Kirchengesang**  (No.  7). 
Er  sagt:  „. . .  Der  Akkord  ist  so  gut  eine  Einheit  wie  der  einzelne  Ton.  Und 
nun  wüßte  ich  nicht,  wie  das  Wesen  der  Gemeinde  und  die  Mannigfaltigkeit  der 
in  ihr  vorhandenen  Gaben,  die  sich  zur  Einheit  des  Geistes  verbinden,  schöner 
zum  Ausdruck  käme  als  im  vierstimmigen  Gemeindegesang,  wo  jeder  mit  der  ihm 
von  Gott  verliehenen  Stimme  mitsingen  kann,  der  kräftige  Mann  und  das  auf- 
blühende Kind,  die  schüchterne  Jungfrau  und  die  zitternde  Greisin  —  eine  lebendige 
Erläuterung  des  Bibelwortes:  „Dienet  einander,  jeder  mit  der  Gabe,  die  er  empfangen 
hat".  —  In  dem  Aufsatz  „Die  Chorkonzerte**  („Unser  Konzertwesen**,  II.)  (No.  2) 
sagt  Karl  Nef:  „Viel  besser  als  Symphoniekonzerte  sind  für  das  Volk  (Volk  im 
weitesten  Sinne  des  Wortes  gemeint)  Choraufführungen  .  .  .  Die  Symphonie- 
konzerte sollten  regelmäßig  mit  kleinen  Chorwerken  durchsetzt  sein."  Unter 
Hinweis  auf  Kretzschmars  „Musikalische  Zeitfragen"  empfiehlt  Nef,  in  den  größeren 
Städten  neben  den  Dilettantenchören  auch  Berufschöre  zu  bilden,  wie  sie  in 
früheren  Jahrhunderten  bestanden  haben.  Er  bedauert,  daß  die  gemischten  Chöre 
infolge  der  einseitigen  Pfiege  des  Männergesanges  zurückgegangen  sind.  —  Ober 
schweizerisches  Urheberrecht  handelt  der  Aufsatz  „Autorrechtliche  Schicksale 
eines  Studentenliedes"  von  Alex.  Reichel  (No.  3).  —  In  dem  Aufeatz  „Kammer- 
musik" („Unser  Konzertwesen",  III.)  bedauen  Karl  Nef,  daß  die  Kammermusik  heute 
fast  nur  in  Konzerten  gespielt  wird,  obwohl  sie  doch  hauptsächlich  für  das  Haus 
bestimmt  ist.  Der  Niedergang  der  Hausmusik  sei  hauptsächlich  dadurch  ver- 
ursacht, daß  die  Dilettanten  heute  zu  sehr  das  Klavier  bevorzugen;  sie  sollten 
wieder,  wie  früher,  auch  Streich-  und  Blasinstrumente  spielen.  —  Dr.  F.  Götzinger 
veröffentlicht  den  illustrierten  Aufsatz  „Basler  Musikschule  und  Konservatorium" 
(No.  4),  der  auch  eine  Geschichte  dieses  Instituts  enthält.  —  Ober  musiktheoretische 
Ansichten  des  Mathematikers  Euler  handelt  der  Aufsatz  „Wie  Leonhard  Euler  sich 
den  Septimenakkord  erklärte"  von  M.  Knapp  (No.  5).  —  E.  P.-L.  berichtet  in  dem 


178 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


Aufsatz  „Die  schweizerische  Nationalhymne*  (No.  6)  über  das  Ergebnis  der  von 
der  «Feuille  d'Avis  de  Neuchätel**  veranstalteten  Umfirage:  «Glauben  Sie»  daß  es 
sich  empfehlen  würde,  eine  andere  Nationalhymne  als  das  ,Rufst  du^  zu  wihlen?* 

—  Kd.  Gachnang's  Aufsatz  „Das  Schweizerpsalm-Denkmal  in  Zfirich"  berichtet 
über  den  Plan,  dem  Volksdichter  \(^idmer  und  dem  Komponisten  Zwyfiig  ein 
Denkmal  zu  setzen.  —  Ein  im  „Verein  schweizerischer  Gesang-  und  Musiklehrer* 
gehaltener  Vortrag  von  S.  Rüst  über  die  „Gesangsmethode  von  E.  Jaques-Dalcroze" 
wird  in  der  Beilage  „Der  Volksgesang*  (No.  6,  10  und  15)  abgedruckt  —  G.  B. 
berichtet  unter  der  Überschrift  „Engiadina,  Chanzuns  ladinas*  (No.  7),  daß  der 
Mannergesangverein  „Engiadina*  ein  wertvolles  rhäto  •  romanisches  Liedeft>uch 
herausgebe.  —  Georg  Kaiser  veröffentlicht  einen  Aufeatz  Qber  »Carl  Maria 
von  Weber  und  die  Schweiz*  (No.  10),  an  dessen  Schluß  ein  zuerst  im  Münchener 
„Gesellschaftsblatt  für  gebildete  Stinde*  vom  Jahre  181 1  erschienener,  bisher  nicht 
nachgedruckter  Bericht  Webers  über  ein  Musikfest  in  SchafPhausen  abgedruckt 
wird.  —  Karl  Nef  bespricht  „Das  Liederbuch  des  eidgenössischen  Singenrereins* 
(No.  12),  das  „die  Lieder  zusammenstellen  will,  die  am  meisten  gesungen  werden.* 

—  Karl  Nef  sagt  in  dem  Aufsatz  „Elemente  der  Musikästhetik*  (No.  13):  ». . .  Es 
war^ar  keine  Naivität  der  Alten,  wenn  sie  glaubten,  der  Ausdruck  [in  der  Musik] 
sei  lehrbar;  sondern  ihre  Lehre  davon  beweist,  daß  sie  im  geistigen  Teil  der 
Musikpädagogik  uns  weit  überlegen  waren  und  wir  über  unserm  einseitigen  Betonen 
der  technischen  Seite  ein  überaus  wertvolles  Stück  verloren  haben*.  Nef  erklärt 
es  für  eine  „unabweisbare  Forderung*,  daß  die  musikalische  Ausdruckslehre  gemäß 
den  Anregungen  Kretzschmars  weiter  ausgebildet  werde.  —  P.  Adrian  ver- 
öffentlicht in  dem  illustrierten  Aufsatz  „Die  Berner  Liedertafel*  (No.  14)  eine 
Geschichte  dieses  Vereins.  —  Richard  Prelinger  bespricht  ausführlich  „Richard 
Wagners  Briefe  an  seine  erste  Frau,  Minna  Wagner*  (No.  15).  —  „Zum  Jubiläum 
der  Bemer  Musikschule*  veröffentlicht  G.  B.  einen  kurzen  Aufsatz  (No.  1^.  « 
Otto  Hug  beschreibt  die  Entwickelung  des  1818  gegründeten  Zürcher  Studenten« 
Gesangvereins  („Der  Studenten-Gesangverein  Zürich*;  No.  17  und  18).  —  Anläßlich 
der  Versammlung  des  Vereins  schweizerischer  Tonkünstler  in  Baden  in  der 
Schweiz  berichtet  F.  über  „Die  musikalischen  Bestrebungen  in  Baden*  (No.  17).  — 
F.  O.  Leu  sagt  am  Schluß  eines  Aufsatzes  über  „Hugo  Brückler  und  aelne 
Lieder*:  „Vielleicht  kommt  auch  einmal  die  Zeit,  wo  es  nicht  nur  Wolf-,  Loewe> 
Strauß-  und  Reger-Abende  gibt,  sondern  auch  —  einen  Brückler-Abend.*  Brückler 
lebte  von  1845—1871.  Er  schuf  36  Lieder,  die  der  großen  Menge  der  Musikfreunde 
bisher  unbekannt  geblieben  sind,  aber  von  den  Kennern  sehr,  hoch  geschätzt 
werden.  [Ein  Aufsatz  über  ihn  von  Gustav  Kühl  steht  in  „Die  Musik*  L  1.]  —  Willi 
Bierbaum  berichtet  über  „Die  Pariser  Fahrt  des  Männerchor  Zürich*  (No.  IQ; 
A.  Niggli  über  „Die  Sängerfahrt  des  Basler  Männerchors  nach  Wien*  (No.  19  n.  20^; 
K.  K.  über  „Das  kantonale  Sängerfest  in  Chur*  (No.  19).  —  Ausführiiche  Berichte 
über  die  Veranstaltungen  gelegentlich  der  „IX.  Tagung  des  Vereins  schweizerischer 
Tonkünstler  in  Baden,  1908*  werden  in  No.  19  begonnen. 

SAMMELBÄNDE  DER  INTERNATIONALEN  GESELLSCHAFT  (Berlin),  1907 
Heft  4,  1908  Heft  1—3.  —  Pierre  Aubry  setzt  seine  schon  friiher  hier  angezeig;te 
Abhandlung  „Iter  Hispannicum*  fort:  II.  „Deux  Chansonniers  frimgaisälaBibliothdqoe 
de  TEscorial*  (Heft  4).  —  III.  „Les  Cantigas  de  Santa  Maria  de  don  Alfonso  el  SaUo* 
(Heft  1).  —  IV.  „Notes  sur  le  chant  mozarabe*.  —  V.  „Folk-lore  musical  d'Espacne* 
(Heft  2).  —  Arno  Werner  stellt  in  dem  Aufsatz  „Musik  und  Mutiker 
in    der   Landesschule    Pforta*    die    Namen    der   Musiker   zusammen,    die   yod 


179 
REVUE  DER  REVUEEN 


der  Gründung  im  Jahre  1543  bis  zum  Ende  des  18.  Jahrhunderts  in  Schulpforta 
wirkten.  —  Edward  J.  Dent  wendet  sich  in  dem  Aufsatz  „Leonardo  Leo**  (Heft  4)  gegen 
den  in  einem  früheren  Hefte  erschienenen  Aufsatz  von  Piovano  über  das  neue  Werk 
«Leonardo  Leo**  von  Cavaliere  Giacomo  Leo.  —  Percy  Robinson  versucht  in 
dem  Aufsatz  „Handel,  Erba,  Urio,  and  Stradella**  nachzuweisen,  daß  drei  Werke, 
die  Chrysander  F.  A.  Urio,  Dionigi  Erba  und  Alessandro  Stradella  zuschrieb,  von 
Hindel  komponiert  seien.  —  Max  Seiffert  teilt  in  dem  Aufsatz  „Die  Verzierung 
der  Sologesinge  in  Händeis  Messias^  zahlreiche  „direkt  aus  Händeis  Aufführungs- 
praxis  stammende**  musikalische  Dokumente  mit,  die  einen  Einblick  in  das  Wesen 
der  Händeischen  Verzierungen  gewähren  sollen.  —  Ludwig  Schiedermair  ver- 
öfiPentlicht  „Briefe  Teresa  Belloc's,  Giuseppe  Foppa's  und  Giuseppe  Gazzaniga's 
an  Simon  Mayr**  mit  Übersetzung.  —  Friedrich  Ludwig  erwidert  unter  der  Über* 
Schrift  „Ober  Heimat  und  Ursprung  der  mehrstimmigen  Tonkunst**  auf  V.  Lederers 
„Tatsächliche  Berichtigung**  einer  Besprechung  von  Ludwig.  —  Hugo  Riemann 
erklän  „Die  Metrophonie  der  Papadiken  als  Lösung  der  byzantinischen  Neumen- 
schrift**  (Heft  1).  (Einen  diesen  Aufsatz  ergänzenden  Artikel  veröffentlicht  Riemann 
in  der  „Zeitschrift  der  J.  M.-G.**;  siehe  unten.)  —  Francesco  Pasini  veröffentlicht 
„Prolegomönes  ä  une  6tude  sur  les  sources  de  THistoire  musicale  de  Tancienne 
Egypte**.  —  Oscar  Chilesotti's  „Notes  sur  le  guitariste  Robert  de  Vis^e**  besprechen 
Visde's  1682  erschienenes  erstes  Werk;  am  Schluß  des  Aufsatzes  stehen  einige 
Tänze  von  Vis6e.  —  Bernhard  Ulrich  bespricht  „Die  ,Pythagorischen  Schmids- 
Ffincklein***,  ein  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  entstandenes  Suitenwerk  von  Rupert 
Ignaz  Mnyr.  —  L.  Schiedermair  berichtet  über  „Die  Blütezeit  der  öttingen- 
Wallersteinschen  Hofkapelle**.  —  Georgy  Calmus  bespricht  und  übersetzt  „Drei 
satirisch-kritische  Aufsätze  von  Addison  über  die  italienische  Oper  in  England 
(London  1710)**.  —  Wilibald  Nagels  „Kleine  Mitteilungen  zur  Musikgeschichte  aus 
Augsburger  Akten**  betreffen  die  Lebensgeschichte  einiger  wenig  bekannter  Musiker, 
die  im  18.  Jahrhundert  lebten,  sowie  Schikaneders  und  J.  S.  Coussers.  —  Hugo 
Riemann  zeigt  in  dem  Aufsatz  „Der  strophische  Bau  der  Tractus-Melodieen* 
(Heft  2)  an  einigen  Beispielen  die  kompositorische  Technik  der  altkirchlichen 
Gesänge.  —  Tobias  Norlind  berichtet  über  „Vor  1700  gedruckte  Musikalien  in 
den  schwedischen  Bibliotheken**.  —  Francesco  Piovano's  lange  Abhandlung  „Un 
op6ra  inconnu  de  Gluck**  bespricht  die  1743  komponierte  Oper  „II  Tigrane**  und 
ihre  Geschichte.  —  Felix  Clay  untersucht  „The  origin  of  the  ästhetic  emotion**.  — 
Unter  der  Oberschrift  „Eine  populäre  Musikästhetik**  kritisiert  Paul  Moos  sehr 
eingehend  William  Wolfs  Musikästhetik.  —  Gurt  Sachs  beschreibt  „Eine  bosnische 
Doppelflöte**  (Heft  3).  —  Femer  enthält  Heft  3  die  folgenden  Aufsätze:  „Omamenution 
as  indicated  by  Signs  in  Lute  Tablature**  von  Janet  Dodge.  —  „Italienische  Musiker 
am  Hofe  der  Neuburger  Witteisbacher.  1614—1716**  von  Alfred  Einstein.  — 
„Esquisse  d'une  esth^tique  de  la  musique  ä  Programme*  von  M.-D.  GalvocoressL  — 
„Zu  Runges  Textausgaben  mittelalterlicher  Monodieen**  von  E.  Bernoulli. 
ZEITSCHRIFT  DER  INTERNATIONALEN  MUSIKGESELLSCHAFT  (Leipzig), 
IX.  Jahrgang  (1007—1908),  Heft  2—9.  —  Die  Hefte  enthalten  die  folgenden  längeren 
AufUtze:  Heft  2:  ^»Beethovens  Mödlinger  Tänze  v.  J.  1819**  von  Hugo  Riemann. 

—  «A  propos  des  protecteurs  de  Jean*Marie  Leclair  Tafn^**  von  L.  de  la  Laurencie. 

—  ,Tallis  and  the  ,Et  incamatus***,  von  Arthur  H.  D.  Prendergast.  —  „Edvard 
Grieg«  von  Thorald  J erichau.  —  »Deux  lettres  de  R.  Wagner«  (aus  Paris,  1861) 
von  J.  G.  Prodhomme.  —  «Seydley  Taylor  on  Handelns  Borrowings**  von  Charles 
Maclean.   —    Heft   3:    „Psychologische    Musikästhetik**   von    Paul   Moos   (eine 


180 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


-^^UWK 


Entgegnung  auf  den  auf  dem  2.  Kongreß  der  J.  M.-G.,  Basel  1906,  gehaltenen 
Vortrag  „Zur  psychologischen  Analyse  des  musikalischen  Genußes"  von  Vitasek).  — 
9,Harmony'  versus  ,Counterpoinf  in  teaching*  (anonym).  —  ^Der  Schlfissel  der 
altbyzantinischen  Neumenschrift**  von  Hugo  Riemann  (eine  Erginzung  zu  dem  oben 
angezeigten  Aufsatz  Riemanns  in  den  »Sammelbinden'*  IX,  1).  —  »Muffat's  yComponi« 
menti*'*  (anonym).  —  „Mozarts  siebentes  Violinkonzert*  von  Alfred  Heuß,  der 
Mozart  ffir  den  Autor  hält.  —  Heft  4:  »Zwei  Messiasprobleme*  von  Rudolf  Wust« 
mann,  Kapitel  I  (handelt  von  Chrysanders  Verzierungen  im  «Messlas*).  — 
»Kunstlied  und  Volkslied**  von  Karl  Nef  (über  John  Meiers  Werk:  »Kunstlieder 
im  Volksmunde").  —  »The  recent  London  ,Promenades'*  von  Nicolas  Kilburn 
(Bishop  Auckland).  —  »Über  Choralrhythmus*  von  P.  Wagner  (Besprechung  des 
von  Ludwig  Bonvin  übersetzten  Werkes  von  Alexander  Fleury  S.J.)  —  Heft 5: 
»Zwei  Messiasprobleme*  von  Rudolf  Wustmann,  Kapitel  II  (handelt  von 
Chrysanders  Text  zum  »Messias*);  Nachwort  von  Max  Seiffert  —  Heft  6: 
»Tanz  und  Tanzgesang  im  nordischen  Mittelalter  nach  der  dinischen  Balladen« 
dichtung*  von  H.  Thuren  (Fortsetzung  in  Heft  7).  —  »Zum  Thema:  Hindels 
Entlehnungen*  von  A.  Schering.  —  »Present-day  Accompaniment  of  Anclent 
Greek  Melodies*  von  C.  F.  Abdy  Williams.  —  Heft  8:  »Sibelius  in  England* 
(anonym).  —  »Zum  Thema:  Mannheimer  Vorhalt*  von  Alfred  Heuß.  —  Heft  9: 
»Esquisse  d'une  Philosophie  de  THistoire  Musicale  de  la  Grdce*  von  Francis 
Pasini.  —  »Otto  Nicolai  und  die  Malibran*  von  Georg  Richard  Kruse.  — 
»Bachfest  in  Leipzig,  Kantate  1008*  von  Rudolf  Wustmann.  —  »AaffOhningen 
älterer  Musik  in  Berlin  während  des  Winters  1007—1908*  von  Hugo  Leicbtentritt 

DAS  HARMONIUM.  Zeitschrift  für  Hausmusik  (Leipzig),  Jahrgang  191X7—1908» 
6  Hefte.  —  Der  Jahrgang  enthält  die  folgenden  längeren  Aufeätze:  »Cyrill  Kistlerf* 
(anonym;  Heft  1).  —  »Der  Merker*  von  Richard  Batka  (No.  1  und  2)  (kurze 
Oberblicke  über  die  Bestrebungen  zur  Hebung  der  Hausmusik).  —  »Wo  sind  die 
bahnbrechenden  Faktoren  in  der  Harmonium-Literatur?*  (No.  2).  Der  anonyme 
Verfasser  wendet  sich  in  diesem  Aufsatz  fast  nur  gegen  die  Anpreisungen  der 
Kompositionen  Sigfrid  Karg-Elerts  durch  dessen  Verleger.  —  »Ober  Bildung  durch 
Musiker*  von  A.  F.  J.  Thibaut  (No.  3).  —  »Eine  Krisis  im  Verein  der  Harmonium- 
freunde  in  Berlin.*  —  »Ober  die  Aufgabe  von  Harmonium-Vereinen*  nach  einem 
Vortrage  von  Rieh.  J.  Eichberg.  —  »Die  Hand  aufs  Herz!*  von  Adolf  PrQmers 
(No.  4).  Der  Verfasser  empfiehlt  als  Mittel  zur  Hebung  der  Musikpflege  in  der 
Familie  die  Einführung  des  Harmoniums.  —  »Im  Konzertsaal*  von  Hans  Frei- 
mark.  In  der  Form  eines  Gesprächs  im  Konzertsaal  preist  der  Verfasser  die 
Vorzüge  des  Harmoniums.  »Ober  die  Spitzmarke  »Orgelsurrogat*  ist  das  Harmoolam 
längst  hinaus.  Heute  haben  wir  ein  durchaus  selbständiges  Instrument,  seine 
Eigenart  liegt  gerade  in  den  orchestralen  Wirkungen.*  —  »Rückblick  auf  das  erste 
Vereinsjahr  des  Vereins  der  Harmonium  freunde  zu  Breslau.*  —  »Aus  den  Er- 
innerungen eines  Konzertflügels*  von  Hedwig  Neumann.  —  »Hermann  Buifcr* 
(handelt  von  den  Harmonium-Fabrikanten  Burger;  No.  5).  —  »Meyerbeer  als 
Harmonium-Komponist*  (No.  6).  —  »Betrachtungen  über  das  Werk  yL'Orgae 
expressif  ou  Harmonium^  von  Alphonse  Mustel*  (Fortsetzung  folgt).  —  »Neue 
Wagner-Bearbeitungen*  (Fortsetzung  folgt).  —  »Ober  Reinheit  der  Tonkunst*  (Fort- 
setzung folgt).  Der  Aufsatz  enthält  interessante  Auszüge  aus  A.  F.  J.  Thibaitfs» 
zuerst  1824  erschienenem  und  vor  kurzer  Zeit  von  Richard  Heuler  neu  taeratis» 
gegebenem  Werke  »Ober  Reinheit  der  Tonkunst"  und  das  Vorwort  K.  Bihrt  zur 
dritten  Auflage  (1851).    Das  einst  vielbeachtete  Werk  behandelt,  wie  Bahr  bemerkt^ 


1^ 


181 
REVUE  DER  REVUEEN 


»nicht  die  technische  Reinheit,  die  des  Tonsatzes  oder  der  Ausführung,  sondern 
die  der  Tonkunst^;  es  wendet  sich  gegen  »alles  Seichte,  Gemeine,  Ungesunde  und 
Leichtfertige"*  in  der  Musik. 

SÜDDEUTSCHE  SÄNGER-ZEITUNG  (Heidelberg),  Jahrgang  1907/B,  No.  2-11. 
Die  Nummern  enthalten  ausführliche  Berichte  über  Sängerfeste,  Jahresberichte 
Bücherbesprechungen  usw.,  sowie  die  folgenden  selbständigen  Aufsätze:  »Heinrich 
Heine,  der  Lieblingsdichter  der  deutschen  Komponisten.  Eine  statistische  Plauderei** 
von  Ernst  Challier  sen.  (No.  3).  —  »Der  deutsche  Männergesang  und  seine 
Hauptvertreter**  von  Fritz  Neuert  (No.  4,  5,  9,  10,  11;  wird  fortgesetzt).  —  »Julius 
GersdorfiP  f**  von  Franz  Mäding  (No.  5).  —  »Das  deutsche  Volkslied  in  seinem 
Wesen  und  seiner  Geschichte**  von  Heinrich  St  ob  er  (No.  6—9).  —  »Franz  Curti. 
t  6.  Februar  1908**  (anonym),  mit  dem  Anhang:  »Chorwerke  von  Franz  Curti**, 
besprochen  von  Jul.  Wengert  (No.  7).  —  »Bekannte  Männergesangs-Komponisten 
im  Bilde  der  Statistik**  von  Ernst  Challier  sen.  (No.  8).  —  »Etwas  über  den 
Vortrag**  von  L.  Baumann  (No.  9—11).  —  »Hermann  Beckh  t**  von  Fritz  Carl 
Ferber  (No.  10).  —  »Zehn  Goldene  Sängerregel n"  von  Hans  Bastyr  (No.  10—11). 

DAS  DEUTSCHE  VOLKSLIED  (Wien),  Oktober  1907  bis  April  1908.  -  Auch  in 
diesen  Heften  werden  in  verschiedenen  Aufsätzen  viele  bisher  unbekannte  Volks- 
lieder veröffentlicht.  Femer  enthalten  sie  Vereinsnacbrichten,  Besprechungen  von 
Büchern  und  Musikalien  usw.,  sowie  die  folgenden  Aufsätze:  »Zur  Volkskunde** 
von  Leopold  Bein  (Oktober-Heft;  abgedruckt  aus  dem  »Grazer  Tagblatt**).  — 
»Pflegt  das  deutsche  Volkslied!**  von  J.  Pommer  (November-Heft;  aus  dem  »Ev. 
Volkskalender  für  Österreich**).  —  »Die  Geschichte  eines  NachtWächterrufes**  von 
Josef  Götz.  —  »Das  Geigenspiel  des  Steirischen^  von  B.  Groller.  —  »Volks- 
kunde und  Schule"  von  Oskar  Dähnhardt  (Dezember- Heft;  aus  der  »Zeitschrift 
für  deutschen  Unterricht**).  —  »Ober  A.  R.  von  Spauns  Sammlung  österreichischer 
Volksweisen**  von  J.  Pommer  (Februar-Heft  —  Juni-Heft).  —  »Hans  Staudigger** 
von  Leopold  Pirkl  (Februar-Heft  —  April-Heft;  wird  fortgesetzt). 

BAYREUTHER  BLÄTTER,  1908,  1.— 6.  Stück  (2  Hefte).  —  Die  Hefte  enthalten  aus- 
führliche Bücherbesprechungen  und  die  folgenden  selbständigen  Aufsätze:  L  Heft: 
»Aus  dem  Briefwechsel  zwischen  Wagner  und  Nietzsche**.  —  »Briefe  an  Wagner** 
von  Erwin  Roh  de.  —  »Theodor  Bertramf*.  —  »Die  Todestragik  in  Wagners  Dramen** 
von  Otto  Braun.  —  »Max  Zenkerf**  von  Rudolf  Schlösser.  —  »Ober  Wagners 
Melodik  und  Harmonik,  III.**  von  Emil  Ergo.  —  »Zur  Naturgeschichte  des  Schau- 
spiels** von  Karl  Feiner.  —  «Germains  et  Fran^ais**  von  J.  Ecorcheville.  — 
IL  Heft:  »Richard  Wagner  an  Minna  Wagner**,  eingeführt  durch  Hans  von 
Wolzogen.  —  »Richard  Wagner  an  Gräfin  Pourtalds**.  —  »August  Wilhclmjt**  von 
H.  V.  W.  —  »Zur  Kritik  des  modernen  Materialismus**  von  Nicolaus  Creutzburg-]*,  mit 
Vorwort  von  Max  Zenkerf.  —  »Gegen  den  Monismus**  von  Max  S  e  i  1  i  n  g.  —  »Romane 
der  Gegenwart  und  Jean  Paul**  von  Karl  Freye.  —  »Germanen  und  Franzosen** 
von  H.  Grävell   (eine  Entgegnung  auf  Ecorcheville's  oben  angezeigten  Aufsatz). 

NEUJAHRSBLATT  DER  ALLGEMEINEN  MUSIKGESELLSCHAFT  IN 
ZÜRICH  auf  das  Jahr  1908.  —  Das  51  Quartseiten  umfassende  Heft  enthält  eine 
mit  zwei  Porträts  geschmückte  Biographie  Joseph  Joachims  von  Hans  Joachim 
Moser,  die  sich  in  ihrem  Hauptteil  auf  die  bekannte  Biographie  Joachims  von  dem 
Vater  des  Verfassers,  Andreas  Moser,  stützt.  A.  Steiner-Schweizer  berichtet  am 
Schluß  des  Aufsatzes  kurz  über  Joachims  Beziehungen  zu  Zürich. 

Magnus  Schwantje 

VII.  21.  13 


KRITIK 


OPER 

DANZIG:  Bemerkenswert:  Vorzugliche  Auf- 
führungen von  „Tristan  und  Isolde*  als 
Novum!  »Salome**  mit  verstirktem  Orchester, 
»Zauberflöte«,  »Mignon«  mit  Erika  Wedekind, 
»Rigoletto«  mit  d'Andrade,  „Wildschütz«,  „Die 
Lustigen  Weiber«,  „Carmen«,  „Siegfried«,  „Don 
Juan«,  „Goldnes  Kreuz«.  Kapellmeister  Meyro- 
witz  stets  gleich  groß  in  Sorgfalt  wie  im  Feuer, 
R.  K rasselt  erfolgreich  durch  Fleiß,  Wirme 
und  Umsicht.  Carl  Fuchs 

KREFELD:  Erst  zwei  Jahre  hat  Krefeld  eine 
stindige  Oper,  es  galt  lange  Zeit  einen  harten 
Kampf  mit  dem  Vorurteil,  daß  Schauspiel  and 
Oper  sich  nie  koordinieren  ließen.  Vorläufig 
noch  haben  die  Gegner  nicht  unrecht  behalten, 
denn  das  Schauspiel  hat  einen  gewissen  Tief- 
gang zu  verzeichnen,  daffir  wäre  auf  dem  Ge- 
biete der  Oper  Vorteilhaftes  zu  vermelden,  vor- 
nehmlich die  intensive  Pflege  der  Wagnerschen 
Muse.  Den  Kulminationspunkt  erreichte  die 
Saison  in  einer  geschlossenen  •Ring«-AuffQhrung 
unter  Kapellmeister  Curt  Cruciger.  Mit  Aus- 
nahme des  „Rienzi«  und  des  „Tristan«  haben 
bis  jetzt  sämtliche  Wagnerdramen  auch  hier  eine 
Heimat  gefunden.  Sonst  ging  der  Spielplan 
dieselben  ausgetretenen  Gleise,  brachte  die- 
selben Werke,  wie  sie  zum  eisernen  Bestand 
jeder  besseren  Provinzbuhne  gehören.  Hervor- 
zuheben wären  die  stilvollen  Einstudierungen 
der  Nicolaischen  „Lustigen  Weiber«  und  der 
lyrischen  Oper  „Fedora«  von  Umberto  Giordano. 
Leider  verhallten  die  eindringlichen  Rufe  nach 
Peter  Cornelius'  „Barbier«  u.  a.  noch  vergebens. 

Alfred  Fischer 

PRAG:  Angelo  Neumanns  Maifestspiele 
standen  diesmal  unter  einer  neuen  Flagge. 
An  Stelle  der  Solistenparade  traten  Ensemble- 
gast  spiele.  Nach  der  künstlerischen  Seite 
unzweifelhaft  ein  Fortschritt  im  modernen  Fest- 
spielwesen. Die  Wiener  Hofoper  und  das 
Burgtheater,  das  Dresdner  Königliche  Opern- 
und  Schauspielhaus,  das  Schweriner  Hoftheater, 
die  Pariser  Komische  Oper  und  das  Ballet  der 
Großen  Oper,  die  Berliner  Komische  Oper  und 
das  Lessingtheater  —  das  waren  die  Berufenen. 
FQrwahr,  ein  stolzes  Programm.  Leider  sagte 
die  Pariser  Komische  Oper  ab,  und  das  Ballet 
der  Großen  Oper  machte  Fiasko.  Dieses  wurde 
durch  das  treffliche  Ballet  der  Kaiserlichen 
Oper  von  St.  Petersburg  wettgemacht.  Das 
Interessanteste  brachten  die  Schweriner: 
Zumpes  „Sawitri«  und  Schillings'  „Moloch«. 
Das  Schillingssche  Werk  imponierte,  und  die 
stilvolle  Wiedergabe  durch  die  von  Hermann 
Gura  geführten  Schweriner  ließ  uns  das  stimm- 
liche Manko  ihrer  Solisten  vergessen.  In  der  Auf- 
führung des  „Tristan«  durch  die  Dresdner  war 
Schuch  mit  seiner  herrlichen  Kapelle  der  Held 
des  Abends.  Was  von  der  Bühne  erklang,  ent- 
täuschte vielfach,  mit  Ausnahme  von  Plaschkes 
Marke.  Den  größten  Publikumserfolg  hatten 
die  Wiener  mit  dem  „Maskenball«.  Die  Ber- 
liner Komische  Oper  fand  mit  „Tosca«  und 
„Tiefland«  in  bezug  auf  Regie  die  verdiente 
Anerkennung.  Dagegen  waren  die  Stimmen  der 
Solisten  zu  klein  für  unser  Haus,  das  Orchester 
zu  roh  im  Klange.  Die  heimische  Oper  be- 
teiligte sich  mit  einer  brillanten  Premiere  von 


Puccini's„Bohöme«  (unter  Kapellmeister  Otten- 
heimer)  und  einer  minder  gefangenen  Neu- 
studierung  von  „Fra  Diavolo«.  Alles  in  allem 
ein  anregender  Monat,  der  uns  zeigte,  daß  aach 
an  den  ersten  Opeminstitoten  nicht  alles  Gold 
ist,  was  glänzt,  und  welch  ein  treffliches  En- 
semble unsere  deutsche  Oper  in  dieser  Saison 
vereinigte.  Dr.  Richard  Batka 

KONZERT 

A  GRAM:  Eine  fiberreiche  Konxertsaison !  Von 
^^  Pianisten  sei  Wilhelm  Backhaus  genannt^ 
der  sein  Programm  mit  einer  äußerlichen  Rohe 
und  Gleichgültigkeit  erledigte,  die,  fUls  nicht 
tatsächlich  äußerlich  zur  Schau  getragen,  schnerz- 
lich  berühren  müßte;  seine  einwandfreie  Be- 
herrschung des  Technischen  konnte  wohl  bei 
Liszt  voll  befriedigen,  doch  wo  es  hiefi,  den 
Tasten  warm  pulsierendes  Leben  einflößen,  lieft 
Backhaus  den  Eindruck  des  empflndenden 
Musikers  vermissen.  —  In  zwei  Konzerten  be- 
wies Leo  Slezak,  daß  ein  vorzüglicher  Bfihnen- 
künstler  nicht  ein  ebensolcher  Konzertslager 
sein  muß.  Das  gleiche  bewies  Pennrnrini, 
der  unser  wohldiszipliniertes  Pnblikum  arg  ver- 
kannte, wenn  er  ihm  zamntete,  den  Vortrag  Toa 
Opemstücken  von  dieser  Stelle  aas  als  kan8^ 
lerisch  und  geschmackvoll  ansnerkennea. 
Pennarini,  von  Dr.  Decsey  begleitet,  errang  fib- 
rigens,  ebenso  wie  Slezak,  starken  ioileriichen 
Erfolg.  —  Ein  Meister  des  Kcazertgesaaget» 
Ludwig  Heß,  versöhnte  mit  der  volleadeten 
Wiedergabe  aeines  Seh  obert-Wolf-Programais  alle 
diejenigen,  die  vom  Konzertgesang  etwas  anderes 
erwarten  als  Beweise  besonders  gut  entvickeltar 
Stimmbänder.  —  Durchans  kfinstleiisch  war 
das  Spiel  des  Bologneser  Streichquartetts. 
—  Welche  Wirkungen  aber  ein  warmblütiger 
Musiker  erzielt,  lehrte  uns  Perdinaad  L6we  an 
der  Spitze  des  Konzertvereins-Orctaesters 
aus  Wien.  Brückners  „Romantisctae*  und  Beat^ 
hovena  dritte  „Leonore«  waren  HShapuakia  das 
genußreichen  Abends.  Ernst  Sctanls 

ALTENBURG:  Unter  den  thüriagischan  Ra- 
^^  sidenzen  nimmt  in  künstlerischer  Besialmag 
Altenburg  von  jeher  die  onbedentaadsta  Stallaag 
ein.  Städte  wie  Weimar,  Dessau,  Meialngea 
und  Coburg  verdanken  ihren  Ruf  aia  alte  Kultur- 
stätten dem  kunstliebenden  Sinn  ihrer  Fürataa, 
während  die  herzoglich  sächsische  Rasidaas  bei 
der  bäuerlichen  Abstammung  ihrer  Bewohner  und 
dem  engherzigen  Krämergeist  ihrer  «gdatlgen* 
Führer  bislang  kaum  einen  Hauch  Janer  Kultur 
verspürt  hat.  Die  bildenden  Küaate  in  den 
Händen  von  Dekorationsmalern  und  Stukkateuren 
und  die  Dichtkunst  von  Lehrern  und  Geiatlidiaa 
in  Erbpacht  genommen !  Anders  auf  reprodukll?- 
musikalischem  Gebiet.  Wenigstens  selgt  sich 
da  seit  einigen  Jahren  ein  erfketdicher  Ufl^> 
Schwung  zum  Besseren,  so  daß  der  Veraach 
gerechtfertigt  erscheint,  die  Blicke  derer,  die 
von  Altenburgs  Kultnrbestrebungen  weder  im 
Guten  noch  im  Bösen  gehört^  auf  eiae  wenn 
auch  nur  bescheidene  Regung  kUnatlerlachea 
Arbeitens  zu  lenken.  Ea  iat  das  wdengbars 
Verdienst  Dr.  Göhlers,  die  Oper  einer  Jlnmcr- 
lichen  Versumpfung  entrissen  lu  haben.  Wenn 
indes  weder  er  noch  sein  NaetalWgar  aa  Mri- 


183 
KRITIK:  KONZERT 


m 


gentenpult,  Herr  Richard,  den  Aufwand  ernster 
Arbeit  belohnt  sehen,  so  trigt  die  Anfänger« 
Wirtschaft,  die  durch  die  Unzulinglichkeit  der 
finanziellen  Mittel  veranlaßt  ist,  wohl  das  Meiste 
dazu  bei.  Immerhin  seien  als  gut  einstudierte 
und  mit  künstlerischem  Erfolg  herausgebrachte 
Opernnovititen  «Flaute  solo**  und  „Tiefland" 
gebührend  hervorgehoben.  Nur  die  Abonne- 
mentskonzerte der  Hofkapelle  vertragen 
einen  höheren  Maßstab.  Unter  Hinzuziehung 
bedeutender  Instrumentalsolisten  (Man6n,  Bu- 
soni  u.  a.)  vollziehen  sich  diese  Achtung  ge- 
bietenden Veranstaltungen  meist  nicht  unter 
besonders  reger  Beteiligung  der  öfiPentlichkeit. 
Eine  größere  Anziehung  üben  entschieden  die 
Konzerte  der  ,.Künstlerk lause*  auf  das 
Publikum  aus.  Musikdirektor  Ehrlich,  der 
zielbewußte,  künstlerisch  feinfühlig^  Organisator 
dieses  Unternehmens,  vermittelte  Altenburg  auch 
in  diesem  Vinter  die  Bekanntschaft  namhafter 
Persönlichkeiten,  von  denen  ich  besonders  Josef 
Veiß  und  Florizel  von  Reuter  nenne.  Gegen- 
fiber den  Leistungen  der  hochbedeutenden  Barth- 
schen  Madrigalvereinigung  versagt  einst- 
weilen noch  der  Geschmack  des  Durchschnitts- 
taörers,  dessen  musikalisch-ästhetischer  Horizont 
sich  jedoch  von  Jahr  zu  Jahr  langsam  aber 
sicher  weitet.  Dr.  Hugo  Weiß 

ANTWERPEN :  Entgegen  frfiheren  Jahren  fanden 
im  April-Mai  noch  verschiedene  Konzerte 
statt,  die  einer  Erwähnung  wert  sind,  so  das 
letzte  Abonnementskonzert  der  »Nieuwe  con- 
certen*,  in  dem  sich  das  Londoner  Symphonie 
Orchester  unter  Leitung  des  feurigen  Peter 
Raabesehr  vorteilhaft  vorstellte,  eine  vollendete 
AoffGhrung  des  „Messias**  durch  den  kleinen, 
aber  vorzfiglich  disziplinierten  Chor  der  So- 
ci€t6  de  musique  sacr6e  unter  dem  jugend- 
lichen Leiter  Ontrop,  endlich  eine  verdienst- 
liche Wiedergabe  von  Schumanns  „Der  Rose 
Pilgerliüirt*  und  Benoit's  nicht  bedeutendem 
Ormtoriam  „Hucbald*  durch  den  unter  Leitung 
▼oo  Joris  De  Bom  stehenden  Chor  der  Lehrer- 
vereinigung Diesterweg.  —  Glänzende  Feste 
veranstaltete  die  Deutsche  Liedertafel  bei 
Gelegenheit  ihres  50  j  ä  hri  g  e  n  S  t  i  ft  u  n  g  s  fe  s  t  e  s. 
Ans  diesem  Anlaß  gab  auf  der  Durchreise  nach 
England derKölner Männergesangverein  ein 
Konzert  im  Französischen  Theater  und  erntete 
fSr  seine  glänzenden  Leistungen  Sturme  des  Bei- 
falls, obwohl  man  hierzulande  höchsten  Maßstab  an 
solche  Cborvereinigungen  zu  legen  berechtigt 
ist.  Der  Dirigent  Schwarz  und  die  die  Kölner 
saf  ihrer  Sängerfahrt  begleitenden  Solisten,  Angöle 
V  i  d  r  o  n  (Gesang)  und  der  Violin  virtuose  Willy  Heß 
wurden  durch  zahlreiche  Hervorrufe  ausgezeich- 
net. Höher  noch  schlugen  die  Wogen  der  Be- 
geistening  tags  darauf  beim  Festkonzert  der 
Liedertsfel,  in  dem  unter  Leitung  des  gefeierten 
Dirif  enten  Welcher  Mendelssohns  „Lobgesang*, 
Brahms*  Rhapsodie,  Bruchstücke  aus  Bruchs 
»Glocke",  das  „Meistersinger*-  Finale  durch 
einen  Chor  von  250  Mitwirkenden  und  Frau 
Rfische-Endorf,  Frl.  Philippi,  die  Herren 
Urins  and  Liszewsky  als  Solisten  zu  vollen- 
deter AnffGhmng  kamen.  Den  Schluß  bildete 
der  Vortrag  von  Zöllners  »Bonifticius*  durch 
die  t^iBeiosamen  Chöre  der  Kölner  nnd 
Antwerpener  Vereine   anter   Leitung   des    seit 


einem  Jahre  hier  ansässigen  Komponisten,  dem 
begeisterte  Ovationen  dargebracht  wurden. 

A.  Honigsheim 
DÄRMEN:  Die  Saison  der  Konzertgesell- 
^  Schaft  schloß  mit  einer  in  bezug  auf  Chor^ 
und  Orcheaterleistungen  hervorragenden  Auf- 
führung der  Matthäuspassion,  während  die 
beiden  vorhergegangenen  Konzerte  gl^hfalls 
unter  Stroncks  Leitung  ein  gemischtes  Pro- 
gramm boten.  —  Der  —  anläßlich  der  Einfuhrung 
der  städtischen  Billetsteuer  —  totgemeldete,  dann 
aber  zur  Genugtuung  seiner  vielen  Freunde 
wieder  aufgelebte  Allgemeine  Konzertverein 
hatte  mit  den  Solisten  in  »Paradies  und  Peri* 
keine  gluckliche  Hand.  Der  Chor  bewährte 
sich.  Die  beiden  anderen  Abende  brachten 
größere  Instrumental  werke  unter  Hopfes  an- 
regender Leitung  mit  der  angenehmen  Ab- 
wechselung vokaler  Darbietungen,  bei  denen 
Margarete  Sie  ms  durch  Kehlfertigkeit  und 
Stimmittel  berechtigtes  Aufsehen  hervorrief. 
—  Aus  der  Fülle  sonstiger  Ereignisse  seien  das 
Barmer  Streichquartett  erwähnt,  sowie  je 
ein  wohlgelungenes  Konzert  des  Ober  barm  er 
Sängerhainsunddes  Barm  er  Männerchors. 
Der  Lehrergesangverein  steuerte  einen 
Schumannabend  bei,  und  die  Niederrheinische 
Instrumental-Vereinigung  ließ  bei  ihrem 
unter  der  energischen  Hand  des  Kapellmeisters 
Alfred  Höhne  stattfindenden  Musikfest  voll- 
ständig vergessen,  daß  ihre  Mitglieder  keine 
Berufskunstler  sind.    Dr.  Gustav  Ollendorff 

BROMBERG:  Symphoniekonzerte.  Nolte 
(hier  neu  »Les  Pr^ludes*,  d'Albert  »Rubin*' 
Vorspiel);  Hendreich  (Ouvertüre  »Benvenuto 
Cellini*).  E.  Niepels  Kirchenkonzerte  (Her- 
zogenbergs sehr  eindrucksvolles  Requiem,  Kan- 
taten und  Choralvorspiele  von  Reger,  Mendels- 
sohns herrliche  dritte  Orgelsonate  meisterhaft 
von  Niepel  gespielt)  gewinnen  an  Bedeutung* 
Bei  einem  schönen  Liederabend  der  »Lieder- 
tafel* unter  Niepel  bewies  Lotte  Kreisler, 
daß  auch  eine  schöne  Stimme  durch  Tremolieren 
ungenießbar  wird.  Die  »Singakademie* 
(Schattschneider)  führte  Bruchs  «Odysseus*, 
eine  »Meistersinger*-Szene  und  Bachs  ajohannes- 
passion*  würdig  auf.  Solisten:  die  sieghafte 
Frau  Hövelmann-Tornauer,  die  feinsinnige 
Hedwig  Kaufmann  und  der  prächtige  Lederer- 
Prina;  Marie  Woltereck  verletzte  durch  takt- 
lose Vergnügtheit  In  weihevoller  Stunde  (Bach). 
Der  schlicht-kraftvolle  Bruno  Stein  gab  mit  der 
»Eintracht*  einen  deutschen  Volksliederabend; 
sein  Chor  »Nächtliche  Heerschau*  verdient  Ver- 
breitung. Der  begabte,  junge  Pianist  Herbert 
Lilienthal  langweilt  noch  durch  Tempover- 
schleppung und  eigensinnige  Phrasierung;  Tech- 
nik gediegen,  Ton  blühend.  Otto  Rebbert  ver- 
schwendete virtuose  Technik  und  schönes  Tem- 
perament an  das  ziemlich  Öde  Klavierkonzert 
op.  22  von  Saint-Saöns.  Willi  W  e  1 1  m  a  n  n  spielte 
in  zwei  eigenen  Konzerten  viel  Beethoven 
(Variationen  c-moll,  Sonate  cls-moll,  »Wut*, 
Konzert  c-moll).  Willy  Kühling  trug  mit 
wunderschönem  Ton  de  Sweert's  anmutiges 
Cellokonzert  op.  38  vor.  W.  von  Winter feld 
meisterte  mit  kleinem  Ton  und  tadelloser  Technik 
das  Violinkonzert  op.  22  von  WIeniawski.  Lydia 
Kopiske  produzierte  mit  Erfolg  ihren  wohl- 
klingenden Alt.  Käthe  Röhls  silberheller  Mezzo- 

13* 


184 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


sopran,  unterstützt  vom  feinsten  künstlerischen 
Geschmaclr,  ist  weiterer  Ausbildung  wert.  — 
Von  auswirts:  Berliner  Domchor;  Alexander 
Heinemann,  dessen  phänomenale  Gesangs- 
kunst durch  Ludwig  Wullners  einzigartige 
Künstlergestalt  noch  überstrahlt  wurde;  Otto 
Neitzel;  Hollindisches  Trio;  Conrad  An- 
sorgCp  der  mehr  als  Athlet,  denn  als  Poet  er- 
schien; Lula  Mysz-Gmeiner;  Otto  Briese- 
meister;  der  Pianist  Leopold  Spielmann,  der 
wieder  groß  im  Kleinen  war  (entzückend  Rbein- 
bergers  „Waldmirchen*);  die  Brüsseler,  die 
mit  Grieg's  Quartett  g-moll  begeisterten. 

W.  Wellmann 

BRONN:  Das  hiesige  Konzertwesen  wird  durch 
die  außerordentlich  hoben  Eintrittspreise 
systematisch  zugrunde  gerichtet.  Von  einem 
falschen  ökonomischen  Prinzip  geleitet,  setzt 
man  die  Eintrittspreise  oft  höher  an  als  in 
Wien  für  erstklassige  Konzerte.  Hierdurch 
hat  man  vielleicht  einige  Jahre  hindurch  größere 
pekuniire  Erfolge  erzielt,  aber  andererseits  wurde 
dadurch  die  Bildung  eines  Nachwuchses  der 
ständigen  Konzertbesucher  vereitelt.  Die  Folgen 
dieses  falschen  Systems  zeigen  sich  deutlich  an 
dem  Umstand,  daß  seit  Neujahr  kein  einziges 
bemerkenswertes  Solistenkonzert  veranstaltet 
wurde.  Nur  Petschnikoff  ließ  seine  Geige  in 
einem  Musikvereinskonzert,  in  dem  Tschai- 
kowsky's  »Manfred^'-Symphonie  zur  Erstauf- 
führung gelangte,  erklingen.  —  Bei  den  Phil- 
harmonikern hörten  wir  Brückners  ,» Achte*. 
—  Der  Minnergesangsverein  veranstaltete 
ein  Orchesterkonzert  mit  interessantem  Pro- 
gramm, und  wie  alljihrlich  fand  auch  heuer 
wieder  eine  vom  Organisten  Burkert  geleitete 
Bach-Feier  statt.  S.  Ehrenstein 

BUDAPEST:  Das  süße  Lied  verhallt.  Zum 
Glück  verhallen  auch  die  bösen.  Die 
Konzertsaison  hat  ihr  Ende  erreicht.  Die  letzten 
▼ochen  brachten  uns  noch  eine  mittelmäßige  Auf- 
nihrung  der  ,»Neunten"  bei  den  Philharmo- 
nikern, das  letzte  Konzert  des  Akademie- 
Orchesters  unter LeitungDavidPoppers,  deren 
Glanzpunkt  eine  ausgezeichnete  Interpretation 
von  Brahms'  »Schicksalslied*  bildete,  und  eine 
symphonische  Matinee  Ladislaus  Kun's,  der 
unserem  Publikum  zum  erstenmal  die  Bekannt- 
schafc  mit  einem  Orchesterwerke  Max  Regers 
(«Variationen  und  Fuge  über  ein  heiteres  Thema 
von  Job.  Adam  Hiller*)  vermittelte.  Das  inter- 
essante Werk  weckte  mehr  Bewunderung  als 
Gefallen.  —  Mit  einer  sehr  anziehenden  Veran- 
staltung stellte  sich  uns  der  neugegründete,  unter 
Leitung  des  Opernkapellmeisters  Emil  Lichten- 
berg stehende  »Ungarische  Damenchor- 
verein"  vor.  Die  Vorträge  des  Vereins,  der 
aus  Frauen  und  Midchen  der  besten  Gesellschafts- 
kreise besteht,  überraschten  durch  hohe  rhyth- 
mische Präzision,  dynamische  Feinheiten  und 
eine  seltene  Reinheit  der  Intonation.  Die  letzten 
solistischen  Veranstaltungen  der  Saison  waren 
Liederabende  der  jugendlichen,  hochbegabten 
Altistin  Gita  Lazarus  und  von  Fritz 
Fein  hals,  dessen  Künstlerschaft  jedoch 
auf  der  Bühne  auf  ungleich  höherem  Niveau 
steht,  als  im  KonzertsaaL      Dr.  B61a  Diösy 

CINCINNATI:      Das     Cincinnati     May- 
FestivaL     Das   alle  zwei  Jahre   wieder- 
kehrende May-Festival  fand  zwischen  dem  5. 


und  9.  Mai  statt,  und  sein  künstlerischer  wie  finan- 
zieller Erfolg  mußte  jeden  Freund  unteres  Musik- 
lebens mit  aufrichtiger  Freude  erfüllen.  Trotz 
des  abscheulichsten  Wettert  waren  die  Tier 
Abend-  und  zwei  Nachmittagtkonzerte  überfüllt, 
und  die  Wogen  der  Begeittemng  gingen  hoch. 
Löwenanteil  am  Erfolg  muß  dem  mutiktlitchen 
Leiter,  Frank  van  der  Stucken,  zuerkannt 
werden.  Er  hat  die  Antbildung  det  Choret 
übernommen  und  ihn  durch  unermüdliche  Arbeit, 
weder  sich  noch  seine  Singer  dabei  tchonend, 
in  verhiltoitmißig  kurzer  Zeit  so  einer 
Leistungsfihigkeit  entwickelt,  die  ihn  unter  die 
wahrhaft  berufenen  Chordirii^nten  einreiht  Von 
den  großen  Aufgaben,  die  er  sich  gesetzt  hat,  gelang 
ihm  Piern6's  .Kinderkreuzzug*  am  betten. 
Hier  handelte  es  sich  inderTatumeine  Aofffihmng 
ohne  Makel,  die  man  unter  Beiseitetetzong  Jeder 
kritischen  Regung  ungestört  genießen  dnrhe.  Der 
«Kinderkreuzzug*  ist  ein  faszinierendet  Werk, 
das  durch  ihm  entströmende  starke  Stimmnng 
den  Hörer  in  Bann  hilt  Mittelalterliche  Myttik, 
kindliche  Frömmigkeit,  die  Triger  der  legendiren 
Dichtung,  verbinden  tich  darin  mit  einer  Mutik, 
die,  auf  alten  Volksgesingen  christlicher  AnSage 
fußend,  mit  allen  Reizen  meloditcher  Erflndnog 
und  modemer  Harmonik  getchmfickt  itt  and  in 
der  Behandlung  des  Chor-  nnd  Orchettertttzet 
die  Meisterhand  verrit.  Es  gelang  dem  Dirigenten, 
die  Schönheiten  det  Werket  ertchöpfisnd  zu  ast- 
hüllen. Die  Chöre  wurden  in  feintter  Abtöaiug 
gesungen;  staunenswert  war  die  Prizition  und 
Frische  des  700  Schulkinder  zihlenden  Klader- 
chors.  Orchester  und  Solisten  fügten  tlch  dem 
Ganzen  wirkungtvoll  ein.  Nicht  ganz  to  hoch 
stand  die  Aufführung  der  .Matthintpattion*, 
wenn  auch  die  korrekte,  tichere  Schaloag  der 
Chöre  anzuerkennen  war.  Aber  der  poetitebe 
Hauch,  der  dramatische  Atem  fbhlte.  Die  Anf- 
fassung  war  konventionell  und  bewegto  tlch  auf 
der  nüchternen  Linie  det  englitcheo  Oratoriamt. 
Eine  ungekürzte  Wiedergabe  det  Workot  itt 
an  tich  keine  verbetterte.  Manclio  Arien 
tind  mit  gutem  Recht  gettrichea.  Mntikalitch 
nicht  wertvoll  genug,  vertchleppen  tie  die  Hand- 
lung und  ermüden  den  Hörer»  Dagegai  waren 
die  Zeitmaße  im  allgemeinen  zu  tehnell  wid 
gaben  der  Auadrucktvertiefhng  nicht  gonfisfnd 
Raum.  Die  Unzulinglichkeit  der  Solitten  Ttr* 
tchirfte  diete  Mingel.  Seiner  Aul|gtbo  ziemlich 
gewachten,  und  zwar  auch  mehr  nach  der  ge- 
sanglichen als  geistigen  Seite,  war  bloft  der 
Evangelist  (Beddoe).  Eine  sehr  bolebto  Auf- 
führung erfuhren  Haydnt.Jahretzelten*.  Ich 
habe  kaum  je  eine  virtuotere  Leittiing  oinet 
gemischten  Chors  alt  die  Wiedergabe  dee  Jtgd- 
chort  im  dritten  Teil  gehört  Hitten  docli  die 
Solitten  mehr  von  der  Verve  der  wtckerea  Chor- 
singer gezeigt!  Fran  Gadski  fühlte  alch  In 
der  Durchführung  der  Sopranpartie  dwchaas 
nicht  in  ihrem  Element,  und  ihre  getanglicht 
Leistung  reflektierte  dies  sehr  tpfiriMr.  Eine 
starke  Enttiuschung  bot  der  Bataltt  Dalton 
Baker,  den  man  eigene  für  daa  Fett  alch  von 
England  verachrieben  hatte.  Eine  ganz  hBbache 
Stimme,  die  im  kleinen  Raum  klingen  mi^  In 
Music  Hall  aber  wirkungtlot  and  ohne  Tte^ 
fihigkeit  verhallte.  Dabei  zeigte  nein  Vortrag 
weder  aeelitche  Wirme  noch  Miatigee  Erfattea, 
höchstens  echte  britannische  Langwelll^Dtlt  — 


185 
KRITIK:  KONZERT 


Von  kleineren  Chorwerken  seien  noch  erwihnt: 
Liszts  13.  Psalm,  vom  Tenoristen  Johnson 
(New  York)  mit  Unterstützung  des  trotz  Solisten- 
rerttöBe  unerschfitterlich-sicheren  Chors  treff- 
lich vorgetragen,  Grieg's  »Olaf  Trygvason* 
nnd  als  Novitit  Debussy's  «Blessed 
Damogel  *.  Die  allen  Werken  getreulich  folgende 
Anerkennung  des  Publikums  hielt  dieser  Novitit 
gegenüber  nicht  stand,  denn  sie  wurde  schweigend, 
aber  deutlich  abgelehnt.  Wihrend  sich  bei 
Piern6  katholischer  Mystizismus  mit  edler  Ton- 
spracbe  paart,  in  faßbaren  musikalischen  Formen 
und  Gedanken  ausgedrückt,  erscheint  er  bei 
Debussy  als  Stimmungsschwindel.  Möglich,  daß 
Debussy  es  nicht  minder  ernst  meint;  allein 
seiner  Musik  fehlt  das  greifbare  Kennzeichen. 
Es  lohnt  sich  nicht,  in  dem  Werk  nach  Gedanken 
zu  forschen,  denn  die  Suche  wäre  vergeblich. 
Auch  In  der  gerühmten  Orchestrierung  konnte 
ich  trotz  verschwenderischer  Harfenverwendung 
keine  neuen  wertvollen  Einßlle  entdecken.  Nun 
zu  den  Hauptsolisten.  Bessere  Proben  ihrer 
Kunst  gab  Frau  Gadski  mit  der  Wiedergabe 
der  Elisabeth-Arie  im  letzten  Abendkonzert. 
Diese  hat  stets  zu  ihren  erfreulichsten  Leistungen 
gezihlt.  Dagegen  war  ihr  Vortrag  der  Elvira- 
Arie  farblos  und  zur  E-dur-Arie  des  „Fidelio**  fehlt 
ihr  heute  noch  wie  vor  Jahren  musikalische 
und  gesangliche  Beherrschung.  Die  Art,  wid 
sie  sich  den  Abschluß  des  Allegros  zurechtlegt, 
beweist  einen  Mangel  an  Selbstkritik,  den  eine 
Singerin  ihres  Ranges  sich  nicht  vorwerfen 
lassen  sollte.  Es  war  Frau  Schumann-Heink 
vorbehalten,  uns  durch  ihre  unvergleichliche 
Kunst  auf  die  Höhe  reinsten  Genießens  zu 
fuhren  durch  ihre  Wiedergabe  der  Dalila-Arie 
und  dreier  Schubertscher  Lieder  mit  Orchester, 
die,  so  oft  man  sie  von  ihr  hören  mag,  den 
Hörer  Immer  als  neue  Offenbarungen  wieder 
entzücken.  Mir  erschien  der  Vortrag  dieser  un- 
gewöhnlichen Künstlerin  diesmal  noch  beseelter, 
noch  vertiefter.  Ihr  «Erlkönig*  bedeutet  einen 
Höhepunkt  dramatisch-gesanglicher  Vortrags- 
kunst. Ganz  besondere  Anerkennung  für  die 
Gesamtleistung  wihrend  der  Festtage  gebührt 
dem  Chicagoer  Orchester  und  seinem 
Dirigenten  Friedrich  Stock,  und  zwar  mit 
gatem  Grund.  Unter  keinem  glücklichen  Stern 
konzertierten  hier  Orchester  und  Dirigent  letzten 
November,  die  Serje  unserer  Symphoniekonzerte 
eröffnend.  Konnte  ich  damals  die  Leistung  nicht 
£&nstig  tieurteilen,  so  konstatiere  ich  diesmal 
mit  besonderer  Genugtuung  das  Gegenteil.  Die 
vorzfiglichen  Begleitungen  der  großen  Chor- 
werke können  nicht  hoch  genug  eingeschätzt 
werden.  Außerdem  hörte  ich  unter  Stock  eine 
der  lebensvollsten  und  großzügigsten  Wieder- 
gaben, deren  ich  mich  entsinne,  von  Brahms' 
dritter  Symphonie,  und  nach  Anhören  des 
«Ooo  Jnan"  von  Strauß  reihe  ich  ihn  unter 
die  Begabtesten  der  jüngeren  Dirigentengeneration 
eis.  Allee  in  allem:  es  war  ein  Musikfest, 
das  ernster  Kunst  eine  breite  Gasse  bahnte. 
Chorgesinge  wurden  geboten,  die  keine  andere 
Stade  Amerikas,  wenige  Europas,  zu  bieten  im- 
stande sind.  Dieter  Chor  ist  unser  eigenster 
Besitz,  und,  welche  Aufgaben  ihm  auch  im 
Jalue  1910  gestellt  werden,  er  ist  ihnen  ge- 
wachaeiiy  nm  so  mehr,  als  derselbe  Mann,  dessen 
Verdicatt    die    meisterhafte    Ausbildung    aus- 


schließlich ist,  ihn  auch  in  zwei  Jahren  „zu  neuen 
Taten*  führen  wird:  Frank  van  der  Stucken. 

Louis  Victor  Saar 

DANZIG:Fritz  Binder  mitderSingakademie 
dirigierte  erfolgreich  Tiners  „Franciscus" 
und  die.Matthiuspassion*,  ferner  die  von  Riemann 
entdeckten  elf  Wiener  Tinze  Beethovens,  drei 
kleine  Stücke  von  Hugo  Kaun,  zu  lange  Va- 
riationen von  Grieg  über  eine  nordische  Romanze 
und  anderes  Nördliche,  Brahms'  Akademische 
Ouvertüre,  sowie  Weingartner- Webers  »Auf- 
forderung zum  Tanz*.  —  Rudolf  Krasselt 
brachte  mit  dem  Theater-Orchester  aus- 
gezeichnet Brahms'  Symphonie  c-moll  und 
Beethovens  Fünfte;  Schwarz  mit  dem  Or- 
chesterverein rühmlichst  Liszts  Faust-Sym- 
phonie und  die  interessanten  Intermezzi  Goldo- 
niani  von  Enrico  Bossi.  —  Heinrich  XXIV., 
Prinz  Reuß,  dirigierte  seine  tüchtig  gearbeitete, 
nicht  uninteressante  fünfte  Symphonie;  Brand- 
staeter  führte  verdienstlich  „Die  Schöpfung* 
auf.  —  Solisten  von  Bedeutung:  Ysaye  (ein 
Violinkonzert  von  Bruch  mit  Stromschnellen  in 
den  Schlüssen,  sonst  ideal,  ein  Konzert  von 
Mozart,  metrisch  unordentlich),  Alfred  Krasselt 
(Beethovens  Violinkonzert,  klassisch  klar,  rund, 
beseelt),  Georg  Schumann  (Schumanns  a-moll 
Konzert,  feurig,  sicher),  Lamond  (Tschai- 
kowsky's  Konzert,  grandios,  unfehlbar,  doch 
etwas  kyklopisch,  Andante  zerflossen).  —  Das 
Berliner  Quartett:  Hedwig  Kaufmann,  Agnes 
Leydhecker,  Walter,  Fitzau,  sang  Brahms' 
Zigeunerlieder  tadellos  und  voll  Laune,  Klas- 
sisches und  ilteres  Religiöse  meisterlich.  S  e  n  i  u  s' 
Ton  wunderbar  frei,  süß,  nervig,  Vortrag  in 
Mozart  und  Liszt  exquisit;  nur  i, Adelaide*  über- 
geistreich. Fitzau  in  „Franciscus*  und  als 
Christus  in  der  „Matthiuspassion*  würdig,  warm 
und  schön;  er  rettete  im  „Franciscus*  aulierdem 
böser  Umstinde  halber  die  Tenorpartie;  Hedwig 
Kaufmann  als  Sopran  musterhaft  und  wirkungs- 
voH.  —  Martha  Engler,  Anna  Hoff  mann  boten 
stimmlich  frische  und  geschmackvolle  Lieder- 
vortrige.  —  Kurt  Lietzmann  gab  einen  eignen 
Liederabend;  klangreiche,  biegsame  Stimme,  zu 
Heroischem  und  Lyrischem  gleich  befihigt. 
Vortrag  eminent  geistvoll.  —  Als  brillante  Pia- 
nistin tat  sich  Meta  Förster  durch  Geist  und 
Grazie  hervor.  —  Richard  Kroemer  erweist 
sich  konstant  als  Geiger  ersten  Ranges,  spielte  solo 
Sinding's  „Nordische  Suite*  höchst  plastisch  und 
m  it  Hugo  Kr  oem  er,  der  im  Ensemble  unübertreff- 
lich ist,  C6sar  Franck's  Sonate  A-dur  undThuille's 
Sonate  op.  30.  —  Binder-Becker-Kroemer 
spielten  das  geniale  Trio  op.  15  von  Smetana 
schöpferisch  frei,  desgleichen  Schubert  op.  99  und 
Beethoven  op.  38.  —  Das  Quartett  Kroemer- 
Schwidewski-Senger-R.  Krasselt  erwarb 
sich  reichstes  Verdienst  mit  dem  mystischen, 
iußerst  schwierigen  Quartett  op.  20  von  Claude 
Debussy,  op.  22  von  Tschaikowsky,  auch  Schu- 
manns op.  41, 1  und  Smetana's  »Aus  meinem 
Leben*,  das  man  ad  acta  legen  könnte,  mit 
Kellmann  und  Dorrenboom  ein  Streichsextett 
des  jungen  Adami,  Veranstalters  ihrer  Kon- 
zerte, Opemmusik  ohne  Oper,  50  Minuten  lang. 
Manches  interessant,  zuletzt  allzu  bizarr  Strauß 
streifend.  R.Kroemer,  Koester,  der  als  Flötist 
Künstler  von  Rang,  und  Senger  exzellierten 
in    Regers    Serenade    op.    77,     Hoffmannisch 


186 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


»sprechender**  Dachkammermusik.  —  Unter- 
zeichneter führte  20  „Hörstunden"  zu  Ende, 
davon  Bach,  Beethoven  mit  dem  edlen  Singer 
Edmund  Glömme,  Brahma,  Schumann,  drei 
Chopin,  Liszt,  zum  Teil  unter  trefflicher  Mit- 
wirkung der  Damen  Marie  HoesI,  Kluge, 
Mollath,  und  der  Herren  Walther-Schaeffer 
und  Kruse  von  der  hiesigen  Oper,  einmal  mit 
neun  Liedern  seiner  Komposition.  Rest  Vor- 
lesungen fiber  verschiedene  Themen  mit  Musik- 
beispielen mit  Marie  HoesI,  Frl.  Kluge, 
Maurik  und  Schauspielkrifien. 

Carl  Fuchs 
T\ESSAU:  In  den  Hofkapellkonzerten  VI--IX 
'^  (Dirigent  Franz  Mikorey)  kamen  Schuberts 
,yRosamunden'*-Musik,  Brückners  Es-dur  Sym- 
phonie, Klughardts  Oratorium  i»Die  Zerstörung 
Jerusalems*,  Mozarts  g-moU  Symphonie,  die 
Path6tique  Tschaikowsky's,  Liszts  XIII.  Psalm, 
»Karfreitag  und  Fronleichnam"  von  A.  Ritter, 
sowie  das  Vorspiel  und  der  Karfreitagszauber 
aus  ,»Parsifal"  zur  Auffuhrung.  Für  das  noch 
ausstehende  Schlußkonzert  ist  Brückners 
Achte  vorgesehen.  Als  Solistin  wirkten  Prof. 
Lutter- Hannover  (Klavier)  und  A.  Petschni- 
ko ff- Berlin  (Violine).  —  In  den  Kammermusik- 
Abenden  der  Herren  Mikorey,  Otto,  Wenzel, 
Weise  und  Weber  erklangen  Streichquartette 
von  Schubert,  Mozart  und  Borodin,  Beethovens 
G-dur  Trio  op.  1  und  seine  Sonate  für  Violine  und 
Klavier  op.  24,  außerdem  Wolf-Ferrari's  Klavier- 
quintett Des-dur.  —  Ein  bedeutsames  Kunst- 
ereignis bildete  ein  Balladenabend  Alexander 
Hein emanns-Berlin,  mit  Franz  Mikorey  am 
Klavier.  Ernst  Hamann 

T\0SSELDORF:  Das  sechste  Abonnements- 
'^  konzert  des  Musikvereins  war  der  (kon- 
zertmäßigen)  Aufführung  der  Oper  «Gunlöd* 
von  Cornelius  in  der  W.  von  Baußnemschen 
Bearbeitung  gewidmet.  Als  Solisten  wirkten 
Mathilde  Dennery  (Köln),  William  Miller 
(Düsseldorf),  Hans  Vaterhaus  (Basel)  (ein 
ganz  hervorragender  Suttung);  diese,  sowie  Chor 
und  Orchester  boten  Vorzügliches.  Das  siebente 
Konzert  bescherte  u.  a.  die  Orchestervariationen 
über  ein  lustiges  Thema  von  A.  Hiller  op.  1(X) 
von  Reger;  im  achten  gelangten  die  Kantaten 
»Herr,  gehe  nicht  ins  Gericht*,  »Gottes  Zeit  ist 
die  allerbeste  Zeit*  und  .Gott  der  Herr  ist  Sonn 
und  Schild*  von  S.  Bach  unter  Buths' 
Leitung  zu  einer  besonders  schönen  Wieder- 
gabe. Dabei  sangen  Meta  Geyer  (Berlin)  die 
Sopran-,  Adrienne  von  Kraus-Osborne  und 
Dr.  von  Kraus  (Wien)  die  Alt-  und  Baß-, 
Richard  Fischer  (Frankfurt  a.  M.)  die  Tenor- 
partieen.  F.  W.  Franke  (Köln)  bot  außer 
der  Begleitung  zu  den  Kantaten  noch  die  c-moll- 
Phantasie  und  Fuge  für  Orgel  und  zeigte  sich 
dabei  wieder  als  genialer  Bach  Spieler.  Der 
Abend  war  zugleich  der  letzte  unter  Buths' 
Leitung  und  verlief  nicht  ohne  Ovationen  für 
den  wegen  DifPerenzen  mit  der  stidtischen  Ver- 
waltung aus  dem  Amte  scheidenden,  verdienst- 
vollen Dirigenten.  (Da  Buths  jedoch  sein 
Abschieds-  und  Pensionierungsgesucb  mitirztüch 
beglaubigter  hochgradiger  Nervosität  begründete 
und  diese  auch  die  Veranlassung  zu  unheilbaren 
Differenzen  mit  der  Stadt  gab,  so  ist  die  Stellung- 
nahme des  Musikvereins  der  Behörde  gegenüber 
nicht  recht  zu  verstehen.     Bekanntlich  lehnte  1 


der  Verein  die  Abhaltung  des  Niederrhelaischen 
Musikfestes  infolge  des  Rücktrittes  von 
Buths  ab.)^)  —  Von  weiteren  Koazertea  sind 
die  Erstaufführung  des  Mysteriums  »Der  Toten- 
tanz* von  Woyrsch  im  Gesangverein  unter 
Leitung  von  W.  La  Porte,  das  Gastspiel  der  Ber- 
liner Barth  sehen  Madrigal  verelnIgoag(lm 
dritten  Kammermusik-Abend  des  Mnslkvereins) 
und  endlich  das  glinzend  verlaufene  Konzert  des 
Berliner  Philharmonischen  Orchesters 
unter  Richard  Strauß  zu  erwähnen« 

A.  Eccarius-Sieber 

ELBERFELD:  Das  Konzert  von  Marie  Setair  ow, 
einer  temperamentvollen,  {ungen  Violinistin 
von  beachtenswertem  technischen  Können  und 
künstlerischem  Empfinden,  war  durch  die  Mit- 
wirkung der  trefflichen  Liedersingerin  Elisabeth 
D  i  er  ga  r  t  und  des  vorzfiglichenCellisten  Friedrich 
Grützmacber  um  so  bemerkenswerter.  Der 
letzte(sechste)derdeSauset-Kfinstlersbonde, 
die  nach  achtjährigem  Bestehen  wegen  mangeln- 
der Teilnahme  des  Publikums  leldor  dng^taen, 
führte  in  Hedwig  Kirsch  (Mannheim)  eine 
Pianistin  voll  Grazie,  in  Plsschke  (Dresden) 
einen  Singer  voll  Kraft  und  Tiefe  auf  das 
Podium.  Von  dendurchdasBarmerStidtlacbe 
O  r  c  h  e  s  t  e  r  unter  H  ö  h  n  e  vorgetragenen  Kompo- 
sitionen von  E.  Körten  erschienen  zwei  PagMi- 
lieder  mit  Orchester,  in  denen  der  Balladentoa 
gut  getroffen,  am  wertvollsten.  —  Im  Karfireita|B- 
konzert  boten  die  meisterlichen  Vortrifo  von 
Ewald  Flockenhaus  (Orgel),  Hennr So n  (Cello) 
und  H.  Katona  (Harfe)  nicht  nur  «inen  kfinst- 
lerischen  Genuß,  sondern  auch  Erbanang.  Anna 
Erler-Schnaudt  (München)  ersielto  mit  dem 
von  ausgezeichneter  Schulung  sengenden  Vortrag 
der  Bachschen  Arie  »O  Jesulein  süß"  tiefistfetacn« 
den  Eindruck.  — Das  sechste  Abonnements- 
konzert, das  unter  Dr.  Hans  H  ay  m  eine  Anlffih- 
rung  der  ^Johannes-Passion*  in  vorzfiglicber  Be- 
setzung der  Solopartieen  durch  Tilly  Cahnbley- 
Hinken,  Maria  Philippi,  Anton  Kohmann 
und  Arthur  vanEweyk  bot,  beschloß  die  erfolg- 
reiche Saison  in  würdigster  Weise. 

Ferdinand  Schemenaky 

ERFURT:  Unter  den  musikalischen  Voran* 
staltungen  während  der  zur  Rüste  gocanfonen 
Saison  nahmen  die  Chorkonzerte  der  beiden 
Musikvereine  das  größte  Inferosse  des  mnsik- 
liebenden  Publikums  in  Anspruch.  Der  pEr- 
furterMusik  verein*  (Dirigent:  Richard  Wetz) 
bot  in  seinem  dritten  Konzertdie  f-mollMeaao  von 
Brückner  in  rühmenswerter Aasführang^  dor die 
des  13.  Psalms  von  Liszt  nnr  um  ein  gans  ge* 
ringes  nachstand.  Die  Soli  worden  von  Marie 
Busjiger  (Sopran),  Lilly  Hadenfeldt  (Alt), 
Hans  Wolff  (Tenor)  und  Otto  Semper  (BaÜ 
gesungen;  das  Beste  bot  Herr  WolW  In  dem 
Lisztschen  Psalm.  »Die  Schöpfung*  von  Haydn 
bildete  die  letzte  Darbietnng  des  genannten 
Vereins  in  dieser  Saison.  —  Der  Chor,  die  Sing- 
akademie, fand  auch  hier  wiederholt  Golegen- 
heit,  sich  auszuzeichnen,  nnd  leisteto  namentlich 
in  bezug  auf  den  Vortrag  rc€ht  Gniea.  Unter 
den     Solisten     (Frau     Neogebaaer*RaToth 

')  Vgl.  hierzu  auch  den  Artikel  „Die  Stadt  DOssel« 
dorf  und  ihr  Musikdirektor*  von  Richard  Hahn  ioi 
I.  Mai-Heft  der  „Musik*,  S.  172  ff. 

Anm.  der  Redaktion 


187 
KRITIK:  KONZERT 


[Sopran],  Otto  NoS  [Tenor]  und  R.  von  Milde) 
fiberrtgte  Frau  Neugebauer  ibre  Partner.  —  Der 
»Solleracbe  Musikverein''  (Dirigent:  Max 
Kopf)  brachte  zunichat  »Die  Jahreszeiten"  von 
Haydn  zu  Gehör,  deren  Wiedergabe  einen  recht 
guten  Eindruck  hinterließ;  die  Soli  wurden  von 
Mara  Fried feldt  (Sopran),  Hans  Wolff  (Tenor) 
und  Rudolf  Gmür  (Baß)  gesungen.  Das  Pro- 
gramm zu  einer  Bruch- Feier,  an  der  sich  Selma 
vom  Scheidt  (Sopran)  und  Fritz  Strathmann 
(Bariton)  als  Solisten  beteiligten,  enthielt  u.  a.  das 
Agnus  bei  aus  op.  35  und  das  ^^Feuerkreuz* 
des  Komponisten.  Das  erste  Werk  wurde  sehr 
eindrucksvoll  wiedergegeben,  und  auch  die  Aus- 
führung des  zweiten  kann  gerühmt  werden;  nur 
zu  Anfang  machten  sich  einige  Intonationsschwan- 
kungen bemerkbar.  An  großen  Orchester- 
werken hörten  wir  im  „Erfurter  Musikverein* 
die  Symphonieen  in  C-dur  von  Schubert,  in  B-dur 
von  Volkmann  und  in  G-dur  von  Weingartner, 
von  denen  die  zwei  zuerst  genannten  gut  wieder- 
gegeben wurden,  während  die  Ausfuhrung  der 
dritten  nur  wenig  befriedigen  konnte.  Der 
vSoUerscbe  Musikverein*  brachte  an  Orchester- 
werken u.  a.  die  d-moll  Symphonie  von  Sinding 
und  die  ,» König  Enzio"-Ouvertfire  von  Wagner; 
die  Ausf&hrung  der  beiden  Ecksätze  der  Sym- 
phonie sei  hervorgehoben.  Außer  den  schon  ge- 
nannten Solisten  hielten  noch  die  folgenden  bei 
uns  Einkehr:  FrsuCahnbley-Hinken  (Sopran); 
Dr.  Neitzel,  der  in  einem  Konzert  im  Verein 
mit  Max  Kopf  die  Variationen  fQr  zwei  Klaviere, 
op.  ^  von  Saiot-SaSns  in  fesselnder  Weise  vor- 
trug; Heinrich  Kiefer  (Violoncellist);  Paula 
Ucko  (Sopran);  Anatol  von  Roessel  (Klavier); 
Joan  Man6n,  der  namentlich  mit  der  Fuge  aus 
der  g-moU  Sonate  von  Bach  Hervorragendes  bot; 
Lotte  Kaufmann,  eine  Pianistin,  der  noch  das 
rechte  Gesultungsvermögen  mangelt;  Carlotta 
Stnbenrauch,  die  daa  F-dur  Konzert  von  Lalo 
und  daa  Rondo  Capriccio  von  Saint-SaSns  mit 
einem  faat  zu  freien  Vortrag  spielte,  daneben 
aber  auch  in  einer  Gavotte  von  Bach  eine 
hfibsche  Gestaltungskraft  erkennen  ließ;  Edith 
von  Voigtlinder,  eine  Geigenkunstlerin,  die 
in  Anbetracht  ihrer  Jugend  Außerordentliches 
bot;  Else  Schünemann  und  Paul  Gold- 
schmidt, deren  Darbietungen  einen  hohen 
Genuß  gewährten;  Anton  Foerster,  der  sich 
als  ein  ernst  strebender  Pianist  bewährte;  Isabel 
Stttckey,  eine  Singerin  aus  Leipzig.  Diese 
bereitete  uns  im  Verein  mit  ihrer  Partnerin,  der 
Pianistin  Frau  Pembaur,  eine  ebenso  arge 
Enttinschung,  wie  Max  V  o  g  r  i  c  h ,  der  aus  Weimar 
gekommen  war,  um  uns  mit  den  Kindern  seiner 
Muse  bekanntzumachen  und  weder  als  Kom- 
ponist noch  als  Pianist  auch  nur  im  allerge- 
ringsten zu  interessieren  vermochte.  —  Das  Er- 
furter Trio  (Lilly  Goman,  Albert  Järosy 
nnd  Emil  Voigt)  bot  einige  Kammermusik- 
werke in  anerkennenswerter  Ausfuhrung.  Einen 
großen  Genuß  gewährten  auch  die  Darbietungen 
des  Wietrowetz-Quartetts  aus  Berlin. 

Max  Puttmann 

GIESSEN:  Daa  Jahr  1907;8  brachte  uns  wieder 
zehn  Konzerte  des  Gießener  Konzert- 
vereins. Daneben  regte  sich  in  anderen  Ge- 
sangvereinen ein  Streben  nach  höheren  Auf- 
gaben, daa  alle  Anerkennung  verdient;  die 
Pionierarbeit  um  die  Erhöhung  der  Ansprüche, 


der  Lust  und  Liebe  für  wahrhaft  gute  Musik, 
ist  also  nicht  vergeblich  gewesen.  Freilich,  die 
Eröffnung  eines  neuen,  sehr  hübschenTheaters 
—  in  dem  durch  das  Frankfurter  und  Darm- 
städter Opernensemble  mit  Orchester  i^Figaros 


Hochzeit' 


,Barbier%      »Fidelio",      „Waffen- 


schmied" und  »Fra  Diavolo*  gebracht  wurden 
dank  der  Rührigkeit  und  Unternehmungslust 
des  Theatervereins  —  hat  den  Konzerten  für 
diesmal  großen  Eintrag  getan,  und  der  Konzert- 
verein hat  einen  schweren  Kampf  zu  bestehen. 
Wenn  ihm  aber  wieder  Musiker  wie  Henri 
Marteau,  Wilhelm  Backhaus,  Ludwig 
Wüllner  u.  a.  zur  Seite  atehen,  so  wird  er 
seinen  Kampf  wohl  bestehen.  Von  den  Kon- 
zerten seien  hervorgehoben  ein  Abend  der 
Pariser  Soci6t6  (Henri  Casadesus  und  Ge- 
nossen und  Marie  Buisson),  der  ganz  herrliche 
Genüsse  bot.  Mozarts  Allegretto  alla  turca  auf 
dem  Clavecin  (Alfred  Casella)  wurde  jetzt  erst 
in  seinem  entzückenden  Charakter  aufgedeckt. 
Im  ersten  Chorkonzert  wurde  W.  de  Haan's 
kleines  Chorwerk  „Das  Lied  vom  Werden  und 
Vergehen*  ausgeführt  und  hatte  einen  schönen 
Erfolg.  Danach  kam  Johannes  Brahma  mit 
seinem  gewaltigen  „Triumphlied"  mit  dem  vor- 
trefflichenSänger  August  Leime  r(Frankfun)  in  der 
Solopartie.  Ein  Solistenabend  Henri  Marteaus 
zeigte  den  herrlichen,  urgesunden  Meister 
auf  der  höchsten  Stufe  der  Vollendung. 
Ludwig  Wüllner 8  Liederabend  mit  Hermann 
Zi Icher  am  Klavier  war  vortrefflich.  Wilhelm 
Backhaus,  ein  ebenso  urwüchsiger  Musikant 
wie  Marteau,  brachte  aus  dem  Vollen  heraus 
Tschaikowsky's  b-moll  Konzert  op.  23  und  Soli 
von  Chopin.  Daneben  kamen  Wagners  Ouver- 
türen „Christoph  Columbus*,  „Rule  Britannia** 
und  Liszts  »Tasso*  in  vortrefflichster  Weise  zu 
Gehör.  Der  Verein  hatte  diesmal  für  seine 
Orchesterkonzerte  und  das  erste  Chorkonzert 
das  Orchester  aus  dem  Zoologischen  Garten  zu 
Frankfurt  a.  M.  engagiert,  mit  unbestreitbarem 
künstlerischen  Erfolg.  —  Die  Kammermusik- 
Abende  unseres  Gießn er  Trios:  Trautmann, 
Rebner  und  He  gar  brachten  eine  reiche  Fülle 
schönster  Gaben  alter  und  moderner  Meister. 
Den  Beschluß  bildete  das  zweite  Chorkonzert, 
das  Meisterwerken  weltlicher  Vokalmusik 
des  16.  bis  18.  Jahrhunderts  gewidmet  war: 
H.  L.  Hasler,  Job.  Eccard,  John  Bennet,  Daniel 
Friederici,  G.  Giacomo  Gastoldi,  Haydn  und 
J.  S.  Bach,  neben  alten  Volksliedern  und  Liedern 
von  L.  Reichardt,  J.  F.  Reichardt  und  J.  A.  P. 
Schulz  standen  auf  dem  Programm.  Besonders 
hervorgehoben  davon  seien  Gagliarda  von  H.  L. 
Haaler,  „Fließet  dahin"  von  Bennet  und  dann 
die  beiden  Bachschen  Kantaten:  die  Kaffee- 
kantate und  die  Jagdkantate,  welch  letztere  hier 
wohl  seit  Bachs  Zeiten  zum  ersten  Male  wieder 
in  Deutschland  zur  Aufführung  kam.  Dies  ist 
umso  verwunderlicher,  als  sie  ein  ungemein 
fHsches  Werk  ist  und  den  Solisten,  insbesondere 
der  Sopranistin  herrliche  Aufgaben  stellt,  die  von 
Anna  Kaempfert  (Frankfurt)  auf  das  gluck- 
lichste gelöst  wurden.  Die  Arie  der  Pales: 
„Schafe  können  sicher  weiden*  ist  das 
Entzückendste,  was  sich  denken  läßt.  Die  Be- 
gleitung auf  dem  Flügel  durch  den  Dirigenten 
des  Vereins,  Gustav  Trautmann,  wird 
mir  immer  unvergeßlich  sein.    In  der  Kaffee- 


gBL  DIE  MUSIK  VII.  21.  ^ ^MK 

kantate  löste  der  Vertreter  des  Vater  Schleodriao,  edelsten  Blüten  alter  wie  neuer  Klrchenmnsik 

Hans  Vaterhaus,  stfirmische  Heiterkeit  aus;  in  trefflicher  Ausführung  bot,  nnd  das  dorch  das 

seine  Art  ist. vortrefflich,  wenn  auch  der girende  herrliche  Orgelspiel  des  Dresdener  Organisten 

Most   noch   einiger  Abklirung  bedarf.     Anton  A.  Sittard  noch  an  Interesse  erheblich  gewann« 

Kohmann  brachte  insbesondere  die  schwierigen  Der   hiesige    Konzertsinger    H«  Spörry    Ter« 

Duette   mit  seiner  Partnerin,   Frau  Kaempfert,  anstaltete    mehrere    Liederabende,    die    Roben 

vortrefflich    zu    Gehör.      Der    Akademische  Franz   und  Hugo  Wolf  gewidmet  waren,    und 

Gesangverein,  einer  der  ältesten  gemischten  durfte  sich  eines  schönen  künstlerischen  Erfolges 

Chöre  überhaupt  —  er  ist  1819  gegründet,  feiert  rühmen.  Martin  Frey 

also  im  nächsten  Jahre  seinen  90.  Geburtstag  —  LJEIDELBERG:    Der    Bach  verein    (Philipp 

ist  ein  fügsames  Instrument  unter  dem  Taktstock  ^^  Wolf  r um)  beschloß  seine  Saison  mit  der 

seines  Dirigenten.  Dr.  C  Spohr  Aufführung  von  Beethovens  »Missa  solemnis*; 

r^  LEI  WITZ:  Es  ist  unleugbar,  daß  der  Glei-  **^^«*^  «^"«   ^4f*j;  ^"«^  und  Priludlam  in  Es 

^  witzer  Musikverein  seit  s'einer  Gründung  ^[ÄnTkuZ?^^^^^^^ 

unter  einem  nicht  gerade  günstigen  Stern  steht!  Gwt*U«ngskun8t  auf  unserer  prachtvollen  Oi^el 

aus  Rostock  in.    Mit  großem  Fleiß  ging  er  an  ^^^,^„6  «ich   wieder  der  mttliche  Cbor.  der 

die   vollstindige   Neuorganisation    des  Chores,  ,„  ^a^  ^      g  ,     "      ^     „  g|  in  AnipruS 

Sieben"  ^»rLfVJJ'  "*,i1,  ti^l™  *.°  r„l.ir  «enommen  war.    Das  Orchester  war  dorctaau^ 

dienen,  daß  der  Verein  mit  einem  a  cappella-  r,«^j«^   i««»«.«,^«««««»-.*    k«<i«..**-<i  .A..«a.iP« 

Konzert  an  die  Öffentticblceit  treten  Iconnte,  das  ?^?r  l„n   vi«rZS   Fmm.  ßln^fd»  /l?««S" 

recht  beiniiige   Aufnahme  fand.       Noch  aber  ?i!..^o  L*t7n'?J,,fTL  ifihmiL%r«i^ 

fehlte  hierbei  der  künstlerische  Schli«f.  und  man  ^"j"«  V '"l*lit'  k.ß?X^Ä"?^^^ 

merkte,  daß  die  Bildungsarbeit  noch  nicht  voll-  w.,,«  VofJ«    5ii  O««?  K    h™^ 

endet  war.    Einen  wohlverdienten  und  berech-  *'!*'  fV.^u.*'  *!.'•    «*fi  ^'  "*"•••  —  ^ 

.!»..-  B.»«i- -.,i«i.r^-.r'fcl,  .-:.  ^iL^,   AaVI  breiten  Schichten  des  Volkes  gegen  geringstet 

tigten  Erfolg  eriielte  der  Chor  mit  einer  .Odys-  Entgelt  die  wertvollen  EraeugnissederKammer- 

seus--Auffuhrung._     Im   ers  en   Solistenkonzert  „ugik  zu  vermitteln,  bezwfcken  die  nicht  genug 

sang     Paul    Knupfer      mit     seiner     pracht-  "„.r.l^VL]",^^^^ 

vollen   Baßstimme   Lieder  und   Balladen      Im  iV^^.rln.'iJ  Ahlnh^^^ 

*«a2«am  V/v«-«..«  ä,m.i^\*äx  V..»«        M^K^.%  Am.^  tvammermusiK-ADenae  ,  rur  die  in  den  he- 

^„ikve«?rii«kfi    nnJh    S^;~^/?h«iu^^^^  »e«"«»«'»   Kreisen    regstes     nterene    bekandM 

K^ihf^cL!.?n.lr«?nLh«.h^.nn^  »"'^e«     Z«   Gehör  wurden  in  nrel  Abenden 

fr';n'i'S"ef."u;nte'  fflÄÄt^lT sTcIT.  ^15^,7?-%^  HtrVla'r.'^glS^^S 

Pi's'^fe"? C>cme?b%nrÄ?stfs°lUn'll;  --^ 

virfhm   d'iJ'^ÄJiÜVroßz  Ji  .nSV  ^'!i"Zl\L\l[:^^J^^^^,J^''^ 

MessenvonGreith, FiIke,Mittmann undandiren be-  ".^^.^Ä«,«?!.«  wlä«   «.^ÄAi-*?S: 

kannten  schlesischenKircbenkomponisten.  Nicht  t"?"  2l!f*'*"°*"v*  7*5!°  'JJ.S^^'i'ÄJ.^ 

rfoS'erriJ'St'e  ^bSwÄTr  clo'r^^n  M.n-efchire7  srdi/sm.l ''iSSe.rJrd~ 

S;?ntsTeft?r  Äl  sSÄ  t  a?cSM."-  tlH'V'rX  T&^.  ""ÄS..*^ 

getrübten  Genuß.    Im  Laufe  des  Winters  brachte  Ä.       *  ^.,rA?.-  k«-« 

er  auch  noch  eine  sorgßltig  studierte  Aufführung  ,, ,  rrcMDiiRT.  iri»t...  u...».^^»  Lil... 

von  »Paradies  und  Peri-  heraus.    In  all  diesen  K^^i^^f'^^^l^flSTlinJ^V^lJ^^^ 

Konzerten  wirkte  auch  die  hiesige  gut  geschulte  „„.fjfjli"  '"w^üniri«/  «i«Ä  K«-^IS2 

Regimentskapelle,  die  unter  der  umsichtigen  ^^^^^^^^^'or^^'^^l^l*'''^    ^£r    M«T 

Leitung  des  Kapellmeisters  Sobanski  jederieit  !'^^.,^'^.„?'"i«    Min«!rV..l«.Jlr!i-" 

K^mAii»  i«*    Aä^m  uiMm  «m  •!«  ^^m*^tu^L  k^k««  vcrein    und    der    Minnergesancverein. 

bemüht  ist,  den  hier  an  sie  gestellten  hohen  Ersterer  veranstaltete  vier  Symphoniekonsarte. 

Anforderungen  gerecht  *"  werden  ^{^  ^^„^  ^^^  E^^^^j^  und  hoLn  KünsüwiSS 

magnus  uawison  ^^^^^  Dirigenten,  Emest  Schmeißer,  übmuis 

LJALLE  a.  S.:  Die  Nachlese  der  Konsertsaison  glücklich     verliefen.      Die    Symphonieaa    ¥00 

^^  verzeichnet   noch    ein    Konzert   von    Lula  Schumann  in  B,  Weingartner  in  G  and  Baef* 

Mysz-Gmeiner,  mit  Eduard  B e h m  am  Klavier,  hoven  No. 6,  das  Bruchscbe  Violinkoniert  f-moll, 

das    tiefgehende    Eindrücke   hinterließ.    Julius  in  dem  der  an  das  Wiener  Konsenratoriani  be- 

K 1  e  n  g  e  1  wirkte  im  zweiten  Konzert  des  Lehrer-  rufene  ausgezeichnete  Konzertmeister  GoCtfIried 

gesangvereins     unter    Oito    Reubke     mit.  Feist  brillierte,  Berlioz' » Römischer  Kameinü*» 

Unter  demselben  Dirigenten  erlebte  auch  Kiels  sowie  Bruchstücke  aus  den  Musikdramen  Ricfaafd 

»Christus*  in  der  Robert  Franz-Singakademie  Wagners  seien  als  nennenswerteste StBdko  hier 

eine  Aufführung.   Endlich  sind  noch  zu  erwihnen  erwihnt.  —  Große  künstlerische  GenBtso  m* 

zwei  Pianisten,  Herr  Sokolof  f  und  Frl.  Grün ert,  mittelten  uns  die  Kammerkonzerte  des  ans  des 

die  auf  ihrem  ersten  Kunstausfluge  mit  Beet-  Herrn  Feist,   Rauter,   Richter  nnd  Mayer 

hovens  Es-dur  und  G-dur  Konzerten  und  einigen  bestehenden    Musikvereinsqnnrtetts.     wir 

Solostücken  wohl  die  Flügel  regten,  aber  nicht  bekamen  u.  a.  zu  hören  Quartette  von  Mozar^ 

die  Herzen  bewegten.  —  Nicht  unerwähnt  möchte  Haydn,  Smetana,  das  StreichqnintettTon  Schobert 

ichdashochinteressanteKircheokonzertdesStadt-  (1.  Cello  Dr.  Rot  haue  r),  Grieg's  Sonata  op.45| 

Singechors  unter  Karl  Klan  ert  lassen,  das  die  sowie  Brahms'  Trio  op.  101,  am  PIfifCl  ptiditig 


189 
KRITIK:  KONZERT 


unteratfiut  von  Ed.  Bornscheio.  —  An  Solisten  l/'OPENHAGEN:  Von  einbeimischen  Werken 
hörten  wir  im  letzten  Winter:  Sarasate  und  '^  wurden  aufgeführt:  im  Musikverein 
Berthe  Marx,  das  Russische  Trio,  ferner  i^Gunnars  Traum*  von  Karl  Nielsen,  ein 
Slezak,  Lulek,  Else  Schunemann,  Penna-  eigenartiges,  das  Wesen  des  Traumes  musikalisch 
rini,  Tilly  Koenen  u.  a.  In  den  meisten  darstellendes  Stuck, technisch  vollendet,  inhaltlich 
Liederabenden  besorgte  der  hiesige  Chorleiter  mehr  reflektiert  als  in  unmittelbarer  Pulle  her- 
Dr.  Edwin  Komauer  die  Begleitung  am  Flügel,  vorbrechend,  infolge  des  Stoffes  etwas  ver- 
—  Zuletzt  möchte  ich  noch  zwei  musikalische  schwömmen  und  unklar  in  der  Haltung,  als 
Ereignisse  erwähnen:  den  Klavierabend  von  Ganzes  interessierend  und  für  das  Scb äffen  von 
Franz  Rösler  aus  Rom  und  das  Kompositions-  Nielsen  von  Bedeutung.  Dann  eine  etwas  unreife 
konzert  von  Eduard  Bornschein.  Schade,  daß  und  ungleiche,  aber  durch  und  durch  musikalisch 
die  Namen  dieser  beiden  Künstler  nicht  schon  gedachte  und  gemachte  Symphonie  von  einem 
weiter  in  die  Öffentlichkeit  gedrungen  sind,  jungen  Debütanten  Emilius  Bangert,  ein  ver- 
Rösler  zählt  wohl  zu  den  bedeutendsten  und  sprechendes  und  verpflichtendes  Werk.  Weiter 
gediegensten  Klavierspielern  der  Gegenwart,  (wiedasvorige  im  Dänischen  Konzertverein) 
Seine  her?orragenden  Interpretationen  Bachseber  eine  recht  lockere,  äußerliche  und  potpourriartige, 
und  namentlich  Beethovenscher  Klavierwerke  leerlärmende  Ouvertüre  von  Brun  de  Neergaard 
dürften  wohl  nicht  so  leicht  Nachahmung  floden;  (eigentümlicherweise  eine  preisgekrönte  Arbeit) 
ein  mächtiger  Zug,  durchglüht  von  Leidenschaft  und  endlich  Fragmente  aus  Asgar  Hamerik's 
und  echter  Oberzeugung,  und  urgermaniscbes  8ehrwertvollem,stimmungsreichem„Requiem''. — 
Empfinden  sind  die  Hauptvorzüge  im  Spiele  Von  Dänen  konzertierten  u.  a.  Henrik  Knudsen 
dieses  eminenten  Künstlers.  Im  Kompositions-  (ein  tüchtiger  Pianist)  und  Karen  Nielsen  (junge 
abend  Eduard  Bornscheins  hatten  wir  Gelegen-  debütierende  Geigerin,  Schülerin  von  Halir^ 
heit,  die  Bekanntschaft  mit  einem  Tondichter  mit  schönen  Anlagen);  von  Fremden  vor  allen 
zu  machen,  der  gewiß  noch  von  sich  reden  Willy  Burmester,  en  vigueur  wie  lange  nicht, 
machen  wird.  Nicht  als  ob  Bornscheins  Ge-  und  Eugdne  Ysaye,  meisterhaft  wie  immer,  mit 
sänge,  um  die  sich  namentlich  der  Grazer  Theo  Ysaye  zusammen.  Alexander  Heine- 
Heldenbariton  Hermann  Jessen  rühmlichst  mann,  stimmlich  nicht  auf  der  Höhe,  hatte 
verdient  machte,  auf  den  ersten  Blick  fesselten,  dagegen  keinen  vollen  Saal  erzielen  können.  — 
aber  fe  mehr  man  sich  in  diesen  kerndeutschen  Die  von  Joachim  Andersen  energisch  durch- 
Musiker hineinlebt,  desto  mehr  gewinnt  seine,  führten  Palaiskonzerte  brachten  u.  a.  zum 
mitunter  vielleicht  etwas  herbe,  Mundart.  Neben  ersten  Male  die  feine  Serenade  von  B.  S ekles,, 
einer  stattlichen  Reibe  tiefempfundener  Lieder  dessen  Name  bisher  hier  unbekannt  war.  Die 
und  Balladen  waren  es  vor  allem  die  i»Narren-  Aufnahme  war  etwas  reserviert, 
lieder*,  die  hervorgehoben  zu  werden  ver-  William  Bohrend 
^^^°^°-  Emanuel  Nowotny  |^refelD:  Die  Konzertgesellschaft  ver- 
I^ÖLN:  In  der  Musikalischen  Gesell-  '^  mittelte  in  sechs  Abonnementskonzerten 
'^  scbaft  errang  sich  der  einheimische  Fritz  unter  Müller-Reuter  manch  wertvolle  Bekannt- 
Dietrich  mit  dem  schönen  Vortrage  des  ersten  schaft.  Brückners  und  Beethovens  „Neutfte% 
Satzes  von  Joachims  Ungarischem  Violinkonzert  der  i^Kinderkreuzzug"  von  Piern6,  »Christus* 
und  Tartini's  «Teufelstriller*-Sonate  einen  aus-  von  Liszt  und  das  „Deutsche  Requiem*  von 
giebigen  Erfolg.  Freundlich  aufgenommen  wurde  Brahma  waren  so  ziemlich  die  hervorragendsten 
auch  Helene  Passow-Vogt  aus  Meiningen,  ob-  Momente  des  Konzertlebens.  —  Zu  betonen  wäre 
gleich  ihre  Liedervorträge  ebenso  wie  die  Wieder-  noch  das  rege  Treiben  der  größeren  Man n er- 
gäbe der  »Paulus*- Arie  weder  im  allgemein  künst-  Chöre,  an  deren  Spitze  immer  noch  die 
lerlschen  Sinne  noch  als  Ausfluß  einer  Individua-  Vereine  „Sängerbund*,  „Rheingold*  und  „Sänger- 
liiit  dazu  angetan  waren,  sonderliches  Interesse  Vereinigung*  marschieren.  Es  schweben  zurzeit 
wachzurufen.  —  Der  Kölner  Tonkünstler-  Verhandlungen,  die  „Städtische  Kapelle* 
verein  brachte  bei  seinem  letzten  Abend  der  in  die  Regie  der  Stadtverwaltung  zu  übernehmen. 
Saison  in  interessanter  Zusammenstellung  Instru-  In  der  Sanierung  der  betrübenden  flnanziellen 
mental-  und  Vokalkompositionen  des  17.  und  Verbältnisse  des  hochstehenden  Orchesters 
18.  Jahrhunderts.  Unter  Benutzung  eines  harren  dem  Sozialpolitiker  noch  große  Auf- 
Hammerklaviers  und  zweier  Liebesgeigen  aus  gaben.  Hoffentlich  bezeigt  die  Stadt  in  letzter 
dem  Heyerschen  Instrumentenmuseum  gab  es  Stunde  eine  entgegenkommende  Haltung  In  der 
in  Waldemar  v.  Baußnerns  Klavierbegleitung  Fixierung  der  Gehälter  und  in  der  weniger 
hübsche  Lieder  von  Michael  Haydn  durch  Carola  rigorosen  Behandlung  älterer  Mitglieder.  Hier 
H ubert, eine  Bachsche  Flötensonate,  das  Arioso  wäre  übertriebene  Sparsamkeit  übel  angebracht, 
aus    der  „Johannes-Passion*  durch  Carl  Rost.  Alfred  Fischer 

SSi'!llf««^^'lfJ«?h.VTfla.'L\°?nf  r,^  I  EIPZIG:   »n  einen,  vom  «Deuttchen  Schul- 

gliaxendea  neuen  Ibachflugel  fBr  eIneCUconn«  L  verein  zu  Leipzig-  «m   U.  M«i  im  froBen 

^^i^Z^l^^in^^^nfJTet'^^ILit^^'piZl  Fe.t.Mlede8Zoolo^«l.*chenG.rten.  veranttSteten 

««mm.«    m?,    S?rf»!    M^vfi   ^.-H    PrJSJ  seni.tlonellen     LIsit.W.gner-Koniert    mit 

M^?r^lk  d^  B^eÄ  K^n«r.  ra,  LfKi.  hohen  Elntritttpreleen,  vornehmem  Publikum, 

!^il  «n  .«wJ?    w!?.!,  hx^rm«  1r  Jr»!;  '««•»".  «»'"c«>  D«"»«»  der  Ge«en«ch«ft  bestellten 

l-ISihJL-t'^Ä  J««.Vr«f«Ci„m..^hrfi.PH«  BS''««    ""O     «»>»"    ««««trierten     Progriimm. 

h««««?M«*  ««d   k!««^M««   M?«Ä   Di  «»ö««"«".    »««    K«pe"ne«>ter    Rlchird    Hagel 

S^m^i    ffir   ^i^  Vlli   Oh«.i^  H?r««r  ^ä  »««    <»«">   Stidtitchen    The«ter  und    Gewand- 

p!^r  ^  p'..JI  um.,  heusorchester,     mit     einem     aus    den     ein- 

'^'«^•*  *^*"'   «"«er  heimltchen     BQhnensingerInnen      Ei  ob  holz, 


190 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


mSo 


FUdnitzer,  Franz,  Schreiber,  Stadtegger  liÄOSKAU:  Uoaere  Saison  war  reich  an  Vor- 
und  Welter  (Solo-Blumenmidchen),  Frau  von  ^^^  fuhrungen  geiatlicher  Maaik:  deracap- 
Florentin  (Kundry)  und  den  Dresdener  Hof-  pella-Geaang  der  ruaaiachen  Kirchen  wurde  auf 
opernsingem  Grosch  (Parsifal),  Rains  (Gurne-  das  Konzertpodium  verpflanzt,  die  Chorver- 
manz)  und  Perron  (Amfortas)  bestehenden  einigungen  von  A.  Archangelaki,  Waaailiew, 
Solistenensemble,  und  mit  einem  Chor,  zudem  diedes  Synoda,  jasogardieder  Altgllablgen, 
sich  dieThomaner  mit  Damen  des  Gewand-  traten  mit  Konzerten  auf  nnd  auchten  einander 
hauscbores  und  Herren  des  Lehrergesang-  an  Präzision  und  dynamischem  Abwigen  and 
Vereins  zusammengefunden  hatten,  die  Dante-  Ausfeilen  zu  übertreffen.  —  Die  Kapelle  von 
Symphonie  von  Franz  Liszt  und  Teile  der  W.  Bulytschew  führte  Motetten  der  nieder- 
i^Parsifal'-Musilc  von  Richard  Wagner  (Erstes  ländischen,  venezianischen,  rdmischen  Schoien 
Vorspiel,  Orchestereinleitung  zum  zweiten  Auf-  (Josquin  de  Prfts,  Arcadelt,  Laaao,  Paleatrina 
zug  und  Blumenmädchenszene,  Orchester-  u.a.)  in  einer  höchst  vollendeten  Wiedergabe 
Vorspiel  zum  dritten  Aufzug  und  von  der  vor.  Mozarta  F-dur  Messe  nnd  Reqnlem  kamen 
Fußwaschung  Parsifals  ab  den  ganzen  Schluß  wiederholt  zur  Ausführung.  —  In  der  latheri- 
des  Werkes)  zur  Aufführung  gebracht.  Hinsicht-  sehen  Kirche  wurde  Mendelssohns  pPauloa*, 
lieh  der  Ausführung  gelangen  am  besten  der  von  dem  Deutschen  Verein  für  gemischten  Chor- 
mit  packender  Dämonie  und  schmerzvoller  gesang  unter  Peters  vorgeführt.  —  Der  Orgel- 
Schwärmerei  (Francesca-Episode)  dargestellte  In-  virtuose  G.  Handachin,  ein  anageaelchneter 
ferno-Teil  des  Lisztschen  Werkes,  die  Blumen-  Künstler,  wählte  für  sein  Kirchenkonxert  J»  S. 
mädchencböre  und  die  Karfreitagsepisoden,  Bach  und  Mix  Reger;  der  befähigte  Gäger 
denen  das  klangschöne  Spiel  des  Gewandhaus-  J.  Paulsen  sund  ihm  mit  altiuliesiacher 
Orchesters  und  der  stimmungsreiche  Gesangs-  Musik  gediegen  bei.  —  Die  historischen 
Vortrag  des  Kammersängers  Rains  zu  einiger  Symphoniekonzerte  nnter  J.  Sachnowaki 
gut-bayreuthischen  Wirkung  verhalf.  Im  all-  und  S.  Wassilenko  fanden  Ihren  AbaehlnB 
gemeinen  hat  aber  —  trotz  allem  ernsthaft-  mit  rusaiacher  Musik  (Arensicyi  Movssorgeiqr, 
eifrigsten  Bemühen  des  Kapellmeisters  Hagel  Tschaikowaky,  Kalinnll^ow  n.  a.).  -—  Die 
und  sämtlicher  Mitwirkenden  und  trotz  dem  Philharmoniker  hatten  zum  Leiter  dea 
reichen  Aufgebot  an  künstlerischen  Mitteln,  sechsten  Abonnementskonzertes  Vincent  d'Indy, 
unter  denen  sich  sogar  ein  vom  Regensburger  als  Solistin  Blanche  Selva,  inm  Leiter  dea 
Hofpianofortefabrikanten  Weidig  zur  Verfügung  siebenten  und  achten  Arthnr  Nikisch,  der 
gestellter  recht  brauchbarer  Glockenapparat  be-  u.  a.  Beethovena  ^Siebente",  Brahma'  »Vierte", 
fand,  —  auch  dieses  Konzert  Tieferhörenden  Elgar'a  Variationen  vorführte.  — Frau  M«  Doli  na 
und  Wissenden  wiederum  die  Untunlichkeit  aus  Petersburg  veranstaltete  vier  Abende,  an 
von  Konzert-  und  gar  von  fragmentarischen  denen  sie  die  Entwickelnng  dea  raaeiachen 
Konzertaufführuogen  der  „Parsifal'-Komposition  Liedes  mit  Solo-  und  Chorgesang,  mit  Be- 
erweisen  müssen.                Arthur  Smolian  gleitung  volkatümlicher  Inatmmente  TorfGhrte. 

M  ATI  Alan      n—     d^i^  n....*^#*    K^.^t.*^   Volkslieder  waren  mit  Romanzen  fromdlindlachen 
AILAND:     Das     Polo-Quartett    brachte   ou— ir»**«  »«».i»««.«*    ^i«  dm^mmm.«  «i*  a« 

Ghltl  eotttascbte  ein  wenig  durch  den  Vortr«g  Ji»'^\"   ,?«n.i«  EmH  K„Ve,.ta  .Ji^h^ 

e^'n^''Ä'S«nr•  «5rvfr."r^^^^^^^^^^ 

eine   große   Gesangs-   und    Vortragskuiistlerin,  _  ^^^  ^^^  ^^^^^^  Klavierabenden  seiMi  o.  a. 

Rn^'ih.i  inJ^^^^  erwähnt:«ltoaqueLambrino,M,Meitichlk, 

Busoni  spielten  in  ^% jjSodetä  del  Qua^^^^^^^^  j^3   Narbutt-Hryachkewitach,  B.  Tacher! 

Johann  Binenbaum  bina-Bekmann(beideaPianiaHnnennmhilhefer 

Ä4ANCHESTER:  Im  letzten  Hall6-Konzert  Begabung).   —    Die   Moakaner   Ltedertnrel 

^^^  kamen   die  „Neunte«   und  Brucknera  „Te-  führte  unter  G.  Kremaer  Teile  ana  Beethovena 

deum*  zur  Aufführung.  —  Die  Saison  der  Gent-  «Fidelio*  unter  solistischer  Mitwirkung  von  Frau 

lemen's  Concerts  fand  ihren  Abschluß  durch  Innfelder-Keßler  auf,  fbmer  Qnartooe  and 

einen    Klavier-    und    Liederabend     (Alexander  Chöre.    Die  altniederländlachen  Vollnlieder,  mit 

Siloti  und  Agnes  Nichols).  —  In  den  beiden  Deklamation  von  W.  Ottho,  in  der  Dearbeifeg 

letzten  Veranstaltungen  des  Brodsky-Quartetts  von    Eduard    Kremaer,    worden    wa    deaeen 

erklangen  Beethoven  op.  18  No.  5  und  op.  130,  Ehrung  anläßlich   aeinea   aiebiigetea  Gebnrta- 

Quartette  von  Verdi  und  Boccherini,  Trio  von  tages  vorgeführt.  Den  Schluß  machte  daOpMeialer- 

Tschaikowsky,  (Pianist  Percy  Grainger)   und  singer'-VorspieL  ~  Die  Salaon  land  ihren  Ab- 

c-moll  Quartett  von  Brahma  (Pianist  Willibald  Schluß    am  6.  Mai   mit   dem    letzten   Abonne- 

Richter).  —  Der  Violinist  Rudolf  Bauerkeller  mentakonzert    der    Kaiaerlich    raaalachen 

gab  ein  recital,  in  dem  IsidorCohn  als  Pianiat  Musikgesellschaft,    daa    lediglieb    Er•tan^ 

mitwirkte.  —   Der  Kölner  Männergeaang-  fuhrungen  brachte:  eine  Symphonie  f-moil  von 

verein    hatte   großen   Erfolg   zu    verzeichnen,  J.  Sachnowaki,  breit  anagerehrty  nlt  starkem 

obwohl    ein    mehr    klassisches    Programm    zu  lyrischen   Einschlag.    Die   OnTertfire-Phaataaie 

wünschen     gewesen    wäre.      Erfreulicherweise  von  W.  So  Iota  reff  weiat  in  Ihrer  ganien  Faktor 

haben  sich  die  Städte  Manchester  und  Salford  den  Einfluß  Rimaky-Koraaakow*!  noL    DiritOBt 

der  Kölner  Gäste  auch  offiziell  angenommen.  —  beider  Werke   war  J.  SachnowakL    Eine  aym- 

Schließlich  sei  noch  der  beiden  letzten  French  phonische  Dichtung  von  S.  Waaailenko,  too 

Concerts  (Reynaldo  Hahn  und  Saint-SaSns)  ihm  geleitet,  hat  zur  Unterlage  den  «Garten  dea 

Erwähnung  getan.  K.  U.  Seige  Todes*   von  Oskar  Wilde;  aie  weiat  horrliehe 


191 
KRITIK:  KONZERT 


m 


Orchesterfarben  auf,  das  Ganze  hat  einen 
düsteren  Zug.  Das  Violinsolo  wurde  von  B. 
Sibor  vortrefflich  gespielt.  Ein  Klavierkonzert 
mit  Orchester  von  N.  Tscherepnin  wurde  von 
dem  jungen  Pianisten  M.  Meitschik  in  feiner 
Ausarbeitung  und  virtuos  vorgetragen.  —  Von 
den  letzten  Solistenkonzerten  sind  in  erster 
Linie  zu  nennen:  ein  Violinabend  von  B.  Sibor 
unter  Mitwirkung  des  greisen  Geigers  Leopold 
T  o  n  A  u  e  r ,  femer  Klavierabende  von  I  g  u  m  n  o  f  f , 
W.  Bojukli  u.  a.  E   ^^^  Tideböhl 

M .-GLADBACH:  Der  stidtische  Musikdirektor 
Hans  Gelbke,  dem  die  Leitung  fast  aller 
Auff&hrungen  oblag,  darf  mit  größter  Befriedigung 
auf  das  Geleistete  zurückschauen.  Zunächst 
nennen  wir  die  fünf  Cäcilia- Konzerte.  Das 
erste  ließ  hauptsächlich  Meister  des  Auslandes: 
Glazounow  mit  seiner  vierten  Symphonie,  Tschai- 
kowsky  mit  seinem  Violinkonzert  in  D-dur  und 
Grieg  mit  seiner  Konzertouvertüre  i»Im  Herbst** 
zu  Wort  kommen.  Dazu  bot  Erika  Wedekind 
eine  Reihe  ihrer  schönsten  Lieder  in  bekannter 
Vollendung.  Als  Violinsolist  war  W.  Schulze- 
Prisca  zugezogen,  der  überzeugend  seine 
Meisterschaft  darzutun  vermochte.  »Fausts 
Verdammung**  von  Berlioz  mit  Messchaert 
In  der  Hauptrolle  gelangte  im  zweiten  Konzert 
zu  schönster  Wiedergabe.  Der  Chor  ließ  es 
nicht  zu  dem  kleinsten  Tadel  kommen,  ebenso 
bewährte  sich  unser  wackeres  Orchester  unter 
Gelbkes  Leitung  in  bester  Weise.  Dem  dritten 
Konzert  lag  wieder  ein  gemischtes  Programm 
zugrunde,  aus  dem  das  Choridyll  »Die  deutsche 
Tanne"  von  Koch  genannt  sei,  ein  Werk,  dem 
trotz  mancher  Schönheiten  kaum  eine  lange 
Lebensdauer  beschieden  sein  wird.  Der  «Sym- 
phonische Festmarsch*  von  Thuille  schloß 
den  Abend.  Hoföpemsänger  Fenten  und 
Kammervirtuos  Piening  boten  ihr  Bestes 
and  fanden  allseitig  Anerkennung.  Im  vierten 
Konzert  entzückte  Ernst  von  Dohnanyi  mit 
Schnmanns  Klavierkonzert  in  a-moU  und  drei 
eigenen  Solo-Klavierstücken.  Die  Sängerin  Frau 
B  rüge  Im  an  n  mußte  trotz  ihrer  schönen  Lieder- 
spenden dem  Klaviermeister  das  Prä  des  Abends 
fiberlassen.  Das  Orchester  brachte  Tschaikowsky's 
»Symphonie  path6tique  Nr.  VI*  und  Webers  »Auf- 
forderung zum  Tanz"  in  der  Instrumentierung 
von  Weingartner.  Mit  Brahms'  «Ein  deutsches 
Reqalem*,  dem  die  Bacbsche  Kantate  «Wachet 
aof,  ruft  uns  die  Stimme*  folgte,  bei  denen  die 
Solopartieen  von  Jeannette  Grumbacher-de 
Jong  und  Arthur  van  Ewey  k  gesungen  wurden 
ond  Prof.  Franke  den  Orgelpart  ausführte, 
wurde  die  Reibe  der  Cäcilia-Konzerte  in  er- 
hel>ender  Weise  l>e8chlossen.  —  In  den  sechs 
Symphoniekonzerten  ließ  Hans  Gelbke 
neben  den  Meistern  Bach,  Haydn,  Mozart, 
Beethoven,  Schubert,  Schumann,  Berlioz,  Wagner, 
LIszt,  R.  Strauß  auch  die  « Aller] üngsten*  zu  Wort 
and  Taktstock  kommen.  Die  Aufführungen 
Cuiden  auch  reichsten  Beifall.  —  Zum  Besten 
des  Orchester-Pensionsfonds  hatte  sich  das 
Krefeld  er  städtische  Orchester  dem  hiesigen 
za  gemeinsamem  Schaffen  angeschlossen,  und 
beide  vereinigt  zeitigten  höchst  anerkennenswerte 
Leistnngen.  —  Dazu  wären  noch  als  Ereignisse 
der  Saison  anzuführen  die>  Konzerte  unserer 
beiden  großen  Männerchöre,  der  «Liedertafel* 


unter  Leitung  des  Musikdirektors  M.  Müller 
und  des  Vereins  «Apollo*  unter  Leitung  des 
Musikdirektors  Geyr. 

Ludwig  Rademächers 

ÄAÜNSTER  i.  W.:  In  seinem  ersten  Konzert 
*^^  feierte  der  Musikverein  das  Andenken 
Joachims  und  Griegs.  Mit  dem  anerkennens- 
werten Violinkonzert  in  A-dur  von  Sinigaglia 
machte  uns  Bram  Eidering  aus  Köln  bekannt. 
Dr.  Nießens  Beethovenauffassung  hat  sich  seit 
seinem  Hiersein  bedeutend  geklärt,  wofür  die 
«Eroica*  sprach.  Als  ein  Brahmsspielervon  außer- 
gewöhnlicher Bedeutung  erwies  sich  Ossip 
Gabrilowitsch  im  zweiten  Klavierkonzert  in 
B-dur.  Weiterhin  brachte  der  Verein  die  sym- 
phonische Dichtung  «Tasso*  von  Liszt  in  guter 
Vorbereitung.  Die  Grimmsche  Kanon-Suite  in 
C-dur  war  nicht  genügend  ausgearbeitet  und 
hinterließ  deshalb  keinen  günstigen  Eindruck. 
In  Brahms'  c-moU  Symphonie  muß  das  Tempo 
im  Finale  einheitlicher  bleiben.  Sonst  verdient 
die  Wiedergabe  gelobt  zu  werden.  Frau  Geller- 
Wolter  spendete  Gesänge  von  Dvorak  und 
Brahms.  Die  symphonischen  Variationen  von 
Nicod6  ließen  eine  plastische  Ausarbeitung  seitens 
des  Dirigenten  entbehren.  Das  Cellokonzert  von 
Saint-SaSns  spielte  FrauCaponsacchi-Jeisler 
musikalisch  und  technisch  in  höchster  Vollendung. 
—  Bachs  Weihnachtsoratorium  füllte  das  erste 
Cäcilien-Konzert.  Karola  Hubert  aus  Köln 
reichte  für  ein  solches  Werk  nicht  aus.  Auch 
Ludwig  Heßstand  mit  Frau  Walter-Choinan  US 
und  Herrn  Lederer-Prina  nicht  auf  gleicher 
Stufe.  Die  Chorleistungen  waren  vortrefflich. 
Der  zweite  Tag  brachte  neben  Wagner's  Faust- 
Ouvertüre  und  Gralserzählung  eine  Wieder- 
holung der  Verwandlungsmusik  und  Schluß- 
szene des  ersten  Aktes  aus  «Parsifal*,  die 
ebenso  verunglückte,  wie  bei  der  vorigen  Auf- 
führung. Konzertmeister  Schaffe r  aus  Gera 
führte  sich  mit  Beethovens  Violinkonzert  nicht 
vorteilhaft  ein.  Das  Tedeum  von  Brückner 
erfuhr  eine  ziemlich  kühle  Aufnahme,  trotzdem 
es  in  Chor  und  Orchester  an  nichts  mangelte. 
In  den  weiteren  Vereinskonzerten  kam  die 
fünfte  Symphonie  von  Fürst  Reuß  zur  Auf- 
führung, die  musikalisch  wenig  Reizvolles  zu 
bieten  vermochte.  Ein  geistvolleres  Werk  brachte 
Kapellmeister  Brase  von  hier  in  seiner  D-dur 
Symphonie.  Rubinsteins  Ozean-Symphonie 
gehört  zu  den  besten  Orchester leistungen  der 
ganzen  Saison.  Bei  ungünstiger  Chorbesetzung 
erlebte  das  Brahmssche  Requiem  eine  mäßige 
Aufführung,  dagegen  hob  sich  Brückners  achte 
Symphonie  recht  vorteilhaft  ab  und  wurde  be- 
geistert aufgenommen.  —  Das  Brüsseler 
Streichquartett  spielte  wunderbar,  aber  vor 
leeren  Stühlen.  Willy  Burmester  und  Ludwig 
Wüllner  konnten  neben  den  künstlerischen 
Erfolgen  auch  materielle  einheimsen.  — 
An  seinem  Beneflzabend  brachte  Dr.  Nießen 
Händeis  «Judas  Makkabäus*  in  stilvoller  Auf- 
fassung zu  Gehör.  Unter  den  Solisten  ragten 
Doris  Walde  und  Richard  Schmid  besonders 
hervor.  —  Das  Konzert  des  erblindeten  Albert 
Menn  aus  Köln,  der  ein  gereifter  Pianist  genannt 
werden  muß,  möge  nicht  unerwähnt  bleiben.  -« 
Neben  den  Musikvereinskonzerten  haben  die 
Symphoniekonzerte      des      Kapellmeisters 


wt 


192 
DIE  MUSIK  VIL  21. 


Brase  hier  eine  hohe  musikalische  Bedeutung 
erlangt,  zumal  sämtliche  Werke  iußerst  sorg- 
fältig vorbereitet  werden  und  auch  die  neuere 
Literatur  Berücksichtigung  findet. 

Ernst  BrGggemann 

ODESSA:  In  den  Kammermusikabenden  der 
Kaiserlich  Russischen  Musikgesell- 
schaft wurden  hier  zum  erstenmal  aufgefiibrt:  das 
sehr  frische, temperamentvolle  und  geistreiche,nur 
im  Allegro  etwas  nfichterne  Quartett  A-dur  op.  2  ' 
von  dem  jungen  Russen  R.  Glidre,  das  im  Aus- 
druck ungleiche  und  in  den  Gedanken  alltäg- 
liche Quartett  a-moll  von  Josef  Suk,  das  jugend- 
liche, aber  schon  gediegene,  ernste,  in  den  Vari- 
ationen eine  großs  Kunst  des  Kontrapunkts 
aufweisende  Quartett  No.  3  op.  7  (d-moll)  von 
S.  Tan6ieff,  das  Quartett  op.  51  (Es-dur)  von 
Dvorak,  und  die  etwas  konfuse  Sonate  für 
Klavier  op.  74  von  Glazounow.  Außerdem 
wurden  im  allgemeinen  sehr  mittelmäßig  Beet- 
hoven, Schubert,  Schumann  und  Mendelssohn 
gespielt.  —  Anna  El-Tur  sang  diesmal  mit 
großem  künstlerischen  Verständnis  Lieder  von 
Grieg,  Tschaikowsky,  Rachmaninow  und  Gre- 
tschaninow,  dieser  ein  prachtvoller  jung- 
russischer Liederkomponist.  —  Den  Glanzpunkt 
der  Saison  bildeten  die  zwei  Abende  des  Sev6ik- 
Quartetts,  das  im  einzig  wahren  Sinne  der 
Kammermusik,  mit  ebenso  durchgeistigtem  wie 
warm  empfundenem  Vortrag  und  in  beinahe 
vollendeter  Form  folgendes  hier  selten  gehörte, 
reichhaltige  Programm  ausführte:  Beethoven, 
op.  74  (Es-dur),  Schubert,  d-moll  (hinreißend 
schön  gespielt),  Dvorak,  op.  96  (F-dur),  Smetana, 
e-moll,  Glazounow,  op.  64  (a-moll)  und  das 
zerebrale,  schwierige  und  leere  op.  10  von 
Debussy  (Erstaufführung  in  Odessa). 

A.  Getteman 

PARIS:  Kurz  nachdem  die  tschechischen 
Lehrer  in  drei  Konzerten  die  Ungunst  des 
Pariser  Publikums  für  Männerchormusik  er- 
fahren hatten,  gelang  es  dem  altberühmten 
Zürcher  Männerchor,  der  freilich  nur  Ein 
Konzert  gab,  den  großen  Trocaderosaal  bis  auf 
den  letzten  Platz  zu  füllen.  Grieg's  »Landken- 
nung*  und  der  für  Paris  neue  originelle  i^Toten- 
marsch*  von  Hausegger  wurden  von  dem  Or- 
chester Lamoureux  begleitet,  das  unter  A  n  d  re  a  e  s 
Leitung  außerdem  die  c-moll  Symphonie  mit 
Orgel  von  Saint-Saens  sehr  gut  ausführte.  Das 
Hauptgewicht  fiel  aber  doch  auf  die  Chöre  ohne 
Begleitung  von  Silcher,  Baumgartner,  Attenhofer, 
G.  Weber  und  Hegar.  Die  Zürcher  Sänger 
wurden  auch  im  Ministerium  des  Innern  und 
im  Pariser  Stadthause  empfangen  und  sangen 
dort  einige  ihrer  besten  Lieder.  —  Auch  Pablo 
de  Sara  säte  wählte  diesmal  den  Trocaderosaal, 
um  die  Eintrittspreise  ermäßigen  zu  können. 
Er  spielte  in  einem  ersten  Konzert  allein  mit 
Frau  Marx-Goldschmidt  und  nahm  im  zweiten 
das  Orchester  Colonne  hinzu.  Der  übliche  Er- 
folg blieb  nicht  aus.  Selbst  eine  einfache  Geigen- 
sonate Mozarts  wirkte  günstig  in  dem  Ungeheuern 
Räume,  weil  die  Künstler  sie  mit  dem  richtigen 
Stilgefühl  vortrugen.  —  Der  Ehrgeiz  der  Vir- 
tuosen, auch  als  Kapellmeister  zu  glänzen,  hat 
ein  neues  Opfer  gefordert.  Diesmal  ist  ihm 
Edouard  Risler  erlegen.  Er  hat  im  Saale 
Gaveau  ein  erstes  Konzert  mit  dem  Orchester 
Lamoureux     abgehalten,      dem     zwei    weitere 


folgen  sollen.  So  groß  und  so  berechtigt 
Risler'8  Ruf  ist,  so  bekundete  dM  Pabli- 
kum  doch  ein  gewisses  Mißtranen«  In  der 
Siebenten  Symphonie  Beethovens  enthielt  sich 
Risler  glücklicherweise  jeder  Originalitltt- 
hascherei,  und  da  das  Orchester  diese  Musik 
ohnehin  genügen^l  kennt,  so  war  der  Eindruck 
nicht  ungünstig.  Johannes  Messchaert  trog 
aber  hierauf  die  „Kreuzstab-Kantate"  Ton  Bach 
vor,  und  hier  ergaben  sich  peinliche  Wider- 
sprüche zwischen  dem  Sänger,  dem  Orchester 
und  dem  Organisten,  denen  Risler  als  Dirigent 
machtlos  gegenüberstand.  Die  RcTanche  ffir 
Sänger  und  Dirigent  brachte  hierauf  der  miTer- 
gleichliche  Vortrag  von  Schumanns  »Dichter- 
liebe*,  bei  der  Risler  an  den  Flügel  zarfick- 
kehren  durfte.— Stärksten  Zuspruch  fanden  da- 
gegen drei  ausgezeichnete  Triokonzerte  von 
Cortot  (Klavier),  Jacques  Thiband  (Geige)  und 
Casals  (Cello).  Die  drei  Trios  von  Schumann 
bildeten  allein  das  Programm  des  zweiten  Kon- 
zerts, und  im  ersten  und  dritten  kamen  Werke 
von  Rameau,  Corelli,  Beethoven,  Mendelssohn, 
Brahms,  Dvoräk  und  Saint-SaSns  zur  AuffQhmng. 
—  Ein  reines  Schumann- Konzert  veranstaltete 
mit  gutem  Erfolg  auch  die  tflchtige  Pianistin 
Marthe  Dron  mit  dem  Geiger  Armand  Parent 
Sie  spielte  t>eide  Klaviersonaten  und  die  zweite 
Geigensonate.  Doch  auch  mit  Vincent  d'lndy 
gelang  diesen  beiden  Künstlern  das  gleiche 
Wagnis.  Marthe  Dron  spielte  die  Klavleraonate 
in  E-dur  und  mit  Parent  zusammen  die  dem 
letzteren  gewidmete  Geigensonate,  in  der  nament- 
lich der  langsame  Satz  vorzüglich  gelang.  —  Moria 
Rosen thal  gab  eine  Reihe  von  vier  Konzerten 
bei  Eintrittspreisen  von  10  bis  30  Franken  mit 
gleichbleibendem  großen  Erfolg.  Er  gab  scbliclW 
lieh  noch  ein  fünftes  Konzert  mit  der  böhmischen 
Sängerin  Gräfin  Pelagia  Skarbek.  Hier  «sang* 
Rosenthal  das  Fis-dur  Nocturne  von  Chopin 
auf  dem  Steinway  in  einer  Weise,  daß  die  Sän- 
gerin, deren  Phrasierung  nicht  immer  tadcUoa 
war,  einen  schlimmen  Stand  daneben  hatte.  — 
Der  Pianist  Lazare  L6vy,  einer  der  besten 
Schüler  Di6met's,  setzte  ein  interessantes  Pto- 
gramm  aus  modernen  französischen  KiaTier- 
stücken  zusammen.  —  Ein  vielversprechendes 
Debüt  war  dasjenige  der  vierzehnjährigen 
Geigenspielerin  Lola  Tesi,  die  namentlich  in 
der  „Fantasia  appassionata*  von  Vieuztempa  eine 
erstaunliche  Fülle  des  Tons  und  eine  verstliidige 
Phrasierung  erkennen  lielL  Felix  Vogt 

PRESSBURG:  Müdigkeit  und  Unloat  charak- 
terisieren die  ohnehin  wenigen  Konsene  des 
Kirchenmusikvereines.  —  In  siealicta  dfirf- 
tiger  Gestalt  wurde  uns  die  vierte  Schumann- 
Symphonie  vorgeführt,  und  auch  diedem  Andenken 
Grieg's  geweihte  MHerbst*-OuTertfire  verhallte, 
ohne  tiefere  Wirkungen  hervorzurufien,  waa  in 
erster  Reihe  der  etwas  leichtfertigen  Art  des 
Vortrages  zuzuschreiben  ist  Zuckersüße,  inhaita- 
lose,  in  undeflnierbaren  «Gefühlen*  sich  dahin- 
wälzende  Piani,  unbegründetraaende  Tempi  ataid 
jene  billigen  Mittel,  mit  denen  Dr.  Koaaow 
diesmal  zu  wirken  versuchte«  —  Unter  den  all- 
jährlich  wiederkehrenden  Gästen  erfireuten  ans 
auch  heuer  Willy  Burmester,Marteaa,JaqaflS 
van  Li  er  und  die  diesmal  etwaa  lanneHifM 
Brüsseler;  als  alten  Bekannten  begruHte  man 
Alois    Pennarini   von  der  Hambnrger  Oper. 


193 
KRITIK:  KONZERT 


Nea  war  uns  die  sympathische  Altistin  Ilona 
DarigOy  wenn  sie  auch  Julia  Culp  noch  lange 
nicht  nahekommt.  In  Willy  Backhaus  machten 
wir  die  Bekanntschaft  eines  sowohl  in  bezug  auf 
Technik  als  auch  hinsichtlich  der  Auffassung 
▼511ig  ausgereiften  Pianisten.  —  Zum  Schlüsse 
der  Saisod  kam  der  sehnsuchtsvoll  erwartete 
Ernst  ▼.  Dohnen yi.  Er  spielte  zugunsten  des 
Kirchenmusikvereines  sein  wenig  ansprechendes 
e-moU  Klavierkonzert  mit  Orchester,  wofür  das 
Publikum  seinem  berühmten  Landsmanne  mit 
stSrmlschen  Ovationen  den  Dank  zollte.  Die 
harmlos  wiedergegebene  »Eroika*  beschloß  das 
Konzert.  Ernst  Adler 

ROSTOCK:  Zugunsten  der  Bayreuther  Sti- 
pendienstiftung veranstaltete  Musikdirektor 
Schulz  unter  Mitwirkung  der  Großherzoglichen 
Hofopemsingerin  Frl.  Wickham  und  der 
Herren  Kammersinger  Gura  und  Lang  aus 
Schwerin  ein  sehr  schönes  Wagnerkonzert,  wobei 
der  größere  Teil  des  dritten  »Parsifal*- Aufzuges 
aufgeführt  wurde.  Schulz  brachte  ferner  zweimal 
Usxts  »Ideale*,  wozu  der  Schillersche  Text 
melodramatisch  gesprochen  wurde.  Von  Solisten 
hörte  man  Edouard  Risler  (G-dur  Konzert  von 
Beethoven)  und  Felix  Senius  (Lieder  von 
Beethoven  und  H.  Wolf).  —  Das  Brüsseler 
Streichquartett  gab  einen  Kammermusik- 
Abend.  Prof.  Dr.  W.  Golther 
SPEYER:  Als  besonders  erfreulich  ist  die  Tat- 
sache zu  konstatieren,  daß  die  großen  Ton- 
formen jetzt  in  viel  mehr  pfilzischen  Städten 
als  firfiher  gepflegt  werden.  So  verzeichnet  u.  a. 
Landau  zur  Einweihung  seiner  neuen  Festhalle 
zwei  Konzerte  (Dirigent  E.  Walter),  deren 
erstes  eine  vortreffliche  »Messiaa*- Aufführung 
brachte.  Haydns  «Schöpfung*  beschloß  die 
Saison.  Ludwigshafen  darf  sich  mit  den 
aJahreszeiten*  (Dirigent  Max  Welker)  einem 
Konzert  mit  Chören  von  Cornelius  usw.  und 
einer  neuen  Chorkantate,  »Jephthas  Gelübde*  von 
Hage  Kander,  anreihen.  In  Neustadt  bilden 
die  Badeschen  Abonnementskonzerte  nach  wie 
vor  einen  wertvollen  Bestandteil  des  pfilzichen 
Konzertlel>ens.  Neben  Symphonie-  und  Solisten- 
iumzerten  (u.  a.  v.  Dohnanyi,  Castles, 
Martean,  Charlotte  Huhn,  Ida  Suske,  Hen- 
sel)  sind  insbesondere  die  Darbietungen  der 
.Deutschen  Vereinigung  für  alte  Musik* 
<Dr.  Boden  stein)  hervorzuheben.  Eine  groß- 
zügige Richard  Wagnerfeier,  veranstaltet 
vom  Mannheimer  Hoftheaterorchester  und 
hervorragenden  Solisten  (Frau  Schauer-Berg- 
mann aus  Breslau  und  R.  Berger  aus 
Berlin)  unter  der  tüchtigen  Führung  Hermann 
Kotzschbachs,  war  die  einzige  bemerkenswerte 
Tat  des  Cicilienvereins.  Rühmliche  Erfolge 
erzielte  das  Pfilzlsche  Konservatorium 
(Direktion  Ph.  Bade),  das,  im  dritten  Schuljahr 
stehend,  schon  über  300  Schüler  zihlt.  Die 
verbfindeten  Stidte  Pirmasens  und  Zwei- 
brucken  l>egingen  u.  a.  eine  wohlgelungene 
Bruch-Feier  durch  die  Aufführung  der 
»Frithjof*  -  Szenen  mit  Frau  Schauer- Berg- 
mann und  Adolf  Müller.  Außerdeni  ist  noch 
in  letzter  Stadt  daa  zweitigige  Musikfest 
(Dirigent  Ben  seh)  zu  nennen,  das  die  Schu- 
manaschen  »Fanst'-Sienen  und  am  zweiten  Tage 
soUstiscIie  Darbif tungen  brachte.  Frankenthal 
verhaad   sich   mit  dem  benachbarten  Worms 


und  erreichte  unter  Julius  Schmitt  eine  vor- 
treffliche Darbietung  von  H.  Zöllners  i,Bonifazius*. 
Die  szenische  Aufführung  von  Kreutzers  »Nscht- 
lager*  durch  den  Cicilienverein  (Dirigent 
Schanze)  war  ein  wenig  geglücktes  Experiment. 
Der  Liedertafel-Cicilienverein  Speyer 
(Dirigent  Rieh.  Schefter)  führte  »Frau  Minne* 
von  Franz  Mayerhoff,  in  konzertmißiger  Form 
Mozarts  »Idomeneo*  und  zum  Beschluß  die 
^Jahreszeiten*  von  Haydn  auf.  Von  den  beiden 
unter  August  Pfeiffers  Leitung  stehenden 
Vereinen  «Musikverein*  und  «Cicilien- 
verein* verdienten  sich  neben  anderen  Auf- 
führungen dieser  durch  eine  Bruchfeier,  jener 
mit  Haydns  ^Jahreszeiten*  reiches  Lob. 

Karl  August  Krauß 

STETTIN:  In  die  Zeit  dieses  Berichts  fielen 
zwei  bemerkenswerte  Aufführungen  des  von 
C.  Ad.  Lorenz  geleiteten  Musikvereins.  Als 
piftce  de  r^sistance  gab  es  Brahma*  «Deutsches 
Requiem*,  das  chorisch  ganz  auf  der  Höhe 
stand,  und  in  dessen  Sopraopartie  Jeannette 
Grumbacher-de  Jong  entzückte.  Daneben 
hatte  man  sich  zum  erstenmal  an  Berlioz' 
«Verdammung  Fausts*  gewagt.  Mit  Militir- 
orchester  ist  ja  die  virtuose  Pracht  und  klang- 
liche Originalität  des  Werks  kaum  zu  erschöpfen; 
immerhin  brachte  man  ea  zu  einem,  wenn  auch 
nicht  vollgültigen,  so  doch  höchst  fesselnden 
Eindruck  vom  Ganzen.  Erfreulichen  Anteil 
nahmen  Frau  Geyer-Dierich  und  die  Herren 
Pinks  und  Süße  in  den  Solopartieen.  Unter 
derselben  verdienstlichen  Leitung  gab  der  Singer- 
bund des  Lehr  er  Vereins  einen  wohlgelungenen 
Hegar-Abend,  dessen  solistische  Beigaben  Martha 
Schauer-Bergmann  und  Elisabeth  Boke- 
m  ey  e  r  erbrachten.  Dieae  ist  ein  vielversprechen- 
des, mit  glücklicher  Harmonie  aller  Krifte  aus- 
gerüstetes Klaviertalent.  —  Für  den  letzten 
Symphonieabend  des  Berliner  Mozsrtor- 
chesters  war  als  «great  attraction*  Siegfried 
Wagner  herangezogen  worden.  Im  Siegfried- 
Idyll  und  in  der  Tannhiuserouvertüre 
seines  Vaters,  in  Beethovens  Siebenter  und  in 
einigen  eigenen  Opern fragmenten,  die  weniger 
durch  Gebalt  als  durch  geschickte  Aufmachung 
wirkten,  erwies  er  sich  als  ein  Dirigent,  der 
durchaus  über  der  Materie  steht,  wenn  es  ihm 
auch  nicht  gegeben  ist,  diese  Materie  in  prignant 
persönlicher  Weise  zu  formen.  —  Die  Ver- 
einigung für  alte  Musik  (Dr.  Ernst  Boden- 
stein-München), ein  Hugo  Wolf- Abend  von 
Hertha  Dehmlow  und  Hjalmar  Arlberg,  Kon- 
zerte von  Wüllner,  Joan  Man6n  mit  Augusts 
Zuckermao,  Sarasate  mit  Berthe  Marx- 
Goldschmidt  undeinMarteau-Reger-Abend, 
in  dem  ein  hoher  Gedankenflug  und  fast  atem- 
raubend-inbrünstige  Empflndungskultur  herrsch- 
ten, vervollstindigen  die  Blütenlese  der  beiden 
letzten  konzertreichen  Monate. 

Ulrich  Hildebrandt 

TEPLITZ-SCHÖNAU:  Die  Philharmoni- 
sehen  Konzerte  standen  heuer  im  zehnten 
Jahre  ihrer  hervorragenden  Einflußnahme  auf 
unser  geistiges  Leben.  Im  ersten  Konzert  diri- 
gierte Wilhelm  Kienzl  die  zu  einem  Stück  be- 
arbeiteten Zwiachenspiele  aus  seinem  «Don 
Quizote*.  Die  ausgezeichnete  Julia  Culp  aang 
außer  einer  Arie  von  Astorga  noch  Lieder  von 
Kienzl,   Brahma   und   Strauß.     Das  Orchester 


194 
DIE  MUSIK  VII.  21. 


_gR 


gedachte    mit  der  «»Holberg  Suite**   des   beim- 
gegangenen  Grieg,  mit  der  KleistouvertQre  er- 
innerte sie  an  Joseph  Joachim.    Im  zweiten  Kon- 
zert lernten  wir  Regers  op.  100,  die  Variationen 
über  das  Hillersche  Thema  kennen,  das  hier- 
mit die  erste  Aufführung  in  Österreich  erlebte. 
In  einem  Separatkonzert  gelangte  das  Regersche 
Werk   zur  Wiederholung,  im   Interesse   haupt- 
sächlich     durch     die     ausgezeichnete     Inter- 
pretation  seitens  des  Musikdirektors  Johannes 
Reichert  (eines  Dresdeners)  gehoben.    Conrad 
An  sorge  spielte  in  seiner  eigenartigen  Weise 
Beethovens  Es-dur  Konzert,  dann  noch  Chopin, 
Schumann  und  Liszt.    Im  dritten  Konzert  spielte 
Ysaye  Mozarts   Violinkonzert  in  G-dur,   No.  3 
in   nie   gehörter  Zartheit  und  Stilreinheit,   auf 
die   feinsinnigste   Weise   vom  Orchester   unter 
Reichert  begleitet.    Am  selben  Abend  verschafPce 
sich  ein  junger  Komponist,  Vinzenz  Reifner, 
mit  einer  symphonischen  Dichtung  »Frühling* 
Gehör    und    beifällige   Aufnahme.     Das    Werk 
verrät  Talent  und  starke  Empfindung.    Brahms 
war  mit  seiner  ersten  Symphonie  vertreten.   Der 
vierte  Abend  war  der  Erinnerung  geweiht.   Vor 
ziemlich   genau  zehn  Jahren  hat  Meister  Gura 
unsere  i^Philharmonischen**  eingeleitet.  So  wurde 
Hermann  Gura  eingeladen,   dem  Abend  seine 
Anwesenheit  und  Mitwirkung  zu  schenken.  Gura, 
der  Sohn,  interessierte  vornehmlich  im  Balladen- 
gesang   (u.    a.    Loewes     ,»Archibald    Douglas*, 
lyHueska*,    Schumanns    «Belsazar*).     Mit    der 
Eroika   schloß  der  Abend,  den   noch   Mozarts 
»Maurerische  Trauermusik*  und  Wagners  »Faust- 
Ouvertüre*  geschmückt  hatten.   Im  fünften  Abend 
dirigierte  Nicod6  drei  Sätze  aus  der  »Gloria*- 
Symphonie.    Auch    diese  Aufführung   war   die 
erste   in  Österreich.    Henri  Marteau   brachte 
das  Beethovenkonzert  in  D-dur  in  seiner  ruhig- 
vornehmen  Art  zu  Gehör,  dann  eine  Regersche 
Solosonate,  die  großer  Aufmerksamkeit  begegnete. 
Der  sechste  Abend   endlich   setzte  dem  zehn- 
jährigen  Bestehen    mit   der  Aufführung   einer 
Symphonie  von  Mahl  er  (der  vierten)  die  Krone 
auf.   Das  wagten  wir,  und  durften  es,  in  Besitz 
eines   ungemein   beßhigten,   geistreichen   Diri- 
genten (eben  Reichert)  und  eines  wohlgeschulten 
Orchesters,   wagen.     Als    Solist   war    Busoni 
gekommen,   der    Liszts    erstes    Klavierkonzert, 
sonst  noch  Liszt  und  Chopin  vortrug  und  stark 
gefeiert  wurde.    Busoni  dirigierte  außerdem  eine 
eigene,   feine  Komposition,  die  er  »Lustspiel- 
ouvertüre" getauft.    Den  programmäßigen  Kam- 
mermusik-Abend besorgten  drei  Berliner  Künst- 
ler: Georg  Schumann,  Halir  und  Dechert 
in  ausgezeichneter  Weise  mit  Beethoven  op.  d7, 
Brahms   op.  87  und  Grieg   Sonate  No.  3  op.  45 
für   Klavier    und   Violine.     Wir    können   nicht 
umhin,  die  Tätigkeit  des  Veranstalters  der  »Phil- 
harmonischen Konzerte*  des  höchsten  Preises 
wert  zu  nennen.    Dr.  Stradal  versteht  es,  diese 
Konzerte  nicht  bloß   künstlerisch  feinsinnig  zu 
ordnen,  sondern  auch  ihr  äußeres  Gelingen  auf 
sicherer    Basis    zu    erhalten.  —    In    unserem 
Musikleben  haben  auch  die  »Volks konzerte* 
ihre  Beliebtheit,  sowie   die   lebhafteste  Anteil- 
nahme behauptet.  Anton  Klima 
TILSIT:  Fünftes  Litauisches  Musikfest. 
Nach  dreijähriger  Pause  fand  am  7.  und  8.  Juni 
(Pfingsten)  in  Tilsit  das  fünfte  Litauische  Musik- 
fest statt.    An   diesen  Festen   sind   die  Städte 


Memel,  Tilsit,  Insterburg,  Gumbinnen 
und  Stallupönen  beteiligt.  Festdirigent  war  der 
verdiente  Dirigent  des  Tilsiter  Oratorienvereint, 
Königlicher  Musikdirektor  Wolf  f.  Als  Solisten 
waren  gewonnen:  Johanna  Dietz  (Sopran), Martha 
Stapelfeldt  (Alt),  Dr.  Briesemeister  (Tenor) 
Thomas  Denijs  (Baß)  und  Prof.  Schmid« 
Lindner  (Klavier).  Die  Program mxasammen* 
Stellung  zeugte  von  dem  löblichen  Bestreben, 
ein  hohes  Ziel  zu  erreichen.  Am  ersten 
Tage  wurde  die»Mis8a  solemnis*  BeethOTena  auf- 
geführt, am  zweiten  Tag  folgten  BeethoTens 
Chorphantasie,  die  zweite  Symphonie  Brahma' 
drei  Bruchstücke  aus  »Parsifal",  deren  eines 
noch  in  letzter  Stunde  wegen  übergroßer  Linga 
des  Programms  gestrichen  wurde,  and  Vortriga 
der  Solisten.  Trotz  des  hohen  Zieles  lasaea 
sich  allerhand  Bedenken  gegen  diesea  Programm 
nicht  unterdrücken.  Die  »Missa*  scheint  mir  mit 
ihrem  lateinischen  Text  für  ein  solchea  Fest, 
das  auf  den  Massenbesuch  kleinstidtiseher.  Im 
Hören  solcher  Offenbarungsmusik  wenig  gefibter 
Zuhörer  angewiesen  ist,  nicht  recht  am  Platie 
zu  sein;  ebenso  verhält  es  sieb  mit  der  Brahms- 
schen  Symphonie,  die  beim  ersten  Hören  sicher 
nur  ganz  wenigen  eingegangen  sein  wird,  znmal 
der  entzückende,  etwas  volkstümlich  angehanehte 
dritte  Satz  unter  zu  hastigem  Tempo  litt.  Die 
Cborphantasie  ist  schon  reichlich  verblalk;  man 
findet  zu  dem  etwas  wunderlichen  Gemengael 
von  Orchestervariationen,  Klavienrirtnoaiiit  und 
Chor  keine  rechte  Stellung  mehr.  Und  gegen 
die  Aufführungen  von  »ParsifSal*- Szenen  im 
Konzertsaal  muß  immer  wieder  eingewendet 
werden,  daß  sie  eine  Versündigung  gefen  den 
Geist  Wagners  sind,  wie  der  Meister  on  genng 
gesagt  hat.  Es  kam  noch  dazu,  daß  am  «weilen 
Tage  nicht  weniger  als  26  Vorträge  der  Soliaten 
auf  dem  Programm  standen,  darunter  die  nur 
Kopfschütteln  oder  Gähnen  henrormfraden 
Klavierbagatellen  von  Braunlbla,  die  erat  Inm 
vorher  in  München  aus  der  Tanle  gehoben 
waren  und  dort  beim  Tonkfinstlerlbst  Ti^eieltt 
am  Platze  gewesen  sein  mochten»  Aber  abge- 
sehen von  diesen  Bedenken  wnrde  gut  nnaideit. 
Die  Chöre  klappten,  und  anch  das  Oreheater 
hielt  sich  wacker.  Von  den  Solisten  kann  man 
nicht  unbedingt  das  gleiche  sagen.  Mit  Aoa- 
nahme  von  Prof.  Schmid-Lindner  war  keiner 
hervorragend,  wie  man's  doch  eigentlicli  bei 
einem  Musikfest  erwarten  müßte»  Doch  ael 
gern  festgestellt^  daß  alle  mit  BeifUI  flbei^ 
schüttet  wurden,  besondere  wohl  Herr  Donijs 
nach  dem  Vortrag  der  wnndenrollen  Ellland- 
Lieder  Wilhelm  Bergera.  Der  nnerfreallehe 
Gesang  Dr.  Briesemeistera  soll  auf  eine  atarke 
Erkältung  zurückzuführen  sein.  Aach  war  die 
Akustik  in  der  Ausstellungshalle  nicht  gnt;  die 
Chor-  und  Orchestervorträge  litten  aodi  noch 
unter  einem  zu  flachen  Aufbau  dea  Podiums. 
Zum  Schluß  wurden  dem  Festdirigenten  lebhalle, 
wohlverdiente  Ovationen  zuteil,  die  ihm  be- 
wiesen haben  werden,  daß  man  seine  aaföplbnde 
Arbeit,  die  er  als  einziger  Dirigent  ta  leisten 
hatte,  zu  würdigen  veratand. 

Richard  Fricke 

WORMS:  Non  multum,  non  moltal  daa  ist 
das  Fazit  unseres  Vintera;  im  graten  nicht 
viel  Konzerte  und  in  diesen  weder  die  Soliaten 
noch    die    Programme   außergewöhnlich.    Wer 


1    i 


195 
KRITIK:  KONZERT 


:ht  aus  dem  Weichbild  der  Stadt  herauskommt, 
'  den  gibt  es  keine  Brucknersymphonie,  keine 
alome%  keinen  Lamond,  keine  Destinn.  Als  ich 
r  einiger  Zeit  in  der  »Musik*  schrieb,  Worms 
be  ein  kunstliebendes  und  zahlungsfihiges 
blikum,  wurde  mir  in  der  Lokalpresse  er- 
lert,  daß  so  manches  Konzert  sich  vor  leeren 
nken  abspiele.  Es  ist  aber  doch  ein  Unter- 
lied,  ob  die  Pianistin  X.  auf  der  Bildfläche 
icheint  oder  der  Träger  eines  Namens  von 
sog,  der  eines  vollen  Saales  gewiß  sein  darf. 

übrigen  standen  wir  —  gewiß  kein  Zeichen 
ilechten  Geschmacks  —  unter  der  Vorherr- 
laft  der  Kammermusik,  die  jetzt  sogar  auf 
tn  Programm  unserer  Gesangs-  und  Orchester- 
reine einen  breiten  Raum  einnimmt.  Die 
ir  strebsame  Wormser  Kammermusik- 
reinigung (Kiebitz,  Kaspar,  Leucht) 
irte  an  vier  Abenden  klassische  und  moderne 
mmermusik  vor;  die  Herren  sind  brillant  in- 
iander eingespielt,  Kiebitz  hat  ein  sicheres 
Igefuhl,  volle  Herrschaft  Gber  den  Klavier- 
z  und  ein  ausgereiftes  Gestaltungsvermögen, 
r  Geiger  Kaspar  verfugt  über  einen  reinen 
n  und  eine  solide  Technik,  auch  das  Passagen- 
rk  ist  einwandfrei;  der  Cellist  Leucht  ist  ein 
iter  ernster  Musiker.  Am  besten  gelang 
ethoven,  der  mit  dem  Fledermaus-Trio,  mit 
n  zweiten  Erdödy-Trio  und  mit  dem  B-dur-Trio 

07  auf  dem  Programm  stand.  —  Der  Phil- 
rmonische  Verein  hatte  sich  für  seine 
mmermusik  die  Frankfurter  Quartett- 
reinigung (Hock,  Dippel,  Allekotte  und 
pun)  verschrieben,  die  Beethovens  Streich- 
irtett  c-moU  mit  einer  gewissen  Kühle, 
oHk*9  großes  As-dur-Quartett  dagegen  mit 
rve  und  orchestraler  Klangschönheit  spielten, 
istin  war  Margarethe  Mi  tau,  die  Brabms- 
1er  zwar  mit  gut  kultivierter  Stimme,  aber 
le  die  gerade  bei  Brahms  so  unentbehrliche 
ife  sang.  Unter  seinem  gewissenhaften 
igenten  Grieser  gab  der  Philharmonische 
rein  einen  Grieg-Gedichtnisabend  nur  mit 
npositionen  des  nordischen  Meisters;  Emma 
ri6  (Hamburg)  versuchte  sich  hierbei  ohne 
lingen  an  einigen  Gesängen,  besser  schnitt 

Pianistin  Adele  Rieß  von  Mainz  ab.  In 
nem  letzten  Konzert  spielte  der  Philhar- 
nische Verein  die  Zweite  von  Beethoven  und 

Egmont-Ouvertüre  recht  brav;  der  Bariton 
rl  Götze  war  nicht  disponiert  und  infolge- 
;sen  nicht  genügend  sicher.  —  Der  Minner- 
langverein  hat  in  der  Person  von  Ludwig 
•hmeyer  einen  neuen  Dirigenten  erhalten, 

sich  in  einem  großen  Konzert  gut  einführte; 

Chor  bat  entschieden  Fortschritte  gemacht, 

Aussprache  ist  präziser  und  die  rhythmische 
I  dynamische  Ausgestaltung  besser  ge- 
rden.  Als  Neuheit  brachte  Hohmeyer  Zöll- 
s  »Bonifazius*,  der  dem  Publikum  besser 
iel,  wie  Ihrem  Referenten.  —  Die  Lieder- 
el  brachte  unter  Direktor  Kiebitz  im  ersten 
Dzert  Liszts  »Heilige  Elisabeth«,  die  hier 
n  gehört  wird;  die  Chöre  gingen  frisch  und 

Schwung,  die  Einsätze  waren  sicher,  man 
rkte,  diß  mit  Lust  geübt  war,  das  Orchester 


(Militärkapelle)  konnte  recht  bescheidenen  An- 
sprüchen genügen;  von  den  Solisten  war  Johanna 
Dietz  (Frankfurt  a.  M.)  zu  loben.  Im  zweiten 
Konzert  spielte  die  Pianistin  Marie  Gesell- 
schap  (Berlin),  deren  Technik  geradeso  gewalt- 
sam ist,  wie  ihr  musikalischer  Geschmack 
(,Lucia*-Phantasie!).  Alfred  Stephani-Darm- 
siadt,  der  Brahms  und  Wolf  sang,  erfreute  durch 
sein  warmes,  sattes  Organ,  durch  gutes  Piano 
und  noblen  Vortrag.  Im  letzten  Konzert  sang 
der  Chor  außer  verschiedenen  Nummern  des 
«Messias**  das  doch  schon  recht  veraltete 
i»Loreley*-Finale  von  Mendelssohn;  als  Solistin 
zeigte  Else  Kettl in  g- Koblenz  gute  Schule.  — 
Das  Ereignis  der  Saison  war  zweifellos  die  Auf- 
führung von  Carl  Loewes  fast  verschollenem 
undnurimManuskriptvorhandenemOratorium 
«Hiob*  durch  den  Evangelischen  Kirchen- 
gesangverein und  den  Philharmonischen 
Verein  unter  Leitung  von  Prof.  Diehl,  dem  auch 
das  Verdienst  der  Wiedererweckung  des  Werkes 
zukommt.  „Hiob"  ist  zweifellos  für  die  Ora- 
torienliteratur eine  Bereicherung,  das  Werk  ent- 
hält zahlreiche  Stellen  blühender  Melodik,  und 
gerade  durch  die  Erweiterung  des  Oratorienstils 
und  die  Aufnahme  des  balladischen  Elements 
zeigt  sich  der  „Hiob"  als  ein  Werk  sui  generis. 
Interessant  ist  die  leitmotivische  Behandlung; 
die  Rezitative  sind  geschmackvoll,  einige  En- 
semblenummern sehr  dramatisch  (vgl.  das  in 
der  „Musik*  Jahrgang  IV  abgedruckte  Quintett 
mit  Chor).  Manches  ist  monoton  und  veraltet, 
so  daß  eine  Reihe  von  Strichen  dem  Ganzen 
zweifellos  zugute  kommt.  Chor  und  Orchester 
waren  gut,  von  den  Solisten:  Martha  Münch, 
Luise  Klossegk-Müller,  A.  Jungblut  und 
F.  Krauße  (alle  aus  Berlin)  war  der  Tenor 
Jungblut  am  besten.  Eine  Wiederholung  zu 
kleinen  Preisen  dürfte  als  endlicher  Anfang  der 
Volkskonzerte  gelten,  einer  Einrichtung,  die 
sowohl  unserer  Stadtverwaltung  wie  unseren 
Musikvereinen  noch  immer  fremd  ist. 

Dr.  M.  Strauß 
WTORZBURG:  Das  führende  Kunstinstitut 
^  Würzburgs,  die  Königliche  Musikschule, 
erhielt  nach  dem  Hinscheiden  Dr.  Klieberts  eine 
neue  Leitung  durch  Prof.  Meyer-Olbers- 
leben,  und  die  erste  Konzertsaison  läßt  er- 
kennen, daß  der  alte  Glanz  des  über  hundert- 
jährigen Instituts  nicht  verbleichen  wird.  Da- 
durch, daß  der  neue  Vorstand  der  staatlichen 
Anstalt  auch  die  Direktion  des  größten  Privat- 
musikvereins, der  „Liedertafel",  beibehält, 
ist  eine  Personalunion  geschaffen,  die  auch  der 
Königlichen  Musikschule  durch  Verstärkung  des 
Gesangchors  Vorteil  verschafft.  Von  den  Kon- 
zerten sind  hervorzuheben  das  dem  Andenken 
Dr.  Klieberts  pietätvoll  gewidmete  erste  Kon- 
zert mit  lauter  Kliebertschen  Werken,  dann  eine 
Wiedergabe  von  Bruchs  »Glocke",  die  Erstauf- 
führung eines  effektvollen  „Sonnenhymnus"  von 
Meyer -Olbersleben  selbs^  endlich  ein  von 
der  Direktion  überaus  fleißig  vorbereitetes 
Kirchenkonzert  mit  Piern6's  „Kinderkreuzzug", 
wobei  Prof.  Simon  Breu  den  großen  Kinder- 
chor mit  Geschick  leitete.       Dr.  J.  B.  Kittel 


Zur  Erinnerung  au  den  90.  Gebunstag  (17.  Juni)  von  Charles  Gounod,  dessen 
«Faust"  der  Zibl  der  Aufführungen  nich  noch  immer  an  der  Spitze  des  franiSsiachen  Opern- 
Spielplans  marschiert  und  auch  im  Vaterlande  Coetbea  zu  den  beliebtesten  Repertoire* 
verken  gehOrt,  bringen  wir  sein  Portrlt. 

Am  31.  Juli  feierte  Fran^ols  Auguste  Gevaert  seinen  80.  Gebamiag.  Tibrend 
er  in  seiner  belgischen  Heimat  auch  als  Komponist  eine  hochgeachtete  Stellung  einnimmt 
(er  schrieb  eine  Reihe  Opern,  Orchesterstücke,  eine  Totenmesse,  Kantaten,  Balladen, 
Lieder  und  Chorwerke),  ist  er  bei  uns  In  Deutschland  besonders  durch  seine  mnsik- 
,ge schichtlichen  und  musiktheoretischen  Forschungen  in  weiteren  Kreisen  bekannt  ge- 
worden. Von  seinen  ausgezeichneten  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete  seien  hier  nur  genannt: 
«Traitä'  d'instrumeniaiion"  (deutsch  von  Hugo  Rieraann,  Leipilg  1887),  .HIsloire  et  thterie 
de  la  musique  de  I'antiquitä"  (1875—81),  „Les  origines  du  chant  Ihurglque*  {iSOOt,  .La 
mälopfe  antjque  dans  le  chant  de  t'öglise  latine"  (1895).  Femer  veröffentlichte  er  JLca 
gloires  de  l'ltalie"  (eine  Auswahl  von  weltlichen  und  kirGbllchen  Gesangsatficken  von 
Komponisten  des  17.  und  18.  Jahrhunderts,  mit  Klavierbegleitung,  1888)  und  Tervchiedene 
^andere  Schriften.  Nach  F^tls'  Tode  (1871)  wurde  CevaGrt  Direktor  des  Brflsseler  Konser- 
vatoriums. In  dieser  Stellung  entfallet  er  eine  reiche  Titigkeit.  Ein  berrorragendes 
Verdienst  hat  er  sich  um  die  Popularisierung  Bacbs  in  Belgien  erwotben,  deuen  Terke 
■er  mit  Vorliebe  zur  Aufführung  bringt. 

Des  70.  Geburtstages  (18.  August)  von  Angelo  Neumann  mOcbten  wir  an  dieser 
Stelle  gleichfalls  gedenken.  Um  die  Vagner-Sache  bat  sich  der  ausgezeichnete  BGhnen- 
Jelter  seinerzeit  besonders  durch  sein  wanderndes  Vagner-Tbeater,  mit  dem  er  bis  nach 
Italien  zog,  verdient  gemacht.  Unser  Ponrili  ist  nach  einer  Photographie  aus  dem 
Xünstlerzlmmer  des  Leipziger  Stadtiheaters  gefertigt,  an  dem  der  fetzige  Leiter  des 
•Deutseben  Land  est  beaters  in  Prag  von  1876—1882  als  Opemdlrektor  lltig  war. 

Die  beiden  nlcbsten  Blltter  führen  zwei  der  hervorragendsten  ausQbenden  Künstler 
unserer  Tage  im  Bilde  vor:  den  Russen  Wladimir  von  PachmtOD  (geb.  27.  Juli  1848), 
den  un übe rtrefT liehen  Chopin-Spieler,  und  den  belgischen  Gelger  Eugene  Ytaye  (geb. 
16.  Juli  1858),  einen  der  ersten  Meister  seines  Instruments. 

Dem  beutigen  Heß  liegt  dss  Exlibris  zum  28.  Bande  bei. 


Nacbdrueli  nur  mli  luidrackl icher  Erliubnk  d«  Verii|a«  ■«■littet 

Alle  Rech»,  InabeaondcK  d»  der  ObeneBuBi.  vorbebalwa 

Ir  die  Zurüektenduit  uaverlaa|ter  oder  nicht  ■Dceineldeier  MtButkriple,  hiti  Ibaea  nlchi  itBdiei 

Pono  beillcKi,  abcminmi  die  Redakiien  keine  Genuiiie.    Sebwer  leierllcbe  Hiauikripte  verdca  uafprtfl 

iurfick|euadt. 

Veruilwortlicher  Schriftleiter:  Ktpellmeister  Bernhard  Schtuter 
Berlin  \P  57,  Bülowstrasse  107 '- 


CHARLES  FRANgOIS  COUNOD 
*  17.  Juni  1818 


FRANgOIS  AUGUSTE  GEVAERT 
*  31.  Juli  1828 


ANGELD  NEUMANN 
^^  18.  August  1838 


VLADIMIR  VON  FACHMANN 
«  27.  Juli  IS48 


eug£ne  ysaye 

«  16.  Juli  1858 


-  -  ■-"*- 


EXLIBRIS 

rar  dea  4.  QuartKlaband  des  VII,  Jahifanga 

Baad  28  der  MUSIK 


~  1  :t_tA.  jIj 


DIE  MUSIK 


MODERNE  TONSETZER 
HEFT  6 


Der  größt:  Lehrer  kann  dich  nicht 
umgestalten, 

Er  kann  dich  befreien;  du  mu&t  dich 
CDtralten. 

Ernst  von  Feuchtenlebea 


Dem  guten  Geschmack  geschieht  kein 
Dienst  mit  Aufführungen  solcher  Werke, 
die  nicht  als  Anfänge  eines  talentvollen 
Menschen,  sondern  als  Meisterwerke  neben 
und  über  die  der  größten  Meister  aus- 
posaunt werden. 

Joieph    Jokchlm 


VII.  JAHR  1907/1908  HEFT  22 

Zweites  AugustheFt 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 

Verlegt  bei  Schuster  &  Loeffler 

Berlin  W.  57,    Bülowstrasse  107 


■gAsiCaCrv. 


'Irnold  Mendelssohns  FamilieDname  ist  bekannt  genug:  Moses 
Mendelssohn,  der  Philosoph  und  Freund  Lessings,  der  wicker 
I  gar  mancher  veralteten  Anschauung  seiner  Zeit  und  seiOer 
\  Stammesgenossen  entgegen  getreten  ist,  und  Fei  ix  Mendel  SSO  hn- 
Bai'tholdy  gehören  zu  seinen  Vorfahren.  Des  beute  52  Jahre  zählendes 
Mannes  Leben  ist  bisher  In  verhältnismäßig  ruhigen  Bahnen  verlaufend 
An  Freuden  und  Leiden  hat  er  wohl  ein  reichliches  Maß  erfahren;  aber 
jene  baben  ihm  das  ernste  Ziel,  das  er  seinem  Streben  gesteckt,  nicht 
verwirrt,  diese  Ihm  die  geistige  und  körperliche  Kraft  nicht  geraubt.  So 
steht  er  heute  vor  uns,  ein  Mann  in  der  Vollkraft  der  Jahre,  trotz  mancher 
humoristischen  Klage  über  die  böse  Zeit,  die  auch  ihm  mitleidlos  über  das 
Haupt  gefahren  ist,  eine  aufrechte,  straffe  Gestalt  mit  energischem  und 
klugem  Kopfe,  der  sich  nicht  unnötig  mit  allerhand  überflüssigen  Dingen 
quält,  aber  künstlerische  Fragen  eingehend  erwägt,  sich  dem  Schönen  und 
Großen  freudig  öffnet,  philosophischem  Denken  sieb  gerne  hingibt  und 
Erholung  von  schwerer  geistiger  Arbeit  mit  Vorliebe  bei  den  erlösenden 
Geistern  liefen  Humores  sucht.  So  steht  zu  hoffen,  daß  Mendelssohn  noch 
eine  lange  Lebens-  und  Arbeltszeit  beschieden  ist. 

Vor  Jahren  bat  ich  ihn  einmal,  mir  einige  biographische  Notizen  übti 
sich  zu  geben.  Sie  sind  in  RIemanns  Lexikon  übergegangen.  Die  Art, 
in  der  er  die  Aufgabe  erledigte,  ist  für  Mendelssohns  Charakterbild  bc^ 
zeicbnend :  von  Beimengung  journalistischer  Schönheitspflästerchen  fond 
sieb  keine  blasse  Spur;  kein  Weihrauch,  kein  Selbstlob.  Er  selbst  wertet 
zwar,  und  mit  Recht,  seine  Schöpfungen  hoch  ein  und  kokettiert  nicht  mit 
läppiscber  Bescheidenheit;  aber  er  hat  alles  Äußerliche  allezeit  mit  ehrlichem 
Sinne  gehaßt  und  ist  dem  widerwärtigen  Brimborium,  das  sich  so  oft  ver* 
derbllch  wie  ein  Polyp  um  die  Künstler  zu  schlingen  droht,  aus  dem  Vegi 
gegangen,  wo  immer  er  nur  konnte.  Wenn  er  heute  da  und  dort  mH 
Sängern  erscheint,  um  die  von  diesen  vorgetragenen  Lieder  zu  begleiten; 
ko  tut  er  das  slcberlicb  nicht,  um  Ehren  auf  sein  Haupt  zu  sammeln  und 
Sieb  anstaunen  zu  lassen;  er  kennt  seine  Schöpfungen  selbst  am  bestefl 
und  will  sie  so  vorgeführt  wissen,  wie  er  sie  empfunden  faat.^  ■  ■     ■  .  ■  i''- 


m 


20ü 
DIE  MUSIK  VII.  22. 


Diese  Ehrlichkeil  gegen  sich,  seine  Kunst  und  andere,  die  nie  in  den 
Wahrheitsfanatismus  ausartet,  dem  Hugo  Wolf  zuweilen  erlag,  scheint  mir 
Mendelssohns  hervortretendster  Charakterzug  zu  sein.  Das  ist  ein  großes 
Lob,  doch  sicherlich  kein  ungerechtes.  Gleichwohl  liegt  darin  auch  eine 
gewisse  Schwäche  seines  Wesens  angedeutet:  Mendelssohn  geht  von  dem 
einmal  als  recht  erkannten  Standpunkte  nicht  oder  nur  äußerst  schwer  ab. 
Auch  da,  wo  es  sich  um  eigene  Werke,  die  ihm  nicht  vollwertig  erscheinen, 
handelt.  Ein  klassisches  Beispiel  daffir  ist  eine  Klaviersonate,  die  er  allen 
Bitten  zum  Trotz  in  strenger  Haft  hält.  Er  ist  allem  problematischen  und 
dem,  was  er  dafür  hält,  abhold.  Resultate  wissenschaftlicher  Forschung 
z.  B.,  die  die  Aufführung  Bachscher  oder  HIndelscher  Werke  betreffen, 
selbst  zu  verwenden,  lehnt  er  ab.  Das  ist  gewiß  —  die  betreffenden 
Fragen  sind  ja  für  den  Historiker  erledigt  —  ein  Fehler;  aber  man  darf 
gerade  Mendelssohn  daraus  keinen  Strick  drehen  wollen.  Er  ist  einer 
der  gründlichsten  Kenner  des  großen  Thomaner-Kantors  und  hat,  lange 
bevor  Albert  Schweitzer  ausführlich  auf  den  Dichtermusiker  Bach  hin- 
gewiesen hat,  mit  anderen  an  der  Verbreitung  dieser  Aufhssung  von  des 
Altmeisters  Kunst  gewirkt.  Auch  diese  Dinge  zu  bemerken  ist  für  den, 
der  Mendelssohn  näher  treten  will,  durchaus  nicht  unwichtig. 

Das  Leben 

Mendelssohn  wurde  am  26.  Dezember  1855  zu  Ratibor  a.  O.  geboren, 
einer  kleinen  Stadt,  die  früher  der  Hauptort  des  gleichnamigen  Fürsten- 
tumes  war.  Sein  Vater,  der  Maschinenmeister  Wilhelm  Mendelssohn,  war 
musikalisch  begabt;  die  Mutter,  Luise,  entstammte  der  Familie  Caner,  aus 
der  Arnold  sich  die  eigene  Lebensgefährtin  nehmen  sollte.  Der  Knabe 
erhielt  von  einem  Volksschullehrer  Tschech  den  ersten  Musikunterricht 
Nachdem  er  das  Gymnasium  seiner  Vaterstadt  bis  zum  10.  Lebensjahre 
besucht  hatte,  siedelte  die  Familie  nach  Berlin  über,  wo  Mendelssohn  bis 
zu  seinem  16.  Jahre  blieb. 

Kurze  Zeit  nachdem  er  in  Berlin  angelangt  war,  hatte  er  (1866)  das 
Unglück,  den  Vater  zu  verlieren.  Von  der  preußischen  Hauptstadt  (Haupt 
erteilte  ihm  hier  Klavierunterricht)  ging  es  nach  Danzig:  hier  bestand 
Mendelssohn  1876  das  Abiturientenexamen.  Der  Rat  der  Verwandten 
wollte  den  jungen  Mann  in  gesicherte  Bahnen  lenken;  nicht  Musiker, 
Jurist  sollte  er  werden.  So  zog  er  (wohl  nicht  leichten  Herzens,  denn  in 
seinem  Innern  sang  und  klang  es  schon  damals  gar  mächtig)  dem  Süden  zu, 
nach  Tübingen,  ein  Rechtskundiger  zu  werden.  Er  ward  immatrikttliert; 
wie  viele  Kollegien  er  aber  gehört  hat,  wer  weiß  es?  Sicher  ist,  daB  tt 
weder  zu  Justinian  noch  zu  irgend  welcher  anderen  rechtswissenschafttichei 
Quelle  ein  dauerndes  Verhiltnis  fand.     Was  in  ihm  an  Zweifeln  g^en  df 


m 


201 
NAGEL:  ARNOLD  MENDELSSOHN 


aufgedrängte  Studium  entstand,  was  an  Wünschen  nach  künstlerischem 
Wirken  damals  in  seiner  Brust  aufkeimte,  das  hat  er  wohl  zumeist  mit 
sich  selbst  ausgemacht  und  nur  in  Briefen  an  die  Mutter  und  den  Vor- 
mund niedergelegt;  es  ist  bemerkenswert,  daß  Mendelssohn  nur  für  sich 
selbst  musizierte  und  keinen  Unterricht  in  der  Kunst  nahm,  ja  nicht  ein- 
mal den  Rat  des  später  aus  Hugo  Wolfs  Leben  bekannt  gewordenen  Musik- 
direktors Kauffmann  einholte.  Das  Sommersemester  ging  zu  Ende^ 
Mendelssohn  sagte  dem  Schwabenlande  Ade.  Sein  Entschluß  war  gefaßt:  er 
zog  nach  Berlin,  um  Musik  zu  studieren.  Vier  Jahre  lang  blieb  er  hier  als 
Schüler  des  Institutes  für  Kirchenmusik  und  der  Meisterschule  der  Akademie. 
Es  ist  eine  ziemlich  weit  verbreitete  Sitte  unter  den  Künstlern  (nicht 
nur  unter  den  Musikern),  das,  was  sie  auf  den  Akademieen  für  ihr  Lebens- 
werk gewonnen  haben,  zu  unterschätzen.  Sie  spielen  damit  die  Freiheit 
ihres  künstlerischen  Bewußtseins  gegen  den  Zwang  der  Regel  aus.  Auch 
Mendelssohn  sagte  mir  einmal,  er  habe  Schaden  durch  das  akademische 
Studium  erlitten.  Er  meinte  offenbar,  durch  den  regelmäßigen,  der  Indi- 
vidualität nicht  angepaßten  Lehrgang  sei  er  in  Bahnen,  sagen  wir:  der 
Nachahmung,  gedrängt  worden,  in  denen  sein  Wunsch,  selbst  und  als  Eigener 
zu  schaffen,  sich  nicht  habe  erfüllen  können.  Das  ist  ganz  gewiß  richtige 
Aber  es  entsteht  doch  die  Frage:  war  Mendelssohns  Individualität  damals 
schon  so  entwickelt  und  gefestigt,  daß  er  in  der  Tat  Eigenes  zu  geben  hatte? 
und  die  andere:  ist  nicht  der  Beginn  eines  jeden,  auch  des  größten  Künstlers; 
die  Nachahmung  des  Werkes  anderer?  und  endlich  ist  auch  das  die  Frage: 
was  hat  es  Bach,  was  Beethoven  geschadet,  das  sie  an  die  Arbeit  der 
Vorgänger  anknüpften?  was  Wagner,  daß  er  mit  allen  seinen  Äußerungen 
als  Künstler,  als  Schriftsteller,  als  Philosoph  an  seine  Zeit  in  irgend  einer 
Form  gebunden  ist?  Wer  sein  Leben  lang  nicht  über  das  Nachmachen 
hinaus  kommt,  der  mag  als  billige  Entschuldigung  den  Einfluß  der  Schule 
vorschieben;  wer  aber  selbst  etwas  geleistet  hat,  der  sollte  den  Wert  der 
wenn  auch  trockenen  Schulbildung  nicht  verkennen.  Ohne  die  Akademie 
wäre  Mendelssohn  kaum  zu  Schütz  geführt  worden,  und  ob  sich  ihm 
Palestrina  ohne  Grell  erschlossen  hätte,  ist  immerhin  zu  bezweifeln.  Daß 
dieser,  der  pedantisch-philiströse,  wenn  auch  musikalisch-grundgelehrte 
Mann,  ihm  direkt  nichts  Befriedigendes  sagen  konnte,  erscheint  freilich 
sonnenklar.  Wer  übrigens  einen  analogen  Fall  will,  möge  an  des  jüngeren 
Richard  WagnerVerhältniszum  Kontrapunkt,  der  »Mathematik  des  Gefühls*, 
denken,  das  sich  in  den  «Meistersingern*  so  ganz  anders  wie  in  seiner  Sturm- 
nnd  Drangperiode  gestaltete.  Taubert  und  Löschhorn,  der  Klavier- 
komponist, waren  andere  Lehrer,  von  denen  Mendelssohn  kaum  Anregungen 
erfahren  hat.  Am  meisten  werden  Kiel  und  Haupt  (der  Orgellehrer) 
auf  Mendelssohn  eingewirkt   haben.     Mendelssohns  Bacbkenntnis  ist,  wie 


DIE  MUSIK  VII.  22. 


wjr  annehmen  dürfen,  durch  Kiel  auf  eine  gediegene  Basis  gestellt 
worden. 

1880  schlössen  sich  die  Pforten  der  Akademie  hinter  ihm.  Die  Zeit 
des  Wandems  begann.  Fremde  Länder  und  Völker  hat  er  damala  nicht 
kennen  gelernt;  aber  heimische  Art  ward  ihm,  der  all  seine  Tage  ein 
rüstiger  Wandergesell  gewesen  ist,  doch  in  einem  Teile  seiner  deutschen 
Heimat,  in  der  Rheingegend,  bekannt  Bonn,  Bielefeld,  Köln  wurden  die 
Stätten  seiner  ersten  Lehrtätigkeit.  Von  hier  aus  hat  Mendelssohn  die 
Lande  ringsum  durchquert,  das  lachende  Siebengebirge,  das  damala 
noch  nicht  einer  wüsten  Bauspekulation  zum  Opfer  gefallen  war,  die 
ernste  Eifel,  das  weinfrohe  Nahetal.  In  Kreuznach  knüpften  sich  die 
Familienbeziehungen  zu  Cauers  an  und  Maria  Cauer  ward  1885  Frau 
Mendelssohn.  Diese  Wanderfahrten  sind  auch  für  den  Musiker  bedeutsam 
geworden;  seine  Vorliebe  für  urwüchsige  Volkskunst  hat  auf  ihnen  sicher- 
lich eine  gewisse  Nahrung  empfangen.  Auch  der  Volkssprache  ist  Mendels- 
sohn gerne  nachgegangen.  Seine  eigene  Rede  ist  gänzlich  dialektfrei;  wer 
ihn  aber  einmal  »bönnsch-kölsch*  hat  reden  hören,  weiß,  mit  welch  innerster 
Freudigkeit  und  welch  sicherem  Gefühl  für  das  Charakteristische  des 
Pialektes  das  geschieht. 

In  Bonn,  wo  der  Künstler  von  1880 — 83  als  Organist  und  Universitit»- 
musiklehrer  wirkte,  unterhielt  er  einen  anregenden  Verkehr  mit  dem  Cellisten 
Rendsburg,  dem  ausgezeichneten  Violinspieler  O.  v.  Königslöw(|*  189Q) 
und. dem  Historiker  J.  v.  Wasielewski  <f  1896);  doch  war  wohl  der 
Umgang  mit  einer  Reihe  von  Professoren  der  Universität  wie  mit  Lipps 
und  dem  Historiker  K.  G.  Lamp recht  für  seine  innere  Entwickelang  bedent* 
samer.  Auch  mit  Köln  unterhielt  er  Beziehungen;  Ferdinand  Hiller 
war  ihm  wohlgesinnt  und  veröffentlichte  eine  anerkennende  Besprechung  d«r 
«Abendkantate"  in  der  Kölnischen  Zeitung.  Dieser  Hinweis  des  am  Rheine 
damals  noch  fast  allgemein  maßgebenden  Mannes  auf  den  jungen  Knust- 
genossen  mag  diesem  wohl  einigen  Nutzen  gebracht  haben,  eine  gesicherte 
Stellung  trug  er  ihm  nicht  ein. 

Die  nächste  Station  auf  seiner  Lebensbahn  war  Bielefeld,  wo  Mendels- 
sohn als  Dirigent  des  Musikvereines  und  des  Männerchores  «Arion*  sowie 
als  Organist  tätig  war.  Von  Wichtigkeit  waren  diese  beiden  Jahre  deshalb, 
weil  sie  den  Künstler  in  die  engste  Berührung  mit  der  Orchestertechnik 
brachten.  1885  siedelte  der  damals  30  jährige  nach  Köln  als  Lehrer  des 
Konservatoriums  über.  Er  hatte  Orgel-  und  Theorieunterricht  zu  erteilen. 
In  Köln  knüpften  sich  sehr  nahe  Beziehungen  zu  Humperdinck  an,  die 
die  Bekanntschaft  mit  dessen  Schwager  Wette  vermittelten.  Seine  Be^ 
gegnung  mit  Hugo  Wolf  hat  Mendelssohn  selbst  in  Decsey's  Buch  fibes 
diesen  Künstler  beschrieben.     Enge  freundschaftliche  Bande  vereinten  ilin 


203 
NAGEL:  ARNOLD  MENDELSSOHN 


mit  den  beiden  Wüllner;  man  weiß,  daß  Ludwig  seine  Kunst  nachdrücklich 
in  den  Dienst  der  des  Freundes  gestellt  hat. 

Die  harte  Last,  unterrichten  zu  müssen,  drückte  Mendelssohn  schwer, 
dessen  Arbeitsfähigkeit  freilich  eine  große  war.  Aber  40  Stunden  wöchent- 
lichen Lehrens  lassen  zuletzt  auch  den  Stärksten  müde  werden.  So  ist  es 
kein  Wunder,  daß  er  die  ihm  1890  gebotene  Gelegenheit,  als  Gymnasial* 
Itthrer  und  Kirchenmusikmeister  nach  Darmstadt  in  eine  Stellung  zu  kommen, 
die  ihm  ein,  wie  man  so  sagt,  sorgenfreies  Leben  und  Muße  zu  eigenem 
Schaffen  bot,  mit  Freuden  ergriff.  Hier  wirkt  er  nun  seither,  lehrt  ^eine 
Gymnasiasten  singen,  leitet  den  Chor  der  Stadtkirche,  hält  amtliche  Orgel- 
kurse und  komponiert.  Er  ist  Professor  geworden,  wird  überall  gefeiert, 
ist  aber  der  einfache  Mensch  geblieben,  der  er  immer  war,  ein  Mann  von 
vielseitiger  Bildung  und  vornehmem  Geschmacke,  ein  Komponist  von  Be- 
deutung und  ein  Kritiker  weniger  anderer  als  vielmehr  seiner  selbst. 

Allgemeine  Charakteristik 

Es  ist  nicht  unwichtig,  die  Tonmeister  zu  kennen,  die  Mendelssohn 
obenan  stehen.  Es  sind  Schütz,  Bach,  Beethoven,  Schubert,  Weber, 
Richard  Wagner  und  Hugo  Wolf.  Hors  de  concours  gewissermaßen  steht 
Mozart:  ihm  galt  des  Künstlers  innige  Liebe  und  Verehrung  schon  in 
früher  Zeit;  und  das  ist  heute  noch  so.  Durch  Beethoven  wurde  Mendels^ 
söhn  zu  Haydn  geführt,  von  dem  man  nicht  immer  sagen  soltte,  er  sei 
ein  Komponist  für  junge  Menschen.  Zu  Haydns  Weltanschauung  sich 
durchzuringen  ist  nicht  jedem  gegeben;  das  vermag  nur,  wem  die  Natur  in 
froher  Geberlaune  den  Humor  zum  Begleiter  durchs  Leben  gegeben.  Nur 
der  kann  ja  auch  Beethoven  voll  werten.  Zu  Schumann  hat  Mendelssohn 
nie  ein  rechtes  Verhältnis  gefunden;  man  kann  das  wohl  begreifen:  das 
Halbdunkel  in  Schumanns  Kunst,  das  Dämmernde,  Verträumte  ist  ebensowenig 
Mendelssohn  zu  eigen  wie  das  Stürmisch-Leidenschaftliche,  die  Form  in 
wilder  Hast  zersprengende,  ebensowenig  auch  die  besondere,  zuweilen 
hanebüchen  sich  gebende  Art  von  Schumanns  manchmal  etwas  gequältem 
Hpmore.  Auch  Brahms'  Kunst  ist  Mendelssohn  nie  recht  aufgegangen. 
Ich  habe  früher  einmal  gelegentlich  bemerkt,  vielleicht  sei  Hugo  Wolf  an 
dieser  geringen  Einschätzung  von  Brahms  nicht  ganz  unschuldig.  Psycho- 
logisch ist  das  in  der  Tat  nicht  undenkbar,  denn  Mendelssohn  empfingt  in 
Köln  von  Wolfs  suggestiver  Art  eine  bis  heute  ungeschwächt  dauernde 
Einwirkung.  Sie  zeigt  sich  auch  in  Mendelssohn  dem  Komponisten  zuweilen. 
Heute  freilich  doch  in  geringerem  Grade  als  früher.  Auch  ist  die  Erscheinutii 
niemals  als  Nachahmung  zutage  getreten,  stets  nur  als  Wirken  und 
Empfinden  in  gleicher  Richtung  und  Stimmungssphäre. 


L. 


204 
DIE  MUSIK  VII.  22. 


Vor  einiger  Zeit  widersprach  mir  Mendelssohn  einmal  recht  energisch) 
als  ich  ihn  mit  der  Romantik  in  Verbindung  brachte.  Ihm  ist  wohl  die 
besondere  Richtung  des  Lebens,  die  wir  mit  diesem  Namen  verbinden, 
eine  Summe  von  Problemen  und  Problematischen,  die  seinem  klaren  Sinne, 
seiner  gefesteten  Weltanschauung  fremd  sein  müssen.  So  weit  g^be  ich 
ihm  unbedingt  nach.  Und  ich  empfinde  es  auch  als  eine  besondere  Frende, 
daß  er  den  extremen  Ausläufern  der  Romantik,  wie  sie  insbesondere  die 
französische  Spielart  der  ganzen  Richtung  erblfihen  ließ,  fremd  gegenüber* 
steht.  Gleichwohl  besteht  zwischen  unserem  Kfinstler  und  der  Romantik  ein 
Zusammenhang,  wie  denn  alle  Komponisten  der  Gegenwart  von  Bedeutung 
aus  ihr  irgendwie  herausgewachsen  sind.  Die  Stoifwahi  seiner  Opern  be- 
dingt den  Zusammenhang  nicht  oder  doch  nicht  unbedingt;  aber  nach 
Mendelssohn  verwendet  ja  die  vielen  Ausdrucksmittel,  die  die  Romantik, 
wenn  sie  sie  auch  nicht  schuf,  doch  in  den  Mittelpunkt  der  kompositorischen 
Technik  stellte,  für  das  gesamte  Gebiet  seines  Schaffens;  er  hingt  an  der 
volkstümlichen  Kunst,  die  in  stilisierter  Form  zuerst  durch  die  Romantik 
nach  langer  Pause  wieder  Bedeutung  für  das  künstlerische  Wirken  er> 
langte.  Wer  die  besondere  Harmonik  der  romantischen  Kunst  kennt,  ihr 
Ziel,  die  Schranken  tonaler  Einheit  mehr  und  mehr  zu  lockern  und  die 
Dissonanz  als  das  treibende  Element  aller  harmonischen  Verbindung  voran 
zu  stellen,  der  wird  weitere  Verbindungsfäden  zwischen  ihr  und  Mendels- 
sohn leicht  selbst  aufdecken  können. 

Daß  er,  ein  Meister  des  Kontrapunktes,  sich  gerne  auch  einmal  in 
strenger  polyphoner  Arbeit  ergeht,  spricht  nicht  gegen  das  Gesagte;  denn 
auch  Bachs  Kunst  und  die  seiner  Vorgänger  wurde  ja  erst  wieder  durch 
eine  indirekte  Einwirkung  der  Romantik  erschlossen. 

Das  romantische  Ideal  freilich  ist  nicht  auch  das  Mendelssohns;  er 
will  und  sucht  Klarheit;  alles  Verwaschene  und  Verschwommene  ist  ihm 
ein  Greuel;  Probleme  zu  konstruieren,  die  um  jeden  Preis,  auch  nm  den 
des  Wohlklanges  und  der  Schönheit  zu  lösen  sind,  ist  ihm  versagt  Hat 
er  gelegentlich  experimentiert,  so  war  das  nur  ein  kurzes  Durchgangs* 
Stadium.  Ihm  ist  seine  Kunst  ein  Mittel,  innere  Erlebnisse  und  Voi^glUige 
in  Tönen  widerzuspiegeln,  deren  Gewandung  den  reichsten  Farbenglaas  — 
dies  ist  im  wesentlichen  der  romantische  Einschlag  in  seiner  Kunst  — 
fordert,  deren  formale  Gliederung  jedoch  nach  den  Gesetzen  der  Mnsik 
selbst,  nicht  nach  dem  Sinne  und  der  Weise  einer  anderen  Kunst  za  ge- 
schehen habe. 

So  besteht  ein  schroffer  Gegensatz  zwischen  Mendelssohn  und  Richard 
Strauß.  Bei  diesem  eine  raffiniert  ausgebildete  Sucht  zu  experimentieren, 
ein  unstillbarer  Trieb,  nach  neuen  Problemen  zu  bohren  und  mit  Gewalt  vom 
historisch  Gewordenen  los  zu   kommen,  bei  Mendelssohn  die  Freude  am 


205 
NAGEL:  ARNOLD  MENDELSSOHN 


M 


organischen  Musikgestalten,  die  Ehrfurcht  vor  dem  Werke  der  Vergangen- 
heit, das  sichere  Weiterschreiten  auf  gegebenen  Pfaden,  die  gefestete  und 
wohl  begründete  Anschauung,  daß  sich  kein  dauernder  Fortschritt  im 
organischen  Leben  konstruieren  läßt;  bei  Strauß  ein  mit  glänzenden 
Mitteln  spielender  Sinn  für  Äußerliches,  bei  Mendelssohn  ein  tief  ins 
Innere  schauender  Blick,  ein  Nachschaflfen  seiner  dichterischen  Vorwürfe, 
das  dem  Grunde  seelischen  Mitlebens  dieser  Vorwürfe  entstammt,  die 
iuitoren  Mittel  der  Musik,  auch  soweit  sie  malender  Natur  sind,  nicht 
a  priori  von  der  Hand  weist,  sie  aber  doch  nur  insoweit  verwendet,  als 
sie  musikalisch  anwendbar  sind,  d.  h.  sich  durch  sich  selbst  erklären« 
Philosophische  Gedanken,  metaphysische  Fragen  in  Musik  zu  setzen  oder 
irgend  welchen  Gestalten  der  Welt-  oder  Kunstgeschichte  zu  einem  frag- 
würdigen Tondasein  zu  verhelfen,  vermeidet  Mendelssohn;  er  achtet  die 
Grenzlinien,  die  die  verschiedenen  Gebiete  menschlicher  Geistesarbeit 
trennen  und  verwirrt  sie  nicht  gegeneinander,  wie  das  der  romantische 
Gefühlsüberschwang  auf  Schritt  und  Tritt  zuwege  brachte.  Ich  glaube, 
daß  hierin  der  Grund  liegt,  weshalb  ihn  manche  der  Ultramodemen  nicht 
recht  für  voll  zu  nehmen  scheinen.  Wir  anderen  wollen  ihm  das  danken: 
in  der  Beschränkung,  die  sich  Mendelssohn  auferlegt,  hat  er  sich  noch 
alle  Zeit  als  Meister  bewiesen. 


Das  Wirken 

Wer  Mendelssohns  tonsetzerische  Arbeiten  übersieht,  der  wird  be- 
merken, daß  er  sich  nur  auf  einigen  wenigen  Gebieten  betätigt  hat:  wir 
besitzen  von  ihm  keine  Symphonieen,  keine  Kammermusikwerke;  auch 
Orgelkompositionen  fehlen  befremdlicher  Weise.  Ihn  hat  es,  von  den  ersten 
Versuchen  selbstredend  abgesehen,  von  jeher  zur  Chorkomposition  ge- 
zogen, und  daneben  ist  ihm  das  Lied  ans  Herz  gewachsen.  Zwei  seiner 
Opern  sind  erschienen  und  aufgeführt,  eine  dritte  («Der  Minnehof*)  steht  vor 
ihrer  Belebung  durch  die  Mannheimer  Bühne.  Auch  zur  Klavierkompo- 
sition ist  Mendelssohn  nur  selten  gekommen.  Seine  «Federzeichnungen* 
sind  vortreffliche,  kleine  Skizzen,  die  das  musikalische  Charakterbild  einzelner 
anderer  Meister  in  der  Weise  Mendelssohns  zu  geben  suchen,  ein  Unter- 
nehmen, das  u.  a.  an  Schumann  gemahnt,  der  zuweilen  ähnliches  ver- 
suchte. Auch  einzelne  Violinstücke  (wie  das  vorgenannte  Werk  im 
Dreililienverlage  in  Berlin  erschienen)  gibt  es,  von  denen  das  geistreiche 
»Scherzo*  sich  auch  im  Konzertsaale  Anerkennung  errungen  hat;  das 
andere,  .In  memoriam*,  ist  zu  intim  empfunden  und  offenbar  zu  sehr  an 
ein  besonderes  Ereignis  gebunden,  als  daß  es  allgemeine  Beachtung  hätte 


206 
DIE  MUSIK  VII.  22. 


finden  können;  das  dritte»  «Melodie",  zeigt  eine  leicht  volkBtfimiiche  G^ 
staltung  der  Weise  und  ist  sehr  hübsch  und  wirkungsvoll,  ohne  freilich 
ein  besonderer  Treffer  zu  sein. 


Die  Chorwerke 

Die  »Abendkantate"  steht  zeitlich  voran  (Bote  und  Bock,  fterlia 
1881).  Über  dem  meisterhaft  gefugten  Werke,  das  freilich  wohl  noch  mancfaeii 
Zug  der  Anempfindung  besonders  an  J.  S.  Bach,  auch  vielleicht  an  Schfitt 
und  sogar  Mendelssohn-Barthöldy  verrät  aber  doch  niemals  in  direkte  Ab* 
hängigkeit  verfällt,  lagert  ein  hoher  Ernst,  der  sich  in  edelster  Empfindung 
und  herrlich  quellender  Melodik  äußert.  Um  vieles  selbständiger  aind  dic^ 
beiden  Chorwerke  »Auferstehung*  (Ries  &  Erler,  Berlin)  und  »Daa 
Leiden  des  Herrn"  (Leipzig,  Rieter-Biedermann).  Die  Dichtungen  sind 
altdeutsche  Volkslieder:  »Es  gingen  drei  Fräulein*  und  «Da  Kri^t,  der 
Herr  in  den  Garten  ging*.  Ein  kleines  Orchester  tritt  hier  zur  Orgel 
hinzu.  Auf  geringem  Räume  zeigt  sich  eine  überraschende  Menge  fieinster 
EinzelzQge,  eine  erschöpfende  Kleinmaterei,  die  den  Vorzug  hat,  niemals 
durch  aufdringliche  Äußerlichkeit  die  naive  Fassung  der  Worte  zn  zer-^ 
stören.  Gerade  hier  zeigt  sich  Mendelssohns  erstaunliche  bildnerische 
Kraft,  mit  geringen  Mitteln  so  zu  charakterisieren,  daß  das  Erreichte,  in 
sich  organisch  geschlossen,  einen  unlösbaren  Bund  mit  der  dichterischen 
Grundlage  eingeht.  Die  »Auferstehui^g*  erschließt  sich  dem  Verständnisse 
vielleicht  nicht  so  unmittelbar  wie  das  zweite  Werk,  da  sie  feiner  ge- 
zeichnet ist,  und  die  besondere  Stimmung  nicht  mit  den  gleich  starken 
Mitteln  erreicht  wird.  Das  liegt  in  der  Natur  der  zugrunde  gelegten  WoitdL 
Jedoch  sind  auch  im  «Leiden^  diese  Mittel  durchaus  nicht  im 
brutal  äußerlichen  Sinne  verwendet;  sie  beruhen  auf  eigentfimlicher  Rhythmik 
und  der  aufs  sorgfältigste  und  feinste  abgetönten  harmonischen  Färbang 
der  gegensätzlichen  Abschnitte  der  Dichtung.  Was  Mendelssohn  hier  in 
der  Behandlung  der  Textworte,  z.  B.  der  Stelle:  »Die  hohen  Bäume,  die 
bogen  sich*  mit  der  charakteristischen  Figur  in  den  Streichinstrumenten  erreicht 
hat,  was  er  weiterhin  mit  der  markigen  Wucht  der  Komposition  der  Worte: 
«Die  Wolken  schrien  weh  und  ach  —  die  Toten  kamen  all  herffir",  zuletzt 
mit  dem  Gegensatze  erschafft:  »Sein  Seel  wird  kommen  in  Himmels  Saal*; 
mit  dem  eine  Fülle  blendenden  Lichtes  auf  den  Zuhörer  fällt:  das  sind 
Großtaten  eines  Dichters.  Man  kann  es  nie  genug  betonen,  daß  es  am 
Ende  kein  Kunststuck  ist,  mit  den  hundertfachen  Machtmitteln  des  modernen 
Orchesterkolorits,  mit  breiten  Chormassen,  mit  raffiniert  konstruierten^ 
sinnlichen  Klängen  und  mit  kfinstlich  aufgeputzten,  ge1ieimnisv<rfl  ein- 
geführten Absonderlichkeiten  auf  die  große  Masse  zu  wirken.    Derfei  aber^ 


207 
NAGEL:  ARNOLD  MENDELSSOHN 


was  Mendelssohn  in  diesen  beiden  Chorwerken  geschaffen  hat,  gelingt  nur 
dem  wahrhaft  Begnadeten,  der  alles  eitle  Blendwerk  weit  vpn  sich 
abweist,  der,  was  er  schafft,  nur  aus  innerem  Schauen  und  Erleben  herausi 
gestaltet. 

Die  vierstimmigen  Chorsätze  auf  Dichtungen  des  Mystikers 
Angelus  Silesius  (Joh.  Scheffler,  1624 — 77),  von  Rieter- Biedermann  in 
Leipzig  verlegt,  sind  überaus  geistvolle  Arbeiten,  die  man  alle  mit  dem- 
selben Maße  von  Bewunderung  vor  dem  Können  ihres  Schöpfers  messen 
wird.  Ob  mit  derselben  Liebe  ist  mir  zweifelhaft.  Der  tiefsinnige  Ge< 
dankengehalt  und  die  bilderreiche  Sprache  der  Dichtungen  haben  Mendels* 
söhn  hier  zu  gewissen  Kombinationen  geführt,  bei  denen  wohl  der  nach- 
prüfende Verstand,  kaum  aber,  oder  doch  nicht  in  gleichem  Maße  das  mit- 
schwingende Gemüt  auf  seine  Rechnung  kommt.  Die  Ausführung  der 
Sätze  ist  mit  mancherlei  Schwierigkeiten  verbunden,  aber  gutQ  Solo« 
Quartette  sollten  sie  sich  nicht  entgehen  lassen.  In  demselben  Verlage 
erschienen  »Fünf  geistliche  Tonsätze",  eines  der  reifsten  Werke  de^ 
Künstlers,  kontrapunktisch  reich,  aber  ohne  satztechnische  Monstrositäten 
und  voll  von  Schönheit  und  warmer  Beseelung.  Mendelssohn  ist's  ernst 
mit  seinem  Christenglauben,  das  merkt  man  aus  jeder  Zeile,  die  er  für 
Gottesdienst  oder  Kirche  geschrieben  hat:  es  sind  keine  Phrasen  darin, 
kein  Tongeklingel,  alles  ist  in  eine  gewisse  Herbheit  getaucht  und  ohne  rein- 
sinnlich wirkenden  Klang,  schlicht  und  einfach  im  Ausdrucke  auch  dort, 
wo  Mendelssohn  die  höchsten  Kunstmittel  in  Anwendung  bringt  Das  ist 
eben  die  Besonderheit  seines  kirchlichen  Stiles,  wie  sie  aus  seinem  mensch- 
lichen Wesen  und  Empfinden  folgert:  kein  Prunken  und  Prangen,  liebe- 
volles Eindringen  in  das  Wesen  der  Sachen,  sie  durchleben  und  aus  der 
sicheren  Beherrschung  der  Materie  heraus  das  künstlerische  Bild  formeUi» 
Zur  Vervollständigung  dieser  Aufzählung  seien  noch  die  Bearbeitungen  von 
Schützschen  Werken  genannt  (Leipzig,  Breitkopf  und  Härtel):  die  Passionen 
nach  Matthäus  (1887)  und  Johannes  (1890);  das  Weihnachtsoratorium  und 
drei    kleine   geistliche    Konzerte    für   eine    Singstimme    und    Orgel. 

Die  weltlichen  Chorwerke.  An  ihrer  Spitze  steht  »Der  Hagestolz" 
für  gemischten  Chor  und  Orchester,  1889  bei  Schott  &  Söhne  in  Mainz  heraus- 
gegeben. Mendelssohns  Humor  zeigt  sich  in  diesem  überaus  graziösen 
und  liebenswürdig-gefälligen  Werke,  in  dem  ihm  auch  nicht  eine  einzige 
kleine  Pointe  entgeht  oder  naisrät,  nach  der  einen  Seite  hin,  die  jede  burleske 
und  derbe  Färbung  ausschließt.  Aber  den  Sinn  für  diese  andere  hat  er  offene 
bar  schon  frühe  gehabt,  wie,  wenigstens  in  leichter  Andeutung,  einige  der, 
wenn  ich  nicht  irre,  der  Bonner  Zeit  angehörenden,  aber  erst  vor  zwei 
bis  drei  Jahren  herausgegebenen  Männerchöre  (Fünf  altdeutsche 
Lieder.     Leipzig,  Forberg)  beweisen.     Diese  nicht  gering  ausgeprägte  Seite 


208 
DIE  MUSIK  VII.  22. 


in  Mendelssohns  künstlerischem  Charakterbilde  zeigt  sich  auf  voller  Höhe 
in  der  1897  geschriebenen  humoristischen  Ballade:  «Der  Schneider  in 
der  Hölle*;  urwüchsig,  derb  und  burschikos  lustig  zieht  in  witzigstem  Tone 
der  frische  Sang  vom  Schneider  daher,  der  den  Teufeln  die  Schwänze  ab- 
schneidet,  die  Naslöcher  zunäht  und  die  Falten  ausbügelt.  Das  lat  alles 
so  harmlos  derb  und  bei  aller  grotesken  Komik  doch  wieder  so  Bein  and 
überlegen,  schalkhaft  und  künstlerisch,  daß  ich  bei  dem  Werke  immer  an 
Wilhelm  Busch,  den  Unvergeßlichen,  denken  muß:  bei  beiden  Meistern  die 
vollendete  Sicherheit  der  Darstellung,  das  Ungezwungene,  Oberzeug^nde,  bei 
aller  Derbheit  Harmlose,  Frohmachende;  ein  prächtiger  Kern  in  Inadger, 
bunter  Schale.  Wer  die  große  Zahl  der  drolligen  Einzelzfige  (die  witzigen 
Einfälle  bei  den  jeweiligen  Eintritten  der  führenden  Melodie  mit  luatlgen 
tonmalerischen  Scherzen  z.  B.)  aufzählen  wollte,  müßte  das  ganze  Werk 
zitieren. 

Dem  Jahre  1890  gehört  die  Komposition  der  Klopstockscben  Ode 
„Die  Frühlingsfeier*  an  (Berlin,  Ries  &  Erler),  einer  Hymne  fOr  Soli, 
gemischten  Chor  und  Orchester.  Sie  ist  voll  erhabenen  Schwanges  nnd 
vollendeter  Plastik  mannigfaltigsten  Ausdruckes,  sorgfältigster  Gruppierang 
und  Abgrenzung  der  verschiedenen  Stimmungsmomente,  in  blühende 
Orchestergewandung  gekleidet  nnd  mustergültig,  wie  alle  Arbeiten  des 
Künstlers,  in  sprachlicher  Hinsicht  bebandelt.  Kleine,  bei  Hug  in  Leipzig- 
Zürich  veröifentlichte,  gemischte  Chöre  tragen  zu  Mendelssohns 
Künstlerbilde  wesentlich  neue  Züge  nicht  bei,  es  sei  denn,  daß  man  in 
ihnen  das  ja  allerdings  auch  in  anderen  Werken  zutage  tretende  volks- 
tümliche Element  in  der  musikalischen  Diktion  bemerken  wolle.  Dasselbe 
ist  im  großen  und  ganzen  von  den  Männerchören  zu  sagen,  deren 
einige  Gelegenheitsarbeiten  (im  nicht  Goetheschen  Sinne  des  Wortes)  sind. 
Andere  freilich,  so  der  «Festgesang",  zur  Einweihung  des  Dannstidter 
Goethe-Denkmals  geschrieben,  eine  aus  der  sicheren  Kenntnis  des  Geistes 
des  18.  Jahrhunderts  geborene  Schöpfung,  haben  dauernden  Wert,  obwohl 
auch  sie  nicht  zu  Mendelssohns  besten  Werken  gehören. 

Neuerdings  ist  sein  Name  durch  die  große  Chorschöpfung  des  «Paria* 
in  weite  Kreise  getragen  worden.  Wo  man  das  inhaltsschwere  Werk  mucb 
aufführt,  es  findet  lebhafte  Teilnahme.  Wäre  das  ein  untrügliches  Zeichen 
des  Verstehens,  so  könnte  es  nur  erfreuen.  Ich  glaube  nicht  daran;  die 
Mode  mag  mitsprechen,  vielleicht  auch  das  Exotische  des  Vorwurfes,  seine 
geheimnisvolle  Fassung  in  Goethes  herrlichen  Balladen.  Ob  sie  vor 
Mendelssohn  komponiert  wurden,  ob  sie  in  irgendeiner  Beziehung  zn  den 
9  Paria* -Opern  stehen,  die  im  Laufe  des  19.  Jahrhunderts  aufgeführt  worden, 
kann  ich  nicht  sagen.  Es  ist  überaus  schwer,  über  das  Werk  ein  knraes 
und  erschöpfendes  Wort  zu  sagen,  so  voll  staunenswerter  charakteristischer 


.    JL. 


200 
NAGEL:  ARNOLD  MENDELSSOHN 


Kraft  des  Ausdruckes,  so  voll  wundersam  gefügter  Arbeit,  so  reich  an 
fesselnden  Einzelheiten  ist  es.  Wäre  Mendelssohn  je  willenlos  in  den 
Bahnen  der  Romantiker  gegangen,  so  wurde  er  wohl  hier  dem  Versuche 
erlegen  sein,  uns  in  »indischer*  Gewandung  oder  einem  Surrogate  daffir 
ZQ  kommen.  Er  hat  uns  einen  Effekt  dieser  Art  glücklicherweise  erspart  und 
sich  mit  einer  zwar  allgemeineren,  in  diesem  Falle  aber  tieferen  Charak- 
teristik der  Träger  der  Vorgänge  und  dieser  selbst  begnügt,  indem  er  den 
einzelnen  Abschnitten  je  eine  besondere  Grundfärbung,  besondere  Motive, 
besondere  thematische  Arbeit  und  besondere  Instrumentation  unterlegte. 
Diese  allgemein  menschliche  Charakteristik  des  Paria,  der  schönen  Frau 
des  hohen  Bramen  usw.  gibt  sich  mit  überzeugender  Bestimmtheit,  verzichtet 
aber  auf  jeden  realistisch  greifbaren  Zug  und  hält  sich  stets  in  den 
Grenzen  höchster  musikalischer  Schönheit.  Den  Grundlinien  der  Gesamt- 
charakteristik der  verschiedenen  Abschnitte  des  Werkes,  in  dessen  Ver- 
laufe sich  gewaltige  Gegensätze  gegeneinander  türmen  und  die  mannig- 
hltigsten  Stimmungen  angesprochen  werden,  müssen  sich  die  einzelnen 
Charakterisierungsmomente  unterordnen,  so  daß  nirgendswo  ein  Ausein- 
anderfallen der  Stimmungskreise  zu  bemerken  ist,  wie  das  so  oft  in 
modernen  Schöpfungen  geschieht,  die  den  überlieferten  formalen  Aufbau 
preisgeben.  So  ist  im  «Paria*  denn  trotz  des  vielen  Geschehens  und 
seiner  musikalischen  Nachbildung  eine  wunderbare  Geschlossenheit  der 
psychischen  Entwickelung  des  Ganzen  zu  bemerken,  und  das,  trotzdem 
ja  auch  hier  die  Musik  ihre  besondere  Form  aus  der  Anlage  der  Dichtung 
herleitet. 

Wer  einmal  in  späterer  Zeit  Mendelssohns  Wirken  ausführlich  dar- 
zustellen berufen  sein  wird,  der  wird  an  der  »Legende*,  dem  zweiten 
Teile  des  «Paria*,  gut  nachweisen  können  (andere  derartige  Dinge  bieten  z.  B. 
die  Lieder),  wie  da  romantische  Einflüsse  fortleben:  in  dem  Bestreben,  im 
Beginne  der  Legende  der  Tonalität  des  Satzes  (Des-dur)  möglichst  aus  dem 
Wege  zu  gehen.  Die  unbegleitete  Violinmelodie  kündet  offenbar  den  Weg 
der  zum  heiligen  Wasser  wandelnden  Frau.  Aber  offenbar  diesen  nicht 
allein,  denn  für  die  musikalische  Darstellung  eines  einfachen  Ganges  ist 
das  Gebilde  viel  zu  kompliziert.  Diese  Absichtlichkeit,  mit  der  die 
Tonalität  umgangen  wird,  die  großen  Intervallschritte  mit  allerlei  Ober- 
raschungen  deuten  ohne  Zweifel  auf  das  legendäre  und  wunderbare  Element 
der  Erzählung  hin,  auch  wohl  auf  die  im  Dämmergrauen  des  Morgens 
verschwimmende  phantastische  Szenerie.  So  hätten  wir  also  hier  unter  anderem 
auch  die  spezifisch  romantische  Hinwendung  zum  Wunderbaren;  sie  hat  zwar 
schon  die  Klassik  für  die  Kunst  auch  der  Bühne  reklamiert  (neben  anderen 
Schiller),  aber  erst  die  Romantik  hat  sie  zu  einem  wesentlichen  Punkte  der 
künstlerischen  Darstellung  gemacht.    Eine  Analyse  des  Werkes  würde  den  zur 


210 
MUSIK 


Verfügung  stehendeio  Raum  um  ein  Beträchtliches  fiberschreiten.    Begafigeh 
wir  uns  mit  diesen  kurzen  Hinweisen.^) 

Die  Lieder 

Man  hat  gar  manchem  unserer  modernen  Lyriker  schon  den  Vorwarf 
gemacht,  sein  Schaffen  sei  ausschließlich  oder  doch  vorwiegend  reflektieren» 
der  Art  und  entbehre  der  unmittelbaren  Empfindung.  Es  ist  allerdings 
eine  unbestreitbare  Tatsache,  daß  im  deutschen  Liede,  seit  es  den  Kinder-' 
schuhen,  die  es  noch  im  18.  Jahrhundert  trug,  entwachsen  ist,  allmihlich 
eine  Verschiebung  des  Schwerpunktes  eingetreten  ist:  über  die  Melodie  als 
ein  in  sich  geschlossenes  Ganzes  begann  nach  und  nach,  das  umkleidende» 
weniger  begleitende  als  erklärende  und  malende  Beiwerk  allmählich  mehr 
und  mehr  zu  wachsen  und  zu  wuchern;  so  herrschte  vielfach  im  »Liede* 
nur  noch  das  wie  zufällig  in  Tönen  erscheinende  Wort  des  Dichters  in  Ver- 
bindung mit  der  das  psychologische  erklärenden  und  malerische  Momente  bfe» 
tenden  »Begleitung*,  der  konsequenter  Weise  diese  Bezeichnung  bitte  genom- 
men werden  müssen,  zum  Teil  auch  genommen  wurde.  Große  Meister  haben 
allerdings  den  nötigen  Ausgleich  gefunden;  sie  wußten  nicht  nur  das  Beiwerk 
fesselnd  und  erschöpfend  deutlich,  d.  h.  also  malend  und  erklärend  (wo  nötig) 
zu  gestalten,  sie  gönnten  auch  der  »Melodie'^  ihre  Rechte.  Schon  in  der  Zeit 
des  Überganges  von  der  klassischen  zur  romantischen  Periode  Wir  das 
Lied  so  gestaltet,  daß  je  nach  Art  des  Dichterwortes  die  Melodik  der 
Singstimme  entweder  nach  einer  freien,  deklamatorisch  gefügten  oder  nach  einer 
geschlossenen  Form  überwog.  Das  ist  bei  Schubert  wenigstens  zuweilen  der 
Fall,  weniger  bei  Schumann,  noch  weniger  bei  Brahms,  bei  denen  das  Dekla- 
matorische mehr  und  mehr  in  den  Hintergrund  trat.  Es  ist  die  ganze  Frage» 
wie  der  Historiker  weiß,  ein  Jahrhunderte  alter  Kampf,  der  da  um  das  Verhältnis 
von  Wort  und  Ton  geführt  wurde.  Bei  Wolf  spitzte  er  sich  abermals  zu.  Aber 
auch  Wolfs  Weisen  und  ihre  instrumentale  Umkleidung  zeigen  den  alten  Zwie- 
spalt. Mendelssohn  wandelt  seinerseits  durchaus  in  den  gegebenen  Bahnen» 
Aber  ihn  mag  öfter  das  Gerede  von  fehlender  Melodie  in  seiden  Gesingen 
getroffen  haben,  und  so  ist  er  vielleicht,  wie  man  wohl  meinen  könnte,  durch 
ein  rein  äußeres  Moment  dazu  geführt  worden,  breit  angelegte  Melodieen  im 
alten  Sinne  zu  schreiben,  Melodieen  freilich,  denen  eine  in  modemer  Auffiassang 
(modern  im  Sinne  Schuberts  und  seiner  Nachfolger)  gestaltete  Begldtung 
nicht  fehlt.    Ich  glaube  indessen  an  eine  solche  Beeinflussung  Mendelssohns 


^)  Nach  Abfassung  dieser  Zeilen  bemerkt  mir  Mendelssohn  In  einer  Za- 
3cbrift:  «.  .  •  habe  mir  bei  dem  Violin-Unisono  vorgestellt,  wie  die  Frau  bei  granendem 
Morgen  in  die  Tropenwelt  hinaustritt;  hober  Himmel,  seltsame  Pflanzen,  woranf  der 
Blick  vom  Schweifen  ins  eigene  Innere  zurQckkebrt*.  Was  hätte  ein  Jk  tont  jpriz 
Neuromantiker  aus  solchen  Vorstellungen  heraus  wohl  geformt?! 


21  f 
NAGEL:  ARNOLD  MENDELSSOHN 


«■M 


flicht.  Es  ist  eine  auffallende  Erscheinung,  über  die  man  nicht  hinweg 
kommt,  daß,  wenn  sich  auch  in  seinen  Liedern  zwei  Formtypen  in  der 
oben  berührten  Art  gegenüber  stehen^  doch  die  Lieder  mit  großzügigen, 
breit  strömenden  Kantilenen  in  den  letzten  Jahren  die  Oberhand  gewonnen 
zu  haben  scheinen. 

Nicht  als  eine  Besonderheit  wird  man  an  Mendelssohns  Liedern  die 
Sicherheit  hervorheben  dürfen,  mit  der  er  die  Gruiidstimmung  in  seinem 
Gesängen  thematisch  und  koloristisch  (das  Wort  hier  nur  im  Sinne  reicher 
und  voller  Harmonik  gebraucht)  zu  treffen  weiß.  Sie  beherrscht  seine 
Schöpfung,  ohne  daß  die  Mittel  zum  Charakterisieren  einzelner  Momente 
verbannt  und  ausgeschlossen  würden.  Auch  sie  hat  er  in  größter  Fülle  und 
Abwechselung  zur  Verfügung  und,  von  nur  ganz  wenigen  Fällen  abgesehen, 
in  denen  meines  Erachtens  zu  vielerlei  aufgewendet  ist,  überwuchern  sie  die 
angeschlagene  Grundstimmung  nicht.  Ein  Beispiel  jener  Art:  die  an  sich 
witzige  Vertonung  von  Gottfried  Kellers  fröhlichem  Gedichte  «Der  Chapeau*^. 
Hier  ist  so  viel  einzelnes,  freilich  immer  mit  Humor,  charakterisiert  worden, 
daß  nicht  nur  die  Pointe  schließlich  einigen  Schaden  erleidet,  daß  vielmehr 
auch  der  angeschlagene  Grundton  sich  im  Verlaufe  des  Stückes  etwas 
verflüchtigt:  aus  der  Sphäre  harmlosen  Scherzes  gerät  das  Ganze  in  einen 
ziemlich  breiten  und  von  pathetischem  Ernste  nicht  freien  Ton,  und  die 
Andeutung,  die  der  Lyrik  genügen  sollte,  wird  der  episch  breiten  Schil- 
derung angenähert.  Aber  was  will  das  im  Gründe  besagen?  Manchen 
wird  derlei  überdies  nicht  als  störend  erscheinen  und  außerdem  handelt 
es  sich  dabei  nur  um  ganz  wenige  Pälle. 

Ich  sagte  schon,  daß,  wenn  ich  die  Sachlage  recht  übersehe,  Mendels- 
sohns Lied  in  der  letzten  Zeit  mehr  und  mehr  zum  »Melodischen*  zurück- 
gekehrt ist.  Das  scheint  mir  bei  einem  Manne  von  der  Stärke  seines 
Empfindungsvermögens  und  seiner  inneren  Schauenskraft  kein  Wunder  zu 
sein.  Endlich  mußte  doch  wieder  einmal  einer  kommen,  der  die  in  der 
Komposition  unserer  Zeit  fast  ganz  gegeneinander  verschobenen  Grenzen 
zwischen  Lyrik  und  Epik  wieder  herstellte. 

Die  wertvollen  Lieder  des  Tondichters  hier  einzeln  aufzuzählen,  vermag 
ich  nicht.  Wer  erkennen  will,  wie  ihm  das  Höchste  an  melodischer  Charak- 
teristik, Schönheit  und  harmonischem  Maße  mühelos  zufließt,  der  singe 
z.  B.  No.  41  und  42  aus  der  dritten  Folge  der  Lieder  und  Gesänge  (Verlag 
von  Ries  &  Erler),  oder  sein  Lied  nach  Goethes  ewig  herrlichem  «Nacht- 
gesang*, oder  die  Komposition  von  L.  Du  Bois  Reymond's:  „O  Welt,  du 
gibst  mir  Schauer  und  Wonnen",  eines  Gedichtes,  das  einen  Lieblings- 
gedanken Kellers  nicht  ungeschickt  paraph rasiert:  dort  ein  Zusammenweben 
verschiedener  Elemente  zu  einem  unendlich  fein  gestalteten,  von  tiefstem 
Stimmungszauber  erfüllten  einheitlichen  Gebilde,^  hier  die  wahrhaft  erhabene 


212 

DIE  MUSIK  VIL  22. 


Hymne  einer  in  leuchtendem  Glänze  sich  aubchwingenden  Melodie  zu 
einer  gleichmäßig  fortgeführten  akkordischen  Bewegung,  die  nicht  malt, 
nur  harmonisch  stfitzt.  Wer  derlei  Wundervolles  schaffen  kann,  ist  ein 
Meister  ersten  Ranges,*  dem  wir  zum  Genuße  berufenen  Menschen  fQr 
solche  Gaben  Dank  schuldig  sind. 

Diese  Lieder  wird  man  dereinst  ausdeuten  müssen,  wenn  es  einmal 
gilt,  in  eingehender  Weise  die  Summe  von  Mendelssohns  Künstlerart  zn 
ziehen  und  zu  begründen.  Innigkeit,  Wahrheit  und  Reinheit  des  Em- 
pfindens, Tiefe  und  Reichtum  der  Gedanken,  eine  große  Fülle  der  Ge- 
staltungskraft ward  ihm  zu  Teil  und  —  nicht  die  geringste  der  Gaben  — 
trotz  aller  Liebe  zu  ernsten  Dingen  eine  echte,  hohe  Weltfreudigkeit,  das 
Wort  im  Sinne  unseres  Meisters  Gottfried  von  Zürich  genommen.  Der 
glänzende  Beherrscher  der  Form  und  des  Kontrapunktes,  der  jeder  Stimmung 
den  entsprechenden  Ausdruck  zu  geben  weiß,  verleugnet  sich  nirgendwo  in 
den  Liedern;  charakteristisch  ist  aber  auch  hier  ebenso  wie  die  Wahl  der  Mittel 
das  Maßhalten  mit  ihnen,  ihr  Unterordnen  unter  den  höheren  Zweck  der  orgßi* 
nischen  Einheitlichkeit  eines  Werkes.  So  scheidet  Mendelssohn  auch  in  seiner 
Lyrik  einzelne  realistische  Darstellungsmittel  (vgL  .Unkenlied*,  «Tanz 
unter  der  Linde",  bei  dem  C.  M.  v.  Weber  in  etwas  vorbildlich  war  usw.) 
nicht  aus,  aber  sie  sind  nicht  als  Pointe  anzusprechen,  nicht  als  Endzweck, 
sie  sind  ein  Mittel  des  Gestaltens  neben  anderen.  Eine  Anzahl  der  Lieder 
ist  durch  die  Volkskunst  befruchtet  worden,  ohne  daß  man  dabei  von  stili- 
sierten Volksliedern  sprechen  könnte.  Zu  diesen  schönen  und  lieben  Weisen 
gehören:  „Das  bucklichte  Männlein*,  «Ein  altes  Liebesliedchen*, 
«Gotteskind*  u.  a.  m.  Mendelssohn  macht  in  ihnen  und  anderen  Gesingen 
auch  wohl  einmal  von  gewissen  konventionellen  Figuren  Gebranch.  Gott 
sei  Dank!  Er  ist  eben  nicht  originalitätswütig  und  weiß,  daß  von  solchen 
geringfügigen  Kleinigkeiten  Wert  oder  Unwert  der  Dinge  nicht  abhingt.    . 

So  knüpft  also  der  Liedkomponist  Mendelssohn  da  wieder  an,  wo. 
das  Lied  der  Deutschen  sein  Bestes,  Reifetes  und  Schönstes  fand;  die  durch 
Berlioz-Liszt  und  die  Neoromantik  bedingte  Abweichung  von  diesem  Wege, 
auf  der  Liszts  Wort-Tongebilde  liegt,  das  sich  Lied  wähnt,  aber  über  hier 
etwas  dramatisch,  dort  etwas  episch  gestaltete  Partieen  mit  kleinen  lyrischen 
Einschlägen  nicht  hinauskommt,  hat  Mendelssohn  nie  mitgemacht.  Er  fand 
über  Schubert  und  Hugo  Wolf  den  sicheren  Pfad.  Mendelssohn  ist 
eben  in  ausgeprägter  Weise  Lyriker,  und  zwar  ein  Lyriker  von  ursprflng- 
lieber  Ausdruckskraft. 

Die  Opern 

Die  Opern  würden  eine  ausführliche  Darlegung  rechtfertige;  sie 
läßt  sich  an  dieser  Stelle  nicht  geben.    Mendelssohn  veröffentlichte  Mäher 


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-MpB  NAGEL:  ARNOLD  MENDELSSOHN  SS 

»Elsi  die  seltsame  Magd''  und  »Der  Bärenhäuter".  Beide  Werke 
sind  von  H.  Wette  gedichtet.  Die  äußere  Geschichte  der  zweiten  Oper 
ist  bekannt;  sie  bildet  kein  Ruhmesblatt  für  die  deutsche  Bühne,  die  alle 
Veranlassung  hätte,  sich  Mendelssohns  anzunehmen.  Aber  es  ist  nun  in 
Deutschland  einmal  so:  die  Fürsten  lieben  in  ihrer  übergroßen  Mehrzahl 
das  ausländische  Produkt,  und  das  Publikum  insgesamt  liebt  trotz  allen 
chauvinistischen  Geschwätzes  und  trotz  Wagner  den  internationalen  Schund. 
In  den  beiden  Opern  steckt  ein  großer  Reichtum  schönster  und  charakter- 
voller Musik;  lyrische  Stücke  allerersten  Ranges  sind  darin;  nirgendwo  wird 
der  Hörer  mit  Banalitäten,  abgebrauchten  oder  gesuchten  Effekten  und 
Spielereien  abgefunden.  Zeichnung  und  Kolorit  sind  vortreiflich.  Aber 
eines  fehlt,  wenn  auch  nicht  durchaus:  der  spezifisch  dramatische  Nerv. 
Ich  spreche  das  als  meine  bescheidene  Meinung  aus,  die  Begründung  einer 
anderen  Gelegenheit  überlassend.  Doch  mag  diese  Ansicht  die  des  Theo- 
retikers sein,  der  die  Werke  nur  vom  Auszuge  her  kennt.  Hat  einmal 
der  öde  Schwindel,  der  die  Bühne  der  Gegenwart  wieder  einmal  beherrscht, 
abgewirtschaftet,  so  kommt  wohl  auch  Mendelssohns,  des  Opemkompo- 
nisten,  Tag.    Vielleicht  zeigt  er  mir,  daß  ich  Unrecht  habe. 

Sei  dem,  wie  immer.  Mendelssohn  hat  bewiesen,  daß  in  ihm  eine 
wahrhaft  schöpferische  Kraft  steckt.  Wer  sich  seinen  Werken  hingibt, 
der  wird  das  geradsinnige  tiefe  Empfinden  des  Künstlers,  seine  reiche 
Phantasie,  sein  mächtiges,  niemals  utopistisches  Wollen  und  sein  ge- 
waltiges Können,  seine  geistvolle  Gestaltungskraft,  seinen  Witz  und 
seinen  tiefgründigen  Humor  bewundem  lernen  und  den  Mann  selbst  lieb 
gewinnen.  Das  ist  eine  Prophezeiung,  für  die  ich  gerne  die  Verantwortung 
übernehme.  Und  auch  für  eine  andere  noch :  daß  der  Künstler  nicht  nur 
für  heute  geschaffen  hat.  Der  Blick  der  Zeit  ist  durch  allerlei  Trübsal 
und  Nebel  im  sozialen  wie  im  künstlerischen  Leben  getrübt.  Aber  einmal 
wird's  ja  wohl  wieder  hell  werden.  Und  wenn  sich  die  Menschen  der 
Ewigkeitswerte  in  der  Kunst  wieder  mehr  bewußt  geworden  sind,  dann 
wird,  dessen  bin  ich  gewiß,  auch  Mendelssohn  allgemein  unter  denen 
genannt  werden,  denen  mancher  glücklichen  Stunde  Hand  eine  Fülle  reiner 
und  beglückender  Kunst  uns  zu  dauerndem  Genüsse  schenkte. 


VIL  22.  15 


AMil  204  VMMI 

lIMg  DIE  MUSIK  VII.  22.  IMK 

Vor  einiger  Zeit  widersprach  mir  Mendelssohn  einmal  recht  energisch, 
als  ich  ihn  mit  der  Romantik  in  Verbindung  brachte.  Ihm  ist  wohl  die 
besondere  Richtung  des  Lebens,  die  wir  mit  diesem  Namen  verbinden, 
eine  Summe  von  Problemen  und  Problematischen,  die  seinem  klaren  Sinne, 
seiner  gefesteten  Weltanschauung  fremd  sein  müssen.  So  weit  gebe  ich 
ihm  unbedingt  nach.  Und  ich  empfinde  es  auch  als  eine  besondere  Frende, 
daß  er  den  extremen  Ausläufern  der  Romantik,  wie  sie  insbesondere  die 
französische  Spielart  der  ganzen  Richtung  erblühen  ließ.  Fremd  gegenüber- 
steht. Gleichwohl  besteht  zwischen  unserem  Künstler  und  der  Romantik  ein 
Zusammenhang,  wie  denn  alle  Komponisten  der  Gegenwart  von  Bedeutung 
aus  ihr  irgendwie  herausgewachsen  sind.  Die  Stoffwahl  seiner  Opern  be- 
dingt den  Zusammenhang  nicht  oder  doch  nicht  unbedingt;  aber  auch 
Mendelssohn  verwendet  ja  die  vielen  Ausdrucksmittel,  die  die  Romantik, 
wenn  sie  sie  auch  nicht  schuf,  doch  in  den  Mittelpunkt  der  kompositorischen 
Technik  stellte,  für  das  gesamte  Gebiet  seines  Schaffens;  er  hängt  an  der 
volkstümlichen  Kunst,  die  in  stilisierter  Form  zuerst  durch  die  Romantik 
nach  langer  Pause  wieder  Bedeutung  für  das  künstlerische  Wirken  er> 
langte.  Wer  die  besondere  Harmonik  der  romantischen  Kunst  kennt,  ihr 
Ziel,  die  Schranken  tonaler  Einheit  mehr  und  mehr  zu  lockern  nnd  die 
Dissonanz  als  das  treibende  Element  aller  harmonischen  Verbindung  vonm 
zu  stellen,  der  wird  weitere  Verbindungsfäden  zwischen  ihr  nnd  Mendels- 
sohn leicht  selbst  aufdecken  können. 

Daß  er,  ein  Meister  des  Kontrapunktes,  sich  gerne  auch  einmal  in 
strenger  polyphoner  Arbeit  ergeht,  spricht  nicht  gegen  das  Gesagte;  denn 
auch  Bachs  Kunst  und  die  seiner  Vorgänger  wurde  ja  erst  wieder  durch 
eine  indirekte  Einwirkung  der  Romantik  erschlossen. 

Das  romantische  Ideal  freilich  ist  nicht  auch  das  Mendelssohns;  er 
will  und  sucht  Klarheit;  alles  Verwaschene  und  Verschwommene  ist  ihm 
ein  Greuel;  Probleme  zu  konstruieren,  die  um  jeden  Preis,  auch  nm  den 
des  Wohlklanges  und  der  Schönheit  zu  lösen  sind,  ist  ihm  versagt  Hat 
er  gelegentlich  experimentiert,  so  war  das  nur  ein  kurzes  Durchgang»» 
Stadium.  Ihm  ist  seine  Kunst  ein  Mittel,  innere  Erlebnisse  und  Voi^glUige 
in  Tönen  widerzuspiegeln,  deren  Gewandung  den  reichsten  Farbenglans  — 
dies  ist  im  wesentlichen  der  romantische  Einschlag  in  seiner  Kunst  — 
fordert,  deren  formale  Gliederung  jedoch  nach  den  Gesetzen  der  Mnaik 
selbst,  nicht  nach  dem  Sinne  und  der  Weise  einer  anderen  Kunst  zu  ge» 
schehen  habe. 

So  besteht  ein  schroffer  Gegensatz  zwischen  Mendelssohn  und  Richard 
Strauß.  Bei  diesem  eine  raffiniert  ausgebildete  Sucht  zu  experimentieren, 
ein  unstillbarer  Trieb,  nach  neuen  Problemen  zu  bohren  und  mit  Gewalt  Tom 
historisch  Gewordenen   los  zu   kommen,  bei  Mendelssohn  die  Freude  am 


213 
NAGEL:  ARNOLD  MENDELSSOHN 


•Elsi  die  seltsame  Magd"  und  »Der  Bärenhäuter".  Beide  Werke 
sind  von  H.  Wette  gedichtet.  Die  äußere  Geschichte  der  zweiten  Oper 
ist  bekannt;  sie  bildet  kein  Ruhmesblatt  für  die  deutsche  Bfihne,  die  alle 
Veranlassung  hätte,  sich  Mendelssohns  anzunehmen.  Aber  es  ist  nun  in 
Deutschland  einmal  so:  die  Fürsten  lieben  in  ihrer  übergroflen  Mehrzahl 
das  ausländische  Produkt,  und  das  Publikum  insgesamt  liebt  trotz  allen 
chauvinistischen  Geschwätzes  und  trotz  Wagner  den  internationalen  Schund. 
In  den  beiden  Opern  steckt  ein  großer  Reichtum  schönster  und  charakter- 
voller Musik;  lyrische  Stücke  allerersten  Ranges  sind  darin;  nirgendwo  wird 
der  Hörer  mit  Banalitäten,  abgebrauchten  oder  gesuchten  Effekten  und 
Spielereien  abgefunden.  Zeichnung  und  Kolorit  sind  vortrefflich.  Aber 
eines  fehlt,  wenn  auch  nicht  durchaus:  der  spezifisch  dramatische  Nerv. 
Ich  spreche  das  als  meine  bescheidene  Meinung  aus,  die  Begründung  einer 
anderen  Gelegenheit  überlassend.  Doch  mag  diese  Ansicht  die  des  Theo- 
retikers sein,  der  die  Werke  nur  vom  Auszuge  her  kennt.  Hat  einmal 
der  öde  Schwindel,  der  die  Bühne  der  Gegenwart  wieder  einmal  beherrscht, 
abgewirtschaftet,  so  kommt  wohl  auch  Mendelssohns,  des  Opemkompo- 
nisten,  Tag.    Vielleicht  zeigt  er  mir,  daß  ich  Unrecht  habe. 

Sei  dem,  wie  immer.  Mendelssohn  hat  bewiesen,  daß  in  ihm  eine 
wahrhaft  schöpferische  Kraft  steckt.  Wer  sich  seinen  Werken  hingibt, 
der  wird  das  geradsinnige  tiefe  Empfinden  des  Künstlers,  seine  reiche 
Phantasie,  sein  mächtiges,  niemals  utopistisches  Wollen  und  sein  ge- 
waltiges Können,  seine  geistvolle  Gestaltungskraft,  seinen  Witz  und 
seinen  tiefgründigen  Humor  bewundern  lernen  und  den  Mann  selbst  lieb 
gewinnen.  Das  ist  eine  Prophezeiung,  für  die  ich  gerne  die  Verantwortung 
übernehme.  Und  auch  für  eine  andere  noch :  daß  der  Künstler  nicht  nur 
für  heute  geschaffen  hat.  Der  Blick  der  Zeit  ist  durch  allerlei  Trübsal 
und  Nebel  i/n  sozialen  wie  im  künstlerischen  Leben  getrübt.  Aber  einmal 
wird's  ja  wohl  wieder  hell  werden.  Und  wenn  sich  die  Menschen  der 
Ewigkeitswerte  in  der  Kunst  wieder  mehr  bewußt  geworden  sind,  dann 
wird,  dessen  bin  ich  gewiß,  auch  Mendelssohn  allgemein  unter  denen 
genannt  werden,  denen  mancher  glücklichen  Stunde  Hand  eine  Fülle  reiner 
und  beglückender  Kunst  uns  zu  dauerndem  Genüsse  schenkte. 


VIL  22.  15 


ALLERLEI 

Arnold  Mendelssobn-Darmstadi 


MllllllllllllllllllirTTTTT 


^n  jeder  Erkenntnis,  sorern  sie  nicht  rein  rormaler  Art  Ist,  bleibt 
'  ein  ungelSster  Reit;   und  die  Unterscbeldangen   des  Denkens 
sind   gegenüber  dem  Lebendigen  in  Natur  und  Kunst  unwahr, 
,  veil  dieses  stets  fibergängig  und  komplett  ist. 


Mir  scheint,  daß  in  bezng  auf  sogenannte  Tonmalerei  Unterschiede 
zu  machen  sind.  Musikalische  Nachahmung  von  speziellen  Geh5rs- 
eindrficken  Rllt  oft  ins  Läppische;  so  wenn  Haydn  das  Rind  oder  den 
LSwen  sich  musikalisch  vernehmen  ISQt;  oder  wenn  Beethoven  sein 
Vogellerzett  in  der  .Pastorale'  anstimmt.  Besser  steht  es  schon  mit  der 
musikalischen  Nachbildung  unbestimmter  Geriusche,  wie  die  vom  Vasser 
und  Tind.  Sehr  reizvoll  aber  sind  fQr  mich  diejenigen  Tonmalereien,  In 
denen  Gesichtseindrücke  durch  analoge  Formen  in  der  Musik  Ihr  Symbol 
finden:  Sonnenaufgang,  die  wogende  Saat,  ja,  das  Kriechen  des  Gevfirmt. 
Wie  kommt  das?  Ich.  glaube,  die  Ursache  der  Erscheinung  liegt  In  der 
fast  völligen  Idealität  der  musikalischen  Kunst.  Till  diese  eine  Verbindung 
mit  der  realen  Welt  eingehen,  so  mufi  mindestens  eine  Art  fteräfkiois 
tig  äXXo  yivos  stattfinden,  wenn  die  Musik  der  Realitit  gegattet  sich  nicht 
ausnehmen  soll  wie  Titania  in  den  Armen  des  Esels  Zettel. 


Originell  besagt  etwas  anderes  als  kurios;  docb  wird  oft  dem  bloß 
Kuriosen  in  der  Musik  der  hohe  Ehrenname  aOriginell*  zuteil,  E»  kann 
aber  ein  Tongebilde  sehr  apart  und  kurios,  und  doch  ganz  äufierlich  kon* 
zipiert  und  ganz  äußerlich  wirksam,  also  sehr  wenig  orj^nell  sein.  Und 
umgekehrt  braucht  eine  sehr  originelle,  d.  h.  aus  ursprfingllcher  Tiefe  des 
Innern  geschSpfte,  Musik  iußerlich  gar  nichts  Absonderliches  zu  haben. 

Eigentlich  sollte  der  Künstler  nur  nach  Ori^nalitSt,  d.  b.  nach  Wahr- 
heit und  Innigkeit,  streben;  doch  hat  auch  die  Bemühung  um  das  Kurios- 


217 
MENDELSSOHN:  ALLERLEI 


eine  Vision,  daher  auch  sein  Produkt  die  Phantasie  des  Hörers  nach  der 
visionären  Seite  hin  anregt,  so  daß  charakteristisch  scharf  umschriebene 
Gestalten  und  leuchtende  Farben  dem  innem  Auge  erscheinen;  der  bloße 
Gefühlsmusiker  ffihlt  und  hört,  sieht  aber  nicht,  oder  nur  unbestimmt, 
daher  dem  Hörer  keine  oder  nur  verschwommene  Bilder  bei  seiner  Musik 
erscheinen.  Sehr  ausgeprägte  Exemplare  der  einen  Gruppe  können  solche 
der  andern  nicht  leiden.  Die  Augenmusiker  scheinen  den  anderen  kalt, 
verstandesmäßig,  reflektiert;  diese  jenen  verschwommen,  matt  und  trübe. 
Man  weiß  von  der  heftigen  Abneigung  Wolfs  gegen  Brahmssche  Musik. 


Dem  heutigen  Geschmack  sagt  Bachs  begleitetes  Rezitativ  oder  Arioso 
mehr  zu,  als  seine  Arie.  Nach  » Betrachte  meine  Seel"  oder  »Am  Abend, 
da  es  kühle  war"  werden  die  Arien,  die  nach  des  Meisters  Absicht  durch 
diese  Stücke  nur  vorbereitet  werden  sollten,  meist  gestrichen.  Wir  fühlen 
uns  bei  den  Arien  belästigt  durch  das  entschiedene  Vorwalten  des  musi- 
kalischen Prinzips  im  formalen  Sinne,  nebst  dadurch  eintretenden  und 
gerechtfertigten  Textwiederholungen.  Haben  ja  doch  die  Ariosi  Stimmung 
genug,  und  die  Sache  wird  dabei  rascher  expediert:  für  das  eigentlich 
musikalische  Sichausleben  der  Musik  nach  selbsteigener  innerer  Kausalität 
haben  wir  weder  Zeit  noch  Sinn.  Man  schilt  ein  Stück,  in  dem  die 
Musik  als  Selbstherrscherin  hervortritt,  heute  » formalistisch"  und  »kalt*. 
Bach  würde  etwa  antworten:  Ist  denn  die  jpForm*  notwendig  leer?  Ist 
die  geistige  Helle  und  Kühle,  eine  der  schönsten  Wirkungen  der  „Form*, 
nicht  ein  ästhetisch  vornehmerer  Zustand,  als  der  durch  naturalistische 
Sensationen  hervorgerufene  rauschartiger  Erregung?  Physiologische 
Wirkungen  durch  Musik  spürt  auch  ein  Gaul,  wie  schon  der  Verfasser 
des  Hiob  weiß  (s.  Hiob,  c.  39,  v.  25).  Wollt  ihr  euch  der  Kunst  gegenüber 
nicht  anders  verhalten,  als  so  einer?  Nennt  ihr  das  Kultur?  Bildung? 
Ihr  gebildet?  Barbaren  seid  ihr,  und  noch  dazu  »Mit  schändlich  kurzer 
Srim-! 


C-dur.  Daß  die  Tonarten  sich  im  Charakter  unterscheiden,  kann 
bestritten  werden;  denn  Empfindungsdiiferenzen  können  niemandem  an- 
demonstriert werden.  Seine  Richtigkeit  hat  es  aber  damit;  das  beweist 
die  Abneigung  jedes  feinhörigen  Musikers  gegen  Transpositionen;  desgleichen 
die  Obereinstimmung  der  Meister  in  der  Verwendung  der  Tonarten  zum 
Zweck  der  Charakteristik.  Der  Grund  der  Erscheinung  liegt  meines  Er- 
achtens  in  der  verschiedenen  verwandtschaftlichen  Beziehung  der  Tonarten 
zur   Normaltonart  C-dur.    G-dur  hat  dadurch  sozusagen  absoluten  Ober- 


218 
DIE  MUSIK  VII.  22. 


dominintcbarakter,  F-dur  absoluten  Unterdominanlcbankter.  la  D^lar  ist 
der  Oberdominantcbarakter  potenziert,  desgleichen  in  B-dnr  der  Untere 
dominintcbarakter,  u.s.r.;  daber  endlich,  wo  sich  die  zwei  Rdben  Inder 
temperierten  Stimmung  begegnen,  Ges-dur  (dumpf,  veich,  dtmkel)  und 
Fls-dur  (gereizt,  bell,  scharf)  den  grBfllen  Gegensatz  des  Charakters  baben; 
in  der  Idee;  trotz  der  Identitit  der  TonhShe. 

Warum  ist  aber  C-dur  Normaltonart?  Vielleicht  ist  der  Grund  onr 
Gewohnheit.  Unsere  Tasteninstrumente  stehen  in  C-dur;  denn  sie  stellen 
die  dieser  Leiter  fremden  Tasten  aufler  der  Reihe.  Auch  das  Streich- 
quartett steht  durch  die  tiefsten  Saiten  von  Cello  und  Bratsche  auf  C. 
Endlich  sieht  sogar  die  Notenschrift  C-dur  als  normal  an,  da  sie  die  dieser 
Leiter  fremden  Tfine  durch  besondere  Zeichen  jt  und  >  hervorhebt.  Seit 
wann  besteht  diese  Bevorzugung  von  C-dur?    Tas  war  Ihre  Ursache? 

Das  sollen  uns  die  Musikgelehrten  erzählen. 


217 
MENDELSSOHN:  ALLERLEI 


eine  Vision,  daher  auch  sein  Produkt  die  Phantasie  des  Hörers  nach  der 
visionären  Seite  hin  anregt,  so  daß  charakteristisch  scharf  umschriebene 
Gestalten  und  leuchtende  Farben  dem  innem  Auge  erscheinen;  der  bloße 
Gefühlsmusiker  fühlt  und  hört,  sieht  aber  nicht,  oder  nur  unbestimmt, 
daher  dem  Hörer  keine  oder  nur  verschwommene  Bilder  bei  seiner  Musik 
erscheinen.  Sehr  ausgeprägte  Exemplare  der  einen  Gruppe  können  solche 
der  andern  nicht  leiden.  Die  Augenmusiker  scheinen  den  anderen  kalt, 
verstandesmäßig,  reflektiert;  diese  jenen  verschwommen,  matt  und  trübe. 
Man  weiß  von  der  heftigen  Abneigung  Wolfs  gegen  Brahmssche  Musik. 


Dem  heutigen  Geschmack  sagt  Bachs  begleitetes  Rezitativ  oder  Arioso 
mehr  zu,  als  seine  Arie.  Nach  »Betrachte  meine  Seel**  oder  »Am  Abend, 
da  es  kühle  war"  werden  die  Arien,  die  nach  des  Meisters  Absicht  durch 
diese  Stücke  nur  vorbereitet  werden  sollten,  meist  gestrichen.  Wir  fühlen 
uns  bei  den  Arien  belästigt  durch  das  entschiedene  Vorwalten  des  musi- 
kalischen Prinzips  im  formalen  Sinne,  nebst  dadurch  eintretenden  und 
gerechtfertigten  Textwiederholungen.  Haben  ja  doch  die  Ariosi  Stimmung 
genug,  und  die  Sache  wird  dabei  rascher  expediert:  für  das  eigentlich 
musikalische  Sichausleben  der  Musik  nach  selbsteigener  innerer  Kausalität 
haben  wir  weder  Zeit  noch  Sinn.  Man  schilt  ein  Stück,  in  dem  die 
Musik  als  Selbstherrscherin  hervortritt,  heute  »formalistisch"  und  »kalt*. 
Bach  würde  etwa  antworten:  Ist  denn  die  »Form"  notwendig  leer?  Ist 
die  geistige  Helle  und  Kühle,  eine  der  schönsten  Wirkungen  der  »Form", 
nicht  ein  ästhetisch  vornehmerer  Zustand,  als  der  durch  naturalistische 
Sensationen  hervorgerufene  rauschartiger  Erregung  ?  Physiologische 
Wirkungen  durch  Musik  spürt  auch  ein  Gaul,  wie  schon  der  Verfasser 
des  Hieb  weiß  (s.  Hieb,  c.  39,  v.  25).  Wollt  ihr  euch  der  Kunst  gegenüber 
nicht  anders  verhalten,  als  so  einer?  Nennt  ihr  das  Kultur?  Bildung? 
Ihr  gebildet?  Barbaren  seid  ihr,  und  noch  dazu  »Mit  schändlich  kurzer 
Stirn"! 


C-dur.  Daß  die  Tonarten  sich  im  Charakter  unterscheiden,  kann 
bestritten  werden;  denn  Empfindungsdiiferenzen  können  niemandem  an- 
demonstriert werden.  Seine  Richtigkeit  hat  es  aber  damit;  das  beweist 
die  Abneigung  jedes  feinhörigen  Musikers  gegen  Transpositionen;  desgleichen 
die  Übereinstimmung  der  Meister  in  der  Verwendung  der  Tonarten  zum 
Zweck  der  Charakteristik.  Der  Grund  der  Erscheinung  liegt  meines  Er- 
achtens  in  der  verschiedenen  verwandtschaftlichen  Beziehung  der  Tonarten 
zur  Normaltonart  C-dur.    G-dur  hat  dadurch  sozusagen  absoluten  Ober- 


220 
DIE  MUSIK  VIL  22. 


Es  galt,  Humperdincks  Märchenoper  »Hansel  und  Gretel**  einzustudieren. 
Die  Bekanntschaft  mit  diesem  Märchenspiele  gab  seinem  dunklen  musi- 
kalischen Bildungsdrang  endlich  ein  festes  Ziel.  Er  war  bis  jetzt  Auto* 
didakt  gewesen,  er  »konnte"  eine  Menge,  wußte  aber  so  gut  wie  nichts 
und  erkannte,  wenn  jemand,  so  könne  nur  der  Komponist  von  »Hinsei 
und  Gretel"  ihn  lehren,  was  ihm  fehle.  Dieser  Augenblick  bedeutet  also 
eine  entscheidende  Wendung  in  Blechs  kfinstlerischem  Werden. 

Als  sich  Blech  schriftlich  an  Humperdinck  gewendet  hatte  und 
ihm  als  Probe  seines  erreichten  Könnens  die  Partitur  seiner  Oper 
»Cherubina"  ubersandt  hatte,  erwiderte  der  Meister,  er  wisse  eigentlich 
nicht,  was  er  ihn  lehren  könne.  Denn  was  Blech  als  Opemkomponist 
brauche,  das  könne  er  schon.  Allein  Blech  erklärte,  er  wolle  erfahren, 
warum  das,  was  er  gemacht  habe,  richtig,  warum  es  so  und  nicht  anders 
richtig  sei,  kurz  er  verlange  eine  theoretische  Kontrolle  seines  Schaffens. 
Kaum  daß  die  Theater ferien  begonnen  hatten,  reiste  Blech  im  Juni  1895 
zu  Humperdinck  nach  Frankfurt  am  Main,  und  nun  wurde  so  zu  sagen 
vom  A-B-C  der  Tonkunst  angefangen.  Als  dann  Humperdinck  im  Sommer 
nach  Marienburghausen,  ein  stilles  Bröhltaldorf,  zog,  traten  die  beiden 
einander  auch  menschlich  näher  und  hier  wob  sich  das  Band  einer  nnzer- 
trennlichen  Freundschaft,  von  hier  datiert  die  rfihrende  Pietät,  mit  der 
Blech  an  seinem  über  alles  verehrten,  künstlerischen  Führer  und  Meister 
bis  zum  heutigen  Tage  hängt.  Ich  hatte  vor  geraumer  Zeit  Gel^enheit» 
in  das  mit  peinlicher  Sorgfalt  geschriebene  Aufgabenbuch  Leo  Blechs  Ein- 
sicht zu  nehmen  und  daraus  den  Humperdinckschen  Lehrgang  zu  erfkhren, 
und  darf,  ohne  mich  hier  in  Details  einlassen  zu  müssen,  behaupten,  daß 
die  in  Humperdincks  Gesellschaft  verbrachten  Tage  für  Blech  überaus 
lehrreich  waren.  Er  hatte  begonnen,  sich  ein  Fundament  zu  schaffen,  so 
fest  wie  er  es  im  Hochfluge  seiner  Künstlerträume  vor  der  Hand  nur 
wünschen  konnte.  Aber  erst  das  zweite  Lehrjahr,  die  Zeit  vom  1.  April 
bis  1.  September  1896,  die  er  mit  Humperdinck  teils  wieder  in  Frankfurt 
am  Main,  teils  in  Poppeisdorf  verlebte,  sollte  ihm  die  höchste  technische 
Weihe  spenden.  Blech  war  übrigens  auch  später  durch  einige  Jahre 
während  der  Sommerferien  regelmäßig  Gast  bei  seinem  Freunde  and 
Lehrer,  der  ihm  in  theoretischen  »Stunden*  oder  in  zwanglosen  Gesprlchen 
über  die  Musik  und  ihre  Meister  den  reichen  Schatz  seines  Wissens 
übermittelte.  Über  Richard  Wagner,  Liszt,  Mozart,  Ix>rtzing  usw.  empfing 
Blech  hier  die  wertvollsten  Aufschlüsse.  Im  Herbst  trat  er  dann  stets 
sein  Amt  als  Dirigent  am  Stadttheater  in  Aachen  an,  wo  er  mittlerweile 
in  die  Stellung  eines  ersten  Kapellmeisters  aufgerückt  war. 

Merkwürdig  spielt  oft  der  Zufall  im  Menschenleben.  Bei  der  Ur» 
aufführung  der  Kienzischen  Oper  »Don  Quixote*  traf  Fumagalli,  der  anter 


IBIg  RYCHNOVSKY:  LEO  BLECH  SHfc- 

Blechs  Taktstock  kurz  zuvor  in  Aachen  gesungen  hatte,  mit  Direktor  Angelo 
Neu  mann  vom  königlichen  Deutschen  Landestheater  in  Prag  zusammen  und 
rühmte  ihm  die  Tüchtigkeit  des  jungen  Dirigenten.  Sofort  stellte  Direktor 
Neumann,  der  als  Mann  des  raschen  Zugreifens  bekannt  ist,  an  Blech  tele* 
graphisch  einen  Antrag  und  lud  ihn  zum  Probedirigieren  im  Rahmen  der 
von  ihm  ins  Leben  gerufenen  Maifestspiele  für  »Lohengrin*,  «Tristan* 
und  die  »Meistersinger''  ein.  Es  ging  damals  in  Prag  lebhaft  zu.  Gäste 
kamen  und  Gäste  gingen.  In  dem  Trubel  achtete  man  des  fremden  Mannes 
mit  dem  noch  unberühmten  Namen  am  Dirigentenpult  nur  wenig.  Die 
ersten  Abende  lobte  man  ihn,  in  den  » Meistersingern"  flaute  die  Stimmung 
etwas  ab,  zumal  in  den  Reihen  der  Sänger,  deren  manche  sich  durch 
sein  strenges  Regiment  beunruhigt  fühlen  mochten.  Aber  das  Orchester 
trat  entschieden  für  ihn  ein,  und  da  die  in  Theaterdingen  damals  einfluß- 
reiche jpBohemia"  sich  nach  den  Meistersingern  für  Blech  erklärte,  kam 
der  Vertrag  zustande.  Blech  ward  erster  Kapellmeister  am  königlichen 
Deutschen  Landestheater  in  Prag. 

Im  September  1899  trat  der  damals  28  jährige  neue  Kapellmeister  seine 
Stellung  an,  in  der  er  bis  zum  1.  September  1906  gewirkt  hat.  Wie  groß 
der  Umfang  seiner  Tätigkeit  an  der  Prager  Bühne  gewesen  ist,  erhellt 
wohl  am  besten  aus  der  Zahl  der  in  der  Moldaustadt  von  ihm  einstudierten 
Opern  und  Opernneuheiten.  Ohne  Vollständigkeit  erzielen  zu  wollen, 
nenne  ich  d'Albert's  »Abreise",  »Kain",  »Tiefland";  Bachs  »Lady  Long« 
ford";  Blechs  »Das  war  ich",  »Alpenkönig  und  Menschenfeind", 
»Aschenbrödel";  Cornelius'  »Cid";  Enna's  »Streichholzmädel";  Glucks 
»Alceste",  die  beiden  »Iphigenien",  »Maienkönigin";  Heubergers  »Bar- 
füßele";  Marschners  »Vampyr";  Massenet's  »Herodias"  und  »Manon"; 
delaNux'  »Zaire*;  Puccini's  »Tosca";  Saint-Sa6ns'  »Samson  und  Dalila"; 
Spontini's  »Cortez*;  Richard  Strauß'  »Guntram"  und  »Salome";  Schu- 
manns »Genoveva";  Webers  »Euryanthe";  Weis'  »Der  polnische  Jude" 
und  »Die  Dorfmusikanten";  Weingartners  »Genesius";  Siegfried  Wagners 
»Kobold";  Urspruchs  »Das  Unmöglichste  von  allem**;  Wolf-Ferrari's 
»Die  neugierigen  Frauen";  Zichy's  »Gemma". 

Dazu  kommt  noch  die  lange  Reihe  der  Repertoireopem,  besonders 
der  Wagnerschen  Werke  mit  alleiniger  Ausnahme  des  Rienzi  und  natürlich 
des  Parsifal,  sowie  seine  Tätigkeit  als  Leiter  der  von  Angelo  Neumann 
mit  dem  Theaterorchester  jährlich  veranstalteten  vier  philharmonischen 
Konzerte,  die  gerade  unter  ihm  einen  auch  äußerlich  enormen  Aufschwung 
nahmen  und  jetzt,  nach  jahrelangem  kümmerlichen  Vegetieren,  zu  den 
glinzendsten  Manifestationen  des  Prager  Musiklebens  geworden  sind.  Bei 
diesen  Konzerten  hat  Blech  auch  am  Klavier  seinen  Ruf  als  hervor- 
ragender Begleitungskünstler  begründet. 


m 


222 
DIE  MUSIK  VII.  22. 


m 


Es  heißt  keine  übertreibende  Ruhmesphrase  vorbringen,  sondern .  eine 
ganz  allgemein  zugestandene  und  von  maßgebenden  Beurteilem  oft  genug  aus- 
gesprochene Tatsache  feststellen,  wenn  man  Blech  den  vorzäglichsten  Diri- 
genten der  Gegenwart  zuzählt.  Dazu  stempelt  ihn  nicht  allein  seine  ungemeine 
Technik  des  Dirigierens,  sondern  auch  die  angeborene  Gabe,  sich  mit  dem 
Orchester  auf  künstlerischem  Wege  augenblicklich  zu  verständigen.  Blech 
gehört  zu  den  analytischen  Dirigenten.  » Deutlich  bis  ins  einzelne*  ist  seine 
Devise,  und  wenn  andere  ihre  Stärke  im  riesenhaften  Aufbau  entwickelten, 
so  bewundem  die  Kenner  Blech  am  meisten  dort,  wo  der  rhjrthmische 
Fluß,  die  feine  Gliederung  der  Melodie,  die  Klarlegung  des  vielstimmigea 
Gewebes,  die  zarte  Abtönung  der  Klangfarben  in  Frage  kommen.  Be- 
sonders als  Mozart-,  Weber-  oder  Bizet-Dirigent  findet  Blech  wenige 
seinesgleichen.  Aber  auch  seine  Interpretation  der  Modernsten  wie  Richard 
Strauß  und  Gustav  Mahler  ist  in  Wahrheit  kongenial.  Dabei  besitzt  er 
einen  überaus  scharfen  Blick  für  die  Szene  und  versteht  es,  das  dramatische 
Moment  auch  in  den  Werken  der  älteren  Meister  zu  erfassen,  den  innigsten 
Zusammenhang  zwischen  der  Musik  und  dem  szenischen  Vorgang  deatlich 
herzustellen.  Zudem  waltet  überall  sein  angeborener  Sinn  f8r  natfiriichen, 
aber  wohl  pointierten  Ausdruck,  herrscht  fiberall  das  Verständnis  fDr  die 
Psychologik  der  Musik.  Die  durchsichtige,  den  individuellen  Charakter 
der  einzelnen  Singenden  wahrende  Disposition  des  Ensembles,  die  atem- 
versetzenden Tempi  seiner  Plapper-  und  Flüsterszenen,  die  sprfihende 
Lebendigkeit,  der  gleitende  muntere  Konversationston  seiner  Lastspiel- 
dialoge werden  allerorts  als  eine  Spezialität  betrachtet  werden  mfissen. 
Kein  Wunder,  daß  unter  solchen  Umständen  gerade  die  Meistersinger  das- 
jenige unter  den  Wagnerschen  Werken  sind,  das  er  am  meisten  liebt  und 
am  besten  dirigiert. 

Auf  den  Höhepunkt  seiner  künstlerischen  Leistungen  angelangt,  er- 
hielt Blech  die  Berufung  an  die  königliche  Oper  nach  Berlin,  also  an  eine 
Stelle,  die  seinen  künstlerischen  Fähigkeiten  am  angemessensten  ist 
Welchen  Platz  er  sich  in  der  kurzen  Zeit  seiner  Wirksamkeit  in  Spree- 
Athen  bereits  widerspruchslos  erobert  hat  und  welchen  Einfluß  er  achliefi- 
lich  auf  die  Berliner  musikalischen  Verhältnisse  kraft  seiner  ausgesprochenen 
Künstlerindividualität  nehmen  wird,  das  jetzt  schon  zu  erörtern,  wäre  ver^ 
früht.  Wir  dürfen  aber  überzeugt  sein,  daß,  wo  künstlerische  Krifke  sich 
regen,  Leo  Blech  auch  in  Berlin  immer  im  Vordergrund  zu  flnden  sein  wird. 


223 
RYCHNOVSKY:  LEO  BLECH 


IL 

Kleinere  Kompositionen 

In  die  erste  Kapellmeisterzeit  Leo  Blechs  gehören  mehrere  deutsch 
und  französisch  erschienene  Lieder,  die  alle,  wenn  darin  auch  das  Ringen 
mit  der  Form  nicht  zu  verkennen  ist,  in  der  Disposition  dem  Texte  genau 
angepaßt  sind  und  —  ein  Grundsatz,  dem  Blech  nie  untreu  geworden  ist  — 
eine  korrekte  Behandlung  der  Sprache  erkennen  lassen.  Die  späteren 
Lieder  Blechs  kann  man  ohne  Zwang  in  zwei  Gruppen  scheiden.  Daß 
Blech  Goethe  und  Heine,  Engels,  Blüthgen  und  Busse  vertont,  verrät 
seinen  innersten  Sinn  ebenso,  wie  zugunsten  seiner  Persönlichkeit  der 
Umstand  spricht,  daß  er  selbst  dort,  wo  er  von  anderen  schon  vertonte 
Gedichte  nochmals  in  Musik  setzt,  in  Ehren  bestehen  kann,  und  das  aus 
dem  einfachen  Grunde,  weil  er  seine  eigene  Sprache  spricht.  Es  wfirde 
zu  weit  ffihren,  auf  diese  Lieder,  die  im  Verlage  von  Heinrichshofen  in 
Magdeburg  und  Naus  in  Aachen  erschienen  sind,  näher  einzugehen.  Es 
genügt  der  Hinweis,  daß  sich  Blech  in  allen  diesen  Gesängen  bereits  als 
der  moderne  Musiker  offenbart,  dessen  Eigenart  die  Differenzierung  der 
Stimmung  ist  und  der  die  im  Texte  gelegene  psychologische  Grundlage 
durch  die  Musik  ausbeutet. 

Ganz  anders  sind  die  auf  den  gemütlichen,  man  wäre  versucht  zu 
sagen,  Humperdinckschen  Ton  gestimmten  Lieder.  Hier  wird  immer  in 
einfachen  Linien  gezeichnet.  »Großmütterchen  erzählt  den  Kindern'' 
(Verlag  Schott)  oder  »Das  Zeislein''  (Verlag  Naus)  bildet  durch  seinen 
traulich  -  warmen,  liebenswürdigen  Ton  einen  wertvollen  Bestandteil  des 
Hausmusikschatzes.  Hierher  gehört  auch  das  am  meisen  bekannte  «'s  schlaf- 
rige  Deandl*",  das  Blech  einmal  auf  einer  Reise  von  Köln  in  den  »Fliegenden 
Blättern*  gelesen  und  noch  im  Eisenbahncoup6  vom  Fleck  weg  kompo- 
niert hat. 

Von  seinen  Kompositionen  aus  letzter  Zeit  sei  das  bei  Bote  &  Bock 
verlegte  opus  16  genannt,  das  das  liebenswürdige  »Wiegenlied  für  meinen 
Jungen",  die  zart-innige  »Liebesprobe''  und  die  weihevollste  Abendstimmung 
atmende  »Sommerlaube"  enthält.  Ein  Musterbeispiel  für  die  außerordent- 
lichen Wirkungen,  die  Blech  mit  ganz  einfachen  technischen  Mitteln  erzielt, 
ist  das  in  Nr.  20  der  Berliner  Wochenschrift  »Morgen*  erschienene 
»Ghasel*.  Und  welches  sind  diese  Mittel?  Quintenparallelen  innerhalb 
zweitaktiger  Perioden.  Sein  letztes  zu  den  Kompositionen  kleineren  Um- 
fangs  gehöriges  Werk  ist  »Der  galante  Abb6",  elf  Chansons  und  Lieder,  ge- 
dichtet von  Emmy  Destinn,  der  schöngeistigen  Berliner  Hofopemsängerin. 
Der  Verlag  Bote  &  Bock  hat  diese  Chansons  als  Blechs  opus  17  auf  den 
Markt  gebracht.     Die  Dichterin  erzählt  uns  den  Herzensroman  einer  stark 


SBB  DIE  MUSIK  VII.  22.  8S 

erotisch  angehauchten  Dame,  die  kein  heißeres  Sehnen  kennt  als  die  »weiße 
schmale"  Hand  ihres  galanten  Abb6s  zu  küssen.  Des  Abb6s,  der  kokett 
vor  dem  Spiegel  Toilette  macht  und  sein  Ebenbild  im  Spiegel  bewundernd 
küßt.  Blech  zeigt  sich  dieser  Dichtung  gegenüber  von  einer  neuen  Seite. 
Seine  Musik  bezaubert  durch  aparte  Rhythmik  und  geradezu  französischen 
Esprit.  Jedes  einzelne  Lied  ist  in  der  Form  so  fein  ziseliert,  daß  man 
unwillkürlich  nn  Meisterstücke  alter  Goldschmiedekunst  erinnert  wird. 

Von  den  bei  Naus  erschienenen  Chören  wird  in  den  Rheinlanden 
der  dreistimmige  Frauenchor  mit  Orchesterbegleitung  «Von  den  Englein* 
oft  gesungen.  Bei  aller  Volkstümlichkeit  und  Liebenswürdigkeit  ein 
schwieriger  Chor,  der  eine  ausgezeichnete  Beherrschung  der  Parlando* 
technik  verlangt.  An  Schwierigkeit  gibt  diesem  Werke  die  stimmung»- 
reiche  »Sommernacht**  für  gemischten  Chor  und  Orchesterbegleitung  nicht 
viel  nach.  Blech  verwendet  in  beiden  Chören  mit  Vorliebe  die  enhar- 
monischen  Verwechslungen  im  Gesangsteile  und  erzielt  damit  ganz  über- 
raschende Klangwirkungen. 

Eine  Reihe  kleinerer  Kompositionen  verschiedenster  Art  wie  Ge* 
sangsquartette,  Liederbearbeitungen,  Stücke  für  Cello  und 
Klavier,  Instrumentationen  berühmter  Klavierstücke  und  vier- 
händige Klavierkompositionen  sind  im  Süddeutschen  Musikverlag 
in  Straßburg  erschienen.  Besonders  auf  die  «Zehn  Kleinigkeiten* 
(op.  11)  möchte  ich  nachdrücklich  hinweisen,  einesteils  wegen  der 
quellenden  Erfindung,  die  ihnen  eignet,  anderesteils  wegen  der  prichtigen 
Detailarbeit,  die  den  musikalischen  Feinschmecker  in  jedem  Takte 
interessieren  muß.  Es  sind  allerliebste  Nippes,  die  ohne  Zweifel 
eine  Bereicherung  der  Originalliteratur  für  Klavier  zu  vier  HInden 
bedeuten.  Man  unterschätze  diese  »Kleinigkeiten*  nicht.  Mag  die  Form 
auch  dem  Komponisten  nach  mehr  als  einer  Seite  hin  Beschränkung  auf- 
erlegen, jedenfalls  sind  alle  diese  Stückchen  so  einheitlich  geschlossen, 
daß  sie  das  Dichterwort  bestätigen,  daß  sich  erst  in  der  Beschränkung 
der  Meister  zeigt. 

in. 

Die  symphonischen  Dichtungen 

Von  Otto  Julius  Bierbaums  gleichnamigem  Gedichte  angeregt,  schrieb 
Blech  seine  erste  symphonische  Dichtung  »Die  Nonne*.  Der  Partitnr 
schickte  der  Komponist  die  nicht  unbegründete  Bemerkung  voraus,  daß  er 
den  Abdruck  des  Gedichtes  auf  dem  Konzertprogramm  nicht  wünsche;  er 
habe  die  Beobachtung  gemacht,  daß  der  größte  Teil  des  Publikums  sich 
um   jeden   möglichen  Genuß  bringe,   indem  er  fortwährend  im  Pragramm 


225 
RYCHNOVSKY:  LEO  BLECH 


MM 


mitlese,  jede  Zeile  verfolge  und  sich  erklären  wolle  und  so  mit  dem 
Verstand  aufzunehmen  suche,  was  sich  doch  zunächst  nur  an  die 
musikalische  Phantasie  richte.  Man  sollte,  meint  Blech,  den  Zuhörer 
gewissermaßen  zum  Genüsse  zwingen,  indem  man  ihm  die  Möglichkeit 
nehme,  sich  den  Genuß  zu  verderben.  Er  empfiehlt  schließlich  vor  Be- 
ginn des  Orchesterwerkes  das  Gedicht  deklamieren  zu  lassen.  Dadurch 
würde  vielmehr  Vorstimmung  geschaffen  als  durch  den  Abdruck  des  Ge- 
dichtes. Also  schon  hier  der  Ansatz  zur  bewußten  Abkehr  vom  detaillierten 
Programm,  seither  das  allgemeine  Losungswort  der  modernen  Programm- 
musiker. 

Die  Musik  zur  »Nonne*^  schildert  das  Schwanken  einer  nach  Freiheit 
und  Liebesgenuß  verlangenden  Nonne  zwischen  erotischer  Leidenschaft  und 
Resignation.  Unter  den  Motiven,  in  deren  Kombination  und  Umbildung 
sich  strenge  Arbeit  und  reiche  Phantasie  betätigen,  sei  gleich  das  erste 
vom  Kontrabaß  leise  intonierte  Motiv  hervorgehoben,  das  den  unruhigen, 
schweren  Schlaf  der  armen  Sünderin  überaus  anschaulich  schildert: 

Cb. 

VP 


[3^itrr    J  H^    J^  I  J    J    j   g 


3=^ 


-&■ 


dann  der  schlichte,  volkstümlich  ernste  Choral,  der  in  pompöser  Steigerung 
den  mächtigen,  wirkungsvollen  Gipfel  des  Ganzen  bildet: 


Seine  ersten  Theaterferien  als  Prager  Kapellmeister  verlebte  Blech 
in  Aachen.  Dort  entstanden  in  zwei  aufeinander  folgenden  Jahren  die  sym- 
phonischen Dichtungen  »Trost  in  der  Natur*  und  «Die  Wald  Wanderung*. 
Beide  Werke  sind  also  nicht  willkürliche  Schöpfungen  seiner  Phantasie, 
sondern  wurzeln  in  echten  Sommererlebnissen,  die  der  Künstler  eben 
nicht  anders  als  in  seiner  eigenen  Sprache,  das  heißt  musikalisch  wieder- 
geben konnte;  sie  zeigen  Blechs  kompositorisches  Schaffen  in  zunehmender 
Reife.  Das  als  Barkarole  bezeichnete  symphonische  Werk  »Trost  in  der 
Natur*  ist  bei  Brockhaus  in  Leipzig  erschienen.  Man  kann  diesem  Werk 
vorwerfen,  daß  sein  Titel  den  Inhalt  nicht  bestimmt  genug  kennzeichnet, 
wird  aber  zugestehen  müssen,  daß  es  nicht  leicht  ist,  einen  anderen  viel- 


226 
DIE  MUSIK  VII.  22. 


leicht  passenderen  zu  finden.  Der  Held  des  Ganzen  verscheacht  die 
Widerwärtigkeiten,  die  ihm  im  Leben  passieren,  durch  die  Flucht  in  die 
Natur.  Da  ertönt  schon  das  Hauptthema  der  Barkarole,  die  uns  andeutet, 
daß  Vergessen  und  Erholung  auf  dem  Wasser  liegen;  nichts  vertreibt 
Ärger  und  Grillen  besser  als  eine  Kahnfahrt  auf  dem  FluB: 


W^^  ^- :^  j\  ^JT^  i.  ij  :^  :S  ^^'^  iL^h.^ 


usw. 


Die  Melodie  der  Barkarole  wird  zur  Trostweise,  die  in  ungezählten  Nach- 
ahmungen und  kanonischen  Führungen  an  unser  Ohr  dringt  Da  auf 
einmal  ändert  sich  die  Szene.  Vierfach  geteilte  Celli  lassen  ein  zartes 
Gesangsthema  in  A-dur  erklingen: 


IS 


PP 


^üSB 


Es  ist,  als  ob  von  Feme  eine  selige  Insel  winkte.  Wie  neubelebter 
Ruderschlag  setzt  das  Barkarolenthema  wieder  ein  und  eine  bewundemngs- 
wfirdige  Verknüpfung  der  Themen  gibt  uns  die  Gewißheit,  daß  der  an* 
fangs  so  übel  gelaunte  Stadtmensch  bei  jenem  Eilande  wirklich  seinen 
Trost  in  der  Natur  gefunden  hat. 

Die  »Waldwanderung**  hat  Schott  in  Mainz  verlegt  Sie  wurde  am 
20.  November  1901  in  Prag  zum  erstenmal  gespielt.  Anläßlich  ihrer 
Aufführung  auf  der  Tonkünstlerversammlung  zu  Krefeld  brachte  die 
„Musik''  eine  Analyse  dieses  Werkes,  so  daß  es  mit  Rücksicht  auf  den  mir 
zur  Verfügung  stehenden  Raum  nicht  unumgänglich  notwendig  ist,  an  der- 
selben Stelle  nochmals  über  dieses  Werk  ausführlich  zu  schreiben.  Eine 
wie  große  Bedeutung  man  allen  diesen,  zum  Teil  größeren,  zum  Teil 
kleineren  Arbeiten  Leo  Blechs  zuschreiben  mag,  man  wird,  wenn  man 
sein  Gesamtschaffen  überblickt,  doch  zugestehen,  daß  es  nur  Nebenwerke 
sind  und  daß  Blechs  hervorragendste  Bedeutung  auf  einem  anderen  G^ 
biete  liegt,  auf  dem  Gebiet  des  musikalischen  Dramas. 


IV. 

ie  Opern 

Während  seiner  Berliner  Lehrzeit  machte  Blech  die  Bekanntschaft 
mit  dem  Verleger  Leo  Naus  in  Aachen,  der  sich  für  den  jungen,  talen- 
tierten Musiker  zu  interessieren  begann  und  ihn  aufmunterte,  eine  Oper 
zu  schreiben.   Zugleich  verschaffte  er  ihm  in  D.  Kunhardt  einen  Librettiaten. 


227 
RYCHNOVSKY:  LEO  BLECH 


Die  erste  Frucht  dieses  Bündnisses  hieß  »Agiaia*,  eine  Oper,  deren  Hand- 
lung in  Griechenland  unter  dem  Räuberstamme  der  Klepbten  spielt  und 
die   in  musikalischer  Hinsicht  ein   Gemisch   von  Wagner  und  Mascagni 
darstellt.     In  drei  Wochen  lag  das  Werk  schon  in  der  Partitur  fertig  vor 
und  es  ist  Tatsache,  daß  diese  Partitur  zugleich  auch  die  erste  war    die 
Blech,  der  das  Skizzieren  noch  nicht  verstand,  gesehen  hatte.    Im  Frfihling 
1894  komponierte  er  seine  zweite  Oper,  »Cherubina^  deren  Text  gjeich« 
falls  von  Kunhardt  stammt.     Der  Stoff  ist  dem  florentinischen  Malerleben 
der  Renaissance   entnommen.     Die  Musik  weist  gegenüber  der  Agjaia  in 
bezug    auf    Stimmführung,    Harmonie    und    Instrumentation   beträchtliche 
technische  Fortschritte  auf  und  wurde  noch  im  Winter  des  nächsten  Jahres 
in  Aachen  gegeben.     Blech  indessen  blickt  auf  beide  Opern  wie  auf  Jugend- 
sünden  zurück   und  hat  bisher  alle   Gelegenheiten  zur  Wiederaufführung 
entschieden  von  der  Hand   gewiesen.     Seine   Bedeutung  als  dramatischer 
Komponist,  denn  hauptsächlich  als  solcher  ist  er  uns  allen  gewärtig,  datiert 
also  erst  von  der  Uraufführung  seines  musikalischen  Einakters  »Das  war 
ich*,    die  am   6.   September    1902   am    Hoftheater   in  Dresden  stattfand. 
Ober  dieses  reizende  Werkchen  habe  ich  für  die  Schlesingersche  Opern« 
führersammlung  einen  »Führer*  geschrieben  (No.  106),  der  über  den  Stoff 
und  seine  Geschichte  sowie  über  die  Musik  zu  orientieren  versucht.    Auf 
diese  kleine   Arbeit  möchte  ich  mich  an  dieser  Stelle  berufen,  um  Raum 
für  das  nächste  Opemwerk  zu  gewinnen. 

Fast  genau  ein  Jahr  später  erlebte  Blechs  nächste  Oper  als  abend- 
füllendes Werk  an  derselben  Stätte  wie  «Das  war  ich*  und  wiederum  unter  dem 
befeuernden  Taktstock  Schuchs  ihre  Uraufführung.  Es  war  der  nach  Raimunds 
gleichnamigem  Stücke  von  Richard  Batka  gedichtete  »Alpenkönig  und 
Menschenfeind*  (Verlag  Bote  &  Bock  in  Berlin).  Grillparzers  Bemerkung 
über  Raimunds  »Alpenkönig*  (ein  psychologisch  wahreres,  an  Entwick- 
lung reicheres  Thema  habe  noch  kein  Lustspieldichter  gewählt.  Der  Gedanke, 
einen  Menschenfeind  dadurch  zu  heilen,  daß  er  sein  eigenes  Benehmen  sich 
selbst  vor  seine  eigenen  Augen  gebracht  sieht,  sei  eines  Moliöre  würdig) 
hat  Blech  endgültig  dazu  bestimmt,  sich  dieses  Stoffes  zum  Zwecke  seiner 
musik-dramatischen  Gestaltung  zu  bemächtigen.  Der  starke  und  nach- 
haltige Erfolg,  den  das  Werk  bald  darauf  erzielen  sollte,  ließ  Blech  gegen- 
über allen  Zweiflern  Recht  behalten.  Batka  hat  die  ganze  Handlung  ver- 
einfacht, den  naiven  Geisterapparat  Raimunds  auf  das  Notwendigste  be- 
schränkt und  einzig  in  der  Gestalt  des  Alpenkönigs  konzentriert.  Aus 
der  im  Original  beinahe  komischen  Figur  des  Rappelkopfes  ist  ein 
tragischer,  in  unserem  Zeitalter  der  kranken  Nerven  sogar  aktueller  Held 
geworden,  der  wohl  in  komische  Situationen  gerät,  selbst  aber  nie  komisch 
wirkt.     Im  »Alpenkönig*   nun  sucht  Blech  durch   geschlossene   Nummern 


wieder  Wirkungen  zu  erzielen,  die  infolge  eines  Verkennens  der  musik* 
dramatischen  Bedeutung  solcher  Nummern  durch  die  Neueren  der  deutschen 
Musik  beinahe  verloren  gegangen  sind.  Solche  geschlossene  Nummern 
sind  das  Duett  der  beiden  Mädchen  »Soviel  Blumen  blfihn  an  der  Wiese 
Saum*: 


-rH  iTff 


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So    viel    Blu-men  blQhn  an    der    Wie-  se  Saum 

das  Auftrittscouplet  Habakuks,  der  bei  allen  Schikanen,  die  er  durch  seinen 
Herrn  erleiden  muß,  sich  immer  gern  an  die  in  Paris  verlebten  Dienst- 
jahre erinnert  und  seinen  aufsteigenden  Grimm  mit  dem  drolligen  Kehr- 
reim beschwichtigt: 

»Mein  einziger  Trost  ist  dies, 
Zwei  Jahre  war  ich  Diener  in  Paris.* 
Zu  den  geschlossenen  Nummern  gehört  aber  auch  der  prichtige,  wie  aus 
dem  Leben   gegriffene  Zwiegesang  zwischen  dem  lebenslustigen  Tischler 
Veit    und    seiner    ebenso    lebenslustigen    Tochter    Susel:    «Morgen    ist 
St.  Kilian«: 

Mor-gen  ist  Sankt  Ki  -  li  •  an,  brauch'  i  nichts  zu  schsf-fen 


^-^ 


Nach  der  Szene  zwischen  Rappelkopf  und  der  Tischlerfamilie  —  Rappel- 
köpf  hat  den  Tischlersleuten  ihre  Hütte  abgekauft,  um  fem  vom  hinter- 
hältigen Getriebe  der  Menschen  in  Gottes  freier  Natur  zu  atmen  —  eiiiebt 
sich  der  von  Beethovenscher  Weihe  getragene  Gesang  Rappelkopfis  »Sei 
mir  gegrüßt,  Stille  der  Einsamkeit": 


S 


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Sei  mir  ge- grüßt!    Stil  •  le   der    Ein-sam-keit! 


usw. 


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227 
RYCHNOVSKY:  LEO  BLECH 


Die  erste  Frucht  dieses  Bündnisses  hieß  »Aglaia*,  eine  Oper,  deren  Hand- 
lung in  Griechenland  unter  dem  Räuberstamme  der  Klephten  spielt  und 
die  in  musikalischer  Hinsicht  ein  Gemisch  von  Wagner  und  Mascagni 
darstellt.  In  drei  Wochen  lag  das  Werk  schon  in  der  Partitur  fertig  vor, 
und  es  ist  Tatsache,  daß  diese  Partitur  zugleich  auch  die  erste  war,  die 
Blech,  der  das  Skizzieren  noch  nicht  verstand,  gesehen  hatte.  Im  Frühling 
1894  komponierte  er  seine  zweite  Oper,  »Cherubina*,  deren  Text  gleich- 
falls von  Kunhardt  stammt.  Der  Stoff  ist  dem  florentinischen  Malerleben 
der  Renaissance  entnommen.  Die  Musik  weist  gegenüber  der  Aglaia  in 
bezug  auf  Stimmführung,  Harmonie  und  Instrumentation  beträchtliche 
technische  Fortschritte  auf  und  wurde  noch  im  Winter  des  nächsten  Jahres 
in  Aachen  gegeben.  Blech  indessen  blickt  auf  beide  Opern  wie  auf  Jugend- 
sünden zurück  und  hat  bisher  alle  Gelegenheiten  zur  Wiederaufführung 
entschieden  von  der  Hand  gewiesen.  Seine  Bedeutung  als  dramatischer 
Komponist,  denn  hauptsächlich  als  solcher  ist  er  uns  allen  gewärtig,  datiert 
also  erst  von  der  Uraufführung  seines  musikalischen  Einakters  »Das  war 
ich*,  die  am  6.  September  1902  am  Hoftheater  in  Dresden  stattfand. 
Über  dieses  reizende  Werkchen  habe  ich  für  die  Schlesingersche  Opem- 
führersammlung  einen  «Führer*  geschrieben  (No.  106),  der  über  den  Stoff 
und  seine  Geschichte  sowie  über  die  Musik  zu  orientieren  versucht.  Auf 
diese  kleine  Arbeit  möchte  ich  mich  an  dieser  Stelle  berufen,  um  Raum 
für  das  nächste  Opemwerk  zu  gewinnen. 

Fast  genau  ein  Jahr  später  erlebte  Blechs  nächste  Oper  als  abend- 
füllendes Werk  an  derselben  Stätte  wie  «Das  war  ich*  und  wiederum  unter  dem 
befeuernden  Taktstock  Schuchs  ihre  Uraufführung.  Es  war  der  nach  Raimunds 
gleichnamigem  Stücke  von  Richard  Batka  gedichtete  «Alpenkönig  und 
Menschenfeind*  (Verlag  Bote  &  Bock  in  Berlin).  Grillparzers  Bemerkung 
über  Raimunds  «Alpenkönig*  (ein  psychologisch  wahreres,  an  Entwick- 
lung reicheres  Thema  habe  noch  kein  Lustspieldichter  gewählt.  Der  Gedanke, 
einen  Menschenfeind  dadurch  zu  heilen,  daß  er  sein  eigenes  Benehmen  sich 
selbst  vor  seine  eigenen  Augen  gebracht  sieht,  sei  eines  Moliöre  würdig) 
hat  Blech  endgültig  dazu  bestimmt,  sich  dieses  Stoffes  zum  Zwecke  seiner 
mttsik-dramatischen  Gestaltung  zu  bemächtigen.  Der  starke  und  nach- 
haltige Erfolg,  den  das  Werk  bald  darauf  erzielen  sollte,  ließ  Blech  gegen- 
über allen  Zweiflern  Recht  behalten.  Batka  hat  die  ganze  Handlung  ver- 
einfacht, den  naiven  Geisterapparat  Raimunds  auf  das  Notwendigste  be- 
schränkt und  einzig  in  der  Gestalt  des  Alpenkönigs  konzentriert.  Aus 
der  im  Original  beinahe  komischen  Figur  des  Rappelkopfes  ist  ein 
tragischer,  in  unserem  Zeitalter  der  kranken  Nerven  sogar  aktueller  Held 
geworden,  der  wohl  in  komische  Situationen  gerät,  selbst  aber  nie  komisch 
wirkt.     Im  «Alpenkönig*   nun  sucht  Blech  durch    geschlossene   Nummern 


230 
DIE  MUSIK  VII.  22. 


Blick  für  die  Erfordernisse  der  Dramatik  zeigt  Blech  auch  im  dritten  Akt, 
wo  das  Musikalische  gewissermaßen  in  den  Hintergrund  tritt,  weil  die 
Szene  als  solche  zu  wirken  hat.  Blechs  Deklamation  ist  fiberall  korrekt, 
den  Gesetzen  der  deutschen  Sprache  aufs  engste  angepaßt;  freilich  wirkt 
das  Strebt!  nach  absoluter  Deutlichkeit  des  Ausdrucks  manchmal  zu 
absichtlich  und  scheint  der  Plastik  des  Hauptgedankens  zu  schaden.  Die 
vollständige  restlose  Harmonie  zwischen  Absicht  und  Eindruck  erblfiht 
aus  Blechs  Instrumentation,  denn  Blech  kennt  den  Farbenreichtum  des 
modernen  Orchesters  ausgezeichnet  und  weiß  ihm  durch  geistvolle,  aber 
durchaus  nicht  erklügelte  Mischungen  neue  interessante  Klangwirkungen 
abzugewinnen. 

Auch  für  Blechs  dritte  Oper  »Aschenbrödel^ydieam  Weihnachtstage 
1905  im  königlichen  Deutschen  Landestheater  in  Prag  ihre  UraufrBhruiig  er- 
lebte, hat  Batka  den  Text  geschrieben.  Dem  alten  Märchen  vom  Aschen- 
brödel, das  von  Herzen  gerne  zum  Balle  des  Königssohnes  gegimgen  wäre  and 
nicht  durfte,  ist  Batka  von  der  psychologischen  Seite  beigekommen,  indem 
er  versuchte,  jaus  der  passiven  Märchenfigur  eine  Heldin  zu  machen,  die 
dadurch  eine  Schuld  auf  sich  lädt,  daß  sie  sich  nach  dem  Fette  des 
Prinzen  grenzenlos  sehnt  und  in  ihrer  alle  Schranken  fibersteigenden 
Ekstase  dem  Himmel  das  Wunder  abringt,  die  dann  die  Kraft  findet,  renig 
zu  entsagen,  schließlich  aber  doch  ihren  Lohn  findet.  Nicht  nnerwihnt 
soll  die  lustige  Schusterfamilie  bleiben,  die  Batka  aus  eigenem  hinzu* 
gedichtet  hat,  und  die  wichtig  in  den  Gang  der  Ereignisse  eingreift 

Gegenüber  den  früheren  Opern  Blechs  bedeutet  »Aschenbrödel*  einen 
auffallenden  Fortschritt.  Von  der  Polyphonie,  die  seine  früheren  Bühnen- 
werke kennzeichnet,  wendet  er  sich  nun  insofern  bewußt  ab,  als  er  in 
seiner  Vielstimmigkeit  klarer,  in  seinem  Formensinn  plastischer  and  in 
seiner  Farbengebung  milder  wird.  Darf  man  vom  »Alpenkönig*  noch  sagen» 
daß  er,  wie  es  im  Stoff  begründet  sein  mag,  manche  «wüste*  Stelle  ent- 
hält, so  zeichnet  sich  »Aschenbrödel''  durchaus  durch  eine  wundervolle 
Mischung  der  Klangfarben  und  durch  die  Feinheit  der  koloristischen 
Obergänge  aus. 

Auch  hier  verlohnt  es  sich,  zum  mindesten  bei  den  masikalitchen 
Höhepunkten  einen  Augenblick  zu  verweilen.  Gleich  die  erste  Szene, 
Aschenbrödels  Auftrittslied  »Es  steht  ein  Schloß  in  Österreich*: 


Es   steht  ein  Schloß  in      ö-stcp  reich,  gar  herr*lich  anosu-  schan-en 


fesselt  durch  die  einfache  Diatonik  und  die  herzliche  Melodie,  die  an  die 
besten  unserer  deutschen  Volkslieder  gemahnt,  ohne  aber  selbst  ein  Volks* 


mpjy  _ 


231 
RYCHNOVSKY:  LEO  BLECH 


M 


lied  zu  sein.  Blüten  schlichter  Volkstümlichkeit  sind  auch  Aschenbrödels 
Klage  »Seit  mir  starb  mein  Mütterlein''  und  ihre  Erzählung  »Es  steht  ein 
grüner  Haselbaum'',  mit  der  ungemein  weichen  und  gefühlvollen  Antwort 
Meister  Kunzes  »Deine  Mutter  war  gut  und  milde*.  Die  zweite  Szene 
interessiert  nicht  nur  durch  den  melodischen  Einfall,  wie  er  im  Walzer- 
thema verkörpert  ist: 

Gn-ten    Mor    -     -    gen        mein   KSt    -    -    chen 


sondern  auch  technisch  durch  die  Art,  wie  sich  über  diesem  einen  Thema 
die  ganze  Szene  entwickelt.  Das  Duett  der  beiden  Stiefschwestern  gehört 
zu  den  glänzendsten  Emanationen  des  Blechschen  Humors,  und  die 
Drastik  dieser  wütenden  Furien  verfehlt  niemals  ihre  Wirkung.  Aus  den 
immer  tolleren  Ausbrüchen  der  zänkischen  Schwestern,  die  einander  schon 
vor  dem  Balle  den  Königssohn  als  Freier  streitig  machen,  tritt  schließlich 
wieder  das  ursprüngliche  Thema  heraus. 

Die  pathetische  Note  schlägt  Blech  in  der  Szene  an,  wo  Aschenbrödel 
in  ihrem  leidenschaftlichen  Begehren  nach  dem  Feste  das  Wunder  vom 
Himmel  förmlich  herabzwingt.  Der  Monolog  als  ekstatischer  Schrei  nach 
der  Hilfe  der  verklärten  Mutter  ist  ergreifend  und  packt  unwillkürlich: 


t 


S 


Mut-ter,    Mut  -  ter, 


l;  p^.  J 


sieh     mei-nen  Schmerz 


Der   stimmungsvolle  Schluß  des  ersten  Aktes  mit  dem  Wunder  schließt 

sich   würdig  dem   vorhin  erwähnten   stimmungsvollen  Schluß  des  zweiten 

Aktes  im  »Alpenkönig'  an.    Von  ergreifender  Wirkung  ist  auch  die  große 

Liebesszene  zwischen  dem  Prinzen  und  Aschenbrödel  im  zweiten  Akt,  wo 

16* 


232 
DIE  MUSIK  VII.  22. 


Blech  für  das  in  seinen  beseligenden  Gefahlen  schwelgende  Liebespaar 
die  heißesten  Töne  schwlrmerischer  Lyrik  findet: 


^ 


^S 


^   J   P     P 


B 


USW. 


Du      Wunderbild,     so  bold  und    schön 

Besonders  schlagkräftig  in  dieser  Oper  sind  jene  Szenen,  in  denen 
Schuster  Kunze,  der  väterliche  Freund  Aschenbrodels,  und  seine  beiden 
Buben  auftreten.  Schon  der  Einzugsmarsch,  mit  dem  sie  sich  dem  Publiknm 
vorstellen : 

I 


r^'ni^,i^,iii§it 


Wir    sind  des  Schusters     Bu-ben,    uns  kennt  die    bal  -  be       Veit 

ein  frischer  Gassenhauer,  klingt  fidel,  und  wenn  sie  im  zweiten  Akt  in  das 
von  fortreißender  Laune  getragene  Trinklied  ihres  Vaters: 


^j^i  f  f  f 


r  ii  r 


usw. 


Mag     tan  -  zen  dort,   wer      tan  •  zen  mag 

im  Kehrreim  kanonisch  einstimmen,  so  ergibt  das  eine  so  einheitlich  und 
gedrungen  durchgeführte  Lustspielszene,  wie  man  deren  nur  sehr  wenige 
in  der  modernen  Opemliteratur  wird  nachweisen  können.  Von  drastiacher 
Wirkung  ist  femer  das  Terzett  der  Schusterfamilie  im  dritten  Akt,  das 
man  als  ein  gesungenes  Scherzo  bezeichnen  darf: 

(Das  Zeitmaß  so  lebhaft  als  die  Deutlichkeit  des  Wortes  es  zuläßt  und  sehr  leicht) 


^* 


^ 


m 


f=f 


p 


^ 


Wir  1  I        I  I         I         I 

ci"  >  sind     al  -  le  -  zeit    sehr  gescbeidt,  klug  und  doch  im « mar  toII  Schneid  I 


t 


Ffir  die  Sänger  ist  es  freilich  sehr  schwer  durchzufQhren,  aber  mit  der  ihm 
nötigen  Geschmeidigkeit  in  der  melodischen  Linie  und  Leichtigkeit  im  Aus- 
druck vorgetragen,  hat  es  das  Zeug  zu  einer  da  capo-Nummer  in  sich.  Eine 
Eigentümlichkeit  des  dritten  Aktes  ist  die  ausgiebige  Heranziehung  des 
Chores,  der  von  nun  an  atändig  an  der  Handlung  teilnimmt.  Diese  aus- 
giebige Verwendung  des  Chores  treffen  wir  bei  Blech  hier  zum  ersten  iVUd 
an,  denn  früher  hat  er  den  Chor  nur  hinter  der  Szene  als  Stimmung  er- 
zeugenden Faktor  verwendet.    Sein  historisches  Vorbild  findet  der  dritte  Akt 


233 
RYCHNOVSKY:  LEO  BLECH 


in  der  Festwiese  in  den  Meistersingern.  DaB  scbliefilicb  in  dem  Augen- 
blicke, in  dem  der  Prinz  in  Ascbeabrödel  die  gesuchte  HerzenskSnigin  findet 
und  das  Volk  dem  jungen  Paare  in  einer  kraftvoll  gesteigerten  Hymne 
seine  GlQckwünscbe  ausdrückt,  alle  Mittel  orchestralen  Prunkes  und 
Pompes  aufgewendet  werden,  hat  an  dieser  Stelle  seine  dramatiscbe  Be- 
rechtigung. So  entUOt  uns  die  Oper  mit  der  Erkenntnis,  dafi  hier  Musik 
und  Drama  ein  einheitliches  Ganzes  bilden,  daß  Blechs  Musik  dort,  wo  es 
nottut,  gern  dienende  Kunst  ist,  weil  sie  sieb  ein  andermal  wieder  zur 
Herrin  emporscbwingen  darf. 

Und  nun  meldet  der  Telegraph,  dall  Blech  eine  neue  Oper  vollendet 
habe,  deren  StofT  einem  Stücke  Raupacbs  entnommen  isL  gVersiegelt' 
—  so  soll  nimlich  die  neue  Oper  beißen  —  ist  ein  einaktiges  Bühnen- 
werk, in  dem  Blech  wieder  in  das  kleinstidtiscbe  Milieu  zurückkehrt,  das 
ihm  und  uns  schon  aus  .Das  war  ich'  so  innig  vertraut  ist.  Wünschen 
wir,  daß  diesem  Werk,  wenn  es  demnächst  das  Liebt  der  Rampe  erblickt, 
derselbe  nachhaltige  Erfolg  bescbieden  sein  möge. 


BÜCHER 

192.  Albert  Schweitzer:  J.  S.  Bach.  Vorrede  von  Charles  Marie  Vidor.  Verlag: 
Breitkopf  &  Hirtel,  Leipzig  1908. 
Scbon  im  Jahre  1905  hatte  Albert  Schweitzer,  Privaidozent  in  Straßhurf,  ein  ge- 
haltvolles Buch  über  Bach  In  rranzAsIscber  Sprache  Terdtrentlicht  unter  dem  Titel: 
,J.-S.  Bach,  le  musicien-po^te".  Nunmehr  tritt  er  roll  einem  ebenaolcben  vor  den 
deutschen  Leserkreis.  Zum  Teil  eine  Übersetzung  dea  franzSsischen,  zum  Teil  ganz  neu 
geschrieben,  verfolgt  das  jüngere  Weric  dieselbe  Kemidee  «le  dai  illere:  eine  Ästhetik 
der  Bachschen  Tonsprache  zu  liefern  und  den  eigentümlichen  seellacben  Uateitniad 
aubudecken,  aus  dem  des  grollen  Musikers  Tongebilde  emporwuchsen.  Da  Mensch  und 
Künstler  auch  bei  Bach  eine  vollkommene  Einheit  bilden,  so  Ulli  Schweitzer,  bernr  er 
die  Kunstwerke  selbst  analysiert,  eine  Biographie  des  Meisters  vonuagebeo,  scblldert 
sein  Virken,  seine  Persönlichkeit,  seinen  Charakter  und  deutet  in  groDen  ZQgen  das 
Schicksal  seines  Lehenswerices,  sein  Vergessen  werden  und  Auferstehen  an,  m  dnfi  aueh 
der  Leser,  der  Spittas  Monographie  nicht  kennt,  gerüstet  ist,  vom  13.  Kapitel  an  dem 
Verfasser  auf  Isthetischen  Pfeden  durch  Bschs  Geisteswelt  mit  Versdbidnls  lu  tbifen. 
Tie  ich  schon  an  anderer  Stelle  hervorhob,  besteht  der  Tert  dea  Schweitzeneheo  Badi- 
bucbes  vor  allem  in  den  Anregungen,  die  er  dem  praktischen  Musiker  zukomman 
lillt.  Daß  der  Verfasser  selbst  ein  solcher  ist,  verrit  jede  Seite  seines  Boches.  In  der 
Zergliederung  der  einzelnen  Terke  geht  er  nur  so  weit,  dalt  damit  ein  tieferes  Ver- 
stindnis  erreicht  und,  wo  möglich,  ein  sinnvollerer  Vortrag  geschaffen  wird.  Vom  Meister 
der  modernen  Musikaoalyse,  Hermann  KreHschmar,  bat  sich  Schweitzer  die  kurze, 
knappe  Art  des  Urteils  angeeignet  und  den  Blick  fQr  Jene  tieferen  seelischen  Zusammen- 
hinge, die  sich  nur  poetisch  beanlagten  Gemütern  in  ihrer  ganzen  Fülle  erachllefian. 
Für  Bach,  den  .musicien-poftte",  erl>ringt  Schweitzer  eine  kaum  übersehbare  Auslese  der 
kSstllchsten  Beispiele;  zunichst  aus  den  Instrumental  werken,  unter  denen  Ihm  die  Oigel- 
werke  am  meisten  am  Herzen  liegen,  dann  aus  den  Kantaten  und  grSBeren  Chorvericen. 
In  vielen  Pillen  Hegen  die  poetischen  Beziehungen  so  tief,  sind  so  onmerkUch  mltela- 
ander  verkettet,  daß  es  nur  einer  souverinen  Beherrschung  des  gesamten  Bachschen 
Schaffens  gelingen  kann,  sie  aufzudecken.  Bisweilen  Hegt  der  Scblflsael  zur  Erkllmng 
mancher  Tongedanken  völlig  abselu,  wie  z.  B.  In  dem  auf  S.  456  genannten  Fall, 
wo  Schweitzer  auf  den  stolzen,  sich  in  großen  IntervallscbrJtten  bewegenden  Basao 
ostinato  des  Orchestercfaorals  „Heut  triumphieret  Gottes  Sohn"  hinweist  der  In  dieser 
Umgebung  nur  verständlich  wird,  wenn  man  bedenkt,  daS  das  Siegen  des  JWessUu  Im 
Alten  Testament  unter  dem  Bilde  des  Tretens  der  Kelter  beschrieben  wird.  (Ein  Ihnllchea 
Keltertretmotiv  erscheint  in  der  Ksntate  .Gott  Hbrct  auP  [No.  43],  wo  In  der  Arie  .Er 
ists*  direkt  auf  diesen  Vergleich  angespielt  wird).  Solcher  nUe  zihlt  Schweltier  eine 
ganze  Reihe  auf,  und  es  leuchtet  ein,  daß  durch  das  Bewnütwerden  solcher  syraboUscher 
Anspielungen  hlußg  auch  der  Vortrag  in  ungeahnter  Telse  beeinfluBi  werden  kann.  Der 
Symbolismus  Bachs  ist  es,  dessen  Nachweis  und  innerer  eerechtlguag  der  griUtte  Teil 


BK  BESPRECHUNGEN  (BÜCHER)  JMK 

Buches  gewidmet  ist.    Jedem,  der  sich  eingehender  mit  Bachscher  Musik  beschäftigt 

dringte  sich  bisher  die  Notwendigkeit  auf,  Bachs  Tonsprache  durch  symbolistiscbe> 
iehungen  sich  verständlicher  zu  machen.  Schweitzer  aber  versucht  nun  zum  ersten 
t  den  Symbolismus  Bachs  im  Zusammenhange,  gewissermaiien  systematisch  zu 
ysieren,  indem  er  den  Nachweis  einer  ganz  bestimmten  musikalischen  Sprache  bei 
b,  mit  eigener  ,yLogik"  und  „Grammatik*,  erbringt.    Er  zeigt,  wie  bei  Bach  im  Gegen« 

zu  Beethoven,  das  malerisch-plastische  Element  beherrschend  in  den  Vordergrund 
,  wie  überall  das  Bildliche  eines  Vorgangs  die  Gestaltung  der  Motive  bestimmt  und 
st  dort,  wo  gewisse  transzendente  Gedankenfolgen  auszudrücken  sind,  die  Ver- 
lung  mit  anschaulich-plastischen  Vorgängen  aufrechterhalten  wird.  Die  musikalischen 
logieen,  die  Bach  für  das  Auf-  und  Absteigen,  das  Ruhen,  Stürmen,  Trotzen,  Fliehen, 
Ewigkeit,  Wolken,  Himmel,  Hölle  usw.  erfindet,  lassen  sich  bei  näherem  Zusehen 
gewisse  musikalische  Grund-  oder  Keimmotive  zurückführen,  ähnlich  den  sog. 
ichwurzeln.  Schweitzer  entwirft  eine  Art  Katalog  der  wichtigsten  dieser  Bachschen 
ichwurzelmotive,  unterscheidet  z.  B.  Schrittmotive,  Freuden-,  Schmerzmotive,  Motive 

seligen  Friedens,  Mattigkeits-,  Tumult-,  Schreckensmotive  usw.,  bei  denen  das 
rakteristische  einmal  im  Rhythmus,  das  andere  Mal  in  der  melodischen  Bewegung 
:.  Wie  durch  eine  unbewußte  Hand  geleitet,  greift  Bach  immer,  wo  sich  gleiche  oder 
liehe  durch  den  Text  erzeugte  Assoziationen  einstellen,  auf  gleiche  oder  ähnliche 
ivkeme  zurück,  freilich  ohne  sich  je  zu  wiederholen.   Werden  dann  diese  plastischen 

ihrer  Bedeutung  nach  leicht  erkennbaren  Tongedanken  mit  anderen,  tieferen  (z.  B« 
stiichen)  Symbolen  verknüpft,  wie  im  Pastorale  des  Weihnachtsoratoriums,  kommen 
zu  noch  weitere  z.  B.  Teilung  der  Chöre  in  zwei  reale  und  einen  idealen  wie  in  der 
eitung  zur  Matthäuspassion,  oder  die  Einführung  einer  gregorianischen  Melodie  als 
tus  firmus,  wie  im  Confiteor  der  Hohen  Messe,  so  ergeben  sich  jene  Tongebilde 
erer  Ordnung,  aus  denen  der  zugleich  fühlende  und  bewußt  folgende  Hörer  den 
Iruck  einer  für  sich  bestehenden,  in  ihrer  Art  einzigen  und  unvergleichlichen  Welt 
limmt.  Gewiß  verfügen  auch  Vorgänger  und  Zeitgenossen  Bachs  über  eine  Ton« 
che  ähnlicher  Art,  ja  viele  der  Bachschen  ,,Keimmotive'  gehörten  damals  zum  vogel- 
in  Phantasiegut  der  Komponisten  (was  übrigens  aus  Schweitzers  Buch  nicht  hervor- 
;),  aber  die  Eigenheit  und  Konsequenz,  mit  der  Bach  sich  darin  äußert,  rechtfertigt 
Versuch,  gerade  bei  ihm  die  Logik  und  Bestimmtheit  einer  ,»Sprache"  nachzuweisen. 

kommen  immer  mehr  ab  von  jener  beschränkten  Auffassung  Bachs  als  eines 
(oluten"  Musikers  und  müssen  selbst  Spitta  einer  Befangenheit  zeihen,  wenn  er  die 
Krischen  und  programmatischen  Züge  in  Bachs  Musik  nur  als  gelegentiicbe 
lereien  des  Genies  angesehen  wissen  will.  Es  ist  das  Verdienst  Schweitzers,  hier 
wissenschaftlich  überzeugendem  Wege  neue  Klarheit  geschaffen  zu  haben,  ein  Ver« 
st,  das  er  allerdings  mit  einem  französischen  Kollegen,  Andr6  Pirro,  teilt,  dessen 
ie  Studie  „L'Esth6tique  de  Jean-S6bastien  Bach«,  Paris  1907,  die  selben  Probleme  an- 
t  und  zu  den  gleichen  Resultaten  kommt. 

Schweitzers  Bachbuch  ist  geeignet,  so  recht  zu  einem  Erbauungsbuch  für  Bach- 
nde  zu  werden«  Möchte  es  in  recht  viele  Hände  kommen  und  durch  die  schlichte, 
'  herzliche  Sprache  überall  Widerhall  wecken  für  den  erhabenen  Gegenstand,  dem 
;ewidmet  ist.  Dr.  Arnold  Schering 

3.  Arthur  Seid!:  Vom  Musikalisch^Erhabenen.    Zweite,  durchgearbeitete  und 
vermehrte  Auflage.    Verlag:  C.  F.  Kahnt  Nachfolger,  Leipzig. 
Im  Kern  wiederholt  diese  Auflage  den  Text  der  ersten;  nur  hier  und  da  hat  der 
>r  ergänzt  und  revidiert;  vermehrt  wurde  sie  durch  eine  ausführliche  Obersicht  der 
rsten  ästhetischen  Literatur  und  durch  reichere  Anmerkungen.     Der  Autor  bekennt^ 


BÜCHER 

192.  Albert  Schweitzer:  J.  S.  Bacb.  Vorrede  von  Cbirles  Marie  Tldor.  Vertag: 
Breitkopt  &  Hirtel,  Lelpiig  1908. 
Scbon  im  Jabre  1905  hatte  Albert  Schweltier,  Privaidozent  in  Straßburf,  ein  ge- 
baltvotles  Buch  über  Bacb  in  rraniSslacher  Spracbe  TerSffentlicbt  unter  dem  Titel: 
aJ.-S.  Bacb,  le  nusJcJen-poöte*.  Nunmebr  tritt  er  mit  einem  ebensolcben  vor  den 
deutseben  Leserkreis.  Zum  Teil  eine  Obersetzung  des  fnmzSsJscben,  lum  Teil  ganz  neu 
gescbrieben,  verfolgt  das  jQngere  Werk  dieselbe  Kersldee  wie  das  liiere:  eine  Ästhetik 
der  Bacbschen  Tonapracbe  zu  liefern  und  den  eigentümlichen  Beellacben  Untergrund 
aufzudecken,  aua  dem  des  großen  Musikers  Tongebilde  emporwuchsen.  Da  Mensch  und 
Künstler  auch  bei  Bach  eine  vollkommene  Einheit  bilden,  so  lillt  Schweitzer,  bevor  er 
die  Kunstwerke  selbst  analysiert,  eine  Biographie  des  Meisters  vorausgehen,  schildert 
sein  Vlrken,  seine  PersSnllcbkeit,  seinen  Charakter  und  deutet  In  großen  Zügen  das 
Schicksal  seines  Lebenswerkes,  sein  Vergessenwerden  und  Aufersteben  an,  so  daS  auch 
der  Leser,  der  Spittas  Monographie  nicht  kennt,  gerüstet  iat,  vom  13.  Kapitel  an  dem 
Verfasser  auf  lathetiscben  Pfaden  durch  Bachs  Geiaieswelt  mit  Verständnis  zu  folgen. 
Vle  ich  schon  an  anderer  Stelle  hervorhob|  besteht  der  Wert  dea  Scbweinerschen  Bach- 
buches  vor  allem  in  den  Anregungen,  die  er  dem  praktischen  Musiker  zukommen 
Ußt.  Daß  der  Verfasser  seibat  ein  solcher  ist,  verrlt  jede  Seite  seines  Buches.  In  der 
Zergliederung  der  einzelnen  Werke  geht  er  nur  so  weit,  daß  damit  ein  tietferes  Vet^ 
stindnis  erreicht  und,  wo  mSgllcb,  ein  sinnvollerer  Vortrag  geschaffen  wird.  Vom  Meiater 
der  modernen  Musikanalyae,  Hermann  Kretzscbmsr,  hat  sich  Schweitzer  die  kurze, 
knappe  An  des  Urteils  angeeignet  und  den  Blick  für  Jene  tieferen  seelischen  Zusammen- 
hinge, die  sich  nur  poetisch  beanlagten  Gemütern  in  ihrer  ganzen  Fülle  erschliefien. 
Für  Bach,  den  amuslclen-poite",  erbringt  Schweitzer  eine  kaum  Gbersebbare  Auslese  der 
köstlichsten  Beispiele;  zunichst  ans  den  Instrumental  werken,  unter  denen  ihm  die  Orgel- 
werke am  meisten  am  Herzen  Hegen,  dann  aua  den  Kantaten  und  grfißeren  Chorwerken. 
In  vielen  Flllen  liegen  die  poetlachen  Beziehungen  so  tief,  sind  so  unmerklich  mitebf 
ander  verkettet,  daß  es  nur  einer  souverlnen  Beherrschung  des  gesamten  Bacbschen 
Schaffens  gelingen  kann,  sie  aufzudecken.  BiBwellen  Hegt  der  Schlüssel  zur  Erkllrung 
mancher  Tongedanken  vAItig  abseits,  wie  z.  B.  in  dem  auf  S.  456  genannten  Fall, 
wo  Schweitzer  auf  den  atolzen,  sich  in  großen  Intervaltschritten  bewegenden  Basso 
osdnato  dea  Orchesterchorals  »Heut  triumphieret  Gottes  Sohn'  hinweist,  der  in  dieser 
Umgebung  nur  verstlndllch  wird,  wenn  man  bedenkt,  daß  das  Siegen  des  MessUa  Im 
Alten  Testament  unter  dem  Bilde  des  Tretens  der  Kelter  beschrieben  wird.  (Ein  Ihnllches 
Kettertretmotiv  erscheint  in  der  Kannte  «Gott  fihret  auf*  [No.  43],  wo  in  der  Arie  .Er 
ists"  direkt  suf  diesen  Vergleich  angespielt  wird).  Solcher  Fllle  ilhlt  Schweitzer  eine 
ganze  Reihe  auf,  und  es  leuchtet  ein,  daß  durch  das  BewuBtwerden  solcher  symboUacher 
Anspielungen  hluHg  such  der  Vortrag  In  ungeahnter  Teise  beeinflußt  werden  kann.  Der 
Symbolismus  Bachs  iat  ea,  dessen  Nachweis  und  innerer  Berechtigung  der  grSßte  Teil 


237 
BESPRECHUNGEN  (BÜCHER) 


AV( 


der  Kategorie  des  Erhabenen  beurteilt  werden  kann",  bezeichnet  er  den  Eindruck  der 
Musik  damit,  daß  sie  ,»die  höchste  Ekstase  des  Bewußtseins  der  Schrankenlosigkeit 
erregt*,  während  die  andern  Künste  erst  infolge  der  Versenkung  in  sie  die  Befreiung 
des  Intellekts  vom  Dienste  des  Willens,  d.  h.  die  Befreiung  unserer  Vorstellung  von  den 
Beziehungen  zur  Außenwelt  bewirken,  worin  das  Wesen  des  Schönen  bestehe.  So  all« 
gemein  ausgesprochen,  versteht  man  wohl,  was  Wagner  mit  dem  Spezifisch-Erhabenen  der 
Musik  meint,  und  vielleicht  lißt  sich  darüber  nichts  weiter  sagen;  mehr  zu  erkennen 
ist  jedenfalls  dem  immerhin  großen  Scharfsinn  Seidls,  wie  es  scheint,  nicht  gelungen. 
Eigentlich  liegt  ja  darin  eine  contradictio  in  adjecto:  wenn  das  Wesen  der  Musik  eben  das 
Erhabene  ist,  kann  man  nicht  untersuchen,  worin  es  bestehe  oder  wodurch  es  entstehe, 
vielmehr  ist  das  im  ersten  Satze  schon  ausgesprochen.  —  Die  Lektüre  des  Buches  von 
Seidl  ist  nicht  leicht  Sein  Stil  ist  schwerfällig,  langatmig,  die  Sätze  mit  eingeschalteten 
Nebensätzen  bis  ins  Unendliche,  ziehen  sich  oft  über  so  lange  Strecken  dahin,  daß  man 
die  Obersicht  verliert.  Sehr  verwirrend  ist  auch  der  übermäßige  Gebrauch  der  beute  leider 
so  beliebten  Anführungsstriche  (,»")  und  des  gesperrten  Druckes.  Verwirrend,  wenn 
auch  sehr  interessant,  sind  die  zahlreichen  Einschränkungen,  Zweifel,  die  subtilsten  Prä- 
zisierungen,  die  er  vornimmt.  Trotz  allem  bleibt  es  jedoch  ein  bedeutendes,  tiefe 
Anregungen  gewährendes  Werk.  Und  wenn  man  auch  das  Gefühl  zurückbehält,  daß  es 
nicht  beantwortet,  was  es  will,  so  hat  man  doch  den  Eindruck,  daß  der  Grundgedanke 
richtig  ist,  nur  daß  er  nicht  bewiesen  wird.  Also  könnte  man  paradox  sagen:  es  über- 
zeugt, ohne  zu  beweisen.  J.  Vianna  da  Motta 
194.  HJalmar  Thuren:  Folkesangen  paa  Fsreerne.  (Der  Volksgesang  auf  den 
Färöem).  Verlag:  Andr.  Fred  Hast  &  Sehn,  Kebenhavn  1908. 
Es  ist  erfreulich,  zu  sehen,  welchen  Aufechwung  die  Erforschung  des  Volksgesanges 
heutzutage  nimmt.  Das  vorliegende  in  dänischer  Sprache  verfaßte  (doch  mit  einem 
deutschen  Resümee  versehene)  Buch  ist  eine  sehr  wertvolle  Bereicherung  der  ein- 
schlägigen Literatur.  Der  Verfasser  behandelt  in  objektiver  Weise  das  ganze  musikalische 
Leben  auf  den  kleinen  Inseln  im  nördlichen  Atlantischen  Ozean,  das  sich  im  Volks- 
gesang widerspiegelt.  Instrumentalmusik  ist  nämlich  den  Färingem  bis  zur  allerletzten 
Zeit  etwas  völlig  Unbekanntes  geblieben.  Außer  in  dem  bedeutungslosen  und,  wie  es 
scheint,  fürchterlich  unmusikalischen  Kirchengesang  befiiedigen  die  Färinger  ihre  Sanges- 
lust hauptsächlich  im  Tanzliede.  Die  geographische  Lage  der  Inseln  und  die  Lebensver- 
hältnisse ihrer  Bewohner  sind  für  die  Bewahrung  und  Fortpflanzung  alter  Traditionen 
ungemein  günstig,  und  so  finden  wir  dort  noch  als  fast  allgemein  vorherrschende  Tanzform 
den  mittelalterlichen  Kettentanz,  der  im  12.,  13.  und  14.  Jahrhundert  über  ganz  Europa 
verbreitet  war,  mit  seinen  wichtigen  Begleiterscheinungen,  der  epischen  Tanzdichtung 
und  dem  Volksliede,  in  der  Reinkultur  vor.  Thuren  hat  sich  das  Verdienst  erwort>en, 
die  erste  ausführliche  und  zuverlässige  Darstellung  des  Volksgesanges  auf  den  Faröem 
gegeben  zu  haben;  er  hat  mit  großer  Klarheit  darauf  hingewiesen,  wie  wichtig  die  Auf- 
zeichnung dieser  Tradition  war,  die  uns  ein  Stück  Mittelalter  in  der  Gegenwart  vor  die 
Augen  führt  Der  größte  Teil  des  331  Seiten  starken  Buches  ist  der  Analyse  der 
faröischen  Balladenmelodieen  gewidmet,  von  denen  der  Verfasser  ein  bedeutungsvolles 
Material  mitteilt  Die  wichtigsten  Ergebnisse  der  Untersuchungen  Thuren's  sind  diese: 
1.  Die  Balladenmelodik  scheint  sich  selbständig  auf  den  Inseln  entwickelt  zu  haben 
(seit  dem  zwölften  Jahrhundert).  2.  Die  Melodieen  bestehen  meist  aus  zwei  sieben - 
uktigen  Perioden;  der  dreizeitige  Takt  kommt  am  häufigsten  vor  und  ist  wahrscheinlich 
das  natfirlicbste  Taktmaß  für  die  Tanzenden,  die  einen  Schritt  bei  jedem  ersten  akzen- 
tuierten Tone  der  Takte  machen.  Der  Rhythmus  ist  wie  in  den  Volksliedern  anderer 
Länder,  bisweilen  wechselnd,  indem  Triolen  und  Duolen,  die  nicht  auf  das  einmal  ge- 


238 
DIE  MUSIK  Vll.  22. 


gebene  Taktmaß  einwirken,  auftreten.  3.  Ohne  Zweifel  hat  die  färöiscbe  Tonalitit  — 
von  rezitativartigen  Bildungen  abgesehen  —  die  halbtonlose  pentatoniscbe  Tonleiter 
zur  Grundlage.  Vielleicht  hat  sich  hier  keltischer  Einfluß  geltend  gemacht  4.  Ein 
modernes  Musikbewußtsein,  das  von  den  angewöhnten  harmonischen  Vorstellungen  nicht 
loszukommen  vermag,  wird  eventuell  den  färöischen  Melodieen  isthetischen  Vert  ab- 
sprechen. Wer  sich  aber  mit  dem  einstimmigen  von  der  Simultanharmonie  nicht  be- 
einflußten Gesang  vertraut  gemacht  hat,  wird  sich  sicher  der  vielen  rhythmischen  und 
tonalen  Nuancen  innerhalb  des  stark  begrenzten  Tongebietes  erfreuen  und  von  dem  Reize 
mehrerer  einfacher  Melodiebtldungen  nicht  unberührt  bleiben.  Das  Werk  Thuren's  ist 
anregend  zu  lesen;  es  sei  daher  auch  Nichtfachleuten  zum  Studium  aufs  winnste  em« 
pfohlen.  Knud  Härder 

MUSIKALIEN 

195.  Arnoud-Krever:   La  Perfection  du  M6canisme.    Verlag:  A.  Alips,  Paris. 

Aus  Frankreich,  dessen  große  Ideen  so  oft  die  Welt  durchleuchtet  haben»  soll  uns  dies« 
mal  das  Heil  in  Gestalt  einer  neuen  Klaviermethode  kommen.  Des  Werkes,  das  Amoud« 
Krever,  einen  Holländer  von  Geburt,  officier  de  TAcad^mie,  zum  Verfasser  hat,  und  das 
nicht  geringes  Aufsehen  in  pianistischen  Kreisen  jenseits  der  Vogesen  zu  machen  scbeinty 
hat  sich  sofort  der  französische  Staat  bemlchtigt,  um  es  in  sämtliche  öffenttlchen,  der 
Musikpflege  bestimmten  Institute  einzufuhren.  Es  fehlt  auch  nicht  an  glänzenden  Attesten, 
so  von  Camille  Saint-Saens,  Francis  Planta  u.  A.  Genug  der  Dinge,  um  das  Werk  mit 
Ernst  und  Interesse  auch  in  unserem  für  Musikpflege  einigermaßen  »renommierten* 
Deutschland  zu  betrachten.  Vor  mir  liegt  der  erste  Band,  148  eng  benotete  Selten,  etwa 
im  Format  der  bekannten  großen  Steingräber  Ausgabe.  Text  deutsch,  fhmzösich,  engliach« 
Der  Verfasser  dieser  Zeilen  darf  auch  einflechten,  daß  er  einige  Wochen  ebriicher  Arbeit 
an  die  Durchsicht  des  Werkes  (auch  praktisch  am  Klavier)  gewendet  hat  Der  äoOeiw 
Anblick  dieses  Meeres  von  Notenköpfen  steht  zunächst  im  Widerspruch  zu  der  Erkenntnis» 
zu  der  sich  >-  ich  darf  wohl  sagen  —  die  weitaus  größere  Mehrheit  deutscher  Klavierspieler 
durchgerungen  hat:  daß  für  das  Studium  des  Klavieres  das  technische  Obungsmateriil 
auf  ein  möglichst  geringes  Quantum  zu  reduzieren  ist.  Nicht  gering  Ist  die  Zahl  der 
Lehrer,  die  von  Etüden  überhaupt  nichts  mehr  wissen  wollen,  der  anderen,  die  nach  dnem 
ganz  kurzen,  gerade  notwendigen  Studium  auch  Fingerübungen  perhorreszieren,  TOn  der 
äußersten  Linken,  deren  Führung  Rudolf  M.  Breithaupt  wohl  mit  Fug  und  Rc^t  übei^ 
nommen  hat,  gar  nicht  zu  reden,  deren  Partei  behauptet,  Klavier  werde  überhaupt  nicht 
mit  den  Fingern,  sondern  —  mit  den  Schultern  gespielt.  Wahrscheinlich  haben  die  Ter- 
schiedenen  Parteien  alle  ein  wenig  recht.  Am  meisten  vielleicht  Herr  Breitluiap^  zwar 
weniger  in  seinem  Panegyrikon  auf  die  Schulter  als  in  der  Erkenntnis,  die  er  hier  und 
da  durchblicken  läßt,  daß  Technik  überhaupt  nicht  vollkommen  zu  erlernen  ist  Auch 
die  Tech n  ik  des  Klavieres  —  wie  auch  anderer  Instrumente,  und  wohl  auch  die  Geeanga- 
kunst  —  muß  eigentlich  angeboren  sein.  Es  bedarf  dann  gewissermaßen  nur  dner  An* 
leitung,  um  die  schlummernden  technischen  Kräfte  zu  wecken  jind  ohne  grolle  Mfihe 
zur  vollen  Entfaltung  zu  bringen.  Eine  Tatsache  ist  es,  daß  Künstler  nach  einem  Stadium 
von  nur  wenigen  Jahren  mit  einer  stopenden  Technik  aufgetreten  sind,  während  andere 
nach  jahrelangen  Studien  und  endlosem  Fleiß,  in  den  verschiedensten  Methoden  unter- 
richtet, es  doch  nicht  über  die  Mittelmäßigkeit  brachten.  Indessen,  wie  den  aueh  sei, 
wenn  auch  nicht  der  Gipfel  des  Parnasses,  so  ist  durch  Fingerübungen  und  Fleift  doch 
schon  ganz  Schönes  erreicht  worden,  und  in  dieser  Hinsicht  dürfen  wir  Amoud-Kferei'e 
Klaviermetbode   mit  Vertrauen   begegnen.  —  Leider  muß  ich    gerade  Amoud-Kferei's 


j 


237 
BESPRECHUNGEN  (BÜCHER) 


der  Kategorie  des  Erhabenen  beurteilt  werden  kann",  bezeichnet  er  den  Eindruck  der 
Musik  damit,  daß  sie  ,»die  höchste  Ekstase  des  Bewußtseins  der  Schrankenlosigkeit 
erregt*,  während  die  andern  Künste  erst  infolge  der  Versenkung  in  sie  die  Befreiung 
des  Intellekts  vom  Dienste  des  Willens,  d.  h.  die  Befreiung  unserer  Vorstellung  von  den 
Beziehungen  zur  Außenwelt  bewirken,  worin  das  Wesen  des  Schönen  bestehe.  So  all- 
gemein ausgesprochen,  versteht  man  wohl,  was  Wagner  mit  dem  Spezifisch-Erhabenen  der 
Musik  meint,  und  vielleicht  läßt  sich  darüber  nichts  weiter  sagen;  mehr  zu  erkennen 
ist  jedenfalls  dem  immerhin  großen  Scharfsinn  Seidls,  wie  es  scheint,  nicht  gelungen. 
Eigentlich  liegt  ja  darin  eine  contradictio  in  tdjecto :  wenn  das  Wesen  der  Musik  eben  das 
Erhabene  ist,  kann  man  nicht  untersuchen,  worin  es  bestehe  oder  wodurch  es  entstehe, 
vielmehr  ist  das  im  ersten  Satze  schon  ausgesprochen.  —  Die  Lektüre  des  Buches  von 
Seidl  ist  nicht  leicht  Sein  Stil  ist  schwerfällig,  langatmig,  die  Sätze  mit  eingeschalteten 
Nebensätzen  bis  ins  Unendliche,  ziehen  sich  oft  über  so  lange  Strecken  dahin,  daß  man 
die  Obersicht  verliert.  Sehr  verwirrend  ist  auch  der  übermäßige  Gebrauch  der  heute  leider 
so  beliebten  Anführungsstriche  („  **)  und  des  gesperrten  Druckes.  Verwirrend,  wenn 
auch  sehr  interessant,  sind  die  zahlreichen  Einschränkungen,  Zweifel,  die  subtilsten  Prä- 
zisierungen, die  er  vornimmt.  Trotz  allem  bleibt  es  jedoch  ein  bedeutendes,  tiefe 
Anregungen  gewährendes  Werk.  Und  wenn  man  auch  das  Gefühl  zurückbehält,  daß  es 
nicht  beantwortet,  was  es  will,  so  hat  man  doch  den  Eindruck,  daß  der  Grundgedanke 
richtig  ist,  nur  daß  er  nicht  bewiesen  wird.  Also  könnte  man  paradox  sagen:  es  über- 
zeugt^ ohne  zu  beweisen.  J.  Vianna  da  Motta 
194.  HJalmar  Thuren:  Folkesangen  paa  Fsreerne.  (Der  Volksgesang  auf  den 
Färöem).  Vertag:  Andr.  Fred  Hest  &  Sehn,  Kebenhavn  1908. 
Es  ist  erfreulich,  zu  sehen,  welchen  Aufschwung  die  Erforschung  des  Volksgesanges 
heutzutage  nimmt.  Das  vorliegende  in  dänischer  Sprache  verfaßte  (doch  mit  einem 
deutschen  Resümee  versehene)  Buch  ist  eine  sehr  wertvolle  Bereicherung  der  ein- 
schlägigen Literatur.  Der  Verfasser  behandelt  in  objektiver  Weise  das  ganze  musikalische 
Leben  auf  den  kleinen  Inseln  im  nördlichen  Atlantischen  Ozean,  das  sich  im  Volks- 
gesang widerspiegelt.  Instrumentalmusik  ist  nämlich  den  Färingern  bis  zur  allerletzten 
Zeit  etwas  völlig  Unbekanntes  geblieben.  Außer  in  dem  bedeutungslosen  und,  wie  es 
scheint,  fürchterlich  unmusikalischen  Kirchengesang  befriedigen  die  Färinger  ihre  Sanges- 
lust hauptsächlich  im  Tanzliede.  Die  geographische  Lage  der  Inseln  und  die  Lebensver- 
hältnisse ihrer  Bewohner  sind  für  die  Bewahrung  und  Fortpfianzung  alter  Traditionen 
ungemein  günstig,  und  so  finden  wir  dort  noch  als  fast  allgemein  vorherrschende  Tanzform 
den  mittelalterlichen  Kettentanz,  der  im  12.,  13.  und  14.  Jahrhundert  über  ganz  Europa 
▼erbreitet  war,  mit  seinen  wichtigen  Begleiterscheinungen,  der  epischen  Tanzdichtung 
und  dem  Volksliede,  in  der  Reinkultur  vor.  Thuren  hat  sich  das  Verdienst  erworben, 
die  erste  ausführliche  und  zuverlässige  Darstellung  des  Volksgesanges  auf  den  Faröem 
gegeben  zu  haben;  er  hat  mit  großer  Klarheit  darauf  hingewiesen,  wie  wichtig  die  Auf- 
zeichnung dieser  Tradition  war,  die  uns  ein  Stück  Mittelalter  in  der  Gegenwart  vor  die 
Augen  führt  Der  größte  Teil  des  337  Seiten  starken  Buches  ist  der  Analyse  der 
farOischen  Balladenmelodieen  gewidmet,  von  denen  der  Verfasser  ein  bedeutungsvolles 
Material  mitteilt  Die  wichtigsten  Ergebnisse  der  Untersuchungen  Thuren's  sind  diese: 
1.  Die  Balladenmelodik  scheint  sich  selbständig  auf  den  Inseln  entwickelt  zu  haben 
(seit  dem  zwölften  Jahrhundert).  2.  Die  Melodieen  bestehen  meist  aus  zwei  sieben- 
talctigen  Perioden;  der  dreizeitige  Takt  kommt  am  häufigsten  vor  und  ist  wahrscheinlich 
das  natürlichste  Taktmaß  für  die  Tanzenden,  die  einen  Schritt  bei  jedem  ersten  akzen- 
tuierten Tone  der  Takte  machen.  Der  Rhythmus  ist  wie  in  den  Volksliedern  anderer 
Länder,  bisweilen  wechselnd,  indem  Triolen  und  Duolen,  die  nicht  auf  das  einmal  ge- 


MM  ^^^  Witt 

SBg  DIE  MUSIK  VII.  22.  8K 

gebene  Taktmaß  einwirken,  auftreten.  3.  Ohne  Zweifel  hat  die  färöische  Tonalitit  — 
von  rezitativartigen  Bildungen  abgesehen  —  die  halbtonlose  pentatoniscbe  Tonleiter 
zur  Grundlage.  Vielleicht  hat  sich  hier  keltischer  Einfluß  geltend  gemacht.  4.  Ein 
modernes  Musikbewußtsein,  das  von  den  angewöhnten  barmoniscben  Vorstellungen  nicht 
loszukommen  vermag,  wird  eventuell  den  färöischen  Melodieen  Istbetiscben  Wert  ab- 
sprechen. Wer  sich  aber  mit  dem  einstimmigen  von  der  Simultanharmonie  nicht  be* 
einflußten  Gesang  vertraut  gemacht  hat,  wird  sich  sicher  der  vielen  rh^bmiscben  und 
tonalen  Nuancen  innerhalb  des  stark  begrenzten  Tongebietes  erfreuen  und  von  dem  Reize 
mehrerer  einfacher  Melodiebtldungen  nicht  unberührt  bleiben.  Das  Werk  Thuren's  ist 
anregend  zu  lesen;  es  sei  daher  auch  Nichtfachleuten  zum  Studium  aufs  wärmste  em« 
pfohlen.  Knud  Härder 

MUSIKALIEN 

195.  Arnoud-Krever:   LaPerfection  du  M6canisme.    Verlag:  A.  Alips,  Paris. 

Aus  Frankreich,  dessen  große  Ideen  so  oft  die  Welt  durchleuchtet  haben,  soll  uns  dies- 
mal  das  Heil  in  Gestalt  einer  neuen  Klaviermethode  kommen.  Des  Werkes,  das  Amoud« 
Krever,  einen  Holländer  von  Geburt,  officier  de  l'Acad^mie,  zum  Verfasser  hat,  und  das 
nicht  geringes  Aufsehen  in  pianistischen  Kreisen  jenseits  der  Vogesen  zu  machen  scheint, 
hat  sich  sofort  der  französische  Staat  bemächtigt,  um  es  in  sämtliche  öffentlichen,  der 
Musikpfiege  bestimmten  Institute  einzuführen.  Es  fehlt  auch  nicht  an  glänzenden  Attesten, 
so  von  Camille  Saint-SaSns,  Francis  Planta  u.  A.  Genug  der  Dinge,  um  das  Werk  mit 
Ernst  und  Interesse  auch  in  unserem  für  Musikpflege  einigermaßen  ,»renommierten* 
Deutschland  zu  betrachten.  Vor  mir  liegt  der  erste  Band,  148  eng  benotete  Seiten,  etwa 
im  Format  der  bekannten  großen  Steingräber  Ausgabe.  Text  deutsch,  französich,  englisch. 
Der  Verfasser  dieser  Zeilen  darf  auch  einflechten,  daß  er  einige  Wochen  ehrlicher  Arbeit 
an  die  Durchsicht  des  Werkes  (auch  praktisch  am  Klavier)  gewendet  hat  Der  äußere 
Anblick  dieses  Meeres  von  Notenköpfen  steht  zunächst  im  Widerspruch  zu  der  Erkenntnis, 
zu  der  sich  —  ich  darf  wohl  sagen  —  die  weitaus  größere  Mehrheit  deutscher  Klavierspieler 
durchgerungen  hat:  daß  für  das  Studium  des  Klavieres  das  technische  Obungsmaterial 
auf  ein  möglichst  geringes  Quantum  zu  reduzieren  ist  Nicht  gering  ist  die  Zahl  der 
Lehrer,  die  von  Etüden  überhaupt  nichts  mehr  wissen  wollen,  der  anderen,  die  nach  einem 
ganz  kurzen,  gerade  notwendigen  Studium  auch  Fingerübungen  perhorreszieren,  von  der 
äußersten  Linken,  deren  Führung  Rudolf  M.  Breithaupt  wohl  mit  Fug  und  Recht  über- 
nommen hat,  gar  nicht  zu  reden,  deren  Partei  behauptet,  Klavier  werde  überhaupt  nicht 
mit  den  Fingern,  sondern  —  mit  den  Schultern  gespielt  Wahrscheinlich  haben  die  ver- 
schiedenen Parteien  alle  ein  wenig  recht  Am  meisten  vielleicht  Herr  Breithaupt,  zwar 
weniger  in  seinem  Panegyrikon  auf  die  Schulter  als  in  der  Erkenntnis,  die  er  hier  und 
da  durchblicken  läßt,  daß  Technik  überhaupt  nicht  vollkommen  zu  erlernen  ist  Auch 
die  Tech n  ik  des  Klavieres  —  wie  auch  anderer  Instrumente,  und  wohl  auch  die  Gesangs- 
kunst —  muß  eigentlich  angeboren  sein.  Es  bedarf  dann  gewissermaßen  nur  einer  An« 
leitung,  um  die  schlummernden  technischen  Kräfte  zu  wecken  jind  ohne  grolk  Muhe 
zur  vollen  EntfUtung  zu  bringen.  Eine  Tatsache  ist  es,  daß  Künstler  nach  einem  Studium 
von  nur  wenigen  Jahren  mit  einer  stnpenden  Technik  aufgetreten  sind,  während  andere 
nach  jahrelangen  Studien  und  endlosem  Fleiß,  in  den  verschiedensten  Methoden  unter- 
richtet, es  doch  nicht  über  die  Mittelmäßigkeit  brachten.  Indessen,  wie  dem  auch  sei, 
wenn  auch  nicht  der  Gipfel  des  Parnasses,  so  ist  durch  Fingerübungen  und  Fleiß  doch 
schon  ganz  Schönes  erreicht  worden,  und  in  dieser  Hinsicht  dürfen  wir  Amoud-Krever's 
Klaviermethode   mit  Vertrauen   begegnen.  —  Leider  muß   ich    gerade  Amoud-Krever^s 


239 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


weseDtlichstem  Grundgedanken,  gewißermaßen  dem  Leitmotiv  seiner  Schule,  feindlich 
entgegentreten.  Dieses  Leitmotiv  heißt  bei  ihm:  Rhythmentafel.  Er  verlangt,  daß  »jede 
Obung  mit  Benutzung  der  Rhythmentafel  auf  360  verschiedene  Arten  vorgenommen,  so- 
wie in  simtliche  Tonarten  transponiert**  werde.  Das  Folgende  möge  seine  Absicht  er- 
liutem.    Da  steht  z.  B.  als  No.  1.  in  einer  kurzen  Abteilung  von  (8)  schlichten  Fünfflnger- 


Obungen: 


r|)^  i  j  ^  j  j  j  ^  j 


usw.    Auf  die  Abteilung  folgt  'die 


Rhythmentafel  von  zunächst  100  Beispielen.    Z.  B.: 

1  ^  ^     2    ^     ^,       3 


usw. 


Nach   dieser  Tafel  von  100  Beispielen  wären  die  vorhergehenden  Übungen   zu  spielen. 
Also  unsere  No.  1  nach  Rh.  1: 


usw.  usw. 


Für  die  folgenden  Obungen  werden  dann  noch  Hunderte  von  Rhythmenbeispielen  allmählich 
in  die  Welt  gesetzt.  Nun  werde  man  sich  klar,  daß  Amoud-Krever's  Werk,  Band  1  praeter 
propter  1000  Obungen  enthält,  daß  laut  seiner  Vorschrift  diese  sämtlichen  Obungen  nach 
jenen  endlosen  Rbythmenbeispielen  zu  studieren  und,  nicht  genug,  noch  in  alle  Tonarten 
zu  transponieren  sind!  Ich  habe  darüber  nachgedacht,  ob  für  die  glücklichen  Musikanten 
hl  Frankreich  der  Tag  länger  ist  als  die  armseligen  24  Stunden,  die  er  bei  uns  hat.  Ein 
Glück  übrigens,  daß  Krever  einfach  von  „allen  Tonarten**  spricht,  worunter  wir  uns 
icblauerweise  unsere  ordinären  24  Tonarten  denken  mögen.  Aber  wehe,  wenn  man 
dort  unter  dem  Einfluß  eines  Debussy,  Ducas,  Cbabrier  u.  a.  gar  noch  andere  Tonarten 
eingeführt  hat...!  Dann  gnade  uns  der  Himmel,  daß  Krever's  Methode,  deren  sich  in 
Frankreich  der  Staat  bemächtigt,  nicht  etwa  bei  unserer  Regierung  auch  noch  durchgeht . . .! 
Difflcile  est  satiram  non  scribere.  Als  Empfehlung  für  die  Rhythmen  führt  Krever  sieben 
Grunde  an.  An  erster  Stelle,  daß  sie  den  Übungen  die  traditionelle  Trockenheit  und 
Langweiligkeit  nehmen.  Das  bestreite  ich !  Ich  glaube  im  Gegenteil,  daß  sie  die  Übungen 
noch  trockener  und  langweiliger  machen.  Übrigens  wer  verlangt  denn,  daß  der  Weg  zum 
Parnaß  uns  eitel  Vergnügen  bereite?  In  allen  Künsten  ist  das  rein  technische  Übungs- 
material dürr  und  trocken.  Die  übrigen  Gründe,  die  Krever  für  die  Rhythmen  anführt, 
sind  nicht  der  Rede  wert.  Die  etwaigen  Vorteile,  die  sie  bieten,  sind  schon  in  der 
MannigMtigkeit  der  Obungen  selbst  enthalten.  Nein,  streichen  wir  ein  für  allemal 
diese  Rhythmen,  und  es  bleibt  uns  noch  genug  der  ersprießlichen  Arbeit.  Streichen  wir 
aber  auch  die  Transponierungen!  Das  hindert  uns  nicht,  daß  wir  bei  Obungen,  die  ganz 
in  C  geschrieben  sind,  einige  Finger  gelegentlich  auf  die  schwarzen  Tasten  setzen,  und 
wo  der  Autor  selbst  uns  nur  eine  Obertaste  angibt,  haben  wir  schon  eine  Art  Trans- 
position. Glücklicherweise  gibt  uns  Krever  genug  Material  auf  Unter-  und  Obertasten. 
Nach  meiner  Ansicht  möge  man  die  Kunst  des  Transponierens  an  Schubert-  oder 
Schumannseben  Liedern  erlernen;  bei  technischen  Obungen  sollte  man  damit  nicht  auf- 
gebalten werden.  Nach  diesen  Ausstellungen,  die  sich  nur  auf  die  t^Gebrauchsanweisung" 
des  Amoud-Krever'schen  Werkes  beziehen,  bleibt  uns  immer  noch  das  Werk  selbst,  und 
dies  enthält  eine  wahre  Fundgrube  vortrefflichster,  vielfach  ganz  neuer  Obungen,  deren 
Kenntnis  jedem  Klavierapieier  zu  empfehlen  ist.  Der  vorliegende  Band  ist  in  sechs 
Hefte  eingeteilt.    Deren  erstes  enthält  in  fünf  Unterabteilungen  etwa  150  Obungen  in 


Aus  Tagesblättem 

AUGSBURGER  POSTZEITUNG  vom  23.  und  27.  Mai  1908.  —  Zum  00.  Geburtt- 
tage  des  Komponisten  Pembaur  veröffentlicht  Otto  Keller  einen  kurzen  AufiMtz 
(,Joseph  Pembaur^),  in  dem  er  den  Gefeierten  ^den  Hort  des  musilnlischen 
Lebens  in  Innsbruck"  nennt  und  seine  Kompositionen  sowie  seine  theoretischen 
Werke  warm  lobt.  —  Der  Aufeatz  „Die  Brahms-Ausstellung  in  Wien*  von  Otto 
Keller  enthält  u.  a.  Auszüge  aus  interessanten  unbekannten  Briefen  des  Meisters. 

BERLINER  BÖRSEN-COURIER  vom  5.  Januar  1908.  —  Zu  Max  Bruchs  70.  Geburts- 
tag veröffentlicht  Adolf  Kohut  in  dem  Aufeatz  »Max  Bruch  und  Johannes  Brahms* 
drei  Briefe  Bruchs  an  Brahms  und  einen  Brief  Brahma'  an  Bruch »  nebst 
Erläuterungen. 

BERLINER  NEUESTE  NACHRICHTEN  vom  &  MIrz  1908.— Zur 250.  AufrOhning 
der  „Lustigen  Weiber'^  in  Berlin  veröffentlicht  Georg  Richard  Kruse  den  Aufeatz 
„Otto  Nicolais  ^Lustige  Weiber*  und  ihre  Vorgängerinnen*,  dessen  InhaJt  unsere 
Leser  aus  Kruses  Aufsätzen  in  den  Heften  VI,  20—23  unserer  Zeitschrift  kennen. 

DER  TAG  (Berlin)  vom  12.  März  1908.  —  Paul  Marsop  beginnt  seinen  Anfisatz: 
9 Was  will  das  Munchener  KQnstlertheater?*  mit  den  Worten:  ,,Es  gilt  einen  Ver- 
such, im  ausgesprochenen  Gegensatz  zu  den  Meiningem,  zu  ihren  englisohen  Vor- 
gängern, zu  ihrem  modern-beweglicheren,  geschäftslcundigeren  Nachfolger  Reinhardt 
und  allen,  die  sich  an  die  Genannten  anschliefien,  die  Szene  zu  vereinflachen  — 
zugunsten  des  Wortes  und  der  Gebärde,  in  entschiedener  Wahrung  des  Vor-  und 
Alleinrechts  des  Dichters.*  Marsop  berichtet  über  die  Bestrebungen  sur  Reform 
der  Buhneneinrichtung  und  des  Theaterbaus  und  ladet  zum  Besuch  des  Kfinttler- 
theaters  auf  der  MOnchener  Ausstellung  ein. 

BERLINER  TAGEBLATT  vom  22.  Februar,  vom  4.  Juni  und  vom  28.  Juni  lOOB.  — 
In  dem  Aufsatz  ,,NieIs  W.  Gade"  (22.  IL)  veröffentlicht  Hermann  Erler  vier  bis- 
her ungedruckte  Briefe  Joseph  Joachims  an  Gade  und  Auszüge  aus  einem  Briefe 
Clara  Schumanns  und  spricht  in  einer  Einleitung  sein  Bedauern  darüber  aus,  daß 
Gade's  Musilc  unterschätzt  und  selten  aufgeführt  wird.  —  Unter  der  Überschrift 
„Chopins  letzte  Stunden"  (4.  VI.)  wird  ein  Brief  des  Grafen  Albert  Grzymalty 
eines  Freundes  Chopin's,  an  dessen  Verleger,  August  Leo  in  Paris,  mitgeteilti  in 
dem  der  Briefschreiber  über  die  letzten  Tage  Chopin's  berichtet  Graf  Gnymala 
spricht  die  Ansicht  aus,  daß  Chopin,  ,,wenn  er  nicht  das  Unglück  gehabt  hitte, 
G.  S.  [George  Sand]  Icennen  zu  lernen,  die  seine  ganze  Ezistens  Terglftet  hat^ 
das  Alter  der  Cherubim  [so!]  hätte  erreichen  können*.  —  Franz  Scharwenka 
berichtet  in  dem  Aufsatz  „Der  Musiklehrer*  (28.  VI.)  über  die  Bestrebuttfen  des 
Musikpädagogischen  Verbandes,  den  Staat  zur  EinfOhrung  obligatorischer  Mnslk- 
lehrerprüfungen  zu  veranlassen.  Die  Redaktion  des  «Berliner  Tageblatt"  bemerkt 
dazu,  daß  sie  sich  der  Auffassung  des  Verfassers  »nicht  völlig  anschliefien  möchte". 

DEUTSCHE  TAGESZEITUNG  (Berlin)  vom  4.  und  vom  17.  April  1008.—  Der  As4^ 
satz  «Richard  Wagner  und  die  Moderne*  von  Josef  Stolzing  richtet  sich  banpC- 


243 
REVUE  DER  REVUEEN 


sichlich  gegen  die  Freigabe  des  „Parsifal'^.  —  In  dem  Aufeatz  „Richard  Wagner 
über  die  Moderne'  spricht  Josef  Stolzing  über  den  Einfluß,  den  die  Juden  nach 
Wagners  Ansicht  auf  die  Kultur  und  die  Kunst  ausgeübt  haben. 

VOSSISCHE  ZEITUNG  (Berlin)  vom  25.  Januar  1906.  —  Ernst  Müller  zeigt  in 
einem  interessanten  Aufsatz  über  »Schiller  und  die  Musik*,  daß  „die  Musik  stets 
einen  wichtigen  Faktor  in  Schillers  Leben  und  seiner  Dichtung  bildete*,  und  be* 
richtet  über  Schillers  Pllne,  Opemtexte  zu  schreiben.  Zelter  sagte:  ,,Niemand 
hat  tieferen  Sinn  für  die  Musik  als  Schiller."  Müller  zihlt  einige  der  bedeutend« 
sten  Kompositionen  Schillerscher  Gedichte  auf.  Am  Schluß  weist  der  Verfasser 
darauf  hin,  daß  „die  von  Schiller  gewünschte  Oper*  von  Richard  Wagner  geschaffen 
worden  ist. 

WESER-ZEITUNG  (Bremen)  vom  8.  MIrz  1906.  —  In  dem  Aufsatz  „Der  musikalische 
Zeitgeschmack  sagt  W.  Freudenberg  nach  einem  kurzen  historischen  Oberblick: 
„Wenn  nun  die  neuere,  auf  der  Orchestertechnik  beruhende  Musik  zu  all- 
gemeiner Verstindlichkeit  zurückkehren  will,  wird  sie  sich  wieder  mehr  auf  das 
dem  Menschen  im  Gesang  angeborene  Fundament  aller  wahren  Musik  besinnen 
und  bestrebt  sein  müssen,  sich  mit  melodischem  Inhalt  zu  füllen.  . .  •  Der  Gesang, 
das  Schönste  aller  Musik,  ist  das  Heilmittel,  durch  das  sie  wieder  genesen  kann, 
wenn  sie  von  ihm  ihren  Ausgang  nimmt.** 

BRESLAUER  ZEITUNG  vom  24.  Mai  1906.  —  Zum  Geburtstage  Wagners  veröffent- 
licht Paul  Menzel  den  Aufsatz  „Ein  Richard  Wagner-Gedenklatt*,  in  dem  er  auch 
über  die  Aufführungen  Wagnerscher  Werke  in  Breslau  berichtet. 

DORTMUNDER  ZEITUNG  vom  1.  Januar  1906.  —  Kaiman  Feld  veröffentlicht  in 
dem  Aufsatz  „Äußerungen  berühmter  Dirigenten  über  die  Leonoren-Ouvertüre  No.  3* 
die  Antworten  von  acht  Dirigenten  auf  die  Frage,  an  welcher  Stelle  die  dritte 
Leonoren-Ouvertüre  gespielt  werden  soll.  Mottl,  Richter,  Richard  Strauß  und 
Siegfried  Wagner  sind  der  Ansicht,  daß  es  am  besten  sei,  diese  Ouvertüre  nur 
im  Konzertsaal  spielen  zu  lassen;  wenn  man  sie  aber  bei  der  Aufführung  des 
„Fidelio*  nicht  vermissen  wolle,  so  möge  man  sie  am  Anfang  aufführen.  Auch 
Sc  buch  pflegt  sie  an  den  Anfang  zu  stellen.  Gold  mark  und  Niki  seh  lassen 
sie  vor  dem  zweiten  Akt  spielen.  Mahler  während  der  Verwandlung.  Strauß 
empfiehlt,  außer  der  dritten  Leonoren-Ouvertüre  auch  die  Fidelio-Ouvertüre  vor 
dem  Beginn  der  Oper  vorzutragen.  Der  Verfasser  spricht  dann  die  Ansicht  aus, 
daß  die  dritte  Leonoren-Ouvertüre  gar  keine  „Ouvertüre",  kein  „Vorspiel",  sondern 
ein  „Zwischenspiel"  sei  und  während  der  Verwandlung  im  zweiten  Akt  gespielt 
werden  müsse.  „Hört  man  die  Fanfare  zuerst  in  der  Ouvertüre  und  dann  bei 
offener  Szene,  so  wird  man  statt  der  beabsichtigten  erlösenden  Oberraschung  einer 
unwillkürlich  funktionierenden  musikalischen  Reflexion  ausgesetzt,  wodurch  die 
Wirkung  im  entscheidenden  Moment  verloren  geht  Ertönt  hingegen  die  Fanfare 
im  »Nachspiel^  als  Reminiszenz,  so  büßt  sie,  an  dieser  Stelle  wiederholt,  nichts  von 
der  ihr  zukommenden  Bedeutung  ein,  gerade  im  Gegenteil,  die  Wirkung  ist  eine 
verdoppelte,  denn  der  musikalische  Eindruck  wirkt  hier  zugleich  dramatisch,  das 
soeben  erlebte  Drama  taucht  noch  einmal  in  voller  Deutlichkeit  vor  unserem 
geistigen  Auge  auf  . . ."  „. . .  Aber  auch  von  einem  anderen  Standpunkt  aus  muß 
der  Placierung  der  Ouvertüre  nach  der  Kerkerszene  der  Vorzug  gegeben  werden. 
Wenn  in  einer  Oper  bei  einer  Verwandlung  ein  so  unmittelbarer  dramatischer  Zu- 
sammenhang zwischen  den  zwei  aufeinanderfolgenden,  in  der  Handlung  nur  aus 
technischen  Gründen  unterbrochenen  Szenen  besteht,  wie  dies  in  der  Verwandlang 


244 
DIE  MUSIK  VII.  22. 


nach  der  Kerkerszene  der  Fall  ist,  so  wird  die  erllutemde  Musik,  als  Bindeglied, 
zum  ästhetischen  Bedürfhis  . . .  Durch  ihren  Inhalt  ist  die  Leonoren-Ottveitüre 
prädestiniert,  der  Verwandlung  im  zweiten  Akt  als  masikalischer  Unteibta  zu 
dienen.  Wie  das  berühmte  Nachspiel  im  ersten  Akt  der  »Götterdämmenini^  uns 
während  der  Verwandlung  vom  Walkürenfelsen  in  die  Gibichungenhalle  geleitet, 
so  fuhrt  uns  —  nennen  wir  das  Kind  beim  Namen  —  das  Leonoren-Nachspiei  mit 
plastischer  Deutlichkeit  von  den  Stufen  des  Kerkers,  dessen  dumpfe  Atmotphire 
uns  aus  den  einleitenden  Takten  in  so  ergreifender  Weise  entgegenweht,  zu  den 
Höhen  der  erlösenden  Freiheit,  auf  welche  der  jubelnde  Schluß  des  gigantischen 
Werkes  hinweist.*" 

TREMONIA  (Dortmund)  vom  U.  Dezember  1907.—  A.  Schmeck  berichtet  auf  Grund 
einer  Verordnung  des  Rates  von  Dortmund  aus  dem  Jahre  1748  über  »Dortmunds 
Musikverhältnisse  vor  150  Jahren". 

SÄCHSISCHE  ARBEITER-ZEITUNG  (Beilage:  „Leben,  Wissen,  Kunst«)  (Dresden) 
vom  30.  November  1907.  —  Eugen  Thari  veröffentlicht  gelegentlich  eines  Auf- 
tretens Robert  Kothes  in  der  Dresdener  Volkssingakademie  einen  ausführlichen  Auf- 
satz über  „Volkslied  und  L4iutenspiel*. 

RHEINISCH -WESTFÄLISCHE  ZEITUNG  (Essen  a.  R.)  vom  7.  Min  und  vom 
25.  Juni  1008.  —  „Schutz  den  Beethoven-Häusern*  fordert  Joseph  August  Lux  in 
einem  interessanten  Aufsatz,  in  dem  er  mehrere  von  Beethoven  bewohnte  Hluser 
in  Wien  und  der  Umgebung  Wiens  beschreibt.  —  Otto  Albert  Schneider  zeigt  in 
dem  Aufsatz  „Renaissance  und  Barock  in  der  bildenden  Kunst  und  in  der  Musik*, 
daß  „sich  in  der  Entwickelung  der  bildenden  Kunst  von  der  Renaissance  sum 
Barock,  wie  sie  vom  15.  zum  16.  Jahrhundert  in  Italien  beobachtet  wird,  eine  fiber^ 
raschende  Parallele  zu  der  Entwickelung  der  Tonkunst  vom  18.  zum  10.  Jahr^ 
hundert  bietet*',  und  daß  die  moderne  Musik  in  vieler  Hinsicht  der  Kunst  der 
Nachfolger  Michelangelo's  ähnlich  ist.  Die  Frage,  „ob  unsere  jüngste  Tonkunst 
wie  sie  sich  seit  dem  späteren  und  späten  Beethoven  über  Wagner  zu  Stranft  und 
Mahler  entwickelt  hat,  noch  einer  Weiterbildung  fähig  ist*,  glaubt  Sclineider  Jtia 
Hinblick  auf  die  verblüffend  parallele  Entwickelung  der  italienischen  bildenden 
Kunst^  verneinen  zu  müssen.  Er  meint,  es  sei  „der  gleiche  Weg  zum  Verüall  von 
Wagner  und  Liszt  zu  Strauß  und  Mahler,  wie  von  dem  SchöpfSer  der  Laurentiana 
zu  den  Bernini  und  Borromini".  „In  der  bildenden  Kunst  folgte  auf  das  Pathos 
des  Barock  die  Grazie  des  Rokoko.  Dieses  wieder  wird  abgelöst  Ton  dem 
strengeren  Stil  Louis  XVI.,  der  zum  klassizistischen  Empire  führt.  So  wird  auch 
die  Tonkunst  aus  dem  komplizierten  Oberschwang  zurückfinden  zu  einer  schlichteren 
und  gehalteneren  Sprache.* 

FRANKFURTER  ZEITUNG  vom  1.  Februar,  vom  8.  März,  vom  17.,  2C  und  31.  Mai 
1908.  —  Alfred  Moeglictas  Aufsatz  „Aus  dem  Werdegange  einet  Geiger- 
königs.  Zur  Erinnerung  an  August  Wilhelm}'  (1.  II.)  enthält  interessante  JMi^ 
teilungen  über  Wilhelmjs  Geigenspiel,  die  sich  zum  Teil  auf  Jules  Ghymers* 
Schrift  über  Wilhelmjs  Spiel  stützen.  „August  Wilhelmjs  Art  zu  studieren,  die  er 
von  Kindesbeinen  auf  sozusagen  instinktiv  pflegte,  war  die  stellenweise  Obung^ 
das  heißt,  er  studierte  niemals  ein  Stück  in  seinem  Zusammenhange,  sondern  die 
einzelnen,  schwierigeren  Stellen,  und  zwar  eine  Jede  ununterbrochen  so  lange, 
bis  sie  ganz  korrekt  herauskam.**  —  Aus  dem  „Pester  Lloyd'  werden  »Brinnernnfsn 
an  Johannes  Brahms'  (8.  III.)  abgedruckt,  die  Berta  Tucholsky  nach  Anfkeidi- 
nungen  des  Sängers  und  Komponisten  Georg  Henschel,  zuerst  verSflIendicht  In 


243 
REVUE  DER  REVUEEN 


sächlich  gegen  die  Freigabe  des  »Parsifal".  —  In  dem  Aufsatz  „Richard  Wagner 
ober  die  Moderne"  spricht  Josef  Stolz ing  über  den  Einfluß,  den  die  Juden  nach 
Wagners  Ansicht  auf  die  Kultur  und  die  Kunst  ausgeübt  haben. 

VOSSISCHE  ZEITUNG  (Berlin)  vom  25.  Januar  1908.  —  Ernst  Mfiller  zeigt  in 
einem  interessanten  Aufsatz  über  »Schiller  und  die  Musik'',  daß  „die  Musik  stets 
einen  wichtigen  Faktor  in  Schillers  Leben  und  seiner  Dichtung  bildete",  und  be- 
richtet über  Schillers  Pline,  Opemtexte  zu  schreiben.  Zelter  sagte:  „Niemand 
hat  tieferen  Sinn  für  die  Musik  als  Schiller.''  Müller  zählt  einige  der  bedeutend- 
sten Kompositionen  Schillerscher  Gedichte  auf.  Am  Schluß  weist  der  Verfasser 
darauf  hin,  daß  „die  von  Schiller  gewünschte  Oper"  von  Richard  Wagner  geschaffen 
worden  ist. 

WESER-ZEITUNG  (Bremen)  vom  8.  März  1008.  —  In  dem  Aufsatz  „Der  musikalische 
Zeitgeschmack  sagt  W.  Freudenberg  nach  einem  kurzen  historischen  Überblick: 
„Wenn  nun  die  neuere,  auf  der  Orchestertechnik  beruhende  Musik  zu  all- 
gemeiner Verständlichkeit  zurückkehren  will,  wird  sie  sich  wieder  mehr  auf  das 
dem  Menschen  im  Gesang  angeborene  Fundament  aller  wahren  Musik  besinnen 
und  bestrebt  sein  müssen,  sich  mit  melodischem  Inhalt  zu  füllen.  . . .  Der  Gesang, 
das  Schönste  aller  Musik,  ist  das  Heilmittel,  durch  das  sie  wieder  genesen  kann, 
wenn  sie  von  ihm  ihren  Ausgang  nimmt." 

BRESLAUER  ZEITUNG  vom  24.  Mai  1008.  —  Zum  Geburtstage  Wagners  veröffent- 
licht Paul  Menzel  den  Aufsatz  »Ein  Richard  Wagner- Gedenklatt",  in  dem  er  auch 
über  die  Aufführungen  Wagnerscher  Werke  in  Breslau  berichtet. 

DORTMUNDER  ZEITUNG  vom  1.  Januar  1008.  —  Kaiman  Feld  veröffentlicht  in 
dem  Aufsatz  „Äußerungen  berühmter  Dirigenten  über  die  Leonoren-Ouvertüre  No.  3" 
die  Antworten  von  acht  Dirigenten  auf  die  Frage,  an  welcher  Stelle  die  dritte 
Leonoren-Ouvertüre  gespielt  werden  soll.  Mottl,  Richter,  Richard  Strauß  und 
Siegfried  Wagner  sind  der  Ansicht,  daß  es  am  besten  sei,  diese  Ouvertüre  nur 
im  Konzertsaal  spielen  zu  lassen;  wenn  man  sie  aber  bei  der  Aufführung  des 
»Fidelio"  nicht  vermissen  wolle,  so  möge  man  sie  am  Anfang  aufführen.  Auch 
Schuch  pflegt  sie  an  den  Anfang  zu  stellen.  Goldmark  und  Nikisch  lassen 
sie  vor  dem  zweiten  Akt  spielen.  Mahler  während  der  Verwandlung.  Strauß 
empfiehlt,  außer  der  dritten  Leonoren-Ouvertüre  auch  die  Fidelio-Ou vertu re  vor 
dem  Beginn  der  Oper  vorzutragen.  Der  Verfasser  spricht  dann  die  Ansicht  aus, 
daß  die  dritte  Leonoren-Ouvertüre  gar  keine  „Ouvertüre",  kein  „Vorspiel",  sondern 
ein  „Zwischenspiel"  sei  und  während  der  Verwandlung  im  zweiten  Akt  gespielt 
werden  müsse.  „Hört  man  die  Fanfare  zuerst  in  der  Ouvertüre  und  dann  bei 
offener  Szene,  so  wird  man  statt  der  beabsichtigten  erlösenden  Überraschung  einer 
unwillkürlich  funktionierenden  musikalischen  Reflexion  ausgesetzt,  wodurch  die 
Wirkung  im  entscheidenden  Moment  verloren  geht.  Ertönt  hingegen  die  Fanfare 
im  ^Nachspiel'  als  Reminiszenz,  so  büßt  sie,  an  dieser  Stelle  wiederholt,  nichts  von 
der  ihr  zukommenden  Bedeutung  ein,  gerade  im  Gegenteil,  die  Wirkung  ist  eine 
verdoppelte,  denn  der  musikalische  Eindruck  wirkt  hier  zugleich  dramatisch,  das 
soeben  erlebte  Drama  taucht  noch  einmal  in  voller  Deutlichkeit  vor  unserem 
geistigen  Auge  auf  ..."  „. . .  Aber  auch  von  einem  anderen  Standpunkt  aus  muß 
der  Placierung  der  Ouvertüre  nach  der  Kerkerszene  der  Vorzug  gegeben  werden. 
Wenn  in  einer  Oper  bei  einer  Verwandlung  ein  so  unmittelbarer  dramatischer  Zu* 
sammenbtng  zwischen  den  zwei  aufeinanderfolgenden,  in  der  Handlung  nur  aus 
technischen  Gründen  unterbrochenen  Szenen  besteht,  wie  dies  in  der  Verwandlung 


246 
DIE  MUSIK  VII.  22. 


teilungen  Herv6's  über  dessen  Zusammentreffen  mit  Wagner^  der  ihn  in  einer 
Abendgesellschaft  kennen  lernte  und  später  zuweilen  mit  Anerkennung  von  ihm 
sprach.  —  Carlos  D roste  veröffentlicht  unter  der  Oberschrift  ,»Hedwig  Reicher- 
Kindermann'^  zum  25.  Todestage  der  Singerin  eine  interessante  Biographie. 

HANNOVERSCHER  COURIER  vom  12.  Februar  1908.  —  H.  von  Beaulieu  ver- 
öffentlicht einen  Dialog  zwischen  einer  Frau  und  einem  Mann  unter  dem  Titel 
„Der  ,große  Prozeß'  in  Richard  Wagners  Dichtung.*  Mit  dem  .»großen  Prozeß* 
meint  der  Verfasser  die  Liebe,  die  Friedrich  Hebbel  ,,den  grolkn  zwischen  den 
Geschlechtem  anhingigen  Prozeß*  nannte.  Der  Dialog  handelt  von  der  Liebe 
Elisabeths,  Elsas,  Brunnhildes  und  Isoldes. 

KIELER  ZEITUNG  vom  24.  Januar  1906.  —  Zum  60.  Geburtstage  Kretzschmars  ver- 
öffentlicht Willy  Orth  mann  den  Aufsatz  „Hermann  Kretzschmar*,  in  dem  er  dea 
Gefeierten  den  »zurzeit  größten  Kenner  der  Musik  aller  Jahrhunderte*  nennt 

KÖNIGSBERGER  ALLGEMEINE  ZEITUNG  (BEILAGE:  BLÄTTER  FÜR 
LITERATUR  UND  KUNST)  1908,  Nr.  8  und  10.  -  Paul  Bornstein  bespricht  ia 
dem  Aufsatz  »Friedrich  Hebbel  und  Robert  Schumann*  (Nr.  8)  die  Beziehungen 
der  beiden  Künstler  zueinander.  Schumann  wollte  bekanntlich  eine  Bearbeitung 
von  Hebbels  „Genoveva*  als  Textbuch  einer  Oper  benutzen  und  vertonte  mehrere 
Gedichte  von  Hebbel.  Schumann  und  Hebbel  sahen  einander  im  Jahre  1847 
in  Dresden.  -  Paul  Ehlers'  Aufsatz  »Das  Münchner  Künstlertheater*  handelt 
von  der  Reform  der  Bühneneinrichtung. 

KÖNIGSBERGER  HARTUNGSCHE  ZEITUNG  vom  15.  Februar  1008.  —  Adolf 
Prümers  berichtet  in  dem  Aufsatz  „Königsberg  und  seine  Musiker*  kurz  fiber 
das  Leben  und  Schaffen  der  Choralkomponisten  Graumann  (1487— 1541K  Johana 
Eccard  (1553—1611)  und  Heinrich  Albert  (1604— 1651),  des  Liederdichters  Reichhardt 
(1752—1814),  E.  T.  A.  Hoffmanns,  Otto  Nicolais,  Adolf  Jenens,  Hermann  Goetz^ 
und  mehrerer  bekannter  Musikschriftsteller,  Virtuosen  und  Pidagogen. 

ALLGEMEINE  ZEITUNG  (München)  vom  ?.  Januar,  vom  24.  Januar  und  vom 
18.  März  1908.  —  Paul  Marsop  zieht  in  dem  Aufsatz  „Die  beiden  Barbiere*  (3.  L> 
einen  Vergleich  zwischen  Paisiello's  und  Rossini's  Opern  „Der  Barbier  von  Sevilla* 
und  spricht  kurz  über  den  Einfluß  Paisiello's  auf  Mozart.  Am  Anftmgdes  AnfiMtzes 
schreibt  Marsop:  „Am  5.  Februar  1816  wurde  Rossini's  ,Barbiere  di  Siviglta*  vom 
römischen  Publikum  ausgezischt.  Der  Hauptgrund  solcher  (bindseligen  HaJtung: 
man  fand  es  unverschämt,  unverzeihlich,  daß  ein  junger  Tonsetzer  sich  vermaO, 
nach  dem  gleichen  Komödienstoff  zu  greifen,  mit  dessen  musikalischer  Illnstrierang 
der  allverehrte  Meister  Paisiello  sich  nicht  lange  zuvor  ins  Herz  aller  Italiener 
gesungen  hatte.  Am  13.  Dezember  1907  pfiffen  die  Urenkel  derer,  die  dereinst 
dem  Schwan  von  Pesaro  wohl  die  schwersten  Stunden  seines  Lebens  bereiteten» 
den  ,Barbier^  des  Paisiello  unbarmherzig  aus  —  als  er  in  seinem  Geburtalande» 
fast  schon  verschollen,  unvermutet  wieder  einmal  auftauchte«*  Als  Marsop  einige 
Zischer  nach  dem  Grunde  der  Ablehnung  fragte,  erhielt  er  die  Antwort^  ^es  sei 
unerhört,  die  alte  verstaubte  Scharteke  einer  Zuhörerschaft  vorzusetzen,  die  doch 
die  unübertreffliche  Tonschöpfung  eines  Rossini  Note  für  Note  auswendig  kenne.*  -* 
Unter  der  Überschrift  „Verdi  und  das  Publikum"  (24. 1.)  veröffentlicht  und  kommen- 
tieft  Paul  Marsop  einen  von  Verdi  im  Februar  1850  an  seinen  Verleger  Ricordi 
gerichteten  Brief,  der  zeigt,  daß  Verdi  auch  in  der  Zeit,  als  er  schon  der  Liebliof 
seiner  Nation  war,  von  dem  Theaterpublikum  sehr  geringschltzig  dachte.  —  HeiQricIl 
Spelthahn  bietet  in  dem  Aufsatz  „Exotische  Musik"  (18.  III.)  einen  Überblick 


::^^ 


245 
REVUE  DER  REVUEEN 


der  Londoner  Zeitschreift  »Century  Magazine**,  mitteilt.  Henschel  verkehrte  freund- 
schaftlich mit  Brahms  und  hat  in  den  „Erinnerungen**  manche  sehr  interessante 
Aussprüche  Brahms'  wiedergegeben  und  auch  von  einigen  Erlebnissen  erzählt, 
durch  die  wir  Brahms'  Charakter  näher  kennen  lernen.  Als  Henschel  ihn  fragte, 
ob  er  einige  Noten  in  dem  „Triumphlied*  ändern  dürfe,  antwortete  Brahms:  „Ge- 
wiß. Meinetwegen  darf  ein  denkender,  verständiger  Sänger  ruhig  einmal  eine  Note 
verändern;  nur  müssen  naturlich  Deklamation  und  Akzent  korrekt  bleiben.*  Ober 
Wagners  „Ring*  sagte  Brahms:  „Ich  muß  gestehen,  daß  ,Walkure*  und  ,Gdtter- 
dämmerung*  auch  auf  mich  großen  Eindruck  gemacht  haben.  Für  ,Rheingold^  und 
ySiegfried*  bin  ich  nicht  so  begeistert.  Wenn  ich  nur  erst  wußte,  was  aus  dem  Ring 
wird  und  was  Wagner  damit  gemeint  hat.  Vielleicht  das  Kreuz?  Hebbel  hat  es 
in  seinen  Nibelungen  so  aufgefaßt,  und  vielleicht  war  das  auch  Wagners  Meinung. 
Ich  bin  dem  Kreuz  durchaus  nicht  blind  ergeben,  aber  das  wäre  doch  wenigstens 
•eine  Idee,  das  Ende  der  Götter  so  anzudeuten.*  Auch  an  einer  anderen  Stelle  be- 
richtet Henschel,  daß  Brahms  fragte:  „was  denn  eigentlich  mit  dem  Ring  geschehe.* 
Brahms'  Arbeitsweise  charakterisieren  die  folgenden  Aussprüche:  „Man  sollte  nie 
vergessen,  daß  man  mehr  lehrt  [Druckfehler?],  wenn  man  ein  Stück  möglichst 
vollendet,  als  wenn  man  zehn  beginnt.  Lassen  Sie  es  liegen  und  nehmen  Sie 
es  immer  wieder  vor,  bis  es  ein  vollendetes  Kunstwerk  ist,  bis  keine  Note,  kein 
Takt  darin  vorkommt,  der  noch  besser  sein  könnte.  Ob  es  dann  auch  schön  ist, 
das  ist  wieder  eine  Sache  für  sich,  aber  vollendet  muß  es  sein.  Wie  Sie  wissen, 
bin  ich  faul.  Aber  nie  könnte  ich  ein  angefangenes  Werk  liegen  lassen,  bis  es 
nicht  einwandfrei,  so  vollkommen  wie  möglich  ist*  „Wenn  Sie  Lieder  schreiben, 
müssen  Sie  zugleich  mit  der  Melodie  einen  gesunden,  kräftigen  Baß  erfinden. 
Und  dann  keine  schweren  Dissonanzen  auf  unbetonten  Taktteilen,  bitte!  Das  ist 
•schwach.  Ich  selbst  bin  sehr  für  Dissonanzen,  aber  in  betonten,  schweren 
Taktteilen,  und  dann  löse  ich  sie  leicht  und  allmählich  auf.*  Von  Schuberts 
Komposition  der  Goethe- Lieder  sagte  Brahms:  „Die  letzte  Strophe  von 
Suleikas  Lied:  ,Was  bedeutet  die  Bewegung^  ist  für  mich  das  einzige  Beispiel, 
wo  der  Zauber  Goethescher  Worte  durch  die  Musik  noch  erhöht  wird.  Alle 
•seine  anderen  Gedichte  sind  in  sich  vollendet,  daß  keine  Musik  an  sie  heran- 
Teicht*  Von  den  Werken  der  großen  Meister  sprach  Brahms  nach  Henschels 
JMitteilungen  „nicht  nur  mit  Bescheidenheit,  sondern  sogar  mit  Demut.*  — 
Bernhard  Scholz  klagt  in  dem  Aufsatz  „Der  Niedergang  der  öffentlichen  Musik- 
jptiege  in  Frankfürt  a.  M.*  (17.  V.)  darüber,  daß  ältere  klassische  Werke,  z.  B.  die 
'Chenibini's,  in  Frankfurt  a.  M.  „mehr  und  mehr  vom  Repertoire  verschwanden,* 
"Weil  zu  viele  Aufführungen  von  Werken  der  Neueren,  besonders  der  Russen, 
stattfanden.  Ferner  bedauert  Scholz,  daß  in  den  letzten  Jahren  das  Publikum 
weniger  danach  fragt,  welches  Werk  aufgeführt  wird,  als  danach,  wer  es  dirigiert. 
In  Frankfurt  würden  die  auswärtigen,  nur  als  Gäste  auftretenden  Dirigenten  und 
Kammermusik-Virtuosen  so  sehr  bevorzugt,  daß  die  einheimischen  „an  die  Wand 
gedrückt*  würden.  —  Luise  Pohl  berichtet  in  dem  Aufsatz  „Eine  Erinnerung  an 
Anton  Rubinstein*  (24.  V.)  über  Rubinsteins  Spielleidenschaft  und  seine  Abneigung 
gegen  Wagners  Musik.  —  Unter  der  Oberschrift  „Richard  Wagner  als  Supplikant* 
(31.  V.)  werden  Stellen  aus  drei  die  Aufführung  des  „Rienzi*  betreffenden  Briefen 
Wagners  an  den  Dresdener  Hoftheater-Intendanten  Freiherrn  von  Lüttichau  mit- 
geteilt. 
HAMBURGER  FREMDENBLATT  vom  20.  Februar  und  vom  31.  Mai  1908.  -  Der 
anonyme  Aufsatz  „Richard  Wagner  und  Herv6*  berichtet  auf  Grund  von  Mit- 
Vn.  22.  17 


KRITIK 


OPER 


KÖLN:  Die  in  der  Zeit  vom  11.  bis  29.  Juni 
durch  den  Opernfestpiel-Verein  im 
hiesigen  Opemhause  veranstalteten  sechs  Auf- 
führungen haben  manches  Schöne  und  Anregende 
gebracht,  andererseits  aber  auch  Enttäuschungen 
bereitet.  Zum  ersten  Abend  hatte  die  Pestspiel- 
leitung  ihre  Rechnung  ohne  Burrian  gemacht, 
obgleich  der  Herr  an  ihrem  kfinstlerischen 
Konto  stark  beteiligt  war.  In  „Tristan  und 
Isolde*  sprang  fQr  den  in  letzter  Stunde  Ab- 
sagenden Paul  Kali  seh  (Wiesbaden)  höchst 
▼erdienstlich  ein.  Zu  der  großcugigen  Isolde 
▼on  Martha  Leffler-Burckard  (Wiesbaden) 
gesellten  sich  als  sehr  rfihmliche  Vertreter  des 
Kurwenal,  des  Marke  und  der  Brangäne  Tilman 
Liszewsky  (Köln),  Alfred  Käse  (Leipzig)  und 
Ottilie  Metzger-Froitzheim  (Hamburg).  Als 
stark  persönlich  wirkender  Dirigent  hielt 
Arthur  Nikisch  zeitweilig  das  Orchester  allzu 
laut.  Eine  außerordentliche  Aufführung  von 
echtem  Festspielgeprige  war  die  von  „Figaros 
Hochzeit*.  Vorweg  sind  als  ausgezeichnete 
Vertreter  des  Figaro  und  der  Susanne  Paul 
K  n  fi  p  f  e  r  und  Frieda  H  e  m  p  el  (Berlin)  zu  nennen, 
mit  denen  Fritz  Fe  in  hals  (München)  als  Graf 
In  schönen  Wettbewerb  trat.  Recht  zierlich  gab 
Minnie  Na  st  (Dresden),  den  Pagen.  Lola 
Artöt-de  Padilla  (Berlin)  stand  als  Gräfin 
nicht  ganz  auf  der  durch  die  Vorgenannten  be- 
haupteten Höhe,  während  als  Bartolo,  Basilio 
und  Marzelline  Georg  Sieglitz  (München), 
Albert  Reiß  (New  York),  und  Anna  Weiden 
(Köln)  Vortreffliches  boten.  An  der  Spitze  des 
Kölner  Orchesters  erschloß  Fritz  Steinbach 
als  so  recht  stilvertrauter,  hingebungsvoller 
Ausdeuter  Grazie  und  Wollaut  der  Partitur. 
In  der  folgenden  „Meistersinger*-Aufführung, 
die  ebenso  wie  die  voraufgegangenen  Anton 
Fuchs  (München)  szenisch  herrlich  leitete,  ent- 
sprach als  Stolzing  Leo  Slezäk  (Wien)  weder 
gesanglich  noch  darstellerisch  den  gehegten 
Erwartungen.  Dann  waren  Minnie  Nast  als  Eva 
und  Albert  Reiß  als  David  stimmlich  nicht 
absolut  ausreichend,  sonst  aber  einwandfrei. 
Fritz  Feinhals  als  hervorragender  Sachs,  dann 
Rudolf  M  o  est  (Hannover),  Josef  Geis  (München), 
Liszewsky  (Köln)  und  Ottilie  Metzger,  letztere 
allerdings  oft  recht  willkürlich  singend  stellten 
das  weitere,  von  Felix  Mottl  in  vornehmstem 
Stile  geleitete,  leistungsfähige  Ensemble.  Die 
Chöre  hatten  durch  Konservatoristen  und 
den  Gesangverein  Liederkranz  erhebliche  Ver- 
stärkung erfahren.  Gerade  die  gewöhnliche 
Kölner  „Meistersinger* -Aufführung  steht  so 
hoch,  daß  auch  eine  Festspiel  Vorstellung  sie 
nicht  leicht  übertrumpft,  und  das  ist  auch 
diesmal  nicht  geschehen.  Bedeutenden  und  voll- 
berechtigten Erfolg  erzielte  am  vierten  Abend 
das  Ensemble  des  Brüsseler  ,Tb6ätre  royal 
de  la  Monnaie*  mit  Puccini's  „Vie  de 
Boh6me*.  Unter  Sylvain  Dupui's  feinsinniger 
Führung  waren  zumal  Yvonne  de  Tr6vilie, 
M.  Symiane,  sowie  A.  Morati  und  M.  de 
C16ry  als  Mimi,  Musette,  Rodolphe  und  Marcel 
gesanglich  und,  was  besonders  betont  sei,  auch 
schauspielerisch  vorzüglich  und  so  recht  voller 
Leben  und  Natürlichkeit.  Bis  zur  kleinsten 
Rolle  ein  stileinheitliches,  künstlerisch  glänzen- 


des Zusammenwirken!  FQr  CUnde  Debasay*! 
schwaches  Opemwerk  (eigentlich  eherMelodrmo) 
„Pelleas  und  Melisande*,  Text  von  Mmet»r- 
linck«  ist  in  jüngster  Zeit  von  beteiligter  deotsehar 
Seite  ungerechtfertigte  Reklame  gemacht  worden« 
Dieses  Werk,  dessen  Wahl  nnverstlndlicta  auch 
dann  bleibt,  wenn  man  die  lettendea  Fiden 
kennt,  brachte  die  allgemein  empfiiodene  froBe 
Enttäuschung  dieser  Festspiele.  Natfirlich  nahm 
man  die  ausgezeichneten  Leistungen  dar 
Brüsseler  Gäste,  zumal  der  genialen  Marjr 
Garden  als  Melisande  und  des  nictaia  weniger 
als  alltäglichen  Baritonisten  J.  C.  Bonrbon, 
mit  warmer  Teilnahme  auf.  Terdfs  nach  langer 
Zeit  neueinstudierter  .Falstaff*  bracbta  dte 
Kölner  Oper  vor  den  fremden  Featspielbeancham 
zu  hohen  Ehren,  denn  mit  alleiniger  Auanahme 
der  von  Leopold  Demut h  (Wien!  in  Jeder  Be- 
ziehung prächtig  gegel>enen  Titelrolle  waren  alle 
Panieen  mit  ständigen,  sorglich  auaflewihlien 
Kräften  der  hiesigen  Oper  l>esetit.  TUman 
Liszewsky  als  stimmglänzender  Ford,  H. 
Winckelshoff,  Carl  Neldel,  Max  Pauli, 
Frieda  Felser,  Ciaire  Duz,  Anna  Weiden  nav. 
bildeten  ein  hochragendes,  ungemein  Mn- 
geschliffenes  Ensemble,  mit  dem  ala  melater* 
lieber  Einstudierer  und  allea  eiektriaierender 
Dirigent  Otto  Lohse  wundervolle  Wlrknufan 
erreichte.  Ihm  bereitete  das  FeatpnMilnai 
jubelnde  Ovationen.  Noch  sei  erwlhnt,  daß  ea 
zu  allen  Aufführungen  splendideste  neue  Dcke- 
rationen  und  Kostüme  gab.        Paul  Hiller 

MOSKAU:  Die  Kaiserliche  Oper  veran- 
staltete in  der  achtmonatlichen  Spieliail 
190  Vorstellungen,  die  Privatoper  Zimin  287, 
darunter  51  Sonntags-  und  Feiertagisniatinean 
mit  ermäßigten  Preisen.  Daa  Streben  anr  Vei^ 
vollkommnung  dea  BQhnenweaena  tat  nidM 
zu  leugnen,  jedoch  ist  manchea  Untenftflende  in 
Repertoire  und  AusfGhrung  in  ven^ctanen«  In 
der  Kaiserlichen  Oper  waren  neu  einstudiert: 
Rubinsteins  .Nero*,  C.  Quds  .Matthee  Palkone*, 
deren  Wahl  nicht  als  glficklich  in  prelacn  tat 
Als  Neuheit  gab  es:  .Die  Legende  ven  der 
entschwundenen  Stadt  Kiteacb  und  die  Jungfraa 
Thearonia*,  von  Rimski-Kora8akew,ein  werk  teil 
Mystik  in  erhabenem  Oratorienatil.  GUnkafk 
«Rußlan  und  Ludmilla*,  glänzend  neninasenieft, 
übte  große  Zugkraft  aus.  Die  PriTatoper  Ziain 
erzielte  mit  Tschaikowsky'a  .Junfflratt  Ten  Or- 
leans*, späterhin  auch  mit  .Eugen  Onegln*  und 
«Pique- Dame*  Erfolge.  Von  auallndiechen 
Werken  gelangten  u.  a.  zur  Aufführung:  LertiingiB 
,Zar  und  Zimmermann*  (zun  eraien  Male  im 
Auslande  aufgefuhn),  Dupont's  .Cabrera*,  «Saa- 
son  und  Dalila*  (unter  Colon ne),  MaiUanfk 
«Glöckchen  des  Eremiten*.  Ein  falscher  Zug  ist 
in  der  Privatoper  wahrzunehmen,  wibrend  In  dar 
Kaiserlichen  höchst  selten  Glanzveratellnntaa 
und  Neueinstudierungen  neues  Leben  in  dto 
Eintönigkeit  bringen.  Ganz  auageieichnet  fu 
Dirigent  Suck  der  Kaiserlichen  Oper. 
bat  jetzt  auch  eine  hervorragende  Dirigoi' 
kraft  in  Emil  Kuper  gewonnen.  Orcfaeaier 
Chöre  sind  gut  besetzt;  trotzdem  iat  Wi 
ausgeschlossen!  —  Nur  im  Volkatheater, 
dem  Jede  Woche  drei  Opernvoraiellnntan  fw 
sich  gehen,  kam  der  «Tani  inaer*  nh  gn 
Kräften  bei  vollem  Hause  su  Gehdr. 
Publikum   sehnt   sich   nach   Wagner.  * 


249 
KRITIK:  KONZERT 


exklusive  Stellung  nimmt  eine  szenische  Vor- 
fGbrung  mit  Gesang  und  Tänzen  von  einer 
Tondichtung  von  dem  (1907)  verstorbenen  rus- 
sischen Komponisten  Blsremberg  ein,  der 
den  Text  des  »Demons*  von  Lermontow  zu 
einer  Reibe  von  musiktlischen  Bildern  im  Geiste 
der  Dichtung  verwendet  hat.  Die  Musik  hai 
lyrische  und  dramatische  Episoden  aufzuweisen, 
die  eine  starke  Wirkung  nicht  verfehlen. 

E.  von  Tideböhl 

KONZERT 

DARMSTADT:  Das  tatkräftige  Wirken  des  hie- 
sigen Richard  Wagnervereins  hat  auf  die 
Pflege  modemer  Tonkunst,  die  in  unserer  Stadt 
firfiher   arg   damiederlag,    den    befruchtendsten 
Einfluß  geübt,  so  daß  die  zweite  Hälfte  der  dies- 
winterlichen  Konzertsaison  geradezu  unter  dem 
Zeichen  der  Komponistenabende  stand,  bei 
denen  die  Tonsetzer  meist  persönlich  mitwirkten. 
Während    der    genannte    Verein    selbst   einen 
Henri  Martesu-  und  einen  Hans  Hermann- 
Abend  veranstaltete,  räumte  die  Ho fka pelle  ihr 
viertes  und  ihr  sechstes  Konzert  Max  Reger  und 
Engen  d'Albert  ein,  und  der  Mozart-Verein 
fahrte    neue   Chorwerke   von    Gustav   Weber, 
Wilhelm   Berger  und  Arnold  Mendelssohn 
vor.    Den  glänzenden  Schluß  der  Konzertsaison 
bildeten  ein  vom  Wagner-Verein  veranstalteter 
Richard  Wagner-Abend  und  ein  Beethoven-Abend 
(mit  der  Neunten  Symphonie),  bei  denen  das  hier 
erstmalig   erscheinende    Leipziger  Winderstein- 
Orcbester  und   die  Großherzogliche  Hofmusik 
in  einen  interessanten  künstlerischen  Wettbewerb 
traten.  —  Von    hervorragendem   Interesse   war 
dann  such  das  erste  Darmstädter  Kammer- 
musik fest,   das   anläßlich   der  Eröffnung   der 
liessiscben  Landesausstellung  für  freie  und  an- 
gewandte   Kunst    unter    dem    Protektorat    des 
Großherzogs  in  den  Tagen  vom  25.  bis  27.  Mai 
im  Saalbau   veranstaltet  worden  war,   und  das 
durch    die    Mitwirkung    einer    Reihe    unserer 
ersten  deutschen  Tonsetzer  den  Charakter  einer 
Ton kfinstlei Versammlung    im    kleinen   annahm. 
Während     der     erste     Abend     Beethoven     ge- 
widmet war   und   Frida    Kwast-Hodapp  und 
Ludwig  Heß  mit  dem  Vortrag  der  Appassionata 
ond  des  »Liederkreises  an  die  ferne  Geliebte* 
besondere  Ehren  eintrug,  brachte  der  zweite  Abend 
ein  Reihe  von  Erstaufführungen  für  Darm- 
itsdt,  von  denen  ein  Vokalquartett  a  cappella  nach 
Texten  des  Angelus  Silesius  von  Arnold  Mendels- 
sohn,   das    e-moll    Streichquartett    von    Max 
Scbillings,dievondem  Komponisten  zusammen 
mit  Gustav  Havemann  vorgetragene  Sonate  für 
Klavier  und  Violine  op.  42,  No.  2  in  fls-moll  von 
Felix    Weingartner    und    die    rasch    bekannt 
gewordene    ^nf»ätzige  Serenade   für  elf  Solo- 
instrnmente  von  Bernhard  Sekles  großen  Beifall 
fanden.    Der  dritte  Abend,  der  mit  einem  seit- 
her nur  im  Leipziger  Gewandhaus  aufgeführten 
Kleviertrio  (op.  102  in  e-moll)  von  Max  Reger 
eröffoet    wurde,    wurde    im    übrigen    mit    Ur- 
mtiffflbrungen   ausgefüllt.    Den   vokalen   Teil 
▼ertrsten    Max   Reger   mit  zwei   Liedern   voll 
dfister-schwerer  Grundstimmung  und  tiefer  Resig- 
nation:  »Ein  Drängen**  und  «Unterwegs*,  Fritz 
Volbscb  mit  einer  gefälligen,  wenn  auch  nicht 
gerade  in  die  Tiefe  gebenden  Komposition  für 


Sopran  mit  Begleitung  von  Klavier,  Violine, 
Violoncello  und  Harfe,  betitelt  „Die  Nachtigall* 
(Text  von  Paul  Verlaine)  und  Volkmsr 
Andreae,  dessen  drei  Liednummem:  das  im 
Schumannstile  gehaltene  „Du  bist  ein  Kind*^ 
der  fein  pointierte  „Schmied*  und  die  prächtige 
C.  F.  Meyersche  Ballade  „Alle  schweigen*,  deren 
Humor  musikalisch  glänzend  herausgeholt  ist,eine 
dauernde  Bereicherung  des  deutschen  Konzert- 
repertoires werden  dürften.  Viel  charakteristisch- 
individuelle  Zü<e  wies  die  einsätzige  Phantasie 
für  Streichquartett  von  Ludwig  Heß  ,An  die 
Hoffnung*  auf,  und  das  Finale  des  in  allen  seinen 
Teilen  wohlgelungenen  Festes  bildete  ein  Klavier- 
trio von  Volkmar  Andreae,  ein  nach  Satz, 
Technik  und  gedanklichem  Inhalt  durch  und 
durch  modernes  Werk  voll  Kraft,  Gesundheit 
und  Frische,  das  sich  am  Schluß  zu  packender 
dramatischer  Größe  steigert.  Um  die  Ausführung 
des  Programmes  machten  sich  außer  den  bereits 
Genannten  und  den  mitwirkendenKomponistendie 
Darm  Städter  Kammermusik-Vereinigung, 
eine  Anzahl  von  Mitgliedern  der  Großherzog- 
lichen Hofmusik  und  die  Münchner  Künstler 
Frau  Möhl-Knabl,  Klara  Rahn  und  Joseph 
Loritz  verdient.  Der  Großherzog  von  Hessen, 
der  mit  seiner  Gemahlin  sämtlichen  Konzerten 
beigewohnt  hatte,  verlieh  am  Schluss  Max  Reger 
die  goldene  Medaille  für  Kunst  und  Wissenschaft 
und  Hofkonzertmeister  Gustav  Havemann, 
dessen  Initiative  das  Fest  in  erster  Linie  zu 
danken  war,  das  Ritterkreuz  erster  Klasse  des 
Philippsordens.  H.  Sonne 

DUISBURG:  Im  vierten  Konzert  des  Ge- 
sangvereins zeigte  sich  der  Chor  unter 
Walter  Josephson  in  Haydns  „Schöpfung*  mit 
wobleinstudierten  Chören  und  besten  Solisten: 
Hedwig  Kaufmann,  Richard  Fischer  und 
Otto  Süße.  Das  fünfte  Konzert  bestritt  aus- 
schließlich das  Berliner  Vokalquartett,  das 
im  „Spanischen  Liederspiel*  von  Schumann  und 
in  den  „Liebesliedem*  von  Brahma,  sowie  in 
Volksliedern  von  Grimm  Ausgezeichnetes  bot. 
Das  Schlußkonzert  brachte  Mozarts  c-moU  Messe. 
Die  Sopran partieen  waren  vorzüglich  vertreten 
durch  Emma  Bellwidt  und  Eva  Leßmann;  gut 
war  Ernst  Everts,  weniger  befriedigte  Reinbold 
Batz.  Die  schwierigen  Chöre  fanden  im  Or- 
chester gute  Unterstützung.  —  Im  zweiten  Kam- 
mermusik-Abend ließ  sich  das  Trio  Georg 
Schumann,  Karl  Halir  und  Hugo  Dechert 
mit  Brahma  und  Beethoven  in  vorzüglichem 
Zusammenspiel  hören,  doch  traten  die  Geigen- 
und  Cellosolostücke  sehr  aus  dem  Kammer- 
musikrahmen heraus.  Der  dritte  Abend  ver- 
mittelte die  Bekanntschaft  des  Komponisten 
Marteau:  Trio  und  sieben  Lieder  mit  Quartett- 
begleitung, mit  denen Tilly  Cah n bl ey- H  i n ken s 
Stimme  und  Vortrag  reichen  Beifall  fanden. 
Auch  bei  uns  wurde  Marteau  weit  begeisterter 
als  Geiger  aufgenommen  in  Regers  Violin- 
sonate und  als  Primus  beim  Beethovenquartett 
No.  4.  Die  drei  begleitenden  Dortmunder 
Herren  spielten  ziemlich  mittelmäßig.  —  Das 
dritte  Symphoniekonzert  (Leitung  Ernst 
Schmidt)  bischte  als  Neuheit  Bossi's  „Inter- 
mezzi Goldoniani*,  zum  Schluß  Schumanns 
erste  Symphonie.  Karl  Paus  l>e währte  sich  in 
Orgelwerken  von  Boöllmann  und  Guilmant.  Der 
vierte    Abend    brachte    Liszts    „Tasso*    zum 


250 

DIE  MUSIK  VII.  22. 


ersten  Mal,  Strauß*  «Tod  und  Verklärung*  und 
die  »Hollinder'-Ouverture.  Prederik  Voß  spielte 
mit  großer  Bravour  Tschaikowsky's  erstes 
Klavierkonzert  und  einige  SolostQcke.  Ses 
pREIBURG  i.  B.:  Unter  den  stidtischen 
'^  Symphoniekonzerten  bat  das  siebente 
unter  Fritz  Steinbacbs  Leitung  am  meisten 
Interesse  erregt.  Die  zweite  Leonoren-OuvertQre, 
ßacbs  drittes  Brandenburgiscbes  Konzert, 
Scbubert  b-moll  Symphonie  und  vor  allem 
Brabms'  Vierte  kamen  in  vollendeter  Weise  zu 
Gebor.  An  sonstigen  Neuigkeiten  brachten  diese 
Konzerte  unter  Starkes  Leitung  u.  a.  Brückners 
dritte  Symphonie  In  d-moll,  die  einen  nach- 
haltigen Eindruck  machte.  Sonstige  bemerkens- 
werte Vorkommnisse  waren:  Haydns  Militär- 
Symphonie,  Beethovens  c-moll  Symphonie  und 
Strauß'  «Don  Juan*.  Als  Gesangssolisten  hörte 
man  Frieda  H  e  m  p e  1  (Berlin)  mit  der  Wahnsinns- 
arie (sie!)  aus  der  ^^Lucia*  und  Alexander  Heine- 
mann mit  einer  Arie  aus  «Elias*  und  ver- 
schiedenen Liedern;  beide  Künstler  rechtfertigten 
den  ihnen  vorausgegangenen  guten  Ruf.  Als 
Soloviolinist  trat  auch  erstmals  Karl  Halir 
auf  und  erntete  in  Spohrs  etwas  verblaßter 
Gesangsszene  und  Joachims  «Ungarischem 
Konzert*  reichlichen  Applaus.  —  Das  zweite  Ver- 
einskonzert des  Musikvereins  brachte  u.  a. 
Brahms'  «Schicksalslied*  und  Mendelssohns 
«Lorelei*-Finale.  Die  Auffuhrung  der  «Matthäus- 
passion* am  Karfreitag  mit  Dr.  Raoul  Walter 
(München)  als  Evangelist,  Emil  Liepe  (Berlin) 
als  Christus,  Dr.  Oscar  Metzger  von  hier 
(Baß-Partieen)  und  den  Damen  Gl.  Wiß  (Zfirich) 
und  Lisa  Burgmaier  (Aarau)  im  Sopran  und 
Alt  gestaltete  sich  zur  weihevollen  Passions- 
feier, der  ein  sehr  zahlreiches  Publikum  mit 
Erhebung  lauschte.  —  Im  Oratorien-Verein 
gelangte  Schumanns  hier  oft  gehörtes  «Paradies 
und  die  Peri*  unter  C.  Beines  mit  den  Solisten 
Charlotte  Wolter,  Ella  Becbt,  Paul  Reimers 
und  Ad.  Petry  zur  Aufführung,  der  viel  Gutes 
nachgerühmt  werden  darf.  —  An  Kammer- 
musik-Aufführungen hörte  man  wie  alljährlich 
die  Böhmen  (mit  Eva  Leßmann  als  hervor- 
ragender Gesangssolistin),  Florian  Zajic  mit 
dem  Pianisten  Mayer-Mahr  und  neuestens 
an  drei  als  Kammermusikfeste  im  Paulus- 
Saale  arrangierten  Abenden:  das  Brüsseler 
Streich-Quartett  im  Verein  mit  der  Mün- 
chener Kammermusik-Vereinigung  und 
der  Pianisten  Del  Grande  (Freiburg)  und 
Professor  Schmid- Lindner  (München).  Die 
Durchführung  sämtlicher  Stücke  gelang  in  ganz 
vorzüglicher  Weise;  am  meisten  Beifall  errangen 
Beethovens  cis-moll  Quartett  (op.  131),  dessen 
Septett  op.  20  und  Serenade  op.  25,  Dittersdorfs 
reizvolles  Quartett  in  Es  (No.  5)  Mozarts  Es-dur 
Klarinettenquintett,  Spohrs  selten  gehörtes  inhalt- 
reiches c-moll  Klarinettenquintett  und  Brabms' 
Klarinettenquintett  in  h-moll  op.  115.  An  Ge- 
sang- und  Instrumentalsolisten  verzeichnen  wir: 
Lilli  Lehmann,  die  hier  in  enthusiastischer 
Weise  gefeiert  wurde,  Sven  Scholander,  Mina 
Roden  und  Erika  Binzer,  Alexander  Persch- 
nikoff,  Raoul  von  Koczalski  (mit  fünf 
Abenden),  Carlo  del  Grande  (Chopinabend), 
Frau  Dr.  Thomas -St.  Galli  und  Sigrid 
Schn^evoigt.  Schließlich  seien  noch  je  ein 
Vereinskonzert     der     «Concordia*     und     des 


«HM 


«Männergesangvereins*  erwähnt,  in  denen  auf 
dem  Gebiet  des  Kunstgesanges  zum  Teil  Vor- 
zügliches geleistet  wurde.  —  Das  achte  und 
letzte  der  städtischen  SympbonielKonzerte  fand 
vor  ausverkauftem  Saal  statt;  es  konzertierte 
das  Berliner  Philharmonische  Orchester 
unter  Richard  Strauß.  Mit  Ausnahme  von 
Berlioz'  Ouvertüre  zu  «König  Lear*  enthielt  das 
Programm  nur  hier  längst  bekannte  Werke: 
Wagners  «Tannbäuser'-Baccbanale,  Liszu  .Let 
Pr^ludes*,  Strauß'  «Till  Eolenspiegel*  und 
Mozarts  «Jupiter*-Sympbonie.  Strauß  hat  hier 
schon  wiederholt  glänzende  Proben  feiner 
Dirigentenbegabung  abgelegt;  diesmal  erschien 
er  uns  in  ganz  neuer  Beleuchtung;  ea  ist  fut 
unglaublich,  welch'  eine  faszinierende  Gewalt 
von  dieser  Kfinstlerpersönlichkeit  aosgeht^ 
in  der  sich  eiserne  Energie  mit  einer  die 
äußerste  Grenze  des  AusdrucksvennQgena  h^ 
rührenden  Feinfühligkeit  der  Empfindung  gegen- 
seitig durchdringen,  und  dies  alles»  geatAtit  anf 
einen  Orchesterapparat,  der  befähigt  iat|  die 
feinsten  Intentionen  des  Dirigenten  dem  Pn* 
blikum  in  einer  Weise  zu  übermitteln,  die  ea 
förmlich  in  seinen  Bann  zwingt.  Der  angemein 
drastische,  geistreiche  und  zugleich  fUnainnlge 
Humor  von  »Till  Eulenspiegel*  wirkte  anter 
des  Komponisten  genialer  Leitung  In  bisher 
ungeahnter  Welse.  Großartig  and  bis  ina  Detail 
ausgearbeitet  erschienen  auch  die  Wiedergabe 
von  Berlioz'  wuchtiger  «König  Lear"-Oavertflra^ 
sowie  Wagners  «Tannbäu8er*-Finale  and  Liaita 
«Pr^ludes*.  Bei  Mozart  ging  der  DirigoiC  ana- 
schließlich  darauf  aus,  uns  den  Meister  in  aeiner 
ganzen  unerreichbaren  Schönheit  an  ▼ennittela, 
in  der  sich  des  Künstlers  eigene  IndlTidttalltit 
gleichsam  umwertete,  um  den  Unaterhilehen 
in  seiner  zauberhaften  Gewalt  zn  nna  apreehen 
zu  lassen.  Die  Huldigungen  dea  aehr  lahl- 
reichen  Publikuma  ateigerten  aich  mit  ieder 
Nummer  und  schlössen  mit  einem  wahren 
Sturm  der  Begeisterung;  jedenfalls  bildete  diea 
Konzert  den  Höhepunkt  der  ganzen  Saiaon.  ^ 
Die  Ende  Mai  atattgehabte  Anfffihrang  von 
Haydns  «Schöpfung*  durch  den  Oratorien- 
verein  unter  C.  Beinea  mit  Felix  Toa  Kraafi 
(Baß),  Carola  Hubert  (Sopran)  and  Heinrich 
Hermann  (Tenor)  hatte  einen  aehr  gatenVer^ 
lauf.  —  Erwähnt  aei  noch  ein  Liederabend 
unsrer  einheimischen  Künstlerin  Ella  Beehtp 
die  in  Gesängen  von  Scbnmanny  Stelnitierp 
Fleck,  Max  Reger  und  Julina  Weianann  daa 
Publikum  zu  intereasieren  veratand. 

Victor  Angnat  Loaer 

GÖRLITZ:  Bia  tief  in  den  Frühling  hl 
zog  sich  die  Konzertzeit  I007/&    Ein 
eignis  von  einschneidender  Bedeatang  war  d 
Wechsel  im  Amte  des  Stadtmasikdirektora. 
Stelle  des KapellmeisteraEibenschfitx, der  n 
Hamburg  berufen  wurde,  trat  Mnslkdlrektor  Jfitt* 
n  e  r  aus  Montreux,  ein  gebürtiger  Liegnitser. 
im  Vorjahr,  so  fuhr  auch  In  diesem  Kon 
Winter  Eibenschütz  fort  mit  Symphoniekon 
die,  der  sicheren  Finanzierung  wegen,  anter  di 
Protektorat    des   «Vereins    der   Mualkfreande* 
gestellt  waren,  und  zn  denen  Sollaten  h 
gezogen  wurden  —  leider,  denn  wir  bekennen 
übergenug  zu  hören,  und  ale  bringen  lan 
doch  nur  Unordnung  in  daa  Progrann  ein 
Orchesterkonzertea.  Bedanerllcherwelae 


251 
KRITIK:  KONZERT 


9MM 


sie  aber  den  Kassenmagneten  abgeben.  Als 
liemerkensweit  seien  erwlbnt:  Concerto 
Crosso  No.  7  C-dur  von  Hindel,  C-dur  Sym- 
phonie von  Schubert,  das  d-moll  Klavier- 
konzert Ton  Brahms,  das  Konrad  An  sorge 
ebenso  meisterlich  spielte  wie  die  große  C-dur 
Phantasie  von  Schubert-LisztydieD-durSympbonie 
▼on  Mab  1er,  der  trotz  befremdlicber  Eigenheiten 
starkea  Interesse  entgegenzubringen  ist,  das  von 
Frederik  Lamond  eindrucksvoll  gespielte  B-dur 
Klavierkonzert  von  Brahms,  die  von  Henri 
Mertean  voller  Mark  gespielte  Violinpbantasie 
▼on  Robert  Schumann,  Teil  I  aus  «Odysseus' 
Fahrten*  von  Ernst  Boehe,  dessen  Bekanntscbaft 
eine  wertvolle  zu  nennen  ist.  Die  im  selben 
Konzert  gespielte  symphonische  Phantasie  .Aus 
Italien*  von  Richard  Strauft  verliert  sich  meiner 
Meinang  nach  schlie&lich  in  lirmende  Äußerlich- 
keit. —  Die  Konzerte  des  «Vereins  der  Musik- 
freunde* brachten  ebenfalls  die  nötige  Abwech- 
aelnng  zwischen  alter  und  neuer  Zeit.  Hermann 
Ooetz  war  vertreten  durch  seine  F-dur  Sym- 
phonie, Haydn  kam  zum  Wort  mit  seiner  Ab- 
sctaiedsaymphonie;  Fritz  Kreisler  spielte  das 
Violinkonzert  von  Brahms  mit  tadelloser  Tech- 
nik und  ernstem  Kunstverständnis;  Frieda 
Hempel  erwies  sich  in  Bruchstficken  aus  Opern 
von  Mozart  und  Donizetti  als  Koloratursängerin 
von  dramatischer  Großzügigkeit,  Ernst  von 
Dohnanyi  als  eleganter  Klavierspieler  und 
effelovoller  Komponist  in  seinem  e-moll  Klavier- 
Iconzert  Von  den  weiteren  Orchesterwerken 
hinterließen  nachhaltigen  Eindruck  die  Sympho- 
nieen  D-dur  von  Beethoven  und  vierte  (roman- 
tiache)  von  Brückner.  Mit  der  großzügigen  Wie- 
dergabe der  c-moll  Symphonie  von  Beethoven  ver- 
abacbiedete  sich  Eibenschfitz  vom  hiesigen  Publi- 
kum. —  Auf  dem  Gebiet  der  Kammermusik 
iat  anr  der  Abend  des  Brüsseler  Streich- 
quartetts als  wertvoll  zu  verzeichnen,  das  das 
F-dnr  Streichquartett  op.  18  von  Beethoven  und 
daa  In  d-moll  von  Schubert  spielte.  Frau  Metzger- 
Froltzheim  lieh  diesem  Abend  ihre  kQnstle- 
riacbe  Unterstützung.  Uneingeschränkten  Genuß 
boten  das  Konzert  des  Berliner  Vokal- 
Qnartetts  (Jeanette  Grumbacher-  de  Jong, 
fnlia  Culp,  Paul  Reimers  und  Arthur  van  Eweyk) 
«od  der  Liederabend  von  Julia  Culp,  deren 
emates  Künstlertum  In  jedem  Hörer  tiefen  Ein- 
druck hinterlasaen  wird.  Eugene  Ysaye  spielte 
auch  diesmal  wieder,  leider  aber  ohne  Or- 
ehester. —  Unsere  Gesangvereine  waren  auch 
eifrig  an  der  Arbeit  im  Einstudieren  anspruchs- 
▼oller  Chorwerke,  sind  aber  leider  immer  noch 
nicht  auf  befriedigender  technischer  Höhe.  Die 
Singakademie  unter  Dr.  Koch  brachte  den 
.Dinnrstrom*  von  Courvoisier,  «Dem  Verklär- 
ten* von  Schillings  und  »Mutterliebe*  von 
Bona  (Uraufführung  unter  Anwesenheit  des  Kom- 
poniaten)  als  Bedeutsamstes  heraus.  Alle  drei 
Werke  wirkten  durch  Monumentalität  der  Ton- 
aprache.  Letzteres  litt  leider  durch  das  Fehlen 
der  eine  große  Rolle  spielenden  Harfe  und  der 
angenügenden  Besetzung  der  Hauptpartie.  In 
tadelloser  Ausführung  wird  «Mutterliebe*  aber 
eine  wertvolle  Bereicherung  der  Cborliteratur 
bedeuten.  In  der  Charwoche  brachte  die  Sing- 
akademie In  der  Peterskirche  die  „Matthäus- 
pasaion*  zur  Aufführung,  lieferte  aber  damit  den 
Beweia,  daß  für  derartig  schwerwiegende  Musik 


ein  Tonkörper  ersten  Ranges  vorhanden  sein 
muß.  Die  Philharmonie  unter  Kapellmeister 
Hirt  bot  einen  netten  Liederabend,  unter  er- 
freuender Mitwirkung  von  Susanne  Dessoir 
und  eine  befriedigende  Auffuhrung  des  Requiems 
von  Brahms;  der  Hellwigsche  Chorgesang- 
verein eine  solche  der  Hay dnschen  »Schöpfung*. 
Voll  Befriedigung  kann  auch  der  Lehr  er  gesang- 
verein   auf  seinen  Liederabend  zurückblicken. 

Max  Jacobi 

GOTHA:  Im  Musikverein  (Alfred  Lorenz): 
„Paradies  und  Perl*  von  Schumann,  Mary 
Münchhoff,  deren  Stimme  nicht  genügend 
durchdrang,  Clara  Häßler,  Maria  Adami- 
Droste,  Ankenbrank,  Strathmann.  Beet- 
hoven-Abend: Leonorenouvertüre  No.  3,  Violin- 
konzert (P  et  ri),  Neunte  Symphonie  (Ina  Wright, 
Johanna  Brackenhammer,  Herren  Wolff, 
G  ünther)..Fausts  Verdammung*  von  Berlioz 
(Fräulein  Ucko,  Herren  Zeller,  Gmür).  — 
Sonstige  Solisten :  Ehepaar  S  c  h  n  a  b  el  (Schumanns 
«Frauenliebe  und  -leben*,  Beethoven  Sonate  op. 
101),  Possart  („Enoch  Arden*  —  Begleitung 
Cornelia  Rider).  Ehepaar  von  Kraus  (Schubert, 
Brahms,  Wolf).  Das  Russische  Trio  (Schubert, 
Tschaikowsky  a-moll).  Frau  Zehme -Jansen. 
Barth  sehe  Madrigal  Vereinigung. — Lieder- 
tafel (Rab  ich):  Orchesterwerke  («Finlandia*  von 
Sibelius,  „Die  Moldau*  von  Smetana,  „Ouver- 
türe 1812*  von  Tschaikowsky).  Chorwerke 
(Frühlingsphantasie  von  Gade,  „Das  Tal  des 
Espingo*  von  Rheinberger,  „Normannenzug*  von 
Bruch,  „Gesang  der  Athener*  von  Sibelius 
„Kaianus*  von  Gade,  „Hakon  Jarl*  von  Reinecke 
Chorlieder  von  Herbeck,  Attenhofer,  Curti, 
Kirchner,  Kirchl,  Othegraven,  Schubert,  Hegar, 
Brahms.  Solisten:  Paula  Hager,  Edith  von 
Voigtländer,  Gertrud  Meisner,  Albine  Nagel, 
Frau  Schauer  -  Bergmann,  Torichler, 
Piening,  Soomer,  Wolff,  Strathmann, 
Koennecke.  —  Vier  Orchesterkonzerte 
von  der  Meininger  Hofkapelle  unter  Berger 
und  Gernsheim  (Bach,  Beethoven,  Brahms, 
Wagner,  Joachim,  Grieg,  Mozart,  Wieniairski). 
•—  Ein  verdienstvolles  Werk  war  noch  das 
Konzert  des  Orchestervereins  (Albin  An- 
schütz),  dem  Andenken  unseres  heimischen 
Tondichters  Ludwig  Böhner  gewidmet 

Dr.  Weigel 

JENA:  Im  letzten  Jahre  ist  nicht  nur  In  ge- 
wohnter Weise  musiziert  worden,  wir  sind 
auch  in  mehrfacher  Beziehung  ein  gutes  Stück 
vorwärts  gekommen.  Musikdirektor  Professor 
Fritz  Stein  war  noch  mehr  wie  im  ersten  Jahre 
seiner  Tätigkeit  der  Spiritus  rector  des 
musikalischen  Lebens,  bemüht  vor  allem,  die 
eigenen  künstlerischen  Kräfte  Jenas  zu  wecken 
und  zu  fördern.  Er  nahm  dabei  wohl  etwas 
viel  auf  einmal  in  Angriff,  weshalb  ihm  auch 
nicht  alles  nach  Wunsch  gelang.  Auch  wäre  etwas 
mehr  Vorsicht  und  ruhiges  Vorgehen  in  der 
Erziehung  des  bisher  fast  ausschließlich  an 
klassische  Musik  gewöhnten  Publikums  geboten. 
Frit£  Stein  schulte  vor  allem  seinen  Chor 
durch  gute  Aufführungen  von  Beethovens  C-dur 
Messe,  Brahms'  Schicksalslied,  Bachschen 
Kantaten  und  Mozarts  Requiem.  Für  die 
Stadtkapelle  erwirkte  er  weitere  Unter- 
stütfungen  von  selten  der  Stadt  und  des  aka- 
demischen   Chores.     Aber    ebenso    notwendig 


252 
DIE  MUSIK  VII.  22. 


wie    die    Verstlricuog    ist    die    Schulung    des 
Orchesters.  Kapellmeister  Eich  berger  (Dessau) 
zeigte    an    einigen    Opemabenden,    was    durch 
energische  Disziplinierung  mit  den  vorhandenen 
Kriften  zu  erreichen  ist.     Mit  dem  Orchester 
zu  arbeiten   bleibt  Steins  vomemste   Aufgabe, 
wenn  er  Jena  unabhängig  machen  und  zu  einer 
Stitte  der  Kunst  emporbeben  will.    Im  letzten 
Winter  mußten  noch  fremde  Kapellen  ganz  oder 
teilweise  aushelfen,   und   selbst   für  die  bevor- 
stehende  Feier   des   Universitätsjubiläums    bat 
ein    auswärtiges    Orchester    engagiert    werden 
mfissen.     Schneller    als    die   Schaffung   eines 
tfichtigen  Orchesters  ließ  sich  ein  anderer  Wunsch 
verwirklichen:  der  Neubau  der  Stadtkirchen- 
orgel.   Stein    brachte   die   Sammlungen    dafür 
in    so    schnellen    Fluß,    daß   jetzt   schon    mit 
der  Aufstellung  des  neuen  Weikes  durch   die 
Firma   Sauer,    Frankfurt  a.  O.,  begonnen    wird. 
Unsere   alte  Stadtkirche  kann  in  kurzem  eine 
der    größten    und    hoffentlich    auch    schönsten 
Orgeln  Deutschlands  aufweisen.    Leider  ist  der 
gleichzeitige   Bau   einer  größeren    Empore   f&r 
Chorauffuhrungen   vom   Kirchenvorstand   abge- 
lehnt worden !  Ob  der  100.  Psalm,  von  Max  Reger 
zum    Universitätsjubiläum   für  Chor,  Orchester 
und  Orgel   komponiert,   seine  Uraufführung  in 
der  Kirche  erlebt,  wohin   er  doch  gehört,  ist 
daher  fraglich.  —  Mit  den  Herren  de  Grote 
und  Fischer    trat    Stein    zum   Triospiel    zu- 
sammen.    Das    neue    Ensemble    brachte   vor- 
läufig aber  nur  eins  der  beiden   angekündigten 
Konzerte  zustande,  beschränkte  sich  dabei  auf 
ein  Scbubertsches  Trio  und  überließ  im  übrigen 
das  Programm  in  der  Hauptsache  einer  Sängerin, 
als  wenn  wir  nicht  Lieder  genug  bei  anderen 
Gelegenheiten  zu  hören  bekämen.    Nach  dem 
einen  Trio  möchte  ich  noch  kein  Urteil  abgeben 
über  die  Lebensfähigkeit  der  neuen  Vereinigung. 
Fritz  Stein   hat  außerdem  mit  dem  Weimarer 
Quartett   unter  Krasselts  Führung  Brahma' 
f-moll  Quintett  gespielt.    Ich   konnte   es  nicht 
bl^ren.    —    Einen    äußerst    erfreulichen    Erfolg 
hatten   die   von   der   Zeißstiftung  unterstützten 
Volks konzerte,    deren    Leitung    Fritz    Stein 
ebenfalls    übernommen    hat.     Auch    die    Pau- 
lin er  traten  unter  seiner  Führung  seit  Jahren 
zum   ersten    Male   wieder  mit    einem    Konzert 
vor  die  Öffentlichkeit.  —  Im  Vordergrunde  des 
musikalischen  Lebens   standen  wie  immer  die 
akademischen  Konzerte,  diesmal  sieben  an 
der  Zahl.    Das  erste  war  dem  Andenken  Griegs 
gewidmet.    Das  zweite  brachte  als  Hauptnummer 
Liszts  Dante  Symphonie,  die  einen  so  lebhaften 
Streit  über  Liszts  Bedeutung   als  Komponisten 
in  den  Zeitungen  wachrief,  daß  man  sich  um  ein 
Menschenalter  in  der  Geschichte  zurückversetzt 
glaubte.     Es    ist   erstaunlich,    wie    wenig    Ein- 
druck  Liszt,    der    doch    oft    von    dem    nahen 
Weimar  herüber  kam,  hier  in  Jena  hinterlassen 
hat,   um   so   mehr,  als  sein  Intimus   Dr.  Gille 
hier  Jahrzehntelang  das   ganze  Musikleben  be- 
herrschte.   Das  dritte  Konzert  führte  Max  Reger 
wieder    her,     dessen    Hiller-Variationen    unter 
seiner  eigenen  Leitungeinen  überraschend  starken 
Erfolg  hatten,  wie  denn  überhaupt  dieser  Abend, 
an  dem  Reger  noch  das  fünfte  brandenburgische 
Konzert   von  Bach    mitspielte   und   eine  Reihe 
seiner   Lieder    begleitete,    den    künstlerischen 
Höhepunkt  des   ganzen   Winters  bildete.     Die 


Meininger  boten  Im  Tlerten  Konzert  anter 
Berg  er  eine  glänzende  Wiedergabe  ▼onSchabent 
C-dur  Symphonie  und  zeigten  mit  der  Serenade 
op.  7  von  Strauß,  daß  sie  auch  nach  Mfiblfelda 
Tode  das  Bläserensemble  welterpflegeii.  Fran 
Soldat- Roeger  vermochte  beim  fQnfIteo  Abend 
mit  dem  Joachim  zu  Ehren  geapielten  Brahme- 
Konzert  nicht  den  erwarteten  cindruck  zu  er- 
zielen. Bei  der  Wagner*GedichtnisfeierlB 
Februar  glückte  Beethoven!  »Erolcm*  nicht 
Der  Direktion  fehlte  die  nötige  Robe,  und  die 
Weimarer  Kapelle  schien  zudena  keinen 
günstigen  Abend  zn  haben.  Ludwig  Heft  aang 
eine  Reihe  Wagneracher  Stücke  nnd  inm  Seblnn 
gab's  den  Kaisermartcb.  Die  acbon  erwibnte 
Aufführung  von  Mozarts  Requiem  bildete  den 
Schluß  der  Saison.  —  Alle  sonatige  Musik  beb 
sich  nicht  aus  dem  gewohnten  Rahmen  berana. 
—  Zum  Schluß  mag  noch  erwibnt  werden»  dai 
bei  der  Einweihungsfeier  den  neuen  Univeraliita- 
gebäudes  außer  dem  Regeracben  Patin  eine 
AuiTührung  von  Beetbovena  «Neunter*  geplant 
ist,  die  man  in  Jena  über  40  Jabre  lang  nicbl 
gehört  hat.  M.  Meier-Wftbrden 

KOBLENZ:  Unaere  verfloaaene  Konierteaiaett 
brachte  der  Genfiaae  genug.  Zuerat  l>e«ideie 
F.  Ritter  den  Zyklua  von  fünf  Orgelkonierten 
in  der  Festhalley  die  er  im  Juli  begonnen,  dann 
führte  Kes  im  ersten  Abonnenentakoniert  dea 
Musikinstirutes  Werke  von  Scbumano.  Bnbn8| 
Tschaikowsky (Patbetiacbe  Sinfonie)  nur.  Gabrl- 
lo witsch  mit  seinem  Klavierapiei  elektrisierte. 
Im  zweiten  Konzert  brachte  Kea  eine  gelnngene 
Wiedergabe   dea    «Jndaa  Makablos*    mit  dem 
Solistenquartett  Belwidt,  Maretikl,Jungblut 
und  Süße.    Vier  Wochen  apiter  ersebien  die 
talentvolle  Violinvirtnoaln  Stefl  Geyer  mit  di  ^^ 
Tscbaikowskykonserty  wihrend  Res  mit  StnmBP^ 
«Tod  und  Verklärung*  und  Pftttnern  »Cbriatelf-^Kf 
lein-*Ouvertüre  die  Zuhörer  erfreute,  baai 
gaben  Friedberg  und  Sagebiel  einen  biw. 
Sonatenabende  in  Gemeinschaft  mit  unaerer 
heimischen    Konzertsängerin    RetCllBg. 
evangelische  Kirchencbor  piisentierte 
mit  acappella-Getängen;  Organiat  Ritter  nni 
stützte  ihn.  Frau  von  Wo  1  zogen  bot  etnen  Ri 
tationsabend.  Im  Januar  gab  Wfillner  einen 
vergeßlichen   Liederabend»  darauf  braebte  Ki 
Bruchs  »Odysseua*  mit  den  Soliaten  PhillpL 
und  Kamp  fort  zu  Gehör.  Das  vierte  Abonni 
mentskonzert  stand  unter  dem  Namen  J 
namentlich  die  »Fauat- Symphonie*,  ran  um 
Orchester  temperamentvoll  unter  r 
und  Godowsky  mit  dem Ea-dur  Koniert 
die  Zierden  dea  Programme.    Am  Schlnft  d^ 
Saison   kamen   der  erate  Akt  ana 
und   Fragmente   aua  den  .Melaterelngem" 
Gehör.    Darauf  trat  eine  kurze  Pnase  ein, 
am   Karfreitag   durch    ein    geistliebea   Rt 
von   FrL  Kettling  und   Herrn   Ritter  mil 
brechen  wurde.  MiteinemdreltigigenMni 
fest  unter  Kes'  Leitung  zum  bundertjihrlg 
Jubiläum   dea  Muaikinatltutea  M^loft 
Saison  ab.    Eingeleitet  wurde  der  erate  Tag 
Bachs   «Wachet  auf",  Beetbovena  Biwlea  i 
«Missa  solemnia*;  daa  Soliatenquarlett  aetsie  »'V^ 
zusammen   aua   Stronck-Kappel,  Pblllp^'i 
Jadlowker  und  Zalaman.  Orebeeter  und  Clnir 
waren    erheblich   veratirkt     Der    iwelie  Ttf 
begann  mit  Strauß*  »Domeatlea*,  dann  IsIgMi 


H--i:i 


M 


253 
KRITIK:  KONZERT 


Lieder  ▼on  Weingartoer  mit  Orchester,  Marteau 
spielte  das  Brabmsscbe  Violinkonzert  wunderbar, 
deo  Schloß  machten  Szenen  aus  ,,Parsifal* 
(Wfillner  als  Amfortas  hervorragend).  Am 
dritten  Tag  fanden  größere  Solisten vortrige 
sutt;  Wüllner  wirkte  mit  dem  «Hexenlied* 
frappierend;  dann  Cornelius:  erster  Aufieug  aus 
der  Oper  «Guolöd*;  zwei  Arien  von  Händel, 
gesungen  von  Frl.  Philippi;  Marteau  glänzte 
mit  dem  ungekfinstelten  Vortrag  des  A-dur  Kon- 
zertes von  Mozart.  Den  Schluß  machte  Wagners 
Kaisermsrsch.  Generalmusikdirektor  K  e  s  wurden 
große  Ovationen  zuteil,  Chor  und  Orchester  hielten 
sich  wacker.  Eques 

LINZ:     Das    erste    Musikvereinskonzert 
brachte    uns     nur     Erstaufführungen:    die 
Symphonie    in    F-dur    von    Hermann    Goetz, 
Joachims  Violinkonzert   in    ungarischer  Weise 
and     Liszts     »Hunnenschlacht*.      Im    Violin- 
konzert, das   zum  Andenken   an   den  Tod  Joa- 
chims  gegeben  wurde,  spielte  das  Solo  Palma 
von  Paszthory    mit  edler   Begeisterung  und 
hohem    kfinstlerischen   Schwung.     Im   zweiten 
Konzert   hörten    wir   Grieg's    «Konzert-Ouver- 
tfire*,  die   «Vierte*  von   Beethoven    und   «Die 
Moldau*  von    Smetana.     Ludwig  Thuille,   der 
im  Vorjahre  zu  Grabe  getragen  wurde,  wurde 
geehrt  durch   die   AuffOhrung  seiner  «Roman- 
tischen OuvertQre*,  die  am  Eingange  des  dritten 
Masikvereinskonzertes  stand.      Diesem   Werke 
folgte  das  «Siegfried-Idyll*,  den  Schluß  bildete 
die  Symphonie  «Harold  in  Italien*  von  Berlioz. 
Die    Solobratsche    spielte    meisterhaft   Amadeo 
von   der   Hoya.     Unser   Musikverein    bringt 
alljährlich    eine    außerordentliche    Aufführung. 
Heuer  wurde  zur  Feier  des  60  jährigen  Regie- 
mngajubiläums    unseres    Kaisers    Liszts    «Die 
heilige  Elisabeth*  gewählt.  Zu  diesen  Konzenen 
strömen   musikbegeisterte  Menschen  von  ganz 
Ober-ö«terreich  zusammen,  ja  selbst  von  Wien, 
Nieder-Österreich,  Salzburg,  Steiermark,  Böhmen 
kommen    Gäste.     Die    Aufführung  war  schon 
eine   Woche   vorher   ausverkauft,   so  daß  der 
Mosiinrerein  sich  entschloß,  das  Werk  zu  wieder- 
holen*   Auch  die  Wiederholung  zeigte  ein  aus- 
verkaaftes    Haus.     Die  außerordentlichen  Auf- 
f&hmngen    vereinen    fast    sämtliche   musikbe- 
flissenen  Menschen  von  Linz;  diesmal  wirkten 
etwa  650  Personen  mit.    Die  Soli  waren  wohl- 
gelM>rgen:  «Elisabeth*  Frl.  Dopler,  «Sophie*  Frl. 
Königstorfer,  ferner  die  Herren  Pfund  und 
Brandstötter.   Die  Konzerte  des  Musikvereins 
leitet  Musikdirektor  Göllericb.    Seinem  uner- 
mfidlichen  SchafTen  ist  es  zu  danken,  daß  der 
Musikrerein  siegreich  selbst  die  größten  Werke 
bewältigt  —  Einen  außerordentlichen  Erfolg  hatte 
elo  Unternehmen,  das  Linz  zum   ersten  Male 
sah,  ein  «Kindersingfest*,  das  den  Namen 
«Die  vier  Jahreszeiten*  trug.   Symphonische 
Werke,    gespielt    vom    Musikverein,    reizende 
Kinderlieder  von  etwa  3000  Kindern  gesungen, 
szenische  Darbietungen  (Text  von  E.  Sambaber), 
lebende  Bilder,  liebliche  Reigen  wechselten  in 
bunter  MannigMtigkeit  und  bildeten  ein  duftiges 
Ganzes.     Die  Auswahl  der  Lieder  und   deren 
Orchestrierung  lagen  in  den  bewährten  Händen 
von  Josef  Reiter.  —  An  Solistenkonzerten  waren 
wir  heuer  fiberreich  gesegnet.    Von  der  Wiener 
Hofoper  kamen  Leo  Slesak  und  Grete  Forst 
«nd  wurden  stfirmisch  bejubelt.    Tilly  Koenen 


schenkte  uns  einen  ungetrfibten  Genuß.  Auch 
das  Konzert  Pfitzner-Staegemann  brachte 
einen  vollwertigen  Erfolg,  dagegen  holte  sich 
die  Konzertsängerin  An  des  weniger  als  einen 
Achtungserfolg.  —  Vor  ihrem  Scheiden  aus  Linz 
gaben  die  hocbdramatische  Sängerin  unserer 
Bühne  Frl.  Dopler  und  der  Heldentenor  Eugen 
Peteani  ein  Konzert.  —  Einen  genußreichen 
Abend  verdanken  wir  dem  Kfinstlerpaare  Gisela 
Göllericb  und  Palma  v.  Paszthory.  —  Willy 
Burmester  mag  jedes  Jahr  erscheinen,  er  wird 
stets  mit  Freuden  aufgenommen  werden.  —  Ein 
sehr  interessantes  Programm  brachte  das  vor- 
zügliche Fitzner-Quartett.  —  Gar  eigen- 
tumlich führte  sich  das  Wiener  Tonkünstler- 
Orchester  bei  uns  ein;  der  erste  Teil  des 
Programmes  war  der  klassischen  Musik  gewidmet, 
für  den  zweiten  wurde  Lehar  ausgespielt  und 
Ziehrer  erschien!  —  Vor^iner  kleinen  Gemeinde 
sang  der  Balladensänger  Kothe  und  erfreute 
durch  seine  innig  vorgetragenen  Weisen. 

Alois  Königstorfer 
r  OBECK:  Im  Berichtsjahre  feierte  die  Sing- 
^  akademie,  an  deren  Spitze  seit  dem  Jahre 
1901     Julius     Spengel- Hamburg    steht,     ihr 
75jähriges     Besteben.      Was     die     kunst- 
begeisterte Gemeinschaft  in   nicht  immer  von 
äußerer    Anerkennung    begleiteter    Arbeit    ge- 
leistet hat,  ist  so  viel  und  so  wertvoll,  daß  ein 
Ruhmeskranz   dankbarer  Erinnerung    ihr  auch 
hier  gebunden  werden  möge.     In  ihrem  Jubi- 
läumskonzert  bescherte   uns  die  Singakademie 
Handels  «Samson*,  mit  d£m  sie  am  12.  Dezember 
1835  die  Reihe  ihrer  großen  Konzeite  begonnen 
bane.    Die  Aufführung  von  Bruchs  «Acbilleus*, 
deren  Güte  leider  durch  die  wenig  glückliche 
Wahl  des  Solisten  beeinträchtigt  war,  bedeutete 
eine  Huldigung  für  den  70jäbrigen  Tonsetzer. 
Das   Karfreitagskonzert    gehörte    Bach,   dessen 
«Johannespassion*  eine  vortreffliche  Wiedergabe 
fand.  —  In  den  acht  Sympboniekonzerten 
des    Vereins    der    Musikfreunde    brachte 
Kapellmeister   Abendroth,    ein    Dirigent   von 
ganz    hervorragender    Bedeutung,    als    bedeut- 
samste Novität  Regers  Variationen  op.  100,  die 
auch  dank  der  Großzügigkeit  der  Interpretation 
vollen  Erfolg  errangen.  Pfltzners  Ouvertüre  zum 
Märchenspiel    «Cbristelflein*    fand    unverdient 
eine  kühlere  Aufhahme,   als  man  der  liebens- 
würdigen Schöpfung  gegönnt  hätte.    Scharrers 
langausgesponnenes  Symphonisches  Adagio  für 
großes  Orchester  vermochte  das  Interesse  nicht 
bis  zum  Schlüsse  wachzuhalten.    An  örtlichen 
Novitäten    boten    die    Konzerte    Bachs    D-dur 
Ouvertüre,  Mozarts  Thema  und  Variationen  für 
Streichorchester  und  zwei  Hörner,  die  erst  im 
Kammermusiksaale    ihren    ganzen    Reiz    oflPen- 
baren  dürften,  und  Liszts  «Mazeppa*.    Von  den 
Solisten    erfüllte    Eugene    Ysaye    (Beethoven- 
konzert)   nicht    ganz    die    hochgespannten    Er- 
wartungen;   völlig    enttäuschte    Felix    Senius. 
Ausgezeichnetes  boten  Felix  von  Kraus,  Anna 
Hirzel-Langenhan    (Tschaikowsky    b-moU 
Konzert),   Else  Schünemann,   Susanne  Des- 
soir,  £douard  Risler  und  Adolf  Rebner  und 
Johannes  Hegar   mit   Brahma'  Doppel konzert, 
das  hier  bisher  unbekannt  war.   —   In   einem 
volkstümlichen    Symphoniekonzert    feierte   der 
junge  russische  Geiger  Aljoscha  Schkolnick 
mit  dem  vollendeten  Vortrag  des  Tschaikowsky- 


254 
DIE  MUSIK  VII.  22. 


sehen  Konzertes  einen  in  jeder  Beziehung 
berechtigten  Trinmph.  —  Ein  Konzert  zum 
Besten  des  Richard  Wagner-Stipendien- 
fonds ergab  dank  der  außerordentlich  starken 
Beteiligung  des  Publikums  und  dem  liebens- 
wfirdigen  Entgegenkommen  des  Vorstandes  des 
Vereins  der  Musikfreunde,  der  das  Orchester 
unentgeltlich  zur  Verfügung  stellte,  einen  Rein- 
ertrag von  rund  800  M.  —  Clara  Herrmann 
versammelte  auch  in  diesem  Jahre  wieder  eine 
stattliche  Gemeinde  von  Freunden  der  Kammer- 
musik in  ihren  Konzerten,  in  deren  erstem  das 
Brüsseler  Quartett  mitwirkte.  ElsaRuegger, 
die  in  einer  Cellosonate  von  Locatelli  ihre  her- 
vorragende künstlerische  Qualität  nachwies,  durfte 
bald  wiederkommen. — Die  Lübecker  Kammer- 
musikvereinigung der  Herren  Hofmeier, 
Schwabe  und  Corbach  konnte  das  zweite 
Jahr  ihres  Bestehens  unter  weitaus  stärkerer 
Anteilnahme  des  Publikums  als  im  vorigen 
Jahre  abschließen.  Ihr  Bestes  bot  sie  im  letzten 
Konzert  mit  Tschaikowsl^'s,  dem  Andenken  an 
Rubinstein  gewidmeten  a-moll  Trio  und  Sinding's 
interessantem,  wenn  auch  nicht  durchweg  ori- 
ginellem D-dur  Trio.  —  Die  unter  Leitung  von 
Herrn  Lichtwar k,  Organisten  an  St.  Marien, 
stehende  Vereinigung  für  kirchlichen 
Chorgesang  brachte  Bachs  doppelchörige  Mo- 
tette «Singet  dem  Herrn*  nahezu  vollendet  zu 
Gehör.  Starken  Erfolg  errang  die  Vereinigung, 
die  mit  höchstem  Maße  gemessen  zu  werden 
beanspruchen  darf,  mit  Georg  Schumanns  edel 
empfundenem  «Herr,  wie  lange  willst  du  meiner 
so  ganz  vergessen?*  und  Wilhelm  Bergers 
sechsstimmigem  geistlichen  Gesänge  „Die  Träne 
fließt  zum  Staube*.  —  Der  jetzt  unter  Leitung 
von  Rudolf  Hellmrich- Hamburg  stehende 
Lehrer-Gesangverein  hatte  als  Solisten  den 
stürmisch  gefeierten  Lautensänger  Robert  K  oth  e, 
Frau  Müller-Reichel  und  sein  Ehrenmitglied 
Willy  Burmester  verpflichtet.  —  Der  Berliner 
Lehrer-Gesangverein  läutete  die  Saison  mit 
einem  ausverkauften  Konzert  ein.  Ihm  und 
seinem  Dirigenten  Felix  Schmidt  wurden  alle 
die  Ehren  bereitet,  die  eine  begeisterte  Zu- 
hörerschaft zu  vergeben  bat.  Warmer  Aufnahme 
erfreute  sich  auch  die  Solistin  Paula  Stebel.  — 
Unter  den  Solistenkonzerten  waren  manche 
Nieten.  Gewinnbringend  für  die  Hörer  waren 
die  Abende  von  Helene  Staegemann,  Arno 
Hilf,  Ernst  v.  Possart  mit  Hermann  Gura 
Goetheabend)  und  Aljoscha  Schkolnick. 

J.  Hennings 

LÜTTICH:  Zahlreiche  interessante  Konzerte 
hat  uns  der  Schluß  der  diesjährigen  Saison 
noch  gebracht.  Jules  Debefve  dirigierte  in 
seinen  beiden  letzten  Konzerten  in  ausgezeich- 
neter Weise  die  b-moll  Symphonie  von  Borodin, 
die  Pathetische  von  Tschaikowsky  und  d'Indy's 
g-moll  Symphonie,  ferner  die  Ouvertüre  «Carna- 
val  romain*  von  Berlioz,  eine  symphonische 
Suite  von  Marsick  und  ein  Scherzo  von  Mawet. 
Einen  ganz  hervorragenden  Pianisten  lernten 
wir  in  Emil  Sauer  kennen,  der  Beethovens 
Es-dur  Konzert  sowie  einige  Solostücke  von 
Liszt  und  Chopin  bewunderungswürdig  spielte. 
Die  junge,  zukunftsreiche  Geigerin  Edith  von 
Voigtländer  erntete  mit  dem  Vortrag  des 
dritten  Konzerts  von  Saint-Saöns  vielen  Beifall. 
—   Die  Brahy-Konzerte  brachten  als  Solisten 


den  bemerkenswerten  Pianisten  Alfired  Cortot^ 
der  sich  in  Beethovens  Konzert  No.  3  aot- 
zeicbnete,  und  den  bekannten  Tenor  Planondoo 
aus  Paris.  Von  orchestralen  Darbletangen  seien 
genannt:  Beethovens  .Siebente*,  die  .Fantf- 
Ouvertüre  von  Wagner,  femer  Ouveilflrai  vmi 
Schumann  («Manfred*),  Mendelssohn  («Rny 
Blas*),  Bruneau  («Ouragan*).  Dann  gab  ea 
noch  Liszts  »Pr61ude8*,  die  Phantasie  fiber  swei 
Volkslieder  aus  Anjou  von  Lekeu  and  BmdH 
stücke  aus  »Parsifal*.  — ^  Im  zweiten  Roaaer- 
vatoriumskonzert  kam  zum  eratenmal  die 
Symphonie  für  Orgel  und  Orcheater  No.  3  von 
Widor  unter  Leitung  des  Komponisten  so  Ge- 
hör. An  der  Orgel  saß  G.  Waitz,  der  anfier- 
dem  die  Toccata  aus  Widors  Fünfler  Symphoaio 
vortrug.  Liszts  »Dante'-Symphoolo  bUdoto  den 
Schluß  dieses  interessanten  Konzerts,  in  dam 
Wilhelm  Backhaus  (Beethovens  G-dnr  «ad 
Solostficke)  starken  Beifall  fiand.  Daa  dritte 
Konzert  brachte,  zum  eratenmal  ffir  Lfttddt, 
eine  ungekürzte  Auffühmng  der  ajohannla- 
Passion*  von  Bach.  Daa  Waoderwerk  erfahr 
eine  vortreffliche  Wiedergabe  and  talaterlleft 
einen  tiefgehenden  Eindruck.  Die  Soliatan 
waren  die  Herren  Jungblot,  der  nicht  fans 
genügte,  Seguln  nnd  Malherbe  and  die 
Damen  Leydhecker  und  Faaaln.  Die  lecito 
Veranstaltung  des  Konservatoriams  brachte 
Schumanns  „Vierte*,  Teile  der  i,Roaanianden^ 
Musik  von  Schubert,  die  „Prel8Chfiu*-On¥artüra 
und  das  Konzertstück  von  Weber.  —  J.  Del- 
semme  bot  mit  seinem  gemischten  Chor  olne 
sehr  schöne  Aufführung  der  i,Schöpfttag'.  Als 
Solisten  wirkten  verdienstlich  mit  Fraa  Roaai 
und  die  Herren  Girod  nnd  Hermaot.  —  EUnne 
Konzerte  veranstalteten  Mische  El  man  and  die 
Pianisten  Vautyre  nnd  Frl.  Maiaon.  —  In 
der  Kammermusik  sind  zn  erwihnaa:  daa 
Wiener  Ros6-Quartett,  das  Pariaer  Streich- 
quartett, die  hiesigen  Vereinigongaii,  nit 
Werken  von  Haydn,  Beethoven,  Mozart^  Sdin- 
mann,  Schubert,  Mendelssohn,  Brahma^  Diebaaay, 
Delune  u.a.  —  In  den  Jasper- Konzerten  (Ge- 
schichtliche Entwicklung  der  Sonate  and  dM 
Konzerts)  kamen  interessante  Werke  Ton  Arieali, 
Porpora,  Scharwenka,  Smnldera  sam  Vortrag. 
—  Femer  fanden  verschiedene,  einzelnen  Ten- 
setzern  gewidmete  Veranstaltongoi  atatt:  die 
Recitals  Rufer,  Jasper,  Raway;  ein  AlMod 
war  alten  Lfitticher  Meistern  gewidmet (Haaal, 
Gresnick,  Gr6try  u.  a).  —  Im  Juli  findet  zn 
Ehren  von  Gr6try  ein  Mosikfeat  atat^  IBr  daa 
Charles  Radouz  eine  Kantate  geschrieben  IwL 

Paal  Magnette 

NÜRNBERG:  Das  dritte  bayorlache 
Musikfest  (7.,  8.  nnd  0.  Juni  190^  Die 
Tatsache,  daß  das  dritte  bayerlache  Mnaikfeat  in 
Nürnberg,  lußerlicb  betrachtet,  mit  einem  vollen 
Erfolg  geendet  bat,  besiegt  alle  Theorieea,  eh 
überhaupt  Nürnberg  die  Siltte  iat^  hi  der  wMb» 
musikalischen  Krifte  wirken,  daft  die  Ahhaltaay 
eines  Musikfestes  nicht  nar  die  mfthadig  g^ 
borene  Frucht  eines  zwar  onerfiaeheBt  aber 
doch  nur  treibbausartigen  Willena  lat  Imaaer^ 
hin  muß  festgestellt  werden,  daft  daa  Haop^ 
werk  des  Ganzen,  Beethovena  .Miesa  aeleftnia*, 
von  dem  Müncbener  Lehrer-  and  Lehre- 
rinnenchor aufgeführt  warde,  daft  der  kfinal- 
lerische  Leiter  der  Haoptkonzerte  ebenlUla  eis 


255 
KRITIK:  KONZERT 


Münchner  und  noch  dazu  Felix  Mottl  war. 
Die  Maschinenhalle  der  letzten  Ausstellung  war 
der  Raum  des  Musikfestes,  der  durch  geschickte 
Einbauten  zwar  akustisch,  aber  nicht  musikfest- 
wQrdig  geworden  war.  Die  ungeheure  Öde  des 
Raumes,  die  den  Gedanken  an  eine  intime  Ge- 
schlossenheit gar  nicht  aufkommen  ließ,  mag 
auch  schuld  gewesen  sein,  daß  ein  Teil  des 
Publikums  sich  während  der  Missa  so  gehen 
ließ  (Biertrinken  aus  klappernden  Krügen, 
Schinkenbrot  kauen),  daß  nicht  nur  feinfühlige 
Naturen  Ärgernis  nehmen  mußten.  Die  Leistung 
des  Münchner  Chors  in  der  «Missa*  war  schlecht- 
hin vortrefflich,  Mottls  Leitung,  die  bei  aller 
Oroftzfigigkeit  keine  der  Feinheiten  des  Wunder- 
werkes übersah,  traf  bei  den  Singern  auf  die 
empfindlichste  Reaktion.  Auch  das  120  Mann 
jtarke  Orchester,  das  aus  Nürnberger  und 
Darmstidter  Musikern  zusammengestellt  war, 
wurde  durch  die  Genialität  Mottls  zu  Leistungen 
angetrieben,  die  vollste  Anerkennung  erzwangen. 
Das  Soloquartett  bestand  aus  den  Damen  Bo- 
setti  und  Preuse-Matzenauer  und  den 
Herren  Dr.  Walter  und  Bender,  sämtlich  vom 
Münchner  Hoftheater  und  sämtlich  Träger  einer 
bewundernswerten  Kunst  nach  der  musikalischen 
und  intellektuellen  Seite  hin.  An  der  Orgel 
(einem  schönen,  aber  für  den  Raum  zu  kleinen 
Werke  der  hiesigen  erstklassigen  Orgelbauanstalt 
Strebel)  saß  Professor  Maier  und  das  Violin- 
solo spielte  —  mir  noch  nicht  innig  genug  — 
Konzertmeister  Ahner,  beide  wieder  aus  Mün- 
chen. Auf  die  »Missa  solemnis**  Bachs  Kan- 
täte  »Ein'  feste  Burg*  folgen  zu  lassen,  war  ein 
Mißgriir.  Etwa  1000  Sänger  aus  Nürnberger 
Vereinen  wirkten  mit  und  bewiesen,  daß  die 
Ksntatenchöre  Bachs  durch  solche  Massen- 
I>e8etzung  nicht  gewinnen,  sondern  alle  Fein- 
heiten des  Satzes  restlos  zugrunde  gehen. 
Übrigens  hatte  es  den  Anschein,  als  ob  Mottls 
Stab  bei  diesem  Werk  alle  Triebkraft  verloren 
hätte;  mechanisch  regelmäßig  wippte  der  ^/iTakt 
auf  und  nieder,  und  in  einem  nüancenlosen  Forte 
wurde  der  so  grandios  aufgebaute  Einleitungs- 
chor heruntergesungen.  Die  dünnen  Soli  (als 
Tenor  wirkte  jetzt  Herr  Ankenbrank)  gingen 
in  dem  weiten  Raum  spurlos  vorüber.  —  Die 
Kammermusikmatin^e  war  schon  durch  die 
Wahl  unseres  einzig  schönen  Rathaussaales  in 
eine  höhere  Sphäre  gerückt.  Und  die  Leistungen 
des  Münchner  Quartetts  (Kilian,  Knauer, 
Vollnhals,  Kiefer,  als  zweiter  Bratschist  Meister), 
das  Brückners  Streichquiotett  und  Beethovens 
Es-dur  Quartett  op.  127  vortrug,  waren  derart, 
daß  sie  jenseits  aller  Kritik  standen  und  bei 
denen  der  Hörer  nur  noch  in  der  Weihe  des 
Kunstwerkes  aufging.  An  dem  dritten  Werk, 
Brahma'  Klavierquartett  in  A  op.  26  beteiligte 
sich  Hofpianist  Mannschedel  von  hier,  der 
sich  in  das  Münchner  Ensemble  gut  einfügte, 
trotzdem  sein  Spiel  unter  einer  nervösen  Un- 
reinheit litt.  —  Von  dem  dritten  Konzert  wäre 
besser  zu  schweigen.  Es  hätte  ein  Vo  1  k  s  k  o  n  z  e  r  t 
sein  sollen;  die  Leitung  hat  aber  nicht  nach 
dem  Satz  gehandelt,  daß  für  das  Voik  gerade 
das  Beste  gut  genug  sei,  sondern  allen  pro- 
gramm-ästhetischen  Bestrebungen  der  letzten 
Jahre  zum  Trotz  einen  Gallimatihias  zusammen- 
gebraut, in  dem  Weber,  Hutter,  Liszt,  Jüngst, 
Brahms,  Wagner,    ja  sogar  Draeseke  zwischen 


seinen  Leibfeinden  Reger  und  Strauß  herum- 
wimmelten. Dazu  ein  Aufmarsch  von  vier  Diri- 
genten: das  Ganze  ein  betrübliches  Abbild  un«- 
serer  Musikverhältnisse,  denen  jede  einigende 
Achse  und  Spitze  fehlt,  bei  denen  B6ranger's 
Mahnwort  «6teignez  les  lampes  et  allumez  le 
feu*  noch  kein  altruistisches  Verständnis  findet 
—  Das  vierte  Konzert,  wieder  unter  Mottls 
Leitung,  »brachte  endlich  einen  neuen  Gipfel- 
punkt. Anton  Brückners  fünfte  Symphonie  in 
B-dur.  Zieht  man  in  Betracht,  daß  Mottl  einer 
erst  ad  hoc  zusammengesetzten  Orchestermasse 
gegenüberstand,  daß  die  Zeit  fiir  einige  auf- 
polierende Proben  recht  karg  zugemessen  war, 
so  Ist  sowohl  die  Dirigentenleistung  als  die 
technische  Arbeit  der  Musiker  als  glänzend  zu 
bezeichnen.  Dank  der  Klarheit,  der  überzeugend 
sprechenden  deklamatorischen  Gebärde  fand  die 
Symphonie  eine  begeisterte  Aufnahme.  Ober 
einzelne  Tempi  konnte  man  andere  Meinungen 
haben,  und  Ferdinand  Löwe,  wohl  der  erste 
und  tiefste  Kenner  der  Brucknerschen  Ton- 
sprache, hätte  manches  breiter,  eindringlicher 
gefaßt.  Einige  Retouchen  in  den  Obergängen 
können  nur  ganz  enragierte  Brucknerianer 
kränken.  Am  Ende  des  Konzerts  und  des 
Festes  türmte  sich  die  Schlußszene  aus  den 
«Meistersingern*  auf.  (Daß  zwischen  diese  beiden 
Kolosse  zwei  dünnfädige  Sologesänge  einge- 
quetscht waren,  gehört  zu  den  Ungereimtheiten 
des  Musikfestes,  denen  gegenüber  man  einen 
Mottl  fragen  möchte:  weißt  du,  wie  das  ward?) 
Tänzler  (Karlsruhe)  sang  denStolzing,  Kronen 
(Nürnberg)  den  Sachs  und  etwa  1500  Sänger 
donnerten  das  »Heil  unserem  Sachs*.  Hier  wo 
ein  ganzes  Volk  aus  der  entflammten  Begeiste- 
rung des  Augenblicks  einem  geliebten  Volks- 
mann eine  Huldigung  bringt,  war  das  Massen- 
aufgebot am  Platz,  und  der  übergewaltigen 
Wirkung  des  Chorals  »Wach  auf*  hat  sich 
niemand  entziehen  können.  Sachs  und  Walter, 
beides  prächtige  Sänger,  durchmsßen  mit  ihren 
glänzenden  Stimmitteln  den  Riesenraum  der 
Festhalle  mit  spielender  Leichtigkeit.-  Der  fre- 
netische Beifall  galt  besonders  Felix  Mottl, 
dessen  geniale  Kunst,  dessen  Elastizität  und 
Frische  nach  des  Münchner  Tonkünstlerfestes 
Last  einfach  staunenswert  war.  Wäre  die  Ver- 
waltung des  Festes  eine  bessere  gewesen,  hätte 
die  große  Nürnberger  Presse  nicht  so  auffallend 
zurückgehalten  (selbst  unser  Haupiblatt,  der 
Fränkische  Kurier,  hat  einen  Begrüßungsaufsatz 
nicht  für  nötig  gefunden)  und  hätte  sie  Fremde 
und  Heimische  über  den  Organismus  des 
Ganzen  mehr  aufgeklärt,  so  wäre  der  unermüd- 
liche und  selbstlose  Leiter  fast  aller  Chor- 
proben, Hans  Dorn  er,  nicht  so  stiefmütterlich 
behandelt  worden.  Vielleicht  geben  die  Fehler 
dieses  Festes  zu  denken,  dann  wird  das  nächste 
Musikfest  ein  städtisches  Orchester  und  einen 
Stadtmusikdirektor  finden,  der  unabhängig  von 
Gunst  und  Ungunst  lediglich  künstlerischen 
Zielen  zu  leben  und  zu  streben  hat. 

Dr.  Flatau 

OBERSCHLESIEN:  In  Beuthen  hörten 
wir  eine  wohlgelungene  Aufführung  des 
„Feuerkreuz*  von  Max  Bruch.  Der  dortige 
Dirigent,  Gerhard  Fischer,  ist  mit  rastlosem 
Eifer  bemüht,  dem  ziemlich  kleinen  Musik- 
verein   eine    künstlerische    Basis   zu    geben. 


256 
DIE  MUSIK  VII.  22. 


X 


Leider  scheint  das  Kunstinteresse  in  Beutben 
sieb  zum  größten  Teil  nur  auf  das  Tbeaier  zu 
konzentrieren ;  jedenfalls  ist  es  bedauerlicb,  daß 
in  einer  Stadt  von  60000  Einwobnern  nur  ein 
geringer   Brucbteil    der   gebildeten    Kreise    die 
Bestrebungen     des    Musikvereins     unterstutzt. 
Vas  dort  feblt,  ist  die  Begeisterungsfreudigkeit, 
durcb  die  in  dem  benacbbarten  Königsbütte 
eine    geradezu    ideale    Pflegestätte    dM   Volks- 
liedes  gescbaffen  wurde.    Der   seit  kurzer  Zeit 
dort  bestehende  Lebrergesangverein  bat  es 
sieb   zur  Aufgabe   gemacht,   durcb   die   Veran- 
staltung von  Volkslieder-Abenden  musikaliscbe 
Anregung  in  die  breitesten  Massen  der  in  Königs- 
bQite  tiberwiegenden  Arbeiter bevölkerung  hinein- 
zutragen, und  es  ist  ihm  dies  in  überraschender 
Weise  gelungen.  Auch  hier  ist  Gerhard  Fischer 
der  Spiritus  rector.     In  der  Zusammenstellung 
wie  in  der  Gestaltung  der  Volksweisen  beweist 
er  kfinstleriscbes  Feingefühl,  nichts  wirkt  trivial, 
darum    werden    auch    in    Oberschlesien     diese 
Volkslieder- Abende   musikalisch   absolut  ernst 
genommen,  und  es  ist  interessant,  zu  beobachten, 
aus  welch  verschiedenartigen  Kreisen  sieb  die 
Zubörerschar  zusammen    setzt.   —   Doch    nun 
hinfiber  von  dem  traulieben  Hause  der  Volks- 
kunst in  den  Palast  der  klassischen  Musik.   Das 
Fundament  dieses  Palastes   hat   hier   in   Ober- 
schlesien  Meister  gelegt,    dessen   Name   mit 
der  Stadt  Kattowitz  unauslöschlich  verbunden 
sein  wird.    Nun  er  müde  ins  Grab  sank,  trat 
ein  Junger    an    seine   Stelle,    das   Werk   fort- 
setzend.   In    reichem  Maße  mit  musikalischem 
Wissen    ausgestattet,    begann    Herr  v.   Lfibke 
seine  Tätigkeit.    Der  Chor  gewann  wieder  seine 
Festigkeit,    so   daß   mit   der  «Jobannispassion* 
ein   prächtiger  Abschluß  der   gesamten  Saison 
geschaffen   wurde.     Eme   vergleichende   Kritik 
zwischen    Meister     und    Löbke    ist    vorläufig 
selbstverständlich  ausgeschlossen,  scheinen  sie 
doch    auch    grundverschiedene   Individualitäten 
zu  sein.    Jedenfalls  ist  die  sichere  Gewähr  für 
eine      Fortsetzung     trefflichen      musikalischen 
Wirkens  'vorhanden.    Eine  Reibe   versctaieden- 
aniger    Konzerte    ist    aus    Kattowitz    zu    ver- 
zeichnen.    Neben   woblgelungenen   a  cappella- 
Cbören  hörten  wirKunstler  wieGabrilowitscb, 
Tberese  Schnabel-Bebr   und   die   Böhmen. 
Den    bedeutsamen  Schluß   machte,   wie  bereits 
erwähnt,   die   «Johannispassion*,    die   in   ihrer 
künstlerischen  Wiedergabe  besonders  von  dem 
Chore    lobenswert    durchgeführt    wurde.       Die 
Leistungen  der  Solisten  boten  keinen  ungetrübten 
Genuß.    Die   Aufführung   bedeutete   für   Ober- 
schlesien   insofern    ein    Ereignis,    als    mit   der 
yjohannispassion*  hier  zum  ersten  Male  ein 
großes    Bachsches    Werk     aufgeführt     wurde. 
Jedenfalls  scheint  Kattowitz   nach   wie  vor  die 
oberscblesiscbe Musikstadt  par  excellence  bleiben 
zu  wollen.  Magnus  Dawison 

OSNABRÜCK:  An  erster  Stelle  sorgt  der 
Musik  verein  unter  der  trefflichen  Leitung 
Robert  Wiem an  ns  für  ein  gediegenes  Musi- 
zieren. Gleich  das  erste  Konzert  der  ver- 
flossenen Saison  bewies  das.  Henri  Marteau 
spielte  Sinding's  Konzert  A-dur,  Beethovens 
Romanze  in  F  und  Schuberts  Konzertstück  für 
Violine  und  Orchester.  Das  Orchester  gab 
Brahma'  c-moU  Symphonie,  Strauß'  Serenade 
für  Blasinstrumente  und  die  Oberon-Onvertüre. 


Das  folgende  zweite  Konzert  brachte  Franz  Usztt 
.Legende  von  der  heiligen  EHsabetb*  mit  den 
Solisten    Jobanna     Dietz,     Frl.     Woltereck 
und  Herrn  Süße.    Im  dritten  Konzert  sprudelte 
zunächst     Haydns    Melodieenquell     in    seiner 
D-dur  Symphonie,  dann  erfreute  Herr  und  Frau 
Wie  manne    Klavierspiel  (Es-dur   Konzert  ffir 
zwei  Klaviere  mit  Orchester  von  Mozart).    Georg 
Schumann    fiberzeugte    durch    zwei    gröfiere 
Kompositionen    und  einige   Lieder  von  cdnem 
Können,    das    zu    schneller    Kritik   nicht   bo- 
rechtigt.    Frl.  Oppermann  sang  dieee  Lieder 
und  einige  andere  von  Schubert  mit  nach  und  nach 
sich  wärmender  Empfindung.  Smetana'sOuTertire 
zur    »Verkauften    Braut*    leitete,    weniger  im 
einzelnen  als  im  ganzen  gut  gespielt,  das  Tierte 
Konzert  ein.  Der  Dirigent —  Robert  Wie  mann  ^ 
trat  in  der  Folge  dann  mit  einer  eigenen  Orcbeeter- 
dichtung  .Im  Thüringer  Walde*  vor  daa  Publi- 
kum.   Robert  Schumanns  B-dur  Symphonie  litt 
etwas  unter  einem   all   zu    schnellen   Tempo. 
Herr  und  Frau  Hell  erweckten   durch    Lieder 
und  Duette  aufrichtigen  Beifall.    Das  fünfte  md 
letzte  Konzert  war  Sebastian  Bach  geweiht    Im 
Vortrag  der  »Jobannispassion*  wetteiflerten  Chor 
und    Orchester   mit   namhaften   Solisten:    Frl. 
Walde,    Frau   Stfive«   Herren  Jungblut  imd 
Weißenborn.  —  Außer  diesen  ffinf  Orchester- 
konzerten veranstaltete  der  gleiche  Verein  auch 
in  dieser  Saison  zwei  Kammermusik-Ahende^ 
für  die  er  zunächst  das  Brfisseler  und  dann 
das  Marteau'sche  Streichquartett  gewonnen 
hatte.    Glazounow's  Quartett  a-moU   wurde  bei 
den    Brüsselern    mit    seinem    ansprechend« 
Melos  und  der  Bravour  des  Scherzos  belSlllg 
aufgenommen.  Es  folgten  Beethovens  Klnvlenrlo 
op.  70  No.  1  D-dur  —  mit  Wiemsnn  am  Klavier 
—  und  Schuberts  wunderherrliches  d-noH  Qnsf^ 
tett.  Das  Programm  Marteau's  und  seiner  Qaa^sf^ 
genossen     Schmidt  -  Relnecke,     Pftrsken 
und  Cahnbley  enthielt  süßer  den  Streldiqo&f^ 
tetten  Mozarts  in  C-dur  und  BeetbOTens  op.  18    ^ 
No.4  c  moll  auch  zwei  Kompositionen  Marteaa'a.     « 
Abgesehen   von  der  »Cbaconne*  f&r  Braiache      ^ 
und  Klavier,  die  der  Komponist  wohl  selber  nur   ^ 
als  Etüde  wertet,  fand  Ich  seine  fibrigoi  Gaben   ^ 
(vier  Sätze  eines  Trios  ffir  Violine,  Bratsche  -^ 
und    Cello,    darunter    als    besonders    hervor—— 
zuheben:  Intermezzo  und  Tema  con  Varlnzlenl)^fl 
musikalisch   sehr  wertvoll.    —    Der  Lehrer—^ 
gesangverein,  der  sich  wie  der  Mnoilnrerein^ 
von    Wiemann    dirigieren   läßt,    veranstnlteCa^r 
zwei   Konzerte.    Im  ersten  g«b*s  an  Minner—- 
Chören  Franz  Schuberts  i,Nachtgesang  Im  Walde* 
mit  Hörnerbegleitung,  zwei  Chöre  von  ThnlHSsr 
Max    Meier-Olberslebens    i^Johannlsnacht    U9 
Rhein*  und  zum  Schluß  drei  Volkslieder,  dl» 
A.    V.    Othegraven    recht   klangvoll   zn   selies 
wußte.    Im  allgemeinen  wurden  diese  Chftre-^ 
gut  gesungen,  doch  gebricht's  der  DeklamatleB 
noch  an  Deutlichkeit  und  dem.  wss  jensehe  dss 
Leichten  liegt,  an  orgelmäßig  klanglicher  Brehi 
und    Ruhe.    Mienije  Lammen   sang   zur  Ab> 
wechslung    dann    Lieder    von    Brahma,    Weif 
und    Wiemann.  —   Auch   Sollatenkonserts 
gab  es  manche,  obwohl  auch  hier  ein  aolchss 
Konzert  der  Erträge  wegen  nicht  allza  verlodteai 
ist:  Briesemeister,  Burmeater,  Harbanm, 
Lutter,  der  blinde  Pianist  Albert  Menn. 

Wlllv  Briz 


257 
KRITIK:  KONZERT 


FORZHEIM:  Unter  den  secbs  Konzerten  des 
Musikvereins  waren  drei  Orcbesterabende 
'gesehen.  Einen  raubte  uns  die  Kaimkrise. 
)  beiden  anderen  brachten  neben  anzuer- 
inenden  symphonischen  Gaben  (Tschaikowsky, 
lumann)  der  Karlsruher  Hofkapelle 
Lorentz)  das  Violinkonzert  (Felix  Berbei) 
1  das  Klavierkonzert  (Theodor  Röbmeyer) 
I  Brahms  in  würdigster  Wiedergabe.  Das 
BT<lk-Quartett*  enttäuschte.  Am  Klavier 
pleite  sich  Walter  Fischer  aus  Wiesbaden 
1  an  Stelle  des  unvergessenen  Reisenauer 
»r  Schnabel  einen  Erfolg.  Der  Cellist 
Off  Wille  gefiel  wieder.  Felix  von  Kraus 
t  Oemahlln,  Ludwig  Heß,  Henny  Arlo, 
Boffje  van  Lammen  repäsentierten  recht 
cklicb  den  gesanglichen  Teil  der  Programme. 
Theodor  Röhmeyer  war  ein  ebenso  famoser 
gieiter  wie  Kammermusikpartner.  Seine 
Ikskonzerte  und  Matineen  (Sfid- 
ntsches  Streichquartett)  sind  populär 
porden«  —  Auch  Albert  Fauth  gab  zwei  er- 
bige Abende  mit  einigen  eigenen,  gut  auf- 
lonnenen  Neuschöpfungen  auf  dem  Gebiet 
r  Kammermusik  und  des  Liedes.  Im  Manne r- 
sang verein  brachte  er  eine  exzellente  Auf- 
iniiig  der  Messe  da  Requiem  von  Sgambati 
raus  (Karlsruher  Hofkapelle);  für  dieses 
ItJ^hr  sind  C6sar  Franck's  »Seligkeiten*  in 
ssicht  genommen.  —  Der  evangelische 
rchencbor  (A.  Epp)  hatte  mit  der  «Schöpf- 
g*  einen  guten  Tag.  —  Aus  der  Ffille  des  sonst 
tbotenen  hoben  sich  die  Konzerte  Sarasate 
r  Berthe  Marx,  Raoul  Koczalsky  und  Zajic 
t  Mayer-Mahr  hervor.  Ernst  Götze 

ÖSEN:  DIeOrchestervereinigung  brachte 
Mendelasohns  vierte  Symphonie  (Dirigent 
ickenberger^  TschaTkowsky's  sechste  (Saß). 
scbovena  f&nfte  und  sechste  (Paul  Geisler); 
r  Hennigsche  Verein  Liszts  »heilige 
sabeth*;  der  Breslauer  Orchesterverein 
r.  Dohrn)  die  Eroica  und  Strauß'  »Eulen- 
egel*.  Außer  Briesemeister  (Wagner- 
MMl)  und  Dr.  Brause  (Balladen)  die  alten  Ge- 
lieo^  Chopin  hin  und  her,  von  diesem  und 
lem  mehr  oder  minder  exaltiert  gebracht. 
ntsche  Pianisten  hörten  wir  schon  lange 
:ht  »ehr.  A.  Huch 

EICHENBERG:  Ziemlich  gleichmäßige  Be- 
wegung Im  Konzertleben.  Recht  mäßiges 
eresse  llr  Kammermusik.  Durch  den  Verein 
*  Musikfreunde  eingeführte  Solisten  finden 
ilreiche, dankbare  Zuhörer, Solisten,  die  e  i  ge  n  e 
ozerte  veranstalten  wollen,  sind  meistens  ge- 
ingen,  mangels  genügender  Beteiligung  im 
rverkaufe  abzusagen.  Rivalisieren  dreier 
anergesangsvereioe,  von  denen  jeder  um 
tem  herum  ein  großes  Chorwerk  mit  Orchester 
icbs  ipHlmmelfabrtskanrate*,  Berlioz'  «Fausts 
rdammung*) aufführt.  Vier  große  Musikvereins- 
ozene  mit  Elena  Gerhardt  (Gesang)  und  Erich 
>lff  (Klavier);  diese  boten  sechzehn  tadellos 
nogene  und  begleitete  Lieder  von  Schubert, 
ihms,  Wolf  und  Strauß.  —  Wahre  Kunst  gab 
arad  Ansorgemit  Liszts  h-moll  Sonate  und  den 
*oika*- Variationen.  ^  Recht  interessant  und 
isflerlsch  einwandfrei  waren  die  Darbietungen 
Soci6t6  de  Concerts  d'Instruments 
:iens.  —  Elsa  Ruegger  spielte  ein  Konzert 
I  de  Swert  und  eine  Suite  von  Bach.  —  Jos6 


Eibenschfitz  (frfiher  Görlitz,  jetzt  Hamburg) 
brachte  in  drei  Orchesterkonzerten  Sym- 
phonieen  von  Beethoven,  Brückner,  Liszt.  Reichen- 
berg ist  aber  trotz  aller  Anstrengungen  und  trotz 
Autosuggestion  nicht  imstande,  in  bezug  auf 
tadellose  Symphonie-Aufführungen  und  sonstige 
musikalische  Regsamkeit  die  hohe  Stufe,  auf  die 
es  Teplitz  und  Karlsbad  gebracht  haben,  zu  er- 
reichen. Diesen  beiden  nur  einigermaßen  nach- 
zukommen, wird  nur  gelingen,  wenn  wir  es  erst 
zu  einem  erstklassigen  Stadt-  und  Symphonie- 
Orchester  gebracht  haben  werden. 

Dr.  Robert  Schier 

SAN  FRANCISCO:  Die  zweite  Serie  der  dies- 
winterlichen  Konzerte  wurde  von  Joseph 
Hofmann  eröflPnet.  Mir  kommt  es  manchmal 
vor  als  wfirde  dieser  ganz  vortreflPliche  Künstler 
noch  gar  nicht  in  dem  Umfange  gewQrdigt,  wie 
er  es  verdient.  Vielleicht  ist  es  auch  nötig,  daß 
man  einen  Kunstler  nur  beurteilen  kann,  wenn 
man  ihn  nach  einer  längeren  Periode  von  Jahren 
wieder  hört,  wie  wir  die  Gelegenheit  dazu  in 
San  Francisco  haben.  Joseph  Hof  mann  ist 
zweifellos  kfinstlerisch  in  den  letzten  Jahren 
ganz  außerordentlich  gewachsen.  Erwännens- 
wert  war  in  seinen  diesfährigen  Programmen 
eine  große  Anzahl  russischer  Novitäten.  — 
Nach  ihm  kam  Teresa  Carrefio,  die  gegen 
Hofmann  einen  schweren  Stand  hatte.  Sie  Ist 
aber  immer  noch  bewundernswert  in  ihrem 
Temperament  und  ihrer  Technik.  Die  Kfinstlerin 
spielte  meist  bekannte  Stficke.  (In  San  Francisco 
lohnt  es  sich  nicht  recht,  zu  viel  neue  Werke 
zu  bringen.)  —  Danach  Paderewski,  der  un- 
vermeidliche, weit  iiberschätzte.  Sein  Kfinstler- 
tum  Ist  noch  mehr  heruntergegangen.  Er  spielt 
fetzt  sinn-  und  gedankenlos,  zerreist  ganze 
Phrasen  und  legt  nur  Wert  auf  äußerliche 
Toneffekte,  gar  nicht  von  seinen  Mätzchen  zu 
sprechen.  Sein  Programm  enthielt  u.  a.  eigene 
«Variationen  und  Fuge,  op.  23*,  die  mir  jedoch 
inhaltlich  nicht  ganz  klar  geworden  sind. 
HoflPentlich  hat  sie  sonst  jemand  verstanden.  — 
Der  vierte  Pianist,  den  wir  diesen  Winter 
hörten,  war  Harold  Bauer.  Er  ist  ohne  Zweifel 
ein  sehr  großer  KGnstler,  daher  durchaus  nicht 
in  dem  Umfange  in  Amerika  geschätzt  wie 
Paderewski.  Demgemäß  waren  seine  Konzerte 
auch  nur  schlecht  besucht,  trotzdem  seine 
Programme  alle  Musikfreunde  in  seine  Konzerte 
bätten  ziehen  müssen.  Bauer  faßt  seine  Mission 
als  KGnstler  ungemein  ernst  auf,  wem  auch  ein 
gelegentliches  mehr  persönliches  D raufgehen 
nicht  schaden  würde.  —  Fritz  Kreisler  ist 
für  mich  der  bedeutendste  Geiger  der  Gegenwart. 
Er  wird  viel  mit  Joachim  verglichen,  aber  meines 
Erachtens  hat  er  eine  viel  größere  Ähnlichkeit 
mit  August  Wilhelm].  Sein  Ton  ist  breit  und 
groß,  sein  Vortrag  abgeklärt  und  edel,  seine 
Tecbnik  fehlerlos  und  dabei  doch  witzig.  Ver- 
bunden mit  der  ungewöbnlicb  großen  Manigfaltig- 
keit  seines  Programms,  das  von  den  ältesten 
Meistern  bis  in  die  neuste  Gegenwart  reicht, 
und  seinem  bescheidenen,  männlich  ernsten 
Auftreten  verkörperter  das  Ideal  eines  vollendeten 
Kunstlers.  —  Wir  haben  mit  Freuden  die 
Gründung  eines  neuen  Streichquartetts  (The 
Lyric  Strirg  Qjartet)  begrüßt,  das  eine  Serie 
von  Sonntagnachmittagskonzerten  gab. 

Dr.  A.  Wilhelmj 


1 


258 
DIB  MUSIK  VII.  22. 


T SINGTAU  (Kiautschou):  Seit  meinem  letzten 
bis  Mitte  Oktober  reichenden  Bericht  hat 
das  musilcaliscbe  Leben  unserer  Kolonie  einen 
erfreulichen  Aufschwung  genommen  infolge  des 
zielbewußten  und  harmonischen  Zusammen- 
wirkens der  Musikabteilung  des  Vereins  fQr 
Kunst  und  Wissenschaft  mit  der  tfichtigen 
Kapelle  des  III.  Seebataillons  (Dirigent: 
Kapellmeister  O.  K.  Wille)  und  dem  im  Oktober 
gegründeten  unter  Leitung  des  Unterzeichneten 
stehenden  gemischten  Chore.  Im  6.  und 
7.  Vereinskonzert  gelangten  an  Chorwerken 
zur  Aufführung:  «Erlkönigs  Tochter*,  Ballade 
nach  dänischen  Volkssagen  für  Soli,  Chor  und 
Orchester  von  N.  W.  Gade  (Solisten:  Erlkönigs 
Tochter:  Hedwig  Schüler;  die  Mutter:  Anna 
Bökemann;  Oluf:  L.  Philipp);  Schumanns 
»Zigeunerleben''  (in  der  Instrumentierung  von 
C.  Reinecke);  drei  Chöre  von  Brahma:  »Der 
Gärtner*  und  »Gesang  auf  Fingal*  für  Frauen- 
chor mit  Begleitung  von  Harfe  und  zwei  Hörnern; 
»Der  Abend*  (Gedicht  von  Schiller,  ursprüng- 
lich für  vier  Solostimmen  und  Klavier  kom- 
poniert, von  dem  Unterzeichneten  für  Chor  und 
Orchester  bearbeitet);  Einleitung  zum  dritten 
Akt  und  Brautlied  aus  »Lohengrin*;  geistliche 
Chöre  von  Pitoni  (1657-1743)  und  Mozart. 
Als  Solisten  wirkten  mit:  die  Herren  M.  Peters 
(Beethovens  Violinrömanze  in  F)  und  A.  W. 
Meinke  (Gesang  Siegmunds  »Ein  Schwert  ver- 
hieß mir  der  Vater*  aus  .Die  Walküre*).  Von 
den  reinen  Instrumentalnummern  seien  Sme- 
tana's  farbenreiche  symphonische  Dichtung  »Aus 
Böhmens  Hain  und  Flur*,  Gades  »Nachklänge 
aus  Ossian*  und,  als  Ehrung  für  Joseph  Jo- 
achim, dessen  »Hamlet*-Ouvertüre  erwähnt, 
die  unter  O.  K.  Will  es  temperamentvoller  Lei- 
tung eine  fein  ausgearbeitete  Wiedergabe  er- 
fuhren.— Am  9.  und  11.  April  gelangte  im  Verein 
für  Kunst  und  Wissenschaft  Offenbachs  »Ver- 
lobung bei  der  Laterne*  zur  Aufführung;  in 
die  Vorbereitung  und  die  Leitung  hatten  sich 
O.  K.  Wille  und  der  Unterzeichnete  geteilt. 
Dank  der  vorzüglichen  Leistungen  des  Orchesters 
und  der  durchweg  guten  Durchführung  der  Solo- 
partieen  (Magdalene  Roh  de  als  Liese,  Martha 
Neumeister  und  Hedwig  Wille  als  Annemarie 
bzw.  Katherine,  J.  Hammer  als  Peter)  erfuhr 
das  graziöse  Werk  eine  recht  gute  Wiedergabe, 
zur  größten  Überraschung  verschiedener  Tsing- 
tauer,  die  dem  Wagnis  der  erstmaligen  Auf- 
führung einer  Operette  mit  großer  Skepsis  ent- 
gegengesehen hatten.  —  Die  vier  letzten  Sym- 
pboniekonzerte  der  Bataillonskapelle  brachten 
u.  a.  symphonische  Werke  von  Haydn  (Oxford), 
Schumann  (d-moll),  Schillings  (Symphonischer 
Prolog  zu  Sophokles'  »König  Ödipus*),  F.  Wein- 
gartner  (»Die  Gefilde  der  Seligen*),  Massenet 
(Seines  pittoresques),  Ouvertüren  von  Berlioz 
(»König  Lear*)  und  Beethoven  (»König  Stephan*). 
Als  Solisten  erschienen:  Herr  Meinke  (Grals- 
erzählung) und  Herr  Jobst  (Wotans  Abschied 
und  Feuerzauber;  Lieder  mit  Orchester  von 
Mahler  und  Hugo  Wolf).  Großen  Beifall  fand 
der  am  5.  März  mit  der  auf  53  Musiker  ver- 
stärkten Kapelle  veranstaltete  Weber-  und 
Wagner- Abend,  an  dem  außer  der  vollstän- 
digen »Preziosa*- Musik  —  unter  Mitwirkung 
von  Hedwig  Wille  (Preziosa),  W.  Geim  (ver- 
bindende Deklamation),  sowie  des  gemischten 


mSBS» 


Chors  —  die  Vorspiele  zn  den  «Melsteraingero'» 
»Tristan*,  »Lobengrin*  and  .Tannhiuser*  attf 
dem  Programm  standen  —  fast  zu  viel  des 
Guten  für  einen  Abend.  —  Der  letzte  Winter 
hat  gezeigt,  daß  unsere  kleine.  Doch  nicht  ein« 
mal  (einschließlich  der  Besatzung)  4000  Enropii^ 
zählende  Kolonie  eine  große  Zahl  nntikaliicher 
Talente  birgt,  deren  Hemnziebnnc  und  Fort^ 
bildung  die  Aufgabe  der  nichtten  Zeit  sein 
wird.  Dr.  Georg  Cruien 

ZWICKAU:     Eine  bedeutsame   Verindemnc 
bat  sich  in  der  Organisation  unseren  Musik- 
lebens vollzogen:  der  Wechsel  dea  Dirigenten 
im    Musikverein.     An  die  Stelle  dea  knnst» 
sinnigen  Königlichen  Musikdirektors  Vollbardt 
ist  der  städtische  Kapellmeiater  Schmidt  g^ 
treten,  ein  trefflicher  Beherracher  aelneaCrche^ 
ters.  Als  solcher  zeigte  ersieh  in  den  Sympbonleen 
von  Brahms  c,  Beethoven  A,  Tschaikowaky  h» 
in     Strauß'    »Eulenspiegel*,     Grieg'a    »Signrd 
Jörsalfar*,  »Tannhäu8er*-Oavertfire,  Vorspiel  in 
»Lobengrin*   und   zum   »Triatan*   mit  laeldea 
Liebestod,     im     Feuerzauber;    ein     zierllehea 
Rokokostfick  war  die  Gluckache  Balletanüa  bt 
der  Mottischen  Bearbeitung;  wenig  bot  die  neu* 
belebte  Symphonie  h  von  Ulrich  trots  formaler 
Schönheit.     Von  Sollaten   bewunderten  wir  in 
diesen  Konzerten  Hertha  Dehmlow,  die  mit 
großer  Stimme  Lieder  von  Brahma,  Scbubeil^ 
Wolf,  Strauß  und  besonders  Bruchs  yAchillena^ 
arie:  «Aus  der  Tiefe  dea  Grama*  machtmll  zn 
gestalten   wußte.    Ein  lieblicher  Kontraat  war 
Susanne    Dessoir     In     Liedern    toII    lartery 
sonniger  Stimmung   von   Mozart  bla    Pfitsner 
meisterlich    begleitete    sie    Artur    ScbnabeL 
Dieser  verstand  durch  hochentwickelte  Technik 
und  das  Vermögen  klarer  Gestaltung  in  Webera 
Sonate  As,  In  Brahmaschen  Rhapaodieen  raacb 
die  Hörer  zu  gewinnen.    Reiche  Aneriwnnnn, 
verdiente  Anton   Poerater   ala    Kfinatler 
dem  herben  Konzert  von  Brahma;  in  St&i 
von  Chopin  und  in  LIszta  »Campanellaf*  api 
der^  Virtuos.      An    eine    Desaolr    unter    d 
Pianistinnen    erinnerte     unsere    einheimlach^ 
Künstlerin  Hellriegel  In  BeethoTena Konaert 
und  Schumanns  »Humoreske*.    Zur  Erinnemni 
an  Wagners  Todestag  aang  aeiner  wfirdig  So 
mer  Bruchstücke  sus  »Tannhäuser",  » 
den  »Meistersingern*.   Der  Ruf;  den  Berber 
Brahmsspieler  besitzt,  ist  vollberechtigt. 
Beifall    fanden    mit    Volkmanna    Trio    b 
Dresdner    Bachmann- Bärtich-Stens,    dF 
auch  Schutts  »Walzermircben*,  einem  Tirtn 
Blendwerk,  gerecht  wurden.  —  Von  den  Vi 
führungen  in  den  Symphoniekonserten  d^ 
Stadtkapelle  (Schmidt)  aeien   bervorgeb 
die  Sympbonleen  A  von  Volkmann,  No.  8 
Beethoven,  g  von  Mozart,  »Pauat*-SympbonieT» 
Liszt,  »Meistersinger*-Voraplel, 


Griegs  PeerGyntsuite  I,  Glinka'a»Komerinakai< 
»Le  rouet  d'Omphale*  und  »PhaCton"  von  Sai 
Ssöns.     Hingewiesen    sei    auf  die    von 
Klotz  gut  gesungenen  melodiösen   Lieder 
Dr.  Hering.  —  Oberaua  verdlenatvoU  im 
zeitgenössischen  Schaffena  war  die  Auflllhna.^ 
von    Piern6's  »Kinderkreufsug"   mit  Jobaotft 
Dietz,  von  der  Rappe,  Groacta,  Simms^i 
sls    Solisten    durch    den   veratirktea   MarMh 
kirchenchor  unter  der  bewährten  Leitung  Voll* 
hardts;  trotz  der  großen  SehwierlgkeiteB  gsWr 


259 
KRITIK:  KONZERT 


du  Terk  vortreffllcb.  —  BuxtetandcB 
200.  Todestag  fand  lebGhrende  BeachtuDg;  eins 
GlanilelituDg  war  Bacbs  doppelcbOrlge  Motette 
.Der  Geilt  bilft  unirer  Sctavacbbelt",  ebeaao 
Verners  (Prciberg)  Vortrag  ron  Corelli'a  .La 
ftelU"  und  Bacbt  CbacoiiDe.  Unter  Orgelmelaier 
Gerhardt  bewitarte  seine  Kunst  In  Altllallencra, 
Bostebude,  Bacb,  Llait,  C.  Franck  und  Reger.  — 
Fein  abgetSnte  iltette  und  neuste  Kirchenmusik 
bot  das  Lelpiiger  ROtbig-Quartett  —  Der 
s  cappella- Verein  unter  V o II bardts  Leitung 
gab  einen  Scbumannabend,  u.  a.  .Der  Rose 
ragerfsbrt';  Beetboyens  .Chrlatus  am  Ö!- 
bergci"  (Solisten:  MaoB,  Vllhelni)-B5ßneck, 
DIelel)  konnte  sieb  trotz  guter  Aufffibrung 
neben  Lisst*  13.  Psalm  nur  scbver  be- 
haupten.   —    Kleinere    ChSre    des    Lehrer- 


gesangverelni  <Vollhardt)  umrahmten  Ge- 
tangsspenden  von  Frl.  Seebe,  die  auch  In 
der  Lyrik  die  BDbnen singerin  verrlt  — 
Zu  wfirdiger  Griegfeler  —  Lieder,  Viollnaonsten 
"  hatten  sich  die  temperamen trolle  Lotte 
Kreisler,  Hiir  und  Vollbardi  vereinigt.  — 
Veniger  durch  die  .Kreutzersonate',  als  mit 
eigenen  Kompositionen  vermochte  Sarasate 
lu  ifinden,  doch  hinterließ  einen  linger  nacb- 
hallenden  ElndruckBertheMarx-Goldscbmidt, 
besondera  durch  die  Ouvertüre  zur  29.  Bacbschen 
Kantate.— Scblkailch  seien  noch  der  interessante 
Volksliedersbend  der  Frau  von  Tolzogen,  so- 
wie der  Possartabend  (,Enoch  Arden*  von 
Strauß,  «Graf  Talter'  von  Sommer)  erwlbnt 
Dr.  T.  Bertbold 


Aus  der  Zeit,  da  Arnold  Mendelssohn,  wie  unsere  Leser  aus  WlUbild  Necelt 
Auftatz  in  diesem  Hefte  wissen,  vor  dem  Eatschlufl  stand,  von  der  RechiswiBsenschaft 
inr  Musik  überzugehen,  stammt  das  Bild  des  Komponisten,  das  als  erste  Kunstbcilafe 
das  vorliegende  Heft  schmüclcl. 

Das  zweite  beiliegende  Bild  Arnold  Mendelaaotans  ist  nacb  einer  lebensvollen 
Pbotograpble  aus  der  letzten  Zeil  hergestellt  worden. 

Als  dritte  Beilage  zu  dem  Aubatz  von  Wüibald  Nagel  Bnden  unsere  Leser  eine 
Seite  aus  der  Original -Partitur  von  Arnold  Mendelssohns  großem  Chorwerk  aParla'. 

Auch  den  Aufsatz  von  Ernst  Rychnovsky  über  Leo  Blech  lllnsnieren  wir  dutch 
ein  Jugendbild,  ein  aus  der  jüngsten  Zeit  stammendes  Portrlt  und  eise  Probe  der 
Notenhandschrift  des  Gefelenen.  Dieses  Faksimile  gibt  eine  Seite  aus  der  Partitur  seiner 
neuen  Oper  „Versiegelt"  wieder,  deren  Uraufführung  Im  Herbst  dieses  Jahres  im  Ber- 
liner KBnigllctaen  Opemhause  zu  erwarten  ist 

Unsere  Notenbeilage  vereinigt  ie  eine  bisher  anveriMhntlictaie  Komposition  der 
beiden  Tonsetzer,  denen  das  vorliegende  Heft  gewidmet  ist:  das  Lied  .Ans  den 
Gruben,  hier  «m  Graben"  <voo  Goethe)  tob  Arnold  Mendelssohn  uad  eine 
Probe  aus  der  Oper  .Versiegelt"   von   Leo   Blech. 


Nichdruek  nur  mir  luidrUekl Icher  Erliubnt*  if  Verlies*  ■«■tititl 
Alli  Rccbn.  lubooiulcn  du  der  ObencnuDf,  nriiebilm 
ir  dit  Zurfickunduni  uBTcrliBEXr  oder  nlchi  intenieldeter  MuntkrlpK,  hlU  Ibaei  nlckr  t*i( 
Porto  bellleti,  Bbemlnnii  dtc  Hcdikrion  keine  Ginntlc.    Scbver  leicrilehe  Muuuttipn  «crdM  ■^epf 

Veruiivortlicher  Scbriftlelter:   Kapellmeister  Bernhard  Schtuier 
Berlin  W  57,  Bülowslruse  107  ■• 


ARNOLD  MENDELSSOHN 
im  Alter  von  20  Jahren 


ARNOLD  MENDELSSOHN 


S.  Himiinn,  Darmindr,  phoi. 


ARNOLD  MENDELSSOHN 


:.v 


LEO  BLECH 
Jugendbild 


EINE  PARTITURSEITE  AUS  DER  OPER  „VERSIEGELT* 

VON  LEO  BLECH 


Vn.22 


Aii^  den  Omben,  liier   am.    Oraben 

(Goethe  ) 


Etwas  langsam 


Arnold  Mendelssohn 


Gesang 


Piano 


^  ^^  \i  wii4^ 


-   bcn,hier  am   Ora  -  ben  bör*      dchdasPro-pbe-ioi  Sangt 


yrfrt' 


\''' M^'^^'^^m 


^]fff^9^jjfS^jjL^^  ^$^'^ 


scbwe.ben,ihn  zu     la     -      ben. 


1-Ji J  J.        ii  I  J  ^|>  J     I 


tfTf  ¥Tr»J^r^ 


vni-  re  da  dem      Gu  -  ten  bang? 


njiifi^ '^il  y\f 


LöV    und  Lö  -  win      auf    und     nie-  der  acbmle-gen  sieb    an         Um       her- an, 


pp  ten. 


i 


f9L  Umpo 


CT08C» 


Blan  -  kes  Schwert      er  -  starrt 


be,  GlauV  und    Hoff-nung 


i*^  H  'T   i^i\ 


f      |1    l'i 


^  iij^iiVii 


l**r  iJ  kf  *^\'i    j».! 


die     sich      im        Go  ^  bet         enthüllt. 


m 


i 


r  r  ^^^1 


Und  80    geht       mit       gu     «     tea      Kln-dom 


5 


rr  r  f  nif'^ 


I ''  T   fr  ^^ 


8el'-  ger        Bn     -     gel  gern  zu  Rat, 


bö    -    ses      Wol 


SJri.iyiü 


ijl  >^.h  ,Ji  iiJ^  t  ^^ 


ZU  ver-  bin    -     dem 


%mk^ 


Ji*^'  y^ 


So     b«- schwören, 


-  nen       lie   -  ben  Sohn  ans         zor  -  te        Knie 


6 


M 


S 


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4^      i  mI- 


JPP 


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IKP    r^. 


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aus:  "Versiegelt 


Leo  Blech,  Op,  18 


IB0&MM 


^^ 


4^m^im^.4m 


r  "i  I  i>"  I  >   ly    I   t    'r  '^ 


8 


als  war'  es        an    der  Zeit,  mir    wie-der     ei  -  nen  Mann     su    wab  -    len. 


Wenn    Wit-we  Folz  der   Amt-mann  Iteit^ 


so  kann  et  doch  aucb  mir  nielit  feh  -  Imu 


jl»'-    VlJ^  J^j^p      lYlJ^  I?     p  (T  if  t  .     I  V     iJ^^A  E 


Die  Witwe  Folz.        Frau  Amt-mann,  und    ieh. 


AraaBür  -  gunauir^Mm 


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zum  Exem  -  pel. 


stich  u.  Druckt  Berliner  MusllukUeii  DraekOT«!  flbM.b.  H. 


DIE  MUSIK 


nsere    Meister    nennen    wir   billig    die, 
denen  wir  immer  lernen.     Nicht  ein 
r,  von  dem  wir  lernen,  verdient  dieses 
Titel. 

Goeibe 
(Mixlmen  uad  ReHexfonen) 


VII.  JAHR  1907/1908  HEFT  23 

Erstes  Septemberbeft 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 

Verlegt  bei  Schuster  &  Loeffler 
Berlin  W.  57,   Bülowstrasse  107 


.S'-Ar-tClCFil,. 


CARL  LOEWES  CHORGESÄNCE 
[WELTLICHEN  INHALTS 

von  Dr.  Leopold  Hirscfaberg-Cbarloltenbnrg 


nie  von  mir  vor  einiger  Zelt')  verölTenllicbte  Skizze  über  den 
j  Kirchenmuslker  Carl  Loewe  bat,  vie  leb  aus  einer  [nlcbt 
geringen  Anzahl  an  mlcb  gericbteter  Zuscbrifien  zu  aaeiaer 
Freude  ersab,  einigen  Beifall  gefunden  und  sogar  bereits  ein 
greifbares  Resultat  gezeitigt:  eine  kleine  Sammlung  einstimmiger  Kirchen- 
gesinge fiir  Schale  und  Haus,  sowie  eine  Ncuausgabe  bzw.  Bearbeitung 
des  .Musikalischen  Gottesdienstes*,  beide  im  Verlage  von  G.  Bratfisc,h 
in  Frankfurt  a.  O.  eracbienen.  Die  uns  jetzt  obliegende  Besprechung  der 
weltlichen  Chorgesinge  Loewes  mfige  eine  dem  Andenken  des  Meisters 
geschuldete  weitere  Türdlgung  seiner  Vielseitigkeit  and  zugleich  eine 
ErglDZung  des  frOberen  Auhatzes  sein. 

Eigentlich  brauchten  wir  Loeweaner  uns  nicht  mehr  wie  andere 
darüber  zu  beklagen,  daß  die  msSgebenden  PertöDlicbkeilen,  d.  b.  die 
Dirigenten  von  Gesangvereinen  usw.,  nichts  von  den  Chören  von  Loewe 
wissen.  Mit  Franz  Schubert  und  Roteit  Schumann  z.  B.  steht  es  in 
dieser  Beziehung  um  kein  Haarbreit  besser.  Man  sieht  ordentlich  die 
staunend- bewundernden  Angesichter  der  Berichterstatter  vor  sich,  wenn  man 
einmal  liest,  daß  der  oder  der  Verein  einen  Chor  von  Franz  Schubert 
aufgeführt  bat.  So  etwas  gibt  es,  und  man  bringt  nicht  mehr  davon?  Ganz 
genau  so  würde  es  mit  Loewe  geben.  Bei  meiner  ziemlich  ausgebreiteten 
Vortragstaiigkeii  habe  ich  recht  bluflg  Gelegenheit,  den  Musikdirektoren 
und  Vereinsleitern  Cbfire  von  Carl  Loewe  zum  Studium  zu  empfehlen  — 
ein  freudiger  Dank  ist  selten  ausgeblieben. 

Aber  Loewe  ist  doch  den  andern  Meistern  gegenüber  insofern  In 
erheblichem  Nachteil,  als  seine  diesbezüglichen  Terke  bisher  noch 
niemals  gesammelt  wurden.  Wahrend  jene  in  schönen  und  billigen 
Gesamtausgaben  zu  haben  sind,  muß  man  sich  Loewes  Schöpfungen,  der 
doch  jetzt  seit  sieben  Jahren  aftei"  ist,  mühsam  bei  allen  möglichen 
Verlegern  zusammensuchen.  Ganz  abgesehen  von  der  Kostspieligkeit 
(denn  die    alten  Monopolpreise  haben   bei   diesen  Werken   noch  Gellung), 


■)  ,Dla  Muifk-,  JitariiBt  iV,  Heft  12,  S.  383  (f. 


264 
DIE  MUSIK  VII.  23. 


ist  vieles  übertiaupt  nicht  mehr  zu  haben  oder  so  versteckt  in  kompendiBsen 
Sammlungen,  daß  schon  daran  alles  scheitert.  Trotz  dieser  Schwierigkeiten 
hat  sich  doch  schon  mancher  Gesang  dauernd  eingebfirgert. 

Die  folgende  Besprechung  dürfte  nun  abermals  ein  treffendes  Bild 
von  der  Vielseitigkeit  unseres  Meisters  geben.  Das  Risiko  eines  etwaigen 
Verlegers  einer  Gesamtausgabe  der  Chorgesänge  dürfte  gleich  Nnll  sein, 
da  jede  Bereicherung  der  Chorliteratur,  in  der  sich  wie  bei  keinem  andern 
Musikzweige  die  krasseste  Mittelmäßigkeit  breit  macht,  nur  mit  Dank  be» 

grüßt  werden  kann. 

« 

I.  Abschnitt.    Männerchöre 

1.  Sechs   Gesänge    für   fünf  und   vier   Männerstimmen.    Op.  19. 
(Challiers  Verlag,  Berlin). 
Als   erstes  Werk   des  Balladenmeisters   auf  diesem   nenen   Gebiete 
und  um  ihrer  hohen  Trefflichkeit  willen  verdienen  diese  Chöre  eine  liebe- 
volle Berücksichtigung. 

a.  Zwei  Gesänge  aus  dem  Singspiel  »Die  Glfickseügkeits- 
insel'.  (Aus  dem  Schwedischen  des  Atterbom  fibersetzt  von  Amalie 
V.  Helvig). 

Der  erste  Gesang  ist  ein  zündendes  Jägerlied,  vivacissimo  vorzntragen. 

«Wilde  michtige  Lust  genieß! 

Scbau  das  prichtige  Ziel  und  tchieß!" 

wird  zunächst  von  allen  vier  Stimmen  fortissimo  gebracht,  dann  malen  leise 
erster  Tenor  und  zweiter  Baß  das  ferne  Lärmen  der  Meute  im  Gmnde  des 
Tals.  Aus  dem  feurigen  E-dur  geht  es  bald  in  das  sanfte  G*diir  fiber 
bei  den  Worten: 


Her  -  ze       lenkt        sich  zum      Traum  -  ge  •  bild 


wo  dann  auch  Solostimmen  eintreten  und  des  weitern  im  planissimo  die 
scheue  Flucht  der  aufgeschreckten  Waldestiere  malen.  Wie  fMhlich-lauter 
Waldhomklang  setzt  dann  das  Tutti  ein;  zunächst  die  drei  Unterstimmeo: 


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Heim -warft  gebt    der  Schütz   zu     TaL 

während  vom  dritten  Takt  an  die  ersten  Tenöre  das  langgezogen  hohe  G 
vom  Piano  allmählich  zum  Forte  anschwellen  lassen.    In  ungemein  reizvoller 


265 
HIRSCHBERG:  LOEWES  WELTLICHE  CHÖRE 


Weise  wird  das  Ganze,  das  so  kräftig  begonnen,  zum  träumerisch-gedämpften 
Ende  gefuhrt,  indem  ein  nochmaliger  Wechsel  der  Solostimmen  und  des 
Chors  das  Verhallen  der  Homer  malt: 


Solo 


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Lie  -  bes- 


strahl, 


Solo 


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Leuch-ten    im     Lie  •  bet-ttrahl, 


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strahl, 


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Das  zweite  der  Lieder  ist  eine  textlich  höchst  verunglückte  Darbietung, 
eine  verschwommene  Umschreibung  des  klaren  «Nichts  ist  schwerer  zu 
ertragen*.  Indessen  hat  der  nachdenkliche  Text  dem  Tondichter  Gelegen- 
heit zu  einer  anmutigen  rhythmischen  und  koloristischen  Feinheit  gegeben. 
In  den  synkopenähnlichen  Einschlägen  der  Verszeilenanfänge  sowohl,  wie 
in  der  weit  ausgesponnenen  Koloratur  des  Versendes: 


Moderato 


ün  •  er-hörtver- 
cresc. 


•cbwende  nicht  die  Seuf-zer doch ; 


lach  -  te  Mai  ohn' 


J.^ 


En-de,   wir    er     rei-zendnocb? 

dim. 


264 
DIE  MUSIK  VII.  23. 


ist  vieles  übertiaupt  nicht  metir  zu  haben  oder  so  versteckt  in  kompendiSsen 
Sammlungen,  daß  schon  daran  alles  scheitert.  Trotz  dieser  Schwierigkeiten 
hat  sich  doch  schon  mancher  Gesang  dauernd  eingebürgert. 

Die  folgende  Besprechung  dfirfte  nun  abermals  ein  treffendes  Bild 
von  der  Vielseitigkeit  unseres  Meisters  geben.  Das  Risiko  eines  etwaigen 
Verlegers  einer  Gesamtausgabe  der  Chorgesänge  dürfte  gleich  Nnll  sein, 
da  jede  Bereicherung  der  Chorliteratur,  in  der  sich  wie  bei  keinem  andern 
Musikzweige  die  krasseste  Mittelmäßigkeit  breit  macht,  nur  mit  Dank  be- 
grüßt werden  kann. 

I.  Abschnitt.    Männerchöre 

1.  Sechs   Gesänge   für   fünf   und   vier   Männerstimmen.     Op.  19. 
(Challiers  Verlag,  Berlin). 
Als   erstes  Werk   des  Balladenmeisters   auf  diesem    neuen    Gebiete 
und  um  ihrer  hohen  Trefflichkeit  willen  verdienen  diese  Chöre  eine  liebe- 
volle Berücksichtigung. 

a.  Zwei  Gesänge  aus  dem  Singspiel  »Die  Glfickseligkeits- 
insel'.  (Aus  dem  Schwedischen  des  Atterbom  fibersetzt  von  Amalie 
V.  Helvig). 

Der  erste  Gesang  ist  ein  zündendes  Jägerlied,  vivacissimo  vorzutragen. 

.Wilde  mächtige  Luat  genieß! 

Scbau  das  prächtige  Ziel  und  tchießl" 

wird  zunächst  von  allen  vier  Stimmen  fortissimo  gebracht,  dann  malen  leise 
erster  Tenor  und  zweiter  Baß  das  ferne  Lärmen  der  Meute  im  Grunde  des 
Tals.  Aus  dem  feurigen  E-dur  geht  es  bald  in  das  sanfte  G*dur  über 
bei  den  Worten: 


Her  -  ze       lenkt        sich  zum      Traum  -  ge  -  bild 


wo  dann  auch  Solostimmen  eintreten  und  des  weitern  im  pianissimo  die 
scheue  Flucht  der  aufgeschreckten  Waldestiere  malen.  Wie  frShlich-lauter 
Waldhomklang  setzt  dann  das  Tutti  ein;  zunächst  die  drei  Unterstimmen: 


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Heim -warft   gebt    der  Schütz   zu     Tal. 

während  vom  dritten  Takt  an  die  ersten  Tenöre  das  langgezogen  hohe  G 
vom  Piano  allmählich  zum  Forte  anschwellen  lassen.    In  ungemein  reizvoller 


265 
HIRSCHBERG:  LOEWES  WELTLICHE  CHÖRE 


Weise  wird  das  Ganze,  das  so  kräftig  begonnen,  zum  träumerisch-gedämpften 
Ende  geführt,  indem  ein  nochmaliger  Wechsel  der  Solostimmen  und  des 
Chors  das  Verhallen  der  Homer  malt: 

tutti 


Solo 


Leach-ten    im 


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Lie  -  bet- 


strahl, 


Solo 


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Leuch-ten    im     Lie  -  bet-ttrabl. 


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Lie  -   bes- 


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strahl. 


Das  zweite  der  Lieder  ist  eine  textlich  höchst  verunglückte  Darbietung, 
eine  verschwommene  Umschreibung  des  klaren  «Nichts  ist  schwerer  zu 
ertragen".  Indessen  hat  der  nachdenkliche  Text  dem  Tondichter  Gelegen- 
heit zu  einer  anmutigen  rhythmischen  und  koloristischen  Feinheit  gegeben. 
In  den  synkopenähnlichen  Einschlägen  der  Verszeilenanfänge  sowohl,  wie 
in  der  weit  ausgesponnenen  Koloratur  des  Versendes: 


Moderato 


ün  •  er-hörtvcr- 
cresc. 


schwende  nicht  die  Seuf-zer doch ; 


lach  -  te  Mai  ohn' 


En  -  de,   war    er     rei  -  zend  noch  ? 

dim. 


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268 
DIE  MUSIK  VII.  2a. 


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Frfil  i>Ua       Inst 


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Jxl  der  groß  und  umfangreich  angelegten  «Nachtreise*  braucht  der 
Tondichter  fünf  Stimmen  — -^zwei  TenSre  und  drei  Bisse.  Ganz  ihnlich 
wie  im  vorigen  Liede  ist  durch  eine  Stimmenverteilung  eine  Sondemng 
erzielt  worden;  eine  Gruppe  spricht,  die  andere  schildert  und  vertritt  da- 
mit das,  was  sonst  dem  instrumentalen  Teil  obliegt: 

Ten.  7,  //,  Baß  I  .    .         .  ^  J 


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/  Der 

Baß  II,  III 


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Herbst-wind    rfit  •  t«lt     die 

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feucht  und 


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kalt 


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n    > 

Nur  auf  diese  Weise  ist  es  möglich,  ein  durchaus  für  eine  Stimme  ge- 
dachtes Lied  als  ein  mehrstimmiges  glaubhaft  zu  machen.  Im  weiteren 
Verlauf  verschiebt  sich  (ganz  wie  im  vorigen  Lied)  das  VerhIItnis  der 
Stimmgruppen;  an  Leistungs-  und  Ausdrucksfähigkeit  der  Singer  werden 
die  höchsten  Ansprüche  gestellt: 

Ten.  I,  II  ^^-^   -iji  I^    fi 


Wen>del-trep-pe 


•türm     ich  hin- 


auf mit   Spo-ren-ge* 


269 
HIRSCHBERG:  LOEWES  WELTLICHE  CHÖRE 


Wie  dann  nach  dem  zarten  Mittelsatz  (F-dur,  %)  die  Schilderung  aus  dem 
«leuchtenden  Teppichgemache"  wieder  hinaus  in  den  herbstlichen  Wald 
geleitet  wird,  wie  das  Säuseln  der  Blätter  im  Winde  (durch  das  Eintreten 
einer  Stimme  nach  der  andern)  plastisch  dem  Hörer  sich  mitteilt,  das 
alles  im  einzelnen  vorzuführen  und  zu  zergliedern,  wfirde  zu  weit  führen ; 
ebenso,  wie  treffend  in  der  erneuten  Rückkehr  zum  Anfangssatz  die  beiden 
Baßfiguren 


und  Li)i  rrh 


Trtum  Trtum 

die  Traumeswirren  des  zum  Tode  erschöpften  Reiters  zum  Ausdruck  bringen. 
Wir  können  wohl   mit  Recht   sagen,  daß  wenige  Chorgesänge  von 
dieser  Bedeutung  existieren. 

2.  Fünf  Oden  des  Horaz,  auf  den  lateinischen  Text  mit  deutscher 
Obersetzung  von  Voß  für  Männerstimmen  komponiert, 
op.  57.     (Challiers  Verlag,  Berlin.) 

Nur  ein  vielseitig  gebildeter  Mann  konnte  imstande  sein,  diese  Werke 
zu  schaffen.  Es  gehörte  nicht  nur  ein  völliges  Sichhineinleben  in  den 
Geist  des  alten  Dichters  dazu,  sondern  auch  eine  sichere  Beherrschung 
der  alten  Metren.  Gottfried  Weber,  der  bekannte  Komponist,  Theoretiker 
und  Herausgeber  der  ,Cäcilia",  dem  Loewe  diesen  Zyklus  gewidmet  hatte, 
schrieb  ihm  darüber  Folgendes^): 

»Die  große  Ehreobezeugung,  welche  Sie  durch  die  Widmang  Ihres  ausgezeichneten 
und  in  seiner  Art  besonders  so  ausgezeichneten  und  bahnbrechenden  Werkes  mir 
anthun,  ist  so  groß,  so  werthvoll  und,  wenn  ich  sagen  darf,  mir  so  unangemessen,  daß 
ich  die  Art  und  Weise,  etwas  mir '  so  wenig  eigentlich  zu  Gesiebte  Stehendes  zu 
empfkngen,  anzunehmen  und  dafür  zu  danken,  gar  nicht  recht  finden  kann.  Der- 
gleichen gehört  eigentlich  nur  Micenaten,  künstlerisch  ausgezeichneten  oder  sonst 
bochstehenden  Personen,  indeß  unsereiner  sich  in  solchem  Königtomate  nicht  zu 
benehmen  versteht  . .  .* 

Weber  hebt  dann  des  weiteren  besonders  die  musikalische  Deklamation, 
Akzentuation  und  Skansion  in  dem  Werke  hervor  und  verspricht  einen 
besonderen  Artikel  darüber  für  das  74.  Heft  der  »Cäcilia"*). 

Daß  neben  diesem  Technischen  auch  der  durch  den  Inhalt  bedingte 
Ton  aufs  beste  getroffen  ist,  davon  legt  die  Beliebtheit,  deren  sich  das 
Werk  früher  erfreute,  gültiges  Zeugnis  ab.  Heutzutage  ist  es  völlig  ver- 
gessen; aber  speziell  Lehrer-Gesangvereine  sollten  sich  diese  durchaus 
originellen  und  dankbaren  Stücke  nicht  entgehen  lassen. 


*)  Dr.  Carl  Loewes  Seibatbiographie,  Berlin  1870,  p.  224. 
*)  Ist  nie  erschienen. 


270 
DIE  MUSIK  VII.  23. 


Wie  glänzend  hell  polierter  Stahl   erscheinen   die  markigen  Klinge 
der  ersten  Ode  (Ad  Augustum): 


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pro  •  po  -  si  -  ti 


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Wer,    Gu  -  tet      wol-lend,    minnlich   be- harrt    im    Sinn 

Was  Ad.  Bernh.  Marx  von  Beethovens  e-moll  Sonate  op.  00  sagt'): 
„Der  wäre  höchst  geehrt,  dessen  Spiegelbild  man  in  diesem  Satze  er- 
kennte^, gilt  auch  von  diesem  Loeweschen  Werke. 

Die  zweite  Ode  (Ad  Neobulen)  ist  unbedingt  die  beste.  Sie  ist 
die  einzige  Horazische,  die  in  dem  leiemd-schleppenden  ionischeii  Vers- 
maß geschrieben  ist,  das  ein  mitleidiges,  nicht  ernst  gemeintes  Jammern 
unübertreiflich  zum  Ausdruck  bringt.  Der  Leichtigkeit  seiner  Skansion 
halber  ist  es  bei  den  Herren  Primanern,  die  sich  mit  Alcäns,  Sappho  nnd 
vier  verschiedenen  Asklepiaden  weidlich  zu  quälen  haben,  besonders  beliebt 
Dieser  mitleidige  Jammerton  ist  nun  von  Loewe  köstlich  getroffen;  statt 
Andantino  grazioso  wäre  die  Überschrift  vielleicht  besser  AndanÜno  flebile 
gewesen : 


Mi  -  se 


m^s4^ 


ra-rumett,  ne-queA 


mo  -  ri      da  •  re 


j  j  j  j 


r  r  f 


Itt  •  dam,  ne  -  que 

A 


O     wie       e  -  lend    ist     ein    Migd-lein,  das  dem     A  •  mpr  sich   ent- 


!^ 


^E^^^ 

:/?=^=^ 


^^=t!==* 


dul  -  ci      roa  -  la 


!»=t==t: 


-'" — B— 


vi  -  no    la  -  ve  - 


^te 


reaut  ex      a   -  ni 


ziehn  muß,  und  der  Tröstung  des  Ly    -  I  -  us,    da    mit  Straf-red  and  br- 


^)  Ad.  Benib.  Marx:  Beethoven.    Berlin  1859,  Band  U,  S.  2ia 


1 

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271 
HIRSCHBERG:   LOEWES  WELTLICHE  CHÖRE 


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en  •  tes     pa  -  tni  - 


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lin  •  gute! 


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mahn-unf   sie    der     O  -  heim   so     in    Angst  hilf! 

Immer  dringlicher  und  schneller  wird  der  Gesang;  die  Männer  werden 
dem  armen,  trostbedürftigen  Mägdelein  (wie  der  Graf  und  Basilio  der 
Susanne)  gegenüber  eben  immer  zudringlicher,  ja  handgreiflicher.  Beim 
Forte  sind  sie  scheint's  bis  zum  Backenstreicheln  gekommen,  und  das 
Fortissimo  am  Schluß  dfirfte  den  Kuß  versinnbildlichen! 

Die  dritte  Ode  (Ad  Maecenatem)  ist  lehrhaft  weit  ausgedehnt,  an 
Schilderungen  mannigfachster  Art  reich,  während  die  vierte  (Ad  fontem 
Bandusiam)  ein  liebliches  Idyll  darstellt: 


Allegretto 


O    fons 


BJIJj 


*^ 


Ban  -  du  -  si  -  ae 


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splen-di  -  di  •  or      vi- 


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* 


tro, 


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* 


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Reizend  durchgeführte  und  rhythmisierte  Koloraturen  verleihen  dem  kurzen 
Sang  eine  besondere  Abwechselung.  Friedrich  Wilhelm  IV.  schrieb  am 
1.  März  1838  an  Loewe:  «Unter  Ihren  horazischen  Liedern  entzückt  mich 
ganz  vorzüglich  der  bandusische  Quell.* 

Die  letzte  Ode  endlich  (Ad  Grosphum),  eines  der  berühmtesten 
Gedichte  des  Horaz,  ist  in  seinem  langsamen  Zeitmaß,  in  dem  durchweg 
leisen,  sich  nirgends  zum  Forte  steigernden  Erklingen,  in  dem  einfachen, 
ungesuchten  Wohlklang  seiner  Akkorde  ein  stilles  Gebet  an  den  Göttervater: 


Ru  -  be    fleht  vom    Zeus  der    vom  Sturm    Er 


f«ß  -  te 


272 
DIE  MUSIK  VII.  23. 


mJeSo 


Die  Oden  sollen  in  der  Ursprache  gesungen  werden.  Die 
beigefügte  Übersetzung  diene  nur  als  Hilfsmittel  zur  Gewinnung  des  Aus» 
drucks  beim  Vortrag.  Ein  feinsinniger  Dirigent  ist  vonnSten,  der  auf  die 
vom  Komponisten  gewollten  Feinheiten  mit  liebevoller  Sorgfalt  eingebt. 

3.  Zwei  Balladen  von  Willibald  Alexis,  op.  61.  (Challiers  Verlag, 
Berlin.) 
Über  des  Meisters  weltberühmten  Fridericus  rex  uns  näher  zu  ver- 
breiten, ist  nicht  erforderlich;  auch  hat  Maximilian  Kunze  in  seinen  beiden 
Untersuchungen  über  die  Quellen  des  Fried richsliedes^)  Muster  von  philo- 
logischer Genauigkeit  und  Gründlichkeit  geliefert.  Carl  Loewe  bat  sowohl 
den  Fridericus,  als  den  General  Schwerin  selbst  für  vier  Minner- 
stimmen gesetzt,  und  es  ist  deshalb  die  Pietätlosigkeit  unbegreiflich,  mit 
der  die  Redaktoren  des  neuen  «Volksliederbuches"  es  zulassen  konnten, 
daß  an  dem  Meisterwerke  ein  «Arrangement''  vorgenommen  wurde.  Bei 
dem  näselnden,  äußerst  platten  und  aufdringlichen  Eintritt  des  ersten 
Tenors  in  der  zweiten  Strophe  möchte  man  nur  mit  Hamlet 

«O  schaudervoll!  schaudervoll!  höchst  schaudervoll  1* 

ausrufen.  «Glauben  Ew.  Lordschaft  etwas  Besseres  zu  liefieni  als  die  Apostel 
und  Propheten?*  so  fuhr  Händel  einen  bischöflichen  Herrn  an,  der  ihm 
einen  Text  zum  «Messias*  liefern  wollte.  Mutatis  mutandis  gilt  dies  ancb 
von  dieser  neuesten  «Bearbeitung*  des  Friedrichsliedes.  Unbegreiflich  ist 
es  ferner,  daß  man  dem  zweiten  Chorlied  dieses  Opus,  dem  «General 
Schwerin*,  die  Aufnahme  in  die  Sammlung  versagt  hat.  Das  Werk  bildet 
zu  dem  rücksichtslosen  Soldateskahumor  des  «Fridericus*  einen  schönen 
Gegensatz  durch  die  bei  aller  Derbheit  des  Ausdrucks  über  dem  Ganzen 
liegende  tiefe  Schwermut.    Der  nach  jeder  Strophe  wiederkehrende  Refrain: 

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tot!    Schwe- 


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rin     tat 


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enthält  eine  so  unendlich  laute  Klage  und  dabei  wieder  eine  so  tiefe,  flist 
verzweifelnde  Trauer  über  den  Fall  des  Helden,  daß  das  Werk  einen  er- 
schütternden Eindruck  hinterläßt. 


^)  Loewe:  Hobenzollem-Album  (Breitkopf  &  Hirtel),  p.  XII  ff.  und  Gesamtaus- 
gabe, Bd.  V. 


273 
HIRSCHBERG:  LOEWES  WELTLICHE  CHÖRE 


4.  Fünf  Humoresken  für  vier  Männerstimmen,  op.  84.  (Berlin, 
Bote  &  Bock.) 

Um  diese  köstlichen  Gaben  ihrer  unverdienten  totalen  Vergessenheit 
zu  entziehen,  hat  man  wenigstens  ein  paar  Stücke,  für  eine  Singstimme 
arrangiert,  als  notdürftigen  Ersatz  in  der  Gesamtausgabe  (Breitkopf  &  Härtel) 
veröffentlicht,  was  jedesmal  angemerkt  werden  soll. 

Der  Sinn  für  feinen  Humor  und  seinen  Ausdruck  in  der  Tonsprache, 
den  Loewe  in  Balladen  wie  »Graf  Eberstein",  dem  Goetheschen  »Hochzeit- 
lied"  und  dem  »Zauberlehrling*,  den  »Hinkenden  Jamben",  den  »Fabel- 
liedem*  und  zahllosen  anderen  bereits  glänzend  dokumentiert  hatte,  kommt 
auch  bei  dieser  neuen  Gattung  in  jedem  Takt  zur  Erscheinung.  Wie  hübsch 
ist  z.  B.  in  dem  unverwüstlichen  Matthias  Claudius'schen  »Urian*  der 
Unterschied  des  canonischen  Chorgesanges  in  der  ersten  bis  sechsten 


^ 


yM-c  c  g  c  c  c  n  r.  Ni 


Da     hat    er    gar   nicht   fl  •  bei    dran   ge  -  tan 
und  der  letzten  Strophe 


j  I  p  c  '7-44J:^ 


Da     bat     er      fl  •  bei,      fi  -  bei   dran    ge  -  tan 

durchgeführt!  Wie  reizend  imitieren  im  «Stabstrompeter.*  von  Friedrich 
Rückert  die  vier  Singstimmen  die  schmetternde  Fanfare: 

Vivace 


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Seht    den    Stabs- trom  -  pe  •  ter! 


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Bru  •  der,   seht,     da     steht    erl 

■^    J    !■    i'    -T- 


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Mann. 


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Die  höchst  komische,  moralische  Sage  von  dem  »Kloster  Grabow* 
im  Lande  Usedom,  die  Friedrich  Rückert  in  ergötzlicher  Weise  erzählt,  gibt 


L 


274 
DIE  MUSIK  VII.  23. 


Loewe  Gelegenheit,  seinem  übersprudelnden  Humor  die  Zfigel  schießen  zu 
lassen.  Während  vier  Solostimmen  die  gottesjämmerliche  Geschichte  von 
den  unmäßigen  Mönchen,  die  sich  gegen  das  Gesetz  an  zwei  ungeheuer 
fetten  Stören  die  Mägen  verdarben,  erzählen,  bringt  der  Chor  als  Refrain 
jeder  Strophe  die  Moral.  Wenn  nun  die  beiden  Bässe  recht  brummend 
und  gedämpft  mit  ihrem  Gesang  beginnen,  um  das  eifrige  laute  Plappern 
der  Tenöre  wirksam  hervortreten  zu  lassen: 


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4. 


•ie    bit-ten  aicb  aol-leo  be- 


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SO 


gnfi*ten,  sie 


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Sie      hit  •  ten  sich    sol 


len 


be 


gnfi    - 


bit-ten  sich  sol  «len  be- 


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gnfi-gen 


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so  werden  sie  die  Lacher  immer  auf  ihrer  Seite  haben.  Die  bekannte 
Rückert'sche  Ballade  .Die  Riesen  und  die  Zwerge",  die  No.  4  dieaei 
Opus  bildet,  hat  der  Meister  derart  gesetzt,  daß  ein  Baritonsolo  die  ganze 
Erzählung  bestreitet,  %ährend  der  Chor  nur,  gewissermaßen  als  Vor-  ond 
Nachspiel,  vor  der  ersten  und  nach  der  letzten  Strophe  marschartig  und 
stark  fünfmal  die  Worte  »Die  Riesen  und  die  Zwerge"  singt  und  während 
des  Solo  höchst  spaßig  als  Brummstimme  fungiert.  Da  das  Lied  in  glück- 
lichem Arrangement  für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegleitung  in  Bd.  XVII 
der  Gesamtausgabe  leicht  erreichbar  ist,  so  möge  es  dort  und  auf  Seite  XII 
der  Einleitung  auch  die  treffende  Ausführung  Runzes  nachgelesen  werden. 
Wie  aber  ein  so  originelles  Gedicht  wie  Rückerts  »Martini*  und 
seine  Vertonung  durch  Loewe  so  gänzlich  unbekannt  sein  kann,  das  ist 
schwer  zu  begreifen.  Anmutig  sind  die  Verse  des  formgewandten  Dichters, 
witzig  der  Inhalt.  Und  für  alles  findet  Loewe  charakteristische  Töne. 
Bald  läßt  er  seine  vier  Stimmen  das  schauderhafte  Wetter,  das  dieser  fOr- 
treffliche  Heilige  immer  mitbringt,  schildern,  bald  das  Schreien  der  un- 
glücklichen Gänse: 


275 
HIRSCHBERG:  LOEWES  WELTLICHE  CHÖRE 


mJeSo 


fen^r  r;  fr  j;i^  r  ri^'-rrri^^^ 


sie   schrei -en     sebr     und    kla-gen:  es   gebt    uns      aa      den    Kra-gen 

Oder  er  malt  das  lustige  Tanzen,  Trinken  und  Essen  der  Gäste,   die  sich 
tüchtig  dran  halten  müssen,  denn: 


ftii;:  S^-rryt: 


bald  kommt  die    beil-ge     Ka  •  tbri  •  ne  und    hingt    die    Geig  .  an  die  Wand. 


5.  Der  Papagei.     Humoristische  Ballade  von  Fr.  Rückert  für  vier- 
stimmigen Männerchor.    op.   111. 

Wie  die  beiden  Alexis'schen  Kriegsgesänge  ^)  hat  Loewe  auch  Rückerts 
prachtvolle  Erzählung  von  der  Waterlooer  Schlacht  nicht  nur  für  eine 
Singstimme,  sondern  auch  für  Männerchor  gesetzt.  Auch  dieses  Werk 
fehlt  grundlos  im  »Volksliederbuch".  Wie  der  äußerst  gebildete,  bisher 
französisch  sprechende  Papagei  nach  der  Schlacht  infolge  des  Kanonen- 
donners nur  noch  «Bum*  sprechen  konnte,  wie  alles  liebenswürdige 
Schnalzen  und  Zirpen  seines  Besitzers  immer  nur  das  ominöse  »Bum* 
aus  dem  Schnabel  des  völlig  vor  den  Kopf  geschlagenen  Vogels  bringt, 
das  ist  äußerst  drollig  gemacht  und  im  Vortrag  gar  nicht  zu  verfehlen. 


6.  Sechs  vierstimmige  Gesänge  für  Männerstimmen.     Ohne  Opus- 
zahl.     (Mainz,  Schott.) 

Die  beiden  ersten,  „Das  dunkle  Auge"  von  Lenau  und  das 
»Nachtlied''  von  Raupach,  sind  weiche,  melodische  Gesänge  in  Mendels- 
sohns Art.  Am  dritten,  »Würde  der  Frauen*  von  Schiller,  interessiert  uns 
der  Umstand,  daß  dieses  Preislied  ganz  sinngemäß  von  Männern  allein 
vorgetragen  wird;  auch  sind  die  die  Zartheit  der  Frauen  und  die  Kraft  der 
Männer  ausführenden  Gegensätze  durch  Tempo-  um  Tonartwechsel  glück- 
lich getroffen.  Als  No.  4  zeigt  sich  die  Neuschöpfung  eines  der  be- 
liebtesten einstimmigen  Loeweschen  Gesänge,  »Des  Glockentürmers 
Töchterlein*  von  Rückert,  für  Männerchor,  nicht  etwa  ein  Arrangement, 
sondern  eine  ganz  neue  Komposition.  Im  Gegensatz  zu  anderen  Meistern 
(bekanntlich  hat  Beethoven  den  Mignon-Gesang  »Nur  wer  die  Sehnsucht 
kennt*  vier-,  Schubert  sogar  sechsmal  vertont)  steht  diese  Tatsache  bei 
Loewe  einzig  da.  Ich  möchte  dieser  Chorschöpfung,  in  der  namentlich 
das  Anschlagen   der  Glocken   sehr   hübsch  durch  die  tiefen  Bässe  gemalt 


*)  Vgl.  No.  a 


276 
DIE  MUSIK  Vll.  23. 


wmSBSf 


wird,  während  der  erste  Tenor  in  Koloraturen  darfiberhin  schweift,  vor 
der  einstimmigen  den  Vorzug  geben.  No.  5  und  6  gehören  zu  Loewes 
originellsten  Gaben.  Wie  er  uns  den  urkomischen  »Rüberettig*  des 
Willibald  Alexis  bietet,  das  muß  gehört  werden;  englische  Steifheit  und 
deutsche  Derbheit  wechseln  allerliebst  miteinander  ab: 


lieb-te  die 


Rfl-be, 


/  dei 


den  Ret  •  tig     erS 


Streit  drfi-ber  woU  -  te 


end-gen;  u-bei 


^»if-^lJU? 


derleibiltesin 


England  schwer,  sich 


un-tereln-ander  ▼e^ 


stindtes. 


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Da  die  Farce  auch  ffir  eine  Singstimme  sehr  geeignet  ist,  so  fehlt  aie  nicht 
in  der  Gesamtausgabe^). 

«Die  lustige  Hochzeit",  ein  wendisches  Spottlied,  von  Herder 
meisterhaft  in  seinen  «Stimmen  der  Völker*  übertragen,  zeigt  uns  nmi  den 
Tondichter  in  seiner  ganzen  Eigentümlichkeit.  Daß  er  den  Volkston  an 
sich  meisterlich  trifft,  kann  uns  in  Anbetracht  der  nahen  Verwandtschaft 
von  Ballade  und  Volkslied  nicht  weiter  wundernehmen.  Aber  auch  das 
Lokalkolorit  ist  so  vorzuglich  gewahrt,  daß  man  die  neben  allem  Spott 
und  Übermut  bei  diesen  Völkern  doch  immer  vorhandene  dfistere  Herb- 
heit überall  wahrnimmt.  Endlich  verdient  der  kunstvolle  Satz  in  diesem 
Werk  noch  ein  ganz  besonderes  Lob.  Die  Durchführung  ist  derart»  daß 
jede  der  sieben  Fragen  von  einem  Baßsolo,  jede  der  sieben  Antworten 
vom  Chor,  jede  der  sieben  Gegenreden  von  einem  andern  Solo  und  end- 
lich jeder  der  sieben  letzten  Sätze  wieder  vom  Chor  gebracht  wird,  z.  B.: 

Bflßsolo  Tutii  forte  Bißsolo 


Wer  soll  Braut  sein?  Eu-le  soll  Braut  sein.  Die  Eu-le  sprach  su  th-aen  bin 


0  Bd.  XVI,  S.  125. 


IM 


275 
HIRSCHBERG:  LOEWES  WELTLICHE  CHÖRE 


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sie    schrei -en     sebr     und    kls-gen:  es    gebt    uns      an      den    Kra-gen 

Oder  er  malt  das  lustige  Tanzen,  Trinken  und  Essen  der  Gäste,   die  sich 
tüchtig  dran  halten  müssen,  denn: 


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bald  kommt  die    heil  •  ge     Ka  -  tbri  -  ne  und    hingt    die     Geig   an  die  Wand. 

5.  Der  Papagei.     Humoristische  Ballade  von  Fr.  Ruckert  für  vier- 

stimmigen Männerchor.    op.   111. 

Wie  die  beiden  Alexis'schen  Kriegsgesänge  ^)  hat  Loewe  auch  Rückerts 
prachtvolle  Erzählung  von  der  Waterlooer  Schlacht  nicht  nur  für  eine 
Singstimme,  sondern  auch  für  Männerchor  gesetzt.  Auch  dieses  Werk 
fehlt  grundlos  im  »Volksliederbuch*.  Wie  der  äußerst  gebildete,  bisher 
französisch  sprechende  Papagei  nach  der  Schlacht  infolge  des  Kanonen- 
donners nur  noch  «Bum*  sprechen  konnte,  wie  alles  liebenswfirdige 
Schnalzen  und  Zirpen  seines  Besitzers  immer  nur  das  ominöse  »Bum* 
aus  dem  Schnabel  des  völlig  vor  den  Kopf  geschlagenen  Vogels  bringt, 
das  ist  äußerst  drollig  gemacht  und  im  Vortrag  gar  nicht  zu  verfehlen. 

6.  Sechs  vierstimmige  Gesänge  für  Männerstimmen.     Ohne  Opus- 

zahl.     (Mainz,  Schott.) 

Die  beiden  ersten,  „Das  dunkle  Auge**  von  Lenau  und  das 
»Nachtlied*  von  Raupach,  sind  weiche,  melodische  Gesänge  in  Mendels- 
sohns Art.  Am  dritten,  »Würde  der  Frauen*  von  Schiller,  interessiert  uns 
der  Umstand,  daß  dieses  Preislied  ganz  sinngemäß  von  Männern  allein 
vorgetragen  wird;  auch  sind  die  die  Zartheit  der  Frauen  und  die  Kraft  der 
Männer  ausführenden  Gegensätze  durch  Tempo-  um  Tonartwechsel  glück- 
lich getrotPen.  Als  No.  4  zeigt  sich  die  Neuschöpfung  eines  der  be- 
liebtesten einstimmigen  Loeweschen  Gesänge,  «Des  Glockentürmers 
Töchterlein*  von  Rückert,  für  Männerchor,  nicht  etwa  ein  Arrangement, 
sondern  eine  ganz  neue  Komposition.  Im  Gegensatz  zu  anderen  Meistern 
(bekanntlich  hat  Beethoven  den  Mignon-Gesang  „Nur  wer  die  Sehnsucht 
kennt*  vier-,  Schubert  sogar  sechsmal  vertont)  steht  diese  Tatsache  bei 
Loewe  einzig  da.  Ich  möchte  dieser  Chorschöpfung,  in  der  namentlich 
das  Anschlagen   der  Glocken    sehr  hübsch  durch  die  tiefen  Bässe  gemalt 


1)  Vgl.  No.  a. 


278 
DIB  MUSIK  VII.  23. 


Der   Nachschlag    des    ersten    Basses, 
stimmen  scheinbar  nicht  fertig  wird, 
wftltigender  Komik: 


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der    als    letzte    der    vier   Fugen- 
Schluß  des  Ganzen,  ist  von  fiber- 


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wird   er     eu  -  er 


Tisch      sein,  so 


wird  er   eu  -  er 


Tisch  sein. 


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ja     so    wird    er 


eu  -  er    Tisch, 


ja     80  wird  er 


eu«er  Tisch 


sein. 


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Tisch, 


ja     so 


wird  er      eu  •  er 


Tisch,    ja    so 


wird  er  eu-er 


Tisch  aelA 


eu  -  er    Tisch,       ja     so    wird  er  eu-er  Tisch      sein. 

7.  Vaterländische  Lieder (simtlich  im  »Hohenzollem-Albam*, Bd.  1, 
unter  den  Nummern  2 — 6,  10 — 11,  14 — 15,  17  abgedruckt). 
No.  4   (Dem  König),   für  Männerchor   gesetzt  von   dem  zu   frfih 
gestorbenen  Martin  Plüddemann,  ist  ein  Gesang  voll  Kraft  and  Energie. 
No.  10  (Der  deutsche  Rhein),  eine  in   hoher  Begeisterung  er- 
glühende Komposition  des  bekannten  Beckerschen  Gedichts: 


H^'-f^J^ 


Sie     sol  -  len  ihn  nicht  ha  -  ben,  den    ft^i  -  en  deut-schen  Rhein! 

No.  11  (Die  deutsche  Flotte)  ist  historisch  interessant  fSr  die 
Flottenbewegung  des  Jahres  1848,  aus  dem  der  Chor  stammt.  Die  fibrigen, 
in  musikalischer  Hinsicht  von  geringem  Wert,  mögen  an  Ort  und  Stelle 
eingesehen  werden;  ihr  Fehlen  in  einer  etwaigen  Sammlung  der  Loewe- 
sehen  Chöre  würde  belanglos  sein. 

8.  Des  Königs  Zuversicht,     op.  118. 

Das  Lied  erschien  1839  in  mehreren  Fassungen  (auch  für  Männer- 
chor) und  ist  im  «Hohenzollem- Album*  abgedruckt.  Als  freie  Umdichtung 
des  dritten  Psalms  zeigt  es  vorwiegend  eine  majestätische  Ruhe,  UBt 
jedoch  an  einigen  Stellen  einen  kampfesmutigen  Sinn  hindurchleucbten.  Es 
ist  sowohl  a  cappella  als  mit  einer  von  Loewe  gesetzten  KlavierbegMtnng 
zu  singen. 


270 
HIRSCHBERG:  LOEWES  WELTLICHE  CHÖRE 


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9.  Zwei    Gesänge     für    die    Stettiner    Liedertafel.    (Berlin, 
Trautwein). 

Das  erste,  Stiftungslied  betitelt,  ist  nie  wieder  zum  Abdruck 
gelangt,  wohl  aber  das  originelle  zweite  »Otto- Lied«  (f&r  eine  Sing- 
stimme  mit  Klavierbegleitung  arrangiert).^)  Es  erzählt  in  launiger  Weise  die 
Bekehrung  der  unmäßig  zechenden  heidnischen  Pommern  durch  den 
»feinen  Gottesmann«  Otto  von  Bamberg.  Sehr  hfibsch  ist  das  Tohuwabohu 
ihrer  früheren  Zechgesänge  ausgedrfickt: 


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und  krumm  •  ten 


takt-     und 


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uod  brummten  takt- und  re-gel-frei  wie     Bi-ren   in  der  WQs-te-nei  und 


10.  Gutenbergs  Bild  von  L.  Giesebrecht  (Mainz,  Schott). 

Als  eine  kleine  Ergänzung  zu  seinem  großen  Oratorium  »Gutenberg« 
(op.  55)  ist  dieser  feierliche  Gesang  von  Loewe  f&r  die  Gutenbergfeier  im 
Jahre  1837  komponiert  worden.  In  prachtvoller  Ausstattung,  mit  dem 
Monument  im  Kupferstich,  erschien  das  Werk  (auch  für  gemischten  Chor), 
ist  aber  heute  nicht  mehr  aufzufinden.  Wir  geben  als  Beigabe  die  Repro- 
duktion des  Originaltitels. 

11.  Acht    Freimaurer-Lieder.      Gedruckt    in    »Melodien    zu    den 

Liedern  des  neuen  Freimaurer- Gesangbuches  für  die  Große 
National- Mutter- Loge  der  Preußischen  Staaten,  genannt:  zu  den 
drei  Weltkugeln«.     Heft  2,  Berlin  1836. 

Daß  diese  Gesänge  ihren  Zweck  ganz  erfüllen,  braucht  nicht 
besonders  erwähnt  zu  werden.  Sie  dürften  in  einer  Gesamtausgabe  nicht 
fehlen.  Sieben  von  ihnen  sind  a  cappella,  einer  mit  Klavierbegleitung 
gesetzt;  den  wirksamsten  hat  Loewe  übrigens  in  sein  kleines  Oratorium 
»Johannes  der  Täufer*  aufgenommen: 


cresc. 


Hört  ihr    nicht       die  Stim-me    tö  -  nen?  Jo-ban-nes    ruft,  die  Welt  er  -  bebt! 


^)  Gesamtausgabe  Bd.  XVI,  p.  110. 


19* 


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280 
DIE  MUSIK  VII.  23. 


12.  Das  Paradies  in  der  Wüste.  Legende  von  Herder.  Ffir 
eine  Tenorstimme  und  einen  Minnerchor,  op.37, 
No.  3.    (Mainz,  Schott.)^) 

Dieses  von  Herder  sinngemäß  in  die  Sammlung  seiner  «Legenden* 
aufgenommene  Werk  ist  ein  Mittelding  zwischen  weltlicher  und  geistlicher 
Musik.  Hilarion  aus  Palästina  zieht  zur  Thebaide,  um  die  Grabstltte 
seines  Freundes,  des  hundertjährigen  Antonius,  zu  besuchen.  Mitten  in 
der  grausen  Wfiste  tut  sich  ihm  ein  elysisch  schönes  GeBlde  auf,  in  dem 
die  Jünger  des  Toten  ihn  erwarten.  Alle  seine  Lieblingsplätze  zeigen  sie 
dem  Hilarion,  nicht  das  Grab,  weil  dies  so  der  Wille  des  Toten  gewesen 
sei.  Die  Bitte  der  Jünger,  von  nun  an  ihr  Führer,  «Antonius  der 
Christenheit*,  zu  sein,  lehnt  Hilarion  ab  und  zieht  in  selig-gehobener 
Stimmung  von  dannen,  von  den  Segenswünschen  der  Jünger  begleitet 
Während  nun  vielleicht  die  schönen  Herderschen  Worte  manchem  Uteratur- 
kundigen  bekannt  sein  dürften,  ist  die  edle  Loewesche  Komposition  völlig 
unbekannt  geblieben.  In  freiem,  über  das  Legendenartige  schon  etwas 
hinausstreifendem  Spielraum  bewegt  sie  sich  und  gewinnt,  zumal  durch 
den  Wechsel  von  Solo  und  Chor,  einen  wirkungsvollen,  hst  dramatisch 
zu  nennenden  Anstrich.  In  einfachem  und  doch  kunstvollem  Satz  bewegt 
sich  das  Selbstgespräch  Hilarions,  mit  dem  das  Werk  beginnt,  und  leitet 
nach  kurzem  Recitativo  accompagnato,  jener  durch  EUich  unsterblich 
gemachten  Form,  zur  Schilderung  der  Wanderung  des  Heiligen  über. 
Folgende  Figur  zeichnet  treffend  ihre  Mühseligkeit  und  Schrecknisse: 


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CS  ctr  üT^ 


Dann   tritt   sie,   als   ein   aus    Felsengebirg   hervorspringender  EUich,   ein 
Palmenhain  und  eine  «Traubenwand*  sich  zeigen,  in  die  Oberstimme: 


^)  Gesimtflusgabe  Bd.  XII,  No.  12. 


281 
HIRSCHBERG:  LOEWES  WELTLICHE  CHÖRE 


Und  nun  Hilarion  am  Ziel,  da  setzt  der  Chor  der  Jünger  em: 

Baß  h  n  ^      Baß  I 


Hier,  hier 


1=3: 


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er.      Auf  die-ser 


t=t 


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Hö  -  he    sang   er 


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Hym-n^a. 


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Dort  pflef-te     er      zu 

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ruhn.  Hier 


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bei  -  tet' 


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So  versteht  Loewe  die  anmutige  Szene  aufs  abwechselungsreichste  zu  ge- 
stalten und  die  edle  Klangwirkung  des  Chors  dabei  nicht  außer  acht  zu 
lassen.  Rührend  schön  ist  namentlich  die  Bitte  der  Jünger,  daß.  Hilarion 
bleiben  möge: 


con  espr,  dim. 

Vor  langer  Zeit  wurde  das  Werk  einmal  mit  ganz  kleinem  Chor  im  Berliner 
Loewe- Verein  ausgeführt  und  erzielte  eine  tiefgehende  Wirkung. 

13.    Drei    ungedruckte    Gesänge.      (Manuskripte    in   der   Königlichen 
Bibliothek  zu  Berlin.) 
Die  Schilderung  des  Regnens  wird  im  »Regenlied«  (J*  N.  Vogl)  in 
ganz  ähnlicher  Weise   erreicht  wie   bei   dem   unter   No.  1    besprochenen 


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282 
DIE  MUSIK  VII.  23. 


Heineschen  Gedichte:  die  drei  Unterstimmen  (Tenor  II,  Baß  I  und  II) 
singen  ganz  leise  die  Anfangsworte  «Wie  fallen  die  Tropfen*,  während 
vom  dritten  Takte  an  die  ersten  Tenöre  durch  ein  geschwindes  Staccato 
das  Fallen  malen.  »Märznacht"  von  Ludwig  Uhland,  1865  nach  seinem 
ersten  Schlaganfall  mit  zitternder  Hand  von  Loewe  niedergeschrieben^),  zeigt 
uns  den  Loewen  noch  in  alter  Kraft.  »Brüderliche  Teilung*,  eine  ent- 
zückende Humoreske  von  Rückert,  sollte  anscheinend  das  sechste  Stück 
von  op.  84^)  bilden;  sie  schließt  sich  den  anderen  dieses  Opus  würdig  an 
und  behandelt  einen  ähnlichen  Stoff  wie  des  Dichters  «Ich  und  mein 
Gevatter"  (»Kirschvogel  und  Kernbeißer"),  das  Loewe  ebenfalls  mit  reizendster 
Musik  geschmückt  hat^).    Zwei  Solostimmen  (Tenor  I  und  Baß  I)  beginnen 

zu  erzählen: 

• 

Soli 


^f.iry.  IHri  pii^tj=^=^ 


Wir  zwei,  mein  Brü-der-chen  und   ich,  wir    gin  •  gen  aas    auf    Heu  -  te 
und  alsbald  setzt  der  Chor,  leicht  imitierend,  ein;  die  Solisten  fahren  fort: 


Soli 


^pÜ^E^^^^^ 


und  woll-ten     tei-len    brü-der-lich  als    wie  die  gro-ßsn  Leu  •  -  •  •  te. 

Abermalige  Wiederholung  durch  das  Tutti,  mit  besonders  komischer  Aus- 
führlichkeit in  den  Baßstimmen: 

Tutti 


als    wie   die    gro  -  ßen      Leu 


Nun  ist  die  Tätigkeit  der  Solisten  zu  Ende;  die  Trennung  der  zwei  Er- 
zähler wird  jetzt  durch  die  zwei  Tenöre  einerseits,  die  zwei  Bässe  anderer- 
seits hergestellt,  derart,  daß  das,  was  das  arme  benachteiligte  Brüderchen 
(Tenöre)  erzählt,  von  dem  älteren  (Bässe)  bärbeißig- bekräftigend  in  der 
dritten  Person  wiederholt  wird.  Es  wirkt  nun  höchst  lustig,  wie  sich  der 
ältere  das  Fleisch  der  Pflaume  und  den  Kern  der  Haselnuß  nimmt  and 
zur  Erklärung  laut  sagt: 


1)  Vgl.  dts  Faksimile  unter  den  Kunstbeilagen  dieses  Heftes. 

•)  Vgl.  No.  4. 

*)  op.  62,  H.  2,  No.  3;  Gesamtausgabe  Bd.  XVIII,  S.  80. 


HIRSCHBBRG:  LOETES  WELTLICHE  CHÖRE 


(Bisse):  .Ich  spracb:  Das  fest«  Inaera 
Hib  ich  dir  dort  gegebea, 
Uad  hl«r  dis  Äußere  dünnere 
So  wird  sich  beides  heben," 

wlbrend  der  Jüngere  höchst  lannoyant   und  leise,   hst  wimmernd,  immer 
nur  wiederholt: 


(TenSre):  .Er  a&  das  Fleisch  der  PBaume  fem, 
Mir  ward  der  Stein,  der  kable; 
Gern  a&  er  von  der  Mnll  den  Kern, 
Mir  ward  die  harte  Schale." 


Die  Moral  des  Schlusses: 


.Und  das  du  bester  denkeal  nach, 
Se  lern  dies  Lied  suawendlf" 


wird  im  muntersten  %-Takt  gebracht. 


285 
GRUNSKY:  BAYREUTHER  FESTSPIELE 


Um  es  gertdeheraus  zu  sagen:  der  übliche  Ton,  in  dem  über  musikalische 
Auffuhrungen  berichtet  wird,  paßt  eben  gar  nicht  auf  Bayreuth.  Denn  hier  fillt 
eine  wichtige  Voraussetzung  fort,  die  anderswo  überall  zutrifft,  daß  man  sich  nimlich 
gegen  Obervorteilung  zu  schützen  hat.  Wo  die  Kunst  einem  irdischen  Gewinne 
Untertan  ist,  bleibt  sie,  mögen  manche  Leistungen  auch  ans  Himmlische  grenzen, 
dem  allgemeinen  Gesetze  des  Marktes  unterworfen,  der  möglichst  Geringes  möglichst 
teuer  umsetzt.  Aus  der  gegenseitigen  Schlauheit  der  Bietenden  und  Bedürfenden 
ergibt  sich  der  Preis.  Hier  hat  es  einen  guten  Sinn,  von  Sachverstindigen  zu  erfahren, 
ob  das  Gebotene  preiswert  war.  Hat  es  auch  in  Bayreuth  einen  Sinn?  Es  kommt 
doch  in  Betracht,  daß  dort  die  meisten  Besucher  Bescheid  wissen  und  gar  nicht 
erst  zu  fragen  brauchen,  wie  sie  für  ihr  Geld  bedient  worden  seien.  Die  Hauptsache 
ist,  daß  an  dem  guten  und  besten  Willen,  die  Meisterwerke  aufs  würdigste  und 
liebevollste  ins  Leben  zu  rufen,  nicht  im  geringsten  gezweifelt  werden  kann;  was 
Ehre  ohne  Gewinn  bringt,  das  wird  am  freudigsten  geleistet.  Sollte  jemandem  bange 
gewesen  sein,  ob  sich  ohne  Frau  Wagner,  die  diesmal  heroisch  entsagend  Proben 
und  Aufführungen  fernblieb,  der  Gesamtwert  der  Leistungen  erneuern  könne, 
so  ist  er  gewiß  durch  den  Lohengrin  von  jeder  Ängstlichkeit  geheilt  worden. 
Die  Vorstellung  vom  5.  August  rief  sogar  eine  so  einheitliche,  michtige  Kundgebung 
hervor,  daß  Siegfried  Wagner,  wie  nach  der  dritten  Tannhiuseraufführung  1904, 
sich  genötigt  sah,  ausnahmsweise  die  Erregung  durch  persönliches  Erscheinen  zu 
beenden.  Dieser  Lohengrin,  den  Siegfried  Wagner  szenisch  fast  ganz  neu  geschaffen 
hatte,  den  er  mit  innigster  Liebe  dirigierte,  war  nicht  mehr  der  Lohengrin  des 
2^itgenossen  Schumanns  und  Mendelssohns,  sondern  der  Lohengrin  Richard 
Wagners,  der  den  Ring,  Tristan,  Parsifal,  die  Meistersinger  im  Busen  trug.  Alles,  was 
eine  mißverstehende  Auffassung  ins  Schwichliche  verdorben  hatte,  war  ausgemerzt 
Zart,  keusch  und  kriftig  erstand  in  allen  Teilen  das  tragische,  erschütternde  Werk.  Es 
ist  in  der  dramatischen  Geschichte  ohne  Beispiel,  daß  Meisterschöpfungen  erst  nach 
Jahrzehnten  ihre  volle  Wirkung  erlangen,  so  wie  in  Bayreuth  namentlich  der  Fliegende 
Hollinder,  Tannhiuser  und  Lohengrin.  Gerade  diese  Dramen  der  ersten  Schaffens- 
zeit verdanken  dem  Festspielhaus  ihre  eigentliche  Verwirklichung,  der  man  nun  einen 
Maßstab  für  die  gewöhnliche  Wiedergabe  der  Opernbübnen  entnehmen  kann.  Wie 
der  Tannhiuser  von  1904  gegen  die  Aufführungen  im  Jahre  1891,  1892  und  1894 
noch  verfeinert  und  verinnerlicht  war,  so  ist  es  Siegfried  Wagner  gelangen,  diesmal 
die  Eindrücke  von  1894  (wenn  ein  Vergleich  so  weiter  Zeitpunkte  zuverlissig  ist),  wo 
irgend  möglich,  noch  zu  steigern.  Das  Geheimnis  liegt  nicht  in  beeonderen  Schlichen, 
sondern  darin,  daß  Siegfried  Wagner  der  wundervollen  Handlung  Schritt  für  Schritt, 
musikalisch  wie  szenisch,  mit  liebender  Hingabe  folgte.  Neu  hergestellt  war  die 
kulissenlose  Ausstattung  des  ersten  und  letzten  Bildes  an  der  Scheide.  Ebenso  hatte 
Siegfried  Wagner,  der  Architekt,  die  Burg  im  zweiten  Akt  neu  aufgebaut  Das  waren 
Bühnenbilder  von  befreiender  Natürlichkeit  und  Schönheit  Ganz  besonders  fiel  mir  auf, 
wie  durch  die  Beleuchtung  und  ferner  durch  alles,  was  zum  beweglichen  Bilde  gehört,  der 
Eindruck  der  Echtheit  verstirkt  wurde.  So  stimmungsvoll,  wie  im  dritten  Akt,  strahlt 
der  Morgen  auf  Bildern  der  Hollindischen  Malerschule;  so  farbenklar  und  färben- 
flreudig,  wie  beim  aussichtsreichen  Burghof  des  zweiten  Aktes,  sind  auf  altnieder- 
lindischen  Bildern  Vorder-  und  Hintergrund  ausgeführt  Stammen  die  verglichenen 
Bilder  auch  aus  viel  spiterer  Zeit  als  König  Heinrich,  so  hindert  doch  nichts,  anzu- 
nehmen, daß  schon  im  10.  Jahrhundert  Natur  und  Menschen  einen  so  herrlichen 
Anblick  gewihrt  haben;  womit  denn  auch  dem  Anspruch  auf  fescbichtlicbe  Wahrheit 
wesentlich  genügt  ist    Außerdem  waren  die  nötigen  .geschichtlichen   Einzelheiten 


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DIE  MUSIK  VII.  23. 


5 


getreulich  beachtet.  Selbst  der  Taube,  um  mit  Herder  zu  sprechen,  bitte  den  Lohes- 
grin  verstehen  mQssen  und  wire  durch  die  Wonne  des  Auges  entschädigt  worden. 
Von  der  Anschaulichkeit  der  Handlung  möchte  ich  nur  wenige  Beispiele  anffihren: 
im  ersten  Akt  begibt  sich  der  König  von  der  linken  Seite  zum  Gebet  nach  rechts, 
wo  ein  schlichter  Altar  mit  einem  rohen  Kreuz  steht.  (Gewöhnlich  betroten  ille, 
König  und  Volk,  den  soeben  geheiligten  Hag.)  Das  Gebet  vor  dem  Kampf  wurde 
dadurch  natfirlich  und  eindrucksvoll.  Großartig  in  jede  Bewegung  ausgedacht  war 
die  nichtliche  Szene  zwischen  Ortrud  und  Elsa  im  zweiten  Akt.  Einen  bedingungs- 
losen Verehrer  Nietzsches  möchte  ich  angesichts  dieser  Überlegenheit  der  earüms 
fragen,  ob  er  an  der  moralischen  Absurditit  solchen  Seelenadels  festzuhalten  wage? 
Ist  nicht  Ortrud  selbst  verwirrt,  wenn  sie  anfangs  nur  die  Entgegnung  findet:  O 
habe  Dank  für  soviel  Gfite!— ?  Aus  dem  dritten  Akt  sei  herausgehot>en,  welcho  Wirkung 
das  letzte  Auftreten  Ortruds  macht,  wie  sie  fiber  den  leeren  Königssitz  an  der  Eiche 
herzuscbleicht. 

Alles,  was  vom  Willen  der  einheitlichen  Leitung  abhingt,  das  fiießt  in  Bafreath 
jedesmal  zu  einem  fiberraschend  herrlichen  Eindruck  zusammen.  Namentlich  waren 
im  Lohengrin  diesmal  Gesang  und  Spiel  der  Chormassen  fiber  alle  Begriffe  schön 
und  mannigftütig.  Wir  sind  im  gewohnten  Theater  froh,  wenn  hie  und  da  ein  Strich 
aufgemacht  wird,  wenn  sich  die  vorne  stehenden  Chorsinger  ab  und  zu  lebhafter 
regen.  Solche  Vorzüge  werden  auch  nach  Gebfihr  gepriesen.  Was  soll  man  aber  lu 
dieser  sinnvollen  Lebendigkeit  sagen,  mit  der  sich  jeder  einzelne  Singer,  als  hafte 
auf  ihm  allein  das  Auge  des  Zuschauers,  im  Rahmen  der  Handlung  frei  und  wie  ana 
eigener  Eingebung  bewegt?  Waren  nicht  zum  Beiapiel  die  Chöre  des  zweiten  Aloes, 
vor  dem  Brautzug,  vorbildlich  an  Klangachönheit,  an  Gewalt  dea  Ausdrucks,  an  an- 
geordnet-geordneter  Gebarung?  Nur  weil  man  von  Bayreuth  das  Aufierordentiiche 
erwartet,  nimmt  man  all  dies  als  selbstverstindlich  hin.  Zur  UngerechtiflLelt  aber 
verfuhrt  jene  Erwartung,  wenn  man  lauter  geniale  Haupttriger  der  Handlang  ver- 
langt. Woher  soll  Bayreuth  die  Darsteller  nehmen,  ala  aua  der  Welt  der  Singer  and 
Singerinnen?  Kann  ein  Vemfinfiiger  daa  Vollkommene,  daa  völlig  UrsprfingUche 
von  ihnen  erwarten,  da  sie  sich  außerhalb  Bayreutha  in  einer  mindeetene  onvoll- 
kommeneren  Welt  betitigen  mfissen?  Ich  gestehe,  daß  mir  zu  einem  freudigen  Ein- 
druck in  Bayreuth  schon  die  Leistung  hinreicht,  die  von  reinem  Willen  zeugt  and 
sich  dem  Zug  des  Dramaa  einordnet.  In  diesem  Sinn  dfirften  auch  andere  mit  dem 
Telramund  Dawisonaaus  Hamburg,  mit  dem  König  Hinckleya,  auch  aua  Hamburg, 
mit  dem  Heerrufer  Geiße-Winkels  aus  Wiesbaden,  mit  dem  Lohengrin  Dalmords* 
aus  New- York  zufrieden  gewesen  sein.  Alle  diese  waren  atimmlich  vorzüglich,  and 
im  Spiel  frei  von  Opemgewobnheiten.  Die  Neigung  Dawisons,  wirklichen  Sprecbton 
anzudeuten  und  dabei  die  Reinheit  der  Intervalle  zu  trüben,  schien  mir  in  der  zweiten 
und  dritten  Vorstellung  nachzulassen.  Einzeln  ausgefQhrte  Beurteilungen  der  ver^ 
schiedenen  Stimmen  niederzuschreiben,  dazu  ist,  wie  ich  glaube,  ein  Bericht  aaa 
Bayreuth  nicht  der  erwünschte  Anlaß.  Merklich  fiber  den  Wert  der  Rechtscbaffenheit 
ging  die  Leistung  der  Ortrud  hinaus:  Edith  Walker  aua  Hamburg  ließ  eine  Stimme 
hören,  die  klar,  nie  scharf  tönte,  und  deren  seelische  Resonanz  namentlich  von  der 
Szene  mit  Elsa  an  immer  michtiger  ergriff.  In  der  Nachtszene  mit  Telramaad  war 
der  Ausdruck  der  Wildheit  nicht  erschöpft.  Aber  wer  Icann  dies?  Man  bedenke 
daß  eine  Aufffihrung,  die  allea  heraufholte,  waa  im  Werke  ateclct,  luram  zu  ertnfe 
wire.  Sind  doch  schon  die  Elsa  der  Frau  Fleischer-Edel  aus  Hamburg  und  di 
Lohengrin  des  Herrn  von  Bary  aua  Dresden  dem  Ideal  so  nahe  gekommen,  daft  v 
völlig  fiberwiltigt  waren.   Frau  Fleischer-Ede|,  deren  Elisabeth  in  lebendiger  Bfinaeni 


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GRUNSKY:  BAYREUTHER  FESTSPIELE 


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stebty  btt  sieb  zu  einer  genitlen  Darstellerin  der  Eist  weiter  entwickelt:  ein  grenzenlos 
wtrmer  Gestng  wird  von  einer  iußerst  fQblstmen  Seele  entzündet.  Dr.  von  Bary  bat 
den  modulationsfllbigsten  Tenor,  den  icb  kenne;  der  Ausdruck  in  Stimme  und  Ge- 
birden verrät  unzweifelbaft  eine  bedeutende  Innerlicbkeit.  Und  nun  ein  Wort 
über  das  von  Siegfried  Wagner  geleitete  Orchester.  Oberall  an  entscbeidenden 
Stellen  bekundete  sieb  das  edle  Streben,  durcb  merkliebe  oder  unmerklicbe 
Debnung  der  Lobengrin-Musik  jene  Rübe  zu  wabren,  für  die  das  moderne  Getriebe 
den  Sinn  nicbt  bat  und  nicbt  zu  baben  wfinscbt  Insbesondere  muß  man  bekennen, 
daß,  wer  die  Klinge  des  Vorspiels  so  unsagbar  weibevoll  erwecken  kann,  sich 
Dank  und  Treue  aller  vornehm  Gesinnten  erworben  bat.  Noch  nie  wurde  dieses 
in  reinster  Sehnsucht  erstrahlende  Vorspiel  so  zum  Erlebnis  wie  diesmal  in  Bayreuth 
unter  Siegfrieds  Leitung.  Ob  freilich  so  etwas  Feinde  verstummen  macht,  ist  fraglich: 
in  der  Regel  wichst  ihre  Wut  mit  der  Wucht  großer  Leistungen.  Auch  ist  ererbte 
Feindschaft  schwerer  niederzuhalten,  als  errungene.  Aber  es  wird  nicbt  daran  zu 
rütteln  sein:  Szene  und  Musik  im  Lohengrin  beweisen,  daß  Siegfried  Wagner  in 
der  Welt  seines  Vaters  wirklich  lebt.  Tut  es  not,  so  sei  Partei  für  ihn  ergriffen, 
wenn  schon  jede  freudige  Anerkennung  als  Akt  der  Parteinahme  bewertet  wird. 

Die  drei  ersten  Aufführungen  des  Parsifal  bat  Dr.  Carl  Muck  geleitet;  einige 
Male  wird  Ballin g  für  ihn  eintreten.  Am  schönsten  in  allen  Teilen  gelang  wohl  der 
zweite  Parsifal-Tag.  Da  sang  Alois  Hadwiger,  jetzt  in  Kobnrg,  den  Helden,  wibrend 
Frau  Leffler-Burckard  aus  Wiesbaden  als  Kundry  fast  denselben  elementaren  Ein- 
druck hervorrief  wie  vor  zwei  Jahren.  Trotz  bedeutender  Stimme  und  —  besonders  in  der 
dritten  Aufführung  —  erfolgreicher  Mühe,  den  Operntenor  vergessen  zu  machen,  schien 
Bnrrian  aus  Dresden  nicbt  ganz  in  gleichem  Maße  willkommen  zu  sein  wie  Hadwiger. 
Es  muß  aber  ein  wundersamer  Zauber  in  Bayreuth  wirken,  daß  sich  der  spröde 
Dresdener  Tenorist  den  Zusammenhingen  des  Parsifal -Dramas  geschmeidig  ein- 
fügte. Edith  Walker  soll  als  Kundry  mit  Frau  Leffler-Burckard  geweneifert  haben; 
manches  sei  bei  dieser,  manches  bei  jener  anders  hervorgetreten.  Die  Walker 
bemeisterte,  wie  sich  vermuten  lißt,  besonders  ergreifend  die  Szene  mit  Klingsor 
und  sodann  die  Erzihlung  ihres  schrecklichen  Lachens.  Für  die  Rolle  des  Gumemanz 
waren  drei  Vertreter  vorgesehen:  Dr.  Felix  von  Kraus  (München),  Hinckley  aus 
Hamburg  und  Richard  Mayr  aus  Wien.  Wir  waren  glücklich,  jedesmal  F.  von  Kraus 
zu  hören,  der  auch  im  Spiel  immer  freier,  größer  und  feiner  wurde.  Auf  derselben 
künstlerischen  Stufe  stehend  wie  A.  von  Bary,  lißt  der  geniale  Vortragsmeister 
einen  mit  Wohllaut  gesättigten  Gesang  entströmen,  dessen  Ausdrncksgewalt  das 
reiche  Seelenleben  des  Gurnemanz  restlos  offenbart.  Als  Amfortas  hörten  wir 
sowohl  den  feinen,  stimmungsvollen  Wbitebill  aus  Köln,  als  den  kriftigeren  Rudolf 
Berger  aus  Berlin.  Die  Erinnerung  an  gewisse  Vorginger  konnte  keiner  von  beiden 
verschwinden  machen.  Dagegen  ließe  sich  der  Klingsor  des  Herrn  Schützendorf- 
Bellwidt  aus  Düsseldorf  mit  den  besten  Leistungen  etwa  eines  Fritz  Planck  ver- 
gleichen; Rudolf  Berger  blieb  auch  als  Klingsor  zurück,  und  Walter  Soomer,  der 
Wotan  des  Rings,  wird  erst  in  den  nichsten  Vorstellungen  als  Klingsor  eintreten. 
Carl  Braun  ließ  sich  als  Titurel  ausdrucksvoll  vernehmen.  Die  von  Prof.  Rudel 
(Berlin)  und  Kapellmeister  Carl  Müller  (Bayreuth)  einstudierten  Chöre  brachten 
es  besonders  am  zweiten  Abend  zu  jener  scheinbar  mühelosen  Reinheit,  die 
den  Zauber  des  Weibefestspiels  sichert.  Die  Blnmenmidchen  waren  diesmal,  zu 
ft^ber  Oberraschung,  neu  gekleidet,  wodurch  auch  ihre  Bewegungen  an  Anmut 
gewinnen  mußten.  Bedenkt  man,  daß  vorigesmal  die  Wandelbilder  neu  gestaltet 
waren,  so  wird  man  sich   der  Oberzeugung  nicbt  verschließen,  daß  sowohl   Frau 


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DIE  MUSIK  VIL  23. 


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getreulieb  beichtet.  Selbst  der  Ttube,  am  mit  Herder  zn  aprechen,  bitte  den  Lotaen- 
grin  vereteben  müssen  und  wire  durcb  die  Wonne  des  Auges  entscbidigt  worden. 
Von  der  Anscbaulicbkeit  der  Handlang  möcbte  leb  nur  wenige  Beispiele  nnffitaren: 
im  ersten  Akt  begibt  sieb  der  König  von  der  linken  Seite  zum  Gebet  nach  recbts, 
wo  ein  scblicbter  Altar  mit  einem  roben  Kreuz  stebt.  (Gewöbnlicta  betreten  alle, 
König  und  Volk,  den  soeben  gebeiligten  Hag.)  Das  Gebet  vor  dem  Kampf  wurde 
dadurcb  natürlicb  und  eindrucksvoll.  Großartig  in  jede  Bewegung  ausgedacht  war 
die  nicbtlicbe  Szene  zwischen  Ortrud  und  Elsa  im  zweiten  Akt.  Einen  bedlngnnga- 
losen  Verehrer  Nietzsches  möcbte  ich  angesichts  dieser  Oberlegenbeit  der  carUms 
fragen,  ob  er  an  der  moralischen  Absurditit  solchen  Seelenadels  festzuhalten  wage? 
Ist  nicht  Ortrud  selbst  verwirrt,  wenn  sie  anfange  nur  die  Entgegnung  findet:  O 
habe  Dank  fGr  soviel  Güte!—?  Aus  dem  dritten  Akt  sei  herausgehoben,  welche  Wirkang 
das  letzte  Auftreten  Ortruds  macht,  wie  sie  über  den  leeren  Königsaltz  an  der  Eiche 
herzuschleicht. 

Alles,  was  vom  Willen  der  einheitlichen  Leitung  abhingt,  das  fiießt  in  Bajreoth 
jedesmal  zu  einem  überraschend  herrlichen  Eindruck  zusammen.    Namentlich  waren 
im  Lohengrin  diesmal  Gesang  und  Spiel  der  Chormasaen  über  alle  Begriffe  schön 
und  mannigfkltig.    Wir  sind  im  gewohnten  Theater  froh,  wenn  hie  und  da  ein  Strich 
aufgemacht  wird,  wenn  aich  die  vorne  stehenden  Chorsinger  ab  und  za  lebhafter 
regen.    Solche  Vorzüge  werden  auch  nach  Gebühr  gepriesen.    Was  aoll  man  aber  zn 
dieser  sinnvollen  Lebendigkeit  sagen,  mit  der  sich  jeder  einzelne  Singer,  als  hafte 
auf  ihm  allein  das  Auge  des  Zuschauers,  im  Rahmen  der  Handlung  firei  und  wie  ans 
eigener  Eingebung  bewegt?    Waren  nicht  zum  Beispiel  die  Chöre  des  zweiten  Aktes, 
vor  dem  Brautzug,  vorbildlich  an  Klangschönbeit,  an  Gewalt  des  Ausdrucks,  an  un- 
geordnet-geordneter Gebarung?    Nur  weil  man  von  Bayreuth  das  AufterordentUche 
erwartet,  nimmt  man  all  dies  als  selbstverstindlich  bin.    Zur  Ungerechtigkeit  aber 
verführt  jene   Erwartung,  wenn   man  lauter  geniale  Haupttriger  der  Handlung  ver- 
langt.   Woher  soll  Bayreuth  die  Darsteller  nehmen,  als  aus  der  Welt  der  Singer  und 
Singerinnen?    Kann   ein  Vernünftiger  das  Vollkommene,  das  völlig  Ursprilogliche 
von  ihnen  erwarten,  da  sie  sich  außerhalb  Bayreuths  in  einer  mindestens  uuvell- 
kommeneren  Welt  betitigen  müssen?    Ich  gestehe,  daß  mir  zu  einem  freudigen  Ein- 
druck in  Bayreuth  schon  die  Leistung  hinreicht,  die  von  reinem  Willen  zeugt  und 
sich  dem  Zug  des  Dramas  einordnet.    In  diesem  Sinn  dürften  auch  andere  mit  dem 
Telramund  Dawisonsaus  Hamburg,  mit  dem  König  Hinckleys,  auch  aus  Hamburg^ 
mit  dem  Heerrufer  Geiße-Winkels  aus  Wiesbaden,  mit  dem  Lohengrin  Dalmorös* 
aus  New- York  zufrieden  gewesen  sein.    Alle  diese  waren  atimmlich  vorzüglich,  und 
im  Spiel  frei  von  Operngewobnheiten.    Die  Neigung  Dawisons,  wirklichen  Sprechton 
anzudeuten  und  dabei  die  Reinheit  der  Intervalle  zu  trüben,  achien  mir  in  der  zweiter 
und  dritten  Vorstellung  nachzulassen.    Einzeln  ausgeführte  Beurteilungen  der  ver 
schiedenen   Stimmen  niederzuschreiben,  dazu  iat,  wie  ich  glaube,  ein  Bericht  an 
Bayreuth  nicht  der  erwünschte  Anlaß.    Merklich  über  den  Wert  der  Rechtschaffenhf 
ging  die  Leistung  der  Ortrud  hinaus:  Edith  Walker  aus  Hamburg  ließ  eine  Stimr 
hören,  die  klar,  nie  scharf  tönte,  und  deren  seelische  Resonanz  namentlich  von  r 
Szene  mit  Elsa  an  immer  michtiger  ergriff.    In  der  Nachtszene  mit  Telramund  ' 
der  Ausdruck  der  Wildheit  nicht  erschöpft.    Aber  wer  kann  dies?    Man  beder 
daß  eine  Aufführung,  die  alles  heraufholte,  was  im  Werke  steckt,  kaum  zu  ertn 
wire.    Sind  doch  schon  die  Elsa  der  Frau  Fleischer-Edel  aus  Hamburg  und 
Lohengrin  des  Herrn  von  Bary  aus  Dresden  dem  Ideal  so  nahe  gekommen,  da' 
völlig  überwiltigt  waren.   Frau  Fleischer-Edel,  deren  Elisabeth  in  lebendiger  Erinar 


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GRUNSKY:  BAYREUTHER  FESTSPIELE 


stebty  btt  sich  zu  einer  genitlen  Darstellerin  der  Eist  weiter  entwickelt:  ein  grenzenlos 
wtrmer  Gestng  wird  von  einer  äußerst  fublstmen  Seele  entzfindet.  Dr.  von  Bary  hat 
den  modulationsfllbigsten  Tenor,  den  ich  kenne;  der  Ausdruck  in  Stimme  und  Ge- 
birden verrit  unzweifelhaft  eine  bedeutende  Innerlichkeit.  Und  nun  ein  Wort 
über  das  von  Siegfried  Wagner  geleitete  Orchester.  Oberall  an  entscheidenden 
Stellen  bekundete  sich  das  edle  Streben,  durch  merkliche  oder  unmerkliche 
Dehnung  der  Lohengrin-Musik  jene  Ruhe  zu  wahren,  für  die  das  moderne  Getriebe 
den  Sinn  nicht  hat  und  nicht  zu  haben  wünscht  Insbesondere  muß  man  bekennen, 
daß,  wer  die  Klinge  des  Vorspiels  so  unsagbar  weihevoll  erwecken  kann,  sich 
Dank  und  Treue  aller  vornehm  Gesinnten  erworben  hat.  Noch  nie  wurde  dieses 
in  reinster  Sehnsucht  erstrahlende  Vorspiel  so  zum  Erlebnis  wie  diesmal  in  Bayreuth 
unter  Siegfrieds  Leitung.  Ob  freilich  so  etwas  Feinde  verstummen  macbt,  ist  f^lich: 
in  der  Regel  wichst  ihre  Wut  mit  der  Wucht  großer  Leistungen.  Auch  ist  ererbte 
Feindschaft  schwerer  niederzuhalten,  als  errungene.  Aber  es  wird  nicht  daran  zu 
rütteln  sein:  Szene  und  Musik  im  Lohengrin  beweisen,  daß  Siegfried  Wagner  in 
der  Welt  seines  Vaters  wirklich  lebt.  Tut  es  not,  so  sei  Partei  für  ihn  ergriffen, 
wenn  scbon  jede  freudige  Anerkennung  als  Akt  der  Parteinahme  bewertet  wird. 

Die  drei  ersten  Aufführungen  des  Parsifal  hat  Dr.  Carl  Muck  geleitet;  einige 
Male  wird  Balling  für  ihn  eintreten.  Am  schönsten  in  allen  Teilen  gelang  wohl  der 
zweite  Parsifal-Tag.  Da  sang  Alois  Hadwiger,  jetzt  in  Koburg,  den  Helden,  wibrend 
Frau  Leffler-Burckard  aus  Wiesbaden  als  Kundry  fast  denselben  elementaren  Ein- 
druck hervorrief  wie  vor  zwei  Jahren.  Trotz  bedeutender  Stimme  und  —  besonders  in  der 
dritten  Aufführung  —  erfolgreicher  Mühe,  den  Operntenor  vergessen  zu  machen,  schien 
Burrian  aus  Dresden  nicht  ganz  in  gleichem  Maße  willkommen  zu  sein  wie  Hadwiger. 
Es  muß  aber  ein  wundersamer  Zauber  in  Bayreuth  wirken,  daß  sich  der  spröde 
Dresdener  Tenorist  den  Zusammenhingen  des  Parsifal -Dramas  geschmeidig  ein- 
fugte. Edith  Walker  soll  als  Kundry  mit  Frau  LefRer-Burckard  gewetteifert  haben; 
manches  sei  bei  dieser,  manches  bei  jener  anders  hervorgetreten.  Die  Walker 
bemeisterte,  wie  sich  vermuten  läßt,  besonders  ergreifend  die  Szene  mit  Klingsor 
und  sodann  die  Erziblung  ihres  schrecklichen  Lachens.  Für  die  Rolle  des  Gumemanz 
waren  drei  Vertreter  vorgesehen:  Dr.  Felix  von  Kraus  (München),  Hinckley  aus 
Hamburg  und  Richard  Mayr  aus  Wien.  Wir  waren  glücklich,  jedesmal  F.  von  Kraus 
zu  hören,  der  auch  im  Spiel  immer  freier,  größer  und  feiner  wurde.  Auf  derselben 
künstlerischen  Stufe  stehend  wie  A.  von  Bary,  üßt  der  geniale  Vortragsmeister 
einen  mit  Wohllaut  gesittigten  Gesang  entströmen,  dessen  Ausdrucksgewalt  das 
reiche  Seelenleben  des  Gumemanz  restlos  offenbart.  Als  Amfortas  hörten  wir 
sowohl  den  feinen,  stimmungsvollen  Whitebill  aus  Köln,  als  den  kriftigeren  Rudolf 
Berger  aus  Berlin.  Die  Erinnerung  an  gewisse  Vorginger  konnte  keiner  von  beiden 
verschwinden  machen.  Dagegen  ließe  sich  der  Klingsor  des  Herrn  Schützendorf- 
Bellwidt  aus  Düsseldorf  mit  den  besten  Leistungen  etwa  eines  Fritz  Planck  ver- 
gleichen; Rudolf  Berger  blieb  auch  als  Klingsor  zurück,  und  Walter  Soomer,  der 
Wotan  des  Rings,  wird  erst  in  den  nichsten  Vorstellungen  als  Klingsor  eintreten. 
Carl  Braun  ließ  sich  als  Titurel  ausdrucksvoll  vernehmen.  Die  von  Prof.  Rudel 
(Berlin)  und  Kapellmeister  Carl  Müller  (Bayreuth)  einstudierten  Chöre  brachten 
es  besonders  am  zweiten  Abend  zu  jener  scheinbar  mühelosen  Reinheit,  die 
den  Zauber  des  Weihefestspiels  sichert.  Die  Blumenmidchen  waren  diesmal,  lu 
froher  Oberraschung,  neu  gekleidet,  wodurch  auch  ihre  Bewegungen  an  Anmut 
gewinnen  mußten.  Bedenkt  man,  daß  vorigesmal  die  Wandelbilder  neu  gestaltet 
waren,  so  wird  man  sich   der  Oberzeugung  nicht  verschließen,  daß  sowohl  Frau 


^~'^ 


288 
DIE  MUSIK  VIL  23. 


Wtgner  tls  Siegfried  Wtgner  unablissig  bemfibt  siod,  stchlicben  Erwigaogen 
Recbt  und  Folge  zu  gebeo,  wodurch  denn  ibre  rfihmenswerte  Pietit  die 
nötige  Erginzung  oacb  der  produktiven  Seite  hin  erbilt.  Vielleicht  könnte 
künftig  auch  der  Vorbang  nach  dem  letzten  Akkord  geschlossen  bleiben?  Es  mag 
eine  Zeitlang  begründet  gewesen  sein,  den  Künstlern  den  Dank  am  Schluß  zn 
verlautbaren:  heute  werden  sie  sich  darüber  beruhigen,  daß  schwelgende 
Ergriffenheit,  wie  am  ersten  und  zweiten,  so  auch  am  dritten  Aktschluß  ein  untrüg- 
liches Zeichen  tiefer  Dankbarkeit  bedeutet.  Es  wichst  die  Zahl  der  Hörer,  die 
sich  durch  den  Schlußbeifall  gestört  fühlen.  Auch  verliert  das  beste  Bild  bei 
nochmaligem  Schauen  den  bestrickenden  Eindruck,  weil  die  Musik  aufhört.  Als 
Dirigent  bat  sich  Muck  mit  jedem  Festspieljahr  inniger  und  tiefer  in  das  uner- 
gründliche Werk  versenkt.  Noch  scheint  er  aber  —  es  ist  dies  meine  Tiellelcbt 
irrige  Ansicht  —  zu  der  geliuterten  Auffassung  Levis,  zu  der  überzeugten  Empfindung 
Mottls  nicht  ganz  vorgedrungen  zu  sein.  Noch  immer  lassen  die  melodleffihrenden 
Stimmen  im  vierten  Takt  der  Abendmahlsmelodie  das  herübergebundene  Es  vorzeitig 
fallen,  wodurch  das  F  der  unteren  Stimmen  unwirksam  wird;  noch  immer  leidet  der 
Karfreitagszauber  durch  Zuspitzung  auf  Eine  Stimme,  wihrend  gerade  die  Natur- 
stimmungen  im  Parsifal  durch  offenkundige  Fülle  kontrapunktischer  Beredsamkeit 
ergreifen.  Bei  der  Stelle:  Gesegnet  sei,  du  Reiner,  durch  das  Reinel  —  hört  man 
(in  der  zweiten  Sitzreihe)  nichts  von  der  charakteristischen  Klarinette  usw.  Be- 
stimmte Einzelheiten  sind,  glaube  ich,  für  einen  Dirigenten  wertvoller  als  allgemeine 
Ausstellungen. 

Mit  einer  bangen  Angst  vor  den  Barbaren  sieht  man  das  Jahr  1013  berannataen. 
Es  wird  nichts  helfen,  Parsifal  wird  1913  oder  1933  dem  Bühnenbetrieb  preis- 
gegeben werden.  Die  Mehrheit  entscheidet,  und  sie  ist  in  absehbarer  Zeit  nicht  dafür 
zu  gewinnen,  daß  die  Kunst  eine  Sehnsucht,  ein  wahres,  krifdges  Verlangen  Toraot- 
setze.  Der  Gedanke,  daß  irgend  einem  Arbeiter  der  Parsifkl  entgehen  könne,  ist 
unserer  demokratischen  Zeit  so  schrecklich,  daß  sie  der  Reinheit  dargebotener  Kunst 
gar  nicht  mehr  achtet.  Wenn  nur  verbreitet  und  geworben  wird  —  wie  sich  das  mensch- 
liche Gemüt  der  aufgedringten  Gabe  bemichtigt,  bleibt  unerwogen.  Kunst  Ist  nicht 
denkbar  ohne  den  Willen  zur  Kunst;  sie  muß  ihre  Würde  verlieren,  wenn  sie  der 
Menge  angeboten  wird  als  etwas,  das  sich  ohne  Ringen  und  Mühen,  ohne  Sehnsocbt 
und  Spannung  genießt.  Diese  unwürdige  Zumutung  hat  die  Kunst  schon  oft  en^ 
wertet;  es  ist  zu  fürchten,  daß  der  Parsifal  nach  1913  ein  rührseliges  Schanstfick 
werde,  ungefllhr  wie  der  Lohengrin  bebsndelt  worden  ist.  Wären  die  Voraus- 
setzungen unseres  tiglicben  Lebens  andere,  so  bitte  der  Meister  keinen  Gmnd  ge- 
habt, das  Festspiel  der  Weihe  für  Bayreuth  als  für  einen  Zufluchtsort  lu  bewahren. 
Wollte  er  ja  auch  ursprünglich  Tristan  und  Ring  dem  »Spiel  aufGefkllen  und  Miß- 
fallen* entziehen  I  Daß  die  Familie  Wagners  den  Parsifal  nicht  veräußerte,  sichert 
ihr  für  alle  Zeiten  die  Verehrung  wahrer  Kunstfreunde:  sollten  wir  die  Menge  nicht 
verachten  dürfen,  die  noch  heute  der  Verleumdung  Gehör  schenkt,  als  werde  der 
Parsifal  aus  Neid  und  Gewinnsucht  zurückbehalten? 

Der  Ring  ist  seit  1896  in  den  Spielplan  jedes  Festiahres  regelmißlf  elB* 
bezogen.  Gerade  jenes  Jahr,  in  dem  Parsifal  gar  nicht  erschien,  und  der  gewaltige 
Andrang  der  folgenden  Jahre  beweisen,  wie  unentbehrlich  Bayreuth  auch  IBr  die 
anderen  Werke  außer  Parsifal  geworden  ist  Der  immer  wiederkehrende  Mag 
hat  nur  Ein  Bedenken:  daß  er  die  künstlerische  Arbeit  belastet  Sechs  Werke  slad 
auch  für  die  zweijibrige  Vorbereitungszeit  Bayreuths  eine  riesige  Aafigabe.  Andarar- 
seits  regt  sich  unabweisbar  das  Verlangen  nach  einem  Fest  der  Feate,  daa  oaa  alle 


i 


289 
GRUNSKY:  BAYREUTHER  FESTSPIELE 


Werke  vom  Hollinder  to  bricbte;  mm  sprach  von  einer  Verteilung  auf  1012  und  1913. 
Jedenfalls  wire,  nachdem  außer  Parsifal  und  Ring  auch  die  anderen  Dramen 
mehrmals  erschienen  sind  (Tristan  fOnfmal,  Meistersinger  und  Tannhinser  je  vier-, 
Lohengrin  und  Hollinder  je  zweimal),  ein  fester  Plan  der  Erwigung  wert:  so  daß 
zuerst  etwa  Hollinder,  Tannhinser,  Lohengrin,  im  andern  Jahre  Meistersinger  und 
Trisun,  im  dritten  der  Ring  bestimmt  an  die  Reihe  kimen.  Jedesmal  Parsifal 
hinzugerechnet,  ergibe  eine  gewiß  durchfuhrbare  Anordnung,  bei  der  die  Ruhejahre 
beliebig  eingeschaltet  sein  könnten,  wenn  nur  der  Gesamtplan  feststünde.  In  zwei 
Zyklen  je  alle  zehn  Werke  herauszubringen,  ist  ein  naheliegender  Gedanke,  dessen 
Verwirklichung  aber  in  weiteste  Femen  greift. 

Ober  die  erste  Gesamtaufführung  des  Rings  breitete  ein  bewölkter  Himmel 
leider  seine  drückende  Schwüle  und  ein  heißer,  wolkenloser  Götterdimmerungstag 
erschlaffende  Hitze.  Mitwirkende  und  Zuhörende  litten  unter  solcher  Ungunst,  gegen 
die  der  Mensch  machtlos  ist  Und  doch  wußte  man,  daß  ihnliche  Bindrücke  wie 
hier  in  Bayreuth  an  keinem  andern  Ort  der  Erde  möglich  sind.  Vor  allem  lißt  das 
Festspielhaus  den  Vorabend,  das  vemachlissigte  Rheingold,  in  dem  vollen  Glänze 
seiner  Anschaulichkeit,  in  der  vollen  Bedeutung  seiner  ewig  gültigen  Symbole  er- 
stehen. Müßige  Umfragen  nach  dem  Lieblingswerk  Wagners  haben  wenigstens  das 
eine  ergeben,  daß  auf  Rheingold  keine  Stimme  fiel:  ein  sicheres  Zeichen  für  den 
Wert  dieser  Schöpfung,  in  der  das  Geschiftsideal  des  19.  Jahrhunderts,  das  noch 
lange  nachwirkt,  einer  gerechten  und  vernichtenden  Kritik  unterzogen  wird.  Wenn 
die  Vertreter  jenes  Ideals  eine  Spur  von  Selbsterkenntnis  haben,  so  muß  ihnen  frei- 
lich das  Gewissen  schlagen  vor  dem  seelischen  Elend,  das  auch  Götter  nicht  ver- 
schont, wenn  ihre  Machtgier  sich  des  Goldes  bedient  Von  SiegfHeds  Tod  ausgebend, 
hat  der  Meister  das  Rheingold  zuletzt  gedichtet:  aus  Sprache  und  Handlung  redet 
die  reifste  Meisterschaft.  Am  segensreichen  Gelingen  der  Aufführung  war  in  erster 
Linie  als  Wotan  Walter  Soomer  aus  Leipzig  beteiligt;  auch  in  der  Walküre  und 
im  Siegfried  erhob  sich  der  Darsteller  zu  imponierender  geistiger  Höhe.  Die 
Folgezeit  wird  ihn  vielleicht  seine  berühmten  Vorginger  van  Rooy  und  Bertram 
erreichen  lassen.  Zu  einer  unübertrefRichen,  majestitischen  Fricka  hat  sich  die 
geniale  Frau  Reuß-Belce  durchgebildet;  in  ihrer  Hand  lag  auch  die  dramatische 
Assistenz  der  diesjihrigen  Festspiele.  Donner  und  Froh  wurden  von  den  schon 
genannten  Singem  Schützendorf- Bell widt  und  Hadwiger  verkörpert,  wihrend 
Freia  in  Lilly  Hafgren-Waag  eine  anmutvolle  Vertreterin  hatte.  Bekannt  ist 
Dr.  Otto  Briesemeister  aus  Berlin  als  unvergleichlich  feiner  und  beweg- 
licher Loge.  Dawison  ergriff  die  Rolle  des  Alberich  diesmal  gesanglich  und  dar- 
stellerisch packend  genug;  jedenfalls  übertraf  er  seine  frühere  Leistung  entschieden. 
Für  den  vollendeten  Mime  von  Hans  Breuer  aus  Wien  wire  kein  Wort  des  Lobes 
zu  hoch.  Das  prachtvoll  ungleiche  Riesenpaar  charakterisierten  Lorenz  Corvinns 
aus  Wien  und  Carl  Braun  aus  Wiesbaden.  Die  Rheintöchter  sangen  Frieda 
Hempel  aus  Berlin  (mit  glockenheller  Waldvogelstimme  begabt),  Bella  Alten,  die 
auch  als  erstes  Blumenmidchen  im  Parsifal  durch  bezaubernd  weiche  Stimme 
auffiel,  und  Adrienne  von  Kraus-Osborne,  die  bekannte,  gefeierte  Konzertsingerin, 
die  außerdem  die  Waltraute  in  der  Götterdimmerung  innehatte.  Die  Erda  von  Hermine 
Kittel  aus  Wien  war  vorzüglich,  jedoch  ohne  den  Eindruck  der  Schumann-Heink 
wieder  zu  erreichen.  Als  Nomen  vereinigten  sich:  Hermine  Kittel,  von  Kraus- 
Osborne  und  Frieda  Hempel.  Auf  gleicher  Höhe  mit  dem  Rheingold  stand 
die  Aufführung  der  Walküre.  Einen  so  tiefdurchdachten  Siegmund,  wie  ihn  Dr. 
von  Bary  darstellt,  habe   ich   niemals   miterlebt;  der  mannigfache  Ausdruck    der 


290 
DIB  MUSIK  VII.  23. 


Stimme  nnd  du  scIiSne  Spiel  bemlcbttteii  sich  melmr  ErlDneranf  fua,  wann  U 
■acta  aar  flGctatlf  der  Valkflre  ledeoke.  Ellen  Gnibranton  vir  eine  befrllcken 
BrünDhlldcdeiinJe;  ile  behemcbt ]etit eine  Stnfeareibe  tob  Empflndunieii,  dlenmfln^ 
lieber  IK  als  frflher.  Frea  Leffler-Burckard  (die  mit  Fno  FleIscber>EdcI  w«cbMb>, 
emlcbte  troti  itl  min  Heber  Unreinbelt  mlcbtl|e  Wirkniifeii,  nnd  Allen  Hineklar  wef 
all  Handlnf  besser  sm  Platte  sli  Tori|esmal  ia  der  Rolle  des  Hafen,  die  freilieh  aaeh 
diesmal  keinen  glllckllchen  Darsteller  fand:  Richard  Mayr  ans  Wien  brachia  statt  elaaa 
dimonlacben  ein  beba|l)cb  Wienerisches  Tenperanent  mit,  EltentBmIleb  let,  dafl  In  dar 
GAtterdtminerung  auch  der  Ansdntck  menschlicher  Anpi  tud  Qnal  bei  Ganttaaraad 
Gnlrnne  lu  versaien  pBe|t:  RndolfBerier  nnd  ClcUte  RfiBche-Endorr<HannaTtr) 
erscbSpfiea  die  Rollen  nicht,  In  die  JTagßer  doch  so  viel  Natfirilchea  nnd  Mb 
Beobachtetes  blnelnfeleft  bst.  Vie  mfißte  die  Gnlrune-Ssene  wirken,  aha  SlagMada 
Lelcbe  berejniebracht  wirdl  Die  blofie  An^st  der  Unglficklicben  niBSt*  daa  Han 
jedes  ZahSrers  beklemmen,  sein  Blni  erstarren  mschenl  Frvülch  wtrt,  am  derlei 
danuitellen,  GanisIMt  der  Empfindung  nfillf  —  leb  mScbta  Gatmna  von  alnar 
Ungerin  eraten  Ranies  hSran.  Eigentlich  gibt  es  |s  in  Meistarwerfcan  Sbtrbupl 
keine  iwellen  Rollen.  Alois  Bnrgstsller  bat  In  Bayrenth  die  arbatsaa  VerseUinig 
erhalten  fflr  seinen  In  Amerika  begangenen  Verrat  und  den  Siegfried  vtoder  stsgaa 
darfen.  Anrangs  befangen  und  unlieber,  steigerte  tr  aeine  ungleiche  LAmng  doch 
in  Achtung  gebietender  Teise,  so  dafi  er  im  drillen  Akt  der  GStterdimmafWiC  (Mw 
berflbrte,  als  man  erwartet  hatte.  Das  Orchester  Im  Ring  stand  unter  der  barUmiM 
Leitung  Hans  Richters,  der  diesmal  anch  die  zweite  AaffBtarung  HbemlmmL 

Ob  Leser,  ob  Künstler  mit  diesen  kurzen  Bemerkungen  xaMeden  sind,  vaiB 
Ich  nlcbL  Das  Beste  nnd  ScbSnste,  was  ein  empflngllcber  Baancber  ans  BsTrauh 
mitninmt,  lUt  sich  doch  nicht  »gen,  jedenfalla  nicht  BBbntlich.  Ver  tob  da« 
Mitwirkenden  Im  Sinn  und  Geist  des  Melatcrs  mittut,  dem  BleSt  wohl  aina  Knnda  daa 
Dsnkes  Ins  Bewußtsein,  ohne  daQ  Ihm  eine  gedruckte  AuDamng  stigatat  Zolatst 
fliblea  sich  Darsteller  nnd  ZubSrer  eins  in  der  Dankbarkalt  | 
solcher  Terke,  die  desto  mehr  Lebenskrin  spenden,  ]e  Stter  nnd  | 
Ihre  Innere  Bewegung  durchmacht.  Lassen  wir  die  Welt  fibar  Vagnar  und  Sbar 
Barrenih  denken,  was  sie  will:  das  Eatscheldeade  Ist,  ds&  er  gelebt  und  geachaliM 
hat,  und  difi  es  ein  Bayreuth  gibt! 


loknüpfend  an  Hermann  Wetzeis  Aufeatz  in  Heft  8  dieses  Jahr- 
I  gangs  bietet  der  Autor  der  dort  besprochenen  Scbrift  dem  ge- 
I  ehrten  Leserkreis  der  .Musik'  einige  Gebörsproben  an,  die  als 
1  Dissertatlonsmaterlal  dienen  können  zu  wichtigen  Problemen 
der  modernen  Harmonie.  —  Der  neuzeitliche  Theoretiker  und  Musiker 
empBndet  unabweistich,  daß  sich  der  Bereich  des  TonartgefQbles  gegen 
frfihere  Zeit  erheblich  ausgeweitlgt  hat;  d.  fa.  man  fühlt:  daß  nicht  Jede 
leiterfremde  Harmonie  schon  eine  .Modulation*  bedeutet,  vielmehr  unter 
Umstanden  ziemlich  weit  verwandte  KISoge  als  noch  der  tonalen  Gmnd- 
empflndung  angehörlg  sich  geltend  machen;  oder  anders  ausgedrfickt,  daß 
die  grundliegende  Harmonie  einen  umnnglichen  Bestand  von  seitlich  ab- 
hängigen Harmonieen  zu  tragen,  auf  sich  einzubeziehen  vermag.  Der 
Musikgeist  ist  im  Lauf  der  Zeiten  vorgeschritten;  die  gediegene  allseitige 
Pflege  —  gefördert  durch  einen  Schatz  zahlreicher  Meisterwerke  —  hat 
die  Wesenheit  des  auf  natürlichen  Fähigkeiten  fußenden  klangkünstlerischen 
Gestaltens  organisch  zur  Fortentwicklung  gebracht;  in  der  empfindenden 
und  bauenden  Phantasie  der  das  erreichbare  Tonmaterial  beherrschenden 
Schöpfer  vollzog  sich  die  Evolution  vom  schon  vorhandenen  Stoff  zu 
naturgemäßen  Weiterungen  nach  Inhalt  und  Form.  Und  die  empfingliche, 
fassuogskriftige  Hörerschaft  ging  unwillkürlich  mit,  denn  die  lebendige 
Tat  und  das  impulsive  Empfinden  in  der  Klangwelt  sind  immer  früher  da, 
als  das  reflektierende  Nachdenken  über  Musik,  das  notwendigerweise 
stets  nur  posterior  sich  zur  Tätigkeit  anschicken  kann.  So  kommt  es,  daß 
wir  die  wirklich  führenden  (nicht  bloß:  vorwiegend  spekulativ  ersonnenea, 
nur  sekundär  mit  hergehenden)  Klangschöpfungen  der  neueren  Zeit  un- 
willkürlich aufnehmen,  phaotasie-  und  empflndungsmäßig  bewältigen,  mit 
beruhigter  Sicherheit  auf  uns  wirken  lassen,  uns  naiv  impulsiv  klar  werden 
über  deren  Inhalt  und  Form.  Dagegen  bat  die  mit  dem  gedanklichen 
Seziermesser  hinterhertrabende  Theorie  ihre  analytisch-synthetische  Auf- 
gabe noch  keineswegs  befriedigend  erledigt,  ja  in  maochen  Hauptpartieen 
noch  nicht  einmal  in  Angriff  genommen.  Was  daraus  hervorgeht,  daß  in 
keinem   Wissenszweig  die  spekulativen  Ansichten  und  Argumentierungen 


Wk^^f  292  ^^Mfl 

3BiS  ^^^  MUSIK  VII.  23.  WSKi 

schneidender  auseinanderstreben,  widersprechender  einander  desavouieren, 
und  zwar  grundzüglich  sowie  umfänglich,  als  gerade  auf  dem  Gebiet  der  «kkord- 
lichen  Wesenheiten,  deren  Determinierung  sich  heute  in  einem  noch  fkst 
chaotischen  Zustand  befindet,  weil  der  eine  das  für  normal  naheliegend 
deutet,  was  ein  anderer  als  kaum  zulässige  Ausnahme  oder  gar  als  fehler- 
haft bezeichnet,  ohne  daß  hier  und  dort  zwingende  Grfinde  vorgebracht 
würden.  Eine  durch  Konsequenz  befriedigende  Norm  zur  Deutung  der 
Chromatik  und  Enharmonik  neuerer  Klanggebilde  besteht  zurzeit  noch  nicht 
Der  Leitstern,  der  aus  dieser  Wirrnis  herauszuführen  vermagi  ist 
zunächst  die  Einsicht,  daß,  kurz  gesagt,  die  Tonalität  sich  gegen  früher 
erweitert  hat;  richtiger  ausgedrückt:  die  kleine  oder  schmale  Tonalität 
besteht  in  der  Hauptsache  nach  wie  vor,  aber  es  ist  überdies  zur  Em- 
Wickelung  eines  höher  organisierten  Gebildes  gekommen,  zu  einer 
Tonalität  höherer  Ordnung,  deren  lebendige  Glieder  oder  Elemente  zum 
Teil  genau  dasselbe  sind,  wie  die  Tonalitäten  »erster*  oder  niederer 
Ordnung,  was  hier  nur  angedeutet  sein  möge.  Die  heute  gangbare  Theorie 
räumt  nur  ein:  daß  überhaupt  eine  Erweiterung  stattgefunden  hat,  ohne 
dermalen  deren  inneren  Bau  einhellig  gekennzeichnet  zu  haben.  Die 
Kunde,  daß  etwas  Neuartiges  sich  herausgebildet  hat,  schöpfen  wir  (wie 
alles  Theoretische)  aus  der  Beobachtung  des  lebendigen  Empfindens.  Es 
zeigt  sich,  daß  bei  gesteigerter,  umfassender  Entgegennahme  der  achwerst- 
wiegende,  beruhigende  Hauptklang  länger  in  der  Empfindung  stehen 
bleibt,  der  erinnernden  Phantasie  dauernder  gegenwärtig  ist,  nicht  so 
bald  durch  femverwandte  Harmonieen  weggerückt  wird,  als  et  einst- 
mals in  primitiveren  Entwicklungsphasen  der  Musik  faktisch  stattfand, 
und  darum  von  archaisierenden  Theoretikern  noch  heute  festgehalten 
werden  möchte.  Sobald  die  naive  Empfindung  (des  Schöpfers  und  des  Hörers) 
tatsächlich  ein  umfänglicheres  Gebiet  zusammenfaßt,  erwächst  damit  der 
Theorie  auch  eine  neue  Aufgabe.  Der  Raum  gestattet  hier  weder  Aus- 
führlichkeit noch  Motivierung,  so  daß  nur  schlechthin  ein  Grundsatz  ans- 
gesprochen  werden  kann.  Der  tonale  Hauptklang  einer  bestimmten 
»weiten  Tonalität*  ist  stets  eine  Durdiatonik,  als  Inbegritr  der  bekannten, 
aus  den  sieben  leitereigenen  Tönen  zusammenstellbaren  Harmonieen  (die 
inneren  Gründe  der  Zusammengehörigkeit  dieser  Akkorde  sind  hier  nicht 
zu  erörtern).  Die  gangbare  Mollkadenz,  als  Inbegriff  der  Akkorde  aus  der 
sogenannten  harmonischen  Moll-Leiter  ist  zwar  umfänglicher  als  die  Dnr^ 
diatonik,  aber  doch  noch  keine  voll  ausgebildete  «Weit-Tonalitit*.  Diese 
ist  der  Komplex  aus  allen  Harmonieen,  die  auf  je  eine  bestimmte 
Dur-Diatonik  empfindungsmäßig  an  bezogen  werden  können,  derart,  da/ 
diese  —  als  tonaler  Hauptklang  —  noch  andauernd  wirksam  bleibt  Df 
weite  Tonalität  ist  also  insofern  nicht  zwiespältig,  sondern  einweseatHc! 


293 
MAYRHOFER:  FRAGE  AN  DAS  GEHÖR 


da  das  Fundament  nur  ein  einmaliges  ist.  Auf  diesem  einmaligen  tiefsten 
Untergrund  jedoch  tritt  sofort  die  Möglichkeit  zweigeschlechtiger  Sonder- 
gestaltung hervor,  dergestalt,  daß  ein  effektives,  d.  h.  wirklich  zu  Gehör 
gebrachtes,  auf  Phantasie  und  Empfindung  wirkendes  Überwiegen  — 
entweder  von  durigen  oder  aber  von  molligen  Werten  in  die  Erscheinung 
treten  kann.  (Auch  ein  Vermischen  und  Ineinandergreifen  beider  Charaktere 
findet  statt,  das  aus  dem  Wesen  der  weiten  Tonalität  ursächlich  hervor- 
tritt;  doch  ist  dies  nicht  ein  Aufheben,  Verwischen,  Beeinträchtigen, 
Verundeutlichen  beider  Geschlechtswerte,  sondern  ähnlich  der  Liebe:  ein 
starkes  Betonen  der  zweierlei  Subjektivitäten  im  Zustand  der  Ver- 
einigung, der  Durchflechtung  und  höheren  Zusammenwirkens).  Auf 
MoUität,  Durität  und  Durch  Wirkung  beider  können  wir  hier  nicht  eingehen; 
wir  verweisen  die  Aufmerksamkeit  des  Lesers  lediglich  auf  den  zutiefst 
im  Untergrund  wirkenden  Hauptklang  eines  weittonalen  Klanggefüges, 
der  eine  Durdiatonik  (Vollzelle)  ist.  Dieses  Gebilde  (in  den  Formen:  gr. 
Nonakkord;  Dom.  Septakkord;  der  inliegende  verminderte  Dreiklang;  dieser 
mit  der  Non)  geht  nun  bekanntlich  in  letzter  Linie  noch  auf  ein  engeres 
Gebilde  zurück  (Auflösung),  doch  nicht  bloß  auf  den  Dur-Dreiklang  allein 
<z.  B.  C  E  g  hinter  g  h  d  f  a),  sondern  auch  auf  den  Moll-Dreiklang  (a  C  E) 
mit  identischer  Großterz  (n-Abstand  C  E).  Obengenannte  vier,  nebst  letzt- 
genannten zwei  Akkorden  (dazu  auch  der  Durmollklang  a  C  Eg  hinter  gh  d  f  a) 
bedeuten  nun  die  Formen  des  Fundamentalk  langes  einer  weiten 
Tonalität,  d.  h.  jenes  Bereiches  sonstiger  Akkorde,  die  dauernd  (hier 
auf  die  C-dur  Diatonik)  als  Innerstes  rückbezfiglich  sind.  Um  zu  beobachten, 
wie  weit  diese  Bezüglichkeit  reicht,  d.  h.  welche  Harmonieen  noch  diesem 
Untergrund  angehören,  wolle  man  nicht  die  sogenannte  «Alterierung* 
gedanklich  heranziehen  (die  Bedenklichkeit  dieser  kann  hier  nicht  berührt 
werden),  sondern  man  halte  sich  strikte  bloß  an  die  lebendig^  Em- 
pfindung, daher  auch  mehr  ans  Spielen  und  Zuhören,  als  ans  Lesen, 
das  wegen  unfreiwilligen  Mitkalkules  gewohnter  und  eben  nicht  durchwegs 
zutreffender  Ansichten  ein  störendes  Etwas  herbeiziehen  würde. 

In  diesem  Sinne  legen  wir  nun  einige  Hörproben  vor,  bei  denen 
der  weittonale  Hauptklang  empfindungsmäßig  herausgehört  werden  soll. 
Wir  richteten  dies  praktisch  so  ein:  daß  der  Leser  an  die  vorgebrachte 
Klangfolge  aus  der  Phantasie  einen  Akkord  anschließen  soll,  der  auf 
Grund  des  gesamten  und  nachwirkenden  Voranganges  unwillkürlich  als 
besonders  beruhigend,  am  meisten  befriedigend  wirkt;  aber  nicht  bloß  im 
unmittelbaren  Anschluß  an  den  letzt  voranstehenden  Akkord  allein,  son- 
dern in  bezug  auf  das  weite  Gesamtgefühl.  Daher  mehr  hören  und  fühlen, 
als  lesen  und  grübeln!  Welcher  Typus  der  vorgenannten  vier  und  zwei 
Akkorde  (oder  mehrere  von  diesen)  nun  zu  setzen  sei,  steht  dem  Belieben 

VII.  23.  20 


294 
DIE  MUSIK  VII.  23. 


anheim.  Gefordert  ist  nur  das  Treffen  eines  Typus,  dessen  Realitit  deshalb 
so  bestimmend  wirkt,  weil  es  ein  Klang  der  weittonalen  Grundlage  sein 
soll,  der  eben  nur  empfindungsmäßig  gefunden  werden  kann,  also  ein  bischen 
schöpferische  Tätigkeit  erfordert  (Die  theoretisch  mögliche  Berechnung 
verschweigen  wir  mit  Absicht).  Es  handelt  sich  also  nicht  darum,  einen 
bloß  effektvollen  Akkord  anzufügen,  nicht  auf  einen  recht  interessanten 
Anschluß  auszugehen  (solcher  gibt  es  gar  viele),  sondern  es  sollen  einer, 
auch  zwei  Akkorde  im  Bereich  jenes  großen  Nonakkordes  (oder  dieser 
selbst)  angeschlossen  werden,  der  die  kräftigste  reale  Beruhigung  ver- 
mittelt, nach  Maßgabe  der  Gesamtwirkung,  die  in  den  hier  angesetzten 
Akkorden  liegt;  was  am  besten  aus  der  Phantasie,  aber  im  Anschluß 
an  lautes  Klingen  jener  Gruppe  geschieht.  (Man  begnüge  sich  nicht  mit 
bloß  fortsetzendem  Wohllaut,  sondern  suche  den  beschließenden  Effbkt 
einer  weitgespannten  Aufmerksamkeit  und  des  umfassenden  Gesamt- 
eindruckes in  bezug  auf  alles  Vorangegangene).  —  Das  erste  Beispiel  ist 
die  von  mir  aufgefundene  verbreiterte  Durkadenz,  (die  das  mögliche 
Gegenstück  zu  der  üblichen  Mollkadenz  ist),  die  gleichfalls  noch  nicht 
ein  vollzähliges  Fundament  der  Weittonalität  umschreibt.  Die  fibrigen 
Beispiele  sind  (zwar  noch  nicht  kompakte,  aber)  ausreichende  Um» 
Schreibungen  eines  bestimmten  Weitfundaments,  das  also  einer 
scharfen,  nachwirkungsstarken  Empfindung  das  weite  Tonalgefühl  genug- 
sam andeutet,  so  daß  eben,  wenn  nun  die  Realität  des  faistiacb 
basierenden,  weittonalen  Hauptklanges  einfällt,  das  kadenzierende  Be- 
ruhigungsgefühl eintritt.  Am  hellsten  würde  dies,  wenn  der  betreffende 
große  Nonakkord  mit  nachfolgendem  tonikalen  Dur-  oder  Mollklang  hin- 
gesetzt würde;  doch  genügt  auch  schon  der  Dreiklang  der  Dominante  oder 
der  Subdominante,  oder  ein  Parallelklang  davon;  kurz  irgend  ein  Akkord. 
der,  mit  dem  fundamentalen  Nonakkord  gegebenen,  Durdiatonik.  Es  steht 
also  einiger  Spielraum  zu  Gebote.  Bei  dem  probeweisen  Einsetzen  des- 
Anschlußklanges  empfiehlt  es  sich:  auch  die  vorangegangenen  Akkorde 
nochmal  (in  beliebiger  Anordnung)  klingen  zu  lassen,  um  dentlicher 
wahrzunehmen,  ob  sich  alles  zu  einer  Empfindungseinheit  zusammen- 
schließt, und  der  angesetzte  Akkord  nicht  etwa  bloß  gut  paßt,  aber  viel- 
leicht eine  fesselnde  Ausbeugung,  nicht  ein  einigender,  im  Untergmnd 
wirksamer  Faktor  ist;  auch  möge  man  die  Fortführung  der  Phrase  an  ver- 
schiedenen Tagen,  aufs  neue,  unbeeinflußt  unternehmen.  Bemerkt  sei  noch, 
daß  die  Beispiele  durch  unerhebliche  rein  formale,  kleine  Abänderungen 
unkenntlich  gemacht  wurden,  aber  dem  Inhalt  nach  genaue  Kopieen  von 
sehr  bekannten  und  berühmten  Stellen  sind.  Es  wurden  jedoch  solche  gewählt^ 
bei  denen  im  Original  der  tonikale  Hauptklang  nicht  real  nachfolgt,  sondern 
der  Schöpfer  in  dem  ohnedies  bereits  sicher  gewordenen  (weiten)  Tonalitäts- 


JBi. 


295 
MAYRHOFER:  FRAGE  AN  DAS  GEHÖR 


gefühl  gleich  weitergeht.  Die  Beispiele  sind  demnach  so  beschaffen, 
daß  der  tonikale  Hauptklang  unmittelbar  anzutreten  vermag;  (es  steht 
aber  nichts  im  Weg,  wenn  man  —  bereits  im  erlangten  Gefühl  der  Grund- 
lage —  diese  erst  durch  einige  Vermittlungsklänge  hindurch  heraus- 
treten lassen  will).  Die  Originale  werden  trotz  der  nur  belanglosen 
Formvariante,  und  obgleich  auch  dieselbe  Tonart  stehen  blieb,  schwerlich 
erraten  werden,  weil  im  Original  keine  reale  Tonika  folgt;  daher  alles 
unverfänglich.  Diese  Enquete  wird  ein  schätzbares  Material  geben  für  die 
unbefangene  Betrachtung  des  Tonalitätsproblemes.  Die  Leser  sind  gebeten 
an  Schreiber  dieses  (auf  Karte  bloß  mit  No.  I,  II,  III,  IV)  den  als  meist- 
beruhigend gefühlten  Akkord  mit  der  üblichen  Bezifferung:  x  ^  (z.  B.  x-moll); 
X  fi  (x-dur);  x^;  x^  anzugeben.  Mit  gütiger  Bewilligung  des  Herrn  Heraus- 
gebers der  Zeitschrift  können  hernach  die  tonikalen  Diatoniken  der 
vier  Beispiele  bekannt  gegeben  werden.  Wenn  die  besagten  inneren  Be- 
dingnisse der  Aufgabe  eingehalten  werden,  ist  vorwiegende  Übereinstimmung 
der  Antworten  zu  gewärtigen.  Die  Beispiele  setzen  ein  hochentwickeltes 
Auffassungsvermögen  voraus,  da  je  eine  bestimmte  Weittonalität  zwar 
ausreichend,  aber  nur  in  zarten  Umrissen  umschrieben  ist,  also  seitens 
der  impulsiven  Empfindung  eine  dichtere  Ausfüllung  erst  zu  ergänzen 
ist,  und  doch  alle  Teile,  auch  die  bloß  vorgeahnten,  innigst  ineinander  be- 
zogen werden  müssen.  Den  Wink  (der  ja  im  Gesagten  schon  liegt) 
können  wir  noch  geben,  daß  die  beizustellende  Grundharmonie  nicht  etwa 
außerhalb  der  Quintenverwandtschaft  der  an  je  einem  Beispiel  beteiligten 
Klänge  zu  suchen  ist,  sondern  innerhalb  derselben.  Man  darf  das  Ab- 
horchen eines  weiteren  Beispieles  so  lange  nicht  beginnen,  als  im  Gefühl 
die  Nachwirkung  des  früheren  Beispieles  noch  lebendig  ist,  da  sonst  die 
erlebten  Klangreize  unabweisbaren  Einfiuß  auf  das  andere  Gehörsexperiment 
ausüben  würden.     Es  sind  aber  vier  ganz  selbständige  Aufgaben  gestellt. 


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207 
WEIGL:  ITALIENISCHE  OPER  IN  DEUTSCHLAND 


Wenn  auch  die  Wandlung,  die  Humperdinck  mit  seiner  Schöpfung 
bewerkstelligt  hatte,  so  umfassend  wie  möglich  war,  so  konnte  dennoch 
der  Deutsche  seit  jener  Zeit  seine  Ausländerei  niemals  ganz  abstreifen. 
Mascagni  hatte  unterdessen  in  Italien  Schule  gemacht,  und  es  war  kaum 
zu  verhindern,  daß  hie  und  da  eines  jener  jungitalienischen  Opernwerke 
über  unsere  Buhnen  ging.  In  dem  Maße,  als  sich  jedoch  diese  Werke 
mehrten,  steigerte  sich  allmählich  immer  wieder  der  Prozentsatz  von  deren 
Einfuhr  nach  Deutschland,  so  daß  wir  gegenwärtig  abermals  alle  Ursache 
haben,  dem  von  neuem  um  sich  greifenden  veristischen  Kultus  nach 
Möglichkeit  Einhalt  zu  gebieten. 

Sehen  wir  uns  einmal  um,  mit  welchen  Komponisten  wir  es  gegen- 
wärtig hauptsächlich  zu  tun  haben,  so  werden  wir  am  häufigsten  auf  die 
Namen  Mascagni,  Leoncavallo  und  Puccini  stoßen  ^).  Von  Mascagni, 
der  sich  mit  der  „Cavalleria  rusticana*  vollständig  ausgegeben  hatte, 
treffen  wir  nur  noch  das  ebengenannte  Werk  auf  unseren  Bühnen, 
das  sich  ebensowenig  von  ihnen  ausrotten  lassen  wird,  wie  die  noch 
um  mehrere  Stufen  tiefer  stehenden  Leharschen  Operetten.  Das  Volk  hat 
einmal  für  derlei  Musik  Partei  ergriffen;  und  ehe  sich  nicht  in  Volkskreisen 
offenblickende,  klare  Köpfe  finden  werden,  die  zu  der  Erkenntnis  der 
Unnatur  einer  solchen  Sorte  von  Kunst  gelangen,  werden  wir  uns  wohl 
niemals  von  derartigen  musikalischen  Schlacken  frei  halten  können. 

Die  erste  Gefolgschaft,  die  Mascagni  geleistet  wurde,  geschah  durch 
Leoncavallo,  dessen  «Bajazzo*  wohl  etwas  ernster  gearbeitet  ist  als  die 
«Cavalleria*,  nichtsdestoweniger  jedoch  unter  derselben  Fahne  des  radikalsten 
Naturalismus,  der  «Elendpoesie*,  steht  wie  diese.  Ebenso  wie  bei  Mascagni 
waren  auch  bei  diesem  Komponisten  alle  Folgewerke  bloß  Nieten,  die  ihren 
Scheinerfolg  teils  ihrer  sensationellen  äußeren  Tünche,  teils  aber  ihren 
wirksam  abgefaßten  Textdichtungen  verdankten. 

Es  bliebe  nur  noch  Giacomo  Puccini,  gegenwärtig  der  gefährlichste  von 
allen  Italienern,  der  unter  der  Maske  eines  ernsten  musikalischen  Gebarens 
schon  an  vielen  deutschen  Kunststätten  seine  Triumphe  gefeiert  hat.  Wenn 
auch  die  Erkenntnis  des  zweifelhaften  musikalischen  Wertes  der  Schöpfungen 
Mascagni's  und  Leoncavallo's  unter  Zunftmusikem  erfreulicherweise  bereits 
ungeteilt  ist,  so  trifft  man  leider  noch  heute  nur  wenige  Meinungen  an, 
die  sicli  rückhaltlos  auch  gegen  Puccini's  Opernprodukte  aussprechen. 

Der  erste  Gesichtspunkt,  von  dem  aus  man  an  eine  Schätzung  eines 
fremdländischen  Kunstproduktes  gehen  sollte,  müßte  doch  in  der  Regel 
seine    Wertbeurteilung    gegenüber    unseren     einheimischen    Erzeugnissen 


1)  Umberto  Giordtno,  Spinelli,  Buongioroo,  E.Wo]r-Ferrtri,  Frinchetti,  E.  Bossi  n.t. 
kommen  hier  ktum  in  Betriebt. 


298 
DIE  MUSIK  VII.  23. 


gleicher  Gattung  sein.  Aus  dem  Resultate  dieser  Erwägung  sollte 
sich  dann  die  weitere  detaillierte  Wertung  als  Fazit  mit  dem  Hinweis 
ergeben,  ob  die  betrefiFende  Schöpfung  zu  verwerfen  oder  zu  fördern  sei. 
Bei  einer  derartigen  vergleichsweisen  Betrachtung  von  Puccini's  Opern- 
werken  wird  wohl  niemand,  der  sich  der  Mühe  einer  eingehenden  Prüfung 
der  Partituren  oder  Klavierauszüge  unterzogen  hat,  aus  vollster  Ober- 
zeugung behaupten  können,  daß  diese  Schöpfungen  über  den  musikalischen 
Durchschnitt  dessen,  was  heutzutage  deutsche  Künstler  zu  leisten  im- 
stande sind,  hervorragen.  Man  nehme  nur  einmal  die  »Tosca*  zur  Hand 
mit  ihrer  blutleeren,  seichten  Musik,  ihrem  teils  rührseligen,  trivialen,  teils 
schwindsüchtigen  thematischen  Gedankengang  und  bedenke,  in  bereits  wie 
vielen  Fällen  wirklich  grundgute  deutsche  Opern,  die  vielleicht  iulterlich 
keine  so  sehr  in  die  Augen  springende,  derbe  Theatralik  aufweisen  konnten 
wie  diese,  einem  solchen  Werke  zuliebe  zurückgestellt  werden  mußten. 
«Es  fehlt  eben  heute**,  sagt  Dr.  Scherber  ganz  richtig  in  seinem  vor- 
trefflichen Aufsatze  über  Degeneration  und  Regeneration^)  «vor  allem  an 
einer  lebensfähigen,  kräftigen  Opposition,  die  Auswüchse,  künstlerische 
Übergriffe,  artistische  Despotieen  zu  paralysieren  vermöchte.*  Zu  diesem 
Mangel  gesellt  sich  noch  überdies  das  Fehlen  eines  echten  Nationalgefuhles 
in  den  Dingen  der  Kunst,  das  jedes  Handeln  und  Entscheiden  einem  be- 
lebenden Fluidum  gleich  durchsetzen,  das  unsere  Künstler  förmlich  in- 
stinktgemäß zu  einmütigem,  gemeinsamem  Vorgehen  in  Dingen  der  Kunst 
zusammentreiben  sollte,  dem  alle  kleinlichen,  aus  falschen  Eifersüchteleien, 
Brotneid  usw.  geborenen  Interessen  hintangesetzt  werden  müßten.  Man 
sehe  beispielsweise  auf  Italien  hin  und  überzeuge  sich,  in  welcher  Weise 
dieses  Land  für  die  Bevorzugung  seiner  Kunstleistungen  in  Deutschland 
sich  den  Deutschen  gegenüber  revanchiert  hat.  Außer  Richard  Wagner 
und  Richard  Strauß  wird  wohl  kaum  eines  der  Werke  unserer  zeit- 
genössischen Meister  wert  befunden  worden  sein,  auf  irgendeiner  der 
italienischen  Bühnen  aufgeführt  zu  werden,  trotzdem  sich  die  Italiener 
innerlich  der  Überlegenheit  der  deutschen  Musik  wohlbewußt  sind. 

Daß  die  Quelle,  aus  der  diese  Handlungsweise  entspringt,  bloß  in 
einem  bis  zur  Einseitigkeit  erstarrten  Nationalgefühl  zu  suchen  ist,  nnter- 
liegt  wohl  keinem  Zweifel.  Um  in  diesem  Beispiel  ein  Muster  zn  suchen, 
dafür  steht  der  Deutsche  geistig  viel  zu  hoch,  und  sein  Charakter  ist 
viel  zu  bildungsbedürftig  und  tolerant,  als  daß  er  zu  jeglicher  fremd- 
ländischer Kunstleistung  voreingenommen  eine  oppositionelle  Stellnng  ein- 
nehmen würde;  daher  das  allzu  laue  Vorgehen  und  die  namentlich  von 
der  breiten  Menge  geäußerte,   allzu  geringe   hemmende   Kraft  gegenüber 


')  Siehe  Neue  Musik-Zeitung  1908,  No.  11. 


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299 
WEIGL:  ITALIENISCHE  OPER  IN  DEUTSCHLAND 


^er  Einfuhr  Fremdländischer  und  insbesondere  solcher  Kunsterzeugnisse, 
^ie  wie  die  italienischen  unter  dem  geistigen  Niveau  dessen 
stehen,  was  der  Deutsche  zu  produzieren  imstande  ist.  Das  gab 
seinerzeit,  als  Mascagni  der  Einbruch  in  Deutschland  geglückt  war,  nicht 
nur  zugleich  das  Signal  für  alle  übrigen  italienischen  Veristen,  sondern 
auch  für  fast  alle  anderen  kunsttreibenden  romanischen  und  slawischen 
Völkerschaften  zu  einer  förmlichen  Invasion  auf  das  deutsche  Gebiet,  das 
nun  der  Sammelplatz  für  Kunstschöpfungen  jeglicher  Nation  geworden  ist. 
Wenn  dem  allem  ein  bestimmtes  System  zugrunde  läge,  wenn  vor  allem 
nur  wirklich  hervorragende  Leistungen  anderssprachiger  Völker  zur  Auf- 
nahme kämen,  an  denen  es  etwas  zu  lernen,  zum  mindesten  aber  etwas 
Achtbares  zu  sehen  gäbe,  so  wäre  das  nicht  nur  in  hohem  Maße  erwünscht, 
sondern  es  würde  ein  solches  Vorgehen,  das  alle  wahrhafte  Kunst  auf 
deutschem  Gebiete  zentralisierte,  diesem  Staate  auch  äußerlich  eine 
mächtige,  unerschütterliche  und  dominierende  Stellung,  eine  musikalische 
Hegemonie  in  der  vollsten  Bedeutung  des  Wortes  verleihen. 

Ein  Vorgehen,  wie  es  jedoch  heute  allerorten  Brauch  wurde,  ist  nicht 
nur  zu  mißbilligen,  sondern  zieht  auch  Folgeerscheinungen  nach  sich,  die 
sich  schädigend  der  Ausbreitung  der  deutschen  Kunst  auf  ihrem  Heimats- 
boden entgegenstellen.  Schon  allein  in  der  Hinsicht  auf  die  bei  uns  ein- 
gebürgerte Sitte,  nur  Werke  erstklassiger,  anerkannter  deutscher  Komponisten 
aufzuführen,  spricht  in  dem  schon  anfangs  zitierten  Aufsatze  Dr.  Scherber 
zu  Reger,  daß  „er  [Reger]  vergißt,  daß  es  so  viele  Komponisten  gibt,  die 
vergebens  in  den  Vorzimmern  der  großen  Dirigenten  antichambrieren, 
iioffend  und  harrend,  er  vergißt,  wieviel  Stolz,  wieviel  Talent,  wieviel 
Freude  da  vernichtet  wird,  wie  viel  Kunst  da  verloren  geht,  er  vergißt, 
daß  bei  diesen  Namenlosen  der  kleinste  Fehler  zu  einem  vernichtenden 
tJngeh*euer  wird,  während  die  Kompositionen  namhafter  Komponisten  kaum 
fertig  schon  angenommen  werden,  weil  sie  auf  den  Konzertprogrammen 
aller  halbwegs  bedeutenden  Vereinigungen  einfach  erscheinen  müssen,  er 
vergißt,  daß  es  da  eine  künstlerisch-soziale  Frage  zu  lösen  gibt,  die  gleich 
einer  brennenden  Wunde  offen  ist*.  Und  hier  handelt  es  sich  doch  um 
Werke  deutscher  Künstler.  Wie  beschämend  ist  es  daher,  wenn  wir 
hören,  daß  es  sich  in  mehr  als  einem  Drittel  der  Fälle  begibt,  daß 
Schöpfungen  der  ebengenannten,  gegenwärtig  noch  namenlosen  Künstler- 
gattung zugunsten  fremdländischer  Erzeugnisse  zurückgewiesen  werden,  die 
oft  kaum  reif  für  Schülerarbeiten,  geschweige  denn  erst  befugt  sind,  den 
Künstler  in  seinem  eigenen  Lande  zu  verdrängen. 

Bevor  wir  demnach  nicht  die  Werke  unserer  deutschen  Komponisten 
(und  unter  diesen  nicht  nur  jene  mit  erbersessenem,  klingendem  Namen) 
genügend   oft   aufgeführt    erhalten   haben,    mögen    daher   bloß   in  äußerst 


300 
DIB  MUSIK  VIl.  23. 


seltenen  Ausnahmefällen  fremdsprachige  Künstler  bei  uns  zu  Worte- 
kommen, und  zwar  nur  dann,  wenn  der  Erfolg  ihrer  Kunstleistungen  nicht 
etwa  wie  bei  Puccini's  ,Tosca'  oder  ,»Madame  Butterfly'  fBr  einen  Abend^ 
sondern  für  die  Dauer  garantiert  erscheint. 

Ganz  anders  würden  sich  die  Verhältnisse  gestalten,  wenn  nicht 
Deutschland,  sondern  einer  anderen  Nation,  wie  beispielsweise  im  17.  und 
18.  Jahrhundert  Italien,  auf  dem  Gebiete  der  Oper  das  musikalische  Zepter 
gebühren  würde.  Wenn  wir  unter  solchen  Umständen  eine  Künstler^ 
generation  heranzuziehen  hätten,  so  wäre  ein  Hinhorchen  auf  individuelle^ 
den  unseren  überlegene,  fremde  Kunstmittel  und  damit  die  Aufführnng 
solcher  Werke,  die  erzieherisch  wirken  könnten,  sogar  geboten.  Wie 
ernst  es  seinerzeit  beispielsweise  Mozart  in  dieser  Hinsicht  genommen 
hat,  wird  jedem  aus  den  Annalen  unserer  Musikgeschichte  geläufig  sein» 
Als  dieser  Meister  für  seine  ersten  Opernschöpfungen  kein  deutsches  Vor^ 
bild  fand,  auf  dessen  Grundlage  er  sein  sonniges,  den  höchsten  kfinst-^ 
lerischen  Zielen  zustrebendes  Talent  entfalten  konnte,  ging  er  selbst,  um  zu 
lernen,  nach  Italien,  schuf  im  Geiste  dieser  Nation  seine  Erstlingsbfihnen-- 
werke,  um  endlich,  zu  seiner  wahren  Natur  zurückgekehrt,  uns  seinen 
«Figaro'',  die  „Zauberflöte''  und  den  ,Don  Juan"  zu  schenken.  Dies  ist 
jedoch  nur  ein  einziges  Beispiel  von  den  hunderten,  die  hier  angeführt  zu 
werden  verdienten;  alle  aber  gipfeln  in  der  ganz  einfachen  Sentenz,  daB  man 
bloß  dort  etwas  für  sich  holen  möge,  wo  es  tatsächlich  etwas  zu  holen  gibt. 

Da  aber  nun  Deutschland  gegenwärtig  derart  künstlerisch  gefestigt 
ist,  daß  es  in  Dingen  der  Kunst  seine  eigene,  von  jedem  fremden  Ein- 
flüsse unberührte  Schule  halten  kann,  so' erscheint  jedes  Hineintrageit 
fremder  Kunstelemente  in  diese  nicht  nur  überflüssig,  sondern  auch  schä* 
digend.  Auf  diesen  Punkt  sollten  alle  deutschen  Künstler  und  Fachzeit- 
schriften ihre  Aufmerksamkeit  konzentrieren,  nicht  aber,  wie  es  leider  jetzt 
der  Brauch  wird,  sich  in  Prinzipienfragen  einlassen,  die  bloß  zu  kleinlichea 
Haarspaltereien,  zu  gegenseitigem  Haß  und  zu  Uneinigkeiten  führen. 

Schließlich  seien  im  Hinblick  auf  den  Zweck  dieses  Auhatzes  noch  eiv 
paar  Worte  von  unserem  ersten  deutschen  Sonatenkomponistenjohann  Kuhn  an 
(1660 — 1722)angefügt,  der  in  der  Vorrede  zu  seinen  «Frische  Klavierfrfichte 
oder  sieben  Sonaten''  von  1696  dagegen  eifert,  das  Fremde  immer  höher  alt 
das  Einheimische  zu  schätzen,  da  man  doch  auch  in  Deutschland  fast  so 
gute  musikalische  Früchte  finden  dürfte  als  diejenigen,  die  in  dem  welschen 
Klima  wachsen,  „zu  geschweigen,  daß  die  Natur  unsere  Felder  mit  viele» 
Früchten  gesegnet  hat,  woran  die  Ausländer  einen  Mangel  leiden*.^) 


^)  Siehe  Weitzmtnn:  Geschichte  des  Kitvierspieles,  1870,  S.  54. 


Plie  vergleicheade  Musikwissenschaft  ist  von  höchster  Bedeutung 
I  für  die  psychologische  Lehre  von  den  TonempBndangen.  Erst 
I  durch  Vergleicbnng  der  Art  und  Weise,  wie  die  verschiedenen 
I  VSIker  der  Erde  masilcalisch  empfinden,  wird  man  zu  einer 
gmndlegenden  tllgemeingültigen  Aufstellung  der  hiadamentalen  Elemente 
des  Mnsikempfindens  gelangen  können.'  *)  Diese  allgemeine  Grundlage  ist 
durch  die  Forschungen  von  R.  G.  Kiesewetier,  C.  Stumpf,  L.  Riemann  und 
neuerdings  der  Herren  O.  Abraham  und  E.  JH.  v.  Horubostel  in  der  Diaton ik 
bereits  gefunden,  mag  diese  nun  7stufig  oder  SstuGg  (peoutooisch)  auftreten. 
Femer  ist  bei  vielen  exotischen  Völkern  (Chinesen  und  Japanern,  Indem, 
Siamesen,  Ozeaniera  usw.)  ein  mehr  oder  weniger  ausgeprXgtes  Gefühl 
für  Tonalitit  konstatiert,  indem  ein  Ton  als  Zentralton  (Tonika)  hervor- 
tritt und  die  Melodie  wie  bei  uns  nach  der  Dominante  (auch  SubdomiDante> 
transponien  wird.  Sodann  kommen  im  Nacheinander  der  Töne  u.a.  Terzen 
und  Sexten,  also  eigentliche  harmonische  Intervalle  vor.  Auch  eine  Art 
von  Temperatur  ist  z.  B.  bei  den  Indem  und  Japanern  festzustellen. 

Haben  also  die  so  musizierenden  Völker  nicht  wirklich  .Harmonie', 
,so  daO  ihre  Melodieen  auch  für  uns  verstindlich,  in  unserem  Sinne 
harmonisch  gedacht  und  in  unserem  Sinne  harmonisierbar  sind?" 
Polak  bejaht  diese  Fragen  und  will  erst  dadurch  den  hohen  Wert  der 
wiasenschafilichen  Arbeiten  von  Abraham  und  Hombostel  (im  Folgenden 
zitiert  mit  A  H>  über  Japan  und  Indien  (Sammelbinde  der  Intemat  Mnsik- 
Ges.,  Januar- Mirzheft  1903  bzw.  April-Jnnihefl  1904),  sowie  über  die  Türkei 
(Zeitschr.  für  Ethnologie  1904,  Heft  2)  in  volles  Licht  setzen.  Zunächst 
steht  fest,  daD  wir  den  BegritF  .Harmonie'  nicht  im  griechischen  (aristo- 
telischen) Sinne  von  musikalisch  anmutendem  Tonfall,  also  von  Melodie, 
oder  im  Sinne  von  .horizontaler  Harmonie'  (Polak)  gebrauchen  können. 
.Harmonie'  setzt  vielmehr  ein  vertikales  Zusammenklingen  mit  Wahr- 
sehmung  und  Verwendung  der  Terzen  als  konsonanter  Intervalle  und 
mit  fortlaufender  geordneter  Klangfolge  voraus,  gegründet  auf  DreiUinge 
snd  deren  oatürlicfae  Beziehungen.  Davon  finden  wir  aber  bei  exotischen 
Völkern,  abgesehen  von  wenigen  Ausnahmen,   nichts.    Ja,  die  ganze   Art 

'•  A.  J.  Polak:  .Die  Humonistemiic  iodischer,  rSrkischer  ond  japaDiscber 
iUieAien'.    LetpziK,  Brcilkopf  ft  Hirtcl,  1«». 


302 
DIE  MUSIK  VlI.  23. 


ihres  Musizierens  spricht  durchaus  gegen  das  von  Polak  behauptete  latente 
Harmoniebewußtsein.  Als  Gegengründe  ffihre  ich  an:  1.  Fortwährendes 
Mitgehen  unisono  oder  in  Oktaven,  auch  in  Quinten  oder  Quarten,  aber 
nicht  in  Terzen  oder  Sexten,  2.  Orgelpunktsmusik  mit  unabhängigem 
Melodieenverlauf,  3.  «Heterophonie'',  d.  h.  eine  die  Melodie  umrankende, 
häufig  scharf  dissonierende  Verzierungsmusik,  4.  bloß  gelegentliche,  zur 
Verstärkung  hinzugefügte  Zusammenklänge,  die  sogar  kleine  Sekunden  sein 
können  O'apAnische  Kotomusik),  5.  häufiges  Vorkommen  neutraler,  d.  h. 
auf  der  Grenze  zwischen  Dur  und  Moll  stehender  Terzen;  6.  den  Indem 
gelten  die  Tonleitern  c  des  e  f  g  as  h  c  und  c  d  es  fis  g  as  h  c  als  ein- 
fachste und  elementarste  Form,  die  auch  allen  Anfängerstücken  zugrunde 
liegt  <AH,  Indien  S.  385). 

Daß  horizontale  Harmonie  nicht  ohne  weiteres  der  vertikalen  Har- 
monie gleichzustellen  ist,  beweist  die  Tatsache,  daß  wir  z.  B.  den  Mollklang  in 
der  Ton  folge  e  c  a  von  oben  nach  unten,  im  Zusammenklang  dagegen  stets 
von  unten  nach  oben  hören.  Ferner  ist  die  kleine  Sekunde  im  Nachein- 
ander ganz  unauffällig,  im  Miteinander  aber  scharfe  Dissonanz.  Besäßen 
die  Orientalen  latentes  Harmoniegefühl,  so  müßte  sich  dieses  sofort  mit 
natürlichen  europäischen  Harmonieen  befreunden.  Wie  stimmt  aber  damit  die 
Wahrnehmung  von  A  H,  daß  ein  Japaner,  dem  ein  japanisches  Repertoire- 
stück in  allen  möglichen  Begleitungsformen  (in  Quarten-,  Quinten-,  Terzen- 
und  Sextenparallelen,  femer  in  europäischem  Dur  und  Moll)  vorgespielt  wurde, 
das  Spiel  immer  schön  fand,  wenn  er  nur  die  Melodie  deutlich  heraushörte? 
<S.  ferner  L.  Riemanns  Beobachtung  an  dem  auf  einer  deutschen  Ziehharmonika 
musizierenden  Inder,  „Tonreihen*"  bei  Baedeker,  Essen,  S.  37.) 

Wenn  man  den  hohen  Stand  der  Musiktheorie  bei  den  alten 
Chinesen,  Indem  und  Arabern  erwägt,  sollte  da  nicht  die  Ansicht  die 
richtige  sein,  daß  die  Orientalen  absichtlich  sich  gegen  die 
vertikale  Harmonie  erklärt  haben?  Dafür  sprechen  folgende  Gründe: 
1.  Die  exotischen  und  alten  griechischen  Tonleitern  sind  nach  der 
pythagoreischen  Quintenstimmung  gefunden,  die  sich  zunächst  auf  die 
Pentatonik  beschränkt  zu  haben  scheint.  Nun  steht  aber  die  pythagoreische 
Durterz  gegen  die  natürlich-reine  Terz  so  hoch,  daß  sie  als  Dissonanz 
empfunden,  daher  als  Zusammenklang  abgelehnt  werden  konnte.  2.  Die 
reich  entwickelte  exotische  Verzierungs-  und  Glissandotechnik  war  der 
Harmonie  feindlich.  3.  Bei  dem  äußerst  abwechselungsreichen  Rhythmus 
und  dem  Fehlen  jeglicher  Taktgliederung  war  ein  geordnetes  fortlaufendes 
Zusammenmusizieren  ganz  unmöglich,  und  sehr  richtig  bemerken  AH 
(Indien  S.  394):  „Die  Vertikale  in  der  Partitur  ist  der  Feind  des  Horizontalen.* 

Kennt  ^)  Polak  die  Sammlung  „Japanese  dramatic  music*,  nach  der 

^)  Der  Artikel  Ctpellens  ist  vor  Poltk's  Tode  geschrieben.    Red. 


MS 


303 
C APELLEN:  EXOTISCHE  MELODIEEN 


Spielweise  japanischer  Berufsmusiker  arrangiert  von  S.  Kitamura,  publiziert 
von  Kyoyeki  in  Tokio?  Beim  Durchspielen  dieser  Stücke  sieht  man  so 
recht,  wie  verschieden  in  puncto  Harmonie  die  Orientalen  von  uns  sind. 
Auch  das  von  Polak  zitierte  japanische  Beispiel  S.  100  und  No.  27  der 
indischen  Proben  mit  dem  fortlaufenden,  widerhaarigen  Orgelpunkt  g  hätte 
den  Verfasser  überzeugen  sollen,  wie  wenig  exotische  Melodieen  in  unserem 
Sinne  harmonisch  gedacht  sind. 

Polak  meint,  er  wurde  auch  für  die  exotischen  Völker  verständliche 
Musik  bieten,  wenn  er  die  ihm  vorliegenden  einstimmigen  Melodieen  nach 
ihrem  horizontalen  Gehalte  vertikal  harmonisierte,  „indem  er  den  cantus 
firmus  so  auf  sich  einwirken  ließ,  daß  die  diesem  zugrunde  liegende  Harmonie 
sich  ihm  selber  offenbarte''  (S.  64).  Seine  absichtlich  primitiv  gehaltenen 
Begleitungen  bezwecken  nichts  weiter,  als  die  „exotischen  BourdonefPekte 
in  geeigneter  Weise  beizufügen,  so  daß  keine  allzu  schroffen  Dissonanzen 
gehört  werden,  nicht  so  schroff,  als  wohl  hier  und  da  bei  den  indischen 
Orgelpunkten  selber*"  (S.  15).  Das  sind  schon  Konzessionen  an  europäisches 
Musikgefühl.  Aber  weiter!  Die  Ostasiaten  verschmähen  den  Leitton  (die 
große  Septime),  und  dieser  fehlt  daher  regelmäßig  in  japanischen  Melodieen. 
Will  man  also  wirklich  exotisch  schreiben,  so  darf  man  den  Leitton  auch 
in  der  Harmonie  nicht  anbringen,  wie  das  Polak  S.  64 — 71  überall  tut, 
ohne  die  exotische  Berechtigung  hierzu  nachzuweisen.  Über  das  malabarische 
Kinderlied  (No.  7)  sagt  Polak  S.  20:  «Die  zwei  h  im  ersten  Takt  stehen  im 
Original  als  b,  sie  werden  zweifellos  zu  tief  eingesetzt  und  als  h  intentioniert 
sein'  (?).  (Daß  in  No.  20  bei  AH  nicht  b  es,  sondern  as  es  vorgezeichnet 
ist,  scheint  Polak  lediglich  übersehen  zu  haben.)  Polak  scheut  sich  auch 
nicht,  unter  Umständen  die  originale  Rhythmik  anzutasten  (s.  No.  7  und 
No.  15,  die  zu  einem  regelrechten  Walzer  gestaltet  wird).  Man  sieht  also, 
wie  wenig  Polak  das  europäische  und  persönliche  Moment  auszuscheiden 
vermag,  wie  sehr  seine  Harmonisierung  trotz  ihrer  Primitivität  noch 
der  exotischen  Eigenart  fernsteht.  —  Sind  also  hiernach  Polaks  Bestrebungen 
verfehlt,  so  muß  doch  seinem  Buche  in  zweifacher  Weise  ein  hoher  Wert 
zuerkannt  werden,  einmal,  weil  er  das  Vorurteil  gegen  exotische 
Musik,  dem  man  leider  in  Europa  noch  immer  begegnet,  gründlich  zer- 
stört, da  die  melodischen  und  rhythmischen  Qualitäten  insbesondere  der 
indischen  und  japanischen  Musik  sehr  oft  wirklich  hochbedeutend  sind, 
so  daß  sie  unsere  Musik  neu  befruchten  können;  sodann  weil  er  gegen 
den  falschen  Tonika-  und  Dominantenbegriff  von  AH  Front  macht.  Es  ist 
offenbar  (selbst  nach  den  indischen  Quellen)  ganz  verfehlt,  unter  „Tonika* 
ganz  allgemein  den  melodischen  Schwerpunkt,  d.  h.  denjenigen  Ton 
einer  Melodie  zu  verstehen,  der  durch  Frequenz,  Dauer,  Akzent  und 
Position  ausgezeichnet   ist,   unter    „Dominante"   aber   diejenigen    Töne, 


304 
DIE  MUSIK  VII.  23. 


denen  neben  der  Tonika  ein  besonderes  melodisches  Übergewicht  zukommt 
(AH  383).  Danach  brauchten  Tonika  und  Dominante  nicht  im  Quinten- 
öder  Quarten  Verhältnis  zu  stehen,  sondern  auch  die  Terz  könnte  Dominante 
sein  —  eine  Zumutung,  die  Polak  mit  Recht  zurückweist. 

Es  bleibt  noch  zu  erörtern,  ob  die  Ansicht  von  AH  richtig  ist,   dafi 
Harmonisierungsversuche  exotischer  Melodieen  radikal  abzulehnen  sind.    Das 
steht  fest:   phonographisch  getreue  Nachahmungen  exotischer  Musik  sind 
in  Europa   unmöglich;  weiter  sind  Bearbeitungen   im  Stile  Polaks  viel  zn 
europäisch,  um   als  charakteristisch    exotische  Musik  gelten  zu   können.. 
Bleibt  also  nur  ein  Kompromiß,  ein  Misch  Stil  übrig,  der  weder  europUsch 
noch   exotisch   ist,   der  die   exotischen  Eigentümlichkeiten  zwar  möglichst' 
berücksichtigt,  aber  ohne   die   europäische  Grundlage  zu  verlassen.    Be- 
sonderheiten  der   exotischen  Musik,   die  mit  Erfolg  auch  für  unsere  Aus- 
drucksmusik nutzbar  zu   machen   wären,   auch    wo   es   sich    nicht   um 
exotisches    Milieu    handelt,    sind:    Unisono-,   Orgelpunkts-   und   Ver- 
zierungsmusik,    Arpeggio-,     Glissando-    und     Pedaleifekte  .  mit    scharten 
Dissonanzen,    monotone    und    stereotype   Formeln,    exotischer  Rhythmus,. 
Periodenbau    und    Phrasierung,    vor   allem   aber   die   Mannighltigkeit  der 
exotischen  Tonleitern  (vgl.  AH  Indien  S.  380—401,  352,  Japanische  Koto- 
stimmungen,  auch  bei  Polak  S.  59  abgedruckt,  Beiträge  zur  Kenntnis  der 
japanischen  Musik  von  R.  Dittrich  1895,  L.  Riemann,  «Tonreihen',  S.  48». 
77—80,  102,  120—130).    Daß  nun  in  dieser  Verschmelzung  der  Stilfonnen 
nicht   etwa   eine  Gelehrtenmusik,    sondern   eine   wahre   neue  Kunst,   die- 
vielleicht  als  exotische  Romantik  zu  bezeichnen  wäre,  bevorsteht,  wird 
von  keinem  Geringeren  als  Saint-Saöns  bezeugt: 

«Die  Musik  ist  tugenbiickiich  an  der  Grenze  ihrer  jetzigen  Entwickelangaphase 
angelangt,  die  Tonalitit,  die  die  moderne  Harmonie  erzeugt  hat^  ringt  mit  dem 
Tode.  Um  die  Ausschließlichkeit  der  beiden  Dur-  und  Mollgeschlechter  ist  es 
geschehen.  Die  alten  Tonarten  kehren  auf  den  Schauplatz  zurfick,  and  in  ihrem 
Gefolge  werden  die  Tonarten  des  Orients,  deren  Mannigfaltigkeit  eine  angeheare  isi^ 
ihren  Einzug  in  die  Kunst  halten.  Alles  das  wird  der  erschöpften  Melodie  nene 
Elemente  zufuhren,  sie  wird  in  eine  neue,  nicht  wenig  ergiebige  Ära  treten;  aach  die 
Harmonie  wird  sich  danach  richten,  und  der  kaum  ausgebeutete  Rhythmus  wird  sich 
entwickeln.* 

Daß  wir  exotische  Musik  nicht  nach  unseren  geläufigen  Tonartbegriffett 
bearbeiten  und  schaffen  können,  hat  bereits  Helmholtz  erkannt.  Ich  muß 
gestehen,  daß  AH  trotz  ihres  schiefen  Tonika-  und  DominantenbegrilTes 
der  Exotik  viel  näher  stehen  als  Polak,  der  die  sogen.  Kirchenskalen 
lediglich  als  akzidentelle  Oktavenausschnitte  aus  der  normalen  C-dur- 
Leiter,  als  Tonreihen,  nicht  als  selbständige  Tonarten  erklärt  und  einen 
Voll  Schluß  mit  der  kleinen  Septime,  kleinen  Sekunde  und  großen  Sexte 
nicht   anerkennt.     Seine  eigene   richtige  Definition   des  a-moU-iClang^  als 


305 
CAPELLEN:  EXOTISCHE  MELODIEEN 


A-  -\-  C-Klang  und  des  gebräuchlichen  a-moll  als  A-  -[-  C-dur  hätte  ihn  zu 
der  Folgerung  fuhren  sollen,  daß  der  Dominantschluß  mit  g-a  (g  als 
Dominante  von  C-dur,  nicht  als  umgangene  Dominantterz  von  A-dur) 
möglich  ist,  derart  jedoch,  daß  a  Haupttonika  und  nicht  bloß  angeklebte 
Sexte  des  C-dur-Dreiklangs  ist.  Man  muß  AH  völlig  beistimmen,  wenn 
sie  S.  384  (Indien)  sagen:  ,»Stücke,  denen  diese  Leitern  zugrunde  liegen, 
sind  auch  musikalisch-psychologisch  durch  verschiedene  ,Tonalität^  aus- 
gezeichnet; weshalb  man  sie  auch,  nicht  mit  Unrecht,  verschiedenen  ,Ton- 
arten^  untergeordnet  hat.  Unsere  harmonische  Musik  hat  allerdings 
[leider!]  das  Geffihl  für  diese  Art  Tonalität  zerstört;  es  tritt  aber  deutlich 
zutage  in  alten  (z.  B.  litauischen)  Volksliedern  und  Kirchengesängen  und 
in  der  japanischen  Musik.'  Ich  behaupte:  solange  man  in  den  zum 
Teil  verkehrten  und  engherzigen  europäischen  Tonartanschauungen  befangen 
ist,  solange  man  nicht  das  wahre  Wesen  des  Mollklanges  und  der  Moll- 
tonalität  voll  erfaßt  hat,  ist  es  ganz  unmöglich,  zur  Exotik  die  richtige 
Stellung  einzunehmen  und  die  fremden  Melodieen  richtig  zu  hören.  Zunächst 
muß  man  sich  von  der  mittelalterlichen  Auffassung  und  Handhabung 
der  Kirchentonleitem  ganz  befreien  und  diese  aus  dem  naturgemäßen 
Durprinzip  heraus  harmonisch  und  tonal  neu  konstruieren.  Einige  Belege 
dazu  aus  Polaks  Buch!  Von  No.  5  führt  Polak  nur  die  vier  ersten  Takte 
an,  die  allerdings  in  B-dur  stehen.  Nun  ist  aber  nach  dem  Schluß  der 
Melodie  (fortwährend  wiederholtem  d)  D  unzweifelhaft  als  Haupttonika 
anzunehmen,  B  als  Nebentonika,  also  Phrygisch.  Ein  Schluß  mit  d  als 
Terz,  wie  ihn  Polak  auch  sonst  häufig  anbringt,  ist  dagegen  ganz  und  gar 
nicht  exotisch.  Vielmehr  schließen  bei  allen  Völkern,  bei  denen  vertikales 
Harmoniegefühl  noch  nicht  zum  Durchbruch  gekommen  ist,  die  Melodieen 
stets  auf  der  Prim  oder  Quint  der  Haupt-  oder  Nebentonika,  Haupt-  oder 
Nebendominante  (selten  der  Subdominante).  Dahin  gehört  auch  in  Dur- 
tonarten, z.  B.  F-dur,  der  Schluß  auf  der  »Sexte«  d  (Facd  =  DFac 
mit  D  und  F  als  Grund  tönen,  F  als  Haupt-  und  D  als  Nebentonika, 
während  in  D-äolisch  D  Haupt-    und   F  Nebentonika  sein  würde). 

a)  b) 

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-Ä^ 


c) 


No.  16. 


d)    Andante 
mf 


No.  29. 


fe»^  ll'4^'^     *     "I 


t=t 


i     C  1 


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DIE  MUSIK  VIL  23. 


pii'^tIi 


stretto 


^  i       ^^      Fine    i        f     i         i       iS 

I  '  I 


l  ^      Fine    l        f     i         l       it 

I  '  I 

So  wie  bei  a)  beendet  Polak  S.  65  ein  chinesisches  Lied  und  sieht 
sich  gezwungen,  einen  G-dur-Klang  mit  Terz  oben  hinzuzofBgen.  (?)  Viel 
exotischer  wäre  der  Schluß  wie  bei  b)  mit  dem  DoppelUange  E  G  h  d» 
so  daß  das  Ganze  in  E-Äolisch  stände. 

No.  4  hat  Polak  in  G-dur  harmonisiert.  Der  Schlußteil,  den  Polak 
nicht  anführt,  endet  auf  e,  das  eher  als  Tonika,  denn  als  Quinte  gehört 
wird.  Die  Modulationsordnung  ist:  H-phrygisch  (mit  Nebentonika  G  nnd  mit 
der  harmonischen  Dominante  fis  a  c  e),  Fis-phryglsch,  H-phrygisch  mit  Ans* 
weichung  nach  der  Nebentonika  G;  dann  E-dorisch,  E-phrygisch.  Diese 
Nummer  ist  zugleich  ein  Beispiel  für  den  kunstvollen  Bau  der  indischen 
Melodieen.  In  Phrygisch  stehen  auch  die  komischen  Gesinge  No.  22 
(E-Skala)  und  No.  29  (G-Skala),  wie  AH  richtig  annehmen.  Es  ist  eine 
einseitige  Ansicht  von  Polak,  wenn  er  meint,  es  würde  kaum  möglich  sein, 
in  No.  29  G-phrygisch  durchzuführen,  und  noch  dazu  als  «Comic  song'» 
Offenbar  hat  sich  Polak  von  den  mittelalterlichen  phryglschen  Reminiszenzen 
noch  nicht  befreit.  Ich  finde,  daß  in  der  phrygischen  Harmonisiemng  oben 
bei  d)  in  Tonalität  und  Rhythmus  die  exotische  Komik  (eine  Art  Beckmesser- 
Humor)  viel  charakteristischer  zum  Ausdruck  kommt,  als  im  europiischen 
Es-dur  mit  Dominantseptimenakkord,  dem  Schluß-g  als  Terz  und  der  rein 
europäischen  Akzentuierung.  Das  G  ist  Haupttonika  mit  Vollschlußwirkang, 
die  Nebentonika  Es  moduliert  ganz  natürlich  nach  der  Dominante  B.  No.  16 
mit  der  stereotypen  Schlußformel  c)  —  s.  o.  Notenbeispiel  —  steht  eben- 
falls in  G-phrygisch  mit  Ausweichungen  nach  B-dur  als  Nebendominante  und 
nach  As-dur  als  Nebensubdominante,  wie  AH  mit  Recht  bemerken.  No.  6 
steht  in  E-dorisch  mit  Ausweichungen  nach  E-phrygisch,  No.  7  (Kinderlied) 
in  D-äolisch  (mit  F  als  Nebentonika)  oder  G-dorisch  (desgl.),  das  schließende 
d  ist  also  Tonika  oder  Quinte.  Ganz  merkwürdig  ist  No.  27:  F-moll,  im 
Schlußteil  modulierend  nach  B-dorisch  (der  Effekt  des  Schlusses  ist  ihnlich, 
wie  wenn  man  auf  dem  Klavier  den  Akkord  B  es  des^  f^  b^  angibt). 

Der  aus  der  Verschmelzung  von  Okzident  und  Orient  möglicherweise 
hervorgehende  neue  Kunststil  wird  anstatt  primitiv  eher  kompliziert 
erscheinen,  nicht  nur  in  Harmonie  und  Tonalität,  sondern  auch  im  Rhythmus. 
Da  wir  Deutschen  uns  immer  sehr  gut  in  die  Eigenart  fremder  Völker  haben 
hineinversetzen  können,  sind  wir  vielleicht  am  ehesten  zu  dieser  Epoche 
der  exotischen  Romantik  berufen.  Es  würde  dann  eine  Art  Weltmusik 
herauskommen,  die  auch  den  mehr  und  mehr  unter  europiischen  Einfinß 
geratenden  Orientalen  verständlich  sein  müßte. 


ZUR  PARTITURENREFORM 

:.Miri  1907  haben  In  der  .Mualk«  Mu  Scfaillingi,  Felix  Weincartner 

Iund  Georg  Cipellen  erklirt,  in  Partituren  kQoftlg  simtliche  Inatrnmente 
dem  wirklichen  Klange  nach  in  der  C-Siimmung  mit  taerauageBetiter 
TonartTOTzelctanung  notieren,  nur  die  Oktaven- Trane poiltlon  fSr  kleine 
PISte,  Hörn,  Tenor,  Kontrabail  und  Kontrabgott  unter  Beifügung  einer  8 
beibehalten  und  aich  auf  Vlolio-,  Branchen-  und  BaflachlQiiel  buchitnken  lu  wollen. 
Prlnilp:  grOßere  Oberalchtlichkelt  und  Anachautichkeit  des  Partliitrblldee,  bedeutend 
erleichterte  Leibarkelt.  In  den  Orcheiieratimmen  aoll  Indei  aus  praktischen  Grfindeo 
für  Klarinette,  BaQklarlnette  and  Alloboe  die  Origlnilatiromung  l>elbehalten  werden. 
Gleichzeitig,  lovie  In  Belner  Festouyertflre,  führte  der  Herauigeber  der  ersten 
Partitur  in  einheitlicher  ViolinschlDaiei-Anhelchnung  (R.  Schumaani  sManfred"- 
Ouvenfire,  Berlin  1905,  Verlag  Dreililien,  1  Mk.)  folgende  Oktavieichen  ein,  die  durch 
Unleractaeldung  von  S^  hoch  und  8^  tief  jede  Verwechiinng  der  OktavUge  aus- 
schließen:  (IX)  8;  O;  1  (X8),  2  (X8),  3  (X8);  fGr  in  Okuven  gehende  Stimmen, 
oft  auch  fBr  Violencello  und  Kontrabaß  genügte  eine  einmalige  Notierung  unter  Vor- 
leichnnng  von  o^  Oi,  'z,  ^3.  Prlnilp:  Gleiche  Noiensteliung  ~  gleiche  Noten- 
bedentnng.  Eindeutigkeit  —  ElnheiUapperception.  GrSßtmOgllche  Anpaasung  der 
Oktsvlagen  an  die  (wechselnden  Bedfirftiiase  der)  Einielstimmen  —  grSßtmSgllcb* 
Zusammenfaßbarkeit  simiiicher. 

Damit  bestehen  nnnniehr  drei  Notierungsarten  für  Partituren,  und  ein 
Orchesterunisono  auf  F  bietet  folgendes  Bild: 


Fl.  picc. 
Cor.  Engl. 
Clar.  in  A 
Fag. 

Cor.  in  O 
Trboni. 
VioL 
Viola 
C.-Basso 


Bisherige  Psrlltar 


D  h4n  IhMJ  bI  Immi 


—  M  tnM   J  lü  iMul 


Es  verhalten  siclr  die  Schwierigkeiten  des  Lesens  dieser  drciUnisoni  somit  wie  1. 
Unisono  fürs  Ohr  —  Unisono  fUrs  Augel 


bOcher 


201.  J.-G.  Prod'homme:  Hector  Berlloz.  Si  vie  et  aes  lEUTrAs.  Prfhc«  de 
Mr.  Altred  Bruneio.  Verlag:  Cb.  Deligrave,  Paris. 
Wer  Prod'homme  aus  seinen  früheren  Arbeiten  oder  aucb  aus  seinem  neuesten 
Werke,  dem  Boche  über  Beethovens  Sympbonleen,  kennt,  der  weiß  ungenhr  schon  im 
voraus,  was  er  von  diesem  „Berlioz"  zu  erwarten  bat  UngeTIhr  dss  gerade  Gegenteli 
von  dem,  was  ich  selbst  mit  meiner  Berlioz-Monographle ')  hatte  (eben  wollen.  Mir  war 
«s  darum  zu  tun  gewesen,  das  zu  fassen  und  darzuatelien,  was  man  mit  einem  philo- 
sophischen Ausdruck  den  gintelligiblen  Charakter"  des  Künstlers  und  Menschen  BerilM 
nennen  könnte;  das  Innere,  das  sich  im  BnQeren  Leben  des  Meisters  teils  verblr(t,  teDs 
offenbart.  Dagegen  geht  Prod'homme  gerade  auf  das  aus,  was  ich  mit  yoUer  Absicht 
vernachlässigt  hatte:  auf  eine  möglichst  detaillierte  Schilderung  der  Eiozelheittn  der 
Berlioz'scheo  Existenz.  Meine  Autgabe  war  vorwiegend  synthetisch,  er  dagegen  Ist  vor 
allem  Analytiker.  Hinsichtlich  der  Methode  mußte  ich  meist  die  Wege  psychologischer 
Interpretation  gehen,  wihrend  Prod'homme  ausschließlich  Historiker,  Ja  Chronist  bleibt 
Das  Urteil  über  Wesen  und  Bedeutung  der  Berlioz'schen  Kunst  erfihrt  durch  Prod'bomme 
weder  Berichtigung  noch  Vertiefung,  und  auch  zur  LSsung  des  Problems,  das  Berlioz  als 
Mensch  darbietet,  trigl  sein  Buch  nur  insofern  etwas  bei,  als  es  ein  reiches  Tatsachen- 
material beibringt,  geeignet,  die  Schlüsse  des  Psychologen  zu  bestitigen  oder  zu  kortlgteren. 
In  zehn  Kapiteln  gliedert  Prod'homme  seine  Darstellung  des  Beriioz'scbea  Lebens- 
laufes. Das  erste  ist  den  Jugendjahren  des  Künstlers  gewidmet,  bis  zu  dem  Zeltpnakt, 
wo  er  Schüler  des  Pariser  Konservatoriums  wird.  Im  zweiten  folgt  die  entscheidende 
Epoche,  In  der  er  Shakespeare  und  Goethe  gleichzeitig  mit  Miß  Smlthson,  seiner  spitemi 
Frau,  kennen  lernt,  wo  er  die  „Acht  Faustszenen"  und  .Die  Fehmrichter"  komponiert  und 
sein  erstes  Konzert  gibt.  Dann  erleben  wir  die  Entstehung  der  Phantastischen  Symphonie 
die  alntrigue"  mit  CamilU  Moke,  die  endliche  Erringung  des  Prix  de  Rome  and  den 
Aufenthalt  in  Italien.  Im  vierten  Kapitel :  Berlloz'  Rückkehr  nach  Paris,  seine  Heirat  und  die 
Werdegeschichte  von  .Harold  In  Italien".  Das  fünfte  behandelt  die  arbeit-  und  ertragreictaB 
Perlode  von  1837-1840,  in  dem  das  Requiem,  HBenvennto  Cellini',  .Romeo  und  Julie"  und  die 
Trauer- und  Triumphsymphonie  geschrieben  werden.  Um  solrmersJnd  dafür  die  fttlgenden 
fünf  Jahre,  die  außer  der  Ouvertüre  „Camaval  romaln*  und  der  Bearbeitung  des  Weberschen 
Freischütz  kein  einziges  musikalisches  Werk  von  grfißerem  Umfang  zum  Abachlufl  brin(en, 
dafür  aber  den  Meister  zum  ersten  Male  über  den  Rhein  nach  Deutschland  führen.  Das 
siebente  Kapitel  füllt  den  Zellabschnitt  aus,  in  dem  .La  Dsmnstlon  de  Fsusf  und  der 
Anfang  der  Memoiren,  das  achte  den.  In  dem  .L'Enfance  du  Christ"  und  das  Tedenm 
entstehen.  Und  nun  neigt  sich  des  Künstlers  Lebenssonne  mlhllch  gen  Abend.  Die 
letzten  Werke  werden  geschrieben:  .Die  Trojaner*  und  .Beatrice  und  Benedikt".  Seine 
zweite  Frau  stirbt  und  laßt  den  Alternden  ganz  vereinsamt  zurück  <Kspite]  9>,     Es  Mgf, 

<)  Rudolf  Louis:  Hector  Beriioz.     Leipzig,  Breitkopf  &  HIrtel,  1904. 


309 
BESPRECHUNGEN  (BÜCHER) 


der  letzte  Akt  der  Tragödie:  jene  schreckliche  and  lancwieri^  Agonie,  in  die  nur  einzelne 
frendige  Ereignisse,  wie  die  Anffuhrung  der  Faustlegende  in  Wien  und  die  letzte  Reise 
nach  Rußland,  als  trostende  Sonnenstrahlen  hineinleuchten  (Kapitel  lO),  Von  dem  elften, 
«L'CEuyre  de  Berlioz*  Qberschriebenen  Kapitel  behandelt  der  erste  Abschnitt  auf  22  Seiten 
den  Musiker,  der  zweite  auf  12  Seiten  den  Schriftsteller:  also  wirklich  »aussi  som- 
mairement  que  possible*,  wie  ProdHiomme  auf  Seite  447  selbst  sagt  —  Der  große,  gar 
nicht  zu  überschitzende  Vorzug  der  Prod'homme'schen  Biographie  liegt  darin,  daß  sie 
zwei  Eigenschaften  miteinander  verbindet,  die  sich  sonst  selten  zusammenfinden.  Mit 
peinlicher  Gewissenhaftigkeit  war  der  Autor  erfolgreich  bemüht,  den  denkbar  höchsten 
Grad  von  Zuverlissigkeit  in  allem  Tatsichlichen  zu  erreichen.  Oberall  geht  er  auf  die 
Quellen  zurück,  und  die  Fülle  von  dokumentarischem  Stoff,  die  das  Buch  enthält,  ist 
ganz  erstaunlich.  Trotzdem  macht  es  nirgends  den  Eindruck  einer  bloßen  Materialien- 
sammlung. Vielmehr  hat  es  Prod'homme,  der  nicht  nur  ein  fleißiger  Forscher  und 
Sammler,  sondern  auch  ein  gewandter  Darsteller  und  Stilist  ist,  verstanden,  seine  Arbeit 
auch  angenehm  und  fließend  lesbar  zu  machen.  So  ist  es  in  gleicher  Weise  nützlich, 
ja  unentbehrlich  für  den,  der  irgend  ein  Datum  der  Berlioz'schen  Lebensgeschichte  nach- 
zuschlagen wünscht,  wie  es  den  in  erfreulicher  Weise  unterhält  und  belehrt,  der  einen 
abwechslungsreichen  Lebensroman  als  Ganzes  an  sich  vorüberziehen  lassen  will.  Für 
die  wissenschaftlichen  Benutzer  des  Prod'homme'schen  Buches  sind  endlich  noch  von 
ganz  besonders  hohem  Werte  die  bibliographischen  Anhinge,  die  ihm  beigegeben  sind, 
und  von  denen  der  erste  ein  vollständiges  Verzeichnis  der  musikalischen  Werke  des 
Meisters  bringt,  der  zweite  ein  ebensolches  von  seinen  literarischen  Arbeiten,  der  dritte 
einen  erschöpfenden  Katalog  der  Berlioz-Literatur,  der  vierte  eine  »Iconographie  Ber- 
liozienne**,  d.  h.  eine  Übersicht  über  alles,  was  an  Porträts  und  Karikaturen  von  Berlioz, 
sowie  an  Kunstblättern,  die  sich  irgendwie  auf  seine  Werke  beziehen,  und  unter  denen 
die  dem  Meister  und  seinem  Schaffen  gewidmeten  Gemälde  und  Lithographieen  von 
Fantin  Latour  eine  besondere  Stelle  einnehmen,  femer  auch  was  an  Porträts  von  Hen- 
riette Smithson  veröfTentlicht  wurde,  der  fünfte  endlich  eine  Genealogie  der  Familie 
Berlioz  vom  16.  Jahrhundert  bis  zur  Gegenwart  Das  einzige,  was  an  diesem  Buche  — 
das  ich  persönlich  um  so  wärmer  begrüße,  als  es  eine  eigene  Arbeit  aufä  willkommenste 
und  erfreulichste  ergänzt  —  zu  vermissen  ist,  das  ist  ein  alphabetisches  Register,  dessen 
kein  Buch,  das  auch  Nachschlagezwecken  zu  dienen  hat,  entbehren  sollte. 

Rudolf  Louis 
202.   Tobias  Matthay:   First  principles  of  pianoforte  playing.    Verlag:    Long- 
mans,  Green  &  Go.,  London  1905. 

Die  Schrift  ist  ein  Auszug  von  des  Verfassers  bedeutendem  Werke:  »The  act  of 
touch*,  das  1903  erschienen  ist  und  sich  inhaltlich  völlig  mit  meinen  eigenen  Anschauungen 
deckt.  Letzteres  Buch  ist  auf  Englisch  dasselbe,  was  mein  Werk  im  Deutschen  bedeutet, 
freilich  mit  dem  Unterschiede,  daß  es  über  das  Exakt-Mechanische  nicht  hinauskommt 
und  nichts  enthält,  was  auf  unsere  musikalisch-künstlerischen  Bewegungsformen  oder  auf 
den  Ausdruck  durch  Bewegung  Bezug  hätte.  Es  ist  interessant,  zu  beobachten,  wie 
Matthay  zu  den  gleichen  Resultaten  gelangt  ist  wie  ich.  Jedenfalls  müssen  wir  ihn  in 
der  EntWickelung  der  Theorie  der  Klaviertechnik  vormerken  als  den  englischen  Begründer 
des  Gewichtspieles  und  der  Arm-  und  Handbalance  sowie  der  Unterarmrollung, 
die  er  somit  vor  mir  und  Steinhausen  festgelegt  hat.  Inwieweit  der  Verfasser  durch 
meine  Artikel:  „Claviristica«'  (vgl.  „Musik%  Jahrg.  II,  Heft  22)  beeinflußt  ist,  bleibe  dahin- 
gestellt. Gewiß  ist,  daß  er  unabhängig  von  uns  die  wahre  Natur  der  Spielfunktionen 
erkannt  und  begründet  bat.  »The  act  of  touch**  ist  das  beste  Buch  übsr  die  Klavier- 
technik, das  ich  kenne.    Matthay  und  ich  stehen  Schulter  an  Schulter.    Er  will  dasselbe, 

VIL  23.  21 


310 
DIE  MUSIK  VII.  23. 


was  meine  »Schule  der  Technik''  (Bd.  II  der  «Natürlichen  Klavieitechnik")  beweitkrifti^ 
gemacht  hat.  Beide  stehen  wir  auf  dem  sog.  .losen'  Standpunkte  im  Gegensatz  zum 
„fixierten**  und  «beherrschten''  Spiele  der  »Deppe-Lehre''.  Alles  ist:  «Resting  weight* 
und  »Added  Impetus*  d.  h.  ruhendes  Gewicht  und  —  Impuls.  Damit  ist  er  weit  fiber 
die  «Deppe-Lehre*  hinausgegangen  und  zu  dem  einzig  richtigen  Standpunkte  der  freien 
Armbalance  angelangt.  In  richtiger  Erkenntnis  der  Grundlagen  ging  er  Tor  allem  Tom 
Instrument  und  seiner  Mechanik  aus  und  vermied  so  viele  Fehler  unserer  eigenen  ersten 
Studien.  Was  Matthay  hier  geleistet,  ist  mustergiltig  und  fOr  alle  Zeiten  vorbildlich  zu 
nennen.  Kleine  Abweichungen  trennen  uns  nicht,  geringe  Meinungsverschiedenheiten 
werden  mit  der  Zeit  ausgeglichen  werden.  So  verwerfe  ich  z.  B.  die  Isolations-Theorie 
(cf.  pag.  72  «Pnnciples*  Table)  und  bin  gegen  die  Beibehaltung  einer  Teilung  des  An- 
schlags in  verschiedene  Unterarten.  Die  Sache  ist  doch  ganz  einftich.  Sind  die  Funk«^ 
tionen  des  Armes  und  der  Hand  gebrauchsfShig,  d.  h.  bin  ich  lose  und  völlig  weich  und 
imstande,  jedes  Gewicht  zu  balancieren  und  auszukugeln,  so  ist  alles  Andere  meinen 
Willen  überlassen.  Wozu  also  dies  ewige  Unterscheiden  und  Lehren  der  kompliziertesten 
„Anschläge*,  das  nur  Verwirrung  anrichtet  und  eher  auf  die  Teilbewegung  ablenkt^  als 
daß  es  auf  die  Hauptbewegung  hinweist.  Jede  Anschlagsbewegung  ist  eine  einheitliche^ 
unteilbare,  alles  übrige  ist  dynamischer  Natur  und  steht  jeden  Augenblick  in  meiner 
Macht.  Die  „mechanischen*  Differenzierungen  nützen  nicht  nur  nichts  sondern  schaden. 
Die  Klassifikation  in  Gewichtsanschlag  (weight-touch)  und  in  muskuläre  Anschlsgsformen 
(muscular-touch)  (cfr.  pag.  88  Tabelle)  ist  sehr  unglücklich;  denn  was  mehr  auf  das  «Ge- 
wicht* oder  mehr  auf  Muskelspannung  zurückzuführen,  ist  gar  nicht  zu  trennen  oder  gar 
zu  bestimmen.  Oberdies  würden  sicher  Finger-,  Hand-  und  Unterarmanschlige  wiederum 
„isolatorisch*  auftreten,  d.  h.  wieder  einzelne  Muskelpartieen  ausgebildet  werden»  indessen 
doch  der  physiologische  Hauptsatz  lautet:  In  der  Relation  und  der  Verteilbarkeit  der 
Arbeit  auf  die  Gesamtheit  der  muskulären  Funktionen  liegt  der  höchste  Nutzen.  Jedes 
Klassifizieren  ist  hier  vom  Obel.  Loser  Arm,  lose  Hand,  lose  Finger,  —  alles  andere 
ist  Wille  und  Bewegung.  Gänzlich  fehlt  die  Oberarm- Rollung.  Die  «Mechanik*  Jedoch 
ist  vorzüglich.  —  In  der  Hauptsache  sind  wir  gewiß  d'accord.  Und  diese  Sache  wird 
wohl  allen  Angriffen  unserer  biederen  Professoren  und  braven  Schulmeister  trotzen  und 
uns  selbst  wohl  überdauern.  Jedem  Pianisten  und  Lehrer,  der  des  Englischen  michtig^ 
rate  ich,  das  Hauptwerk  sowohl  als  die  vorliegende  kleine  Schrift  gründlichst  durch» 
zustudieren.  R.  M.  Breithan pt 

203.  Paul  Bruns:  Das  Problem  der  Kontraaltstimme.  Verlag:  Chr.  Friedrieh 
Vieweg,  Berlin-Groß-Lichterfelde. 
Als  vor  einiger  Zeit  die  ersten  Probehefte  der  neuen  Monatsschrift  .Die  Stimme* 
durch  die  Welt  flatterten,  meinte  ein  witziger  Kollege:  .Die  Musikwissenschaft  spezialisiert 
sich  immer  mehr;  vermutlich  erscheint  demnächst  ,Der  Bariton,  ein  Zentraloffan  ffir 
die  Interessen  der  mittleren  Männerstimme^*  Diese  humoristische  Propheseiung  ist 
inzwischen  in  etwas  anderer  Form  ernstgemeinte  Wahrheit  geworden.  Paul  Bruns  bietet 
uns  eine  Monographie  über  die  Kontraaltstimme  und  verheißt  drei  weitere  Schriften  fiber 
das  Baritontenorproblem,  das  Problem  des  hohen  und  tiefen  Basses,  und  das  dea 
dramatischen  und  Koloratur-Soprans.  Also  Probleme,  soweit  der  Blick  reicht^  und  alle 
lösbar  auf  Grund  der  Lehre  vom  primären  Ton!  Der  Verfasser  hat  sich  die  Abllusnng 
seiner  Schrift  über  das  Kontraaltproblem  insofern  sehr  leicht  gemacht^  als  er  gwie 
Seiten  aus  seiner  früher  besprochenen  „Neuen  Gesangmethode*  wörtlich  wiederabgedmckt 
und  seinem  eigentlichen  Thema  nur  spärlichen  Raum  gewidmet  hat;  daher  kann  sich 
auch  die  Kritik  kurz  fassen.  Die  allgemeinen  Grundlagen  der  «Einregistertheorie*  sollen 
nach    Bruns   auch   dem   angeblichen  Mangel   an   leistungsfähigen  Altistinnen  abheUlen; 


311 
BESPRECHUNGEN  (BOCHER) 


M 


das  Problematische  der  heutigen  Altstimmen  sieht  er  in  der  mangelnden  Höhe  und 
macht  sich  anheischig,  durch  seine  Methode  jeder  tiefen  Altstimme  mühelos  eine  bis 
zur  dreigestrichenen  Oktave  reichende  Sopranhöhe  anzuerziehen.  Dieses  glänzende 
Ergebnis  will  er  mit  Hilfe  der  Komplementär-  (Residual-)  Luft  erzielen  (S.  138  ff.),  d.  h. 
mit  der  Luftmenge,  die  nach  vollzogener  Expiration  in  der  Lunge  zurückbleibt,  und 
deren  Verwendung  zu  Gesangszwecken  man  bisher  für  unkünstlerisch,  ja  für  gesundheits- 
schädlich gehalten  hat.  Auch  bei  der  Altstimme  kommt  es  ihm  vor  allem  darauf  an,  das 
Obertonphänomen  zu  wecken;  aber  er  spricht  auch  hier  immer  nur  ganz  allgemein  von 
»Partialtönen^.  Daß  jeder  Ton  eine  reichgegliederte  Reihe  solcher  Teiltöne  in  sich 
schließt,  ignoriert  er;  wenigstens  sagt  er  nicht,  welche  Obertöne  und  wie  viele  bei  einem 
ideal  gebildeten  primären  Ton  erklingen  sollen.  Eine  gut  sitzende  und  edel  klingende 
. Bruststim me**  (nach  der  älteren  Terminologie)  will  Bruns  durch  einen  harmonischen 
Ausgleich  zwischen  Brust-  und  Kopfresonanz  erzielen  (S.  126  f).  Zu  bemängeln  ist,  daß 
er  alle  Stimmen  nach  Art  der  Romanen  unter  dem  Gesichtspunkt  der  Bühne  betrachtet, 
während  es  doch  manche  an  Kraft  und  Umfang  kleinere  Stimmen  gibt,  die  vollendet 
schön  singen  und  doch  für  die  Bühne  ungeeignet  sind.  Bei  Bruns  aber  begegnen  wir 
fast  auf  jeder  Seite  dem  »bühnenfähigen  crescendo**  als  erstrebenswertem  und  auch 
erreichbarem  Ziel  für  jede  Sängerin.  Er  glaubt  eben  felsenfest  an  die  Allmacht  seiner 
Methode  und  vergißt  ganz,  daß  wie  beim  Anschlag  des  Klavierspielers,  bei  der  Bogen- 
führung  des  Geigers,  so  auch  bei  der  Tonbildung  im  Gesang  immer  ein  gewisses 
Imponderabile  bleiben  wird,  das  der  eigensten  Natur  des  Sängers  entquillt,  und  das  ihm 
kein  Tonbildner  beibringen  kann.  Amalie  Joachim  und  Hermine  Spies,  die  der  Verfasser 
rühmend  nennt,  waren  solche  Sängerinnen;  aber  diese  urwüchsigen  und  kraftvollen 
Talente  wurden  geboren  und  verdankten  ihr  Können  nicht  irgend  einem  artiflziellen 
Tonbildungssystem,  sondern  genialer  Naturanlage  und  feiner  musikalischer  Ausbildung. 
Daß  es  aber  heute  an  tüchtigen  und  leistungsfähigen  Konzertaltistinnen  durchaus 
mangele  (S.  55),  ist  eine  Behauptung  des  Verfassers,  die  durch  die  zahlreichen  Bach- 
und  Händel-Aufführungen  in  Deutschland  oft  genug  widerlegt  wird.  Und  Sätze  und 
Wendungen  wie^dorische  Breite  desBachschen  Gesangstils*  (S.55),  „was im  musikalischen 
Satz  manchmal  den  Kontrapunkt  verblassen  läßt,  sind  Kontraaltstimmen*  (S.  57),  »hin- 
gegen die  Männerstimme  in  hoher  Struktur  [?],  insbesondere  also  die  Tenorstimme,  eine 
geschraubte  Stimme  bleibt*  (S.  133)  sollten  in  einem  ernstgemeinten  Buch  nicht  vor- 
kommen. Ernst  Wolff 
204.  Meyers  Grofses  Konversations-Lexikon:  Ein  Nachschlagewerk  des 
allgemeinen  Wissens.  Sechste,  gänzlich  neubearbeitete  und  vermehrte 
Auflage.  Band  17.  Verlag:  Bibliographisches  Institut,  Leipzig  und  Wien. 
Einen  gewaltigen  Aufwand  geistiger  Arbeit  und  dabei  verständigster  Darstellungs- 
kunst zeigt  wieder  der  17.  Band  (Rio  bis  Schönebeck)  des  „Großen  Meyer*.  Selbst  bei 
knapper  Behandlung  doch  nichts  Wesentliches  zu  übersehen,  stets  die  letzten  Ergebnisse 
der  Forschung  und  die  neuesten  Geschehnisse  zu  berücksichtigen  und  außer  sicherm 
Urteil  objektiv  zu  sein,  das  versteht  der  „Große  Meyer*  aufs  beste.  Wie  sehr  den  Zeit- 
ereignissen Rechnung  getragen  wird,  ersehen  wir  z.  B.  aus  dem  Artikel  „Schiedsrichter*, 
der  die  „internationalen  Schiedsgerichte*  behandelt,  oder  die  eine  ganze  Monographie 
darstellende  Artikelreihe  über  Rußland,  in  der  auch  über  die  jüngsten  Ereignisse  des 
Zarenreiches  gewissenhaft  berichtet  wird.  Auch  die  übersichtliche  Darstellung  des 
Russisch-Japanischen  Krieges  mit  den  Karten  der  Schlachtfelder  von  Mukden,  Charbin  und 
Liau-Yang  darf  hier  wegen  allgemeinen  Interesses  genannt  werden.  Sehr  zahlreich 
sind  auch  literargeschichtliche  Beiträge  monographischer  Natur  vertreten,  die  sich  an 
Namen    knüpfen   wie    Rosegger,   Rückert,   Hans   Sachs,   Sardou,   Scheffel,  Schiller  (mit 

21  • 


312 
DIE  MUSIK  VII.  23. 


Ji 


vier  Bildnissen  des  Dichters),  die  Bruder  Schlegel,  oder  die  unter  den  Stichwörtern 
^.Roman**,  »Romantik*',  „Römische  Literatur*,  »Russische  Literatur*  eine  zusammen- 
fassende Behandlung  gefunden  haben.  Auf  das  Gebiet  der  Kunst  führen  uns  die  Artikel 
»Rokoko*,  »Säule*  (mit  einer  Tafel  »Siulenordnung*),  «Schauspielkunst*.  Von  den  zahl* 
reich  aufgenommenen  Künstlern  seien  nur  Rodin,  Rubens,  del  Sarto,  Schadow,  Schaper, 
Schinkel,  Sascha  Schneider  angeführt.  Dem  Kunstgewerbe  gehören  an  die  Beitrige 
»Schmuck*  und  »Schmiedekunst*  mit  je  drei  schönen,  erheblich  erweiterten  Tafeln. 
Technisch  interessieren  besonders  »Rohrposteinrichtungen*,  »Schnellpressen**  (mit  vier 
höchst  anschaulichen  Tafeln),  »Schiffbau*,  »Schiffhebewerke*,  »Schokoladenfsbribition*, 
»Säge-*  und  »Säemaschinen*.  Wo  immer  bildliche  Darstellung  für  das  besondere  Ve^ 
ständnis  nötig  erscheint,  sind  nicht  nur  viele  Textabbildungen,  sondern  auch  Tafeln  und 
Karten  zu  Hilfe  genommen  worden,  die,  nicht  weniger  als  90  an  der  Zahl,  in  Zeichnung 
und  Technik  vortrefflich,  das  Buch  an  sich  zu  einem  kleinen  Kunstwerk  machen. 

Richard  Wanderer 

MUSIKALIEN 

205.  Ludwig  van  Beethoven:   Elf  Wiener  Tänze   für  7  Streich-  und   Blas- 

instrumente. Herausgegeben  von  Hugo  Riemann.  Verlag:  Breitkopf 
&  Härtel,  Leipzig. 
Die  Vermutung,  daß  die  Tänze,  die  der  verdienstvolle  Herausgeber  im  Archiv  der 
Thomasschule  zu  Leipzig  fand,  von  Beethoven  seien,  sprach  Riemann  schon  verjähren 
aus;  jetzt  ist  es  ihm  gelungen,  sie  durch  mannigfache  Nachweise  biographischer»  philo- 
logischer und  ästhetischer  Art  zur  Gewißheit  zu  erheben.  Vor  allem  der  Hinweis  auf 
Parallelstellen  zwischen  diesen  Tänzen  und  Beethovens  12  Menuetten  von  1709  ist  über- 
zeugend. Schließlich  ist  die  Frage,  ob  der  Fund  Beethoven  zuzusprechen  sei,  wohl 
von  hohem  musikwissenschaftlichen  Interesse,  aber  doch  nicht  so  wichtig  wie  die,  ob 
die  Tänze  ihrem  künstlerischen  Werte  nach  des  Meisters  würdig  sind.  Diese  Frage  muß 
ich  meinem  Empfinden  nach  unbedingt  bejahen.  Ich  wüßte  außer  Schuberts  besten 
Tänzen  kein  Werk,  in  dem  sich  die  Lebensfreude  der  Spätklassik  so  rein  und  gewinnend 
kundtäte.  Nachdrücklichst  empfehle  ich  Liebhabern  solcher  Haus-  und  Gebrauchsmnsik 
Riemanns  Arrangement  für  Klavier,  das  verjähren  bei  Beyer  &  Söhne  in  LangensaUs  er- 
schien und  unbeachtet  blieb.  In  populären  philharmonischen  Konzerten  würden  die 
Tänze,  von  guten  Solisten  ausgeführt,  eines  großen  Erfolges  sicher  sein. 

206.  Ignaz  Paderewski:   Sonate  pour  Piano,  op.  21.    Verlag:  Ed.  Bote  &  G.  Bocky 

Berlin. 
Die  Sonate  zeigt  Erfindung  und  Gedankenfluß,  die  Themen  sind  leicht  faßlich,  weil 
sie  etwas  von  dem  Schmelz  der  Eingebungen  Chopin's  mit  sich  führen.  Die  formale 
Technik  ist  für  die  Verhältnisse  unserer  heutigen  Komponisten  meisterlich,  denn  man 
wird  ohne  große  Mühe  aus  dem  Aufbau  klug.  Die  Satztechnik  ist  für  den  modernen 
Konzertflügel,  einen  nicht  zu  kleinen  Saal  und  die  Arme  eines  ausdauernden  Viitaosen 
berechnet.  Drei  Sätze  füllen  51  Seiten.  Welche  grandiosen  EinfliUe  müssen  da  zu 
finden  sein,  um  diese  Ausdehnung  zu  rechtfertigen!  An  Pomp  und  Wucht  gebricht  es 
freilich  nicht,  alle  Register  werden  gezogen,  aber  ein  Thema,  mag  es  eine  Geige  oder 
ein  Blasorchester  vortragen,  bleibt  doch  immer  nur,  was  es  kraft  des  ihm  Innewohnenden 
melodischen  und  rhythmischen  Lebens  ist.  Paderewski's  Einfälle  gefUlen  mir  ganx  gut, 
aber  seine  Sprache  ist  doch  die  eines  Mimen,  der  den  natürlichen  Tonfiall  nicht  ganz 
mehr  flndet  und  immer  wie  ein  Held  und  Fürst  reden  wilL  In  der  Sonate  soll  alles 
pathetisch,  groß  und  bedeutsam  sein,  und  für  diesen  Stil  fehlt  mir  das  Verständnis. 


313 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


207.  Ignaz  PaderewskI:  Variations  et  Fugue  sur  an  thdme  original,  op.  23. 

Verlag:  Ed.  Bote  &  G.  Bock,  Berlin. 
Unbedingt  ein  sehr  ernstes,  mannigfach  interessierendes  Werk.  In  den  zwanzig 
Variationen  steckt  viel  rhythmiscberWitz  und  manch  fein  und  apart  ausgeprobte  harmonische 
Lageningsform.  Aber  wer  soll  das  spielen?  Die  Komponisten  scheinen  nicht  zu  ahnen, 
daß  sie  mit  der  Devise:  odi  profanum  volgus  .  .  .,  die  sich  unzweideutig  in  ihrer  Satz- 
weise ausspricht,  sich  und  ihrem  Werke  das  Todesurteil  sprechen.  Diese  übermäßige 
und  einseitige  Freude  am  Material,  als  welche  das  Wüsten  in  harmonischen  Werten,  das 
Aufeinanderwerfen  femstehender  primärer  Klänge  zu  den  kompliziertesten  Multiklängen 
sich  zu  erkennen  gibt,  so  daß  das  Aufgliederungsvermögen  auch  geschultester  Hörer 
versagen  muß,  kurz  diese  Freude  an  raffinierter  Tüftelei,  dieses  schwächliche  Akkorde- 
suchen auf  der  Klaviatur  ist  so  recht  das  Kennzeichen  unserer  Kompositionskunst. 
Paderewski  treibt  es  noch  mäßig  und  hat  zunächst  durchaus  noch  etwas  zu  sagen. 
Ein  Rat,  technisch  einfach  und  harmonisch  schlicht  zu  schreiben,  wäre  diesen  Künstlern 
gegenüber  deplaciert.  Mögen  sie  so  weiter  schreiben,  bis  keiner  mehr  dergleichen  hören 
mag.  Heute  werden  freilich  noch  viele,  den  modernen  Tiefgangsbestrebungen  geneigte 
Musiker  und  Kunstfreunde  an  den  beiden  Werken  Paderewski's  ihre  Freude  haben,  und 
mit  Recht,  denn  unter  den  Kunsterzeugnissen  dieser  Zeit  nehmen  sie  einen  bemerkens- 
werten Rang  ein.  Hermann  Wetzel 

208.  Alte  Meister  des  Klavierspieles.    Herausgegeben   von  Walter  Niemann. 

Verlag:  C.  F.  Peters,  Leipzig. 
Eine  Auslese  von  37  Klavierstücken  deutscher  und  fremdländischer  alter  Meister, 
geeignet  und  dazu  bestimmt,  der  Pflege  der  Renaissance  den  rechten  Weg  zu  weisen, 
bietet  Walter  Niemann  in  dem  gut  ausgestatteten,  sorgfältig  bearbeiteten  Bande  »Alte  Meister 
des  Klavierspieles''.  Weit  davon  entfernt,  nur  dem  Gelehrten  musikhistorisch  interessante' 
Stichproben  einer  uns  fem  liegenden  Kunstepoche  und  ihrer  Schaflfensweise  geben  zu 
wollen,  wählte  der  Bearbeiter  neben  bekannten,  bedeutenden  Stücken  der  Großen  auch 
vielerlei  Reizvolles  beinahe  vergessener  Musiker  und  Theoretiker  aus,  und  darauf  be- 
dacht, diese  Klaviermusik  in  Notendruck,  Phrasierung  und  Nuancierung,  trotz  peinlicher 
Wahrung  der  Originale,  unserer  klavierspielenden  Welt  sozusagen  mundgerecht  vorzu- 
setzen, weist  er  die  letztere  auf  die  Schönheiten  und  die  Mannigfaltigkeit  einer  schier 
unerschöpflichen  Literatur  hin.  Unsere  Konzertpianisten  flnden  hier  Vortreffliches  zur 
Ausgestaltung  ihrer  Programme,  und  der  Musikfreund  wird  mit  Freude  die  teilweise  sehr 
pikanten  Kabinettstückchen  von  Böhm,  Kaspar  Kerll,  Kimberger,  Kuhnau,  Marpuirg, 
Nichelmann,  Byrd,  Daquin,  3carlatti,  um  einige  Namen  herauszugreifen,  spielen.  Die 
klare  Phrasierung,  praktische  Fingersatzeinzeichnungen,  Pedalnotizen  erleichtern  die  Aus- 
führbarkeit der  einzelnen  Werke.  Artur  Eccarius-Sieber 

209.  Josef  Haas:  Sonate  c-moll  für  Orgel,  op.  12.  Verlag:  Rob.  Forberg,  Leipzig. 
Unseres  Wissens  ist  Haas  der  erste  Schüler  Max  Regers,  der  mit  Orgelkompositionen 

an  die  Öffentlichkeit  tritt.  Inwieweit  die  vorliegende.  Reger  zugeeignete  Orgelsonate 
noch  direkt  von  Reger  beeinflußt  ist,  entzieht  sich  unserer  Beurteilung.  Jedenfalls  hat 
sich  Haas  mit  Begeisterung  in  des  Meisters  Orgelwerke  vertieft  und  sich  dessen  Schreib- 
weise in  geradezu  verblüffender  Weise  zu  eigen  gemacht.  Ganz  regerisch  ist  die  Art 
der  Themenbildung,  femer  die  Neigung,  immer  neue  kleine  Sätze  mit  neuen  Motiven 
und  Trugschlüssen  aneinander  zu  reihen.  Fast  möchte  man  sagen,  daß  die  Chromatik 
und  Enharmonik  bei  Haas  womöglich  noch  größere  Feste  feiern  als  bei  Reger.  Die 
Furcht  vor  dem  ganz  ordinären  tonischen  Dreiklang  scheint  ziemlich  groß  zu  sein.  Im 
zweiten  Satze  —  einem  übrigens  sehr  reizvollen  Intermezzo  —  entdecken  wir  wirklich  eine 
Schlußkadenz  nach  altem  Muster!  Betrachten  wir  diese  Sonate  als  Ganzes,  so  müssen 


MS 


314 
DIE  MUSIK  VII.  23. 


wir  sie  als  die  talentvolle  Arbeit  eines  Begabten,  eines  sattelfesten  Kontrapunktikers 
begrüßen,  der  auch  zu  gestalten  und  zu  entwickeln  weiß.  Wer  eine  solch  prächtige  Fuge 
mit  einer  solch  packenden  Schlußsteigerung  schreiben  kann,  macht  Meister  Reger 
wahrlich  alle  Ehre.  Die  Schwierigkeit  der  Ausfuhrung  ist  etwa  die  der  regerschen 
Monologe,  in  denen  indes  noch  mehr  »Bach**  enthalten  ist,  trotz  aller  Chromatik. 

210.  Neue  Kompositionen  fflr  Orgel.    Verlag:  O.  Junne,  Leipzig. 

Die  uns  in  Einzelheften  vorliegenden  Nummern,  die  auch  in  der  im  gleichen 
Verlage  erschienenen  Sammlung  ,,Orgelstäcke  modemer  Meister*  (herausgegeben  von 
Joh.  Diebold)  enthalten  sind,  sind  ihrem  musikalischen  Werte  nach  recht  verechieden. 
Für  bescheidenere  Ansprüche  genügen  M.  Birns  Weihnachtsphantasie  über  ^Kommet  ihr 
Hirten**  und  »Karfreitag  und  Ostermorgen**,  ferner  die  Stücke  von  R.  Lichey.  Für 
Studienzwecke  zu  empfehlen  sind  die  leicht  ausführbaren  Kompositionen  J.  Rheinbergert, 
vermutlich  aus  des  Meisters  Nachlaß  stammend.  Ein  Larghetto  von  Th.  Forchhammer 
ist  sehr  geeignet  für  ernste  kirchliche  Feiern.  Ein  wenig  im  Stile  der  Jensenschen 
„Wanderbilder*  sind  „Legende*  und  „Klostergesang*  von  H.  W  a  r e  i  n  g,  ansprechend  und  fein 
empfunden.  Mehr  dem  italienischen  als  dem  deutschen  Geschmack  dürfte  F.Capocci's 
Phantasie  über  den  alten  gregorianischen  Lobgesang  „Veni  creator*  zusagen:  die  zum 
Teil  süßlichen  Harmonieen,  sowie  die  billigen  Triolen  und  Arpeggien  auf  Akkordt5nen 
passen  nicht  zu  einem  solch  kernigen  cantus  flrmus  (wie  anders  weiß  J.  S.  Bach  den- 
selben c.  f.  zu  behandeln!).  Das  Allegretto  Capocci's  lißt  sich  ganz  gut  anhören,  wenn- 
gleich man  stets  besser  tut,  den  „alten  Stil*  an  der  Quelle  zu  studieren,  hier  etwa  bei 
D.  S Carla tti.  Nicht  sonderlich  zu  erwärmen  vermögen  wir  uns  für  C.  Müllerhartungs 
Orgelphantasie,  trotz  Herbeiziehung  von  Bläsern  und  Unisonochor,  Hingegen  begrfilkn 
wir  in  E.  Gigout's  Interludium  ein  echt  orgelmäßig  geschriebenes  Stück  mit  all  der 
Grazie  in  Rhythmik  und  Melodik  der  französischen  Schule,  in  Ph.  Wolfruma  Priladinm 
über  „Lasset  uns  den  Herren  preisen*  eine  schwungvolle  und  dabei  nicht  schwer  aus- 
führbare Konzertnummer.  Der  junge  Orgelmeister  A.  Sittard  ist  mit  drei  fesselnden 
Choralstudien  vertreten,  unter  denen  in  erster  Linie  die  fünfstimmige  Choralfuge  über  «Wenn 
wir  in  höchsten  Nöten  sein*  wegen  ihres  vollendeten  Satzes  interessiert  Max  Reger  hat 
eine  kostbare  Fuge  mit  Präludium  (gis-moll)  beigetragen.  Neben  dieser  sind  die  beiden 
Choralphantasieen  von  R.  Bartmuß  über  „Christ  ist  erstanden*  und  ^Jctu  meine  Freude* 
als  die  besten  Kompositionen  dieser  Gruppe  zu  bezeichnen.  Namentlich  die  xweHe,  die 
nach  einer  kurzen  Einleitung  mehrere  schöne  Durchführungen  und  eine  Fuge  sum  Choral 
bringt,  zeigt  einen  Zug  ins  Große  und  ist  ausgezeichnet  durch  vortrefflichen  Kontrapunkt- 

211.  Charles  Chaix:  Six  Chorals  Figur^s  pourOrgue.    Verlag:  F.  E.  C  Leucknn, 

Leipzig. 
Ein  vielversprechendes  Opus  1 !  Ist  auch  die  Fuge  über  dem  Cantus  Unnas  «Allein 
Gott  in  der  Höh*  hie  und  da  noch  eckig,  so  sind  die  einfachen  Figurationen  «O  Traurigkeit* 
und  „Ich  folge  Dir  nach  Golgatha*  vollendete  Stimmungsbilder  von  gro(^  Tiefe,  das 
Trio  mit  der  reich  „diminuierten*  Weise  „O  du  Liebe  meiner  Liebe*  geradesn  ein 
Meisterstück,  und  aus  Nr.  4:  „O  Welt,  sieh  hier  dein  Leben*  (»O  Welt,  ich  muft  dich 
lassen*)  und  Nr.  6:  «Was  Gott  tut*  spricht  eine  gründliche  Kenntnis  Bschscher  Orfel- 
kunst  Möchte  der  begabte  Schüler  Barblans  diesem  Hefte,  das  Konsertspieiern 
willkommene  Bereicherungen  ihrer  Programme  bietet,  bald  weitere  folgen  lassen. 

Dr.  Ernst  Schnorr  v.  Carolsfeld 

212.  Gustav  Bumcke:  Fünf  Gedichte  von  Hans  Bethge.  op.  18.  —  Zwei  Lieder 

für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegleitung,  op.  21.   Verlag:  Bisoldt 
&  Rohkrimer,  Tempel hof-Berlin. 
Diese  Lieder  weisen  eine  gewisse  Großzügigkeit  auf;  sie  haben  orchestrale  Plrbong 


315 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


und  sind  modulatorisch  interessant.  Doch  bewegt  sich  die  Modulation  mit  zu  leichten 
Flugein;  die  Melodie  wird  von  der  flüssigen  Harmonik  zu  sehr  getragen,  anstatt  dieser 
zur  Basis  zu  dienen,  wie  es  der  Fall  sein  soll.  Was  aber  aus  diesem  eigensten  Geiste 
des  ernst  zu  nehmenden  Komponisten  geboren  ist,  ist,  wenn  es  klar  und  organisch  zum 
Ausdruck  gelangt  wie  im  schönen  Liede  «Morgen  auf  Sylt*,  bedeutender  als  die  jüngeren 
beiden  Produkte,   die  zwar  lyrischer  und  liedmißiger,   aber  auch  konventioneller  sind. 

Arno  Nadel 

213.  Otto  von  Tideböhl:  Suite   für  Violine  und  Klavier,    op.  9.  —  Konzert 

fürVioline.  op.  10.  (Ausgabe  mit  Klavier).  Verlag:  H.  Schröder  Nachf.,  Berlin. 
Beide  übrigens  keineswegs  schwierigen  Werke  sind  durchaus  violingemiß  ge- 
schrieben und  zeichnen  sich  durch  knappe  und  gedrungene  Form,  sowie  durch  reizvolle 
melodische  Einfälle  aus.  Es  ist  bessere  Unterhaltungsmusik,  die  der  gewandt  und  flüssig 
schreibende  Komponist  bietet.  Die  Suite  hat  eine  flotte,  auch  für  den  Vortrag  geeignete 
Gavotte;  das  stark  archaistisch  geßrbte  Präludium  und  das  Largo  (in  russischer  Weise) 
enthalten  manchen  feinen  Zug;  dagegen  fällt  der  gar  zu  kurze  Schlußsatz  etwas  ab.  — 
Ob  das  Violinkonzert  sich  zum  öffentlichen  Konzertvortrag  eignet,  kann  ich  ohne  Kennt- 
nis der  Partitur  nicht  sagen;  ich  glaube  es  nicht,  möchte  aber  das  Werk,  das  statt  des 
langsamen  Satzes  ein  anmutiges  Intermezzo  hat,  für  den  Unterricht  und  zum  Vortrag 
bei  Schülerprüfungen  empfehlen.  Der  erste,  manche  Ähnlichkeit  mit  Bruchs  g-moll  und 
Wieniawski's  d-moll  Konzert  aufweisende  Satz  ist  an  innerem  Gehalt  dem  Intermezzo  und 
der  Schlußtaranteile  bedeutend  überlegen:  seine  beiden  Themen  sind  vornehm  gehalten, 
das  nicht  überwuchernde  Passagenwerk  ist  elegant. 

214.  Hans   Fährmann:    Trio   H-dur  für  Klavier,    Violine   und   Violoncell. 

op.  37.  Verlag:  Otto  Junne,  Leipzig. 
Ein  gediegenes  Werk,  mit  dem  eingehender  sich  zu  beschäftigen  entschieden  lohnt. 
Von  den  vier  Sätzen  dürfte  Scherzo-Caprice  am  originellsten  sein.  Die  Erfindung  des 
Komponisten  ist  durchweg  nobel,  die  Verarbeitung  der  Themen  nicht  bloß  geschickt, 
sondern  auch  geistvoll.  Das  besonders  in  dem  Klavierpart  nicht  leichte  Werk  sei  auch 
zur  öffentlichen  Aufführung  empfohlen. 

215.  Goby  Eberhardt:  Mein  System  des  Obens  für  Violine  und  Klavier  auf  psy* 

chophysiologischer  Grundlage.  Verlag:  Gerhard  Kühtmann,  Dresden. 
Der  bekannte  Geigenpädagoge  tritt  in  dieser  sehr  lesenswerten,  mit  einer  großen 
Anzahl  von  Obungen  versehenen  Schrift  für  stumme  Griffe  auf  der  Violine  zur  Er- 
langung größter  Technik  ein.  »Oben  heißt  lernen,*  sagt  er,  »ist  somit  Arbeit  des  Geistes 
und  durchaus  kein  rein  mechanischer  Vorgang.  Angeregt  durch  Paganini's  stummes 
Spiel  kam  mir  die  Idee,  technische  Schwierigkeiten  nicht  mehr  durch  hundertfache  sinn- 
lose Wiederholungen,  sondern  durch  Fixieren  in  Verbindung  mit  einer  innerlich  vor- 
gestellten Bewegung  zu  überwinden.*  Er  unterscheidet  dabei  drei  charakteristische 
Bewegungen  der  Finger:  1.  Klopfbewegung,  2.  Gleitbewegung,  an  die  sich  Studien  zur 
Beweglichkeit  des  Daumens  anschließen,  und  3.  Seitenbewegung  (Doppelgriff-  und  Akkord- 
stellung). Auch  für  Klavierspieler  lassen  sich  diese  Obungen  vorteilhaft  verwenden.  So 
wichtig  diese  Schrift  auch  ist,  kann  ich  doch  nicht  unerwähnt  lassen,  daß  der  Nutzen 
stummer  Obungen  schon  früher  vielfach  gewürdigt  worden  ist. 

216.  Arthur  Hartmann:    Ungarische    Kadenz   zu    F.  W.  Ernsts   op.   22.    — - 

Kadenz  zum  ersten  Violinkonzert  von  N.  Paganini.  Verlag:  Wilhelm 

Hansen,  Kopenhagen  und  Leipzig. 
Zwei  sehr  wirkungsvolle,  auch  nicht  zu  sehr  ausgesponnene  Kadenzen  des  be- 
kannten Violinvirtuosen,  die  sicherlich  auch  von  anderen  Geigern  zum  öffentlichen  Vor- 
trag gern  benutzt  werden  dürften.  Wilhelm  Altmann 


Aus  deutschen  Tagesblättem  und  Zeitschriften  fflr  Kunst, 

Literatur  und  Politik 

DIE  POST  (Ber]in)v.22.Mirzu.v.9.April  190a  —  Cyriak  Fi  seh  er  sagt  in  dem  Aufsatz 
„Passionsmusik*  nach  begeisterten  Worten  über  Bachs  Passionsmusiken:  «Als  efai 
Erzeugnis  und  einen  Ruhm  des  deutschen  Geistes  werden  Bachs  Passionsmusiken 
mit  Recht  bezeichnet,  und  ebenso  werden  sie  mit  Recht  als  Schöpfung  und  Ausdruck 
des  protestantischen  Geistes  angesehen.  Um  so  billiger  aber  ist  es,  sich  dankbar 
daran  zu  erinnern,  daß  auch  der  katholischen  Kirche  ihr  Anteil  an  diesen  michtigen 
Werken  gebührt.  Sie  ist  es  gewesen,  die  die  Grundlagen  geschaffen  hat,  auf 
denen  dann  Bach  seinen  Bau  errichten  konnte.*  Es  folgt  ein  kurzer  Oberblick 
über  die  Entwicklung  des  Stils  der  Passionsmusik.  —  Georg  Richard  Kruse  unter- 
sucht «Otto  Nicolais  Beziehungen  zum  Berliner  Hofe*.  Nicolais  »ganze  musl* 
kaiische  Laufbahn,  ja  sein  ganzer  Lebenslauf  steht*,  wie  hier  nachgewiesen  wird, 
„im  innigsten  Zusammenhange  mit  seinen  Beziehungen   zu  Preuflens  Königen.* 

VOSSISCHE  ZEITUNG  (Berlin),  Sonntagsbeilagen  vom  17.  und  24.  Mai  1908.  — 
Dr.  Martin  Jacobi  schreibt  in  dem  Aufeatz:  »Aus  dem  Berliner  Musikleben  in 
der  ersten  Hilfte  des  neunzehnten  Jahrhunderts*  eine  Geschichte  der  Musikpflege 
in  Berlin  von  ca.  1820  an. 

HAMBURGER  FREMDENBLATT  vom  5.  Juli  190a  —  Paul  Bröcker  bespricht  ia 
dem  Aufsatz  «Die  Musik  des  Volkes*  den  Volksliedergesang,  das  Harmonika> 
spiel  usw.  und  den  Einfluß  dieser  Musik  auf  dfs  Zusammenleben  der  Angehörigen 
der  ärmeren  Volksklassen.  Auch  handelt  der  Aufeatz  von  der  Straßen-  und  Ho^ 
musik  in  den  grol^n  Städten,  besonders  in  Hamburg. 

HANNOVERSCHER  COURIER  vom  27.  Mai  1906.  —  Staatsanwalt  Kurt  Heinz- 
mann untersucht  in  dem  Aufsatz  «Theateragenten*  vom  juristischen  Standpunitt 
aus  die  Tätigkeit  der  Theateragenten,  deren  Beseitigung  er  für  unmöglich  hilt» 
„Entschieden  berechtigt*  nennt  der  Verfasser  nur  »die  Bestrebungen  • . .,  die  die^ 
Abzüge  des  Zwischenhändlers  [des  Agenten] . . .  auf  ein  vernünftiges  Maß  zu  be» 
schränken  suchen*.  «Denkbar  ist  allerdings  die  Vermittlung  durch  Vertrmuensminner 
auf  genossenschaftlicher  Grundlage.  Vielleicht  verspräche  es  auch  Erfolg,  wenn 
die  beiden  grol^n  Interessengemeinschaften  des  Theaters,  der  ,Bfihnenverein* 
(Direktoren  und  Intendanten)  und  die  ,Bühnengenossenschafr*  (BQhnenmitgliedef> 
selbst  die  Organisation  von  Agenturen  versuchen  würden.*  Auch  für  den  Verkehr 
der  Bühnenschriftsteller  und  der  Komponisten  mit  den  Theaterleitern  hilf  Heinz» 
mann  die  Tätigkeit  von  Agenten  für  »notwendig  und  fast  unentl>ehrllch'. 

LEIPZIGER  NEUESTE  NACHRICHTEN  vom  15.  Mai  190a  -  Walter  Niemann 
teilt  „Gedanken  zum  Leipziger  Bachfest*  mit,  die  das  Verschwinden  Ton  Leipziger 
Gebäuden,  die  an  Bach  erinnerten,  den  Verkauf  von  P.  de  Wits,  an  Badh 
erinnerungen  reichem  «Musikhistorischen  Instrumentenmuseum*,  die  Errichtong 
des  Seffnerschen  Bachdenkmals,  die  «kleinlichen,  kunsthindernden  Miseren'  in: 
Bachs  Leben,  die  Pflege  Bachscher  Kunst  in  Leipzig,  die  stilistiach  richtige  An^f 


317 
REVUE  DER  REVUEEN 


Führung  älterer  Musik  und  die  Bestrebungen,   „Bach   vor  allem   der  Hausmusik 
zurückzuerobern*,  betreffen. 

BAYERISCHER  KURIER  (München)  vom  13.  und  14.  Mai  1906.  —  Der  anonyme 
Aufsatz  «Edgar  Istel*  berichtet  über  einen  Besuch  bei  dem  Komponisten  und 
Schriftsteller,  den  der  Verfasser  vornehmlich  nach  seinen  Ansichten  über  die 
moderne  komische  Oper  ausfragte. 

MÜNCHNER  NEUESTE  NACHRICHTEN  vom  25.  April  1906.  -  Der  Pianist 
Heinrich  Schwartz  verlangt  in  dem  Aufsatz  „Zur  Konzertsaison  1907;08*  die 
Einschränkung  der  Solistenkonzerte  und  nennt  es  einen  „Unfug  sondergleichen*» 
daß  Stümper  durch  massenhafte  Verteilung  von  Freikarten  das  Publikum  vom 
Besuch  der  Konzerte  großer  Künstler  abhalten.  Femer  wünscht  Schwartz  die 
„Beseitigung  der  öffentlichen  Kritik  in  den  Tagesblättem*.  Er  möchte  gerne 
wissen,  aus  welchem  Grunde  diese  Institution  überhaupt  geschaffen  wurde.  „Man 
sagt  zwar,  ein  Künstler  könne  von  einer  objektiven  Kritik  nur  lernen.  Mag  sein. 
—  Was  mich  selbst  anbetrifft,  so  muß  ich  leider  bekennen,  daß  ich  bis  heute  aus 
sämtlichen  über  mich  erschienenen  Kritiken  leider  nichts  gelernt  habe,  was  für 
meine  Kunst  von  irgendwelcher  Bedeutung  gewesen  wäre.*  „Ein  anderes  freilich 
ist  die  eingehende  Besprechung  von  Kunstangelegenheiten  in  den  Fach  blättern. 
Hier  ist  der  Boden,  auf  welchem  ernste  Leistungen  ein  Recht  haben,  ernsthaft 
beurteilt  zu  werden.  Hier  ist  auch  dem  ,besprochenen'  Künstler  Gelegenheit 
geboten,  sich,  wenn  notwendig,  zu  verteidigen.*  Dann  empfiehlt  Schwartz  den 
Tonsetzern,  die  darüber  jammern,  „es  sei  unmöglich,  Neues  zu  erfinden,  das  Melo8 
sei  erschöpft*  usw.,  den  Viertelton  zu  verwenden.  „Ich  stehe  nicht  an,  zu  be- 
haupten, wir  befänden  uns  erst  im  Anfangsstadium  der  Entwicklung  unserer 
Tonkunst.  Sind  wir  ja  noch  nicht  einmal  imstande,  die  uns  von  der  Natur  ver- 
liehenen Gaben  richtig  anzuwenden!  Und  zu  diesen  Gaben  gehört  auch  der 
Viertelton.  Das  menschliche  Ohr  ist  wohl  befähigt,  ihn  aufzunehmen  und  zu 
begreifen.*  Am  Schluß  schlägt  Schwartz  vor,  sämtliche  Werke  Beethovens,  „von 
der  ersten  bis  zur  letzten  Note*  aufzuführen  und  das  dadurch  gewonnene  Geld 
zur  Errichtung  eines  Denkmals  Mozarts  zu  verwenden. 

PRAGER  TAGBLATT  vom  22.  Dezember  1907  und  vom  8.  Januar,  29.  März,  5.,  19. 
und  26.  April,  16.  Mai  und  12.  Juni  1908.  —  Richard  Batka  schlägt  in  dem 
Aufsatz  „Zwischenaktsmusik*  (22.  XII.)  vor,  „einmal  im  Monat  oder  in  der  Woche 
oder  noch  öfter  . . .  eine  ,große*  Zwischenaktsmusik  zum  gesprochenen  Schauspiel 
anzukündigen,  ...  die  vorher  anständig  geprobt  wurde  und  mit  genauen  An- 
gaben (Titel,  Name  des  Komponisten  usw.)  am  Programmzettel  verzeichnet  sein 
müßte.  Man  hätte  dadurch  Gelegenheit,  eine  Menge  kleinerer  Tonstücke,  die  im 
gegenwärtigen  Musikleben  völlig  brachliegen,  aufzuführen*.  Im  Konzert  könne 
man  nur  spielen,  was  beklatscht  wird.  Aber  als  Zwischenaktsmusik  könne  man 
auch  „all  die  Suiten,  Märsche,  Tänze,  Serenaden,  Kassationen  von  den  Zeiten  der 
musikalischen  Klassiker  her  aufführen*.  An  solchen  Abenden  dürfe  das  Publikum 
während  der  Zwischenaktsmusik  sich  nicht  unterhalten.  Bald  würde  das  Publikum 
auch  an  den  anderen  Abenden  bessere  Zwischenaktsmusik  verlangen,  als  sie  ihm 
jetzt  geboten  wird.  —  In  dem  Aufsatz  „Parsifal*  (8.  I.)  sagt  Richard  Batka:  „Ich 
halte  dafür,  daß  nicht  bloß  Richard  Wagners  ausdrücklicher  Wunsch,  sondern  auch 
eine  vernünftige  Erwägung  der  besonderen  Beschaffenheit  des  ,Parsifal'  die  vor- 
läufige Beschränkung  der  Aufführungen  auf  Bayreuth  gutheißen  . . .  Für  das  wirk- 
liche Interesse  ist  außerhalb  Bayreuths  durch  die  Klavierauszuge,  Partituren  und 


ivy 


318 
DIE  MUSIK  VII.  2a. 


Konzertauffübrungen  gesorgt ...  Ich  sehe  Schreckliches  voraus  für  ein  Werk,  das 
auf  der  schmalen  Schneide  wandelt,  wo  vom  Erhabenen  zum  Licherlichen  viel 
weniger  als  ein  Schritt  ist.  Ein  dummes  Statistengesicht  unter  den  Tempelrittern^  eine 
linkische  Bewegung  bei  den  Zeremonien,  und  die  Illusion  ist  verflogen,  das  Weihe- 
spiel zur  leeren  Farce  geworden.  Sobald  die  erste  Neu-  und  Schaugier  der  Massen 
sich  gesättigt  hat,  wird  an  die  Stelle  der  Verblüffung  das  Gefühl  der  sublimen  Lang- 
weiligkeit treten,  Theater  und  Publikum  erleben  eine  große  Enttäuschung.  Des 
geheimnisvollen  Nimbus,  der  es  heute  umgibt,  verlustig,  wird  das  Werk,  das  in  der 
Bayreuther  Abgeschiedenheit  in  vielen  Geschlechtem  noch  andichtige  Schauer 
erweckt  hätte,  nach  kurzem  Saisonleben  tot  bleiben  als  eine  entgOtterte  Welt* 
Infolgedessen  werde  der  „Parsifal*  bald  nach  seiner  Freigabe  »wieder  in  einem 
Festspielhause,  sagen  wir:  in  Bayreuth,  wenn  es  noch  besteht,  seine  Zuflucht  und 
eine  seinen  Daseinsbedingungen  entsprechende  Zufluchtstitte  flnden,  seine  Gemeinde 
dort  versammeln,  alles  wird  sein,  wie  es  jetzt  ist,  und  der  romantische  Traum  des 
großen  Idealisten,  der  Nation  ein  Kunstwerk  zu  hinterlassen,  zu  dem  die  Welt  von 
allen  Seiten  hinpilgem  muß,  wird  sich  ganz  von  selbst  und  ohne  Zwang  emeuen.* 

—  Unter  der  Oberschrift  «Opernnöte''  (29.  III.)  veröffentlicht  Richard  Batka  einige 
Betrachtungen  über  die  in  dem  Buche  „Deutscher  Bühnenspiel-Plan  für  das  Jahr  1907" 
•enthaltenen  Statistiken.  Am  Schluß  spricht  er  die  Ansicht  aus,  daß  i^die  Anziehungs- 
kraft des  älteren  Repertoires  heute  völlig  erschöpft*  sei,  und  daß  ein  «großer  Opern- 
krach**  eintreten  müsse,  falls  nicht  bald  ein  neues  musikdramatisches  Genie  komme. 
Auch  „der  Stil,  worin  die  älteren  Werke  gesungen  werden  müssen,"  gehe  verloren. 

—  Der  Aufsatz  „Operndeutsch*  von  Richard  Batka  (5.  IV.)  handelt  von  Fehlem 
in  der  Obersetzung  von  Opemtexten.  —  Einige  „Erinnerungen  Martin  PlQddcmanns 
an  Richard  Wagner*  teilt  Richard  Batka  mit  (19.  IV.).  Plüddemann,  der  mit  Wagner 
seit  1875  einige  Male  zusammenkam,  erzählte  seine  Erinnerungen  dem  Verfluser 
im  Jahre  1894.  —  In  dem  Aufsatz  „,Wider  die  Konzertagenten^  Ein  Kapitel 
musikalischer  Wirtschaftspolitik*  (26.  IV.)  erklärt  Richard  Batka  die  „vorgeschlagenen 
Zentralagenturen  unter  der  Aufsicht  von  Berufskünstlem*  für  „noch  unerträglicher 
als  das  Regime  der  Geschäftsagenten*.  „Das  Cliquentum,  das  unser  Musikweaen 
durchsetzt  und  zerstückelt,  würde  sich  auch  hier,  gerade  hier,  auf  das  schlagendste 
betätigen,  eine  Protektionswirtschaft  einerseits,  eine  Boykottierung  mißliebiger 
Künstler  anderseits  wäre  die  nächste  Folge,  die  sofort  Sensationen  und  Gegen- 
agenturen ins  Leben  rufen  müßte.*  —  Rudolf  Freiherr  Prochäzka  bespricht  in 
dem  Aufsatz  „Musikschätze  im  Prager  Konservatorium,  I.*  (16.  V.)  die  von  der 
Prinzessin  Paula  von  Lobkowitz  dem  Konservatorium  geschenkte  MusikaÜen- 
sammlung.  —  In  dem  Aufsatz  „Wagner-Striche*  (12.  VI.)  erinnert  Richard  Batka 
daran,  daß  Richard  Wagner  selber  Streichungen  gestattete  und  nur  „die  zu  seiner 
Zeit  gebräuchlichen,  sinn-  und  geschmacklosen,  barbarisch  verstümmelnden'  ver- 
urteilte. Batka  tadelt  aber,  daß  Weingartner  in  einem  Zyklus,  der  »ans  dem 
Rahmen  des  Gewöhnlichen  herausfällt*,  die  „Walküre*  gekürzt  aafl{gefQhrt  hat 

NEUE  FREIE  PRESSE  (Wien)  vom  29.  Februar,  1.  März,  2.,  6.  und  10.  Mal  IQOS.  - 
Anläßlich  des  Todes  Pauline  Lucca's  werden  zwei  ausführliche  AufUtze  Aber  das 
Leben  und  die  Kunst  der  Verstorbenen  veröffentlicht:  „Pauline  Lucca'  TOn  Julias 
Korngold  (29.  II.)  und  „Die  Lucca*  von  W.  (1.  III.).  —  Leo  Helds  Aufsats 
„Stumme  Dramen*  (2.  V.)  handelt  von  der  „Renaissance  des  Ballets*,  die  sich^an 
der  Wiener  Hofoper  vorzubereiten  scheint*.  —  Julius  Korngold  tritt  in  dem  Aa^ 
satz  „Zur  Enthüllung  des  Brahms-Monuments*  (6.  V.)  der  Ansicht  Walter  Niemanns 
entgegen,  daß  der  Aufenthalt  Brahma'  in  Wien   den   niederdeutschen  Charakter 


319 
REVUE  DER  REVUEEN 


seiner  Kunst  nicht  verändert  habe,  und  spricht  von  Brahms'  Leben  in  Wien,  seiner 
Stellung  in  der  Musikgeschichte  usw.  —  In  amüsanter  Weise  erzählt  W.  in  dem 
Aufsatz  „Stammtischabende**  (10.  V.)  von  seinen  Erinnerungen  an  Brahms.  Er  sagt, 
daß  die  «starke  Persönlichkeit*'  Brahms'  auch  zu  erkennen  gewesen  sei  an  »seiner 
Stimme,  dem  Klarinett  dieses  hellen  niedersächsischen  Organs,  das  eher  einem 
Gtrdeofflzier  als  einem  großen  Tondichter  zu  gehören  schien.**  Ober  Brahms' Ver- 
hältnis zu  Wagner  schreibt  W.:  „Hans  v.  Bülow  schreibt  in  einem  Briefe,  Wagners 
Genius  habe  ,keinen  eingefleischteren  Bewunderer  als  Brahms*  gehabt,  darob  sei 
er  sogar  mit  einigen  Freunden  ,auseinandergekommen*.  Nun,  das  muß  an  einem 
anderen  Stammtisch  gewesen  sein  . . .  Von  eigentlicher  Geringschätzung  kann 
hier  natürlich  nicht  die  Rede  sein.  Es  ist  gar  nicht  denkbar,  daß  ein  Mann  wie 
Brahms  in  Richard  Wagner  nicht  wenigstens  den  Musiker  erkannt  und,  von  Gipfel 
zu  Gipfel,  verehrt  hätte.  Wie  er  den  Dichter,  wie  er  den  dramatischen  Musiker 
beurteilte,  ist  eine  andere  Frage.  Einmal  fragte  er  mich  plötzlich:  »Kennen  Sie  die 
>Medea<  von  Cherubini?*  Statt  der  Antwort  brummte  ich  den  Anfang  der 
Ouvertüre,  f-moll,  Allegro  vivace.  ,Nun,  sehen  Sie,*  sagte  er,  ,diese  Medea,  das 
ist,  was  wir  Musiker  unter  uns*  —  die  Worte  klingen  mir  deutlich  in  den 
Ohren  nach  —  ,als  das  Höchste  in  dramatischer  Musik  anerkennen*.  In 
Brahms'  Stube  hing  auch  das  Bild  Cherubini's  von  Ingres;  aber  die  Muse, 
die  auf  dem  Bilde  den  Kranz  dem  Tondichter  aufsetzen  will,  hatte  er  mit 
-einem  gezeichneten  Vorhang  überkleben  lassen,  so  daß  der  also  gemaßregelte 
Schöpfer  der  ,Medea*  recht  gottverlassen  in  einer  Ecke  des  Rahmens  sitzen  blieb. 
»Dieses  Frauenzimmer  mag  ich  nicht*,  sagte  der  Meister,  und  die  Muse  verschwand. 
So  berichtet  Max  Kalbeck.  Ein  Bild  solchermaßen  zu  verunstalten,  wem  anders 
wäre  es  in  den  Sinn  gekommen?  Der  Einfall  war  nicht  künstlerisch  und  doch 
achter  Brahms.  Alles  Theatralische,  Komödiantische,  alles  unechte  Pathos  ging 
ihm  wider  die  Natur,  er  übenrieb  wohl  auch  diese  angeborene  Abneigung,  und 
iver  weiß,  ob  nicht  hierin  der  tiefere  Grund  für  sein  Fernbleiben  von  der  Bühne 
zu  suchen  ist*  W.  meint  aber,  daß  Brahms  gern  eine  komische  Oper  komponiert 
hätte,  und  daß  er  „sich  auch  mit  der  Praxis  des  Bühnen wesens  im  stillen  be- 
schäftigt* habe.  Auch  von  dem,  besonders  als  Beethoven-Forscher  berühmt  ge- 
wordenen Musikgelehrten  Nottebohm  und  von  Anton  Brückner  plaudert  W.  in 
diesen  Erinnerungen.  „Ober  Wagner  stand  Brückners  Urteil  felsenfest  [am  Ende 
der  siebziger  Jahre].  Er  hätte  jedem,  der  ihm  widersprach,  die  Hand  geküßt  und 
submissest  und  allerdevotest  zu  bemerken  sich  erlaubt,  davon  verstehe  der  Herr 
einen  Schmarren.* 
DIE  ZEIT  (Wien)  vom  19.  April  u.  U.Juni  1906.  —  Ludwig  Bösendorfer  erzählt  in 
dem  Aufsatz  „Einiges  aus  meinen  Erinnerungen*  von  Erlebnissen  mit  Liszt,  Rubin- 
stein, Hans  von  Bülow  und  Johann  Strauß.  —  Die  einstige  Prima  ballerina  *der 
Wiener  Hofoper  Irene  Sironi  teilt  in  dem  Aufsatz  „Ballet*  ihre  Ansichten  über 
die  heutige  Tanzkunst  mit. 


BOHNE  und  WELT  (Berlin),  X.Jahrgang,  No.  lO-ll.  —  Ein  Sonderheft  mit  den 
folgenden  Aufsätzen  über  Richard  Wagner:  „Von  der  Größe  Richard  Wagners* 
von  Richard  Schaukai.  —  „Wagners  Werk  und  wir.  Eine  Rundfrage*,  betreflfend 
die  von  hervorragenden  Bühnenkünstlern  am  liebsten  gesungene  Rolle,  beantwortet 
von  zahlreichen  Sängern  und  Sängerinnen.  —  „Richard  Wagner  und  die  Fürsten* 
von  Erich  Kloß.  —  „Richard  Wagners  Entwürfe*  von  Wolfgang  Golther.  —  „Die 


320 
DIE  MUSIK  VII.  23. 


vier  neu  aufgefundenen  Ouvertüren  Richard  Wagners*  von  Carlos  Droste.  — 
«Richard  Wagner  und  die  Karikatur*  von  Wilhelm  Kleefeld.  —  »Franz  Liszt  in 
Rom*  von  Julius  Erich.  —  „Bühnehreform,  Festspielhaus,  Unterhaltungstheatei' 
von  Karl  Scheffler.  —  „Verbotene  Opern*  von  Franz  Dubitzky.  —  i^Betrach- 
tungen  zur  ersten  Aufführung  des  ,Nibelungcnring^  in  englischer  Sprache*  von 
Ernst  Mayer. 

DEUTSCHE  BÜHNENGENOSSEKSCHAFT  (Berlin),  1006,  No. 43.  -  Erich  Kloß 
bespricht  unter  der  Oberschrift  ,,Richard  Wagners  erste  Gattin*  sehr  tusfQhrlich 
die  Briefe  Wagners  an  Minna  Wagner. 

DIE  GEGENWART  (Berlin),  1908,  No.  12,  17  und  18.  —  Cari  Mennicke  bespricht 
in  dem  Aufsatz  „Shaw  über  Wagner*  (No.  12)  das  „Wagner^Brevier*  von  Bemard 
Shaw  als  ein  Werk,  das  „dem  Leser  in  einem  Atem  Freude  und  Verdruß  be- 
reitet*. —  In  dem  Aufsatz  „Formlosigkeit  und  Programmusik*  (No.  17  und  18^ 
erhebt  Irene  Wild  gegen  die  moderne  Musik  die  Vorwürfie,  sie  sei  formlos,  sie 
wolle  um  jeden  Preis  Aufsehen  erregen  und  berauschen,  ihr  mangele  die  Erfindung^ 
sie  treibe  einen  Kultus  des  Häßlichen  usw.  Auch  die  Programmusik  verurteUt 
die  Verfasserin  sehr  scharf. 

DIE  HILFE  (Berlin),  1008,  No.  5  und  13.  —  Paul  Zschorlich  verölfenüicht  zehn 
kleine  Aufsitze  unter  dem  Titel  „Vom  musikalischen  Denken*.  —  Der  Auhatr 
„Ferruccio  Busoni  als  Musikphilosoph*  von  Paul  Zschorlich  enthilt  eine  Be- 
sprechung des  „Entwürfe  einer  neuen  Ästhetik  der  Tonkunst*  von  Busoni,  ins> 
besondere  seiner  Ausführungen  über  Dur  und  Moll,  über  Drittelt5ne  und  über 
Programmusik. 

MORGEN  (Berlin),  1007,  Heft  0  -  20.  —  „Ober  Alexander  Ritters  Lied*  (Heft  17)  schreibt 
Siegmund  von  Hausegger:  „Ritter  gesteht  [in  seinen  Liedemi  dem  Musikar  als 
solchem  auch  nicht  das  kleinste  Recht  zu,  sofern  dieser  es  nicht  aas  der  DlebtaBg 
herleiten  kann.  Er  stellt  sich  so  ganz  in  den  Dienst  des  Dichters  and  verskhtet 
strikte  auf  jedes  musikalische  Sondergelfiste.  Deshalb  sind  seine  Lieder  nieoMl» 
eine  musikalische  Erweiterung  oder  Verbreiterung  des  Gedichtes,  sondern  nichts 
anderes  als  die  Dichtung  selbst,  durch  die  Musik  zu  höchster  Intensitit  des  Ans» 
drucks  gesteigert.  .  .  .  Auch  in  der  Begleitung  spielt  ihm  der  tbsolate  Mvsiker 
niemals  einen  Streich;  sie  ist  reich,  an  entscheidenden  Momenten  tritt  sie  beden» 
tungsvoll  ergänzend  vor,  aber  das  Melos  des  Liedes  liegt  immer  in  der  Singstimme^ 
aus  ihr  allein  ergeben  sich  alle  harmonischen  und  rhythmischen  Verindernnfen 
der  Begleitung.*  In  Alexander  Ritters  Liedern  finde  man  «den  stmgsteii  ud 
konsequentesten  Stil  des  modernen  Liedes*.  Ritter  gebühre  als  «Führer  in  dM 
Neuland  der  Lyrik*  ein  Platz  neben  Liszt,  Cornelius,  Wolf  and  StraalL  Dann  be> 
spricht  Siegmund  von  Hausegger  eingehend  die  einzelnen  Lieder.  Ritters  Lieblings* 
dichter  war  Lenau,  von  dem  er  viele  Gedichte  komponiert  hat.  —  Ober  «Richard 
Wagner  und  Julie  Ritter*  wird  ein  Aufsatz  aus  Siegmund  von  Hau  seggers 
Werk  aber  Alexander  Ritter  abgedruckt  (Heft  22),  der  auch  einen  interessanten 
Brief  Wagners  enthält,  den  er  am  22.  Mirz  1850  in  Bordeaux  an  Julie  Ritter 
schrieb.  —  Romain  Rolland  veröffentlicht  eine  lobende  Besprechung  von  «Claude 
Debussy's  ,Pelleas  und  Melisande'*  (Heft  25). 

SOZIALE  PRAXIS  (Berlin),  1008,  No.  18.  —  Else  Lüders  berichtet,  auf  Grand  des 
Aufsatzes  von  Paul  Ehlers  in  unserer  Zeitschrift,  VII.  Jahrgang,  Heft  4  and  6^ 
über  „Soziales  Elend  im  Chorsingerstande*. 


321 
REVUE  DER  REVUEEN 


FRÜHLING  (München),  1907,  Nr.  14  und  15.  —  In  dem  gedankenreichen  Aufsatz 
«Das  Problem  des  Musikdramas.  Eine  ästhetische  Parallele**  vergleicht  Hermann 
Schuch  Richard  Wagner  als  Ästhetiker  mit  Lessing,  Schiller  und  Herder.  In  der 
Einleitung  vergleicht  er  ihn  auch  mit  Rudolf  von  Jhering,  der  „eine  teleskopische 
Betrachtung  .  .  .**  forderte  »gegenüber  der  bis  heute  noch  ziemlich  mikroskopischen 
Betrachtung^  das  heißt:  einem  sich  in  »Kleinigkeitskrimerei*  verlierenden  ana- 
lyrtischen  Verfahren,  das  nicht  die  «Urteilsfähigkeit*',  das  Vermögen,  die  durch 
Analyse  «gewonnenen  Teile  nach  neuen  Gedanken  der  Brauchbarkeit  wieder 
zusammenzusetzen*,  ausbildet.  Ausführlich  zeigt  der  Verfasser,  daß  Lessing  im 
26.  und  27.  Stück  seiner  «Hamburgischen  Dramaturgie**,  in  der  Entwickelung  des 
Zusammenhanges  von  Dichtkunst  und  Musik  die  von  Wagner  ausführlicher  dar- 
gestellten Anschauungen  «mit  wenig  Sitzen  präzis  ausgesprochen*  habe.  «Mit 
dem  Scharfblick  des  Genies*  habe  Lessing  die  «Darstellungen  Wagners  über  den 

Zusammenhang   von    Dichtkunst    und    Musik geahnt*.     Dann    erinnert 

Schuch  daran,  daß  Schiller  an  Goethe  schrieb:  «Eine  gewisse  musikalische 
Oemütsstimmung  geht  vorher,  und  auf  diese  folgt  bei  mir  erst  die  poetische  Idee*, 
und  daß  er  nach  einem  Briefe  an  Lotte  «den  Mangel  der  Musik  zur  Vollendung 
des  dramatischen  Kunstwerkes  tief  und  schmerzlich  empfand*.  Ausführlicher 
vergleicht  Schuch  Herder  mit  Wagner.  Daß  Herder  das  Wirken  Richard  Wagners 
mit  erstaunlicher  Klarheit  vorausgesehen  hat,  geht  aus  den  folgenden  Worten  aus 
dem  zweiten  Stück  seiner  «Adrastea*  No.  9  hervor:  «Der  Fortgang  des  Jahrhunderts 
geschrieben  anno  1802,  elf  Jahre  vor  Wagners  Geburtstag!)  wird  uns  auf  einen 
Mann  führen,  der  diesen  Trödelkram  wortloser  Töne  verachtend,  die  Notwendigkeit 
einer  innigen  Verknüpfung  rein  menschlicher  Empfindung  und  der  Fabel  selbst  mit 
seinen  Tönen  einsah.  —  Von  jener  Herrscherhöhe,  auf  welcher  sich  der  gemeine 
Musikus  brüstet,  daß  die  Poesie  seiner  Kunst  diene,  stieg  er  hinab  und  ließ,  so- 
weit es  die  Nation,  für  die  er  in  Tönen  dichtete,  zuließ,  den  Worten  der  Empfindung, 
der  Handlung  selbst  seine  Töne  nur  dienen.  Er  hat  Nacheiferer,  und  vielleicht 
eifert  ihm  bald  jemand  vor,  daß  er  nämlich  die  ganze  Bude  des  zerschnittenen 
und  zerfetzten  Opemklingklangs  umwerfe  und  ein  Odeum  aufrichte,  ein  zusammen- 
hangend lyrisches  Gebäude,  in  welchem  Poesie,  Musik,  Aktion,  Dekoration 
Eins  sind.* 

SÜDDEUTSCHE  MONATSHEFTE  (München),  Dezember  1907  bis  März  1908.  — 
Unter  dem  Titel  «E.  T.  A.  Hoffmann  als  Musikalienhändler*  veröffentlicht  Hans 
von  Müller  (Dezember- Heft)  13  Briefe  von  Hoffmann  an  Härtel  (in  Fa.  Breitkopf 
&  Härtel)  und  3  Briefe  von  Härtel  an  Hoffmann.  —  Paul  Moos  bespricht 
ausführlich  das  Buch  «Angelo  Neumanns  Erinnerungen  an  Richard  Wagner*.  — 
Hans  Pfitzner  veröffentlicht  einen  Aufsatz  «Zur  Grundfrage  der  Operndichtung*. 
Im  einleitenden  Kapitel  sagt  Pfitzner  u.  a.  über  Richard  Wagner:  «So  groß  auch 
als  Könner,  Erfinder,  Neuerer,  Revolutionär  in  der  Musik:  das  Primäre  ist  der 
Dichter  in  ihm  und  seine  Werke  vor  allem  dichterische  Konzeptionen*.  Im 
zweiten  Kapitel  äußert  Pfitzner  seine  Ansichten  über  die  «Konzeption*  eines 
Kunstwerkes,  deren  «Wesen  Im  Unwillkürlichen  liegt*,  und  über  die  Reflexion 
beim  künstlerischen  Schaffen.  Im  dritten  Kapitel  führt  Pfitzner  eingehend  aus, 
daß  «der  große,  elementare  Unterschied  zwischen  allem  Dichten  und  allem 
Komponieren*  darin  bestehe,  «daß  ein  jedes  Dichtwerk  [aul^r  der  «im  kleinsten 
Umfang  sich  gebenden*  «eigentlichen  Wortlyrik*],  seinem  Wesen  nach,  erst  in 
seinem  Verlauf,  vom  ersten  bis  zum  letzten  Wort  eine  an  sich  ungreifbare  Einheit 


322 
DIE  MUSIK  VIL  23. 


(Konzeption,  Handlung)  darstellt,  von  der  es  ausgegangen  ist;  wihrend  eine  jede 
Komposition,  ihrem  Wesen  nach,  von  einer  sinnlich  greifbaren,  in  sich  schon 
vollendeten  Einheit  (Einfall,  Thema)  ausgeht,  von  der  der  Verlauf  zehrt,  oder 
deren  er  neue  bringen  muß**.  »Immer  bleibt  der  unumgängliche  Weg  der  Mnsik 
der  vom  Einzelnen  zum  Ganzen,  sowie  der  der  Dichtung  vom  Ganzen  zum 
Einzelnen  .  .  .  Die  in  unserer  Zeit  so  beliebte  Bezeichnung  ,Tondichtung^,  auf 
Werke  der  Musik  angewandt,  ist  nicht  nur  unsinnig,  sondern  auch  deswegen  sa 
unsympathisch,  weil  sie  etwas  mehr  vorgibt  zu  sein,  als  Musik,  indem  sie  der 
Dichtkunst  ihr  höchstes  Recht  rauben  will:  eine  Idee  zu  verdichten.  Die  eigent» 
liehe  ,Tondichtung*  (wenn  man  einmal  das  Wort  in  seiner  wahren  Bedeutung 
definieren  will)  ist  der  geniale  musikalische  Einfall,  der  alle  Elemente  der  Musik: 
Melodie,  Harmonie,  Rhythmus  in  untrennbarer  Einheit,  wie  in  chemischer  Ver- 
bindung verdichtet.  Er  ist  wiederum  das,  wozu  es  kein  Analogen  in  irgend 
einer  anderen  Kunst  gibt;  ist  der  Musik  ganz  allein  eigentümlich.*  «Wenn, 
wie  ich  sagte,  die  Dichtkunst,  ihrem  Wesen  nach,  der  Niederschlag  einer  Idee 
ist,  die,  um  greifbar  zu  werden,  eines  gewissen  Verlaufs  bedarf,  so  kann  dieser 
Verlauf,  weil  von  der  Idee  abhängig,  nicht  akzidentell  sein.  Wenn  die  Musik» 
ihrem  Wesen  nach,  immer  nur  sinnlich  greifbare  Einheiten  hervorbringt,  so 
muß  der  Verlauf  akzidentell  sein."  Dadurch  erklärt  Pfltzner,  daß  die  Formen, 
in  denen  das  Kunstwerk  verläuft,  in  der  Dichtkunst  »von  Urbeginn"  die  selben 
geblieben  sind  (Lyrik,  Epos  und  Drama,  nebst  Zwischenstufen  und  Ober» 
gangen),  in  der  Musik  aber  fortwährend  wechseln.  »Die  Geschichte  der 
Musikformen  ist  die  chronische  Verlegenheit,  musikalisches  Einfallsmaterial  unter- 
zubringen.**  »Die  angeborene  Formbegabung  im  Individuum  ist  stets  talentar, 
sozusagen  eine  Kulturerbschaft;  der  geborene  Melodiker  ist  genial.  Es  hat  große 
geniale  Komponisten  gegeben,  denen  jegliche  Begabung  fQr  Form  abging,  wie 
Weber,  wie  Schumann,  aber  niemals  einen  wirklich  Großen,  dem  die  individuelle 
Melodie  gefehlt  hätte;  sie  ist  es,  die  den  Platz  auf  dem  Komponistenpamaß  sichert; 
nach  ihr,  der  kleinen  Einheit,  sollte,  im  letzten  Grunde,  Musik  beurteilt  werden; 
nicht  nach  dem,  als  was  sich  so  ein  Musikstück  im  ganzen  gibt;  so  wie  man  das 
Gold  nach  seiner  Karätigkeit,  und  nicht  nach  den  Gegenständen  prfifl^  die 
daraus  gemacht  werden.  Durch  sie  gehört  auch  ieder  große  Komponist^  so  tief 
und  schwer  er  sei,  der  ganzen  Welt,  nicht  nur  seinem  Fach  an,  Ist  wahrhaft 
populär.**  Liszt  wird  nach  Pfltzners  Meinung  nie  populär  werden,  weil  ihm  der 
musikalische  Einfall  fehlte,  während  Schumann,  »trotz  wirklicher  Mingel  seiner 
Natur,  in  vollster  Frische  lebt**.  Als  das  »Wesen  des  Musikdramas*  erkliit  es 
Pfltzner,  daß  es  als  dichterisches  Element  »die  allgegenwärtige  dichterische  Idee* 
und  als  musikalisches  den  »musikalischen  Einfall"  in  sich  vereinigt,  aber  i^uf 
die  sinnliche  Einzelheit  der  Dichtung  und  auf  die  selbständige  Formengebang  der 
Musik  verzichtet;  obwohl  die  Möglichkeit  zur  gelegentlichen  Entfiütung  auch  dieser 
Seiten  der  Künste  offengelassen  ist".  Pfltzner  verspricht,  in  folgenden  Anfsitzea 
diese  Ansichten  durch  Beispiele  zu  erläutern;  bis  jetzt  sind  diese  Fortsetzangen 
in  den  S.  M.  nicht  erschienen.  —  Hans  von  Müller  veröffentlicht  unter  dem 
Titel  »E.  T.  A.  Hoffmann  als  Musikschriftsteller"  (Januar-  und  Mlrz-HefQ  Briefe 
und  Stellen  aus  Hoffmanns  Tagebüchern  und  Werken,  die  HofPmanns  Mitarbeit 
an  der  »Allgemeinen  Musikalischen  Zeitung*  beleuchten,  und  stellt  die  Titel  der 
in  der  genannten  Zeitschrift  enthaltenen  Arbeiten  Hoffmanns  zusammen.  Im 
Anhang:  »Kritischer  Rückblick"  tadelt  der  Verfasser  scharf  vom  Endes  Ausgabe 
von  Hoffmanns  musikalischen  Schriften,  die  mehrere  AufUtze  Hoffknanns  nicht 


323 
REVUE  DER  REVUEEN 


enthält,  dagegen  fünf  Stücke,  die  vom  Ende  ohne  zureichenden  Grund  Hoffmann' 
zuschreibt.  —  Maximilian  Pfeiffer  teilt  in  dem  kleinen  Aufsatz  ,,E.  T.  A.  Hoff- 
manns Bamberger  Wohnung**  (Februar-Heft)  mehrere  Tatsachen  mit,  die  die  Un- 
richtigkeit der  früher  in  den  S.  M.  ausgesprochenen  Behauptung,  daß  die  Bam- 
berger Bevölkerung  Hoffmann  vergessen  habe,  beweisen.  Ein  Bamberger  Bürger 
erzählte  dem  Verfasser,  sein  Vater  habe  gesehen,  „daß  Hoffmann  seinen  Wein- 
flaschen Röckchen  anzog  und  Hütchen  aufsetzte,  sowie  daß  er,  mächtig  Pfeife 
rauchend,  beim  Komponieren  die  Füße  immer  in  einen  Kübel  mit  kaltem  Wasser 
setzte.**  —  Paul  Bu  sc  hing  bedauert  in  dem  Aufsatz  »Vom  Münchner  Musikleben*,, 
daß  so  viele  hervorragende  Dirigenten  und  Tonsetzer  München  verlassen.  —  Eine 
wertvolle  Rezension  Hoffmanns  aus  dem  Jahre  1810  druckt  Hans  von  Müller 
unter  dem  Titel  „E.  T.  A.  Hoffmann  über  Gluck*  ab  (März-Heft). 
DEUTSCHE  REVUE  (Stuttgart),  1907,  November- Dezember.  —  Konrad  Burdach 
veröffentlicht  eine  interessante  biographische  Studie  über  Constanz  Berneker  unter 
der  Oberschrift  „Zur  Geschichte  und  Ästhetik  der  modernen  Musik*. 

VOM  RHEIN.  Monatsblatt  des  Wormser  Altertumsvereins,  1908,  April.  —  Gelegent- 
lich der  Aufführung  des  Oratoriums  „Hiob*  von  Carl  Loewe  wurde  eine  illustrierte 
„Loewe-Festnummer*  mit  den  folgenden  kurzen  Aufsätzen  herausgegeben:  „Zum 
20.  April*  (dem  Todestage  Loewes)  von  Karl  Anton.  —  „Ein  Gruß  von  Loewes 
Tochter*  (Julie  Hepburn  von  Bothwell).  —  „Mein  unvergeßlicher  Lehrer  Carl 
Loewe*  von  Max  Runze.  —  „Carl  Loewe  in  seinen  Tonschöpfungen.  Ein  Beitrag 
zur  Würdigung  Loewes  als  Vorgängers  R.  Wagners*  von  Karl  Anton.  —  «Zur 
Einführung  in  Loewes  ,Hiob'*  von  H.  Die  hl. 

KUNSTWART  (Dresden),  XXI,  Heft  3—9.  —  Georg  Göhler  bespricht  in  dem  Aufsatz 

„Giacomo  Puccini*  (Heft  3)  kurz  die  Werke  „Bohöme*,  „Tosca*  und  „Madame 
Butterfly*.  In  der  Einleitung  sagt  er,  daß  die  Theater  ohne  die  italienischen  Opern 
„einfach  nicht  auskommen*  könnten.  „Kein  Direktor  hielte  alle  diese  Werke  im 
Spielplan,  wenn  sie  sich  nicht  selbst  hielten.*  Göhler  meint,  die  Theaterdirektoreoi 
würden  viel  lieber  deutsche  Werke  aufführen,  wenn  es  eine  genügende  Anzahl 
guter  deutscher  Opern  gäbe,  die  auch  die  Schaulust  des  großen  Publikums  befrie- 
digen. —  Der  Aufsatz  „Psychologische  Musikästhetik*  von  Paul  Moos  (Heft  4> 
besteht  aus  einer  sehr  lobenden  Besprechung  von  Hermann  Siebecks  Schrift 
„Ober  musikalische  Einfühlung*.  —  Gustav  Langen  veröffentlicht  den  „Aufruf*: 
„Regelmäßige  Kirchenkonzerte!*  (Heft  6.)  Die  Musik  „schafft  recht  eigentlich  die 
Grundlage  aller  Religion:  das  Gefühl  vom  Dasein  einer  Seele*.  „Ich  stehe  nicht 
an,  zu  behaupten,  daß  keine  Zeit  der  Kirchenmusik  so  sehr  bedurft  hat  und  keine 
zugleich  so  empfänglich  für  sie  gewesen  ist,  als  unsere  Gegenwart  und  unsere 
nächste  Zukunft  es  sein  wird.*  „Wir  haben  von  unsem  Vätern  seit  Jahrhunderten 
Kirchen  und  Dome  ererbt,  die  wir  uns  heute  für  Millionen  nicht  bauen  könnten, 
und  die  profane  Musik  beneidet  ihre  ältere  Schwester  um  diese  »religiösen  Konzer^ 
hallenS  die  selbst  in  kleineren  Städten  groß  sind.  Aber  sie  sind  verödet,  deren 
Mauern  widerhallen  könnten  von  den  erhabensten  Kunstwerken  germanischen 
Geistes.  Sind  sie  nicht  wie  aus  Musik  geboren  und  für  Musik  geschaffen,  diese 
strebenden  und  ruhenden  Kirchenriesen  des  Mittelalters?  Bachs  Musik  gehört  in 
sie,  wie  das  Blut  ins  Herz.  Wer  gibt  ihnen  das  Leben  wieder?*  —  Richard 
Batkas  oben  angezeigter  Aufsatz  im  „Prager  Tagblatt*:  „Zwischenaktsmusik*  wird 
in  Heft  8  nachgedruckt.  Magnus  Schwantje 


Die  Studie  Leopold  Hirschbergs  über  die  weltlichen  Chöre  Carl  Loewes  illustiieren 
wir  durch  drei  Bilderbeigaben.  Das  Portrit  des  Balladenmeistera  iat  nach  einer  alten 
Lithographie  gefertigt.  Eine  Rarität  bringen  wir  sodann  mit  der  Wiedergabe  des  Original- 
titels des  Chorliedes  »Gutenbergs  Bild*;  näheres  darüber  findet  der  Leser  auf 
S.  279.  Die  Vorlagen  zu  den  beiden  ersten  Blättern  hat  uns  Dr.  Hirschberg  freundlichst 
zur  Verfügung  gestellt.  Eine  nicht  mindere  Seltenheit  stellt  das  folgende  Blatt  dar:  die 
erste  Seite  der  Originalpartitur  des  Chors  «Märznacht",  deren  Wiedergabe  wir 
dem  Entgegenkommen  der  Musikabteilung  der  Berliner  Königlichen  Bibliothek  verdanken. 
Wie  aus  S.  282  zu  entnehmen,  hat  Loewe  diese  Komposition  im  Jahre  1865  nach  seinem 
ersten  Schlaganfall  mit  zitternder  Hand  niedergeschrieben. 

Zur  Erinnerung  an  den  90.  Geburtstag  (12.  September)  von  Theodor  Kullak 
bringen  wir  sein  Bild,  für  dessen  Überlassung  wir  seinem  Sohn,  Herrn  Professor  Franz 
Kullak  in  Berlin,  zu  Dank  verpflichtet  sind.  Die  Bedeutung  Theodor  KullakSy  der  selbst 
ein  hervorragender  Klavierspieler  war,  beruht  vor  allem  in  seinen  vorzfiflichen  Unter- 
richtswerken für  Pianoforte,  unter  denen  an  dieser  Stelle  nur  die  »Schule  des  Oktaven- 
Spiels",  seine  „Materialien  für  den  Elementarunterricht*  und  »Der  praktitche  Teil  zur 
Methode  des  Pianofortespiels  von  Moscheies  und  F6tis*  genannt  seien.  AaOer  Kompositionen 
für  sein  Instrument  schrieb  Kullak  auch  Lieder  und  Kammermusikstficke.  Ala  Lehrer 
entfaltete  er  eine  nicht  minder  erfolgreiche  Wirksamkeit.  Schüler  von  ihm  sind  n.  a. 
Hans  BischofiP,  Moriz  Moszkowski,  Philipp  und  Xaver  Scharwenka,  Alfred  Grfinfeld, 
Heinrich  Hofmann,  Otto  Neitzel,  Agathe  Backer-Gröndahl.  Im  Jahre  1850  begrAndole  er 
mit  J.  Stern  und  A.  B.  Marx  das  MBerliner  Konservatorium*,  trat  aber  fünf  Jahre  spIlBr 
von  der  Mitdirektion  zurück,  um  die  ,,Neue  Akademie  der  Tonkunst*  ins  Leben  la  ralaau 
Auch  an  der  Begründung  des  Berliner  Tonkünstler-Vereins  (1844)  war  er  beteiligt 

Es  folgt  das  Porträt  unseres  geschätzten  Mitarbeiters,  Professors  Ernst  Bdttsrd 
Taubert,  der  am  25.  September  seinen  70.  Geburtstag  feiert.  In  Regenwalde  L  FeanMlB 
geboren,  besuchte  Taubert  die  Universitäten  in  Berlin  und  Bonn,  wandte  eieh  dsna  der 
Musik  zu  und  ging  bei  Friedrich  Kiel  in  die  kontrapunktische  Lehre.  Ihm  soiiHe  Robeit 
Franz  und  Franz  Liszt,  mit  denen  er  später  einen  intimeren  Verkehr  unterliiel^  verdsnkt 
Taubert  seine  künstlerische  Erziehung  und  Ausbildung;  Von  seinen  Kompositioiiea  ssisn 
hier  besonders  erwähnt  die  Lieder-Zyklen  aus  Julius  Wolffs  .Tannhluser*,  das  JJ^b»- 
leben**  aus  Julius  Stindes  „Liedermacher*,  seine  Hefte  italienischer  Volksfeslnfe  nsch 
Gregorovius,  „Gebet*  von  Hebbel,  „Trabant*  von  Richard  Leander,  ferner  die  Streichquartette 
in  fls-moll  und  d-moll,  das  Klavierquartett  in  Es-dur,  das  Quintett  in  B-dur  fOr  Klavier 
und  Blasinstrumente.  Seit  1905  ist  Taubert  Mitglied  der  Königlichen  Akademie  in  Berlin, 
seit  dem  ersten  Kaiser- Wettsingen  der  deutschen  Männergesangvereine  Mitglied  der  Berliner 
Kommission,  die  die  Vorarbeiten  dazu  zu  erledigen  hat.  Dem  Stemschen  Konservatorium 
gehört  er  seit  20  Jahreii  an;  seit  40  Jahren  ist  er  als  Musikkritiker  der  «Post*   titig. 

Den  Beschluß  bildet  ein  Porträt  des  genialen  Vortragsmeisters  Dr.  Ludwig 
Wüllner,  der  am  19.  August  seinen  50.  Geburtstag  beging. 


Nachdruck  nur  mit  ausdrücklicher  Erlaubnis  des  Verlages  gesttttet 

Alle  Rechte,   Insbesondere  das  der  Obersetzung,  vorbehalten 

Verantwortlicher  Schrirtlelter:  Kapellmeister  Bernhard  Schuster,  Berlin  W  57,  Bfilowstr.  1071. 


L.eiXSEBHECHT 

wn    Tenor  und  xuvi   Baft  -  SUnnen 
Sopran,  AU,  IViiM-  und   B^-3liramw. 


»  B   S<Mt>  Sütmoi. 


ORIGINALTITEL  DES  CHORLIEDES  »GUTENBERGS  BILD- 
VON  CARL  LOEWE 


O^tilfA^/Ki^  'r^ 


4 


ERSTE  SEITE  DER  ORIGINALPARTITUR 
DES  CHORLIEDES  .MÄRZNACHT"  VON  CARL  LOETE 


THEODOR   KULLAK 
*  12.  September  1818 


Hina  Schröder,  Berlin,  phol. 


ERNST  EDUARD  TAUBERT 
■  25.  September  1838 


LUDWIG  WÜLLNER 
•  19.  August  1858 


DIE  MUSIK 


Die    Kunst   ertindet    nicht   die  Ideale,   sie 

gestallet  sie   bloD  je  nach  dem  Geist  der 

Zeit    und  des   Volke»,    dem  der  Künstler 

angehört. 


Ludwig    Ricbtei 


VlI.  JAHR  1907/1908  HEFT  24 

Zweites  Sepiemberheft 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 
Verlegt  bei  Schuster  &  LoefFler 
Berlin  W.  57,   Bülowstrasse  107 


^Ar-HdELÄ.. 


WAGNERS  TRISTANAKKORDE 
EINE   .REMINISCENZ" 

Von  Edgar  Istel-München 


FcT  Kanzler  Friedrich  von  Müller  unterhielt  sich  am  24.  Juni  1826 
,  mit  Goethe  und  berichtet  darüber:  .Als  ich  von  der  Behauptung 
I  des  .Journal  des  Dibats'  sprach,  daß  eine  Melodie  aus  dem 
I  .Freischütz'  Motive  aus  Rousseau'«  Musik  enthalte,  schalt  «r 
lebhaft  alles  solches  Nachgrübeln  von  Parallelstellen.  Es  sei  ja  alles,  was 
gedichtet,  argumentiert,  gesprochen  werde,  allerdings  schon  dagewesen,  aber 
wie  könne  denn  eine  Lektüre,  eine  Konversation,  ein  Zusammenleben 
bestehen,  wenn  man  immer  opponieren  wolle:  Das  habe  ich  ja  schon  im 
Aristoteles,  Homer  und  dergl.  gelesen.") 

Goethes  Wort  in  Ehren:  jeder  wahrhaft  schfipferische  Geist  wird  ein 
banausisches  Herumschnüffeln  in  der  Gedankenwelt  des  Genius  verabscheuen, 
wenn  damit  nur  bezweckt  wird,  den  Beweis  zu  führen,  dies  und  jenes  sei 
von  dem  oder  jenem  .entlehnt"  oder  wohl  gar  .gestohlen"  worden. 
Namentlich  innerhalb  der  Musik  wird  diesem  hübschen  Sport  ja  mit  Var- 
liebe  gehuldigt,  und  nichts  freut  den  Dilettanten  mehr,  als  in  zeitgenSssischen 
Werken  jeden  allerierten  Akkord  womdgllch  als  .wagnerisch"  anzukreiden. 
Zugegeben,  daO  sich  die  musikalische  Produktion  der  letzten  Jahrzehnte 
vielfach  sehr  äufierlich  gerade  an  wagnerische  Stileigentümlichkeilen  an- 
lehnte, so  mag  doch  der  Beweis,  daß  eine  Akkordverblndung,  die  wie 
keine  andere  nicht  nur  als  spezifisch  wagnerisch,  sondern  als  geradezu 
epochemachend  und  für  den  Meister  bezeichnend  gilt,  mehrfach  vor 
Wagner  fast  wdttlich  angewandt  wurde,  nicht  nur  zur  Bescheidenheit 
gegenüber  jedem  echten  und  ehrlichen  Schaffen  mahnen,  sondern  zugleich 
als  höchst  interessanter  Beitrag  zur  Geschichte  der  Entwicklung  unserer 
modernen  Harmonik  gelten.  Eine  solche  kleine  Untersuchung,  auf  die  mich 
eine  zulfillige  Enldeckung  gebracht  hat,  kann  auch  schon  deshalb  nicht  von 
dem  Goeiheschen  Einwand  getrotTen  werden,  weil  es  sich  hier  nicht  um 
den  Nachweis  der  .EntlebnuDg'  eines  in  seiner  Art  einzigen,  wunder- 
samen musikalischen  Gedankens,  sondern  lediglich  um  die  Feststellung 
der  EniwickeluDg  eines  Kunslmiltels  —  der  chromatischen  Harmonik  — 
handelt. 


')  Gocrhes   Unterbaliuoien   mit  dem  Kiniler  Friedrich   von  MQllcr,  bei 
cegeben  von  C.  A.  H.  Burtkbaidt.   2.,  siaik  vcimcbite  Auflage.  Siultgail  1868,  S. 


328 
DIE  MUSIK  VII.  24. 


Ober  die  Akkordverbindung,   mit  der  Wagners  Tristtn-Wanderwelc 
beginnt,  die  schmerzlich-süße  Harmoniefolge: 

1.    Wagner 


c/         W^^ 


I 


■7^ 5 ^SL_ 


& 


^ 


V 


^ 


18t  schon  viel  Tinte  vergossen  worden.  Während  die  konservativen  Musiker 
in  dieser  Verbindung,  die  sich  außerordentlich  einfach  als.  Förtschreitnng 
des  übermäßigen  Terzquartakkords  der  2.  Stufe  von  a*moll  zum  Dominant- 
septimenakkord  der  gleichen  Tonart  mit  zwei  freieintretenden  aufwirts- 
führenden  chromatischen  Vorhalten  erklärt,  den  Gipfelpunkt  der  Toll- 
kühnheit, Unsinnigkeit  und  Kakophonie  erblicken  zu  müssen  glaubten, 
wollten  die  Parteianhänger  Wagners  gerade  in  dieser  Folge  etwas 
prinzipiell  Neues,  noch  nie  Dagewesenes,  sehen.  Carl  Mayrberger,  der 
in  einer  im  vierten  Jahrgang  der  «Bayreuther  Blätter*,  1881  (S.  160  IT.), 
veröffentlichten  Studie  »Die  Harmonik  R.  Wagners  an  den  Leitmotiven 
des  Vorspieles  zu  Tristan  und  Isolde  erläutert'  wohl  zum  ersten  Male 
eine  einwandfreie  theoretische  Erklärung  dieser  vielumstrittenen  Gebilde 
gab,  betont  zwar,  daß  Qas  19.  Jahrhundert  sich  »in  seinem  Beethoven, 
Schubert,  Weber,  Spohr  schon  mehr  und  mehr  der  Chromatik  zuneigte*, 
glaubt  aber,  «erst  mit  Richard  Wagner  eine  ganz  neue  Ära*  der  Chromatik 
datieren  zu  müssen.  Mayrberger  vergißt  in  dieser  Aufzählung,  in  der 
allerdings  bereits  Spohr  genannt  ist,  Meister,  die  für  die  Chromatik  von 
höchster  Bedeutung  sind:  ganz  abgesehen  von  Bach  den  noch  dem  18.  Jahr- 
hundert angehörenden  Mozart  und  ferner  Liszt,  sowie  Chopin,  ohne 
dessen  Harmonik  die  Liszts  gar  nicht  denkbar  ist,  und  Schumann.  In  der 
Tat  finden  wir,  wenn  wir  eine  aus  zufälliger  contrapunktischer  Stimm- 
führung bei  Bach  hervorgegangene  ähnliche  Folge  unberücksichtigt  lassen 
wollen,  bereits  bei  Mozart  die  vielumstrittene  Akkordverbindung  fast 
wörtlich.  Im  zweiten  Satz  (Andante  con  moto)  des  1783  komponierten 
Es-dur  Streichquartetts    (Köchel    No.  428)    erscheint    Takt    10    folgendet 

Gebilde:  ^      .. 

2a.  Mozart 


^^ 


329 
ISTEL:  TRISTANAKKORDE  EINE  .REMINISZENZ« 


Man  nehme  an  diesem  Takt  zwei  unwesentliche  Verinderungen  vor,  indem 
man  die  erste  Violine  eine  Oktave  tiefer  legt,  also  die  zweite  Violine  zur 
Oberstimme  macht,  und  das  Ganze  um  einen  Halbton  in  die  Höhe  transponiert 
Überraschend  tritt  dann  folgendes  zutage: 

2b. 


]^r-^^rifßnE 


Der  Unterschied  zwischen  der  Mozartschen  und  der  Wagnerschen 
Folge  ist  nicht  sehr  groß.  Läßt  man  das  f  des  Violoncells  nur  ein  Achtel 
früher  eintreten,  so  besteht  der  einzige  Unterschied  zwischen  Wagner  und 
Mozart  nur  noch  in  der  Alteration  des  Terzquartakkords  zum  »übermäßigen* 
bei  Wagner.  Aber  noch  etwas  ist  für  die  ältere,  minder  kühne  Praxis 
bemerkenswert:  Mozart  läßt  das  h  nicht  liegen,  geht  also  nicht  vom 
Terzquartakkord  direkt  in  den  Dominantseptakkord  über,  sondern  erzielt 
durch  Einschiebung  eines  a  in  der  Bratsche  einen  Sextakkord,  ebenso  wie 
er  sich  scheut,  den  für  seine  Zeit  äußerst  kühnen  Vorhalt  gis  gleichzeitig 
mit  dem  Baß  f  eintreten  zu  lassen.  Bei  Mozart  liegt  so  ein  doppelter 
Harmoniewechsel  vor:  vom  Sextakkord  der  siebenten  Stufe  über  den  Sext- 
akkord der  zweiten  Stufe  zum  Dominantseptakkord.  Aber  immerhin  ist 
dieser  Mozartsche  Takt  eine  gerade  ihrer  vorsichtigen  Einführung  halber 
äußerst  merkwürdige  Vorstufe  zur  modernen  Chromatik,  der  sich  Mozart 
ohne  Zweifel  in  kühnster  Weise  angeschlossen  hätte,  wäre  ihm  eine  ins 
19.  Jahrhundert  —  etwa  bis  1826  —  sich  erstreckende  Lebensdauer  be- 
schieden gewesen. 

Ein  höchst  interessantes  Mittelglied  zwischen  Mozart  und  Wagner 
habe  ich  nun  gelegentlich  der  Studien  zu  meinem  demnächst  bei  Teubner 
in  Leipzig  erscheinenden  Buche  «Die  Blütezeit  der  musikalischen  Romantik 
in  Deutschland*  entdeckt.  In  Spohrs  Oper  , Der  Alchymist*  (komponiert 
von  Oktober  1829  bis  April  1830,  aufgeführt  zum  ersten  *Male  in  Kassel, 
am  28.  Juli  1830)  findet  sich  auf  Seite  114  des  gedruckten  Klavierauszugs 
(Berlin,  Schlesinger)  als  No.  14  des  zweiten  Aktes  eine  Romanze  mit  Chor 
in  arabischem  Charakter,  die  mit  der  Haupthandlung  nicht  im  Zusammen- 
hang steht^.  In  dieser  Romanze  finden  sich  Wagners  Tristanakkorde  nicht 
nur  in  der  gleichen  Tonart,  sondern  auch  wie  bei  Wagner  sequenzartig 
fortgebildet,  wenn  freilich  auch  nicht  ganz  in  der  kühnen  Wagnerschen 
Form  und  teilweise  sogar  vorsichtiger  als  bei  Mozart  eingeführt: 


DIE  MUSIK 


Die    Kunst   eründet    nicht  die  Ideale,   sie 

gestaltet  sie   bloD  je  nach  dem  Geist  der 

Zeit    und   des   Volkes,    dem  der  Künstler 

angehört. 


Ladvlg   Richter 


VII.  JAHR  1907/1908  HEFT  24 

Zweites  Septemberbeft 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 
Verlegt  bei  Schuster  &  LoefFler 
Berlin  W.  57,   Bülowstrasse  107 


^AKCiC^. 


332 
DIE  MUSIK  VII.  24. 


mal.*  Bekannt  sind  auch  die  Stellen  des  Briefwechsels  mit  Liszt,  in 
denen  Wagner  von  der  außerordentlichen  musilcalischen  Anregung,  die  ihm 
Liszts  Schöpfungen  gewährten,  spricht:  »Ohne^  diese  Anregungen  aber 
müssen  meine  geringen  [I]  musikalischen  Fähigkeiten  ihre  Ergiebigkeit 
verlieren"  und  ein  andermal:  »Deine  drei  letzten  Partituren  aollen  mich 
wieder  zum  Musiker  weihen  für  den  Beginn  meines  zweiten  Aktes' 
(Siegfried).^)  Wie  dem  auch  sein  mag  —  jedenfalls  taucht  in  dem  1844 
komponierten,  aber  erst  in  den  sechsziger  Jahren  (das  genaue  Jahr  vermag 
selbst  Lina  Ramanns  umfassende  Lisztbiographie  n}cht  anzugeben)  er^ 
schienenen  Lied  »Ich  möchte  hingehn"  von  Liszt  plötzlich  und  ganz  un- 
vermittelt folgendes  Motiv  auf: 

G.  Liszt 


K 


^ 


^e 


'tfi^ — ^-§ 

Merkwürdigerweise  ist  es  wieder  die  selbe  Tonart  wie  bei  Spohr  und  Wagner. 
Liszt  hat  im  Gegensatz  zu  Spohr  zwar  den  Terzquartakkord,  aber  ohne 
die  Alteration  des  d  in  dis,  steht  also  zwischen  Spohr  und  Wagner  wieder 
genau  in  der  Mitte.  Und  so  bleibt  schließlich,  wenn  auch  die  Auflösung 
in  den  Dominantseptakkord  mit  chromatischem  Vorhalt  sich  schon  bei 
Mozart,  Spohr  und  Liszt  findet,  doch  der  übermäßige  Terzquartakkord  mit 
frei  eintretendem  Vorhalt  Wagners  Eigentum.  Bemerkenswert  erscheint 
noch,  daß  auch  Liszts  Lied,  das  der  Wiederbegegnung  des  Meisters  mit 
seiner  Freundin  Caroline  Saint-Cricq  *)  seine  Entstehung  verdankt,  aoa 
einer  Tristanstimmung  hervorgewachsen  ist:  die  Geliebte  seiner  Jugend 
war  die  Gattin  eines  anderen  geworden,  und  in  den  schmerzensvoUen 
Klängen  des  Liedes  suchte  Liszt  auszusprechen,  was  ihn  bewegte.  Welch 
wundersame  Verknüpfung  des  Schaffens  zweier  Genien;  und  beide  reichen 
wieder  über  Zeit  und  Raum  hinweg  die  Hand  zum  Bunde  mit  verwandten 
Geistern,  die  den  selben  Tongedanken  zwar  geahnt,  ihm  aber  jene  höchste 
Bestimmtheit  des  Ausdruckes,  wie  sie  nur  das  große  Erlebnis  verleiht,  an 
schenken  noch  nicht  imstande  waren. 


>)  Man  vergleiche  im   fibrigea  die  ausgezeichnete   Darlegung  des  Biafini 
Liszfs  auf  Wagner  in  dem  hervorragenden  LIsztbucbe  von   Rudolf  Louis,  Beriia 
1900,  S.  00  ff. 

*)  Vgl.  Ramann:  Liszt,  zweiter  Band,  erste  AbteUang,  Leipzig  1887,  S.  240l 


Isx  Seiffert  hat  in  seiner  trefflichen  .Geschichte  des  Klaviers' 
die  Fülle  der  Erscheinungen  in  der  vorbachischen  Zelt  sorg- 
fältig geordnet  und  die  Gnindzüge  der  Entwickeluag  festgelegt. 

I  Seine  Arbeit  vird  ergänzt  durch  eine  Reihe  teils  ihm  voran- 
gegangener, teils  nachgefolgter  Ausgaben  alter  Klaviermusik.  Man  sollte 
glauben,  es  mfiDte  eine  Freude  sein  ffir  das  Heer  unserer  Klavierspieler, 
in  dem  nun  wenigstens  gelichteten  Urwald  sich  heramzutummeln,  die 
Frische  des  Neulandes  zu  genießen  und  selbst  Entdeckerfreuden  zo  suchen, 
deren  immer  noch  genug  zu  holen  sind.  Dem  ist  bekanntlich  nicht  so, 
sondern  nur  verschwindend  wenig  hat  sich  bis  jetzt  die  moderne  Praxis 
zurückerworben. 

.Das  Gesetz  der  Trägheit",  wird  der  Physiker  sagen.  Gewiß,  diese 
Naturkraft  wird,  wie  bei  allem  Neuen,  erst  überwunden  werden  müssen. 
Sie  ist  es  aber  nicht  allein,  die  hemmt;  es  gibt  noch  andere  Radscbnhe. 
Einer  ist  das  Nichtmehrvorhandensein  und  die  Unkenntnis  der  alten 
Klaviere,  für  die  die  alten  Komponisten  schrieben  und  denen  sie  viele 
Ellbkte  abgewannen,  die  auf  dem  Pianoforte  nicht  herauskommen.  Dann 
ist  die  Art  und  Weise,  in  der  man  sich  der  alten  Musik  nShert,  oft  eine 
verkehrte.  Dos  verschulden  manchmal  die  Herausgeber.  Es  ist  menscblicb, 
daß  man  die  Vorzüge  des  Meisters,  mit  dem  man  sich  besonders  vertraut 
gemacht  hat,  besonders  hoch  einschätzt  und  die  Schwächen  darüber  vergißt 
—  man  kann  sich  auch  in  ein  hSCliches  Mädchen  verlieben,  wenn  man 
im  näheren  Verkehr  besondere  Vorzüge  an  ihm  entdeckt.  Es  ist  aber 
vom  Schaden,  wenn  der  in  seinen  Meister  verliebte  Herausgeber  dessen 
Vorzüge  über  alles  hochpreist  und  die  Mängel  verschweigt.  Man  muß 
den  Editoren  Besonnenheit  anempfehlen.  Die  Freude  darüber,  verloren 
gewesenes  Gut  neu  bieten  zu  dürfen,  darf  nicht  mit  ihnen  durchbrennen, 
sie  müssen  auch  die  Mängel  beachten  und  ehrlich  eingestehen.  Die 
künstlerische  Kritik  darf  vor  historischen  Größen  nicht  haltmachen, 
sondern  muO  hier  erst  recht  mit  aller  Schärfe  einsetzen.  Vo  das  nicht 
geschehen  ist,  fühlt  sich  der  Spieler,  der,  verlockt  durch  ein  paar  be- 
geisterte Urteile  auf  der  ersten  Seite  der  Einleitung,  aber  sonst  unvor- 
bereitet an  einen  neu  ausgegrabenen  Meister  herantritt,  leicht  genatFBbn, 
und    auf  solche  Weise   mag  manch'  einem  die  alte  Musik  überhaupt  ver- 


334 
DIE  MUSIK  VII.  24. 


leidet  worden  sein.  Auf  der  andern  Seite  muß  zur  Ehrenrettung  der 
Historiker  allerdings  wiederum  gesagt  werden,  daß  derartige  Irrtümer 
seltener  wären,  wenn  die  Musiker  die  ganzen  Einleitungen  lesen  wfirden, 
die  denn  doch  meist  noch  durchscheinen  lassen,  was  man  eigentlich  zu 
erwarten  hat.  Aber  wie  sollten  Musiker  Zeit  finden,  eine  gelehrte  Ein- 
leitung durchzulesen? 

Darum  soll  es  hier  einmal  mit  kleinen  Essays  versucht  werden. 


Johann  Kuhnau,  1660—1722 '). 

Auch  Kuhnau  hat  seine  Schwächen;  die  größte  ist  eine  gewisse 
Monotonie  des  Rhythmus.  Sein  etwas  bedenklicher  Lieblingsrhythmus  tritt 
uns  gleich  im  ersten  Stück  entgegen,  das  er  veröffentlichte,  dem  Priludium 
der  ersten  Partie  im  ersten  Teil  der  Klavierübung  (1689): 


Diese  Dreiachtel-Anakruse,  wie  sie  der  Rhythmiker  Lussy  nennen 
würde,  gehört  bekanntlich  zum  Rüstzeug  aller  leierigen  sentimentalen  Musik, 
und  man  hat  mit  Recht  hervorgehoben,  daß  die  Leistung  Beethovens  in 
der  c-moll  Symphonie  um  so  gewaltiger  erscheint,  als  sie  über  das  rhythmisch 
alltägliche  J~^  |  J  |  gebaut  ist.   Kuhnau  verwendet  diesen  Rhythmus  hiuBg 

thematisch  und  als  Mittel,  die  Bewegung  fortzuführen,  man  findet  ihn  bei 
ihm  auf  Schritt  und  Tritt.  In  seinem  kontrapunktischen  Stil  ist  er  freilich 
ein  treffliches  Mittel,  die  Stimmen  abwechselnd  und  mit  vorzüglicher 
Klangwirkung  zu  bewegen,  wie  schon  das  obige  Beispiel  zeigt;  aber,  wenn 
auch  geschickt,  so  wendet  er  ihn  doch  viel  zu  viel  an. 

Vorzüglich  dagegen  ist  sein  Satz,  trotzdem  er  sich  darin  «nach  An« 
leitung  berühmter  Meister,  bisweilen  mit  Fleiß  etwas  negligent  erwiesen*. 


^)  Eine  von  K.  Pisler  sorgPiltig  besorgte  Gestmttusgabe  von  Kuhnaas  Klavier- 
werken Hegt  in  den  »Denkmilern  deutscher  Tonkunst*,  1,4.  Bd.  vor  (Breitkopf  &  Hirtel). 
Größere  Auswahlen  haben  herausgegeben:  Farrenc  («Le  Tresor  des  Pianiites",  3L  Bd^ 
Durand),  Sbedlock  (Augener)  und  W.  Niemann  (Breitkopf  &  Hirtel).  —  Die  Blogn^bis 
Kuhnaus  schrieb  mit  Benutzung  aller  erreichbaren  Quellen  R.  Mfinnich  (Sammslblads 
d.  Int.  Musikgesellschafc,  3.  Jahrg.).  —  Den  Roman  Kuhnaus  «Der  musikalische  Qosck- 
s alber*  hat  K.  Benndorf  neu  herausgegeben  (Berlin  lOCX),  Behrs  Verlag). 


335 
NEF:  JOHANN  KUHNAU 


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vorzuglich  eben  in  der  Lebendigkeit  der  Stimmen.  Man  erkennt  unschwer, 
daß  Kuhnau,  trotzdem  er  mit  seiner  Negligence  Klavierstil  anstrebt,  noch 
im  Banne  des  Vokalsatzes  steht.  Es  ist  jener  prächtige  Vokalsatz,  der  in 
den  Choralbearbeitungen  der  mittel-  und  norddeutschen  Meister  seine 
schönsten  Blüten  getrieben  hat,  den  er,  etwas  frei  allerdings,  aufs  Klavier 
überträgt.  Man  könnte  fast  versucht  sein,  einzelnen  seiner  Sarabanden  und 
Arien  (G-dur,  A-dur)  Texte  unterzulegen  und  sie  als  Chorlieder  singen  zu 
lassen.  Es  wären  jedenfalls  echtere  als  manche  moderne,  die  den  zu 
Kuhnau  gegensätzlichen,  sachlich  schlimmem  Fehler  haben,  im  Klaviersatz 
gestümpert  zu  sein.  In  Bezug  auf  lebendige  Kontrapunktik  ist  Kuhnau, 
wie  viele  seiner  Kollegen,  für  unsere  Zeit  äußerst  lehrreich. 

Wenn  er  im  Allgemeinen  noch  nicht  zu  einem  ausgesprochenen  Klavier- 
satz durchgedrungen  ist,  wie  vergleichsweise  das  Klaviergenie  Froberger, 
so  hat  er  einen  solchen  doch  angestrebt  und  in  einzelnen  Stücken  wenig- 
stens erreicht.     Das  E-dur  Präludium  der  ersten  Klavierfibung  z.  B.: 


zeigt  typischen  homophonen  Klavizymbelstil,  und  wer  für  fünf  Pfennige 
historischen  Sinn  hat,  wird  es  als  interessanten  Vorläufer  des  Bachschen 
in  C-dur  gern  durchspielen. 

Damit  kommen  wir  auf  den  Neuerer  Kuhnau.  Sein  homophoner 
Satz  war  eine  kühne  Neuerung,  seine  Einführung  der  Sonaten  form  in  die 
Klavierkomposition  eine  epochemachende  Tat.  Er  hat  bekanntlich  seiner 
zweiten  Suitensammlung  (Klavierübung,  II.  Teil,  1692)  eine  »Sonate  aus 
dem  B"  angehängt:  die  erste  deutsche  Klaviersonate.  Damit  trafs 
Kuhnau  seiner  Zeit.  Die  Nachfrage  war  groß;  was  für  ein  deutsches  Klavier- 
werk unerhört  war:  vier  Auflagen  wurden  nötig,  und  das  folgende,  nun  nur 
noch  Sonaten,  sieben  an  der  Zahl,  enthaltende  Heft  brachte  es  sogar  auf 
fünf  Auflagen. 

Es  war  die  Zeit,  da  die  freie  Instrumentalmusik  in  Deutschland  zum 
ersten  Mal  ihre  Schwingen  regte.  Rosenmüller  hatte  mit  der  Einführung 
von  »Symphonien''  in  die  Orchestersuite  eine  Bresche  geschlagen  in  den 
Ring  der  Tänze  und  war  dann  ganz  zur  freien  Sonatenfol^  übergegangen, 
und  in  Österreich  war  Biber  mit  seinen  kühnen  Violinsonaten  hervor- 
getreten. Wie  in  diesen  Werken  macht  sich  auch  in  den  Sonaten  Kuhnaus 
das  Bestreben   geltend,  der  Instrumentalmusik  neue  Ausdrucksgebiete  zu 


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DIE  MUSIK  VII.  24. 


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erringen.  Die  echt  deutsche  instrumentale  Phantasie  war  wohl  schon  vor- 
handen, aber  es  fehlten  noch  die  Formen,  in  die  sie  sich  hätte  ergießen 
können.  Dem  Formensinn  der  Romanen  war  es  vorbehalten,  das  goldene 
Gerüst  zu  erstellen,  das  der  Phantasie  der  Deutschen  den  Halt  gab,  sich 
in  die  höchsten  Höhen  zu  schwingen,  ohne  zu  stürzen.  Corel li  schuf  die 
viersätzige  Sonaten  form  mit  dem  Doppelpaar  eines  langsamen  und  eines 
schnellen  Satzes  und  A.  Scarlatti  die  vollendetste  der  Formen,  die  klas- 
sische dreisätzige  Symphonie,  die  auf  das  Konzert  und  die  Sonate  fiberging. 
Von  diesen  Errungenschaften  konnte  Kuhnau  nicht  mehr  Nutzen 
ziehen.  Er  versuchte  es  mit  einer  Mischung  überlieferter  älterer 
Formen;  nachdrücklich  legt  er  selbst  Gewicht  auf  die  Fuge,  die  haupt- 
sächlich in  der  Orgelmusik  ihre  instrumentale  Ausbildung  gefunden  hatte; 
damit  verbindet  er  Elemente  der  Triosonate  und  des  eben  aufkommenden 
konzertierenden  Stils,  flicht  die  typischen  gesanglichen  Dreizweitel-Sitze, 
die  Rosenmüller  aus  Venedig  gebracht  hatte,  ferner  Tanzsätze,  einmal  «ach 
eine  Sonatina  (alten  Stils)  mit  ein.  Diese  bunte  Sonatenform  hat  bekannt- 
lich keine  Fortentwickelung  gefunden;  Bach  pflegt  die  Fuge  für  sich  and 
folgt  in  den  freien  Formen  den  inzwischen  zur  vollen  Ausprägung  gelangten 
italienischen  Typen. 

In  ihrem  Ringen  nach  neuer  Form  erregen  aber  die  Sonaten  Kuhnaos 
besonderes  Interesse.  Rein  musikalisch  geurteilt,  muß  dagegen  gesagt 
werden,  daß  die  Schwäche  rhythmischer  Einförmigkeit  zuweilen  auch  hier 
sich  bemerkbar  macht.  Weil  rhythmisch  durchwegs  prägnant,  ist  die  vierte 
Sonate  in  C-moll  entschieden  die  bedeutendste.     Gleich  das  erste  Motiv: 


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zeichnet  sich  durch  seine  markante  Gestalt  aus,  so  frische  rhythmische 
Bildungen  sind  bei  Kuhnau  selten.  Die  Klarheit  seiner  Fugen  hat  schon 
Mattheson  hervorgehoben;  sie  sind  historisch  eine  VorstufSe  zu  den  Bach- 
schen  und  könnten  wohl  auch  pädagogisch,  in  der  Klavierstunde,  als  solche 
verwendet  werden,  wobei  freilich  daran  zu  erinnern  ist,  daß  von  Kolinan 
zu  Bach  ein  Riesenschritt  ist.  Für  den  zuweilen  etwas  matten  Rhythnras 
entschädigen  die  Sonaten  öfter  durch  interessante  harmonische  Kombina- 
tionen; als  einziges  Beispiel  eine  chromatische  Baßführung  aus  der  zweiten 
Sonate: 


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NBF:  JOHANN  KUHNAU 


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In  der  Harmonie  kommt  überhaupt  Kuhnaus  Geistesschärfe  am  eindringlich- 
sten zum  Ausdruck. 

Von  der  Buntheit  seiner  Sonaten  war  Kuhnau  augenscheinlich  selbst 
nicht  befriedigt;  er  suchte  nach  einem  festen  Halt  und  fand  ihn  —  im 
Programm.  Er  wurde  zum  Berlioz  seiner  Zeit.  Die  verwandten  Züge 
bei  den  beiden  aufzudecken,  ist  amüsant  und  vielleicht  sogar  lehrreich. 
Beide  waren  wissenschaftlich  klassisch  gebildet.  Berlioz  hatte  wenigstens 
in  das  Medizinstudium  hineingeschmeckt,  Kuhnau  war  Jurist.  Sie  hatten 
lebhafte  literarische  Interessen  und  auch  literarischen  Ehrgeiz.  Der  war 
gewürzt  durch  eine  stark  satirische  Ader;  wie  Berlioz  in  den  Grotesques 
de  la  masique  die  Schwächen  im  Musiktreiben  seiner  Zeit,  so  hat  Kuhnau 
diejenigen  der  seinigen  in  dem  Roman  «Der  musikalische  Quacksalber^ 
mit  ätzendem  Spott  gegeißelt.  Literarische  Intentionen  hatten  sie  auch  in 
ihren  Programmen.  Daß  beide  darin  nicht  immer  ganz  geschmackvoll  sich 
gebärdeten,  mag  als  letzter  Vergleichspunkt  erwähnt  sein,  so  Kuhnau  z.  B., 
wenn  er  das  Programm  zu  der  Sonate  «Der  von  David  vermittelst  der 
Musik  curirte  Saul"  mit  folgender  Einleitung  beginnt: 

»Unter  die  harten  Scblige,  die  uns  Gott  aus  heiligen  Ursachen  zuweilen  gibt, 
geboren  auch  die  Krankheiten  des  Leibes.  Von  diesen  kann  man  im  eigentlichen 
Verstände  sagen,  daß  sie  wehe  thua.  Daher  war  die  Invention  jenes  Medici  in  Padua 
et>en  nichts  licherliches,  da  er,  indem  er  über  seiner  Haus-Thfire  die  Krankheiten 
abbilden  weite,  einen  von  vielen  Hunden  angefallenen  und  deswegen  von  Schmertzen 
sich  übel  gebertbenden  Mann  abmalen  ließ.  Jeder  von  diesen  Hunden  hatte  seinen 
eigenen  Nahmen,  und  verrichtete  dasjenige,  was  sein  Nähme  mit  sich  brachte.  Der 
Hund  Podagra,  bisse  den  Menschen  in  die  Fuße;  der  Hund  Seitenstechen  in  die 
Lenden;  der  Stein  in  die  Nieren,  das  Grimmen  in  den  Bauch,  und  so  fort.* 

Genau  genommen  ist  aber  die  Naivität  des  alten  Deutschen  doch 
noch  erträglicher  als  die  Überspanntheit  des  neuen  Franzosen.  Kuhnau 
war  übrigens  klug  genug,  nicht  seine  ganzen  Programme  in  Musik  zu 
setzen,  sondern  sie  bilden  eine  Art  literarische  Leistung  für  sich,  und 
nur  ein  knapper  Auszug  daraus  gibt  die  Überschriften  ab  für  die  einzelnen 
Sätze  der  Sonaten.  Diese  bezeichnen  meist  charakteristische  Stimmungen 
und  Situationen,  bei  Saul  z.  B.  heißen  sie:  Sauls  Traurigkeit  und  Unsinnigkeit, 
Davids  erquickendes  HarfTenspiel,  und  Des  Königs  zur  Ruhe  gebrachtes 
GemQte  —  die  sehr  wohl  durch  die  Musik  ausgedrückt  werden  können. 
Kuhnau  ist  überhaupt  ein  besonnener  Programmusiker.     In  der  Vorrede 


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DIE  MUSIK  VII.  24. 


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spricht  er  sich,  wohl  als  Erster,  klar  und  zutrelTend  fiber  die  Greozen  der 
Ausdrucksfähigkeit  der  Musik  aus. 

Daß  er  gerade  eine  »musikalische  Vorstellung  einiger  biblischer 
Historien''  gab  —  so  lautet  bekanntlich  der  Titel  seiner  Programmsonaten 
—  lag  im  Zug  der  Zeit.  Vielleicht,  daß  auch  ein  Vorbild  aus  der  Jng^d 
nachgewirkt  hat.  Er  ist  als  Primaner  in  Zittau  ein  besonderer  Schfitzllng 
des  bekannten  Rektors  und  Schuldramendichters  Christian  Weise  gewesen 
und  hat  in  dessen  Lustspiel  »Von  Jacobs  doppelter  Heyrat*  mitagieit. 
Jfacobs  Heyrat"  lautet  auch  der  Titel  einer  seiner  Sonaten«  und  nicht  nur 
diese,  sondern  alle  haben  einen  stark  dramatischen  Zug;  am  meisten  aas- 
geprägt das  Bild  eines  buntbewegten  Schauspiels  bietet  die  erste:  »Der  Streit 
zwischen  David  und  Goliath". 

Die  Sonaten  sind  geeignet,  trotz  aller  ästhetisch  spekulativen  Negationen, 
den  Wert  der  Programmusik  darzutun;  die  Phantasie  kuhnaus  hat  alch 
an  den  bildlichen  Vorstellungen  sichtlich  gestärkt,  und  er  gewann  durch 
sie  der  Musik  neue  Ausdrucksmittel.  Wie  tretTlich  gezeichnet  ist  das 
»Pochen  und  Trotzen  Goliaths": 


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wie  eindringlich  »Das  Zittern  der  Israeliten": 


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Zu  diesem  kommt  nachher  hinzu:    »Ihr  Gebet  zu  Gott  bey  den  Anblicke 
dieses  abscheuligen  Feindes": 

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Die   Stelle  mit  dem   Choral   »Aus  tiefer  Not"   bringt  in  Erinnerungi   daft 


339 
NBF:  JOHANN  KUHNAU 


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Kuhnau  auch   an    die  Ausfuhrung   auf  der  Orgel  —  das  Titelblatt    zeigt 
wenigstens  eine  orgelspielende  Dame  —  gedacht  hat. 

Der  Satz  von  »Sauls  Traurigkeit  und  Unsinnigkeit"  ist  wohl  das 
Tiefsinnigste,  was  Kuhnau  geschrieben,  trotzdem  er  mit  seinem  Lieblings- 
rhythmus: 


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usw. 


beginnt.     Durch  die  kfiline  rezitativartige  Dil(tion  und  Harmonie  erhält  er 
seine  Bedeutung;  er  bringt  im  Verlauf  eine  Fuge  fiber: 


in  der  Kuhnau  die  Unsinnigkeit  schildern  will,  und  die  darum  ein  so 
charakteristisches,  alle  seine  anderen  weit  hinter  sich  lassendes  Geprige 
erhalten  hat.  Ebenso  ist  ein  menuetartiger  Satz  in  «Jacobs  Heyrat"  zum 
reizendsten  und  poesievollsten  geworden,  was  der  Meister  in  dieser  Art 
geschrieben,  weil  ,man  höret:  Den  in  der  Hochzeit-Nacht  vergnSgten 
Briutigam,  dabey  ihm  zwar  das  Herz  was  böses  saget,  er  aber  solches 
gleich  wieder  vergisset  und  einschläffet*.  Weil  in  der  Musik  die  Ahnung 
Jakobs,  daß  er  nicht  die  geliebte  Rahel,  sondern  die  häßliche  Lea  als  Braut 
erhalten,  zum  Ausdruck  kommt,  erhält  das  Stück  Relief,  im  Gegensatz 
zu  fast  allen  übrigen  heiteren  Stücken  Kuhnaus,  die  zu  harmlos  gleich- 
formig  verlaufen.  Auch  das  allmähliche  Einschlafen  Jakobs  gibt  zu  einem 
hübschen  Effekt  Anlaß.  Von  den  übrigen  Sonaten  wäre  etwa  die  vierte, 
«Der  totkranke  und  wieder  gesunde  Hiskias*,  besonders  hervorzuheben, 
wenn  nicht  auch  hier  der  Dreischlagrhythmus  zuweilen  allzusehr  sich 
vordrängte. 


340 
DIB  MUSIK  VIL  24k 


Charakteristisch  erfunden,  der  Stimmung  und  Situation  entsprechend, 
ist  übrigens  alles  in  den  biblischen  Historien,  nur  wird  vieles  zn  breit 
geschlagen.  Rein  künstlerisch  wird  man  auch  hier  nur  einigen  Teilen 
bleibenden  Wert  zusprechen  dürfen ;  aber  dem  Gesamtwerk  bleibt  die  große 
historische  Bedeutung,  das  Ausdrucksvermögen  der  Instrumentalmnaik  ge- 
steigert zu  haben.  Wer  die  Fähigkeit  hat,  ein  Kunstwerk  nicht  nnr  als 
solches,  sondern  auch  als  Dokument  seiner  Zeit  und  der  Entwickelung  zu 
betrachten,  der  wird  hier  ganz  besonders  auf  seine  Rechnung  kommen, 
und  das  ist  es  wohl  auch,  was  Spitta  mit  »verständig*  meint,  wenn  er  sagt, 
daß  die  biblischen  Historien  «noch  jetzt  jedem  verständigen  Spieler  Genoß 
bereiten''. 

Ein  kurzer  Anhang  sei  noch  gestattet.  In  seinem  satirischen  Roman 
«Der  musikalische  Quacksalber^  hat  Kuhnau  tretTliche  Vorschriften  gegeben 
für  den  zu  seiner  Zeit  so  wichtigen  Seitenzweig  des  Klavierspiels,  für 
das  Generalbaßspiel.  Unter  den  schwebenden  Fragen  der  gegenwärtigen 
Renaissancebewegung  ist  die  der  Aussetzung  des  Continuos  eine  der  wich- 
tigsten. Darum  seien  Kuhnaus  goldene  Worte  hier  noch  zur  allgemeinen 
Kenntnis  gebracht  und  er  selbst,  der  grundgescheite  und  erfahrene  Mnsiker, 
damit  dem  Leser  nochmals  nahegerückt.  Golden  ist  der  Inhalt;  mög^  die 
Worte  beim  ersten  Lesen  manchem  etwas  kraus  erscheinen,  eines  Kom- 
mentars bedürfen  sie  trotzdem  nicht;  wen's  angeht,  der  wird  sie  genau 
lesen  und  den  Sinn  dann  auch  leichtlich  fassen.     Kuhnau  meint: 

«Es  kömmt  freilich  sehr  ungeschickt  heraus,  wenn  mancher  Organist  in  einem 
Generalbasse  seinen  Sack  mit  Manieren  auf  einmal  gedenket  auszuschütten,  und  mit 
allerhand  fantastischen  Grillen  und  Läufern  angestochen  kernt,  da  es  sich  öfters  am 
wenigsten  schicket.  Wenn  er,  indem  zum  Exempel  der  Affectus  tristitiae  von  dem 
Singer  soll  exprimiret  werden,  mit  der  rechten  Hand  so  viel  Lirmen  und  Gepolter 
machtet,  als  wenn  ihm  die  Freude  auf  einmal  in  die  Achsel  gefehren,  oder  er  sonsten 
onsinnig  geworden  wire.  Anderer  ungeriumter  Hindel  zu  geschweigen,  die  er  vor- 
nimmt: ^Tenn  etwa  der  Singer  passagiret,  so  meinet  er,  seine  Hand  müsse  auch 
nicht  stille  sein,  sondern  mit  dem  Kerl  in  die  ^Tene  laufen.  In  summa,  weil  er 
immer  vor  andern  will  gesehen  und  gehöret  sein,  so  lißt  er  seine  Hasen-Ohren 
allenthalben  herfur  gucken.  Hingegen  ist  auch  derjenige  nicht  zu  loben,  der  so 
spielet,  als  wenn  ihm  etliche  Pfund  Blei  an  Fingern  biengen,  oder  wenn  sein  General* 
biß  80  einfiltig  herauskömmt,  als  wenn  er  einen  Choral  mit  vier  Stimmen  ans 
Hermann  Scheins  Kirchenkantional  spielete;  sondern  der  verdienet  allererst  den 
Estim  der  Leute,  der  sich  bei  der  Accompagnatur  einer  modesten  Manier  and  Imitatkm 
bedienet,  auch  dem  Singer  in  seiner  Melodie  mit  einem  guten  Jadldo  aosweiclie^ 
und  unter  seiner  Stimme  so  wohl  zu  moduliren  weil^  als  wenn  man  zwei  Singer  unter 
sich  konzertleren,  und  sonst  einander  accurat  begegnen  hörte.* 


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HANS  VON  BÜLOWS  BEDEUTUNG  FÜR  DAS 
KONZERTLEBEN  DER  GEGENWART 

von  J.  Vianna  da  Motta-Berlin 


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lor  kurzem  faßte  Humperdinck  die  Bedeutung  Wagners  für 
das  Kunstleben  der  Gegenwart  in  die  Worte  zusammen :  er  gab 
uns  die  künstlerische  Freiheit,  wie  Luther  uns  einst  die  mora- 
lische gab.  Was  von  Wagner  auf  diese  Weise  für  das  all- 
gemeine Gebiet,  namentlich  das  schöpferische,  gesagt  wird,  gilt  von  Bülow 
für  das  speziellere  Gebiet  des  Konzertlebens  und  der  Interpretation.  Diese 
fiberragende  Bedeutung,  deren  Folgen  wir  genießen,  ohne  daran  zu  denken, 
wem  wir  sie  verdanken,  tritt  handgreiflich  hervor  aus  seinen  Briefen, 
deren  Herausgabe  seine  Wittwe  mit  Umsicht  und  Hingebung  veranstaltet. 
Das  große  Werk  ist  fast  vollendet,  letzten  Herbst  erschien  der  VI.  Band 
<im  Verlag  Breitkopf  &  Härtel),  der  vorletzte  der  ganzen  Sammlung,  der 
die  Meininger  Periode  von  1880  bis  1886  enthält.  Da  diese  bedeutendste 
Periode  von  Bülows  grandiosem  Wirken  fast  in  die  Gegenwart  hereinragt, 
so  können  wir  schon  von  hier  aus  seine  Bedeutung  für  uns  übersehen. 

Wenn  man  Bülows  unruhiges  Wanderleben  an  sich  vorüberziehen 
läßt,  80  sieht  man  klar  und  bestimmt  das  einheitliche  Band  in  allen  Phasen 
dieses  Feuergeistes.  In  allen  seinen,  so  oft  wechselnden  Anschauungen 
ist  die  Grundstimmung  immer:  künstlerische  Freiheit.  Ob  er  für  Liszt  und 
Wagner,  oder  später  eifriger  für  Brahms  als  für  jene  eintritt,  immer  predigt 
er  das  Evangelium  der  Freiheit.  Nie  ist  er  der  Mann  einer  Partei,  wenn 
es  auch  so  scheint,  und  er  auch  wirklich  von  den  Parteien  dafür  ausgenutzt 
wurde.  Er  war  es  so  wenig,  daß  er  zuletzt  sich  in  einer  tragischen  Ver- 
einsamung befand,  indem  keine  Partei  ihn  ganz  als  den  ihrigen  anerkennen 
wollte.  Den  Konservativen  interpretierte  er  die  ältere  Musik  zu  »frei*, 
den  modernen  Umstürzlern  bot  er  nicht  genug  Unterstützung.  Er  ver- 
stand sich  weder  zum  Anarchismus,  noch  zur  unselbständigen  Anbetung  der 
Tradition.  Das  eben  ist  wahre  Freiheit.  Eins  der  sonderbarsten  Mißver- 
ständnisse ist  es,  Bülow  als  Muster  des  «objektiven*  Musikers  anzusehen, 
der  sklavisch  die  Intentionen  des  Komponisten  befolgt  habe.^)   Gegen  Ende 

^)  Den  Anteil  des  Versttndes  in  seinen  Interpretttionen  htt  er  in  einer  wunder- 
vollen Briefstelle  tn  die  Gtttin  tufs  schirfste  präzisiert:  «Verstand  schifft  nie  Poesie, 
aber  Poesie  schärft  den  Verstand,  ohne  sich  selber  abzustumpfen.  Ich  bei  meinem 
Studieren  gehe  zunächst  rein  verstandesmißig  zu  ^Terke,  damit  nichts  sp9ter,  wenn 
ich  an  den  Gefuhlsvortrag  gehe,  die  Tätigkeit  meiner  Fantasie  hemme,  nichts  mehr 
meine  technische  Aufmerksamkeit  reize.* 

VU.  24.  23 


3R 


342 
DIE  MUSIK  VIL  24. 


seines  Lebens  machten  einige  wiederum  ihm  zum  Vorwurfe,  daß  er  za 
.willkfirlich'  verfahre.  Während  die  Majorität  ihn  für  den  größten  Beet- 
hoveninterpreten hielt,  fanden  andere,  daß  er  manches  durchaus  nicht 
«Beethovensch*  nähme.  Das  zeigt,  wie  wenig  er  im  Grunde  verstanden 
wurde.  Auf  einen  solchen  Tadel  soll  er  geantwortet  haben:  daß  Brabms 
ihm  erklärt  habe,  er  könne  seine  Sachen  spielen  wie  er  wolle;  wie  viel 
mehr  also  könne  er  das  bei  Beethoven  tun,  von  dem  kein  Mensch  mehr 
wisse,  wie  er  sie  eigentlich  gewünscht  habe.  Damit  ist  das  Gespenst  der 
Tradition  vernichtet.  Wo  existiert  sie,  diese  hochheilige  Tradition? 
Tradition  wird  in  jedem  großen  Künstler  von  neuem  geschaffen,  aber 
sie  läßt  sich  durchaus  nicht  fortpflanzen.  Wahre  Tradition  wire  Er- 
starrung, verkehrte  sich  schließlich  in  Entstellung  der  Intentionen  des 
Komponisten.  Das  Große  bei  Bülow  war  eben,  daß  er  bei  aller  Freiheit» 
aller  Subjektivität  nie  in  Launenhaftigkeit  verflel.  Das  einzige  Maßgebende 
beim  Interpreten  ist  der  gegenwärtige  Eindruck.  Und  wenn  man  Bfilow 
Beethoven  dirigieren  hörte,  hatte  man  den  überwältigenden  Eindruck» 
Beethoven  zu  hören.  Wie  er  durch  freies  Nachschaffen  uns  den  Ein- 
druck gab,  eben  Beethoven,  nicht  Bülow  zu  hören,  das  ist  das  Geheimnis 
des  genialen  Interpreten.  Ein  anderer  subjektiver  Künstler  gab  uns  immer 
nur  sich:  ob  er  Beethoven,  Schumann,  Chopin  spielte,  immer  war  es 
Rubinstein,  was  wir  hörten;  die  Werke  waren  ihm  nur  das  Material,  worin 
er  seine  Persönlichkeit  machtvoll  entfaltete.  Gewiß  auch  eine  im- 
posante Kunstform,  aber  höher  steht  doch  diejenige,  die,  ohne  die  eigene 
Persönlichkeit  aufzugeben,  die  fremde  so  aus  sich  heraus  neu  schafft,  daft 
wir  sie  als  das  Urbild  erkennen.  Der  bloße  Kopist  und  der  bloße  gewalt- 
same Umbildner  sind  viel  einfacher  zu  beurteilen.  Bülow  wurden  merk- 
würdigerweise von  verschiedenen  Seiten  beide  Vorwürfe  gemacht.  Aber 
beide  sehr  mit  Unrecht.  Er  hat  eben  das  unnachahmliche  Beispiel  des 
freien  und  doch  treuen  Interpreten  gegeben. 

Es  ist  sehr  bezeichnend,  daß  bei  der  Aufführung  der  .Eroica*  durch 
Mottl  in  Berlin  im  letzten  Winter  fast  jeder  aufatmete:  endlich  hatte  man 
wieder  Beethoven  gehört,  nachdem  man  zwischen  mehr  oder  minder  blassen 
und  subjektiv  gefärbten  Aufführungen  hin  und  her  geworfen  worden  war« 
Nun,  diese  Aufführung  gemahnte  mich  gerade  an  den  Geist  Hans  vonBfilows: 
da  war  dasselbe  verzehrende  Feuer,  die  Natürlichkeit  der  Empfindung,  die 
Freiheit  des  Dirigenten,  gepaart  mit  Treue  gegen  die  Komposition. 

Als  Richard  Strauß  in  Paris  einmal  Beethovens  Siebente  Sym- 
phonie dirigierte,  tadelte  man  seine  Freiheit  in  der  Wiedergabe,  namentlich 
der  Tempi.  Da  hörte  ich  ihn  sagen:  «Bei  uns  erging  es  Bfilow  genau 
ebenso.*"  Er  bestätigte  also,  daß  man  vor  Bülow  in  Deutschland  ebenso- 
wenig Freiheit  duldete  wie  noch  heute  in  Frankreich. 


J& 


343 
DA  MOTTA:  BOLOW  UND  DIE  GEGEN^TART 


Nun  erhielt  ja  gewiß  Bülow  reichste  Anregung  zu  solchen.  Anschau- 
ungen von  Wagner  und  Liszt,  aber  diese  haben  doch  zu  wenig  gewirkt  als 
Dirigenten  und  konnten  nicht  so  viel  Einfluß  bis  auf  die  Gegenwart  aus-: 
üben,  wie  Bülow  durch  jahrelange  Tätigkeit  in  allen  Ländern.  Wenn  man 
diese  große  Trias  in  dem  Kampfe  für  die  Freiheit  auch  nicht  trennen  kann, 
so  verdanken  wir  doch  Bülow  für  die  Interpretation  in  letzter  Linie  das 
meiste,  die  Befreiung. 

Diese  Wirksamkeit  Bülows  wird  namentlich  in  dem  letzten  Briefbande 
anschaulich,  da  wir  in  diesem  seine  Art,  mit  dem  Meininger  Orchester 
zu  arbeiten,  seine  ausgedehnten  Reisen,  den  beispiellosen  Enthusiasmus, 
den  er  überall  erregte,  miterleben.  Die  unerhörte  Schöpfung  dieses  Or- 
chesters, das  trotz  seiner  numerischen  Schwäche  alle  anderen  stärkeren 
schlug,  ging  aus  von  einem  scheinbar  einfachen  Grundsatz,  den  Bülow 
so  formulierte:  ,In  der  Kunst  gibt  es  keine  Bagatellen.*  In  den  Separat- 
proben ließ  er  ja  bekanntlich  nicht  nur  jede  Instrumentengruppe,  sondern 
sogar  jeden  Geiger  einzeln  probieren.  Welche  ungeheure  Überbürdung 
Bülow  sich  damit  auferlegte,  läßt  sich  vorstellen,  und  so  wundem  wir  uns 
nicht,  ihn  fast  immer  krank  zu  sehen.  Dazu  kamen  noch  seine  so  hoch, 
gespannten  Forderungen,  denn  trotz  aller  Arbeit,  aller  Erfolge  hören  wir 
ihn  erst  im  zweiten  Jahr  der  Reisen  mit  Befriedigung  Von  den  Leistungen, 
des  Orchesters  sprechen. 

Die   Herausgeberin   hat   mit   großem   Geschick   die  Wahl  der  Briefe 
getroffen  und  durch  die  Zeitungsberichte  jener  Zeit  ergänzt,  so  daß  Bülows 
Leben  lückenlos  an  uns  vorüberzieht.    Sie  ist  so  gewissenhaft  vorgegangen, 
daß   sie   nur   Dokumente   der  Zeit   sprechen  läßt,  nicht  einmal  auf  eigene 
Erinnerungen  sich  verlassend,  sondern  für  solche  Fälle,  für  die  keine  fremden 
Dokumente  vorhanden,  eigene  Briefe  aus  jener  Zeit  zitierend.    Von  großem 
Interesse  sind  die  Zeitungsberichte.     Man   hat  den  Einwurf  gemacht,  daß 
das  ja  nur  individuelle  Eindrücke  darstelle.     Ja,  natürlich.     Aber  es  sind 
doch  die  Eindrücke,  die  Bülow  tatsächlich  erweckte.      Woraus  sonst  hätte, 
man  die  ersehen  können?     Und  da  sie  es  durchaus  nicht  auf  eine  Apologie 
absieht,  sondern  mit  historischer  Objektivität  jeder  Stimme  Platz  gewährt, 
so  erhält  man  ein  durchaus  lebendiges  Bild  der  Wirkung,  die.  Bülow  aus-; 
übte.     Dabei  sind  diese  Berichte,  namentlich  die  aus  Wien,  oft  vorzüglich  ^ 
geschrieben,   voll  Verständnis  für  Bülows  Wesen   und   es  treffend  charak-/ 
terisierend.  , 

Daß  sie  sogar  ihren  persönlichen   Besitz,  des  Gatten  Briefe  an  sie,.. 

mit    bewunderungswürdigem    Opfermut    der   Öffentlichkeit    preisgibt,    muß 

man   ihr   verehrungsvoll    danken.      Man  hat  ihr  vorgeworfen,    daß  sie  zu; 

viel  Intimitäten  preisgebe,  die  nicht  vor  die  Öffentlichkeit  gehören.    Wenn 

man   aber  genau   beobachtet,  wie   sie   oft   aus  einem  Briefe  nur  ein  paar 

23* 


344 

DIE  MUSIK  VII.  24. 


mMBSs 


Zeilen  auswählt,  weil  sie  gerade  etwas  Charakteristisches  enthalten,  so 
muß  man  vielmehr  auch  ihren  Takt  und  ihre  Diskretion  anerkennen. 
Notwendig  waren  aber  die  Auszfige  aus  diesen  intimsten  Briefen  vor 
allem  deshalb,  weil  sie  die  einzigen  sind,  in  denen  Bfilow  aich  rfickbaltlos 
über  seine  eigenen  Leistungen  ausspricht.  Bei  Mitteilungen  an  jeden 
andern  ist  er  tausend^ Einflüssen  ausgesetzt,  hier  aber  spricht  er  wie  mit 
sich  selbst. 

Natürlich  muß  man  bei  einem  impulsiven  Stimmungsmenschen,  wie 
Bülow  es  war,  seine  Urteile  nicht  als  definitive  hinnehmen  und  z.  B.  sich 
nicht  wundem,  wenn  er  einmal  sagt,  er  habe  Brahma'  Symphonieen  «satt 
bekommen",  weil  er  sie  auf  einer  Tournee  fast  täglich  dirigieren  mußte. 
Das  war  ein  momentaner  Überdruß,  sehr  natürlich  bei  so  häufiger 
Wiederholung.  Und  wenn  man  sich  daran  stoßen  sollte,  daß  Bfilow  die 
Musik  zum  »Parsifal*  ein  «Capharnaüm  de  dissonances*  nennt  (dagegen  die 
Dichtung  »sehr  schön"  findet),  so  muß  man  bedenken,  daß  die  Absicht 
der  Herausgeberin  nicht  ist,  Bülow  als  unfehlbaren  Richter  hinzustellen 
oder  als  eine  Persönlichkeit,  die  jedem  auch  .gefallen*  solle,  sondern  ihn 
zu  zeigen,  wie  er  war,  mit  allen  Widersprüchen.  Das  richtige  Bild  seines 
Wesens  festzustellen  für  die  Nachwelt,  das  ist  ihr  Bestreben,  die  große 
Aufgabe,  der  sie  sich  mit  Ausdauer  und  im  Kampf  gegen  alle  Schwierig- 
keiten gewidmet  hat.  Und  das  war  notwendig.  Niemand  ist  so  stark 
mißverstanden  worden  wie  Bülow.  Und  nur  jetzt,  solange  die  schwer  zu- 
gänglichen Dokumente  und  Zeugen  noch  erreichbar  sind,  konnte  eine  solche 
Arbeit  geleistet  werden. 

Da  ist  z.  B.  der.  Vielen  bedenklich  scheinende  Brahmskultus.  Man 
ging  so  weit,  Bülows  Aufrichtigkeit  in  diesem  Punkte  zu  bezweifeln 
(s.  Alexander  Ritters  geistreichen  Aufsatz  über  das  .Spanisch  Schöne*  in 
der  Allgemeinen  Musikzeitung  1892).  Man  glaubte  auch,  daß  Bfilow  sich 
für  Brahms  begeisterte  nur  aus  dem  Wunsch,  Wagner  einen  G^enpapst 
entgegenzustellen. 

Würden  nicht  schon  Bülows  unerschütterliche  Wahrhaftigkeit  nnd 
ritterliche  Gesinnung  eine  solche  Annahme  entkräften,  so  wfirde  sie  jeden- 
falls durch  Äußerungen  in  diesem  Bande  ganz  hinfällig  werden.  Sein 
erster  Eindruck  bei  Bekanntschaft  mit  Brahms'  Musik  war  kein  günstiger, 
wie  man  sich  aus  den  früheren  Briefen  erinnert,  und  selbst  1882  schrieb 
er  noch:  «Les  nouvelles  ceuvres  de  Brahms  (Trio,  Quintuor)  sont  d'ane 
s6cheresse  aussi  parfaite  qu'acad6mique.*  Aber  das  war  ein  vorfiber- 
gehender  Eindruck.  In  den  Briefen  an  seine  Frau,  die,  wie  gesagt,  ganz 
frei  von  jedem  Einfluß  sein  müssen,  spricht  er  von  dem  «Riesengeist* 
mit  solcher  Verehrung,  daß  man  unmöglich  etwas  Gekünsteltes  darin 
sehen   könnte.     Mir   scheint   seine  Begeisterung   für  Brahms   viel  tiefere 


345 

DA  MOTTA:   BOLOT  UND  DIB  GEGBNTART 


Grfinde  zu  hiben.  Mit  Liszis  Musik  war  er  vlelteicht,  selbst  in  der  Zeit 
teioes  KampfeB  für  ihn,  innerlich  nie  ganz  verschmolzen,  Bratams  und  — 
Vftgner*)  dagegen,  nameotlicb  die  Herbheit  und  die  formelle  Strenge  und 
Konzentration  Brahms',  entsprachen  mehr  seiner  Natur. 

TIe  tragisch  ist  es  nun,  daß  selbst  der  bocbverebrte  Brahms  Ibm 
Schmerz  zufügte  I  Denn  als  Brahms  in  Konflikt  geriet  zwischen  seinen 
alten  Freunden  (Clara  Schumann,  Reinecke  usw.)  und  Bülow,  hielt  er  trotz 
allem,  was  er  diesem  verdankte,  nicht  unbedingt  zu  ihm.  Ein  tief  ver- 
wundender Pfeil  mehr,  wie  Bülow  deren  leider  so  viele  in  seinem  Leben 
empfangen.  Wenn  er  jemand  mit  heißem  Herzen  entgegenkam,  sich  ihm 
mit  Hingabe  widmete,  antwortete  man  ibm  mit  Zurfickbaltung  und  kälte. 

Von  hohem  Interesse  ist  es  auch,. in  die  Organisation  der  Konzerte 
einen  Einblick  zu  tun  und  zu  sehen,  wie  selbst  in  praktischen  Fragen 
der  später  wegen  seiner  Geschicklichkeit  so  berühmte  Hennann  Volff 
von  Bülow  vieles  lernte. 

Auch  die  Frage  der  Programmzusammenstellung,  die  heute  so  viel 
Staub  aufrührt,  ist  von  Bülow  schon  vollsilndig  im  heutigen  Sinne  gelöst 
worden.  Aber  wenn  man  heute  Vorschläge  macht  zu  einer  künstlerischen 
Aufteilung  des  Programms,  weiß  man  nicht  mehr,  daß  Bülow  schon  die- 
selben Forderungen  gestellt  und  erfüllt  hatte. 

Noch  vieles  mehr  wäre  aus  diesen  Briefen  zu  ersehen  für  das  oben 
gestellte  Thema.  Aber  ich  schließe  hier  und  wünsche,  daß  jeder  von 
diesen  Briefen  denselben  Eindruck  einer  großen  Persdnlichkeit  empfangen 
möchte,  des  Gründers  unseres  modernen  Konzertwesens,  wie  ich  ihn 
empfing.  Teich  ein  Edelmann  Bülow  war,  möge  auch  aus  dem  einzigartigen 
Zug  hervorgehen,  wie  er,  der  alternde  Meister,  den  jungen,  aufstrebenden 
d'Albert  bewunderte.  Ein  erhebendes  Charakterbild  und  ein  großes  Stück 
Kunstgeschichte  enthalten  Bülows  Briefe. 


■)  Man  verfl.  die  sricbütKrada  TlrkuDg,  die  Tafnera  Tod  taf  Ihn  machte. 


CARL  LOEWES  CHORGESÄNGE 
WELTLICHEN  INHALTS 

von  Dr.  Leopold  Hirschberg-Charlottenburg 


Schlal 


14. 


»Beim  Maitrank"*  (J.  N.  Vogl)  ist,  ffir  eine  Singstimme  mit  Klavier- 
begleitung arrangiert,  in  Bd.  XVI,  p.  124  zum  erstenmal  gedruckt, 
ebenso  das  »Dolce  far  niente"  (Bd.  II,  p.  108). 


15.  »Die  Geister  der  Stifter*  (ein  Maurerlied)  und  die  Umdichtung: 
»Die  seligen  Meister  der  Tonkunst*  (uflgedmckt)  zeigen  im 
Anfang  eine  von  Loewe  öfters  beliebte  harfenähnliche  Begleitung 
(Anfang  des  »Nöck*);  dann  folgen  ein  paar  dumpfe  Hammer* 
schlage,  die  Geister  nah'n;  ihr  Gesang  ist  in  breitem  ^/^-Takt  aus- 
geführt. Der  Schluß  zeigt  wieder  die  Rückkehr  zum  Anliang, 
als  die  Geister  unter  Harfenklang  »heimwärts  zum  ewig^ 
Morgen'  entwallen. 


16.  Zwei   Schulgesänge  (ungedruckt).     Manuskript  in  der  Köni^ichen 

Bibliothek  zu  Berlin. 

»Unsere  Aula*  ist  ein  ganz  einfaches  Lied,  durchweg  vom  Chor  zu 
singen.  Reicher  bedacht  ist  eine  1854  dem  Abgange  des  Direktors  Hassel- 
bach vom  Stettiner  Gymnasium  gewidmete  Kantate.  Ein  von  edler 
Empfindung  getragenes  Abschiedslied,  das  in  seinen  drei  Strophen  jedips- 
mal  zuerst  ein  längeres  Solo,  dann  ein  Soloquartett  ui\d  endlich  einen 
kurzen  Chor  (wirkungsvoller  Taktwechsel  von  ^/^  und  \)  bringt. 

17.  »Zumalacarregui."     Spanische  Romanze.    Gedruckt  im  »Hohea- 

zollem-Album",  Bd.  I,  No.  19. 

Dieser  Freiheitsgesang  ist  von  Loewe  auf  direkte  Veranlassung 
Friedrich  Wilhelms  IV.  komponiert  worden,  der  darüber  an  den  General 
von  Pfuel  schrieb:  »Ich  hoffe,  das  Lied  wird  Sie  wfithend  begeistern^  and 
Sie  werden  Loewe  begeistern  und  ihn  dahin  bringen,  daß  er  es  in  Ikßlictae 
Musik  setze,  auf  daß  unser  Kriegsvolk  zuweilen  vom  baskischen  Helden 
singe.  Das  Lied  ist  so  aus  einem  Guß.  Da  darin  zuletzt  die  Esel  aaf  des 
Löwen  Grab  tanzen,  wär's  schön,  wenn  unser  Loewe  über  jener  Eseln  Stall 


347 
HIRSCHBERG:  LOE^TES  WELTLICHE  CHÖRE 


brüllte".  Der  spanische  Nationalcharakter  ist  in  dieser  Romanze  ebenso  glück- 
lich getroffen,  wie  im  »Sturm  von  Alhama"^);  die  Klavierbegleitung  beider 
ist  fast  die  gleiche.  Daß  während  der  zwölf  Strophen  keine  Ermüdung 
beim  Zuhörer  Platz  greift,  dafür  hat  der  Tondichter  durch  mannigfachste 
«Umbiegungen*  des  Themas  gesorgt. 

18.  »Abendlied"  von  L.  Giesebrecht,  ein  sanfter  Gesang,  in  der  Gesamt- 

ausgabe als  einstimmiges  Lied  gedruckt*). 

19.  Zwei  heitere  Gesänge.     Zum    erstenmal  gedruckt  in   »Germania. 

Klänge  aus  der  deutschen  Lehrerwelt.*     Berlin    1895,  p.  279 

und  295. 
»Der  weiße  Hirsch"  von  Uhland  ist  wohl  geeignet,  unser  Interesse 
and  das  aller  Männergesangvereine  zu  erregen.  Denn  das  Uhlandsche 
Gedicht  ist  eine  wirkliche  Ballade,  und  wir  dürfen  demgemäß  von  vorn- 
herein die  größten  Ansprüche  an  die  Komposition  stellen.  Die  werden  nun 
voll  erfüllt.  Das  Werk  ist  —  ein  neuer  Beweis  dafür,  daß  Loewe  das 
Richtige  trifft  —  dreistimmig;  denn  drei  Jäger  sind  es,  die  den  weißen 
Hirsch  erjagen  wollen.  Der  Chor  vertritt  in  gewissem  Sinne  die  Stelle 
des  antiken  Chors,  indem  er  seine  Bemerkungen  über  die  drei  Jäger 
(Tenor  I,  II,  Baß)  macht.  Und  so  haben  wir  zunächst  einen  immer- 
währenden  Wechsel  zwischen  Solo  und  Chor.  Eine  lustige  Jagdfanfaren- 
melodie in  E-dur,  von  den  drei  Solostimmen  gebracht,  setzt  ein: 

3  Solostimmen 
f 


ZG  -  gen 


Ji  -  {er    wohl       auf     die   Birsch,  sie 


weil  -  ten      er   -    jt  -  gen     den       wei  -  Ben  Hirsch. 

Der  Chor  wiederholt  die  beiden  Zeilen,  und  so  geht  es  weiter  fort.     Dabei 
ist  nun  der  Wechsel  der  Ton-  und  Taktarten  bemerkenswert.     Die  zweite 
Strophe  ist  bereits  g-moll,  die  dritte,  wo  der  dritte  Jäger  beginnt: 
p 


m 


r  J    p  fe_CT  J'l  j     f  fr     r  1  J^-] 


f 


^ 


X 


Mir    bat      fc  -  trinmt,  ich  Iclopft*  anf    den  Busch,  da  rauwb  -  te 


')  Ges.  Anss^  Bd.  VI,  p.  4S. 
>)  Bd.  XVI,  p.  11^ 


348 
DIB  MUSIK  VII.  24. 


F*-r  ^  J I  j  ^  i*  J  <^ 


Hirsch      her  -  tut,     husch,  husch, 
im  V^-Takt.    Das  Solo  des  zweiten  Jigers  weist  \  und  C-dor  auf.    Sehr 
hübsch  ist  beim  ersten  Jäger  noch  der  Homruf  ausgef&brt: 

Solo  Chor  Solo  Chor 


\^-i  i  I  r  ^ 


p  Trs  •  rs,    trs  -  rs,  p  trs  -   rs,~  pptn  -  tn,    tra-  nmvtra  -   ral  — 
Und  nun  beginnt  der  Chor  halblaute  bissige  Bemerkangen  zu  machen: 


Ten.  I 


¥ 


P 


t 


* 


t 


^= 


Jt! 


Jal 
Ten.  n,  Baß 


J«t 


^'  fr  r  ^  j 


i> 


So      la-gen  sie  da      und  tprachen. 


im.  u,  Baß  f-Jlt    f 

d  sprachen,  die  drei,     so     la-gea  sie  da      and  ( 


^ 


js,    so 


p<  p  ^  *?— ^ 


f-g'^'r^Ml 


Is-gen  sie   ds      und 


^ 


± 


spra-chen  die  drei 


* 


i 


f« 


i 


sprs-cheo,  die   drei 


I 


ja. 


j«. 


ja. 


^ 


:|=¥^ 


=3F 
die 


'    V    J)     J      J!      il: 


So   spra-chen  die 


en  die 


i^ 


drei: 


t: 


3Sb 


drei; 


^ 


spra-chen  die   drei,  drei: 

Dann  plötzlicher  schneller  Übergang  nach  E-dur;  fugenaitig  atflnan  die 
drei  Stimmen  hintereinander  daher: 


Da     rann  -  te     der    wel  •  Ite    Hirsch  ?or  •  bat« 


349 
HIRSCHBERG:  LOEVES  WELTLICHE  CHÖRE 


als  wollten  sie  das  flüchtige  Wild  mit  ihrem  Nachlaufen  einholen  I  Erst 
als  der  Hirsch  nicht  mehr  zu  sehen  ist,  kommen  die  verdutzten  Solisten 
wieder  zu  Wort;  bis  dahin  hat  nur  der  Chor  die  Erzählung  geführt. 
Ganz  wehmutig  singt  zum  Schluß  jeder  der  drei  seinen  Jagdruf  und  wird 
vom  Chor  laut  ausgelacht: 

Baß  Solo         Tenor  II  Solo     Tenor  I  Solo  Chor 


P  Husch,  husch,  p  piff,    ptff,  Pin  •   ra!     /  Hut  cb,  husch,   piff,    paff,     tra- 


rm-^^^h^vi 


i 


U     ^     U 


m 


ra, —  buscb,  hutcb,   piff,    ptff,     tra  -  ra! 

Der  zweite  Gesang,  «Der  Ritter  Schlemusalnick,  eine  lustige 
Ballade  im  Stil  der  »Fliegenden  Blätter'  von  J.  N.  Vogl,  ist  ebenfalls 
äußerst  dankbar,  besonders  die  Stellen: 

»Die  Nacht,  die  iat  des  Schlemotalnicks  Element, 
Weil  ihn  kein  Gläubiger  zur  Nachtzeit  kennt*, 

wo  der  erste  Baß  die  zwölfte  Stunde   durch  immerwährendes  Bringen  ein 

und  desselben  Tones  markiert,  und: 

»Da  stolpert  plötzlich  unter  ihm  der  Gaul, 

Da  liegt  der  Schlemutalnick  auf  teinem  großen  Maul*, 

wo  die  einzelnen  Stimmen  in  der  Art  eines  Kanon  das  Herunterfallen  de» 

Helden    vom    Pferde    schildern.    Sehr    komisch    schließt   das   Stück  im 

pianissimo: 

»Was  hast  du  reiten  müssen  in  ttockflosterer  Nacht?!* 

20.  «Isabella.'  Lyrisch-dramatische  Versöhnungsszene  aus 
Schillers  »Braut  von  Messina'.  Ffir  Alt-Solo  und 
Männerchor  mit  Begleitung  des  Pianoforte.  Gedruckt 
in  »Die  Musikwelt'  (Berlin  und  Leipzig  1905,  Heft  35  und  36). 
Dort  möge  auch  die  ausführliche  von  Maximilian  Kunze  dazu 
gegebene  Erläuterung  nachgelesen  werden. 


IL  Abschnitt:  Frauen-Chöre 

21.  Zwei   Gesänge   für  drei  Frauenstimmen.     Op.  80,  Heft  2. 
(Berlin,  Schlesinger). 
„Frühlingsverein'  («Drei  Röslein  im  Garten')  ist  ein  anspruchs- 
loser Gesang  im  Volkston,  dessen  Vortrag  jedoch  eine  nicht  unbeträchtliche 
Koloratur-Fertigkeit  der  Soprane  voraussetzt.    Größer  angelegt  ist  »Trost 


350 
DIE  MUSIK  VII.  24. 


in  Tränen''  von  Goethe.     Hier  wird,  bei  gleichfalls  volkstfimlichem  Satz^), 
jede  der  vier  Strophen  von  einem  Alt-Solo  eingeleitet: 


Wie  kommfSy  dtß   du     so    trsu-rig   bist,   ds     ANles    froh     er- scheint? 

Die  Antwort  bringt  dann  der  dreistimmige  Chor.  Bekanntlich  hat  Peter 
Cornelius  das  Gedicht  derart  komponiert,  daß  vier  Solostimmen  (Mezzo- 
sopran, Tenor  und  zwei  Bässe)  die  Fragen  tun  und  ein  Bariton-Solb  die 
Antwort  gibt.  Mir  scheint  diese  in  Trost  und  tränenreichste  Milde  getauchte 
Dichtung  besser  von  Frauen  vertreten  zu  werden,  wie  es  Loewe  ge- 
tan hat. 


III.  Abschnitt:   Gemischte  Chöre 

22.  Vierstimmige  Gesänge  für  Sopran,  Alt,  Tenor  und  BaB.   Op.  79. 
(Dresden,  Paul.) 

Unter  den   sechs  Stücken   dieses  Opus   sind  nicht  weniger  als  vier 
Goethesche  Gedichte.    In  dem  ersten,  »Frühzeitiger  Frühling",  kommt 

ein  still-seliger  Jubel  zum  Ausdruck:  der  leichtgeschürzte  ^s*'''''^^  ^^ 
Allegretto-Tempo,  die  Koloraturen  der  Frauenstimmen,  die  halbgedimpfte 
Tongebung  —  alles  vereint  sich,  um  die  herrlichen  Dichterworte  möglichst 
sinngemäß  zu  betonen.  In  seiner  Einfachheit  hervorragend  ist  der  «Nacht- 
gesang*;  Huttens  Wahlspruch  »Ich  habs  gewagt*^  muB  jeder  Komponist 
sich  zu  eigen  machen  können,  wenn  er  sich  an  diese  oder  etwa  di0 
Mignon-Gesänge  macht,  die  ohne  Töne  genug  der  Musik  in  sich  tragen. 
Im  »Nachtgesang'  fällt  der  Baß  fort,  während  der  Alt  verdoppelt  erscheint 
Eine  weiche,  träumerische  Stimmung  liegt  über  dem  Ganzen: 


Sopran,  Alt  1,  II 


|Mi'  h{  :'j| 


gib    vom      wei  -  eben 


P 


PfQh 


le 


PfQb*"^":    "^^     le 


^ 


I     I     I 

trau  •  nend   ein 


t=t 


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2ZE 


^ 


j  j.  j . 


^)  Goethes  DiebtuDg  lehnt  sich  Im  Einging  an  ein  älteres  dialogisiertM  Volks* 
lied  an. 


351 
HIRSCHBERG:  LOEWES  WELTLICHE  CHÖRE 


^^  dr  ki'  i^- 


halb     Ge- 


i 


^ 


börl 


E 


* 


3^ 


dem  »Schlafe,  was  willst  du  mehr'  wird  durch  Eintreten  der  einzelnen 
Singstimmen  nacheinander  und  das  pp  ertönende 


i 


3 


t 


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Schla   -    fe! 

des  zweiten  Alt  am  Schlüsse,  während  die  übrigen  Stimmen  in  breitem 
Akkord  verhallen,  das  Entschlummern  schön  gemalt.  «Der  Fruhlings- 
Terein'  (von  F.  Kugler)  ähnelt  in  Anlage  und  Stimmung  der  No.  1.  Während 
nun  No.  4  «Mailied*  (»Wie  herrlich  leuchtet  mir  die  Natur*)  ebensowenig 
wie  Beethovens  Komposition  die  Worte  des  Dichters  erschöpft,  erweist  sich 
No.  5,  »Frühling  übers  Jahr*,  als  sehr  abwechselungsreich.  Dadurch, 
daß  die  vier  Stimmen,  zuerst  der  Baß: 

Allegretto  giojoso 


gS 


ü 


Das    Beet  schon     lok 


kert   Siebs 


Hob. 


dann  der  Alt,  weiter  der  Tenor  und  endlich  der  Sopran  einzeln  hinter- 
einander eintreten,  sich  im  ferneren  Verlauf  zu  zwei  und  zwei  ver- 
einigen und  dann  bis  zum  Schluß  im  Vierklang  verharren,  wird  das 
allmähliche  Erblühen  der  Natur  und  Liebe  bis  zum  höchsten  Glücks- 
gefühl sinnfällig  zur  Darstellung  gebracht.  —  No.  6,  »Wunsch  im  Früh- 
linge* (Keferstein),  ist  ein  Volksliedchen  im  bescheidensten  Rahmen 
(nur  elf  Takte!)  und  von  hoher  Anmut. 


23.  Drei  Gesänge  für  Sopran,  Alt,  Tenor  und  Baß.    Op.  80,  Heft  1. 
(Berlin,  Schlesinger.) 

Das  erste,  »Der  Lindenfoaum*  von  Willibald  Alexis,  ist  durch  be- 
sonders reiche  Anwendung  der  Koloratur  am  Sopran  und  Baß  auffällig; 
während  die  Frauenstimme  das  Summen  der  Bienen  damit  zu  scnildem 
hat,  liegt  der  männlichen  die  Versiiinbildlichung  des  Rauschens  der  Bäume 
ob.  »Auf  dem  See*  von  Goethe  steht  nicht  auf  der  Höhe  anderer 
Goethe-Kompositionen  des  Meisters  und  wirkt  durch  den  immerwätirenden 


352 
DIE  MUSIK  VII.  24. 


Wechsel  der  Taktart  in  ganz  kurzen  Zwischenriomen  (%,  ^/^,  */^  kommen 
innerhalb  von  68  Takten  16  mal  zum  Vorschein)  unruhig.  Im  Mittelsatz  Bsdet 
sich  eine  bemerkenswerte  Schilderung,  indem  der  Sopran  allein  die  Melodie 
führt,  während  die  drei  anderen  Stimmen  in  flfistemdem  Tone  den  illasCraliveft 
Teil  übernehmen: 


Sopran 


Auf   der  Wel  -  le 


-  send  tchwe-ben-de    Sur-nc, 


m 


Wel 


le 


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f^ — fi 


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tau  •  send 


f    f  f 


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g'  5     g     g  =^=^ 


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tau  -  send  scbwe-ben  -  de     Ster  -  ne      auf  der    Vel  •  le     blin-keo. 


wei  •  che      Ne  -  bei     trin  -  ken    rings  die     tfir  •  men  -  de      Fe^  -  ae. 


No.  3,  «Dich  soll  mein  Lied  erheben',  kann  angesichts  seiner  Frömmigkeit 
und  Glaubenskraft   fast  unter  die  geistlichen  Gesänge  eingereiht  werden. 


24.  Fünf  Lieder  für  Sopran,  Alt,  Tenor  und  BaB.   Op.  81.  (Leipzigs 
Breitkopf  &  Härtel). 

Sie  enthalten  die  bedeutendsten  und  auch  bekanntesten  Stfleke,  dnmnter 
die  hochberühmte,  holdselige  Legende  «In  der  Marienkirche",  die  ebenae» 
wenig  wie  «Im  Frühling'  von  Lenau,  mit  seiner  Schilderung  des  »Lieder- 
kletterns'  der  Lerche,  einer  ausführlicheren  Erläuterung  bedarf.  Audi 
Goethes  «Im  Vorübergehn'  mit  seiner  bescheidenen  Volksweite: 


353 
HIRSCHBERG:  LOEWES  WELTLICHE  CHÖRE 


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Ich     ging     im 


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Wal  •  de 


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hio,      und  nichts    zu 


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SU  -  chen,    das     war    mein 

Ji    II    -% — f 


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Sinn. 


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wird  stets  gern  gehört  sein.  Größere  Formen  zeigt  »When  the  first 
Summer  foee*  von  Ferdinand  Freiligrath.  Ein  in  herrlichsten  Mozartschen 
Wohllaut  gekleidetes  Ständchen  hören  wir  hier,  im  Anfang  leis  flüsternd, 
bis  auf  zwei  lautere  Akzente,  mit  reizender  Malerei  des  Bienengeräusches 
durch  Alt-  und  Tenorpassagen.  Bald  steigert  sich  die  Empfindung:  nach 
kleinem  kanonischen  Wechselspiel  zwischen  Sopran  und  Baß,  während 
Alt  und  Tenor  wie  Zitherklang  dazwischen  reden: 


Dann      ]e  -  des  Bee-tes  Zier 
Alt  und  Tenor 


^' 


^tirf-^  t    f-f^^ 


P       g 


nabt 


sie     mit    neu -er   Belgier 


Dann     je  -  des  Bee-tes  Zier -de 
Baß 


naht       sie    mit     neu -er  Be-gierde 


t 


^ 


Dann 


ja    dann         je  -  des  Bee-tes  Zier 


naht 


sie  mit 


schwingt  sich  alsbald  der  Tenor  hoch  auf: 
Tenor  cresc.  assai 


naht   sie    mit   neu  -  er     Be  -  gier  -  de,    nabt    sie   mit   neu  -  er     Be  •  gier-de 

und  führt  zu  wundervollstem,  vollakkordigem  Gesänge  aller  Stimmen,  wobei 
Sopran  und  Tenor  führend  und  ausdrucksvoll  hervortreten: 


354 
DIE  MUSIK  VII.  24. 


cresc. 


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bleib  icb    bei 


i^ 


bleib    ich     bei 


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bei    dir 

Dann  wieder  Rückkehr  zum  lockend  flüsternden  Anfangsthema  und  innis 
ausgebreiteter  Schluß. 

Es  war  ein  glücklicher  Gedanke  von  Loewe,  Goethes  gewaltiges 
.Ganymed*  für  vier  Stimmen  zu  komponieren;  vermag  doeh  eine  Stimme 
kaum  die  mächtigen  Gedanken  aller  der  Oden  (» Prometheus*!  »Schwager 
Kronos*",  ^Grenzen  der  Menschheit'  usw.)  zum  Ausdruck  zu  bringen. 
Den  Meisterschöpfungen  Schuberts  schließen  sich  Loewes  »Ganymed* 
und  »Mahomets  Gesang'^)  (für  eine  Tenorstimme)  würdig  an.  W2hrend 
nun  Schuberts  «Ganymed*  in  weicher,  träumerischer  Stimmung  beginnt 
und  sich  allmählich  zu  grandiosem  Aufschwung  hebt,  beginnt  der  Loewesche 
Chorgesang  schon  in  starker,  lebhafter  Begeisterung,  einem  griechischen 
Dithyrambus  nicht  unähnlich.  Und  diese  Lebhaftigkeit,  die  In  sich  mühen- 
der Unrast  zu  den  Wolken  emporsteigen  will,  die  nirgend  Ruhe  und  Ver- 
weilen aufkommen  läßt,  ist  das  Charakteristikum  des  ganzen  Werkes. 
Windeswehen  und  Nachtigallenruf  werden  vom  Sopran  gemalt,  während 
die  übrigen  Stimmen  die  lauschende  Natur  widerspiegeln: 


Sopran 


PP 


m 


» — 


'     ^    C    C    " 


PP 


5f3a 


Alt,  Tenor,  Baß 


Lieb  -  li  -  eher 


Mor-gen-wind  mfl    drein 


I 


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X 


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1 


Lieb  •  li  •  eher   Mor  -  gen  -  wind, 


ruft 


drein 


^)  Ges.  Ausg.,  Bd.  XII,  No.  1. 


355 
HIRSCHBERG:  LOEWES  WELTLICHE  CHÖRE 


g>    ^     ' 


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die    Nach  -  ti  -  gall 


i 


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die    Nach     -     -    ti  -  gtll 

Beim  , Hinauf  strebt's'  wirken  alle  Stimmen  zusammen  und  teilen  sich 
beim  Abwärtsschweben  der  Wolken,  wobei  speziell  dem  Baß  die  Schilde- 
rung von  »Die  Wolken  neigen  sich*  überlassen  wird.  Ganz  machtvoll  ist 
vor  dem  im  Smorzando  sich  verlierenden  Schluß  noch  das  »Umfangend 
umfangen'  ausgedrückt,  indem  Sopran  und  Baß  einen  vom  Piano  bis  zum 
Forte  anwachsenden  langgezogenen  Ton,  Alt  und  Tenor  überlaut  das  Motiv 
der  Ruhelosigkeit  bringen: 


I 


y 


Sopran 


't 


^.    Baß 


auf. 


r 


Alt  und  Tenor 


um-fan-gend  um-ftm-gen,  um-fan-gend  um-  fan-geo,  um*fan*gend 

In  trefflichstem  Arrangement  für  eine  Singstimme,  an  die  allerdings  dabei 
die  höchsten  Ansprüche  gestellt  werden,  ist  das  Werk  auch  in  die  Gesamt- 
ausgabe^) übergegangen. 

25.  Drei  Chorgesänge:    »Brautlied'   (Brumm),  »Frühlings  Seele* 

und  »Taubenlied*  von  L.  Giesebrecht. 

Diese  einfncheii,  sangesmäßigen  Kompositionen  sind  im  Arrangement 
für  eine  Singstimme  mit  Klfivierbegleitung  der  Gesamtausgabe  einverleibt 
worden*). 

26.  Bisher  uugedruckt  sind: 

a)  Ode  des  Pindar,  für  Solo  und  Chor; 

b)  Ode  des  Horaz  (Buch  I,  No.  2). 

Die  zweite.  Ode  entreißen  wir  hiermit  der  Vergessenheit: 


')  Ge8.-Au8g.  Bd.  XII,  p.  34.        «)  Bd.  II,  p.  16;  Bd.  XVI,  p.  90, 


104. 


356 
DIE  MUSIK  VII.  24. 


Feierlich 


f^rfT 


i 


Jtm     81  -  tis 

y  i^    I  I        


ter  -  ris 

I        I 


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ni  -  vis  -  at  -  qae 


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Kraa«<U  •  nis 


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ib=J-nj-^ 


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r  i  r  , 


ar  -  ces, 


Jj,i 


f=^f=t 


ter-  ni  -  it  — 


f  i  f-fir 


ar  -  bem. 

J      i 


* 


c)  Hymnus. 

Auch  dieses  historisch  interessante  Dokument  bringen  wir  nachstehend  zum 
Abdruck,  denn: 


»Ut  re  mi  ft 
Est  tott  musict.* 


357 
HIRSCHBERG:  LOEVES  WELTLICHE  CHÖRE 


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•lOr 


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an  -  nes! 


321 


-*5>- 


IV.  Abschnitt:   Größere  Werke  (Kantaten)    für  Solostimmen 

und  gemischten  Chor 

27.  »Die  Walpurgisnacht*.     Ballade  von  Goethe  für  Solo  und 
Chorgesang   mit  Begleitung   des   Orchesters   (oder 
des  Piano  forte).     Op.  25.^) 
Diese  große,  Spontini  gewidmete  Komposition    darf  in  keiner  Weise 
mit    der    Mendelssohnschen    verglichen    werden,    weil    beide    im    Prinzip 
auseinandergehen.     Während  uns  Mendelssohn,  wie  Runze  richtig  hervor- 
hebt,  ein    Oratorium    im  Kleinen   gegeben    hat,  ist  Loewe  von  Anfang 
bis   zu    Ende    Balladenkamponist;    Mendelssohns  Werk  dauert  etwa  40, 
Loewes   etwa    15  Minuten.     Bei    Mendelssohn    eine   lange  Ouvertüre  und 
weit  ausgesponnene  Chorsätze  —  bei  Loewe  ein  dramatischer  Vorgang  in 
straffster  Form,   ein  Gemälde  nächtlicher  Feier  und  nächtlichen  Spuks  — 
Rembrandt   und    Höllenbreughel    zugleich.     Ein   paar  Äste  hört  man  wohl 
krachen : 

Allegro  vivace 


fflÖE 


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I 

Auch  die  Windsbraut  pfeift  wohl  ein  wenig  durch  die  Baumwipfel: 


^ut.1^ 


^)  Ges.  Ausg.  Bd.  XII,  p.  156. 
VIL  24. 


24 


358 
DIE  MUSIK  VII.  24. 


m 


aber  schon  locken  Höraer  zur  Feier  Allvaters  auf  Bergeshöh: 


Hin  •  aufy     hin  -  auf    nach     o   -  ben,  nach      o      -       -       •       ben! 

Da  gibt  es  Icein  Halten;  die  furchtsamen  Warner  und  Weiber  (kurzer  Salz 
in  e-moll)  werden  beiseite  gedrängt,  das  Holz  wird  zum  Brande  geschichtet: 


'C  r  '  ^  r 


X 


t 


^§ 


DerValdist  frei!    Das  HoU  her-bei,  und  scbich-tet     es    zum  Bran-de! 

Prompt  und  unauffällig  gelangt   der  Befehl  des  Druidenfuhrers   zur    Aus- 
führung, ein  Meisterstück  der  Realistik: 


Ver  -  teilt  euch,  wack 


re   Män-ner,  hier         durch  die -ses 


* 


Wald  •  re  -  vier 


und 


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X 


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t 


* 


X 


gan  ze    Vald  -  re  •  vier 

Im  ganzen  acht  Takte;  bei  Mendelssohn  ein  langer,  wunderschöner,  von 
romantischen  Waldhörnern  durchklungener,  dadurch  jedoch  der  «Vorsicht* 
entbehrender  Chor.  Auch  der  »Zacken-  und  Gabeln'-Gesang  umfaßt  nur 
(Solo  und  Chor)  32  Takte: 

L 


jL  p  cresc,    —    —    —    —    —    —  f 


Kommt  mit   Ztk-ken  und   mit    Gt-beln  und  mit  Glut  und  Klap- per- Stöcken 

Gerade  der  unisono  gesungene  Chor  mit  ebensolcher  Begleitung  bringt 
das  Spukhafte  der  Szenerie  zum  Ausdruck.  Dasselbe  Thema  nimmt  nnn 
sinngemäß  auch  der  christliche  Wächter  mit  seinem  «Menschen-Wölf  und 
Drachen -Weiber'  und  der  darauffolgende  Chor  auf.  Der  feierliche,  die 
Naturreligion  verherrlichende  Schlußgesang  zeigt  das  Antangsthema  und 
verbreitert  sich  erst  in  den  letzten  neun  Takten  zu  machtvollstem  ^/|*Takt: 


359 
HIRSCHBERG:   LOEVES  WELTLICHE  CHÖRE 


28.  »Die  Hochzeit  der  Thetis'.  (Schillers  Obersetzung  aus 
Akt  IV  der  »Iphigenie  in  Aulis'  des  Euripides). 
Große  Kantate  für  Solo  und  Chorgesang.  Op.  120. 
(Berlin,  Schlesinger). 

Mit  Recht  hebt  Bulthaupt*)  bei  der  Besprechung  dieses  Werkes 
hervor,  daß  uns  in  ihm  die  Antike  in  holdester  Gestalt  lebendig  wird. 
Ein  goldig-strahlendes  Kolorit  liegt  über  dem  ganzen  Bilde.  Homer  und 
Oboen  teilen  sich  in  die  Schilderung  des  libyschen  Rohres  und  der  Schalmei. 
Da  gibt  es  keine  künstliche  Harmonisierung,  wie  wir  sie  in  so  vielen  von 
Loewes  Meisterwerken  finden;  alles  ist  auf  den  Rhythmus  angelegt.  Das 
Thema: 


Sopran,  Alt    ÄUegro 


m 


^-i^ 


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33 


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4— Ji- 


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Tenor 


lieb  -  lieh  er- 
P 


Hoch  •  zeit  ge- 


fSf  Baß 


lieb-lich  er-klaog 


Hochzeit- ge-ttng 


ÖE^Ef 


^ 


S 


e^^5E^ 


tT 


Wie    lieb-lich         er -kling 


der  Hoch-zeit    -    ge-taog.^ 


wiederholt  sich  so  oft  und  so  eindringlich  am  Anfang,  in  der  Mitte  und 
am  Ende,  ohne  jemals  eintönig  zu  wirken,  daß  hier  eine  mit  wirklich 
einfachsten  Mitteln  arbeitende  griechische  Musik  an  unserm  Ohr  vorüber- 
tönt. Und  nun  tanzen,  immer  in  einfachster  Harmonisierung,  die  fünfzig 
Nereiden  ihren  Reigen: 


')  »Ctrl  Loewe«.    Berlin  1898,  p.  71. 


24* 


360 
DIE  MUSIK  VII.  24. 


m 


Sopran  I 


^  j]  :  r'—f.  ^ 


Fünf-  zig    Sctawe 
Sopran  II,  Alt  I,  II 


Stern  der 


Gott  •  li  •  chen  hüpf 


PQnf 


zig  Schwestern  der     G5tt 


li-chen  hfipf-ten 


g^^ 


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lu  -  stig    da  -  ne 


ben    im 


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g  r  ^  < 


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glio-xen-den  Sand. 


stig    da  -  ne-ben   im    glin-zen-den  Sand. 


Die  ganze  Kraft  des  Balladenschilderers  aber  j:eigt  sich,  als  die  Centnoren 
kommen: 


M innerebor    AlUgro  maestoso 

^1 


Grfi-ne        Kro-nen    in  dem      Haar  und  mit       flch-te  -  nem  Ge* 


schösse,  Menschen   o-ben,   un-ten    Ros-se. 

Das  stampft  und  strampelt  im  Marschtempo  mit  Begleitung  der  Pauken 
und  Janitscharenmusik,  daß  es  eine  Lust  ist.  Und  endlich  beglont  der 
Baß  den  stolz-erhabenen  Preis-  und  Prophezeiungsgesang: 


^^ 


X 


^^^ 


i 


Heil    dir      ho  -  he'    Ne  •  re  -   i  •  de! 


der,   unterbrochen   von   einem   kleinen  Solo,  in  strahlendem  Glänze  vom 
ganzen  Chor  zu  Ende  geführt  wird. 


361 
HIRSCHBERG:  LOEVES  WELTLICHE  CHÖRE 


m^Bo 


29.  »Der  Wurl**.     Pommersche  Ballade    von  L.  Giesebrecht.') 

Den   Schlußrefrain   einer  jeden  Strophe  dieses  elegischen  Gedichtes 
bilden  die  von  einem  dreistimmigen  Chor  gesungenen,  volkstiimlichen  Worte: 


I 


^  ^'  »^— 


4 


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Wil  -  de 


Ro 


ten,      wil  •  de 


Ro  -    - 


sea,   wü-de 


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1r. 


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wil  -  de      Ro 


5 


teoy    wil  -  de    Ro 


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Ro  -  sen  wtch-sen    im 


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Vald. 


^ 


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sen, 


wtebsen    im 


ist 
Vald. 


30.  »Die  fünf  Sinne.«    Für  Soli  und  Chor.    Humoristisches  Quodlibet.*) 


31.  Ungedruckte  Werke. 

a)  Epilogzu  Schillers  »Glocke«  (L.G!esebrechi).  Ein  Schul- 
Festgesang  für  Chor  mit  Begleitung  des  Streichquintetts, 

b)  »Die  Kaiserin«  (Josephine).  Szene  für  Alt  und  Chor  (Te- 
deum)  mit  Begleitung  des  Orchesters. 

c)  Chöre  zu  »Themisto«,  antike  Tragödie  von  E.  Raupach. 
Eine  ausführliche  Abhandlung  des  Verfassers  über  dieses  hoch- 
bedeutsame Werk  kann  von  Interessenten  in  den  »Bllttem  für 
Haus-  und  Kirchenmusik«  (1901,  No.  4)  nachgelesen  werden. 

»Es  stirbt  Niemand,  ehe  denn  er  sich  vollendet  und  sein  Lebens- 
werk abgeschlossen  hat.     Dann  stirbt  er.«^ 

Loewes  Lebenswerk  wäre  nicht  vollendet  gewesen,  hätte  er  die  hier 
besprochenen  Werke  nicht  geschrieben.  Man  kennt  den  Meister  nicht, 
wenn  man  sie  nicht  kennt. 


>)  Ges.  Ausg.,  Bd.  11,  pag.  134. 

*)  Erst  vor  kurzem  aufgefunden  und  Ges.  Ausg.,  Bd.  II,  pag.  102  zum  ersten- 
mal  gedruckt 

*)  Ad.  Bemb.  Mtrx:  Ludwig  van  Beettaeven.    Berlin  1850,  Bd.  II,  p.  24S. 


BÜCHER 


217.  Ernst  Biernath:  Die  Gitarre  seit  dem  drittenjibrtausencl  TorChrlstns. 
Eine  muslk-  und  kultursesctaichtlicbe  Darstellung  mit  genauer  QneUensB(alM. 
Verlag:  A.  Haicli,  Berlin  1907. 
Die  berrscbenden  Instrumente  waren  sehr  oft  Gegenatand  wlsieaschafllicber 
Untersuchungen.  Das  Klavier  behandelten  K.  F.  Teitzmann,  K.  Kreba,  O.  Bje,  die  Violine 
V.  L.  von  LüttgendorfT,  der  Italiener  A.  Untersteiner  («Storia  de!  vlolino*),  daa  Cello 
Grillet  und  V.  von  Vaslelewskl;  jetzt  darf  sich  die  dienende  Gitarre  der  gleichen  Ana* 
Zeichnung  rühmen.  An  Alter  —  wenn  das  ein  Vorzug  Ist  ~  flbertrlfft  sie  alle  Schweatem ; 
ihr  weitvenweigter  Stammbaum  wurzelt  In  Vorderasien.  Der  für  seine  Aufgabe  begeiaterte 
Verfasser  bietet  eine  außergewöhnliche  Fülle  wissenscbattllcben  Materisis  ans  sllen  mSg- 
liehen  Schriften,  Abbildungen  alter  Bildwerke  und  Berichten  der  Auagrabungafunde,  nm 
zu  zeigen,  wie  das  Instrument  von  dem  Iltesten  Kulturvolk  des  orientalischen  Altertums, 
den  Babyloniem,  die  Vorderasien  vor  den  semltlsclien  Vfilkem  in  prihiatorlscher  Zeit 
bewohnten,  ausging  zu  den  Hethitern,  Ägyptern,  PhSniziem,  Hebrlem,  Griechen,  RSmom 
und  Christen  im  Norden  Europas;  Im  SchluQkapilel  sehen  wir  es  sogar  In  Indien  und 
China,  Afrika  und  Amerika.  Die  angegebene  Art  der  Verbreitung  Ist  wshrschelallch, 
denn  im  Altertum  und  Mittelalter  spielte  sich  die  Teltgeschichte  an  den  UtCm  des 
Mittellindiscben  Meeres  ab,  die  einzelnen  Linder  standen  in  inniger  Verhlndnng;  die 
Behauptungen  und  Folgerungen  beruhen  überdies  auf  sicherem  Quellenunlettian.  Sowohl 
für  das  Alter  als  auch  den  eingeschlagenen  Teg  bis  zu  uns  ist  der  Beweis  Im  sllgemdnon 
gelungen;  daß  manche  Übertreibung  dabei  unterlluft,  erklirt  sich  aus  dem  Elfer  und  der 
Liebe  für  den  bebandelten  Gegenstand.  Um  seine  Aufgabe  zu  begründet!,  meint  der  Ver- 
fasser in  der  Einteilung,  die  Gitarre  sei  jetzt  sUuell,  In  Deutschlsnd  fast  In  jedem 
Hause,  bei  hoch  und  niedrig;  am  Schluß  der  Arbeit  glsubi  er,  dsfi  sie  für  vomebme 
Hausmusik  wieder  zurückgewonnen  werde:  beides  Ist  doch  nur  mit  starkem  Vorbabslt 
richtig.  Ebenso  sind  bei  den  Ägyptern,  Hebrlem  und  Griechen  gewisae  Elnachrin kaufen 
gestattet.  Die  Harfe,  die  Luther  mit  Klnnor  verwecbislt,  hatte  die  Varherrscbsft;  das 
beweist  nicht  nur  die  Zahl  der  gefundenen  Reste  und  Abbildungen,  sondern  aucb  der 
Reichtum  in  Form  und  Ausstattung.  Die  igyptiscbe  Kapelle  Im  aBIlderatlas  tur  Bibel- 
kunde* von  Dr.  Frohmeyer  und  Dr.  Benzinger  selgt  allerdings  auch  ein  Inatnimon^  dM 
mit  der  Gitarre  Ähnllcbkeit  hat.  Die  Hebifer,  die  wegen  des  verbotenen  Bilderdienstes 
weder  Plastik  noch  Malerei  pflegten,  aber  sehr  sangeslustig  wsren,  brühten  sie  an  die 
Utcr  des  Nils,  denn  auf  dem  Waadbilde  eines  Grsbes  in  Beni  Hasaan  seben  wir  unter 
den  einziehenden  Semiten  auch  einen  Lelerspiclcr.  Benzinger  (BHebrllscbe  ArcUologle", 
Freiburg  i.  Br.  und  Leipzig,  Akademischer  Verlag)  mißt  dem  Instrument  Übrigens  gorlage 
Bedeutung  bei;  es  diente  seiner  Ansicht  nach  nur  zur  Angabe  des  Rhftbmas  und  Tones. 
Tenn  von  den  Griechen  (S.  68)  behauptet  wird,  daß  es  jeder  Gebildete  spielen  1 
so  müssen  wenigstens  die  Lazedimonler,  denen  mehr  an  Leibesübnng  und  Tsfltai 
an  Musik  gelegen  war,  davon  ausgenommen  werden,  denn  sie  lleBen  die  Tenknns^  d 


M 


363 
BESPRECHUNGEN  (BOCHER) 


Wert  und  Bedeutung  sie  erkannten,  nur  von  Fremden  ausüben.  —  Bei  den  gewissen- 
haften Untersuchungen  fiel  manches  Streiflicht  auf  die  Kulturverhältnisse  der  betre£Penden 
Zeit  und  des  Landes;  so  sehen  wir,  wie  sich  dem  Fortschritt  überall  Schwierigkeiten 
entgegenstellen.  Einem  Neuerer  reißt  man  die  überflüssigen  Saiten  vom  Instrument,  er 
selbst  wird  aus  Sparta  verbannt,  ein  anderer  wegen  Einführung  des  Griffbretts  bestraft. 
Die  damaligen  Einnahmen  tüchtiger  Künstler  standen  den  heutigen  nicht  nach;  denn  der 
Kitharist  Amöbäus  erhielt  jedesmal,  wenn  er  auf  dem  Theater  sang  und  spielte,  ein 
attisches  Talent,  etwa  4715  Mark.  Merkwürdigerweise  ist  England  nicht  ausführlich 
berücksichtigt,  trotzdem  es  zur  Zeit  der  Königin  Elisabeth  viel  Stoff  bietet;  auch  von 
Maria  Stuart  wissen  wir,  daß  sie  —  wahrscheinlich  hatte  sie  dies  am  französischen  ^ofe 
gelernt  —  ihre  Gesänge  kunstvoll  zu  begleiten  verstand,  daß  sie  dem  Italiener  David 
Rizzio  nur  seiner  musikalischen  Fertigkeiten  wegen  ihre  Gunst  schenkte  dessen  Er- 
mordung durch  Damley  der  Grund  ihres  Unglücks  wurde.  Ein  interessantes  Kapitel  in 
der  Geschichte  der  Gitarre!  Die  mittelalterlichen  lateinischen  Lieder  sind  stellenweise 
sehr  frei,  aber  sinngemäß  übersetzt.  Der  Stil  ist  glatt;  die  Form  »Mosis**  ist  allerdings  weder 
deutsch  noch  hebräisch,  also  fehlerhaft.  Manche  Fremdwörter,  z.  B.  indigen  (S.  38),  Super- 
fötation  (S.  136),  oder  ungebräuchliche  deutsche  Formen,  z.  B.  ahnte  statt  ähnelte  (S.  121) 
u.  a.,  lassen  sich  leicht  verbessern.  Am  Schluß  sind  die  Berichtigungen  zusammengestellt; 
außer  den  angegebenen  Druckfehlem  finden  sich  aber  noch  verschiedene,  auf  S.  107  gleich 
drei,  femer  auf  S.  34  (autoritä  bekommt  einen  Akzent),  S.  02  (der  Genitiv  =  des  Apostels) 
usw.  Ein  Personen-  und  Sachregister  würde  das  Nachschlagen  erleichtem,  die  Brauch- 
barkeit also  erhöhen.  Die  Ausstellungen  sollen  den  Wert  jedoch  nicht  schmalem,  denn 
ein  Buch,  das  auf  Veranlassung  des  preußischen  Kultusministeriums  von  der  Königlichen 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  geprüft  wurde,  ist  nicht  allzu  häufig  in  der  musika- 
lischen Literatur.  Es  setzt  nicht  nur  volle  Beherrschung  des  Gegenstandes,  sondem  auch 
weitgehende  Kenntnisse  der  verschiedenen  Sprachen  voraus.  Der  Verfasser  verstand  es, 
*  den  reichen  Stoff  geschickt  zu  gmppieren,  jede  Breite  zu  vermeiden,  das  Wesent- 
liche deutlich  hervorzuheben  und  seiner  mhigen,  sachlichen  Darstellung  eine  gewisse 
Oberzeugungskraft  zu  verleihen,  so  daß  sein  Werk  vielleicht  eine  neue  Ansicht  über  das 
bisherige  Aschenbrödel  der  Musikinstmmente  bewirkt.  Ernst  Stier 

218.  Adolf  Prosniz:  Handbuch  der  Klavier-Literatur  1830  bis  1004,  historisch- 
kritische Obersicht.  Verlag:  L.  Doblinger  (Bemhard  Herzmansky),  Leipzig 
und  Wien  1907. 
Für  mich  haben  die  beiden  „Handbücher  der  Klavier-Literatur*  des  greisen  ehe- 
maligen Professors  am  Wiener  Konservatorium  etwas  Rührendes.  Es  steckt  eine  geradezu 
beispiellos  geduldige  und  Sandkom  um  Sandkom  herbeitragende  Arbeit  von  Jahren  und 
Jahrzehnten  in  ihnen,  und  doch,  in  Anlage  und  ästhetischem  Gehalt  sind  sie  teils  ver- 
fehlt, teils  veraltet,  besonders  das  neue  vorliegende,  die  Fortsetzung  des  ersten  Bandes 
(1450—1830).  Seine  Einteilung  ist  nicht  nach  entwickelungsgeschichtlichen  Gmndsätzen, 
die  für  Oberschau  eines  größeren  Zeitraums  in  der  Kunstgeschichte  unumgänglich  sind, 
erfolgt,  sondem  sie  sind  sortiert  nach:  Koryphäen,  Klavierkomponisten  nächster  oder 
spezieller  Bedeutung,  nach  Komponisten,  deren  Klavierwerke  von  Kunstwert  oder  literar- 
historischem Interesse  sind,  Modeliteratur,  Technik«  Schule  «Pädagogik,  Komponisten 
anderer  Gebiete  in  ihren  Klavierwerken  —  wie  man  sieht,  bei  praktischer  Festlegung  und 
Einordnung  durchaus  subjektiven  und  schwankenden  Begriffnen.  Schon  bei  den  Koryphäen 
werden  die  meisten  den  immer  rascher  vergessenen  Rubinstein,  bei  dem  sich  Mangel  an 
Selbstkritik  grausam  rächte,  lieber  der  nächsten  Abteilung  zuweisen  wollen,  und  •••{>, 
schon  die  rasche  Prüfung  fördert  einen  ganzen  Blumenkorb  voll  „angefochtener* 
Komponisten  zutage,  die  man  aus  dem  einen  oder  anderen  Grunde  nicht  in  dieser  oder 


364 
DIE  MUSIK  VIL  24. 


jener  Abteilung  dulden  möchte.  Und  was  ergeben  denn  schließlich  diese  Einordnunfen? 
Doch  kein  fest  umrissenes  Bild  von  der  Entwickelung  der  Kitviermusik  in  dem  oten 
angegebenen  Zeitraum,  sondern  lediglich  eine  bunte,  in  der  verwirrenden  Fülle  der  Er- 
scheinungen unübersehbare  Anhiufüng  von  Namen  ohne  Leben !  Denn  das,  was  dieseffl 
hochverdienstlichen  Katalog  neuerer  Klaviermusik  Leben  geben  könnte,  die  Einteilungp 
geht  nirgends  über  den  Standpunkt  des  von  entwickelungsgeschichtlicher  Kenntnis  uiid 
Erkenntnis  der  Klaviermusik  völlig  unberührten  Musikers  hinaus.  Nirgends  mehr  als 
oft  unbehilflich  und  altmodisch  stilisierte  Wertungen:  Grieg,  Jensen  (EroticonK  Gade 
(Sonate  op.  28!),  nordische  (nordische  Langweile!),  Cdsar  Franck,  Sjögren  (völlig  unter- 
schitzt;  Klaviersonaten  fehlen),  Stenhammar,  Rudolph  Niemann,  die  Jungrussen  usw.  — 
so  viel  Namen,  so  viel  anfechtbare  oder  durchaus  schiefe  Wertungen.  Das  Beste  bietet  die 
Generalübersicht  über  die  Modekomponisten,  ein  sehr  verdienstlicher  und  wertvoller 
Abschnitt.  Im  übrigen  ist's  unmöglich,  daß  man  auf  diese  Weise  einen  noch  so  knappen, 
geschichtlichen  Oberblick  auch  über  die  neuere  Zeit  schreiben  kann.  Da  veriangt  man 
vollkommenes  und  zugleich  das  Wichtige  vom  Nebensichlichen  sichtendes  Oberschanea 
des  Stoffes,  entwickelungsgeschichtliches  Vorgehen,  unbedingtes  Zurücktreten  des  eigeaea 
Geschmacks  zugunsten  geschichtlicher  Wahrheit  und  Gerechtigkeit  auch  gegen  persönlich 
mehr  oder  minder  unsympathische  'Erscheinungen.  Mit  »bizarr*,  »roh*,  «abstoOend*, 
„unnatürlich",  „ft^mdartig",  „streng*  usw.  ist  da  wirklich  nichts  getan.  Ganx  anders 
steht  die  Sache,  wenn  man  das  Buch  vom  bibliographischen  Standpunkt  betrachtet 
Da  ist  es  ein  bei  der  Fülle  des  zusammengetragenen  Stoffes  fast  nie  versagendes  Nach* 
Schlagewerk  von  bleibender  Bedeutung,  eine  Art  theoretischer  Er^Uizong  zu  Ruthavdts 
„Wegweiser  durch  die  Klavierliteratur*,  das  über  alle  auftretenden  Fragen  auf  dem  Gablet 
der  Klaviermusik  —  Biographisches,  Verleger,  Arrangements  usw.  —  im  allgemeinen  vai^ 
läßliche  Auskunft  gibt  Schade,  daß  der  Verfasser  es  nicht  bis  1907  ausdehnte.  Die 
Aufhahme  der  auch  für  die  Klaviermusik  interessanten  Komponisten:  d'Ambroslo»  Deasoff, 
Otto  Dom,  AlfV6n,  Louis  Glaß,  Robert  Henriques,  Frugatta,  Frontini,  Ferraria,  Pdldinl, 
Terenghi  u.  a.  wire  für  später  zu  erwägen.  Einige  Druckfehler  seien  berichtigi: 
Peter son-Berger,  Stenhammar,  Birkedal-Barfod,  Boekelman,  Homemaa.  Elaea 
ästhetischen  oder  geschichtlichen  Wert  kann  ich,  wo  es  sich  um  bei  ihrer  knappen 
Fassung  doppelt  verantwortliche  Werturteile  handelt,  nur  in  den  seltensten  Pillen  aa* 
erkennen.  Den  zur  ersten  Sichtung  für  manchen  ja  gewiß  willkommenen  Baedeker- 
Sternchen  als  Auszeichnungen  für  besonders  beachtenswerte  Werke  wird  man  nach 
Stichproben,  wie  den  Gasthausstemchen  jener  berühmten  Reisehandbücher,  kalneriel 
Allgemeingültigkeit  oder  Verbindlichkeit  zusprechen  dürfen.  Freuen  wir  uns  aber  trotz 
allem  dieses  Buches  als  eines,  von  nicht  genug  anzuerkennendem  staunenswerten  FlelBe 
zeugenden  Denkmals  germanischer  Gründlichkeit  und  benützen  wir  es  in  Dankbarkeit 
als  einzige  und  alles  überragende  internationale  Bibliographie  der  Klaviermusik. 

Dr.  Walter  Niemann 

219.  Wilhelm  von  Lenz:   Beethoven.    Eine  Kunststudie.    I.  Teil:  Das  Lebea 

des   Meisters.     Neudruck    mit   Ergänzungen   und    Erläuterungen   von 

Dr.   AI  fr.   Chr.   Kali  scher.     Verlag:   Schuster  ft  Loeifler,  Berlla  uad 

Leipzig  1908. 

Von  Lenz'  großem,  fünfbändigem   Beethovenwerk  (1855—1800  erschieaen)  iat  dar 

erste  Band  unter  die  „Neudrucke  der  Beethovenliteratur*  aufgenommen  worden,  —  aar 

dieser,  weil  er  allein  weitere  Kreise   zu  interessieren  vermiß.    Die  fibrigen  Tella^  b^ 

sonders  der  umfangreiche  „Kritische  Katalog*,  haben  nur  noch  für  den  BeetbovanfofaclMr 

Bedeutung.    Jener  erste  Band  trägt  den  Titel:  „Das  Leben  des  Meisters*,  Ist  aber  ailea 

andere  als  eine  Musikerbiographie  im  landläufigen  Sinne.    Sprung»  und  skizseabafl  vM 


365  ' 

BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


das  Leben  Beethovens  darin  behandelt;  auch  werden  nur  einzelne  Hauptwerke  des 
Meisters  eingehend  analysiert.  Der  Schwerpunkt  des  Buches  Hegt  picht  hier,  sondern 
in  dem  ^streichen  Geplauder  Lenz'  über  Beethoven  den  Künstler,  seine  Werke  und 
seine  Zeit.  Der  Autor  wollte  mit  seinem  Buch  kein  biographisches  Quellen  werk  bieten. 
Er  verzichtete  auf  eigene  Quellenstudien  und  begnügte  sich  damit,  die  historischen  Tat- 
sachen nach  Schindler  und  Wegeler-Ries  wiederzugeben.  Und  nicht  einmal  genaues 
Referieren  hielt  er  für  nötig.  Der  göschmackvollen  Diktion  zuliebe  änderte  und  ver- 
drehte er  die  Ereignisse.  Hier  setzt  die  Tätigkeit  des  Herausgebers  des  Neudruckes 
ein.  Er  nennt  in  Fußnoten  den  wahren  Sachverhalt,  wo  Lenz  ins  Fabulieren  gerät. 
Nicht  um  positive  Fakta  zu  erfahren,  die  wir  bei  Thayer  finden  können,  greifen  wir  zu 
Lenz,  sondern  um  den  begeisternden  Improvisationen  eines  genialen  Beethovenrhapsoden 
zu  lauschen.  Wen  der  Zauber  seiner  Worte  einmal  gepackt  hat,  der  hört  ihn  auch  zu 
Ende.  Man  liest  sein  Buch  und  schwankt,  was  man  mehr  daran  bewundem  soll,  die 
tiefe  Kenntnis  der  Kunst  Beethovens,  die  flüssige,  elegante,  oft  mit  funkelndem  Witz 
belebte  Darstellung  oder  das  feine  Maßhalten  des  Autors,  der  bei  allem  flammenden 
Enthusiasmus  für  seinen  Helden  doch  nie  in  phrasenhafte  Hyperbeln  verfällt  Als 
frühestes  Werk,  das  Beethoven  rein  ästhetisch  zu  fassen  sucht,  nimmt  Lenz'  Buch  einen 

hervorragenden  Platz  in  der  Beethovenliteratur  ein. 

Dr.  Hans  Volkmann 


MUSIKALIEN 

220.  Hundert  lettische  Volksweisen«    Herausgegeben  von  J.  Withol.    Verlag:  P, 

Neidner,  Riga. 
Ein  reicher  Schatz  von  sangbaren  Weisen,  den  das  lettische  Volkstum  sein  eigen 
nennt,  ist  in  diesem  Hefte  vereinigt.  Die  Melodieen  sind  meist  sehr  kurz,  aber  aufler- 
ordentlich  sangbar  und  obren  fällig,  auch  erinnern  manche  von  ihnen  auffällig  an 
Melodieen,  die  in  gewissen  Gegenden  Deutschlands  gesungen  werden.  Der  musikalische 
Satz  von  J.  Withol  ist  einfach,  ohne  altmodisch  zu  sein.  Die  Texte  sind  aber  zum  großen 
Teil  recht  belanglos. 

221.  Deutsche  altlivländische  Volkslieder,  für  eine  Singstimme  gesetzt  von  Gustav 

Frhr.  von  Manteuffel.  Verlag:  P.  Neidner,  Riga. 
Diese  Sammlung  steht  unserm  Empfinden  begreiflicherweise  weit  näher  als  die 
vorige,  und  wir  entdecken  in  ihr  mit  Vergnügen  alte  Bekannte,  wie  »Das  arme  Dorf- 
schulmeisterlein^  „Der  Allerbeste,  den  ich  hab**  und  „Widewidewitt,  mein  Mann  ist 
Schneider*,  die  als  uralte  deutsche  Weisen  bei  der  deutschen  Besiedelung  Livlands  dort- 
hin mit  ausgewandert  sind.  Auch  hier  hat  sich  der  Bearbeiter  in  den  ihm  gebotenen 
Grenzen  mit  Geschmack  gebalten.  F.  A.  Geißler 

222.  Ernst  Eduard  Taubert:   Suite  (No.2)  in  F-dur.   SechsTondichtungen  nach 

Goetheschen  Worten  für  Pianoforte.    op.  70.    Verlag:  Ries  &  Erler, 

Berlin. 
Was  E.  E.  Taubert  veröffentlicht,  zeichnet  sich  stets  durch  musikalischen  und 
poetischen  Gehalt  aus.  Er  komponiert  nicht  nur,  um  eine  möglichst  hohe  Opuszahl  zu 
erreichen,  sondern  augenscheinlich  nur  dann,  wenn  ihm  etwas  des  Fixierens  Wertes  ein- 
fällt. Seiner  schon  vielgespielten  Phantasie-Sonate  und  dem  in  vergangener  Saison  mit 
großem  Erfolge  eingeführten  Violinkonzert  reiht  sich  dieses  neueste  Werk  würdig  an. 
Es  sind  sechs,  teilweise  in  Tanzform  (Walzer,  Gavotte,  Menuett)  gekleidete  Stücke,  die 
den  Charakter  der  ihnen  zugrunde  liegenden  Worte  Goethes  vorzüglich  treffen.    Aber 


366 
DIE  MUSIK  VII.  24. 


auch  in  den  anderen  Sätzen  (PrXludium,  Adagio,  Finale)  zeigt  taubeit  seine  hervor- 
ragende Kunst  in  harmonischer  und  kontrapunktischer  Hinsicht,  ohne  dabei  den 
dichterischen  Gedanken  eine  zweite  Rolle  zuzuweisen.  Einem  tüchtigen,  feinfühlenden 
Pianisten  bietet  diese  Suite  eine  interessante  und  dankbare  Aufgabe. 

223.  Fr«  Grfitzmacher  jun.:    Kammermusikstudien  zeitgenAssischer  Ton- 

setzer für  Violoncell.  Verlag:  Breitkopf  &  Härtel,  Leipzig. 
Sammlungen  schwieriger  Stellen  für  einzelne  Instrumente,  seien  sie  aus  Opern, 
Symphonieen,  Ouvertüren  oder,  wie  die  vorliegenden,  aus  Kammermusikwerken,  sind 
stets  willkommen  zu  heißen,  vorausgesetzt,  daß  der  Herausgeber  Literaturkenntnisse  und 
praktische  Erfahrung  besitzt.  Beides  scheint  hier  jedoch  nicht  zuzutreffen,  felis  der  Aus- 
wahl sehr  selten  oder  nie  gespielter  Werke  nicht  eine,  allerdings  schwer  zu  billigende 
Absicht  zugrunde  liegen  sollte.  Kammermusik  spielenden  Künstlern  und  Dilettanten  sind 
ihre  betreffenden  Stimmen  zum  Zwecke  der  Vorbereitung  oft  nicht  zugänglich;  es  kommt 
also  in  erster  Reihe  darauf  an,  ihnen  Auszüge  aus  den  Werken  zu  bieten,  die  zum 
Repertoire  aller  Kunstfreunde  gehören,  also  aus  denen  der  bedeutendsten  Meister.  Daß 
der  Herausgeber  die  Klassiker  Haydn,  Mozart,  Beethoven,  Schubert,  Schumann  und 
Mendelssohn  ganz  überging,  soll  ihm  nicht  zum  Vorwurf  gemacht  werden,  denn  deren 
vollständige  Werke  sind  für  kleine  Preise  heute  fest  jedem  erschwinglich,  aber  von  den 
späteren  Komponisten  sind  die  bedeutendsten  in  dieser  Sammlung  überhaupt  nicht  ver* 
treten,  so  z.  B.  Brahms,  DvoHk,  Tschaikowsky,  Saint-SaSns,  Raff,  Goldmark,  Smetana, 
Grieg,  Hugo  Wolf,  R.  Strauß,  Reger,  Pfitzner,  Arensky  usw.  usw.  Von  Volkmann  zählt 
sein  herrliches  b-moll  Trio  zu  den  beliebtesten  Werken  der  Literatur;  das  äußerst  wert- 
volle Klavierquartett  von  L.  V.  Saar  steht  mindestens  auf  der  gleichen  Stufe  wie  die  von 
Grützmacher  gewählten  Kompositionen.  Für  überflüssig  halte  ich  dagegen  die  Autzüge 
aus  Streichquartetten,  resp.  Quintetten,  Trios  usw.  von  Gade,  Godard,  Lalo,  Novak, 
Rubinstein,  Weingartner,  Jadassohn,  Reinecke.  Aber  auch  damit  könnte  man  einverstanden 
sein,  wenn  wenigstens  die  Bezeichnung  der  angeführten  Stellen  mit  Fingersitzen  und 
Bogenstrichen  die  Hand  des  Künstlers  verriete.  Davon  ist  nichts  zu  spüren.  Im  Gegen- 
teil sind  diese  so  dilettantisch,  wie  nur  irgend  möglich,  und  geben  dem  ungeübten  Spieler, 
wenn  überhaupt,  nur  Ratschläge,  wie  man  sich  zum  schlechten  Musiker  bildet  Wo 
Fingersätze  und  Bogenstriche  angegeben  sind,  widersprechen  sie  allen  Regeln 
musikalischer  Logik. 

224.  Friedrich  Gerasheim:    Konzert  für  Violoncello  mit  Orchester,    op.  78. 

Ausgabe  mit  Klavier  vom  Komponisten.  Verlag:  Rob.  Forberg,  Leipzig. 
Gernsheims  neues  Konzert  erinnert  thematisch  und  in  seinem  Passagenwerk  recht 
aufdringlich  an  die  altbewährten  Arbeiten  von  Goltermann  und  Raff,  die  jedem  Cellisten 
vertraut  sind,  nur  daß  die  Begleitung  etwas  selbständiger  und  harmonisch  reicher  ist 
Der  langsame  Mittelsatz  wird  dem  Konzert  durch  seine  schöne  Melodie  sicher  zum  Er- 
folge verhelfen,  und  ihm  zuliebe  wird  es  gern  gespielt  werden. 

225.  Julius  Kleugel:    Konzert  in  e-moll  für  zwei  Violoncelle  und  Orchester. 

op.  45.  Ausgabe  mit  Klavier.  Verlag:  Breitkopf  &  Härtel,  Leipzig. 
Daß  ein  von  einem  hervorragenden  Virtuosen  komponiertes  Werk  die  Eigenart 
seines  Instrumentes  ins  beste  Licht  zu  setzen  weiß,  versteht  sich  von  selbst.  So  ist 
auch  das  Konzert  für  zwei  Celli  von  Kiengel  ein  für  tüchtige  Spieler  sehr  dankteres 
Virtuosenstück.  Ganz  besonders  wertvoll  ist  es  für  Studienzwecke.  Musikalisch  bietet 
es  nichts  Neues.  Es  ist  in  der  ehemals  beliebten,  ohrgefälligen  Manier  geschrieben,  die 
von  den  Geigern  Beriet,  Alard  usw.  nach  allen  Richtungen  ausgenutzt  wvrde.  Tenen, 
Sexten  und  Oktaven  spielen  eine  große  Rolle  darin,  hin  und  wieder  durch  Termiaderie 
Septimenakkorde  aus  ihrem  Wohlklsnge  aufgeschreckt!    Auch  rhythmisch  hält  sich  das 


367 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


im 


Konzert  in  bekanntem  Fahrwasser.  Das  Hauptthema  ist  sogar  verblu£Pend  unoriginell. 
Kompositionstechnisch  ist  alles  von  größter  Gediegenheit.  Unter  den  Cellisten,  die  ja 
nicht  allzu  verwöhnt  sind,  durfte  das  Werk  sich  viele  Freunde  erwerben. 

Arthur  Laser 

226.  Ernst  Toch:  Melodische  Skizzen  für  Klavier,    op.  9.  —  Drei  Präludien 

(a-moll,  A-dur,  d-moU)  für  Klavier  zu  zwei  Händen,  op.  10. —  Scherzo 
(h-moll)  für  Klavier  zu  zwei  Händen,  op.  11.  Verlag:  P.  Pabst,  Leipzig. 
Die  fünf  melodischen  Skizzen,  von  denen  die  ersten  beiden  (Ständchen,  Reigen) 
die  anderen  drei  erheblich  überragen,  sind  melodiöse  kleine  Stücke  leichteren  Genres, 
die  eine  entschiedene  Begabung  für  die  kleineren  lyrischen  Formen  zeigen.  Auch  die 
etwas  ausgearbeiteteren  Präludien  enthalten  wirkungsvolle  Musik,  besonders  das  vor- 
trefflich durchgeführte,  lebendige  erste  in  a-moll;  das  dritte  in  d-moll  erinnert  im  Ein- 
gang sehr  stark  an  die  neunte  Nummer  von  Schumanns  Dichterliebe  (»Das  war  ein  Flöten 
und  Geigen*).    Minder  gelungen  ist  das  etwas  trockene  Scherzo. 

227.  Nicolaus   Medtner:    Acht    Stimmungsbilder    für    Pianoforte.     op.   1.  — 

Trois   improvisations  pour  piano,    op.  2.  —  Drei  Arabesken  für 

Klavier,     op.    7.   —   Sonatentriade    für    Klavier,     op.    11.     Verlag: 

P-  Jurgenson,  Moskau  und  Leipzig. 

Mit  diesen  Erstlingen  vermochten  wir  uns  nicht  recht  anzufreunden :  die  Erfindung 

ist  weder  reich  noch  blühend,  die  Schreibweise  oft  kraus  und  trocken,  die  thematische 

Durchführung  mehrfoch  uninteressant,  so  daß  kein  rechter  Kunstgenuß  aufkommen  kann. 

Schon  der  Titel  „Tragödie  (!)- Fragment**  (op.  7,  No.  2;  3)  zeigt,  daß   es   dem  Verfasser 

mehr  auf  programmatische  Grübeleien,  als  auf  warmes  musikalisches  Leben  ankommt. 

Op.  11  kann  nur  ganz  mißbräuchlich  den  Sonaten  beigezählt  werden.    Als  bestes  aller 

Stücke  sei  op.  1,  No.  2  hervorgehoben. 

228.  August  Halm:   Kompositionen  für  Pianoforte.    Heft  2:  Fuge  in  d-moll, 

Fuge  in  F-dur.  Heft  3:  Bagatellen,  Gavotte,  Sarabande  mit 
Variationen.  Verlag:  G.  A.  Zumsteeg,  Stuttgart. 
Dem  ersten  Heft  dieser  Kompositionen  durften  wir  (VI,  23,  S.  307;  Reiz  und 
Kraft  nachrühmen.  Das  zweite  und  das  dritte  stehen  wegen  allzu  spröder  Erfindung  bei 
aller  regelrechten  Ausführung  des  Formellen  nicht  ganz  auf  der  gleichen  Höhe.  Am 
meisten  hat  uns  die  erste  der  Bagatellen  und  die  Sarabande  mit  Variationen  angesprochen, 
während  die  beiden  Fugen  an  einer  gewissen  Trockenheit  leiden. 

229.  Alezander  Scriäblne:   Quatre   pr^ludes   pour  piano,     op.  48.  —   Trois 

roorceaux   pour   piano,    op.  49.  —   Quatre   morceaux   pour   piano, 
op.  51.    Verlag:  M.  P.  Belateff,  Leipzig. 

Es  ist  ein  recht  krauser  musikalischer  Geschmack,  der  sich  in  diesen  Werken 
dem  Freunde  der  Tonkunst  darbietet«  Da  uns  von  den  älteren  Schöpfungen  des  schon 
zu  einer  recht  hohen  Opuszabl  vorgeschrittenen  Komponisten  nichts  bekannt  ist,  so 
können  wir  kein  Urteil  darüber  haben,  ob  hier  ein  durchgängiger  individueller  Charakter 
oder  nur  ein  zeitweiliger  Irrweg  des  Verfassers  vorliegt.  Die  drei  Hefte  leisten  jedenfalls 
an  Verzwicktheit  und  Sprödigkeit  der  melodischen  Erfindung,  soweit  eine  solche  überhaupt 
als  vorhanden  bezeichnet  werden  kann,  an  disharmonischer  Schroffheit  der  Akkordfolgen 
und  an  rhythmischer  Caprice  das  Menschenmögliche.  Ein  künstlerischer  Eindruck  ent- 
steht auf  diese  Weise  natürlich  nicht.  Daß  der  Verfasser  stark  mit  programmatischen, 
also  an  sich  außermusikaliscben  Motiven  arbeitet,  zeigen  schon  Titel  wie  »Fragilit^*, 
„Po^me  ai]6''  und  ^.Danse  languide*  (op.  51,  1.  3.  4). 

Albert  Leitzmann 


368 
DIE  MUSIK  VII.  24. 


230.  Hans   Pfitzner:    An   den   Mond.    Gedicht   von   Goethe   für   eine    Sing- 

stimme  mit  Begleitung  des    Pianoforte  op.  18.  ^   Zwei   Lieder. 

Gedichte  von  Karl  Busse,  op.  19.  Verlag:  Max  Brockhaut,  Leipzig. 
Pfltzners  op.  18  und  19  sind  keine  erfreulichen  Äußerungen  seines  Talentes. 
Am  besten  gelang  noch  op.  19  No.  2  „Michaelskirchplatz*.  Hier  ist  Stimmung  und 
melodischer  Schwung,  wenn  auch  nicht  in  höherem  Matte,  yorhanden.  Goethes  durch 
sprachlichen  Klangzauber  in  ewigem  Jugendglanze  erstrahlende  Dichtung  »An  den 
Mond"*  hat  sich  dagegen  in  Pfltzners  Phantasie  zu  einem  krankhaft  fiberspannten  Musik- 
stuck verunstaltet.  Es  ist  ein  Konglomerat  von  harmonischer  Gespreiztheit  und  Unnatur» 
das  man,  je  eher  je  lieber,  wieder  aus  der  Hand  legt.  Auf  ähnlichem  Standpunkt  steht 
auch  sein  op.  19  No.  1  „Stimme  der  Sehnsucht**,  wenn  es  auch  in  seinem  Schluilteil 
einen  harmonischen  Eindruck  macht. 

231.  Jean  Sibelius:  Drei  Gesinge  mit  Klavierbegleitung,    op.  17  No.  S,  %  7. 

Verlag:  Breitkopf  &  Hirtel,  Leipzig. 
Während  No.  6  »An  den  Abend*  und  No.  7  »Der  Schwan  auf  den  Wellen*  musikalisch 
von  keiner  besonderen  Bedeutung  sind,  ist  „die  Libelle*  —  No.  5  —  in  ihrer  harmonischen 
und  melodischen  Anlage  ein  Stuck  von  besonderer  Eigenart  Ob  Sibelius  die  Dich- 
tung mit  dieser  Vertonung  erschöpfte,  läßt  sich  nicht  feststellen,  um  so  weniger,  als  die 
Obersetzung  des  Herrn  Boruttau  an  phrasenhaftem  und  schwfilstigem  Deutsch  un- 
glaubliches leistet.  Bemerken  will  ich  noch,  daß  »die  Libelle*  gesangstechnisch  ein  sehr 
diffiziles  Stuck  ist.  Musikalische  Sängerinnen  mit  bewußtem  Tonansatz  dürften  indessen 
eine  starke  Wirkung  damit  erzielen. 

232.  Volkmar  Andreac:   Sechs  Gedichte  von  Conrad  Ferdinand  Meyer  ffir 

eine  Singstimme  und  Klavier,     op.  10.    Verlag:  Gebrüder  Hag  ft  Co., 

Leipzig  und  Zürich. 
Bevor  Volkmar  Andreae  sein  kompositorisches  Talent  wieder  in  den  Dienst  des 
Liedes  stellt,  empfehle  ich  ihm  dringend,  grundliche  Studien  über  Textphrasierungen  und 
Atemmöglichkeiten  des  Sängers  zu  machen.  Was  der  Komponist  sich  bestrebte,  musikalisch 
Gutes  zu  leisten,  hat  er  sich  durch  seine  Ungeschicklichkeit  in  der  Behandlung  der 
deutschen  Sprache  und  durch  seine  Unkenntnis  dessen,  was  ein  Singer  auszuführen 
fähig  ist,  gründlich  verdorben.  Nach  dem  vorliegenden  Opus  10  zu  urteilen,  scheint 
sich  bei  dem  Komponisten  der  Begriff  »Lied*  als  ein  Klavierstück,  zu  dem  man  eine 
Stimme  Töne  singen  läßt,  darzustellen.  »Requiem*,  »Ein  Lied  Chastelards*,  i,Eingelcgte 
Ruder*,  sämtlich  Gesänge,  die  musikalisch  stark  interessieren,  kranken  durchweg  an 
der  gleichgültigen  Behandlung  der  Dichtung  und  ihrer  Phrasierung.  Den  Gipfbl  der 
Geschmacklosigkeit  erreicht  aber  der  Komponist  in  dem  Liede  »Abendwolke*.  Hier 
zerrt  er  die  Worte,  die  Haupt-  und  Nebensilben  derart  auseinander,  daß  weder  von  einer 
musikalischen  Charakterisierung  der  Dichtung  die  Rede  sein  kann,  noch  der  Singer 
bei  aller  Atemökonomie  imstande  ist,  den  Anforderungen  des  Komponisten  nach- 
zukommen. Ein  Lied  hat  nur  dann  den  gerechten  Anspruch,  als  Kunstwerk  anerkannt 
zu  werden,  wenn  es  nicht  nur  musikalischen  Gehalt  bat,  sondern  sich  in  ihm  auch  Wort 
und  Ton  in  inniger  Verschmelzung  zu  einem  logischen  Ganzen  einen  und  die  Schwingnngs- 
linie  des  Melos  dem  Wort  die  erhöhte  Potenz  des  Ausdrucks  verleiht  Bedaueriich  ist 
es,  daß  nur  wenige  unserer  Tonsetzer  dem  Wesen  des  Liedes  ein  klares  Versttodois 
entgegenbringen.  Man  kann  diese  Oberflächlichkeit  nicht  genug  verurteilen,  hesondsrs 
aber  dann,  wenn  sie  einem  bei  solch  zweifellos  starkem  Talent  begegnet,  als  welches  idi 
Volkmar  Andreae  schätze.  Adolf  Göttmann 


Aus  ausländischen  Musikzeitschriften 

BULLETIN  FRANgAIS  DE  LA  SOCI£t£  INTERNATIONALE  DE  MUSIQUE 
(Section  de  Paris)  1908,  No.  1—7.  —  Die  Hefte  entbtlten  die  folgenden,  zum  Teil 
sehr  wertvollen  Aufsätze:  No.  1:  »L'csuyre  de  Paganini*  (»Das  Werk  Paganini's") 
von  Alberto  Bachmann.  —  «Un  mariage grögorien''  („Eine  gregorianische  Trauung*) 
von  Jules  fcorcheville  (Bericht  über  eine  Trauung  i.  J.  1007,  deren  gottes- 
dienstliche Feier  sich  streng  in  den  Formen  des  gregorianischen  Stils  hielt).  — 
,La  musique  des  syllabes  et  les  sirönes  du  Docteur  Marage"  (»Die  Musik  der 
Silben  und  die  Sirenen  des  Dr.  Marage*)  von  Jean  d*Udine  (über  akustische  Experi- 
mente von  Marage).  —  »De  l'adaptation  musicale*  («Ober  musikalische  Anpassung*) 
von  Alix  LenoSl-Zevort  —  »Un  problöme  d'esth^tique  wagn^rienne*  (»Eine  Frage 
der  Wagnerschen  Ästhetik*)  von  Lionel  d'Auriac  (fiber  Wortdichtung  und  Ton- 
dichtung in  Wagners  Werk).  —  »Le  drame  musical  contemporain*  (»Das  zeit- 
genössische Musikdrama*),  II.  Kapitel,  von  Ricciotto  Canudo.  —  »Boris  Godounov* 
von  M.-D.  Calvocoressi  (aus  dem  Werke  „Moussorgski^).  —  No.  2:  »Le  Luth 
et  sa  musique*  (»Ober  die  Laute  und  die  Lautenmusik*)  von  Jules  £corcheville 
(mit  2  Kunstbeilagen  und  16  Seiten  Obertragungen  aus  Tabulaturen  des  16.  und 
17.  Jahrhunderts  in  moderne  Notenschrift).  —  »Le  Journal  d'une  chanteuse  annamite* 
(»Tagebuch  einer  annamitischen  Sängerin*)  von  Pol  Varton  (übersetzt  aus  dem 
Annamitischen  und  mit  Anmerkungen  versehen).  —  »R6impression  de  trait^s 
musicaux  du  moyen  äge*  (»Neudrucke  von  musiktheoretischen  Abhandlungen  aus 
dem  Mittelalter*)  von  G.  Allix.  (Allix  weist  eine  Menge  Fehler  in  dem  Werke 
»Scriptores  de  musica  medii  aevi**  von  De  Goussemaker  nach,  das  in  Faksimile 
neugedruckt  werden  soll.  Er  nennt  das  Werk  grundlegend  und  für  jeden,  der  die 
Musik  des  Mittelalters  gründlich  kennen  lernen  will,  unentbehrlich,  hält  es  aber 
für  verkehrt,  es  mit  allen  Fehlern,  Ungenauigkeiten  usw.  nachzudrucken.)  — 
»Beckmess^rianisme  anglais*  (»Englisches  Beckmessertum*)  von  Francis  Toye 
und  Marcel  Boulestin  (über  die  Mängel  in  dem  Musikunterricht  an  den  Uni- 
versitäten Oxford  und  Gambridge  und  ihren  Einfluß  auf  die  Musikpflege  in  Eng- 
land). ~  „La  Mer.  Trois  esquisses  symphoniques  de  Glaude  Debussy*  (»Das 
Meer.  Drei  symphonische  Versuche  von  Glaude  Debussy*)  von  Louis  Laloy.  — 
No.  3:  „La  mise  en  scöne  d'Hippolyte  et  Ariele'*  (»Die  Inszenierung  von  ,Hippolyte 
und  Aricie**)  von  Georges  Imbart  de  La  Tour  (mit  vielen  Bilderbeilagen).  — 
„La  musique  espagnole  moderne^  (»»Die  moderne  spanische  Musik^  von  Henri 
G  oll  et.  —  »Musique  et  musicologie  anglaises'*  (»Musik  und  Musikwissenschaft 
in  England**)  von  M.-D.  Galvocoressi  (Fortseuung  in  No.  5).  —  „Litt^rateurs 
symphonistes**  („Literatursymphoniker**)  von  Ricciotto  Ganudo.  —  No.  4:  »La 
premiöre  comddie  fran^aise  en  musique**  („Die  erste  fhmzösische  Musikkomödie**) 
von  Henri  Quittard  (über  das  1654  erschienene,  von  Michel  De  It  Guerre 
komponierte  Werk  „Le  triomphe  de  Tamour  sur  des  bergers  et  bergires**;  Schluß  in 
Heft  5).  —  „Le  goüt  de  la  musique  chez  Stendhal*^  (»Der  musikalische  Geschmack 
bei  Stendhal**)  von  Alexandre  Arnoux.  —  „Un  romantique  sous  Louis-Philippe^  von 


370 
DIE  MUSIK  VII.  24. 


9K 


Martial  Teneo  (bespricht  Adolphe  Boschofs  unter  dem  selben  Titel  erschienenes 
Werk  Ober  Berlioz).  —  „Lutherie.  —  L'hygiftne  du  violon.  Conseils  pratiques 
sur  Tentretien  des  instruments  k  archet  en  vue  de  leur  conservation^  („Geigenbau. 

—  Die  Hygiene  der  Geige.  Praktische  Ratschlige  über  die  Behandlang  der 
Streichinstrumente  zum  Zweck  ihrer  lingeren  Erhaltung^  von  Luden  Greilaamer 
(Fortsetzung  in  No.  5).  ^  ,,La  musique  k  Berlin^  yon  Edmond  De  läge  (Qber 
Berliner  Musikpflege  im  letzten  Winter).  —  „Le  ^temps  fort^  dans  le  Itythme^ 
(,,Der  betonte  Taktteil  nach  der  Lehre  vom  Rhythmus'^  von  Maurice  Emmanuel 
(aus  dem  bald  erscheinenden  „Dictionnaire  du  Conservatoire^.  —  „De  certmlns 
mouvements  de  Topinion  musicale  contemporaine''  (^Ober  gewisse  Änderungen 
der  heutigen  Ansichten  über  Musik'O  von  Edmond  Mau  rat.  —  ^^La  musique 
anglaise  moderne.  Une  interview  avec  Mrs.  Rosa Newmarch^  von  Charles  Chass6. 

—  No.  6:  »Lecerf  de  la  Vi6ville  et  1'  esth^tique  musicale  classique  au  XVII«  siöcle* 
(„Lecerf  de  la  Vidville  und  die  klassische  Musik-Asthetik  im  17.  Jahrhundert^  von 
Henry  Pruniöres.  —  „Causerie  musicale.  La  trrraditlon^  von  E.  Jaques- 
Dalcroze  (gegen  die  Oberschitzung  der  Tradition).  —  y^Musical  England.  Quelques 
notes  sur  les  soci6t6s  chorales^  (»Das  musikalische  England.  Einige  Bemeriniitgra 
über  die  Choral  Vereinigungen*^)  von  Jean  Classy.  —  y^o^sie  et  musique^  von 
Louis  Thomas. —  No.  7:  ,«Rimski-Korsakow^  von  Louis  Laloy  (zum  Tode  des 
Komponisten,  mit  mehreren  Bilderbeilagen).  —  „Lg  Classification  des  timbres  et 
les  sons  compl^mentaires^  (Die  Klassifizierung  der  Klinge  und  die  Komplemeotir- 
töne^)  von  Jean  d'Udine.  —  „Les  chants  d'amour  dans  la  musique  Orientale^ 
(„Die  Liebeslieder  in  der  orientalischen  Musik^  von  Gaston  Knosp  (mit  Noten- 
beilagen). 

LE  COURRIER  MUSICAL  (Paris)  1906,  Heft  1—14.  —  Heft  1,  2  und  5:  »U 
centralisation  et  les  petites  chapelles  musicales*  (»Die  Zentralisation  und  die 
kleinen  Musikkapellen**).  —  Heft  2:  »Vies  paralleles  des  grands  musldens  contem- 
porains*  (» Vergleichende  Lebensbeschreibungen  großer  Musiker  unserer  Zeit*). 
I.  Camille  Saint-SaSns.  In  einer  Vorbemerkung  wird  gesagt:  „Die  Anmerkungen 
zu  diesen  Artikeln  sind  für  die  Leser  im  Jahre  2000  verfaßt  von  einem  Professor  der 
Rhetorik  am  Lyzeum  Cl^menceau,  zur  Erliuterung  vieler  dunkler  Stellen*.  — 
„A  propos  de  la  reprise  d',Iphig6nie  en  Aulide'*  (»Zur  Wiederaufffihrung  der 
,Iphigenie  in  Aulis'")  von  Paul  Jedlinski.  —  Heft  3:  „Le  probltae  musical* 
(»Das  Problem  der  Musik*)  von  Alfred  Mortier  (über  die  verschiedenen  Ansichten 
der  Musikästhetiker).  —  »Pour  les  jeunes  compositeurs*  (»Für  die  jungen  Kom* 
ponisten*)  von  Viktor  Debay  (über  den  Brauch  der  »Komischen  Oper*  in  Paris, 
Werke,  die  schon  in  der  Provinz  aufgeführt  worden  sind,  nicht  mehr  als  Neuheiten 
gelten  zu  lassen).  —  Heft  4:  »Une  nouvelle  ceuvre  de  M.  Vincent  d'Indy*  (»Ein 
neues  Werk  von  Vincent  d'Indy*)  von  Albert  Groz  (eine  ausfOhrliche  Analyse  der 
Klaviersonate  in  E).  —  Heft  5:  »Les  vies  paralleles  des  musldens.  IL  Massenet*, 
(mit  dem  Anhang:  »Comparaison  de  Saint-SaSns  et  de  Massenet^  von  Jean 
d'Udine.  —  Heft  6:  »La  voix  maudite^  («Die  verdammte  Stimme*)  von  Camille 
Mauclair.  —  »Alexandre  Ritter  d'aprds  un  livre  r^cent*  (»Alexander  Ritter  nach 
einem  neuen  Werke")  von  Michel  Brenet  (nach  S.  von  Hauseggers  Buch  fiber 
Ritter).  —  »A  propos  de  Liszt"  (enthält  Auszüge  aus  dem  von  uns  in  Heft  VI,  18 
ausführlich  angezeigten  Aufsatz  Weingartners  in  der  »Neuen  Freien  Presse*  und 
Vincent  d'Indy's  Vorrede  zu  Amy  Fay's  Buch  »Lettres  d'une  musicienne  am6rlcftlne* 
[»Briefe  einer  amerikanischen  Musikerin*]).  —  Heft  7:  »La  musique  tchftque  aprte 
Sroetana**  (»Die  tschechische  Musik  nach  Smetana*)  von  William  Ritter  (Sdiloft 


37  i 
REVUE  DER  REVUEEN 


in  Heft  8).  —  »ftudes  iQusicales  en  Allemagne*'  («MusikaHsche  Studien  in  Deutsch- 
land*) (eine  Besprechung  des  Buches  »Lettres  d'une  musicienne  am^ricaine**  von 
Amy  Fay  und  kurze  Auszuge  daraus,  die  Klara  Schumann,  Joachim,  Tausig, 
Rubinstein  und  Liszt  betreffen).  —  Heft  8:  »Edouard  Lalo*  von  Gabriel  Faur6.  — 
Heft  9:  »La  Sniegourotchka  de  Rimsky-Korsakof"  von  William  Ritter.  —  Heft  10 
(Rameau-Nummer,  herausgegeben  gelegentlich  der  Aufführung  von  »Hippolite  et 
Ariele"):  „Le  ,Ramisme^*  (»Der  yRameauismus'**)  von  Charles  Maiherbe.  — 
»L'affaire  Rameau*  (»Die  Angelegenheit  Rameau**)  von  Jean  Chantavoine.  — 
»La  danse  dans  Top^ra  de  Rameau*  („Der  Tanz  in  Rameau's  Oper*)  von  Gaston 
Carraud.  —  ,,De  Tinterpr^tation  des  (suvres  de  Jean-Philippe  Rameau  et  des 
maltres  de  l'op^ra  fran^ais  aux  XVII.  et  XVIII.  sidcles*  (»Ober  die  Darstellung  der 
Werke  Rameau's  und  anderer  Meister  der  französischen  Oper  im  17.  und  im  18. 
Jahrhundert*)  von  Charles  Bordes.  —  »Rameau.  Essai  de  bibliographie*  von 
Michel  Brenet  (eine  Liste  von  Büchern  und  Aufsätzen  über  Rameau,  die  nicht 
vollständig  ist,  sondern  nur  das  Studium  des  Lebens  und  Schaffens  des  Meisters 
erleichtem  soll.  Schluß  in  Heft  11).  —  »Hippolyte  et  Ariele  ä  Top^ra*  von  Victor 
Debay.  —  Heft  11:  9L'h6roisme  de  Liszt*  von  Camille  Mauclair  (ein  Vortrag, 
den  der  Verfosser  in  einem  Konzert  der  Pianistin  Jane  Mörder  und  der  Sängerin 
Adiny  gehalten  hat).  —  Heft  12—14:  »Trois  sonates  modernes*  (»Drei  moderne 
Sonaten*)  von  Albert  Groz  (ausführliche  Besprechung  der  Sonaten  für  Klavier  und 
Geige  von  C6sar  Franck,  Vincent  d'Indy  und  G.-N.  Witkowski).  —  Heft  12: 
«Impressions  sur  Boris  Godounow*  («Eindrücke  von  ,Boris  Godounow**)  von 
Camille  Mauclair e.  —  «Rimsky-Korsakow*  von  Jean  d'Udine  (zum  Tode  des 
Komponisten). 

LE  M£NESTREL  (Paris)  1908,  No.  3—11, 13—29.  —  «Soixante  ans  de  la  vie  de  Gluck 
(1714—1774)*  („Sechzig  Jahre  aus  dem  Leben  Glucks*)  von  Julien  Tiersot  (No.  1 
bis  29;  wird  fortgesetzt).  —  «Sporschil  et  Beethoven*  von  Am^d6e  Boutarel  (No.3; 
berichtet  auf  Grund  der  Schrift  Hans  Volkmanns  «Neues  über  Beethoven*  über 
Sporschils  Verhältnis  zu  Beethoven).  —  «Un  document  inapper^u  sur  l'orchestration 
des  maltres*  («Ein  unbeachtet  gebliebenes  Zeugnis  über  die  Orchestration  der 
großen  Meister*)  von  Raymond  Bouyer  (No.  4;  handelt  von  Berlioz'  Satz:  «daß 
die  Instrumente  nur  nach  dem  Grade  des  Interesses  und  der  Leidenschaft  [«en 
Proportion  du  degr^  d'inter^t  ou  de  passion*]  tätig  sein  dürfen*).  —  «D'  embarras- 
santes  questions  sur  T^volution  de  Torchestre*  («Schwierige  Fragen  betreffend  die 
Entwicklung  des  Orchesters*)  von  Raymond  Bouyer  (No.  7).  —  «Autres  probldmes 
soulev^s  par  V  Evolution  de  l'orchestre*  («Weitere  Probleme  betreffend  die  Ent- 
wicklung des  Orchesters*)  von  Raymond  Bouyer  (No.  10).  —  «Antoine  Stradivarius* 
von  Arthur  Pougin  (No.  11;  Besprechung  des  neuen  Buches  über  Stradivarius 
von  Henry,  Arthur  und  Alfred  Hill).—  «Orchestre  et  litt^rature:  6change  de  bons 
proc^d^s  (Orchester  und  Literatur:  gegenseitige  gute  Beeinflussung*)  von  Raymond 
Bouyer  (No.  13).  —  «L'apprdhension  de  la  d^cadence  ou  la  superstition  du  progrds* 
(«Die  Furcht  vor  der  Entartung  oder  die  eingebildeten  Vorstellungen  vom  Fort- 
schritt*) von  Raymond  Bouyer  (No.  15).  —  «,Hippolyte  et  Ariele'  de  Rameau*  von 
Arthur  Pougin  (No.  20).  —  «La  musique  de  Gluck*  von  Camille  Saint-SaSns 
(No.  21;  protestiert  gegen  den  im  «M^nestrel*  ausgesprochenen  Satz:  «Gluck  ist 
machtvoll,  prachtliebend  und  feierlich;  er  entspricht  dem  Stil  der  antiken  Tragödie, 
während  Rameau  bewegt,  voll  von  Kraft  und  Handlung  ist*).  —  «Une  lettre  in^dite 
de  Rossini  et  Tinterruption  de  sa  carriöre*  («Ein  unveröffentlichter  Brief  von  Rossini 
und  die  Unterbrechung  seiner  Laufbahn*)  von  Julien  Tiersot  (No.  25).  -*-  Une 


372 
DIB  MUSIK  VII.  24. 


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ftimille  de  grands  luthiers  Italiens:  „Les  Guarnerius*  (»Eine  Familie  großer  Geigen- 
bauer: Die  Guamerius*')  von  Arthur  Pougin  (No.  26—27;  wird  fortgesetzt).  — 
»Quelques  Souvenirs  sur  le  grand  violiniste  Rode**  (»Einige  Erinnerungen  an  den 
großen  Geiger  Rode*)  von  Arthur  Pougin  (No.  26).  —  »Une  pr6ftice:  Comment 
je  devins  biblioth^caire  du  conservatoire'*  (»Eine  Vqrrede:  Wie  ich  Bibliothekar  des 
Konservatoriums  wurde**)  von  J.  B.  Weckerlin  (No.  27;  Vorrede  zum  Katalog  der 
Bibliothek  des  Verfassers;  nebst  einer  Einleitung  und  einem  Nachwort  von  Charles 
Malherbe). 

THE  MUSICAL  WORLD  (London),  Juli  IWI  bis  Februar  1908.  —  Juli-Heft:    »Res- 
ding  at  sight**   (»Vom  Blatt  lesen*;  eine  Besprechung  von  Meinard   E.  P.  Zepers 
Werk  »Practical   guide   to   pianoforte  sight  reading*).  —  »An  unsolved  problem" 
(»Ein  ungelöstes  Problem*)  von  J.  B.  B.  (Ober  den  Ursprung  der  Musik.  Interessant 
ist  die  folgende  Mitteilung  nach  einem  Bericht  des  Psychologen  Hudson:   »Dieser 
Mensch  [ein  Neger]  war  nicht  nur  blind  geboren,  sondern  stand  auch  hinsichtlich 
der  Intelligenz  und  Belehrungsfihigung  hur  wenig  fiber  dem   Tier.    'Aber  seine 
musikalische  Begabung  war  erstaunlich.    Als  er  fast  noch  ein  Kind  war,  entdeckte 
man,  daß  er  jedes  Stück,  das  er  jemals  gehört  hatte,  auf  dem  Klavier  nachspielen 
konnte.    Wie  schwierig  und  wie  lang  auch  ein  Stück  sein   mochte,  wenn   er  es 
einmal  gehört  hatte,  schien  es  unauslöschlich   seinem   Gedichtnis  eingeprigt  zu 
sein  und  konnte  dann  meist  mit  erstaunlicher  Genauigkeit  von   ihm   wiederholt 
werden.    Ebenso  groß  war  seine  Fähigkeit  zum  Improvisieren,  und  kaum  Jemals 
störte  ein  falscher  Ton  die  Harmonie  seines  Spiels.**)  —  »Mr.  Glazounow  an  the 
Society    of  British   Com  posers**  (»Herr  Glazounow  und   die    Gesellschaft    Briti- 
scher Komponisten**).  —  „My  Continental  holiday**  („Mein  Festtag  auf  dem   Kon- 
tinent**) von  H.  (Ein  Reisebericht.)  —  „Music  as  a  profession**   (»Die  Musik   als 
Erwerbszweig**)  von  H.  Mc  C.  (Fortsetzung  in  den  Heften  August  und  September). 
—  »Charm  in  music**  (»Das  Reizende  in  der  Musik*)  von  H.  A.  —  »A  great  dari- 
nettist**  (»Ein  großer  Klarinettist**  [Richard  Mühlfeld]).  —  August-Heft:  »Study,  for 
its  own  sake**  (»Studium  um  seiner  selbst  willen**).  —  «Words  for  music*  (»Worte 
für  Musik**).  —  »Schumann's  Lieder**  von  Henri  de  Courzon  (Obersetzungeines 
Aufsatzes  aus  der  Pariser  Zeitschrift  »Musica**).  —  »Jaques  Dalcroze's  rhythmicml 
gymnastics**   (mit  Abbildungen).  —  »Two   sorts  of  conductors*  (»Zwei  Arten  von 
Dirigenten**)  von  A.  W.  —  »The  royal  academy  of  music:  Price  day*  (»Die  König- 
Ifche  Musik-Akademie :  Das  Fest  der  Preisverteilung*).  —  »Royal  Manchester  College 
of  music:  Annual  public  Examinations**  (»Das  Königliche  Musikinstitut  zu  Msnehester: 
Öffentliche  Jahresprüfung**).  —  September-Heft:  »Moral  value  of  orchestral  practice* 
(»Der  sittliche  Bildungswert  des  Orchesterspieis*).  —  »Lady  flautlsts*  (»Weibliche 
Flötenspieler**)  von    H.  M.    Fitz  Gibbon  <mit  den    Portrits   von   sechs    Flöten- 
virtuosinnen).  —  »Modem  organ-building:  A  new  Manchester  organ*  (»Moderner 
Orgelbau:  Eine   neue   Orgel   in   Manchester*)  von  James    Wedgwood.  —  »The 
scientific  school  of  musical  criticism**  (»Ober  die  zur  musikalischen  Kritik  ertorder* 
liehe  wissenschaftliche  Schulung**)  von   Gerald  Cumberland.  —  »Interpreter  and 
virtuose**  („Musikerläuterer  und  Virtuose**)  von  Raymond  Bouyer  (Obersetzung 
eines  Aufsatzes  aus  dem  »M6nestrel**).  —  »Promenades  that  are  gone*  (»Promenaden- 
Konzerte  in  früheren  Zeiten**).  —  »Edvard  Grieg**  (ein  Nachruf).  —  »Joseph  Joachim* 
(ein  Nachruf).  —  Oktober-Heft:  »The  teaching  of  musical  aesthetics**  (»Der  Unterrlelit 
in  der  Musikästhetik**).  —  »The  ,1.  S.  M.<  [»Incorporated  Society  of  MttSicisttsP]  and 
its  examinations**  (»Die  Gesellschaft  der  Musiker  und  ihre  Prüfungen*).  —  »iniliam 
Havergal  Brian**  von  G.C.  —  »Musical  dogmas:  Eclectidsm*  (»Mnslkallsdie  Defnen: 


373 
REVUE  DER  REVUEEN 


Eklektizismus"  von  Jean  H  ur6  (Obersetzung  eines  Artikels  aus  »Le  monde  musical"). 
—  „An  attack  upon  Dr.  Richard  Strauß^  (,«Ein  Angriff  auf  Dr.  Richard  Strauß^; 
über  Weingartners  „Walpurgisnacht").  —  „A  vIsitc  to  Edvard  Grieg"  („Ein  Besuch 
bei  Edvard  Grieg**)  von  Mrs.  Brodsky.  (Interessant).  —  November-Heft:  „The  man 
with  the  muck  rake"  (»Der  Mann  mit  der  Mistharke'';  eine  Verteidigung  des  Text- 
buches „Cleopatra''  von  Gerald  Cumberland,  gegen  das  Gh.  Maclean  In  einem  auch 
von  uns  angezeigten  Aufsatz  in  der  „Zeitschrift  der  Internationalen  Musik-Gesell- 
schaft" [VIII,  12]  den  Vorwurf  der  Indecenz  erhoben  hat.)  —  „The  music  problem  in 
Manchester"  („Das  Musikproblem  in  Manchester").  —  „A  great  teacher:  Lesche- 
titzky*  (»Ein  großer  Lehrer:  Leschetitzky*).  —  »How  did  musIc  origlnate?' 
<9Wie  entstand  die  Musik?*  Ober  die  Ansichten  Darwins  und  Spencers.)  — 
„Are  musical  examinatlons  a  modern  craze?"  (»Sind  musikalische  Prüfungen 
eine  moderne  Schrulle?*).  —  „Dr.  Perrin  of  Canterbury"  (Lebensbeschreibung 
4es  nach  Montreal  berufenen  englischen  Organisten).  —  Dezember -Heft:  „Plctures 

and  the  musical  glasses*  („Bilder  und  die  musikalischen  Spiegel  [?]*; 

bandelt  von  den  Bildnissen  berühmter  Musiker).  —  „Paganiniana*.  —  »John  Coates, 
actor-musician."  —  „Do  examinations  lead  to  cramming?"  („Verführen  die  Prüfungen 
zum  schnellen  Einpauken  der  Kenntnisse?*)  Von  einem  Mitglied  der  Internationalen 
Musikgesellschaft.   —  Januar-Heft:   „The    amateur   orchestra*    („Das    Liebhaber- 
Orchester*).  —   mHow  orchestral   players   are  pald*  („Wie  die  Orchestennysiker 
bezahlt  werden*).  --  „Earlyovertures  by  Wagner*  («Jugendouvertüren  Wagners*).  — 
„The  classical  and  romantlc  schools  of  music*  („Die  klassische  und  die  romantische 
Schule  In  der  Musik*).  —  „The  music  of  Granville  Bantock*.  —  „Hugo  Wolf  and 
Wagner.*    —   „A  new  composer:  Edward  Agate*  von    Gerald  Cumberland.  — 
„A  Chat  with  Mr.  Leopold  Godowsky*  („Eine  Unterhaltung  mit  Leopold  Godowsky*) 
von  W.  F.  —  „Two  english  composers:  Dr.  James  Lyon.    Mr.  J.  W.  Nicholl*.  — 
„The  practical  side  of  harmony  teaching*    („Die  praktische  Seite  des  Harmonie- 
unterrichtes*)  von  H.  A.   —   „The  most  proliflc  composers*  („Die  fruchtbarsten 
Komponisten*).    —    »Purity   in   music*   („Reinheit  in  der  Musik*).  —  „Orchestral 
conducting*   („Ober  das  Dirigieren*).  —  „Church  music  and  Services*  („Kirchen- 
musik und  Gottesdienste*).  —  „Music  at  St.  Paul's  Cathedral*  (mit  dem  Portrit 
des  Organisten   Sir  George   Martin).  —  „The  sorrows   of  a   music   critic*    („Die 
Mühen  eines  Musikkritikers*).  —  „The  music  of  Edward  MacDowell*  von  George 
Lowe.   —   „A  Suggestion  to  Mr.  Holbrooke  or  some  other*  („Ein  Vorschlag  an 
Herrn  Holbrooke  oder  einen  andern*;  der  Aufsatz  erteilt  den  Komponisten  ironisch 
den  Rat,  eine  Programmusik  über  die  Tarifreform  zu  schreiben).  —  „When  should 
candidates   be   examlned*?)     („Wann   sollten   die   Kandidaten   geprüft   werden?*) 
von  einem   Mitglied   der   Internationalen   Musik-Gesellschaft.  —  „Edward  A.  Mac 
Dowell*  (ein  Nachruf).   —   „August  Wllhelmj*  (Nachruf).  —■  Im  Mirz  1908  haben 
die  Herausgeber  angezeigt,  daß  die  Zeltschrift  nicht  mehr  erscheint. 
MONTHLY  MUSICAL  RECORD  (London)  August  1007  bis  Juli  1908.  —  Augast- 
Heft:  „Two  valuable  reprints*  („Zwei  wertvolle  Neudrucke*)  von  EbenezerProut 
Kapitel   2:    „J.  J.   Quantz:    Versuch   einer  Anweisung  die   Flöte   traverslöre   zu 
spielen^  (Fortsetzung  in  den  Heften  September  und  Oktober;  Kapitel  1  Ist  in  Heft  VI,  21 
angezeigt).  —  „The   new   ,language  of  music*'*   („Die  neue  ^Sprache  der  Musik* ^ 
von   E.  (über  die   Esperanto-Sprache).  —  „Heine   and   music**  (Obersetzung  von 
Aufsätzen  Heines.    Der  erste  Aufsatz  wurde  im  Jahrgang  1906  veröffentlicht).    II: 
„The  first    Performance  of  Meyerbeers  ,Huguenots***  („Die  erste  Aufführung  von 
Meyerbeers  ^Hugenotten***).    III:  „VIrtuosI    (Berlioz,  Liszt,  Chopin)**   Schluß  (im 
VII.  24.  25 


374 
DIE  MUSIK  VIL  24. 


September-Heft).  —  ,,Wassili  Iljitsch  Safonoff'  von  Ellen  von  TidebAht  (kurze 
Darstellung  des  Lebens  und  Wirkens  des  Dirigenten).  —  »Pftge  for  girls  und  boyt: 
About  great  musicians  and  Great  Britain^.  („Eine  Seite  für  Midchen  und  Knaben: 
Ober  große  Musiker  und  Großbritannien^  von  A.  L.  A«  M.  (fiber  die  Eeziehungen 
Handels,  Haydns,  Mozarts,  Mendelssohns,  Webers,  Wagners  und  anderer  deutscher 
Komponisten  zu  England).  —  September-Heft:  , Joseph  Joachim^  (eine  Lebens- 
beschreibung). —  „The  quartetts  of  Haydn^  von  J.  S.  S.  (Fortsetzung  im  Oktober- 
Heft).  —  „Music  the  essential  art"  Gy^^usik  als  das  Wesen  der  Kunst^)  von  Heribert 
Antcliffe  (Variationen  über  das  Thema  von  Thomas  Carlyle:  „Go  deep  enough» 
there  Is  music  everywhere^  („Dringe  nur  tief  genug  ein,  Musik  ist  übenül*0.  — 
„Page  for  girls  and  boys:  More  about  geography"  („Einiges  über  Geographie^  von 
A.  L.  A.  M.  (kleine  biographische  Notizen  über  deutsche  Musiker).  —  Oktober- 
Heft:  „Edvard  Grieg^'  (kurze  Darstellung  von  Grieg's  Leben  und  Schaffen).  — 
„Page  for  girls  und  boys.  About  duets^  („Ober  Duette^  von  A.  L.  A.  M.  — 
November-Heft:  „Haydn's  pianoforte  sonatas^  (ausführliche Besprechung  der  Franklin 
Taylorschen  Ausgabe  von  Joseph  Haydns  Klaviersonaten).  —  „Notes  on  the  society 
of  the  mastersingers^  („Notizen  über  die  Genossenschaft  der  Meistersinger^  von 
Nesta  de  Robeck.  —  „The  development  of  music  in  the  human  mind**  (»Di» 
EntWickelung  des  Musiksinns  in  der  menschlichen  Seele^)  von  D.  C.  Parker.  — 
„British  music  and  its  affluents^'  („Britische  Musik  und  die  Einflüsse  auf  sie*0  vod 
Herbert  Antcliffe  (über  den  Einfluß  der  Musik  fremder  Völker  auf  die  englische 
und  den  Einfluß  englischer  Musik  auf  die  fremder  Völker.  „Das  keltische  Element 
in  der  englischen  Rasse  hat  sich  nie  in  sehr  hohem  Maße  in  der  Musik  bemerkbar 
gemacht.  Die  Ursache  liegt  ohne  Zweifel  darin,  daß  die  keltische  Musik  niemals, 
eine  hohe  Stufe  künstlerischer  Entwickelung  erreicht  hat  .  .  •  Selbst  die  irischen 
Komponisten  haben  sich  nur  wenig  von  keltischer  Musik  beeinflussen  lassen,  ob- 
wohl wir  einen  solchen  Einfluß  bis  zu  einem  gewissen  Grade  in  den  Werken  einiger 
der  neuesten  irischen  Musiker,  auch  in  denen  von  Stanford  und  Harty,  finden. 
Die  Romantik  und  der  Mystizismus  der  Kelten  sind  mehr  verwandt  mit  denen 
der  Italiener  als  mit  der  reinmenschlichen  Romantik  der  nordeuropiischen  VOlker 
und  werden  oft  mit  dem  verwechselt,  was  alle  Richtungen  in  der  Musik  von 
Palestrina  bis  Verdi  angenommen  haben.*)  —  „Modern  music  for  the  people*^ 
(„Moderne  Volksmusik'')  von  James  A.  Browne.  —  »Page  for  glris  and  boys.. 
About  music  and  languages*  (»Ober  Musik  und  Sprachen*).  —  Dezember-Heft: 
„National  hymns.*  —  „The  opportunity  of  the  promenade  concerts*  („Die  Zweck- 
mäßigkeit der  Promenaden-Konzerte")  von  Lawrence  Ha  ward.  —  „Schumann: 
a  german  event*  («Schumann  ein  deutsches  Ereignis")  von  Herbert  Antcliffe. 
(„Nietzsche  hatte  Unrecht:  Schumann  ist  nicht  nur  zu  denen  zu  zählen»  die  die 
deutsche  Musik  beeinflußt  haben,  sondern  er  muß  genannt  werden  fai  der  Ge» 
schichte  aller  Musik,  die  das  europäische  Tonleiter-System  von  ganzen  und  halben 
Tönen  zur  Basis  hat".  „Die  kritischen  Schriften  Schumanns  werdet)  noch  gelesen» 
nicht  nur  in  seinem  Vaterlande,  sondern  überall,  wo  sein  Name  t>ekannt  ist")  — 
„The  reformer  in  music"  von  D.  C.  Parker.  —  „From  John  Banister  to  Henry 
].  Wood"  von  James  A.  Browne  (Banister,  1630—1679,  war  der  erste  Veranstalter 
öffentlicher  Konzerte  in  London.  Der  Aufsatz  handelt  von  den  Londoner 
Konzerten  von  1672  bis  heute.)  —  »Page  for  girls  and  boys.  About  a  lively  fiamily* 
von  A.  L.  A.  M.  (über  die  „Familie"  der  Akkorde).  —  Januar-Heft:  .The  year  1907" 
(Ruckblick  auf  das  Jahr  1907).  —  „The  difficulties  of  the  young  music  teacher* 
(„Die  Schwieriglceiten  des  jungen  Musiklehrers")  von  Fr.  Niecks.  —  »A  new  störe* 


375 
REVUE  DER  REVUEEN 


WMM 

m 


house  for  teachers**  („Ein  neues  Schatzhaus  für  Lehrer*)  von  A.  L.  A.  M.  (Aus- 
führliche Besprechung  des  Werkes  „Scenes  of  Youtb:  Short  original  piano  pieces 
by  modern  composers.  Grades  I  and  IP.  Fortsetzung  in  den  Heften  Februar  und 
April.  —  nJ^copo  Calascione  and  the  band  of  Venice**  («Jacopo  Calascione  und 
seine  Kapelle  in  Venedig")  von  Edward  J.  Dent  (über  den  im  vorigen  Jabre  ge- 
storbenen Kapellmeister  Calascione  in  Venedig).  —  Februar-Heft:  »The  sons  of 
J.  S.  Bach:  J.  C.  Friedrich  and  W.  Friedemann  Bach*  von  Fr.  Niecks  (Fortsetzung 
in  den  Heften  März  und  April).  —  »Hugo  Wolf"  von  J.  S.  S.  (ausführliche  Be- 
sprechung des  Werkes  über  Wolf  von  E.  Newman).  —  »Joachim  Raff.  A  neglected 
master"  („Joachim  Raff.  Ein  zu  wenig  beachteter  Meister")  von  Arthur  Hervey.  — 
»Stassov  as  musical  critic"  (»Stassow  als  Musikkritiker")  von  Rosa  Newmarch 
(Schluß  im  März-Heft).  —  März-Heft:  „The  place  of  Meyerbecr«  (»Die  Stellung  Mcyer- 
beers")  von  D.  C.  Parker  (gegen  die  Geringschätzung  Meyerbcers).  -—  »Tbc  Auditor" 
(»Der  Zuhörer")  von  Maud  Matras.  —  »Twelve  o'clocks:  new  and  old"  (»Zwölf- 
Uhr- Aufführungen  heute  und  früher")  von  Bertha  Harrison  (über  die  im  18.  Jahr- 
hundert übliche  Veranstaltung  von  Konzerten  um  12  Uhr  mittags.)  —  »Page  for 
girls  and  boys :  On  calling  things  by  theyr  wrong  names"  (»Ober  die  Bezeichnung 
der  Dinge  mit  falschen  Namen")  von  A.  L.  A.  M.  —  April-Heft:  »Towards  the  reform 
of  musical  notation"  (»Ober  die  Reform  der  Notenschrift")  von  E.  D.  Rendall.  -- 
»Orchestras  past  an  present"  (»Orchester  früher  und  heute")  von  James  A.Browne.  — 
Mai-Heft:  „The  sons  of  J.  S.  Bach:  Johann  Christian  Bach"  von  Fr.  Niecks  (Schluß 
im  Juni-Heft).  —  »Viols"  von  J.  S.  S.  (über  die  Instrumente  Viola  d'amore,  Viola 
da  gamba  und  Clavecin).  —  »The  poetic  basis  of  Brahms's  pianoforte  music" 
(»Die  poetische  Grundlage  der  Brahms'schen  Klaviermusik")  von  Herbert  Antcliffe. 

—  »Russian  gipsies  and  their  music"  (»Russische  Zigeuner  und  ihre  Musik")  von 
N.  G.  Shtieber,  übersetzt  von  Wilfred  Bendall.  —  »Page  for  girls  and  boys:  About 
oratorio  and  its  origin"  („Ober  das  Oratorium  und  seinen  Ursprung")  von  A.  L.  A.  M. 

—  »Wagner  at  Zürich"  von  J.  S.  S.  (auf  Grund  des  sechsten  Bandes  von  Eilis' 
Wagner-Biographie).  —  »Page  for  girls  and  boys:  More  about  oratorio"  (»Noch  einiges 
über  das  Oratorium")  von  A.  L.  A.  M.  —  Juli  Heft:  »The  sons  of  J.  S.  Bach:  Carl 
Philipp  Emanuel  Bach"  von  Fr.  Niecks  (Fortsetzung  fo^gt).  —  »Russian  opera  in 
Paris:  Moussorgsky's  ,Boris  Godounov'"  von  Rosa  Newmarch.*—  »The  progress 
of  the  appoggiatura.  A  Study  towards  the  analysis  of  melody"  (»Die  Fortschritte  in 
der  Verzierung  der  Melodie.     Eine  Studie  über  die  Analyse  der  Melodie")  von  C. 

—  »Justin  Heinrich  Knecht"  von.J.  S.«  S.  (über  Knechts  Symphqjiie  »Portrait  de 
la  nature"  und  ihren  Einfluß  auf  Beethovens  Pastorale).  —  »Anton  Schindler"  von 
Adolf  Schloesser.  (Der  Verfasser  hat  mit*  S^hindfer  von  1849  an  verkehrt.)  — 
»Page  for  girls  and  boys:  On  giving  up  music"  j(»Ober  die  Unterbrechung  der 
Beschäftigung  mit  Musik")  von  A.  L.  A.  M.  •       ^ 

RIVISTA  MUSICALE  ITALIANA  (Turin)  1907,  Fas&colo  1  und  '2.  -  Amintore 
Galli  beendet  seine  im  vorigen  Bande  begonnene ^bhancfUing  »Musiea  artiflciosa" 
(Fase.  1).  —  H.  Kling  veröffentlicht  einen  französischen  Aufsat^  über  »Helmine 
de  Chezy",  der  besonders  von  dem  Erfolg  der  Weberschen  Oper  *»Euryanthe" 
hmdelty  deren  Textbuch  Helmine  von  Chezy  verfaßte.  —  Eine  bibliographische 
Arbeit  »La  costenzione  ed  i  costruttori  degli  istrumenti  ad  arco"  veröffentlicht 
Luigi  Torri.  —  Enrico  Celan i  stellt  die  Namen  der  »Cantori  della  Capella 
Portificia  nei  secoli  XVI— XVIII"  zusammen.  Bis  jetzt  ist  nur  das  erste  Kapitel 
erschienen,  das  den  Zeitraum  von  Leo  X.  bis  Julius  III.  umfaßt.  Den  Namen 
der  Künstler   sind   kurze  biographische  Nachrichten  hinzugefügt  —  »,Salome*di 

25* 


^i^- 


376 
DIE  MUSIK  VII.  24. 


■  ^^Pto 


Riccardo  Strauss"  wird  von  Luigi  Torchi  in  einem  44  Seiten  langen  AufeatSy  der 
auch  zahlreiche  Notenbeispiele  enthält,  besprochen.  —  Ferner  enthält  Fascicolo  1 
die  Aufisätze:  ,Suir  insegnamento  de!  pianoforte  negll  Istitutl  muslcall  d'ItilU* 
von  Bruno  Mugellini.  —  „Claude  Debussy  e  rimpressionlsmo  nella  muslca* 
von  Vincenzo  Tommasini.  —  „L'alliterazlone  muslcale*  von  Fausto  Torre- 
f  ran  ca.  —  In  dem  »Saggio  di  una  bibliografla  di  librettl  muslcall  dl  Fellce 
Romani**  (Fase.  2)  führt  Guido  Bastico  nicht  weniger  als  291  Titel  an.  —  Der 
Aufsatz  »Donizetti  a  Roma'*  von  Alberto  Cametti  enthält  auch  bisher  un* 
veröffentlichte  Briefe  und  Dokumente,  sowie  drei  Szenenbilder  aus  dem  »Henog 
von  Alba**.  —  Francesco  Piovano  setzt  seine  »note  blo-blbliografiche*  über 
„Baldassare  Galuppi'^  fort.  —  In  dem  Aufsatz  »Degli  e£Petti  del  suonl  sugll  uomlni* 
untersucht  Feiice  La  Torre  die  physiologischen,  pathologischen  und  therapeu- 
tischen Wirkungen  der  Töne.  —  Femer  enthält  Fascicolo  2  die  Aufeätze:  „MoUdre 
e  Lulli^  von  C6sare  Levi.  —  „La  musica  sacra  e  la  realtä  delle  cose*  von 
P.  GhignonL 
HUDEBNI  REVUE  (Prag)  1908,  Heft  1  und  4—7.  —  Heft  1:  ,Z  mfch  vzpominek 
na  BedHcha  Smetanu"  („Meine  Erinnerungen  an  Friedrich  Smetana*)  Ton  VaeL 
J.  Novotny  (Fortsetzung  in  Heft  2 ff.).  —  „Z  boju  o  Seskä  divadelnl  pfedstavenf* 
(„Kämpfe  um  die  Aufführung  in  tschechischer  Sprache")  von  Karel  Hulka  (For^ 
Setzung  in  den  Heften  2—6).  —  „Vitezslava  Novaka  ,Toman  a  lesni  panna^  Hudebni 
bäsen  op.  40  die  ballady  Frt.  Lad.  Öelakovsk^ho."  („Vit^zslaw  Novak^s  musikalisches 
Gedicht  ,Toman  und  die  Fee^  op.  40,  nach  der  Ballade  von  F.  L.  ۥ")  von  Otokar 
Nebuika  (Fortsetzung  in  Heft  2£f.).  —  „Laikov^  a  hudebni  uminl*  (»Die  Laien  und 
die  Kunst**)  von  Jos.  B.  Foerster  (Forts,  in  Heft  21f).  —  „WagnerAv  ,BIudny 
Holandan'**  („Wagners  ,Fliegender  Holländer'*)  von  Anton  §llhan  (Fortsetzung 
in  Heft  2ff.).  —  „O  repertoiru  opery  Närodnfho  divadla*  (»Das  Opemrepertolre 
des  Landes-Theaters*)  von  Frantiiek  Picka  (Fortsetzung  In  Hefl  21f.).  —  »Opera 
mfetskem  divadla  na  Kral.  Vinohradech**  („Die  neue  Oper  am  Theater  Vlnohrady*). 
—  Heft  4:  „Josefa  Suka  symfonie  yAsrael'**  von  K.  Hoffmeister  (Fortsetzung in 
Heft  5  ff.).  —  „Vyuiijte  sv^ch  autorskfch  präv!*  („Zieht  Nutzen  aus  eueren 
Urheberrechten!*)  von  Jan  Loewenbach.  (Fortsetzung  in  Heft  5).— „Conrad  Ansorfsi* 
von  K.  Hoffmeister  (mit  Bild).  —  „Vzpominka  na  Lva^  (,Jo8ef  Lev's  Erlnnerunfen*) 
von  Vacl.  J.  Novotny  (mit  Bild).  —  Heft  6:  „Ndmeck6  rozbory  oper  SmetanoT;^h* 
(„Deutsche  Erläuterungen  von  Werken  Smetana's*)  von  Jan  Loewenbach.  — 
Heft  7:  „Prvni  apoitol  hudby  Smetanovy"*  („Der  erste  Apostel  Smetana'scber  Musilt^ 
von  Jan  Loewenbach  (über  Ludwig  Prochäzka).  —  „Usudek  Ambrosüv  o  Lude- 
vftu  Prochäzkovi**  („Urteil  von  Ambros  über  Ludwig  Prochazka*).  —  ipVzpominln 
Kienzlova  na  Ludevita  Prochäzku*  („Erinnerungen  an  Ludwig  I'rochizka  von  Wil- 
helm Kienzl*').  —  „Pani  Marta  Prochäzkovä"  („Frau  Marta  Prochizka*)  von  V. 
J.  Novotny. 

Magnus  Schwantje 


KRITIK 


OPER 

KASSEL:  »Hocbzeitsglocken*  betiteltsich 
des  jungen  ungarischen  Komponisten  Emanuel 
Moor  Erstlingsoper,  die  als  erste  Novitit  der 
neuen  Spielzeit  auf  unsrer  HofbQbne  ihre  Ur- 
aufführung erlebte.  Das  Libretto  des  Ein- 
akters ist  nach  den  Weisungen  des  Komponisten 
verfaßt  von  L.  von  Ferro.  Schauplatz  ist  ein 
Dorf  im  Berner  Oberland.  Zeit:  die  Gegenwart. 
Gottfried,  ein  junger  reicher  Bauer,  ist  mit 
Agnes  verlobt,  nicht  aus  Liebe,  sondern  weil 
sie  ihm  auf  der  Adlerjagd  das  Leben  gerettet. 
Er  liebt  vielmehr  deren  jfingere  Schwester 
Berts,  um  die  der  Tagelöhner  Ulrich  wirbt. 
Dieser,  von  Berta  verschmäht,  steckt  aus  Rache 
am  Abend  vor  Gottfrieds  Hochzeit  das  Hochzeits- 
haus in  Brand.  Den  beiden  Schwestern  droht 
der  Flammentod.  Da  erscheint  Gottfried  als 
Retter.  Nachdem  er  zuerst  die  Braut  durch  das 
Fenster  in  Sicherheit  gebracht,  kommt  er  zurück 
zu  Berta,  die  aber  nicht  gerettet  sein  will. 
Beide  wählen  den  Flammentod,  und  die  Sturm- 
glocken werden  ihnen  zu  Hochzeitsglocken.  Ein 
tieferes  Interesse  erwecken  diese  Handlung  mit 
ihrem  etwas  gewaltsamen  Schluß  und  das  Schick- 
sal der  Hauptpersonen  nicht.  Die  Musik  ver- 
rät zwar  das  reiche  technische  Können  ihres 
Autors,  aber  noch  nicht  starke  dramatische 
Schöpferkraft,  die  den  Hörer  mit  fortrisse  und 
das  Interesse  an  dem  Geschick  der  Personen 
zu  steigern  vermöchte.  Zahlreiche  hübsche 
Einzelheiten  in  der  sehr  selbständig  gehaltenen 
Instrumentation  und  mancherlei  melodisch  reiz- 
volle Züge  bleiben  oft  ohne  tiefere  Wirkung, 
weil  sie  nicht  zu  voller  dramatischer  Entfaltung 
gelangt  und  zu  überzeugender  Kraft  entwickelt 
erscheinen.  Die  Singstimmen  sind  zum  Teil 
recht  unbequem  hoch  geführt.  Am  charakter- 
vollsten ist  musikalisch  gestaltet  die  Partie 
Ulrichs.  Nicht  übel  sind  ferner  der  Gesang 
Bertas:  »Horch,  wie  die  murmelnden  Wasser 
erklingen*  und  die  Erzählung  Gottfrieds:  „Zwei 
Monde  sinds*.  Besonders  ansprechend  ist  der 
Chor  der  Mädchen  am  Brunnen  und  die  Szene 
zwischen  ihnen  und  der  Wahrsagerin  Kathrine. 
Seine  dankbarste  Aufgabe  findet  das  Orchester 
in  dem  wirkungsvollen  Vorspiel  zum  zweiten 
TeiL  Die  Aufführung,  von  Prof.  Dr.  Beier 
sorgfältigst  vorbereitet,  nahm  einen  durchaus 
lobenswerten  Verlauf  und  verschaffte  dem  Werke 
eine  recht  beifällige  Aufnahme.  Die  Hauptrollen 
vertraten  bestens  Herr  Koegel  (Gottfried)  und 
FrL  Schuster,  die  kleineren  Herr  Groß 
(Ulrich),  Frl.  Backhaus  (Agnes)  und  Frl. 
H erper  (Kathrine).  Für  vortreffliche  Inszenie- 
rung hatte  Oberregisseur  Hertz  er  gesorgt. 

Dr.  Brede 
milONCHEN:  Festspiele  München  1908. 
^^^  Künstlertheater.  —  Residenztheater. 
—  Prinzregenten-Theater.  —  Man  kann 
nicht  sagen,  München  habe  im  Ausstellungsjahr 
den  Gästen  wenig  geboten;  und  auch  nicht,  es 
habe  Gewöhnliches  geboten.  Ungewöhnlich  nach 
jeder  Richtung  war,  was  wir  zu  sehen  und  zu 
hören  bekamen.  Vorab  das  Künstlertheater. 
Die  »Ausstellung  München  1908"  ist  bahn- 
brechend und  vorbildlich  nach  vielen  Richtungen; 
sie  ist,  wenn  ich  nicht  irre  von  Fritz  Stahl,  geist- 
reich und  treffend  als  «Geschmtcksausstellung* 


klassifiziert  worden.  Ihre  dauerndste  Tat  aber 
stellt  doch  wohl  das  Künstlertheater  dar.  Ein 
Theater,  in  dem  man  mit  aller  Tradition  rück- 
sichtslos brach;  »nicht  heilig  ist  ihm,  was  andren 
hehr*.  Den  Ausstattungsprunk,  die  möglichste 
»Naturtreue*,  die  Wirkung  durch  immer  größere 
Raum  Verhältnisse,  durch  starke  Bühnentiefe« 
durch  Ansammlung  eines  hundertköpfigen  Sta* 
tistenhaufens  in  mehr  oder  minder  geschmack- 
vollen Kostümen  —  all  das  ließ  man  beiseite, 
all  dem  erklärte  man  Krieg,  Krieg  mit  trefflichen 
Waffen,  mit  den  Waffen  wahrer  Kunst.  Eine 
ganz  kleine  untiefe  Bühne,  allerdings  bei  diesem 
Versuchsobjekt  um  ein  oder  zwei  Meter  zu  fisch 
geraten,  weil  den  Architekten  Heilmann  und 
Littmann  Platz-  und  sonstige  Beschränkungen 
Fesseln  anlegten.  Ein  stimmungsvoller,  ganz 
mit  Holz  ausgekleideter,  amphitheatralisch  auf- 
steigender Zuschauerraum  mit  ein  paar  Repri- 
sentationslogen  an  der  Rückwand,  ähnlich  wie 
im  Prinzregenten -Theater.  Durch  die  zwei 
Momente:  Kleinheit  der  Bühne  und  Holztäfelung 
des  Hauses  eine  Akustik,  wie  sie  klarer  und 
wärmer  nicht  zu  denken  ist.  Vor  der  Bühne 
noch  ein  versenktes  Orchester,  leider  auch  ein 
wenig  zu  beschränkt  für  die  nötige  Anzahl  der 
Musiker.  Auf  der  Bühne  ein  äußerst  einfaches 
Requisitorium:  zwei  in  der  Längsrichtung  der 
Bühne  verschiebbare  Türme  mit  einer  beweg- 
lichen Brücke  darüber;  einige  auf  Rollen  laufende 
Hintergründe;  und  die  Hauptsache:  eine  un- 
geheuer raffiniert  durchdachte  Beleuchtungs- 
anlage (kein  Rampenlicht),  die  die  feinsten 
Farbenabstufungen,  die  wundervollsten  Effekte 
gestattet:  so  ist  das  Handwerkszeug  dieser  Bühne 
beschaffen.  Künstler  haben  es  zur  Hand  ge- 
nommen, und  sie  haben  damit  Großes,  Größtes 
geschaffen. — »Faust*.  In  einer  Bearbeitung  von 
Georg  Fuchs,  die  manchen  Widerspruch  ge- 
funden hat,  weil  sie  wichtige  und  schöne  Stellen 
opferte,  die  man  aber  dennoch  als  sehr  geschickt 
und  wirksam  bezeichnen  mulL  Gestaltung  der 
Szene,  Dekorationen  und  Kostüme  nach  Entwurf 
von  Fritz  Erler.  Wer  diese  Szenengestaltung 
gesehen  hat,  dem  wird  sie  unvergeßlicn  bleiben: 
der  köstliche  Zusammenklang  der  Farben  in 
Marthes  Stube;  der  Osterspaziergang  mit  der 
hereinbrechenden  Dämmerung;  die  Walpurgis- 
nacht; Gretchen,  dunkel  gegen  den  verglühenden 
Abendhimmel  stehend,  wie  sie  Faust  im  Garten 
nachschaut;  Gretchen  am  Spinnrad;  und  —  von 
unsagbarer  Wirkung  —  die  Domszene:  ein  Innen- 
bogen der  Kirche,  dazwischen  schwarzes  Dunkel, 
aus  dem  nur  mit  hellen  Punkten  das  fiackemde 
Licht  der  Opferkerzen  leuchtet,  und  die  fast 
schemenhaften  Gestalten  grau  verschleierter 
Frauen,  deren  unbarmherzige  Unbeweglichkeit 
den  Atem  raubt  wie  das  düstere  und  unentrinn- 
bare Geschick,  mit  dem  Gretchen  kämpft  •  •  • 
Bilder,  die  nicht  mehr  aus  dem  Gedächtnis 
weichen.  Max  Schillings  hat  eine  Musik  zu 
dieser  »Faust*- Aufführung  geschrieben,  die  sich 
seinem  Besten  würdig  anreiht.  Von  eigenstem 
und  originellstem  Leben  erfüllt,  drängt  sie  sich 
doch  nirgends  vor,  wirkt  gleich  dem  szenischen 
Bild  nur  als  Unterstützung  des  Drsmas  und  be- 
schränkt sich  darin  mit  feinstem  Takte  gerade 
auf  das  Notwendige.  Ganz  besondere  Hervor- 
hebung verdienen  die  Chorsätze.  Das  belebende 
Prinzip  des  Kfinstlertheaters,  die  Absicht,  nicht 


378 
DIE  MUSIK  VII.  24. 


Ji 


durch  eine  immer  unmögliche  Nachahmung  der 
Natur  in  der  Dekoration  zu  wirlcen,  sondern 
eben  durch  weitgehende  Vereinfachung  und 
Stilisierung  des  Bühnenbildes,  kam  ebenso 
eindrucksvoll  zur  Geltung  bei  der  Vorführung 
von  Glucks  Singspiel  ^Die  Maienkönigin*  und 
Hermann  B  i  s  c  h  o  f  f  s  vTanzlegendchen**.  Ich  habe 
schon  des  öfteren  darauf  hingewiesen,  wieviel 
Schätze  für  unser  Theater  in  der  komischen 
Oper  der  Franzosen  um  die  Wende  des  18.  Jahr- 
hunderts zu  heben  wären.  «DieMaienkönigin* 
ist  eines  der  liebenswürdigsten  Werkchen  dieser 
Gattung.  Den  Text  des  Favart  (Les  amours 
champötres)  hat  nun  Max  Kalbeck  verdeutscht. 
1751  schrieb  Gluck  die  neuen  Arien;  und  was 
man  in  ihnen  findet:  gluckliche  Komik  des 
Ausdrucks,  zarte  Empfindung,  Feinheiten  der 
Harmonisation  und  Instrumentation  mit  alier- 
einfachsten  Mitteln- gegeben,  das  birgt  manche 
op6ra  comique  jener  Zeit  so  ziemlich  in  gleichem 
Maße.  Hermann  Buschbeck  hatte  die  Aus- 
stattung entworfen,  die  den  Charakter  und  die 
Grazie  der  Zeit  wahrte,  ohne  im  geringsten  in 
Äußerlichkeit  zu  verfallen.  Das  Tanzspiel  »Das 
Tanzlegendchen**  wurde,  unter  Benützung  von 
Gottfried  Kellers  ziervoller  Erzählung,  von  Georg 
Fuchs  ausgestaltet,  für  die  Ausstattung  zeichnete 
verantwortlich  Hans  Beatus  Wieland.  Nie  hat 
wohl  eine  Bühne  so  künstlerische  Bilder  ge- 
boten wie  das  mit  den  musizierenden  Engeln 
und  das  Schlußbild  mit  der  Himmelskönigin. 
Man  glaubte  Tafeln  alter  deutscher  Meister, 
noch  idealisiert  in  der  Farbe,  aus  den  Rahmen 
gestiegen  zu  sehen.  Die  Musik  Hermann 
Bischoffs  hat  viel  ausgezeichnete  Qualitäten; 
sie  steckt  voll  hübscher  Erfindung,  vorab  in  den 
leicht  und  pikant  gezeichneten  Tanzweisen;  sie 
wird  nur  etwas  beeinträchtigt  durch  eine  nicht 
immer  glückliche  Instrumentation,  die  die 
schönsten  Einfälle  oft  durch  ein  allzu  kon- 
trastierendes Nebeneinanderstellen  der  Instru- 
mentengruppen zerreißt.  Um  die  musikalische 
Leitung  all  der  genannten  Werke  machte  sich 
Kapellmeister  Fritz  Cortolezis  hochverdient. 
Mit  einem  nicht  durchweg  tadelfreien  Material 
und  bei,  wie  schon  gesagt,  noch  dazu  äußerst 
beengten  Raumverhältnissen  wußte  er  dennoch 
seine  Aufgabe  immer  mit  vollstem  Gelingen  zu 
lösen  und  gab  damit  einen  neuen  Beweis  seiner 
ausgezeichneten  Dirigentenbegabung.  Auch  die 
drei  Vorspiele  —  die  letzte  musikalische 
Gabe  des  Künstlertheaters  —  dirigierte  er, 
die  Anton  Beer- Walbrunn  zu  «Die  Vögel* 
des  Aristophanes  in  Ruederers  prächtiger 
Neudichtung  geschrieben  hatte.  Der  Komponist 
konnte  da  seinem  eminenten  Talent  für  heitere, 
graziöse  Musik  die  Zügel  schießen  lassen  und 
illustrierte  die  lustige  Verulkung  politischer  und 
sozialer  Verbältnisse  glänzend  mit  rein  musi- 
kalischen Mitteln,  am  nettesten  in  der  Vogel- 
Fuge  im  zweiten  Vorspiel  und  in  der  übermütigen 
Lustigkeit  des  dritten.  Ganz  den  diskreten  Stil 
des  Künstlertheaters  zu  treffen,  gelang  den  Aus- 
führenden der  »Maienkönigin*:  Frau  Preuse- 
Matzenauer,  Frl.  v.  Fladung,  Frau  Bosetti, 
Raoul  Walter  und  Alfred  Bauberger.  Den 
Schauspielern  wurde  das  manchmal  schwerer; 
und  man  muß  sagen,  daß  die  Wesensart  des 
Kfinstlertheaters  mit  unheimlicher  Deutlichkeit 
jeden  Auffassungsfehler  des  Schauspielers  unter- 


streicht. So  kann  die  neue  Bühne  direkt  er- 
zieherisch auch  auf  unsere  Schauspielkunst 
wirken.  Zuletzt  sei  nochmals  mit  Dank  der 
Männer  gedacht,  die  in  mühe-  und  auföpfemngs- 
voUer  Arbeit  so  seltenes  Gelingen  ennöglicbteB: 
Dr.  Paul  Marsop,  Georg  Fuchs  und  ProL 
Benno  Becker.  —  Von  den  Festspielen  Im 
Künstlertheater  —  man  kann  sie  ruhig  so  nennen 
—  zu  den  Festspielen  im  Residenztheater  ist 
nicht  nur  räumlich  ein  weiter  Weg,  und  ieh 
muß  gestehen,  daß  ich  ihn  nicht  ohne  Zagen 
gegangen  bin.  Würde  dem  durch  die  Erfahrnngen 
im  Kfinstlertheater  doppelt  kritisch  Gestimmten 
nicht  die  alte  Weise  der  Gestaltung  des  BQhnen- 
bildes  eine  schwere  und  störende  EnttiuscboDg 
bereiten?  Es  ist  nicht  der  Fall  gewesen.  Gewiß 
stellte  manche  Dekoration,  die  man  da  Mb,  in 
Farbenzusammenstimmung  usw.  nicht  den  GipM 
des  Geschmackes  dar,  konnte  jedenfells  sich 
nicht  mit  dem  geläuterten  Kfinstlertam,  das  anf 
der  Theresienhöbe  das  Zepter  fuhrt,  messen. 
Aber  doch  klang  wieder  alles:  das  unvergleich- 
liche Rokokotheaterchen,  Bühnenbild,  Musikp 
Solistenleistungen  so  entzuckend  zueammeo, 
daß  kleinliche  Kritik  da  unbillig  wäre.  Weder 
unsereMozart-,  noch  unsere  Wagner-Festspide 
haben  meinem  Empfinden  nach  je  diese  rettlote 
Vollendung  erreicht,  wie  dieses  Jahr.  Sucht  man 
nach  Gründen  dafür,  so  ist  zuerst  und  banpl» 
sächlich  wieder  des  genialen  Felix  Mottl  sa 
gedenken.  Seiner  künstlerischen  DurchdringaBf, 
seinem  tiefsten  Miterleben  des  jeweiligen  Werket 
und  seiner  geradezu  rätselhafken  Suggetdont- 
kraft,  die  Orchester,  Solisten  und  Publikum  an 
einer  festen,  nur  von  einem,  seinem  Geffihl 
beseelten  Masse  zusammenschweißt,  gelingt  et, 
Aufführungen  zustande  zu  bringen,  wie  des 
«Figaro*,  des  »Tristan*,  der  »Walküre",  die  Jedes 
Maß  denkbaren  Genusses  gewähren.  Zweitens 
ist  das  hohe  Niveau  der  Festspiele  dietet  Jahres 
begründet  in  der  Tatsache,  daß  man  bettrebt 
war,  möglichst  nur  einheimische,  von  langer 
Hand  zusammengespielte  Kräfte  zu  betchif- 
tigen,  und  daß  diese  einheimischen  Krifle  erat« 
klassig  sind.  Ein  Graf  Almaviva,  wie  ihn  Fein- 
hals zeichnet,  voll  Grandezza  und  doch  warm 
belebt,  wird  auf  wenigen  Bühnen  zu  finden  sein. 
Ihm  schloß  sich  als  überraschend  gute  Grifln 
Frl.  Fay  würdig  an;  diese  Leistung  itt  aweilÜ- 
los  die  beste,  die  die  Sängerin  bis  jetst  la  ge- 
stalten vermochte.  Frl.  Tordeks  lieblieher 
Cherubin,  Frau  Bosettis  Susanne,  Glllmtnns 
behäbiger  Figaro,  Sieglitz'  Bartolo,  Gelt' 
Antonio,  Waltere  Batilio,  waa  tollte  ieh  tob 
ihnen  allen  sagen,  um  einen  Begriff  an  geben 
von  dem  Maß  übermütiger  und  docn  künttleritch 
gebändigter  Laune,  von  der  Ffille  tdmmllehts 
Wohlklangs,  die  gerade  den  zweiten  Akt  an  ebiem 
musikalischen  Feste  ohnegleichen  machten! 
Auch  in  «Don  Giovanni*  war  wieder  Feinhals 
als  Titelheld  unübertrefflich,  nicht  minder  gnt 
Bender  als  Komtur  und  ueis  alt  LefNMella 
»Cosi  fan  tutte*  wurden  in  der  Betotznng  det 
Vorjahres  gegeben  (Bauberger,  Waltor, 
Brodersen,  Frau  Bosetti,  FrL  Kebotfa)  nsd 
brachte  den  einzigen  GasL  FrL  Hempel  tos 
Berlin,  die  ebenfalls  Im  Vorjsbro  tenon  die 
Rolle  der  Fiordiligi  mit  Erfolg  getangoa  hitie. 
Äußerst  dankenswert  war  dietot  Jahr  die  Ete- 
fügung  von  »Die  Entffihmng  tut  dem  Sonfl"  li 


i 


M 


379 
KRITIK:  KONZERT 


den  Spielplan  der  Festspiele,  in  denen  dies  Sing- 
spiel während  einiger  Jahre  gefehlt  hatte.  Dankens- 
wert, weil  es  da  den  deutschen  Mozart  wieder 
zn  Ehren  bringt,  der  seit  der  Ausscheidung  der 
«Zauberflöte*   nicht   mehr  zu  Wort  gekommen 
ist.    Wie  keck  und  frisch,  wie  so  ganz  unveraltet 
erklingt  uns   diese  witzige  Partiturl    Und  wie 
wurden  Sieglitz   als  Osmin,   Baubergers  Se- 
lim,  Walters  Belmonte,  Frau  Bosettis  Kon- 
stanze ihren  dankbaren  Aufgaben  gerecht I    Ein 
wenig  zu  derb  war  Frl.v.  Fladung  als  Blondchen, 
recht  nett  Felmy  als  Pedrillo.  —  Mehrfach  ist 
der  Gedanke  aufgetaucht,  wie  interessant  es  sein 
mfißte,  Wagners  Musikdramen  nach  den  Prin- 
zipien des  Kunstlertheaters  von  unseren  ersten 
RQnstlem  inszeniert  zu  sehen.   Ob  das  möglich 
wäre?    Ich  weiß  es  nicht.    Man  darf  nicht  ver- 
gessen, daß  einer  der  Hauptreize  der  neuen 
BQhnengestaltuDg  gerade  in  der  Kleinheit  ihrer 
Mittel,  in   ihrer  Intimität  liegt.     Und   Wagner 
läßt  sich   nicht  gut  in  einen  kleinen  Rahmen 
versetzen.     Noch   manches   andere   macht    be- 
denklich.     Allein    —    ausgeschlossen    ist   die 
Lösung   des   Problemes    sicherlich    nicht,    und 
nichts   wäre   fesselnder  als  ein  Versuch  dazu, 
der   wenigstens   mit    einigen   Unmöglichkeiten, 
wie  dem  hoffnungslosen  Kampf  mit  dem  Objekt 
am  Schlüsse  der  «Götterdämmerung*  aufräumte. 
Daß  der  Einfluß  der  neuen  Ideen  bereits  sich 
zn  zeigen  beginnt,  erwies  die  Ausstattung  des 
«Tristan*    mit    ausgezeichnet   gelungenen   De- 
korationen und  Kostümen.    Das  Schiffszelt  des 
ersten  Aktes  ohne  alle  Wappen  aus  einfachen 
surkfarbigen   Vorhängen    gebildet,    der    immer 
störende   Mast  in   der   Mitte  des  Schiffes  ver- 
schwunden, so  daß  Tristan  am  Steuer  nun  überall 
sichtbar   wird.      Im    zweiten   Akt    eine   kfihne 
Änderung:   rechts  das  Burgtor,  links  Wald,  in 
der  Mitte  Ausblick  auf  die  See.    Die  Dekoration 
des   dritten   Aktes  gleichfalls  verbessert.    Und 
dabei   überall   die   Bubnentiefe  bedeutend  ver- 
ringert   und   das   Bühnenbild   nach   vorne   mit 
breiten  Vorhängen  abgeschlossen,  unverkennbar 
und  im  besten  Smne  von  der  Absicht  getragen, 
die  neuen  Errungenschaften  mit  den  in  diesem 
Falle  notwendigen  Modifikationen  zur  Anwendung 
zu  bringen.     Wobei  man  nicht  übersehen  darf, 
daß  «Tristan*  wobl  das  geeignetste  Objekt  für 
solche   Versuche    unter  des   Meisters   Werken 
ist     Eine  dekorative  Neuerung  ist  auch  in  der 
«Walküre*  zu  bemerken.    Die  anreitenden  Wal- 
küren   werden    nicht    mehr   wie    im    Vorjahre 
durch  blitzbeleuchtet  vorüberhuschende  Wolken 
dargestellt,    sondern    durch    rasch    über    den 
Horizont   gezogene   Silhouetten  —  meines   Er- 
achtens  eine  sehr  begrüßenswerte  Ausdeutung 
von  Wagners  Vorschriften.  Ober  die  Vorstellungen 
selbst  möchte  ich  erst  im  Zusammenhang  be- 
richten,  wenn   der  Abschluß   der   drei  Zyklen 
einige  Vergleiche  zwischen  den  Leistungen  der 
beteiligten  Künstler  gestattet.    So  sei  für  jetzt 
nur  wiederholt,daß  «Tristan*  und  der.Ring*  wohl 
selten  in  so  erhabener  Größe  an  den  erschütterten 
Hörern  vorbeigezogen  sind  wie  hier  unter  Mottl. 
Die    «Meistersinger*    unter   Fischers    Leitung 
hinterließen    sehr   freundliche  Eindrücke.     Am 
wenigsten    festspielmißig  präsentierte  sich  der 
zwischen    «Meistersinger*    und    «Tristan*    ein- 


geschobene  «Tannhäuser*  mit  Röhr  am  Diri- 
gentenpult Ober  diese  Einschiebung  selbst 
werden  dann  bei  näherem  Eingehen  ebenftüls 
einige  Worte  zu  sagen  sein. 

Dr.  Eduard  Wahl 

piO  GRANDE:  Die  Utäglge  «Opernsaison* 
^^  einer  italienischen  Wandertruppe  brachte 
uns  «Troubadour*,  «Mignon*,  «La  Gioconda* 
von  Ponchielli,  «Manon*  von  Massenet,  «Sal- 
vator  Rosa*  von  Carlos  Gomes  und  «Meflsto- 
fele*  von  Boito.  Im  allgemeinen  übertrafen 
die  Leistungen  die  vorjährigen;  das  Orchester 
hatte  einzelne  gut^  Kräfte,  wenn  auch  der  Total- 
eindruck der  einer  nur  äußeren,  rohen  Aus- 
arbeitung war.  Die  Gesangskräfte  zeigten  zwar 
keine  üble  Schulung,  genügten  aber  doch  nur 
ganz  mittelmäßigen  Ansprüchen,  mit  einziger 
Ausnahme  des  Baritons,  der  gutes  Stimmaterial» 
angenehme  Klangfarbe,  ausgeglichene  Register 
und  wohltuenden  Vortrag  in  sich  vereinigte. 
Chor  alt,  steif  und  trocken  an  Alter  und  Stimme; 
Aussuttung  sehr  dürftig,  sich  selten  anlehnend 
an  Zeit  und  örtlich  keit;  Ballet  in  den  Leistungen 
weniger  anziehend  als  in  den  Personen.  Besuch 
recht  zahlreich,  da  sich  selten  solche  Abwechs- 
lung bietet  und  man  deshalb  gern  Mk.  7.50 
für  Holzstuhl  oder  Schemel  opfbrt 

Fr.  Köhling 

KONZERT 

JOHANNESBURG:  Die  diesjährige  Konzert- 
saison muß,  was  die  Anzahl  der  Darbietungen 
anbetrifft,  entschieden  als  reichhaltig  bezeichnet 
werden.  Nach  einigen  wohlgelungenen  Auf- 
führungen des  «Elias*  hat  der  Kapellmeister 
J.  Hydo  seinen  alljährlichen  Zyklus  der  Winter- 
konzerte eröffhet  und  sein  Publikum  mit  ver^ 
schiedenen  Werken,  die  früher  nicht  auf  dem 
Repertoire  waren,  bekanntgemacht  Die  Musical 
Society  unter  der  Leitung  des  Mr.  Peters  tat 
ihr  möglichstes,  um  das  musikliebende  Publikum 
auf  dem  Laufenden  zu  halten.  Der  Mangel  an 
gutgeschulten  Künstlern  macht  sich  immer 
mehr  geltend,  und  es  sind  meistens  Dilettanten 
die  versuchen  müssen,  die  Lücken  auszufüllen. 
Besondere  Erwähnung  verdient  der  aus  Anlaß 
ihrer  Erholungsreise  nach  Deutschland  statt- 
flndende  Abschiedsliederabend  von  M.  von 
Trützschler,  im  Deutschen  Liederkranz-Klub. 
Diese  Künstlerin,  die  es  in  einer  Spanne  von 
wenigen  Jahren  verstanden  hat,  das  Kunstniveaa 
der  Gesangskunst  hier  bedeutend  zu  erhöhen,  er- 
freute ihr  Publikum  mit  einer  Fülle  ausgezeichnet 
vorgetragener  klassischer  und  moderner  Gesänge 
in  deutscher,  englischer,  französischer  und 
italienischer  Sprache,  wobei  besonders  Schuberts, 
Schumanns  und  Brahma'  gedacht  wurde.  —  FrL 
S.  Gimkewitz  sang  im  Deutschen  Klub  u.  a. 
verschiedene  Grieg-Lieder.  Sie  erntete  reichen 
Beifall.  —  Das  Erscheinen  der  drei  jungen 
Brüder  Czerniawski  im  Konzertsaal  hat 
Furore  gemacht  Noch  niemals  haben  hier 
Wunderkinder  solche  Erfolge  zu  verzeichnen 
gehabt  Von  diesem  genialen  Brüdertrio  läßt 
sich  kurzweg  sagen:  Veni,  vidi,  viel. 

J.  Seelig 


Zur  Studie  Dr.  Karl  Nefs  geben  das  Portrit  von  Johann  Kuhnau,  wie  et  aicb 
auf  dem  Titelblatt  seiner  .Neuer  Clavter-Obung  erster  Tbeil*  Bndet.  (.BeBtebend  In  aleben 
Partien  aus  dem  Ul,  Re,  Mi  oder  Tertia  majore  eines  jedvedea  Toni.  Allen  Liebbabeni 
zu  sonderbabrer  Annehmllgkeit  aufeesetzet  und  verleget  von  Johann  Kubnauen,  Leipzig, 
Anno  1689"). 

Das  Poitriil  von  Hans  von  Bülow,  das  wir  dem  Artikel  Vianna  da  MotU'a  bei* 
geben,  interessiert  besonders  durch  die  originelle  Unterschrift  des  Meisters,  die  die  wohl- 
wollende Antwort  auf  das  Gesuch  eines  unbekannten  Autograpben]igers  daratellL 

An  Gedenktage  erinnern  die  folgenden  vier  Blltter.  Vir  beginnen  mit  dem  Portrit 
von  Alexander  Dreyschock  (geb.  15.  Oktober  1818  zu  Zak  in  BSbmen)  nach  einer 
wundervollen  Utbographle  von  Kriehuber  aui  dem  Jahre  1845,  die  uns  Frau  Profeuor 
Elisabeth  Dreyschock  in  Beriin  freundlichat  zur  Verfügung  gestellt  hat  Einen  anscban- 
llchen  Eindruck  von  der  Virkung,  die  Dreyschocks  Spiel  auf  die  Zeitgenossen  autflbte, 
erhalten  wir  durch  Heinrich  Heines  zweiten  musikalischen  Beriebt  aus  Paris,  vom 
28.  März  1846,  in  dem  es  u.  a.  beißt:  ..  .  .  ich  referiere  getreulich,  daß  Ihn  die  Slfent- 
liche  Meinung  für  einen  der  größten  Klaviervirtuosen  proklamiert  und  den  gefeiertaten 
derselben  gleicbgestellt  hat.  Er  mactat  einen  bailiscben  Spekukel  .  .  .  Hing  dich,  Fnu» 
Liszt!  du  bist  ein  gewöhnlicher  WIndgfitze  in  Vergleichung  mit  diesem  Donnergott,  der 
wie  Birkenreiser  die  Stürme  zusammenbindet  und  damit  das  Meer  stlupL" 

Am  13.  Oktober  ist  der  SO.  Geburtstag  der  genialen  dramatlacben  Singerin  und 
Tragödin  Johanna  Jachmann-Vagner,  der  Nichte  des  Bayreutber  Meisters.  Die 
Lithographie  von  Jäger,  nach  der  unser  Bild  gehrtlgt  ist,  verdanken  wir  der  Llebena- 
würdigkeit  von  Herrn  Gebeimrat  Theinert  in  Beriin.  Die  .Musik'  brachte  Im  2.  Heft  das 
4,  Jahrgangs  bereits  ein  Bild  der  Künstlerin  und  ausführliche  biographische  Mitteilungen. 

Es  folgt  das  Portrit  von  Voldemar  Bargiel  (geb.  3.  Oktober  1828  In  Berlin), 
für  dessen  Überlassung  wir  der  Witwe  des  Komponisten,  Frau  Professor  Barrel  in 
Berlin,  zu  Dank  verpBIchtet  sind.  Bargiel,  der  Stiefbruder  von  Clara  Schumann  [seine 
Mutter  war  in  erster  Ehe  mit  Friedrich  Tleck  verheiratet),  war  Schüler  von  Hanptmann, 
Moscheies,  Rietz  und  Gade  am  Leipziger  Konservatorium.  Seine  Haupttltlgkeit  entfaltete 
er  als  Leiter  einer  akademischen  Meisterschule  für  Komposition  an  der  KgL  Hocbscbule 
für  Musik  in  Berlin,  wohin  er  1874  als  Professor  von  Rotterdam  aus  berutbn  wurde. 
Bargiel  schrieb  u.  a.  Ouvenüren,  eine  Symphonie,  Klaviertrios,  Streichquartette,  ein 
Oktett,  Suiten  für  Klavier,  Chöre  und  Lieder. 

An  den  30.  Todestag  (5.  Oktober)  einer  berühmten  Bübnenslngerin  erinnert  daa 
nicbste  Blatt:  Louise  Harriers-Wippern,  nacb  einer  Lltbographle  von  A.  Robrbacta, 
die  wir  gleicbralls  Herrn  Gebeimrat  Theineri  verdanken.  Mit  20  Jabren  debAtierte  die 
Künstlerin  1857  an  der  Berliner  Hofoper,  der  sie  trotz  glinzender  Anerbieten  von  Tien 
und  London  treu  blieb  und  deren  nie  versagende,  gefeierte  Stütze  in  dramatischen  und 

Kriseben  Panieen  sie  bis    zu    ihrer  wegen  eines  Halsleidens  im  Jahre  1868  erfttlgenden 
;nsionierung  bildete. 

Mit  der  VIedergabe  einiger  Meisterwerke  der  bildenden  Kunst  seien  die  Bellagen 

dieses  Jahres  beschlossen; 

Fliippino  Lippl's  .Allegorie  der  Musik"  im  Kaiser  Friedrich-Museum  lu  Berlin  Itl, 
abgesehen  von  dem  prtchtigen  Stimmungsreiz,  darum  besonders  intereasant,  veil  daa 
Bild  zu  den  wenigen  allegorischen  Darstellungen  des  Quattrocento  gebSn. 

Carlo  Saracenl  gehön  zu  denjenigen  Künstlern,  die  in  der  Zelt  des  Verfall»  der 
Malerei  noch  bemerkenswerte  Werke  schufen.  Seine  .Ruhe  auf  der  Flnchf  Ist  eine 
seiner  besten  Schöpfungen,  besonders  prlgnant  durcb  die  phantastlacbc  AuBhssunfr 
Der  Engel,  dem  Joseph  die  Noten  bill,  schilfert  Maria  mit  dem  Kinde  durch  sein 
Geigenspiel  ein  —  ein  Motiv,  das  unseres  Wissens  einzig  ist  Daa  Original  bewabrt 
der  Palazzo  Dorla  in  Rom. 

Ober  Giorgione's  Meisterwerk,  .Das  Konzert*  benannt,  gibt  es  binilcbtllch  aeUtea 
unvergleichlichen  seelischen  und  koloristischen  Wertes  nur  eine  Stimme  der  Be- 
wunderung. Anders  liegt  die  Frage  nach  dem  Schöpfer  selbst:  hier  Ist  mancher 
Zweifel  berechtigt,  und  es  gibt  noch  einige  Forseber,  die  das  herrliche  Kid  leila 
Tizian  teils  Lorenzo  Lotto  zuschreiben.  Wer  es  im  Palazzo  Pittl  in  Florens  |  "" 
bat,  wird  es  nie  vergessen  können. 

Nichdroek  nur  nll  auidrlicUlchcr  Erliubnli  du  Verlifa  ( 
Alle  Recbt€,  IniboondeK  dM  der  ObcraeduBt.  vi 
VereaiVBnllch«-  SchriftlBlier :  Ktpellauliwr  Berohard  SckoHCr,  Barila  T  S7,  i 


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ALEXANDER  DREYSCHOCK 

H-  15.  Oktober  1816 
nacb  KrJehubers  Lithograpbie 


JOHANNA  JACHMANN-WAGNER 

*  13.  Oktober  1828 

nach  einer  Litbographte  vonjiger 


JOHANNA  JACHMANN-WAGNER 

-M-  13.  Oktober  1828 

nach  einer  Lithographie  von  Jiger 


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WOLDBMAR  BARGIEL 
*  3  Oktober  1828 


LOUISE  HARRIERS-WIPPERN 

t  5.  Oktober  1878 

nach   einer  Lithographie  von  A.  Rohrbach 


ALLEGORIE  DER  MUSIK  VON  FILIPPINO  LIPPI 


.J^^^R  HEFTM 


— W! 


Kowionßfl  llr  SHinsUe 

von  zettienSaluben  Kwniionlstei 

Eflunrd  Elsof,  Scitnoile  01.211  w7t.l'!^3ai'r 

Thnilor  Gerlach,Serenflile  B-diir  rrr,::^ « ». 

Po]ilGil!on,ltMesicossiilses' 

0.  J.  Griniin.  Suite  c-noll 

Asser  HainerlK.  Spphome  spintoelle  «-m 

Puiliur  SM.    J»de  Stimme  ao  PI 

Bli  hulturii  ferdn  vh  «m  Ttritien  nr  Direblcii  ulerfertllfC 


Paniiar  3  M. 

iiOfi  Btlraat  M  ft. 


Nnlnir  3  M. 


BERLIN     l^ji     LONDON 
BRÜSSEL  t  fc.r^«  A  NEW  YORK 


^^IPZl^ 


Breitkopf  &HärtcI 

BERLIN         *  l7T137Tr>        LONDON 
BRÜSSEL      *-'='**^^*^  NEWYORK 


s 


LEONE  SINIGAGLIA 


Eine  Ouvertüre  zu  dem  GoldonJschen  Lustspiele 
für  Orchester 

tat»  oa  a  Psnlruf  0  M.  es  Z7  Orchesicrsiimmen  ic  60  Pf.  es  □  a  e>  o 


.  .'.  Kciflitu  u:i(.uiiQdef. 
iKi  PI.  di«  turgereiten 
'cn  Wiedtr  FtiedcD  lu 


üliien  Lui'ktia  und  Tjrn  N,ki«-  ii^i;-  (wc(  iliiu;  !;■■- 
un<t  cKi  dtn  BcRiüliunjtcn  ilrs  K^imüiijjEn  M;r 
Gcmiiicr   tu   brrnliiEen   und   unicr  ;lcm   \ti:'<.  < 

iiinvo.     Hin  luiilge«  Voltifc«  tinshticQi  die  ii:^^ >.,. 

Sintngll*«  OuvcflOr«  l«t  keine  Proemnniuviii  lu  Ooidnnii  Luilspiel,  aondem  nur 
TOoi    iDtiaK  'MgfrefL     Du  b^weete   Ut>en   des  Vnlk«9  to  Cbloc^ia,   die   •armricndttcn 
G^^llll■-rl,    .lic   r^irdKT'ti-n    .tpc    itrli    «ecci    Ihrer    -.AmMtl*    nrclutnden    M*^lc^tn.    liie 
-Hc  .üeruft*  mli  <hrcm  frOlilicIian  Au>HtaD|L,  allei 
:^'imp»n(«(cn   venfftllti   WonJen,   «nl>prtcr>en<)   det 
■  ' ,    der    ^etundCQ     Leben« fitud Igte ll    und    feinen 
rii  elfcn  Abi. 
i.ü:  Aiifi'iliru'ij;   l-i<    -Iie  Koikfcrticll   IIIO9]O0  aiiKUianimra  ia  inmarpen  -    Btm 
—    Oiicaso         UiirtmuDd  —   Drctdcn   —   EMea    —  GärlUt   —  Kubhad   -    Idpiti 
MiiUnil    -    OwenilB    —    Ksri»  —  Plauen   —  SonderOiauHn  —  TeiiUn    —   TnuBtaii 
Uueebt        *Bia  -  Wien, 


ICaiBiipl.  md  K«nlgl.  Hof-PianafartefabrikM« 

JuUus  ^^^ 

Blüthner 


Piuiou.  Filiei 


Ulpiig.       UederL  lerltB.  Folsdiaerstr.  41. 


fiairmoinilMiiilbiliyi  =  s^isfinli 

<CecrünJat  1S8Q) 

SdiSDCberger  StnÜc  30bL  BERLIN  SW.  U.    Ferasprecber-.  A.e.l073C^ 

TatJiniwher  Leiter;  ).  ^TflAUBE,  HäMfi>iraTncnienniiicb*r. 


Das  ScMedmayer-Meisterhansonium 
Das  Scbiedmajer-NormalhannoBiDin 


SvBflDftaT«!  im   (It  lU-n 

toiri  dir  •allbcHnDButia  lIvuilulnimcMt  ^a  Ocsom» 
i4iurtjniu  ooif  aniif'iAJai  ma  <nMn  Awunure* 

Schledmayer.  Planorortafabrlk,  Ststtgarl.« 

V»tH  im   n    QUIfD  rau   n    IIM  lt.  toali       V^      NM**T<n.   d 


Crotrian,  Stein  weg  Nachf. 

Hof-Pfinoronehbril;-  Vifllhch  prtmlien. 

Hannover,  Bpaunschwsio«  Berlin  SW., 

Gcorgsir,  50.  "  VKh.t.nH    UN 


KACHMCHTCX  p»  AXZEK^X  nai  JW.TSMC>  VI^H 


Baer   P^K-Tfcnr    baue    vUiresd   der   Manait 


I«  sehr  iBi&gRi  Preisea  Mna  la  ktaaea. 
Der  Bancnber  Mentn-  i«  deaa  asck  a 
28  Abeadee  la  Tort  eAommeu  «^Lobtatria* 
12  mal,  .TumhinsCT'  T  nial.  ^HömrUBttr* 
5  mml,  ^Ta^kätc*  4  malt.  Ibm  üb  niduM 
Stehen  die  Itiliener  mit  21  Abenden  (Paccii 
6,  Verdi  5,  Mascagni  4.  Leoncanllo  4.  RouiBi 
I,  DooizeTti  Ii  Dann  folcen  Biiet.  Tbomas 
nöd  CoDBod  mit  9  nnd  Moun  mit  6  Abenden. 
Tir  bSnen  .Cmralleri«*,  .Bajuzo',  .LobeO' 
frin",  .Tannbluser",  .Tmlküre*.  ,MeiMer- 
siaBer',  ,Tr«Ti««",  ^igooa*.  .Figuti«  Hoch' 
zeit",  ,Bobeme'  (2  malt,  .Rifoleno'.  ,Mar- 
nrefhe*,  .Lucia  ron  Lammermoor*.  Von 
eisten  irateo  unter  anderen  aaf:  Francesco 
d'Andrade,  Lilll  Leb  mann,  Fnmcesctalna 
Prevosti,  Ottilie  Metxger  Froitibetm,  Heinrieb 
Knote,  Florencio  Constantino. 

Bremen:  .Die  TMifelskite*,  eine  dreiaktice 
Oper  von  Anton  Ovo^ik,  wird  im  Laufe 
dieser  Spielzeit  am  Stadttbeater  ilit«  deuiscbe 
Uranffübning  erleben. 

Wleo:  Die  Volksoper  stellt  an  Neubeilen 
in  Aussiebt:  de  Lara  (Measa1ina>,  Dvotik 
(Ruasaika),  Massenet  (La  Nararraiseh  Bizet 
<D)amileb),  Planquette  (RIp-Rip),  Pon- 
chielll  (U  Gioconda),  Lafite  (Das  kalte 
Hen),  V.  Ujj  (Der  Müller  und  sein  Kind). 

KONZERTE 

B«rlin:  Henri  Marteau,  Hugo  Becker  und 
Ernst  V.  Dobnanyi  haben  sieb  mit  anderen 
Künstlern  zur  Veranstaltung  eines  Zyklus  von 
Kammermusik-Abenden  vereintet.  Die 
Im  Mozartssal  stattfindenden  Konzerte 
werden  umfassen:  drei  Quartettabende  sra 
a  Dezember  I90S,  8.  Januar  1900  und  26. 
Januar  1000;  drei  Trioabende:  15.  De- 
lember  1008,  25.  Februar  1909  und  11.  Min 


UoHf  konpositioiMn  vm 

Cdior  Ooiel 


I     .StkHKil«  tItW.* 
,7.t*^  LIHtr  In  Vnll» 


«BliiniElniliniRohkrtinH 

T*Hip«lli«f-B«rll«* 


Dilti  LMtr  iliri  Vir  Wlilir  »OI|M  Nr 
felikir  20  Kiuwli  himmMiII 


I 


■MB und  dreiSoatttnabiiide:3.NoTeiBber 
1908,  11.  FebniiT  1909  nnd  3a  Min  I90& 

Profeuor  Kftrl  Paniner  aus  Bremen  wird 
auch  In  der  kommenden  Saiaon  die  Orcheater^ 
konierte  Im  Moiartaaal  dirigieren.  P&r 
diese  aecba  Paainerkonzene  Bind  Iblgeode 
Datea  in  Aussiebt  lenommen:  19.  Oktober 
1908,  16,  November  IflOS,  IZ  Januar  1909^ 
9.  Februar  190»,  8l  Min  1009  und  5.  April 
1909. 

Leipzig:  Hans  Winderatein  bat  ffir  seine 
PbllbkrmonlBchen  Konzerte  Iblgeode 
Solisten  verpflichtet:  Emeadnc  ScbumwH- 
Heink,  Zd<nka  PaQbender,  TUly  Koean, 
Felix  Scniua,  Ludwlf  Heß,  Frin  KreUler, 
Joan  Maa6n,  Heinrieb  Klehr,  Morli  Roaenthal, 
Alberto  Jonas,  Tbeodor  SzAntA,  das  Ruariwtas 
Trio. 

Pra«:  Am  19.  September  wird  GnsUv  Makler 
mit  dem  Jubiliumaauastellunga- Orchester 
seine  nocb  ungedruckte  siebente  Sym- 
phonie tur  Uraufffibrunf  bringen. 

TAGESCHRONIK 

Am  25.  Aognst  waren  vierzig  jfthr«  m- 


Aognst 

I  Hans 


gangen,  daD  Hans  Richter  inm  eratcBmal 
'-  Dirigent  vor  die  Öffentlichkeit  trat; 
zwar  dirigierte  er  damals,  am  25.  Aofust  1808; 
in  München  Rosalnl'a  .TUhelm  Teil",  der  nla 
FestToratellung  anlUlicb  des  Gdmrt^  and 
Namenstages  KSnig  Lndwlei  II.  In  Sune  ging, 
Kun  vorher  hatte  die  Unomlbruag  der  .Mnler- 
■Inger'  atatigcfunden,  bei  deren  Ehutndlerang 
Richter  hervorragend  fitlg  war. 

Die  Angelegenheit  Hfllsen-Tclngartner 
Ist  erfreulicherweise  Mediich  sn  Bada  (BfOhrt 
worden.  DieBerilnerGeneraUntcndaatnrtältmlt: 
..Nachdem  der  fHihere  KSnigUcbe  KapelloMlMer, 
Jetzige  kaiaerilch  kSnlgllehe  HofbpiwadtodClar 
Felix  Teingartaer  eine  grSBere  Summe  aadle 
Orchesterwitwenkasae  (Fonda  sur  Unie^ 
■iQtzung  der  Titwen  und  valsen  ventartwur 
Mitglieder  des  Königlichen  Orctaesters)  ni  Barlia 


der  zwischen  der  Generalintendantnr  d 
lieben  Schauspiele  und  ihm  au^ebmcben  war' 
Bismarck  und  die  Musik.  ObordaaVar- 
biltoii  des  Alt-Relcbskaazlen  zur  Miulk  lalll 
die  Voss.  Ztg.  u.  a.  die  ftalgendea  IiiIiiihmiiIiii 
Überlieferungen  mit:  Er  selhu  war  aar  mlBIg 
sikalisch  vorgebildet.  Das  bifichen  Klavler- 
:1  aus  der  Jngendielt  hatte  er  bald  yargsma 
oder  zum  mindesten  vemacblisalgt  Eine  hUäcbe 
Baritonstimme,  die  er  besafi.  Hell  er  sieht  aos- 
bilden,  und  wenn  er  sie  trotzdem  bin  ud  wieder 
erklingen  lieft,  so  war  die  Rcinbeii  dar  Tan- 
gebuog  nichts  weniger  als  einwandfrei.  Um  so 
interessanter  aind  seine  Urteile  6bar  Verke 
der  Tonkunst  Sie  geben  den  Sdmmna|s> 
gehsit  vieler  Stücke  mit  grofier  Prlgnaai  wieder 
und  verraten  mitunter  eine  Lebhaftigkeit  der 
Phantasie,  wie  etwa  die  elnea  Muaikliieniea,  der 
Bich  anschickt,  ein  Progrsmmbudi  an  Irgend 
einer  Symphonie  oder  dergl.  zu  schreiben.  Es 
ist  nicht  die  Sentenz  elnea  Alltagsmenschea, 
wenn  Bismarck  sagte:  .Die  bezahlte  Mnslk,  wie 
ich  sie  in  Opembiusem  und  Konzertailea  Ur^ 
zieht  mich  weniger  an;  aber  nichts  Liabetaa 
weiB  Ich  mir  als  die  Mudk  im  Hanae:  tt»  IM 


II 


den  "  wohl t3iigsie n  EiafluB^auf j  niicb  aus."  In 
Frankfurt  meinte  er  Öfters,  er  möge  in  kein  Kon- 
zert gehen,  das  bezahlte  Billet  und  der  ein- 
geen£te  Platz  verleide  ihm  den  mSglicben  GenuQ. 
Schon  der  Gedanke,  Für  Musik  Geld  zu  zahlen, 
aei  ihm  zuwider.  Die  Musik  müsse  frei  fte- 
schenkt  werden  wie  die  Liebe.  Danach  hliie 
dieaAnstilt  für  musikalisches  AutTübrungsrecbt', 
die  apiter  gegründet  wurde,  einen  prinzipiellen 
Gegner  in  Bismarck  gefunden.  Er  war  der  auf- 
merksamste Zuhörer  seiner  Frau,  einer  vorzüg- 
lichen und  feinsinnigen  Klavierspielerin,  wenn 
sie  ihm  Beethoven  vortrug.  Dieser  Meister 
stand  obenan  in  seiner  Verehrung  der  klassi- 
schen Tonkünstler.  Die  Liebe  zu  ihm  hatte  er 
schon  als  Student  eingeimpft  erhalten,  und  zwar 
von  seinem  Zimmcrkollegen  in  Berlin,  einem 
Grafen  Kayserlingk  aus  Kurland,  dem  spiteren 
Kurator  der  Unlversitlt  zu  Dorpat,  der  ihm 
fiflers  vorspielen  mußte.  Bismsrcks  Liebe  zu 
Beethoven  war  durch  Robert  von  Keudell,  den 
deutschen  Botschafter  in  Rom,  wesentlich  ge- 
steigert worden.  Bismarck  war  mit  ihm  bei 
Jobanna  von  Puttkamer,  seiner  spiteren  Braut, 
bekannt  geworden.  Die  edle  Tonkunst  ver- 
mittelte hier  die  erste  Annlhening  der  beiden 
Minner,  die  sich  dann  zu  innigster  Freundschaft 
verbinden  sollten.  Keudell,  bekanntlich  ein 
bochbegsbier  Dilettant,  bat  in  seinem  Buche 
sFüral  und  Fürstin  Bismarck,  Erinnerungen  aus 
den  Jahren  1846—1872*  Bismsrcks  musikalische 
Aussprüche  zum  Gegenstand  ausführlicher  Mit- 
teiluii(en  gemacht.  Nach  der  von  Keudell  ge- 
spielten Beethovenschen  Sonata  appaaaionsta 
<op.  57  F-moll)  sagte  Bismarclc,  eine  Trine  Im 
Auge:  „Das  ist  wie  daa  Singen  und  Schluchzen 
eines  ganzen  Menschenlebens.  Venn  ich  diese 
Musik  oft  hArte,  würde  ich  immer  tapfer  sein.* 
Als  Keudell  dieselbe  Sonate  1870  In  Versailles 
spielte,  fragte  Bismarck:  «Warum  nicht  Sfier?* 

—  Beethovens  Klavierkonzert  in  G-dur  (op.  58) 
entlockte  Frau  v.  Bismarck  die  Worte:  .Klingt 
dss  nicht  wie  dss  Gemüt  unseres  Freundes 
Hippolyt?*  —  kISi"  erwiderte  Bismarck,  .aber 
wie  Hippolyt  aus  dem  Irdischen  ins  Himmlische 
fibersetzt.'  Schubert  verehrte  Bismarck  nicht 
weniger  als  Beethoven.  Besonders  liebte  er  das 
nachgelassene  d-moll  Quartelt  bis  auf  die  Varia- 
tionen über  das  Thema  aus  dem  Liede  .Der 
Tod  und  das  Midchen*.  Variationen  überhsupt 
konnte  er  nicht  leiden,  mochten  sie  auch  von 
Beethoven  sein;  .sie  gingen  nicht  luro  Herzen*. 

—  Nach  Mendelssohns  Capriccio  in  E  (op.33 
No.  2)  meinte  Bismarck;  .Stellenweise  klingt 
das  wie  eine  vergnügte  Rheinfahrt;  an  anderen 
Stellen  aber  glaube  leb,  einen  im  Walde  vor- 
sichtig trabenden  Fuchs  zu  sehen.*  Nach  dem 
Priludium  in  e-moll  [op.  36  No.  1)  iußerte  er: 
.Dem  Manne  geht  es  aber  wirklich  sehr  schlecht.* 
Bei  Chopin  gab  erden  leldenscbaftlich  bewegten 
Stücken  den  Vorzug  vor  den  triiumerischen 
Nocturnes.  Schumann  bSrte  er  gern,  doch 
safte  er  hierbei  nur:  .Recht  hübsch.*  Eine 
Bachsche  Fuge  (Wohitemperienes  Klavier 
Bd.  2  No.  9)  charakterisiene  er  wie  folgt:  .Der 
Mann  hat  von  Anfang  an  mancherlei  Zweifel, 
ringt  sich  aber  allmiblich  durch  zu  einem  festen 
frohen  Bekenntnis.*  Immerhin  zihlen  diese 
Urteile  zu  den  Ausnahmen.  In  der  Regel  hOrte 
er  stillschweigend  zu,   als    wollte  er  die  T5ne 


Siri 
Fischer 
Schnee- 
voigt 

Mpderne  Photographie 

BERLIN  W 

No.  49     Münchenerstraße     No.  A3 

Amt  VI,  8360. 


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für  Piano  lu  zwei  Minden  von 

Edgor  Vosel 

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PHONOLA-PIANO 

mit  KUnstlerrollen 

das  voltkommensie  Klavier,  das  Ideat- 
instrument,  das  von  jedermann  künst- 
:        lerisch  gespielt  werden  kann. 

Vorspiel  bereitwilligst  im 

Phonola-  u.  Pianohaus  Berlin 

der  Ludwig  Hupfeld  A.C.,  Leipiigersir.  123a. 


Hans  Fährmann, 

Trio  IH  (l-Dir) 
für  Klovier,  Violine  und  Violoncello 

Op.37.  Preis  M.  8.80  netto. 

ErsKuffflhrune  mit  ausgezeichtietem  Ei^olge 
im  Hina  FIhrmtnn -Abende  zv  Chemniii  am 
22.  November  1907,  durch  die  Herren;  Eugen 
Richter,  Kon/crmelster  Hamann  und  Professor 
Julius  Klengel;  weitere  AulTQbrungeninMQnchen. 
::  Dresden,  Hiroburg  u.  i.  O.  bevorstehend.  :: 
Kommisslonsverlig  von  Otto  Junn«|LeipxiB. 


Dabei    (tag   ' 


innerlich    nachwirken  lauen, 
rauchend  auf  und  ab. 

Ein  bisher  unbekanntea  Bacb'Portrit 
vurde  von  Prot^sor  Geors  Scbamann  In 
Berlin,  einem  Vorstandamii|lledederNBuen  Bach- 
gesellscbaft,  Rtr  daa  Bacbmuseum  in  Eiaenach 


und  rGhrt  von  einem  Maler  Klein  (1134)  her. 
Daa  Bild  soll  dem  Lelpiiger  UnlTeraltiisprofbBsor 
HIß,  der  seineraelt  die  bciUbmteii.  Unter- 
suchungen und  Mesiunfen  am  Bacbachea  Schldel 
vorgenommen  hat,  fibenandt  werden. 

Die  f&ttfte  ordentliche  Delegierten  Versamm- 
lung des  aCentrslverbandes  Deutseber 
Tonkünatler  und  Tonkünstler-Vereine' 
(E.  V.)  findet  am  19.  und  20.  September  d.j.  in 
KSln  B.  Rh.  im  Verclnalokale  dea  KBIner 
Mi nncrgeaang vereine  statt. 

Der  Jabresberichi  der  Königlichen  Biblio- 
thek in  Berlin  für  1 907/08  weist  im  Ordinarlum 
der  Druckachriftenabtellung  eine  Vermebniag 
um  46259  blbliograpbiacbe  Binde  (gegen  32879 
im  Vorjabre)  nach.  Femer  wurden  10825  Binde 
aus  außerordenillcben  Erwerbungen  in  die  Zu- 
gangs Verzeichnisse  eingetragen;  der  gebuchte 
Zuwachs  der  Abteilung  betrigt  also  56889  Binde. 
Von  den  Sonders  am  mlnngen  hatte  auch  die 
M  u  s  i  k  s  a  m  m  1  u  n  g  einen  auKeronlenlllch  grollen 
Zuwachs:  0326  (gegen  1414  im  Vor}>bre)  blbiio- 
grapblsche  Binde,  darunter  ca.  2000  Textbücher 
und  2000  Chor-  und  Orchesteratlmmen.  Ina- 
besondere aber  ist  dieser  Abteilung  eine  wertToile 
Sammlung  von  Original  werken  BeettaoTens  u.  a. 
durcb  Geschenk,  sowie  durch  Kauf  ans  Enm- 
fonds  eine  AnzabI  kostbarer  Autographen  ans 
dem  Nachlaß  von  Josef  Joachim  ziltell  gewtiidea. 
Die  Arbeiten  der  .Deuiscben  Muslksaramlwii^ 
waren  am  1.  April  so  well  fortgeschritten,  dag 
der  sysiematlscbe  Katalog  S59B2  und  der  alpha- 
betiscbe  107777  Zettel  entbleit;  die  Sammlung 
'  bereits  der  Benutzung  zuglnglich. 

Der  Verein  Berliner  Musiker  hat  an  die 
Gemeindebebdrden  von  Berlin  eine  Petition  ge- 
richtet, um  ein  Verbot  des  gewerblichen 
iizierens  der  Magiairatabeamien  her- 
beizuführen. Der  Verein  begründet  dleae  Pediloa 
mit  der  erdrückenden,  den  ganxen  Mnalkerstand 
ruinierenden  Konkurrenz  und  mit  dem  Hinweis 
auf  das  ausreichende  Einkommen  der  atldtiaebeB 
Beamten. 

Die  Ausführung  des  Stadtttaeatera  in 
Htldesheim  ist  der  Münchener  Firma  Hell- 
mann  &  Ltttmann  fürden  I*rel8  von463j000MlL 
übenragen  worden.  Daa  Theater,  daa  Raum  für 
800  Personen  bieten  wird,  muß  am  I.  Oktober  1009 
vollstlndig  fertiggestellt  sein. 

Den  drei  Enten  Kapellmeiatera  der  KSnlg- 
iichen  Oper  in  Berlin  ist  eine  beMBdere 
Auszeichnung  zuteil  geworden.  Dr.  Kart  Mnck 
und  Dr.  Richard  Strauß  lat  mit  Rflckalcbt  «of 
ihre  mehr  eis  zehnjihrige  ZugetaSrIgkeit  nr 
KQniglJchen  Oper  der  Chanber  als  General- 
musikdirektor verliehen  worden,  rthivnd  Leo 
Blech  den  Roten  Adlerorden  4.  Klasee  «r- 
halten  bat.  Das  völlig  koordinierte  Sangrertilltiiit 
der  dt^i  Herren  wird  dadurch  aelboiveratliidlid 
nicht  berührt. 

FerdInaDdHummel,MusikdlrektoraalUWg- 
llcben  Scbauapielbause  in  Berfbi,  dtr  KoapoaiM 


der  Opera  „Die  Beichte**  und  »Mara*',  ist  zum 
Königlichen  Professor  eraannt  worden. 

Aus  München  wird  gemeldet:  den  Opera- 
slngerinnen  Zd^nka  Faßbender,  Maud  Fay 
und  Louise  Hoefer  wurde  der  Titel  Königliche 
Hofoperasängerin,  den  Operaslngera  Max  Gill- 
mann  und  Otfried  Hagen  der  Titel  Hofopera- 
Singer  verliehen. 

Der  Großherzog  von  Sachsen-Weimar-Eise- 
nach verlieh  dem  Direktor  des  Leipziger  Stadt- 
theaters, Robert  Volkner,  das  Ritterkreuz  des 
Hausordens  vom  weißen  Falken. 

Das  Konservatorium  der  Musik  in 
Köln  veröffentlichte  vor  kurzem  seinen  Jahres- 
bericht für  das  Schuljahr  1907/08,  aus  dem  wir 
entnehmen,  daß  sieb  die  Anstalt  im  abgelaufenen 
Jahre  unter  Leitung  von  Fritz  Steinbach  in  er- 
freulicher Weise  weiter  entwickelt  hat.  Die 
Scbülerzahl  betrag  651  gegen  548  im  Jahre  vor- 
her. Es  steht  ihr  ein  Lehrkörper  von  49  ordent- 
lichen und  1 1  Hilfslehrera  gegenüber.  Auch  die 
Zahl  der  Freistellen  hat  wiederam  eine  Ver- 
größerung erfahren.  Von  den  am  Schlüsse  des 
Schuljahres  ausgetretenen  Schülera  und  Schüle- 
rinnen konnten  65  mit  Zeugnissen  der  Reife  als 
Konzertspieler,  Operaslnger,  Dirigenten,  Lehrer 
u.  dgl.  entlassen  werden.  Bei  den  Prüfungs- 
auffübrangen  der  Operaschule,  bei  denen 
Solisten,  Chor  und  Orchester  ausschließlich  aus 
Schülera  der  Anstalt  bestanden,  gelangten  „Der 
fliegende  Holländer^',  sowie  drei  kleine  Opern 
zur  Aufführung. 

Dem  Jahresbericht  des  Pfälzischen  Kon- 
servatoriums in  Neustadt  a.  H.  ist  zu  ent- 
nehmen, daß  die  nun  seit  drei  Jahren  von 
Philipp  Bade  gegründete  und  geleitete  Anstalt 
in  stetem  Zunehmen  hinsichtlich  Besuchs  und 
Leistungen  begriffen  ist.  Sie  war  im  vergangenen 
Jahr  von  319  Schülera  aus  allen  Teilen  der 
Pfalz  besucht,  daranter  85  Elementarschülern.  Die 
Anzahl  der  wöchentlich  erteilten  Stunden  be- 
trug 307.  Außer  drei  größeren  Konzerten  ver- 
anstaltete die  Direktion  sechs  Prüfungskonzerte 
und  einen  Kammermusikabend.  Die  Opera- 
klaste  brachte  filzet's  „Carmen"  ungestrichen 
unter  Bades  Leitung  heraus.  Der  Lehrkörper 
besteht  aus  24  Lehrkräften. 


TOTENSCHAU 

Ende  Juli  f  in  Valparaiso  (Chile)  Berahard 
Göhler,  der  seit  1885  als  Lehrer,  Organist  und 
Dirigent  mit  Erfolg  tätig  war. 

Am  21.  August  f  in  Paris  der  Komponist 
Louis  Varney  im  Alter  von  54  Jahren.  Außer 
seiner  graziösen  Operette  „Die  kleinen  Lämmer** 
ist  in  Deutschland  auch  seine  komische  Oper 
„Die  Musketiere  im  Kloster"  bekannt  geworden. 

In  Zarskoje  Selo  f  am  27.  August  der 
Professor  am  St.  Petersburger  Konservatorium 
Wilhelm  Schubert,  72  Jahre  alt.  Geborener 
Deutschböhme,  gehörte  er  von  1858  an  lange 
Zeit  hindurch  dem  Hofoperaorchester  als 
Oboist  an. 

Am  28.  August  f  in  Berlin  der  Tonsetzer  und 
Theoretiker  Heinrich  van  Eyken,  47  Jahre  alt. 
Er  war  in  Elberfeld  get>oren  und  studierte  bei 
Pappritz  in  Leipzig,  später  auch  in  Berlin  in  der 
Meisterscbule  von  Herzogenberg.  In  der  Reicbs- 
^  hauptsudt  ließ  er  sich  dann  als  Privatlebrer  für 


n 


Victorio  Luis^ 


^ 


KonserootoriDni. 

IIERUIV3ll,Nli8ll.57.  SS^:^S&. 

Direktion:  Alfred  Sohinidt-Badekpw. 

Künstlerischer  Beirat:  Willy  Baraiestor. 

HMptlehrkrifte;  Hjalmar  Arlberg;  Irene  von 
Brennerberg;  Klara  Erler;  Fritz  Espenhahn, 
Kgl.  Kammervirtuos  ;Joseflne  Gruson,  ehem. 
Sachs.  Hofoperasängerin;  Leo  Halir,  Kgl. 
Kammermusiker;  Rudolf  Krasa,  von  der 
Kgl.  Hofoper;  Max  Laurischkus;  Eugftne 
Malmgren ;  Lina  Scbmalhausen,  Hof^ianistin ; 
Alfred  Schmidt-Badekow. 


DIroktprs  ffflr  dip  JüagplidrloAii  vnd 
Intpppssentpn  des  Institatps«  — 
Rindprehpr    (Methode   Jaqaea-Daloreze). 

Eintritt  jederzeit. 


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Neue  Violin- 
StttdienwerKe. 

Bloch  J.    Op.  50.     Dopbelgriff-Schule  fQr  die 
Violine,   vom    ersten  Anfang  bit  zar  höchsten 
Autbildung  luf  theoretlsch>praktischer  Grund- 
lage.   2  Binde  4  3  Mark. 

Blocll  J.    Übungen  fOr  die  Stärkung  und  die 
Unabhingigkelt  der  Finger  der   linken   Hand. 

Heft  1.    Op.  54.     Leichte    Übungen 

in  der  I.  Lage 1.80  IM. 

Heft  2.    Op.  58.    Schwere  Übungen 

in  der  I.  Lage 1.80  IM. 

Heft  3.  Op.  60.  Übungen  in  den 
einzelnen  Lagen  und  zur 
Verbindung  der  Lagen  .    .    .    1.80  M. 

Bloch  J.  IntonationtObungen  in  amtlichen 
Tonarten  und  Lagen. 

Heft  1.    Op.  55.    Leichte  Infonatlona- 

Bbungen  In  der  I.  Lage    .    .    3.—  M. 

Heft  2.    Op.  36.  Schwere  Intonatlona- 

Qbungcn  in  der  I.  Lage    .    .    3.-^  M. 

Heft  3.  Op.  61.  Übuageo  In  den 
einzelnen  Lagen  und  lur  Ver- 
bindung der  Lagen  ....    3.—  M. 

Verlag  Karl  Rozsnyai, 

Budapp«!»  Museumrins  15. 


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r 


CEFES  EDITION 


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NuslktheoKtlsche 
SdiriReii. 


Band  I.  Harnonielehre,  für  Lehrende,  Ler- 
nende und  zum  wirklichen  Selbst- 
unterrichte. Zweite  sehr  vermehrte 
Auflage.  Mit  zahlreichen  Noten- 
beispielen; geh.  M.  3.60  no.,  in 
modern.  Einband  geb.  M.  4.60  no. 

Band  II.  Der  einfache  Kontrapunkt  nnd  die 
einfaobe  Fnge  nebst  dem  drei- 
und  zweistimmigen  Satz.  (System 
Rheinberger  -  Kistler).  Mit  zahl- 
reichen Notenbeispielen ;  geh. 
M.  3.—  no.,  in  modern.  Einband 
geb.  M.  4. —  no. 

Band  III.  Der  doppelte  Kontrapunkt,  dleDoppel- 
fuge,  die  dreiatlninilge  Fnge  und 
zwelatlmnlge  Fuge  (System  Rhein- 
berger-K istler).  Geh.  M.  3.—  no., 
in  modern.  Einband  geb.M.4. —  no. 

Band  IV.  Der  dreifache  und  mehrfache  Kontra- 
punkt. Die  dreifache  nnd  mehrfache 
Fnge.  Der  Kanon.  (System  Rhein- 
berger-K istler.)  Geh.  M.  3.—  no., 
in  modern. Einband  geb.M.4. —  no. 


Ferner  erschien  in  heuer  Auflage: 

Cyrill  Kistler:  Ohcrgesangaohule  fürFrauen-, 
Knaben-  und  Männerstimmen, von 
den  allerersten  Anfangsgründen 
an,  zum  Schulgebrauch  und  ftir Ge- 
sangvereine. Mit  vielen  in  den  Text 
gedruckten  Noten-  und  Obungs- 
beispielen.   Brosch.  M.  2.—  no. 


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1  ■  1      I,.  . 

C.  F.  SCHMIDT 

Musikalienhandlung  und  Verlag 

HEILBRONN  a.  Neckar. 


^ 

^.,1. 


Theorie  und  Komposition  nieder;  einige  Jahre 
erteilte  er  auch  an  der  Köniflichen  Hochscbnle 
fiir  Musik  Unterricht  in  Tbeone.  Eine  Harmonie- 
lehre aus  seiner  Feder  soll  demnicbst  erscheinen. 
Van  Eyken  zlhlte  zu  den  begabtesten  unter 
unseren  jüngeren  Tonsetzem;  er  hat  eine  ganze 
Reihe  von  Liedern  geschaffen,  in  denen  sich 
edle  Empfindung  und  vornehmer  Geschmack 
bekunden  (es  sei  hier  nur  an  das  vielgesungene 
»Schmied  Schmerz",  an  ,Judiths  Siegesgesang*, 
das  »Lied  der  Walküre*  oder  an  das  reizende 
»Es  war  ein  Prinzeßchen"  erinnert).  Aber  auch 
in  größeren  Formen  zeigte  sich  seine  reiche 
kompositorische  Begabung.  An  der  Liliencron- 
sehen  Chorordnung  für  das  evangelische  Kirchen- 
jahr war  van  Eyken  mit  vielen  Ueineren  und 
größeren  Sitzen  beteiligt  (Ein  Bild  des  sym- 
pathischen Künstlers  brachte  die»Musilc*  in  Heft  18 
des  VI.  Jahrgangs.) 

Am  31.  August  f  in  Dresden,  erst  38  Jahre 
alt,  der  Konzertmeister  der  Königlichen  Kapelle 
und  Primgeiger  der  bekennten  Qnartettver- 
einigung,  Max  Lewinger.  Der  ausgezeichnete 
Künstler  stammte  aus  österreichisch -Polen. 
Zögling  der  Hochschulen  von  Kraksn,  Lemberg 
und  Wien,  erhielt  er  1883  einen  Posten  als 
Geigenlehrer  am  Konservatorium  von  Bukarest 
Später  ging  er  als  Konzertmeister  der  Philharmo- 
nischen Konzerte  nach  Helsingfors;  ein  Jahr 
hindurch  war  er  in  gleicher  Bgenschaft  auch 
am  Theater-  und  Gewandhausorcbester  der  Stadt 
Leipzig  titig.  1808  wurde  Lewinger  als  Nach- 
folger Rappoldis  mit  dem  Titel  eines  KönicUchea 
Hofkonzertmeisters  nach  Dresden  berufen.  (Eüi 
Bild  des  Verstorbenen  enthilt  das  18.  H^  des 
VI.  Jahrgangs.) 


t 


Sobliiss  den  rodakttonelleii  Tolln 

Verantworüich:   Willy  Reoz,  Beriln 


VERSCHIEDENES 

Sehr  ansprechend  wirkt  die  eben  erschienene 
Nummer  (3)  der  »Mitteilungen"  von  Bos- 
wau  &  Knauer,  die  uns  in  Wort  und  Bild  ein 
nach  neuestem  Stil  eingerichtetes  großes  Hotel, 
und  zwar  das  Hotel  Esplanade  in  Hamburg 
schildert.  Der  Text  gewährt  uns  einen  inter- 
essanten Einblick  in  zahllose  Einzelheiten,  die 
berücksichtigt  werden  müssen,  um  den  An- 
sprüchen eines  verwöhnten,  modernen  Reise- 
publikums gerecht  zu  werden.  Hier  spricht 
nicht  allein  das  mit,  was  die  Augen  sehen,  son- 
dern in  höherem  Grade  das,  was  man  nicht  be- 
merkt, sondern  nur  angenehm  empfindet:  zahl- 
lose Einrichtungen,  die  mit  der  Hygiene,  den  Be- 
quemlichkeiten des  Verkehrs,  mit  der  Sichemng 
gegen  Feuersgefahr,  mit  Heizung,  Lüftung^  Rei- 
nigung usw.  eng  zusammenhingen.  Das  Hotel 
Esplanade  darf  —  das  geht  auch  aus  den  20  nach 
Naturaufnahmen  gefertigten  Illustrationen,  die 
dieses  Heft  schmücken,  hervor  —  ala  Tomenmer 
Typus  eines  ersten  Hotels  gelten,  als  ein  Dmikmal 
unseres  heutigen  Mühens  und  Strebens  am  eine 
neue  Baukultur,  und  es  ist  der  Architektur-  nnd 
Baufirma  Boswau  &  Knauer,  der  jener  Bau  im 
Äußern  wie  im  Innern  zu  danken  ist,  geiimcen, 
hier  von  neuem  ihre  LeistungsfUiifkeit  in  heuern 
Licht  zu  zeigen. 


VI 


AUS  DEM  VERLAG 

Bach  &  Co.  in  London  kündigen  eine 
Ausgabe  der  Klaviermusik  von  Alessandro 
Scarlatti  an,  von  der  sehr  wenig  im  Druck 
erschienen  ist.  Als  Grundlage  dient  ein  in 
Münster  i.W.  befindlicher  handschriftlicher  Band, 
der  wahrscheinlich  aus  dem  Besitz  des  Abb^s 
Santini  stammt.  Als  Herausgeber  zeichnet  der 
Musikschriftsteller  J.  S.  Sftedlock.  Das  Werk, 
auf  das  eine  Subskription  erdffhet  wird,  soll  in 
12  Teilen  binnen  JahresfHst  vollendet  vorliegen. 

Das  Musikverlagshaus  Gabriel  Astruc  in 
Paris  teilt  mit,  daß  bei  dem  großen  internatio- 
nalen Wettbewerb  für  Musik  in  der  Abteilung 
„Oper  und  lyrisches  Drama**  ein  Preis  von 
10000  Francs  der  Partitur  »Penticosa^  Musik 
von  Louis  Lambert,  Text  von  G.  Hartmann  und 
A.  Denis,  zuerkannt  wurde. 

Im  Verlage  von  Schuster  &  Loeffler  in 
Berlin  erscheint  demnächst  eine  kritische  Aus- 
gabe von  Carl  Maria  von  Webers  simtiichen 
Schriften.  Die  bisherigen  drei  Ausgaben  konnten 
weder  auf  Zuverlässigkeit  noch  auf  Vollstindig- 
keit  Anspruch  erheben,  so  daß  der  jetzige  Her- 
ansgeber, Georg  Kaiser,  hiermit  einem  fühlbar 
vorhandenen  Bedürfnis  abgeholfen  hat.  Allein 
gegen  vierzig  Aufsitze  Webers  gelangen  hier 
nach  fast  einem  Säkulum  der  Vergessenheit 
wieder  ans  Licht,  eine  Menge  von  Fehlem,  die 
sich  in  die  früheren  Ausgaben  eingeschlichen 
hatten,  sind  hier  nach  authentischen  Quellen 
berichtigt.  Zieht  man  in  Betracht,  daß  diese 
alten  Ausgaben  fast  gar  nicht  mehr  erhlltlich 
sind,  so  kann  dies  neue  Unternehmen  nur  be- 
grüßt werden. 


Hetns  von 

Wolzogen, 

AusRichard 
Wagners 

Qeisteswelt 


Soeben  erschienen! 

Geh.  4  Mk.,    geb.  5  Mk. 
Durch    jede    Buchhandlung. 


VbIh  n  Ub  t  Eikr  I  Bob  1 15. 


Kompositionni  von 

HflXOEMIEt 

Op.  9.  Vier  Lieder  Im  Volktton  fOr  eine  Slogetlmme  mit 

Kltvierbegleltuog.  tAk. 

No.  1.  Jung  tterben.  (De«  Kniben  Wunderlioni  1,— 
No.  2.   LaS  raiMchen !  (Gediclit  tut  dem  tS.  Jelir- 

liundert) 1,— 

No.  3.  Hoffen  and  Harren.  (A.  Gatlnr) 1,— 

No.4.   Liebealeid.  (A.  Kluclchnn> 1,— 

Op.  10.   Drei  Lieder  fBr  eine  Sfngatlmme  and  Pianoforce 

No.  l.  Singend  über  die  Halde.  (Artbor  Pitger)  1,50 
No.2.  E8triamenrlng8dleBlttmett.(A.K|ttckbun)  1,— 
No.  3.   Nelken.    (Tbeodor  Sform) 1,— 

Op.  17.    In  Ihm.    Gelatllchea  Lied  fOr  eine  Slngatimme 

a)  mit  Klavier,  b)  mit  Orgel i  1,— 

Op.20.  Zwei  Lieder  fBr  eine  Slngatimme  mit  Klavier. 

(No.  1.    Im   Lenz.    No.  2.   Aaf  der  Radelaburg)  1,50 

Op.2l.  «Rokoko*.    Suite  In  vier  Sitzen  fOr  Orchester. 

Klavierauazug  zu  zwei  Hinden ^50 

Op.24.  Zwei  Lieder  fOr  eine  Slngatimme  mit  Klavier. 

(No.  1.    Da  ateben  wir.    No.2.    Genügen)  .  .  .  1,— 

Op.26.  Zwei  Lieder  fBr  eine  Slngatimme  mit  Klavier. 
No.  1.  Ea  duftet  Und  die  Frfihlinganaebt.  No.2. 
Mit  einem  Blumenatraufi) I,— 

Op.29.  Drei  Liedbr  (Im  Volkaton)  fBr  eine  Slngatimme 
mit  Klavier. 

(No.  1.  Migdlein,  ao  achön  und  hold.  No.  2. 
Mir  Heb  bin  Ich  umbfangen  [Altdeotache  Wdae]. 
No.  3  Wenn  Ich  acheiden  maO.) 1,50 


Berlin  -  Charlottcnburg. 


Charlottenburg 

Wallstrasse  22.  Ferasprecber:  Cb.2078. 

Notensttoh.  o  o  Notendmok. 
Uthograpbie.  ö  Antograpbie. 
Kftnitleriiohe  Titelbl&tter. 

MUUm  initfDi  ^  NisDudlaL 

Aiitt«UuuEnia4Blllt4.  HMilkf)MkMWt«llugltM. 


m  Noten-Schreibpapier  L 

\^k  in  allen  Linitturen.  4^1 


VII 


Hettie  Schüssler 

^^  KflnsUerische  == 
PopfpSt  -  Photographie. 

.*.  Hein-  tDd  KOnitlerathaliMM  .-. 

EagUtb  apoken.     Od  parle  trancaf*. 

Vtriitrlgi  «amt^yigta  irbrtia.    EmpfugniHS-t  Uhr 


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ileller  fDr  kDosderisehe  PhologrtpUe 

Aufnahmeieii  ilglich  von  lO-l  Uhr 

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__^ ._ii  SuhKa-Cobnri  BDd  Golhl, 

GroBltnila  voa  Hulllud. 

teinil-iiilillieiWeFffiler 

lahaber;     Fian   Kammerdnicr    PrareaiBT  Feuler    and 
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Berlin  W  30,  Nol)endorbtr.  15  ji. 

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Salon,  OcklamaHen  n.  Lcb.licta.  Parflen-Statflum, 
Eucmble-ÖbuBgen,  Chor,  Oftentl.  Auffa&run|an. 
Lihrkrlfte:  Fna  Kamsieraiiter  Prahiior  Fanlar,  Pnn 
lM*fklM  6niMR,  tbem.   Hcnotl.  Sicbaliehc  HoT-Opci 

■Inicrin,    Oper-     —'    " " "-■--■-■-   ■-'-' 

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Sprechzelt  11—12. Hind). 


Gultanclehrer.    Ver- 
AtMcr  d.  Monographie   . 
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den   III.  Jakrttoaead 

Charioltenburg  ;^,SSri  ü:::: 

Lvlbnlutrasm    U  artlce«  Solo«^.. 


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,   STIMMBILDNERIN 

Kaiser-Allee  70  < 

(RiBfbihBbiiC    \ 


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Suchender  lat  eusBbender  Tonkfinsder 
und  verfügt  Gber  einige  taiuend  Marie. 
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der  „Musik*  erbeten. 


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Mcmel,  Ostpr.  (ca.  21000  Einwobnn)  IM  nm 
I.  Olctober  er.  neu  xu  beaetsSD.  C*luK  MtH' 
jlhrlich.  Bewerber  muD  tacbdgn  CbofdlriMt; 
und  beflbigt  sein,  nebenbei  gedlag.  Uimtfcti. 
in  Gesang,  Violin-  und  KlarienpW  OBK  iBi 
erteilen.  Meld,  mit  Angabe  der  •  '' 
keil,  wenn  mSgl.  unter  Being.  d.  V 
an  ll>  ValaartlR,  ■•■§' 


ConseroKtolre  de  Muslime 


de  Geneve 


FondBtloB  BsrttaoloBi  18S5. 

laohrkräfto: 
fieMB|:  MM.  Leopold  KetteD.  AlfoDio  D«ml  Francia  Tborold 
und  Mme.  Gull  lern  ot-Tharinter.  —  Klivlsr:  MM.  Berobtrd  Sttven- 
biBcn,  Mmc.  Marie  Ptnthes,  MM.  Lauber,  Schulz,  JHoood,  Monu, 
Fricker,  Bebrcns,  Ostrogi,  Montlllet,  Mmei.  Bourgeois,  Bovet, 
Cbiridjlan,  Ligler,  Goguel,  Schmitz,  Mircinbei,  Mooaer,  Delisle, 
Jaubeit,  DQrr,  Cirey,  Hartmann,  PeiTln,  Renard,  Thury,  Mayatre, 
Rey,  Bulliat,  Vatter.  —  Vial«:  MM.  Felix  Berber,  L.  und  E.  Reymond, 
Pahnke,  Alexy,  Potlak  und  Mlle.  Donlval.  —  Vlalsnoell:  MM.  Adotpbc 
Rebberg,  Briquet,  Lang.  —  Orpei:  M.  Barbtan.  —  Harfs:  MUc.  Poulaln. 

—  Hrtw-Coraaglsii:  Mr.  Rouge. —  FIBte:  M.  Bu^ssens.  -  Kiviaettfl: 
Mr.  Capelle.  —  Horn:  Mr,  Kling.  —  TrOHpete:  Mr.  Pyerre.  — 
(biartettiplel  nad  Orohutarsplel:  M.  Felix  Berber.  —  OrohMter- 
Dlrektion:  M.  Bernbard  Stavenhagen.  —  EDiaHb)esp)el :  Mr.  L.  Rey- 
moad.  —  SalftiB  and  Tbiarla:  Mr.  Kling,  Mmes.  Chassevaut,  Kunz, 
Menger,  Terroux,  Dclayc.  —  Soltiga  aapirlaar  and  laiprüvlaaUaa: 
Mr.  Jaques-Dalcroze  und  Mite.  Carter.  —  Matbad«  JaqDaa-Daiaraze 
(Caara  paar  profesilOflUll):  Mr.  Jaquea-Dalcroze.  —  HamMlai 
MM.  Jaques-Dalcroze,  Britschi,  MUe.  GSrter.  —  Koatrapiakt:  Faga 
aad  Kaaipoiltlea :  Mr.  Otto  Barblan.  —  laatraHaatatlaa:  Mr.  Lauber. 

—  Muiikflsaehlohte:  MM.  Humbert  und  Pabnke.  —  Hiatnlra  dat 
■tyla-.  Mr.  Liuber.  ~  Klavisrpidaflaglk :  M.  Stavenhagen  und  Mme. 
Pantbis.  —  Laotura  vnoal«  at  laatraaieBtala:  MM.  Ketten,  Tborold, 
Daml,  Mme.  Gulllemoi  et  Mr.  Vend.  ~  Daklanatlea;  Mite.  Lavater 
und  Mr.  Brunei. 

Aafaag  dn  aenen  Karaaa:  15.  September  1908. 

AafaaÜaiaprOfaBg :  7.,  8.  und  9.  September.  Schririllche  An- 
meldungen kaan  man  logtelcb  an  das  Direktorium  gelangen  laiaen 
(oder  mOndllcb  vom  31.  August  bis  5.  September  im  Konaervatorlums- 
bnreaa).  —  Prospekte  und  Jahresbericht  sind  von  der  Direktion  gratis 
in  belieben. 

Der  Direktor: 

Fardlnand  Held. 


MöiiiiirKoiiniligiulainelioieli) 

□    D   iHrilwIriMilap  URtarrioM  !■  Hanmaala  a   a 
■Mrtpapwhtlfc.  KaMpMlUM,  iMtPVMvatetiSH. 

Niherei  auf  achrlfillche  Anfrage,     ca     Wiederbeginn    I.  Oktober. 
Maebea,  SchOnfeldsir.  28.  Dr.  Edgar  latal. 


Mw 


Ml.  Kiwitin.  RlaiiR 

Berlin  W 

ScboiKrstniBe34'.i«tiiL 


Schriftstellern 


Marie  Geselschap 

Pianistin 
MQnohen       Berlin  W 

31,  Leapoldttr.  36,Bayreatliar>tr. 
1.  Mal-l.  Ökt.  1.  Okt.— i.  Mai 
EngagementBan 
Konzertvertr.: 


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Stcchenpfcr^=Cilionmilcl^=Saifc 


«t.A 


Abdruck  aus 


Neue  Rundschau 

Heft  9  (September  1908) 

Mtt5Hali5clig  StfafprdiBteti. 

Das  ist  der  Titel  eines  ganz  famosen  Buches  von  Max  Steinitzer,  das 
im  Verlag  der  Süddeutschen  Monatshefte  erschien.  Ich  habe  es  mit  einem 
dreifachen  Vergnügen  gelesen.  Zuerst:  weil  es  recht  hat.  Was  da  den  Rezen- 
senten,  Sängern,  Schullehrern,  Militärdirigenten,  Vereinsleitem,  Gesangs- 
lehrerinnen, Konservatoriumsdirektoren,  Komponisten,  Hofkapellmeistem  der 
Reihe  nach  an  Grobheiten  gesagt  wird,  ist  ein  soziales  Bild  des  vollkommenen 
Chaos,  das  unsere  musikalische  Erziehung  bietet.  Und  dann  weil  es  Charakter 
hat.  Es  ist  der  alte  gute  deutsche  Brummbär,  der  schimpft,  indem  er  es  gut 
meint,  ein  Herzenskerl,  der  kein  Blatt  vor  den  Mund  nimmt,  so  ein  Kreislerianer, 
mit  aller  Phantasie  auch  für  die  modernste  Zeit,  und  allem  Sinn  für  die  Ver- 
wirrtheiten unserer  Existenz,  ein  Charakter,  der  Charaktere  liebt,  auch  unter 
der  Maske  des  Berufs.  Und  drittens:  weil  es  gut  geschrieben  ist,  keine  Schul- 
meistere! banaler  Sorte  oder  Theorie  außer  dem  Leben,  sondern  lebendig  bis 
in  die  Fingerspitzen,  Staccato  und  Legate,  Forte  und  Piano,  wie  es  das  Thema 
und  die  Variationen  verlangen.  Es  ist  wundervoll  zu  lesen  in  seinem  ernsten 
Humor,  echter  Stil  eines,  der  was  zu  sagen  hat,  und  der  was  weiß,  die  Interna 
kennt  von  der  Bühne  und  der  Schule,  vom  Konzert  und  von  der  Geschichte, 
der  mit  seinen  Kenntnissen  für  die  Zeit  lebt  und  seine  Reformen  aus  der 
praktischen  Politik  entwickelt.  Hat  man  es  gelesen,  so  hat  man  was  von  dem 
Apparat  unserer  Musikmacherei  gelernt,  von  den  Fassaden  und  den  Kulissen, 
dem  lauten  Dilettantismus  und  der  stillen  Künstlerseele.  Ja,  es  ist  etwas  von 
einem  Drama  darin,  so  lebendig  ist  es  herausgekommen.  Die  Schäden  sind 
zu  Typen,  die  Typen  zu  Akteuren  geworden,  leibhaftige  Menschen,  runde 
Menschen  in  Licht  und  Schatten.  Sie  sagen  wie  der  feine  Opernsänger 
Giuseppe  Malvio,  der  seinen  Grobiansbrief  bekommt:  „So  lang*  als  die  Lent* 
reingehen  und  applaudieren,  wenn  ich  bloß  sing',  so  lang  spiel  ich  nit.  Nit- 
wohr,  Herzal?^    Und  indem  sie  das  sagen,  spielen  sie  schon:  in  dem  Buche. 

Oskar  Bie. 
Preis:  geheftet     H.  2.50 
gebunden  H.  3.50*) 

*)  Gelangt  in  ca.  drei  Wochen  zur  Ausgabe. 


*•■ 


I  Soeben  erschien:  I 


l 


KARL 


op.9.  Flagellantenzug. 

Tondichtung  für  großes  Orchester. 

Partitur netto  M.  20.—  1  Orchesterstimmen     ....    netto  M.  30. 

Für  KUvier  zu  4  Händen  (Ruoff)  M.   4.—  |  [V.  I,  II,  Va.,  Vc,  B.  je  M.  IJ»  nc] 

GröBtor  Orohestorepffplg  sum  Tpnkflnstlepffest  1908  in  ■Anohmil 


op.8.  Lernt  lachen! 

Aus  ,,Also  sprach  Zarathustra""  von  Friedrich  Nietzsche* 

Für  gemischten  Chor  und  großes  Orchester.    (Mit  Ah-  und  Baritonsolo.) 

Partitur  netto  M.  50.—,   Orchesterstimmen  netto  M.  50.—   (Doubl,  netto  M.  3.—), 
Klavierauszug  netto  M.  3.—,       Jede  Chorstimme  M.  1.50,       Textbuch  M.  —.10. 

Anfffahrungsdaueri  40  HinNten. 

B 1  e  y  1  e  hat  sich  bereits  als  Nietzsche-Vertoner  einen  Namen  gemacht;  seine  1907 
erschienenen  Männercböre  nach  Worten  von  Nietzsche  (An  den  Mistral  —  Ver- 
einsamt —  Nach  neuen  Meeren  —  Campo  santo  di  Staglieno—  Der 
Wanderer  —  Unter  Feinden)  sind  in  kunstbeflissenen  Mlnnerchorkreisen  enthu- 
siastisch aufgenommen  worden  und  haben  zum  Teil  schon  viele  Aufführungen  erlebt.  Zu 
seinem  Chorwerk  ,,Lernt  lachen!**  hat  Bleyle  die  Worte  aus  des  großen  Philosophen 
,»Also  sprach  Zarathustra*  entnommen  und  in  folgende  vier  Teile  frei  zusammengestellt: 

I.   pfUnd  ich  saiie  eine  gpoBe  Trauriglceif  • 
II.   pyOopt  ist  die  Grlberinseip  die  soiiweiosaine''. 

III.  ppNaciit  ist  esp  nun  reden  lauter  alle  springenden  Brunnen'*« 

IV.  ppAufp  laBt  uns  den  Geist  der  Soiiwere  taten  !<< 

op.6.  Symphonie  In  F-dur. 

Partitur  netto  M.  30.—,    Orchesterstimmen  netto  M.  36.—    (Dubl.  je  netto  M.  1.80), 

Für  Klavier  zu  4  Händen  M.  4.—. 

AufffOlirunosdaueri  30  Minuten. 

Zum  erstenmal  wurde  bei  diesem  Werk  der  Versuch  gemacht,  die  Form  der  klassischen 
Symphonie  in  einen  Satz  zu  verschmelzen,  um  so  die  möglichste  Einheitlichkeit  zu  erzielen. 
Wie  erfolgreich  dieser  Gedanke  verwirklicht  wurde,  beweist  die  Bleylesche  Symphonie 
am  besten  selbst.  Der  Komponist  hat  sich  damit  um  die  Neugestaltung  der  Symphonie 
ein  entschiedenes  Verdienst  erworben.  Das  Werk  wird  allen  Diiigenten,  die  einem  wert- 
vollen und  neuartigen  symphonischen  Erzeugnis  Interesse  entgegenbringen,  Freude  bereiten. 

■•••■■■■■■•••■■■•■■•■■■■■■••■■■■■■•■•■■■■■■•■•■■••■•■■■•■•••■•••■■•••■•■•••••■■■■•■•■■•••■■■•■•••■■•■■■■■■■■■■■■ 

Portltoren  bzv.  RlovlerouszOBe  obiger  Werke  sind  ouch  znr  JhislcM  zn  bedehal 


Fr.  KistnePy  Musikveriag,  Leipzigi 


XI 


üIUb  Kmuntinin  iD  Srnfenliii». 

Dirigenten  —  Orchester  —  0|»enischale.  Simtllche  IntinimeBtc.  KUvIer, 
Orcel,  Htrfe.  Komposlilon.  Kirehenonttslk.  SchUlerorchetter.  Mit- 
wirkung in  der  Hofk«pelle.  Vollstiüidlge  Ausbildung  fBr  Oper  und 
Konzert.  Freistellen  fttr  Bllser  und  Bsssistea.  Eintritt  1.  Oktober  und 
Jederselt.     Prospekte  kostenlos,   o  a  o  o  o  o  a   Prof.  Tniugott  Ochs. 


in  Köln 

onter  Ultong  von  Herrn  GeDemlmiisIlunrektor 
Fritz  SteinbacH 


(Schaler- Frequenz    1908:   651,   Anzahl    der 

Lehrkräfte  48) 

Die  AuFnahmeprfifung  für  das  neue  Schul- 
jahr findet  am 

==:  16.  September  ==: 

von  vormittags  9  Uhr  an  statt;  fQr  die 

Ausbildungsklasse  des  Herrn 

Carl  Friedberg  am  selben  Tage,  vormittags 

10  Uhr. 


Schriftliche    oder    mundliche    Anmeldungen 

bis    zum    13.   September    beim   Sekretariat, 

Wolfstrasse  3 — 5,  durch  welches  Prospekte 

gratis  zu  beziehen  sind. 

Der  Vorstand  des  Konservatoriums. 

Albert  Freiherr  von  Oppenheim, 
Vorsitzender. 


Neue  herwerragende 
Klaviermusik  von    - 

Crnst  Toch 

■slpdlsolip  Sktaessiiy  op.  0. 

No.  1.  Ständchen  (M.  1.20). 

No.  2.    Reigen  (M.  —.SO). 

No.3.  Scberzetto(M.— .SO). 

No.4.   Romanze  (M.  1.20). 

No.  5.  Papülont  (M.  120)^ 
Drml  Prlludlmi  (A-molLA-dur . 

D-moU)  op.  la  M.  2.50. 
Sohprsp  (H-moU).op.l  1.  M.2. — . 

tf^  Der  bekannte  Pianist 
Alfired  Griafeld  schreibt  dem 
Komponisten:  »IbreStficke,op.O» 
•lad  laaz  reizend,  apart,  trl|inell^ 
und  vor  alleai^  worauf  icb  Tlel 
halte,  eebr  MavierMlatli  ge- 
schrieben.  Sie  werden  jeden- 
faUs  viel  letpielt  werden,  denn 
•ie  empfehlea  alch  vea  aalbit" 


Außerdem  seien 

heetens  empffehieni 


op.  50.  Am  Abend.  Ein 
Stimmungsbild.  M.  1.20 
LsuisPatotf  op.41.  Nordische 
Sommernacht  5  Charak^ 
ter8tficke(l.Abenddimme- 
ning.  2.  StemenfHede; 
3.Mlttemachtsweihe.  4.Ge- 
sang  der  Vasser.  5.  Spie« 
lende  Elfen).  ^ 

In  einem  Heft  M.  3.—; 
Eiazela  danws: 
No.  2.  StemenfHede 

M.  IJSO 
No.  5^  Spielende  Elfen. 

M.  1.50 

—  op.  43.  Scdne  de  Bai.  Valse 
de  Concert  M.  2.— 

—  op.  44.    Vindesrauschen« 
Konzert-Etfide.       M.  1.50 

Alois  RppkMNtorffp  op.  26. 
5  Charakterstücke  in  Tanz« 
form:  No.  1.  Polonlse 
(M.  120).  No.  2.  Mazurka 
(M.  —.80).  No.  3.  Polka 
<M.  1.20).  No.  4.  Walzer- 
Caprice  (M.  1.2Q).  No.  5. 
Czardas  (M.  1.—). 

Emilp  ÖPSBortPSp  Dansea 
d'Autrefois: 

No.  1.  Porlane.  No.  2. 
Menuet  et  Trio.  New  3. 
Pastorale.  No.  4b  Gavotle. 
Einzeln  Je  M.  1.-^  netto^ 
In  einem  Hefl  M.2.25  netto, 

lHliim».»ilsl.MtalMli 

Kaiserlich  mss.  Hofifofenalt  . 
jpipgjf« 


XU 


Demnächst  erscheinen  bei  uns 


Sämtliehe  Sehrinen 


von 


Carl  Maria  von  Weber 

Kritische  Ausgabe  mit  umfassenden  Erläuterungen 

von 

Georg  Kaiser 

45  Bogen  gr.  8.     Geh.  Mk.  12.—.     Geb.  Mk.  14.—. 


Die  Bedeutung  des  genialen  Schöpfers  der  deutschen  Oper  als  des  Siegers  über 
welsche  Kunst  und  des  Vorkämpfers  für  das  deutsche  Drama,  das  in  Richard  Wagner 
seine  Erfüllung  fand,  enthüllt  sich  ganz  nur  demjenigen,  der  sich  auch  mit  des  Meiatert 
Schriften  vertraut  macht.  Sie  strahlen  nicht  nur  die  adelige  Persönlichkeit  des  unsterblichen 
Künstlers  aus,  sondern  nehmen  vielfach  Oberraacbend  das  verana,  was  in  seines  Nachfelgera 
Schriften  breiter  entwickelt  worden  Ist  Wie  sich  von  Euryanthe  zum  Lohengrin  hundert 
Verbindungsfäden  ziehen,  so  sind  die  Berlhmngapunkti  ven  Weber  und  Wagner  auch  in 
ihren  Schriften  in  ästhetischer  und  reformierender  Beziehung  eratannlicb  zahlreich. 


Eine  Neu-Herausgabe  war  notwendig,  weil  die  beiden  früheren  Sammlungen  von 
Webers  Schriften,  die  zu  Unrecht  als  „Gesamtausgaben"  auftraten,  zun  Teil  acbleebt  und 
unkritisch,  besonders  aber  unvellständig  waren.  Hipht  weuio«i*  als  40  bisher  un« 
bsksBBts  Arbeiten  Webers  erseheinen  hier  sum  erstenmal  I  Georg  Kaisers 
Neu-Ausgabe,  die  nach  originellen  Gesichtspunkten  geordnet  ist,  war  ein  BedArffnis 
und  wird  sum  Bedürfnis  für  die  ■usikwelt  werden« 


Die  Abonnenten  der  Musik  haben  das  Voirecht  auf  eine  Prels- 

ermSssigung,  wenn  sie  das  Werk  wor  Erscheinen  bestellen,  und  zwar 

um  2  Mk.,  d.  h.  Mk.  10.—  geh.,  Mk.  12.—  geh. 


Nach  Erscheinen  erhöht  sich  der  Preis  auf  Mk.  12.—  geh.,  Mk.  14.—  geb. 

Schuster  ®  Loeffler,  Berlin  and  Leipzig 


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Konzertsonser  und  Gesansiehier 

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Sprechstunde:  Hontois  von  3-4. 


KLIMDWORTH-SCHARWEBKA, 

verbunden  mit  einer  Opern-  vnd  ScUuiplcUttadc 
6nrtlilnerstr.11,  Im  clBcnen  Gebiude.  ZwelfUrtaK:  Wudttr.OS. 

DiRlnoriiimiPRir.X  »»l>»rw»lM.  Prof.  »■  Ittanwki,  tUptlla.  *.  üiMh^ilL 

Semlur  aar  Antblldnnf  fDr  da*  LelirlMh.  —  Cbo^  DHd  Orcherter 
kUncn.  —  Scbuk  Hr  lätnü.  Hols-  and  Blccb-Btedwlrainentc.  — 
Kanunermulkklauen.  -  Ktauen  LTbcorl«  ■.  KonuadtlMM  (dnMb 
■.  ntfl«Eb).  —  AMellnni  tflr  MulkwIiMBMbaHca  (dMitsb  a.  «(Ilwfe). 
wocb>ail|llck»Bll-lu.5-C  PrtrtH  liOfMfc  -  Prtprtl»  nwl 


A 


kodemle  für  Hnslk 

JOHN  PETERSEN 

(Komwvatoriuni  und  mutikpldagoglschet  Swiilmr) 

■•rllH  W.,  ■■rabargw^tr.  Ma,  Eck»  AHgsfewaaMtp. 

Bthi  9td^  lud  Hachb^a  (Mb«r  Kainrataaatr.  BS  a.  111) 

TBlttniuB  InMMiii  ii  lilu  Fblisn  Miiurt  i.  Opir. — BamtirBuiu. 

FMlntall«B  Mp  UsfeOMlttolto. 

E*  wird  RNr  Im  Mhh»  >•■  Pf>l>ati1aMl*H  aattiTlchtMl 
An  dM  Enwnibli-,  Ch»r-,  ThwrlMtiiBfcn  unil  VwlmigMi  Ubim 
uefe  NloHMliBler  tailnshnsn.    Priwititnidwi  1b-  nd  nwMrUMdM 

HuH*.  Anftiabme  Jedendi.    Praspttkto  gratis.  Sprecbst:  5—6. 


fiißtiio  Borchers'  temlnar  fOr  fiesonsiehrer 

(gsgrandrt  1888)      in  Leipzig      (mrlBdet  W98) 

POr  Cbordirisentea  {Kantoren),  SchulgeMoglebrer  u.  -Lehrerinnen: 
Fariialrorm>«ail».lril-l.*»iB.HD7.  -  IWatartwMW  waiT.BH.-«.D« 


rtrllki  Die  Udi<rcn.-Praf.  Dr.  Bank  (ManphTalslocIa},  Dr.  Prflftr 
la  daa  a  apaUa^CeHua).  Dr.  Schariai  (JUihciik),  Elti  (Didaktik), 
nun  (Cc*Al(fa(B  dea  SchDltaa.),  Bsrchcra  <Kai»i(tut«(lbc«ria  aad 
Prwpakw  dw^  Oberichrw  «■üa*  Bargton,  Haha  Mwaa  41. 


IWLiar  Drcbaftar.   Sskula  a.  tUui 

Vi 


II 


Jil.  Itln.  Iluemaii.  Uiiiili. 


DelPeragla-SelinUl- 
HandoUnen 

MandM*H 

I     LaMimü      ■ 

,  P  Qultarp*M  ^ 

\uirkuilltitiitilirta 

(nnr  eehti 


/".  J)e/  /Brugia). 
^m   Allein-Debnet  ^m 

Wtr  f&r  die  luie  Vdi  ^BH 

C.  Schmiill  i  Cd.,  Trittt 

tOetlerrelcb). 

btiliHintli.  o  iHlMildlinii. 


11:3 


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Antiquariats^ 
Kataloge 

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Ho.  25.  Kla¥ier'Aus2üge  mit  Text 

No.26.  Bücher  über  Musik 

No.  27.  Partituren  aller  Art 

No.28.  Gesangsmusik 


Konzerte  der  Konzertdirektion  Hermann  Wolff,  Berlin 


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I  KartMMI 


Siagakadenie:  Donaerttag,  1.  Okteber,  abda.  8  Ubr: 

KtBzart  von 

Fcrcnc2  ficgedus  (Vioiine) 

unter  Mitwirkung  von  Frl.  El.  Tour  (Gesang). 
(.  4,  3,  2, 1  V.  9->/t8  b.  Bett^A  Bock  u.  Wtrthtln,  LelMgmtr.-lUirtstr 


r—  Beetbovenaaal :  DoBBerttai,  den  1.  Okteber,  abeadt  8  Ubr 
I  Liederabend  des  Komponisten 

Max  Mayer 

I  Mitwirkende:  Tllly  Keenen  und  Horatle  ConnelL 

I  KartM  Mk.  4,  3,  2, 1  v.  9- VsS  b.  Bot«  &  Bock  u.  Wortholm,  LeipzIgorttr.-KMtstr.  3. 


1 


Beetbovensaal: 


Drei  Konzerte  m  ECOH  PETRI. 

I.:  Sennabend,  3.  Oktaber,  abends  8  Ubr:  mit  dem  Philharmo- 
nischen Orchester   IT^^mmv^m.«^    D«««^^«»« 
unter  Leitung  von    T  eiTttCClO   IIUSOIll. 

Prtgr.:  MOZARTi  Konzert  f.  Klav.  (D-moll  Kadenzen 
V.  F.  Busoni).  BUSONIi  Concerto  f.  Klav.,  Orch.  u. 
Chor,  op.  39  (ohne  Schlusschor).  BEETHO  VEN-LiSZTi 

Phantasie  „Ruines  d'Athönes"  f.  Klav.  u.  Orch. 

II.  (Klavierabend):  Dienstag,  13.  Okteber,  abends  8  Ubr: 

ROOthaiDILllllinii*  Sonaten  (As.)  op.26;  (F-moll)  op.57; 
DBlIIHlEIrllKIlB.  (As.)  op.  1 10;  Hammerklav.  (B)op.  106. 

IM.  (Klavierabend):  Montag,  26.  Okteber,  abends  8  Uhr:  unter 
Mitwirkung  von 

Ferruccio  Busoni. 

liltTt  llmilll'  Concerto  path^tique,  f.  2  Klaviere; 
LilUrllKUU.  2  Legenden:  La  pr6dication  auxoiseaux 
u.  St.  FranQois  de  Paul  marcbant  sur  les  flots;  Sonate 
(H-moll);  Don  Juan-Phantasie,  f.  2  Klav. 

Kart,  (pro  Abend)  Mk.5, 3, 2, 1  v.  9-  ^  /t  8  b.  Boto  L  Bock  u.Wortheim.  Ulp2igorstr.-Kintttr.3. 


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Max  Laurischkus 


KM»rlhe|laHM->    Klnlw^ 
ThHile-  iid  KiwpinWliM 

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Frau  Lydia  Hollm 


Gesaagslehrerin  tür  die  AntU 

_  klasaen  am  Siemschea  KoMerratOflaii. 

Prlvat-Unlerricbt:    Berlin    W    15,    Pariserstr.   55.    Sprecbstunden:    Tlgüch    tod    2— V(4t   «iller 

MiitwDcb  und  Samstag.  :; 


pro  Jahrgang  4  Ouarlaladackan 

I./n.  Jahrg.    m.  Jahrg.    IT.  Jahrg.    T.  Jahrg.   TL  Jahrg. 

i  Mk.  1.25         i  Mk.  1.—       i  Mk.  1.—      i  Mk.  1.—     i  Mk.  I^ 

Bildersammelkasten 

iD  gleicher  eleganter  AusfQhrung  pro  Jahi^ng  Mk.  2.50 
^^  Dupoh  jed«  Bucli»  und  MM«ik«ll»Bh«»dlH«B  ^i^ 


Konzert-DireMlon  Hermmin  Ml  Berlte 

SQDI  BGCtiStelll'   30.  Sept.:  Emil  Oppsniaiii  (Klav.).    1.  Okt. 

Beetboven-SDOl; 

Tlegflrmani)  (KUv.) 


BCBtbOVCn-SDIll  •  29.  Sept.:  Maria  HaaauuB  (Ges.).   1.  Okt:  Max  Mayar  (KompoiU.  2.  Qfct.; 

"-■-     -"■-■■^ — "-'-'"Clav.*  m.  Orch.  u.  Ltg.  T,  "  -    - 

SlnS'AhDdSDlICI   I.Okt.:  Farancz  HeoedBs  (Viol. 
m.  Orcfa.    3.  Okt.:  Knrt  Lletzaaaa  (Ges.). 


Orch.    3.  Okt.:  Egan  PetrI  (Klav.t  m.  Orcb.  i 

Orcb.    2.  Okt.: 


Stern'sches  Konservatorium 

zugleich  Theaterschule  ffilp  Oper  und  Schauippiel. 

Direktor:  Professor  Gustav  Hollaender. 

Berlin  SW.  Gegründet  1850.  BernburgerstT.  22  a. 

Zweiganetalti  Chaplottenburoi  Kantstr.  8—9.    Leiter:  Erich  Hollaender. 

Frequenz  Im  Scbullabr  1906/1907:  1177  SchBler,  106  Lehrer. 

Attsbildunf  In  allen   Fiebern    der  Mutik   und   Darstellungtkuost.     Sonderkarte  fQr  HtnnoBielehrc,  Kontrapaskt,  Fugt, 

Konaposition  bei  Wilhelm  Klatte.    Sonderkurse  Ober  Attbetik  und  Literatur  bei  J.  C  LUtttljL 

Eipiiieiitar*KiaYier-  u.  Violinschule  für  Kinder  vom  6.  Jtbre  tn.   Inspektor:  Gustav  Pohl. 

YIpsII  •  KiavioPSObule     rfss    StOPH'SOhOH    KoasoPWatOPlUMS«      (Tecbnik-Methode    naeh    K.  A.  VIrcIt.) 

CharlottaiibiiPti«  Kaatotr.  8—9. 

Be^aa  des  Sommerte meatera  1.  April.    Eintritt  lederaelt    Proapekte  und  Jahresberichte  kostenAnel  dureh  das  Sekretariat. 

Sprechzeit  11—1  Uhr.  

litiLilillavilyir-lwttiL 

Violine—  Bntsclie  —  KUvier — 
Kammermusik. 

BERLIN  W  30.  grit 
Konzertbegleiter 


iViax  Heinecke 

VX         vv  j      iT  w^  Konzertbeglelter 

Dr.Walter  Krone  b««-^  nw 

Heinz  Beyer 


Albrechtsir.  16 
Femiprecher  Ula  S87. 


floloneello    *    Qnterrieht  und  iMBUieniiBslli 

Mitglied  des  Valdemar  Meyer>Qiiartetts 

Chaplotlenbupgy   Englischestraße  8. 


Marianne  Wolff 

jmn  mm 


lilbtli  "  Mizift-  ui  mtiiMdiiim. 

Gesang^pfldagogin. 
Berlin  W«|  Holsteinischestr.aOat 

Pianist,  Solist  und  Konxertbegleiter. 

Lehrer  am  Klladwertli-Seliarwealui-Keaservattrlm. 
Berlin- Wilmersdorf,  Holsteinischestr.  in. 

Fernsprecher:  Amt  Wilmersdorf  2BR2. 


Ädclc  Spengler 

Alfred  Simon 


Unterriclit   Im   Klavie  tpi*  1  fOr 
Anfinger   und  Vorgeschrittene. 

Berlin  V.  Fi»«liili  4S" 

Anmeldungen  schriftlich  erbetea. 

Konzertsinger  —  Bariton.     Hauptlebrer  am 
oaaaaooa  Stemscben  Konservatorium,  oaamoaa 

Berlin  W  30,  HaberlandstraBe  12,  parterre. 

Telephon:  Amt  VI,  15796.  Sprechstuade:  4-5  Uhr. 


loozeri'Se|leUani,lorira|S' 
und  Partlen-SMilm.  :. 
Berlin  ■  BO,  PraierstnBe  M. 


Otto  Llndemonn 


Konzertbegleiter.  1906/07  Kapeiimeister  und 
Solokorrepetitor  an  der  Komischen  Oper. 
Berlin,  Goltzstrasse  18.    Tel.;  VI,  10876. 

KeazeHsiaseria  uad  QesaaflebrerE! 
Korraaatloran  m.EemffshAaai- 
lern.  Grflndliche  mualkaliaehe  Aaa- 
bildnng  vom  Aafkat  bis  s«r  kftaei* 
lerischsa  Reife.  BaHln  WSO, 
Freisinterstrasse  2,  Amt  VI,  ZW, 


Alf^^A^  p^*    ^4*  toUii-llarlittahn.vnMBiLis 

mm   I  ¥  ■^§'1111      I      ^1  ■^^■1      Pi»i»t  und  KompoaUt.    Ubrar  aa 
X  » A A JL   W  ^&^/      ^^U& AJL  %A  %M     Stemscben  Konservatorium.   Konzert 


Vertretung:  HeraMMR  Wolff;  Beriia  W. 
XVII  II 


QHEHZEBACR 


Qesangspädagoge 

KonzertsSnger 

W,  HolsteinischestraBe  32. 


gß^  0^  ^  I   f\,  1^  I   Gesangspädagoge.  VoUstilndige  Ausbildung 
^  ^>|  wr I  J^ n  I    fär  Konzert  und  Oper  (hwtnrtiw  h e.^  m <mimo 

■^^^^^Ji^^lmimL  BerlinW80,RiMBteliinrttr.Hi"  8priohit10-12. 

Dirigentin  des  Margarethe  Toeppeschen  Prauen- 
cbors,  Pianistin  und  Lehrerin  des  Klavierspielt 
von    den    Anfangsgründen    bis    zur   Konzertreife 

BERUH  w.  fioMowstr.  3  n^vifw  g2^^!^"{a::iji;,::i«'2rji'j^^ 

KSaigl.  Hefepemsiaiera.  D.,  langjähriger  lyrischer 
Heldentenor  an  ersten  Hof-  und  Stadttheatem. 


NorMhe  Toeppe 


A  •  AaCUCImCSIlO  V dl   RonnrtoSnaar  ■.  a«MiiHispMa«o««. 

IISS^^^^TXV^SSSnS^'^.  g  Ohariottenburu,  KantstmSe  42. 

— ^     ■■_ ^^ 1.     Organist  und  Chor-Dirigont 

Mi  P5in7       P"  mAMVBri       Unterricht  im   Orgelspiel  und  Harmoninm» 

■      I  \mMmmm      wmmWW^äm   m     Dirigent  des  Cicilien-Vereins  an  St  Matthias 

BERUH  W  30.  RüffllillneBtniBe  32  "!Äy   Pftt«:  ^  &'a%tL'|!gg!a.'iiJ!;a!^^ 
v%       ^      Vi»  T^*  •         #  Gesanglehrer  u. Chordirigent 

Kudoii  f  lering  ggir^g^yj"^ 

■     ^1  i^    i^l  eil  ■  W^ö  GesangspSdagoge  an  der  Miislk- 
CliarlOttenburg,  Kantstn  147  (Savignypiatz)  MIdungsanstaltzuCharlottenbnrg 

Stimmbildnep  • 

VHtt\flkt^     Ty\i\n\^f£\a.a.     NiturgemlOe    Entwickelung    der    Sprech-    und    Gesangptfanme. 
CJliar     I^IUWlvrUoo     spezielle  Pflege  fQr  kranke  und  bemnich  angestrengte  SUmmea. 

Berlin  Wy  Meierottostr.  5   —  Sprachst.  Sonnt«  9-10,  Dienst.  3--5. 

uhrertB  fr  »ppMfc 

RMMI  rTMSCP  V*  MB0n  TfeSSM. 

■•Vita  W  M,  MMtannfeM 
^  SprechMmd.  »-4  Ofcr.  ^ 

Erster  Kapellmeister  am  Stadttheater 
zu   Bern,   im    Sommer   Dirigent  der 
Morwitzoper   in   Berlin.     Partien  - 
Studium  fflr  Oper  und.  Konzert» 

Otto  Becker   Blonco  Becber-Somoleoslio 

GRUNEWALD,  Caspar  Theyss-Str.  24 

I.  Opiaalet  rf«p  alten  Oapalsoaklpoho  a  i^iipap  a.  4.  Vi«ltavlrl«aahl 


Wfliy  Collin 


Kgl.  Noohsohalo  ffflp  Huelk  a  Klarier,  Orgel.  Theorie.  Xonaevtmltvirinuic. 

Xammermuaik,  Konaertakkompagnement,  Korrepetltion.  Kammermnatk,  VtoHmmteffriehtb 


Rnznt-  Dl  OmriHHv 


Qustav  Franz  ti£5L 

Berlin  W30,  Freisingerstraße  11.  Rr  ROBZITt  Ul  Ifff 

XVIII 


^rt?l 


6  Monate  Stimmbildung  :: 

Richtiges  Üben  durch  tägliche  Aufsicht  bedingt. 
^  Daher:  Sicheres  Urteil  über  Fähigkeiten.  ^ 

Ziel:  Eifoisrelches  Uelterorbelten  ohne  Aufsicht. 

Sprechstunde  4-5.  Gustav  Kirvhberg,  Charlottenburg, 

EinfOhrungsscbrin  frei.  Mommscnstr.  6. 


Betty  Pape 


■V  Latrtrla  lllr  BntbtlM  u  iac 
■isIkkUdimgMiutalt  la  Cbarlottnkirf 
Haiensee,  JoacUm  FrMrtaiMr.  IX 


Inka  von  Lmprun  .«äss  whSSai 
WiUy  Freytag-Frey  I?^«S,;rsÄ 

Berlin  W  IB|  Kupf  üpstendamm  34.    m     SBrecinfawdti  i-2'iwi  5-6. 
VliiiArfAM  ÜMifliiii    =  Pianist  u.  KonzeptbegieHer.  s= 

I  nKiinnr    lirilVXl'  ^^r  UnterHcbt  ictaririllcbe  Anroeldunreii  erbeten. 

lilCUUUI   rtlUiC    BERLIM  W  BO,  Passauerrtrasse  39'" 

IerhL  iniiuMiiuh  Hmumal 

6aui|UiaMMli  flr  Hbet, 

Ktniertsul  •.  PrivitoMhi«. 
rlln  W  15,    FaianemtraBe  58. 
Sprtehidli  11-1  Via. 


lika-Helene  Hartwig  T. 


mm  REDSS 


Charlottenliorg,  Daiilmannslr.  I 

Unterricht  in  musikalischer  Theorie, 
Kumposltlonslehre,  Instrumentation. 


PAUL  fi  THiFLF    Guangspidagoge.  u  ,^.a.i„,..„. 
I  nwfc  H.  iiiifchfc,  gg^ij^  Wi-Sch»neberg,  siubenmich.tr.  9. 

Professor.    Orgel,  Klavier, 
Hn-monlelehrc.  BcrIInWST, 

Stelnmetzstr.  4g". 


Franz  Qrunicke 


Oelgenlclliwtlep. 

UiterrtefetlnVIallMpIsla 

BERLIN  W,  Bfllowstr.  52. 


Mieczyslaw  Rybier  "■""«»"■»'•"■•n""«™«'™"'»- 

CrnSI  rBlBrniQnn  Berlm-Charlottenburg 


Elsa  Rucggcr 


VloloncelUstln  = 

Unterricht  In  VIoloncill 
nnd  Kammermntlk 

Benin  W-MimMii" 


:  Violinvirtuose  : 


Max  Moilfflt 


Direktor  det  Moderntchen  Koiuemtorlams. 
BBRUIN    -W.    SplohsnwtpasM    14. 

Unterricht  Im  VIolinaplel.  —  Engigem«iM  fir 
KonicTte  bitte  an   direkte  Adresse  tu  ricbtes. 


Otto  Wdh,  Bariton  Ä» 


44 

Femspr.  Amt  VI  14I8L 
Direktion:  OtUle  V.  HanusdwwiU 
AnabUdonc  In  sUaB 


Berlin  W  57,  Striiuntarir«. 

nnd  Tli«orl« 


KOMtEJUlATOMüM    _ 

Kilthe  Houffe  "'''••^"ä™'"¥**^ 

**S***ii_Si**S*f*;    Berlin  W.  30,  HofastraM«  16  Btt.  lU 

Elisabeth  Gerasch  BeAln  w! 


KleiatMrsBe  & 


MMpi*l(OIIZI!ItiPLOl!l||IIIIIini 

tERLIH  B.  Bwreutherstrogc  36.      spr«cb.iu.d.  3-5. 


Albrccbt  mkr 


Mitglied  des  Waldemar  Meyer- 
Quartetts.  Violoncello-Virtuos. 

BerUn  W  30 

KyHhiuserstrassc  It  i-  


Anton  Sistermans  S"2n 
Helene  Reichert  .I^Ti^Si 

Anmeldungen  erbeten.    BERLIN-WESTEMD,  Ahornplab  3. 

Pfannschmidt'scher  Chor  'i*^»ÄÄ"™* 

Pnbra  Icdtn  Dnncnui  von  7-S  Ubr  In  dir  Auli  det  DsroiliRDttidilich»  ÜHtfraiBMlun*,  BwttaNW,  G ■■■•■■«■.  «WH. 

BERLIN-PANKOW,  SchloOscraQe  g.  =  Fernsprecher:  Amt  PaokOT  3018. 
XX 


Nicoline  Zedeler 


(Sdittlc  Tliceterc  Spfcring) 
•  noUnpfrtaoliN  Mik  Ccfenrta  • 

Berlin  1D,  j^^sssß^vu: 


MaxWigodzKi  b  Gesangspädagoge. 

Veifuser  der  iiHeistergesttBgs  •  Schale''   and  pytteseMssteehMlsolis  Ükmm^mmß^m 

Leiter  des  Berliner  KeneervaterlaniSi  gegr.  1883. 

Vollstlndlg«  kflnstl^rlsoh«  Aushlldung  für  Op«r  und  KoMsart 

Eintritt  jederzeit    es    Mißige  Bedingungen,    es    Prospekte  koetenloe. 

Sprechzeit:  12—1  und  4—5  Uhr. 

BERLIN  W|  KurfQrstenstraOe  144,  an  der  PotsdamerstraDc 


Fron  Felix  ^cliinlilt-ROhne  !!e»!Sl<*!!! 
Professor  Felix  Khinlilt  ^TSttfr* 

BERLIM  W  50,  Rankestr.  20. 


Jacob  Winiezky 


Violinvirtuose. 

Unterriebt  In  Mkercn 
QelgcnspIcL 

Beriln  W. 

Motzstr.  7. 


Anna  von  Gabain  -^Ssr 

Konzert  und  Unterricht    Konzertvertretung:  Hogo  Sander,  Leipiig.        Schellingstrasse  101 1. 
Ullll    All^^Ka  Gewissenhafte  Ambildnng  in  Gesang  und  Deidamatira. 

crnrni  Lcisncr  oniS^nsiinierii  * 


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Maria  Seret  ■  van  Eyken  n.  ontoMmmrii 

Berlin  «Wilmersdorf,  Hotzstrasse  38      *      Sprechstande  4—5  Uhr. 


Plonist,  Komponist,  Ronzertbetldter 

Kapeiimeister  am  NeaeM  SehaaepielhaMe 

Berlin  W  30|  Lindauerstr.  4/5  part 


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Carl  nalir  Benm  » is.  mtmtm  «  im. 


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XXI 


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Alt  und  Mtno-Sopraa. 
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Berthold  Knetsch 

DtMiit  f.  MmikwilMiiMlialtoii  ••  d.  Fnton  ll«oliieh«le,  Berlin. 
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UnteprlehteiiBPse   ffOr   ■aeiii« 
wieeeneeliaffteB     and    Kiaviepepiei 

(Im  SloM  dar  RlesMiiBMiien  Lehrw  nnd  Ihrtt  wdteraa 

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Steilltz-Beriln,  iHiominh  14. 


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Haishaitiugs-Iastltrt.    Unterrlobt  in 
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Direktion:  Frea  Oinpe  KrelneenB« 


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Gesunde  Tonbildung.  Empfoblen  durch  den 
Kgl.  Hoföpemslnger  WIlMlni  CIHlBlBf« 
Verfasser  der  Broschfire:  Binheitliehe  Ge- 
sangskunsty  verlegt  bei  Josef  SlMirt  Ho^ 
▼erlagsbuchhandluflg  Strassburg  i.  E.  (1  Mk4 

Berlin  SW«  Plan-Ufer  30,  part 


: 


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Meistersclittle 

f ar  O— eng  und  dremetisolf  geee^ 

Vollkommene   GtstagMnbttdmw    bte  nr 
Opern*  and  Koniertrdfe.    Pluilaeh«  B»> 
n  nnd  GenichiMsodnMk.    Bilif 
ureharbeiig.der  ReperHJr  >  Pmflew, 


Ejmiio 

Im  Veriife  H.  8olli>MmF 

1.  8«ohe  SoftofglMi  mit  Vorib— im  mT 

Uiee  der  Intervalle. 

2.  ■•d«ra«    SolfoMlMi 

Opematndluma. 

3.  L«hi*biioli  4mm  <pn«MrtiBoln«  „,— ,^  

beaonderar  Borftekalehdgvag  daa  Opai  ■witliMa     Qm 
Erachelnen.) 

Berlin  W.  50,  PattauerttnMe  37a  L 

Spracbat.:  3-4  Ukr.    TM.t  CknL  Wm. 


XXII 


IGIlBHllH,&S.^MlHltll1l 


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Adolf  Qöttmann 


Lehrer  für  gesangliche  und  sprachliche  Tonbildung.  Stimmkorrekturen 

Vollstlodise  stilistische  Ausbildung  fSr  den  Opern-  und  Koozertsesug. 
Berlin  W.    BOlovstrasse  85a.    Sprechstunde:  Wocheotsgs  3 — 6. 


Akademie  fUr  Kunstgesang 

.,„  MAX  GIESSWEIH, 

KOnigl.  Sicbslscber  und  Tüntembergiscber  Hotbperndncer  >.  D. 

'BERLIH  W.SO,  Kalmbacber  Strsfie& 

Einzel-  und  KUssenunterricht.      Dramatischer  Unterricht 

Spezialitat:    Wl«deph«p«tellHng   «•rblldotor   Stimmen. 

■V  Auf  Grand  liDtJlbrlEen  Siudlums  be<  emen  Melitern,  eingebenden  Studiumi  der  Stimn- 
pbrtlolocie  «ovle  erTahrunprelcber  Babnentieigkeir  In  enten  Siellunteo  •!•  lyrUcher  und  Heldett- 
tenor  an  enten  Tbeatern  (Stidttheiter  Himburg,  Frmnkfurt/Miln,  Hoflbeitcr  Dresden,  Stnttcirt)  bin 
Ich  In  der  Lage,  eine  crflndllcbe  geMagHcchnlscbe  ued  dramadtcbe  Ausbiiduot  Jeder  StiminfaRast 
(Nr  Oper  und  Konzertiul)  big  zur  völligen  kOnstlerlBchen  Re[fb  zu  verbOrgeQ.' 


um  Tetzel      June  Tetzel-Hishsnte 

::  Klavierpidagog  ::  LehrerindesKunstgesanges<EtelluGerster) 

Berlin  W  30f  Bambergerstrasse  28 

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Berlin  W|  Neue  \Cinterfeldstrasse  No.  31. 


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Siagsttmmen  im  Verlage  von  RleKeM  K»Me>  Reb»rt  Krohii,  Rl«e  *  EfImi^  Barll». 


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AnsUliiangiiRlovleRPlel 

Berlin  W., 

UhlandstraBe  39. 
Konzertdirektion 

Euien  Stern,  Berlin. 


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i^IIlIIIC     Y  •     \/l  ClIllCl      neaBB  BERLIN,  Bayreuther  Straaae  27.  «bb^ 

Spezialistin  ffir  TonbUdang^ 

hygienischea  Sprechen  und 

:  Atemgymnastik  :     :: 

f  Berlin,  likUr.  7 

„Die  AtHongskanst  des  lensehen  Im  Dienste  der  Iiust  und  der  Vlsseueiuir 


(zur  Behandlung  und  Heilung  von  kranken  Stimmen,  Kebl- 
kopf-,  Bronchial-,  Lungenspitzenkatarrhen  und  Aathma). 
FQr  Singer,  Schauspieler,  Offiziere,  Prediger,  Lehrer  usw. 

mit  20  TexUbbildungen,  Modell  und  ObnngstafieL  Frei*  4  Mk.  —  Zr 
Ol  ua»WUUl  C  beziehen  durch  den  Verlag  W.  Hdllar  in  Oraniantarp  b.  Berlin,  Alfc«>t 
Mahli  Musikhandlung,  Bapün  W  SBf  Potsdamerstr.  39,  nnd  durch  jede  Bttchhudhn^ 


Broschüre 


Schule  für  Lautenspiel 
und  Kunstgesang 

Schmid-Kayser,  SISSS!.";^"! 


FOr  Oper  und  Operette 

erteilt  volle  dramatische  Ausbildung:    Plastik,  Mimik,  Grazie, 
Atemtechnik  (System  Seraflne  D6tschy)  sowie  QesaagaRterrieM 

Laura  DMaohy.  em.  Hofopern-  u.  Opernsängerin, 

B«i4iB  W«  oO|  Neue  Ansbacherstrasse  20. 

XXIV 


Pianist  u«  Korrcpctilof 

Anabildung  fttr  Klavier» 
Theorie,  Inatmmentation 

Charlotteiibiiri*BerliB 

Kaiaer  Friedrichatr.  46 


Alber!  Jungblul 

Berlin  W.30,  Wintorffeidstrasse  35. 


Konzert-  u.  OratoriensMnger 

(Tenot) 

limrUiRltiH  Hennonn  UoH, 

BERLIN  W.  S5. 


fritz  Becker 


Violoncello  — 

Mitglied  des   Scimirlin-Trlo 
KonzertdlreiUioii  Hermann  Wolff 

Berlin  0. 50,  FirthRtnn  l. 


Altistin,  Lieder-  u. 
OratoriensSngeriiu 

B^Hin  W.  62, 

Kleiitstr.  37 

(dicht  am  Nollendorf^Uts)* 


Valerie  Zitelmann 

Unterricht  in  Stimmbildung,  Ausspraciie  und  Vertrag. 

Konservatorium  des  Westens 

iS^»:"M!^fV-   pir«l(tioo:  ftona  Scblbra  o«d  Otto  Jditscbmratcr. 

Atttblldung  in  Op«m-  und  KtnztrlgttMOt  natargeniste  Stimmbildung,  vnd  slnrtl.  InttnintntalfltelMra.  N«MlngtfQhHt 
orandbildend«  L«hnn«tli«de,  vie  tle  tlch  Im  Scbwantzer'tchen  Kontervatorium  (Lntheratr.  44)  glinzend  bewährt  hat, 
rar  Anfangs-  und  Repititlontklaaten.  Besondere  Pflege  aller  Art  Kinmermotlk  fflr  Klndtr  iwd  Erwiehtene  unter 
peraOnllcher   Leitung   der   Direktoren.     Eintritt  jederzeit.     Prospekte  kostenfrei.    Jeden   Minwoch    >^8  bis   10  Uhr 

Orcbssterilbanfl  fOr  SohOlsr  und  Dilstlanttn  im  Saale  des  Konservatorlumt. 


Vollkommene  Ausbildung  im  Violoncell-,  fCammemiusik-  u. 
Orohettertplel,  sowie  in  der  am  Sciiwaiitzer'tclien  Kontervatt- 
rlum  (Lutherstrasse  44,  Berlin  W)  und  am  Konservatorium 
des  Westens  (Grolmanstr.  27,  Charlottenburg)  neu  einge- 
führten allgemein-bildenden  Eiementarlehrmethode  f.  Lehrende 
und  Lernende,    a  a  a  a   BERLIN  W  62|   Lutherstraße  44. 


Fonny  Opfer 


Hoher  Sopran« 


Konzert«  und  Oratoriensängerin. 

Gesanglelirerin. 

BttPÜn  W.|  Bülowstraße  32  part. 

Sprechstunden  3—4.  Femeprecber  VI.  13006. 


mm  fmvsm 


Bapüonist. 

UBterrielit   Im  Eimst- 
iesaB|B.StliiinbUdiui|. 

Berlin  IV,  liisliirgostr.  64. 


Harfenvirtuose 

Im    Repertoire    vorwiegend    Manuskript- 
Kompositionen  modemer  Tonsetzer,  oo 

Kfinstlerischer  Einzelunterricht. 

BerDn-dinlotteiibaii. 

Pestalozzistr.  71. 


J 


MD   Hoher  Sopran   om 
Koniert  und  Oratorien 

BERUH  W, 

:  Neue  Winterfeldstr.  30.  : 


XXV 


QlllilHm 

Snliii:tr.2l 


HnnsSotty 


ilinnnnin  *  ilnl  M^ 

BERLIN  W,  BadensGhestr.22 

Konzert-Direktion:  Jules  Sachs,  Berlin W. 


Willi  Kewifsch 


Sopran.   Konzert-  und 
Oratoriensängerin,  mm 

B*rlln-SohOaohoPB( 

=  HeHbronnerstrane  17.  ss 


AUGUST  UEISS  n^*^ 

Plclit!$lir(ii)ii$nersilii8er 

•V-  Keine  itaiienisohe  Methode. 

Der  Sprechgesang  —  (Das  pathetisch 
gesprochene  Wort)  —  als  Grundlage 
3=  einer  rationellen  Stimmbildung.  ^ 

ElnzK  rlcMBer  W»  zur  liBcMen 
miBndunj  des  Kundtesanjes. 

Berlin  W.  30,  Heilbronneretr.  26. 

Sprechstunde  4—5.     Pemspr.  Amt  VI,  17898. 


Juni-Jonotto,  fiesonispBdaioie. 


Dr.  Bruns-Molar 

Getanotpidafoge,  Lehrer  fir  Sologtaaai 
c=3  an  Steni'achan  Kouaervatorlua  c=3 

BERLIN  W50|  Spichernstr.  17. 

Spreehstniide:  1—2  Uhr. 

Verfesser  der  Schriften: 

1.  DatPrtbleM  derKtatraaltttinMe.  M.3.— 

(Chr.  Fr.  VItvtf,  Gr.-LlchtMfold«.) 

2.  Neae  Qeaaiiginetbode  atoh  trweKertoa 
QrandlagMi  von  priniroa  Toa,  gemein- 
fasslich  dargestellt.    M.  3.— 

(Ollt  DirtyM',  Berlin  W  87.) 
^  AnerkeiinMiiaiallBBM  daroll  dto 


1  Reinhold  Uorpohl ' 


Langjähriger  Lehrer  des 
Mandoünen-  o.  Quitarrespiels 

DBriin  W  9U   — ••  Amt  Ohlttbff.  5016  ••••• 

Verfasser 

der  Jon  iefin  Maliliin  Uiiir  «1 
de.  JitabkatHdi  fir  Giitnn-FKDDiit" 
»d  hnaliis  ..MaDdollni  Ulm''  I  Eigene 

Kompositionen  des  Verftissers,  vie  such  Arrange- 
ments belcsnnter  Moslkstficke  im  roehrstlmm.  Satz. 


NilMiAlBlinv 

Leg  TwilBii  °  im  tut  Umm 

Berlin  W  30,  Barbarossastr.  52 


!■■■■— —■■■■■■■■■■————■■— —— 

■eueetee  Werki 


«■■ 


M  itef  «nillM  MmBUhT 

nf  Ar  lab  ia  inen  nnB  iR 
nnhtlKlien OlinngeL  PidiZl. 

S  lifciiipmtn.n.1IEIEiMlilnHIMrtlii 


XXVI 


Mttsikhildmigtmmtalf 


Oh( 


Sentinür  f  Ar  Muslkl^hrer  u 


Sehulo  fOr  HaHSMiMik. 
«LahreHnn«!!«  —  ChorMilNiki» 


4t  LahPkHIfftS.  U.  A.:  MIm  Ltobaa,  Kcl.  Hofap«ffMiag«r:  f ri«  Prof.  iMt  tMtar,  Kgi.  KunmanfaMla;  FftaMo 
Prof.  C«rMli«  vu  ZmIm»  •bmi.  Kgi.  Opantlflitrlli ;  Ffl.  Konmtmdfeter  Mm  vm  UaprMi»  GaiMaMafilMio; 
Prof.  Mobar«  Hmmmum.  jMko-KlaviMw;  Vititr  Hmmmm,  Kompoalst;  Orv  Iteri  Storni  Prof.  KriMkuHfl;  UMMi 
«M  S«dlM^«riii;  Frau  Mai«»  »•rtiMtM,  GMaagameisctr;  Prof.  WBIiaa  «NW;  Fall  Braates  Dr.  Eriib  Ürtaa;  Alarfi 

MriMrtaak,  ahMi.  Mitglied  dea  K.  K.  Hofbafichaaiara  la  Wlaa. 

Sonderkars*  In  fiehörblidangi  Prlmavistep  NannoiUeiehrs  wmwm 

Blairltt  ladanalt.  —  Proapek»  verdaa  koataaloa  ngeaaadt. 

Dlpekttom 

■ax  Battk««  Sprcchstuadea  4—6  Ukr.  Fraa  WafPftll«  K«lir«GolSt  Spreekacoadaa  11—1  Ubr. 


Waldemar  M^er-QurMt 

ii. 

Glesebrechtfttraste  !•• 


Franz  Hainus-Berflnettl 


Tenor  ^  luvt-, 
Ipffi-italiinftiff. 

nbildung  im  Kunstgesang,  o  Stimmbildong  11  A«*lim  HT  Q A    New  WliterfBldtotr.40. 
sgehendvon  der  «It-Ital.  (Mallander)  Schule.  I»Crmi  VV  UV>         Spr^cimn  »-«. 


WiUy  Deckert 

Violoncell-Virtuose 

Berlin-Charlottenburg 

Kantstrasse  122. 


Emil  Olbrich 

Konservatorium 
BERLIN -SCHÖNEBERG 

Apostel  Paulusstrasse  7,  am  Wartburg-Platz 

Unterricht  in   Gesang,   Klavier-   und 
Violinspiel,  Theorie  und  Komposition 


Max  Vogel 

BERLIN-FRIEDENAU 

Saarstraise  1 


Unterricht  in  Harmonielehre , 
Kontrapunkt,  Fuge,  Formenlehre« 
Instrumentation  u.  Komposition 


Artlior  Spengler,  Pianist 

Koiuertbegleiter  von  Prae 
Brigitta    Thielemann 

BsipIIii  Nap  ScMvaibilatnlr.  6 
(Stadtb.:  Schönhauser  AUee) 


Fritz  Otto 


Kapellmeister  ^  Konaevibegleltep. 
Korrepetltlon  fUr  Opern  u.  Ormtortenu 
Vortrmgeetadlum  für  Uedergeeang. 


Benin  0. 50,  PBRnlL  5.  UnU:  1-1 


(üHnterteldt-Konservotorlnin  und  Opern  -  Schule 

BERUH  W  30,  Gleditoohstr.  47  p.  (am  Winterfeldtplatz). 

Direktor:  Kapellmeister  Paal  AatSBl. 

VoP  stand  ige  Ausbildunc  in  allen  Zweigen  der  Matik  bis  lur  Konsert-  bzw.  BOlinenrelfe.    Besondere  PSege  kltMitcher 

Hflusroutlk.  —  Lehrpertonal  t  erfthreae  Pidagogen  and  crstklaMige  KQastler. 

— -^— «— —  Opemtchule  unter  eigener  Leitung  des  Direktors.  — _— 

Eintritt  Jederzeit     av  Prospekte  bitte  zu  vsrlsagea.  'Va    Spreekzefli:    11—1,  5—7.     Soaatags:    11—1. 

XXYII 


Anton  onhelm  leniKilii,  Riivins  orh  orsei-vnino»     @ 
Gertnnl  Lenpold-ISel,  Ronzerbfinsefln  (Mezzo-Soiiniii  n.  W 

BERLIN  SW  47,  Yorkstrasse  89. 


Fritz  Krüger 


DirliSRt  dM  ■•■lemlaukii  OratariM-VanlM, 

Cfeordtriiaat  u  dar  BttkMMtUrato, 


lerllii-sclilliBl»n,lHiilHnli.17" 

:  Sprechzeit:   Dlenaiaf  und  FrelUf  2—3  = 


Mniillcber    HnilcIHnktor,     OrfuM   m 

;t  Marien  >.  u  rier  PkllhanMil«.  AaMMm 

)  Orgaiiplel.    ElutMdltrM  vm  OnteriM. 

Charlottenburgi  Goethestraße  81.   Aeneidmiei  tdirifiUih. 


Bernhard  Irrgang  f/: 


Speet 


■Innit-t 


VoIlatlndlKe  Auibilduag  FDr  Oper  iLKonicit 


Frau  Dr.  ».r..  Ipes  illf  wCl  hfiiDW.  tulannaiinlli«  m 


HüBSllO  Ffäül  Elrilll  AmnndansniiOperiinilRonzat 

MaDdraToniMFiiiPririiBerlHi(i)50.Wwliftl 


■D 


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Meisterklassen  mr  Klayierspiel 

TechniscKe  Spezialkurse 

zur  Entwicklung  höchster  vinuoser  Letstungsf3hlgkelt. 
Korrektur  fehlerhafter  Spieltechnik.     Repertoire-Studium. 


Einzel-  (Privat-)  Unterricht.    Unterrichtssprache :  Deutsch, 
::    ::    Englisch,  Französisch.    Sprechstunde  II— 1.    ::    :: 


Ptr  dm  RcUwcMll:  Wallkuf  SI»a,  Bertis.     XXVIII   Diwt  roa  HmoaC*  ZI 


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