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DIEMUSIK
HALBMONATSSCHRIFT MIT BILDERN UND NOTEN
HERAUSGEGEBEN VON KAPELLMEISTER
BERNHARD SCHUSTER
SIEBENTER JAHRGANG
VIERTER QUARTALSBAND
BAND XXVIII
lä'AMHi
VERLEGT BEI SCHUSTER & LOEFFLER
BERLIN UND LEIPZIG
1907—1908
Mus«
V,
n
/
\
,orf
1 t \ :
ffyjAjh
DIE MUSIK
VERZEICHNIS DER KUNSTBEILAGEN
DES SIEBENTEN JAHRGANGS (1907—1908)
Notenbellageni
Eugen d'AIbert, Ballade fSr KUTier, op.29, No. 1.
Leo Blech, Aus: .Verslegelf, op. 18. (Erste VerOffentllcbung.)
August BuDgert, Den Hut scbwenkend: Avantll Aus: »Uater der Blume", Lieder vom
Rhein von Carmen Sylva für eine Slngstlmme und Klavier, op. 57, Nr. IQ,
Carl Goldmark, Der Knecht. Gedicht von J. J. David für eine Singatlmine mit Be-
gleitung des Planoforte. (Erste Ver&ffentllchung.)
Siegmund von Hausegger, Erster Schnee (Gottfried Keller). Für eine Singatimme
und Klavier. (Erste VerSff entlieh ung.;
Friedrieb Klose, Streichquartett Langsamer Satz. Partitur. (Erste VerOfTentlichung.)
Arnold Mendelssohn, Aus den Gruben, bier am Graben (Goethe). Für eine Slng-
stimme und Klavier. (Erste VerSStantllcbung.)
Gottiieb Nemo, Walzer und Couplet aus einer romantischen Fascbingssulte für Klavier
mit Gesang und Tanz, unter teilweiser Benutzung eines Gedichtes von
Rudolf Alexander SchrOder für den five o' clock tea einer Snobsdame kom-
poniert, op. 0,05. (Erste VerSITentlichung.)
Hans Pfitzner, MJcbaelskirchplatz (Carl Busse). Für eine Singstimme und Klavier,
op. 19, No. 2.
Max Reger, Ewig Dein! Salonstück ffir PianotOrte, op. 17 523. (Erste VerAffentllcbung.)
Felix Weingartner, Der Eldervogel. Gedicht von Henrik Ibsen, deutsche Oberaetzung
von Christian Morgenstern, für eine Singstimme und Klavier. (Erste Ver-
öffentlichung.}
Autographen in Faksimile:
Eugen d'AIbert, Eine Seite aus der Partitur zu .Tragaldabas' (Akt IV, Szene 3).
Ludwig Ysn Beethoven, Kanon, .Gott Ist eine feste Burg".
— Verkleinerte Wiedergabe des Trinkliedes aus der .Musik zu einem Ritterballet".
Leo Blech, Eine Partiturseite aus der Oper .Verslegelt".
Max Bruch, Die ersten zwanzig Takte des zweiten Satzes aus dem Violinkonzert in
g-moll.
August Bungert, Eine Pirtituraeite aus dem ersten Akt des Musikdramas .Kirke".
Pr6ddric Chopin, Erste Seite des Es-dur Walzers, op. 18.
Carl Goldmark, Erste Seite des Origloalmanuskripiea des Liedes .Der Knecht".
Edvard Grieg, Brief an den Herausgeber der .Musik*.
Siegmund von Hausegger, Eine Seite aus der Originalpartitur des .Nachtschwirmer".
Friedrich Klose, Eine Partiturseile aus der vierten Szene von .llsebiU".
Carl Loewe, Erste Seite der Originalpartitur des Chorlledes .Mir2nacht".
Arnold Mendelssohn, Eine Partiturseite aus .Pada*.
Hans Pfitzner, Eine Partituraeite des Liedes .Sonst".
Max Reger, Erste Seite des Klavierstackes .Ewig Dein!"
Franz Schubert, Autograph des unveröffentlichten .Canon a tri".
Felix Weingartner, Eine Partlturselte aus der .Fausf-Musik.
192684
Kunst :
Ctrl Begas, Jugendbildnis von Felix Mendelssohn-Btrtholdy.
Edutrd Bendemtnn, Felix Mendelssohn-Btrtholdy tuf dem Totenbett
Eugdne DeltcroiXy Nicolo Pagtnini.
— Fr6d6ric Chopin.
H. D tum! er, Hector Berlioz.
Anton Dietrich, Ludwig vtn Beethoven.
Giorgone, Ein Konzert.
Jetn Btptiste Grenze, Christoph Willibald Gluck.
Edmund Hellmer, Das Johann Strauß-Denkmal für Wien.
Wilhelm Hensel, Felix Mendelssohn-Bartholdy.
Christian Hornemann, Ludwig van Beethoven.
Johann Jakob Ihle, Johann Sebastian Bach.
Wilhelm von Kaulbach, Tod der Elisabeth.
— Lohengrins Abschied.
•— Isolde an Tristans Leiche.
Ernst Benedikt Kietz, Richard Wagner.
August von Kloeber, Ludwig van Beethoven.
Hermann Knaur, Felix Mendelssohn-Bartholdy-Bfiste.
Julie V. d. Lage, Das Geburtshaus Palestrina's.
Hugo Lederer, Büste Hans Pfitzners.
Filippino Lippi, Allegorie der Musik.
Max Littmann, Das neue Großherzogliche Hoftheater in Weimar.
Eduard Magnus, Wilhelm Friedrich Ernst Bach.
Adolph Menzel, Richard Wagner in den Proben zu Bayreuth.
A. Renoir, Richard Wagner.
Ricard, Stephen Heller.
Roslin, Jean-Frangois MarmonteL
F. Rumpf, Johann Sebastian Bach.
Carlo Saraceni, Die Ruhe auf der Flucht.
Ferdinand Schimon, Ludwig van Beethoven.
Karl Seffner, Das Leipziger Bach-Denkmal. Erster Entwurf vom Jahre 1806.
— Das Leipziger Bach-Denkmal.
— PortritbQste von Edvard Grieg.
Joseph Stieler, Ludwig van Beethoven.
F. G.Wald mQller, Ludwig van Beethoven.
Rudolf Weyr, Das Brahms-Denkmal in Wien.
Portrats:
Eugen d'Albert zwei Jugendbilder.
— alt JGnglinc.
— nach einer Aufkiahme aua fOngater Zelt.
Cicilie Avenarius.
Johann Sebastian Bach
aquarellierte Bleiadftzelchnung unbekannten Autors.
— nach E. G. HauOmann (Besitzer: Thomasachule).
— nach E. G. HauOmann (Bealtier: Peters).
— nach dem Bild Im Stidtiachen Muaeum zu Erfurt
(ursprQnglicher Zustand).
— dasselbe (restauriert).
— nach einem unbekannten Maler (Bes. : Volbach).
— angebliches Bach-Bild (Herzog Wilhelm Ernst
von Weimar?).
Carl Philipp Emanuel Bach nach
G. F. Bach.
Johann Christian Bach nach Matbieu.
Wilhelm Friedemann Bach. Maier
unbekannt.
Woldemar Bargiel.
Leo Blech Jugendblld.
— nach einer Auftiahme aus jüngster Zeit.
Luise Brockhaus.
Ottilie Brockhaus.
Max Bruch Jugendbild.
— im Alter von 35 Jahren.
— nach einer Aufnahme vom Jahre 1903.
Ignaz Brüll zvel Bilder.
Hans von Bfilow mit Namenszng.
August Bungert im Alter von 29 Jahren.
— im Alter von 32 Jahren.
— nach einer Auftaahme aus fOngster Zelt.
Johtnn Btptist Crtmer.
GtSttnO Donizetti nach Kriehuber.
Alextnder DreySChOCk nach Kriehuber.
Major Einbeck.
Fran^ois-Auguste GevaSrt.
Carl Goldmtrk im Alter von 30 Jahren.
— nach einer Aufnahme aus JGncster Zelt.
Charles-Frtn^ois Gounod.
Edvard Grieg im Alter von 15 Jahren.
— nach einer Auftaahme von A. Scherl.
— nach einer Aufnahme von N. Perscheid.
— im Garten seiner Villa in Trollhougen.
— auf dem Totenbett.
Louise Htrriers-Wippern
nach A. Rohrbach.
Siegmund von Hausegger.
Emil Heckel.
Ludwig Heß.
Johann Nepomuk Hummel.
Johanna Jachmann-Wagner.
Friedrich Klose.
Hermann Kretzschmar.
Johann Kuhnau.
Theodor Kullak.
La Mara (Marie Lipsius).
Henry LitOlff nach Weger.
Carl Loewe.
Panline Lucca
Gustav Mahler.
Arnold Mendelssohn imAlter von 20 Jahren.
— nscb einer Aufnehme aus iOncster Zeit.
Felix Mendelssohn-Bartholdy.
Giacomo Meyerbeer aaeb f. Rumpf.
Anton Mitterwurzer.
Felix MottL
Angelo Neumann.
Aloys Obrist.
Wladimir von Fachmann.
Hans Pfitzner nach einer Aufnahme des Atelier
HGlsen.
— nach einer Aufnahme des Atelier Veritas.
— nach einer Aufnahme von GustI Bandau.
Martin PlQddemann.
Giacomo Puccini.
Max Reger.
Alfred Reisenauer.
Joseph Sucher.
Ernst Eduard Taubert.
Arturo Toscanini.
Cosima Wagner.
Minna Wagner.
Richard Wagner nach einer Wiener Photo-
(raphie 1862.
— nach einer Moskauer Photofrapbie 1883.
— nach einer MQnchever Pbotosraphie 1864.
— nach einer MQnchener Photographie 1880.
Gottfried Weber.
Felix Weingartner nach einer Aufnabme
aus JGn(Ster Zeit.
August Wilhelmj.
Clara Wolfram.
Ludwig Wullner.
Eugdne Ysaye.
Gruppenbilder :
Der Breuningsche Familienkreis:
Gerhard, Stephan, Helene und Christoph von Breuning.
Die gräflichen Freundinnen Beethovens:
Grifin Therese von Brunswick, Gräfin Guicciardi, Gräfin Erdddy. •
Siegmund und Friedrich von Hausegger.
Friedrich Klose und Dr. Hugo Hoffmann.
Zwei Jugendbilder von Felix Weingartner.
Zum 44. TonkQnstlerfest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins in
München:
Karl Pottgießer, Richard Lederer, Joseph Krug-Waldsee, Jan van Gilse.
Frederick Delius, Ernest Schelling, Paul Juon, Karl Kämpf.
Paul von Klenau, Karl Bleyle, Henri Marteau, Georg VoUerthun.
Walter Braunfels, Hermann Bischoff, Roderich von Mojsisovics,
Carl Ehrenberg.
Das Münchener Streichquartett:
Theodor Kilian, Georg Knauer, Ludwig Vollnhals, Heinrich Kiefer.
Das Ahner-Quartett:
Bruno Ahner, Emil Wagner, August Haindl, Karl Ebner.
Das Russische Trio:
Vera Maurina-Preß, Michael Preß, Joseph Preß.
Karikaturen:
GusIXT Mabler nach einem Schattenriß von Dr. Otto BShIer.
Eugen d'Albert, FelU Draeseke, Engelbert Humperdinck, Gustav Mahler,
Hans Pfitzner, Mai Reger, Max Schillings, Richard Straua, Felix
Veingartner. Simtlich mit Namenszug. Karllcaturen von Hans Llndloff.
Verschiedenes:
Johann Sebastian Bach:
Maske unbekannten Ursprungs in der Karl Alexander-Bibliotbek zu Eisenach.
Ludwig van Beethoven:
Beetbovens Schidel oacb der Aufnahme von Felix von Luschan.
Beethovens Sch^eibpul^
Theodor Bertram als .Wanderer-.
Edvard Grieg:
Grieg's Haus In Trollhougen; Trollbougen mit Blick auf Grieg's Haus; Grieg's
Musikzimmer in Trollhougen.
Johann Kuhnau:
Titelblatt der .Neuen Clavier-Obung" von 1689.
Carl Loewe:
Originaltitel des Chorliedes .Gutenbergs Bild".
Felix MeodelsBobn-Bartholdy:
Studierzimmer in seiner letzten Wohnung in Leipzig.
Martin PIGddemann:
Totenmaske.
Richard Wagner:
Die erste AufTübrung des .Rlenil" im Dresdener Hoftheater am 20. Oktober I84Z.
Vierter Akt, letzte Szene. Nach einem Holzschnitt aus dem Jahre 1843.
Der Weiße und Rote LSwe in Leipzig, Wagners Geburtsbaus.
Palczzo GtustlnlanI In Venedig, Wagners Wohnhaus vom 20. August 1S58 bis
itim 24. Mirz 1859.
Palazzo Vendraroln in Venedig, Wagners Sterbehsus.
Die neue Musikhalle in Hamburg.
Das abgebrannte Melninger HoFtheater.
Die neue Filmische Oper in Antwerpen.
Der BIQthner-Saal in Berlin; Der Klindwortb-SGharwenka>6aal in Berlin.
Das variable Proszenium mit offenem Orchester im neuen Weimarer Hof-
theater.
Das variable Proszenium für das Wartdrama im neuen Weimarer Hof>
theater.
Das variable Proszenium mit versenktem und verdecktem Orchester im
neuen Weimarer Hoftheater.
INHALT
Seilet
Richtrd Zimmermann, Das Künstlerdrama in Wagners »ParsifoP 3
Friedrich Panzer, Richard Wagners „Tannhluser*. Sein Aufbau und seine Quellen 11
Kurt Schröder, Zwei Briefe Richard Wagners an Julius Stocks. Zum ersten Male
veröffentlicht und eingeleitet 28
Ejnar Forchhammer, Einiges über „Tristan und Isolde**. Angeregt durch Lilli
Lehmanns: „Studie zu Tristan und Isolde** 31. 87
Pa>ul Moos, Bemard Shaw und sein Wagnerbrevier 49
Neue Wagner-Literatur 55
Wilhelm Altmann, Briefe Meyerbeers an Gottfried Weber aus den Jahren 1811
bis 1815^ 1833 und 1837 71. 155
Eduard Wahl, Vom 44. Tonkfinstlerfest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins
in München g5'
Richard HIhn, Der 4. Musikpidagogische Kongreß in Berlin \ . . . 101
Max Hirschberg, Die Prinzipien des geltenden musikalischen Urheberrechts. . 135
Alfred Heuß, Eine HIndel-Beethoven-Brahms-Parallele .147
Arno Nadel, Gedichte f 152
Richard Heuberger, Anton Weidinger. Biographische Skizze 162
Rudolf Kastner, Das 9. Schweizerische Tonkünstlerfest 167
Wilibald Nagel, Arnold Mendelssohn 199
Arnold Mendelssohn, Allerlei 214
Ernst Rychnowsky, Leo Blech 219
Leopold Hirschberg, Carl Loewes Cborgesinge weltlichen Inhalts .... 263. 346
Karl Grunsky, Die Bayreuther Festspiele 284
Robert Mayrhofer, Eine Frage an das Gehör 291
Bruno Weigl, Die italienische Oper in Deutschland 296
Georg Capellen, Was können uns exotische Melodieen lehren? 301
Zur Partituren-Reform 307
Edgar Istel, Wagners Tristanakkorde eine „Reminiszenz** 327
Karl Nef, Alte Meister des Klaviers. I: Johann Kuhnau (1660—1722) 333
Jos6 Vianna da Motta, Hans von Bülows Bedeutung für das Konzertleben der
Gegenwart 341-
Besprechungen (Bücher und Musikalien) 55. 103. 170. 234. 308. 362
Revue der Revueen 109. 177. 242. 316. 369
Anmerkungen zu unseren Beilagen 68. 132. 196. 260. 324. 380
Brambeii . .
BrOiiD . . .
DmuIi . . ■
Dmmu . . .
fnlbort 1. B.
Gera ....
Gotha . . .
Halle 1.8. .
KasMl . . .
Kid ... .
Aacben . . .
Aenm ■ . ■
Alteobori . .
AatwMpen
Augiburt . .
Beni ....
Boatoa . . .
BrauDicbwelf
Bremea . , .
Bromberc . .
Brflaael . . .
BndapMt . .
Chemnltt . .
Chlcato . ■
OnclDiiatl . .
Coblenz . .
Danzig . . .
Dammadt . .
Deaaau . . .
Dutabnit . .
DOaaeldorf
Elberfcld . .
Eifun . . .
Freiburc I. B.
CleOea . . .
INHALT
Kritik <Oper)
Sein
K«lii IIS. 248
Krefeld I
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Reichenberg 1. B ItS
Rio Grande 370
Roatock 1 10
StetäD 110
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Teimar 1 10
Wien 120
VOnburg 122
NOmberg . . . .
Oberachlealeo . .
Odeaaa
Oanabrtlck . . .
Paria
Pforehrim . . . .
Poaeo
PreDburg . . . .
Reicheoberg i. B. .
Roatock
San Franciaco . .
St. Petenburg . .
Spej-er
StraDburg . . . .
Stuttgart . . . .
Teplitz-Schfloau .
Tüiit
Tsinguu . . . .
Verden
Wien
Vleabaden . . .
Terms
TOrzburg . . . .
Zarich
Zwickau . . . .
NAMEN- UND
SACHREGISTER
ZUM IV. QUARTALSBAND DES SIEBENTEN
JAHRGANGS DER MUSIK (1907/8)
Abendrotb, Hermann, 253.
Abraham, O, 301.
Achron, Joseph, 129.
Adami jr. (Danzig) 185.
Adami-Droste, Maria, 251.
Adamowski, Josef, 124.
Adamowski, Timotheus, 124.
Adamowski-Trio 124.
Adels -V. MQochhausen, Berta,
130.
Adler, Guido, 58.
Agloda, Olga, 115.
Ahner, Bruno, 99. 255.
Ahner-Quartett 99.
Alard, Delphin, 366.
Albers, Henri, 121.
d' Albert, Eugen, 114. 115. 118.
119. 123. 221. 240. 345.
d'Albert, V, 141.
Alexis, Willibald, 272. 275. 276.
351.
Alfv^n, H., 364.
AUekotte, August^ 195.
Alten, Bella, 289.
Altmann-Kuntz, Margarete, 130.
d'Ambrosio 364.
AmObius 363.
Andersen, Joachim, 189.
Andes (Singerin) 253.
d'Andrade, Francesco, 182.
Andr6, Joh., 73. 79.
Andreae,Volkmar, 124. 131. 167.
192. 249. 368.
Angelus Silesius 207.
Anger, Albert, 124.
Ankenbrank, Theodor, 251. 255.
Anschfltz, Albin, 251.
Ansorge, Conrad, 184. 194. 251.
257.
Ansorge, Max, 125.
Anton-Cordes, SofR, 1 1 5.
Appun, H., 105.
Arcadelt, Jakob, 190.
Archangelsky, A., 190.
Arensky, Anton, 130. 100. 366.
Ariosti, Attilio, 254.
Aristophanes 378.
Aristoteles 327.
Arlberg, Hjalmar, 193.
Arlo, Henny, 257.
Arndt, Rita, 126.
▼. Arnim, Aehim, 215.
Arnoldson, Sigrid, 114.
Arnoud-Crever 238. 239.
Artdt de Padilla, Lola, 248.
Astorga, Emanuele, 103.
Attenkofer, Carl, 102. 251.
Atterbom, P. D. A., 264.
V. Auer, Leopold, 120. 101.
Auerbach, Max, 125.
Augener & Cie. 334.
Bach, J. S., 4. 103. 106. 123.
125. 126. 127. 128. 130. 131.
151. 183. 184. 186. 187. 188.
189. 190. 191. 192. 106. 200.
201. 203. 204. 206. 217. 234.
235. 250. 251. 252. 253. 254.
255. 256. 257. 250. 280. 311.
314. 328. 336.
Bach, K. Ph. E., 103. 123.
Bach, Leonhard Emil, 221.
Bach, Wilh. Friedemann, 126.
Bach-Verein (Heidelberg) 188.
Bach- Verein (Karlsruhe) 127.
Bach- Verein (Narnberg) 120.
Bach mann, Walter, 258.
Bachmann-Trio 258.
Backer-GrOndahl, Agathe, 324.
Backhaus, Elfriede, 377.
Backhaus, Wilhelm, 182. 187.
103. 254.
Bade. Philipp, 103.
Baedeker, G. D., 302.
Badet (Tänzerin) 117.
Baker, Dalton, 184.
Bakunin, M. A., 50.
Balling, Michael, 287.
Bangert, Emilius, 180.
Barblan, Otto, 314.
Bargiel, Hermine, 380.
Bargiel, Woldemar, 210. 380
(Bild).
Barth, Max, 114.
Barthsche Madrlgalverelnigung
123. 183. 186. 251.
Birtich, R., 258.
BartmuO, Richard, 314.
V. Bary, Alfred, 114. 121. 286.
287. 280.
Batka, Richard, 227. 230.
Batz, Reinhold, 240.
Bauberger, Alfred, 06. 378. 370.
Bauer, Harold, 257.
Bauerkeller, Rudolf, 100.
Baumgarten, Wilhelm, f02.
V. BauOnern, Waldemar, 186. 180.
Bechstein, Ludwig, 26.
Bechstein, Reinhold, 65.
Becht, Ella, 250.
Becker, Benno, 378.
Becker, Gottfried, 114. 110.
Becker, Hugo, 122. 123.
Becker, Nikolaus, 278.
Becker (Danzig) 185. '
Beddoe (Singer) 184.
B6dier, Josef, 65.
Beer-Walbrunn, Anton, 378.
van Beethoven, Ludwig, 4. 5.
71. 82. 83. 00. 107. 122.
123. 124. 126. 127. 120. 130.
131. 137. 138. 147ff (Eine
Händel- B.-Brahms-Parallele).
160 182 183. 185. 186. 188.
180. 100. 101. 102. 103 104.
105. 201. 203. 214. 228. 236.
240. 250. 251. 252. 253 254.
255. 256. 257. 258. 250. 275.
308. 312 328 334. 342. 351.
361 364. 365. 366.
Behm, Eduard, 188.
Behr, B., 331. 334.
Behr, Hermann, 125.
Beier, Franz, 377.
Beines, Carl, 250.
B^lart, Hans, 60.
Bellwidt, Emma, 188. 240. 252.
Bemmann, A., 126.
Bender, Paul, 96. 122. 255. 378.
Benedict, S., 130.
Bengell, Else, 115.
Benndorf, K., 334«
Bennet, John, 187.
Benoit, Peter, 183.
Bensch, G., 103.
Benzinger, Dr., 362.
de B^ranger, P. J., 255.
Berber, Felix, 257. 258.
Berger, Rudolf, 103. 287. 200.
Berger, Wilhelm, 126. 104. 240.
251. 252. 254.
de B^riot, Charles, 366.
Beriioz, Hector, 05. 407. 116.
124. 125. 127. 120. 130. 188.
101. 103. 212. 250. 251. 253.
254. 257. 258. 308. 300. 337.
Bernard, Carl, 82.
I
II
NAMENREGISTER
Berr, Jos«, 168.
BertODy H. M., 157. 161.
Bessel, A , 67.
Beuer, Hans, 114. 115.
Beyer & SOhne 312.
Biber, H. J. F., 335.
Bie, Oskar, 362.
Bieler, August, 124.
V. Bieling, Hermann, 129.
Bierbaum, O. J., 224.
Bieraath, Ernst, 362.
Binder, Fritz, 185.
V. Binzer, Erika, 250.
Birkedal-Barfod (Komponist)364.
Birn, M., 314.
Birnbaum, A. Z., 125. 169.
Bischoff, Fritz, 115.
Bischoff, Hans, 324.
Bischoff, Hermann, 100. 378.
Bischoff, Johannes, 114.
V. Bismarck, Otto, 50.
Bizet, Georges, 116. 222.
Blaremberg (Komponist) 249.
BlaO, Arthur, 129.
Blech, Leo, 219ff (L. B). 260
(Bilder).
Bleyle, Karl, 98. 125.
Bloomfleld-Zeisler, Fannie, 126.
Blumenfeld, Felix, 117. 129.
Biathgen, Victor, 223.
Boccherini, Luigi, 190.
Bodenstein, Ernst, 193.
Bo€llmann, lAoa, 249.
Boehe, Ernst, 251.
Böhm, Georg, 313.
Bohn, Emil, 125.
Böhmer, Ludwig, 251.
Boieldieu, F. A., 86. 115.
du Bois-Reymond, L., 211.
Boito, Arrigo, 116. 379.
Bojukli, V., 191.
Boekelmann, B., 364.
Bökemann, Anna, 258.
Bokemeyer, Elisabeth, 193.
de Bom, Joris, 183.
Bonci, Alessandro, 117.
Boenisch, Hedwig, 125.
van den Boom-Cochet 125.
Bopp-Glaser, Auguste, 129.
Boepple, Paul, 169.
Borchers, Henriette, 119.
Bomschein, Eduard, 189.
Borodin, Alexander, 125. 186.
190. 254.
Boruttau, Alfred, 368.
Bosettl, Hermine, 122. 131. 255.
378. 379.
Bossert, L., 65.
Bossi, Enrico, 123. 185. 249. 297.
Bote & Bock 206. 223. 227. 273.
Bourbon, J. C, 248.
Brackenhammer, Johanna, 115.
251.
Bradsky, Bozena, 00.
Brahms, Johannes, 82. 99. 106.
107. 122. 123. 124. 125. 126.
127. 130. 138. 147ff (Eine
Händel • Beethoven - B.- Paral-
lele). 167. 183. 185. 187. 188.
189. 190. 191. 192. 193. 194.
195. 203. 210. 249. 250. 251.
252. 253. 254. 255. 256. 257.
258. 341. 344. 345. 366. 379.
Brahy (Dirigent) 254.
Brandstaeter, G., 185.
BrandstOtter (Singer) 253.
Brandt, Prof., 128.
Brase, Kapellmeister, 191. 192.
Bratfisch, G., 263.
Brauer, Max, 127.
Braun, Carl, 287. 289.
Braunfels, Walter, 99. 194.
Brause, Hermann, 257.
Breitenfeld, Richard, 115. 116.
Breithaupt, Rud. M., 101. 238.
Breitkopf & Hirtel 64. 75. 124.
207. 272. 273. 301. 308. 334.
341. 352.
Breu, Simon, 195.
Breuer, Hans, 289.
Breughel, Pieter, 357.
Brdval, Luclenne, 117.
Briesemeister, Otto, 115. 184.
194. 256. 257. 289.
Brockhaus, M., 225.
Brode, Max, 127.
Brodersen, Friedrich, 378.
Brodsky-Quartett 190.
Brohly (Singerin) 117.
Bromberger, David, 124.
Bruch, Max, 126. 129. 130.
183. 185. 187. 188. 193. 195.
251. 255. 258. 314.
Bruch, Wilhelm, 123. 129.
V. Brucken-Fock, G. H. G., 106.
Brückner, Anton, 97. 107. 123.
127. 129. 169. 182. 184. 186.
189. 190. 191. 195. 250.251.
255. 257.
Brackner, Max, 120.
BrOgelmann, Hedwig, 191.
Brau, Ignaz, 114.
Brun, Fritz, 123. 168.
Bruneau, Alfred, 254.
Brunow, Hans, 114.
Bruns-Molar, Paul, 104. 105.
310. 311.
van der Bruyn, W., 124.
Buisson, Marie, 187.
V. BQlow, Hans, 138. 168. 341 ff
(H. V. B.s Bedeutung fflr das
Konzertleben der Gegenwart).
380 (Bild).
Bulthaupt, Heinrich, 359.
Bulytschew, W., 190.
Buongiomo, Crescenzo, 297.
Burckhardt, C. A. H., 327.
Burgmaier, Lisa, 250.
Burgstaller, Alois, 290.
Burk-Berger, Marie, 122.
Burkert, O., 184.
Burkhardt, Max, 102.
Burmeister, Richard, 176.
Burmester, Willy, 189. 191. 192.
253. 254. 256.
Burrian, Carl, 121. 248. 287.
Busch, Wilhelm, 208.
Busebbeck, Hermann, 100. 378.
BQsching, J. G. G., 65.
Busjaeger, Marie, 186.
Busoni, Ferruccio, 131. 176. 183.
190. 194.
Busse, Carl, 223.
Buths, Julius, 186.
Buxtehude, Dietrich, 259.
Buysson, Jean, 95.
Byrd, William, 313.
Cahnbley, E., 256.
Cahnbley- Hinken, Tllly, 122.
126. 186. 187. 249.
Calvocoressi, M.-D., 173.
Calzin, Alfred, 125.
Capellen, Georg, 302. 307.
Capelli, Bianchini, 116.
Capocci, F., 314.
Caponsacchi-Jeisler, Marguerite,
191.
Carr«, Marguerite, 117.
Carreno, Teresa, 124. 257.
<^aruso, Enrico, 117.
Casadesus, Henri, 187.
Casals, Pablo, 127. 192.
Casella, Alfkvd, 187.
Castellano, Francesco, 116.
Castelli, Ignaz Fr., 76.
Castles, Amy, 193.
Catalani, Angelica, 86.
Cattabeni, F., 131.
Cauer, Maria, 202.
Cebrian, Graf, 163.
Certani, Alessandro, 125.
Chabrier, Emanuel, 239.
Challier, C. A., 264. 269. 272.
Chamberiain, H. St., 56. 64. 88.
Charpentier, Gustave, 118. 130.
Cherubini, Luigi, 77. 131.
Chopin, Fr6d6ric, 123. 125. 126.
187. 192. 194. 196. 250. 254.
258. 342.
Chrysander, Friedrich, 150.
Clari, G. C. M., 125.
Claudius, Matthias, 273.
de C16ry, M., 248.
Clutsam (Komponiat) 126.
Cobell, Heinrich, 126.
Coducci, Moro, 68.
Cohn, Isidor, 190.
V. Collin, Heinrich, 83.
V. Collin, Matthius, 83.
Cqlonne, Edouard, 248.
Colonne-Orchester 192.
Conried, Heinrich, 118.
NAMENREGISTER
III
Copony, Hans, 114.
Corbach) E., 254.
Corelli, Arcangelo, 126. 192.
259. 336.
CoraeliuSy Peter, 119. 126. 168.
182. 186. 193. 221. 253. 350.
Cortolezia, Fritz, 57. 100. 378.
Cortot, Alfred, 192. 254.
Corvinus, Lorenz, 119. 289.
Courvoisier, Walter, 168. 251.
Graft, Marcella, 115.
Gramer, Job. Bapt., 132 (Bild).
Grucigery Gurt, 182.
Gul, Gtear, 173.
Gulp, Julia, 125. 193. 251.
Gurti, F., 251.
Gzemiawski, Gebrflder, 379.
Gzerwonky, Riebard, 124.
Dalmords,Gbarle8, 11 8. 1 19. 286.
Damann, Helene, 114.
Damenchorverein, Ungarischer,
184.
Damrosch, Walter, 126.
Daquin, L. C, 313.
Damley, Lord, 363.
Dawison, Max, 286. 289.
DebeNe, Jules, 254.
Debussy, Glaude, 98. 125. 185.
190. 192. 239. 248. 254.
Decbert, Hugo, 123. 124. 194.
249.
Decsey, Ernst, 182. 202.
Dehmlow, Hertba, 193. 258.
Dehn« Siegfried, 158.
Delius, Frederick, 97. 98.
Delmas, J. F., 117.
Delsemme, J., 254.
Delune, Louis, 254.
Demuth, Leopold, 128. 248.
D6n6r«az, AI., 169.
Dennery, Mathilde, 1 15. 130. 186.
Denys, Thomas, 194.
Deppe, Ludwig, 310.
Dercks, E., 125.
Dessoff, Otto, 364.
Dessolr, Susanne, 125. 251. 253.
258.
Destinn, Emmy, 195. 223.
Devrient, Eduard, 105.
Devrient, Otto, 119.
DUbelli, A., 137.
Diebold, Job., 314.
Dieckmann, Ernst, 131.
DIebl, Prof., 195.
Diemer, Louis, 125. 192.
Dlergarty Elisabeth, 186.
Dietel» M., 259.
Dietrich, Fritt, 189.
Diecz, Johanna, 130. 194. 195.
256. 258.
Dinger, Hugo, 57. 59.
Dippel, Andreas, 117.
Dippel, Fritz, 195.
▼. Dittersdorf, Gari, 172. 250.
Dittrich, R., 304.
V. Dobninyi, Ernst, 127. 191.
193. 251.
Dohm, Georg, 124. 125.
Dolina, M., 190.
Domchor, Berliner, 184.
Donizetti, Gaetano, 114. 251.
Dopler, Marie, 116. 253.
Doret, G., 116.
Dorn, Otto, 364.
Dorner, Hans, 129. 255.
Dorrenboom (Danzlg) 185.
Mac Dowell, Edward, 128.
Draeseke, Felix, 125. 255.
Dreilflien, Verlag, 307.
Dreyschock,Alexander,380(Bild).
Dreyscbock, Elisabeth, 380.
Dron, Marthe, 192.
Drossdow (Pianist) 130.
Dufeau, Jenny, 130.
Dukas, Paul, 239.
Dulicbius, Philipp, 126.
Dupont, Gabriel, 248.
Dupuis, Sylvain, 248.
Durant (Kapellmeister) 125.
Durand & Fils 334.
DQrer, Albrecbt, 127.
Durigo, Ilona, 130. 193.
Dusch 76. 77. 82. 85.
Dux, Glaire, 248.
Dvorik, Anton, 106. 123. 124.
125. 191. 192. 195. 366.
van Dyck, Ernst, 47.
Eames, Emma, 117.
Ebner, K., 99.
Eccard, Job., 187.
Ehlers, Paul, 100.
Ehlers (Singerin) 124.
Ehrenberg, Kari, 99.
Ehrhart, Jacques, 168.
Ehriich (Musikdirektor) 183.
Eibenschatz, Jos«, 250. 251. 257.
Eichberger (Musikdirektor) 252.
Eichholz, Vera, 189.
Eilers, Franz, 114.
Eilhart v. Oberg 65. 66.
El-Tur, Anna, 192.
Eidering, Bram, 191.
Eleonore, GroOherzogin von
Hessen, 249.
Elgar, Edward, 123. 125. 190.
Elisabeth Königin, 363.
Ellis, W. A., 59.
Elman, Mischa, 128. 254.
Elsasser, Eva, 126.
Elster, Ernst, 13.
Eneri, Irene, 129.
Engels, Georg, 223.
Engler, Martha, 185. |
Enna, August, 221. 251.
Epp, A., 257. !
Erb, M.J., 130.
Erk-BOhme 12. 16.
Erler, Fritz, 377.
Erler, Klara, 125.
Erler-Schnaudt, Anna, 186.
Ernst, Alfred, 62. 115 (»Gou-
verneur und MQller." Urauf-
rohrung in Halle a. S.).
Ernst Ludwig, GroOherzog von
Hessen, 249.
Essipow, Annette, 129. 130.
Ettelt, O., 124.
Eunike, Friedrich, 74.
Euripides 359.
Everts, Ernst, 249.
van Eweyk, Arthur, 1 86. 1 9 1 . 25 1 .
Farrar, Geraldine, 117.
Farrenc, Aristide, 334.
Farwell, Arthur, 174.
FaObender, Zdenka, 95. 1 14. 1 15.
Fassin (Singerin) 254.
Fauth, Albert, 257.
Favart, Gh. S., 378.
Fay, Maud, 378.
Fedisch (Fagottist) 131.
Feinhals, Fritz, 96. 114. 184.
248. 378.
Feist, Gottfried, 188.
Felmy, Maximilian, 379.
Feiser, Frida, 114. 248.
Fenteo, Wilhelm, 114. 129. 191.
Ferraria (Komponist) 364.
V. Ferro, L., 377.
F«tis, F. J., 324.
Filke, Max, 188.
Fischer, G. A, 126.
Fischer, Franz, 379.
Fischer, Gerhard, 255. 256.
Fischer, H., 252.
Fischer, Richard, 186. 249.
Fischer, S., 49.
Fischer, Walter, 257.
Fischer-Maretzki, Gertrud, 252.
FItzau, Franz, 124. 185.
Fitzner-Quartett 253.
Fladnitzer, Luise, 190.
V. Fladung, Irene, 378. 379.
Fleck (Komponist) 250.
Fleischer-Edel, Katharina, 121.
286.
Flesch, Gari, 131.
Fletcher, Alice, 174.
Flockenhaus, Ewald, 186.
Flonzaley-Quartett 123. 124.
V. Florentin, Paula, 190.
Forberg 207.
Forchhammer, Tb., 314.
Forst, Grete, 253.
Foerster, Anton, 187. 258.
Förster, Meta, 185.
Förster, W., 130.
V. Fossard, A., 128.
Franchetti, Alberto, 297.
Franck, Gtear, 130. 185. 257.
259. 364.
Frank, Franz, 115.
Franke, Fr. Wiih., 186. 191.
I*
IV
NAMENREGISTER
Frankenstein, Ludwig, 331.
Frankenttein, Margarete, 126.
Franz Josef I., Kaiser, 253.
Franz, Anita, 100.
Franz, Robert, 59. 188.
Robert Franz- Singakademie
(Halle) 188.
Freiligrath, Ferdinand, 353.
Fremstad, Olive, 117.
Freund, Maria, 125.
Freund, Robert, 131.
Frey, Emil, 123. 131. 16a.
Fricke, Ricliard, 127.
Fried, Richard, 119 130.
Friedberg, Cari, 252.
Friederici, David, 187.
Friedfeldt, Mara, 187.
Friedlinder, Max, 122.
Friedman, Ignaz, 128.
Friedrich \7ilhelm IV., König,
271. 346.
Fröhlich, Joseph, 78.
Frohmeyer, Dr., 362.
Frontini (Komponist) 364.
Frugatta, Giuseppe, 364.
Fuchs, Anton, 96. 248.
Fuchs, Georg, 100. 377. 378.
Fumagalli (Singer) 220.
Gabler (Klarinettist) 131.
Gabrilowitsch, Ossip, 191. 252.
256.
Gade, Niels W., 125. 251. 258.
364. 366. 380.
Gadski, Johanna, 184. 185.
Gail, Jean Baptiste, 77.
Gail, Sophie, 77.
Gall, Yvonne, 117.
Garden, Mary, 118. 248.
Girtner, Maria, 114.
Gastoldi, G. S., 187.
Gatti-Casazza, Giulio, 117.
Gebauer, Franz, 188.
Geehl, Henry E., 128.
Gehrke, Albert, 67.
Geiger, Albert, 67.
Geim, W., 258.
Geis, Josef, 248. 378.
Geisler, Paul, 257.
GeiOe-Winkel, Nicolaus, 286.
Geist, W., 130.
Gelbke, Hans, 191.
Geller- Wolter, Luise, 191.
Gentlemen's Concerts 190.
Gerbard, Georg, 121.
Gerhardt, Elena, 124. 257.
Gerhardt, Paul, 259.
Gerhiuser, Emil, 96.
v. Gerlach, Arthur, 114.
Gern, Georg, 74.
Gemsheim, Friedrich, 251. 366.
de Gerzabek, Frl., 169.
Geselschap, Marie, 195.
Gevaert, F. A., 196 (Bild).
Geyer, Stefl, 123. 252.
Geyer-Dierich, Meta, 125. 186.
193.
Geyr (Dirigent) 191.
Ghiti, Giovanni, 190.
Giesebrecht, Ludwig, 279. 347.
355. 361.
Gigout, E., 314.
Gilibert, Charles, 118.
Gill, Andr6, 55.
Gille, Dr., 252.
Gillenhammer, Patrik, 126.
GUlmann, Max, 378.
van Gilse, Jean, 97.
Gimkewitz, S. 379.
Giordano, Umberto, 182. 297.
Giorgone 380 (Bild).
Girod (Singer) 254.
Glasenapp, C. Fr., 28. 29. 55.
59. 64.
Glaß, Louis, 364.
Glazounow, Alexander, 129. 191.
192 256.
V. Glehn, Rhoda, 129.
Gliire, Reinhold, 192.
Glinka, Michael, 129 248 258.
Glöggl, Fr. X., 78 81.
Glömme, Edwin, 186.
Gluck, Chr. W, 100. 116. 122.
127. 221. 258. 378.
GmQr, Rudolf, 98. 99. 115. 187.
251.
Godard, Benjamin, 129. 366.
Gogl, Rupert, 115.
de Gogorza, E., 127.
Göhler, Georg, 182.
Goldmark, Carl, 114. 115.
366.
Goldschmidt, Paul, 187.
Göllerich, August, 253.
Göllerich, Gisela, 253.
Goltermann, Georg, 366.
Golther, Wolfgang, 13. 26. 63.
64. 65. 66.
Goman, Lilly, 187.
Gomes, Carlo, 379.
Gorter, Albert, 114. 119.
Goethe, Johann Wolfgang, 4.
11. 56. 57. 119. 120. 196.
208. 211. 215.223.260.273
308. 327. 350. 351. 354. 357.
365. 368.
Gottfried V. StraOburg 65. 66.
Gottscheidt, Franz, 115.
Goetz, Gina, 128.
Goetz, Hermann, 125. 167. 168.
169. 251. 253.
Götze, Karl, 105.
Götzl, Anselm, 114.
Gouin 156.
Gounod, Charles, 196 (Bild).
Graf, Ferdinand, 166.
Grainger, Percy, 190.
del Grande, Cario, 250.
Grasegger, Franz, 114.
Graupner, Christoph, 103.
Grebin, Kurt, 114.
de Greef, Arthur, 125.
Gregorovius, Ferdinand, 324.
Greith, Kari, 188.
Grell, Eduard, 201.
Gresntck, A. F., 254.
Gr6try, A. E. M., 123 254.
Gretschanfnow, Alexander, 192.
Grieser (Dirigent) 195.
Griesmer, Bertha, 123.
Grifft, Emil, 115.
Grillet, Laurent, 362. .
Grillparzer, Franz, 227.
Grimm, BrOder, 15. 17.
Grimm, Jakob, 65.
Grimm, J. O., 191. 249.
Grisebach, Eduard, 13. 14.
Grieg, Edvard, 126. 184. 185.
188. 191. 192. 194. 195. 251.
252. 253. 258. 259. 364. 306.
Grosch, Geore, 190. 258.
GroD, Cari, 377.
V. GroD 55. 58.
de Grote 252.
Grube 120.
Grumbacher-de Jong, Jeannette,
126. 191. 193. 251.
Grunert (Pianistin) 188.
Grflnfeld, Alfred, 324.
Grunsky, Kari, 57. 58. 331.
GrQtzmacherjun., Friedrich, 186.
366.
Guen6e (Komponist) 86.
Guilmant, Alexandre, 125. 249.
Gulbins, Max, 125.
Gulbranson, Ellen, 290.
Guntter, Theodor, 251.
Gura, Eugen, 194.
Gura, Hermann, 122. 182. 193.
194. 254.
Guszalewicz, Alice, 114.
Gutheil-Schoder, Marie, 114.
Gutzmann, Dr., 101.
de Haan, Willem, 187.
Haas, F., 130.
Haas, Josef, 313.
Haasters-Zinkeisen, Anna, 131.
Haberl, Benno, 98.
Hacken berger, Oscar, 257.
Hadenfeldt, Lilly, 186.
Hadwiger, Alois, 115.287.289.
Hafgren-Waag, Lilly, 289.
Hagel, Richard, 189. 190.
V. d. Hagen, K., 65.
Hagen, Otfried, 96.
Hager, Paula, 251.
Hahn, Reynaldo, 190.
Hihn, Richard, 186.
Haindl, August, 99.
Hal6vy, F., 56.
Halir, Karl, 123. 189. 194. 249.
250.
Halir-Quartett 127.
NAMENREGISTER
Hall«, Gh., 190.
Halperin, Frau, 117.
Hamal, H. G., 254.
Hamerik, Asgar» 189.
Hammer, J., 258.
Hammerschmidt, Andreas, 126.
Hammerstein, Oscar, 117. 118.
Hlndel, G. F., 123. 125. 126.
129. 147ff(EineH.-Beethoven-
Brahms-Parallele.) 200. 251.
253. 272. 311.
Handschin, G., 190.
Hanfiitingl 55.
Haenlein, A., 128.
Hanslkk, Eduard, 236.
Harbaum 256.
Harriers -Vippem, Louise, 380
(Bild).
V. HlrUing, Frl., 77.
V. Hartmann, Eduard, 67.
Hiser, Georg, 168.
Hasler, Hans Leo, 187.
HasÜAger, Tobias, 76.
Hasse, K., 188.
Hasselbach (Direlitor) 346.
Hasselbaum, Otto, 129.
HiOler, Glara, 251.
Haupt, K. A., 200.
Hauptmann, Moritz, 380.
V. Hausegger, Siegmund, 98. 192.
Häuser, Franz, 105.
Hluser (Komponist) 116.
Havemann, Gustav, 249.
Haydn, Joseph, 52. 8a 103. 1 24.
126. 130. 131. 164. 184. 187.
188. 191. 193. 203. 214. 249.
250. 251. 254. 256. 258. 366.
Haydn, Michael, 189.
Haym, Hans, 186.
Hebbel, Friedrieb, 96. 324.
Hegar, Friedrich, 123. 167. 192.
193. 251.
Hegar, Johannes, 187. 253.
Heger, Robert, 119.
Hegner, Anna, 123.
Heilmann & Littmann 377.
Heine, Heinrich, 12. 13. 14. 15.
16. 17. 26. 27. 223. 266. 282.
380.
Heinemann, Alexander, 127. 184.
186. 189. 250.
Heinrich, Prinz v. Bourbon, 68.
Heinrich XXIV., Prinz Reufi,
185. 191.
Heinrich XXVIL, Erbprinz von
RenO, 114.
Heinrich v. Freiberg 65.
Heiarickshofens Verisg 223.
Hell, Fr., 256.
Hell, R., 256.
HeUarich, Radolf, 254.
HeUriegel, F., 258.
HcUwig, B., 251.
Helmboltz, Hermann, 304.
V. Helvig, Amalie, 264.
Hempel, Frida, 248. 250. 251.
289. 378.
Hendreich (Musikdirektor) 183.
Henke, Marie, 123.
Hennig, Prof., 257.
Henning, Kari \7., 73.
Henriques, Robert, 364.
Henschel, Georg, 106.
Hensel, Heinrich, 193.
Hensel-Schweitzer, Elsa, 114.131.
Herbeck, Johann, 251.
Herder, J. G., 276. 280. 286.
Hering, Dr., 258.
V. Herkomer, Hubert, 55.
Hermann, Hans, 249.
Hermann, P., 125.
Hermant (Singer) 254.
Herper, Frieda, 377.
Herrmann, Clara, 254.
Hertz, Alfred, 39.
Hertz, \7ilhelm, 15. 65. 66. 168.
Hertzer, Ludwig, 377.
Herwarth, Conrad, 126.
Herwegh, Georg, 63.
V. Herzogenberg, Heinricli, 183.
Heß, Ludwig, 97. 99. 182. 191.
249. 252. 257.
Heß, M. Gh., 118.
Heß, Theodor, 131.
Heß, Willy, 124. 183.
Heuberger, Richard, 114. 221.
Hielscher, Hans, 125.
Hildach, Eugen, 126.
Hilf, Arno, 254. 259.
Hiller, Ferdinand, 202. 219.
Hiller, Job. Adam, 122. 127. 172.
184. 186. 194. 252.
HimmelstoO, Richard, 125.
Hinkley, Allan, 122. 286. 287.
290.
Hirschberg, Leopold, 324.
Hirschmann 116 («Hemani*.
Uraufrahrung in Lflttich).
Hirt, A., 251.
Hirt, Fritz, 129.
Hirzel-Langenhan, Anna, 253.
Hochheim, Paul, 114.
Hock, Hermann, 195.
Hoffmann, Anna, 185.
Hoffmann, E. T. A., 12. 13. 14.
18. 19. 20. 21. 22. 24. 25.
26. 27. 77. 79. 98. 331.
Hoffmann, L., 124.
Hofkapelle, Darrastidter, 249.
Hofkapelle, Karlsruher, 257.
Hofkapelle, Meininger,251.252.
Hofkapelle, Mflnchner, 97.
Hofkapelle, Stuttgarter, 97.
Hofknann, Heinrich, 324.
Hofmann, Joseph, 257.
Hofmeier, A., 254.
Hohmeyer, Ludwig, 195.
HOhne, Alflrad, 183. 186.
Holienberg, Otto, 123.
Homer 327.
Homilius, L., 129.
Hopfe, Cari, 183.
Horaz 269. 270. 271. 356.
Horbelt, J., 99.
Hermann, Heinrich, 250.
V. Hombostel, E. M., 301 ff.
Homemann, J. O. E., 364.
V. Homstein, Robert, 59.
Horszowski, Mlecio, 123.
Hoesl. Marie, 186.
van Hout (Bratschist) 125.
HOvelmann-Tomauer, Luise, 1 83.
V. d. Hoya, Amadeo, 253.
Hoyer, B., 99.
Huber, Hans, 167. 168.
Huberman, Bronislaw, 128.
Hubert, Carola, 189. 191. 250.
Hugo, Victor, 116.
Huhn, Charlotte, 93. 116. 193.
Hummel, Job« Nep., 124. 165.
Humperdinck, Engelbert, 202.
220. 223. 296. 297. 341.
Hutter, Hans, 255.
Hyde, J., 379.
Itriand, A. V., 73. 8a
Igumnoff (Pianist) 191.
Illing, Arthur, 119.
d'Indy, Vincent, 190. 192. 254.
Innfelder-Keßler (Singerin) 190.
Instrumentalvereinigun^ Nieder-
rheinische, 183.
Isler, Ernst, 168.
Isouard, Niccolo, 86.
Jach mann- Wagner, Johanna, 380
(Bild).
Jadassohn, S., 125. 366.
Jadlowker, Hermann, 121. 252.
Jiger (Lithograph) 380.
V. Jan, Ludwig Hermann, 157.
Janssen, Max, 125.
Jaques-Dalcroze, Emile, 102. 122.
167.
Jirosy, Albert, 187.
Jaspar, Maurice, 254.
Jauei, Wentzel, 163.
Jensen, Adolf, 314. 364.
Jermolenko (Singerin) 117.
Jessen, Hermana, 189.
Joachim, Amalie, 311.
Joachim, Joseph, 127. 189. 191.
194. 250. 251. 252. 253. 257.
258.
Jobst (Singer) 258.
Johnson (Singer) 185.
Jonss, Ella, 124.
Josephson, Walter, 249.
Josquin de Prte 190.
Jungblnt, Albert, 126c 195. 252.
254. 256.
JOngst, H., 255.
Juon, Paul, 99.
Jflttner (Montreux) 250.
VI
NAMENREGISTER
Kalbeck, Max, 378.
Kalinnikow 100.
Kaliscb, Paul, 248.
KalleDsee, Olga, 115.
Kammermusikfest, Darmstidter,
249.
Kammermusikvereinigung, LQ-
becker, 254.
Kammermusikvereinigung, MQn-
ebener, 250.
Kammermusikverelnigung,Worm-
ser, 105.
Kammermusikvereinigung fOr
Blasinstrumente und Klavier
(Hannover) 131.
Kimpf, Kall, 00. 100
Kaempfert, Anna, 128. 187. 188.
Kander, Hugo, 103.
Kandl, Eduard, 115.
Kant, Immanuel, 236.
Kanzow, \7olfgang, 130.
Kaps, Robert, 110.
Karg-Elert, Sigfrid, 241.
Karmin, Fritz, 168.
Karol 77. 82.
Käse, Alfred, 126. 248.
Kaspar (Geiger) 105.
Kastner, Job. Georg, 157.
Kastorski, \7., 117.
Katona, H., 186.
Katzenstein, Dr., 101.
Kauer, Ferdinand, 80.
KaufTmann, Emil, 201.
Kauffmann, Fritz, 128.
Kaufmann, Hedwig, 183. 185.
240.
Kaufmann, Lotte, 187.
V. Kaulbacb, \7ilhelm, 68.
Kann, Hugo, 130. 185.
Keferstei^ 351.
Keldorfer, Marie, 126.
Keller, GottfHed, 63. 08. 100.
168. 211. 378.
Kellmann (Danzig) 185.
Kemp, Barbara, 114.
Kempter, Lotbar, 124. 167.
Kerll, Kaspar, 313.
Kes, Willem, 252. 253.
Kettling, Else, 105. 252.
Kiebitz, €., 105.
Kiefer, Heinrieb, 187. 255.
Kiel, Friedrieb, 188 201. 324.
Kienzl, Wilbelm, 103. 220.
Kiesel, Helene, 125.
Kiesewetter, R. G., 301.
Kietz, E. B., 55.
Kilian, Theodor, 255.
Kinkel, Gottfried, 63.
Kircbl, Adolf, 251.
Kirchner (Komponist) 251.
Kirn berger, Job. Ph., 313.
Kirsch, Hedwig, 186.
Kitamura, S., 303.
Kittel, Hermine, 280.
Klanert, Kari, 188.
Kleemann, Carl, 115.
V. Kleist, Heinrich, 61.
V. Klenau, Paul, 07.
Kiengel, Julius, 188. 366.
Kliebert, Kari, 105.
KlOpfel, F., 131.
Klopstock 76.
Klose, Friedrich, 05.06. 127. 168.
Kloß, Erich, 58. 61. 62.
Klossegk-Mflller, Luise, 105.
Klotz, Anna, 258.
Kluge, Margarete, 186.
Klughardt, August, 125. 186.
Knauerj Georg, 255.
Kneisel-Quartett 124.
Knorr, Hilmar, 31. 36. 30.
Knudsen, Henrik, 189.
KnQpfer, Paul, 114. 188. 248.
Koboth, Irma, 130. 378.
Koch, F. E., 101.
Koch, Max, 14.
Koch, Dr., 251.
Koch, Geschwister, 124.
Kochanski, \7., 128.
V. KOchel, Ludwig Ritter, 124.
328.
KOchly, Hermann, 63.
V. Koczalski, Raoul, 123. 250.
257.
Kogel, G. F., 131.
Koegel, Martin, 377.
Kohmann, Anton, 124. 130. 186.
188.
KOlbing, Eugen, 65.
Kolkmeyer, H., 124.
Komauer, Edwin, 180.
Koenen, Tilly, 180. 253.
V. KOnigslOw, O., 202.
KOnigstorfer, Fri , 253.
KOnigswirtber, Moriz, 80. 82.
KOnigswerth, Fanny, 70.
Koennecke, Richard, 251.
Kopf, Max, 187.
Kopiske, Lydia, 183.
Körten, E., 186.
Kosleck, Julius, 165.
Kossow, Dr., 102.
Koester (FlOtist) 185.
Kothe, Robert, 131. 253. 254.
Kozeluch, Anton, 164.
Krasselt, Alfred, 185. 252.
Krasselt, R., 182. 185.
V. Kraus, Felix, 122. 186. 250.
251. 253. 257. 287.
V. KrauS'Osbome, Adrienne, 186.
251. 257. 280.
KrauOe, F., 105.
Krebs, Kari, 362.
Kreisler, Fritz, 126. 251. 257.
Kreisler, Lotte, 183. 250.
Kremser, Eduard, 100.
Kremser, G., 100.
Kretzschmar, Hermann, 103. 234.
Kreutzer, Conradin, 193.
Kriehuber, Josef, 380.
Kroemer, Hugo, 185.
Kroemer, Richard, 185.
Krone, Walter, 172.
Kronen, Franz, 115. 255.
Krug-Waldsee, Josef, 98.
Krull, Annie, 114. 119.
Kruse, Wilhelm, 186.
Kugler, Franz, 351.
Kahling, Willy, 183.
Kubnau, Johann, 300. 313. 334 fr
(Alte Meister des Klaviers.
I.: J. K.). 380 (Bild).
Kulenkampff, Gustav, 102.
KuUak, Theodor, 324 (Bild).
Kun, Ladislaus, 184.
Kunhardt, D., 226. 227.
Kunwald, Ernst, 90.
Kuper, Emil, 190. 248.
Kurtscholz, Georg, 116.
Kurz, Hermann, 66.
Kutzschbach, Hermann, 129.193.
Kutscherra, Elise, 190.
Kwast-Hodapp, Frieda, 249.
Kyoyeki 303.
Laeisz, Heinrich, 132.
LagerlOf, Selma, 99.
Lalo, Edouard, 130. 187. 366.
Lalo, Pierre, 117.
Lambrino, Telemaque, 190.
Lammen, Mientje, 97. 98. 99.
256. 257.
Lamond, Frederic, 123. 127. 185.
195. 251.
Lamoureux-Orchester 192.
Lamprecht, Kari, 202.
Lang, Karl, 193.
de Lange, Samuel, 130.
Lassen, Eduard, 120.
Lasso 190.
Latour« Fantin, 309.
Lattermann, Theodor, 114.
Lattmann (Landgerichtsrat) 102.
Lauber 168. 169.
Lazarus, Glta, 184.
Leander, Richard, 324.
Lebeil, Ludwig, 128.
Lederer, Richard, 99.
Lederer (Sänger) 128.
Lederer- Prina, Felix, 114. 183.
191.
LefTler-Burckard, Martha, 248.
287. 290.
Lehir, Franz, 1 15. 130. 253. 297.
Lehmann, Lilli, 31fr und 87fr
(Einiges Ober »Tristan und
Isolde*. Angeregt durch L.
L.'s Studie zu «Tristan und
Isolde-.) 250.
Lehrergesangverein, Barmer,
183.
Lehrergesangverein , Berliner,
254.
NAMENREGISTER
VII
Lehrersesangverein , GOrlitzer,
251.
Lehrergesangverein, KOnigs-
hOtter, 256.
Lehrergesangverein , Lübecker,
254.
Lehrergesangverein, Osna-
brflcker, 256.
Lehrer- und Lehrerinnen-Chor,
Mflnchner, 254. 255.
Leimer, August, 187.
Lekeu, Guillaume, 254.
Lenau, Nikolaus, 168. 352.
V. Lenbacb, Franz, 55. 60.
v. Lenz, \7ilhelm, 364. 365.
Leo, Maria, 102.
Leoncavallo, Ruggiero, 207.
Leroux, Xavier, 116.
Leschetizki, Theodor, 126.
LeOmann, Eva, 240. 250.
Leucht (Cellist) 105.
L^vy, Lazare, 102.
Leydhecker, Agnes, 185. 254.
Lichey, R., 314.
Lichtenberg, Emil, 184.
Lichtenberger, Henri, 16.
Lichtenstein 65.
Lichtwark, Karl, 254.
Liedertafel, Deutsche (Ant-
werpen), 183.
Liepe, Emil, 250.
van Lier, Jacques, 102.
Lietzmann, Kurt, 185.
V. Liliencron, Detlev, 100.
Lilienthal, Herbert, 183.
Lindner, Joh., 55.
Lippi, Filippino, 380 (Bild).
Lipps, Theodor, 172. 202.
Liszewsky, Tillman, 183. 248.
Liszt, Franz, 63. 100. 114. 115.
122. 123. 124. 125. 126. 127.
128. 130. 131. 147. 175. 185
186. 187. 180. 100. 101. 103
104. 105. 212. 220. 236. 240.
250. 251. 252. 253. 254. 255.
256. 257. 258. 250. 328 331.
332. 341. 343. 345. 380.
Litolff, Henry, 132 (Bild).
Ljadow, Anatol, 120.
Lobpreiß, Joseph, 163.
Locatelli, Pietro, 254.
Lob fing, Max, 122.
Lohse, Otto, 116. 248.
Loomis, H. W., 174.
Lorentz, Alfred, 115. 127. 251.
257.
Lorenz, C Ad., 103.
Loritz, Josef, 240.
Lortzing, Albert, 115} 220. 248.
Löschhom, Albert, 201.
UVseth 65.
Lotto, Lorenzo, 380.
Louis, Rudolf, 16. 332.
Loewe,Carl, 126. 156. 104. 105.
263flr(C. L.'sChorgesinge welt-
lichen Inhalts. I). 324 (Bild).
345 er (C. L.'s Chorgesinge
weltlichen Inhalts. Schluß).
Lowe, Ferdinand, 182. 255.
LoewenboflT (Pianistin) 128.
v. Lflbke 256.
Lucas 26.
Ludikar, Paul, 121.
Ludwig r, GroOherzog v. Hessen,
77. 78. 70. 80. 81.
Ludwig IL, KOnig, 60.
Ludwig XV., KOnig v. Frank-
reich, 116.
Ludwig XVI., König v. Frank-
reich, 164.
Ludwig XVIIf., KOnig v. Frank-
reich, 86.
Ludwig, Hermann, 157.
Luiek, Fery, 180.
Luther, Martin, 341. 362.
Lutter, Heinrich, 186. 256.
V. Lattgendorflr, \7. L., 362.
Mac Dowell siehe unter Dowell.
Mahlendorfr, Bernbardine, 110.
Mahler, Gustav, 117. 118. 104.
251. 258.
Maier, L., 255.
MaiUart, Aim6, 248.
Maison, Fri. (Pianistin), 254.
V. Maixdorflr, Carl, 114.
Major, Carl, 131.
Malherbe (Singer) 254.
Mii^ei, J. N., 77. 82. 83. 84.
Man6n, Joan, 183. 187. 103.
Manker, Franz, 163.
Mann, Bruno, 126.
Mann, Eduard, 250.
Minnerchor, Barmer, 183.
Minnerchor, Zflrcher, 102.
Minnergesangverein, Kölner,
183. 100.
Mannscbedel (Pianist) 255.
Mansfeld, Max, 114.
Manskopf, N., 55.
Marbacb 66.
Maria Stuart 363.
Mariquita (Balletmeisterin) 117.
Marpurg, F. W., 313.
Marschner, Heinrich, 221. 331.
Marsick (Komponist) 254.
Marsop, Paul, 05. 378.
Marteau, Henri, 08. 00. 127. 131.
168. 160. 187. 102. 103. 104.
240. 251. 253. 256.
Marteau-Quartett 256.
Martens 102.
Martin, Emma, 123.
Martini, Padre, 123.
Marx, Ad. B., 270. 324. 361.
Marx-Goldschmidt, Berthe, 123.
180. 102. 103. 257. 250.
Mascagni, Pietro, 116. 227. 206.
207.
Maschke, Ernst, 188.
Massenet, Jules, 116. 127. 130.
221. 258. 370.
Maeterlinck, Maurice, 248.
Matthay, Tobias, 300. 310.
Mattheson, Johann, 336.
Maurick, Ludwig, 114. 186.
Mawet (Komponist) 130. 254.
Mayer, R., 188.
Mayer-Mahr, Moritz, 102. 127.
250. 257.
MayerhoflT, Franz, 126. 103.
Mayr, Richard, 287. 200.
Mayrberger, Carl, 328.
Meinke, A. W., 258.
Meißner, Gertrud, 251.
Meister, Ludwig, 188. 255. 256.
Meitschik, M., 100. 101.
Melville, Marguerite, 128.
Melzer, Josef, 125.
Mendel, Hermann, 74.
Mendelssohn, Arnold, 100 CT (A.
M.). 240, 260 (Bilder).
Mendelssohn, Luise, 200.
Mendelssohn, Moses, 100.
Mendelssohn, Wilhelm, 200.
Mendelssohn-Bartholdy, Felix,
105. 123. 125. 126. 131. 183.
100. 102. 105. 100. 206.250.
254. 257. 275. 357. 358.
Menn, Albert, 256.
Mennicke, Carl, 103.
Menzel, Adolph, 68.
Merkel, K. L., 104.
Mertens, Meta, 128.
Messchaert, Jobannes, 101. 102.
Metzger, Oscar, 250.
Metzger- Froitzheim, Ottilie, 120.
248. 251.
Mey, Kurt, 58.
Meyer, Albert, 168.
Meyer, C. F., 63. 240.
Meyer, Hedwig, 180.
Meyer, Heinrich, 124.
Meyer-OIbersleben, Max, 1 05.
256.
Meyerbeer, Giacomo, 51. 54.
71 er (Briefe M.s an Gott-
fried Weber aus den Jahren
1811—1815, 1833 und 1837).
116. 117. 126. 132. 155flr
(Briefe M.s an Gottfried Weber
usw. Schluß).
Manch, Ernst, 130.
Manch, Martha, 105.
Mflnchhoflr, Mary, 251.
Munzinger, Karl, 168.
Muret, Emest, 65.
Musikverein, Pforzheimer, 257.
Musikvereins-Quartett (Klagen-
furt) 188.
Mysz-Gmeiner, Lula, 124. 120.
184. 188.
Meyrowitz, Selmar, 182.
VIII
NAMENREGISTER
Michalek, Iranz, 180.
Michel, Fr., 65.
Michelangelo 284.
Middelschulte, Wilhelm, 126.
Mikorey, Franz, 186.
V. Milde, R., 114. 187.
Miller, William, 186.
Mitau, Margarete, 195.
Mittmann, Paul, 188.
MObius, Dr., 101.
MOhl-Knabl, M., 240.
V. Mojsisovics, Roderich, 00.
Moke, Camilla, 308.
Moliire 227.
Moleschott, Jakob, 63.
Mollath, Emmy, 186.
Mommsen, Theodor, 63.
Moor, Emanuel, 168. 160. 377
(«Hochzeitsglocken*. Urauf-
führung in Kassel).
Morati, A., 248.
Morena, Herta, 117.
MOrike, Eduard (Kapellmeister),
115.
Moers, Andreas, 115.
Mors, Richard, 120.
Morsch, Anna, 102.
Moscheies, Ignaz, 324. 380.
Mosel, Ignaz Franz, 82. 83.
85 86.
Moest, Rudolf, 248.
Moszkowski, Moriz, 324.
da Motta, Jos6 Vianna, 380.
de la Motte-Fouqu6, Friedrich
Frhr., 13. 18. 10. 21.22.23.26.
Moth, K., 123.
Mottl, Felix, 05. 06. 07. 100. 1 14.
123. 248. 255. 258. 288. 342.
378. 370.
Moussorgsky, Modeste, 116. 117.
173. 100.
Mozart, W. A., 52. 114. 117.
110. 122. 123. 124. 125. 126.
131. 185. 186. 187. 188. 180.
101. 102. 103. 104.203.215.
216. 220. 222. 240. 250. 251.
252. 253. 254. 256. 258. 300.
328. 320. 330. 331. 332. 366.
378.
Mozartorchester, Berliner, 1 03.
Mozart-Verein (Darmstadt) 240.
Muck, Carl, 124. 126. 287.
288
Mahlfeld, Richard, 252.
Maller, Adolf, 124. 103.
Mailer, Adolf (Frankfürt a. M.),
120.
Mailer, Carl, 287.
Mailer, C. H., 65.
V. Malier, Friedrich, 327.
Mailer, Jean, 110.
Mailer, Karl, 120.
Maller, M., 101.
Mailer, Paul, 124.
Mailer, Wenzel, 172.
Mailer-Brunow 104. 105.
Mailer-Reichel, Therese, 254.
Mailer-Reuter, Theodor, 180.
Mailerhartung, Carl, 314.
Nagel, Albine, 251.
Nagel, Wilibald, 260.
Napoleon I. 86.
Narbutt-Hryschkewitsch, Jos.,
100.
Nast, Minnie, 122. 126. 248.
Naumann, Otto, 128.
Naus, Leo, 223. 224. 226.
de Neergaard, Brun, 180.
Nef, Karl, 380.
Neitzel, Otto, 184. 187. 324.
Neldel, Carl, 248.
Neubeck, Kithe, 114.
Neugebauer-Ravoth, Kithe, 186.
187.
Neuhold, Peter, 162. 163.
V. Neukomm, S., 164.
Neumann, Angelo, 182. 106
(Bild). 221.
Neumeister, Martha, 258.
Nichelmann, Christoph, 313.
Nichols, Agnes, 100.
Nicod6, J. L., 125. 126. 101.
104.
Nicolo (s. Isouard) 86.
Niedermann, Gustav, 168.
Nielsen, Kari, 180.
Niemann, Rudolph, 364.
Niemann, Walter, 313. 334.
Niepel, E., 183.
Niepen, Wilhelm, 101.
Nietzsche, Friedrich, 50. 60. 08.
135. 286.
Niggli, Fritz, 131.
Nikisch, Arthur, 124. 130. 100.
248.
NoC, Otto, 187.
Nolte (Musikdirektor) 183.
Novak, W., 366.
de la Nux 221.
Obrist, Aloys, 07. 130.
Ockert, Otto, 114.
Offenbach, Jacques, 115. 258.
Oley, R., 131.
Ontrop (Dirigent) 183.
Oppermann, Frl. (Singerin), 256.
Orchester, Städtisches (Barmen),
186.
Orchester des Zoologischen
Gartens (Frankfurt) 187.
V. Othegraven, August, 240. 251.
256.
Ottenheimer, Paul, 182.
Ottho, W., 100.
Otto, Anton, 115.
Otto, Georg, 186.
Pachelbel, Joh., 180.
V. Fachmann, Wladimir , 106
(Bild).
Paderewski, Ignaz, 126. 257.
312. 313.
Paganini, Nicolo, 314.
Palestrina 100. 201.
Panthis, Marie, 160.
Panzner, Karl, 124.
Parent, Armand, 102.
Paris, Gaston, 65.
Paris, Heinrich, 150.
Parlow, Kathleen, 120.
Pisler, Kari, 334.
Passow-Vogt, Helene, 180.
V. Paszthory, Palma, 253.
Patti, Adelina, 118.
Paul (Veriag) 350.
Pauli, Max, 248.
Paulsen, J., 100.
Paur, Emil, 126. 127.
Paus, Karl, 240.
Pellegrin, Abb«, 116,
Pembaur (Pianistin) 187.
Pennarini, Alois, 182. 180. 102.
V. Perfall, Kari Frhr, 125.
Pergolese, G. B., 56.
Perron, Carl, 115. 100.
Peteani, Eugen, 253.
Peters, C. F., 76.
Peters, M., lOO. 258.
Peters (Dirigent) 370.
Peterson-Berger, Wilhelm, 364.
Petrenko (Singerin) 117.
Petri, Henri, 251.
Petry, Ad., 250.
Petschnlkoff, Alexander, 184.
186. 250.
Pfannstiehl, Bernhard, 126.
PfeiflTer, August, 103.
Pfeilschneider, Hertha, 110.
Pfltzner, Hans, 130. 252. 253.
258. 366. 368.
V. Pfuel, General, 346.
Pfund (Singer) 253.
Philharmonisches Orchester,
Berliner, 186. 250.
Philharmonisches Orchester,
(Narnberg) 123.
Philipp, L., 258.
Philipp 85.
Philippi, Maria, 160. 183. 186.
252. 253.
Pick, Adolf, 123.
Piening, C, 101. 251.
Piern6, Gabriel, 126. 120. 184.
185. 180. 105. 258.
Pindar 355.
Pinks, Emil, 125. 103.
Pirro, Andr6, 235.
Pitionl, G. A., 258.
Plaichinger, Thila, 115.
Plamondon (Singer) 117. 254.
Planck, Fritz, 287.
Plantade, Ch. H., 86.
Planta, Francis, 238.
Plaschke, Friedrich, 182. IM.
NAMENREGISTER
V. Platen, August Graf, 06.
Playfair, Elsie, 123.
Pleyel, Ignaz, 80.
Plflddemann, Martin, 278.
Pohl, Richard, 59.
Pohle, Max, 125.
Polak, A. J., 301fr.
Poldinl, Eduard, 364.
Polo-Quartett 100.
Ponchielll, Amilcare, 125. 370.
Popper, David, 184.
Porges, \7alter, 188.
Porpora, Nicolo, 254.
POrsken, Adolf, 256.
la Porte, Walter, 186.
V. Possart, Ernst, 188. 251. 254.
250.
Post, Arthur, 120.
Pottgießer, Karl, 00.
Praeger, Ferdinand, 50. 63. 64.
Preuse-Matzenauer, Margarete,
05. 06. 114. 121. 255. 378.
Price 65.
Prins, Henry, 126.
Prod'homme, J.-G., 56. 306. 300.
Pron, Rudolf, 114.
Pucdni, Giacomo, 1 14. 1 16. 1 18.
110. 132 (Bild). 182. 221.
248. 207. 208. 300.
Quartettvereinigung, Frankfurter,
105^
Qu6s, €., 248.
Raabe, Peter, 120. 183.
Raabe, Wilhelm, 61.
Rabicb, Ernst, 251.
RachmaninoflT, Sergei, 102.
Racine, J.-B., 116.
Radoux, Charles, 254.
Radoux, Th, 125.
Raff, Joachim, 125. 120. 366.
Rahn, Klara, 240.
Raimund, Ferdinand, 173. 227.
Rains, Lten, 114. 100.
Ramann, Lina, 332.
Rameau, J.-B., 1 16. 1 17. 180. 102.
V. d. Rappe 258.
Raupacb, Ernst, 233. 275. 361.
Rauter (Klagenfürt) 188.
Raven, Theo, 115.
Raway 254.
Rebbert, Otto, 183.
Rebhun, E., 126.
Rebikoff, W., 126.
Rebner, Adolf, 187. 253.
Rebner-Quartett 123.
Reger, Max, 51. 122. 123. 124.
125. 126. 127. 128. 131. 167.
168. 183. 184. 185. 186. 100.
103. 104. 241. 240. 250. 252.
253. 255. 200. 313. 314. 366.
Rehberg, Willy, 122. 160.
RehfüO 75.
Reichs, Anton, 85.
Reichardt, Joh. Fr., 76. 187.
Reichardt, L., 187.
Reichert, Johannes, 104.
Reifner, Vincenz, 104.
Reimers, Paul, 250. 251.
Reinecke, Carl, 251. 258. 366.
Reisenauer, Alfred, 127.
Reiß, Albert, 248.
Reiter, Josef, 125. 253.
Rellsub, Joh. K. Fr., 74.
Rembrandt 357.
Rendsburg (Cellist) 202.
van Rennes, Catharina, 176.
Reubke, Otto, 188.
Reuß-Beice, Luise, 1 14. 1 15. 280.
V. Reuter, Florizel, 183.
Rheinberger, Joseph, 184. 251.
314.
Ribera, Antonio, 62.
Richard, August, 183.
Ricbardi, Richard, 115.
Richards, Max, 115.
Richter, Eugen, 126.
Richter, Hans, 200.
Richter, Philipp, 163.
Richter, Willibald, 100.
Richter (Klagenfurt) 188.
Rickborn 126.
Rider, Cornelia, 251.
Rief-Kiß (Singerin) 188.
Riemann, Hugo, 103. 147. 140.
185. 106. 100. 284. 312.
Riemann, Ludwig, 301. 302. 304.
Ries & Erler 206. 208. 211.
RieO, Adele, 105.
Rieter-Biedermann 206. 207.
Rietz, Julius, 380.
Rimsky-Korssakow, Nicolai, 117.
125. 120. 100. 248.
Risler, Edouard, 123. 102. 253.
Ritter, Alexander, 186. 344.
Ritter, F., 252.
Rizzio, David, 363.
ROber, Friedrich, 66.
Robertson, Charles, 126.
Rochlitz, Job. Fr., 75. 83.
Rocke-Heindl, Anna, 120.
R6ckel, August, 54.
Rode, Mina, 250.
Roeder 102.
Rodin, Auguste, 312.
Rohde, Magdalene, 258.
ROhl, Kithe, 183.
Röhmeyer, Theodor, 257.
Röhr, Hugo, 370.
Romanowsky (Pianist) 130.
Roosevelt, Theodore, 118.
Ros6-Quartett 254.
Rosegger, Peter, 311.
Rosenmalier, J., 335. 336.
Rosenthal, Moriz, 102.
ROsler, Franz, 180.
V. Roessel, Anatol, 187.
Rossi, Frau (Singerin), 254.
Rossini, Gioachino, 51.
Rost, Carl, 180.
Rotbauer, Max, 188.
ROthig-Quartett 250.
ROttiger 65.
Rousseau, J.-J., 160. 327.
Roussel, A., 125.
Rözycki, Ludomir, 127.
Rubens, P. P., 312.
Rubinstein, Anton, 101.240.254.
342. 363. 366.
Rubinstein, Nikolai, 106.
RQckbeil, Hugo, 130. 131.
Rackert, Friedrich, 273.274.275.
282. 311.
Rudel, Hugo, 287.
Ruederer, Josef, 378.
Rudorff, Ernst, 210.
Rafer, Philipp, 254.
Ruegger, Elsa, 254. 257.
Ruhlmann (Kapellmeister) 117.
Rumpf, F., 132.
Runze, Maximilian, 272. 274. 340.
357.
Rupp, Erwin, 130.
Rupprecbt, E., 125.
Rfiscbe-Endorf, Cicilie, 183.200.
Rastow, W. Fr., 63.
Ratger 77. 80.
Ruthardt, Adolf, 364.
Rfltzel, Michael, 67.
Rychnovsky, Ernst, 260.
Saar, L. V., 366.
Saatweber-Schlieper, Ellen, 160.
Sacchetto, RiU, 114.
Sachnowski, J., 100.
Sachs, Hans, 66. 311.
Sachs (Komponist) 126.
Sachse- Friedel, Rosa, 114.
Sageblel, Fr., 252.
Saint-Cricq, Caroline, 332.
Saint-Sa€ns, Camille, 123. 125.
183. 187. 100. 101. 102. 221.
238. 254. 258. 304. 366.
Samhaber, E., 253.
Singerhain (Oberbannen) 183.
Santarelli (Singerin) 116.
Saraceni, Carlo, 380 (Bild),
de Sarasate, Pablo, 123. 180.
100. 102. 103. 257. 250.
Sardou, Victorien, 311.
del Sarto, Andrea, 312.
Sartori 16.
Saß, Arthur, 257.
Sauer, Emil, 125. 254.
Sauer, Wilhelm, 252.
Sauret, fimile, 123.
de Sauset, Th., 186.
Saville, Willi, 115.
Saxe, Hilda, 120.
Scarlatti, Alessandro, 336.
Scarlatti, Domenico, 313. 314.
SchablaO, Theodor, 1 10(,LeoD''.
UrauffQhrung in Gablonz.)
Schade, Curt, 126.
NAMENREGISTER
Schadow, Goitfriod, 312.
ScbUbr, JobMnea, 101.
Scbal)apio, Feodor, 117.
Schalk, Franz, 131.
Schanze (Mualkdlretlor) 193.
Schtper, Friedrich, 312.
Scharvenka, Philipp, 324.
Scbarvcnka, Xaver, 254. 324.
Scbamchneider, A., 183.
Schauer- Bercmann, Martha, 1B3.
251.
SchefTei, J. V., 311.
Scbeffer, Riebard, 193.
Scbeffler, Job., 207.
vom Scbeldi, Seims, 187.
Sclicinpflug, Paul, 24.
Schdble. Joh. Nep. 155.
Schelle, Hcnrieite, ISS.
SchellloE, Erneat, 97.
Sclielper, Otto, 91.
Schenk, Georg, 119.
Scherber, Ferdinand, 298. 200.
Scberrcr, H., 99.
SchUanedcr, Emaouel, 173.
Schlkaneder, Karl, 173.
Scbliler, .Friedrich, 4. fll. 103.
209. 215. 258. 275. 31 1. 340.
350. 361.
SchllilnEa, Max, 05. 08. 07.
129. 182. 240. 251. 258. 307.
377.
Scblodter, Kurt, 100.
SchladlOcker, Michael, 163.
Scblnk, Airred, 2Z.
Scfainkel, K. Fr., 312.
Scbirow, Marie, 186.
Schkolntck, Atjoacbi, 253. 254.
Schlegel, A. V., 312.
Schlegel, Friedrich, 312.
Schle$ingcrschc Musikbandluag
58. 227. 349. 351. 350.
Schmalz, Auguste, 74.
Scbmedea, Erik. 114.
ScbmeiOer, Enieat, 188.
Schmid, Otto, 241.
Scfamld, Richard, 101.
Scbmld-Llndner, Auguat, 00. 124.
104. 250.
Schmidt, Eroit, 240.
Schmidt, Felix, 254.
Schmidt (Zwickau) 258.
Schmldt-Canther, Rom, 110.
Schmidt-Reinecke. H., 256.
Scbmiedel, Ona, 50. 60.
Schmitt, Aloya, 28. 30.
SchnlH, Julius, 103.
Schnabel, Anur, 124. 125. 127.
251. 257. 258.
Schnabel Behr, Thereae; 125.
251. 256.
Schaecgaoa, Ludwig, 66.
Scbatevolgt, Sigrid, 250.
ScbDelder, Eliaabeth, 120.
Scboaider, Friedrich, 157.
Schneider, Saacba, 312.
Scholuer, Germalne, 127.
SchoBck, Oihmar, 168.
Scholinder, Sven, 250.
SchOnberger 84.
SchSnberger, Johanna, ISO.
Scbönholtz (Singerin) 130.
Schopenhauer, Arthur, 52. SO.
Scbott's Sohne, B, 158. 207.
223. 2Zä. 275.
Schreck, Gustav, 125.
V Schreiber. A, 74.
Schreiber, Arthur, 126.
Schreiber, Felix, 115.
Schreiber, Frida, 190.
Scbroeder, Alwin, 124.
Schroeder, Otto, 131.
5<:hubert,Fr>ni,g3. 123. 124.125.
126. 130. 182. 185. 186. 187>
188. 101. 192.203. 210. 212.
239. 250. 251, 252. 254. 256.
257. 258. 263. 275. 354. 306.
379.
V. Scbucb, Eraat, 182. 227.
ScbOler, Hedwig, 258.
Schulz, H., 103.
Schuli, J. A. P., 187.
Schulze-Prisca, Walter, 101.
Schumann, Clara, 380.
Schumann, Georg, 123. 124.
127. 185. 104.240.254.256.
Schumann, Robert, 00. 123.
124. 125. 126. 129. 130. 183.
185. 188. 191. 102. 103. 104.
203. 221. 239. 240. 250. 251.
252. 254. 256. 257. 258. 250.
263. 307. 328. 342. 306. 367.
379.
Schumann- Trio 249.
Scliumann-Hdnk,EraMtine,l85.
289.
ScbOnemaBo, Elae, 99. 187. 189.
253.
Schuster, Margarete, 377.
Schuster & LoelTler 63.
Schott, Eduard, 258.
ScbOtz, Heinrieb, 201. 203. 206.
207.
Schfltzcndorr-Bellividi, Allbas,
287. 289.
Schwab, K. J., 131.
Schwabe, Carl, 254.
Schwarz, Josef, 183.
Schwan 77. 185.
Schweitzer, Alben, 200. 234.
235.
Schwkkeraib, Eberhard, 122.
123.
Schwidewskl, Eugen, 185.
Scott, Vaiter, 85.
Scottl (SlDger) 117.
Scrlbe, Engtne, 86. 117.
Seebe, Cbariotte, 250.
Seemann Nachf. 147.
Seguin (Singer) 254.
Seiht, Georg, 126.
Seldl, Anbur, 236. 237.
Seiffen, Max, 333.
Seklea, Bernhard, ISO. 240.
Selmer, Job., 126.
Seiva, Blanche, 100.
Semper, Man^d, 60. 61.
Semper, Otto, 186.
Senger (Danzlg) 185.
Sealus, Felix, 123. 128. 185. 103.
253.
Sevilk-Quanett 102. 257.
Seydel, Dr., 102.
Serfhrdt, E. H., 126. 130.
Sgambati, Giovanni, 128. 120.
257.
Shakespeare, Vllllaro, 57. 308.
Sbcdlock 334.
Sibcllus.Jcan, 128. 130.251.368.
Sibor. B.. 191-
Sleglltz, Georg, 248. 378. 370.
Slcms, Margarete, 126. 183.
Sucher, Friedrich, 192.
Sileatus, Aagelua, 240.
Silotl, Alexander. 100.
Stmmank, J., 25Ö.
Simons, Rainer, 120. 122.
Slmrock, Karl, 66.
Sinding, Chriatlan, 185. 187.254.
256.
Sinigaglla, Leone, 101. *
Sittard, Alfted, 188. 314.
I SlOgrcn, Emil, 364.
■ Skalit/ky, Ernsi, 124.
Skarbek, Pelagla Crlfio, 102.
I Skrjabin, Alexander, 120.
Skrjabin, Frau, l20.
Sleiak, Leo, 182. ISS. 248. 253.
Smetsna, Friedrich, 129. 185. 188.
192. 251. 253. 256. 258. 366.
Smirnow (Singer) 117.
Smith, David H., 124.
Smithson, Harrict, 308. 300.
Smolian, Arthur 47.
Srauldcrs, Carl, 254.
Sohantki (Kapellmeister) 188.
SoclAC de concerts d'Iaatrumenn
ancieos 128. 187. 257.
Sokotorr (Pianist) ISS.
Sokolowskv, R.. 13.
Soldat- Roeger, Marie, 252.
SolotjrcfT. "OC., 190.
Sommer, Haas, 250.
Son, Henry, 186.
Soomer, Wallher, 1 14. 1 15. 122.
251 258. 289
V. Speidel, Frhr., 05.
Sp«aec>, Julius, 253.
Spiel mann, Leopold. 184.
Spies, Hermine, 311.
Spinelli, Nicola, 297.
Spina, Philipp, 234. 235. 340.
Spitteler, Karl, 96.
NAMENREGISTER
XI
Spohr, Ludwig» 126. 150. 328.
329. 330. 331. 332.
SpontinI, Gaspaixs 76. 221. 357.
Spörry, H., 188.
Spreni^ Frl., 102.
Stadtegser, Jnlie, 100.
Städtische Kapelle (Krefeld) 180.
101.
Stadttheaterorchester, Rostocker,
114.
Staesemaon, Helene, 127. 253.
254.
Stagl, Gusti, 121.
Stahl, Fritz, 56.
Stamitz, Karl, 103.
Stapelfeldt, Martha, 104.
Starke, G., 250.
Stassen, Franz, 58.
Stebel, Paula, 254.
Steigerwald, Kite, 126.
Stein, Bruno, 183.
Stein, Fritz, 251. 252.
Stein, Lola, 114.
Steinbach, Emil, 128.
Steinbach, Fritz, 248. 250.
Steinberg (Komponist) 120.
Stdnitzer, Max, 250.
Steinway & Sons 102.
Stenhammar, Wilhelm, 364.
Stenz, A., 258.
Stephani, Alfred, 105.
Stephani, Hermann, 307.
Stern, J., 324.
Sternfeld, Richard, 57.
Stieglitz, Olga, 102.
Stinde, Julius, 324.
Stock, Friedrich, 126. 185.
Stockar-Escher, C, 55.
Stöcker, Adele, 123.
Stocks, Julius, 28 fr (Zwei Briefe
Richard Wagners an J. St.).
Stolz, Georg, 126.
Storm, Theodor, 100. 168.
Stradal, Dr., 104.
Strathmann, Fritz, 187. 251.
Strattner (Komponist) 126.
Strauß, Richard, 51. 107. 115.
122. 124. 125. 126. 127. 128.
120. 131. 137. 167. 185. 186.
101. 103. 204.221. 250.251.
252. 255. 256. 257. 258. 250.
208. 342. 366.
Strebel (Orgelbauer) 255.
Streichquartett, Aachener, 123.
Streichquartett, Barmer, 183.
Streichquartett, Bemer, 123.
Streichquartett, Böhmisches, 123.
120. 250. 256.
Streichquartett, Bologneser, 182.
Streichquartett, Brüsseler, 122.
123. 184. 101. 102. 103. 250.
251. 254. 256.
Streichquartett, Frankfurter, 123.
Streichquartett, Lausanner, 160.
Streichquartett, Mflnchner, 00.
122. 255.
Streichquartett, Pariser, 254.
Streichquartett, St Petersburger,
120.
Streichquartett, Süddeutsches,
257.
Streichquartett, Weimarer, 252.
Streichquartett, Philharmonisches
(Bremen), 124.
(Streichquartett) The Lyric String
Quartett (San Francisco) 257.
Stronck, Richard, 183.
Stronck-Kappel, Anna, 123. 124.
252.
Stubenrauch, Carlotta, 187.
van der Stucken, Frank, 126.
127. 184.
Stuckey, Isabel, 187.
Stuhlfeld, Willy, 115.
Stumpf, Carl, 174.
Stuve, Frau (Singerin), 256.
Sucher, Rosa, 60.
Suck, Wilhelm, 248.
Sflddeutscher Musikverlag 224.
Suk, Josef, 107. 102.
Suske, Ida, 103.
säße, Otto, 125. 103. 240. 252.
256.
Svirdström, Geschwister, 120.
Svendsen, Johan, 125.
de Sweert, Constantin, 183.
de Swert, Jules, 257.
Symiane, M., 248.
Symphonieorchester, Bostoner,
126.
Symphonieorchester, Chicagoer,
127. 185.
Symphonieorchester, Londoner,
183.
Symphonieorchester, New Yorker,
126.
Symphonieorchester, Pittsburger,
126.
Szumowska, Frau, 124.
Tanejew, Sergei, 102.
Tinzler, Hans, 114. 255.
Tartini, Giuseppe, 180.
Taubert, E. E., 201. 324 (Bild).
365. 366.
Terenghi (Komponist) 364.
Tesi, Lola, 102.
Tetrazzini, Luisa, 118.
Th^itre royal de la Monnaie
(BrOssel) 248.
Tbeinert, H., 380.
Thibaud, Jacques, 102.
Tliibaut, A. F. J., 155.
Thomas, Ambroise, 66. 115. 126.
Thomas-St. Galli, Frau, 250.
Thomas-Orchester 126.
Thuille, Ludwig, 110. 126. 130.
168. 185. 101. 253. 256.
Thuren, Hjalmar, 237. 238.
Tieck, Ludwig, 12. 13. 14. 17.
18. 26.
Tinel, Edgar, 185.
Tizian 380.
Tölken, E. H., 156. 157.
ToUman, Johann, 76.
Tonkflnstlerorchester, Wiener,
253.
Tordek, Ella, 370.
Torichler 251.
Toscanini, Arturo, 118.
Trautmann, Gustav, 187.
Trautwein (Vertag) 270.
Trebitsch, SigfHed, 40.
de Tr^ville, Yvonne, 248.
Trio, Erfurter, 187.
Trio, Gießener, 187.
Trio, HolUndisches, 184.
Trio, Russisches, 00. 180. 251.
Trostorif, Fritz, 114.
Troyer, Carlos, 174. 175.
V. Trfltzschler, Maly, 370.
Tschaikowsky, Peter, 106. 122.
123. 124. 125. 128. 130. 184.
185. 186. 187. 100. 101. 102.
248. 250. 251. 252. 253. 254.
257. 258. 366.
Tschech (I^hrer) 200.
Tscherbina-Bekmann, E., 100.
Tscherepnin, N., 101.
Ucko, Paula, 187. 251.
Ufert, Kite, 126.
Uhland, Ludwig, 282. 347.
Uhlig, Linus, 126.
Uhlmann, Eva, 126.
Ulbrig, Lisbeth, 06. 114.
Ulrich, Hugo, 258.
Ulrich V. Tflrheim 65.
Untersteiner, A., 362.
UrluSi, Jacques, 183.
Urspruch, Anton, 221.
Vaterhaus, Hans, 122. 123. 186.
188.
Vautyre (Pianist) 254.
Veit, August, 114.
Verdi, Giuseppe, 51. 116. 118.
110. 126. 131. 100. 248.
Verein der Muslkf^unde (Gör-
litt) 251.
Vereinigung fflr kirchlichen Chor-
gesang, LQbecker, 254.
Vereinigung fOr alte Musik,
Deutsche, 103.
Verhey 131.
Veriaine, Paul, 240.
Vidron, Angile, 183.
Vieuxtemps, Henri, 102.
Vigner, Albert, 124.
Villemarqu« 65.
Vivi«, Emma, 105.
Vogelstrom, Fritz, 110. 120.
Vogl, Joh. Nep., 281. 346.
340.
Vogler, Abt, 73. 76. 81. 1J^5.
XII
NAMENREGISTER
Vogler, Musikdirektor (Baden),
169.
Vogrich, Max, 187.
Voigt, Emil, 187.
V. VoigtllBder, Edith, 187. 251.
254.
Vokalquartett, Basler, 169.
Vokalquartett, Berliner, 249. 251 .
Vokaltrio, Nordisches, 124. 126.
Volbach, Fritz, 125. 249.
Volck, Hedwig, 129.
Volke-Quartett 125.
Volkmann, Robert, 122. 130.
187. 258. 366.
Volkmann, Toni, 126.
VoUerthun, Georg, 99.
Vollhardt, R., 258. 259.
Vollnhals, Ludwig, 255.
VoO, Emanuel, 119.
VoO, Frederik, 250.
Voß, J. H., 269.
Wacbsmuth, l^alier, 124.
Wagenseil, Job. Chr., 12. 18. 19.
I^aghalter-Quartett 130.
l^agner. Albert, 28.
W^agner, Coaima, 285. 288.
Wagner, E., 09.
Vagner, Ernst, 266.
Vagner, Franziska, 28. 29.
Wagner, K., 99.
Wagner, Minna, 59. 60.
Wagner, Richard, 3fr (Das
KOnstlerdrama in W.'s »Par-
sifal**). 1 1 ff (R. W.'s »Tann-
hiuser*. Sein Aufbau und
seineQuellen). 28fr (Zwei Briefe
R. W.'s an Julius Stocks). 31 tt
(Einiges Aber »Tristan und
Isolde". I.). 49ff (Bemard
Shaw und sein W.-Brevier).
55 er (Neue W.-Literatur). 68
(Bilder). 87 fr (Einiges Ober
»Tristan und Isolde". Schluß).
107. 114. 115. 116. 118. 119.
122. 125. 128. 131. 141. 147.
167. 182. 187. 188. 189. 190.
191. 103. 194. 196. 201.203.
213. 216. 220. 227. 236. 237.
248. 249. 250. 251. 252. 253.
254. 255. 258. 284fr (Die
Bayreuther Festspiele). 296.
298. 327 fr (W.'s Trisun-
Akkorde eine »Reminiszenz*).
341. 343. 345. 378. 379.
Wagner -Verein , Akademischer
(Graz), 127.
Richard Wagner- Verein (Darm-
stadt) 249.
Wagner, Siegfried, 1 19. 193. 221.
285. 287. 288.
Wahlen, Gertrud, 119.
Waltz, G, 254.
Walde, Doris, 191. 256.
Waldth««SMi-Stiftung 122.
Walker, Edith, 286. 287.
WallnOfer, Adolf, 121.
Walter, Benno, 130.
Walter, E, 193.
Walter, George A., 131. 185.
Walter, Ignaz, 77.
Walter, Raoul,250.255. 378.379.
Walter- Choinanus, Iduna, 124.
125. 191.
Walther-Schaeffer, Paul, 186.
Wanhal, J. B., 80.
Wareing, H., 314.
V. Wasielewski, J., 202.
V. Wasielewski, W., 362.
Wassilenko, S., 190.
WassUiew (Moskau) 190.
Weber, A., 71.
Weber, Bernhard Anselm,73.76.
von Weber, C. M., 71. 72. 73.
75. 78. 83. 114. 110. 125.
185. 191. 203.212. 221.222.
254. 255. 258. 308. 328. 331.
Weber, Gottfried, 71 AT (Briefe
Meyerbeers an G. W. aus den
Jahren 1811-1815, 1833 und
1837). 132 (Bild). 155fr(Briefe
Meyerbeers an G. W. aus den
Jahren 1811 — 1815, 1833 und
1837. Schluß). 269.
Weber, Gusttv, 167. 249.
Weber, G. (Komponist), 192.
Weber, Karl, 186.
Weber, Wilhelm, 123.
Wedekind, Erika, 182. 191.
Weger 132.
Wegmann, F., 124.
Weidenhagen, E., 128.
Weidig, G., 190.
Weidioger, Anton, 162 fr (A.
W. Biographische Skizze.)
Weidinger, Ferdinand, 146. 166.
Weidinger, Joseph, 166.
Weidt, K. 129. 188.
Weil, Hermann, 130.
Weilen, Josef, 66.
V. Weiler 77.
Weills (Kapellmeister) 116.
Weltrich, Richard, 57.
Wendel-Quartett 127.
Weingartner, Felix, 116. 119.
120. 123. 130. 185. 187. 188.
191. 221. 249. 252. 258.307.
366.
V. Weinzieri, Max, 125.
Weis, Karl, 221.
Weise, Christian, 338.
Weise, Hermann, 186.
Weiser, Carl, 119. 120.
Weismano, Julius, 250.
Weiß, Josef, 183.
Weilknborn, Hermann, 256.
WeiOleder, Franz, 115.
Weitzmann, K. Fr., 300. 362.
Welcker, Felix, 183.
Weiden, Anna, 248.
V. Weiden, Olga, 98. 123.
Welker, Max, 193.
Wellmann, Willi, 183.
Welter, Elsa, 190.
Wendel, Ernst, 127.
Wendung, Cari, 124.
Wenzel, Max, 186.
Werner, Anton, 114.
Werner, Philipp, 126.
Werner, Zacharias, 160.
Werner (Musikdirektor) 259.
Wesendonk, Mathilde, 55. 56. 59.
Wesendonk, Otto, 63.
Wette, H., 202. 213.
Wetz, Richard, 186.
Wetzel, Hermann, 291.
Whitehill, Clarence, 287.
Wickham, Florence, 193.
Widor, Ch. M., 130. 131. 254.
Wieck, Friedrich, 380.
Wieland, H. B., 100. 378.
Wiemann, Robert, 256.
Wieniawskl,Henri,183. 251.314.
Wietrowetz-Quartett 187.
Wihtol^ Joseph, 129. 365.
Wilcke, Fr., 128.
Wilde, Oscar, 190.
Wilhelm!, August, 257.
Wilhelmj-BöOneck 259.
Wille, Eliza, 63.
Wille, Georg, 257.
Wille, Hedwig, 258.
Wille, O. K., 258.
V. Wilm, Nikolai, 126.
Wilschauer, Maria, 114. 119.
Winckelshoir, H., 248.
Winderstein-Orchester 249.
Winkler, R., 126.
Wlntzer, Richard, 115.
Wirth, Moritz, 57.
WiO, Clara, 250.
Wissiak, Wilhelm, 119.
Wittgenstein, Prinzessin, 150.
Wohlgemuth, Gustav, 125.
Wohllebe, Walter, 119.
Wolf, Hugo, 115. 124. 125. 126.
128. 167. 182. 188. 193. 195.
200. 202. 203. 210. 212. 251.
256. 257. 258. 366.
Wolf, Sofie, 115.
Wolf-Ferrari, Ermanne, 129. 186.
221. 297.
Wolff, E. J., 257.
Wolfr, Hans, 186. 187. 194.251.
Wolfr, Julius, 324.
Wolfhim, Philipp, 188. 314.
Wolter, Chariotte, 250.
Woltereck, Marie, 183. 256.
V. Wolzogen, Elsa Laura Frei-
frau, 252. 259.
V. Wolzogen, Hans Frhr., 58.
59. 61.
Woyrschy FMk^ 186.
REGISTER DER BESPROCHENEN BÜCHER UND MUSIKALIEN
XIII
Wright, loa, 251.
Wailner, Franz, 167. 203.
l^Ollner, Ludwig, 114. 184. 187.
191. 193. 253. 324 (Bild),
wonach, Adolf, 124.
Ysaye, Eugene, 125. 127. 128.
129. 131. 185. 188. 189. 190.
194. 196 (Bild). 251. 253.
Ytaye, Th6o, 189.
Zajie, Florian, 127. 250. 257.
Zalaman, Gerard, 125. 282.
Zanardini, A, 62.
van Zanten, Cornelie, 101.
Zech, Fr., 125.
Zehme-Janaon, Frau, 251.
Zeisa, Eva, 164.
Zeias, Franz, 164.
Zeiss, Susaona, 164.
Zeller, Heinrich, 251.
Zeppelin, Graf, 284.
Zichy, G6za Graf, 221.
Ziehrer, C. M., 253.
Zilcher, Hermann, 187.
Zimin (Privatoper) 248.
Zimmert Albert, 65. 125.
Zippel, Alfred, 126.
Zöllner, Heinrich, 183. 188. 193.
195.
Zöllner, Geheimrat, 28.
Zackerman, Angusta, 193.
Znmpe, Herman, 182^.
Zaachneid, Kari, 129.
REGISTER DER BESPROCHENEN BÜCHER
B61art, Hans : Friedrich Nietzsche
und Richard Wagner. 60.
Biemath, Ernst: Die Gitarre
aeit dem dritten Jahrtausend
vor Christus. Eine musik-
und kulturgeschichtliche Dar-
stellung mit genauer Quellen-
angabe. 362.
Bruna, Paul: Neue Gesangme-
thode nach erweiterten Grund-
lehren vom primiren Ton. 103.
Calvocoressl , M. - D. : Mous-
sorgaky. 173.
Chamberlain, H. St.: Richard
Wagner an Ferdinand Priger.
Zweite Auflage. 63.
EUis, William Ashton: Life of
Richard Wagner. Vol. VI. 59.
Golther, Wolfgang: Richard
Wagner an Eliza Wille. Zweite
Auflage. 62.
— Tristan und Isolde in den
Dichtungen des Mittelalters
und der Neuen Zeit. 64.
Kielhauser, E. A.: Die Stimm-
gabel, ihre Schwingungsgesetze
und Anwendungen in der
Physik. 105.
KloD, Erich: Richard Wagner in
seinen Briefen. 58.
KloD, Erich : Wagner- Anekdoten.
61.
Krone, Walter: Wenzel Malier.
Ein Beitrag zur Geschichte
der komischen Oper. 172.
V. Lenz, Wilhelm: Beethoven.
Eine Kunststudie. I. Teil:
Das Leben des Meisters. Neu-
druck mit Ergänzungen und
Erläuterungen von Alfr. Chr.
Kalischer. 364.
LIeonart, Joseph y Ribera, An-
tonio: Lohengrin. Traduccioen
vers directa del Alemany. 62.
Lipps, Theodor: Ästhetik, Psy-
chologie des Schonen und der
Kunst. Teil 2: Die ästhe-
tische Betrachtung und die
bildende Kunst. 170.
Mennicke, Carl: Hasse und die
BrQder Graun als Sympho-
niker. 103.
J.-G. Prod'homme: OEuvres en
prose de Richard Wagner
traduites en franyais. Bd. 1.
56.
Prosniz, Karl: Handbuch der
Klavierliteratur 1 830— 1 904,
historisch-kritische Obersicht.
363.
Riedel, F.: Erläuterungen zu
Richard Wagnera Wel^Tra-
gOdie .Der Ring des Nibe-
lungen*. 56.
SchmiedeljOtto: RichardWagnera
religiöse Weltanschauung. 59.
Schweitzer, Albert: J. S. Bach.
234.
Seidl, Arthur: Vom Musikalisch-
Erhabenen. Zweite Auflage.
235.
Semper, Manfred: Daa Mflnche-
ner Festspielhaus. Gottfried
Semper und Riebard Wagner.
60.
Thuren, Hjalmar: Folkesangen
paa Faereerne (Der Volks-
gesang auf den Faröern). 237.
Richard Wagner-Jahrbuch. Zwei-
ter Band, 1907. 57.
RichardWagnera photographische
Bildnisse. 55.
V. Wolzogen, Hans: Musikalisch-
dramatische Parallelen. Bei-
träge zur Erkenntnis von der
Musik als Ausdruck. 58.
— Von deutscher Kunst. 61.
REGISTER DER BESPROCHENEN MUSIKALIEN
Agate, Edward: Sechs Lieder fOr
eine hohe Singatimme und
Klavier. 108.
Andreae, Volkmar:op. 10. Sechs
Gedichte von C. F. Meyer fflr
eine Singatimme und Klavier.
368.
Amoud-Krever: La perfection
du mteanisme. 238.
Blech, Leo: op. 16. Drei Lieder.
241.
V. Brücken Fock, G. H. G.: Die
Wiederkunft Christi oder das
nahende Gotteareich. 106.
Deutsche altlivländiache Volka-
lieder (Gustav Frhr. v. Man-
teuflTel). 365.
Gemsheim, Friedrich: op. 78.
Konzert fflr Violoncello und
Orchester. 366.
Grfltzmacher ]un., Fr.: Kammer-
muaikatudien zeitgenössischer
Tonsetzer für Violoncell. 366.
Halm, August: Kompositionen
fOr Pianoforte, Heft II und III.
367.
Hundert lettische Volksweisen
0. Wihtol). 365.
Karg -Eiert, Sigfrid: op. 69.
.Dekameron". Eine Suite von
zehn leichten, instruktiven
Charakteratflcken fflr Klavier
zu zwei Händen. 241.
Karlowicz, Miecyalaw: op. 9.
„Wiederkehrende Wellen."
Tondichtung für Orchester.
107.
Kiengel, Julius: op. 45. Konzert
in e moll für zwei Vloloncelle
und Orchester. 366.
KOrber, Jan: Lieder für eine
Singatimme und Orchester.
176.
Liazt, Franz : Concerto pathftique
in e-moU (Bearbeitung für
XIV REGISTER DER BESPR. ZEITSCHRIFTEN- UND ZEITUNGS AUFSÄTZE
Pianoforte und Orchester von
Richard Burmeiater). 175.
Liazt, Franz: Mephisto - Walzer.
(Bearbeitung für Pianoforte
und Orchester von Richard
Burmeister.) 176.
Medtner, Nicolaus: op. 1. Acht
Stimmungsbilder fOr Piano-
forte. — op. 2. Trois im-
provisations pour piano. —
op. 7. Drei Arabesken fQr
Klavier. — op. 11. Sonaten-
triade fflr Klavier. 367.
Musik am sächsischen Hofe.
Bd. 10: Altsichsische histo-
rische Mirsche und Königs-
hymnus (Otto Schmid). 240.
v. Othegraven, August: op. 20.
9 Ritter ritdem Knappen dies",
fQr Minnerchor, vier HOmer
und Klavier. 240.
Pfitzner, Hans: op. 18. An den
Mond. Fflr eine Singstimme
mit Begleitung des Piano-
forte. — op. 10. Zwei Lieder.
368.
Reger, Max: op. 00. Sechs
Priludien und Fugen fflr
Klavier zu zwei Hinden.
Heft I und II. 241.
Scriibine, Alexander: op. 48.
Quatre prilu^es pour piano. —
op. 40. Trois morceaux pour
piano. — op. 51. Quatre mor-
ceaux pour piano. 367.
Sibelius,Jean: op. 17, No.5,6,7.
Drei Gesinge mit Klavier-
begleitung. 368.
Suk, Josef: op. 27. Symphonie
»Asrael*. 106.
Taubert, Ernst Eduard: op. 70.
Suite (No. 2) in F-dur. Sechs
Tondichtungen nach Goethe-
sehen Worten fOr Pianoforte.
365.
Toch, Ernst: op. 0. Melodische
Skizzen fflr Klavier. — op. 10.
Drei Priludien für Klavier zu
zwei Hinden. — op. 11.
Scherzo fflr Klavier zu zwei
Hinden. 367.
The Wa-Wan Press (Carlos
Troyer: Indianermelodieen).
173.
Zöllner, Kurt: op. 7, 8, 0. Kom-
positionen für Klavier. 108.
REGISTER DER BESPROCHENEN ZEITSCHRIFTEN-
UND ZEITUNGSAUFSÄTZE
Abert, Hermann : Zur Frage des
Gesangunterrichts an höheren
Lehranstalten. 112.
Adrian, P.: Die Bemer Lieder-
ufel. 178.
Allgeyer, Andreas: Modulation
und Mollgeschlecht im Gesang-
unterricht derVolksschule. 112.
AUix, G. : R6impression de trait6s
musicaux du moyen ige. 360.
Antclilfe, Herbert: Music the
essential art. 374.
— Schumann: a german event.
374.
— British music and its affluents.
374.
— The poetic basis of Brahms*
pianoforte music. 375.
Arnoux, Alexandre: Le goOt de
la musique chez Stendhal.
360.
Aubry, Pierre: Iter Hispanicum.
II.: Deux Chansonniers fran^ais
i la biblioth^ue de l'Escorial.
III.: Les Cantigas de Santa
Maria de don Alfonso el Sabio.
IV.: Notes sur le chant mo-
zarabe. V.: Folklore musical
d'Espagne. 178.
Auer, Max : Zur Wagner- Feier der
Liedertafel (Salzburg). 247.
d'Auriac, Lionel: Un problime
d*e8th6tique wagn6rienne. 360.
Bachmann, Alberto: L'oeuvre
de Paganini. 360.
Barth, Th.: Zur Diskussion Ober
den vierstimmigen Kirchen-
gesang. 111.
Bastico, Guido: Sagigio di una
bibliografia di libretti muslcali
di Feiice Romani. 376.
Bastyr, Hans: Zehn goldene
Singerregeln. 181.
Batka, Richard: Musikunterricht.
111.
— Der Merker. 180.
Baumann, L.: Etwas über den
Vortrag. 181.
Bayreuther Blitter : Theodor
Bertram f* 161.
— Richard Wagner an Grifln
Pourtalös. 181.
— Aus dem Briefwechsel zwi-
schen Wagner und Nietzsche.
181.
Becker, S. : Carl Simon Catel und
Ludwig Niedermeyer. 111.
V. Beaulieu, H.: Der »große
Prozeß* in Richard Wagners
Dichtung. 246.
Bein, Leopold : Zur Volkskunde.
181.
Berg, W.: Die Entstehung der
Stimme im Kindesalter. 110.
Bemouilli, Eduard: Zu Runges
Textausgaben mittelalterlicher
Monodieen. 170.
Bierbaum, Willi: Die Singer-
fahrt des Basler Minnerchors
nach Wien. 178.
Böhme, Meinhardt: Ober die
Ursachen des Detonierens im
a cappella-Gesang. 110.
Bordes, Charles: De 1' Interpre-
tation des Oeuvres de Jean-
Philippe Rameau et des mattres
de l*op6ra fran^als aux XVII.
et XVIIL si^cles. 371.
Bomstein , Paul : Friedrich
Hebbel und Robert Schu-
mann. 246.
Boutarel, Am6d6e: Sporschil et
Beethoven. 371.
Bouyer, Raymond: Un document
inapperyu sur Torchestration
des mattres. 371.
— D'embarassantes questions
sur r^volution de l*orchestre.
371.
— Autres probl^mes soulev^s
par r^volution de l'orchestre.
371.
— Orchestre et litt^rature:
6change de bona procMto.
371.
— L*appr6hension de la d6ca-
dence ou la superstition du
progris. 371.
— Interpreter and virtuoso. 372.
Braun, Otto: Die Todestragik in
Wagners Dramen. 181.
Brenet, Michel: Alexandre
Ritter d*aprte un livre r^cent.
370.
— Rameau. Essai de bibliogra-
phie. 371.
Brodsky, Mrs.: An attack upon
Dr. Richard Strauß. 373.
Browne, James A.: Modem
music for the people. 374.
— From John Banlster to Henry
J. Wood. 374.
— Orchestras past and present.
375.
REGISTER DER BESPR. ZEITSCHRIFTEN- UND ZBITUNGSAUFSÄTZE XV
BuBdi, G.: Kirchengesang in der
Gemeinde Zuoz. 111.
Calvocoressiy M.-D.: Esquisse
d*une esth^tique de la muaique
ä Programme. 170.
— Muaique et muaicologie ang-
laiaea. 369.
— Boris Godunow. 369.
Cametti, Alberto: Donizetti a
Roma. 376.
Calmus, Georgy : Drei satiriscli-
kritische Aufsitze von Addison
Ober die italienische Oper in
England. 170.
Canudo, Ricciotto: Le drame
musical contemporain. 360.
— Litt^rateurs symphonistes.
360.
Carraud, Gaston : La danse dans
rop6ra de Rameau. 371.
Castex, A.: Die Behandlung der
Stimmorgane. 110.
Cebrian, Adolf: Der Gesang-
unterricht an höheren Knaben-
schulen und seine Bedeutung
fQr die allgemeine Bildung.
113.
Celani, Enrico: Cantori della
Capella Pontiflcia nei secoli
XVI— XVIII. 375.
— Bekannte Minnergesangs-
Komponisten im Bilde der
Statistik. 181.
Challier sen., Ernst: Heinrich
Heine, der Lieblingsdichter
der deutschen Komponisten.
Eine statistische Plauderei.
181.
Chantavoine, Jean: L'afTalre
Rameau. 371.
Chass6y Charles: La musique
anglalse moderne. Une inter-
view avec Mrs. Rosa New-
march. 370.
Chilesotti, Oscar: Notes sur le
guitariste Robert de Vis6e. 170.
Classy, Jean : Musical England.
Quelques notes sur les soci6t6s
choralea. 370.
Clay, Felix: The origin of the
aeatbetic emotion. 170.
Collet, Henri: La musique
espagnole moderne. 360.
Le Courrier Musical: Le centra-
lisation et lea petites chapellea
musicales. 370.
— Vies parall^lea des grands
musiciena contemporains. I.:
Camille Saint-SaCns. 370.
— A propos de Liszt. 370.
— Etudes musicales en Alle-
magno. 371.
de Courzon, Henri: Schumanns
Lieder. 372.
Creutzburg, Nicolaus: Zur Kritik
des modernen Materialismus.
181.
Cumberland, Gerald : The scien-
tific school of musical criticism.
372.
— A new composor: Edward
Agate. 373.
Dihne, Paul : Siebentes deutsches
Singerbundesfest in Breslau.
113.
Dihnhardt, Oskar: Volkskunde
und Schule. 181.
Debay, Victor: Pour les jeunes
compositeurs. 370.
— Hippolyte et Ariele i Top^ra.
371.
Deiage, Edmond: La musique
i Berlin. 370.
Dent, Edward J.: Leonardo Leo.
170.
— Jacopo Calascione and the
band of Venice. 375.
Dodge, Janet: Ornamentation as
indicated by signs in lute
tablature. 170.
DrOmann, Christian: Welche
Forderungen sind gegenwirtig
zu erheben, um einen korrekten
und einheitlichen Gang der
evangelischen Kirchenlieder zu
erzielen? 113.
Droste, Carlos: Hedwig Reicher-
Kindermann. 246.
Ecorcbeville, Jules: Germainset
Francais. 181.
— Un mariage gr^gorien. 360.
— Le lutb et sa musique. 360.
Ehlers» Paul: Das MQnchner
KQnstlertheater. 246.
Eichberg, Rieh. J.: Ober die
Aufgabe von Harmonium-
Vereinen. 180.
Einstein, Alfred : Italienische Mu-
siker am Hofe der Neuburger
Witteisbacher (1614—1716).
170.
Emmanuel, Maurice: Le »temps
fort* dans le rythme. 370.
Ergo, Emil: Ober Wagners
Melodik und Harmonik. III.
181.
Erler, Hermann : Niels W. Gade.
242.
Faur6, Gabriel: Edouard Lalo.
371.
Feld, Kaiman: Äußerungen be-
rühmter Dirigenten Ober die
Leonoren-OuvertQre No. 3.
243.
Feiner, Karl : Zur Naturgeschichte
des Schauspiels. 181.
Ferber, Fritz Carl: Hermann
Beckh f. 181.
Fichna, Frau : Zur sozialen Lage
der Kunstgesanglehrer. 110.
Fitz Gibbon, H. M.: Lady
flautists. 372.
Flauu, Th. S.: Stimmveriust
nach Eingriffen an den Stimm-
lippen. 1 10.
Foerster, J. B.: Die Laien und
die Kunst. 376.
Forchhammer, Viggo: Stimm-
ansatz oder Tonansatz. 100.
Frankfurter Zeitung: Richard
Wagner als Supplikant. 245.
Freimark, Hans: Im Konzert-
saal. 180.
Freuden berg, Wilhelm : Der mu-
sikalische Zeitgeschmack. 243.
Freye, Karl : Romane der Gegen-
wart und Jean Paul. 181.
Gachnang, Kd. : Das Schwelzer-
psalm-Denkmal in Zarich.
178.
Galli, Amintore: Musica artifi-
ciosa. 375.
Ghignoni, P.: La musica sacra
e la realti delle cose. 376.
Golther, Wolfgang: Der »Parsi-
fal" - Abend des Frauenbil-
dungsvereins (Schwerin). 247.
Götz, Josef: Die Geschichte
eines Nachtwichtemifes. 181.
GOtzinger, F.: Basler Musik-
schule und Konservatorium.
177.
Grivell, H.: Germanen und
Franzosen. 181.
Greilsamer, Luden: Lutherie.
L'hygiine du violon. Conseils
pratiques sur l'entretien des
Instruments i archet en vue
de leur conservation. 370.
V. Greyerz, Otto: Volkslieder.
111.
Groller, B. : Das Geigenspiel des
Steirischen. 181.
Groz, Albert: Une nou volle
Oeuvre de M. Vincent d'Indy.
370.
— Trois Senates modernes. 371.
Grzymala, Graf Albert: Chopins
letzte Stunden. 242.
Gusinde, A.: Karl Friedrich
Zelter. 110.
Gutzmann, Hermann: Ober den
sog. primiren Ton. 112.
Haeser, W.: Joseph von Eichen-
dorff. 111.
Hamburger Fremdenblatt: Ri-
chard Wagner und Herv6. 245.
Handke, Robert: Zur Disposition
des Volksschulgesangunter-
richtes. 100.
Harrison, Bertha: Twelve
o'clocka: new and old. 375.
XVI REGISTER DER BESPR. ZEITSCHRIFTEN- UND ZEITUNGSAUFSÄTZE
Das Harmonium (Leipzig) : Cyrlll
Kistler f- IBO.
— Wo sind die bahnbrechenden
Faktoren in der Harmonium-
literatur? 180.
— Eine Krisis im Verein der
Harmoniumfreunde in Berlin.
180.
— Rflckblick auf das erste Ver-
elnsjabr des Vereins der Har-
moniumfireunde zu Breslau.
180.
— Hermann Bürger. 180.
— Meyerbeer als Harmonium-
komponist. 180.
— Betrachtungen Qber das Werk
,L*orgue expressif ou Har-
monium* von Alphonse MusteL
180.
— Neue Wagner-Bearbeitungen.
180.
— Ober Reinheit der Tonkunst.
180. •
Harzen-MQller, A. N. : Das Ma-
drigal. 112.
Hassenstein, Paul: Das Deto-
nieren im a cappella-Gesang
und seine Verhütung. 110.
Hawardy Lawrence: The oppor-
tunity of the promenade con-
certs. 374.
Heinrich, Traugott: Phonetik
und Lautphysiologie in ihrem
Verbiltnis zur Gesanglehre.
113.
Hervey, Arthur: Joachim Raff.
A neglected master. 375.
HeO-Rfletschi, Cari: Ein- oder
vierstimmiger Gemeindege-
sang? 177.
Heuß, Alfred: Zum Thema:
Mannheimer Vorhalt. 180.
— Mozarts siebentes Violin-
konzert. 180.
Hildebrandt,UIrich: Das Stettiner
Musikleben in wirtschaftlicher
. Beleuchtung. 247.
Hoeft, Bernhard: Einfluß der
Herzogin Amalie von Weimar
auf das Theater und die Musik
ihrer Zeit. 100.
Hoffkneister, K.: Josef Suk*s
Symphonie »Asrael*. 376.
— Conrad Ansorge. 376.
HoUaender, Alexis: Die metho-
dische Erziehung zur Fähig-
keit eine Unterstimme zu
singen. 113.
HOvker, Robert: Eine tonpsycho-
logische Studie Ober » Kommt
ein Vogel geflogen*. 110.
Hudebni Revue (Prag) : Die neue
Oper am Theater Vlnohrady.
376.
Hudebni Revue (Prag): Urteil
von Ambros Aber Ludwig
Prochazka. 376.
Hug, Otto : Der Studentengesang-
verein Zürich. 178.
Hulka, Karl: Kimpfe um die
AuffQbrung in tschechischer
Sprache. 376.
Hurft, Jean: Musical dogmas:
Eclecticism. 373.
Imbart de la Tour, Georges:
La mise en sc^ne d'Hippolyte
et Ariele. 360.
Imbofer, R.: Ober musikalisches
GehOr bei Schwachsinnigen.
109.
Jaques-Dalcroze, Emile: Causerie
musicale. La trrraditlon. 370.
Jedlinski, Paul : A propos de la
reprised*,lphig6nieenAulide*.
370.
Jendrosseky Karl: Die »neuen
Bestimmungen* und der Ge-
sangunterricht in den Lehrer-
bildungsanstalten. 100.
Jerichau, Thorald: Edvard Grieg.
179.
Kaiser, Georg: Carl Maria von
Weber und die Schweiz. 178.
Keller, Otto: Joseph Pembaur.
242.
— Die Brahmsausstellung in
Wien. 242.
Kienzly Wilhelm: Erinnerungen
an Ludwig Prochazka. 376.
Kilburn, Nicolas: The recent
London .Promenades*. 180.
Kling, Henri : Helmine de Chezy.
375.
Knapp, M.: Wie Leonbard Euler
sich den Septimenakkord er-
kürte. 177.
Knosp, Gaston: Les chants
d*amour dans la musique
Orientale. 370.
Knott, Karl: Evangelische Kir-
chenmusik in Österreich. 113.
Kohut, Adolph: Max Bruch und
Johannes Brahma. 242.
Korrespondenzblatt des evan-
gelischen Kirchengesangver-
eins fOr Deutschland (Darm-
stadt): Der Dresdener Kreuz-
chor. 1 1 3.
— Der musikalische Teil der
V. Liliencronschen Chor-
ordnung. 113.
— - Das Volksliederbuch fflr
Minnerchor. 113.
— Obersiebt aber die Tätigkeit
der Kirchengesangvereine im
Jahre 1907. 113.
Kruse, Georg Richard: Otto
Nicolai und die Malibran. 180.
Kruse, Georg Richard: Otto
Nicolais »Lustige Weiber* und
ihre Vorgingerinnen. 242.
Kafflner: Musikalisches aus
Bayern. 1 1 2.
— F. Wiedermanns Notentafeln
mit Übungen fOr den Schul-
gesangunterricht. 112.
Laloy, Louis: La mer. Trois
esquisses symphonlques de
Claude Debussy. 360.
— Rimski-Korssakow. 370.
de la Laurencie, L.: A propos
des protecteurs deJ.-M. Leclair
ratn6. 179.
Lauterburg, G. : Reformierter
Kirchengesang. 1 77.
Leichtentritt,Hugo:Auffflhrungen
ilterer Musik in Berlin wäh-
rend des Winters 1907—1008.
180.
Leno€l-Zevort, Alix: De Tadap-
tation musicale. 360.
Leu, F. O. : Hugo Brflckler und
seine Lieder. 178.
Levi, C6sare: Moliire e Lulli.
376.
Liebscher, Arthur: Ein Lehr-
mittel im Dienste der sich-
sischen Seminarmusikreform.
112.
LObmann,Hugo: Notenfuchserei.
112.
— Die Pflege der Mehrstimmig-
keit in der Volksschule. 1 13.
Lowe, George: The music of
Edward Mac Dowell. 373.
Loewenbach, Jan: Zieht Nutzen
aus euren Urheberrechten !
376.
— Deutsche Erläuterungen von
Werken Smeuna's« 376.
— Der erste Apostel Smetana-
scher Musik. 376.
Ludwig, Friedrich: Ober Hei-
mat und Ursprung der mehr-
stimmigen Tonkunst 170.
Lux, Joseph August: Schutz den
Beethovenhiusern. 244.
Maclean, Charles: Music and
morals. 100.
— Seydley Taylor on Handel's
borrowings. 1 79.
Miding, Franz : Julius Gersdorff f.
181.
Malherbe, Charles: Le »Ra-
misme*. 371.
Marsop, Paul: Was will das
Mflnchener Kflnstlertheater?
242.
— Die beiden Barbiere. 246.
— Verdi und das Publikum. 246.
Märten, H.: Zur Geaanglehrer-
f^age. 112.
lifeGlSirält DER BE8PR. 2ElT9(äHinPTBN- UND 2BITim€SA&l«JlTZE XVtf
Mtftiiii: Bosnteche Volksmustk.
247.
Mtcrtf, Mmnd: Tfa^«üiditor. 375.
Maudair, Camüle: La Vdix
imtüdhe. ' 370.
— L*h6roi8me de Liszt. 371.
— Impres^ions 8ur Boris Godou-
now. 371.
Maurat, Edmood: De certatns
mouvements de Töpinit^n mu*
sicale contemporaine. 370.
Menzel, Paul: Ein Richard-
Wagner-Gedenkblatt. 243.
Moeglich, Alfred: Aus dem
Werdegange eines Geiger-
kOnigs. Zur Erinnerung an
August Wilhelm]. 244.
MOller, Jörgen: Vom rationellen
Sprechunterricht und seinem
gegenwirtigen Stande in Däne-
mark. 110.
Moos, Paul: Eine populire
Musikästhetik. 170.
— Psychologische Musikästhetik.
170.
Morel, Hermann: Kari Hermann
und seine Lehre der Stimm-
bildung. 110.
Mortier, Alfred: Le probl^me
musical. 370.
Moser, Hans Joachim: Joseph
Joachim. 181.
Mugellini, Bruno: Süll* inse-
gnamento del pianoforte negli
Istituti musicali d*Italia. 376.
MflUer, Erich: Dem Andenken
Franz Kuglers. 247.
Maller, Ernst: Schiller und die
Musik. 243.
MOUer, Heinrich: Die Chor-
schule. 113.
Mflnch, Amalie: Cinfabrung in
das Verständnis der Kantate
von J. S. Bach , Meinen Jesum
laO ich nicht*. 113.
— Die Pflege des rhythmischen
Sinnes in der Schule. 113.
Montbly Musical Record (Lon-
don): The new .language of
muslc*. 373.
— Heine and music. 373.
— Page for girls and boys:
About great musicians and
Great Britain. 374.
— Joseph Joachim. 374.
— The quartetts of Haydn. 374.
— Page for girls and boys:
More about geography. 374.
— Edvard Grieg. 374.
— Page for girls and boys:
About duets. 374.
The Musical World (London):
Reading at sight. 372.
— An unsolved problem. 372.
The Musical World (London):^
Mr. Glazönnow and fh« So-
ciety of Britfsh Com^sers.
372.
— My Continental holidajr. 372.
— Music as a profeasioh. 372.
-— Charra tn music. 372» '
— Jaques - Dalcrqze's rhyth-
mical gymnastics. 372^
-^ Two sorts of cönductors. 372.
— The royal academy of music:
Price day. 372.
— Royal Manchester College of
music: Annual public exa-
minations. 372.
— Moral value of orchestral
practice. 372.
— A great clarinettist. 372.
— Study, for its own sake. 372.
— Words for music. 372.
— Promenades that are gone.
372.
— Edvard Grieg. 372.
— Joseph Joachim. 372.
— The teaching of musical
aesthetics. 372.
— The J. S. M.* and its
examinations. 372.
— William Havergal Brian. 372.
— The man with the muck rake.
373.
— The music problem in Man-
chester. 373.
— A great teacher: Leschetitzky.
373.
— How did music originate?
373.
— Are musical examinations a
modern craze? 373.
~ A Chat with Mr. Leopold
Godowsky. 373.
— Two english composers: Dr.
James Lyon. — Mr. J. W.
Nicholl. 373.
— The practical side of har-
mony teaching. 373.
— The most proliflc composers.
373.
— Purity in music. 373.
— Orchestral conducting. 373.
— Church music and Services.
373.
— Music at St. Paurs cathedral.
373.
— The sorrows of a music
critic. 373.
— A Suggestion to Mr. Hol-
brooke or some other. 373.
— Dr. Perrin of Canterbury. 373.
— Pictures . . . and the musical
glasses. 373.
— Paganiniana. 373.
— John Coates, actor-musician.
373.
The Mutftal WorTd (LofKdoii):
Do exüminatfons ktad to
cramming? -373.
— Th^^aoiittittr oroheitra. 373.
— How orchestral playefi Are
paW. 373.
— Early overtures by Wagner.
37^
-— The dassical and romantic
scbools of music. 373.
— The music of Granville
Bantock. 373.
— Hugo Wolf and Wagner. 373.
— When should candidates be
examined? 373.
— Edward A. Mac Dowcll. 373.
— August Wilhelm]. 373.
— Haydn*s pianoforte sonatas.
374.
— Page for girls and boys:
About music and languages.
374.
— National hymns. 374.
— Page for girls and boys:
About a lively family. 374.
— The year 1907. 374.
— A new storehouse teachers.
375.
— Hugo Wolf. 375.
— Page for girls and boys:
On calling things by theyr
wrong names. 375.
— Viols. 375.
— Wagner at Zürich. 375.
— Page for girls and boys:
More about oratorio. 375.
— Page for girls and boys:
On giving up music. 375.
— Justin Heinrich Knecht. 375.
— The progress of the appoggia-
ture. A study towards the
analysis of melody. 375.
Nagel, Wilibald: Kleine Mit-
teilungen zur Musikgeschichte
aus Augsburger Akten. 170.
Nebuska, Otokar: V. Novak*s
Tongedicht «Toman und die
Fee*. 376.
Nef, Kari: Ein Voriäufer von
Hector Berlloz. 111.
— Die EntWickelung des refor-
mierten Kirchengesangs in
der deutschen Schweiz. 111.
— Die Verbreitung des Alp-
horns. 111.
— Die Chorkonzerte. 177.
— Kammermusik. 177.
— Die Symphoniekonzerte. 177.
— Das Liederbuch des eidge-
nossischen Sängervereins. 1 78.
— Elemente der Musikästhetik.
178.
— Kunstlied und Volkslied. 180.
Neuert, Fritz: Der deutsche
II
XVIII REGISTER DER BESPR. ZEITSCHRIFTEN- UNO ZEITUNGSAU FSÄTZE
MinaerKesing und Mioe
Hauptvertreter. 181.
Neumann, Hedwig: Aus den
Erinnerungen eines Konzert-
flOgels. 180.
Newmarch, Rosa: Stassow as
musical crhic 375.
— Russian opera in Paris:
Moussorgsky's «Boris Godou-
now*. 375.
NieckSy Fr.: The difilculties of
the young music teaclier. 374.
— The sons of J. S. Bach:
Johann Christian Bach. 375.
— The sons ofj. S. Bach: Carl
Philipp Emanuel Bach. 375.
— The sons of J. S. Bach:
J. C. Friedrich and W. Friede-
mann Bach. 375.
Noatzsch, Richard: Mozart und
Salzburg in ihrem gegenseitigen
Verhiltnis. 113.
— Die Erziehung des Publikums
zum selbstindigen GenieOen
musikalischer Kunstwerke.
113.
— Rhythmische Atemübungen.
113.
Noriind, Tobias: Vor 1700 ge-
druckte Musikalien in den
schwedischen Bibliotheken.
170.
Novotny, Vad. J.: Meine Er-
innerungen an Friedrich Sme-
tana. 376.
— Josef Levs Erinnerungen. 376.
— Frau Marta Prochazka. 376.
Orthmann, Willy: Hermann
Kretzschmar. 246.
Parker, D. C. : The development
of music in the human mind.
374.
— The reformer in music. 374.
— The place of Meyerbeer. 375.
Pasini, Francesco: Prolegom^nes
i une 6tude sur les sources
de l*histoire musicale de
Tancienne figypte. 179.
— Esquisse d'une philosophie
de rhistoire musicale de la
Grdce. 180.
Paul, Ernst: Aus der Praxis des
Stimmbildners Prof. Ed. Engel.
113.
Picka, Frantisek: Das Opem-
repertoire des Landestheaters.
376.
Piovano, Francesco: Un op6ra
inconnu de Gluck. 170.
— Baldassare Galuppi. 376.
Pirkl, Leopold : Hans Staudinger.
181.
Pohl, Luise: Eine Erinnerung
an Anton Rubinstein. 245.
Pommer, Josef: Pflegt das
deutsche Volkslied I 181.
— Ober A. R. von Spauns
Sammlung Österreichischer
Volksweisen. 181.
V. d. Pfordten, H. Frhr.: Wie
singt man Hugo Wolf? 110.
Pougin, Arthur: Antoine Stradi-
varius. 371.
— Quelques Souvenirs sur le
grand vloliniste Rode. 372.
— Une famille de grands luthiers
Italiens: ,Les Guarnerius*.
372.
Prelinger, Richard: Richard Wag-
ners Briefe an seine erste Frau,
Minna Wagner. 178.
Prendergast, Anhur H. D. : Talus
and the ,Et incarnatus". 170.
Prod*homme, J.-G.: Deux lettres
de R.Wagner. 170.
Prout, Ebenezer: Two valuable
reprints. 373.
Prflmers, Adolf: Zweck und Ziele
des Schulgesanges. 113.
— Die Hand aufs Herz! 180.
— Königsberg und seine Mu-
siker. 246.
Pruniires, Henry: Lecerf de la
Vi6ville et Testhötique musi-
cale classique au XVIIesidcle.
370.
Quittard, Henri: Deux fetes
musicales au XV e et XVI e
si^cles. 100.
— La premiöre comödie fran-
Caise en musique. 360.
Reichel, Alex : Autorrechtlicbe
Schicksale eines Studenten-
liedes. 177.
Reisert, Karl: Ein ScbQlerabend
Robert Kothes. 112.
Rendall, E. D.: Towards the
reform of musical notation.
375.
Riemann, Hugo: Die Metro-
phonie der Papadiken als
LOsung der byzantinischen
Neumenschrift. 170.
— Beethovens Mödlinger Tinze
vom Jahre 1810. 170.
— Der ScblQssel der altbyzan-
tinischen Neumenschrift. 170.
— Der strophische Bau der
Tractusmelodieen. 170.
Ritter, William: La musique
tcbdque aprös Smetana. 370.
— La Sniegourotchka de Rimsky-
Korssakow. 371.
de Robeck, Nesta: Notes on
the Society of the mastersingers.
374.
Robinson, Percy: Hindel, Erba,
Urio and Stradella. 170.
Roeder» Karl: Ober Dirigenten-
praxis. 112.
— Die Textbehandlttng Im Ge-
sangunterricht. 113.
Rohde, Erwin: Briefe an Wagner.
181.
Roner, Anna: R. M. Breithaupts
»Die natOrliche Klavier-
technik«. 111.
Rflst, S.: Die Gesangsmethode
von E. Jaques-Dalcroze. 178.
Sachs, Curt: Eine bosnische
DoppelflOte. 170.
Saint-SaCns, Camille: La musi-
que de Gluck. 371.
Scharwenka, Franz: Der Musik-
lehrer. 243.
Schering, Arnold: Joseph Joa-
chim. 100.
— Zum Thema: Hindels Ent-
lehnungen. 180.
Scbeumann, A. Richard : Minner-
gesangfeste in Deutschland von
1827—1845. 113.
— Vor 25 Jahren! Ein Er-
innerungsblatt an das Dritte
Singerbundesfest zu Hamburg.
113.
— Die allgemeinen deutschen
Gesangfeste In den Jahren
1845, 1846 und 1847. 113.
— Heiteres und Ernstes aus
dem Leben und Wirken Julius
Ottos. 113.
— Kleine Ursachen — grolk
Wirkungen. Ein Erinnerungs-
blatt aus der Geschichte der
Regiments - Singerchöre in
PreuDen. 113.
Schiedermair, Ludwig: Briefe
Teresa Belloc's, Giuseppe
Foppa*s und Giuseppe
Gazzaniga's an Simon Mayr.
170.
— Die Biatezeit der öttingen-
Wallersteinschen Hofkapelle.
170.
Schlegel, Artur: Die Aufgaben
des Chordirigenten. 113.
Schloesser, Adolph : Anton
Schindler. 375.
Schlosser, Rudolf: Max Zenker
f. 181.
Schloß, Ludwig: Gesangunter-
richt in ungarischen Volks-
schulen. 110.
Schmeck, A.: Dortmunds Musik-
verhiltnisse vor 150 Jahren.
244.
Schneider, Otto Albert: Renais-
sance und Barock in der bil-
denden Kunst und in der
Musik. 244.
Scholz, Bernhard: Der Nieder-
REGISTER DER BESPR. ZElTdCHRIPTEN- UND ZEITUNGSAUFSÄTZB XIX
gang der öffentlichen Musik-
pflege in Franlifiirt a. M. 245.
Schweizerische Musikzeitung und
Singerblatt (Zürich): Minner-
chOre von Peter Cornelius.
110.
— Auslindische Rundschau. 1 10.
— Vom Volkslied im Kanton
Luzern. 111.
— Zum 50. Todestage von Carl
Czemy. 111.
— Edwin Schultz f. Hl-
— Zur Entwickelung des Min-
nergesangs. 111.
— Zum lOOjihrigen Bestand
der Firma Gebr. Hug & Co.
io Zaricb. 111.
— Angerer-Jubilium. 111.
— Die schweizerische National-
hymne. 178.
— Engiadina, Cl^anzuns ladinas.
178.
— Zum Jubilium der Berner
Musikschule. 1 78.
— Die musikalischen Bestre-
bungen in Baden. 178.
— Das kantonale Singerfest in
Chur. 178.
— Die IX. Tagung des Vereins
schweizerischer Tonkflnstler
in Baden, 1908. 178.
Seibt, Georg: Noch einmal Qber
die soziale Lage der Singer
und der Kunstgesanglebrer.
110.
SeifTert, Max: Die Verzierung
der Sologesinge in Hindels
«Messias**. 179.
Seiling, Max: Gegen den Monis-
mus. 181.
Seydel, Martin: Goethes Be-
deutung für die Kultur der
Stimme. 109.
Shtieber, N. G.: Russian gipsies
and their music. 375.
Silhan, Anton: Wagners »Flie-
gender Holunder**. 376.
Sonneck, O. G.: Edward Mac
Dowell. 109.
Spelthahn, Heinrich: Exotische
Musik. 246.
Spitta, Friedrich : Zur AufTQhrung
der Passionen von Heinrich
Schatz. 113.
Stein, Bruno: E. Grieg und
seine Bedeutung fOr die
Musik, insbesondere fflr den
Gesang. 110.
Steiner-Schweizer. A.: Joachims
Beziehungen zu Zürich. 181.
Die Stimme (Beriin): Rflck-
blick auf das VII. Deutsche
Singerbundesfest in Breslau.
109.
Stober, Heinrich: Das deutsche
Volkslied in seinem Wesen
und seiner Geschichte. 181.
Stolzing, Josef: Richard Wagner
und die Moderne. 242.
— Richard Wagner Ober die
Moderne. 243.
Süddeutsche Singer-Zeitung(Hei-
delberg): Franz Curti f 181.
Teneo, Martial: Un romintique
sous Louis-Philippe. 370.
V. TidebOhl, Ellen: Wassili
Hjitsch Safonoff. 374.
Tiersot, Julien: Soixante ans
de la vie de Gluck (1714 bis
1774). 371.
— Une lettre in6dite de Rossini
et r Interruption de sa carridre.
371.
Thari, Eugen: Volkslied und
Lautenspiel. 244.
Thibaut, A. F.J.: Ober Bildung
durch Musiker. 180.
Thomann, Robert: Der Minner-
chor Zürich. 177.
Thomas, Louis: Poesie et musi-
que. 370.
Thuren, Hjalmar: Das dinische
Volkslied. 109
— Tanz und Tanzgesang im
nordischen Mittelalter nach
der dinischen Balladendich-
tung. 180.
Thylleri, Amölia: Ein Weg zur
Verbesserung der sozialen
Lage der Kunstgesanglehrer.
110.
Tommasini, Vincenzo: Claude
Debussy e Timpressionismo
nella musica. 376.
Torchi, Luigi: „Salom^* di
Riccardo Strauss. 376.
La Torre, Feiice: Degli effetti
dei suoni sugli uomini. 376.
Torrefranca, Fausto: L'allitera-
zione musicale. 376.
Torri, Luigi : La costenzione ed
i costruttori degli istrumenti
ad arco. 375.
Toye, Francis, und Boulestin,
Marcel : Beckmessörianisme
anglais. 369.
Tucholsky, Beru: Erinnerungen
an Johannes Brahma. 244.
d'Udine, Jean: La muslque des
syllabes et les sirftnes du
Docteur Marage. 369.
— La Classification des timbres
et les sons complömentaires.
370.
— Vies paralleles. II: Massenet.
370.
— Rimsky-Korssakow. 371.
Ulrich, Bernhard: Die »Pytha-
gorischen Schmids-FOncklein".
179.
Varton, Pol: Le Journal d*une
chanteuse annamite. 369.
Veis, J.: Eine einfache Kehl-
kopfmassage. 110.
Vogel, Georg: Ober deutsche
Gesangsaussprache. 1 10.
Wagner, Peter: Ober Choral-
rhythmus. 1 80.
Weckerlin, J. B.: Une pr6face:
Comment je devins biblioth6-
caire du conservatoire. 372.
Wedgwood James: Modem organ-
building: A new Manchester
organ. 372.
Wellner, August: Eduard Grell.
111.
Werner, Arno: Musik und Mu-
siker in der Landesschule
Pforta. 178.
Wettlo, Franz : Singenlernen und
Singenlehren. 109.
Wiedermann, Fr.: Schillers Be-
ziehungen zur Musik. 112.
Williams, C. F. A.: Presentday
accoropaniment of ancient
Greek melodies. 180.
V. Wolzogen, Hans: Richard
Wagner an Minna Wagner. 181.
— August Wilhelm] f- 181.
Wustmann, Rudolf: Zwei „Mes-
sias**-Probleme. 180.
— Bachfest in Leipzig, Kantate
1908. 180.
Zeitschrift der Internationalen
Musikgesellschaft (Leipzig):
The musician astronomer. 109.
— »Harmony** versus ,»Counter-
point" in teaching. 180.
— MufTaOs «Coroponimenti*.
180.
— Sibelius in England. 180.
Ziegler, Paul: Wo bleibt das
»Kinderbuch* von Ludwig
Erk? 112.
■■■r'-fux .H-iiSB ii-i'
DAS KÜNSTLERDRAMA IN
WAGNERS PARSIFAL
von Dr. Richard Zimmermann-Lübeck
^^^ ■ ^ I 1 ^ i 1 j I ■
Qrei^Sehnsuchtsquellen speisen den Zaubersee der Vagnerschen
. Kunst: die natürliche Sehnsucht nach einem seeltsch-sinnlicben
' Vollglück seines Ich, die heilige Sehnsucht nach einer be-
. Friedigenden Lebensgemeinschaft aller Schmerz und Lust fühlen-
den Wesen dieser Erde, die Sehnsucht des Künstlers endlich nach einer
befriedigenden Existenz des Kunstwerks wie des Künstlers.
Die hier gedachte Sooderung ist freilich in der Person und der
Kunst Vagners ebensowenig vorhanden, wie in der Natur gesonderte Ele-
mente sieb finden. Auch in seinem .Parsifal" durchdringen sich jene
Strömungen. Der erkennende Geist aber wird ohne diese Trennung sich
nicht vermitteln können. So richten sich denn die folgenden Betrachtungen
nur auf eins der Lebenselemente des .Parsifal*; nur als ein Gleichnis
seines Künstlerlebens und -erlebens sehe ich jetzt den .Psrsifsl* an, mir
wohl bewußt, daß damit die Lebens- und Sinnfülle des Werkes durchaus
nicht erschöpft ist.
Der Heilige Gral
Das schönste Phänomen unseres Seelenlebens ist jener still in sieb
and ihrem Gott befriedete Zustand der Seele, der bei höher organisienen
Naturen sieb zu einer das Subjekt beglückenden reichen Innenwelt der
Gedanken und Gefühle steigert. Vorzügliche Genien, mit der Gabe des
Kunstschatfens ausgestattet, haben jenem seligen Innenleben in Kunst-
werken Vahmehmbarkeit und Dauer verliehen, andere Genien, zur Religions-
stiftung beanlagt, haben denselben Zustand als religiöse Vermichtnisse
überliefert. Umfaßt man beiderlei Wirken in einem Symbole, so ist das
segenspendende Zaubergeßß, der Heilige Oral, das sinnbildliche Ergebnis
aller jener edelsten Betltigungen des menschlichen Geistes.
Grslsbüter
Von Geschlecht zu Geschlecht lebt und erneuert sich der Heilige
Gral, immer neue Genien deuten das Vermichtnis und schaffen von
neuem seine Kraft Als solch ein berufener Gralsbnter fühlte sich Wagner;
ja, es war bei zunehmendem Alter sein immer bestimmteres Bewußtsein,
daO er unter allen Zeitgenossen der erste der Berufenen, daß er der Grals-
könig seiner Zeit sei.
4
DIE MUSIK VII. 19.
Die Amfortaswunde
Besteht nun das Wesen jener höheren Idealwelt eben darin, daß sie
nur als beglückendes Innenleben vorhanden ist, höchstens in einem selten
sich bildenden Kreise weniger Auserlesenen teilweise sich verwirklicht, im
fibrigen aber auf das Dasein im Kunstwerk angewiesen ist, so erzeugt
diese Absonderung gerade in starken Naturen Verlangen und Drang nach
draußen, nach Eroberung und Gewinn der wirklichen Welt, die so golden
uns anlacht, es müßte denn sein, daß dem Genius für die Gestaltung
seines Lebens eine glückliche Beschränkung oder wunschlose Entsagung
beigegeben ist, wie es etwa bei Bach oder Beethoven (Titurel) zu er-
kennen ist. *
Schon der an sich edle Drang, sich mitzuteilen, führt aus der reinen
Idealität in die Arme der Frau Welt. Diesem reinen Wunsche mischen
sich aber sofort Begehrungen anderer Art bei. Den Künstler verlangt es
nicht nur, sein Innenglück in seine Mitmenschen zu ergießen, er wünscht
auch Liebe und Anerkennung dafür einzutauschen, er will von Liebe ge-
tragen sein; in letzter Linie, je bedeutender und stärker sein Naturell ist,
wird er den Drang verspüren, auf die Gestaltung der wirklichen Welt ein-
zuwirken, und um so heftiger nur, je herrlicher das Weltbild ist, das ihm
vor der Seele steht. Goethes Eintritt in Weimar, Schillers Brief an das
französische Parlament, ja eigentlich seine ganze Dichtungsweise mögen
als bekannte Beispiele hierfür gelten. Den Künstler Wagner ergriff der
Wahn, die Welt nach einem Wunschbilde zu gestalten, in der Revolutions-
zeit von 1848. Sein stolzester Gedanke war, der in seinem Sinne um-
gewandelten Menschheit diese ihre Umwandlung in einem Kunstwerke von
unerhörter Neuheit darzustellen. Künstler und Volk, Ideal und Leben
sollten eine Vermählung feiern, daß Schillers Wort «Seid umschlungen,
Millionen'' eine ungeahnte Erfüllung fände. Frau Welt aber verlachte den
Künstler, der ihr mit brünstiger Umarmung nahen wollte. Hohn und
Spott, Verfolgung und Verbannung trug er davon. Nur konnte die eine
große Schmach, die er erlitt, ihn nicht vor neuer Schmach behüten. Wohl
konnte er davon ablassen, der Wirklichkeit eine Wunschgestalt aufprägen
zu wollen; wohl auch davon, seinem Kunstwerke (»Ring des Nibelungen'')
die unmittelbare Beziehung für die lebendige Gegenwart zu erzwingen,
nimmer aber davon, das Kunstwerk selbst seinem Wunsche gemäß ins
Leben hineinzusetzen. Und auch schon dieser Drang leitete ihn immer
wieder wonneverlangend in die Arme der Frau Welt. Wohin ihn auch
sein Dämon führte, überall versuchte er sein Kunstideal der Welt annehm-
bar zu machen, und überall gab ihm die Welt dieselbe Antwort. In Zürich,
in Paris, in London, in Wien, in kleinen und großen deutschen Residenzen,
5
ZIMMERMANN: KONSTLERDRAMA IM PARSIFAL
ja, selbst in Rußland bot er sich an, und überall trug er die aus seines
Sehnens Quell ewig erneute Qual, fiberall die brennende Wunde davon,
sich wieder an den Pranger gestellt zu haben. Überall bedurfte es nur
der Enthfillung seines Kunstideals, um täuschende Annäherung in Gleich-
gültigkeit, um schnell verfliegende Begeisterung in Spott und Verleumdung
zu verwandeln. Und der Quell der Sehnsucht nach dieser lachenden,
goldigen Welt wollte sich dennoch nicht schließen. Getragen sein, als
der Meister anerkannt, geliebt sein, — es wollte in ihm nicht aufhören,
danach zu schmachten, — zu seiner eigenen, furchtbaren Pein. Denn'
tiefer, als irgendeiner es ahnen konnte, fühlte er die Schmach, die er
durch dieses Sichsehnen seinem bessern Selbst, seiner hehren Kunst antat.
Die großen Meister vor ihm, wie als letzter und größter Beethoven
gelebt hatte (Titurel), waren glücklich in ihrem Kunstschaffen, weltabgekehrt,
selbstgenügsam in spärlicher Existenz, durchaus befriedet im Anschaun
des Kleinods ihrer Kunst; nur ihn wollte das stachelnde Verlangen nach
«Weltenwonne'' nicht verlassen, das ihm und seiner Kunst nur immer neue
Demütigungen einbrachte. Aus solch einem wunden Herzen quillt die
Bitte: «Erlöser, schließe die Wunde, daß heilig ich sterbe, rein dir ge-
sunde I**
Kundry
Hiermit sind im wesentlichen schon die Lebenseindrücke gezeichnet,
die den Künstler Wagner zur Gestaltung des hysterisch lachenden Weibes
anreizten. Noch klarer werden uns die Züge dieser Gestalt, wenn wir
Kundry in die Reihe oder vielmehr in den Gegensatz zu den übrigen
Frauengestalten Wagners stellen. Denn abgesehen von der Venus im
sogenannten «Pariser Tannhäuser", der Wagner, meines Erachtens nicht zum
Vorteil dieser Göttin, Kundry-Elemente zugeführt hat, steht Kundry ganz
abseits von allen Wagnerschen Frauengestalten. Isolde freilich und in ge-
wisser Hinsicht Eva sind auch in gesondener Stellung. Aber auch diese
sind, wie die übrigen, im Wesentlichen Geschöpfe seiner Sehnsucht,
Kundry dagegen bedeutete für Wagner den plastisch angeschauten Dämon
der Wirklichkeit.
Regungen der Sehnsucht sind gewiß allen höher, besonders allen
künstlerisch organisierten Naturen eigentümlich, auch dann, wenn der vor-
herrschende Charakter eines Individuums zu einem sich selbst genügenden
Ruhestand hinneigt, dem tiefen Alpensee vergleichbar, der Bergeszinnen,
Mond und Sterne rein abspiegelt. Diese letztere Anlage tritt in Wagners
Gesamtbild jedenfalls sehr zurück gegen eine nur mit heroischem Maße
zu messende Sehnsucht einer geradezu hungernden Seele. Aus dieser
Seele sind die Gestalten entstiegen, an denen der Künstler wie der Mensch
6
DIE MUSIK VII. 19.
ü
seiner Sehnsucht Sättigung zu geben suchte. Dem Plane unserer Be-
trachtung entsprechend, vergegenwärtigen wir uns jetzt an der Reihe seiner
Frauengestalten nur das, wozu der Künstler sie für den Künstler erschuf:
Senta, die ersehnte Heimat für den in der Fremde Irrenden; Elisabeth,
die jungfräulich deutsche Seele für den vom weltstädtisch-französischen
Genußleben Unbefriedigten; Elsa, das unbedingt glaubende Wesen für den
einsamen, von der Welt unverstandenen und verdächtigten Künstler; Sieg-
linde, das gleich wie er selbst, wie die deutsche Kunst, wie das deutsche
Volk in unwürdigen, fremden Banden gefesselte deutsche Wesen, das sich
aus schmachvoller Gesetzlichkeit zur Freiheit und Würde, wenn auch dem
Tode entgegen, losreißt; Brünnhilde endlich, «das kühne, herrliche Kind**,
die zu neuem Leben erweckte Germania, und ebenso, des mythischen
Schimmers ledig, als bürgerlich schlichtes, aber nicht minder die deutsche
Art verkörperndes Wesen, Eva, die es selbst ausspricht, daß sie des
Meisters Geisteskind ist:
„Durch dich nur dacht'
ich edel, frei und kühn:
dtt ließest mich erblühn!''
— sie alle sind die Geschöpfe einer allgewaltigen Sehnsucht, mit der er
sich in die Wunschseele seiner Nation versenkte, um als Weckrufer ihr
das lebenvolle Wesen zu entlocken, das die Gabe seines Genius liebend
empfange. Gewiß haben diese germanisch-deutschen Frauenbilder wiederum
in unzähligen jungen Menschen seelenbildend gewirkt. Im Ganzen aber
blieb ihm die Nation den beglückenden und zu seinem Lebenswerke
stärkenden Gegengruß schuldig. Witzbolde nichtdeutscher Herkunft konnten
die Rolle übernehmen, ihm zu antworten. Diese bittere Erfahrung, die
die Summe seines Künstlerlebens vergällte, wirkte dann auch mitschalfend
an der letzten, allen früheren so entgegengesetzten Frauengestalt des
Meisters, an Kundry, dem Dämon der «Frau Weif*, wie mittelalterliche
Dichter sagen würden. Der Glaube an ein deutsches Volk, aus dem ihm
das blonde, blauäugige, stammesreine Ideal anstrahlte, schwand dahin. Das
Auge, keiner holden Täuschung mehr fähig, sah das semitisch-arische
Völkergemisch mit seinen unreinen Instinkten, unfähig, das Große und
Reine zu lieben, ein endlos durch das Dasein sich wiedergebärendes Etwas,
lebenbegierig, aber in und mit sich in tausendfältigem Widerstreit und nur
in der Wut gegen das mit reinem Bewußtsein sich ihm entziehende Höher-
geartete sich immer gleichbleibend. Dieses Weltwesen verkörperte sich
ihm in Kundry, «Gundryggia dort** germanischen Anteils, «Herodias" hier,
semitischer Abkunft. Wehe dem Künstler, der ihr wonneverlangend in
die Arme sinkt! Er umarmt ein hysterisch lachendes Weib.
ZIMMERMANN: KÜNSTLERDRAMA IM PARSIFAL
Klingsor's Zauberschloß
Der Ort nun, wo der Kfinstler und Frau Welt sich begegnen, ist ein
Wunderschloß, das ein Zaubermeister mit arger List hergerichtet hat.
Dieser Zauberer kennt die schlechten Instinkte, die von je mit den höheren
und reineren Trieben ihren Kampf geführt haben. Er kennt den Hang der
Welt zu schlaffSer Verweichlichung, er kennt ihre öde Langeweile, die sich
zerstreuen will. Den schlechten Neigungen zu frönen, lockte er an: süße
Kost und bunte Pracht bietet er aus. Er steht nicht im Dienste der himm-
lischen Muse, die als heilig-ernste Göttin, als Erlöserin, als beglückende
Freundin sich herabneigt; er ist der Herr und Meister seiner Odalisken,
die vor müden Augen ihren Tanz schlingen. Selbst unfähig, die Muse
zeugend zu umarmen, lockt er Schaffende an sich, er legt ihnen Fallstricke,
stellt ihnen Preise und frohlockt ihrer „Feilheit''; sind sie erst einmal, von
Genuß- und Gewinnsucht verführt, in seine Dienste getreten, so werden
sie, vor sich selbst entehrt, nie wieder den Weg zu ihrem bessern Selbst,
zum Gralstempel ihres Schaffens zurückfinden, »sie bleiben ihm zugewiesen**.
Seiner eigenen Schmählichkeit drückend bewußt, ist er der Feind alles edlen
Schaffens; gerade darum aber streckt er neidisch-lüstern nach dem Aller-
edelsten (Gral) seine Hände aus, um es entstellt und verfälscht als neues
Lockmittel in seinem Zaubergarten zu verwenden. Klingsor heißt der
Magier im «Parsifal*. In der Welt hat er tausend Namen und hat immer
und überall gelebt, wo die Himmelsgabe des Genius ins Getriebe des Lebens
hineingerät An die schaffende Kunst macht sich die Ausbeutung der Kunst
heran. Besonders überall da, wo die Bretter aufgeschlagen werden, die
die Welt bedeuten, lauert der Dämon Klingsor, und immer werden hier
die Geister des Gralstempels und die von Klingsors Zaubergarten um die
Herrschaft streiten. In der Wirklichkeit des Lebens wird auch hier jene
Mischung eintreten, die überall in unserer von Widersprüchen vollen Welt
zustandekommt. Der Dichter aber stellt uns in seinem Bilde die Geister
rein geschieden dar. Werden wir uns daher des Künstlergletchnisses
bewußt, das die Handlung im „Parsifal** keineswegs ausmacht, wohl aber als
ätherisches Element durchdringt und umschimmert, so erkennen wir in
dieser Gedankensphäre Klingsor als den bösen Geist im Leben der Kunst,
der mit dem Schlechten seine Rechnung macht und durch Geisterzwang
auf Beute ausgeht. Durch die heilige Magie der wahren Kunst soll dieser
Geist gebannt und die von ihm vorgetäuschte Pracht »in Trauer und
Trümmer* gestürzt werden. Das Drama selbst aber, das Klingsors Ver-
nichtung darstellt, soll als Einweihung der neu entstehenden Bühne die guten
Geister als Schutzgeister ins neue Haus einführen: so ist das Drama ein
Festspiel zur Bühnenweihe, wie es sein Meister beziehungsvoll genannt hat.
8
DIE MUSIK VII. 19.
M
Parslfal
Dem Kampfe gegen Klingsors Geist und Reich galt recht eigentlich
die ganze Energie von Wagners Künstlerleben; aber vor dem Kampfe auf
dem weiten Felde der Außenwelt hatte er in seiner eigenen Brust den
Entscheidungssieg zu erringen, dem nicht unähnlich, den in der griechischen
Fabel Herakles erringt, als die beiden Frauen ihm am Scheidewege er-
scheinen. Auch er hatte die Wahl. Wie kein anderer hatte er den Hang
der europäischen Theaterwelt ersehen, er kannte die Zauberkünste der
jüdisch-franzdsisch-italienischen Oper, er beherrschte ihre berückenden
Mittel wie kein anderer; ihm winkten die goldenen Ernten auf ihren Gefilden;
ein stürmisches Verlangen nach Freiheit des persönlichen Lebens, nach
Getragensein auf wohliger, dienstbarer Woge des Lebens jagte durch seine
Adern — und er kehrte sich ab von Klingsors Lustreiche, jener ernsten,
erhabenen Kunst zugewandt, der er unter langen Entbehrungen und Kämpfen
unerhörter Art eine reine Stätte zu bereiten gewillt war. So wohnten die
Amfortassehnsucht und die einer höchsten Lebensaufgabe sich weihende
Entsagungskraft Parsifals nebeneinander in seiner Brust.
Ludwig Parsifal
Und doch trat ihm einst auch aus der Außenwelt an einem ent-
scheidungsvollen Wendepunkte seines Lebens ein rettender Parsifal leib-
haftig entgegen, gewiß die wunderbarste Erscheinung in seinem vielbewegten
Leben. Damals, als dem 50jährigen Manne nach dem Zusammenbruch
seiner Wiener Existenz «des letzten Trostes Täuschung schwand*, als alle
vorhandenen und auch die noch unfertigen Partituren im voraus verpfändet,
als alle Anerbietungen, selbst demütigender Art, ihm keine Lebensbasis
verschaffen konnten, da erschien ihm Ludwig, der königliche Jüngling, welt-
unberührt und weltabgekehrt, mit einem Herzen, das anscheinend nur von
der heiligen Lust erfüllt war, ein erhabenes Ziel edelster Kunst zu erreichen,
das Ziel, dem zuzustreben dem Manne schon der Mut zu sinken drohte.
Von Ludwig wurde er von neuem zur Dichtung eines « Parsifal '-Dramas
begeistert; Parsifal nannte er den königlichen Jüngling selbst in vertrautem
Kreise. Der Glanz dieser bei der ersten Berührung so magischen Erscheinung
mußte freilich beizeiten erblassen, und vor allem die Willenskraft, die zur
Erreichung eines Parsifal-Lebenszieles gehörte, konnte er nur im eignen
Busen finden.
Des Speeres Heimgeleite
Der Künstler, der der Verwirklichung eines Kunstideales sein Leben
weiht, hat in dem Kampfe für seüie Kunst nur eine siegbringende Waffe:
sein Kunstwerk selbst. «Ich kann nur in Kunstwerken reden", sagte
9
ZIMMERMANN: KÜNSTLERDRAMA IM PARSIFAL
Wagner, dem doch wie keinem anderen Künstler das durchleuchtende wie
schneidende Wort zu Gebote stand. Und «ich habe keinen Fuß breit Erde,
wo ich ganz das sein könnte, was ich will". Was er wollte, war groß
und neu, aber keineswegs unmöglich. Der Geist edler Menschlichkeit,
wie er aus den Werken der vergangenen großen Meister in Dichtung und
Musik ausstrahlte, hatte in seinem Schaffen eine neue Erscheinungsform
gewonnen: das tonvermählte Drama. Um dieser Kunstform zu wirklichem
Leben zu verhelfen, bedurfte es einer außergewöhnlichen Veranstaltung:
des Festspiels. Das Festspiel selbst aber wiederum konnte nur dann den
ihm innewohnenden und überhaupt erst Berechtigung gebenden menschlich-
idealen Geist offenbaren, wenn es den Händen eines geschäftlichen, auf
Gewinn rechnenden Unternehmertums völlig entwunden und als reine
Gabe des Genius dargeboten wurde. Für diese Idee hat Wagner über
30 Jahre gekämpft. Rückschauend müssen wir heute gestehen, daß die
Forderungen, die er zugunsten dieser Idee an Fürsten und Volk, -zuletzt
an Kaiser und Reich stellte, durchaus bescheiden waren, bescheiden im
Verhältnis zu den Mitteln, die anscheinend für andere wohl auch ideale,
aber femliegende, tote, ja oft nichtige Dinge immerfort flüssig sind. Daß
hier nun er, der doch auf zweifellos überragende Kunsttaten hinweisen
konnte, an erbärmlichen finanziellen und persönlichen Hemmnissen seine
Kraft aufreiben mußte, daß er immer wieder vom Wege abgedrängt wurde,
»wähnte er ihn schon recht erkannt'', das mußte ihm wohl wie die Wirkung
eines wilden Fluches erscheinen, mit dem Frau Welt ihn in die Irre trieb,
da er ihrem Hang und ihrer Neigung zu widerstehen gewagt hatte. Werk
um Werk gestaltete sich im Reiche seines Schaffens, und eins nach dem
andern mußte er dahin geben, wo es entstellt nur zur Mißdeutung seines
Wollens und zur geschäftlichen Ausbeutung diente und ein ihn selbst nur
peinigendes Scheinleben gewann. Ja, er selbst mußte sein größtes Werk
zerstückeln und zersplittern, um es — widerspruchsvoll genug — als
Kampfmittel für die Festspielaufführung zu verwenden, und als nach un-
erhörten Mühen die Tat gelungen war, zwang ihn die äußere Not wieder,
es überall hinzugeben, wo es der Verwahrlosung und Entstellung anheim-
fiel. Erkennen wir in diesem Lauf der Dinge objektiv auch eine ver-
nünftige Notwendigkeit und sogar vielleicht einen künstlerischen Gewinn,
so werden wir dennoch auch den an Verzweiflung grenzenden, tiefen Un-
mut dessen begreifen, der nach allen Mühen seine Idee immer wieder
vereitelt und seine Kunst der Verzerrung anheimfallen sah.
In solchem Gewühl äußerer Kämpfe, halber Scheinerfolge und innerer
Pein durfte er sich dennoch eines stillgeheimen Trostes versehen: eines
früh empfangenen, mit ihm wachsenden, sich umbildenden, vertiefenden,
die Widersprüche in ihm auseinanderlegenden und lösenden, den wahren
DIE MUSIK VII. 19.
Slon seines KQnstlerlebens am reiasten spiegelnden Verkes. Und nicht
nur seines Künstlerlebens. Aas dem eigenen Leidenskern erwuchs ihm
sympathetisch das Gefühl vom Leiden der Veit, mit der eigoea Entsagaogs-
krart gewann er Anteil an dem erlfisenden Heldentum, das den schlingenden,
zehrenden Dämon, der die Welt durchrast, als reiner Liebesgeist zu bannen
vermag. Dieses Werk hütete und wahrte er als eine heilige Waffe vor
Entweihung im gemeinen Kampfe ums Leben. .Denn nicht Ihn selber*
— den heiligen Speer — .dürft' ich führen im Streite"; .unentweiht"
wollte er Ihn an seiner Seite führen und des boheo Tages harren, wo er
auf heiligersehntem Boden den Speer aufpflanzen kSnnte. Und der Tag
erschien. Des nun fast siebzigjährigen Meisters letztes Werk, von keiner
unberufenen Hand betastet, keiner Zerstückelung, keiner Alltagsschau-
stellung zuvor preisgegeben, offenbarte Klang und Bild auf dem geweihten
Hügel; aheimgeleitet, heil und hehr schimmernd*, als des Grales heiliger
Speer, schloß das Werk des Meisters Wunde, der nun .nach langer Irr-
fahrt Staub* in einem reinen Elemente, „als König* von den Seinen «ge-
grüßt*, Werk, Amt und Leben beschloß.
geutschheit emei^tereRd* vermerkte Goethe im Schetnt seiner
n Lebensgeschichte als bezeichnendes Ergebnis seiner StraCburger
I Epoche. Die lange gehegte Vorliebe für franzdsisches Wesen,
I der Wunsch, es sich völlig zu eigen zu machen, hatte ihn
nach Straßbnrg getrieben, und er mu&te erleben, dalt er eben hier, „an
der Grenze von Frankreich, alles Tranzesiscben Wesens auf einmal baar
and ledig* werden sollte.
.Deutschheit emergierend": man könnte die Worte ebenso als ange-
messene Überschrift über Richard Wagners Pariser Lebensabschnitt setzen.
Mit uusend Masten war er ausgefahren nach dieser Hauptstadt der Kunst.
Fröhliche HoiAinng, ehrgeizige Träume von Ruhm und Erfolg schwellten
die Segel. Voll aufrichtiger Andacht war er eingezogen in dieses Mekka
aller Gläubigen jungdeutscher Konfession. Nur zu bald aber sollte bittere
Enttäuschung ihm die Augen öffnen. Nicht lange und er schrieb nach
Hanse: .Wie ist mir wohl, daß ich ein Deutscher binl' und da er endlich
heimkehrend, nach fast drei Jahren der tiefsten Leiden und Entbehrungen,
den Rhein erblickte, schwur er mit hellen Tränen im Auge dem deutseben
Vaterland ewige Treue.
Man weiß, wie er den Schwur gehalten.
In Paris noch war der „Fliegende Holländer' aus dieser Sehnsucht
nach der Heimat geboren. Freilich einer Heimat in einem höheren als dem
bloß politischen Sinne. Deutsch und französisch bedeuten hier mehr als
einen nur nationalen Gegensatz; es sind lediglich bezeichnende Ausdrucks-
formen entgegengesetzter Lebens- und Kunstauffassungen. Wagner hat in
Paris vor allem sich selbst gefunden. Er gibt es von nun an auf, mit
seinem Schaffen äußeren Erfolgen nachzutrachten, den Forderungen des
Tages sich zu bequemen. Die Sterne, die In ihm leuchten, bestimmen
fürder allein seinen Kurs. Man kennt seine Bemerkung, daß er mit dem
.Fliegenden Holländer* die Bahn des Verfertigers von Opemtexten verlassen
habe, um wirklich Dichter zu werden. In der Tat ist dieses Werk zuerst
ganz Gelegenheitsdichtung in dem Goetbeschen Sinne des Wortes. Und
er sucht von da an dauernd nicht mehr nach Stoffen, die Effekt machen
können; er kann nur mehr gestalten, was ihn als Erlebnis im Innersten
12
DIE MUSIK VII. 19.
Ji
getrofFen, was ihm, mit Goethe zu reden, im Augenblick «auf die Nägel
brannte". Nur über die äußeren Formen, in denen sein Schaffen sich
bewegen muß, kann er wohl noch gelegentlich schwanken. Natur hat
ihm, dem Dichterkomponisten, eine einzigartige Form künstlerischer
Äußerung auferlegt, deren Gesetze erst erfahren sein wollen. Der dunkle
Drang des Genies weist ihm den Weg, den bald auch theoretische Über-
legung erhellen wird. Immer deutlicher kommt ihm zum Bewußtsein, daß
allein Mythus und Sage ihm Stoffe bieten, in denen er seine künstlerischen
Absichten zu verwirklichen, seine künstlerischen Visionen in ihrer ganzen
Tiefe und Reinheit mitzuteilen vermag. Kein Wunder denn, daß wir nach
dem «Holländer" alle anderen, zum Teil schon weit geförderten Pläne
versinken sehen, als ihm der Stoff des «Tannhäuser" aufgegangen ist.
Wagner hat sich in der «Mitteilung an meine Freunde" über die
Entstehungsgeschichte dieses Werkes eingehend geäußert und den Kreis
der Quellen bezeichnet, die er dafür benutzte^). In der letzten Zeit seines
Pariser Aufenthaltes sei ihm «das deutsche Volksbuch von Tannhäuser" in
die Hände gefallen, das ihn sogleich aufs heftigste ergriff. Besonders un-
widerstehlich habe ihn die, wenn auch lose Verbindung angezogen, in der
hier der Tannhäuser mit dem Sängerkrieg auf der Wartburg gebracht war,
den er schon früher aus einer Erzählung E. T. A. Hoffmanns kennen
gelernt habe. Nun ward er veranlaßt, das alte Gedicht vom Sängerkrieg
zu studieren, auch Tiecks Novelle «Der getreue Eckhardt und der Tannen-
häuser" sei von ihm wieder gelesen worden, freilich ohne daß ihre
mystisch-kokette, katholisch-frivole Tendenz ihm Teilnahme abgenötigt hätte.
Man hat lange eingesehen, daß diese Angaben unmöglich genau zu-
treffend sein können. Es gibt kein deutsches «Volksbuch" vom Tann-
häuser, und nirgends ist in alter volkstümlicher Überlieferung seine Gestalt
mit dem Sängerkriege in Verbindung gebracht. Vielmehr gehen die beiden
Stoffe in der Überlieferung durchaus getrennt nebeneinander her. Die
Tannhäusersage lebt in dem alten Volksliede, das wir bis ins 16. Jahr-
hundert zurückverfolgen können^. Da die Gelehrten des 17. Jahrhunderts
es in ihren Kuriositätenkram aufgenommen hatten, war seine Kenntnis
auch den Gebildeten nie ganz verloren gegangen; durch die Mitteilung in
«Des Knaben Wunderhom" und Heines begeisterte Lobpreisung und Be-
arbeitung im «Salon" wurde es wieder Gemeingut. Die Fiktion des
Sängerkriegs aber ging aus dem alten Gedichte des 13. Jahrhunderts in
die meistersingerische Tradition über. Direkt aus ihr entnahm den Stoff,
vermittelt durch Wagenseils Schrift «Von der Meistersinger holdseliger
>) Schriften 4>, 260.
*) Man übersieht die Oberlieferung bequem in Erk-Böhmes Liederbort, 1, 42ir.
13
PANZER: TANNHÄUSBR
9ff
Kunst", E. T. A. Hoff mann und gestaltete ibn zu der Novelle .Der Kampf
der Singer'', die zuerst 1810 erschien^); er gab ihr das bewegende Motiv
durch seine Erfindung eines Streits um die Liebe der Gräfin Mathilde,
Hofdame des Landgrafen, zwischen den Freunden Wolfframb von Eschin-
bach und Heinrich von Ofterdingen. Auch dramatisch aber ward der
Stoff bald darauf bearbeitet von Fouqu6 in seinem 1828 erschienenen
«Dichterspiel*: Der Sängerkrieg auf der Wartburg.
Diese beiden Überlieferungsreihen sind erst in Wagners Werk zu-
sammengeflossen, und was uns hier heute einen so wunderbar einheitlichen
Eindruck macht, als sei es von je und je dagewesen, entstammt in Wahrheit
einer eigenartigen Kombination, die alle ihre Vorgänger für ihre Zwecke
zu nützen verstand. Man wird sich nicht wundern, daß dieser Umstand
auch die Forschung gereizt hat. Wir besitzen schon eine ganze Reihe
von Untersuchungen darüber^, in denen der Sachverhalt sich aber doch
nie erschöpfend und in einer den literarischen Tatsachen genau ent-
sprechenden Weise dargestellt findet. So mag ein neuer Versuch sich
immer lohnen; er schließt sich am besten an eine fortlaufende Analyse
des Dramas an.
Der Beginn der Oper zeigt die durch das Tannhäuserlied gegebene
Situation: der Held weilt im Venusberge. Die Schilderung des Lebens im
Berge hat Stimmung und Farben von Heine und Tieck empfangen. Vor
der Menschen «blödem, trübem Wahn* sind hierher .der Freude Götter
entflohn tief in der Erde wärmenden Schoß*. Das entspricht der Auf-
fassung Heines, der in seinen Auseinandersetzungen über die Elementar-
geister unmittelbar vor der Mitteilung des Tannhäuserliedes von dieser
Zertrümmerung der schönen antiken Götterwelt durch das vordringende
Christentum gesprochen hat. Aus ihr trete in deutscher Sage besonders
Venus hervor, «die, als ihre Tempel gebrochen wurden, sich in einen
geheimen Berg flüchtete, wo sie mit dem heitersten Luftgesindel, mit
schönen Wald- und Wassernymphen das abenteuerlichste Freudenleben führt.
Schon von weitem, wenn du dem Berge nahest, hörst du das vergnügte
Lachen und die süßen Zitherklänge, die sich wie eine unsichtbare Kette
um dein Herz schlingen und dich hineinziehen in den Berg*^). So erscheinen
denn auch bei unserem Dichter Nymphen, Amoretten, Grazien usw. als
Hofgesinde der Frau Venus, schwelgend in Düften und Klängen. Gewiß
0 Werke, herausgegeben von Grisebacb, 7, 22 IT.
*) Ich nenne außer den einschlägigen Abschnitten der Biographien besonders
die Aufsitze voa W. Gohber, Bayreuther Blätter, 1880, S. 132ff.; Bayreutber Tascben-
kalender, 1891, S. 8ff. und R. Sokolowsky, Bayreutber Blätter, 1904, S. 223ff. [Dazu
kommt jetzt Golther, Walhalla 3 (1907), ISff. Korrekturnote.]
^ Heines Werke, herausgegeben von Elster, 4, 428.
L\.r
14
DIE MUSIK Vll. 19.
msm
aber gab auch Tieck Anregung, dessen Tannenhäuser^) im Berge «das
Gewimmel der frohen heidnischen Götter, Frau Venus an ihrer Spitze*,
begrüßte; »sie sind dorthin gebannt von der Gewalt des Allmächtigen und
ihr Dienst ist von der Erde vertilgt". Und was dieser Tannenhäuser dort
genossen, wird auch Wagners Helden zuteil. »Alle Freuden, die die Erde
beut, genoß und schmeckte ich hier in ihrer vollsten Blüte, unersättlich
war mein Busen und unendlich mein Genuß. Die berühmten Schönheiten
der alten Welt waren zugegen, was mein Gedanke wünschte, war in meinem
Besitz, eine Trunkenheit folgte der andern, mit jedem Tage schien um mich
her die Welt in bunteren Farben zu brennen. Ströme des köstlichsten
Weines löschten den grimmen Durst, und die holdseligsten Gestalten gau-
kelten dann in der Luft, ein Gewimmel von nackten Mädchen umgab mich
einladend, Düfte schwangen sich bezaubernd um mein Haupt, wie aus dem
innersten Herzen der seligsten Natur erklang eine Musik und kühlte mit
ihren frischen Wogen der Begierde wilde Lüsternheit* usw. Übrigens
scheint auch die Herrlichkeit, die Elis Fröbom im Innern des Berges von
Falun erschaut, wo die hohe Königin thront, Wagner einige Züge für die
Schilderung seines Venusberges gegeben zu haben').
Das Drama führt uns sogleich den Konflikt vor Augen. Tannhäuser
ist müde geworden der holden Wunder, die er im Berge genossen; er
sehnt sich zurück nach der Oberwelt, nach ihren Freuden — und Schmerzen.
Wohl durfte er das Höchste genießen, als Gott sich fühlen in der Liebe
der Göttin:
«Doch sterblich, «cb! bin ich geblieben,
und übergroß ist mir dein Lieben;
' ' w6nn stets ein Gott genießen kann,
bin ich dem Wechsel Untertan;
nicht Lust allein liegt mir am Herzen,
aus Freuden sehn' ich mich nach Schmerzen.*
Dieser moderne Zug fehlt dem alten Liede. Es verlangte aber schon
Tiecks Tannenhäuser «wieder jenes Leben zu leben, das die Menschen in
aller Bewußtlosigkeit führen, mit Leiden und abwechselnden Freuden*. In
das Lied selbst hat dann Heines Bearbeitung ihn hineingetragen*):
') Schriften, 4 (Beriin 1828), 173 ff.
*) Bekanntlich hat Wagner am Ende seines Pariser Aufenthaltes E. T. A. Hoff-
manns Erzählung «Die Bergwerke zu Falun* zu einer Oper verarbeitet, deren Entwurf
kurzlich ans Licht getreten ist. Für unser Motiv vergleiche man Hoffmanns Werke,
herausgegeben von Grisebacb, 5, 175 f., 188 und den Entwurf, Bayreutber Blätter, 28, 174.
Ober diese Beziehung siehe jetzt auch M. Koch: Richard Wagner, 1, 307.
*) Er war dazu angeregt wohl nicht durch die oben angeführte Stelle bei Tieck,
sondern durch das alte Lied selbst. Hier sagt der Tannbluser Str. 10 «Mein Let>en
das ist worden krank", d. b. mein Leben ist elend, wertlos geworden; denn in der
15
PANZER: TANNHÄUSER
«Frau Vennsy meine schöne Frau,
Von süßem Wein und Kfissen
Ist meine Seele worden krtnk;
leb schmscbte nach Bitternissen.
Wir haben zuviel gescherzt und gelacht,
Ich sehne mich nach Trinen,
Und statt mit Rosen möchf ich mein Haupt
Mit spitzigen Domen Icrönen**
Gewiß ist Wagner von diesen Versen Heines angeregt worden. Sehr
schön hören wir seinen Helden aus den schwülen Paradieseswonnen des
Berges nach der reinen Natur sich sehnen:
»Doch ich aus diesen ros'gen Düften
verlange nach des Waldes Lüften,
nach unsres Himmels klarem Blau,
nach unsrem frischen Grün der Au',
nach unsrer Vöglein liebem Sänge,
nach unsrer Glocken trautem Klange — *
Möglich, daß die Stelle im letzten Grunde angeregt ist von Tiecks
Angabe, den Tannhäuser habe «der Wunsch zur alten unschuldigen Erde
mit ihren dürftigen Freuden*" ergriffen. Jedenfalls ist die Bemerkung »die
Zeit, die hier ich weil', ich kann sie nicht ermessen: -^ Tage, Monde —
gibts für mich nicht mehr, denn nicht mehr sehe ich die Sonne* usw.
durch dieselbe Quelle veranlaßt. » Wieviele Jahre so verschwunden sind,
weiß ich nicht zu sagen, denn hier gab es keine Zeit und keine Unter-
schiede.* Daß Wagner gerade dies Motiv aufgriff und ausbaute, ist auch
ein Zeugnis jenes sicheren Instinkts des echten Genies, der ihn, wie sich
hundertfach nachweisen läßt, überall bei seinen Entwicklungen und Er-
findungen über die alten Quellen hinaus, durchaus innerhalb des Geistes
und der Möglichkeiten der echten gewachsenen Sage halten läßt. Das
unbemerkte und ungemessene Hinschwinden der Zeit im Geisterreiche ist
ein stehender Zug, den ungezählte alte und neue Sagen vieler Völker
berichten^). VortrefTlich ist es im gleichen Sinne, daß von Wagner gerade
die Glocken hervorgehoben werden. In zahlreichen volkstümlichen Ober-
lieferungen wird uns erzählt, daß eben die Glocken es sind, die den Sterb-
alten Sprache hat «krank* nicht den eingeschränkten Sinn wie gegenwärtig, sondern
bedeutet, «krafdos, schwach* überhaupt, in übertragenem Sinne «gering, armselig,
wertlos* (vgl. speziell zu unserer Stelle die Beispiele für «krankes Leben* im Grimmschen
Wörterbuch 5^ 2028). Heine hat den Vers aber offenbar im neuhochdeutschen Sinne
mißverstanden und nun in der oben bezeichneten Weise modern entwickelt.
*) Vgl. z. B. die Samminngen von Wilhelm Hertz: Deutsche Sage im Elsaß,
S. 263IL, Spielmannsbuch, 2. Aufl., S. 355.
16
DIE MUSIK VII. 19.
liehen von den Geistern scheiden^). Ihren verheifiungsvollen, sehnsüchtigen
Klang vermag das Geisterreich nicht zu ertragen, wie der Sterbliche nicht
zu missen. Sehr schön wird also Tannhäusers Sehnsucht in ihrem Grunde
gleich in den ersten Worten angedeutet:
«Im Traum wir mir'Sy als hörte ich —
was meinem Ohr so lange fremd!
als hörte ich der Glocken froh Gellute: —
Oy sag*! Wie lange hört' ich's doch nicht mehr?*
Das Zwiegespräch zwischen Venus und Tannhäuser entwickelt sich
nach den Andeutungen des Liedes. Aus ihm stammt die lockende Auf-
forderung der Göttin nach der Grotte («So gehn wir in ein Kämmerlein
und spielen der edlen Minne*, heifit es im Liede). Dafi Tannhäuser vor
seiner entschiedenen Ablehnung nochmals seine dauernde Anerkennung
der ewig unvergänglichen Reize der Göttin betont («Stets soll nur dir, nur
dir mein Lied ertönen ... dein süßer Reiz ist Quelle alles Schönen *" usw.)
fuhrt deutlich auf Heine zurück, wo der Held ähnlich ablehnt («Frau
Venus, meine schöne Frau, dein Reiz wird ewig blühen* usw.). Es mag
aber auch hier ausdrücklich bemerkt sein, daß der entlehnte Gedanke
innerhalb des Dramas doch eine ganz andere und tiefere Bedeutung ge-
wonnen hat, da er die dauernde Berechtigung der sinnlichen Seite des
Lebens schon hier nachdrücklich ausspricht, die ja durch das ganze Drama
anerkannt wird; stehen sich Venusberg und Wartburg doch keineswegs
schlechthin als böses und gutes Prinzip gegenüber. Es liegt aber außer-
halb unserer Aufgabe, diesen in Wagners ganzer Persönlichkeit fest be-
gründeten und vielfach sonst von ihm theoretisch und künstlerisch aus-
gesprochenen Grundgedanken des Dramas näher zu erörtern*).
Ein Name befreit schließlich Tannhäuser aus dem Berge:
«Göttin der Wonne, nicht in dir —
Mein Fried', mein Heil ruht in Maria!''
Die Anrufung der Jungfrau ist aus dem Liede genommen. Sie steht
aber nicht in der von Heine nach dem «Wunderhorn* mitgeteilten Fassung.
Denn nicht diese, wohl aber andere Varianten (vgl. Erk-Böhme, Lieder-
hort, 1,44) kennen zwischen Strophe 13 und 14 die Verse:
«Frau Venus, nein, das will ich nicht,
Ich mag nicht länger bleiben,
Maria Mutter, reine Magd,
Nun hilf mir von den Weihen.*
^) Vgl. z. B. die Zusammenstellungen von Sartori, Zeitschrift des Vereins für
Volkskunde, 7, 360 f.
*) Vgl. darfiber etwa Licbtenberger: Richard Wagner, 1899, S. 114 f. und be-
sonders Rudolf Louis: Die Weltanschauung Richard Wagners, S. 107f.
PANZER: TANNHÄUSER
Wir haben hier also den Beweis, daß Wagner neben Heines Mit-
teilung noch eine andere Fassung des Liedes benutzt hat; sehr wohl aber
kann dies auch die Prosaauflösung in den «Deutschen Sagen* der Brüder
Grimm gewesen sein, die (I, 215 der 2. Auflage) den Zug gleichfalls enthält.
Mit einem Schlage sieht Tannhäuser aus dem Berge sich auf die
Oberwelt versetzt in das frühlingsgrüne Tal vor der Wartburg. Bald er-
klingt der Gesang des Hirten und nach und mit ihm der Pilger; Tann-
häuser preist die Gnade des Allmächtigen, die ihn der Erde wiedergegeben.
Ich habe diese Szene immer als eine der schönsten bewundert, die
Wagner gelungen sind. Gewiß ist schon die äußere Verwandlung mit
ihren hart aufeinander prallenden eigenartigen Gegensätzen höchst wirkungs-
voll. Ich bewundere die kleine Szene aber gerade um der Feinheit willen,
mit der hier bei plötzlicher Wandlung des Äußeren doch ein sachter
innerer Obergang aus dem Wunderreiche des Venusberges auf die Erde
bewerkstelligt wird, indem Inneres und Äußeres genial auf einander be-
zogen, wunderbar in eins gewoben erscheinen.
Im Liede des Hirten hier, der Pilger dort stoßen die beiden Welten
noch einmal auf einander. Tannhäuser sieht sich aus dem Götterreicho des
Berges heraus zurückversetzt in den lachenden irdischen Frühling, nach
dem er sich gesehnt. Der Glaube der Menschen selbst jedoch führt eben
diesen Frühling auf die Göttin zurück, die, aus dem Berge mit Glast und
Prangen hervorgezogen, über Nacht durch Felder und Auen wandelnd, diese
Lenzespracht ersprossen ließ. Zugleich aber erklingt schon der Gesang
der Pilger aus dem Tal, die unten sich gesammelt haben, um in Rom Er-
leichterung von der Last ihrer Sünden zu suchen. In diesen sinnlichen
Erscheinungen aber sehen wir ja nur Tannhäusers zerrissenes Innere gleich-
sam nach außen projiziert und fühlen tief mit ihm, wie er ergriffen in den
Gesang der Pilger einstimmt:
»Acb, schwer drückt mich der Sünden Last,
kann länger sie nicht mehr ertragen;
drum will ich auch nicht Ruh' noch Rast,
und wähle gern mir Muh' und Plagen.*
So ist die kurze Szene als Nachklang des Vorausgegangenen und
Vorklang des Kommenden ein vortrefflicher Übergang; zugleich aber bietet
sie eine wundervolle Versinnlichung des Innenlebens des Helden in einem
scheinbar absichtslosen, durchaus in der äußeren Handlung begründeten
Geschehen.
Stofflich bot für diese plötzliche Versetzung Tannhäusers in die
frühlingsgrüne Oberwelt das Volkslied keine Anregung. Hier heißt es
einfach: «Da schied er wieder aus dem Berg in Jammer und in Reuen."
Aber schon bei Tieck erzählt der Tannenhäuser: «Eine unbegreifliche Gnade
VIL 19. 2
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DIE MUSIK VII. 19.
des Allmächtigen verschaffte mir die Rückkehr, ich befand mich plötzlich
wieder in der Welt.* Das Dankgebet unseres Tannhäuser: vAllmächt'ger,
Dir sei Preis! Hehr sind die Wunder Deiner Gnade!" beweisen, dafi
Wagner diese Bemerkung Tiecks wirklich vorschwebte. Zugleich aber
stoßen wir hier nun zuerst auf das zweite Stoffelement, das unser Drama
aufbaut: den Sängerkrieg auf der Wartburg. Tannhäuser ist ja zugleich
der Heinrich von Ofterdingen des Sängerstreits^). Auch dieser weilte, von
den Genossen getrennt, lange in zauberhafter Feme, bei Klinsor in Sieben-
bfirgen. Und aus Klinsors Zauberreich wird er — nicht nach der Erzäh-
lung Hoffmanns, wohl aber nach der Darstellung Fouqu6's — plötzlich von
Geistern durch die Luft nach Eisenach zurückversetzt und mit Entzücken
begrüßt er, wie Wagners Held, die herrliche Natur des Landes:
»Sprecht I — Wären wir — ?
Meister Klingsor: Sind, wo Ihr hin begehrtet:
In Eurem Eisland oder Eisenland.
Heinrich von Ofterdingen (durch die offenen Fenster zeigend):
Das nennt Ihr Eis? Dies liebliche Geträume
Von Sonnenlicht und Schatten auf dem Rasen?
Das nennt Ihr Eisen? Diese grfinen Bäume,
Von duft'gen LQfcen schmeichelnd angeblasen?
Und nennt Ihr Eis die quelldurcbströmten Räume,
Drauf Lamm und Scbäflein fröblichbfipfend grasen?"
Ich halte die Vermutung ffir berechtigt, dafi Wagner aus dieser Szene
Fouqu6's, dessen Sängerkrieg wir ffir andere Stellen noch benutzt sehen
werden, die erste Anregung zur plötzlichen Versetzung Tannhäusers in
den Frühling vor der Wartburg genommen hat. Auch der Gedanke, den
Hirten die Wunder des Maies preisen zu lassen, kann ihm recht wohl
durch sie zuerst nahegebracht sein. Wir dürfen aber auch hier schon
auf Hoffmann verweisen, dessen Heinrich von Ofterdingen aus Sieben-
bürgen zurückkehrt, während die Sänger gerade im Garten der Wartburg
versammelt sind, geschäftig den jungen Frühling zu preisen. Plötzlich
tritt er da hinter den Bäumen hervor, und «mit freudigem Erschrecken
erkannten alle in ihm den verloren geglaubten Heinrich von Ofterdingen.
Die Meister gingen auf ihn zu mit freundlichen herzlichen Grüßen." (S. 38.)
Das ist ganz die Situation, die wir bei Wagner finden. Zugleich
aber ist dem Dramatiker damit jene Traum vision zusammengefiossen, von
der Hoffmann zu Eingang seiner Erzählung berichtet, dafi sie ihm über
Wagenseils Chronik aufgestiegen sei. An einem Frühlingsmorgen glaubte
er sich im Walde liegend; lustiges Hömergetön kündete einen Jagdzug an,
in dem eben der Landgraf von Thüringen und seine Sänger ritten, von
denen er vorher in Wagenseil gelesen.
^) Von diesem übernimmt er bei Wagner auch den Vornamen Heinrich.
19.
PANZER: TANNHÄUSER
Sechs Sänger treten bei Wagner, wie bei Hoffmann, auf. Ihre Namen
atimmen nicht zu diesem, der die meistersingerisch verderbten Formen
Wagenseils beibehielt, sondern zu den alten, reinen Formen, die auch
Fouqu6 aufnahm. Aber die Charaktere und Masken der einzelnen Sänger
sind vielfach nach den bei Hoflfmann gegebenen Andeutungen entwickelt.
Sogleich tritt Wolfram bedeutsam aus ihrem Kreise; wie bei Hoflfmann
wird er in einem engeren Freundschaftsverhältnis zu Heinrich gedacht.
Auch für die sinnlich-dämonische Auffassung des Helden selbst hat Hoflf-
mann den Grund gelegt. Als einen schönen bleichen JQngling schildert
er Heinrich von Ofterdingen, dem ein wildes Feuer aus den dunklen Augen
sprüht, dem alle Muskeln seines Gesichtes vor Schmerz zucken, als quäle
ihn ein unsichtbares Wesen, das hinter ihm aufgestiegen. Sein unruhiges
zerrissenes Innere klingt durch seine Lieder, die durch die innerste Seele
gingen. »Er wufite, selbst ganz aufgelöst in schmerzlichem Sehnen, in
jedes Brust die tiefste Wehmut zu entzünden. Aber oft schnitten grelle
häfiliche Töne dazwischen, die mochten wohl aus dem wunden zerrissenen
Gemüt kommen, in dem sich böser Hohn angesiedelt, bohrend und zehrend
wie ein giftiges Insekt.* Es schien, als klagten diese Gesänge »nur die
unermefiliche Qual des irdischen Seins und glichen oft dem jammernden
Wehlaut des auf den Tod Wunden, der vergebens hoflft auf Erlösung im Tode'.
Mit diesen Liedern aber hat der Ofterdinger sich die Gunst der Dame
erzwungen, die als »Stern des Hofes' auf der Wartburg leuchtet, der
Gräfin Mathilde. Sie ist bei Wagner ersetzt durch Elisabeth, die Nichte
des Landgrafen. Die Veränderung war gewifi sehr glücklich. Dieser Name
findet sogleich eine Resonanz in uns, da tt. die Erinnerung an die all-
bekannte, liebenswürdige Legende der Heiligen heraufbeschwört; ihre Ge-
stalt erleichterte zugleich die notwendige sittliche Vertiefung und Charakte-
risierung der Figur, die durch Hoflfmanns Novelle als ein blasser Schemen
geht. Der Ersatz lag wohl an sich nahe, mag aber auch noch dadurch
unterstfitzt sein, daß Hoflfmann selbst durch die Prophezeiung Klingsohrs
auf die Geburt der Elisabeth auf die Heilige hinweist.
Dramatisch außerordentlich geschickt ist es nun wieder, wie Tann-
hänser, der nicht in den Kreis der Sangesgenossen zurückzukehren begehrt,
gewonnen wird durch Wolframs Mahnung: »Bleib bei Elisabeth!' Das ist
der Zauber, der ihn bindet. Obermächtig wird die Erinnerung an die alte
Zeit in ihm lebendig und reißt ihn fort:
»Zu ihr! Zu ihr! O, führet mich zu ihrl
Ha, jetzt erkenne ich sie wieder,
die schöne Welt, der ich entrückt!
'' Der Himmel blickt auf mich hernieder,
die Fluren prangen reichgetchmückt
20
DIE MUSIK Vll. 19.
Der Lenx mit UuteDd holden Klingen
xof jubelnd In die Seele mir;
in sfiilem, ungestfimem Dringen
ruft laut mein Herz: zu ihr, zu ihr!*
Mit diesem Motiv aber, das an dieser Stelle notwendig die Handlung
selbst weiterscbiebt, wird zugleich ebenso die Exposition meisterhaft voll-
endet, als der beste Obergang zum Folgenden hergestellt. Zudem ahnen
wir hier schon eine besondere Teilnahme Wolframs an diesem Verhältnis.
Die Vergangenheit Tannhäusers aber, die wir mit Augen gesehen, läßt uns
nicht ohne die beunruhigende Ahnung eines Konfliktes der ferneren Ent-
wickelung mit wahrer Spannung entgegensehen.
Der zweite Aufzug führt uns in der ersten und zweiten Szene Elisa-
beth zuerst allein, dann im Gespräch mit Tannhäuser vor. Die Freude über
die Ruckkehr des Geliebten entreißt ihr das Geständnis ihrer Liebe. Die
Szenen erweisen sich als dramatische Ausgestaltung der von Hoffmann
gegebenen Voraussetzungen. Tannhäusers Lieder haben Elisabeths Herz
bezwungen. Immer hat sie gerne den Sängern gelauscht,
«Doch welch' ein seltsam neues Leben
rief euer Lied mir in die Bmttl
Bald wollt* es mich wie Schmerz durcbbeben,
bald drang't in mich wie jihe Lust:
Gefühle, die ich nie empfunden!
Verlangen, das ich nie gekannt!
Was einst mir lieblich, war verschwunden
vor Wonnen, die noch nie genannt! —
Und alt ihr nun von uns gegangen, —
war Frieden mir und Lust dabin;
die Weisen, die die Singer sangen,
erschienen matt mir, trüb' ihr Sinn;
im Traume fühlt* ich dumpfe Schmerzen,
mein Wachen ward trübserger Wahn;
die Freude zog aus meinem Herzen: —
Heinrich! Was tatet ihr mir an?*
Das entspricht ganz der Angabe Hoflfmanns, Heinrich von Ofterdingen
habe Mathildens Herz durch seinen seltsam unerhörten Gesang bezaubert.
Er sagt auch, die Lieder der übrigen Sänger hätten nach Ofterdingens
Scheiden wirklich ihren Glanz verloren (S. 38): «Man betrauerte ihn wie
einen Toten und lange Zeit hindurch lag diese Trauer wie ein düsterer
Schleier auf allen Gesängen der Meister und nahm ihnen allen Glanz
und Klangt).'
^) Tannbluser lehnt Elisabeths Frage nach seinen Erlebnissen ab: »Dichtea Ver-
gessen hat zwischen heut und gestern sich gesenkt" Heinrich von Ofterdingen
schreibt (S. 02) an Wolffhimb: »Es ist mir viel Seltsames begegnet, doch — laß
mich schweigen über die Unbill einer Zeit, die hinter mir liegt wie ein dunkles un-
durchdringliches Geheimnis.*
21
PANZER: TANNHÄUSER
Aas dieser Szene lernen wir äberdies Wolfram abermals als Heinrichs
Frennd, zugleich aber mit Bestimmtheit durch Spiel und Wort (,So flieht
für dieses Leben mir jeder Hoffnung Schein*) als seinen Nebenbuhler
kennen. Beide Motive sind aus Hoflfmann übernommen, nur ist das letztere
von Wagner vertieft, indem er es tragisch ausgestaltete. Bei Hoflfmann
ist die Liebe Mathildens zu Heinrich nur eine vorübergehende Verwirrung,
eine Bezauberung durch des Sängers höllische Lieder; in Wahrheit gehört
ihr Herz Wolflframb, dem sie zufällt, nachdem der Ofterdinger geschieden.
Die dritte Szene, Elisabeth mit dem Landgrafen, ist Wagners Eigen-
tum. An sich zart und ahnungsvoll, bildet sie zugleich die geschickte
Überleitung zu der vierten Szene, dem Höhepunkt und Umschwung des
Ganzen: dem Sängerstreit.
Hier mit sogleich auf, daß der szenische Hintergrund von Hoflfmanns
Angaben völlig abweicht. Bei ihm spielt der Streit sich ab im Burghofe
der Wartburg. Wenn Wagner ihn in den Saal der Burg verlegt, so lag
das wohl an sich nahe (schwerlich wird das alte Gedicht ihn auch anderswo
gedacht haben); zudem konnte die Art, wie er ihn mit einem prunkvollen
Aufzuge einleitet, von einem Dichter, hinter dem der »Rienzi* noch nicht
allzu weit zurücklag, wohl ohne fremden Einfluß gewählt werden. Aber man
wird doch mit der Annahme nicht irregehen, dafi hier auch Pouqu6's Sänger-
krieg eingewirkt hat. Bei ihm lautet die szenische Bemerkung vor dem
Sängerstreit (S. 227 f.): «In der Wartburg. Halle . . • Trompetenstofi. Land-
graf Hermann und Landgräfln Sophia treten auf im feierlichen Zuge, vor ihnen
her Edelknaben und Hoffräulein; desgleichen in ihrem Gefolg. Sie nehmen
Platz auf einem erhöbeten Sitz. Bald nach ihnen treten ein die Sanges-
meister Wolfram von Eschenbach, Walter von der Vogelweide, Reimar von
Zweter, Heinrich der Schreiber, Biterolf von Eisenach und Heinrich von
Ofterdingen. Sie grüßen die Herrschaften mit Kniebeugung. Dann nehmen
sie auf niedem Sesseln Platz, dem Hochsitz gegenüber.* Man sieht, daß
diese Anweisung sich ziemlich genau so vor Wagners Szene setzen ließe.
Eine Ansprache des Landgrafen eröffnet dann beiderseits den Dialog. Eine
Stelle daraus bei Fouqu6:
»— wohlauf,
Ihr Meister des Gesanges, hebt inzwischen noch,
Wenn's Euch gefillt, ein heitres RItselvorspiel an ..."
scheint in Wagners:
»Auf, liebe Singer! Greifet in die Saiten" usw.
noch nachzuklingen.
Der innere Aufbau der Szene hat dagegen mit Fouqu6 nichts zu tun,
vielmehr waren seine Elemente durchaus in Hoflfmanns Erzählung gegeben.
Ans ihm stammt schon, daß Wolframs Auftreten durch das Los bestimmt
22
DIE MUSIK VII. 19.
8K
wird. Die reine Liebe ist das Thema seines Liedes, wie er bei Hoffmann
im Wettstreite gegen Nasias (S. 54) und dann wieder im Sängerkriege
(S. 60) ein Lied singt, «das in den herrlichsten, gewaltigsten Tönen die
Himmelsseligkeit der reinen Liebe des frommen Sängers pries". Tann-
häuser erwidert, die übrigen Sänger greifen mit feiner Abstufung nach
ihren Charakteren in den Wettstreit ein. Der Held will nichts wissen von
der zahmen Liebe, die sie rfihmen^); er erwidert mit sinnlich glühenden
Gesängen, wie Hoffmanns Heinrich beim Wettstreit Lieder singt (S. 59),
«die in den wunderlichsten Weisen solche Lust des Lebens atmeten, daß,
wie von dem glutvollen Blfitenhauch der Gewächse des fernen Indiens
berührt, alle in süße Betäubung versanken". Aufs äußerste gereizt aber
bricht er endlich mit dem Preise des Venusberges heraus. Hoihnanns
Ofterdingen singt beim Wettstreite das Lied des Nasias; dies aber handelte
«von der schönen Helena und von den überschwenglichen Freuden des
Venusberges" (S. 53).
Daß Tannhäusers Leben von den Sängern und dem Landgrafen be-
droht wird, ist die schöne Umgestaltung der alten Formulierung, die Hoff-
mann und Fouqu6 beibehielten, wonach das Haupt des Besiegten dem
Scharfrichter verfallen sollte. Zugleich liegt wohl auch Erinnerung an
einen früheren Streit der Wartburgsänger vor, von dem Hoffmann vorher
erzählt (S. 44). Da treten die Meister, durch Ofterdingens Lieder heraus-
gefordert, ähnlich wie hier bei Wagner gegen ihn auf. «Heinrich Schreiber
und Johannes Bitterolff bewiesen, den falschen Prunk von Ofterdingens
Liedern abstreifend, die Elendigkeit der magern Gestalt, die sich dahinter
verborgen, aber Walter von der Vogelweid und Reinhard von Zwekhstein
gingen weiter. Die sagten, Ofterdingens schnödes Beginnen verdiene schwere
Rache, und die wollten sie an ihm nehmen, mit dem Schwerte in der
Hand. So sah nun Heinrich von Ofterdingen seine Meisterschaft in den
Staub getreten und selbst sein Leben bedroht."
Bei Hoffmann entgeht Heinrich dem drohenden Tode durch das Da-
zwischentreten seines höllischen Lehrers Klingsohr, der ihn in einer Wolke
entrückt. Bei Wagner wird er gerettet durch die erbarmende Liebe einer
Jungfrau, die er soeben unendlich tiefer und persönlicher verletzt hat als
irgend einen von denen, die ihn hier mit dem Schwerte bedrohen. Es ist
das eine wundervolle Umgestaltung des Motivs der alten Sage, daß der
^) Bei HofTmann lehnt Ibnlich Heinrichs Lehrer Kliofsohr die Getinge der
Meister ab (S. 57): «Mag es doch sein, daß ihr frommer Sinn und ihr weiches Gemiit
(wie sie es nennen) ihnen genug ist zum Dichten ihrer Lieder, und daß sie sich wie
furchtsame Kinder nicht hinauswagen wollen in ein fremdes Gebiet, ich will sie darum
gar nicht eben verachten, aber mich in ihre Reihe xu stellen, das bleibt unmöglich.«
23
PANZER: TANNHAUSER
besiegte Ofterdinger vor dem drohenden Tode in den Schofi der Land-
gräfin fifichtet.
Dafi dem Helden als Sühne die Wallfahrt nach Rom auferlegt wird»
ist eine sehr gluckliche, weil ganz innerhalb der Kultur und Gesinnung
der Zeit gehaltene Erfindung Wagners. Ihr Inhalt war natürlich durch die
Bufifahrt gegeben, die das Tannhäuserlied erzählt; zugleich stoßen wir
aber auch hier wieder auf deutliche Anregungen aus Fouqu6.
Auch bei Fouqu6 ist Heinrich in einem Verhältnisse zur Landgräfin
(Sophia heißt sie dort) gedacht, das allerdings mehr angedeutet als aus-
geführt wird. Und dort (S. 107 f.) zieht er wirklich vom Sängerkrieg weg
als Pilgrim in die Feme. Scheidend erbittet er sich den Segen der
Landgräfin :
»Gern will ich in die Fremde wallen,
Doch wallt zum Heil der Pilgrim nicht.
Auf welchen Zornesatrahlen feilen.
Von edlem Stern, sonst lieb und licht.
Laßt, hohe Herrin, Euren Segen
Mit mir, dem schier Verstoßnen gebn.
(Die Landgräfln heißt ihn mit Gott ziehen.)
Heinrich von Ofterdingen: Hold sprach und ernst mein Engelsrichter,
Getrost beginn' ich fernen Lauf.
Landgraf: Mit Gott, Bedringt'ster aller Dichterl
Heinrich von Ofterdingen: Mit Gott hinunter und hinauf! — (Er gebt ab.)"
Der Aufbau dieser Szene und stellenweise selbst der Wortlaut stehen
mit dem Schlüsse des zweiten Aktes unserer Oper, wie man sieht, in
einer Verwandtschaft, die nicht mehr auf Zufall beruhen kann.
So haben wir auch für diesen zweiten Akt fast alle stofflichen
Momente schon vor Wagner nachweisen können. Was aber hat er daraus
gemacht! Wie einheitlich geschlossen, in welch wundervoller Steigerung
entwickelt sich bei ihm das Ganze in einem stetigen Anschwellen bis zu
stürmischster Höhe und mähligem Abklingen! Wie zartes Morgenlicht liegt
es über den ersten Szenen und hebt sich dann zum sonnig hellen Mittag
in dem festlichen Aufzug zum Sängerstreite. Bald aber steigen die ersten
kleinen Wölklein auf und werden dichter und dichter, und immer schwärzer
zieht sich's zusammen und bricht dann los mit Blitz und Wetterschlag,
die blühende Flur fiberschwemmend, allen gehoflften Segen mit einem Mal
vernichtend. Langsam nur verläuft sich die dräuende Flut. Erbarmende
Liebe aber spannt ihren Regenbogen über das zerschlagene Gefild, und unter
ihm zieht Tannhäuser — so hoffen wir — einem versöhnlichen Gotte
entgegen • • .
Der dritte Akt führt uns wieder in das Tal vor der Wartburg. Die-
selbe Landschaft wie am Ausgange des ersten Aktes zeigt sich unserem
24
DIE MUSIK VII. 19.
Auge, aber im herbstlichen Gewände. Schon dies ist ein wunderbares Symbol,
und die Musik hat uns vorbereitet, unterstützt uns und läßt uns Zeit, es
ganz auszufuhlen. Das Jauchzen des Frühlings ist vorüber; als einzige
Hoffnung bleibt die Aussicht auf den stillen, müden Frieden des Winters.
Wir erblicken Elisabeth im Gebete, Wolfram ist ihr von ferne ge-
folgt. Die nun sich entwickelnde Szene ist nach ihrem geistigen Gehalte
durchaus Wagners Eigentum. Und sie ist in sich gewiß wieder vortrelTlich,
ergreifend durch die tief verhaltene, in den furchtbaren Ereignissen, deren
Zeuge wir gewesen, wie mit Asche bedeckte Glut ihrer Stimmung, tragisch
in der letzten leidenschaftlichen Berührung zweier edler Menschen, die
für einander bestimmt erscheinen und doch durch ein unwandelbares
Schicksal sich für ewig geschieden finden. Und beständig schwankt der
Schatten jenes irren Pilgers, der sie trennt, ängstigend durch Worte,
Handlung und Musik. Was ist mit ihm geschehen? Unsere Spannung
ist aufs äußerste angezogen, Tannhäusers letztes Auftreten dadurch vor-
trefflich vorbereitet.
Die stofflichen Elemente dieser Szene aber erweisen sich dem Nach-
forschenden abermals deutlich aus verschiedenen Quellen entlehnt, und
wiederum ist hier zunächst Fouqu6 zu nennen.
Eine Szene der zweiten «Abenteure* führt dort (S. 131) die Land-
gräfin und Sophia Biterolf, eine Tochter des Sängers, zusammen, zwischen
denen die Neigung Heinrichs schwankt. Die Landgräfin fragt das Mädchen,
warum es so oft weine.
«Sophia Biterolf: Den ich bewein', — es ist ein irrer Pilger.
Landgrlfin Sophia: Ein irrer Pilger! — Hast du irgend Kunde — ?
Sophia Biterolf: Nicht neue Kunde. Doch ein Pilger weilt
Noch immer fern; dem einst im Ehrenrunde
Ward die jetzt nab'nde Stunde zugeteilt,
Wo er geheilt muß sein von jeder Wunde
Der Ehre, die nur Ehre selber heilt; —
Wer hilft dem Pilgriro, wenn sein Obertreten
Die Zeit versäumt? —
Landgräfin Sophia: Gott hilft. Komm, laß uns beten!
(Sie knien schweigend in die Blumen nieder.)'
Zugleich hat aber auch Hoflfmann Anregungen gegeben. Bei ihm ist
(S. 60) Mathilde nach dem Sängerstreit in den Garten der Wartburg
hinausgegangen. Wolflframb ist ihr allein dahin gefolgt; er findet sie in
schwermütigen Betrachtungen auf eine Rasenbank hingesunken und erklärt
ihr seine Liebe. Das Verhältnis bleibt bei Wagner natürlich tragisch; der
Ort ist verändert, in Rücksicht auf die folgenden Szenen, die stoflFlich in
engster Anlehnung an Hoflfmann, und zwar in der Hauptsache an
zwei Abschnitte seiner Novelle, gebildet sind. Liebeskummer treibt.
«25 ^MM
PANZER: TANNHÄUSER SK
80 erzählt HoffmaDn (S. 32), einst Heinrich von Ofterdingen in den
Wald. Aus einer Schlucht erblickt er die Wartburg. «Längst war die
Sonne untergegangen; aus den düstem Nebeln, die sich über die Berge
gelagert, stieg in glühendem Rot die Mondesscheibe empor .... Heinrich,
dem das Herz zerspringen wollte vor Sehnsucht und Verlangen, ergriff die
Laute und begann ein Lied, wie er vielleicht noch niemals eins gesungen.
Der Nachtwind ruhte, Baum und Gebüsch schwiegen, durch die trübe
Stille des düstem Waldes leuchteten Heinrichs Töne wie mit den Mondes-
strahlen verschlungen.* Plötzlich ertönt hinter ihm ein gellendes Ge-
lächter, ein Fremder tritt hervor, gibt sich für Heinrichs Freund aus, und
es entwickelt sich ein Gespräch, das mehrfach an das zwischen Wolfram
und Tannhäuser erinnert. Man sieht hier ebenso Tannhäusers Auftreten
wie Wolframs Lied vorbereitet; wenn es bei Wagner an den Abendstem
gerichtet ist, so kommt noch jene einleitende Vision Hoffmanns in Be-
tracht, der auch das Jagdmotiv entlehnt ist. Als der Gesang der Meister
verhallt war, da, heißt es dort (S. 26), »stieg in ein in milchweißem
Licht herrlich funkelnder Stern empor aus der Tiefe und wandelte daher
auf der Himmelsbahn, und ihm nach zogen die Meister auf glänzenden
Wolken singend und ihr Saitenspiel rührend.* Für die vierte Szene
aber gab vor allem Hoffmanns Abendgespräch zwischen Wolfframb und
Heinrich (S. 40) Anregung. »Es begab sich, daß am späten Abend, als
schon die tiefe Dämmerung eingebrochen, Wolfframb von Eschinbach den
geliebten Freund, den er überall vergebens gesucht, in einem Lustgange
des Schloßgartens traf." Heinrich weicht seiner Umarmung aus, doch
Wolfframb versichert ihn der vollkommenen Aufrichtigkeit seiner Freund-
schaft; und wenn er je einmal in den Abgrund hinabzustürzen drohe,
»dann stehe ich festen Muts hinter dir und halte dich fest mit starken
Armen." Er verspricht also, was er bei Wagner wirklich tut.
Ein Bekenntnis hatte auch Hoffmanns Heinrich seinem Freunde
Wolfframb schon vorher, auf dem Krankenbette, abgelegt. Bei Wagner
bildet den Inhalt dieser Beichte, die aus dem Tannhäuserlied genommene,
erschütternd ausgestaltete Erzählung der Pilgerfahrt nach Rom. Es dient
zur Vertiefung ihrer Wirkung, daß ihr trostloses Ergebnis auf demselben
Schauplatze berichtet wird, der den aus den Verlockungen des Berges
Geretteten einst so beseligend empfangen, den der Büßer im Frühling
hoffend verlassen. Nun öffnet sich der Venusberg dem verzweifelt
Suchenden wieder, wie im alten Liede. Aber sein höllisches Reich schlingt
ihn hier nicht mehr ein, denn das Erscheinen Elisabeths bannt noch ein-
mal und nun für immer seinen Zauber. Die Liebe, die für ihn gestorben,
hat den Sünder erlöst. Erst nachträglich wird das Stabwunder des alten
Liedes von den heimkehrenden jüngeren Pilgern berichtet. Und auch bei
26
DIE MUSIK VIL 19.
SR
diesem letzten Motiv der alten Sage bewandern wir noch die feine Um-
gestaltang des modernen Dichters: nicht mehr als Beschämung des hart-
herzigen Priesters wirkt es hier, wie wesentlich im alten Liede, es erscheint
nnr noch als die Bestätigung, daß auch der Richter droben feierlich aner-
kannt hat, was die sittliche Kraft dieser Menschen schon aus sich selbst
zu vollbringen vermochte.
Durch diese Ausführungen dürfte das Quellenverhältnis für Wagners
»Tannhäuser* sachlich und zugleich grundsätzlich klar gelegt sein.
Die eigentliche stoCFliche Grundlage und den hauptsächlichsten Aus-
gangspunkt bildete augenscheinlich Hoflfmanns Novelle, die wir für Motive
und Charaktere durchweg aufs intensivste benutzt fanden. Die bedeutendste
Abweichung Wagners war durch die Identifizierung Heinrichs von Ofter-
dingen mit Tannhäuser gegeben. Wir haben nun klar gesehen, daß die
Anregung dazu durch Hoflfmann selbst geboten war, der seinen Ofterdingen
ein Lied von den Freuden des Venusberges singen läßt. Diese Angabe
konnte gewiß für sich allein völlig ausreichen, Wagner die Verbindung
der beiden Stoffe nahezulegen, und man hat an sich keinerlei Veranlassung,
dafür die Mitteilungen von Bechstein oder die Behauptungen von Lucas
anzurufen, so wenig ich leugnen will, daß Wagner auch diese Werke im
Verlaufe der, wie immer, ernsthaften Vorstudien zu seinem Drama einge-
sehen haben kann^). Für die Tannhäusersage sahen wir das Lied sicher
in Heines Bearbeitung benutzt, aber auch in einer abweichenden Variante,
vielleicht nach der Mitteilung in den deutschen Sagen, eingesehen. Daß
auch Tiecks Tannenhäuser, so sehr Wagner seine Tendenz ablehnte, dem
Venusberg noch einige Farben geliehen hat, ist oben deutlich geworden.
Endlich aber hat auch die Beschäftigung mit einem Dichter, der Wagner
durch seinen Oheim gewiß von früher Jugend vertraut war, den er nachher
im «Ring* aufs intensivste herbeizog, deutliche Spuren hinterlassen. Wie
gut Wagner Fouqu6's vSängerkrieg** gekannt hat, wird auch außerhalb des
«Tannhäuser* deutlich; ich werde an anderem Orte nachweisen^, daß er
noch im «Parsifal* benutzt ist.
Der Forscher beobachtet überall, daß Wagners Lebenswerk eine
Kette enggefügter Glieder darstellt; überall führen deutliche Fäden von
^) Daß Wagner die Schrift von Lucas wirklich gekannt bat, scheint aus der
von Goltber a. a. O., S. 136, zitierten Vorbemerkung zum Textbuch des «Tannhiuser*
hervorzui^ehen. Man sieht ja wohl auch leicht, wie Wagner gerade auf diese Schrift
kam. Das alte Gedicht vermittelte ihm ,,einer meiner Freunde, ein deutscher Philolog,
der es zufällig in seinem Besitze bitte*. (Schriften 4, 269). Das ist doch zweifellos
Siegfried Lehrs gewesen, der aber war Königsberger wie Lucas.
*) Inzwischen ist dieser Aufsatz gedruckt im Jahrbuch des Freien Deutschen
Hochstifts zu Frankfurt a. M. 1007, S. 157 fr.
27
PANZER: TANNHlUSER
eloem Verke zam «nderen hinQber. Das bestfttigt sich auch «n dem hier
aufgezeigten Quellenkreis. Heines .Tannbluserlled" steht im drillen Bande
destelben .Salon", dessen zweitem Bande Wagner den Stoff zum aHollSnder"
entnahm. Im Liede erscheint als Beichtiger Tannbiusers eben jener Papst
Urban IV., der der historische Gegner Manfreds von Sizilien, des Helden
der aSarazenin*, gewesen ist. Die Novelle Hoffmanns aber, des literarischen
Vertrauten Wagners von früher Jugend an, findet sich in denselben Sera-
pionsbrüdem, deren «Bergwerke zu Fainn" der Künsller am Ende des
Pariser Aurenihalls zu einem Opementwurf verarbeitete.
Unsere Ausfühmngen haben sich bemfiht, Szene für Szene die Bau-
steine anbazeigen, ans denen der Dramatiker sein Kunstwerk gefügt bat.
Solche Untersuchungen können kleinlich erscheinen: solange man die Be-
rechtigung einer Kunstgeschichte anerkennt, werden sie immer unerUitlich
sein. Wir hoffen aber dnrch unsere Darstellung zugleich auch den
richtigen MaDstab zur grundsitzlicben Beurteilung der hier vorliegenden
VerhUtnisse gegeben zu haben. Der .TanobSuser' ist nur ein typisches
Beispiel für ein bei Wagner durchgehendes Verhiltnis. Es UeQe sich wohl
an hst allen Punkten seines Schaffens, noch genauer als es bisher geschehen
ist, nachweisen, wie bei ihm einer starken Abhängigkeit in der XuQeren
Form bis in die sprachliche Formulierung hinein überall eine vollkommene
Freiheit der inneren Form, vor allem des Ideengehalts zur Seite steht und
eine sonverioe Oberlegenbeit und Instinktive Sicherheit in allem eigentlich
Dramatischen. Es wird nicht zweifelhaft sein, was hiervon für das dra-
matische Kunstwerk das eigentlich Bestimmende ist Wir wollen aber
doch eine gelegeniliche ÄuSemng Tiecks^) zitieren, die wie auf unseren Fall
geprigt scheint, da er sagt: .Beim dramatischen Dichter, wenn er es
wahrhaft ist, tritt wohl eine andere Erflodungskunst ein, als beim er-
zihlenden, denn freilich möchte ich lieber eine Szene in ,Wie es Euch
geflUlt' geschrieben haben, als die Novelle erfunden, aus welcher dies
Lustspiel entsprungen ist.*
■) Scbrirteo, 4 (1S28X 171.
ZWEI BRIEFE^RICHARD WAGNERS
AN JULIUS STOCKS
ZUM ERSTEN MALE VERÖFFENTLICHT
UND EINGELEITET
von Kurt Scbröder-Rostock
er die ersten deutschen Bühnen, die Richard T>tners Terken eine
lürdlge Aufnahme bereiteten, gehört des Hoftheater in Schwerin. Hier
I ward .Tannhiuser") am 2a Januar 1852, der .Fliegende Hollinder*
(1 6. April 1853 und .Lohengrin' im 15. Januar 1854 zuerst gegeben.
Es ist dies wesentlich das Verdienst des Theaterrendanten und
Chordlrektora der dortigen HofbQhne: Julius Stocks, der von Anhng an ein be-
geisterter Verehrer Tagners war. Zuerst seinen Bemühungen, hernach, seit 1856, der
Titigkeit des Schweriner ersten Hofkapellmeisters Äloys Schmitt ist es zu verdanken,
daß Wagners Terke schon früh und verhiltnismifiig gut in Schwerin zur Auf-
führung kamen.
Julius Stocks wurde am t. Januar 1802 in Schwerin geboren und zeigte schon
in Rrüher Jugend ein reges Interesse für die Kunst. In der Musik war Stocks t«1I-
kommener Autodidakt Nachdem er eine kurze Zell in Berlin Jura studiert hatte,
widmete er sich ausschließlich der Kunst. Er wandte sich dem Singerberufe tu.
Nach iweljlbrigem Studium wurde er 1821 zum Großhenoglich Schwerinsctaen Hof-
und Kirchensinger ernannt. Er hat sich auch mit Erfolg als Bübnenslnger versucht.
1843 befBrdene man ihn zum Hoftheaterrendanten; am I.Juli 1847 wurde er auch
Cbordlrektor. In diesen Ämtern wirkte er bis zu seinem Tode im Jahre 1881 und
erwarb sich oaroentlich um den Hoftheiterchor hohe Verdienste. Dieser schwaog
sich unter der Direktion Stocks' zu einer solchen LelstungsFIbigkeit empor, daß er
dem Chore jeder, auch der größten, Bühne an die Seite zu stellen Ist.
Dieser Mann war es nun, der mit allem Eifer daran ging, den Werken seines
hochverehrten Meisters Bahn zu brechen. Nur durch Aufbietung seines ganzen
persönlichen EinBusses gelang es ihm, den damaligen Hoftheaterintendanten, Gehelm-
rat Zöllner, zur Aufführung des „Tannhiuser* zu bewegen. Er faßte den Plan zu einer
„Lobengrin'-Aunührung in Schwerin, weshalb Sichard Tagner an seine Nichte Franziska
Vagner*), die damals in Schwerin als Schauspielerin engagiert war, schreibt:
„Herrn Stocks grüsse bestens von mir: ich würde ihm schon auf seinen
letzten Brief geantwortet haben, wenn Ich nicht mich sehr schonen müßte, und
>) Daher besitzt Schwerin auch noch die sehr seltene ursprüngliche
Fassung von Partitur und Auszug für den „Tann hin ser^-Schluß. (Vgl. ,Muslk', I. 4,
S. 2015.)
■) Franziska Tagner, Tochter Albert Wagners, spitere Frau Ritter, siehe
Glasenapp .Leben Richard Tagners", .Familienbriefe" usw.
20
SCHRÖDER: WAGNER AN STOCKS
Briefschreiben mich nicht unmäßig anstrengte. Daß er schon für Schwerin
an den Lohengrin denkt, hat mich doch fast erschreckt; doch würde ich
mich nicht im Stande fühlen, ihm entgegen zu sein . . . .^^
Ein Briefwechsel hat zwischen Richard Wagner und Julius Stocks bestanden,
▼on dem leider das meiste verloren gegangen ist. Aber schon aus den zwei unten
folgenden Briefen geht die Freundschaft hervor, die Richard Wagner dem einziehen
Theaterrendanten entgegenbrachte.
»Grüß Herrn Stocks allerschönstens: er hat mir wieder viel Freude ge-
macht; wenn ich einen Brief von ihm erhalte, weiss ich immer, dass was Gutes
kommt Ich sage ihm auch diesmal meinen herzlichsten und besten Dank.**
So schreibt der Meister in einem zweiten Briefe an Franziska Wagner, und bei
seinem Besuche in Schwerin Januar 1873 begrüßte Wagner mit besonderer Freude
den Altgetreuen aus den Tagen der ersten MTannhäuser''*Aufführungen.^)
Es mögen nun die beiden Briefe folgen.
I
Werthester Freund!
Hier schicke ich Ihnen die gewünschte Quittung, und sage dabei
meinen besten Dank ffir Ihre gute Besorgung.
Ihre neueren Berichte über die Aufführungen des »Lohengrin"
haben mich sehr erheitert, denn ich sehe daraus, dass die Dar-
stellung wirklich glücklich gewesen sein muss; ich schliesse das aus
einigen Angaben, die mich in den Stand setzen, mir ein gutes Bild
von den Leistungen zu entwerfen. Es gereicht mir das zum wahren
Trost seit meinen letzten Erfahrungen vom Charakter der Leipziger
Aufführung der selben Oper. Aus den von mir berichteten Details
muss ich schliessen, dass in der Hauptsache die dortige Aufführung
eine ebenso verfehlte, als die Ihrige eine gelungene war. Mein Mis-
matb, diese Oper nicht selbst aufführen zu können, nimmt stark zu:
es wird mir zur wahren Qual. Wenn etwas aber sie mildem kann,
so sind es Nachrichten, wie die Ihrigen. Schliessen Sie hieraus, ob
ich Ihnen eine blosse Redensart sage, wenn ich Ihnen danke!
Leben Sie wohl und erhalten Sie mir Ihre Theilnahme, wie ich
Ihnen stets ein dankbares Andenken bewahren werde! ^—
Vor kurzem habe ich die Composition des ersten Stückes meiner
Nibelungen-Dramen beendigt: ich bin wieder ganz im Musiciren.
Für unsere Theater schreibe ich diess Werk allerdings nicht:
doch hoffe ich Ihnen es dereinst selbst vorführen zu können!
Zürich Ihr
15. Febr. 1854 Richard Wagner
^) Vgl. Glasenapp »Leben Richard Wagners« V, 70.
30
DIE MUSIK VII. 19.
II
Geehrtester Herr und alter Freund!
Es hat mich sehr gefreut wieder etwas von Ihnen zu erfahren,
da auch ich gern mich daran erinnere, wie zur Zeit der ersten Ver-
breitung meiner Werke Ihr lebhafter Antheil hieran mir wohl tbat.
Dass Sie mir noch immer treu geneigt sind, danke ich Ihnen von
Herzen. Es hat mir auch Spass gemacht, zu vernehmen, dass Sie
nur mit Mfihe sich über meinen jetzigen Aufenthalt unterrichten
konnten, da ich daraus zu entnehmen habe, dass es mir doch end-
lich gelingen wird, von meiner hochgeehrten musikalischen Mitwelt
vollständig vergessen zu werden, — das Liebste, was sie mir er-
weisen kann. Dies bekommt in so weit gut, dass ich seit einem
Jahre doch wenigstens wieder etwas habe arbeiten können. Ich
denke, Sie werden nächsten Herbst etwas davon erfahren. —
Ich danke Ihnen für die zugesagte Sendung des Honorares für
Iphigenia; noch mehr würden Sie mich aber verbinden, wenn Sie
mir das Honorar für Rienzi^) zugleich mitschickten, da ich, — bei
meiner Abgeschiedenheit — es mir zum Gesetz gemacht habe, meine
Honorare beim Empfang der Partitur von Seiten des betreffenden
Theaters zu beziehen, und nicht — nach altem Style — erst die
gelegentliche Aufführung abzuwarten, von welcher ich unter Um-
ständen gar nichts erfahren kann. Ich hoffe der hohen Schweriner
Hoftheaterintendanz wird diese Auszahlung nicht zur Last fallen.
Demnach bin ich so frei, Ihnen sogleich auch für Rienzi eine Quittung
beizulegen.
Jetzt haben Sie noch besten Dank für Ihre freundschaftlichen
Versicherungen, haben Sie auch die Güte, Herrn Kapellmeister
Schmitt Grüsse meinerseits angelegentlichst zu erwidern, und er-
halten Sie Ihr ferneres Wohlwollen Ihrem
hochachtungsvoll ergebenen
Luzern Richard Wagner
8. März 1867
Landhaus Triebschen
(ganz richtig).
^) »Rienzi*'-Er8taufr&hning in Schwerin am 3. Mai 1868.
^i-
EINIGES ÜBER
TRISTAN UND ISOLDE
ANGEREGT DURCH ULLI LEHMANNS:
.STUDIE ZU TRISTAN UND ISOLDE"
von EJDar Forchhammer-Fnnkrurt «.
Mal man ein geniiles Kunstwerk studiert, hat man versucht, sich
n in die erhabene Gedankenwelt des Schöpfers hineinzuleben, und
meint man, durch diese Vertiefung einiges entdeckt zu haben,
I was die meisten anderen entweder falsch verstanden oder gar
nicht beachtet haben — dann empfindet man oft ein starkes Verlangen,
das Erschaute auch anderen mitzuteilen; man f&hlt es als seine Pflicht,
die gewonnenen Erfahrungen in die Welt hinauszurafen, und nur die Be-
scheidenheil, die Furcht, als anmaßend betrachtet zu werden — manchmal
wohl auch das unbewußte GefQhl, daß die Entdeckangen fßr andere nicht
die Bedeutung haben wfirden, wie für einen selbst — halten einen zurfick.
So ist es auch mir mit .Tristan und Isolde* gegangen. Nun hat
aber das Beispiel von Frau Lilli Lehmann mir den Mut gegeben, das
Schweigen zu brechen. Zwar liegt es mir fem, mich mit dieser genialen
Künstlerin vergleichen zu wollen, aber immerhin meine Ich doch, daß es
von Bedeutung sein kann, auch von anderen Künstlern, die sich mit Ernst
und Begeisterung in die Wagnersche Wunderwelt vertieft haben, einiges
zu hören. Ich darf den Vorwurf der Unbescheidenheit mit um so größerem
Rechte zurückweisen, als ich nur zum Teil im eigenen Namen spreche:
den größten Teil von dem, was Ich im Folgenden ausführen werde, verdanke
ich — direkt oder indirekt — meinem lieben Freunde, meinem hocbverehrten
Lehrer in der dramatischen Kunst, Herrn Hohchauspleler a, D. Hilmar
Knorr. Wie Ich ihm sozusagen alles, was Ich als Darsteller leiste, direkt
oder Indirekt verdanke, so bin ich Ibm auch Dank schuldig für unendlich
viele Anregungen zum tieferen Verständnis der Wagnerschen Dichtungen.
Um nun zur Sache selbst überzugehen, möchte ich im Folgendes
Verschiedenes aus der Darstellung Lilli Lehmanns von anderen Gealcht»-
pnnkteo ans beleuchten, dann aber auch Nenes hinzufügen, was la 4ar
»Studie* keine Berücksichtigung gefunden hat.
Voi^eschlchte
Wenn Frau Lehmann (Seite 6) schreibt:
»Triiuuu Übermal fit nicht sn enisctaiildlfeD, Ist aber dia UiaaA* ^
Trafödk. Seibit wenn lulde Trliuo ,>div«lKeDd* dai Leben i
^hwalfond' vor dea Feindes Rache Itarg, wußte Tristan doch |
32
DIE MUSIK VII. 19.
beider Herzen stand, denn er schwur ihr — vielleicht auch »schweigend' — mit
tausend Eiden ewigen Dank und Treue. (Das Wort Liebe fillt nicht in Isoldens
Erzählung.)"
so muß ich mit aller Entschiedenheit dieser Auffassung entgegentreten.
Tristans Ȇbermut" ist sehr wohl zu entschuldigen, denn er hat weder
seine eigene noch Isoldens Liebe gekannt.
Als Isolde vor sein Bett trat und das Schwert gegen ihn zückte, um
an ihm, dem Ober-Frechen»
Herrn Morold's Tod zu riehen,
als sie vor ihm stand, hoch aufgerichtet, mit wogendem Busen, glühenden
Wangen und zornsprühenden Augen — da verschwand alles andere vor
seinen Augen: wo er war, wer er war, was sie in der Hand hielt, was sie
gegen ihn vorhatte — das alles existierte nicht mehr für ihn; er sah nur
diese herrliche Gestalt, von deren funkelnden Augen er die seinen gar
nicht losreißen konnte. Doch — daß das so mächtig in ihm entfachte
Gefühl Liebe sei, das wußte er nicht: Isolde war ihm — glaubte er — nur:
der Erde schönste
Königs-Braut;
ihre königliche Gestalt, ihr strahlender Blick, die hoheitsvolle Ruhe, wo-
mit sie ihn, den kranken Fremdling, pflegte und heilte — dies alles er-
füllte ihn mit Bewunderung, Ehrfurcht und Dankbarkeit und ließ den Ge-
danken gar nicht in ihm aufkommen, daß er sie liebe.
Diese Glorie des Königlichen, Erhabenen, die sein Auge so blendete,
daß er seine Liebe gar nicht gewahr werden konnte, bezeichnet Tristan
im zweiten Akt mit den Worten:
Der Tag! Der Tag, Glanz und Licht
der dich umgliß, Isolde mir entrückt'!
dahin, wo sie
der Sonne glich, in lichten Tages Schein,
in hehrster Ehren wie war Isolde mein?
Als er nun geheilt von Isolde entlassen wurde, schwur er ihr —
und gewiß nicht schweigend, sondern laut und aus tief und wahrhaft
empfindendem Herzen heraus — »mit tausend Eiden ew'gen Dank und
Treue". Aber «der falsche Tag", der ihn seine Liebe nicht erkennen
ließ, ließ ihn nun auch nicht das einzig richtige Mittel finden, Isolden seine
unendliche Dankbarkeit zu zeigen. — Nach Komwall zurückgekehrt, fand
er im Volk eine tiefe Mißstimmung vor, weil König Marke, der Witwer
und kinderlos war, von einer zweiten Heirat nichts wissen wollte. Als
nun Tristan in den Tönen der höchsten Begeisterung die königlichen Eigen-
schaften, die unvergleichliche Schönheit Isoldens pries, entstand der Ge-
danke wohl fast von selbst, daß Isolde die wünschenswerteste Gemahlin
für König Marke wire. Tristans Neider, die ihm seine Ausnahmestellung
3i
FORCHHAMMER: TRISTAN UND ISOLDE
am Hofe seines Oheims nicht gönnten — Marke hatte ihn sogar zu seinem
Erben uiid Nachfolger erkoren — , griffen diesen Gedanken mit Eifer auf;
selbst sein Freund Melot stellte sich an die Spitze der Dränger und hielt
ihm vor, daß seine Passivität als auf eigennützigen Motiven ruhend be-
trachtet werden müßte, während er »Ehr' und Ruhm mehren" würde,
wenn er, auf seine eigenen Rechte verzichtend, den Ohm bewegen könnte,
Isolde zu seiner Königin zu nehmen.
Da nun, nach dem glücklichen Ausgang des Krieges gegen Irland,
König Marke der mächtigste Herrscher weit und breit war, meinte
Tristan, daß er seine Treue und Dankbarkeit gegen Isolde nicht besser
beweisen könnte, als wenn er ihr die Hand dieses mächtigen und gütigen
Königs anböte. Brangäne hat vollkommen recht, wenn sie zu Isolde sagt:
Was je Herr Tristan dir gab er der Weit
dir verdankte, begeh rlichtten Lohn:
tag', kennt' er's höher lohnen, dem eig'nen Erbe,
als mit der herrlichsten der Kronen? acht und edel,
So dient' er treu enttagt' er zu deinen Fußen,
dem edlen Ohm, als Königin dich zu grüßen.
Deshalb gab Tristan dem Drängen des „tückischen Tages" nach, er
sozusagen zwang den Ohm zu Nachgiebigkeit und zog als „Brautwerber"
nach Irland.
Die vorhergehende Schilderung, die dem Werke selbst entnommen
ist, zeigt uns Tristans »Übermut" als nicht allein im höchsten Grade ver-
zeihlich, sondern vielmehr als edel und erhaben: um seine Dankbarkeits-
schuld gegen Isolde zu zahlen, um ihr seine ew'ge Treue zu beweisen,
wirft er eine glänzende Zukunft, die mächtigste Krone «übermütig" von
sich, unterdrückt er mit »Übermut" in seinem Herzen das quälende Gefühl
seiner unbewußten Liebe:
Was mir das Auge mein Herze tief
so entzuckt', zur Erde drückt' . . .
In seinem Programm zum «Tristan"vorspiel («Entwürfe, Gedanken,
Fragmente", S. 101) schreibt Wagner:
.Ein altes, unerlöschüch neu sich gestaltendes, in allen Sprachen des mittel*
alterlicben Europas nachgedichtetes Urliebesgedicbt sagt uns von Tristan und Isolde.
Der treue Vasall hatte für seinen König diejenige gefreit, die selbst zu lieben er
sich nicht gestehen wollte, Isolden, die ihm als Braut seines Herren folgte, weil sie
dem Freier selbst machtlos folgen mußte."
Ich glaube jetzt zur Genüge bewiesen zu haben, daß Tristans Liebe
zu Isolde ihm nicht bewußt gewesen ist. Daß Isolde ihn liebe, fiel ihm
natürlich noch viel weniger ein.
Wir wollen uns jetzt zu Isolden wenden. Als Tristan die großen,
Beberglfihenden Augen in dem Moment auf sie richtete, als sie im Begriff
VII. 19. 3
34
DIE MUSIK VII. 19.
war, ihn mit seinem eigenen Schwerte zu töten, war auch ihr Schicksal
besiegelt: «Mitleid wandelt" — wie Frau Lehmann schreibt — »Rache in
Liebe." Diese Liebe ist ihr aber zunächst ebensowenig bewußt, wie Tristan
die seine. Es ist keine Lüge, wenn sie im ersten Akt zu Tristan sagt:
ich pflag des Wunden, ricbend scblQge der Mann,
daß den heil Gesunden der Isolden ihn abgewann.
Zweifellos hat Isolde gerade durch diese Ausrede ihre eigene Schwache
vor sich selbst entschuldigen wollen. Sie hat mit aller Gewalt versucht,
die Fiktion der Feindschaft aufrechtzuhalten und hat sich dadurch natur-
gemäß den Anschein einer erhabenen Unnahbarkeit und Kälte gegeben, die
es wiederum noch begreiflicher macht, daß Tristan gar nicht zum Bewußt-
sein des wahren Charakters seiner Gefühle kommen konnte. So lange
Tristan in Ihrer Nähe war, konnte sie sich einreden, daß ihre Gedanken
nur deswegen Tag und Nacht mit ihm beschäftigt waren, weil es ihre
Pflicht war, ihn zu pflegen. Sobald er sie aber verlassen hatte, mußte
ihre Liebe ihr zum Bewußtsein kommen; von da an wartet sie mit Sehn-
sucht und Ungeduld auf den Geliebten, der ja doch zurückkehren muß,
der sie nicht ewig schmachten lassen kann. Und er kommt — kommt
und wirbt um sie für einen anderen!
Diese Enttäuschung, die wie ein jäher Blitz alle HoflTiiung, alles Glück
— alles, alles vernichtet, wirkt auf Isolde zunächst lähmend: willenlos,
gefühllos, mit leichenblassem, starrem Gesicht läßt sie, ohne ein Wort
zu reden, die anderen handeln, läßt mit sich machen, was die anderen
wollen. Diese dumpfe Starrheit hält sich auch noch auf dem Schiff, fast
während der ganzen Fahrt. Erst als sie sich durch das an eine ganz andere
Adresse bestimmte Lied des „jungen Seemanns" gehöhnt glaubt, wandelt
sich ihre Apathie in lodernden Zorn. Wagner läßt Brangäne diesen Zu-
stand der starren, wortlosen Verzweiflung mit folgenden Worten bezeichnen:
Isolde! Herrin! bleich und schweigend
Teures Herz! auf der Fahrt,
Was barg'st du mir so lang'? ohne Nahrung,
Nicht eine Trine ohne Schlaf
weintest du Vater und Mutter; wild verstört,
kaum einen Gruß starr und elend, —
den Bleibenden botest du: wie ertrug ich's,
von der Heimat scheidend so dich sehend
kalt und stumm, nichts dir mehr zu sein,
fremd vor dir zu steh'n?
Ich kann Lilli Lehmann deshalb nicht beistimmen, wenn sie <S« 6)
schreibt:
»Scham, Empörung, Wut und Zorn Qber die ihrem Herzen angetane Schmach
bewegen Isolden, König Markes Werbung anzunehmen, Tristan, dem Brautwerber des
Königs, zu folgen. Vielleicht verlockt sie auch die Aussicht, dem gellebten Manne
WmSSSBß
35
FORCHHAMMER: TRISTAN UND ISOLDE
nah zu sein. (I) Auf dem Scbiff weiß sie sich lange Zeit mit Tristan allein; dort wird
sie ihn sprechen, dort Rat schaffen. Aber sie siebt sich bitter enttiuscht.*
Isolde hat die Werbung ebensowenig angenommen wie abgelehnt —
sie hat sich auch hier als »des Schweigens Herrin** gezeigt. Sie ist
dem Brautwerber König Markes nicht gefolgt, weil sie gehofft hat, „dem
geliebten Manne nah zu sein". Wohl hat sie aber erwartet, daß Tristan
während der Fahrt zu ihr gekommen wäre und ihr sein unbegreifliches
Betragen erklärt hätte. Daß er dies nicht tut, treibt natürlich ihren Zorn
auf die äußerste Spitze, und reift in ihr den unerschütterlichen Entschluß,
auf Tristans Haupt den Tod herabzubeschwören, dem ihr eigenes Herz
schon längst geweiht ist:
Tod geweihtes Haupt t
Tod geweihtes Herz!
Durch diesen Tod allein kann seine Schuld gesühnt, nur durch ihn, den
auch sie teilen will, kann sie mit dem Geliebten vereinigt werden.
Erster Akt
Wenn der Vorhang auseinandergegangen ist, und der junge Seemann
sein Lied gesungen hat, fragt Isolde Brangäne, wo sie sind, worauf diese
antwortet:
Blaue Streifen auf ruhiger See vor Abend
stiegen in Westen auf; erreichen wir sicher das Land.
sanft und schnell Isolde: Welches Land?
segelt das Schiff; Brangäne: Kornwall's grünen Strand.
Wie kann Brangäne Korn wall als «in Weste n** aufsteigend bezeichnen?
Darfiber haben sich viele kluge Leute den Kopf zerbrochen — denn so-
wohl in der Dichtung wie in der Partitur steht deutlich «Westen* und
nicht »Osten*.^ Ich habe von hochgeschätzter Seite die folgende Erklärung ge-
hört: es ist eine wissenschaftlich festgestellte Tatsache, daß Süd-England und
Süd-Irland in vorgeschichtlicher Zeit landfest miteinander verbunden gewesen
sind. Nehmen wir nun König Markes »Kornwall'' als im Südosten Eng-
lands liegend an, dann müßte Tristan tatsächlich südlich um die Doppel-
insel segeln und könnte sehr wohl, wenn er z. B. aus Rücksicht auf
Schären oder feindliche Völker nicht gar zu nahe am Lande fahren möchte,
die letzte Strecke von Osten nach Westen segeln.
Ob die Brangänen sich diese Auffassung zu eigen gemacht haben,
ob aie aua Respekt vor dem «Wort" des Meisters oder einfach aus Ge-
dankenlosigkeit handeln — ich darf es nicht entscheiden, aber noch immer
singen die meisten «Westen", trotzdem dies Wort, das allerdings, wie ge-
sagt, sowohl in der Partitur wie in der Dichtung steht, nichts als
3^
36
DIE MUSIK VII. 19.
ein Schreibfehler Wagners ist. Der Beweis hierfür findet sich nur
wenige Zeilen vorher in dem Lied des jungen Seemanns:
Wettwirts
schweift der Blick
[oimllch nach Irland zurfick, wo er seine »wilde, minnige Maid* zurückgelassen]
ostwirts
streicht das Schiff.
Wünschenswert wire es, wenn dieser unzweifelhafte Fehler in
Klavierauszügen und Textbüchern korrigiert werden würde. —
Wenn Brangäne — auf Isoldens Befehl:
öffne! öffne dort weit!
die Vorhänge auseinandergezogen hat, sieht man bisweilen den hinteren
Teil des Schiffes mit Tristan am Steuer im Halbdunkel, während Isoldens
Zelt im Vordergrunde strahlend hell beleuchtet liegt. Dies geschieht jeden-
falls, um Isoldens Wort im zweiten Akt:
Im Dunkel du,
im Lichte ich!
schon beim ersten Erscheinen Tristans deutlich zu veranschaulichen. So
lobenswert diese Absicht auch sein mag, kann ich diese Anordnung doch
nicht gut heißen. Erstens muß es jedem Zuschauer als etwas Naturwidriges
erscheinen, daß der als verschlossen gedachte Zeltraum heller beleuchtet
ist als der freie offene Teil des Schiffes, selbst wenn man annimmt, daß
dieser durch das große Segel beschattet wird; zweitens ist es sehr un-
günstig, wenn die sich im weitesten Hintergrunde der Bühne abspielende
Szene zwischen Tristan und Brangäne dem Publikum dadurch noch schwerer
verständlich gemacht wird, daß die Bühne schlecht beleuchtet ist. —
Für die folgende Szene hat mir Knorr ein Arrangement empfohlen,
das ich mit größter Wärme den Herren Regisseuren weiter empfehlen
möchte. Nach Wagners Vorschrift soll Tristan »von den Rittern und
Knappen etwas entfernt mit verschränkten Armen stehen und
in das Meer blicken*. Ein jeder, der nur einmal eine Fahrt in einem
größeren Segelboot unternommen hat, weiß, daß die von Wagner gebotene
Stellung mit derjenigen eines Steuermanns unvereinbar ist; er wird wissen,
daß das Steuer eines so großen Schiffes einen ganz bedeutenden Wider-
stand leistet und die ganze Kraft eines Mannes verlangt, um richtig ge-
handhabt zu werden. Wenn er dann sieht, wie bei fast allen Tristans die
Steuerstange während der ganzen Unterredung mit Brangänen sich leicht
wie ein Streichholz hin und her bewegt, dann wirkt dieser an und für
sich doch so nebensächliche Umstand dermaßen störend, daß es ihm wohl
fast unmöglich wird, die Illusion zu wahren und das Kunstwerk rein zu
genießen. Es ist deshalb im höchsten Grade zu empfehlen, daß Tristan
37
FORCHHAMMER: TRISTAN UND ISOLDE
nicht selbst das Steuer in der Hand hält, sondern nur in der Nähe
steht, um dem Steuerer seine Anweisungen zu geben. Dieser muß das
Steuer dann so anpacken und eine solche Stellung einnehmen, daß das
Publikum glauben kann, er stemme sich gegen einen großen Widerstand.
Wie Wagner nirgends vorschreibt, daß Tristan selber die Steuerstange in
der Hand haben soll, enthält die Dichtung absolut nichts, was dem vor-
geschlagenen Arrangement widerspräche; Tristan kann auch so mit dem-
selben Rechte sagen:
Ließ' ich dat Steuer wie leokt* ich sicher den Kiel
jetzt zur Stund', zu König Marke's Land?
Wenn ich dies Arrangement dringend empfehle, bin ich — wie
Ulli Lehmann bei einer anderen Gelegenheit (S. 32) — »überzeugt, zur
Zufriedenheit Richard Wagners, der selbstschaffende, ver-
nünftige Künstler selbständig walten ließ", zu handeln. —
Vor einigen Jahren wurde von gelehrter Seite behauptet, daß die
höfischen Beziehungen zwischen Irland, England (Komwall) und Bretagne
(Kareol), wie sie Wagner in «Tristan und Isolde" schildert, den tatsäch-
lichen, geschichtlichen Verhältnissen im 13. Jahrhundert ganz genau ent-
sprächen, daß man also das Drama in der Kostümierung dieser Zeitepoche
geben müsse. Tatsächlich ließ sich auch ein großes Opemtheater bewegen,
eine neue Ausstattung, bei der alle Beteiligten in Kostümen ä la Tann-
häuser erschienen, anzuschaffen, und in dieser Gestalt geht noch immer
der Tristan über die geweihten Bretter dieses Theaters!
Es ist ganz unbegreiflich, wie eine solche, ohne Zusammenhang mit
dem inneren Leben des Dramas, auf zufälligen Äußerlichkeiten, in der Ge-
lehrtenstube aufgebaute Idee Erfolg haben konnte ! Es gibt in der Weltliteratur
neben «Tristan und Isolde" wohl kaum ein zweites Werk, in dem fast
die ganze Handlung nach Innen verlegt ist, in dem die äußere Handlung
vom Dichter dermaßen störend empfunden wurde, daß sie — zum größten
Ärger der akademischen Dramaturgen — auf ein Minimum reduziert,
entweder erzählt oder, wo es unumgänglich notwendig ist, in wenigen
Minuten auf der Bühne abgespielt wird. Wie hat man ferner übersehen
können, daß Wagner mit Absicht alles Religiöse vermieden hat, um die
Entscheidung, ob das Drama zu heidnischer oder christlicher Zeit spielt, offen
zu lassen, um also eine zeitliche Fixierung unmöglich zu machen, weil
er um jeden Preis den Charakter der «sagenhaften Urzeit" wahren
wollte? Wagner selbst hat «Tristan und Isolde" als die vollendetste Ver-
wirklichung seiner in den Schriften niedergelegten Theorieen bezeichnet,
und damit — unter anderem — ausgesagt, daß er nach seiner Meinung
in diesem Werk das Reinmenschliche, von jeder Konvention, von jeder
historischen Einschränkung losgelöst, reiner als in irgend einer anderen
38
DIE MUSIK VII. 19.
seiner Dichtuogen dargestellt habe — und dieses Werk will man sozusagen
zu einer .historischen Oper" machen! Daß dies eine ungeheuerliche
Verirrung ist, hat man wohl jetzt überall erkannt, wenn man auch da, wo
man die «Reform" eingeführt hatte, aus praktischen Rücksichten einen
Rückzug nicht sofort antreten konnte.
Nimmt man also an, daß das Drama in sagenhafter Un- oder Urzeit
spielt, so ist es auch ratsam, in der Szenerie alles, was «modern* wirken
könnte, zu vermeiden; ich möchte deshalb empfehlen, die wagerechte, ganz
im Hintersteven des Schiffes angebrachte Steuerstange, die man fast überall
sieht, durch die Steuervorrichtung der Urzeit — ein Ruder, das etwas seit-
wärts, schräg nach unten, durch die Schiffswand geht — zu ersetzen. —
Gleich die ersten Worte, die Tristan zu singen hat, bieten dem Sänger
eine nicht geringe Schwierigkeit.
Wat ist? — Isolde? —
ist so kurz und schnell komponiert, daß der Sänger leicht die Gefahr
läuft, es heftig, zornig herauszustoßen; tatsächlich klingt es auch meistens
wie eine wilde Drohung. Es ist gar nicht leicht, das «Isolde* weich und
warm herauszubringen, und doch ist es von der allerentscheidendsten Be-
deutung, daß dies dem Tristan gelingt, denn — wie Frau Lehmann (S. 14)
schreibt — «der warme Ton, mit dem Tristan das Wort ,Isolde<
sagt, genügt uns zu verraten, daß er nur mit ihr, wenn auch
weitab von der Gegenwart, beschäftigt gewesen." —
Ich möchte jetzt ein paar Worte über Kurwenals ersten Eintritt in
Isoldens Zelt sprechen. Wagner schreibt vor: «Durch die Vorhänge
tritt mit Ungestüm Kurwenal", und dann nach vier Zeilen seiner Rede:
«Gemessener". Es ist für mich über jeden Zweifel erhaben, daß dies
folgendermaßen aufzufassen ist: Durch die Vorhänge tritt mit Un-
gestüm Kurwenal und ruft in den Schiffsraum hinab:
(Er wendet sieb zu Isolde; gemessener:)
Auf, aufl Ihr Frauen I Und Frau Isolden
Frisch und froh! sollt' ich sagen
Rasch gerüstet I von Held Tristan,
Fertig, hurtig und flinkl — meinem Herrn: — usw.
Der Unterschied im Ton zeigt deutlich, daß der erste Ruf an die ihm
gleichgestellten Frauen gerichtet ist, die am Aktschluß aus der Kajüte herauf-
kommen, um Isolden den Königsmantel anzulegen, während die folgende «ge-
messene" Anrede der Herrin gilt. So rüpelhaft ist Kurwenal nun doch nicht,
daß er sich in diesem Ton an Isolde und Brangäne wendet, wenn er als
Abgesandter Tristans kommt. Wagner hat dies wahrscheinlich für so selbst-
verständlich gehalten, daß er gar nicht daran gedacht hat, es besonders zu
erwähnen. Die Herren Baritöne scheinen aber die Rüpelhaftigkeit Kurwenals
39
FORCHHAMMER: TRISTAN UND ISOLDE
für anbegrenzt zu halten: alle — oder fast alle — schleudern sie der armen
Isolde die ganze Rede ins Gesicht. —
Wir wollen uns jetzt mit einer Stelle beschäftigen, die nach meiner
Oberzeugung von fast Allen ganz falsch verstanden wird. Außer Knorr,
der mir auch hier die Anregung gegeben hat, bin ich eigentlich nur
einem Menschen — Kapellmeister Hertz in New York — begegnet, der
auf meine Frage die betreffende Stelle in meinem Sinne erklärte. Ich
meine hiermit den Orchestersatz vor Tristans Eintritt in Isoldens
Zelt. Allgemein wird dies Zwischenspiel als das «Vorspiel" zu Tristans
Auftritt, und das Hauptthema:
Mo^^^ ^- t^^^j. I j i^^
^
42«
als das Heldenmotiv Tristans bezeichnet.
Selbst ein flüchtiges Durchblättern der späteren Werke Wagners:
«Tristan", »Meistersinger", „Ring", «Parsifal", überzeugt uns davon, daß
es ein festes Prinzip ist, daß die für eine Person charakteristische Melodie
im Orchester so zu sagen immer gleichzeitig mit dem Auftreten dieser
Person ertönt. Man denke z. B. an das Auftreten der Riesen im «Rhein-
gold" oder des Wanderers im 1. Akt des «Siegfried". Wenn ausnahms-
weise diese Melodie kurz vor dem Auftreten der Person erklingt, geschieht
dies immer, um die Aufmerksamkeit des Zuhörers auf eine wichtige, ein-
schneidende Handlung dieser Person hinter der Bühne zu lenken, zugleich
auch oft um einen sich auf diese Handlung beziehenden Vorgang auf
der Bühne zu unterstützen. In der «Walküre" ertönt z. B. das Hunding-
motiv erst ganz leise, als Sieglinde zusammenschrickt, weil sie aus der
Feme das Pferd Hundings hört; kurz darauf hört sie es schon vor dem
Tor — das Motiv ertönt stärker; wenn Hunding dann das Tor öffnet
und hereintritt, ertönt die Melodie in voller Kraft und schärfster Hand-
greiflichkeit. In «Parsifal" ertönt das Parsifalmotiv zum ersten Mal kurz
vor dem Auftreten des Knaben, in dem Moment, wo er hinter der Bühne
den Schwan mit seinem Pfeil trifft — usw. In allen solchen Fällen, in
denen das Erscheinen einer Person durch Ertönen ihres Motives vorher an-
gekündigt wird, ist von dem Moment des Ertönens an bis zum Auftritt die
Handlung eigentlich hinter die Bühne verlegt; auf der Bühne selbst ge-
schieht nichts von selbständiger Bedeutung.
Wie ist es nun in dieser Beziehung mit dem sogenannten Vorspiel
zu Tristans Auftritt? Von Isoldens erstem Wort, bis Tristan ihr gegen
Schluß des ersten Aktes den Becher entreißt, ist Isolde entschieden die
Hauptperson der Handlung. Während Tristan seine Gefühle höchstens nur
ahnen läßt, während er sich ganz passiv zurückhält, spricht Isolde ihre
40
DIE MUSIK VII. 19.
Gefühle und Gedanken laut und leidenschaftlich aus und tritt im höchsten
Grade aktiv und unternehmend auf. Wenn deshalb Kurwenal Tristan an-
gemeldet hat, wartet man natüriich mit intensiver Spannung auf die Begegnung
der Beiden; das dramatische Interesse ist aber bei dieser Erwartung auf
Isolde, nicht auf Tristan gerichtet, weil sie die dramatische Handlung in
ihrer Hand hält. Das dramatisch Bedeutungsvolle liegt also nicht hinter,
sondern auf der Bühne.
Wir wollen nun die betreffende Stelle der Partitur und der Dichtung
etwas näher untersuchen. Wir sehen dann zunächst, daß Wagner mit dem
Einsetzen des Motivs 1 die fünfte Szene — die Szene zwischen Tristan,
Isolde und Brangäne — anfangen läßt, was ja anscheinend für die Beur-
teilung des Orchestersatzes als »Vorspiel" sprechen könnte. Aber auch
nur anscheinend, denn wo hätte die Szene sonst anfangen sollen? Tristan
tritt ja mitten in dem ein musikalisches Ganzes bildenden Stück auf.
Daraus läßt sich also nichts schließen; wahrscheinlich werden wir aber in
den Regiebemerkungen des Meisters nützlichere Fingerzeige finden.
Wir finden dann, daß Isolde — nachdem sie sich „mit furchtbarer
Anstrengung zu fassen gesucht" und Kurwenal
Herr Tristan trete nahl
zugerufen hat — „ihr ganzes Gefühl zur Entscheidung zusammen-
fassend, langsam, mit großer Haltung, dem Ruhebette zuschreitet,
auf dessen Kopfende sich stützend sie den Blick fest dem Ein-
gange zuwendet." Sollte es vielleicht dies sein, was der Meister durch
das sogenannte „Vorspiel" musikalisch ausdrücken will? Ist es eigentlich
nicht selbstverständlich, daß der geniale Dramatiker mit seiner Musik dies
erschütternde stumme Spiel der Isolde, diese inneren Vorgänge, aus denen
die ganze folgende Handlung hervorgeht, und nicht das als selbständige
dramatische Handlung weit unwichtigere Nahen Tristans charakterisieren
will? Ich darf getrost an jeden aufmerksamen Zuschauer appellieren: ist
die Isolde nur halbwegs gut, wird er zweifellos unumwunden gestehen, daß
sie — nicht das Nahen Tristans — seine Aufmerksamkeit während des
„Vorspiels" in Anspruch nimmt. Eine Untersuchung des Orchestersatzes,
sowie der folgenden Szene wird die Richtigkeit unserer Annahme beweisen.
Den ganzen Orchestersatz bis zu den ersten Worten Tristans wollen
wir in drei Teile zerlegen. Die ersten 15 Takte sind ganz von dem Motiv 1
beherrscht, dann tritt mit dem 16. Takt ein neues Motiv auf:
Motiv
An dieser Stelle, wo zum erstenmal das sogenannte „Heldenmotiv Tris-
41
FORCHHAMMER: TRISTAN UND ISOLDE
tans" aussetzt und wo gleichzeitig der bisherige dreitaktige Rhythmus vier
Takte lang einem zweitaktigen weicht, tritt Tristan nach Partitur und
Klavierauszugen, sowie nach der ausdrücklichen Anordnung des
Meisters (s. Lilli Lehmann, S. 14) auf. Nach diesen vier Takten ist der
Rhythmus wieder drei taktig, und das Motiv 1 erscheint wieder, abwechselnd
mit dem Schicksalsmotiv.
Betrachten wir jetzt das Zwiegespräch zwischen Tristan und Isolde, so
gewahren wir zu unserem Erstaunen, daß dies angebliche Tristanmotiv sich
nirgends auf Tristan, sondern immer auf Isolde bezieht. Nicht allein
begleitet, unterstützt und unterstreicht es die meisten Sätze Isoldens, diese
singt auch wiederholt auf den Noten des Motivs; gleich ihre ersten Worte:
^rnr=^HgXf^- f=f^=^^
WOß-test du nicbt, was ich be - geh-re,
dann die zornsprühenden:
^FFMl^-^^ip^^
und:
Ra - che für Mo - rold !
^c— 1^ r- 1<! rr~r^
Wagst du zu höh - nen?
In dem ganzen Zwiegespräch bis zum »Sühneeid* bezieht sich das
»Motiv 1" ausschließlich auf Isolde; am besten kann man es wohl als das
»Motiv der tragischen Entscheidung* bezeichnen. Nur so versteht
man die volle, tiefe Bedeutung dieser Tonfolge, die nicht heldenmäßig-
schwungvoll zu verstehen ist, sondern als Ausdruck eines krampfhaft
schmerzlichen Zusammenfassens aller seelischen Kräfte. So lange Isolde
die Entscheidung in ihrer Hand hält, begleitet das Motiv ihre Reden; in
dem Moment, in dem Tristan den Becher ergreift, um den Tod zu trinken,
und also die Entscheidung in seine Hand nimmt, ertönt es im Orchester,
und er singt dann seinen »Sühneeid* auf den Noten dieses Motives. Wir
verstehen jetzt, daß dies Motiv die Alleinherrschaft haben muß, von der
Meldung Kurwenals bis Tristans Auftritt; wir verstehen, daß es in diesem
Moment für einen Augenblick weichen und einem »Tristan-Motiv*, dem
Motiv 2, Platz geben muß. Dieses Motiv charakterisiert Tristans ehrerbietige
Zurückhaltung Isolden gegenüber, oder, wie diese meint, seine »Furcht*:
42
DIE MUSIK VII. 19.
^
j9ff
m
^
^^
1^
^
13^
t=*
da doch die Furcht, mir't zu er - ful - len, fern utw.
Wir versteheo, daß Motiv 1 gleich wieder einsetzt, mit dem Schicksals-
motiv abwechselnd: Tristan und Isolde stehen jetzt einander gegenfiber,
und das Schicksal beider ist durch Isoldens unerschfitterlichen Entschluß
besiegelt. Wir verstehen, daß Isoldens erste Worte:
Wüßtest du nicht
was ich begehre,
auf diesen Tönen gesungen werden, denn sie weiß', was sie begehrt —
ganz analog, wie sie später
Hart am Ziel
auf den Noten des Todesmotivs singt, weil der Zuschauer wissen soll, daß
sie mit dem «Ziel** den Tod meint.
Wir verstehen, daß
Rache für Morold
der Deckmantel ist, unter dem sie den Entschluß, die Verschmähung ihrer
Liebe an Tristan zu rächen, verbirgt, wie wir mitfühlen, daß der vermutete
Hohn Tristans diesen Entschluß nur noch unerschütterlicher machen kann.
Wäre Motiv 1 wirklich Tristans Heldenmotiv, dann wäre es doch
ganz sonderbar, daß Wagner von seinem ersten Berliner Tristan, Albert
Niemann, ausdrücklich verlangte, daß er beim Einsetzen eines ganz
anderen Motives auftreten sollte! Dann wäre ja der große Wagner-Dar-
steller im Recht, wenn er sich über die ausdrückliche Anweisung des Meisters
später hinwegsetzte und gleich beim Erklingen des ersten Tones des »Vor-
spieles* die Vorhänge weit auseinander ziehen ließ, um darauf langsam vom
Steuer die Stufen herunter- und in das Zelt der Isolde hineinzuschreiten.
Ein interessantes Licht fällt auf das Motiv 1, wenn wir seine Ent-
stehungsgeschichte untersuchen. In der musikalischen Einleitung zum
ersten Akt tritt im zweiten Takt ein kurzes chromatisches Thema auf:
Motiv 3.
jijiu h^' rm
43
FORCHHAMMBR: TRISTAN UND ISOLDE
M
das wohl am besten als Motiv der Liebessehnsucht bezeichnet werden
kann und sich, teils in dieser Gestalt, teils in verschiedenen Umbildungen,
durch das ganze Werk als eins der allerwichtigsten Hauptmotive zieht.
Eine Steigerung des Motivs 3, die gleich am Anfang der Einleitung vor-
kommt und auch später im Drama oft wiederholt wird, ist:
Motiv 4.
^
Aus diesem Motiv ist Motiv 1 durch geringe Veränderungen gebildet;
Motiv 4 wird deshalb auch meistens als Tristanmotiv bezeichnet — aber
mit Unrecht: es ist einfach eine Steigerung des Sehnsuchtsmotives. Ver-
lassen wir jetzt die Einleitung, dann sehen wir, daß Motiv 3 zum ersten-
mal wieder auftritt, als Isolde mit tief bitterem Schmerz die
zahme Kunst
der Zauberin,
die nur Balsamtränke noch brauet I
höhnt; wenn Isoldes Zorn dann mächtig anschwillt, setzt das Motiv wieder
ein, und Isolde singt:
zu tobender StQrme
wütendem Wirbel!
sogar auf den Tönen dieses Motives. Das zeigt gleich von Anfang an
dem Höi'er, der das Vorspiel ganz verstanden und mitempfunden hat, daß
es die unbezwingliche Liebessehnsucht Isoldens ist, die ihren Zorn auf-
lodern läßt. Das Entstehen des Motivs 1 aus dem Sehnsuchtsmotiv zeigt
uns in genau derselben Weise, daß der unerschütterliche Entschluß Isoldens,
den Tod beider herbeizufuhren, nur ein Ausschlag ihrer Sehnsucht nach
dem heißgeliebten Mann ist.
Die Macht der Gewohnheit, die Macht eingewurzelter Vorstellungen
kann ihre Allgewalt wohl kaum besser bewähren, als wenn sie — wie in
diesem Falle — eine geniale Künstlerin, die sich mit Liebe und Intelligenz
in ein Kunstwerk vertieft hat, auf solche Irrwege führt, daß sie den Charakter
eines Orchesterzwischenspieles, dessen richtiges Erfassen doch gerade für
ihr Spiel so eminent wichtig ist, ganz und gar verkennen konnte. Daß
nicht einmal die Vorschrift Wagners: „Isolde, ihr ganzes Gefühl zur
Entscheidung zusammenfassend, schreitet langsam mit großer
Haltung dem Ruhebette zu", sie zum Oberlegen bringen konnte! Daß
sie schreiben kann (Seite 41):
»Dazu habe ich zu bemerken, daß Isolde nur wenigZeit für ein ganz kurzes
mimisches Spiel zu Gebote steht und sie je weniger, je besser tut. Alles harrt mit
gespannter Aufmerksamkeit dem Helden entgegen. Diese Aufmerksamkeit gehört
44
DIE MUSIK VII. 19.
Vütfi
Tristan ganz allein und darf von niemandes Spiel unterbrochen, nicht einmal auf
Isolden abgelenkt werden."
Gewiß, die Aufmerksamkeit ist auf das Nahen Tristans gerichtet, aber
hauptsächlich doch nur, weil wir — und hier wieder namentlich der Isolde
wegen — auf die Begegnung der beiden gespannt sind. Diese Spannung
wird aber gerade dadurch seelisch vertieft und verinnerlicht, daß sie auf
Isolde konzentriert wird, indem sie sich in ihrem Mienen- und Gebärdenspiel
spiegelt. Es ist deshalb von der allergrößten Wichtigkeit, daß keine miß-
verstandene Bescheidenheit die Darstellerin der Isolde zurückhält, die ganze
Zeit von Kurwenals Meldung bis Tristans Auftritt ffir sich und ihr Spiel
ausschließlich in Anspruch zu nehmen. —
Aus dem großen Gespräch zwischen Tristan und Isolde
möchte ich nur ein paar Punkte herausheben:
Tristan: Was schwurt ihr, Frau? seine Waffen batt' ich geweiht,
Isolde: Rache für Moitld! fOr mich zog er in Streit . . .
Tristan: Müht euch die? Tristan (bleich und düster):
Isolde: Wagst du zu höhnen? War Morold dir so wert,
Angelobt war er mir, nun wieder nimm das Schwert...
der hehre Irenheld;
Außer dem späteren höhnischen:
Ihren Angelobten
erschlug ich ihr einst,
sein Haupt sandt' ich ihr heim . . .
ist diese Stelle die einzige im ganzen Werk, die die Beziehungen
zwischen Isolde und Morold erwähnt. Hat aber Tristan von diesen Be-
ziehungen Kenntnis gehabt? Von vornherein könnte es höchst unwahr-
scheinlich — fast unmöglich — erscheinen, daß Tristan nicht wissen sollte,
daß der Heerführer der Iren, mit dem er gekämpft und den er getötet
hatte, mit der Tochter seines Königs verlobt gewesen war. Und doch ist es
sehr wohl möglich, daß niemand — selbst Tristan nicht — von dem Ver-
hältnis gewußt hat. Es ist eine ganz natürliche und ungezwungene An-
nahme, daß Morold um die Hand Isoldens geworben und von ihrem Vater
eine Zusage erhalten hatte, daß aber das öffentliche Verlöbnis aufge-
schoben wurde, bis er als Sieger über die aufrührerischen Engländer zurück-
käme: dann sollte er — als höchsten Lohn seiner Tat — öffentlich als
«Angelobter* Isoldens proklamiert werden. Er zog also in den Krieg, um
die Hand Isoldens zu erkämpfen:
Für mich zog er in Streit.
Ich bin überzeugt, daß Wagner sich das Verhältnis ungefähr so ge-
dacht hat; dann versteht man auch, daß der Irenkönig, der das Verlöbnis
von dem Erfolg Morolds abhängig gemacht hatte, gar nicht daran dachte,
45
FORCHHAMMER: TRISTAN UND ISOLDE
einen besonderen Vergleich zwischen Isolde und Morolds Töter zuwege
zu bringen, wogegen Isolde, die die Waffen des Irenhelden geweiht hatte,
sich noch immer als dessen Anverlobte fühlte.
Wenn Tristan, der keine Ahnung davon hatte, daß Isolde ihn liebe,
gewußt hätte, wie das Verhältnis zwischen ihr und Morold gewesen,
wie hätte er dann:
MQht euch die?
als Antwort auf ihren Ausruf:
Rache für Morold!
sagen können; er will sie ja doch nicht höhnen.
Auch der unmittelbar vorhergehende Wortwechsel bestätigt diese
Auffassung:
Isolde: Blutschuld Tristan: Im ofTnen Feld,
schwebt zwischen uns. vor allem Volk
Tristan: Die ward gesühnt. ward Urfehde geschworen.
Isolde: Nicht zwischen unsl
Hieraus geht doch deutlich hervor, daß Tristan keine Ahnung davon
hatte, daß er Morolds wegen eine besondere Schuld gegen Isolde zu
sühnen habe, eine Schuld, die wegen des persönlichen Charakters des
Verhältnisses zwischen Isolde und Morold in die allgemeine politische
Sühne nicht inbegriffen sein konnte.
Wir müssen also unbedingt annehmen, daß Tristan von diesem Ver-
hältnis nichts gewußt hat, und verstehen dann auch, daß er imstande ge-
wesen, ihre Heilkunst in Anspruch zu nehmen; es würde doch sonst
geradezu eine Gemütsroheit, einen totalen Mangel an geistiger Vornehmheit
voraussetzen, wenn er, der Morold getötet, der sein Haupt mit Hohn
«heimgesandt* hatte, sich gerade von ihr heilen ließ. Es kann deshalb
den Darstellern des Tristan nicht warm genug empfohlen werden, ihr Spiel
so zu gestalten, daß der Zuschauer deutlich erkennt: Hier erfährt Tristan
zum erstenmal, daß Morold Isolden angelobt gewesen! —
Die Erklärung, die Lilli Lehmann von:
Des Schwelgens Herrin faß' ich, was sie verschwieg,
heißt mich schweigen: verschweig' ich, was sie nicht faßt.
gibt, kann ich nicht gutheißen. Was Tristan jetzt «faßt", kann unmöglich
Isoldens Liebe, die er erst viel später «ahnt*, sein. Was er ihr sagt, ist
ganz einfach: Da du, wie ich jetzt weiß, an der «Urfehde* nicht teil-
genommen hast und mich noch immer als deinen ärgsten Feind betrachtest,
dessen Tod und Vernichtung als Rache für Morold dein höchster Wunsch
ist, wirst du nie fassen können, daß ich dich liebe und nur aus Dank-
barkeit gegen dich diese unselige • Brautfahrt unternommen habe. Deshalb
muß ich schweigen, wie du dich ja auch bis jetzt als «des Schweigens Herrin*
46
DIE MUSIK VII. 19.
(d. h. nach Wagners eigener Erklärung: Meisterin des Schweigens) er-
wiesen hast. —
Es ist eine Frage, die nicht so ganz leicht zu beantworten ist: Wann
versteht Tristan, daß der Sühnetrank für ihn den Tod bedeutet? Ich
glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich behaupte, daß er zu dieser Er-
kenntnis kommt, unmittelbar bevor er »wild auffahrend"
Los den Anker!
Das Steuer dem Strom!
Den Winden Segel und Mast!
singt und «Isolden ungestüm die Trinkschale entreißt. *" Isolde hat ihm
soeben mit schneidendster Selbstironie auseinandergesetzt, was für eine tot-
liche Kränkung er ihr zugefügt. Sie hat es in einer solchen Art und Weise
getan, daß es ihm klar sein muß, daß es dafür kein Vergeben, keine Sühne
geben kann. Wenn sie trotzdem ihre Rede mit den Worten schließt:
So guter Gaben Sühne-Trank:
holden Dank den bot mir ibre Huld,
schuf mir ein sGßer zu büßen alle Schuld."
dann kann er nicht im Zweifel sein, daß es der Tod ist, den sie ihm an-
bietet. Bei den früheren Erwähnungen des Sühnetrankes mag er erstaunt
darüber sein, daß sie ihm Sühne anbietet, eine leise Ahnung kann auch
allmählich in ihm aufsteigen, welcher Art diese Sühne sein mag — volle
Gewißheit kann er aber nach meiner Überzeugung erst an der oben ge-
nannten Stelle gewinnen. Sobald er nun mit Sicherheit verstanden bat,
fährt er wild auf, ergreift den Becher mit dem festen Entschluß, den an-
gebotenen Tod sofort zu trinken. Vorher will er ihr aber in dunklen
Worten sagen, wie es um ihn bestellt ist; deshalb spricht er den «Sühne-
eid", dessen Erklärung — meinem Gefühle nach — Ulli Lehmann nicht
ganz gelungen ist. Ich möchte ihn lieber folgendermaßen auslegen:
Tristan's Ehre —
höchste TreuM
das heißt: ich habe meine Ehre darangesetzt, immer die höchste Treue
zu zeigen. Auch dir gegenüber habe ich «höchste Treue" bewiesen: dem
eignen Erbe entsage ich, um dir «der Welt begehrlichsten Lohn", «die
herrlichste der Kronen" zum Dank für deine Wohltat anbieten zu können,
Tristan's Elend —
kühnster Trotz!
das heißt: nachdem es mir zum Bewußtsein gekommen, daß ich dich liebe,
ist es mein Elend gewesen, daß ich, um meine Ehre zu wahren, meiner Liebe
zum Trotz, das angefangene Werk, die Brautwerbung, vollenden mußte.
Trug des Herzens!
das heißt: dadurch ist mein Herz um sein Glück betrogen worden.
47
FORCHHAMMER: TRISTAN UND ISOLDE
Traum der Ahnung!
das heißt: eine Ahnung sagt mir aber, daß auch du mich liebst.
Nach «Traum der Ahnung^ steht in der Dichtung ein «:', womit
Wagner jedenfalls ausdrücken will, daß nach all dem vorhergegangenen
jetzt die Konklusion kommt:
ew'ger Trauer Vergessens güt'ger Trankt
einx'ger Trost: Dich trink' ich sonder Wank!
Daß diese vier Zeilen sich ausschließlich auf «Traum der Ahnung* be-
ziehen sollten, daß also eine Ahnung ihm sage, daß die Sühne der Tod sei,
ist ausgeschlossen. Welcher Art der Trank ist, «ahnt* er nicht, das weiß
er, das muß er, wie oben erklärt, nach Isoldens langer ironischer Rede ganz
genau wissen — was auch aus seinen eigenen Worten ganz deutlich erhellt:
Los den Anker! Wunderkraft:
Das Steuer dem Strom! den Balsam nutzt' ich,
Den Winden Segel und Mast! — den sie bot;
Wohl kenn' ich Irland's den Becher nehm' ich nun,
Königin, daß ganz ich heut* genese!
und ihrer Künste
Als Kuriosum möchte ich nur noch erwähnen, daß der Tristan der
Großen Oper in Paris, Herr E. van Dyck (der frühere Wiener Helden-
tenor), die Stelle:
Los den Anker!
Das Steuer dem Strom!
Den Winden Segel und Mast!
als einen Befehl an die Mannschaft auffaßt! Gegen dies ungeheuerliche
Mißverständnis ist es aber in Deutschland gewiß jetzt überflüssig an-
zukämpfen. —
Die Zeiten dürften wohl jetzt endgültig vorbei sein, wo man auch über
die Bedeutung des «Liebestrankes* noch im Zweifel war. Mit so wenig
Verständnis wird wohl niemand, der ein öffentliches Urteil abzugeben hat,
das Werk jetzt lesen, daß er, wie früher so viele Rezensenten, glauben
könnte, die Liebe Tristans und Isoldens sei erst durch den Trank geweckt
worden. Allerdings, wer aus dem ersten Akt nicht herauslesen oder
-hören kann, daß beider Herzen, lange ehe sie den Becher leeren, von der
heftigsten Liebe entflammt sind, der wird durch Tristans eigene Worte im
zweiten Akt auch nicht viel klüger werden:
O Heil dem Tranke! darin ich sonst nur träumend gewacht,
Heil seinem Saft! das Wonnereich der Nacht.
Heil seines Zaubers Von dem Bild in des Herzens
hehrer Kraft! bergendem Schrein
Durch des Todes Tor, scheucht* er des Tages
wo er mir floß, täuschenden Schein,
weit und offen daß nachtsichtig mein Auge
er mir erschloß, wahr es zu sehen tauge. —
DIE MUSIK VII. 19.
mS3B
Wu Lilli Lehmann zur Charakterisierung der einzelnen Personen,
namentlich Isoldens und Braogänens, schreibt, ist vorzfiglich und im höchsten
Grade beachtenswert, wie die kleine Schrift natürlich Oberhaupt reich an
Bemerkungen ist, die sowohl die Darsteller wie die Regisseure beherzigen
sollten. Ganz besonders habe Ich mich fiber ihre Regiebemerkungen zum
Schluß des ersten Aktes gerreut; fast nie und nirgends sieht man
ihn so ausgeführt, wie er doch von Va^er vorgeschrieben ist, und trotzdem
Brangine Im zweiten Akt singt:
Da don *d SctallTea Bord dfe bleiche Braut
von Trlatan't bebender Hand kaum ihrer michllg
K8nl( Marke empBng — ,
trotzdem wird der Schluß auf den meisten Bühnen so arrangiert, daß man
annehmen muß, diese Begegnung mit König Marke finde unmittelbar nach
dem Schließen des Vorhanges statt. Wegen der Wichtigkeit der Stelle er-
laube ich mir zu zitieren, was Lilli Lehmann schreibt (S. 10):
.Mit dem Schrei:
Trliiinl
Muß Ich leben?
■Inkl Uolde Trlilan (mit dem Rücken) an dte Bruai, Ihr Haupt lehnt an seiner rachtan
Schulter. In dieser Stellung bleiben aie, bla TrlsUn austeruhn tau:
O Wonne voller Tficke!
O Truc-gewelhtes GIfickel
denn aelne Torte beliehen ilcta darauf. Sofort wird Isolde von Brantfne an der
linken, von Trlttan an der recbten Hand, halb ohnmlchilc nach dem Hlniargrundt
schwankend, KSnlg Marke entgeienKetGtan. Der Vortaang schlieBl sieb •chnell.'
j^ BERNARD SHAW
1 UND SEIN WAGNERBREVIER
■ von Paul Moos-Ulm
tllernard Shaw's .Wagnerbrevier* oder »Kommentar zam Ring
1 des Nibelungen" liegt nun auch in einer deutschen Ausgabe
. vor'). Die Übersetzung hat Siegfried Trebitsch besorgt. In
' England scheint die Scbrirt guten Erfolg gehabt und auch Ein-
fluß gewonnen zu haben. Viele deutsche Leser werden vielleicht weniger
geneigt sein, sich von diesem seltsamsten aller Wagnerapostel widerspruchslos
führen zu lassen. Sbaw verfaßte die Schrift in seiner Doppeleigenschaft
als Musiker und Revolutionär. Er ist stolz darauf, gerade diese beiden
Eigenschaften in sich zu vereinen, er erblickt darin das ihn persönlich
auszeichnende Merkmal, das ihn vor allem berechtige, über Wagner zu-
nächst In England ein Wort mitzureden.
Über den , Revolutionär' Sbaw ein woblbegründetes Urteil zu fällen,
müssen wir anderen überlassen. Eine Musikzeitschrift ist dazu wohl nicht
der geeignete Ort, und ihre Mitarbeiter sind vermutlich auch nicht die
kompetentesten Richter. Nichtsdestoweniger mdchle ich mir als deutscher
Büiger und Reichstagswähler — ganz privat und unter uns — die Mei-
nung auszusprechen erlauben, daß Shaw's politisches Bekenntnis einen
höchst verworrenen Eindruck macht und ganz und gar nicht geeignet ist,
zu imponieren. Shaw bekennt sich zum Anarchismus und verlangt, daß
der Protestantismus sich nach dieser Richtung weiter entwickele. Schließlich
kommt er aber zu dem Ergebnis, daß auch der Anarchismus kein Uni-
versalmittel bedeute. Er ist der Meinung, daß die Mehrzahl der gegen-
wärtig in Europa wohnenden Menschen gar nicht zu existieren brauchte;
daher werde die Menschheit keinen entscheidenden Fortschritt machen,
bevor sie sich nicht ernstlich und wissenschaftlich die Aufgabe stelle, zu-
verlässiges Menschenmaterial zu züchten. Shaw wird gut daran tun, sieb
zwecks Erreichung dieses Zieles mit der Lehre jenes Wiener Professors
vertraut zu machen,- der die Menschenzficbtung nach einem bestimmten
System entdeckt zu haben glaubte. Hoffentlich wird aber Shaw's eigener
Einfluß auf die geplante Regeneration kein allzu großer sein, sonst möchte
es kommen, daß die Rasse der Zukunft zwar Überfluß an Witz, Geist und
■) 5. Fliehet, Berlin 1908.
VIL IS. 4
50
DIE MUSIK VII. 19.
Scharfsinn, zugleich aber auch einen bedenklichen Mangel an Einfachheit
und Klarheit des Denkens aufweist.
Geistvoll-verschroben, wie er ist, tritt Shaw an Wagners Nibe-
lungendramen heran und sucht sie seinen eigenen Gedanken gemäß zu
interpretieren. Es kann nicht anders sein, als daß sich dabei eine Ver-
zerrung ergibt. Shaw nimmt den »Ring*" nicht als ein Kunstwerk
schlechthin, sondern findet, da er nun doch einmal Musiker und Revo-
lutionär zugleich ist, in Wagners Dramen die sozialwissenschaftlichen
Ideen dargestellt, die Europa um die Mitte des vorigen Jahrhunderts be-
wegten und von Wagner durch den Dresdener Aufstand deutlich erfaßt
worden seien. In der Sklaverei der Nibelungen und der Tyrannei
Alberichs erkennt Shaw die Abbildung unseres kapitalistisch-industriellen
Systems vom Standpunkte der Sozialisten aus. Alberich gilt ihm als der
Typus des geschworenen Plutokraten und modernen kapitalistischen Unter-
nehmers, der sich als Fabrikbesitzer die Arbeit von Hunderten dienstbar
macht und selbst in Üppigkeit lebt, während seine Heloten darben und
hinwelken. Demgegenüber repräsentiert Wotan Gottheit und Königtum,
Loge die Logik und Einbildungskraft oder Gehirn ohne Herz, Fricka das
Staatsgesetz. Siegfried aber ist eine total unmoralische Persönlichkeit ge-
worden, ein geborener Anarchist, das Ideal Bakunin's und eine Vor-
ahnung des Nietzscheschen Übermenschen. Shaw stellt es seinen Lesern
immerhin frei, ob sie Siegfried einen Anarchisten oder, da dies ehrbarer
klinge, lieber einen Neuprotestanten nennen wollen. Die Erschaffung der
Siegfriedgestalt erscheint ihm als die unvermeidlichste dramatische Kon-
zeption des 19. Jahrhunderts, das gerade einer solchen durch den Umsturz
Ordnung bringenden Individualität bedurft habe.
Durch diese Verquickung der Siegfriedgestalt mit den politisch-
sozialen Verhältnissen jener Zeit wird nun in den »Ring**, wie Shaw ihn
auffaßt, ein sonderbarer Zwiespalt hineingetragen. Die Zeitverhältnisse
führten ja zunächst zur Unterdrückung der revolutionären Bestrebungen:
nicht Siegfried kam, sondern Bismarck, und Röckel war ein Gefangener.
Für den Revolutionär und Anarchisten Shaw ist der Sieg Bismarcks gleich-
bedeutend mit dem Siege der Reaktion. Als Wagner die «Götterdämmerung"
beendete, war nach Shaw der Mißerfolg Siegfrieds und der Triumph der
Wotan-Loge-Alberich-Dreieinigkeit zur Tatsache geworden. Daraus ergab
sich nun, meint Shaw, für Wagner ein unlösbarer Konflikt, da Shaw ja
doch unentwegt an der Fiktion festhält, daß Wagner im «Ring* die sozial-
politischen Zeitverhältnisse habe darstellen wollen. Nach der Meinung
des englischen Musikers und Revolutionärs hätte Wagner eigentlich nun
den «Siegfried'' in den Papierkorb werfen und den «Ring* von der «Wal-
küre* ab neu schreiben müssen. Alsdann hätte der «Ring* konsequenter^
51
MOOS: SHAWS WAGNERBREVIER
weise aufgehört, eine Nibelungendichtung zu sein, wäre vielmehr ins
moderne Kostüm übertragen worden mit Zylindern statt Tarnhelmen,
Fabriken statt Nebelheimen, Villen statt Walhallas. Shaw beklagt es,
daß Wagner zu dieser ebenso notwendigen, wie radikalen Änderung nicht
mehr imstande gewesen sei, da sie sogar seine Riesenkraft und Ausdauer
fiberstieg. Auf diese Weise kommt Shaw zu dem Ergebnis, daß der
«Ring* im Grunde ein unbeendetes und für immer unbeendbares Werk
blieb. Den Abschluß, den Wagner selbst dem Ganzen gab, hält Shaw für
einen traurigen Notbehelf.
Das führt uns hinüber zu dem Musiker Shaw, der ein ebenso ab-
sonderlicher Geselle ist wie der Revolutionär. In der Beurteilung Wagners
gehen diese beiden Kameraden einträchtig Hand in Hand; was der eine
behauptet, bestätigt der andere voll Bereitwilligkeit. Auch der Musiker
Shaw glaubt, daß der »Ring' einen gänzlich unzulänglichen Abschluß ge-
funden habe. Bei der näheren Ausführung und Begründung dieser Meinung
verfährt er aber geradeso leichtsinnig wie der Revolutionär. Es ist ja
gewiß über die späteren Dramen Wagners noch nicht das letzte Wort ge-
schrieben und gesprochen worden. Es liegt hier sogar das wichtigste
musikalische Problem der Gegenwart, noch wichtiger als die Frage nach
der wahren Bedeutung von Reger und Richard Strauß. Der Revolutionär
und Musiker Shaw ist in all seiner Verwegenheit aber nicht der Mann,
dies wichtigste musikalische Problem unserer Zeit zu lösen oder auch nur
der Lösung näher zu bringen; sein sprühender und funkelnder Geist steht
dieser Frage, wenn man näher zusieht, in musikalisch-kritischer Ohnmacht
gegenüber, alles Blendwerk und Raketenfeuer behenden Witzes hilft nicht
darüber hinweg, daß es ihm an wahrer Sicherheit des musikalischen
Urteils gebricht. Was er sagt, ist bizarr, willkürlich und läßt eine ernst-
liche Diskussion gar nicht zu. Wie aus der Pistole geschossen kommt
seine Behauptung daher, daß mit dem Zwiegesang am Schluß des «Sieg-
fried* das Drama sich in eine große Oper verwandle, daß der »Ring* von
hier ab aufhöre, philosophisch zu sein, und didaktisch werde. Siegfried
sei jetzt nur noch der primo tenore robusto eines Opernbuches, Hagen
ein Opemschurke. Die «Götterdämmerung* ist für Shaw nichts anderes
als «eine ausgewachsene große Oper*, die den Opemchor in voller Parade
auf die Bühne stelle, und zwar so, daß er sich ja nicht unterstehe, die
Primadonna in ihren schmetternden Tiraden zu stören. Shaw findet in
der «Götterdämmerung* theatralischen Schwulst, der an Meyerbeer und
Verdi erinnere. Ihr Verhältnis zu den vorhergehenden drei Dramen setzt
er der Art gleich, wie Rossini zuweilen ernste Kompositionen mit einem
Galopp abgerundet habe. Er glaubt sie charakterisiert durch den Mangel
jeder Einfachheit und Würde, durch die Unmöglichkeit einer glaubwürdigen
4^
52
DIE MUSIK VII. 19.
Bfihnendarstellung und durch die äußerst theatralische Konvention, die über
diese Unmöglichkeit hinweghelfen soll. Siegfrieds Eintreffen im ersten
Akt erfolgt, nach Shaw, mit »opernhafter Rechtzeitigkeit', bei dem Schwur
der Blutbrüderschaft bricht »der alte Opernfuror auf spaßhafte Weise in
Wagner hervor*, auch im zweiten Akt schwört Siegfried einen «grandiosen
Opernschwur*, Brünnhilde, Günther und Hagen „brechen in ein herku-
lisches Trio aus*, sogar den Abschiedsgesang des auf den Tod verwundeten
Siegfried bedenkt Shaw mit seinem törichten Spott. Er meint, Siegfried
richte sich nach alter Opernsitte noch einmal auf und singe ungefähr
dreißig Takte an seine Geliebte, bevor er sich schließlich bei den Klingen
der berühmten Trauermusik fortschaffen lasse. Im Sieglinden -Brunn-
hildenthema des Schlusses vermißt Shaw jede dramatische Logik, er kann
ihm wirklichen musikalischen Wert nicht zuerkennen, glaubt, daß es
ebensogut die Lieblingssteigerung einer volkstümlichen sentimentalen Ballade
sein könnte, und nennt es schließlich den bettelhaftesten Satz der ganzen
Tetralogie. Auf derselben musikalisch-kritischen Höhe stehen die weiteren
Behauptungen Shaw's. Für das Verständnis der Leitmotive Wagners ge-
nügt nach seiner Meinung die Unterscheidungsfähigkeit für Militärsignale.
Wagners Tonmalereien stellt er den naiven Schilderungen Haydns an die
Seite. Außerdem unterscheidet er auch in der musikalischen Gestaltung
Vers und Prosa. Mozart hält er für einen musikalischen Verskünstler.
Welches Gewicht diesen und ähnlichen Äußerungen beizumessen ist, mag
daraus entnommen werden, daß Shaw glaubt, die dramatisch wirksamsten
Finali Mozarls seien «mehr oder weniger in Sonatenform wie symphonische
Sätze geschrieben* und daher als musikalische Prosa zu bezeichnen.
Der Spötter Shaw mokiert sich über das «Universalmitttel* der Liebe
in »Siegfried* und «Götterdämmerung*, er sieht darin das Überbleibsel einer
unreifen, opemhaften Auffassung der Geschichte. Er selbst gewinnt als
«vernünftiger Jünger* aus dem «Ring* nicht den Glauben an die Liebe,
sondern den an das Leben selbst, das als unermüdliche Kraft beständig
vorwärts und aufwärts treibe. In den Abschiedsworten der Brünnhilde
findet er nicht etwa den Ausdruck eines reinen Gefühls, sondern den heftiger
sexueller Leidenschaft.
Shaw, der Philosoph, spricht nicht wie andere gewöhnliche Sterbliche
von Schopenhauers «Metaphysik*, sondern — um auch hier seine über
alles Alltägliche erhabene Originalität zu beweisen — von dessen «Meta-
Physiologie* und glaubt überdies noch, durch diese Bezeichnung Mißver*
Ständnissen vorzubeugen. Zugleich konstatiert er die verwunderliche Tat-
sache, daß die politische Philosophie Siegfrieds derjenigen Schopenhauers
gerade entgegengesetzt sei.
Auf den typischen modernen Deutschen ist Shaw gar nicht gut zu
53
MOOS: SHAWS WAGNERBREVIER
sprechen; er macht sich auF jede nur mögliche Weise über ihn lustig, ver-
spottet ihn und seine „höheren Triebe*, über die er selbst sich so sehr
erhaben fühlt. Man darf wohl fragen, warum Shaw seine Bücher über-
haupt ins Deutsche übersetzen läßt, da er doch eine so geringe Meinung
von der Mehrzahl der deutschen Leser hat? Er mag sich hüten vor dem
gelehrten und gewissenhaften Deutschen, den er verhöhnt! Der Pfeil möchte
leicht mit verschärfter Spitze auf ihn selbst zurückfliegen! Der deutsche
Leser fühlt sich ihm durchaus gewachsen, amüsiert sich über die Harlekin-
sprünge seines Witzes und lacht den geistvollen Einfaltspinsel überall da
aus, wo er's verdient.
Auch über Bayreuth ergießt Shaw die Lauge seines Spottes. Er findet,
daß die Deutschen abscheulich singen, dabei aber physisch ganz prächtig
gedeihen. Aus dem finanziellen Ergebnis Bayreuths zieht der närrische
Kauz den Schluß, daß das Publikum Sommertheater ersten Ranges brauche.
Zugleich ist er aber Engländer genug, um diese Attraktion seinem eigenen
Lande zu wünschen. Und das ist schließlich des Pudels Kern. Shaw
kommt zu dem Ergebnis, daß man in England selbst Wagnerfestspiele ver-
anstalten solle, er sieht keinen einzigen Grund, weshalb nicht ebenso gute
und bessere Aufführungen des »Ring* in England zustande gebracht werden
könnten wie in Bayreuth. Wagners Partituren sind ja nun doch einmal auf
der Welt und allen Nationen in gleicher Weise zugänglich ! Vielleicht ent-
schließt sich ein englisches Konsortium, Shaw selbst als Direktor des neu
zu gründenden Unternehmens anzustellen. Sein Witz und rascher Geist
lassen ihn ja als für diesen Posten prädestiniert erscheinen. Sehr richtig
hat er schon erkannt, daß die größte Gefahr für das künftige englische
Wagnertheater in den vielen Gesangslehrern liegt, die England überschwemmen,
und daß Rettung nur von denen kommen kann, die' zu arm sind, um Stunden
zu nehmen.
Wir wollen jedoch nicht so ungerecht sein, über allen diesen Bizarrerieen
zu vergessen, daß Shaw im Grunde doch ein geistvoller, origineller, selb-
ständiger Kopf ist, daß er hoch über die bloß verständige Mittelmäßigkeit
hervorragt, vor allem aber über die eigentliche deutsche Wagner-Orthodoxie
im engeren Sinn, die zum Teil ja in beschränkten Persönlichkeiten ihre
wenig sympathische Verkörperung findet. Wenn diese Herren überhaupt
einer Belehrung zugänglich wären, so könnten sie sich von Bemard Shaw
darüber aufklären lassen, daß das echte Wagnerianertum nicht in hündischer
Unterwürfigkeit und kritiklos-blinder Verhimmelung besteht. Ist Shaw zwar
bizarr, so ist er doch auch anregend; ist er zwar spottsüchtig, so doch auch
offenherzig und mutig. Und schließlich tritt er ja für Wagner wie für Ibsen
mit allen seinen Kräften ein. Sein Spott ist in diesem Falle nicht Selbst-
zweck, er braucht ihn eben, um sich als Schriftsteller überhaupt seiner
DIE MUSIK VII. 10.
Eigenart gemäß betStigeo zu können; nur in der Paradoxie entzünden sich
die Blitze seines Geistes. In Wiriclictilteit hat er sich eingehend und liebe-
voll mit Wagners Lebenswerk beschlftigt, ist keineswegs ein Neuling in
diesen Dingen. Beherzigenswert ist sein Ausspruch, dafi Wagner nicht am
Anfang, sondern am Ende einer Bewegung stand. Sehr wobt erkennt er
auch, daß Wagners Angriif auf Meyerbeer unvermeidlich und unpersSnlich
war. Er ist erfahren genug, zu wissen, daß Wagner beinahe unbeschränkt
gegen sich selbst zitiert werden kann, und daß auch seine Erklärungen der
eigenen Werke hXuflg aus subjektiv zufälligen Bedingungen entsprangen.
Hit Recht verficht Shaw den Standpunkt, daß nicht immer der Künstler
selbst die beste Auskunft über sein eigenes Werk geben kann. Er zitiert
bei dieser Gelegenheit das bekannte Wort Wagners aus dem Briefe an
RSckel vom 23. August 1856. Aufrichtige Verehrung und Bewunderung
bringt Shaw allen Großmeistern der deutschen Musik entgegen. Die Ver-
suche, Wagner im Musikdrama zu überwagnern, bezeichnet er als aussichts-
los. Dafi er zugleich aber doch für den einzig berufenen Nachfolger
Wagners den Komponisten der .Salome" hält, dem ja auch die deutsche
Ausgabe des .Wagnerbreviers' gewidmet ist, darin mag ein neuer und
letzter Beweis für die in seinem blendenden Geiste doch herrschende
Unklarheit liegen.
Richard Wagners photographische Bildnisse. Mit einem Vorwort von
Albert Vtnselow. Verlag: Bruckmtnn, München 1908.
Ein tusgezeichneter Gedanke, diese Biographie in Bildern! Die meisten und
jedenfalls besten Lichtbilder, im ganzen 34 aus den Jahren 1860—82 sind hier in vor-
züglicher Wiedergabe vereinigt. Das Haus Wahnfried hat seinen Besitz an Bildern in
dankenswerter Weise zur VerfQgung gestellt. Oberall ist die Jahreszahl und der Photograph
angegeben. Wir haben also eine reichhaltige, wissenschaftlich brauchbare Bildersammlung
vor Augen. Die zahlreichen Portrits von Kunstlerhand sind mit Absicht ausgeschlossen.
«Das KQnstlerauge sieht individuell, und gerade die größten Portritisten Wagners, ein
L^nbach, ein Herkomer, geben das Geschaute mit einem starken Zusatz persönlichen
Empfindens wieder." «Die Kamera dagegen ist unpersönlich wie ein Spiegel." Die be-
weglichen Zuge des Meisters durch verschiedene Lebensalter hindurch werden uns hier
vermittelt Dabei finden sich ausgezeichnete Bilder, wie die von Herrn von Groß aus
den Jahren 1873 und 1882, die Hanfstinglsche Aufnahme von 1865 und die Londoner
von 18^. Diese sind besonders schön und sorgfiltig wiedergegeben; aber auch alle
andern, soweit ich die Originale nachprüfen konnte, sind durchaus zuverlissig. Und
nun der biographische Wert! Wagner schreibt an Frau Wesendonk am 6. Juni 1863:
.Wollen Sie sich einen Begriff machen, wie mich solche Unternehmungen angreifen, so
vergleichen Sie zum Spaß die drei Petersburger Photographien, welche anfinglich gemacht
waren, mit der Moskauer, zu welcher ich 14 Tage spiter saß.* Hierzu vgl. No. 6—8
der Sammlung. Der Hund Pohl, der die ganze Muncbener Zeit mitmachte und im Januar
1866 in Genf starb (Glasenapp IV und Briefe an Frau Wesendonk im Namenregister),
liegt zu Fußen seines Herrn No. 11 und 12. Reizvoll ist es auch, die wechselnde
Tracht, Straßenanzug oder Hausrock, MQtze und dergleichen auf den Bildern zu verfolgen.
Hiufig dienen die Photographieen zur Grundlage von kQnstlerischen Portrits. So ist die
schöne Radierung von Joh. Lindner (München 1882) nach dem Pariser Bild von 1867
(No. 18) gemacht. Auch die Vorlagen der Zerrbilder lassen sich leicht erkennen, z. B. das
von Andtt Gill auf dem Titel der französischen Obersetzung der Kapitulation 1876 nach
der Pariser Aufnahme No. 19. So gibt das BQchlein nach allen Seiten Anregung. Aber
es sollte womöglich noch vervollstindigt werden, was etwa mit Hilfe des Eisenacher
Wagner-Museums oder des musikhistorischen Museums von Manskopfin Frankfurt a. M.
leicht möglich wire. Aus dieser Sammlung brachte z. B. die «Musik* im I. Jahrgang,
0. Heft eine Aufnahme aus den 60er Jahren, Wagner im Oberrock, die in dem BQchlein
fehlt. Die Pariser Auftiahme (No. 2) gehört ins Jahr 1860, vor die Brfisseler (No. 1), wie
aus dem Briefe Wagners an Frau Wesendonk (Seite 236) zu ersehen ist. Auch vermißt
man einige Bilder aus den letzten Jahren; neben der schönen Albertschen Aufnahme
von 1880 (No. 33) gibt es auch noch einige andere. Schließlich wire eine entsprechende
Sammlung der wertvollsten Portrits auch sehr wQnschenswert. Allein schon die ver-
schiedenen Lenbachbilder möchte man bequem beisammen haben. Die ZOge des fungen
Wagner sind durch die Zeichnungen von E. B. Kietz 1842 und C. Stockar-Escher 1853
56
DIE MUSIK VII. 19.
«B
(beide vorzQglich wiedergegeben in der Bilderausgabe von Cbamberlains »Richard Wagner"
und in der «Musik« Jahrgang II, Heft 16 und Jahrgang VII, Hefe 12) überliefert. In der
Zeit, wo Lichtbilder noch fehlen, sind sie als Ersatz dafür unentbehrlich. Das BQchleio,
dessen Preis mit 3 Mk. sehr billig bemessen ist, wird große Verbreitung finden. Es ist
trefflich ausgestattet und Qberaus wertvoll. Es bildet die Grundlage für ein vielleicht in
Zukunft zu erhoffendes umfassendes und erschöpfendes Werk Ober Wagnerbildnisse,
wofür genug Stoff vorhanden wire. Zunächst sollte das vorliegende Büchlein in weiteren
Auflagen tatsichlich alle Pbotographieen vollzihlig aufnehmen. Der begleitende Text
aber müßte sich etwa den von F. Stahl zu den Goethebildnissen (Berlin 1905) zum Vor-
bild nehmen.
Oeuvres en prose de Kichard Wagner traduiies en fiangais par J. G.
Prod'homme. Erster Band (1841—42). Verlag: Delagrave, Paris 1907.
Die Obersetzung der Prosaschriften ist ein schönes Zeugnis für die ernste Auf-
fassung, die man in Frankreich für Richard Wagner hegt. Der vorliegende erste Band
ist aber auch für deutsche Leser wichtig. Er entspricht dem ersten Band der Gesammel-
ten Schriften ohne die «Rienzi*- und «Hollinder*dichtung, jedoch mit dankenswerter Ver-
mehrung der Prosaschriften um zwei Aufsitze. Der Band enthilt hauptsichlich Wagners
Schriften aus Paris 1841—42. Die meisten Aufsitze erschienen zuerst in französischer
Obersetzung in Schlesingers „Gazette musicale", als deren regelmißiger Mitarbeiter
Wagner drei Jahre hindurch auf dem Titelblatt genannt wurde. Die französische
Obersetzung nahm allerlei Änderungen, Kürzungen und Zusitze vor, am meisten in
den beiden Aufsitzen vom Virtuosen und Künstler und vom Künstler und der Öffent-
lichkeit, die bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wurden. Die Rücksicht auf den fran-
zösischen Leserkreis und die Modegötzen schien diese Eingriffe den Herausgetem der
Gazette zu gebieten. Prod'homme gibt nun die Fassung der «Gazette musicale*, ver-
zeichnet aber in den Anmerkungen sorgfiltig alle Abweichungen der Gesammelten
Schriften. Die ursprünglichen deutschen Fassungen, die lange Zeit im Besitz von Frau
Wesendonk sich befanden (vgl. Richard Wagner an Mathilde Wesendonk, S. dOOf), wurden
erst 1871 in den Gesammelten Schriften veröffentlicht. Es ist daher von geschichtlichem
Wert, die Gestalt zu kennen, in der diese Aufsitze zuerst in der französischen Fassung
veröffentlicht wurden. Der Bericht über Hal6vy's ,»La reine de Chypre" erscheint In
doppelter Fassung, in der aus den Gesammelten Schriften bekannten für die .Dresdener
Abendzeitung** geschriebenen Form und in einer anderen, dort nicht abgedruckten der
„Gazette musicale*. Ferner finden wir bei Prod'homme den Aufsatz über das Stabat mater
von Pergolese aus der »Gazette musicale*. Also erginzt Prod'homme zusammen mit
Stemfelds ausgezeichneter Ausgabe der Aufsitze und Kunstberichte Wagners aus der
Pariser Zeit (in der „Deutschen Bücherei" No. 64 und 65, 1906) im Vergleich zur Auswahl
des ersten Bandes der Gesammelten Schriften sehr wesentlich das Bild der schrift-
stellerischen Titigkeit des jungen Richard Wagner.
F. Riedel: Erliuterungen zu Richard Wagners Welt-Tragödie: Der Ring
des Nibelungen. Mit einem Anhang über die übrigen Dramen Wagners.
Groß-Borstel, im Verlage des Verfassers, 1906.
Das Büchlein ist in bester Absicht und mit großer Begeisterung geschrieben,
aber enthilt nichts neues und eignes, sondern nur eine Zusammenstellung verschiedener
Urteile und Aussprüche über Dichtung und Musik, die einer erliutemden Nacherzihlung
der Handlung eingefügt sind. Die Darstellung ist zu breit und stellenweise ungelenk.
Der Verfasser hat offenbar keine schriftstellerische und wissenschaftliche Obung und
Schulung. Die benutzten Quellen sind meist gut, doch auch dat>ei tehlt das kritische
57
NEUE WAGNER LITERATUR
Urteil. Der Anhang bringt nur einige Aussprüche Wagners über seine Werlce und ein
sehr unvollständiges Schriftenverzeichnis.
Richard Wagner -Jahrbuch. Zweiter Band, 1007. Herausgegeben von
Ludwig Frankenstein. Verlag: Hermann Paetel, Berlin.
Mit besonderer Freude hebe ich hervor, daß der zweite Jahrgang gegenüber dem
ersten (vgl. .Musik*, Band XXIV, S. 367) sich entschieden verbessert hat. Die Beiträge
sind gehaltvoller; ganz wertlose und überflüssige Aufsitze finden sich nicht mehr. Der
Herausgeber ist also erfolgreich bemüht gewesen, das Jahrbuch höheren Ansprüchen
gerecht zu machen. Hoffentlich gelingt auch ein weiterer Ausbau des Unternehmens
nach der Richtung, daß es ein allseitig anerkannter Sammel- und Mittelpunkt der
Forschungen über Richard Wagner wird. Dazu wire vor allem eine möglichste Ver-
vollkommnung des kritischen Jahresberichts vonnöten, nach dem bewährten Vorbild
unserer historischen und literarhistorischen kritischen Jahresberichte. Wir wünschen
eine umfassende und erschöpfende Bibliographie, eine Oberschau über alles, was im
Berichtsjahr erschien. Neben der Zusammenfassung des weitverstreuten, oft schwer
zuginglichen Materials kime es vornehmlich darauf an, die wichtigen Beitrige aus der
Unmasse des Unbedeutenden und Wertlosen entsprechend herauszuheben, durch kurze,
klare, kritische Inhaltsangabe die Aufmerksamkeit auf wertvolle Erscheinungen zu lenken.
Daß das Jahrbuch eigene, ausführliche Besprechungen enthilt, ist weniger von Belang,
als daß es den wesentlichen Inhalt der Bücher und Aufsitze angibt und die darüber
anderwärts erschienenen Kritiken verzeichnet. Unverantwortliche Raumverschwendung
ist z. B. Dingers 22 Seiten umfassende Anzeige von Wirths unsinniger «Mutter Brünnhilde**.
Derlei gehört etwa wie Weltrichs Schmlhschrift auf „Tristan* unter Kuriosaund Karikatur,
nicht aber unter ernsthafte Wissenschaft. Ein solcher Jahresbericht erheischt natürlich die
Mitarbeit vieler, insbesondere der Verfasser von Wagnerschriften, die ihre Arbeiten dem
Herausgeber oder Verleger zusenden müßten. Namentlich die Zeitungsschau oder
Bekanntgabe von Aufsitzen, die an entlegenen Orten erscheinen, wo man sie kaum ver-
mutet und sucht, wlre nur auf diese Weise denkbar. Aber dadurch würde das Jahrbuch
auch wirklich überaus nützlich, ja, so unentbehrlich wie das Goethe- oder Shakespeare-
Jahrbuch. Die hier angedeuteten Grundsitze gelten auch für die von Frankenstein vor-
bereitete und angekündigte Gesamtbibliographie. — Von den reichhaltigen und gediegenen
selbstlndigen Beitrlgen des neuen Jahrgangs erwlhne ich an dieser Stelle nur folgendes
wenige: zunlchst einige bisher ungedruckte Briefe Wagners, die allerdings keine sehr
wichtigen Angelegenheiten behandeln, und dankenswerte Briefauszüge aus Auktions-
verzeichnissen, Zeitungen usw. als Erglnzung zu Altmanns Regesten. Ferner zwei aus-
gezeichnete musikalische Arbeiten von Stern feld undGrunsky. Sternfeld behandelt
die Entstehung und Entwickelung des Leitmotivs in Wagners Jugendwerken. In den
«Feen* wird die Hexenromanze als ein durchgreifendes Leitmotiv erwiesen; aus der
Partitur des «Liebesverbotes* macht Sternfeld durch Kapellmeister Cortolezis' Vermittelung
ganz neue Dinge bekannt; endlich zeigt er ein bisher gar nicht erkanntes Hauptmotiv
des «Rienzi* auf, das gleich in den ersten Takten des Vorspiels begegnet:
IT ef-
^=i
«Weh dem, der ein verwandtes Blut zu riehen hati* Also nicht erst im «Holunder*,
sondern bereits in den «Feen* hat Wagner das ihm ganz und gar eigene ideelle Leitmotiv
gescbaffien, das von der auch vor Wagner üblichen Wiederholung einzelner Themen von
Grund aus verschieden ist: «Wagner hat das Leitmotiv geschaffen ohne jeden Vorginger*.
58
DIE MUSIK VII. 19.
Bei dieser Gelegenheit wird Guido Adlers tnmaßendes Wagnerbuch, das sich gerade mit
musikalischen Kenntnissen den „Wagneriten* gegenüber brfistet, als eine oberflichliche
und ungrundliche Arbeit scharf und gerecht verurteilt. Grunsicy aber untersucht sehr
genau und streng musikwissenschaftlich den motivischen Bau im Vorspiel und ersten
Aufzug des «Tristan*. Er verfolgt bis in die feinsten Einzelheiten hinein die Umbildungen
der Motive und eröffnet damit einen tiefen Einblick in die unerspbOpflich reichen Aus-
drucksformen der Wagnerschen Tonkunst, in die immer neuen Herrlichkeiten dieser
Wunderpartitur.
Hans V. Wolzogen: Musikalisch-dramatische Parallelen, Beiträge zur
Erkenntnis von der Musik als Ausdruck. Verlag: Breitkopf & Hirtel,
Leipzig 1906.
«Musik ist Ausdruck. Sie druckt Empflndungsgehalte aus. Verwandten Empflndungs-
gehalten entspricht verwandte Ausdrucksforro." Wolzogens Buch erwuchs aus gegen-
seitiger Mitteilung von Beobachtungen, die sich ihm und andern aus dem Vergleich der
Wagnerschen Werke aufdrängten, daß nämlich an verschiedenen Stellen aus verwandten
dichterischen Voraussetzungen ähnliche musikalische Wendungen, Harmonien, Figuren
und Phrasen wiederkehrten. So z. B. im «Tannhäuser* «der Gnade Wunder Heil* und «der
Glaube lebt* im «Parsifal*; das Motiv der Erwartung im zweiten Aufzug des «Tristan* und
im Lied «Erwartung*; das Blickmotiv des «Tristan* in der «Faust*-Ouverture und «Rienzi*-
Ouverture usw. Wolzogen zählt 100 solcher Parallelen au( die er in sechs Gruppen —
Stimmung, Empfindung, Situation, Handlung, Charakter, Deklamation — einteilt und sehr
geistvoll deutet. Es sind «orphische Urworte* der Empfindung, die sich im musikalischen
Drama mit zwingender Notwendigkeit einstellen. Diese Parallelen sind durchaus ver-
schieden von den «Leitmotiven*, worüber der Verfasser im Nachwort Seite 215 ff.
spricht. Er erörtert dabei die Geschichte des Wortes Leitmotiv und seine begriffliche
Bedeutung. Bei diesem Anlaß wird Seite 225 ff. noch einmal das Schwert im «Rheingold*
als durchaus gerechtfertigt und notwendig erwiesen. Wolzogens Untersuchungen regen
zu tieferem Nachdenken Ober die Ausdrucksformen des musikalischen Dramas an. Die
zuerst in den Bayreuther Blättern 1894—1903 veröffentlichten Aufsätze, die nun in einem
handlichen BQchlein zusammengefaßt sind, erfuhren auch von andrer Seite her, z. B.
durch Kurt Mey (Die Musik als tönende Weltidee, 1901) willkommene Ergänzung und
Bestätigung.
Riebard Wagner in seinen Briefen. Herausgegeben von Erich KloiL
(«BQcher der Schönheit und Weisheit*, herausgegeben von Freiherm von
Grotthus.) Verlag: Greiner & Pfeiffer, Stuttgart 1908.
Hans von Wolzogen gab 1904 ein «Wagnerbrevier* heraus, eine vortreffliche
Zusammenstellung der Hauptideen aus Wagners Schriften, die dem Laien ein guter
FGhrer zu den Schriften, dem Kenner eine wertvolle Obersicht, eine Anregung zum er-
neuten Lesen ist. In ähnlicher Weise hat nun Kloß eine sehr geschickte Auswahl aus
Wagners Briefen getroffen, aus der die Vielseitigkeit und Gedankentiefe dieser Urkunden
Qberaus anschaulich uns entgegentritt. Die einzelnen Abschnitte behandeln Leben,
Welt, Kultur, Religion, Politik, Familie, Frauen, Natur und Tierwelt, Humor, Zeitgenossen,
Musik, Musiker, Theater, Dichter und Dichtung, Kunst und künstlerischen Beruf,
eigene Werke, Festspielgedanken und Bayreuth. Alle bisher veröffentlichten Briefsammlungen
sind mit guten Beispielen vertreten. Das Buch ist schön gedruckt, mit Zeichnungen
von Franz Stassen geschmückt und mit einer vorzQglicher Wiedergabe des Großschen
Wagnerbildes von 1882 ausgestattet. Möge es in weiten Kreisen werbende Kraft be-
währen zur vertieften und wahren Kenntnis Wagners, der sich am unmittelbarsten in
seinen Briefen gibt.
M
59
NEUE WAGNER-LITERATUR
mmm
WUUam Ashton Ellis: Lifepf Richard Wagner. Vol. VI. Verlag: Kegan
Paal, Trench, TrQbner, London 1908^).
Der Band umfaßt die Zeit vom Juli 1855 bis August 1850, 452 Seiten entsprechend
Glasenapp III, S. 98 bis 216; die Hauptereignisse sind die Vollendung der »Walküre*,
des ersten und zweiten «Siegfried'-Aktes, die Dichtung und Vertonung des »Tristan*.
Zum erstenmal sind die Briefe an Mathilde Wesendonk in eine zusammenhingende
Lebensbeschreibung aufgenommen. Zur Ergänzung gehört hierher Ellis' Einleitung, die
er der englischen Obersetzung der Wesendonk-Briefe voranstellte. (Vgl. »Musik* XX (1906),
S. 44.) Was 1899 im dritten Band Glasenapps verhältnismäßig flüchtig behandelt werden
mußte, gehört jetzt zu den Abschnitten, wo die reichsten Quellen uns fließen. Und die
erschöpfende, kritische Verwertung dieser Quellen beseitigt ohne weiteres alte Irrtümer
und Unklarheiten. Das erste Kapitel schildert Wagners Weltanschauung in ihrer Ver-
wandtschaft mit der Schopenhauers. Voran steht der Tod des Hundes Peps, die tiefe
Liebe Wagners zum Tier, die gerade in diesem Fall durch besonders zahlreiche und
schöne Briefotellen bezeugt ist. Und von diesem Mittelpunkt aus erwichst die Religion
des Mitleids, die schließlich Schopenhauers Pessimismus zu überwinden vermochte.
Ich kenne keine Darstellung, die so klar und anschaulich die wesentliche und grund-
legende Einstimmung zwischen Wagners und Schopenhauers Gedankenwelt heraushebt,
gleichsam uns wissend macht durchs Gefühl, nicht durch leere Begriffe. Endlich glaubt
Ellis auch einen physiologischen Grund für die meisten Pessimisten und auch für Wagner
in Sehstörungen (Astigmatismus) erweisen zu können. Mag sein, aber das Psychologische
steht doch ganz unabhängig für sich allein. Seinen ganzen kritischen Scharfsinn be-
währt Ellis im Abschnitt über die Gäste Wagners auf dem Grünen Hügel: Praeger,
R. Franz, Pohl. Nicht bloß die handgreiflichen Lügen Praegers sind ganz zu verwerfen,
auch die Berichte der anderen Zeugen sind teilweise von Entstellungen und Verdrehungen
nicht freizusprechen. Schon vorher, S. 64 ff., wurden Hornsteins fragwürdige Erinnerungen
an Wagner der nötigen Kritik unterzogen. Im »Tristan*- Abschnitt aber geht Ellis mit
seinen kritischen Zweifeln gelegentlich zu weit. S. 300 f. verwirft er die überlieferte
Tatsache, daß Parzival einmal im dritten Aufzug des »Tristan* auftrat. Ich halte an
meiner in der »Musik* XX (1006) S. 10 ff. und in meinem »Tristan*-Bucb (Leipzig 1907
S. 446 f.) gegebenen Darlegung fest. Das Karfreitagserlebnis vom April 1857 löste die
beiden Stoffe zu selbständiger Ausführung von einander. Bei der Fülle von Stoff, der
gegenwärtig uns zufließt, ist das Buch bereits wieder durch Nachträge zu ergänzen,
durch den Prosaentwurf zum »Tristan* vom 20. August (Richard Wagner, Entwürfe zu
»Meistersingern*, »Tristan*, »Parsifal* 1907) und durch die Minna-Briefe.
Otto Schmiedel: Richard Wagners religiöse Weltanschauung (in den
religionsgeschicbtlichen Volksbüchern, herausgegeben von F. M. Schiele-
Tübingen). Verlag: J. C. B. Mohr, Tübingen 1907.
Schmiedeis Schrift ist vom selben Grundgedanken beherrscht, wie die Dingers
über Wagners geistige Entwickelung; der Verfasser betont mit allem Nachdruck die äußeren
Einflüsse und beachtet nur wenig Wagners Eigenart, die durch jene Einwirkungen mehr
gehemmt als gefördert wurde. Er unterscheidet vier Hauptabschnitte: die Zeit des
jungen Wagner »auf dem Standpunkt einer bürgerlich freisinnigen, aber im ganzen un-
reflektierten Religiosität*, dann die Zeit des Feuerbachschen Einflusses mit einer »teil-
weise schroffen Abwendung von Christentum und Religion überhaupt*, zum dritten
Schopenhauers Pessimismus, endlich »ergänzt Wagner den buddhistischen Pessimismus
') Vgl. »Musik* X (1904) S. 272f., XIV (1905) S. 267f., XXIII (1907) S. 101 f. und
Riebard Wagner-Jahrbuch Bd. III (1908).
60
DIE MUSIK VII. 19.
durch christlichen Optimismus und hofft auf eine Regeneration, auf eine pbjrslsche,
politische, soziale« künstlerische und religiöse Wiedergeburt*. Am besten sind die Be-
merkungen Seite 38ff. Ober die verschiedenen Schlüsse der «Ring*-Dichtung, in denen die
Wandelungen der Weltanschauung zum Ausdruck kommen. Schmiedeis Schrift ist fleißig,
▼erstlndig, ernstlich bemüht um tiefere Erkenntnis und wohl vertraut mit der Literatur.
Irrig ist die Behauptung Seite 9, Wagner habe mehrere (!) Semester auf der Leipziger
Universität Musik und Philosophie studiert! Die Dichtung der «Meistersinger* wird
fllschlich Seite 34 nach Biebrich verlegt. Sehr flach ist die Seite 42 vorgetragene Ansiebt,
Fricka sei ein Abbild Minnas, (dagegen vgl. Wolzogen »Aus Richard Wagners Geistes-
welt*, Seite 97 ff.) Oberhaupt lassen Stil und Darstellung viel zu wünschen übrig, auf
Schritt und Tritt begegnen triviale und unpassende Wendungen. Kein Wunder, wenn
der Verfasser Nietzsches Schmähschrift Seite 49 in Schutz nimmt und Wagners Schrift
gegen die Vivisektion Seite 55 für anfechtbar hält. Wer ernsthaft über Wagner schreiben
will, muß das rechte Taktgefühl haben und den würdigen Ton anschlagen.
Hans B<&1art: Friedrich Nietzsche und Richard Wagner. Ihre persön-
lichen Beziehungen, Kunst- und Weltanschauungen. Verlag: Franz Wunder,
Berlin 1907.
B61arts Schrift hat ihre Bedeutung in der übersichtlichen Zusammenstellung alles
dessen, was Nietzsche in seinen Schriften für oder wider Wagner vorbrachte. Neues
erfahren wir nicht, die Auffassung und Beurteilung der Angelegenheit dringt nirgends
tiefer. Die eigenen Bemerkungen des Verfassers, z. B. S. 55 und 67 zum »Parsifal* oder
S. 94 ff. unter Verweis auf sein »Taschenbuch der Wagnerkünstlerin* über Rosa Sucher
und Bozena Bradsky als Musen der Kunst Wagners und Nietzsches, sind so überflüssig
wie charakteristisch. Was Nietzsche mit den niedrigen Mitteln der Sensation und in trivialstem
Stil und ohne jede Spur von Logik gegen Wagner schreibt, hat nur pathologische Be-
deutung für den «Fall Nietzsche*, wie der Geisteskranke alle Vornehmheit und Jedes
Taktgefühl im Banne der minderwertigsten äußeren Einflüsse verlor. Schmiedel a. a. O«
S. 49 versuchte immerhin eine Erklärung. Nietzsches Schmähschriften gehören nur in
seine Krankheitsgeschichte, für Wagner und die Bayreuther Kunst sind sie völlig
belanglos. Prof. Dr. Wolfgang Golther
Manfred Semper: Das Münchener Festspielhaus. Gottfried Semper
und Richard Wagner. Verlag: Konrad H. A. Kloß, Hamburg 1906.
Der Sohn des großen Baumeisters tritt hervor, um seinen Vater von mancherlei
Gerede in der Angelegenheit des Münchener Festspielhausprojektes der sechziger Jahre
zu befreien. «Nicht allein* — sagt er in der längeren Vorrede — «als Beitrag xu den
Forschungen über Richard Wagner und sein Wirken ist eine Klarstellung geboten, son-
dern auch im Interesse der historischen Wahrheit und Gerechtigkeit, weil durch sie
manche weitverbreitete, um deswillen aber nicht weniger irrige Oberliefbrungen beseitigt
werden dürften.* In der Tat beweist der ganze Briefwechsel, ebenso wie diverse Akten-
stücke und Berichte, daß die leidige Angelegenheit nie zu einer Verfeindung
zwischen Wagner und Semper geführt hat, sondern nur zu temporärer Verstimmung,
die besonders auf Sempera Seite heftig gewesen sein mag, so dsß Lenbach schliefiUdi
vermittelnd eingriff. Heute beklagen wir nicht mehr, daß das Projekt sich xerschlug;
damals allerdings wsr es sehr zu beklagen. Eine niederträchtige Hofkamarilla in der
Umgebung Ludwig IL, aber auch die Wankelmütigkeit des Königs selbst, vernichteten
die idealen Pläne, an die nur noch Sempera prächtiges plastisches Modell erinnert
Wsgner, in seiner damals überschwenglich-hoffnungsfreudigen Stimmung, vertraute zuviel
und bewog Semper immer wieder, gleichfalls zu hoffen, auszuharren und zu schalibn.
Der mißtrauische Architekt behielt nun zwar recht; er dehnte aber sein Mifttranen na-
61
NEUE WAGNER-LITERATUR
g^rechterweise auch auf den Freund aus, dessen Mitteilungen er nicht mehr für auf-
richtig hielt, obwohl sie es im höchsten Maße waren und nur eben Wagner ebenfalls
der Getäuschte und somit an der folgenden Verstimmung innerlich unschuldig war.
Interetaant ist folgende Mitteilung über das Festspielhaus in Bayreuth. «Das Bayreuther
Featspielhaus erstand, wenngleich unter Zugrundelegung seiner fQr das große Festtheater
in Mfinchen gemachten Studien und Pläne, so doch ohne daß Sem per, sei es direkt und
persönlich, oder indirekt mitgewirkt habe oder befragt worden sei, aber auch ohne daß
er dies als eine Kränkung, als einen Mangel an Rficksichtnahme empfunden und sich
jemals in diesem Sinne ausgesprochen hätte * Der Autor knfipft hieran eine unfreundliche
Bemerkung; er steht überhaupt dem Meister von Bayreuth fem, sonst wurde er nicht
konsequent »Der Ring der Nibelungen* schreiben. Im ersten Anhang wird der Entwurf
des Mfinchener Hauses sehr fesselnd beschrieben: nur schade, daß keine Zeichnungen
beigegeben sind! Am Schlüsse erfahren wir den Kostenanschlag för das massive sowie
f&r ein provisorisches Festspielhaus und endlich auch Sempera maßvolle und ihm doch
erat nach langen Scherereien, AusflQchten und selbst Täuschungen bewilligten Forderungen
f&r seine gehabten eigenen Mfihen.
Hans von Wolzogen: Von deutscher Kunst. Verlag: C. A. Schwetschke
& Sohn, Berlin 1006.
Jeder, der den Idealismus hochhält, wird sich über ein neues Buch von Hans
von Wolzogen aufrichtig freuen, der nun schon drei Jahrzehnte hindurch sich als -echter
deutscher Idealist bewährt hat, jedoch nicht als unklarer und verschwommener Träumer,
sondern als kräftige und dabei höchst eigenartige Persönlichkeit. Sein neues Buch »Von
deutscher Kunst* ist die Ergänzung des vorher im selben Verlage erschienenen »Aus
deutscher Welt*. Beide enthalten gesammelte, im einzelnen schon frQher veröffentlichte
Aufsätze, die aber in einen fühlbaren inneren Zusammenhang miteinander gebracht
sind. Auch einige zeitlich schon weiter abliegende befinden sich darunter; so über
Kleists .Prinz Friedrich von Homburg« (1875) und über Wilhelm Raabe (1881). In dem
Anlsatz »Gegenwartskunst* nennt der Autor unsere Gegenwart unkünstlerisch. Nur das
Volk habe in seinem idealistischen Bedürfnisse die Voiksschauspiele geschaffen, in
denen es aber auch nicht seine eigene Gegenwart, sondern seine Vergangenheit dar-
stelle. Ausführlicher werden ähnliche und andere, immer aber echt deutsche Gedanken
ansgefChrt in der ganz prächtigen und höchst beherzigenswerten Studie »Kunst und
Volk". Tief in das Wesen des Deutschtums und des Christentums dringt der Bayreuther
Idealist ein in dem längeren Aufsatz »Was hat Richard Wagner seinem Volke hinter-
lassen?*, während er in »Richard Wagner und das Christentum* von der tiefen Religiosität
des Meisters von Bayreuth handelt, die neben, ja vor seinem Deutschtum die Grundlage
seiner ganzen Kunst bildet. Ganz anders und doch wieder so deutsch und heimisch
ertönt es aus dem aus den »Bayreuther Blättern* bekannten Aufsatz »Märchenzüge im
»Ring"; und wenn wir noch die »Gedanken über deutsche Musik und Ballade« und die
originelle Studie », Heimatkunst' in der Höhenkunst, eine lokalgeschichtliche Kuriosität
inlSchillers ,Wilhelm Teil** erwähnen, so haben wir alle Aufsätze des schönen Buches
wenigatens genannt, dessen Lektüre wir warm empfehlen können.
Erich Klofn: Wagner-Anekdoten. Aus den besten Quellen geschöpft.
Verlag: Schuster & LoefTler, Berlin und Leipzig 1008.
Unter denjenigen Schriftstellern und Forschem, deren Bestreben dahin gehen, das
Verständnis für die Persönlichkeit und die Kunst Richatd Wagners in weitere Kreise
zu tragen, nimmt Erich Kloß zweifellos gegenwärtig die erste Stelle ein. Es sei nur
an aein »Wagner*-Lesebuch erinnert und auf seine jüngst erschienene Sammlung »Wagner
in aeinen Briefen* hingewiesen. Gegenwärtig liegt von ihm ein Büchlein in kleinem
m
62
DIE MUSIK VII. 19.
Format vor, »Wagoer-Anekdoten** betitelt. Es sind kleine Erzählungen aus dem Leben
des Bayreuther Meisters, teils humoristischen, teils allgemein-charakteristischen Inhalts.
Der »Wagnerianer* wird sie wenigstens zum größten Teil kennen; doch auch ihn wird
die wohlgeordnete Zusammenstellung reizen, sie alle gerade in diesem chronologischen
Zusammenhange nochmals zu lesen. Für den Fernerstehenden aber bieten sie etwas
gänzlich Neues; sie führen ihn gewissermaßen an Richard Wagner selbst näher heran
und lehren ihn dessen menschliche Seiten liebgewinnen. Damit tragen sie aber auch
direkt zum größeren Verständnis seiner Kunst bei, deren Schöpfer gesagt hat, nur wer
ihn liebe, könne ihn und damit sie verstehen. Kloß liebt in seinen populären Schriften
klare Übersichtlichkeit. In der vorliegenden ergab sich die chronologische als die ge-
eignetste. Dadurch wird das BQchlein geradezu zu einer anekdotischen Ergänzung jeder
Wagnerbiographie; ja, es ist selbst eine Art Wagnerbiographie, und zwar eine höchst
originelle! Doch, da wir doch den Inhalt hier nicht nochmals erzählen können, wollen
wir uns mit Wiedergabe des Inhaltsverzeichnisses begnQgen. Vor allem darf kein Leser
die Vorrede zu lesen vergessen. Den Beginn machen nach ihr die Anekdoten der
Jugendjahre. Ihnen folgen die der Wanderjahre in drei Abteilungen: »Im Schweizer
Exil"; »Wagners Humor im Verkehr mit seinen Freunden* und »München und Trieb-
schen*. Zuletzt wird die »Bayreuther Epoche* («Wagner und seine Künstler*) behandelt. —
Das Büchlein braucht gar nicht erst besonders empfohlen zu werden, da es für sich selbst
spricht. Dies konnte man am besten daraus erkennen, daß wenige Wochen nach seinem
Erscheinen die erste starke Auflage völlig vergriffen war und durch eine zweite ersetzt
werden mußte. — Eine nicht unwesentliche Vermehrung wird dieser Anekdotenschatz
für weitere Auflagen wohl noch zu gewinnen haben aus der neuesten und bedeutsamsten
Briefsammlung »Richard Wagner an Minna Wagner*.
Richard Wagaer: »Lohengrin*. Opera romäntica en tres actes. Traducciö
en vers directa del Alemany adapta a la müsica per Joseph Lleonart y
Antoni Ribera (1905).
Der in Bayreuth nie fehlende Autor hat sich zur Aufgabe gesetzt, Richard Wagners
Dramen ins Spanische zu übersetzen. Oder vielmehr in das stark abweichende, mehr
keltisch als arabisch beeinflußte Katalonische. Bisher lagen schon vor: »Tannhaeuser
y el torneig dels cantayres a la Wartburg*, ,L'or del Rhin*, »La Walkyria*, »Tristan y
Isoida* und »Eis Mestres Canteyres de Nurenberg*. Nun schließt sich »Lohengrin* an.
Die Übersetzungen sind — wie die des letzten französischen Obersetzers Alfred Ernst
— genau der Musik und möglichst genau dem Gesangsrhythmus des Originals angepaßt
und überragen z. B. die italienische »Ring*-Dbersetzung von A. Zanardini himmelhoch.
Unvollkommen sind ja notwendig alle Obersetzungen, insbesondere die von Dichtungen.
Bei Richard Wagner zumal steigert sich die Schwierigkeit zuweilen fast bis zur Unmög-
lichkeit. Um so mehr ist es zu bewundern, bis zu welchem Grade Ribera diese
Schwierigkeiten überwindet, wobei ihm allerdings seine Gattin, ein Bayreuther Kind, treu
hilft. Näheres lese man in meinem Aufsatz »Romanische Ringübersetzungen* im vierten
Wagner-Heft (1904) der »Musik* nach. So klingt Lohengrins Frageverbot im spanischen
Gewände: ,.May has de demanarme
»ni a descubrir tentarme
»Lallä hont vingut jo soc
»ni ma nissaga y nom.*
Richard Wagner an Eliza Wille. Fünfzehn Briefe des Meisters nebst
Erinnerungen und Erläuterungen von Eliza Wille. Zweite Auflage.
Herausgegeben von Wolfgang Golther. Verlag: Schuster & Loeiner,
Berlin und Leipzig 1908.
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63
NEUE WAGNER.LITERATUR
Die hier neu veröffentlichten fünfzehn Briefe Richard Wagners an Frau Eliza
Wille waren schon 1887 in der »Deutschen Rundschau* zum Abdruck gelangt. Die
geistvolle Hamburger Reederstochter, die selbst poetisch wie literarisch sehr begabt und
ziemlich produktiv war, zählte zu den vertrauten, älteren Freundinnen des Meisters von
der Zürcher Zeit her. In Lebensnöten suchte sie diesen zu trösten und widmete ihm
fast mütterliche Zirtiichkeit, wenn er bei ihrem Gatten in Mariafeld bei Zürich zu Be-
such weilte; in praktischen Lebensfragen, besonders in den sogenannten kleinen Sorgen,
suchte sie nach Kräften seine Beraterin zu sein. Ahnlich wie Wesendonks berühmte
Villa auf dem Hügel war Wiiies erwähnte ländliche Besitzung der Sammelpunkt be-
rühmter Männer (Herwegh, Liszt, Mommsen, Moleschott, Köchly, Rüstow, Keller, Semper,
Kinkel, C. F. Meyer, vor allen aber Richard Wagner). Wir können die Bedeut-
samkeit der Beziehungen zwischen Wagner und Wille nicht besser klarlegen als in
Wolfgang Goithers, des Herausgebers, eigenen Worten: „Die Erinnerungen, die Frau
Wille zu den Briefen schrieb, geben ein sehr anschauliches Bild vom regen geistigen
Leben auf Mariafeld. Hier und auf dem grünen Hügel fand Richard Wagner Freundschaft
und Teilnahme. Die Aufzeichnungen, die Frau Wille aus dem März und April 1864 machte,
haben hohen Wert, weil sie Einblick verstatten in eine ,stürmische Fiebemacht', die
dem endlich aufleuchtenden Lenz voranging. Die Briefe Wagners aus München sind
noch immer die wichtigsten Urkunden über sein Verhältnis zum König . . . Die Er-
innerungen schweigen von dem, was Frau Wille allein anvertraut wurde, ,daO es in
Weihe des inneren Verständnisses eines edlen Todes sterbe.' Die Briefe Richard
Wagners an Mathilde Wesendonk haben dieses Schweigen entsiegelt ... In ent- »
scheidenden Augenblicken schrieb Wagner an die vertraute Freundin, die in das Ge-
heimnis dieser Liebe eingeweiht war. Als der Meister im März 1864 in höchster Not,
unmittelbar vor der großen Wendung, auf dem grünen Hügel kein Asyl fand, da half
die Gastfreundschaft von Mariafeld aus. Und diese wahre Hilfe in der Not hält das
Andenken an Frau Eliza Wille für alle Zeiten hoch in Ehren." Dann und wann hat
man allerdings den Eindruck, als lasse Frau Wille in ihren Erinnerungen ihre eigene
Person zu sehr in den Vordergrund treten; indessen geschieht dies immerhin niemals auf
Kosten Richard Wagners, für den sie im Gegenteil immer die höchste Verehrung hegt,
wenn sie ihn auch nicht im höchsten wie tiefsten Maße versteht. Die Briefe und
Erinnerungen waren erst anfangs dieses Jahres von dem Verlage Schuster & Loeffler
neu herausgegeben worden. Nun hat sich schon eine zweite Auflage als notwendig
erwiesen. Diese hat den Vorzug, von Wolfgang Golther eingeleitet und herausgegeben
zu sein, der auch in Anmerkungen unter dem Text dankenswerte Hinweise gibt.
Richard Wagner an Ferdinand Prägen Zweite, neu durchgesehene Auf-
lage. Herausgegeben mit kritischem Anhang von Houston Stewart
Chamberlain. Verlag: Schuster & Loeffler, Berlin und Leipzig 1008.
Im Jahre 1802 erschien, gleichzeitig in einer deutschen und in einer englischen
Ausgabe, ein Aufsehen erregendes Buch von Ferdinand Präger (1815—1891) »Wagner
wie ich ihn kannte* («Wagner as I knew him*) mit 35 Briefen von Richard Wagner an
den Autor. In dem Buche wurde der Meister von einem sehr tiefen Standpunkte aus
geschildert; es war so recht für die große Masse, die alles Hohe und Hehre in den
Staub zieht und beschmutzt, berechnet. Kein Wunder, daß es vom größten Teil der
Tagespresse, die doch nun einmal von dieser großen, unweisen und niedrig gesinnten
Masse lebt und sie mit „geistiger* Nahrung versorgt, begierig aufgegriffen, kommentiert
und abschnittweise nachgedruckt wurde. Den ernsten und gar Wagner und seiner Kunst
näherstehenden Menschen mußte allerdings mancherlei auffallen. Zunächst der Name
des Autors selbst, den man bisher eigentlich so gut wie gar nicht hatte nennen hören,
64
DIE MUSIK VII. 19.
und dessen Träger sich nun plötzlich als vertrautester Freund Richard Wagners hin-
stellte. Niemand aber fiel (wie Chamberlain bemerkt und wie wir nachträglich beschämt
bedauern müssen !) das miserable Deutsch in den hier abgedrupkten Briefen Wagners
auf, die man im Gegenteil vergnügt und eifrig nachdruckte, allerdings nicht, um dem
Andenken Richard Wagners zu nutzen. Chamberlain nun, der namhafte, des Englischen
wie des Deutschen gleich mächtige Schriftsteller, verglich zi^nächst die 35 Briefe in beiden
Ausgaben. Und siehe da, es stellte sich nicht nur heraus, daß die deutschen sus dem Eng-
lischen zurfickfibersetzt waren, sondern daß die deutschen von den englischen im Satzbau
und unerhörterweise auch im Inhalt vielfach und bedenklich von einander abwichen. Ein
Jahr später glückte es Chamberlain, 21 von den Briefen Wagners an Präger im Original
aufzufinden. Es fand sich dabei, daß in Prägers Buche alle diese Briefe nach einem
ganz raffinierten System inhaltlich verändert worden waren. Dazu gelang es Chamberlain,
soweit solches überhaupt möglich war, nachzuweisen, daß die anderen elf Briefe ganz
und gar Fälschungen waren. Auch den Erzählungen Prägers über Wagner und seine
Beziehungen zu diesem wies Chsmberlain viel Falsches, Erdichtetes und Erlogenes
nach. Seine Kritik war beispiellos und wirkte vernichtend. Breitkopf & Härtel zogen
das Buch infolgedessen ganz aus dem Buchhandel zurück; und das war eine Ruhmestat,
die ihnen unvergessen bleiben soll. Die deutsche Presse aber verschwieg mit wenigen
Ausnahmen alle diese Tatsachen und hielt somit sn Prägers widerlegten Verleumdungen
der Persönlichkeit Richard Wagners teils aus sträflicher Nachlässigkeit, teils aus absieht*
lieber Bosheit fest; und das war keine Ruhmestat der deutschen Presse! — Das alles
geschah zwischen 1892 und 1894. Chamberlain verteidigt nun noch in treffender Welse
die Herausgabe einer zweiten Auflage seiner Prägerkritik. Er weist nämlich darauf hin,
daß Prägers Buch zwar dankenswerterweise aus dem Buchhandel zurückgezogen sei, daß
es sich aber doch vielfach nicht nur im Privatbesitz, sondern auch in öffentlichen Biblio-
theken befinde, wo es zu Studienzwecken benutzt werden und widerlegte Irrtümer neu
entstehen lassen könne. Solange es noch ein Exemplar von Prägers Buch gibt, so lange
muß auch Chamberlain's Anti-Präger immer neu aufgelegt werden. Die neue Auflage
schließt übrigens mit einer Schilderung der Unbedeutendheit Prägers durch Richard
Wagner selbst, nach Glasenapp. Chamberlain's Buch ist nicht nur für Wagnerfreunde
und Musikgeschichtler interessant und wertvoll, sondern eigentlich für alle Menschen:
denn es enthält die Geschichte und Aufdeckung einer literarischen Fälschung sonder-
gleichen.
Wolfgang Golther: Tristan und Isolde in den Dichtungen des Mittel-
alters und der Neuen Zeit. Verlag: S. Hirzel, Leipzig 1907.
Eine ebenso gründliche sls vollständige, dabei durchaus wissenschaftliche Schrift
über die Sage von Tristan und Isolde und über die verschiedenartigen Bearbeitungen
dieses Sagenstoffes ist aus der Feder des bekennten Rostocker Germanisten, Literar-
historikers und ausgezeichneten Wagnerschriftstellers Professor Dr. Wolfgang Golther
geflossen. Um den Leser in die Absichten des Verfassers einzuführen, gestatten wir
uns ein längeres Zitst aus der Einleitung in das Buch. »Seit der Mitte des 12. Jahrhun-
derts treten Tristan und Isolde in der altfranzösischen Dichtung hervor. Bald gelten sie
überall als das berühmteste Liebespaar. Die französischen Tristangedichte werden in
alle Sprachen übersetzt und bearbeitet. Und im 19. Jahrhundert erwacht die alte
Liebesmär zu neuem Leben. Die Tristansage ist daher ein sehr lehrreiches und dank-
bares Beispiel der vergleichenden Betrachtung eines Stoffes, der unter verschieden-
artigen Voraussetzungen immer neu gestaltet ward. Große Dichter sind damit vei knüpft.
Darum gewährt die Beschäftigung mit Tristan und Isolde auch reichsten Lohn. Die
vergleichende Literaturgeschichte sucht die einzelnen Tristangedichte zu einander ins
65
NEUE WAGNER-LITERATUR
rechte Verhiltois zu bringen. Der Ursprung des iltesteo Tristangedichtes fuhrt aber zur
vergleichenden Sagenkunde, zur Erörterung der Frage, welchen Anteil Kelten und
Franzosen an Tristan und Isolde haben. Die Wege der Forschung sind klar vorgezeichnet ;
aber sie sind deshalb dunkel und schwierig, weil gerade die ältesten und wichtigsten
Quellen verloren gingen oder nur in Bruchstucken vorliegen. Daher ist viel mQhsame
Vorarbeit nötig, um diese verlorenen Denkmäler, die Grundlagen und Vorbedingungen
aller Untersuchungen zu erschließen. Die Geschichte der Tristansage hingt eigentlich
ganz und gar nur von der Vorstellung ab, die wir vom ältesten französischen Tristan-
gedicht gewinnen. Danach bemiOt sich alles andere, das Maß der schöpferischen
ntigkeit des ersten Tristandichters und die Eigenart seiner einzelnen Nachfolger und Be-
arbeiter.* ^ Die Aufgabe der Tristanforschung ist es, die Geschichte des Ur-Tristan, der
verloren gegangenen, gemeinsamen Quelle aller Bearbeiter, »sein Werden und Wachsen
und seine Verbreitung in mehr oder minder freien Bearbeitungen des Mittelalters zu be-
schreiben.* Aus drei französischen Bearbeitungen zwischen 1190 und 1230 gewinnt
man zunächst das Bild eines alten verlorenen Tristanromans um 1150, aus dem auch
eine anglonormannische Bearbeitung und eine norwegische ProsaQbersetzung (1226)
hervorgingen. Dazu kamen der englische »Sir Tristrem* (nach 1300) und Gottfrieds
von StraOburg bekanntes, großes, aber unvollendetes Tristanepos in mittelhochdeutscher
Sprache. Auch einige Kapitel des italienischen Prosaromans »La tavola ritonda* behan-
deln die Tristansage. Aus Eilharts von Oberg 1190 gedichtetem deutschen Tristan ent-
stand im 15. Jahrhundert ein deutscher Prosaroman; auch Gottfrieds Vollender Ulrich
von Türheim und Heinrich von Freiberg schöpften aus dieser Quelle. Die
fhmzösischen Spielleute verbreiteten Einzellieder über Tristan und Isolde, die aber erst
aus dem Ur-Trlstan hervorgegangen sind, nicht umgekehrt. Den ersten Fortschritt der
vergleichenden Tristanforschung tat 1804 der bekannte englische Erzähler und Dichter
Walter Scott durch Herausgabe und Ergänzung des »Sir Tristrem*. Price bewies
später, daß das englische Gedicht aus dem Französischen stamme. »Weitere Aufschlüsse
ergab die Beschäftigung mit den deutschen Tristangedichten*, von denen seit 1785 Neu-
dmcke erschienen; unter den Germanisten sind hier C. H. Müller, v. d. Hagen,
Busctalng und J. Grimm zu nennen, unter den Franzosen Francisque Michel
(1835), Villemarqu^ und A. Bossert. 1877 gab Lichtenstein den Eilhart von
Oberg heraoa, 1878 und 1883 K öl hing die nordische und englische Wendung der
Tristansage. 1806 »beginnt ein neuer Aulschwung der Tristanstudien, zunächst veranlaßt
durch mehrere Arbeiten, die aus der Schule von Gaston Paris hervorgingen*, so von
Josef B6dier und Ernest Muret. 1888 erschien bereits eine kleinere Schrift Golthers
über die Tristansage. Dann folgten zahlreiche kleinere Abhandlungen, wohl meist durch
Richard Wagners Drama angeregt, z. B. von Zimmer, Wilhelm Hertz, Röttiger
und abermals Muret und B^dler, endlich Löseth. Rein hold Bechsteln schrieb
1876 ein Buch über Tristan und Isolde in den Dichtungen der Neuzeit, aber ohne richtige
Kritik, weshalb Golther ein neues Werk über diesen Stoff für nötig hielt und verfaßte,
und zwar mit höchstem Gelingen. Er faßt wohl alles zusammen und ergänzt es durch
eigene Forschung, was bisher über Tristan und Isolde geschrieben und geforscht worden
war. Hören wir noch einmal den Autor selbst (am Schlüsse der erwähnten Einleitung):
»Die Geschichte der Tristansage Ist im Grunde nichts anderes, als die Geschichte des
urspringlichen Tristanromanes, seiner Entstehung und seiner Bearbeitungen. Die Be-
arbeitungen wurden ihrerseits wieder Quellen und Vorlagen Jüngerer Neudicbtungen, und
die späteren standen einer reichen Oberlieferung gegenüber, ans der sie nach Belieben
answihlen konnten. So verhalten sich «• B. Ulrich von Türhelm und Heinrich von
Preiberg zu Gottfried und Ellhart, so natürlich auch alle neueren Tristandichter, denen
VII. 10. 5
66
DIE MUSIK VII. 19.
der ursprfingHche Tristanroman völlig vertcbwand, aber dafür seine zablreicben Ab*
kömmlinge oft in verwirrender Vielheit zu Gebot atanden. Daraus ergaben sieb ffir die
späteren auch mannigfache Kreuzungen, insbesondere der Wendungen des Eilbart»
Thomas, Gottfried und des französischen Prosaromans. Es ist Zeit, endlich mit dem
Wahn zu brechen, als vollzöge sich im Mittelalter alle schöpferische Dichtung immer
nur hinter den erhaltenen Denkmälern, in verborgenen, tief geheimen Quellen, die, falls
sie vorhanden wären, die Frage nach dem Ursprung einer Sagendichtung nicht einmal
lösten, sondern nur um eine Stufe rückwärts schöben. Irgend jemand muß doch
schließlich für die Erfindung und Gestaltung einer Sage verantwortlich gewesen sein.
Und andererseits sind auch die Bearbeiter nicht aller eigenen Phantasie bar, sie können
sogar sehr gute Einnile haben. Ffir den Tristan ist die Tatsache jedenfalls erwiesen,
daß alle Dichtungen ihren Ursprung im alten Tristanroman haben, daß die Oberlieferung
von dort ab rein literarisch geschieht, daß außer dem Roman überhaupt gar keine
Tristanquelle vorhanden und zugänglich sein konnte. Danach ist alles, was bei seinen
Nachfolgern vom Roman abweicht und über ihn hinausgeht, bewußte spätere Umänderung
und Zudichtung, die an poetischer Kraft und Bedeutung die älteste Urkunde ebenso
wohl überragen als auch dahinter zurückbleiben kann.* Golther bewältigt seine große
und schwere Aufgabe nun in neun größeren und kleineren Teilen. Die ersten drei
Teile behandeln das Gefüge der Fabel, den alten Tristanroman und die Bearbeitungen
des alten Tristanromans. Der dritte Teil enthält drei Unterabteilungen: Der Tristan des
Eilhart von Oberg, seine Vorlage und seine Bearbeitungen; Berols Tristan; der
französische Prosaroman. Der vierte Teil behandelt das im höfischen Tone gehaltene
französische Gedicht von Thomas. Dieser bildete nicht nur die Grundlage für Gottfrieds
von Straßburg Tristanepos, sondern auch für eine niederfränkische Bearbeitung, femer
für die norwegische Saga und ihre Bearbeitungen und endlich für das englische Gedicht.
Der kurze fünfte Teil weist auf die vielfachen Nachklänge des Tristanromans bin, der
sechste spricht von den Tristannovellen und Tristanlais. Hier ist auch von der kym-
rischen (schottischen) Tristansage die Rede, die man früher nischlich für die Ursage
gehalten hat, die aber zwar mit neuen Zügen geschmückt, im ganzen aber entlehnt ist.
Im siebenten Teile lernen wir den deutschen Prosaroman und Hans Sachsens Tragedia
kennen, während der achte Teil die Nichtphilologen und die nichtphilologischen Wagner-
freunde hauptsächlich ganz besonders interessieren dürfte, da er die Tristandichtungen
der Neuzeit behandelt, unter diesen zunächst Tristanepen in Strophen, dann die Er-
neuerungen von Gottfrieds Tristan in Reimpaaren, alsdann die Tristandramen. Unter
Jenen ist eine unglaublich parodistisch ausgefallene, aber doch ernst gemeinte Bearbeitung
des gealterten Simrock besonders auffallend, wenn auch im negativen Sinne; interessant
ist eine von Richard Wagners Schwager Marbach, besonders schön die von Immermann,
zuverlässig treu die von Hermann Kurz, während von den Gottfried-Obersetzungen die
von Wilhelm Hertz von Golther bei weitem bevorzugt wird. Golther bringt eine Szene
aus allen Bearbeitungen zur Probe. Bei den Tristandraroen möchten wir noch einen
Augenblick stehen bleiben. Graf Platen entwarf nach 1825 ein solches. Das erste ge-
druckte (1840) war von Friedrich Röber; hier heiratet Marke die Brangäne. »Tristan,
eine romantische Tragödie in fünf Aufzügen* von Josef Weilen entstand gleichzeitig mit,
aber unabhängig von Richard Wagners Werk. Dieser aber veranlaßte einige Literatur-
dichter zu dramatischen Neudichtungen, bisweilen mit der ausgesprochenen, bescheidenen
Absicht, dem Musiker zu zeigen, wie man diesen Stoff dramatisch zu behandeln habe.
Golther nennt sie mit Recht »ernstgemeinte Parodien**. Dabei benutzen sie szenisch
und in den dramatischen Situationen oft ganz offöu und naiv das Wort-Tondrama
des Bayreuther Meisters. Die erste ist von Ludwig Schoeegans. Hier sagt Tristan:
67
NEUE TAGNER-LITERATUR
aliolde, Engel, Kind, leb Hebe dlcb! Den Mlnnetranfc, 4«a scbiumeaden, den sfißen,
trink' leb TOD deinem Mund, zu deinen FBßenl" Tabracbelnllcb vtr*s all« Champasnerl
EiwM b8ber stebt Alben Gebrkes Trlttandrmma (Berlin 1869). Vas sagt der Leser aber
dain, daS nnur dem Pteudonrm Carl Robert der Groll-Lichtetrclder Pbllosopb
'Sdnard von Hartmann 1871 ein Drama „Triitan nnd Isolde' benui(ibP Er woUie darin
Richard Tagner dicbteriacb ebenso mafircfeln und meistern, wie er es tpiier In seiner
vAstbetlk* im alltamein kDnsileriichen Sinne Teranchte. Drama und Asthetllc sind dies-
mal Pendanta: beide sind arg verfeblr, wenn aucb diese von absoluten Tbeoretlicern nnd
Scbematikern bocbgepriesen wird. Alle Verinderuogen darin sind Verschlecb lern n gen.
Als Slllprobe sei Isoldes (I) Trsnkipruch angeführt: .Herr Tristan, scbtet nun auf meinen
Spnicbl König IWarkes Vobil Süboe dem Totenl Fluch dem Hader, Segen der Treu!
Vergangnem ev'ges Vergessen, der Zukunft Frieden und Helll' 1893 verSITenilictaien
Michael RQuel, 1895 A. Beasel, 1006 Albert Gelger Trisiandramen. Letztgenannten liQt
Goltber gellen. Dieser behandelt in den beiden folgenden Abschnitten noch die eng-
lischen und franidsiscben Dichtungen, Gber deren große Zahl und bisweilen reiche SctaSn*
belten der Leser staunen wird. Der neunte Teil ist Richard Tagners gewalligem
Bfibnenwerk gewidmet; GolihersName bfirgt fGr die Trefrilctakeit auch dieses Abschnittes.
Sein ganzes Buch verdlBDl den hSchsten Preis; es füllt eine lange empfundene Lücke
mdaterhaft aus. Trotz seinem großen Umfange (465 Selten Großoktav) wirkt es niemals
ermfidend, well Gollhers prignanter Stil und seine hervorragende Oarslellungskuosi den
Leser ununterbrochen fesseln. Der nicht philologisch Gebildete wird allerdings manche
Stellen fiberschlagen m&sseo, und wer nicht der b au pislcb liebsten modernen Kult Ursprachen
mlcbilg Ist, noch well mehr: aber auch solchen bleibt Golthera Tortreffllchea Buch noch
Immer eine Quelle reichster und erwfinscbtester Belehrung nnd w&rdigster und bester
Unterhaltung. Tenn wir es daher den Lesern der bMusIIc* auf das wirmste snr An-
achairnng empfehlen, so wollen wir Ihnen damit nur eine höbe und reine geistige
Freude bereiten. Kurt Mey
An den Anrang unserer diesmaligen Kunsibeilagen stellen wir vier ganz seltene
photographische Bildnisse Richard Vagners, die unseren Lesern zur Erweiienin{
ihrer Ttgnerportiits-Sammlung nicht unwillkommen sein dürften. Es sind dies eine Viener
Aufnahme vom Jahre 1862, eine Moskauer von 1S63, eine Münchner von 1864 und end-
lich abermals eine Münchner von 1880.
Daran schließt sich das Blatt „Richard Wagner in den Proben zu Bayreuth"
nach der, wie aus der Signierung ersichtlich, am S. August 1875 in der Festspie Istadl
flüchtig hingeworfenen, aber überaus charakteristischen Sklize von Adolph Menzel.
Nach einem Holzschnitt aus dem Jahre 1843 reproduzieren wir ein Szenenbild
aus „Rlenzi" (Vierter Akt, letzte Szene), das an die erste Aufführung dieses Werkes
am Dresdener Hoftheater (20. Oktober 1842) erinnert.
Wir fahren in diesem Heft mit der Abbildung der Wohnhiuser des Bayrenther
Meisters fort. Und zwar bringen vir zuerst sein Geburtshaus, den 1886 abgebrochenen
.Wei&en und Roten LSwen" am Brühl in Leipzig. — Nach der Katastrophe auf dem
grünen Hügel weilte Richard Wagaer vom 20. August 1858 bis zum 24. MIrz 1856 In
Venedig, wo er den zweiten Akt .Tristan' schuf. Hier bewohnte er den Palazio
Giustinianl, einen der zahlreichen gotischen Pallste am Canal grande aus dem
15. Jahrhundert. — Wagners Sterbehaus ist bekanntlich der Palaizo Vendramin in
der Lagunenstadt, ursprünglich Palazzo Loredan, im Frührenaissancestil am ISOO von
Moro Coducci vollendet. Es ist einer der schSnsten Privatpallste Venedigs und gehSrt
Jetzt dem Prinzen Heinrich von Bourbon. Für alle Zeiten ist dieses Gebinde geweiht
als letzte Wohnstitte eines der erlauchtesten Herrscher im Reiche der Geister.
Den BeschluB bilden drei Blau nach berühmten, in edel-pathetischer Llnien-
f&hrung gehaltenen Zeichnungen von Wilhelm von Kaulbacb: Tod der Elisabeth.
Lohengrios Abschied und Isolde an Tristans Leiche.
Nichdriick nur mit «»dracUteher ErUiiboll de* VcrUcd icillliei
Alle BcchK, InibcModerc du dtr OfeeneniiBd Twliahiltn
FSr dit ZurflekMKdBiit anvcrlinticr oder sieht micncldettr MuoikrtpM. Mit lim«! nicht fCDSiaad
Pom MUeti, BberalEDiDi d[e Redikilon keine Girutle, Schwv leeerltehe Miaoikripte vcrdea Heceprikfl
lurUcktcaudL
Verantwortlicher Schriftleiter: fCapellmeitter Bernhard Schalter
Berlin W 57, Bfilowatraase 107'-
RICHARD WAGNER
aach einer Tiener Photographie 1862
RICHARD WAGNER
Dich einer Moskauer Photographie 1863
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RICHARD WAGNER
iner Münchner Phoiogriphie 1864
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RICHARD WAGNER
nach einer Münchner Photographie
RICHARD WAGNER IN DEN PROBEN ZU BAYREUTH
Skizze von Adolph Menzel
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DER WEISSE UND ROTE LÖWE IN LEIPZIG
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nach Wilhelm von Kaulbach
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LOHENGRINS ABSCHIED
nach Wilhelm von Kaulbsch
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LOHENGRINS ABSCHIED
nach Wilbelm von Kiulbach
ISOLDE AN TRISTANS LEICHE
nach Vilhelin von Kaulbach
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I
DIE MUSIK
Ua dem brieflichen Nadilatt*) des berfihmteii Theoretikers Gott-
' fried Weber, des Herausgebers der Zeitschrift aCaecilia*, der
im Hauptamt Jurist war, befinden sich auch fünfzehn Briefe
k Meyerbeers aus den Jahren 181 1—1815, 1833 und 1837. Erstere
lassen deutlich erkennen, daQ beide MSnner nicht bloQ miteinander innig be-
freundet waren, sondern sogar einen Bund mit noch anderen Persönlichkeiten
geschlossen hatten, um sich gegenseitig zu unterstützen und sich nament-
lich in den angesehensten Zeitschriften zu loben. Diese Briefe gewähren
einen ungemein anschaulichen Eindruck von dem literariscb-musikaliscben
Cliquenwesen der damaligen Zeit, das so ausgebildet war, wie man sich
es beute gar nicht vorstellen kann. Eigentümlich berührt auch der sohon
mebr als burschikose Ton, den Meyerbeer <geb. 1791) gleich im ersten Brief
gegen den zwölf Jahre älteren, damals schon ein angesehenes Richteramt
in Mannheim bekleidenden Weber anschlägt; dieser war ihm damals an
Ruf als Komponist entschieden überlegen; Webers umfangreicher .Versuch
einer geordneten Theorie der Tonselzkonst' erschien freilich erst*) In den
Jabren 1817—1821. Auch die Ungeniertheit, mit der Meyerbeer seine
Liebesabenteuer berichtet, ist auffallend. Bemerkenswert ist auch die
Offenheit, mit der er Webers Schwichen hervorhebt.
Auch für die Biographie Meyerbeers und über seine literarischen
Pline erfahren wir Verschiedenes aus diesen Briefen, die übrigens auch
manches für die Kulturgeschichte der damaligen Zelt interessante Detail
enthalten, u. a. daran erinnern, wie teuer früher das Porto für Briefe und
gar für Packete gewesen ist. _
Unzweifelhaft ist Meyerbeer ein amüsanter und gewandter Brief-
'} Mir itl dieser NachUD von dem Enkel Wettert, Herrn MInliterlalrat Dr. A.
Veber In DarroitadI, lur wisienichatillcbea Ausnutzung anrertnint vorden. Erum-
(■81 die Jahre 1806—1837 und lit ifemlich umfangreich, doch bietet er nicht ■Hin groOe
Ausbeute, da er im wesentlichen aus rein geschifil leben Korreipondeniea beitebl,
da «crtToUe Briefe von Veber lelnerielt in der »Caecllla' veröffentlicht worden
tlai nad die besten Stücke acbon vor Jabren herauageaommen aeln mQiien, so i. B.
ein Brief Beethovens, die meisten Briefe Karl Maria v. Vebera n. a.
*) Die dritte Auflage In vier Binden iit In mehrere fremde Sprachen Btter-
•ent worden.
M
72
DIE MUSIK VII. 20.
«p
Schreiber gewesen; zu bedauern ist, daß er über seine ersten Pariser Ein-
drucke aus Zeitmangel Weber so wenig berichtet hat.
Unterzeichnet ist keiner der Briefe aus den Jahren 1811 — 1815 mit
»Meyerbeer*, manche haben gar keine Unterschrift, einige den Namen
«Philodikaios* (= der Gerechtigkeitliebende), den er in jenem »Bunde*
führte. Wenn über die Person des Briefschreibers auch nach No. P)
noch ein Zweifel sein könnte, so wird dieser durch No. VII völlig behoben.
Die Statuten jenes »Bundes**) sowie nähere Mitteilungen darüber finden
sich übrigens in Gottfried Webers brieflichem Nachlaß nicht vor.
Man muß diese 10 Briefe im Zusammenhang lesen, sonst wird man
manches nicht richtig auffassen oder überhaupt gar nicht verstehen, wenn*
gleich ich durch Verweise auf den Zusammenhang genügend auftnerksam
gemacht zu haben glaube.
Der Brief aus dem Jahre 1833 (No. XI) ist ein beredtes Zeugnis von
der treuen Freundschaft Meyerbeers zu Gottfried Weber, den er auch als
Komponisten sehr schätzte.
Wie die Briefe von 181 1 — 1815, so bilden auch die drei vom Jahre 1837
eine Gruppe für sich. Sie betreffen vor allem Webers Wahl zum Mit-
gliede der Akademieen zu Berlin und Paris; der Brief No. XIII enthält
wichtige Äußerungen Meyerbeers über seine »Hugenotten*. Beachtenswert
ist auch, was Meyerbeer darin über Zeitschriften, besonders musikalische,
über die Lage der geistig Produzierenden, über die Zustände der Kritik
und über sein Verhalten gegen Angriffe der Kritik sagt. Der letzte Brief
gibt uns Kenntnis von einem schweren Augenleiden Meyerbeers.
Es erübrigt noch, die Frage zu beantworten, weshalb die Korrespondenz
zwischen Meyerbeer und Gottfried Weber in den Jahren 1816 — 1832,
1834 — 1836 geruht hat. Irgendeine Differenz ist zwischen ihnen nicht vor-
gefallen; der Hauptgrund war Meyerbeers von ihm oft betonte Schreibfaul-
heit, die im Jahre 1817 von seinem Vater und Bruder Weber gegenüber
als Entschuldigung angeführt wird; auch mag der Umstand, daß Meyerbeer
meist außerhalb Deutschlands, teils in Italien teils in Paris, lebte, auf
') Wie aus dem Schluß von No. I sich ergibt, muß übrigens unserer No. I
mindestens ein Brief Meyerbeers voraufgegangen sein, der in dem mir zugänglichen
Material nicht enthalten ist.
*) Die Existenz dieses Bundes wird dadurch nicht widerlegt, daß Gottfried Weber
bei der Herausgabe einiger an ihn gerichteter Briefe Karl Maria von Webers (CaecUia,
VII, 21) sagt: »Die in diesen Briefen fiberall vorkommende Benennung Bruder
bezieht sich weder auf eine wirklich verwandtschaftliche noch auf eine etwa frei-
maureriscbe oder sonstige OrdensbrfiderschafI . . ., sondern lediglich auf die nater
beiden Korrespondenten von der ersten Zeit ihrer Bekanntschaft an (1810) ange-
nommene Weise, sich als Brüder zu betrachten."
73
ALTMANN: MEYERBEER AN GOTTFRIED WEBER
seine Korrespondenz mit dem Jugendfreunde schädlich eingewirkt haben.
Möglicherweise sind auch Briefe nur nicht mehr auf uns gekommen.
Konzepte der Briefe Webers an Meyerbeer habe ich nicht gefunden.
I.
Hessen-Darmstadty d. 22. Mai 1811.
Lieber Bruder!
Wer denn der Herr Henning^) ist» frigst Du mich? Ein recht braver Kom-
ponist und ein sehr braver Violonist, der sogar schon einmal das Gluck hatte, mit
dem großen Manne*) ein Doppel-Konzert für Violin und Pianoforte zusammen zu
komponieren.*) Ich will dem Jungen ein Konzert im nichsten Herbst ausstatten,
daO sich ganz Berlin wundem soll, und Du Hund es Dir zur großen Ehre rechnen,
daß Deine Werke in einem solchen Konzerte aufgeführt werden. Ich werde ihm zu
diesem Ende senden 1. eine neue Symphonie aus Es-dur von mir'), 2. Voglers^)
Trichordium (das man noch nie in Berlin gehört hat), 3. muß WeberP) dazu seine
tfirklsche Ouvertfire aus »Abu Hassan* geben, 4. das Dir bereits oben genannte
Doppel-Konzert von mir und H e n n i n g, welches er mit einem Eleven von mir exekutieren
wird, und 5. endlich Dein »Deucalion**), weßhalb ich an Iffland^ expreß schreiben
werde, damit er die Deklamation fibernimmt, und welches alsdann mit einem Orchester
und Chor von 60 Personen unter des treflPlichen Kapellmeister Webers^ Leitung
aufgef&hrt werden soU. Rechne dazu noch einige Konzerte und Arien der ersten
Virtuosen und Singer. Ich gebe Dir mein Wort: noch ehe die Kasse geöffnet wird,
mfissen sich die Menschen schadweise zu Tode drficken. FQr die nach dem Konzerte
zu exekutierenden PosaunenstOße*) werde ich sorgen.
Ich bin der Meinung, daß Du die Musik vorher nicht in Mannhelm auffährst,
doch fil>erlege Dir das. Ich rechne indeß zwischen hier in 14 Tagen auf Deine be-
stimmte Erklirung, ob Du mir das Werk bis zum Herbste liefern wirst oder nicht;
in letzterm Fall wire es Dein großer Schade, weil ich über 2 Jahren gewiß nicht
mehr in Deutschland bin und alsdann nicht mehr so titig ffir Dich wirken kann.
Vom Weberl habe ich 2 Briefe nebst 3 Exemplaren seines »Momente
capricioso* ^^) erhalten. Wahrscheinlich sollen zwei davon ffir Dich sein. Ich sende sie
^) Karl W. Henning, der 1836 Musikdirektor, 1840 Kapellmeister an dem Berliner
Opernhaus wurde, in welcher Stellung er bis 1. April 1848 wirkte.
*) »Der große Mann" ist, wie sich spiter ergibt, Meyerbeer selbst.
*) Ungedruckt.
^) Abt Georg Joseph Vogler, geb. 1749 zu Wfirzburg, f 6. Mai 1814 in Darmstadt,
wo er 1807 als Hofkapellmeister und besonders als Lehrer wirkte. Das Trichordium
und Trias Harmonica oder Lob der Harmonie vom Prof. Meißner, nach J. J. Rousseau's
Melodie zu drei T((nen komponiert, erschien 1799 bei Andr6 in Offenbach.
') Damit ist natürlich der Mitschfiler Meyerbeers bei Vogler, Karl Maria v. Weber,
gemeint »Abu Hassan" (Einakter) wurde 1811 zuerst in MQnchen aufgef&hrt.
*) Ungedruckt.
') Der gefeierte Schauspieler und Dichter, bis zu seinem Tode am 22. September
1814 Direktor des Berliner National-Theaters (Königlichen Schauspielhauses).
*) Bernhard Anselm Weber, geb. 1766 zu Mannheim, seit 1792 Musikdirektor
in Königlich preußischen Diensten, starb als Königlicher Kapellmeister am 23. Mirz 1821.
*) d. h. gute Kritiken in den Zeitungen.
^^ Karl Maria v. Webers op. 12 f&r Klavier.
DIE MUSIK VII. 20. «Hb
Dir deshalb mit der nichsten fahrenden Post nebst seinen BriefSen an mich. Zu
gleicher Zeit werde ich alsdann eine kleine ,Cantate^ von mir beilegen, welche ich
vorige Woche auf das Geburtsfest meines Vaters komponiert habe. (Nota bene in
3Vi Tagen.) Ich kann mich nun einmal fiber meine Sachen nicht freuen, bis ich
weiß, ob sie Dir, verfluchter Seehund, gefallen oder nicht.
Wie mein Oratorium^) gefallen bat, frigst Du mich? Der Erfolg davon hat
meine allerkfihnsten Erwartungen übertroffen. Schon in den Proben machte
diese Musik ein solches Aufsehen, daß die Musikliebhaber haufenweise herzuliefen.
Die Aufführung entsprach dem Succeß, den die Komponisten ihr schon in den Proben
vorausgesagt hatten. Freunde und Feinde, Fremde und Bekannte waren von gleichem
Enthusiasmus ergriffen. Den Morgen nach der Aufführung schrieben mehrere be-
rühmte Komponisten und Dichter (worunter sich sogar meine erklirte[n] Gegner
befanden) die schmeichelhaftesten Billete und Briefe an mich; unzählige Gedichte
wurden auf mich und sogar auch auf Schreiber*) gemacht (ich lege Dir ein paar
von diesen dummen Dingern in Abschrift mit bei, ein paar andere findest Du in der
mitkommenden Zeitung); auch die Recensionen in den beiden') Berliner Zeitungen,
die ich Dir mitsende, wirst Du schmeichelhaft genug finden, welches um so mehr zu
verwundem ist, da sie beide von Feinden von mir verfaßt sind, und die eine sogar
(welche ich angestrichen habe) meinen berüchtigten Gegner Rellstab^) zum Autor
hat, der einige Monate vorher so beißend über mich abgeurteilt^) hat Welche De-
mütigung für diesen Elenden, so fast wider seinen Willen mich loben zu müssen!
Die Aufführung war vortrefflich von selten der Instrumente sowohl als auch
des Chors. Die Schmalz,*) Gern '') und Eunike ^) sangen herrlich, besonders letzterer.
Als man ihm in der Probe zurief, er bitte seine Arie wie ein Engel gesungen, ant-
wortete er darauf: «Aber die Musik dazu kömmt auch vom Himmel." (Na, Du
Seehund, verzieh nur nicht so malizieuse die Lippen, indem Du dieses liest.)
Es sind mir auch schon seit der Zeit 7 Opernsujets angeboten worden;
kurzum das Publikum ist toll und voll von der Musik.
Ich bin es überzeugt, daß Du nicht glaubst, es geschehe aus miserabler Eitel-
keit, daß ich Dir alle diese Details mitteile; denn wer weiß wohl mehr als wir, von
wie vielen elenden Zufillen das Gelingen oder Mißfallen eines Werkes abhingt, und
welche unrichtige und schiefe Ansichten meistenteils das Urteil des Publikums leiten,
wie wenig man sich also auf das Reussieren eines Werks zugute tuen darf. Allein
in den Verhiltnissen, wo wir stehen, halte ich es sogar für Schuldigkeit, Dir auffi
allergenaueste zu referieren, und habe das auch ebenso treulich getan, als mein
') Meyerbeers Oratorium »Gott und die Natur* wurde am 8. Mai 1811 in Berlin
erstmalig aufgeführt; vgl. Hermann Mendel, Giacomo Meyerbeer (1868) S. Uff.
") A. V. Schreiber (nicht Schelle), Professor in Heidelberg, hatte den Text ge-
dichtet; er hat auch für Meyerbeer den Operntext «Jephthas Tochter" geliefert.
') Der sogen. Spenerschen und der Vossischen.
*) Job. Karl Friedrich Rellstab (1759—1813), der berühmte Kritiker der
Vossischen Zeitung.
^) Nimlich als am 17. Mirz 1811 der »08. Psalm* in Meyerbeers Komposition
in der Berliner Singakademie aufgeführt worden war.
*) Auguste Schmalz, geb. 1771, von 1810—1817 Stern an der Berliner Oper.
^ Georg Gern, von 1801—1830 Bassist der Berliner Oper.
*) Friedrich Eunike, berühmter Tenorist der Berliner Oper (1797 bis ca. 1817).
75
ALTMANN: MEYERBEER AN GOTTFRIED WEBER
»Psalm« Sicht ^) gefiel. Doch genug davon. So wie die Sachen jetzt stehen, kannst Du
mit Oberieugang 8 bis 10 pomp((se Zeilen ins »Badische Magazin* von der Musilc
einrficicen'), um die Mannheimer darauf begierig zu machen; denn da die Musik jetzt
gewiß gestochen wird, so gehört es unter meinen Hauptwünschen [I], sie [noch] einmal
zu hören, um mich von unzihligen Sachen, über die ich noch schwanke, zu überzeugen.
Im Fall Du es irgend möglich machen kannst und Dich vielleicht das Aus-
schreiben genieren sollte, so will ich das wohl besorgen, denn ich habe hier einen
exzellenten Kopisten. Allein es müßte bald sein, spitestens in 4 Wochen, denn
erstens verreise ich bald und zweitens kann auch mein Verleger nicht mehr sehr
lange warten.
Ich habe nun mit Dir über meinen Lieblingswunsch ganz frei gesprochen;
sage Du mir nun ebenso frei, ob nicht vielleicht Hindernisse und Verhiltnisse Dich
verhindern, ihn zu erfüllen. Im Falle Du es aber mit Besiegung einiger Schwierig-
keiten aufführen könntest, so fürchte nur nicht, daß ich Dir alsdann immerwihrend
mit meinen Musiken über den Hals laufen werde. Im Gegenteile; sogar will ich Dir
zu mehrerer Sicherheit das schriftliche Versprechen geben, nie wieder einen Fuß
in Mannheim zu setzen.
Ich habe vor kurzer Zeit wieder ein neues Blatt gesehen: »Süddeutsche Miszellen
für Leben, Litteratur und Kunst*. Es kömmt in Karlsruh heraus und hat, wie man
sagt, einen Herrn Rehfuß zum Redakteur. Warum ist dieses Blatt noch nicht unser?
Karlsruh liegt in Deinem Departement; schreibe hin oder laß den Unknown*), das
geliebte Beest, schreiben; dieser Bruder tut gar nichts für den Bund.
Ad vocem schreiben und rezensieren. Du wirst aus den Berliner Zeitungen
ersehen, daß diese Menschen nicht einmal vernünftig loben können. Das »Chor der
Elemente*^) berühren sie gar nicht, und ich wette darauf, sie können nicht einmal
dessen Konzeption entziffern. Ebenso geschah es mit dem Choral No. 10. Wie wäre
es daher, wenn Du Dir aus Deinem trefflichen gediegenen Brief an mich über diesen
Gegenstand zwei Auszüge machtest, einen kleinen und einen großen. Den erstem
könntest Du nach dem »Morgenblatte* senden, den zweiten aber '(da Du mit der
»Musikalischen Zeitung*^) brouilliert bist) an Weber 1, damit er denselben unter
seinem Namen an Hirtel schickte. (Ich schicke Dir zu diesem Ende heute Deinen
Brief wieder zurück.) Du müßtest aber die Gefälligkeit haben. Dich gleich an diesem [I]
Auszuge zu machen, damit Dir die Berliner Rezensenten nicht zuvorkommen. Was
die Rezension des übrigen Teils des Konzerts enthilt, so kannst Du Dich ja ganz
an die Berliner Zeitungen halten, welche ich übrigens übermorgen schon zurück-
erwarte, weil ich sie höchst nötig brauche. Hörst Du? Du kannst sie Dir aber auf
meine Kosten abschreiben lassen, denn sie müssen ja ohnedem ad acta*) kommen.
Ich hoff!e übrigens nicht, daß Du der Journalisten halber Anstand nehmen wirst, ein
«) Vgl. S. 74, A. 5.
*) Gerade acht Zeilen hat Weber darüber in der »Eleganten Zeitung* S. 911
geschrieben. Diese Zeitschrift erschien in Mannheim bei Kaufmann.
*) Wer dies ist, konnte ich nicht feststellen.
*) Karl Maria v. Weber nennt in seiner Besprechung des Meyerbeerschen
Oratoriums den Chor der vier Elemente ein »echt kontrapunktisches Meisterstück*.
^) Die »Allgemeine musikalische Zeitung* erschien im Verlag von Breit-
kopf ft Hirtel in Leipzig unter der Redaktion von Joh. Friedr. Rochlitz (1709—1842)
von 1788—1818; sie ist dann 1848 eingegangen.
*) Für das Bundesarchiv?
DIE MUSIK VII. 20.
In Berlin fciebeaes Terk lu rezea>l«r«n, vell Da in Mannheim bitt. Da kaaait
Ja dort Deine Korrnpondenicii haben oder aelbat auf kurie Zelt da (eveaea aeln.
Taa macht denn der Bruder Rock?>) Varnm lai er noch nicht In Tltiflceit?
LaS ihn an Caatelll'} In VIen schreiben (qua Reitender), den Person ilbeitand der
Mannheimer Bühne einsenden (dai empflehli), fiber den Verfall der Kirchenmusik
klafen und dabei Deiner aMeasen* rfihmlicbst ervlhnen. Aoch etwas fiber Berlin
kann er sagen: die .Veatalln* von Spontinl und BDeodsts* vom Kspellmelster
Weber*) kann er ezcentrisch loben, denn sie sind Liebliogsstficke des dortigen Publi-
kums, das erste*) ve|en seiner Kenisllscben VermlscbnnK des itallenlacben und fran-
lösischen Genres, indem sie einen (filiUcfaen Geaang mit braver Deklamation und
kunalreichen Behandlung des Orchestera vereinet (letzteres nur etwas au chargiert);
das iweite wegen seiner energlictaen Accente halber, auch wegen der kraftvollen Dekla-
mation und des echt dramiHschen Gelsi[s], der alch In allen ChSren ausapricht. Der
.Taueher' von Reich ardt') hat nicht gefsllen; den mufl er etwas bedauern, da Relchardt
ein verdienstvoller Msno ist. Auch etwas von Webers^ Concert splrltnel kann er sagen
und dabei meines Oratoriums') erwihnen, wozu Du ihm die nStIge Anleitung geben kannst
Ein Konzert In Darmstsdt lu geben, halle ich fSr jetzt hat unmAgllch, allein es
wird mir doch Heb sein, Herrn ToUm^ann") kennen lu lernen; empflehl Ihn mir also.
BSsmorl**) wird vor 3 bis 4 Wochen nicht gegeben werden.
Die sHrronen*") sind noch nicht mein.
Dusch") danke Ich tausendmsl für sein Gedicht. NIchstens werde ieh autfShr-
lieber dsrGber schreiben, denn für heute mufl Ich schlleSen.
Dein treuer Bruder Pbiledlkslos.
Ich brsuche meinen Hut notwendig. Um Gottes willen, so mache doch, daß icb
ihn bekomme,
II.
Frankrurt s. M., den 21. Februar ISI3,
Bruder.
Wundere Dich nur nicht gar zu sehr, diD Ich Dir heute auf Velln-Pspler schrallM.
Sieb den Bogen recht an, so wlrat Du finden, dafl er zu befieckt Ist, als daß Ich an einen
andern ehrlichen Menschen dsrsuf schreiben kfinnte. Meine nsse sind nun ganz In
<) Wohl kein Musiker.
*) Ignar Franz Castelll, der bekannte Dichter und Musiker, Hersasgeber des
BAllgemeinen muaikailachen Anteigers' (Wien bei Hasllnger).
•) Vgl. S. 73, A. 8.
*) Von hier ab wOrtlich bis aCbSren ausiprlcbi* in der .Eleganten Zeitung"
S. 911 von Weber sIs Berliner Korrespondenz sbgedmckt.
*) Job. Friedrich RelchardU (1752-1814) Oper .Der Taucher*.
•) Vgl. S. 73, A. 8.
^ .Gott und die Natur'. Vgl. oben S. 74.
") Job. Toltroann,M775-1828,'Vlolinvlrtno8, seit 1805 Musikdirektor in Buel.
■) Die Oper .SarooH' von Abt Vogler wurde am 30. Juni 1811 erstmslig In
Dsrmstsdt gegeben; vgl. .Bsdlsches Magazin* 1811, S. 440.
'■) Wohl die am 3a Juli erstmslig sufgeffibrten Hymnen des Abt Vogler; vgl.
Ib. 524; vielleicht auch die sieben geistlichen Gesinge (Klopstock) Meyerbeen, dln
bei C. F. Peters in Leipzig erschienen sind.
") DuBCh (Philokalos im Bunde genannt) wurde a|dler Cebeiner t
in Karlsruhe.
Btt
77
ALTMANN: MEYERBEER AN GOTTFRIED WEBER
mt
Richtigkeit, allein die verfluchten Briefe aus Mainz sind noch nicht angelcommen; ich
habe daher gestern meinen Bedienten selbst dortbin geschickt und kann also nun erst
morgen früh abreisen. Wiren wir beide nicht so eklatant dumm, so bitten wir das von
Mannheim aus getan, und ich bitte einen Tag linger in Deiner Gesellschaft verlebt.
Dank übrigens, Bruder, herzlichen Dank für alles Liebe und Freundliche, was
Du mir wihrend meines Aufenthalts in Mannheim erzeigt hast. So ein 14tigiges
geistiges Reiben an einem Kerl wie Du gibt neue Lust zum Versuchen, neue Kraft
zum Streben. Ich hoffe, es geht Dir ebenso.
Ich habe mich halb zu Tode auf der Post nach Briefen von Dir gefragt, aber es
sind keine da. Wo bleibt der Brief an Milz eP) von Dusch*) und der von Walter')
an Ignaz Walter^) in Regensburg? Dummer Kerl! mit dem letztem mußt Du Dich
besonders eilen und ihn nach Regensburg poste restante adressieren, denn in Wien
hilft er mir natürlich nichts mehr.
Anbei der Brief an den Großherzog ^), nach Vorschrift damit zu verfahren. Ich
bitte Dich übrigens recht instindig um alle mögliche Vorsicht und Schnelligkeit. Ltß
Dir doch ja von Hoff mann*) antworten, daß er wirklich abgegeben worden ist.
Ebenfalls lege ich den Karol^ an Dein treues Bruderherz.
A propos. Ich habe Voglern') (aus Gründen) geschrieben, daß ich in Mann-
heim unpißlich war; ich sage Dir das, damit Du es geschickter Weise als etwas
Zufilliges in Deinem nichsten Brief an ihn einfließen lißt. Den beifolgenden Brief
an Schwarz') gib gefälligst sobald als möglich auf die Post. Ich habe Ursachen,
warum er von Mannheim aus abgegeben werden soll.
Und nun^ Bruder, kommt eine Phrase, die Du künftig in allen meinen Briefen
finden wirst: treibe Rütger^^^) zum Fleiß.
Und nun lebe wohl. Deiner ganzen werten Familie, der [!] Friulein von Hirt-
ling und Herrn von Weiler viele Empfehlungen von mir als Epilog zu meinem
Abschiede; ditto an den Karolsmacher.^0
Geil") und Hedler^') lassen Dir sagen, daß, wenn Du Cherubinis^^)
»Trauergesang* von Paris aus haben wolltest, solltest Du es ihnen schreiben, und
den 15. Tag nach Ankunft Deines Briefes würden sie es [!] Dir schon überliefern.
Courage'^) grüßt. Dein treuer Bruder
Der arglose Reisende.
Da es schon zu spit ist, diesen Brief auf die Post zu geben, so nehme ich ihn
nach Würzburg mit.
>) Johann Nepomuk Milzel, der bekannte Mechaniker (1772—1858), der Erfinder
des Panharmoniums und des Metronoms (1816).
•) Vgl. S. 76, A. 11. ') Wohl kein Musiker.
^) Ignaz Walter, Tenorist, Singspieldichter und Theaterdichter (1759-1822).
^) Ludwig I. (X), Großherzog von Hessen (—1830); vgl. Brief III.
') Wohl ein höherer Beamter. ^ Wer ist dies?
*) Vgl. S. 73, A. 4. •) Wohl kein Musiker.
^^ Wie sich aus dem Folgenden ergibt, offenbar ein Rechtsanwalt, der für
Meyerbeer einen Prozeß führte. >') Identisch mit Karol? (oben A. 7).
") Wohl Sophie Gail, geb. Garre, die 1819 f talentvolle Pariser Komponistin,
vielleicht auch deren Mann Professor Jean Baptiste Gail.
>*) Wer ist dies?
>^) Wohl das »Requiem* in c-moll, vielleicht auch i^Chant sur la mort de
Joseph Haydn^ ^'^) Wer ist dies?
78
DIE MUSIK VII. 20.
M
III.
Würzburg, den 23. Februar 1813.
Bruder!
Ich war bei Fröhlich^); aufgenommen habe ich ihn nicht, denn ich reiae
heute schon fort, und so kurz übers Knie zu brechen, iat die Sache natürlich nicht;
doch kannst Du Dir denken, daß mein Aufenthalt nicht ganz fruchtlos war. Ich habe
die Verabredung getroffen, daß wir uns gegenseitig beide von jeder Aufführung
oder Erscheinung unserer Sachen Nachricht geben wollten, und daß
dann der andere darüber schreiben sollte. So ist denn doch ein Schritt
geschehen; sehe ich dann, daß der Kerl eingreift und wirklich arbeitet, so schlage
ich ihm das Bewußte für Dich, sich und mich vor. Ich habe ihm proponiert, ihn
dem GlöggP) in Linz und der »Musikalischen Zeitung* in Wien als Mitarbeiter
vorzuschlagen, und er hat es dankbar aufgenommen. (Ich habe dies aus der Ursache
getan, damit er, wenn wir ihn einmal in Titigkeit setzen, debouch6s hat.) Er hat
mich gebeten, ihm zu erlauben in der »Würzburger Zeitung" einen Artikel üt>er
ajephta" einrücken zu lassen, welches ich angenommen habe. Ich schreibe Dir
dieses, damit Du gelegentlich, wenn Du aufs Museum') gehest, in die »Würzburger
Zeitung* guckst, um zu sehen, ob er Wort hilt oder nur Windkomplimente macht
Was Dich betrifft, so antwortete er mir auf meine Frage sein Stillschweigen
betreffend, daß ihn die Bescheidenheit verhindert habe, Deine Anfrage zu t>eantworten.
Er sei nimlich wirklich der Verfasser mehrerer Anzeigen über Dich. Doch fügte er
hinzu, daß er noch lange nicht so viel über Dich geschrieben habe, als es ihn die
große Achtung, die er für Dich empfinde, seitdem er Deine praktischen Werke kenne,
wünschen lasse, und daß er jede Gelegenheit mit Freude ergreifen würde, öffentlich
über Dich und Deine Sachen zu sprechen. Ich habe ihm versprochen über sein
Institut^) einen Aufsatz zu machen. Apropos. Er wird vielleicht diesen Frühling
»Gott und die Natur* aufführen. Ich habe ihm gesagt, daß Du Dich gewiß nicht
weigern würdest, ihm Partitur und Stimmen alsdann zu leihen.
Den Brief an [den] Großherzog ^) bringt Dir das [t] Postwagen.
Adieu.
^) Joseph Fröhlich, 1780-1862, Universititsmusikdirektorund a. o. Profössor in
Würzburg, auch als Komponist tätig, ein sehr verdienter Musiklehrer. Die »Musik*
brachte sein Bild Jahrgang 3, Heft 19.
*) Franz Xaver Glöggl 1764—1830, Theaterkapellmeister, Musikalienhindler and
Verleger verschiedener Musikzeitschriften.
") Gesellige Vereinigung mit Lesezimmer.
*) Ober dieses Institut, aus dem sich die »Königliche Musikschule in Würz-
burg* entwickelt hat, schreibt Fröhlich am 24. Februar 1813 an Weber, nachdem
er u. a. auch Meyerbeers Besuch erwihnt hat: »Oberzeugt, daß ohne die Befördemng
der isthetischen Bildung keine Erhebung des Geistes bei dem Volke möglich sei and
daß Musik die auf das Volk wirksamste und in jeder Hinsicht für dasselbe passendste
Kunst sei, hatte ich schon lingst den Gedanken, zur Emporbringung der Kunst, vor-
züglich der musikalischen alles Mögliche anzuwenden. Ich brachte es in mehreren
Jahren durch viele Mühe dahin, daß meine musikalische Anstalt gegründet wurde.
Allein zuerst hatte sie die allgemeine Tendenz nicht, und nur nach und nach brachte
ich es dahin, daß sie zu einer allgemeinen Bildungsschule für unser ganzes L4ind, zu
einem eigentlichen, musikalischen Konservatorium erhoben wurde. Eine wichtige Klasse
in der Anstalt sind die Kandidaten des Schullehrerseminars, welche in dieser den
Unterricht in allen Teilen der Musik erhalten.* ^) Vgl. oben S. 77, A. 5.
79
ALTMANN: MEYERBEER AN GOTTFRIED WEBER
IV.
Neustadt an der Aiscb, den 25. Februar 1813.
Bruder!
Der Teufel hat den Postwagen in Würzburg geritten, daß er erst in 2 Tagen
abgeht; ich wollte ihn erst nach Nürnberg mitnehmen*); allein besseres kommt
al>er Nacht, und da es mir gar pressant mit diesem Briefe^) (Avis für Dich!) ist, so
schicke ich ihn Dir von hier aus mit der Briefpost. Du mußt so gütig sein, diesen
Brief auf die Partitur') zu legen. Es versteht sich von selbst, daß das Ganze ein-
gepackt wird, und auf das Packet machst Du dieselbe Adresse, wie ich sie auf den
Brief machte. Um das Packet aber mache noch einen Umschlag, worauf Du Hoff-
manns*) Adresse setzet, damit derGroßherzog nicht das Mannheimer Postzeichen
sieht, weil ich den Brief von München datiert habe. Übrigens besorge alles bald
and recht schön, wie wir es verabredet haben, so wird Dir meine Gnade niemals
ermangeln. Ich weiß auch, Du nimmst mir dieses nicht übel.
Philodikaios.
Ich numerire jetzt meine Briefe an Dich. Dieses erleichtert die Beantwortung.
Thue Du es auch.
*) Anmerkung Meyerbeers: Wen? den Postwagen? Nein, den Brief.
V.
Nürnberg, d. 26. Februar 1813.
Bruder !
Ich will Dir Gelegenheit verschaffen, Deinen neuen Guitarrenliedem ein neues
Relief zu geben. Schicke ein Exemplar derselben an Madame Fanny Königs werth
in Fürth bei Nürnberg. Diese jüngste der Grazien ist eben so gütig, mir in den
Brief hineinzugucken, und ich darf daher ihrer Bescheidenheit nicht die Notzucht
antun, in das Detail der Liebenswürdigkeiten derjenigen einzugehen, die Dir das
unverdiente Glück erzeigen wird. Deine Lieder zu singen. Schicke daher bald, ernst-
lich, Bruder, unter der obgedachten Adresse.
Seriosamente e un angelo la piccola et tu mi fara il piacere di mandergli ben
presto an esemplario. Te le paghero.
VI.
Regensburg, den 2. Mirz 1813.
Bruder !
Ich habe Deinen Brief vom 24ten erhalten und mich herzlich damit gefreut.
Laut Vorschrift hal>e ich mich [!] sogleich von meinen rauhen Ideen ein Lidel blasen
lassen, und so wire der Wechselgesang fertig. Ja, Wechselgesang, und nicht
Duett, wie Du schreibst, denn da uns unsere Ideen nicht in ein und demfclben
Moment ein Lidel geblasen haben, so gehört dies Blasen auch nicht in die Klasse des
Duetts, sondern nur in die des Wechselgesangs. O Gott, o Gott, wirst Du denn nie
lemeo, Dich in scientiflschen Sachen pricis auszudrücken?
Daß Du den »Abel**) verlassen hast, um am »Requiem*^) nichts zu machen,
Bruder, das acheint mir nicht gescheut. Wäre ich wie Du, ich ginge wieder daran.
') An den Großherzog von Hessen; vgl. S. 77, A. 5.
^ Des Oratoriums »Jephtha*.
«) Vgl S. 77 A. 6.
*) Ungedrucktes, wohl auch unvollendetes Oratorium.
*) Requiem den Manen der Sieger bei Leipzig (erschien bei Andr6 in Offenbach).
A propos; ich will Dir eine vorliuflge Adresse nach Wien geben; tn etc. per
Adresse des Herrn Banquier Moriz Königswirther in Wien. Unter der Adresse
kannst Du mir auch gleich einen Wechsel schicken, im Fall ich meinen Proceß
gewinne. Ich bitte Dich, dummes Brüderchen, (denk' Dir dabei Ifflandischen Dia-
lekt), treibe Rütger.^) Ich werde (ganz ernsthaft gesprochen) bald Geld gebrauchen
und wahrscheinlich vor einigen Monaten keines von zu Hause beziehen können, denn
man spricht, daß der Postenlau f jetzt ganz gehemmt sei.
A propos, hast Du meine 3 Briefe vom 23., 25. u. 26. bekommen? Der vom
25. ist mir der wichtigste, denn er enthielt den Brief an den Großherzog. Ich habe
Qber alle Scheine genommen; schreibe, ob Du sie erhalten hast Oberhaupt, Kerl,
hoflPe ich in Wien bald Briefe zu bekommen von Dir, da Du jetzt Adresse hast
Morgen früh gehe ich mit dem Postschiffe ab. Heute [Qber] 8 Tage werde ich
wohl da sein. Ich habe mich hier des Postschiffes halber 2Vs Tage aufhalten mQssen«
Man erzeigt mir viele Höflichkeiten. Was mir Spaß macht, das ist, dsß (obgleich
die Zeitungen sich gewiß nicht überschrieen haben) demohneracbtet jeder, den ich anf
der ganzen Route hieher sprach, von gjephthas" Erscheinung wußte, und darunter
waren viele Kaufleute und sonstige Geschiftsminner, die sich also nicht eben ingst-
lich sonst um neue Erscheinungen in der Kunst zu bekümmern pflegen.
Adieu, Bruder, hier hast Du einen Brief (verlangtermaßen), den Du, ohne ein
Schelm zu sein, gewiß nicht für ein rhetorisches Meisterwerk ausgeben kannst
Philodikaios.
VIF.
Linz, den 10. Mirz 1813.
Bruder!
Meinen letzten Brief von Regensburg wirst Du erhalten haben. Ich hielt
mich einen Tag dort linger auf, als ich anfangs wollte, denn ich hatte auf der Redoate
ein himmlisches Abenteuer angeknüpft Item, es nahm den Tag darauf sein befrie-
digendes Ende, und 24 Stunden nach dem actus reiste ich ab. Da die Teorang
fürchterlich ist, so setzte ich mich zur Ersparung der Unkosten mit meinem Bedienten
auf das Postschiff und flutete die Donau ganz flott hinunter. Meine Reisegefllhrten
sind zwei Kaufleute, der eine aus Neuchatel, der andere aus Straßboarg. Der
jüngere, sobald er hörte, daß ich Musikant sei, pries mir sogleich die .Donannymphe**)
als seine Favoritpiece, der ältere aber beklagte sich bitterlich, daß Vinhall^, der
ihm (wie er sich ausdrückte) manche kostbare Stunde gewährt hal>e, so in Verfall
komme. Beide Kerls waren zu meinem Unglück Dilettanten, der eine hatte sogsr
einmal in einem Picknick die zweite Violine bei einem PI eiel sehen*) Qaatnor
gegeigt, und überfluteten mich nun mit musikalischem Unflat Um mich zu retten,
muß ich nun den ganzen Tag Mariage mit den Kerls spielen. Denke Dir mich, der
bisher keine Karte kannte, Mariage mit zwei Eseln spielen. Das Gesicht, das ich
dabei mache, denke ich mir, muß einem die Frage im [t] Munde legen: k quoi
pensez vous, quand vous ne pensez ä rien?
0 Vgl. S. 77, A. 10.
*) Gemeint ist wohl Ferd. Kauers «Donau weibchen" (1706), das 1803 eine
Fortsetzung »Die Nymphe der Donau" erhielt
*) Job. Bapt Wanhal (van Hai), geb. 1739, f 26. Aug. 1813 in Wien, schrieb
sehr viele Symphonieen, Streichquartette, Violinduette.
^) Ignaz Pleyel, 1757—1831, ein Schüler Haydns, ein sehr fruchtbarer Korn*
ponist, später Begründer eines Verlags und einer Pianofortefabrik in Paris.
ALTMANN: MEYERBEER AN GOTTFRIED WEBER
Die Fahrt ging sehr schnell, allein im ersten östreichischen Flecken Asch ack
Qberflel uns ein schrecklicher Sturm, und wir mußten 3 Tage — sage drei — still
liegen« Aus lauter Langeweile verführte ich eine Kaufmannstochter, eine Feldwebels-
Witwe und die Wirtin meines Gasthofes, oder vielmehr sie verführten mich, denn
ich habe nirgends Pucellage gefunden, obgleich ich sie bei der erstem stark ver-
mutete; demohnerachtet waren alle 3 liebe Geschöpfe.
Wihrend dieser Quarantäne ließ ich mir auch Deine »AbeIs*-Ouvertfire^) ofc
im Kopf hin und hergehen und instrumentierte sie (im Kopf versteht sich) mit
wfitendem Effekt. Dabei muß ich Dir sagen, ist es mir bestimmt klar geworden, daß
das erste
^^^^"fr
j
-ef
etc.
ungeheuer piano sein
muß. Dieses kann auf zweierlei Weise geschehen: entweder Du erfindest noch Sor-
dinen fOr Flöten (für Klarinetten und Hörner sind sie schon erfunden) und läßt die
ganze Stelle con sordini exekutieren, oder Flöten, Clarinetten, Cor entfernen sich bei
den letzten Momenten des Allegros und blasen das Andante aus einem ziemlich ent-
fernten Nebenzimmer. Mache es, wie Du es willst, allein das E dur muß ungeheuer
piano anfangen; das will ich, io el rey.
Heute frQh endlich legte sich der Sturm, und um Vt5 Uhr früh fuhren wir ab
und vor einer Stunde kamen wir hier in Linz an. Wie ich aus dem Schiff steige,
packt mich ein junger Mensch und fragt mich, ob ich Meyerbeer sei. Auf meine
Bejahang ladet er mich von Seiten des Kapellmeisters Glöggl*) ein, sogleich zu ihm
zu kommen. Ich gehe hin u., wie ich die Tfir öffne, tritt mir entgegen — Vogler;
Bmder, ich dachte, der Schlag träfe mich! Ich weinte vor Freuden, kQßte ihm die
Hand, den Mund. Wahrhaftig, ich liebe doch den alten Papa mehr, als ich es weißt
er ist auf der Reise nach Wien und hatte in den Münchner Zeitungen meine
Reise nach Wien gelesen; woher die Kerle das wissen, mag der Teufel wissen. Er
wir auch ganz fldel, umarmte mich und gratulierte mir vor der zahlreichen Gesell-
schaft, indem er mir die Nachricht mitteilte, daß mich der Großherzog von
Hessen zu seinem Hof- u. Kammerkompositeur ernannt habe. (Meine
Verpflichtang, wie er mir privatim sagte, ist weiter keine, als von jeder größeren
Komposition, die ich vollendete, dem Großherzog ein Exemplar zu schicken, wofür
ich jedesmal aparte honoriert werde). Du kannst Dir denken, wie frappiert ich war,
da ich von der Geschichte kein Wort ahnte. Der Großherzog, der mich in Paris
glaubte, hat mir mein Patent mit einem eigenhändigen Briefe dorthin geschickt.
Betrachte übrigens diese Erzählung noch als eine Konfldenz, denn bis ich dem
Großherzog schriftlich gedankt und mein Patent von Paris zurückbekommen
habe, darf dieses des Anstandes halber nicht öffentlich bekannt werden, wie mir
Vogler sagte. Dann aber auch Du kannst Dir denken, wie viel mir unter den jetzigen
Umständen daran liegt, bestimmt zu wissen, ob der Großherzog meine Partitur und
Brief von Dir erhalten hat. Den letzteren schickte ich Dir von Neustadt an der Aisch
(anbei auch den Schein). Melde mir sein Erhalten und Deine Expedition gefälligst bald
nach Wien. Adieo, in einer Viertelstunde gehe ich wieder auf mein Schiff nach Wien.
M Vgl. S. 79, A. 4.
«) Vgl. S. 78, A. 2.
A propos; ich will Dir eine vorläufige Adresse nach Wien geben; an etc. per
Adresse des Herrn Banquier Moriz Königswirtber in Wien. Unter der Adresse
kannst Da mir aucb gleicb einen Wecbsel scbicken, im Fall icb meinen Proceß
gewinne. Icb bitte Dieb, dummes BrQdercben, (denk' Dir dabei Ifflandltchen Dia-
lekt), treibe Rfitger.^) Icb werde (ganz ernstbaft gesprocben) bald Geld gebraacben
und wabrscbeinlicb vor einigen Monaten keines von zu Hause bezieben können, denn
man spricbt, daß der Postenlauf jetzt ganz gebemmt sei.
A propos, bast Du meine 3 Briefe vom 23., 25. u. 26. bekommen? Der vom
25. ist mir der wicbtigste, denn er entbleit den Brief an den Großb erzog. Ich babe
Qber alle Scbeine genommen; scbreibe, ob Du sie erbalten bast Oberbaupt, Kerl,
boffe icb in Wien bald Briefe zu bekommen von Dir, da Du jetzt Adresse hast
Morgen früh gehe icb mit dem PostschiflPe ab. Heute [Qber] 8 Tage werde icb
wohl da sein. Icb babe mich hier des Postscbiffes halber 2^1% Tage aufhalten mQsten.
Man erzeigt mir viele Höflichkeiten. Was mir Spaß macht, das Ist, daß (obgleich
die Zeitungen sich gewiß nicht überschrieen haben) demobnerachtet jeder, den leb anf
der ganzen Route hieher sprach, von sjophtbas" Erscheinung wußte, und darunter
waren viele Kaufleute und sonstige Geschiftsminner, die sich also nicht eben ingst-
lich sonst um neue Erscheinungen in der Kunst zu bekfimmem pflegen.
Adieu, Bruder, hier hast Du einen Brief (verlangtermaßen), den Du, ohne ein
Schelm zu sein, gewiß nicht für ein rhetorisches Meisterwerk auageben kannst
Pbiiodikaios.
VIF.
Linz, den 10. Mirz 1813.
Bruder!
Meinen letzten Brief von Regensburg wirst Du erhalten haben. Ich hielt
mich einen Tag dort linger auf, als ich anfangs wollte, denn ich hatte anf der Redoote
ein himmlisches Abenteuer angeknüpft Item, es nahm den Tag darauf sein befHe-
digendes Ende, und 24 Stunden nach dem actus reiste ich ab. Da die Teomnc
fOrcbterlicb ist, so setzte ich mich zur Ersparung der Unkosten mit meinem Bedienten
auf das Postschiff und flutete die Donau ganz flott hinunter. Meine Relaegefllhrten
sind zwei Kaufleute, der eine aus Neuchatel, der andere aus Straßbourg. Der
jüngere, sobald er hörte, daß ich Musikant sei, pries mir sogleich die «Donannympbe**)
als seine Favoritpiece, der ältere aber beklagte sich bitterlich, daß Vinhall*), der
ihm (wie er sich ausdrückte) manche kostbare Stunde gewibrt habe, so In Verfall
komme. Beide Kerls waren zu meinem Unglück Dilettanten, der eine hatte sogar
einmal in einem Picknick die zweite Violine bei einem Pleielscben*) Qnataor
gegeigt, und überfluteten mich nun mit musikalischem Unflat Um mich xn retten,
muß ich nun den ganzen Tag Mariage mit den Kerls spielen. Denke Dir mich, der
bisher keine Karte kannte, Mariage mit zwei Eseln spielen. Das Gesicht, das ich
dabei mache, denke icb mir, muß einem die Frage im [!] Munde legen: k quo!
pensez vous, quand vous ne pensez ä rien?
^) Vgl. S. 77, A. 10.
') Gemeint ist wohl Ferd. Kauers «Donauweibchen" (1796), das 1803 eine
Fortsetzung «Die Nymphe der Donau" erhielt
*) Job. Bapt. Wanhal (van Hai), geb. 1739, f 26. Aug. 1813 In Wien, schrieb
sehr viele Sympbonieen, Streichquartette, Violinduette.
*) Ignaz Pleyel, 1757—1831, ein Schüler Haydns, ein sehr fruchtbarer Rom*
ponist, später Begründer eines Verlags und einer Pianofortefabrik in Paris.
ALTMANN: MEYERBEER AN GOTTFRIED WEBER
Die Fahrt ging sehr schnell, allein im ersten östreichischen Flecken Aschack
Qberflel uns ein schrecklicher Sturm, und wir mußten 3 Tage — sage drei — still
liegen« Aus lauter Langeweile verführte ich eine Kaufmannstochter, eine Feldwebels-
Witwe und die Wirtin meines Gasthofes, oder vielmehr sie verführten mich, denn
ich habe nirgends Pucellage gefunden, obgleich ich sie bei der erstem stark ver-
mutete; demohnerachtet waren alle 3 liebe Geschöpfe.
Wihrend dieser Quarantine ließ ich mir auch Deine »Abels'-OuvertOre^) ofc
im Kopf hin und hergehen und instrumentierte sie (im Kopf versteht sich) mit
w&tendem Effekt. Dabei muß ich Dir sagen, ist es mir bestimmt klar geworden, daß
das erste
etc.
ungeheuer piano sein
muß. Dieses kann auf zweierlei Weise geschehen: entweder Du erfindest noch Sor-
dinen für Flöten (für Klarinetten und Homer sind sie schon erfunden) und läßt die
ganze Stelle con sordini exekutieren, oder Flöten, Clarinetten, Cor entfernen sich bei
den letzten Momenten des Allegros und blasen das Andante aus einem ziemlich ent-
fernten Nebenzimmer. Mache es, wie Du es willst, allein das E dur muß ungeheuer
piano anfangen; das will ich, io el rey.
Heute f^üh endlich legte sich der Sturm, und um Vt5 Uhr früh fuhren wir ab
und vor einer Stunde kamen wir hier in Linz an. Wie ich aus dem SchiflP steige,
packt mich ein junger Mensch und fragt mich, ob ich Meyer beer sei. Auf meine
Bejahung ladet er mich von Seiten des Kapellmeisters Glöggl*) ein, sogleich zu ihm
zu kommen. Ich gehe hin u., wie ich die Tür öffne, tritt mir entgegen — Vogler;
Bruder, ich dachte, der Schlag trife mich! Ich weinte vor Freuden, küßte ihm die
Hand, den Mund. Wahrhaftig, ich liebe doch den alten Papa mehr, als ich es weiß!
er ist auf der Reise nach Wien und hatte in den Münchner Zeitungen meine
Reise nach Wien gelesen; woher die Kerle das wissen, mag der Teufel wissen. Er
wir auch ganz fidel, umarmte mich und gratulierte mir vor der zahlreichen Gesell-
schaft, indem er mir die Nachricht mitteilte, daß mich der Großherzog von
Hessen zu seinem Hof- u. Kammerkompositeur ernannt habe. (Meine
Verpflichtung, wie er mir privatim sagte, ist weiter keine, als von jeder größeren
Komposition, die ich vollendete, dem Großherzog ein Exemplar zu schicken, wofür
ich jedesmal aparte honoriert werde). Du kannst Dir denken, wie frappiert ich war,
da ich von der Geschichte kein Wort ahnte. Der Großherzog, der mich in Paris
glaubte, hat mir mein Patent mit einem eigenhändigen Briefe dortbin geschickt.
Betrachte übrigens diese Erzählung noch als eine Konfldenz, denn bis ich dem
Großherzog schriftlich gedankt und mein Patent von Paris zurückbekommen
habe, darf dieses des Anstandes halber nicht öffentlich bekannt werden, wie mir
Vogler sagte. Dann aber auch Du kannst Dir denken, wie viel mir unter den jetzigen
Umständen daran liegt, bestimmt zu wissen, ob der Großherzog meine Partitur und
Brief von Dir erhalten hat. Den letzteren schickte ich Dir von Neustadt an der Aisch
(anbei auch den Schein). Melde mir sein Erhalten und Deine Expedition gefälligst bald
nach Wien. Adieu, in einer Viertelstunde gehe ich wieder auf mein Schiff nach Wien.
M Vgl. S. 79, A. 4.
«) Vgl. S. 78, A. 2.
82
DIE MUSIK VII. 20.
VIII.
Wien'), d. 28. Mirz 1813.
Bruder!
Deinem Wunsche gemäß sende ich Dir hier einige Opernbficher zum Kompooiereo.
Daß die Sujets gut sind, kann ihnen gewiß Icein Mensch vorwerfen, demohnerachtet
aber enthalten sie treffliche musikalische Situationen, passen also excellent f&r Deinen
Gebrauch. Ich habe Dir von mehreren Genres gekauft, damit Du für Jede Laune
einen Sfindenbock hast. Verbrauche es mit Gesundheit und Nutzen und schreibe mir
gleich, wenn Du dieses Vierteldutzend verbraucht hast, damit ich wieder welche einkaafe.
Fragen.
1. Warum schreibst Du mir nicht? ich habe Dir ja schon von Regen sburg
aus geschrieben, daß Du mir per adresse Moritz Königswirthera schreiben sollat.
2. Warum schickt Dusch ^ vom Karol') nichts?
3. Habe ich denn meinen Prozeß^) noch nicht gewonnen?
Ph.
IX.
Paris, d. 5. December 1814 [verschrieben statt 5. Januar 1815].
Lieber Bruder!
Um Dich zu überzeugen, daß ich wenigstens den guten Willen habe, prida zu
werden, so antworte ich Dir in der nimlichen Stunde, wo ich Deinen Brief erhalte.
Das ist aber auch alles, was ich leider in diesem Augenblick tun kann. Die Wunder-
werke der Kunst und Natur und besonders die Theater haben sich meines ganzen Wesens
mit einer solchen Wut bemichtiget, es ist eine solche geistige Genußsucht in mich ge-
fahren, daß ich von Museum zu Museum, von Bibliothek zu Bibliothek, von Theater zu
Theater etc. mit einer Rastlosigkeit wandre, die dem ewigen Juden Ehre machen wQrde.
Unter solchen Umständen wirst Du es begreiflich finden, wenn Ich Dich yer-
sichere, daß ich bis jetzt kaum 3 oder 4 meiner Empfehlungsbriefe abgegeben habe.
(Die Sachen haben mich bis jetzt so interessiert, daß ich noch gar nicht dasu ge-
kommen bin, mich um die Menschen zu bekümmern.) Ich bin daher In diesem
Augenblick noch in die [!] Verhältnisse, deren Kenntnisse es bedfirfte, um Deine
Aufträge vollfuhren zu können, so fremd, als ich es nur immer vor meiner Ankunft
in Paris sein konnte. Ich furchte daher, daß ich in diesem Augenblicke durchaus
nichts Schriftliches für den Chronometer (in Paris) werde tun können. DafQr werde
ich aber sogleich, wie ich Deinen Aufsatz'^) erhalte, einen Auszug davon In die
»Friedensblätter" nach Wien senden und durch diese Gelegenheit Dich mit dem
Redakteur derselben Dr. Bernard^) in Verbindung setzen; den ganzen Aufsatz selbst
werde ich an Mosel ^ senden, daß er ihn in die »Wiener Litteratur-Zeltung* (das
^) Hier wohnte Meyerbeer mit seinem Diener in dem später auch durch Brahma
berfihmt gewordenen »Roten Igel**.
«) Vgl. S. 76, A. 11.
•) Vgl. S. 77, A. 7.
*) Vgl. S. 77, A. 10.
*) Ober chronometrische Tempobezeichnung überhaupt und insbesondere gegen
die Einführung der J. Mälzeischen Taktmessungsmaschine. (Erschien erst 1817.)
^) Dessen Oratorium »Der Sieg des Kreuzes* wollte Beethoven kompenleran«
') Ignaz Franz Mosel, 1772—1844. Sein »Versuch einer Ästhetik des dra-
matischen Tonsatzes* erschien 1813.
83
ALTMANN: MEYERBEER AN GOTTFRIED WEBER
einzice respektable östreicbische Blatt in scientiflscber Hinsichi) besorgt. A propos,
besser wäre es nocb. Du rezensiertest Mos eis »Aestbetik* gleicb, sendest mir das
Manuskript: ich scbicke es dem Redakteur der Wiener Litteratur-Zeitung (dem
Bruder des berfibmten Collin)') nebst Deiner Cbronometer-Gescbichte und gebe
ihm zu verstehen, daß er Dieb zum Mitarbeiten auffordern soll. Mosein zeige ich
aUy daß Deine Rezension von seiner »Aestbetik* in der Wiener LitteraAr-Zeitung
abgedruckt wird (was ihm ohnedem das liebste Blatt ist) und er sich bei Dir bedanken
soll: so ist gieicherzeit die Verbindung mit Mosel und der Litteraturzeitung angeknfipft.
Laß mich hierfiber Deine Willensmeinung wissen. Da flllt mir eben ein, aus Deinem
Brief^ scheint hervorzugehen, daß Milzel*) in Paris ist. Ich will ihn daher aufsuchen
und sehen, ob ich nicht durch seine Vermittelung etwas in die Journale rocken lassen kann.
A propos. Hast Du denn unserer Verabredung gemäß an die »Musikalische
Zeitung* geschrieben*) und sie darauf aufmerksam gemacht, daß ich in Paris bin
und sie mich zum Mitarbeiten auffordern sollen. Suche es doch möglich zu machen,
daß ich mit Rochlitz^) persönlich in Korrespondenz komme.
So ~ Von Geschiften habe ich Dir nun heute nichts mehr zu reden und doch
noch ein kleines Fleckchen Papier fibrig. Das will ich dazu anwenden, um Dir
meinen Dank für den höchst angenehmen, fldelen, echt kfinstlerisch verlebten Tag
zu sagen, den ich bei Dir in Mainz zugebracht habe. Ich kann Dir indeß nicht
verhehlen, daß Deine jetzige Lage, die in gesellschaftlicher und k&nstlerischer Hin-
sicht so ^nzlich isoliert ist, mich zu einigen Reflexionen Veranlaßt hat, die ich für
meine Schuldigkeit halte, Dir mitzuteilen. Du hast (nach meiner individuellen
Empfindung) trotz Deines großen Talentes das Erbübel aller Künstler, die spit an-
langen: man sieht die Fugen des Gebiudes, man sieht das Skelett durchs Fleisch
schimmern, und mich dünkt, zu der fast magischen Wirkung der Musik gehört es
auch, im Augenblick des Hörens das (Wie ist das gemacht?) nicht ergründen zu
können. Das ist es, was mich manchmal an Deinen Musiken genierte, und nicht,
wie ich bisher flilscblich wihnte, einige Tendenz zur Steifheit. Ich habe neulich in
Mainz manche der Stellen untersucht, die mir steif schienen und sie so rund, so
eurhythmisch als möglich gefunden. Es wire unbegreiflich, daß bei Deinem wenigen
Schreiben sich dieser Obelstand so gar nicht wesentlich, so durchaus nur einzeln,
isoliert vorfindet, wenn es sich nicht daraus erklärte, daß Du bisher so viel gehört
') Heinrich von Collin, 1771-1811, Verf. der Tragödien »Regulus* und
vCorioIan"; letztere durch Beethovens Ouvertüre berühmt geworden; Matthäus
von CoIIin, 1770-1823, schrieb auch Tragödien; sein Gedicht «Der Zwerg* lebt
durch Franz Schuberts Komposition fort.
•) Vgl. S. 77, A. 1.
*) Erst am 5. Februar 1815 schrieb Weber an die Redaktion der »Allgemeinen Mu-
sikalischen Zeitung* in Leipzig: »Meyerbeer ist vor kurzem von Wien hier durch nach
Paris gereist; er gedenkt dort wenigstens zwei bis drei Jahre zu bleiben und hat mir
geäußert, daß er von dort aus recht gern Korrespondent der Allgemeinen Musikalischen
Zeitung werden wolle, wenn Sie ihm desfalls schreiben wollten. Ich glaube, daß Sie nicht
leicht einen bessern Korrespondenten dort finden werden, da, wenigstens nach meinem
Ermessen, seine Kunstansichten die trefflichsten und gediegensten sind, da er wissen-
schaftlich und litterarisch sehr gebildet und als ausübender Künstler sehr achtungswert ist.*
*) Job. Friedr. Rochlitz, 1769-1842, von 1708-1818 Redakteur der Leipziger
»Allgemeinen Musikalischen Zeitung*, bekannt durch sein vierbändiges Werk »Für
Freunde der Tonkunst*.
JmBS DIE MUSIK VII. 20. SK
hast, was doch auch immer eine wenn auch nur passive Reibung ist Allein jetxt flilfr
dieses weg, und es ist daher nach meiner aufrichtigen Meinung die höchste Notwendig-
keit, daß Du schreibst, viel schreibst, wenn Du nicht schlechter werden willatt
Ich schicke Dir beiliegend Stoff zu einer kleinen Arbeit. Dieses Melodram is.
mir von einem mir bekannten französischen Schauspieler präsentiert worden, um et
für ihn zu" schreiben, weil er eine Reise durch die Provinzen macht, wo die Tragödie
überall sehr schlecht bestellt sein soll. Es geflllt mir ganz wohl, und ich wfirde
es komponiert haben, wenn ich jetzt nicht zu zerstreut zum Arbeiten wire. Auch
fQr Dich scheint mir es passend zu sein, denn es ist in dem Genre wie »Abel*^),
den Du zu lieben scheinst, und hat den Vorzug, daß man es auch auf dem T^ater
bringen kann. Einige wesentliche Verbesserungen, die t>ei der Obersetzung anzu-
bringen wiren, springen so in die Augen, daß ich es für überflfissig halte, das Papier
damit zu belästigen.
In Eile. Adieu, lieber Bruder.
Viele Grliße an Deine liebe Frau, obgleich sie mich so hart in puncto des
Geldes behandelt hat. Es ist indes ihr Schade, denn bei einer billigem Behandlung
wäre es mir auf einen großen Taler Trinkgeld nicht angekommen. Schön bergert
sind hier; ich habe sie ganz zufällig angetroffen. Gesungen hat sie noch nicht (Wie
ist denn das mit dem Darmstädter Theater?)
Bruder. Ich habe diesen Brief noch einen Tag liegen lassen, damit er gerade
an Deinem Namenstag (Dreikönigstag) abgehe. — Meinen herzlichen Glfickwnnach
und Kuß in Gedanken. Alter, erinnerst Du Dich wohl noch, daß sich vor vier
Jahren um eben diese Zeit unsre Verbrüderung anknüpfte. Ich hatte 24 Stunden
vor Deinem Namenstag Mannheim verlassen, wo ich Dich zum ersten Mal besucht
hatte, und schrieb Dir meinen ersten Brief zu Deinem Namenstag. ~ Wie wird es
in vier Jahren von hier mit uns, mit unserm Rufe stehen? Mit unsrer Freundschaffr»
hoffe ich, beim Alten, denn die hat ja allen Orkanen des Stillschweigens getrotzt
X.
Paris, den 14. Februar 1815.
Lieber Bruder!
Solltest Du es glauben, daß ich MälzeP) erst vor ungefähr fünf Tagen hal>e
auffinden können, und auch seitdem habe ich ihn immer nur im Fluge sprechen
können, denn er läuft jetzt den ganzen Tag herum, besucht jeden berühmten Kom-
ponisten und läßt sich von ihm die Tempos seiner bekanntesten Sachen zeigen. Da
er jedem Komponisten einen sehr sauber gearbeiteten Chronometer (Metronometre
heißt es jetzt) schenkt, allen Journalisten die Cour macht und in 14 Tagen von hier
allen diesen Herren ein großes Diner geben wird, so kannst Du Dir wohl denken,
daß er hier alles durchsetzen wird. (Schreibe mir doch, was Du für Antwort vom
Conservatoire bekommen hast). Sobald er, wie er mir versprochen hat, mich mit
seinem Metronometre besuchen wird, so werde ich Dir nähere Auskunft fil>er das
Ding geben. Er behauptet, seit einiger Zeit noch neue Verbesserungen daran gemacht zu
haben. Es versteht sich von selbst, daß Du diese Notizen nicht öffentlich benutzest,
indem er mir das so im Vertrauen mitgeteilt bat, da wir uns ziemlich genau kennen.
Die Aufsätze, die Du mir über denselben Gegenstand zugeschickt hast, haben
mir so viel Vergnügen gemacht, dsß ich sie mehrere Male durchgelesen habe. Es
') Vgl. S. 81, A. 1.
«) Vgl. S. 77, A. 1.
EINIGES ÜBER
TRISTAN UND ISOLDE
ANGEREGT DURCH ULLI LEHMANNS:
.STUDIE ZU TRISTAN UND ISOLDE'
TOD Ejoar Forchhammer-Fnuikfnrt i. M.
SdiluB
Zweiter Akt
Wer den zweiten Akt von .Tristan und Isolde* ttennt, wer in diesen
:rgleichlicben Schönheitsbronnen untergetaucht ist, der mdchte wohl am
tcn auf alles andere verzichten, nur um sich Ober seine dJcbleriscbeo
musikalischen Schönheiten begeistert auszulassen. So verlockend es
^ein könnte, auf all das Wunderberrliche aufmerksam zu machen,
;:; CS doch außerhalb des von mir io diesem Au^lz Beabsichtigten
.: auGerdem von anderen viel besser gemacht worden, als ich es tun
Ich will deshalb lieber Altbekanntes fibergeheo und nur einzelne
. die ich von einem neuen oder jedenfalls bisher nicht genQgend
'.'icn Gesichtspunkte aus zu beleuchten imstande bin, herausgreifen,
'unlchst muQ ich Litli Lehmann vollkommen beistimmen, wenn sie
oüo Szene zwischen Tri; ond Isolde .keusch" nennt. Sie ist
trotz der ins Ungeheuerliche gesteigerten Leidenschaft, eine der
-Mta Liebesszeoen, die die Pliantasie eines Dichters je ersonnen
I sie nicht allein ohne eine Spur von Frivolität, sondern sogar ohne
eil ist. Alles ist über: ilich, vergeistigt und beseelt.
Tristan und Isolde im ersten Akt nur angesichts des nahen
linder ihre Liebe gestehen, so ist io ihrer grolleo Szene im
t. der Tod immer dei dritte Im Bunde. In Sehnsucht nach dem
V Allein vereinigen kann, löst sich ihre Liebessehnsucbt auf.
'en stürmischen Begrüßung, und nachdem sie sich in dem
und Nachigesprlch über alles, was sie getrennt, über
mit all se m Lug und Trug ausgesprochen haben,
" kerolc e- almm mich auf
tle^ In deinen SchoO,
IBse von
der Teil mich loci
■ 1r sie nur der Tod sein kann, wihreod
n ist, das wissen sie ja eigentlich,
» verzweifelten Ausruf: .Muß ich
Jetzt erst sprechen sie es aber
86
DIB MUSIK VII. 20.
Dleie 4 Fttgea, lieber Bruder, (loclualvc der von der Mosaischen Sesenslon)
nebsi Nschrictaten von unsem dentsctaen Freunden und denisctieii Knniterelfnlssen
(wenn welcbe Tonehllen sind) werden boBCnillcb einen Teil Deines nietasten Briefes
«usmacbeo, den leb recbt nibe hoffe; denn Ich weiß nicht, warum, Bmder, aber Dn
bial mir )etit wieder mehr als jemals am Herten lewacbaen, vielleicht weil Ich selbst
ein wenig besser fewotden bfn. Nimm es nicht übel, wenn das etwa wie sin Kompllmmt
IcliDct; es Ist nicht so bOte gemeint
Ich bebe mir elgenilicta vorgenommen gehabt. Dich heute ein wenig von dem
muslkalischeo Paris lu unterhalten, allein ich sehe mit Schreck, 4aD Ich nur noch
Gber eine Seite lu dlapooleren habe, und das verlohnt sich nicht der Mflhe snin-
fangen. (Soviel wire kaum hinreichend, um von der Caialani') in sprechen).
Tsbrllch Paris Ist, besonders für mich, den Litterstur, Kunat, Theatar nnd die groBe
Telt gleich stark Interessiert, ein wsbrer Abgrund von geistigen Gen&ssen, nnd Atst werde
ich geneigt, der etwas ketierlschen Betasupinng einer geistreichen Schrlttstellerln belin-
Btimmen; .Parta est le Heu od I'on peut le plua slaement ae patser du bonhenr."
Genug für beute Bruder; nur noch In sller Eile Antwort auf Deine Frage wegea
kleiner franiSsiscber Operetten, die ohne Aufwand und leicht lu geben sind: La
chambre ft conchei*); Le nouveau selgneur duvillage'); Lnlly et QulnauU*); Le mari
de circonsUnce'); Le blllet de lottcrie<) sind bis snf No. 2 ohne Chor nnd hst ohne
Dekorstion lu geben und dsbel sllerllebst
Adieu. Scbreibe mir kflnftlg direkt unter folgender Adresse: Rne de Richellma
No. 71 pifis l'op6ra.
■} Angelica Catalanl, geb. HSO, die berQhmte Uogerin, war nsdi Nspoleon*
Sturi 1814 nach I>srls lurGckgekehrt und hatte in Auftrag KSnIg Lndsrlgs XVIII. dia
Direktion des .TbCitre Italien' mit einer Subvention von 160000 Frsnka fibemommaa.
■) Text von Scrlbe, Musik von Guenfie (1813).
') Musik von Bolcldicu (1813).
*) Musik von Ntcolo (1812).
>) Mnsik von Plantade (1813).
*) Musik von Nicolo (mit der such In DentiehlHd viel gaanncanan Sopraa-
srle »Nein, Ich singe nlcbt, mein Herr*).
EINIGES ÜBER
TRISTAN UND ISOLDE
ANGEREGT DURCH ULLI LEHMANNS:
.STUDIE ZU TRISTAN UND ISOLDE«
von Ejnar Forchhammer-Frankfurt a« M.
Zweiter Akt
Schlua
Wer den zweiten Akt von »Tristan und Isolde« kennt, wer in diesen
unvergleichlichen Schönheitsbronnen untergetaucht ist, der möchte wohl am
liebsten auf alles andere verzichten, nur um sich fiber seine dichterischen
und musikalischen Schönheiten begeistert auszulassen. So verlockend es
auch sein könnte, auf all das Wunderherrliche aufmerksam zu machen,
so liegt es doch außerhalb des von mir in diesem Aufsatz Beabsichtigten
und ist außerdem von anderen viel besser gemacht worden, als ich es tun
könnte. Ich will deshalb lieber Altbekanntes fibergehen und nur einzelne
Punkte, die ich von einem neuen oder jedenfalls bisher nicht genügend
beachteten Gesichtspunkte aus zu beleuchten imstande bin, herausgreifen.
Zunächst muß ich Lilli Lehmann vollkommen beistimmen, wenn sie
die große Szene zwischen Tristan und Isolde »keusch* nennt. Sie ist
wohl, trotz der ins Ungeheuerliche gesteigerten Leidenschaft, eine der
keuschesten Liebesszenen, die die Phantasie eines Dichters je ersonnen
hat, weil sie nicht allein ohne eine Spur von Frivolität, sondern sogar ohne
Sinnlichkeit ist. Alles ist übersinnlich, vergeistigt und beseelt.
Wie Tristan und Isolde im ersten Akt nur angesichts des nahen
Todes einander ihre Liebe gestehen, so ist in ihrer großen Szene im
zweiten Akt der Tod immer der dritte im Bunde. In Sehnsucht nach dem
Tode, der sie allein vereinigen kann, löst sich ihre Liebessehnsucht auf.
Nach ihrer ersten stürmischen Begrüßung, und nachdem sie sich in dem
sogenannten Tag- und Nachtgespräch über alles, was sie getrennt, fiber
den tfickischen Tag mit all seinem Lug und Trug ausgesprochen haben,
sind ihre ersten Worte:
O sink' hernieder,
Nacht der Liebe,
gib Vergessen,
daß ich lebe;
nimm mich auf
in deinen Schoß,
löse von
der Welt mich los!
Daß diese «Nacht der Liebe* für sie nur der Tod sein kann, während
der Tag das ihrer Liebe feindliche Leben ist, das wissen sie ja eigentlich,
seit Isolde sich auf dem Schilf mit dem verzweifelten Ausruf: «Muß ich
eben* an Tristans Brust geworfen. Jetzt erst sprechen sie es aber
88
DIE MUSIK VII. 20.
m
deutlich aus; und Tristan ist es, der Isolde dazu bringt, es auszusagen.
Sobald sie dies getan, sobald sie ausgesprochen hat: daß, wenn Tristan
stürbe, ihm der Tod nicht „anders als mit Isoldes eignem Leben* gegeben
werden könnte, sieht Tristan sie lächelnd an: sie haben sich wieder voll-
kommen verstanden; er zieht sie langsam und feierlich an sein Herz und
schildert nun — die Geliebte innig umarmend — die Seligkeit der .Nacht
der Liebe", wenn sie beide „stürben*:
So stürben wir, ohn' Erbangen,
um ungetrennt, namenlos
ewig einig in Lieb' umfangen,
ohne End', ganz uns selbst gegeben,
ohn' Erwachen, der Liebe nur zu leben !
In erhabener Ekstase wiederholt Isolde die ersten Worte:
So stürben wir,
um ungetrennt —
Tristan spinnt den Faden weiter mit den zwei folgenden Worten,
und der ganze „Sterbegesang* wird in dieser Weise Wort für Wort, ohne
eine einzige Änderung als Zwiegesang zu Ende geführt.
Der Wagnerkenner wird wahrscheinlich hier eine kleine Pause machen
und sich verwundert fragen, warum ich wohl Tristan „so stürben wir*
singen lasse, trotzdem Wagner doch sowohl in der Dichtung wie in der
Partitur „starben* geschrieben hat; ich werde antworten: weil ich dies
„starben* als einen einfachen Schreibfehler Wagners betrachte. Wir
haben am Anfang dieses Aufsatzes einen Fall besprochen, wo Wagner aus
Versehen „Westen* statt „Osten* sowohl in der Dichtung wie in der Par*
titur geschrieben hat. So etwas kann also bei Wagner vorkommen — und
ich wage zu behaupten, daß er kein Mensch gewesen, wenn in diesen nach
allen Richtungen hin gigantischen Werken nichts derartiges zu finden
wäre. Die Möglichkeit muß also immerhin zugegeben werden, daß es
sich auch bei dem Worte „starben* um einen Schreibfehler handeln
könnte. Wie sollte man sich denn sonst die Form erklären? Chamberlain
faßt sie in seinem großen Werk „Richard Wagner* rein indikativisch
auf: Tristan und Isolde haben sich von der Welt losgelöst, sind unserer
Sinnenwelt gestorben und können also in Wahrheit sagen: „so starben
wir*. — Dazu ist nun zu sagen, daß nicht Tristan und Isolde dies sagen:
Nur Tristan erhebt sich — wenn wir das „starben* so verstehen — zu
dieser Ekstase, während Isolde dann bei der im übrigen wörtlichen
Wiederholung konjunktivisch sagt: „so stürben wir*. Ich frage nun: ist
es denkbar, daß Wagner, der unvergleichliche Meister der Steigerung, eine
so unglaublich ernüchternde. Ab Schwächung wirklich beabsichtigt haben
sollte, daß er Tristan in der höchsten Ekstase anfangen läßt, um dann
89
FORCHHAMMER: TRISTAN UND ISOLDE
J&
Isolde nüchtern und pedantisch sagen zu lassen, daß er sich geirrt, daß
sie noch gar nicht gestorben sind?
Nein, indikativisch, wie Chamberlain meint, kann das «starben*
nicht gedacht sein. Übrig bleibt also nur die Möglichkeit, die Form k o n j u n k •
tivisch — also ungefähr gleichbedeutend mit »stürben* — aufzufassen.
Wäre es aber in diesem Falle nicht ganz vernünftig, eine Form, die selbst
einen Chamberlain zu ganz augenscheinlichen Mißverständnissen verleitet,
durch eine ungefähr gleichlautende, die jedes Mißverständnis ausschließt,
zu ersetzen? Ich halte das jedenfalls für pietätvoller, als das starre Fest«
halten iam überlieferten Wort.
Aber, wie gesagt, das „starben* ist zweifellos weder indikativisch
noch konjunktivisch gedacht, sondern einfach ein Schreibfehler. Die wunder-
bare Wirkung dieser Stelle beruht ja zum Teil gerade darauf, daß sie —
von Tristan zuerst gesungen — unverändert als Wechselgesang von beiden
wiederholt wird. Jawohl, wird der Leser vielleicht sagen, kann dann aber
nicht ebenso gut das bei der Wiederholung von Isolde gesungene »stürben*
ein Schreibfehler für »starben* sein? Gewiß, möglich wäre dies natürlich;
ich halte es aber für im allerhöchsten Grade unwahrscheinlich. Ich
bitte den verehrten Leser, das vorhergehende Gespräch von Isoldens Wort:
Tag und Tod, tollten unsre
mit gleichen Streichen, Lieb' erreichen?
an durchzulesen. Er wird dann sehen, daß die ganzen Auseinandersetzungen
konjunktivisch gehalten sind. Sie versuchen darüber zur Klarheit zu
kommen, was aus ihrer Liebe, die sie als ewig und unsterblich fühlen,
werden würde, wenn Tristan stürbe. Das »Sterbelied* ist eine direkte
Fortsetzung hiervon, und jeder, der das Ganze im Zusammenhang liest,
muß empflnden, daß es unnatürlich und gezwungen wäre, wenn hier das
»stürben* plötzlich in ein »starben* überschlüge. —
Der jähe Abschluß der gewaltigen Liebesszene wird auf vielen
Bühnen nicht richtig gemacht, trotzdem gerade hier ein genaues Überein-
stimmen zwischen Handlung und Musik, ein peinliches Befolgen der Vor-
schriften des Dichters von der allergrößten Wichtigkeit ist. Erstens hört
man — wie Lilli Lehmann richtig bemerkt — nie den von Wagner vor-
geschriebenen Schrei Brangänens. Dann kommt diese meistens auch viel
zu früh vor, um die Liebenden auseinander zu reißen. Oft sind diese
allerdings schon bei Kurwenals:
Rette dich, Tristan!
auseinander gefahren, so daß Brangänens Erscheinen ganz überflüssig wird.
Wagner schreibt ausdrücklich vor, daß Marke und sein Gefolge »der
Gruppe der Liebendeq gegenüber entsetzt anhalten soll*. Zu-
gleich kommt Brangäne von der Zinne herab und stürzt auf Isolde zu.
00
DIE MUSIK VII. 20.
Dies muß — genau übereinstimmend mit der Musik — folgeüdermafien
ausgeführt werden: Sobald der hastige synkopierte Lauf der Streicher ein-
setzt, tritt Marke mit Melot und den Hofleuten auf, sie gehen «lebhaft
nach dem Vordergrunde*, so daß sie am Schluß dieses Laufes soweit vor-
geschritten sind, wie sie überhaupt kommen sollen, und beim ff-Tniti-
Akkord «entsetzt anhalten*". Zugleich ist Brangäne aufgetreten und reißt
bei demselben j^'A^l^oi'd Isolde aus Tristans Armen. Bis zu diesem
Moment dürfen die Liebenden in ihrer weltentrückten Entzückung nicht
ahnen, was um sie herum geschieht.
Nach dem ersten Abschnitt des langen Klageliedes König Markes:
Wohin nun Treue,
da Tristan mich betrog?
Wohin nun Ehr'
und echte Art,
da aller Ehren Hort,
da Tristan sie verlor?
Die Trisun sich
zum Schild erkor.
Wohin ist Tugend
nun entflobn,
da meinen Freund sie flieht,
da Tristan mich verriet?
bringt das Orchesterzwischenspiel ein ganz neues Thema:
Motiv 5.
PyFF»^
Ä
!>■»• b.
=x
t^
das — wie mir Kapellmeister Dr. Kunwald zuerst gezeigt hat — eine
Umkehrung des oben viel besprochenen Motivs 1 (s. VII. 10. S. 39), so
wie es in Tristans Sühneeid vorkommt, ist.
:^;ii^:z±t^
^
t
Tri - stans Eh - re — hoch - ste Treu'!
Die Umkehrung dieses Motives, die nach den Worten Markes ertönt,
während Tristan, nach der Regievorschrift Wagners, »langsam den Blick
zu Boden senkt*, kann nicht anders aufgefaßt werden als etwa:
Tristans Schmach:
höchste Untreu'.
Wenn man diese Bedeutung des Motivs 5, .das die ganze folgende
Rede Markes beherrscht, erkannt hat, versteht man, mit welchem Gefühl
Tristan den Blick zu Boden senkt, welche Gefühle und Gedanken ihn
während dieser langen Rede beherrschen. Dieses stumme Spiel ist vielleicht
die schwierigste schauspielerische Aufgabe der ganzen Tristan-Darstellung.
Die richtige Grenze zwischen Zerknirschung und männlicher Selbst-
beherrschung zu ziehen, so daß man weder schwach noch gefühllos er*
scheint, sondern im Gegenteil bei aller Männlichkeit ein Herz zeigt, das
bis in die tiefsten Wurzeln erschüttert ist, dies ist wohl als eine überaus
schwierige Aufgabe zu bezeichnen.
91
FORCHHAMMER: TRISTAN UND ISOLDE
Ji
Dritter Akt
Es ist eine nicht zu bestreitende Tatsache, daO die großen Wagner-
sehen Dramen die besten Zugstücke der heutigen deutschen Opernbühnen
sind. Wenn »Tristan ** oder »Götterdämmerung* gegeben wird, ist das Haus
trotz der »großen* oder »erhöhten* Preise ausverkauft. Manchmal kommt
einem aber ein leiser Zweifel, ob nun auch wirklich das Verständnis
gleichen Schritt mit dem anscheinend so großen Interesse hält. Wenn man
z. B. immer und zu jeder Jahreszeit hört, wie bei der traurigen Weise des
Hirten, beim großen Solo für englisches Hörn am Anfang des dritten Aktes
das Publikum in einem fort hustet und sich räuspert, dann fragt man sich
unwillkürlich: wäre das möglich, wenn das Publikum wirklich verstünde,
wenn es wirklich von der unvergleichlich traurigen Stimmung der Öde und
Verlassenheit, die diese Weise vom ersten Ton an über die Bühne verbreitet,
ergriffen wäre? Ich glaube es nicht. Vielen wird dieser Hirtenreigen nur
eine lästige Störung, ein unliebsames Aufhalten der Handlung sein. Und
doch, wie wundervoll poetisch ist diese stumme Szene; wie genial ist es, daß
der dritte Akt, der nichts anderes ist, als das Erwachen Tristans nach langem,
todähnlichem Schlaf zu immer sich steigernder Liebessehnsucht, bis er
im Moment des Wiedersehens tot zusammenbricht, — wie genial ist es,
daß dieser ungeheure Klimax aus der bewegungslosen Stille, aus der
öden, sehnsüchtigen Traurigkeit dieser Melodie, die sich dann wie ein roter
Faden durch die ganze Szene zieht, herauswächst.
Deshalb kann Tristan auch nicht lange genug unbeweglich liegen
bleiben, nicht allmählich genug sein Spiel beleben. Erst, wo der alte Haß
gegen den Tag von neuem hell auflodert, gegen dieses Licht,
das trügend hell und golden
noch dir, Isolden, scheint!
erst dann fängt er an aus der Ruhe des todkranken Mannes in die lebhafte
Erregtheit des von heftigster Sehnsucht verzehrten Liebenden überzugehen.
Bei dieser Stelle verlangt Wagner von Kurwenal, daß er »von
Grausen gepackt sein Haupt birgt*. Kaum ist sein Herr aus der Todes-
nacht zum Leben zurückgekehrt, kaum ist er wieder imstande, klar zu denken
und zu fühlen, und sofort ist er von der unseligen Leidenschaft wieder ganz
beherrscht, die ihm schon von Melots Schwert die tödliche Wunde zugezogen
hat. Kurwenal graust es vor der dämonischen Gewalt dieser Leidenschaft,
nnd er birgt tief betrübt und erschüttert das Gesicht in seinen Händen.
Dies Spiel — worauf mich Otto Schel per zuerst aufmerksam gemacht hat —
läßt sich leider fast jeder Kurwenal entgehen, weil er seine Partie aus
dem Kleinmichelschen Klavierauszug, der diese Regiebemerkung weg-
gelassen, gelernt hat.
Während der ganzen langen Szene zwischen Tristan und Kurwenal
DIE MUSIK VII. 20.
hat dieser die nicht ganz leichte Aufgabe, sich immer liebevoll besorgt
um seinen Herrn za bemühen, ohne ihn im Spiet za beengen oder zu
stören; so tucb beim LiebesBucb, wo Tristan anbedingt volle Freiheit zum
Aufrichten und Zusammenbrechen haben muß. Hier muß Kurwenal sein
Spiel so einrichten, daß er entsetzt zurückweicht, aus einer gewissen Ent-
fernung dureh nicht zu aufdringliche Gebärden versucht, Tristan zu mißigen,
und erst im letzten Moment, als Tristan schon zusammenbricht, zu tit-
kräftiger Hilfe herbeieilt.
Nach Tristans Vision schreibt Wagner vor:
.Tibread Kurwrnal nocb lOgernd mit Trlaran rlnel, lifil der Hirt von luOen
die Schalmei eriSneD.'
In der Partitur fügt er dann in einer Anmerkung zu:
„Das eDglUcbe Hora soll hier die Tiikuag eine« letar ktiftigen Nalarlnttni-
menies, wie dai Alpenhorn, hcrvorbHngeii ; es iit dataer zd raieo, ]e nach Befand
des akustiscben VerbiltnUsei, ea durch Hoboen und Klarinetten in ventlrken, lUIs
man nicht, was das iweckmißigate wire, ein beionderea Instrament (ani Holz), nach
dem Modell der Schweizer AlpenbOrner, bierfßr anfertigen lauen wollte, welches
seiner EInhcbbelr wegen (da et nur die Naiurakala zu baben branchi) weder ictawierlg
nocta kostbar sein wird.'
Es geht aus diesen Zitaten, sowie aus der Natur der Sache, hervor,
daß die fröhliche Weise klingen soll, als ob sie von derselben Schalmei
käme, die die traurige Weise gespielt hat; nur sollen die Töne stärker
sein, als sie ein englisches Hörn hervorzubringen vermag, um die Freude
des Hirten deutlich zum Ausdruck zu bringen, um zu zeigen, daß er ans
der vollen Kraft seiner Lungen bläst, um das Naben des Schiffes anzukünden.
Wie steht es nun in diesem Punkte mit dem gewissenhaften Befolgen
der Wünsche und Vorschriften Wagners? Wie mir scheint, nicht überall
gut. Ist es nicht ziemlich oft recht schwer, zu glauben, daß die zwei
Weisen auf demselben Instrument gespielt werden? Klingt die zweite
nicht manchmal, selbst an größeren Bühnen, verdächtig nach Blech? Ich
lasse die Frage an die Herren Dirigenten weiter gehen. —
In dem dichterisch wie musikalisch gleich herrlichen Klagegesang
Isoldens nach Tristans Tod stört es mich immer, wenn die Darstellerin
der Isolde sich verpflichtet fühlt, bei den Worten:
Muß sie nun jammernd
vor dir sleb'n —
wirklich zu stehen. Sie braucht dies Wort doch nicht buchstäblich aoN
zufassen; viel natürlicher,' schöner und poetischer ist es, wenn sie et
bildlich deutet. Unmittelbar vorher hat sie die Leiche des Geliebten la
ihren Armen gehalten, in seine Augen gesehen, nach seinem Hcntdilag'
gelauscht, mit ihren Lippen an den seinen versucht auch nnrdas
Wehen eines Atems zu gewahren — und dann sollte sie eine ganz kurze
PORCHHAMMER: TRISTAN UND ISOLDE
Pause d»u benutzen, schnell aufzuspringen, nur um die oben zitierten
Worte stehend singen zn können? Oder sie muß das vorhergehende
innige und schöne Spiel vemachlSssigen, um etwas früher anbostehen.
Beides ist schlecht, wirkt gezwungen und unnatürlich und ist deshalb
dringend abzuraten: die ganze wundervolle Stelle mufl unbedingt in der-
selben, halb liegenden halb knieenden Stellung gesungen werden, bis .sie
bewußtlos über der Leiche zusammensinkt."
Für den feinfühligen Zuschauer sehr störend ist es auch, wenn Isolde
— was man nur zu oft sieht — sich wihrend ihres großen Schlußgesanges
von Tristans Leiche entfernt, ganz nach der Lampenreihe vorgeht, um
schließlich wieder zurückzugehen, da sie ja doch zum Schluß bei der
Leiche wieder zusammensinken muß.
\Pie wunderbar schön, wie sinngemäß und poetisch ist dagegen die
Darstellung, die Lilll Lehmann in ihrer Broschüre <S. 29 — 30) gibt. Auf der
Stelle, wo sie liegt, hebt sie sich erst zum Knieen, springt dann auf, sich
immer mehr in eine voll aufgerichtete, .schwebende' Stellung emporreckend,
bis gegen Schluß der Rede die Spannung nachläßt: sie kniet, und wenn sie
susgesongen hat, .rundet sich ihr rechter Arm weich um Tristans
Haupt, und ihre Wange schmiegt sich jungfräulich an die seine,
während ihr Körper sich neben dem seinen streckt. Sie schließt
die Augen und vollendet mit der letzten Note.* Wer kann die
Schilderung Fran Lehmanns von diesem Spiel lesen ohne zu sagen: Ja,
so muß das gespielt werdenl Wie wird es aber meistens dargestellt?!
Ich mfichte mich überhaupt noch einmal nachdrücklichst dagegen
verwahren, daß der Leser dadurch, daß ich hauptsächlich das heraushebe,
womit ich mich nicht einverstanden erklären kann, den Eindruck ge-
winnt, als ob ich die kleine Arbeit der genialen Künstlerin unterschätze.
Wenn ich die Vorgeschichte ausnehme, der Lilli Lehmann entschieden zu
wenig ernstes Nachdenken gewidmet hat, muß ich die Schrift als vor-
züglich bezeichnen, wenn ich auch eine übersichtlichere Ordnung des
Stoffes gewünscht hätte, und wenn ich auch, wie man aus diesem Auf-
satz ersehen haben wird, nicht in jedem einzelnen Punkt ihre Ansicht
teilen kann. Ich muß sie deshalb dringend jedem Interessierten zu ernst-
haftem Studium empfehlen; namentlich werden die Darstellerinnen der
beiden weiblichen Rollen viel lernen können, nicht zum mindesten die
Darstellerin der Brangäne. Ich glaube aber, wenn Frau Lehmann die
großzügig und dabei doch so fein und diskret dargestellte Bran^ne von
Charlotte Huho ^kanot bitte, würde sie ihr abmiiges Urteil nicht auf
•lle Bnmglne-Darstellerinnen ausgedehnt haben.
Znn^ SdiluS möchte Ich nur noch die Szene besprechen, die nach
der Msidaog des Mirttn:
94
DIE MUSIK VII. 20.
Kurwenal! HörM
Eio zweites Schiff.
anßngt. Diese szenischen Vorgänge gehen auf den meisten Bühnen ziem-
lich eindruckslos vorüber, wenn sie nicht gar lächerlich wirken. Der
Steuermann, der hereinstürzt, um atemlos zu melden:
Marke mir nach Vergebene Wehr!
mit Mann und Volk: Bewältigt sind wir.
wird meistens von einer ganz unzulänglichen Kraft, wenn nicht gar von
einem Choristen gesungen; er kommt ungeschickt herein, sieht fortwährend
den Kapellmeister krampfhaft an und stellt dadurch die Szene gleich vom
Anfang an unter das Zeichen der Ungeschicklichkeit und Unfreiheit. Noch
viel schlimmer ist es aber, daß das darauffolgende Verrammeln des Tores
sowie die tumultuarischen Kampfszenen fast überall unecht, unwahr,
theatralisch, ja oft geradezu lächerlich wirken. Selbst wo die ganze übrige
Darstellung von einer künstlerisch verständnisvollen Regie Zeugnis ablegt,
wirkt diese Szene doch meistens wie oben geschildert, weil die modernen
Opemtheater unter dem Hochdruck der fabriksmäßigen Arbeitsmethode,
die durch die heutige Massenproduktion bedingt ist, über die zur künst-
lerischen Ausarbeitung solcher kleinen episodischen, aber sehr schwierigen
Szenen unbedingt erforderliche Zeit gar nicht verfügen. Wie hat Richard
Wagner gegen die Massenproduktion der Opernbühnen gewettert! Wie oft
und wie dringend hat er gefordert, daß die Zahl der wöchentlichen Auf-
führungen herabgesetzt würde! Und was hat es geholfen? Die großen
Operntheater, die früher nur fünfmal in der Woche spielten, geben jetzt
sieben bis neun wöchentliche Vorstellungen! Ein trauriger Beweis unter
vielen anderen dafür, wie unendlich weit wir noch immer — 25 Jahre
nach des Meisters Tode — von der Verwirklichung seiner reformatorischen
Ideen entfernt sind. Unsere Zeit, die so reich an Gegensätzen ist, hat
als Haupteigentümlichkeit ein nervöses Hasten von Genuß zu Genuß, von
Zerstreuung zu Zerstreuung. Daneben kommen aber Erscheinungen zum
Vorschein, die man vielleicht als Vorboten einer neuen Zeit betrachten
darf, einer Zeit, die nicht nach der Quantität, sondern nach der Qualität
fragt. Wenn die Zeit kommen sollte, wo das Publikum nicht mehr eine
Überhäufung von unnatürlichen Reizmitteln und ein Haschen vom einen
zum anderen verlangt, sondern nach dem guten alten Rezept: «Wenig
aber gut" bedient zu werden fordert, dann wird es auch von selbst der
heutigen ungesunden Massenproduktion ein Ziel stecken, und dann wird
auch die Zeit gekommen sein, wo die Dramen Wagners nicht mehr «Ge-
nußmittel'', wie etwa «Salome*, sein werden, wo man aber keine Zeit nnd
Arbeit scheuen wird, um in die Gedankenwelt des Meisters einzndringen
und von dort aus seine Werke verstehen und mitempfinden zu lernen.
Wer möchte diese Zeit nicht gern noch miterleben!
®
VOM 44. TONKÜNSTLERFEST DES
ALLGEMEINEN DEUTSCHEN MUSIK-
VEREINS IN MÜNCHEN
fgeHhr die Hlirte aller Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Musikvereins
war zur 44. Jahresversammlung in den Tagen vom 30. Mai bis S. Juni nach
München gekommen, eine Anzahl, die kaum vorber erreicht worden ist-
Es bcwlhrte sich eben Münchens alte Anziebungskrart als Kunst- und Fest-
stndi. Die gleichzeitige Ausstellung auf der Thercsienbßhe mag daiu bei-
getragen haben, den Zunud zu verstirken. Aber das war es nicht allein. Man er-
wartete Besonderes. Und die Ervartung trog nicht. In den vier Vorstellungen im
Prinzregenten -Theater und Im Münchener Künstlertheater wurde den Tonkünstlern
Deutschlanda etwas geboten, was ihnen keine Stadt, kein Fest bis jetzt geboten hat.
Zugleich handelte es sich um Ereignisse für München selbst. Das nach Bayreuther
Muster erbaute Festspielhaus auf der Bogetihauser H5he war bislang nur der Kunst
Riebard Wagners gewidmet. Nun zum ersten Male erklangen da Max Schillings'
,Moloch% Friedrich Kloses .llscbill" und Berlioz' „Trojaner-, beide Teile an
einem Tage. Diese Leistung stellte an Mottl seihst und an das künstlerische und
technische Personal der KBnigücben Hoftheatcr fast übermenschliche Anforderungen
<»ar doch gleichseitig der Betrieb im Hofibeater, im Residenz-, Prinz rege nten- und
Künstlertheater aufrechtzuerhaltent); die Festteilnehmer schulden deshalb allen Be-
teiligten ebensosehr wie der KSniglicben Generalintendanz (Freiherr von Speidel)
aufrichtigsten Dank, Dank aber auch den Minnern, die unermüdlich daran arbeiteten,
das Prinzregente D-Theater der außer- und nachwagnerischen Kunst zu erachließen, in
erster Linie Dr. Paul Marsop, der sich auch um die Schaffung und die Erfolge des
Künstle rtheaters unverglngliche Verdienste erworben hat.
Wie schon in Karlsruhe, ist Mottl in München begeistert für Berlioz' BTrojaner"
eingetreten. Die Aufführung der beiden Teile an einem Nachmittag und Abend {von
4 bis 6 und von 7 bis gegen U Uhr) nun war ein an sich und für den besonderen
Fall ungemein interessanles Experiment, das in den gewöhnlichen Bühnenhetrieh ein-
luf&hren jedoch keinesfalls sich empfehlen worde. Berlioz steht in den „TrojaDem"
trotz aller oft überwältigenden SchGnheiien, trotz alter merkwürdigsten Antizipation
der künftigen Entwickelung im Grunde doch zu sehr und zu hiußg auf dem Boden
der franzüslschen großen Oper, als daß wir uns noch überall so ergriffen und mil-
geriuen fühlten wie z. B. in den zwei letzten Akten der ^Trojaner in Karthago".
Aach eine so ganz das gewöhnliche Maß überragende Aufführung, wie sie der geniale
Dirigent Mottl mit seinem Hoforchesier und unseren ersten Solisten (Frl. Faßbender:
Dido; Frau Preuae-Matzenauer: Kas^ndra, Anna; Buysson: Aneas) zustsnde
brachte, vennsg nicht dsrüber hlnwegiutiuscben, luroal die neue Ausstattung etwas
sehr im Geschmack eben der .Großen Oper" ausgefallen war, den man nach den
Lehren des Künstlerthesiers doppelt unangenehm empßndet
Daß das Amphitheater, der ruhige und große Rahmen des Prinzregenten-Tkeaters
alle tragischen, alle pathetischen Wirkungen nur zu steigern vermag, versteht sich
96
DIE MUSIK VII. 20.
von selbst. Auch bei Kloses „Ilsebi II'' trat das zutage. Die dramatisehe Steigerung,
in der sie meisterhaft aufgebaut ist, ließ den durchaus epischen Charakter des Textes
ebenso übersehen wie die starke Abhängigkeit der Kloseschen Tonsprache von Wagnen
Auch die Singer und Sängerinnen taten ihr Bestes, Hagen als Fischer, Frau Burk-
B erger als Ilsebill, Baub erger als Wels.
Den weitaus stärksten Eindruck machte Schillings' „Moloch**. Für Manchen
war es eine Erstaufführung, längst versprochen, aber gerade zum letzten Termine
erst ermöglicht. Hier war für diejenigen, die die Tragödie in Dresden bereits
gesehen hatten, eine günstige Vergleichsmöglichkeit zwischen dem alten Opernhaus
und der neuen Bühnengestaltung gegeben. Der Vergleich fiel, wie nicht anders zu
erwarten, zugunsten des Neuen aus. Werke, wie das Schillings', voll innerer Gehoben«'
heit und Größe, können erst in solcher Umgebung ihre volle Kraft entfalten. Dazu
kommt der Vorteil des verdeckten Orchesters, bei dem ich nur nach wie vor eine
Teilungsmöglichkeit für den vorderen Schalldeckel wünschte, damit die Höhepunkte der
Klangentfaltung da, wo sie den Singstimmen nicht hindernd im Wege stehen, noch
ursprünglicher zur Geltung kommen könnten. Was der Textdichter, Emil Ger-
häuser, aus dem Hebbelschen Fragmente gemacht hat, erregte von Anfang an viel
Widerspruch, und mit allem Recht. Hebbel selbst wußte offensichtlich nicht, wie er
den ungefügen Stoff bezwingen sollte; und darin allein liegt meines Erachtens der
Grund, daß er das so intensiv von ihm erfaßte Problem als dramatischen Torso
hinterließ. Gerhäuser beging den schweren Fehler, den Hebbelschen Vorwurf, das
verderbliche erstmalige Eingreifen fremder Priestermacht, das erste Hineintragen einer
rohen Religion in ein bis dahin götterloses Volk, mehr als gut zu verweichlichen. Der
herrschsüchtige Molochpriester Hiram war als Held der Tragödie wohl möglich; der
schwache und schwankende Königssohn Teut« den Gerhäuser als Hauptfigur ins Spiel
eingestellt hat, ist dazu ganz ungeeignet. Und nicht nur das. Selbst Hirams Charakter-
entwickelung und Handlungsweise ist unlogisch und weist zum Schlüsse unmotivierte
Schwächlichkeit auf. Doch all diese Fehler der Dichtung tragen nur dazu bei, die Vor-
züge von Schillings' Musik in helleres Licht zu setzen. Der musikalische Bau, den der
Komponist aufgerichtet hat, ist so festgefügt und mit so starker Hand zur Höhe geführt»
er trägt so sehr seine eigensten und originellsten Züge, er führt die Entwickelung auch
da, wo der Textdichter vom richtigen Wege abgewichen ist, so klar und überzeugend,
so folgerecht durch, daß man sich der Mängel seiner Textunterlage während des
Hörens kaum bewußt wird. Schillings hat mit dem „Moloch'* seine früheren Musik-
dramen weit hinter sich gelassen. Von selten der Regie (Oberregisseur Fuchs), von
Seiten Mottls und seines Orchesters und von Seiten der Herren Bender (König),
Feinhals (Hiram), Hagen (Teut), Bauberger (Wolf), der Damen Preuse-Matze-
nauer (Velleda) und Ulbrig (Theoda) war alles geschehen, um eine nach jeder
Richtung musterhafte Aufführung zustande zu bringen. Feinhals und Bender wie
Frau Preuse-Matzenauer leisteten geradezu Unübertreffliches.
Wie auf dem Gebiete der Oper, trug Schillings auch mit seinen vier Orchester-
gesängen, „Glockenlieder** nach Texten von Spitteler, über alle Mitbewerber den Sieg
davon. Er war unzweifelhaft die bedeutendste Erscheinung auf dem diesjährigen Fest.
Die vier Lieder sind in ihrem gegensätzlichen Gehalt so ins Tiefste ausgeschöpft^
jedes ist so geschlossen und fertig in seiner Wirkung, dabei nimmt die Erfindung
aus erster Hand so unmittelbar gefangen, daß ich für mein Teil die „Glockenlieder"
für das Wertvollste des Festes nicht nur, sondern überhaupt für etwas vom Aller-
wertvollsten halte, was die letzten Jahre uns an Musik gebracht haben. Besieht man
sich die Partitur näher und vergleicht sie mit den bei der Aufführung errelchtea
K
97
WAHL: 44. TONKONSTLERFEST IN MÜNCHEN
Klangwirkungen, so muß man staunend das geniale Vorstellungsvermögen erkennen,
das da das Läuten, das Summen und Schwingen der Glocken und Glöckchen materiali-
sierte, ohne irgendwo zu den grobsinnlichen Mitteln geschlagener Eisenstäbe oder
ähnlicher amöner Radauwerkzeuge, mit denen wir von anderer Seite reichlich traktiert
wurden, seine Zuflucht zu nehmen. Auf die raffinierteste Weise ist stets der gewollte
Eindruck erreicht, wird stets die gewünschte Stimmung angeschlagen, und doch macht
sich nie das Raffinement als solches bemerkbar, sondern erscheint nur als der Aus-
fluß echter Empfindung, die in vollendete Form gegossen worden ist.
Echte Empfindung! Wie gerne und wie berechtigt kann man sie manchen, ja
vielen von denen, die der Musikausschuß diesmal der Aufführung für würdig befunden
bat, zugestehen; und wie schmerzlich vermißte man dabei eben nur die Vollendung,
die Möglichkeit, das, was der Komponist sagen wollte, frei und unbeschränkt nach
innerer Notwendigkeit in überzeugender und untadeliger Weise sagen zu können.
Echte Empfindung offenbart sicher Paul vonKlenau in seiner Symphonie (f-moll)
für großes Orchester, deren drei Sätze die Aufmerksamkeit des Hörers oft fesseln,
hie und da auch irritieren, z. B. durch den argen Mißbrauch, der mit den Pauken
getrieben wird. Kienaus Erfindung hat langen Atem; Brückners Einfluß aber ist ganz
unverkennbar, im rein musikalischen wie im formalen Sinn, ist auch lange nicht
alles ausgereift, so ist der Komponist doch zu denen zu zählen, auf deren Zukunft
man Hoffnungen setzen darf. Weniger könnte ich das von Jan van Gilse behaupten.
Seiner Symphonie Nr. 3 für eine hohe Sopranstimme und großes Orchester, „Er-
hebung", eignet gewiß viel technisches Können, mehr jedenfalls wie Kienaus Werk;
und zu Anfang besticht die Musik auch durch das ihr innewohnende Pathos. Allein
der weitere Verlauf offenbart eine so verzweifelte Unfähigkeit, die einmal angenommene
Linie zu verlassen, in ihrer Richtung zu moderieren oder zu variieren, daß das End-
resultat nur Langeweile sein konnte, die mit Wotan sprach : „Nur eines will ich noch :
das Ende, das Ende!** Mientje van Lammen erwies sich hier wie bei späteren
Gelegenheiten als ganz ausgezeichnete Sopranistin. Das erste Orchesterkonzert,
das von der Königlich Württembergischen Hofkapelle unter Hofkapellmeister
Dr. Aloys Obrist ausgeführt wurde, brachte noch eine Suite fantastique für Klavier
und Orchester von Ernest Schelling. Wie der Musikausschuß dazu kam, sie ins
Programm aufzunehmen, gehört zu den zahlreichen Unbegreiflichkeiten, mit denen er
diesmal die Festgäste überraschte. Diese vier Sätze sind Virtuosenmusik im guten
wie im schlechten Sinn, glatt, nicht ohne den Geist gemacht, der dieser Art von
Kunstbetätigung eigen ist, vorab im vierten Satz mit seinen amerikanisch-exotischen
Themen, für viele gewiß bestechend durch ihre fixe Geschicklichkeit, aber leer, leer
und bar jeden tieferen Gefühls. Wenn ich nicht irre, hatte der Allgemeine Deutsche
Musikverein doch einmal gewisse Leitsätze, nach denen er die Musikentwickelung fördern
wollte? Die Württembergische Hofkapelle unter Obrists ruhiger und vornehmer Leitung
spielte ganz vorzüglich. Sehr voll ist der Klang ihrer Blechbläser; wenn die Stimmung
der Holzbläser nicht immer ganz befriedigte, mag daran die mehr als tropische
Temperatur im Saale schuld gewesen sein. Die »Glockenlieder** dirigierte Schillings
selbst; Ludwig Heß sang sie mit all dem eindringenden Verständnis, das ihn zu-
sammen mit seinem schönen Tenor zu einem der ersten Sänger der Gegenwart macht.
Ernest Schelling war seiner Suite ein brillanter Interpret am Flügel.
Das zweite Orchesterkonzert stand mit unserem Hoforchester unter Felix
Mottls wundervoller Direktion, mit Ausnahme von Frederik Delius' »Eine Messe
des Lebens** (II. Teil) für Soli, Chor und Orchester, die der Dirigent der mitwirkenden
Gesellschaft für Cborgesang, Kammersänger Ludwig Heß, leitete. Die »Messe des
98
DIE MUSIK VII. 20.
Lebens** ist auf Texte aus Nietzsches „Zarathustra** (zusammengestellt von Paul
Cassierer) geschrieben; an sich eine unglückliche Idee. Nietzsches Worte enthalten
einmal so viel eigene Musik, daß das Hinzutreten einer zweiten Musik als überflQssig,
ja störend empfunden wird. Und zweitens bergen — und verbergen — sie einen oft
so tiefen Gedankengehalt, daß sie lediglich als Stimmungssubstrat nehmen, wie es
der Musiker tut und tun muß, eigentlich eine ungeheure Profanation bedeutet. Dazu
kommt die sattsam bekannte Stellung Nietzsches zur Musik unserer Zeit, die ihn von
der Auffassung Delius' gewißlich entrüstet sich hätte abwenden lassen. Abstrahiert
man aber von alledem gutwillig, so kann man konstatieren, daß Delius vieles zu
sagen hat, was über die Schablone hinausgeht. Er verschmäht bewußt eine feste
Gestaltung nach jeder Richtung, seine Töne wollen nur Stimmung malen und Stimmung
erzeugen (eine gewisse Verwandtschaft mit der französischen Schule, nicht zuletzt mit
Debussy, fällt dabei auf), und das gelingt ihm, unterstützt durch eine kluge Instrumentation,
des öfteren vollkommen, wenn auch bei ihm die Wandlungsmöglichkeit im Ausdruck
recht beschränkt erscheint. Neben gänzlich Mißglücktem wie dem Baritonsolo
„Erhebt eure Herzen* — an dessen ungenügender Wirkung übrigens der Baritonist
Rudolf Gmür nicht ganz unschuldig war während die Gesamtleistung von Chor»
Orchester und Solisten (Damen Mientje van Lammen, Olga von Weiden, Herren
Benno Haberl und Rudolf Gmür) vielfach Lob verdiente — stehen Eingebungen
edelster Art wie in dem Teil: „Die Sonne ist lange schon hinunter* oder in der
»Mittagsphantasie*, in der die tiefen Holzbläser äußerst glücklich das lautlose Brüten
und Zittern der Luft versinnlichen. Geschmacklos und ohrenbetäubend ist der Lirm,
der zum Schluß mit geschlagenen Eisenstangen gemacht wird. Ihrer bediente sich
auch, ein wenig motivierter, Karl Bleyle in seinem „Flagellantenzug*, Tondichtung
für großes Orchester, op. 9. Bleyle ist eines der besten Talente, mit denen uns das
Fest bekannt gemacht hat, nur scheint er noch zu sehr den Lärm für das allein-
seligmachende Prinzip der modernen Musik zu halten, sonst würde er schwerlich
gleich den Hörer mit der scheußlichen Einleitung auf dem übermäßigen Dreiklsng
überfallen. Er hätte das nicht nötig; denn er hat Ernsthaftes zu sagen und versteht
seine Tondichtung — ein nicht zu unterschätzender Vorzug — durchsichtig aufou*
bauen und durchzuführen. Auch Josef Krug-Waldsee ist diese schwierige Kunst
zu eigen, die er in seiner symphonischen Dichtung „Der goldene Topf* (nach
E. T. A. Hoffmann) bewährte. Nur spielte ihm gleichfalls die Lärmwut in seiner
Fuge der „bösen Mächte* einen argen Streich; um so lange zu dauern, ist sie zu
gleichgültig und zu peinigend. Einen großgearteten Schluß fand das Konzert mit
Siegmund von Hauseggers „Sonnenaufgang*, einem Freiheitssang nach Gottfried
Keller, für gemischten Chor und großes Orchester, von Hausegge> selbst dirigiert und
von der Konzertgesellschaft für Chorgesang gesungen. Wie in seinem „Requiem* zeigt
Hausegger auch in seinem „Sonnenaufgang*, daß er es eminent versteht, die Chor*
massen zum Ausdruck wuchtiger Gedanken zu verwenden. Sein Freiheitsssng
imponiert aber nicht nur durch die kluge Verwendung der Massenwirkung, sondern durch
das in ihm verkörperte außergewöhnliche Können. Hausegger ist ein Erfinder ersten
Ranges. Sein Thema: „Fahre herauf, du kristallener Wagen* suggeriert wirklich mit
unwiderstehlicher Gewalt das Bild, dem es als Zeichen dient.
Die zwei Kammermusikkonzerte verliefen nicht allzu aufregend — oder
negativ aufregend, wenn man will. Indem man nämlich noch mehr wie in den Orchester*
konzerten Gelegenheit bekam, sich über die Tätigkeit eines hohen Musikausschusses köpf*
schüttelnd zu verwundem. Am meisten bei Henri Marteau's Kammersymphonie
(Octette symphonique) für Flöte, Klarinette, Hom und Streichquintett f-moU op. !&
99
WAHL: 44. TONKONSTLERFEST IN MÜNCHEN
Die einzige, nicht gerade entschuldigende, Entschuldigung für die Herren kann die
Annahme sein, daß sie gar nicht ansahen, was der berühmte Mann ihnen zuschickte;
oder daß ihnen eben der berühmte Name als Gold erscheinen ließ, was kein Gold
war. Die hohe Achtung, die man vor Henri Marteau, dem Geiger, haben muß, ver-
bietet es, näher auf sein Oktett einzugehen; die Diskrepanz, die in dem überlangen
und meist schlechtklingenden Werk zwischen hochstrebendem Wollen, wie es sich in
der von Marteau verfaßten ProgrammerUuterung verrät, und zwischen seinem realen
Können zutage tritt, ist allzu traurig. Die ausführenden Herren Scherrer, K. Wagner,
Hoyer, Ahner, £. Wagner, Haindl, Ebner und Horbelt gaben sich alle Mühe,
zu retten, was nicht zu retten war. Weit freundlicher muteten zwei Quartette von
Richard Lederer und Karl Pottgießer an; das fünfsätzige in D-dur von Pottgießer
weist so wenig wie das in A-dur von Lederer neue Bahnen. Was für beide einnimmt,
ist die Stilechtheit und Solidität der Arbeit und der Gedankenreichtum, der insbesondere
bei Lederer überraschend mannigfaltig ist. Man wird bei seinem Quartett nach Art
und Inhalt unwillkürlich zeitweise an Beethoven gemahnt, ohne daß dem Nach-
geborenen dieser Vergleich abträglich wäre. Das Ahn er* und das Münchener
Streichquartett bewährten ihr oft gerühmtes Können auch dieses Mal. Konzertmeister
Ahn er brachte noch zusammen mit dem ganz hervorragenden Pianisten Prof. Schmid-
Lindner eine Violinsonate von Karl Ehrenberg zu Gehör, Es-dur op. 14; sie be-
stätigte das günstige Urteil, das man über Ehrenberg in Dresden bereits fällen konnte.
Frisch und frei fließt ihm der melodische Quell, Natürlichkeit führt ihm die Feder.
Mit der Zeit wird sein Schaffen vielleicht noch mehr in die Tiefe gehen. Heute gibt
er schon der Geige wie dem Klavier dankbare Aufgaben, ohne je die Grenze guter
Musik um irgendwelcher Virtuosengelüste willen zu überschreiten.
Es ist eine eigentümliche Beobachtung, daß, je mehr unsere Schaffenden sich
vom gewaltsamen Tiefsinn, vom hohen Kothurn des Program mes abwenden — und
das geschah bei diesem Fest, man sehe nur die Erläuterungen im Featheft unserer
Zeitschrift, schier auffällig und absichtlich — je mehr sie versuchen rein musikalisch
zu wirken, sie der Gefahr melodischer Banalität allzuleicht verfallen. Bedauerlicher-
weise ist ihr selbst Paul Juon nicht entgangen in seiner Trio-Caprice (nach Selma
Lagerlöf^ »Gösta Berling'') für Klavier, Violine und Violoncell op. 39. Seine ersten
zwei Sätze sind untadelig, ein bißchen gewollt bizarr, aber doch dem Geist des Lager*
löf^chen Buches nahe verwandt. Der zweite Satz — Andante, Scherzo (Vivace) —
gehört sogar zu denen, die wiederzuhören man Verlangen trägt, weil in ihm die ganze
Romantik des „Gösta Berling*, die übermütig todeslustige und überschwänglich todes-
traurige, zum Klingen kommt. Leider zerstört der letzte Satz alles mit seiner Un-
vomehmheit, trotz der famosen instrumentalen Ausnutzung der Streicher. Nur in
einer so wahrhaft kongenialen Ausführung, wie sie das Russische Trio ihm und
dem ganzen Werke angedeihen ließ, ist er noch erträglich. Walter Braunfels
spielte eine Reihe Bagatellen und Studien eigener Komposition für Klavier.
Er blieb ihnen pianistisch einiges schuldig. Allzugleichartig und engbegrenzt in ihrem
Gehalt verraten sie auch deutlich ihre bestimmenden Vorbilder: Brahms und Schumann.
Blieben noch die Lieder, deren es eine erkleckliche Anzahl gab, gesungen von
den Damen Mientje van Lammen, Else Schünemann und den Herren Ludwig Heß
und Rudolf Gmür. Unter den dabei vertretenen Tonsetzem ragte Roderich von Mojsi-
80V i CS mit drei Gesängen hervor, die selbständiges harmonisches und melodisches
Fühlen verraten; er war jedenMls die einzige wirkliche Persönlichkeit unter seinen
Konkurrenten. Karl Kämpf hat mit Ausnahme von „Verschwunden'' nichts von
eigentlicher Sonderart zu bieten; eher ist das der Fall bei Georg Vollerthun, dessen
100
DIE MUSIK VII. 20.
Vertonungen Liliencronscher Gedichte recht sympathisch berühren durch manchen
feinen Zug und durch warmherziges Erfassen ihres Wesens. Manchmal jedoch nähert
er sich, ebenso wie Kämpf, so z. B. in Storms „Oktoberlied% bedenklich der Tri-
vialität. Unbedenklich tut das Kurt Schindler. Im ersten Kammermusikkonzert
konnte man seinen „Erfülltes Schweigen** und „Vöglein Schwermut* einigen Geschmack
abgewinnen wegen ihrer prätentionslosen Schlichtheit; dafür rächte er sich im folgenden
durch den Ungeschmack der drei Lieder nach Gottfried Keller, die munter und un-
bekümmert im Fahrwasser der Seichtigkeit dahinschwimmen. O heiliger Musikaus-
schuß, war das deine Meinung?
Doch richten wir zum Abschluß den Blick auf Angenehmeres. Als Einleitung
zum Feste wartete der Teilnehmer ein Abend im Münchener Künstlertheater,
der Glucks opdra comique „DieMaienkönigin** (Les amours champfttres) und Her-
mann Bischoffs „DasTanzlegendchen** vorführte. Das Münchener Künstlertheater
ist eine Schöpfung, ein Versuch von so einschneidender Wichtigkeit für unser ganzes
Theaterleben der Gegenwart und Zukunft, daß ich seine Darbietungen nicht mit ein
paar Worten abtun möchte, die das Eigentliche der Sache kaum treffen könnten. Es
ist zum Verständnis seines Wollens eine weiter ausgreifende Darlegung seiner Ab-
sichten und seiner Hilfsmittel notwendig. Heute sei nur gesagt, daß Glucks unend-
lich reizvolles Scbäferspiel, mit Dekorationen und Kostümen von Hermann Busch-
beck, Mottl am Dirigentenpult, rauschenden BeiMl erntete, während Fritz
Cortolezis „Das Tanzlegendchen** — nach einer alten Legende und Gottfried Kellers
Erzählung von Georg Fuchs, Ausstattung und Kostüme von Hans Beatus Wieland —
trotz seiner prächtigen Leitung nicht zu ganz so reinem Siege führen konnte, weil
Bischoffs Musik ungeachtet aller Grazie, die in der Partitur lebt, unter ihrer ungünstigen
Instrumentation leidet. Die Bühnenbilder waren bei beiden Stücken ganz einzigartig
künstlerisch bis ins kleinste Detail gesehen und durchdacht.
Und hierin, es sei noch einmal betont, in den Aufführungen im Prinzregenten-
und im Künstlertheater, nicht in den Konzerten, lag die nicht hoch genug su
schätzende Bedeutung der diesjährigen Tagung. Ein günstiger Zufall fügte es, daß auch
in der Generalversammlung, nach einem ziemlich scharfen Zusammenstoß des Voc-
standes mit dem Vertreter des Allgemeinen Deutschen Musikerverbandes bei Gelegenheit
der Debatte über die Münchener Kaim- und Ausstellungsorchesterkrise, gemäß dem An?
trage von Paul Ehlers ein Beschluß gefaßt wurde, der gleicherweise verheißungsvoll in
die Zukunft weist: der Beschluß, wenn möglich nach dem Muster des Allgemeinen
Deutschen Bühnenvereins ein Schiedsgericht zu gründen für Streitigkeiten zwischen
Orchesterleitern, Musikgesellschaften usw. und ihren angestellten Musikern. So stand
auch die Münchener Generalversammlung im Zeichen wünschenswerten Fortschrittes.. In
den Konzerten schien es manchmal, als wäre der Verein seiner alten Tendenz, das
musikalische Leben im Sinne fortschrittlicher Entwicklung zu beeinflussen, untreu
geworden. München selbst aber hat unwiderleglich bewiesen, daß es diesem Leitsatz
huldigt; es hat bewiesen, daß es eine Musikstadt ist im echten und wahren Sinne
des Allgemeinen Deutschen Musikvereins und seines Gründers Franz Liszt
^••s
0
n den Teilnehmern des vierten Musik päd «gogtschen Kongresses stellte sich
ein außerordemlicbes Mißverhältnis io der Zahl der Auswärtigen und der
I Berliner heraus zu Ungunsten der letzteren, was eine besondere Be-
I leuchtung verdient. Von bekannten und berufenen Berliner Musikern
' sah man sehr wenige, und die meisten der fehlenden machen kein Hehl
«US ihrer Abneigung und begründen ihr Fernbleiben mit dem Hinweis auf die
mangelnden Resultate der Kongresse. Dieser Begründung kann nun nicht scharf
fenug entgegengetreten werden, auch wenn zugegeben werden muß, daß mehr positive
Arbeit geleistet «erden könnte. Es ist aber unter allen Umstinden ein sehr wichtiges
Resultat, wenn die Diskusaion eine so scharfe und begründete Opposition gegen
minderwertige Anträge ergibt, daß deren Verwirklichung unmöglich gemacht wird.
Und schon dieses Zieles halber sollte keiner, soweit er überhaupt über seine Tages-
twscbiftigung fainausschaut, die Unannehmlichkeiten der Sitzungen scheuen. Aber
«uch positiven Gewinn wird der Besucher heimbringen, denn die Diskussionen ent-
halten soviel Anregungen und Hinweise, daß man in ihnen das eigentlich wertvolle
Moment des Kongresses erblicken muß. Vielleicht zieht die Leitung aus dem Gang
der Verbandlungen die Lebre, die Diskussionsredner, wenn sie etwas zu sagen haben,
.nihlg ausreden zu lassen und andere, die aus einem Worte zehn machen, als nicht
xuT Sache gehörig zum Schweigen zu bringen. Diesmal war es recht hluflg umgekehrt.
Der Schwerpunkt des vierten Musikpidagogischen Kongresses lag also, wie er-
wlhnt, in den Diskussionen, die zum großen Teil mit einer famosen Frische und
«iner auf gesunden Füßen stehenden praktischen Weltanschauung geführt wurden.
Auf gleicher HShe standen die Vortrige nicht, die hiuflg seltsame Ansiebten und
merkwürdige PbanCastereien zutage förderten. Dahin gehört z. B. .Violintechnik auf
natüriicher Grundlage", wo der Redner behauptete, der sogenannte große Ton und
der Idealton seien eins. Nein, Herr Dr. Möbius! Und nicht die Quantitit, sondern
nur die Qualitit des Tones darf das Ziel des Unterrichts sein. In einer Demon-
strationssitzung «Die moderne Klavieriecbnik und ihre Verwendbarkeit im praktiachen
Klavierunterricht' wollte der Vortragende alle ultramodernen Methoden in Bausch
und Bogen verwerfen, vergaß aber wohl, daß erst diese modernen Methoden, besonders
Breitbaupts bekanntes Buch, der durchgingigen Anschauung ein Ende machten, als
sei der Anschlag etwas Angeborenes, nicht Erlernbares.
Interesaanter ging es in den Kunstgesang-Silzungen her. Zwei physiologische
Vortifge der Herren Dr. Gutzmann und Dr. Katzensiein-Berlin zogen ein zahl-
reiches Publikum herbei. Ich möchte dabei erwSbnen, daP derartige Vorliege wohl
recht allgemein bildend sind, der Gesanglehrer aber auch ohne sie auskommt. Er
muß sich sehr hüten, den Schüler auf Hais oder Kehlkopf zu verweisen, den er,
ebensowenig wie der Pianist die Saiten, irgendwie direkt zum Guten beelnliussen kann,
frl. vao Zanien-Berlin forderte eine mögliebst vielseitige Vorbereitung der Gesa ngs-
VII. 30. S
K
102
DIE MUSIK VII. 20.
Pädagogen. Ich sehe wohl mit den meisten Einsichtigen die betrübenden Leistungen
des Gros der Gesanglehrer in dem äußerst mangelhaften praktischen Können. Den
stärksten Besuch hatte die Demonstrationssitzung der Kunstgesangskommission zu
verzeichnen, in der es infolgedessen auch besonders lebhaft zuging. Aber auch hier
wird der Gesanglehrer nicht auf seine Kosten gekommen sein, es sei denn mit dem
Hinweise Dr. Seydels-Leipzig, daß der Schüler, soweit irgend möglich, die Nasen-
atmung zu betreiben habe.
Reicheren Gewinn ergaben die Sitzungen, die sich mit der musikalischen
Erziehung aufden Schulen beschäftigten. Von den offiziellen Rednern bestand
allerdings nur Herr Roed er- Herford mit Ehren, der den minderwertigen Gesang-
unterricht auf den Volksschulen für die ungenügende Ausbildung der Schüler der
Lehrerbildungsanstalten verantwortlich machte. Herrn Dr. Burkhardts-Berlln Vor-
schlag: Musikgeschichte auf den höheren Lehranstalten während der Mutation eiit-
zuführen, wurde ebenso kurz wie einstimmig abgelehnt, während Herr Msrtens-
Altona und seine Behauptung: die Übertragung des Gesangunterrichtes an einen
Philologen würde keine Förderung bedeuten, und eine Verbindung des philologischen
Studiums mit der musikpädagogischen Fachausbildung überhaupt nicht gut zu heißen
sein, eigentlich die schlimmste Kritik erfuhr. Auch der Methode Dalcroze erging
es nicht besser: es scheinen sich demnach die reizenden, augenflllligen Übungen für
den Gesang- und Musikunterricht an den Volksschulen nicht zu eignen, da sie all*
seitig in sehr ausführlicher Behandlung mit schwerwiegenden Argumenten zurück*
gewiesen wurden.
Der sozialen Frage konnte leider der beabsichtigte breite Raum nicht gt^
widmet werden; die plötzlichen Erkrankungen der Herren Landgericbtsrat Lattmann»
Berlin und Professor KulenkampfT-Potsdam raubten dem Kongreß zwei Hauptredner»
Einen vollen Erfolg trug der feine, durchdachte Vortrag von Frl. Stieglitz-Berlin
davon, in dem mir besonders bemerkenswert der Plan der Gründung von Volksmusik-
schulen schien. Bedeutend kälter dagegen wurde den Ausführungen von FrLSprengel*
Berlin und Frl. Morsch-Berlin begegnet, die die Abwicklung der sozialen Wunsche
dem Staate zuschieben wollten. Den vielfach dabei entwickelten Widersprüchen trat
Frl. Leo scharf entgegen, die sich u. a. nachdrücklichst gegen die Zumutung wandte^
die Musiklehrenden sollten sich von Staats wegen unter den Schutz des Reichs-
invalidengesetzes begeben. Dem Staate würde ja wohl eine so einfache Lösung höchst
bequem sein, für die Musiklehrenden aber eine Verweisung in die Stellung des
Dienstbotenpersonals heißen. Herr Mayer-Mahr-Berlin schließlich machte sich
zum Sprachrohr weitester Musikerkreise, indem er die Bildung von Musiker-
kammern forderte, die ähnlich der Bühnengenossenschaft eine wirkliche Organisation
und einen ehernen Zusammenschluß der Musikerwelt und — die Lösung der brennenden
sozialen Frage bedeuten würde.
BÜCHER
177. Carl HennlclLe: Hasse und die Brüder Graun als Symphoniker. Nebst
Biograpbieen und thematischen Katalogen. Verlag: Breiiicopr & Hirtel,
Leipzig 1906.
Im vorliegenden Terke hat der Verfasser einen überaus seh itiens werten Betrag
inr Geschiebte der noch venig aufgehellten vorhaydnschen Musik geliefen, an der man
neuerdings, seit der wichtigen Publikation über die Mannheimer Tonscbule (Slamitz u. A.),
wieder regeres Interesse gewonnen hat. Sind einmal alle Fäden bloßgelegt, die nach
Job. Seb. Bachs Tode von dessen künstlerischem Ideale ab- und der neuen Kunstrichtung
zuführten, die in der Wiener Glanzepoche der deutschen Musik ihren Höhepunkt er-
reichte, so wird insbesondere Haydn noch weit weniger, als dies schon jetzt der Fall ist,
als ein Komponist mit nur einem Vorliufer, C. Pb. Em. Bach, erscheinen. Eine aus-
führliche Kritik des vorliegenden Verkes hier zu geben ist ganz und gar unmöglich, da
die Fülle des Neuen darin eine forttauFende Rubrizierung ebenso nötig machen würde,
wie die vielen polemischen Abschnitte des Werkes eine Stellungnahme erheischten, die
sich nicht mit zwei Worten geben liefle. Diese Polemik, die Mennicke als Partelginger
Riemanns gegen Kretzschmar und seine Schule mehr oder weniger versteckt in sein Werk
einflicht, schadet dem überaus fleißigen Buche in doppelter Weise: sie hat der Ein-
heltlichkelt der Darstellung Abbruch getan und die Arbeit unnStig breit au^eschwellt.
Mennicke teilt eine riesige Fülle des Materials mit, geht aber nicht mit der wünschens-
werten Ökonomie mit ihm um; so zerstreuen sich die Schlußfolgerungen und Resultate
in unliebsamer Weise. Das alles ist freilich nicht dazu angetan, den unleugbar großen
Wert des Werkes dauernd zu beeintrlchtigen, von dem ich, um auch diese Ausstinde
noch hervorzuheben, bedauere, daß es in übertriebener Weise Gebrauch von allerhand
wirklich unnStlgen Fremdwörtern macht und an einigen Stellen überaus mangelhaft (auch
die Revisoren des Druckes in der Druckerei selbst sind durchaus nicht ohne Schuld)
korrigiert ist. Daß Mennicke, der die Grenzen seiner Untersuchung in den der eigentlichen
Zeit seiner Darstellung voraufgehenden Abschnitten recht weit gezogen bat, nicht auch
Graupner ausführlich behandelt, sondern sich im wesentlichen mit der einzigen durch
Riemtnn in seiner ^Großen Kompositionslehre" gegebenen Analyse begnügt, bedauere
ich persBnllcb sehr. Leider ist mein seit langer Zeit abgeschlossener thematischer Katalog
von Graupners Symphonieen und französischen Ouvertüren noch nicht zum Drucke
gelangt Mennickes Arbeit verlangt und verdient eingehendes Studium.
Prof. Dr. WilMiald Nagel
178. Paul Bruns: Neue Gesangmethode nach erweiterten Grundlehren
vom primSren Ton. In gemeinfaßlicher Darstellung. Verlag: Otto
Dreyer, Berlin.
Der Verfasser versichert uns im Vorwort, daß er nicht das abgestandene Klagelied
über den Verhll der Gesangskunst anstimmen und noch weniger die heutige so regsame
und vielseitige Gesangipidagogik befehden wolle. Aber er hilt sein Versprechen nicht,
denn auf Schritt und Tritt begegnen wir in seinem Buche nicht nur einer fortlaufenden
104
DIE MUSIK VIL 20.
Polemik gegen die bisherigen Theorieen und ihre Vertreter, sondern auch der immer
wiederholten Versicherung, daß mit der allgemeinen Einführung seiner eigenen Ton-
bildungsprinzipien ein großer Aufschwung, ja eine neue Ära der Gesangskunst bevor-
stände. Es ist also doch das alte Lied in einer neuen Tonart: Die Gesangskunst hat
sich bisher mit Ausnahme einiger genialer Naturalisten, die instinktiv das Richtige trafen«
auf dem Holzwege befunden, und erst die neue Lehre des Verfassers wird „das Volk,
das im Dunkeln wandelt**, aufklären. Bruns sieht das Allheilmittel für alle gesanglichen
Schäden der Gegenwart in der von Müller-Brunow begründeten Lehre vom »primären
Ton**, die er selbst in eigentümlicher Weise ausgestaltet, indem er das Phänomen der
Obertöne im Stimmklang für den Tonbildungsunterricht praktisch zu verwerten sucht.
In diesem Phänomen sieht er das „Essentiale des primären Tons** und verheißt für
später eingehendere Erklärungen in einer Sonderbroschüre. In der vorliegenden Arbeit
beschränkt er sich auf die Erwähnung der mitklingenden Oktave; die interessante Frage,
ob der Sänger und gar der Hörer bei jedem Gesangston eine ganze, den Dreiklang und
die Naturseptime einschließende Obertonreihe mitempfinden soll, läßt er somit unberührt.
Wie übrigens ein so obertonreicher, aus günstigen Resonanzfaktoren ersprießender Ton
zu der heute so beliebten Bezeichnung „primär** kommt, ist schwerverständlich. Bruns
polemisiert sogar (S. 64) gegen die einzig vernünftige, ja selbstverständliche Begriffs-
bestimmung Merkels, der den von der Lunge und den Stimmbändern erzeugten, noch
nicht im Ansatzrohr timbrierten Stimm klangt „primären Ton** nannte. Das Erzeugnis
des Zusammenwirkens von Lunge, Stimmbändern und Resonanzräumen könnte man doch
vernünftigerweise nur sekundären Ton nennen. Aber das Feldgeschrei aller Gesangs-
lehrer, die nun einmal um jeden Preis „modern** sein wollen, ist und bleibt der
„primäre Ton**. Dabei ist der Begriff ebenso verschwommen und unklar wie der Name.
Man höre nur den Verfasser (S. 44): „Hier ist primärer Ton ein KollektivbegrifF für
einen großen, noch nicht geschlossenen Kreis neuer tonbildnerischer Ideen, für ein System
neuer Thesen zur Klangentwickelung der Naturstimme, ein Klangbegriff für eine Reibe
klangplastischer Vorstellungen, stimmpädagogischer termini technici und einer musi-
kalischen harmonischen Struktur der menschlichen Stimme.** Die alleinseligmachende
Lehre vom registerausgleichenden primären Ton soll an die Stelle der Dreiregistertheorie
treten, obwohl der Verfasser doch nicht wagt, „die Register als stimmpbysiologische
Fakta wegzuleugnen** (S. 20, 21); aber er deutet sie „als Obergänge, als schwache Stellen
im Gesangsorganismus, als Störungen und Hemmungen natürlicher Resonanz" (S. 21),
die durch den primären Ton beseitigt werden sollen. Wie ein „stimmphysiologisches
Faktum** durch eine Resonanzerscheinung aus der Welt geschafft werden soll, bleibt das
Geheimnis des Verfassers. Die üblichen Ausdrücke „Mittelstimme**, „voix mixte" und
„Falsett** will Bruns aus der Terminologie der Gesangschulen beseitigt wissen, ebenfalls
zugunsten der Alleinherrschaft des primären Tones. „Falsetto heißt ,falsch*. Etwas
Falsches, Unfertiges kann niemals künstlerische Wirkung erzielen", lautet an einer Stelle
<S. 22) seine Beweisführung. Das registerausgleichende Element des primären Tones
findet er in der Kopfresonanz, die er methodisch auf den ganzen Stimmumfting über-
tragen will (S. 67). Diese „höchste Resonanz" ist aber nach Bruns niemals angeboren
und somit kein Naturprodukt, sondern muß allen, auch den begnadetsten, Naturstimmen
erst anerzogen werden (S. 74, 96). Dafür aber besitzt sie die Wunderkraft, ,»Stimmen
aus dem Nichts zu schaffen** (S. 51) und bei „jeder primär durchgebildeten Frauenstimme
unabhängig vom Klangcharakter einen Umfang von mindestens zwei und einer halben
Oktave im crescendierten, bühnenfähigen klangvollen Ton mit absoluter Bestimmtheit"
zu entwickeln (S. 54). Aber wenn Bruns auch fest an die Allmacht seiner Methode
glaubt, gesteht er andererseits die ewige Ohnmacht der Theorie zu: „Das wunderbare
105
BESPRECHUNGEN (BOCHER)
ü
Geheimnis der menschlichen Stimme gleicht der Sphinx: Die Wissenschaft wird es nicht
ergründen, das steht fest* (S. 38, vgl. auch S. 65). Gewiß wird man »die geheimen
Wechselbeziehungen zwischen Stimmband und Resonanzkörper* niemals mit dem Kehl-
kopfspiegel erkennen können. Wohl aber hat das feinhörige Ohr tüchtiger Gesangsmeister
schon vor Müller-Brunow und Bruns erkannt, daß die eigentliche kritische und auf-
bauende Tätigkeit des Tonbildners von den Resonanzräumen des Stimmapparates auszu-
gehen hat. Der Verfasser befindet sich somit im Irrtum, wenn er (S. 66) den Gedanken«
daß der künstlerische Ton eine Resonanzerscheinung sei, als »völlig neue tonbildnerische
Anschauung" bezeichnet. Auch mit manchen anderen Behauptungen wird Bruns auf
heftigen Widerstand stoßen; so mit der, daß alle deutschen Stimmen auf gewissen Tönen
ausnahmslos detonieren (S. 115), und mit der ebenso kühnen, daß die Unreinheiten des
Gesangstones genau nur von dem Tonbildner (natürlich dem primär geschulten!) beurteilt
werden können (S. 113 ff.). Ober Reinheit der Intonation, soweit sie von der Schwingungs-
zahl abhängig ist, pflegt unter Menschen mit feinem musikalischen Gehör keine
Meinungsverschiedenheit zu bestehen. Daß die Sänger sehr häuflg nicht zu dieser
Menschengattung gehören, kommt eben daher, daß viele sich der Musik widmen, weil
sie Stimme haben, ohne musikalisch zu sein. Daß das Detonieren bei Kunstnovizen an
der Tagesordnung ist (S. 109), muß ich aus eigener langjähriger Erfahrung im Gesang-
unterricht bestreiten. Insbesondere ist es mir nie begegnet, daß Geiger, die sich später
im Gesang ausbildeten, im Anfang unrein gesungen hätten, während ich von un-
musikalischen Sängern mit vorzüglicher Tonbildung oft eine sehr mangelhafte Intonation
vernommen habe. Anlage und Ausbildung des Ohres fallen eben hierbei mehr ins
Gewicht als die Kultur der Stimme. Auch Behauptungen wie „Die mezza voce ist der
deutschen Schule fast fremd* (S. 76) und »Absolute Tonfreiheit ist beim deutschen Natur-
sänger nie vorhanden* (S. 95) sind sehr anfechtbar und verraten die alte, so gänzlich
unbegründete Oberschätzung des welschen Gesanges, gegen die schon Felix Mendelssohn
in seinen Briefen an die ausgezeichneten deutschen Sänger Eduard Devrient und Franz
Hauser im Jahre 1831 lebhaft, aber vergeblich protestiert hat. Ernst Wolff
179. C. A. Klelhauser: Die Stimmgabel, ihre Schwingungsgesetze und An-
wendungen in der Physik. Verlag: B. G. Teubner, Leipzig 1907.
Diese auf fremden Untersuchungen fußende Monographie, die zugleich eine Samm-
lung der Forschungsergebnisse auf diesem Gebiete ist, wie sie bisher nur in den ver-
schiedensten deutschen und fremdsprachigen Zeitschriften zerstreut vorlagen, hat für den
praktischen Musiker nur wenig direkt Interessierendes. Dahin gehören bestimmte Maß-
regeln für die Behandlung der Stimmgabel, wenn ihre Tonhöhe unverändert bleiben soll.
Man soll sie nämlich erstens gegen Rost schützen und sich daher hüten, mit den
Fingern über ihre Zinken hinwegzustreichen; weiter spreche man nicht über die Gabel
hinweg und öle sie, wenn man sie für längere Zeit aufhebt, mit Büchsenschloßöl ein
oder stecke sie in eine Hülle von weichem Leder. Endlich soll man die Gabel vor
mechanischen Beschädigungen bewahren und es daher vermeiden, wie es meist zu ge-
schehen pflegt, sie an einen harten Gegenstand anzuschlagen, zumal dann die
deutlich dabei auftretenden Obertöne, die zum Grundton dissonant sind, die Reinheit des
Klanges beeinträchtigen. Das beste Mittel zur Erregung von Gabeln ist das Anstreichen
mit dem Geigenbogen (Viola- oder Cellobogen), da dabei einerseits eine größere Dauer
und Stärke des Klanges erzielt, andererseits auch die Gabel am meisten geschont wird.
Der Musikwissenschaftler findet in dem Buche die Geschichte der Normalstimmungen
bis zu den Beschlüssen der Wiener Stimmtonkonferenz, auch eine Tabelle über die
Schwingungszahlen des jeweiligen a' in verschiedenen Ländern, in zeitlicher Folge dar-
gestellt. Das Buch zeichnet sich durch sorgfliltige und zahlreiche Literatumachweisungen aus.
Georg Capellen
WL
106
DIE MUSIK VII. 20.
MUSIKALIEN
180. G. II. G. von Brücken Fock: Die Wiederkunft Christi oder das
nahende Gottesreich. Ein Oratorium für Doppelchor, Soli und Orchester.
op. 19. Verlag: A. A. Noske, Middelburg.
Die Gattung des Oratoriums ist heutzutage bei uns selten geworden; darum be-
grüßen wir jede neue Erscheinung auf diesem Gebiet mit um so größerer Aufmerksam-
keit. Freilich scheint es, als ob die Seltenheit des Oratoriums ihren Grund darin hätte,
daß uns das Gefühl für den echten Oratorienstil verloren gegangen sei — gerade so
wie es uns für den Stil der Oper verloren gegangen ist. Aber während wir auf dem
Gebiet der Oper eifrig nach einem Stil, der einen zeitgemäßen Inhalt in entsprechende
Formen zu gießen verstünde, suchen (ihn leider noch immer nicht finden können), haben
wir das Oratorium völlig aus dem Auge verloren. Betritt ein Komponist wie von Brücken
Fock im vorliegenden Werk dies Gebiet, so liegt die Gefahr nahe, daß er der Stil-
vermengung verföllt. Das ist hier ohne Zweifel geschehen. Hört man den ersten Chor
mit seiner erregten Leidenschaftlichkeit, so fühlt man sich durchaus ins Gebiet der
dramatischen Musik versetzt; die pochenden Triolen in den tiefen Streichern in No« 7
erinnern der Farbe und Struktur nach an das Vorspiel zur «Walküre^; überhaupt zeigt
besonders diese Nummer viel opemhafte Elemente. Dagegen zeigt der Choral No. 3
eine Bachsche Einfachheit und Innigkeit, nur ist die Stimmung weicher, fast sentimen-
tal. Das Altsolo aber (No. 6) mit dem Orgelpunkt in den leise tropfenden Baßvierteln
steht direkt unter dem Einfluß von Brahms (Anfang des Deutschen Requiems). Sieht
man von dieser Stilvermischung ab, so bieten die ersten sieben Nummern des Werkes
viele große Schönheiten. So ist auch der dem Altsolo folgende, nur durch ein bedeu-
tungsloses Instrumentalzwischenspiel von ihm getrennte Chor pompös aufgebaut, und das
strahlende C-dur, zu dem er sich schließlich durch mancherlei harmonische Labyrinthe
hindurchwindet, wirkt grandios. Auch das Baßsolo (No. 4) ist wuchtig, kraftvoll und
stellt dankbare Aufgaben, dankbarere jedenfalls als das Soloquartett in No. 7, dessen
Stimmführung trotz aller Künstelei, oder vielmehr eben wegen dieser Künstelei, jede
Klarheit vermissen läßt; besonders wenn dann noch der Chor hinzutritt, wird es unmög-
lich sein, beim Hören die Fäden zu verfolgen. Überhaupt wird es von hier ab schlimm.
Der Komponist sucht hier den Mangel an scharf geschnittenen Gedanken zu verdecken
durch eine Künstelei harmonischer und polyphoner Art, die nach den schwungvollen
Partieen des Anfangs um so unangenehmer wirkt. Am Schluß verläuft das Ganze im
Sande. Es ist eben das leidige Übel, dem so viele unsrer zeitgenössischen Komponisten
verfallen: sie schämen sich, wenn ihnen einmal eine gute Melodie einfällt, sie schlicht
und natürlich hinzuschreiben, und sie behängen sie mit allerhand kontrapunktischem
und harmonischem Glitzerkram, sodaß von der herzerquickenden Schlichtheit nicht viel
übrig bleibt. Und doch täte uns gerade die Einfachheit so not!
Dr. Max Burkhardt
181. Josef Suk: Symphonie „Asrael** für Orchester, op. 27. Verlag: Breit-
kopf & Härtel, Leipzig.
Asrael, der Todesengel, regte manchen Tondichter zur Tat an. Tschalkowsky gab
in einem „den Manen eines großen Künstlers** geweihten Klaviertrio seinem Schmerz um
den dahingegangenen Freund (Nikolai Rubinstein) Ausdruck, Georg Henschel gedtchte
der Lebensgefährtin in einem „Requiem**. Die vorliegende Symphonie spiegelt die
Stimmungen wieder, die den Komponisten angesichts des Todes seines Meisters und
Landsmannes Anton DvoHk, zu dem er überdies durch seine Heirat in verwandtschafttiche
Beziehung getreten war, ergriffen. Die Bezeichnung „Symphonie** darf man hier nicht
107
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
sonderlich streng nehmen; es zeigt sich zumeist eine ^freiere*' Form. Das etwa eine
Stunde dauernde Werk besteht aus fünf Sätzen, von denen drei ohne merkbare Unter-
brechung zu spielen sind und als „I. Teil** gelten, während Satz 4 und 5 den II. Teil
darstellen. C-moll, die Tonart der Trauer, des Todessanges — wir finden sie in Beethovens
«Marcla funebre** (Eroica), in der Trauermusik Wagners (Götterdämmerung), in Strauß' „Tod
und Verklärung** u. a. — auch Suk spricht in ihr seine Trauer aus. Diesem einfachen.
Andante sostenuto
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ruhig klagenden Motiv, dessen erster Takt zumeist in der markanteren, energischeren Gestalt
auftritt, ist fast alles entsprossen, was die Partitur auf ihren 252
Seiten birgt. Mit welcher Liebe und Sicherhett hat der Komponist
besonders Takt 1 und 2 dieses Motives verwertet! Stets läßt er den Gedanken in neuer
Farbe und in verschiedenartigstem Charakter erscheinen, jetzt gekürzt, dann verlängert,
in Moll, in Dur, in der Umkehrung, bald herrschend, bald begleitend. Der erste Satz
erzählt uns von dumpfer Trauer, erwachendem Schmerze und heftigstem Klageausbruch;
ein packendes Seelengemälde schuf hier der Tondichter. Ruhigere und tröstende Worte,
unterbrochen von einem stillen Trauerzuge, dringen im zweiten Satze (Andante) an unser
Ohr; eigenartig stimmungsvoll wirkt hier das „ewig^'-hallende des": ein endloser
Klageton. Der folgende Satz (Vivace) stellt das «Scherzo'* der Symphonie dar: wilde
Harmonieen, ungezügelte Rhythmen, nationales, slawisches Gepräge. Den entschiedensten
Kontrast bringt ein langsamer, melodischer und auch durch eigenartige Harmonieen
fesselnder Mittelsatz. Wohllaut, Innigkeit und Poesie zeichnen in noch höherem Maße
den vierten Satz (Adagio) aus; auch der Komponist scheint diesen Abschnitt besonders
hoch zu stellen, denn er hat von dem Rechte der Wiederholung einzelner Teile einen
ausgiebigeren Gebrauch gemacht als bei den übrigen Sätzen, er schien sich schwer los-
reißen zu können — und der Zuhörer wird ihm recht geben. Im Finale gelangt der
Schmerz noch einmal mit Elementargewalt zum Ausbruch; ruhige, feierliche Klänge
(Blechbläser), von Himmelsfrieden und Seelenfrieden zeugende Harmonieen beschließen
das Werk. In Summa eine Komposition, die ein starkes Können, achtunggebietendes
Talent offenbart und auf zahlreiche Aufführungen Anspruch erheben darf. Modem in
der Tonsprache, modern in der Instrumentierung (Besetzung: Holzbläser, Trompeten und
Posaunen dreifach, vier Hörner, Tuba, Harfe usw.), jedoch allzu „Gefährlichem** aus dem
Wege gehend, wird Suks »Asrael** beim Publikum auf williges Entgegenkommen rechnen
können. Leicht hat es der Komponist dem Orchester allerdings nicht gemacht; sein
Werk verlangt eine treffliche Musikerschar und einen tüchtigen Dirigenten.
Franz Dubitzky
182. Miecyslaw Karlowicz: »Wiederkehrende Wellen**, Tondichtung für
Orchester, op. 9. Verlag: Schlesingersche Buch- und Musikhandlung,
Berlin.
Etwas sehr^ buntschillernd sind sie, diese „Wiederkehrenden Wellen^ aber hie und
da kommen doch einige recht hübsche Lichtbrechungen zustande. Der Tonsetzer bat
die Partituren der Modernen von Berlioz bis Strauß ihrem instrumentalen Kolorit nach
sehr gründlich studiert und weiß so manches farbenprächtige Orchesterbild zu entwerfen.
Leider hält diesem Geschick die thematische Erfindung nicht die Wage. Hier fehlt es
so Eigenem und Selbständigem, und obwohl man von eigentlichen „Reminiszenzen**
nicht reden kann, mutet vieles doch recht bekannt an. An Wagner, an Strauß, an
Brückner (vgl. Seite 50 der Partitur „L'istesso tempo** mit dem Hauptmotiv des ersten
Satzes der Achten Symphonie), ja auch an Brahms (vgl. Ziffer 33 der Partitur mit dem
108
DIE MUSIK VII. 20.
Schlußsatz der Ersten Symphonie) wird man gemahnt, und schon die Zusammenstellung
dieser Namen läßt erkennen, daß es der Tonsprache des Werkes etwas an stilistischer
Einheitlichkeit fehlt, ebenso wie der thematischen Entwicklung an rechter Geschlossenheit.
Dem Titel des Werkes nach, der übrigens ziemlich schleierhaft bleibt, sollte man
eine Art Rondoform erwarten, doch kommt trotz einer Reihe thematischer Wieder-
holungen nichts Derartiges zustande. Der Grundton des Ganzen ist auf bald träumerische,
bald leidenschaftliche Sehnsucht gestimmt, bisweilen von kräftigen Episoden wirkungs*
voll schattiert, als deren hübscheste das Allegro moderato (Seite 39) hervorgehoben sei;
schade, daß das schwungvolle A-dur-Thema keine weitere Entwicklung erfährt. Im ganzen
darf diese Partitur trotz mangelnder Reife als anerkennenswerte Talentprobe bezeichnet
werden. Auch zeichnet sich die Musik bei aller modernen Tendenz doch durch ein sehr
sympathisches, vornehmes Maßhalten aus. Dr. Eugen Schmitz
183. Eduard Agate: Sechs Lieder für eine hohe Singstimme und Klavier.
Verlag: Sidney Riorden, London.
Während man in No. 1 („Waldlied**) und namentlich No. 2 („Bauernregel**) noch
etwas kompositorische Begabung verspürt, muß man über die folgenden vier Lieder zum
mindesten den Kopf schütteln. Der Komponist scheint hier ängstlich darauf bedacht
gewesen zu sein, nicht zu den Reaktionären gezählt zu werden und um jeden Preis
modern zu erscheinen. Man verkennt aber moderne bedeutende Kompositionen durchaus,
wenn man besonders hervortretende Akkord kombinationen, die, am rechten Platz an-
gewandt, von der größten Wirkung sind, unter die Lupe nimmt und in eigenen Kompositionen
verallgemeinert. Ganz rückständige Theoretiker (aus Verachtung) und eine große Anzahl
junger Komponisten (aus Überbegeisterung), denen der Komponist der vorliegenden Lieder
unbedingt beigezählt werden kann, scheinen sich — wie ja überall die Extreme — in der
Ansicht über »moderne Harmonik** zu berühren. Nach ihnen gibt es nur einen einzigen
Grundakkord in der modernen Musik, der auf dem Klavier etwa durch Herunterdrücken
möglichst vieler Tasten mit beiden Armen und Händen zu Gehör gebracht werden kann.
Es ist statt Harmonielehre dann nur noch eine Regel zu lernen: «Die anderen Akkorde
entstehen durch Weglassen einiger oder mehrerer Töne; jedoch dürfen niemals so viele
Töne fortfallen, daß etwa ein einfacher Dreiklang dabei herauskommt.** Die Melodik
kommt bei Agate in diesen Liedern — wenn man hier überhaupt von einer Melodie
reden darf — natürlich erst in zweiter Linie in Betracht; sie muß sich aus den gewihlten
Akkordfolgen ergeben und tritt nur an ganz besonders im Text hervortretenden Stellen
in den Vordergrund, wie z. B. bei den Worten: „Der Stundenwagen kam polternd drein*,
wo der Sänger bei „polternd** wirklich fortissimo poltern muß. Wegen ihrer Unnatur ist die
Singstimme an einigen Stellen fast unsangbar, an anderen, melodischeren Stellen
dagegen sogar trivial. Eine wirkliche künstlerische Befähigung scheint mir vorläufig nur
in einem allerdings ziemlich ausgeprägten Sinn für musikalische Form zu liegen, der
sich in allen Liedern kundgibt und sie hierin vorteilhaft von ähnlichen Kompositionen
unterscheidet. Nun, hoffentlich befindet sich Agate noch in der Sturm- und Drangperiode
und hat uns später Reiferes zu sagen; Ansätze hierzu sind, wie schon erwähnt, vorhanden.
184. Kurt Zöllner: Kompositionen für Klavier, op. 7: „Vier leichte Stücke*.
op. 8: „Variationen**, op. 9: „Acht Miniaturen*. Verlag: Lauterbach &
Kuhn, Leipzig.
Auch diese Stücke sind wohl für Klavierschüler auf der Anfangs- und Mittelstufe.
bestimmt und als solche empfehlenswert. Die kleinen Kompositionen haben noch '^ den:
Vorzug vor ähnlichen, daß die Harmoniefolgen bei aller Einfachheit gewählter sind. Die
Variationen op. 8 kann man in dieser Bezeichnung besonders loben. Max Vogel
Aus deutschen Musikzeitschriften
ZEITSCHRIFT DER INTERNATIONALEN MUSIKGESELLSCHAFT (Leipzig),
VIII, Heft 12 und IX, Heft 1. — A. Schering bespricht in dem Aufsatz „Joseph
Joachim'' hauptsächlich des Meisters Geigenspiel und seine Lehrtätigkeit. — Die
„Commission internationale pour l'ötude de la musique de luth** berichtet über
ihre Aufgaben und bittet die Gelehrten, die sich für das Studium der Lautenmusik
interessieren, sich mit ihr zu verbinden (Adresse: J. Ecorcheville, 7 Cit6 Vaneau,
Paris). — Charles Maclean klagt in dem Aufsatz „Music and Morals** über den
Verfall der Sitten und die Schamlosigkeit unserer Zeit. Auf dem Gebiete der
Musik habe zuerst Richard Wagner den sittlichen Verfall herbeigeführt («Wagner
began the declension**), indem er in die Dichtung „Der Ring des Nibelungen**
moderne „sozialistische^ Ideen vom „freien Helden** und von der „freien Liebe**
hineingebracht („by insisting or importing into it modemisms of his own day, the
socialism of the ,free-hero' and wild mystifications about ,redemption' by free love**)
und im „Tristan** das verherrlicht habe, was die ganze übrige Welt verdammt
(«glorification of that wich all the rest of the world condemns**). Natürlich ver-
urteilt Maclean noch mehr Strauß' „Salome**. — Henri Quittard veröfiPentlicht in
dem Aufsatz „Deux fdtes musicales au XV« et XVIe sidcles** Auszüge aus der
„Chronique** von Mathieu d'Escouchy und aus Jodelle's Werken musikgeschicht-
lich interessante Berichte über französische Hoffeste in den Jahren 1453 und 1559.
— O. G. Sonneck veröffentlicht hier unter der Oberschrift „Edward Mac Dowell**
(Heft 1) einen ausführlichen, interessanten Vortrag, den er am 17. Januar 1905, also
vor der Erkrankung des Komponisten, gehalten hat. — Ober „Das dänische
Volkslied** handelt ein kurzer Aufsatz von Hjalmar Thuren. — Der anonyme
Aufsatz „The Musician Astronomer** enthält eine Lebensbeschreibung des Astro-
nomen und Musikers Frederick William Herschel (1738—1822).
DIE STIMME (Berlin), 1907 No. 12, 1908 No. 1-7. — Franz Wethlo veröffentlicht
eine psychologische Studie über „Singenlemen und Singenlehren** (No. 12). —
Karl Jendrossek beendet seine Abhandlung über „Die , neuen Bestimmungen*
und der Gesangunterricht in den Lehrerbildungsanstalten**. — Bernhard Hoeft
bespricht den „Einfluß der Herzogin Amalie von Weimar auf das Theater und
die Musik ihrer Zeit^ — — e. wirft einen „Rückblick auf das VII. Deutsche
Sängerbundesfest in Breslau**. — R. Im hofer veröffentlicht einen auf der Ver-
sammlung der Naturfoscher und Ärzte gehaltenen Vortrag „Über musikalisches
Gehör bei Schwachsinnigen** (No. 2—3). — Robert Handkes Aufsatz „Zur Dis-
position des Volksschulgesangunterrichtes** (No. 1 u. 2) behandelt I: „Die Laut-
bildungsstudien**, II: „Treffübungen**. — Der Aufsatz „Goethes Bedeutung für die
Kultur der Stimme** von Martin Seydel (No. 2) handelt vornehmlich von Goethes
Regeln für Schauspieler. — Viggo Forchhamm er spricht Inder terminologischen
Abhandlung „Stimmansatz oder Tonansatz** die Ansicht aus, daß das Wort Stimm-
ansatz nicht gebraucht werden sollte, sondern nur das Wort Tonansatz. — Am61ia
Thylleri rät in dem Aufsatz „Ein Weg zur Verbesserung der sozialen Lage der
110
DIE MUSIK VII. 20.
Kunstgesanglehrer^ den Stimmbildnern, sich zusammenzuschließen, damit sie ein-
ander kennen lernen, und jeder Gesanglehrer in der Lage sei, die SchQler, die er
selber nicht ausbilden kann, einem Lehrer zu überweisen, der speziell zur Aus-
bildung dieses Schülers fähig ist. Hervorragende Berufssinger seien oft schlechte
Lehrer; deshalb sollten die Stimmbildner eine große Gemeinschaft bilden, die von
berühmten, aber als Lehrer unfähigen Sängern nicht verdrängt werden könnte. —
Jörgen Möller berichtet in dem Aufsatz „Vom rationellen Sprechunterricht und
seinem gegenwärtigen Stande in Dänemark** (No. 2) über die Ausbildung dänischer
Seminarlehrer im richtigen Sprechen. — A. Gusindes' Aufsatz «Karl Friedrich
Zelter'' enthält eine kurze Biographie Zelters und bespricht besonders sein Ver-
hältnis zu Goethe. — Paul Hassenstein beginnt eine Abhandlung über «Das De-
tonieren im a cappella-Gesang und seine Verhütung** (Heft 3), in der er zunächst
»die Forderungen, welche die sogenannte reine Stimmung an den a cappella-Gesang
zu stellen hat% untersucht. — Gegen diesen Aufsatz wendet sich ein Artikel „Ober
die Ursachen des Detonierens im a cappella-Gesang** von Meinhardt Böhme (Heft 5).
— Frau Fichna erhebt in dem Aufsatz „Zur sozialen Lage der Kunstgesanglehrer**
(Heft 3) einige Einwände gegen einen früher erschienenen Artikel von Bruns-
Molar. Ihr Aufsatz handelt aber nicht von dem, was die Oberschrift ankündigt,
sondern von Stimmbildung. — H. Freiherr von der Pfordten spricht in dem
lesenswerten Aufsatz „Wie singt man Hugo Wolf?** (Heft 4—6) eingehend über den
Vortrag Wolfscher Lieder. — Robert Hövker hat 86 Schüler im Alter von 14 bis
20 Jahren, von verschiedener musikalischer Begabung ein Volkslied hinter einander
in verschiedenen Tonarten singen lassen und berichtet in dem Aufsatz „Eine ton-
psychologische Studie über ,Kommt ein Vogel geflogen'** (Heft 4—6) über die
Fehler, die besonders beim Singen der ersten Töne gemacht wurden. — W. Berg
fordert in dem Aufsatz „Die Entstellung der Stimme im Kindesalter** (Heft 7), daß
die Stimmbildung in die Unterrichtsfächer der Schule aufgenommen werde. —
Der Laryngologe A. Castex erklärt in dem Aufsatz „Die Behandlung der Stimm-
organe** als „die beste Gesangsmethode ... die italienische, gemildert durch die
neuesten Vervollkommnungen der Gesangskunst**. Die Dauer der täglichen Obungen
dürfe nicht mehr als 1 - 2 Stunden dauern; „dazwischen müssen noch Pausen von fünf
Minuten bis zu einer Viertelstunde eintreten.** — Georg Seiht sagt in dem Auf-
satz: „Noch einmal über die soziale Lage der Sänger und der Kunstgesanglehrer**
(Heft 7): ,Je schlechter es unfähigen Sängern und Gesangslehrern ergeht, um
so besser für die Kunst.** Das wichtigste Mittel, dem Stande der Sänger und
Gesangslehrer zu helfen, sei die „rücksichtslose Ausmerzung der Elemente, die
von der schweren Kunst des Stimmbildens keine Ahnung haben**. — Von den
übrigen Aufsätzen sind die folgenden bemerkenswert: „Karl Hermann und seine
Lehre der Stimmbildung** von Hermann Morel (Heft 4). — „Eine einfache Kehl-
kopfmassage** von J. Veis (Spezialarzt für Halsleiden). — „Ober deutsche Gesangs-
aussprache**. (Mit Berücksichtigung der „Studien** von Traugott Heinrich) von
Georg Vogel. — „E. Grieg und seine Bedeutung für die Musik, insbesondere für
den Gesang** von Bruno Stein. — „Stimm verlust nach Eingriffen an den Stimm-
lippen** von Th. S. Flatau (Heft 6—7). -• „Gesangunterricht in ungarischen
Volksschulen** von Ludwig Schloß (Heft 6).
SCHWEIZERISCHE MUSIKZEITUNG und SÄNGERBLATT (Zürich) 1907,
No. 20—36. — E. R. bespricht anläßlich des Ablaufs der Schutzfrist der Verke
Cornelius' die „Männerchöre von Peter Cornelius** (No. 21). — Der AuÜMtz
„Ausländische Rundschau** (No. 22) besteht zum größten Teil aus Auszügen
111
REVUE DER REVUEEN
aus einem im »Tag** erschienenen Aufsatz von Gustav Ernest über englische
Komponisten. — Nf. bespricht in dem Aufsatz «Vom Volkslied im Kanton
Luzem** (No. 23) A. L. Gaßmann's Liedersammlung „Dsls Volkslied im Luzerner
Wiggertal und Hinterland**. — Otto von Greyerz tritt in dem Aufsatz „Volks-
lieder* der Ansicht entgegen, daß das Volkslied aussterbe. — „Zum 50. Todes-
tage von Carl Czerny** (No. 24) veröffentlicht £. J. eine Biographie Czernys,
in der er sagt, daß Breithaupts Methode, die sich mehr für die weitere Aus-
bildung technisch schon vorgeschrittener Schuler als für den Elementarunterricht
eigne, Czemys Unterrichtswerke nicht verdrängen könne. — G. Becker veröffent-
licht unter der Überschrift „Carl Simon Catel und Ludwig Niedermeyer* (No.
25 — 26) kurze Lebensbeschreibungen der genannten Komponisten (Catel 1773 bis
1830, Niedermeyer 1802—1861). — Dem am 20. Mai 1907 gestorbenen Männerchor-
komponisten Schultz wird ein Nachruf gewidmet („Edwin Schultz f, No. 25).
— In dem Aufsatz „Zur Entwickelung des Männergesangs** (No. 27) bespricht
Nf. einen in der „Zeitschrift der I. M.-G.** erschienenen Aufsatz von Alfred
Heuß. — K. Nef bespricht in dem Aufsatz „Ein Vorläufer von Hector Berltoz**
(No. 27) kurz eine ungedruckte Programmusik-Komposition von J. L. Dussek, be-
titelt: „Tableau de la Situation de Marie Antoinette, Reine de France, depuis son
emprisonnement jusqu'au dernier moment de sa vie, rendu dans une musique
allegorique*. — Karl Nef versucht in dem Aufsatz „Die Entwickelung des refor-
mierten Kirchengesanges in der deutschen Schweiz** (No. 28 und 29), „die Ent-
wickelung des reformierten Kirchengesanges vom musikalischen Standpunkt aus
zu betrachten und . . . glaubt, da das Thema bisher vorwiegend von der litera-
rischen und kirchengeschichtlichen Seite in Angriff genommen worden ist, einige
neue Gesichtspunkte gewonnen zu haben**. — Am Schluß des Aufsatz „Die Ver-
breitung des Alphorns** (No. 28) spricht Karl Nef die Ansicht aus, „daß das Alp-
horn in verschiedenen Gebirgsgegenden weit, fast allgemein verbreitet war; es
scheint nur in der vielbereisten und viel beschriebenen Schweiz besonders be-
merkt worden zu sein.** — „Zum 100jährigen Bestand der Firma Gebr. Hug & Co.
in ZQrich** (No. 30-32) werden lange Auszuge aus der von der jubilierenden
Musikalienhandlung herausgegebenen Festschrift veröffentlicht. — Zum 50. Todes-
tage Eichendorffs veröffentlicht W. Haeser den Aufsatz ,Joseph von Eichendorff**
(No. 32 und 33), der eine Charakteristik der Eichendorffschen Lyrik und eine Zu-
sammenstellung von Kompositionen Eichendorffscher Gedichte enthält. — G.
Bundi berichtet auf Grund der „in romanischer Sprache abgefaßten Statuten und
Protokolle, die das Zuozer .Gemeindearchiv bewahrt,** über den „Kirchengesang
In der Engadiner Gemeinde Zuoz** (No. 34— 36) von 1666 bis zum 19. Jahrhundert.
— E J. berichtet unter der Überschrift „Angerer-Jubiläum** (No. 34) über die vom
Singenrerein „Harmonie** in Zürich zur Feier der 20jährigen Wirksamkeit seines
Dirigenten Gottfried Angerer veranstalteten Konzerte. — Richard Batka erteilt
in dem Aufsatz „Musikunterricht** den Eltern Ratschläge betreffend die musika-
lische Ausbildung der Kinder. — In dem Aufsatz „Zur Diskussion über den vier-
stimmigen Kirchengesang** tritt Pfarrer Th. Barth (No. 35) einem Aufsatz von C.
Hell gegen den vierstimmigen Gemeindegesang entgegen. Er empfiehlt den
Gegnern der Mehrstimmigkeit, den vierstimmigen Gesang in Basler Kirchen an-
zuhören. — Anna Ron er bespricht lobend „R. M. Breithaupts ,Die natürliche
Klaviertechnik'« (No. 36).
MONATSSCHRIFT FÜR SCHULGESANG (Berlin), Jahrgang 1907-8. Heft 5-12.
— August Wellner beendet seine Biographie Grells, die sich hauptsächlich auf
L
MM ^^^
JBSS I>IE MUSIK VII. 2a.
Heinrich Bellermanns Werk über diesen Komponisten stutzt („Eduard Greift Heft 5).
— Der Aufsatz „Ober Dirigenlenpraxis'' von Karl Roeder (Heft 5 u. 6) enthält Rat-
schläge für Dirigenten kleinerer Gesangvere/ne. — Unter dem Titel „Ein Lehrmittel
im Dienste der sächsischen Seminarmusikrefbrm^ bespricht Arthur Liebscher (HeftS)
ausführlich den „Lehrgang im GesangunterHchte"* von Ernst Paul. — Hermann Gutz-
mann gibt in dem Aufsatz „Über den sog. primären Ton** (Heft 7 u. 8) „eine kurze Ober-
sicht darüber, was unter ,primärem Toni' von den verschiedenen Standpunkten des
Akustikers, des Physiologen und des G6sangspädagogen zu verstehen ist^. — A. N.
Harzen-Mü Her wird durch die Konzerte der Barthschen Madrigal-Vereinigung ver-
anlaßt, in dem Aufsatz „Das Madrigal*' (No. 7) „auf das Wesen und die Geschichte des
Madrigals . . . näher einzugehen und einige Winke und Beispiele für seine Anwendung
im Schulgesange zu geben**. — Fr. Wiedermann untersucht auf Grund von zwei
als Beilagen zu den Jahresberichten des Zittauer Gymnasiums von 1885 und 1004
erschienenen Abhandlungen von Professor Klötzer „Schillers Beziehungen zur
Musik** (Heft 7 u. 8). — Hugo Löbmann sagt in dem Aufsatz „Noten fuchserei!*
(Heft 7), daß man in der Schule zwar nicht „bloß nach dem Gehör* singen lassen
solle, aber auch nicht die einseitige Obung im Notenlesen als alleiniges Heilmittel
gegen die Obelstände im Schulgesang betrachten dürfe. — Küffner bespricht in
dem Aufsatz „Musikalisches aus Bayern** (Heft 0) die Vorschriften des neuen
bayerischen Oberrealschullehrplans über den Gesangunterricht. Er fordert «die Auf-
nahme des Gesanges unter die allgemein verbindlichen Unterrichtsgegenstände*. —
Der in der „Revue** in Heft VII, 8 schon besprochene Aufsatz „Zur Frage des
Gesangsunterrichts an höheren Lehranstalten** von Hermann Abert wird aus der
Zeltung „Der Tag** abgedruckt (No.O). Die Schriftleitung widerspricht in einer längeren
Nachschrift der Ansicht des Verfassers, daß „die Wertung des Gesangunterrichts
an den höheren Schulen dadurch erheblich gewinnen werde, daß Philologen künftig
mehr als bisher die Erteilung desselben übernehmen.* „Der Wert eines Unterrichts-
faches wird in den Augen der Schüler fast ganz allein danach bemessen, welche
Bedeutung das Fach für die Zensur, die Versetzung und das Bestehen der Reife-
prüfung hat* Ferner weist die Schriftleitung daraufhin, „daß Oberlehrer-Kandidaten
durch ihre wissenschaftlichen Arbeiten sehr in Anspruch genommen sind und daft
die Gesanglehrerprüfung nicht so nebenher aus dem Handgelenk geschüttelt werden
kann.^ Die Schriftleitung meint, daß aus diesem Grunde wahrscheinlich nur
wenige Philologen sich bei der neuen Prüfungskommission in Halle um die Ge-
sangfakultas bewerben werden, „zumal es den Oberlehrern wohl bekannt ist, daß
Gesangstunden zu den schwersten Unterrichtsstunden gehören.* — Küffner be«
spricht eingehend und sehr lobend „F. Wiedermanns Notentafelm mit Obungen
für den Schulgesangunterricht** (Heft 10). — Karl Reisert berichtet unter dem Titel
„Ein Schülerabend Robert Kothes* über ein Konzert, in dem Kothe vor den Schülern
der vier höheren Lehranstalten in Würzburg Volkslieder vortrug. — H. Märten s
Aufsatz „Zur Gesanglehrerfrage** wendet sich gegen verschiedene Ausführungen
Aberts in dem oben genannten Artikel. — Paul Ziegler fragt „Wo bleibt das
»Kinderbuch* von Ludwig Erk?** (Heft 12). Erk fand für dieses Werk keinen Ver-
leger. Am Schluß des Aufsatzes heißt es: „Hat man es verjähren als eine Pflicht
des preußischen Staates erachtet, die Herausgabe des „Deutschen Liederhortes*
zu ermöglichen, um an Ludwig Erk eine deutsche Ehrenschuld abzutragen, so sollte
man nicht länger säumen, sein ,Kinderbuch* folgen zu lassen.* — Ferner enthalten
die Hefte die folgenden beachtenswerten Aufsätze: Andreas Allgayer: «Modulation
und Mollgeschlecht im Gesangunterricht der Volksschule* (Heft 4). — Amalie
113
REVUE DER REVUEEN
MGnch: „Einrührung in das Verständnis der Kantate von J. S. Bach: Meinen
Jesum laß ich nicht' (Heft 5). — Adolf Prümers: „Zweck und Ziele des Schul-
gesanges*. — Ernst Paul: „Aus der Praxis des Stimmbildners Prof. Ed. Engel"
(No. 6). — Richard Noatzsch: „Mozart und Salzburg in ihrem gegenseitigen Ver-
hlltnis." — Amalie Münch: „Die Pflege des rhythmischen Sinnes in der Schute"
(Heft 8). ~ Alexis Hollaender: „Die methodische Erziehung zur FlhEgkei', eine
Unterstimme zu singen" (Heft 9). ~ Karl Reeder: .Die Texibehandlung im Ce-
sangunter rieht." — Richard Noatzsch: „Die Erziehung des Publikums zum setb-
stindigenGenießenmusikfllischerKunsiwerke"(HeftIOu. 11). — Traugott Heinrich:
»Phonetik und Lauiphysiologie in ihrem VerhSItnls zur Gesanglehre <Heft 10—12;
wird fortgesetzt). — Adolf Cebrian: „Der Gesangunterricht an bOheren Knaben-
schulen und seine Bedeutung für die allgemeine Bildung" (Heft 10). — Richard
Noatzsch: „Rhythmische Atemübungen" (Heft 12). — H. LObmann: „Zur Pflege
der Mehrstimmigkeit in der Volksschule" (eine Erwiderung auf Hollaenders Auf-
satz in Heft 9) (Heft 12).
KORRESPONDENZBLATT DES EVANGELISCHEN KIRCHENGESANG-
VEREINS FÜR DEUTSCHLAND (Darmstadt), IWn No. 8-12, 1908 No. 1-4.
~ Die Zeitschrift enthlli ausführliche Berichte über die Verhandlungen In den Ver-
sammlungen des Vereins, Bücherbesprechungen usw. und die folgenden Aufsätze:
„Der Dresdner Kreuzchor" (No. 9j. — „Der musikalische Teil der von Liliencron-
schen Chorordnung" (No. 10), — „Die Chorschule" (im Großherzogtum Hessen)
von Heinrich Müller. — „Das Volksliederbucb für Minne rchor' (No. 1). — „Welche
Forderungen sind gegenwärtig zu erheben, um einen korrekten und einheitlichen
Gesang der evangelischen Kirchenlieder zu erzielen?" von Christian Drdmann
(No. 2). — „Evangelische Kirchenmusik in Österreich" von Ka'rl Knott (No. 3). —
,Zur Aufführung der Passionen von Heinrich Schütz" von Friedrich Spitta (No. 4).
— In der „Übersicht über die Tätigkeit der Kirchengesangvereine im Jahre 1907"
(No. 9, 1 und 2) werden Aulführungen kirchlicher IMusik zusammengestellt, aber
nlcbt besprochen.
DIE SÄNGERHALLE (Leipzig), 1907, No. 30-36, 40-43, 45-47, 52. — Diese
Nummern enthalten u.a. einen ausführlichen Bericht über das Breslauer Sänger-
ffest von P. Dibne («Siebentes deutsches Sängerbundes fest In Breslau"; No. 32
bis 40) und die folgenden Lei tauf sät ze : „Männergesangs feste in Deutschland von
1827—1845- von A. Richard Scheumann (No.30~31>. — „Vor 25 Jahren! Ein
ErinnerungsblatI an das Dritte Sängerbundes fest zu Hamburg" von A. Richard
Scheumann (No.3&). — .Die allgemeinen deutschen Gesangsfeste in den Jahren
1845, 1846, 1847" von A. Richard Scheumann (No. 36). — „Heiteres und Ernstes
aus dem Leben und Virken Julius Ottos" von A. Richard Scheumann (No. 41
bis 43). — „Die Aufgaben des Chordirigenten" von Anur Schlegel (No. 45-40).
— „Kleine Ursachen — große Wirkungen. Ein Erinnerungsblalt aus der Ge-
schichte der Regiments-Sänge rch 5 re in Preußen" von A. Richard Scbeumann
.(No. 52). Magnus Schwantje
KRITIK
OPER
BARMEN: Die Tätigkeit der Oper während
der zweiten Saisonhälfce gipfelte in den
Musikdramen „Salome** und »Tiefland*. Lang
erwartet und aufs beste vorbereitet, erfüllten
sie unter Lederers Leitung Ansprüche, die
man für gewöhnlich an eine Provinzbühne kaum
stellt. Maria Gärtner überraschte als hervor-
ragend dramatische und leidenschaftsglühende,
stimmlich prächtige Prinzessin. Dr. Pro 11 war
ein ausgezeichneter Jocbanaan. Herodes wurde
neben Hans Brunow durch verschiedene Gäste
von gutem künstlerischen Ruf gegeben. Keine
zwingende Notwendigkeit lag vor, die Rolle der
Marta in „Tiefland" bei sämtlichen Auf-
führungen durch Frida Felser-Köln vertreten
zu lassen, die allerdings unübertrefflich war; mit
ihr zusammen bildeten Theodor Latter mann
(Sebastiano) und Paul Hoch heim (Pedro) ein
seltenes Trio. In zahlreichen Abschiedsabenden
trat de Sympathie des Publikums für die vielen
ausscheidenden Künstler zutage, die in .Götter-
dämmerurg**, «Tristan*, «Meistersinger** und
«Hoffmanns Erzählungen** der Stätte ihres bis-
herigen Wirkens Lebewohl sagten. Zurzeit führt
das Op^mensemble nebst dem Orchester in den
größ;iren holländischen Städten mit vielem Er-
folge Vagner-Opern auf. Bei Berücksichtigung
des Umstandes, daß in wichtigen Fächern viel-
fach Besetzungsschwierigkeiten vorlagen, muß
der Ablauf der dritten Spielzeit unter der Direk-
tion Ockert als recht anerkennenswert be-
zeichnet werden. Dr. Gustav Ollendorff
BROMBERG: Die Monatsoper (vorwiegend
Rostocker Kräfte) stand auf höherem Niveau
als voriges Jahr, besonders darstellerisch und
szenisch. Direktor : Arthur vonGerlach, Regie :
Franz Eilers. Neuheiten für Bromberg:
«Tristan*, «Othello*, «Tiefland*, «Bobdme*;
außerdem «Walküre*, «Siegfried*, «Lohengrin*,
«Tannhäuser*, «Zar*, «Waffenschmied*, «Un-
dine*, «Zauberflöte*, «Freischütz*, «Trompeter",
«Evangelimann*, «Mignon*, «Carmen*, «Hansel
und Gretel*. Mit Auszeichnung zu nennen
Maria Wilschauer, Lola Stein, Käthe Neu-
beck, Helene Damann, Barbara Kemp; Max
Mansfeld, Franz Grasegger, Anton Werner,
Kurt G rebin; gerngesehene Gäste: Ludwig
Maurick und Max Barth; das treffliche
Rostocker Orchester. Dem strebsamen
Kapellmeister Gottfried Becker fehlt es noch
an zwingender Persönlichkeit. W. Well mann
BRONN: Puccini's «Madame Butterfly* war
auch auf unserer Bühne ein lebhafter, durch
eine vortreffliche Aufführung geförderter Erfolg
beschieden. Donizetti's anmutiger «Don Pas-
quale* hat in der Bierbaum-KIeefeldschen
Bearbeitung Anklang gefunden. Die Maifest-
spiele brachten uns diesmal die «Meistersinger*
mit den Herren Bisch off (Hannover), Beuer
(Wien), «Tristan* mit Marie Burk-Berger,
Herrn Trostorff (Breslau), «Salome* mit Annie
Krull (Dresden) und «Tiefland* mit Marie
Gutheil-Schoder und Erik Schmedes
als Gästen. Die Aufführungen waren qualitativ
ungleichmäßig, hielten sich aber durchwegs auf
einem respektablen Niveau. Besonders gut ge-
rieten die «Tiefland*-Aufführungen, die nebst
den Darstellern auch den Herren von Meix-
dorff (Regie) und Kapellmeister Veit reiche
und verdiente Ehren brachten.
S. Ehrenstein
DESSAU: Wagners Todestag beging die Hof-
oper durch eine erhebende Aufführung des
«Tristan*-Drama8 mit Alice Guszalewicz-Kölo
als Isolde. Am 8. März entzückte Sigrid Arnold-
son durch ihre vollendete Garmen-Darstelluog.
Der März brachte außerdem den zweiten «Ring*-
Zyklus der Saison mit Luise Reuß- Bei ce(Fricka),
Elsa Hensel-Schweitzer (Sieglinde), Alice
Guszalewicz (Brfinnhilde) und L6on Rains
(Hagen) als Gästen. — Lebhaftes Interesse erregte
die Inszenierung von Liszts dramatischer Legende
«Die heilige Elisabeth*. Starke Erfolge erzielten
Rita Sacchetto mit ihren idesl-schönen Tsnz-
bildern, L6on Rains als Mephisto, Frau Preuse-
Matzenauer als Dalila sowie Dr. Ladwis
Wüllner als Manfred. Eine •Meistersinger*«
Aufführung, in der R. v. Milde den Sechs,
Hans Tänzler (Karlsruhe) den Stelling, Lfon
Rains (Dresden) den Pogner und Frsn Sschse-
Friedel (Berlin) die Magdalena ssng, schloß
die dieswinterliche Spielzeit. Ernst Hsmsnn
CREIBURG i. B.: Der diesjährige Opemsplel-
^ plan unseres Stadttheaters litt diesmal unge-
wöhnlich viel unter anhaltenden Indispositionen
des Sängerpersonals, was eine Menge mehr oder
weniger erfolgreicher Gastspiele snswirtiger
Künstler zur Folge hatte. Unter diesen viren
die von Fritz Fein hals (Wotsn and Donjoan),
Dr. Hans Gopony (Wilhelm Meister) und Wil-
helm Fenten (Marke) in erster Linie zu nennen.
Als neueinstudiert erschienen: Brfills «Gol-
denes Kreuz*, d'Albert's «Tiefland*, Goldmsrks
«Königin von Saba* und die hundertste Auf-
führung von Mozarts «Figaro* (erstmals am
8. Januar 1828). An Erst-Aufffihrungen
kamen neben Heubergers ziemlich spurlos ver-
laufener Oper «Das Barfüßele* noch zwei Ein-
akter: Götzls «Zierpuppen* und Gorters «Das
süße Gift* zu Gehör, von denen sich keine ala
eine wirkliche Bereicherung des Spielplans er-
wies. Natürlich durfte auch «Die lustige Witwe*
nicht fehlen. Weber erschien nur mit einem
«(Freischütz*), Mozart mit drei und Wagner mit
fünf Werken, darunter «Tristan und Isolde*; mit
diesem schloß die Spielzeit. — Der Neubau dea
hiesigen Stadttheaters schreitet so rüstig Tor-
warts, daß man annimmt, mit der Eröffnung IBr
Spätsommer 1909 rechnen zu dfirfSen.
Victor August Loser
GERA: In der soeben beendeten Musikaalaon
1907 hat die Kunst in der Residenz Gera
durch die Protektion unseres Erbprinzen Hein-
rich XXVII. wieder eine erfreuliche Förderung
erfahren. Als kunstbegeisterter Schntzherr der
Richard Wagner-Stipendienstiftung für Reufl ]• L.
hat der Erbprinz eine mustergültige Aufffilirnnff
von «Tristan und Isolde* veranlaßt, die allein
10000 Mk. für Inszenierung des Werkes» naeh
Bayreuther Muster, erforderte. Die Hauptpartleen
lagen in den Händen bekannter Wagner-Singer
und -Sängerinnen; Tristan: Dr. Ton Barf
(Dresden), Kurwenal: Soomer (Leipzigy, K6nig
Marke: Paul Knüpf er (Berlin), Isolde: Zdenka
Faßbender und Brangine: Lisbeth Ulbrleh
(München). Die Aufführung unter Mottle Leitung
war eine glanzvolle, wobei sich auch die Ffirst-
liche Kapelle wieder Ruhmeskrinse erwarb.
115
KRITIK: OPER
Horkapellmeister Klee mann hatte die Musik
vorbereitet. — Der Musikalische Verein be-
schloß die Saison mit der Auffuhrung der
«Legende von der heiligen Elisabeth" von Franz
Liszt. Als Solistinnen wirkten mit Mathilde
Dennery (Köln), Else Ben gell (Berlin); ferner
Rudolf Gmur (Weimar) und Walter Soomer
(Leipzig). Hofkapellmeister Kleemann brachte
das Lisztsche Werk vortrefflich zur Ausfuhrung
und Idste damit beim Publikum begeisterten
Beifall aus. Kleemann, der mit dieser Auf-
führung hier das 20. Jahr seiner künstlerischen
Titigkeit beendete, wurden ehrende Ovationen
dmrgebracht. A. Straube
GOTHA:Herzogliches Hoftheater. Winter
1906. Die bemerkenswertesten Taten unsrer
Hofoper im vergangenen Winter waren die Auf-
fahriingen des »Ring" und von* «Tiefland".
Mit Zähigkeit und Energie hat Alfred Lorenz
die mttstergfiltige Wiedergabe des gesamten
Nibelongenringes (von dem bisher nur «Rhein-
gold* und die «Walküre" ermöglicht worden
waren) durchgesetzt; mit Recht wurde er in
erster Linie als der geistige Leiter des Ganzen
gefeiert. Außer unseren heimischen Kräften —
▼on denen insbesondere zu erwähnen sind
Alois Hadwiger (Siegfried), Richard Richard!
(Albericb), Johanna Brackenhammer (Erde,
Waltraate) — wirkten in den Hauptpartieen mit
Moers als Loge, Frau Reuß-Belce als Fricka,
Zdenka Faßbender als Brünnhilde. Unbegreif-
lich bleibt die Besetzung des Wotan im «Rhein-
fOld* mit einem blutigen Anfänger, dessen Name
der Vergessenheit geweiht bleibe, ein Verschulden,
das auf das Konto der nicht gleichmäßig von
künstlerischen Gesichtspunkten aus handelnden
Intendanz zu setzen ist, deren unheilvoller Ein-
floß übrigens nunmehr dank dem Eingreifen
▼on höchster Stelle aus endgültig beseitigt wurde.
«Tiefland" war von anhaltendem Eindrucke
ttnd gilt allgemein als die beste Neuerwerbung
nnd Neuschöpfung. Im übrigen litt unsere Oper
an einer gewissen Ungleichmäßigkeit in der
Besetzung, deren Grund bereits angedeutet
wurde; such in dem häufigen Versagen unseres
Heldentenors, der im ganzen Winter nur achtmal
xnm Singen kam. Zur Aufführung gelangten:
siebenmal «Die lustige Witwe*, viermal „Mignon**,
je dreimal «Lohengrin*, «Johann von Paris*,
«Heimchen am Herd*, «Fortunios Lied*, je
zweimal «Carmen*, «Barbier von Sevilla*,
«Glöckcben des Eremiten*, «Zampa*, «Martha*,
«Wintermärchen*, «Domröschen*, «Tiefland*
nnd je einmal «Margarete*, «La Traviata*,
«Meistersinger* (mit Soomer als Hans Sachs),
«Regimentstochter* (Olga Kallensee-Kassel),
«Rheingold*, «Walküre*, «Siegfried*, «Götter-
dämmemng*, «Versprechen hinter'm Herd*,
«Cavalleria rusticana*, «Waffenschmied*, «Wild-
schütz*, «Fledermaus*, «Undine*, «Orpheus und
Earydice*» «Zar und Zimmermann*, «Troubadour*.
Von Komponisten waren am meisten vertreten:
Wngner achtmal, sowie mit einer Festaufführung
nnd einem Konzert zu Wagners Todestag (u. a.
Ouvertüren zu «Kolumbus* und .Rule Britannia*),
Lehar siebenmal, Thomas und Lortzing je vier-
mal, Boieldieo, Goldmark, Offenbach je dreimal.
Dr. Weigel
HALLE •• S.: Wie vor einigen Jahren die Ur-
anfffibning des «Marienkind* von Wintzer,
so bedeutete auch die Uraufführung der so-
genannten komischen Oper «Gouverneur und
Müller* von Alfred Ernst aus St. Louis eine
Niete in der Opernlotterie. Das Werk behandelt
denselben spanischen Stoff wie Hugo Wolfs
»Corregidor*, doch hat der Textbearbeiter, ver-
mutlich der Komponist, die Novelle in einer
überaus unglücklichen Weise als Libretto zurecht-
gemacht. Die Musik fließt von Sentimentalität
über, wird selten einmal der Situation gerecht
und weist ziemlich oft Anklänge an berühmte
Vorbilder auf. Der selbst dirigierende Kompo-
nist zog sein Musenkind nach der ersten Auf-
führung zurück. — Eine zum großen Teil hoch-
erfreuliche Aufführung des «Ring* schloß die
Saison um so glücklicher ab, als Hofrat Richards
für jeden Abend einen interessanten Vertreter
irgendeiner Hauptrolle von auswärts gewonnen
hatte. So erregte der Meister-Loge Dr. Briese-
meiste rs ebenso einhellige Bewunderung wie
der Muster-Mime von Hans Breuer. Für Carl
Perron sprang im letzten Moment Herr Kronen •
Nürnberg rettend ein. Sehr gefiel auch Thila
Plaichinger als Brünnhilde in der «Götter-
dämmerung*, wenngleich sie ihre herrliche Auf-
gabe nicht rest- und wunschlos durchführte.
Von unseren Kräften zeichneten sich Sofie Wolf
als Sieglinde und Gutrune und Frau Agloda
als Walküre und Brünnhilde ebenso aus, wie
Herr Frank als Wanderer und Wotan und Rupert
GogI als Siegmund und Siegfried Hervor-
ragendes boten Theo Raven als Regisseur nnd
Kapellmeister Mörike mit dem Orchester.
Martin Frey
KIEL: Die Oper des neuen Stadttheaters, Di-
rektion Gottscheidt (Oper) und Otto
(Schauspiel), eröffnete ihre Spielzeit mit einer
gelungenen Aufführung des «Fidelio*. Dann
folgte eine Zeit des Tiefstandes, eine Zeit der
Kinderkrankheiten. «Bunte Abende* und Ope-
retten terrorisierten das Repertoire. Allmählich
nur erholte man sich vom dramatischen
Schrecken. Die üblichen Wagner-Opern boten
nichts Besonderes. Das Bedeutsamste ist mit
den guten Aufführungen von d'Albert's «Tief-
land* und Strauß' «Salome* zu verzeichnen.
Die Spieloper hätte eine liebevollere Teilnahme
verdient. Der Direktion ist das lebhafte Bestreben
nachzusagen, das Beste tun und nur Gutes
bieten zu wollen. Aber noch stoßsn sich hart
im Raum die Sachen. Die ganz ungenügende
Besetzung des Alt- und Koloraturfachs schädigte
manche Vorstellung, und die Wirtschaft mit un-
erfahrenen Kräften hat sich nicht bewährt. Die
leistungsfähigen Stimmen sind vertreten durch
die Damen Anton-Cordes und Graft, die
Herren Saville, Bischoff, Grifft, Kandl,
Stuhlfeld. Kapellmeister Seh reiber hat Tüch-
tiges geboten. In der nächsten Saison wird man
viel zu tun haben, die großen Versprechungen
vollgültig einzulösen. Hans Sonderburg
KÖLN: In einer «Salome* -Aufführung, die
der immer schlagfertige Franz Weißleder
in trefflichem Seile leitete, erschien als Aus-
hilfsgast in der Rolle des Jochanaan Richard
Breitenfeld von der Frankfurter Oper, früher
Mitglied der hiesigen Bühne. Des Sängers
Organ, das allerdings den Maßstab der sieg-
haften Stimmen der hiesigen ersten Baritonisten
nicht verträgt, zeigte gleichwohl eine beträcht.
116
DIE MUSIK VII. 20.
liehe Klangfülle. Daß Charakterisieren nicht
Sache Breitenfelds ist, hat er wie ehedem so
«uch jetzt wieder erwiesen. — Neben bekannten
Repertoire-Opern bewahrten wieder die zum
eisernen Bestände unseres Opernhauses ge-
hörenden beiden Operetten «Die Fledermaus*
und »Der Zigeunerbaron* ihre alte Beliebtheit.
— Mit Glucks ,,Orpheus* brachte Otto Lohse
«m 27. Mai, also kurz vor Schluß der offiziellen
Spielzeit (es folgen die Festspiele!), noch eine
wertvolle Neueinstudierung. Gab er die Initiative
zu einer außerordentlich schönen Orchester-
leistung, so war Charlotte Huhn ein hoch-
ragender Orpheus von packender dramatischer
Kraft und edelster Süßerer Plastik.
Paul Hiller
LINZ: Mit den diesjährigen Opernvorstellungen
konnten wir im großen und ganzen zufrieden
■sein. Aus der Fülle des Gebotenen erhob, sich
4ie Mehrzahl zu vollwertigen Leistungen. Mit
dem Repertoire konnte man allerdings nicht
einverstanden sein. Wagner wurde beispiels-
weise fast ganz übergangen, dafür standen
Puccini, Meyerbeer, Verdi, Bizet obenan. Puccini's
«Tosca* gelangte achtmal zur Aufführung. »Die
Afrikanerin*, «Carmen* und «Troubadour* wurden
je viermal aufgeführt; »Aida*, «Hugenotten*,
«Cavalleria rusticana*, «Martha*, «Trompeter
von SSkkingen*, «Lohengrin* und «Hollinder*
kamen je dreimal zur Darbietung; fe zwei Auf-
führungen erlebten «Rigoletto*, «Waffenschmied*,
^Boh6me*, «Figaros Hochzeit*, «Zauberfiöte*,
«Lucia*, «Freischütz* und «Halil Patrona*; ein-
mal wurden die «Lustigen Weiber* gegeben.
Der Oper «Halil Patrona*, von einem Wiener
Komponisten Häuser, wird ein kurzes Leben
foeschieden sein. Der Stern unserer Oper war
die Hochdramatische Marie Dop! er, eine An-
fängerin, deren natürliches Können in mancher
Rolle an Meisterschaft heranreichte. Wein-
gartner hat die junge Künstlerin für die Wiener
Hofoper gewonnen. Alois Königstorfer
I OBECK:DieletzteSaisondesInterim-Theaters,
^ dessen Direktion leider von zu wenig künst-
lerischem Ehrgeiz beseelt war, veniägt keine
strengere Kritik. Alle unsere Hoffaungen knüpfen
sich an das neue Stadttheater, das am I.Oktober
der Benutzung übergeben wird, und seinen Leiter,
Intendanzrat Kurtscholz, dem ein ausgezeichneter
Ruf vorangeht. J. Hennings
f Ottich : Nach dem außerordentlichen Erfolg
^ von «Fausts Verdammung* von Berlioz
brachte das Königliche Theater das Werk eines
jungen Komponisten zur ersten Aufführung:
das fünfaktige lyrische Drama «Hernani* von
Hirschmann. Die Neuheit wurde ziemlich
beifällig aufgenommen, obwohl die Musik nicht
.auf der Höhe der Hugo'schen Dichtung steht.
Gleichfalls zum ersten Male in Lüttich kamen
zur Wiedergabe «Griselidis* von Massenet
und «Les Armaillis* von G. Doret: zwei
interessante, aber nicht gerade überwältigende
Werke. — Die schon seit längerem in Aussicht
genommene .Zauberflöte* wird nun im
Oktober in Szene gehen. Femer kündigt die
Direktion an Neuheiten an: Boito («Meflsto-
fele*), Leroux («Der Landstreicher*), Mussorgski
{«Boris Godunow"). Paul Magnette
/^DESSA: In jeder Hinsicht durchaus un-
^^ befriedigende Vorstellungen von «Aida*,
«Traviata*, «Hugenotten*, «Prophet*, «Tosca*,
«Troubadour*, «Barbier von Sevilla*, «Cavalleria
rusticana**, «Bajazzo*, «Norma* und «Dämon*
brachte Francesco Castellano während der
großen Fastenzeit. Trotz ungenügendster Dar-
stellung war das Haus jeden Abend bis zum
letzten Platz besetzt, da Odessa von der hier
sehr beliebten italienischen Oper drei Jahre
lang getrennt war. Leider werden Unternehmen
dieser Art von dem anspruchslosen Publikum
unterstützt und ist die lokale Kritik ihnen gegen-
über machtlos. Von Puccini gelangten außer-
dem zur Wiedergabe «Manon Lescaut* und
«Boh6me* und als örtliche Erstaaff&hrang
«Madame Buttjerfly*. Diese Oper wurde
von der Kritik ablehnend besprochen; ihr größter
Fehler liegt wohl im vollständigen Mangel an
lokalem Koloflt. Zum erstenmal wurden hier
ferner Mascagni's «Iris* und «Amlca* auf-
geführt. Es sind Werkchen ohne jegliche Be-
deutung. Gute Kräfte des italienischen Ensembles
sind nur der Kapellmeister Weills, der dra-
matische Sopran Bianchiqi Capelli und die
Koloratursängerin Santarelli.
A. Getteman
PARIS: Als Ludwig XV. die Absicht aossprach,
Jean-Baptiste Rameau in den Adelsstand zu
erheben, soll dieser ausgerufen haben: ^Eioen
Adelsbrief für mich? Castor und Dardanas
haben ihn schon lange für mich unterschrieben.*
Diesem Ausruf entspricht es, daß vor einigen
Monaten «Dardanus* in Dijon, der Heimat Rt-
meau's, und «Castor et Pollax* etwas später in
Montpellier wieder auf die Bühne gd>racfat
wurden. Die Große Oper in Paris hat es da-
gegen vorgezogen, das dramatische Erstlingswerk
Rameau's, «Hippolyte et Ariele*, wieder ins
Leben zu rufen, das Rameau offbnhar sdbst
weniger schätzte, und das auch etwas frfiher als
die andern, nach dOjähriger Existenx, im Jahre
1763 von den Werken Glucks Terdringt wurde.
Für diese Wahl scheint npr der Umstand den
Ausschlag gegeben zu haben, daß der Stoff
dieser Oper dank der «Phftdre* Racine's dem
heutigen Theaterpublikum vertrauter ist, als der
des «Castor* odsr des «Dardanus*. Dieser
Grund kann jedoch ebensogut auch gegen die
Wahl der Großen Oper ins Feld geführt werden.
Abb6 Pellegrin, dem Rameau seinen Opem-
text verdankt, hat nämlich die Tragödie Racine*s
in einer Weise für die Musik verunstaltet, daß
die Erinnerung an jenes Meisterwerk den musik-
dramatiscben Genuß weit mehr hindert, als
fördert. Die nutzlose Zutat eines langen Prologs
und eines noch längeren Epilogs, in dem der
von dem Ungeheuer zerfleischte unglückliche
Hippolyte von Diana wieder zum, Leben erweckt
und mit Ariele vereinigt wird, schwächen das
Interesse ab. Dann hat der gute Abb6 seine
Vorliebe für die griechische Vielgötterei doc&
zu weit getrieben, indem er außer der Diana,
die er wenigstens bei Euripides im «Hippoljrtos*
vorfand, auch noch Jupiter, Pluto, Neptiin,
Merkur, Amor, Tisiphone und die drei Parzen
in Aktion setzte. Die Große Oper hat wenigstens
den Neptun weggelassen, aber dadurch ist das
von Pellegrin angeflickte Ende npch unreratlnd-
licher geworden. Trotzdem gelang das Wagnis
so ziemlich, eine Oper von 1733 dem hentigen
Theaterpublikum vorzuführen. So steif und un-
CEBSSb
celenk für unser Gefühl Rameau's Melodieen und
Harmonieen sind, so dürftig seine Instrumentation
ist, so rettet ihn doch immer wieder die Isräftige
Rhythmisierung. Weder Delmas (Theseus),
noch Plamondon (Hippolytos), weder Lucienne
Br^val (Phldra), noch die Anfängerin Yvonne
Call (Aricia) brauchen es zu bereuen, sich in
den altertümlichen Stil eingearbeitet zu haben.
— Kaum vierzehn Tage nach der Wieder-
belebung Rameau's unternahm die Große Oper
ein neues Wagnis, indem sie neun Vorstellungen
▼on Mttssorgski's «Boris Godunow** mit
rassischen Solisten und Choristen in russischer
Sprache veranstaltete. Das Werk stammt aus
dem Jahre 1874 und ist noch nie außerhalb
Rußlands gegeben worden, obschon es wohl das
bezeichnendste Bühnenwerk der neurussischen
Schale ist und durch die starke Berücksichtigung
des volktfimlichen Elements die sogenannte
«historische Oper* in einer Weise erneuert hat,
die Scribe und Meyerbeer nicht vorausgesehen
haben. Der berühmte Baß« Bariton S c h a 1 j a p i n
brachte die Gewissensbisse des Usurpators und
Prinzen mörders Boris zu überraschender Gel-
tung, und unter den übrigen Solisten ragten
namentlich der Tenor Smirnow, der Bassist
Kastorski, die dramatische Sängerin Jermo-
lenko und die Altistin Petrenko hervor. Der
Petersburger Dirigent Blumenfeld erreichte
mehr von dem indolenten Orchester der Großen
Oper, als die einheimischen Dirigenten. Das
Publikum füllte das Haus trotz erhöhter Preise,
so oft «Boris* gegeben wurde. Die Aufführung
in französischer Sprache ist für nächstes Jahr
eine beschlossene Sache. — Dem «Boris Go-
danow* von Mussorgski in der Großen Oper
folgte «Snjegurotschka* von Rimsky-Kor-
ssakow inderKomischenOper aufdemFuße.
Die beiden Direktoren hätten ein solches Zu-
sammentreffen besser vermieden, so verschieden
auch die beiden Werke an sich sind, denn zu-
▼iel Eigenheiten der russischen Kunstpflege sind
Ihnen gemeinsam, namentlich die gründliche
Verachtung jeder Rücksicht auf harmonischen
Aufbau eines dramatischen Ganzen. Da sich
Rimsky einen rein phantastischen Märchenstoff,
den er bei Ostrowski vorfand, ausgesucht hat,
so ist freilich bei ihm die Inkohärenz erträg-
licher. Immer rettet ihn auch seine im guten Sinne
des Wortes «amüsante* Orchesterbehandlung.
Er bleibt übrigens, auch wenn er für die Stimmen
schreibt, Instrumentalist. Charakteristik, Ge-
IBhlsausdruck, Dramatik sind ihm Nebensache.
Wenn es ihn für das Ensemble passend dünkt,
einen uralten König Tenor singen zu lassen,
so läßt er ihn als ersten Liebhaber girren, und
die zeitweise zum Menschenkind gewordene,
aber herzlos gebliebene Schneeflocke Snjeg-
arotschka (Snjeg bedeutet Schnee im Russischen)
drückt sich nicht anders aus wie die durch ihre
Koketterie ihres Anbeters beraubte, tief unglück-
liche Bauerndime Kupawa. Nur der einer Alt-
stimme zugeteilte Hirte Lei, der, von dem
Schneemädchen zurückgestoßen, die von dem
Kaufmann Misgir verlassene Kupawa tröstet, ist
eine einigermaßen menschliche Figur geworden.
Frl. Brohly, die schon als Klytämnestra in
Glucks «Ipbigenie* sehr gefallen, teilte sich mit
Frau Carrd, die die sehr anspruchsvolle Titel-
partle reizend sang, in den Erfolg. Der Haupt-
VII. 20.
117
KRITIK: OPßflr
anteil fiel freilich dem äußerst munteren Ballet
zu, an dem sich neun russische Tänzer be-
teiligten, die namentlich durch kühne Sprünge
Aufsehen erregten. Trotz einer wahrhaft afri-
kanischen Hitze wurde das ganze Ballet in der
Generalprobe von Anfang bis Ende wiederholt
und beim zweitenmal ebenso lebhaft beklatscht
wie beim erstenmal. Außer der Tanzmeisterin
Mariquita, die ebensogut antike wie echt sla-
wische Tänze arrangiert, und der ersten Tänzerin
Badet hat sich auch der Orchesterdirigent
Ruhlmann großes Verdienst erworben. An-
erkennung verdient auch die französische Text-
übertragung von Pierre La lo und Frau Hai per in.
Daß Ausstattung und Kostüme hervorragend
sind, braucht bei der Komischen Oper nicht erst
versichert zu werden. Felix Vogt
PHILADELPHIA: Der Schluß der hiesigen
Opernsaison brachte die beiden wichtigsten
Ereignisse : Gustav M a h 1 e r als Dirigenten und die
Manhattan Operngesellschsft Oscar Hammer-
steins aus New York. Der Dirigent Mahler
hat hier wohlverdiente Triumphe errungen, vor
allem mit einer Meisteraufführung des «Tristsn*,
bei der Olive F r e m s t a d , die die Partie der Isolde
unter seiner Leitung studiert hatte, geradezu
begeisternd wirkte, wiewohl die Partie ihrer
Stimmlage nicht ganz entspricht. Innere Be-
wegtheit bei äußerer Ruhe ist wohl das Be-
zeichnendste für den Dirigenten Mahler. Im
«Ring* wie im «Tristan* ordnete er das
Orchester den Singstimmen in einer außerge-
wöhnlichen Weise unter. Das Dramatische rückt
dsdurch in die erste Linie. Er erzielte damit
besonders im «Tristsn* mächtigeWirkungen, allein
im «Ring* gingen manche zarte Effekte infolge
der eigenen akustischen Verhältpisse unseres
Hauses mit seinen weiten offenen Parterrelogen
und seinen tief eingebauten Galerieen verloren.
Was abgedämpft klingen sollte, klang ver-
schwommen. Wahrhaft genial war seine Inter-
pretstion des «D o n J u s n*. Das war Neuschaffung
aus dem Geiste Mozarts und seiner Zeit. Kaleido-
skopisch bunt zogen die einzelnen Bilder in
rsscher Folge vorüber. Kein ängstlich Wägen
und zsges Philosophieren, sondern ein fester
Griff aus dem Vollen, und die opera buffa lebte
wieder auf. Ein Riesenerfolg, trotz der
unzureichenden Besetzung der beiden Partieen
der Donna Anna und Donna Elvira. Dafür ent-
schädigten der Leporello des Russen S c h a 1 j a p i n ,
dessen Registerarie wohl die beste individuelle
Leistung der Saison wsr und die Farrar, die
eine entzückende Zerline war. Sonst brachte
die M etr 0 pol itan-Ge seil Schaft nichts Neues
von Bedeutung. Eine treffliche «Aids*- und
•Tosca*- Vorstellung mit Caruso, Scotti und
Emma Eames in den Hauptrollen war schon
von den früheren Saisons bekannt, und in der
«Bohöme*, die hier immer mehr gefällt, sang
ausnahmsweise statt Caruso's Bonci den Rodolfo
mit gutem Gelingen. Berts Morena, die seit
drei Jahren vergeblich Erwartete, trat endlich
als Elisabeth im «Tannhäuser* auf und bewährte
den Ruf, der ihr von München vorausging, voll-
kommen. Der finanzielle Erfolg der Metropolitan
war hier sehr beträchtlich, und für die nächste
Saison werden bereits 28 Vorstellungen snge-
kündigt. Ob sich die neue directoriale Zwei-
herrschaft (Gatti-Casazza und Dippel) bewähren
9
118
DIE MUSIK VII. 20.
wird, ist recht zweifelliaft. Allein plan- und
kopfloser als es unter Conried zugegangen ist,
kann es nicht mehr werden. Da Mahler und
Toscanini als künstlerische Leiter gewonnen
wurden, so glaubt man hier sogar auf einen
kfinstlerischen Aufschwung des Unternehmens
rechnen zu dürfen. — Zum Schluß der Saison
fand sich auch Oscar Hammerstein veranlaßt»
hier mit seiner New Yorker Operngesellschaft
zwei Vorstellungen zu geben, die uralte »Lucia*
mit dem neuesten Koloraturstar, LuisaTetrazzi-
ni, und Charpentier's «Louise**. Die Nachfrage
nach Sitzen für diese Vorstellungen war so
enorm y daß die beiden Opern zehnmal
hintereinander bei vollen Häusern hStten ge-
geben werden können. Diese Tatsache, sowie
der kfinstlerische Erfolg der beiden Vorstellungen
veranlaßten Herrn Hammerstein, den Plan der
Errichtung eines eigenen Operntheaters in
unserer Stadt, der, wie ich Ihnen berichtet, be-
reits aufgegeben war, in Wiedererwägung zu
ziehen und auch gleich zur Ausführung zu
bringen. Die Grundmauern des neuen Theaters
werden bereits aufgeführt. Das Gebäude im
Stile des Münchener Prinzregenten-Theaters wird
Raum für 4000 Personen bieten, bereits im No-
vember fertiggestellt sein und die neue Opern-
gesellschaft Hammersteins beherbergen können.
Es handelt sich nicht etwa, wie beiderMetropolitan-
Gesellschaft, um eine Anzahl Gastspiele der
New Yorker Oper, vielmehr sollen die beiden
Hammersteinschen Opemuntemehmungen hier
und in New York separat geführt werden und nur
hie und da soll ein Austausch der Vorstellungen
oder der einzelnen Künstler stattfinden. Was
nun die beiden Vorstellungen der Hammer-
steinschen Gesellschaft anbelangt, so standen
sie, was Stilechtheit, Pracht der Inszenierungen,
Ausstattung und Ensemblewirkung anbelangt,
weit über den Vorstellungen der Metropolitan,
wiewohl diese über größere Stars verfugen mag.
Dies gilt nicht von Frau Tetrazzini, die hier
als Lucia einen wahren Patti-Triumph errungen
hat. Eine Patti ist sie aber noch lange nicht.
Ihr Organ ist in der Mittellage und der unteren
Partie recht unbedeutend und gewinnt erst von
dem G der zweigestrichenen Oktave an Glanz.
Von einer Ausgeglichenbeit der Stimme, dem
Hauptreiz der einstigen Patti, kann keine Rede
sein. Dafür besitzt Frau Tetrazzini einige hohe
Töne von phänomenaler Leuchtkraft, mit denen
sie das hiesige Publikum, das sie schon durch
ihre etwas südlich -üppige Erscheinung und ihr
dramatisch bewegtes Spiel gewann, vollends
gefangen nahm. Charpentier's «Louise** hat das
hiesige Publikum trotz einer musterhaften Auf-
führung mehr befremdet als begeistert. Merk-
würdigerweise war es nicht die für jeden Nicht-
pariser sinnlose Vergötterung von Paris und das
vergebliche Mühen des Komponisten, ihr einen
entsprechenden musikalischen Ausdruck zu
finden, die hier anstießen. Der jämmerlich
schwache Montmartre-Akt fand sogar Beifall.
Worüber sich unsere «Gesellschaft" aufhielt,
war das «Armeleut*-Milieu, gerade das Beste
der Oper. Dieses urbürgerliche Auslöffeln der
Suppe, das Nachfüllen der Kohle, Plätten,
Waschen usf. coram publico, das konnte unsere
Plutokratie nicht verwinden. Auch ein Stand-
punkt Mary Garden in der Titelpartie und
G i 1 i b e r t als Vater boten vortre ffliche Loistungen,
und der neue Tenorist Dalmores erwies sich
als trefflicher Künstler. — Die letzte Theater-
saison war wegen der traurigen wirtschaftlichen
Verhältnisse in den Vereinigten Staaten ein
Fehlschlag. Nur die Oper machte gute Gescbifte.
Die Folge ist, daß wir nunmehr mit Opern-
gesellschaften überfiutet sind. Zwei neue eng-
lische Gesellschaften, eine aas New York and
eine aus Boston, veranstalten hier jetzt Anf-
führungen von italienischen und franzdsischen
Opern, die einfach schmachvoll sind. Allein
die Manager machen Geld, und das ist alles,
was sie wollen. Präsident Roosevelt hat Ton
den neuen Münzen der Vereinigten Staaten das
alte Motto «In God we Trust* entfernen lassen.
Das Motto ist für die Vereinigten Staaten in
der Tat veraltet. Es hätte schon längst durch
das einzig passende «non ölet* ersetzt werden
sollen. Dr. Martin Darkow
POSEN: Der Versuch, den mit «Götter-
dämmerung* begonnenen, mit »Siegfried"
fortgesetzten „Ring* zu Ende zu führen,
scheiterte bei der »Walküre* an der Unznläns-
lichkeit einiger Kräfte. D'Albert'a «Ab reise* ging
unter denselben Verhältnissen spurlos TorGlier,
während M. Gh. Heß' «Pierrots Bekehrung*
in der deutschen Uraufführung besser abschnitt^
ein harmloses melodisches Werkchen.
A. Hach
REICHENBERG i. B.: Spielzeit 1907/8. Recht
spärlich war die Zahl der Novitäten. An
55 Opemabenden 15 Opern, davon drei Erst-
aufführungen. Die Mitwirlraog eines illustren
Gastes aus der Gesellschaft verhalf Pnccini's
stimmungsvoller »Bohdme* zu einem Teilen Er*
folge. Wer den Mut finden konnte, dem Opem-
leiter, dessen vorzügliche musikalische Qoalititen
mir genügend bekannt sind, die Anfffibning Ten
»Siegfried* zu empfehlen, ist mir unbsgreiflidh.
Alle drei Prämissen Wagners wurden nicht er-
füllt. Die Wagnerfrage ist bei ans haaptsicblich
eine Solisten- und Orchesterfriige. Ein einziger
Sänger (Wsnderer) vermochte annähernd zu be*
friedigen. Die orchestrale Wirkung, die Poeste
des zweiten Aktes blieb gänzlich aus. Drei erste
Streicher, ein Cello, minder exskte Helzbliser,
eine etwas antiquierte Harfe und noch einige
Instrumente, die längst zum alten Eisen ge>
hören. Doch das Publikum und der minder
anspruchsvolle Teil der Lokalberichte schienen
nichts zu vermissen, daher erlasse ich mir ein
besonderes Eingehen suf die Fehler und Mingel
dieser Aufführung. Auch «Tannhiuser* und
«Lohengrin* erfuhren nur eine proTinsiale
Durchschnittsaufführung. In Verdi*s »Othelle*
schienen mir die grellen Fsrben zn stark saf-
getragen. Sonst gab es das bekannte Progremm
ohne besondere Momente; nicht einmal »Trom-
peter* und «Troubadour* fehlten. Eine ungleich
größere Zugkraft übte die Operette aus. Nach
der .Lustigen Witwe* selbstverständlich der
, Walzertraum*. Auch bei uns sind eben inflere
Verbältnisse maßgebender als die besten kfinst-
lerischen Absichten.— Auch das nahe Gabions
hat seit heuer sein eigenes Stadttheater, einen
scböneil, monumentalen Bau, auf gfinstigeaa.
Platze inmitten der Stadt gelegen, mit suier
Akustik. Entsprechende Pfiege Ton Oper and
Operette, auch die Uraufführung einer Oper
3«
119
KRITIK: OPER
«Leon* von Kapellmeister S c h a b 1 a ß , Bruckner-
schfiler, kann ich verzeichnen, der leider nur
eine ganz kurze Lebensdauer beschieden war.
Dr. Robert Schier
ROSTOCK: »Rheingold" und ,»GötterdIni-
merung" folgten den bereits früher auf-
geführten vRing*-Dramen. Maria Wilschauer
zeichnete sich besonders als Brünnbilde in der
»Göuerdimmerung* aus. Die musikalische
Leitung Kapellmeister Beckers verdient hohes
Lob. Der 13. Februar wurde durch eine Auf-
führung des «Tannhäuser" in der Pariser Be-
arbeitnng gefeiert. Im »Lobengrin* sangen als
Giste Annie Krull (Dresden) und Fritz Vogel-
strom (Mannheim), dieser mit außerordentlichem
Erfolg. — Von Neuheiten ist noch eine gute
AafKibrung von Puccini's «Boheme* zu er-
wihnen. Prof. Dr. W. Golther
STETTIN: Durch relativ gute «Ring*-Auf-
führungen, die fast die ganze zweite Hälfte
des Spielplans beherrschten, bat die Direktion
llling unsere Bühne fortgesetzt auf einen be-
friedigenden Höheostand und damit das Inter-
esse des Publikums in einer Stetigkeit er-
halten, die ehedem oft vermißt wurden. Da-
zwischen eingestreute wenige Neuheiten (Sieg-
fried Wagners „Bruder Lustig^ Cornelius'
„Barbier* u. a.) dienten eben nur dazu, die
Spielleitung in ihrer Verbindlichkeit zu ent-
lasten, die dann um so ruhiger zum kassen-
füllenden Richard Wagner und leider auch zu
dem anscheinend notwendig gewordenen Obel,
dem magenverderbenden Operettenkonfekt, zu-
rückkehren konnte. Kapellmeister Wohllebe
und jenseits der Rampe der Tenor Voß, die
Herren Jean Müller und Schenk in den Bsß-
und Baritonflchern, sowie die Damen Pfeil-
schneider und Wahlen leisteten gute Dienste,
was Ton dem Chor nur bedingt gelten konnte.
An namhaften Gastspielen war kein Mangel.
Ulrich Hildebrandt
STRASSBURG: Matn wie sie verlaufen, endigte
auch unsere Opernsaison. Oberhaupt ist
diese „Mattigkeit* in jeder Beziehung die Signatur
des hiesigen Opembetriebes. Dabei sind Or-
chester sowohl wie Einzelkräfte gut (bis auf die
Tenöre, deren Stimmen nicht ganz dem Ideal
entsprechen), zum Teil sogar ausgezeichnet —
und dennoch! Was fehlt, ist der prometheische
Pnnke, der vom Kapellmeisterstab auf Sänger
und Publikum überspringen und jenes undefinier-
bare Etwas erzeugen soll, was man „Stimmung*,
im Komparativ „Begeisterung* nennt. In dieser
Beziehung sind unsere beiden Dirigenten Gorter
und Fried (der junge, recht begabte Heger ver-
läßt uns, nach Ulm) von Apollo nicht ganz aus-
reichend t>edacht worden. Ober eine gewisse bie-
dere Wohlaoständigkeit kommen die Vorstellungen
gewöhnlich nicht hinaus — manchmal hapert's
sogar damit, und die heitere Selbstzufriedenheit
vermag daran nichts zu ändern. — Als Novität
erschien noch d' Albert's „Tragaldabas*, und
Publikum wie Presse besaßen in diesem Falle
Geschmack genug, um diese Mißgeburt gründ-
lich abzulehnen. Wie ein feiner Musiker —
denn das ist d' Albert trotz alledem — sich und
seine Mose derart entwürdigen konnte, ist schwer
zu begreifen; ein paar hübsche orchestrale und
gesangliche EinflUle helfen über die musikalische
Selchtigkelt, tillweise Lotterigkeit des Ganzen
und über das Abstoßende der Titelfigur nicht
hinweg. Möge der geschätzte Komponist der
„Abreise* sich den Löwen und nicht das
.Kaninchen zum Exempel nehmen. Ober Gorters
„Paria* habe ich schon berichtet. Damit ist
das Ergebnis an Neuheiten auch erschöpft. Von
erwähnenswerten Werken hörten wir sonst noch
Thuilles liebenswürdigen „Lobetanz*, Web ers
so arg zu Unrecht vernachlässigte „Euryanthe*
(in der Titelrolle Frau Mablendorff aus-
gezeichnet, ebenso wie FrL Borchers als
Eglantine), Verdi's zum Teil recht brutalen
„Othello*, Mozarts „Zauber fiöte*, in der wir
uns nochmals an unserm nach Wien gehenden
trefflichen Bassisten Corvinus erfreuen konn-
ten; sein nicht ganz gleichwertiger Nachfolger
Wissiak kommt aus Wien. In Vorstellungen
wie „Lustige Weiber* und „Nibelungenring*, mit
dem die Saison schloß, durfte man sich noch
so recht über die absolute Unzulänglichkeit
einer Regie ärgern, deren Vertreter glücklicher-
weise nicht wiederkehrt. Als Sänger hatte er
(Robert Kaps) übrigens noch bis in sein Alter
hinein in manchen Tenorbu (forollen (Mime,
David usw.) Gutes geleistet Die „Ring*-Vor-
stellung bot neben manchem Mißratenen (be-
sonders den Rbeintöchtern) auch eine Reihe
gelungener Momente, so die Nornenszene mit
der bemerkenswerten Frau Schmidt-Günther
als Gast (die auch die „Fledermaus*-Rosalinde
nicht minder gewandt gesungen hatte) und
namentlich die großzügige Brünnhilden-Wieder-
gabe durch Frl. Borchers, Frau Mahlen-
dorffs Sieglinde, Corvinus' Hagen, krankte
aber an den eingangs erwähnten Symptomen,
die im Fehlen des einheitlichen Stiles gipfeln.
Waa Stil heißt, konnte man gelegentlich des
Gastspiels von Dal mores merken, namentlich
in seinem Don Jo86, den er neben dem Lohen-
grin mit glänzender Höhe vorführte.
Dr. Gustav Altmann
WEIMAR: Aus Anlaß darin Weimar Ugenden
Generalversammlung der Goethegesellschaft
wurde der bereits zu Ostern in der Neuein-
richtung unseres Oberregisseurs C. Weiser mit
der ebenfalls neuen Musik Felix Weingartners
gegebene Goetbesche „Faust* am 12. resp.
14. Juni mit einigen Retouchen wiederholt.
Gelegentlich der ersten Aufführung war es mir
infolge Abwesenheit von Weimar nicht möglich
zu berichten, und so hole ich das Versäumte um
80 lieber heute nach, als diese Aufführung
durch Beseitigung so mancher Obelstände
wesentlich gewonnen hat. Von zu langen Ver-
wandlungspausen, zu dunkler Bühne, unrein
singenden Chören, Stockungen in der Handlung
war so gut wie nichts mehr zu spüren. Diese
„Neue Weimarer Einrichtung* trat an Stelle der
bisher seit dem Jahre 1876 fast alljährlich auf-
geführten Devrientschen Bearbeitung, die sich
der dreiteiligen Mysterienbühne bediente. Weiser
teilt unter möglichster Wahrung des Goetheseben
Szenariums und im Gegensatz zu Devrient
jeden Teil der von Goethe wohl nie zur Dar-
stellung gedachten Dichtung in zwei Hälften,
von denen die des ersten Teils in je fünf, die
des zweiten Teils in je drei Aufzüge zerfallen.
Die erste Hälfte beginnt sofort mit dem Vor-
spiel im Himmel bis zur Hexenküche ein-
schließlich, während die zweite Hälfte die Gret-
9»
120
DIE MUSIK VII. 20.
chentragödie einschließlich der Walpurgisnacht
bringt. Des zweiten Teils erste Hälfte umfaßt
den Gesang Ariels bis zur Islassischen Walpurgis-
nacht, und die zweite Hälfte enthält die Helena-
Tragödie bis zu Fausts Tod und Verklärung.
Um der Ermüdung der Zuschauer, sowie vor
allen Dingen der Darsteller vorzubeugen, findet
nach der ersten Hälfte eines jeden Teils des
an zwei Tagen zur Aufführung gelangenden
Werkes je eine zweistündige, aber auch unbe-
dingt notwendige, Pause statt. Weisers Ein-
richtung verrät überall den geschickten Bühnen-
praktiker und denkenden Künstler und macht
sich manches Brauchbare anderer Bearbeitungen
zunutze, ohne jedoch einer persönlichen Note
zu entbehren. Wenn auch die vielen Verwand-
lungen als Zerstörer einer einheitlichen Stimmung
nicht nach jedermanns Geschmack sein dürften,
80 gewinnen doch wiederum viele Einzelbilder
an Klarheit und tiefgehender Wirkung. Auf
jeden Fall bedeutet die Weisersche Einrichtung
eine ernste künstlerische Tat, die die verschie-
denen Experimente von „Faust*-Bearbeitungen
resp. -Einrichtungen um ein neues, nicht zu
unterschätzendes vermehrt hat. Ob es der
.Faust* der Zukunft werden wird, muß die Zeit
lehren. Einen wichtigen Verbfindeten hatte
Weiser an Prof. Brückner in Koburg, dessen
zum Teil geradezu hervorragend gemalten Deko-
rationen eine Zierde unseres neuen Hoflheaters
bilden. Und nun zur Musik. Weingartner
hatte es ja im Vergleich zu den ziemlich ver-
alteten Musiken von Radziwill, Eberwein, Lind-
paintner, mit Ausnahme der infolge ihrer ge-
sunden melodischen Einfälle und trefflichen
Charakteristik mit Recht populär gewordenen
Musik L4issens, verhältnismäßig leicht, eine
begleitende Musik zum ^P^ust* zu schaffen,
um so mehr als ihm, abgesehen vom guten
Vorbilde Lassens, die Errungenschaften mo-
demer Harmonik- und Instrumentationskunst
zur Verfögung standen. Er hat sich seiner
Aufgabe nach reiflichen Erwägungen und Vor-
studien in der verhältnismäßig kurzen Zeit von
einem Jahre in München in künstlerisch
ernstester Weise zu entledigen versucht. Von
der richtigen Voraussetzung ausgehend, daß es
sich hier hauptsächlich um das praktische
Bühnenbedürfnis handle, hat Weingartner sich
im allgemeinen größter Beschränkung befleißigt,
wenn auch nicht geleugnet werden kann, daß
speziell im zweiten Teil die Musik einen viel
zu breiten Raum einnimmt. Das zu einer
Oper ausreichende Musikmaterial umfaßt im
ersten Teil 24 meist kleinere, im zweiten Teil
21 meist größere Nummern. Den Hauptschwer-
punkt verlegt Weingartner auf treffende Charak-
teristik resp. Untermalung und Unterstreichung
dazu direkt herausfordernder Stellen. Wenn er
dabei manchmal speziell im zweiten Teil zu
weit geht, und das rauschende Orchester trotz
seiner Verdeckung das Wort Goethes unliebsam
unterdrückt, so kann man ihm das nicht zu
sehr anrechnen, da er sich wiederum an anderen
Stellen weisesten Maßhaltens befleißigt. Vor-
zugsweise das Charakteristische ist dem mit
den orchestralen Mitteln spielenden Tonsetzer
größtenteils trefTlich gelungen, während die rein
melodische Erflndung dagegen zurücksteht. Man
kann sich sogar öfter nicht des Eindrucks er-
wehren, als ob Weingartner jeder natürlich
melodischen Wendung absichtlich aus dem
Wege gegangen sei. Eine Ausnahme davon
macht die etwas bedenkliche Melodik des Ge-
sangs Raphaels. Welch grandiose Steigerang
hätte sich zum Beispiel am Schluß des zweiten
Teils anbringen lassen! Von größeren ge-
schlossenen Nummern ragen besonders hervor:
der Prolog im Himmel, der sehr stimmungs-
volle Geisterchor und die derb realistische
Hexenküchenmusik, das kurze, sehr schöne
Orgelpräludium in D-dur, die ernste d-moll Fuge
nach Valentins Tod, die sinnlich-bachantisctae
Walpurgisnacht des ersten Teils, sowie im
zweiten Teil die grandiose, etwas opemhaffl an-
mutende klassische Walpurgisnacht, der Masken-
zug und der ungemein treffende Gessns der
Lemuren mit der das Graben and Schaufeln
glücklichst imitierenden, unheimlich wirkenden
Orchesterbegleitung. Von den kleineren Nummern
sind besonders erwähnenswert: der Osterchor
mit seinem auf (f c des) aufgebauten Glocken-
motiv, das schlichte Lied des Bettlers, das
Knurren des Pudels, die an sich sehr hübsche
Dorfmusik mit dem Tanz unter der Linde, wenn
auch gerade dieser zu einem für Weingartner
nicht sehr günstigen Vergleiche mit der en^
zückenden Musik Lassens direkt herausfordert
Ganz besonders originell dagegen ist die In-
strumentation der Homunculusszene (hohe pp
Orgelstimme und Celeste) sowie die Behand-
lung der charakteristischen Dissonanz spesiell
bei den Auftritten Mephistos und seiner infernalen
Gesellschaft zu glücklichster Kontrastwirimng
durch die beispielsweise im Prolog im Himmel
der Stimme des Herrn untergelegten Durdrei-
klänge gesteigert. Trotz der vielen Vorsfige
dieser neuen Einrichtung drängt sich unwill-
kürlich die Frage nach ihrer Notwendig-
keit auf; auf alle Fälle jedoch wird die Ver-
bannung der mit dem Weimarischen HoMieater
durch geheiligte Tradition verbundenen »Faasf-
Musik Lassens als eine wenig pietätvolle Tat
empfunden werden müssen. Doch: «adhnc sub
judice lis est*! Die überaus anstrengende mn-
sikalische Leitung lag in den Händen Peter
Raab es, der sich seiner im gewissen Sinne
undankbaren Aufgabe mit größter Hingabe und
künstlerischer Zuverlässigkeit entledigte. Von
den Hauptdarstellern sind In allererster Linie
Weiser als vorzüglicher Mephisto, Prialein
Schneider als Gretcben und Grube als nicht
in allen Situationen gleich glücklicher Faast zu
nennen. — Neben dieser ein neues Rohmes-
blatt in der Theatergeschichte Weimars bilden-
den »Faust'^-Ioszenierung sind noch zwei sehr be-
merkenswerte Neueinstudierungen von «Tristan
und Isolde** sowie der .Meistersinger*
unter Raabes Leitung zu verzeichnen. Be-
fremdend wirkten allerdings manchmal die TÖllig
ungewohnten Tempi. Wie sagte doch gleich
der frühere Wiener Hofopemdirektor? »Tradition
ist Schlamperei!" Carl Rorich
WIEN: Maifestspiele in der Volksoper.
Zu den Festspielstädten München, Köln,
Prag und Salzburg — Bayreuth gehört nicht in
diesen Zusammenhang — ist jeut Wien hinzu-
gekommen. Dem Direktor Rainer Simons, dem
tüchtigen und zäh energischen Leiter der Volks-
oper, dem es nie vergessen werden darf, daß er
121
KRITIK: OPER
aus dem Nichts und ohne Mittel ein wertvolles
Institut zur Verbreitung edler dramatischer Musik
in weiten, naiv empfilnglichen Volkskreisen ge-
schaffen hat, ist der Versuch zu danken, vor-
nehme deutsche Singer zu festlichen Auf-
führungen des »Figaro**, des „Don Juan", des
„Fidelio*, des „Tannhiuser* und des „Lohen-
grin* heranzuziehen. Der Versuch ist trotz
vieler fesselnden Einzelheiten nicht gelungen;
weder ktinstlerlsch noch materiell, — und die
aufftülende Teilnahmslosigkeit des Publikums,
die sicherlich nicht nur den — für ein Caruso-
gastspiel willig bezahlten — sehr erhöhten Ein-
trittspreisen zuzuschreiben ist, wird den sehr
klarsehenden Veranstalter der mit starkem Defizit
abgeschlossenen Vorstellungen darüber belehren,
wo die Mingel seiner Unternehmung zu suchen
waren. Zunächst in dem sehr mißlichen und
von vornherein unkünstlerischen Wesen der-
artiger „Muster'-Gastspiele überhaupt. Es genügt
nicht, die hervorragendsten Darsteller der
wichtigen Partieen auf einem Fleck zu ver-
sammeln und dann einfach „loszugehen*. Wenn
die Künstler nicht, wie in Bayreuth, wochen-
lange Muße haben, sich aufeinander einzu-
stimmen, zu einheitlichem Stil und -einheitlicher
Stimmung zu gelangen und in dieser durch* nichts
verstörten Stimmung geraume Zeit zu leben und
nachschöpferisch zu arbeiten, kommt nur die
MultipUlution eines Stargastspiels zutage. Eine
kurze Verstlndigungsprobe für das bloß Räum-
liche — das war hier alles. Die Folge: daß jeder
für sich spielte, ohne Resonanz beim Gegenpart,
jeglicher bestrebt, sich selber zur besten Gel-
tung zn bringen und wenig bekümmert um die
Gesamtwirkung. Wozu noch kommt, daß all
diese Sololeistungen sich auf dem Grunde der
bisherigen Volksopeminszenierung bewegten.
Das geht aber bei „Festspielen* nicht an. Hier
bitte zunächst aufs tätigste eingegriffen werden
mossen: eine sorgfältige Revidierung des
szenischen Bildes, ein erneutes, lebendiges
Durchgestalten der Chöre und der Statisterie
und genaueste Orchesterproben waren dringend
geboten, um den im Einzelnen bedeutenden
Leistungen mancher Künstler das nötige Relief
zu geben; ein Stimmungs-Grundton für jede
einzelne Aufführung wäre zu schaffen gewesen,
dem sich dann die Vertreter der Hauptpartieen,
ihrer Individualität entsprechend und doch dem
Ganzen gehorsam, einfügen müßten. Dann wäre
wirklich etwas festliches, ein Hauch der Weihe
in diesen Aufführungen zu spüren gewesen und
sie wären ihrem Sinn näher gekommen. So
aber waren es gewöhnliche Volksopemauf-
ffiliningen mit allzu oft versagendem Orchester
und mit einem durch die Folie der fremden
Gaste verdorbenen Ensemble. Und ofc weniger
als das: die klägliche Elvira der Frau Stagl,
der Florestan des Herrn Wallnöfer, der Basilio
des Herrn Gerhard bedeuteten Tiefpunkte, die
ganz unabhängig von jener Folie waren, die in
den spielplanmäßtgen Vorstellungen kaum erlebt
wurden, und denen einzig der tüchtige Figaro
des Herrn Ludikar ein tröstliches Gegen-
gewicht l>ot. Ober den Charakter der einzelnen
Vorstellungen etwas zu sagen, hat also keinen
Sinn. Et>en80wenig freilich, über verunglückte
Regienfiancen und anderes Verdrießliche noch
detailliert zu raisonnieren. Da dem Ganzen der
Ausdruck eines einheitlichen künstlerischen
Willens fehlte, bleibt dem Berichterstatter nur
die Charakterisierung der einzelnen Gäste übrig.
Haupterfolge: Frau Preuse-Matzenauer als
Ortrud und Herr Jadlowkers Oktavio. Marga-
rete Preuse-Matzenauer ist der stärksten Akzente
fähig. Ein mächtig brausendes Organ von gleich-
mäßigster Fülle in Tiefe und Höhe; eine offenbare
Intelligenz, die nur ihre eigenen Ausdrucksmittel
der Darstellung noch nicht gefunden hat: es ist
ein seltsamer Widerspruch zwischen ihrer ent-
scheidend richtigen Empfindung jedes dramati-
schen Details und der konventionellen Geste, mit
der sie sie, wenn auch voll Impetus und jähem
Temperament, in Aktion umsetzt. Eine beaut6 du
diable und ein talent du diable, dem nur die
Hand eines überlegen führenden Regisseurs fehlt.
Hermann Jadlowker ist ein Gesangskünstler
ersten Ranges; mit seinem glänzend behandelten,
schmiegsamen, weichen, schlanken Tenor und
einer geradezu unvergleichlichen Atemkunst hat
er die Hexerei vollbracht, das Stiefkind Oktavio
in den Vordergrund des „Don Juan*- Abends zu
stellen. Herr Albers — Don Juan und Wolfram
— ist gleichfalls ein Sänger von vornehmster
Qualität und romanischer Eleganz. Ein warmer
Bariton; musterhafter bei canto; unbedingte
Herrschaft über alle Register. Für den Don
Juan ein wenig zu lässig, zu unherrisch, zu
wenig befehlend und erobernd — aber durch-
aus Grandseigneur von vollendeten Manieren.
Sehr fesselnd: Dr. von Bary als Tannhäuser.
Weniger als Lohengrin, dem — ebenso wie dem
Lohengrin Burrians — doch allzusehr das Ver-
klärte und Oberirdische mit all seiner schwer-
mutvollen und enttäuschten Sehnsucht nach dem
Irdischen fehlt. Sein Tannhäuser aber, ohne
freilich mit jener überwältigenden Echtheit zu
wirken, die Niemann der Gestalt gegeben hat,
ist durchaus im Sinn des Meisters nachge-
schaffen: in Extremen berauscht, von Leiden-
schaften taumelnd mitgerissen, furchtbaren Ver-
zückungen und furchtbarer Verzweiflung be-
dingungslos hingegeben. Nur daß doch allzu oft
eine rein äulkrliche Geberde, ein plötzliches
Nachlassen des inneren Anteils das Gefühl des
vollkommen Oberzeugenden nicht immer un-
verletzt läßt Und daß seine Stimme leider so
seltsam gebrochen ist: ein schöner Baritonklang
in der Tiefe, schmetternd erzene Töne in der
Höhe und eine stumpfe Mittellage, die bei leisem
Rezitieren überdies vollkommen klanglos wird.
Bei alledem: eine der interessantesten Indivi-
dualitäten dieses Gastspiels. Ähnliches gilt von
Burrian: nur daß sein glanzvolles Organ, das
berückendsten Wohllaut mit einem edel-männ-
lichen Timbre vereint, ihn zu Wirkungen auch
dort gelangen läßt, wo der Darsteller versagt,
mit dem es einem eigentümlich ergeht: man
kann nichts gegen ihn einwenden, alle Vor-
schriften sind erfüllt — bis auf ein schweres
künstlerisches Vergehen: das Weglassen des
Höhepunkts „zum Heil den Sündigen zu führen!*
— jeder Obergang ist da; und doch bewirkt die
hurtige Art und die wenig edle Haltung des
Sängers bei allem klugen Befolgen der dichte-
rischen Weisungen ein Gefühl der Inkongruenz,
Es fehlt auch hier das Oberzeugende. Aber es
ist ein Vergnügen, diese Stimme zu hören. Bei
Frau Fleischer-Edel ist es anders: der in
124
DIE MUSIK VII. 20.
von Hugo Wolfs Vtterlandshymnus die etwas
pompöse Ballade des Zürcher Theaterkapell-
meisters Lothar Kempter »Der Tod des Sar-
danapal". Zu Weihnachten führte der Cäcilien-
V er ein »Des Heilandes Kindheit" von Berlioz
auf, in seinem Fruhlingskonzert Haydns »Jahres-
zeiten*. Robert Kieser
BOSTON: Wir sind hier noch mitten in der
Konzertsaison. Besonders wurde viel Kammer-
musik gegeben. Das New Yorker Flonzaley-
Quartett hat hier in drei Konzerten viel Bei-
fall geerntet. Sie standen auf der gleichen
Stufe wie die des Kneisel-Quartetts, das wir als
das beste amerikanische Streichquartett be-
trachten. Auch Richard Czerwonky, unser
zweiter Konzertmeister, hat ein Quartett ge-
gründet, das ein glänzendes Konzert gab. Da
Czerwonky bald nach Deutschland reisen wird,
befürchten wir aber, daß die neue Vereinigung
sich bald auflösen wird. Indessen wird der Cellist
Alwin Schroeder sich mit dem Geiger Willy
Heß vereinigen, um ein neues Quartett zu bilden.
Das Schroeder- Heß- Streichquartett wird seine
Tätigkeit hier im November beginnen. — Infolge
der Erkrankung unseres Dirigenten Dr. Carl Muck
dirigierte Carl Wendling das letzte Symphonie-
konzert. Er hatte großen Erfolg. Im ersten Satz
der e-moll Symphonie von Brahms brachte er
nicht alle die subtilen Nuancen heraus, aber die
Variationen des Finale ließ er sehr feinsinnig
spielen. Auch eine feurige Wiedergabe der Ouver-
türe »Benvenuto Cellini* fand in diesem Kon-
zerte statt. Wendling überraschte die Zuhörer
durch seine Fähigkeit als Dirigent und erregte
große Begeisterung. Auch er wird in dieser
Saison nach Deutschland zurückkehren. — Die
»Klavierlöwin* Teresa Carrefio gab einen
Klavierabend^ der glänzend verlief. Es war eine
angenehme Überraschung, zu hören, wie diese
heißblütige Pianistin Beethovens Waldstein-
Sonate mit aller ehrfürchtigen Sorgfalt und ohne
zu große Individualisierung vortrug. — Das Ada-
mowski>Trio (Geige: Timotheus Adamowski,
Violoncello: Josef Adamowski, Klavier: Frau
Szumowska) gab im März zwei erfolgreiche Kon-
zerte. In dem einen wurde ein neues Trio des
amerikanischen Komponisten David H. Smith
gespielt, das ein ziemlich ungleichmäßig ge-
ratenes, obwohl in guter, klarer Form gearbeitetes
Werk zu sein scheint. — Gegen die ultramodeme
Musik in unseren Symphoniekonzerten hat sich
in den letzten Wochen ein kleiner Aufruhr er-
hoben, und in den Zeitungen erschienen viele
Briefe, die gegen die Aufführung so vieler un-
ruhiger, häßlicher und schwer verständlicher
Musik Einspruch erhoben. In der Tat bekommt
Boston unverhältnismäßig viel von dieser
»Problemmusik* (»puzzle-music*) zu hören; die
modernsten und radikalsten Musiker von Europa
scheinen alle in unseren Symphoniekonzerten
Gehör zu finden. Die Folge davon ist, daß wir
von Schumann, Schubert, Beethoven und Brahms
zu wenig zu hören bekommen. Es wäre gut,
wenn die Disharmonieen öfter mit guter klassi-
scher Musik aus unsern Ohren hinausgespült
würden. Louis C. Elson
BRAUNSCHWEIG: Aus der Menge der sich
gegen Schluß der Saison drängenden Kon-
zerte verdienen nur wenige ein allgemeineres Inter-
esse. Dazu gehören das des »Nordischen Vokal-
Trios* der hiesigen Geschwister Koch im
Verein mit August Schmid-Lindner- München,
das des Chorgesangvereins (»Heilige Elisa-
beth* von Liszt), das letzte populäre, das Direktor
Wegmann zu einem Reger-Abend gestaltete.
Der Komponist, der mit FrL Ehlers (Lieder),
FrL Hoff mann (vierhändige Variationen über
ein Thema von Beethoven) und Kammermusikas
Wachsmuth (Suite für Klavier und Violine im
alten Stil) seine Werke in das richtige Licht
stellte, fand viel Beifall. — Der Verein IQr
Kammermusik (Hofkapellmeister Riedel, Hof»
konzertmeister Wünsch, Kammervirtuos Bie-
1er, Kammermusiker Vigner und Meyer)
schlössen mit dem Klavier-Trio (g-moll) von
Dvorak, dem Streichquartett (op. 59 Nr. 3) von
Beethoven und dem Forellenquintett von Schubert
(Kontrabaß: Herr Anger) den Zyklus glänzend
ab. — Die Konzerte der vielen Vereine hatten
trotz tüchtiger Leistungen meist nur lokale Be-
deutung. Ernst Stier
BREMEN: Aus den letzten Darbietungen der
Philharmonie ist als Neuheit erwähnens-
wert die vorzüglich gearbeitete, aber mehr aaf
äußere Wirkung abzielende »Symphonische
Phantasie* für großes — sogar sehr großes —
Orchester, Tenorsolo und Chortenor (unisono
hinter der Szene) von Volkmar Andreae. Den
Schluß der Konzertfolge bildete auch dies Jahr
eine vorzügliche Vorführung der »Neunten*, die
Panzner lebhafte Ehrungen eintrug. Solisten:
Anna Stronck-Kappel, Iduna Walter-Choi-
nanus, Anton Kohmann, Frans Fitxao.
Glänzenden Erfolg errang mit Tschaikowslcy*8
b-moll Konzert das überaus kraftvolle und groft-
zügige Spiel der jungen Pianistin EUa Jonas.
Einen prächtigen Liederabend im Rahmen der
Philharmonie gab Lula Mysz-Gmeiner, ein
nicht minder treffliches eigenes Konzert Elens
Gerhardt, das abertrotz der Begleitung dnreh
Nikisch nur mäßig besucht war. Endlich seien
abschließend noch genannt die vorzüglichen
Leistungen auf dem Gebiete der Kammermusik,
einesteils vom Philharmonischen Quartett (Kolk-
meyer, Scheinpflug, van der Bruyn,
Ettelt) sowie von unserm Pianisten Brom-
berger geboten, andererseits von dem Violinisten
Skalitzky in Gemeinschaft mit den Berliner
Künstlern Georg Schumann, Paul und Adolf
Müller und Hugo Dechert. Paul Schein-
pflug gab auch in diesem Frühjahre wieder
eine erfolgreiche Vorführung eigener Schöpf
ungen, unter denen eine Violinsonate, an
Männerchor (»Die Ulme von Hirssu*), und swsi
Balladen (»Der Garten von Sankt Marien* und
»Der Triumph des Lebens*) Früchte des letston
Jahres waren. Gustav Kißllng
BRESLAU: Die beiden letzten AtH>nnements-
konzerte des Orchestervereins gingen
ohne Aufregung vorüber. Wir hörten unter der
Leitung Dr. Dohrns die zweite Symphonie too
Brahms, die fünfte Symphonie (der Breitkopf
& Härteischen Ausgabe) von Haydn, „Till
Eulenspiegels lustige Streiche* von Strauß und
das für den Konzertsaal nicht sonderlich ge-
eignete »Tannhäuser" - Bacchanale mit voran-
gehender Ouvertüre. Artur Schnabel spielte
das d-moll Konzert von Mozart (Köchel Nr. 406)
mit den Kadenzen von Beethoven im ersten
und von J. N. Hummel im letzten Satze* Seine
125
KRITIK: KONZERT
Sanz aus dem Mozartscben Geiste beraus ge-
borene Leistung fand gebührende Anerkennung,
die durch den ausgezeichneten Vortrag einiger
SolostQcke von Chopin noch erhöht wurde.
Therese Schnabel -Behr sang in ruhiger,
▼ometamer Art Lieder von Schubert und Wolf.
— Der letzte Kammermusik-Abend brachte
(mit Himmelstoß, Behr, Hermann und
Melzer) das Streichquartett op. 12 von Mendels-
sohn und das Streichquartett a-moU op. 51 Nr. 2
▼on Brahma. Der schon im vorigen Jahre ein-
mal unternommene Versuch, den Kammermusik-
Abenden eine vokale Bereicherung durch Einfüg-
ung von Gesangsduetten zu geben, wurde im
letzten Konzert wiederholt: Hedwig Boenisch
und Maria Freund sangen unter Assistenz des fein-
fühligen Begleiters Max Auerbach fünf Duette
▼on Händel, Clari, Brahmsund DvoHk und hatten
entschiedenen Erfolg. Nun könnte man einen
Schritt weiter gehen, die mittelalterlichen Madri-
gale als eine Art vokaler Kammermusik an-
sprechen und die entzückenden, leider aber in
weiten Kreisen unbekannten Gesinge zur Be-
lebung der sonst rein instruqientalen Kammer-
masikprogramme heranziehen. Die ausführenden
Kräfte sind in Breslau mehr als einmal vor-
banden (Volke-Quartett und Quartette der Pani-
schen Gesangsakademie). — Mit Freude begrüßt
wurde Susanne Dessoir, und mit Interesse
borte man die jugendlichen Italiener Alessandro
Certani (Violine) und Alfred Calzin (Klavier).
— Eine Riesenarbeit bat Professor Dr. Hohn
geleistet, der die Nationalhymnen der
europäischen Völker herbeigescbafPr, seinem
Verein (Bohnscher Gesangverein) in der
Originalsprache einstudiert und in dem 112.
historischen Konzert einem größeren Publikum
vorgeführt hat. In einem interessanten Ein-
leltungs vortrage gab er eine Geschichte jeder
einzelnen Hymne, dann sang der Verein die
Nationalhymnen aus nicht weniger als 19 euro-
pilschen Staaten bzw. Völkern. — Dr. Dohro
f&brte am Karfreitag mit der Singakademie
Bachs ajohannespassion* mit bedeutendem Erfolg
aaC Die Solopartieen wurden gesungen von Klara
Erler(Sopran),IdunaWalter-Cboinanus(Alt),
Emil Rinke (Tenor), Süsse (Baß) und Rupp-
recht (kleinere Baßpartieen). Musikdirektor
Ansorge spielte die Orgel in der Bearbeitung
von Jadassohn, die namentlich der Partie Jesu
vortrefflich zustatten gekommen ist. — Mit un-
zureichenden Mitteln (50 Sänger und 40 Orchester-
mtislker) unternahm Musikdirektor Gulbins in
der Elisabethkirche eine Aufführung des »Deut-
schen Requiems* von Brahma. Zu dem recht
mißigen klanglichen Eindruck gesellte sich
▼erscbllmmemd der Umstand, daß der Dirigent
in fast sämtlichen Chören die Tempi verfehlte.
Das Sopransolo sang mit zu kräftiger Stimme
Meta Geyer- Diericb, das Baritonsolo mit
großem Erfolge Hans Hielscher. — Guten
Eindruck hinterließen die Karfreitag-Nachmittags-
anff&brungen in der Barbarakirche und der
Elftausend Jnngfrauenkirche unter Ansorge
ni^ Dercks. Verzeichnet seien namentlich die
Soll von Max Janssen (Tenor) und Helene
Kiesel (Alt), sowie der meisterhafte Vortrag
der enorm schwierigen Introduktion und Passa-
caglia In f-moU für Orgel (aus den Regerschen
„Monologen*) durch E. Dercks. J. Schink
BRÜSSEL: Durant ist mit seinen histori-
schen Konzerten bei Liszt-Berlioz-Chopin
angelangt. »Les Pr^ludes" (im Finale überhetzt),
«Harald*-Symphonie (Bratsche: HerrVan Hout)
und „Benvenuto Cellini*-Ouvertüre waren gut
einstudiert und fanden viel Beifall. Der Pianist
De Greef spielte in bekannter Vortrefflich keit
Liszts A-Dur Konzert und Solostücke von
Chopin. — Das vierte Concert populaire
enthielt fast nur Novitäten, darunter das b-moll
Konzert von Brahma, das, von Artur Schnabel
meisterhaft gespielt und vom Orchester aus-
gezeichnetbegleitet, bedeutenden Eindruck hinter-
ließ. Eine Symphonie von Frau Van den
Boorn-Cochet ging spurlos vorüber, und die
Wald-Symphonie von A. Rons sei, ein inter-
essantes, poetisches Werk, fand durch ihre
fremdartigen Dissonanzen ä la Debussy nur
wenig Verständnis. Schnabel spielte dazwischen
noch Solostücke von Schubert und vervoll-
ständigte dtmit seinen Erfolg. «Sadko* von
Rimsky-Korssakow beschloß das Konzert. —
Einen herrlichen Genuß bot das sechste Konzert
Ysaye. Alexander Z. Birnbaum aus Lausanne
offenbarte mit der wundervollen Vorführung von
Brahma' »Vierter*, «Till Eulenspiegel* von Strauß
und Liszts Erster Rhapsodie ein hervorragendes
Dirigententalent. Emil Sauer spielte in seiner
eleganten und virtuosen Weise Schumanns Kon-
zert und Solostücke unter größtem Beifall. —
Im dritten Bachkonzert (Zimmer) war Louis
Diemer aus Paris der Magnet, der mit dem
Vortrag des E-dur Konzertes und einer Reihe
kleiner Stücke für Clavecin großes Entzücken
hervorrief. Der Baritonist Zalsman sang in
tüchtiger Weise eine Kantate und eine Arie, und
zum Schluß wurde die h-moll Suite für Flöte
(Radoux) und Streicher gespielt.
Felix Welcker
CHEMNITZ: In den letzten zwei Abonnements-, .
sechs Symphonie-, drei Volkskonzerten, einem
Wagner-Abend und dem zweiten Lehrergesang-
vereinskonzert (sämtlich Max Pöble) wurde
wieder viel Gutes, Interessantes und Schönes zu
Gehör gebracht. Hervorgehoben aus der Flut
der älteren und neueren Werke all dieser Ver-
anstaltungen mögen sein: Sy mphonieen: Klug-
hardt D-dur, Draeseke „Tragica", Hermann Goetz
F-dur, Gäde e-moll, Tschaikowsky Suite 3, G-dur,
Fr. Zech »Lamia* (Manuskript), Guilmant, Sym-
phonie für Orgel und Orchester, Raff »Im Walde*
und ein Konzert für Viola, Flöte, Oboe, Trom-
pete und Streichorchester von J. Seb. Bach.
Programmusik: Elgar »Im Süden*, Dvorak
»Husitskä*, Weber »Rübezahl*, Berlioz »Faust*,
Borodin »Steppenskizze*, Liszt »Hunnenschlacht*
und »Pr^ludes*, Svendsen »Carneval*, Saint-
SaSns »Totentanz* und Ponchielli »Gioconda*.
Männerchorwerke von Perfkll, Wohlgemuth,
Reiter, Reger (»Ober die Berge*), Schreck, Wein-
zterl, Volbach (»Siegfrieds Brunnen*) und Karl
Bleyle (»An den Mistral*). In einem Extra-
konzert gelangte »Gloria* von J. L.Nicod6 in
einer für die Ausführenden sehr schmeichelhaften
Ausführung unverkürzt zur ersten hiesigen Auf-
führung^). — Solisten: a. Gesang: Julia Culp,
^) Unser Referent war leider verhindert, der
Aufführung beizuwohnen und uns, wie wir es
gewünscht hatten, etwas ausführlicher über sie
126
DIE MUSIK VII. 20.
Rita Arndt, Conrad Herwartb, Margarete
Siems, Alfred Zippel, Gurt Schade, KIte
Steigerwald, Linus Utalig, Eva Ublmann
und Margarete Frankenstein. (Arien und
Lieder von Schubert, Brahma, Loewe, Leactae-
titzki, Cornelius, Schumann, Händel, Strauß,
Bruch, Reger, Rebikoff, Berger, Wolf, Thomas,
Verdi und E. H. Seyffardt). — b. Orgel: Bern-
hard Pfannstiebl (Ostermorgenpbantasie von
C. A. Fischer). — c. Harfe: Eva Elsasser
(Konzertstück von N. v. Wilm). — d. Cello:
Bruno Mann (Konzert D-dur von Haydn). —
e. Violine: Heinrich Cobell (achtes Konzert
von Spohr), Henry Prinsund Arthur Schreiber
(Doppelkoozert fOr Violine und Viola Es-dur
von Mozart). — Der Musikverein (Franz
Mayerboff) brachte in seinem zweiten Abonne-
mentskonzert Gabriel Pierne's «Kinderkreuz-
zug* (Solisten: Tilly Gabnbley-Hinken, Jean-
nette Grumbacber-de Jong, Albert Jung-
blut und Charles Robertson). — Eigene Abende
gaben: KäteUfertund Franz May erhoff (Lieder
von Brahma, Grieg, Schumann, HildaCh, Clut-
sam, Ufert, Sachs, MayerhofP, Meyerbeer), Minnie
Nast und Eugen Richter (Lieder von Strauß
und Wolf, Klavierwerke von Bach, Liszt, Beet-
hoven und Chopin). Das nordische Vokal-
trio (Schirmer-Koch-Koch) wirkte im Lehrer-
gesangvereinskonzert mit (Gesinge von Job.
Selmar, Tbuille, van Rennes und Patrik Gillen-
hammer). — Kirchenmusik: St. Jacobus (Franz
Mayerboff): J. S. Bachs Kantaten „Christ lag in
Todesbanden*, „Ich will den Kreuzstab" und «Nun
lob' mein Seer* und Andreas Hammerscbmidts
»O Herr Jesus Christus*. (Orgel: Eugen Richter;
Bariton: Alfred Käse.) Chöre von Dulisius,
Stratrner, Bemmano, Grieg und Winkler; d-moll-
Konzert fär Orgel von Friedemann Bach (Bern-
hard Pfannstiebl), Violinsoli von Corelli und
Bach (Philipp Werner) und Sologesinge ver-
schiedener Meister (Toni Volkmann); — St.
Lucas (Georg Stolz), Bach: h-moll-Messe (So-
listen: Keldorfer, Rebhuhn, Seibt, Herwartb und
Rickborn). Oskar Hoff mann
CHICAGO: Das Thomas-Orchester unter
Leitung von Friedrich Stock gab eine Auf-
fuhrung von Strauß' „Sympbonia Domestica*,
der ein von Wilhelm Middel schulte gespieltes
Orgelkonzert von Händel (F-dur) voranging.
Wohl war es ein schneidender Kontrast, dem
friedlich-gemütlichen Orgelkonzert die musika-
lisch inszenierten und zwar keineswegs fried-
fertigen häuslichen Erlebnisse folgen zu lassen,
als bräche aus heiter ruhigem Himmel ein ur-
plötzlich Gewitter moderner Instrumentalkunst.
Doch, um bei dem Gleichnis einmal zu bleiben,
von dem luftreinigenden frischen Ozon eines
Gewitters merkte man nach Anhören des Strauß-
zu berichten. Die „Chemnitzer Neuesten Nach-
richten* schrieben u. a.: „... das Sturm- und
Sonnenlied ,G]oria' von Nicod6 wurde zu einem
Siegeslied. Die Auffuhrung zu einer Festfeier . . .
Noch niemals ist ein Werk mit solchem Jubel
aufgenommen worden . . . Das Ganze zeigt, was
uns die früher einzeln gebotenen Bruchstücke
schon ahnen ließen und was das Studium der
Partitur bestätigt, daß die Symphonie von Nicod6
zur Höhen- und Gipfelkunst moderner Musik
zu zählen ist...* Redaktion der „Musik*
sehen Opus nichts, vielmehr verließ man den
Konzertsaal mit dem Gefühl der drückenden
Beklemmung, daß hier das Äußerste erreicht
sei, wohin Kunst sich wagen dfirf^, ohne In die
Unnatürlichkeit zu verfallen. Also zurück zum
frischen, freien Luftzug gesunder Natürlichkeit,
demgegenüber das mit so großartiger Instru-
mentation und mit so wunderbarer Filigranarbeit
der Fugenmotive ausgestattete Werk doch nur
daa Gefühl hinterläßt, als sehne man sich nach
einem langausgehaltenen reinen Moiartschen
C-dur-Akkord. War das Werk keineswegs be-
friedigend, so leistete daa verstärkte Orchester
(statt der acht Homer waren es freilich nur
sechs) ganz bedeutendes in der DarchfOhmng
der schwierigen Tonschöpfung, die obendrein
der Reisekonzerte des Orchesters wegen in nnr
wenigen Proben fertiggestellt wurde. ^ Raffi-
nierte Krafcanhäufting auf Kosten der musika-
lischen Schönheit scheint fa wohl das Idol der
Modernen zu sein. Erst im vorigen Konzert
hatten wir ein solches Werk, eine Komposition :
Symphonischer Prolog zu „William Ratcliflf" von
Frank van der Stucken, der seine Schöpfung
selbst dirigierte. Reich instrumentiert, stellen-
weise etwas grobmassiv, ist die Komposition nicht
ohne musikalische Schönheit; doch was soll bei
EfPektstellen die Einführung eines eztragroften
Klavieres, das in den Arpeggiopassagen mit der
Harfe ein Wettrennen veranstaltet? Die Differenz
in der beiderseitigen Tonschwingung wurde dureh
ein gleichzeitig sehr kräftig geschlagenes Tam-
tam glücklich verdeckt. — Der Solistenkonaerte
hatten wir eine große Menge. Fannie Bloom-
field-Zeisler spielte mit großem Beifall das
Mendelssohnkonzert No. 1, g-moll. Paderewski
tritt am 10. April im Beethovenkonxert (No. 5,
Es-dur) auf. Eugen Käuffer
CINCINN ATI : Die Serie der Gastspielkonserte
wurde durch die Besuche des New Yorker
Symphonieorchesters unter Walter Dam-
rosch, des Bostoner unter Muck und des
Pittsburger Orchesters unter Paur fort-
gesetzt und beschlossen. Die Vorzüge des
Bostoner Orchesters, das ohne Solisten
konzertierte, näher zu beleuchten, erscheint
überflüssig. Die festbegründete Virtuositit des
Zusammenspiels wird als unantastbarer Besitz
noch manchen Dirigentenwechsel und Austausch
von Einzelkräften überdauern. Trotzdem mnfi
man dem Orcheater wieder eine permanentste
Besetzung des Dirigentenpostens wfinschMi.
Gar zu leicht löst in diesem Land das InteresM
an der Persönlichkeit das sachliche ab.
Das New Yorker Orchester hatte sich der
Mitwirkung Fritz Kreislers versichert, der das
Brshmssche Konzert mit bezwingender Kfinsüer-
schaft spielte. Es unterlaufen ihm gelegentliche
Härten durch allzu straff gespannte Rbjrthmi*
sierungen, aber welche MeisterscbafI vefrlt
diese technisch wie geistig erschöpfende Wiedef»
gäbe! Es war die einzige Soliatengroßtat dieser
Konzerte. Man darf nicht verhehlen, daß Dam-
rosch, wie gewöhnlich, vortrefflich begleitete,
und daß die Orchestervorträge — Wagnersehe
Bruchstücke hauptsächlich — aiißerordentlich ge-
flelen. Überraschend wsr die Verbesserung in
den Leistungen des Pittsburger Orchestere.
Hat der Beginn der musikslischen Saison gelebrt,
wie schnell ein gutes Orchester unter ^nen
127
KRITIK: KONZERT
Ji
schlechten Dirigenten verlernty so zeigte sich
diesmaly wie viel und rasch ein sehr mittel-
mlBiges Orchester unter einem flhigen und
begeisterten Leiter lernen Icsnn. Klang und
Znsammenspiel haben sich in erfreulichster
Weise gehoben, und es muß betont werden, daß
vielen erfahrenen Musikfreunden die beiden
Konzerte der Pittsburger als die willkommensten
der ganxen Serie erschienen. Die Leistungen
gipfelten in einer ergreifenden und technisch
vollendeten Wiedergabe von Strauß' „Tod und
Verklärung*. Im geistigen Erfassen und Wieder-
geben dieses Werkes erscheint Paur ganz beson-
ders bevorzugt. Er inspiriert nicht bloß sein
Orchester, sondern auch den Zuhörer, und
man fibersieht gern seine eckigen Bewegungen
ober der glutvollen Aufrichtigkeit seines WoUens
and Könnens. Der Baritonist de Gogorza
iMt sympathische Zugaben mit dem Vortrag
Glockscher und Msssenet'scber Arien. Leider
scheint auch der Tätigkeit Paurs und seines
Orchesters in Pittsburg ein vorzeitiges Ziel
gesetzt XU sein. Wie hier, scheitern auch dort
die besten Bestrebungen an der Teilnahms-
losigkeit der breiteren Masse, und, ändert sieb
die Ljige nicht in letzter Stunde, so wird Pitts-
barg im nächsten Winter ohne Orchester sein.
— Unsere eigenen Aussiebten sind sehr trübe.
Die dieswinterliche Gastspielserie auswärtiger
Orchester schloß mit einem beträchtlichen
Defizit ab, das aus den Taschen solcher, die's
xwsr können, bezahlt wird, aber man kann's
diesen Leidträgem menschlich nachfühlen, daß
sie sich ffir die Folge zu weiteren Taten nicht
ermutigt fQblen. Unser Publikum will gar nicht
f&r regelmäßige Musikpflege erzogen werden.
Es kommt sich schon sehr musikalisch vor,
wenn das Interesse und Konzentrationsvermögen
alle zwei Jahre fönf Tage lang standhält. Dies
bringt mich auf das nahende Mai -Festival,
das vom 5. bis 9. Mai stattfindet, und dessen
Vorbereitungen in vollem Gange sind. Leiter
des Ganzen ist van der Stucken, der seit
Oktober den Festebor unermfidlich drillt. Den
orchestralen Teil übernimmt das Chicagoer
Orchester unter Stock.
Louis Victor Saar
GRAZ: Alexander Heinemann gewährte ein
eigenartiges psychologisches Erlebnis. Im
Konxerte quälte er sich mit einer Heiserkeit ab —
ebenso peinlich für ihn, wie für den Hörer; im
Zngsbenkonserte sang er plötzlich wie ein Gott,
frei von jeder Hemmung, denn er war an kein
Programm mehr gebunden. Jubelnd verfolgte
das Publikum diesen Sieg des Geistes über die
Mitterie. — Am Palmsonntag führte der Aka-
demische Wagner- Verein Dürers Passion mit
Be^eitang Bachscher Choräle auf: ein echtes
Osterstimmnngskonzert. Dr. E. Decsey
KARLSRUHE: Im fünften Hoforchester-
konzert errang u. a. Kloses effektvoll
iastmmentierter »Elfenreigen" und Berlioz' glän-
lesde Ouvertüre „Le Camaval romain" lebhaften
BeilUL Den breitesten Raum des letzten Konzerts
nahm Beethovens »Neunte* ein, deren chorische
ad instmmentale Wiedergabe unter Alfred
Lorentz, dem verdienten Leiter der sechs Kon-
zefte, im ganzen eine wohlbefriedigende war. —
Voo Pianisten hörten wir den ausgezeichneten
Frsdoric Lamond, den temperamentvollen
E. V. Dohnänyi und den technisch wie musi-
kalisch gleich tüchtigen Mayer-Mahr. Florian
Zaiic bestätigte erneut seinen guten Ruf als
trefTiicher Geiger, und Pablo Gas als hatte als
vorzüglicher Cellist wiederum starken Erfolg. —
Der Bach-Verein brachte unter Max Brauer
im zehnten Konzert eine stilgetreue und in allen
Stücken wohlgelungeneWiedergabe der„Mattbäus-
passion*. Franz Zureich
I/'ÖNIGSB^RG i. Pr.: Zum drittenmal be-
"^^ richte ich Ibnen an dieser Stelle über musi-
kalische Ereignisse der preuiSischen Krönungs-
stadt — Vorkommnisse, die eigentlich immer
nur lokale Bedeutung haben. Doch halt: Liszts
»Faust* - Symphonie ließ Ernst Wendel
mit seinem unerschrocknen Musikverein zum
erstenmal . . . in Königsberg erklingen. Ein
Kommentar zu dieser Aufführung, die fünfzig
Jahre hinter dem Entstehen des im übrigen
Deutschland längst zum künstlerischen Ge-
meingut erhobenen Werkes nachhinkte, ist
wohl überfiüssig. Die bezeichnende Erscheinung
für den Rückstand des hiesigen Musiklebens
erfährt auch durchaus keine Beschönigung,
wenn ich melden kann, daß in den drei letzten
Sympboniekonzerten Strauß' .Till*, Brückners
Fünfte und endlich Regers Hiller -Variationen
unter B rode aufgeführt wurden : sind doch das
alles für hier nur mitleidig geduldete Moderne.
Daß somit auch Max Regers persönliches
Erscheinen mit Henri Marteau mehr einen
Sensationstaumel, denn ein innerliches Mit-
erlebnis bedeutet, ist klar. Zu den herben,
leidensvollen Variationen über das Hillerthema
bildet als musica da camera Regers Suite im
alten Stil ein seltsames Seitenstück. Marteau
meißelte vorher noch eine der polyphonen Solo-
sonaten. — Am Abend, da Reisenauer kommen
sollte, um uns am Flügel zu dichten, kam
statt seiner, der nun vor Königsbergs Festungs-
mauem auf dem Friedhof schlummen, Germaine
Schnitzer und zerstörte durch ihr wildes Ge-
pauke auch den kleinsten Rest von Pietät. Aber
bald folgten Halir und Genossen, die noch
Georg Schumann mitbrachten und sein
fesselndes, formschönes, klanggesättigtes Klavier-
quartett f-moll dazu. — Daß Ysaye geigte,
braucht bloß konstatiert zu werden. — Helene
Staegemann verirrte sich mit ihrer Kleinkunst
in ein großes Konzert. — Artur Schnabel
bereitete uns ein unvergeßliches Erlebnis mit
der schlechthin unbeschreiblichen Nachschalfung
von Brahms' d-moll Konzert. — Noch ist von
einem erquickenden Fund zu sagen, den man in
Wendeis letzter Quartettaoir6e machte: einem
Streichquartett von Richard Fricke-Insterburg,
op. 1, von Joachim preisgekrönt, das sich selbst
aber durch seine urgesunde melodische Frische,
durch den Esprit seines Scherzo und die mühe*
lose Gewandtheit von Form und Klangordnung
krönt. Rudolf Kastner
LEMBERG: Ludomir Röiycki, ein das »Junge
Polen* repräsentierender, hochmoderner Ton-
setzer, führte in einem au ßerordentlichenKonzerte
des Galizischen Musikvereines eigene Kompo-
sitionen vor. In der neuesten Schule aus-
gebildet, erbrachte Rözycki sowohl in seinen
symphonischen Dichtungen (»Twardowski*, »Der
Hofnarr*, »Boleslaw Smialy*), in seinen Klavier-
stücken (Ballade C-dur, Fantaisie, Impromptu,
126
DIE MUSIK VII. 20.
Rita Arndt, Conrad Herwarth, Margarete
Siema, Alfred Zippel, Gurt Schade, KIte
Steigerwald, Linus Utalig, Eva Ublmann
und Margarete Frankenstein. (Arien und
Lieder von Schubert, Brahma, Loewe, Leache-
titzki, Cornelius, Schumann, Händel, Strauß,
Bruch, Reger, Rebikoff, Berger, Wolf, Thomas,
Verdi und E. H. SeyfTardt). — b. Orgel: Bern-
hard Pfannatiehl (Ostermorgenphantasie von
C. A. Flacher). — c. Harfe: Eva Elsasser
(Konzertstuck von N. v. Wilm). — d. Cello:
Bruno Mann (Konzert D-dur von Haydn). —
e. Violine: Heinrich Cobell (achtes Konzert
von Spohr), Henry Prins und Arthur Schreiber
(Doppelkonzert fOr Violine und Viola Es-dur
von Mozart). — Der Musikverein (Franz
Mayerhoff) brachte in seinem zweiten Abonne-
mentskonzert Gabriel Pierne's MKinderkreuz-
zug* (Solisten: Tilly Gahnbley-Hinken, Jean-
nette Grumbacher-de Jong, Albert Jung-
blut und Charles Robertson). — Eigene Abende
gaben: KäteUfertund Franz Mayerhoff (Lieder
von Brahma, Grieg, Schumann, Hildach, Clut-
aam, Ufert, Sachs, MayerhofP, Meyerbeer), Minnie
Nast und Eugen Richter (Lieder von Strauß
und Wolf, Klavierwerke von Bach, Liszt, Beet-
hoven und Chopin). Das nordische Vokal-
trio (Schirmer-Koch-Koch) wirkte im Lehrer-
gesangvereinskonzert mit (Gesänge von Job.
Selmar, Tbuille, van Rennes und Patrik Gillen-
hammer). — Kirchenmusik: St. Jacobua (Franz
Mayerhoff): J. S. Bachs Kantaten «Christ lag in
Todesbanden*, ,»Ich will den Kreuzstab" und «Nun
lob' mein Seel'" und Andreas Hammerschmidts
»O Herr Jesus Christus*. (Orgel: Eugen Richter;
Bariton: Alfred Käse.) Chöre von Dulisius,
Strattner, Bemmann, Grieg und Winkler; d-moll-
Konzert für Orgel von Friedemann Bach (Bern-
hard Pfannatiehl), VioHnsoli von Corelli und
Bach (Philipp Werner) und Sologesänge ver-
schiedener Meister (Toni Volkmann); — St.
Lucas (Georg Stolz), Bach: h-moll-Messe (So-
listen: Keldorfer, Rebhuhn, Seiht, Herwarth und
Rickbom). Oskar Hoffmann
CHICAGO: Das Thomas-Orchester unter
Leitung von Friedrich Stock gab eine Auf-
führung von Strauß' «Symphonia Domestica*,
der ein von Wilhelm Middelschulte gespieltes
Orgelkonzert von Händel (F-dur) voranging.
Wohl war es ein schneidender Kontrast, dem
friedlich-gemütlichen Orgelkonzert die musika-
liach inszenierten und zwar keineswegs fried-
fertigen häuslichen Erlebnisse folgen zu lassen,
ala bräche aus heiter ruhigem Himmel ein ur-
plötzlich Gewitter moderner Instrumentalkunst.
Doch, um bei dem Gleichnis einmal zu bleiben,
von dem luftreinigenden frischen Ozon eines
Gewitters merkte man nach Anhören des Strauß-
zn berichten. Die «Chemnitzer Neueaten Nach-
richten* schrieben u. a.: «... das Sturm- und
Sonnenlied ,GIoria' von Nicod6 wurde zu einem
Siegeslied. Die Auffuhrung zu einer Festfeier . . .
Noch niemals ist ein Werk mit solchem Jubel
aufgenommen worden . . . Das Ganze zeigt, was
uns die früher einzeln gebotenen Bruchstücke
schon ahnen ließen und was daa Studium der
Partitur bestätigt, daß die Symphonie von Nicod6
zur Höhen- und Gipfelkunst moderner Musik
zu zählen ist...« Redaktion der «Musik*
sehen Opus nichts, vielmehr verließ man den
Konzertsaal mit dem GefGhl der drückenden
Beklemmung, daß hier das Äußerste erreicht
sei, wohin Kunst sich wagen dfirfe, ohne in die
Unnatfirlichkeit zu verftülen. Also zurück zum
frischen, freien Luftzug gesunder Natürlichkeit,
demgegenüber daa mit so großartiger Instru-
mentation und mit ao wunderbarer Filigransrbeif
der Fugenmotive ausgestattete Werk doch nur
das Gefühl hinterläßt, ala aehne man sich nach
einem langauagehaltenen reinen Mozartseben
C-dur-Akkord. War das Werk keineswegs be-
friedigend, so leistete daa verstirkte Orcbeaier
(statt der acht Homer waren ea ffIreUicb nur
sechs) ganz bedeutendea in der DurchfOhmng
der schwierigen Tonschöpfung, die oliendrein
der Reisekonzerte des Orchesters wegen in nur
wenigen Proben fertiggestellt wurde. ^ Raffi-
nierte Kraftanhänfting auf Kosten der musika-
lischen Schönheit scheint ja wohl das Idol der
Modernen zu sein. Erst im vorigen Konaeft
hatten wir ein aolches Werk, eine Komposition:
Symphonischer Prolog zu «William Ratcliflf* von
Frank van der Stucken, der aeine Schöpfung
aelbst dirigierte. Reich instrumentiert, stellen-
weise etwaa grobmassiv, ist die Komposition nicht
ohne musikaliache Schönheit; doch was soll bei
Eflfektstellen die Einfuhrung eines extragroften
Klavierea, daa in den Arpeulopaasagen mit der
Harfe ein Wettrennen veranstaltet? Die Differenz
in der beideraeitigen Tonachwingnng wurde durch
ein gleichzeitig sehr kräftig geschlagenes Tam-
tam glücklich verdeckt. — Der Soliatenkontene
hatten wir eine große Menge. Fannie Bloom-
field-Zeisler spielte mit großem Beifall das
Mendelssobnkonzert No. 1, g-moU. Paderewski
tritt am 10. April im Beethovenkonzert (No. 5,
Es-dur) auf. Engen Kiuffer
CINCINN ATI : Die Serie der Gaatapielkonzerre
wurde durch die Besuche des New Yorker
Symphonieorchesters unter Walter Dam-
roach, des Bostoner unter Muck und des
Pittsburger Orchesters unter Paur fort-
gesetzt und beschlossen. Die Vorzüge des
Bostoner Orchesters, daa ohne Soliaten
konzertierte, näher zu beleuchten, erscheint
überflüssig. Die festbegründete Virtuositlt des
Zusammenapiels wird ala unantastbarer Beslti
noch manchen Dirigentenwechael und Auatansch
von Einzelkräften überdauern. Trotzdem mufi
man dem Orcheater wieder eine permanentnte
Beaetzung dea Dirigentenpoatens wünschen.
Gar zu leicht löst in diesem Land das InteresM
an der Peraönlichkeit das aachliche nb.
Das New Yorker Orcheater hatte sich der
Mitwirkung Fritz Kreislers versichert, der das
Brshmssche Konzert mit bezwingender Kfinsüer-
schsft spielte. Es unterlaufen ihm gelegentUdie
Härten durch allzu atraff geapannte Rbjrtbmi-
sierungen, aber welche MeiaterachafI vecrit
diese technisch wie geistig erschöpfende Wieder-
gäbe! Es wsr die einzige SolistengroBtat dieser
Konzerte. Man darf nicht verhehlen, daß Dam-
rosch, wie gewöhnlich, vortrefflich breitete,
und daß die Orcheatervorträge — Wagneraehe
Bruchstücke hauptsächlich — aiißerordentlich ge-
fielen. Überraachend war die Veri>easemnK in
den Leistungen dea Pittaburger Orcheatere.
Hat der Beginn der muaikaliachen Saiaon gelebrt,
wie schnell ein gutes Orchester unter ^nen
127
KRITIK: KONZERT
schlechten Dirigenten verlernt, so zeigte sich
dieemaly wie yiel und rasch ein sehr mittel-
miBifes Orchester unter einem fibigen und
begeisterten Leiter lernen kann. Klang und
Znsammenspiel haben sich in erfreulichster
Weise gehoben, und es muß betont werden, daß
vielen erfahrenen Musikfreunden die beiden
Konzerte der Pittsburger als die willkommensten
der ganzen Serie erschienen. Die Leistungen
gipfelten in einer ergreifenden und technisch
▼oUendeten Wiedergabe von Strauß' „Tod und
Verklärung*. Im geistigen Erfassen und Wieder-
geben dieses Werkes erscheint Paur ganz beson-
ders bevorzugt. Er inspiriert nicht bloß sein
Orchester, sondern auch den Zuhörer, und
man fibersieht gern seine eckigen Bewegungen
fiber der glutvollen Aufrichtigkeit seines WoUens
nnd Könnens. Der Baritonist de Gogorza
l>ot sympathische Zugaben mit dem Vortrag
Gluckscher und Massenet'scher Arien. Leider
scheint auch der Tätigkeit Paurs und seines
Orchesters in Pittsburg ein vorzeitiges Ziel
fesetzt zu sein. Wie hier, scheitern auch dort
die besten Bestrebungen an der Teilnahms-
losigkeit der breiteren Masse, und, ändert sich
die Lage nicht in letzter Stunde, so wird Pitts-
borg im nächsten Winter ohne Orchester sein.
— Unsere eigenen Aussichten sind sehr trübe.
Die dieswinterliche Gastspielserie auswärtiger
Orchester schloß mit einem beträchtlichen
Defizit ab, das aus den Taschen solcher, die's
zwar können, bezahlt wird, aber man kann's
diesen Leidträgern menschlich nachfühlen, daß
sie sich für die Folge zu weiteren Taten nicht
ermutigt fühlen. Unser Publikum will gar nicht
ffQr regelmäßige Musikpflege erzogen werden.
Es kommt sich schon sehr musikalisch vor,
wenn das Interesse und Konzentrationsvermögen
alle zwei Jahre fünf Tage lang standhält. Dies
bringt mich auf das nahende Mai-Festival,
das vom 5. bis 9. Mai stattfindet, und dessen
Vorbereitungen in vollem Gange sind. Leiter
des Ganzen ist van der Stucken, der seit
Oktober den Festchor unermüdlich drillt. Den
orcbestraleÄ Teil übernimmt das Chicagoer
Orchester unter Stock.
Louis Victor Saar
GRAZ: Alexander Heinemann gewähne ein
eigenartiges psychologisches Erlebnis. Im
Konzerte quälte er sich mit einer Heiserkeit ab —
ebenso peinlich für ihn, wie für den Hörer; im
Zogabenkonzerte sang er plötzlich wie ein Gott,
frei von jeder Hemmung, denn er war an kein
Programm mehr gebunden. Jubelnd verfolgte
das Publikum diesen Sieg des Geistes über die
Materie. — Am Palmsonntag führte der Aka-
demische Wagner- Verein Dürers Passion mit
A^eitang Bachscher Choräle auf: ein echtes
Osterstimmnngskonzert. Dr. E. Decsey
KARLSRUHE: Im fünften Hoforchester-
konzert errang u. a. Kloses effektvoll
instmnentierter »Elfenreigen" und Berlioz' glän-
zende Ouvertüre „Le Camaval romain* lebhaften
Beiiül. Den breitesten Raum des letzten Konzerts
nsbm Beethovens „Neunte* ein, deren chorische
nnd instmmentale Wiedergabe unter Alfred
Lorentz, dem verdienten Leiter der sechs Kon-
zerte, im ganzen eine wohlbefriedigende war. —
Von Pianisten hörten wir den ausgezeichneten
Frederic Lamond, den temperamentvollen
E. V. Dohnänyi und den technisch wie musi-
kalisch gleich tüchtigen Mayer-Mahr. Florian
Zaiic bestätigte erneut seinen guten Ruf als
trefTÜcher Geiger, und Pablo Gas als hatte als
vorzüglicher Cellist wiederum starken Erfolg. —
Der Bach-Verein brachte unter Max Brauer
im zehnten Konzert eine stilgetreue und in allen
Stücken wohlgelungene Wiedergabe der,,Matthäu8-
pasüion*. Franz Zureich
I/'ÖNIGSB^RG i. Pr.: Zum drittenmal be-
"^^ richte ich Ibnen an dieser Stelle über musi-
kalische Ereignisse der preußischen Krönungs-
stadt — Vorkommnisse, die eigentlich immer
nur lokale Bedeutung haben. Doch halt: Liszts
»Faust* - Symphonie ließ Ernst Wendel
mit seinem unerschrocknen Musikverein zum
erstenmal . . . in Königsberg erklingen. Ein
Kommentar zu dieser Aufführung, die fünfzig
Jahre hinter dem Entstehen des im übrigen
Deutschland längst zum künstlerischen Ge-
meingut erhobenen Werkes nachhinkte, ist
wohl überflüssig. Die bezeichnende Erscheinung
für den Rückstand des hiesigen Musiklebens
erfährt auch durchaus keine Beschönigung,
wenn ich melden kann, daß in den drei letzten
Sympboniekonzerten Strauß' »Till*, Brückners
Fünfte und endlich Regers Hiller -Variationen
unter Brode aufgeführt wurden: sind doch das
alles für hier nur mitleidig geduldete Moderne.
Daß somit auch Max Regers persönliches
Erscheinen mit Henri Marteau mehr einen
Sensationstaumel, denn ein innerliches Mit-
erlebnis bedeutet, ist klar. Zu den herben,
leidensvollen Variationen über das Hillerthema
bildet als musica da camera Regers Suite im
alten Stil ein seltsames Seitenstück. Marteau
meißelte vorher noch eine der polyphonen Solo-
sonaten. — Am Abend, da Reisenauer kommen
sollte, um uns am Flügel zu dichten, kam
statt seiner, der nun vor Königsbergs Festungs-
mauern auf dem Friedhof schlummert, Germaine
Schnitzer und zerstörte durch ihr wildes Ge-
pauke auch den kleinsten Rest von Pietät. Aber
bald folgten Halir und Genossen, die noch
Georg Schumann mitbrachten und sein
fesselndes, formschönes, klanggesättigtes Klavier-
quartett f-moll dazu. — Daß Ysaye geigte,
braucht bloß konstatiert zu werden. — Helene
Staegemann verirrte sich mit ihrer Kleinkunst
in ein großes Konzert. — Artur Schnabel
bereitete uns ein unvergeßliches Erlebnis mit
der schlechthin unbeschreiblichen NachschafPung
von Brahms' d-moll Konzert. — Noch ist von
einem erquickenden Fund zu sagen, den man in
Wendeis letzter Quartettsoir6e machte: einem
Streichquartett von Richard Fricke-Insterburg,
op. 1, von Joachim preisgekrönt, das sich selbst
aber durch seine urgesunde melodische Frische,
durch den Esprit seines Scherzo und die mühe*
lose Gewandtheit von Form und Klangordnung
krönt. Rudolf Kastner
LEMBERG: Ludomir Rö^ycki, ein das «Junge
Polen" repräsentierender, hochmoderner Ton-
setzer, führte in einem außerordentlichenKonzerte
des Galizischen Musikvereines eigene Kompo-
sitionen vor. In der neuesten Schule aus-
gebildet, erbrachte Rözycki sowohl in seinen
symphonischen Dichtungen (»Twardowski*, ^^Der
Hofnarr*, „Boleslaw Smialy*), in seinen Klavier-
stücken (Ballade C-dur, Fantaisie, Impromptu,
128
DIE MUSIK VII. 20.
Legende), als auch in seinen Liedern den vollen
Beweis eines ecbten Könnens und eines wirk-
lieb bedeutenden Talents. — Der Musikverein
brachte an Novitäten den «Valse triste" von
Sibelius und Wagners i^Polonia*- Ouvertüre.
FrL Loewenboff machte uns mit Mac Dowell's
d-moll Klavierkonzert bekannt. Großen Beifall
errang die Pianistin Marguerite Melville,
besonders durch die Wiedergabe ihrer Violin-
sooate g-moll op. 6. (Violine W. Kochanski).
Außerdem hörten wir alte Bekannte: Huber-
man, Friedman, Ysaye, die ,»Soci6t6
d'instruments anciens* und Demuth.
Alfred Plohn
LONDON: Die Symphoniekonzerte unserer ver-
schiedenen Orchestergesellschaften brachten
trotz ihrer großen Zahl nichts Neues, und nur
die gleichmäßige VorzGglichkeit der Ausführung
verdient hervorgehoben zu werden. Unter den
Virtuosen, die in ihnen auftraten, war es nament-
lich Mischa El man, der stets das Haus bis
zum letzten Plätzchen füllte, und dessen be-
wunderungswürdiges Spiel während des letzten
Jahres eine Vertiefung erfahren hat, die ihn
zu einem hervorragenden Interpreten unserer
klassischen Meister macht. — Einer der jungen
„britischen* Komponisten (britisch, da er in Eng-
land geboren, dabei aber deutscher Abstammung
ist), Henry E. Geehl, trat in einem eigenen,
höchst erfolgreichen Konzerte hervor, dessen
ganzes Programm bis auf die Lisztscbe Rhapsodie
Nr. 12 und Tchaikowsky's Variationen über ein
Rokoko-Thema für Cello, das von Ludwig
Lebe 11 mit wunderbarer Technik und künst-
lerischem Verständnis gespielt wurde, aus
eigenen Kompositionen bestand. Der junge
Komponist, der auf der «Guildhall School of
Music** studierte, hat sich bereits als Schüler
durch die vom Patrons' Fund zur Aufführung
gebrachten Orchesterstücke „Suite Espagnole*
und »Im Harzgebirge" voneilbaft bekannt ge-
macht. In seinem Konzert hörten wir nun ein
Trio Concertant für Klavier, Violine und Cello
und eine Suite für Violine und Klavier, die weit
über dem Mittelmäßigen stehen; das gesang-
reiche Andante und das fugierte Schlußallegro
mit der vortrefflichen Durchführung des scharf-
geprägten Themas in dem Trio verdienen be-
sonders erwähnt zu werden. Sehr beachtenswert
sind auch die »Comedy Ouvertüre* für Orchester
und einige der zum Vortrag gelangten durchweg
hübschen Lieder, von denen insbesondere »If
all tbe Stars were Diamonds* und „Good night,
Dear Heart* und „Springtime blessed* hervor-
gehoben werden müssen. Die Begleitung dieser
Lieder bewegt sich auch außerhalb der üblichen
Bahnen und ist äußerst charakteristisch. Der
Konzertgeber zeigte sich in dem Vortrage von
Liszts Rhapsodie und zwei eigenen Klavier-
stücken sowie auch als Begleiter als vollendeter
Pianist. a. r.
JlM AGDEBURG : Reiche Frucht trägt hier immer
^^^ die Vereinigung unserer beiden größten ge-
mischten Chöre: des Reblingscben Kirchen-
gesangvereins und des Brandtschen Ge-
sangvereins zu gemeinsamen künstlerischen
Taten, in deren Direktion die beiden Dirigenten
Fritz Kauffmann und Prof. Brandt abwechseln.
Am Charfreitag abend dirigierte Fritz Kauffmann
in der Johanniskirche die Matthäuspassion
Bachs und zwar nach der Orlginalpartitnr.
Dieser geweihte Charfreitagszauber der pro-
testantischen Kirche, diese erschfitterode Hei-
landsklage wirkte in der Originalfassung tief
und mächtig. Vieles neue und noch nie gehörte
Edle und Ursprüngliche fiel ins Gehör. Wie ist
dies alles so einfach gehalten, so rein in den
Gegensätzen, so wunderbar in den Wirkungen!
Die beiden großen Chöre im l>ewegten Gegen-
einander; die kleineren Solostimmen von hierher,
von dorther — die ganze tiefe Perspektive des
Mysteriums von Golgatha wurde offenbar. Der
Klavierklang nahm sich zu den Rezitativen wie
etwas Vertrautes, Selbstverständliches aus;
Orchester und Chorklang hoben sich um so
wirksamer von ihm ab, die Orgel erschien non
erst ganz in ihre Königinnen- Rechte eingesetst
Der Erfolg war vollkommen. Solistisch waren
an der Aufführung beteiligt die Herren Lederer
(Jesus), A. V. Fossard (Evangelist), Weiden-
bagen (Orgel), Wilcke (Klavier), sowie die
Damen Meta Mertens und Gina Goetz.
Max Hasse
MAINZ: Das letzte Symphoniekonzert der
städtischen Kapelle brachte neben Hage
Wolfs wiederum sehr beifällig aafjgenommener
„Italienischer Serenade* als Haupt- und Scblnft-
nummer die Lisztscbe »Faust-Symphonie*. Emil
Steinbach hatte dem Werke eine sehr lieberolle
Einstudierung zuteil werden lassen und nament-
lich den Schlußsatz in eindrucksvollster und
wirksamster Weise herausgearbeitet. Das Tenor-
solo in dem von dem gesamten minnli^en
Opern personal unterstützten Schlnfichor ssng
Felix Senius, dessen weiches, sympathisches
Organ auch in der bekannten Tenorsrie ans
»Cosi fan tutte* und in dem Bachschen ,,Qaonism
tu" zu bester Geltung kam. — Die Lieder-
tafel beschloß die Saison mit einem Riciiard
Strauß-Abend, dessen Leitung der Komponist
selbst übernommen hatte. Zur Aoffihnmg ge-
langten die symphonischen Dichtungen «Don
Juan* und „Tod und Verklärung*, die Chor-
werke „Wanderers Sturmlied* und der 16stlm-
mige „Abend" (dieser unter Leitung des neuen
Liedertafeldirigenten Otto Naumann^ sowie
eine Anzahl Lieder, um deren Wieder^be sich
Anna Kämpfert aus Frankfurt sulterordentllch
verdient machte. Den Haupterfölg hatten die
beiden Orchesterwerke, die die erheblich Ter»
stärkte städtische Kapelle unter des Komponisten
anfeuernder Leitung mit seltener Frische nnd
Begeisterung zum Vortrag brachte« Die Chftie
standen trotz eifrigsten Studiums nicht gsni nnf
der Höhe ihrer Aufgabe und ließen namentlich
bei dem (eigentlich a cappella geschrieiMnen,
aber von Strauß selbst mit der Orgel unter-
stützten) „Abend* in bezug auf Inton^onsreln-
heit gar mancherlei zu wünschen übrig. — Am
Gründonnerstag und Karfreitag fanden noch
zwei Volksaufführungen der SgemlMtischen
„Missa da Requiem* (Billett einschließlich Gerde-
robegeld 40 Pf.) statt. F. Keiser
MANNHEIM: Musikdirektor Haen lein steUte
in einem Orgelkonzerte Bach und Reger
in der Weise einander gegenüber, daß vor nnd
nach einem Choral im Bachschen Tonsstte
(vom Verein für klassische Kirchenmusik ge-
sungen) je ein Vorspiel der beiden Meister uns
älterer und neuester Zeit geboten ward. Amh
129
KRITIK: KONZERT
der Beiden Toccaten in d-moll wurden einander
fesenubergestellt, und der junge Leipziger Ton-
tetzer bestand neben dem alten in allen Ebren.
— Einen auserlesenen künstlerischen Genuß
boten die Herren Fenten (Baß), Kutzschbach
(Klavier) und MuH er (Cello) mit einem Beet-
bovenabend, der zwei Sonaten für Cello und
KUiTler, den Liederkreis »An die ferne Geliebte*
ond weitere Beettaovenlieder in schlechterdings
▼oUendeter Weise bot. — Diesem Abend ist ein
weiterer för intime Musik an die Seite zu
stellen, den Anbur Blaß, Solocellist M tili er,
Fritz Vogelstrom und Arthur Post gaben.
Kompositionen von Wolf-Ferrari, Smetana, Sgam-
bati. Raff, Schumann, Strauß und Godard — gute
Kammermusik und gefällige Hausmusik in ge-
diegener Ausführung — bildeten das Programm.
— Im vienen Konzert des Philharmonischen
Vereins waren Eugöne Ysaye und Lula Mysz-
Cneiner die gefeierten Solisten. — In einem
«Tamini'konzene zeigte sich Otto Hassel-
baum, ein Mannheimer, als stimmlich hervor-
ragender, wenn auch künstlerisch noch nicht
ausgereifter Tenor. Mit ihm waren Hilda Saxe
<Klsvier) und Rhode von Glehn (Sopran) aus
London gekommen, die beide ein gutes Können
▼errieten. Viel zum künstlerischen Erfolge des
Abends trug die Mitwirkung des Hoftheater-
orcbesters unter Kutzschbachs feinsinniger
Leitung bei. — Einen Max Bruch -Abend (auch
«iiter Mitwirkung des Hoftheaterorchesters) gab
Ksri Zaschneid, der Direktor der Hochschule
fSr Musik; Vortrige instrumentaler und vokaler
Mtisik wechselten miteinander. — Ein Volks-
konzert, in dem 17 hiesige Männergesang-
▼ereine mit etwa 800 Sängern unter Herrn von
Blelings Leitung nur Gesamtchöre zum Vor-
trage brachten und Adolf Müll er- Frankfurt mit
Frau Rocke-Heindl den solistischen Teil über-
nommen hatten, war von einigen Tausenden be-
socbt. — Ein künstlerisch vollendetes Konzert
bot der Lehrergesangverein, der unter C. Weidts
impalsiver Leitung nur Chöre a cappella muster-
gfiltig zum Vonrage brachte. Sehr gefeiert wurde
die &>listin des Abends, Auguste Bopp-Glaser
gtnttgan). — Die eigentliche Saison schloß der
nsikverein mit seiner Karfreitagsaufführung
flinzend ab. Hofkapellmeister Kutzschbach
brachte das „Requiem* von Berlioz zur gran-
diosen Wiedergabe. Das »Tuba mirum* war von
erschfittemder Wirkung. Chor und Orchester,
aticb Fritz Vogels trom als Solist, boten in
der Tat Hervorragendes, zum größten Teile das
Verdienst Kutzschbachs, der großzügig und sieg-
baft dirigierte. K. Escbmann
NÜRNBERG: Die letzten Gäste, die uns er-
freuten, waren die Böhmen, deren Voll-
endang zu rühmen fast trivial wirkt. — Ottilie
Metzger-Froitzheim hätte noch eindring-
licher wirken können, wenn sie ein besseres
Programm gewählt hätte. Sie sang im Philhar-
monlMben Verein, in dem eine mittelmäßige Auf-
l&bmng der Beethovenschen Siebenten und der
»Fee Mab" nicht aufgewogen werden konnte durch
eine bfibacbe Wiedergabe von Schillings' Vor-
spiel zu «Ingwelde* (2. Akt). Sehr schön dagegen
brachte Wilhelm Bruch die Neunte von Anton
Broekner heraus. Es tat einem wohl, sich
von dem zweifellos begabten Dirigenten wieder
imponieren lassen zu können. — Als die Ge-
schwister Svärdström Soli, Duette, Terzette
und Quartette sangen, verlebte man einen ganz
netten Abend, nur durfte man hohe Kunst nicht
suchen. — DasKonzert des Bachvereins unter
Richard Mors' sicherer Leitung brachte Bachs
Motette «Singet dem Herrn* imponierend heraus;
im gleichen Konzert spielte Fritz Hirt ganz
wundervoll, nur die Sopranistin, Hedwig Volck,
war durch eine starke Heiserkeit gehindert, ihre
ernste Kunst voll entfalten zu können. — Der
Verein für klassischen Chorgesang
schwang sich unter Dorners Dirigentenstab zu
einer überaus glänzenden, technischen Leistung
auf, als er Piern6's „Kinderkreuzzug* ein-
führte. Dem Werk selbst muß ich jeden ernsten
Wert absprechen. Ich kenne kaum ein oratorien-
mäßiges Werk, das so skrupellos auf den Effekt
lossteuert, das in seinen textlichen Höhepunkten
so flach und seicht und in allen Solopartieen
so unwahr ist. Ich betone das ausdrücklich,
weil wir unendlich höher stehende Werke
deutscher Komponisten unaufgeführt lassen und
einem Ausländer nachlaufen, dessen Reiz für
die Dirigenten lediglich in der neuen Aufgabe
der Kindercböre liegen kann. Ein Oratorium
ähnlicher Armut würde in Frankreich niemals
Dirigenten und Publikum finden.
Dr. Flatau
ST. PETERSBURG: Das letzte russische Sym-
phoniekonzert im großen Saale des Konser-
vatoriums brachte unter Felix Blumenfelds
Leitung ein ebenso fesselndes wie gehaltvolles
Programm. Für jedermanns Geschmack mag
freilich Joseph WibtoTs geistvolle Ouvertüre,
deren poetischer Stoff einem lettischen Märchen
entnommen ist, nicht gewesen sein, desto mehr
Sympathie brachte das große Auditorium der
formschönen und interessanten Symphonie von
Steinberg, einem hochbegabten Schüler Rimsky-
Korssakow's, entgegen. Von Frau Skrjabin
wurde das fis-moll-Klavierkonzert ihres Gatten
musikalisch vortreflnich zu Gehör gebracht.
Größeren Beifall noch przielte die Künstlerin
mit dem brillanten Vortrag der B-dur- Variationen
über ein Thema von Glinka von Ljadow und
zwei effektvollen Etüden von Skrjabin. — Em
Extra-Konzert des Petersburger Streich-
quartetts verlief in besonders animierter Weise.
Lag es doch der Hörerschaft am Herzen, an
dieser Stelle die mitwirkende Annette Essipow
anläßlich ihres vierzigjährigen Künstlerjubiläums
in enthusiastischen, nicht endenwollenden Bei-
fallsmanifestationen zu feiern. Mit diesem Fest-
konzert will Rußlands genialste Pianistin ihre
Konzertlaufbahn beschließen. — Die größte Hoff-
nung, einst eine zweite Essipow zu werden, hat
die zehnjährige Pianistin und Komponistin Irene
Eneri, die in zwei ausverkauften Konzerten
durch ihr künstlerisch abgerundetes und natür-
lich empfundenes Spiel Sensation gemacht hat.
— Kathleen Parle w und Joseph Achron, die
in eigenen Konzerten unter Mitwirkung eines
Orchesters unter Glazounows und Auers Lei-
tung debütierten, beherrschen die Geige mit einer
für ihre Jahre bewundernswerten Meisterschaft
und spielen wie echte und rechte Musiker. —
Um eine Aufführung des seit längerer Zeit nicht
mehr gehönen Oratoriums „Messias* von Händel
machte sich der St Petri-Gesangverein unter
Leitung von Prof. L. Homilius verdient. —
130
DIE MUSIK VII. 20.
Die in diesem Winter stark grassierenden Klavier-
abende baben Drossdow und Romanowslcy,
Pianisten der Essipow'scben Schule, durch er-
folgreiche Konzerte vermehrt. — Das glänzende
Pinale unsererwioterlicbenKonzertsaison bildeten
wie üblich drei große Symphoniekonzerte im
kaiserlichen Konservatorium mit Arthur N i k i s c h
an der Spitze des Hoforchesters.
Bernhard Wendel
STRASSBURG: Der Reigen der Abonne-
mentskonzerte schloß mit der wahrhaft
klassischen Vorführung von Beethovens i^Pasto-
rale* unter nnserm genialen Dirigenten Pfitzner;
der Aufbau der Schlußsätze, besonders die ge-
radezu dramatische Gestaltung des ,»Gewitters*y
war schlechthin unübertrefPlich. Daneben wirkten
Werke wie Berlioz' brutale »Korsar'-Ouvenüre
und Thuilles Gelegenheitsfestmarsch als Lücken-
büßer; auch die Solistin, Irma Koboth -München,
machte im Konzertsaal mit etwas plumpem
Liedervortrag keine gute Figur. — Im Ton-
künstlerverein brachte ein von Benno Walter
geführtes hiesiges Quartett mit Erfolg ein Werk
seines Cellisten Mawet (Stil C6sar Franck)
sowie Weingartners Sextett zu Gehör, eins
der bestgemachten Werke dieses «Durchaus-
Komponisten", der zwar das Handwerkszeug —
mancbmal— wohl meistert, aber einer Kleinigkeit,
nämlich der eigenen Erfindung, ermangelt.
Aus ganz anderem Holz geschnitzt zeigt sich
Pfitzner. Sein Frauenchorwerk mit Orchester
«Der Blumen Rache* ofPenbart eine Feinsinnig-
keit der Stimmungsmalerei, in der ihm kaum
einergleichkommt, ohne die billige Klischeearbeit
der «Moderne", — Die Städtische Kammer-
musik Vereinigung schloß mit Brahma' Sextett
und einem schwermütigen Anton Arensky-
Quartett »In memoriam Tschaikowsky's". — Or-
chestral gab es noch das dritte Volkskonzert-—
Beethovens Zweite, eine kurzatmige Volkmann-
Serenade — unter Frieds etwas hastiger Leitung,
einen »französischen" Abend der «Philharmo-
nie" (»Phädra"-Massenet, »Roi d'Ys"-Lalo usw.),
eine poesielose Wiedergabe von Goldmarks unver-
dient vergessener »Ländlicher Hochzeit" vom
Orchesterverein, der an einem unzuläng-
lichen Dirigenten krankt, und einen heiteren
Abend von Lübars »Wiener Tonkünstler-
orchester", wobei der Autor der »Lustigen
Witwe" einige ziemlich traurige Kompositionen
vorbrachte. — In einem Liedertafelkonzert des
Männergesangvereins bildete Beethovens
köstliches Septett den Höhepunkt; recht gefällig
erwies sich auch ein Oktett des hiesigen
Komponisten Erb (Konzert des Emeriten Vereins).
~ Einen Höhepunkt bildete noch die »M a 1 1 h ä u s-
passion" unter Prof. Münch , dem das Drama-
tische darin (sowie die Choräle) allerdings besser
liegt als das mystische Helldunkel, solistisch
gestützt von K o b m a n n - Frankfurt (Evangelist),
Haas- Karlsruhe, Geist, (die Sopranistin, Frl.
Du bau, Mühlhauser Opernsoubrette, ist keine
Bacbsängerin) und Frau Altmann -Straßburg
(Mt). Allseitige Anerkennung fand diese
auch in ihrem klassischen Liederabend, mit
Schubert, Schumann (»Frauenliebe") und Brahms
(»Ernste Gesänge" usw.). — Von Sängerinnen
hörte man noch die vielversprechende hiesige
Altistin FrL Schönholtz, der nur noch der
richtig »erweckende" Lehrmeister fehlt, die etwas
soubrettistiscbe Mezzosopranistin Frau Adels-
von Münchhausen, und verschiedene, zum
Teil detonierende, hiesige Neulinge. Auch
mancherlei kleinere Vereine aller Art sachten
das an sich hier recht rege Musikleben zu be-
reichem, freilich manchmal mehr quantitativ
als qualitativ. — Als Orgelmeister zeigte sich
Musikdirektor Rupp. — Mit einer firöhen Hoff-
nung verlassen wir diese Saison und ihre Vor-
gänger, nämlich daß unter der Ägide von Hans
Pfitzner für Straßburg eine neue Mnsikira
anbrechen möge! Dr. G. Alt mann
STUTTGART: Im letzten Abonnementskonzert
verabschiedete sich Dr. O brist, der Gast-
dirigent dieses Winters, mit einigen sehr Inter-
essanten Gaben aus der französischen Unter-
haltungskunst: Widor's zweite Suite aus »Conte
d'Avril" hatte großen Erfolg; ebenso Charpentier's
»Impressions d'Italie". Wo aber eine edlere
musikalische Sprache um ihrer eigenen Ge-
danken willen geredet wird, reicht das Vermögen
der Franzosen, wie es scheint, nicht recht so:
so ist Widor's dritte Symphonie für Orchester
und Orgel (e-moU) gerade im orchestralen Teil
nicht sonderlich bedeutend. Widor dirifierte
übrigens selbst und erntete auch mit seinen
glänzenden Orgelstücken lebhaften BeifÜL
FrL Dennery aus Köln sang erfolgreich firao-
zösische Arien. — Gegen Ende der Splelseit
häufen sich Chorkonzerte: der Nene Slng-
verein (E. H. Seyffardt) gab den »Odysaeas*
von Bruch ; desgleichen veranstaltete der Lebrer-
gesangverein (S. de Lange) eine Bruchfeier;
Szenen aus Bruchs »Frithior* wählte der Stuft*
garter Liederkranz (För stier) für sein zweites
Konzert. Der Kannstatter Schubertverein (R fick*
heil) führte Haydns »Schöpfung* auf. Außerdem
gaben Konzerte: die Sängergesellschaft »Akkord*,
die Stuttgarter Liedertafel, der Beantensingchor.
Am Karfreitag erschien Bachs Matthiuspassion
im Verein für klassische Kirchenmusik, geleitet
von S. de Lange. Das fünfte Konzert des
Kannstatter Kurorchesters (Rfickbell) berfiek-
sichtigte Sibelius und Kann; der letzte Kammer-
musik-Abend des Waghalter-Qoartettes hMt
sich ausschließlich an Brahms. — Zugunsten der
Richard Wagner-Sti pendien-Sttf tu ng fand
in der Stiftskirche die erste hiesige AuffOtamiic
des »Sonnenhymnus" und der »Graner Festmesso"
von Liszt statt. Dr. Obrist, mit dieser Mosll:
innig vertraut, dirigierte schwungvoll und brachte
durch eine peinlich sorgfältige Vorbereitung eine
sichere und höchst eindrucksvolle Wieder^ibo
zustande. Das Baritonsolo im Hymnus eaog
Herr Weil von der Hofoper mit prachtvoller
Stimme; das Einzelquartett bildeten die Damen
Dietz (aus Frankfurt) und Schönberger, die
Herren Kanzow und Weil. Der kfinstleriscbe
Erfolg stand leider im umgekehrten Verhiltnit
zum pekuniären (ganz im Gegenaatz za den
»Cbristus"-Aufführungen von 1906); doch mög^
sich Dr. Benedict, dem wir diese wünschens-
werten Ergänzungen unseres Konzertlebene ver-
danken, nicht entmutigen lassen, weitere anzii*
regen und durchzuführen. Zum scbwieheron
Besuch trug außer der Jahreszeit vielleicht bei»
daß gleich noch zwei Konzerte folgten: die
100. Aufführung des Chorwerks vonB.H.Seyffardt
»Aus Deutschlands großer Zeit* and ein Bach-
konzert zur Begründung eines Bachlbnds, voa
KRITIK: KONZERT
dem min die MInel lor Pflege der KaaMlen 1 jenem rein mectaaDiicben Bacta-Musitlerea gibt,
(■»menilich Im Goiieidlenit) erhofft. — Im das dl« Erkenntnia der frommen Mea acUicbkelt
Orcbeaterrereln brachte Rfickbell, tum ersten- j dea Melsiera verwehrt und ein« ganz fältcbe,
maIwlcderholl,eineanaprechende, achtungiwerte lu tehr eingebürgerte Tradition fOrden.
Symphonie von K.J. Schwab, dem ftüheren Dlrl- . Richard Specht
^ten, der voriges Jahr als Kapelimeialer In W/IESBADEN: Dai sechste Koniert im Hof-
DaDilgstsrb. Im leimn Konzert der Kannatatter W theaterbrachteeineAufTübrungvonStranO*
Rnrkspellff spielte RDckbeil ein eigenes neues .Tsillefef, einem Werk, das hier mehr kühles
Violinkonzert, dem wir Verbreitung wünschen staunen als wsrme Anteilnahme hervorrief. -
S,«fi?2«-,.., , „ Dr. KsrI Grunsky in, dritten Clcillenkoniert bSrten wir die
VERDEN (Aller): Von dem regen Kunst- ! «„miua-Pasalon-, deren Partitur Kogel in
▼Imeresae in unserer Stadt legten such die vielen Teilen einer dsnkenawerten »reinigenden-
letzien DsrWetnngen dieses Winters Zeugnis ßesTbeitung unterzogen hstte. - Im letzten
■b. Im Verein für Kunst und Wissen- Küostvereini koniert reierien Reger und Msr-
ichaft brachten die Mitglieder der Kammer- ,e,u Triumphe; jener als «rtfuhlender Piinlst
mntik-Vereinigung für Blaslnatrumente f„t mebr denn sla Komponist: seine D-dur
aad KlaTler der KSnIglicben Kspelle lu Sonste für Solovioline kennten wir schon; seine
"VÜ*'V'«°'.'""'x'^"""'*''°'*y'''"P''" -Sulteim «Iten Stil- - glsubten wir schon zu
nnd Pianist Major, Quintette von Mozart, Beet- iieoneo Otto Dorn
^iJ:^.''%i'JJ\'„"°m''^,i',l *:Kr.'; yOmcn-. Auch im Frtru«, Min und I, den
BaMboTei» Ei-dur op. 16 wirkte wie eine ^ »--11,, -„„u .„„„ .i_ nh.T-h..n
OIUlnniiiE. El I« !u bedinem, diO dieie „.Ä;'«" ^°"' » ff'A' ,!'A, SJ*,?,'?.;?
S'i'S.tS.Ä'Ä;' "■ 'Äi'l'nri.Tn' ' «™.S..' Ve° d°,? °T d°e'.^'S;ÄS
U, "."i'w'S',: gf ^iS RjrK«l!i";tM =1- •«"!«= mn.,|;.,l.ohe C-J™-f;;- >. de,
.tollele, udello. ,=.cbult= Stimme elpel .leb J»»""; ■?.?; fl'T' 'vj!?™, 1 n d ™f
»i.nre(nicb.drL.nie,dl r.nnnllcb meinen. &,Jf:,.SiV,;Jl,f/™h«iSr.i,h »i .,f.
-Ol» Sebroedec vom Pbllbermonl.cben , "f;?''™;''"''«''«"' ""f^^^^^
Orebetler In Bremen 1.1 ein iSeblUer H„ren- '"»"i."'"?"'"""""";" »"'"."'"'J""»
.Urter.-Der Or.ioDen-Vereln bf.cble unter Sympbonlekonienen, die die.m.l juf ein bervor-
Unnt de. Unter.elcbneten Pi.lm 95 und ?«"" ■"■»"'I" "■"> .bw.cb.liin,.r.leb»
F»lma ™n Mendel..nbn Im Dom .u, A»r :;"«"»» £■'■''' ."Xir d™ n.ltT.ViX
mbnini. find d.mit die uncetellle Zu.timmunt rh^.n!™."; .»;„;;,,. ™»,i,hd™^^^^^
*r Krlill und erinnerte >n der Schwelle iti ' t!L" J^"i;""''S^^''l'''J'"'S.
Hnnd..t|.hrleler (3. Febrn.r 1809) d.r.n, d.l : S.\l'' Ä" '™, S K'.i. .S „-, Jl,
-« Bher den Medemen der M.i.t.r 'einer ^»Z:^.',?,.?':rn!l:..';H•^'Sr^l,,°.'°.,Ä;
vorflouenen Zeit nicht vergessen darf
Ernst Dlecko
WriBN: Eine hSchst betrfibende Außflbruni ' !
** ron Bachs .JohanneBpassIon- in den Ge-
seUscbaftskonzerten: scbwnoglos, unbelebt, im
Solisten willen trotz dringender Tflosche nlcbt
I sua den Koniertiilen verschwinden will. Dles-
, mal war Elsa Hensel-Scbweltzer aus Frank-
eloe Meisterin des drsmatiscbeo und
lyriscben Gesangs, dsrsn schuld. — Emil Frey,
süsrei-^^re-;;:;; ";c7e:T.v»r»T,;i;h"t jifnie'r';'Nr2"i'n°''c.V.'ir;ni'' ?;' «• ^\i!i7
_.___! j... ._ j.n —i.kti.b. j— c 1. Konzert Ho 2 in c-moll von (..n. m. wldor.
eumal das, ao daß wirklich nur dss Formsle t>„ if-_„„_i., jij_j_— . «i. (.i.-i-.i..
;r.V'iiS''it.ernur'dinnnrmi;ni^«'"Mi"™"><^^^
des Beethovenschen Klavierkonzertes In
m lebten Abonnemeniskoozeri und der bewihrte
liegst Gereifter aus der
Zürcher Pisnlstenscbsr, durch die Wiedergabe
Klingen gebracht werden ,„ .^„,„ .,
kuin, wenn ungemein zahlreiche Proben jedem tJnh.,« b,
dnielnen Cbortingcr nl^l nur die technische ^?°'" '^^^
Slcberbeli gegeben haben, sondern i
daa ergriffene Miterleben des StofTllcbe
Flblgkeit, jegliche dynamische Wendung mit
llscbem Gehalt zu erfüllen. Davon war diesmal
— nnd Im letzten Sinn wohl bJer noch niemals —
dlo Rede. Es bleibe dahin gestellt, ob dem sicher- „■"' *""" ,*,! ," J"
lieb aehr kultivierten und empfindenden Musike- ' ^«"«»vens Violinkon;
Schalk dss Verblltois zu Bscb fehlt, das solcbi
S»TÄ;'„ZeSdeTe«'dlc'nr.e"DS' A^llr.'.n^rertYrT'u.TSe.'i«;«'-.^».;^
SL, l.'.~F,.; S»1!,H ;;?d.. H. ;„ f^.™ "»"'» W™» »'>"'■ *■■ Knmponl.t erfuhr
S.I f J'-.d tS° an, H,™ iT,,^t" ,£,,.' Bu.oni, der .ein Kon.ert für Kl..lir, Orche.ter
re?i;fd;,?r Su^? V™ ""VJiLJ'JfiieT I "^r;:J""fz^»a
Slcberbeli gegeben haben, sondern vor sllem ..„,„.. il- i j. ..^ü.;- -.ri-ii™ u-T-S--!
Ü! rrf'J".!'!'"'."-' '" Sü«««'- -'" '" SSp=.'.i„re. ""Ä eliÄmmeSu'IS:
Abends. Anstelle von Yssye, mit dem es eisen
Programm streit gab, wsr CsrI Fleach (Amster-
dsm) zum zehnten Abonnemeotskonzert mit
als Sollst erschienen,
und dss Ausbleiben Yssyes wurde nicht vermlQt.
Haydns C-dur Symphonie No. 7, Cbembinl's
lieber «nf die Aufführung versiebten sollte;
•cbon deshalb, weil sie ein neues Vorbild lu
! sm 11. Febrnsr eine recht freusdilcbe Autaabme.
Dr. Hermann Kesser
Der dis vorliegende HeFt einleitenden, interessanten Briefpnblikition {eben wir die
PortrSts des Bnerscb reibers und des Empflagers bei: Giicomo Meyerbeer (nach
F, Rumpr) und GottTried Teber (nacb einer alten Litbographie).
[ntolge unserer letzten, aucb im Bildeneil einheltlicb gehaltenen Sonderbefte war
es uns nicht möglich, an verschiedene Gedenktage durch bildliche Darstellangen zu
erinnern. Wir holen es in diesem Heft zum Teil nach, und zwar bringen wir lunichst
«n Portrat von Henry LJtoIff <geb. 6. Februar ISIS), nacb dem Stieb von Weger. Der
Begründer des seinen Namen tragenden Braunscbweiger Musilcverlags nahm bekanntlich
aucb als Klavierspieler und Komponist eine bedeutende Stellung ein. AuOer SctaOpfungen
für sein Instrument, unter denen seine fünf Konzertsymphonieen f&r Klavier und
Orctaesier, sowie eine Reihe von brillanten Solostucken zu nennen sind, außer Kammer-
musikkom Positionen, einem Trauermarsch auf Meyerbeer, einem kleinen Oratorium .Ruth
und Boas" bat Litolff besonders das Gebiet der Oper gepflegt (.Die Braut von Kynatf,
vRodrigue de Tolöde", „Die Templer"),
Aus Anlaß seines 50. Geburtstages (22. Juni) verfitTCntlictaen wir ein BUd von
Giacomo Puccini nach einer alteren Photographie. Von den Werken des erTolcrelcben
iungilalieni sehen Dramatikers haben „Manon Lescaut", .Tasca', .La Boheme' und
„Madame BuiterBy" aucb auf unseren deutschen Bühnen seit langem Bflrgerrecht erUngt.
Das Portrfit von Johann Baptist Gramer mfige an den 50. Todeatag (16. April)
eines der hervorragendsten Pianisten und Klavierlehrer aller Zeiten erinnern. Geborener
Mannheimer, bat Gramer mit Ausnahme eines dreizehnjährigen Pariser Aufenthalts aeln
Leben in London verbracht, wo er mit Addison 1S28 den noch beute bestehenden Musik-
verlag gründete. Seine zahlreichen Kompositionen sind in Vergessenheit geraten, dagegen
haben seine .Große Pianoforteschule" und seine ^Schule der Fingerfertigkeif noch bis
beute ihre Geltung bewahrt.
Es folgt eine Ansicht der von dem verstorbenen Reeder Heinrich Laetsz nnd seiner
Frau gestifteten Musikhalle in Hamburg, die vor kurzem festlich eingeweiht worden
ist. Das in den Formen des Barockstils gehaltene Bauwerk, eine SchSphing der Architekten
Haller und Meerwein, stellt sich dem Beschauer als ein nicht übermaßig hober, ein-
stöckiger, reichgegliedener Backstein roh bau dar, der durch omamentalen Schmuck in
Sandstein anmutig belebt wird. Der große Saal enthalt etwa 1900 Sitzplatze.
rlaubnii du Vcrlw» t*>
T ObeneRuDE, vorbclulte
uikriptc, riltt Ihne
«rfichc Muuitirlpie werden aottprAtl
Vermniwortlicber Schriftleiter: Kapellmeister BerabRrd Schaster
Berlin W 57, Bülowstrasse 107 >-
GlACOMO MEYERBEER
nich F. Rumpf
GOTTFRIED WEBER
dHHaUUMi
HENRY LITOLFF
# 6. Februar 1818
GIACOMO PUCCINI
« 22. Juni 185S
JOHANN BAPTIST CRAMER
f 16. April 1858
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- « (•••«"«!<!g|(}<- .
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^^lüii 1
1
H^^Ii.
DIE MUSIK
Traube ist aocb nicbl der Weio —
Traube will gekeltert sein.
Wald und Flur ist Bild noch nicht
Wirklichkeit noch nicht Gedicht
Geist ist das, was Leben leiht —
Kunst ist Geist der Tlrklicbkelt.
Ernat t. Vlldenbrueh
VII. JAHR 1907/1908 HEFT 21
Erstes Augustbeft
Herausgegeben von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & Loeffler
Berlin W. 57, Bülowsirasse 107
jRie ersttunlicb feinsinnigen Bemühnogen der neueren Gesetz-
n gebung, an die Stelle der ausscbließlicben Berückslcbtigung des
1 Verlegers einen kräftigen Scbatz des musikaliscben Urbebers
I als solcben treten zu lassen, haben von selten der scbaffenden
Künstler bisber wenig Gegenliebe und Unterstützung, ja kaum die gebfibreade
Eteacbtung gefunden. Es bängi dies zweifellos in erster Linie damit
zusammen, dait die Verwertung und wirtscbartlictae Ausbeute der musi-
kalischen Schöpfungen fast nie in direktem Verkehr des Urbebers mit
dem Publikum, sondern auf dem Umweg über den Verleger stattfindet, der
dann naturgemSfi mit der Wahrnehmung seiner eigenen Rechte aucb deo
Schutz des Urhebers — soweit dieser nicht mit der Selbstverteidigung des
Verlegers ohnehin zusammenfallt — zu übernehmen pfiegt. Diese durch
die Sachlage sich ergebende Fembaltung der .prohnen* Rechtswabmehmung,
vom Komponisten hat jedoch auch Ibre Schattenseiten; denn aus diesen
und anderen Gründen zeigen die schaffenden Künstler einen Mangel aa
Vielseitigkeit, insbesondere eine Gleichgültigkeit gegen juristische und
andere wissenschaftliche Betrachtungsweisen der Musik, daß man unwill-
kürlich an Nietzsches Bemerkung erinnert wird, die Denkweise des
Künstlers gleiche der ausgesprochen antlwIssenschaFlllchen Veranlagung des
typischen Weibes. Die Rechtswissenschaft teilt diese lieblose Behandlung
übrigens mit fast allen anderen Wissenszweigen, die sich mit musikalischen
Problemen zu befassen haben, so Insbesondere mit der Philosophie, deren
Singen nach psychologischer und islhetiscber Erfassung des musikaliscben
Gedankens fast durchweg des berufenen künstlerischen Beistands entbehren;
muß. Hierzu kommt speziell beim Musiker noch, daß seine Kunst allein,
der Kenntnis des Lebens völlig entbehren kann — Gründe genug für die
der juristischen Betrachtungsweise abboldeGescbmacksrlchlung des Künstlers..
Diese antijuristiscbe Veranlagung des Musikers bedeutete für den
Gesetzgeber vielleicht einen Mangel an Ermunterung, jedenfalls aber kein
Hindernis; eine sehr erhebliche Schwierigkeit stellte dagegen die aus-
gesprochen antijuristische Veranlagung der Musik selbst, also des zu
erfassenden Gegenstandes, dar; denn die Rechtswlssenscbaft und Gesetz-
10*
':l
136
DIE MUSIK VII. 21.
gebung bedarf der scharfen Begriffe und der klaren Definitionen — und
gerade diesen widerstreben die musikalischen Probleme aufs äußerste.
Man muß hervorheben, daß die deutsche Gesetzgebung auf dem Gebiete
des musikalischen Urheberschutzes die Spröde des Stoffs mit sehr
bedeutender Geschicklichkeit gemeistert hat ; zudem zeichnen sich die ein-
schlägigen Gesetze durch große Einfachheit aus, eine allerdings nur äußer-
liche Einfachheit, da die Schwierigkeiten bloß umgangen, nicht beseitigt
sind. Jedenfalls sind aber die Prinzipien des geltenden musikalischen Ur-
heberrechts, die rechtliche Stellung des Komponisten auf Grund seiner
Schöpfung in klaren Zügen herausgearbeitet, so daß man sie für den Nicht-
juristen auch in gedrängter Kürze nachzeichnen kann. Und dies soll im
folgenden versucht werden ; ein Versuch, zu dessen Rechtfertigung (die man
von dem juristischen Eindringling in diese Zeitschrift vielleicht verlangen
wird?) diese einleitenden Worte ja eben dienen sollen.
Pas geltende deutsche Recht beruht in erster Linie auf dem «Gesetz,
betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst*, vom
19. Juni 1901, das an die Stelle des .alten Urhebergesetzes* von 1870
getreten ist; die Beziehungen des Autors zum Verleger regelte gleichzeitig
das .Gesetz über das Verlagsrecht*, ebenfalls vom 19. Juni 1901^). Das
letztere Gesetz soll im folgenden aber nur insoweit herangezogen werden,
als es nötig ist, um die Stellung des Urhebers selbst zu beleuchten. Die
«Stellung des musikalischen Urhebers* — da haben wir ohne Weiteres die
beiden Fragen, in die logischerweise die ganze Untersuchung eingeteilt
werden muß:
I. Wer genießt den musikalischen Urheberschutz? und
II. worin besteht derselbe?
I. Was die erste Frage betrifft, so wird sie vom Gesetz prinzipiell
höchst einfach und klar beantwortet: Der Urheber eines Werkes der
Tonkunst. Man meint zunächst, daß damit das Problem in einer ganz
zweifelsfreien Weise gelöst sei und daß man ohne weiteres zur Beant-
wortung der zweiten Frage schreiten könne. Die Einfachheit der Antwort
ist jedoch, wie sich sogleich zeigen wird, nur eine scheinbare; denn wie
fast alle Begriffe des täglichen Lebens sind auch die in der Antwort des
Gesetzes enthaltenen durchaus nicht so einfach, obwohl jeder zunächst
meint, sie ohne Mühe definieren zu können. Diese Schwierigkeit der
Interpretation, die die lapidarische Kürze der gesetzlichen Bestimmung der
Wissenschaft und Praxis — mit vollem Recht — aufbürdet, liegt nicht in der
«juristischen Spitzfindigkeit*, sondern in der ungeheuren Mannigfaltigkeit
^) Die Werke der bildenden Kunst und der Photographie unterliegen einem
eigenen Gesetze, dem neuen « Kunstschutzgesetz'' vom 9. Januar 1907.
139
HIRSCHBERG: MUSIKALISCHES URHEBERRECHT
Die Sonaten selbst sind natürlich frei (s. u. über die Dauer des Urheber-
rechts); die eingestreuten Notenfiguren und Vortragszeichen gewähren dem
•Bearbeiter, wie dargelegt, kein Recht; aber die Anmerkungen und Er-
läuterungen, die in Textform angefügt sind, genießen ohne jeden Zweifel
Urheberschutz — aber welchen ? Natürlich nicht den musikalischen (denn
«ie sind ja keine Werke der Tonkunst), sondern denselben wie alle indi-
viduellen sprachlichen Erzeugnisse, also den literarischen; natürlich ist in
•dieser Richtung Bülow dann als Verfasser, nicht als Bearbeiter anzusehen.
Nun wäre also die erste Frage völlig beantwortet; — doch haltl Wer
•erlangt denn das Urheberrecht, wenn nicht Verfasser und Bearbeiter,
sondern mehrere Urheber in Betracht kommen? Wenn z. B. zwei Kom-
ponisten zusammen eine Operette verfertigen? Hier kommt es darauf an,
ob ihre Arbeiten sich trennen lassen; in diesem Falle (wenn z. B. der
«ine nur die Ouvertüre und die Märsche, der andere den Rest komponiert
hat) erlangt jeder Urheberrecht an dem von ihm verfaßten Teile ; läßt sich
4iber der Anteil des einzelnen nicht mehr feststellen, so besteht unter
ihnen Miturheberrecht, d. h. eine Gemeinschaft nach Bruchteilen, die im
Bürgerlichen Gesetzbuch näher geregelt ist.
Bei anonymen und offensichtlich Pseudonymen Werken — ein Fall,
•der in der Musik ja selten ist — wird der Herausgeber, und falls dieser
nicht angegeben ist, der Verleger vom Gesetz ermächtigt, die Rechte des
Urhebers wahrzunehmen.
IL Das also versteht das Gesetz unter dem «Urheber eines Werkes
•der Tonkunst*, diese Werke also genießen den Urheberschutz. Es bedarf
nun nur noch der weiteren Frage, was man unter diesem Schutz zu ver-
:8tehen hat, welche Rechte seinen Inhalt bilden. Die Antwort auf diese
Frage ist abermals eine höchst einfache: der musikalische Urheber hat
l)rinzipiell das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung, gewerbs-
mäßigen Verbreitung und öffentlichen Aufführung seines Werkes.
1. Ausschließliches Recht der Vervielfältigung: Vermöge desselben
kann der Autor jedermann verbieten, seine Komposition zu vervielfältigen,
gleichviel durch welches Verfahren dies bewirkt wird. Selbstverständlich
ist also verboten das Abschreiben, Nachdrucken (im eigentlichen Sinn),
Hektographieren usw. ohne Erlaubnis des Autors. Nach dem oben über
die Entstehung des Urheberrechts Gesagten ist auch untersagt das Nach-
^hreiben einer vom Komponisten bloß vorgespielten neuen Schöpfung.
Es begründet übrigens, wie das Gesetz ausdrücklich hervorhebt, keinen
Unterschied, ob das Werk in mehreren oder bloß in einem Exemplar un-
befugt vervielfältigt wird. Sehr streitig war nach früherem Recht die
infolge der Entwickelung der Technik jetzt zu größter Bedeutung er-
^rachsene Frage, ob die Vervielfältigung auf Platten von Phonographen,
140
DIE MUSIK VII. 21.
Jl
Aristons usw. gestattet ist ; das Reichsgericht verneinte die Frage, und ihm
schlössen sich die meisten deutschen Gerichte an. Nun hat aber das
geltende Urhebergesetz diese Frage merkwürdigerweise genau im um-
gekehrten Sinne geregelt und eine Bestimmung getroffen, die ich ihrer
großen Wichtigkeit wegen im Wortlaut anfuhren möchte:
S 22. .Zulässig ist die Vervielfältigung, wenn ein erschienenes
Werk der Tonkunst auf solche Scheiben, Platten, Walzen, Binder und
ähnliche Bestandteile von Instrumenten fibertragen wird, welche zur
mechanischen Wiedergabe von Musikstficken dienen. Diese Vorschrift
findet auch auf auswechselbare Bestandteile Anwendung, sofern sie nicht
für Instrumente verwendbar sind, durch die das Werk hinsichtlich der
Stärke und Dauer des Tones und hinsichtlich des Zeitmaßes nach Art
eines persönlichen Vortrags wiedergegeben werden kann.*
Mit andern Worten: der Urheber kann nicht verbieten, daß sein
Werk von jedermann für Phonographen, Spieldosen usw. auf Walzen ver-
vielfältigt wird; ausgenommen ist das Pianola. Diese Bestimmung, fiber
deren Berechtigung man sehr verschiedener Meinung sein kann, und die
genau genommen eine große Inkonsequenz darstellt, erklärt sich einerseits
aus der Rücksichtnahme auf die Industrie, andererseits daraus, daß Deutsch-
land gemäß der Bemer Übereinkunft (s. u.) die Vervielfältigung für Spiel*
dosen, Drehorgeln usw. gestatten mußte und aus Billigkeitsrficksicbten
die Phonographen nicht zurücksetzen wollte.
a) Eine Ausnahme vom Verbot der Vervielfältigung bildet eine
weitere Bestimmung, wonach jedermann Abschriften usw. von geschützten
Werken herstellen darf, sofern dies ohne Erwerbsabsicht lediglich zum
Privatgebrauch geschieht; es darf daher jeder Musikschüler zu Übungs-
zwecken oder für seine privaten Studien Abschriften aus fremden Werken
anfertigen.
b) Femer dürfen einzelne Stellen eines bereits erschienenen Werkes
in einer selbständigen literarischen Arbeit angeführt werden. Wenn dem-
nach jemand in der «Musik** einen Aufsatz über moderne Kammermusik
veröffentlicht, so kann er darin nach Belieben Zitate aus den erschienenen
Werken Pfitzners, Regers usw. ohne spezielle Erlaubnis dieser Künstler
als Belegstellen aufnehmen.
c) Ja sogar ganze Kompositionen, jedoch nur solche von geringem
Umfang, dürfen nach ihrem Erscheinen in eine selbständige wissenschaft-
liche Arbeit aufgenommen werden, z. B. in eine «Geschichte der Variatioa
seit Beethoven".
d) Endlich darf jedermann kleinere erschienene Kompositioaen ia
Sammelwerke aufnehmen, die für den Unterricht in Schulen mit Ausnahme
141
HIRSCHBERG: MUSIKALISCHES URHEBERRECHT
der Musikschulen bestimmt sind. Beispiel: ein Liederbuch für Volksschulen
kann Brahms' «Wiegenlied" einfach nachdrucken.
Es war dies eine etwas trockene AuMhlung von Ausnahmen; ich
glaubte sie aber wegen ihrer großen praktischen Bedeutung nicht unter-
schlagen zu dürfen.
2. Ausschließliches Recht der gewerbsmäßigen Verbreitung: Dar-
über ist nicht viel zu sagen, der Begriff ist ja leicht verständlich. Es
liegt darin vor allem, daß der Autor bestimmen kann, ob das Werk über-
haupt verbreitet werden soll. Wenn Richard Wagner seinen «Parsifal' dem
Buchhandel ganz hätte vorenthalten wollen, so hätte niemand die Macht
gehabt, ihm das zu wehren — bis zum Ablauf seines Urheberrechts; ein
Moment, in dem auch das Verbot der öffentlichen Aufführung außer-
halb Bayreuths hinfällig wird, wie ja allgemein bekannt ist. Bemerkt sei
noch, daß in der gewerbsmäßigen Verbreitung das gewerbsmäßige Ver-
leihen (in Musikbibliotheken usw.) nach ausdrücklicher Vorschrift des
Gesetzes nicht mit inbegriffen ist.
3. Ausschließliches Recht der öffentlichen Aufführung: Damit stehen
wir vor dem heißumstrittensten Punkt der ganzen Frage, in dem das neue
Urhebergesetz von 1901 eine Neuerung von einschneidendster Bedeutung,
ja geradezu eine Umwälzung hervorgerufen hat. Nach dem früheren Ur-
heberrecht (seit 1870) war nämlich die öffentliche wie private Aufführung
aller Kompositionen nach Belieben gestattet; der Autor einer Symphonie,
einer Sonate, eines Liedes konnte keinem Künstler untersagen, sein Werk
aufzuführen; verboten war nur die öffentliche Aufführung der sogenannten
.musik-dramatischen' Werke — nebenbei gesagt einer der Begriffe, die
der Gesetzgeber mit unschuldsvoller Miene als die klarste Sache von der
Welt verwendet, und an denen sich die Wissenschaft dann hinterher die
Zähne ausbeißen darf. Hier hat nun das neue Urhebergesetz eine Regelung
getroffen, der man jedenfalls den Vorzug der Klarheit und Einfachheit
nicht absprechen kann: jetzt sind gegen Aufführung alle dem Gesetz
überhaupt unterliegenden Musikstücke geschützt — ohne die geringste Aus-
nahme. Man vergegenwärtige sich, was dies in der Praxis besagen will:
jeder Leiermann an der Straßenecke, der eine Stelle aus dem neuesten
Opemschlager herunterorgelt, wäre danach gebührenpflichtig^)! Aber ver-
lassen wir auch das Gebiet der extremsten Fälle, mit denen man bekannt-
lich jeder Einrichtung eine komische Färbung geben kann, so bleiben doch
noch genug Bedenken, die man den großen Vorzügen der Neuerung ent-
gegensetzen kann. Indes, wenn man mit wenigen Worten auf das Gebiet
*) Daß niemand daran denkt, die »verfallenen Gebühren" von ihm einzukassieren,
ist selbstverstindlich; siehe Dr. W. d'Albert: «Die Verwertung des musikalischen Auf-
ffibningtrecbtes in Deutschland', Jena 1907.
142
DIE MUSIK VU. 21.
der Polemik eingehen wollte, während diese Frage doch eine höchst grSiid*
liehe Abwägung des »Für" und »Wider"* erfordert, so könnte mmn der
Gefahr der Oberflächlichkeit nicht entgehen ; ich ziehe es daher vor, auch
hier meine Erörterungen auf das geltende Recht in rein refbrierender
Weise zu beschränken; nur so viel sei bemerkt, daß die Gegner der
Neuerung das Ideal von der »freien Zugänglichkeit der Kunst* nicht als
Palladium erwählen können. Dieses Ideal hat nämlich, wie so viele andere,
sobald man mit dem Hammer philosophiert, einen recht metallischen Klang;
denn es ist doch klar, daß diese Frage eine wirtschaftliche in erster Linie
und eine künstlerische in zweiter Linie ist Jedenfalls muß aber mit
Rücksicht auf die ideale Seite der Frage gefordert werden, daß strebsamen
neuen Unternehmungen oder jungen Künstlern die Aufführung geschützter
Werke möglichst erleichtert wird. Man hat sich auch bei den Beratungen
im Reichstag seinerzeit nicht verhehlt, daß diese Neuerung, wie alle radi«
kalen Maßregeln, auch ihre Bedenken hat; aber man hoifte, daß die in
Aussicht genommene »Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht* alle
Härten beseitigen und gemeinnützigen Zwecken der Komponisten sich
widmen werde. Diesen Zielen hat sich die Anstalt denn auch sofort bei
ihrer Gründung zugewandt; ihre Organisation ist kürz die folgende^): Der
»Genossenschaft Deutscher Tonsetzer* in Berlin ist die »Anstalt für
musikalisches Aufführungsrecht* angegliedert, die Organe beider sind
identisch. Die Tätigkeit der Anstalt erstreckt sich auf die Verwertung und
den Schutz derjenigen Aufführungsrechte, die ihnen von den Berechtigten
übertragen worden sind. Diese Übertragung haben so ziemlich alle be*
deutenden Komponisten und Verlagsanstalten vorgenommen, sodaß die
Anstalt die weit überwiegende Masse aller überhaupt bestehenden Auf*
führungsrechte in Deutschland in sich vereinigt; die Vertragskontrahenten,
die diese Abtretung vorgenommen haben (Komponisten oder deren Erben,
Inhaber des Aufführungsrechtes nachgelassener Werke, Musikverleger,
Textdichter) heißen »Bezugsberechtigte*, weil auf diese der Reingewion
aus den Aufführungsgebühren nach einem bestimmten und sehr sinnreichen
Einschätzungsplane verteilt wird. Von dem Gesamtbeträge der eingehenden
Aufführungsgebühren werden jedoch nicht nur die Verwaltungskosten ab-
gezogen, sondern auch noch lO^o des so verbleibenden Nettoertrages an
die Unterstützungskasse der Genossenschaft abgeleitet. Den »Bezngs*
berechtigten* stehen die »Gebührenpflichtigen* gegenüber; darunter fiallea
alle Veranstalter einer SCfentlichen Aufführung eines geschützten Werket
^) Für die liebenswürdige Hilfsbereitschaft, mit der mir die «Genotseoschafl*
das einscbligige Mtteritl zur VerfQauni stellte, möchte ich ihr auch hier verblndUdien
Dank sagen.
»143 ttMfl
HIRSQHBERG; MUSIKALISCHES URHEBERRECHT SK
der Tonkunst; Opern und Musikdramen unterstehen der Tätigkeit der An-
stalt nicht; hier werden ja von den Komponisten stets Separatverträge ab-
geschlossen. Eine Erstreckung der Tätigkeit der Anstalt auf dieses ganz anders
geartete Gebiet, bei dem der Kreis der Abnehmer ein ganz verschiedener ist,
erscheint nicht wünschenswert, wird auch bisher nicht geplant. Die Ge-
bühren werden in doppelter Form einkassiert: entweder als «Einzel-
gebühr' für die einzelne Aufführung oder als «Pauschgebühr"; im
letzteren Falle zahlt der betreffende ausübende Künstler eine feste Summe für
die ganze Vertragsdauer und erhält dafür das Recht, sämtliche Werke, die
der Anstalt angehören, aufzuführen. Der letztere Modus ist für Lieder-
^nger, ständige Orchester usw. bei weitem bequemer und vorteilhafter,
weshalb er denn auch in der weit überwiegenden Mehrzahl aller Fälle an-
gewandt wird; so wurden an ordentlichen Einnahmen 1907 erzielt: an
Pauscbgebühren etwa 127000 Mk., an Einzelgebühren nur etwa 7400 Mk.
Bemerkt sei, daß die Verwaltungskosten relativ sehr gering sind. Gegen
finanziell schlecht gestellte Unternehmungen, die ernste Ziele verfolgen,
lißt die Anstalt möglichste Rücksicht walten; auch in der Bemessung der
Pauschgebühren sucht sie die ideale Seite der Frage im Auge zu behalten.
Daß sie gegen prinzipielle Leugner ihrer Rechte schließlich gerichtlich
vorgeht, ist selbstverständlich. Die der Anstalt nicht als Mitglieder oder
Vertragskontrahenten angehörigen Komponisten machen von dem für sie
offenbar zu weitgehenden Schutz des Gesetzes meistens überhaupt keinen
Gebrauch; hier ist eben, da es sich vorwiegend um weniger bekannte Namen
handelt, der ausübende Künstler der Stärkere.
Es war eben von der öffentlichen Aufführung von Opern die Rede;
im Anschluß daran muß doch über die durch einen Berliner Prozeß kürz-
lich aktuell gewordene Frage der Urheberberechtigung des Textdichters
ein Wort gesagt werden. Bei Opern, Chorwerken usw. hat bekanntlich
der Librettist an seinem Text ein selbständiges literarisches Autorrecht;
wenn also dieses noch besteht, dagegen das Recht des Komponisten durch
Zeitablauf erloschen ist, ist zwar die Musik der Oper frei, der Text
aber nicht (häufig läßt sich der Librettist allerdings sein Recht vom
Musiker abkaufen, das hat auf die Dauer desselben aber keinen Einfluß).
Trotz dieser selbständigen Berechtigung des Librettisten bestimmt das Ge-
setz aus praktischen Gründen, daß zur öffentlichen Aufführung einer Oper
oder eines sonstigen Musikstückes mit Text (inkl. Lieder I) nur die Erlaub-
nis des Komponisten erforderlich ist. Überhaupt drückt bei der Ver-
bindung von Musik und Dichtkunst die erstere die letztere rechtlich so
ziemlich tot; denn eine in diesen Zusammenhang gehörige wichtige Vor-
schrift besagt überdies, daß kleinere Gedichte und Dichtungsteile nach
ihrem Erscheinen als Text zu neuen Musikwerken verwendet und ver-
144
DIE MUSIK VII. 21.
vielfaltigt werden dürfen, ohne daß hierzu eine Erlaubnis des Dichters
erforderlich wäre. Jedes Gedicht von nicht bedeutendem Umfang kann
also von jedermann nach Belieben komponiert werden; ausgenommen sind
nur solche Gedichte, die ihrer Gattung nach zur Komposition bestimmt
sind. Die so für vogelfrei erklärten Dichtungen (man wird diesen Aus*
druck entschuldigen, wenn man ihn nur auf die FflUe bezieht, in denen
ein schönes Gedicht den qualvollen Tod schlechter Vertonung gestorben
ist) dürfen für Konzertzwecke dann konsequenterweise auch als Liedertezte
vervielfältigt werden.
Das öffentliche Aufführungsverbot gilt nicht für
a) Aufführungen ohne Entree, die keinen gewerblichen Zweck verfolgen»
b) Volksfeste, mit Ausnahme der Musikfeste,
c) Wohltätigkeitsaufführungen, bei denen alle Mitwirkenden auf Honorar^)
verzichten,
d) geschlossene VereinsauflPührungen.
Doch fällt die bühnenmäßige Aufführung von Opern, Singspielen usw.
auch in diesen Fällen unter das Verbot.
Ergänzend sei diesen umfassenden drei Verbietungsrechten, die den
Inhalt des Urheberschutzes bilden, hinzugefügt, daß der Komponist auf
Grund derselben auch allein berechtigt ist, Auszüge aus seinem Werk her-
zustellen oder es für einzelne oder mehrere Instrumente oder Stimmen ein-
zurichten; Klavierauszüge usw. von Opern oder Symphonieen können also
ohne Erlaubnis des Komponisten nur von fleißigen Musikschülern für ihren
Privatgebrauch hergestellt werden. Dieses ausschließliche Bearbeitungs-
recht des Komponisten erstreckt sich, wie Allfeld hervorgehoben hat, so-
wohl auf die Reduzierung der Klangmittel (Herstellung von Klavier-
auszügen aus Opern), wie auch auf die Übertragung auf reichere Aus-
drucksmittel, z. B. Bearbeitung eines einfachen Liedes mit Klavierbegleitung
für Chor, Soli, Orchester und Orgel.
Damit sind die beiden Fragen nach dem Begriff des Urhebers und
dem Inhalt des Urheberrechts in ihren Prinzipien erschöpfend beantwortet.
Über die Dauer des Urheberrechts nach deutschem Recht brauche ich
nichts zu sagen, denn es ist ja allgemein bekannt, daß es 30 Jahre nach
dem Tode des Urhebers kraft Gesetzes erlischt; man muß jedoch hinzu-
fügen, daß nicht allein 30 Jahre seit dem Ableben des Autors, sondern
auch außerdem seit der ersten Veröffentlichung zehn Jahre abgelaufen sein
müssen, sodaß ein erst spät veröffentlichtes op. posth. also die 30 Jahre
ev. überschreiten kann.
') Man versegenwirtige sich zu diesem Punkt mit einem kleinen Liebeln, wie
hier der Komponist nolens volens in den Kreis der tufs Honorar Verzichtenden auf-
genommen wird!
145
HIRSCHBERG: MUSIKALISCHES URHEBERRECHT
Nur noch einige Pinselstriche mfissen dem Bilde hinzugefügt werden,
um die Ähnlichkeit mit dem praktischen Leben noch mehr herauszuarbeiten;
in Wirklichkeit bleibt nämlich das Urheberrecht fast nie in dieser reinen
Gestalt erhalten, da regelmäßig durch Verlagsvertrag ein Teil der urheber-
rechtlichen Befugnisse vom Komponisten dem Verleger fibertragen wird*
Auf Grund dieses vertraglichen Verhältnisses wird der Autor nämlich nicht
nur zur Überlassung seines Werkes zwecks Vervielfältigung und Verbreitung
durch den Verleger verpflichtet, er muß auch regelmäßig dem Verleger
einen Teil seiner Verbietungsrechte übertragen; so ausgerüstet kann
der Verleger dann nicht nur gegen Dritte, die ins Urheberrecht eingreifen,
vorgehen, er kann sogar nach Maßgabe des Verlagsvertrags dem Autor
selbst verbieten, irgendwelche Vervielfältigungen oder Verbreitungen des
Werkes vorzunehmen.
Indes wie sich dies im einzelnen gestaltet, kann hier nicht erörtert
werden, da nur das Urheberrecht in seiner reinen, unberührten Gestalt,
in der es das Licht der Welt begrüßt, dargestellt werden sollte; es genüge
die Andeutung, daß es bei der Berührung mit dem Verleger einen großen
Teil seines Inhalts diesem zuwälzt und in der Person des Autors daher
erheblich zusammenschrumpft.
Eigentlich wären auch noch ein paar Worte über die internationalen
Verträge zu sagen; denn es versteht sich von selbst, daß es für den Ur-
heber nur einen fragwürdigen Schutz bedeuten würde, wenn er in Deutsch-
land 80 weitgehende Rechte hätte und außerhalb des Reiches jedem Nach-
druck, jeder Verbreitung, jeder Aufführung schutzlos preisgegeben wäre.
Aber ich muß auch an dieser Frage mit einem bedauernden Seitenblick
vorübergehen, wenn ich nicht befürchten will, daß bei meinen Unter-
suchungen — wie man von Mozarts Leichenbegängnis erzählt — das
freundschaftliche Geleite am Schlüsse auf ein kleines Häuflein zusammen-
geschmolzen ist. Daher sei nur folgendes hervorgehoben: Der große
grundlegende internationale Schutzverband wurde gegründet durch die sog.
Berner Obereinkunft vom 9. September 1886 mit Pariser Zusatzakte
und Deklaration vom 4. Mai 1896; dieser Konvention gehören vor allem
«n : Deutschland, Frankreich, England, Italien, Norwegen, Schweiz, Spanien,
Japan und — Ha'iti. Durch SpezialVerträge sind mit Deutschland außer
manchen der schon genannten verbunden : Österreich-Ungarn und die Ver-
einigten Staaten. Wir vermissen einige europäische Staaten hier mit Er-
staunen; in der Tat gewähren uns keinen (gegenseitigen) Urheberschutz:
Portugal, Schweden, Niederlande, Griechenland, Dänemark und leider auch
Rußland. Hier bleibt der Zukunft noch manche große Aufgabe vorbehalten.
Während ich mich dem Schlüsse zuwende, fällt mir ein, daß ich von
-den teils zivilrechtlichen (Schadenersatz, Unterlassungsklage), teils straf-
iL
146
DIE MUSIK VII. 21.
rechtlichen (Geldstrafe, Vernichtung der Nachdmcksexemplare) Folgen der
Verletzung eines Autorrechtes noch nichts gesagt habe, indes es dringen
noch so viele andere Fragen herzu, die auf ihre nahe Verwandtschaft mit
dem behandelten Problem pochen können, daß nichts Qbrig bleibt, als mit
einem kurzen Entschluß die Tfire zuzuschlagen.
Das sind also in großen Zfigen die Rechte, die dem Komponisten aus
der Formgebung seiner Geistesschöpfung erwachsen; wenn man das Retultiit
der ganzen Untersuchung auf eine kurze Formel bringen will, so ist es
etwa diese:
Der Urheber eines Werkes hat, solange kein Verlagsvertrag ab-
geschlossen wird, das ausschließliche Recht der VervielfSltiguiig, gewerbs-
mäßigen Verbreitung und Auffflhrung seines Werkes; das Urheberreclit ist
übertragbar und vererblich und erlischt 30 Jahre nach dem Tode des
Komponisten.
Ein sehr weitgehender und intensiver Schutz ist es, den das Gesett
so dem musikalischen Urheber gewährt. Die Regelung dieser schwierigen
Frage darf man wohl im allgemeinen als eine sehr glfickliche bezeiclmen*
Denn im großen und ganzen hat das Gesetz offenbar die rechte Mittel»
linie zwischen der freien Zugänglichkeit der geistigen Gfiter einerseits und
einem kräftigen Schutz des Autors andererseits gefunden. Darfiber ist
man sich eigentlich ziemlich einig; nur einige ideale Schwärmer haben den
radikalen Vorwurf gegen diese Rechtsstellung der schaffenden Kfinstler
gerichtet, daß ein Urheberrecht überhaupt nicht existieren dürfe, weil jede
künstlerische Schöpfung von Anfang an Gemeingut des Volkes sein mfisse;
die Bezahlung des Komponisten oder Dichters sei Staatsaufgabe oder Auf*
gäbe der Großfinanziellen. Indes diese Feinde des modernen Urheber*
Schutzes haben zwar einen Oberfluß an weltfremdem Idealismus, dafBr aber
eine zu geringe Meinung von der fortschreitenden Kapitalisierung des
Marktes für künstlerische Erzeugnisse; denn es ist zweifellos, daß eine
Beseitigung des Urheberrechts die Kunst nur zum Gemeingut der Verleger
und Musikalienhändler, nicht aber zum Gemeingut des Volkes machen wflrde.
Wie der Urheberschutz also auszugestalten ist, um den lebendigen Be-^
dürfnissen zu entsprechen, darüber kann man streiten; unbestreitbar ist
aber auf jeden Fall, daß er nötig ist.
145
HIRSCHBERG: MUSIKALISCHES URHEBERRECHT
Nur noch einige Pinselstriche mfissen dem Bilde hinzugefügt werden,
um die Ähnlichkeit mit dem praktischen Leben noch mehr herauszuarbeiten;
in Wirklichkeit bleibt nämlich das Urheberrecht fast nie in dieser reinen
Gestalt erhalten, da regelmäßig durch Verlagsvertrag ein Teil der urheber-
rechtlichen Befugnisse vom Komponisten dem Verleger übertragen wird*
Auf Grund dieses vertraglichen Verhältnisses wird der Autor nämlich nicht
nur zur Überlassung seines Werkes zwecks Vervielfältigung und Verbreitung
durch den Verleger verpflichtet, er muß auch regelmäßig dem Verleger
einen Teil seiner Verbietungsrechte übertragen; so ausgerüstet kann
der Verleger dann nicht nur gegen Dritte, die ins Urheberrecht eingreifen,
vorgehen, er kann sogar nach Maßgabe des Verlagsvertrags dem Autor
selbst verbieten, irgendwelche Vervielfältigungen oder Verbreitungen des
Werkes vorzunehmen.
Indes wie sich dies im einzelnen gestaltet, kann hier nicht erörtert
werden, da nur das Urheberrecht in seiner reinen, unberührten Gestalt,
in der es das Licht der Welt begrüßt, dargestellt werden sollte; es genüge
die Andeutung, daß es bei der Berührung mit dem Verleger einen großen
Teil seines Inhalts diesem zuwälzt und in der Person des Autors daher
erheblich zusammenschrumpft.
Eigentlich wären auch noch ein paar Worte über die internationalen
Verträge zu sagen; denn es versteht sich von selbst, daß es für den Ur-
heber nur einen fragwürdigen Schutz bedeuten würde, wenn er in Deutsch-
land 80 weitgehende Rechte hätte und außerhalb des Reiches jedem Nach-
druck, jeder Verbreitung, jeder Aufführung schutzlos preisgegeben wäre.
Aber ich muß auch an dieser Frage mit einem bedauernden Seitenblick
vorübergehen, wenn ich nicht befürchten will, daß bei meinen Unter-
suchungen — wie man von Mozarts Leichenbegängnis erzählt — das
freundschaftliche Geleite am Schlüsse auf ein kleines Häuflein zusammen-
geschmolzen ist. Daher sei nur folgendes hervorgehoben: Der große
grundlegende internationale Schutzverband wurde gegründet durch die sog.
Berner Obereinkunft vom 9. September 1886 mit Pariser Zusatzakte
und Deklaration vom 4. Mai 1896; dieser Konvention gehören vor allem
an : Deutschland, Frankreich, England, Italien, Norwegen, Schweiz, Spanien,
Japan und — Haiti. Durch SpezialVerträge sind mit Deutschland außer
manchen der schon genannten verbunden : Österreich-Ungarn und die Ver-
einigten Staaten. Wir vermissen einige europäische Staaten hier mit Er-
staunen; in der Tat gewähren uns keinen (gegenseitigen) Urheberschutz:
Portugal, Schweden, Niederlande, Griechenland, Dänemark und leider auch
Rußland. Hier bleibt der Zukunft noch manche große Aufgabe vorbehalten.
Während ich mich dem Schlüsse zuwende, fällt mir ein, daß ich von
den teils zivilrechtlichen (Schadenersatz, Unterlassungsklage), teils straf-
148
DIE MUSIK VII. 21.
M
Vergleich herangezogen wird. Vorerst seien einmal die Stellen ohne
weiteren Kommentar nebeneinandergestellt. Zunächst Handel:
Arioso:
Larghetto
^
K
f\, if.'J 'hl^ «;>;■; ipu^rc ffj r
Sebtuhln, und (leb, schanhio, und aleh; wer kennet «olche Qualen
Bei Beethoven handelt es sich nm eine Episode, die unmittelbar vor dem
zweiten mit drei Kreuzen versehenen Teil steht. Es kommen im ganzen
neun Takte in Frage; doch sollen nur die ersten zitiert werden, obgleich
der achte and neunte (Beginn des mit drei Kreuzen versehenen Teils)
eine besondere 'Wichtigkeit haben. Indessen, mag jeder die Stelle selbst
nachschlagen:
■li
i
■^
m
^^
1^%.
usw.
^^^p^im
Brahms zitiert sich mit Angabe dieser Stelle beinahe von selbst
gebe von der Partitur einzig soviel, als für unsern Fall in Betracht Im
149
HEUSS: EINE PARALLELE
Es ist bezeichnend, daß Riemann die Brahmssche Stelle direkt auf
Händel bezog, obgleich die äußeren Ähnlichkeiten mit dem Beethovenschen
Teil sich viel rascher aufdrängen. Nicht nur die Themagestalt ist bei
Beethoven ganz ähnlich, sondern Brahms hat auch die arpeggierte Be-
gleitung der Bässe (Violoncelle und Violen) sichtlich nachweisbar von
Beethoven übernommen. Dennoch hat Händel noch beinahe mehr oder
ebensoviel mitgewirkt. Da ist vor allem einmal die Tonart. E-moll mit
ihrem ausgeprägten Stimmungscharakter ist keine zufällige Tonart, und
•sowohl für das Händeische Stuck als für die Symphonie überaus
'Charakteristisch. Auf Händel ist aber auch wohl der nachschlagende
Rhythmus der Holzbläser zurückzuführen; denn das nachschlagende, so
eigentümlich schwebende Orchestermotiv gibt dem Händeischen Stück
zu einem guten Teil seine Eigenart. In der Stimmung schließt sich
Brahms stärker an Händel, in der Thematik stärker an Beethoven an.
Etwas schwieriger ist es nachzuweisen, daß die Beethovensche Stelle
«uf Händel fußt. Sicherlich handelt es sich um einen ganz freien und
vielleicht unbewußten Niederschlag. Daß die Motive sich stark gleichen, z. B.
I:
*
'—j^'l^F J— etwas ganz ähnliches ist wie:
drängt sich ohne weiteres auf. Wichtiger ist aber noch die Stimmung der
beiden Stellen, die, bei Händel klar ausgeprägt, durch Beethoven eine
starke, subjektive Steigerung erfahren hat. Sehr bezeichnend sind hierfür
die zwei Takte in fis-moll bei Beethoven (in dem Notenbeispiel nicht
mitgeteilt), die durch die von Beethoven gegebene Bemerkung smorzando
ein helles Licht (auf die ganzen Takte) werfen. »Wer kennet solche
Qualen, schwer wie seine Qualen", diese Worte des Händeischen
Textes dürfte man mit einem gewissen Recht über diese Takte des
VIL 21. 11
150
DIE MUSIK VIL 21.
m
m^Blf
Beethovenschen Satzes setzen oder sie wenigstens in diesem Sinne ver»
stehen, wobei man sie allerdings auf Beethoven selbst beziehen wird»
Gerade dieses Analogen berechtigt noch besonders zu der Annahme^
daß Beethoven bei dieser Stelle der bei ihm ip Fleisch und Blut
übergegangene «Messias' von Händel vorschwebte. Jedenfalls wird man*
zugeben müssen, daß das Beethovensche smorzando kaum eine sinnigere
Erklärung als durch den Hinweis auF diese Stelle im «Messias* finden kann..
Ein Wort noch über den Brahmsschen Satz im Zusammenhang mit
den beiden Vorgängern dieses Themas. So offensichtlich es ist, daO«
Brahms nicht zufällig auf das wichtigste Material seines ersten Satzes
dieser Symphonie kam, so offenkundig ist es für jeden, der einen Einblick in die
Art und Weise hat, wie große Komponisten fremdes Material benfitzen, daß»
Brahms trotz allem ein ganz Neues, Selbständiges geschaffen hat. Man darf
sogar betonen, daß erst Brahms den Gedanken seiner Vorgänger ihre voll*
kommene Ausbildung gegeben hat, daß er es ist, der diese Gedanken an»
helle Licht zog und sie derart selbständig weiterbildete und mit seiner
Persönlichkeit durchtränkte, daß man trotz allem erst hier etwas völlig
Abgerundetes vor sich hat. Bei Händel handelt es sich um ein kleines Stflck, bei
Beethoven um eine Episode. Wer wird hier von Plagiat reden, so f^i-^
gebig man heute — Händel gegenüber — mit diesem Ausdruck hemm--
wirft? Gerade bei Brahms lassen sich bekanntlich eine Menge Themeoi
auf solche früherer Komponisten zurückführen, seine SchalTensweise-
gleicht in dieser Beziehung sehr stark der Händeischen. Bei keinem ver^
nünftigen Beurteiler Händeis hat der Respekt vor Händel dadurch auchi
nur die geringste Einbuße erlitten, und es gibt hierfür nichts Charak-
teristischeres, als daß gerade begeisterte Händelforscher es sind, die un*-
ermüdlich das Material hervorziehen und untersuchen, das Händel benutzt
hat Möge man Brahms gegenüber, der überaus viel von früheren Kom-
ponisten verwertet hat, was sich heute noch lange nicht genügend nach*
weisen läßt, einmal nicht eine solche Stellung einnehmen, wie sie-
heute vielfach Händel gegenüber so beliebt ist. Man darf hervor-
heben, daß gerade auch diese Händel-Beethovensche Benutzung von»
Seiten Brahms' sein starkes Bewußtsein von Selbständigkeit und Eigen-
art zeigt Einem Brahms, der einen Cbrysander an der Arbeit sah, wie
dieser die verborgensten Werke ans Licht zog, die Händel gekannt und
benutzt hat, konnte es nicht entgehen, daß seine »Entlehnungen* frfiher
oder später aufgedeckt würden. Dennoch trug er kein Bedenken, wie
hier, thematisches Material fremder Komponisten in einer seiner be-
deutendsten Schöpfungen zu verwerten und zwar gleich an der Spitze des
Werkes. In unserer Zeit, die sich auf den subjektiven Ausdruck so viel
zugute tut und deshalb auch der Ansicht ist, daß nur ein eigenes Thema deir
151
HEUSS: EINE PARALLELE
reine Ansdnick eines Komponisten sein könne, will dies Immerbla etwas
helftea. Glücklicherweise hat — fflr unsere Zeit — gerade Brahms ge-
zeigt, daß weder die Eigenart eines Komponisten noch die moderoe Mnaik
Bberhaupt von derartigen Parallelen In entscheidender Weise abhängig ist
Der Wert derartiger Parallelstellen rür die Musikästhetik möge hier
mit keinem Worte berfihrt werden, weil dabei Fragen zur Sprache kommen
müßten, die nar im grölten Zusammenhange eine ergiebige Bebandlung
erfahren können. Schließlich darf vielleicht — einzig als bescbeidene
Anregung — ausgesprochen werden, daß es allmShlich Zeit wSre, wenn
die vielen Beetbovenschriftsteller einmal daran gingen, unter anderem auch
das Verhlltnis Beethovens zu HIndel des näheren zu untersuchen. Aus
dem Biographischen mQßte die Beethovenkunde doch allmählich energisch
herauskommen. Oder wartet ale auch hier auf das Eingreifender Musik-
wissenschaft, die mit der Erforschung noch recht dunkler Zelten vom
10. bis 19. Jahrhundert noch lange reichlich zu tun hat? Es ist jeden-
Mlscbanütteristlsch, daß wir Qber einen Bach und HXndel, trotz der Schwierig-
keit des zu bewältigenden Stoffes, in kunstgescblcbtlicher Beziehung eigent-
lich ein viel besseres Wissen besitzen, als über Beethoven.
Der Künstler an die Kunst
I.
All meine Liebe will ich freudig giefien
In deinen Kelch, du hehres GStterklnd;
Ich will vor deinem reinen Ang erschließen
Die Schätze, die In mir verborgen, sind.
Was ich empBnde, vas ich rüblend denke,
Das will ich anvertrauen deiner Huld,
Dafi es der Armen Brust mit Wonne trXnke
Und bring Vergessen aller trüben Schuld.
Du bist das Leben, du das Spiel der Spiele.
Die Menschen wissen nimmer, was sie treiben;
Dafi sie als Werkzeug dienen deinem Ziele
Und noch befehlend deine Sklaven bleiben.
Doch mich bast du bestellt zu ihrem Herrn.
So lafi mich selig folgen sel'gem Stern.
II.
Die du mein Sehnen füllst mit süßem Schauer,
Mach, dafi ich ständig deinen Odem spure;
Gib deinem stillen Wirken stete Dauer,
Auf daß der Lockung Macht mich nicht verführe.
Verhüte, dafi ich wanke, wenn sie kommen,
Mir ihre falsche Seligkeit zu zeigen,
Und wolle nicht, daß deine Boten schweigen.
Wenn sie der zagen Seele Ruf vernommen.
Senk heiigen Durst in meines Herzens Tiefe,
Und mach mich reif für Einsamkeit und Leiden;
Die letzten Gründe meiner Wünsche prüfe.
Ob sie die Pfade deiner Weisung melden.
Umgib mein täglich Werk mit deinem Schimmer,
Dafi schön es sei und liebt so heut wie immer.
153
NADEL: GEDICHTE
m
An die Musik
Wenn Worte Zeichen sind für Geist, —
Du bist das Edelste von allem,
Was Geist und Seele bergen.
Du bist das Atmen tiefster Beweger,
Der Zauber uralter Schöpfer.
In dir ist der Rede Beginnen und ^nde;
Du rufst,
Und alle vergessen ihr Werden
Und ahnen ihr eigenstes Leben,
Du schweigst,
Und die Schönheit war.
Du bist alle Wahrheit.
Von allem Heiligen auf Erden
Bleibst du uns treu allein, —
Du hältst die Wacht,
Wenn Frevlerhand
Des Himmels Tür erbrechen will.
Vor Gott, dem Herrn.
Das Konzert
Merk auf! Nun naht die Kunst und mit ihr Liebe.
Es webt im Saal ein seltsam stilles Leben,
Das macht des Daseins tiefsten Grund erbeben.
Und jäh verstummen alle bösen Triebe.
Der dort in Seligkeit der Andacht lauscht.
Er ist im Geist ein eitler Geck, ein Tor;
Das Mädchen hier, es weilt im heiigen Chor,
Ein seichtes Lob ists sonst, was sie berauscht.
Und alle, die sich selber kaum erkennen,
Sie leben anderwärts und leben gut;
In reines Fühlen wandelt sich ihr Blut
Sie spüren Kräfte, die nicht Worte nennen.
Ein Hauch der Ewigkeit umweht die Seelen,
Ein Ahnen, wie sich Sein und Sinn vermählen.
154
DIE MUSIK VII. 21.
Der Rbythmus
Es geht durch Knast, durch Zeit und Raum ein Geist
Mit würdevollen, strenggemessnen Schritten;
Kein Zauberwort, kein Zwingen und kein Bitten,
Den niemand noch besiegt, vom Wege weist.
Es zShmt die Flut in Vort und Ton sein Hauch,
Den ruhelosen Trieb in Bild und Stein,
Und er ists, der in Blume, Bium und Strauch
Die Formen raubt dem fahlen, starren Sein.
Es achten seines Winks die lichten Sterne,
Es folgen seinem Rufe Lust und Leid;
Es wechselt selbst die Welt in fernster Feme
Auf sein Geheiß ihr buntgewirktes Kleid.
Die Tore fremder Welten sind ihm nah;
Wer ihn geschaut, begreift, was je geschab.
XI.
Karliroh, d. 20. Aupisi 33.
IJflber Brndert
Hitteat Du mir nicht (eiaft, daH Dir Rocki') Briefe aDangenebm sind, well
«is Immer lo viele Venlcberanteo eeloer Liebe und Freundscbafi eDtbielten, to
UttMt Dn (flwlB schon den Tee nach meiner Abreiae aue Darmatadt eine viel-
■eiüfe Uebeaerklirnoc von mir erhallen, denn ea bat rolcb vabrhaTi |lQckaeli( fc-
macht, als Ich Dich vlederaab nnd Dir (nachdem Ich meine ,criefi' vom Herzen
bemater (eredet batie) safen dnrfte, vle lener und wert Du meinem Herzen biet,
und iah, dafi auch Dir an der Seile Delnea llebsndea Jucendfrenndes bebafllch za
Mute var. — So, nun wird ea doch ein Rockacher Brief nnd toUie sa doch nicht
Doch ea dringt mich Dir ea wenlfstena einmal in laiea.
Die Stunde unaerer Zuaammenknnfi hatte mich ao befeiatert, daß Ich im Tagen
komponierte, achvirmle, velnte, lachte, allea durcheinander wie ein Narr. Ala ich
wieder etwaa vemBaftlg geworden war, laa ich Deine .Hymne an Gott*. Ein hSchst
InteresaanMs originelles Terk. Zart und roll jener Voglerlicben melodlSsen Har-
monieenfolgea iai die Introduktion, die Fuge kfibn n. voller neuen Tendungon,
oameotlleh la den Epiaoden. HItte Ich etwaa daran auaznseuen, so wlre ei, daß
Dn bei der ersten Anlage nicht mehr auf Verscbiedensrtlgkelt der Figuren unter den ver-
schiedenen Kontrssublsktsn gesucht hsai. Manche gelstreiche IntentlOD and guter
Eintritt rauQ dadurch FDr das gewöhnliche Dllettsnteaohr verloren gehen. Ich boffe,
Du nimmst ea nicht fibel, daH ich Dein Geicbenk wieder verschenkte und es dem
Schelble*) In Frankfurt für den Caeclllen* Verein mitteilte. Sie führen dort vor-
trenicb alles ana.
Nun lebe wohl, Bruder, nnd grSße Deine treltliche Frau. Hat Dich unser
TIederseben nur halb so erwirmt und gefreut als mich, so wirst Dn gewiß In Zukunft
wieder mehr Zell der gfittllcbea Kunst weihen, der Du Dieb durch Deine klssslsche
Tonlehre ao hoch verdient gemacht haat, die aber eben deshalb noch mehr von Dir
zu fordern berechtigt Ist, vor allem Volleadung eben jeaes groBea Verkes.
FBr den Brief aa Thlbaut*) danke Ich herzlich. Ich habe nach Heidelberg
der Post dämm geachrieben, um Ihn bei gQasHger Gelegenheit elasi benuusn an
fcSnnen, denn leider muß Ich morgea aach Paris, jedoch hoffeaillch nur auf kuTM
>) VgL voriges Heft S. 10 A. 1.
*i Joh. Nepomnk Schelble, der Begründer nnd langjihrige Leiter dea Caedllea-
Veralaa in Frankfun a. M. (I7B9-1837).
^ Der Heidelberger Jurist A. F. J. Thibaut (1774-1840), VerfUaer des be-
rthmtea Terkea (1825) .Ober Reinheit der Toaknnaf.
156
DIE MUSIK VII. 21.
Ji
Zeit. Hast Du mir irgend Wunsche oder Auftrige für dort mitzuteilen, so adressiere
sie iL Mr. Gouin, Chef de division k It grande poste, Rue J. J. Rousseau (pour
Mr. Meyerbeer) ä Paris.
Herzliche Grfiße von Dusch i), welcher die Grippe hat, doch bald wieder aus-
gehen wird.
XII.
Baden, den 16. OIctober 37«
Lieber Bruder
Von einer Exkursion nach dem Oberlande, welche drei Tage wihren sollte u»
woraus 15 wurden, bin ich gestern zurfickgekehrt u. finde Deinen lieben Brief*),
welchen ich trotz meiner Schreibefaulheit gleich zu beantworten eile, um so mehr
da er dem Datum nach lange schon angelangt ist.
Es tat mir unendlich weh, Dich bei meiner Durchreise in Darmstadt nicht
getroffen zu haben. Ich hatte Dir vieles zu sagen, was ich fiber Dich wihrend meiner
Reise spekuliert hatte, denn unsre letzte Zusammenkunft, Deine trübe Stimmung hatteo
mir die alte warme Liebe und Anhinglichkeit für meinen Gotth-Ied, für sein großes
Talent, seine leuchtende Intelligenz wieder wie durch einen Zauberschlag In die Seele
gehext. Leider wird bei meiner entsetzlichen, unbesiegbaren Schreibefaulheit In
20 Briefen nicht so viel u. Gescheutes herauskommen als in einem einzigen Ge-
spriche. Allein ich will es versuchen.
Einer der Gegenstinde, weshalb ich Dich gern gesprochen hitte, betraf die
KönigL Akademie der Künste zu Berlin. Unter den deutschen Akademleii
nimmt diese unbestritten den ersten Rang ein. Seit 4 Jahren hat sie auch eine
musikalische Sektion (deren Mitglied ich auch bin). Sie nimmt natürlich wie alle
Akademien ft'emde berühmte Künstler als Ehrenmitglieder auf. Ich dachte, daß elD
Mann wie Du, dessen Werk*) ihn zu den allerersten der jetzt lebenden Theoretiker
erhebt, schon lingst Ehrenmitglied wire. Doch dem war nicht so. Ich sprach mit
dem beständigen Sekretär der Akademie der Künste, dem (sehr einflußreichen) Pro-
fessor Tölken^) und machte ihm Vorwürfe, daß ein Name wie der DelnIge nnsrer
Akademie fehle, um so mehr da Du so artig gewesen wirst, mir bei meiner Durch-
reise Dein berühmtes Werk nebst einem Brief an die Akademie mitzugeben, welches
ich der Akademie als hommage von Dir hitte überreichen sollen, allein In Frankfurt
leider aus Versehen vergessen hätte (verzeihe mir die Lüge). Ich sprach auch mit
mehreren andern Mitgliedern u. machte bei der jährlichen Sitzung, wo neue Mitglieder
ernannt werden, u. welche während meiner Anwesenheit in Berlin flel, die Motion*
Allein ich hatte die Reglements nicht genug gekannt. Die Namen der aufiunehmendeB
KünsUer müssen von derjenigen Kunstsektion, wozu sie gehören, dem Direktor
mehrere Zeit vor der Sitzung schriftlich präsentiert werden, ehe die Generalversamm*
lung über sie ballotiert. Ferner waren dieses Mal der musiluülschen Sektion nur
2 Ehrenmitglieder gestattet worden, und diese hatte schon längst den Dr. Löwe*) aus
') Vgl. voriges Heft S. 76 A. 11.
*) Konzept Webers nicht in dessen Nachlaß enthalten.
') .Versuch einer geordneten Theorie der Tonsetzkunst."
*) Ernst Heinrich Tölken (1785—1869).
^) Den bekannten Balladenkomponisten (1796—1869).
ÜL.
157
ALTMANN: MEYERBEER AN GOTTFRIED WEBER
Stettin und den Dessttter Schneider^) dazu aufgeschrieben. Doch brachte ich nun
Deine Wahl für das nichste Mal auch vor der musikalischen Sektion lebhaft zur
Sprache und hoffe, daß in der nächsten Sitzung ohnfehlbar Du ernannt wirst*). Diese
ist aber freilich erst im Mai. Tue mir nun den GefUlen, lieber Bruder (es versteht
sich, daß Du alles dieses ignorieren mußt, denn es ist den Mitgliedern nicht erlaubt,
den Inhalt der vertraulichen Sitzungen mitzuteilen) und schicke sobald als möglich
ein Exemplar Deines Werkes als hommage an die Akademie nebst einigen Zeilen an
die Akademie der Kfinste in corpore; adressire dieses an den Herrn Professor Tölken,
bestindigen Sekretär der KönigL Akademie der Künste . . . und begleite dasselbe mit
einem recht freundlichen Privatschreiben an Professor Tölken des Inhaltes, daß ich
Dich unterrichtet hätte, er sei der S6cretaire perpetuel der Akademie u. wfirde mithin
die Gfite haben, der musikalischen Sektion dieses Werk als ein[en] Beweis Deiner
Achtung für die ganze Akademie zu fibereichen. Es ist ein einflußreicher und dabei
sehr achtungswerter Mann, welcher sich warm für Deine Wahl interessiert (welches
Du aber auch natfirlich ignorieren mußt.)
Der zweite zu besprechende t^unkt betraf die Pariser Akademie, l'Institut de
France. Wie kannst Du Dir nur denken, lieber Bruder, daß ich für einen so
berühmten Schriftsteller wie Du einen Brief fabrizieren werde? Ich, der Jetzt schon
über die lumpige[n] Zeilen dieses Briefes ächze und schwitze, als trüge ich Centner-
last I Doch sollte es Dich genieren, ihn französisch zu schreiben, so sende ihn
mir deutsch, ich will ihn gern übersetzen. Der Brief wird übrigens in der Sitzung
vorgelesen; es wäre also gut, wenn er soigniert wäre. Es wäre femer gut, wenn Du
diesem Briefe einen Privatbrief an M£ le Chevalier Berten*), membre de Tlnstitut,
beifügtest, des Inhaltes, daß Du wohl wüßtest, es sei Sitte, die Sendungen für die
Akademie an den söcretaire perpetuel zu schicken, allein Du hättest Dir das Ver-
gnügen nicht versagen [können], sie an den trefPlichen Komponisten Berten zu
adressieren, den Du nicht nur als den berühmten Komponisten der »Aline", »Montana
st Stephanie" und anderer Meisterwerke bewunderst, sondern in dem Du auch den
Verfasser trefflicher theoretischer Werke ehrtest. Du glaubtest daher, es wäre daher
am passendsten und für Dich am ehrenvollsten, wenn die Akademie aus seinen
Händen Dein hommage erhielte.
Diese beiden Briefe sende mir aber recht bald, denn wenn ich nicht irre, so
geschehen die Wahlen der »membres correspondants* gegen Ende des Jahres. Deine
beiden Briefe nebst Deinem Briefe sende ich an Berten und schreibe ihm nebst
mehreren andren Gliedern der musikalischen Sektion und noch andern das Nötige
dazu. Zum Patron nehmen wir deshalb Berten, weil er als der einzige Litterat der
musikalischen Sektion das größte Gewicht bei den Wahlen hat.
Außerdem werde ich noch an Kästner^) schreiben, einen jungen Straßburger
und Schüler Bertons, welcher trefflich deutsch versteht, daß er sich vor Abgabe
Deines Werkes an die Akademie dasselbe von Berten geben läßt, um in der »Ga-
zette musicale de Paris* darüber einen Bericht zu erstatten, den ich dann den
6 Mitgliedern der musikalischen Sektion mitteilen werde. Weit besser, zweckmäßiger
^) Friedrich Schneider, der Komponist des berühmten .Weltgerichts" (1786
bis 18S3).
*) Geschah auch wirklich.
*) Henri Montan Berten, 1767—1844, Komponist u. a. von 48 Opern.
^) Joh. Georg Kastner (1810—1867), der sehr verdiente Theoretiker und Kom-
ponist, dessen Biographie (in drei Bänden) Hermann Ludwig (v. Jan) geschrieben hat.
158
DIE MUSIK VII. 21.
und kürzer wäre es aber, Du schicktest mir diejenife der Recensionen, die Aber
Dein Werk erschienen sind, welche Du als die gründlichste, erschöpfendste und die
genügendste betrachtest (es sei nun gedruckt oder handschriftlich), und ich würde
dafür sorgen, daß sie etwas arrangiert und übersetzt in der »Gazette musicale de Paris*
al sobald erschiene.
Für heute, lieber Bruder, habe ich meiner Schreibefkulheit schon das IMögliche
zugemutet Ich verschiebe es auf morgen. Dir in einem zweiten Brief Ton den andern
Gegenstinden zu sprechen, die ich Dir noch mitteilen wollte, wie auch über den
Inhalt Deines lieben Briefes. Vorläufig sende ich Dir, wie Du es verlangst, das
Schreiben der D!!« H.^) zurück. Grüße Deine treue mir stes werte GusteL
Dein ewig treuer
Meyerbeer
XIII.
Baden, d. 20. Oktober 37.
Lieber Bruder I
Seit meinem letzten Brief an Dich war ich recht ernstlich unwohl und mußte
sogar das Bette zwei Tage hüten: daher die Verzögerung der Portsetzung meinet
Briefes; dieses Mal ist meine Schreibfaulheit unschuldig daran.
Tief hat es mich betrübt, Dich bei unserm Wiedersehen nicht nur in der Tat,
sondern auch im Sinne abgewendet und entfremdet von allem musikalischen Wirken
und SchaflPen zu finden. Wiel Du, der die lichtvollste geistreichste »Theorie* der
neuem Zeit aufgestellt hat, der in unzähligen einzelnen Aufsätzen alle Felder des
musikalischen Wissens behandelt hat, dessen »Requiem" und »Lieder* den hohen
Beruf als Komponist beurkundet haben, du verstummst in Deinen besten Mannes*
jähren und läßt den Ehrenplatz, den Dein Geist, Deine Werke Dir unbestritten an*
wiesen, en quenouille fallen? Müßtest Du nicht der Gesetzgeber, die oberste Behörde
der musikalischen Kritik in Deutschland sein? Die einzige musikalische Wirk-
samkeit, der Du Dich noch ergibst, die »Caecilia"), verliert durch die Ungeschick-
lichkeit der Publikation Deines Verlegers") alle Importanz. In so weiten Intervallen,
und besonders in unbestimmten Zeiträumen kann heute zu Tage keine Zeitschrift
mehr einen großen Leserkreis gewinnen, besonders eine musiludische, die sich doch
ihrem Publikum nach immer mehr zu den belletristischen wie zu den rein gelehrten
Zeitschriften zu zählen hat Gib die Hälfte weniger Material, aber gib alle 14 Tage
eine Nummer, und Du wirst sehen, ob ich recht habe. •
Und Deine herrlichen einzelnen Aufsätze, die Du seit 30 Jahren in die vei^
schiedenen musikalischen Zeitschriften Deutschlands verstreut hast, warum llftt Du
sie der Vergessenheit überantworten? Ja wohl der Vergessenheit! Denn wer lieet
ein Journal andere als im Moment seines Erscheinens, und wer liest es mehr als
einmal? Warum verschmähst Du zu tun, was die größten Schriftsteller doeh in ihn-
lichen Fällen taten. Warum sammelst Du nicht diese einzelne[n] Aufsätze, revidierst
>) Nicht im Weberschen Nachlaß enthalten.
^ Die »Caecilia, Zeitschrift für die musikalische Welt* hatte G. Weber ISH
begründet; nach seinem Tode gab sie S. Dehn bis 1848 heraus.
*) B. Schotf 8 Söhne, Mainz.
150
ALTMANN: MEYERBEER AN GOTTFRIED WEBER
und koordinierst sie und gibst sie unter dem Titel .G. Webers vermischte musikalische
Schriften" (oder unter sonst einem andern Titei) heraus?^) Alle kritische[n] Organe
der Musik würden natürlich diese Erscheinung besprechen, das Publikum von heute
das für ihn [!] neue Werk lesen, und endlich wird als Werk in der musikalischen
Utteratur einen ehrenvollen und bleibenden Platz einnehmen, was, in den Zeitschriften
versplittert, vergessen worden wire.
Und warum hast Du keinen musikalischen Wirkungskreis in Darmstadt?
Warum bist Du nicht Intendant der Oper? Hat man Dir es etwa nicht angeboten?
Dss sollte mich nicht wundem, falls Du selbst keinen Schritt dazu getan hast. Du
bist in Darm Stadt die einzige musikalische Superioritit. Superiorititen genieren
und demütigen, und man dankt Gott, wenn sie das Maul halten. Allein liebt man
auch Superiorititen nicht, so furchtet man doch ihren Geist, ihr Wort, ihre Feder;
und fördert die Superioritit vollends nur, was ihr gebührt, so schiigt es ihr selten
fehl. Wolle Intendant sein, lieber Bruder; scheue Dich nicht, es am gehörigen Ort
zu sagen, und Du wirst es gewiß sein. Sollte die Prinzeß Wittgenstein (die einzige
Person Eures Hofes, welche mir bekannt ist) noch in Paris sein, wenn ich dorthin
komme, so werde ich ihr über diesen Gegenstand alles das sagen, was Du nicht sagen
zu wollen scheinst.
Und endlich warum lißt Du Dein herrliches Kompositionstalent so ginzlich
brachliegen? Etwa weil Du drückende Berufsgeschifte hast? Das ist kein hin-
reichender Grund. In unserm Deutschland, wo nie von oben etwas direkt für die
Existenz des geistig Produclerenden getan wird, sind von jeher die Mtjoritit der
Gelehrten, Schriftsteller und Künstier genötiget gewesen, Ämter zu bekleiden, um
existieren zu können, und haben doch dabei (wenn sie anders Genie hatten) Meister-
werke geliefert Freilich ist die Öffentlichkeit hiuflg ein Dornenfeld für den, welcher
sich darauf zu tummeln genötigt ist; namentlich in unsrer so zerrissenen, kon-
vulsivisch bewegten Zeit, wo die einfachsten Wahrheiten nicht mehr unbestritten
bleiben, wo die Kritik sich so hiuflg in den Hinden unberufener Laien beflndet, oft
auch nur als Vehikel persönlicher Freundschaft oder Feindschaft dient, um durch die
Beurteilung des Werkes dessen Verfasser zu deiflzieren oder zu vernichten. Allein
wenn man sonst nur in seinem Innern die feste Oberzeugung hat, das Rechte gewollt
und erkannt zu haben, verwunden auch die schirfsten, gehissigsten AngriflPe nicht so
arg, als man glauben sollte.
Ich komme nun zur Beantwortung Deines Briefes. Den herzlichsten Dank,
lieber Bruder, für Deinen fk'eundlichen Avis über den Dir zugesandten Aufsatz*) gegen
»die Hugenotten* und die liebevolle Art, mit der Du es meinem Ermessen anheim-
stellst, ob der Aufsatz in der «Caecilia* erscheinen soll oder nicht. Mir scheint. Dein
Scharfsinn hat auch hier gleich das Zweckmißigste erkannt, und ich bin ganz Deiner
Meinung, daß der Aufsatz weniger Schaden in der »Caecilia* wie anderswo tun wird,
weil, wie Du bemerkst, durch Randglossen und Noten dem Gifte gleich das Gegen-
gift beigesellt werden kann. (Ich halte Noten für besser als einen förmlichen, aber
nacbtriglichen Aufsatz.) Du frigst mich, wer aber diese Noten schreiben soll, da
^) Geschah nicht
^ Dieser AufiMtz von Heinrich Paris (offenbar einem Pseudonym) erschien
nnter dem Titel »Einige deutsche Gedanken bei Gelegenheit einer französischen
Oper. Von einem Laien" im 20. Bande der »Caecilia« (Heft 70) S. 1—51. In den
beigefügten Anmerkungen der Redaktion (d. i. Gottft. Weber) ist dieser Brief Meyer-
beers zum Teil wörtiich benutzt
160
DIE MUSIK VII. 21.
Dir das Werk unbekannt ist? Darauf, lieber Bruder, weiß ich nichts za antworten^
allein auf keinen Fall ich selbst, wie Du es vorschligst. Ich habe es mir seit Jahren
zum unverbrfichlichen Gesetze gemacht, nie persönlich auf AngriflPe gegen meine
Arbeiten zu antworten und persönliche Polemik unter keiner Bedingung weder zo
vertnltssen noch zu erwidern. Allein da, wie Du schreibst, der Aufsatz fast ginslich
gegen das Stfick gerichtet ist und der Musik kaum erwihnt, so kann ich Dir die
Kenntnis des Stfickes verschaflPen, denn ich habe hier ein Exemplar desselben, welches
ich Dir heute noch sende. Ob Dir »die Hugenotten* als Drama gefallen werden^
ob Dir der StoflP glücklich oder unpassend für ein Opemsujet erscheinen wird, das
weiß ich nicht; allein das hoflPe ich. Du wirst die Behandlung nicht unsittlich, nicht
scandaleuse finden (wie der Verfasser jenes Aufsatzes). Es ist freilich ein furchtbmret
historisches Faktum, allein doch so allgemein bekannt, selbst so oft dramatisch
bearbeitet, daß von größerer Veröffentlichung durch eine Opembearbeitung keine
Rede sein kann. Mich dfinkt, die protestantische Religion wird durch das
ganze Stfick in das edelste, würdigste Licht gesetzt Ffir die Katholiken ist in dem
Stücke, wie es auch geschichtlich war, die ganze St. Barthelemy^) nar ein
politisches Faktum. Ob es aber fiberhaupt ein noch nicht dagewesener Skandal
sei, religiöse Streitigkeiten auf die Bühne zu bringen und sogar einen wirk-
lichen Choral in der Oper anzubringen, die Frage, dünkt mich, ist schon Tor
25 Jahre[n] beantwortet worden; denn so lange bereits ist es her, daß in dem
lutherischen Berlin »Die Weihe der Kraft* von Werner*) gegeben ward, wo
Luther selbst der Held des Stückes war, u. seine religtöse[n] Streitigkeiten
mit Papst und Kaiser den StoflP des Dramas bilden und wo such mehrere
seiner Choräle in dem Stücke gesungen werden. Alles dieses erregte damals
keinen Skandal, ward im Gegenteil vom Puklikum unzählige Male mit Rührung und
Erhebung angesehen. Freilich wenn der Choral zur Opernarie gemacht würde (wie
der Verfasser des Aufsatzes sagt), so wäre das wirklich ein Skandal. Allein wenn
grade im Gegenteil dieser Choral als Gegensatz der weltlichen Musik stets stren|^
und kirchlich behandelt ist, wenn er als Anklang aus einer bessern Welt, als Symt>ol
des Glaubens u. HoflPens immer nur als Anrufung bei drohender Gefahr oder in den
Momenten der höchsten Erhebung ertönt und sich in einzelnen Anklängen zwar
durch das ganze Stück zieht, aber immer nur in dem Munde derjenigen Person (der
Diener Marcel), welche als Repräsentant eines einfachen, aber unerschütterlichen
frommen Glaubens, ja als Märtyrer gezeichnet ist, so ist, dünkt mich, eine solche
Behandlung eher Heiligung als Entweihung eines Kfrchengesanges zu nennen. Ob>
es mir gelungen, diese Intention wirklich ins Leben zu rufen, das kannst Du flreUich
nicht wissen, lieber Bruder, da Du die Oper nicht kennst. Ich hatte eigentlich bei
meinem vorletzten Besuche eine Partitur der »Hugenotten* für Dich mitgebracht,
allein Du sprachst mir mit so vieler Apathie damals von Musik, daß ich nicht wsgte,.
Dir meine Intention mitzuteilen. Wisse aber, daß das Packet noch immer mit der
Aufschrift »an Gottfried Weber* in meinem Zimmer liegt, u. langweilt es Dich nicht,.
5 Akte Musik von mir zu durchlesen, so schreibe ein Wort, u. die Partitur wandert
zu Dir.
Und nun lieber Bruder, denke ich genug geschwatzt zu haben. Was ich über
^) Die Bartholomäusnacht (23/24. August 1572).
*) Sonst bekannt u. d. T.: »Martin Luther*; diesem Stücke stellte Zschsriss
Werner (1768—1823), nachdem er 1811 katholisch geworden war, die »Weihe derUn*
kraft* gleichsam als poetische Buße für seinen »Luther* entgegen.
150
ALTMANN: MEYERBEER AN GOTTFRIED WEBER
und koordinierst sie und gibst sie unter dem Titel »G. Vebers vermischte musikalische
Schriften' (oder unter sonst einem andern Titel) heraus?^) Alle kritische[n] Organe
der Musik wfirden natfirlich diese Erscheinung besprechen, das Publikum von heute
das f&r ihn [!] neue Verk lesen, und endlich wird als Werk in der musikalischen
Litteratur einen ehrenvollen und bleibenden Platz einnehmen, was, in den Zeitschriften
Tersplittert, vergessen worden wäre.
Und warum hast Du keinen musikalischen Wirkungskreis in Darmstadt?
Warum bist Du nicht Intendant der Oper? Hat man Dir es etwa nicht angeboten?
Das sollte mich nicht wundem, falls Du selbst keinen Schritt dazu getan hast Du
bist in Darmstadt die einzige musikalische Superiorität. Superiorititen genieren
und demfitigen, und man dankt Gott, wenn sie das Maul halten. Allein liebt man
auch Superiorititen nicht, so fürchtet man doch ihren Geist, ihr Wort, ihre Feder;
und fördert die Superiorität vollends nur, was ihr gebfihrt, so schlägt es ihr selten
fehl. Wolle Intendant sein, lieber Bruder; scheue Dich nicht, es am gehörigen Ort
zu sagen, und Du wirst es gewiß sein. Sollte die Prinzeß Wittgenstein (die einzige
Person Eures Hofes, welche mir bekannt ist) noch in Paris sein, wenn ich dorthin
komme, so werde ich ihr fiber diesen Gegenstand alles das sagen, was Du nicht sagen
zu wollen scheinst.
Und endlich warum läßt Du Dein herrliches Kompositionstalent so gänzlich
brachliegen? Etwa weil Du drückende Berufsgeschäfte hast? Das ist kein hin-
reichender Grund. In unserm Deutschland, wo nie von oben etwas direkt für die
Existenz des geistig Producierenden getan wird, sind von Jeher die Majorität der
Gelehrten, Schriftsteller und Kfinstler genötiget gewesen, Ämter zu bekleiden, um
existieren zu können, und haben doch dabei (wenn sie anders Genie hatten) Meister-
werke geliefert Freilich ist die Öffentlichkeit häufig ein Dornenfeld für den, welcher
sieh darauf zu tummeln genötigt ist; namentlich in unsrer so zerrissenen, kon-
vulsivisch bewegten Zeit, wo die einfachsten Wahrheiten nicht mehr unbestritten
bleiben, wo die Kritik sich so häufig in den Händen unberufener Laien befindet, oft
auch nur als Vehikel persönlicher Freundschaft oder Feindschaft dient, um durch die
Beurteilung des Werkes dessen Verfasser zu deifizieren oder zu vernichten. Allein
wenn man sonst nur in seinem Innern die feste Oberzeugung hat, das Rechte gewollt
und erkannt zu haben, verwunden auch die schärfsten, gehässigsten Angriffe nicht so
arg, als man glauben sollte.
Ich komme nun zur Beantwortung Deines Briefes. Den herzlichsten Dank,
lieber Bruder, für Deinen ft'eundlichen Avis über den Dir zugesandten Aufsatz *) gegen
»die Hugenotten' und die liebevolle Art, mit der Du es meinem Ermessen anheim-
stellet, ob der Aufsatz in der «Caecilia* erscheinen soll oder nicht Mir scheint, Dein
Scharfsinn hat auch hier gleich das Zweckmäßigste erkannt, und ich bin ganz Deiner
Meinung, daß der Aufsatz weniger Schaden in der »Caecilia* wie anderswo tun wird,
weil, wie Du bemerkst, durch Randglossen und Noten dem Gifte gleich das Gegen-
gift beigesellt werden kann. (Ich halte Noten für besser als einen förmlichen, aber
nachträglichen Aufsatz.) Du fragst mich, wer aber diese Noten schreiben soll, da
^) Geschah nicht
^ Dieser Aufsatz von Heinrich Paris (offenbar einem Pseudonym) erschien
unter dem Titel »Einige deutsche Gedanken bei Gelegenheit einer französischen
O^, Von einem Laien' im 20. Bande der »Caecilia* (Heft 70) S. 1—51. In den
beigefügten Anmerkungen der Redaktion (d. i. Gottft'. Weber) ist dieser Brief Meyer-
beert zum Teil wörtlich benutzt
^er moderne Kompoaisl, der sich In der Anvendung mSglichit
\ vieler, überaus vollkomineaer Orchesterinstrameate nicht ge-
I nug tun kann, gedenkt wohl selten der Zeiten, da den poBen
I Meistern früherer Epochen nur kleine Kapellen mit ziemlich
primitiven Instrumenten zur Verfügung standen, wo der Komponist nicht
durchweg ungehemmt seiner Phantasie folgen konnte, sondern mit der
verhillnismi&ig tiescheidenen Technik der Streicher, mit den zahlreichen
Tonlücken der H5mer, Trompeten und Posaunen und manchen tecbniachen
Beschränkungen rechnen mußte.
Die immer farbenreicher werdende Musik verlangte endlich Abhilfe
dieses Zustandes. Findige Künstler, Musiker und Mechaniker, begannen den
Mängeln der Tonwerkzeuge zu Leibe zu gehen, und so kam nach und nach
jene Vollkommenheit zustande, die die Heutigen mit schier ungestfimer
Freude ihren Zwecken dienstbar machen.
Unter denjenigen, die in schon recht weit zurückliegender Zelt erfolg-
reiche Versuche dieser Art machten, ist mit besonderer Ehre ein Österreicher
zu nennen, Anton Weidinger, der Erfinder oder doch jedenfalls Ver*
besiterer der Klappentrompete, der Vorgängerin unserer Ventiltrompete.
Er war 1767 In Wien (Bezirk Landstraße) geboren und widmete sieh
schon in früher Jugend dem Musikerberufe. Peter Neuhold, Könl^lcher
OberhoF- und Feldtrompeter, wurde sein Lehrer. Schon mit 19 Jahren
wurde er , freigesprochen*, was nachfolgender aLehrbrief* der Trompeter-
und Paukerzunft bescheinigt:
Seinor RSmisch kaiierUcben, aach lu Hungarn und Bfihalm kJIniglichaii
aposloHacben Majeiilt Ober- Hof- und Feldtrompeter, Ich Peter Nenhold bekenne
hlemit vor allenninnigUch in Kraft dleies Lebrbriete*, dafi Anton Teidlofar in dar
k, k. Haupt und Reildenz Siadt TIen (ebürtlt, mich um Erlehraani der edlea Ittjam
und ritterlichen Kunst der Hof- und Feldirompeter geziemend an ertncha^ weleh
sein blttllchei Begebren In Erwegung er von ebriictaen Aeltem gebohren und blan
quallflciret, euch wegen wobUDgemeaiener AufrEhrung, die er von aicb allemal n
Jedermann beiter ZuMedentaelt hat venpQhran lueen, Ihm ein solches nicht ab-
■chlagen wollen, noch sollen, zumalen, da er nebst diesem durch eigenen Fleiß artoa
Lehrzeit von lelbiten verkSriet, und sich so tficbtig gemacht, dafi er nicht aar
■Hein In Feldkriegsdleniten, sondern auch wo Immer bei grollen HSfbn alle Satla-
facilon leisten kann. Diesem nacb, und um so viel mehrer einer allerhSchatan Vai^
161
ALTMANN: MEYERBEER AN GOTTFRIED WEBER
Dich auf dem Herzen hatte, habe ich mit der Freimfitigkeit, aber auch der Liebe eines
25jihrigen Freundes ausgesprochen. Mögen diese Zeilen unsre so lange ge-
schlummerte [n] freundliche[D] Mitteilungen und Verbindung wieder aufs neue ins
Leben rufen. Jugendfreundschaften sollte man nie fahren lassen, bis sie der Tod
trennt
Lebe wohl, grüße Deine vortreffliche Frau und glaube, daß ich noch heute wie
Tor 25 Jahren Dir treu und herzlich ergeben bin.
Meyerbeer
XIV.
Baden, den 12. X. [» December] 37.
Lieber Bruder I
Ober mich als pricisen Correspondenten waltet ein finstres Fatum, und wenn
ich endlich von einem so heftigen Reizmittel galvanisiert werde, wie das mit meinem
liebsten, teuersten Jugendfreunde, mit Dir, das alte herzliche Liebesband wieder an-
zuknüpfen, wirft sich der liebe Gott selbst dazwischen. Ich war nicht abwesend, wie
Du zu glauben scheinst, auch nicht schreibefaul, wie du ebenfalls glauben dfirftest,
aber eine doppelte Kalamität ist fiber mich eingebrochen. Meine liebe Frau ward
ernsthaft krank, und zum ersten Mal seit unsrer Verheiratung war meine Schwieger-
mutter, welche bisher nie meine Frau verlassen hatte, wegen Familienverhältnisse
nach Berlin gereiset. Da war ich ungeschickter Peter mit meiner Totenangst um die
schwerkranke Frau zum ersten Mal ihr und meiner Kinder alleiniger Schutz und
Krankenwärter. War es moralische Wirkung, war es physische Erkältung, kurz meine
Frau war kaum in der Genesung, da ward ich von einer Augenentzündung, aber so
ernsthafter Art (mit sehr starkem Fieber) befallen, daß mein Arzt die allerlebhaftesten
Besorgnisse für die Erhaltung meines Augenlichts hatte. Viele Wochen mußte ich
Im stockdunkeln Zimmer zubringen. Dem Himmel sei es Dank, das ist nun auch
fiberstanden: meine Frau sowohl als ich dürfen uns den Gesunden wieder zuzählen.
Doch kannst Du Dir denken, daß meinen Augen eine große Schwäche übrig blieb,
and seit wenig Tagen erst ist mir förmlich das Schreiben erlaubt. Verzeihe mir da-
her, wenn ich heute Deinen lieben Brief nur kurz beantworte. Der Hauptzweck des
meinigen ist hauptsächlich Dir die traurige Ursache meines Stillschweigens mit-
zuteilen.
Binnen sehr wenig Tage gehe ich nach Paris ab, wo ich eigentlich schon seit
einem Monat hätte sein müssen, wäre ich nicht krank gewesen. Ich werde nun selbst
Deine beiden Briefe an die Akademie und an Berten übergeben, die ganz zweck-
mäßig sind. Du schreibst, daß außer dem Exemplar Deines Werkes für die Aka-
demie, welches ich von Darmstadt mitgenommen habe, Du ein anderes unter
meiner Adresse nach Paris geschickt hast, welches für Berten bestimmt sei, u. ein
drittes, das Du mir zudenkst (womit Du mir eine große Freude machst). Sei doch
so gut and schreibe mir gleich, wann u. mit welcher Gelegenheit Du sie nach Paris
gesendet hast u. wie die Adresse lautete, damit ich sie gleich bei meiner Ankunft in
Paris holen kann, [ohne Unterschrift; ob vollständig?]
• • •* .•
• ••'• •••
164
DIE MUSIK VII. 21.
^Sm
und sich nach einem stabilen Wohnsitz, wohl auch nach höherer kfinst-
lerischer Tätigkeit gesehnt zu haben. Eine Anstellung im «kk. Theater*
in Wien ließ ihn diese Ziele erreichen.
Aus dieser Zeit, oder einer nicht viel späteren, dürfte wohl auch seine
Erfindung stammen, die bis dahin lediglich auf ihre Naturtöne angewiesene
Trompete mit Klappen zu versehen und diesem Instrumente dadurch —
ohne seiner Eigenart nur das Geringste zu nehmen — zugleich einen ven*
vielfachten Tonreichtum und eine unerhörte Bewegungsfreiheit zu ven*
schaffen. Joseph Haydn, dem Weidinger, wie zu vermuten, sein nunmehr
um so vieles vollkommeneres Instrument vorführte, scheint sich fOr die
wichtige Neuerung lebhaft interessiert zu haben, denn er schrieb 1706 In
Wien ein schönes »Concerto für Clarino-Solo* mit Orcbesterbegleitung
(Es-dur, 1. Satz Allegro ^/^, 2. Satz As-dur Andante e cantabile %, 3. Satz
Allegro */^; Manuskript im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien;
bisher ungedruckt), das in der Art und Weise der Behandlung des Soloin-
strumentes klar und deutlich auf Weidingers Klappentrompete hinweist Eine
mir seinerzeit vom inzwischen verstorbenen Enkel Weidingers, Herrn Fer-
dinand Weidinger^), mitgeteilte Familientradition bestätigt diese Vermutung*)«
Daß Haydn seine Sympathie für den Erfinder auch in das Privatleben
übertrug, beweist der Umstand, daß der berühmte Meister bei der am
6. Februar 1797 in Wien stattgehabten Vermählung Weidingers mit Su-
sanna Zeissin, Tochter des Trompeters Franz Zeiss und dessen Ehefirau
Eva geb. Schmidin, als Trauzeuge erschien.
Weidinger mag nun, vielleicht veranlaßt durch die Anforderungen
seines neuen Hausstandes, getrachtet haben, seiner Erfindung allgemeinere
Geltung zu verschaffen. In Wien trat er mehrere Male als Konzertspieler
auf; so in einer »großen musikalischen Akademie* der «Tonkünstler-Ge-
sellschaft' (später führte diese, heutzutage noch, wenn auch lediglich als
Pensionsinstitut blühende Gesellschaft den Namen .Haydn*) am 22. De-
zember 1798, wo er in einem »neuen großen Conzerte von der Erfindung
des Herrn Kozeluch, k. k. Kompositor's und Kammerkapellmeister's*, das
dieser für Klavier, Mandoline, Trompete und Kontrabaß geschrieben hatte,
die »organisirte Trompete** blies.
Bald regte sich in Weidinger der Gedanke, das «Ausland* für seine
Sache zu gewinnen. Er rüstete sich zu einer für damalige Verhältnisse
großen Reise. Bereits im November 1802 brachte die . Leipziger Allgemeine
Musikalische Zeitung*" (Band V, S. 158) folgende Notiz: .öffentlichen Nach-
richten zufolge hat der kaiserl. Hoftrompeter, Herr Weidenmeyer [der
^) 1849—1888. ^ S. V. Neukomm schrieb in seinem Requiem auf den Ted
Ludwig XVI. eine für Weidinger und seine Klappentrompete berechnete Partie.
.. .: ••• ••• • •
• 4. • *
-'. J
165
HEUBERGER: ANTON WEIDINGER
Name ist verunstaltet] eine Trompete mit Klappen erfunden, auf welcher
man durch zwey OIctaven alle halbe Töne ganz rein und sicher angeben
kann. Man stehet ohne unser Erinnern, wie Vieles durch diese Erfindung
gewonnen ist, wenn es sich damit wirklich so verhält und zugleich das
Instrument nicht am Wesentlichen seines Tones verliert. Wir wünschen
durch diese vorläufige Nachricht diejenigen, welche über die Sache ur-
theilen können und Gelegenheit dazu haben, aufmerksam zu machen.*
1803 trat Weidinger seine große Konzertreise nach Deutschland,
Frankreich und England an. Die «Leipziger Musikalische Zeitung" vom
5. Januar 1803 schreibt über sein Auftreten in »Klein- Paris': „Der kk.
Hoftrompeter Herr Weidinger aus Wien gab uns Gelegenheit, seine be-
deutende Erfindung zur Vervollkommnung der Trompete . . . selbst zu be-
urtheilen und zugleich sein meisterhaftes Spiel zu bewundem. Daß Herr
Weidinger alle halben Töne, die im Umfange des Instrumentes liegen, be-
herrscht, und zwar so, daß er Läufe durch dieselben macht, ist vollkommen
gegründet, auch die von uns bey Gelegenheit der ersten Nachricht über
diese Erfindung geäußerte Besorgniß, es möchte dies Instrument dadurch
vielleicht an seinem pompösen Charakter verlohren haben, durch seine
ölTentlich gegebenen Proben vollkommen widerlegt. Das Instrument hat
noch seinen vollen, durchdringenden Ton, aber zugleich einen so sanften
und zarten, daß man ihn auf einer Clarinette nicht weicher anzugeben im
Stande ist. Daß Herr Weidinger außer einem Conzert und mehreren anderen
konzertirenden Stücken ein in C recht brav geschriebenes Trio für Pianoforte,
Violine und Trompete von HummeP) in Wien vollkommen glücklich und
seine Solostellen ebenso zart als jene beyden Instrumente ausführte. Das
crescendo und decrescendo, die klare, bis in das Mark eindringende Höhe, be-
sonders wo Herr Weidinger sich mehr innerhalb der, dem Instrumente natür-
lichen Tonart hielt, sind ganz unvergleichlich, und im wörtlichen Sinne un-
erhört. Wie vieles davon der neuen Erfindung und wie vieles dem ge-
schickten Virtuosen gebühre, können wir nicht entscheiden, da er die
nähere Kenntniß seines Instrumentes jetzt noch für sich behält. [Nach
einem Londoner Berichte ließ W. seine Trompete von niemand genau
besehen.] Auf jeden Fall verdient Herr Weidinger vielen Beifall und seine
Erfindung alle Aufmerksamkeit.*
Wie aus diesem Berichte zu entnehmen ist, machte Weidinger seine
>) Unter den gedruckten Werken Hummelt befindet sich kein Trio für Pianoforte,
Violioe und Trompete. Möglicherweise ist das von Weidinger produzierte StBck, das wahr-
scheinlich eigens für ihn geschrieben wurde, nicht zur Ausgabe gelangt. Ein Septett
militalr in C-dur von Hummel enthält einen Trompeten part, dessen Satzweise dem be-
rfilimtf n Berliner Trompeter Kosleck die Meinung aufdrängte, die Partie sei für Klappen-
trompete« also wohl für Weidingers Instrument oder gar für ihn selbst, geschrieben worden.
VII. 21. 12
164
DIE MUSIK VII. 21.
und sich nach einem stabilen Wohnsitz, wohl auch nach höherer kfinst-
lerischer Tätigkeit gesehnt zu haben. Eine Anstellung im «kk. Theater*
in Wien ließ ihn diese Ziele erreichen.
Aus dieser Zeit, oder einer nicht viel späteren, dürfte wohl auch seine
Erfindung stammen, die bis dahin lediglich auf ihre Naturtöne angewiesene
Trompete mit Klappen zu versehen und diesem Instrumente dadurch —
ohne seiner Eigenart nur das Geringste zu nehmen — zugleich einen ven*
vielfachten Tonreichtum und eine unerhörte Bewegungsfreiheit zu ver-
schaffen. Joseph Haydn, dem Weidinger, wie zu vermuten, sein nunmehr
um so vieles vollkommeneres Instrument vorführte, scheint sich für die
wichtige Neuerung lebhaft interessiert zu haben, denn er schrieb 1706 in
Wien ein schönes »Concerto für Clarino-Solo* mit Orchesterbegleitung
(Es-dur, 1. Satz Allegro ^/^, 2. Satz As-dur Andante e cantabile ^gi 3. Satz
Allegro */^; Manuskript im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien;
bisher ungedruckt), das in der Art und Weise der Behandlung des Soloin-
strumentes klar und deutlich auf Weidingers Klappentrompete hinweist Eine
mir seinerzeit vom inzwischen verstorbenen Enkel Weidingers, Herrn Fer-
dinand Weidinger^), mitgeteilte Familientradition bestätigt diese Vermutung*)«
Daß Haydn seine Sympathie für den Erfinder auch in das Privatleben
übertrug, beweist der Umstand, daß der berühmte Meister bei der am
6. Februar 1797 in Wien stattgehabten Vermählung Weidingers mit Su-
sanna Zeissin, Tochter des Trompeters Franz Zeiss und dessen Ehefrau
Eva geb. Schmidin, als Trauzeuge erschien.
Weidinger mag nun, vielleicht veranlaßt durch die Anforderungen
seines neuen Hausstandes, getrachtet haben, seiner Erfindung allgemeinere
Geltung zu verschaffen. In Wien trat er mehrere Male als Konzertspieler
auf; so in einer »großen musikalischen Akademie* der .Tonkünstler-Ge-
sellschaft' (später führte diese, heutzutage noch, wenn auch lediglich als
Pensionsinstitut blühende Gesellschaft den Namen «Haydn*) am 22. De-
zember 1798, wo er in einem »neuen großen Conzerte von der Erfindung
des Herrn Kozeluch, k. k. Kompositor's und Kammerkapellmeister's*, das
dieser für Klavier, Mandoline, Trompete und Kontrabaß geschrieben hatte,
die „organisirte Trompete** blies.
Bald regte sich in Weidinger der Gedanke, das «Ausland' für seine
Sache zu gewinnen. Er rüstete sich zu einer für damalige Verhältnisse
großen Reise. Bereits im November 1802 brachte die . Leipziger Allgemeine
Musikalische Zeitung*" (Band V,S. 158) folgende Notiz: .öffentlichen Nach-
richten zufolge hat der kaiserl. Hoftrompeter, Herr Weidenmeyer [der
^) 1849—1888. *) S. V. Neukomm schrieb in seinem Requiem auf den Ted
Lqdwig XVI. eine für Weidinger und seine KUppentrompete berechnete Partie.
• *- «• • ... . •
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HEUBERGER: ANTON WEIDINGER
Mi
Name ist verunstaltet] eine Trompete mit Klappen erfunden, auf welcher
man durch zwey Oktaven alle halbe Töne ganz rein und sicher angeben
kann. Man siebet ohne unser Erinnern, wie Vieles durch diese Erfindung
gewonnen ist, wenn es sich damit wirklich so verhält und zugleich das
Instrument nicht am Wesentlichen seines Tones verliert. Wir wünschen
durch diese vorläufige Nachricht diejenigen, welche über die Sache ur-
theilen können und Gelegenheit dazu haben, aufmerksam zu machen."
1803 trat Weidinger seine große Konzertreise nach Deutschland,
Frankreich und England an. Die «Leipziger Musikalische Zeitung' vom
5. Januar 1803 schreibt über sein Auftreten in «Klein-Paris": „Der kk.
Hoftrompeter Herr Weidinger aus Wien gab uns Gelegenheit, seine be-
deutende Erfindung zur Vervollkommnung der Trompete . . . selbst zu be-
urtheilen und zugleich sein meisterhaftes Spiel zu bewundem. Daß Herr
Weidinger alle halben Töne, die im Umfange des Instrumentes liegen, be-
herrscht, und zwar so, daß er Läufe durch dieselben macht, ist vollkommen
gegründet, auch die von uns bey Gelegenheit der ersten Nachricht über
diese Erfindung geäußerte Besorgniß, es möchte dies Instrument dadurch
vielleicht an seinem pompösen Charakter verlohren haben, durch seine
dlTentlich gegebenen Proben vollkommen widerlegt. Das Instrument hat
noch seinen vollen, durchdringenden Ton, aber zugleich einen so sanften
und zarten, daß man ihn auf einer Clarinette nicht weicher anzugeben im
Stande ist. Daß Herr Weidinger außer einem Conzert und mehreren anderen
konzertirenden Stücken ein in C recht brav geschriebenes Trio für Pianoforte,
Violine und Trompete von HummeP) in Wien vollkommen glücklich und
seine Solostellen ebenso zart als jene beyden Instrumente ausführte. Das
crescendo und decrescendo, die klare, bis in das Mark eindringende Höhe, be-
sonders wo Herr Weidinger sich mehr innerhalb der, dem Instrumente natür-
lichen Tonart hielt, sind ganz unvergleichlich, und im wörtlichen Sinne un-
erhört. Wie vieles davon der neuen Erfindung und wie vieles dem ge-
schickten Virtuosen gebühre, können wir nicht entscheiden, da er die
nähere Kenntniß seines Instrumentes jetzt noch für sich behält. [Nach
«inem Londoner Berichte ließ W. seine Trompete von niemand genau
besehen.] Auf jeden Fall verdient Herr Weidinger vielen Beifall und seine
Erfindung alle Aufmerksamkeit. "^
Wie aus diesem Berichte zu entnehmen ist, machte Weidinger seine
') Unter den gednickten Werken Hummels befindet sieb kein Trio für Pianoforte,
Violine und Trompete. Möglicherweise ist das von Weidinger produzierte StBck, das wabr-
scheinlich eigens für ihn geschrieben wurde, nicht zur Ausgabe gelangt. Ein Septett
milltair in C-dur von Hummel enthält einen Trompeten part, dessen Satz weite dem be-
rfihmtf n Berliner Trompeter Kosleck die Meinung aufdrängte, die Partie sei für Klappen-
trompete, also wohl für Weldingers Instrument oder gar für ihn selbst, geschrieben worden.
VIL 21. 12
fjJHP DIE MUSIK VII. 21. MWC
Erfindung vorerst der Allgemeinheit nicht zugänglich, scheint sich aber
später dazu herbeigelassen zu haben. Eine «Instruction' vom 31. MIrz
1807 trägt ihm auf, »in seinen freyen Stunden die Bildung eines oder
mehrerer von ihm zu wählenden Schülern gegen eine »verhältnißmäßige
Remuneration^ zu übernehmen.' (Es dürfte sich da wohl um den Unter-
richt im Spiele der Klappentrompete gehandelt haben.) Am selben Tage
wird ihm (der in dem Aktenstücke »Mitglied des kk. Hoftheaterorchesters"
genannt wird) »eine Gehaltszulage von 150 fi., folglich ein Gehalt von
vierhundertfünfzig Gulden" bewilligt.
Ein »Zeignuß" vom 4. November 1813 bestätigt, daß Anton Weidinger
als kk. Hoftrompeter »bey dem kk. Obersthofstallmeisterstabe angestellt sey".
Um diese Zeit scheint Weindinger seine anfänglich nur für die
Trompete ersonnene Erfindung auch auf das Waldhorn fibertragen zu
haben. Am 28. Dezember 1813 ließ sich Weidingers zwölfjähriger Sohn
Joseph, der schon 1810 als Trompeter aufgetreten war, in Wien im
kleinen Redoutensaale auf dem »von seinem Vater erfundenen Klappen-
Waldhorn hören". Am 4. Juni 1817 konzertieren Vater und Sohn
wieder im kleinen Redoutensaale, wobei der Vater die Klappen-
trompete, der Sohn das Klappenhom blies. Leider scheint sich das
Publikum sehr wenig für die, für die Instrumentalmusik so hochwichtige
Sache interessiert zu haben. Der Bericht über das letztangefübrte Konzert
meldet von »in großen Entfernungen ausgesäeten Zuhörern".
Noch in vorgeschrittenem Alter produzierte sich der talentierte und
fleißige Künstler öffentlich; so u. a. bei einem am 10. Mai 1829 im
kleinen Redoutensaale in Wien stattgehabten Konzerte. Bei dieser Ge-
legenheit scheint er eine neue Konstruktions-Version seiner Erfindung
vorgeführt zu haben, denn ein Referat über die Produktion meldet von
»der neuen, von ihm verbesserten Klappentrompete*.
Mit Intimat des k. k. Obersthofmeisteramtes vom 27. Juli 1850 wurde Wei-
dinger, »k.k. Oberhoftrompeter'', pensioniert und erhielt »in Anbetracht seiner
langen Dienstzeit"" ^) 650 fl. C. M. Pension. Nur zwei Jahre genoß Weidinger
seinen Ruhegehalt. Er starb am 20. September 1852 »am Strozzengrund
No. 57'' (jetzt VIII. Strozzigasse No. 42) im 86. Lebensjahre an Altersschwiche.
^) Die Einsicht in alle io diesem Aufsätze benutzten Dokumente verdanke ich der
Freundlichkeit der Witwe des Enkels A. Weidingers, des Herrn Hoftnaslkers Ferdinand
Weidinger. Sein Vater, der Sohn des Erfinders der Klappeatrompete, Ferdinand Wei-
dinger, war ebenfalls Musiker, und zwar auch Mitglied des Wiener Hofopemorehesters.
Manche Daten steuerte der Wiener Hofkapellsinger Herr Ferdinand Graf bei, woftr
ich ihm meinen besonderen Dank sage.
waren drei Tochea seit den .Iclasaiichen' Tagen des ersten Ost-
preuQiscben Mu^resies vergangen, da taub unten in Mfinctaen die große
, Tagung der lebenden deutschen Musllianten an. Vorher aber fübrie
1 mich, den Exiremlustlgen, ein Zug durch laue sommernlctatllclie Luft
> nacb dem lieblich-pittoresk von der Limmat durchsctalingelten Baden im
Aargauischen. Dort, zwanzig Minuten Bahnrahrt ron dem masjkbislorisch wegen Tagner
und Goctz uns so werten Zürich entfernt, hielten die schweiieriscben Ton-
künstler ihre neunte Tagung ab. Seit 1000 also, dem Gründungajabr des
schweiieriscben Vereins, trat man hier in stolzer Abgeschlossentaeic von den deutschen
Versaminlungen alljihrlich zu mehrligigen Festen zusammen. Ist dabei eine nationale
tctaweiierische Tonkunst zutage gefBrdert worden? Man kann die Frage jetzt wotal
mit aller Gewi säen taafiigkeit verneinen. Wir alle wissen, daQ Hans Huber,
Hegar, der sympathische, fr üb verstorbene Gustav Teber, der junge Volkmar
Andreae, um die wichtigsten deutschen Namen der musJIcallschen Schweiz zu
nennen, eine gelluterte Kultur in ihren Werken zeigen, dsQ sie bedeutende Werte
geprlgt haben (man denke nur an Hubers BSckI in Symphonie, seine zahlreiche
Kammermusik, an Hegara Cbfire, die symphonische Dichtung aSchwormut-
Entrfickung-Vision" Andreaea), wir schätzen Dalcroze, den einzigen bedeutenden
französischen Schweizer, als einen der getstvollsten modernen Musiker, der erst nen-
llch Bis Schöpfer der rhythmisch -gymnastischen Methode der musikalischen Volks-
pidagoglk so ungemein wichtige Anregungen gegeben. Doch wie er sich als Ton-
setzer von Brückner weg den französischen Impressionisten'' von Debussy bis Ropartz
und d'lndy zugewandt, spezifisch Scbweize Haches in höheren Kunstwenen überhaupt
nicht, im Volkstümlichen ailenhils mit den »Rondes enhntlnes' und ihren vaudoisiscben
Einfifissen geprigt bat, so füllen die genannten (wie die zahllosen kleineren un-
genannten) deutschen Schweizer durchaus auf dem Wurzclreich der bodenstindlgen
rcln-deuiscben Musik, sei's in der Richtung Brsbms oder Wagner-Strauß, Wolf-Reger.
Haben wir uns dies einmal zur Richtschnur für eine objektive Wertung der
Dinge vorgezeichnet, so bleibt Immerbin noch Grund genug, sich über die Rührigkeit
zu freuen, mit der die schweizeriache Jungmannsctaaft (die zum Teil bei Wüllnerdem
Alteren In KOln, in Leipzig, Dresden oder München, wenn nicht zu Hause bei Meister
Huber, Daicroie, Kempter, Hegar geschult iat) an ihrer Kunstfertigkeit Im Tonsati
arbeitet, ohne es allerdings dabei wieder zu dem ersehnten nationalen .Etwas" zu
bringen, tiei dessen etwaiger Wahrnehmung man vielleicht einmal von einer
schweizerischen Tonkunst ebenso wird sprechen kSnnen, wie von der deutschen. Die
Schweiier mSgen sich aber hierin mit den Englindem und anderen Kulturvölkern
trSsien ....
12-
168
DIE MUSIK VII. 21.
JB9
Daß Friedrich Klose/) der von Brückner und Wagner inspirierte Musiker aus
dem Schwabenlandy der feinsinnige Tonspinner des Märleins »vom Fischer un syner
Fru Ilsebill*, wie auch Marteau noch immer auf diesen Tagungen als Schweizer er-
scheinen, daß in neuerer Zeit der Ungar Emanuel Moor, der Wiener Fritz Karmin
die gleiche Ehrung erfahren und auch Hermann Goetz, der in Königsberg geborene,
in Berlin von Bülow erzogene Schöpfer der „Widerspenstigen* in den Kreis auf-
genommen wird — wohl da er das letzte Jahrzehnt seines Lebens in der Schweiz gewirkt;
und am Hottinger Hügel sein fHibes Grab gefunden — das alles ehrt die Gastfreund-
schaft des herrlichen Landes, ändert aber nichts an den festgesetzten Tatsachen.
Die diesjährige Tagung ergab seitens der jüngeren Musiker kein sonderlich
gutes Resultat. Aus der langen Reihe der Strebsamen nennen wir Fritz Brun mit
einer von ernsten Gedanken, edler Form und schönem Pathos durchsetzten Sonate
für Geige und Klavier, desgleichen einer famos thematisch exponierten und im Satz
durchgearbeiteten Symphonie, beides aber zu sehr ausgedehnt, den bukol drauf-
gängerischen Regerschüler Othmar Schoeck, der ein^ humorvoll rhythmisierte und
instrumentierte Streicherserenade (als op. 1) und mehrere melodisch frisch empfundene,
in brillante Deklamation und Gesamtstimmung gefaßte Lieder als verheißungSTOllste
Talentproben aufführte, während Gustav Niedermann, Ernst Isler, Jos6 Berr (auch
dieser kein Schwyzer, sondern waschechtes Münchner Kindl), besonders aber der
jugendlich-heißspornige Ernst Frey — ein hervorragendes Klaviertalent — in ihren
Liedern, Chören und Sonaten großes Satzgeschick, manchmal auch, wie Isler z. B.,
tiefpoetisches Empfinden, aber auch nicht ein Quentchen Persönlichkeit, Eigenart ver-
raten. Zwischen diesen „Jungen* und den „Alten* steht als speziell zu Bewertender
der Basler Walter Courvoisier. Er ist von Tbuille mit besonderer Ffirsorge
gefördert, in Münchens Musikkultur großgezogen und sucht sich mit Glück in seiner
Lyrik — von der hier glänzend feurige Proben auf Texte von Lenau, Storm, Cornelius,
Wilh. Hertz vertreten waren — einen eignen Weg aus Wölfischer Diktion und
Schillingsscher Harmonik. Beide Elemente beherrscht er meisterlich, und trifft
damit immer den innersten Nerv der Dichtung; sein Klaviersatz ist von edlem
Geblüt, schwungvoll und stimmungs vertiefend* Von Georg H äs er, dem wir eine sinnige
lyrische Oper auf Gottfried Kellers Neugestaltung der Schweizersage von „Hadlaub*
verdanken, ward in Baden eine komplette siebensätzige Kanon-Suite (die progressiv
alle Intervalle führt) so schlecht mit dem vorhandenen dürftigen Orchestermaterial
verspielt, daß man ihren mehr als theoretischen Wert nicht erkennen konnte. Chöre
von Munzinger-Bem und Jacques Ehrhart, wie eine k cappella-Kleinigkeit von
Karmin bezeugten neuerlich den guten Geschmack dieser Tonsetzer, ebenso eine
Violinsonate von Albert Meyer-St. Gallen, deren Gedankenbom freilich wieder anper-
sönlich genug ist. Aber was für ein Pracht-„Kerl* in goethischem Sinne ist doch
Hans Huber! Seine dritte Sonate („lyrica*; die beiden früheren heißen »appsssio-
nata* und „graziosa*) zeigt den geborenen Vollblutmusiker, dem aparte, beredt-prägnante
Tonbilder nur so aus der Feder fließen; alle weisen sie meisterhaften Formenguß,
Warmherzigkeit der Empfindung auf. Ganz wundersame klangpoetische Dinge sind
Huber diesmal in einigen lichtvoll gesetzten Frauenchören geraten, die er von Klavier
und abwechselnd von Bratsche, Flöte oder Hom zu ihrer bald archaistischen, bald
') Das vielgerühmte Chorwerk Kloses „Vidi aquam*, wie Orchester^Improvisationen
von Moor, dann das „Paradis perdu* von Lauber müssen hier leider unberührt
bleiben; ihre Aufführung in Zürich fiel mit dem Beginn der Münchener Tagung zu-
sammen. D. Verf.
M
169
KASTNER: 9. SCHWEIZERISCHES MUSIKFEST
böcklinisch-phantasievoll modern geführten Harmoniewelt klangherrlich umspielen
lißt; kein guter Frauenchor soll sich diese erlesenen Dinge entgehen lassen!
Erwihne ich noch den ungemein begabten AI. D6n6r6az-Lausanne mit einem aus
Beethovens letzten Gedankenkreisen zum Epos des Brucknerquintetts fuhrenden
Streichquartett von edler Themensprache und herbem Ernst, Laubers brillante
Phantasie ffir zwei Klaviere auf das Carillonthema von Rousseau (II) einer Genfer
Kirche, dann Moors kontrapunktisch hervorragendes Klavierpr^lude, so ist wohl alles
Wesentliche von der Badener Tagung genannt. Musikdirektor Vogler- Baden hat sich
um die Leitung mancher dieser Werke, zum Schluß mit dem prachtvollen 137. Psalm
von Goetz redlich bemüht: doch weder der Chor, noch das Orchester wollte recht
parieren. Maria Philippi und Paul Boepple-Basel, Ellen Saatweber-Schlieper,
eine hochgediegene Pianistin, das talentierte aber tonlich allzu robuste Frl. de Ger-
zabek, das famose Lausanner Streichquartett (mit Birnbaum, dem neuen
Dirigenten der Berliner Komischen Oper, als Primarius), die Genfer Pianistin Mlle.
Panthös, das prichtige Basler Vokalquartett sekundierten den selbst dirigierenden
und klavierspielenden Tonsetzem tapfer. Willy Rehberg, der Meister, muß da be-
sonders genannt sein und einer, den ich mir bis zuletzt sparte: Henri Marteaul
Nach dem Fiasko in München fühle ich mich doppelt verpflichtet, hier Kunde
zu geben von einer in Form und harmonischer Gliederung gleich maßvoll abgewogenen,
klanglich und instruktiv ebenso schönen wie geistvoll anregenden Chiaconna,
die Marteau vor vier Jahren für die Bratschen klasse des Pariser Conservatoire
geschrieben und die ein gesundes, dabei edelblüttges Stück Musik darstellt.
Der geniale Geiger spielte es selbst und empflng hernach endlose Ovationen. In
ihnen klang ein bewegter und bewegender Abschied mit, den die Schweizer von
Marteau nahmen. Hat er doch in dttn Jahrzehnt seines Genfer Wohnsitzes dem
Schweizer Musikleben zahlreiche unvergeßliche Dienste geleistet, es mit seiner in
Deutschland nicht minder bekannten Weitherzigkeit gefördert.
BÜCHER
185. Theodor Lipps: Ästhetik, Psychologie des ScbSiien und der Kunst.
2. Teil: Die isthetische Betrachtung und die bildende Kunst*).
Verlag: Leopold VoB, Hamburg und Leipzig, igOe.
Obgleich sich der vorliegende Band noch nicht mit der Musik und aucb nicht mit
der ihr verwandten Poesie beschiftigt, ist es doch drlngenil geboten, auch fn dieiea
Blittem auf ihn hinzuweisen, da in seinem ersten Teil die isthetische Betrutatnng als
solche behandelt wird. Der zweite Teil ist den bildenden Künsten gewidmet Auch er
enitailt viel Allgemeines von grfißtem Werte; aber seine Besprechung Ist hier nicht an-
^nglg. Der Kernpunkt oder, wenn man will, der Zweck der istbetlichen Betrachtung
ist die Bstbetische Einrühlung. Mit diesem Ausdruck bezeichnet Lipps, wie scbon In dem
Referat über den ersten Band hervorgehoben wurde, die Tatsache, dafl wir unsere, durch
das betrachtete Objekt bewirkte innere Titigkeit, unser inneres Erleben in dieses Objekt
hineinlegen, so daß es uns nun als seine TStlgkeit, sein Erleben entgegentritt. Der zweite
Band beginnt nun mit der Unterscheidung der Isthetlscbcn Einfühlung von dem bitdten
Aufnehmen und Anerkennen eines Sschverhsltes. Wenn leb einen Satz aussprcGtaen
höre und die in ihm enthaltene Aussage als zutreffend anerkenne, so habe leb mlcb zwar
in gewissem Sinne in den Satz eingefühlt; aber mein inneres Erleben war doch nicht
derartig, daU es mir aus dem Satze objektiviert bitte entgegentreten kCnnen. Vielmehr
ist dss Zustandekommen der isthetiscben Einfühlung an zwei Bedingungen geknüpft:
erstens darf die Titigkeit, die wir vollziehen sollen, nicht durch entgegengesetzte
Tendenzen gestört werden, d. h. der Gehaii, das Leben, das uns aus dem Objekt ent-
gegenirltt, muß uns unbestritten gegeben sein. Vir dürfen nicht innerlich frigen, ob es
wirklich existiert und ob es so bescbsffen Ist, wie es uns entgegentritt. Wenn es mir
scheint, als spiegele sich in dem Gesichte eines Menschen ehrliche Freude, wenn Ich
aber troiidem zweifle, ob er sich nicht vielleicht doch In einer andern Stimmuns befinde^
so kann ich die Freude nicht ungestört in mir erleben, mich also auch nicht rSIIlg in den
anderen Menschen versetzen. Zweitens muD die Betrachtung ausschlle&lfch tat du
Objekt selbst gerichtet sein; denn nur dann kann es seinen vollen Gehalt oStonbven.
Glaube ich, in den^Gesichtszügen eines Menschen Trsuer zu finden, und n«hme Ich
dsraufhin an, daß er tstsichlich traurig ist, so habe Ich mich allerdings fn Ihn ringefOblt.
Aber Indem ich die Frage nach der Wirklichkeit seiner Trauer stellte, bin Ich Über tUe
Betrachtung des Objektes selbst hinausgegangen; denn ob irgend etwas wirklich tat oder
nicht, indert nichts an seinem Wesen. Die eben geschilderte Elntühlun( nennt Lipps
praktische Einfühlung. Der istbetischen Einfühlung aber und somit der Isthedtchen
Betracbmng Ist wesentlich, daß die Frage nach der Wirklichkeit oder Nlchtirirkllchkeh
überhaupt nicht auftaucht, und zwar gilt dies sowohl hinsichtlich des StoSfes, also bei-
spielsweise des Marmors einer Sutue, als aucb hinsichtlich des Inhaltes, also i
I) Der 1. Band „Grundlegung der Ästhetik" erschien 1903 und Ist Im 4. Jatargans
dieser Zeitschrift, 2. Quartal, Seite 47 besprochen.
171
BESPRECHUNGEN (BÜCHER)
was die Statue darstellt. Die Eigenschaft des ästhetischen Objektes, die WirklichkeitsTrage
In uns nicht aufkommen zu lassen, heißt seine ästhetische Idealitit. Der ideelle Inhalt
unterscheidet sich vom bloßem Phantasiegebilde dadurch, daß er eben in eine bestimmte
sinnliche Erscheinung gebannt ist, daß er uns nur mit dieser und durch diese vermittelt
wird (»ästhetische Isoliertheit des Objektes^). — Eine weitere, sehr wichtige Eigenschaft
des isthetisch zu betrachtenden Gegenstandes ist seine isthetische Objektivität. Was
damit gemeint ist, wird am leichtesten an der Dichtkunst klar. Selbstverständlich stehen
uns die Worte und Sätze der Dichtung als etwas Objektives, d. h. als ein Gegebenes,
das wir nicht bezweifeln können, gegenüber, aber ebenso auch z. B. die Personen des
Epos, obgleich der Dichter doch nur von ihnen erzählt. Solange wir sie ästhetisch
betrachten, sind sie für uns selbständige, vom Dichter unabhängige Wesen. Sie fähren
ihr eigenes Leben, haben ihren eigenen Charakter, ja, wir können von ihnen sprechen,
als wären sie wirkliche Menschen. Nur wenn ein Gegenstand Idealität, Isoliertheit und
Objektivität im ästhetischen Sinne besitzt, können wir uns völlig in ihn versetzen, ihn
wirklich ästhetisch betrachten. Nur su kommt die ästhetische Realität zustande, die
nichts anderes bedeutet als daß wir den in dem Objekt liegenden Gehalt miterleben. —
Ober die Art dieses Miterlebens ist viel gestritten worden. In Wahrheit besteht der
Unterschied z. B. zwischen dem wirklichen und dem in der ästhetischen Betrachtung
miterlebten Zorn darin, daß letzteren nicht meine auf die Wirklichkeit bezogene, sondern
meine der Betrachtung völlig hingegebene Persönlichkeit erlebt. Bin ich aber der Be-
trachtung hingegeben, so fällt meine Persönlichkeit mit dem, was ich in mich aufhehme,
völlig zusammen. Alle übrigen Beziehungen, also auch diejenigen zur Wirklichkeit, sind
ausgeschaltet. Demnach kann der ästhetisch erlebte AfiPekt nicht zum praktischen Handeln
fuhren. Aber darum sind doch die in der ästhetischen Betrachtung erregten Gemüts-
bewegungen nicht schwächer als andere, und ebensowenig sind sie nur Scheingefühle,
wie man öfters behauptet hat. — Indem uns die ästhetische Betrachtung ermöglicht, uns,
unabhängig von allen unseren praktischen Interessen, ganz in das im Objekt liegende Leben
zu versenken, führt sie uns notwendig tiefer in dieses Leben ein als irgend eine andere
Art der Betrachtung es vermöchte („ästhetische Tiefet und da das Leben des Objektes
im letzten Grunde aus uns selbst stammt, unsere eigene Tätigkeit ist, und wir dabei
Lustgefühle haben, so werden wir in dieser Tiefe stets auf einen wertvollen Teil unserer
Persönlichkeit oder, was dasselbe ist, auf etwas menschlich Wertvolles stoßen. So beruht
die ästhetische Betrachtung schließlich auf der ästhetischen Sympathie. Auch das in der
Kunst dargestellte Leiden dient keinem anderen Zwecke, als uns menschlich Wertvolles
um so intensiver miterleben zu lassen. Man sieht, daß hier die Wurzeln des Tragischen
und des Komischen (denn auch in der Komik wird das ästhetische Objekt in gewisser
Weise vernichtet oder doch eingeschränkt) aufgedeckt werden. Oberhaupt ergibt sich
aus dem Fundament, das ich im Vorstehenden mit flüchtigen Strichen zu skizzieren ver-
suchte, die Beantwortung einer Reihe der wichtigsten Fragen. Ich kann hier nur einige
der Folgerungen andeuten, die der Verfasser zieht. Zunächst ist jetzt ohne weiteres
einleuchtend, wie sich die ästhetische Betrachtung eines Kunstwerkes von jeder anderen
Betrachtungsweise desselben, etwa von der historischen oder der finanziellen, unter-
scheidet Femer ist klar, wie sich das Kunstwerk zur Wirklichkeit verhalten muß. Es
muß ihr so weit treu bleiben, daß wir nicht zu der Frage nach der Wirklichkeit oder
NichtWirklichkeit veranlaßt werden. Das ist alles. Davon, daß die Kunst die Natur
nachzuahmen habe, kann keine Rede sein; denn ihre Angabe ist, menschlich Wertvolles
darzustellen, d. h. uns dieses Wertvolle in höchster Deutlichkeit miterleben zu lassen.
Auch sehen wir jetzt, wie sich der Künstler mit der historischen Wahrheit abzufinden
hat Auch sie hat er nur insoweit zu respektieren, als er fürchten muß, durch ihre
172
DIE MUSIK VII. 21.
Veraachlissigung unseren Widerspruch herauszufordern und uns damit von der istfaedschen
Betrachtung abzudrängen. Der alte Streit zwischen der Formal- und der Inhtltsisthetik
ist jetzt als gegenstandslos erwiesen; denn wenn das Wesen des Kunstwerkes darin
besteht, uns das Leben eines sinnlichen Objektes zu ofiPenbaren, so ist in aller Kunst
Form ohne Inhalt oder Inhalt ohne Form undenkbar. Von größter Wichtigkeit ist die
Unterscheidung zwischen dem Symbolischen und dem Symbolistischen. Symbolisch ist
jedes wirklich ästhetische Objekt, weil uns unmittelbar aus ihm Leben entgegenleuchtet»
das, wie es nicht anders sein kann, ein Teil unseres eigenen Lebens ist Symbolistisch
dagegen sind Objekte, die uns etwas anderes sagen sollen als sie uns tatslchlich«
d. h. unmittelbar, ihrem Wesen gemäß sagen. Z. B. sagt der Heiligenschein in Wahrheit
nichts über die Heiligkeit oder überhaupt den Charakter seines Trägers. Zum Schlaft
möchte ich an diese Bemerkung noch ein wörtliches Zitat aus unserm Buche anlmfipfen,
teils weil es auf die für die Gegenwart charakteristischen Verimingen ein grelles Streif*
licht wirft, teils weil auch die Tonkunst mit in Betracht gezogen ist, endlich aber auch,
weil es gleichzeitig eine knappe Formulierung des Grundprinzipes der Lippsschen Ästhetik
enthält. Auf Seite 94—95 heißt es: „Wir begegnen in der Geschichte der Kunst
Zeiten, in welchen mehr als zu andern Zeiten der Kunstler an den Beschauer die
Forderung stellt, daß er aus dem Kunstwerk heraustrete und allerlei hinzuf&ge. Dies
sind Zeiten einer primitiven Kunstentwicklung oder Zeiten des Verfalles. In beideriei
Zeiten müssen Kunstwerke um so mehr ,bedeutenS je weniger sie sind. Der Kfinstier
,meint' mit dem Kunstwerke um so mehr, je weniger das Kunstwerk zu sagen vennag.
Die Idee ersetzt den Inhalt. In der primitiven Kunst sollen die Heiligenscheine and die
Spruchbänder ,sagen', was das Kunstwerk nicht sagt. In den Zeiten des Verfdles
sollen wir in philosophischen Interpretationen für das Kunstwerk Ersatz finden. Dabei
hat das Spruchband einen entschiedenen Vorzug. Nicht was es sagt, aber das Spruch-
band selbst ist doch wenigstens dargestellt und wird von uns gesehen. Von den philo-
sophischen Interpretationen dagegen sehen wir nichts. Sie haben also mit dem Kunst-
werk schlechterdings und in jedem Sinne nichts zu tun. Man kann nun einmal Philosophie^
man kann überhaupt Gedanken und Ideen nicht meißeln noch malen. Man kann sie
auch nicht dichten und musizieren. Man kann nur erlebbares Leben in sinnliche
Formen bannen, und darin besteht aller Sinn der Kunst.* Dr. R. Hohenemssr
186. Walter Krone: Wenzel Müller. Ein Beitrag zur -Geschichte der komischen
Oper. Verlag: E. Ehering, Berlin.
Wenzel Müller, der praktische und fruchtbare Kapellmeister des volkstümlichen
Leopoldstädter Theaters in Wien, der die von Hiller, Dittersdorf u. a. geschaffenen und
ausgestalteten Formen des deutschen Singspiels auf das Gebiet der populären Wiener
Dramatik mit ihren Ritter-, Gespenster-, Räuber- und Zauberstücken verpfianite, ist eine
für die Gesamtentwickelung des deutschen Theaters und der theatralischen Musik so
wichtige Persönlichkeit, daß eine Arbeit, die sich mit seiner Wirksamkeit behüt und Ihm
den ihm in der Gesamtheit gebührenden Platz anweist, gewiß willkommen gehelBen
werden kann. Der Verfasser der mir vorliegenden kleinen Schrift hat, abgesehen yod
der glücklichen Wahl des Stoffes, das Recht auf Anerkennung des lobenswerten Elfers
und des gründlichen Fleißes, womit er seinen Stoff behandelt hat. I'reillch fehlt im
großen und ganzen eine wirkliche Verarbeitung des gesammelten reichen Materials, so-
daß das Büchlein mitunter fast wie ein bloßer Vorläufer einer W. Müller gewidmeten
größeren Arbeit anmutet. Die seitenlangen Aufzeichnungen von Quellentiteln wären besser
aus dem Text unter den Strich oder in einen Anhang verwiesen worden, die Aofeihlang der
Stücke, zu denen Müller die Musik schrieb, unterbrechen manchmal störend den Gsog
der Darstellung. Als Inkonsequenz muß es getadelt werden, daß Krone die Namen der
173
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
Textdichter manchmal angibt, sehr oft aber diese Angabe gerade bei wichtigeren Dramen
unterlißt. Auch sonst erregen Einzelheiten Anstoß. Emanuel Schikaneder wird (z. B.
S. 30) mit seinem NefiPen Karl verwechselt, der am Leopoldstidter Theater engagiert war,
während doch sein Oheim ein tötlicher Konkurrent dieses Theaters gewesen war. Die
Entstehung des „Zauberfl5te''-Textes wird (S. 38) ziemlich anekdotenhaft erzihlt. Die
Bekanntschaft des Lesers mit der berühmten „Köhlerszene" in Raimunds „Alpenkönig
und Menschenfeind* hätte wohl vorausgesetzt werden können. Gleichwohl interessieren
die mitgeteilten Inhaltsangaben und die eingestreuten Proben von Möllers Musik; die
letzteren zeigen recht deutlich, wie viel Ernstes und Tiefes auch in dem musikalischen
Teil dieser oft unterschätzten Wiener Zauberstücke enthalten ist.
Dr. Egon v. Komorzynski
187. M.-D. Calvocoressi: Moussorgsky. („Les Maltres de la musique.*' Publi^s
sous la direction de M.Jean Chantavoine.) Verlag: Felix Alcan, Paris 1908.
Das Buch will mehr sein als eine bloße biographisch-kritische Abhandlung über
den urwüchsigsten und genialsten Tondichter der sogenannten neurussischen Schule. Der
Verfasser benutzt das Lebenswerk Moussorgsky's nur als Ausgangspunkt, von dem aus
er die schwierigsten Gebiete der Musikästhetik durchstreift, und zu dem er nach einer
jeder solchen mehr oder weniger gelungenen Exkursion wieder zurückkehrt. Die ge-
wonnenen Einsichten allgemeinen Charakters werden dann stets am speziellen Falle
Moussorgsky sorgfältig nachgeprüft. Es muß zugestanden werden, daß kaum ein anderer
modemer Komponist so sehr zur Lösung allgemeiner musikästhetischer Probleme anregt,
wie gerade Moussorgsky auf Grund seines durch und durch originellen, von keinerlei
Regeln oder traditionellen Prinzipien beeinflußten Schaffens. Für die Fixierung der
Grenzen der ästhetisch zulässigen Verwendbarkeit musikalischer Ausdrucksmöglichkeiten
gewinnt man bei der Betrachtung der Moussorgsky'schen Schöpfungen, besonders seiner
Lieder, vollständig neue Gesichtspunkte. Calvocoressi erweist sich gerade in diesen, all-
gemeinere Fragen behandelnden Seiten seines Buches (Le R6alisme artistique et ses
cons^uences) als überaus feiner Kopf. Auch in den Analysen einzelner Werke zeigt er
oft ein subtiles, für einen Nichtrussen erstaunlich biegsames Einfühlungsvermögen gegenüber
den komplizierten psychischen Regungen, die sich im dichterischen und musikalischen
SchaffSensprozesse Moussorgsky's offenbaren. Jedoch nicht immer. Bei der Betrachtung
der Moussorgsky'schen Klavierkompositionen, höchst unbedeutenden, jugendgrünen
Stchelchen, trübt ihm der Enthusiasmus des Biographen den Blick. Völlig verfehlt ist
der Versuch, die Stellung Moussorgsk/s im Verhältnis zu tien übrigen russischen Kom-
ponisten zu fixieren. Die Behauptung, daß der Komponist des ^Boris Godunow' sich
«dans quelque mesure** an C^sar Cui anlehne, ist für Moussorgsky geradezu beleidigend.
Allein, trotz einiger solcher, den Widerspruchsgeist im höchsten Grade reizender Stellen
— es würde zu weit führen, wollte ich alle anführen — ist das Calvocoressi'sche Buch
eine durchaus beachtenswerte Erscheinung unter den neueren musikliterarischen Pu-
blikationen. Es ist schon das zweite dickleibige Buch, das in französischer Sprache über
Moussorgsky erscheint (vor wenigen Jahren veröfiPentlichte Pierre d'Alheim seine «Sept
Conferences sur Moussorgsky"). Wann wird in Deutschland endlich das Interesse für diesen
tiefeinnigen und originellen Tondichter erwachen? Dr. Oskar v. Riesemann
MUSIKALIEN
188. The Wa-Wan Press. Newton Center, Massachusetts. .
Die Wa-Wan Presse ist ein vor einigen Jahren von amerikanischen Komponisten
organisiertes und geleitetes Unternehmen zur Förderung charakteristisch-amerikanischer
M
174
DIE MUSIK VII. 21.
Musik, namentlich der auf bodenständiger Grundlage erwachsenen. Es war bisher nicht
genügend bekannt, daß der indianische Einschlag in der amerikanischen Kunstmasik
von viel größerer Bedeutung gewesen ist und noch sein wird als die Negennusik.
Nachdem in Deutschland bereits Prof. C. Stumpf in seinen musik*p8ychologischen
Arbeiten die Indianermusik gewürdigt hatte und zu dem Ergebnis gekommen war, daß
die indianischen Tonleitern, wie wir sie bisher kennen, keineswegs einem »archaistischen*
oder gar «primitiven** Musikzustande angehören, daß vielmehr die Urzustinde der Musik
vielleicht weiter dahinter liegen als die indianische Musik hinter der unsrigen, habe ich
mich selbst durch Studium der Werke von Alice Fletcher (»Indian Story and Song
from North America" und „The Hako, a Pawnee Ceremony**) davon Gberzeugt, daß die
originale Indianermusik auf einer hohen Stufe steht, wie man sie sonst bei Naturvölkern
nicht findet Sinn und Verständnis für Rhythmik (Synkopen, Taktwechsel und rhythmischer
Kontrapunkt), für Form und Tonalität sind unverkennbar und trotz oder vielmehr
wegen Fehlens der Harmonie lassen diese Gesänge an rhythmischer Kompliziertheit
die europäischen Volkslieder weit hinter sich. Neuerdings haben sich um die Sammlung
und Veröffentlichung von Indianermusik besonders verdient gemacht Arthur Farwell,
Leiter der Wa-Wan Presse, Harvey Worthington Loomis und Carlos Troyer. Von
letzterem sind die mir heute vorliegenden Gesänge: 1. Traditional songs of the
Zufiis, 2. Indian Fire-Drill Song „Uru Kuru% 3. Ghost Dance of the Zaüls
(mit obligater Violine, ad lib.), 4. Kiowa-Apache War Dance für Klavier bearbeitet
(transcribed and harmonized) und mit szenischen Angaben versehen. Aus No. 1 teile
ich als Proben folgende Melodieanfänge nebst englischem Text mit:
Znnian LuUaby
Adagio
' X 7 np -^""""^ ,^
6|r C 6 r ■' gl^J'jj'lj jL.J4]¥=E£q
Now, restthee inpeace,with thy play mates a-bove;Closethineeyesmy ba-by, Go»
PP
y r »c i ini'i j. „ j<.|j ^m
join in their hap-py en - joy-ments my love, Sleep on, sound-Iy, 8weet*lyl usw.
i
I
The Coming of Montezuma
animato
E
t
i»-
X
m
s
I
±
t
dim.
3
^
He*s CO - ming Mon - te - zu - ma, Mon • te - zu - ma he comt».
Dieses mit pentatonischen Wendungen (s. die charakteristische Tonfolge e— g) durchsetzte
Montezumalied, und noch mehr No. 3 und 4, sind efiPektvolle dramatisch*reallstisctae
Tongemälde mit großartigen Steigerungen und voll urwüchsiger Kraft uod Frische. Die
die Indianermusik begleitenden Schlag- und Lärminstrumente sind vom Bearbeiter g^
schickt dem Klavier angepaßt. Das Thema des Geistertanzes ist:
AUegretto
175
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
6ir c c r '• ;i^ jjj'ij i,^^^
«
1
Fast unglaublich ist folgende chromatische Melodiestelle in diesem Tanze:
Con dolore
gp l^gl-
t
99 a
^.
i
Ä^
«h
%
1^
m \^ =b^ J =^
t
-^
r^
t
Da Carlos Troyer die Indianermelodieen an Ort und Stelle aufgezeichnet hat, so
erscheint eine Mystifikation ausgeschlossen. Ich möchte aber hier doch den Wunsch
aussprechen, daß die Wa-Wan Presse künftig die nackte Melodie jedesmal der Be-
arbeitung vorausstellt, damit man Original und Zutaten deutlich von einander unterscheiden
kann und nicht nur die toleranten Interessenten, die die Harmonisierung einstimmiger
Melodieen bei vollständiger Anpassung von Harmonie und Tonalitit (ohne Änderungen
von Melodie und Rhythmus) für erlaubt halten, befriedigt werden, sondern auch die
radikalen Wissenschaftler, die die Harmonisierung grundsitzlich als unzulässig ver-
werfen. So kann man bei dem kunstvollen Aufbau des „Ghost Dance** und des ,.Kiowa-
Apache War Dance** oft unmöglich sagen, wo die originale Melodie aufhört und etwa
die harmonische Zutat anfängt (s. besonders im „War Dance** S. 8 den raffinierten
Melodiesturz bei Precipitato!). Auch allen Verlegern fremdartiger Musik möchte ich die
Voranschickung der ursprünglichen nackten Melodie mit Originaltext und dessen
wörtlicher Obersetzung im Interesse einer ehrlichen Kunst dringend empfehlen.
Georg Capellen
189. Franz Liszt: Concerto path^tique in e-moll. Nach dem Original Tür zwei
Pianoforte für ein Pianoforte und Orchester bearbeitet von Richard Bur-
meister. Verlag: Breitkopf & Härtel, Leipzig.
190. Franz Liszt: Mephisto-Walzer. Bearbeitung für Pianoforte und Orchester
von Richard Burmeister. Verlag: J. Schuberth & Co., Leipzig.
Daß Liszt auch als schaffender Künstler allmählich jene Bedeutung erlangt, die
er sich als unvergleichlicher Virtuos im Sturm zu erobern wußte, verdankt er zum nicht
geringen Teil der tatkräftigen Initiative und der beharrlichen Rührigkeit, mit denen seine
Schüler seit jeher einmütiglich für die Werke ihres Meisters eingetreten sind. Die edle
Selbstlosigkeit, mit der Liszt zeit seines Lebens den Werken Anderer, gleichviel aus
welchem Lager sie kamen, sei es durch Übertragung fürs Klavier, sei es als Dirigent
oder als geistreicher Schriftsteller, den Weg zu ebnen suchte, wird nun von seinen
Schülern durch die Popularisierung seiner eigenen Werke auf^ schönste vergolten. Einen
Akt dieser Pietät dürfen wir auch in der Bearbeitung der beiden oben genannten Klavier-
werke erblicken. Daß das Concerto path^tique im ganzen wenig bekannt geworden ist,
findet leicht seine Erklärung, denn der große pathetische Zug, der es von der
ersten bis zur letzten Note durchströmt und ihm erst sein charakteristisches Gepräge
L
176
DIE MUSIK VII. 21.
auMrückt, kann niemals durcb zwei Klaviere allein, und würden lie auch von den grSSten
Künstlern gespielt, zu einer eindringlichen und nicbhalrigen TIrkung gelangen, ZeichoM
sieb lucb keines der vier Themen, auf denen das Werk aufgebaut ist, durch elgendicbe
Tiefe oder OiiginalitSt aus, enthlii sogar das dem Des-dur Andante zugrunde liegende
Motiv einen Stich ins Triviale, so gewinnen die Themen doch durch ihre scharfen Gegen-
sitze und Ibre plastische Abrundung mehr und mehr an Bedeutung und steigen zuletzt
sogar zu imponierender HOhe; aber die Art, wie sie einander antworten und erglnzen, wie
das scheinbar IndiiTerente Anfingsthema sich plStzlich zum gewichtigen Führer des
Fugato aufschwingt, wie namentlich auf S. IS der Partitur die offenen Quinten und
Oktaven mit ihren drfihnenden Akkorden gleich einem Schicksalaruf ihre wuchti(ea
Stimmen erheben, das alles verlangt gebieterisch nach der Mithilfe orchestraler Au>-
drucksmlttel, und es erscheint ritselhaft, weshalb Liszl, der so vielen anderen Terkea
durch seine glänzende Instrumeniatlonskunst neues Interesse zu verleihen wußte, sieb
diesem seinem eigenen Verk gegenüber so zurückhaltend verhielt. Waren im Concerto
pathitique seiner ganzen Anlage gemlB die Hiuptlinien für eine Orcbesterbearbeitnng
mebr oder weniger schon vorgezeichnet, so mußte der Bearbeiter des Mephisto-Walzers
für Pianotbrte und Orchester vor allem auf eine geschickte Gruppierung der beiden sich
gegenüberstehenden Faktoren bedacht sein, d, h. er muflte zu diesem Zweck manches
Unwichtige opfern, um die Hiuptlinien desto achirfer und bestimmter herauszuroeifteln,
eine Aufgabe, die Richard Burmeister meisterhaft gelöst hat. Der Mephisw-Vslzer gehSrt
von jeher zu den beliebtesten Konzertstücken Liszts und ist auch In den verschiedcssten
Arrangements erschienen. Im Gegensatz zu der Busonischen Ausgabe, in der der
Lisztsche Klaviersatz noch bedeutend schwierigere und für den Solovortrag wobl aucb
brillantere Zutaten erhalten hat, richtet sich Burmeister in der Hauptsache nach dem
Original, und wo er von ihm abweicht, geschieht es aus zwingenden orchestrslen
Gründen. So hat er gleich zu Anfang der besseren Übersicht halber statt des
"e- den '/aTakt vorgeschrieben, verschiedene frei kadcnzierende Klavierpassagen
entweder gekürzt oder rhythmisch fest gegliedert, dafilr am Schlufi eine eigene
hSchst poetisch erfundene Kadenz beigefügt, ebenso an mehreren Stellen wie i. B. auf
S. 31 als kontrapunktierende Stimme für das eine Thema den Bruchteil eines anderen
vorhergehenden verwandt, kurz die ganze Bearbeitung so fein geglittet und mit s«
künstlerischem Geiste erfüllt, daS sie nicht, wie so oft in Ihnllchen Pillen, nur ein
Surrogat, sondern für den Konzenvonrag im groOen Stil eine wirkliche Wertstelcerang
des Werkes darstellt. Beide Bearbeitungen werden bei dem großen Mangel an nenen
großzügigen Klavierwerken mit Orchesterbegleitung von allen Freunden modemer Mssik,
besonders von den konzertierenden Virtuosen, dankbar begrüßt werden.
Arno Kleffel
191. Jan KOrber: Lieder für eine Singstimme und Orchester. Ausgabe Ar
Klavier und Gesang. Verlag: Harmonie, Berlin.
Die Lieder op. 14 ,Im April", op. 15 ,ln der Kirschblfit* und op. 19 ,^rBhlla|a-
zauber" sind für eine höbe Stimme, op. 8 »Glockenklage" fOr eine BsSstiDine nod
op. 20 „Drei Wanderer* für eine tiefe oder mittlere Stimme komponiert. Oboe origfntf
zu sein, dürften die Lieder, die mit Orchesterbegleitung gesungen in werden docb «vU
wenig Berechdgnng haben, gerade in der Klavierbearbeitnng Anklang bd aiDHi
großen Teil des Publikums finden. Die Slngstimme Ist durchweg dankbar faMteMn^
der Klaviersatz — bis auf eine in op. 19 sich befindende wirklich nicht schhi, mA akfet
als .künstlerisch beabsichtigt' überzeugend klingende Quintenfolge — geschickt gearbeitet
und die Stimmung fast überall getroffen. Max Vogel - ■
Aus deutschen Musikzeitschriften
SCHWEIZERISCHE MUSIKZEITUNG UND SÄNGERBLATT (Zürich), 1908,
No. 1—19. — Der Aufsatz „Der Männerchor Zfirich** (No. 1 und 2) von
Rob. Thomann enthält eine Geschichte dieses Gesangvereins. — Karl Nef
spricht in dem Aufsatz „Die Symphoniekonzerte'' („Unser Konzertwesen^, I.) (No. 1)
den Wunsch aus, daß mehr populäre Konzerte veranstaltet werden, „in denen
Musik um ihrer selbst willen gemacht wird* und bei deren Veranstaltung man
sich nicht um Gewinn und Verlust bekümmert. — Carl Heß-Rüetschi entgegnet
in dem Aufsatz „Ein- oder vierstimmiger Gemeindegesang? " auf die Ausführungen
von Th. Barth in No. 35 (siehe „Revue** in Heft 20), daß das vierstimmige Gemeinde-
lied schon deshalb „keine Berechtigung" habe, weil „alle Einzelglieder** dec Gemeinde
„gleichberechtigt** seien, beim vierstimmigen homophonen Choralsatz aber Alt, Tenor
und Baß keine eigenen Gedanken aussprächen, sondern nur „als Stützquadern der
Melodie** dienten. Aufgabe der Orgel sei es, die von der Gemeinde unisono
gesungene Melodie zu kontrapunktieren. — Gegen diese Ansichten wendet sich
Pfarrer G. Lauterburg in dem Aufsatz „Reformierter Kirchengesang** (No. 7).
Er sagt: „. . . Der Akkord ist so gut eine Einheit wie der einzelne Ton. Und
nun wüßte ich nicht, wie das Wesen der Gemeinde und die Mannigfaltigkeit der
in ihr vorhandenen Gaben, die sich zur Einheit des Geistes verbinden, schöner
zum Ausdruck käme als im vierstimmigen Gemeindegesang, wo jeder mit der ihm
von Gott verliehenen Stimme mitsingen kann, der kräftige Mann und das auf-
blühende Kind, die schüchterne Jungfrau und die zitternde Greisin — eine lebendige
Erläuterung des Bibelwortes: „Dienet einander, jeder mit der Gabe, die er empfangen
hat". — In dem Aufsatz „Die Chorkonzerte** („Unser Konzertwesen**, II.) (No. 2)
sagt Karl Nef: „Viel besser als Symphoniekonzerte sind für das Volk (Volk im
weitesten Sinne des Wortes gemeint) Choraufführungen . . . Die Symphonie-
konzerte sollten regelmäßig mit kleinen Chorwerken durchsetzt sein." Unter
Hinweis auf Kretzschmars „Musikalische Zeitfragen" empfiehlt Nef, in den größeren
Städten neben den Dilettantenchören auch Berufschöre zu bilden, wie sie in
früheren Jahrhunderten bestanden haben. Er bedauert, daß die gemischten Chöre
infolge der einseitigen Pfiege des Männergesanges zurückgegangen sind. — Ober
schweizerisches Urheberrecht handelt der Aufsatz „Autorrechtliche Schicksale
eines Studentenliedes" von Alex. Reichel (No. 3). — In dem Aufeatz „Kammer-
musik" („Unser Konzertwesen", III.) bedauen Karl Nef, daß die Kammermusik heute
fast nur in Konzerten gespielt wird, obwohl sie doch hauptsächlich für das Haus
bestimmt ist. Der Niedergang der Hausmusik sei hauptsächlich dadurch ver-
ursacht, daß die Dilettanten heute zu sehr das Klavier bevorzugen; sie sollten
wieder, wie früher, auch Streich- und Blasinstrumente spielen. — Dr. F. Götzinger
veröffentlicht den illustrierten Aufsatz „Basler Musikschule und Konservatorium"
(No. 4), der auch eine Geschichte dieses Instituts enthält. — Ober musiktheoretische
Ansichten des Mathematikers Euler handelt der Aufsatz „Wie Leonhard Euler sich
den Septimenakkord erklärte" von M. Knapp (No. 5). — E. P.-L. berichtet in dem
178
DIE MUSIK VII. 21.
Aufsatz „Die schweizerische Nationalhymne* (No. 6) über das Ergebnis der von
der «Feuille d'Avis de Neuchätel** veranstalteten Umfirage: «Glauben Sie» daß es
sich empfehlen würde, eine andere Nationalhymne als das ,Rufst du^ zu wihlen?*
— Kd. Gachnang's Aufsatz „Das Schweizerpsalm-Denkmal in Zfirich" berichtet
über den Plan, dem Volksdichter \(^idmer und dem Komponisten Zwyfiig ein
Denkmal zu setzen. — Ein im „Verein schweizerischer Gesang- und Musiklehrer*
gehaltener Vortrag von S. Rüst über die „Gesangsmethode von E. Jaques-Dalcroze"
wird in der Beilage „Der Volksgesang* (No. 6, 10 und 15) abgedruckt — G. B.
berichtet unter der Überschrift „Engiadina, Chanzuns ladinas* (No. 7), daß der
Mannergesangverein „Engiadina* ein wertvolles rhäto • romanisches Liedeft>uch
herausgebe. — Georg Kaiser veröffentlicht einen Aufeatz Qber »Carl Maria
von Weber und die Schweiz* (No. 10), an dessen Schluß ein zuerst im Münchener
„Gesellschaftsblatt für gebildete Stinde* vom Jahre 181 1 erschienener, bisher nicht
nachgedruckter Bericht Webers über ein Musikfest in SchafPhausen abgedruckt
wird. — Karl Nef bespricht „Das Liederbuch des eidgenössischen Singenrereins*
(No. 12), das „die Lieder zusammenstellen will, die am meisten gesungen werden.*
— Karl Nef sagt in dem Aufsatz „Elemente der Musikästhetik* (No. 13): ». . . Es
war^ar keine Naivität der Alten, wenn sie glaubten, der Ausdruck [in der Musik]
sei lehrbar; sondern ihre Lehre davon beweist, daß sie im geistigen Teil der
Musikpädagogik uns weit überlegen waren und wir über unserm einseitigen Betonen
der technischen Seite ein überaus wertvolles Stück verloren haben*. Nef erklärt
es für eine „unabweisbare Forderung*, daß die musikalische Ausdruckslehre gemäß
den Anregungen Kretzschmars weiter ausgebildet werde. — P. Adrian ver-
öffentlicht in dem illustrierten Aufsatz „Die Berner Liedertafel* (No. 14) eine
Geschichte dieses Vereins. — Richard Prelinger bespricht ausführlich „Richard
Wagners Briefe an seine erste Frau, Minna Wagner* (No. 15). — „Zum Jubiläum
der Bemer Musikschule* veröffentlicht G. B. einen kurzen Aufsatz (No. 1^. «
Otto Hug beschreibt die Entwickelung des 1818 gegründeten Zürcher Studenten«
Gesangvereins („Der Studenten-Gesangverein Zürich*; No. 17 und 18). — Anläßlich
der Versammlung des Vereins schweizerischer Tonkünstler in Baden in der
Schweiz berichtet F. über „Die musikalischen Bestrebungen in Baden* (No. 17). —
F. O. Leu sagt am Schluß eines Aufsatzes über „Hugo Brückler und aelne
Lieder*: „Vielleicht kommt auch einmal die Zeit, wo es nicht nur Wolf-, Loewe>
Strauß- und Reger-Abende gibt, sondern auch — einen Brückler-Abend.* Brückler
lebte von 1845—1871. Er schuf 36 Lieder, die der großen Menge der Musikfreunde
bisher unbekannt geblieben sind, aber von den Kennern sehr, hoch geschätzt
werden. [Ein Aufsatz über ihn von Gustav Kühl steht in „Die Musik* L 1.] — Willi
Bierbaum berichtet über „Die Pariser Fahrt des Männerchor Zürich* (No. IQ;
A. Niggli über „Die Sängerfahrt des Basler Männerchors nach Wien* (No. 19 n. 20^;
K. K. über „Das kantonale Sängerfest in Chur* (No. 19). — Ausführiiche Berichte
über die Veranstaltungen gelegentlich der „IX. Tagung des Vereins schweizerischer
Tonkünstler in Baden, 1908* werden in No. 19 begonnen.
SAMMELBÄNDE DER INTERNATIONALEN GESELLSCHAFT (Berlin), 1907
Heft 4, 1908 Heft 1—3. — Pierre Aubry setzt seine schon friiher hier angezeig;te
Abhandlung „Iter Hispannicum* fort: II. „Deux Chansonniers frimgaisälaBibliothdqoe
de TEscorial* (Heft 4). — III. „Les Cantigas de Santa Maria de don Alfonso el SaUo*
(Heft 1). — IV. „Notes sur le chant mozarabe*. — V. „Folk-lore musical d'Espacne*
(Heft 2). — Arno Werner stellt in dem Aufsatz „Musik und Mutiker
in der Landesschule Pforta* die Namen der Musiker zusammen, die yod
179
REVUE DER REVUEEN
der Gründung im Jahre 1543 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in Schulpforta
wirkten. — Edward J. Dent wendet sich in dem Aufsatz „Leonardo Leo** (Heft 4) gegen
den in einem früheren Hefte erschienenen Aufsatz von Piovano über das neue Werk
«Leonardo Leo** von Cavaliere Giacomo Leo. — Percy Robinson versucht in
dem Aufsatz „Handel, Erba, Urio, and Stradella** nachzuweisen, daß drei Werke,
die Chrysander F. A. Urio, Dionigi Erba und Alessandro Stradella zuschrieb, von
Hindel komponiert seien. — Max Seiffert teilt in dem Aufsatz „Die Verzierung
der Sologesinge in Händeis Messias^ zahlreiche „direkt aus Händeis Aufführungs-
praxis stammende** musikalische Dokumente mit, die einen Einblick in das Wesen
der Händeischen Verzierungen gewähren sollen. — Ludwig Schiedermair ver-
öfiPentlicht „Briefe Teresa Belloc's, Giuseppe Foppa's und Giuseppe Gazzaniga's
an Simon Mayr** mit Übersetzung. — Friedrich Ludwig erwidert unter der Über*
Schrift „Ober Heimat und Ursprung der mehrstimmigen Tonkunst** auf V. Lederers
„Tatsächliche Berichtigung** einer Besprechung von Ludwig. — Hugo Riemann
erklän „Die Metrophonie der Papadiken als Lösung der byzantinischen Neumen-
schrift** (Heft 1). (Einen diesen Aufsatz ergänzenden Artikel veröffentlicht Riemann
in der „Zeitschrift der J. M.-G.**; siehe unten.) — Francesco Pasini veröffentlicht
„Prolegomönes ä une 6tude sur les sources de THistoire musicale de Tancienne
Egypte**. — Oscar Chilesotti's „Notes sur le guitariste Robert de Vis^e** besprechen
Visde's 1682 erschienenes erstes Werk; am Schluß des Aufsatzes stehen einige
Tänze von Vis6e. — Bernhard Ulrich bespricht „Die ,Pythagorischen Schmids-
Ffincklein***, ein am Ende des 17. Jahrhunderts entstandenes Suitenwerk von Rupert
Ignaz Mnyr. — L. Schiedermair berichtet über „Die Blütezeit der öttingen-
Wallersteinschen Hofkapelle**. — Georgy Calmus bespricht und übersetzt „Drei
satirisch-kritische Aufsätze von Addison über die italienische Oper in England
(London 1710)**. — Wilibald Nagels „Kleine Mitteilungen zur Musikgeschichte aus
Augsburger Akten** betreffen die Lebensgeschichte einiger wenig bekannter Musiker,
die im 18. Jahrhundert lebten, sowie Schikaneders und J. S. Coussers. — Hugo
Riemann zeigt in dem Aufsatz „Der strophische Bau der Tractus-Melodieen*
(Heft 2) an einigen Beispielen die kompositorische Technik der altkirchlichen
Gesänge. — Tobias Norlind berichtet über „Vor 1700 gedruckte Musikalien in
den schwedischen Bibliotheken**. — Francesco Piovano's lange Abhandlung „Un
op6ra inconnu de Gluck** bespricht die 1743 komponierte Oper „II Tigrane** und
ihre Geschichte. — Felix Clay untersucht „The origin of the ästhetic emotion**. —
Unter der Oberschrift „Eine populäre Musikästhetik** kritisiert Paul Moos sehr
eingehend William Wolfs Musikästhetik. — Gurt Sachs beschreibt „Eine bosnische
Doppelflöte** (Heft 3). — Femer enthält Heft 3 die folgenden Aufsätze: „Omamenution
as indicated by Signs in Lute Tablature** von Janet Dodge. — „Italienische Musiker
am Hofe der Neuburger Witteisbacher. 1614—1716** von Alfred Einstein. —
„Esquisse d'une esth^tique de la musique ä Programme* von M.-D. GalvocoressL —
„Zu Runges Textausgaben mittelalterlicher Monodieen** von E. Bernoulli.
ZEITSCHRIFT DER INTERNATIONALEN MUSIKGESELLSCHAFT (Leipzig),
IX. Jahrgang (1007—1908), Heft 2—9. — Die Hefte enthalten die folgenden längeren
AufUtze: Heft 2: ^»Beethovens Mödlinger Tänze v. J. 1819** von Hugo Riemann.
— «A propos des protecteurs de Jean*Marie Leclair Tafn^** von L. de la Laurencie.
— ,Tallis and the ,Et incamatus***, von Arthur H. D. Prendergast. — „Edvard
Grieg« von Thorald J erichau. — »Deux lettres de R. Wagner« (aus Paris, 1861)
von J. G. Prodhomme. — «Seydley Taylor on Handelns Borrowings** von Charles
Maclean. — Heft 3: „Psychologische Musikästhetik** von Paul Moos (eine
180
DIE MUSIK VII. 21.
-^^UWK
Entgegnung auf den auf dem 2. Kongreß der J. M.-G., Basel 1906, gehaltenen
Vortrag „Zur psychologischen Analyse des musikalischen Genußes" von Vitasek). —
9,Harmony' versus ,Counterpoinf in teaching* (anonym). — ^Der Schlfissel der
altbyzantinischen Neumenschrift** von Hugo Riemann (eine Erginzung zu dem oben
angezeigten Aufsatz Riemanns in den »Sammelbinden'* IX, 1). — »Muffat's yComponi«
menti*'* (anonym). — „Mozarts siebentes Violinkonzert* von Alfred Heuß, der
Mozart ffir den Autor hält. — Heft 4: »Zwei Messiasprobleme* von Rudolf Wust«
mann, Kapitel I (handelt von Chrysanders Verzierungen im «Messlas*). —
»Kunstlied und Volkslied** von Karl Nef (über John Meiers Werk: »Kunstlieder
im Volksmunde"). — »The recent London ,Promenades'* von Nicolas Kilburn
(Bishop Auckland). — »Über Choralrhythmus* von P. Wagner (Besprechung des
von Ludwig Bonvin übersetzten Werkes von Alexander Fleury S.J.) — Heft 5:
»Zwei Messiasprobleme* von Rudolf Wustmann, Kapitel II (handelt von
Chrysanders Text zum »Messias*); Nachwort von Max Seiffert — Heft 6:
»Tanz und Tanzgesang im nordischen Mittelalter nach der dinischen Balladen«
dichtung* von H. Thuren (Fortsetzung in Heft 7). — »Zum Thema: Hindels
Entlehnungen* von A. Schering. — »Present-day Accompaniment of Anclent
Greek Melodies* von C. F. Abdy Williams. — Heft 8: »Sibelius in England*
(anonym). — »Zum Thema: Mannheimer Vorhalt* von Alfred Heuß. — Heft 9:
»Esquisse d'une Philosophie de THistoire Musicale de la Grdce* von Francis
Pasini. — »Otto Nicolai und die Malibran* von Georg Richard Kruse. —
»Bachfest in Leipzig, Kantate 1008* von Rudolf Wustmann. — »AaffOhningen
älterer Musik in Berlin während des Winters 1007—1908* von Hugo Leicbtentritt
DAS HARMONIUM. Zeitschrift für Hausmusik (Leipzig), Jahrgang 191X7—1908»
6 Hefte. — Der Jahrgang enthält die folgenden längeren Aufeätze: »Cyrill Kistlerf*
(anonym; Heft 1). — »Der Merker* von Richard Batka (No. 1 und 2) (kurze
Oberblicke über die Bestrebungen zur Hebung der Hausmusik). — »Wo sind die
bahnbrechenden Faktoren in der Harmonium-Literatur?* (No. 2). Der anonyme
Verfasser wendet sich in diesem Aufsatz fast nur gegen die Anpreisungen der
Kompositionen Sigfrid Karg-Elerts durch dessen Verleger. — »Ober Bildung durch
Musiker* von A. F. J. Thibaut (No. 3). — »Eine Krisis im Verein der Harmonium-
freunde in Berlin.* — »Ober die Aufgabe von Harmonium-Vereinen* nach einem
Vortrage von Rieh. J. Eichberg. — »Die Hand aufs Herz!* von Adolf PrQmers
(No. 4). Der Verfasser empfiehlt als Mittel zur Hebung der Musikpflege in der
Familie die Einführung des Harmoniums. — »Im Konzertsaal* von Hans Frei-
mark. In der Form eines Gesprächs im Konzertsaal preist der Verfasser die
Vorzüge des Harmoniums. »Ober die Spitzmarke »Orgelsurrogat* ist das Harmoolam
längst hinaus. Heute haben wir ein durchaus selbständiges Instrument, seine
Eigenart liegt gerade in den orchestralen Wirkungen.* — »Rückblick auf das erste
Vereinsjahr des Vereins der Harmonium freunde zu Breslau.* — »Aus den Er-
innerungen eines Konzertflügels* von Hedwig Neumann. — »Hermann Buifcr*
(handelt von den Harmonium-Fabrikanten Burger; No. 5). — »Meyerbeer als
Harmonium-Komponist* (No. 6). — »Betrachtungen über das Werk yL'Orgae
expressif ou Harmonium^ von Alphonse Mustel* (Fortsetzung folgt). — »Neue
Wagner-Bearbeitungen* (Fortsetzung folgt). — »Ober Reinheit der Tonkunst* (Fort-
setzung folgt). Der Aufsatz enthält interessante Auszüge aus A. F. J. Thibaitfs»
zuerst 1824 erschienenem und vor kurzer Zeit von Richard Heuler neu taeratis»
gegebenem Werke »Ober Reinheit der Tonkunst" und das Vorwort K. Bihrt zur
dritten Auflage (1851). Das einst vielbeachtete Werk behandelt, wie Bahr bemerkt^
1^
181
REVUE DER REVUEEN
»nicht die technische Reinheit, die des Tonsatzes oder der Ausführung, sondern
die der Tonkunst^; es wendet sich gegen »alles Seichte, Gemeine, Ungesunde und
Leichtfertige"* in der Musik.
SÜDDEUTSCHE SÄNGER-ZEITUNG (Heidelberg), Jahrgang 1907/B, No. 2-11.
Die Nummern enthalten ausführliche Berichte über Sängerfeste, Jahresberichte
Bücherbesprechungen usw., sowie die folgenden selbständigen Aufsätze: »Heinrich
Heine, der Lieblingsdichter der deutschen Komponisten. Eine statistische Plauderei**
von Ernst Challier sen. (No. 3). — »Der deutsche Männergesang und seine
Hauptvertreter** von Fritz Neuert (No. 4, 5, 9, 10, 11; wird fortgesetzt). — »Julius
GersdorfiP f** von Franz Mäding (No. 5). — »Das deutsche Volkslied in seinem
Wesen und seiner Geschichte** von Heinrich St ob er (No. 6—9). — »Franz Curti.
t 6. Februar 1908** (anonym), mit dem Anhang: »Chorwerke von Franz Curti**,
besprochen von Jul. Wengert (No. 7). — »Bekannte Männergesangs-Komponisten
im Bilde der Statistik** von Ernst Challier sen. (No. 8). — »Etwas über den
Vortrag** von L. Baumann (No. 9—11). — »Hermann Beckh t** von Fritz Carl
Ferber (No. 10). — »Zehn Goldene Sängerregel n" von Hans Bastyr (No. 10—11).
DAS DEUTSCHE VOLKSLIED (Wien), Oktober 1907 bis April 1908. - Auch in
diesen Heften werden in verschiedenen Aufsätzen viele bisher unbekannte Volks-
lieder veröffentlicht. Femer enthalten sie Vereinsnacbrichten, Besprechungen von
Büchern und Musikalien usw., sowie die folgenden Aufsätze: »Zur Volkskunde**
von Leopold Bein (Oktober-Heft; abgedruckt aus dem »Grazer Tagblatt**). —
»Pflegt das deutsche Volkslied!** von J. Pommer (November-Heft; aus dem »Ev.
Volkskalender für Österreich**). — »Die Geschichte eines NachtWächterrufes** von
Josef Götz. — »Das Geigenspiel des Steirischen^ von B. Groller. — »Volks-
kunde und Schule" von Oskar Dähnhardt (Dezember- Heft; aus der »Zeitschrift
für deutschen Unterricht**). — »Ober A. R. von Spauns Sammlung österreichischer
Volksweisen** von J. Pommer (Februar-Heft — Juni-Heft). — »Hans Staudigger**
von Leopold Pirkl (Februar-Heft — April-Heft; wird fortgesetzt).
BAYREUTHER BLÄTTER, 1908, 1.— 6. Stück (2 Hefte). — Die Hefte enthalten aus-
führliche Bücherbesprechungen und die folgenden selbständigen Aufsätze: L Heft:
»Aus dem Briefwechsel zwischen Wagner und Nietzsche**. — »Briefe an Wagner**
von Erwin Roh de. — »Theodor Bertramf*. — »Die Todestragik in Wagners Dramen**
von Otto Braun. — »Max Zenkerf** von Rudolf Schlösser. — »Ober Wagners
Melodik und Harmonik, III.** von Emil Ergo. — »Zur Naturgeschichte des Schau-
spiels** von Karl Feiner. — «Germains et Fran^ais** von J. Ecorcheville. —
IL Heft: »Richard Wagner an Minna Wagner**, eingeführt durch Hans von
Wolzogen. — »Richard Wagner an Gräfin Pourtalds**. — »August Wilhclmjt** von
H. V. W. — »Zur Kritik des modernen Materialismus** von Nicolaus Creutzburg-]*, mit
Vorwort von Max Zenkerf. — »Gegen den Monismus** von Max S e i 1 i n g. — »Romane
der Gegenwart und Jean Paul** von Karl Freye. — »Germanen und Franzosen**
von H. Grävell (eine Entgegnung auf Ecorcheville's oben angezeigten Aufsatz).
NEUJAHRSBLATT DER ALLGEMEINEN MUSIKGESELLSCHAFT IN
ZÜRICH auf das Jahr 1908. — Das 51 Quartseiten umfassende Heft enthält eine
mit zwei Porträts geschmückte Biographie Joseph Joachims von Hans Joachim
Moser, die sich in ihrem Hauptteil auf die bekannte Biographie Joachims von dem
Vater des Verfassers, Andreas Moser, stützt. A. Steiner-Schweizer berichtet am
Schluß des Aufsatzes kurz über Joachims Beziehungen zu Zürich.
Magnus Schwantje
VII. 21. 13
KRITIK
OPER
DANZIG: Bemerkenswert: Vorzugliche Auf-
führungen von „Tristan und Isolde* als
Novum! »Salome** mit verstirktem Orchester,
»Zauberflöte«, »Mignon« mit Erika Wedekind,
»Rigoletto« mit d'Andrade, „Wildschütz«, „Die
Lustigen Weiber«, „Carmen«, „Siegfried«, „Don
Juan«, „Goldnes Kreuz«. Kapellmeister Meyro-
witz stets gleich groß in Sorgfalt wie im Feuer,
R. K rasselt erfolgreich durch Fleiß, Wirme
und Umsicht. Carl Fuchs
KREFELD: Erst zwei Jahre hat Krefeld eine
stindige Oper, es galt lange Zeit einen harten
Kampf mit dem Vorurteil, daß Schauspiel and
Oper sich nie koordinieren ließen. Vorläufig
noch haben die Gegner nicht unrecht behalten,
denn das Schauspiel hat einen gewissen Tief-
gang zu verzeichnen, daffir wäre auf dem Ge-
biete der Oper Vorteilhaftes zu vermelden, vor-
nehmlich die intensive Pflege der Wagnerschen
Muse. Den Kulminationspunkt erreichte die
Saison in einer geschlossenen •Ring«-AuffQhrung
unter Kapellmeister Curt Cruciger. Mit Aus-
nahme des „Rienzi« und des „Tristan« haben
bis jetzt sämtliche Wagnerdramen auch hier eine
Heimat gefunden. Sonst ging der Spielplan
dieselben ausgetretenen Gleise, brachte die-
selben Werke, wie sie zum eisernen Bestand
jeder besseren Provinzbuhne gehören. Hervor-
zuheben wären die stilvollen Einstudierungen
der Nicolaischen „Lustigen Weiber« und der
lyrischen Oper „Fedora« von Umberto Giordano.
Leider verhallten die eindringlichen Rufe nach
Peter Cornelius' „Barbier« u. a. noch vergebens.
Alfred Fischer
PRAG: Angelo Neumanns Maifestspiele
standen diesmal unter einer neuen Flagge.
An Stelle der Solistenparade traten Ensemble-
gast spiele. Nach der künstlerischen Seite
unzweifelhaft ein Fortschritt im modernen Fest-
spielwesen. Die Wiener Hofoper und das
Burgtheater, das Dresdner Königliche Opern-
und Schauspielhaus, das Schweriner Hoftheater,
die Pariser Komische Oper und das Ballet der
Großen Oper, die Berliner Komische Oper und
das Lessingtheater — das waren die Berufenen.
FQrwahr, ein stolzes Programm. Leider sagte
die Pariser Komische Oper ab, und das Ballet
der Großen Oper machte Fiasko. Dieses wurde
durch das treffliche Ballet der Kaiserlichen
Oper von St. Petersburg wettgemacht. Das
Interessanteste brachten die Schweriner:
Zumpes „Sawitri« und Schillings' „Moloch«.
Das Schillingssche Werk imponierte, und die
stilvolle Wiedergabe durch die von Hermann
Gura geführten Schweriner ließ uns das stimm-
liche Manko ihrer Solisten vergessen. In der Auf-
führung des „Tristan« durch die Dresdner war
Schuch mit seiner herrlichen Kapelle der Held
des Abends. Was von der Bühne erklang, ent-
täuschte vielfach, mit Ausnahme von Plaschkes
Marke. Den größten Publikumserfolg hatten
die Wiener mit dem „Maskenball«. Die Ber-
liner Komische Oper fand mit „Tosca« und
„Tiefland« in bezug auf Regie die verdiente
Anerkennung. Dagegen waren die Stimmen der
Solisten zu klein für unser Haus, das Orchester
zu roh im Klange. Die heimische Oper be-
teiligte sich mit einer brillanten Premiere von
Puccini's„Bohöme« (unter Kapellmeister Otten-
heimer) und einer minder gefangenen Neu-
studierung von „Fra Diavolo«. Alles in allem
ein anregender Monat, der uns zeigte, daß aach
an den ersten Opeminstitoten nicht alles Gold
ist, was glänzt, und welch ein treffliches En-
semble unsere deutsche Oper in dieser Saison
vereinigte. Dr. Richard Batka
KONZERT
A GRAM: Eine fiberreiche Konxertsaison ! Von
^^ Pianisten sei Wilhelm Backhaus genannt^
der sein Programm mit einer äußerlichen Rohe
und Gleichgültigkeit erledigte, die, fUls nicht
tatsächlich äußerlich zur Schau getragen, schnerz-
lich berühren müßte; seine einwandfreie Be-
herrschung des Technischen konnte wohl bei
Liszt voll befriedigen, doch wo es hiefi, den
Tasten warm pulsierendes Leben einflößen, lieft
Backhaus den Eindruck des empflndenden
Musikers vermissen. — In zwei Konzerten be-
wies Leo Slezak, daß ein vorzüglicher Bfihnen-
künstler nicht ein ebensolcher Konzertslager
sein muß. Das gleiche bewies Pennrnrini,
der unser wohldiszipliniertes Pnblikum arg ver-
kannte, wenn er ihm zamntete, den Vortrag Toa
Opemstücken von dieser Stelle aas als kan8^
lerisch und geschmackvoll ansnerkennea.
Pennarini, von Dr. Decsey begleitet, errang fib-
rigens, ebenso wie Slezak, starken ioileriichen
Erfolg. — Ein Meister des Kcazertgesaaget»
Ludwig Heß, versöhnte mit der volleadeten
Wiedergabe aeines Seh obert-Wolf-Programais alle
diejenigen, die vom Konzertgesang etwas anderes
erwarten als Beweise besonders gut entvickeltar
Stimmbänder. — Durchans kfinstleiisch war
das Spiel des Bologneser Streichquartetts.
— Welche Wirkungen aber ein warmblütiger
Musiker erzielt, lehrte uns Perdinaad L6we an
der Spitze des Konzertvereins-Orctaesters
aus Wien. Brückners „Romantisctae* und Beat^
hovena dritte „Leonore« waren HShapuakia das
genußreichen Abends. Ernst Sctanls
ALTENBURG: Unter den thüriagischan Ra-
^^ sidenzen nimmt in künstlerischer Besialmag
Altenburg von jeher die onbedentaadsta Stallaag
ein. Städte wie Weimar, Dessau, Meialngea
und Coburg verdanken ihren Ruf aia alte Kultur-
stätten dem kunstliebenden Sinn ihrer Fürataa,
während die herzoglich sächsische Rasidaas bei
der bäuerlichen Abstammung ihrer Bewohner und
dem engherzigen Krämergeist ihrer «gdatlgen*
Führer bislang kaum einen Hauch Janer Kultur
verspürt hat. Die bildenden Küaate in den
Händen von Dekorationsmalern und Stukkateuren
und die Dichtkunst von Lehrern und Geiatlidiaa
in Erbpacht genommen ! Anders auf reprodukll?-
musikalischem Gebiet. Wenigstens selgt sich
da seit einigen Jahren ein erfketdicher Ufl^>
Schwung zum Besseren, so daß der Veraach
gerechtfertigt erscheint, die Blicke derer, die
von Altenburgs Kultnrbestrebungen weder im
Guten noch im Bösen gehört^ auf eiae wenn
auch nur bescheidene Regung kUnatlerlachea
Arbeitens zu lenken. Ea iat das wdengbars
Verdienst Dr. Göhlers, die Oper einer Jlnmcr-
lichen Versumpfung entrissen lu haben. Wenn
indes weder er noch sein NaetalWgar aa Mri-
183
KRITIK: KONZERT
m
gentenpult, Herr Richard, den Aufwand ernster
Arbeit belohnt sehen, so trigt die Anfänger«
Wirtschaft, die durch die Unzulinglichkeit der
finanziellen Mittel veranlaßt ist, wohl das Meiste
dazu bei. Immerhin seien als gut einstudierte
und mit künstlerischem Erfolg herausgebrachte
Opernnovititen «Flaute solo** und „Tiefland"
gebührend hervorgehoben. Nur die Abonne-
mentskonzerte der Hofkapelle vertragen
einen höheren Maßstab. Unter Hinzuziehung
bedeutender Instrumentalsolisten (Man6n, Bu-
soni u. a.) vollziehen sich diese Achtung ge-
bietenden Veranstaltungen meist nicht unter
besonders reger Beteiligung der öfiPentlichkeit.
Eine größere Anziehung üben entschieden die
Konzerte der ,.Künstlerk lause* auf das
Publikum aus. Musikdirektor Ehrlich, der
zielbewußte, künstlerisch feinfühlig^ Organisator
dieses Unternehmens, vermittelte Altenburg auch
in diesem Vinter die Bekanntschaft namhafter
Persönlichkeiten, von denen ich besonders Josef
Veiß und Florizel von Reuter nenne. Gegen-
fiber den Leistungen der hochbedeutenden Barth-
schen Madrigalvereinigung versagt einst-
weilen noch der Geschmack des Durchschnitts-
taörers, dessen musikalisch-ästhetischer Horizont
sich jedoch von Jahr zu Jahr langsam aber
sicher weitet. Dr. Hugo Weiß
ANTWERPEN : Entgegen frfiheren Jahren fanden
im April-Mai noch verschiedene Konzerte
statt, die einer Erwähnung wert sind, so das
letzte Abonnementskonzert der »Nieuwe con-
certen*, in dem sich das Londoner Symphonie
Orchester unter Leitung des feurigen Peter
Raabesehr vorteilhaft vorstellte, eine vollendete
AoffGhrung des „Messias** durch den kleinen,
aber vorzfiglich disziplinierten Chor der So-
ci€t6 de musique sacr6e unter dem jugend-
lichen Leiter Ontrop, endlich eine verdienst-
liche Wiedergabe von Schumanns „Der Rose
Pilgerliüirt* und Benoit's nicht bedeutendem
Ormtoriam „Hucbald* durch den unter Leitung
▼oo Joris De Bom stehenden Chor der Lehrer-
vereinigung Diesterweg. — Glänzende Feste
veranstaltete die Deutsche Liedertafel bei
Gelegenheit ihres 50 j ä hri g e n S t i ft u n g s fe s t e s.
Ans diesem Anlaß gab auf der Durchreise nach
England derKölner Männergesangverein ein
Konzert im Französischen Theater und erntete
fSr seine glänzenden Leistungen Sturme des Bei-
falls, obwohl man hierzulande höchsten Maßstab an
solche Cborvereinigungen zu legen berechtigt
ist. Der Dirigent Schwarz und die die Kölner
saf ihrer Sängerfahrt begleitenden Solisten, Angöle
V i d r o n (Gesang) und der Violin virtuose Willy Heß
wurden durch zahlreiche Hervorrufe ausgezeich-
net. Höher noch schlugen die Wogen der Be-
geistening tags darauf beim Festkonzert der
Liedertsfel, in dem unter Leitung des gefeierten
Dirif enten Welcher Mendelssohns „Lobgesang*,
Brahms* Rhapsodie, Bruchstücke aus Bruchs
»Glocke", das „Meistersinger*- Finale durch
einen Chor von 250 Mitwirkenden und Frau
Rfische-Endorf, Frl. Philippi, die Herren
Urins and Liszewsky als Solisten zu vollen-
deter AnffGhmng kamen. Den Schluß bildete
der Vortrag von Zöllners »Bonifticius* durch
die t^iBeiosamen Chöre der Kölner nnd
Antwerpener Vereine anter Leitung des seit
einem Jahre hier ansässigen Komponisten, dem
begeisterte Ovationen dargebracht wurden.
A. Honigsheim
DÄRMEN: Die Saison der Konzertgesell-
^ Schaft schloß mit einer in bezug auf Chor^
und Orcheaterleistungen hervorragenden Auf-
führung der Matthäuspassion, während die
beiden vorhergegangenen Konzerte gl^hfalls
unter Stroncks Leitung ein gemischtes Pro-
gramm boten. — Der — anläßlich der Einfuhrung
der städtischen Billetsteuer — totgemeldete, dann
aber zur Genugtuung seiner vielen Freunde
wieder aufgelebte Allgemeine Konzertverein
hatte mit den Solisten in »Paradies und Peri*
keine gluckliche Hand. Der Chor bewährte
sich. Die beiden anderen Abende brachten
größere Instrumental werke unter Hopfes an-
regender Leitung mit der angenehmen Ab-
wechselung vokaler Darbietungen, bei denen
Margarete Sie ms durch Kehlfertigkeit und
Stimmittel berechtigtes Aufsehen hervorrief.
— Aus der Fülle sonstiger Ereignisse seien das
Barmer Streichquartett erwähnt, sowie je
ein wohlgelungenes Konzert des Ober barm er
Sängerhainsunddes Barm er Männerchors.
Der Lehrergesangverein steuerte einen
Schumannabend bei, und die Niederrheinische
Instrumental-Vereinigung ließ bei ihrem
unter der energischen Hand des Kapellmeisters
Alfred Höhne stattfindenden Musikfest voll-
ständig vergessen, daß ihre Mitglieder keine
Berufskunstler sind. Dr. Gustav Ollendorff
BROMBERG: Symphoniekonzerte. Nolte
(hier neu »Les Pr^ludes*, d'Albert »Rubin*'
Vorspiel); Hendreich (Ouvertüre »Benvenuto
Cellini*). E. Niepels Kirchenkonzerte (Her-
zogenbergs sehr eindrucksvolles Requiem, Kan-
taten und Choralvorspiele von Reger, Mendels-
sohns herrliche dritte Orgelsonate meisterhaft
von Niepel gespielt) gewinnen an Bedeutung*
Bei einem schönen Liederabend der »Lieder-
tafel* unter Niepel bewies Lotte Kreisler,
daß auch eine schöne Stimme durch Tremolieren
ungenießbar wird. Die »Singakademie*
(Schattschneider) führte Bruchs «Odysseus*,
eine »Meistersinger*-Szene und Bachs ajohannes-
passion* würdig auf. Solisten: die sieghafte
Frau Hövelmann-Tornauer, die feinsinnige
Hedwig Kaufmann und der prächtige Lederer-
Prina; Marie Woltereck verletzte durch takt-
lose Vergnügtheit In weihevoller Stunde (Bach).
Der schlicht-kraftvolle Bruno Stein gab mit der
»Eintracht* einen deutschen Volksliederabend;
sein Chor »Nächtliche Heerschau* verdient Ver-
breitung. Der begabte, junge Pianist Herbert
Lilienthal langweilt noch durch Tempover-
schleppung und eigensinnige Phrasierung; Tech-
nik gediegen, Ton blühend. Otto Rebbert ver-
schwendete virtuose Technik und schönes Tem-
perament an das ziemlich Öde Klavierkonzert
op. 22 von Saint-Saöns. Willi W e 1 1 m a n n spielte
in zwei eigenen Konzerten viel Beethoven
(Variationen c-moll, Sonate cls-moll, »Wut*,
Konzert c-moll). Willy Kühling trug mit
wunderschönem Ton de Sweert's anmutiges
Cellokonzert op. 38 vor. W. von Winter feld
meisterte mit kleinem Ton und tadelloser Technik
das Violinkonzert op. 22 von WIeniawski. Lydia
Kopiske produzierte mit Erfolg ihren wohl-
klingenden Alt. Käthe Röhls silberheller Mezzo-
13*
184
DIE MUSIK VII. 21.
sopran, unterstützt vom feinsten künstlerischen
Geschmaclr, ist weiterer Ausbildung wert. —
Von auswirts: Berliner Domchor; Alexander
Heinemann, dessen phänomenale Gesangs-
kunst durch Ludwig Wullners einzigartige
Künstlergestalt noch überstrahlt wurde; Otto
Neitzel; Hollindisches Trio; Conrad An-
sorgCp der mehr als Athlet, denn als Poet er-
schien; Lula Mysz-Gmeiner; Otto Briese-
meister; der Pianist Leopold Spielmann, der
wieder groß im Kleinen war (entzückend Rbein-
bergers „Waldmirchen*); die Brüsseler, die
mit Grieg's Quartett g-moll begeisterten.
W. Wellmann
BRONN: Das hiesige Konzertwesen wird durch
die außerordentlich hoben Eintrittspreise
systematisch zugrunde gerichtet. Von einem
falschen ökonomischen Prinzip geleitet, setzt
man die Eintrittspreise oft höher an als in
Wien für erstklassige Konzerte. Hierdurch
hat man vielleicht einige Jahre hindurch größere
pekuniire Erfolge erzielt, aber andererseits wurde
dadurch die Bildung eines Nachwuchses der
ständigen Konzertbesucher vereitelt. Die Folgen
dieses falschen Systems zeigen sich deutlich an
dem Umstand, daß seit Neujahr kein einziges
bemerkenswertes Solistenkonzert veranstaltet
wurde. Nur Petschnikoff ließ seine Geige in
einem Musikvereinskonzert, in dem Tschai-
kowsky's »Manfred^'-Symphonie zur Erstauf-
führung gelangte, erklingen. — Bei den Phil-
harmonikern hörten wir Brückners ,» Achte*.
— Der Minnergesangsverein veranstaltete
ein Orchesterkonzert mit interessantem Pro-
gramm, und wie alljihrlich fand auch heuer
wieder eine vom Organisten Burkert geleitete
Bach-Feier statt. S. Ehrenstein
BUDAPEST: Das süße Lied verhallt. Zum
Glück verhallen auch die bösen. Die
Konzertsaison hat ihr Ende erreicht. Die letzten
▼ochen brachten uns noch eine mittelmäßige Auf-
nihrung der ,»Neunten" bei den Philharmo-
nikern, das letzte Konzert des Akademie-
Orchesters unter LeitungDavidPoppers, deren
Glanzpunkt eine ausgezeichnete Interpretation
von Brahms' »Schicksalslied* bildete, und eine
symphonische Matinee Ladislaus Kun's, der
unserem Publikum zum erstenmal die Bekannt-
schafc mit einem Orchesterwerke Max Regers
(«Variationen und Fuge über ein heiteres Thema
von Job. Adam Hiller*) vermittelte. Das inter-
essante Werk weckte mehr Bewunderung als
Gefallen. — Mit einer sehr anziehenden Veran-
staltung stellte sich uns der neugegründete, unter
Leitung des Opernkapellmeisters Emil Lichten-
berg stehende »Ungarische Damenchor-
verein" vor. Die Vorträge des Vereins, der
aus Frauen und Midchen der besten Gesellschafts-
kreise besteht, überraschten durch hohe rhyth-
mische Präzision, dynamische Feinheiten und
eine seltene Reinheit der Intonation. Die letzten
solistischen Veranstaltungen der Saison waren
Liederabende der jugendlichen, hochbegabten
Altistin Gita Lazarus und von Fritz
Fein hals, dessen Künstlerschaft jedoch
auf der Bühne auf ungleich höherem Niveau
steht, als im KonzertsaaL Dr. B61a Diösy
CINCINNATI: Das Cincinnati May-
FestivaL Das alle zwei Jahre wieder-
kehrende May-Festival fand zwischen dem 5.
und 9. Mai statt, und sein künstlerischer wie finan-
zieller Erfolg mußte jeden Freund unteres Musik-
lebens mit aufrichtiger Freude erfüllen. Trotz
des abscheulichsten Wettert waren die Tier
Abend- und zwei Nachmittagtkonzerte überfüllt,
und die Wogen der Begeittemng gingen hoch.
Löwenanteil am Erfolg muß dem mutiktlitchen
Leiter, Frank van der Stucken, zuerkannt
werden. Er hat die Antbildung det Choret
übernommen und ihn durch unermüdliche Arbeit,
weder sich noch seine Singer dabei tchonend,
in verhiltoitmißig kurzer Zeit so einer
Leistungsfihigkeit entwickelt, die ihn unter die
wahrhaft berufenen Chordirii^nten einreiht Von
den großen Aufgaben, die er sich gesetzt hat, gelang
ihm Piern6's .Kinderkreuzzug* am betten.
Hier handelte es sich inderTatumeine Aofffihmng
ohne Makel, die man unter Beiseitetetzong Jeder
kritischen Regung ungestört genießen dnrhe. Der
«Kinderkreuzzug* ist ein faszinierendet Werk,
das durch ihm entströmende starke Stimmnng
den Hörer in Bann hilt Mittelalterliche Myttik,
kindliche Frömmigkeit, die Triger der legendiren
Dichtung, verbinden tich darin mit einer Mutik,
die, auf alten Volksgesingen christlicher AnSage
fußend, mit allen Reizen meloditcher Erflndnog
und modemer Harmonik getchmfickt itt and in
der Behandlung des Chor- nnd Orchettertttzet
die Meisterhand verrit. Es gelang dem Dirigenten,
die Schönheiten det Werket ertchöpfisnd zu ast-
hüllen. Die Chöre wurden in feintter Abtöaiug
gesungen; staunenswert war die Prizition und
Frische des 700 Schulkinder zihlenden Klader-
chors. Orchester und Solisten fügten tlch dem
Ganzen wirkungtvoll ein. Nicht ganz to hoch
stand die Aufführung der .Matthintpattion*,
wenn auch die korrekte, tichere Schaloag der
Chöre anzuerkennen war. Aber der poetitebe
Hauch, der dramatische Atem fbhlte. Die Anf-
fassung war konventionell und bewegto tlch auf
der nüchternen Linie det englitcheo Oratoriamt.
Eine ungekürzte Wiedergabe det Workot itt
an tich keine verbetterte. Manclio Arien
tind mit gutem Recht gettrichea. Mntikalitch
nicht wertvoll genug, vertchleppen tie die Hand-
lung und ermüden den Hörer» Dagegai waren
die Zeitmaße im allgemeinen zu tehnell wid
gaben der Auadrucktvertiefhng nicht gonfisfnd
Raum. Die Unzulinglichkeit der Solitten Ttr*
tchirfte diete Mingel. Seiner Aul|gtbo ziemlich
gewachten, und zwar auch mehr nach der ge-
sanglichen als geistigen Seite, war bloft der
Evangelist (Beddoe). Eine sehr bolebto Auf-
führung erfuhren Haydnt.Jahretzelten*. Ich
habe kaum je eine virtuotere Leittiing oinet
gemischten Chors alt die Wiedergabe dee Jtgd-
chort im dritten Teil gehört Hitten docli die
Solitten mehr von der Verve der wtckerea Chor-
singer gezeigt! Fran Gadski fühlte alch In
der Durchführung der Sopranpartie dwchaas
nicht in ihrem Element, und ihre getanglicht
Leistung reflektierte dies sehr tpfiriMr. Eine
starke Enttiuschung bot der Bataltt Dalton
Baker, den man eigene für daa Fett alch von
England verachrieben hatte. Eine ganz hBbache
Stimme, die im kleinen Raum klingen mi^ In
Music Hall aber wirkungtlot and ohne Tte^
fihigkeit verhallte. Dabei zeigte nein Vortrag
weder aeelitche Wirme noch Miatigee Erfattea,
höchstens echte britannische Langwelll^Dtlt —
185
KRITIK: KONZERT
Von kleineren Chorwerken seien noch erwihnt:
Liszts 13. Psalm, vom Tenoristen Johnson
(New York) mit Unterstützung des trotz Solisten-
rerttöBe unerschfitterlich-sicheren Chors treff-
lich vorgetragen, Grieg's »Olaf Trygvason*
nnd als Novitit Debussy's «Blessed
Damogel *. Die allen Werken getreulich folgende
Anerkennung des Publikums hielt dieser Novitit
gegenüber nicht stand, denn sie wurde schweigend,
aber deutlich abgelehnt. Wihrend sich bei
Piern6 katholischer Mystizismus mit edler Ton-
spracbe paart, in faßbaren musikalischen Formen
und Gedanken ausgedrückt, erscheint er bei
Debussy als Stimmungsschwindel. Möglich, daß
Debussy es nicht minder ernst meint; allein
seiner Musik fehlt das greifbare Kennzeichen.
Es lohnt sich nicht, in dem Werk nach Gedanken
zu forschen, denn die Suche wäre vergeblich.
Auch In der gerühmten Orchestrierung konnte
ich trotz verschwenderischer Harfenverwendung
keine neuen wertvollen Einßlle entdecken. Nun
zu den Hauptsolisten. Bessere Proben ihrer
Kunst gab Frau Gadski mit der Wiedergabe
der Elisabeth-Arie im letzten Abendkonzert.
Diese hat stets zu ihren erfreulichsten Leistungen
gezihlt. Dagegen war ihr Vortrag der Elvira-
Arie farblos und zur E-dur-Arie des „Fidelio** fehlt
ihr heute noch wie vor Jahren musikalische
und gesangliche Beherrschung. Die Art, wid
sie sich den Abschluß des Allegros zurechtlegt,
beweist einen Mangel an Selbstkritik, den eine
Singerin ihres Ranges sich nicht vorwerfen
lassen sollte. Es war Frau Schumann-Heink
vorbehalten, uns durch ihre unvergleichliche
Kunst auf die Höhe reinsten Genießens zu
fuhren durch ihre Wiedergabe der Dalila-Arie
und dreier Schubertscher Lieder mit Orchester,
die, so oft man sie von ihr hören mag, den
Hörer Immer als neue Offenbarungen wieder
entzücken. Mir erschien der Vortrag dieser un-
gewöhnlichen Künstlerin diesmal noch beseelter,
noch vertiefter. Ihr «Erlkönig* bedeutet einen
Höhepunkt dramatisch-gesanglicher Vortrags-
kunst. Ganz besondere Anerkennung für die
Gesamtleistung wihrend der Festtage gebührt
dem Chicagoer Orchester und seinem
Dirigenten Friedrich Stock, und zwar mit
gatem Grund. Unter keinem glücklichen Stern
konzertierten hier Orchester und Dirigent letzten
November, die Serje unserer Symphoniekonzerte
eröffnend. Konnte ich damals die Leistung nicht
£&nstig tieurteilen, so konstatiere ich diesmal
mit besonderer Genugtuung das Gegenteil. Die
vorzfiglichen Begleitungen der großen Chor-
werke können nicht hoch genug eingeschätzt
werden. Außerdem hörte ich unter Stock eine
der lebensvollsten und großzügigsten Wieder-
gaben, deren ich mich entsinne, von Brahms'
dritter Symphonie, und nach Anhören des
«Ooo Jnan" von Strauß reihe ich ihn unter
die Begabtesten der jüngeren Dirigentengeneration
eis. Allee in allem: es war ein Musikfest,
das ernster Kunst eine breite Gasse bahnte.
Chorgesinge wurden geboten, die keine andere
Stade Amerikas, wenige Europas, zu bieten im-
stande sind. Dieter Chor ist unser eigenster
Besitz, und, welche Aufgaben ihm auch im
Jalue 1910 gestellt werden, er ist ihnen ge-
wachaeiiy nm so mehr, als derselbe Mann, dessen
Verdicatt die meisterhafte Ausbildung aus-
schließlich ist, ihn auch in zwei Jahren „zu neuen
Taten* führen wird: Frank van der Stucken.
Louis Victor Saar
DANZIG:Fritz Binder mitderSingakademie
dirigierte erfolgreich Tiners „Franciscus"
und die.Matthiuspassion*, ferner die von Riemann
entdeckten elf Wiener Tinze Beethovens, drei
kleine Stücke von Hugo Kaun, zu lange Va-
riationen von Grieg über eine nordische Romanze
und anderes Nördliche, Brahms' Akademische
Ouvertüre, sowie Weingartner- Webers »Auf-
forderung zum Tanz*. — Rudolf Krasselt
brachte mit dem Theater-Orchester aus-
gezeichnet Brahms' Symphonie c-moll und
Beethovens Fünfte; Schwarz mit dem Or-
chesterverein rühmlichst Liszts Faust-Sym-
phonie und die interessanten Intermezzi Goldo-
niani von Enrico Bossi. — Heinrich XXIV.,
Prinz Reuß, dirigierte seine tüchtig gearbeitete,
nicht uninteressante fünfte Symphonie; Brand-
staeter führte verdienstlich „Die Schöpfung*
auf. — Solisten von Bedeutung: Ysaye (ein
Violinkonzert von Bruch mit Stromschnellen in
den Schlüssen, sonst ideal, ein Konzert von
Mozart, metrisch unordentlich), Alfred Krasselt
(Beethovens Violinkonzert, klassisch klar, rund,
beseelt), Georg Schumann (Schumanns a-moll
Konzert, feurig, sicher), Lamond (Tschai-
kowsky's Konzert, grandios, unfehlbar, doch
etwas kyklopisch, Andante zerflossen). — Das
Berliner Quartett: Hedwig Kaufmann, Agnes
Leydhecker, Walter, Fitzau, sang Brahms'
Zigeunerlieder tadellos und voll Laune, Klas-
sisches und ilteres Religiöse meisterlich. S e n i u s'
Ton wunderbar frei, süß, nervig, Vortrag in
Mozart und Liszt exquisit; nur i, Adelaide* über-
geistreich. Fitzau in „Franciscus* und als
Christus in der „Matthiuspassion* würdig, warm
und schön; er rettete im „Franciscus* aulierdem
böser Umstinde halber die Tenorpartie; Hedwig
Kaufmann als Sopran musterhaft und wirkungs-
voH. — Martha Engler, Anna Hoff mann boten
stimmlich frische und geschmackvolle Lieder-
vortrige. — Kurt Lietzmann gab einen eignen
Liederabend; klangreiche, biegsame Stimme, zu
Heroischem und Lyrischem gleich befihigt.
Vortrag eminent geistvoll. — Als brillante Pia-
nistin tat sich Meta Förster durch Geist und
Grazie hervor. — Richard Kroemer erweist
sich konstant als Geiger ersten Ranges, spielte solo
Sinding's „Nordische Suite* höchst plastisch und
m it Hugo Kr oem er, der im Ensemble unübertreff-
lich ist, C6sar Franck's Sonate A-dur undThuille's
Sonate op. 30. — Binder-Becker-Kroemer
spielten das geniale Trio op. 15 von Smetana
schöpferisch frei, desgleichen Schubert op. 99 und
Beethoven op. 38. — Das Quartett Kroemer-
Schwidewski-Senger-R. Krasselt erwarb
sich reichstes Verdienst mit dem mystischen,
iußerst schwierigen Quartett op. 20 von Claude
Debussy, op. 22 von Tschaikowsky, auch Schu-
manns op. 41, 1 und Smetana's »Aus meinem
Leben*, das man ad acta legen könnte, mit
Kellmann und Dorrenboom ein Streichsextett
des jungen Adami, Veranstalters ihrer Kon-
zerte, Opemmusik ohne Oper, 50 Minuten lang.
Manches interessant, zuletzt allzu bizarr Strauß
streifend. R.Kroemer, Koester, der als Flötist
Künstler von Rang, und Senger exzellierten
in Regers Serenade op. 77, Hoffmannisch
186
DIE MUSIK VII. 21.
»sprechender** Dachkammermusik. — Unter-
zeichneter führte 20 „Hörstunden" zu Ende,
davon Bach, Beethoven mit dem edlen Singer
Edmund Glömme, Brahma, Schumann, drei
Chopin, Liszt, zum Teil unter trefflicher Mit-
wirkung der Damen Marie HoesI, Kluge,
Mollath, und der Herren Walther-Schaeffer
und Kruse von der hiesigen Oper, einmal mit
neun Liedern seiner Komposition. Rest Vor-
lesungen fiber verschiedene Themen mit Musik-
beispielen mit Marie HoesI, Frl. Kluge,
Maurik und Schauspielkrifien.
Carl Fuchs
T\ESSAU: In den Hofkapellkonzerten VI--IX
'^ (Dirigent Franz Mikorey) kamen Schuberts
,yRosamunden'*-Musik, Brückners Es-dur Sym-
phonie, Klughardts Oratorium i»Die Zerstörung
Jerusalems*, Mozarts g-moU Symphonie, die
Path6tique Tschaikowsky's, Liszts XIII. Psalm,
»Karfreitag und Fronleichnam" von A. Ritter,
sowie das Vorspiel und der Karfreitagszauber
aus ,»Parsifal" zur Auffuhrung. Für das noch
ausstehende Schlußkonzert ist Brückners
Achte vorgesehen. Als Solistin wirkten Prof.
Lutter- Hannover (Klavier) und A. Petschni-
ko ff- Berlin (Violine). — In den Kammermusik-
Abenden der Herren Mikorey, Otto, Wenzel,
Weise und Weber erklangen Streichquartette
von Schubert, Mozart und Borodin, Beethovens
G-dur Trio op. 1 und seine Sonate für Violine und
Klavier op. 24, außerdem Wolf-Ferrari's Klavier-
quintett Des-dur. — Ein bedeutsames Kunst-
ereignis bildete ein Balladenabend Alexander
Hein emanns-Berlin, mit Franz Mikorey am
Klavier. Ernst Hamann
T\0SSELDORF: Das sechste Abonnements-
'^ konzert des Musikvereins war der (kon-
zertmäßigen) Aufführung der Oper «Gunlöd*
von Cornelius in der W. von Baußnemschen
Bearbeitung gewidmet. Als Solisten wirkten
Mathilde Dennery (Köln), William Miller
(Düsseldorf), Hans Vaterhaus (Basel) (ein
ganz hervorragender Suttung); diese, sowie Chor
und Orchester boten Vorzügliches. Das siebente
Konzert bescherte u. a. die Orchestervariationen
über ein lustiges Thema von A. Hiller op. 1(X)
von Reger; im achten gelangten die Kantaten
»Herr, gehe nicht ins Gericht*, »Gottes Zeit ist
die allerbeste Zeit* und .Gott der Herr ist Sonn
und Schild* von S. Bach unter Buths'
Leitung zu einer besonders schönen Wieder-
gabe. Dabei sangen Meta Geyer (Berlin) die
Sopran-, Adrienne von Kraus-Osborne und
Dr. von Kraus (Wien) die Alt- und Baß-,
Richard Fischer (Frankfurt a. M.) die Tenor-
partieen. F. W. Franke (Köln) bot außer
der Begleitung zu den Kantaten noch die c-moll-
Phantasie und Fuge für Orgel und zeigte sich
dabei wieder als genialer Bach Spieler. Der
Abend war zugleich der letzte unter Buths'
Leitung und verlief nicht ohne Ovationen für
den wegen DifPerenzen mit der stidtischen Ver-
waltung aus dem Amte scheidenden, verdienst-
vollen Dirigenten. (Da Buths jedoch sein
Abschieds- und Pensionierungsgesucb mitirztüch
beglaubigter hochgradiger Nervosität begründete
und diese auch die Veranlassung zu unheilbaren
Differenzen mit der Stadt gab, so ist die Stellung-
nahme des Musikvereins der Behörde gegenüber
nicht recht zu verstehen. Bekanntlich lehnte 1
der Verein die Abhaltung des Niederrhelaischen
Musikfestes infolge des Rücktrittes von
Buths ab.)^) — Von weiteren Koazertea sind
die Erstaufführung des Mysteriums »Der Toten-
tanz* von Woyrsch im Gesangverein unter
Leitung von W. La Porte, das Gastspiel der Ber-
liner Barth sehen Madrigal verelnIgoag(lm
dritten Kammermusik-Abend des Mnslkvereins)
und endlich das glinzend verlaufene Konzert des
Berliner Philharmonischen Orchesters
unter Richard Strauß zu erwähnen«
A. Eccarius-Sieber
ELBERFELD: Das Konzert von Marie Setair ow,
einer temperamentvollen, {ungen Violinistin
von beachtenswertem technischen Können und
künstlerischem Empfinden, war durch die Mit-
wirkung der trefflichen Liedersingerin Elisabeth
D i er ga r t und des vorzfiglichenCellisten Friedrich
Grützmacber um so bemerkenswerter. Der
letzte(sechste)derdeSauset-Kfinstlersbonde,
die nach achtjährigem Bestehen wegen mangeln-
der Teilnahme des Publikums leldor dng^taen,
führte in Hedwig Kirsch (Mannheim) eine
Pianistin voll Grazie, in Plsschke (Dresden)
einen Singer voll Kraft und Tiefe auf das
Podium. Von dendurchdasBarmerStidtlacbe
O r c h e s t e r unter H ö h n e vorgetragenen Kompo-
sitionen von E. Körten erschienen zwei PagMi-
lieder mit Orchester, in denen der Balladentoa
gut getroffen, am wertvollsten. — Im Karfireita|B-
konzert boten die meisterlichen Vortrifo von
Ewald Flockenhaus (Orgel), Hennr So n (Cello)
und H. Katona (Harfe) nicht nur «inen kfinst-
lerischen Genuß, sondern auch Erbanang. Anna
Erler-Schnaudt (München) ersielto mit dem
von ausgezeichneter Schulung sengenden Vortrag
der Bachschen Arie »O Jesulein süß" tiefistfetacn«
den Eindruck. — Das sechste Abonnements-
konzert, das unter Dr. Hans H ay m eine Anlffih-
rung der ^Johannes-Passion* in vorzfiglicber Be-
setzung der Solopartieen durch Tilly Cahnbley-
Hinken, Maria Philippi, Anton Kohmann
und Arthur vanEweyk bot, beschloß die erfolg-
reiche Saison in würdigster Weise.
Ferdinand Schemenaky
ERFURT: Unter den musikalischen Voran*
staltungen während der zur Rüste gocanfonen
Saison nahmen die Chorkonzerte der beiden
Musikvereine das größte Inferosse des mnsik-
liebenden Publikums in Anspruch. Der pEr-
furterMusik verein* (Dirigent: Richard Wetz)
bot in seinem dritten Konzertdie f-mollMeaao von
Brückner in rühmenswerter Aasführang^ dor die
des 13. Psalms von Liszt nnr um ein gans ge*
ringes nachstand. Die Soli worden von Marie
Busjiger (Sopran), Lilly Hadenfeldt (Alt),
Hans Wolff (Tenor) und Otto Semper (BaÜ
gesungen; das Beste bot Herr WolW In dem
Lisztschen Psalm. »Die Schöpfung* von Haydn
bildete die letzte Darbietnng des genannten
Vereins in dieser Saison. — Der Chor, die Sing-
akademie, fand auch hier wiederholt Golegen-
heit, sich auszuzeichnen, nnd leisteto namentlich
in bezug auf den Vortrag rc€ht Gniea. Unter
den Solisten (Frau Neogebaaer*RaToth
') Vgl. hierzu auch den Artikel „Die Stadt DOssel«
dorf und ihr Musikdirektor* von Richard Hahn ioi
I. Mai-Heft der „Musik*, S. 172 ff.
Anm. der Redaktion
187
KRITIK: KONZERT
[Sopran], Otto NoS [Tenor] und R. von Milde)
fiberrtgte Frau Neugebauer ibre Partner. — Der
»Solleracbe Musikverein'' (Dirigent: Max
Kopf) brachte zunichat »Die Jahreszeiten" von
Haydn zu Gehör, deren Wiedergabe einen recht
guten Eindruck hinterließ; die Soli wurden von
Mara Fried feldt (Sopran), Hans Wolff (Tenor)
und Rudolf Gmür (Baß) gesungen. Das Pro-
gramm zu einer Bruch- Feier, an der sich Selma
vom Scheidt (Sopran) und Fritz Strathmann
(Bariton) als Solisten beteiligten, enthielt u. a. das
Agnus bei aus op. 35 und das ^^Feuerkreuz*
des Komponisten. Das erste Werk wurde sehr
eindrucksvoll wiedergegeben, und auch die Aus-
führung des zweiten kann gerühmt werden; nur
zu Anfang machten sich einige Intonationsschwan-
kungen bemerkbar. An großen Orchester-
werken hörten wir im „Erfurter Musikverein*
die Symphonieen in C-dur von Schubert, in B-dur
von Volkmann und in G-dur von Weingartner,
von denen die zwei zuerst genannten gut wieder-
gegeben wurden, während die Ausfuhrung der
dritten nur wenig befriedigen konnte. Der
vSoUerscbe Musikverein* brachte an Orchester-
werken u. a. die d-moll Symphonie von Sinding
und die ,» König Enzio"-Ouvertfire von Wagner;
die Ausf&hrung der beiden Ecksätze der Sym-
phonie sei hervorgehoben. Außer den schon ge-
nannten Solisten hielten noch die folgenden bei
uns Einkehr: FrsuCahnbley-Hinken (Sopran);
Dr. Neitzel, der in einem Konzert im Verein
mit Max Kopf die Variationen fQr zwei Klaviere,
op. ^ von Saiot-SaSns in fesselnder Weise vor-
trug; Heinrich Kiefer (Violoncellist); Paula
Ucko (Sopran); Anatol von Roessel (Klavier);
Joan Man6n, der namentlich mit der Fuge aus
der g-moU Sonate von Bach Hervorragendes bot;
Lotte Kaufmann, eine Pianistin, der noch das
rechte Gesultungsvermögen mangelt; Carlotta
Stnbenrauch, die daa F-dur Konzert von Lalo
und daa Rondo Capriccio von Saint-SaSns mit
einem faat zu freien Vortrag spielte, daneben
aber auch in einer Gavotte von Bach eine
hfibsche Gestaltungskraft erkennen ließ; Edith
von Voigtlinder, eine Geigenkunstlerin, die
in Anbetracht ihrer Jugend Außerordentliches
bot; Else Schünemann und Paul Gold-
schmidt, deren Darbietungen einen hohen
Genuß gewährten; Anton Foerster, der sich
als ein ernst strebender Pianist bewährte; Isabel
Stttckey, eine Singerin aus Leipzig. Diese
bereitete uns im Verein mit ihrer Partnerin, der
Pianistin Frau Pembaur, eine ebenso arge
Enttinschung, wie Max V o g r i c h , der aus Weimar
gekommen war, um uns mit den Kindern seiner
Muse bekanntzumachen und weder als Kom-
ponist noch als Pianist auch nur im allerge-
ringsten zu interessieren vermochte. — Das Er-
furter Trio (Lilly Goman, Albert Järosy
nnd Emil Voigt) bot einige Kammermusik-
werke in anerkennenswerter Ausfuhrung. Einen
großen Genuß gewährten auch die Darbietungen
des Wietrowetz-Quartetts aus Berlin.
Max Puttmann
GIESSEN: Daa Jahr 1907;8 brachte uns wieder
zehn Konzerte des Gießener Konzert-
vereins. Daneben regte sich in anderen Ge-
sangvereinen ein Streben nach höheren Auf-
gaben, daa alle Anerkennung verdient; die
Pionierarbeit um die Erhöhung der Ansprüche,
der Lust und Liebe für wahrhaft gute Musik,
ist also nicht vergeblich gewesen. Freilich, die
Eröffnung eines neuen, sehr hübschenTheaters
— in dem durch das Frankfurter und Darm-
städter Opernensemble mit Orchester i^Figaros
Hochzeit'
,Barbier% »Fidelio", „Waffen-
schmied" und »Fra Diavolo* gebracht wurden
dank der Rührigkeit und Unternehmungslust
des Theatervereins — hat den Konzerten für
diesmal großen Eintrag getan, und der Konzert-
verein hat einen schweren Kampf zu bestehen.
Wenn ihm aber wieder Musiker wie Henri
Marteau, Wilhelm Backhaus, Ludwig
Wüllner u. a. zur Seite atehen, so wird er
seinen Kampf wohl bestehen. Von den Kon-
zerten seien hervorgehoben ein Abend der
Pariser Soci6t6 (Henri Casadesus und Ge-
nossen und Marie Buisson), der ganz herrliche
Genüsse bot. Mozarts Allegretto alla turca auf
dem Clavecin (Alfred Casella) wurde jetzt erst
in seinem entzückenden Charakter aufgedeckt.
Im ersten Chorkonzert wurde W. de Haan's
kleines Chorwerk „Das Lied vom Werden und
Vergehen* ausgeführt und hatte einen schönen
Erfolg. Danach kam Johannes Brahma mit
seinem gewaltigen „Triumphlied" mit dem vor-
trefflichenSänger August Leime r(Frankfun) in der
Solopartie. Ein Solistenabend Henri Marteaus
zeigte den herrlichen, urgesunden Meister
auf der höchsten Stufe der Vollendung.
Ludwig Wüllner 8 Liederabend mit Hermann
Zi Icher am Klavier war vortrefflich. Wilhelm
Backhaus, ein ebenso urwüchsiger Musikant
wie Marteau, brachte aus dem Vollen heraus
Tschaikowsky's b-moll Konzert op. 23 und Soli
von Chopin. Daneben kamen Wagners Ouver-
türen „Christoph Columbus*, „Rule Britannia**
und Liszts »Tasso* in vortrefflichster Weise zu
Gehör. Der Verein hatte diesmal für seine
Orchesterkonzerte und das erste Chorkonzert
das Orchester aus dem Zoologischen Garten zu
Frankfurt a. M. engagiert, mit unbestreitbarem
künstlerischen Erfolg. — Die Kammermusik-
Abende unseres Gießn er Trios: Trautmann,
Rebner und He gar brachten eine reiche Fülle
schönster Gaben alter und moderner Meister.
Den Beschluß bildete das zweite Chorkonzert,
das Meisterwerken weltlicher Vokalmusik
des 16. bis 18. Jahrhunderts gewidmet war:
H. L. Hasler, Job. Eccard, John Bennet, Daniel
Friederici, G. Giacomo Gastoldi, Haydn und
J. S. Bach, neben alten Volksliedern und Liedern
von L. Reichardt, J. F. Reichardt und J. A. P.
Schulz standen auf dem Programm. Besonders
hervorgehoben davon seien Gagliarda von H. L.
Haaler, „Fließet dahin" von Bennet und dann
die beiden Bachschen Kantaten: die Kaffee-
kantate und die Jagdkantate, welch letztere hier
wohl seit Bachs Zeiten zum ersten Male wieder
in Deutschland zur Aufführung kam. Dies ist
umso verwunderlicher, als sie ein ungemein
fHsches Werk ist und den Solisten, insbesondere
der Sopranistin herrliche Aufgaben stellt, die von
Anna Kaempfert (Frankfurt) auf das gluck-
lichste gelöst wurden. Die Arie der Pales:
„Schafe können sicher weiden* ist das
Entzückendste, was sich denken läßt. Die Be-
gleitung auf dem Flügel durch den Dirigenten
des Vereins, Gustav Trautmann, wird
mir immer unvergeßlich sein. In der Kaffee-
gBL DIE MUSIK VII. 21. ^ ^MK
kantate löste der Vertreter des Vater Schleodriao, edelsten Blüten alter wie neuer Klrchenmnsik
Hans Vaterhaus, stfirmische Heiterkeit aus; in trefflicher Ausführung bot, nnd das dorch das
seine Art ist. vortrefflich, wenn auch der girende herrliche Orgelspiel des Dresdener Organisten
Most noch einiger Abklirung bedarf. Anton A. Sittard noch an Interesse erheblich gewann«
Kohmann brachte insbesondere die schwierigen Der hiesige Konzertsinger H« Spörry Ter«
Duette mit seiner Partnerin, Frau Kaempfert, anstaltete mehrere Liederabende, die Roben
vortrefflich zu Gehör. Der Akademische Franz und Hugo Wolf gewidmet waren, und
Gesangverein, einer der ältesten gemischten durfte sich eines schönen künstlerischen Erfolges
Chöre überhaupt — er ist 1819 gegründet, feiert rühmen. Martin Frey
also im nächsten Jahre seinen 90. Geburtstag — LJEIDELBERG: Der Bach verein (Philipp
ist ein fügsames Instrument unter dem Taktstock ^^ Wolf r um) beschloß seine Saison mit der
seines Dirigenten. Dr. C Spohr Aufführung von Beethovens »Missa solemnis*;
r^ LEI WITZ: Es ist unleugbar, daß der Glei- **^^«*^ «^"« ^4f*j; ^"«^ und Priludlam in Es
^ witzer Musikverein seit s'einer Gründung ^[ÄnTkuZ?^^^^^^^
unter einem nicht gerade günstigen Stern steht! Gwt*U«ngskun8t auf unserer prachtvollen Oi^el
aus Rostock in. Mit großem Fleiß ging er an ^^^,^„6 «ich wieder der mttliche Cbor. der
die vollstindige Neuorganisation des Chores, ,„ ^a^ ^ g , " ^ „ g| in AnipruS
Sieben" ^»rLfVJJ' "*,i1, ti^l™ *.° r„l.ir «enommen war. Das Orchester war dorctaau^
dienen, daß der Verein mit einem a cappella- r,«^j«^ i««»«.«,^«««««»-.* k«<i«..**-<i .A..«a.iP«
Konzert an die Öffentticblceit treten Iconnte, das ?^?r l„n vi«rZS Fmm. ßln^fd» /l?««S"
recht beiniiige Aufnahme fand. Noch aber ?i!..^o L*t7n'?J,,fTL ifihmiL%r«i^
fehlte hierbei der künstlerische Schli«f. und man ^"j"« V '"l*lit' k.ß?X^Ä"?^^^
merkte, daß die Bildungsarbeit noch nicht voll- w.,,« VofJ« 5ii O««? K h™^
endet war. Einen wohlverdienten und berech- *'!*' fV.^u.*' *!.'• «*fi ^' "*"••• — ^
.!»..- B.»«i- -.,i«i.r^-.r'fcl, .-:. ^iL^, AaVI breiten Schichten des Volkes gegen geringstet
tigten Erfolg eriielte der Chor mit einer .Odys- Entgelt die wertvollen EraeugnissederKammer-
seus--Auffuhrung._ Im ers en Solistenkonzert „ugik zu vermitteln, bezwfcken die nicht genug
sang Paul Knupfer mit seiner pracht- "„.r.l^VL]",^^^^
vollen Baßstimme Lieder und Balladen Im iV^^.rln.'iJ Ahlnh^^^
*«a2«am V/v«-«..« ä,m.i^\*äx V..»« M^K^.% Am.^ tvammermusiK-ADenae , rur die in den he-
^„ikve«?rii«kfi nnJh S^;~^/?h«iu^^^^ »e«"«»«'» Kreisen regstes nterene bekandM
K^ihf^cL!.?n.lr«?nLh«.h^.nn^ »"'^e« Z« Gehör wurden in nrel Abenden
fr';n'i'S"ef."u;nte' fflÄÄt^lT sTcIT. ^15^,7?-%^ HtrVla'r.'^glS^^S
Pi's'^fe"? C>cme?b%nrÄ?stfs°lUn'll; --^
virfhm d'iJ'^ÄJiÜVroßz Ji .nSV ^'!i"Zl\L\l[:^^J^^^^,J^''^
MessenvonGreith, FiIke,Mittmann undandiren be- ".^^.^Ä«,«?!.« wlä« «.^ÄAi-*?S:
kannten schlesischenKircbenkomponisten. Nicht t"?" 2l!f*'*"°*"v* 7*5!° 'JJ.S^^'i'ÄJ.^
rfoS'erriJ'St'e ^bSwÄTr clo'r^^n M.n-efchire7 srdi/sm.l ''iSSe.rJrd~
S;?ntsTeft?r Äl sSÄ t a?cSM."- tlH'V'rX T&^. ""ÄS..*^
getrübten Genuß. Im Laufe des Winters brachte Ä. * ^.,rA?.- k«-«
er auch noch eine sorgßltig studierte Aufführung ,, , rrcMDiiRT. iri»t... u...».^^» Lil...
von »Paradies und Peri- heraus. In all diesen K^^i^^f'^^^l^flSTlinJ^V^lJ^^^
Konzerten wirkte auch die hiesige gut geschulte „„.fjfjli" '"w^üniri«/ «i«Ä K«-^IS2
Regimentskapelle, die unter der umsichtigen ^^^^^^^^^'or^^'^^l^l*'''^ ^£r M«T
Leitung des Kapellmeisters Sobanski jederieit !'^^.,^'^.„?'"i« Min«!rV..l«.Jlr!i-"
K^mAii» i«* Aä^m uiMm «m •!« ^^m*^tu^L k^k«« vcrein und der Minnergesancverein.
bemüht ist, den hier an sie gestellten hohen Ersterer veranstaltete vier Symphoniekonsarte.
Anforderungen gerecht *" werden ^{^ ^^„^ ^^^ E^^^^j^ und hoLn KünsüwiSS
magnus uawison ^^^^^ Dirigenten, Emest Schmeißer, übmuis
LJALLE a. S.: Die Nachlese der Konsertsaison glücklich verliefen. Die Symphonieaa ¥00
^^ verzeichnet noch ein Konzert von Lula Schumann in B, Weingartner in G and Baef*
Mysz-Gmeiner, mit Eduard B e h m am Klavier, hoven No. 6, das Bruchscbe Violinkoniert f-moll,
das tiefgehende Eindrücke hinterließ. Julius in dem der an das Wiener Konsenratoriani be-
K 1 e n g e 1 wirkte im zweiten Konzert des Lehrer- rufene ausgezeichnete Konzertmeister GoCtfIried
gesangvereins unter Oito Reubke mit. Feist brillierte, Berlioz' » Römischer Kameinü*»
Unter demselben Dirigenten erlebte auch Kiels sowie Bruchstücke aus den Musikdramen Ricfaafd
»Christus* in der Robert Franz-Singakademie Wagners seien als nennenswerteste StBdko hier
eine Aufführung. Endlich sind noch zu erwihnen erwihnt. — Große künstlerische GenBtso m*
zwei Pianisten, Herr Sokolof f und Frl. Grün ert, mittelten uns die Kammerkonzerte des ans des
die auf ihrem ersten Kunstausfluge mit Beet- Herrn Feist, Rauter, Richter nnd Mayer
hovens Es-dur und G-dur Konzerten und einigen bestehenden Musikvereinsqnnrtetts. wir
Solostücken wohl die Flügel regten, aber nicht bekamen u. a. zu hören Quartette von Mozar^
die Herzen bewegten. — Nicht unerwähnt möchte Haydn, Smetana, das StreichqnintettTon Schobert
ichdashochinteressanteKircheokonzertdesStadt- (1. Cello Dr. Rot haue r), Grieg's Sonata op.45|
Singechors unter Karl Klan ert lassen, das die sowie Brahms' Trio op. 101, am PIfifCl ptiditig
189
KRITIK: KONZERT
unteratfiut von Ed. Bornscheio. — An Solisten l/'OPENHAGEN: Von einbeimischen Werken
hörten wir im letzten Winter: Sarasate und '^ wurden aufgeführt: im Musikverein
Berthe Marx, das Russische Trio, ferner i^Gunnars Traum* von Karl Nielsen, ein
Slezak, Lulek, Else Schunemann, Penna- eigenartiges, das Wesen des Traumes musikalisch
rini, Tilly Koenen u. a. In den meisten darstellendes Stuck, technisch vollendet, inhaltlich
Liederabenden besorgte der hiesige Chorleiter mehr reflektiert als in unmittelbarer Pulle her-
Dr. Edwin Komauer die Begleitung am Flügel, vorbrechend, infolge des Stoffes etwas ver-
— Zuletzt möchte ich noch zwei musikalische schwömmen und unklar in der Haltung, als
Ereignisse erwähnen: den Klavierabend von Ganzes interessierend und für das Scb äffen von
Franz Rösler aus Rom und das Kompositions- Nielsen von Bedeutung. Dann eine etwas unreife
konzert von Eduard Bornschein. Schade, daß und ungleiche, aber durch und durch musikalisch
die Namen dieser beiden Künstler nicht schon gedachte und gemachte Symphonie von einem
weiter in die Öffentlichkeit gedrungen sind, jungen Debütanten Emilius Bangert, ein ver-
Rösler zählt wohl zu den bedeutendsten und sprechendes und verpflichtendes Werk. Weiter
gediegensten Klavierspielern der Gegenwart, (wiedasvorige im Dänischen Konzertverein)
Seine her?orragenden Interpretationen Bachseber eine recht lockere, äußerliche und potpourriartige,
und namentlich Beethovenscher Klavierwerke leerlärmende Ouvertüre von Brun de Neergaard
dürften wohl nicht so leicht Nachahmung floden; (eigentümlicherweise eine preisgekrönte Arbeit)
ein mächtiger Zug, durchglüht von Leidenschaft und endlich Fragmente aus Asgar Hamerik's
und echter Oberzeugung, und urgermaniscbes 8ehrwertvollem,stimmungsreichem„Requiem''. —
Empfinden sind die Hauptvorzüge im Spiele Von Dänen konzertierten u. a. Henrik Knudsen
dieses eminenten Künstlers. Im Kompositions- (ein tüchtiger Pianist) und Karen Nielsen (junge
abend Eduard Bornscheins hatten wir Gelegen- debütierende Geigerin, Schülerin von Halir^
heit, die Bekanntschaft mit einem Tondichter mit schönen Anlagen); von Fremden vor allen
zu machen, der gewiß noch von sich reden Willy Burmester, en vigueur wie lange nicht,
machen wird. Nicht als ob Bornscheins Ge- und Eugdne Ysaye, meisterhaft wie immer, mit
sänge, um die sich namentlich der Grazer Theo Ysaye zusammen. Alexander Heine-
Heldenbariton Hermann Jessen rühmlichst mann, stimmlich nicht auf der Höhe, hatte
verdient machte, auf den ersten Blick fesselten, dagegen keinen vollen Saal erzielen können. —
aber fe mehr man sich in diesen kerndeutschen Die von Joachim Andersen energisch durch-
Musiker hineinlebt, desto mehr gewinnt seine, führten Palaiskonzerte brachten u. a. zum
mitunter vielleicht etwas herbe, Mundart. Neben ersten Male die feine Serenade von B. S ekles,,
einer stattlichen Reibe tiefempfundener Lieder dessen Name bisher hier unbekannt war. Die
und Balladen waren es vor allem die i»Narren- Aufnahme war etwas reserviert,
lieder*, die hervorgehoben zu werden ver- William Bohrend
^^^°^°- Emanuel Nowotny |^refelD: Die Konzertgesellschaft ver-
I^ÖLN: In der Musikalischen Gesell- '^ mittelte in sechs Abonnementskonzerten
'^ scbaft errang sich der einheimische Fritz unter Müller-Reuter manch wertvolle Bekannt-
Dietrich mit dem schönen Vortrage des ersten schaft. Brückners und Beethovens „Neutfte%
Satzes von Joachims Ungarischem Violinkonzert der i^Kinderkreuzzug" von Piern6, »Christus*
und Tartini's «Teufelstriller*-Sonate einen aus- von Liszt und das „Deutsche Requiem* von
giebigen Erfolg. Freundlich aufgenommen wurde Brahma waren so ziemlich die hervorragendsten
auch Helene Passow-Vogt aus Meiningen, ob- Momente des Konzertlebens. — Zu betonen wäre
gleich ihre Liedervorträge ebenso wie die Wieder- noch das rege Treiben der größeren Man n er-
gäbe der »Paulus*- Arie weder im allgemein künst- Chöre, an deren Spitze immer noch die
lerlschen Sinne noch als Ausfluß einer Individua- Vereine „Sängerbund*, „Rheingold* und „Sänger-
liiit dazu angetan waren, sonderliches Interesse Vereinigung* marschieren. Es schweben zurzeit
wachzurufen. — Der Kölner Tonkünstler- Verhandlungen, die „Städtische Kapelle*
verein brachte bei seinem letzten Abend der in die Regie der Stadtverwaltung zu übernehmen.
Saison in interessanter Zusammenstellung Instru- In der Sanierung der betrübenden flnanziellen
mental- und Vokalkompositionen des 17. und Verbältnisse des hochstehenden Orchesters
18. Jahrhunderts. Unter Benutzung eines harren dem Sozialpolitiker noch große Auf-
Hammerklaviers und zweier Liebesgeigen aus gaben. Hoffentlich bezeigt die Stadt in letzter
dem Heyerschen Instrumentenmuseum gab es Stunde eine entgegenkommende Haltung In der
in Waldemar v. Baußnerns Klavierbegleitung Fixierung der Gehälter und in der weniger
hübsche Lieder von Michael Haydn durch Carola rigorosen Behandlung älterer Mitglieder. Hier
H ubert, eine Bachsche Flötensonate, das Arioso wäre übertriebene Sparsamkeit übel angebracht,
aus der „Johannes-Passion* durch Carl Rost. Alfred Fischer
SSi'!llf««^^'lfJ«?h.VTfla.'L\°?nf r,^ I EIPZIG: »n einen, vom «Deuttchen Schul-
gliaxendea neuen Ibachflugel fBr eIneCUconn« L verein zu Leipzig- «m U. M«i im froBen
^^i^Z^l^^in^^^nfJTet'^^ILit^^'piZl Fe.t.Mlede8Zoolo^«l.*chenG.rten. veranttSteten
««mm.« m?, S?rf»! M^vfi ^.-H PrJSJ seni.tlonellen LIsit.W.gner-Koniert mit
M^?r^lk d^ B^eÄ K^n«r. ra, LfKi. hohen Elntritttpreleen, vornehmem Publikum,
!^il «n .«wJ? w!?.!, hx^rm« 1r Jr»!; '««•»". «»'"c«> D«"»«» der Ge«en«ch«ft bestellten
l-ISihJL-t'^Ä J««.Vr«f«Ci„m..^hrfi.PH« BS''«« ""O «»>»" ««««trierten Progriimm.
h««««?M«* ««d k!««^M«« M?«Ä Di «»ö««"«". »«« K«pe"ne«>ter Rlchird Hagel
S^m^i ffir ^i^ Vlli Oh«.i^ H?r««r ^ä »«« <»«"> Stidtitchen The«ter und Gewand-
p!^r ^ p'..JI um., heusorchester, mit einem aus den ein-
'^'«^•* *^*"' «"«er heimltchen BQhnensingerInnen Ei ob holz,
190
DIE MUSIK VII. 21.
mSo
FUdnitzer, Franz, Schreiber, Stadtegger liÄOSKAU: Uoaere Saison war reich an Vor-
und Welter (Solo-Blumenmidchen), Frau von ^^^ fuhrungen geiatlicher Maaik: deracap-
Florentin (Kundry) und den Dresdener Hof- pella-Geaang der ruaaiachen Kirchen wurde auf
opernsingem Grosch (Parsifal), Rains (Gurne- das Konzertpodium verpflanzt, die Chorver-
manz) und Perron (Amfortas) bestehenden einigungen von A. Archangelaki, Waaailiew,
Solistenensemble, und mit einem Chor, zudem diedes Synoda, jasogardieder Altgllablgen,
sich dieThomaner mit Damen des Gewand- traten mit Konzerten auf nnd auchten einander
hauscbores und Herren des Lehrergesang- an Präzision und dynamischem Abwigen and
Vereins zusammengefunden hatten, die Dante- Ausfeilen zu übertreffen. — Die Kapelle von
Symphonie von Franz Liszt und Teile der W. Bulytschew führte Motetten der nieder-
i^Parsifal'-Musilc von Richard Wagner (Erstes ländischen, venezianischen, rdmischen Schoien
Vorspiel, Orchestereinleitung zum zweiten Auf- (Josquin de Prfts, Arcadelt, Laaao, Paleatrina
zug und Blumenmädchenszene, Orchester- u.a.) in einer höchst vollendeten Wiedergabe
Vorspiel zum dritten Aufzug und von der vor. Mozarta F-dur Messe nnd Reqnlem kamen
Fußwaschung Parsifals ab den ganzen Schluß wiederholt zur Ausführung. — In der latheri-
des Werkes) zur Aufführung gebracht. Hinsicht- sehen Kirche wurde Mendelssohns pPauloa*,
lieh der Ausführung gelangen am besten der von dem Deutschen Verein für gemischten Chor-
mit packender Dämonie und schmerzvoller gesang unter Peters vorgeführt. — Der Orgel-
Schwärmerei (Francesca-Episode) dargestellte In- virtuose G. Handachin, ein anageaelchneter
ferno-Teil des Lisztschen Werkes, die Blumen- Künstler, wählte für sein Kirchenkonxert J» S.
mädchencböre und die Karfreitagsepisoden, Bach und Mix Reger; der befähigte Gäger
denen das klangschöne Spiel des Gewandhaus- J. Paulsen sund ihm mit altiuliesiacher
Orchesters und der stimmungsreiche Gesangs- Musik gediegen bei. — Die historischen
Vortrag des Kammersängers Rains zu einiger Symphoniekonzerte nnter J. Sachnowaki
gut-bayreuthischen Wirkung verhalf. Im all- und S. Wassilenko fanden Ihren AbaehlnB
gemeinen hat aber — trotz allem ernsthaft- mit rusaiacher Musik (Arensicyi Movssorgeiqr,
eifrigsten Bemühen des Kapellmeisters Hagel Tschaikowaky, Kalinnll^ow n. a.). -— Die
und sämtlicher Mitwirkenden und trotz dem Philharmoniker hatten zum Leiter dea
reichen Aufgebot an künstlerischen Mitteln, sechsten Abonnementskonzertes Vincent d'Indy,
unter denen sich sogar ein vom Regensburger als Solistin Blanche Selva, inm Leiter dea
Hofpianofortefabrikanten Weidig zur Verfügung siebenten und achten Arthnr Nikisch, der
gestellter recht brauchbarer Glockenapparat be- u. a. Beethovena ^Siebente", Brahma' »Vierte",
fand, — auch dieses Konzert Tieferhörenden Elgar'a Variationen vorführte. — Frau M« Doli na
und Wissenden wiederum die Untunlichkeit aus Petersburg veranstaltete vier Abende, an
von Konzert- und gar von fragmentarischen denen sie die Entwickelnng dea raaeiachen
Konzertaufführuogen der „Parsifal'-Komposition Liedes mit Solo- und Chorgesang, mit Be-
erweisen müssen. Arthur Smolian gleitung volkatümlicher Inatmmente TorfGhrte.
M ATI Alan n— d^i^ n....*^#* K^.^t.*^ Volkslieder waren mit Romanzen fromdlindlachen
AILAND: Das Polo-Quartett brachte ou— ir»**« »«».i»««.«* ^i« dm^mmm.« «i* a«
Ghltl eotttascbte ein wenig durch den Vortr«g Ji»'^\" ,?«n.i« EmH K„Ve,.ta .Ji^h^
e^'n^''Ä'S«nr• «5rvfr."r^^^^^^^^^^
eine große Gesangs- und Vortragskuiistlerin, _ ^^^ ^^^ ^^^^^^ Klavierabenden seiMi o. a.
Rn^'ih.i inJ^^^^ erwähnt:«ltoaqueLambrino,M,Meitichlk,
Busoni spielten in ^% jjSodetä del Qua^^^^^^^^ j^3 Narbutt-Hryachkewitach, B. Tacher!
Johann Binenbaum bina-Bekmann(beideaPianiaHnnennmhilhefer
Ä4ANCHESTER: Im letzten Hall6-Konzert Begabung). — Die Moakaner Ltedertnrel
^^^ kamen die „Neunte« und Brucknera „Te- führte unter G. Kremaer Teile ana Beethovena
deum* zur Aufführung. — Die Saison der Gent- «Fidelio* unter solistischer Mitwirkung von Frau
lemen's Concerts fand ihren Abschluß durch Innfelder-Keßler auf, fbmer Qnartooe and
einen Klavier- und Liederabend (Alexander Chöre. Die altniederländlachen Vollnlieder, mit
Siloti und Agnes Nichols). — In den beiden Deklamation von W. Ottho, in der Dearbeifeg
letzten Veranstaltungen des Brodsky-Quartetts von Eduard Kremaer, worden wa deaeen
erklangen Beethoven op. 18 No. 5 und op. 130, Ehrung anläßlich aeinea aiebiigetea Gebnrta-
Quartette von Verdi und Boccherini, Trio von tages vorgeführt. Den Schluß machte daOpMeialer-
Tschaikowsky, (Pianist Percy Grainger) und singer'-VorspieL ~ Die Salaon land ihren Ab-
c-moll Quartett von Brahma (Pianist Willibald Schluß am 6. Mai mit dem letzten Abonne-
Richter). — Der Violinist Rudolf Bauerkeller mentakonzert der Kaiaerlich raaalachen
gab ein recital, in dem IsidorCohn als Pianiat Musikgesellschaft, daa lediglieb Er•tan^
mitwirkte. — Der Kölner Männergeaang- fuhrungen brachte: eine Symphonie f-moil von
verein hatte großen Erfolg zu verzeichnen, J. Sachnowaki, breit anagerehrty nlt starkem
obwohl ein mehr klassisches Programm zu lyrischen Einschlag. Die OnTertfire-Phaataaie
wünschen gewesen wäre. Erfreulicherweise von W. So Iota reff weiat in Ihrer ganien Faktor
haben sich die Städte Manchester und Salford den Einfluß Rimaky-Koraaakow*! noL DiritOBt
der Kölner Gäste auch offiziell angenommen. — beider Werke war J. SachnowakL Eine aym-
Schließlich sei noch der beiden letzten French phonische Dichtung von S. Waaailenko, too
Concerts (Reynaldo Hahn und Saint-SaSns) ihm geleitet, hat zur Unterlage den «Garten dea
Erwähnung getan. K. U. Seige Todes* von Oskar Wilde; aie weiat horrliehe
191
KRITIK: KONZERT
m
Orchesterfarben auf, das Ganze hat einen
düsteren Zug. Das Violinsolo wurde von B.
Sibor vortrefflich gespielt. Ein Klavierkonzert
mit Orchester von N. Tscherepnin wurde von
dem jungen Pianisten M. Meitschik in feiner
Ausarbeitung und virtuos vorgetragen. — Von
den letzten Solistenkonzerten sind in erster
Linie zu nennen: ein Violinabend von B. Sibor
unter Mitwirkung des greisen Geigers Leopold
T o n A u e r , femer Klavierabende von I g u m n o f f ,
W. Bojukli u. a. E ^^^ Tideböhl
M .-GLADBACH: Der stidtische Musikdirektor
Hans Gelbke, dem die Leitung fast aller
Auff&hrungen oblag, darf mit größter Befriedigung
auf das Geleistete zurückschauen. Zunächst
nennen wir die fünf Cäcilia- Konzerte. Das
erste ließ hauptsächlich Meister des Auslandes:
Glazounow mit seiner vierten Symphonie, Tschai-
kowsky mit seinem Violinkonzert in D-dur und
Grieg mit seiner Konzertouvertüre i»Im Herbst**
zu Wort kommen. Dazu bot Erika Wedekind
eine Reihe ihrer schönsten Lieder in bekannter
Vollendung. Als Violinsolist war W. Schulze-
Prisca zugezogen, der überzeugend seine
Meisterschaft darzutun vermochte. »Fausts
Verdammung** von Berlioz mit Messchaert
In der Hauptrolle gelangte im zweiten Konzert
zu schönster Wiedergabe. Der Chor ließ es
nicht zu dem kleinsten Tadel kommen, ebenso
bewährte sich unser wackeres Orchester unter
Gelbkes Leitung in bester Weise. Dem dritten
Konzert lag wieder ein gemischtes Programm
zugrunde, aus dem das Choridyll »Die deutsche
Tanne" von Koch genannt sei, ein Werk, dem
trotz mancher Schönheiten kaum eine lange
Lebensdauer beschieden sein wird. Der «Sym-
phonische Festmarsch* von Thuille schloß
den Abend. Hoföpemsänger Fenten und
Kammervirtuos Piening boten ihr Bestes
and fanden allseitig Anerkennung. Im vierten
Konzert entzückte Ernst von Dohnanyi mit
Schnmanns Klavierkonzert in a-moU und drei
eigenen Solo-Klavierstücken. Die Sängerin Frau
B rüge Im an n mußte trotz ihrer schönen Lieder-
spenden dem Klaviermeister das Prä des Abends
fiberlassen. Das Orchester brachte Tschaikowsky's
»Symphonie path6tique Nr. VI* und Webers »Auf-
forderung zum Tanz" in der Instrumentierung
von Weingartner. Mit Brahms' «Ein deutsches
Reqalem*, dem die Bacbsche Kantate «Wachet
aof, ruft uns die Stimme* folgte, bei denen die
Solopartieen von Jeannette Grumbacher-de
Jong und Arthur van Ewey k gesungen wurden
ond Prof. Franke den Orgelpart ausführte,
wurde die Reibe der Cäcilia-Konzerte in er-
hel>ender Weise l>e8chlossen. — In den sechs
Symphoniekonzerten ließ Hans Gelbke
neben den Meistern Bach, Haydn, Mozart,
Beethoven, Schubert, Schumann, Berlioz, Wagner,
LIszt, R. Strauß auch die « Aller] üngsten* zu Wort
and Taktstock kommen. Die Aufführungen
Cuiden auch reichsten Beifall. — Zum Besten
des Orchester-Pensionsfonds hatte sich das
Krefeld er städtische Orchester dem hiesigen
za gemeinsamem Schaffen angeschlossen, und
beide vereinigt zeitigten höchst anerkennenswerte
Leistnngen. — Dazu wären noch als Ereignisse
der Saison anzuführen die> Konzerte unserer
beiden großen Männerchöre, der «Liedertafel*
unter Leitung des Musikdirektors M. Müller
und des Vereins «Apollo* unter Leitung des
Musikdirektors Geyr.
Ludwig Rademächers
ÄAÜNSTER i. W.: In seinem ersten Konzert
*^^ feierte der Musikverein das Andenken
Joachims und Griegs. Mit dem anerkennens-
werten Violinkonzert in A-dur von Sinigaglia
machte uns Bram Eidering aus Köln bekannt.
Dr. Nießens Beethovenauffassung hat sich seit
seinem Hiersein bedeutend geklärt, wofür die
«Eroica* sprach. Als ein Brahmsspielervon außer-
gewöhnlicher Bedeutung erwies sich Ossip
Gabrilowitsch im zweiten Klavierkonzert in
B-dur. Weiterhin brachte der Verein die sym-
phonische Dichtung «Tasso* von Liszt in guter
Vorbereitung. Die Grimmsche Kanon-Suite in
C-dur war nicht genügend ausgearbeitet und
hinterließ deshalb keinen günstigen Eindruck.
In Brahms' c-moU Symphonie muß das Tempo
im Finale einheitlicher bleiben. Sonst verdient
die Wiedergabe gelobt zu werden. Frau Geller-
Wolter spendete Gesänge von Dvorak und
Brahms. Die symphonischen Variationen von
Nicod6 ließen eine plastische Ausarbeitung seitens
des Dirigenten entbehren. Das Cellokonzert von
Saint-SaSns spielte FrauCaponsacchi-Jeisler
musikalisch und technisch in höchster Vollendung.
— Bachs Weihnachtsoratorium füllte das erste
Cäcilien-Konzert. Karola Hubert aus Köln
reichte für ein solches Werk nicht aus. Auch
Ludwig Heßstand mit Frau Walter-Choinan US
und Herrn Lederer-Prina nicht auf gleicher
Stufe. Die Chorleistungen waren vortrefflich.
Der zweite Tag brachte neben Wagner's Faust-
Ouvertüre und Gralserzählung eine Wieder-
holung der Verwandlungsmusik und Schluß-
szene des ersten Aktes aus «Parsifal*, die
ebenso verunglückte, wie bei der vorigen Auf-
führung. Konzertmeister Schaffe r aus Gera
führte sich mit Beethovens Violinkonzert nicht
vorteilhaft ein. Das Tedeum von Brückner
erfuhr eine ziemlich kühle Aufnahme, trotzdem
es in Chor und Orchester an nichts mangelte.
In den weiteren Vereinskonzerten kam die
fünfte Symphonie von Fürst Reuß zur Auf-
führung, die musikalisch wenig Reizvolles zu
bieten vermochte. Ein geistvolleres Werk brachte
Kapellmeister Brase von hier in seiner D-dur
Symphonie. Rubinsteins Ozean-Symphonie
gehört zu den besten Orchester leistungen der
ganzen Saison. Bei ungünstiger Chorbesetzung
erlebte das Brahmssche Requiem eine mäßige
Aufführung, dagegen hob sich Brückners achte
Symphonie recht vorteilhaft ab und wurde be-
geistert aufgenommen. — Das Brüsseler
Streichquartett spielte wunderbar, aber vor
leeren Stühlen. Willy Burmester und Ludwig
Wüllner konnten neben den künstlerischen
Erfolgen auch materielle einheimsen. —
An seinem Beneflzabend brachte Dr. Nießen
Händeis «Judas Makkabäus* in stilvoller Auf-
fassung zu Gehör. Unter den Solisten ragten
Doris Walde und Richard Schmid besonders
hervor. — Das Konzert des erblindeten Albert
Menn aus Köln, der ein gereifter Pianist genannt
werden muß, möge nicht unerwähnt bleiben. -«
Neben den Musikvereinskonzerten haben die
Symphoniekonzerte des Kapellmeisters
wt
192
DIE MUSIK VIL 21.
Brase hier eine hohe musikalische Bedeutung
erlangt, zumal sämtliche Werke iußerst sorg-
fältig vorbereitet werden und auch die neuere
Literatur Berücksichtigung findet.
Ernst BrGggemann
ODESSA: In den Kammermusikabenden der
Kaiserlich Russischen Musikgesell-
schaft wurden hier zum erstenmal aufgefiibrt: das
sehr frische, temperamentvolle und geistreiche,nur
im Allegro etwas nfichterne Quartett A-dur op. 2 '
von dem jungen Russen R. Glidre, das im Aus-
druck ungleiche und in den Gedanken alltäg-
liche Quartett a-moll von Josef Suk, das jugend-
liche, aber schon gediegene, ernste, in den Vari-
ationen eine großs Kunst des Kontrapunkts
aufweisende Quartett No. 3 op. 7 (d-moll) von
S. Tan6ieff, das Quartett op. 51 (Es-dur) von
Dvorak, und die etwas konfuse Sonate für
Klavier op. 74 von Glazounow. Außerdem
wurden im allgemeinen sehr mittelmäßig Beet-
hoven, Schubert, Schumann und Mendelssohn
gespielt. — Anna El-Tur sang diesmal mit
großem künstlerischen Verständnis Lieder von
Grieg, Tschaikowsky, Rachmaninow und Gre-
tschaninow, dieser ein prachtvoller jung-
russischer Liederkomponist. — Den Glanzpunkt
der Saison bildeten die zwei Abende des Sev6ik-
Quartetts, das im einzig wahren Sinne der
Kammermusik, mit ebenso durchgeistigtem wie
warm empfundenem Vortrag und in beinahe
vollendeter Form folgendes hier selten gehörte,
reichhaltige Programm ausführte: Beethoven,
op. 74 (Es-dur), Schubert, d-moll (hinreißend
schön gespielt), Dvorak, op. 96 (F-dur), Smetana,
e-moll, Glazounow, op. 64 (a-moll) und das
zerebrale, schwierige und leere op. 10 von
Debussy (Erstaufführung in Odessa).
A. Getteman
PARIS: Kurz nachdem die tschechischen
Lehrer in drei Konzerten die Ungunst des
Pariser Publikums für Männerchormusik er-
fahren hatten, gelang es dem altberühmten
Zürcher Männerchor, der freilich nur Ein
Konzert gab, den großen Trocaderosaal bis auf
den letzten Platz zu füllen. Grieg's »Landken-
nung* und der für Paris neue originelle i^Toten-
marsch* von Hausegger wurden von dem Or-
chester Lamoureux begleitet, das unter A n d re a e s
Leitung außerdem die c-moll Symphonie mit
Orgel von Saint-Saens sehr gut ausführte. Das
Hauptgewicht fiel aber doch auf die Chöre ohne
Begleitung von Silcher, Baumgartner, Attenhofer,
G. Weber und Hegar. Die Zürcher Sänger
wurden auch im Ministerium des Innern und
im Pariser Stadthause empfangen und sangen
dort einige ihrer besten Lieder. — Auch Pablo
de Sara säte wählte diesmal den Trocaderosaal,
um die Eintrittspreise ermäßigen zu können.
Er spielte in einem ersten Konzert allein mit
Frau Marx-Goldschmidt und nahm im zweiten
das Orchester Colonne hinzu. Der übliche Er-
folg blieb nicht aus. Selbst eine einfache Geigen-
sonate Mozarts wirkte günstig in dem Ungeheuern
Räume, weil die Künstler sie mit dem richtigen
Stilgefühl vortrugen. — Der Ehrgeiz der Vir-
tuosen, auch als Kapellmeister zu glänzen, hat
ein neues Opfer gefordert. Diesmal ist ihm
Edouard Risler erlegen. Er hat im Saale
Gaveau ein erstes Konzert mit dem Orchester
Lamoureux abgehalten, dem zwei weitere
folgen sollen. So groß und so berechtigt
Risler'8 Ruf ist, so bekundete dM Pabli-
kum doch ein gewisses Mißtranen« In der
Siebenten Symphonie Beethovens enthielt sich
Risler glücklicherweise jeder Originalitltt-
hascherei, und da das Orchester diese Musik
ohnehin genügen^l kennt, so war der Eindruck
nicht ungünstig. Johannes Messchaert trog
aber hierauf die „Kreuzstab-Kantate" Ton Bach
vor, und hier ergaben sich peinliche Wider-
sprüche zwischen dem Sänger, dem Orchester
und dem Organisten, denen Risler als Dirigent
machtlos gegenüberstand. Die RcTanche ffir
Sänger und Dirigent brachte hierauf der miTer-
gleichliche Vortrag von Schumanns »Dichter-
liebe*, bei der Risler an den Flügel zarfick-
kehren durfte.— Stärksten Zuspruch fanden da-
gegen drei ausgezeichnete Triokonzerte von
Cortot (Klavier), Jacques Thiband (Geige) und
Casals (Cello). Die drei Trios von Schumann
bildeten allein das Programm des zweiten Kon-
zerts, und im ersten und dritten kamen Werke
von Rameau, Corelli, Beethoven, Mendelssohn,
Brahms, Dvoräk und Saint-SaSns zur AuffQhmng.
— Ein reines Schumann- Konzert veranstaltete
mit gutem Erfolg auch die tflchtige Pianistin
Marthe Dron mit dem Geiger Armand Parent
Sie spielte t>eide Klaviersonaten und die zweite
Geigensonate. Doch auch mit Vincent d'lndy
gelang diesen beiden Künstlern das gleiche
Wagnis. Marthe Dron spielte die Klavleraonate
in E-dur und mit Parent zusammen die dem
letzteren gewidmete Geigensonate, in der nament-
lich der langsame Satz vorzüglich gelang. — Moria
Rosen thal gab eine Reihe von vier Konzerten
bei Eintrittspreisen von 10 bis 30 Franken mit
gleichbleibendem großen Erfolg. Er gab scbliclW
lieh noch ein fünftes Konzert mit der böhmischen
Sängerin Gräfin Pelagia Skarbek. Hier «sang*
Rosenthal das Fis-dur Nocturne von Chopin
auf dem Steinway in einer Weise, daß die Sän-
gerin, deren Phrasierung nicht immer tadcUoa
war, einen schlimmen Stand daneben hatte. —
Der Pianist Lazare L6vy, einer der besten
Schüler Di6met's, setzte ein interessantes Pto-
gramm aus modernen französischen KiaTier-
stücken zusammen. — Ein vielversprechendes
Debüt war dasjenige der vierzehnjährigen
Geigenspielerin Lola Tesi, die namentlich in
der „Fantasia appassionata* von Vieuztempa eine
erstaunliche Fülle des Tons und eine verstliidige
Phrasierung erkennen lielL Felix Vogt
PRESSBURG: Müdigkeit und Unloat charak-
terisieren die ohnehin wenigen Konsene des
Kirchenmusikvereines. — In siealicta dfirf-
tiger Gestalt wurde uns die vierte Schumann-
Symphonie vorgeführt, und auch diedem Andenken
Grieg's geweihte MHerbst*-OuTertfire verhallte,
ohne tiefere Wirkungen hervorzurufien, waa in
erster Reihe der etwas leichtfertigen Art des
Vortrages zuzuschreiben ist Zuckersüße, inhaita-
lose, in undeflnierbaren «Gefühlen* sich dahin-
wälzende Piani, unbegründetraaende Tempi ataid
jene billigen Mittel, mit denen Dr. Koaaow
diesmal zu wirken versuchte« — Unter den all-
jährlich wiederkehrenden Gästen erfireuten ans
auch heuer Willy Burmester,Marteaa,JaqaflS
van Li er und die diesmal etwaa lanneHifM
Brüsseler; als alten Bekannten begruHte man
Alois Pennarini von der Hambnrger Oper.
193
KRITIK: KONZERT
Nea war uns die sympathische Altistin Ilona
DarigOy wenn sie auch Julia Culp noch lange
nicht nahekommt. In Willy Backhaus machten
wir die Bekanntschaft eines sowohl in bezug auf
Technik als auch hinsichtlich der Auffassung
▼511ig ausgereiften Pianisten. — Zum Schlüsse
der Saisod kam der sehnsuchtsvoll erwartete
Ernst ▼. Dohnen yi. Er spielte zugunsten des
Kirchenmusikvereines sein wenig ansprechendes
e-moU Klavierkonzert mit Orchester, wofür das
Publikum seinem berühmten Landsmanne mit
stSrmlschen Ovationen den Dank zollte. Die
harmlos wiedergegebene »Eroika* beschloß das
Konzert. Ernst Adler
ROSTOCK: Zugunsten der Bayreuther Sti-
pendienstiftung veranstaltete Musikdirektor
Schulz unter Mitwirkung der Großherzoglichen
Hofopemsingerin Frl. Wickham und der
Herren Kammersinger Gura und Lang aus
Schwerin ein sehr schönes Wagnerkonzert, wobei
der größere Teil des dritten »Parsifal*- Aufzuges
aufgeführt wurde. Schulz brachte ferner zweimal
Usxts »Ideale*, wozu der Schillersche Text
melodramatisch gesprochen wurde. Von Solisten
hörte man Edouard Risler (G-dur Konzert von
Beethoven) und Felix Senius (Lieder von
Beethoven und H. Wolf). — Das Brüsseler
Streichquartett gab einen Kammermusik-
Abend. Prof. Dr. W. Golther
SPEYER: Als besonders erfreulich ist die Tat-
sache zu konstatieren, daß die großen Ton-
formen jetzt in viel mehr pfilzischen Städten
als firfiher gepflegt werden. So verzeichnet u. a.
Landau zur Einweihung seiner neuen Festhalle
zwei Konzerte (Dirigent E. Walter), deren
erstes eine vortreffliche »Messiaa*- Aufführung
brachte. Haydns «Schöpfung* beschloß die
Saison. Ludwigshafen darf sich mit den
aJahreszeiten* (Dirigent Max Welker) einem
Konzert mit Chören von Cornelius usw. und
einer neuen Chorkantate, »Jephthas Gelübde* von
Hage Kander, anreihen. In Neustadt bilden
die Badeschen Abonnementskonzerte nach wie
vor einen wertvollen Bestandteil des pfilzichen
Konzertlel>ens. Neben Symphonie- und Solisten-
iumzerten (u. a. v. Dohnanyi, Castles,
Martean, Charlotte Huhn, Ida Suske, Hen-
sel) sind insbesondere die Darbietungen der
.Deutschen Vereinigung für alte Musik*
<Dr. Boden stein) hervorzuheben. Eine groß-
zügige Richard Wagnerfeier, veranstaltet
vom Mannheimer Hoftheaterorchester und
hervorragenden Solisten (Frau Schauer-Berg-
mann aus Breslau und R. Berger aus
Berlin) unter der tüchtigen Führung Hermann
Kotzschbachs, war die einzige bemerkenswerte
Tat des Cicilienvereins. Rühmliche Erfolge
erzielte das Pfilzlsche Konservatorium
(Direktion Ph. Bade), das, im dritten Schuljahr
stehend, schon über 300 Schüler zihlt. Die
verbfindeten Stidte Pirmasens und Zwei-
brucken l>egingen u. a. eine wohlgelungene
Bruch-Feier durch die Aufführung der
»Frithjof* - Szenen mit Frau Schauer- Berg-
mann und Adolf Müller. Außerdeni ist noch
in letzter Stadt daa zweitigige Musikfest
(Dirigent Ben seh) zu nennen, das die Schu-
manaschen »Fanst'-Sienen und am zweiten Tage
soUstiscIie Darbif tungen brachte. Frankenthal
verhaad sich mit dem benachbarten Worms
und erreichte unter Julius Schmitt eine vor-
treffliche Darbietung von H. Zöllners i,Bonifazius*.
Die szenische Aufführung von Kreutzers »Nscht-
lager* durch den Cicilienverein (Dirigent
Schanze) war ein wenig geglücktes Experiment.
Der Liedertafel-Cicilienverein Speyer
(Dirigent Rieh. Schefter) führte »Frau Minne*
von Franz Mayerhoff, in konzertmißiger Form
Mozarts »Idomeneo* und zum Beschluß die
^Jahreszeiten* von Haydn auf. Von den beiden
unter August Pfeiffers Leitung stehenden
Vereinen «Musikverein* und «Cicilien-
verein* verdienten sich neben anderen Auf-
führungen dieser durch eine Bruchfeier, jener
mit Haydns ^Jahreszeiten* reiches Lob.
Karl August Krauß
STETTIN: In die Zeit dieses Berichts fielen
zwei bemerkenswerte Aufführungen des von
C. Ad. Lorenz geleiteten Musikvereins. Als
piftce de r^sistance gab es Brahma* «Deutsches
Requiem*, das chorisch ganz auf der Höhe
stand, und in dessen Sopraopartie Jeannette
Grumbacher-de Jong entzückte. Daneben
hatte man sich zum erstenmal an Berlioz'
«Verdammung Fausts* gewagt. Mit Militir-
orchester ist ja die virtuose Pracht und klang-
liche Originalität des Werks kaum zu erschöpfen;
immerhin brachte man ea zu einem, wenn auch
nicht vollgültigen, so doch höchst fesselnden
Eindruck vom Ganzen. Erfreulichen Anteil
nahmen Frau Geyer-Dierich und die Herren
Pinks und Süße in den Solopartieen. Unter
derselben verdienstlichen Leitung gab der Singer-
bund des Lehr er Vereins einen wohlgelungenen
Hegar-Abend, dessen solistische Beigaben Martha
Schauer-Bergmann und Elisabeth Boke-
m ey e r erbrachten. Dieae ist ein vielversprechen-
des, mit glücklicher Harmonie aller Krifte aus-
gerüstetes Klaviertalent. — Für den letzten
Symphonieabend des Berliner Mozsrtor-
chesters war als «great attraction* Siegfried
Wagner herangezogen worden. Im Siegfried-
Idyll und in der Tannhiuserouvertüre
seines Vaters, in Beethovens Siebenter und in
einigen eigenen Opern fragmenten, die weniger
durch Gebalt als durch geschickte Aufmachung
wirkten, erwies er sich als ein Dirigent, der
durchaus über der Materie steht, wenn es ihm
auch nicht gegeben ist, diese Materie in prignant
persönlicher Weise zu formen. — Die Ver-
einigung für alte Musik (Dr. Ernst Boden-
stein-München), ein Hugo Wolf- Abend von
Hertha Dehmlow und Hjalmar Arlberg, Kon-
zerte von Wüllner, Joan Man6n mit Augusts
Zuckermao, Sarasate mit Berthe Marx-
Goldschmidt undeinMarteau-Reger-Abend,
in dem ein hoher Gedankenflug und fast atem-
raubend-inbrünstige Empflndungskultur herrsch-
ten, vervollstindigen die Blütenlese der beiden
letzten konzertreichen Monate.
Ulrich Hildebrandt
TEPLITZ-SCHÖNAU: Die Philharmoni-
sehen Konzerte standen heuer im zehnten
Jahre ihrer hervorragenden Einflußnahme auf
unser geistiges Leben. Im ersten Konzert diri-
gierte Wilhelm Kienzl die zu einem Stück be-
arbeiteten Zwiachenspiele aus seinem «Don
Quizote*. Die ausgezeichnete Julia Culp aang
außer einer Arie von Astorga noch Lieder von
Kienzl, Brahma und Strauß. Das Orchester
194
DIE MUSIK VII. 21.
_gR
gedachte mit der «»Holberg Suite** des beim-
gegangenen Grieg, mit der KleistouvertQre er-
innerte sie an Joseph Joachim. Im zweiten Kon-
zert lernten wir Regers op. 100, die Variationen
über das Hillersche Thema kennen, das hier-
mit die erste Aufführung in Österreich erlebte.
In einem Separatkonzert gelangte das Regersche
Werk zur Wiederholung, im Interesse haupt-
sächlich durch die ausgezeichnete Inter-
pretation seitens des Musikdirektors Johannes
Reichert (eines Dresdeners) gehoben. Conrad
An sorge spielte in seiner eigenartigen Weise
Beethovens Es-dur Konzert, dann noch Chopin,
Schumann und Liszt. Im dritten Konzert spielte
Ysaye Mozarts Violinkonzert in G-dur, No. 3
in nie gehörter Zartheit und Stilreinheit, auf
die feinsinnigste Weise vom Orchester unter
Reichert begleitet. Am selben Abend verschafPce
sich ein junger Komponist, Vinzenz Reifner,
mit einer symphonischen Dichtung »Frühling*
Gehör und beifällige Aufnahme. Das Werk
verrät Talent und starke Empfindung. Brahms
war mit seiner ersten Symphonie vertreten. Der
vierte Abend war der Erinnerung geweiht. Vor
ziemlich genau zehn Jahren hat Meister Gura
unsere i^Philharmonischen** eingeleitet. So wurde
Hermann Gura eingeladen, dem Abend seine
Anwesenheit und Mitwirkung zu schenken. Gura,
der Sohn, interessierte vornehmlich im Balladen-
gesang (u. a. Loewes ,»Archibald Douglas*,
lyHueska*, Schumanns «Belsazar*). Mit der
Eroika schloß der Abend, den noch Mozarts
»Maurerische Trauermusik* und Wagners »Faust-
Ouvertüre* geschmückt hatten. Im fünften Abend
dirigierte Nicod6 drei Sätze aus der »Gloria*-
Symphonie. Auch diese Aufführung war die
erste in Österreich. Henri Marteau brachte
das Beethovenkonzert in D-dur in seiner ruhig-
vornehmen Art zu Gehör, dann eine Regersche
Solosonate, die großer Aufmerksamkeit begegnete.
Der sechste Abend endlich setzte dem zehn-
jährigen Bestehen mit der Aufführung einer
Symphonie von Mahl er (der vierten) die Krone
auf. Das wagten wir, und durften es, in Besitz
eines ungemein beßhigten, geistreichen Diri-
genten (eben Reichert) und eines wohlgeschulten
Orchesters, wagen. Als Solist war Busoni
gekommen, der Liszts erstes Klavierkonzert,
sonst noch Liszt und Chopin vortrug und stark
gefeiert wurde. Busoni dirigierte außerdem eine
eigene, feine Komposition, die er »Lustspiel-
ouvertüre" getauft. Den programmäßigen Kam-
mermusik-Abend besorgten drei Berliner Künst-
ler: Georg Schumann, Halir und Dechert
in ausgezeichneter Weise mit Beethoven op. d7,
Brahms op. 87 und Grieg Sonate No. 3 op. 45
für Klavier und Violine. Wir können nicht
umhin, die Tätigkeit des Veranstalters der »Phil-
harmonischen Konzerte* des höchsten Preises
wert zu nennen. Dr. Stradal versteht es, diese
Konzerte nicht bloß künstlerisch feinsinnig zu
ordnen, sondern auch ihr äußeres Gelingen auf
sicherer Basis zu erhalten. — In unserem
Musikleben haben auch die »Volks konzerte*
ihre Beliebtheit, sowie die lebhafteste Anteil-
nahme behauptet. Anton Klima
TILSIT: Fünftes Litauisches Musikfest.
Nach dreijähriger Pause fand am 7. und 8. Juni
(Pfingsten) in Tilsit das fünfte Litauische Musik-
fest statt. An diesen Festen sind die Städte
Memel, Tilsit, Insterburg, Gumbinnen
und Stallupönen beteiligt. Festdirigent war der
verdiente Dirigent des Tilsiter Oratorienvereint,
Königlicher Musikdirektor Wolf f. Als Solisten
waren gewonnen: Johanna Dietz (Sopran), Martha
Stapelfeldt (Alt), Dr. Briesemeister (Tenor)
Thomas Denijs (Baß) und Prof. Schmid«
Lindner (Klavier). Die Program mxasammen*
Stellung zeugte von dem löblichen Bestreben,
ein hohes Ziel zu erreichen. Am ersten
Tage wurde die»Mis8a solemnis* BeethOTena auf-
geführt, am zweiten Tag folgten BeethoTens
Chorphantasie, die zweite Symphonie Brahma'
drei Bruchstücke aus »Parsifal", deren eines
noch in letzter Stunde wegen übergroßer Linga
des Programms gestrichen wurde, and Vortriga
der Solisten. Trotz des hohen Zieles lasaea
sich allerhand Bedenken gegen diesea Programm
nicht unterdrücken. Die »Missa* scheint mir mit
ihrem lateinischen Text für ein solchea Fest,
das auf den Massenbesuch kleinstidtiseher. Im
Hören solcher Offenbarungsmusik wenig gefibter
Zuhörer angewiesen ist, nicht recht am Platie
zu sein; ebenso verhält es sieb mit der Brahms-
schen Symphonie, die beim ersten Hören sicher
nur ganz wenigen eingegangen sein wird, znmal
der entzückende, etwas volkstümlich angehanehte
dritte Satz unter zu hastigem Tempo litt. Die
Cborphantasie ist schon reichlich verblalk; man
findet zu dem etwas wunderlichen Gemengael
von Orchestervariationen, Klavienrirtnoaiiit und
Chor keine rechte Stellung mehr. Und gegen
die Aufführungen von »ParsifSal*- Szenen im
Konzertsaal muß immer wieder eingewendet
werden, daß sie eine Versündigung gefen den
Geist Wagners sind, wie der Meister on genng
gesagt hat. Es kam noch dazu, daß am «weilen
Tage nicht weniger als 26 Vorträge der Soliaten
auf dem Programm standen, darunter die nur
Kopfschütteln oder Gähnen henrormfraden
Klavierbagatellen von Braunlbla, die erat Inm
vorher in München aus der Tanle gehoben
waren und dort beim Tonkfinstlerlbst Ti^eieltt
am Platze gewesen sein mochten» Aber abge-
sehen von diesen Bedenken wnrde gut nnaideit.
Die Chöre klappten, und anch das Oreheater
hielt sich wacker. Von den Solisten kann man
nicht unbedingt das gleiche sagen. Mit Aoa-
nahme von Prof. Schmid-Lindner war keiner
hervorragend, wie man's doch eigentlicli bei
einem Musikfest erwarten müßte» Doch ael
gern festgestellt^ daß alle mit BeifUI flbei^
schüttet wurden, besondere wohl Herr Donijs
nach dem Vortrag der wnndenrollen Ellland-
Lieder Wilhelm Bergera. Der nnerfreallehe
Gesang Dr. Briesemeistera soll auf eine atarke
Erkältung zurückzuführen sein. Aach war die
Akustik in der Ausstellungshalle nicht gnt; die
Chor- und Orchestervorträge litten aodi noch
unter einem zu flachen Aufbau dea Podiums.
Zum Schluß wurden dem Festdirigenten lebhalle,
wohlverdiente Ovationen zuteil, die ihm be-
wiesen haben werden, daß man seine aaföplbnde
Arbeit, die er als einziger Dirigent ta leisten
hatte, zu würdigen veratand.
Richard Fricke
WORMS: Non multum, non moltal daa ist
das Fazit unseres Vintera; im graten nicht
viel Konzerte und in diesen weder die Soliaten
noch die Programme außergewöhnlich. Wer
1 i
195
KRITIK: KONZERT
:ht aus dem Weichbild der Stadt herauskommt,
' den gibt es keine Brucknersymphonie, keine
alome% keinen Lamond, keine Destinn. Als ich
r einiger Zeit in der »Musik* schrieb, Worms
be ein kunstliebendes und zahlungsfihiges
blikum, wurde mir in der Lokalpresse er-
lert, daß so manches Konzert sich vor leeren
nken abspiele. Es ist aber doch ein Unter-
lied, ob die Pianistin X. auf der Bildfläche
icheint oder der Träger eines Namens von
sog, der eines vollen Saales gewiß sein darf.
übrigen standen wir — gewiß kein Zeichen
ilechten Geschmacks — unter der Vorherr-
laft der Kammermusik, die jetzt sogar auf
tn Programm unserer Gesangs- und Orchester-
reine einen breiten Raum einnimmt. Die
ir strebsame Wormser Kammermusik-
reinigung (Kiebitz, Kaspar, Leucht)
irte an vier Abenden klassische und moderne
mmermusik vor; die Herren sind brillant in-
iander eingespielt, Kiebitz hat ein sicheres
Igefuhl, volle Herrschaft Gber den Klavier-
z und ein ausgereiftes Gestaltungsvermögen,
r Geiger Kaspar verfugt über einen reinen
n und eine solide Technik, auch das Passagen-
rk ist einwandfrei; der Cellist Leucht ist ein
iter ernster Musiker. Am besten gelang
ethoven, der mit dem Fledermaus-Trio, mit
n zweiten Erdödy-Trio und mit dem B-dur-Trio
07 auf dem Programm stand. — Der Phil-
rmonische Verein hatte sich für seine
mmermusik die Frankfurter Quartett-
reinigung (Hock, Dippel, Allekotte und
pun) verschrieben, die Beethovens Streich-
irtett c-moU mit einer gewissen Kühle,
oHk*9 großes As-dur-Quartett dagegen mit
rve und orchestraler Klangschönheit spielten,
istin war Margarethe Mi tau, die Brabms-
1er zwar mit gut kultivierter Stimme, aber
le die gerade bei Brahms so unentbehrliche
ife sang. Unter seinem gewissenhaften
igenten Grieser gab der Philharmonische
rein einen Grieg-Gedichtnisabend nur mit
npositionen des nordischen Meisters; Emma
ri6 (Hamburg) versuchte sich hierbei ohne
lingen an einigen Gesängen, besser schnitt
Pianistin Adele Rieß von Mainz ab. In
nem letzten Konzert spielte der Philhar-
nische Verein die Zweite von Beethoven und
Egmont-Ouvertüre recht brav; der Bariton
rl Götze war nicht disponiert und infolge-
;sen nicht genügend sicher. — Der Minner-
langverein hat in der Person von Ludwig
•hmeyer einen neuen Dirigenten erhalten,
sich in einem großen Konzert gut einführte;
Chor bat entschieden Fortschritte gemacht,
Aussprache ist präziser und die rhythmische
I dynamische Ausgestaltung besser ge-
rden. Als Neuheit brachte Hohmeyer Zöll-
s »Bonifazius*, der dem Publikum besser
iel, wie Ihrem Referenten. — Die Lieder-
el brachte unter Direktor Kiebitz im ersten
Dzert Liszts »Heilige Elisabeth«, die hier
n gehört wird; die Chöre gingen frisch und
Schwung, die Einsätze waren sicher, man
rkte, diß mit Lust geübt war, das Orchester
(Militärkapelle) konnte recht bescheidenen An-
sprüchen genügen; von den Solisten war Johanna
Dietz (Frankfurt a. M.) zu loben. Im zweiten
Konzert spielte die Pianistin Marie Gesell-
schap (Berlin), deren Technik geradeso gewalt-
sam ist, wie ihr musikalischer Geschmack
(,Lucia*-Phantasie!). Alfred Stephani-Darm-
siadt, der Brahms und Wolf sang, erfreute durch
sein warmes, sattes Organ, durch gutes Piano
und noblen Vortrag. Im letzten Konzert sang
der Chor außer verschiedenen Nummern des
«Messias** das doch schon recht veraltete
i»Loreley*-Finale von Mendelssohn; als Solistin
zeigte Else Kettl in g- Koblenz gute Schule. —
Das Ereignis der Saison war zweifellos die Auf-
führung von Carl Loewes fast verschollenem
undnurimManuskriptvorhandenemOratorium
«Hiob* durch den Evangelischen Kirchen-
gesangverein und den Philharmonischen
Verein unter Leitung von Prof. Diehl, dem auch
das Verdienst der Wiedererweckung des Werkes
zukommt. „Hiob" ist zweifellos für die Ora-
torienliteratur eine Bereicherung, das Werk ent-
hält zahlreiche Stellen blühender Melodik, und
gerade durch die Erweiterung des Oratorienstils
und die Aufnahme des balladischen Elements
zeigt sich der „Hiob" als ein Werk sui generis.
Interessant ist die leitmotivische Behandlung;
die Rezitative sind geschmackvoll, einige En-
semblenummern sehr dramatisch (vgl. das in
der „Musik* Jahrgang IV abgedruckte Quintett
mit Chor). Manches ist monoton und veraltet,
so daß eine Reihe von Strichen dem Ganzen
zweifellos zugute kommt. Chor und Orchester
waren gut, von den Solisten: Martha Münch,
Luise Klossegk-Müller, A. Jungblut und
F. Krauße (alle aus Berlin) war der Tenor
Jungblut am besten. Eine Wiederholung zu
kleinen Preisen dürfte als endlicher Anfang der
Volkskonzerte gelten, einer Einrichtung, die
sowohl unserer Stadtverwaltung wie unseren
Musikvereinen noch immer fremd ist.
Dr. M. Strauß
WTORZBURG: Das führende Kunstinstitut
^ Würzburgs, die Königliche Musikschule,
erhielt nach dem Hinscheiden Dr. Klieberts eine
neue Leitung durch Prof. Meyer-Olbers-
leben, und die erste Konzertsaison läßt er-
kennen, daß der alte Glanz des über hundert-
jährigen Instituts nicht verbleichen wird. Da-
durch, daß der neue Vorstand der staatlichen
Anstalt auch die Direktion des größten Privat-
musikvereins, der „Liedertafel", beibehält,
ist eine Personalunion geschaffen, die auch der
Königlichen Musikschule durch Verstärkung des
Gesangchors Vorteil verschafft. Von den Kon-
zerten sind hervorzuheben das dem Andenken
Dr. Klieberts pietätvoll gewidmete erste Kon-
zert mit lauter Kliebertschen Werken, dann eine
Wiedergabe von Bruchs »Glocke", die Erstauf-
führung eines effektvollen „Sonnenhymnus" von
Meyer -Olbersleben selbs^ endlich ein von
der Direktion überaus fleißig vorbereitetes
Kirchenkonzert mit Piern6's „Kinderkreuzzug",
wobei Prof. Simon Breu den großen Kinder-
chor mit Geschick leitete. Dr. J. B. Kittel
Zur Erinnerung au den 90. Gebunstag (17. Juni) von Charles Gounod, dessen
«Faust" der Zibl der Aufführungen nich noch immer an der Spitze des franiSsiachen Opern-
Spielplans marschiert und auch im Vaterlande Coetbea zu den beliebtesten Repertoire*
verken gehOrt, bringen wir sein Portrlt.
Am 31. Juli feierte Fran^ols Auguste Gevaert seinen 80. Gebamiag. Tibrend
er in seiner belgischen Heimat auch als Komponist eine hochgeachtete Stellung einnimmt
(er schrieb eine Reihe Opern, Orchesterstücke, eine Totenmesse, Kantaten, Balladen,
Lieder und Chorwerke), ist er bei uns In Deutschland besonders durch seine mnsik-
,ge schichtlichen und musiktheoretischen Forschungen in weiteren Kreisen bekannt ge-
worden. Von seinen ausgezeichneten Arbeiten auf diesem Gebiete seien hier nur genannt:
«Traitä' d'instrumeniaiion" (deutsch von Hugo Rieraann, Leipilg 1887), .HIsloire et thterie
de la musique de I'antiquitä" (1875—81), „Les origines du chant Ihurglque* {iSOOt, .La
mälopfe antjque dans le chant de t'öglise latine" (1895). Femer veröffentlichte er JLca
gloires de l'ltalie" (eine Auswahl von weltlichen und kirGbllchen Gesangsatficken von
Komponisten des 17. und 18. Jahrhunderts, mit Klavierbegleitung, 1888) und Tervchiedene
^andere Schriften. Nach F^tls' Tode (1871) wurde CevaGrt Direktor des Brflsseler Konser-
vatoriums. In dieser Stellung entfallet er eine reiche Titigkeit. Ein berrorragendes
Verdienst hat er sich um die Popularisierung Bacbs in Belgien erwotben, deuen Terke
■er mit Vorliebe zur Aufführung bringt.
Des 70. Geburtstages (18. August) von Angelo Neumann mOcbten wir an dieser
Stelle gleichfalls gedenken. Um die Vagner-Sache bat sich der ausgezeichnete BGhnen-
Jelter seinerzeit besonders durch sein wanderndes Vagner-Tbeater, mit dem er bis nach
Italien zog, verdient gemacht. Unser Ponrili ist nach einer Photographie aus dem
Xünstlerzlmmer des Leipziger Stadtiheaters gefertigt, an dem der fetzige Leiter des
•Deutseben Land est beaters in Prag von 1876—1882 als Opemdlrektor lltig war.
Die beiden nlcbsten Blltter führen zwei der hervorragendsten ausQbenden Künstler
unserer Tage im Bilde vor: den Russen Wladimir von PachmtOD (geb. 27. Juli 1848),
den un übe rtrefT liehen Chopin-Spieler, und den belgischen Gelger Eugene Ytaye (geb.
16. Juli 1858), einen der ersten Meister seines Instruments.
Dem beutigen Heß liegt dss Exlibris zum 28. Bande bei.
Nacbdrueli nur mli luidrackl icher Erliubnk d« Verii|a« ■«■littet
Alle Rech», InabeaondcK d» der ObeneBuBi. vorbebalwa
Ir die Zurüektenduit uaverlaa|ter oder nicht ■Dceineldeier MtButkriple, hiti Ibaea nlchi itBdiei
Pono beillcKi, abcminmi die Redakiien keine Genuiiie. Sebwer leierllcbe Hiauikripte verdca uafprtfl
iurfick|euadt.
Veruilwortlicher Schriftleiter: Ktpellmeister Bernhard Schtuter
Berlin \P 57, Bülowstrasse 107 '-
CHARLES FRANgOIS COUNOD
* 17. Juni 1818
FRANgOIS AUGUSTE GEVAERT
* 31. Juli 1828
ANGELD NEUMANN
^^ 18. August 1838
VLADIMIR VON FACHMANN
« 27. Juli IS48
eug£ne ysaye
« 16. Juli 1858
- - ■-"*-
EXLIBRIS
rar dea 4. QuartKlaband des VII, Jahifanga
Baad 28 der MUSIK
~ 1 :t_tA. jIj
DIE MUSIK
MODERNE TONSETZER
HEFT 6
Der größt: Lehrer kann dich nicht
umgestalten,
Er kann dich befreien; du mu&t dich
CDtralten.
Ernst von Feuchtenlebea
Dem guten Geschmack geschieht kein
Dienst mit Aufführungen solcher Werke,
die nicht als Anfänge eines talentvollen
Menschen, sondern als Meisterwerke neben
und über die der größten Meister aus-
posaunt werden.
Joieph Jokchlm
VII. JAHR 1907/1908 HEFT 22
Zweites AugustheFt
Herausgegeben von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & Loeffler
Berlin W. 57, Bülowstrasse 107
■gAsiCaCrv.
'Irnold Mendelssohns FamilieDname ist bekannt genug: Moses
Mendelssohn, der Philosoph und Freund Lessings, der wicker
I gar mancher veralteten Anschauung seiner Zeit und seiOer
\ Stammesgenossen entgegen getreten ist, und Fei ix Mendel SSO hn-
Bai'tholdy gehören zu seinen Vorfahren. Des beute 52 Jahre zählendes
Mannes Leben ist bisher In verhältnismäßig ruhigen Bahnen verlaufend
An Freuden und Leiden hat er wohl ein reichliches Maß erfahren; aber
jene baben ihm das ernste Ziel, das er seinem Streben gesteckt, nicht
verwirrt, diese Ihm die geistige und körperliche Kraft nicht geraubt. So
steht er heute vor uns, ein Mann in der Vollkraft der Jahre, trotz mancher
humoristischen Klage über die böse Zeit, die auch ihm mitleidlos über das
Haupt gefahren ist, eine aufrechte, straffe Gestalt mit energischem und
klugem Kopfe, der sich nicht unnötig mit allerhand überflüssigen Dingen
quält, aber künstlerische Fragen eingehend erwägt, sich dem Schönen und
Großen freudig öffnet, philosophischem Denken sieb gerne hingibt und
Erholung von schwerer geistiger Arbeit mit Vorliebe bei den erlösenden
Geistern liefen Humores sucht. So steht zu hoffen, daß Mendelssohn noch
eine lange Lebens- und Arbeltszeit beschieden ist.
Vor Jahren bat ich ihn einmal, mir einige biographische Notizen übti
sich zu geben. Sie sind in RIemanns Lexikon übergegangen. Die Art,
in der er die Aufgabe erledigte, ist für Mendelssohns Charakterbild bc^
zeicbnend : von Beimengung journalistischer Schönheitspflästerchen fond
sieb keine blasse Spur; kein Weihrauch, kein Selbstlob. Er selbst wertet
zwar, und mit Recht, seine Schöpfungen hoch ein und kokettiert nicht mit
läppiscber Bescheidenheit; aber er hat alles Äußerliche allezeit mit ehrlichem
Sinne gehaßt und ist dem widerwärtigen Brimborium, das sich so oft ver*
derbllch wie ein Polyp um die Künstler zu schlingen droht, aus dem Vegi
gegangen, wo immer er nur konnte. Wenn er heute da und dort mH
Sängern erscheint, um die von diesen vorgetragenen Lieder zu begleiten;
ko tut er das slcberlicb nicht, um Ehren auf sein Haupt zu sammeln und
Sieb anstaunen zu lassen; er kennt seine Schöpfungen selbst am bestefl
und will sie so vorgeführt wissen, wie er sie empfunden faat.^ ■ ■ ■ . ■ i''-
m
20ü
DIE MUSIK VII. 22.
Diese Ehrlichkeil gegen sich, seine Kunst und andere, die nie in den
Wahrheitsfanatismus ausartet, dem Hugo Wolf zuweilen erlag, scheint mir
Mendelssohns hervortretendster Charakterzug zu sein. Das ist ein großes
Lob, doch sicherlich kein ungerechtes. Gleichwohl liegt darin auch eine
gewisse Schwäche seines Wesens angedeutet: Mendelssohn geht von dem
einmal als recht erkannten Standpunkte nicht oder nur äußerst schwer ab.
Auch da, wo es sich um eigene Werke, die ihm nicht vollwertig erscheinen,
handelt. Ein klassisches Beispiel daffir ist eine Klaviersonate, die er allen
Bitten zum Trotz in strenger Haft hält. Er ist allem problematischen und
dem, was er dafür hält, abhold. Resultate wissenschaftlicher Forschung
z. B., die die Aufführung Bachscher oder HIndelscher Werke betreffen,
selbst zu verwenden, lehnt er ab. Das ist gewiß — die betreffenden
Fragen sind ja für den Historiker erledigt — ein Fehler; aber man darf
gerade Mendelssohn daraus keinen Strick drehen wollen. Er ist einer
der gründlichsten Kenner des großen Thomaner-Kantors und hat, lange
bevor Albert Schweitzer ausführlich auf den Dichtermusiker Bach hin-
gewiesen hat, mit anderen an der Verbreitung dieser Aufhssung von des
Altmeisters Kunst gewirkt. Auch diese Dinge zu bemerken ist für den,
der Mendelssohn näher treten will, durchaus nicht unwichtig.
Das Leben
Mendelssohn wurde am 26. Dezember 1855 zu Ratibor a. O. geboren,
einer kleinen Stadt, die früher der Hauptort des gleichnamigen Fürsten-
tumes war. Sein Vater, der Maschinenmeister Wilhelm Mendelssohn, war
musikalisch begabt; die Mutter, Luise, entstammte der Familie Caner, aus
der Arnold sich die eigene Lebensgefährtin nehmen sollte. Der Knabe
erhielt von einem Volksschullehrer Tschech den ersten Musikunterricht
Nachdem er das Gymnasium seiner Vaterstadt bis zum 10. Lebensjahre
besucht hatte, siedelte die Familie nach Berlin über, wo Mendelssohn bis
zu seinem 16. Jahre blieb.
Kurze Zeit nachdem er in Berlin angelangt war, hatte er (1866) das
Unglück, den Vater zu verlieren. Von der preußischen Hauptstadt (Haupt
erteilte ihm hier Klavierunterricht) ging es nach Danzig: hier bestand
Mendelssohn 1876 das Abiturientenexamen. Der Rat der Verwandten
wollte den jungen Mann in gesicherte Bahnen lenken; nicht Musiker,
Jurist sollte er werden. So zog er (wohl nicht leichten Herzens, denn in
seinem Innern sang und klang es schon damals gar mächtig) dem Süden zu,
nach Tübingen, ein Rechtskundiger zu werden. Er ward immatrikttliert;
wie viele Kollegien er aber gehört hat, wer weiß es? Sicher ist, daB tt
weder zu Justinian noch zu irgend welcher anderen rechtswissenschafttichei
Quelle ein dauerndes Verhiltnis fand. Was in ihm an Zweifeln g^en df
m
201
NAGEL: ARNOLD MENDELSSOHN
aufgedrängte Studium entstand, was an Wünschen nach künstlerischem
Wirken damals in seiner Brust aufkeimte, das hat er wohl zumeist mit
sich selbst ausgemacht und nur in Briefen an die Mutter und den Vor-
mund niedergelegt; es ist bemerkenswert, daß Mendelssohn nur für sich
selbst musizierte und keinen Unterricht in der Kunst nahm, ja nicht ein-
mal den Rat des später aus Hugo Wolfs Leben bekannt gewordenen Musik-
direktors Kauffmann einholte. Das Sommersemester ging zu Ende^
Mendelssohn sagte dem Schwabenlande Ade. Sein Entschluß war gefaßt: er
zog nach Berlin, um Musik zu studieren. Vier Jahre lang blieb er hier als
Schüler des Institutes für Kirchenmusik und der Meisterschule der Akademie.
Es ist eine ziemlich weit verbreitete Sitte unter den Künstlern (nicht
nur unter den Musikern), das, was sie auf den Akademieen für ihr Lebens-
werk gewonnen haben, zu unterschätzen. Sie spielen damit die Freiheit
ihres künstlerischen Bewußtseins gegen den Zwang der Regel aus. Auch
Mendelssohn sagte mir einmal, er habe Schaden durch das akademische
Studium erlitten. Er meinte offenbar, durch den regelmäßigen, der Indi-
vidualität nicht angepaßten Lehrgang sei er in Bahnen, sagen wir: der
Nachahmung, gedrängt worden, in denen sein Wunsch, selbst und als Eigener
zu schaffen, sich nicht habe erfüllen können. Das ist ganz gewiß richtige
Aber es entsteht doch die Frage: war Mendelssohns Individualität damals
schon so entwickelt und gefestigt, daß er in der Tat Eigenes zu geben hatte?
und die andere: ist nicht der Beginn eines jeden, auch des größten Künstlers;
die Nachahmung des Werkes anderer? und endlich ist auch das die Frage:
was hat es Bach, was Beethoven geschadet, das sie an die Arbeit der
Vorgänger anknüpften? was Wagner, daß er mit allen seinen Äußerungen
als Künstler, als Schriftsteller, als Philosoph an seine Zeit in irgend einer
Form gebunden ist? Wer sein Leben lang nicht über das Nachmachen
hinaus kommt, der mag als billige Entschuldigung den Einfluß der Schule
vorschieben; wer aber selbst etwas geleistet hat, der sollte den Wert der
wenn auch trockenen Schulbildung nicht verkennen. Ohne die Akademie
wäre Mendelssohn kaum zu Schütz geführt worden, und ob sich ihm
Palestrina ohne Grell erschlossen hätte, ist immerhin zu bezweifeln. Daß
dieser, der pedantisch-philiströse, wenn auch musikalisch-grundgelehrte
Mann, ihm direkt nichts Befriedigendes sagen konnte, erscheint freilich
sonnenklar. Wer übrigens einen analogen Fall will, möge an des jüngeren
Richard WagnerVerhältniszum Kontrapunkt, der »Mathematik des Gefühls*,
denken, das sich in den «Meistersingern* so ganz anders wie in seiner Sturm-
nnd Drangperiode gestaltete. Taubert und Löschhorn, der Klavier-
komponist, waren andere Lehrer, von denen Mendelssohn kaum Anregungen
erfahren hat. Am meisten werden Kiel und Haupt (der Orgellehrer)
auf Mendelssohn eingewirkt haben. Mendelssohns Bacbkenntnis ist, wie
DIE MUSIK VII. 22.
wjr annehmen dürfen, durch Kiel auf eine gediegene Basis gestellt
worden.
1880 schlössen sich die Pforten der Akademie hinter ihm. Die Zeit
des Wandems begann. Fremde Länder und Völker hat er damala nicht
kennen gelernt; aber heimische Art ward ihm, der all seine Tage ein
rüstiger Wandergesell gewesen ist, doch in einem Teile seiner deutschen
Heimat, in der Rheingegend, bekannt Bonn, Bielefeld, Köln wurden die
Stätten seiner ersten Lehrtätigkeit. Von hier aus hat Mendelssohn die
Lande ringsum durchquert, das lachende Siebengebirge, das damala
noch nicht einer wüsten Bauspekulation zum Opfer gefallen war, die
ernste Eifel, das weinfrohe Nahetal. In Kreuznach knüpften sich die
Familienbeziehungen zu Cauers an und Maria Cauer ward 1885 Frau
Mendelssohn. Diese Wanderfahrten sind auch für den Musiker bedeutsam
geworden; seine Vorliebe für urwüchsige Volkskunst hat auf ihnen sicher-
lich eine gewisse Nahrung empfangen. Auch der Volkssprache ist Mendels-
sohn gerne nachgegangen. Seine eigene Rede ist gänzlich dialektfrei; wer
ihn aber einmal »bönnsch-kölsch* hat reden hören, weiß, mit welch innerster
Freudigkeit und welch sicherem Gefühl für das Charakteristische des
Pialektes das geschieht.
In Bonn, wo der Künstler von 1880 — 83 als Organist und Universitit»-
musiklehrer wirkte, unterhielt er einen anregenden Verkehr mit dem Cellisten
Rendsburg, dem ausgezeichneten Violinspieler O. v. Königslöw(|* 189Q)
und. dem Historiker J. v. Wasielewski <f 1896); doch war wohl der
Umgang mit einer Reihe von Professoren der Universität wie mit Lipps
und dem Historiker K. G. Lamp recht für seine innere Entwickelang bedent*
samer. Auch mit Köln unterhielt er Beziehungen; Ferdinand Hiller
war ihm wohlgesinnt und veröffentlichte eine anerkennende Besprechung d«r
«Abendkantate" in der Kölnischen Zeitung. Dieser Hinweis des am Rheine
damals noch fast allgemein maßgebenden Mannes auf den jungen Knust-
genossen mag diesem wohl einigen Nutzen gebracht haben, eine gesicherte
Stellung trug er ihm nicht ein.
Die nächste Station auf seiner Lebensbahn war Bielefeld, wo Mendels-
sohn als Dirigent des Musikvereines und des Männerchores «Arion* sowie
als Organist tätig war. Von Wichtigkeit waren diese beiden Jahre deshalb,
weil sie den Künstler in die engste Berührung mit der Orchestertechnik
brachten. 1885 siedelte der damals 30 jährige nach Köln als Lehrer des
Konservatoriums über. Er hatte Orgel- und Theorieunterricht zu erteilen.
In Köln knüpften sich sehr nahe Beziehungen zu Humperdinck an, die
die Bekanntschaft mit dessen Schwager Wette vermittelten. Seine Be^
gegnung mit Hugo Wolf hat Mendelssohn selbst in Decsey's Buch fibes
diesen Künstler beschrieben. Enge freundschaftliche Bande vereinten ilin
203
NAGEL: ARNOLD MENDELSSOHN
mit den beiden Wüllner; man weiß, daß Ludwig seine Kunst nachdrücklich
in den Dienst der des Freundes gestellt hat.
Die harte Last, unterrichten zu müssen, drückte Mendelssohn schwer,
dessen Arbeitsfähigkeit freilich eine große war. Aber 40 Stunden wöchent-
lichen Lehrens lassen zuletzt auch den Stärksten müde werden. So ist es
kein Wunder, daß er die ihm 1890 gebotene Gelegenheit, als Gymnasial*
Itthrer und Kirchenmusikmeister nach Darmstadt in eine Stellung zu kommen,
die ihm ein, wie man so sagt, sorgenfreies Leben und Muße zu eigenem
Schaffen bot, mit Freuden ergriff. Hier wirkt er nun seither, lehrt ^eine
Gymnasiasten singen, leitet den Chor der Stadtkirche, hält amtliche Orgel-
kurse und komponiert. Er ist Professor geworden, wird überall gefeiert,
ist aber der einfache Mensch geblieben, der er immer war, ein Mann von
vielseitiger Bildung und vornehmem Geschmacke, ein Komponist von Be-
deutung und ein Kritiker weniger anderer als vielmehr seiner selbst.
Allgemeine Charakteristik
Es ist nicht unwichtig, die Tonmeister zu kennen, die Mendelssohn
obenan stehen. Es sind Schütz, Bach, Beethoven, Schubert, Weber,
Richard Wagner und Hugo Wolf. Hors de concours gewissermaßen steht
Mozart: ihm galt des Künstlers innige Liebe und Verehrung schon in
früher Zeit; und das ist heute noch so. Durch Beethoven wurde Mendels^
söhn zu Haydn geführt, von dem man nicht immer sagen soltte, er sei
ein Komponist für junge Menschen. Zu Haydns Weltanschauung sich
durchzuringen ist nicht jedem gegeben; das vermag nur, wem die Natur in
froher Geberlaune den Humor zum Begleiter durchs Leben gegeben. Nur
der kann ja auch Beethoven voll werten. Zu Schumann hat Mendelssohn
nie ein rechtes Verhältnis gefunden; man kann das wohl begreifen: das
Halbdunkel in Schumanns Kunst, das Dämmernde, Verträumte ist ebensowenig
Mendelssohn zu eigen wie das Stürmisch-Leidenschaftliche, die Form in
wilder Hast zersprengende, ebensowenig auch die besondere, zuweilen
hanebüchen sich gebende Art von Schumanns manchmal etwas gequältem
Hpmore. Auch Brahms' Kunst ist Mendelssohn nie recht aufgegangen.
Ich habe früher einmal gelegentlich bemerkt, vielleicht sei Hugo Wolf an
dieser geringen Einschätzung von Brahms nicht ganz unschuldig. Psycho-
logisch ist das in der Tat nicht undenkbar, denn Mendelssohn empfingt in
Köln von Wolfs suggestiver Art eine bis heute ungeschwächt dauernde
Einwirkung. Sie zeigt sich auch in Mendelssohn dem Komponisten zuweilen.
Heute freilich doch in geringerem Grade als früher. Auch ist die Erscheinutii
niemals als Nachahmung zutage getreten, stets nur als Wirken und
Empfinden in gleicher Richtung und Stimmungssphäre.
L.
204
DIE MUSIK VII. 22.
Vor einiger Zeit widersprach mir Mendelssohn einmal recht energisch)
als ich ihn mit der Romantik in Verbindung brachte. Ihm ist wohl die
besondere Richtung des Lebens, die wir mit diesem Namen verbinden,
eine Summe von Problemen und Problematischen, die seinem klaren Sinne,
seiner gefesteten Weltanschauung fremd sein müssen. So weit g^be ich
ihm unbedingt nach. Und ich empfinde es auch als eine besondere Frende,
daß er den extremen Ausläufern der Romantik, wie sie insbesondere die
französische Spielart der ganzen Richtung erblfihen ließ, fremd gegenüber*
steht. Gleichwohl besteht zwischen unserem Kfinstler und der Romantik ein
Zusammenhang, wie denn alle Komponisten der Gegenwart von Bedeutung
aus ihr irgendwie herausgewachsen sind. Die Stoifwahi seiner Opern be-
dingt den Zusammenhang nicht oder doch nicht unbedingt; aber nach
Mendelssohn verwendet ja die vielen Ausdrucksmittel, die die Romantik,
wenn sie sie auch nicht schuf, doch in den Mittelpunkt der kompositorischen
Technik stellte, für das gesamte Gebiet seines Schaffens; er hingt an der
volkstümlichen Kunst, die in stilisierter Form zuerst durch die Romantik
nach langer Pause wieder Bedeutung für das künstlerische Wirken er>
langte. Wer die besondere Harmonik der romantischen Kunst kennt, ihr
Ziel, die Schranken tonaler Einheit mehr und mehr zu lockern und die
Dissonanz als das treibende Element aller harmonischen Verbindung voran
zu stellen, der wird weitere Verbindungsfäden zwischen ihr und Mendels-
sohn leicht selbst aufdecken können.
Daß er, ein Meister des Kontrapunktes, sich gerne auch einmal in
strenger polyphoner Arbeit ergeht, spricht nicht gegen das Gesagte; denn
auch Bachs Kunst und die seiner Vorgänger wurde ja erst wieder durch
eine indirekte Einwirkung der Romantik erschlossen.
Das romantische Ideal freilich ist nicht auch das Mendelssohns; er
will und sucht Klarheit; alles Verwaschene und Verschwommene ist ihm
ein Greuel; Probleme zu konstruieren, die um jeden Preis, auch nm den
des Wohlklanges und der Schönheit zu lösen sind, ist ihm versagt Hat
er gelegentlich experimentiert, so war das nur ein kurzes Durchgangs*
Stadium. Ihm ist seine Kunst ein Mittel, innere Erlebnisse und Voi^glUige
in Tönen widerzuspiegeln, deren Gewandung den reichsten Farbenglaas —
dies ist im wesentlichen der romantische Einschlag in seiner Kunst —
fordert, deren formale Gliederung jedoch nach den Gesetzen der Mnsik
selbst, nicht nach dem Sinne und der Weise einer anderen Kunst za ge-
schehen habe.
So besteht ein schroffer Gegensatz zwischen Mendelssohn und Richard
Strauß. Bei diesem eine raffiniert ausgebildete Sucht zu experimentieren,
ein unstillbarer Trieb, nach neuen Problemen zu bohren und mit Gewalt vom
historisch Gewordenen los zu kommen, bei Mendelssohn die Freude am
205
NAGEL: ARNOLD MENDELSSOHN
M
organischen Musikgestalten, die Ehrfurcht vor dem Werke der Vergangen-
heit, das sichere Weiterschreiten auf gegebenen Pfaden, die gefestete und
wohl begründete Anschauung, daß sich kein dauernder Fortschritt im
organischen Leben konstruieren läßt; bei Strauß ein mit glänzenden
Mitteln spielender Sinn für Äußerliches, bei Mendelssohn ein tief ins
Innere schauender Blick, ein Nachschaflfen seiner dichterischen Vorwürfe,
das dem Grunde seelischen Mitlebens dieser Vorwürfe entstammt, die
iuitoren Mittel der Musik, auch soweit sie malender Natur sind, nicht
a priori von der Hand weist, sie aber doch nur insoweit verwendet, als
sie musikalisch anwendbar sind, d. h. sich durch sich selbst erklären«
Philosophische Gedanken, metaphysische Fragen in Musik zu setzen oder
irgend welchen Gestalten der Welt- oder Kunstgeschichte zu einem frag-
würdigen Tondasein zu verhelfen, vermeidet Mendelssohn; er achtet die
Grenzlinien, die die verschiedenen Gebiete menschlicher Geistesarbeit
trennen und verwirrt sie nicht gegeneinander, wie das der romantische
Gefühlsüberschwang auf Schritt und Tritt zuwege brachte. Ich glaube,
daß hierin der Grund liegt, weshalb ihn manche der Ultramodemen nicht
recht für voll zu nehmen scheinen. Wir anderen wollen ihm das danken:
in der Beschränkung, die sich Mendelssohn auferlegt, hat er sich noch
alle Zeit als Meister bewiesen.
Das Wirken
Wer Mendelssohns tonsetzerische Arbeiten übersieht, der wird be-
merken, daß er sich nur auf einigen wenigen Gebieten betätigt hat: wir
besitzen von ihm keine Symphonieen, keine Kammermusikwerke; auch
Orgelkompositionen fehlen befremdlicher Weise. Ihn hat es, von den ersten
Versuchen selbstredend abgesehen, von jeher zur Chorkomposition ge-
zogen, und daneben ist ihm das Lied ans Herz gewachsen. Zwei seiner
Opern sind erschienen und aufgeführt, eine dritte («Der Minnehof*) steht vor
ihrer Belebung durch die Mannheimer Bühne. Auch zur Klavierkompo-
sition ist Mendelssohn nur selten gekommen. Seine «Federzeichnungen*
sind vortreffliche, kleine Skizzen, die das musikalische Charakterbild einzelner
anderer Meister in der Weise Mendelssohns zu geben suchen, ein Unter-
nehmen, das u. a. an Schumann gemahnt, der zuweilen ähnliches ver-
suchte. Auch einzelne Violinstücke (wie das vorgenannte Werk im
Dreililienverlage in Berlin erschienen) gibt es, von denen das geistreiche
»Scherzo* sich auch im Konzertsaale Anerkennung errungen hat; das
andere, .In memoriam*, ist zu intim empfunden und offenbar zu sehr an
ein besonderes Ereignis gebunden, als daß es allgemeine Beachtung hätte
206
DIE MUSIK VII. 22.
finden können; das dritte» «Melodie", zeigt eine leicht volkBtfimiiche G^
staltung der Weise und ist sehr hübsch und wirkungsvoll, ohne freilich
ein besonderer Treffer zu sein.
Die Chorwerke
Die »Abendkantate" steht zeitlich voran (Bote und Bock, fterlia
1881). Über dem meisterhaft gefugten Werke, das freilich wohl noch mancfaeii
Zug der Anempfindung besonders an J. S. Bach, auch vielleicht an Schfitt
und sogar Mendelssohn-Barthöldy verrät aber doch niemals in direkte Ab*
hängigkeit verfällt, lagert ein hoher Ernst, der sich in edelster Empfindung
und herrlich quellender Melodik äußert. Um vieles selbständiger aind dic^
beiden Chorwerke »Auferstehung* (Ries & Erler, Berlin) und »Daa
Leiden des Herrn" (Leipzig, Rieter-Biedermann). Die Dichtungen sind
altdeutsche Volkslieder: »Es gingen drei Fräulein* und «Da Kri^t, der
Herr in den Garten ging*. Ein kleines Orchester tritt hier zur Orgel
hinzu. Auf geringem Räume zeigt sich eine überraschende Menge fieinster
EinzelzQge, eine erschöpfende Kleinmaterei, die den Vorzug hat, niemals
durch aufdringliche Äußerlichkeit die naive Fassung der Worte zn zer-^
stören. Gerade hier zeigt sich Mendelssohns erstaunliche bildnerische
Kraft, mit geringen Mitteln so zu charakterisieren, daß das Erreichte, in
sich organisch geschlossen, einen unlösbaren Bund mit der dichterischen
Grundlage eingeht. Die »Auferstehui^g* erschließt sich dem Verständnisse
vielleicht nicht so unmittelbar wie das zweite Werk, da sie feiner ge-
zeichnet ist, und die besondere Stimmung nicht mit den gleich starken
Mitteln erreicht wird. Das liegt in der Natur der zugrunde gelegten WoitdL
Jedoch sind auch im «Leiden^ diese Mittel durchaus nicht im
brutal äußerlichen Sinne verwendet; sie beruhen auf eigentfimlicher Rhythmik
und der aufs sorgfältigste und feinste abgetönten harmonischen Färbang
der gegensätzlichen Abschnitte der Dichtung. Was Mendelssohn hier in
der Behandlung der Textworte, z. B. der Stelle: »Die hohen Bäume, die
bogen sich* mit der charakteristischen Figur in den Streichinstrumenten erreicht
hat, was er weiterhin mit der markigen Wucht der Komposition der Worte:
«Die Wolken schrien weh und ach — die Toten kamen all herffir", zuletzt
mit dem Gegensatze erschafft: »Sein Seel wird kommen in Himmels Saal*;
mit dem eine Fülle blendenden Lichtes auf den Zuhörer fällt: das sind
Großtaten eines Dichters. Man kann es nie genug betonen, daß es am
Ende kein Kunststuck ist, mit den hundertfachen Machtmitteln des modernen
Orchesterkolorits, mit breiten Chormassen, mit raffiniert konstruierten^
sinnlichen Klängen und mit kfinstlich aufgeputzten, ge1ieimnisv<rfl ein-
geführten Absonderlichkeiten auf die große Masse zu wirken. Derfei aber^
207
NAGEL: ARNOLD MENDELSSOHN
was Mendelssohn in diesen beiden Chorwerken geschaffen hat, gelingt nur
dem wahrhaft Begnadeten, der alles eitle Blendwerk weit vpn sich
abweist, der, was er schafft, nur aus innerem Schauen und Erleben herausi
gestaltet.
Die vierstimmigen Chorsätze auf Dichtungen des Mystikers
Angelus Silesius (Joh. Scheffler, 1624 — 77), von Rieter- Biedermann in
Leipzig verlegt, sind überaus geistvolle Arbeiten, die man alle mit dem-
selben Maße von Bewunderung vor dem Können ihres Schöpfers messen
wird. Ob mit derselben Liebe ist mir zweifelhaft. Der tiefsinnige Ge<
dankengehalt und die bilderreiche Sprache der Dichtungen haben Mendels*
söhn hier zu gewissen Kombinationen geführt, bei denen wohl der nach-
prüfende Verstand, kaum aber, oder doch nicht in gleichem Maße das mit-
schwingende Gemüt auf seine Rechnung kommt. Die Ausführung der
Sätze ist mit mancherlei Schwierigkeiten verbunden, aber gutQ Solo«
Quartette sollten sie sich nicht entgehen lassen. In demselben Verlage
erschienen »Fünf geistliche Tonsätze", eines der reifsten Werke de^
Künstlers, kontrapunktisch reich, aber ohne satztechnische Monstrositäten
und voll von Schönheit und warmer Beseelung. Mendelssohn ist's ernst
mit seinem Christenglauben, das merkt man aus jeder Zeile, die er für
Gottesdienst oder Kirche geschrieben hat: es sind keine Phrasen darin,
kein Tongeklingel, alles ist in eine gewisse Herbheit getaucht und ohne rein-
sinnlich wirkenden Klang, schlicht und einfach im Ausdrucke auch dort,
wo Mendelssohn die höchsten Kunstmittel in Anwendung bringt Das ist
eben die Besonderheit seines kirchlichen Stiles, wie sie aus seinem mensch-
lichen Wesen und Empfinden folgert: kein Prunken und Prangen, liebe-
volles Eindringen in das Wesen der Sachen, sie durchleben und aus der
sicheren Beherrschung der Materie heraus das künstlerische Bild formeUi»
Zur Vervollständigung dieser Aufzählung seien noch die Bearbeitungen von
Schützschen Werken genannt (Leipzig, Breitkopf und Härtel): die Passionen
nach Matthäus (1887) und Johannes (1890); das Weihnachtsoratorium und
drei kleine geistliche Konzerte für eine Singstimme und Orgel.
Die weltlichen Chorwerke. An ihrer Spitze steht »Der Hagestolz"
für gemischten Chor und Orchester, 1889 bei Schott & Söhne in Mainz heraus-
gegeben. Mendelssohns Humor zeigt sich in diesem überaus graziösen
und liebenswürdig-gefälligen Werke, in dem ihm auch nicht eine einzige
kleine Pointe entgeht oder naisrät, nach der einen Seite hin, die jede burleske
und derbe Färbung ausschließt. Aber den Sinn für diese andere hat er offene
bar schon frühe gehabt, wie, wenigstens in leichter Andeutung, einige der,
wenn ich nicht irre, der Bonner Zeit angehörenden, aber erst vor zwei
bis drei Jahren herausgegebenen Männerchöre (Fünf altdeutsche
Lieder. Leipzig, Forberg) beweisen. Diese nicht gering ausgeprägte Seite
208
DIE MUSIK VII. 22.
in Mendelssohns künstlerischem Charakterbilde zeigt sich auf voller Höhe
in der 1897 geschriebenen humoristischen Ballade: «Der Schneider in
der Hölle*; urwüchsig, derb und burschikos lustig zieht in witzigstem Tone
der frische Sang vom Schneider daher, der den Teufeln die Schwänze ab-
schneidet, die Naslöcher zunäht und die Falten ausbügelt. Das lat alles
so harmlos derb und bei aller grotesken Komik doch wieder so Bein and
überlegen, schalkhaft und künstlerisch, daß ich bei dem Werke immer an
Wilhelm Busch, den Unvergeßlichen, denken muß: bei beiden Meistern die
vollendete Sicherheit der Darstellung, das Ungezwungene, Oberzeug^nde, bei
aller Derbheit Harmlose, Frohmachende; ein prächtiger Kern in Inadger,
bunter Schale. Wer die große Zahl der drolligen Einzelzfige (die witzigen
Einfälle bei den jeweiligen Eintritten der führenden Melodie mit luatlgen
tonmalerischen Scherzen z. B.) aufzählen wollte, müßte das ganze Werk
zitieren.
Dem Jahre 1890 gehört die Komposition der Klopstockscben Ode
„Die Frühlingsfeier* an (Berlin, Ries & Erler), einer Hymne fOr Soli,
gemischten Chor und Orchester. Sie ist voll erhabenen Schwanges nnd
vollendeter Plastik mannigfaltigsten Ausdruckes, sorgfältigster Gruppierang
und Abgrenzung der verschiedenen Stimmungsmomente, in blühende
Orchestergewandung gekleidet nnd mustergültig, wie alle Arbeiten des
Künstlers, in sprachlicher Hinsicht bebandelt. Kleine, bei Hug in Leipzig-
Zürich veröifentlichte, gemischte Chöre tragen zu Mendelssohns
Künstlerbilde wesentlich neue Züge nicht bei, es sei denn, daß man in
ihnen das ja allerdings auch in anderen Werken zutage tretende volks-
tümliche Element in der musikalischen Diktion bemerken wolle. Dasselbe
ist im großen und ganzen von den Männerchören zu sagen, deren
einige Gelegenheitsarbeiten (im nicht Goetheschen Sinne des Wortes) sind.
Andere freilich, so der «Festgesang", zur Einweihung des Dannstidter
Goethe-Denkmals geschrieben, eine aus der sicheren Kenntnis des Geistes
des 18. Jahrhunderts geborene Schöpfung, haben dauernden Wert, obwohl
auch sie nicht zu Mendelssohns besten Werken gehören.
Neuerdings ist sein Name durch die große Chorschöpfung des «Paria*
in weite Kreise getragen worden. Wo man das inhaltsschwere Werk mucb
aufführt, es findet lebhafte Teilnahme. Wäre das ein untrügliches Zeichen
des Verstehens, so könnte es nur erfreuen. Ich glaube nicht daran; die
Mode mag mitsprechen, vielleicht auch das Exotische des Vorwurfes, seine
geheimnisvolle Fassung in Goethes herrlichen Balladen. Ob sie vor
Mendelssohn komponiert wurden, ob sie in irgendeiner Beziehung zn den
9 Paria* -Opern stehen, die im Laufe des 19. Jahrhunderts aufgeführt worden,
kann ich nicht sagen. Es ist überaus schwer, über das Werk ein knraes
und erschöpfendes Wort zu sagen, so voll staunenswerter charakteristischer
. JL.
200
NAGEL: ARNOLD MENDELSSOHN
Kraft des Ausdruckes, so voll wundersam gefügter Arbeit, so reich an
fesselnden Einzelheiten ist es. Wäre Mendelssohn je willenlos in den
Bahnen der Romantiker gegangen, so wurde er wohl hier dem Versuche
erlegen sein, uns in »indischer* Gewandung oder einem Surrogate daffir
ZQ kommen. Er hat uns einen Effekt dieser Art glücklicherweise erspart und
sich mit einer zwar allgemeineren, in diesem Falle aber tieferen Charak-
teristik der Träger der Vorgänge und dieser selbst begnügt, indem er den
einzelnen Abschnitten je eine besondere Grundfärbung, besondere Motive,
besondere thematische Arbeit und besondere Instrumentation unterlegte.
Diese allgemein menschliche Charakteristik des Paria, der schönen Frau
des hohen Bramen usw. gibt sich mit überzeugender Bestimmtheit, verzichtet
aber auf jeden realistisch greifbaren Zug und hält sich stets in den
Grenzen höchster musikalischer Schönheit. Den Grundlinien der Gesamt-
charakteristik der verschiedenen Abschnitte des Werkes, in dessen Ver-
laufe sich gewaltige Gegensätze gegeneinander türmen und die mannig-
hltigsten Stimmungen angesprochen werden, müssen sich die einzelnen
Charakterisierungsmomente unterordnen, so daß nirgendswo ein Ausein-
anderfallen der Stimmungskreise zu bemerken ist, wie das so oft in
modernen Schöpfungen geschieht, die den überlieferten formalen Aufbau
preisgeben. So ist im «Paria* denn trotz des vielen Geschehens und
seiner musikalischen Nachbildung eine wunderbare Geschlossenheit der
psychischen Entwickelung des Ganzen zu bemerken, und das, trotzdem
ja auch hier die Musik ihre besondere Form aus der Anlage der Dichtung
herleitet.
Wer einmal in späterer Zeit Mendelssohns Wirken ausführlich dar-
zustellen berufen sein wird, der wird an der »Legende*, dem zweiten
Teile des «Paria*, gut nachweisen können (andere derartige Dinge bieten z. B.
die Lieder), wie da romantische Einflüsse fortleben: in dem Bestreben, im
Beginne der Legende der Tonalität des Satzes (Des-dur) möglichst aus dem
Wege zu gehen. Die unbegleitete Violinmelodie kündet offenbar den Weg
der zum heiligen Wasser wandelnden Frau. Aber offenbar diesen nicht
allein, denn für die musikalische Darstellung eines einfachen Ganges ist
das Gebilde viel zu kompliziert. Diese Absichtlichkeit, mit der die
Tonalität umgangen wird, die großen Intervallschritte mit allerlei Ober-
raschungen deuten ohne Zweifel auf das legendäre und wunderbare Element
der Erzählung hin, auch wohl auf die im Dämmergrauen des Morgens
verschwimmende phantastische Szenerie. So hätten wir also hier unter anderem
auch die spezifisch romantische Hinwendung zum Wunderbaren; sie hat zwar
schon die Klassik für die Kunst auch der Bühne reklamiert (neben anderen
Schiller), aber erst die Romantik hat sie zu einem wesentlichen Punkte der
künstlerischen Darstellung gemacht. Eine Analyse des Werkes würde den zur
210
MUSIK
Verfügung stehendeio Raum um ein Beträchtliches fiberschreiten. Begafigeh
wir uns mit diesen kurzen Hinweisen.^)
Die Lieder
Man hat gar manchem unserer modernen Lyriker schon den Vorwarf
gemacht, sein Schaffen sei ausschließlich oder doch vorwiegend reflektieren»
der Art und entbehre der unmittelbaren Empfindung. Es ist allerdings
eine unbestreitbare Tatsache, daß im deutschen Liede, seit es den Kinder-'
schuhen, die es noch im 18. Jahrhundert trug, entwachsen ist, allmihlich
eine Verschiebung des Schwerpunktes eingetreten ist: über die Melodie als
ein in sich geschlossenes Ganzes begann nach und nach, das umkleidende»
weniger begleitende als erklärende und malende Beiwerk allmählich mehr
und mehr zu wachsen und zu wuchern; so herrschte vielfach im »Liede*
nur noch das wie zufällig in Tönen erscheinende Wort des Dichters in Ver-
bindung mit der das psychologische erklärenden und malerische Momente bfe»
tenden »Begleitung*, der konsequenter Weise diese Bezeichnung bitte genom-
men werden müssen, zum Teil auch genommen wurde. Große Meister haben
allerdings den nötigen Ausgleich gefunden; sie wußten nicht nur das Beiwerk
fesselnd und erschöpfend deutlich, d. h. also malend und erklärend (wo nötig)
zu gestalten, sie gönnten auch der »Melodie'^ ihre Rechte. Schon in der Zeit
des Überganges von der klassischen zur romantischen Periode Wir das
Lied so gestaltet, daß je nach Art des Dichterwortes die Melodik der
Singstimme entweder nach einer freien, deklamatorisch gefügten oder nach einer
geschlossenen Form überwog. Das ist bei Schubert wenigstens zuweilen der
Fall, weniger bei Schumann, noch weniger bei Brahms, bei denen das Dekla-
matorische mehr und mehr in den Hintergrund trat. Es ist die ganze Frage»
wie der Historiker weiß, ein Jahrhunderte alter Kampf, der da um das Verhältnis
von Wort und Ton geführt wurde. Bei Wolf spitzte er sich abermals zu. Aber
auch Wolfs Weisen und ihre instrumentale Umkleidung zeigen den alten Zwie-
spalt. Mendelssohn wandelt seinerseits durchaus in den gegebenen Bahnen»
Aber ihn mag öfter das Gerede von fehlender Melodie in seiden Gesingen
getroffen haben, und so ist er vielleicht, wie man wohl meinen könnte, durch
ein rein äußeres Moment dazu geführt worden, breit angelegte Melodieen im
alten Sinne zu schreiben, Melodieen freilich, denen eine in modemer Auffiassang
(modern im Sinne Schuberts und seiner Nachfolger) gestaltete Begldtung
nicht fehlt. Ich glaube indessen an eine solche Beeinflussung Mendelssohns
^) Nach Abfassung dieser Zeilen bemerkt mir Mendelssohn In einer Za-
3cbrift: «. . • habe mir bei dem Violin-Unisono vorgestellt, wie die Frau bei granendem
Morgen in die Tropenwelt hinaustritt; hober Himmel, seltsame Pflanzen, woranf der
Blick vom Schweifen ins eigene Innere zurQckkebrt*. Was hätte ein Jk tont jpriz
Neuromantiker aus solchen Vorstellungen heraus wohl geformt?!
21 f
NAGEL: ARNOLD MENDELSSOHN
«■M
flicht. Es ist eine auffallende Erscheinung, über die man nicht hinweg
kommt, daß, wenn sich auch in seinen Liedern zwei Formtypen in der
oben berührten Art gegenüber stehen^ doch die Lieder mit großzügigen,
breit strömenden Kantilenen in den letzten Jahren die Oberhand gewonnen
zu haben scheinen.
Nicht als eine Besonderheit wird man an Mendelssohns Liedern die
Sicherheit hervorheben dürfen, mit der er die Gruiidstimmung in seinem
Gesängen thematisch und koloristisch (das Wort hier nur im Sinne reicher
und voller Harmonik gebraucht) zu treffen weiß. Sie beherrscht seine
Schöpfung, ohne daß die Mittel zum Charakterisieren einzelner Momente
verbannt und ausgeschlossen würden. Auch sie hat er in größter Fülle und
Abwechselung zur Verfügung und, von nur ganz wenigen Fällen abgesehen,
in denen meines Erachtens zu vielerlei aufgewendet ist, überwuchern sie die
angeschlagene Grundstimmung nicht. Ein Beispiel jener Art: die an sich
witzige Vertonung von Gottfried Kellers fröhlichem Gedichte «Der Chapeau*^.
Hier ist so viel einzelnes, freilich immer mit Humor, charakterisiert worden,
daß nicht nur die Pointe schließlich einigen Schaden erleidet, daß vielmehr
auch der angeschlagene Grundton sich im Verlaufe des Stückes etwas
verflüchtigt: aus der Sphäre harmlosen Scherzes gerät das Ganze in einen
ziemlich breiten und von pathetischem Ernste nicht freien Ton, und die
Andeutung, die der Lyrik genügen sollte, wird der episch breiten Schil-
derung angenähert. Aber was will das im Gründe besagen? Manchen
wird derlei überdies nicht als störend erscheinen und außerdem handelt
es sich dabei nur um ganz wenige Pälle.
Ich sagte schon, daß, wenn ich die Sachlage recht übersehe, Mendels-
sohns Lied in der letzten Zeit mehr und mehr zum »Melodischen* zurück-
gekehrt ist. Das scheint mir bei einem Manne von der Stärke seines
Empfindungsvermögens und seiner inneren Schauenskraft kein Wunder zu
sein. Endlich mußte doch wieder einmal einer kommen, der die in der
Komposition unserer Zeit fast ganz gegeneinander verschobenen Grenzen
zwischen Lyrik und Epik wieder herstellte.
Die wertvollen Lieder des Tondichters hier einzeln aufzuzählen, vermag
ich nicht. Wer erkennen will, wie ihm das Höchste an melodischer Charak-
teristik, Schönheit und harmonischem Maße mühelos zufließt, der singe
z. B. No. 41 und 42 aus der dritten Folge der Lieder und Gesänge (Verlag
von Ries & Erler), oder sein Lied nach Goethes ewig herrlichem «Nacht-
gesang*, oder die Komposition von L. Du Bois Reymond's: „O Welt, du
gibst mir Schauer und Wonnen", eines Gedichtes, das einen Lieblings-
gedanken Kellers nicht ungeschickt paraph rasiert: dort ein Zusammenweben
verschiedener Elemente zu einem unendlich fein gestalteten, von tiefstem
Stimmungszauber erfüllten einheitlichen Gebilde,^ hier die wahrhaft erhabene
212
DIE MUSIK VIL 22.
Hymne einer in leuchtendem Glänze sich aubchwingenden Melodie zu
einer gleichmäßig fortgeführten akkordischen Bewegung, die nicht malt,
nur harmonisch stfitzt. Wer derlei Wundervolles schaffen kann, ist ein
Meister ersten Ranges,* dem wir zum Genuße berufenen Menschen fQr
solche Gaben Dank schuldig sind.
Diese Lieder wird man dereinst ausdeuten müssen, wenn es einmal
gilt, in eingehender Weise die Summe von Mendelssohns Künstlerart zn
ziehen und zu begründen. Innigkeit, Wahrheit und Reinheit des Em-
pfindens, Tiefe und Reichtum der Gedanken, eine große Fülle der Ge-
staltungskraft ward ihm zu Teil und — nicht die geringste der Gaben —
trotz aller Liebe zu ernsten Dingen eine echte, hohe Weltfreudigkeit, das
Wort im Sinne unseres Meisters Gottfried von Zürich genommen. Der
glänzende Beherrscher der Form und des Kontrapunktes, der jeder Stimmung
den entsprechenden Ausdruck zu geben weiß, verleugnet sich nirgendwo in
den Liedern; charakteristisch ist aber auch hier ebenso wie die Wahl der Mittel
das Maßhalten mit ihnen, ihr Unterordnen unter den höheren Zweck der orgßi*
nischen Einheitlichkeit eines Werkes. So scheidet Mendelssohn auch in seiner
Lyrik einzelne realistische Darstellungsmittel (vgL .Unkenlied*, «Tanz
unter der Linde", bei dem C. M. v. Weber in etwas vorbildlich war usw.)
nicht aus, aber sie sind nicht als Pointe anzusprechen, nicht als Endzweck,
sie sind ein Mittel des Gestaltens neben anderen. Eine Anzahl der Lieder
ist durch die Volkskunst befruchtet worden, ohne daß man dabei von stili-
sierten Volksliedern sprechen könnte. Zu diesen schönen und lieben Weisen
gehören: „Das bucklichte Männlein*, «Ein altes Liebesliedchen*,
«Gotteskind* u. a. m. Mendelssohn macht in ihnen und anderen Gesingen
auch wohl einmal von gewissen konventionellen Figuren Gebranch. Gott
sei Dank! Er ist eben nicht originalitätswütig und weiß, daß von solchen
geringfügigen Kleinigkeiten Wert oder Unwert der Dinge nicht abhingt. .
So knüpft also der Liedkomponist Mendelssohn da wieder an, wo.
das Lied der Deutschen sein Bestes, Reifetes und Schönstes fand; die durch
Berlioz-Liszt und die Neoromantik bedingte Abweichung von diesem Wege,
auf der Liszts Wort-Tongebilde liegt, das sich Lied wähnt, aber über hier
etwas dramatisch, dort etwas episch gestaltete Partieen mit kleinen lyrischen
Einschlägen nicht hinauskommt, hat Mendelssohn nie mitgemacht. Er fand
über Schubert und Hugo Wolf den sicheren Pfad. Mendelssohn ist
eben in ausgeprägter Weise Lyriker, und zwar ein Lyriker von ursprflng-
lieber Ausdruckskraft.
Die Opern
Die Opern würden eine ausführliche Darlegung rechtfertige; sie
läßt sich an dieser Stelle nicht geben. Mendelssohn veröffentlichte Mäher
:i.i
-MpB NAGEL: ARNOLD MENDELSSOHN SS
»Elsi die seltsame Magd'' und »Der Bärenhäuter". Beide Werke
sind von H. Wette gedichtet. Die äußere Geschichte der zweiten Oper
ist bekannt; sie bildet kein Ruhmesblatt für die deutsche Bühne, die alle
Veranlassung hätte, sich Mendelssohns anzunehmen. Aber es ist nun in
Deutschland einmal so: die Fürsten lieben in ihrer übergroßen Mehrzahl
das ausländische Produkt, und das Publikum insgesamt liebt trotz allen
chauvinistischen Geschwätzes und trotz Wagner den internationalen Schund.
In den beiden Opern steckt ein großer Reichtum schönster und charakter-
voller Musik; lyrische Stücke allerersten Ranges sind darin; nirgendwo wird
der Hörer mit Banalitäten, abgebrauchten oder gesuchten Effekten und
Spielereien abgefunden. Zeichnung und Kolorit sind vortreiflich. Aber
eines fehlt, wenn auch nicht durchaus: der spezifisch dramatische Nerv.
Ich spreche das als meine bescheidene Meinung aus, die Begründung einer
anderen Gelegenheit überlassend. Doch mag diese Ansicht die des Theo-
retikers sein, der die Werke nur vom Auszuge her kennt. Hat einmal
der öde Schwindel, der die Bühne der Gegenwart wieder einmal beherrscht,
abgewirtschaftet, so kommt wohl auch Mendelssohns, des Opemkompo-
nisten, Tag. Vielleicht zeigt er mir, daß ich Unrecht habe.
Sei dem, wie immer. Mendelssohn hat bewiesen, daß in ihm eine
wahrhaft schöpferische Kraft steckt. Wer sich seinen Werken hingibt,
der wird das geradsinnige tiefe Empfinden des Künstlers, seine reiche
Phantasie, sein mächtiges, niemals utopistisches Wollen und sein ge-
waltiges Können, seine geistvolle Gestaltungskraft, seinen Witz und
seinen tiefgründigen Humor bewundem lernen und den Mann selbst lieb
gewinnen. Das ist eine Prophezeiung, für die ich gerne die Verantwortung
übernehme. Und auch für eine andere noch : daß der Künstler nicht nur
für heute geschaffen hat. Der Blick der Zeit ist durch allerlei Trübsal
und Nebel im sozialen wie im künstlerischen Leben getrübt. Aber einmal
wird's ja wohl wieder hell werden. Und wenn sich die Menschen der
Ewigkeitswerte in der Kunst wieder mehr bewußt geworden sind, dann
wird, dessen bin ich gewiß, auch Mendelssohn allgemein unter denen
genannt werden, denen mancher glücklichen Stunde Hand eine Fülle reiner
und beglückender Kunst uns zu dauerndem Genüsse schenkte.
VIL 22. 15
AMil 204 VMMI
lIMg DIE MUSIK VII. 22. IMK
Vor einiger Zeit widersprach mir Mendelssohn einmal recht energisch,
als ich ihn mit der Romantik in Verbindung brachte. Ihm ist wohl die
besondere Richtung des Lebens, die wir mit diesem Namen verbinden,
eine Summe von Problemen und Problematischen, die seinem klaren Sinne,
seiner gefesteten Weltanschauung fremd sein müssen. So weit gebe ich
ihm unbedingt nach. Und ich empfinde es auch als eine besondere Frende,
daß er den extremen Ausläufern der Romantik, wie sie insbesondere die
französische Spielart der ganzen Richtung erblühen ließ. Fremd gegenüber-
steht. Gleichwohl besteht zwischen unserem Künstler und der Romantik ein
Zusammenhang, wie denn alle Komponisten der Gegenwart von Bedeutung
aus ihr irgendwie herausgewachsen sind. Die Stoffwahl seiner Opern be-
dingt den Zusammenhang nicht oder doch nicht unbedingt; aber auch
Mendelssohn verwendet ja die vielen Ausdrucksmittel, die die Romantik,
wenn sie sie auch nicht schuf, doch in den Mittelpunkt der kompositorischen
Technik stellte, für das gesamte Gebiet seines Schaffens; er hängt an der
volkstümlichen Kunst, die in stilisierter Form zuerst durch die Romantik
nach langer Pause wieder Bedeutung für das künstlerische Wirken er>
langte. Wer die besondere Harmonik der romantischen Kunst kennt, ihr
Ziel, die Schranken tonaler Einheit mehr und mehr zu lockern nnd die
Dissonanz als das treibende Element aller harmonischen Verbindung vonm
zu stellen, der wird weitere Verbindungsfäden zwischen ihr nnd Mendels-
sohn leicht selbst aufdecken können.
Daß er, ein Meister des Kontrapunktes, sich gerne auch einmal in
strenger polyphoner Arbeit ergeht, spricht nicht gegen das Gesagte; denn
auch Bachs Kunst und die seiner Vorgänger wurde ja erst wieder durch
eine indirekte Einwirkung der Romantik erschlossen.
Das romantische Ideal freilich ist nicht auch das Mendelssohns; er
will und sucht Klarheit; alles Verwaschene und Verschwommene ist ihm
ein Greuel; Probleme zu konstruieren, die um jeden Preis, auch nm den
des Wohlklanges und der Schönheit zu lösen sind, ist ihm versagt Hat
er gelegentlich experimentiert, so war das nur ein kurzes Durchgang»»
Stadium. Ihm ist seine Kunst ein Mittel, innere Erlebnisse und Voi^glUige
in Tönen widerzuspiegeln, deren Gewandung den reichsten Farbenglans —
dies ist im wesentlichen der romantische Einschlag in seiner Kunst —
fordert, deren formale Gliederung jedoch nach den Gesetzen der Mnaik
selbst, nicht nach dem Sinne und der Weise einer anderen Kunst zu ge»
schehen habe.
So besteht ein schroffer Gegensatz zwischen Mendelssohn und Richard
Strauß. Bei diesem eine raffiniert ausgebildete Sucht zu experimentieren,
ein unstillbarer Trieb, nach neuen Problemen zu bohren und mit Gewalt Tom
historisch Gewordenen los zu kommen, bei Mendelssohn die Freude am
213
NAGEL: ARNOLD MENDELSSOHN
•Elsi die seltsame Magd" und »Der Bärenhäuter". Beide Werke
sind von H. Wette gedichtet. Die äußere Geschichte der zweiten Oper
ist bekannt; sie bildet kein Ruhmesblatt für die deutsche Bfihne, die alle
Veranlassung hätte, sich Mendelssohns anzunehmen. Aber es ist nun in
Deutschland einmal so: die Fürsten lieben in ihrer übergroflen Mehrzahl
das ausländische Produkt, und das Publikum insgesamt liebt trotz allen
chauvinistischen Geschwätzes und trotz Wagner den internationalen Schund.
In den beiden Opern steckt ein großer Reichtum schönster und charakter-
voller Musik; lyrische Stücke allerersten Ranges sind darin; nirgendwo wird
der Hörer mit Banalitäten, abgebrauchten oder gesuchten Effekten und
Spielereien abgefunden. Zeichnung und Kolorit sind vortrefflich. Aber
eines fehlt, wenn auch nicht durchaus: der spezifisch dramatische Nerv.
Ich spreche das als meine bescheidene Meinung aus, die Begründung einer
anderen Gelegenheit überlassend. Doch mag diese Ansicht die des Theo-
retikers sein, der die Werke nur vom Auszuge her kennt. Hat einmal
der öde Schwindel, der die Bühne der Gegenwart wieder einmal beherrscht,
abgewirtschaftet, so kommt wohl auch Mendelssohns, des Opemkompo-
nisten, Tag. Vielleicht zeigt er mir, daß ich Unrecht habe.
Sei dem, wie immer. Mendelssohn hat bewiesen, daß in ihm eine
wahrhaft schöpferische Kraft steckt. Wer sich seinen Werken hingibt,
der wird das geradsinnige tiefe Empfinden des Künstlers, seine reiche
Phantasie, sein mächtiges, niemals utopistisches Wollen und sein ge-
waltiges Können, seine geistvolle Gestaltungskraft, seinen Witz und
seinen tiefgründigen Humor bewundern lernen und den Mann selbst lieb
gewinnen. Das ist eine Prophezeiung, für die ich gerne die Verantwortung
übernehme. Und auch für eine andere noch : daß der Künstler nicht nur
für heute geschaffen hat. Der Blick der Zeit ist durch allerlei Trübsal
und Nebel i/n sozialen wie im künstlerischen Leben getrübt. Aber einmal
wird's ja wohl wieder hell werden. Und wenn sich die Menschen der
Ewigkeitswerte in der Kunst wieder mehr bewußt geworden sind, dann
wird, dessen bin ich gewiß, auch Mendelssohn allgemein unter denen
genannt werden, denen mancher glücklichen Stunde Hand eine Fülle reiner
und beglückender Kunst uns zu dauerndem Genüsse schenkte.
VIL 22. 15
ALLERLEI
Arnold Mendelssobn-Darmstadi
MllllllllllllllllllirTTTTT
^n jeder Erkenntnis, sorern sie nicht rein rormaler Art Ist, bleibt
' ein ungelSster Reit; und die Unterscbeldangen des Denkens
sind gegenüber dem Lebendigen in Natur und Kunst unwahr,
, veil dieses stets fibergängig und komplett ist.
Mir scheint, daß in bezng auf sogenannte Tonmalerei Unterschiede
zu machen sind. Musikalische Nachahmung von speziellen Geh5rs-
eindrficken Rllt oft ins Läppische; so wenn Haydn das Rind oder den
LSwen sich musikalisch vernehmen ISQt; oder wenn Beethoven sein
Vogellerzett in der .Pastorale' anstimmt. Besser steht es schon mit der
musikalischen Nachbildung unbestimmter Geriusche, wie die vom Vasser
und Tind. Sehr reizvoll aber sind fQr mich diejenigen Tonmalereien, In
denen Gesichtseindrücke durch analoge Formen in der Musik Ihr Symbol
finden: Sonnenaufgang, die wogende Saat, ja, das Kriechen des Gevfirmt.
Wie kommt das? Ich. glaube, die Ursache der Erscheinung liegt In der
fast völligen Idealität der musikalischen Kunst. Till diese eine Verbindung
mit der realen Welt eingehen, so mufi mindestens eine Art fteräfkiois
tig äXXo yivos stattfinden, wenn die Musik der Realitit gegattet sich nicht
ausnehmen soll wie Titania in den Armen des Esels Zettel.
Originell besagt etwas anderes als kurios; docb wird oft dem bloß
Kuriosen in der Musik der hohe Ehrenname aOriginell* zuteil, E» kann
aber ein Tongebilde sehr apart und kurios, und doch ganz äufierlich kon*
zipiert und ganz äußerlich wirksam, also sehr wenig orj^nell sein. Und
umgekehrt braucht eine sehr originelle, d. h. aus ursprfingllcher Tiefe des
Innern geschSpfte, Musik iußerlich gar nichts Absonderliches zu haben.
Eigentlich sollte der Künstler nur nach Ori^nalitSt, d. b. nach Wahr-
heit und Innigkeit, streben; doch hat auch die Bemühung um das Kurios-
217
MENDELSSOHN: ALLERLEI
eine Vision, daher auch sein Produkt die Phantasie des Hörers nach der
visionären Seite hin anregt, so daß charakteristisch scharf umschriebene
Gestalten und leuchtende Farben dem innem Auge erscheinen; der bloße
Gefühlsmusiker ffihlt und hört, sieht aber nicht, oder nur unbestimmt,
daher dem Hörer keine oder nur verschwommene Bilder bei seiner Musik
erscheinen. Sehr ausgeprägte Exemplare der einen Gruppe können solche
der andern nicht leiden. Die Augenmusiker scheinen den anderen kalt,
verstandesmäßig, reflektiert; diese jenen verschwommen, matt und trübe.
Man weiß von der heftigen Abneigung Wolfs gegen Brahmssche Musik.
Dem heutigen Geschmack sagt Bachs begleitetes Rezitativ oder Arioso
mehr zu, als seine Arie. Nach » Betrachte meine Seel" oder »Am Abend,
da es kühle war" werden die Arien, die nach des Meisters Absicht durch
diese Stücke nur vorbereitet werden sollten, meist gestrichen. Wir fühlen
uns bei den Arien belästigt durch das entschiedene Vorwalten des musi-
kalischen Prinzips im formalen Sinne, nebst dadurch eintretenden und
gerechtfertigten Textwiederholungen. Haben ja doch die Ariosi Stimmung
genug, und die Sache wird dabei rascher expediert: für das eigentlich
musikalische Sichausleben der Musik nach selbsteigener innerer Kausalität
haben wir weder Zeit noch Sinn. Man schilt ein Stück, in dem die
Musik als Selbstherrscherin hervortritt, heute » formalistisch" und »kalt*.
Bach würde etwa antworten: Ist denn die jpForm* notwendig leer? Ist
die geistige Helle und Kühle, eine der schönsten Wirkungen der „Form*,
nicht ein ästhetisch vornehmerer Zustand, als der durch naturalistische
Sensationen hervorgerufene rauschartiger Erregung? Physiologische
Wirkungen durch Musik spürt auch ein Gaul, wie schon der Verfasser
des Hiob weiß (s. Hiob, c. 39, v. 25). Wollt ihr euch der Kunst gegenüber
nicht anders verhalten, als so einer? Nennt ihr das Kultur? Bildung?
Ihr gebildet? Barbaren seid ihr, und noch dazu »Mit schändlich kurzer
Srim-!
C-dur. Daß die Tonarten sich im Charakter unterscheiden, kann
bestritten werden; denn Empfindungsdiiferenzen können niemandem an-
demonstriert werden. Seine Richtigkeit hat es aber damit; das beweist
die Abneigung jedes feinhörigen Musikers gegen Transpositionen; desgleichen
die Obereinstimmung der Meister in der Verwendung der Tonarten zum
Zweck der Charakteristik. Der Grund der Erscheinung liegt meines Er-
achtens in der verschiedenen verwandtschaftlichen Beziehung der Tonarten
zur Normaltonart C-dur. G-dur hat dadurch sozusagen absoluten Ober-
218
DIE MUSIK VII. 22.
dominintcbarakter, F-dur absoluten Unterdominanlcbankter. la D^lar ist
der Oberdominantcbarakter potenziert, desgleichen in B-dnr der Untere
dominintcbarakter, u.s.r.; daber endlich, wo sich die zwei Rdben Inder
temperierten Stimmung begegnen, Ges-dur (dumpf, veich, dtmkel) und
Fls-dur (gereizt, bell, scharf) den grBfllen Gegensatz des Charakters baben;
in der Idee; trotz der Identitit der TonhShe.
Warum ist aber C-dur Normaltonart? Vielleicht ist der Grund onr
Gewohnheit. Unsere Tasteninstrumente stehen in C-dur; denn sie stellen
die dieser Leiter fremden Tasten aufler der Reihe. Auch das Streich-
quartett steht durch die tiefsten Saiten von Cello und Bratsche auf C.
Endlich sieht sogar die Notenschrift C-dur als normal an, da sie die dieser
Leiter fremden Tfine durch besondere Zeichen jt und > hervorhebt. Seit
wann besteht diese Bevorzugung von C-dur? Tas war Ihre Ursache?
Das sollen uns die Musikgelehrten erzählen.
217
MENDELSSOHN: ALLERLEI
eine Vision, daher auch sein Produkt die Phantasie des Hörers nach der
visionären Seite hin anregt, so daß charakteristisch scharf umschriebene
Gestalten und leuchtende Farben dem innem Auge erscheinen; der bloße
Gefühlsmusiker fühlt und hört, sieht aber nicht, oder nur unbestimmt,
daher dem Hörer keine oder nur verschwommene Bilder bei seiner Musik
erscheinen. Sehr ausgeprägte Exemplare der einen Gruppe können solche
der andern nicht leiden. Die Augenmusiker scheinen den anderen kalt,
verstandesmäßig, reflektiert; diese jenen verschwommen, matt und trübe.
Man weiß von der heftigen Abneigung Wolfs gegen Brahmssche Musik.
Dem heutigen Geschmack sagt Bachs begleitetes Rezitativ oder Arioso
mehr zu, als seine Arie. Nach »Betrachte meine Seel** oder »Am Abend,
da es kühle war" werden die Arien, die nach des Meisters Absicht durch
diese Stücke nur vorbereitet werden sollten, meist gestrichen. Wir fühlen
uns bei den Arien belästigt durch das entschiedene Vorwalten des musi-
kalischen Prinzips im formalen Sinne, nebst dadurch eintretenden und
gerechtfertigten Textwiederholungen. Haben ja doch die Ariosi Stimmung
genug, und die Sache wird dabei rascher expediert: für das eigentlich
musikalische Sichausleben der Musik nach selbsteigener innerer Kausalität
haben wir weder Zeit noch Sinn. Man schilt ein Stück, in dem die
Musik als Selbstherrscherin hervortritt, heute »formalistisch" und »kalt*.
Bach würde etwa antworten: Ist denn die »Form" notwendig leer? Ist
die geistige Helle und Kühle, eine der schönsten Wirkungen der »Form",
nicht ein ästhetisch vornehmerer Zustand, als der durch naturalistische
Sensationen hervorgerufene rauschartiger Erregung ? Physiologische
Wirkungen durch Musik spürt auch ein Gaul, wie schon der Verfasser
des Hieb weiß (s. Hieb, c. 39, v. 25). Wollt ihr euch der Kunst gegenüber
nicht anders verhalten, als so einer? Nennt ihr das Kultur? Bildung?
Ihr gebildet? Barbaren seid ihr, und noch dazu »Mit schändlich kurzer
Stirn"!
C-dur. Daß die Tonarten sich im Charakter unterscheiden, kann
bestritten werden; denn Empfindungsdiiferenzen können niemandem an-
demonstriert werden. Seine Richtigkeit hat es aber damit; das beweist
die Abneigung jedes feinhörigen Musikers gegen Transpositionen; desgleichen
die Übereinstimmung der Meister in der Verwendung der Tonarten zum
Zweck der Charakteristik. Der Grund der Erscheinung liegt meines Er-
achtens in der verschiedenen verwandtschaftlichen Beziehung der Tonarten
zur Normaltonart C-dur. G-dur hat dadurch sozusagen absoluten Ober-
220
DIE MUSIK VIL 22.
Es galt, Humperdincks Märchenoper »Hansel und Gretel** einzustudieren.
Die Bekanntschaft mit diesem Märchenspiele gab seinem dunklen musi-
kalischen Bildungsdrang endlich ein festes Ziel. Er war bis jetzt Auto*
didakt gewesen, er »konnte" eine Menge, wußte aber so gut wie nichts
und erkannte, wenn jemand, so könne nur der Komponist von »Hinsei
und Gretel" ihn lehren, was ihm fehle. Dieser Augenblick bedeutet also
eine entscheidende Wendung in Blechs kfinstlerischem Werden.
Als sich Blech schriftlich an Humperdinck gewendet hatte und
ihm als Probe seines erreichten Könnens die Partitur seiner Oper
»Cherubina" ubersandt hatte, erwiderte der Meister, er wisse eigentlich
nicht, was er ihn lehren könne. Denn was Blech als Opemkomponist
brauche, das könne er schon. Allein Blech erklärte, er wolle erfahren,
warum das, was er gemacht habe, richtig, warum es so und nicht anders
richtig sei, kurz er verlange eine theoretische Kontrolle seines Schaffens.
Kaum daß die Theater ferien begonnen hatten, reiste Blech im Juni 1895
zu Humperdinck nach Frankfurt am Main, und nun wurde so zu sagen
vom A-B-C der Tonkunst angefangen. Als dann Humperdinck im Sommer
nach Marienburghausen, ein stilles Bröhltaldorf, zog, traten die beiden
einander auch menschlich näher und hier wob sich das Band einer nnzer-
trennlichen Freundschaft, von hier datiert die rfihrende Pietät, mit der
Blech an seinem über alles verehrten, künstlerischen Führer und Meister
bis zum heutigen Tage hängt. Ich hatte vor geraumer Zeit Gel^enheit»
in das mit peinlicher Sorgfalt geschriebene Aufgabenbuch Leo Blechs Ein-
sicht zu nehmen und daraus den Humperdinckschen Lehrgang zu erfkhren,
und darf, ohne mich hier in Details einlassen zu müssen, behaupten, daß
die in Humperdincks Gesellschaft verbrachten Tage für Blech überaus
lehrreich waren. Er hatte begonnen, sich ein Fundament zu schaffen, so
fest wie er es im Hochfluge seiner Künstlerträume vor der Hand nur
wünschen konnte. Aber erst das zweite Lehrjahr, die Zeit vom 1. April
bis 1. September 1896, die er mit Humperdinck teils wieder in Frankfurt
am Main, teils in Poppeisdorf verlebte, sollte ihm die höchste technische
Weihe spenden. Blech war übrigens auch später durch einige Jahre
während der Sommerferien regelmäßig Gast bei seinem Freunde and
Lehrer, der ihm in theoretischen »Stunden* oder in zwanglosen Gesprlchen
über die Musik und ihre Meister den reichen Schatz seines Wissens
übermittelte. Über Richard Wagner, Liszt, Mozart, Ix>rtzing usw. empfing
Blech hier die wertvollsten Aufschlüsse. Im Herbst trat er dann stets
sein Amt als Dirigent am Stadttheater in Aachen an, wo er mittlerweile
in die Stellung eines ersten Kapellmeisters aufgerückt war.
Merkwürdig spielt oft der Zufall im Menschenleben. Bei der Ur»
aufführung der Kienzischen Oper »Don Quixote* traf Fumagalli, der anter
IBIg RYCHNOVSKY: LEO BLECH SHfc-
Blechs Taktstock kurz zuvor in Aachen gesungen hatte, mit Direktor Angelo
Neu mann vom königlichen Deutschen Landestheater in Prag zusammen und
rühmte ihm die Tüchtigkeit des jungen Dirigenten. Sofort stellte Direktor
Neumann, der als Mann des raschen Zugreifens bekannt ist, an Blech tele*
graphisch einen Antrag und lud ihn zum Probedirigieren im Rahmen der
von ihm ins Leben gerufenen Maifestspiele für »Lohengrin*, «Tristan*
und die »Meistersinger'' ein. Es ging damals in Prag lebhaft zu. Gäste
kamen und Gäste gingen. In dem Trubel achtete man des fremden Mannes
mit dem noch unberühmten Namen am Dirigentenpult nur wenig. Die
ersten Abende lobte man ihn, in den » Meistersingern" flaute die Stimmung
etwas ab, zumal in den Reihen der Sänger, deren manche sich durch
sein strenges Regiment beunruhigt fühlen mochten. Aber das Orchester
trat entschieden für ihn ein, und da die in Theaterdingen damals einfluß-
reiche jpBohemia" sich nach den Meistersingern für Blech erklärte, kam
der Vertrag zustande. Blech ward erster Kapellmeister am königlichen
Deutschen Landestheater in Prag.
Im September 1899 trat der damals 28 jährige neue Kapellmeister seine
Stellung an, in der er bis zum 1. September 1906 gewirkt hat. Wie groß
der Umfang seiner Tätigkeit an der Prager Bühne gewesen ist, erhellt
wohl am besten aus der Zahl der in der Moldaustadt von ihm einstudierten
Opern und Opernneuheiten. Ohne Vollständigkeit erzielen zu wollen,
nenne ich d'Albert's »Abreise", »Kain", »Tiefland"; Bachs »Lady Long«
ford"; Blechs »Das war ich", »Alpenkönig und Menschenfeind",
»Aschenbrödel"; Cornelius' »Cid"; Enna's »Streichholzmädel"; Glucks
»Alceste", die beiden »Iphigenien", »Maienkönigin"; Heubergers »Bar-
füßele"; Marschners »Vampyr"; Massenet's »Herodias" und »Manon";
delaNux' »Zaire*; Puccini's »Tosca"; Saint-Sa6ns' »Samson und Dalila";
Spontini's »Cortez*; Richard Strauß' »Guntram" und »Salome"; Schu-
manns »Genoveva"; Webers »Euryanthe"; Weis' »Der polnische Jude"
und »Die Dorfmusikanten"; Weingartners »Genesius"; Siegfried Wagners
»Kobold"; Urspruchs »Das Unmöglichste von allem**; Wolf-Ferrari's
»Die neugierigen Frauen"; Zichy's »Gemma".
Dazu kommt noch die lange Reihe der Repertoireopem, besonders
der Wagnerschen Werke mit alleiniger Ausnahme des Rienzi und natürlich
des Parsifal, sowie seine Tätigkeit als Leiter der von Angelo Neumann
mit dem Theaterorchester jährlich veranstalteten vier philharmonischen
Konzerte, die gerade unter ihm einen auch äußerlich enormen Aufschwung
nahmen und jetzt, nach jahrelangem kümmerlichen Vegetieren, zu den
glinzendsten Manifestationen des Prager Musiklebens geworden sind. Bei
diesen Konzerten hat Blech auch am Klavier seinen Ruf als hervor-
ragender Begleitungskünstler begründet.
m
222
DIE MUSIK VII. 22.
m
Es heißt keine übertreibende Ruhmesphrase vorbringen, sondern . eine
ganz allgemein zugestandene und von maßgebenden Beurteilem oft genug aus-
gesprochene Tatsache feststellen, wenn man Blech den vorzäglichsten Diri-
genten der Gegenwart zuzählt. Dazu stempelt ihn nicht allein seine ungemeine
Technik des Dirigierens, sondern auch die angeborene Gabe, sich mit dem
Orchester auf künstlerischem Wege augenblicklich zu verständigen. Blech
gehört zu den analytischen Dirigenten. » Deutlich bis ins einzelne* ist seine
Devise, und wenn andere ihre Stärke im riesenhaften Aufbau entwickelten,
so bewundem die Kenner Blech am meisten dort, wo der rhjrthmische
Fluß, die feine Gliederung der Melodie, die Klarlegung des vielstimmigea
Gewebes, die zarte Abtönung der Klangfarben in Frage kommen. Be-
sonders als Mozart-, Weber- oder Bizet-Dirigent findet Blech wenige
seinesgleichen. Aber auch seine Interpretation der Modernsten wie Richard
Strauß und Gustav Mahler ist in Wahrheit kongenial. Dabei besitzt er
einen überaus scharfen Blick für die Szene und versteht es, das dramatische
Moment auch in den Werken der älteren Meister zu erfassen, den innigsten
Zusammenhang zwischen der Musik und dem szenischen Vorgang deatlich
herzustellen. Zudem waltet überall sein angeborener Sinn f8r natfiriichen,
aber wohl pointierten Ausdruck, herrscht fiberall das Verständnis fDr die
Psychologik der Musik. Die durchsichtige, den individuellen Charakter
der einzelnen Singenden wahrende Disposition des Ensembles, die atem-
versetzenden Tempi seiner Plapper- und Flüsterszenen, die sprfihende
Lebendigkeit, der gleitende muntere Konversationston seiner Lastspiel-
dialoge werden allerorts als eine Spezialität betrachtet werden mfissen.
Kein Wunder, daß unter solchen Umständen gerade die Meistersinger das-
jenige unter den Wagnerschen Werken sind, das er am meisten liebt und
am besten dirigiert.
Auf den Höhepunkt seiner künstlerischen Leistungen angelangt, er-
hielt Blech die Berufung an die königliche Oper nach Berlin, also an eine
Stelle, die seinen künstlerischen Fähigkeiten am angemessensten ist
Welchen Platz er sich in der kurzen Zeit seiner Wirksamkeit in Spree-
Athen bereits widerspruchslos erobert hat und welchen Einfluß er achliefi-
lich auf die Berliner musikalischen Verhältnisse kraft seiner ausgesprochenen
Künstlerindividualität nehmen wird, das jetzt schon zu erörtern, wäre ver^
früht. Wir dürfen aber überzeugt sein, daß, wo künstlerische Krifke sich
regen, Leo Blech auch in Berlin immer im Vordergrund zu flnden sein wird.
223
RYCHNOVSKY: LEO BLECH
IL
Kleinere Kompositionen
In die erste Kapellmeisterzeit Leo Blechs gehören mehrere deutsch
und französisch erschienene Lieder, die alle, wenn darin auch das Ringen
mit der Form nicht zu verkennen ist, in der Disposition dem Texte genau
angepaßt sind und — ein Grundsatz, dem Blech nie untreu geworden ist —
eine korrekte Behandlung der Sprache erkennen lassen. Die späteren
Lieder Blechs kann man ohne Zwang in zwei Gruppen scheiden. Daß
Blech Goethe und Heine, Engels, Blüthgen und Busse vertont, verrät
seinen innersten Sinn ebenso, wie zugunsten seiner Persönlichkeit der
Umstand spricht, daß er selbst dort, wo er von anderen schon vertonte
Gedichte nochmals in Musik setzt, in Ehren bestehen kann, und das aus
dem einfachen Grunde, weil er seine eigene Sprache spricht. Es wfirde
zu weit ffihren, auf diese Lieder, die im Verlage von Heinrichshofen in
Magdeburg und Naus in Aachen erschienen sind, näher einzugehen. Es
genügt der Hinweis, daß sich Blech in allen diesen Gesängen bereits als
der moderne Musiker offenbart, dessen Eigenart die Differenzierung der
Stimmung ist und der die im Texte gelegene psychologische Grundlage
durch die Musik ausbeutet.
Ganz anders sind die auf den gemütlichen, man wäre versucht zu
sagen, Humperdinckschen Ton gestimmten Lieder. Hier wird immer in
einfachen Linien gezeichnet. »Großmütterchen erzählt den Kindern''
(Verlag Schott) oder »Das Zeislein'' (Verlag Naus) bildet durch seinen
traulich - warmen, liebenswürdigen Ton einen wertvollen Bestandteil des
Hausmusikschatzes. Hierher gehört auch das am meisen bekannte «'s schlaf-
rige Deandl*", das Blech einmal auf einer Reise von Köln in den »Fliegenden
Blättern* gelesen und noch im Eisenbahncoup6 vom Fleck weg kompo-
niert hat.
Von seinen Kompositionen aus letzter Zeit sei das bei Bote & Bock
verlegte opus 16 genannt, das das liebenswürdige »Wiegenlied für meinen
Jungen", die zart-innige »Liebesprobe'' und die weihevollste Abendstimmung
atmende »Sommerlaube" enthält. Ein Musterbeispiel für die außerordent-
lichen Wirkungen, die Blech mit ganz einfachen technischen Mitteln erzielt,
ist das in Nr. 20 der Berliner Wochenschrift »Morgen* erschienene
»Ghasel*. Und welches sind diese Mittel? Quintenparallelen innerhalb
zweitaktiger Perioden. Sein letztes zu den Kompositionen kleineren Um-
fangs gehöriges Werk ist »Der galante Abb6", elf Chansons und Lieder, ge-
dichtet von Emmy Destinn, der schöngeistigen Berliner Hofopemsängerin.
Der Verlag Bote & Bock hat diese Chansons als Blechs opus 17 auf den
Markt gebracht. Die Dichterin erzählt uns den Herzensroman einer stark
SBB DIE MUSIK VII. 22. 8S
erotisch angehauchten Dame, die kein heißeres Sehnen kennt als die »weiße
schmale" Hand ihres galanten Abb6s zu küssen. Des Abb6s, der kokett
vor dem Spiegel Toilette macht und sein Ebenbild im Spiegel bewundernd
küßt. Blech zeigt sich dieser Dichtung gegenüber von einer neuen Seite.
Seine Musik bezaubert durch aparte Rhythmik und geradezu französischen
Esprit. Jedes einzelne Lied ist in der Form so fein ziseliert, daß man
unwillkürlich nn Meisterstücke alter Goldschmiedekunst erinnert wird.
Von den bei Naus erschienenen Chören wird in den Rheinlanden
der dreistimmige Frauenchor mit Orchesterbegleitung «Von den Englein*
oft gesungen. Bei aller Volkstümlichkeit und Liebenswürdigkeit ein
schwieriger Chor, der eine ausgezeichnete Beherrschung der Parlando*
technik verlangt. An Schwierigkeit gibt diesem Werke die stimmung»-
reiche »Sommernacht** für gemischten Chor und Orchesterbegleitung nicht
viel nach. Blech verwendet in beiden Chören mit Vorliebe die enhar-
monischen Verwechslungen im Gesangsteile und erzielt damit ganz über-
raschende Klangwirkungen.
Eine Reihe kleinerer Kompositionen verschiedenster Art wie Ge*
sangsquartette, Liederbearbeitungen, Stücke für Cello und
Klavier, Instrumentationen berühmter Klavierstücke und vier-
händige Klavierkompositionen sind im Süddeutschen Musikverlag
in Straßburg erschienen. Besonders auf die «Zehn Kleinigkeiten*
(op. 11) möchte ich nachdrücklich hinweisen, einesteils wegen der
quellenden Erfindung, die ihnen eignet, anderesteils wegen der prichtigen
Detailarbeit, die den musikalischen Feinschmecker in jedem Takte
interessieren muß. Es sind allerliebste Nippes, die ohne Zweifel
eine Bereicherung der Originalliteratur für Klavier zu vier HInden
bedeuten. Man unterschätze diese »Kleinigkeiten* nicht. Mag die Form
auch dem Komponisten nach mehr als einer Seite hin Beschränkung auf-
erlegen, jedenfalls sind alle diese Stückchen so einheitlich geschlossen,
daß sie das Dichterwort bestätigen, daß sich erst in der Beschränkung
der Meister zeigt.
in.
Die symphonischen Dichtungen
Von Otto Julius Bierbaums gleichnamigem Gedichte angeregt, schrieb
Blech seine erste symphonische Dichtung »Die Nonne*. Der Partitnr
schickte der Komponist die nicht unbegründete Bemerkung voraus, daß er
den Abdruck des Gedichtes auf dem Konzertprogramm nicht wünsche; er
habe die Beobachtung gemacht, daß der größte Teil des Publikums sich
um jeden möglichen Genuß bringe, indem er fortwährend im Pragramm
225
RYCHNOVSKY: LEO BLECH
MM
mitlese, jede Zeile verfolge und sich erklären wolle und so mit dem
Verstand aufzunehmen suche, was sich doch zunächst nur an die
musikalische Phantasie richte. Man sollte, meint Blech, den Zuhörer
gewissermaßen zum Genüsse zwingen, indem man ihm die Möglichkeit
nehme, sich den Genuß zu verderben. Er empfiehlt schließlich vor Be-
ginn des Orchesterwerkes das Gedicht deklamieren zu lassen. Dadurch
würde vielmehr Vorstimmung geschaffen als durch den Abdruck des Ge-
dichtes. Also schon hier der Ansatz zur bewußten Abkehr vom detaillierten
Programm, seither das allgemeine Losungswort der modernen Programm-
musiker.
Die Musik zur »Nonne*^ schildert das Schwanken einer nach Freiheit
und Liebesgenuß verlangenden Nonne zwischen erotischer Leidenschaft und
Resignation. Unter den Motiven, in deren Kombination und Umbildung
sich strenge Arbeit und reiche Phantasie betätigen, sei gleich das erste
vom Kontrabaß leise intonierte Motiv hervorgehoben, das den unruhigen,
schweren Schlaf der armen Sünderin überaus anschaulich schildert:
Cb.
VP
[3^itrr J H^ J^ I J J j g
3=^
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dann der schlichte, volkstümlich ernste Choral, der in pompöser Steigerung
den mächtigen, wirkungsvollen Gipfel des Ganzen bildet:
Seine ersten Theaterferien als Prager Kapellmeister verlebte Blech
in Aachen. Dort entstanden in zwei aufeinander folgenden Jahren die sym-
phonischen Dichtungen »Trost in der Natur* und «Die Wald Wanderung*.
Beide Werke sind also nicht willkürliche Schöpfungen seiner Phantasie,
sondern wurzeln in echten Sommererlebnissen, die der Künstler eben
nicht anders als in seiner eigenen Sprache, das heißt musikalisch wieder-
geben konnte; sie zeigen Blechs kompositorisches Schaffen in zunehmender
Reife. Das als Barkarole bezeichnete symphonische Werk »Trost in der
Natur* ist bei Brockhaus in Leipzig erschienen. Man kann diesem Werk
vorwerfen, daß sein Titel den Inhalt nicht bestimmt genug kennzeichnet,
wird aber zugestehen müssen, daß es nicht leicht ist, einen anderen viel-
226
DIE MUSIK VII. 22.
leicht passenderen zu finden. Der Held des Ganzen verscheacht die
Widerwärtigkeiten, die ihm im Leben passieren, durch die Flucht in die
Natur. Da ertönt schon das Hauptthema der Barkarole, die uns andeutet,
daß Vergessen und Erholung auf dem Wasser liegen; nichts vertreibt
Ärger und Grillen besser als eine Kahnfahrt auf dem FluB:
W^^ ^- :^ j\ ^JT^ i. ij :^ :S ^^'^ iL^h.^
usw.
Die Melodie der Barkarole wird zur Trostweise, die in ungezählten Nach-
ahmungen und kanonischen Führungen an unser Ohr dringt Da auf
einmal ändert sich die Szene. Vierfach geteilte Celli lassen ein zartes
Gesangsthema in A-dur erklingen:
IS
PP
^üSB
Es ist, als ob von Feme eine selige Insel winkte. Wie neubelebter
Ruderschlag setzt das Barkarolenthema wieder ein und eine bewundemngs-
wfirdige Verknüpfung der Themen gibt uns die Gewißheit, daß der an*
fangs so übel gelaunte Stadtmensch bei jenem Eilande wirklich seinen
Trost in der Natur gefunden hat.
Die »Waldwanderung** hat Schott in Mainz verlegt Sie wurde am
20. November 1901 in Prag zum erstenmal gespielt. Anläßlich ihrer
Aufführung auf der Tonkünstlerversammlung zu Krefeld brachte die
„Musik'' eine Analyse dieses Werkes, so daß es mit Rücksicht auf den mir
zur Verfügung stehenden Raum nicht unumgänglich notwendig ist, an der-
selben Stelle nochmals über dieses Werk ausführlich zu schreiben. Eine
wie große Bedeutung man allen diesen, zum Teil größeren, zum Teil
kleineren Arbeiten Leo Blechs zuschreiben mag, man wird, wenn man
sein Gesamtschaffen überblickt, doch zugestehen, daß es nur Nebenwerke
sind und daß Blechs hervorragendste Bedeutung auf einem anderen G^
biete liegt, auf dem Gebiet des musikalischen Dramas.
IV.
ie Opern
Während seiner Berliner Lehrzeit machte Blech die Bekanntschaft
mit dem Verleger Leo Naus in Aachen, der sich für den jungen, talen-
tierten Musiker zu interessieren begann und ihn aufmunterte, eine Oper
zu schreiben. Zugleich verschaffte er ihm in D. Kunhardt einen Librettiaten.
227
RYCHNOVSKY: LEO BLECH
Die erste Frucht dieses Bündnisses hieß »Agiaia*, eine Oper, deren Hand-
lung in Griechenland unter dem Räuberstamme der Klepbten spielt und
die in musikalischer Hinsicht ein Gemisch von Wagner und Mascagni
darstellt. In drei Wochen lag das Werk schon in der Partitur fertig vor
und es ist Tatsache, daß diese Partitur zugleich auch die erste war die
Blech, der das Skizzieren noch nicht verstand, gesehen hatte. Im Frfihling
1894 komponierte er seine zweite Oper, »Cherubina^ deren Text gjeich«
falls von Kunhardt stammt. Der Stoff ist dem florentinischen Malerleben
der Renaissance entnommen. Die Musik weist gegenüber der Agjaia in
bezug auf Stimmführung, Harmonie und Instrumentation beträchtliche
technische Fortschritte auf und wurde noch im Winter des nächsten Jahres
in Aachen gegeben. Blech indessen blickt auf beide Opern wie auf Jugend-
sünden zurück und hat bisher alle Gelegenheiten zur Wiederaufführung
entschieden von der Hand gewiesen. Seine Bedeutung als dramatischer
Komponist, denn hauptsächlich als solcher ist er uns allen gewärtig, datiert
also erst von der Uraufführung seines musikalischen Einakters »Das war
ich*, die am 6. September 1902 am Hoftheater in Dresden stattfand.
Ober dieses reizende Werkchen habe ich für die Schlesingersche Opern«
führersammlung einen »Führer* geschrieben (No. 106), der über den Stoff
und seine Geschichte sowie über die Musik zu orientieren versucht. Auf
diese kleine Arbeit möchte ich mich an dieser Stelle berufen, um Raum
für das nächste Opemwerk zu gewinnen.
Fast genau ein Jahr später erlebte Blechs nächste Oper als abend-
füllendes Werk an derselben Stätte wie «Das war ich* und wiederum unter dem
befeuernden Taktstock Schuchs ihre Uraufführung. Es war der nach Raimunds
gleichnamigem Stücke von Richard Batka gedichtete »Alpenkönig und
Menschenfeind* (Verlag Bote & Bock in Berlin). Grillparzers Bemerkung
über Raimunds »Alpenkönig* (ein psychologisch wahreres, an Entwick-
lung reicheres Thema habe noch kein Lustspieldichter gewählt. Der Gedanke,
einen Menschenfeind dadurch zu heilen, daß er sein eigenes Benehmen sich
selbst vor seine eigenen Augen gebracht sieht, sei eines Moliöre würdig)
hat Blech endgültig dazu bestimmt, sich dieses Stoffes zum Zwecke seiner
musik-dramatischen Gestaltung zu bemächtigen. Der starke und nach-
haltige Erfolg, den das Werk bald darauf erzielen sollte, ließ Blech gegen-
über allen Zweiflern Recht behalten. Batka hat die ganze Handlung ver-
einfacht, den naiven Geisterapparat Raimunds auf das Notwendigste be-
schränkt und einzig in der Gestalt des Alpenkönigs konzentriert. Aus
der im Original beinahe komischen Figur des Rappelkopfes ist ein
tragischer, in unserem Zeitalter der kranken Nerven sogar aktueller Held
geworden, der wohl in komische Situationen gerät, selbst aber nie komisch
wirkt. Im »Alpenkönig* nun sucht Blech durch geschlossene Nummern
wieder Wirkungen zu erzielen, die infolge eines Verkennens der musik*
dramatischen Bedeutung solcher Nummern durch die Neueren der deutschen
Musik beinahe verloren gegangen sind. Solche geschlossene Nummern
sind das Duett der beiden Mädchen »Soviel Blumen blfihn an der Wiese
Saum*:
-rH iTff
S
^
^^
*
t
n.\i u
So viel Blu-men blQhn an der Wie- se Saum
das Auftrittscouplet Habakuks, der bei allen Schikanen, die er durch seinen
Herrn erleiden muß, sich immer gern an die in Paris verlebten Dienst-
jahre erinnert und seinen aufsteigenden Grimm mit dem drolligen Kehr-
reim beschwichtigt:
»Mein einziger Trost ist dies,
Zwei Jahre war ich Diener in Paris.*
Zu den geschlossenen Nummern gehört aber auch der prichtige, wie aus
dem Leben gegriffene Zwiegesang zwischen dem lebenslustigen Tischler
Veit und seiner ebenso lebenslustigen Tochter Susel: «Morgen ist
St. Kilian«:
Mor-gen ist Sankt Ki - li • an, brauch' i nichts zu schsf-fen
^-^
Nach der Szene zwischen Rappelkopf und der Tischlerfamilie — Rappel-
köpf hat den Tischlersleuten ihre Hütte abgekauft, um fem vom hinter-
hältigen Getriebe der Menschen in Gottes freier Natur zu atmen — eiiiebt
sich der von Beethovenscher Weihe getragene Gesang Rappelkopfis »Sei
mir gegrüßt, Stille der Einsamkeit":
S
t
tr g s 1 1^' M
Sei mir ge- grüßt! Stil • le der Ein-sam-keit!
usw.
s
227
RYCHNOVSKY: LEO BLECH
Die erste Frucht dieses Bündnisses hieß »Aglaia*, eine Oper, deren Hand-
lung in Griechenland unter dem Räuberstamme der Klephten spielt und
die in musikalischer Hinsicht ein Gemisch von Wagner und Mascagni
darstellt. In drei Wochen lag das Werk schon in der Partitur fertig vor,
und es ist Tatsache, daß diese Partitur zugleich auch die erste war, die
Blech, der das Skizzieren noch nicht verstand, gesehen hatte. Im Frühling
1894 komponierte er seine zweite Oper, »Cherubina*, deren Text gleich-
falls von Kunhardt stammt. Der Stoff ist dem florentinischen Malerleben
der Renaissance entnommen. Die Musik weist gegenüber der Aglaia in
bezug auf Stimmführung, Harmonie und Instrumentation beträchtliche
technische Fortschritte auf und wurde noch im Winter des nächsten Jahres
in Aachen gegeben. Blech indessen blickt auf beide Opern wie auf Jugend-
sünden zurück und hat bisher alle Gelegenheiten zur Wiederaufführung
entschieden von der Hand gewiesen. Seine Bedeutung als dramatischer
Komponist, denn hauptsächlich als solcher ist er uns allen gewärtig, datiert
also erst von der Uraufführung seines musikalischen Einakters »Das war
ich*, die am 6. September 1902 am Hoftheater in Dresden stattfand.
Über dieses reizende Werkchen habe ich für die Schlesingersche Opem-
führersammlung einen «Führer* geschrieben (No. 106), der über den Stoff
und seine Geschichte sowie über die Musik zu orientieren versucht. Auf
diese kleine Arbeit möchte ich mich an dieser Stelle berufen, um Raum
für das nächste Opemwerk zu gewinnen.
Fast genau ein Jahr später erlebte Blechs nächste Oper als abend-
füllendes Werk an derselben Stätte wie «Das war ich* und wiederum unter dem
befeuernden Taktstock Schuchs ihre Uraufführung. Es war der nach Raimunds
gleichnamigem Stücke von Richard Batka gedichtete «Alpenkönig und
Menschenfeind* (Verlag Bote & Bock in Berlin). Grillparzers Bemerkung
über Raimunds «Alpenkönig* (ein psychologisch wahreres, an Entwick-
lung reicheres Thema habe noch kein Lustspieldichter gewählt. Der Gedanke,
einen Menschenfeind dadurch zu heilen, daß er sein eigenes Benehmen sich
selbst vor seine eigenen Augen gebracht sieht, sei eines Moliöre würdig)
hat Blech endgültig dazu bestimmt, sich dieses Stoffes zum Zwecke seiner
mttsik-dramatischen Gestaltung zu bemächtigen. Der starke und nach-
haltige Erfolg, den das Werk bald darauf erzielen sollte, ließ Blech gegen-
über allen Zweiflern Recht behalten. Batka hat die ganze Handlung ver-
einfacht, den naiven Geisterapparat Raimunds auf das Notwendigste be-
schränkt und einzig in der Gestalt des Alpenkönigs konzentriert. Aus
der im Original beinahe komischen Figur des Rappelkopfes ist ein
tragischer, in unserem Zeitalter der kranken Nerven sogar aktueller Held
geworden, der wohl in komische Situationen gerät, selbst aber nie komisch
wirkt. Im «Alpenkönig* nun sucht Blech durch geschlossene Nummern
230
DIE MUSIK VII. 22.
Blick für die Erfordernisse der Dramatik zeigt Blech auch im dritten Akt,
wo das Musikalische gewissermaßen in den Hintergrund tritt, weil die
Szene als solche zu wirken hat. Blechs Deklamation ist fiberall korrekt,
den Gesetzen der deutschen Sprache aufs engste angepaßt; freilich wirkt
das Strebt! nach absoluter Deutlichkeit des Ausdrucks manchmal zu
absichtlich und scheint der Plastik des Hauptgedankens zu schaden. Die
vollständige restlose Harmonie zwischen Absicht und Eindruck erblfiht
aus Blechs Instrumentation, denn Blech kennt den Farbenreichtum des
modernen Orchesters ausgezeichnet und weiß ihm durch geistvolle, aber
durchaus nicht erklügelte Mischungen neue interessante Klangwirkungen
abzugewinnen.
Auch für Blechs dritte Oper »Aschenbrödel^ydieam Weihnachtstage
1905 im königlichen Deutschen Landestheater in Prag ihre UraufrBhruiig er-
lebte, hat Batka den Text geschrieben. Dem alten Märchen vom Aschen-
brödel, das von Herzen gerne zum Balle des Königssohnes gegimgen wäre and
nicht durfte, ist Batka von der psychologischen Seite beigekommen, indem
er versuchte, jaus der passiven Märchenfigur eine Heldin zu machen, die
dadurch eine Schuld auf sich lädt, daß sie sich nach dem Fette des
Prinzen grenzenlos sehnt und in ihrer alle Schranken fibersteigenden
Ekstase dem Himmel das Wunder abringt, die dann die Kraft findet, renig
zu entsagen, schließlich aber doch ihren Lohn findet. Nicht nnerwihnt
soll die lustige Schusterfamilie bleiben, die Batka aus eigenem hinzu*
gedichtet hat, und die wichtig in den Gang der Ereignisse eingreift
Gegenüber den früheren Opern Blechs bedeutet »Aschenbrödel* einen
auffallenden Fortschritt. Von der Polyphonie, die seine früheren Bühnen-
werke kennzeichnet, wendet er sich nun insofern bewußt ab, als er in
seiner Vielstimmigkeit klarer, in seinem Formensinn plastischer and in
seiner Farbengebung milder wird. Darf man vom »Alpenkönig* noch sagen»
daß er, wie es im Stoff begründet sein mag, manche «wüste* Stelle ent-
hält, so zeichnet sich »Aschenbrödel'' durchaus durch eine wundervolle
Mischung der Klangfarben und durch die Feinheit der koloristischen
Obergänge aus.
Auch hier verlohnt es sich, zum mindesten bei den masikalitchen
Höhepunkten einen Augenblick zu verweilen. Gleich die erste Szene,
Aschenbrödels Auftrittslied »Es steht ein Schloß in Österreich*:
Es steht ein Schloß in ö-stcp reich, gar herr*lich anosu- schan-en
fesselt durch die einfache Diatonik und die herzliche Melodie, die an die
besten unserer deutschen Volkslieder gemahnt, ohne aber selbst ein Volks*
mpjy _
231
RYCHNOVSKY: LEO BLECH
M
lied zu sein. Blüten schlichter Volkstümlichkeit sind auch Aschenbrödels
Klage »Seit mir starb mein Mütterlein'' und ihre Erzählung »Es steht ein
grüner Haselbaum'', mit der ungemein weichen und gefühlvollen Antwort
Meister Kunzes »Deine Mutter war gut und milde*. Die zweite Szene
interessiert nicht nur durch den melodischen Einfall, wie er im Walzer-
thema verkörpert ist:
Gn-ten Mor - - gen mein KSt - - chen
sondern auch technisch durch die Art, wie sich über diesem einen Thema
die ganze Szene entwickelt. Das Duett der beiden Stiefschwestern gehört
zu den glänzendsten Emanationen des Blechschen Humors, und die
Drastik dieser wütenden Furien verfehlt niemals ihre Wirkung. Aus den
immer tolleren Ausbrüchen der zänkischen Schwestern, die einander schon
vor dem Balle den Königssohn als Freier streitig machen, tritt schließlich
wieder das ursprüngliche Thema heraus.
Die pathetische Note schlägt Blech in der Szene an, wo Aschenbrödel
in ihrem leidenschaftlichen Begehren nach dem Feste das Wunder vom
Himmel förmlich herabzwingt. Der Monolog als ekstatischer Schrei nach
der Hilfe der verklärten Mutter ist ergreifend und packt unwillkürlich:
t
S
Mut-ter, Mut - ter,
l; p^. J
sieh mei-nen Schmerz
Der stimmungsvolle Schluß des ersten Aktes mit dem Wunder schließt
sich würdig dem vorhin erwähnten stimmungsvollen Schluß des zweiten
Aktes im »Alpenkönig' an. Von ergreifender Wirkung ist auch die große
Liebesszene zwischen dem Prinzen und Aschenbrödel im zweiten Akt, wo
16*
232
DIE MUSIK VII. 22.
Blech für das in seinen beseligenden Gefahlen schwelgende Liebespaar
die heißesten Töne schwlrmerischer Lyrik findet:
^
^S
^ J P P
B
USW.
Du Wunderbild, so bold und schön
Besonders schlagkräftig in dieser Oper sind jene Szenen, in denen
Schuster Kunze, der väterliche Freund Aschenbrodels, und seine beiden
Buben auftreten. Schon der Einzugsmarsch, mit dem sie sich dem Publiknm
vorstellen :
I
r^'ni^,i^,iii§it
Wir sind des Schusters Bu-ben, uns kennt die bal - be Veit
ein frischer Gassenhauer, klingt fidel, und wenn sie im zweiten Akt in das
von fortreißender Laune getragene Trinklied ihres Vaters:
^j^i f f f
r ii r
usw.
Mag tan - zen dort, wer tan • zen mag
im Kehrreim kanonisch einstimmen, so ergibt das eine so einheitlich und
gedrungen durchgeführte Lustspielszene, wie man deren nur sehr wenige
in der modernen Opemliteratur wird nachweisen können. Von drastiacher
Wirkung ist femer das Terzett der Schusterfamilie im dritten Akt, das
man als ein gesungenes Scherzo bezeichnen darf:
(Das Zeitmaß so lebhaft als die Deutlichkeit des Wortes es zuläßt und sehr leicht)
^*
^
m
f=f
p
^
Wir 1 I I I I I
ci" > sind al - le - zeit sehr gescbeidt, klug und doch im « mar toII Schneid I
t
Ffir die Sänger ist es freilich sehr schwer durchzufQhren, aber mit der ihm
nötigen Geschmeidigkeit in der melodischen Linie und Leichtigkeit im Aus-
druck vorgetragen, hat es das Zeug zu einer da capo-Nummer in sich. Eine
Eigentümlichkeit des dritten Aktes ist die ausgiebige Heranziehung des
Chores, der von nun an atändig an der Handlung teilnimmt. Diese aus-
giebige Verwendung des Chores treffen wir bei Blech hier zum ersten iVUd
an, denn früher hat er den Chor nur hinter der Szene als Stimmung er-
zeugenden Faktor verwendet. Sein historisches Vorbild findet der dritte Akt
233
RYCHNOVSKY: LEO BLECH
in der Festwiese in den Meistersingern. DaB scbliefilicb in dem Augen-
blicke, in dem der Prinz in Ascbeabrödel die gesuchte HerzenskSnigin findet
und das Volk dem jungen Paare in einer kraftvoll gesteigerten Hymne
seine GlQckwünscbe ausdrückt, alle Mittel orchestralen Prunkes und
Pompes aufgewendet werden, hat an dieser Stelle seine dramatiscbe Be-
rechtigung. So entUOt uns die Oper mit der Erkenntnis, dafi hier Musik
und Drama ein einheitliches Ganzes bilden, daß Blechs Musik dort, wo es
nottut, gern dienende Kunst ist, weil sie sieb ein andermal wieder zur
Herrin emporscbwingen darf.
Und nun meldet der Telegraph, dall Blech eine neue Oper vollendet
habe, deren StofT einem Stücke Raupacbs entnommen isL gVersiegelt'
— so soll nimlich die neue Oper beißen — ist ein einaktiges Bühnen-
werk, in dem Blech wieder in das kleinstidtiscbe Milieu zurückkehrt, das
ihm und uns schon aus .Das war ich' so innig vertraut ist. Wünschen
wir, daß diesem Werk, wenn es demnächst das Liebt der Rampe erblickt,
derselbe nachhaltige Erfolg bescbieden sein möge.
BÜCHER
192. Albert Schweitzer: J. S. Bach. Vorrede von Charles Marie Vidor. Verlag:
Breitkopf & Hirtel, Leipzig 1908.
Scbon im Jahre 1905 hatte Albert Schweitzer, Privaidozent in Straßhurf, ein ge-
haltvolles Buch über Bach In rranzAsIscber Sprache Terdtrentlicht unter dem Titel:
,J.-S. Bach, le musicien-po^te". Nunmehr tritt er roll einem ebenaolcben vor den
deutschen Leserkreis. Zum Teil eine Übersetzung dea franzSsischen, zum Teil ganz neu
geschrieben, verfolgt das jüngere Weric dieselbe Kemidee «le dai illere: eine Ästhetik
der Bachschen Tonsprache zu liefern und den eigentümlichen seellacben Uateitniad
aubudecken, aus dem des grollen Musikers Tongebilde emporwuchsen. Da Mensch und
Künstler auch bei Bach eine vollkommene Einheit bilden, so Ulli Schweitzer, bernr er
die Kunstwerke selbst analysiert, eine Biographie des Meisters vonuagebeo, scblldert
sein Virken, seine Persönlichkeit, seinen Charakter und deutet in groDen ZQgen das
Schicksal seines Lehenswerices, sein Vergessen werden und Auferstehen an, m dnfi aueh
der Leser, der Spittas Monographie nicht kennt, gerüstet ist, vom 13. Kapitel an dem
Verfasser auf Isthetischen Pfeden durch Bschs Geisteswelt mit Versdbidnls lu tbifen.
Tie ich schon an anderer Stelle hervorhob, besteht der Tert dea Schweitzeneheo Badi-
bucbes vor allem in den Anregungen, die er dem praktischen Musiker zukomman
lillt. Daß der Verfasser selbst ein solcher ist, verrit jede Seite seines Boches. In der
Zergliederung der einzelnen Terke geht er nur so weit, dalt damit ein tieferes Ver-
stindnis erreicht und, wo möglich, ein sinnvollerer Vortrag geschaffen wird. Vom Meister
der modernen Musikaoalyse, Hermann KreHschmar, bat sich Schweitzer die kurze,
knappe Art des Urteils angeeignet und den Blick fQr Jene tieferen seelischen Zusammen-
hinge, die sich nur poetisch beanlagten Gemütern in ihrer ganzen Fülle erachllefian.
Für Bach, den .musicien-poftte", erl>ringt Schweitzer eine kaum übersehbare Auslese der
kSstllchsten Beispiele; zunichst aus den Instrumental werken, unter denen Ihm die Oigel-
werke am meisten am Herzen liegen, dann aus den Kantaten und grSBeren Chorvericen.
In vielen Pillen Hegen die poetischen Beziehungen so tief, sind so onmerkUch mltela-
ander verkettet, daß es nur einer souverinen Beherrschung des gesamten Bachschen
Schaffens gelingen kann, sie aufzudecken. Bisweilen Hegt der Scblflsael zur Erkllmng
mancher Tongedanken völlig abselu, wie z. B. In dem auf S. 456 genannten Fall,
wo Schweitzer auf den stolzen, sich in großen IntervallscbrJtten bewegenden Basao
ostinato des Orchestercfaorals „Heut triumphieret Gottes Sohn" hinweist der In dieser
Umgebung nur verständlich wird, wenn man bedenkt, daS das Siegen des JWessUu Im
Alten Testament unter dem Bilde des Tretens der Kelter beschrieben wird. (Ein Ihnllchea
Keltertretmotiv erscheint in der Ksntate .Gott Hbrct auP [No. 43], wo In der Arie .Er
ists* direkt auf diesen Vergleich angespielt wird). Solcher nUe zihlt Schweltier eine
ganze Reihe auf, und es leuchtet ein, daß durch das Bewnütwerden solcher syraboUscher
Anspielungen hlußg auch der Vortrag in ungeahnter Telse beeinfluBi werden kann. Der
Symbolismus Bachs ist es, dessen Nachweis und innerer eerechtlguag der griUtte Teil
BK BESPRECHUNGEN (BÜCHER) JMK
Buches gewidmet ist. Jedem, der sich eingehender mit Bachscher Musik beschäftigt
dringte sich bisher die Notwendigkeit auf, Bachs Tonsprache durch symbolistiscbe>
iehungen sich verständlicher zu machen. Schweitzer aber versucht nun zum ersten
t den Symbolismus Bachs im Zusammenhange, gewissermaiien systematisch zu
ysieren, indem er den Nachweis einer ganz bestimmten musikalischen Sprache bei
b, mit eigener ,yLogik" und „Grammatik*, erbringt. Er zeigt, wie bei Bach im Gegen«
zu Beethoven, das malerisch-plastische Element beherrschend in den Vordergrund
, wie überall das Bildliche eines Vorgangs die Gestaltung der Motive bestimmt und
st dort, wo gewisse transzendente Gedankenfolgen auszudrücken sind, die Ver-
lung mit anschaulich-plastischen Vorgängen aufrechterhalten wird. Die musikalischen
logieen, die Bach für das Auf- und Absteigen, das Ruhen, Stürmen, Trotzen, Fliehen,
Ewigkeit, Wolken, Himmel, Hölle usw. erfindet, lassen sich bei näherem Zusehen
gewisse musikalische Grund- oder Keimmotive zurückführen, ähnlich den sog.
ichwurzeln. Schweitzer entwirft eine Art Katalog der wichtigsten dieser Bachschen
ichwurzelmotive, unterscheidet z. B. Schrittmotive, Freuden-, Schmerzmotive, Motive
seligen Friedens, Mattigkeits-, Tumult-, Schreckensmotive usw., bei denen das
rakteristische einmal im Rhythmus, das andere Mal in der melodischen Bewegung
:. Wie durch eine unbewußte Hand geleitet, greift Bach immer, wo sich gleiche oder
liehe durch den Text erzeugte Assoziationen einstellen, auf gleiche oder ähnliche
ivkeme zurück, freilich ohne sich je zu wiederholen. Werden dann diese plastischen
ihrer Bedeutung nach leicht erkennbaren Tongedanken mit anderen, tieferen (z. B«
stiichen) Symbolen verknüpft, wie im Pastorale des Weihnachtsoratoriums, kommen
zu noch weitere z. B. Teilung der Chöre in zwei reale und einen idealen wie in der
eitung zur Matthäuspassion, oder die Einführung einer gregorianischen Melodie als
tus firmus, wie im Confiteor der Hohen Messe, so ergeben sich jene Tongebilde
erer Ordnung, aus denen der zugleich fühlende und bewußt folgende Hörer den
Iruck einer für sich bestehenden, in ihrer Art einzigen und unvergleichlichen Welt
limmt. Gewiß verfügen auch Vorgänger und Zeitgenossen Bachs über eine Ton«
che ähnlicher Art, ja viele der Bachschen ,,Keimmotive' gehörten damals zum vogel-
in Phantasiegut der Komponisten (was übrigens aus Schweitzers Buch nicht hervor-
;), aber die Eigenheit und Konsequenz, mit der Bach sich darin äußert, rechtfertigt
Versuch, gerade bei ihm die Logik und Bestimmtheit einer ,»Sprache" nachzuweisen.
kommen immer mehr ab von jener beschränkten Auffassung Bachs als eines
(oluten" Musikers und müssen selbst Spitta einer Befangenheit zeihen, wenn er die
Krischen und programmatischen Züge in Bachs Musik nur als gelegentiicbe
lereien des Genies angesehen wissen will. Es ist das Verdienst Schweitzers, hier
wissenschaftlich überzeugendem Wege neue Klarheit geschaffen zu haben, ein Ver«
st, das er allerdings mit einem französischen Kollegen, Andr6 Pirro, teilt, dessen
ie Studie „L'Esth6tique de Jean-S6bastien Bach«, Paris 1907, die selben Probleme an-
t und zu den gleichen Resultaten kommt.
Schweitzers Bachbuch ist geeignet, so recht zu einem Erbauungsbuch für Bach-
nde zu werden« Möchte es in recht viele Hände kommen und durch die schlichte,
' herzliche Sprache überall Widerhall wecken für den erhabenen Gegenstand, dem
;ewidmet ist. Dr. Arnold Schering
3. Arthur Seid!: Vom Musikalisch^Erhabenen. Zweite, durchgearbeitete und
vermehrte Auflage. Verlag: C. F. Kahnt Nachfolger, Leipzig.
Im Kern wiederholt diese Auflage den Text der ersten; nur hier und da hat der
>r ergänzt und revidiert; vermehrt wurde sie durch eine ausführliche Obersicht der
rsten ästhetischen Literatur und durch reichere Anmerkungen. Der Autor bekennt^
BÜCHER
192. Albert Schweitzer: J. S. Bacb. Vorrede von Cbirles Marie Tldor. Vertag:
Breitkopt & Hirtel, Lelpiig 1908.
Scbon im Jabre 1905 hatte Albert Schweltier, Privaidozent in Straßburf, ein ge-
baltvotles Buch über Bacb in rraniSslacher Spracbe TerSffentlicbt unter dem Titel:
aJ.-S. Bacb, le nusJcJen-poöte*. Nunmebr tritt er mit einem ebensolcben vor den
deutseben Leserkreis. Zum Teil eine Obersetzung des fnmzSsJscben, lum Teil ganz neu
gescbrieben, verfolgt das jQngere Werk dieselbe Kersldee wie das liiere: eine Ästhetik
der Bacbschen Tonapracbe zu liefern und den eigentümlichen Beellacben Untergrund
aufzudecken, aua dem des großen Musikers Tongebilde emporwuchsen. Da Mensch und
Künstler auch bei Bach eine vollkommene Einheit bilden, so lillt Schweitzer, bevor er
die Kunstwerke selbst analysiert, eine Biographie des Meisters vorausgehen, schildert
sein Vlrken, seine PersSnllcbkeit, seinen Charakter und deutet In großen Zügen das
Schicksal seines Lebenswerkes, sein Vergessenwerden und Aufersteben an, so daS auch
der Leser, der Spittas Monographie nicht kennt, gerüstet iat, vom 13. Kapitel an dem
Verfasser auf lathetiscben Pfaden durch Bachs Geiaieswelt mit Verständnis zu folgen.
Vle ich schon an anderer Stelle hervorhob| besteht der Wert dea Scbweinerschen Bach-
buches vor allem in den Anregungen, die er dem praktischen Musiker zukommen
Ußt. Daß der Verfasser seibat ein solcher ist, verrlt jede Seite seines Buches. In der
Zergliederung der einzelnen Werke geht er nur so weit, daß damit ein tietferes Vet^
stindnis erreicht und, wo mSgllcb, ein sinnvollerer Vortrag geschaffen wird. Vom Meiater
der modernen Musikanalyae, Hermann Kretzscbmsr, hat sich Schweitzer die kurze,
knappe An des Urteils angeeignet und den Blick für Jene tieferen seelischen Zusammen-
hinge, die sich nur poetisch beanlagten Gemütern in ihrer ganzen Fülle erschliefien.
Für Bach, den amuslclen-poite", erbringt Schweitzer eine kaum Gbersebbare Auslese der
köstlichsten Beispiele; zunichst ans den Instrumental werken, unter denen ihm die Orgel-
werke am meisten am Herzen Hegen, dann aua den Kantaten und grfißeren Chorwerken.
In vielen Flllen liegen die poetlachen Beziehungen so tief, sind so unmerklich mitebf
ander verkettet, daß es nur einer souverlnen Beherrschung des gesamten Bacbschen
Schaffens gelingen kann, sie aufzudecken. BiBwellen Hegt der Schlüssel zur Erkllrung
mancher Tongedanken vAItig abseits, wie z. B. in dem auf S. 456 genannten Fall,
wo Schweitzer auf den atolzen, sich in großen Intervaltschritten bewegenden Basso
osdnato dea Orchesterchorals »Heut triumphieret Gottes Sohn' hinweist, der in dieser
Umgebung nur verstlndllch wird, wenn man bedenkt, daß das Siegen des MessUa Im
Alten Testament unter dem Bilde des Tretens der Kelter beschrieben wird. (Ein Ihnllches
Kettertretmotiv erscheint in der Kannte «Gott fihret auf* [No. 43], wo in der Arie .Er
ists" direkt suf diesen Vergleich angespielt wird). Solcher Fllle ilhlt Schweitzer eine
ganze Reihe auf, und es leuchtet ein, daß durch das BewuBtwerden solcher symboUacher
Anspielungen hluHg such der Vortrag In ungeahnter Teise beeinflußt werden kann. Der
Symbolismus Bachs iat ea, dessen Nachweis und innerer Berechtigung der grSßte Teil
237
BESPRECHUNGEN (BÜCHER)
AV(
der Kategorie des Erhabenen beurteilt werden kann", bezeichnet er den Eindruck der
Musik damit, daß sie ,»die höchste Ekstase des Bewußtseins der Schrankenlosigkeit
erregt*, während die andern Künste erst infolge der Versenkung in sie die Befreiung
des Intellekts vom Dienste des Willens, d. h. die Befreiung unserer Vorstellung von den
Beziehungen zur Außenwelt bewirken, worin das Wesen des Schönen bestehe. So all«
gemein ausgesprochen, versteht man wohl, was Wagner mit dem Spezifisch-Erhabenen der
Musik meint, und vielleicht lißt sich darüber nichts weiter sagen; mehr zu erkennen
ist jedenfalls dem immerhin großen Scharfsinn Seidls, wie es scheint, nicht gelungen.
Eigentlich liegt ja darin eine contradictio in adjecto: wenn das Wesen der Musik eben das
Erhabene ist, kann man nicht untersuchen, worin es bestehe oder wodurch es entstehe,
vielmehr ist das im ersten Satze schon ausgesprochen. — Die Lektüre des Buches von
Seidl ist nicht leicht Sein Stil ist schwerfällig, langatmig, die Sätze mit eingeschalteten
Nebensätzen bis ins Unendliche, ziehen sich oft über so lange Strecken dahin, daß man
die Obersicht verliert. Sehr verwirrend ist auch der übermäßige Gebrauch der beute leider
so beliebten Anführungsstriche (,»") und des gesperrten Druckes. Verwirrend, wenn
auch sehr interessant, sind die zahlreichen Einschränkungen, Zweifel, die subtilsten Prä-
zisierungen, die er vornimmt. Trotz allem bleibt es jedoch ein bedeutendes, tiefe
Anregungen gewährendes Werk. Und wenn man auch das Gefühl zurückbehält, daß es
nicht beantwortet, was es will, so hat man doch den Eindruck, daß der Grundgedanke
richtig ist, nur daß er nicht bewiesen wird. Also könnte man paradox sagen: es über-
zeugt, ohne zu beweisen. J. Vianna da Motta
194. HJalmar Thuren: Folkesangen paa Fsreerne. (Der Volksgesang auf den
Färöem). Verlag: Andr. Fred Hast & Sehn, Kebenhavn 1908.
Es ist erfreulich, zu sehen, welchen Aufechwung die Erforschung des Volksgesanges
heutzutage nimmt. Das vorliegende in dänischer Sprache verfaßte (doch mit einem
deutschen Resümee versehene) Buch ist eine sehr wertvolle Bereicherung der ein-
schlägigen Literatur. Der Verfasser behandelt in objektiver Weise das ganze musikalische
Leben auf den kleinen Inseln im nördlichen Atlantischen Ozean, das sich im Volks-
gesang widerspiegelt. Instrumentalmusik ist nämlich den Färingem bis zur allerletzten
Zeit etwas völlig Unbekanntes geblieben. Außer in dem bedeutungslosen und, wie es
scheint, fürchterlich unmusikalischen Kirchengesang befiiedigen die Färinger ihre Sanges-
lust hauptsächlich im Tanzliede. Die geographische Lage der Inseln und die Lebensver-
hältnisse ihrer Bewohner sind für die Bewahrung und Fortpflanzung alter Traditionen
ungemein günstig, und so finden wir dort noch als fast allgemein vorherrschende Tanzform
den mittelalterlichen Kettentanz, der im 12., 13. und 14. Jahrhundert über ganz Europa
verbreitet war, mit seinen wichtigen Begleiterscheinungen, der epischen Tanzdichtung
und dem Volksliede, in der Reinkultur vor. Thuren hat sich das Verdienst erwort>en,
die erste ausführliche und zuverlässige Darstellung des Volksgesanges auf den Faröem
gegeben zu haben; er hat mit großer Klarheit darauf hingewiesen, wie wichtig die Auf-
zeichnung dieser Tradition war, die uns ein Stück Mittelalter in der Gegenwart vor die
Augen führt Der größte Teil des 331 Seiten starken Buches ist der Analyse der
faröischen Balladenmelodieen gewidmet, von denen der Verfasser ein bedeutungsvolles
Material mitteilt Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen Thuren's sind diese:
1. Die Balladenmelodik scheint sich selbständig auf den Inseln entwickelt zu haben
(seit dem zwölften Jahrhundert). 2. Die Melodieen bestehen meist aus zwei sieben -
uktigen Perioden; der dreizeitige Takt kommt am häufigsten vor und ist wahrscheinlich
das natfirlicbste Taktmaß für die Tanzenden, die einen Schritt bei jedem ersten akzen-
tuierten Tone der Takte machen. Der Rhythmus ist wie in den Volksliedern anderer
Länder, bisweilen wechselnd, indem Triolen und Duolen, die nicht auf das einmal ge-
238
DIE MUSIK Vll. 22.
gebene Taktmaß einwirken, auftreten. 3. Ohne Zweifel hat die färöiscbe Tonalitit —
von rezitativartigen Bildungen abgesehen — die halbtonlose pentatoniscbe Tonleiter
zur Grundlage. Vielleicht hat sich hier keltischer Einfluß geltend gemacht 4. Ein
modernes Musikbewußtsein, das von den angewöhnten harmonischen Vorstellungen nicht
loszukommen vermag, wird eventuell den färöischen Melodieen isthetischen Vert ab-
sprechen. Wer sich aber mit dem einstimmigen von der Simultanharmonie nicht be-
einflußten Gesang vertraut gemacht hat, wird sich sicher der vielen rhythmischen und
tonalen Nuancen innerhalb des stark begrenzten Tongebietes erfreuen und von dem Reize
mehrerer einfacher Melodiebtldungen nicht unberührt bleiben. Das Werk Thuren's ist
anregend zu lesen; es sei daher auch Nichtfachleuten zum Studium aufs winnste em«
pfohlen. Knud Härder
MUSIKALIEN
195. Arnoud-Krever: La Perfection du M6canisme. Verlag: A. Alips, Paris.
Aus Frankreich, dessen große Ideen so oft die Welt durchleuchtet haben» soll uns dies«
mal das Heil in Gestalt einer neuen Klaviermethode kommen. Des Werkes, das Amoud«
Krever, einen Holländer von Geburt, officier de TAcad^mie, zum Verfasser hat, und das
nicht geringes Aufsehen in pianistischen Kreisen jenseits der Vogesen zu machen scbeinty
hat sich sofort der französische Staat bemlchtigt, um es in sämtliche öffenttlchen, der
Musikpflege bestimmten Institute einzufuhren. Es fehlt auch nicht an glänzenden Attesten,
so von Camille Saint-Saens, Francis Planta u. A. Genug der Dinge, um das Werk mit
Ernst und Interesse auch in unserem für Musikpflege einigermaßen »renommierten*
Deutschland zu betrachten. Vor mir liegt der erste Band, 148 eng benotete Selten, etwa
im Format der bekannten großen Steingräber Ausgabe. Text deutsch, fhmzösich, engliach«
Der Verfasser dieser Zeilen darf auch einflechten, daß er einige Wochen ebriicher Arbeit
an die Durchsicht des Werkes (auch praktisch am Klavier) gewendet hat Der äoOeiw
Anblick dieses Meeres von Notenköpfen steht zunächst im Widerspruch zu der Erkenntnis»
zu der sich >- ich darf wohl sagen — die weitaus größere Mehrheit deutscher Klavierspieler
durchgerungen hat: daß für das Studium des Klavieres das technische Obungsmateriil
auf ein möglichst geringes Quantum zu reduzieren ist. Nicht gering Ist die Zahl der
Lehrer, die von Etüden überhaupt nichts mehr wissen wollen, der anderen, die nach dnem
ganz kurzen, gerade notwendigen Studium auch Fingerübungen perhorreszieren, TOn der
äußersten Linken, deren Führung Rudolf M. Breithaupt wohl mit Fug und Rc^t übei^
nommen hat, gar nicht zu reden, deren Partei behauptet, Klavier werde überhaupt nicht
mit den Fingern, sondern — mit den Schultern gespielt. Wahrscheinlich haben die Ter-
schiedenen Parteien alle ein wenig recht. Am meisten vielleicht Herr Breitluiap^ zwar
weniger in seinem Panegyrikon auf die Schulter als in der Erkenntnis, die er hier und
da durchblicken läßt, daß Technik überhaupt nicht vollkommen zu erlernen ist Auch
die Tech n ik des Klavieres — wie auch anderer Instrumente, und wohl auch die Geeanga-
kunst — muß eigentlich angeboren sein. Es bedarf dann gewissermaßen nur dner An*
leitung, um die schlummernden technischen Kräfte zu wecken jind ohne grolle Mfihe
zur vollen Entfaltung zu bringen. Eine Tatsache ist es, daß Künstler nach einem Stadium
von nur wenigen Jahren mit einer stopenden Technik aufgetreten sind, während andere
nach jahrelangen Studien und endlosem Fleiß, in den verschiedensten Methoden unter-
richtet, es doch nicht über die Mittelmäßigkeit brachten. Indessen, wie den aueh sei,
wenn auch nicht der Gipfel des Parnasses, so ist durch Fingerübungen und Fleift doch
schon ganz Schönes erreicht worden, und in dieser Hinsicht dürfen wir Amoud-Kferei'e
Klaviermetbode mit Vertrauen begegnen. — Leider muß ich gerade Amoud-Kferei's
j
237
BESPRECHUNGEN (BÜCHER)
der Kategorie des Erhabenen beurteilt werden kann", bezeichnet er den Eindruck der
Musik damit, daß sie ,»die höchste Ekstase des Bewußtseins der Schrankenlosigkeit
erregt*, während die andern Künste erst infolge der Versenkung in sie die Befreiung
des Intellekts vom Dienste des Willens, d. h. die Befreiung unserer Vorstellung von den
Beziehungen zur Außenwelt bewirken, worin das Wesen des Schönen bestehe. So all-
gemein ausgesprochen, versteht man wohl, was Wagner mit dem Spezifisch-Erhabenen der
Musik meint, und vielleicht läßt sich darüber nichts weiter sagen; mehr zu erkennen
ist jedenfalls dem immerhin großen Scharfsinn Seidls, wie es scheint, nicht gelungen.
Eigentlich liegt ja darin eine contradictio in tdjecto : wenn das Wesen der Musik eben das
Erhabene ist, kann man nicht untersuchen, worin es bestehe oder wodurch es entstehe,
vielmehr ist das im ersten Satze schon ausgesprochen. — Die Lektüre des Buches von
Seidl ist nicht leicht Sein Stil ist schwerfällig, langatmig, die Sätze mit eingeschalteten
Nebensätzen bis ins Unendliche, ziehen sich oft über so lange Strecken dahin, daß man
die Obersicht verliert. Sehr verwirrend ist auch der übermäßige Gebrauch der heute leider
so beliebten Anführungsstriche („ **) und des gesperrten Druckes. Verwirrend, wenn
auch sehr interessant, sind die zahlreichen Einschränkungen, Zweifel, die subtilsten Prä-
zisierungen, die er vornimmt. Trotz allem bleibt es jedoch ein bedeutendes, tiefe
Anregungen gewährendes Werk. Und wenn man auch das Gefühl zurückbehält, daß es
nicht beantwortet, was es will, so hat man doch den Eindruck, daß der Grundgedanke
richtig ist, nur daß er nicht bewiesen wird. Also könnte man paradox sagen: es über-
zeugt^ ohne zu beweisen. J. Vianna da Motta
194. HJalmar Thuren: Folkesangen paa Fsreerne. (Der Volksgesang auf den
Färöem). Vertag: Andr. Fred Hest & Sehn, Kebenhavn 1908.
Es ist erfreulich, zu sehen, welchen Aufschwung die Erforschung des Volksgesanges
heutzutage nimmt. Das vorliegende in dänischer Sprache verfaßte (doch mit einem
deutschen Resümee versehene) Buch ist eine sehr wertvolle Bereicherung der ein-
schlägigen Literatur. Der Verfasser behandelt in objektiver Weise das ganze musikalische
Leben auf den kleinen Inseln im nördlichen Atlantischen Ozean, das sich im Volks-
gesang widerspiegelt. Instrumentalmusik ist nämlich den Färingern bis zur allerletzten
Zeit etwas völlig Unbekanntes geblieben. Außer in dem bedeutungslosen und, wie es
scheint, fürchterlich unmusikalischen Kirchengesang befriedigen die Färinger ihre Sanges-
lust hauptsächlich im Tanzliede. Die geographische Lage der Inseln und die Lebensver-
hältnisse ihrer Bewohner sind für die Bewahrung und Fortpfianzung alter Traditionen
ungemein günstig, und so finden wir dort noch als fast allgemein vorherrschende Tanzform
den mittelalterlichen Kettentanz, der im 12., 13. und 14. Jahrhundert über ganz Europa
▼erbreitet war, mit seinen wichtigen Begleiterscheinungen, der epischen Tanzdichtung
und dem Volksliede, in der Reinkultur vor. Thuren hat sich das Verdienst erworben,
die erste ausführliche und zuverlässige Darstellung des Volksgesanges auf den Faröem
gegeben zu haben; er hat mit großer Klarheit darauf hingewiesen, wie wichtig die Auf-
zeichnung dieser Tradition war, die uns ein Stück Mittelalter in der Gegenwart vor die
Augen führt Der größte Teil des 337 Seiten starken Buches ist der Analyse der
farOischen Balladenmelodieen gewidmet, von denen der Verfasser ein bedeutungsvolles
Material mitteilt Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen Thuren's sind diese:
1. Die Balladenmelodik scheint sich selbständig auf den Inseln entwickelt zu haben
(seit dem zwölften Jahrhundert). 2. Die Melodieen bestehen meist aus zwei sieben-
talctigen Perioden; der dreizeitige Takt kommt am häufigsten vor und ist wahrscheinlich
das natürlichste Taktmaß für die Tanzenden, die einen Schritt bei jedem ersten akzen-
tuierten Tone der Takte machen. Der Rhythmus ist wie in den Volksliedern anderer
Länder, bisweilen wechselnd, indem Triolen und Duolen, die nicht auf das einmal ge-
MM ^^^ Witt
SBg DIE MUSIK VII. 22. 8K
gebene Taktmaß einwirken, auftreten. 3. Ohne Zweifel hat die färöische Tonalitit —
von rezitativartigen Bildungen abgesehen — die halbtonlose pentatoniscbe Tonleiter
zur Grundlage. Vielleicht hat sich hier keltischer Einfluß geltend gemacht. 4. Ein
modernes Musikbewußtsein, das von den angewöhnten barmoniscben Vorstellungen nicht
loszukommen vermag, wird eventuell den färöischen Melodieen Istbetiscben Wert ab-
sprechen. Wer sich aber mit dem einstimmigen von der Simultanharmonie nicht be*
einflußten Gesang vertraut gemacht hat, wird sich sicher der vielen rh^bmiscben und
tonalen Nuancen innerhalb des stark begrenzten Tongebietes erfreuen und von dem Reize
mehrerer einfacher Melodiebtldungen nicht unberührt bleiben. Das Werk Thuren's ist
anregend zu lesen; es sei daher auch Nichtfachleuten zum Studium aufs wärmste em«
pfohlen. Knud Härder
MUSIKALIEN
195. Arnoud-Krever: LaPerfection du M6canisme. Verlag: A. Alips, Paris.
Aus Frankreich, dessen große Ideen so oft die Welt durchleuchtet haben, soll uns dies-
mal das Heil in Gestalt einer neuen Klaviermethode kommen. Des Werkes, das Amoud«
Krever, einen Holländer von Geburt, officier de l'Acad^mie, zum Verfasser hat, und das
nicht geringes Aufsehen in pianistischen Kreisen jenseits der Vogesen zu machen scheint,
hat sich sofort der französische Staat bemächtigt, um es in sämtliche öffentlichen, der
Musikpfiege bestimmten Institute einzuführen. Es fehlt auch nicht an glänzenden Attesten,
so von Camille Saint-SaSns, Francis Planta u. A. Genug der Dinge, um das Werk mit
Ernst und Interesse auch in unserem für Musikpflege einigermaßen ,»renommierten*
Deutschland zu betrachten. Vor mir liegt der erste Band, 148 eng benotete Seiten, etwa
im Format der bekannten großen Steingräber Ausgabe. Text deutsch, französich, englisch.
Der Verfasser dieser Zeilen darf auch einflechten, daß er einige Wochen ehrlicher Arbeit
an die Durchsicht des Werkes (auch praktisch am Klavier) gewendet hat Der äußere
Anblick dieses Meeres von Notenköpfen steht zunächst im Widerspruch zu der Erkenntnis,
zu der sich — ich darf wohl sagen — die weitaus größere Mehrheit deutscher Klavierspieler
durchgerungen hat: daß für das Studium des Klavieres das technische Obungsmaterial
auf ein möglichst geringes Quantum zu reduzieren ist Nicht gering ist die Zahl der
Lehrer, die von Etüden überhaupt nichts mehr wissen wollen, der anderen, die nach einem
ganz kurzen, gerade notwendigen Studium auch Fingerübungen perhorreszieren, von der
äußersten Linken, deren Führung Rudolf M. Breithaupt wohl mit Fug und Recht über-
nommen hat, gar nicht zu reden, deren Partei behauptet, Klavier werde überhaupt nicht
mit den Fingern, sondern — mit den Schultern gespielt Wahrscheinlich haben die ver-
schiedenen Parteien alle ein wenig recht Am meisten vielleicht Herr Breithaupt, zwar
weniger in seinem Panegyrikon auf die Schulter als in der Erkenntnis, die er hier und
da durchblicken läßt, daß Technik überhaupt nicht vollkommen zu erlernen ist Auch
die Tech n ik des Klavieres — wie auch anderer Instrumente, und wohl auch die Gesangs-
kunst — muß eigentlich angeboren sein. Es bedarf dann gewissermaßen nur einer An«
leitung, um die schlummernden technischen Kräfte zu wecken jind ohne grolk Muhe
zur vollen EntfUtung zu bringen. Eine Tatsache ist es, daß Künstler nach einem Studium
von nur wenigen Jahren mit einer stnpenden Technik aufgetreten sind, während andere
nach jahrelangen Studien und endlosem Fleiß, in den verschiedensten Methoden unter-
richtet, es doch nicht über die Mittelmäßigkeit brachten. Indessen, wie dem auch sei,
wenn auch nicht der Gipfel des Parnasses, so ist durch Fingerübungen und Fleiß doch
schon ganz Schönes erreicht worden, und in dieser Hinsicht dürfen wir Amoud-Krever's
Klaviermethode mit Vertrauen begegnen. — Leider muß ich gerade Amoud-Krever^s
239
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
weseDtlichstem Grundgedanken, gewißermaßen dem Leitmotiv seiner Schule, feindlich
entgegentreten. Dieses Leitmotiv heißt bei ihm: Rhythmentafel. Er verlangt, daß »jede
Obung mit Benutzung der Rhythmentafel auf 360 verschiedene Arten vorgenommen, so-
wie in simtliche Tonarten transponiert** werde. Das Folgende möge seine Absicht er-
liutem. Da steht z. B. als No. 1. in einer kurzen Abteilung von (8) schlichten Fünfflnger-
Obungen:
r|)^ i j ^ j j j ^ j
usw. Auf die Abteilung folgt 'die
Rhythmentafel von zunächst 100 Beispielen. Z. B.:
1 ^ ^ 2 ^ ^, 3
usw.
Nach dieser Tafel von 100 Beispielen wären die vorhergehenden Übungen zu spielen.
Also unsere No. 1 nach Rh. 1:
usw. usw.
Für die folgenden Obungen werden dann noch Hunderte von Rhythmenbeispielen allmählich
in die Welt gesetzt. Nun werde man sich klar, daß Amoud-Krever's Werk, Band 1 praeter
propter 1000 Obungen enthält, daß laut seiner Vorschrift diese sämtlichen Obungen nach
jenen endlosen Rbythmenbeispielen zu studieren und, nicht genug, noch in alle Tonarten
zu transponieren sind! Ich habe darüber nachgedacht, ob für die glücklichen Musikanten
hl Frankreich der Tag länger ist als die armseligen 24 Stunden, die er bei uns hat. Ein
Glück übrigens, daß Krever einfach von „allen Tonarten** spricht, worunter wir uns
icblauerweise unsere ordinären 24 Tonarten denken mögen. Aber wehe, wenn man
dort unter dem Einfluß eines Debussy, Ducas, Cbabrier u. a. gar noch andere Tonarten
eingeführt hat...! Dann gnade uns der Himmel, daß Krever's Methode, deren sich in
Frankreich der Staat bemächtigt, nicht etwa bei unserer Regierung auch noch durchgeht . . .!
Difflcile est satiram non scribere. Als Empfehlung für die Rhythmen führt Krever sieben
Grunde an. An erster Stelle, daß sie den Übungen die traditionelle Trockenheit und
Langweiligkeit nehmen. Das bestreite ich ! Ich glaube im Gegenteil, daß sie die Übungen
noch trockener und langweiliger machen. Übrigens wer verlangt denn, daß der Weg zum
Parnaß uns eitel Vergnügen bereite? In allen Künsten ist das rein technische Übungs-
material dürr und trocken. Die übrigen Gründe, die Krever für die Rhythmen anführt,
sind nicht der Rede wert. Die etwaigen Vorteile, die sie bieten, sind schon in der
MannigMtigkeit der Obungen selbst enthalten. Nein, streichen wir ein für allemal
diese Rhythmen, und es bleibt uns noch genug der ersprießlichen Arbeit. Streichen wir
aber auch die Transponierungen! Das hindert uns nicht, daß wir bei Obungen, die ganz
in C geschrieben sind, einige Finger gelegentlich auf die schwarzen Tasten setzen, und
wo der Autor selbst uns nur eine Obertaste angibt, haben wir schon eine Art Trans-
position. Glücklicherweise gibt uns Krever genug Material auf Unter- und Obertasten.
Nach meiner Ansicht möge man die Kunst des Transponierens an Schubert- oder
Schumannseben Liedern erlernen; bei technischen Obungen sollte man damit nicht auf-
gebalten werden. Nach diesen Ausstellungen, die sich nur auf die t^Gebrauchsanweisung"
des Amoud-Krever'schen Werkes beziehen, bleibt uns immer noch das Werk selbst, und
dies enthält eine wahre Fundgrube vortrefflichster, vielfach ganz neuer Obungen, deren
Kenntnis jedem Klavierapieier zu empfehlen ist. Der vorliegende Band ist in sechs
Hefte eingeteilt. Deren erstes enthält in fünf Unterabteilungen etwa 150 Obungen in
Aus Tagesblättem
AUGSBURGER POSTZEITUNG vom 23. und 27. Mai 1908. — Zum 00. Geburtt-
tage des Komponisten Pembaur veröffentlicht Otto Keller einen kurzen AufiMtz
(,Joseph Pembaur^), in dem er den Gefeierten ^den Hort des musilnlischen
Lebens in Innsbruck" nennt und seine Kompositionen sowie seine theoretischen
Werke warm lobt. — Der Aufeatz „Die Brahms-Ausstellung in Wien* von Otto
Keller enthält u. a. Auszüge aus interessanten unbekannten Briefen des Meisters.
BERLINER BÖRSEN-COURIER vom 5. Januar 1908. — Zu Max Bruchs 70. Geburts-
tag veröffentlicht Adolf Kohut in dem Aufeatz »Max Bruch und Johannes Brahms*
drei Briefe Bruchs an Brahms und einen Brief Brahma' an Bruch » nebst
Erläuterungen.
BERLINER NEUESTE NACHRICHTEN vom & MIrz 1908.— Zur 250. AufrOhning
der „Lustigen Weiber'^ in Berlin veröffentlicht Georg Richard Kruse den Aufeatz
„Otto Nicolais ^Lustige Weiber* und ihre Vorgängerinnen*, dessen InhaJt unsere
Leser aus Kruses Aufsätzen in den Heften VI, 20—23 unserer Zeitschrift kennen.
DER TAG (Berlin) vom 12. März 1908. — Paul Marsop beginnt seinen Anfisatz:
9 Was will das Munchener KQnstlertheater?* mit den Worten: ,,Es gilt einen Ver-
such, im ausgesprochenen Gegensatz zu den Meiningem, zu ihren englisohen Vor-
gängern, zu ihrem modern-beweglicheren, geschäftslcundigeren Nachfolger Reinhardt
und allen, die sich an die Genannten anschliefien, die Szene zu vereinflachen —
zugunsten des Wortes und der Gebärde, in entschiedener Wahrung des Vor- und
Alleinrechts des Dichters.* Marsop berichtet über die Bestrebungen sur Reform
der Buhneneinrichtung und des Theaterbaus und ladet zum Besuch des Kfinttler-
theaters auf der MOnchener Ausstellung ein.
BERLINER TAGEBLATT vom 22. Februar, vom 4. Juni und vom 28. Juni lOOB. —
In dem Aufsatz ,,NieIs W. Gade" (22. IL) veröffentlicht Hermann Erler vier bis-
her ungedruckte Briefe Joseph Joachims an Gade und Auszüge aus einem Briefe
Clara Schumanns und spricht in einer Einleitung sein Bedauern darüber aus, daß
Gade's Musilc unterschätzt und selten aufgeführt wird. — Unter der Überschrift
„Chopins letzte Stunden" (4. VI.) wird ein Brief des Grafen Albert Grzymalty
eines Freundes Chopin's, an dessen Verleger, August Leo in Paris, mitgeteilti in
dem der Briefschreiber über die letzten Tage Chopin's berichtet Graf Gnymala
spricht die Ansicht aus, daß Chopin, ,,wenn er nicht das Unglück gehabt hitte,
G. S. [George Sand] Icennen zu lernen, die seine ganze Ezistens Terglftet hat^
das Alter der Cherubim [so!] hätte erreichen können*. — Franz Scharwenka
berichtet in dem Aufsatz „Der Musiklehrer* (28. VI.) über die Bestrebuttfen des
Musikpädagogischen Verbandes, den Staat zur EinfOhrung obligatorischer Mnslk-
lehrerprüfungen zu veranlassen. Die Redaktion des «Berliner Tageblatt" bemerkt
dazu, daß sie sich der Auffassung des Verfassers »nicht völlig anschliefien möchte".
DEUTSCHE TAGESZEITUNG (Berlin) vom 4. und vom 17. April 1008.— Der As4^
satz «Richard Wagner und die Moderne* von Josef Stolzing richtet sich banpC-
243
REVUE DER REVUEEN
sichlich gegen die Freigabe des „Parsifal'^. — In dem Aufeatz „Richard Wagner
über die Moderne' spricht Josef Stolzing über den Einfluß, den die Juden nach
Wagners Ansicht auf die Kultur und die Kunst ausgeübt haben.
VOSSISCHE ZEITUNG (Berlin) vom 25. Januar 1906. — Ernst Müller zeigt in
einem interessanten Aufsatz über »Schiller und die Musik*, daß „die Musik stets
einen wichtigen Faktor in Schillers Leben und seiner Dichtung bildete*, und be*
richtet über Schillers Pllne, Opemtexte zu schreiben. Zelter sagte: ,,Niemand
hat tieferen Sinn für die Musik als Schiller." Müller zihlt einige der bedeutend«
sten Kompositionen Schillerscher Gedichte auf. Am Schluß weist der Verfasser
darauf hin, daß „die von Schiller gewünschte Oper* von Richard Wagner geschaffen
worden ist.
WESER-ZEITUNG (Bremen) vom 8. MIrz 1906. — In dem Aufsatz „Der musikalische
Zeitgeschmack sagt W. Freudenberg nach einem kurzen historischen Oberblick:
„Wenn nun die neuere, auf der Orchestertechnik beruhende Musik zu all-
gemeiner Verstindlichkeit zurückkehren will, wird sie sich wieder mehr auf das
dem Menschen im Gesang angeborene Fundament aller wahren Musik besinnen
und bestrebt sein müssen, sich mit melodischem Inhalt zu füllen. . . • Der Gesang,
das Schönste aller Musik, ist das Heilmittel, durch das sie wieder genesen kann,
wenn sie von ihm ihren Ausgang nimmt.**
BRESLAUER ZEITUNG vom 24. Mai 1906. — Zum Geburtstage Wagners veröffent-
licht Paul Menzel den Aufsatz „Ein Richard Wagner-Gedenklatt*, in dem er auch
über die Aufführungen Wagnerscher Werke in Breslau berichtet.
DORTMUNDER ZEITUNG vom 1. Januar 1906. — Kaiman Feld veröffentlicht in
dem Aufsatz „Äußerungen berühmter Dirigenten über die Leonoren-Ouvertüre No. 3*
die Antworten von acht Dirigenten auf die Frage, an welcher Stelle die dritte
Leonoren-Ouvertüre gespielt werden soll. Mottl, Richter, Richard Strauß und
Siegfried Wagner sind der Ansicht, daß es am besten sei, diese Ouvertüre nur
im Konzertsaal spielen zu lassen; wenn man sie aber bei der Aufführung des
„Fidelio* nicht vermissen wolle, so möge man sie am Anfang aufführen. Auch
Sc buch pflegt sie an den Anfang zu stellen. Gold mark und Niki seh lassen
sie vor dem zweiten Akt spielen. Mahler während der Verwandlung. Strauß
empfiehlt, außer der dritten Leonoren-Ouvertüre auch die Fidelio-Ouvertüre vor
dem Beginn der Oper vorzutragen. Der Verfasser spricht dann die Ansicht aus,
daß die dritte Leonoren-Ouvertüre gar keine „Ouvertüre", kein „Vorspiel", sondern
ein „Zwischenspiel" sei und während der Verwandlung im zweiten Akt gespielt
werden müsse. „Hört man die Fanfare zuerst in der Ouvertüre und dann bei
offener Szene, so wird man statt der beabsichtigten erlösenden Oberraschung einer
unwillkürlich funktionierenden musikalischen Reflexion ausgesetzt, wodurch die
Wirkung im entscheidenden Moment verloren geht Ertönt hingegen die Fanfare
im »Nachspiel^ als Reminiszenz, so büßt sie, an dieser Stelle wiederholt, nichts von
der ihr zukommenden Bedeutung ein, gerade im Gegenteil, die Wirkung ist eine
verdoppelte, denn der musikalische Eindruck wirkt hier zugleich dramatisch, das
soeben erlebte Drama taucht noch einmal in voller Deutlichkeit vor unserem
geistigen Auge auf . . ." „. . . Aber auch von einem anderen Standpunkt aus muß
der Placierung der Ouvertüre nach der Kerkerszene der Vorzug gegeben werden.
Wenn in einer Oper bei einer Verwandlung ein so unmittelbarer dramatischer Zu-
sammenhang zwischen den zwei aufeinanderfolgenden, in der Handlung nur aus
technischen Gründen unterbrochenen Szenen besteht, wie dies in der Verwandlang
244
DIE MUSIK VII. 22.
nach der Kerkerszene der Fall ist, so wird die erllutemde Musik, als Bindeglied,
zum ästhetischen Bedürfhis . . . Durch ihren Inhalt ist die Leonoren-Ottveitüre
prädestiniert, der Verwandlung im zweiten Akt als masikalischer Unteibta zu
dienen. Wie das berühmte Nachspiel im ersten Akt der »Götterdämmenini^ uns
während der Verwandlung vom Walkürenfelsen in die Gibichungenhalle geleitet,
so fuhrt uns — nennen wir das Kind beim Namen — das Leonoren-Nachspiei mit
plastischer Deutlichkeit von den Stufen des Kerkers, dessen dumpfe Atmotphire
uns aus den einleitenden Takten in so ergreifender Weise entgegenweht, zu den
Höhen der erlösenden Freiheit, auf welche der jubelnde Schluß des gigantischen
Werkes hinweist.*"
TREMONIA (Dortmund) vom U. Dezember 1907.— A. Schmeck berichtet auf Grund
einer Verordnung des Rates von Dortmund aus dem Jahre 1748 über »Dortmunds
Musikverhältnisse vor 150 Jahren".
SÄCHSISCHE ARBEITER-ZEITUNG (Beilage: „Leben, Wissen, Kunst«) (Dresden)
vom 30. November 1907. — Eugen Thari veröffentlicht gelegentlich eines Auf-
tretens Robert Kothes in der Dresdener Volkssingakademie einen ausführlichen Auf-
satz über „Volkslied und L4iutenspiel*.
RHEINISCH -WESTFÄLISCHE ZEITUNG (Essen a. R.) vom 7. Min und vom
25. Juni 1008. — „Schutz den Beethoven-Häusern* fordert Joseph August Lux in
einem interessanten Aufsatz, in dem er mehrere von Beethoven bewohnte Hluser
in Wien und der Umgebung Wiens beschreibt. — Otto Albert Schneider zeigt in
dem Aufsatz „Renaissance und Barock in der bildenden Kunst und in der Musik*,
daß „sich in der Entwickelung der bildenden Kunst von der Renaissance sum
Barock, wie sie vom 15. zum 16. Jahrhundert in Italien beobachtet wird, eine fiber^
raschende Parallele zu der Entwickelung der Tonkunst vom 18. zum 10. Jahr^
hundert bietet*', und daß die moderne Musik in vieler Hinsicht der Kunst der
Nachfolger Michelangelo's ähnlich ist. Die Frage, „ob unsere jüngste Tonkunst
wie sie sich seit dem späteren und späten Beethoven über Wagner zu Stranft und
Mahler entwickelt hat, noch einer Weiterbildung fähig ist*, glaubt Sclineider Jtia
Hinblick auf die verblüffend parallele Entwickelung der italienischen bildenden
Kunst^ verneinen zu müssen. Er meint, es sei „der gleiche Weg zum Verüall von
Wagner und Liszt zu Strauß und Mahler, wie von dem SchöpfSer der Laurentiana
zu den Bernini und Borromini". „In der bildenden Kunst folgte auf das Pathos
des Barock die Grazie des Rokoko. Dieses wieder wird abgelöst Ton dem
strengeren Stil Louis XVI., der zum klassizistischen Empire führt. So wird auch
die Tonkunst aus dem komplizierten Oberschwang zurückfinden zu einer schlichteren
und gehalteneren Sprache.*
FRANKFURTER ZEITUNG vom 1. Februar, vom 8. März, vom 17., 2C und 31. Mai
1908. — Alfred Moeglictas Aufsatz „Aus dem Werdegange einet Geiger-
königs. Zur Erinnerung an August Wilhelm}' (1. II.) enthält interessante JMi^
teilungen über Wilhelmjs Geigenspiel, die sich zum Teil auf Jules Ghymers*
Schrift über Wilhelmjs Spiel stützen. „August Wilhelmjs Art zu studieren, die er
von Kindesbeinen auf sozusagen instinktiv pflegte, war die stellenweise Obung^
das heißt, er studierte niemals ein Stück in seinem Zusammenhange, sondern die
einzelnen, schwierigeren Stellen, und zwar eine Jede ununterbrochen so lange,
bis sie ganz korrekt herauskam.** — Aus dem „Pester Lloyd' werden »Brinnernnfsn
an Johannes Brahms' (8. III.) abgedruckt, die Berta Tucholsky nach Anfkeidi-
nungen des Sängers und Komponisten Georg Henschel, zuerst verSflIendicht In
243
REVUE DER REVUEEN
sächlich gegen die Freigabe des »Parsifal". — In dem Aufsatz „Richard Wagner
ober die Moderne" spricht Josef Stolz ing über den Einfluß, den die Juden nach
Wagners Ansicht auf die Kultur und die Kunst ausgeübt haben.
VOSSISCHE ZEITUNG (Berlin) vom 25. Januar 1908. — Ernst Mfiller zeigt in
einem interessanten Aufsatz über »Schiller und die Musik'', daß „die Musik stets
einen wichtigen Faktor in Schillers Leben und seiner Dichtung bildete", und be-
richtet über Schillers Pline, Opemtexte zu schreiben. Zelter sagte: „Niemand
hat tieferen Sinn für die Musik als Schiller.'' Müller zählt einige der bedeutend-
sten Kompositionen Schillerscher Gedichte auf. Am Schluß weist der Verfasser
darauf hin, daß „die von Schiller gewünschte Oper" von Richard Wagner geschaffen
worden ist.
WESER-ZEITUNG (Bremen) vom 8. März 1008. — In dem Aufsatz „Der musikalische
Zeitgeschmack sagt W. Freudenberg nach einem kurzen historischen Überblick:
„Wenn nun die neuere, auf der Orchestertechnik beruhende Musik zu all-
gemeiner Verständlichkeit zurückkehren will, wird sie sich wieder mehr auf das
dem Menschen im Gesang angeborene Fundament aller wahren Musik besinnen
und bestrebt sein müssen, sich mit melodischem Inhalt zu füllen. . . . Der Gesang,
das Schönste aller Musik, ist das Heilmittel, durch das sie wieder genesen kann,
wenn sie von ihm ihren Ausgang nimmt."
BRESLAUER ZEITUNG vom 24. Mai 1008. — Zum Geburtstage Wagners veröffent-
licht Paul Menzel den Aufsatz »Ein Richard Wagner- Gedenklatt", in dem er auch
über die Aufführungen Wagnerscher Werke in Breslau berichtet.
DORTMUNDER ZEITUNG vom 1. Januar 1008. — Kaiman Feld veröffentlicht in
dem Aufsatz „Äußerungen berühmter Dirigenten über die Leonoren-Ouvertüre No. 3"
die Antworten von acht Dirigenten auf die Frage, an welcher Stelle die dritte
Leonoren-Ouvertüre gespielt werden soll. Mottl, Richter, Richard Strauß und
Siegfried Wagner sind der Ansicht, daß es am besten sei, diese Ouvertüre nur
im Konzertsaal spielen zu lassen; wenn man sie aber bei der Aufführung des
»Fidelio" nicht vermissen wolle, so möge man sie am Anfang aufführen. Auch
Schuch pflegt sie an den Anfang zu stellen. Goldmark und Nikisch lassen
sie vor dem zweiten Akt spielen. Mahler während der Verwandlung. Strauß
empfiehlt, außer der dritten Leonoren-Ouvertüre auch die Fidelio-Ou vertu re vor
dem Beginn der Oper vorzutragen. Der Verfasser spricht dann die Ansicht aus,
daß die dritte Leonoren-Ouvertüre gar keine „Ouvertüre", kein „Vorspiel", sondern
ein „Zwischenspiel" sei und während der Verwandlung im zweiten Akt gespielt
werden müsse. „Hört man die Fanfare zuerst in der Ouvertüre und dann bei
offener Szene, so wird man statt der beabsichtigten erlösenden Überraschung einer
unwillkürlich funktionierenden musikalischen Reflexion ausgesetzt, wodurch die
Wirkung im entscheidenden Moment verloren geht. Ertönt hingegen die Fanfare
im ^Nachspiel' als Reminiszenz, so büßt sie, an dieser Stelle wiederholt, nichts von
der ihr zukommenden Bedeutung ein, gerade im Gegenteil, die Wirkung ist eine
verdoppelte, denn der musikalische Eindruck wirkt hier zugleich dramatisch, das
soeben erlebte Drama taucht noch einmal in voller Deutlichkeit vor unserem
geistigen Auge auf ..." „. . . Aber auch von einem anderen Standpunkt aus muß
der Placierung der Ouvertüre nach der Kerkerszene der Vorzug gegeben werden.
Wenn in einer Oper bei einer Verwandlung ein so unmittelbarer dramatischer Zu*
sammenbtng zwischen den zwei aufeinanderfolgenden, in der Handlung nur aus
technischen Gründen unterbrochenen Szenen besteht, wie dies in der Verwandlung
246
DIE MUSIK VII. 22.
teilungen Herv6's über dessen Zusammentreffen mit Wagner^ der ihn in einer
Abendgesellschaft kennen lernte und später zuweilen mit Anerkennung von ihm
sprach. — Carlos D roste veröffentlicht unter der Oberschrift ,»Hedwig Reicher-
Kindermann'^ zum 25. Todestage der Singerin eine interessante Biographie.
HANNOVERSCHER COURIER vom 12. Februar 1908. — H. von Beaulieu ver-
öffentlicht einen Dialog zwischen einer Frau und einem Mann unter dem Titel
„Der ,große Prozeß' in Richard Wagners Dichtung.* Mit dem .»großen Prozeß*
meint der Verfasser die Liebe, die Friedrich Hebbel ,,den grolkn zwischen den
Geschlechtem anhingigen Prozeß* nannte. Der Dialog handelt von der Liebe
Elisabeths, Elsas, Brunnhildes und Isoldes.
KIELER ZEITUNG vom 24. Januar 1906. — Zum 60. Geburtstage Kretzschmars ver-
öffentlicht Willy Orth mann den Aufsatz „Hermann Kretzschmar*, in dem er dea
Gefeierten den »zurzeit größten Kenner der Musik aller Jahrhunderte* nennt
KÖNIGSBERGER ALLGEMEINE ZEITUNG (BEILAGE: BLÄTTER FÜR
LITERATUR UND KUNST) 1908, Nr. 8 und 10. - Paul Bornstein bespricht ia
dem Aufsatz »Friedrich Hebbel und Robert Schumann* (Nr. 8) die Beziehungen
der beiden Künstler zueinander. Schumann wollte bekanntlich eine Bearbeitung
von Hebbels „Genoveva* als Textbuch einer Oper benutzen und vertonte mehrere
Gedichte von Hebbel. Schumann und Hebbel sahen einander im Jahre 1847
in Dresden. - Paul Ehlers' Aufsatz »Das Münchner Künstlertheater* handelt
von der Reform der Bühneneinrichtung.
KÖNIGSBERGER HARTUNGSCHE ZEITUNG vom 15. Februar 1008. — Adolf
Prümers berichtet in dem Aufsatz „Königsberg und seine Musiker* kurz fiber
das Leben und Schaffen der Choralkomponisten Graumann (1487— 1541K Johana
Eccard (1553—1611) und Heinrich Albert (1604— 1651), des Liederdichters Reichhardt
(1752—1814), E. T. A. Hoffmanns, Otto Nicolais, Adolf Jenens, Hermann Goetz^
und mehrerer bekannter Musikschriftsteller, Virtuosen und Pidagogen.
ALLGEMEINE ZEITUNG (München) vom ?. Januar, vom 24. Januar und vom
18. März 1908. — Paul Marsop zieht in dem Aufsatz „Die beiden Barbiere* (3. L>
einen Vergleich zwischen Paisiello's und Rossini's Opern „Der Barbier von Sevilla*
und spricht kurz über den Einfluß Paisiello's auf Mozart. Am Anftmgdes AnfiMtzes
schreibt Marsop: „Am 5. Februar 1816 wurde Rossini's ,Barbiere di Siviglta* vom
römischen Publikum ausgezischt. Der Hauptgrund solcher (bindseligen HaJtung:
man fand es unverschämt, unverzeihlich, daß ein junger Tonsetzer sich vermaO,
nach dem gleichen Komödienstoff zu greifen, mit dessen musikalischer Illnstrierang
der allverehrte Meister Paisiello sich nicht lange zuvor ins Herz aller Italiener
gesungen hatte. Am 13. Dezember 1907 pfiffen die Urenkel derer, die dereinst
dem Schwan von Pesaro wohl die schwersten Stunden seines Lebens bereiteten»
den ,Barbier^ des Paisiello unbarmherzig aus — als er in seinem Geburtalande»
fast schon verschollen, unvermutet wieder einmal auftauchte«* Als Marsop einige
Zischer nach dem Grunde der Ablehnung fragte, erhielt er die Antwort^ ^es sei
unerhört, die alte verstaubte Scharteke einer Zuhörerschaft vorzusetzen, die doch
die unübertreffliche Tonschöpfung eines Rossini Note für Note auswendig kenne.* -*
Unter der Überschrift „Verdi und das Publikum" (24. 1.) veröffentlicht und kommen-
tieft Paul Marsop einen von Verdi im Februar 1850 an seinen Verleger Ricordi
gerichteten Brief, der zeigt, daß Verdi auch in der Zeit, als er schon der Liebliof
seiner Nation war, von dem Theaterpublikum sehr geringschltzig dachte. — HeiQricIl
Spelthahn bietet in dem Aufsatz „Exotische Musik" (18. III.) einen Überblick
::^^
245
REVUE DER REVUEEN
der Londoner Zeitschreift »Century Magazine**, mitteilt. Henschel verkehrte freund-
schaftlich mit Brahms und hat in den „Erinnerungen** manche sehr interessante
Aussprüche Brahms' wiedergegeben und auch von einigen Erlebnissen erzählt,
durch die wir Brahms' Charakter näher kennen lernen. Als Henschel ihn fragte,
ob er einige Noten in dem „Triumphlied* ändern dürfe, antwortete Brahms: „Ge-
wiß. Meinetwegen darf ein denkender, verständiger Sänger ruhig einmal eine Note
verändern; nur müssen naturlich Deklamation und Akzent korrekt bleiben.* Ober
Wagners „Ring* sagte Brahms: „Ich muß gestehen, daß ,Walkure* und ,Gdtter-
dämmerung* auch auf mich großen Eindruck gemacht haben. Für ,Rheingold^ und
ySiegfried* bin ich nicht so begeistert. Wenn ich nur erst wußte, was aus dem Ring
wird und was Wagner damit gemeint hat. Vielleicht das Kreuz? Hebbel hat es
in seinen Nibelungen so aufgefaßt, und vielleicht war das auch Wagners Meinung.
Ich bin dem Kreuz durchaus nicht blind ergeben, aber das wäre doch wenigstens
•eine Idee, das Ende der Götter so anzudeuten.* Auch an einer anderen Stelle be-
richtet Henschel, daß Brahms fragte: „was denn eigentlich mit dem Ring geschehe.*
Brahms' Arbeitsweise charakterisieren die folgenden Aussprüche: „Man sollte nie
vergessen, daß man mehr lehrt [Druckfehler?], wenn man ein Stück möglichst
vollendet, als wenn man zehn beginnt. Lassen Sie es liegen und nehmen Sie
es immer wieder vor, bis es ein vollendetes Kunstwerk ist, bis keine Note, kein
Takt darin vorkommt, der noch besser sein könnte. Ob es dann auch schön ist,
das ist wieder eine Sache für sich, aber vollendet muß es sein. Wie Sie wissen,
bin ich faul. Aber nie könnte ich ein angefangenes Werk liegen lassen, bis es
nicht einwandfrei, so vollkommen wie möglich ist* „Wenn Sie Lieder schreiben,
müssen Sie zugleich mit der Melodie einen gesunden, kräftigen Baß erfinden.
Und dann keine schweren Dissonanzen auf unbetonten Taktteilen, bitte! Das ist
•schwach. Ich selbst bin sehr für Dissonanzen, aber in betonten, schweren
Taktteilen, und dann löse ich sie leicht und allmählich auf.* Von Schuberts
Komposition der Goethe- Lieder sagte Brahms: „Die letzte Strophe von
Suleikas Lied: ,Was bedeutet die Bewegung^ ist für mich das einzige Beispiel,
wo der Zauber Goethescher Worte durch die Musik noch erhöht wird. Alle
•seine anderen Gedichte sind in sich vollendet, daß keine Musik an sie heran-
Teicht* Von den Werken der großen Meister sprach Brahms nach Henschels
JMitteilungen „nicht nur mit Bescheidenheit, sondern sogar mit Demut.* —
Bernhard Scholz klagt in dem Aufsatz „Der Niedergang der öffentlichen Musik-
jptiege in Frankfürt a. M.* (17. V.) darüber, daß ältere klassische Werke, z. B. die
'Chenibini's, in Frankfurt a. M. „mehr und mehr vom Repertoire verschwanden,*
"Weil zu viele Aufführungen von Werken der Neueren, besonders der Russen,
stattfanden. Ferner bedauert Scholz, daß in den letzten Jahren das Publikum
weniger danach fragt, welches Werk aufgeführt wird, als danach, wer es dirigiert.
In Frankfurt würden die auswärtigen, nur als Gäste auftretenden Dirigenten und
Kammermusik-Virtuosen so sehr bevorzugt, daß die einheimischen „an die Wand
gedrückt* würden. — Luise Pohl berichtet in dem Aufsatz „Eine Erinnerung an
Anton Rubinstein* (24. V.) über Rubinsteins Spielleidenschaft und seine Abneigung
gegen Wagners Musik. — Unter der Oberschrift „Richard Wagner als Supplikant*
(31. V.) werden Stellen aus drei die Aufführung des „Rienzi* betreffenden Briefen
Wagners an den Dresdener Hoftheater-Intendanten Freiherrn von Lüttichau mit-
geteilt.
HAMBURGER FREMDENBLATT vom 20. Februar und vom 31. Mai 1908. - Der
anonyme Aufsatz „Richard Wagner und Herv6* berichtet auf Grund von Mit-
Vn. 22. 17
KRITIK
OPER
KÖLN: Die in der Zeit vom 11. bis 29. Juni
durch den Opernfestpiel-Verein im
hiesigen Opemhause veranstalteten sechs Auf-
führungen haben manches Schöne und Anregende
gebracht, andererseits aber auch Enttäuschungen
bereitet. Zum ersten Abend hatte die Pestspiel-
leitung ihre Rechnung ohne Burrian gemacht,
obgleich der Herr an ihrem kfinstlerischen
Konto stark beteiligt war. In „Tristan und
Isolde* sprang fQr den in letzter Stunde Ab-
sagenden Paul Kali seh (Wiesbaden) höchst
▼erdienstlich ein. Zu der großcugigen Isolde
▼on Martha Leffler-Burckard (Wiesbaden)
gesellten sich als sehr rfihmliche Vertreter des
Kurwenal, des Marke und der Brangäne Tilman
Liszewsky (Köln), Alfred Käse (Leipzig) und
Ottilie Metzger-Froitzheim (Hamburg). Als
stark persönlich wirkender Dirigent hielt
Arthur Nikisch zeitweilig das Orchester allzu
laut. Eine außerordentliche Aufführung von
echtem Festspielgeprige war die von „Figaros
Hochzeit*. Vorweg sind als ausgezeichnete
Vertreter des Figaro und der Susanne Paul
K n fi p f e r und Frieda H e m p el (Berlin) zu nennen,
mit denen Fritz Fe in hals (München) als Graf
In schönen Wettbewerb trat. Recht zierlich gab
Minnie Na st (Dresden), den Pagen. Lola
Artöt-de Padilla (Berlin) stand als Gräfin
nicht ganz auf der durch die Vorgenannten be-
haupteten Höhe, während als Bartolo, Basilio
und Marzelline Georg Sieglitz (München),
Albert Reiß (New York), und Anna Weiden
(Köln) Vortreffliches boten. An der Spitze des
Kölner Orchesters erschloß Fritz Steinbach
als so recht stilvertrauter, hingebungsvoller
Ausdeuter Grazie und Wollaut der Partitur.
In der folgenden „Meistersinger*-Aufführung,
die ebenso wie die voraufgegangenen Anton
Fuchs (München) szenisch herrlich leitete, ent-
sprach als Stolzing Leo Slezäk (Wien) weder
gesanglich noch darstellerisch den gehegten
Erwartungen. Dann waren Minnie Nast als Eva
und Albert Reiß als David stimmlich nicht
absolut ausreichend, sonst aber einwandfrei.
Fritz Feinhals als hervorragender Sachs, dann
Rudolf M o est (Hannover), Josef Geis (München),
Liszewsky (Köln) und Ottilie Metzger, letztere
allerdings oft recht willkürlich singend stellten
das weitere, von Felix Mottl in vornehmstem
Stile geleitete, leistungsfähige Ensemble. Die
Chöre hatten durch Konservatoristen und
den Gesangverein Liederkranz erhebliche Ver-
stärkung erfahren. Gerade die gewöhnliche
Kölner „Meistersinger* -Aufführung steht so
hoch, daß auch eine Festspiel Vorstellung sie
nicht leicht übertrumpft, und das ist auch
diesmal nicht geschehen. Bedeutenden und voll-
berechtigten Erfolg erzielte am vierten Abend
das Ensemble des Brüsseler ,Tb6ätre royal
de la Monnaie* mit Puccini's „Vie de
Boh6me*. Unter Sylvain Dupui's feinsinniger
Führung waren zumal Yvonne de Tr6vilie,
M. Symiane, sowie A. Morati und M. de
C16ry als Mimi, Musette, Rodolphe und Marcel
gesanglich und, was besonders betont sei, auch
schauspielerisch vorzüglich und so recht voller
Leben und Natürlichkeit. Bis zur kleinsten
Rolle ein stileinheitliches, künstlerisch glänzen-
des Zusammenwirken! FQr CUnde Debasay*!
schwaches Opemwerk (eigentlich eherMelodrmo)
„Pelleas und Melisande*, Text von Mmet»r-
linck« ist in jüngster Zeit von beteiligter deotsehar
Seite ungerechtfertigte Reklame gemacht worden«
Dieses Werk, dessen Wahl nnverstlndlicta auch
dann bleibt, wenn man die lettendea Fiden
kennt, brachte die allgemein empfiiodene froBe
Enttäuschung dieser Festspiele. Natfirlich nahm
man die ausgezeichneten Leistungen dar
Brüsseler Gäste, zumal der genialen Marjr
Garden als Melisande und des nictaia weniger
als alltäglichen Baritonisten J. C. Bonrbon,
mit warmer Teilnahme auf. Terdfs nach langer
Zeit neueinstudierter .Falstaff* bracbta dte
Kölner Oper vor den fremden Featspielbeancham
zu hohen Ehren, denn mit alleiniger Auanahme
der von Leopold Demut h (Wien! in Jeder Be-
ziehung prächtig gegel>enen Titelrolle waren alle
Panieen mit ständigen, sorglich auaflewihlien
Kräften der hiesigen Oper l>esetit. TUman
Liszewsky als stimmglänzender Ford, H.
Winckelshoff, Carl Neldel, Max Pauli,
Frieda Felser, Ciaire Duz, Anna Weiden nav.
bildeten ein hochragendes, ungemein Mn-
geschliffenes Ensemble, mit dem ala melater*
lieber Einstudierer und allea eiektriaierender
Dirigent Otto Lohse wundervolle Wlrknufan
erreichte. Ihm bereitete das FeatpnMilnai
jubelnde Ovationen. Noch sei erwlhnt, daß ea
zu allen Aufführungen splendideste neue Dcke-
rationen und Kostüme gab. Paul Hiller
MOSKAU: Die Kaiserliche Oper veran-
staltete in der achtmonatlichen Spieliail
190 Vorstellungen, die Privatoper Zimin 287,
darunter 51 Sonntags- und Feiertagisniatinean
mit ermäßigten Preisen. Daa Streben anr Vei^
vollkommnung dea BQhnenweaena tat nidM
zu leugnen, jedoch ist manchea Untenftflende in
Repertoire und AusfGhrung in ven^ctanen« In
der Kaiserlichen Oper waren neu einstudiert:
Rubinsteins .Nero*, C. Quds .Matthee Palkone*,
deren Wahl nicht als glficklich in prelacn tat
Als Neuheit gab es: .Die Legende ven der
entschwundenen Stadt Kiteacb und die Jungfraa
Thearonia*, von Rimski-Kora8akew,ein werk teil
Mystik in erhabenem Oratorienatil. GUnkafk
«Rußlan und Ludmilla*, glänzend neninasenieft,
übte große Zugkraft aus. Die PriTatoper Ziain
erzielte mit Tschaikowsky'a .Junfflratt Ten Or-
leans*, späterhin auch mit .Eugen Onegln* und
«Pique- Dame* Erfolge. Von auallndiechen
Werken gelangten u. a. zur Aufführung: LertiingiB
,Zar und Zimmermann* (zun eraien Male im
Auslande aufgefuhn), Dupont's .Cabrera*, «Saa-
son und Dalila* (unter Colon ne), MaiUanfk
«Glöckchen des Eremiten*. Ein falscher Zug ist
in der Privatoper wahrzunehmen, wibrend In dar
Kaiserlichen höchst selten Glanzveratellnntaa
und Neueinstudierungen neues Leben in dto
Eintönigkeit bringen. Ganz auageieichnet fu
Dirigent Suck der Kaiserlichen Oper.
bat jetzt auch eine hervorragende Dirigoi'
kraft in Emil Kuper gewonnen. Orcfaeaier
Chöre sind gut besetzt; trotzdem iat Wi
ausgeschlossen! — Nur im Volkatheater,
dem Jede Woche drei Opernvoraiellnntan fw
sich gehen, kam der «Tani inaer* nh gn
Kräften bei vollem Hause su Gehdr.
Publikum sehnt sich nach Wagner. *
249
KRITIK: KONZERT
exklusive Stellung nimmt eine szenische Vor-
fGbrung mit Gesang und Tänzen von einer
Tondichtung von dem (1907) verstorbenen rus-
sischen Komponisten Blsremberg ein, der
den Text des »Demons* von Lermontow zu
einer Reibe von musiktlischen Bildern im Geiste
der Dichtung verwendet hat. Die Musik hai
lyrische und dramatische Episoden aufzuweisen,
die eine starke Wirkung nicht verfehlen.
E. von Tideböhl
KONZERT
DARMSTADT: Das tatkräftige Wirken des hie-
sigen Richard Wagnervereins hat auf die
Pflege modemer Tonkunst, die in unserer Stadt
firfiher arg damiederlag, den befruchtendsten
Einfluß geübt, so daß die zweite Hälfte der dies-
winterlichen Konzertsaison geradezu unter dem
Zeichen der Komponistenabende stand, bei
denen die Tonsetzer meist persönlich mitwirkten.
Während der genannte Verein selbst einen
Henri Martesu- und einen Hans Hermann-
Abend veranstaltete, räumte die Ho fka pelle ihr
viertes und ihr sechstes Konzert Max Reger und
Engen d'Albert ein, und der Mozart-Verein
fahrte neue Chorwerke von Gustav Weber,
Wilhelm Berger und Arnold Mendelssohn
vor. Den glänzenden Schluß der Konzertsaison
bildeten ein vom Wagner-Verein veranstalteter
Richard Wagner-Abend und ein Beethoven-Abend
(mit der Neunten Symphonie), bei denen das hier
erstmalig erscheinende Leipziger Winderstein-
Orcbester und die Großherzogliche Hofmusik
in einen interessanten künstlerischen Wettbewerb
traten. — Von hervorragendem Interesse war
dann such das erste Darmstädter Kammer-
musik fest, das anläßlich der Eröffnung der
liessiscben Landesausstellung für freie und an-
gewandte Kunst unter dem Protektorat des
Großherzogs in den Tagen vom 25. bis 27. Mai
im Saalbau veranstaltet worden war, und das
durch die Mitwirkung einer Reihe unserer
ersten deutschen Tonsetzer den Charakter einer
Ton kfinstlei Versammlung im kleinen annahm.
Während der erste Abend Beethoven ge-
widmet war und Frida Kwast-Hodapp und
Ludwig Heß mit dem Vortrag der Appassionata
ond des »Liederkreises an die ferne Geliebte*
besondere Ehren eintrug, brachte der zweite Abend
ein Reihe von Erstaufführungen für Darm-
itsdt, von denen ein Vokalquartett a cappella nach
Texten des Angelus Silesius von Arnold Mendels-
sohn, das e-moll Streichquartett von Max
Scbillings,dievondem Komponisten zusammen
mit Gustav Havemann vorgetragene Sonate für
Klavier und Violine op. 42, No. 2 in fls-moll von
Felix Weingartner und die rasch bekannt
gewordene ^nf»ätzige Serenade für elf Solo-
instrnmente von Bernhard Sekles großen Beifall
fanden. Der dritte Abend, der mit einem seit-
her nur im Leipziger Gewandhaus aufgeführten
Kleviertrio (op. 102 in e-moll) von Max Reger
eröffoet wurde, wurde im übrigen mit Ur-
mtiffflbrungen ausgefüllt. Den vokalen Teil
▼ertrsten Max Reger mit zwei Liedern voll
dfister-schwerer Grundstimmung und tiefer Resig-
nation: »Ein Drängen** und «Unterwegs*, Fritz
Volbscb mit einer gefälligen, wenn auch nicht
gerade in die Tiefe gebenden Komposition für
Sopran mit Begleitung von Klavier, Violine,
Violoncello und Harfe, betitelt „Die Nachtigall*
(Text von Paul Verlaine) und Volkmsr
Andreae, dessen drei Liednummem: das im
Schumannstile gehaltene „Du bist ein Kind*^
der fein pointierte „Schmied* und die prächtige
C. F. Meyersche Ballade „Alle schweigen*, deren
Humor musikalisch glänzend herausgeholt ist,eine
dauernde Bereicherung des deutschen Konzert-
repertoires werden dürften. Viel charakteristisch-
individuelle Zü<e wies die einsätzige Phantasie
für Streichquartett von Ludwig Heß ,An die
Hoffnung* auf, und das Finale des in allen seinen
Teilen wohlgelungenen Festes bildete ein Klavier-
trio von Volkmar Andreae, ein nach Satz,
Technik und gedanklichem Inhalt durch und
durch modernes Werk voll Kraft, Gesundheit
und Frische, das sich am Schluß zu packender
dramatischer Größe steigert. Um die Ausführung
des Programmes machten sich außer den bereits
Genannten und den mitwirkendenKomponistendie
Darm Städter Kammermusik-Vereinigung,
eine Anzahl von Mitgliedern der Großherzog-
lichen Hofmusik und die Münchner Künstler
Frau Möhl-Knabl, Klara Rahn und Joseph
Loritz verdient. Der Großherzog von Hessen,
der mit seiner Gemahlin sämtlichen Konzerten
beigewohnt hatte, verlieh am Schluss Max Reger
die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft
und Hofkonzertmeister Gustav Havemann,
dessen Initiative das Fest in erster Linie zu
danken war, das Ritterkreuz erster Klasse des
Philippsordens. H. Sonne
DUISBURG: Im vierten Konzert des Ge-
sangvereins zeigte sich der Chor unter
Walter Josephson in Haydns „Schöpfung* mit
wobleinstudierten Chören und besten Solisten:
Hedwig Kaufmann, Richard Fischer und
Otto Süße. Das fünfte Konzert bestritt aus-
schließlich das Berliner Vokalquartett, das
im „Spanischen Liederspiel* von Schumann und
in den „Liebesliedem* von Brahma, sowie in
Volksliedern von Grimm Ausgezeichnetes bot.
Das Schlußkonzert brachte Mozarts c-moU Messe.
Die Sopran partieen waren vorzüglich vertreten
durch Emma Bellwidt und Eva Leßmann; gut
war Ernst Everts, weniger befriedigte Reinbold
Batz. Die schwierigen Chöre fanden im Or-
chester gute Unterstützung. — Im zweiten Kam-
mermusik-Abend ließ sich das Trio Georg
Schumann, Karl Halir und Hugo Dechert
mit Brahma und Beethoven in vorzüglichem
Zusammenspiel hören, doch traten die Geigen-
und Cellosolostücke sehr aus dem Kammer-
musikrahmen heraus. Der dritte Abend ver-
mittelte die Bekanntschaft des Komponisten
Marteau: Trio und sieben Lieder mit Quartett-
begleitung, mit denen Tilly Cah n bl ey- H i n ken s
Stimme und Vortrag reichen Beifall fanden.
Auch bei uns wurde Marteau weit begeisterter
als Geiger aufgenommen in Regers Violin-
sonate und als Primus beim Beethovenquartett
No. 4. Die drei begleitenden Dortmunder
Herren spielten ziemlich mittelmäßig. — Das
dritte Symphoniekonzert (Leitung Ernst
Schmidt) bischte als Neuheit Bossi's „Inter-
mezzi Goldoniani*, zum Schluß Schumanns
erste Symphonie. Karl Paus l>e währte sich in
Orgelwerken von Boöllmann und Guilmant. Der
vierte Abend brachte Liszts „Tasso* zum
250
DIE MUSIK VII. 22.
ersten Mal, Strauß* «Tod und Verklärung* und
die »Hollinder'-Ouverture. Prederik Voß spielte
mit großer Bravour Tschaikowsky's erstes
Klavierkonzert und einige SolostQcke. Ses
pREIBURG i. B.: Unter den stidtischen
'^ Symphoniekonzerten bat das siebente
unter Fritz Steinbacbs Leitung am meisten
Interesse erregt. Die zweite Leonoren-OuvertQre,
ßacbs drittes Brandenburgiscbes Konzert,
Scbubert b-moll Symphonie und vor allem
Brabms' Vierte kamen in vollendeter Weise zu
Gebor. An sonstigen Neuigkeiten brachten diese
Konzerte unter Starkes Leitung u. a. Brückners
dritte Symphonie In d-moll, die einen nach-
haltigen Eindruck machte. Sonstige bemerkens-
werte Vorkommnisse waren: Haydns Militär-
Symphonie, Beethovens c-moll Symphonie und
Strauß' «Don Juan*. Als Gesangssolisten hörte
man Frieda H e m p e 1 (Berlin) mit der Wahnsinns-
arie (sie!) aus der ^^Lucia* und Alexander Heine-
mann mit einer Arie aus «Elias* und ver-
schiedenen Liedern; beide Künstler rechtfertigten
den ihnen vorausgegangenen guten Ruf. Als
Soloviolinist trat auch erstmals Karl Halir
auf und erntete in Spohrs etwas verblaßter
Gesangsszene und Joachims «Ungarischem
Konzert* reichlichen Applaus. — Das zweite Ver-
einskonzert des Musikvereins brachte u. a.
Brahms' «Schicksalslied* und Mendelssohns
«Lorelei*-Finale. Die Auffuhrung der «Matthäus-
passion* am Karfreitag mit Dr. Raoul Walter
(München) als Evangelist, Emil Liepe (Berlin)
als Christus, Dr. Oscar Metzger von hier
(Baß-Partieen) und den Damen Gl. Wiß (Zfirich)
und Lisa Burgmaier (Aarau) im Sopran und
Alt gestaltete sich zur weihevollen Passions-
feier, der ein sehr zahlreiches Publikum mit
Erhebung lauschte. — Im Oratorien-Verein
gelangte Schumanns hier oft gehörtes «Paradies
und die Peri* unter C. Beines mit den Solisten
Charlotte Wolter, Ella Becbt, Paul Reimers
und Ad. Petry zur Aufführung, der viel Gutes
nachgerühmt werden darf. — An Kammer-
musik-Aufführungen hörte man wie alljährlich
die Böhmen (mit Eva Leßmann als hervor-
ragender Gesangssolistin), Florian Zajic mit
dem Pianisten Mayer-Mahr und neuestens
an drei als Kammermusikfeste im Paulus-
Saale arrangierten Abenden: das Brüsseler
Streich-Quartett im Verein mit der Mün-
chener Kammermusik-Vereinigung und
der Pianisten Del Grande (Freiburg) und
Professor Schmid- Lindner (München). Die
Durchführung sämtlicher Stücke gelang in ganz
vorzüglicher Weise; am meisten Beifall errangen
Beethovens cis-moll Quartett (op. 131), dessen
Septett op. 20 und Serenade op. 25, Dittersdorfs
reizvolles Quartett in Es (No. 5) Mozarts Es-dur
Klarinettenquintett, Spohrs selten gehörtes inhalt-
reiches c-moll Klarinettenquintett und Brabms'
Klarinettenquintett in h-moll op. 115. An Ge-
sang- und Instrumentalsolisten verzeichnen wir:
Lilli Lehmann, die hier in enthusiastischer
Weise gefeiert wurde, Sven Scholander, Mina
Roden und Erika Binzer, Alexander Persch-
nikoff, Raoul von Koczalski (mit fünf
Abenden), Carlo del Grande (Chopinabend),
Frau Dr. Thomas -St. Galli und Sigrid
Schn^evoigt. Schließlich seien noch je ein
Vereinskonzert der «Concordia* und des
«HM
«Männergesangvereins* erwähnt, in denen auf
dem Gebiet des Kunstgesanges zum Teil Vor-
zügliches geleistet wurde. — Das achte und
letzte der städtischen SympbonielKonzerte fand
vor ausverkauftem Saal statt; es konzertierte
das Berliner Philharmonische Orchester
unter Richard Strauß. Mit Ausnahme von
Berlioz' Ouvertüre zu «König Lear* enthielt das
Programm nur hier längst bekannte Werke:
Wagners «Tannbäuser'-Baccbanale, Liszu .Let
Pr^ludes*, Strauß' «Till Eolenspiegel* und
Mozarts «Jupiter*-Sympbonie. Strauß hat hier
schon wiederholt glänzende Proben feiner
Dirigentenbegabung abgelegt; diesmal erschien
er uns in ganz neuer Beleuchtung; ea ist fut
unglaublich, welch' eine faszinierende Gewalt
von dieser Kfinstlerpersönlichkeit aosgeht^
in der sich eiserne Energie mit einer die
äußerste Grenze des AusdrucksvennQgena h^
rührenden Feinfühligkeit der Empfindung gegen-
seitig durchdringen, und dies alles» geatAtit anf
einen Orchesterapparat, der befähigt iat| die
feinsten Intentionen des Dirigenten dem Pn*
blikum in einer Weise zu übermitteln, die ea
förmlich in seinen Bann zwingt. Der angemein
drastische, geistreiche und zugleich fUnainnlge
Humor von »Till Eulenspiegel* wirkte anter
des Komponisten genialer Leitung In bisher
ungeahnter Welse. Großartig and bis ina Detail
ausgearbeitet erschienen auch die Wiedergabe
von Berlioz' wuchtiger «König Lear"-Oavertflra^
sowie Wagners «Tannbäu8er*-Finale and Liaita
«Pr^ludes*. Bei Mozart ging der DirigoiC ana-
schließlich darauf aus, uns den Meister in aeiner
ganzen unerreichbaren Schönheit an ▼ennittela,
in der sich des Künstlers eigene IndlTidttalltit
gleichsam umwertete, um den Unaterhilehen
in seiner zauberhaften Gewalt zn nna apreehen
zu lassen. Die Huldigungen dea aehr lahl-
reichen Publikuma ateigerten aich mit ieder
Nummer und schlössen mit einem wahren
Sturm der Begeisterung; jedenfalls bildete diea
Konzert den Höhepunkt der ganzen Saiaon. ^
Die Ende Mai atattgehabte Anfffihrang von
Haydns «Schöpfung* durch den Oratorien-
verein unter C. Beinea mit Felix Toa Kraafi
(Baß), Carola Hubert (Sopran) and Heinrich
Hermann (Tenor) hatte einen aehr gatenVer^
lauf. — Erwähnt aei noch ein Liederabend
unsrer einheimischen Künstlerin Ella Beehtp
die in Gesängen von Scbnmanny Stelnitierp
Fleck, Max Reger und Julina Weianann daa
Publikum zu intereasieren veratand.
Victor Angnat Loaer
GÖRLITZ: Bia tief in den Frühling hl
zog sich die Konzertzeit I007/& Ein
eignis von einschneidender Bedeatang war d
Wechsel im Amte des Stadtmasikdirektora.
Stelle des KapellmeisteraEibenschfitx, der n
Hamburg berufen wurde, trat Mnslkdlrektor Jfitt*
n e r aus Montreux, ein gebürtiger Liegnitser.
im Vorjahr, so fuhr auch In diesem Kon
Winter Eibenschütz fort mit Symphoniekon
die, der sicheren Finanzierung wegen, anter di
Protektorat des «Vereins der Mualkfreande*
gestellt waren, und zn denen Sollaten h
gezogen wurden — leider, denn wir bekennen
übergenug zu hören, und ale bringen lan
doch nur Unordnung in daa Progrann ein
Orchesterkonzertea. Bedanerllcherwelae
251
KRITIK: KONZERT
9MM
sie aber den Kassenmagneten abgeben. Als
liemerkensweit seien erwlbnt: Concerto
Crosso No. 7 C-dur von Hindel, C-dur Sym-
phonie von Schubert, das d-moll Klavier-
konzert Ton Brahms, das Konrad An sorge
ebenso meisterlich spielte wie die große C-dur
Phantasie von Schubert-LisztydieD-durSympbonie
▼on Mab 1er, der trotz befremdlicber Eigenheiten
starkea Interesse entgegenzubringen ist, das von
Frederik Lamond eindrucksvoll gespielte B-dur
Klavierkonzert von Brahms, die von Henri
Mertean voller Mark gespielte Violinpbantasie
▼on Robert Schumann, Teil I aus «Odysseus'
Fahrten* von Ernst Boehe, dessen Bekanntscbaft
eine wertvolle zu nennen ist. Die im selben
Konzert gespielte symphonische Phantasie .Aus
Italien* von Richard Strauft verliert sich meiner
Meinang nach schlie&lich in lirmende Äußerlich-
keit. — Die Konzerte des «Vereins der Musik-
freunde* brachten ebenfalls die nötige Abwech-
aelnng zwischen alter und neuer Zeit. Hermann
Ooetz war vertreten durch seine F-dur Sym-
phonie, Haydn kam zum Wort mit seiner Ab-
sctaiedsaymphonie; Fritz Kreisler spielte das
Violinkonzert von Brahms mit tadelloser Tech-
nik und ernstem Kunstverständnis; Frieda
Hempel erwies sich in Bruchstficken aus Opern
von Mozart und Donizetti als Koloratursängerin
von dramatischer Großzügigkeit, Ernst von
Dohnanyi als eleganter Klavierspieler und
effelovoller Komponist in seinem e-moll Klavier-
Iconzert Von den weiteren Orchesterwerken
hinterließen nachhaltigen Eindruck die Sympho-
nieen D-dur von Beethoven und vierte (roman-
tiache) von Brückner. Mit der großzügigen Wie-
dergabe der c-moll Symphonie von Beethoven ver-
abacbiedete sich Eibenschfitz vom hiesigen Publi-
kum. — Auf dem Gebiet der Kammermusik
iat anr der Abend des Brüsseler Streich-
quartetts als wertvoll zu verzeichnen, das das
F-dnr Streichquartett op. 18 von Beethoven und
daa In d-moll von Schubert spielte. Frau Metzger-
Froltzheim lieh diesem Abend ihre kQnstle-
riacbe Unterstützung. Uneingeschränkten Genuß
boten das Konzert des Berliner Vokal-
Qnartetts (Jeanette Grumbacher- de Jong,
fnlia Culp, Paul Reimers und Arthur van Eweyk)
«od der Liederabend von Julia Culp, deren
emates Künstlertum In jedem Hörer tiefen Ein-
druck hinterlasaen wird. Eugene Ysaye spielte
auch diesmal wieder, leider aber ohne Or-
ehester. — Unsere Gesangvereine waren auch
eifrig an der Arbeit im Einstudieren anspruchs-
▼oller Chorwerke, sind aber leider immer noch
nicht auf befriedigender technischer Höhe. Die
Singakademie unter Dr. Koch brachte den
.Dinnrstrom* von Courvoisier, «Dem Verklär-
ten* von Schillings und »Mutterliebe* von
Bona (Uraufführung unter Anwesenheit des Kom-
poniaten) als Bedeutsamstes heraus. Alle drei
Werke wirkten durch Monumentalität der Ton-
aprache. Letzteres litt leider durch das Fehlen
der eine große Rolle spielenden Harfe und der
angenügenden Besetzung der Hauptpartie. In
tadelloser Ausführung wird «Mutterliebe* aber
eine wertvolle Bereicherung der Cborliteratur
bedeuten. In der Charwoche brachte die Sing-
akademie In der Peterskirche die „Matthäus-
pasaion* zur Aufführung, lieferte aber damit den
Beweia, daß für derartig schwerwiegende Musik
ein Tonkörper ersten Ranges vorhanden sein
muß. Die Philharmonie unter Kapellmeister
Hirt bot einen netten Liederabend, unter er-
freuender Mitwirkung von Susanne Dessoir
und eine befriedigende Auffuhrung des Requiems
von Brahms; der Hellwigsche Chorgesang-
verein eine solche der Hay dnschen »Schöpfung*.
Voll Befriedigung kann auch der Lehr er gesang-
verein auf seinen Liederabend zurückblicken.
Max Jacobi
GOTHA: Im Musikverein (Alfred Lorenz):
„Paradies und Perl* von Schumann, Mary
Münchhoff, deren Stimme nicht genügend
durchdrang, Clara Häßler, Maria Adami-
Droste, Ankenbrank, Strathmann. Beet-
hoven-Abend: Leonorenouvertüre No. 3, Violin-
konzert (P et ri), Neunte Symphonie (Ina Wright,
Johanna Brackenhammer, Herren Wolff,
G ünther)..Fausts Verdammung* von Berlioz
(Fräulein Ucko, Herren Zeller, Gmür). —
Sonstige Solisten : Ehepaar S c h n a b el (Schumanns
«Frauenliebe und -leben*, Beethoven Sonate op.
101), Possart („Enoch Arden* — Begleitung
Cornelia Rider). Ehepaar von Kraus (Schubert,
Brahms, Wolf). Das Russische Trio (Schubert,
Tschaikowsky a-moll). Frau Zehme -Jansen.
Barth sehe Madrigal Vereinigung. — Lieder-
tafel (Rab ich): Orchesterwerke («Finlandia* von
Sibelius, „Die Moldau* von Smetana, „Ouver-
türe 1812* von Tschaikowsky). Chorwerke
(Frühlingsphantasie von Gade, „Das Tal des
Espingo* von Rheinberger, „Normannenzug* von
Bruch, „Gesang der Athener* von Sibelius
„Kaianus* von Gade, „Hakon Jarl* von Reinecke
Chorlieder von Herbeck, Attenhofer, Curti,
Kirchner, Kirchl, Othegraven, Schubert, Hegar,
Brahms. Solisten: Paula Hager, Edith von
Voigtländer, Gertrud Meisner, Albine Nagel,
Frau Schauer - Bergmann, Torichler,
Piening, Soomer, Wolff, Strathmann,
Koennecke. — Vier Orchesterkonzerte
von der Meininger Hofkapelle unter Berger
und Gernsheim (Bach, Beethoven, Brahms,
Wagner, Joachim, Grieg, Mozart, Wieniairski).
•— Ein verdienstvolles Werk war noch das
Konzert des Orchestervereins (Albin An-
schütz), dem Andenken unseres heimischen
Tondichters Ludwig Böhner gewidmet
Dr. Weigel
JENA: Im letzten Jahre ist nicht nur In ge-
wohnter Weise musiziert worden, wir sind
auch in mehrfacher Beziehung ein gutes Stück
vorwärts gekommen. Musikdirektor Professor
Fritz Stein war noch mehr wie im ersten Jahre
seiner Tätigkeit der Spiritus rector des
musikalischen Lebens, bemüht vor allem, die
eigenen künstlerischen Kräfte Jenas zu wecken
und zu fördern. Er nahm dabei wohl etwas
viel auf einmal in Angriff, weshalb ihm auch
nicht alles nach Wunsch gelang. Auch wäre etwas
mehr Vorsicht und ruhiges Vorgehen in der
Erziehung des bisher fast ausschließlich an
klassische Musik gewöhnten Publikums geboten.
Frit£ Stein schulte vor allem seinen Chor
durch gute Aufführungen von Beethovens C-dur
Messe, Brahms' Schicksalslied, Bachschen
Kantaten und Mozarts Requiem. Für die
Stadtkapelle erwirkte er weitere Unter-
stütfungen von selten der Stadt und des aka-
demischen Chores. Aber ebenso notwendig
252
DIE MUSIK VII. 22.
wie die Verstlricuog ist die Schulung des
Orchesters. Kapellmeister Eich berger (Dessau)
zeigte an einigen Opemabenden, was durch
energische Disziplinierung mit den vorhandenen
Kriften zu erreichen ist. Mit dem Orchester
zu arbeiten bleibt Steins vomemste Aufgabe,
wenn er Jena unabhängig machen und zu einer
Stitte der Kunst emporbeben will. Im letzten
Winter mußten noch fremde Kapellen ganz oder
teilweise aushelfen, und selbst für die bevor-
stehende Feier des Universitätsjubiläums bat
ein auswärtiges Orchester engagiert werden
mfissen. Schneller als die Schaffung eines
tfichtigen Orchesters ließ sich ein anderer Wunsch
verwirklichen: der Neubau der Stadtkirchen-
orgel. Stein brachte die Sammlungen dafür
in so schnellen Fluß, daß jetzt schon mit
der Aufstellung des neuen Weikes durch die
Firma Sauer, Frankfurt a. O., begonnen wird.
Unsere alte Stadtkirche kann in kurzem eine
der größten und hoffentlich auch schönsten
Orgeln Deutschlands aufweisen. Leider ist der
gleichzeitige Bau einer größeren Empore f&r
Chorauffuhrungen vom Kirchenvorstand abge-
lehnt worden ! Ob der 100. Psalm, von Max Reger
zum Universitätsjubiläum für Chor, Orchester
und Orgel komponiert, seine Uraufführung in
der Kirche erlebt, wohin er doch gehört, ist
daher fraglich. — Mit den Herren de Grote
und Fischer trat Stein zum Triospiel zu-
sammen. Das neue Ensemble brachte vor-
läufig aber nur eins der beiden angekündigten
Konzerte zustande, beschränkte sich dabei auf
ein Scbubertsches Trio und überließ im übrigen
das Programm in der Hauptsache einer Sängerin,
als wenn wir nicht Lieder genug bei anderen
Gelegenheiten zu hören bekämen. Nach dem
einen Trio möchte ich noch kein Urteil abgeben
über die Lebensfähigkeit der neuen Vereinigung.
Fritz Stein hat außerdem mit dem Weimarer
Quartett unter Krasselts Führung Brahma'
f-moll Quintett gespielt. Ich konnte es nicht
bl^ren. — Einen äußerst erfreulichen Erfolg
hatten die von der Zeißstiftung unterstützten
Volks konzerte, deren Leitung Fritz Stein
ebenfalls übernommen hat. Auch die Pau-
lin er traten unter seiner Führung seit Jahren
zum ersten Male wieder mit einem Konzert
vor die Öffentlichkeit. — Im Vordergrunde des
musikalischen Lebens standen wie immer die
akademischen Konzerte, diesmal sieben an
der Zahl. Das erste war dem Andenken Griegs
gewidmet. Das zweite brachte als Hauptnummer
Liszts Dante Symphonie, die einen so lebhaften
Streit über Liszts Bedeutung als Komponisten
in den Zeitungen wachrief, daß man sich um ein
Menschenalter in der Geschichte zurückversetzt
glaubte. Es ist erstaunlich, wie wenig Ein-
druck Liszt, der doch oft von dem nahen
Weimar herüber kam, hier in Jena hinterlassen
hat, um so mehr, als sein Intimus Dr. Gille
hier Jahrzehntelang das ganze Musikleben be-
herrschte. Das dritte Konzert führte Max Reger
wieder her, dessen Hiller-Variationen unter
seiner eigenen Leitungeinen überraschend starken
Erfolg hatten, wie denn überhaupt dieser Abend,
an dem Reger noch das fünfte brandenburgische
Konzert von Bach mitspielte und eine Reihe
seiner Lieder begleitete, den künstlerischen
Höhepunkt des ganzen Winters bildete. Die
Meininger boten Im Tlerten Konzert anter
Berg er eine glänzende Wiedergabe ▼onSchabent
C-dur Symphonie und zeigten mit der Serenade
op. 7 von Strauß, daß sie auch nach Mfiblfelda
Tode das Bläserensemble welterpflegeii. Fran
Soldat- Roeger vermochte beim fQnfIteo Abend
mit dem Joachim zu Ehren geapielten Brahme-
Konzert nicht den erwarteten cindruck zu er-
zielen. Bei der Wagner*GedichtnisfeierlB
Februar glückte Beethoven! »Erolcm* nicht
Der Direktion fehlte die nötige Robe, und die
Weimarer Kapelle schien zudena keinen
günstigen Abend zn haben. Ludwig Heft aang
eine Reihe Wagneracher Stücke nnd inm Seblnn
gab's den Kaisermartcb. Die acbon erwibnte
Aufführung von Mozarts Requiem bildete den
Schluß der Saison. — Alle sonatige Musik beb
sich nicht aus dem gewohnten Rahmen berana.
— Zum Schluß mag noch erwibnt werden» dai
bei der Einweihungsfeier den neuen Univeraliita-
gebäudes außer dem Regeracben Patin eine
AuiTührung von Beetbovena «Neunter* geplant
ist, die man in Jena über 40 Jabre lang nicbl
gehört hat. M. Meier-Wftbrden
KOBLENZ: Unaere verfloaaene Konierteaiaett
brachte der Genfiaae genug. Zuerat l>e«ideie
F. Ritter den Zyklua von fünf Orgelkonierten
in der Festhalley die er im Juli begonnen, dann
führte Kes im ersten Abonnenentakoniert dea
Musikinstirutes Werke von Scbumano. Bnbn8|
Tschaikowsky (Patbetiacbe Sinfonie) nur. Gabrl-
lo witsch mit seinem Klavierapiei elektrisierte.
Im zweiten Konzert brachte Kea eine gelnngene
Wiedergabe dea «Jndaa Makablos* mit dem
Solistenquartett Belwidt, Maretikl,Jungblut
und Süße. Vier Wochen apiter ersebien die
talentvolle Violinvirtnoaln Stefl Geyer mit di ^^
Tscbaikowskykonserty wihrend Res mit StnmBP^
«Tod und Verklärung* und Pftttnern »Cbriatelf-^Kf
lein-*Ouvertüre die Zuhörer erfreute, baai
gaben Friedberg und Sagebiel einen biw.
Sonatenabende in Gemeinschaft mit unaerer
heimischen Konzertsängerin RetCllBg.
evangelische Kirchencbor piisentierte
mit acappella-Getängen; Organiat Ritter nni
stützte ihn. Frau von Wo 1 zogen bot etnen Ri
tationsabend. Im Januar gab Wfillner einen
vergeßlichen Liederabend» darauf braebte Ki
Bruchs »Odysseua* mit den Soliaten PhillpL
und Kamp fort zu Gehör. Das vierte Abonni
mentskonzert stand unter dem Namen J
namentlich die »Fauat- Symphonie*, ran um
Orchester temperamentvoll unter r
und Godowsky mit dem Ea-dur Koniert
die Zierden dea Programme. Am Schlnft d^
Saison kamen der erate Akt ana
und Fragmente aua den .Melaterelngem"
Gehör. Darauf trat eine kurze Pnase ein,
am Karfreitag durch ein geistliebea Rt
von FrL Kettling und Herrn Ritter mil
brechen wurde. MiteinemdreltigigenMni
fest unter Kes' Leitung zum bundertjihrlg
Jubiläum dea Muaikinatltutea M^loft
Saison ab. Eingeleitet wurde der erate Tag
Bachs «Wachet auf", Beetbovena Biwlea i
«Missa solemnia*; daa Soliatenquarlett aetsie »'V^
zusammen aua Stronck-Kappel, Pblllp^'i
Jadlowker und Zalaman. Orebeeter und Clnir
waren erheblich veratirkt Der iwelie Ttf
begann mit Strauß* »Domeatlea*, dann IsIgMi
H--i:i
M
253
KRITIK: KONZERT
Lieder ▼on Weingartoer mit Orchester, Marteau
spielte das Brabmsscbe Violinkonzert wunderbar,
deo Schloß machten Szenen aus ,,Parsifal*
(Wfillner als Amfortas hervorragend). Am
dritten Tag fanden größere Solisten vortrige
sutt; Wüllner wirkte mit dem «Hexenlied*
frappierend; dann Cornelius: erster Aufieug aus
der Oper «Guolöd*; zwei Arien von Händel,
gesungen von Frl. Philippi; Marteau glänzte
mit dem ungekfinstelten Vortrag des A-dur Kon-
zertes von Mozart. Den Schluß machte Wagners
Kaisermsrsch. Generalmusikdirektor K e s wurden
große Ovationen zuteil, Chor und Orchester hielten
sich wacker. Eques
LINZ: Das erste Musikvereinskonzert
brachte uns nur Erstaufführungen: die
Symphonie in F-dur von Hermann Goetz,
Joachims Violinkonzert in ungarischer Weise
and Liszts »Hunnenschlacht*. Im Violin-
konzert, das zum Andenken an den Tod Joa-
chims gegeben wurde, spielte das Solo Palma
von Paszthory mit edler Begeisterung und
hohem kfinstlerischen Schwung. Im zweiten
Konzert hörten wir Grieg's «Konzert-Ouver-
tfire*, die «Vierte* von Beethoven und «Die
Moldau* von Smetana. Ludwig Thuille, der
im Vorjahre zu Grabe getragen wurde, wurde
geehrt durch die AuffOhrung seiner «Roman-
tischen OuvertQre*, die am Eingange des dritten
Masikvereinskonzertes stand. Diesem Werke
folgte das «Siegfried-Idyll*, den Schluß bildete
die Symphonie «Harold in Italien* von Berlioz.
Die Solobratsche spielte meisterhaft Amadeo
von der Hoya. Unser Musikverein bringt
alljährlich eine außerordentliche Aufführung.
Heuer wurde zur Feier des 60 jährigen Regie-
mngajubiläums unseres Kaisers Liszts «Die
heilige Elisabeth* gewählt. Zu diesen Konzenen
strömen musikbegeisterte Menschen von ganz
Ober-ö«terreich zusammen, ja selbst von Wien,
Nieder-Österreich, Salzburg, Steiermark, Böhmen
kommen Gäste. Die Aufführung war schon
eine Woche vorher ausverkauft, so daß der
Mosiinrerein sich entschloß, das Werk zu wieder-
holen* Auch die Wiederholung zeigte ein aus-
verkaaftes Haus. Die außerordentlichen Auf-
f&hmngen vereinen fast sämtliche musikbe-
flissenen Menschen von Linz; diesmal wirkten
etwa 650 Personen mit. Die Soli waren wohl-
gelM>rgen: «Elisabeth* Frl. Dopler, «Sophie* Frl.
Königstorfer, ferner die Herren Pfund und
Brandstötter. Die Konzerte des Musikvereins
leitet Musikdirektor Göllericb. Seinem uner-
mfidlichen SchafTen ist es zu danken, daß der
Musikrerein siegreich selbst die größten Werke
bewältigt — Einen außerordentlichen Erfolg hatte
elo Unternehmen, das Linz zum ersten Male
sah, ein «Kindersingfest*, das den Namen
«Die vier Jahreszeiten* trug. Symphonische
Werke, gespielt vom Musikverein, reizende
Kinderlieder von etwa 3000 Kindern gesungen,
szenische Darbietungen (Text von E. Sambaber),
lebende Bilder, liebliche Reigen wechselten in
bunter MannigMtigkeit und bildeten ein duftiges
Ganzes. Die Auswahl der Lieder und deren
Orchestrierung lagen in den bewährten Händen
von Josef Reiter. — An Solistenkonzerten waren
wir heuer fiberreich gesegnet. Von der Wiener
Hofoper kamen Leo Slesak und Grete Forst
«nd wurden stfirmisch bejubelt. Tilly Koenen
schenkte uns einen ungetrfibten Genuß. Auch
das Konzert Pfitzner-Staegemann brachte
einen vollwertigen Erfolg, dagegen holte sich
die Konzertsängerin An des weniger als einen
Achtungserfolg. — Vor ihrem Scheiden aus Linz
gaben die hocbdramatische Sängerin unserer
Bühne Frl. Dopler und der Heldentenor Eugen
Peteani ein Konzert. — Einen genußreichen
Abend verdanken wir dem Kfinstlerpaare Gisela
Göllericb und Palma v. Paszthory. — Willy
Burmester mag jedes Jahr erscheinen, er wird
stets mit Freuden aufgenommen werden. — Ein
sehr interessantes Programm brachte das vor-
zügliche Fitzner-Quartett. — Gar eigen-
tumlich führte sich das Wiener Tonkünstler-
Orchester bei uns ein; der erste Teil des
Programmes war der klassischen Musik gewidmet,
für den zweiten wurde Lehar ausgespielt und
Ziehrer erschien! — Vor^iner kleinen Gemeinde
sang der Balladensänger Kothe und erfreute
durch seine innig vorgetragenen Weisen.
Alois Königstorfer
r OBECK: Im Berichtsjahre feierte die Sing-
^ akademie, an deren Spitze seit dem Jahre
1901 Julius Spengel- Hamburg steht, ihr
75jähriges Besteben. Was die kunst-
begeisterte Gemeinschaft in nicht immer von
äußerer Anerkennung begleiteter Arbeit ge-
leistet hat, ist so viel und so wertvoll, daß ein
Ruhmeskranz dankbarer Erinnerung ihr auch
hier gebunden werden möge. In ihrem Jubi-
läumskonzert bescherte uns die Singakademie
Handels «Samson*, mit d£m sie am 12. Dezember
1835 die Reihe ihrer großen Konzeite begonnen
bane. Die Aufführung von Bruchs «Acbilleus*,
deren Güte leider durch die wenig glückliche
Wahl des Solisten beeinträchtigt war, bedeutete
eine Huldigung für den 70jäbrigen Tonsetzer.
Das Karfreitagskonzert gehörte Bach, dessen
«Johannespassion* eine vortreffliche Wiedergabe
fand. — In den acht Sympboniekonzerten
des Vereins der Musikfreunde brachte
Kapellmeister Abendroth, ein Dirigent von
ganz hervorragender Bedeutung, als bedeut-
samste Novität Regers Variationen op. 100, die
auch dank der Großzügigkeit der Interpretation
vollen Erfolg errangen. Pfltzners Ouvertüre zum
Märchenspiel «Cbristelflein* fand unverdient
eine kühlere Aufhahme, als man der liebens-
würdigen Schöpfung gegönnt hätte. Scharrers
langausgesponnenes Symphonisches Adagio für
großes Orchester vermochte das Interesse nicht
bis zum Schlüsse wachzuhalten. An örtlichen
Novitäten boten die Konzerte Bachs D-dur
Ouvertüre, Mozarts Thema und Variationen für
Streichorchester und zwei Hörner, die erst im
Kammermusiksaale ihren ganzen Reiz oflPen-
baren dürften, und Liszts «Mazeppa*. Von den
Solisten erfüllte Eugene Ysaye (Beethoven-
konzert) nicht ganz die hochgespannten Er-
wartungen; völlig enttäuschte Felix Senius.
Ausgezeichnetes boten Felix von Kraus, Anna
Hirzel-Langenhan (Tschaikowsky b-moU
Konzert), Else Schünemann, Susanne Des-
soir, £douard Risler und Adolf Rebner und
Johannes Hegar mit Brahma' Doppel konzert,
das hier bisher unbekannt war. — In einem
volkstümlichen Symphoniekonzert feierte der
junge russische Geiger Aljoscha Schkolnick
mit dem vollendeten Vortrag des Tschaikowsky-
254
DIE MUSIK VII. 22.
sehen Konzertes einen in jeder Beziehung
berechtigten Trinmph. — Ein Konzert zum
Besten des Richard Wagner-Stipendien-
fonds ergab dank der außerordentlich starken
Beteiligung des Publikums und dem liebens-
wfirdigen Entgegenkommen des Vorstandes des
Vereins der Musikfreunde, der das Orchester
unentgeltlich zur Verfügung stellte, einen Rein-
ertrag von rund 800 M. — Clara Herrmann
versammelte auch in diesem Jahre wieder eine
stattliche Gemeinde von Freunden der Kammer-
musik in ihren Konzerten, in deren erstem das
Brüsseler Quartett mitwirkte. ElsaRuegger,
die in einer Cellosonate von Locatelli ihre her-
vorragende künstlerische Qualität nachwies, durfte
bald wiederkommen. — Die Lübecker Kammer-
musikvereinigung der Herren Hofmeier,
Schwabe und Corbach konnte das zweite
Jahr ihres Bestehens unter weitaus stärkerer
Anteilnahme des Publikums als im vorigen
Jahre abschließen. Ihr Bestes bot sie im letzten
Konzert mit Tschaikowsl^'s, dem Andenken an
Rubinstein gewidmeten a-moll Trio und Sinding's
interessantem, wenn auch nicht durchweg ori-
ginellem D-dur Trio. — Die unter Leitung von
Herrn Lichtwar k, Organisten an St. Marien,
stehende Vereinigung für kirchlichen
Chorgesang brachte Bachs doppelchörige Mo-
tette «Singet dem Herrn* nahezu vollendet zu
Gehör. Starken Erfolg errang die Vereinigung,
die mit höchstem Maße gemessen zu werden
beanspruchen darf, mit Georg Schumanns edel
empfundenem «Herr, wie lange willst du meiner
so ganz vergessen?* und Wilhelm Bergers
sechsstimmigem geistlichen Gesänge „Die Träne
fließt zum Staube*. — Der jetzt unter Leitung
von Rudolf Hellmrich- Hamburg stehende
Lehrer-Gesangverein hatte als Solisten den
stürmisch gefeierten Lautensänger Robert K oth e,
Frau Müller-Reichel und sein Ehrenmitglied
Willy Burmester verpflichtet. — Der Berliner
Lehrer-Gesangverein läutete die Saison mit
einem ausverkauften Konzert ein. Ihm und
seinem Dirigenten Felix Schmidt wurden alle
die Ehren bereitet, die eine begeisterte Zu-
hörerschaft zu vergeben bat. Warmer Aufnahme
erfreute sich auch die Solistin Paula Stebel. —
Unter den Solistenkonzerten waren manche
Nieten. Gewinnbringend für die Hörer waren
die Abende von Helene Staegemann, Arno
Hilf, Ernst v. Possart mit Hermann Gura
Goetheabend) und Aljoscha Schkolnick.
J. Hennings
LÜTTICH: Zahlreiche interessante Konzerte
hat uns der Schluß der diesjährigen Saison
noch gebracht. Jules Debefve dirigierte in
seinen beiden letzten Konzerten in ausgezeich-
neter Weise die b-moll Symphonie von Borodin,
die Pathetische von Tschaikowsky und d'Indy's
g-moll Symphonie, ferner die Ouvertüre «Carna-
val romain* von Berlioz, eine symphonische
Suite von Marsick und ein Scherzo von Mawet.
Einen ganz hervorragenden Pianisten lernten
wir in Emil Sauer kennen, der Beethovens
Es-dur Konzert sowie einige Solostücke von
Liszt und Chopin bewunderungswürdig spielte.
Die junge, zukunftsreiche Geigerin Edith von
Voigtländer erntete mit dem Vortrag des
dritten Konzerts von Saint-Saöns vielen Beifall.
— Die Brahy-Konzerte brachten als Solisten
den bemerkenswerten Pianisten Alfired Cortot^
der sich in Beethovens Konzert No. 3 aot-
zeicbnete, und den bekannten Tenor Planondoo
aus Paris. Von orchestralen Darbletangen seien
genannt: Beethovens .Siebente*, die .Fantf-
Ouvertüre von Wagner, femer Ouveilflrai vmi
Schumann («Manfred*), Mendelssohn («Rny
Blas*), Bruneau («Ouragan*). Dann gab ea
noch Liszts »Pr61ude8*, die Phantasie fiber swei
Volkslieder aus Anjou von Lekeu and BmdH
stücke aus »Parsifal*. — ^ Im zweiten Roaaer-
vatoriumskonzert kam zum eratenmal die
Symphonie für Orgel und Orcheater No. 3 von
Widor unter Leitung des Komponisten so Ge-
hör. An der Orgel saß G. Waitz, der anfier-
dem die Toccata aus Widors Fünfler Symphoaio
vortrug. Liszts »Dante'-Symphoolo bUdoto den
Schluß dieses interessanten Konzerts, in dam
Wilhelm Backhaus (Beethovens G-dnr «ad
Solostficke) starken Beifall fiand. Daa dritte
Konzert brachte, zum eratenmal ffir Lfttddt,
eine ungekürzte Auffühmng der ajohannla-
Passion* von Bach. Daa Waoderwerk erfahr
eine vortreffliche Wiedergabe and talaterlleft
einen tiefgehenden Eindruck. Die Soliatan
waren die Herren Jungblot, der nicht fans
genügte, Seguln nnd Malherbe and die
Damen Leydhecker und Faaaln. Die lecito
Veranstaltung des Konservatoriams brachte
Schumanns „Vierte*, Teile der i,Roaanianden^
Musik von Schubert, die „Prel8Chfiu*-On¥artüra
und das Konzertstück von Weber. — J. Del-
semme bot mit seinem gemischten Chor olne
sehr schöne Aufführung der i,Schöpfttag'. Als
Solisten wirkten verdienstlich mit Fraa Roaai
und die Herren Girod nnd Hermaot. — EUnne
Konzerte veranstalteten Mische El man and die
Pianisten Vautyre nnd Frl. Maiaon. — In
der Kammermusik sind zn erwihnaa: daa
Wiener Ros6-Quartett, das Pariaer Streich-
quartett, die hiesigen Vereinigongaii, nit
Werken von Haydn, Beethoven, Mozart^ Sdin-
mann, Schubert, Mendelssohn, Brahma^ Diebaaay,
Delune u.a. — In den Jasper- Konzerten (Ge-
schichtliche Entwicklung der Sonate and dM
Konzerts) kamen interessante Werke Ton Arieali,
Porpora, Scharwenka, Smnldera sam Vortrag.
— Femer fanden verschiedene, einzelnen Ten-
setzern gewidmete Veranstaltongoi atatt: die
Recitals Rufer, Jasper, Raway; ein AlMod
war alten Lfitticher Meistern gewidmet (Haaal,
Gresnick, Gr6try u. a). — Im Juli findet zn
Ehren von Gr6try ein Mosikfeat atat^ IBr daa
Charles Radouz eine Kantate geschrieben IwL
Paal Magnette
NÜRNBERG: Das dritte bayorlache
Musikfest (7., 8. nnd 0. Juni 190^ Die
Tatsache, daß das dritte bayerlache Mnaikfeat in
Nürnberg, lußerlicb betrachtet, mit einem vollen
Erfolg geendet bat, besiegt alle Theorieea, eh
überhaupt Nürnberg die Siltte iat^ hi der wMb»
musikalischen Krifte wirken, daft die Ahhaltaay
eines Musikfestes nicht nar die mfthadig g^
borene Frucht eines zwar onerfiaeheBt aber
doch nur treibbausartigen Willena lat Imaaer^
hin muß festgestellt werden, daft daa Haop^
werk des Ganzen, Beethovena .Miesa aeleftnia*,
von dem Müncbener Lehrer- and Lehre-
rinnenchor aufgeführt warde, daft der kfinal-
lerische Leiter der Haoptkonzerte ebenlUla eis
255
KRITIK: KONZERT
Münchner und noch dazu Felix Mottl war.
Die Maschinenhalle der letzten Ausstellung war
der Raum des Musikfestes, der durch geschickte
Einbauten zwar akustisch, aber nicht musikfest-
wQrdig geworden war. Die ungeheure Öde des
Raumes, die den Gedanken an eine intime Ge-
schlossenheit gar nicht aufkommen ließ, mag
auch schuld gewesen sein, daß ein Teil des
Publikums sich während der Missa so gehen
ließ (Biertrinken aus klappernden Krügen,
Schinkenbrot kauen), daß nicht nur feinfühlige
Naturen Ärgernis nehmen mußten. Die Leistung
des Münchner Chors in der «Missa* war schlecht-
hin vortrefflich, Mottls Leitung, die bei aller
Oroftzfigigkeit keine der Feinheiten des Wunder-
werkes übersah, traf bei den Singern auf die
empfindlichste Reaktion. Auch das 120 Mann
jtarke Orchester, das aus Nürnberger und
Darmstidter Musikern zusammengestellt war,
wurde durch die Genialität Mottls zu Leistungen
angetrieben, die vollste Anerkennung erzwangen.
Das Soloquartett bestand aus den Damen Bo-
setti und Preuse-Matzenauer und den
Herren Dr. Walter und Bender, sämtlich vom
Münchner Hoftheater und sämtlich Träger einer
bewundernswerten Kunst nach der musikalischen
und intellektuellen Seite hin. An der Orgel
(einem schönen, aber für den Raum zu kleinen
Werke der hiesigen erstklassigen Orgelbauanstalt
Strebel) saß Professor Maier und das Violin-
solo spielte — mir noch nicht innig genug —
Konzertmeister Ahner, beide wieder aus Mün-
chen. Auf die »Missa solemnis** Bachs Kan-
täte »Ein' feste Burg* folgen zu lassen, war ein
Mißgriir. Etwa 1000 Sänger aus Nürnberger
Vereinen wirkten mit und bewiesen, daß die
Ksntatenchöre Bachs durch solche Massen-
I>e8etzung nicht gewinnen, sondern alle Fein-
heiten des Satzes restlos zugrunde gehen.
Übrigens hatte es den Anschein, als ob Mottls
Stab bei diesem Werk alle Triebkraft verloren
hätte; mechanisch regelmäßig wippte der ^/iTakt
auf und nieder, und in einem nüancenlosen Forte
wurde der so grandios aufgebaute Einleitungs-
chor heruntergesungen. Die dünnen Soli (als
Tenor wirkte jetzt Herr Ankenbrank) gingen
in dem weiten Raum spurlos vorüber. — Die
Kammermusikmatin^e war schon durch die
Wahl unseres einzig schönen Rathaussaales in
eine höhere Sphäre gerückt. Und die Leistungen
des Münchner Quartetts (Kilian, Knauer,
Vollnhals, Kiefer, als zweiter Bratschist Meister),
das Brückners Streichquiotett und Beethovens
Es-dur Quartett op. 127 vortrug, waren derart,
daß sie jenseits aller Kritik standen und bei
denen der Hörer nur noch in der Weihe des
Kunstwerkes aufging. An dem dritten Werk,
Brahma' Klavierquartett in A op. 26 beteiligte
sich Hofpianist Mannschedel von hier, der
sich in das Münchner Ensemble gut einfügte,
trotzdem sein Spiel unter einer nervösen Un-
reinheit litt. — Von dem dritten Konzert wäre
besser zu schweigen. Es hätte ein Vo 1 k s k o n z e r t
sein sollen; die Leitung hat aber nicht nach
dem Satz gehandelt, daß für das Voik gerade
das Beste gut genug sei, sondern allen pro-
gramm-ästhetischen Bestrebungen der letzten
Jahre zum Trotz einen Gallimatihias zusammen-
gebraut, in dem Weber, Hutter, Liszt, Jüngst,
Brahms, Wagner, ja sogar Draeseke zwischen
seinen Leibfeinden Reger und Strauß herum-
wimmelten. Dazu ein Aufmarsch von vier Diri-
genten: das Ganze ein betrübliches Abbild un«-
serer Musikverhältnisse, denen jede einigende
Achse und Spitze fehlt, bei denen B6ranger's
Mahnwort «6teignez les lampes et allumez le
feu* noch kein altruistisches Verständnis findet
— Das vierte Konzert, wieder unter Mottls
Leitung, »brachte endlich einen neuen Gipfel-
punkt. Anton Brückners fünfte Symphonie in
B-dur. Zieht man in Betracht, daß Mottl einer
erst ad hoc zusammengesetzten Orchestermasse
gegenüberstand, daß die Zeit fiir einige auf-
polierende Proben recht karg zugemessen war,
so Ist sowohl die Dirigentenleistung als die
technische Arbeit der Musiker als glänzend zu
bezeichnen. Dank der Klarheit, der überzeugend
sprechenden deklamatorischen Gebärde fand die
Symphonie eine begeisterte Aufnahme. Ober
einzelne Tempi konnte man andere Meinungen
haben, und Ferdinand Löwe, wohl der erste
und tiefste Kenner der Brucknerschen Ton-
sprache, hätte manches breiter, eindringlicher
gefaßt. Einige Retouchen in den Obergängen
können nur ganz enragierte Brucknerianer
kränken. Am Ende des Konzerts und des
Festes türmte sich die Schlußszene aus den
«Meistersingern* auf. (Daß zwischen diese beiden
Kolosse zwei dünnfädige Sologesänge einge-
quetscht waren, gehört zu den Ungereimtheiten
des Musikfestes, denen gegenüber man einen
Mottl fragen möchte: weißt du, wie das ward?)
Tänzler (Karlsruhe) sang denStolzing, Kronen
(Nürnberg) den Sachs und etwa 1500 Sänger
donnerten das »Heil unserem Sachs*. Hier wo
ein ganzes Volk aus der entflammten Begeiste-
rung des Augenblicks einem geliebten Volks-
mann eine Huldigung bringt, war das Massen-
aufgebot am Platz, und der übergewaltigen
Wirkung des Chorals »Wach auf* hat sich
niemand entziehen können. Sachs und Walter,
beides prächtige Sänger, durchmsßen mit ihren
glänzenden Stimmitteln den Riesenraum der
Festhalle mit spielender Leichtigkeit.- Der fre-
netische Beifall galt besonders Felix Mottl,
dessen geniale Kunst, dessen Elastizität und
Frische nach des Münchner Tonkünstlerfestes
Last einfach staunenswert war. Wäre die Ver-
waltung des Festes eine bessere gewesen, hätte
die große Nürnberger Presse nicht so auffallend
zurückgehalten (selbst unser Haupiblatt, der
Fränkische Kurier, hat einen Begrüßungsaufsatz
nicht für nötig gefunden) und hätte sie Fremde
und Heimische über den Organismus des
Ganzen mehr aufgeklärt, so wäre der unermüd-
liche und selbstlose Leiter fast aller Chor-
proben, Hans Dorn er, nicht so stiefmütterlich
behandelt worden. Vielleicht geben die Fehler
dieses Festes zu denken, dann wird das nächste
Musikfest ein städtisches Orchester und einen
Stadtmusikdirektor finden, der unabhängig von
Gunst und Ungunst lediglich künstlerischen
Zielen zu leben und zu streben hat.
Dr. Flatau
OBERSCHLESIEN: In Beuthen hörten
wir eine wohlgelungene Aufführung des
„Feuerkreuz* von Max Bruch. Der dortige
Dirigent, Gerhard Fischer, ist mit rastlosem
Eifer bemüht, dem ziemlich kleinen Musik-
verein eine künstlerische Basis zu geben.
256
DIE MUSIK VII. 22.
X
Leider scheint das Kunstinteresse in Beutben
sieb zum größten Teil nur auf das Tbeaier zu
konzentrieren ; jedenfalls ist es bedauerlicb, daß
in einer Stadt von 60000 Einwobnern nur ein
geringer Brucbteil der gebildeten Kreise die
Bestrebungen des Musikvereins unterstutzt.
Vas dort feblt, ist die Begeisterungsfreudigkeit,
durcb die in dem benacbbarten Königsbütte
eine geradezu ideale Pflegestätte dM Volks-
liedes gescbaffen wurde. Der seit kurzer Zeit
dort bestehende Lebrergesangverein bat es
sieb zur Aufgabe gemacht, durcb die Veran-
staltung von Volkslieder-Abenden musikaliscbe
Anregung in die breitesten Massen der in Königs-
bQite tiberwiegenden Arbeiter bevölkerung hinein-
zutragen, und es ist ihm dies in überraschender
Weise gelungen. Auch hier ist Gerhard Fischer
der Spiritus rector. In der Zusammenstellung
wie in der Gestaltung der Volksweisen beweist
er kfinstleriscbes Feingefühl, nichts wirkt trivial,
darum werden auch in Oberschlesien diese
Volkslieder- Abende musikalisch absolut ernst
genommen, und es ist interessant, zu beobachten,
aus welch verschiedenartigen Kreisen sieb die
Zubörerschar zusammen setzt. — Doch nun
hinfiber von dem traulieben Hause der Volks-
kunst in den Palast der klassischen Musik. Das
Fundament dieses Palastes hat hier in Ober-
schlesien Meister gelegt, dessen Name mit
der Stadt Kattowitz unauslöschlich verbunden
sein wird. Nun er müde ins Grab sank, trat
ein Junger an seine Stelle, das Werk fort-
setzend. In reichem Maße mit musikalischem
Wissen ausgestattet, begann Herr v. Lfibke
seine Tätigkeit. Der Chor gewann wieder seine
Festigkeit, so daß mit der «Jobannispassion*
ein prächtiger Abschluß der gesamten Saison
geschaffen wurde. Eme vergleichende Kritik
zwischen Meister und Löbke ist vorläufig
selbstverständlich ausgeschlossen, scheinen sie
doch auch grundverschiedene Individualitäten
zu sein. Jedenfalls ist die sichere Gewähr für
eine Fortsetzung trefflichen musikalischen
Wirkens 'vorhanden. Eine Reibe versctaieden-
aniger Konzerte ist aus Kattowitz zu ver-
zeichnen. Neben woblgelungenen a cappella-
Cbören hörten wirKunstler wieGabrilowitscb,
Tberese Schnabel-Bebr und die Böhmen.
Den bedeutsamen Schluß machte, wie bereits
erwähnt, die «Johannispassion*, die in ihrer
künstlerischen Wiedergabe besonders von dem
Chore lobenswert durchgeführt wurde. Die
Leistungen der Solisten boten keinen ungetrübten
Genuß. Die Aufführung bedeutete für Ober-
schlesien insofern ein Ereignis, als mit der
yjohannispassion* hier zum ersten Male ein
großes Bachsches Werk aufgeführt wurde.
Jedenfalls scheint Kattowitz nach wie vor die
oberscblesiscbe Musikstadt par excellence bleiben
zu wollen. Magnus Dawison
OSNABRÜCK: An erster Stelle sorgt der
Musik verein unter der trefflichen Leitung
Robert Wiem an ns für ein gediegenes Musi-
zieren. Gleich das erste Konzert der ver-
flossenen Saison bewies das. Henri Marteau
spielte Sinding's Konzert A-dur, Beethovens
Romanze in F und Schuberts Konzertstück für
Violine und Orchester. Das Orchester gab
Brahma' c-moU Symphonie, Strauß' Serenade
für Blasinstrumente und die Oberon-Onvertüre.
Das folgende zweite Konzert brachte Franz Usztt
.Legende von der heiligen EHsabetb* mit den
Solisten Jobanna Dietz, Frl. Woltereck
und Herrn Süße. Im dritten Konzert sprudelte
zunächst Haydns Melodieenquell in seiner
D-dur Symphonie, dann erfreute Herr und Frau
Wie manne Klavierspiel (Es-dur Konzert ffir
zwei Klaviere mit Orchester von Mozart). Georg
Schumann fiberzeugte durch zwei gröfiere
Kompositionen und einige Lieder von cdnem
Können, das zu schneller Kritik nicht bo-
rechtigt. Frl. Oppermann sang dieee Lieder
und einige andere von Schubert mit nach und nach
sich wärmender Empfindung. Smetana'sOuTertire
zur »Verkauften Braut* leitete, weniger im
einzelnen als im ganzen gut gespielt, das Tierte
Konzert ein. Der Dirigent — Robert Wie mann ^
trat in der Folge dann mit einer eigenen Orcbeeter-
dichtung .Im Thüringer Walde* vor daa Publi-
kum. Robert Schumanns B-dur Symphonie litt
etwas unter einem all zu schnellen Tempo.
Herr und Frau Hell erweckten durch Lieder
und Duette aufrichtigen Beifall. Das fünfte md
letzte Konzert war Sebastian Bach geweiht Im
Vortrag der »Jobannispassion* wetteiflerten Chor
und Orchester mit namhaften Solisten: Frl.
Walde, Frau Stfive« Herren Jungblut imd
Weißenborn. — Außer diesen ffinf Orchester-
konzerten veranstaltete der gleiche Verein auch
in dieser Saison zwei Kammermusik-Ahende^
für die er zunächst das Brfisseler und dann
das Marteau'sche Streichquartett gewonnen
hatte. Glazounow's Quartett a-moU wurde bei
den Brüsselern mit seinem ansprechend«
Melos und der Bravour des Scherzos belSlllg
aufgenommen. Es folgten Beethovens Klnvlenrlo
op. 70 No. 1 D-dur — mit Wiemsnn am Klavier
— und Schuberts wunderherrliches d-noH Qnsf^
tett. Das Programm Marteau's und seiner Qaa^sf^
genossen Schmidt - Relnecke, Pftrsken
und Cahnbley enthielt süßer den Streldiqo&f^
tetten Mozarts in C-dur und BeetbOTens op. 18 ^
No.4 c moll auch zwei Kompositionen Marteaa'a. «
Abgesehen von der »Cbaconne* f&r Braiache ^
und Klavier, die der Komponist wohl selber nur ^
als Etüde wertet, fand Ich seine fibrigoi Gaben ^
(vier Sätze eines Trios ffir Violine, Bratsche -^
und Cello, darunter als besonders hervor——
zuheben: Intermezzo und Tema con Varlnzlenl)^fl
musikalisch sehr wertvoll. — Der Lehrer—^
gesangverein, der sich wie der Mnoilnrerein^
von Wiemann dirigieren läßt, veranstnlteCa^r
zwei Konzerte. Im ersten g«b*s an Minner—-
Chören Franz Schuberts i,Nachtgesang Im Walde*
mit Hörnerbegleitung, zwei Chöre von ThnlHSsr
Max Meier-Olberslebens i^Johannlsnacht U9
Rhein* und zum Schluß drei Volkslieder, dl»
A. V. Othegraven recht klangvoll zn selies
wußte. Im allgemeinen wurden diese Chftre-^
gut gesungen, doch gebricht's der DeklamatleB
noch an Deutlichkeit und dem. wss jensehe dss
Leichten liegt, an orgelmäßig klanglicher Brehi
und Ruhe. Mienije Lammen sang zur Ab>
wechslung dann Lieder von Brahma, Weif
und Wiemann. — Auch Sollatenkonserts
gab es manche, obwohl auch hier ein aolchss
Konzert der Erträge wegen nicht allza verlodteai
ist: Briesemeister, Burmeater, Harbanm,
Lutter, der blinde Pianist Albert Menn.
Wlllv Briz
257
KRITIK: KONZERT
FORZHEIM: Unter den secbs Konzerten des
Musikvereins waren drei Orcbesterabende
'gesehen. Einen raubte uns die Kaimkrise.
) beiden anderen brachten neben anzuer-
inenden symphonischen Gaben (Tschaikowsky,
lumann) der Karlsruher Hofkapelle
Lorentz) das Violinkonzert (Felix Berbei)
1 das Klavierkonzert (Theodor Röbmeyer)
I Brahms in würdigster Wiedergabe. Das
BT<lk-Quartett* enttäuschte. Am Klavier
pleite sich Walter Fischer aus Wiesbaden
1 an Stelle des unvergessenen Reisenauer
»r Schnabel einen Erfolg. Der Cellist
Off Wille gefiel wieder. Felix von Kraus
t Oemahlln, Ludwig Heß, Henny Arlo,
Boffje van Lammen repäsentierten recht
cklicb den gesanglichen Teil der Programme.
Theodor Röhmeyer war ein ebenso famoser
gieiter wie Kammermusikpartner. Seine
Ikskonzerte und Matineen (Sfid-
ntsches Streichquartett) sind populär
porden« — Auch Albert Fauth gab zwei er-
bige Abende mit einigen eigenen, gut auf-
lonnenen Neuschöpfungen auf dem Gebiet
r Kammermusik und des Liedes. Im Manne r-
sang verein brachte er eine exzellente Auf-
iniiig der Messe da Requiem von Sgambati
raus (Karlsruher Hofkapelle); für dieses
ItJ^hr sind C6sar Franck's »Seligkeiten* in
ssicht genommen. — Der evangelische
rchencbor (A. Epp) hatte mit der «Schöpf-
g* einen guten Tag. — Aus der Ffille des sonst
tbotenen hoben sich die Konzerte Sarasate
r Berthe Marx, Raoul Koczalsky und Zajic
t Mayer-Mahr hervor. Ernst Götze
ÖSEN: DIeOrchestervereinigung brachte
Mendelasohns vierte Symphonie (Dirigent
ickenberger^ TschaTkowsky's sechste (Saß).
scbovena f&nfte und sechste (Paul Geisler);
r Hennigsche Verein Liszts »heilige
sabeth*; der Breslauer Orchesterverein
r. Dohrn) die Eroica und Strauß' »Eulen-
egel*. Außer Briesemeister (Wagner-
MMl) und Dr. Brause (Balladen) die alten Ge-
lieo^ Chopin hin und her, von diesem und
lem mehr oder minder exaltiert gebracht.
ntsche Pianisten hörten wir schon lange
:ht »ehr. A. Huch
EICHENBERG: Ziemlich gleichmäßige Be-
wegung Im Konzertleben. Recht mäßiges
eresse llr Kammermusik. Durch den Verein
* Musikfreunde eingeführte Solisten finden
ilreiche, dankbare Zuhörer, Solisten, die e i ge n e
ozerte veranstalten wollen, sind meistens ge-
ingen, mangels genügender Beteiligung im
rverkaufe abzusagen. Rivalisieren dreier
anergesangsvereioe, von denen jeder um
tem herum ein großes Chorwerk mit Orchester
icbs ipHlmmelfabrtskanrate*, Berlioz' «Fausts
rdammung*) aufführt. Vier große Musikvereins-
ozene mit Elena Gerhardt (Gesang) und Erich
>lff (Klavier); diese boten sechzehn tadellos
nogene und begleitete Lieder von Schubert,
ihms, Wolf und Strauß. — Wahre Kunst gab
arad Ansorgemit Liszts h-moll Sonate und den
*oika*- Variationen. ^ Recht interessant und
isflerlsch einwandfrei waren die Darbietungen
Soci6t6 de Concerts d'Instruments
:iens. — Elsa Ruegger spielte ein Konzert
I de Swert und eine Suite von Bach. — Jos6
Eibenschfitz (frfiher Görlitz, jetzt Hamburg)
brachte in drei Orchesterkonzerten Sym-
phonieen von Beethoven, Brückner, Liszt. Reichen-
berg ist aber trotz aller Anstrengungen und trotz
Autosuggestion nicht imstande, in bezug auf
tadellose Symphonie-Aufführungen und sonstige
musikalische Regsamkeit die hohe Stufe, auf die
es Teplitz und Karlsbad gebracht haben, zu er-
reichen. Diesen beiden nur einigermaßen nach-
zukommen, wird nur gelingen, wenn wir es erst
zu einem erstklassigen Stadt- und Symphonie-
Orchester gebracht haben werden.
Dr. Robert Schier
SAN FRANCISCO: Die zweite Serie der dies-
winterlichen Konzerte wurde von Joseph
Hofmann eröflPnet. Mir kommt es manchmal
vor als wfirde dieser ganz vortreflPliche Künstler
noch gar nicht in dem Umfange gewQrdigt, wie
er es verdient. Vielleicht ist es auch nötig, daß
man einen Kunstler nur beurteilen kann, wenn
man ihn nach einer längeren Periode von Jahren
wieder hört, wie wir die Gelegenheit dazu in
San Francisco haben. Joseph Hof mann ist
zweifellos kfinstlerisch in den letzten Jahren
ganz außerordentlich gewachsen. Erwännens-
wert war in seinen diesfährigen Programmen
eine große Anzahl russischer Novitäten. —
Nach ihm kam Teresa Carrefio, die gegen
Hofmann einen schweren Stand hatte. Sie Ist
aber immer noch bewundernswert in ihrem
Temperament und ihrer Technik. Die Kfinstlerin
spielte meist bekannte Stficke. (In San Francisco
lohnt es sich nicht recht, zu viel neue Werke
zu bringen.) — Danach Paderewski, der un-
vermeidliche, weit iiberschätzte. Sein Kfinstler-
tum Ist noch mehr heruntergegangen. Er spielt
fetzt sinn- und gedankenlos, zerreist ganze
Phrasen und legt nur Wert auf äußerliche
Toneffekte, gar nicht von seinen Mätzchen zu
sprechen. Sein Programm enthielt u. a. eigene
«Variationen und Fuge, op. 23*, die mir jedoch
inhaltlich nicht ganz klar geworden sind.
HoflPentlich hat sie sonst jemand verstanden. —
Der vierte Pianist, den wir diesen Winter
hörten, war Harold Bauer. Er ist ohne Zweifel
ein sehr großer KGnstler, daher durchaus nicht
in dem Umfange in Amerika geschätzt wie
Paderewski. Demgemäß waren seine Konzerte
auch nur schlecht besucht, trotzdem seine
Programme alle Musikfreunde in seine Konzerte
bätten ziehen müssen. Bauer faßt seine Mission
als KGnstler ungemein ernst auf, wem auch ein
gelegentliches mehr persönliches D raufgehen
nicht schaden würde. — Fritz Kreisler ist
für mich der bedeutendste Geiger der Gegenwart.
Er wird viel mit Joachim verglichen, aber meines
Erachtens hat er eine viel größere Ähnlichkeit
mit August Wilhelm]. Sein Ton ist breit und
groß, sein Vortrag abgeklärt und edel, seine
Tecbnik fehlerlos und dabei doch witzig. Ver-
bunden mit der ungewöbnlicb großen Manigfaltig-
keit seines Programms, das von den ältesten
Meistern bis in die neuste Gegenwart reicht,
und seinem bescheidenen, männlich ernsten
Auftreten verkörperter das Ideal eines vollendeten
Kunstlers. — Wir haben mit Freuden die
Gründung eines neuen Streichquartetts (The
Lyric Strirg Qjartet) begrüßt, das eine Serie
von Sonntagnachmittagskonzerten gab.
Dr. A. Wilhelmj
1
258
DIB MUSIK VII. 22.
T SINGTAU (Kiautschou): Seit meinem letzten
bis Mitte Oktober reichenden Bericht hat
das musilcaliscbe Leben unserer Kolonie einen
erfreulichen Aufschwung genommen infolge des
zielbewußten und harmonischen Zusammen-
wirkens der Musikabteilung des Vereins fQr
Kunst und Wissenschaft mit der tfichtigen
Kapelle des III. Seebataillons (Dirigent:
Kapellmeister O. K. Wille) und dem im Oktober
gegründeten unter Leitung des Unterzeichneten
stehenden gemischten Chore. Im 6. und
7. Vereinskonzert gelangten an Chorwerken
zur Aufführung: «Erlkönigs Tochter*, Ballade
nach dänischen Volkssagen für Soli, Chor und
Orchester von N. W. Gade (Solisten: Erlkönigs
Tochter: Hedwig Schüler; die Mutter: Anna
Bökemann; Oluf: L. Philipp); Schumanns
»Zigeunerleben'' (in der Instrumentierung von
C. Reinecke); drei Chöre von Brahma: »Der
Gärtner* und »Gesang auf Fingal* für Frauen-
chor mit Begleitung von Harfe und zwei Hörnern;
»Der Abend* (Gedicht von Schiller, ursprüng-
lich für vier Solostimmen und Klavier kom-
poniert, von dem Unterzeichneten für Chor und
Orchester bearbeitet); Einleitung zum dritten
Akt und Brautlied aus »Lohengrin*; geistliche
Chöre von Pitoni (1657-1743) und Mozart.
Als Solisten wirkten mit: die Herren M. Peters
(Beethovens Violinrömanze in F) und A. W.
Meinke (Gesang Siegmunds »Ein Schwert ver-
hieß mir der Vater* aus .Die Walküre*). Von
den reinen Instrumentalnummern seien Sme-
tana's farbenreiche symphonische Dichtung »Aus
Böhmens Hain und Flur*, Gades »Nachklänge
aus Ossian* und, als Ehrung für Joseph Jo-
achim, dessen »Hamlet*-Ouvertüre erwähnt,
die unter O. K. Will es temperamentvoller Lei-
tung eine fein ausgearbeitete Wiedergabe er-
fuhren.— Am 9. und 11. April gelangte im Verein
für Kunst und Wissenschaft Offenbachs »Ver-
lobung bei der Laterne* zur Aufführung; in
die Vorbereitung und die Leitung hatten sich
O. K. Wille und der Unterzeichnete geteilt.
Dank der vorzüglichen Leistungen des Orchesters
und der durchweg guten Durchführung der Solo-
partieen (Magdalene Roh de als Liese, Martha
Neumeister und Hedwig Wille als Annemarie
bzw. Katherine, J. Hammer als Peter) erfuhr
das graziöse Werk eine recht gute Wiedergabe,
zur größten Überraschung verschiedener Tsing-
tauer, die dem Wagnis der erstmaligen Auf-
führung einer Operette mit großer Skepsis ent-
gegengesehen hatten. — Die vier letzten Sym-
pboniekonzerte der Bataillonskapelle brachten
u. a. symphonische Werke von Haydn (Oxford),
Schumann (d-moll), Schillings (Symphonischer
Prolog zu Sophokles' »König Ödipus*), F. Wein-
gartner (»Die Gefilde der Seligen*), Massenet
(Seines pittoresques), Ouvertüren von Berlioz
(»König Lear*) und Beethoven (»König Stephan*).
Als Solisten erschienen: Herr Meinke (Grals-
erzählung) und Herr Jobst (Wotans Abschied
und Feuerzauber; Lieder mit Orchester von
Mahler und Hugo Wolf). Großen Beifall fand
der am 5. März mit der auf 53 Musiker ver-
stärkten Kapelle veranstaltete Weber- und
Wagner- Abend, an dem außer der vollstän-
digen »Preziosa*- Musik — unter Mitwirkung
von Hedwig Wille (Preziosa), W. Geim (ver-
bindende Deklamation), sowie des gemischten
mSBS»
Chors — die Vorspiele zn den «Melsteraingero'»
»Tristan*, »Lobengrin* and .Tannhiuser* attf
dem Programm standen — fast zu viel des
Guten für einen Abend. — Der letzte Winter
hat gezeigt, daß unsere kleine. Doch nicht ein«
mal (einschließlich der Besatzung) 4000 Enropii^
zählende Kolonie eine große Zahl nntikaliicher
Talente birgt, deren Hemnziebnnc und Fort^
bildung die Aufgabe der nichtten Zeit sein
wird. Dr. Georg Cruien
ZWICKAU: Eine bedeutsame Verindemnc
bat sich in der Organisation unseren Musik-
lebens vollzogen: der Wechsel dea Dirigenten
im Musikverein. An die Stelle dea knnst»
sinnigen Königlichen Musikdirektors Vollbardt
ist der städtische Kapellmeiater Schmidt g^
treten, ein trefflicher Beherracher aelneaCrche^
ters. Als solcher zeigte ersieh in den Sympbonleen
von Brahms c, Beethoven A, Tschaikowaky h»
in Strauß' »Eulenspiegel*, Grieg'a »Signrd
Jörsalfar*, »Tannhäu8er*-Oavertfire, Vorspiel in
»Lobengrin* und zum »Triatan* mit laeldea
Liebestod, im Feuerzauber; ein zierllehea
Rokokostfick war die Gluckache Balletanüa bt
der Mottischen Bearbeitung; wenig bot die neu*
belebte Symphonie h von Ulrich trots formaler
Schönheit. Von Sollaten bewunderten wir in
diesen Konzerten Hertha Dehmlow, die mit
großer Stimme Lieder von Brahma, Scbubeil^
Wolf, Strauß und besonders Bruchs yAchillena^
arie: «Aus der Tiefe dea Grama* machtmll zn
gestalten wußte. Ein lieblicher Kontraat war
Susanne Dessoir In Liedern toII lartery
sonniger Stimmung von Mozart bla Pfitsner
meisterlich begleitete sie Artur ScbnabeL
Dieser verstand durch hochentwickelte Technik
und das Vermögen klarer Gestaltung in Webera
Sonate As, In Brahmaschen Rhapaodieen raacb
die Hörer zu gewinnen. Reiche Aneriwnnnn,
verdiente Anton Poerater ala Kfinatler
dem herben Konzert von Brahma; in St&i
von Chopin und in LIszta »Campanellaf* api
der^ Virtuos. An eine Desaolr unter d
Pianistinnen erinnerte unsere einheimlach^
Künstlerin Hellriegel In BeethoTena Konaert
und Schumanns »Humoreske*. Zur Erinnemni
an Wagners Todestag aang aeiner wfirdig So
mer Bruchstücke sus »Tannhäuser", »
den »Meistersingern*. Der Ruf; den Berber
Brahmsspieler besitzt, ist vollberechtigt.
Beifall fanden mit Volkmanna Trio b
Dresdner Bachmann- Bärtich-Stens, dF
auch Schutts »Walzermircben*, einem Tirtn
Blendwerk, gerecht wurden. — Von den Vi
führungen in den Symphoniekonserten d^
Stadtkapelle (Schmidt) aeien bervorgeb
die Sympbonleen A von Volkmann, No. 8
Beethoven, g von Mozart, »Pauat*-SympbonieT»
Liszt, »Meistersinger*-Voraplel,
Griegs PeerGyntsuite I, Glinka'a»Komerinakai<
»Le rouet d'Omphale* und »PhaCton" von Sai
Ssöns. Hingewiesen sei auf die von
Klotz gut gesungenen melodiösen Lieder
Dr. Hering. — Oberaua verdlenatvoU im
zeitgenössischen Schaffena war die Auflllhna.^
von Piern6's »Kinderkreufsug" mit Jobaotft
Dietz, von der Rappe, Groacta, Simms^i
sls Solisten durch den veratirktea MarMh
kirchenchor unter der bewährten Leitung Voll*
hardts; trotz der großen SehwierlgkeiteB gsWr
259
KRITIK: KONZERT
du Terk vortreffllcb. — BuxtetandcB
200. Todestag fand lebGhrende BeachtuDg; eins
GlanilelituDg war Bacbs doppelcbOrlge Motette
.Der Geilt bilft unirer Sctavacbbelt", ebeaao
Verners (Prciberg) Vortrag ron Corelli'a .La
ftelU" und Bacbt CbacoiiDe. Unter Orgelmelaier
Gerhardt bewitarte seine Kunst In Altllallencra,
Bostebude, Bacb, Llait, C. Franck und Reger. —
Fein abgetSnte iltette und neuste Kirchenmusik
bot das Lelpiiger ROtbig-Quartett — Der
s cappella- Verein unter V o II bardts Leitung
gab einen Scbumannabend, u. a. .Der Rose
ragerfsbrt'; Beetboyens .Chrlatus am Ö!-
bergci" (Solisten: MaoB, Vllhelni)-B5ßneck,
DIelel) konnte sieb trotz guter Aufffibrung
neben Lisst* 13. Psalm nur scbver be-
haupten. — Kleinere ChSre des Lehrer-
gesangverelni <Vollhardt) umrahmten Ge-
tangsspenden von Frl. Seebe, die auch In
der Lyrik die BDbnen singerin verrlt —
Zu wfirdiger Griegfeler — Lieder, Viollnaonsten
" hatten sich die temperamen trolle Lotte
Kreisler, Hiir und Vollbardi vereinigt. —
Veniger durch die .Kreutzersonate', als mit
eigenen Kompositionen vermochte Sarasate
lu ifinden, doch hinterließ einen linger nacb-
hallenden ElndruckBertheMarx-Goldscbmidt,
besondera durch die Ouvertüre zur 29. Bacbschen
Kantate.— Scblkailch seien noch der interessante
Volksliedersbend der Frau von Tolzogen, so-
wie der Possartabend (,Enoch Arden* von
Strauß, «Graf Talter' von Sommer) erwlbnt
Dr. T. Bertbold
Aus der Zeit, da Arnold Mendelssohn, wie unsere Leser aus WlUbild Necelt
Auftatz in diesem Hefte wissen, vor dem Eatschlufl stand, von der RechiswiBsenschaft
inr Musik überzugehen, stammt das Bild des Komponisten, das als erste Kunstbcilafe
das vorliegende Heft schmüclcl.
Das zweite beiliegende Bild Arnold Mendelaaotans ist nacb einer lebensvollen
Pbotograpble aus der letzten Zeil hergestellt worden.
Als dritte Beilage zu dem Aubatz von Wüibald Nagel Bnden unsere Leser eine
Seite aus der Original -Partitur von Arnold Mendelssohns großem Chorwerk aParla'.
Auch den Aufsatz von Ernst Rychnovsky über Leo Blech lllnsnieren wir dutch
ein Jugendbild, ein aus der jüngsten Zeit stammendes Portrlt und eise Probe der
Notenhandschrift des Gefelenen. Dieses Faksimile gibt eine Seite aus der Partitur seiner
neuen Oper „Versiegelt" wieder, deren Uraufführung Im Herbst dieses Jahres im Ber-
liner KBnigllctaen Opemhause zu erwarten ist
Unsere Notenbeilage vereinigt ie eine bisher anveriMhntlictaie Komposition der
beiden Tonsetzer, denen das vorliegende Heft gewidmet ist: das Lied .Ans den
Gruben, hier «m Graben" <voo Goethe) tob Arnold Mendelssohn uad eine
Probe aus der Oper .Versiegelt" von Leo Blech.
Nichdruek nur mir luidrUekl Icher Erliubnt* if Verlies* ■«■tititl
Alli Rccbn. lubooiulcn du der ObencnuDf, nriiebilm
ir dit Zurfickunduni uBTcrliBEXr oder nlchi intenieldeter MuntkrlpK, hlU Ibaei nlckr t*i(
Porto bellleti, Bbemlnnii dtc Hcdikrion keine Ginntlc. Scbver leicrilehe Muuuttipn «crdM ■^epf
Veruiivortlicher Scbriftlelter: Kapellmeister Bernhard Schtuier
Berlin W 57, Bülowslruse 107 ■•
ARNOLD MENDELSSOHN
im Alter von 20 Jahren
ARNOLD MENDELSSOHN
S. Himiinn, Darmindr, phoi.
ARNOLD MENDELSSOHN
:.v
LEO BLECH
Jugendbild
EINE PARTITURSEITE AUS DER OPER „VERSIEGELT*
VON LEO BLECH
Vn.22
Aii^ den Omben, liier am. Oraben
(Goethe )
Etwas langsam
Arnold Mendelssohn
Gesang
Piano
^ ^^ \i wii4^
- bcn,hier am Ora - ben bör* dchdasPro-pbe-ioi Sangt
yrfrt'
\''' M^'^^'^^m
^]fff^9^jjfS^jjL^^ ^$^'^
scbwe.ben,ihn zu la - ben.
1-Ji J J. ii I J ^|> J I
tfTf ¥Tr»J^r^
vni- re da dem Gu - ten bang?
njiifi^ '^il y\f
LöV und Lö - win auf und nie- der acbmle-gen sieb an Um her- an,
pp ten.
i
f9L Umpo
CT08C»
Blan - kes Schwert er - starrt
be, GlauV und Hoff-nung
i*^ H 'T i^i\
f |1 l'i
^ iij^iiVii
l**r iJ kf *^\'i j».!
die sich im Go ^ bet enthüllt.
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Und 80 geht mit gu « tea Kln-dom
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8el'- ger Bn - gel gern zu Rat,
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ZU ver- bin - dem
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So b«- schwören,
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aus: "Versiegelt
Leo Blech, Op, 18
IB0&MM
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r "i I i>" I > ly I t 'r '^
8
als war' es an der Zeit, mir wie-der ei - nen Mann su wab - len.
Wenn Wit-we Folz der Amt-mann Iteit^
so kann et doch aucb mir nielit feh - Imu
jl»'- VlJ^ J^j^p lYlJ^ I? p (T if t . I V iJ^^A E
Die Witwe Folz. Frau Amt-mann, und ieh.
AraaBür - gunauir^Mm
j >'' T J, jiJrTB
I
zum Exem - pel.
stich u. Druckt Berliner MusllukUeii DraekOT«! flbM.b. H.
DIE MUSIK
nsere Meister nennen wir billig die,
denen wir immer lernen. Nicht ein
r, von dem wir lernen, verdient dieses
Titel.
Goeibe
(Mixlmen uad ReHexfonen)
VII. JAHR 1907/1908 HEFT 23
Erstes Septemberbeft
Herausgegeben von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & Loeffler
Berlin W. 57, Bülowstrasse 107
.S'-Ar-tClCFil,.
CARL LOEWES CHORGESÄNCE
[WELTLICHEN INHALTS
von Dr. Leopold Hirscfaberg-Cbarloltenbnrg
nie von mir vor einiger Zelt') verölTenllicbte Skizze über den
j Kirchenmuslker Carl Loewe bat, vie leb aus einer [nlcbt
geringen Anzahl an mlcb gericbteter Zuscbrifien zu aaeiaer
Freude ersab, einigen Beifall gefunden und sogar bereits ein
greifbares Resultat gezeitigt: eine kleine Sammlung einstimmiger Kirchen-
gesinge fiir Schale und Haus, sowie eine Ncuausgabe bzw. Bearbeitung
des .Musikalischen Gottesdienstes*, beide im Verlage von G. Bratfisc,h
in Frankfurt a. O. eracbienen. Die uns jetzt obliegende Besprechung der
weltlichen Chorgesinge Loewes mfige eine dem Andenken des Meisters
geschuldete weitere Türdlgung seiner Vielseitigkeit and zugleich eine
ErglDZung des frOberen Auhatzes sein.
Eigentlich brauchten wir Loeweaner uns nicht mehr wie andere
darüber zu beklagen, daß die msSgebenden PertöDlicbkeilen, d. b. die
Dirigenten von Gesangvereinen usw., nichts von den Chören von Loewe
wissen. Mit Franz Schubert und Roteit Schumann z. B. steht es in
dieser Beziehung um kein Haarbreit besser. Man sieht ordentlich die
staunend- bewundernden Angesichter der Berichterstatter vor sich, wenn man
einmal liest, daß der oder der Verein einen Chor von Franz Schubert
aufgeführt bat. So etwas gibt es, und man bringt nicht mehr davon? Ganz
genau so würde es mit Loewe geben. Bei meiner ziemlich ausgebreiteten
Vortragstaiigkeii habe ich recht bluflg Gelegenheit, den Musikdirektoren
und Vereinsleitern Cbfire von Carl Loewe zum Studium zu empfehlen —
ein freudiger Dank ist selten ausgeblieben.
Aber Loewe ist doch den andern Meistern gegenüber insofern In
erheblichem Nachteil, als seine diesbezüglichen Terke bisher noch
niemals gesammelt wurden. Wahrend jene in schönen und billigen
Gesamtausgaben zu haben sind, muß man sich Loewes Schöpfungen, der
doch jetzt seit sieben Jahren aftei" ist, mühsam bei allen möglichen
Verlegern zusammensuchen. Ganz abgesehen von der Kostspieligkeit
(denn die alten Monopolpreise haben bei diesen Werken noch Gellung),
■) ,Dla Muifk-, JitariiBt iV, Heft 12, S. 383 (f.
264
DIE MUSIK VII. 23.
ist vieles übertiaupt nicht mehr zu haben oder so versteckt in kompendiBsen
Sammlungen, daß schon daran alles scheitert. Trotz dieser Schwierigkeiten
hat sich doch schon mancher Gesang dauernd eingebfirgert.
Die folgende Besprechung dürfte nun abermals ein treffendes Bild
von der Vielseitigkeit unseres Meisters geben. Das Risiko eines etwaigen
Verlegers einer Gesamtausgabe der Chorgesänge dürfte gleich Nnll sein,
da jede Bereicherung der Chorliteratur, in der sich wie bei keinem andern
Musikzweige die krasseste Mittelmäßigkeit breit macht, nur mit Dank be»
grüßt werden kann.
«
I. Abschnitt. Männerchöre
1. Sechs Gesänge für fünf und vier Männerstimmen. Op. 19.
(Challiers Verlag, Berlin).
Als erstes Werk des Balladenmeisters auf diesem nenen Gebiete
und um ihrer hohen Trefflichkeit willen verdienen diese Chöre eine liebe-
volle Berücksichtigung.
a. Zwei Gesänge aus dem Singspiel »Die Glfickseügkeits-
insel'. (Aus dem Schwedischen des Atterbom fibersetzt von Amalie
V. Helvig).
Der erste Gesang ist ein zündendes Jägerlied, vivacissimo vorzntragen.
«Wilde michtige Lust genieß!
Scbau das prichtige Ziel und tchieß!"
wird zunächst von allen vier Stimmen fortissimo gebracht, dann malen leise
erster Tenor und zweiter Baß das ferne Lärmen der Meute im Gmnde des
Tals. Aus dem feurigen E-dur geht es bald in das sanfte G*diir fiber
bei den Worten:
Her - ze lenkt sich zum Traum - ge • bild
wo dann auch Solostimmen eintreten und des weitern im planissimo die
scheue Flucht der aufgeschreckten Waldestiere malen. Wie fMhlich-lauter
Waldhomklang setzt dann das Tutti ein; zunächst die drei Unterstimmeo:
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1 r I I ■ I L.
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1
Heim -warft gebt der Schütz zu TaL
während vom dritten Takt an die ersten Tenöre das langgezogen hohe G
vom Piano allmählich zum Forte anschwellen lassen. In ungemein reizvoller
265
HIRSCHBERG: LOEWES WELTLICHE CHÖRE
Weise wird das Ganze, das so kräftig begonnen, zum träumerisch-gedämpften
Ende gefuhrt, indem ein nochmaliger Wechsel der Solostimmen und des
Chors das Verhallen der Homer malt:
Solo
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Lie - bes-
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strahl,
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Das zweite der Lieder ist eine textlich höchst verunglückte Darbietung,
eine verschwommene Umschreibung des klaren «Nichts ist schwerer zu
ertragen*. Indessen hat der nachdenkliche Text dem Tondichter Gelegen-
heit zu einer anmutigen rhythmischen und koloristischen Feinheit gegeben.
In den synkopenähnlichen Einschlägen der Verszeilenanfänge sowohl, wie
in der weit ausgesponnenen Koloratur des Versendes:
Moderato
ün • er-hörtver-
cresc.
•cbwende nicht die Seuf-zer doch ;
lach - te Mai ohn'
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En-de, wir er rei-zendnocb?
dim.
264
DIE MUSIK VII. 23.
ist vieles übertiaupt nicht metir zu haben oder so versteckt in kompendiSsen
Sammlungen, daß schon daran alles scheitert. Trotz dieser Schwierigkeiten
hat sich doch schon mancher Gesang dauernd eingebürgert.
Die folgende Besprechung dfirfte nun abermals ein treffendes Bild
von der Vielseitigkeit unseres Meisters geben. Das Risiko eines etwaigen
Verlegers einer Gesamtausgabe der Chorgesänge dürfte gleich Nnll sein,
da jede Bereicherung der Chorliteratur, in der sich wie bei keinem andern
Musikzweige die krasseste Mittelmäßigkeit breit macht, nur mit Dank be-
grüßt werden kann.
I. Abschnitt. Männerchöre
1. Sechs Gesänge für fünf und vier Männerstimmen. Op. 19.
(Challiers Verlag, Berlin).
Als erstes Werk des Balladenmeisters auf diesem neuen Gebiete
und um ihrer hohen Trefflichkeit willen verdienen diese Chöre eine liebe-
volle Berücksichtigung.
a. Zwei Gesänge aus dem Singspiel »Die Glfickseligkeits-
insel'. (Aus dem Schwedischen des Atterbom fibersetzt von Amalie
V. Helvig).
Der erste Gesang ist ein zündendes Jägerlied, vivacissimo vorzutragen.
.Wilde mächtige Luat genieß!
Scbau das prächtige Ziel und tchießl"
wird zunächst von allen vier Stimmen fortissimo gebracht, dann malen leise
erster Tenor und zweiter Baß das ferne Lärmen der Meute im Grunde des
Tals. Aus dem feurigen E-dur geht es bald in das sanfte G*dur über
bei den Worten:
Her - ze lenkt sich zum Traum - ge - bild
wo dann auch Solostimmen eintreten und des weitern im pianissimo die
scheue Flucht der aufgeschreckten Waldestiere malen. Wie frShlich-lauter
Waldhomklang setzt dann das Tutti ein; zunächst die drei Unterstimmen:
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Heim -warft gebt der Schütz zu Tal.
während vom dritten Takt an die ersten Tenöre das langgezogen hohe G
vom Piano allmählich zum Forte anschwellen lassen. In ungemein reizvoller
265
HIRSCHBERG: LOEWES WELTLICHE CHÖRE
Weise wird das Ganze, das so kräftig begonnen, zum träumerisch-gedämpften
Ende geführt, indem ein nochmaliger Wechsel der Solostimmen und des
Chors das Verhallen der Homer malt:
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strahl.
Das zweite der Lieder ist eine textlich höchst verunglückte Darbietung,
eine verschwommene Umschreibung des klaren «Nichts ist schwerer zu
ertragen". Indessen hat der nachdenkliche Text dem Tondichter Gelegen-
heit zu einer anmutigen rhythmischen und koloristischen Feinheit gegeben.
In den synkopenähnlichen Einschlägen der Verszeilenanfänge sowohl, wie
in der weit ausgesponnenen Koloratur des Versendes:
Moderato
ün • er-hörtvcr-
cresc.
schwende nicht die Seuf-zer doch ;
lach - te Mai ohn'
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268
DIE MUSIK VII. 2a.
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Jxl der groß und umfangreich angelegten «Nachtreise* braucht der
Tondichter fünf Stimmen — -^zwei TenSre und drei Bisse. Ganz ihnlich
wie im vorigen Liede ist durch eine Stimmenverteilung eine Sondemng
erzielt worden; eine Gruppe spricht, die andere schildert und vertritt da-
mit das, was sonst dem instrumentalen Teil obliegt:
Ten. 7, //, Baß I . . . ^ J
1^^
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Baß II, III
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Herbst-wind rfit • t«lt die
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Bin- me, die
Biu - • me,
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Nacbt ist
BIu • me
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feucht und
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kalt
kalt
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Nur auf diese Weise ist es möglich, ein durchaus für eine Stimme ge-
dachtes Lied als ein mehrstimmiges glaubhaft zu machen. Im weiteren
Verlauf verschiebt sich (ganz wie im vorigen Lied) das VerhIItnis der
Stimmgruppen; an Leistungs- und Ausdrucksfähigkeit der Singer werden
die höchsten Ansprüche gestellt:
Ten. I, II ^^-^ -iji I^ fi
Wen>del-trep-pe
•türm ich hin-
auf mit Spo-ren-ge*
269
HIRSCHBERG: LOEWES WELTLICHE CHÖRE
Wie dann nach dem zarten Mittelsatz (F-dur, %) die Schilderung aus dem
«leuchtenden Teppichgemache" wieder hinaus in den herbstlichen Wald
geleitet wird, wie das Säuseln der Blätter im Winde (durch das Eintreten
einer Stimme nach der andern) plastisch dem Hörer sich mitteilt, das
alles im einzelnen vorzuführen und zu zergliedern, wfirde zu weit führen ;
ebenso, wie treffend in der erneuten Rückkehr zum Anfangssatz die beiden
Baßfiguren
und Li)i rrh
Trtum Trtum
die Traumeswirren des zum Tode erschöpften Reiters zum Ausdruck bringen.
Wir können wohl mit Recht sagen, daß wenige Chorgesänge von
dieser Bedeutung existieren.
2. Fünf Oden des Horaz, auf den lateinischen Text mit deutscher
Obersetzung von Voß für Männerstimmen komponiert,
op. 57. (Challiers Verlag, Berlin.)
Nur ein vielseitig gebildeter Mann konnte imstande sein, diese Werke
zu schaffen. Es gehörte nicht nur ein völliges Sichhineinleben in den
Geist des alten Dichters dazu, sondern auch eine sichere Beherrschung
der alten Metren. Gottfried Weber, der bekannte Komponist, Theoretiker
und Herausgeber der ,Cäcilia", dem Loewe diesen Zyklus gewidmet hatte,
schrieb ihm darüber Folgendes^):
»Die große Ehreobezeugung, welche Sie durch die Widmang Ihres ausgezeichneten
und in seiner Art besonders so ausgezeichneten und bahnbrechenden Werkes mir
anthun, ist so groß, so werthvoll und, wenn ich sagen darf, mir so unangemessen, daß
ich die Art und Weise, etwas mir ' so wenig eigentlich zu Gesiebte Stehendes zu
empfkngen, anzunehmen und dafür zu danken, gar nicht recht finden kann. Der-
gleichen gehört eigentlich nur Micenaten, künstlerisch ausgezeichneten oder sonst
bochstehenden Personen, indeß unsereiner sich in solchem Königtomate nicht zu
benehmen versteht . . .*
Weber hebt dann des weiteren besonders die musikalische Deklamation,
Akzentuation und Skansion in dem Werke hervor und verspricht einen
besonderen Artikel darüber für das 74. Heft der »Cäcilia"*).
Daß neben diesem Technischen auch der durch den Inhalt bedingte
Ton aufs beste getroffen ist, davon legt die Beliebtheit, deren sich das
Werk früher erfreute, gültiges Zeugnis ab. Heutzutage ist es völlig ver-
gessen; aber speziell Lehrer-Gesangvereine sollten sich diese durchaus
originellen und dankbaren Stücke nicht entgehen lassen.
*) Dr. Carl Loewes Seibatbiographie, Berlin 1870, p. 224.
*) Ist nie erschienen.
270
DIE MUSIK VII. 23.
Wie glänzend hell polierter Stahl erscheinen die markigen Klinge
der ersten Ode (Ad Augustum):
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Jus
tum et te -
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na - cem
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> • PO - si - ti Ti •
pro • po - si - ti
' j H'lj^
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Wer, Gu - tet wol-lend, minnlich be- harrt im Sinn
Was Ad. Bernh. Marx von Beethovens e-moll Sonate op. 00 sagt'):
„Der wäre höchst geehrt, dessen Spiegelbild man in diesem Satze er-
kennte^, gilt auch von diesem Loeweschen Werke.
Die zweite Ode (Ad Neobulen) ist unbedingt die beste. Sie ist
die einzige Horazische, die in dem leiemd-schleppenden ionischeii Vers-
maß geschrieben ist, das ein mitleidiges, nicht ernst gemeintes Jammern
unübertreiflich zum Ausdruck bringt. Der Leichtigkeit seiner Skansion
halber ist es bei den Herren Primanern, die sich mit Alcäns, Sappho nnd
vier verschiedenen Asklepiaden weidlich zu quälen haben, besonders beliebt
Dieser mitleidige Jammerton ist nun von Loewe köstlich getroffen; statt
Andantino grazioso wäre die Überschrift vielleicht besser AndanÜno flebile
gewesen :
Mi - se
m^s4^
ra-rumett, ne-queA
mo - ri da • re
j j j j
r r f
Itt • dam, ne - que
A
O wie e - lend ist ein Migd-lein, das dem A • mpr sich ent-
!^
^E^^^
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^^=t!==*
dul - ci roa - la
!»=t==t:
-'" — B—
vi - no la - ve -
^te
reaut ex a - ni
ziehn muß, und der Tröstung des Ly - I - us, da mit Straf-red and br-
^) Ad. Benib. Marx: Beethoven. Berlin 1859, Band U, S. 2ia
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271
HIRSCHBERG: LOEWES WELTLICHE CHÖRE
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mahn-unf sie der O - heim so in Angst hilf!
Immer dringlicher und schneller wird der Gesang; die Männer werden
dem armen, trostbedürftigen Mägdelein (wie der Graf und Basilio der
Susanne) gegenüber eben immer zudringlicher, ja handgreiflicher. Beim
Forte sind sie scheint's bis zum Backenstreicheln gekommen, und das
Fortissimo am Schluß dfirfte den Kuß versinnbildlichen!
Die dritte Ode (Ad Maecenatem) ist lehrhaft weit ausgedehnt, an
Schilderungen mannigfachster Art reich, während die vierte (Ad fontem
Bandusiam) ein liebliches Idyll darstellt:
Allegretto
O fons
BJIJj
*^
Ban - du - si - ae
ri
splen-di - di • or vi-
^
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tro,
i
*
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Reizend durchgeführte und rhythmisierte Koloraturen verleihen dem kurzen
Sang eine besondere Abwechselung. Friedrich Wilhelm IV. schrieb am
1. März 1838 an Loewe: «Unter Ihren horazischen Liedern entzückt mich
ganz vorzüglich der bandusische Quell.*
Die letzte Ode endlich (Ad Grosphum), eines der berühmtesten
Gedichte des Horaz, ist in seinem langsamen Zeitmaß, in dem durchweg
leisen, sich nirgends zum Forte steigernden Erklingen, in dem einfachen,
ungesuchten Wohlklang seiner Akkorde ein stilles Gebet an den Göttervater:
Ru - be fleht vom Zeus der vom Sturm Er
f«ß - te
272
DIE MUSIK VII. 23.
mJeSo
Die Oden sollen in der Ursprache gesungen werden. Die
beigefügte Übersetzung diene nur als Hilfsmittel zur Gewinnung des Aus»
drucks beim Vortrag. Ein feinsinniger Dirigent ist vonnSten, der auf die
vom Komponisten gewollten Feinheiten mit liebevoller Sorgfalt eingebt.
3. Zwei Balladen von Willibald Alexis, op. 61. (Challiers Verlag,
Berlin.)
Über des Meisters weltberühmten Fridericus rex uns näher zu ver-
breiten, ist nicht erforderlich; auch hat Maximilian Kunze in seinen beiden
Untersuchungen über die Quellen des Fried richsliedes^) Muster von philo-
logischer Genauigkeit und Gründlichkeit geliefert. Carl Loewe bat sowohl
den Fridericus, als den General Schwerin selbst für vier Minner-
stimmen gesetzt, und es ist deshalb die Pietätlosigkeit unbegreiflich, mit
der die Redaktoren des neuen «Volksliederbuches" es zulassen konnten,
daß an dem Meisterwerke ein «Arrangement'' vorgenommen wurde. Bei
dem näselnden, äußerst platten und aufdringlichen Eintritt des ersten
Tenors in der zweiten Strophe möchte man nur mit Hamlet
«O schaudervoll! schaudervoll! höchst schaudervoll 1*
ausrufen. «Glauben Ew. Lordschaft etwas Besseres zu liefieni als die Apostel
und Propheten?* so fuhr Händel einen bischöflichen Herrn an, der ihm
einen Text zum «Messias* liefern wollte. Mutatis mutandis gilt dies ancb
von dieser neuesten «Bearbeitung* des Friedrichsliedes. Unbegreiflich ist
es ferner, daß man dem zweiten Chorlied dieses Opus, dem «General
Schwerin*, die Aufnahme in die Sammlung versagt hat. Das Werk bildet
zu dem rücksichtslosen Soldateskahumor des «Fridericus* einen schönen
Gegensatz durch die bei aller Derbheit des Ausdrucks über dem Ganzen
liegende tiefe Schwermut. Der nach jeder Strophe wiederkehrende Refrain:
ist
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Scbwe-
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tot! Schwe-
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enthält eine so unendlich laute Klage und dabei wieder eine so tiefe, flist
verzweifelnde Trauer über den Fall des Helden, daß das Werk einen er-
schütternden Eindruck hinterläßt.
^) Loewe: Hobenzollem-Album (Breitkopf & Hirtel), p. XII ff. und Gesamtaus-
gabe, Bd. V.
273
HIRSCHBERG: LOEWES WELTLICHE CHÖRE
4. Fünf Humoresken für vier Männerstimmen, op. 84. (Berlin,
Bote & Bock.)
Um diese köstlichen Gaben ihrer unverdienten totalen Vergessenheit
zu entziehen, hat man wenigstens ein paar Stücke, für eine Singstimme
arrangiert, als notdürftigen Ersatz in der Gesamtausgabe (Breitkopf & Härtel)
veröffentlicht, was jedesmal angemerkt werden soll.
Der Sinn für feinen Humor und seinen Ausdruck in der Tonsprache,
den Loewe in Balladen wie »Graf Eberstein", dem Goetheschen »Hochzeit-
lied" und dem »Zauberlehrling*, den »Hinkenden Jamben", den »Fabel-
liedem* und zahllosen anderen bereits glänzend dokumentiert hatte, kommt
auch bei dieser neuen Gattung in jedem Takt zur Erscheinung. Wie hübsch
ist z. B. in dem unverwüstlichen Matthias Claudius'schen »Urian* der
Unterschied des canonischen Chorgesanges in der ersten bis sechsten
^
yM-c c g c c c n r. Ni
Da hat er gar nicht fl • bei dran ge - tan
und der letzten Strophe
j I p c '7-44J:^
Da bat er fl • bei, fi - bei dran ge - tan
durchgeführt! Wie reizend imitieren im «Stabstrompeter.* von Friedrich
Rückert die vier Singstimmen die schmetternde Fanfare:
Vivace
^
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Seht den Stabs- trom - pe • ter!
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Bru • der, seht, da steht erl
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Mann.
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Die höchst komische, moralische Sage von dem »Kloster Grabow*
im Lande Usedom, die Friedrich Rückert in ergötzlicher Weise erzählt, gibt
L
274
DIE MUSIK VII. 23.
Loewe Gelegenheit, seinem übersprudelnden Humor die Zfigel schießen zu
lassen. Während vier Solostimmen die gottesjämmerliche Geschichte von
den unmäßigen Mönchen, die sich gegen das Gesetz an zwei ungeheuer
fetten Stören die Mägen verdarben, erzählen, bringt der Chor als Refrain
jeder Strophe die Moral. Wenn nun die beiden Bässe recht brummend
und gedämpft mit ihrem Gesang beginnen, um das eifrige laute Plappern
der Tenöre wirksam hervortreten zu lassen:
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4.
•ie bit-ten aicb aol-leo be-
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SO
gnfi*ten, sie
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Sie hit • ten sich sol
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be
gnfi -
bit-ten sich sol «len be-
i»
J:
1ä
gnfi-gen
■^Sh
s
so werden sie die Lacher immer auf ihrer Seite haben. Die bekannte
Rückert'sche Ballade .Die Riesen und die Zwerge", die No. 4 dieaei
Opus bildet, hat der Meister derart gesetzt, daß ein Baritonsolo die ganze
Erzählung bestreitet, %ährend der Chor nur, gewissermaßen als Vor- ond
Nachspiel, vor der ersten und nach der letzten Strophe marschartig und
stark fünfmal die Worte »Die Riesen und die Zwerge" singt und während
des Solo höchst spaßig als Brummstimme fungiert. Da das Lied in glück-
lichem Arrangement für eine Singstimme mit Klavierbegleitung in Bd. XVII
der Gesamtausgabe leicht erreichbar ist, so möge es dort und auf Seite XII
der Einleitung auch die treffende Ausführung Runzes nachgelesen werden.
Wie aber ein so originelles Gedicht wie Rückerts »Martini* und
seine Vertonung durch Loewe so gänzlich unbekannt sein kann, das ist
schwer zu begreifen. Anmutig sind die Verse des formgewandten Dichters,
witzig der Inhalt. Und für alles findet Loewe charakteristische Töne.
Bald läßt er seine vier Stimmen das schauderhafte Wetter, das dieser fOr-
treffliche Heilige immer mitbringt, schildern, bald das Schreien der un-
glücklichen Gänse:
275
HIRSCHBERG: LOEWES WELTLICHE CHÖRE
mJeSo
fen^r r; fr j;i^ r ri^'-rrri^^^
sie schrei -en sebr und kla-gen: es gebt uns aa den Kra-gen
Oder er malt das lustige Tanzen, Trinken und Essen der Gäste, die sich
tüchtig dran halten müssen, denn:
ftii;: S^-rryt:
bald kommt die beil-ge Ka • tbri • ne und hingt die Geig . an die Wand.
5. Der Papagei. Humoristische Ballade von Fr. Rückert für vier-
stimmigen Männerchor. op. 111.
Wie die beiden Alexis'schen Kriegsgesänge ^) hat Loewe auch Rückerts
prachtvolle Erzählung von der Waterlooer Schlacht nicht nur für eine
Singstimme, sondern auch für Männerchor gesetzt. Auch dieses Werk
fehlt grundlos im »Volksliederbuch". Wie der äußerst gebildete, bisher
französisch sprechende Papagei nach der Schlacht infolge des Kanonen-
donners nur noch «Bum* sprechen konnte, wie alles liebenswürdige
Schnalzen und Zirpen seines Besitzers immer nur das ominöse »Bum*
aus dem Schnabel des völlig vor den Kopf geschlagenen Vogels bringt,
das ist äußerst drollig gemacht und im Vortrag gar nicht zu verfehlen.
6. Sechs vierstimmige Gesänge für Männerstimmen. Ohne Opus-
zahl. (Mainz, Schott.)
Die beiden ersten, „Das dunkle Auge" von Lenau und das
»Nachtlied'' von Raupach, sind weiche, melodische Gesänge in Mendels-
sohns Art. Am dritten, »Würde der Frauen* von Schiller, interessiert uns
der Umstand, daß dieses Preislied ganz sinngemäß von Männern allein
vorgetragen wird; auch sind die die Zartheit der Frauen und die Kraft der
Männer ausführenden Gegensätze durch Tempo- um Tonartwechsel glück-
lich getroffen. Als No. 4 zeigt sich die Neuschöpfung eines der be-
liebtesten einstimmigen Loeweschen Gesänge, »Des Glockentürmers
Töchterlein* von Rückert, für Männerchor, nicht etwa ein Arrangement,
sondern eine ganz neue Komposition. Im Gegensatz zu anderen Meistern
(bekanntlich hat Beethoven den Mignon-Gesang »Nur wer die Sehnsucht
kennt* vier-, Schubert sogar sechsmal vertont) steht diese Tatsache bei
Loewe einzig da. Ich möchte dieser Chorschöpfung, in der namentlich
das Anschlagen der Glocken sehr hübsch durch die tiefen Bässe gemalt
*) Vgl. No. a
276
DIE MUSIK Vll. 23.
wmSBSf
wird, während der erste Tenor in Koloraturen darfiberhin schweift, vor
der einstimmigen den Vorzug geben. No. 5 und 6 gehören zu Loewes
originellsten Gaben. Wie er uns den urkomischen »Rüberettig* des
Willibald Alexis bietet, das muß gehört werden; englische Steifheit und
deutsche Derbheit wechseln allerliebst miteinander ab:
lieb-te die
Rfl-be,
/ dei
den Ret • tig erS
Streit drfi-ber woU - te
end-gen; u-bei
^»if-^lJU?
derleibiltesin
England schwer, sich
un-tereln-ander ▼e^
stindtes.
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Da die Farce auch ffir eine Singstimme sehr geeignet ist, so fehlt aie nicht
in der Gesamtausgabe^).
«Die lustige Hochzeit", ein wendisches Spottlied, von Herder
meisterhaft in seinen «Stimmen der Völker* übertragen, zeigt uns nmi den
Tondichter in seiner ganzen Eigentümlichkeit. Daß er den Volkston an
sich meisterlich trifft, kann uns in Anbetracht der nahen Verwandtschaft
von Ballade und Volkslied nicht weiter wundernehmen. Aber auch das
Lokalkolorit ist so vorzuglich gewahrt, daß man die neben allem Spott
und Übermut bei diesen Völkern doch immer vorhandene dfistere Herb-
heit überall wahrnimmt. Endlich verdient der kunstvolle Satz in diesem
Werk noch ein ganz besonderes Lob. Die Durchführung ist derart» daß
jede der sieben Fragen von einem Baßsolo, jede der sieben Antworten
vom Chor, jede der sieben Gegenreden von einem andern Solo und end-
lich jeder der sieben letzten Sätze wieder vom Chor gebracht wird, z. B.:
Bflßsolo Tutii forte Bißsolo
Wer soll Braut sein? Eu-le soll Braut sein. Die Eu-le sprach su th-aen bin
0 Bd. XVI, S. 125.
IM
275
HIRSCHBERG: LOEWES WELTLICHE CHÖRE
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t^cri^f r; r^
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sie schrei -en sebr und kls-gen: es gebt uns an den Kra-gen
Oder er malt das lustige Tanzen, Trinken und Essen der Gäste, die sich
tüchtig dran halten müssen, denn:
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t
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bald kommt die heil • ge Ka - tbri - ne und hingt die Geig an die Wand.
5. Der Papagei. Humoristische Ballade von Fr. Ruckert für vier-
stimmigen Männerchor. op. 111.
Wie die beiden Alexis'schen Kriegsgesänge ^) hat Loewe auch Rückerts
prachtvolle Erzählung von der Waterlooer Schlacht nicht nur für eine
Singstimme, sondern auch für Männerchor gesetzt. Auch dieses Werk
fehlt grundlos im »Volksliederbuch*. Wie der äußerst gebildete, bisher
französisch sprechende Papagei nach der Schlacht infolge des Kanonen-
donners nur noch «Bum* sprechen konnte, wie alles liebenswfirdige
Schnalzen und Zirpen seines Besitzers immer nur das ominöse »Bum*
aus dem Schnabel des völlig vor den Kopf geschlagenen Vogels bringt,
das ist äußerst drollig gemacht und im Vortrag gar nicht zu verfehlen.
6. Sechs vierstimmige Gesänge für Männerstimmen. Ohne Opus-
zahl. (Mainz, Schott.)
Die beiden ersten, „Das dunkle Auge** von Lenau und das
»Nachtlied* von Raupach, sind weiche, melodische Gesänge in Mendels-
sohns Art. Am dritten, »Würde der Frauen* von Schiller, interessiert uns
der Umstand, daß dieses Preislied ganz sinngemäß von Männern allein
vorgetragen wird; auch sind die die Zartheit der Frauen und die Kraft der
Männer ausführenden Gegensätze durch Tempo- um Tonartwechsel glück-
lich getrotPen. Als No. 4 zeigt sich die Neuschöpfung eines der be-
liebtesten einstimmigen Loeweschen Gesänge, «Des Glockentürmers
Töchterlein* von Rückert, für Männerchor, nicht etwa ein Arrangement,
sondern eine ganz neue Komposition. Im Gegensatz zu anderen Meistern
(bekanntlich hat Beethoven den Mignon-Gesang „Nur wer die Sehnsucht
kennt* vier-, Schubert sogar sechsmal vertont) steht diese Tatsache bei
Loewe einzig da. Ich möchte dieser Chorschöpfung, in der namentlich
das Anschlagen der Glocken sehr hübsch durch die tiefen Bässe gemalt
1) Vgl. No. a.
278
DIB MUSIK VII. 23.
Der Nachschlag des ersten Basses,
stimmen scheinbar nicht fertig wird,
wftltigender Komik:
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der als letzte der vier Fugen-
Schluß des Ganzen, ist von fiber-
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*
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wird er eu - er
Tisch sein, so
wird er eu - er
Tisch sein.
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sein.
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Tisch,
ja so
wird er eu • er
Tisch, ja so
wird er eu-er
Tisch aelA
eu - er Tisch, ja so wird er eu-er Tisch sein.
7. Vaterländische Lieder (simtlich im »Hohenzollem-Albam*, Bd. 1,
unter den Nummern 2 — 6, 10 — 11, 14 — 15, 17 abgedruckt).
No. 4 (Dem König), für Männerchor gesetzt von dem zu frfih
gestorbenen Martin Plüddemann, ist ein Gesang voll Kraft and Energie.
No. 10 (Der deutsche Rhein), eine in hoher Begeisterung er-
glühende Komposition des bekannten Beckerschen Gedichts:
H^'-f^J^
Sie sol - len ihn nicht ha - ben, den ft^i - en deut-schen Rhein!
No. 11 (Die deutsche Flotte) ist historisch interessant fSr die
Flottenbewegung des Jahres 1848, aus dem der Chor stammt. Die fibrigen,
in musikalischer Hinsicht von geringem Wert, mögen an Ort und Stelle
eingesehen werden; ihr Fehlen in einer etwaigen Sammlung der Loewe-
sehen Chöre würde belanglos sein.
8. Des Königs Zuversicht, op. 118.
Das Lied erschien 1839 in mehreren Fassungen (auch für Männer-
chor) und ist im «Hohenzollem- Album* abgedruckt. Als freie Umdichtung
des dritten Psalms zeigt es vorwiegend eine majestätische Ruhe, UBt
jedoch an einigen Stellen einen kampfesmutigen Sinn hindurchleucbten. Es
ist sowohl a cappella als mit einer von Loewe gesetzten KlavierbegMtnng
zu singen.
270
HIRSCHBERG: LOEWES WELTLICHE CHÖRE
wmSBSf
9. Zwei Gesänge für die Stettiner Liedertafel. (Berlin,
Trautwein).
Das erste, Stiftungslied betitelt, ist nie wieder zum Abdruck
gelangt, wohl aber das originelle zweite »Otto- Lied« (f&r eine Sing-
stimme mit Klavierbegleitung arrangiert).^) Es erzählt in launiger Weise die
Bekehrung der unmäßig zechenden heidnischen Pommern durch den
»feinen Gottesmann« Otto von Bamberg. Sehr hfibsch ist das Tohuwabohu
ihrer früheren Zechgesänge ausgedrfickt:
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L-
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J J J i
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und krumm • ten
takt- und
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gel
llni
wie
^m
gfaL=^=|L^
uod brummten takt- und re-gel-frei wie Bi-ren in der WQs-te-nei und
10. Gutenbergs Bild von L. Giesebrecht (Mainz, Schott).
Als eine kleine Ergänzung zu seinem großen Oratorium »Gutenberg«
(op. 55) ist dieser feierliche Gesang von Loewe f&r die Gutenbergfeier im
Jahre 1837 komponiert worden. In prachtvoller Ausstattung, mit dem
Monument im Kupferstich, erschien das Werk (auch für gemischten Chor),
ist aber heute nicht mehr aufzufinden. Wir geben als Beigabe die Repro-
duktion des Originaltitels.
11. Acht Freimaurer-Lieder. Gedruckt in »Melodien zu den
Liedern des neuen Freimaurer- Gesangbuches für die Große
National- Mutter- Loge der Preußischen Staaten, genannt: zu den
drei Weltkugeln«. Heft 2, Berlin 1836.
Daß diese Gesänge ihren Zweck ganz erfüllen, braucht nicht
besonders erwähnt zu werden. Sie dürften in einer Gesamtausgabe nicht
fehlen. Sieben von ihnen sind a cappella, einer mit Klavierbegleitung
gesetzt; den wirksamsten hat Loewe übrigens in sein kleines Oratorium
»Johannes der Täufer* aufgenommen:
cresc.
Hört ihr nicht die Stim-me tö - nen? Jo-ban-nes ruft, die Welt er - bebt!
^) Gesamtausgabe Bd. XVI, p. 110.
19*
L
280
DIE MUSIK VII. 23.
12. Das Paradies in der Wüste. Legende von Herder. Ffir
eine Tenorstimme und einen Minnerchor, op.37,
No. 3. (Mainz, Schott.)^)
Dieses von Herder sinngemäß in die Sammlung seiner «Legenden*
aufgenommene Werk ist ein Mittelding zwischen weltlicher und geistlicher
Musik. Hilarion aus Palästina zieht zur Thebaide, um die Grabstltte
seines Freundes, des hundertjährigen Antonius, zu besuchen. Mitten in
der grausen Wfiste tut sich ihm ein elysisch schönes GeBlde auf, in dem
die Jünger des Toten ihn erwarten. Alle seine Lieblingsplätze zeigen sie
dem Hilarion, nicht das Grab, weil dies so der Wille des Toten gewesen
sei. Die Bitte der Jünger, von nun an ihr Führer, «Antonius der
Christenheit*, zu sein, lehnt Hilarion ab und zieht in selig-gehobener
Stimmung von dannen, von den Segenswünschen der Jünger begleitet
Während nun vielleicht die schönen Herderschen Worte manchem Uteratur-
kundigen bekannt sein dürften, ist die edle Loewesche Komposition völlig
unbekannt geblieben. In freiem, über das Legendenartige schon etwas
hinausstreifendem Spielraum bewegt sie sich und gewinnt, zumal durch
den Wechsel von Solo und Chor, einen wirkungsvollen, hst dramatisch
zu nennenden Anstrich. In einfachem und doch kunstvollem Satz bewegt
sich das Selbstgespräch Hilarions, mit dem das Werk beginnt, und leitet
nach kurzem Recitativo accompagnato, jener durch EUich unsterblich
gemachten Form, zur Schilderung der Wanderung des Heiligen über.
Folgende Figur zeichnet treffend ihre Mühseligkeit und Schrecknisse:
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k
i i
I
'tT ST V?' W ^ üH^
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i Ä-
J
CS ctr üT^
Dann tritt sie, als ein aus Felsengebirg hervorspringender EUich, ein
Palmenhain und eine «Traubenwand* sich zeigen, in die Oberstimme:
^) Gesimtflusgabe Bd. XII, No. 12.
281
HIRSCHBERG: LOEWES WELTLICHE CHÖRE
Und nun Hilarion am Ziel, da setzt der Chor der Jünger em:
Baß h n ^ Baß I
Hier, hier
1=3:
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er. Auf die-ser
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Hö - he sang er
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Hym-n^a.
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Dort pflef-te er zu
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So versteht Loewe die anmutige Szene aufs abwechselungsreichste zu ge-
stalten und die edle Klangwirkung des Chors dabei nicht außer acht zu
lassen. Rührend schön ist namentlich die Bitte der Jünger, daß. Hilarion
bleiben möge:
con espr, dim.
Vor langer Zeit wurde das Werk einmal mit ganz kleinem Chor im Berliner
Loewe- Verein ausgeführt und erzielte eine tiefgehende Wirkung.
13. Drei ungedruckte Gesänge. (Manuskripte in der Königlichen
Bibliothek zu Berlin.)
Die Schilderung des Regnens wird im »Regenlied« (J* N. Vogl) in
ganz ähnlicher Weise erreicht wie bei dem unter No. 1 besprochenen
i
282
DIE MUSIK VII. 23.
Heineschen Gedichte: die drei Unterstimmen (Tenor II, Baß I und II)
singen ganz leise die Anfangsworte «Wie fallen die Tropfen*, während
vom dritten Takte an die ersten Tenöre durch ein geschwindes Staccato
das Fallen malen. »Märznacht" von Ludwig Uhland, 1865 nach seinem
ersten Schlaganfall mit zitternder Hand von Loewe niedergeschrieben^), zeigt
uns den Loewen noch in alter Kraft. »Brüderliche Teilung*, eine ent-
zückende Humoreske von Rückert, sollte anscheinend das sechste Stück
von op. 84^) bilden; sie schließt sich den anderen dieses Opus würdig an
und behandelt einen ähnlichen Stoff wie des Dichters «Ich und mein
Gevatter" (»Kirschvogel und Kernbeißer"), das Loewe ebenfalls mit reizendster
Musik geschmückt hat^). Zwei Solostimmen (Tenor I und Baß I) beginnen
zu erzählen:
•
Soli
^f.iry. IHri pii^tj=^=^
Wir zwei, mein Brü-der-chen und ich, wir gin • gen aas auf Heu - te
und alsbald setzt der Chor, leicht imitierend, ein; die Solisten fahren fort:
Soli
^pÜ^E^^^^^
und woll-ten tei-len brü-der-lich als wie die gro-ßsn Leu • - • • te.
Abermalige Wiederholung durch das Tutti, mit besonders komischer Aus-
führlichkeit in den Baßstimmen:
Tutti
als wie die gro - ßen Leu
Nun ist die Tätigkeit der Solisten zu Ende; die Trennung der zwei Er-
zähler wird jetzt durch die zwei Tenöre einerseits, die zwei Bässe anderer-
seits hergestellt, derart, daß das, was das arme benachteiligte Brüderchen
(Tenöre) erzählt, von dem älteren (Bässe) bärbeißig- bekräftigend in der
dritten Person wiederholt wird. Es wirkt nun höchst lustig, wie sich der
ältere das Fleisch der Pflaume und den Kern der Haselnuß nimmt and
zur Erklärung laut sagt:
1) Vgl. dts Faksimile unter den Kunstbeilagen dieses Heftes.
•) Vgl. No. 4.
*) op. 62, H. 2, No. 3; Gesamtausgabe Bd. XVIII, S. 80.
HIRSCHBBRG: LOETES WELTLICHE CHÖRE
(Bisse): .Ich spracb: Das fest« Inaera
Hib ich dir dort gegebea,
Uad hl«r dis Äußere dünnere
So wird sich beides heben,"
wlbrend der Jüngere höchst lannoyant und leise, hst wimmernd, immer
nur wiederholt:
(TenSre): .Er a& das Fleisch der PBaume fem,
Mir ward der Stein, der kable;
Gern a& er von der Mnll den Kern,
Mir ward die harte Schale."
Die Moral des Schlusses:
.Und das du bester denkeal nach,
Se lern dies Lied suawendlf"
wird im muntersten %-Takt gebracht.
285
GRUNSKY: BAYREUTHER FESTSPIELE
Um es gertdeheraus zu sagen: der übliche Ton, in dem über musikalische
Auffuhrungen berichtet wird, paßt eben gar nicht auf Bayreuth. Denn hier fillt
eine wichtige Voraussetzung fort, die anderswo überall zutrifft, daß man sich nimlich
gegen Obervorteilung zu schützen hat. Wo die Kunst einem irdischen Gewinne
Untertan ist, bleibt sie, mögen manche Leistungen auch ans Himmlische grenzen,
dem allgemeinen Gesetze des Marktes unterworfen, der möglichst Geringes möglichst
teuer umsetzt. Aus der gegenseitigen Schlauheit der Bietenden und Bedürfenden
ergibt sich der Preis. Hier hat es einen guten Sinn, von Sachverstindigen zu erfahren,
ob das Gebotene preiswert war. Hat es auch in Bayreuth einen Sinn? Es kommt
doch in Betracht, daß dort die meisten Besucher Bescheid wissen und gar nicht
erst zu fragen brauchen, wie sie für ihr Geld bedient worden seien. Die Hauptsache
ist, daß an dem guten und besten Willen, die Meisterwerke aufs würdigste und
liebevollste ins Leben zu rufen, nicht im geringsten gezweifelt werden kann; was
Ehre ohne Gewinn bringt, das wird am freudigsten geleistet. Sollte jemandem bange
gewesen sein, ob sich ohne Frau Wagner, die diesmal heroisch entsagend Proben
und Aufführungen fernblieb, der Gesamtwert der Leistungen erneuern könne,
so ist er gewiß durch den Lohengrin von jeder Ängstlichkeit geheilt worden.
Die Vorstellung vom 5. August rief sogar eine so einheitliche, michtige Kundgebung
hervor, daß Siegfried Wagner, wie nach der dritten Tannhiuseraufführung 1904,
sich genötigt sah, ausnahmsweise die Erregung durch persönliches Erscheinen zu
beenden. Dieser Lohengrin, den Siegfried Wagner szenisch fast ganz neu geschaffen
hatte, den er mit innigster Liebe dirigierte, war nicht mehr der Lohengrin des
2^itgenossen Schumanns und Mendelssohns, sondern der Lohengrin Richard
Wagners, der den Ring, Tristan, Parsifal, die Meistersinger im Busen trug. Alles, was
eine mißverstehende Auffassung ins Schwichliche verdorben hatte, war ausgemerzt
Zart, keusch und kriftig erstand in allen Teilen das tragische, erschütternde Werk. Es
ist in der dramatischen Geschichte ohne Beispiel, daß Meisterschöpfungen erst nach
Jahrzehnten ihre volle Wirkung erlangen, so wie in Bayreuth namentlich der Fliegende
Hollinder, Tannhiuser und Lohengrin. Gerade diese Dramen der ersten Schaffens-
zeit verdanken dem Festspielhaus ihre eigentliche Verwirklichung, der man nun einen
Maßstab für die gewöhnliche Wiedergabe der Opernbübnen entnehmen kann. Wie
der Tannhiuser von 1904 gegen die Aufführungen im Jahre 1891, 1892 und 1894
noch verfeinert und verinnerlicht war, so ist es Siegfried Wagner gelangen, diesmal
die Eindrücke von 1894 (wenn ein Vergleich so weiter Zeitpunkte zuverlissig ist), wo
irgend möglich, noch zu steigern. Das Geheimnis liegt nicht in beeonderen Schlichen,
sondern darin, daß Siegfried Wagner der wundervollen Handlung Schritt für Schritt,
musikalisch wie szenisch, mit liebender Hingabe folgte. Neu hergestellt war die
kulissenlose Ausstattung des ersten und letzten Bildes an der Scheide. Ebenso hatte
Siegfried Wagner, der Architekt, die Burg im zweiten Akt neu aufgebaut Das waren
Bühnenbilder von befreiender Natürlichkeit und Schönheit Ganz besonders fiel mir auf,
wie durch die Beleuchtung und ferner durch alles, was zum beweglichen Bilde gehört, der
Eindruck der Echtheit verstirkt wurde. So stimmungsvoll, wie im dritten Akt, strahlt
der Morgen auf Bildern der Hollindischen Malerschule; so farbenklar und färben-
flreudig, wie beim aussichtsreichen Burghof des zweiten Aktes, sind auf altnieder-
lindischen Bildern Vorder- und Hintergrund ausgeführt Stammen die verglichenen
Bilder auch aus viel spiterer Zeit als König Heinrich, so hindert doch nichts, anzu-
nehmen, daß schon im 10. Jahrhundert Natur und Menschen einen so herrlichen
Anblick gewihrt haben; womit denn auch dem Anspruch auf fescbichtlicbe Wahrheit
wesentlich genügt ist Außerdem waren die nötigen .geschichtlichen Einzelheiten
286
DIE MUSIK VII. 23.
5
getreulich beachtet. Selbst der Taube, um mit Herder zu sprechen, bitte den Lohes-
grin verstehen mQssen und wire durch die Wonne des Auges entschädigt worden.
Von der Anschaulichkeit der Handlung möchte ich nur wenige Beispiele anffihren:
im ersten Akt begibt sich der König von der linken Seite zum Gebet nach rechts,
wo ein schlichter Altar mit einem rohen Kreuz steht. (Gewöhnlich betroten ille,
König und Volk, den soeben geheiligten Hag.) Das Gebet vor dem Kampf wurde
dadurch natfirlich und eindrucksvoll. Großartig in jede Bewegung ausgedacht war
die nichtliche Szene zwischen Ortrud und Elsa im zweiten Akt. Einen bedingungs-
losen Verehrer Nietzsches möchte ich angesichts dieser Überlegenheit der earüms
fragen, ob er an der moralischen Absurditit solchen Seelenadels festzuhalten wage?
Ist nicht Ortrud selbst verwirrt, wenn sie anfangs nur die Entgegnung findet: O
habe Dank für soviel Gfite!— ? Aus dem dritten Akt sei herausgehot>en, welcho Wirkung
das letzte Auftreten Ortruds macht, wie sie fiber den leeren Königssitz an der Eiche
herzuscbleicht.
Alles, was vom Willen der einheitlichen Leitung abhingt, das fiießt in Bafreath
jedesmal zu einem fiberraschend herrlichen Eindruck zusammen. Namentlich waren
im Lohengrin diesmal Gesang und Spiel der Chormassen fiber alle Begriffe schön
und mannigftütig. Wir sind im gewohnten Theater froh, wenn hie und da ein Strich
aufgemacht wird, wenn sich die vorne stehenden Chorsinger ab und zu lebhafter
regen. Solche Vorzüge werden auch nach Gebfihr gepriesen. Was soll man aber lu
dieser sinnvollen Lebendigkeit sagen, mit der sich jeder einzelne Singer, als hafte
auf ihm allein das Auge des Zuschauers, im Rahmen der Handlung frei und wie ana
eigener Eingebung bewegt? Waren nicht zum Beiapiel die Chöre des zweiten Aloes,
vor dem Brautzug, vorbildlich an Klangachönheit, an Gewalt dea Ausdrucks, an an-
geordnet-geordneter Gebarung? Nur weil man von Bayreuth das Aufierordentiiche
erwartet, nimmt man all dies als selbstverstindlich hin. Zur UngerechtiflLelt aber
verfuhrt jene Erwartung, wenn man lauter geniale Haupttriger der Handlang ver-
langt. Woher soll Bayreuth die Darsteller nehmen, ala aua der Welt der Singer and
Singerinnen? Kann ein Vemfinfiiger daa Vollkommene, daa völlig UrsprfingUche
von ihnen erwarten, da sie sich außerhalb Bayreutha in einer mindeetene onvoll-
kommeneren Welt betitigen mfissen? Ich gestehe, daß mir zu einem freudigen Ein-
druck in Bayreuth schon die Leistung hinreicht, die von reinem Willen zeugt and
sich dem Zug des Dramaa einordnet. In diesem Sinn dfirften auch andere mit dem
Telramund Dawisonaaus Hamburg, mit dem König Hinckleya, auch aua Hamburg,
mit dem Heerrufer Geiße-Winkels aus Wiesbaden, mit dem Lohengrin Dalmords*
aus New- York zufrieden gewesen sein. Alle diese waren atimmlich vorzüglich, and
im Spiel frei von Opemgewobnheiten. Die Neigung Dawisons, wirklichen Sprecbton
anzudeuten und dabei die Reinheit der Intervalle zu trüben, schien mir in der zweiten
und dritten Vorstellung nachzulassen. Einzeln ausgefQhrte Beurteilungen der ver^
schiedenen Stimmen niederzuschreiben, dazu ist, wie ich glaube, ein Bericht aaa
Bayreuth nicht der erwünschte Anlaß. Merklich fiber den Wert der Rechtscbaffenheit
ging die Leistung der Ortrud hinaus: Edith Walker aua Hamburg ließ eine Stimme
hören, die klar, nie scharf tönte, und deren seelische Resonanz namentlich von der
Szene mit Elsa an immer michtiger ergriff. In der Nachtszene mit Telramaad war
der Ausdruck der Wildheit nicht erschöpft. Aber wer Icann dies? Man bedenke
daß eine Aufffihrung, die allea heraufholte, waa im Werke ateclct, luram zu ertnfe
wire. Sind doch schon die Elsa der Frau Fleischer-Edel aus Hamburg und di
Lohengrin des Herrn von Bary aua Dresden dem Ideal so nahe gekommen, daft v
völlig fiberwiltigt waren. Frau Fleischer-Ede|, deren Elisabeth in lebendiger Bfinaeni
287
GRUNSKY: BAYREUTHER FESTSPIELE
M
stebty btt sieb zu einer genitlen Darstellerin der Eist weiter entwickelt: ein grenzenlos
wtrmer Gestng wird von einer iußerst fQblstmen Seele entzündet. Dr. von Bary bat
den modulationsfllbigsten Tenor, den icb kenne; der Ausdruck in Stimme und Ge-
birden verrät unzweifelbaft eine bedeutende Innerlicbkeit. Und nun ein Wort
über das von Siegfried Wagner geleitete Orchester. Oberall an entscbeidenden
Stellen bekundete sieb das edle Streben, durcb merkliebe oder unmerklicbe
Debnung der Lobengrin-Musik jene Rübe zu wabren, für die das moderne Getriebe
den Sinn nicbt bat und nicbt zu baben wfinscbt Insbesondere muß man bekennen,
daß, wer die Klinge des Vorspiels so unsagbar weibevoll erwecken kann, sich
Dank und Treue aller vornehm Gesinnten erworben bat. Noch nie wurde dieses
in reinster Sehnsucht erstrahlende Vorspiel so zum Erlebnis wie diesmal in Bayreuth
unter Siegfrieds Leitung. Ob freilich so etwas Feinde verstummen macht, ist fraglich:
in der Regel wichst ihre Wut mit der Wucht großer Leistungen. Auch ist ererbte
Feindschaft schwerer niederzuhalten, als errungene. Aber es wird nicbt daran zu
rütteln sein: Szene und Musik im Lohengrin beweisen, daß Siegfried Wagner in
der Welt seines Vaters wirklich lebt. Tut es not, so sei Partei für ihn ergriffen,
wenn schon jede freudige Anerkennung als Akt der Parteinahme bewertet wird.
Die drei ersten Aufführungen des Parsifal bat Dr. Carl Muck geleitet; einige
Male wird Ballin g für ihn eintreten. Am schönsten in allen Teilen gelang wohl der
zweite Parsifal-Tag. Da sang Alois Hadwiger, jetzt in Kobnrg, den Helden, wibrend
Frau Leffler-Burckard aus Wiesbaden als Kundry fast denselben elementaren Ein-
druck hervorrief wie vor zwei Jahren. Trotz bedeutender Stimme und — besonders in der
dritten Aufführung — erfolgreicher Mühe, den Operntenor vergessen zu machen, schien
Bnrrian aus Dresden nicbt ganz in gleichem Maße willkommen zu sein wie Hadwiger.
Es muß aber ein wundersamer Zauber in Bayreuth wirken, daß sich der spröde
Dresdener Tenorist den Zusammenhingen des Parsifal -Dramas geschmeidig ein-
fügte. Edith Walker soll als Kundry mit Frau Leffler-Burckard geweneifert haben;
manches sei bei dieser, manches bei jener anders hervorgetreten. Die Walker
bemeisterte, wie sich vermuten lißt, besonders ergreifend die Szene mit Klingsor
und sodann die Erzihlung ihres schrecklichen Lachens. Für die Rolle des Gumemanz
waren drei Vertreter vorgesehen: Dr. Felix von Kraus (München), Hinckley aus
Hamburg und Richard Mayr aus Wien. Wir waren glücklich, jedesmal F. von Kraus
zu hören, der auch im Spiel immer freier, größer und feiner wurde. Auf derselben
künstlerischen Stufe stehend wie A. von Bary, lißt der geniale Vortragsmeister
einen mit Wohllaut gesättigten Gesang entströmen, dessen Ausdrncksgewalt das
reiche Seelenleben des Gurnemanz restlos offenbart. Als Amfortas hörten wir
sowohl den feinen, stimmungsvollen Wbitebill aus Köln, als den kriftigeren Rudolf
Berger aus Berlin. Die Erinnerung an gewisse Vorginger konnte keiner von beiden
verschwinden machen. Dagegen ließe sich der Klingsor des Herrn Schützendorf-
Bellwidt aus Düsseldorf mit den besten Leistungen etwa eines Fritz Planck ver-
gleichen; Rudolf Berger blieb auch als Klingsor zurück, und Walter Soomer, der
Wotan des Rings, wird erst in den nichsten Vorstellungen als Klingsor eintreten.
Carl Braun ließ sich als Titurel ausdrucksvoll vernehmen. Die von Prof. Rudel
(Berlin) und Kapellmeister Carl Müller (Bayreuth) einstudierten Chöre brachten
es besonders am zweiten Abend zu jener scheinbar mühelosen Reinheit, die
den Zauber des Weibefestspiels sichert. Die Blnmenmidchen waren diesmal, zu
ft^ber Oberraschung, neu gekleidet, wodurch auch ihre Bewegungen an Anmut
gewinnen mußten. Bedenkt man, daß vorigesmal die Wandelbilder neu gestaltet
waren, so wird man sich der Oberzeugung nicbt verschließen, daß sowohl Frau
286
DIE MUSIK VIL 23.
B
getreulieb beichtet. Selbst der Ttube, am mit Herder zn aprechen, bitte den Lotaen-
grin vereteben müssen und wire durcb die Wonne des Auges entscbidigt worden.
Von der Anscbaulicbkeit der Handlang möcbte leb nur wenige Beispiele nnffitaren:
im ersten Akt begibt sieb der König von der linken Seite zum Gebet nach recbts,
wo ein scblicbter Altar mit einem roben Kreuz stebt. (Gewöbnlicta betreten alle,
König und Volk, den soeben gebeiligten Hag.) Das Gebet vor dem Kampf wurde
dadurcb natürlicb und eindrucksvoll. Großartig in jede Bewegung ausgedacht war
die nicbtlicbe Szene zwischen Ortrud und Elsa im zweiten Akt. Einen bedlngnnga-
losen Verehrer Nietzsches möcbte ich angesichts dieser Oberlegenbeit der carUms
fragen, ob er an der moralischen Absurditit solchen Seelenadels festzuhalten wage?
Ist nicht Ortrud selbst verwirrt, wenn sie anfange nur die Entgegnung findet: O
habe Dank fGr soviel Güte!—? Aus dem dritten Akt sei herausgehoben, welche Wirkang
das letzte Auftreten Ortruds macht, wie sie über den leeren Königsaltz an der Eiche
herzuschleicht.
Alles, was vom Willen der einheitlichen Leitung abhingt, das fiießt in Bajreoth
jedesmal zu einem überraschend herrlichen Eindruck zusammen. Namentlich waren
im Lohengrin diesmal Gesang und Spiel der Chormasaen über alle Begriffe schön
und mannigfkltig. Wir sind im gewohnten Theater froh, wenn hie und da ein Strich
aufgemacht wird, wenn aich die vorne stehenden Chorsinger ab und za lebhafter
regen. Solche Vorzüge werden auch nach Gebühr gepriesen. Was aoll man aber zn
dieser sinnvollen Lebendigkeit sagen, mit der sich jeder einzelne Singer, als hafte
auf ihm allein das Auge des Zuschauers, im Rahmen der Handlung firei und wie ans
eigener Eingebung bewegt? Waren nicht zum Beispiel die Chöre des zweiten Aktes,
vor dem Brautzug, vorbildlich an Klangschönbeit, an Gewalt des Ausdrucks, an un-
geordnet-geordneter Gebarung? Nur weil man von Bayreuth das AufterordentUche
erwartet, nimmt man all dies als selbstverstindlich bin. Zur Ungerechtigkeit aber
verführt jene Erwartung, wenn man lauter geniale Haupttriger der Handlung ver-
langt. Woher soll Bayreuth die Darsteller nehmen, als aus der Welt der Singer und
Singerinnen? Kann ein Vernünftiger das Vollkommene, das völlig Ursprilogliche
von ihnen erwarten, da sie sich außerhalb Bayreuths in einer mindestens uuvell-
kommeneren Welt betitigen müssen? Ich gestehe, daß mir zu einem freudigen Ein-
druck in Bayreuth schon die Leistung hinreicht, die von reinem Willen zeugt und
sich dem Zug des Dramas einordnet. In diesem Sinn dürften auch andere mit dem
Telramund Dawisonsaus Hamburg, mit dem König Hinckleys, auch aus Hamburg^
mit dem Heerrufer Geiße-Winkels aus Wiesbaden, mit dem Lohengrin Dalmorös*
aus New- York zufrieden gewesen sein. Alle diese waren atimmlich vorzüglich, und
im Spiel frei von Operngewobnheiten. Die Neigung Dawisons, wirklichen Sprechton
anzudeuten und dabei die Reinheit der Intervalle zu trüben, achien mir in der zweiter
und dritten Vorstellung nachzulassen. Einzeln ausgeführte Beurteilungen der ver
schiedenen Stimmen niederzuschreiben, dazu iat, wie ich glaube, ein Bericht an
Bayreuth nicht der erwünschte Anlaß. Merklich über den Wert der Rechtschaffenhf
ging die Leistung der Ortrud hinaus: Edith Walker aus Hamburg ließ eine Stimr
hören, die klar, nie scharf tönte, und deren seelische Resonanz namentlich von r
Szene mit Elsa an immer michtiger ergriff. In der Nachtszene mit Telramund '
der Ausdruck der Wildheit nicht erschöpft. Aber wer kann dies? Man beder
daß eine Aufführung, die alles heraufholte, was im Werke steckt, kaum zu ertn
wire. Sind doch schon die Elsa der Frau Fleischer-Edel aus Hamburg und
Lohengrin des Herrn von Bary aus Dresden dem Ideal so nahe gekommen, da'
völlig überwiltigt waren. Frau Fleischer-Edel, deren Elisabeth in lebendiger Erinar
287
GRUNSKY: BAYREUTHER FESTSPIELE
stebty btt sich zu einer genitlen Darstellerin der Eist weiter entwickelt: ein grenzenlos
wtrmer Gestng wird von einer äußerst fublstmen Seele entzfindet. Dr. von Bary hat
den modulationsfllbigsten Tenor, den ich kenne; der Ausdruck in Stimme und Ge-
birden verrit unzweifelhaft eine bedeutende Innerlichkeit. Und nun ein Wort
über das von Siegfried Wagner geleitete Orchester. Oberall an entscheidenden
Stellen bekundete sich das edle Streben, durch merkliche oder unmerkliche
Dehnung der Lohengrin-Musik jene Ruhe zu wahren, für die das moderne Getriebe
den Sinn nicht hat und nicht zu haben wünscht Insbesondere muß man bekennen,
daß, wer die Klinge des Vorspiels so unsagbar weihevoll erwecken kann, sich
Dank und Treue aller vornehm Gesinnten erworben hat. Noch nie wurde dieses
in reinster Sehnsucht erstrahlende Vorspiel so zum Erlebnis wie diesmal in Bayreuth
unter Siegfrieds Leitung. Ob freilich so etwas Feinde verstummen macbt, ist f^lich:
in der Regel wichst ihre Wut mit der Wucht großer Leistungen. Auch ist ererbte
Feindschaft schwerer niederzuhalten, als errungene. Aber es wird nicht daran zu
rütteln sein: Szene und Musik im Lohengrin beweisen, daß Siegfried Wagner in
der Welt seines Vaters wirklich lebt. Tut es not, so sei Partei für ihn ergriffen,
wenn scbon jede freudige Anerkennung als Akt der Parteinahme bewertet wird.
Die drei ersten Aufführungen des Parsifal hat Dr. Carl Muck geleitet; einige
Male wird Balling für ihn eintreten. Am schönsten in allen Teilen gelang wohl der
zweite Parsifal-Tag. Da sang Alois Hadwiger, jetzt in Koburg, den Helden, wibrend
Frau Leffler-Burckard aus Wiesbaden als Kundry fast denselben elementaren Ein-
druck hervorrief wie vor zwei Jahren. Trotz bedeutender Stimme und — besonders in der
dritten Aufführung — erfolgreicher Mühe, den Operntenor vergessen zu machen, schien
Burrian aus Dresden nicht ganz in gleichem Maße willkommen zu sein wie Hadwiger.
Es muß aber ein wundersamer Zauber in Bayreuth wirken, daß sich der spröde
Dresdener Tenorist den Zusammenhingen des Parsifal -Dramas geschmeidig ein-
fugte. Edith Walker soll als Kundry mit Frau LefRer-Burckard gewetteifert haben;
manches sei bei dieser, manches bei jener anders hervorgetreten. Die Walker
bemeisterte, wie sich vermuten läßt, besonders ergreifend die Szene mit Klingsor
und sodann die Erziblung ihres schrecklichen Lachens. Für die Rolle des Gumemanz
waren drei Vertreter vorgesehen: Dr. Felix von Kraus (München), Hinckley aus
Hamburg und Richard Mayr aus Wien. Wir waren glücklich, jedesmal F. von Kraus
zu hören, der auch im Spiel immer freier, größer und feiner wurde. Auf derselben
künstlerischen Stufe stehend wie A. von Bary, üßt der geniale Vortragsmeister
einen mit Wohllaut gesittigten Gesang entströmen, dessen Ausdrucksgewalt das
reiche Seelenleben des Gumemanz restlos offenbart. Als Amfortas hörten wir
sowohl den feinen, stimmungsvollen Whitebill aus Köln, als den kriftigeren Rudolf
Berger aus Berlin. Die Erinnerung an gewisse Vorginger konnte keiner von beiden
verschwinden machen. Dagegen ließe sich der Klingsor des Herrn Schützendorf-
Bellwidt aus Düsseldorf mit den besten Leistungen etwa eines Fritz Planck ver-
gleichen; Rudolf Berger blieb auch als Klingsor zurück, und Walter Soomer, der
Wotan des Rings, wird erst in den nichsten Vorstellungen als Klingsor eintreten.
Carl Braun ließ sich als Titurel ausdrucksvoll vernehmen. Die von Prof. Rudel
(Berlin) und Kapellmeister Carl Müller (Bayreuth) einstudierten Chöre brachten
es besonders am zweiten Abend zu jener scheinbar mühelosen Reinheit, die
den Zauber des Weihefestspiels sichert. Die Blumenmidchen waren diesmal, lu
froher Oberraschung, neu gekleidet, wodurch auch ihre Bewegungen an Anmut
gewinnen mußten. Bedenkt man, daß vorigesmal die Wandelbilder neu gestaltet
waren, so wird man sich der Oberzeugung nicht verschließen, daß sowohl Frau
^~'^
288
DIE MUSIK VIL 23.
Wtgner tls Siegfried Wtgner unablissig bemfibt siod, stchlicben Erwigaogen
Recbt und Folge zu gebeo, wodurch denn ibre rfihmenswerte Pietit die
nötige Erginzung oacb der produktiven Seite hin erbilt. Vielleicht könnte
künftig auch der Vorbang nach dem letzten Akkord geschlossen bleiben? Es mag
eine Zeitlang begründet gewesen sein, den Künstlern den Dank am Schluß zn
verlautbaren: heute werden sie sich darüber beruhigen, daß schwelgende
Ergriffenheit, wie am ersten und zweiten, so auch am dritten Aktschluß ein untrüg-
liches Zeichen tiefer Dankbarkeit bedeutet. Es wichst die Zahl der Hörer, die
sich durch den Schlußbeifall gestört fühlen. Auch verliert das beste Bild bei
nochmaligem Schauen den bestrickenden Eindruck, weil die Musik aufhört. Als
Dirigent bat sich Muck mit jedem Festspieljahr inniger und tiefer in das uner-
gründliche Werk versenkt. Noch scheint er aber — es ist dies meine Tiellelcbt
irrige Ansicht — zu der geliuterten Auffassung Levis, zu der überzeugten Empfindung
Mottls nicht ganz vorgedrungen zu sein. Noch immer lassen die melodleffihrenden
Stimmen im vierten Takt der Abendmahlsmelodie das herübergebundene Es vorzeitig
fallen, wodurch das F der unteren Stimmen unwirksam wird; noch immer leidet der
Karfreitagszauber durch Zuspitzung auf Eine Stimme, wihrend gerade die Natur-
stimmungen im Parsifal durch offenkundige Fülle kontrapunktischer Beredsamkeit
ergreifen. Bei der Stelle: Gesegnet sei, du Reiner, durch das Reinel — hört man
(in der zweiten Sitzreihe) nichts von der charakteristischen Klarinette usw. Be-
stimmte Einzelheiten sind, glaube ich, für einen Dirigenten wertvoller als allgemeine
Ausstellungen.
Mit einer bangen Angst vor den Barbaren sieht man das Jahr 1013 berannataen.
Es wird nichts helfen, Parsifal wird 1913 oder 1933 dem Bühnenbetrieb preis-
gegeben werden. Die Mehrheit entscheidet, und sie ist in absehbarer Zeit nicht dafür
zu gewinnen, daß die Kunst eine Sehnsucht, ein wahres, krifdges Verlangen Toraot-
setze. Der Gedanke, daß irgend einem Arbeiter der Parsifkl entgehen könne, ist
unserer demokratischen Zeit so schrecklich, daß sie der Reinheit dargebotener Kunst
gar nicht mehr achtet. Wenn nur verbreitet und geworben wird — wie sich das mensch-
liche Gemüt der aufgedringten Gabe bemichtigt, bleibt unerwogen. Kunst Ist nicht
denkbar ohne den Willen zur Kunst; sie muß ihre Würde verlieren, wenn sie der
Menge angeboten wird als etwas, das sich ohne Ringen und Mühen, ohne Sehnsocbt
und Spannung genießt. Diese unwürdige Zumutung hat die Kunst schon oft en^
wertet; es ist zu fürchten, daß der Parsifal nach 1913 ein rührseliges Schanstfick
werde, ungefllhr wie der Lohengrin bebsndelt worden ist. Wären die Voraus-
setzungen unseres tiglicben Lebens andere, so bitte der Meister keinen Gmnd ge-
habt, das Festspiel der Weihe für Bayreuth als für einen Zufluchtsort lu bewahren.
Wollte er ja auch ursprünglich Tristan und Ring dem »Spiel aufGefkllen und Miß-
fallen* entziehen I Daß die Familie Wagners den Parsifal nicht veräußerte, sichert
ihr für alle Zeiten die Verehrung wahrer Kunstfreunde: sollten wir die Menge nicht
verachten dürfen, die noch heute der Verleumdung Gehör schenkt, als werde der
Parsifal aus Neid und Gewinnsucht zurückbehalten?
Der Ring ist seit 1896 in den Spielplan jedes Festiahres regelmißlf elB*
bezogen. Gerade jenes Jahr, in dem Parsifal gar nicht erschien, und der gewaltige
Andrang der folgenden Jahre beweisen, wie unentbehrlich Bayreuth auch IBr die
anderen Werke außer Parsifal geworden ist Der immer wiederkehrende Mag
hat nur Ein Bedenken: daß er die künstlerische Arbeit belastet Sechs Werke slad
auch für die zweijibrige Vorbereitungszeit Bayreuths eine riesige Aafigabe. Andarar-
seits regt sich unabweisbar das Verlangen nach einem Fest der Feate, daa oaa alle
i
289
GRUNSKY: BAYREUTHER FESTSPIELE
Werke vom Hollinder to bricbte; mm sprach von einer Verteilung auf 1012 und 1913.
Jedenfalls wire, nachdem außer Parsifal und Ring auch die anderen Dramen
mehrmals erschienen sind (Tristan fOnfmal, Meistersinger und Tannhinser je vier-,
Lohengrin und Hollinder je zweimal), ein fester Plan der Erwigung wert: so daß
zuerst etwa Hollinder, Tannhinser, Lohengrin, im andern Jahre Meistersinger und
Trisun, im dritten der Ring bestimmt an die Reihe kimen. Jedesmal Parsifal
hinzugerechnet, ergibe eine gewiß durchfuhrbare Anordnung, bei der die Ruhejahre
beliebig eingeschaltet sein könnten, wenn nur der Gesamtplan feststünde. In zwei
Zyklen je alle zehn Werke herauszubringen, ist ein naheliegender Gedanke, dessen
Verwirklichung aber in weiteste Femen greift.
Ober die erste Gesamtaufführung des Rings breitete ein bewölkter Himmel
leider seine drückende Schwüle und ein heißer, wolkenloser Götterdimmerungstag
erschlaffende Hitze. Mitwirkende und Zuhörende litten unter solcher Ungunst, gegen
die der Mensch machtlos ist Und doch wußte man, daß ihnliche Bindrücke wie
hier in Bayreuth an keinem andern Ort der Erde möglich sind. Vor allem lißt das
Festspielhaus den Vorabend, das vemachlissigte Rheingold, in dem vollen Glänze
seiner Anschaulichkeit, in der vollen Bedeutung seiner ewig gültigen Symbole er-
stehen. Müßige Umfragen nach dem Lieblingswerk Wagners haben wenigstens das
eine ergeben, daß auf Rheingold keine Stimme fiel: ein sicheres Zeichen für den
Wert dieser Schöpfung, in der das Geschiftsideal des 19. Jahrhunderts, das noch
lange nachwirkt, einer gerechten und vernichtenden Kritik unterzogen wird. Wenn
die Vertreter jenes Ideals eine Spur von Selbsterkenntnis haben, so muß ihnen frei-
lich das Gewissen schlagen vor dem seelischen Elend, das auch Götter nicht ver-
schont, wenn ihre Machtgier sich des Goldes bedient Von SiegfHeds Tod ausgebend,
hat der Meister das Rheingold zuletzt gedichtet: aus Sprache und Handlung redet
die reifste Meisterschaft. Am segensreichen Gelingen der Aufführung war in erster
Linie als Wotan Walter Soomer aus Leipzig beteiligt; auch in der Walküre und
im Siegfried erhob sich der Darsteller zu imponierender geistiger Höhe. Die
Folgezeit wird ihn vielleicht seine berühmten Vorginger van Rooy und Bertram
erreichen lassen. Zu einer unübertrefRichen, majestitischen Fricka hat sich die
geniale Frau Reuß-Belce durchgebildet; in ihrer Hand lag auch die dramatische
Assistenz der diesjihrigen Festspiele. Donner und Froh wurden von den schon
genannten Singem Schützendorf- Bell widt und Hadwiger verkörpert, wihrend
Freia in Lilly Hafgren-Waag eine anmutvolle Vertreterin hatte. Bekannt ist
Dr. Otto Briesemeister aus Berlin als unvergleichlich feiner und beweg-
licher Loge. Dawison ergriff die Rolle des Alberich diesmal gesanglich und dar-
stellerisch packend genug; jedenfalls übertraf er seine frühere Leistung entschieden.
Für den vollendeten Mime von Hans Breuer aus Wien wire kein Wort des Lobes
zu hoch. Das prachtvoll ungleiche Riesenpaar charakterisierten Lorenz Corvinns
aus Wien und Carl Braun aus Wiesbaden. Die Rheintöchter sangen Frieda
Hempel aus Berlin (mit glockenheller Waldvogelstimme begabt), Bella Alten, die
auch als erstes Blumenmidchen im Parsifal durch bezaubernd weiche Stimme
auffiel, und Adrienne von Kraus-Osborne, die bekannte, gefeierte Konzertsingerin,
die außerdem die Waltraute in der Götterdimmerung innehatte. Die Erda von Hermine
Kittel aus Wien war vorzüglich, jedoch ohne den Eindruck der Schumann-Heink
wieder zu erreichen. Als Nomen vereinigten sich: Hermine Kittel, von Kraus-
Osborne und Frieda Hempel. Auf gleicher Höhe mit dem Rheingold stand
die Aufführung der Walküre. Einen so tiefdurchdachten Siegmund, wie ihn Dr.
von Bary darstellt, habe ich niemals miterlebt; der mannigfache Ausdruck der
290
DIB MUSIK VII. 23.
Stimme nnd du scIiSne Spiel bemlcbttteii sich melmr ErlDneranf fua, wann U
■acta aar flGctatlf der Valkflre ledeoke. Ellen Gnibranton vir eine befrllcken
BrünDhlldcdeiinJe; ile behemcbt ]etit eine Stnfeareibe tob Empflndunieii, dlenmfln^
lieber IK als frflher. Frea Leffler-Burckard (die mit Fno FleIscber>EdcI w«cbMb>,
emlcbte troti itl min Heber Unreinbelt mlcbtl|e Wirkniifeii, nnd Allen Hineklar wef
all Handlnf besser sm Platte sli Tori|esmal ia der Rolle des Hafen, die freilieh aaeh
diesmal keinen glllckllchen Darsteller fand: Richard Mayr ans Wien brachia statt elaaa
dimonlacben ein beba|l)cb Wienerisches Tenperanent mit, EltentBmIleb let, dafl In dar
GAtterdtminerung auch der Ansdntck menschlicher Anpi tud Qnal bei Ganttaaraad
Gnlrnne lu versaien pBe|t: RndolfBerier nnd ClcUte RfiBche-Endorr<HannaTtr)
erscbSpfiea die Rollen nicht, In die JTagßer doch so viel Natfirilchea nnd Mb
Beobachtetes blnelnfeleft bst. Vie mfißte die Gnlrune-Ssene wirken, aha SlagMada
Lelcbe berejniebracht wirdl Die blofie An^st der Unglficklicben niBSt* daa Han
jedes ZahSrers beklemmen, sein Blni erstarren mschenl Frvülch wtrt, am derlei
danuitellen, GanisIMt der Empfindung nfillf — leb mScbta Gatmna von alnar
Ungerin eraten Ranies hSran. Eigentlich gibt es |s in Meistarwerfcan Sbtrbupl
keine iwellen Rollen. Alois Bnrgstsller bat In Bayrenth die arbatsaa VerseUinig
erhalten fflr seinen In Amerika begangenen Verrat und den Siegfried vtoder stsgaa
darfen. Anrangs befangen und unlieber, steigerte tr aeine ungleiche LAmng doch
in Achtung gebietender Teise, so dafi er im drillen Akt der GStterdimmafWiC (Mw
berflbrte, als man erwartet hatte. Das Orchester Im Ring stand unter der barUmiM
Leitung Hans Richters, der diesmal anch die zweite AaffBtarung HbemlmmL
Ob Leser, ob Künstler mit diesen kurzen Bemerkungen xaMeden sind, vaiB
Ich nlcbL Das Beste nnd ScbSnste, was ein empflngllcber Baancber ans BsTrauh
mitninmt, lUt sich doch nicht »gen, jedenfalla nicht BBbntlich. Ver tob da«
Mitwirkenden Im Sinn und Geist des Melatcrs mittut, dem BleSt wohl aina Knnda daa
Dsnkes Ins Bewußtsein, ohne daQ Ihm eine gedruckte AuDamng stigatat Zolatst
fliblea sich Darsteller nnd ZubSrer eins in der Dankbarkalt |
solcher Terke, die desto mehr Lebenskrin spenden, ]e Stter nnd |
Ihre Innere Bewegung durchmacht. Lassen wir die Welt fibar Vagnar und Sbar
Barrenih denken, was sie will: das Eatscheldeade Ist, ds& er gelebt und geachaliM
hat, und difi es ein Bayreuth gibt!
loknüpfend an Hermann Wetzeis Aufeatz in Heft 8 dieses Jahr-
I gangs bietet der Autor der dort besprochenen Scbrift dem ge-
I ehrten Leserkreis der .Musik' einige Gebörsproben an, die als
1 Dissertatlonsmaterlal dienen können zu wichtigen Problemen
der modernen Harmonie. — Der neuzeitliche Theoretiker und Musiker
empBndet unabweistich, daß sich der Bereich des TonartgefQbles gegen
frfihere Zeit erheblich ausgeweitlgt hat; d. fa. man fühlt: daß nicht Jede
leiterfremde Harmonie schon eine .Modulation* bedeutet, vielmehr unter
Umstanden ziemlich weit verwandte KISoge als noch der tonalen Gmnd-
empflndung angehörlg sich geltend machen; oder anders ausgedrfickt, daß
die grundliegende Harmonie einen umnnglichen Bestand von seitlich ab-
hängigen Harmonieen zu tragen, auf sich einzubeziehen vermag. Der
Musikgeist ist im Lauf der Zeiten vorgeschritten; die gediegene allseitige
Pflege — gefördert durch einen Schatz zahlreicher Meisterwerke — hat
die Wesenheit des auf natürlichen Fähigkeiten fußenden klangkünstlerischen
Gestaltens organisch zur Fortentwicklung gebracht; in der empfindenden
und bauenden Phantasie der das erreichbare Tonmaterial beherrschenden
Schöpfer vollzog sich die Evolution vom schon vorhandenen Stoff zu
naturgemäßen Weiterungen nach Inhalt und Form. Und die empfingliche,
fassuogskriftige Hörerschaft ging unwillkürlich mit, denn die lebendige
Tat und das impulsive Empfinden in der Klangwelt sind immer früher da,
als das reflektierende Nachdenken über Musik, das notwendigerweise
stets nur posterior sich zur Tätigkeit anschicken kann. So kommt es, daß
wir die wirklich führenden (nicht bloß: vorwiegend spekulativ ersonnenea,
nur sekundär mit hergehenden) Klangschöpfungen der neueren Zeit un-
willkürlich aufnehmen, phaotasie- und empflndungsmäßig bewältigen, mit
beruhigter Sicherheit auf uns wirken lassen, uns naiv impulsiv klar werden
über deren Inhalt und Form. Dagegen bat die mit dem gedanklichen
Seziermesser hinterhertrabende Theorie ihre analytisch-synthetische Auf-
gabe noch keineswegs befriedigend erledigt, ja in maochen Hauptpartieen
noch nicht einmal in Angriff genommen. Was daraus hervorgeht, daß in
keinem Wissenszweig die spekulativen Ansichten und Argumentierungen
Wk^^f 292 ^^Mfl
3BiS ^^^ MUSIK VII. 23. WSKi
schneidender auseinanderstreben, widersprechender einander desavouieren,
und zwar grundzüglich sowie umfänglich, als gerade auf dem Gebiet der «kkord-
lichen Wesenheiten, deren Determinierung sich heute in einem noch fkst
chaotischen Zustand befindet, weil der eine das für normal naheliegend
deutet, was ein anderer als kaum zulässige Ausnahme oder gar als fehler-
haft bezeichnet, ohne daß hier und dort zwingende Grfinde vorgebracht
würden. Eine durch Konsequenz befriedigende Norm zur Deutung der
Chromatik und Enharmonik neuerer Klanggebilde besteht zurzeit noch nicht
Der Leitstern, der aus dieser Wirrnis herauszuführen vermagi ist
zunächst die Einsicht, daß, kurz gesagt, die Tonalität sich gegen früher
erweitert hat; richtiger ausgedrückt: die kleine oder schmale Tonalität
besteht in der Hauptsache nach wie vor, aber es ist überdies zur Em-
Wickelung eines höher organisierten Gebildes gekommen, zu einer
Tonalität höherer Ordnung, deren lebendige Glieder oder Elemente zum
Teil genau dasselbe sind, wie die Tonalitäten »erster* oder niederer
Ordnung, was hier nur angedeutet sein möge. Die heute gangbare Theorie
räumt nur ein: daß überhaupt eine Erweiterung stattgefunden hat, ohne
dermalen deren inneren Bau einhellig gekennzeichnet zu haben. Die
Kunde, daß etwas Neuartiges sich herausgebildet hat, schöpfen wir (wie
alles Theoretische) aus der Beobachtung des lebendigen Empfindens. Es
zeigt sich, daß bei gesteigerter, umfassender Entgegennahme der achwerst-
wiegende, beruhigende Hauptklang länger in der Empfindung stehen
bleibt, der erinnernden Phantasie dauernder gegenwärtig ist, nicht so
bald durch femverwandte Harmonieen weggerückt wird, als et einst-
mals in primitiveren Entwicklungsphasen der Musik faktisch stattfand,
und darum von archaisierenden Theoretikern noch heute festgehalten
werden möchte. Sobald die naive Empfindung (des Schöpfers und des Hörers)
tatsächlich ein umfänglicheres Gebiet zusammenfaßt, erwächst damit der
Theorie auch eine neue Aufgabe. Der Raum gestattet hier weder Aus-
führlichkeit noch Motivierung, so daß nur schlechthin ein Grundsatz ans-
gesprochen werden kann. Der tonale Hauptklang einer bestimmten
»weiten Tonalität* ist stets eine Durdiatonik, als Inbegritr der bekannten,
aus den sieben leitereigenen Tönen zusammenstellbaren Harmonieen (die
inneren Gründe der Zusammengehörigkeit dieser Akkorde sind hier nicht
zu erörtern). Die gangbare Mollkadenz, als Inbegriff der Akkorde aus der
sogenannten harmonischen Moll-Leiter ist zwar umfänglicher als die Dnr^
diatonik, aber doch noch keine voll ausgebildete «Weit-Tonalitit*. Diese
ist der Komplex aus allen Harmonieen, die auf je eine bestimmte
Dur-Diatonik empfindungsmäßig an bezogen werden können, derart, da/
diese — als tonaler Hauptklang — noch andauernd wirksam bleibt Df
weite Tonalität ist also insofern nicht zwiespältig, sondern einweseatHc!
293
MAYRHOFER: FRAGE AN DAS GEHÖR
da das Fundament nur ein einmaliges ist. Auf diesem einmaligen tiefsten
Untergrund jedoch tritt sofort die Möglichkeit zweigeschlechtiger Sonder-
gestaltung hervor, dergestalt, daß ein effektives, d. h. wirklich zu Gehör
gebrachtes, auf Phantasie und Empfindung wirkendes Überwiegen —
entweder von durigen oder aber von molligen Werten in die Erscheinung
treten kann. (Auch ein Vermischen und Ineinandergreifen beider Charaktere
findet statt, das aus dem Wesen der weiten Tonalität ursächlich hervor-
tritt; doch ist dies nicht ein Aufheben, Verwischen, Beeinträchtigen,
Verundeutlichen beider Geschlechtswerte, sondern ähnlich der Liebe: ein
starkes Betonen der zweierlei Subjektivitäten im Zustand der Ver-
einigung, der Durchflechtung und höheren Zusammenwirkens). Auf
MoUität, Durität und Durch Wirkung beider können wir hier nicht eingehen;
wir verweisen die Aufmerksamkeit des Lesers lediglich auf den zutiefst
im Untergrund wirkenden Hauptklang eines weittonalen Klanggefüges,
der eine Durdiatonik (Vollzelle) ist. Dieses Gebilde (in den Formen: gr.
Nonakkord; Dom. Septakkord; der inliegende verminderte Dreiklang; dieser
mit der Non) geht nun bekanntlich in letzter Linie noch auf ein engeres
Gebilde zurück (Auflösung), doch nicht bloß auf den Dur-Dreiklang allein
<z. B. C E g hinter g h d f a), sondern auch auf den Moll-Dreiklang (a C E)
mit identischer Großterz (n-Abstand C E). Obengenannte vier, nebst letzt-
genannten zwei Akkorden (dazu auch der Durmollklang a C Eg hinter gh d f a)
bedeuten nun die Formen des Fundamentalk langes einer weiten
Tonalität, d. h. jenes Bereiches sonstiger Akkorde, die dauernd (hier
auf die C-dur Diatonik) als Innerstes rückbezfiglich sind. Um zu beobachten,
wie weit diese Bezüglichkeit reicht, d. h. welche Harmonieen noch diesem
Untergrund angehören, wolle man nicht die sogenannte «Alterierung*
gedanklich heranziehen (die Bedenklichkeit dieser kann hier nicht berührt
werden), sondern man halte sich strikte bloß an die lebendig^ Em-
pfindung, daher auch mehr ans Spielen und Zuhören, als ans Lesen,
das wegen unfreiwilligen Mitkalkules gewohnter und eben nicht durchwegs
zutreffender Ansichten ein störendes Etwas herbeiziehen würde.
In diesem Sinne legen wir nun einige Hörproben vor, bei denen
der weittonale Hauptklang empfindungsmäßig herausgehört werden soll.
Wir richteten dies praktisch so ein: daß der Leser an die vorgebrachte
Klangfolge aus der Phantasie einen Akkord anschließen soll, der auf
Grund des gesamten und nachwirkenden Voranganges unwillkürlich als
besonders beruhigend, am meisten befriedigend wirkt; aber nicht bloß im
unmittelbaren Anschluß an den letzt voranstehenden Akkord allein, son-
dern in bezug auf das weite Gesamtgefühl. Daher mehr hören und fühlen,
als lesen und grübeln! Welcher Typus der vorgenannten vier und zwei
Akkorde (oder mehrere von diesen) nun zu setzen sei, steht dem Belieben
VII. 23. 20
294
DIE MUSIK VII. 23.
anheim. Gefordert ist nur das Treffen eines Typus, dessen Realitit deshalb
so bestimmend wirkt, weil es ein Klang der weittonalen Grundlage sein
soll, der eben nur empfindungsmäßig gefunden werden kann, also ein bischen
schöpferische Tätigkeit erfordert (Die theoretisch mögliche Berechnung
verschweigen wir mit Absicht). Es handelt sich also nicht darum, einen
bloß effektvollen Akkord anzufügen, nicht auf einen recht interessanten
Anschluß auszugehen (solcher gibt es gar viele), sondern es sollen einer,
auch zwei Akkorde im Bereich jenes großen Nonakkordes (oder dieser
selbst) angeschlossen werden, der die kräftigste reale Beruhigung ver-
mittelt, nach Maßgabe der Gesamtwirkung, die in den hier angesetzten
Akkorden liegt; was am besten aus der Phantasie, aber im Anschluß
an lautes Klingen jener Gruppe geschieht. (Man begnüge sich nicht mit
bloß fortsetzendem Wohllaut, sondern suche den beschließenden Effbkt
einer weitgespannten Aufmerksamkeit und des umfassenden Gesamt-
eindruckes in bezug auf alles Vorangegangene). — Das erste Beispiel ist
die von mir aufgefundene verbreiterte Durkadenz, (die das mögliche
Gegenstück zu der üblichen Mollkadenz ist), die gleichfalls noch nicht
ein vollzähliges Fundament der Weittonalität umschreibt. Die fibrigen
Beispiele sind (zwar noch nicht kompakte, aber) ausreichende Um»
Schreibungen eines bestimmten Weitfundaments, das also einer
scharfen, nachwirkungsstarken Empfindung das weite Tonalgefühl genug-
sam andeutet, so daß eben, wenn nun die Realität des faistiacb
basierenden, weittonalen Hauptklanges einfällt, das kadenzierende Be-
ruhigungsgefühl eintritt. Am hellsten würde dies, wenn der betreffende
große Nonakkord mit nachfolgendem tonikalen Dur- oder Mollklang hin-
gesetzt würde; doch genügt auch schon der Dreiklang der Dominante oder
der Subdominante, oder ein Parallelklang davon; kurz irgend ein Akkord.
der, mit dem fundamentalen Nonakkord gegebenen, Durdiatonik. Es steht
also einiger Spielraum zu Gebote. Bei dem probeweisen Einsetzen des-
Anschlußklanges empfiehlt es sich: auch die vorangegangenen Akkorde
nochmal (in beliebiger Anordnung) klingen zu lassen, um dentlicher
wahrzunehmen, ob sich alles zu einer Empfindungseinheit zusammen-
schließt, und der angesetzte Akkord nicht etwa bloß gut paßt, aber viel-
leicht eine fesselnde Ausbeugung, nicht ein einigender, im Untergmnd
wirksamer Faktor ist; auch möge man die Fortführung der Phrase an ver-
schiedenen Tagen, aufs neue, unbeeinflußt unternehmen. Bemerkt sei noch,
daß die Beispiele durch unerhebliche rein formale, kleine Abänderungen
unkenntlich gemacht wurden, aber dem Inhalt nach genaue Kopieen von
sehr bekannten und berühmten Stellen sind. Es wurden jedoch solche gewählt^
bei denen im Original der tonikale Hauptklang nicht real nachfolgt, sondern
der Schöpfer in dem ohnedies bereits sicher gewordenen (weiten) Tonalitäts-
JBi.
295
MAYRHOFER: FRAGE AN DAS GEHÖR
gefühl gleich weitergeht. Die Beispiele sind demnach so beschaffen,
daß der tonikale Hauptklang unmittelbar anzutreten vermag; (es steht
aber nichts im Weg, wenn man — bereits im erlangten Gefühl der Grund-
lage — diese erst durch einige Vermittlungsklänge hindurch heraus-
treten lassen will). Die Originale werden trotz der nur belanglosen
Formvariante, und obgleich auch dieselbe Tonart stehen blieb, schwerlich
erraten werden, weil im Original keine reale Tonika folgt; daher alles
unverfänglich. Diese Enquete wird ein schätzbares Material geben für die
unbefangene Betrachtung des Tonalitätsproblemes. Die Leser sind gebeten
an Schreiber dieses (auf Karte bloß mit No. I, II, III, IV) den als meist-
beruhigend gefühlten Akkord mit der üblichen Bezifferung: x ^ (z. B. x-moll);
X fi (x-dur); x^; x^ anzugeben. Mit gütiger Bewilligung des Herrn Heraus-
gebers der Zeitschrift können hernach die tonikalen Diatoniken der
vier Beispiele bekannt gegeben werden. Wenn die besagten inneren Be-
dingnisse der Aufgabe eingehalten werden, ist vorwiegende Übereinstimmung
der Antworten zu gewärtigen. Die Beispiele setzen ein hochentwickeltes
Auffassungsvermögen voraus, da je eine bestimmte Weittonalität zwar
ausreichend, aber nur in zarten Umrissen umschrieben ist, also seitens
der impulsiven Empfindung eine dichtere Ausfüllung erst zu ergänzen
ist, und doch alle Teile, auch die bloß vorgeahnten, innigst ineinander be-
zogen werden müssen. Den Wink (der ja im Gesagten schon liegt)
können wir noch geben, daß die beizustellende Grundharmonie nicht etwa
außerhalb der Quintenverwandtschaft der an je einem Beispiel beteiligten
Klänge zu suchen ist, sondern innerhalb derselben. Man darf das Ab-
horchen eines weiteren Beispieles so lange nicht beginnen, als im Gefühl
die Nachwirkung des früheren Beispieles noch lebendig ist, da sonst die
erlebten Klangreize unabweisbaren Einfiuß auf das andere Gehörsexperiment
ausüben würden. Es sind aber vier ganz selbständige Aufgaben gestellt.
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207
WEIGL: ITALIENISCHE OPER IN DEUTSCHLAND
Wenn auch die Wandlung, die Humperdinck mit seiner Schöpfung
bewerkstelligt hatte, so umfassend wie möglich war, so konnte dennoch
der Deutsche seit jener Zeit seine Ausländerei niemals ganz abstreifen.
Mascagni hatte unterdessen in Italien Schule gemacht, und es war kaum
zu verhindern, daß hie und da eines jener jungitalienischen Opernwerke
über unsere Buhnen ging. In dem Maße, als sich jedoch diese Werke
mehrten, steigerte sich allmählich immer wieder der Prozentsatz von deren
Einfuhr nach Deutschland, so daß wir gegenwärtig abermals alle Ursache
haben, dem von neuem um sich greifenden veristischen Kultus nach
Möglichkeit Einhalt zu gebieten.
Sehen wir uns einmal um, mit welchen Komponisten wir es gegen-
wärtig hauptsächlich zu tun haben, so werden wir am häufigsten auf die
Namen Mascagni, Leoncavallo und Puccini stoßen ^). Von Mascagni,
der sich mit der „Cavalleria rusticana* vollständig ausgegeben hatte,
treffen wir nur noch das ebengenannte Werk auf unseren Bühnen,
das sich ebensowenig von ihnen ausrotten lassen wird, wie die noch
um mehrere Stufen tiefer stehenden Leharschen Operetten. Das Volk hat
einmal für derlei Musik Partei ergriffen; und ehe sich nicht in Volkskreisen
offenblickende, klare Köpfe finden werden, die zu der Erkenntnis der
Unnatur einer solchen Sorte von Kunst gelangen, werden wir uns wohl
niemals von derartigen musikalischen Schlacken frei halten können.
Die erste Gefolgschaft, die Mascagni geleistet wurde, geschah durch
Leoncavallo, dessen «Bajazzo* wohl etwas ernster gearbeitet ist als die
«Cavalleria*, nichtsdestoweniger jedoch unter derselben Fahne des radikalsten
Naturalismus, der «Elendpoesie*, steht wie diese. Ebenso wie bei Mascagni
waren auch bei diesem Komponisten alle Folgewerke bloß Nieten, die ihren
Scheinerfolg teils ihrer sensationellen äußeren Tünche, teils aber ihren
wirksam abgefaßten Textdichtungen verdankten.
Es bliebe nur noch Giacomo Puccini, gegenwärtig der gefährlichste von
allen Italienern, der unter der Maske eines ernsten musikalischen Gebarens
schon an vielen deutschen Kunststätten seine Triumphe gefeiert hat. Wenn
auch die Erkenntnis des zweifelhaften musikalischen Wertes der Schöpfungen
Mascagni's und Leoncavallo's unter Zunftmusikem erfreulicherweise bereits
ungeteilt ist, so trifft man leider noch heute nur wenige Meinungen an,
die sicli rückhaltlos auch gegen Puccini's Opernprodukte aussprechen.
Der erste Gesichtspunkt, von dem aus man an eine Schätzung eines
fremdländischen Kunstproduktes gehen sollte, müßte doch in der Regel
seine Wertbeurteilung gegenüber unseren einheimischen Erzeugnissen
1) Umberto Giordtno, Spinelli, Buongioroo, E.Wo]r-Ferrtri, Frinchetti, E. Bossi n.t.
kommen hier ktum in Betriebt.
298
DIE MUSIK VII. 23.
gleicher Gattung sein. Aus dem Resultate dieser Erwägung sollte
sich dann die weitere detaillierte Wertung als Fazit mit dem Hinweis
ergeben, ob die betrefiFende Schöpfung zu verwerfen oder zu fördern sei.
Bei einer derartigen vergleichsweisen Betrachtung von Puccini's Opern-
werken wird wohl niemand, der sich der Mühe einer eingehenden Prüfung
der Partituren oder Klavierauszüge unterzogen hat, aus vollster Ober-
zeugung behaupten können, daß diese Schöpfungen über den musikalischen
Durchschnitt dessen, was heutzutage deutsche Künstler zu leisten im-
stande sind, hervorragen. Man nehme nur einmal die »Tosca* zur Hand
mit ihrer blutleeren, seichten Musik, ihrem teils rührseligen, trivialen, teils
schwindsüchtigen thematischen Gedankengang und bedenke, in bereits wie
vielen Fällen wirklich grundgute deutsche Opern, die vielleicht iulterlich
keine so sehr in die Augen springende, derbe Theatralik aufweisen konnten
wie diese, einem solchen Werke zuliebe zurückgestellt werden mußten.
«Es fehlt eben heute**, sagt Dr. Scherber ganz richtig in seinem vor-
trefflichen Aufsatze über Degeneration und Regeneration^) «vor allem an
einer lebensfähigen, kräftigen Opposition, die Auswüchse, künstlerische
Übergriffe, artistische Despotieen zu paralysieren vermöchte.* Zu diesem
Mangel gesellt sich noch überdies das Fehlen eines echten Nationalgefuhles
in den Dingen der Kunst, das jedes Handeln und Entscheiden einem be-
lebenden Fluidum gleich durchsetzen, das unsere Künstler förmlich in-
stinktgemäß zu einmütigem, gemeinsamem Vorgehen in Dingen der Kunst
zusammentreiben sollte, dem alle kleinlichen, aus falschen Eifersüchteleien,
Brotneid usw. geborenen Interessen hintangesetzt werden müßten. Man
sehe beispielsweise auf Italien hin und überzeuge sich, in welcher Weise
dieses Land für die Bevorzugung seiner Kunstleistungen in Deutschland
sich den Deutschen gegenüber revanchiert hat. Außer Richard Wagner
und Richard Strauß wird wohl kaum eines der Werke unserer zeit-
genössischen Meister wert befunden worden sein, auf irgendeiner der
italienischen Bühnen aufgeführt zu werden, trotzdem sich die Italiener
innerlich der Überlegenheit der deutschen Musik wohlbewußt sind.
Daß die Quelle, aus der diese Handlungsweise entspringt, bloß in
einem bis zur Einseitigkeit erstarrten Nationalgefühl zu suchen ist, nnter-
liegt wohl keinem Zweifel. Um in diesem Beispiel ein Muster zn suchen,
dafür steht der Deutsche geistig viel zu hoch, und sein Charakter ist
viel zu bildungsbedürftig und tolerant, als daß er zu jeglicher fremd-
ländischer Kunstleistung voreingenommen eine oppositionelle Stellnng ein-
nehmen würde; daher das allzu laue Vorgehen und die namentlich von
der breiten Menge geäußerte, allzu geringe hemmende Kraft gegenüber
') Siehe Neue Musik-Zeitung 1908, No. 11.
■^: .'•
' I
J
299
WEIGL: ITALIENISCHE OPER IN DEUTSCHLAND
^er Einfuhr Fremdländischer und insbesondere solcher Kunsterzeugnisse,
^ie wie die italienischen unter dem geistigen Niveau dessen
stehen, was der Deutsche zu produzieren imstande ist. Das gab
seinerzeit, als Mascagni der Einbruch in Deutschland geglückt war, nicht
nur zugleich das Signal für alle übrigen italienischen Veristen, sondern
auch für fast alle anderen kunsttreibenden romanischen und slawischen
Völkerschaften zu einer förmlichen Invasion auf das deutsche Gebiet, das
nun der Sammelplatz für Kunstschöpfungen jeglicher Nation geworden ist.
Wenn dem allem ein bestimmtes System zugrunde läge, wenn vor allem
nur wirklich hervorragende Leistungen anderssprachiger Völker zur Auf-
nahme kämen, an denen es etwas zu lernen, zum mindesten aber etwas
Achtbares zu sehen gäbe, so wäre das nicht nur in hohem Maße erwünscht,
sondern es würde ein solches Vorgehen, das alle wahrhafte Kunst auf
deutschem Gebiete zentralisierte, diesem Staate auch äußerlich eine
mächtige, unerschütterliche und dominierende Stellung, eine musikalische
Hegemonie in der vollsten Bedeutung des Wortes verleihen.
Ein Vorgehen, wie es jedoch heute allerorten Brauch wurde, ist nicht
nur zu mißbilligen, sondern zieht auch Folgeerscheinungen nach sich, die
sich schädigend der Ausbreitung der deutschen Kunst auf ihrem Heimats-
boden entgegenstellen. Schon allein in der Hinsicht auf die bei uns ein-
gebürgerte Sitte, nur Werke erstklassiger, anerkannter deutscher Komponisten
aufzuführen, spricht in dem schon anfangs zitierten Aufsatze Dr. Scherber
zu Reger, daß „er [Reger] vergißt, daß es so viele Komponisten gibt, die
vergebens in den Vorzimmern der großen Dirigenten antichambrieren,
iioffend und harrend, er vergißt, wieviel Stolz, wieviel Talent, wieviel
Freude da vernichtet wird, wie viel Kunst da verloren geht, er vergißt,
daß bei diesen Namenlosen der kleinste Fehler zu einem vernichtenden
tJngeh*euer wird, während die Kompositionen namhafter Komponisten kaum
fertig schon angenommen werden, weil sie auf den Konzertprogrammen
aller halbwegs bedeutenden Vereinigungen einfach erscheinen müssen, er
vergißt, daß es da eine künstlerisch-soziale Frage zu lösen gibt, die gleich
einer brennenden Wunde offen ist*. Und hier handelt es sich doch um
Werke deutscher Künstler. Wie beschämend ist es daher, wenn wir
hören, daß es sich in mehr als einem Drittel der Fälle begibt, daß
Schöpfungen der ebengenannten, gegenwärtig noch namenlosen Künstler-
gattung zugunsten fremdländischer Erzeugnisse zurückgewiesen werden, die
oft kaum reif für Schülerarbeiten, geschweige denn erst befugt sind, den
Künstler in seinem eigenen Lande zu verdrängen.
Bevor wir demnach nicht die Werke unserer deutschen Komponisten
(und unter diesen nicht nur jene mit erbersessenem, klingendem Namen)
genügend oft aufgeführt erhalten haben, mögen daher bloß in äußerst
300
DIB MUSIK VIl. 23.
seltenen Ausnahmefällen fremdsprachige Künstler bei uns zu Worte-
kommen, und zwar nur dann, wenn der Erfolg ihrer Kunstleistungen nicht
etwa wie bei Puccini's ,Tosca' oder ,»Madame Butterfly' fBr einen Abend^
sondern für die Dauer garantiert erscheint.
Ganz anders würden sich die Verhältnisse gestalten, wenn nicht
Deutschland, sondern einer anderen Nation, wie beispielsweise im 17. und
18. Jahrhundert Italien, auf dem Gebiete der Oper das musikalische Zepter
gebühren würde. Wenn wir unter solchen Umständen eine Künstler^
generation heranzuziehen hätten, so wäre ein Hinhorchen auf individuelle^
den unseren überlegene, fremde Kunstmittel und damit die Aufführnng
solcher Werke, die erzieherisch wirken könnten, sogar geboten. Wie
ernst es seinerzeit beispielsweise Mozart in dieser Hinsicht genommen
hat, wird jedem aus den Annalen unserer Musikgeschichte geläufig sein»
Als dieser Meister für seine ersten Opernschöpfungen kein deutsches Vor^
bild fand, auf dessen Grundlage er sein sonniges, den höchsten kfinst-^
lerischen Zielen zustrebendes Talent entfalten konnte, ging er selbst, um zu
lernen, nach Italien, schuf im Geiste dieser Nation seine Erstlingsbfihnen--
werke, um endlich, zu seiner wahren Natur zurückgekehrt, uns seinen
«Figaro'', die „Zauberflöte'' und den ,Don Juan" zu schenken. Dies ist
jedoch nur ein einziges Beispiel von den hunderten, die hier angeführt zu
werden verdienten; alle aber gipfeln in der ganz einfachen Sentenz, daB man
bloß dort etwas für sich holen möge, wo es tatsächlich etwas zu holen gibt.
Da aber nun Deutschland gegenwärtig derart künstlerisch gefestigt
ist, daß es in Dingen der Kunst seine eigene, von jedem fremden Ein-
flüsse unberührte Schule halten kann, so' erscheint jedes Hineintrageit
fremder Kunstelemente in diese nicht nur überflüssig, sondern auch schä*
digend. Auf diesen Punkt sollten alle deutschen Künstler und Fachzeit-
schriften ihre Aufmerksamkeit konzentrieren, nicht aber, wie es leider jetzt
der Brauch wird, sich in Prinzipienfragen einlassen, die bloß zu kleinlichea
Haarspaltereien, zu gegenseitigem Haß und zu Uneinigkeiten führen.
Schließlich seien im Hinblick auf den Zweck dieses Auhatzes noch eiv
paar Worte von unserem ersten deutschen Sonatenkomponistenjohann Kuhn an
(1660 — 1722)angefügt, der in der Vorrede zu seinen «Frische Klavierfrfichte
oder sieben Sonaten'' von 1696 dagegen eifert, das Fremde immer höher alt
das Einheimische zu schätzen, da man doch auch in Deutschland fast so
gute musikalische Früchte finden dürfte als diejenigen, die in dem welschen
Klima wachsen, „zu geschweigen, daß die Natur unsere Felder mit viele»
Früchten gesegnet hat, woran die Ausländer einen Mangel leiden*.^)
^) Siehe Weitzmtnn: Geschichte des Kitvierspieles, 1870, S. 54.
Plie vergleicheade Musikwissenschaft ist von höchster Bedeutung
I für die psychologische Lehre von den TonempBndangen. Erst
I durch Vergleicbnng der Art und Weise, wie die verschiedenen
I VSIker der Erde masilcalisch empfinden, wird man zu einer
gmndlegenden tllgemeingültigen Aufstellung der hiadamentalen Elemente
des Mnsikempfindens gelangen können.' *) Diese allgemeine Grundlage ist
durch die Forschungen von R. G. Kiesewetier, C. Stumpf, L. Riemann und
neuerdings der Herren O. Abraham und E. JH. v. Horubostel in der Diaton ik
bereits gefunden, mag diese nun 7stufig oder SstuGg (peoutooisch) auftreten.
Femer ist bei vielen exotischen Völkern (Chinesen und Japanern, Indem,
Siamesen, Ozeaniera usw.) ein mehr oder weniger ausgeprXgtes Gefühl
für Tonalitit konstatiert, indem ein Ton als Zentralton (Tonika) hervor-
tritt und die Melodie wie bei uns nach der Dominante (auch SubdomiDante>
transponien wird. Sodann kommen im Nacheinander der Töne u.a. Terzen
und Sexten, also eigentliche harmonische Intervalle vor. Auch eine Art
von Temperatur ist z. B. bei den Indem und Japanern festzustellen.
Haben also die so musizierenden Völker nicht wirklich .Harmonie',
,so daO ihre Melodieen auch für uns verstindlich, in unserem Sinne
harmonisch gedacht und in unserem Sinne harmonisierbar sind?"
Polak bejaht diese Fragen und will erst dadurch den hohen Wert der
wiasenschafilichen Arbeiten von Abraham und Hombostel (im Folgenden
zitiert mit A H> über Japan und Indien (Sammelbinde der Intemat Mnsik-
Ges., Januar- Mirzheft 1903 bzw. April-Jnnihefl 1904), sowie über die Türkei
(Zeitschr. für Ethnologie 1904, Heft 2) in volles Licht setzen. Zunächst
steht fest, daD wir den BegritF .Harmonie' nicht im griechischen (aristo-
telischen) Sinne von musikalisch anmutendem Tonfall, also von Melodie,
oder im Sinne von .horizontaler Harmonie' (Polak) gebrauchen können.
.Harmonie' setzt vielmehr ein vertikales Zusammenklingen mit Wahr-
sehmung und Verwendung der Terzen als konsonanter Intervalle und
mit fortlaufender geordneter Klangfolge voraus, gegründet auf DreiUinge
snd deren oatürlicfae Beziehungen. Davon finden wir aber bei exotischen
Völkern, abgesehen von wenigen Ausnahmen, nichts. Ja, die ganze Art
'• A. J. Polak: .Die Humonistemiic iodischer, rSrkischer ond japaDiscber
iUieAien'. LetpziK, Brcilkopf ft Hirtcl, 1«».
302
DIE MUSIK VlI. 23.
ihres Musizierens spricht durchaus gegen das von Polak behauptete latente
Harmoniebewußtsein. Als Gegengründe ffihre ich an: 1. Fortwährendes
Mitgehen unisono oder in Oktaven, auch in Quinten oder Quarten, aber
nicht in Terzen oder Sexten, 2. Orgelpunktsmusik mit unabhängigem
Melodieenverlauf, 3. «Heterophonie'', d. h. eine die Melodie umrankende,
häufig scharf dissonierende Verzierungsmusik, 4. bloß gelegentliche, zur
Verstärkung hinzugefügte Zusammenklänge, die sogar kleine Sekunden sein
können O'apAnische Kotomusik), 5. häufiges Vorkommen neutraler, d. h.
auf der Grenze zwischen Dur und Moll stehender Terzen; 6. den Indem
gelten die Tonleitern c des e f g as h c und c d es fis g as h c als ein-
fachste und elementarste Form, die auch allen Anfängerstücken zugrunde
liegt <AH, Indien S. 385).
Daß horizontale Harmonie nicht ohne weiteres der vertikalen Har-
monie gleichzustellen ist, beweist die Tatsache, daß wir z. B. den Mollklang in
der Ton folge e c a von oben nach unten, im Zusammenklang dagegen stets
von unten nach oben hören. Ferner ist die kleine Sekunde im Nachein-
ander ganz unauffällig, im Miteinander aber scharfe Dissonanz. Besäßen
die Orientalen latentes Harmoniegefühl, so müßte sich dieses sofort mit
natürlichen europäischen Harmonieen befreunden. Wie stimmt aber damit die
Wahrnehmung von A H, daß ein Japaner, dem ein japanisches Repertoire-
stück in allen möglichen Begleitungsformen (in Quarten-, Quinten-, Terzen-
und Sextenparallelen, femer in europäischem Dur und Moll) vorgespielt wurde,
das Spiel immer schön fand, wenn er nur die Melodie deutlich heraushörte?
<S. ferner L. Riemanns Beobachtung an dem auf einer deutschen Ziehharmonika
musizierenden Inder, „Tonreihen*" bei Baedeker, Essen, S. 37.)
Wenn man den hohen Stand der Musiktheorie bei den alten
Chinesen, Indem und Arabern erwägt, sollte da nicht die Ansicht die
richtige sein, daß die Orientalen absichtlich sich gegen die
vertikale Harmonie erklärt haben? Dafür sprechen folgende Gründe:
1. Die exotischen und alten griechischen Tonleitern sind nach der
pythagoreischen Quintenstimmung gefunden, die sich zunächst auf die
Pentatonik beschränkt zu haben scheint. Nun steht aber die pythagoreische
Durterz gegen die natürlich-reine Terz so hoch, daß sie als Dissonanz
empfunden, daher als Zusammenklang abgelehnt werden konnte. 2. Die
reich entwickelte exotische Verzierungs- und Glissandotechnik war der
Harmonie feindlich. 3. Bei dem äußerst abwechselungsreichen Rhythmus
und dem Fehlen jeglicher Taktgliederung war ein geordnetes fortlaufendes
Zusammenmusizieren ganz unmöglich, und sehr richtig bemerken AH
(Indien S. 394): „Die Vertikale in der Partitur ist der Feind des Horizontalen.*
Kennt ^) Polak die Sammlung „Japanese dramatic music*, nach der
^) Der Artikel Ctpellens ist vor Poltk's Tode geschrieben. Red.
MS
303
C APELLEN: EXOTISCHE MELODIEEN
Spielweise japanischer Berufsmusiker arrangiert von S. Kitamura, publiziert
von Kyoyeki in Tokio? Beim Durchspielen dieser Stücke sieht man so
recht, wie verschieden in puncto Harmonie die Orientalen von uns sind.
Auch das von Polak zitierte japanische Beispiel S. 100 und No. 27 der
indischen Proben mit dem fortlaufenden, widerhaarigen Orgelpunkt g hätte
den Verfasser überzeugen sollen, wie wenig exotische Melodieen in unserem
Sinne harmonisch gedacht sind.
Polak meint, er wurde auch für die exotischen Völker verständliche
Musik bieten, wenn er die ihm vorliegenden einstimmigen Melodieen nach
ihrem horizontalen Gehalte vertikal harmonisierte, „indem er den cantus
firmus so auf sich einwirken ließ, daß die diesem zugrunde liegende Harmonie
sich ihm selber offenbarte'' (S. 64). Seine absichtlich primitiv gehaltenen
Begleitungen bezwecken nichts weiter, als die „exotischen BourdonefPekte
in geeigneter Weise beizufügen, so daß keine allzu schroffen Dissonanzen
gehört werden, nicht so schroff, als wohl hier und da bei den indischen
Orgelpunkten selber*" (S. 15). Das sind schon Konzessionen an europäisches
Musikgefühl. Aber weiter! Die Ostasiaten verschmähen den Leitton (die
große Septime), und dieser fehlt daher regelmäßig in japanischen Melodieen.
Will man also wirklich exotisch schreiben, so darf man den Leitton auch
in der Harmonie nicht anbringen, wie das Polak S. 64 — 71 überall tut,
ohne die exotische Berechtigung hierzu nachzuweisen. Über das malabarische
Kinderlied (No. 7) sagt Polak S. 20: «Die zwei h im ersten Takt stehen im
Original als b, sie werden zweifellos zu tief eingesetzt und als h intentioniert
sein' (?). (Daß in No. 20 bei AH nicht b es, sondern as es vorgezeichnet
ist, scheint Polak lediglich übersehen zu haben.) Polak scheut sich auch
nicht, unter Umständen die originale Rhythmik anzutasten (s. No. 7 und
No. 15, die zu einem regelrechten Walzer gestaltet wird). Man sieht also,
wie wenig Polak das europäische und persönliche Moment auszuscheiden
vermag, wie sehr seine Harmonisierung trotz ihrer Primitivität noch
der exotischen Eigenart fernsteht. — Sind also hiernach Polaks Bestrebungen
verfehlt, so muß doch seinem Buche in zweifacher Weise ein hoher Wert
zuerkannt werden, einmal, weil er das Vorurteil gegen exotische
Musik, dem man leider in Europa noch immer begegnet, gründlich zer-
stört, da die melodischen und rhythmischen Qualitäten insbesondere der
indischen und japanischen Musik sehr oft wirklich hochbedeutend sind,
so daß sie unsere Musik neu befruchten können; sodann weil er gegen
den falschen Tonika- und Dominantenbegriff von AH Front macht. Es ist
offenbar (selbst nach den indischen Quellen) ganz verfehlt, unter „Tonika*
ganz allgemein den melodischen Schwerpunkt, d. h. denjenigen Ton
einer Melodie zu verstehen, der durch Frequenz, Dauer, Akzent und
Position ausgezeichnet ist, unter „Dominante" aber diejenigen Töne,
304
DIE MUSIK VII. 23.
denen neben der Tonika ein besonderes melodisches Übergewicht zukommt
(AH 383). Danach brauchten Tonika und Dominante nicht im Quinten-
öder Quarten Verhältnis zu stehen, sondern auch die Terz könnte Dominante
sein — eine Zumutung, die Polak mit Recht zurückweist.
Es bleibt noch zu erörtern, ob die Ansicht von AH richtig ist, dafi
Harmonisierungsversuche exotischer Melodieen radikal abzulehnen sind. Das
steht fest: phonographisch getreue Nachahmungen exotischer Musik sind
in Europa unmöglich; weiter sind Bearbeitungen im Stile Polaks viel zn
europäisch, um als charakteristisch exotische Musik gelten zu können..
Bleibt also nur ein Kompromiß, ein Misch Stil übrig, der weder europUsch
noch exotisch ist, der die exotischen Eigentümlichkeiten zwar möglichst'
berücksichtigt, aber ohne die europäische Grundlage zu verlassen. Be-
sonderheiten der exotischen Musik, die mit Erfolg auch für unsere Aus-
drucksmusik nutzbar zu machen wären, auch wo es sich nicht um
exotisches Milieu handelt, sind: Unisono-, Orgelpunkts- und Ver-
zierungsmusik, Arpeggio-, Glissando- und Pedaleifekte . mit scharten
Dissonanzen, monotone und stereotype Formeln, exotischer Rhythmus,.
Periodenbau und Phrasierung, vor allem aber die Mannighltigkeit der
exotischen Tonleitern (vgl. AH Indien S. 380—401, 352, Japanische Koto-
stimmungen, auch bei Polak S. 59 abgedruckt, Beiträge zur Kenntnis der
japanischen Musik von R. Dittrich 1895, L. Riemann, «Tonreihen', S. 48».
77—80, 102, 120—130). Daß nun in dieser Verschmelzung der Stilfonnen
nicht etwa eine Gelehrtenmusik, sondern eine wahre neue Kunst, die-
vielleicht als exotische Romantik zu bezeichnen wäre, bevorsteht, wird
von keinem Geringeren als Saint-Saöns bezeugt:
«Die Musik ist tugenbiickiich an der Grenze ihrer jetzigen Entwickelangaphase
angelangt, die Tonalitit, die die moderne Harmonie erzeugt hat^ ringt mit dem
Tode. Um die Ausschließlichkeit der beiden Dur- und Mollgeschlechter ist es
geschehen. Die alten Tonarten kehren auf den Schauplatz zurfick, and in ihrem
Gefolge werden die Tonarten des Orients, deren Mannigfaltigkeit eine angeheare isi^
ihren Einzug in die Kunst halten. Alles das wird der erschöpften Melodie nene
Elemente zufuhren, sie wird in eine neue, nicht wenig ergiebige Ära treten; aach die
Harmonie wird sich danach richten, und der kaum ausgebeutete Rhythmus wird sich
entwickeln.*
Daß wir exotische Musik nicht nach unseren geläufigen Tonartbegriffett
bearbeiten und schaffen können, hat bereits Helmholtz erkannt. Ich muß
gestehen, daß AH trotz ihres schiefen Tonika- und DominantenbegrilTes
der Exotik viel näher stehen als Polak, der die sogen. Kirchenskalen
lediglich als akzidentelle Oktavenausschnitte aus der normalen C-dur-
Leiter, als Tonreihen, nicht als selbständige Tonarten erklärt und einen
Voll Schluß mit der kleinen Septime, kleinen Sekunde und großen Sexte
nicht anerkennt. Seine eigene richtige Definition des a-moU-iClang^ als
305
CAPELLEN: EXOTISCHE MELODIEEN
A- -\- C-Klang und des gebräuchlichen a-moll als A- -[- C-dur hätte ihn zu
der Folgerung fuhren sollen, daß der Dominantschluß mit g-a (g als
Dominante von C-dur, nicht als umgangene Dominantterz von A-dur)
möglich ist, derart jedoch, daß a Haupttonika und nicht bloß angeklebte
Sexte des C-dur-Dreiklangs ist. Man muß AH völlig beistimmen, wenn
sie S. 384 (Indien) sagen: ,»Stücke, denen diese Leitern zugrunde liegen,
sind auch musikalisch-psychologisch durch verschiedene ,Tonalität^ aus-
gezeichnet; weshalb man sie auch, nicht mit Unrecht, verschiedenen ,Ton-
arten^ untergeordnet hat. Unsere harmonische Musik hat allerdings
[leider!] das Geffihl für diese Art Tonalität zerstört; es tritt aber deutlich
zutage in alten (z. B. litauischen) Volksliedern und Kirchengesängen und
in der japanischen Musik.' Ich behaupte: solange man in den zum
Teil verkehrten und engherzigen europäischen Tonartanschauungen befangen
ist, solange man nicht das wahre Wesen des Mollklanges und der Moll-
tonalität voll erfaßt hat, ist es ganz unmöglich, zur Exotik die richtige
Stellung einzunehmen und die fremden Melodieen richtig zu hören. Zunächst
muß man sich von der mittelalterlichen Auffassung und Handhabung
der Kirchentonleitem ganz befreien und diese aus dem naturgemäßen
Durprinzip heraus harmonisch und tonal neu konstruieren. Einige Belege
dazu aus Polaks Buch! Von No. 5 führt Polak nur die vier ersten Takte
an, die allerdings in B-dur stehen. Nun ist aber nach dem Schluß der
Melodie (fortwährend wiederholtem d) D unzweifelhaft als Haupttonika
anzunehmen, B als Nebentonika, also Phrygisch. Ein Schluß mit d als
Terz, wie ihn Polak auch sonst häufig anbringt, ist dagegen ganz und gar
nicht exotisch. Vielmehr schließen bei allen Völkern, bei denen vertikales
Harmoniegefühl noch nicht zum Durchbruch gekommen ist, die Melodieen
stets auf der Prim oder Quint der Haupt- oder Nebentonika, Haupt- oder
Nebendominante (selten der Subdominante). Dahin gehört auch in Dur-
tonarten, z. B. F-dur, der Schluß auf der »Sexte« d (Facd = DFac
mit D und F als Grund tönen, F als Haupt- und D als Nebentonika,
während in D-äolisch D Haupt- und F Nebentonika sein würde).
a) b)
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c)
No. 16.
d) Andante
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No. 29.
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DIE MUSIK VIL 23.
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So wie bei a) beendet Polak S. 65 ein chinesisches Lied und sieht
sich gezwungen, einen G-dur-Klang mit Terz oben hinzuzofBgen. (?) Viel
exotischer wäre der Schluß wie bei b) mit dem DoppelUange E G h d»
so daß das Ganze in E-Äolisch stände.
No. 4 hat Polak in G-dur harmonisiert. Der Schlußteil, den Polak
nicht anführt, endet auf e, das eher als Tonika, denn als Quinte gehört
wird. Die Modulationsordnung ist: H-phrygisch (mit Nebentonika G nnd mit
der harmonischen Dominante fis a c e), Fis-phryglsch, H-phrygisch mit Ans*
weichung nach der Nebentonika G; dann E-dorisch, E-phrygisch. Diese
Nummer ist zugleich ein Beispiel für den kunstvollen Bau der indischen
Melodieen. In Phrygisch stehen auch die komischen Gesinge No. 22
(E-Skala) und No. 29 (G-Skala), wie AH richtig annehmen. Es ist eine
einseitige Ansicht von Polak, wenn er meint, es würde kaum möglich sein,
in No. 29 G-phrygisch durchzuführen, und noch dazu als «Comic song'»
Offenbar hat sich Polak von den mittelalterlichen phryglschen Reminiszenzen
noch nicht befreit. Ich finde, daß in der phrygischen Harmonisiemng oben
bei d) in Tonalität und Rhythmus die exotische Komik (eine Art Beckmesser-
Humor) viel charakteristischer zum Ausdruck kommt, als im europiischen
Es-dur mit Dominantseptimenakkord, dem Schluß-g als Terz und der rein
europäischen Akzentuierung. Das G ist Haupttonika mit Vollschlußwirkang,
die Nebentonika Es moduliert ganz natürlich nach der Dominante B. No. 16
mit der stereotypen Schlußformel c) — s. o. Notenbeispiel — steht eben-
falls in G-phrygisch mit Ausweichungen nach B-dur als Nebendominante und
nach As-dur als Nebensubdominante, wie AH mit Recht bemerken. No. 6
steht in E-dorisch mit Ausweichungen nach E-phrygisch, No. 7 (Kinderlied)
in D-äolisch (mit F als Nebentonika) oder G-dorisch (desgl.), das schließende
d ist also Tonika oder Quinte. Ganz merkwürdig ist No. 27: F-moll, im
Schlußteil modulierend nach B-dorisch (der Effekt des Schlusses ist ihnlich,
wie wenn man auf dem Klavier den Akkord B es des^ f^ b^ angibt).
Der aus der Verschmelzung von Okzident und Orient möglicherweise
hervorgehende neue Kunststil wird anstatt primitiv eher kompliziert
erscheinen, nicht nur in Harmonie und Tonalität, sondern auch im Rhythmus.
Da wir Deutschen uns immer sehr gut in die Eigenart fremder Völker haben
hineinversetzen können, sind wir vielleicht am ehesten zu dieser Epoche
der exotischen Romantik berufen. Es würde dann eine Art Weltmusik
herauskommen, die auch den mehr und mehr unter europiischen Einfinß
geratenden Orientalen verständlich sein müßte.
ZUR PARTITURENREFORM
:.Miri 1907 haben In der .Mualk« Mu Scfaillingi, Felix Weincartner
Iund Georg Cipellen erklirt, in Partituren kQoftlg simtliche Inatrnmente
dem wirklichen Klange nach in der C-Siimmung mit taerauageBetiter
TonartTOTzelctanung notieren, nur die Oktaven- Trane poiltlon fSr kleine
PISte, Hörn, Tenor, Kontrabail und Kontrabgott unter Beifügung einer 8
beibehalten und aich auf Vlolio-, Branchen- und BaflachlQiiel buchitnken lu wollen.
Prlnilp: grOßere Oberalchtlichkelt und Anachautichkeit des Partliitrblldee, bedeutend
erleichterte Leibarkelt. In den Orcheiieratimmen aoll Indei aus praktischen Grfindeo
für Klarinette, BaQklarlnette and Alloboe die Origlnilatiromung l>elbehalten werden.
Gleichzeitig, lovie In Belner Festouyertflre, führte der Herauigeber der ersten
Partitur in einheitlicher ViolinschlDaiei-Anhelchnung (R. Schumaani sManfred"-
Ouvenfire, Berlin 1905, Verlag Dreililien, 1 Mk.) folgende Oktavieichen ein, die durch
Unleractaeldung von S^ hoch und 8^ tief jede Verwechiinng der OktavUge aus-
schließen: (IX) 8; O; 1 (X8), 2 (X8), 3 (X8); fGr in Okuven gehende Stimmen,
oft auch fBr Violencello und Kontrabaß genügte eine einmalige Notierung unter Vor-
leichnnng von o^ Oi, 'z, ^3. Prlnilp: Gleiche Noiensteliung ~ gleiche Noten-
bedentnng. Eindeutigkeit — ElnheiUapperception. GrSßtmOgllche Anpaasung der
Oktsvlagen an die (wechselnden Bedfirftiiase der) Einielstimmen — grSßtmSgllcb*
Zusammenfaßbarkeit simiiicher.
Damit bestehen nnnniehr drei Notierungsarten für Partituren, und ein
Orchesterunisono auf F bietet folgendes Bild:
Fl. picc.
Cor. Engl.
Clar. in A
Fag.
Cor. in O
Trboni.
VioL
Viola
C.-Basso
Bisherige Psrlltar
D h4n IhMJ bI Immi
— M tnM J lü iMul
Es verhalten siclr die Schwierigkeiten des Lesens dieser drciUnisoni somit wie 1.
Unisono fürs Ohr — Unisono fUrs Augel
bOcher
201. J.-G. Prod'homme: Hector Berlloz. Si vie et aes lEUTrAs. Prfhc« de
Mr. Altred Bruneio. Verlag: Cb. Deligrave, Paris.
Wer Prod'homme aus seinen früheren Arbeiten oder aucb aus seinem neuesten
Werke, dem Boche über Beethovens Sympbonleen, kennt, der weiß ungenhr schon im
voraus, was er von diesem „Berlioz" zu erwarten bat UngeTIhr dss gerade Gegenteli
von dem, was ich selbst mit meiner Berlioz-Monographle ') hatte (eben wollen. Mir war
«s darum zu tun gewesen, das zu fassen und darzuatelien, was man mit einem philo-
sophischen Ausdruck den gintelligiblen Charakter" des Künstlers und Menschen BerilM
nennen könnte; das Innere, das sich im BnQeren Leben des Meisters teils verblr(t, teDs
offenbart. Dagegen geht Prod'homme gerade auf das aus, was ich mit yoUer Absicht
vernachlässigt hatte: auf eine möglichst detaillierte Schilderung der Eiozelheittn der
Berlioz'scheo Existenz. Meine Autgabe war vorwiegend synthetisch, er dagegen Ist vor
allem Analytiker. Hinsichtlich der Methode mußte ich meist die Wege psychologischer
Interpretation gehen, wihrend Prod'homme ausschließlich Historiker, Ja Chronist bleibt
Das Urteil über Wesen und Bedeutung der Berlioz'schen Kunst erfihrt durch Prod'bomme
weder Berichtigung noch Vertiefung, und auch zur LSsung des Problems, das Berlioz als
Mensch darbietet, trigl sein Buch nur insofern etwas bei, als es ein reiches Tatsachen-
material beibringt, geeignet, die Schlüsse des Psychologen zu bestitigen oder zu kortlgteren.
In zehn Kapiteln gliedert Prod'homme seine Darstellung des Beriioz'scbea Lebens-
laufes. Das erste ist den Jugendjahren des Künstlers gewidmet, bis zu dem Zeltpnakt,
wo er Schüler des Pariser Konservatoriums wird. Im zweiten folgt die entscheidende
Epoche, In der er Shakespeare und Goethe gleichzeitig mit Miß Smlthson, seiner spitemi
Frau, kennen lernt, wo er die „Acht Faustszenen" und .Die Fehmrichter" komponiert und
sein erstes Konzert gibt. Dann erleben wir die Entstehung der Phantastischen Symphonie
die alntrigue" mit CamilU Moke, die endliche Erringung des Prix de Rome and den
Aufenthalt in Italien. Im vierten Kapitel : Berlloz' Rückkehr nach Paris, seine Heirat und die
Werdegeschichte von .Harold In Italien". Das fünfte behandelt die arbeit- und ertragreictaB
Perlode von 1837-1840, in dem das Requiem, HBenvennto Cellini', .Romeo und Julie" und die
Trauer- und Triumphsymphonie geschrieben werden. Um solrmersJnd dafür die fttlgenden
fünf Jahre, die außer der Ouvertüre „Camaval romaln* und der Bearbeitung des Weberschen
Freischütz kein einziges musikalisches Werk von grfißerem Umfang zum Abachlufl brin(en,
dafür aber den Meister zum ersten Male über den Rhein nach Deutschland führen. Das
siebente Kapitel füllt den Zellabschnitt aus, in dem .La Dsmnstlon de Fsusf und der
Anfang der Memoiren, das achte den. In dem .L'Enfance du Christ" und das Tedenm
entstehen. Und nun neigt sich des Künstlers Lebenssonne mlhllch gen Abend. Die
letzten Werke werden geschrieben: .Die Trojaner* und .Beatrice und Benedikt". Seine
zweite Frau stirbt und laßt den Alternden ganz vereinsamt zurück <Kspite] 9>, Es Mgf,
<) Rudolf Louis: Hector Beriioz. Leipzig, Breitkopf & HIrtel, 1904.
309
BESPRECHUNGEN (BÜCHER)
der letzte Akt der Tragödie: jene schreckliche and lancwieri^ Agonie, in die nur einzelne
frendige Ereignisse, wie die Anffuhrung der Faustlegende in Wien und die letzte Reise
nach Rußland, als trostende Sonnenstrahlen hineinleuchten (Kapitel lO), Von dem elften,
«L'CEuyre de Berlioz* Qberschriebenen Kapitel behandelt der erste Abschnitt auf 22 Seiten
den Musiker, der zweite auf 12 Seiten den Schriftsteller: also wirklich »aussi som-
mairement que possible*, wie ProdHiomme auf Seite 447 selbst sagt — Der große, gar
nicht zu überschitzende Vorzug der Prod'homme'schen Biographie liegt darin, daß sie
zwei Eigenschaften miteinander verbindet, die sich sonst selten zusammenfinden. Mit
peinlicher Gewissenhaftigkeit war der Autor erfolgreich bemüht, den denkbar höchsten
Grad von Zuverlissigkeit in allem Tatsichlichen zu erreichen. Oberall geht er auf die
Quellen zurück, und die Fülle von dokumentarischem Stoff, die das Buch enthält, ist
ganz erstaunlich. Trotzdem macht es nirgends den Eindruck einer bloßen Materialien-
sammlung. Vielmehr hat es Prod'homme, der nicht nur ein fleißiger Forscher und
Sammler, sondern auch ein gewandter Darsteller und Stilist ist, verstanden, seine Arbeit
auch angenehm und fließend lesbar zu machen. So ist es in gleicher Weise nützlich,
ja unentbehrlich für den, der irgend ein Datum der Berlioz'schen Lebensgeschichte nach-
zuschlagen wünscht, wie es den in erfreulicher Weise unterhält und belehrt, der einen
abwechslungsreichen Lebensroman als Ganzes an sich vorüberziehen lassen will. Für
die wissenschaftlichen Benutzer des Prod'homme'schen Buches sind endlich noch von
ganz besonders hohem Werte die bibliographischen Anhinge, die ihm beigegeben sind,
und von denen der erste ein vollständiges Verzeichnis der musikalischen Werke des
Meisters bringt, der zweite ein ebensolches von seinen literarischen Arbeiten, der dritte
einen erschöpfenden Katalog der Berlioz-Literatur, der vierte eine »Iconographie Ber-
liozienne**, d. h. eine Übersicht über alles, was an Porträts und Karikaturen von Berlioz,
sowie an Kunstblättern, die sich irgendwie auf seine Werke beziehen, und unter denen
die dem Meister und seinem Schaffen gewidmeten Gemälde und Lithographieen von
Fantin Latour eine besondere Stelle einnehmen, femer auch was an Porträts von Hen-
riette Smithson veröfTentlicht wurde, der fünfte endlich eine Genealogie der Familie
Berlioz vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart Das einzige, was an diesem Buche —
das ich persönlich um so wärmer begrüße, als es eine eigene Arbeit aufä willkommenste
und erfreulichste ergänzt — zu vermissen ist, das ist ein alphabetisches Register, dessen
kein Buch, das auch Nachschlagezwecken zu dienen hat, entbehren sollte.
Rudolf Louis
202. Tobias Matthay: First principles of pianoforte playing. Verlag: Long-
mans, Green & Go., London 1905.
Die Schrift ist ein Auszug von des Verfassers bedeutendem Werke: »The act of
touch*, das 1903 erschienen ist und sich inhaltlich völlig mit meinen eigenen Anschauungen
deckt. Letzteres Buch ist auf Englisch dasselbe, was mein Werk im Deutschen bedeutet,
freilich mit dem Unterschiede, daß es über das Exakt-Mechanische nicht hinauskommt
und nichts enthält, was auf unsere musikalisch-künstlerischen Bewegungsformen oder auf
den Ausdruck durch Bewegung Bezug hätte. Es ist interessant, zu beobachten, wie
Matthay zu den gleichen Resultaten gelangt ist wie ich. Jedenfalls müssen wir ihn in
der EntWickelung der Theorie der Klaviertechnik vormerken als den englischen Begründer
des Gewichtspieles und der Arm- und Handbalance sowie der Unterarmrollung,
die er somit vor mir und Steinhausen festgelegt hat. Inwieweit der Verfasser durch
meine Artikel: „Claviristica«' (vgl. „Musik% Jahrg. II, Heft 22) beeinflußt ist, bleibe dahin-
gestellt. Gewiß ist, daß er unabhängig von uns die wahre Natur der Spielfunktionen
erkannt und begründet bat. »The act of touch** ist das beste Buch übsr die Klavier-
technik, das ich kenne. Matthay und ich stehen Schulter an Schulter. Er will dasselbe,
VIL 23. 21
310
DIE MUSIK VII. 23.
was meine »Schule der Technik'' (Bd. II der «Natürlichen Klavieitechnik") beweitkrifti^
gemacht hat. Beide stehen wir auf dem sog. .losen' Standpunkte im Gegensatz zum
„fixierten** und «beherrschten'' Spiele der »Deppe-Lehre''. Alles ist: «Resting weight*
und »Added Impetus* d. h. ruhendes Gewicht und — Impuls. Damit ist er weit fiber
die «Deppe-Lehre* hinausgegangen und zu dem einzig richtigen Standpunkte der freien
Armbalance angelangt. In richtiger Erkenntnis der Grundlagen ging er Tor allem Tom
Instrument und seiner Mechanik aus und vermied so viele Fehler unserer eigenen ersten
Studien. Was Matthay hier geleistet, ist mustergiltig und fOr alle Zeiten vorbildlich zu
nennen. Kleine Abweichungen trennen uns nicht, geringe Meinungsverschiedenheiten
werden mit der Zeit ausgeglichen werden. So verwerfe ich z. B. die Isolations-Theorie
(cf. pag. 72 «Pnnciples* Table) und bin gegen die Beibehaltung einer Teilung des An-
schlags in verschiedene Unterarten. Die Sache ist doch ganz einftich. Sind die Funk«^
tionen des Armes und der Hand gebrauchsfShig, d. h. bin ich lose und völlig weich und
imstande, jedes Gewicht zu balancieren und auszukugeln, so ist alles Andere meinen
Willen überlassen. Wozu also dies ewige Unterscheiden und Lehren der kompliziertesten
„Anschläge*, das nur Verwirrung anrichtet und eher auf die Teilbewegung ablenkt^ als
daß es auf die Hauptbewegung hinweist. Jede Anschlagsbewegung ist eine einheitliche^
unteilbare, alles übrige ist dynamischer Natur und steht jeden Augenblick in meiner
Macht. Die „mechanischen* Differenzierungen nützen nicht nur nichts sondern schaden.
Die Klassifikation in Gewichtsanschlag (weight-touch) und in muskuläre Anschlsgsformen
(muscular-touch) (cfr. pag. 88 Tabelle) ist sehr unglücklich; denn was mehr auf das «Ge-
wicht* oder mehr auf Muskelspannung zurückzuführen, ist gar nicht zu trennen oder gar
zu bestimmen. Oberdies würden sicher Finger-, Hand- und Unterarmanschlige wiederum
„isolatorisch* auftreten, d. h. wieder einzelne Muskelpartieen ausgebildet werden» indessen
doch der physiologische Hauptsatz lautet: In der Relation und der Verteilbarkeit der
Arbeit auf die Gesamtheit der muskulären Funktionen liegt der höchste Nutzen. Jedes
Klassifizieren ist hier vom Obel. Loser Arm, lose Hand, lose Finger, — alles andere
ist Wille und Bewegung. Gänzlich fehlt die Oberarm- Rollung. Die «Mechanik* Jedoch
ist vorzüglich. — In der Hauptsache sind wir gewiß d'accord. Und diese Sache wird
wohl allen Angriffen unserer biederen Professoren und braven Schulmeister trotzen und
uns selbst wohl überdauern. Jedem Pianisten und Lehrer, der des Englischen michtig^
rate ich, das Hauptwerk sowohl als die vorliegende kleine Schrift gründlichst durch»
zustudieren. R. M. Breithan pt
203. Paul Bruns: Das Problem der Kontraaltstimme. Verlag: Chr. Friedrieh
Vieweg, Berlin-Groß-Lichterfelde.
Als vor einiger Zeit die ersten Probehefte der neuen Monatsschrift .Die Stimme*
durch die Welt flatterten, meinte ein witziger Kollege: .Die Musikwissenschaft spezialisiert
sich immer mehr; vermutlich erscheint demnächst ,Der Bariton, ein Zentraloffan ffir
die Interessen der mittleren Männerstimme^* Diese humoristische Propheseiung ist
inzwischen in etwas anderer Form ernstgemeinte Wahrheit geworden. Paul Bruns bietet
uns eine Monographie über die Kontraaltstimme und verheißt drei weitere Schriften fiber
das Baritontenorproblem, das Problem des hohen und tiefen Basses, und das dea
dramatischen und Koloratur-Soprans. Also Probleme, soweit der Blick reicht^ und alle
lösbar auf Grund der Lehre vom primären Ton! Der Verfasser hat sich die Abllusnng
seiner Schrift über das Kontraaltproblem insofern sehr leicht gemacht^ als er gwie
Seiten aus seiner früher besprochenen „Neuen Gesangmethode* wörtlich wiederabgedmckt
und seinem eigentlichen Thema nur spärlichen Raum gewidmet hat; daher kann sich
auch die Kritik kurz fassen. Die allgemeinen Grundlagen der «Einregistertheorie* sollen
nach Bruns auch dem angeblichen Mangel an leistungsfähigen Altistinnen abheUlen;
311
BESPRECHUNGEN (BOCHER)
M
das Problematische der heutigen Altstimmen sieht er in der mangelnden Höhe und
macht sich anheischig, durch seine Methode jeder tiefen Altstimme mühelos eine bis
zur dreigestrichenen Oktave reichende Sopranhöhe anzuerziehen. Dieses glänzende
Ergebnis will er mit Hilfe der Komplementär- (Residual-) Luft erzielen (S. 138 ff.), d. h.
mit der Luftmenge, die nach vollzogener Expiration in der Lunge zurückbleibt, und
deren Verwendung zu Gesangszwecken man bisher für unkünstlerisch, ja für gesundheits-
schädlich gehalten hat. Auch bei der Altstimme kommt es ihm vor allem darauf an, das
Obertonphänomen zu wecken; aber er spricht auch hier immer nur ganz allgemein von
»Partialtönen^. Daß jeder Ton eine reichgegliederte Reihe solcher Teiltöne in sich
schließt, ignoriert er; wenigstens sagt er nicht, welche Obertöne und wie viele bei einem
ideal gebildeten primären Ton erklingen sollen. Eine gut sitzende und edel klingende
. Bruststim me** (nach der älteren Terminologie) will Bruns durch einen harmonischen
Ausgleich zwischen Brust- und Kopfresonanz erzielen (S. 126 f). Zu bemängeln ist, daß
er alle Stimmen nach Art der Romanen unter dem Gesichtspunkt der Bühne betrachtet,
während es doch manche an Kraft und Umfang kleinere Stimmen gibt, die vollendet
schön singen und doch für die Bühne ungeeignet sind. Bei Bruns aber begegnen wir
fast auf jeder Seite dem »bühnenfähigen crescendo** als erstrebenswertem und auch
erreichbarem Ziel für jede Sängerin. Er glaubt eben felsenfest an die Allmacht seiner
Methode und vergißt ganz, daß wie beim Anschlag des Klavierspielers, bei der Bogen-
führung des Geigers, so auch bei der Tonbildung im Gesang immer ein gewisses
Imponderabile bleiben wird, das der eigensten Natur des Sängers entquillt, und das ihm
kein Tonbildner beibringen kann. Amalie Joachim und Hermine Spies, die der Verfasser
rühmend nennt, waren solche Sängerinnen; aber diese urwüchsigen und kraftvollen
Talente wurden geboren und verdankten ihr Können nicht irgend einem artiflziellen
Tonbildungssystem, sondern genialer Naturanlage und feiner musikalischer Ausbildung.
Daß es aber heute an tüchtigen und leistungsfähigen Konzertaltistinnen durchaus
mangele (S. 55), ist eine Behauptung des Verfassers, die durch die zahlreichen Bach-
und Händel-Aufführungen in Deutschland oft genug widerlegt wird. Und Sätze und
Wendungen wie^dorische Breite desBachschen Gesangstils* (S.55), „was im musikalischen
Satz manchmal den Kontrapunkt verblassen läßt, sind Kontraaltstimmen* (S. 57), »hin-
gegen die Männerstimme in hoher Struktur [?], insbesondere also die Tenorstimme, eine
geschraubte Stimme bleibt* (S. 133) sollten in einem ernstgemeinten Buch nicht vor-
kommen. Ernst Wolff
204. Meyers Grofses Konversations-Lexikon: Ein Nachschlagewerk des
allgemeinen Wissens. Sechste, gänzlich neubearbeitete und vermehrte
Auflage. Band 17. Verlag: Bibliographisches Institut, Leipzig und Wien.
Einen gewaltigen Aufwand geistiger Arbeit und dabei verständigster Darstellungs-
kunst zeigt wieder der 17. Band (Rio bis Schönebeck) des „Großen Meyer*. Selbst bei
knapper Behandlung doch nichts Wesentliches zu übersehen, stets die letzten Ergebnisse
der Forschung und die neuesten Geschehnisse zu berücksichtigen und außer sicherm
Urteil objektiv zu sein, das versteht der „Große Meyer* aufs beste. Wie sehr den Zeit-
ereignissen Rechnung getragen wird, ersehen wir z. B. aus dem Artikel „Schiedsrichter*,
der die „internationalen Schiedsgerichte* behandelt, oder die eine ganze Monographie
darstellende Artikelreihe über Rußland, in der auch über die jüngsten Ereignisse des
Zarenreiches gewissenhaft berichtet wird. Auch die übersichtliche Darstellung des
Russisch-Japanischen Krieges mit den Karten der Schlachtfelder von Mukden, Charbin und
Liau-Yang darf hier wegen allgemeinen Interesses genannt werden. Sehr zahlreich
sind auch literargeschichtliche Beiträge monographischer Natur vertreten, die sich an
Namen knüpfen wie Rosegger, Rückert, Hans Sachs, Sardou, Scheffel, Schiller (mit
21 •
312
DIE MUSIK VII. 23.
Ji
vier Bildnissen des Dichters), die Bruder Schlegel, oder die unter den Stichwörtern
^.Roman**, »Romantik*', „Römische Literatur*, »Russische Literatur* eine zusammen-
fassende Behandlung gefunden haben. Auf das Gebiet der Kunst führen uns die Artikel
»Rokoko*, »Säule* (mit einer Tafel »Siulenordnung*), «Schauspielkunst*. Von den zahl*
reich aufgenommenen Künstlern seien nur Rodin, Rubens, del Sarto, Schadow, Schaper,
Schinkel, Sascha Schneider angeführt. Dem Kunstgewerbe gehören an die Beitrige
»Schmuck* und »Schmiedekunst* mit je drei schönen, erheblich erweiterten Tafeln.
Technisch interessieren besonders »Rohrposteinrichtungen*, »Schnellpressen** (mit vier
höchst anschaulichen Tafeln), »Schiffbau*, »Schiffhebewerke*, »Schokoladenfsbribition*,
»Säge-* und »Säemaschinen*. Wo immer bildliche Darstellung für das besondere Ve^
ständnis nötig erscheint, sind nicht nur viele Textabbildungen, sondern auch Tafeln und
Karten zu Hilfe genommen worden, die, nicht weniger als 90 an der Zahl, in Zeichnung
und Technik vortrefflich, das Buch an sich zu einem kleinen Kunstwerk machen.
Richard Wanderer
MUSIKALIEN
205. Ludwig van Beethoven: Elf Wiener Tänze für 7 Streich- und Blas-
instrumente. Herausgegeben von Hugo Riemann. Verlag: Breitkopf
& Härtel, Leipzig.
Die Vermutung, daß die Tänze, die der verdienstvolle Herausgeber im Archiv der
Thomasschule zu Leipzig fand, von Beethoven seien, sprach Riemann schon verjähren
aus; jetzt ist es ihm gelungen, sie durch mannigfache Nachweise biographischer» philo-
logischer und ästhetischer Art zur Gewißheit zu erheben. Vor allem der Hinweis auf
Parallelstellen zwischen diesen Tänzen und Beethovens 12 Menuetten von 1709 ist über-
zeugend. Schließlich ist die Frage, ob der Fund Beethoven zuzusprechen sei, wohl
von hohem musikwissenschaftlichen Interesse, aber doch nicht so wichtig wie die, ob
die Tänze ihrem künstlerischen Werte nach des Meisters würdig sind. Diese Frage muß
ich meinem Empfinden nach unbedingt bejahen. Ich wüßte außer Schuberts besten
Tänzen kein Werk, in dem sich die Lebensfreude der Spätklassik so rein und gewinnend
kundtäte. Nachdrücklichst empfehle ich Liebhabern solcher Haus- und Gebrauchsmnsik
Riemanns Arrangement für Klavier, das verjähren bei Beyer & Söhne in LangensaUs er-
schien und unbeachtet blieb. In populären philharmonischen Konzerten würden die
Tänze, von guten Solisten ausgeführt, eines großen Erfolges sicher sein.
206. Ignaz Paderewski: Sonate pour Piano, op. 21. Verlag: Ed. Bote & G. Bocky
Berlin.
Die Sonate zeigt Erfindung und Gedankenfluß, die Themen sind leicht faßlich, weil
sie etwas von dem Schmelz der Eingebungen Chopin's mit sich führen. Die formale
Technik ist für die Verhältnisse unserer heutigen Komponisten meisterlich, denn man
wird ohne große Mühe aus dem Aufbau klug. Die Satztechnik ist für den modernen
Konzertflügel, einen nicht zu kleinen Saal und die Arme eines ausdauernden Viitaosen
berechnet. Drei Sätze füllen 51 Seiten. Welche grandiosen EinfliUe müssen da zu
finden sein, um diese Ausdehnung zu rechtfertigen! An Pomp und Wucht gebricht es
freilich nicht, alle Register werden gezogen, aber ein Thema, mag es eine Geige oder
ein Blasorchester vortragen, bleibt doch immer nur, was es kraft des ihm Innewohnenden
melodischen und rhythmischen Lebens ist. Paderewski's Einfälle gefUlen mir ganx gut,
aber seine Sprache ist doch die eines Mimen, der den natürlichen Tonfiall nicht ganz
mehr flndet und immer wie ein Held und Fürst reden wilL In der Sonate soll alles
pathetisch, groß und bedeutsam sein, und für diesen Stil fehlt mir das Verständnis.
313
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
207. Ignaz PaderewskI: Variations et Fugue sur an thdme original, op. 23.
Verlag: Ed. Bote & G. Bock, Berlin.
Unbedingt ein sehr ernstes, mannigfach interessierendes Werk. In den zwanzig
Variationen steckt viel rhythmiscberWitz und manch fein und apart ausgeprobte harmonische
Lageningsform. Aber wer soll das spielen? Die Komponisten scheinen nicht zu ahnen,
daß sie mit der Devise: odi profanum volgus . . ., die sich unzweideutig in ihrer Satz-
weise ausspricht, sich und ihrem Werke das Todesurteil sprechen. Diese übermäßige
und einseitige Freude am Material, als welche das Wüsten in harmonischen Werten, das
Aufeinanderwerfen femstehender primärer Klänge zu den kompliziertesten Multiklängen
sich zu erkennen gibt, so daß das Aufgliederungsvermögen auch geschultester Hörer
versagen muß, kurz diese Freude an raffinierter Tüftelei, dieses schwächliche Akkorde-
suchen auf der Klaviatur ist so recht das Kennzeichen unserer Kompositionskunst.
Paderewski treibt es noch mäßig und hat zunächst durchaus noch etwas zu sagen.
Ein Rat, technisch einfach und harmonisch schlicht zu schreiben, wäre diesen Künstlern
gegenüber deplaciert. Mögen sie so weiter schreiben, bis keiner mehr dergleichen hören
mag. Heute werden freilich noch viele, den modernen Tiefgangsbestrebungen geneigte
Musiker und Kunstfreunde an den beiden Werken Paderewski's ihre Freude haben, und
mit Recht, denn unter den Kunsterzeugnissen dieser Zeit nehmen sie einen bemerkens-
werten Rang ein. Hermann Wetzel
208. Alte Meister des Klavierspieles. Herausgegeben von Walter Niemann.
Verlag: C. F. Peters, Leipzig.
Eine Auslese von 37 Klavierstücken deutscher und fremdländischer alter Meister,
geeignet und dazu bestimmt, der Pflege der Renaissance den rechten Weg zu weisen,
bietet Walter Niemann in dem gut ausgestatteten, sorgfältig bearbeiteten Bande »Alte Meister
des Klavierspieles''. Weit davon entfernt, nur dem Gelehrten musikhistorisch interessante'
Stichproben einer uns fem liegenden Kunstepoche und ihrer Schaflfensweise geben zu
wollen, wählte der Bearbeiter neben bekannten, bedeutenden Stücken der Großen auch
vielerlei Reizvolles beinahe vergessener Musiker und Theoretiker aus, und darauf be-
dacht, diese Klaviermusik in Notendruck, Phrasierung und Nuancierung, trotz peinlicher
Wahrung der Originale, unserer klavierspielenden Welt sozusagen mundgerecht vorzu-
setzen, weist er die letztere auf die Schönheiten und die Mannigfaltigkeit einer schier
unerschöpflichen Literatur hin. Unsere Konzertpianisten flnden hier Vortreffliches zur
Ausgestaltung ihrer Programme, und der Musikfreund wird mit Freude die teilweise sehr
pikanten Kabinettstückchen von Böhm, Kaspar Kerll, Kimberger, Kuhnau, Marpuirg,
Nichelmann, Byrd, Daquin, 3carlatti, um einige Namen herauszugreifen, spielen. Die
klare Phrasierung, praktische Fingersatzeinzeichnungen, Pedalnotizen erleichtern die Aus-
führbarkeit der einzelnen Werke. Artur Eccarius-Sieber
209. Josef Haas: Sonate c-moll für Orgel, op. 12. Verlag: Rob. Forberg, Leipzig.
Unseres Wissens ist Haas der erste Schüler Max Regers, der mit Orgelkompositionen
an die Öffentlichkeit tritt. Inwieweit die vorliegende. Reger zugeeignete Orgelsonate
noch direkt von Reger beeinflußt ist, entzieht sich unserer Beurteilung. Jedenfalls hat
sich Haas mit Begeisterung in des Meisters Orgelwerke vertieft und sich dessen Schreib-
weise in geradezu verblüffender Weise zu eigen gemacht. Ganz regerisch ist die Art
der Themenbildung, femer die Neigung, immer neue kleine Sätze mit neuen Motiven
und Trugschlüssen aneinander zu reihen. Fast möchte man sagen, daß die Chromatik
und Enharmonik bei Haas womöglich noch größere Feste feiern als bei Reger. Die
Furcht vor dem ganz ordinären tonischen Dreiklang scheint ziemlich groß zu sein. Im
zweiten Satze — einem übrigens sehr reizvollen Intermezzo — entdecken wir wirklich eine
Schlußkadenz nach altem Muster! Betrachten wir diese Sonate als Ganzes, so müssen
MS
314
DIE MUSIK VII. 23.
wir sie als die talentvolle Arbeit eines Begabten, eines sattelfesten Kontrapunktikers
begrüßen, der auch zu gestalten und zu entwickeln weiß. Wer eine solch prächtige Fuge
mit einer solch packenden Schlußsteigerung schreiben kann, macht Meister Reger
wahrlich alle Ehre. Die Schwierigkeit der Ausfuhrung ist etwa die der regerschen
Monologe, in denen indes noch mehr »Bach** enthalten ist, trotz aller Chromatik.
210. Neue Kompositionen fflr Orgel. Verlag: O. Junne, Leipzig.
Die uns in Einzelheften vorliegenden Nummern, die auch in der im gleichen
Verlage erschienenen Sammlung ,,Orgelstäcke modemer Meister* (herausgegeben von
Joh. Diebold) enthalten sind, sind ihrem musikalischen Werte nach recht verechieden.
Für bescheidenere Ansprüche genügen M. Birns Weihnachtsphantasie über ^Kommet ihr
Hirten** und »Karfreitag und Ostermorgen**, ferner die Stücke von R. Lichey. Für
Studienzwecke zu empfehlen sind die leicht ausführbaren Kompositionen J. Rheinbergert,
vermutlich aus des Meisters Nachlaß stammend. Ein Larghetto von Th. Forchhammer
ist sehr geeignet für ernste kirchliche Feiern. Ein wenig im Stile der Jensenschen
„Wanderbilder* sind „Legende* und „Klostergesang* von H. W a r e i n g, ansprechend und fein
empfunden. Mehr dem italienischen als dem deutschen Geschmack dürfte F.Capocci's
Phantasie über den alten gregorianischen Lobgesang „Veni creator* zusagen: die zum
Teil süßlichen Harmonieen, sowie die billigen Triolen und Arpeggien auf Akkordt5nen
passen nicht zu einem solch kernigen cantus flrmus (wie anders weiß J. S. Bach den-
selben c. f. zu behandeln!). Das Allegretto Capocci's lißt sich ganz gut anhören, wenn-
gleich man stets besser tut, den „alten Stil* an der Quelle zu studieren, hier etwa bei
D. S Carla tti. Nicht sonderlich zu erwärmen vermögen wir uns für C. Müllerhartungs
Orgelphantasie, trotz Herbeiziehung von Bläsern und Unisonochor, Hingegen begrfilkn
wir in E. Gigout's Interludium ein echt orgelmäßig geschriebenes Stück mit all der
Grazie in Rhythmik und Melodik der französischen Schule, in Ph. Wolfruma Priladinm
über „Lasset uns den Herren preisen* eine schwungvolle und dabei nicht schwer aus-
führbare Konzertnummer. Der junge Orgelmeister A. Sittard ist mit drei fesselnden
Choralstudien vertreten, unter denen in erster Linie die fünfstimmige Choralfuge über «Wenn
wir in höchsten Nöten sein* wegen ihres vollendeten Satzes interessiert Max Reger hat
eine kostbare Fuge mit Präludium (gis-moll) beigetragen. Neben dieser sind die beiden
Choralphantasieen von R. Bartmuß über „Christ ist erstanden* und ^Jctu meine Freude*
als die besten Kompositionen dieser Gruppe zu bezeichnen. Namentlich die xweHe, die
nach einer kurzen Einleitung mehrere schöne Durchführungen und eine Fuge sum Choral
bringt, zeigt einen Zug ins Große und ist ausgezeichnet durch vortrefflichen Kontrapunkt-
211. Charles Chaix: Six Chorals Figur^s pourOrgue. Verlag: F. E. C Leucknn,
Leipzig.
Ein vielversprechendes Opus 1 ! Ist auch die Fuge über dem Cantus Unnas «Allein
Gott in der Höh* hie und da noch eckig, so sind die einfachen Figurationen «O Traurigkeit*
und „Ich folge Dir nach Golgatha* vollendete Stimmungsbilder von gro(^ Tiefe, das
Trio mit der reich „diminuierten* Weise „O du Liebe meiner Liebe* geradesn ein
Meisterstück, und aus Nr. 4: „O Welt, sieh hier dein Leben* (»O Welt, ich muft dich
lassen*) und Nr. 6: «Was Gott tut* spricht eine gründliche Kenntnis Bschscher Orfel-
kunst Möchte der begabte Schüler Barblans diesem Hefte, das Konsertspieiern
willkommene Bereicherungen ihrer Programme bietet, bald weitere folgen lassen.
Dr. Ernst Schnorr v. Carolsfeld
212. Gustav Bumcke: Fünf Gedichte von Hans Bethge. op. 18. — Zwei Lieder
für eine Singstimme mit Klavierbegleitung, op. 21. Verlag: Bisoldt
& Rohkrimer, Tempel hof-Berlin.
Diese Lieder weisen eine gewisse Großzügigkeit auf; sie haben orchestrale Plrbong
315
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
und sind modulatorisch interessant. Doch bewegt sich die Modulation mit zu leichten
Flugein; die Melodie wird von der flüssigen Harmonik zu sehr getragen, anstatt dieser
zur Basis zu dienen, wie es der Fall sein soll. Was aber aus diesem eigensten Geiste
des ernst zu nehmenden Komponisten geboren ist, ist, wenn es klar und organisch zum
Ausdruck gelangt wie im schönen Liede «Morgen auf Sylt*, bedeutender als die jüngeren
beiden Produkte, die zwar lyrischer und liedmißiger, aber auch konventioneller sind.
Arno Nadel
213. Otto von Tideböhl: Suite für Violine und Klavier, op. 9. — Konzert
fürVioline. op. 10. (Ausgabe mit Klavier). Verlag: H. Schröder Nachf., Berlin.
Beide übrigens keineswegs schwierigen Werke sind durchaus violingemiß ge-
schrieben und zeichnen sich durch knappe und gedrungene Form, sowie durch reizvolle
melodische Einfälle aus. Es ist bessere Unterhaltungsmusik, die der gewandt und flüssig
schreibende Komponist bietet. Die Suite hat eine flotte, auch für den Vortrag geeignete
Gavotte; das stark archaistisch geßrbte Präludium und das Largo (in russischer Weise)
enthalten manchen feinen Zug; dagegen fällt der gar zu kurze Schlußsatz etwas ab. —
Ob das Violinkonzert sich zum öffentlichen Konzertvortrag eignet, kann ich ohne Kennt-
nis der Partitur nicht sagen; ich glaube es nicht, möchte aber das Werk, das statt des
langsamen Satzes ein anmutiges Intermezzo hat, für den Unterricht und zum Vortrag
bei Schülerprüfungen empfehlen. Der erste, manche Ähnlichkeit mit Bruchs g-moll und
Wieniawski's d-moll Konzert aufweisende Satz ist an innerem Gehalt dem Intermezzo und
der Schlußtaranteile bedeutend überlegen: seine beiden Themen sind vornehm gehalten,
das nicht überwuchernde Passagenwerk ist elegant.
214. Hans Fährmann: Trio H-dur für Klavier, Violine und Violoncell.
op. 37. Verlag: Otto Junne, Leipzig.
Ein gediegenes Werk, mit dem eingehender sich zu beschäftigen entschieden lohnt.
Von den vier Sätzen dürfte Scherzo-Caprice am originellsten sein. Die Erfindung des
Komponisten ist durchweg nobel, die Verarbeitung der Themen nicht bloß geschickt,
sondern auch geistvoll. Das besonders in dem Klavierpart nicht leichte Werk sei auch
zur öffentlichen Aufführung empfohlen.
215. Goby Eberhardt: Mein System des Obens für Violine und Klavier auf psy*
chophysiologischer Grundlage. Verlag: Gerhard Kühtmann, Dresden.
Der bekannte Geigenpädagoge tritt in dieser sehr lesenswerten, mit einer großen
Anzahl von Obungen versehenen Schrift für stumme Griffe auf der Violine zur Er-
langung größter Technik ein. »Oben heißt lernen,* sagt er, »ist somit Arbeit des Geistes
und durchaus kein rein mechanischer Vorgang. Angeregt durch Paganini's stummes
Spiel kam mir die Idee, technische Schwierigkeiten nicht mehr durch hundertfache sinn-
lose Wiederholungen, sondern durch Fixieren in Verbindung mit einer innerlich vor-
gestellten Bewegung zu überwinden.* Er unterscheidet dabei drei charakteristische
Bewegungen der Finger: 1. Klopfbewegung, 2. Gleitbewegung, an die sich Studien zur
Beweglichkeit des Daumens anschließen, und 3. Seitenbewegung (Doppelgriff- und Akkord-
stellung). Auch für Klavierspieler lassen sich diese Obungen vorteilhaft verwenden. So
wichtig diese Schrift auch ist, kann ich doch nicht unerwähnt lassen, daß der Nutzen
stummer Obungen schon früher vielfach gewürdigt worden ist.
216. Arthur Hartmann: Ungarische Kadenz zu F. W. Ernsts op. 22. — -
Kadenz zum ersten Violinkonzert von N. Paganini. Verlag: Wilhelm
Hansen, Kopenhagen und Leipzig.
Zwei sehr wirkungsvolle, auch nicht zu sehr ausgesponnene Kadenzen des be-
kannten Violinvirtuosen, die sicherlich auch von anderen Geigern zum öffentlichen Vor-
trag gern benutzt werden dürften. Wilhelm Altmann
Aus deutschen Tagesblättem und Zeitschriften fflr Kunst,
Literatur und Politik
DIE POST (Ber]in)v.22.Mirzu.v.9.April 190a — Cyriak Fi seh er sagt in dem Aufsatz
„Passionsmusik* nach begeisterten Worten über Bachs Passionsmusiken: «Als efai
Erzeugnis und einen Ruhm des deutschen Geistes werden Bachs Passionsmusiken
mit Recht bezeichnet, und ebenso werden sie mit Recht als Schöpfung und Ausdruck
des protestantischen Geistes angesehen. Um so billiger aber ist es, sich dankbar
daran zu erinnern, daß auch der katholischen Kirche ihr Anteil an diesen michtigen
Werken gebührt. Sie ist es gewesen, die die Grundlagen geschaffen hat, auf
denen dann Bach seinen Bau errichten konnte.* Es folgt ein kurzer Oberblick
über die Entwicklung des Stils der Passionsmusik. — Georg Richard Kruse unter-
sucht «Otto Nicolais Beziehungen zum Berliner Hofe*. Nicolais »ganze musl*
kaiische Laufbahn, ja sein ganzer Lebenslauf steht*, wie hier nachgewiesen wird,
„im innigsten Zusammenhange mit seinen Beziehungen zu Preuflens Königen.*
VOSSISCHE ZEITUNG (Berlin), Sonntagsbeilagen vom 17. und 24. Mai 1908. —
Dr. Martin Jacobi schreibt in dem Aufeatz: »Aus dem Berliner Musikleben in
der ersten Hilfte des neunzehnten Jahrhunderts* eine Geschichte der Musikpflege
in Berlin von ca. 1820 an.
HAMBURGER FREMDENBLATT vom 5. Juli 190a — Paul Bröcker bespricht ia
dem Aufsatz «Die Musik des Volkes* den Volksliedergesang, das Harmonika>
spiel usw. und den Einfluß dieser Musik auf dfs Zusammenleben der Angehörigen
der ärmeren Volksklassen. Auch handelt der Aufeatz von der Straßen- und Ho^
musik in den grol^n Städten, besonders in Hamburg.
HANNOVERSCHER COURIER vom 27. Mai 1906. — Staatsanwalt Kurt Heinz-
mann untersucht in dem Aufsatz «Theateragenten* vom juristischen Standpunitt
aus die Tätigkeit der Theateragenten, deren Beseitigung er für unmöglich hilt»
„Entschieden berechtigt* nennt der Verfasser nur »die Bestrebungen • . ., die die^
Abzüge des Zwischenhändlers [des Agenten] . . . auf ein vernünftiges Maß zu be»
schränken suchen*. «Denkbar ist allerdings die Vermittlung durch Vertrmuensminner
auf genossenschaftlicher Grundlage. Vielleicht verspräche es auch Erfolg, wenn
die beiden grol^n Interessengemeinschaften des Theaters, der ,Bfihnenverein*
(Direktoren und Intendanten) und die ,Bühnengenossenschafr* (BQhnenmitgliedef>
selbst die Organisation von Agenturen versuchen würden.* Auch für den Verkehr
der Bühnenschriftsteller und der Komponisten mit den Theaterleitern hilf Heinz»
mann die Tätigkeit von Agenten für »notwendig und fast unentl>ehrllch'.
LEIPZIGER NEUESTE NACHRICHTEN vom 15. Mai 190a - Walter Niemann
teilt „Gedanken zum Leipziger Bachfest* mit, die das Verschwinden Ton Leipziger
Gebäuden, die an Bach erinnerten, den Verkauf von P. de Wits, an Badh
erinnerungen reichem «Musikhistorischen Instrumentenmuseum*, die Errichtong
des Seffnerschen Bachdenkmals, die «kleinlichen, kunsthindernden Miseren' in:
Bachs Leben, die Pflege Bachscher Kunst in Leipzig, die stilistiach richtige An^f
317
REVUE DER REVUEEN
Führung älterer Musik und die Bestrebungen, „Bach vor allem der Hausmusik
zurückzuerobern*, betreffen.
BAYERISCHER KURIER (München) vom 13. und 14. Mai 1906. — Der anonyme
Aufsatz «Edgar Istel* berichtet über einen Besuch bei dem Komponisten und
Schriftsteller, den der Verfasser vornehmlich nach seinen Ansichten über die
moderne komische Oper ausfragte.
MÜNCHNER NEUESTE NACHRICHTEN vom 25. April 1906. - Der Pianist
Heinrich Schwartz verlangt in dem Aufsatz „Zur Konzertsaison 1907;08* die
Einschränkung der Solistenkonzerte und nennt es einen „Unfug sondergleichen*»
daß Stümper durch massenhafte Verteilung von Freikarten das Publikum vom
Besuch der Konzerte großer Künstler abhalten. Femer wünscht Schwartz die
„Beseitigung der öffentlichen Kritik in den Tagesblättem*. Er möchte gerne
wissen, aus welchem Grunde diese Institution überhaupt geschaffen wurde. „Man
sagt zwar, ein Künstler könne von einer objektiven Kritik nur lernen. Mag sein.
— Was mich selbst anbetrifft, so muß ich leider bekennen, daß ich bis heute aus
sämtlichen über mich erschienenen Kritiken leider nichts gelernt habe, was für
meine Kunst von irgendwelcher Bedeutung gewesen wäre.* „Ein anderes freilich
ist die eingehende Besprechung von Kunstangelegenheiten in den Fach blättern.
Hier ist der Boden, auf welchem ernste Leistungen ein Recht haben, ernsthaft
beurteilt zu werden. Hier ist auch dem ,besprochenen' Künstler Gelegenheit
geboten, sich, wenn notwendig, zu verteidigen.* Dann empfiehlt Schwartz den
Tonsetzern, die darüber jammern, „es sei unmöglich, Neues zu erfinden, das Melo8
sei erschöpft* usw., den Viertelton zu verwenden. „Ich stehe nicht an, zu be-
haupten, wir befänden uns erst im Anfangsstadium der Entwicklung unserer
Tonkunst. Sind wir ja noch nicht einmal imstande, die uns von der Natur ver-
liehenen Gaben richtig anzuwenden! Und zu diesen Gaben gehört auch der
Viertelton. Das menschliche Ohr ist wohl befähigt, ihn aufzunehmen und zu
begreifen.* Am Schluß schlägt Schwartz vor, sämtliche Werke Beethovens, „von
der ersten bis zur letzten Note* aufzuführen und das dadurch gewonnene Geld
zur Errichtung eines Denkmals Mozarts zu verwenden.
PRAGER TAGBLATT vom 22. Dezember 1907 und vom 8. Januar, 29. März, 5., 19.
und 26. April, 16. Mai und 12. Juni 1908. — Richard Batka schlägt in dem
Aufsatz „Zwischenaktsmusik* (22. XII.) vor, „einmal im Monat oder in der Woche
oder noch öfter . . . eine ,große* Zwischenaktsmusik zum gesprochenen Schauspiel
anzukündigen, ... die vorher anständig geprobt wurde und mit genauen An-
gaben (Titel, Name des Komponisten usw.) am Programmzettel verzeichnet sein
müßte. Man hätte dadurch Gelegenheit, eine Menge kleinerer Tonstücke, die im
gegenwärtigen Musikleben völlig brachliegen, aufzuführen*. Im Konzert könne
man nur spielen, was beklatscht wird. Aber als Zwischenaktsmusik könne man
auch „all die Suiten, Märsche, Tänze, Serenaden, Kassationen von den Zeiten der
musikalischen Klassiker her aufführen*. An solchen Abenden dürfe das Publikum
während der Zwischenaktsmusik sich nicht unterhalten. Bald würde das Publikum
auch an den anderen Abenden bessere Zwischenaktsmusik verlangen, als sie ihm
jetzt geboten wird. — In dem Aufsatz „Parsifal* (8. I.) sagt Richard Batka: „Ich
halte dafür, daß nicht bloß Richard Wagners ausdrücklicher Wunsch, sondern auch
eine vernünftige Erwägung der besonderen Beschaffenheit des ,Parsifal' die vor-
läufige Beschränkung der Aufführungen auf Bayreuth gutheißen . . . Für das wirk-
liche Interesse ist außerhalb Bayreuths durch die Klavierauszuge, Partituren und
ivy
318
DIE MUSIK VII. 2a.
Konzertauffübrungen gesorgt ... Ich sehe Schreckliches voraus für ein Werk, das
auf der schmalen Schneide wandelt, wo vom Erhabenen zum Licherlichen viel
weniger als ein Schritt ist. Ein dummes Statistengesicht unter den Tempelrittern^ eine
linkische Bewegung bei den Zeremonien, und die Illusion ist verflogen, das Weihe-
spiel zur leeren Farce geworden. Sobald die erste Neu- und Schaugier der Massen
sich gesättigt hat, wird an die Stelle der Verblüffung das Gefühl der sublimen Lang-
weiligkeit treten, Theater und Publikum erleben eine große Enttäuschung. Des
geheimnisvollen Nimbus, der es heute umgibt, verlustig, wird das Werk, das in der
Bayreuther Abgeschiedenheit in vielen Geschlechtem noch andichtige Schauer
erweckt hätte, nach kurzem Saisonleben tot bleiben als eine entgOtterte Welt*
Infolgedessen werde der „Parsifal* bald nach seiner Freigabe »wieder in einem
Festspielhause, sagen wir: in Bayreuth, wenn es noch besteht, seine Zuflucht und
eine seinen Daseinsbedingungen entsprechende Zufluchtstitte flnden, seine Gemeinde
dort versammeln, alles wird sein, wie es jetzt ist, und der romantische Traum des
großen Idealisten, der Nation ein Kunstwerk zu hinterlassen, zu dem die Welt von
allen Seiten hinpilgem muß, wird sich ganz von selbst und ohne Zwang emeuen.*
— Unter der Oberschrift «Opernnöte'' (29. III.) veröffentlicht Richard Batka einige
Betrachtungen über die in dem Buche „Deutscher Bühnenspiel-Plan für das Jahr 1907"
•enthaltenen Statistiken. Am Schluß spricht er die Ansicht aus, daß i^die Anziehungs-
kraft des älteren Repertoires heute völlig erschöpft* sei, und daß ein «großer Opern-
krach** eintreten müsse, falls nicht bald ein neues musikdramatisches Genie komme.
Auch „der Stil, worin die älteren Werke gesungen werden müssen," gehe verloren.
— Der Aufsatz „Operndeutsch* von Richard Batka (5. IV.) handelt von Fehlem
in der Obersetzung von Opemtexten. — Einige „Erinnerungen Martin PlQddcmanns
an Richard Wagner* teilt Richard Batka mit (19. IV.). Plüddemann, der mit Wagner
seit 1875 einige Male zusammenkam, erzählte seine Erinnerungen dem Verfluser
im Jahre 1894. — In dem Aufsatz „,Wider die Konzertagenten^ Ein Kapitel
musikalischer Wirtschaftspolitik* (26. IV.) erklärt Richard Batka die „vorgeschlagenen
Zentralagenturen unter der Aufsicht von Berufskünstlem* für „noch unerträglicher
als das Regime der Geschäftsagenten*. „Das Cliquentum, das unser Musikweaen
durchsetzt und zerstückelt, würde sich auch hier, gerade hier, auf das schlagendste
betätigen, eine Protektionswirtschaft einerseits, eine Boykottierung mißliebiger
Künstler anderseits wäre die nächste Folge, die sofort Sensationen und Gegen-
agenturen ins Leben rufen müßte.* — Rudolf Freiherr Prochäzka bespricht in
dem Aufsatz „Musikschätze im Prager Konservatorium, I.* (16. V.) die von der
Prinzessin Paula von Lobkowitz dem Konservatorium geschenkte MusikaÜen-
sammlung. — In dem Aufsatz „Wagner-Striche* (12. VI.) erinnert Richard Batka
daran, daß Richard Wagner selber Streichungen gestattete und nur „die zu seiner
Zeit gebräuchlichen, sinn- und geschmacklosen, barbarisch verstümmelnden' ver-
urteilte. Batka tadelt aber, daß Weingartner in einem Zyklus, der »ans dem
Rahmen des Gewöhnlichen herausfällt*, die „Walküre* gekürzt aafl{gefQhrt hat
NEUE FREIE PRESSE (Wien) vom 29. Februar, 1. März, 2., 6. und 10. Mal IQOS. -
Anläßlich des Todes Pauline Lucca's werden zwei ausführliche AufUtze Aber das
Leben und die Kunst der Verstorbenen veröffentlicht: „Pauline Lucca' TOn Julias
Korngold (29. II.) und „Die Lucca* von W. (1. III.). — Leo Helds Aufsats
„Stumme Dramen* (2. V.) handelt von der „Renaissance des Ballets*, die sich^an
der Wiener Hofoper vorzubereiten scheint*. — Julius Korngold tritt in dem Aa^
satz „Zur Enthüllung des Brahms-Monuments* (6. V.) der Ansicht Walter Niemanns
entgegen, daß der Aufenthalt Brahma' in Wien den niederdeutschen Charakter
319
REVUE DER REVUEEN
seiner Kunst nicht verändert habe, und spricht von Brahms' Leben in Wien, seiner
Stellung in der Musikgeschichte usw. — In amüsanter Weise erzählt W. in dem
Aufsatz „Stammtischabende** (10. V.) von seinen Erinnerungen an Brahms. Er sagt,
daß die «starke Persönlichkeit*' Brahms' auch zu erkennen gewesen sei an »seiner
Stimme, dem Klarinett dieses hellen niedersächsischen Organs, das eher einem
Gtrdeofflzier als einem großen Tondichter zu gehören schien.** Ober Brahms' Ver-
hältnis zu Wagner schreibt W.: „Hans v. Bülow schreibt in einem Briefe, Wagners
Genius habe ,keinen eingefleischteren Bewunderer als Brahms* gehabt, darob sei
er sogar mit einigen Freunden ,auseinandergekommen*. Nun, das muß an einem
anderen Stammtisch gewesen sein . . . Von eigentlicher Geringschätzung kann
hier natürlich nicht die Rede sein. Es ist gar nicht denkbar, daß ein Mann wie
Brahms in Richard Wagner nicht wenigstens den Musiker erkannt und, von Gipfel
zu Gipfel, verehrt hätte. Wie er den Dichter, wie er den dramatischen Musiker
beurteilte, ist eine andere Frage. Einmal fragte er mich plötzlich: »Kennen Sie die
>Medea< von Cherubini?* Statt der Antwort brummte ich den Anfang der
Ouvertüre, f-moll, Allegro vivace. ,Nun, sehen Sie,* sagte er, ,diese Medea, das
ist, was wir Musiker unter uns* — die Worte klingen mir deutlich in den
Ohren nach — ,als das Höchste in dramatischer Musik anerkennen*. In
Brahms' Stube hing auch das Bild Cherubini's von Ingres; aber die Muse,
die auf dem Bilde den Kranz dem Tondichter aufsetzen will, hatte er mit
-einem gezeichneten Vorhang überkleben lassen, so daß der also gemaßregelte
Schöpfer der ,Medea* recht gottverlassen in einer Ecke des Rahmens sitzen blieb.
»Dieses Frauenzimmer mag ich nicht*, sagte der Meister, und die Muse verschwand.
So berichtet Max Kalbeck. Ein Bild solchermaßen zu verunstalten, wem anders
wäre es in den Sinn gekommen? Der Einfall war nicht künstlerisch und doch
achter Brahms. Alles Theatralische, Komödiantische, alles unechte Pathos ging
ihm wider die Natur, er übenrieb wohl auch diese angeborene Abneigung, und
iver weiß, ob nicht hierin der tiefere Grund für sein Fernbleiben von der Bühne
zu suchen ist* W. meint aber, daß Brahms gern eine komische Oper komponiert
hätte, und daß er „sich auch mit der Praxis des Bühnen wesens im stillen be-
schäftigt* habe. Auch von dem, besonders als Beethoven-Forscher berühmt ge-
wordenen Musikgelehrten Nottebohm und von Anton Brückner plaudert W. in
diesen Erinnerungen. „Ober Wagner stand Brückners Urteil felsenfest [am Ende
der siebziger Jahre]. Er hätte jedem, der ihm widersprach, die Hand geküßt und
submissest und allerdevotest zu bemerken sich erlaubt, davon verstehe der Herr
einen Schmarren.*
DIE ZEIT (Wien) vom 19. April u. U.Juni 1906. — Ludwig Bösendorfer erzählt in
dem Aufsatz „Einiges aus meinen Erinnerungen* von Erlebnissen mit Liszt, Rubin-
stein, Hans von Bülow und Johann Strauß. — Die einstige Prima ballerina *der
Wiener Hofoper Irene Sironi teilt in dem Aufsatz „Ballet* ihre Ansichten über
die heutige Tanzkunst mit.
BOHNE und WELT (Berlin), X.Jahrgang, No. lO-ll. — Ein Sonderheft mit den
folgenden Aufsätzen über Richard Wagner: „Von der Größe Richard Wagners*
von Richard Schaukai. — „Wagners Werk und wir. Eine Rundfrage*, betreflfend
die von hervorragenden Bühnenkünstlern am liebsten gesungene Rolle, beantwortet
von zahlreichen Sängern und Sängerinnen. — „Richard Wagner und die Fürsten*
von Erich Kloß. — „Richard Wagners Entwürfe* von Wolfgang Golther. — „Die
320
DIE MUSIK VII. 23.
vier neu aufgefundenen Ouvertüren Richard Wagners* von Carlos Droste. —
«Richard Wagner und die Karikatur* von Wilhelm Kleefeld. — »Franz Liszt in
Rom* von Julius Erich. — „Bühnehreform, Festspielhaus, Unterhaltungstheatei'
von Karl Scheffler. — „Verbotene Opern* von Franz Dubitzky. — i^Betrach-
tungen zur ersten Aufführung des ,Nibelungcnring^ in englischer Sprache* von
Ernst Mayer.
DEUTSCHE BÜHNENGENOSSEKSCHAFT (Berlin), 1006, No. 43. - Erich Kloß
bespricht unter der Oberschrift ,,Richard Wagners erste Gattin* sehr tusfQhrlich
die Briefe Wagners an Minna Wagner.
DIE GEGENWART (Berlin), 1908, No. 12, 17 und 18. — Cari Mennicke bespricht
in dem Aufsatz „Shaw über Wagner* (No. 12) das „Wagner^Brevier* von Bemard
Shaw als ein Werk, das „dem Leser in einem Atem Freude und Verdruß be-
reitet*. — In dem Aufsatz „Formlosigkeit und Programmusik* (No. 17 und 18^
erhebt Irene Wild gegen die moderne Musik die Vorwürfie, sie sei formlos, sie
wolle um jeden Preis Aufsehen erregen und berauschen, ihr mangele die Erfindung^
sie treibe einen Kultus des Häßlichen usw. Auch die Programmusik verurteUt
die Verfasserin sehr scharf.
DIE HILFE (Berlin), 1008, No. 5 und 13. — Paul Zschorlich verölfenüicht zehn
kleine Aufsitze unter dem Titel „Vom musikalischen Denken*. — Der Auhatr
„Ferruccio Busoni als Musikphilosoph* von Paul Zschorlich enthilt eine Be-
sprechung des „Entwürfe einer neuen Ästhetik der Tonkunst* von Busoni, ins>
besondere seiner Ausführungen über Dur und Moll, über Drittelt5ne und über
Programmusik.
MORGEN (Berlin), 1007, Heft 0 - 20. — „Ober Alexander Ritters Lied* (Heft 17) schreibt
Siegmund von Hausegger: „Ritter gesteht [in seinen Liedemi dem Musikar als
solchem auch nicht das kleinste Recht zu, sofern dieser es nicht aas der DlebtaBg
herleiten kann. Er stellt sich so ganz in den Dienst des Dichters and verskhtet
strikte auf jedes musikalische Sondergelfiste. Deshalb sind seine Lieder nieoMl»
eine musikalische Erweiterung oder Verbreiterung des Gedichtes, sondern nichts
anderes als die Dichtung selbst, durch die Musik zu höchster Intensitit des Ans»
drucks gesteigert. . . . Auch in der Begleitung spielt ihm der tbsolate Mvsiker
niemals einen Streich; sie ist reich, an entscheidenden Momenten tritt sie beden»
tungsvoll ergänzend vor, aber das Melos des Liedes liegt immer in der Singstimme^
aus ihr allein ergeben sich alle harmonischen und rhythmischen Verindernnfen
der Begleitung.* In Alexander Ritters Liedern finde man «den stmgsteii ud
konsequentesten Stil des modernen Liedes*. Ritter gebühre als «Führer in dM
Neuland der Lyrik* ein Platz neben Liszt, Cornelius, Wolf and StraalL Dann be>
spricht Siegmund von Hausegger eingehend die einzelnen Lieder. Ritters Lieblings*
dichter war Lenau, von dem er viele Gedichte komponiert hat. — Ober «Richard
Wagner und Julie Ritter* wird ein Aufsatz aus Siegmund von Hau seggers
Werk aber Alexander Ritter abgedruckt (Heft 22), der auch einen interessanten
Brief Wagners enthält, den er am 22. Mirz 1850 in Bordeaux an Julie Ritter
schrieb. — Romain Rolland veröffentlicht eine lobende Besprechung von «Claude
Debussy's ,Pelleas und Melisande'* (Heft 25).
SOZIALE PRAXIS (Berlin), 1008, No. 18. — Else Lüders berichtet, auf Grand des
Aufsatzes von Paul Ehlers in unserer Zeitschrift, VII. Jahrgang, Heft 4 and 6^
über „Soziales Elend im Chorsingerstande*.
321
REVUE DER REVUEEN
FRÜHLING (München), 1907, Nr. 14 und 15. — In dem gedankenreichen Aufsatz
«Das Problem des Musikdramas. Eine ästhetische Parallele** vergleicht Hermann
Schuch Richard Wagner als Ästhetiker mit Lessing, Schiller und Herder. In der
Einleitung vergleicht er ihn auch mit Rudolf von Jhering, der „eine teleskopische
Betrachtung . . .** forderte »gegenüber der bis heute noch ziemlich mikroskopischen
Betrachtung^ das heißt: einem sich in »Kleinigkeitskrimerei* verlierenden ana-
lyrtischen Verfahren, das nicht die «Urteilsfähigkeit*', das Vermögen, die durch
Analyse «gewonnenen Teile nach neuen Gedanken der Brauchbarkeit wieder
zusammenzusetzen*, ausbildet. Ausführlich zeigt der Verfasser, daß Lessing im
26. und 27. Stück seiner «Hamburgischen Dramaturgie**, in der Entwickelung des
Zusammenhanges von Dichtkunst und Musik die von Wagner ausführlicher dar-
gestellten Anschauungen «mit wenig Sitzen präzis ausgesprochen* habe. «Mit
dem Scharfblick des Genies* habe Lessing die «Darstellungen Wagners über den
Zusammenhang von Dichtkunst und Musik geahnt*. Dann erinnert
Schuch daran, daß Schiller an Goethe schrieb: «Eine gewisse musikalische
Oemütsstimmung geht vorher, und auf diese folgt bei mir erst die poetische Idee*,
und daß er nach einem Briefe an Lotte «den Mangel der Musik zur Vollendung
des dramatischen Kunstwerkes tief und schmerzlich empfand*. Ausführlicher
vergleicht Schuch Herder mit Wagner. Daß Herder das Wirken Richard Wagners
mit erstaunlicher Klarheit vorausgesehen hat, geht aus den folgenden Worten aus
dem zweiten Stück seiner «Adrastea* No. 9 hervor: «Der Fortgang des Jahrhunderts
geschrieben anno 1802, elf Jahre vor Wagners Geburtstag!) wird uns auf einen
Mann führen, der diesen Trödelkram wortloser Töne verachtend, die Notwendigkeit
einer innigen Verknüpfung rein menschlicher Empfindung und der Fabel selbst mit
seinen Tönen einsah. — Von jener Herrscherhöhe, auf welcher sich der gemeine
Musikus brüstet, daß die Poesie seiner Kunst diene, stieg er hinab und ließ, so-
weit es die Nation, für die er in Tönen dichtete, zuließ, den Worten der Empfindung,
der Handlung selbst seine Töne nur dienen. Er hat Nacheiferer, und vielleicht
eifert ihm bald jemand vor, daß er nämlich die ganze Bude des zerschnittenen
und zerfetzten Opemklingklangs umwerfe und ein Odeum aufrichte, ein zusammen-
hangend lyrisches Gebäude, in welchem Poesie, Musik, Aktion, Dekoration
Eins sind.*
SÜDDEUTSCHE MONATSHEFTE (München), Dezember 1907 bis März 1908. —
Unter dem Titel «E. T. A. Hoffmann als Musikalienhändler* veröffentlicht Hans
von Müller (Dezember- Heft) 13 Briefe von Hoffmann an Härtel (in Fa. Breitkopf
& Härtel) und 3 Briefe von Härtel an Hoffmann. — Paul Moos bespricht
ausführlich das Buch «Angelo Neumanns Erinnerungen an Richard Wagner*. —
Hans Pfitzner veröffentlicht einen Aufsatz «Zur Grundfrage der Operndichtung*.
Im einleitenden Kapitel sagt Pfitzner u. a. über Richard Wagner: «So groß auch
als Könner, Erfinder, Neuerer, Revolutionär in der Musik: das Primäre ist der
Dichter in ihm und seine Werke vor allem dichterische Konzeptionen*. Im
zweiten Kapitel äußert Pfitzner seine Ansichten über die «Konzeption* eines
Kunstwerkes, deren «Wesen Im Unwillkürlichen liegt*, und über die Reflexion
beim künstlerischen Schaffen. Im dritten Kapitel führt Pfitzner eingehend aus,
daß «der große, elementare Unterschied zwischen allem Dichten und allem
Komponieren* darin bestehe, «daß ein jedes Dichtwerk [aul^r der «im kleinsten
Umfang sich gebenden* «eigentlichen Wortlyrik*], seinem Wesen nach, erst in
seinem Verlauf, vom ersten bis zum letzten Wort eine an sich ungreifbare Einheit
322
DIE MUSIK VIL 23.
(Konzeption, Handlung) darstellt, von der es ausgegangen ist; wihrend eine jede
Komposition, ihrem Wesen nach, von einer sinnlich greifbaren, in sich schon
vollendeten Einheit (Einfall, Thema) ausgeht, von der der Verlauf zehrt, oder
deren er neue bringen muß**. »Immer bleibt der unumgängliche Weg der Mnsik
der vom Einzelnen zum Ganzen, sowie der der Dichtung vom Ganzen zum
Einzelnen . . . Die in unserer Zeit so beliebte Bezeichnung ,Tondichtung^, auf
Werke der Musik angewandt, ist nicht nur unsinnig, sondern auch deswegen sa
unsympathisch, weil sie etwas mehr vorgibt zu sein, als Musik, indem sie der
Dichtkunst ihr höchstes Recht rauben will: eine Idee zu verdichten. Die eigent»
liehe ,Tondichtung* (wenn man einmal das Wort in seiner wahren Bedeutung
definieren will) ist der geniale musikalische Einfall, der alle Elemente der Musik:
Melodie, Harmonie, Rhythmus in untrennbarer Einheit, wie in chemischer Ver-
bindung verdichtet. Er ist wiederum das, wozu es kein Analogen in irgend
einer anderen Kunst gibt; ist der Musik ganz allein eigentümlich.* «Wenn,
wie ich sagte, die Dichtkunst, ihrem Wesen nach, der Niederschlag einer Idee
ist, die, um greifbar zu werden, eines gewissen Verlaufs bedarf, so kann dieser
Verlauf, weil von der Idee abhängig, nicht akzidentell sein. Wenn die Musik»
ihrem Wesen nach, immer nur sinnlich greifbare Einheiten hervorbringt, so
muß der Verlauf akzidentell sein." Dadurch erklärt Pfltzner, daß die Formen,
in denen das Kunstwerk verläuft, in der Dichtkunst »von Urbeginn" die selben
geblieben sind (Lyrik, Epos und Drama, nebst Zwischenstufen und Ober»
gangen), in der Musik aber fortwährend wechseln. »Die Geschichte der
Musikformen ist die chronische Verlegenheit, musikalisches Einfallsmaterial unter-
zubringen.** »Die angeborene Formbegabung im Individuum ist stets talentar,
sozusagen eine Kulturerbschaft; der geborene Melodiker ist genial. Es hat große
geniale Komponisten gegeben, denen jegliche Begabung fQr Form abging, wie
Weber, wie Schumann, aber niemals einen wirklich Großen, dem die individuelle
Melodie gefehlt hätte; sie ist es, die den Platz auf dem Komponistenpamaß sichert;
nach ihr, der kleinen Einheit, sollte, im letzten Grunde, Musik beurteilt werden;
nicht nach dem, als was sich so ein Musikstück im ganzen gibt; so wie man das
Gold nach seiner Karätigkeit, und nicht nach den Gegenständen prfifl^ die
daraus gemacht werden. Durch sie gehört auch ieder große Komponist^ so tief
und schwer er sei, der ganzen Welt, nicht nur seinem Fach an, Ist wahrhaft
populär.** Liszt wird nach Pfltzners Meinung nie populär werden, weil ihm der
musikalische Einfall fehlte, während Schumann, »trotz wirklicher Mingel seiner
Natur, in vollster Frische lebt**. Als das »Wesen des Musikdramas* erkliit es
Pfltzner, daß es als dichterisches Element »die allgegenwärtige dichterische Idee*
und als musikalisches den »musikalischen Einfall" in sich vereinigt, aber i^uf
die sinnliche Einzelheit der Dichtung und auf die selbständige Formengebang der
Musik verzichtet; obwohl die Möglichkeit zur gelegentlichen Entfiütung auch dieser
Seiten der Künste offengelassen ist". Pfltzner verspricht, in folgenden Anfsitzea
diese Ansichten durch Beispiele zu erläutern; bis jetzt sind diese Fortsetzangen
in den S. M. nicht erschienen. — Hans von Müller veröffentlicht unter dem
Titel »E. T. A. Hoffmann als Musikschriftsteller" (Januar- und Mlrz-HefQ Briefe
und Stellen aus Hoffmanns Tagebüchern und Werken, die HofPmanns Mitarbeit
an der »Allgemeinen Musikalischen Zeitung* beleuchten, und stellt die Titel der
in der genannten Zeitschrift enthaltenen Arbeiten Hoffmanns zusammen. Im
Anhang: »Kritischer Rückblick" tadelt der Verfasser scharf vom Endes Ausgabe
von Hoffmanns musikalischen Schriften, die mehrere AufUtze Hoffknanns nicht
323
REVUE DER REVUEEN
enthält, dagegen fünf Stücke, die vom Ende ohne zureichenden Grund Hoffmann'
zuschreibt. — Maximilian Pfeiffer teilt in dem kleinen Aufsatz ,,E. T. A. Hoff-
manns Bamberger Wohnung** (Februar-Heft) mehrere Tatsachen mit, die die Un-
richtigkeit der früher in den S. M. ausgesprochenen Behauptung, daß die Bam-
berger Bevölkerung Hoffmann vergessen habe, beweisen. Ein Bamberger Bürger
erzählte dem Verfasser, sein Vater habe gesehen, „daß Hoffmann seinen Wein-
flaschen Röckchen anzog und Hütchen aufsetzte, sowie daß er, mächtig Pfeife
rauchend, beim Komponieren die Füße immer in einen Kübel mit kaltem Wasser
setzte.** — Paul Bu sc hing bedauert in dem Aufsatz »Vom Münchner Musikleben*,,
daß so viele hervorragende Dirigenten und Tonsetzer München verlassen. — Eine
wertvolle Rezension Hoffmanns aus dem Jahre 1810 druckt Hans von Müller
unter dem Titel „E. T. A. Hoffmann über Gluck* ab (März-Heft).
DEUTSCHE REVUE (Stuttgart), 1907, November- Dezember. — Konrad Burdach
veröffentlicht eine interessante biographische Studie über Constanz Berneker unter
der Oberschrift „Zur Geschichte und Ästhetik der modernen Musik*.
VOM RHEIN. Monatsblatt des Wormser Altertumsvereins, 1908, April. — Gelegent-
lich der Aufführung des Oratoriums „Hiob* von Carl Loewe wurde eine illustrierte
„Loewe-Festnummer* mit den folgenden kurzen Aufsätzen herausgegeben: „Zum
20. April* (dem Todestage Loewes) von Karl Anton. — „Ein Gruß von Loewes
Tochter* (Julie Hepburn von Bothwell). — „Mein unvergeßlicher Lehrer Carl
Loewe* von Max Runze. — „Carl Loewe in seinen Tonschöpfungen. Ein Beitrag
zur Würdigung Loewes als Vorgängers R. Wagners* von Karl Anton. — «Zur
Einführung in Loewes ,Hiob'* von H. Die hl.
KUNSTWART (Dresden), XXI, Heft 3—9. — Georg Göhler bespricht in dem Aufsatz
„Giacomo Puccini* (Heft 3) kurz die Werke „Bohöme*, „Tosca* und „Madame
Butterfly*. In der Einleitung sagt er, daß die Theater ohne die italienischen Opern
„einfach nicht auskommen* könnten. „Kein Direktor hielte alle diese Werke im
Spielplan, wenn sie sich nicht selbst hielten.* Göhler meint, die Theaterdirektoreoi
würden viel lieber deutsche Werke aufführen, wenn es eine genügende Anzahl
guter deutscher Opern gäbe, die auch die Schaulust des großen Publikums befrie-
digen. — Der Aufsatz „Psychologische Musikästhetik* von Paul Moos (Heft 4>
besteht aus einer sehr lobenden Besprechung von Hermann Siebecks Schrift
„Ober musikalische Einfühlung*. — Gustav Langen veröffentlicht den „Aufruf*:
„Regelmäßige Kirchenkonzerte!* (Heft 6.) Die Musik „schafft recht eigentlich die
Grundlage aller Religion: das Gefühl vom Dasein einer Seele*. „Ich stehe nicht
an, zu behaupten, daß keine Zeit der Kirchenmusik so sehr bedurft hat und keine
zugleich so empfänglich für sie gewesen ist, als unsere Gegenwart und unsere
nächste Zukunft es sein wird.* „Wir haben von unsem Vätern seit Jahrhunderten
Kirchen und Dome ererbt, die wir uns heute für Millionen nicht bauen könnten,
und die profane Musik beneidet ihre ältere Schwester um diese »religiösen Konzer^
hallenS die selbst in kleineren Städten groß sind. Aber sie sind verödet, deren
Mauern widerhallen könnten von den erhabensten Kunstwerken germanischen
Geistes. Sind sie nicht wie aus Musik geboren und für Musik geschaffen, diese
strebenden und ruhenden Kirchenriesen des Mittelalters? Bachs Musik gehört in
sie, wie das Blut ins Herz. Wer gibt ihnen das Leben wieder?* — Richard
Batkas oben angezeigter Aufsatz im „Prager Tagblatt*: „Zwischenaktsmusik* wird
in Heft 8 nachgedruckt. Magnus Schwantje
Die Studie Leopold Hirschbergs über die weltlichen Chöre Carl Loewes illustiieren
wir durch drei Bilderbeigaben. Das Portrit des Balladenmeistera iat nach einer alten
Lithographie gefertigt. Eine Rarität bringen wir sodann mit der Wiedergabe des Original-
titels des Chorliedes »Gutenbergs Bild*; näheres darüber findet der Leser auf
S. 279. Die Vorlagen zu den beiden ersten Blättern hat uns Dr. Hirschberg freundlichst
zur Verfügung gestellt. Eine nicht mindere Seltenheit stellt das folgende Blatt dar: die
erste Seite der Originalpartitur des Chors «Märznacht", deren Wiedergabe wir
dem Entgegenkommen der Musikabteilung der Berliner Königlichen Bibliothek verdanken.
Wie aus S. 282 zu entnehmen, hat Loewe diese Komposition im Jahre 1865 nach seinem
ersten Schlaganfall mit zitternder Hand niedergeschrieben.
Zur Erinnerung an den 90. Geburtstag (12. September) von Theodor Kullak
bringen wir sein Bild, für dessen Überlassung wir seinem Sohn, Herrn Professor Franz
Kullak in Berlin, zu Dank verpflichtet sind. Die Bedeutung Theodor KullakSy der selbst
ein hervorragender Klavierspieler war, beruht vor allem in seinen vorzfiflichen Unter-
richtswerken für Pianoforte, unter denen an dieser Stelle nur die »Schule des Oktaven-
Spiels", seine „Materialien für den Elementarunterricht* und »Der praktitche Teil zur
Methode des Pianofortespiels von Moscheies und F6tis* genannt seien. AaOer Kompositionen
für sein Instrument schrieb Kullak auch Lieder und Kammermusikstficke. Ala Lehrer
entfaltete er eine nicht minder erfolgreiche Wirksamkeit. Schüler von ihm sind n. a.
Hans BischofiP, Moriz Moszkowski, Philipp und Xaver Scharwenka, Alfred Grfinfeld,
Heinrich Hofmann, Otto Neitzel, Agathe Backer-Gröndahl. Im Jahre 1850 begrAndole er
mit J. Stern und A. B. Marx das MBerliner Konservatorium*, trat aber fünf Jahre spIlBr
von der Mitdirektion zurück, um die ,,Neue Akademie der Tonkunst* ins Leben la ralaau
Auch an der Begründung des Berliner Tonkünstler-Vereins (1844) war er beteiligt
Es folgt das Porträt unseres geschätzten Mitarbeiters, Professors Ernst Bdttsrd
Taubert, der am 25. September seinen 70. Geburtstag feiert. In Regenwalde L FeanMlB
geboren, besuchte Taubert die Universitäten in Berlin und Bonn, wandte eieh dsna der
Musik zu und ging bei Friedrich Kiel in die kontrapunktische Lehre. Ihm soiiHe Robeit
Franz und Franz Liszt, mit denen er später einen intimeren Verkehr unterliiel^ verdsnkt
Taubert seine künstlerische Erziehung und Ausbildung; Von seinen Kompositioiiea ssisn
hier besonders erwähnt die Lieder-Zyklen aus Julius Wolffs .Tannhluser*, das JJ^b»-
leben** aus Julius Stindes „Liedermacher*, seine Hefte italienischer Volksfeslnfe nsch
Gregorovius, „Gebet* von Hebbel, „Trabant* von Richard Leander, ferner die Streichquartette
in fls-moll und d-moll, das Klavierquartett in Es-dur, das Quintett in B-dur fOr Klavier
und Blasinstrumente. Seit 1905 ist Taubert Mitglied der Königlichen Akademie in Berlin,
seit dem ersten Kaiser- Wettsingen der deutschen Männergesangvereine Mitglied der Berliner
Kommission, die die Vorarbeiten dazu zu erledigen hat. Dem Stemschen Konservatorium
gehört er seit 20 Jahreii an; seit 40 Jahren ist er als Musikkritiker der «Post* titig.
Den Beschluß bildet ein Porträt des genialen Vortragsmeisters Dr. Ludwig
Wüllner, der am 19. August seinen 50. Geburtstag beging.
Nachdruck nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlages gesttttet
Alle Rechte, Insbesondere das der Obersetzung, vorbehalten
Verantwortlicher Schrirtlelter: Kapellmeister Bernhard Schuster, Berlin W 57, Bfilowstr. 1071.
L.eiXSEBHECHT
wn Tenor und xuvi Baft - SUnnen
Sopran, AU, IViiM- und B^-3liramw.
» B S<Mt> Sütmoi.
ORIGINALTITEL DES CHORLIEDES »GUTENBERGS BILD-
VON CARL LOEWE
O^tilfA^/Ki^ 'r^
4
ERSTE SEITE DER ORIGINALPARTITUR
DES CHORLIEDES .MÄRZNACHT" VON CARL LOETE
THEODOR KULLAK
* 12. September 1818
Hina Schröder, Berlin, phol.
ERNST EDUARD TAUBERT
■ 25. September 1838
LUDWIG WÜLLNER
• 19. August 1858
DIE MUSIK
Die Kunst ertindet nicht die Ideale, sie
gestallet sie bloD je nach dem Geist der
Zeit und des Volke», dem der Künstler
angehört.
Ludwig Ricbtei
VlI. JAHR 1907/1908 HEFT 24
Zweites Sepiemberheft
Herausgegeben von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & LoefFler
Berlin W. 57, Bülowstrasse 107
^Ar-HdELÄ..
WAGNERS TRISTANAKKORDE
EINE .REMINISCENZ"
Von Edgar Istel-München
FcT Kanzler Friedrich von Müller unterhielt sich am 24. Juni 1826
, mit Goethe und berichtet darüber: .Als ich von der Behauptung
I des .Journal des Dibats' sprach, daß eine Melodie aus dem
I .Freischütz' Motive aus Rousseau'« Musik enthalte, schalt «r
lebhaft alles solches Nachgrübeln von Parallelstellen. Es sei ja alles, was
gedichtet, argumentiert, gesprochen werde, allerdings schon dagewesen, aber
wie könne denn eine Lektüre, eine Konversation, ein Zusammenleben
bestehen, wenn man immer opponieren wolle: Das habe ich ja schon im
Aristoteles, Homer und dergl. gelesen.")
Goethes Wort in Ehren: jeder wahrhaft schfipferische Geist wird ein
banausisches Herumschnüffeln in der Gedankenwelt des Genius verabscheuen,
wenn damit nur bezweckt wird, den Beweis zu führen, dies und jenes sei
von dem oder jenem .entlehnt" oder wohl gar .gestohlen" worden.
Namentlich innerhalb der Musik wird diesem hübschen Sport ja mit Var-
liebe gehuldigt, und nichts freut den Dilettanten mehr, als in zeitgenSssischen
Werken jeden allerierten Akkord womdgllch als .wagnerisch" anzukreiden.
Zugegeben, daO sich die musikalische Produktion der letzten Jahrzehnte
vielfach sehr äufierlich gerade an wagnerische Stileigentümlichkeilen an-
lehnte, so mag doch der Beweis, daß eine Akkordverblndung, die wie
keine andere nicht nur als spezifisch wagnerisch, sondern als geradezu
epochemachend und für den Meister bezeichnend gilt, mehrfach vor
Wagner fast wdttlich angewandt wurde, nicht nur zur Bescheidenheit
gegenüber jedem echten und ehrlichen Schaffen mahnen, sondern zugleich
als höchst interessanter Beitrag zur Geschichte der Entwicklung unserer
modernen Harmonik gelten. Eine solche kleine Untersuchung, auf die mich
eine zulfillige Enldeckung gebracht hat, kann auch schon deshalb nicht von
dem Goeiheschen Einwand getrotTen werden, weil es sich hier nicht um
den Nachweis der .EntlebnuDg' eines in seiner Art einzigen, wunder-
samen musikalischen Gedankens, sondern lediglich um die Feststellung
der EniwickeluDg eines Kunslmiltels — der chromatischen Harmonik —
handelt.
') Gocrhes Unterbaliuoien mit dem Kiniler Friedrich von MQllcr, bei
cegeben von C. A. H. Burtkbaidt. 2., siaik vcimcbite Auflage. Siultgail 1868, S.
328
DIE MUSIK VII. 24.
Ober die Akkordverbindung, mit der Wagners Tristtn-Wanderwelc
beginnt, die schmerzlich-süße Harmoniefolge:
1. Wagner
c/ W^^
I
■7^ 5 ^SL_
&
^
V
^
18t schon viel Tinte vergossen worden. Während die konservativen Musiker
in dieser Verbindung, die sich außerordentlich einfach als. Förtschreitnng
des übermäßigen Terzquartakkords der 2. Stufe von a*moll zum Dominant-
septimenakkord der gleichen Tonart mit zwei freieintretenden aufwirts-
führenden chromatischen Vorhalten erklärt, den Gipfelpunkt der Toll-
kühnheit, Unsinnigkeit und Kakophonie erblicken zu müssen glaubten,
wollten die Parteianhänger Wagners gerade in dieser Folge etwas
prinzipiell Neues, noch nie Dagewesenes, sehen. Carl Mayrberger, der
in einer im vierten Jahrgang der «Bayreuther Blätter*, 1881 (S. 160 IT.),
veröffentlichten Studie »Die Harmonik R. Wagners an den Leitmotiven
des Vorspieles zu Tristan und Isolde erläutert' wohl zum ersten Male
eine einwandfreie theoretische Erklärung dieser vielumstrittenen Gebilde
gab, betont zwar, daß Qas 19. Jahrhundert sich »in seinem Beethoven,
Schubert, Weber, Spohr schon mehr und mehr der Chromatik zuneigte*,
glaubt aber, «erst mit Richard Wagner eine ganz neue Ära* der Chromatik
datieren zu müssen. Mayrberger vergißt in dieser Aufzählung, in der
allerdings bereits Spohr genannt ist, Meister, die für die Chromatik von
höchster Bedeutung sind: ganz abgesehen von Bach den noch dem 18. Jahr-
hundert angehörenden Mozart und ferner Liszt, sowie Chopin, ohne
dessen Harmonik die Liszts gar nicht denkbar ist, und Schumann. In der
Tat finden wir, wenn wir eine aus zufälliger contrapunktischer Stimm-
führung bei Bach hervorgegangene ähnliche Folge unberücksichtigt lassen
wollen, bereits bei Mozart die vielumstrittene Akkordverbindung fast
wörtlich. Im zweiten Satz (Andante con moto) des 1783 komponierten
Es-dur Streichquartetts (Köchel No. 428) erscheint Takt 10 folgendet
Gebilde: ^ ..
2a. Mozart
^^
329
ISTEL: TRISTANAKKORDE EINE .REMINISZENZ«
Man nehme an diesem Takt zwei unwesentliche Verinderungen vor, indem
man die erste Violine eine Oktave tiefer legt, also die zweite Violine zur
Oberstimme macht, und das Ganze um einen Halbton in die Höhe transponiert
Überraschend tritt dann folgendes zutage:
2b.
]^r-^^rifßnE
Der Unterschied zwischen der Mozartschen und der Wagnerschen
Folge ist nicht sehr groß. Läßt man das f des Violoncells nur ein Achtel
früher eintreten, so besteht der einzige Unterschied zwischen Wagner und
Mozart nur noch in der Alteration des Terzquartakkords zum »übermäßigen*
bei Wagner. Aber noch etwas ist für die ältere, minder kühne Praxis
bemerkenswert: Mozart läßt das h nicht liegen, geht also nicht vom
Terzquartakkord direkt in den Dominantseptakkord über, sondern erzielt
durch Einschiebung eines a in der Bratsche einen Sextakkord, ebenso wie
er sich scheut, den für seine Zeit äußerst kühnen Vorhalt gis gleichzeitig
mit dem Baß f eintreten zu lassen. Bei Mozart liegt so ein doppelter
Harmoniewechsel vor: vom Sextakkord der siebenten Stufe über den Sext-
akkord der zweiten Stufe zum Dominantseptakkord. Aber immerhin ist
dieser Mozartsche Takt eine gerade ihrer vorsichtigen Einführung halber
äußerst merkwürdige Vorstufe zur modernen Chromatik, der sich Mozart
ohne Zweifel in kühnster Weise angeschlossen hätte, wäre ihm eine ins
19. Jahrhundert — etwa bis 1826 — sich erstreckende Lebensdauer be-
schieden gewesen.
Ein höchst interessantes Mittelglied zwischen Mozart und Wagner
habe ich nun gelegentlich der Studien zu meinem demnächst bei Teubner
in Leipzig erscheinenden Buche «Die Blütezeit der musikalischen Romantik
in Deutschland* entdeckt. In Spohrs Oper , Der Alchymist* (komponiert
von Oktober 1829 bis April 1830, aufgeführt zum ersten *Male in Kassel,
am 28. Juli 1830) findet sich auf Seite 114 des gedruckten Klavierauszugs
(Berlin, Schlesinger) als No. 14 des zweiten Aktes eine Romanze mit Chor
in arabischem Charakter, die mit der Haupthandlung nicht im Zusammen-
hang steht^. In dieser Romanze finden sich Wagners Tristanakkorde nicht
nur in der gleichen Tonart, sondern auch wie bei Wagner sequenzartig
fortgebildet, wenn freilich auch nicht ganz in der kühnen Wagnerschen
Form und teilweise sogar vorsichtiger als bei Mozart eingeführt:
DIE MUSIK
Die Kunst eründet nicht die Ideale, sie
gestaltet sie bloD je nach dem Geist der
Zeit und des Volkes, dem der Künstler
angehört.
Ladvlg Richter
VII. JAHR 1907/1908 HEFT 24
Zweites Septemberbeft
Herausgegeben von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & LoefFler
Berlin W. 57, Bülowstrasse 107
^AKCiC^.
332
DIE MUSIK VII. 24.
mal.* Bekannt sind auch die Stellen des Briefwechsels mit Liszt, in
denen Wagner von der außerordentlichen musilcalischen Anregung, die ihm
Liszts Schöpfungen gewährten, spricht: »Ohne^ diese Anregungen aber
müssen meine geringen [I] musikalischen Fähigkeiten ihre Ergiebigkeit
verlieren" und ein andermal: »Deine drei letzten Partituren aollen mich
wieder zum Musiker weihen für den Beginn meines zweiten Aktes'
(Siegfried).^) Wie dem auch sein mag — jedenfalls taucht in dem 1844
komponierten, aber erst in den sechsziger Jahren (das genaue Jahr vermag
selbst Lina Ramanns umfassende Lisztbiographie n}cht anzugeben) er^
schienenen Lied »Ich möchte hingehn" von Liszt plötzlich und ganz un-
vermittelt folgendes Motiv auf:
G. Liszt
K
^
^e
'tfi^ — ^-§
Merkwürdigerweise ist es wieder die selbe Tonart wie bei Spohr und Wagner.
Liszt hat im Gegensatz zu Spohr zwar den Terzquartakkord, aber ohne
die Alteration des d in dis, steht also zwischen Spohr und Wagner wieder
genau in der Mitte. Und so bleibt schließlich, wenn auch die Auflösung
in den Dominantseptakkord mit chromatischem Vorhalt sich schon bei
Mozart, Spohr und Liszt findet, doch der übermäßige Terzquartakkord mit
frei eintretendem Vorhalt Wagners Eigentum. Bemerkenswert erscheint
noch, daß auch Liszts Lied, das der Wiederbegegnung des Meisters mit
seiner Freundin Caroline Saint-Cricq *) seine Entstehung verdankt, aoa
einer Tristanstimmung hervorgewachsen ist: die Geliebte seiner Jugend
war die Gattin eines anderen geworden, und in den schmerzensvoUen
Klängen des Liedes suchte Liszt auszusprechen, was ihn bewegte. Welch
wundersame Verknüpfung des Schaffens zweier Genien; und beide reichen
wieder über Zeit und Raum hinweg die Hand zum Bunde mit verwandten
Geistern, die den selben Tongedanken zwar geahnt, ihm aber jene höchste
Bestimmtheit des Ausdruckes, wie sie nur das große Erlebnis verleiht, an
schenken noch nicht imstande waren.
>) Man vergleiche im fibrigea die ausgezeichnete Darlegung des Biafini
Liszfs auf Wagner in dem hervorragenden LIsztbucbe von Rudolf Louis, Beriia
1900, S. 00 ff.
*) Vgl. Ramann: Liszt, zweiter Band, erste AbteUang, Leipzig 1887, S. 240l
Isx Seiffert hat in seiner trefflichen .Geschichte des Klaviers'
die Fülle der Erscheinungen in der vorbachischen Zelt sorg-
fältig geordnet und die Gnindzüge der Entwickeluag festgelegt.
I Seine Arbeit vird ergänzt durch eine Reihe teils ihm voran-
gegangener, teils nachgefolgter Ausgaben alter Klaviermusik. Man sollte
glauben, es mfiDte eine Freude sein ffir das Heer unserer Klavierspieler,
in dem nun wenigstens gelichteten Urwald sich heramzutummeln, die
Frische des Neulandes zu genießen und selbst Entdeckerfreuden zo suchen,
deren immer noch genug zu holen sind. Dem ist bekanntlich nicht so,
sondern nur verschwindend wenig hat sich bis jetzt die moderne Praxis
zurückerworben.
.Das Gesetz der Trägheit", wird der Physiker sagen. Gewiß, diese
Naturkraft wird, wie bei allem Neuen, erst überwunden werden müssen.
Sie ist es aber nicht allein, die hemmt; es gibt noch andere Radscbnhe.
Einer ist das Nichtmehrvorhandensein und die Unkenntnis der alten
Klaviere, für die die alten Komponisten schrieben und denen sie viele
Ellbkte abgewannen, die auf dem Pianoforte nicht herauskommen. Dann
ist die Art und Weise, in der man sich der alten Musik nShert, oft eine
verkehrte. Dos verschulden manchmal die Herausgeber. Es ist menscblicb,
daß man die Vorzüge des Meisters, mit dem man sich besonders vertraut
gemacht hat, besonders hoch einschätzt und die Schwächen darüber vergißt
— man kann sich auch in ein hSCliches Mädchen verlieben, wenn man
im näheren Verkehr besondere Vorzüge an ihm entdeckt. Es ist aber
vom Schaden, wenn der in seinen Meister verliebte Herausgeber dessen
Vorzüge über alles hochpreist und die Mängel verschweigt. Man muß
den Editoren Besonnenheit anempfehlen. Die Freude darüber, verloren
gewesenes Gut neu bieten zu dürfen, darf nicht mit ihnen durchbrennen,
sie müssen auch die Mängel beachten und ehrlich eingestehen. Die
künstlerische Kritik darf vor historischen Größen nicht haltmachen,
sondern muO hier erst recht mit aller Schärfe einsetzen. Vo das nicht
geschehen ist, fühlt sich der Spieler, der, verlockt durch ein paar be-
geisterte Urteile auf der ersten Seite der Einleitung, aber sonst unvor-
bereitet an einen neu ausgegrabenen Meister herantritt, leicht genatFBbn,
und auf solche Weise mag manch' einem die alte Musik überhaupt ver-
334
DIE MUSIK VII. 24.
leidet worden sein. Auf der andern Seite muß zur Ehrenrettung der
Historiker allerdings wiederum gesagt werden, daß derartige Irrtümer
seltener wären, wenn die Musiker die ganzen Einleitungen lesen wfirden,
die denn doch meist noch durchscheinen lassen, was man eigentlich zu
erwarten hat. Aber wie sollten Musiker Zeit finden, eine gelehrte Ein-
leitung durchzulesen?
Darum soll es hier einmal mit kleinen Essays versucht werden.
Johann Kuhnau, 1660—1722 ').
Auch Kuhnau hat seine Schwächen; die größte ist eine gewisse
Monotonie des Rhythmus. Sein etwas bedenklicher Lieblingsrhythmus tritt
uns gleich im ersten Stück entgegen, das er veröffentlichte, dem Priludium
der ersten Partie im ersten Teil der Klavierübung (1689):
Diese Dreiachtel-Anakruse, wie sie der Rhythmiker Lussy nennen
würde, gehört bekanntlich zum Rüstzeug aller leierigen sentimentalen Musik,
und man hat mit Recht hervorgehoben, daß die Leistung Beethovens in
der c-moll Symphonie um so gewaltiger erscheint, als sie über das rhythmisch
alltägliche J~^ | J | gebaut ist. Kuhnau verwendet diesen Rhythmus hiuBg
thematisch und als Mittel, die Bewegung fortzuführen, man findet ihn bei
ihm auf Schritt und Tritt. In seinem kontrapunktischen Stil ist er freilich
ein treffliches Mittel, die Stimmen abwechselnd und mit vorzüglicher
Klangwirkung zu bewegen, wie schon das obige Beispiel zeigt; aber, wenn
auch geschickt, so wendet er ihn doch viel zu viel an.
Vorzüglich dagegen ist sein Satz, trotzdem er sich darin «nach An«
leitung berühmter Meister, bisweilen mit Fleiß etwas negligent erwiesen*.
^) Eine von K. Pisler sorgPiltig besorgte Gestmttusgabe von Kuhnaas Klavier-
werken Hegt in den »Denkmilern deutscher Tonkunst*, 1,4. Bd. vor (Breitkopf & Hirtel).
Größere Auswahlen haben herausgegeben: Farrenc («Le Tresor des Pianiites", 3L Bd^
Durand), Sbedlock (Augener) und W. Niemann (Breitkopf & Hirtel). — Die Blogn^bis
Kuhnaus schrieb mit Benutzung aller erreichbaren Quellen R. Mfinnich (Sammslblads
d. Int. Musikgesellschafc, 3. Jahrg.). — Den Roman Kuhnaus «Der musikalische Qosck-
s alber* hat K. Benndorf neu herausgegeben (Berlin lOCX), Behrs Verlag).
335
NEF: JOHANN KUHNAU
mJBa
vorzuglich eben in der Lebendigkeit der Stimmen. Man erkennt unschwer,
daß Kuhnau, trotzdem er mit seiner Negligence Klavierstil anstrebt, noch
im Banne des Vokalsatzes steht. Es ist jener prächtige Vokalsatz, der in
den Choralbearbeitungen der mittel- und norddeutschen Meister seine
schönsten Blüten getrieben hat, den er, etwas frei allerdings, aufs Klavier
überträgt. Man könnte fast versucht sein, einzelnen seiner Sarabanden und
Arien (G-dur, A-dur) Texte unterzulegen und sie als Chorlieder singen zu
lassen. Es wären jedenfalls echtere als manche moderne, die den zu
Kuhnau gegensätzlichen, sachlich schlimmem Fehler haben, im Klaviersatz
gestümpert zu sein. In Bezug auf lebendige Kontrapunktik ist Kuhnau,
wie viele seiner Kollegen, für unsere Zeit äußerst lehrreich.
Wenn er im Allgemeinen noch nicht zu einem ausgesprochenen Klavier-
satz durchgedrungen ist, wie vergleichsweise das Klaviergenie Froberger,
so hat er einen solchen doch angestrebt und in einzelnen Stücken wenig-
stens erreicht. Das E-dur Präludium der ersten Klavierfibung z. B.:
zeigt typischen homophonen Klavizymbelstil, und wer für fünf Pfennige
historischen Sinn hat, wird es als interessanten Vorläufer des Bachschen
in C-dur gern durchspielen.
Damit kommen wir auf den Neuerer Kuhnau. Sein homophoner
Satz war eine kühne Neuerung, seine Einführung der Sonaten form in die
Klavierkomposition eine epochemachende Tat. Er hat bekanntlich seiner
zweiten Suitensammlung (Klavierübung, II. Teil, 1692) eine »Sonate aus
dem B" angehängt: die erste deutsche Klaviersonate. Damit trafs
Kuhnau seiner Zeit. Die Nachfrage war groß; was für ein deutsches Klavier-
werk unerhört war: vier Auflagen wurden nötig, und das folgende, nun nur
noch Sonaten, sieben an der Zahl, enthaltende Heft brachte es sogar auf
fünf Auflagen.
Es war die Zeit, da die freie Instrumentalmusik in Deutschland zum
ersten Mal ihre Schwingen regte. Rosenmüller hatte mit der Einführung
von »Symphonien'' in die Orchestersuite eine Bresche geschlagen in den
Ring der Tänze und war dann ganz zur freien Sonatenfol^ übergegangen,
und in Österreich war Biber mit seinen kühnen Violinsonaten hervor-
getreten. Wie in diesen Werken macht sich auch in den Sonaten Kuhnaus
das Bestreben geltend, der Instrumentalmusik neue Ausdrucksgebiete zu
336
DIE MUSIK VII. 24.
mm
erringen. Die echt deutsche instrumentale Phantasie war wohl schon vor-
handen, aber es fehlten noch die Formen, in die sie sich hätte ergießen
können. Dem Formensinn der Romanen war es vorbehalten, das goldene
Gerüst zu erstellen, das der Phantasie der Deutschen den Halt gab, sich
in die höchsten Höhen zu schwingen, ohne zu stürzen. Corel li schuf die
viersätzige Sonaten form mit dem Doppelpaar eines langsamen und eines
schnellen Satzes und A. Scarlatti die vollendetste der Formen, die klas-
sische dreisätzige Symphonie, die auf das Konzert und die Sonate fiberging.
Von diesen Errungenschaften konnte Kuhnau nicht mehr Nutzen
ziehen. Er versuchte es mit einer Mischung überlieferter älterer
Formen; nachdrücklich legt er selbst Gewicht auf die Fuge, die haupt-
sächlich in der Orgelmusik ihre instrumentale Ausbildung gefunden hatte;
damit verbindet er Elemente der Triosonate und des eben aufkommenden
konzertierenden Stils, flicht die typischen gesanglichen Dreizweitel-Sitze,
die Rosenmüller aus Venedig gebracht hatte, ferner Tanzsätze, einmal «ach
eine Sonatina (alten Stils) mit ein. Diese bunte Sonatenform hat bekannt-
lich keine Fortentwickelung gefunden; Bach pflegt die Fuge für sich and
folgt in den freien Formen den inzwischen zur vollen Ausprägung gelangten
italienischen Typen.
In ihrem Ringen nach neuer Form erregen aber die Sonaten Kuhnaos
besonderes Interesse. Rein musikalisch geurteilt, muß dagegen gesagt
werden, daß die Schwäche rhythmischer Einförmigkeit zuweilen auch hier
sich bemerkbar macht. Weil rhythmisch durchwegs prägnant, ist die vierte
Sonate in C-moll entschieden die bedeutendste. Gleich das erste Motiv:
Vivace
I
onB
:N^
f=P
^^iEi
*
i
t
r-f=t
fe^^
USW.
zeichnet sich durch seine markante Gestalt aus, so frische rhythmische
Bildungen sind bei Kuhnau selten. Die Klarheit seiner Fugen hat schon
Mattheson hervorgehoben; sie sind historisch eine VorstufSe zu den Bach-
schen und könnten wohl auch pädagogisch, in der Klavierstunde, als solche
verwendet werden, wobei freilich daran zu erinnern ist, daß von Kolinan
zu Bach ein Riesenschritt ist. Für den zuweilen etwas matten Rhythnras
entschädigen die Sonaten öfter durch interessante harmonische Kombina-
tionen; als einziges Beispiel eine chromatische Baßführung aus der zweiten
Sonate:
/^^
337
NBF: JOHANN KUHNAU
U8W*
In der Harmonie kommt überhaupt Kuhnaus Geistesschärfe am eindringlich-
sten zum Ausdruck.
Von der Buntheit seiner Sonaten war Kuhnau augenscheinlich selbst
nicht befriedigt; er suchte nach einem festen Halt und fand ihn — im
Programm. Er wurde zum Berlioz seiner Zeit. Die verwandten Züge
bei den beiden aufzudecken, ist amüsant und vielleicht sogar lehrreich.
Beide waren wissenschaftlich klassisch gebildet. Berlioz hatte wenigstens
in das Medizinstudium hineingeschmeckt, Kuhnau war Jurist. Sie hatten
lebhafte literarische Interessen und auch literarischen Ehrgeiz. Der war
gewürzt durch eine stark satirische Ader; wie Berlioz in den Grotesques
de la masique die Schwächen im Musiktreiben seiner Zeit, so hat Kuhnau
diejenigen der seinigen in dem Roman «Der musikalische Quacksalber^
mit ätzendem Spott gegeißelt. Literarische Intentionen hatten sie auch in
ihren Programmen. Daß beide darin nicht immer ganz geschmackvoll sich
gebärdeten, mag als letzter Vergleichspunkt erwähnt sein, so Kuhnau z. B.,
wenn er das Programm zu der Sonate «Der von David vermittelst der
Musik curirte Saul" mit folgender Einleitung beginnt:
»Unter die harten Scblige, die uns Gott aus heiligen Ursachen zuweilen gibt,
geboren auch die Krankheiten des Leibes. Von diesen kann man im eigentlichen
Verstände sagen, daß sie wehe thua. Daher war die Invention jenes Medici in Padua
et>en nichts licherliches, da er, indem er über seiner Haus-Thfire die Krankheiten
abbilden weite, einen von vielen Hunden angefallenen und deswegen von Schmertzen
sich übel gebertbenden Mann abmalen ließ. Jeder von diesen Hunden hatte seinen
eigenen Nahmen, und verrichtete dasjenige, was sein Nähme mit sich brachte. Der
Hund Podagra, bisse den Menschen in die Fuße; der Hund Seitenstechen in die
Lenden; der Stein in die Nieren, das Grimmen in den Bauch, und so fort.*
Genau genommen ist aber die Naivität des alten Deutschen doch
noch erträglicher als die Überspanntheit des neuen Franzosen. Kuhnau
war übrigens klug genug, nicht seine ganzen Programme in Musik zu
setzen, sondern sie bilden eine Art literarische Leistung für sich, und
nur ein knapper Auszug daraus gibt die Überschriften ab für die einzelnen
Sätze der Sonaten. Diese bezeichnen meist charakteristische Stimmungen
und Situationen, bei Saul z. B. heißen sie: Sauls Traurigkeit und Unsinnigkeit,
Davids erquickendes HarfTenspiel, und Des Königs zur Ruhe gebrachtes
GemQte — die sehr wohl durch die Musik ausgedrückt werden können.
Kuhnau ist überhaupt ein besonnener Programmusiker. In der Vorrede
M
338
DIE MUSIK VII. 24.
— ^™*
spricht er sich, wohl als Erster, klar und zutrelTend fiber die Greozen der
Ausdrucksfähigkeit der Musik aus.
Daß er gerade eine »musikalische Vorstellung einiger biblischer
Historien'' gab — so lautet bekanntlich der Titel seiner Programmsonaten
— lag im Zug der Zeit. Vielleicht, daß auch ein Vorbild aus der Jng^d
nachgewirkt hat. Er ist als Primaner in Zittau ein besonderer Schfitzllng
des bekannten Rektors und Schuldramendichters Christian Weise gewesen
und hat in dessen Lustspiel »Von Jacobs doppelter Heyrat* mitagieit.
Jfacobs Heyrat" lautet auch der Titel einer seiner Sonaten« und nicht nur
diese, sondern alle haben einen stark dramatischen Zug; am meisten aas-
geprägt das Bild eines buntbewegten Schauspiels bietet die erste: »Der Streit
zwischen David und Goliath".
Die Sonaten sind geeignet, trotz aller ästhetisch spekulativen Negationen,
den Wert der Programmusik darzutun; die Phantasie kuhnaus hat alch
an den bildlichen Vorstellungen sichtlich gestärkt, und er gewann durch
sie der Musik neue Ausdrucksmittel. Wie tretTlich gezeichnet ist das
»Pochen und Trotzen Goliaths":
osw«
wie eindringlich »Das Zittern der Israeliten":
: ^J^.
-^r >^ ^F^
*K?~^jf^b#'
Zu diesem kommt nachher hinzu: »Ihr Gebet zu Gott bey den Anblicke
dieses abscheuligen Feindes":
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i?^^^^^g
usw.
Die Stelle mit dem Choral »Aus tiefer Not" bringt in Erinnerungi daft
339
NBF: JOHANN KUHNAU
mSsS
Kuhnau auch an die Ausfuhrung auf der Orgel — das Titelblatt zeigt
wenigstens eine orgelspielende Dame — gedacht hat.
Der Satz von »Sauls Traurigkeit und Unsinnigkeit" ist wohl das
Tiefsinnigste, was Kuhnau geschrieben, trotzdem er mit seinem Lieblings-
rhythmus:
T^
3:
«-
5
?
3:
-»-.
J
^
'^
-o-
usw.
beginnt. Durch die kfiline rezitativartige Dil(tion und Harmonie erhält er
seine Bedeutung; er bringt im Verlauf eine Fuge fiber:
in der Kuhnau die Unsinnigkeit schildern will, und die darum ein so
charakteristisches, alle seine anderen weit hinter sich lassendes Geprige
erhalten hat. Ebenso ist ein menuetartiger Satz in «Jacobs Heyrat" zum
reizendsten und poesievollsten geworden, was der Meister in dieser Art
geschrieben, weil ,man höret: Den in der Hochzeit-Nacht vergnSgten
Briutigam, dabey ihm zwar das Herz was böses saget, er aber solches
gleich wieder vergisset und einschläffet*. Weil in der Musik die Ahnung
Jakobs, daß er nicht die geliebte Rahel, sondern die häßliche Lea als Braut
erhalten, zum Ausdruck kommt, erhält das Stück Relief, im Gegensatz
zu fast allen übrigen heiteren Stücken Kuhnaus, die zu harmlos gleich-
formig verlaufen. Auch das allmähliche Einschlafen Jakobs gibt zu einem
hübschen Effekt Anlaß. Von den übrigen Sonaten wäre etwa die vierte,
«Der totkranke und wieder gesunde Hiskias*, besonders hervorzuheben,
wenn nicht auch hier der Dreischlagrhythmus zuweilen allzusehr sich
vordrängte.
340
DIB MUSIK VIL 24k
Charakteristisch erfunden, der Stimmung und Situation entsprechend,
ist übrigens alles in den biblischen Historien, nur wird vieles zn breit
geschlagen. Rein künstlerisch wird man auch hier nur einigen Teilen
bleibenden Wert zusprechen dürfen ; aber dem Gesamtwerk bleibt die große
historische Bedeutung, das Ausdrucksvermögen der Instrumentalmnaik ge-
steigert zu haben. Wer die Fähigkeit hat, ein Kunstwerk nicht nnr als
solches, sondern auch als Dokument seiner Zeit und der Entwickelung zu
betrachten, der wird hier ganz besonders auf seine Rechnung kommen,
und das ist es wohl auch, was Spitta mit »verständig* meint, wenn er sagt,
daß die biblischen Historien «noch jetzt jedem verständigen Spieler Genoß
bereiten''.
Ein kurzer Anhang sei noch gestattet. In seinem satirischen Roman
«Der musikalische Quacksalber^ hat Kuhnau tretTliche Vorschriften gegeben
für den zu seiner Zeit so wichtigen Seitenzweig des Klavierspiels, für
das Generalbaßspiel. Unter den schwebenden Fragen der gegenwärtigen
Renaissancebewegung ist die der Aussetzung des Continuos eine der wich-
tigsten. Darum seien Kuhnaus goldene Worte hier noch zur allgemeinen
Kenntnis gebracht und er selbst, der grundgescheite und erfahrene Mnsiker,
damit dem Leser nochmals nahegerückt. Golden ist der Inhalt; mög^ die
Worte beim ersten Lesen manchem etwas kraus erscheinen, eines Kom-
mentars bedürfen sie trotzdem nicht; wen's angeht, der wird sie genau
lesen und den Sinn dann auch leichtlich fassen. Kuhnau meint:
«Es kömmt freilich sehr ungeschickt heraus, wenn mancher Organist in einem
Generalbasse seinen Sack mit Manieren auf einmal gedenket auszuschütten, und mit
allerhand fantastischen Grillen und Läufern angestochen kernt, da es sich öfters am
wenigsten schicket. Wenn er, indem zum Exempel der Affectus tristitiae von dem
Singer soll exprimiret werden, mit der rechten Hand so viel Lirmen und Gepolter
machtet, als wenn ihm die Freude auf einmal in die Achsel gefehren, oder er sonsten
onsinnig geworden wire. Anderer ungeriumter Hindel zu geschweigen, die er vor-
nimmt: ^Tenn etwa der Singer passagiret, so meinet er, seine Hand müsse auch
nicht stille sein, sondern mit dem Kerl in die ^Tene laufen. In summa, weil er
immer vor andern will gesehen und gehöret sein, so lißt er seine Hasen-Ohren
allenthalben herfur gucken. Hingegen ist auch derjenige nicht zu loben, der so
spielet, als wenn ihm etliche Pfund Blei an Fingern biengen, oder wenn sein General*
biß 80 einfiltig herauskömmt, als wenn er einen Choral mit vier Stimmen ans
Hermann Scheins Kirchenkantional spielete; sondern der verdienet allererst den
Estim der Leute, der sich bei der Accompagnatur einer modesten Manier and Imitatkm
bedienet, auch dem Singer in seiner Melodie mit einem guten Jadldo aosweiclie^
und unter seiner Stimme so wohl zu moduliren weil^ als wenn man zwei Singer unter
sich konzertleren, und sonst einander accurat begegnen hörte.*
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HANS VON BÜLOWS BEDEUTUNG FÜR DAS
KONZERTLEBEN DER GEGENWART
von J. Vianna da Motta-Berlin
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lor kurzem faßte Humperdinck die Bedeutung Wagners für
das Kunstleben der Gegenwart in die Worte zusammen : er gab
uns die künstlerische Freiheit, wie Luther uns einst die mora-
lische gab. Was von Wagner auf diese Weise für das all-
gemeine Gebiet, namentlich das schöpferische, gesagt wird, gilt von Bülow
für das speziellere Gebiet des Konzertlebens und der Interpretation. Diese
fiberragende Bedeutung, deren Folgen wir genießen, ohne daran zu denken,
wem wir sie verdanken, tritt handgreiflich hervor aus seinen Briefen,
deren Herausgabe seine Wittwe mit Umsicht und Hingebung veranstaltet.
Das große Werk ist fast vollendet, letzten Herbst erschien der VI. Band
<im Verlag Breitkopf & Härtel), der vorletzte der ganzen Sammlung, der
die Meininger Periode von 1880 bis 1886 enthält. Da diese bedeutendste
Periode von Bülows grandiosem Wirken fast in die Gegenwart hereinragt,
so können wir schon von hier aus seine Bedeutung für uns übersehen.
Wenn man Bülows unruhiges Wanderleben an sich vorüberziehen
läßt, 80 sieht man klar und bestimmt das einheitliche Band in allen Phasen
dieses Feuergeistes. In allen seinen, so oft wechselnden Anschauungen
ist die Grundstimmung immer: künstlerische Freiheit. Ob er für Liszt und
Wagner, oder später eifriger für Brahms als für jene eintritt, immer predigt
er das Evangelium der Freiheit. Nie ist er der Mann einer Partei, wenn
es auch so scheint, und er auch wirklich von den Parteien dafür ausgenutzt
wurde. Er war es so wenig, daß er zuletzt sich in einer tragischen Ver-
einsamung befand, indem keine Partei ihn ganz als den ihrigen anerkennen
wollte. Den Konservativen interpretierte er die ältere Musik zu »frei*,
den modernen Umstürzlern bot er nicht genug Unterstützung. Er ver-
stand sich weder zum Anarchismus, noch zur unselbständigen Anbetung der
Tradition. Das eben ist wahre Freiheit. Eins der sonderbarsten Mißver-
ständnisse ist es, Bülow als Muster des «objektiven* Musikers anzusehen,
der sklavisch die Intentionen des Komponisten befolgt habe.^) Gegen Ende
^) Den Anteil des Versttndes in seinen Interpretttionen htt er in einer wunder-
vollen Briefstelle tn die Gtttin tufs schirfste präzisiert: «Verstand schifft nie Poesie,
aber Poesie schärft den Verstand, ohne sich selber abzustumpfen. Ich bei meinem
Studieren gehe zunächst rein verstandesmißig zu ^Terke, damit nichts sp9ter, wenn
ich an den Gefuhlsvortrag gehe, die Tätigkeit meiner Fantasie hemme, nichts mehr
meine technische Aufmerksamkeit reize.*
VU. 24. 23
3R
342
DIE MUSIK VIL 24.
seines Lebens machten einige wiederum ihm zum Vorwurfe, daß er za
.willkfirlich' verfahre. Während die Majorität ihn für den größten Beet-
hoveninterpreten hielt, fanden andere, daß er manches durchaus nicht
«Beethovensch* nähme. Das zeigt, wie wenig er im Grunde verstanden
wurde. Auf einen solchen Tadel soll er geantwortet haben: daß Brabms
ihm erklärt habe, er könne seine Sachen spielen wie er wolle; wie viel
mehr also könne er das bei Beethoven tun, von dem kein Mensch mehr
wisse, wie er sie eigentlich gewünscht habe. Damit ist das Gespenst der
Tradition vernichtet. Wo existiert sie, diese hochheilige Tradition?
Tradition wird in jedem großen Künstler von neuem geschaffen, aber
sie läßt sich durchaus nicht fortpflanzen. Wahre Tradition wire Er-
starrung, verkehrte sich schließlich in Entstellung der Intentionen des
Komponisten. Das Große bei Bülow war eben, daß er bei aller Freiheit»
aller Subjektivität nie in Launenhaftigkeit verflel. Das einzige Maßgebende
beim Interpreten ist der gegenwärtige Eindruck. Und wenn man Bfilow
Beethoven dirigieren hörte, hatte man den überwältigenden Eindruck»
Beethoven zu hören. Wie er durch freies Nachschaffen uns den Ein-
druck gab, eben Beethoven, nicht Bülow zu hören, das ist das Geheimnis
des genialen Interpreten. Ein anderer subjektiver Künstler gab uns immer
nur sich: ob er Beethoven, Schumann, Chopin spielte, immer war es
Rubinstein, was wir hörten; die Werke waren ihm nur das Material, worin
er seine Persönlichkeit machtvoll entfaltete. Gewiß auch eine im-
posante Kunstform, aber höher steht doch diejenige, die, ohne die eigene
Persönlichkeit aufzugeben, die fremde so aus sich heraus neu schafft, daft
wir sie als das Urbild erkennen. Der bloße Kopist und der bloße gewalt-
same Umbildner sind viel einfacher zu beurteilen. Bülow wurden merk-
würdigerweise von verschiedenen Seiten beide Vorwürfe gemacht. Aber
beide sehr mit Unrecht. Er hat eben das unnachahmliche Beispiel des
freien und doch treuen Interpreten gegeben.
Es ist sehr bezeichnend, daß bei der Aufführung der .Eroica* durch
Mottl in Berlin im letzten Winter fast jeder aufatmete: endlich hatte man
wieder Beethoven gehört, nachdem man zwischen mehr oder minder blassen
und subjektiv gefärbten Aufführungen hin und her geworfen worden war«
Nun, diese Aufführung gemahnte mich gerade an den Geist Hans vonBfilows:
da war dasselbe verzehrende Feuer, die Natürlichkeit der Empfindung, die
Freiheit des Dirigenten, gepaart mit Treue gegen die Komposition.
Als Richard Strauß in Paris einmal Beethovens Siebente Sym-
phonie dirigierte, tadelte man seine Freiheit in der Wiedergabe, namentlich
der Tempi. Da hörte ich ihn sagen: «Bei uns erging es Bfilow genau
ebenso.*" Er bestätigte also, daß man vor Bülow in Deutschland ebenso-
wenig Freiheit duldete wie noch heute in Frankreich.
J&
343
DA MOTTA: BOLOW UND DIE GEGEN^TART
Nun erhielt ja gewiß Bülow reichste Anregung zu solchen. Anschau-
ungen von Wagner und Liszt, aber diese haben doch zu wenig gewirkt als
Dirigenten und konnten nicht so viel Einfluß bis auf die Gegenwart aus-:
üben, wie Bülow durch jahrelange Tätigkeit in allen Ländern. Wenn man
diese große Trias in dem Kampfe für die Freiheit auch nicht trennen kann,
so verdanken wir doch Bülow für die Interpretation in letzter Linie das
meiste, die Befreiung.
Diese Wirksamkeit Bülows wird namentlich in dem letzten Briefbande
anschaulich, da wir in diesem seine Art, mit dem Meininger Orchester
zu arbeiten, seine ausgedehnten Reisen, den beispiellosen Enthusiasmus,
den er überall erregte, miterleben. Die unerhörte Schöpfung dieses Or-
chesters, das trotz seiner numerischen Schwäche alle anderen stärkeren
schlug, ging aus von einem scheinbar einfachen Grundsatz, den Bülow
so formulierte: ,In der Kunst gibt es keine Bagatellen.* In den Separat-
proben ließ er ja bekanntlich nicht nur jede Instrumentengruppe, sondern
sogar jeden Geiger einzeln probieren. Welche ungeheure Überbürdung
Bülow sich damit auferlegte, läßt sich vorstellen, und so wundem wir uns
nicht, ihn fast immer krank zu sehen. Dazu kamen noch seine so hoch,
gespannten Forderungen, denn trotz aller Arbeit, aller Erfolge hören wir
ihn erst im zweiten Jahr der Reisen mit Befriedigung Von den Leistungen,
des Orchesters sprechen.
Die Herausgeberin hat mit großem Geschick die Wahl der Briefe
getroffen und durch die Zeitungsberichte jener Zeit ergänzt, so daß Bülows
Leben lückenlos an uns vorüberzieht. Sie ist so gewissenhaft vorgegangen,
daß sie nur Dokumente der Zeit sprechen läßt, nicht einmal auf eigene
Erinnerungen sich verlassend, sondern für solche Fälle, für die keine fremden
Dokumente vorhanden, eigene Briefe aus jener Zeit zitierend. Von großem
Interesse sind die Zeitungsberichte. Man hat den Einwurf gemacht, daß
das ja nur individuelle Eindrücke darstelle. Ja, natürlich. Aber es sind
doch die Eindrücke, die Bülow tatsächlich erweckte. Woraus sonst hätte,
man die ersehen können? Und da sie es durchaus nicht auf eine Apologie
absieht, sondern mit historischer Objektivität jeder Stimme Platz gewährt,
so erhält man ein durchaus lebendiges Bild der Wirkung, die. Bülow aus-;
übte. Dabei sind diese Berichte, namentlich die aus Wien, oft vorzüglich ^
geschrieben, voll Verständnis für Bülows Wesen und es treffend charak-/
terisierend. ,
Daß sie sogar ihren persönlichen Besitz, des Gatten Briefe an sie,..
mit bewunderungswürdigem Opfermut der Öffentlichkeit preisgibt, muß
man ihr verehrungsvoll danken. Man hat ihr vorgeworfen, daß sie zu;
viel Intimitäten preisgebe, die nicht vor die Öffentlichkeit gehören. Wenn
man aber genau beobachtet, wie sie oft aus einem Briefe nur ein paar
23*
344
DIE MUSIK VII. 24.
mMBSs
Zeilen auswählt, weil sie gerade etwas Charakteristisches enthalten, so
muß man vielmehr auch ihren Takt und ihre Diskretion anerkennen.
Notwendig waren aber die Auszfige aus diesen intimsten Briefen vor
allem deshalb, weil sie die einzigen sind, in denen Bfilow aich rfickbaltlos
über seine eigenen Leistungen ausspricht. Bei Mitteilungen an jeden
andern ist er tausend^ Einflüssen ausgesetzt, hier aber spricht er wie mit
sich selbst.
Natürlich muß man bei einem impulsiven Stimmungsmenschen, wie
Bülow es war, seine Urteile nicht als definitive hinnehmen und z. B. sich
nicht wundem, wenn er einmal sagt, er habe Brahma' Symphonieen «satt
bekommen", weil er sie auf einer Tournee fast täglich dirigieren mußte.
Das war ein momentaner Überdruß, sehr natürlich bei so häufiger
Wiederholung. Und wenn man sich daran stoßen sollte, daß Bfilow die
Musik zum »Parsifal* ein «Capharnaüm de dissonances* nennt (dagegen die
Dichtung »sehr schön" findet), so muß man bedenken, daß die Absicht
der Herausgeberin nicht ist, Bülow als unfehlbaren Richter hinzustellen
oder als eine Persönlichkeit, die jedem auch .gefallen* solle, sondern ihn
zu zeigen, wie er war, mit allen Widersprüchen. Das richtige Bild seines
Wesens festzustellen für die Nachwelt, das ist ihr Bestreben, die große
Aufgabe, der sie sich mit Ausdauer und im Kampf gegen alle Schwierig-
keiten gewidmet hat. Und das war notwendig. Niemand ist so stark
mißverstanden worden wie Bülow. Und nur jetzt, solange die schwer zu-
gänglichen Dokumente und Zeugen noch erreichbar sind, konnte eine solche
Arbeit geleistet werden.
Da ist z. B. der. Vielen bedenklich scheinende Brahmskultus. Man
ging so weit, Bülows Aufrichtigkeit in diesem Punkte zu bezweifeln
(s. Alexander Ritters geistreichen Aufsatz über das .Spanisch Schöne* in
der Allgemeinen Musikzeitung 1892). Man glaubte auch, daß Bfilow sich
für Brahms begeisterte nur aus dem Wunsch, Wagner einen G^enpapst
entgegenzustellen.
Würden nicht schon Bülows unerschütterliche Wahrhaftigkeit nnd
ritterliche Gesinnung eine solche Annahme entkräften, so wfirde sie jeden-
falls durch Äußerungen in diesem Bande ganz hinfällig werden. Sein
erster Eindruck bei Bekanntschaft mit Brahms' Musik war kein günstiger,
wie man sich aus den früheren Briefen erinnert, und selbst 1882 schrieb
er noch: «Les nouvelles ceuvres de Brahms (Trio, Quintuor) sont d'ane
s6cheresse aussi parfaite qu'acad6mique.* Aber das war ein vorfiber-
gehender Eindruck. In den Briefen an seine Frau, die, wie gesagt, ganz
frei von jedem Einfluß sein müssen, spricht er von dem «Riesengeist*
mit solcher Verehrung, daß man unmöglich etwas Gekünsteltes darin
sehen könnte. Mir scheint seine Begeisterung für Brahms viel tiefere
345
DA MOTTA: BOLOT UND DIB GEGBNTART
Grfinde zu hiben. Mit Liszis Musik war er vlelteicht, selbst in der Zeit
teioes KampfeB für ihn, innerlich nie ganz verschmolzen, Bratams und —
Vftgner*) dagegen, nameotlicb die Herbheit und die formelle Strenge und
Konzentration Brahms', entsprachen mehr seiner Natur.
TIe tragisch ist es nun, daß selbst der bocbverebrte Brahms Ibm
Schmerz zufügte I Denn als Brahms in Konflikt geriet zwischen seinen
alten Freunden (Clara Schumann, Reinecke usw.) und Bülow, hielt er trotz
allem, was er diesem verdankte, nicht unbedingt zu ihm. Ein tief ver-
wundender Pfeil mehr, wie Bülow deren leider so viele in seinem Leben
empfangen. Wenn er jemand mit heißem Herzen entgegenkam, sich ihm
mit Hingabe widmete, antwortete man ibm mit Zurfickbaltung und kälte.
Von hohem Interesse ist es auch,. in die Organisation der Konzerte
einen Einblick zu tun und zu sehen, wie selbst in praktischen Fragen
der später wegen seiner Geschicklichkeit so berühmte Hennann Volff
von Bülow vieles lernte.
Auch die Frage der Programmzusammenstellung, die heute so viel
Staub aufrührt, ist von Bülow schon vollsilndig im heutigen Sinne gelöst
worden. Aber wenn man heute Vorschläge macht zu einer künstlerischen
Aufteilung des Programms, weiß man nicht mehr, daß Bülow schon die-
selben Forderungen gestellt und erfüllt hatte.
Noch vieles mehr wäre aus diesen Briefen zu ersehen für das oben
gestellte Thema. Aber ich schließe hier und wünsche, daß jeder von
diesen Briefen denselben Eindruck einer großen Persdnlichkeit empfangen
möchte, des Gründers unseres modernen Konzertwesens, wie ich ihn
empfing. Teich ein Edelmann Bülow war, möge auch aus dem einzigartigen
Zug hervorgehen, wie er, der alternde Meister, den jungen, aufstrebenden
d'Albert bewunderte. Ein erhebendes Charakterbild und ein großes Stück
Kunstgeschichte enthalten Bülows Briefe.
■) Man verfl. die sricbütKrada TlrkuDg, die Tafnera Tod taf Ihn machte.
CARL LOEWES CHORGESÄNGE
WELTLICHEN INHALTS
von Dr. Leopold Hirschberg-Charlottenburg
Schlal
14.
»Beim Maitrank"* (J. N. Vogl) ist, ffir eine Singstimme mit Klavier-
begleitung arrangiert, in Bd. XVI, p. 124 zum erstenmal gedruckt,
ebenso das »Dolce far niente" (Bd. II, p. 108).
15. »Die Geister der Stifter* (ein Maurerlied) und die Umdichtung:
»Die seligen Meister der Tonkunst* (uflgedmckt) zeigen im
Anfang eine von Loewe öfters beliebte harfenähnliche Begleitung
(Anfang des »Nöck*); dann folgen ein paar dumpfe Hammer*
schlage, die Geister nah'n; ihr Gesang ist in breitem ^/^-Takt aus-
geführt. Der Schluß zeigt wieder die Rückkehr zum Anliang,
als die Geister unter Harfenklang »heimwärts zum ewig^
Morgen' entwallen.
16. Zwei Schulgesänge (ungedruckt). Manuskript in der Köni^ichen
Bibliothek zu Berlin.
»Unsere Aula* ist ein ganz einfaches Lied, durchweg vom Chor zu
singen. Reicher bedacht ist eine 1854 dem Abgange des Direktors Hassel-
bach vom Stettiner Gymnasium gewidmete Kantate. Ein von edler
Empfindung getragenes Abschiedslied, das in seinen drei Strophen jedips-
mal zuerst ein längeres Solo, dann ein Soloquartett ui\d endlich einen
kurzen Chor (wirkungsvoller Taktwechsel von ^/^ und \) bringt.
17. »Zumalacarregui." Spanische Romanze. Gedruckt im »Hohea-
zollem-Album", Bd. I, No. 19.
Dieser Freiheitsgesang ist von Loewe auf direkte Veranlassung
Friedrich Wilhelms IV. komponiert worden, der darüber an den General
von Pfuel schrieb: »Ich hoffe, das Lied wird Sie wfithend begeistern^ and
Sie werden Loewe begeistern und ihn dahin bringen, daß er es in Ikßlictae
Musik setze, auf daß unser Kriegsvolk zuweilen vom baskischen Helden
singe. Das Lied ist so aus einem Guß. Da darin zuletzt die Esel aaf des
Löwen Grab tanzen, wär's schön, wenn unser Loewe über jener Eseln Stall
347
HIRSCHBERG: LOE^TES WELTLICHE CHÖRE
brüllte". Der spanische Nationalcharakter ist in dieser Romanze ebenso glück-
lich getroffen, wie im »Sturm von Alhama"^); die Klavierbegleitung beider
ist fast die gleiche. Daß während der zwölf Strophen keine Ermüdung
beim Zuhörer Platz greift, dafür hat der Tondichter durch mannigfachste
«Umbiegungen* des Themas gesorgt.
18. »Abendlied" von L. Giesebrecht, ein sanfter Gesang, in der Gesamt-
ausgabe als einstimmiges Lied gedruckt*).
19. Zwei heitere Gesänge. Zum erstenmal gedruckt in »Germania.
Klänge aus der deutschen Lehrerwelt.* Berlin 1895, p. 279
und 295.
»Der weiße Hirsch" von Uhland ist wohl geeignet, unser Interesse
and das aller Männergesangvereine zu erregen. Denn das Uhlandsche
Gedicht ist eine wirkliche Ballade, und wir dürfen demgemäß von vorn-
herein die größten Ansprüche an die Komposition stellen. Die werden nun
voll erfüllt. Das Werk ist — ein neuer Beweis dafür, daß Loewe das
Richtige trifft — dreistimmig; denn drei Jäger sind es, die den weißen
Hirsch erjagen wollen. Der Chor vertritt in gewissem Sinne die Stelle
des antiken Chors, indem er seine Bemerkungen über die drei Jäger
(Tenor I, II, Baß) macht. Und so haben wir zunächst einen immer-
währenden Wechsel zwischen Solo und Chor. Eine lustige Jagdfanfaren-
melodie in E-dur, von den drei Solostimmen gebracht, setzt ein:
3 Solostimmen
f
ZG - gen
Ji - {er wohl auf die Birsch, sie
weil - ten er - jt - gen den wei - Ben Hirsch.
Der Chor wiederholt die beiden Zeilen, und so geht es weiter fort. Dabei
ist nun der Wechsel der Ton- und Taktarten bemerkenswert. Die zweite
Strophe ist bereits g-moll, die dritte, wo der dritte Jäger beginnt:
p
m
r J p fe_CT J'l j f fr r 1 J^-]
f
^
X
Mir bat fc - trinmt, ich Iclopft* anf den Busch, da rauwb - te
') Ges. Anss^ Bd. VI, p. 4S.
>) Bd. XVI, p. 11^
348
DIB MUSIK VII. 24.
F*-r ^ J I j ^ i* J <^
Hirsch her - tut, husch, husch,
im V^-Takt. Das Solo des zweiten Jigers weist \ und C-dor auf. Sehr
hübsch ist beim ersten Jäger noch der Homruf ausgef&brt:
Solo Chor Solo Chor
\^-i i I r ^
p Trs • rs, trs - rs, p trs - rs,~ pptn - tn, tra- nmvtra - ral —
Und nun beginnt der Chor halblaute bissige Bemerkangen zu machen:
Ten. I
¥
P
t
*
t
^=
Jt!
Jal
Ten. n, Baß
J«t
^' fr r ^ j
i>
So la-gen sie da und tprachen.
im. u, Baß f-Jlt f
d sprachen, die drei, so la-gea sie da and (
^
js, so
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f-g'^'r^Ml
Is-gen sie ds und
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spra-chen die drei
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sprs-cheo, die drei
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ja.
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ja.
^
:|=¥^
=3F
die
' V J) J J! il:
So spra-chen die
en die
i^
drei:
t:
3Sb
drei;
^
spra-chen die drei, drei:
Dann plötzlicher schneller Übergang nach E-dur; fugenaitig atflnan die
drei Stimmen hintereinander daher:
Da rann - te der wel • Ite Hirsch ?or • bat«
349
HIRSCHBERG: LOEVES WELTLICHE CHÖRE
als wollten sie das flüchtige Wild mit ihrem Nachlaufen einholen I Erst
als der Hirsch nicht mehr zu sehen ist, kommen die verdutzten Solisten
wieder zu Wort; bis dahin hat nur der Chor die Erzählung geführt.
Ganz wehmutig singt zum Schluß jeder der drei seinen Jagdruf und wird
vom Chor laut ausgelacht:
Baß Solo Tenor II Solo Tenor I Solo Chor
P Husch, husch, p piff, ptff, Pin • ra! / Hut cb, husch, piff, paff, tra-
rm-^^^h^vi
i
U ^ U
m
ra, — buscb, hutcb, piff, ptff, tra - ra!
Der zweite Gesang, «Der Ritter Schlemusalnick, eine lustige
Ballade im Stil der »Fliegenden Blätter' von J. N. Vogl, ist ebenfalls
äußerst dankbar, besonders die Stellen:
»Die Nacht, die iat des Schlemotalnicks Element,
Weil ihn kein Gläubiger zur Nachtzeit kennt*,
wo der erste Baß die zwölfte Stunde durch immerwährendes Bringen ein
und desselben Tones markiert, und:
»Da stolpert plötzlich unter ihm der Gaul,
Da liegt der Schlemutalnick auf teinem großen Maul*,
wo die einzelnen Stimmen in der Art eines Kanon das Herunterfallen de»
Helden vom Pferde schildern. Sehr komisch schließt das Stück im
pianissimo:
»Was hast du reiten müssen in ttockflosterer Nacht?!*
20. «Isabella.' Lyrisch-dramatische Versöhnungsszene aus
Schillers »Braut von Messina'. Ffir Alt-Solo und
Männerchor mit Begleitung des Pianoforte. Gedruckt
in »Die Musikwelt' (Berlin und Leipzig 1905, Heft 35 und 36).
Dort möge auch die ausführliche von Maximilian Kunze dazu
gegebene Erläuterung nachgelesen werden.
IL Abschnitt: Frauen-Chöre
21. Zwei Gesänge für drei Frauenstimmen. Op. 80, Heft 2.
(Berlin, Schlesinger).
„Frühlingsverein' («Drei Röslein im Garten') ist ein anspruchs-
loser Gesang im Volkston, dessen Vortrag jedoch eine nicht unbeträchtliche
Koloratur-Fertigkeit der Soprane voraussetzt. Größer angelegt ist »Trost
350
DIE MUSIK VII. 24.
in Tränen'' von Goethe. Hier wird, bei gleichfalls volkstfimlichem Satz^),
jede der vier Strophen von einem Alt-Solo eingeleitet:
Wie kommfSy dtß du so trsu-rig bist, ds ANles froh er- scheint?
Die Antwort bringt dann der dreistimmige Chor. Bekanntlich hat Peter
Cornelius das Gedicht derart komponiert, daß vier Solostimmen (Mezzo-
sopran, Tenor und zwei Bässe) die Fragen tun und ein Bariton-Solb die
Antwort gibt. Mir scheint diese in Trost und tränenreichste Milde getauchte
Dichtung besser von Frauen vertreten zu werden, wie es Loewe ge-
tan hat.
III. Abschnitt: Gemischte Chöre
22. Vierstimmige Gesänge für Sopran, Alt, Tenor und BaB. Op. 79.
(Dresden, Paul.)
Unter den sechs Stücken dieses Opus sind nicht weniger als vier
Goethesche Gedichte. In dem ersten, »Frühzeitiger Frühling", kommt
ein still-seliger Jubel zum Ausdruck: der leichtgeschürzte ^s*'''''^^ ^^
Allegretto-Tempo, die Koloraturen der Frauenstimmen, die halbgedimpfte
Tongebung — alles vereint sich, um die herrlichen Dichterworte möglichst
sinngemäß zu betonen. In seiner Einfachheit hervorragend ist der «Nacht-
gesang*; Huttens Wahlspruch »Ich habs gewagt*^ muB jeder Komponist
sich zu eigen machen können, wenn er sich an diese oder etwa di0
Mignon-Gesänge macht, die ohne Töne genug der Musik in sich tragen.
Im »Nachtgesang' fällt der Baß fort, während der Alt verdoppelt erscheint
Eine weiche, träumerische Stimmung liegt über dem Ganzen:
Sopran, Alt 1, II
|Mi' h{ :'j|
gib vom wei - eben
P
PfQh
le
PfQb*"^": "^^ le
^
I I I
trau • nend ein
t=t
i
2ZE
^
j j. j .
^) Goethes DiebtuDg lehnt sich Im Einging an ein älteres dialogisiertM Volks*
lied an.
351
HIRSCHBERG: LOEWES WELTLICHE CHÖRE
^^ dr ki' i^-
halb Ge-
i
^
börl
E
*
3^
dem »Schlafe, was willst du mehr' wird durch Eintreten der einzelnen
Singstimmen nacheinander und das pp ertönende
i
3
t
=t
Schla - fe!
des zweiten Alt am Schlüsse, während die übrigen Stimmen in breitem
Akkord verhallen, das Entschlummern schön gemalt. «Der Fruhlings-
Terein' (von F. Kugler) ähnelt in Anlage und Stimmung der No. 1. Während
nun No. 4 «Mailied* (»Wie herrlich leuchtet mir die Natur*) ebensowenig
wie Beethovens Komposition die Worte des Dichters erschöpft, erweist sich
No. 5, »Frühling übers Jahr*, als sehr abwechselungsreich. Dadurch,
daß die vier Stimmen, zuerst der Baß:
Allegretto giojoso
gS
ü
Das Beet schon lok
kert Siebs
Hob.
dann der Alt, weiter der Tenor und endlich der Sopran einzeln hinter-
einander eintreten, sich im ferneren Verlauf zu zwei und zwei ver-
einigen und dann bis zum Schluß im Vierklang verharren, wird das
allmähliche Erblühen der Natur und Liebe bis zum höchsten Glücks-
gefühl sinnfällig zur Darstellung gebracht. — No. 6, »Wunsch im Früh-
linge* (Keferstein), ist ein Volksliedchen im bescheidensten Rahmen
(nur elf Takte!) und von hoher Anmut.
23. Drei Gesänge für Sopran, Alt, Tenor und Baß. Op. 80, Heft 1.
(Berlin, Schlesinger.)
Das erste, »Der Lindenfoaum* von Willibald Alexis, ist durch be-
sonders reiche Anwendung der Koloratur am Sopran und Baß auffällig;
während die Frauenstimme das Summen der Bienen damit zu scnildem
hat, liegt der männlichen die Versiiinbildlichung des Rauschens der Bäume
ob. »Auf dem See* von Goethe steht nicht auf der Höhe anderer
Goethe-Kompositionen des Meisters und wirkt durch den immerwätirenden
352
DIE MUSIK VII. 24.
Wechsel der Taktart in ganz kurzen Zwischenriomen (%, ^/^, */^ kommen
innerhalb von 68 Takten 16 mal zum Vorschein) unruhig. Im Mittelsatz Bsdet
sich eine bemerkenswerte Schilderung, indem der Sopran allein die Melodie
führt, während die drei anderen Stimmen in flfistemdem Tone den illasCraliveft
Teil übernehmen:
Sopran
Auf der Wel - le
- send tchwe-ben-de Sur-nc,
m
Wel
le
P
f^ — fi
^
m
^^
Min
^
ken
tau • send
f f f
^
I— ^—5— 5— 5—5— 5-
g' 5 g g =^=^
?
tau - send scbwe-ben - de Ster - ne auf der Vel • le blin-keo.
wei • che Ne - bei trin - ken rings die tfir • men - de Fe^ - ae.
No. 3, «Dich soll mein Lied erheben', kann angesichts seiner Frömmigkeit
und Glaubenskraft fast unter die geistlichen Gesänge eingereiht werden.
24. Fünf Lieder für Sopran, Alt, Tenor und BaB. Op. 81. (Leipzigs
Breitkopf & Härtel).
Sie enthalten die bedeutendsten und auch bekanntesten Stfleke, dnmnter
die hochberühmte, holdselige Legende «In der Marienkirche", die ebenae»
wenig wie «Im Frühling' von Lenau, mit seiner Schilderung des »Lieder-
kletterns' der Lerche, einer ausführlicheren Erläuterung bedarf. Audi
Goethes «Im Vorübergehn' mit seiner bescheidenen Volksweite:
353
HIRSCHBERG: LOEWES WELTLICHE CHÖRE
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Ich ging im
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P 5 8 5-
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SU - chen, das war mein
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Sinn.
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wird stets gern gehört sein. Größere Formen zeigt »When the first
Summer foee* von Ferdinand Freiligrath. Ein in herrlichsten Mozartschen
Wohllaut gekleidetes Ständchen hören wir hier, im Anfang leis flüsternd,
bis auf zwei lautere Akzente, mit reizender Malerei des Bienengeräusches
durch Alt- und Tenorpassagen. Bald steigert sich die Empfindung: nach
kleinem kanonischen Wechselspiel zwischen Sopran und Baß, während
Alt und Tenor wie Zitherklang dazwischen reden:
Dann ]e - des Bee-tes Zier
Alt und Tenor
^'
^tirf-^ t f-f^^
P g
nabt
sie mit neu -er Belgier
Dann je - des Bee-tes Zier -de
Baß
naht sie mit neu -er Be-gierde
t
^
Dann
ja dann je - des Bee-tes Zier
naht
sie mit
schwingt sich alsbald der Tenor hoch auf:
Tenor cresc. assai
naht sie mit neu - er Be - gier - de, nabt sie mit neu - er Be • gier-de
und führt zu wundervollstem, vollakkordigem Gesänge aller Stimmen, wobei
Sopran und Tenor führend und ausdrucksvoll hervortreten:
354
DIE MUSIK VII. 24.
cresc.
^
bleib icb bei
i^
bleib ich bei
i^
ä
3
=ß^^
49^
t
^m
-v-
^
s
e
iP-
^
"<»-
bei dir
Dann wieder Rückkehr zum lockend flüsternden Anfangsthema und innis
ausgebreiteter Schluß.
Es war ein glücklicher Gedanke von Loewe, Goethes gewaltiges
.Ganymed* für vier Stimmen zu komponieren; vermag doeh eine Stimme
kaum die mächtigen Gedanken aller der Oden (» Prometheus*! »Schwager
Kronos*", ^Grenzen der Menschheit' usw.) zum Ausdruck zu bringen.
Den Meisterschöpfungen Schuberts schließen sich Loewes »Ganymed*
und »Mahomets Gesang'^) (für eine Tenorstimme) würdig an. W2hrend
nun Schuberts «Ganymed* in weicher, träumerischer Stimmung beginnt
und sich allmählich zu grandiosem Aufschwung hebt, beginnt der Loewesche
Chorgesang schon in starker, lebhafter Begeisterung, einem griechischen
Dithyrambus nicht unähnlich. Und diese Lebhaftigkeit, die In sich mühen-
der Unrast zu den Wolken emporsteigen will, die nirgend Ruhe und Ver-
weilen aufkommen läßt, ist das Charakteristikum des ganzen Werkes.
Windeswehen und Nachtigallenruf werden vom Sopran gemalt, während
die übrigen Stimmen die lauschende Natur widerspiegeln:
Sopran
PP
m
» —
' ^ C C "
PP
5f3a
Alt, Tenor, Baß
Lieb - li - eher
Mor-gen-wind mfl drein
I
t
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Lieb • li • eher Mor - gen - wind,
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^) Ges. Ausg., Bd. XII, No. 1.
355
HIRSCHBERG: LOEWES WELTLICHE CHÖRE
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die Nach - ti - gall
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die Nach - - ti - gtll
Beim , Hinauf strebt's' wirken alle Stimmen zusammen und teilen sich
beim Abwärtsschweben der Wolken, wobei speziell dem Baß die Schilde-
rung von »Die Wolken neigen sich* überlassen wird. Ganz machtvoll ist
vor dem im Smorzando sich verlierenden Schluß noch das »Umfangend
umfangen' ausgedrückt, indem Sopran und Baß einen vom Piano bis zum
Forte anwachsenden langgezogenen Ton, Alt und Tenor überlaut das Motiv
der Ruhelosigkeit bringen:
I
y
Sopran
't
^. Baß
auf.
r
Alt und Tenor
um-fan-gend um-ftm-gen, um-fan-gend um- fan-geo, um*fan*gend
In trefflichstem Arrangement für eine Singstimme, an die allerdings dabei
die höchsten Ansprüche gestellt werden, ist das Werk auch in die Gesamt-
ausgabe^) übergegangen.
25. Drei Chorgesänge: »Brautlied' (Brumm), »Frühlings Seele*
und »Taubenlied* von L. Giesebrecht.
Diese einfncheii, sangesmäßigen Kompositionen sind im Arrangement
für eine Singstimme mit Klfivierbegleitung der Gesamtausgabe einverleibt
worden*).
26. Bisher uugedruckt sind:
a) Ode des Pindar, für Solo und Chor;
b) Ode des Horaz (Buch I, No. 2).
Die zweite. Ode entreißen wir hiermit der Vergessenheit:
') Ge8.-Au8g. Bd. XII, p. 34. «) Bd. II, p. 16; Bd. XVI, p. 90,
104.
356
DIE MUSIK VII. 24.
Feierlich
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ar - bem.
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c) Hymnus.
Auch dieses historisch interessante Dokument bringen wir nachstehend zum
Abdruck, denn:
»Ut re mi ft
Est tott musict.*
357
HIRSCHBERG: LOEVES WELTLICHE CHÖRE
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IV. Abschnitt: Größere Werke (Kantaten) für Solostimmen
und gemischten Chor
27. »Die Walpurgisnacht*. Ballade von Goethe für Solo und
Chorgesang mit Begleitung des Orchesters (oder
des Piano forte). Op. 25.^)
Diese große, Spontini gewidmete Komposition darf in keiner Weise
mit der Mendelssohnschen verglichen werden, weil beide im Prinzip
auseinandergehen. Während uns Mendelssohn, wie Runze richtig hervor-
hebt, ein Oratorium im Kleinen gegeben hat, ist Loewe von Anfang
bis zu Ende Balladenkamponist; Mendelssohns Werk dauert etwa 40,
Loewes etwa 15 Minuten. Bei Mendelssohn eine lange Ouvertüre und
weit ausgesponnene Chorsätze — bei Loewe ein dramatischer Vorgang in
straffster Form, ein Gemälde nächtlicher Feier und nächtlichen Spuks —
Rembrandt und Höllenbreughel zugleich. Ein paar Äste hört man wohl
krachen :
Allegro vivace
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-Ä^
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Auch die Windsbraut pfeift wohl ein wenig durch die Baumwipfel:
^ut.1^
^) Ges. Ausg. Bd. XII, p. 156.
VIL 24.
24
358
DIE MUSIK VII. 24.
m
aber schon locken Höraer zur Feier Allvaters auf Bergeshöh:
Hin • aufy hin - auf nach o - ben, nach o - - • ben!
Da gibt es Icein Halten; die furchtsamen Warner und Weiber (kurzer Salz
in e-moll) werden beiseite gedrängt, das Holz wird zum Brande geschichtet:
'C r ' ^ r
X
t
^§
DerValdist frei! Das HoU her-bei, und scbich-tet es zum Bran-de!
Prompt und unauffällig gelangt der Befehl des Druidenfuhrers zur Aus-
führung, ein Meisterstück der Realistik:
Ver - teilt euch, wack
re Män-ner, hier durch die -ses
*
Wald • re - vier
und
m
X
t
t
*
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gan ze Vald - re • vier
Im ganzen acht Takte; bei Mendelssohn ein langer, wunderschöner, von
romantischen Waldhörnern durchklungener, dadurch jedoch der «Vorsicht*
entbehrender Chor. Auch der »Zacken- und Gabeln'-Gesang umfaßt nur
(Solo und Chor) 32 Takte:
L
jL p cresc, — — — — — — f
Kommt mit Ztk-ken und mit Gt-beln und mit Glut und Klap- per- Stöcken
Gerade der unisono gesungene Chor mit ebensolcher Begleitung bringt
das Spukhafte der Szenerie zum Ausdruck. Dasselbe Thema nimmt nnn
sinngemäß auch der christliche Wächter mit seinem «Menschen-Wölf und
Drachen -Weiber' und der darauffolgende Chor auf. Der feierliche, die
Naturreligion verherrlichende Schlußgesang zeigt das Antangsthema und
verbreitert sich erst in den letzten neun Takten zu machtvollstem ^/|*Takt:
359
HIRSCHBERG: LOEVES WELTLICHE CHÖRE
28. »Die Hochzeit der Thetis'. (Schillers Obersetzung aus
Akt IV der »Iphigenie in Aulis' des Euripides).
Große Kantate für Solo und Chorgesang. Op. 120.
(Berlin, Schlesinger).
Mit Recht hebt Bulthaupt*) bei der Besprechung dieses Werkes
hervor, daß uns in ihm die Antike in holdester Gestalt lebendig wird.
Ein goldig-strahlendes Kolorit liegt über dem ganzen Bilde. Homer und
Oboen teilen sich in die Schilderung des libyschen Rohres und der Schalmei.
Da gibt es keine künstliche Harmonisierung, wie wir sie in so vielen von
Loewes Meisterwerken finden; alles ist auf den Rhythmus angelegt. Das
Thema:
Sopran, Alt ÄUegro
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^=Mi-
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4— Ji-
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Tenor
lieb - lieh er-
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Hoch • zeit ge-
fSf Baß
lieb-lich er-klaog
Hochzeit- ge-ttng
ÖE^Ef
^
S
e^^5E^
tT
Wie lieb-lich er -kling
der Hoch-zeit - ge-taog.^
wiederholt sich so oft und so eindringlich am Anfang, in der Mitte und
am Ende, ohne jemals eintönig zu wirken, daß hier eine mit wirklich
einfachsten Mitteln arbeitende griechische Musik an unserm Ohr vorüber-
tönt. Und nun tanzen, immer in einfachster Harmonisierung, die fünfzig
Nereiden ihren Reigen:
') »Ctrl Loewe«. Berlin 1898, p. 71.
24*
360
DIE MUSIK VII. 24.
m
Sopran I
^ j] : r'—f. ^
Fünf- zig Sctawe
Sopran II, Alt I, II
Stern der
Gott • li • chen hüpf
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zig Schwestern der G5tt
li-chen hfipf-ten
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lu - stig da - ne
ben im
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glio-xen-den Sand.
stig da - ne-ben im glin-zen-den Sand.
Die ganze Kraft des Balladenschilderers aber j:eigt sich, als die Centnoren
kommen:
M innerebor AlUgro maestoso
^1
Grfi-ne Kro-nen in dem Haar und mit flch-te - nem Ge*
schösse, Menschen o-ben, un-ten Ros-se.
Das stampft und strampelt im Marschtempo mit Begleitung der Pauken
und Janitscharenmusik, daß es eine Lust ist. Und endlich beglont der
Baß den stolz-erhabenen Preis- und Prophezeiungsgesang:
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X
^^^
i
Heil dir ho - he' Ne • re - i • de!
der, unterbrochen von einem kleinen Solo, in strahlendem Glänze vom
ganzen Chor zu Ende geführt wird.
361
HIRSCHBERG: LOEVES WELTLICHE CHÖRE
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29. »Der Wurl**. Pommersche Ballade von L. Giesebrecht.')
Den Schlußrefrain einer jeden Strophe dieses elegischen Gedichtes
bilden die von einem dreistimmigen Chor gesungenen, volkstiimlichen Worte:
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wtebsen im
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Vald.
30. »Die fünf Sinne.« Für Soli und Chor. Humoristisches Quodlibet.*)
31. Ungedruckte Werke.
a) Epilogzu Schillers »Glocke« (L.G!esebrechi). Ein Schul-
Festgesang für Chor mit Begleitung des Streichquintetts,
b) »Die Kaiserin« (Josephine). Szene für Alt und Chor (Te-
deum) mit Begleitung des Orchesters.
c) Chöre zu »Themisto«, antike Tragödie von E. Raupach.
Eine ausführliche Abhandlung des Verfassers über dieses hoch-
bedeutsame Werk kann von Interessenten in den »Bllttem für
Haus- und Kirchenmusik« (1901, No. 4) nachgelesen werden.
»Es stirbt Niemand, ehe denn er sich vollendet und sein Lebens-
werk abgeschlossen hat. Dann stirbt er.«^
Loewes Lebenswerk wäre nicht vollendet gewesen, hätte er die hier
besprochenen Werke nicht geschrieben. Man kennt den Meister nicht,
wenn man sie nicht kennt.
>) Ges. Ausg., Bd. 11, pag. 134.
*) Erst vor kurzem aufgefunden und Ges. Ausg., Bd. II, pag. 102 zum ersten-
mal gedruckt
*) Ad. Bemb. Mtrx: Ludwig van Beettaeven. Berlin 1850, Bd. II, p. 24S.
BÜCHER
217. Ernst Biernath: Die Gitarre seit dem drittenjibrtausencl TorChrlstns.
Eine muslk- und kultursesctaichtlicbe Darstellung mit genauer QneUensB(alM.
Verlag: A. Haicli, Berlin 1907.
Die berrscbenden Instrumente waren sehr oft Gegenatand wlsieaschafllicber
Untersuchungen. Das Klavier behandelten K. F. Teitzmann, K. Kreba, O. Bje, die Violine
V. L. von LüttgendorfT, der Italiener A. Untersteiner («Storia de! vlolino*), daa Cello
Grillet und V. von Vaslelewskl; jetzt darf sich die dienende Gitarre der gleichen Ana*
Zeichnung rühmen. An Alter — wenn das ein Vorzug Ist ~ flbertrlfft sie alle Schweatem ;
ihr weitvenweigter Stammbaum wurzelt In Vorderasien. Der für seine Aufgabe begeiaterte
Verfasser bietet eine außergewöhnliche Fülle wissenscbattllcben Materisis ans sllen mSg-
liehen Schriften, Abbildungen alter Bildwerke und Berichten der Auagrabungafunde, nm
zu zeigen, wie das Instrument von dem Iltesten Kulturvolk des orientalischen Altertums,
den Babyloniem, die Vorderasien vor den semltlsclien Vfilkem in prihiatorlscher Zeit
bewohnten, ausging zu den Hethitern, Ägyptern, PhSniziem, Hebrlem, Griechen, RSmom
und Christen im Norden Europas; Im SchluQkapilel sehen wir es sogar In Indien und
China, Afrika und Amerika. Die angegebene Art der Verbreitung Ist wshrschelallch,
denn im Altertum und Mittelalter spielte sich die Teltgeschichte an den UtCm des
Mittellindiscben Meeres ab, die einzelnen Linder standen in inniger Verhlndnng; die
Behauptungen und Folgerungen beruhen überdies auf sicherem Quellenunlettian. Sowohl
für das Alter als auch den eingeschlagenen Teg bis zu uns ist der Beweis Im sllgemdnon
gelungen; daß manche Übertreibung dabei unterlluft, erklirt sich aus dem Elfer und der
Liebe für den bebandelten Gegenstand. Um seine Aufgabe zu begründet!, meint der Ver-
fasser in der Einteilung, die Gitarre sei jetzt sUuell, In Deutschlsnd fast In jedem
Hause, bei hoch und niedrig; am Schluß der Arbeit glsubi er, dsfi sie für vomebme
Hausmusik wieder zurückgewonnen werde: beides Ist doch nur mit starkem Vorbabslt
richtig. Ebenso sind bei den Ägyptern, Hebrlem und Griechen gewisae Elnachrin kaufen
gestattet. Die Harfe, die Luther mit Klnnor verwecbislt, hatte die Varherrscbsft; das
beweist nicht nur die Zahl der gefundenen Reste und Abbildungen, sondern aucb der
Reichtum in Form und Ausstattung. Die igyptiscbe Kapelle Im aBIlderatlas tur Bibel-
kunde* von Dr. Frohmeyer und Dr. Benzinger selgt allerdings auch ein Inatnimon^ dM
mit der Gitarre Ähnllcbkeit hat. Die Hebifer, die wegen des verbotenen Bilderdienstes
weder Plastik noch Malerei pflegten, aber sehr sangeslustig wsren, brühten sie an die
Utcr des Nils, denn auf dem Waadbilde eines Grsbes in Beni Hasaan seben wir unter
den einziehenden Semiten auch einen Lelerspiclcr. Benzinger (BHebrllscbe ArcUologle",
Freiburg i. Br. und Leipzig, Akademischer Verlag) mißt dem Instrument Übrigens gorlage
Bedeutung bei; es diente seiner Ansicht nach nur zur Angabe des Rhftbmas und Tones.
Tenn von den Griechen (S. 68) behauptet wird, daß es jeder Gebildete spielen 1
so müssen wenigstens die Lazedimonler, denen mehr an Leibesübnng und Tsfltai
an Musik gelegen war, davon ausgenommen werden, denn sie lleBen die Tenknns^ d
M
363
BESPRECHUNGEN (BOCHER)
Wert und Bedeutung sie erkannten, nur von Fremden ausüben. — Bei den gewissen-
haften Untersuchungen fiel manches Streiflicht auf die Kulturverhältnisse der betre£Penden
Zeit und des Landes; so sehen wir, wie sich dem Fortschritt überall Schwierigkeiten
entgegenstellen. Einem Neuerer reißt man die überflüssigen Saiten vom Instrument, er
selbst wird aus Sparta verbannt, ein anderer wegen Einführung des Griffbretts bestraft.
Die damaligen Einnahmen tüchtiger Künstler standen den heutigen nicht nach; denn der
Kitharist Amöbäus erhielt jedesmal, wenn er auf dem Theater sang und spielte, ein
attisches Talent, etwa 4715 Mark. Merkwürdigerweise ist England nicht ausführlich
berücksichtigt, trotzdem es zur Zeit der Königin Elisabeth viel Stoff bietet; auch von
Maria Stuart wissen wir, daß sie — wahrscheinlich hatte sie dies am französischen ^ofe
gelernt — ihre Gesänge kunstvoll zu begleiten verstand, daß sie dem Italiener David
Rizzio nur seiner musikalischen Fertigkeiten wegen ihre Gunst schenkte dessen Er-
mordung durch Damley der Grund ihres Unglücks wurde. Ein interessantes Kapitel in
der Geschichte der Gitarre! Die mittelalterlichen lateinischen Lieder sind stellenweise
sehr frei, aber sinngemäß übersetzt. Der Stil ist glatt; die Form »Mosis** ist allerdings weder
deutsch noch hebräisch, also fehlerhaft. Manche Fremdwörter, z. B. indigen (S. 38), Super-
fötation (S. 136), oder ungebräuchliche deutsche Formen, z. B. ahnte statt ähnelte (S. 121)
u. a., lassen sich leicht verbessern. Am Schluß sind die Berichtigungen zusammengestellt;
außer den angegebenen Druckfehlem finden sich aber noch verschiedene, auf S. 107 gleich
drei, femer auf S. 34 (autoritä bekommt einen Akzent), S. 02 (der Genitiv = des Apostels)
usw. Ein Personen- und Sachregister würde das Nachschlagen erleichtem, die Brauch-
barkeit also erhöhen. Die Ausstellungen sollen den Wert jedoch nicht schmalem, denn
ein Buch, das auf Veranlassung des preußischen Kultusministeriums von der Königlichen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin geprüft wurde, ist nicht allzu häufig in der musika-
lischen Literatur. Es setzt nicht nur volle Beherrschung des Gegenstandes, sondem auch
weitgehende Kenntnisse der verschiedenen Sprachen voraus. Der Verfasser verstand es,
* den reichen Stoff geschickt zu gmppieren, jede Breite zu vermeiden, das Wesent-
liche deutlich hervorzuheben und seiner mhigen, sachlichen Darstellung eine gewisse
Oberzeugungskraft zu verleihen, so daß sein Werk vielleicht eine neue Ansicht über das
bisherige Aschenbrödel der Musikinstmmente bewirkt. Ernst Stier
218. Adolf Prosniz: Handbuch der Klavier-Literatur 1830 bis 1004, historisch-
kritische Obersicht. Verlag: L. Doblinger (Bemhard Herzmansky), Leipzig
und Wien 1907.
Für mich haben die beiden „Handbücher der Klavier-Literatur* des greisen ehe-
maligen Professors am Wiener Konservatorium etwas Rührendes. Es steckt eine geradezu
beispiellos geduldige und Sandkom um Sandkom herbeitragende Arbeit von Jahren und
Jahrzehnten in ihnen, und doch, in Anlage und ästhetischem Gehalt sind sie teils ver-
fehlt, teils veraltet, besonders das neue vorliegende, die Fortsetzung des ersten Bandes
(1450—1830). Seine Einteilung ist nicht nach entwickelungsgeschichtlichen Gmndsätzen,
die für Oberschau eines größeren Zeitraums in der Kunstgeschichte unumgänglich sind,
erfolgt, sondem sie sind sortiert nach: Koryphäen, Klavierkomponisten nächster oder
spezieller Bedeutung, nach Komponisten, deren Klavierwerke von Kunstwert oder literar-
historischem Interesse sind, Modeliteratur, Technik« Schule «Pädagogik, Komponisten
anderer Gebiete in ihren Klavierwerken — wie man sieht, bei praktischer Festlegung und
Einordnung durchaus subjektiven und schwankenden Begriffnen. Schon bei den Koryphäen
werden die meisten den immer rascher vergessenen Rubinstein, bei dem sich Mangel an
Selbstkritik grausam rächte, lieber der nächsten Abteilung zuweisen wollen, und •••{>,
schon die rasche Prüfung fördert einen ganzen Blumenkorb voll „angefochtener*
Komponisten zutage, die man aus dem einen oder anderen Grunde nicht in dieser oder
364
DIE MUSIK VIL 24.
jener Abteilung dulden möchte. Und was ergeben denn schließlich diese Einordnunfen?
Doch kein fest umrissenes Bild von der Entwickelung der Kitviermusik in dem oten
angegebenen Zeitraum, sondern lediglich eine bunte, in der verwirrenden Fülle der Er-
scheinungen unübersehbare Anhiufüng von Namen ohne Leben ! Denn das, was dieseffl
hochverdienstlichen Katalog neuerer Klaviermusik Leben geben könnte, die Einteilungp
geht nirgends über den Standpunkt des von entwickelungsgeschichtlicher Kenntnis uiid
Erkenntnis der Klaviermusik völlig unberührten Musikers hinaus. Nirgends mehr als
oft unbehilflich und altmodisch stilisierte Wertungen: Grieg, Jensen (EroticonK Gade
(Sonate op. 28!), nordische (nordische Langweile!), Cdsar Franck, Sjögren (völlig unter-
schitzt; Klaviersonaten fehlen), Stenhammar, Rudolph Niemann, die Jungrussen usw. —
so viel Namen, so viel anfechtbare oder durchaus schiefe Wertungen. Das Beste bietet die
Generalübersicht über die Modekomponisten, ein sehr verdienstlicher und wertvoller
Abschnitt. Im übrigen ist's unmöglich, daß man auf diese Weise einen noch so knappen,
geschichtlichen Oberblick auch über die neuere Zeit schreiben kann. Da veriangt man
vollkommenes und zugleich das Wichtige vom Nebensichlichen sichtendes Oberschanea
des Stoffes, entwickelungsgeschichtliches Vorgehen, unbedingtes Zurücktreten des eigeaea
Geschmacks zugunsten geschichtlicher Wahrheit und Gerechtigkeit auch gegen persönlich
mehr oder minder unsympathische 'Erscheinungen. Mit »bizarr*, »roh*, «abstoOend*,
„unnatürlich", „ft^mdartig", „streng* usw. ist da wirklich nichts getan. Ganx anders
steht die Sache, wenn man das Buch vom bibliographischen Standpunkt betrachtet
Da ist es ein bei der Fülle des zusammengetragenen Stoffes fast nie versagendes Nach*
Schlagewerk von bleibender Bedeutung, eine Art theoretischer Er^Uizong zu Ruthavdts
„Wegweiser durch die Klavierliteratur*, das über alle auftretenden Fragen auf dem Gablet
der Klaviermusik — Biographisches, Verleger, Arrangements usw. — im allgemeinen vai^
läßliche Auskunft gibt Schade, daß der Verfasser es nicht bis 1907 ausdehnte. Die
Aufhahme der auch für die Klaviermusik interessanten Komponisten: d'Ambroslo» Deasoff,
Otto Dom, AlfV6n, Louis Glaß, Robert Henriques, Frugatta, Frontini, Ferraria, Pdldinl,
Terenghi u. a. wire für später zu erwägen. Einige Druckfehler seien berichtigi:
Peter son-Berger, Stenhammar, Birkedal-Barfod, Boekelman, Homemaa. Elaea
ästhetischen oder geschichtlichen Wert kann ich, wo es sich um bei ihrer knappen
Fassung doppelt verantwortliche Werturteile handelt, nur in den seltensten Pillen aa*
erkennen. Den zur ersten Sichtung für manchen ja gewiß willkommenen Baedeker-
Sternchen als Auszeichnungen für besonders beachtenswerte Werke wird man nach
Stichproben, wie den Gasthausstemchen jener berühmten Reisehandbücher, kalneriel
Allgemeingültigkeit oder Verbindlichkeit zusprechen dürfen. Freuen wir uns aber trotz
allem dieses Buches als eines, von nicht genug anzuerkennendem staunenswerten FlelBe
zeugenden Denkmals germanischer Gründlichkeit und benützen wir es in Dankbarkeit
als einzige und alles überragende internationale Bibliographie der Klaviermusik.
Dr. Walter Niemann
219. Wilhelm von Lenz: Beethoven. Eine Kunststudie. I. Teil: Das Lebea
des Meisters. Neudruck mit Ergänzungen und Erläuterungen von
Dr. AI fr. Chr. Kali scher. Verlag: Schuster ft Loeifler, Berlla uad
Leipzig 1908.
Von Lenz' großem, fünfbändigem Beethovenwerk (1855—1800 erschieaen) iat dar
erste Band unter die „Neudrucke der Beethovenliteratur* aufgenommen worden, — aar
dieser, weil er allein weitere Kreise zu interessieren vermiß. Die fibrigen Tella^ b^
sonders der umfangreiche „Kritische Katalog*, haben nur noch für den BeetbovanfofaclMr
Bedeutung. Jener erste Band trägt den Titel: „Das Leben des Meisters*, Ist aber ailea
andere als eine Musikerbiographie im landläufigen Sinne. Sprung» und skizseabafl vM
365 '
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
das Leben Beethovens darin behandelt; auch werden nur einzelne Hauptwerke des
Meisters eingehend analysiert. Der Schwerpunkt des Buches Hegt picht hier, sondern
in dem ^streichen Geplauder Lenz' über Beethoven den Künstler, seine Werke und
seine Zeit. Der Autor wollte mit seinem Buch kein biographisches Quellen werk bieten.
Er verzichtete auf eigene Quellenstudien und begnügte sich damit, die historischen Tat-
sachen nach Schindler und Wegeler-Ries wiederzugeben. Und nicht einmal genaues
Referieren hielt er für nötig. Der göschmackvollen Diktion zuliebe änderte und ver-
drehte er die Ereignisse. Hier setzt die Tätigkeit des Herausgebers des Neudruckes
ein. Er nennt in Fußnoten den wahren Sachverhalt, wo Lenz ins Fabulieren gerät.
Nicht um positive Fakta zu erfahren, die wir bei Thayer finden können, greifen wir zu
Lenz, sondern um den begeisternden Improvisationen eines genialen Beethovenrhapsoden
zu lauschen. Wen der Zauber seiner Worte einmal gepackt hat, der hört ihn auch zu
Ende. Man liest sein Buch und schwankt, was man mehr daran bewundem soll, die
tiefe Kenntnis der Kunst Beethovens, die flüssige, elegante, oft mit funkelndem Witz
belebte Darstellung oder das feine Maßhalten des Autors, der bei allem flammenden
Enthusiasmus für seinen Helden doch nie in phrasenhafte Hyperbeln verfällt Als
frühestes Werk, das Beethoven rein ästhetisch zu fassen sucht, nimmt Lenz' Buch einen
hervorragenden Platz in der Beethovenliteratur ein.
Dr. Hans Volkmann
MUSIKALIEN
220. Hundert lettische Volksweisen« Herausgegeben von J. Withol. Verlag: P,
Neidner, Riga.
Ein reicher Schatz von sangbaren Weisen, den das lettische Volkstum sein eigen
nennt, ist in diesem Hefte vereinigt. Die Melodieen sind meist sehr kurz, aber aufler-
ordentlich sangbar und obren fällig, auch erinnern manche von ihnen auffällig an
Melodieen, die in gewissen Gegenden Deutschlands gesungen werden. Der musikalische
Satz von J. Withol ist einfach, ohne altmodisch zu sein. Die Texte sind aber zum großen
Teil recht belanglos.
221. Deutsche altlivländische Volkslieder, für eine Singstimme gesetzt von Gustav
Frhr. von Manteuffel. Verlag: P. Neidner, Riga.
Diese Sammlung steht unserm Empfinden begreiflicherweise weit näher als die
vorige, und wir entdecken in ihr mit Vergnügen alte Bekannte, wie »Das arme Dorf-
schulmeisterlein^ „Der Allerbeste, den ich hab** und „Widewidewitt, mein Mann ist
Schneider*, die als uralte deutsche Weisen bei der deutschen Besiedelung Livlands dort-
hin mit ausgewandert sind. Auch hier hat sich der Bearbeiter in den ihm gebotenen
Grenzen mit Geschmack gebalten. F. A. Geißler
222. Ernst Eduard Taubert: Suite (No.2) in F-dur. SechsTondichtungen nach
Goetheschen Worten für Pianoforte. op. 70. Verlag: Ries & Erler,
Berlin.
Was E. E. Taubert veröffentlicht, zeichnet sich stets durch musikalischen und
poetischen Gehalt aus. Er komponiert nicht nur, um eine möglichst hohe Opuszahl zu
erreichen, sondern augenscheinlich nur dann, wenn ihm etwas des Fixierens Wertes ein-
fällt. Seiner schon vielgespielten Phantasie-Sonate und dem in vergangener Saison mit
großem Erfolge eingeführten Violinkonzert reiht sich dieses neueste Werk würdig an.
Es sind sechs, teilweise in Tanzform (Walzer, Gavotte, Menuett) gekleidete Stücke, die
den Charakter der ihnen zugrunde liegenden Worte Goethes vorzüglich treffen. Aber
366
DIE MUSIK VII. 24.
auch in den anderen Sätzen (PrXludium, Adagio, Finale) zeigt taubeit seine hervor-
ragende Kunst in harmonischer und kontrapunktischer Hinsicht, ohne dabei den
dichterischen Gedanken eine zweite Rolle zuzuweisen. Einem tüchtigen, feinfühlenden
Pianisten bietet diese Suite eine interessante und dankbare Aufgabe.
223. Fr« Grfitzmacher jun.: Kammermusikstudien zeitgenAssischer Ton-
setzer für Violoncell. Verlag: Breitkopf & Härtel, Leipzig.
Sammlungen schwieriger Stellen für einzelne Instrumente, seien sie aus Opern,
Symphonieen, Ouvertüren oder, wie die vorliegenden, aus Kammermusikwerken, sind
stets willkommen zu heißen, vorausgesetzt, daß der Herausgeber Literaturkenntnisse und
praktische Erfahrung besitzt. Beides scheint hier jedoch nicht zuzutreffen, felis der Aus-
wahl sehr selten oder nie gespielter Werke nicht eine, allerdings schwer zu billigende
Absicht zugrunde liegen sollte. Kammermusik spielenden Künstlern und Dilettanten sind
ihre betreffenden Stimmen zum Zwecke der Vorbereitung oft nicht zugänglich; es kommt
also in erster Reihe darauf an, ihnen Auszüge aus den Werken zu bieten, die zum
Repertoire aller Kunstfreunde gehören, also aus denen der bedeutendsten Meister. Daß
der Herausgeber die Klassiker Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann und
Mendelssohn ganz überging, soll ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, denn deren
vollständige Werke sind für kleine Preise heute fest jedem erschwinglich, aber von den
späteren Komponisten sind die bedeutendsten in dieser Sammlung überhaupt nicht ver*
treten, so z. B. Brahms, DvoHk, Tschaikowsky, Saint-SaSns, Raff, Goldmark, Smetana,
Grieg, Hugo Wolf, R. Strauß, Reger, Pfitzner, Arensky usw. usw. Von Volkmann zählt
sein herrliches b-moll Trio zu den beliebtesten Werken der Literatur; das äußerst wert-
volle Klavierquartett von L. V. Saar steht mindestens auf der gleichen Stufe wie die von
Grützmacher gewählten Kompositionen. Für überflüssig halte ich dagegen die Autzüge
aus Streichquartetten, resp. Quintetten, Trios usw. von Gade, Godard, Lalo, Novak,
Rubinstein, Weingartner, Jadassohn, Reinecke. Aber auch damit könnte man einverstanden
sein, wenn wenigstens die Bezeichnung der angeführten Stellen mit Fingersitzen und
Bogenstrichen die Hand des Künstlers verriete. Davon ist nichts zu spüren. Im Gegen-
teil sind diese so dilettantisch, wie nur irgend möglich, und geben dem ungeübten Spieler,
wenn überhaupt, nur Ratschläge, wie man sich zum schlechten Musiker bildet Wo
Fingersätze und Bogenstriche angegeben sind, widersprechen sie allen Regeln
musikalischer Logik.
224. Friedrich Gerasheim: Konzert für Violoncello mit Orchester, op. 78.
Ausgabe mit Klavier vom Komponisten. Verlag: Rob. Forberg, Leipzig.
Gernsheims neues Konzert erinnert thematisch und in seinem Passagenwerk recht
aufdringlich an die altbewährten Arbeiten von Goltermann und Raff, die jedem Cellisten
vertraut sind, nur daß die Begleitung etwas selbständiger und harmonisch reicher ist
Der langsame Mittelsatz wird dem Konzert durch seine schöne Melodie sicher zum Er-
folge verhelfen, und ihm zuliebe wird es gern gespielt werden.
225. Julius Kleugel: Konzert in e-moll für zwei Violoncelle und Orchester.
op. 45. Ausgabe mit Klavier. Verlag: Breitkopf & Härtel, Leipzig.
Daß ein von einem hervorragenden Virtuosen komponiertes Werk die Eigenart
seines Instrumentes ins beste Licht zu setzen weiß, versteht sich von selbst. So ist
auch das Konzert für zwei Celli von Kiengel ein für tüchtige Spieler sehr dankteres
Virtuosenstück. Ganz besonders wertvoll ist es für Studienzwecke. Musikalisch bietet
es nichts Neues. Es ist in der ehemals beliebten, ohrgefälligen Manier geschrieben, die
von den Geigern Beriet, Alard usw. nach allen Richtungen ausgenutzt wvrde. Tenen,
Sexten und Oktaven spielen eine große Rolle darin, hin und wieder durch Termiaderie
Septimenakkorde aus ihrem Wohlklsnge aufgeschreckt! Auch rhythmisch hält sich das
367
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
im
Konzert in bekanntem Fahrwasser. Das Hauptthema ist sogar verblu£Pend unoriginell.
Kompositionstechnisch ist alles von größter Gediegenheit. Unter den Cellisten, die ja
nicht allzu verwöhnt sind, durfte das Werk sich viele Freunde erwerben.
Arthur Laser
226. Ernst Toch: Melodische Skizzen für Klavier, op. 9. — Drei Präludien
(a-moll, A-dur, d-moU) für Klavier zu zwei Händen, op. 10. — Scherzo
(h-moll) für Klavier zu zwei Händen, op. 11. Verlag: P. Pabst, Leipzig.
Die fünf melodischen Skizzen, von denen die ersten beiden (Ständchen, Reigen)
die anderen drei erheblich überragen, sind melodiöse kleine Stücke leichteren Genres,
die eine entschiedene Begabung für die kleineren lyrischen Formen zeigen. Auch die
etwas ausgearbeiteteren Präludien enthalten wirkungsvolle Musik, besonders das vor-
trefflich durchgeführte, lebendige erste in a-moll; das dritte in d-moll erinnert im Ein-
gang sehr stark an die neunte Nummer von Schumanns Dichterliebe (»Das war ein Flöten
und Geigen*). Minder gelungen ist das etwas trockene Scherzo.
227. Nicolaus Medtner: Acht Stimmungsbilder für Pianoforte. op. 1. —
Trois improvisations pour piano, op. 2. — Drei Arabesken für
Klavier, op. 7. — Sonatentriade für Klavier, op. 11. Verlag:
P- Jurgenson, Moskau und Leipzig.
Mit diesen Erstlingen vermochten wir uns nicht recht anzufreunden : die Erfindung
ist weder reich noch blühend, die Schreibweise oft kraus und trocken, die thematische
Durchführung mehrfoch uninteressant, so daß kein rechter Kunstgenuß aufkommen kann.
Schon der Titel „Tragödie (!)- Fragment** (op. 7, No. 2; 3) zeigt, daß es dem Verfasser
mehr auf programmatische Grübeleien, als auf warmes musikalisches Leben ankommt.
Op. 11 kann nur ganz mißbräuchlich den Sonaten beigezählt werden. Als bestes aller
Stücke sei op. 1, No. 2 hervorgehoben.
228. August Halm: Kompositionen für Pianoforte. Heft 2: Fuge in d-moll,
Fuge in F-dur. Heft 3: Bagatellen, Gavotte, Sarabande mit
Variationen. Verlag: G. A. Zumsteeg, Stuttgart.
Dem ersten Heft dieser Kompositionen durften wir (VI, 23, S. 307; Reiz und
Kraft nachrühmen. Das zweite und das dritte stehen wegen allzu spröder Erfindung bei
aller regelrechten Ausführung des Formellen nicht ganz auf der gleichen Höhe. Am
meisten hat uns die erste der Bagatellen und die Sarabande mit Variationen angesprochen,
während die beiden Fugen an einer gewissen Trockenheit leiden.
229. Alezander Scriäblne: Quatre pr^ludes pour piano, op. 48. — Trois
roorceaux pour piano, op. 49. — Quatre morceaux pour piano,
op. 51. Verlag: M. P. Belateff, Leipzig.
Es ist ein recht krauser musikalischer Geschmack, der sich in diesen Werken
dem Freunde der Tonkunst darbietet« Da uns von den älteren Schöpfungen des schon
zu einer recht hohen Opuszabl vorgeschrittenen Komponisten nichts bekannt ist, so
können wir kein Urteil darüber haben, ob hier ein durchgängiger individueller Charakter
oder nur ein zeitweiliger Irrweg des Verfassers vorliegt. Die drei Hefte leisten jedenfalls
an Verzwicktheit und Sprödigkeit der melodischen Erfindung, soweit eine solche überhaupt
als vorhanden bezeichnet werden kann, an disharmonischer Schroffheit der Akkordfolgen
und an rhythmischer Caprice das Menschenmögliche. Ein künstlerischer Eindruck ent-
steht auf diese Weise natürlich nicht. Daß der Verfasser stark mit programmatischen,
also an sich außermusikaliscben Motiven arbeitet, zeigen schon Titel wie »Fragilit^*,
„Po^me ai]6'' und ^.Danse languide* (op. 51, 1. 3. 4).
Albert Leitzmann
368
DIE MUSIK VII. 24.
230. Hans Pfitzner: An den Mond. Gedicht von Goethe für eine Sing-
stimme mit Begleitung des Pianoforte op. 18. ^ Zwei Lieder.
Gedichte von Karl Busse, op. 19. Verlag: Max Brockhaut, Leipzig.
Pfltzners op. 18 und 19 sind keine erfreulichen Äußerungen seines Talentes.
Am besten gelang noch op. 19 No. 2 „Michaelskirchplatz*. Hier ist Stimmung und
melodischer Schwung, wenn auch nicht in höherem Matte, yorhanden. Goethes durch
sprachlichen Klangzauber in ewigem Jugendglanze erstrahlende Dichtung »An den
Mond"* hat sich dagegen in Pfltzners Phantasie zu einem krankhaft fiberspannten Musik-
stuck verunstaltet. Es ist ein Konglomerat von harmonischer Gespreiztheit und Unnatur»
das man, je eher je lieber, wieder aus der Hand legt. Auf ähnlichem Standpunkt steht
auch sein op. 19 No. 1 „Stimme der Sehnsucht**, wenn es auch in seinem Schluilteil
einen harmonischen Eindruck macht.
231. Jean Sibelius: Drei Gesinge mit Klavierbegleitung, op. 17 No. S, % 7.
Verlag: Breitkopf & Hirtel, Leipzig.
Während No. 6 »An den Abend* und No. 7 »Der Schwan auf den Wellen* musikalisch
von keiner besonderen Bedeutung sind, ist „die Libelle* — No. 5 — in ihrer harmonischen
und melodischen Anlage ein Stuck von besonderer Eigenart Ob Sibelius die Dich-
tung mit dieser Vertonung erschöpfte, läßt sich nicht feststellen, um so weniger, als die
Obersetzung des Herrn Boruttau an phrasenhaftem und schwfilstigem Deutsch un-
glaubliches leistet. Bemerken will ich noch, daß »die Libelle* gesangstechnisch ein sehr
diffiziles Stuck ist. Musikalische Sängerinnen mit bewußtem Tonansatz dürften indessen
eine starke Wirkung damit erzielen.
232. Volkmar Andreac: Sechs Gedichte von Conrad Ferdinand Meyer ffir
eine Singstimme und Klavier, op. 10. Verlag: Gebrüder Hag ft Co.,
Leipzig und Zürich.
Bevor Volkmar Andreae sein kompositorisches Talent wieder in den Dienst des
Liedes stellt, empfehle ich ihm dringend, grundliche Studien über Textphrasierungen und
Atemmöglichkeiten des Sängers zu machen. Was der Komponist sich bestrebte, musikalisch
Gutes zu leisten, hat er sich durch seine Ungeschicklichkeit in der Behandlung der
deutschen Sprache und durch seine Unkenntnis dessen, was ein Singer auszuführen
fähig ist, gründlich verdorben. Nach dem vorliegenden Opus 10 zu urteilen, scheint
sich bei dem Komponisten der Begriff »Lied* als ein Klavierstück, zu dem man eine
Stimme Töne singen läßt, darzustellen. »Requiem*, »Ein Lied Chastelards*, i,Eingelcgte
Ruder*, sämtlich Gesänge, die musikalisch stark interessieren, kranken durchweg an
der gleichgültigen Behandlung der Dichtung und ihrer Phrasierung. Den Gipfbl der
Geschmacklosigkeit erreicht aber der Komponist in dem Liede »Abendwolke*. Hier
zerrt er die Worte, die Haupt- und Nebensilben derart auseinander, daß weder von einer
musikalischen Charakterisierung der Dichtung die Rede sein kann, noch der Singer
bei aller Atemökonomie imstande ist, den Anforderungen des Komponisten nach-
zukommen. Ein Lied hat nur dann den gerechten Anspruch, als Kunstwerk anerkannt
zu werden, wenn es nicht nur musikalischen Gehalt bat, sondern sich in ihm auch Wort
und Ton in inniger Verschmelzung zu einem logischen Ganzen einen und die Schwingnngs-
linie des Melos dem Wort die erhöhte Potenz des Ausdrucks verleiht Bedaueriich ist
es, daß nur wenige unserer Tonsetzer dem Wesen des Liedes ein klares Versttodois
entgegenbringen. Man kann diese Oberflächlichkeit nicht genug verurteilen, hesondsrs
aber dann, wenn sie einem bei solch zweifellos starkem Talent begegnet, als welches idi
Volkmar Andreae schätze. Adolf Göttmann
Aus ausländischen Musikzeitschriften
BULLETIN FRANgAIS DE LA SOCI£t£ INTERNATIONALE DE MUSIQUE
(Section de Paris) 1908, No. 1—7. — Die Hefte entbtlten die folgenden, zum Teil
sehr wertvollen Aufsätze: No. 1: »L'csuyre de Paganini* (»Das Werk Paganini's")
von Alberto Bachmann. — «Un mariage grögorien'' („Eine gregorianische Trauung*)
von Jules fcorcheville (Bericht über eine Trauung i. J. 1007, deren gottes-
dienstliche Feier sich streng in den Formen des gregorianischen Stils hielt). —
,La musique des syllabes et les sirönes du Docteur Marage" (»Die Musik der
Silben und die Sirenen des Dr. Marage*) von Jean d*Udine (über akustische Experi-
mente von Marage). — »De l'adaptation musicale* («Ober musikalische Anpassung*)
von Alix LenoSl-Zevort — »Un problöme d'esth^tique wagn^rienne* (»Eine Frage
der Wagnerschen Ästhetik*) von Lionel d'Auriac (fiber Wortdichtung und Ton-
dichtung in Wagners Werk). — »Le drame musical contemporain* (»Das zeit-
genössische Musikdrama*), II. Kapitel, von Ricciotto Canudo. — »Boris Godounov*
von M.-D. Calvocoressi (aus dem Werke „Moussorgski^). — No. 2: »Le Luth
et sa musique* (»Ober die Laute und die Lautenmusik*) von Jules £corcheville
(mit 2 Kunstbeilagen und 16 Seiten Obertragungen aus Tabulaturen des 16. und
17. Jahrhunderts in moderne Notenschrift). — »Le Journal d'une chanteuse annamite*
(»Tagebuch einer annamitischen Sängerin*) von Pol Varton (übersetzt aus dem
Annamitischen und mit Anmerkungen versehen). — »R6impression de trait^s
musicaux du moyen äge* (»Neudrucke von musiktheoretischen Abhandlungen aus
dem Mittelalter*) von G. Allix. (Allix weist eine Menge Fehler in dem Werke
»Scriptores de musica medii aevi** von De Goussemaker nach, das in Faksimile
neugedruckt werden soll. Er nennt das Werk grundlegend und für jeden, der die
Musik des Mittelalters gründlich kennen lernen will, unentbehrlich, hält es aber
für verkehrt, es mit allen Fehlern, Ungenauigkeiten usw. nachzudrucken.) —
»Beckmess^rianisme anglais* (»Englisches Beckmessertum*) von Francis Toye
und Marcel Boulestin (über die Mängel in dem Musikunterricht an den Uni-
versitäten Oxford und Gambridge und ihren Einfluß auf die Musikpflege in Eng-
land). ~ „La Mer. Trois esquisses symphoniques de Glaude Debussy* (»Das
Meer. Drei symphonische Versuche von Glaude Debussy*) von Louis Laloy. —
No. 3: „La mise en scöne d'Hippolyte et Ariele'* (»Die Inszenierung von ,Hippolyte
und Aricie**) von Georges Imbart de La Tour (mit vielen Bilderbeilagen). —
„La musique espagnole moderne^ (»»Die moderne spanische Musik^ von Henri
G oll et. — »Musique et musicologie anglaises'* (»Musik und Musikwissenschaft
in England**) von M.-D. Galvocoressi (Fortseuung in No. 5). — „Litt^rateurs
symphonistes** („Literatursymphoniker**) von Ricciotto Ganudo. — No. 4: »La
premiöre comddie fran^aise en musique** („Die erste fhmzösische Musikkomödie**)
von Henri Quittard (über das 1654 erschienene, von Michel De It Guerre
komponierte Werk „Le triomphe de Tamour sur des bergers et bergires**; Schluß in
Heft 5). — „Le goüt de la musique chez Stendhal*^ (»Der musikalische Geschmack
bei Stendhal**) von Alexandre Arnoux. — „Un romantique sous Louis-Philippe^ von
370
DIE MUSIK VII. 24.
9K
Martial Teneo (bespricht Adolphe Boschofs unter dem selben Titel erschienenes
Werk Ober Berlioz). — „Lutherie. — L'hygiftne du violon. Conseils pratiques
sur Tentretien des instruments k archet en vue de leur conservation^ („Geigenbau.
— Die Hygiene der Geige. Praktische Ratschlige über die Behandlang der
Streichinstrumente zum Zweck ihrer lingeren Erhaltung^ von Luden Greilaamer
(Fortsetzung in No. 5). ^ ,,La musique k Berlin^ yon Edmond De läge (Qber
Berliner Musikpflege im letzten Winter). — „Le ^temps fort^ dans le Itythme^
(,,Der betonte Taktteil nach der Lehre vom Rhythmus'^ von Maurice Emmanuel
(aus dem bald erscheinenden „Dictionnaire du Conservatoire^. — „De certmlns
mouvements de Topinion musicale contemporaine'' (^Ober gewisse Änderungen
der heutigen Ansichten über Musik'O von Edmond Mau rat. — ^^La musique
anglaise moderne. Une interview avec Mrs. Rosa Newmarch^ von Charles Chass6.
— No. 6: »Lecerf de la Vi6ville et 1' esth^tique musicale classique au XVII« siöcle*
(„Lecerf de la Vidville und die klassische Musik-Asthetik im 17. Jahrhundert^ von
Henry Pruniöres. — „Causerie musicale. La trrraditlon^ von E. Jaques-
Dalcroze (gegen die Oberschitzung der Tradition). — y^Musical England. Quelques
notes sur les soci6t6s chorales^ (»Das musikalische England. Einige Bemeriniitgra
über die Choral Vereinigungen*^) von Jean Classy. — y^o^sie et musique^ von
Louis Thomas. — No. 7: ,«Rimski-Korsakow^ von Louis Laloy (zum Tode des
Komponisten, mit mehreren Bilderbeilagen). — „Lg Classification des timbres et
les sons compl^mentaires^ (Die Klassifizierung der Klinge und die Komplemeotir-
töne^) von Jean d'Udine. — „Les chants d'amour dans la musique Orientale^
(„Die Liebeslieder in der orientalischen Musik^ von Gaston Knosp (mit Noten-
beilagen).
LE COURRIER MUSICAL (Paris) 1906, Heft 1—14. — Heft 1, 2 und 5: »U
centralisation et les petites chapelles musicales* (»Die Zentralisation und die
kleinen Musikkapellen**). — Heft 2: »Vies paralleles des grands musldens contem-
porains* (» Vergleichende Lebensbeschreibungen großer Musiker unserer Zeit*).
I. Camille Saint-SaSns. In einer Vorbemerkung wird gesagt: „Die Anmerkungen
zu diesen Artikeln sind für die Leser im Jahre 2000 verfaßt von einem Professor der
Rhetorik am Lyzeum Cl^menceau, zur Erliuterung vieler dunkler Stellen*. —
„A propos de la reprise d',Iphig6nie en Aulide'* (»Zur Wiederaufffihrung der
,Iphigenie in Aulis'") von Paul Jedlinski. — Heft 3: „Le probltae musical*
(»Das Problem der Musik*) von Alfred Mortier (über die verschiedenen Ansichten
der Musikästhetiker). — »Pour les jeunes compositeurs* (»Für die jungen Kom*
ponisten*) von Viktor Debay (über den Brauch der »Komischen Oper* in Paris,
Werke, die schon in der Provinz aufgeführt worden sind, nicht mehr als Neuheiten
gelten zu lassen). — Heft 4: »Une nouvelle ceuvre de M. Vincent d'Indy* (»Ein
neues Werk von Vincent d'Indy*) von Albert Groz (eine ausfOhrliche Analyse der
Klaviersonate in E). — Heft 5: »Les vies paralleles des musldens. IL Massenet*,
(mit dem Anhang: »Comparaison de Saint-SaSns et de Massenet^ von Jean
d'Udine. — Heft 6: »La voix maudite^ («Die verdammte Stimme*) von Camille
Mauclair. — »Alexandre Ritter d'aprds un livre r^cent* (»Alexander Ritter nach
einem neuen Werke") von Michel Brenet (nach S. von Hauseggers Buch fiber
Ritter). — »A propos de Liszt" (enthält Auszüge aus dem von uns in Heft VI, 18
ausführlich angezeigten Aufsatz Weingartners in der »Neuen Freien Presse* und
Vincent d'Indy's Vorrede zu Amy Fay's Buch »Lettres d'une musicienne am6rlcftlne*
[»Briefe einer amerikanischen Musikerin*]). — Heft 7: »La musique tchftque aprte
Sroetana** (»Die tschechische Musik nach Smetana*) von William Ritter (Sdiloft
37 i
REVUE DER REVUEEN
in Heft 8). — »ftudes iQusicales en Allemagne*' («MusikaHsche Studien in Deutsch-
land*) (eine Besprechung des Buches »Lettres d'une musicienne am^ricaine** von
Amy Fay und kurze Auszuge daraus, die Klara Schumann, Joachim, Tausig,
Rubinstein und Liszt betreffen). — Heft 8: »Edouard Lalo* von Gabriel Faur6. —
Heft 9: »La Sniegourotchka de Rimsky-Korsakof" von William Ritter. — Heft 10
(Rameau-Nummer, herausgegeben gelegentlich der Aufführung von »Hippolite et
Ariele"): „Le ,Ramisme^* (»Der yRameauismus'**) von Charles Maiherbe. —
»L'affaire Rameau* (»Die Angelegenheit Rameau**) von Jean Chantavoine. —
»La danse dans Top^ra de Rameau* („Der Tanz in Rameau's Oper*) von Gaston
Carraud. — ,,De Tinterpr^tation des (suvres de Jean-Philippe Rameau et des
maltres de l'op^ra fran^ais aux XVII. et XVIII. sidcles* (»Ober die Darstellung der
Werke Rameau's und anderer Meister der französischen Oper im 17. und im 18.
Jahrhundert*) von Charles Bordes. — »Rameau. Essai de bibliographie* von
Michel Brenet (eine Liste von Büchern und Aufsätzen über Rameau, die nicht
vollständig ist, sondern nur das Studium des Lebens und Schaffens des Meisters
erleichtem soll. Schluß in Heft 11). — »Hippolyte et Ariele ä Top^ra* von Victor
Debay. — Heft 11: 9L'h6roisme de Liszt* von Camille Mauclair (ein Vortrag,
den der Verfosser in einem Konzert der Pianistin Jane Mörder und der Sängerin
Adiny gehalten hat). — Heft 12—14: »Trois sonates modernes* (»Drei moderne
Sonaten*) von Albert Groz (ausführliche Besprechung der Sonaten für Klavier und
Geige von C6sar Franck, Vincent d'Indy und G.-N. Witkowski). — Heft 12:
«Impressions sur Boris Godounow* («Eindrücke von ,Boris Godounow**) von
Camille Mauclair e. — «Rimsky-Korsakow* von Jean d'Udine (zum Tode des
Komponisten).
LE M£NESTREL (Paris) 1908, No. 3—11, 13—29. — «Soixante ans de la vie de Gluck
(1714—1774)* („Sechzig Jahre aus dem Leben Glucks*) von Julien Tiersot (No. 1
bis 29; wird fortgesetzt). — «Sporschil et Beethoven* von Am^d6e Boutarel (No.3;
berichtet auf Grund der Schrift Hans Volkmanns «Neues über Beethoven* über
Sporschils Verhältnis zu Beethoven). — «Un document inapper^u sur l'orchestration
des maltres* («Ein unbeachtet gebliebenes Zeugnis über die Orchestration der
großen Meister*) von Raymond Bouyer (No. 4; handelt von Berlioz' Satz: «daß
die Instrumente nur nach dem Grade des Interesses und der Leidenschaft [«en
Proportion du degr^ d'inter^t ou de passion*] tätig sein dürfen*). — «D' embarras-
santes questions sur T^volution de Torchestre* («Schwierige Fragen betreffend die
Entwicklung des Orchesters*) von Raymond Bouyer (No. 7). — «Autres probldmes
soulev^s par V Evolution de l'orchestre* («Weitere Probleme betreffend die Ent-
wicklung des Orchesters*) von Raymond Bouyer (No. 10). — «Antoine Stradivarius*
von Arthur Pougin (No. 11; Besprechung des neuen Buches über Stradivarius
von Henry, Arthur und Alfred Hill).— «Orchestre et litt^rature: 6change de bons
proc^d^s (Orchester und Literatur: gegenseitige gute Beeinflussung*) von Raymond
Bouyer (No. 13). — «L'apprdhension de la d^cadence ou la superstition du progrds*
(«Die Furcht vor der Entartung oder die eingebildeten Vorstellungen vom Fort-
schritt*) von Raymond Bouyer (No. 15). — «,Hippolyte et Ariele' de Rameau* von
Arthur Pougin (No. 20). — «La musique de Gluck* von Camille Saint-SaSns
(No. 21; protestiert gegen den im «M^nestrel* ausgesprochenen Satz: «Gluck ist
machtvoll, prachtliebend und feierlich; er entspricht dem Stil der antiken Tragödie,
während Rameau bewegt, voll von Kraft und Handlung ist*). — «Une lettre in^dite
de Rossini et Tinterruption de sa carriöre* («Ein unveröffentlichter Brief von Rossini
und die Unterbrechung seiner Laufbahn*) von Julien Tiersot (No. 25). -*- Une
372
DIB MUSIK VII. 24.
mMBo
ftimille de grands luthiers Italiens: „Les Guarnerius* (»Eine Familie großer Geigen-
bauer: Die Guamerius*') von Arthur Pougin (No. 26—27; wird fortgesetzt). —
»Quelques Souvenirs sur le grand violiniste Rode** (»Einige Erinnerungen an den
großen Geiger Rode*) von Arthur Pougin (No. 26). — »Une pr6ftice: Comment
je devins biblioth^caire du conservatoire'* (»Eine Vqrrede: Wie ich Bibliothekar des
Konservatoriums wurde**) von J. B. Weckerlin (No. 27; Vorrede zum Katalog der
Bibliothek des Verfassers; nebst einer Einleitung und einem Nachwort von Charles
Malherbe).
THE MUSICAL WORLD (London), Juli IWI bis Februar 1908. — Juli-Heft: »Res-
ding at sight** (»Vom Blatt lesen*; eine Besprechung von Meinard E. P. Zepers
Werk »Practical guide to pianoforte sight reading*). — »An unsolved problem"
(»Ein ungelöstes Problem*) von J. B. B. (Ober den Ursprung der Musik. Interessant
ist die folgende Mitteilung nach einem Bericht des Psychologen Hudson: »Dieser
Mensch [ein Neger] war nicht nur blind geboren, sondern stand auch hinsichtlich
der Intelligenz und Belehrungsfihigung hur wenig fiber dem Tier. 'Aber seine
musikalische Begabung war erstaunlich. Als er fast noch ein Kind war, entdeckte
man, daß er jedes Stück, das er jemals gehört hatte, auf dem Klavier nachspielen
konnte. Wie schwierig und wie lang auch ein Stück sein mochte, wenn er es
einmal gehört hatte, schien es unauslöschlich seinem Gedichtnis eingeprigt zu
sein und konnte dann meist mit erstaunlicher Genauigkeit von ihm wiederholt
werden. Ebenso groß war seine Fähigkeit zum Improvisieren, und kaum Jemals
störte ein falscher Ton die Harmonie seines Spiels.**) — »Mr. Glazounow an the
Society of British Com posers** (»Herr Glazounow und die Gesellschaft Briti-
scher Komponisten**). — „My Continental holiday** („Mein Festtag auf dem Kon-
tinent**) von H. (Ein Reisebericht.) — „Music as a profession** (»Die Musik als
Erwerbszweig**) von H. Mc C. (Fortsetzung in den Heften August und September).
— »Charm in music** (»Das Reizende in der Musik*) von H. A. — »A great dari-
nettist** (»Ein großer Klarinettist** [Richard Mühlfeld]). — August-Heft: »Study, for
its own sake** (»Studium um seiner selbst willen**). — «Words for music* (»Worte
für Musik**). — »Schumann's Lieder** von Henri de Courzon (Obersetzungeines
Aufsatzes aus der Pariser Zeitschrift »Musica**). — »Jaques Dalcroze's rhythmicml
gymnastics** (mit Abbildungen). — »Two sorts of conductors* (»Zwei Arten von
Dirigenten**) von A. W. — »The royal academy of music: Price day* (»Die König-
Ifche Musik-Akademie : Das Fest der Preisverteilung*). — »Royal Manchester College
of music: Annual public Examinations** (»Das Königliche Musikinstitut zu Msnehester:
Öffentliche Jahresprüfung**). — September-Heft: »Moral value of orchestral practice*
(»Der sittliche Bildungswert des Orchesterspieis*). — »Lady flautlsts* (»Weibliche
Flötenspieler**) von H. M. Fitz Gibbon <mit den Portrits von sechs Flöten-
virtuosinnen). — »Modem organ-building: A new Manchester organ* (»Moderner
Orgelbau: Eine neue Orgel in Manchester*) von James Wedgwood. — »The
scientific school of musical criticism** (»Ober die zur musikalischen Kritik ertorder*
liehe wissenschaftliche Schulung**) von Gerald Cumberland. — »Interpreter and
virtuose** („Musikerläuterer und Virtuose**) von Raymond Bouyer (Obersetzung
eines Aufsatzes aus dem »M6nestrel**). — »Promenades that are gone* (»Promenaden-
Konzerte in früheren Zeiten**). — »Edvard Grieg** (ein Nachruf). — »Joseph Joachim*
(ein Nachruf). — Oktober-Heft: »The teaching of musical aesthetics** (»Der Unterrlelit
in der Musikästhetik**). — »The ,1. S. M.< [»Incorporated Society of MttSicisttsP] and
its examinations** (»Die Gesellschaft der Musiker und ihre Prüfungen*). — »iniliam
Havergal Brian** von G.C. — »Musical dogmas: Eclectidsm* (»Mnslkallsdie Defnen:
373
REVUE DER REVUEEN
Eklektizismus" von Jean H ur6 (Obersetzung eines Artikels aus »Le monde musical").
— „An attack upon Dr. Richard Strauß^ (,«Ein Angriff auf Dr. Richard Strauß^;
über Weingartners „Walpurgisnacht"). — „A vIsitc to Edvard Grieg" („Ein Besuch
bei Edvard Grieg**) von Mrs. Brodsky. (Interessant). — November-Heft: „The man
with the muck rake" (»Der Mann mit der Mistharke''; eine Verteidigung des Text-
buches „Cleopatra'' von Gerald Cumberland, gegen das Gh. Maclean In einem auch
von uns angezeigten Aufsatz in der „Zeitschrift der Internationalen Musik-Gesell-
schaft" [VIII, 12] den Vorwurf der Indecenz erhoben hat.) — „The music problem in
Manchester" („Das Musikproblem in Manchester"). — „A great teacher: Lesche-
titzky* (»Ein großer Lehrer: Leschetitzky*). — »How did musIc origlnate?'
<9Wie entstand die Musik?* Ober die Ansichten Darwins und Spencers.) —
„Are musical examinatlons a modern craze?" (»Sind musikalische Prüfungen
eine moderne Schrulle?*). — „Dr. Perrin of Canterbury" (Lebensbeschreibung
4es nach Montreal berufenen englischen Organisten). — Dezember -Heft: „Plctures
and the musical glasses* („Bilder und die musikalischen Spiegel [?]*;
bandelt von den Bildnissen berühmter Musiker). — „Paganiniana*. — »John Coates,
actor-musician." — „Do examinations lead to cramming?" („Verführen die Prüfungen
zum schnellen Einpauken der Kenntnisse?*) Von einem Mitglied der Internationalen
Musikgesellschaft. — Januar-Heft: „The amateur orchestra* („Das Liebhaber-
Orchester*). — mHow orchestral players are pald* („Wie die Orchestennysiker
bezahlt werden*). -- „Earlyovertures by Wagner* («Jugendouvertüren Wagners*). —
„The classical and romantlc schools of music* („Die klassische und die romantische
Schule In der Musik*). — „The music of Granville Bantock*. — „Hugo Wolf and
Wagner.* — „A new composer: Edward Agate* von Gerald Cumberland. —
„A Chat with Mr. Leopold Godowsky* („Eine Unterhaltung mit Leopold Godowsky*)
von W. F. — „Two english composers: Dr. James Lyon. Mr. J. W. Nicholl*. —
„The practical side of harmony teaching* („Die praktische Seite des Harmonie-
unterrichtes*) von H. A. — „The most proliflc composers* („Die fruchtbarsten
Komponisten*). — »Purity in music* („Reinheit in der Musik*). — „Orchestral
conducting* („Ober das Dirigieren*). — „Church music and Services* („Kirchen-
musik und Gottesdienste*). — „Music at St. Paul's Cathedral* (mit dem Portrit
des Organisten Sir George Martin). — „The sorrows of a music critic* („Die
Mühen eines Musikkritikers*). — „The music of Edward MacDowell* von George
Lowe. — „A Suggestion to Mr. Holbrooke or some other* („Ein Vorschlag an
Herrn Holbrooke oder einen andern*; der Aufsatz erteilt den Komponisten ironisch
den Rat, eine Programmusik über die Tarifreform zu schreiben). — „When should
candidates be examlned*?) („Wann sollten die Kandidaten geprüft werden?*)
von einem Mitglied der Internationalen Musik-Gesellschaft. — „Edward A. Mac
Dowell* (ein Nachruf). — „August Wllhelmj* (Nachruf). —■ Im Mirz 1908 haben
die Herausgeber angezeigt, daß die Zeltschrift nicht mehr erscheint.
MONTHLY MUSICAL RECORD (London) August 1007 bis Juli 1908. — Augast-
Heft: „Two valuable reprints* („Zwei wertvolle Neudrucke*) von EbenezerProut
Kapitel 2: „J. J. Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traverslöre zu
spielen^ (Fortsetzung in den Heften September und Oktober; Kapitel 1 Ist in Heft VI, 21
angezeigt). — „The new ,language of music*'* („Die neue ^Sprache der Musik* ^
von E. (über die Esperanto-Sprache). — „Heine and music** (Obersetzung von
Aufsätzen Heines. Der erste Aufsatz wurde im Jahrgang 1906 veröffentlicht). II:
„The first Performance of Meyerbeers ,Huguenots*** („Die erste Aufführung von
Meyerbeers ^Hugenotten***). III: „VIrtuosI (Berlioz, Liszt, Chopin)** Schluß (im
VII. 24. 25
374
DIE MUSIK VIL 24.
September-Heft). — ,,Wassili Iljitsch Safonoff' von Ellen von TidebAht (kurze
Darstellung des Lebens und Wirkens des Dirigenten). — »Pftge for girls und boyt:
About great musicians and Great Britain^. („Eine Seite für Midchen und Knaben:
Ober große Musiker und Großbritannien^ von A. L. A« M. (fiber die Eeziehungen
Handels, Haydns, Mozarts, Mendelssohns, Webers, Wagners und anderer deutscher
Komponisten zu England). — September-Heft: , Joseph Joachim^ (eine Lebens-
beschreibung). — „The quartetts of Haydn^ von J. S. S. (Fortsetzung im Oktober-
Heft). — „Music the essential art" Gy^^usik als das Wesen der Kunst^) von Heribert
Antcliffe (Variationen über das Thema von Thomas Carlyle: „Go deep enough»
there Is music everywhere^ („Dringe nur tief genug ein, Musik ist übenül*0. —
„Page for girls and boys: More about geography" („Einiges über Geographie^ von
A. L. A. M. (kleine biographische Notizen über deutsche Musiker). — Oktober-
Heft: „Edvard Grieg^' (kurze Darstellung von Grieg's Leben und Schaffen). —
„Page for girls und boys. About duets^ („Ober Duette^ von A. L. A. M. —
November-Heft: „Haydn's pianoforte sonatas^ (ausführliche Besprechung der Franklin
Taylorschen Ausgabe von Joseph Haydns Klaviersonaten). — „Notes on the society
of the mastersingers^ („Notizen über die Genossenschaft der Meistersinger^ von
Nesta de Robeck. — „The development of music in the human mind** (»Di»
EntWickelung des Musiksinns in der menschlichen Seele^) von D. C. Parker. —
„British music and its affluents^' („Britische Musik und die Einflüsse auf sie*0 vod
Herbert Antcliffe (über den Einfluß der Musik fremder Völker auf die englische
und den Einfluß englischer Musik auf die fremder Völker. „Das keltische Element
in der englischen Rasse hat sich nie in sehr hohem Maße in der Musik bemerkbar
gemacht. Die Ursache liegt ohne Zweifel darin, daß die keltische Musik niemals,
eine hohe Stufe künstlerischer Entwickelung erreicht hat . . • Selbst die irischen
Komponisten haben sich nur wenig von keltischer Musik beeinflussen lassen, ob-
wohl wir einen solchen Einfluß bis zu einem gewissen Grade in den Werken einiger
der neuesten irischen Musiker, auch in denen von Stanford und Harty, finden.
Die Romantik und der Mystizismus der Kelten sind mehr verwandt mit denen
der Italiener als mit der reinmenschlichen Romantik der nordeuropiischen VOlker
und werden oft mit dem verwechselt, was alle Richtungen in der Musik von
Palestrina bis Verdi angenommen haben.*) — „Modern music for the people*^
(„Moderne Volksmusik'') von James A. Browne. — »Page for glris and boys..
About music and languages* (»Ober Musik und Sprachen*). — Dezember-Heft:
„National hymns.* — „The opportunity of the promenade concerts* („Die Zweck-
mäßigkeit der Promenaden-Konzerte") von Lawrence Ha ward. — „Schumann:
a german event* («Schumann ein deutsches Ereignis") von Herbert Antcliffe.
(„Nietzsche hatte Unrecht: Schumann ist nicht nur zu denen zu zählen» die die
deutsche Musik beeinflußt haben, sondern er muß genannt werden fai der Ge»
schichte aller Musik, die das europäische Tonleiter-System von ganzen und halben
Tönen zur Basis hat". „Die kritischen Schriften Schumanns werdet) noch gelesen»
nicht nur in seinem Vaterlande, sondern überall, wo sein Name t>ekannt ist") —
„The reformer in music" von D. C. Parker. — „From John Banister to Henry
]. Wood" von James A. Browne (Banister, 1630—1679, war der erste Veranstalter
öffentlicher Konzerte in London. Der Aufsatz handelt von den Londoner
Konzerten von 1672 bis heute.) — »Page for girls and boys. About a lively fiamily*
von A. L. A. M. (über die „Familie" der Akkorde). — Januar-Heft: .The year 1907"
(Ruckblick auf das Jahr 1907). — „The difficulties of the young music teacher*
(„Die Schwieriglceiten des jungen Musiklehrers") von Fr. Niecks. — »A new störe*
375
REVUE DER REVUEEN
WMM
m
house for teachers** („Ein neues Schatzhaus für Lehrer*) von A. L. A. M. (Aus-
führliche Besprechung des Werkes „Scenes of Youtb: Short original piano pieces
by modern composers. Grades I and IP. Fortsetzung in den Heften Februar und
April. — nJ^copo Calascione and the band of Venice** («Jacopo Calascione und
seine Kapelle in Venedig") von Edward J. Dent (über den im vorigen Jabre ge-
storbenen Kapellmeister Calascione in Venedig). — Februar-Heft: »The sons of
J. S. Bach: J. C. Friedrich and W. Friedemann Bach* von Fr. Niecks (Fortsetzung
in den Heften März und April). — »Hugo Wolf" von J. S. S. (ausführliche Be-
sprechung des Werkes über Wolf von E. Newman). — »Joachim Raff. A neglected
master" („Joachim Raff. Ein zu wenig beachteter Meister") von Arthur Hervey. —
»Stassov as musical critic" (»Stassow als Musikkritiker") von Rosa Newmarch
(Schluß im März-Heft). — März-Heft: „The place of Meyerbecr« (»Die Stellung Mcyer-
beers") von D. C. Parker (gegen die Geringschätzung Meyerbcers). -— »Tbc Auditor"
(»Der Zuhörer") von Maud Matras. — »Twelve o'clocks: new and old" (»Zwölf-
Uhr- Aufführungen heute und früher") von Bertha Harrison (über die im 18. Jahr-
hundert übliche Veranstaltung von Konzerten um 12 Uhr mittags.) — »Page for
girls and boys : On calling things by theyr wrong names" (»Ober die Bezeichnung
der Dinge mit falschen Namen") von A. L. A. M. — April-Heft: »Towards the reform
of musical notation" (»Ober die Reform der Notenschrift") von E. D. Rendall. --
»Orchestras past an present" (»Orchester früher und heute") von James A.Browne. —
Mai-Heft: „The sons of J. S. Bach: Johann Christian Bach" von Fr. Niecks (Schluß
im Juni-Heft). — »Viols" von J. S. S. (über die Instrumente Viola d'amore, Viola
da gamba und Clavecin). — »The poetic basis of Brahms's pianoforte music"
(»Die poetische Grundlage der Brahms'schen Klaviermusik") von Herbert Antcliffe.
— »Russian gipsies and their music" (»Russische Zigeuner und ihre Musik") von
N. G. Shtieber, übersetzt von Wilfred Bendall. — »Page for girls and boys: About
oratorio and its origin" („Ober das Oratorium und seinen Ursprung") von A. L. A. M.
— »Wagner at Zürich" von J. S. S. (auf Grund des sechsten Bandes von Eilis'
Wagner-Biographie). — »Page for girls and boys: More about oratorio" (»Noch einiges
über das Oratorium") von A. L. A. M. — Juli Heft: »The sons of J. S. Bach: Carl
Philipp Emanuel Bach" von Fr. Niecks (Fortsetzung fo^gt). — »Russian opera in
Paris: Moussorgsky's ,Boris Godounov'" von Rosa Newmarch.*— »The progress
of the appoggiatura. A Study towards the analysis of melody" (»Die Fortschritte in
der Verzierung der Melodie. Eine Studie über die Analyse der Melodie") von C.
— »Justin Heinrich Knecht" von.J. S.« S. (über Knechts Symphqjiie »Portrait de
la nature" und ihren Einfluß auf Beethovens Pastorale). — »Anton Schindler" von
Adolf Schloesser. (Der Verfasser hat mit* S^hindfer von 1849 an verkehrt.) —
»Page for girls and boys: On giving up music" j(»Ober die Unterbrechung der
Beschäftigung mit Musik") von A. L. A. M. • ^
RIVISTA MUSICALE ITALIANA (Turin) 1907, Fas&colo 1 und '2. - Amintore
Galli beendet seine im vorigen Bande begonnene ^bhancfUing »Musiea artiflciosa"
(Fase. 1). — H. Kling veröffentlicht einen französischen Aufsat^ über »Helmine
de Chezy", der besonders von dem Erfolg der Weberschen Oper *»Euryanthe"
hmdelty deren Textbuch Helmine von Chezy verfaßte. — Eine bibliographische
Arbeit »La costenzione ed i costruttori degli istrumenti ad arco" veröffentlicht
Luigi Torri. — Enrico Celan i stellt die Namen der »Cantori della Capella
Portificia nei secoli XVI— XVIII" zusammen. Bis jetzt ist nur das erste Kapitel
erschienen, das den Zeitraum von Leo X. bis Julius III. umfaßt. Den Namen
der Künstler sind kurze biographische Nachrichten hinzugefügt — »,Salome*di
25*
^i^-
376
DIE MUSIK VII. 24.
■ ^^Pto
Riccardo Strauss" wird von Luigi Torchi in einem 44 Seiten langen AufeatSy der
auch zahlreiche Notenbeispiele enthält, besprochen. — Ferner enthält Fascicolo 1
die Aufisätze: ,Suir insegnamento de! pianoforte negll Istitutl muslcall d'ItilU*
von Bruno Mugellini. — „Claude Debussy e rimpressionlsmo nella muslca*
von Vincenzo Tommasini. — „L'alliterazlone muslcale* von Fausto Torre-
f ran ca. — In dem »Saggio di una bibliografla di librettl muslcall dl Fellce
Romani** (Fase. 2) führt Guido Bastico nicht weniger als 291 Titel an. — Der
Aufsatz »Donizetti a Roma'* von Alberto Cametti enthält auch bisher un*
veröffentlichte Briefe und Dokumente, sowie drei Szenenbilder aus dem »Henog
von Alba**. — Francesco Piovano setzt seine »note blo-blbliografiche* über
„Baldassare Galuppi'^ fort. — In dem Aufsatz »Degli e£Petti del suonl sugll uomlni*
untersucht Feiice La Torre die physiologischen, pathologischen und therapeu-
tischen Wirkungen der Töne. — Femer enthält Fascicolo 2 die Aufeätze: „MoUdre
e Lulli^ von C6sare Levi. — „La musica sacra e la realtä delle cose* von
P. GhignonL
HUDEBNI REVUE (Prag) 1908, Heft 1 und 4—7. — Heft 1: ,Z mfch vzpominek
na BedHcha Smetanu" („Meine Erinnerungen an Friedrich Smetana*) Ton VaeL
J. Novotny (Fortsetzung in Heft 2 ff.). — „Z boju o Seskä divadelnl pfedstavenf*
(„Kämpfe um die Aufführung in tschechischer Sprache") von Karel Hulka (For^
Setzung in den Heften 2—6). — „Vitezslava Novaka ,Toman a lesni panna^ Hudebni
bäsen op. 40 die ballady Frt. Lad. Öelakovsk^ho." („Vit^zslaw Novak^s musikalisches
Gedicht ,Toman und die Fee^ op. 40, nach der Ballade von F. L. ۥ") von Otokar
Nebuika (Fortsetzung in Heft 2£f.). — „Laikov^ a hudebni uminl* (»Die Laien und
die Kunst**) von Jos. B. Foerster (Forts, in Heft 21f). — „WagnerAv ,BIudny
Holandan'** („Wagners ,Fliegender Holländer'*) von Anton §llhan (Fortsetzung
in Heft 2ff.). — „O repertoiru opery Närodnfho divadla* (»Das Opemrepertolre
des Landes-Theaters*) von Frantiiek Picka (Fortsetzung In Hefl 21f.). — »Opera
mfetskem divadla na Kral. Vinohradech** („Die neue Oper am Theater Vlnohrady*).
— Heft 4: „Josefa Suka symfonie yAsrael'** von K. Hoffmeister (Fortsetzung in
Heft 5 ff.). — „Vyuiijte sv^ch autorskfch präv!* („Zieht Nutzen aus eueren
Urheberrechten!*) von Jan Loewenbach. (Fortsetzung in Heft 5).— „Conrad Ansorfsi*
von K. Hoffmeister (mit Bild). — „Vzpominka na Lva^ (,Jo8ef Lev's Erlnnerunfen*)
von Vacl. J. Novotny (mit Bild). — Heft 6: „Ndmeck6 rozbory oper SmetanoT;^h*
(„Deutsche Erläuterungen von Werken Smetana's*) von Jan Loewenbach. —
Heft 7: „Prvni apoitol hudby Smetanovy"* („Der erste Apostel Smetana'scber Musilt^
von Jan Loewenbach (über Ludwig Prochäzka). — „Usudek Ambrosüv o Lude-
vftu Prochäzkovi** („Urteil von Ambros über Ludwig Prochazka*). — ipVzpominln
Kienzlova na Ludevita Prochäzku* („Erinnerungen an Ludwig I'rochizka von Wil-
helm Kienzl*'). — „Pani Marta Prochäzkovä" („Frau Marta Prochizka*) von V.
J. Novotny.
Magnus Schwantje
KRITIK
OPER
KASSEL: »Hocbzeitsglocken* betiteltsich
des jungen ungarischen Komponisten Emanuel
Moor Erstlingsoper, die als erste Novitit der
neuen Spielzeit auf unsrer HofbQbne ihre Ur-
aufführung erlebte. Das Libretto des Ein-
akters ist nach den Weisungen des Komponisten
verfaßt von L. von Ferro. Schauplatz ist ein
Dorf im Berner Oberland. Zeit: die Gegenwart.
Gottfried, ein junger reicher Bauer, ist mit
Agnes verlobt, nicht aus Liebe, sondern weil
sie ihm auf der Adlerjagd das Leben gerettet.
Er liebt vielmehr deren jfingere Schwester
Berts, um die der Tagelöhner Ulrich wirbt.
Dieser, von Berta verschmäht, steckt aus Rache
am Abend vor Gottfrieds Hochzeit das Hochzeits-
haus in Brand. Den beiden Schwestern droht
der Flammentod. Da erscheint Gottfried als
Retter. Nachdem er zuerst die Braut durch das
Fenster in Sicherheit gebracht, kommt er zurück
zu Berta, die aber nicht gerettet sein will.
Beide wählen den Flammentod, und die Sturm-
glocken werden ihnen zu Hochzeitsglocken. Ein
tieferes Interesse erwecken diese Handlung mit
ihrem etwas gewaltsamen Schluß und das Schick-
sal der Hauptpersonen nicht. Die Musik ver-
rät zwar das reiche technische Können ihres
Autors, aber noch nicht starke dramatische
Schöpferkraft, die den Hörer mit fortrisse und
das Interesse an dem Geschick der Personen
zu steigern vermöchte. Zahlreiche hübsche
Einzelheiten in der sehr selbständig gehaltenen
Instrumentation und mancherlei melodisch reiz-
volle Züge bleiben oft ohne tiefere Wirkung,
weil sie nicht zu voller dramatischer Entfaltung
gelangt und zu überzeugender Kraft entwickelt
erscheinen. Die Singstimmen sind zum Teil
recht unbequem hoch geführt. Am charakter-
vollsten ist musikalisch gestaltet die Partie
Ulrichs. Nicht übel sind ferner der Gesang
Bertas: »Horch, wie die murmelnden Wasser
erklingen* und die Erzählung Gottfrieds: „Zwei
Monde sinds*. Besonders ansprechend ist der
Chor der Mädchen am Brunnen und die Szene
zwischen ihnen und der Wahrsagerin Kathrine.
Seine dankbarste Aufgabe findet das Orchester
in dem wirkungsvollen Vorspiel zum zweiten
TeiL Die Aufführung, von Prof. Dr. Beier
sorgfältigst vorbereitet, nahm einen durchaus
lobenswerten Verlauf und verschaffte dem Werke
eine recht beifällige Aufnahme. Die Hauptrollen
vertraten bestens Herr Koegel (Gottfried) und
FrL Schuster, die kleineren Herr Groß
(Ulrich), Frl. Backhaus (Agnes) und Frl.
H erper (Kathrine). Für vortreffliche Inszenie-
rung hatte Oberregisseur Hertz er gesorgt.
Dr. Brede
milONCHEN: Festspiele München 1908.
^^^ Künstlertheater. — Residenztheater.
— Prinzregenten-Theater. — Man kann
nicht sagen, München habe im Ausstellungsjahr
den Gästen wenig geboten; und auch nicht, es
habe Gewöhnliches geboten. Ungewöhnlich nach
jeder Richtung war, was wir zu sehen und zu
hören bekamen. Vorab das Künstlertheater.
Die »Ausstellung München 1908" ist bahn-
brechend und vorbildlich nach vielen Richtungen;
sie ist, wenn ich nicht irre von Fritz Stahl, geist-
reich und treffend als «Geschmtcksausstellung*
klassifiziert worden. Ihre dauerndste Tat aber
stellt doch wohl das Künstlertheater dar. Ein
Theater, in dem man mit aller Tradition rück-
sichtslos brach; »nicht heilig ist ihm, was andren
hehr*. Den Ausstattungsprunk, die möglichste
»Naturtreue*, die Wirkung durch immer größere
Raum Verhältnisse, durch starke Bühnentiefe«
durch Ansammlung eines hundertköpfigen Sta*
tistenhaufens in mehr oder minder geschmack-
vollen Kostümen — all das ließ man beiseite,
all dem erklärte man Krieg, Krieg mit trefflichen
Waffen, mit den Waffen wahrer Kunst. Eine
ganz kleine untiefe Bühne, allerdings bei diesem
Versuchsobjekt um ein oder zwei Meter zu fisch
geraten, weil den Architekten Heilmann und
Littmann Platz- und sonstige Beschränkungen
Fesseln anlegten. Ein stimmungsvoller, ganz
mit Holz ausgekleideter, amphitheatralisch auf-
steigender Zuschauerraum mit ein paar Repri-
sentationslogen an der Rückwand, ähnlich wie
im Prinzregenten -Theater. Durch die zwei
Momente: Kleinheit der Bühne und Holztäfelung
des Hauses eine Akustik, wie sie klarer und
wärmer nicht zu denken ist. Vor der Bühne
noch ein versenktes Orchester, leider auch ein
wenig zu beschränkt für die nötige Anzahl der
Musiker. Auf der Bühne ein äußerst einfaches
Requisitorium: zwei in der Längsrichtung der
Bühne verschiebbare Türme mit einer beweg-
lichen Brücke darüber; einige auf Rollen laufende
Hintergründe; und die Hauptsache: eine un-
geheuer raffiniert durchdachte Beleuchtungs-
anlage (kein Rampenlicht), die die feinsten
Farbenabstufungen, die wundervollsten Effekte
gestattet: so ist das Handwerkszeug dieser Bühne
beschaffen. Künstler haben es zur Hand ge-
nommen, und sie haben damit Großes, Größtes
geschaffen. — »Faust*. In einer Bearbeitung von
Georg Fuchs, die manchen Widerspruch ge-
funden hat, weil sie wichtige und schöne Stellen
opferte, die man aber dennoch als sehr geschickt
und wirksam bezeichnen mulL Gestaltung der
Szene, Dekorationen und Kostüme nach Entwurf
von Fritz Erler. Wer diese Szenengestaltung
gesehen hat, dem wird sie unvergeßlicn bleiben:
der köstliche Zusammenklang der Farben in
Marthes Stube; der Osterspaziergang mit der
hereinbrechenden Dämmerung; die Walpurgis-
nacht; Gretchen, dunkel gegen den verglühenden
Abendhimmel stehend, wie sie Faust im Garten
nachschaut; Gretchen am Spinnrad; und — von
unsagbarer Wirkung — die Domszene: ein Innen-
bogen der Kirche, dazwischen schwarzes Dunkel,
aus dem nur mit hellen Punkten das fiackemde
Licht der Opferkerzen leuchtet, und die fast
schemenhaften Gestalten grau verschleierter
Frauen, deren unbarmherzige Unbeweglichkeit
den Atem raubt wie das düstere und unentrinn-
bare Geschick, mit dem Gretchen kämpft • • •
Bilder, die nicht mehr aus dem Gedächtnis
weichen. Max Schillings hat eine Musik zu
dieser »Faust*- Aufführung geschrieben, die sich
seinem Besten würdig anreiht. Von eigenstem
und originellstem Leben erfüllt, drängt sie sich
doch nirgends vor, wirkt gleich dem szenischen
Bild nur als Unterstützung des Drsmas und be-
schränkt sich darin mit feinstem Takte gerade
auf das Notwendige. Ganz besondere Hervor-
hebung verdienen die Chorsätze. Das belebende
Prinzip des Kfinstlertheaters, die Absicht, nicht
378
DIE MUSIK VII. 24.
Ji
durch eine immer unmögliche Nachahmung der
Natur in der Dekoration zu wirlcen, sondern
eben durch weitgehende Vereinfachung und
Stilisierung des Bühnenbildes, kam ebenso
eindrucksvoll zur Geltung bei der Vorführung
von Glucks Singspiel ^Die Maienkönigin* und
Hermann B i s c h o f f s vTanzlegendchen**. Ich habe
schon des öfteren darauf hingewiesen, wieviel
Schätze für unser Theater in der komischen
Oper der Franzosen um die Wende des 18. Jahr-
hunderts zu heben wären. «DieMaienkönigin*
ist eines der liebenswürdigsten Werkchen dieser
Gattung. Den Text des Favart (Les amours
champötres) hat nun Max Kalbeck verdeutscht.
1751 schrieb Gluck die neuen Arien; und was
man in ihnen findet: gluckliche Komik des
Ausdrucks, zarte Empfindung, Feinheiten der
Harmonisation und Instrumentation mit alier-
einfachsten Mitteln- gegeben, das birgt manche
op6ra comique jener Zeit so ziemlich in gleichem
Maße. Hermann Buschbeck hatte die Aus-
stattung entworfen, die den Charakter und die
Grazie der Zeit wahrte, ohne im geringsten in
Äußerlichkeit zu verfallen. Das Tanzspiel »Das
Tanzlegendchen** wurde, unter Benützung von
Gottfried Kellers ziervoller Erzählung, von Georg
Fuchs ausgestaltet, für die Ausstattung zeichnete
verantwortlich Hans Beatus Wieland. Nie hat
wohl eine Bühne so künstlerische Bilder ge-
boten wie das mit den musizierenden Engeln
und das Schlußbild mit der Himmelskönigin.
Man glaubte Tafeln alter deutscher Meister,
noch idealisiert in der Farbe, aus den Rahmen
gestiegen zu sehen. Die Musik Hermann
Bischoffs hat viel ausgezeichnete Qualitäten;
sie steckt voll hübscher Erfindung, vorab in den
leicht und pikant gezeichneten Tanzweisen; sie
wird nur etwas beeinträchtigt durch eine nicht
immer glückliche Instrumentation, die die
schönsten Einfälle oft durch ein allzu kon-
trastierendes Nebeneinanderstellen der Instru-
mentengruppen zerreißt. Um die musikalische
Leitung all der genannten Werke machte sich
Kapellmeister Fritz Cortolezis hochverdient.
Mit einem nicht durchweg tadelfreien Material
und bei, wie schon gesagt, noch dazu äußerst
beengten Raumverhältnissen wußte er dennoch
seine Aufgabe immer mit vollstem Gelingen zu
lösen und gab damit einen neuen Beweis seiner
ausgezeichneten Dirigentenbegabung. Auch die
drei Vorspiele — die letzte musikalische
Gabe des Künstlertheaters — dirigierte er,
die Anton Beer- Walbrunn zu «Die Vögel*
des Aristophanes in Ruederers prächtiger
Neudichtung geschrieben hatte. Der Komponist
konnte da seinem eminenten Talent für heitere,
graziöse Musik die Zügel schießen lassen und
illustrierte die lustige Verulkung politischer und
sozialer Verbältnisse glänzend mit rein musi-
kalischen Mitteln, am nettesten in der Vogel-
Fuge im zweiten Vorspiel und in der übermütigen
Lustigkeit des dritten. Ganz den diskreten Stil
des Künstlertheaters zu treffen, gelang den Aus-
führenden der »Maienkönigin*: Frau Preuse-
Matzenauer, Frl. v. Fladung, Frau Bosetti,
Raoul Walter und Alfred Bauberger. Den
Schauspielern wurde das manchmal schwerer;
und man muß sagen, daß die Wesensart des
Kfinstlertheaters mit unheimlicher Deutlichkeit
jeden Auffassungsfehler des Schauspielers unter-
streicht. So kann die neue Bühne direkt er-
zieherisch auch auf unsere Schauspielkunst
wirken. Zuletzt sei nochmals mit Dank der
Männer gedacht, die in mühe- und auföpfemngs-
voUer Arbeit so seltenes Gelingen ennöglicbteB:
Dr. Paul Marsop, Georg Fuchs und ProL
Benno Becker. — Von den Festspielen Im
Künstlertheater — man kann sie ruhig so nennen
— zu den Festspielen im Residenztheater ist
nicht nur räumlich ein weiter Weg, und ieh
muß gestehen, daß ich ihn nicht ohne Zagen
gegangen bin. Würde dem durch die Erfahrnngen
im Kfinstlertheater doppelt kritisch Gestimmten
nicht die alte Weise der Gestaltung des BQhnen-
bildes eine schwere und störende EnttiuscboDg
bereiten? Es ist nicht der Fall gewesen. Gewiß
stellte manche Dekoration, die man da Mb, in
Farbenzusammenstimmung usw. nicht den GipM
des Geschmackes dar, konnte jedenfells sich
nicht mit dem geläuterten Kfinstlertam, das anf
der Theresienhöbe das Zepter fuhrt, messen.
Aber doch klang wieder alles: das unvergleich-
liche Rokokotheaterchen, Bühnenbild, Musikp
Solistenleistungen so entzuckend zueammeo,
daß kleinliche Kritik da unbillig wäre. Weder
unsereMozart-, noch unsere Wagner-Festspide
haben meinem Empfinden nach je diese rettlote
Vollendung erreicht, wie dieses Jahr. Sucht man
nach Gründen dafür, so ist zuerst und banpl»
sächlich wieder des genialen Felix Mottl sa
gedenken. Seiner künstlerischen DurchdringaBf,
seinem tiefsten Miterleben des jeweiligen Werket
und seiner geradezu rätselhafken Suggetdont-
kraft, die Orchester, Solisten und Publikum an
einer festen, nur von einem, seinem Geffihl
beseelten Masse zusammenschweißt, gelingt et,
Aufführungen zustande zu bringen, wie des
«Figaro*, des »Tristan*, der »Walküre", die Jedes
Maß denkbaren Genusses gewähren. Zweitens
ist das hohe Niveau der Festspiele dietet Jahres
begründet in der Tatsache, daß man bettrebt
war, möglichst nur einheimische, von langer
Hand zusammengespielte Kräfte zu betchif-
tigen, und daß diese einheimischen Krifle erat«
klassig sind. Ein Graf Almaviva, wie ihn Fein-
hals zeichnet, voll Grandezza und doch warm
belebt, wird auf wenigen Bühnen zu finden sein.
Ihm schloß sich als überraschend gute Grifln
Frl. Fay würdig an; diese Leistung itt aweilÜ-
los die beste, die die Sängerin bis jetst la ge-
stalten vermochte. Frl. Tordeks lieblieher
Cherubin, Frau Bosettis Susanne, Glllmtnns
behäbiger Figaro, Sieglitz' Bartolo, Gelt'
Antonio, Waltere Batilio, waa tollte ieh tob
ihnen allen sagen, um einen Begriff an geben
von dem Maß übermütiger und docn künttleritch
gebändigter Laune, von der Ffille tdmmllehts
Wohlklangs, die gerade den zweiten Akt an ebiem
musikalischen Feste ohnegleichen machten!
Auch in «Don Giovanni* war wieder Feinhals
als Titelheld unübertrefflich, nicht minder gnt
Bender als Komtur und ueis alt LefNMella
»Cosi fan tutte* wurden in der Betotznng det
Vorjahres gegeben (Bauberger, Waltor,
Brodersen, Frau Bosetti, FrL Kebotfa) nsd
brachte den einzigen GasL FrL Hempel tos
Berlin, die ebenfalls Im Vorjsbro tenon die
Rolle der Fiordiligi mit Erfolg getangoa hitie.
Äußerst dankenswert war dietot Jahr die Ete-
fügung von »Die Entffihmng tut dem Sonfl" li
i
M
379
KRITIK: KONZERT
den Spielplan der Festspiele, in denen dies Sing-
spiel während einiger Jahre gefehlt hatte. Dankens-
wert, weil es da den deutschen Mozart wieder
zn Ehren bringt, der seit der Ausscheidung der
«Zauberflöte* nicht mehr zu Wort gekommen
ist. Wie keck und frisch, wie so ganz unveraltet
erklingt uns diese witzige Partiturl Und wie
wurden Sieglitz als Osmin, Baubergers Se-
lim, Walters Belmonte, Frau Bosettis Kon-
stanze ihren dankbaren Aufgaben gerecht I Ein
wenig zu derb war Frl.v. Fladung als Blondchen,
recht nett Felmy als Pedrillo. — Mehrfach ist
der Gedanke aufgetaucht, wie interessant es sein
mfißte, Wagners Musikdramen nach den Prin-
zipien des Kunstlertheaters von unseren ersten
RQnstlem inszeniert zu sehen. Ob das möglich
wäre? Ich weiß es nicht. Man darf nicht ver-
gessen, daß einer der Hauptreize der neuen
BQhnengestaltuDg gerade in der Kleinheit ihrer
Mittel, in ihrer Intimität liegt. Und Wagner
läßt sich nicht gut in einen kleinen Rahmen
versetzen. Noch manches andere macht be-
denklich. Allein — ausgeschlossen ist die
Lösung des Problemes sicherlich nicht, und
nichts wäre fesselnder als ein Versuch dazu,
der wenigstens mit einigen Unmöglichkeiten,
wie dem hoffnungslosen Kampf mit dem Objekt
am Schlüsse der «Götterdämmerung* aufräumte.
Daß der Einfluß der neuen Ideen bereits sich
zn zeigen beginnt, erwies die Ausstattung des
«Tristan* mit ausgezeichnet gelungenen De-
korationen und Kostümen. Das Schiffszelt des
ersten Aktes ohne alle Wappen aus einfachen
surkfarbigen Vorhängen gebildet, der immer
störende Mast in der Mitte des Schiffes ver-
schwunden, so daß Tristan am Steuer nun überall
sichtbar wird. Im zweiten Akt eine kfihne
Änderung: rechts das Burgtor, links Wald, in
der Mitte Ausblick auf die See. Die Dekoration
des dritten Aktes gleichfalls verbessert. Und
dabei überall die Bubnentiefe bedeutend ver-
ringert und das Bühnenbild nach vorne mit
breiten Vorhängen abgeschlossen, unverkennbar
und im besten Smne von der Absicht getragen,
die neuen Errungenschaften mit den in diesem
Falle notwendigen Modifikationen zur Anwendung
zu bringen. Wobei man nicht übersehen darf,
daß «Tristan* wobl das geeignetste Objekt für
solche Versuche unter des Meisters Werken
ist Eine dekorative Neuerung ist auch in der
«Walküre* zu bemerken. Die anreitenden Wal-
küren werden nicht mehr wie im Vorjahre
durch blitzbeleuchtet vorüberhuschende Wolken
dargestellt, sondern durch rasch über den
Horizont gezogene Silhouetten — meines Er-
achtens eine sehr begrüßenswerte Ausdeutung
von Wagners Vorschriften. Ober die Vorstellungen
selbst möchte ich erst im Zusammenhang be-
richten, wenn der Abschluß der drei Zyklen
einige Vergleiche zwischen den Leistungen der
beteiligten Künstler gestattet. So sei für jetzt
nur wiederholt,daß «Tristan* und der.Ring* wohl
selten in so erhabener Größe an den erschütterten
Hörern vorbeigezogen sind wie hier unter Mottl.
Die «Meistersinger* unter Fischers Leitung
hinterließen sehr freundliche Eindrücke. Am
wenigsten festspielmißig präsentierte sich der
zwischen «Meistersinger* und «Tristan* ein-
geschobene «Tannhäuser* mit Röhr am Diri-
gentenpult Ober diese Einschiebung selbst
werden dann bei näherem Eingehen ebenftüls
einige Worte zu sagen sein.
Dr. Eduard Wahl
piO GRANDE: Die Utäglge «Opernsaison*
^^ einer italienischen Wandertruppe brachte
uns «Troubadour*, «Mignon*, «La Gioconda*
von Ponchielli, «Manon* von Massenet, «Sal-
vator Rosa* von Carlos Gomes und «Meflsto-
fele* von Boito. Im allgemeinen übertrafen
die Leistungen die vorjährigen; das Orchester
hatte einzelne gut^ Kräfte, wenn auch der Total-
eindruck der einer nur äußeren, rohen Aus-
arbeitung war. Die Gesangskräfte zeigten zwar
keine üble Schulung, genügten aber doch nur
ganz mittelmäßigen Ansprüchen, mit einziger
Ausnahme des Baritons, der gutes Stimmaterial»
angenehme Klangfarbe, ausgeglichene Register
und wohltuenden Vortrag in sich vereinigte.
Chor alt, steif und trocken an Alter und Stimme;
Aussuttung sehr dürftig, sich selten anlehnend
an Zeit und örtlich keit; Ballet in den Leistungen
weniger anziehend als in den Personen. Besuch
recht zahlreich, da sich selten solche Abwechs-
lung bietet und man deshalb gern Mk. 7.50
für Holzstuhl oder Schemel opfbrt
Fr. Köhling
KONZERT
JOHANNESBURG: Die diesjährige Konzert-
saison muß, was die Anzahl der Darbietungen
anbetrifft, entschieden als reichhaltig bezeichnet
werden. Nach einigen wohlgelungenen Auf-
führungen des «Elias* hat der Kapellmeister
J. Hydo seinen alljährlichen Zyklus der Winter-
konzerte eröffhet und sein Publikum mit ver^
schiedenen Werken, die früher nicht auf dem
Repertoire waren, bekanntgemacht Die Musical
Society unter der Leitung des Mr. Peters tat
ihr möglichstes, um das musikliebende Publikum
auf dem Laufenden zu halten. Der Mangel an
gutgeschulten Künstlern macht sich immer
mehr geltend, und es sind meistens Dilettanten
die versuchen müssen, die Lücken auszufüllen.
Besondere Erwähnung verdient der aus Anlaß
ihrer Erholungsreise nach Deutschland statt-
flndende Abschiedsliederabend von M. von
Trützschler, im Deutschen Liederkranz-Klub.
Diese Künstlerin, die es in einer Spanne von
wenigen Jahren verstanden hat, das Kunstniveaa
der Gesangskunst hier bedeutend zu erhöhen, er-
freute ihr Publikum mit einer Fülle ausgezeichnet
vorgetragener klassischer und moderner Gesänge
in deutscher, englischer, französischer und
italienischer Sprache, wobei besonders Schuberts,
Schumanns und Brahma' gedacht wurde. — FrL
S. Gimkewitz sang im Deutschen Klub u. a.
verschiedene Grieg-Lieder. Sie erntete reichen
Beifall. — Das Erscheinen der drei jungen
Brüder Czerniawski im Konzertsaal hat
Furore gemacht Noch niemals haben hier
Wunderkinder solche Erfolge zu verzeichnen
gehabt Von diesem genialen Brüdertrio läßt
sich kurzweg sagen: Veni, vidi, viel.
J. Seelig
Zur Studie Dr. Karl Nefs geben das Portrit von Johann Kuhnau, wie et aicb
auf dem Titelblatt seiner .Neuer Clavter-Obung erster Tbeil* Bndet. (.BeBtebend In aleben
Partien aus dem Ul, Re, Mi oder Tertia majore eines jedvedea Toni. Allen Liebbabeni
zu sonderbabrer Annehmllgkeit aufeesetzet und verleget von Johann Kubnauen, Leipzig,
Anno 1689").
Das Poitriil von Hans von Bülow, das wir dem Artikel Vianna da MotU'a bei*
geben, interessiert besonders durch die originelle Unterschrift des Meisters, die die wohl-
wollende Antwort auf das Gesuch eines unbekannten Autograpben]igers daratellL
An Gedenktage erinnern die folgenden vier Blltter. Vir beginnen mit dem Portrit
von Alexander Dreyschock (geb. 15. Oktober 1818 zu Zak in BSbmen) nach einer
wundervollen Utbographle von Kriehuber aui dem Jahre 1845, die uns Frau Profeuor
Elisabeth Dreyschock in Beriin freundlichat zur Verfügung gestellt hat Einen anscban-
llchen Eindruck von der Virkung, die Dreyschocks Spiel auf die Zeitgenossen autflbte,
erhalten wir durch Heinrich Heines zweiten musikalischen Beriebt aus Paris, vom
28. März 1846, in dem es u. a. beißt: .. . . ich referiere getreulich, daß Ihn die Slfent-
liche Meinung für einen der größten Klaviervirtuosen proklamiert und den gefeiertaten
derselben gleicbgestellt hat. Er mactat einen bailiscben Spekukel . . . Hing dich, Fnu»
Liszt! du bist ein gewöhnlicher WIndgfitze in Vergleichung mit diesem Donnergott, der
wie Birkenreiser die Stürme zusammenbindet und damit das Meer stlupL"
Am 13. Oktober ist der SO. Geburtstag der genialen dramatlacben Singerin und
Tragödin Johanna Jachmann-Vagner, der Nichte des Bayreutber Meisters. Die
Lithographie von Jäger, nach der unser Bild gehrtlgt ist, verdanken wir der Llebena-
würdigkeit von Herrn Gebeimrat Theinert in Beriin. Die .Musik' brachte Im 2. Heft das
4, Jahrgangs bereits ein Bild der Künstlerin und ausführliche biographische Mitteilungen.
Es folgt das Portrit von Voldemar Bargiel (geb. 3. Oktober 1828 In Berlin),
für dessen Überlassung wir der Witwe des Komponisten, Frau Professor Barrel in
Berlin, zu Dank verpBIchtet sind. Bargiel, der Stiefbruder von Clara Schumann [seine
Mutter war in erster Ehe mit Friedrich Tleck verheiratet), war Schüler von Hanptmann,
Moscheies, Rietz und Gade am Leipziger Konservatorium. Seine Haupttltlgkeit entfaltete
er als Leiter einer akademischen Meisterschule für Komposition an der KgL Hocbscbule
für Musik in Berlin, wohin er 1874 als Professor von Rotterdam aus berutbn wurde.
Bargiel schrieb u. a. Ouvenüren, eine Symphonie, Klaviertrios, Streichquartette, ein
Oktett, Suiten für Klavier, Chöre und Lieder.
An den 30. Todestag (5. Oktober) einer berühmten Bübnenslngerin erinnert daa
nicbste Blatt: Louise Harriers-Wippern, nacb einer Lltbographle von A. Robrbacta,
die wir gleicbralls Herrn Gebeimrat Theineri verdanken. Mit 20 Jabren debAtierte die
Künstlerin 1857 an der Berliner Hofoper, der sie trotz glinzender Anerbieten von Tien
und London treu blieb und deren nie versagende, gefeierte Stütze in dramatischen und
Kriseben Panieen sie bis zu ihrer wegen eines Halsleidens im Jahre 1868 erfttlgenden
;nsionierung bildete.
Mit der VIedergabe einiger Meisterwerke der bildenden Kunst seien die Bellagen
dieses Jahres beschlossen;
Fliippino Lippl's .Allegorie der Musik" im Kaiser Friedrich-Museum lu Berlin Itl,
abgesehen von dem prtchtigen Stimmungsreiz, darum besonders intereasant, veil daa
Bild zu den wenigen allegorischen Darstellungen des Quattrocento gebSn.
Carlo Saracenl gehön zu denjenigen Künstlern, die in der Zelt des Verfall» der
Malerei noch bemerkenswerte Werke schufen. Seine .Ruhe auf der Flnchf Ist eine
seiner besten Schöpfungen, besonders prlgnant durcb die phantastlacbc AuBhssunfr
Der Engel, dem Joseph die Noten bill, schilfert Maria mit dem Kinde durch sein
Geigenspiel ein — ein Motiv, das unseres Wissens einzig ist Daa Original bewabrt
der Palazzo Dorla in Rom.
Ober Giorgione's Meisterwerk, .Das Konzert* benannt, gibt es binilcbtllch aeUtea
unvergleichlichen seelischen und koloristischen Wertes nur eine Stimme der Be-
wunderung. Anders liegt die Frage nach dem Schöpfer selbst: hier Ist mancher
Zweifel berechtigt, und es gibt noch einige Forseber, die das herrliche Kid leila
Tizian teils Lorenzo Lotto zuschreiben. Wer es im Palazzo Pittl in Florens | ""
bat, wird es nie vergessen können.
Nichdroek nur nll auidrlicUlchcr Erliubnli du Verlifa (
Alle Recbt€, IniboondeK dM der ObcraeduBt. vi
VereaiVBnllch«- SchriftlBlier : Ktpellauliwr Berohard SckoHCr, Barila T S7, i
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Ji_l^dL».rf
ALEXANDER DREYSCHOCK
H- 15. Oktober 1816
nacb KrJehubers Lithograpbie
JOHANNA JACHMANN-WAGNER
* 13. Oktober 1828
nach einer Litbographte vonjiger
JOHANNA JACHMANN-WAGNER
-M- 13. Oktober 1828
nach einer Lithographie von Jiger
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WOLDBMAR BARGIEL
* 3 Oktober 1828
LOUISE HARRIERS-WIPPERN
t 5. Oktober 1878
nach einer Lithographie von A. Rohrbach
ALLEGORIE DER MUSIK VON FILIPPINO LIPPI
.J^^^R HEFTM
— W!
Kowionßfl llr SHinsUe
von zettienSaluben Kwniionlstei
Eflunrd Elsof, Scitnoile 01.211 w7t.l'!^3ai'r
Thnilor Gerlach,Serenflile B-diir rrr,::^ « ».
Po]ilGil!on,ltMesicossiilses'
0. J. Griniin. Suite c-noll
Asser HainerlK. Spphome spintoelle «-m
Puiliur SM. J»de Stimme ao PI
Bli hulturii ferdn vh «m Ttritien nr Direblcii ulerfertllfC
Paniiar 3 M.
iiOfi Btlraat M ft.
Nnlnir 3 M.
BERLIN l^ji LONDON
BRÜSSEL t fc.r^« A NEW YORK
^^IPZl^
Breitkopf &HärtcI
BERLIN * l7T137Tr> LONDON
BRÜSSEL *-'='**^^*^ NEWYORK
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LEONE SINIGAGLIA
Eine Ouvertüre zu dem GoldonJschen Lustspiele
für Orchester
tat» oa a Psnlruf 0 M. es Z7 Orchesicrsiimmen ic 60 Pf. es □ a e> o
. .'. Kciflitu u:i(.uiiQdef.
iKi PI. di« turgereiten
'cn Wiedtr FtiedcD lu
üliien Lui'ktia und Tjrn N,ki«- ii^i;- (wc( iliiu; !;■■-
un<t cKi dtn BcRiüliunjtcn ilrs K^imüiijjEn M;r
Gcmiiicr tu brrnliiEen und unicr ;lcm \ti:'<. <
iiinvo. Hin luiilge« Voltifc« tinshticQi die ii:^^ >.,.
Sintngll*« OuvcflOr« l«t keine Proemnniuviii lu Ooidnnii Luilspiel, aondem nur
TOoi iDtiaK 'MgfrefL Du b^weete Ut>en des Vnlk«9 to Cbloc^ia, die •armricndttcn
G^^llll■-rl, .lic r^irdKT'ti-n .tpc itrli «ecci Ihrer -.AmMtl* nrclutnden M*^lc^tn. liie
-Hc .üeruft* mli <hrcm frOlilicIian Au>HtaD|L, allei
:^'imp»n(«(cn venfftllti WonJen, «nl>prtcr>en<) det
■ ' , der ^etundCQ Leben« fitud Igte ll und feinen
rii elfcn Abi.
i.ü: Aiifi'iliru'ij; l-i< -Iie Koikfcrticll IIIO9]O0 aiiKUianimra ia inmarpen - Btm
— Oiicaso UiirtmuDd — Drctdcn — EMea — GärlUt — Kubhad - Idpiti
MiiUnil - OwenilB — Ksri» — Plauen — SonderOiauHn — TeiiUn — TnuBtaii
Uueebt *Bia - Wien,
ICaiBiipl. md K«nlgl. Hof-PianafartefabrikM«
JuUus ^^^
Blüthner
Piuiou. Filiei
Ulpiig. UederL lerltB. Folsdiaerstr. 41.
fiairmoinilMiiilbiliyi = s^isfinli
<CecrünJat 1S8Q)
SdiSDCberger StnÜc 30bL BERLIN SW. U. Ferasprecber-. A.e.l073C^
TatJiniwher Leiter; ). ^TflAUBE, HäMfi>iraTncnienniiicb*r.
Das ScMedmayer-Meisterhansonium
Das Scbiedmajer-NormalhannoBiDin
SvBflDftaT«! im (It lU-n
toiri dir •allbcHnDButia lIvuilulnimcMt ^a Ocsom»
i4iurtjniu ooif aniif'iAJai ma <nMn Awunure*
Schledmayer. Planorortafabrlk, Ststtgarl.«
V»tH im n QUIfD rau n IIM lt. toali V^ NM**T<n. d
Crotrian, Stein weg Nachf.
Hof-Pfinoronehbril;- Vifllhch prtmlien.
Hannover, Bpaunschwsio« Berlin SW.,
Gcorgsir, 50. " VKh.t.nH UN
KACHMCHTCX p» AXZEK^X nai JW.TSMC> VI^H
Baer P^K-Tfcnr baue vUiresd der Manait
I« sehr iBi&gRi Preisea Mna la ktaaea.
Der Bancnber Mentn- i« deaa asck a
28 Abeadee la Tort eAommeu «^Lobtatria*
12 mal, .TumhinsCT' T nial. ^HömrUBttr*
5 mml, ^Ta^kätc* 4 malt. Ibm üb niduM
Stehen die Itiliener mit 21 Abenden (Paccii
6, Verdi 5, Mascagni 4. Leoncanllo 4. RouiBi
I, DooizeTti Ii Dann folcen Biiet. Tbomas
nöd CoDBod mit 9 nnd Moun mit 6 Abenden.
Tir bSnen .Cmralleri«*, .Bajuzo', .LobeO'
frin", .Tannbluser", .Tmlküre*. ,MeiMer-
siaBer', ,Tr«Ti««", ^igooa*. .Figuti« Hoch'
zeit", ,Bobeme' (2 malt, .Rifoleno'. ,Mar-
nrefhe*, .Lucia ron Lammermoor*. Von
eisten irateo unter anderen aaf: Francesco
d'Andrade, Lilll Leb mann, Fnmcesctalna
Prevosti, Ottilie Metxger Froitibetm, Heinrieb
Knote, Florencio Constantino.
Bremen: .Die TMifelskite*, eine dreiaktice
Oper von Anton Ovo^ik, wird im Laufe
dieser Spielzeit am Stadttbeater ilit« deuiscbe
Uranffübning erleben.
Wleo: Die Volksoper stellt an Neubeilen
in Aussiebt: de Lara (Measa1ina>, Dvotik
(Ruasaika), Massenet (La Nararraiseh Bizet
<D)amileb), Planquette (RIp-Rip), Pon-
chielll (U Gioconda), Lafite (Das kalte
Hen), V. Ujj (Der Müller und sein Kind).
KONZERTE
B«rlin: Henri Marteau, Hugo Becker und
Ernst V. Dobnanyi haben sieb mit anderen
Künstlern zur Veranstaltung eines Zyklus von
Kammermusik-Abenden vereintet. Die
Im Mozartssal stattfindenden Konzerte
werden umfassen: drei Quartettabende sra
a Dezember I90S, 8. Januar 1900 und 26.
Januar 1000; drei Trioabende: 15. De-
lember 1008, 25. Februar 1909 und 11. Min
UoHf konpositioiMn vm
Cdior Ooiel
I .StkHKil« tItW.*
,7.t*^ LIHtr In Vnll»
«BliiniElniliniRohkrtinH
T*Hip«lli«f-B«rll«*
Dilti LMtr iliri Vir Wlilir »OI|M Nr
felikir 20 Kiuwli himmMiII
I
■MB und dreiSoatttnabiiide:3.NoTeiBber
1908, 11. FebniiT 1909 nnd 3a Min I90&
Profeuor Kftrl Paniner aus Bremen wird
auch In der kommenden Saiaon die Orcheater^
konierte Im Moiartaaal dirigieren. P&r
diese aecba Paainerkonzene Bind Iblgeode
Datea in Aussiebt lenommen: 19. Oktober
1908, 16, November IflOS, IZ Januar 1909^
9. Februar 190», 8l Min 1009 und 5. April
1909.
Leipzig: Hans Winderatein bat ffir seine
PbllbkrmonlBchen Konzerte Iblgeode
Solisten verpflichtet: Emeadnc ScbumwH-
Heink, Zd<nka PaQbender, TUly Koean,
Felix Scniua, Ludwlf Heß, Frin KreUler,
Joan Maa6n, Heinrieb Klehr, Morli Roaenthal,
Alberto Jonas, Tbeodor SzAntA, das Ruariwtas
Trio.
Pra«: Am 19. September wird GnsUv Makler
mit dem Jubiliumaauastellunga- Orchester
seine nocb ungedruckte siebente Sym-
phonie tur Uraufffibrunf bringen.
TAGESCHRONIK
Am 25. Aognst waren vierzig jfthr« m-
Aognst
I Hans
gangen, daD Hans Richter inm eratcBmal
'- Dirigent vor die Öffentlichkeit trat;
zwar dirigierte er damals, am 25. Aofust 1808;
in München Rosalnl'a .TUhelm Teil", der nla
FestToratellung anlUlicb des Gdmrt^ and
Namenstages KSnig Lndwlei II. In Sune ging,
Kun vorher hatte die Unomlbruag der .Mnler-
■Inger' atatigcfunden, bei deren Ehutndlerang
Richter hervorragend fitlg war.
Die Angelegenheit Hfllsen-Tclngartner
Ist erfreulicherweise Mediich sn Bada (BfOhrt
worden. DieBerilnerGeneraUntcndaatnrtältmlt:
..Nachdem der fHihere KSnigUcbe KapelloMlMer,
Jetzige kaiaerilch kSnlgllehe HofbpiwadtodClar
Felix Teingartaer eine grSBere Summe aadle
Orchesterwitwenkasae (Fonda sur Unie^
■iQtzung der Titwen und valsen ventartwur
Mitglieder des Königlichen Orctaesters) ni Barlia
der zwischen der Generalintendantnr d
lieben Schauspiele und ihm au^ebmcben war'
Bismarck und die Musik. ObordaaVar-
biltoii des Alt-Relcbskaazlen zur Miulk lalll
die Voss. Ztg. u. a. die ftalgendea IiiIiiihmiiIiii
Überlieferungen mit: Er selhu war aar mlBIg
sikalisch vorgebildet. Das bifichen Klavler-
:1 aus der Jngendielt hatte er bald yargsma
oder zum mindesten vemacblisalgt Eine hUäcbe
Baritonstimme, die er besafi. Hell er sieht aos-
bilden, und wenn er sie trotzdem bin ud wieder
erklingen lieft, so war die Rcinbeii dar Tan-
gebuog nichts weniger als einwandfrei. Um so
interessanter aind seine Urteile 6bar Verke
der Tonkunst Sie geben den Sdmmna|s>
gehsit vieler Stücke mit grofier Prlgnaai wieder
und verraten mitunter eine Lebhaftigkeit der
Phantasie, wie etwa die elnea Muaikliieniea, der
Bich anschickt, ein Progrsmmbudi an Irgend
einer Symphonie oder dergl. zu schreiben. Es
ist nicht die Sentenz elnea Alltagsmenschea,
wenn Bismarck sagte: .Die bezahlte Mnslk, wie
ich sie in Opembiusem und Konzertailea Ur^
zieht mich weniger an; aber nichts Liabetaa
weiB Ich mir als die Mudk im Hanae: tt» IM
II
den " wohl t3iigsie n EiafluB^auf j niicb aus." In
Frankfurt meinte er Öfters, er möge in kein Kon-
zert gehen, das bezahlte Billet und der ein-
geen£te Platz verleide ihm den mSglicben GenuQ.
Schon der Gedanke, Für Musik Geld zu zahlen,
aei ihm zuwider. Die Musik müsse frei fte-
schenkt werden wie die Liebe. Danach hliie
dieaAnstilt für musikalisches AutTübrungsrecbt',
die apiter gegründet wurde, einen prinzipiellen
Gegner in Bismarck gefunden. Er war der auf-
merksamste Zuhörer seiner Frau, einer vorzüg-
lichen und feinsinnigen Klavierspielerin, wenn
sie ihm Beethoven vortrug. Dieser Meister
stand obenan in seiner Verehrung der klassi-
schen Tonkünstler. Die Liebe zu ihm hatte er
schon als Student eingeimpft erhalten, und zwar
von seinem Zimmcrkollegen in Berlin, einem
Grafen Kayserlingk aus Kurland, dem spiteren
Kurator der Unlversitlt zu Dorpat, der ihm
fiflers vorspielen mußte. Bismsrcks Liebe zu
Beethoven war durch Robert von Keudell, den
deutschen Botschafter in Rom, wesentlich ge-
steigert worden. Bismarck war mit ihm bei
Jobanna von Puttkamer, seiner spiteren Braut,
bekannt geworden. Die edle Tonkunst ver-
mittelte hier die erste Annlhening der beiden
Minner, die sich dann zu innigster Freundschaft
verbinden sollten. Keudell, bekanntlich ein
bochbegsbier Dilettant, bat in seinem Buche
sFüral und Fürstin Bismarck, Erinnerungen aus
den Jahren 1846—1872* Bismsrcks musikalische
Aussprüche zum Gegenstand ausführlicher Mit-
teiluii(en gemacht. Nach der von Keudell ge-
spielten Beethovenschen Sonata appaaaionsta
<op. 57 F-moll) sagte Bismarclc, eine Trine Im
Auge: „Das ist wie daa Singen und Schluchzen
eines ganzen Menschenlebens. Venn ich diese
Musik oft hArte, würde ich immer tapfer sein.*
Als Keudell dieselbe Sonate 1870 In Versailles
spielte, fragte Bismarck: «Warum nicht Sfier?*
— Beethovens Klavierkonzert in G-dur (op. 58)
entlockte Frau v. Bismarck die Worte: .Klingt
dss nicht wie dss Gemüt unseres Freundes
Hippolyt?* — kISi" erwiderte Bismarck, .aber
wie Hippolyt aus dem Irdischen ins Himmlische
fibersetzt.' Schubert verehrte Bismarck nicht
weniger als Beethoven. Besonders liebte er das
nachgelassene d-moll Quartelt bis auf die Varia-
tionen über das Thema aus dem Liede .Der
Tod und das Midchen*. Variationen überhsupt
konnte er nicht leiden, mochten sie auch von
Beethoven sein; .sie gingen nicht luro Herzen*.
— Nach Mendelssohns Capriccio in E (op.33
No. 2) meinte Bismarck; .Stellenweise klingt
das wie eine vergnügte Rheinfahrt; an anderen
Stellen aber glaube leb, einen im Walde vor-
sichtig trabenden Fuchs zu sehen.* Nach dem
Priludium in e-moll [op. 36 No. 1) iußerte er:
.Dem Manne geht es aber wirklich sehr schlecht.*
Bei Chopin gab erden leldenscbaftlich bewegten
Stücken den Vorzug vor den triiumerischen
Nocturnes. Schumann bSrte er gern, doch
safte er hierbei nur: .Recht hübsch.* Eine
Bachsche Fuge (Wohitemperienes Klavier
Bd. 2 No. 9) charakterisiene er wie folgt: .Der
Mann hat von Anfang an mancherlei Zweifel,
ringt sich aber allmiblich durch zu einem festen
frohen Bekenntnis.* Immerhin zihlen diese
Urteile zu den Ausnahmen. In der Regel hOrte
er stillschweigend zu, als wollte er die T5ne
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Hans Fährmann,
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Op.37. Preis M. 8.80 netto.
ErsKuffflhrune mit ausgezeichtietem Ei^olge
im Hina FIhrmtnn -Abende zv Chemniii am
22. November 1907, durch die Herren; Eugen
Richter, Kon/crmelster Hamann und Professor
Julius Klengel; weitere AulTQbrungeninMQnchen.
:: Dresden, Hiroburg u. i. O. bevorstehend. ::
Kommisslonsverlig von Otto Junn«|LeipxiB.
Dabei (tag '
innerlich nachwirken lauen,
rauchend auf und ab.
Ein bisher unbekanntea Bacb'Portrit
vurde von Prot^sor Geors Scbamann In
Berlin, einem Vorstandamii|lledederNBuen Bach-
gesellscbaft, Rtr daa Bacbmuseum in Eiaenach
und rGhrt von einem Maler Klein (1134) her.
Daa Bild soll dem Lelpiiger UnlTeraltiisprofbBsor
HIß, der seineraelt die bciUbmteii. Unter-
suchungen und Mesiunfen am Bacbachea Schldel
vorgenommen hat, fibenandt werden.
Die f&ttfte ordentliche Delegierten Versamm-
lung des aCentrslverbandes Deutseber
Tonkünatler und Tonkünstler-Vereine'
(E. V.) findet am 19. und 20. September d.j. in
KSln B. Rh. im Verclnalokale dea KBIner
Mi nncrgeaang vereine statt.
Der Jabresberichi der Königlichen Biblio-
thek in Berlin für 1 907/08 weist im Ordinarlum
der Druckachriftenabtellung eine Vermebniag
um 46259 blbliograpbiacbe Binde (gegen 32879
im Vorjabre) nach. Femer wurden 10825 Binde
aus außerordenillcben Erwerbungen in die Zu-
gangs Verzeichnisse eingetragen; der gebuchte
Zuwachs der Abteilung betrigt also 56889 Binde.
Von den Sonders am mlnngen hatte auch die
M u s i k s a m m 1 u n g einen auKeronlenlllch grollen
Zuwachs: 0326 (gegen 1414 im Vor}>bre) blbiio-
grapblsche Binde, darunter ca. 2000 Textbücher
und 2000 Chor- und Orchesteratlmmen. Ina-
besondere aber ist dieser Abteilung eine wertToile
Sammlung von Original werken BeettaoTens u. a.
durcb Geschenk, sowie durch Kauf ans Enm-
fonds eine AnzabI kostbarer Autographen ans
dem Nachlaß von Josef Joachim ziltell gewtiidea.
Die Arbeiten der .Deuiscben Muslksaramlwii^
waren am 1. April so well fortgeschritten, dag
der sysiematlscbe Katalog S59B2 und der alpha-
betiscbe 107777 Zettel entbleit; die Sammlung
' bereits der Benutzung zuglnglich.
Der Verein Berliner Musiker hat an die
Gemeindebebdrden von Berlin eine Petition ge-
richtet, um ein Verbot des gewerblichen
iizierens der Magiairatabeamien her-
beizuführen. Der Verein begründet dleae Pediloa
mit der erdrückenden, den ganxen Mnalkerstand
ruinierenden Konkurrenz und mit dem Hinweis
auf das ausreichende Einkommen der atldtiaebeB
Beamten.
Die Ausführung des Stadtttaeatera in
Htldesheim ist der Münchener Firma Hell-
mann & Ltttmann fürden I*rel8 von463j000MlL
übenragen worden. Daa Theater, daa Raum für
800 Personen bieten wird, muß am I. Oktober 1009
vollstlndig fertiggestellt sein.
Den drei Enten Kapellmeiatera der KSnlg-
iichen Oper in Berlin ist eine beMBdere
Auszeichnung zuteil geworden. Dr. Kart Mnck
und Dr. Richard Strauß lat mit Rflckalcbt «of
ihre mehr eis zehnjihrige ZugetaSrIgkeit nr
KQniglJchen Oper der Chanber als General-
musikdirektor verliehen worden, rthivnd Leo
Blech den Roten Adlerorden 4. Klasee «r-
halten bat. Das völlig koordinierte Sangrertilltiiit
der dt^i Herren wird dadurch aelboiveratliidlid
nicht berührt.
FerdInaDdHummel,MusikdlrektoraalUWg-
llcben Scbauapielbause in Berfbi, dtr KoapoaiM
der Opera „Die Beichte** und »Mara*', ist zum
Königlichen Professor eraannt worden.
Aus München wird gemeldet: den Opera-
slngerinnen Zd^nka Faßbender, Maud Fay
und Louise Hoefer wurde der Titel Königliche
Hofoperasängerin, den Operaslngera Max Gill-
mann und Otfried Hagen der Titel Hofopera-
Singer verliehen.
Der Großherzog von Sachsen-Weimar-Eise-
nach verlieh dem Direktor des Leipziger Stadt-
theaters, Robert Volkner, das Ritterkreuz des
Hausordens vom weißen Falken.
Das Konservatorium der Musik in
Köln veröffentlichte vor kurzem seinen Jahres-
bericht für das Schuljahr 1907/08, aus dem wir
entnehmen, daß sieb die Anstalt im abgelaufenen
Jahre unter Leitung von Fritz Steinbach in er-
freulicher Weise weiter entwickelt hat. Die
Scbülerzahl betrag 651 gegen 548 im Jahre vor-
her. Es steht ihr ein Lehrkörper von 49 ordent-
lichen und 1 1 Hilfslehrera gegenüber. Auch die
Zahl der Freistellen hat wiederam eine Ver-
größerung erfahren. Von den am Schlüsse des
Schuljahres ausgetretenen Schülera und Schüle-
rinnen konnten 65 mit Zeugnissen der Reife als
Konzertspieler, Operaslnger, Dirigenten, Lehrer
u. dgl. entlassen werden. Bei den Prüfungs-
auffübrangen der Operaschule, bei denen
Solisten, Chor und Orchester ausschließlich aus
Schülera der Anstalt bestanden, gelangten „Der
fliegende Holländer^', sowie drei kleine Opern
zur Aufführung.
Dem Jahresbericht des Pfälzischen Kon-
servatoriums in Neustadt a. H. ist zu ent-
nehmen, daß die nun seit drei Jahren von
Philipp Bade gegründete und geleitete Anstalt
in stetem Zunehmen hinsichtlich Besuchs und
Leistungen begriffen ist. Sie war im vergangenen
Jahr von 319 Schülera aus allen Teilen der
Pfalz besucht, daranter 85 Elementarschülern. Die
Anzahl der wöchentlich erteilten Stunden be-
trug 307. Außer drei größeren Konzerten ver-
anstaltete die Direktion sechs Prüfungskonzerte
und einen Kammermusikabend. Die Opera-
klaste brachte filzet's „Carmen" ungestrichen
unter Bades Leitung heraus. Der Lehrkörper
besteht aus 24 Lehrkräften.
TOTENSCHAU
Ende Juli f in Valparaiso (Chile) Berahard
Göhler, der seit 1885 als Lehrer, Organist und
Dirigent mit Erfolg tätig war.
Am 21. August f in Paris der Komponist
Louis Varney im Alter von 54 Jahren. Außer
seiner graziösen Operette „Die kleinen Lämmer**
ist in Deutschland auch seine komische Oper
„Die Musketiere im Kloster" bekannt geworden.
In Zarskoje Selo f am 27. August der
Professor am St. Petersburger Konservatorium
Wilhelm Schubert, 72 Jahre alt. Geborener
Deutschböhme, gehörte er von 1858 an lange
Zeit hindurch dem Hofoperaorchester als
Oboist an.
Am 28. August f in Berlin der Tonsetzer und
Theoretiker Heinrich van Eyken, 47 Jahre alt.
Er war in Elberfeld get>oren und studierte bei
Pappritz in Leipzig, später auch in Berlin in der
Meisterscbule von Herzogenberg. In der Reicbs-
^ hauptsudt ließ er sich dann als Privatlebrer für
n
Victorio Luis^
^
KonserootoriDni.
IIERUIV3ll,Nli8ll.57. SS^:^S&.
Direktion: Alfred Sohinidt-Badekpw.
Künstlerischer Beirat: Willy Baraiestor.
HMptlehrkrifte; Hjalmar Arlberg; Irene von
Brennerberg; Klara Erler; Fritz Espenhahn,
Kgl. Kammervirtuos ;Joseflne Gruson, ehem.
Sachs. Hofoperasängerin; Leo Halir, Kgl.
Kammermusiker; Rudolf Krasa, von der
Kgl. Hofoper; Max Laurischkus; Eugftne
Malmgren ; Lina Scbmalhausen, Hof^ianistin ;
Alfred Schmidt-Badekow.
DIroktprs ffflr dip JüagplidrloAii vnd
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Heft 2. Op. 58. Schwere Übungen
in der I. Lage 1.80 IM.
Heft 3. Op. 60. Übungen in den
einzelnen Lagen und zur
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Heft 1. Op. 55. Leichte Infonatlona-
Bbungen In der I. Lage . . 3.— M.
Heft 2. Op. 36. Schwere Intonatlona-
Qbungcn in der I. Lage . . 3.-^ M.
Heft 3. Op. 61. Übuageo In den
einzelnen Lagen und lur Ver-
bindung der Lagen .... 3.— M.
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einfaobe Fnge nebst dem drei-
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Rheinberger - Kistler). Mit zahl-
reichen Notenbeispielen ; geh.
M. 3.— no., in modern. Einband
geb. M. 4. — no.
Band III. Der doppelte Kontrapunkt, dleDoppel-
fuge, die dreiatlninilge Fnge und
zwelatlmnlge Fuge (System Rhein-
berger-K istler). Geh. M. 3.— no.,
in modern. Einband geb.M.4. — no.
Band IV. Der dreifache und mehrfache Kontra-
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C. F. SCHMIDT
Musikalienhandlung und Verlag
HEILBRONN a. Neckar.
^
^.,1.
Theorie und Komposition nieder; einige Jahre
erteilte er auch an der Köniflichen Hochscbnle
fiir Musik Unterricht in Tbeone. Eine Harmonie-
lehre aus seiner Feder soll demnicbst erscheinen.
Van Eyken zlhlte zu den begabtesten unter
unseren jüngeren Tonsetzem; er hat eine ganze
Reihe von Liedern geschaffen, in denen sich
edle Empfindung und vornehmer Geschmack
bekunden (es sei hier nur an das vielgesungene
»Schmied Schmerz", an ,Judiths Siegesgesang*,
das »Lied der Walküre* oder an das reizende
»Es war ein Prinzeßchen" erinnert). Aber auch
in größeren Formen zeigte sich seine reiche
kompositorische Begabung. An der Liliencron-
sehen Chorordnung für das evangelische Kirchen-
jahr war van Eyken mit vielen Ueineren und
größeren Sitzen beteiligt (Ein Bild des sym-
pathischen Künstlers brachte die»Musilc* in Heft 18
des VI. Jahrgangs.)
Am 31. August f in Dresden, erst 38 Jahre
alt, der Konzertmeister der Königlichen Kapelle
und Primgeiger der bekennten Qnartettver-
einigung, Max Lewinger. Der ausgezeichnete
Künstler stammte aus österreichisch -Polen.
Zögling der Hochschulen von Kraksn, Lemberg
und Wien, erhielt er 1883 einen Posten als
Geigenlehrer am Konservatorium von Bukarest
Später ging er als Konzertmeister der Philharmo-
nischen Konzerte nach Helsingfors; ein Jahr
hindurch war er in gleicher Bgenschaft auch
am Theater- und Gewandhausorcbester der Stadt
Leipzig titig. 1808 wurde Lewinger als Nach-
folger Rappoldis mit dem Titel eines KönicUchea
Hofkonzertmeisters nach Dresden berufen. (Eüi
Bild des Verstorbenen enthilt das 18. H^ des
VI. Jahrgangs.)
t
Sobliiss den rodakttonelleii Tolln
Verantworüich: Willy Reoz, Beriln
VERSCHIEDENES
Sehr ansprechend wirkt die eben erschienene
Nummer (3) der »Mitteilungen" von Bos-
wau & Knauer, die uns in Wort und Bild ein
nach neuestem Stil eingerichtetes großes Hotel,
und zwar das Hotel Esplanade in Hamburg
schildert. Der Text gewährt uns einen inter-
essanten Einblick in zahllose Einzelheiten, die
berücksichtigt werden müssen, um den An-
sprüchen eines verwöhnten, modernen Reise-
publikums gerecht zu werden. Hier spricht
nicht allein das mit, was die Augen sehen, son-
dern in höherem Grade das, was man nicht be-
merkt, sondern nur angenehm empfindet: zahl-
lose Einrichtungen, die mit der Hygiene, den Be-
quemlichkeiten des Verkehrs, mit der Sichemng
gegen Feuersgefahr, mit Heizung, Lüftung^ Rei-
nigung usw. eng zusammenhingen. Das Hotel
Esplanade darf — das geht auch aus den 20 nach
Naturaufnahmen gefertigten Illustrationen, die
dieses Heft schmücken, hervor — ala Tomenmer
Typus eines ersten Hotels gelten, als ein Dmikmal
unseres heutigen Mühens und Strebens am eine
neue Baukultur, und es ist der Architektur- nnd
Baufirma Boswau & Knauer, der jener Bau im
Äußern wie im Innern zu danken ist, geiimcen,
hier von neuem ihre LeistungsfUiifkeit in heuern
Licht zu zeigen.
VI
AUS DEM VERLAG
Bach & Co. in London kündigen eine
Ausgabe der Klaviermusik von Alessandro
Scarlatti an, von der sehr wenig im Druck
erschienen ist. Als Grundlage dient ein in
Münster i.W. befindlicher handschriftlicher Band,
der wahrscheinlich aus dem Besitz des Abb^s
Santini stammt. Als Herausgeber zeichnet der
Musikschriftsteller J. S. Sftedlock. Das Werk,
auf das eine Subskription erdffhet wird, soll in
12 Teilen binnen JahresfHst vollendet vorliegen.
Das Musikverlagshaus Gabriel Astruc in
Paris teilt mit, daß bei dem großen internatio-
nalen Wettbewerb für Musik in der Abteilung
„Oper und lyrisches Drama** ein Preis von
10000 Francs der Partitur »Penticosa^ Musik
von Louis Lambert, Text von G. Hartmann und
A. Denis, zuerkannt wurde.
Im Verlage von Schuster & Loeffler in
Berlin erscheint demnächst eine kritische Aus-
gabe von Carl Maria von Webers simtiichen
Schriften. Die bisherigen drei Ausgaben konnten
weder auf Zuverlässigkeit noch auf Vollstindig-
keit Anspruch erheben, so daß der jetzige Her-
ansgeber, Georg Kaiser, hiermit einem fühlbar
vorhandenen Bedürfnis abgeholfen hat. Allein
gegen vierzig Aufsitze Webers gelangen hier
nach fast einem Säkulum der Vergessenheit
wieder ans Licht, eine Menge von Fehlem, die
sich in die früheren Ausgaben eingeschlichen
hatten, sind hier nach authentischen Quellen
berichtigt. Zieht man in Betracht, daß diese
alten Ausgaben fast gar nicht mehr erhlltlich
sind, so kann dies neue Unternehmen nur be-
grüßt werden.
Hetns von
Wolzogen,
AusRichard
Wagners
Qeisteswelt
Soeben erschienen!
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Durch jede Buchhandlung.
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Kompositionni von
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Op. 9. Vier Lieder Im Volktton fOr eine Slogetlmme mit
Kltvierbegleltuog. tAk.
No. 1. Jung tterben. (De« Kniben Wunderlioni 1,—
No. 2. LaS raiMchen ! (Gediclit tut dem tS. Jelir-
liundert) 1,—
No. 3. Hoffen and Harren. (A. Gatlnr) 1,—
No.4. Liebealeid. (A. Kluclchnn> 1,—
Op. 10. Drei Lieder fBr eine Sfngatlmme and Pianoforce
No. l. Singend über die Halde. (Artbor Pitger) 1,50
No.2. E8triamenrlng8dleBlttmett.(A.K|ttckbun) 1,—
No. 3. Nelken. (Tbeodor Sform) 1,—
Op. 17. In Ihm. Gelatllchea Lied fOr eine Slngatimme
a) mit Klavier, b) mit Orgel i 1,—
Op.20. Zwei Lieder fBr eine Slngatimme mit Klavier.
(No. 1. Im Lenz. No. 2. Aaf der Radelaburg) 1,50
Op.2l. «Rokoko*. Suite In vier Sitzen fOr Orchester.
Klavierauazug zu zwei Hinden ^50
Op.24. Zwei Lieder fOr eine Slngatimme mit Klavier.
(No. 1. Da ateben wir. No.2. Genügen) . . . 1,—
Op.26. Zwei Lieder fBr eine Slngatimme mit Klavier.
No. 1. Ea duftet Und die Frfihlinganaebt. No.2.
Mit einem Blumenatraufi) I,—
Op.29. Drei Liedbr (Im Volkaton) fBr eine Slngatimme
mit Klavier.
(No. 1. Migdlein, ao achön und hold. No. 2.
Mir Heb bin Ich umbfangen [Altdeotache Wdae].
No. 3 Wenn Ich acheiden maO.) 1,50
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und Mme. Gull lern ot-Tharinter. — Klivlsr: MM. Berobtrd Sttven-
biBcn, Mmc. Marie Ptnthes, MM. Lauber, Schulz, JHoood, Monu,
Fricker, Bebrcns, Ostrogi, Montlllet, Mmei. Bourgeois, Bovet,
Cbiridjlan, Ligler, Goguel, Schmitz, Mircinbei, Mooaer, Delisle,
Jaubeit, DQrr, Cirey, Hartmann, PeiTln, Renard, Thury, Mayatre,
Rey, Bulliat, Vatter. — Vial«: MM. Felix Berber, L. und E. Reymond,
Pahnke, Alexy, Potlak und Mlle. Donlval. — Vlalsnoell: MM. Adotpbc
Rebberg, Briquet, Lang. — Orpei: M. Barbtan. — Harfs: MUc. Poulaln.
— Hrtw-Coraaglsii: Mr. Rouge. — FIBte: M. Bu^ssens. - Kiviaettfl:
Mr. Capelle. — Horn: Mr, Kling. — TrOHpete: Mr. Pyerre. —
(biartettiplel nad Orohutarsplel: M. Felix Berber. — OrohMter-
Dlrektion: M. Bernbard Stavenhagen. — EDiaHb)esp)el : Mr. L. Rey-
moad. — SalftiB and Tbiarla: Mr. Kling, Mmes. Chassevaut, Kunz,
Menger, Terroux, Dclayc. — Soltiga aapirlaar and laiprüvlaaUaa:
Mr. Jaques-Dalcroze und Mite. Carter. — Matbad« JaqDaa-Daiaraze
(Caara paar profesilOflUll): Mr. Jaquea-Dalcroze. — HamMlai
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aad Kaaipoiltlea : Mr. Otto Barblan. — laatraHaatatlaa: Mr. Lauber.
— Muiikflsaehlohte: MM. Humbert und Pabnke. — Hiatnlra dat
■tyla-. Mr. Liuber. ~ Klavisrpidaflaglk : M. Stavenhagen und Mme.
Pantbis. — Laotura vnoal« at laatraaieBtala: MM. Ketten, Tborold,
Daml, Mme. Gulllemoi et Mr. Vend. ~ Daklanatlea; Mite. Lavater
und Mr. Brunei.
Aafaag dn aenen Karaaa: 15. September 1908.
AafaaÜaiaprOfaBg : 7., 8. und 9. September. Schririllche An-
meldungen kaan man logtelcb an das Direktorium gelangen laiaen
(oder mOndllcb vom 31. August bis 5. September im Konaervatorlums-
bnreaa). — Prospekte und Jahresbericht sind von der Direktion gratis
in belieben.
Der Direktor:
Fardlnand Held.
MöiiiiirKoiiniligiulainelioieli)
□ D iHrilwIriMilap URtarrioM !■ Hanmaala a a
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«t.A
Abdruck aus
Neue Rundschau
Heft 9 (September 1908)
Mtt5Hali5clig StfafprdiBteti.
Das ist der Titel eines ganz famosen Buches von Max Steinitzer, das
im Verlag der Süddeutschen Monatshefte erschien. Ich habe es mit einem
dreifachen Vergnügen gelesen. Zuerst: weil es recht hat. Was da den Rezen-
senten, Sängern, Schullehrern, Militärdirigenten, Vereinsleitem, Gesangs-
lehrerinnen, Konservatoriumsdirektoren, Komponisten, Hofkapellmeistem der
Reihe nach an Grobheiten gesagt wird, ist ein soziales Bild des vollkommenen
Chaos, das unsere musikalische Erziehung bietet. Und dann weil es Charakter
hat. Es ist der alte gute deutsche Brummbär, der schimpft, indem er es gut
meint, ein Herzenskerl, der kein Blatt vor den Mund nimmt, so ein Kreislerianer,
mit aller Phantasie auch für die modernste Zeit, und allem Sinn für die Ver-
wirrtheiten unserer Existenz, ein Charakter, der Charaktere liebt, auch unter
der Maske des Berufs. Und drittens: weil es gut geschrieben ist, keine Schul-
meistere! banaler Sorte oder Theorie außer dem Leben, sondern lebendig bis
in die Fingerspitzen, Staccato und Legate, Forte und Piano, wie es das Thema
und die Variationen verlangen. Es ist wundervoll zu lesen in seinem ernsten
Humor, echter Stil eines, der was zu sagen hat, und der was weiß, die Interna
kennt von der Bühne und der Schule, vom Konzert und von der Geschichte,
der mit seinen Kenntnissen für die Zeit lebt und seine Reformen aus der
praktischen Politik entwickelt. Hat man es gelesen, so hat man was von dem
Apparat unserer Musikmacherei gelernt, von den Fassaden und den Kulissen,
dem lauten Dilettantismus und der stillen Künstlerseele. Ja, es ist etwas von
einem Drama darin, so lebendig ist es herausgekommen. Die Schäden sind
zu Typen, die Typen zu Akteuren geworden, leibhaftige Menschen, runde
Menschen in Licht und Schatten. Sie sagen wie der feine Opernsänger
Giuseppe Malvio, der seinen Grobiansbrief bekommt: „So lang* als die Lent*
reingehen und applaudieren, wenn ich bloß sing', so lang spiel ich nit. Nit-
wohr, Herzal?^ Und indem sie das sagen, spielen sie schon: in dem Buche.
Oskar Bie.
Preis: geheftet H. 2.50
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op.9. Flagellantenzug.
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Für KUvier zu 4 Händen (Ruoff) M. 4.— | [V. I, II, Va., Vc, B. je M. IJ» nc]
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op.8. Lernt lachen!
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Anfffahrungsdaueri 40 HinNten.
B 1 e y 1 e hat sich bereits als Nietzsche-Vertoner einen Namen gemacht; seine 1907
erschienenen Männercböre nach Worten von Nietzsche (An den Mistral — Ver-
einsamt — Nach neuen Meeren — Campo santo di Staglieno— Der
Wanderer — Unter Feinden) sind in kunstbeflissenen Mlnnerchorkreisen enthu-
siastisch aufgenommen worden und haben zum Teil schon viele Aufführungen erlebt. Zu
seinem Chorwerk ,,Lernt lachen!** hat Bleyle die Worte aus des großen Philosophen
,»Also sprach Zarathustra* entnommen und in folgende vier Teile frei zusammengestellt:
I. pfUnd ich saiie eine gpoBe Trauriglceif •
II. pyOopt ist die Grlberinseip die soiiweiosaine''.
III. ppNaciit ist esp nun reden lauter alle springenden Brunnen'*«
IV. ppAufp laBt uns den Geist der Soiiwere taten !<<
op.6. Symphonie In F-dur.
Partitur netto M. 30.—, Orchesterstimmen netto M. 36.— (Dubl. je netto M. 1.80),
Für Klavier zu 4 Händen M. 4.—.
AufffOlirunosdaueri 30 Minuten.
Zum erstenmal wurde bei diesem Werk der Versuch gemacht, die Form der klassischen
Symphonie in einen Satz zu verschmelzen, um so die möglichste Einheitlichkeit zu erzielen.
Wie erfolgreich dieser Gedanke verwirklicht wurde, beweist die Bleylesche Symphonie
am besten selbst. Der Komponist hat sich damit um die Neugestaltung der Symphonie
ein entschiedenes Verdienst erworben. Das Werk wird allen Diiigenten, die einem wert-
vollen und neuartigen symphonischen Erzeugnis Interesse entgegenbringen, Freude bereiten.
■•••■■■■■■•••■■■•■■•■■■■■■••■■■■■■•■•■■■■■■•■•■■••■•■■■•■•••■•••■■•••■•■•••••■■■■•■•■■•••■■■•■•••■■•■■■■■■■■■■■■
Portltoren bzv. RlovlerouszOBe obiger Werke sind ouch znr JhislcM zn bedehal
Fr. KistnePy Musikveriag, Leipzigi
XI
üIUb Kmuntinin iD Srnfenliii».
Dirigenten — Orchester — 0|»enischale. Simtllche IntinimeBtc. KUvIer,
Orcel, Htrfe. Komposlilon. Kirehenonttslk. SchUlerorchetter. Mit-
wirkung in der Hofk«pelle. Vollstiüidlge Ausbildung fBr Oper und
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jahr findet am
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von vormittags 9 Uhr an statt; fQr die
Ausbildungsklasse des Herrn
Carl Friedberg am selben Tage, vormittags
10 Uhr.
Schriftliche oder mundliche Anmeldungen
bis zum 13. September beim Sekretariat,
Wolfstrasse 3 — 5, durch welches Prospekte
gratis zu beziehen sind.
Der Vorstand des Konservatoriums.
Albert Freiherr von Oppenheim,
Vorsitzender.
Neue herwerragende
Klaviermusik von -
Crnst Toch
■slpdlsolip Sktaessiiy op. 0.
No. 1. Ständchen (M. 1.20).
No. 2. Reigen (M. —.SO).
No.3. Scberzetto(M.— .SO).
No.4. Romanze (M. 1.20).
No. 5. Papülont (M. 120)^
Drml Prlludlmi (A-molLA-dur .
D-moU) op. la M. 2.50.
Sohprsp (H-moU).op.l 1. M.2. — .
tf^ Der bekannte Pianist
Alfired Griafeld schreibt dem
Komponisten: »IbreStficke,op.O»
•lad laaz reizend, apart, trl|inell^
und vor alleai^ worauf icb Tlel
halte, eebr MavierMlatli ge-
schrieben. Sie werden jeden-
faUs viel letpielt werden, denn
•ie empfehlea alch vea aalbit"
Außerdem seien
heetens empffehieni
op. 50. Am Abend. Ein
Stimmungsbild. M. 1.20
LsuisPatotf op.41. Nordische
Sommernacht 5 Charak^
ter8tficke(l.Abenddimme-
ning. 2. StemenfHede;
3.Mlttemachtsweihe. 4.Ge-
sang der Vasser. 5. Spie«
lende Elfen). ^
In einem Heft M. 3.—;
Eiazela danws:
No. 2. StemenfHede
M. IJSO
No. 5^ Spielende Elfen.
M. 1.50
— op. 43. Scdne de Bai. Valse
de Concert M. 2.—
— op. 44. Vindesrauschen«
Konzert-Etfide. M. 1.50
Alois RppkMNtorffp op. 26.
5 Charakterstücke in Tanz«
form: No. 1. Polonlse
(M. 120). No. 2. Mazurka
(M. —.80). No. 3. Polka
<M. 1.20). No. 4. Walzer-
Caprice (M. 1.2Q). No. 5.
Czardas (M. 1.—).
Emilp ÖPSBortPSp Dansea
d'Autrefois:
No. 1. Porlane. No. 2.
Menuet et Trio. New 3.
Pastorale. No. 4b Gavotle.
Einzeln Je M. 1.-^ netto^
In einem Hefl M.2.25 netto,
lHliim».»ilsl.MtalMli
Kaiserlich mss. Hofifofenalt .
jpipgjf«
XU
Demnächst erscheinen bei uns
Sämtliehe Sehrinen
von
Carl Maria von Weber
Kritische Ausgabe mit umfassenden Erläuterungen
von
Georg Kaiser
45 Bogen gr. 8. Geh. Mk. 12.—. Geb. Mk. 14.—.
Die Bedeutung des genialen Schöpfers der deutschen Oper als des Siegers über
welsche Kunst und des Vorkämpfers für das deutsche Drama, das in Richard Wagner
seine Erfüllung fand, enthüllt sich ganz nur demjenigen, der sich auch mit des Meiatert
Schriften vertraut macht. Sie strahlen nicht nur die adelige Persönlichkeit des unsterblichen
Künstlers aus, sondern nehmen vielfach Oberraacbend das verana, was in seines Nachfelgera
Schriften breiter entwickelt worden Ist Wie sich von Euryanthe zum Lohengrin hundert
Verbindungsfäden ziehen, so sind die Berlhmngapunkti ven Weber und Wagner auch in
ihren Schriften in ästhetischer und reformierender Beziehung eratannlicb zahlreich.
Eine Neu-Herausgabe war notwendig, weil die beiden früheren Sammlungen von
Webers Schriften, die zu Unrecht als „Gesamtausgaben" auftraten, zun Teil acbleebt und
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