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Full text of "Die Musik"

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n 


DIE  MUSIK 

ILLUSTRIERTE  HALBMONATSSCHRIFT 


HERAUSGEGEBEN  VON  KAPELLMEISTER 

BERNHARD  SCHUSTER 


DRITTER  JAHRGANG 

ERSTER  QUARTALSBAND 

BAND  IX 


VERLEGT  BEI  SCHUSTER  &  LOEFFLER 
BERLIN  UND  LEIPZIG 

1903—1904 


Music 

V.  ? 


^ 


{/'!) 


INHALT 


Seite 

Rudolf  M.  Breithaupt,  Ein  Richard  Wagner- Denkmal 3 

E.  van  der  Straeten,  Mendelssohns   und  Schumanns  Beziehungen  zu  J.  H.  LQbeck  und 

Johann  J.  H.  Verhulst 8.  94 

Dr.  Max  Graf,  Gedanken  Ober  das  Moderne  in  der  Musik 21 

Hans  von   Mflller,   Zwei  unvollendete  Singspiele  von  E.  T.  A.  HofTmann 27 

Dr.  Paul   Marsop,  Vom  Allgemeinen  Deutschen  Musikverein:  Ortsgruppen 41 

O.  G.  Sonneck,   Hie  nationale  Tonsprache  —  Hie  Volapflk 47 

Dr.  Gustav   Karpeles,    Heine  in  Russland 54 

Hermann  Teibler,   Herman  Zumpe  f 60 

Dr.  Arthur  Sei  dl,  „KOnigsschlOsser'*  und  «Wagner- Festspiele* 83 

Paul  Ehlers,  Zur  Konzertreform 103 

Prof.  Josef  Sittard,  Theodor  Kirchner  f 115 

Dr.  Leopold  Schmidt,   Das  deutsche  Lied  im  18. Jahrhundert  (Max  Friedlinder).    ...  118 

Max   Steuer,  Caroline  Unger 126 

Bernhard   Ziehn,   Ober  die  KirchentOne 163 

Dr.  Erich   Urban,   Die  Wiedergeburt  der  Operette 176.269 

J.  G.  Prod'homme,   Die  Hugenotten-Premiere 187 

Max   Steuer,  Marie  Geistinger  f 201 

Dr.  Paul  Marsop,  Vom  Musiksaal  der  Zukunft  (Zweites  Erginzungsblatt:    Heidelberg)    .  243 

Prof.  Hermann   Ritter,  Ober  Volksmusik  und  Volksgesang  in  alter  und  neuer  Zeit    .    .  258 

Dr.  Wilhelm   Altmann,  Joseph   Mayseder 282 

Amödöe   Boutarel,    Berlioz  und  seine  «architecturale  Musik* 323 

Dr.  R.  Pissin,   Hector  Berlioz  der  Mensch 332 

Kurt  Mey,  Berlioz  als  Dramatiker    ...       338 

Gertrud  Saviö,   Berlioz  und  die  Frauen 348.415 

Tom  S.  Wotton,   Einige  Missverständnisse  betreffs  Berlioz' 358 

Dr.  Edgar  Istel,   Berlioz  und  Cornelius 366 

Prof.  Dr.  Richard  Sternfeld,  Ist  der  «Lello*  von  Berlioz  auffOhrbar? 373 

Dr.  Adolph   Kohut,  Johann  Gottfried  von  Herder  und  die  Musik 403 

Dr.  Alfred  Chr.  Kalischer,  Ludwig  van  Beethoven  (A.  B.  Marx) 424 

Dr.  Georg   MQnzer  und  Dr.  Oscar  Grohe  Musikalische  Zitate  und  Selbstzitate    .    .    .  430 

Theodor  Von  Frimmel,  Zum  Beethoven-Medaillon  von  Jacques  Edouard  Gatteaux  .    .    .  434 


Besprechungen 

Revue  der  Revueen   ..... 

Umschau 

Eingelaufene  Neuheiten     .    . 

Anmerkungen 

Vorlesungen    Ober    Musik    an    Universiti 
Semester  1903/4  . 


62.  128.  202.  284.  376.  436 
.  .  65.  136.  207.  288.  441 
.    .     68.  141.210.291.  445 


79.  158.238.318 


80.  160.  240.  320.  400.  480 
en    und    Hochschulen    im    Wlnter- 
i 73 


INHALT 


S«it« 

Aachen 380 

Amsterdam  .    .149.  207.  450 

Berlin 450 

Braunschweig  .    .    .   210.  451 

Bremen 210.  380 

Breslau     .    .    .140.  207.  451 

BrOnn 381 

Budapest 220.  452 

Buenos-Aires 452 

Bukarest 140 

Charlottenburg     ....      75 

Danzig 381 

Darmstadt  ....    220.  453 

Dessau 381 

Dresden  1 50. 22 1 .  207. 38 1 .  453 

Düsseldorf 208 

Elberfeld      .    .151.  200.  454 
Essen 381 


Kritik  (Oper). 

Seite 

Frankfurt  a.M.  151.290.382.454 

Freiburg  i.  B 454 

Genf 455 

Haag 221.  300 

Halle 221.  455 

Hamburg   151.  222.  382.  455 

Hannover    ....    222.  382 

Karlsruhe    ....    222.  382 

Kassel 456 

Köln    .    .152.  223.  383.  457 

Königsberg 300 

Kopenhagen    ...    153.  457 

Krakau 153 

Uipzig    .  153.  300.  383.  457 

Lemberg 458 

Madrid 458 

Magdeburg  .    .    .    .301.  450 

Mainz 223 


S«lte 

Mannheim 301 

München      .    .    75.  223.  301 

NQmberg 450 

Paris 450 

Petersburg   ....  224.  383 

Prag 302.  460 

Riga 224.  461 

Rostock 383 

Schwerin 224.  461 

Stettin 383 

Stockholm 302 

Strassburg 302 

Stuttgart •     224 

Warschau 302 

Weimar 384 

Wien     ....  225.  303.  461 

WQrzburg 461 

Zflrich 225.  461 


S«it« 

Aachen 384 

Amsterdam  .    .154.  303.  462 

Barmen 462 

Basel 303 

Bayreuth 462 

Berlin  154.226.304.384.  463 

Birmingham 300 

Braunschweig 467 

Bremen 231.  380 

Breslau     .    .    .  155.  310.  468 

Brflnn 380 

Budapest 468 

Bukarest 156 

Chemnitz 380 

Danzig 300 

Darmstadt    ....   231.  468 

Dessau 300 

Dortmund 300 

Dresden  .231.  310.  300.  460 

Elberfeld 311.  460 

Essen 301 

Frankfurt  1 56.232. 3 1 1 .39 1 .  470 
Freiburg  i.  B 470 


Kritik  (Konzert). 

S«lt« 

Genf 471 

Glasgow 302 

Grenoble 77 

Haag    ....  233.  311.  471 

Halle 233.  471 

Hamburg      ....   233.  302 
Hannover     ....   234.  302 

Heidelberg 303 

Karlsruhe     ....  234.  303 

Kassel 311 

Köln    .    .  235.  312.  304.  472 

Königsberg 313 

Konstantinopel    ....     157 
Kopenhagen      .    .    .313.  472 

Krakau 472 

Krefeld 304 

Uipzig       235.  313.  305.  473 

Liverpool 305 

London 236.  474 

Magdeburg  .    .    .    .314.  474 

Mainz 475 

Manchester 314 

Mannheim 315 


S«it« 

Metz 475 

München 315 

New-York 475 

NQmberg 476 

Paris 477 

Petersburg 306 

Posen 306 

Prag 316.  477 

Riga 237.  477 

Rostock 307 

Rotterdam 478 

Saragossa 478 

Schwerin 237 

Stettin 307 

Stockholm 316 

Strassburg 316 

Stuttgart 237.  307 

Warschau 316 

Weimar 308 

Wien     .    .    .    .317.  308.  478 

Wiesbaden 317 

WOrzburg 470 

Zürich 237.  470 


Reproduktionen  im  Text. 


Karikatur  auf  Beriioz  von  Marcelin  1863 

Berlioz-Karikatur  von  Cham  1862  .    . 

Berlioz-Karikatur  von  Nadar  1852  .    . 

Berlioz-Karikatur  von  Cham  1855  .    . 


Seite 

337 
372 
375 
300 


REGISTER 


ZUM  BAND  IX  DER 


MUSIK 


Oktober  bis  Dezember  1903 


NAMEN-  UND 
SACHREGISTER 

ZUM   I.  QUARTALSBAND   DES   DRITTEN 
JAHRGANGS    DER    MUSIK   (1903/4) 


Abendroth,     Irene,     224.     298. 

461. 
AbrAnyi,  Emil,  220.  452. 
Abt,  Franz,  267. 
Ackt6,  Aino,  302.  454. 
Adam,     Ad.,     181.     182.     272. 

324. 
Adam,  AI.,  471. 
Adam,  Gertrud,  151. 
Adam-Salomon  400. 
V.  Adelburg,  Aug.,  282. 
Adolph!,  Heinr.,  461. 
AdorjAn,  Eugen,  148. 
Agobard  262. 
Agricola  122. 
de  Ahna,  H.,  283. 
Ahnert,  Bruno,  300. 
Aichele,  Rieh.,  219. 
V.  Aist,  Dietmar,  263. 
Alabiefr  107. 
d' Albert  392  f.   455.    460.   472. 

473.  474. 
Alberti,  Werner,  157.  389. 
Alboni,  Mme.,  195. 
Alenew  56  f. 
Alferaki  56  f.  57  f.  58. 
AlfOldy  461. 
Alkuin  262. 

AUgem.      deutscher      Musiker- 
Kalender  fQr  1904.  72. 
Allgem.    deutscher  Musikverein 

(Ortsgruppen)  41  fT. 
AUgem.    deutscher  Musikverein 

(TonkQnstlerversammlung)  7 1 . 
Alnoes,  Eyvind,  386. 
Mc.  Alpin  392. 
Alt,  Anna,  315. 
Alten,  Bella,  152.  454. 
Altmann,  Wilhelm,  480. 
Amato,  Pasquale,  297. 
Ambros-Kade       167.       169  f. 

172  f. 
Ancona  458. 

Andersen,  Joachim,  452.  472. 
d'Andrade,  F.,  455. 
Andr6,  1.  A.,  122. 
Andrei,  V.,  311.  479. 
Angerer,  Gottfr.,  237. 
Ansorge,  Conrad,  43.  463.  465. 

466. 
Anthes,  Georg,  220.  468. 
Anzelmi  303. 


Aranyi,  Desider,  461. 

Arcadelt,  J.,  438. 

Archangelsky  56. 

Ardito  458. 

Argamakow  56. 

Argiewicz,  Eugenie,  306.  466. 

Ariost  323. 

Arlberg,  Hjalmar,  230. 

Armbrust  397. 

Arminius  261. 

Amal  365. 

Arnold,  Hans,  151. 

Arnold,  Richard,  476. 

Amoldson,     Sigrid,     151.    203. 

297.  298.  300.  380.  455. 
Aron,  P.,  168. 
V.  Artner,  Josefine,  152. 
Artur,  Ernst,  308. 
Artur,  Jella,  308. 
Artzybuschew,  N.,  55.  56  f.  57. 
AschaffSenburg,  Alice,  311. 
Atkinson  314. 
Attenhofer,  K.,  268. 
Auber  107.  181.  182.  183.  272. 

273.  324.  452.  454. 
Audran,    E.,     185.     270.    320. 

454. 
V.  d.  Aue,  Hartmann,  263. 
V.  Auer,    Leopold,     157.     218. 

(Jubilium)  396. 
Augustus  2Cio. 
V.  Aumale,  Herzog,  190. 
Aurelius  261. 
Auspiu,  Sofie,  399.  478. 
Bach,  Joh.  Chr.  Friedr.,  408. 
Bach,  Joh.  Seb.,  22.  23.  25.  50. 

51.    101.    107.     112.       113. 

128.  130.  132r.  147.  166.  168. 

173.  226.  228.  229.  236.  244. 

252.  255.  287.  310.  312.  313. 

314.    323.    361.    387.    389  f. 

390.    391.    394.   397  f.    398. 

436.    466.    469.    470.    471  f. 

472.  476.  477.  478. 
V.    Bach,    K.,    55.    56 f.    57  f. 

58. 
Bach,  Ph.  Em.,  22.  122. 
ßicker,  Vilma,  308. 
Backhaus,  Wilh.,  396. 
V.  Baden,  Grossherzog,  256. 
V.     Baden  -  Baden,      Markgraf, 

130. 


V.      Baden-Baden,     Markgrifin 

Elisabeth,  130. 
Baikow,  Mme.,  57. 
Bailet,  Adeline,  465. 
Baini,  G.,  163. 
Bake,  Otto,  155.  387. 
Balakiew,  M.,  56.  58. 
Balder,  Rieh.,  461. 
Baldreich,  Gottfir.,  151.  454. 
Balducci  342. 
Ballabene  246. 
Balzac  192. 
Banasch,  R.,  455. 
Band,  Erich,  383. 
Bandler,  Heinr.,  228. 
V.  Bandrowski,  Alex.,  153.  447. 

458. 
Bands  270.  272. 
Barbier,  Auguste,  326.  342. 
Barblan,  Otto,  471. 
Barclay  Squire,  W.,  438. 
Bar6,  Emil,  220. 
Barrientos,  Maria,  458. 
Barkowska-Fischer,  Elsa,  386. 
Barron-Berthald  219. 
Bartek,  B61a,  399. 
Barth,  Hans,  305. 
Barth,  Rieh.,  234. 
Barth-Schirmer  473. 
V.  Bary  221. 
Basil,  Hans,  225. 
Bassermann,  Florence,  311.  385. 
Basset,  Urbain,  77. 
Bassi  458. 

Batka,  Rieh.,  150.  281.  380  f. 
Bauberger,  Alfred,  76. 
Bauer,  Harold,  476. 
Baumann,  Emma,  300. 
Bausewein,  Kaspar,  449. 
V.    Baussnern,  Waldemar,   295. 

474. 
V.  Bayern,  Prinzregent,  147. 256. 
Beck,  Ellen,  386.  466. 
Becker,  Carl,  313. 
Becker  (Danzig)  390. 
Becker,  Frl.,  390. 
Becker,  H.,  311.  315.  472. 
Becker,  Otto,  466. 
Becker,  V.  E.,  268. 
Becker  -  Samolewska,      Bianca^ 

466. 
Beebe,  Caroline,  227. 


tv 


NAMENREGISTER 


Beel,  Antonia,  395. 

van  Beethoven,  Ludwig,  22.  23. 

49.  51.  61.  62.  96.  101.  106. 

109.  112.  127.  128.  155.  156. 

226  227.  229.  230.  231.  232  f. 

233  f.  234.  235.  236.  248.  253. 

254.  255.  256.  282.  300.  304. 

306 f.  308.  310.  31 1.  312.313r. 

315.  316f.  317.  323.  331.  332f. 

333.  338.  339.  341.  359.  363. 

368  f.  370.    372.    380.    384  f. 

386 f..  388.    389.   390.  393 f. 

894  r.    395  r.  396.  397  f.   398. 

399.    422  fr  (Buch  von  A.  B. 

Marx).  433.   434  f.  451.  462. 

463.    465.    467.    468.    471  f. 

472.  474.  475.  476.  478.  480. 
Behm,  Ed.,  155.  465. 
Behncke,  Gustav,  424  fr. 
Behr,  F.,  468. 
Behr,  Therese,  305.   313.   314. 

386.  468.  469.  475.  477. 
Behrens,  Max,  389. 
Beier,  Franz,  311.  457. 
Beines,  Martha,  462. 
Belgardt  56. 
Belin,  J.,  193. 
Beling,  Helene,  307. 
Belisar  261. 

Bellermann,  H.,  169  f.,  172  f. 
Bellini.  V.,  126.  192.  339.  458. 

459. 
Bellwidt,  Emma,  462. 
Bellwidt,  Frau,  312. 
Bellwidt,  Klara,  298.  462. 
Benazet  343. 

Benda,  Willi,  122.  380.  387.  388. 
Bender,  Marie,  76.  388. 
Bendix,    Victor,      288  f.      306. 

308. 
Benoni  461. 
Berber,  Felix,  472. 
Bercht,  Julius,  465. 
Berchthold,  Alexis,  351. 
Bergen,  Franz,  237.  470.  471. 

473. 
Berger,  Fedor,  154. 
Berger,  H.,  467. 
Berger,  Ludw.,  268. 
Berger,  Wilh.,  315.  473. 
Berger-Bruck,  Marie,  225. 
Berggruen,  Julius,  385. 
Berggruen,  O.,  296. 
Berghof,  Friu,  383. 
de  B6riot,  Ch.  A.,  283. 
Berlioz,  Hector,  77  ff  (Hundert- 
jahrfeier in  Gr6noble  und  La 

C6te-Saint-Andr6).     78    (Mu- 
seum).   107.    111.    116.    128. 

156.  173.  191.  192.  206.  218. 

222.  225.  226.  248.  301.  304. 

310.    317.    323  fr    (B.    und 

seine    architecturale    Musik). 

332  ff  (B.  der  Mensch).     337 


(Karikatur).  338  fr  (B.  als  Dra- 
matiker). 348  fr  (B.  und  die 
Frauen).  358fr  (Einige  Miss- 
verstindnisse  betreffs  B.)  366fr 
(B.  und  Cornelius).  373  fr  (Ist 
der  »Lelio*  aufTQhrbar?).  376fr 
(Besprechungen  Musikalien). 
385.  390.  396.  400  (Por- 
träts, Karikaturen,  Bilder,  Fak- 
similes, Bild  des  Geburts- 
hauses). 415fr  (B.  und  die 
Frauen.  Schluss).  451.  452. 
453.  467.  470.  473.  474.  476. 
477  f.  478.  479. 

Berlioz,  Henriette,  416.  418. 

Berlioz,  Louis,  375.  415.  419. 

Bemard  56. 

Bemheimer,  Gaston,  467. 

Bemy,  Elsa,  389. 

Bertram,  Heinrich,  449. 

Bertram,  Th.,  155.  234.  393  f. 
470.  476.  477. 

Berwald,  Frau,  237. 

Berwald,  Prof.,  237. 

Berwin  246. 

Besekirsky  473. 

Besnard  48. 

Beuer,  Elise,  152.  300. 

Bevignani,  E.  M.,  148. 

Beyer-Han6,  Hermann,  470. 

Beyme  28. 

Bianchini-Capelli  458. 

Biel  458. 

Bierbaum,  O.  Jul.,  220.  383. 
440.  451.  457. 

Binder,  Fritz,  390. 

Birgfeld,  Clara,  473. 

Biring,  Maud,  389. 

Birmingham  festival  309  f. 

Birrenkoven,  W.,  152.  382.  454. 
456.  457. 

Bizet  53.  183.  273.  390.  396. 
476. 

Blanc,  Eleonore,  77.  78. 

Blancherau  455. 

Blanck- Peters,  Marie,  304.  306. 
475. 

V.  Blankenburg-Driese,  Anna, 
464. 

Blaramberg,  P.,  56  f. 

Blaze,  C,  187.  195. 

Blaze,  H.,  192. 

Blech,  Leo,  150  f.  220.  221.  302. 
316.  382.  455.  461.  469.  477. 

Bleichman  55.  56.  58. 

Bleichmer  57. 

Bleiden  75. 

Blochscher    Gesangverein   387. 

Bloch-Jahr,  Berta,  467. 

Blockx,  Jan,  149.  299  f.  450. 

Blumenfeld,  S.,  56.  57.  58. 

Biathner,  Julius,  296,  447. 

Bobrow  55.  56. 

Boccherini  388. 


Bochnicek,  Hr.,  452. 

Bockholt,  Wilh.,  225. 

Boehe,  Ernst,  227.   228.  233  f. 

240.  395.  475. 
Boehm,  Josef  Daniel,  434. 
Böhm  477. 
Böhm,  Julius,  296. 
Böhme,   F.  M.,    165.  168.  265. 
Bohuss-Helleräva,  Irene,  153. 
Boieldieu  181.  182.  220.  272. 
de  Boigne  188. 
Bolz,  O.,  223. 
Bonci,    Alessandro,    150«    458. 

468. 
Bonaparte  330. 
V.  Bongardt,  Paul,  222. 
van  Boos,  M.,  306. 
Borgmann,  Emil,  151.  454. 
Borisch,  Franz,  306. 
Borissi,  Frl.,  303. 
Bomemann,  Alex.,  465. 
Bomschein,  C,  301. 
Borodin     55.     56.     310.     465. 

468. 
Borwick,  Leonard,  472. 
van  Bos,  C,  308.  465.  466. 
V.  Böse,  Fritz,  473. 
Bosetti,  Hermine,  154.  476. 
Bossenberger,  Marie,  224.  397. 
Bosse-Sommer,  Frau,  149.  297. 
Bossi,  Enrico,  312.  468. 
Bottesini  479. 
Brahms,  Johannes,  22.  26.  51. 

53.  98.    107.    111.    114.  116. 

124.  128.  131.  132.  133.  147. 

155.  156.  173.  206.  226.  227. 

230.  233.  234.  253.  296.  305. 

310.  311.312.  314f.  315.  316. 
384.  385.  386  r.  387.  380  f. 
390.  391.  393.  394.  395.  396. 
397.  398  f.  431.  432.  462.  464. 
465.  467.  468.  471  f.  472.  473. 
476.  477.  478. 

Brambach  395. 

Branchu  335. 

Brandes,  Marg.,  152.  301. 

Brandt,  M.  D.,  474. 

Brandts  Buys,  Jan,  133. 

Brauer,  Elisab.,  230. 

Braun  56. 

Briunig,  Grete,  451. 

Brecher,  Gustav,  152.  222.  234. 

311.  399.  456. 
Breitenfeld,  R.,  151.  300. 
Breithaupt,  Rud.  M.,  358. 
Breitkopf  &    Hirtel    154.    296. 

367.  376.  420.  422.  425.  44& 
Brema,  M.,  391.  394. 
Bremer,  Annie,  308. 
V.  Brenner  420. 
V.  Brennerberg,  Irene,  310. 
Brennert,  Hans,  301.  459. 
Breu,  Simon,  268. 
V.  Breuning,  Eleonore,  426. 


NAMENREGISTER 


Briansky  56. 

Brieger,  Eugen,   306.  310.  387. 

388. 
Briesemeister  76.  302. 
BrifTod,  E.,  471. 
de  Brizeux,  Marie,  400. 
Brode  313. 
Brodersen  76.  223. 
Bromberger  389. 
Bronsgeest,  Cornelius,  152. 
Bruch,  Max,  303.  306.  313.  315. 

462.  476. 
Bruch,  W.,  476. 
Brück,  A.,  164.  166. 
Brückner,  Anton,  24.  42.  44. 1 1 1 . 

114.   232.    240   (Bild).   246  fr 

(IX.    Symphonie).    253.    206. 

304  r.  310.  320. 301.  392.  399. 

431.  477. 
Brunei,  A.,  164. 
Brune  312. 
Brünette,  Alma,  230. 
Bru netto,  Kpm.,  458. 
Brflnner,  Marianne,  467. 
Brunnow,  Marg.,  224. 
van  der  Bruyn  384. 
Bucar,  Franz,  152. 
Buchmayer,  Richard,  147. 
Bucksath,  Max,  151.  301. 
Buers,  Willy,  151. 
Buff-Hedinger,  Emilie,  395. 
BQhnenl^stspiele,       Bayreuther, 

147. 
BOhnen-SpielpIan  1902/03,  Deut- 
scher, 448. 
Bulachow  57  f. 
V.  BOlow,  Hans,  112.  116.  246. 

285.  388.  429. 
Bungert,  August,  298  f.  381. 
Buongiorno,    Crescenzio,    449. 

480. 
Burnitz,  M.,  470. 
BQrger,  Anton,  151. 
Barger,  G.  A.,  124. 
Burgk,  J.,  173. 
Burgstaller,  A.,  295. 
Burk-Berger,  M.,  462. 
Burmester,    Willy,     313.     316. 

479. 
Burrian,  Karl,  76.  220,  298. 
Burrian-Jelinek,  Franziska,  383. 
Busoni,  Ferruccio,  234.  235.  236. 

316.  385.  474  f. 
Busse- Palma,  Georg,  134. 
Bussard,  Hans,  222. 
Busser  477. 
Bussius,  Mimy,  470. 
Buths,  Jul.,  255. 
Butkewitsch,  Sig.,  465. 
Battner,  Max,  222.  382. 
Byron,  Lord,  369.  440. 
Cabezon,  A.,  166. 
.Cacilia**  171. 
Caecilia  Melodia  388. 


Carreno,  Teresa,  313.  316.  385. 

394.  466. 
Cahn-Poft  470. 
Caldara,  Antonio,  273. 
Capet  477. 
Carducci,  G.,  51. 
Carelli  458. 
del  Carril,  Hugh,  471. 
Carlen,  Friedr.,  301. 
Carmena  458. 
Carpentras  166. 
Casals,  Pablo,  154.  462.  471. 
Cassirer,  Fritz,  151.  454. 
Castellano  157. 
van  Cauveren  149. 
de  Cave,  Suse,  466. 
Celle,  Jean,  78. 
Cellini,  Benvenuto,  342.  343. 
Chabrier,  Em.,  302. 
Cham  372. 

Chamberlain,  H.  S.,  62.  63  fr. 
,Le  Charivari«   193.  195. 
Charpentier,   Gustave,  44.    156. 

182.  300.  302.  461. 
Chaumet,  W.,  296. 
V.  Chavanne,  Irene,  151.  298. 
Cherubini,  Luigi,  253.  273.  305. 

310.  326.  362.  368. 
Chessin,  Alex,  396. 
Chevillard  477. 
Chew,  Otie,  228.  306. 
Chopin,  Fr6d6ric,  101.  107.  128. 

155.  156.  234.  317.  389.  392. 

394.    395.     436.     465.     471. 

472. 
Christianowitsch  57. 
„Chronique  de  Paris*"   192  f. 
Cil^a,  Francesco,  455.  456. 
Cimarosa,  Domenico,   192.  273. 
Clapisson,  A.  L.,  324. 
Clarus,  M.,  467. 
Classen,  Jos.,  382. 
Claudius,  M.,  124. 
Clemens  non  papa  399. 
Clementi,  Muzio,  389.  436. 
Clerc,  A.,  193.  195. 
Clothar  II.  262. 
Coini  149.  450. 
Coini,  Frau,  221.  450. 
Colautti  455.  456. 
Cole,  Kellcy,  476. 
Colonne,    Edouard,    330.     476. 

477. 
Commune  78. 
Consolo  471. 
Conrad,  M.  G.,  86. 
«Le  ConstitutionneP   183. 
Copony,  Hans,  382. 
Cordelas,  Alonso,  478. 
Cornelius,  C,  367. 
Cornelius,  Peter,   60.  155.  218. 

305.    366  if  (Berlioz    u.   Cor- 
nelius).     397.      454.       474. 

479. 


Correggio  370. 

Cortolezis,  Kpm.,  397. 

Coryn,  Corinne,  229. 

Cossmann,  Bernhard,  400. 

Courbet,  G.,  400. 

Crajkowski  302. 

Cr6billon  194. 

Cremieux  280. 

Croissant,  Erna,  302. 

CrOger,  J.,  167. 

Cuecha  278. 

Cui,  C^sar,  55.  56  f.  57  f.  $8.  224. 

COi-Rubetz  57. 

Culp,  Julia,  305. 

Czartoryski  282. 

Czelaiiski,  Ludwig,  153.  478. 

Czibulka,  A.,  277. 

Daehmke,  Robert,  155. 

Dahn,  Felix,  468. 

Dalamo  149. 

Dalayrac,  N.,  181.  184.  272. 

St.  Damian,  Leo,  467. 

Damr6mont  326. 

Dang^s  77. 

Danilewska,  Mme.,  56. 

Dankmann  57. 

Dante  472. 

Dargomyzski,  A.,  56,  383. 

David,    Ferdinand,    14.    16.  17. 

283.  370.  398. 
David,  Sophie,  76. 
Davidsohn  390. 
Dawison,  Max,  152. 
Dawydow,  A.,  56.  57.  58  f. 
Day  462. 

Dazara,  Francis,  381. 
Debussy,  Claude,  385. 
Decarli,  Ed.,  296. 
Dechert,  Hugo,  155.  306.  465. 
Decker  167. 
Dehmel,  Richard,  234. 
Dehmlow,  Hertha,  305.  306.  308. 

395. 
Delaroche,  P.,  193. 
Delavigne,  C,  193. 
DelgoufTre,  Ch.,  471. 
D^libes,  L6o,  182.  183.  220.  224. 

273.  455. 
Delisle,  Hansi,  464.  473. 
Dellinger,  Rudolf,  221.  277. 
Demantius,  C,  170. 
Demidow  55  f.,  56  f.,  57  f.  58  f. 
Demuth,  Leopold,  76. 
Denissow  55. 
Deppe,  A.,  155. 
Deppe,  Ludwig,  429. 
Derfeldt  56  f.,  57  f.  58. 
D6rivis  190. 

Deschamps,  E.,  187.  189.  200. 
Deschamps-Jehin,  Frau,  77. 
Desnoyers,  L.,  193. 
Desplöchin,  E.,  189.   194. 
Dessau,  Bernhard,  226.  465. 
Dessoir,  Susanne,  305.  315. 


VI 


NAMENREGISTER 


Deutscher  Mnsiker-Kmlender  fOr 

1904.  02. 
Diamant,  Bernard,  418. 
Didur,  Adam,  153. 
Dieckmann,  Ernst,  218. 
Diedicke,  Ferdinand,  440. 
Diteric,  J.,  100.  104. 
Dietrich,  Fr.,  380. 
Dietsch  341. 

Dillmann,  Alex.,  303.  476. 
Dinico  156.  157. 
Dliisaky  56.  57. 
Dmitriew  56.  57  f. 
Doebber,  Johannes,  222.  234. 
DoengeSy  Paula,  153.  300.  383. 
V.  DohnAnyi,    Ernst,  226.  301. 

465.  475.  478. 
Dohm,  Georg,  310.  468. 
Dolina,  Mme.,  157. 
Domeneso,  Melanie,  152. 
Donizetti,   Gaetano,    106.    126. 

301.     383.    454.     457.    458. 

450. 
Dor6,  Gustave,  400. 
Dom,  Heinrich,  17. 
Dor-s-Gras,  Mme.,  100. 
Doxat-Krzyzanowski,  Ida,   462. 
Draeseke,  FeUx,  204  ff  (Christus). 

231. 
Drechsel,  Karl,  220. 
Drechsler,  Herm.,  231. 
Dreier  57. 
Drewes,  Otto,  461. 
Drewett,  Norah,  305. 
Drews,  Martha,  386. 
Dreyssig  310. 
Droucker,  Sandra,  388. 
Drzewiecki  153. 
DObOque  (DabOc)  57  f. 
Ducas,  Paul,  317. 
Ducr«,  Pierre,  360. 
Dumas,  A.,  447. 
Dumky  156. 

Duni,  E.  R.,  181.  184.  272. 
Dünn,  J.  P.,  305. 
Duponchel   188.  180.  100.  104. 
Pupont,  A.,  190. 
DQrer,  A.,  102. 
Durosoir,  Luden,  387. 
Dfltsch  55r.  56r.  57 f. 
Duvemoy,  Alphons   232. 
van  Duynen  140.  207.  450. 
Duysen,  J.  L.,  148. 
DvorAk,    Anton,    40.    306.  315. 

386  r.    300.    302  f.  305.    300. 

476.  470. 
Dykerhoff,  Rud.,  80. 
Eberlein,  Gustav,  80.  86. 
Eccsrd,  Joh.,    164.    166r     160. 

170.  172. 
Edwanis,  Bella,  386. 
Egidi,  Arthur  465. 
Ehban  56. 
Eibenschfltz,  Riza,  151.  208. 


Eichberg,  R.  I.,  387. 
Eickemeyer,  Willy,  300. 
Elsenbei^r,  Severin,  467. 
Eitner,  Robert,  166.  428. 
Elchowsky  56. 

Eidering,  Bram,  154.  312.  462. 
Elgar,  Edward,   206.  300.  316. 

308   468.  470. 
Ellis,  Ashton,  203. 
Elizza,  Elise,  225. 
Eisner,  Wilhelm,  148.  302. 
Emerson,  R.,  52. 
Enchiridion,  Erfurter,  168    173. 
Engel,  E.,  56. 
Engelen-Sewing  140. 
Enesco  156. 
Enns,  August,  153. 
Epp,  A.,  470. 
Erben,  Rob.,  236. 
Ercolsni  458. 
Erk,  Ludw.,  166.  267. 
Erkel  107. 

Erlebach,  Phil.  Heinr.,  121. 
Erienmeyer,  Tilly,  386. 
Erier,  Hermann,  14.  16.  17.  10. 

04.  101. 
Erier,  Klara,  227.  305. 
Ernst,  Alfred,  340   342. 
Ernst,  H.  W.,  304. 
Erythrios  167.  170. 
Eschelbach,  Hans,  456. 
V.  Eschenbach,  Wolfram,  263. 
Eschke,  Max,  388. 
Ethofer,  Rosa,  222. 
Espenhahn  465. 
Ettinger,  Rose,  311.  301.  462. 
Engen  IV ,  Papst,  262.  264. 
Eulenburg,  E.,    235.    236.   314. 

305.  477. 
Eussert,    Margarete,    234.    305. 

386. 
Evers,  E.,  234. 
van  Eweyk,   Arthur,   305.   312 

313.  314.  386.  307.  468.  477. 
d'Exiles,  Privost,  450. 
Exner,  G.,  155. 
van  Eyken,  Heinr.,  230.  314. 
Eysler,  R.,  277.  301. 
Fabozz!  470. 
Faisst,  Immanuel,  307. 
Falcon,  MUe.,  188.  190.  400. 
Faliero  •  Dalcroze,    Nina,    471. 

470. 
Falke,  Gustav,  80. 
Fsntin-Latour  400  f. 
Fameti,  Fri.,  453. 
Farrar,  Geraldine,  451. 
Fasch,  Joh.  Friedr.,  132. 
Fassbender,  Zdenka,  222. 
Fauvre,  G.,  471. 
Feigen,  Rud.,  301. 
Felix,  H.,  277. 
Felser,  Frieda,  152. 
Fellowes,  Horace,  302. 


Feltzer,  W.  H^  228.  387. 
Fenten,  Wilhelm,  312. 
Ferchland,  HeL,  228. 
Ferdinand  11.  (<ysterreich)  264. 
Ferrand,    Humbert,    323.    326. 

348.  353.  355.  376.  415.  421. 
Ferrar  (Singer)  77. 
Ferrari,  Fri.,  453. 
Ferrari,  Kpm.,  458. 
Fesca,  A.  F..,  267. 
Fdtis,  F.  J.,  126. 
Feuchöres,  L.,  180.  104. 
Fenchtinger  301. 
Fenge,  Emilie,  381. 
Fevin,  A.,  173. 
Fiedler,   Max,   234.    206.   314. 

302. 
Fiedler,  Oskar,  208. 
V.  Fielitz,  A.,  154.  315. 
Finck,  H.,  168.  170.  175. 
Finkenstein,  Jettka,  468. 
Fischer,  Franz,    147.  223.  463. 
Fischer,  Georg,  285. 
Fischer,  Joh.  Caspar  F^rd.,  120  ff. 
Fischer,  Psul,  317. 
Fischer,  Richard,  227.  302.   ^ 
Fischei^Frey,  Frau,  302. 
Flachsland,  Caroline,  404. 
Fleisch,  Msximilian,  448. 
Fleischer-Edel,  Kath.,  152. 
Flesch,  Cari,  154.  302.  462. 
Flockenhaus  470. 
Florian  78. 
Florjanski  153. 
V.  Flotow,  F.,  224. 
FlOgel,  Ernst,   147. 
Foerster,  Anton,  205.  471. 
Foerster,  Georg,  151.  200. 
Foerster  -  Lauterer,  Bertha,  225. 
Fohström,  Ossian,  466. 
Fomier,  Estelle,  421. 
Fomier,  Kitty,  422. 
Forchhammer,  E.,  151.  382.  302. 
Förster,  Em.,  282. 
Förster,  Hermine,  208. 
V.  Fossard  300. 
Franceschini  458. 
Francis,  Rose,  400. 
Frinkel-Claus,    Mathilde,     152. 

456. 
Franck,  Cdsar,    156.  234.  385. 

301.     438.    461.    462.    468. 

477. 
Franck,  R.,  287. 
Franz,  Rob.,  116.  171.  380.  464. 

471. 
Frederigk,  Hans,  451. 
Fremd,  A.,  204.  480. 
Fremsttdt,  Olive,  76. 
Frenklöwna  153. 
Freund,  A,  217. 
Fridrichowicz,  Agnes,  307. 
Friedberg,  Cari,  232.  234.  237. 

311.  386. 


NAMENREGISTER 


Vll 


Friedenthal,  A.,  157. 
Fdedlinder,    Max,    118  ff    (Das 

deutsche  Lied).  218. 
FHedmaon,  Ignacy,  472. 
V.  Frimmel,  Th.,  480. 
Fritz,  Fri.,  75. 
Fröhlich,  Alfired,  298. 
Froneck,  Franz,  219. 
Frotzler  389. 
Fuchs,  Alb.,  389.  469. 
Fuchs,  Anton,  71.  223. 
Fuhn  400. 
Fuhrer,  Anna,  314. 
Fuhrmeister,  Fritz,  387. 
FOrst,  Helene,  395. 
Furtwingler,  Wilhelm,  468. 
Fux,  J.  J.,  273. 
Gabel  56  f. 
Gabor,  Hr.,  452. 
Gabrieli,   A.,  170.  172. 
Gabrilowitsch,  Ossip,  396. 
Gade,  Niels  W.,  15.  308. 
Galkin  56. 

Galston,  Gottfried,  227. 
Gandolfl,  Ettore,  395. 
Ganne  270.  272. 
Gantenberg,  Heinrich,  294. 
Gardini,  Alda,  457. 
Garrett  396. 
Garrick  365. 
Girtner,  Eduard,  317. 
Gflrtner,  Heinr.,  298. 
Gastonö,  Eduard,  155. 
Gatteaux,  Jacques  Eduard,  434. 

435.  480. 
Gausche,  Hermann,  311.  462. 
Gautier,  Estelle,  349.  422. 
„Gazette  musicale"  189.  191. 
Gebhardt,  Beuy,  155. 
Gebrath,  E,  301. 
Gehrer,  Fri.,  301. 
Gehwald,  Bernhard,  306.  465. 
Geibel,  E.,  55. 
Geipelt,  Hertha,  229. 
Geissler,  Paul,  396. 
Geistinger,    Marie,    148.   201  ff 

(Gedenkblatt).  240  (Bild). 
Gelimer  261. 

Geller-Wolter,  Luise,  474. 
Geliert  124. 

Gembarzewska,  Frau,  458. 
Gente,  R.,  274  f.  280. 
Gerboth,  Paul,  219. 
Gerhardt,  Elena,  395. 
Geriach,  Rosa,  389. 
Gerlach,  Th.,  380  f. 
Gemsheim,  Fr.,  304.  411.  476. 
Gersticker,  Frl.,  467. 
Geselschap,  Marie,  308. 
Gesius,  B.,  166  f. 
Gessner,  Franz,  221. 
Geyer,  Marianne,  308.  467. 
Geyer,  Meta,  468. 
GiacominI,  Anna,  458. 


Giessen,  Hans,  232. 

Gilbert  400. 

Gille,  Garl,  152.  456. 

Gimckiewicz,  Fri.,  315. 

Giotto  23.  24. 

Girod,  Abb6,  362,  365. 

Glazounow,   A.,    6.  44.  56.  57. 

388.  397.  475.  477.  478. 
Gleim   124. 
Gleitz,  Karl,  395. 
Gliöre  465. 

Glinka,  M.,  224.  383.  478. 
Gloyen,  Rieh.,  313. 
V.  Gluck,  Chr.  W.,    107.    122. 

128.  181.  220.  225.  233.  235. 

236.  314.  329.  333.  346.  372. 

380.  385.  395.  396.  406.  408. 

410.  459.  475. 
Glflck,  J.  L.  F.,  267. 
GmQr  478. 

Godebski,  Gyprien,  400. 
Godowsky,    Leopold,    156.  157. 

392.  465.  468.  474. 
Goethe,  Wolfgang,   23.  25.  28. 

123.  124.  176.  331.  333.  339  f. 

340.     341.    342.     359.    369. 

373.  380.  395.  403.  414.  426. 

431. 
Goette,  Elfriede,  467. 
Goetzl,  Gsmilla,  461. 
Gogel  56. 

Göhler,  Albert,  130. 
Göhler,  Georg,  62.  473.  477. 
Goldberg,   Jacques,     151.    299. 

454. 
Goldmark,  Karl,  220.  221.  316. 

394.  454.  476. 
Goldstein  57. 
Göllerich,  Aug.,  301. 
Göllrich,  Jos.,  459. 
Goodson,  Miss,  462. 
Goritz,  Otto,  218. 
van  Gorkom,  Jan,  219. 
V.  Gorlenko-Dolina,    Frau,  396. 
Görner,  Joh.  Val.,  122. 
Gorter,  Albert,  382. 
Gossec  360. 

Gottlieb- Noren,  H.,  465. 
Götz,  Hermann,  465. 
Götze,  Marie,  381. 
Goudimel,  C.,  172. 
Gounet  415. 
Gounod,    Charles,    160    (Bild). 

187.  222.  224.  273.  341.  450. 

459. 
Grabbe,  Chr.  b.,  24. 
Grabofsky  398. 
Grahl,  Max,  451. 
Grandaur  454. 
Grandville  400. 
Grashof  56. 
Grasse,  Edwin,  476. 
Graun  122.  312. 
Greder,  Emil,  151. 


de  Greef,  Arthur,  310. 

Greff-Andriessen,   Pelagie,  454. 

Gregor,  Hans,  151. 

Greif,  Martin,  480. 

Greiter,  M.,  175. 

Grell,  Eduard,  469. 

Gr6try,  A.  E.  M.,  181.  184.  212. 

281. 
Greulich,  Pastor,  397. 
Grieg,   E.,    156.  230.  385.  395. 

396  r.  471  f. 
Griepenkerl  370. 
Grigorjew  56. 
Grillparzer,  Franz,  427. 
Grimm,  Carl,  313. 
Grimm,  J.  O.,  386. 
Grimm  (Mohrungen)  406. 
Grimm,  Moritz,  383. 
Grisar,  A.,  183. 
Gritzinger,  Leon,  451. 
Gröbke,  Adolf,  152.  457. 
Grodsky  57  f. 
Gross,  Carl,  457. 
Gross,  Kpm.,  383. 
Grossheim,  G.  C,  429. 
Grotefend,  Julie,  467. 
Groth,  Klaus,  386. 
Grub,  Valentine,  219. 
Gnimbacher-de  Jong  313.  314. 

386.  397.  477. 
Grflndahl,  Hanna,  229. 
GrQnfeld,  Alfr.,  389.  472. 
Granfeld,  A.,  (Budapest)  468. 
Grflnfeld,  Emil,  220. 
Grflnfeld,  Heinr.,  386. 
Grunsky,  Karl,  248. 
Gruselli,  Fritz,  455. 
Gruselli-Böer,  Frau,  221. 
Grflters,  August,  470. 
Grfltzmacher,  F.,  392. 
Gratzner,  Gurt,  381. 
Guammi,  G.,  165. 
Guerrini,  Frl.,  453. 
Gutcciardi,  Giulia,  425.  429. 
Guilmant,  Alex.,  437.  438. 
Guimera  460. 
Guiraud  306. 
Gumbert,  Fr.,  267. 
Gumpeltzhaimer,  A.,  168. 
Gungl,  J.,  276. 
Gamher  123. 

Ganzburg,  Mark,  229.  388. 
Gura,  Eugen,  227. 
Gura,  Herm.,  397.  461. 
Gurilew  56.  57.  58. 
Gutheil- Schoder,  Marie,  218. 461. 
Gutzkow,  Karl,  25. 
de  Haan,  Willem,  231.  295.  468. 
de  Haan-Manifarges,  Frau,  464. 
Haas,  Emanuel,  148. 
Haas,  Mathilde,  312. 
Haase,  P.,  462. 
Haasters-Zinkeisen,  Anna,   390. 

395. 


VlII 


NAMENREGISTER 


Habeneck,  F.  A.,  189.  190.  368. 

Hickel,  Fritz,  313. 

Hackenbergcr,  Osktr,  396. 

Haenleio  315. 

Hafgren,  Ulli,  231.  393. 

Hageman  149. 

Hagedorn  122.  124. 

Hagel,  Rieh.,  153. 

Hagin,  Heinr.,  461. 

Hahn,  Reynaldo,  315. 

V.  Haken,  Max,  295. 

Hal6vy,  J.  F.  E.,  181.  187.  189. 

225.  273.  274.  280.  324. 
Halir,  Kari,  155.  226.  304.  306. 
Hall,  Marie,  396. 

Hall6  314. 

Hallwachs,  Karl,  231.  312. 
Hamacher,  Kzm.,  467. 
Hindel,  Georg  Fr.,  22.  50.  06. 

128.  226.  253.  256.  391.  398. 

406.  437.  467.  468.  471.  475. 
Hanke  121.  454. 
Hansen,  Roh.,  473. 
Hansen,  Wolfgang,  472. 
Hanslick,  E.  273. 
Hanssens,  Gh.,  10. 
Harb,  Grischa,  308. 
Hariacher,  Aug.,  294. 
Hirtel,  Dr.,  18  f. 
Hartkopf,  Frida,  389. 
Haiti,  B.,  476. 
Hartmann,  Artur,  387. 
Hartmann,  Fri.,  100. 
Hartmann,  Hedwig,  305. 
Hartmann,  Josephine,  389. 
Hasenciever,  Dr.,  95. 
Hassler,  H.  L.,  165  fr.  169  fr. 
Hauptmann,  Gerh.,  25. 
Hauptmann,  Moritz,  148.  171. 
Hauschild,  Prof.,  86. 
V.  Hausegger,  Sigm.,  44  f.  232. 

311.  315.  391.  476. 
Hauser,  M.,  283. 
Hausmann,  Rob.,  305.  306.  385. 
Hiussermann,  H.,  479. 
ten  Have,  Jan,  471. 
Haxthausen,  William,  151. 
Haydn,  Joseph,   22.   101.   112. 

122.  128.  132.  133.  155.201. 

226.  229.  235.  251.  267.  305. 
311.  312.  315.317.397.398. 
406.  425.  462.  468.  471.  478. 

Haym,  Hans,  311.  469. 
Heermann,  Hugo,  311.  315.316. 

384.  394.  468.  474.  475. 
Hegar,  F.,   227.  237.  268.  395. 

479. 
Hegar,  Johannes,  386. 
Hegar,  Julius,  232.  311. 
Hegner,  Otto,  305. 
Heidelberger  Musikfest  243  fr. 
Heinecke,  M.,  229. 
Heine,  Heinrich,    54  fr    (H.  in 

Russiand).  325.  357.  380. 


Heinemann,  A.,  306.  384.  468. 

Heinemann,  Hans,  389. 

Heinemann,  M.,  467. 

Heinemann,  Wilhelm,  134. 

Heinrichs,  Kzm.,  452. 

Heinze,  B.,  229. 

Hekking,  Anton,  154.  229.  386. 

Helbing,  Willy,  390. 

Held  280. 

Heimholtz,  Hermann,  414. 

Helmrich  -  Hofineister,     Cassie, 

307.  398.  473. 
Helstedt,  Gustav,  472. 
Heller,  Am6Iy,  307.  389. 
Heller,  Ludwig,  153. 
Hellmann  295. 
Hellmesberger,  Josef,  218.  295. 

398. 
Henderson,  Mr.,  392. 
Hennig-Zimdars  227. 
Henry  VI.  164.  166. 
Henschel,  Georg,  474. 
Hensel-Schweitzer,    Elsa,     154. 

300.  454.  471. 
V.  Herder,  Emil  Gottfir.,  403. 
V.   Herder,  Joh.    Gottfir.,   403  fr 

(H.  und  die  Musik). 
V.  Herder,  Maria  Caroline,  405. 
Herma,  Sonja,  389. 
Hermann,  Agnes,  302. 
Hermann  (Breslau)  468. 
Hermann,  Hans,  154. 
Herms-Sandow,  A.,  154. 
Herold,  Georg,  306. 
H6rold,  L.J.  F.,  181.  273. 
Herold,  Wilhelm,  457. 
Hertzer-Deppe,  Marie,  305.  465. 
Herv6,  Frl.  R.,  183. 
Herzog,  Emilie,  227.  391.  465. 

474. 
V.  Herzogenberg  397. 
Hesch,  Wilh.,  225. 
Hess,   Ludwig,  313.  314.  386. 

398.  463.  470.  476.  477. 
Hess,  Willy,  312. 
V.  Hessen,  Moritz,  167. 
Heuberger,    Richard,   106.  277. 

465. 
Heubner,  Konrad,  314. 
Heyde  313. 
Heydenbluth  398. 
Heymann-GOttinger,  Luise,  389. 
Hielscher,  Hans,  310. 
Hieser,  Helene,  76. 
Hiller,  Ferdinand,  96.  353  f.  354. 

355.  357.  417. 
Hiller,  J.  A.,  122.  169. 
Hiller,  Katarine,  310. 
Himmel,  Heinr.,  267. 
Himmelstoss,  Rieh.,  468. 
Hindermann,  Pauline,  152.  237. 
Hinken  -  Cahnbley,  Tilly,    235. 

475. 
Hinlopen,  Caroline    233. 


Hinze-Reinhold,     Bruno,     305. 

315.  386.  390.  398.  464.476. 
Hippeau  348. 
Hippel,  Th.  G.,  27f.  28. 
Hitzig,  J.  E.,  27.  28. 
Hierstedt,  Ebba,  229. 
Hlawacz  57  f.  58. 
Hobrecht,  J.,  164.  167. 
Hock,  Hermann,  311. 
Höeberg,  G.,  472. 
van  der  Hoek  149.  450. 
Hofkcker,  Martha,  221. 
HOfbr,  Louise,  224.  461. 
HofThaimer,  P.,  173.  175. 
HofTknann,  Baptist^  450.  451. 
HofTknann,  C,  306. 
Hofhnann,  E.  T.  A.,    27  ff.  80. 

194. 
HofTknann,  Karl,  385. 
HofTknann,  Oskar,  389. 
HofTknann,  Reinh.,  233. 
Hofkapelle,  Sachsen-Altenburgi- 

sche,  71. 
Hofknann,  Anna,  152. 
Hofinann,  Heinr.,  389. 
Hofinann,  Josef,  154.  236.  396. 

474. 
Hofknann,  Julius,  152. 
Hofknann,  Pauline,  465. 
Holdack,  Otto,  302. 
Hollander,  Benoit,  387. 
Hollinder,  G.,  387.  465. 
Hollinder,  V.,  280. 
Hollenberg,  Otto,  393  f. 
V.  Holstein,  Franz,  116. 
HOlty  124. 
Holy,  Karl,  461. 
Holzapfel  149. 
Homer  233.  344.  409. 
Honigberger,  Frl.,  151. 
Hopfb,  C,  462. 
Hopfer  233. 
Hoppen  312. 
Homung,  Hans,  390. 
Hösel  310. 
Hösl  (Quartett)  315. 
HOvelmann-Tomauer,     Louise, 

308. 
Hrodgar  261. 
Hubay,  J.,  107.  148.  468. 
Hubenia,  Frau,  219. 
Huber,  Annemarie,  388. 
Huber,  Hans,  471.  479. 
Hubermann,  B.,  316.  468.  477. 
Hubert,  307.  475. 
HQbner,  Dorothea,  389. 
Hughes  53. 
Hugo,  Viktor,  266. 
van  Hülsen  149. 
V.  Halsen,  Intendant,  450. 
Hummel,  F.,  465. 
Hummel,  J.  N.,  282. 
Humperdinck,    Engelbert,    253. 

281.  302.  380.  447.  453.  46]l. 


NAMENREGISTER 


IX 


Hunold,  Erich,  461. 

HQttner,  G.,  390. 

Ibach,  M.,  72. 

Ibsen,  H.,  301. 

Imberd  56. 

International  Copyright  Bureau 

(London)  71. 
Irrgang,  Bernh.,  154. 
Isaac,  H.,  167  f. 
Uouard,  N.,  181.  272. 
Istel,  Edgar,  218. 
Ivanovici,  J.,  156. 
Iwanow,  Th.,  56  f.  57. 
Iwansky  57. 

Jacob-Anspach,  Hedwig,  389. 
Jadlowker,  Herrn.,  461. 
Jiger,  Rud.,  151.  298. 
Janin,  J.,  190.  191  fT.  336. 
Janke,  G.,  429. 
Janke,  O.,  424. 
Jansen,  Gustav,  15.  17.  101. 
Janssen  (Dortmund)  390. 
Jaques-Dalcroze,  E.,  287.  471. 
Jlrneffelt  296. 
Jehni  77. 

Jellouschegg,  Adolf,  451. 
Jeral,  Wilh.,  399.  478. 
Jessen,  Herrn.,  461. 
Joachim,  Joseph,  96.    101.   109. 
132.  148.  229  f.  305.  306.  312. 
385.  462.  467.  472.  474.  480. 
Jobst,  Heinr.,  217. 

de  Jonciftres,  Victorin,  296.  477. 

480. 
Jones,  Henrica,  229. 
Jones,  Sidney,  278  f.  320  (Bild). 
Joosten,  D.  H.,  149. 
JOrn,  Carl,  392. 
Josephine,  Kaiserin,  335. 
Josquin,  Deprfts,  167  f.  173. 

ijournal  des  D^bats*"  190.  191. 

Juferow  56  f.  58  f. 

JuUien,  Adolphe,  376.  377  f. 

Jungblut  235.  462. 

Jungren,  Anna,  155. 

Juon,  Paul,  160. 

jQrgens,  Emmy,  229. 

Kaatz,  F.,  310. 

Kachanow  56  f. 

Klhler,  W.,  301. 

Kainz,  J.,  374. 

Kaletsch  312. 

Kaiisch,  Paul,  462. 

Kalischer,  A.  Chr.,  285. 

Kaliina,  Alice,  151.  299.  454. 

Kallinikow  57.  58. 

Kamensky,  Boris,  465. 

Kimpf,  Karl,  307.  387. 

Karl  der  Grosse  262. 

Karl  IV.,  Kaiser,  264. 

Karl  IX.  (Frankr.)  194. 

Karenin,  W.,  55.  58. 

Kasjarowicz,  Frau,  458. 

V.  Kaskel,  Karl,  221.  300.  453. 


Kasperow  57. 

Kastner,  Emerich,  296.  434. 
Kauer,  Ferd.,  267. 
Kauffmann,  Musikdir.,  474. 
Kaufmann,   Hedwig,    154.    383. 

386.  450. 
Kaun,  Hugo,  154.  228.  305. 
Kawelin,  Mme,  56  f. 
I  Keller,  Hans,  222. 
Kellermann,  Berthold,  463. 
Kennerly-Butt  396. 
Kepler,  Johannes,  361. 
Kemer,  Kpm.,  452. 
Kernic,  Beatrix,  300. 
Kes,  Wilhelm,  448. 
Kessel,  Franz,  440. 
Kessler-Obermeyer,  Cateau,  388. 
Kienzl,  Wilhelm,  115.  135.  147. 
I  Kiess,  August,  381. 
Kilian  (Quartett)  315. 
King,  Roxy,  75. 
Kirchl,  A.,  268. 
Kirchner,    Theodor,    14.    114  ff 

(Gedenkbl.).   160  (Bild).  237. 

306.  389.  451.  471. 
Kiriakow  56. 
Kimberger  122. 
Kistler,  Cyrill,    151.  268.   298. 

461. 
Kittel,  Hermine,  303. 
Kleeberg,  Clotilde,  392.  393. 
Kleefeld,  Wilhelm,     301.     383. 

457.  459. 
Kleffcl,  Arno,  152.  457. 
Klein,  Erna,  309. 
Klein,  Joseph,  9. 
Klemm  56  f.  57.  58. 
Klengel,  Julius,    135.   313.317. 
Kliebert,  Dr.,  479. 
Klinckerfuss,  Johanna,  294.  480. 
Klindworth,  Karl,  375. 
Klingenfeld,  Emma,  328. 
Klinger,  Max,  7. 
Klingler,  Fridolin,  385. 
Klingler,  Karl,  306. 
Kloos,  Frl.,  149.  221. 
Klopfer,  Victor,  76. 
Klose,  Fr.,  44.   111. 
Klosseck-Mflller,  Luise,  308. 
I  Klughardt,  August,  72.  311. 
I  Knauff,  Margarethe,  464. 
;  Kneisel-Quartett  476. 
Kniese,  Julius,  463. 
Knoch,  Kzm.,  233. 
Knote,  Heinrich,  76.  223. 
Knflpfer-Egli,  Marie,  308.  392. 
\  Koboth,  Irma,  76. 
Kocyan,  J.,  316. 
Koennecke,    Richard,   227.  466. 
Koessler,  Hans,   133.  228.  438. 
Kogel,  Gustav,  72. 
Kopier,  Hermann,  307. 
'  Köhncmann  56. 
,  Kfhnemann-Zinnow,  Frau,  237. 


Kolbe,  Alexandra,  298. 

Könecke  465. 

König  56. 

V.  Königswinter, Wolfgang  Malier, 

440. 
Konrad,  Theodor,  456. 
Kopecky,  Ottokar,  473. 
Kopylow,  A.,  56.  476. 
Korb,  Jenny,  153. 
Korb,  Laurenz,  228. 
Korestschenko  56. 
Korganow  56  f.  57.  58. 
Körner,  Theodor,  266. 
Korolewicz,  Frau,  458. 
Kosleck,  Prof.,  218. 
Kosman  301. 
Koster  149.  450. 
Kott  57. 
Kotzky  392. 
Kovrovic,  Kpm.,  461. 
Kranz,  Naum,  465. 
Krasselt,  Alfred,  398. 
Kraus,  Ernst,  76. 
Kraus,  Felix,  390.  462.  475. 
Kraus,  Gabriele,  148,  296. 
Kraus-Osborne,  Adrienne,   154. 
Krause,  Caesar,  298. 
Krause,  Chr.  G.,  122. 
Krause,  Emil,  436. 
Krause,  Ferdinand,  307. 
!  Kreibich  56. 
Kreisler,  Fritz,  305. 
Kremser,  E.,  268. 
Kretschmer,  Edmund,  391. 
Kretzschmar,  Hermann,  122. 
Kreutzer,   Konradin,   220.   227. 

267.  268. 
Kriehuber  240. 
Krimow  56  f. 
Kroger  296. 
Kronen,  Franz,  383. 
Kronenberg,  E.,  148. 
Kronke  398. 
Kroyer,  Theodor,  438. 
Krueger-Nystedt,  Franz,  387. 
Krug,  Georg,  448. 
Krug-Waldsee,  A.,  314. 
Krflger,  G.,  229. 
Krull,  Annie,  151. 
Kruse,  Joh.,  237. 
Kruse,  W.,  237. 
Kruse-Konzerte  474. 
Kubelik,  Jan,    236.    462.    471. 

474. 
Kücken,  F.  W.,    106.  267.  268 
Kuffner,  Christoph,  427. 
Kuhlo,  Franz,  228.  387. 
Kuhnau,  Johann,  173. 
Kflhnau,  Joh.  Chr.,   160  (Bild). 
Kunwald,  Ernst,   151. 
Kunz,  Toni,  308. 
Kunze,  Albert,  300.  457. 
KOnzel,  Richard,  397. 
Kunzen,  F.  L.  A.,  122. 


NAMENREGISTER 


Kurz,  Selma,  218.  461. 
Kurzöwna,  Frl.,  153. 
Kussewitzky,  Sergei,   466.  469. 

477. 
Kutkln  55. 
Kattner,  Frl.,  397. 
Kwast,  James,    155.   308.    386. 

470. 
Kwast,  Kpm.,  140. 
Kwast-Hodapp,  Frieda,  392.  468. 
Labitzky,  August,  148. 
Lachner,  V.,  268. 
Laffitte  77. 
de  Lajarte  109. 
Lalo,  E,  389.  399.  476. 
Lambert  460. 

Lambrino,  Telemaque,  390. 
Lamond,  Frederic,  109.  230.  309. 

392.  465. 
Lamoureux,  Chariest  330.  477. 
Landesberg  280. 
Landi,  Camiiia,  471.  473. 
Lang,  Kari,  224.  461. 
Langbein,  G.,  314. 
Lange,  G.,  429. 
Lange,  H.,  229. 
de  Lange,  S.,  397. 
Lange-Aranyi,  Emmi,  307. 
Lange-MQller,  P.  E.,  472. 
Langen han-Hirzel,    Anna,    315. 

476. 
Lanner,  J.,  276. 
Lasso,  Oriando,   22.  165.  169  f. 

172. 
Laube,  Fri.,  219,  380. 
Laube,  Heinrich,  25. 
Laurischkus,  Max,  386 
Lautenbacher,  Auguste,  219. 
Lawrow  56. 
Lazarus,  Gustav,  466. 
Leborae  200. 
Lechner,  A.  C,  381. 
Lecocq,    Charles,    270  f,    271  f. 

272.  320  (Bild). 
Lederer-Schiesti,  Therese,  305. 
LelHer-Burckard,    Martha,     154. 

300. 
Legouv6,  Ernest,  333.  348.  358. 

417.  418. 
Lehar  277.  300. 
Uhmann,  Lilli,  201.   315.  385. 

391. 
Leissek  56. 
LejdstrOm  463. 
Lenau,  Nikolaus,  127.  385. 
Lenk,  Olga,  305. 
Lenz  107. 

V.  Lenz,  Wilh.,  424. 
Leon,  Ferry,  385. 
L6on,  V.,  280. 
Leray,  C,  401. 
Leschetizki  472. 
Lessing,  G.  E.,  124. 
Lesueur  360.  365.  376. 


Levasseur  190. 
Level,  Math.,  225. 
L6vy,  Calman,  341. 
Lewinger  391. 
Leydemer,  Hans,  383. 
Leydhecker,  Agnes,  467. 
Liadow,  An.,  55. 
Lichtmann,  J.  J.,  434. 
Lieban,  Julius,  76.  387.  450. 
Lieban-Globig,  Helene,  387. 467. 
Liebermann,  E.,  254. 
Liebeskind,  Antonie,  461. 
Liebeskind,  Ernst,  461. 
Liebig,  Cari,  429. 
V.  Liechtenstein,  Ulrich,  263 
Liepe,  Emil,  307. 
van    Lier,  Jacques,    228.    306. 

388.  465. 
Lincke,  Paul,  280,  320  (Bild), 
van  der  Linden  149. 
Lindlofr,  H  ,  80. 
Linew  58. 

Lingenfeider,  Ada,  315. 
Lippold  56. 
Lischin,  G.,  57.  58. 
Liska,  Carl,  306. 
de  Lisle,  Rouget,  332. 
Lissenko  56. 
Lissowsky  57. 
Liszt,  Franz,  42.  59.  62.  63.  75. 

107.  111.  116.  128.  156.204. 

229.  234.  235.  244.  253.  305. 

309.     310.    311.     314.    315. 

316r.    317.    341.    342.    357 

366.     367.     371.    372.    379. 

384  f.  385.   388.   389  f.  390  f. 

391.    392.    394.    396.    397  f. 

399  f.    415.    420.    430.    451. 

462  r.  464.  465.  468.  470.  471. 

472.  474.  475.  476.  477.  478 
Liszt- Denkmal    (Stuttgart)    217. 

294.  480. 
Lisztverein  42.  43. 
Litolff,  H.,  154. 
Litvinne,  F61ia,  154. 
Lochheimer  Liederbuch  227. 
du  Locle,  C,  296. 
Lodyschensky  56. 
Loewe,  Ferdinand,  317.  478. 
Loewe,    Karl,    122.    305.    307. 

380.  439.  474. 
Loewenthal,  Sophie,  127. 
LOffler,  A.,  229. 
Löffler,  Mathilde,  148. 
Lohflng,  Max,  152.  295. 
Lohse,  Otto,  302.  393. 
Lomakin  56. 

de  Lorbac,  Charles,  148. 
Lorentz,  Alfred,  382.  393. 
Lorenz,  Frl.,  225. 
Lorenz,  Julius,  476. 
Lorenz,  Prof.,  397. 
Loritz,  Joser,  227.  395.  474. 
de  Lorma  458. 


Lortzing,    A.,    222.    299.    387. 

(Denkmal-Fonds). 
Lothar,  Rud.,  460 
Louis,  Rud.,  437. 
Louis  Philipp  (Frankreich)  187. 
Lovy,  J ,  193. 
Lowell,  J.  R.,  52. 
Lozin  149. 

Lübeck,  J.  H.,  8  fr.  95  If. 
Lucky,  Gertrude,  230.  315.  395. 

467. 
Ludwig,  Frl.,  153. 
Ludwig  L  (Bayern)  85. 
Ludwig  n.  (Bayern)  83  fr. 
Ludwig  111.  (Ludwigslied)  262. 
Lully  380. 
Luther,  Martin,    191.   196.  198. 

266.  410. 
LQtschg,  Waldemar,  391.    466. 

469.  473. 
Lutter,  Pror.,  237.  393. 
Luze,  Karl,  205. 
Maal  140. 

Madenski,  Eduard,  479. 
Mader,  Raoul,  220. 
Maeterlinck,  Maurice,  186. 
Maggini-Coletti  303. 
Mahler,  Gustav,  108.  111.  147. 

152.  154.  218.  225.  303  f.  308. 

456. 
Mähler,  G.,  426. 
Maillart,  L.  A.,  183. 
Mainzer,  J.,  193. 
Makarow  55.  56  f.  57  f.  58  f. 
Makart,  Hans,  21. 
Malaschkin  57. 
Malata,  Oskar,  219.  387. 
Malherbe,  Charles,  376. 
Malkin,  Josef,  386. 
Mailing,  Otto,  472. 
Malten,  Therese,  221.  381. 
Mllzel  428. 

MamontofT,  Sergei,  466. 
Mampel,  Ida,  155. 
Manasterio,  J.,  206. 
Mandelstamm  56. 
Mandyczewski,  Eusebius,  439. 
Manet  24. 

Mangold,  C.  R.,  468. 
Manns,  Augustus,  448. 
Mannstidt,  Franz,  317.  429. 
V.  Manof,  August,  223. 
Maurice,  Alfons,  392. 
Manthey,  Franz,  309. 
Manzer  470. 

Marchesi,  M^e.,  315.  316. 
Mar6chal,  Henri,  77. 
Marek,  Fri.,  153. 
Marenitsch  56. 
Marie,  Gabriel,  306. 
Marignan,  Mme.^  300. 
de  Maringa,  Mariane,  230. 
Marion,  Georg,  154.  300. 
Mariotte  78. 


NAMENREGISTER 


XI 


Markewitsch  57. 

Markus,  Desider,  220. 

Manik  156. 

Marsop,  Paul,  103.  317. 

Marteau,  Henri,  316.  471. 

Martin,  Mr.,  377. 

Marty  77. 

Marx,  Ad.  Bemh.,  424. 

Marx,  Carl,  301. 

Marx,  Marie,  152. 

Marx-Goldschmidt,  Berthe,  303. 

467. 
Mascagni,  Pietro,  273.  460. 
Masse,  Victor,  181. 
Massenet,  Jules,  156.  182.  183. 

273.  298.  302  f.  384.  451.  453. 

454.  460. 
Massol  190.  196. 
Matema,  Hedwig,  223. 
V.  Matthisson,  Friedrich,  425. 
Matura  461. 
Maurina,  Fri,  397. 
Mayer,  Karl,  237.  398. 
Mayerhoff,  Franz,  389. 
Mayer-Mahr,  Moritz,  466. 
Mayr,  Ludwig,  380. 
Mayseder,  Joseph,  282fr  (Gedenk- 
blatt). 480  (Bild). 
Mechler,  Fritz,  381. 
Mteourt,  Middha,  229. 
V.  Medici,  Katharina,  194. 
M6hul,  E.  N.,  225.  360.  382. 
Meilhac  280. 
V.  Meissen,  Heinr.  (Frauenlob), 

263. 
Meissner  56. 
Meissner,  Arthur,  461. 
Meissner,  August,  148. 
Melna,  Adele,  387. 
Melville,  Marguerite,  468. 
Melzer,  Jos.,  468. 
Mendel,  H.,  168. 
Mendelssohn,  Arnold,  231.  387. 

469. 
Mendelssohn  -  Bartholdy ,    Felix, 

8  ff  (Beziehungen  zu   Lübeck 

und  Verhulst).  22.  80  (Bild). 

98.    101.  111.  128.  156.  227. 

233.  234.  267.  268.  304.  308. 

313.  370.  384.  388.  395.  396. 

397.  466.  468.  471.  476. 
•Le  Menestrel*  193. 
Menter,  Sqfie,  477. 
Menzinsky,  Modest,  151.  454. 
Meredith,  Miss,  315. 
M6rO,  Jolanda,  388.  395.    466. 
Merten  56  f.  57. 
Messager,  Andr6,  182.  183.  270. 

271  f.  272.  320  (Bild). 
Messchaert,  Johannes,  154.  304. 

313.  390.  464.  470. 
Methflessel,  A.  G.,  268. 
Mettemich,  FQrst,  360. 
Metzdorf,  Adeiine,  386. 


Metzger-Froitzheim,  Ottilie,  76. 

152.  310.  382. 
Meyer,  Conr.  Ferd.,  134. 
Meyer,  Gustav,  152. 
Meyer,  Hedwig,  466.  468. 
Meyer,  Oskar,  231. 
de  Meyer,  Pierre,  225.  462. 
Meyer,  Waldemar,  229. 386.  397. 

467. 
Meyerbeer,  Giacomo.  26. 1 82. 1 84. 

187  ff    (Hugenotten premi^re). 

224.  240  (Bild).  274.  324.  341. 

456. 
Meyer-Oibersleben,    Max,    268. 

309.  461. 
Meyroos  228. 
Michalke,  Eise,  307. 
Michaiowicz,  M.,  389. 
Michelangelo  23.  323  f.  331  f 
Micucci  458. 
Miklaschewsky  57  f.  58 
Mikorey,  Franz,  381.  390.  473. 
Miider^Hauptmann,  Frau,  426. 
Millevoye  447. 

Millöcker,  Karl,  275  f.  320  (Bild). 
Missa,  E,  455. 
Miynarski,  Emil,  316.  472. 
V.  Moeliendorff,  W.,  154. 
Moers,  Andr.,  153,  300. 
Mohr,  Theodor,  218. 
Moke,  Camilla,  323.  327.  353  f. 

355. 
Moke,  Frau,  354. 
Mönch  149. 

»Le  Monde  dramatique"  193. 
Monhaupt  312. 
Monick,  Emma,  237. 
Moniuszko  302. 

Monsigny,  P.  A.,  181.  184.  272. 
Montaiivet  195. 

de  Montjau,   Frau  Madier,  450. 
Moore,  Thomas,  326. 
Moran-Oiden,  Fanny,   155.  234. 
Moreau,  L6on,  471. 
Morel  417. 

Morena,  Bertha,  76  f.  394. 
Morley  477. 
Morosow,  S,  56.  57. 
Morphy  296. 

V.  Morungen,  Heinr.,  263. 
Moscheies,  Ignaz,  148.  282. 
Mosel-Tomschick,  M.,  461. 
Moser,  Anton,  219. 
Mosoczy  458. 
Moszkowsky,  Moritz,  389. 
da  Motta,  Vianna,  385. 
Mottl,  Felix,  43.  222.  224.  295. 

301.  316.  343.  382. 
Mottl,  Henriette,  382. 
Moussorgsky  48. 
Mozart,  Wolfgang  Amadeus,  22. 

23.  26.  48.  49.  50.  101.  106. 

107.   112.  113    122.  128.  155. 

181.  185.  187.  192.  229.  233. 


253.  254.  273.  302.  303.  310. 

314.  315.  360.  380.  381.  389f. 

390.  391.  394.  395f.  398.  399. 

406.  412.  413.  463.  470.  471  f. 

472.  475. 
Muck,  Karl,  385.  451. 
Mudocd,  Eva,  386. 
MuflPat,  Georg,  130. 
Mflhldorfbr,  Wilhelm,  152. 
MOhlfeld,  Richard,  385.  398. 
Malier,  Adolf,  155.  273. 
Malier,  Job.  Georg,  405. 
Mailer  (Leipzig)  395. 
Maller,  Robert,  223. 
Mailer,  Wenzel,  267,  273. 
Mailer-Berghaus  397. 
Mailer-Hartung,  Julie,  309. 
Maller- Reuter,    Theodor,    218. 

394. 
V.  Mumm,  W.,  471. 
Manchhoff,  Mary,  233.  307.  313. 

390    391    393.  479. 
Musiol,  Robert,  296. 
Mysz-Gmeiner,  Luis,  226.  396. 

469.  477. 
Nadar  375. 

Nagel  (Kammermusiker)  312. 
Nagel,  W.,  429. 
NIgeli,  H.  G.,  268. 
Napoleon  1.  25.  377. 
Napoleon  III.  330.  378. 
Naprawnik,  E.,  56. 
Narbal  345.  346. 
Nardini,  P.,  392. 
Nast,  Minna,  151.  314. 
.U  National  de  1834**  193. 
Naval,    Franz,    156.   314.   398. 

451.  469. 
Navratil,  K.,  147. 
Nebe,  Carl,  450. 
Nedbal,  Oskar,  225.  306. 
Neefe  122. 
Nef,  Karl,  130. 
Neff,  Fritz,  440. 
Neithardt,  Aug.,  267. 
Neitzel,  Otto,  308. 
V.  Nemours,  Herzog,  190. 
Nekrassow  57. 
de  Nerval  330. 
Nessler,  Victor,  299.  382. 
Neugebauer,  Carl,  225. 
Nichols,  Marie,  306 
Nicking  465. 
Nicod«,  L.,  173. 
Nicolai,  Friedrich,  122.  124. 
Nicolai,  Otto,  163. 
Nielsen,  Karl,  313.  385. 
Nieratzky  470. 
V.  Niessen-Stone,  Frau,  237. 
Nietzsche,  Friedrich,  91. 
Nikisch,  Arthur,   43.   153.    154. 

156.  226.  227.    233  f.    236  f. 

300.    303.    304  f.    384.    392. 

395.  429.  458.  464. 


XII 


NAMENREGISTER 


Nikober  56. 

Nohl,  L.,  427. 

Nöldechen,  Berah.,  451. 

Nordica,  Lilian,  76.  147. 

NoskowskI  472. 

NOssler,  Ed.,  389. 

Nottebohm,    M.    G.,  147.  425. 

426.  428. 
Nourrit,  Ad.,  187.  188  f.  190.194. 
Novak  233. 
Novalis  25. 
Nowa,  Alice,  454. 
de  la  Nux,  P.  V.,  302. 
Oberstadt,  Max,  233. 
Ochs,  Siegfried,  304. 
Olfeobach,  Jacques,  180.  181  ff. 

183ff.  201.  240.  269ff.  272. 

273.  276.  279.  280.  302.  324. 

382.  456. 
Offenberg,  Helene,  382. 
Ofrossimow  55.  56  f.  58  f. 
V.  Olterdingen,  Heinr.,  263. 
Ohlhoff,  Elisab.,  227. 
Ohnesorg,  Carl,  461. 
Okeghem,  J.,  164.  167. 
Oldenboom-Latkeman,Alida,307. 

478. 
V.  Oldenburg,  Herzogin,  147. 
Olitzka,  Rosa,  230. 
Ollner,  Elsa,  381. 
Olshausen,  Paula,  230.  467. 
Ondrioek,  Franz,  154.  156.  477. 
Ordenstein,  H.,  234. 
Orelio  140.  221.  450. 
V.  Orleans,  Herzog,  190. 
Orlow  56. 
Ortigue  352. 
de  Orto,  M.,  175. 
Ossipow  57. 
V.  d.  Osten  151. 
V.  Othegraven,  A.,  395. 
Otto,  Frl.,  153. 
Otto,  J.,  268. 
van  Overelm  149. 
Pacary,  Lina,  77. 
Pachelbel,  Joh.,  131. 
de  Pachmann,  W.,  236. 
Paderewski,  Ignaz,  140.  472. 
Paer,  Ferdinand,  301.  455.  459. 
Paganini,  Niccolo,  307.  314.  306. 

415.  416.  471. 
Pahnke,  W.,  471. 
Paisiello,  Giovanni,  273. 
Palestrina,  G.  P.,  169.  170.  175. 
Palm,  Margarete,  387. 
Pankenin,  Alma,  387. 
Panofka,  H.,  282. 
Pantschenko  57. 
Panzner,  Carl,    154.   231.  300. 

389. 
Papperitz,  Robert,  147  f. 
Parello  458. 

Parry,  Hubert,  395.  470. 
Parsi,  Frl.,  458. 


Patti,  Adelina,  475. 
Pauer,  Ernst,  315. 
Pauer,  Max,  156.  311.  398. 
Paufler  56  f. 
Paul,  Jean,  404. 
Paul,  Oskar,  168.  174. 
Pauli,  Max,  222. 
Paur,  Emil,  464. 
Pauwels  149.  221.  450. 
Pax,  K.  E.,  267. 
Pekschen,  Mme.,  157. 
Pennarini,  A.,  152.  222.  456. 
Pergolese,  G.  B.,  407. 
Perleberg,  Arthur,  154. 
Perron,  Carl,  151.  154.  300.  316. 
Pessard  272. 

Pester-Prosky,  Bertha,  457. 
Peters,  Verlag,  154.  173. 
Petit,  Pierre,  400. 
Petri,  Henri,  254. 
Petri-Quartett  232. 
Petschnikoff,     Alexander,    234. 

306.  312.  308.  466.  471. 
Petschnikoff,  Ulli,  234.  466. 
Petzet,  Walter,  234. 
Pewny,  Olga,  452. 
Pfannschmidi'scher  Chor  466. 
Pfeil,  H.,  268. 
Pfeilschmidt,  Hans,  80. 
Pfltzner,  Hans,  43.  44.  75.  111. 

231.  253.  301.  315.  384. 
Phidias  323. 

Philidor,  F.  A.  D.,  181.  184.  272. 
Philipsohn,  Dr.,  228. 
Phlippeau  450. 
Picani,  Nicola,  459. 
Pieczonka,  Kite,  467. 
Pieper,  Cari,  218.  394. 
Pieper,  Willy,  468. 
Piern«  477. 
Pierson  434. 
Pinks  305. 
Pinto,  Frl.,  303. 
Plaichinger,  Thila,  153.  223. 
Planche,  G.,  102  f. 
Planquette,    Robert,    270.    272. 

320  (Bild).  461. 
Plant6,  Francis,  154. 
Plato  260. 
Play  fair,  Elzie,  311. 
Plestschejew,  A.,  58. 
Pleyel,  Marie,  323.  355. 
PlQcker,  Herrn.,  152. 
Piaddemann,  Martin,  398. 
Plutarch  260.  409. 
Podesti  302. 
Poe,  E.  A.,  52. 
Pohl,  C.  F.,  434. 
Pohl,  Luise,  341. 
Pohl,  Richard,  339.  343.  363. 
Pohle,  Max,  389. 
Poblig,  Cari,  224.  294.  310.  397. 
Poldini,  Eduard,  220.  452. 
Polese  liO. 


Polyklet  323. 

Pomasansky  55. 

de  Pommaume,  P.,  400. 

Popper,  David,  468. 

Popper,  Dora,  386. 

Porst,  Bemh.,  153. 

Porth,  Viktor,  155. 

Portmann,  J.  G.,  167. 

Posener      Orchestervereinigung 

396. 
V.  Possart,  Ernst,  60.  93.  147. 

223.  248.  305.  448. 
Potpeschnigg,  Heinrich,  467. 
Pottgiesser,  Cari,  457. 
Pougin,  Arthur,  126. 
Pouill6  78. 
Pracher,  Fanny,  45.^. 
Prager  Streichquartett  399. 
Prasch,  Aloys,  75. 
Prätorius,  M.,  167.  168. 
Pregi,  Maroella,  470.  478. 
Preiss,  Mme.  57. 
de  Prte,  Josquin,  399. 
Presuhn  397. 
Preuss,  Arth.,  225. 
Preusse,  C,  385. 
Pr6v6st  190.  193.  196. 
Prevosti,  Franceschina,  473. 
Prigoschy  57  f. 
Prill,  Emil,  295. 
Prill,  Karl,  389. 
Prod'homme,  J.  G.,  240.  371. 
Proksch,  J.,  147. 
PrOU,  Rudolf,  151. 
Propertius  261. 
Proteininsky  56. 
Prüfer,  A.,  62.  296. 
Prüfer,  H.,  155. 
Prusse,  Theodor,  467. 
Prüwer,  Jul.,  451. 
Puccini,  Giacomo,  220.  455  460. 

461  f. 
Puchat,  Max,  147. 
Pugno,  Raoul,  396. 
Purcell,  H.,  50. 

Purschian,  Otto,  152.  223.  383. 
Putiata  57. 

V.  Putkammer,  Frau,  383. 
Quantz  122. 

Quicherat,  L.,  188.   189.   190. 
Raabe,  Peter,  315.  470.  477. 
Rabl,  Walter,  154.  298. 
Rabonato  458. 
Rachmaninow  56  f.  57  f.  58. 
Radecke,  Robert,  94. 
Radig,  Paul,  257.  393. 
Radnitzky,  C,  435. 
Radö,  Frl.,  151. 
Radow,  Rieh.,  219. 
Raff,  Joachim,  72.  173.  395.  466. 
Rahter,  D.,  154.  308. 
Raimund,  Ferdinand,  150. 
Rains,  L6on,  314. 
Rajchmann,  Alexander,  472. 


NAMENREGISTER. 


XllI 


Rameau,  J.  ?.,  312.  459. 
Rampelmann,  W,,  465. 
Rarael  23.  254. 
Rappert  56.  57. 
Rappoldi-Kahrer,  Laura,  232. 
Rasmadse  56  f.  57. 
Ratschinsky  58. 
Raven,  Dagmar,  308. 
Raven,  Theo,  455. 
Ravoth,  Klthe,  467. 
Raymond,  E,  471. 
Reber,  N.  H.,  368. 
Rebicek,   Josef,   72.    228.    232. 

387.  397. 
Rebner,  Adolf,  311.  386. 
Reclo,  Marie,  400  (Bild).  417  f. 
Recio,  Mme.,  423. 
Redlich,  Karl,  410. 
Regan,  Anna,  126. 
Reger,  Max,  43.   44.   131.  231. 

253.  438. 
Regneas  151. 
Rehberg,  Willy,  471. 
Reicha,  Anton,  363. 
Reichardt,  Joh.  Fr.,  122. 
Reichenberger,  Hugo,  72.  301. 
Reicher,  Thea  Dora,  309. 
Reichhardt,  Gust.,  267. 
Reichmann,  Theodor,  72. 
Reimann,  Heinrich,  296.  475. 
Reinecke,  Carl,  387.  395. 
Reinhardt,  H.,  277. 
Reinisch,  Anna,  301. 
Reinmar  der  Alte  263. 
Reisenauer,    Alfred,    227.    236. 

310.  317.  389.  395.  465. 
Reiaamann,  August,  449. 
Reiter,  Josef,  134. 
Rellte,  Leonore,  459. 
Reman,  Ida,  389. 
Remmert,  Martha,  473. 
R6mond,  Fritz,  222.  382. 
de  R6musat,  Comte,  416. 
Renaud,  W.,  478. 
V.  Rennes,  Catharina,  296. 
Renz,  Willy,  323. 
Rettich,  Rieh.,  315. 
Reubke,  Julius,  438. 
Reucker,  Alf^.,  225. 
Reuschy  Karl,  464. 
Reuss,  August,  315. 
Reuss,  Eduard,  465.    - 
Reuter,  Hedw.,  228. 
Reuther,  Carl,  235. 
»Revue  des  Deux  Mondes^  192. 
«Revue  du  Thöätre"  193. 
Reyer,  Emest,  296.  358. 
V.  Reznioek,  E.  N.,  464. 
Rheinberger,   Josef,    217.    255. 

287.  392.  438  f. 
van  Rhyn,  Sanna,  473. 
Richard,  Hans,  479. 
Richter,  C.  F.,  471. 
Richter,  E.  F.  E.,  148. 


Richter,  Hans,    249.   309.  398. 

474. 
Richter,  Ludwig,  240  (Bild). 
Riedel,  Hermann,  448  f.  451. 
Riemann,  Hugo,  127.  132.  166. 

218. 
Ries,  Antonie,  461. 
Ries,  Ferdinand,  434. 
Ries,  Marie,  304. 
Rietsch  477. 
Rietz,  J.  18  f. 
Rihl  472. 
Riller,  O.,  234. 
Rimsky-Korsakow  55  f.  56  f.  383. 

389.  469.  478. 
Ripper,  Alice,  316.  395. 
Risler,  Edouard,  109. 
Ritter,  A.  G.,    166.    168  f.   438. 
Rittershaus,  Alfr.,  237. 
Robinson,  Ada,  222.  382. 
Roediger,  Karl,  453. 
Roediger,  Klara,  231. 
Roger  272. 

Roger-Miclos,  Marie,  303.  311. 
Romaneck,  Maria,  230. 
Romberg,  Bernhard,  97. 
ROmhild,  Alb.,  469. 
ROntgen,  J.,  388.  462. 
Ros«,  A.,  389. 
Rose,  Francis,  297. 
RosenmQUer  170. 
Rosenthal,  Moriz,  156.  477. 
Rössel,  W.,  467. 
Rossini,  Giacomo,  26.  106.  126. 

181.  185.  195.273.301.  324. 

336.  390.  458. 
Roth,  Bertrand,  72. 
Roth,  Fr.,  277. 
RothenbQcher,  Max,  467. 
Rother,  Anna,  389. 
Rothwell  149.  297. 
Rotschild  418. 
Rottenberg,  L.,  391. 
Rousseau,  J.  J.»  131.  380. 
Rüben,  M.,  477. 
Rubetz,  A.,  56. 
Rubinstein,  Anton,  56  f.  57  f.  58  f. 

128.  224.  229.  383.  390.  394. 

466.  470. 
Rflbner,  Cornelius,  466. 
RQbsam,  Rieh,  221. 
Rflckauf,  Anton,  147.  160  (Bild). 
RQdel,  Hugo,  229.  386. 
Rflders,  Anny,  381. 
RQdiger  151. 
de  la  Rue,  P.,  175. 
Ruegger,  E.,  393.  466.  470. 
RQhlscher  Gesangverein  391. 
Ruinen  228. 

Rflsche,  Clcllie,  312.  313. 
v.  Russland,  Grossfflrstin  Helene, 

423. 
Rust,  F.  W.,  473. 
Ruzek,  Marie,  451. 


Ruzicka  470. 

Rybakow  57. 

Ryken,  Georg,  478. 

S.,  J.  A.,  129  ff. 

Sabatier  126. 

Sabellier  150. 

Sachs,  Hans,  168.  343. 

V.  Sachsen-Weimar,  Anna  Amalie, 

414. 
Saenger-Sethe,  Irma,  315.  398. 
Safönoff,  W.  J.,  478. 
Sahla,  Rieh.,  312. 
Saint-Saens,  Camille,    77.    112. 

155.  156.   183.  233.  302.  316. 

317.  358.  393.  438.  459.  471. 

474.  475. 
Saitzew  58. 
Salcher,  Joseph,  453. 
Salewski  312. 
Salieri,  Antonio,  273. 
Salomon,  H.,  296. 
Salter,  Norb.,  206. 
Salvi,  Elsa,  223. 
Samuel,  Adolphe,  419. 
Sand,  Georges,  55. 
Sandow,  Eugen,  465. 
Sandow-Herms,   Adelina,   387. 

465. 
de  Sarasate,  P.,  393.  467.  472. 
Sarti,  J.,  459. 
Sass,  Arthur,  396. 
Sattler,  Heinz,  461. 
Sauer,  Emil,  236.  31 1.  399.  467. 

468.  478. 
Sauer,  Kpm.,  299. 
Sauret  307. 
Sauset  311.  470. 
Sauvan,  Martha,  386. 
Saviö,  Gertrud,  400. 
Savine,  M™«*,  300. 
Sayn-Wittgenstein,  FQrstin,  371. 

420.  421.  422.  423. 
Scandellus  169. 
Schäfer  55. 

Schiffer,  J.,  166  f.,  268. 
Schaljapin  383. 
Schalk,  Josef,  320. 
Schantzberg  57. 
Schapira,  Wera,  478. 
Schapitz,  O.,  397. 
Scharwenka,  Ph.,  306. 
Scharwenka,   Xaver,   234.  310» 

387. 
Schauer,  Alfred,  155. 
Schauer-Bergmann,  Martha,  310. 
V.  Schaumburg-Lippe,  Maria,  407. 
V.  Schaumburg-Lippe,  Wilhelm, 

407.  408. 
V.  Scheele,  Ida,  219. 
Scheffels,  Walter,  462. 
Scheidemantel,  K.,  151.  298.398. 

472. 
Schein,  Joh.  Herm.,  296. 
Scheinpflug,  Paul,  307.  389. 


XIV 


NAMENREGISTER. 


Scheinann  234. 

Schenk,  Frl.,  398. 

Schenk  (Russland)  56 f.  57. 

Schenker,  H.,  385. 

Schicht,  Joh.  Gottfried,  72. 

Schiller,     Friedrich,     23.    105  f. 

124.  254.  403.  463. 
Schillings,  Max,  44.  60  80.  1 1 1. 

248.  316.  391. 
Schillings-Ziemsen,    Hans,  383. 
Schindler,  Anton,  424. 
Schink,  J.,  224. 
Schirmer,  Robert,  222.  382. 
Schlegel  (GebrOder)  25. 
Schlesinger  154. 
Schlesinger  (Paris)  356. 
Schlick,  A.,  165r.  169.  175. 
Schloss,  Chariotte,  222. 
Schmidt,  Alma  Johanna,  389. 
Schmidt  (Elberfeld)  470. 
Schmidt,  Felix,  227. 
Schmidt,  Hans,  234. 
Schmidt  (Kassel)  312« 
Schmidt  (Strassburg)  316. 
Schmidt-KOhne,  Frau,  237. 
Schmierer  (Schmlcerer),  J.    A., 

130. 
Schmitt,  Phil.,  231. 
Schmitz- Pollender,  Elisabet,  465. 
Schnabel,  A.,  305.  306.  307.  386. 

464.  467. 
Schnabel  (Trio)  397. 
Schneider,  Friedrich,  447.  480. 
Schneider,  Kart,  369.  370. 
Schollmeyer,  Ad.,  205. 
Scholz,  Bernhard,  133. 
Schönberg,  Arnold,  385. 
Schonfeld,  Paula,  219.  451. 
Schonherr,  A.,  71. 
SchOrg-Quartett  396. 
Schott,  B.,  154. 
Schramm,  Hermann,  454. 
Schreider,  K.,  57. 
Schreier,  Fri.,  237. 
Schreiter,  Hertha,  468. 
Schröder,  Hans,  470. 
Schroeder,  Alwin,  476. 
Schroeder,  Johannes,  229.  387. 
SchrOdter,  Fritz,  461. 
Schröter,  L,  170. 
Schröter,  O.,  219. 
Schubert,    Franz,    22.   59.    107. 

122.  127.  128.  147.  156.  171. 

228.  229.  232.  268.  305.  311. 

314.  316.  384  f.  386.  389.  390. 

303  f.    394.    395  f.    439.    463. 

464.  468.  470  f.  471.  473.  476. 

477.  479. 
Schubert,  O.,  72.  229.  307. 
V.  Schuch,  Ernst,  151.  218.  232. 

298.  398. 
Schuchardt,  F.,  286. 
Schulgin  55. 
Schnitze  149. 


Schulz,  Erna,  306. 
Schulz,  J.  A.  P.,  122.  380. 
Schulz  (Rostock)  397. 
Schulze-Erier  465. 
Schumann,   Clara,    15.    16.  96. 

160  (Bild). 
Schumann,  G.,  227.  306.   307. 

439.  463. 
Schumann,  Robert,  8  ff.  94  ff.  (Be- 
ziehungen   zu   J.   H.   Lübeck 

undj.  J.  H.Verhulst).  22.  51. 

59.  80  (Bild).  115.  116.  128. 

156.    160   (Bild).    195.    226. 

227  f.     228.    230  f.    234.  306. 

308.  311.  313.314.  316.324. 

325.  341.  361.  388.  389.  390. 

392.    393.    394  f.    395.    463. 

464.  465.  467.  468.  477.  478. 
Schumann-Heink,  Ernestine,  76. 

153.  218.  310.  313.314.381. 

382.    383.    389.    390.    393  f 

394.  399.  461.  477. 
Schuppanzigh,  J.,  282. 
Schuster  (Quartett)  315.  316. 
SchOtz,  Hans,  153.  300.  385. 
Schatz,  Heinr.,  22.  170. 
Schwab,  Carl,  381. 
Schwarz,  Blanche,  388. 
Schwarz,  Max,  388. 
Schwendler  233. 
Schwickerath,  Prof.,  384  f. 
Scomparini,  Maria,  220. 
Scribe,  E.,   187.  188.  190.  194. 

200.  342.  455.  456. 
Sebald  313. 
S6chan  189.  194. 
V.  Seebach,  Graf,  218. 
Seegert,  Ida,  307. 
Seidel  390. 
Seidl,  Anton,  463. 
Seidl,  Arthur,  147. 
Seifert  56. 
Seiffert,  Marie,  219. 
Seiffert,  Max,  130.  437. 
Seim,  Rob.,  461. 
Seitz,  Prof.,  297.  397. 
Sekles,  Bemh.,  231. 
Seligmann,  A.,  452. 
Senfl,  Ludwig,  266. 
Sengem,  Leonore,  153. -300. 
Serato,  Arrigo,  133.  303.  311. 
Serda  190. 

Seret,  Marie,  230.  314. 
Serpette  272. 
Seuffert  465. 
Severin,  Emil,  228.  308. 
Servius  TuUius  260. 
SeyflTardt,  E.  H.,  397. 
Seyfried,  J.,  434. 
Sgambati,  G.,  396. 
Shakespeare  254.  331.  333.  338. 

339.  346.  349.  350.  355.  356. 

369.  370.  373.  374.  408.  420. 
Shedlock,  J.  S.,  8. 


Sibelius,  Jan,  53.  63.  469. 

Sieder,  Alfr.,  301. 

Siegmann-Wolff,  Philla,  461. 

Siewert,  Hans,  149.  297.  451 

Signol  400. 

Sucher,  Friedr,  227.  267. 

Siloti,  Alex.,  396. 

Simon,  Kommerz.-Rat,  56.  457. 

Simrock,  N.,  154. 

Sinding  232.  233  386.  389.  390. 

392. 
Singakademie,      Robert     Schu- 

mannsche,  469. 
Singer,  Edm.,  397. 
Singer,  Richard,  227. 
Sinigaglia  391. 
Sistermans,  Anton,  227. 
Sitt,  Prof.,  295.  395. 
Sittard,  A.,  226. 
Sittard,  Joseph,  449. 
Sjögren  86. 

Skenn-Gipser,  Else,  469. 
Skopas  323. 
Skvor,  Max,  306. 
Slaviansky,  Nadina,  57.  156. 
Slezak,  Leo,  76.  225.  461. 
Slivinski,  Jos.,  310.  397. 
Smeuna  75.  147.  302.  384.  390. 

396.  432.  433.  462. 
Smithson,  Henriette,  336.  349  AT. 

354  ff.  400  (Bild). 
SOchting,  Emil,  134. 
Sokalsky  56.  57  f.  58. 
Sokolow,  V.,  56  f.  57  f.  58  f. 
Solovjew  56  f.  57  f. 
Sommer,  Curt,  304. 
Somow  56.  57  f. 
Sondermann  474. 
Soomer,  Walter,  221.  455. 
Sophokles  346. 
Sorani,  Emil,  151.  299.  454. 
Sousa,  J.  Ph.,  278 
Speltrino  303. 
Spendiarow  57. 
Sperontes  122. 
Spett,  Joh.,  130. 
Spiess,  Hans,  151. 
Spiess,  Prof.,  86. 
Spiro  56. 

Spitta,  August,  160. 
Spohr,  L.,    128.  307.  391.  397. 
Spontini  329.  334.  335. 
Sporck,  Graf,  378. 
Sseroff  383. 
Ssobinoff,  Leonid,  224. 
Sude,  D.  F.,  12. 
Staegemann,  Helene,  235.  314. 

478. 
Stamitz,  Joh.,  132. 
Stammer  75. 
Stanford  310. 
Surk,  Lodovica,  309. 
Starke,  Kpm.,  155.  471. 
Surtzow  55.  56  f.  57. 


NAMENREGISTER 


XV 


V.  Stitzer,  Joseflne,  151. 
Sttvenhagen,  Agnes,  309. 
Staveohmgen,  Bernhard,  147. 
Steffto,  Anton,  122. 
Steffens,  Herrn.,  151. 
Stein  257.  280. 
V.  Stein,  H.,  284. 
Steinbach,  Emil,  233.  475. 
Steinbach,  Fritz,  147.  224.  235. 

312.     394.  472. 
Steindel-Quartett  234.  386. 
Steinen,  Ad.,  223. 
StennebrOggen  316. 
Stephan,  Anna,  236. 
Stephanesco.  G.,  149. 
Stephan!,  Alfred,  453. 
Stermicz  302. 
Stern,  A.,  367. 
Stern,  Antonie,  230. 
Stern,  J.,  429. 
Stemfeld,  Richard,  430. 
Steuerlein  168. 
Stoblus,  J.,  168r.  172. 
Stockhausen,   Kpm.,    116.    234. 

316. 
StoU,  Lisbeth,  221.  455. 
Stoltz,  Eugenie,  386. 
Stoltzer,  Th.,  170. 
Stolzenberg,  C,  224. 
Stoye  394. 

Stradal,  Aug.,  379.  439. 
Straesser,  Ewald,  385. 
Stransky,  Jos.,  222.  382 
Straube,  Karl,  295.  395. 
V.  Strassburg,  Gottfr.,  263. 
Strauss,  Johann,  179.  275.  276fr. 

320  (Bild). 
Strauss,  Job.,  jr.,  156. 
Strauss,  Richard,    21  f.    43.   44. 

107.   110.   112.  113.  154.206. 

228.  232.  236.  245  246.  253. 

256.  309.  311.  314.315.317. 

384.    389  r.    391.    393.    447. 

452.  459.  468.  470.  472.  474. 

478. 
Streicher,  Th.,  305.  310. 
Streichorchester   Berliner    Ton- 

kOnstlerinnen  387. 
Streitenfels,  Irene,  387. 
Stronck,  R.,  462. 
Stscherbatschew,  A.,  58. 
Stscherbatscbew,  N.,  58.  173. 
Stschurowsky  56.  57  f. 
Stuck,  Fr.,  48. 
Sturm,  Wilhelm,  465. 
Stury,  Max,  219. 
Suchanek,  Elis.,  301. 
Sucher,  Rosa,  447. 
Sudermann,  Herm.,  25. 
SuUivan,  Arthur,  278  T  320  (Bild) 

454. 
Suphan,  Bernhard,  410. 
V.  Supp^,  Franz,  221.  274  f.  302. 

320  (Bild).  453. 


Süsse,  Otto,  231.  462. 

Suter,  Hermann,  304. 

Svendsen  234.  310.  476. 

Sweelinck,  F.,  399. 

Sybin,  Mmc,  57. 

Szabados,  Prof.,  220. 

SzAntö,  Ulli,  220. 

Szendy,  Prof.,  220. 

Szer6mi,  Gustav,  468. 

Szika,  Ida,  381. 

Szirowatka  221. 

Szopski,  Felicyan,  472. 

Szoyer,  Frl.,  452. 

Szymanski  153. 

Tacitus  261. 

Taglioni  189.  194. 

Tanajew  465. 

Tlnzler,  Leo,  381. 

Tappcrt,  Wilh.,  436. 

Taskin  57. 

Taubert,  E.  E.,  134.  387. 

Taubert,  W.,  368. 

Taubmann,  Otto,  376.  379  f. 

Tausch,  Julius,  95. 

Telemann  121. 

Tenger  426. 

Terminska,  Alma,  56. 

Terrasse  270. 

Tester,  Emma,  237. 

Thaycr,  A.  W.,   425.  426.  427. 

428. 
Thibaud,     Jacques,     109.    154 

156.  303.  313.  475.  476. 
Thierfelder,  Prof.,  397. 
Thode,  H ,  294. 
Tholfüs,  Toni,  470. 
Thomas,  A.,  183.  273. 
Thomas,  Eugene,  398. 
Thomas,  Fra,  166. 
Thomas-St.  Galli,  Frau,  471. 
Thornberg,  Julius,  472. 
Thuille,  Ludwig,  133.  220.  224. 

231.  301.  317.  440.  451.  465. 
Tieck,  Ludwig,  25. 
de  Tiftre,  Nestor,  299. 
Tierie,  A.,  149.  221.  462. 
Tiersot,  Julien,  77. 
Tijssen,  Jos.,  151.  152. 
Tintoretto  23. 
Titow,  A.,  56  f.  57. 
Tittel,  Bernh.,  221.  455. 
Tizian  23.  25. 
Toggart,  Miss,  392. 
Toller,  Georg,  383. 
Tolstoi  56.  57. 
TonkQnstlerverein,   Niederlindi- 

scher  71. 
Tordek,  Ella,  476. 
Tornelli,  Giovanna,  155. 
Toscanini  453. 
Townshend  396. 
Trebess-Reucker,  Bertha,  226. 
Tregler,  Ed.,  306. 
i  Tr6vaux  190. 


de  Treville,  MUe,  224. 
Trienes,  H ,  393. 
Troitzsch  381. 
Tschaikowsky,   P.,  48.    53.  56. 

57  f.  156.  224.  234.  240  (Bild). 

254.  306.  308.  310.  312.  313. 

314.  315    383.  384.  385.  389. 

390.  391.  392.  393.  394.  395. 

396  f  464.  466  473.  475.  478. 
Tschirch,  F.  W.,  268. 
Tuma  477.  . 

Uhland,  Ludwig,  98.  256. 
Uhlmann,  Eva,  389. 
V.  Ulmann  300. 
Ulrich,  H.,  368. 
Ulsacker,  A.,  392. 
Unger,    Caroline,     126  ff.     160 

(Bild). 
Unger,  Walther,  475. 
Urana  458. 

Urban,  Erich,  240.  320. 
Urhan  190. 
Urlus,  Jacques,   153.  300.  457. 

473. 
Ussatow  56  f.  57  f.  58. 
Vaillant  199. 
Valentin,  Marie,  151. 
Vamey,  L.,  270.  272. 
Vasquez,  Frau,  452. 
Vavra,  Udalrich,  306. 
Vecchi,  O.,  438. 
V.  Vecsey,  Franz,  220.  306. 307. 

314.  382. 
van  Veen,  Jos.    M.,   228.   306. 

387.  465. 
Veit  389.  • 
Verdaguer  458. 
Verdi,  G.,  51.  64.  80.  106.  220. 

232.  273.  206.  380.  381.  385. 

394.  454.  455.  460.  463.  464. 

468.  475. 
Verhulst,  Job.  J.    H,    8ff.    80 

(Bild).  94  ff. 
Vemet,  Horace,  355.  356. 
Vemet,  Louise,  356. 
Vernet,  Mme.,  356. 
V«ron,  Dr.,  187.  188  ff. 
Versel,  Theresa,  155. 
Vetter,  Else,  467. 
Viardot,  Pauline,  200. 
Vidron,  Ang61e,  152.  394. 
Vieuxtemps,  H.,  399.  471. 
Villebois  57  f. 
Violin,  Moriz,  317. 
Viotti,  G.  B.,  312. 
Virgil  331.  339.  344.  347.  420. 
Vischer,  F.,  Th.,  23.  24. 
Vogel,  E.,  130. 

V.  d.  Vogelweide,  Walter,  263. 
Vogler,  Abt,   168. 
Volbach,  Fritz,  475. 
Volkmann,  Robert,  135  233.389. 

395. 
Vollerthun,  Georg,  307. 


XVI 


NAMENREGISTER 


Voltaire  25. 

de  Vo8  149. 

Voss,  J.  H.,  124. 

de  Voss  297. 

Vuipius,  M.,  168. 

Wachmann,  Ed.,  156. 

Wackenroder  25. 

Wagner,  Elsa,  232. 

Wagner,  Richard,  3  AT  (Ein  R.-W.- 

Denkmal).  22.  26.  43.  44.  80 

(Bild  vom  W.-Denkmal).  51. 

61.  62.  6'.  75  ff.  80  (Wohn- 
haus in  Biebrich,  Bild).  83  fr. 

106.  110.  112.  116.  128.  164. 

187.  203.  204. 206.  217.  220  f 

222.  231.  235.  245.  247  f.  256. 

274.  281.  283.  284.  286.  298. 

299.  300.  304.  310.  323.  339. 

341.  343.  346.  347.  358.  366. 

372.  377.  385.  390.  391.  393. 

397.  408.  409.  413.  418.  430. 

431.  436.  447.  451.  452.  453. 

455.  457.  458.  460.  462.  472. 

473.  477. 
Wagner-Festspiele  83  fr. 
Wagnerverein,  Allgemeiner,  43. 
Wagner-Verein,  Berliner,  375. 
Wagner-Verein      (Berlin      und 

Berlin-Potsdam)  385. 
Wagner-Verein  (Darmstadt)  231. 
Wagner,    Siegftried,    281.    294. 

397.  463. 
de  Wailly,  Leon,  342. 
Waldeck,  Rudolflne,  149. 
Waldmann,  Dr,  171. 
Walker,  Edith.,  231.  234  f.  310. 

311.  315.  385.393.395.399. 

475. 
Walle-Hansen,  Dagmar,  313. 
Wallaschek,  Rieh.,  202  f. 
WallnOlbr,  Adolf,  459. 
Walter,  Marie,  397. 
Walter,  Raoul,  478. 
Walter  (Strassburg)  316. 
Walter-Choinanus,    Iduna,   227. 

309. 
Walther,  Gust.,  229. 
Walther,  Joh.,    165  IT.  170.  172. 

175.  266. 
Walther,  Madeleine,  229. 
Wambach,  Emile,  478. 
Warlamow  57. 
Wamay,  Rosa,  152. 
Wartel  190.  196. 
Waschow,  Gustav,  298. 
Wasielewsky  94.  97. 
Webber,  A.,  316. 
Weber,  Anselm,  267. 
V.  Weber,  E.,  284. 
Weber,  J.  J  ,  435. 
V.    Weber,     K.    M.,     22.    128. 

195.  224.  227.  233.  267.  306. 

310.  329.  368.  389  f.  395.  454. 

465.  473. 


Weckerlin  377. 
Weckmann,  Matthias,  147. 
Wedekind,  Erika,  381.  383.  454. 

472. 
Wegeier  434. 

van  de  Weghe,  Dirx,  149. 
Wegmann,  M.,  467. 
Weger,  A..  320. 
Weichsel,  Oskar,  227. 
Weidenbrflck  57. 
Weigmann,  Fr.,  459. 
Weil,  S.,  471. 
Weimam,  P,  57  f. 
Weingarten,  Hedwig,  219. 
Weingartner,  Felix,  43.  77  f.  226. 

235.  236f.  311.  315.  330. 
374.  375.  376.  378.  384  385. 
389.  395.  397.  463.  470.  474. 
476.  479.  480. 

Weisse,  M.,  168. 

Weisse,  Christian,  124. 

Weissleder,  Franz,  152. 

Wekschin  56. 

Wend,  Otto,  471. 

Wendung,  Cari,  397. 

Wenzel,  E.  J.,  15. 

Wermann,  Oskar,  134. 

Wermez  150. 

Wernecke  390. 

Werner,  Max,  236. 305. 39 1 .  465  f. 

V.  Werra,  Ernst,  129  ff. 

Wesendonck  391. 

West  280. 

Wetzler  475.  476. 

Wever,  Franziska,  236. 

Weweler,  August,  456. 

Whistling  99. 

Whitehill,  Clarence,  151.  454. 

Whitman,  Walt,  52. 

Whittier  52. 

Wibbels  149. 

Wiborg,  Elisa,  294. 

Wicke,  O.,  462. 

Widmann,  K.,  470. 

Widor,  C.  M.,  438. 

Wieck,  Friedrich,  15 

Wieland  403. 

Wienbarg  25. 

Wieniawski,H.,  2 1 8. 234.3 1 4.466. 

Wihan  385. 

V.  Wildenbruch,  Ernst,  234.  248. 

Wilder,  M.,  419. 

Wilhelm  III.  (Holland)  8. 

Wilhelm,  Kari,  267. 

Wilke,  Theodor,  383. 

Willamow  55.  57. 

Wille,  Marie,  383. 

Winderstein,    Hans,    233.    235. 

236.  314.  473. 

V.  Winterfeld,  K.,  168. 
Wirth,  Prof.,  305. 
Wissiak,  Wilhelm,  151.  299. 
V.  Wistinghausen,  R.,  307. 
Witt  166  ff. 


Witte  391. 

Wittekopf,  Rud.,  450. 

Wittenberg,  Alfred,  386. 

WitUch,  Marie,  295.  381. 

Wittkowsky  477. 

Wohlgemuth  395. 

Wolf,  Hugo,  21.  42.  43.  44.  72. 

155.  227.  230.  284.  302.  305. 

307.  309.  311.  315.393.397. 

399.  431.  432.  465.  467.  470. 

472.  473.  476.  477. 
Wolf-Ferrari  154.  472. 
Wolff,  Charies,  148. 
WolfT,  Hermann,  148. 
Wolft-am,  Carl,  447. 
Wolfrum,  Kari,  287. 
Wolfrum,  Philipp,  243  ff  (Heidel- 
berger  Musikfest).    287.  320 

(Bild).  479. 
Wolkonsky,  FQrst,  56. 
Wollgandt  393.  395. 
V.  Wolzogen,  Elsa  Laura,  472. 
V.  Wolzogen,  Ernst,  447.  472. 
V.  Wolzogen,  Hans,  294. 
Wood,  Henry,  236. 
Woyrsch,  Felix,  231.  307. 
Wranitzky  282. 
Wflilner,  F.,  390. 
Wailner,  Ludwig,  235.  305.  310. 

393.  397.  454.  467.  468.  470. 
Wurm,  Mary,  393.  467. 
Wurmser,  L.,  156. 
Ysaye,    Eugene,  236.  315.  389. 

399.  477. 
Zacharewitsch,  Michael,  307. 387. 
Zador,  Desider,  76. 
V.  Zadora  386. 

Zajic,  Florian,  387.  393.  466. 
Zalsman,  Gerard,  307. 
Zander,  A.,  465. 
Zarest,  Julius,  383. 
Zarlino,  G,  168. 
Zawitowski  458. 
Zelenski  472. 
Zell  280. 

Zeller,  Karl,  179.  277.  300. 
Zelter,  K.  F.,  23. 1 22. 267.339.426. 
Zemaneck,  W.,  316. 
Zepler,  Bogumil,  280. 320  (Bild). 
Ziehrer,  C.  M.,  277. 
Zilcher,  Hermann,  313. 398.  466. 
Zimmer,  Margarethe,  306. 
Zimmermann,  Ludwig,  298 
Zitelmann,  Valerie,  229. 
Zöllner,  Auguste,  469. 
Zöllner,  H.,  220.  224.  396. 
Zöllner,  K.,  268. 
Zuccalmaglio  122.  124. 
Zumpe,  Herman,  60  fT.  80  (Bild). 

224.  231.  277.  397.  447. 
Zumsteeg,  R.,  122. 
V.  Zur-MQhlen,  Raim.,  228.  236. 

304.  311.312.395.468. 
Zuschneid,  Kari,  440. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  BÜCHER  UND  MUSIKALIEN  XVH 

REGISTER  DER  BESPROCHENEN  BÜCHER 


Orpe,  Adolph:  Der  Rhythmus. 

129. 
Degner,  E.  W.:   Anleitung  und 

Beispiele     zum    Bilden    von 

Kadenzen  und   Modulationen. 

203. 
Fischer,  Georg:  Hans  von  BQlow 

in  Hannover.  2S5. 
Haberlandty    M.:    Hugo    Volf, 

Erinnerungen  und  Gedanken. 

284. 
Hartwich,  Otto:  Richard  Vagner 

und  das  Christentum.  437. 


Kalischer,  Alfir.  Chr.:  Die  Macht 
Beethovens.  284. 

Keller,  Otto:  Illustrierte  Ge- 
schichte der  Musik.  437. 

Krause,  Emil:  Neuer  Gradus  ad 
Pamassum.  436. 

Lamprecht,  Karl :  Deutsche  Ge- 
schichte. Erster  Erglnzungs* 
band:  Tonkunst  etc.  62 ff. 

Leighton  Cleather,  Alice  and 
Crump,  Basil:  The  Ring  of 
the  Nibelung.  203. 

Levy,  Gustav:  Richard  Wagners 


Lebensgang  in  tabellarischer 
Darstellung.  284. 

Riemann,  Hugo:  Grosse  Kom- 
positionslehre.    II.  Bd.  128. 

Ritter,  Hermann:  Allgem.  illu- 
strierte Enzyklopidie  der 
Musikgeschichte.  128. 

Tappert,  Wilhelm:  Richard 
Wagner  im  Spiegel  der  Kritik. 
436  r. 

Wallsschek,  Richard:  Anfingt 
der  Tonkunst.  202  f. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  MUSIKALIEN 


Ashton,  Algemon:  Sonate  in 
es-moll  fQr  Piaooförte.  op.  101. 
439. 

Barclay  Squire,  W.:  Ausgewihlte 
Madrigale  und  mehrstimmige 
Gesinge.  438. 

Berlioz,  Hector:  Resurrexit  fUr 
Chor  und  Orchester.  Klavier- 
auszug mit  Text  von  O.  Taub- 
mann. 376.  377.  —  Religiöse 
Betrachtung.  Klavierauszug 
mit  Text  von  O.  Taubmann. 

377.  —  Heroische  Szene. 
Klavierauszug  mit  Text  von 
O.  Taubmann.  377.  —  Der 
fOnfte  Mai  op.  6.  Klavieraus- 
zug mit  Text  von  O.  Taub- 
mann. 377.  378.  —  Kaiser- 
hymne op.  26.  Klavierauszug 
mit  Text  von  Ph.  Scharwenka. 

378.  —  Neue  Bearbeitungen 
zu  zwei  und  vier  Hinden  von 
O.  Taubmann.  378.  370.  — 
Bearbeitungen  fQr  Pianoförte 
A  2  ms.  von  Aug  Stradal.  370. 

Blech,  Leo:  Zwei  Quartette  in 
oberbayerischer  Mundart  (fQr 
gemischten  Chor)  op.  8.  286. 

Brandts  Buys,  Jan:  Quintett.  132 

CoUegium  musicum  (Hugo  Rie- 
mann)» 132. 

Denkmäler  deutscher  Tonkunst. 
Erste  Folge.  10.  Band: 
Orchesterwerke  des  17.  Jahr- 
hunderts. 120. 

v.  Dohnanyi,  Ernst:  Quartett 
op.  7.  132. 

Draeseke,  Felix:  Christus.  Ein 
Mysterium  in  einem  Vorspiel 
und  drei  Oratorien.  203  ff. 

Flflgel,  Ernst:  Drei  KlavierstQcke 
op.  60.  430. 

Franck,  Richard:  Sonate  No.  2 
fflr  Violoncello  und  Klavier 
op.  36.  135.  —  Sonate  No.  2 


fQr  Violine  und  Planoforte  op. 
35.  287. 

Guilmant,  Alexandre:  Siebente 
Sonate  fQr  Orgel  op.  80.  437  f. 

Hindel,  G.  F.:  Konzerte  fOr 
Orgel  und  Orchester.  Heraus- 
gegeben von  M.  Seiffert.  437. 

Hausmann,  Robert:  J.  S.  Bach. 
Drei  Sonaten  fQr  Violoncello 
und  Pianoforte.  287. 

Heinemann,  W.:  Klavierstflcke 
zu  4  Hinden.  —  6  Klavier- 
stflcke op.  2.  —  Sechs  Lieder 
op.  6.  —  Sechs  Kinderlieder 
op.  7.  —  Sechs  Kinderlieder 
op.  8.  —  Kinderlieder  op.  0- 
—  4  Gesinge  op.  12.  134. 

Henschel,  Georg:  Requiem,  op. 
50.  64. 

Hollinder,  Alexis:  Sechs  Charak- 
terstücke fflr  Violine  und 
Violoncello  mit  Klavierbe- 
gleitung. 287. 

Jaques  •  Dalcroze,  E. :  Trois 
morceaux  pourVioloncelle  avec 
accompagnement  du  piano, 
op.  48.  287. 

JImefelt ,  Armas :  Korsholm, 
symphonische  Dichtung.  63  ff. 

Kessel,  Franz:  Kain.  Phan- 
-  tastische  Tondichtung  fflr 
grosses  Orchester.  440. 

Kienzl,  Wilhelm :  Drei  Gesinge 
op.  66.  135. 

Kiengel,  Julius:  Konzert  No.  4. 
Kadenz  und  Schluss  zum 
Violoncellkonzert  op.  33  von 
R  Volkmann.  —  Technische 
Studien.  —  Suite  No.  2  op. 
40.  135. 

Koch,  Friedr.  E  :  Halleluja!  Fest- 
kanute op.  27.  286. 

Koessler,  Hans:  Der  46.  Psalm 
133.  —  Kol  Nidre  fflr  Solo- 
stimme und  gem.  Chor.  286. 


—  Altdeutsehe  Minnelieder. 
438. 

Liszt,  Franz:  Eine  Symphonie  zu 

Dantes      Divina     Commedla. 

Arrangiert  von  August  Stradal. 

430. 
Loewe,  Karl:  Balladen  und  Lieder. 

Fflr  Pianoforte  flbertragen  von 

Karl  Reinecke.  430. 
Neff,    Fritz:    Schmid    Schmerz. 

Fflr    gemischten    Chor    und 

Orchester  op.  6.  440. 
Reger,  Max:  Monologe,  op.  63. 

—  ZwOlf  Stflcke;  op.  65.  — 
Zweiundfflnfzig  Vorspiele,  op. 
67.  —  Zehn  Stflcke.  op.  60. 
131  f. 

Reiter,  Josef:  Des  Singers  Fluch. 

—  Frau  Hitt.  134.  —  Klavier- 
gedichte, op.  57.  439. 

Rheinberger,  Josef:  Zwei  Lieder. 

438. 
Röntgen,    Julius:    Sonate      fflr 

Violoncello  und  Klavier  op.  4 1 . 

135. 
Salter,  Norbert:  Orchesterstudien 

fflr  Violoncello.  206. 
Sauret,  E.:  Gradus  ad  pamassum 

du  Violoniste.  286. 
Scholz,     Bernhard:     Deutsches 

Flottenlied  op.  86.  133. 
Schuchardt,    Friedrich :     Petrus 

Forsche^rund.  Oratorium.  285« 
Schulz  -  Beuthen,        Heinrich: 

Harald.    Ballade  fflr  Mlnner- 

chor,     Baritonsolo,     grosses 

Orchester  und  Klavier  op.  46. 

440. 
Schumann,    Georg:    Drei  geist- 
liche Gesinge  fflr  gemischten 

Chor  op.  31.  430. 
Sinigaglia,  Leone:  Konzeh  fflr 

Violine  u.  Orchester  op.  20. 1 33. 
Sflchting,  Emil:  Weihnachtslied 

op.  31.  134. 


XVlll    REGISTER  DER  BESPR.  ZEITSCHRIFTEN-  UND  ZEITUNGSAU FSÄTZE 


Taubert,  E.  E  :  Vier  Lieder^op. 
62.  —  Vier  Lieder  op.  64. 
134. 

Thuilley  Ludwig:  Traumsommer- 
nachtop.  25.  133.  —  Sonate 
Ar  Violoncello  und  Klavier 
op.  22.  135.  —  Drei  Lieder 


op.  24. 440.  —  Traumsommer- 
nacht.  Fflr  vieratimniigen 
Frauenchor,  Solovioline  und 
Harfe  op.  25.  440. 

Wermann,  Oskar:  Neun  Gesinge 
op.  125.  134. 

Woirkiim,  Karl:  Sonate  fflr  Orgel 


op.  4.    —    Sonate   fflr   Orgel 

op.  15.  287. 
Zuachneid,     Karl:     Melodische- 

Studien    fflr    Klavier  op.  60. 

440. 
Zweig,    Otto:    Suite   In    E    fflr 

Pianoförte  op.  6.  439. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  ZEITSCHRIFTEN- 

UND  ZEITUNGSAUFSÄTZE 


Adam,  Adolphe:    Lettres  sur  la 

musique  frangaise  444. 
Adler,  Felix :  Herman  Zumpe  f 

207. 
Baltzeli,W.J.:  Theyoungwoman 

In  music  her  opportunities  208. 
Batfca,  Richard:  Gerhard  Schfel- 

demp,    der    Musikdramatiker 

Norwegens  136. 

—  Wunderhomkllnge  200. 
Battke,    Max:  Jugend-Konzerte 

130. 

Baur:  Zumpes  Sawitri  200. 

Bellaigue,  Camille:  Der  Esprit 
in  der  Musik  137. 

Berdenis  v.  Berlekom,  Marie: 
Seleneia  67. 

Blaschke,  Julius:  Ein  Dutzend 
Tonmeister  im  Lichte  Grill- 
parzers  280. 

Bouyer,  Raymond :  Schumann 
et  la  musique  A  Programme  200. 

—  Berlioz  |ug6  par  Wagner  200. 
Boutarel,  A.:  Werther  200. 
Brandes,     Fred:    Dr.     August 

Friedrich  Manns  136. 

Braungart,  Richard :  Herman 
Zumpe  t  138. 

Cametti,  Alberto:  Un  nuovo 
documento  suUe  origini  dl 
Giovanno  Pierluigi  dePalestri- 
na  441. 

Conrat,  Hugo:  Kunst  und  Ge- 
schäft 207.  288.  442. 

Deutsches  Volksblatt  (Wien): 
Vom  Komponisten  desPostillon 
von  Lonjumeau  66. 

—  Beethoven  und  seine  Arzte 
207. 

Deutsche  Wacht:  Zur  Parsifkl- 
.  Aufrohrung  in  Amerika  130. 
Diemberger,  J.:  Eine  Erinnerung 

an  Beethoven  137. 
Dom,  Otto:  Zwei    ungedruckte 

Briefe  Richard  Wagners  442. 
Dubitzky,  Franz:  Kein  Loblied 

207. 

—  Musterprogramme  und  Muster- 
aufrohrungen  unserer  Militir- 
kapellen  280. 

Eitner,  Robert:  Musik  in  Hanno- 
ver 280. 


Eisner,  Oscar:  Musikalische  Er- 
innerungen 65. 

Enders:  Der  Choralstrelt  441. 
L*Etoile  Beige :  ZurVorgeschichte 

der  Familie  Beethovens  207. 
Evans,  Edwin:   The  other  side 

of  music  study  at  Paris   137. 
F.W.:  Musikalische  Erinnerungen 

67. 
Fliegende  Blätter  für  Katholische 

Kirchenmusik:  Papst  Plus  X. 

200. 
Friedrichs,     Elsbeth:     Der    Jto- 

thetische  Wert  der  Elementar^ 

grossen  in  der  Musik  138. 
Gigault,  Nicolas:    Un  organiste 

au  17.  sitele  (von  Andr6  Pirro) 

200. 
Gilman,     Lawrence:      Richard 

Strauss,    Tschaikowsky    and 

the  idea  of  death  137. 
Goetschius,  Percy:    Lessons  in 

music  form  208. 
Grassi-Landi,  B.:   Genesi  della 

musica  441. 
Grunsky,  Kari:  Hugo  Wolf  als 

Lyriker  136. 
Hahn,      Arthur:       Mflnchener 

Wagner-Festspiele  280. 

—  Herman  Zumpe   f;    Zumpe 
in  Manchen  200. 

Hamann,  Ernst:   August  Klug- 

hardt  65. 
dMndy,  Vincent:  C«sar  Franck 

200. 
Istel,  Edgar:  Goethe    und  J.  F. 

Reichardt  137. 
Jansen,  F.  Gustav:  Ungedruckte 

Briefe  von  Robert  Schumann 

442. 
Johannes, Eugen:  DieMOnchener 

Wagnerfestspiele  444. 
Joss,  Viktor:  Die  Malfestspiele 

in  Prag  280. 

—  Prager  Unterrichtswesen  280. 
Kalischer,  A.  Chr. :  Ungedruckte 

Briefe  Beethovens  an  die  Fa« 
milie  Brentano  und  an  andere 
66. 
Kerst;  Maurice-L6on:  L'teole  de 
la  musique  et  la  musique 
i  l'teole  67. 


Kessler,  Adolf:    Eduard   MOrike 

136. 
Kistler,  Cyrill:  Die  Missa  Salvr 

Regina  von  Stehle  65. 

—  Kommentar  und  Fflhrer  zur 
Neubearbeitung  der  Beethoven- 
sehen  Symphonie  «Wellingtons' 
Sieg'  66. 

—  Kritik  und  KOnstlerruhm  208. 
Klein,    Hugo:    Hugo  Wolf  als- 

Kritiker  136. 

—  Die  Beethovenhiuser  In  Wien 
200. 

Kling,  H.:  Grillparzer  et  Bee- 
thoven  441. 

Kohut,  Adolph:  Ein  Doppel- 
ginger Otto  Nicolais  280. 

—  Wilhelm  Berger  280. 
KOnig,     Albert:     Forsten     als- 

KQnstier  208. 

KOstlin,  O.:  Jahresbericht  137. 

KumpfmQIIer,  J.:  Katholischer 
Kirchenmusik  441. 

Laloy,  Louis:  Ambroise  Thomas 
200. 

Lessmann,  Otto:  Wagner-Fest- 
spiele 137. 

—  Herman  Zumpe  f  207. 

—  Die  Wagner-Festspiele  Im 
Prinz-Regententheater  zu  Mün- 
chen 288. 

Lorenz,  M. :  Henry  Puroell,  der 

englische  Orpheus  280. 
V.    Lflpke,    G.:    Hugo     Wolfs- 

MOrike-Lieder  136. 
Lusztig:  Moderne  Opemstoflfe  66 
LOstner,    Karl:    Totenliste    deS' 

Jahres  1002,  die  Musik  betr. 

280. 
Marsop,  Paul:  Mflnchener  Fest- 

aufröhrungen  140. 
Mauclair,      Camille:       Richard 

Strauss    und  die  Musik    seit 

Wagner  136. 
Mello,  Alfred:  Franz  Schuberts 

Klaviersonaten  280. 
Merkel,     Paul:     Das    moderne 

Orchester  442. 
Mey,    Kurt:    Zum    Gedächtnis 

Friedrich  Wiecks  200. 
Molitor,  Rafiel:  Josef  von  Rhein- 
berger  444. 


REGISTER  DER  ANGEZEIGTEN  NEUEN  OPERN 


XIX 


Müller,  Hermann:  Zur  Ge- 
schichte des  deutschenKirchen* 
gesanges  207. 

Musica  Sacra:  Wer  stehet,  der 
sehe  zu,  dass  er  nicht  falle  441 . 

Muslol,  Robert:  Eine  neue  Kom- 
position zu  Schillers  Braut 
von  Messina  444. 

Nagel,  Wilibald:  Goethe  und 
Mozart  209. 

Neruda,  Edwin:  Das  Pyrmonter 
Schubert-Llszt-Fest  289. 

Oppenheim,  Adolf:  Frau  Cosima 
Wagner  als  Regisseurin  208. 

Ott,  Karl:  Der  Entwicklungs- 
gang der  mittelalterlichen 
Choralmelodie  444. 

Pascal,  Jean:  Le  nouveau  pape 
et  le  chant  gr^gorien  67. 

Patrizi,  M.  L.:  La  nuova  flsio- 
iogia  della  emozione  musicale 
441. 

Popper,  Josef:  Einige  Gedanken 
Aber  Kant,  Goethe  und  Richard 
Wagner  67. 

V.  Prochäzka,  Rudolf:  Der  Leip- 
ziger Riedel -Verein  in  Prag 
289. 

Prod'homme,  J.  G.:  Briefe  von 
Minna  Planer  140. 

Prout,  E.:  Grauns  Passion- 
Music  139. 

Pudor,  Heinrich:  Die  Entstehung 
der  Kammermusik  209. 

Puttmann,  Max:  Johann 
Christoph  Bach  138. 

—  Johann  Pachelbel  289. 

Rabich,  Ernst:  Heinrich  von 
Herzogenberg  137. 

Reimann,  Heinrich :  Orgel- 
Zwischenspiele  beim  Choral- 
gesang der  Gemeinde  441. 

Richard,  August:  Erinnerungen 
an  H.  Zumpe  290. 


Robinson,  Frances  J.:  Artistic 
Performance  208. 

Rosegger,  Peter:  Von  der  Ver- 
nachllssigung  unseres  alten 
Volksliedes  290. 

Runge,  Paul:  Der  Minnesang 
und  sein  Vortrag  289. 

Rutz,  Ottmar:  Die  Rutzschen 
Tonstudien  und  die  Reform 
des  Kunstgesangs  289. 

Schmidkunz,  Hans:  Musik- 
schulen 138. 

—  Der  Unterricht  in  der  Musik 
442. 

Schmidt,    Kari    Wilh.:    Goethe 

und  Beethoven  66. 
Schmitz,  Eugen:  Giurrentabula- 

turen  289. 
Schflz,  A.:  Wer  ist  der  KOnstier? 

290. 
Segnitz,  Eugen: Johann  Gottfried 

Schicht  442. 
Seidl, Arthur  Meine  Erinnerungen 

an  Heinrich   Porges  137. 

—  Die  Münchner  Wagner-Auf- 
fQhrungen  140. 

—  Die  Münchner  Wagner-Auf- 
führungen 209. 

—  Ketzer-Betrachtungen  209. 

—  Ein  Tonkflnstlerfest  443. 

—  Vita  nuova  444. 
Smolian,    Arthur:     Parsifal    in 

New  York  140. 

—  Herman  Zumpe  f  209. 
Solerti,  Angelo:   PrecedenH   del 

melodramma  441. 
Spanuth,      August:      Moderne 

Programm-Musik  und  Richard 

Strauss  288. 
Spencer,  Vemon:    Die  Klavier- 

bearbeitun^nLiaztscherLieder 

von  August  Stradal  289. 
Stellmacher,  KIte:  Vor  Klingers 

Beethoven  289. 


Sundard:  Till  Eulenspiegel  (R. 

Strauss)  139. 
Storck,  Karl:  Musik  und  Drama 

208. 

—  Die  Musik  und  die  christliche 
Kirche  443. 

—  Allerlei  Musikfeste  443. 
-—  Hausmusik  443. 

--  Wie  ist  Richard  Wagner  vom 
deutschen  Volke  zu  feiern? 
443. 

—  E.  T.  A.  HofTknann  als  Musik- 
schrifteteller 443. 

Stumm,  H.:  Die  Wagner-Pest- 
spiele im  Mflnchner  Prinz^ 
regententheater  288. 

Tägliche  Rundschau:  Neue  Bei- 
trige  zur  Parsifelfrage  139. 

Teibler,  Hermann:  Herman 
Zumpe  t  209. 

—  Herman  Zumpe  f  442. 

—  Die  MOnchener  Wagner-Fest- 
spiele 442. 

Tommasini,  Vincenzo:    Di   uns 

Vera  cultura  musicale  Italiana 

441. 
Tower,  John:   Singing  soldier» 

208. 
Valetta,  J.:    I  muslclsti  compo- 

sitori  francesi  airacademia  di 

Francia  a  Roma  441. 
Wallberg,  Max:  Herman  Zumpe  t 

444. 
Weimar,G.:  Ein  geistiicfaer.Ring* 

288. 
Weingartner,  Felix:  Die  Cente- 

narfeier  fOr  Hector  Berlioz  in 

Grenoble  138. 
Wirth,  Moriz:  Ernst  von  Possart 

und  die  Matthiuspassion  442. 
Wolir,  Karl:  Arno  Kleffel  200. 
Zakone,  Constant:  J.  Ph.  Ramemi 

290. 


REGISTER  DER  ANGEZEIGTEN  NEUEN  OPERN 


Blockx:  De  Kapel  141. 

Burkhardt,  Max:  König  Drossel- 
bart 08. 

Caryell,  Ivan:  Die  Herzogin  von 
Danzig  08. 

Catölla,  Roberto:  Der  Glocken- 
guss  von  Groningen  445. 

Debussy,  Claude:  Der  Teufel  in 
der  Turmuhr  445. 

Dluffski,  C:  Die  Frau  mit  dem 
Dolche  141. 

Erlanger,  Camille:  Aphrodite  141. 

Baron  Erlanger,  Ludwig:  Ritter 
Olaf  291. 


Fiks,  Alexander:  Totentanz  291. 
Gerlach,  Th.:  Liebeswogen  141. 
Gilson,  Paul:    Princes  Zonnen- 

schijn  141. 
Kreglingen :  Der  Christbaum  29 1 . 
Lazarus,  Gusuv:    Tftte-d'or  68. 
Mönch:  Das  Paternoster  68. 
Neitzel,  Otto:  Barbarina  141. 
PaCr,     Ferdinand:      Der    Herr 

Kapellmeister  141. 
Podbertsky, Theodor:  Des  Liedes 

Ende  141. 
Pottgiesser,  Kari:  Die  Heimkehrl 

291. 


Samara,  Spiro:  Storia  d'amore 
141. 

Sayn-Wittgenstein,  Graf:  An- 
tonius und  Kleopatra  291. 

Schattmann,  Alfred:  Die  Freier 
210. 

Schroter,  Oscar:  Jodocus  der 
Narr  68. 

Schuchardt,  Fr.:  Die  Berg- 
mannsbraut 210. 

Stelzner,  Alfred:  Swatowits  Ende 
445. 

Vogrich,  Max:  Der  Buddha  141. 

Zumpe,  Herman:  Savitri  68. 291, 


Ftlr  den  I.  Quarulsbind  des 
Ill.Jtbrgaagt  der  .MUSIK* 


ÄAI-scitPk 


Rudolf  H.  Breithaupt 

Ein  Rlcbird  Wigner-DenkniKl. 

E.  van  der  Straeten 

Mendelssohns  and  Schumuins  Beziehungen  zu 

J.  H.  LBbeck  and  Johann  J.  H.  Verhulst.  I. 

Dr.  Max  Graf 

Gedanken  Über  das  Moderne  In  der  Musik. 

Hans  von  Müller 

Zwei  unvollendete  Sinjcspiele  von  E.  T.  A.  Hoffmann. 

Paul  Harsop 

Vom  allgemeinen  deutschen  Masikvereln:  Ortsgruppen. 

O.  G.  Sonneck 

Hie  nationale  Tonsprache  —  hie  Volapük. 

Dr.  Gustav  Karpeles 

Heine  in  Russland. 

Hermann  Teibler 

Hennan  Zumpe  f. 

Besprechungen  (Bücher  nod  Musikalien),  Revue  der 

Revueen,  Umschau,  Vorlesungen  Qber  Musik  an 

UnlversitXten   und  Hochschulen,  Kritik 

(Oper  und  Konzert),  Eingelaufene  Neuheiten, 

Anmerkungen,  Kunstbeilagen, 

Musikbellage,  Anzeigen. 


s 


DIE  MUSIK  CTVChdiii  nonullcli  ml  Md.    AbaDMmcDM-     | 
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EIN  RICHARD  WAGNER-DENKMAL 

I^Von  Rudolf  M.  Breitbaupt-Berlin 

e  Geschichte  des  ersten  Richard  Wsgner-Denkmals  ist  lehrreich, 
—  eine  Lehre  für  uns  als  Volk.  Sie  hat  die  Frage  beantwortet, 
[  wie  Denkmäler  entstehen  und  werden,  an  denen  die  Gesamtheit 
I  sIs  solche  keinen  inneren  Anteil  hat.  Die  Leichnersche  Kom- 
position war  im  ganzen  zu  künstlich,  die  Dissonanzen  im  einzelnen  zu 
grell,  die  Instrumentation  zu  überladen,  als  dass  eine  harmonische  Wirkung 
aller  Kräfte  hätte  erreicht  werden  können.  Dabei  war  die  Inszenierung 
so  grotesk,  die  Absicht  so  kleinlich  und  voll  menschlicher  Schwächen,  dass 
man  mit  Lächeln  über  die  , Berliner  Posse"  hinweggegangen  wäre,  wenn 
die  Ehrung  nicht  gerade  Richard  Vagner  betroffen  hätte.  Statt  .  faden 
Witz  und  seichten  Spott  ins  Gefecht  zu  führen,  war  es  jedenfalls  an- 
gemessener, mit  grSsstem  Ernst  und  ruhiger  Würde  zu  handeln.  Vor- 
nehmes Schweigen  und  weises  Lächeln  waren  ebensowenig  am  Platze, 
Dazu  feblte  der  Komödie  der  Witz  und  der  Narretei  eines  Einzelnen  die 
Spasshaftigkeit.  Die  leitenden  Kreise,  besonders  das  preussische  Kultus- 
ministerium mussten  mit  Nachdruck  dafür  sorgen,  dass  die  Grenze  sach- 
lichen Ernstes  innegehalten  wurde.  Die  stumme  Reaktion  einiger  Wenigen, 
wenn  auch  der  besten,  der  vertrautesten  Freunde  des  Meisters,  der  Protest 
der  Familie  Wagner  und  aller  einsichtigen  Künstler  von  Geschmack  kam 
zu  spät  und  war  zu  schwach.  Das  bat  uns  aufrichtig  leid  getan.  Möglich, 
dass  in  letzter  Minute  noch  eine  erfreuliche  Wendung  eintritt,  und  der 
deutsche  Kaiser  gemeinsam  mit  der  Familie  Wagner  vor  den  Stufen  des 
Denkmals  zusammentrifft:  das  Spiel  bleibt  verloren. 

Andererseits  war  der  Denkmalswitz  des  vielen  Geschreis  nicht 
wert;  denn  das  Recht  der  Öffentlichen  Lächerlichkeil  steht  einem  Jeden  zu. 
Gewiss,  die  Lebenstragödie  Richard  Wagners,  die  die  erschütterndsten  Akzente 
aufweist,  der  Titanenkampf  einer  Kunst,  die  nur  auf  das  Hoheitsvolle  und 
Erhabene  gestellt  ist,  hätte  zu  einer  gewissen  schuldigen  Achtung  zwingen 
müssen.  Aber  ich  meine,  das  Berliner  Denkmal  bat  mit  Richard  Wagner 
überhaupt  nichts  zu  tun.  Es  ist  ein  äusserliches,  fremdes  Ding,  ein  Denk- 
mal, wie  so  viele  andere,  an  denen  man  .vorübergeht".    Vielleicht  bedeutet  es 


DIE  MUSIK  III.  1. 


Sl 


9m 

die  Einleitung  zu  einem  grossen  Denkmalsfinale,  das  heisst,  der  Ära  der 
offiziellen  Denkmalsschenkungen  wird  vielleicht  eine  Ära  privater  Denk- 
malsstiftungen folgen.  Weiter  will  es  nichts  besagen.  Das  Volk  mag  sich 
mit  ihm  abfinden.  Eine  jede  Zeit  verdient  just  das,  was  man  ihr  bietet. 
Die  Moral  ist  die:  Man  soll  nie  aus  einer  res  curiosa  eine  res  severa 
machen,  und  nie  einem  Grossen,  sei  er  Künstler  oder  Volksheld,  zur 
unrechten  Zeit  und  am  unrechten  Ort  ein  Denkmal  setzen. 

Im  einzelnen  war  es  von  vomherein'verfehlr,  der  Feier  einen  inter- 
nationalen  Charakter  zu  geben,  und  sogar  mit  einem  Musik-Kongress 
und  anderen  mit  der  Wagnerschen  Kunst  unvereinbaren  Dingen  zu  ver- 
quicken^  Die  beabsichtigte  Ehrung  Wagners  scheiterte  an  ihrer  Veräusser- 
lichung.  Statt  sie  zu  verinnerlichen,  und- sie  im  Geiste  des  grossen 
Tondichters  selbst  zu  gestalten,  legte  man  sie  auf  ein  dekoratives  Programm 
fest  mit  offiziellen  Empßngen,  Reden,  Festessen  u.  dergl.  m.  Das  ging 
nicht  an.  Der  Geist  des  Gesamtkunstwerks  selbst  verbietet  solche  Stil- 
und  Geschmacklosigkeiten. 

Jedoch,  diese  undeutsche  Enthüllungsfeierlichkeit  und  Denkmals- 
entweihung hat  einen  ernsten  Hintergrund;  denn  die,  die  den  Meister  und 
seine  Kunst  ehrlich  lieben,  ohne  von  ihrer  Neigung  gross  Aufhebens  zu 
machen,  bewegt  ein  Anderes,  ein  Grösseres.  Die  Frage  der  Ehrung 
und  Würdigung  Richard  Wagners  tritt  zurück  vor  der  Sorge  um 
die  Zukunft  Bayreuths.  Die  Parsifalenqu6te  eines  gewissenlosen 
amerikanischen  Spekulantentums,  die  beginnende  Baufälligkeit  des  Festspiel- 
hauses in  Bayreuth,  der  nahe  Ablauf  der  Schutzfrist,  all  das  gibt  Stoff 
genug,  ein  einfach  Gemüt  zu  bewegen.  »There  are  more  things  between 
heaven  and  earth  ..." 

Die  Sicherung  und  Erhaltung  Bayreuths  will  wohl  erwogen  sein; 
denn  diese  Kunst  lässt  sich  weder  kommandieren  noch  mit  Bachus  oder 
im  Hurrahurraton  feiern,  —  sie  will  vom  Geist  der  Liebe  allein  getragen 
werden.  Ein  fester  Zusammenschluss  aller  Wahrhaften  und  Besonnenen, 
aller  künstlerisch  Gebildeten  und  Empfindenden  tut  da  not.  Zehn  Jahre 
sind  im  Schwung  der  Zeit  wie  zehn  Tropfen  im  Meere!  Es  heisst  also 
schon  heute  Vorsorge  treffen,  dass  der  Tempel  auf  dem  Festspielhügel  an 
dem  Tage,  da  sein  Schöpfer  vor  30  Jahren  die  Augen  schloss,  oder  besser 
noch  an  dem  Tage,  da  er  vor  100  Jahren  in  diese  Welt  trat,  fester  gefügt 
dastehe. 

Die  Verlängerung  der  Schutzfrist,  die  »lex  Cosima",  ist  nicht  vonnöten. 
Auch  den  .Parsifal*^  zum  Imponderabile  zu  stempeln,  und  durch  Reservat- 


*)  Inzwischen  ist  es  den  künstlerischen  Gegenströmungen  gegen  die  Form  der 
Denkmalsentbfillung  geglückt,  den  »Kongress*  zu  vertagen. 


5 

BREITHAUPT:  EIN  RICHARD  WAGNER-DENKMAL 


rechte  zu  schützen,  hat  gemeinhin  keinen  Anklang  gefunden.  Alle  Ein- 
sichtigen stimmen  darin  überein,  dass  der  ParsiFalflut  nach  der  Freigabe 
des  Werkes  eine  Ebbe  herbster  Enttäuschung  folgen  wird.  Klingt  .Provinz 
und  Parsifal"  schon  paradox,  so  wird  die  Wirkung  dieses  Bübnenweihe- 
Festspieles,  als  der  reinsten  Verkörperung  des  Wagnerischen  Kunstideals, 
überall  ausserhalb  Bayreuths  keine  andere  als  eine  »langweilige* 
sein.  Es  passt  in  den  Rahmen  eines  Repertoires  mit  »Martha**,  »Mignon", 
»Cavalleria  rusticana**  usw.  wie  eine  praeraphaelitische  Madonna  in  ein  gut 
bürgerliches  Wohnzimmer.  Die  Furcht  einer  Parsifal- Verschleuderung  oder 
-Entwertung  fällt  in  dem  Augenblick,  wo  man  sich  die  Ungeheuerlichkeit 
und  Unmöglichkeit  provinzieller  Bearbeitung  vor  Augen  hält.  Das  sagt 
uns  die  einfache  Vernunft;  davon,  glaube  ich,  ist  auch  heute  Bayreuth  und 
seine  ehrwürdige  Leiterin  überzeugt.  Mag  Herr  Conried  die  zweifelhafte 
Ehre  eines  Rechtsbruches  geniessen,  —  der  »Parsifal**  wird  sich  selbst 
»drüben**  nicht  als  »great  attraction**  profanieren  lassen. 

Eines  Ausnahmegesetzes  bedarf  es  also  nicht:  Dem  Werke  selbst 
wohnt  das  Gesetz  der  Ausnahme  inne.  Es  ist  wohlweislich  und  in 
der  sicheren  Voraussicht  der  ablaufenden  Schutzfrist  für  Bayreuth  allein 
von  Wagner  gedacht  und  geschrieben,  als  ein  Werk,  das  im  Geiste  heiliger 
Weihe  wurzelnd,  in  sich  selbst  den  Schutz  gegen  jede  Entheiligung  birgt. 
Diese  Sphärenklänge  können  irdische  Reflexe  nicht  ablenken.  Sie  werden 
zurückschweben  nach  »Walhall**  und  heimkehren  an  den  Herd  des  ewigen 
Feuers,  an  die  Stätte  heiligen  Friedens  und  reinen  Glaubens. 

Eines  Anderen  bedarf  es:  Die  Denkmalsstunde  sei  die  Stunde  der 
Wiedergeburt  des  einstigen  Bayreuther  Geistes,  der  alten  flammenden  Be- 
geisterung und  Liebe  zu  der  Zeit,  als  die  ersten  Hammerschläge  der 
Gründung  erklangen.  Wir  wollen  uns  aufs  neue  einen  und  wie  in  den 
Tagen  der  aufgehenden  Sonne  mit  dem  Herzen  seiner  gedenken.  Der 
Geist   des  Kunstwerkes   sei  der  Geist  der  zukünftigen  Bewegung. 

Der  Möglichkeiten,  Bayreuth  zu  schützen  und  zu  schirmen,  sind 
unzählige,  —  die  einfachste  Lösung  aber  die  schwierigste.  Die  Unwahr- 
scheinlichkeit  einer  Unterstützung  von  Reichs  wegen  ist  sehr  wahrscheinlich. 
Die  Volks  Vertretung  bewegt  sich  im  ewigen  Eiertanz  kleinlicher  Parteiinteressen. 
Von  ihr  ist  wenig  zu  erhoffen;  denn  es  fehlt  der  Blick  für  das  Allgemeine, 
das  Grosse  und  Völkische.  Dem  Gedanken,  dass,  wie  das  politische  Be- 
wusstsein  eines  Volkes  zur  Erhaltung  des  Reiches  zwingt,  so  sein  künst- 
lerisches Bewusstsein  zur  Erhaltung  und  Förderung  seiner  höchsten  Kunst- 
schöpfungen zwingen  muss,  —  mangelt  zur  Zeit  noch  die  politische  Reife 
und  Freiheit.  »Die  Griechen  haben  den  Traum  dieses  Lebens  am  schönsten 
geträumt.**  Näher  liegt  die  Möglichkeit,  dass  die  Masse  selbst  ähnlich  wie 
zur  Zeit  der  grossen  Bismarckehrung,  der  Sammlungen   für  das  Völker- 


6 
DIE  MUSIK  III.  1. 


schlachtdenkmal,  die  deutsche  Flotte  usw.  die  Bayreuther  Sache  zur  ihrigen, 
und  damit  zu  einer  deutschen,  mache.  Jedoch  auch  dieser  Wunsch  wird 
bestenfalls  ein  Traum  bleiben.  Der  Geist  der  Einzelnen,  der  Getreuen 
und  Freunde  ist  derselbe  geblieben,  aber  der  Geist  der  Zeit  ist  ein  anderer 
geworden.  Das  moderne  Theater  ist  ein  Gesellschaftstheater,  kein  Volks- 
theater, der  moderne  Wagnerkult  ein  Gesellschaftsbedfirfnis,  kein  esoterisches 
Verlangen,  kein  inbrunstiges  Sehnen,  kein  Erfassen  des  tiefsten  Kerns. 
Wo  echte  Liebe  und  Begeisterung  fehlt,  fehlt  auch  die  Opferwilligkeit. 
Und  doch,  trotz  sozialer  Wirren,  trotz  Reichstag  und  Reich,  Hofkunst  und 
Mäcenatentums,  —  ein  grosser  alles  umspannender  Wagnerbund  wäre 
wohl  möglich.  Der  Wahn  des  grossen  Toten  vom  .Tempel  für  jeder- 
mann*^ bleibt  immer  und  ewig  ein  Wahn.  Aber  auf  der  Grundlage 
eines  Massenbundes  Bayreuth  zu  erhalten,  als  eine  Stätte  innerer 
Sammlung,  tiefster  Kunstbetrachtung  und  Kunsterlösung,  würde 
leichter  zu  verwirklichen  sein.  Der  Wille  derer,  so  noch  reinen 
Herzens  sind  und  glauben,  ist  entscheidend.  Das  Verlangen,  fem  vom 
Beruf,  von  bürgerlichen  Geschäften  und  alltäglichen  Sorgen  sich  innerlich 
zu  fassen,  sich  zu  vertiefen  und  Geist  zu  werden,  ist  in  uns  allen  lebendig, 
die  wir  nicht  hören,  sondern  lauschen,  die  wir  nicht  sehen,  sondern 
schauen,  die  wir  nicht  gemessen,  sondern  erleben  wollen.  Im  Gefühl,  dass 
wir  nichts  sind,  und  doch  im  Gefühl,  dass  Menschen  wir  sind,  wollen  wir 
einer  inneren  Auferstehung  durch  die  Kunst  teilhaftig  werden. 

So,  unter  der  Annahme  eines  geistig-künstlerischen  Mittelpunkts, 
wäre  für  Bayreuth  die  Richtung  gegeben,  die  alle  ernsten  Bestrebungen  im 
Sinne  Wagners  selber  zu  nehmen  hätten.  Wir  Alle,  die  wir  deutsch  fühlen, 
d.  h.  etwas  um  der  Sache  willen  zu  tun  vermögen,  stehen  vor  einer  ein- 
fachen aber  herrlichen  Aufgabe.  Vielen  sogar,  die  letzthin  des  eigentlichen 
Lebenswertes  entbehrten,  erwachsen  neue  und  dankbare  Zwecke.  Ich  meine 
die  akademischen  und  städtischen  Wagnervereine,  und  was  mit  ihnen 
zusammenhängt.  Die  unabweisbare  Pflicht  der  aktiven  Betätigung  zu  einem 
alles  umspannenden  Wagnerbund  und  zu  einem  grossen  nationalen  Fond 
hätten  auch  die,  die  von  Bayreuth  leben:  die  deutschen  Bühnen.  Auch 
alle  musikalischen  Verbände,  Orchestervereinigungen,  Gesang- 
vereine u.  dgl.,  die  deutschen  Tonkünstler,  und  die  Genossenschaft 
des  .Allgemeinen  deutschen  Musikvereins*  sollten  die  Ehrenschuld 
auf  sich  nehmen.  Der  Wohltätigkeit  mit  ihren  so  oft  unnützen  Festlich- 
keiten und  unwürdigen  Zielen  eröffnete  sich  ein  reiches  Feld  der  Betätigung. 
Jede  Sammlung  von  Kunstfreunden,  von  Schulen  und  Privaten,  jede  Stiftung 
und  Schenkung  usw.  brächte  uns  dem  Ziele  näher:  „Bayreuth  nicht  nur 
zu  erhalten,  sondern  auch  der  Allgemeinheit  gegen  ein  geringeres 
Entgelt  alljährlich  und  regelmässig  zugänglich  zu  machen."    Mit 


BREITHAUPT:  EIN  RICHARD  TAGNER-DENKMAL 


^ 


Denkmälern  ist's  nur  za  oft  wie  mit  Festgeschenken,  —  min  entledigt  sich 
einer  Verpflichtung,  —  man  schenkt  um  des  Geschenkes,  selten  um  der 
Liebe  willen.  Ein  wahres  Denkmil  liegt  in  der  Pflege  des  Geistes  unserer 
Grossen.  Monumente  fSrdem  und  nützen  herzlich  wenig.  Ob  In  Btyreuth, 
in  Leipzig  oder  in  der  NShe  der  Wartburg  und  des  HSrselberges,  muss 
es  denn  ein  Süsseres,  sichtbares  Denkmal  sein?  Sind  die  .Nobelstiftung* 
und  die  vielen  hunderte  von  wissenschaftlichen  und  künstlerischen  Stir- 
tungen  nicht  tausendmal  wertvoller?  I  Wahrlich,  es  wXre  besser,  wir  täten 
etwas  um  der  Sache  willen,  wir  sorgten  Für  stilgemässe  gute  Wagnei^AuF- 
führungen,  an  denen  auch  eine  grössere  und  breitere  Masse  Teil  hat. 

Sei  darum  der  Denkmalstag  der  Tag  eines  neuen  geistigen  Bundes, 
der  neben  der  allgemeinen  Pflege  des  .Gesamtkunstwerkes*  die  be- 
sondere Pflege  Bayreuths  sich  angelegen  sein  lässt.  Aus  einer  Familien- 
tradition werde  eine  Volkstradition.  Mag  inzwischen  noch  manch  Stein 
behauen,  mag  noch  manch  Denkmal  in  totem  Marmor  oder  prunkender 
Bronze  erstehen:  das  einzige  wahre  Denkmal,  das  unser  Volk  vollen- 
den kann,  und  das  dem  Geiste  der  Sache  entspricht,  ist  und  bleibt 
Bayreuth.  Den  provisorischen  Bau  zu  stützen,  und  einen  neuen  Tempel 
au^uführen,  der  als  ein  Wahrzeichen  unserer  geistigen  Macht  und  als  ein 
Sinnbild  unserer  inneren  Einheit  und  Freiheit  durch  die  Jahrhunderte 
dauert,  sei  unsere  heiligste  Pflichtl  Dort,  in  einer  architektonisch-grandiosen 
Vorhalle,  die  das  Wesen  des  .Gesamtknnstwerks'  zum  Ausdruck  brächte, 
mag  dann  auch  in  einer  Mittelnische  neben  Bacb  und  Beethoven,  neben 
Gluck  und  Weber  sein  Monument  von  einem  «Künstler*  von  der  Kraft 
eines  Klinger  seinen  Platz  haben. 

Bayreuth  werde  Eigentum  des  deutschen  Volkes  und  ein 
Heiligtum  der  deutschen  KunstI 


MENDELSSOHNS 

UND  SCHUMANNS  BEZIEHUNGEN 

ZU  J.  H.  LÜBECK  UND 

JOHANN  J.  H.  VERHULST 

AUS  MEIST  UNVERÖFFENTLICHTEN  BRIEKEN 

Erläutert  von   E.  van   der  Siraeien- 
London 


Bor  einiger  Zeit  übergab  mir  der  verdienstvolle  Musikscbrifisteller 
I  Herr  J.  S.  Sbedlocli  in  London  eine  Anzahl  bisher  unveroffent- 
'  lichter  Briefe  von  Mendelssohn  und  Schumann  nebst  wertvollen 
:  eigenen  Notizen  mit  dem  Ersuchen,  sie  in  geeigneter  Weise 
dem  grösseren  Publikum  zugänglich  zu  machen.  Mit  um  so  grösserer 
Freude  entledige  ich  mich  dieses  Auftrages,  als  das  Verhältnis  zwischen 
den  genannten  Künstlern  in  keiner  der  bekannten  Btograpbieen  ganz  klar- 
gestellt worden  ist,  and  weil  diese  Briefe  der  beiden  grossen  Meister  uns 
ihre  Charakiereigentümlichkeiten  so  recht  lebhaft  vor  Augen  führen. 

In  Mendelssohn  wiegt  das  wohlwollende,  stets  besonnene,  stets  er- 
wägende Element  vor;  in  Schumann  finden  wir  in  erster  Linie  den  stürmisch 
leidenschaftlichen,  rückhaltlos  sich  hingebenden  Freund  und  Menschen. 
Verhulsts  Briefe  fehlen  leider,  doch  geht  aus  Schumanns  Schriften  (Bd.  11) 
deutlich  hervor,  dass  auch  Verfaulst  ein  tief  und  lebhaft  empfindendes 
Gemüt  besass. 

J.  H.  Lübeck  erscheint  in  diesen  Briefen  meist  als  der  Vermittler. 
Im  Jahre  1827  wurde  er  als  Direktor  der  neubegründeten  Musikschule  im 
Haag  angestellt,  die  unter  seiner  Leitung  zu  einem  hervorragenden 
KuDstinstitut  heranwuchs,  was  ihm  die  Freundschaft  und  Hochachtung 
Mendelssohns  und  Schumanns  erwarb.  Johann  J.  H.  Verhulst  war  einer 
der  ersten  Schüler  der  erwähnten  Schule,  und  seine  bedeutende  musi- 
kalische Begabung  erweckte  in  Lübeck  den  Wunsch,  seinen  künstlerischen 
Bestrebungen  in  jeder  Weise  förderlich  zu  sein.  Er  hatte  ihm  vom  König 
ein  Stipendium  von  1000  Gulden  erwirkt,  damit  er  imstande  sei,  im  Aus- 
lande  seine  Studien  zu  vervollkommnen. 

Es  herrschten  damals  am  holländischen  Hofe  wie  in  den  massgeben- 
den gesellschaftlichen  Kreisen  jenes  Landes  starke  Sympathieen  für  fran- 
zösische Oberflächlichkeit  und  Eleganz,  besonders  in  der  Musik.*)    Diesem 

*)  Diese  Vorliebe  wir  zumal  bei  Wilhelm  111.  so  stark  ausgcprigt,  dias  er 
einem  seiner  Pensionire,  der  jetzt  eine  hocbangesehene  Stellung  in  DcutscbUod  be- 
kleidet, jede  Uniersiüiiung  eniiog,  weil  er  die  deutschen  Meister  über  die  französischen 
stellte. 


9 
STRAETEN:  AUS  UNVERÖFFENTLICHTEN  BRIEFEN 


Umstand   ist   es  auch  wohl  zuzuschreiben,   dass   in   dem   jungen  Verhulst 
der  Wunsch  sich  regte,  in  Paris  seine  Studien  fortzusetzen. 

Der  ernste  Lübeck  widersetzte  sich  diesem  Vorhaben  und  verweigerte 
ihm  jede  Unterstützung,  falls  er  darauf  bestehe.  Verhulst,  der  im  Sommer 
1837  in  Köln  unter  Joseph  Klein  (dem  Bruder  Bernhard  Kleins)  studiert 
hatte,  beschloss  trotzdem  in  jugendlichem  Übermut  fast  mittellos  nach 
Paris  zu  gehen.  Weniger  als  vier  Wochen  genügten  jedoch,  um  den  von 
Natur  ernsthaft  beanlagten  jungen  Künstler  zu  überzeugen,  dass  diese 
Schule  ihm  keine  Befriedigung  gewähren  könne.  Er  wandte  sich  nun  an 
Lübeck  mit  der  Bitte,  ihn  an  Mendelssohn  zu  empfehlen.  Diese  Bitte 
wurde  bereitwilligst  erfüllt,  wie  aus  folgendem  Brief  ersichtlich,  der  hier 
mit  Bewilligung  der  noch  lebenden  Tochter  Mendelssohns  (in  deren  Besitz 
sich  das  Original  befindet)  der  ÖflPentlichkeit  übergeben  wird: 

Hage,  22.  XU.  37. 
Hochverehrter  Herr  Musikdirektor! 

Sie  werden  sich  gewiss  gewundert  haben,  dass  ich  Ihren  so  freundlichen  Brief 
vom  3.  April  aus  Leipzig  datiert  unbeantwortet  gelassen.  Die  Hauptursache  ist  wohl 
die  Unbestimmtheit  des  jungen  Mannes,  welcher  Ihnen  jetzt  diese  Zeilen  überreichen 
wird,  andernfalls  wollte  ich  Sie  auch  nicht  unnötig  mit  Schreiben  belästigen. 

Verhulst  wollte  erst  zu  Ihnen,  dann  wieder  nach  Paris.  Seine  Vorliebe  für 
Paris  ging  so  weit,  dass  er  ohne  Unterstützung  (die  wir  ihm  für  dort  weigern,  aber 
für  Deutschland,  namentlich  zu  Ihnen  zugestehen)  es  wagte  hinzugehen.  Jetzt  ist  er 
seit  vier  Wochen  in  Paris,  findet  dort  keine  Befriedigung  und  verlangt  wieder  zu 
Ihnen.  Er  bittet  gelegentlich  um  einen  Brief  an  Sie,  den  ich  ihm  gern  gebe,  denn 
ich  wünsche  nichts  lieber,  als  dass  er  in  Ihrer  Nähe  sein  Talent  weher  ausbildet. 
Diese  Andeutungen  werden  hinreichend  sein,  mein  Stillschweigen  bei  Ihnen  zu  recht- 
fertigen, sowie  auch,  dass  ich  nicht  vorher  anfrage,  ob  Verhulst  zu  Ihnen  kommen 
darf,  wodurch  ja  zuviel  Zeit  verloren  wurde.  Nehmen  Sie  sich  jetzt  seiner  an,  ich 
hoffe,  dass  er  Ihnen  gefillt  und  folgsam  sein  wird.  Er  hat  während  der  Sommer- 
monate bei  Jos.  Klein  in  Cöln  noch  gearbeitet,  finden  Sie  nun,  dass  ihm  noch  irgend 
ein  Unterricht  nöthig  ist,  den  Sie  nicht  selbst  übernehmen  wollen,  so  rathen  Sie  ihm 
wohl,  zu  wem  er  in  Leipzig  gehen  soll,  die  Hauptsache  ist  aber  immer  Sie  selbst  — 
Ihren  Rath  —  damit  er  eine  gute  Richtung  bekommt  Seine  Hochachtung  für  Ihr 
Talent  ist  gross,  ich  theile  mit  ihml  Seine  Mittel  sind  nicht  bedeutend,  er  muss  sich 
einschränken.  Könnten  Sie  auch  in  dieser  Beziehung  ihm  rathen?  Ich  bin  wohl  un- 
bescheiden, dieses  von  Ihnen  zu  verlangen,  nehmen  Sie  mir's  nicht  übel,  ich  nehme 
grosses  Interesse  an  dem  jungen  Mann.  Erlaubt  es  Ihnen  Ihre  Zeit,  so  würde  mir 
eine  kurze  Anzeige,  nachdem  Sie  ihn  gegrüsst,  angenehm  sein. 

Wir  sind  hier  in  musikalischer  Beziiehung  recht  thätig.  Ihr  Paulus  wird  hier, 
in  Amsterdam,  Rotterdam  und  Utrecht  fleissig  geübt  und  wir  hoffen,  denselben  im 
Lauf  des  Winters  noch  zu  geben.  Ein  herrliches  Werk,  das  uns  allen  viel  Freude 
macht.  Entschuldigen  Sie  meinen  in  aller  Eile  schlecht  geschriebenen  Brief,  aber 
genehmigen  Sie  die  Versicherung  der  vollkommensten  Hochaefatung  von 

Ihrem  ergebenen 

J.  H.  Lübeck. 


10 

DIE  MUSIK  III.  1. 


Wie  aus  diesem  Brief  ersichtlich,  hatte  Lfibeck  bereits  früher  mit 
Mendelssohn  über  den  jungen  Verhulst  und  dessen  sich  rasch  und  kräfdg 
entwickelndes  Talent  korrespondiert.  Auch  erinnert  sich  Schreiber  dieses, 
einen  noch  unveröffentlichten  Brief  Mendelssohns  an  Lübeck  gesehen  zu 
haben,  aus  Speyer  datiert,  wo  er  sich  im  April  1837  auf  der  Hochzeits- 
reise befand.  Lübeck  hatte  ihm  danach  bereits  eine  Ouvertüre  in  h-Moll^ 
von  Verhulst  unterbreitet  und  daran  die  Hoffinung  geknüpft,  dass  Mendels- 
sohn sich  seiner  annehmen  möge.  Mendelssohn  äussert  sich  lobend  über 
das  Werk  und  erklärt  sich  auch  nicht  abgeneigt,  dem  jungen  Komponisten 
Rat  und  Hilfe  zu  Teil  werden  zu  lassen.  Bemerkenswert  sind  dabei  seine 
Äusserungen,  dass  es  in  der  Musik  so  weniges  zu  lehren  gebe  und  es  ihm 
scheine,  als  ob  alles  von  selbst  gelernt  werden  müsse.  Das  Lehren  sei 
meist  auf  die  Kritik  beschränkt,  und  auch  diese  helfe  nichts,  wenn  man 
sie  nicht  selbst  ausüben  könne.  Er  erklärt  sich  selbst  für  einen  schlechten 
Lehrer,  da  er  sich  zu  regelmässigen  Unterrichtsstunden  nur  schwer  ent- 
schliessen  könne,  und  wohl  wisse,  dass  schwer  mit  ihm  auszukommen  sei. 
Anscheinend  hatte  Lübeck  seinen  Rat  über  einen  in  der  Zwischenzeit  zu 
wählenden  Lehrer  erbeten  und  dabei  Lindpaintner  und  Lachner  erwähnt. 
Mendelssohn  stellt  in  seiner  Antwort  den  ersteren  als  Komponisten  wie  als 
Dirigenten  und  gründlichen  Theoretiker  entschieden  über  Lachner.  Er 
teilt  ihm  auch  mit,  dass  er  gegen  Ende  September  mit  seiner  Frau  wieder 
in  Leipzig  sein  und  dass  Verhulst  ihm  alsdann  willkommen  sein  werde,  Ealls 
er  noch  an  seinem  Plan  festhalte.  Dass  dieser  wirklich  ausgeführt  wurde,*^ 
ersehen  wir  aus  obigem  Briefe  von  Lübeck,  während  der  folgende  Brief  von 
Mendelssohn  an  Lübeck  uns  über  den  weiteren  Entwickelungsgang  Verhulsts, 
sowie  über  das  Urteil  seines  Meisters  über  ihn  in  Kenntnis  setzt: 

Leipzig,  28.  Februar  1838. 

Lieber  Herr  Kapellmeister! 
Entschuldigen  Sie,  dass  ich  erst  jetzt  Ihnen  wegen  des  jungen  Verhulst  schreibe. 
Viele  Arbeiten  und  Geschifte  hindern  mich  am  Briefechreiben  und  ich  hoffe,  dass 
Sie  auch  deswegen  mein  langes  Stillschweigen  und  diese  wenigen  Zeilen  entschuldigen 
werden.  Ich  habe  mich  sehr  geft-eut,  Herrn  Verhulsts  persönliche  Bekanntschaft  zu 
machen,  in  allem,  was  ich  bis  jetzt  von  ihm  gehört  und  gesehen  habe,  scheint  sich 
mir  ein  augenscheinlich  glückliches  Talent  für  Musik  auszusprechen :  was  in  meinen 
Kräften  steht,  um  ihn  in  dessen  Ausbildung  zu  unterstützen,  halte  ich  daher  für 
Fflicht  zu  tun.  Er  hat  auf  meinen  Wunsch  bereits  zwei  einstimmige  Gesangsstücke 
gemacht,  in  denen  ich  seine  Kenntis  des  reinen  Satzes  prüfen  wollte;  beide  sind  eben- 
falls zu  meiner  vollkommenen  Befriedigung  ausgefallen.  Jetzt  hat  er  sich  vorgenommen, 


*)  Komponirt  1836,  in  welchem  Jahr  er  unter  Gh.  Hanssens  studierte.  Die 
Ouvertüre  wurde  auf  Kosten  der  niederländischen  Gesellschaft  zur  Beförderung  der 
Tonkunst  gedruckt. 

**)  Und  zwar  im  Januar  1838. 


n 

STRAETEN:  AUS  UNVERÖFFENTLICHTEN  BRIEFEN 


einen  Psalm  für  Chor  und  Orchester  zu  schreiben,  von  dem  bereits  einige  Nummern 
fertig  sind,  ich  habe  sie  aber  noch  nicht  gesehen.  Im  ganzen  scheint  er  mir  wie  ge- 
sagt ein  höchst  hoffhungsvoller  junger  Mann,  der  es,  wenn  er  Fleiss  und  Ernst  genug 
hat  denselben  Weg  eifrig  zu  verfolgen,  ohne  Zweifel  weit  bringen  und  seinen  Freunden 
und  Landsleuten  zur  Freude  und  Auszeichnung  dienen  wird.  Ich  wollte  nicht  ver- 
fehlen, Ihnen  diese  meine  aufrichtige  Meinung  über  ihn  zu  schreiben;  bitte  Sie  meine 
FlQchtigkeit  zu  verzeihen  und  bin  mit  den  besten  Wünschen  für  Ihr  Wohlergehen, 

Ihr  ergebener 

Felix  Mendelssohn-Bartholdy. 

Verhulst  machte  so  schnelle  Fortschritte,  dass  er  bald  darauf  zum 
Direktor  der  Euterpe-Konzerte  ernannt  wurde. 

Das  ernste  Streben  des  jungen  Künstlers  erweckte  in  Schumann, 
der  sich  bekanntlich  zu  jener  Zeit  in  Leipzig  aufhielt,  Sympathieen,  die  zu 
einem  dauernden  Freundschaftsbündnis  heranreiften,  das  erst  der  Tod 
des  letzteren  löste.  Leider  ist  uns  von  den  Zeitgenossen  fast  nichts  darüber 
mitgeteilt  worden,  was  bei  der  wachsenden  Bedeutung  Verhulsts  erstaun- 
lich scheinen  muss. 

Die  nachfolgenden  Briefe  Schumanns  bilden  das  einzige  Material, 
das  uns  ein  Bild  der  gegenseitigen  Beziehungen  dieser  hervorragenden 
Künstler  gibt.  Die  Korrespondenz  beginnt  aber  anscheinend  erst  in  den 
vierziger  Jahren.  Vor  dieser  Zeit  aber  geben  uns  verschiedene  Briefe 
Mendelssohns  an  seinen  Schüler  Aufschluss  über  Verhulst.  Im  Jahre  1839 
hatte  er  zwei  Streichquartette  komponiert,  die  sich  des  Beifalls  seines  Lehrers 
zu  erfreuen  hatten,  und  Mendelssohn  nahm  deren  Dedication  an,  wie  aus 
dem  folgenden  Brief  ersichtlich: 

Leipzig,  d.  14.  Oktober  1839. 
Lieber  Verhulst 

Für  Ihre  freundliche  Absicht  mir  Ihre  beiden  Quartetten  zuzueignen  sage  ich 
Ihnen  meinen  Dank  und  nehme  mit  vielem  Vergnügen  die  Dedication  derselben  an. 
Sie  wissen,  dass  mir  gerade  die  Quartetten  schon  viele  Freude  gemacht  haben,  und 
mit  welcher  Theilnahme  ich  Ihre  Arbeiten  überhaupt  verfolge,  so  dass  es  mir  nur  an- 
genehm sein  kann,  meinen  Namen  mit  einer  derselben  verbunden  zu  sehen.  Mögen 
Sie  Ihr  Talent  stets  weiter  entfolten  und  es  so  unablässig  fortbilden,  wie  Sie  es  sich 
selbst,  Ihrer  Kunst  und  den  Hoffnungen,  die  wir  alle  auf  Sie  setzen,  schuldig  sind. 
Herrn  Ihr  hochachtungsvoll  ergebener 

Job.  Verhulst  Felix  Mendelssohn-Bartholdy. 

Wohlgeboren. 

Verhulst  nahm  sich  die  in  diesen  Zeilen  enthaltenen  Ermahnungen 
und  Aufmunterungen  Mendelssohns  augenscheinlich  zu  Herzen.  Er  arbeitete 
ruhig  und  ständig  weiter,  und  wir  erfahren  nicht  mehr  viel  über  den  in 
Zurfickgezogenheit  lebenden  jungen  Musiker,  als  dass  er  dauernd  in  gutem  Ein- 
vernehmen mit  seinem  Vorbild  und  Meister  verblieb,  wie  nachstehender 
Brief  zeigt: 


12 
DIE  MUSIK  III.  1. 


3l 


Leipzig,  26.  Dezember  1840. 
Verehrter  Herr! 

Da  es  mir  erst  beut  möglieb  gewesen  ist,  meinem  Versprechen  gegen  Ibren 
Landsmann  nachzukommen,  so  furchte  ich  fast,  mein  Brief  möge  ihn  nicht  mehr 
in  Dresden  treffen,  was  mir  um  so  mehr  leid  thftte,  als  die  Direktion  sich  dafür  ent- 
schieden hat,  ihm  einen  Platz  im  Neujahrskonzert  offen  zu  halten,  und  ich  ihn  also 
um  schleunige  Antwort  und  Angabe  des  zu  spielenden  Stückes  gebeten  habe.  Sollte 
er  nun  vielleicht  wieder  hier  durchkommen,  ehe  er  meinen  Brief  dort  von  Kotte  er- 
halten hat,  so  sind  Sie  wohl  so  gefällig,  ihm  diese  Nachricht  gleich  mitzutheilen;  Sie 
verbinden  mich  sehr  dadurch.    Mit  vollkommener  Hochachtung 

Herrn  Verfaulst  ergebenst 

Wohlgeboren  F.  M.  B. 

Hier. 

Auf  meine  Anfrage  wegen  dieses  Briefes  hatte  Herr  D.  F.  Stade, 
Sekretär  der  Gewandhaus-Konzert-Direktion,  die  Güte,  mir  mitzuteilen,  «dass 
die  Programme  weder  des  Neujahrskonzertes  1841  noch  der  darauf  folgenden 
4  Konzerte  den  Namen  eines  holländischen  (sei  es  ausübenden  oder  schaf- 
fenden) Künstlers  aufweisen.  Die  Annahme  liegt  nahe,  dass  Mendelssohns 
Absicht  nicht  zur  Ausführung  gekommen  ist." 

Im  Verlauf  seiner  Studien  wandte  Verfaulst  sich  mehr  und  mehr  der 
Kirchenmusik  zu,  die  auch  später  den  Schwerpunkt  seines  Schaffens  bildete. 
Wir  finden  in  den  folgenden  Zeilen  bereits  eine  Andeutung  dieser  Richtung: 

Hochgeehrter  Herr! 

In  dem  Briefe,  welchen  mir  Herr  Bastlaans  vor  einiger  Zeit  schrieb,  erwähnt 
er  mehrerer  Orgelstücke,  welche  ich  von  Ihnen  erhalten  sollte.  Wenn  Sie  dieselben 
mir  auf  einige  Tage  durch  den  Oberbringer  zuschicken  wollten,  würden  Sie  mich  sehr 
dadurch  verbinden.  Hochachtungsvoll 

ergebenst        F.  M.  B. 
Leipzig,  d.  28.  Febr.  1841. 

Herrn  J.  H.  Verfaulst 

Woblgeboren 

Hier. 

Anfang  August  des  Jahres  1841  ging  Mendelssofan  nach  Berlin,  und 
da  scheint  auch  die  Korrespondenz  mit  Verfaulst,  der  kurz  darauf  nacfa 
dem  Haag  zurückkehrte,  ins  Stocken  geraten  zu  sein,  wenigstens  ist  kein 
Brief  zwischen  dem  letzten  Schreiben  und  dem  in  der  Gesamtausgabe  ent- 
haltenen Briefe  vom  17.  November  1844  bekannt.  Er  ist  „An  den  Professor 
Verfaulst,  Tonkünstler  im  Haag"  adressiert.  Verfaulst  war  damals  also  noch 
nicfat  Musikdirektor.  Mendelssohn  versichert  ihm^von  Berlin  aus,  dass 
er  Fortschritte  in  seinen  Arbeiten  sehe.  Auch  ermutigt  er  ihn  in 
seinem  Bestreben,  den  Gesang  in  seiner  Muttersprache  zu  verbreiten. 
.Ich  wüsste  kein  edleres  Ziel,  was  sich  einer  vorstecken  könnte,  als  das, 
dem  Vaterlande  und  der  eigenen  Sprache  Musik  zu  geben,  wie  Sie  es  getan 


13 

STRAETEN:  AUS  UNVERÖFFENTLICHTEN  BRIEFEN 


haben  und  zu  thun  beabsichtigen.  Diese  Werke  sind  ein  schöner  Anfang 
dazu;  aber  damit  er  nicht  für  Ihre  Landsleute  ungehört  verklinge,  gehören 
viele,  viele  immer  wiederholt  fortschreitende  dazu.*^  Dass  Verhulst  diese 
Worte  beherzigte,  ersehen  wir  aus  dem  folgenden  Brief.  Er  ist  etwas 
über  6  Monate  später  datiert  und  bespricht  vierstimmige  Lieder,  die 
einen  tieferen  Eindruck  auf  Mendelssohn  gemacht  zu  haben  scheinen;  denn 
er  geht  hier  auf  Einzelheiten  ein,  wie  er  es  in  früheren  Briefen  nicht 
getan.  In  einem  Punkt  aber  irrten  beide,  und  dies  war  Verhulsts 
dramatische  Begabung.  Zum  Opemkomponisten  war  Verhulst  nicht  be- 
rufen, während  seine  Kirchenmusik  sich  bis  auf  den  heutigen  Tag  frisch 
erhalten  hat,  obwohl  sie  über  die  Grenzen  seines  Vaterlandes  hinaus  wenig 
bekannt  geworden  ist. 
Der  Brief  lautet: 

Frankfurt  a.  M.,  28.  Mai  1845. 
Lieber  Herr  Verhulst! 

Für  Ihren  freundlichen  Brief  vom  27.  März  und  die  schöne  Sendung  Ihrer  drei  neuen 
Kompositionen  sage  ich  Ihnen  meinen  besten  Dank.  Ich  wollte  erst  warten,  bis  auch 
das  Quartett  von  Leipzig  gekommen  sein  wurde,  von  dem  Sie  mir  sprachen,  aber  da 
es  bis  heute  nicht  da  ist,  so  will  ich  einstwellen  mein  Schweigen  brechen  und  Ihnen 
für  die  drei  schönen  Sachen  danken,  die  mir  viel  Freude  gemacht  haben.  Die  vier- 
stimmigen Lieder  sind  das  einfachste,  was  ich  bis  jetzt  von  Ihnen  kennen  gelernt 
habe,  und  doch  denke  ich  mir,  sie  müssen  sehr  erfreuliche  Wirkung  machen,  wenn 
sie  rein  und  gut  gesungen  werden,  besonders  möchte  ich  gern  das  erste,  dritte  und 
fünfte  hören  —  ich  weiss  nicht,  ob  mir  das  dritte  oder  fünfte  lieber  ist;  am  meisten 
Wirkung  macht  wohl  das  letzte?  In  dem  Gesang  der  barmherzigen  Brüder  aus  Zell 
gefällt  mir  der  eigentliche  musikalische  Gedanken  gar  sehr:  dass  der  ganze  Anfang 
nachher  in  fls-moll  kommt  und  doch  wieder  so  natürlich  in  das  eintönige  f  zurück- 
fällt, und  die  ganze  breite  Anlage  (die  Begleitung  ist  doch  wohl  für  Blech  und  Posaunen 
namentlich  gedacht?).  Das  liebste  ist  mir  dies  Stück,  obwohl  ich  glaube,  dass  die 
Hymne  »König  und  Vaterland*  viel  mehr  Wirkung  macht;  die  ist  ein  rechtes  Effekt- 
stück,  frisch  und  lebendig,  und  so  gefällt  mir  denn  jedes  Ihrer  Stücke  in  seiner  Art. 

Ich  glaubte  Ihnen  ausführlich  über  op.  9  geschrieben  zu  haben  und  erinnere 
mich  wohl,  dass  mir  vieles  darin  besonders  zugesagt  hat.  Die  einzelnen  Details  fcann 
ich  in  diesem  Briefe  nicht  anführen,  weil  ich  alle  meine  Musikalien  in  Berlin  in  eine 
Kiste  gepackt  und  nichts  hier  bei  mir  habe;  so  geht's  mir  auch  mit  dem  Album  des 
Musikvereins,  das  ich  seiner  Zeit  richtig  empfing. 

Wie  Sie  selbst  sagen,  so  möchte  auch  ich  jetzt  von  Ihnen  am  liebsten  eine  Oper 
sehen  und  hören.  Ich  glaube,  Ihr  ganzes  Talent  und  Ihre  Neigung  spricht  am  meisten 
dafür.  Aber  wäre  es  nur  mit  holländischem  Text  möglich!  Erstlich  gefiele  mir  es 
besser,  weil  Sie  doch  ein  Holländer  sind  und  sich  dadurch  ein  doppelt  grosses  Ver- 
dienst erwürben  —  schon  des  neuen  ungebahnten  Wegs  halber  —  und  dann  ist  es 
wenigstens  eben  so  schwer,  hier  einen  guten  Text  zu  finden,  als  irgendwo  und  in  irgend 
einer  Sprache. 

Schliesslich  noch  vielen  Dank  für  die  interessanten  Details  über  das  Konzert 
mit  meinem  Lobgesang.  Wie  gern  hätte  ich  das  mit  angehört!  Ist  denn  aber  irgend 
ein  grosses  Musikfest  in  Ihrer  Gegend  während  dieses  Sommers? 


Venn  das  der  Fall  wire,  so  lassen  Sie  mich's  doch  wissen,  denn  es  wire  sehr 
möglicby  dass  ich  in  die  Gegend  käme  and  dann  möchte  ich's  gern  so  einrichten,  dass 
ich  es  nicht  zu  versäumen  brauchte.    Leben  Sie  recht  wohl. 

Stets  Ihr  hochachtungsvoll  ergebener      F.  M.  B. 

Schumann,  der  verschlossene,  schweigsame,  der  wenige  zu  Freunden 
machte,  schloss  sich  an  diese  Wenigen  um  so  inniger  an.  Mendelssohn 
war  ein  Mann  der  Welt,  Schumann  zog  sich  so  weit  er  konnte  von  ihr 
zurück.  Die  rauhe  Wirklichkeit  verletzte  sein  kindlich  zartes  Gemfit, 
und  so  finden  wir  ihn  »den  Kopf  in  die  Hände  gestützt*  (wie  er  selber 
zu  sagen  pflegte),  in  seiner  Lieblingsecke  in  Poppes  Kaffeebaum  in  der 
Fleischergasse  zu  Leipzig^  mit  seinen  Freunden,  den  Davidsbündlem. 
Zu  diesen  gehörte  Verhulst  schon  sehr  bald  nach  seinem  Erscheinen  in 
Leipzig,  wie  aus  einem  Brief  an  O.  Lorenz  vom  27.  Oktober  1838  von 
Wien  aus  hervorgeht.  Es  heisst  darin:  .Grüssen  Sie  die  mir  wohlwollen 
—  Verhulst  wie  die  ganze  Tischgesellschaft*.  Auch  in  Schumanns  Wohnung 
hatte  Verhulst  bereits  Eintritt  gefunden  und  spielte  vierhändige  Klavier- 
sachen mit  ihm,  oder  sang  ihm  seine  Lieder  aus  dem  Manuskript  vor. 
Das  der  Duette  op.  34  überreichte  ihm  Schumann  mit  folgender  Aufschrift: 
Komponiert  im  Sommer  1840  als  Bräutigam,  Leipzig,  9.  Mai  1841.  An 
seinen  treuen  Freund  Verhulst  zur  Erinnerung  an  trauliche  Stunden  und 
an  Robert  Schumann. 

Im  Oktober  1842  wurde  das  Freundschaftsbündnis  auch  äusserlich 
beschlossen.  Es  waren  bei  David  an  einem  Vormittag  Schumanns  neue 
Streichquartette  zum  ersten  Mal  gespielt  worden.  Als  Schumann  nachher 
mit  Verhulst,  der  noch  voller  Begeisterung  für  die  eben  gehörten  Werke 
war,  spazieren  ging,  traten  sie  in  einen  Weinkeller  ein  und  tranken  Brüder- 
schaft mit  einem  Glas  Champagner. 

Wie  sehr  er  dessen  Abwesenheit  nach  der  1842  erfolgten  Rückkehr 
nach  Holland  empfand,  geht  aus  dem  von  Erler  mitgeteilten  Brief  vom 
19.  Juni  1843  (Schumanns  Leben  aus  seinen  Briefen  geschildert  von  Hermann 
Erler,  Band  I,  Seite  298)  hervor:  „Endl  ich,  mein  lieber  Verhulst.  Hundert 
und  mehrmal  habe  ich  Deiner  gedacht;  aber  Du  weisst,  der  Musiker  schreibt 
lieber  Noten  als  Buchstaben  ....  Auf  Dein  neues  Quartett  freue  ich  mich; 
sieh  zu,  dass  wir  es  bald  einmal  auf  der  Inselstrasse  (Schumanns  Wohnung) 
zu  hören  bekommen.  Schreibe  mir  bald  einmal  von  Deinen  Plänen  und 
ob  Du  glaubst,  bald  wieder  nach  Leipzig  zu  kommen.  Wie  oft  habe  ich 
Dich  vermisst  —  bei  Poppe  —  auf  meinen  Spaziergängen.  Es  ging  doch 
niemand  so  leicht  in  meine  Gedanken  und  Urtheile  ein  als  Du.  So  sitze 
ich  denn  oft  stundenlang  schweigend  an  jenen  Abenden,  ohne  mich  so  mit- 
theilen zu  können,  wie  ich's  gegen  Dich  that.     In  Kirchnern  allein  find'  ich 


*)  Das  Haus  existierte  noch  1883  als  No.  3. 


15 
STRAETEN:  AUS  UNVERÖFFENTLICHTEN  BRIEFEN 


eine  warme  Musikseele  —  der  ist  nun  aber  zu  jung  noch,  dem  man  nicht 
so  viel  sagen  darf  als  einem  Älteren;  es  würde  ihm  mehr  schaden  als 
nfitzen.* 

Er  spricht  dann  über  sein  Klavier-Quintett  und  -Quartett,  sowie  über 
die  Phantasiestücke  für  Trio  op.  88  und  Variationen  für  zwei  Klaviere,  so- 
wie besonders  auch  über  »Paradies  und  Peri".  Dann  folgen  Familien- 
Nachrichten  ;  die  Geburt  von  Schumanns  zweiter  Tochter  und  die  Aussöhnung 
Claras  mit  dem  alten  Wieck.  Von  Mendelssohn  sagt  er,  dass  er  ihn  .manch- 
mal oft,  manchmal  selten  sähe*,  da  sie  beide  sehr  beschäftigt  seien.  Zum 
Schluss  schreibt  er:  .Bald  hoffe  ich  wieder  von  Dir  zu  hören,  mein  lieber 
Verhulst;  den  innigsten  Antheil  nehme  ich  an  allem,  was  Dich  betrifft,  und 
mit  mir  noch  manche  Deiner  Freunde  hier.  Bringt  es  Dich  nicht  zurück 
in  Deiner  Stellung  für  Deine  Heimath,  so  komme  doch  ja  im  nächsten 
Winter  nach  Leipzig.    Ich  grüsse  und  küsse  Dich  in  herzlicher  Freundschaft.* 

Das  Wiedersehen  der  beiden  Freunde  sollte  sich  aber  noch  weiter 
hinausschieben.  Schumann  erwähnt  auch  noch  ein  Bildnis,  das  ihm  Verhulst 
gesandt  und  das  ihm  den  Freund  recht  deutlich  vergegenwärtige. 

Am  5.  Januar  1844  schrieb  er  wieder  an  Verhulst,  dass  er  ihm  ein- 
gehender von  seiner  .Lappländischen  Reise*  schreiben  würde  (eine  pro- 
jektierte Kunstreise  nach  Russland).  .Dein  Quartett  hab'  ich  Wenzel*)  ge- 
geben; es  ist  mir  das  Liebste  von  Musik,  was  ich  von  Dir  kenne.  Deine 
Dedikation  hoffe  ich  bald  erwiedem  zu  können.*  Diese  Dedication  erfolgte 
mit  dem  op.  52,  Ouvertüre,  Scherzo  und  Finale.  Dann  teilt  er  ihm  die 
weiter  unten  folgenden  Takte  mit,  die  er  an  jenem  Tage  in  Gades  Stamm- 
buch geschrieben,  der  ein  prächtiger  Kerl  sei.  Sie  waren  in  einem, 
im  Kaffeebaum  geschriebenen  Sammelbriefe  enthalten,  dem  Reuter, 
Willkomm,  der  Geiger  Bezeth,  Thorbeck  und  Whistling  je  einige  Zeilen 
beigefügt  hatten.  Er  war  Wenzel  zur  Besorgung  übergeben,  wurde 
1882  in  dessen  Nachlass  gefunden   und  von  Jansen  an  Verhulst  gesandt. 


p  ^  i'  J!  Jtj- 


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auf  Wie-der-  sehn 


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*)  E.  J.  Wenzel,  Lehrer  des  Pianofortespiels  am  Leipziger  Konser?atorium  und 
Freund  Schumanns. 


16 
DIE  MUSIK  III.  1 


»Auf  Wiedersehen  auch  mein  lieber  Verhulst*. 

Am  5.  Juni  desselben  Jahres  schrieb  Schumann  an  Verhulst,  dass  er 
und  seine  Clara  wohl  und  gesund  von  der  russischen  Reise  zurückgekommen 
seien,  und  dass  sie  in  Moskau  im  Theater  einen  Contrabassisten  gesehen 
hätten,  der  Verhulst  so  ähnlich  gewesen,  dass  er  ihn  gleich  hätte  umarmen 
mögen.  Ein  Brief  von  Verhulst  vom  Ende  Februar,  den  er  bei  der  Rück- 
kehr vorgefunden,  habe  ihm  „Lust  gemacht,  einmal  nach  Holland  zu  kommen, 
vielleicht  schon  im  nächsten  Januar  .  . .  Von  Holland  möchte  ich  dann  nach 
England,  wohin  ich  mich  schon  lange  sehne.  Dann  bringe  ich  auch  die  Peri 
mit,  und  Ihr  studiert  Euch  vielleicht  schon  vorher  ein  wenig  ein  .  .  .  Es 
scheint  Dir  gut  zu  gehen,  mein  lieber  Verhulst!  Hast  du  keine  Zeit,  wieder 
einmal  zu  uns  zu  kommen?  Wie  schön  sind  die  Zeiten  des  jugendlichen 
Zusammenlebens  und  Strebens;  Leiden  und  Freuden,  es  kennt  sie  doch 
niemand  so  gut  als  der  Künstler.  Arbeitest  Du  fleissig?  Dein  Quartett 
hab'  ich  eigentlich  nur  oben  am  Rand  gekostet;  Du  scheinst  mir  an  Kraft 
und  Anmut  gewonnen  zu  haben  .  .  .  Meine  zwei  Mädchen  sind  kleine  liebe 
Engelskinder,  meine  Frau  das  alte  gute.  Und  Du  willst  Junggeselle  bleiben? 
Schreibe  mir  doch  auch  darüber  einmal!  Ich  grüsse  und  küsse  Dich; 
denke  so  gern  an  mich  wie  ich  an  Dich!" 

Im  Oktober  1844  siedelte  Schumann  nach  Dresden  über  und  hier 
entwickelten  sich  die  ersten  Symptome  des  furchtbaren  Leidens,  das  ihn 
zehn  Jahre  darauf  der  Welt  entriss.  Am  28.  Mai  1845  schreibt  er  an 
Verhulst  (Erler,  Band  I,  p.  323):  «Ich  war  oft  sehr  krank.  Finstere  Dämonen 
beherrschten  mich.  Jetzt  geht  es  etwas  besser  .  .  .  Deine  beiden  Briefe  mit 
Musik  haben  mich  und  Clara  innig  gefreut,  namentlich  der  letzte,  wo  Du 
uns  Hoffnung  auf  Deinen  Besuch  gibst.  Komme  doch  ja  —  sobald  als 
möglich  .  .  .  Verschiebe  aber  Dein  Kommen  nicht  zu  lange  hinaus, 
mach'  Dich  gleich  auf.  Wir  wollen  die  alten  Zeiten  wieder  erneuen; 
es  würde  eine  grosse  Freude  für  mich  sein.*"  Aus  diesen  Worten 
geht  deutlich  hervor,  wie  ihn  nach  dem  Anblick  und  der  Gesellschaft  des 
Freundes  verlangte.  Er  spricht  auch  von  den  Kompositionen,  von  denen 
die  vierstimmigen  Lieder  ihm  besonders  gefielen,  die  Mendelssohn,  wie 
oben  bemerkt,  ebenfalls  gerühmt  hatte.  Der  in  Aussicht  gestellte  Besuch 
Verhulsts  fand  aber  erst  gegen  Ende  des  Jahres  statt,  wie  folgender  Brief 
Mendelssohns  beweist,  der  uns  auch  erzählt,  dass  Verhulst  auf  der 
Reise  Leipzig  berührte,  wo  er  Mendelssohn  nicht  zu  Hause  fand.  Wir 
erfahren  auch  daraus,  dass  das  dritte  Quartett  von  Verhulst  Anfang 
Januar  an  einem  Kammermusikabend  unter  Davids  Leitung  zur  Aufführung 
kam,  während  Mendelssohn  sein  Bedauern  ausdrückt,  dass  eine  ebenfalls 
eingesandte  Symphonie  von  Verhulst  in  dem  Winter  nicht  mehr  könne 
aufgeführt  werden. 


17 
STRAETEN:  AUS  UNVERÖFFENTLICHTEN  BRIEFEN 


Leipzig,  d.  26.  Dezember  1845. 
Hochgeehrter  Herr! 

Auch  mir  hat  es  sehr  leid  gethan,  als  ich  bei  meiner  Ruckkehr  jetzt  Ihre  Carte 
fand  und  erfuhr,  dass  Sie  schon  wieder  abgereist  waren.  Desto  lieber  wird  es  mir 
sein,  wenn  Sie  Ihren  Entschluss  ausfuhren,  und  jetzt  noch  einige  Zeit  für  Leipzig  er- 
übrigen können. 

Herr  Hofmeister  hat  mir  zwar  bis  jetzt  das  3.  Quartett  nicht  geschickt;  doch 
erhielt  ich  vorgestern  die  Partitur  davon  und  habe  sogleich  mit  Herrn  C»M.  David 
darüber  gesprochen.  Er  freut  sich  darauf,  das  Quartett  in  einer  der  nichsten  Ver- 
sammlungen zu  spielen,  und  es  wird  also  in  der  kommenden  Woche,  oder  in  der 
darauf  folgenden  bestimmt  zur  Aufführung  kommen.  Der  Tag  lisst  sich  leider  nicht 
vorher  festsetzen,  weil  er  immer  vom  Theater  abhängig  ist;  doch  glaube  ich  wird  es 
wohl  Sonnabend  den  3.  oder  Dienstag  den  6.  Januar  sein.  Hoffentlich  kommen  Sie 
dazu  her,  wir  freuen  uns  darauf,  wieder  ein  neues  Werk  von  Ihnen  kennen  zu  lernen. 
Die  Aufführung  der  Symphonie  war  hingegen  für  diesen  Winter  in  den  Abonnements- 
Konzerten  nicht  mehr  möglich  zu  machen.  Die  Direktoren  erwiderten  auf  meine 
Anfrage  deshalb,  dass  sie  keine  Abinderung  in  den  bereits  entworfenen  Programms 
und  den  dafür  vorgeschlagenen  neuen  Symphonieen  wünschten,  und  so  muss  ich  also 
bedauern,  dass  ich  Ihren  Auftrag  nur  teilweise  habe  erfüllen  können. 

Ober  die  Symphonie  selbst  und  das  Quartett  und  vieles  andre  sprechen  wir  dann 
hoffentlich  mündlich  ein  Mehreres  und  Ausführlicheres,  wenn  Sie  Ihren  Plan  nach 
Leipzig  zu  kommen  verwirklichen.  Einstweilen  leben  Sie  wohl  und  grüssen  Sie 
Schumanns,  wenn  Sie  sie  sehen,  Ihrer  Adresse  nach  müssen  Sie  ja  wohl  Nachbarn 
sein?    Auf  Wiedersehen  also.  Stets  Ihr  Hochachtungsvoll 

ergebener 

F.  M.  B. 

Ob  Verhulst  Mendelssohns  Wunsch,  ihn  auf  der  Reise  (die  bis 
Italien  ausgedehnt  wurde)  in  Leipzig  aufzusuchen,  erfüllt  hat,  erfahren  wir 
nicht,  obwohl  es  anzunehmen  ist. 

Mendelssohns  Korrespondenz  mit  Verhulst  findet  mit  obigem  Brief 
ihren  Abschluss.  Auf  derselben  Reise  besuchte  Verhulst  auch  Heinrich 
Dorn  in  Köln  und  machte  für  des  Freundes  Werke  Propaganda,  wie  aus 
einem  Brief  Schumanns  an  Dorn  vom  1.  Dezember  1845  hervorgeht: 
„Verhulst  sagte  mir,  dass  Sie  ihm  mit  Theilnahme  von  meiner  Peri  ge- 
sprochen und  vielleicht  eine  Aufführung  in  Köln  beabsichtigen.  *"  Nach 
Verhulsts  Rückkehr  geriet  die  Korrespondenz  zwischen  den  beiden  Freunden 
augenscheinlich  ins  Stocken,  wenigstens  sind  aus  den  Jahren  1846  und  47 
keine  Briefe  Schumanns  an  Verhulst  vorhanden. 

Der  erste  Brief,  dem  wir  wieder  begegnen,  ist  vom  4.  November  1848. 
Er  ist  sowohl  von  Jansen  als  von  Erler  mitgeteilt  und  enthält  dieselbe  Ent- 
schuldigung für  langes  Schweigen  wie  der  Brief  vom  19.  Juni  1843:  .Wir 

schreiben  ja  nun  einmal  lieber  J  j  j  —  als  Lettern."     Er  spricht  darin  die 
Hoffnung   aus,   dass   seine    eben    beendigte    Oper   Genoveva   noch    im 
kommenden  Winter  zur  Aufführung  gelange  und:  .Dann  kommst  Du  her 
IIL  1.  2 


18 
DIE  MUSIK  III.  1. 


—  nicht  wahr?"  —  Wie  sich  übrigens  die  Auffuhrung  der  Oper  verzögerte, 
erfahren  wir  unter  anderem  durch  folgenden  bisher  unveröffentlichten 
Brief  Schumanns  an  Rietz: 

Kapellmeister  J.  Rietz  in  Leipzig. 

Dresden,  den  3.  Februar  1849. 

Geehrter  Freund! 

Dr.  Reuter  schreibt  mir  von  einer  ferneren  Verzögerung  der  Aufführung. 
Schreiben  Sie  mir  mit  einem  Paar  2^ilen  (grosse  Länge  von  Ihnen,  einem  so  viel- 
beschäftigten, verlange  ich  nicht)  wie  die  Sachen  stehen.  Meine  Abreise  nach  L.  war 
schon  auf  Montag  über  acht  Tage  festgestellt  Es  schadet  mir  doch  sehr  viel,  wenn 
die  Zeit  der  Auffuhrung  immer  weiter  hinaus  gerückt  wird.  Im  April  Angt  es  an  zu 
blühen;  da  geht  niemand  mehr  ins  Theater.  Ich  bin  sehr  traurig  darüber.  Also  bitte 
um  eine  Nachricht,  wann  das  Einstudieren  wirklich  beginnt,  und  wann  Sie  glauben, 
dass  meine  Anwesenheit  in  L.  von  Nutzen  sein  könnte. 

Ihr 

R.  Schumann. 

Soll  ich  dem  Theaterdirektor  vielleicht  selbst  schreiben? 

Nachdem  Schumann  vergeblich  auf  Antwort  gewartet,  schrieb  er  am 
27.  Februar  an  Dr.  Härtel:  .  . .  .Weder  von  Herrn  Rietz,  noch  vom 
Direktor  des  Theaters  kann  ich  etwas  vom  Stand  meiner  Opemangelegen- 
heit  erfahren  .  .  .  Würden  Sie  vielleicht  von  Herrn  Rietz  —  doch  nicht  in 
meinem  Namen,  also  wenn  Sie  die  Güte  haben  wollten,  quasi  sub  Rosa  — 
herausbekommen  können,  wie  es  mit  meiner  Oper  steht,  so  Hesse  sich  der 
Tag  [eines  geplanten,  aber  nicht  zur  Ausführung  gekommenen  Orchester- 
Konzerts  Schumannscher  Kompositionen]  und  die  ganze  Sache  gleich  fest- 
setzen. An  Herrn  Rietz  mag  ich  aber  deshalb  nicht  schreiben,  weil  er 
mir  Antwort  schuldig  ist,  mich  gewöhnlich  sehr  lange  auf  Antwort  warten 
lässt,  und  ich  nicht  gern  zudringlich  erscheinen  möchte.*  Mittlerweile 
fand  sich  ein  Zwischenträger,  der  Schumann  mitteilte,  dass  Rietz  die  Auf- 
führung zu  hintertreiben  suche.  Rietz,  dem  dies  zu  Ohren  gekommen, 
schrieb  direkt  an  Schumann,  der  am  20.  Mai  von  Bad  Kreischa  bei  Dresden 
aus  antwortete:  .  .  •  .Als  mir  das  gemeldet  wurde,  weshalb  Sie  zuletzt  an 
mich  schrieben,  ut  ich  nichts,  als  dass  ich  den  Brief  meiner  Frau  gab 
mit  den  Worten  ,das  ist  eine  Lüge^  und  gedachte  der  Sache  nicht  weiter.* 

Wie  viel  Arger  und  Aufregung  dem  Komponisten  noch  aus  der  Auf- 
führung seiner  Oper  erwachsen  sollte,  ersehen  wir  aus  einer  Reihe  von 
Briefen  Schumanns  an  Dr.  Härtel.  Die  Premiere  fand  erst  am  25.  Juni  1850 
statt.  Dieser  folgten  noch  zwei  Vorstellungen  in  Leipzig  am  28.  und 
30.  Juni,  sowie  eine  in  Weimar,  eine  bei  einer  Tonkünstler- Versammlung 
in  Leipzig  und  einige  wenige  in  den  90er  Jahren  in  Köln.  Ob  Verhulst 
der  Erstaufführung  beiwohnte,  scheint  nicht  bekannt  zu  sein. 


STRAETEN:  AUS  UNVERÖFFENTLICHTEN  BRIEFEN 


Im  September  1850  erfolgte  Schumanns  Übersiedlung  nach  Düssel- 
dorf, wodurch  die  beiden  Freunde  nun  häufiger  Gelegenheit  fanden,  sich 
wiederzusehen.  Leider  entwickelte  sich  bald  Schumanns  schreckliches 
Leiden  in  bedenklicher  Weise.  Auch  Verhulst  scheint  hier  und  da 
von  selbstquälerischen  Gedanken  nicht  frei  gewesen  zu  sein,  wie  aus 
Schumanns  Brief  vom  9.  März  1851  hervorgeht,  in  dem  es  heisst:  .Dann 
wollen  wir  uns  Deines  heiteren,  frischen  Geistes  wieder  erfreuen,  hoffent- 
lich Dich  auch  von  Deinen  hypochondrischen  Gedanken  zurückbringen, 
als  wärst  Du  nicht  der  tüchtige  Künstler,  der  Du  bist.*' 

Dieser  Seelenzustand  war  wohl  dem  «Langen  und  Bangen  in  schweben- 
der Pein**  zuzuschreiben,  das  seiner  bald  darauf  stattfindenden  Vermählung 
mit  der  Tochter  des  Malers  Rochussen  voranging. 

In  dem  angeführten  Brief  vom  9.  März  (Erlerp.  138)  sagt  Schumann, 
dass  er  zu  unwohl  sei,  ihm  alles  zu  schreiben,  wie  er  es  wohl  möchte. 
.Meine  Frau  wird  so  gut  sein,  noch  Einiges  hinzuzufügen  über  Kunst  und 
Leben,  wie  sie  sich  hier  so  freundlich  für  uns  gestalten. **  Dieser  sehr 
interessante,  bisher  unveröffentlichte  Brief  soll  nun  folgen: 

Dusseldorf,  den  9.  Mirz  1851. 

Lieber  Herr  Verhulst! 

Recht  herzlich  haben  wir  uns  gefreut,  einmal  wieder  von  Ihnen  zu  hören, 
möchten  Sie  aber  auch  gerne  wieder  sehen!  wollen  Sie  uns  nicht  einmal  hier  besuchen? 
Kimen  Sie  einmal  zu  einem  unserer  Konzerte,  da  wollten  wir  Ihnen  schon  ordentlich 
etwas  vormusizieren.  Wir  haben  hier  schöne  Kräfte  im  Orchester,  und  —  gute 
Programms!  Darin  sind  wir  den  Leipzigern  noch  voraus,  die  doch  oft  auch  schlechtes 
italienisches  Zeug  zu  hören  geben.  Sie  können  aber  wohl  nicht  gut  von  Holland  fort? 
Haben  Sie  viel  zu  thun?  Am  Donnerstag  gibt  mein  Mann  sein  eigenes  Konzert,  dessen 
Programm  Sie  gewiss  interessieren  wird,  daher  ich  es  Ihnen  schreibe: 

1.  Ouvertüre  zur  Braut  von  Messina. 

2.  Konzertstück  für  Klavier  (von  mir  gespielt). 

3.  Gartenscene  »Duett**  und  »Scene  im  Dom**   aus   dem  ersten  Theile  des 
»Faust**  für  Chor  und  Orchester. 

4.  Nachtlied  für  Chor  und  Orchester.    (Dichtung  von  Hebbel.) 

5.  Symphonie  (Es-dur  No.  3)  auf  Verlangen  zum  zweiten  Male. 

Alles  dies  sind  Manuskripte  ^on  meinem  Robert,  und  welche  Schitze  von 
Poesie  darin!  Lachen  Sie  mich  nicht  aus,  dass  ich  selbst  es  sage,  doch  ist  wohl 
kaum  einer  in  der  Welt,  der  dies  tiefer  empfände  als  ich!  Soll  ich  es  also  nicht 
gegen  einen  so  theilnehmenden  Freund,  wie  Sie  es  sind,  aussprechen?  — 

Es  wire  gar  freundlich  von  Ihnen,  überraschten  Sie  uns  hiereinmal!  Jedenfalls 
aber  warten  Sie  nie  wieder  auf  Geschäfte,  um  an  Robert  zu  schreiben,  sondern  thun 
Sie  es,  wenn  Sie  Ihr  Herz  dazu  treibt,  und  lassen  Sie  dies  bald  geschehen.  Schreiben 
Sie  doch  auch  von  Ihrer  Braut,  das  interessiert  mich  sehr  -<  ist  es  eine  Holländerin? 
Gewiss  ist  es  nur  Theilnahme,  die  mich  dies  fragen  lässtl 

Schliesslich  noch  einen  recht  freundlichen  Gruss  von  Ihrer  ergebenen 

Clara  Schumann. 

2* 


20 
DIE  MUSIK  III.  1. 


Sie  wollten  von  unseren  Kindern  wissen:  es  sind  f&nf,  drei  Midcben  und  zwei 
Knaben.  Die  zwei  Ältesten  verrathen  hübsches  musikalisches  Talent,  es  bleibt  mir 
nur  leider  zu  wenig  Zeit,  sie  selbst  zu  unterrichten,  doch  haben  sie  Unterricht  und 
spielen  z.  B.  aus  Roberts  Album  einiges  recht  nett. 

Ich  schime  mich  sehr,  Ihnen  so  eilig  und  zerstreut  geschrieben  zu  haben, 
jedoch  wollte  ich  mir  einige  Zeilen  nicht  nehmen  lassen,  und  dringt  doch  der  Brief 
wegen  der  Stimmen  [?].    Verzeihung  deshalb! 

Am  8.  August  schreibt  Schumann  wieder,  dass  er  eine  Einladung  zum 
Gesangsfest  in  Antwerpen  zum  17.  August  bekommen  habe  und  fügt 
hinzu:  , Vielleicht  bist  Du  auch  da,  oder  wir  geben  uns,  wenn  irgend 
möglich,  ein  Rendezvous  in  Rotterdam.  **  Schumann  war  von  den  deutschen 
Vereinen  zum  Schiedsrichter  des  Wettsingens  erwählt  worden.  Als  aber 
die  deutschen  Vereine  nachmittags  an  die  Reihe  kamen,  fehlte  Schumann, 
den  wahrscheinlich  die  Vormittags -Aufführungen  zu  sehr  ermüdet  hatten. 

Verhulst  antwortete  auf  obigen  Brief,  dass  die  Entfernung  von  Rotter- 
dam ihm  den  Besuch  nicht  möglich  mache,  worauf  Schumann  ihm  folgende 
Zeilen  sandte: 

Düsseldorf,  den  13.  August  1851. 
Lieber  Verhulst  I 

Dein  Brief  hat  uns  köstlich  amüsiert,  wir  haben  ungeheuer  gelacht  über  die 
Verse  Deiner  Frau.  Das  ist  ganz  wie  in  Hamlet.  Du  der  Hamlet,  und  Deine  Frau 
Polonius  —  Sans  comparaison.  Könnten  wir  Dich  und  sie  doch  hier  sehen  I  Aber 
Du  hast  auch  wieder  Recht  mit  Deinen  Gründen.  Ich  dachte  mir  Antwerpen  viel 
niher  an  Rotterdam;  jetzt  erst  erfahre  ich,  dass  es  eine  Tagereise  ist. 

Also  lieber  Verhulst,  kimest  Du,  so  würden  wir  uns  sehr  freuen. 

Wo  nicht,  so  wollen  wir  uns  auf  spitere  Zeit  vertrösten.  Wir  reisen  den  16., 
sind  hoffentlich  abends  in  Antwerpen,  bleiben  den  17.  und  18.  dort,  und  wollen,  wenn 
Du  nicht  kommst,  den  19.  vielleicht  nach  Brüssel  und  den  20.  nach  Düsseldorf  zurück. 
Wo  wir  wohnen,  weiss  ich  noch  nicht.  Das  wird  aber  leicht  zu  erfahren  sein.  Aber 
wie  gesagt,  nachdem  ich  mir  die  Landkarte  angesehen,  glaube  ich  selbst  nicht,  dass 
Du  kommst.  Du  möchtest  dann  dennoch  kommen!  Da  wollten  wir  uns  freuen. 
Dann  bringst  Du  aber  auch  deine  Frau  mit!  Es  wire  wohl  ein  Spass,  wenn  Ihr 
so  plötzlich  herein  tritet.  So  denn  auf  Wiedersehen,  wenn  es  vielleicht  auch  noch 
zweifelhaft  ist.    Ich  grüsse  Euch 

herzlich 

R.  Schumann. 

Schumann  führte  seine  Absicht,  Brüssel  zu  besuchen,  aus  und  kehrte 
am  22.  August  nach  Düsseldorf  zurück.  Am  23.  August  ernannte  ihn  die 
Association  Royale  de  Soci6t6  lyrique  d'Anvers  zum  Ehrenmitglied. 

Schluss  folgt 


i  empfinden  wir  in  der  Musik  als  modern?  Im  Liede,  so  wird 
I  man  vielleicht  antworten,  ein  zartestes  Vibrieren  und  Zittern 
der  Empfindung,  oder  ein  Feines  Mitschwingen  der  Nerven;  das 
i  Gerühl  für  die  Abwandlungen  der  Stimmungen,  das  vielfach  ge- 
brochene und  reßektierte  Licht  derselben.  Man  wird  an  einzelne  Lieder 
Hugo  Wolfs  denken,  wo  mit  der  empfindlichen  Chromatik  der  melodischen 
Linie,  mit  den  reich  nuancierenden  Schatten  alterierter  Akkorde  die  kleinsten 
Zwischenstufen  der  EmpHndungcn  musikalisch  wiedergegeben  werden,  wie  auf 
einer  leicht  pendelnden  Wage  der  Zeiger  durch  die  geringsten  Gewichtsver- 
InderuRgen  zum  Ausschlag  gebracht  wird.  Oder  man  wird  Richard  Straussens 
aTraum  durch  die  Dämmerung"  nennen  mit  seiner  eigenartigen  Magie  der 
Stimmung,  seinem  merkwürdigen  halben  Licht,  dem  leise  aufsteigenden  be- 
täubenden Duft.  In  den  Orchesterwerken  wird  man  als  modern  vor  allem  den 
Glanz  und  die  Pracht  des  Kolorits  empfinden.  Die  Kunst  der  orchestralen 
Farben,  berauschender,  betäubender,  blendender  und  gedämpfter,  verblassen- 
der, hinsterbender;  Makartischer  Orgien  und  der  Luft-  und  Lichtzaubereien 
französischer  Landschaftsmalerei.  Man  wird  die  Möglichkeit  rühmen,  mit 
den  Mitteln  des  heutigen  Orchesters  jedem  Ding  eine  tönende  Seele  geben 
zu  können,  und  vielleicht  auf  die  Schlachtschild ernng  im  „Heldenleben* 
von  Richard  Strauss  hinweisen.  Hier  werde  nicht  eine  Schlacht,  sondern 
der  männermordende  Kampf  überhaupt  geschildert,  das  Wüten,  Tosen, 
Stürmen  gewaltiger  Massen,  die  eiserne  Umklammerung  von  Heeren,  das 
Würgen,  Vernichten.  Es  würden  hier  förmlich  alle  Eingeweide  des  modernen 
Orchesters  aufgerissen  ...  In  der  Oper  vereinigten  sich  die  moderne 
orchestrale  Technik  mit  der  beweglicheren  Art  der  musikalischen  Linie, 
also  reiche  Farbe  und  f^tne  Zeichnung.  Zum  Vergleich  wird  man  die 
übrigen  Künste  herbeiziehen,  in  denen  ein  gleicher  Geist  zu  wallen  scheint. 
Die  zeitgenössische  Malerei  mit  ihrer  Licht-  und  Farbenfreude,  ihrer  Kunst 
der  Stimmung  und  die  zeitgenössische  Literatur,  deren  feinfühlige  Psycho- 
logie die  kleinsten  Adern  und  das  zarteste  Nervengeflecht  blosslegt.  Und 
wenn  wir  alles  zusammennehmen,  so  rühmt  man  als  modern:  die  reicheren 
Mittel,  die  das  Prunkvolle  und  das  Zarteste  gleich  sicher  wiedergeben;  die 


22 
DIE  MUSIK  III.  1. 


Si 


erhöhte  seelische  Empfindlichkeit,  die  den  Kreis  des  künstlerisch  Darstell- 
baren erweitert;  die  freie  Form.  Also  grösseren  technischen  und  grösseren 
differenzierten  seelischen  Reichtum. 

Man  wird  vielleicht  diesem  Gemälde  der  modernen  Kunst  seinen 
grösseren  Hintergrund  geben.  Die  gewaltigen  technischen  Errungenschaften 
der  neuen  Zeit.  Die  grosse  Arbeit  der  Forscher  und  Gelehrten.  Die  be- 
zwungenen irdischen  Kräfte,  welche  die  Erdteile  gleichsam  näher  an  ein- 
ander gerückt  haben.  Die  Gedanken,  die  im  elektrischen  Strome  rund  um 
die  Erde  dahinfliegen.  Den  modernen  Verkehr,  der  auf  den  Wegen  übers 
Meer,  durch  die  Wüsten,  die  Gebirge  auf-  und  abwärts  dahinsaust.  Man 
wird  die  Wunder  der  Maschinen  rühmen,  die  für  den  Menschen  von  heute 
Sklavenarbeit  verrichten.  Und  was  sonst  noch  der  Ingenieur,  der  Arzt, 
der  Gelehrte  ersonnen  und  erfunden.  Kurz  alles,  was  in  unserer  Welt 
geholfen  hat,  den  Raum  zu  verengen,  die  Zeit  zu  beschleunigen,  die  Kräfte 
zu  verdoppeln,  oder  richtiger:  zu  verhundertfachen. 

Sagt  man,  dass  alle  diese  Leistungen  ein  Werk  der  exakten  Wissen- 
schaften sind  und,  was  ein  Künstler  schafft,  ein  anderes  ist,  als  was  ein 
Forscher  denkt,  so  ist  dies  wohl  nicht  richtig.  Im  einen,  wie  im  anderen 
wirkt  die  Phantasie.  Sei  es  nun,  ob  sie  die  kühnen  Wölbungen  einer 
neuen  Brücke  entwirft,  ob  sie  chemische  Elemente  trennt  und  neu  verbindet, 
ob  sie  einer  Maschine  erhöhte  Schnelligkeit  gibt,  Mittel  gegen  Krankheiten 
findet  oder  ein  Drama  entwirft  und  einen  Symphoniesatz  baut.  In  allen 
technischen  Errungenschaften  der  neuen  Welt  waltet  der  alte  Phantast  im 
Menschen,  der  Dichter,  der  Künstler.  Da  die  Grösse  der  modernen  Phan- 
tasie in  den  Werken  der  Technik  jedem  sichtbar  ist,  hofft  man  von 
hier  aus  auch  auf  die  Grösse  einer  modernen  Kunst,  worin  dieselben 
Kräfte  wirkten.  Dass  einer  so  grossen  Zeit  eine  grosse  Kunst,  neuen 
Lebensformen  eine  neue  Kunst  entsprechen  müsste,  ist  wohl  allgemeines 
Empfinden. 

Wenden  wir  den  Blick  von  dieser  grösseren  Welt  zum  begrenzteren 
Gebiete  der  Musik.  Wie  ein  mächtiges  Gebirge,  das  Berggipfel  an  Berg- 
gipfel aneinanderreiht,  zieht  sich  bis  zu  unserer  Zeit  eine  ununterbrochene 
Kette  von  grossen  deutschen  Musikmeistern.  Von  Orlando  Lasso  zu  Heinrich 
Schütz,  von  Schütz  zu  Johann  Sebastian  Bach  und  Händel,  von  diesen  über 
Philipp  Emanuel  Bach  zu  Mozart,  Haydn  und  Beethoven,  zu  Schubert, 
Mendelssohn,  Schumann,  Weber  und  endlich  zu  Wagner  und  zu  Brahms. 
Selbst  der  Dreissigjährige  Krieg,  der  Deutschland  verwüstete,  der  die  Ent- 
wickelung  einer  Nationalliteratur  für  lange  hinaus  hemmte,  vermochte  diese 
stolze  Reihe  nicht  zu  unterbrechen.  Er  trieb  in  Deutschland  alles  geistige 
Leben  tief  ins  Innere  zurück;  gerade  dies  musste  der  Musik  als  jener  Kunst, 
die  mit  ihren  Wurzeln  zu  tiefst  greift,  nützen.    Dieser  stolzen  Reihe  ge- 


23 
GRAF:  Ober  das  moderne  in  der  MUSIK 


waltigster  Musikgeister,  die  mit  dem  Druck  ihres  kleinen  Fingers  förmlich 
Himmel  und  Erde  in  Bewegung  setzen,  könnte  man  einzig  und  allein  den 
Höhenzug  italienischer  Maler  von  Giotto  bis  Raphael  und  Michelangelo, 
Tizian  und  Tintoretto  vergleichen,  wo  sich  Schüler  an  Meister,  Meister  an 
Meister  schliessen  und  der  Malergeist  immer  neuen  Körper  findet.  Doch 
fehlt  hier,  wenn  wir  Mozart  mit  Raphael,  Beethoven  mit  Michelangelo, 
Wagner  mit  Tintoretto  vergleichen,  gleich  am  Anfang  schon  eine  Gestalt, 
nein,  eine  Welt,  wie  Joh.  Sebastian  Bach,  von  dem  Zelter  das  schöne  Wort 
gesagt  hat,  dass  wir  alle  äusserlich  auf  diesem  Globus  umherwandelten  und 
grasten.  Es  wäre  leicht  möglich,  dass  diese  unvergleichliche  Reihe  grosser 
Meister  als  Last  empfunden  würde,  als  niederdrückende  Verpflichtung  für 
die  nachgeborenen  Künstler.  Denn  was  könnte  es  Herrliches  und  Grosses 
geben,  was  nicht  hier  schon  gesagt  und  gesungen  worden  wäre?  Und  doch 
empfindet  man  nicht  so.  Man  betrachtet  wohl  diese  geoffenbarte  Fülle 
musikalischer  Kräfte  als  Verheissung  für  die  Zukunft.  Wie  man  von  einem 
Acker,  der  reiche  Ernte  trug,  weiter  auf  neue  Früchte  hofft.  Aus  der 
Grösse  der  Vergangenheit  schöpft  man  den  Glauben  an  die  Grösse  der 
musikalischen  Zukunft  und  könnte  es  kaum  fassen,  dass  die  Reihe  musikalischer 
Geister  in  Deutschland  plötzlich  abbrechen  könnte.  Was  auch  Mächtiges 
und  Tiefes  gesagt  worden  ist,  jede  Generation  glaubt  ein  Recht  darauf  zu 
haben,  dass  sich  das  Gemüt  ihrer  Zeit  in  neuen  künstlerischen  Schöpfungen 
ausspricht.  Sie  wird  grösste  künstlerische  Vergangenheit  für  ein  Werk 
hingeben,  das  ihre  eigene  Blutsfarbe  trägt  und  das  von  jenen  Kräften  be- 
wegt wird,  die  der  Zeit  ihr  besonderes  Gepräge  gaben.  Denn  in  einem 
Werke  von  schwächerer  künstlerischer  Kraft,  worin  Zeitelemente  irgendwie 
wirksam  sind,  wird  etwas  sein,  was  das  Gemüt  der  Leute  unmittelbarer 
ergreift  als  das  mächtigste  Werk  einer  anderen  Zeit. 

Was  wir  heute  klassische  Kunst  nennen  und  aus  Raum  und  Zeit 
hinausheben,  war  einmal  „moderne  Kunst**,  worin  der  Empfindungsgehalt 
einer  Zeit  Form  gewonnen  hat.  «Kein  Dichter  ist  gross  geworden,  der 
nicht  vom  Pathos  seiner  Zeit  ergriffen  den  Grundgehalt  seines  Werkes  mitten 
aus  der  Gegenwart  nahm"  (Friedrich  Theodor  Vischer).  Deshalb  wurden  die 
Bilder  italienischer  Maler  in  festlicher  Prozession  in  die  Kirche  getragen: 
unter  Glockenschal],  mit  brennenden  Kerzen  geleitet,  unter  Vorantritt  der 
geistlichen  und  weltlichen  Obrigkeit.  Deshalb  war  jede  Aufführung  eines 
neuen  Schillerschen  Dramas  ein  bejubeltes  Fest.  Goethes  „Werther**  war 
das  Buch  ä  la  mode,  der  „demier  cri**,  der  Gipfel  der  Modernität.  Die 
Aufführungen  von  Mozarts  „Entführung*,  „Don  Juan,"  „Zauberflöte"  sind 
die  echten  Sensationserfolge  gewesen.  Man  denke  bei  der  „Zauberflöte" 
an  die  bekannten  Verse  in  Goethes  „Hermann  und  Dorothea".  Beethovens 
Werke,    mit   Ausnahme   jener   der   letzten   Periode,   waren   das    moderne 


24 
DIE  MUSIK  III.  1. 


Bildungsgut  der  Musiker  jener  Zeit.  Alle  jene  Werke  grosser  Meister 
haben  die  geistigen  Strahlen  ihrer  Zeit  in  einem  Brennpunkte  gesammelt 
und  was  sie  von  den  Eintagserfolgen  in  Novellistik  und  auf  Bühnen  unter- 
scheidet, war,  dass  sie  alle  Strahlen  ihrer  Zeit  aufgefangen,  die  Werke 
der  kleinen  modernen  Talente,  einen  oder  wenige  Strahlen  gesondert  in 
ihren  Brennspiegel  geleitet  haben.  Wie  alle  grossen  Kunstler  standen 
unsere  Klassiker  in  Mitte  des  geistigen  Lebens  ihrer  Zeit;  sie  waren  Moder- 
nissimi.  An  Stelle  des  akademischen  Begriffes  von  klassischen  Künstlern 
und  klassischer  Kunst,  der  nach  der  Studierstube  und  der  Lehrkanzel 
riecht,  wollen  wir  lieber  einen  lebendigen  Begriff  setzen:  wir  denken  uns 
unsere  Klassiker  als  Künstler,  die  ihrer  Zeit  und  ihrer  Generation  die 
Zungen  gelost,  die  für  das  Grundgeffihl  ihrer  Zeit  das  rechte  Wort,  das 
rechte  Bild,  die  rechte  Weise  gefunden  haben,  die  rerum  novarum  cupidi 
das  Neue  durch  ein  Neueres  zu  überbieten  im  Sinne  hatten. 

Auch  im  kleinsten  Talente  einer  Zeit  ist  etwas  von  ihren  Grund-  und 
Triebkräften  wirksam.  Das  Genie  fasst  alle  zusammen.  Jene  bereiten  vor; 
dieses  schliesst  ab.  Nicht  immer  ist  der  Wert,  den  wir  einem  Künstler  geben, 
weil  in  seinen  Werken  Stimmungen,  Strebungen  der  Zeit  zuerst  und  eigen- 
artig Form  gewinnen,  gleich  mit  dem  ästhetischen  Wert  dieser  Werke.  Für 
diesen  sprechen  nur  die  Geschlossenheit  des  Baues,  die  Kraft  der  Erfindung, 
die  Harmonie  aller  inneren  Kräfte.  Sie  können  auch  fehlen  und  der  Künstler 
erhält  Rang  und  Würde,  weil  er  zuerst  einen  neuen  Weg  betreten,  einen  neuen 
Blick  eröffnet.  Wir  ehren  den  gewaltigen  Geist,  die  Kraft  und  die  Danteske 
Erfindung  Giottos,  wenngleich  er  in  Zeichnung  und  Komposition  auch  hinter 
kleineren  Talenten  der  späteren  Zeit  zurückstehen  mag.  .Fragmentarische 
Genies'  —  um  ein  schönes  Wort  Vischers  zu  gebrauchen  —  wie  Grabbe 
oder  Brückner  schätzt  man  der  eigenen  Kraft  wegen,  von  der  sie  beherrscht 
werden,  die  sie  nicht  beherrschen.  Die  Kunstgeschichte  ist  voll  von 
Talenten,  die  für  ihre  Zeit  nicht  durch  ästhetische  Vollendung,  sondern 
durch  Modernität,  durch  einen  neuen  Klang,  eine  neue  Farbe  wichtig  ge- 
worden sind.  Man  denke  in  der  Geschichte  des  Sturm  und  Drangs  an 
Klinger,  in  der  Geschichte  der  modernen  Malerei  an  Manet.  Man  wird 
diese  Art  von  Talenten,  Anreger,  nicht  Vollender,  in  allen  Frühlingsstürmen 
einer  neuen  Kunst  am  Werke  finden.  Gerade  bei  Künstlern  dieses  Schlages 
schwankt  das  Urteil  der  Zeit.  Die  einen,  denen  das  Gewürz  der  Moder- 
nität scharf  auf  der  Zunge  brennt,  die  Feinschmecker  artistischer  Genüsse, 
die  an  allen  primeurs  Freude  haben,  rühmen  die  Neuheit  und  Originalität 
dieser  Künstler  aufs  höchste;  die  anderen,  ästhetische  Richter,  die  vom 
Begriff  des  Kunstwerkes  innere  Geschlossenheit  und  Vollendung  nicht 
trennen  können,  urteilen  scharf  und  abRllig.  Jene  preisen  das  Moderne, 
Neue,  diese  tadeln  das  ästhetisch  Unvollkommene.     Beide  bedenken  meist 


25 
GRAF:  Ober  das  moderne  in  der  MUSIK 


nicht,  dass  es  nur  dem  grossen  Genie  gegeben,  ein  Auszug,  die  Schluss- 
summe seiner  Zeit,  ein  Inbegriff  aller  Modernität  und  zugleich  die  höchste 
künstlerische  Vollendung  in  einem  zu  sein.  Mehr  Dank  wird  meist  jenen 
Talenten  zuteil,  deren  Werke  eine  gewisse  ästhetische  Vollendung  und 
Rundung  aufweisen,  ohne  dass  vom  Blutkreislaufe  der  Zeit  ein  einziges 
Äderchen  ihren  Werken  ein  Tröpfchen  Blut  zuführte.  Jene  früher  ge- 
schilderten Künstler  haben  Gehalt,  aber  keine  Form;  diese  Form,  aber  keinen 
Gehalt.  Diese  schildert  Goethe  mit  den  Worten :  „  Es  werden  jetzt  Produktionen 
möglich,  die  Null  sind  ohne  schlecht  zu  sein:  Null,  weil  sie  keinen  Gehalt 
haben;  nicht  schlecht,  weil  eine  allgemeine  Form  guter  Muster  den  Verfassern 
vorschwebt.  *"  Sie  haben  die  Form  des  Künstlers,  ohne  die  künstlerische  Person- 
lichkeit.     Ästhetische  Schwäche;  jene  anderen  beseelt  ungebundene  Kraft. 

Es  ist  wohl  die  Regel,  dass  die  geistigen  Kräfte  einer  Zeit,  die  sich 
in  den  Werken  der  modernen  Talente  zerteilen,  oft  auch  bekämpfen,  von 
grossen  genialen  Persönlichkeiten  zusammengefasst  und  vereinigt  werden. 
Aller  Farbenzauber,  aller  sinnliche  Reiz,  alle  poetische  Kraft  der  vene- 
zianischen Malerschule  haben  schliesslich  die  Werke  Tizians  zusammen- 
geballt. Alle  Kunst  der  deutschen  Organisten,  alle  Herrlichkeiten  der 
Choral-  und  Passionsmusik  hat  sich  in  Joh.  Sebastian  Bach  eingefleischt. 
Der  Geist  der  französischen  Aufklärungs-  und  Encyklopädistenzeit  in  Voltaire. 
Der  Geist  der  französischen  Revolution  in  Napoleon.  Sturm  und  Drang 
haben  zu  unseren  Klassikern  geführt.  Aber  es  ist  auch  möglich,  dass 
eine  Reihe  kleinerer  Talente  sagt,  was  eine  Generation  fühlt  und  denkt 
und  die  Zeit  doch  nicht  Kraft  genug  findet,  den  grossen  Zusammenfasser, 
das  Genie,  zu  zeugen.  So  haben  die  literarischen  Bestrebungen  einer  so 
reichen  Zeit,  wie  es  die  Renaissance  war,  schliesslich  in  keiner  genialen 
Persönlichkeit  ihre  letzte  Ansprache  gefunden.  Die  deutsche  Romantik 
hat  ihre  Gebrüder  Schlegel,  ihren  Tieck,  Novalis,  Wackenroder;  aber 
keinen,  in  dem  alle  Zuflüsse  dieser  Zeit  sich  wie  in  einem  starken  Strome 
vereinigt  hätten.  Eine  Generation  später  hat  das  junge  Deutschland  seinen 
Gutzkow,  Laube,  Wienbarg,  aber  keinen  abschliessenden  Geist.  Wieder  eine 
Generation  später  eine  neue  literarische  Umwälzung,  Sudermann,  Haupt- 
mann; und  dürfen  wir  es  aussprechen,  dass  auch  hier  alle  geistigen  Be- 
strebungen wieder  auseinanderdrängen,  ohne  den  gemeinsamen  Halt  einer 
grossen  genialen  Persönlichkeit  gefunden  zu  haben?  Es  ist  wie  ein  Feuer- 
werk, das  unregelmässig  Feuer  fängt:  Raketen  sausen  in  die  Luft,  Räder 
glühen,  feurige  Schlangen  zischen.  Bald  lodert  es  hier,  bald  dort  auf, 
zischt  und  glüht  durcheinander,  aber  aller  Feuerzauber  fügt  sich  nicht  nach 
dem  Plane  zur  Figur. 

Zu  allen  Zeiten  der  Kunstgeschichte  finden  sich  Klagen  der  Künstler 
und  der  Männer  vornehmen  Geschmacks  über  sogenannte  « falsche  I^ichtungen 


26 
DIE  MUSIK  III.  1. 


der  Kunst*.  Über  künstlerische  Strömungen,  die  ernsthaftere  und  tiefere 
Bestrebungen  verdrängen.  Die  Italienerherrschaft  zur  Zeit  Mozarts,  der 
Rossinitaumel  zur  Zeit  Beethovens  sind  Beispiele  davon. 

In  allen  solchen  geistig-kfinstlerischen  Bewegungen  steckt  aber  immer 
doch  ein  echtes  bewegendes   Prinzip.     Irgendwie  müssen   die  neuen  Be- 
strebungen, der  neue  Empfindungsgehalt  einer  Zeit  hier  ihre  Farbe  zurück- 
gelassen haben.    In  ihrem  Wesen  haben  alle  sogenannten  falschen  Richtungen 
etwas  mit  der  Art  der  Maximen  und  Paradoxen  gemein.    Wie  diese  mischen 
sie  Teile  des  Wahren  und  solche  des  Falschen;  sie  sagen  die  Wahrheit  in  einer 
Art,  die  an  die  Lüge  streift;  sie  blenden  durch  eine  geistreich  vorgebrachte 
Wahrheit  und  durch  eine  geistreich  verschwiegene  Unwahrheit.    Rossini  warf 
alles  durch  seine  blühende  Sinnlichkeit  nieder;  aber  die  Sinnlichkeit  ist  ein 
echtes  Kunstelement,  da  jede  Kunst  durch  Sinnliches  auf  Geistiges** wirkt. 
Es  ist  leicht,  über  diese  „falschen  Richtungen*  zu   jammern.     Schwerer 
ist  es,   die  neuen,   modernen   Elemente   darin    aufzufinden,   zu    sammeln 
und   in^l^grosse,   echte   Kunst   zu    verwandeln:    wie    es   Mozart    mit   der 
italienischen  Oper,  wie  es  Wagner  mit  Meyerbeer  getan  hat.     Auch  Zeiten 
künstlerischer  Reaktion  sind    ebenso  zu   betrachten.    Jede  neue,  geistige 
Mode   ist  tyrannisch   und   einseitig.     Indem  sie  einen  Teil  der  Elemente 
einer  Zeit  an   sich  zieht  und  ihnen  einen  eigentümlichen  künstlerischen 
Ausdruck  gibt,  vernachlässigt  sie  andere  Elemente  der  Zeit,  deren  Wichtig- 
keit^für  das  Kunstschaffen  sie  unterschätzt.    Dafür,  dass  diese  im  geistigen 
Haushalte  der  Kunst  nicht  verloren  gehen,  sorgen  Künstler,  die  sich  schein- 
bar ihrer  Zeit  entgegenstellen,  und  doch  für  künftige  Geschlechter  sorgen. 
In  der  Geschichte   der  neueren  Musik  ist  Johannes  Brahms   ein  solcher 
Mann.     Immer  aber  ist  daran  zu  erinnern,  dass  die  grossen  Genies,   die 
erst  die  Zeiten   beherrschen,  den  ganzen  Grundgehalt  ihrer  Epoche  aus- 
schöpfen,   mit    allem    Gegensätzlichen    und    einander    widersprechenden 
Elementen.     So   findet   sich   bei  Bach   und  Beethoven  der  ganze  Formen- 
gehalt ihrer  Zeit  und  der  kühnste  neue  Geist:  Konservatives  und  Revolu- 
tionäres.    Sie   sind  die  kühnen,  verwickelten  Rechenexempel,   die  höhere 
Mathematik  der  Natur.  In  so  vielfachen  Verhältnissen  können  die  modernen 
künstlerischen   Bestrebungen  zu  den  geistigen  Strömungen  einer  Zeit  er- 
scheinen.   Sie  können  sie  ganz  zusammenfassen,  in  Teilen  enthalten,  sie 
können  Widersprechendes  mischen  und  so  immer  zu  neuen  Bildern   zu- 
sammenfiiessen.    Der  Reichtum  an   künstlerischen  Individualitäten  stammt 
hieraus.     Und  wie  alle  Farben  aus  den  vielfachen  Spaltungen  eines  Licht- 
strahles entstehen,  alle  Töne  aus  den  vielfachen  Schwingungen  eines  und 
desselben  Mittels,  sind  alle  künstlerischen  Ausdrucksformen  einer  Zeit  nur 
Varianten  ihres  geistigen  Gehaltes. 


^s  ist  den  Freunden  Hoffmanns  bekannt,  dass  nach  seinem  Tode 
1822  sein  gesamter  literarischer,  musikalischer  und  künst- 
\  leriscber  Nacblass  an  den  damaligen  Kriminalrat  Julius  Eduard 
I  Hitzig  übergeben  worden  ist.  Die  Musikalien  habe  ich  in  Heft  18 
des  I.Jahrgangs  der  , Musik"  verzeichnet  (S.  1664 — 1666);  über  die  sonstigen 
Papiere  findet  man  das  Nlhere  im  .Euphorion'  Bd.  IX,  Heft  2/3  (S.  360 
bis  372).  Über  eins  der  wichtigsten  Manuskripte  konnte  ich  damals  jedoch 
noch  keine  Auskunft  geben,  da  es  offenbar  frühzeitig  von  der  übrigen  Nach- 
lassmasse getrennt  worden  ist.  Es  ist  das  eine  allgemeine  Kladde  Hoff- 
manns,  deren  Einträge  vom  9.  August  1803  bis  zum  1.  September  1808 
reichen;  neben  den  Briefen  an  Hippel  ist  dieses  Buch  die  Hauptquelle  für 
die  letzten  fünf  Jahre  vor  dem  Beginn  von  Hoifmanns  ernsthafter  Schrift- 
siellerei.  Ich  habe  es  vor  kurzem  aus  Joseph  Kürschners  Nachlass  er- 
worben und  gebe  in  diesen  Wochen  im  .Euphorion'  eine  genaue  Inhalts- 
angabe davon,  auf  die  ich  die  Liebhaber  verweisen  muss. 

Unter  anderem  enthSIt  diese  Kladde  ein  Tagebuch  Hoffmanns  aus 
dem  Winter  1803/4.  Hoffmann  war  damals  Rat  an  der  Regierung  (=^  Ober- 
landesgericht) in  Plock;  er  ist  aber  einen  Monat  lang  auf  Reisen.  Am 
21.  Januar  1804  ßhrt  er  ab  nach  Königsberg,  um  Verwandte  zu  besuchen; 
am  24-,  seinem  28.  Geburtstage,  kommt  er  an,  und  am  8.  Februar  schreibt 
er  ins  Tagebuch:  .Einen  sehnlich  von  Hippel  erwarteten  Brief  erhielt  Ich 
Nachmittags  und  antwortete  auf  der  Stelle,  dass  ich  den  15.  d.  M.  ab- 
reisen würde.*  Unterm  15.  lesen  wir  dann:  .Abreise  von  Königsberg  Morgens 
9'/,  Uhr;"  am  16.:  .Morgens  halb4  Uhr  in  Preulssi]sch  Mark  —  fand  Pferde 
vor  von  Hippel  —  um  1  Ubr  Mittags  angekommen;"  dann:  .d.  17.,  18., 
19.,  20.  in  Leistenau  [Hippels  Gut],  d.  21.  Abends  um  11  Uhr  in  Plock.* 
Am  28.  berichtet  er  Hippeln  in  einem  Briefe  von  köstlicher  Laune 
über  die  Rückreise,  die  Nachhausekunft  und  seine  Beschäftigungen  in  den 
acht  Tagen  seitdem.  .Auf  mich,"  heisst  es,  .hat  unser  Beysammenseyn 
diesmahl  mit  besondrer  energischer  Kraft  gewirkt;  ...  es  ist  als  müsse  sich 
bald  was  grosses  ereignen  —  irgend  ein  KunstProduckt  müsse  aus  dem  Chaos 
hervorgehen!  —  ob  das  nun  ein  Buch  —  eine  Oper  —  ein  Gemähide 
seyn  wird  —  quod  diu  plaeebü  —  meinst  Du  nicht,  ich  müsse  noch  ein- 


28 
DIE  MUSIK  111.  1. 


mahl  den  GrossKanzler  [Beyme]  fragen,  ob  ich  zum  Mahler  oder  zum 
Musikus  organisirt  bin?  —  Aber  —  um  dem  Dinge  näher  zu  kommen  — 
gestern  habe  ich  eine  komische  Oper  gemacht  und  heute  Morgen  —  es 
war  noch  finster  —  ungeRhr  5  Uhr  —  die  Musik  dazu  —  Aufgeschrieben 
ist  noch  nichts,  das  wird  wohl  auch  noch  etwas  länger  dauern.  —  ...  Nun 
[noch]  ein  Plänchen!  —  Der  Riese  Gargantua  muss  ausgearbeitet  werden .  .* 

Am  10.  März  erhält  er  das  lang  ersehnte  Reskript,  das  ihn  an  die 
Regierung  (Oberlandesgericht)  in  Warschau  versetzt.  Von  dort  schreibt 
er  Hippeln  am  14.  Mai:  ^Ich  bin  in  Warschau  angekommen  .  .  .  und  schwitze 
jezt  über  Vorträgen  und  Relationen I  Sic  eunt  fata  hominum!  —  Schrift- 
stellern und  komponiren  wollte  ich  .  .  .  und  nun?  —  Erschlagen  von  acht 
und  zwanzig  voluminibus  ConkursAkten  wie  von  Felsen,  die  Zeus'  Donner 
herabschleuderten,  liegt  der  Riese  Gargantua,  und  der  Renegat  ächzt  unter 
der  Last  dreyer  Todtschläger,  die  zur  Festung  bereit  noch  den  lezten  ffirchter- 
lichsten  Todtschlag  begehen."  —  Zu  dem  Worte  «Renegat*  setzt  Hoifmann 
die  Fussnote:  „Der  Renegat  —  eine  komische  Oper,  die  der  geistvolle  Verfasser 
des  Riesen  Gargantua  mit  unerschöpflicher  Laune  dichtet  und  die,  wird 
sie  wills  Gott  im  Jahre  1888  vollendet,  alles  übertreffen  wird,  was  der 
Stümper  Goethe  jemahls  in  dieser  Art  schrieb!  — * 

Das  Jahr  1888  ist  seitdem  verstrichen,  aber  Gott  hat  die  Vollendung 
nicht  gewollt,  ja  selbst  die  Anfänge  sind  bis  jetzt  unbekannt  geblieben. 
Hoifmann  hat  nämlich  im  März  die  ersten  vier  Scenen  und  den  Anfang 
der  fünften  in  unsere  Kladde  hineingeschrieben;  später,  als  er  die  Vollen- 
dung aufgegeben,  hat  er  angefangen,  dahinter  ein  neues  Singspiel  „Faustina* 
zu  schreiben,  das  aber  noch  weniger  weit  gediehen  ist.  Als  Hitzig  1832 
aus  den  ihm  vorliegenden  Aufzeichnungen  Hoifmanns  und  den  reichhaltigen 
Mitteilungen  Hippels  seine  Sammlung  „Aus  Hoifmanns  Leben  und  Nachlass* 
kompilierte,  gab  er  auch  verschiedene  Proben  aus  unserem  Buch,  darunter 
den  Inhalt  des  „Renegaten*  und  das  Personate  der  „Faustina*  (er  sagt 
aber  keineswegs,  wie  man  seltsamerweise  allgemein  aus  seinen  Worten 
herausgelesen  hat,  dass  HofTmann  die  Stücke  auch  komponiert  habe). 
Seitdem  ist  nichts  mehr  von  diesen  Versuchen  Hoifmanns  verlautbart;  da 
es  aber  die  einzigen  Fälle  sind,  in  denen  der  Komponist  Hoffmann  es  unter- 
nommen hat,  sich  einen  Text  zu  schreiben,  wird  es  wenigstens  ein  Kuriositäts- 
interesse haben,  die  Fragmente  kennen  zu  lernen.  Es  sind  zugleich  ausser 
der  „Prinzessin  Blandina*  die  einzigen  dramatischen  Versuche  Hoffmanns, 
deren  Text  auf  uns  gekommen  ist;  man  wird  die  Verwandtschaft  zwischen 
der  gleichfalls  unvollendeten  „Blandina*  und  dem  „Renegaten*  nicht  ver- 
kennen. Wir  geben  die  Stücke,  wie  sie  in  der  ersten  und  einzigen  Nieder- 
schrift dastehen,  nur  in  der  Interpunktion  ist  nachgeholfen;  vorher  erinnern 
wir   den    kritischen   Leser   noch    daran,   dass   der   unruhige   Ehrgeiz   des 


20 
MÖLLER:  SINGSPIELE  VON  E.  T.  A.  HOFFMANN 


7. 
Introduzzione 


(Gegend  an 


28jährigen  Universaldilettanten  in  erster  Linie  auf  Malerei  und  Musik,  erst 
danach  auf  literarische  Produktion  gerichtet  war. 

Der  Renegat. 

Ein  Singspiel  in  zwey  Aufzögen.    Mira  1S04. 

Personen: 
Der  Dey  von  Algier.  Elisa,  St.  Cyrs  Gattin. 

Ebn  Ali,  Renegat,  Franzose  von  Geburt.      Bellora,  Ebn  Alis  Tochter. 
St.  Cyr.  Sklavinnen  im  Serail  des  Deys 

Joseph.  Wachen. 

Die  Handlung  ist  in  Algier. 

Erster  Aufzug. 
Erste  Szene. 

den  Gärten  des  Harems  —  Aussicht  nscb  dem  Meer.)     St.  Cyr  sizt  In 
Gedanken  vertieft  unter  einem  CypressenBsum. 

Rezitativ. 
Sie  zu  verliebren!  ^  sie  nicht  wiedersehn! 
Entsezlicher  Gedanke!  —  Quaal  die  mich 
Mit  nahmenloser  Folter  ingstigtl 
Soll  ich  verzweifeln?  —  Soll  ich  hoffen?  — 

A  tempo. 

Himmlische  Ahndung 

Lindert  die  Schmerzen. 

Wecket  im  Herzen 

Göttliche  Lust! 

Wiedersehns  Wonne 

Trockne  die  Thrinen 

Stille  das  Sehnen 

Klopfender  Brust! 
Doch  wie  wenn  jezt  aufs  neue  mich 
Das  Schicksal  grausam  tauschte  —  wenn  auch  hier 
Zu  meiner  Marter  mich  der  Ozean 
Ans  Land  gespien!  — 

(hervortretend)  Triumph  mein  Freund ! 

Gewonnen  ist  das  Spiel  —  gefunden! 
Wie  —  Freund  --  Elisa,  meine  Gattin?  —  sprich! 
Glaub  mir  mein  Freund!  sie  ist  nicht  fem 
Wo  —  wo? 

Wir  sind  am  Harem  hier  des  Dey's 
Dort  wo  der  Palmbaum  seine  lange  Schatten 
Ins  Thal  wirft.    Dort  erklimte  ich  die  Mauer 
Gesang  —  der  Schall  von  Instrumenten  lockte  mich 
Lustwandelnd  gingen  Weiber  auf  und  ab  — 
Und  unter  ihnen  eine 
St.  Cyr  Wie  —  Elisa?  —  O! 

Joseph      Sie  glich  ihr  ganz  an  Wuchs  und  Stellung, 

Sie  war's! 
St.  Cyr  O  Himmel! 


Joseph 


St 

Cyr 

Joseph 

St. 

Cyr 

Joseph 

30 
DIE  MUSIK  III.  1. 


Joseph 


St.  Cyr 


Joseph 

St.  Cyr 
Joseph 


St.  Cyr 


Joseph 
St.  Cyr 

Joseph 


St.  Cyr 
Joseph 


St.  Cyr 
Joseph 


»  zu  zwey 


Duett. 
Sie  hab  ich  gefunden 
Die  Gattin,  die  holde! 
Es  heilen  die  Wunden, 
Es  endet  der  Schmerz! 
Voll  trunknem  Entzucken 
Werd  ich  sie  umfkssen, 
Sie  feuriger  drficken*) 
Ans  pochende  Herz! 
Du  hast  sie  gefunden 
Die  Gattin,  die  holde! 
Es  heilen  die  Wunden, 
Es  endet  der  Schmerz! 
Voll  trunknem  Entzücken 
Wirst  Du  sie  umfassen, 
Sie  feuriger  drücken 
Ans  pochende  Herz! 

Aber  lass   mich   meinen    Rausch   missigen  —  sage  mir, 

Joseph,  sollte  Elisa  wirklich  im  Harem  des  Deys  seyn? 

Ach,  nur  zu  sehr  fürchte  ich   den  bittern  Schmerz  der 

neuen  Täuschung! 

Freund!  —  die  augenscheinliche  Gewissheit  dass  Elisa  hier 

seyn  rouss  brachte  uns  ja  her,  hast  Du  das  vergessen? 

Aber!  — 

Als  kaum  aus  dem  Hafen  von  Toulon  ausgesegelt  uns  der 

Caper  aufstiess,  schrien  nicht  alle  Matrosen:  »Ein  Algierer 

—  ein  Algierer!*  —  Die  Bauart  des  Schiffs  ~  die  Flaggen 

—  das  Geschrey  beym  Entern  — 

O  Joseph,  es  war  ein  schrecklicher  Moment.  Nur  vor 
wenig  Tagen  auf  den  höchsten  Gipfel  des  Glücks  empor- 
gehoben —  im  Genuss  der  süssesten  Freuden  des  Lebens 

—  O  Barbaren!  — 

Aber  geschlagen  haben  wir  uns  wie  die  Löwen  —  kam 
nur  die  Fregatte  fk^her  zu  Hülfe!  — 
Ach  zu  spit  —  der  blutdürstige  Geyer  flog  ja  schon,  die 
schuldlose  Taube  in  den  Klauen,  mit  rauschendem  Fittig 
davon ! 

Pah!  —  wir  wollen  ihm  schon  wieder  die  Beute  entreissen; 
das  müssten  wir  denn  doch  bleiben  lassen,  bitte  Sir  Elwis 
nicht  ein  gut  Wort  für  uns  eingelegt! 
Was? 

Ich  meine  in  Sir  Elwis  ZwölfPfündem  lag  eine  über- 
redende Kraft  die  den  Muselmann  von  unsem  Ansprüchen 
auf  die  Freiheit  bald  überzeugte! 

O  wir  ich  mit  dem  Sibel  in  der  Faust  gesunken,  was  ist 
der  Tod  gegen  die  Marter,  von  Elisan  getrennt  zu  seyn! 
Aber  beym  heiigen  Petrarcha  dem  Schutzpatron  winselnder 


*)  [daneben  Korrektur:]  Und  feurig  sie  drücken. 


31 


MÜLLER:  SINGSPIELE    VON  E.  T.  A.  HOFFMANN 


St.  Cyr 


Joseph 


St.  Cyr 
Joseph 
St.  Cyr 
Joseph 

St.  Cyr 
Joseph 
St.  Cyr 
Joseph 

St.  Cyr 
Joseph 

St.  Cyr 
Joseph 

St.  Cyr 
Joseph 


St.  Cyr 
Joseph 

St.  Cyr 
Joseph 

St.  Cyr 

Joseph 
St.  Cyr 
Joseph 


Inamoratos,  eine  lumpige  Mauer,  kaum  zwanzig  Fuss  hoch, 
trennt  Dich  von  Elisan  und  Du  verzweifelst? 
Was  sagst  Du?  —  Ja  sie  ist  hier  —  sie  ist  mir  nah!  — 
in  dem  melodischen  Sausein  des  Abendwindes  hör*  ich 
ihre  Seufzer  —  ich  sehe  sie  —  ihr  Bild  schwebt  mir  ent- 
gegen —  ich  komme,  Elisa,  ich  komme!  —  Von  jenem 
Palmbaum  sagtest  Du?  —  Fort  —  herüber  zu  ihr! 
Schön  —  das  ist  unternehmend!  —  so  lieb  ich's  ~~  Doch 
lass  uns  eins  bedenken! 

O  bedenken  —  bedenken!  —  Du  hast  nie  geliebt. 
Doch  ist  es  wichtig. 
Nun  so  sage.  — 

Der  Dey  hat  es  nicht  gern,  wenn  ihm  fremde  Leute  in  den 
Garten  springen! 
Was  thut  das  zur  Sache? 

Noch  weniger  lieb  ist  es  ihm,  wenn  sie  seine  Weiber  stehlen! 
Seine  Weiber  —  ist  Elisa  sein  Weib? 
Die  Begriffe  mein  und  dein  drehen  sich  hier   um  einen 
Beutel  Zechinen  I 
Du  durchbohrst  mir  das  Herz! 

Will  nichts  bedeuten,  ist  nur  eine  Redens  Art  dagegen,  wie 
es  der  Dey  mit  dem  Durchbohren  hilt! 
Du  machst  mich  ungeduldig! 

Es  komt   auf  einen   kleinen  Verzug  nicht  an   —   in  der 
nächsten  Minute  springen  wir  über  die  Mauer,  in  der  folgen- 
den fangen  uns  die  Schwarzen,  und  in  der  dritten  sind  wir, 
hohl  mich  der  Teufel,  beyde  gespiesst. 
O  süss  —  willkommen  ist  der  Tod  für  die  Geliebte! 
Schön  gesagt  —  eine  von  den  Phrasen  die  in  jedem  empfind- 
samen  Roman   immer  mit  demselben   Glück  wiederholt 
werden  —  indessen  —  so   am   Pfahle   ändert  sich   denn 
doch  die  Ansicht  der  Dinge. 
Prosaischer  Mensch! 

Die  poetischte  Poesie  reicht  oft  nicht  aus  gegen  die  fatale  pro- 
saische Wirklichkeit  —  ein  durch  den  Magen  gejagter  Pfahl  — 
brrr  —  verdammte  Situation  der  allerfatalsten  Wirklichkeit ! 
Aber  für  Elisa  sterb— 

(ihm  ins  Wort  fallend)  Leben  sollst  Du.  Hier  meine  Hand,  ich 
fahre  Dich  durch  hundert  Pfihle  mit  gesundem  Magen  in 
Elisa's  Arme! 

O   Freund,   Du  warst  schon  einmahl  der   Retter  meines 
Lebens,  jezt  erst  wirst  Du  Deinem  Geschenke  unnennbaren 
Werth  geben! 
Also  vor  der  Hand  springen  wir  nicht  über  die  Mauer? 

Aber  lass  uns  eilig  berathschlagen!  — 

Das  ist  der  Punkt  wo  ich  Dich   hin   haben  wollte 

Allso  —  vor  allen  Dingen  müssen  wir  uns  darüber  voll- 
komne  Gewissheit  verschaffen,  dass  Elisa  wirklich  hier  ist 

—  dann   ^  (man  bdrt  einen  seltsamen  klagenden  Gesang)  ^   Horcl^ 


32 
DIE  MUSIK  III.  1. 


U,  Duetio. 


St.  Cyr 
Joseph 
St.  Cyr 


Beliora 
Ebn  Ali 

Beliora 

Ebn  Ali 


Beliora 


Ebn  Ali 
Beliora 
Ebn  Ali 


Beyde 

Joseph 
Ebn  Ali 
St.  Cyr 
Joseph 

St.  Cyr 


Joseph 

Beliora 
Ebn  Ali 


was  ist  das  fOr  ein  Singsang  —  (der  Gesang  bebt  wieder  an)  I  Do 

mein  Gott  •—  ich  glaube  sie  halten  einen  Umgang  gegen 

alle  Ratten  und  Mause  in  ganz  Algier! 

Sieh  da  —  ein   alter  Muselmann  windet  sich   aus  dem 

Gebüsch ! 

Ha  —  ein  allerliebstes  bildschönes  Mädchen   hinter  ihm 

—  Aurora  und  Thiton! 

Lass  uns  bey  Seite  treten  —  (Sie  entfernen  sich) 

Zweite  Szene. 
Ebn  Ali,  Beliora,  die  Vorigen. 

(Ebn  Ali  hat  eine  auffemachte  Rolle  vor  sich) 

Duett. 

Hihi  —  hi  —  ahi  —  ahi  — 

Still!  —  halte  ein 
Kannst  du  durchaus  den  Ton  nicht  Ikssen? 
Ach  lassts  genug  für  heute  seyn, 
Ich  kann  nicht  mehr! 

Bey  meinem  Bart 
Man  hört  den  Sang  auf  allen  Strassen, 
Und  mein  gelehr'ges  Töchterlein, 
Die  kan  durchaus  den  Ton  nicht  fassen! 
Mein  guter  Vater,  seyd  nicht  hart! 
Ich  will  ja  singen,  nur  gelassen 
Hört  mich  jetzt  an! 

Fort  dann! 
Hihi  —  ahi  —  ahi  —  ahi 
Schön  —  gut  jetzt  geht  es  besser  schon 
Du  wirst  die  erste,  ich  will  wetten 

—  Nur  mehr  geschluchzt!  —  Ha,  beym  Propheten, 
Das  ist  fürwahr  der  rechte  Ton! 

Hihi  --  hi  —  ahi  —  ahi  ahi 

(St.  Cyr  und  Joseph  treten  hervor.) 

Nun  möcht*  ich  in  aller  Welt  wissen  — 
Was  für  Fremdlinge! 

—  Joseph  —  das  ist  der  Corsar,  der  uns  alles  raubte! 

—  Beym  Himmel!  —  nun  der  Kerl  hat  zwey  Leben,  sank 
er  nicht  unter  meinen  Streichen!  — 

(auf  Ebn  All,  der   Im    Begriff  war  fortzugehen,  mit  gezogenem   Stilef  los- 

stQrzend)    Halt  —  Barbar  —  Gieb  mir  Elisa  wieder!  —  wo 
ist  sie  —  mit  deinem  Leben  sollst  du  den  Raub  büssen 

—  Gieb  mir  Elisa  wieder! 

(zieht  sein  Stiiet)  Unsere  Diamanten  —  unsere  Stoffb  —  unser 

Gold,  oder  Du  bist  des  Todes! 

(wirft  sich  vor  Ebn  All)  Mein  Vater  —  haltet  ein! 

(sie  wegschiebend)  Fort  da!  —  Nun  —  stossetzu,  Fremdlinge, 

mordet  einen  wehrlosen  Mann  —  ihr  werdet  viel  dabey 


53 
MÜLLER:  SINGSPIELE  VON  E,  T.  A.  HOFFMANN 


Joseph 
St.  Cyr 


Joseph 


St  Cyr 

Josejph 

St  Cyr 

Ebn  Ali 

St  Cyr 

Ebn  Ali 

Joseph 
St  Cyr 


Ebn  Ali 


III.  I. 


gewinnen!  —  eure  Diamanten,  euer  Gold,  eure  Weiber  zwar 
nicht,  die  sind  in  Sicherheit,  aber  dem  Block,  dem  könt 
ihr  nicht  entgehen!  —  ein  Schrey,  und  ihr  seyd  von  den 
Wachen  des  Deys  umringt  —  Nun,  was  stdht  ihr  so  un- 
entschlossen da?  — 
(zu  St.  Cyr)  Das  war  dumm ! 

(zu  Joseph)  Wir  müssen  ihn  besänftigen  —  (Uu^  zu  Ebo  Ali)  Du 
warst  es,  unmenschlicher  Barbar,  der  mir  meine  Elisa,  mein 
Alles  geraubt  hat  — 

(zu  St.  Cyr)  Zum  Henker,  was  willst  Du  mit  diesem  barschen 
Ton,  denke  an  den  Block! 
Ich  denke  an  Elisa! 

(zu  Ebn  AU)  Mit  Erlaubniss,  irr'  ich  nicht,  so  machte  ich  schon 
an  einem  ziemlich  heissen  Tage  Ihre  werthe  Bekanntschalft 
Rede  —  sprich  —  Du  warst  es,  der  mir  Elisa  raubte! 
(kalt)  Ich  war's! 

O,  wo  ist  sie,  wo  ist  sie  —  ich  beschwöre  dich! 
Hast  du  scharfe  Augen,  Fremdling?  ~  Komm  her  —  steir 
dich  auf  diese  Anhöhe,  kanst  du  mit  deinem  Blicke  die 
dreylkcbe  Mauer  des  Harems  durchdringen^  so  wirst  du 
deine  Angebetete  sehen,  wie  sie  berausgepuzt,  wie  es  der 
Favorite  ziemt,  weint  und  schluchzt  und  zwiiichen  ein  die 
Conflturen  in  den  Mund  stekt,  welche  der  verliebte  Dey, 
vor  Lachen  Ikst  berstend,  ihr  selbst  reicht!  : 
Nun?  —  hab  ich  Recht! 

Du  hast  mir  mehr  als  das  Leben  geraubt,  aber  freilich  den 
Sinn  für  diesen  Schmerz  hat  längst  dein  unmenschliches 
Gewerbe  verhärtet! 

Derley  Reden  bringen  mich  nicht  auf,  die  Menschen  sprechen 
gern  über  die  Dinge  ab,  so  nach  der  Art,  wie  sie  ihnen  ge- 
rade erscheinen  —  Unmenschliches  Gewerbet  (mit  steigendem 
Affeckt)  Ha  sag  mir  doch  wer  ist  unmenschlicher  —  eure 
Anwälde,  die  Harpyen  gleich  auf  die  arme  Clienten,  welche 
kamen  um  des  Rechtes  Beystand  wie  eine  Krämerwaare 
zu  erhandeln,  lossstürzen  und  nicht  ablassen,'  bis  der  lezte 
Heller  in  ihre  Tasche,  weit  wie  ihr  Gewissen,  rinnt,  eure 
Mäkler,  die  den  Bedürftigen  mit  tausend  Fäden  umranken 
und  ihn,  wie  Spinnen  die  gedörrte  Fliege,  ai^sgesogen  aus 
ihrem  Netze  fallen  lassen,  eure  ewig  zögernden  Richter,  eure 
schwelgenden  Geistlichen,  eure  Schmarotzer,  eure  kleine 
Despoten  aus  jedem  Stande,  die  den  Unterdrückten  um 
den  erworbnen  Heller  prellen,  die  mit  lachbndem  Hohn 
ihrem  mühevoll  hingeschlepptem  Daseyn  die  lezte  Hoflbung 
rauben  —  Ha  was  ist  unmenschlicher,  sie  oder  ich,  der 
ich  in  oflber  Fehde  mit  dem  Säbel  in  der  Faust  um  Leben, 
Freiheit,  Güter  kämpfe  —  Hast  du  den  Löwen  auf  meiner 
Flagge  gesehen?  •—  er  kämpft  um  sein  Daseyn  —  auch 
ichl  schleichen,  um  mich  aus  meinem  Nichts  empor  zu 
winden,  wie  jene  Tyrannen,  kann  ich  nicht!  — 

3 


34 

DIE  MUSIK  IIL  V 


Joseph       Was  ist  das? 

St  Cyr  —  Ich  erstaune  —  du  bist  nicht  was  du  scheinsti 
Ebn  Ali  —Nicht  was  ich  scheine?—  Ich  bin  Muselmann^  weil  ich 
die  Christen,  die  mich  hämisch  verfolgten,  die  mir  mehr 
raubten  als  ein  schönes  Weib  und  Gold  —  weil  ich  sie 
hasse  —  ich  bin  Corsar,  weil  ich  kimpfen  muss  um  meine 
Existenz  —  weil  ich  —  doch  genug,  (kaii)  Dein  Weib  ist 
im  Harem  des  DeysI  —  Dein  Gold  habe  Ich!  —  Leidest 
du  Mangel,  so  soll  dir  mein  Diener  Ibrahim  einen  Beutel 
Zechinen  reichen  —  Gehab  dich  wohl!  —  komm  Bellora!  — 

(Ehe  er  abfehc  wirft  er  noch  einen  Blick  nnf  St.  Cf r  uad  bleibt  bcttoaiM» 
•tehen  —  er  ftMf  Ihn  noch  einmahl  schlHiBr  ins  Aufe  and  feht  dann  ab) 
St.  Cyr        (vie  ans  dem  Traume  ervacbend)     Ach,  Joseph,  alle  Hoffhung  iSt 

▼erlohren! 
Joseph      —  Ein  Terfluchter  determinirter  Keri.    Die  Tochter  —  ein 
himmlisches  Mädchen 

Ebn  Ali       (zurfickkehrend,  Bellora  folct  ihm)  (zu  St.  Cyr)    Dein  Schmon  Scheint 

gross  zu  seyn  —  zudem  ist  etwas  in  deinem  Gesichte!  - 
hm!  — 

Bellora  Sey  nicht  so  hart,  mein  Vater,  die  Fremdlinge  sind  un- 
glficklich! 

Ebn  Ali      Ihr  seyd  Franzosen?  —  hm! 

Joseph      (zu  Bellora)  Schöncs  Mädchen,  sey  du  uns  wenigstens  holdt 

Ebn  Ali  Sieh  da  —  eine  Antwort  auf  meine  Frage!  —  bedeutet  Ja! 
Nun  —  was  kan  ich  für  euch  thun,  Messieurs? 

Joseph  —  Uns  Elisa  wiedergeben!  —  das  Gold  behalt,  wir  haben 
neuen  Vorrathl 

St  Cyr      Mir  Elisa! 

Ebn  Ali  Verdammt  wenig  und  verdammt  viel  gefordert  —  Elisa  ist 
Favorite. 

St.  Cyr      O  Himmel! 

Ebn  Ali  Sie  hat  sich  das  durch  ihr  Weinen  und  Schluchzen  zu- 
gezogen ! 

Joseph       Wie  das? 

Ebn  Ali  Ja  seht,  unser  Dey  hat  einen  wunderlichen  Geschmack. 
Seine  Liebe  richtet  sich  nach  dem  Talent  des  Weibes  zu 
schluchzen  —  ein  lachendes  WeiberGesicht  ist  ihm  ein 
Palliativ  gegen  alle  zärtliche  Empfindungen,  ein  Mhlicher 
Gesang  verursacht  ihm  Krämpfe. 

Joseph       Sonderbar! 

Ebn  Ali  So  wie  der  Dey  sich  sehen  lässt^  bricht  der  ganze  Harem 
in  Heulen  und  Schluchzen  aus,  dann  will  er  vor  Lachen 
bersten,  das  hat  der  dicke  Mann  gern  —  Nun,  ihr  habt  Ja 
schon  die  Melodie  gehört! 

St  Cyr      Wann? 

Ebn  Ali  Vor  wenigen  Minuten,  ich  fibte  mit  Bellora  des  Deys 
LieblingsMelodie.    Bellora  ist  für  den  Harem  l>estimt 

Joseph      Wie  —  Eure  Tochter  f&r  den  Harem? 

Ebn  Ali     Für  den  Harem  bestirnt 

St  CJyr        (mit  dem  Tone  dea  Vorwurfa)     CorSSr! 


35 
MÜLLER:  SINGSPIELE  VON  E.  T.  A.  HOFFMANN 


Ebn  Ali 


niQmirtäto 


Joseph 
Ebn  Ali 
St.  Cyr 
Ebn  Ali 
St.  Cyr 
Ebn  Ali 


St.  Cyr 
Ebn  Ali 


Joseph 
Ebn  Ali 


St  Cyr 


Joseph 


Eb 
Be 


n  Ali\ 
llora  j 


St  Cyr  \ 
Joseph ) 

Ebn  Ali 
Bellora 
St  Cyr 
Joseph 
Ebn  Ali 
Bellora 


Heisst  so  viel  als  anedler  niedriger  Mensch  —  nicht  wahr? 

—  Du  bist  sehr  vorlaut,  junger  Mensch!  —  Der  Dey  hilt 
eine  Liste  über  alle  aufblühende  Mädchen  in  Algier!  — 
Bellora  ist  jetzt  vierzehn  Sommer  alt,  stelle  ich  sie  ihm 
nicht  vor,  so  wird  sie  geholt,  und  ich  erhalte  hundert  Hiebe 
«ff  die  Fusssohlen  richtig  zugezählt  —  schluchzt  Bellora 
nicht  gehörig  —  abermals  hundert  ffir  meine  wenige 
Attention  f&r  des  Deys  Wunsche 

(Die  FOsse  hebend)     Puh!  —  ich  f&hle  Sie!  — 

(mit  Ironie)    Mitleidge  Seele  —  (zu  St.  Cyr)  wie  heisst  du? 

St  Cyr. 

Gebfirtig? 

Aus  der  Provence. 

(bey  Seite)  Alles  trifft  ZU  —  (laut)  Mein  Freund,  Hinsicht  deines 

ehrlichen  Gesichtes  will  ich  glauben,  du  seyst  besser  als 

viele  deines  Gleichen  (auf  josepii  zeigend)  diesen  ausgenommen 

(zu  josepii)  Da  hast  du  meine  Hand  löwenkfihner  Jfingling 

—  (sicii  ans  Hinteriiaupt  fasaend)  's  war  eine  verteufelte  Kopfwunde 

—  nun  sie  ist  geheilt  —  (zu  st.  Cyr)  Du  sollst  Elisa  sehen 

—  sie  sprechen 
Gott! 

Alles  fibrige  sey  in  deine  Hand  gelegt  —  ich  werde  dich 
als  einen  französischen  Schauspieler  bey  dem  Dey  ein- 
führen! — 

Ha,  er  wird  dem  Charakter  Ehre  machen,  solche  schmachtende 
Inamoratos  sind  Schauspieler  von  selbst! 
Wahr  gesprochen  —  nun  in  einer  Stunde  siehst  du  Elisa!  •— 

Quartett 

Sie  sehn!  —  welch  ein  Gedanke!  — 

(zu  joaepii)  O  Freund,  ein  neues  Leben 

Durchströmt  mit  sanftem  Beben 

Die  hoflbungsvolle  Brust! 

(zu  St.  Cyr)    Jezt  Isss  uns  alles  wagen! 

Den  Sieg  davon  zu  tragen 

Ist  hohe  Götterlust! 

(bd  Seite)  Wie  borg*  ich  die  Bewegung? 
Des  Herzens  sanfte  Regung 
Zieht  mich  zum  Fremdling  hin! 
Welch  Flfistem,  welche  Blicke? 
Hat  schon  des  Schicksals  Tücke 
Geändert  seinen  Sinn? 
(zu  St.  Cyr)  Hör  Froundl  — 
(zu  Joseph)  Du  lieber  Fremdling 

(zu  Ali)  Mein  Freund,  mein  Retter! 

(zu  Bellora)  Holde  — 

Wir  woirn 

(zu  joMph)      Was  spricht  dein  Blick  — 

3» 


36 
DIE  MUSIK  III.  1. 


Joseph 
St  Cyr 

Bellora 
Joseph 
St  Cyr 
Ebn  Ali 
Alle 

Zu  Vier 


(ztt  BeUorm)    Dass  Ich 

(za  Eba  Ali)  wss  stafTt  dein  Aug* 

Mich  an 

Wie  pocht  mein  Herz  — 

Belloral 

Seltner  Mann 

Ha  welcher  Starm  im  Innern 

O  seltsame  Empfindung! 

Ahndungsvoll  auf  Zephyrschwingen 
Strömen  holder  Geister  Stimmen 
Durch  die  Lüfte,  wehn  dem  Herzen 
Nie  gefühlte  Wonne  zu 


Ebn  Ali  und 
St  Cyr 


Joseph  uad 
Bellora 


Lass  uns  nicht  länger  weilen  I 
Zum  Harem  woll'n  wir  eilen. 
Eh'  schnell  die  Zeit  entfliehtl 


rV.  ArvL 


Lass  sie  zum  Harem  eilen! 

die    1 

.      I  mein  Busen  glüht! 

(St.  Cyr,  Joseph,  Bellora  ab.) 


Für  { 


Dritte  Szene. 

Ebn  Ali  (zurfickkommead.) 

Er  ist  es!  —  Kein  Zweifel!  —  welch  ein  Geschick  — 
O  Bertrandy  Bertrand,  sind  deine  Manen  versöhnt!  —  Was 
soll  ich  thun?  —  Darf  er  wissen,  wer  ich  bin?  ~  darf  ich?^ 
ihm  entdecken  —  —  Nein!  —  der  Zuftdl  mag  meine 
Handlungen  leiten!  —  (Ab.) 

VierteSzene. 

(Bosket  im  Garten  de«  Harems.) 

Rezitativ. 

Elisa  (tritt  aufj. 

Naht  keine  Hülfe  —  keine  Rettung,?  — 

Schwand  mir  der  Hoffnung  lezter  Strahl?  — 

Unglückliche,  wohin  führt  dich  die  Macht 

Des  Schicksals!  ^  unerbittlich  reisst 

Es  dich  hinab  —  Du  bist  verlohrenl  — 

Doch  —  ist's  sein  Geist^  der  mich  umschwebt?  — 

Isf  s  seine  Stimme,  die  mir  ruft 

Im  Säuseln  sanfter  Abendwinde?  — 

Er  lebt  —  auf  Fittigen  der  Liebe 

Eilt  er  zu  mir  —  löst  meine  Ketten 

Belreyt  flieg  ich  in  seinen  Arm 

Und  lass'  ihn  nimmer!  — 


37 
MÜLLER:  SINGSPIELE  VON  E.  T.  A.  HOFFMANN 


Arie. 

Hoffnung,  holde  Himmelstochter, 
Schweb  herab  mit  leisem  Flügel, 
Zeig  in  deinem  Ztuberspiegel 
Mir  des  theuem  Gatten  Bild ! 
Nimmer  werd'  ich  ihn  vergessen  — 
Mit  ihm  starben  meine  Freuden, 
Nimmer  enden  meine  Leiden, 
Bis  das  Grab  die  Sehnsucht  stillt  t 

(Wihrend  der  lezten  Strophen  de«  Gesufet  Ist  der  Dey  berelntetreten  and 
hat  stark  grimsssirend   und   sieb  die  Selten   vor  Lachen  haltend  seinen 

Beyfiül  zu  erkennen  cegeben.) 

Der  Dey    —  Ha  ha  ha  —  schön  ~  herrlich,  Liebchen  —  ha  ha,  zum 

EntzQcken ! 
Elisa  Unmensch  —   Barbar!  —  Kannst  du  unger&hrt  meine 

Thränen  sehen  —  meine  Seufzer  hören? 
Der  Dey    Ha  ha  ha  —  du  sollst  die  erste  seyn  und  bleiben,  Liebchen 

—   das  nenn'  ich  doch  den  Dey  zu  amusiren  wissen  — 

nicht  so  wie  die  andern  Salzsiulen  —  die  schluchzen  nur 

a  Tempo  —  du  verstehst  das  besser,  's  geht  dir  so  von  der 

Hand! 
Elisa  Bey  den  ewigen  Mächten,  bey  allem  was  deiner  Seele  je 

heilig  war  beschwör*  ich  dich  —  gieb  mir  die  Freiheit!  — 

lass  mich  von  hinnen  eilen,  um  ihn  — 
Der  Dey    —  Wie?  was?  —  he?  —  dich  gehen  lassen,  Liebchen,  dich 

gehen  lassen,  das  hiess  ja  'ne  Perle  ins  Meer  werfen  — 

dich  die  mir  alle  Tage  verweint^  dass  mir  das  Herz  im 

Leibe    lacht    —  (Elisa  macht  eine  schmerzvolle  Pantomime)    ha     ha 

ha  ha  —  ja  ja,  das  Gesicht,  das  isf  s  eben  —  ha  ha  ha  — 
bravo  —  bitte  noch  'n  mahl! 

Elisa  Welch  ein  Geschöpf! 

Der  Dey  —  Ich  sage  dir,  mein  Sorbet  schmeckt  mir  f&nfmahl  so 
gut  seit  dem  du  hier  bist  —  meine  zwölf  Stündchen  schlaf 
ich  hintereinander  weg  dass  es  pufft,  ha  ha  ha  —  Du  mein 
Stern,  mein  GoldEngel  schluchzest  gar  zu  prächtig  —  Dich 
geben  lassen?  —  nein  nein,  'ne  Welt  für  deinen  Besitz! 

Elisa  (bey  Seite)  O  Himmel,  wir*  er  der  grausamste  Tyrann,  die 

Quaal  könte  nicht  grösser  seyn! 

Der  Dey  Ha  ha  ha,  was  für  ein  Gesicht  —  was  für  Thrinen  —  das  ist 
herrlich  I  —  Sieh  Liebchen,  der  Dey  von  Algier,  (sich  in  die 
Brust  werfend)  der  grosse  Dey  —  vor  dem  die  Völker  der 
Erde  zittern  wenn  er  nur  sein  Haupt  bewegt  —  er  ist  dein 
Sclave,  er  küsst  deiner  Ffisse  Staub  —  Aber,  ha  ha  ha  — 
schluchze  immer  noch  ein  wenig  — 

Fünfte  Szene. 

(Ebn  Ali  —  nachher  St.  Cyr  —  die  Vorigen.) 

Ebn  Ali  Herr  —  dein  Sclave  beugt  sich  vor  deiner  strahlenden 
Hoheit! 


38 
DIE  MUSIK  IIL  1. 


Der  Dey 


Ebn  Ali 


Elist 

Ebn  Ali 

Der  Dey 

Ebn  Ali 

Der  Dey 
Ebn  Ali 


Der  Dey 


Ebn 

Ali 

Elist 

Der 

Dey 

Elist 

Ebn 

Ali 

St  Cyr 

Der 

Dey 

Ebn 

Ali 

Der 

Dey 

St  Cyr 

Ebn 

Ali 

Der 

Dey 

Ebn 

Ali 

Der  Dey 


Ebn  Ali 


—  Nun  gnt  schon  —  gut  schon,  Ebn  Ali  —  wie  ist's? 
Beate?  —  'ne  weinende  Prinzessin  —  Ltss  es  gnt  seyn  — 
seit  dem  ich  diese  htbe,  trtchte  ich  ntch  keiner  tndem  — 
will  die  mthl  sehn,  die  besser  schlndizen  ktnn! 

Nein  Herr  —  keine  neue  Beote  —  tber  ein  Frtnzose  ist 
hier  der  dir  seine  Dienste  tnbietet 
(bcftio  ein  Frtnzose? 

(giebt  ihr  doen  bedcuieadcB  Wink) 

—  Ht  ~  wts  will  er  —  wts  ktnn  er  —  ein  Gärtner,  eia 
Btnmeister?  — 

Es  ist  ein  Singer  und  Schtuspieler,  Herr  —  Torzfiglich  toC 

trtgische  Sitnttionen  eingenbt  —  er  spielt  den  tollen  Prinzen 

Htmlet  —  den  rtsenden  Orest^  den  weinenden  Feldherm 

Ttrtr,  den  wuthenden  Achill  dem  mtn  seine  Briseis  ge- 

rtubt  —  kurz  tlle  Helden  und  Seitdons,  die  — 

O  htlt  ein  mit  dem  Schnickschntck  — 

Er  spielt  mit  wthrem  Gef&hl  —  Seine  Rollen  pressen  ihm 

Thrinen  tus  —  er  schluchzt  dtss  mtn  es  auf  dreissig 

Schritte  hört  — 

Wts  stgst  Du?  —  Ht!  —  dts  ist  it'n  Mtnn  für  mich  —  er 

soll  meinen  Weibern  vorschluchzen  —  Ltss  ihn  kommen  — 

—  (bei  Seife)  Köut  ich  Elist'n  einen  Wink  geben!  — 
Himmel  —  welche  Ahndung  durchbebt  mich!  — 

—  Nun  wts  ztuderst  du  ?  —  bring  ihn  her,  bring  ihn  her  — 

(Ebn  Ali  geht  in  die  Coulisse  und  tritt  mit  St.  Cyr  hervor,  der,  EllM'n  nicht 
gleich  gewthr  werdend,  sich  vor  dem  Dey  beogt) 

Himmel  —  er  ist  es  —  St  Cyr  —  mein  Gttte 

(leise  and  rasch  zu  Elisa)  —  Missigung,  Oder  dein  Tod  und  der 

seinige  ist  gewiss!  — 

(Elisa  erbiicicend)  —  Himmel  —  meine  Gtttin  —  O I  — 

—  Ht,  wts  will  er  —  wtrum  thut  er  so,  Ebn  Ali?  — 

Er  empfiehlt  sich  mit  einer  tragischen  Exkltmttion  deiner 
Hoheit^  Herr 

Ht  —  ht  ht  —  närrischer  Mensch!  —  Nun  gut  so,  gut  so 

(zu  Ebn  Ali)  —  Ich  ertrtgc  den  Anblick  nicht  —  ich  stürze 
zu  ihr  hin  —  willkommen  soll  mir  der  Tod  seyn!  — 

Du  vergiltst  schlecht  mein  Zutrauen  — 

—  Wts  murmelt  ihr?  -— 

Herr  —  der  Frtnke  will  dir  eine  Probe  seines  Ttlents 
geben  -  Der  Liebhtber  findet  seine  ihm  geraubte  Geliebte 
in  der  Gewtlt  eines  mächtigen  Tyrtnnen  wieder  —  es  ist 
eine  Szene  tus  einer  neuen  Oper!  —  der  Dichter  heisst 
Wthrheit,  der  Komponist  Täuschung,  die  Oper  Gelungene 
List 

—  Ht   ht  ht  —  Ltss  ihn  mtchen,  ltss  ihn  mtchen  — 

komm  —  setz  dich  zu  mir,  Elist  —  (Er  wendet  sich  zu  einer 
Rasenbanlc,  SIclaven  springen  liervor  und  schieben  ein  Poister  unter  —  der 
Dey  sezt  sich,  die  SIclaven  verschwinden) 

—  Herr  —  zur  Dtrstellung  der  Szene  gehört  such  die 


t'^  39 

MÜLLER:  SINGSPIELE  VON  E.  T.  A.  HOFFMANN 


F.  Qwurtetio. 


Geliebte.    Dem  Glänze  der  strahlenden  Schönheit  ist  die 
Oper  bekannt  —  wenn  deine  Hoheit  erlaubt  — 
Der  Dey    Ha  ha  ha  —  versteh'  schon,  Elisa  soll  mitschluchzen  — 
nun  —  so  —  so  —  fangt  nur  an  —  fangt  nur  an  — 

Rezitativ. 
St.  Cyr      Dich  so  zu  finden  —  velche  Pein! 


Jfo.l  Aridta. 


Faustina. 

Ein  Singspiel  in  einem  Aufzuge. 

Personen: 

Faustina.  Terradeljas. 

Hasse.  Abbate  Piccioli. 

Leonardo  Leo.        Mehrere  Giste. 
Francesco  Majo. 
Die  Szene  spielt  in  Venedig  ums  Jahr  1720. 

Erste  Szene. 

(Kleines  Zimmer  in  Hassen«  Wohnung.  Rechts  ein  FlQgel,  mit  aufgeschlagenen  Partituren 
vad  BOcbem  bepackt.  Daneben  ein  Icleiner  Tisch,  vor  welchem  H  a  S  S  e  sizt  und  componlrt. 
Die  Overtura  ist  in  ein  schwermQthiges  Andante  fit>ergegangen ;  als  die  Töne  erstorben  sind, 
springt  Hasse  rasch  suf,  mscht  einen  Gang  durchs  Zimmer  und  bleibt  dann  vor  dem  Tische 

stehen,  an  welchem  er  componirte.) 
(einen  tiefsinnigen  Bück  In  die  Partitur  werfend) 

Bin  ich  das?  —  Bin  ich  das  wirklich?  —  Ha  wie  schaal, 
wie  kraftlos  scheint  mir  das  alles  was  ich  jezt  mache!  — 
Gedanken  auf  Gedanken  durchglühen  einem  Feuerstrome 
gleich  mein  Gehirn,  aber  schnell  erkaltet  und  roh  wie  ein 
MetallGuss  stehen  sie  auf  dem  Papiere  da!  —  Welche  un- 
bekannte Gewalt  droht  mich  zu  vernichten?  —  Darf  ich  — 
darf  ich's  mir  gestehen?  Im  Theater  San  Marco  —  ja  — 
seit  jener  Nacht,  als  ein  nie  gekannter  Himmel  voll  wonniger 
Töne  auf  mich  hinabsank,  als  alles  um  mich  her  ver- 
schwand —  als  ich  nur  sie  hörte  —  nur  sie  sah!  —  Heilige 
Musik,  Sie  ist  Du  und  in  Dir  wohnt  mein  Leben!  — 

(Er  eilt  an  den  FlQgel,   und  nachdem  er  wie  In  Fantasien  verlohren  einige  Akkorde  aa- 

gescblsgen  hat,  folgt  die) 

Arie. 
Heilige  Kunst, 
Neige  dich  zu  mir,  lohne  mein  Streben 
Lass  mich  auf  deinen  Fittigen  schweben 
Tröste  mich,  tröste  mich,  heilige  Kunst! 

Heilige  Kunst, 
Nagende  Quaalen  trag  ich  im  Herzen, 
Habe  nicht  Rast  mehr,  gefoltert  von  Schmerzen, 
Tröste  mich,  tröste  mich,  heilige  Kunst. 


^Se 


40 

DIE  MUSIK  111.  1. 


Zweite  Szene. 
Hasse,  der  Abbite  PiccloIL 
(Dir  Abbele  Piccioli 


n  Snibl  gCMbllcbCD  und  raft  Bnn  lu :) 

Bravo  —   bravinimo,   mio   cariärimo  Signon,    (H*mc  iprinp 

Mvu  noviiut  »0  Aber  —  verzelbt  —  blechen  in  trocken  — 

zu  eniai  —  lu  —  lu  —  kurz  mit  elaem  Torte  —  sn 

teutscb  I 

Venelbt  Herr  Abbete  —  ich  korapoalrte  and  Beii{  dies  mshl 

nur  fDr  tenUche  Ohren  —  fQr  meine  eigenen  — 

Ha  ba  ba  ha  —  gut  gegeben  —  )a  ja  ibr  gebts  mir  gut  — 

wolltet  sagen,  hifle  mich  nicht  hereinschl eichen  aoUen  — 

ja  seht  ihr,  das  Ist  nun  so  mein  foibU  —  bin  ein  Eothoslast 

r&r  die  Musik  —  gehe  zu  allen  Maestros,  kenne  sie  alle  — 

kenne  ihre  Manier  —  Ihre  Art  und  Teise  so  komponiren 

in  und  auswendig  — 

Vabrlich,  Herr  Abbate,  um  diese  rdche  Keontnlss  beneide 

icb  euch  — 

Ja  seht  ibr  —  zum  Beispiel  der  Scsrlatt)  — 


n  dem  Labyrinth  weitilufiger  AuBelatndersetzuagen  uDd  verzwtckter 
'  Bestimmungen,  das  die  alten  Statuten  des  Allgemeinen  Deutschen 
Musikvereins  daistelllen,  fand  sich  an  verstecktem  Platze  ein 
i  schüchterner  Hinweis  auf  die  Möglichkeit,  dass  es  den  in  einer 
Stadt  wohnenden  Vereinsmitgliedern  nicht  verwehrt  sei,  sich  zu  einem  Orts- 
verbande zusammenzuschliessen.  Welchen  Daseinszweck  eine  solche  Ver- 
einigung zu  erfüllen  hatte,  darüber  schwieg  sich  jenes  ritselvoUe  Gesetz- 
büchlein feierlich  aus.  Hatte  also  vordem  jemand  einmal  Lust,  sich  tapferen 
Mutes  durch  das  Dickicht  des  dem  heiligen  Bureaukratius  geweihten  Para- 
graphenWaldes  einen  Teg  zu  hauen,  und  übersah  er  ausnahmsweise  jene  An- 
deutung nicht,  so  stand  er  einen  Augenblick  .scheu  und  staunend',  auch  wohl 
kopfschüttelnd  da,  worauf  er  sich  eilig  in  die  Büsche  schlug.  Die  Folge 
war,  dass  wihrend  einer  stattlichen  Reihe  von  Jahren  1,  geschrieben  ein 
Zweigverein,  nämlich  der  westßllsche  gegründet  wurde.  Wer  ihm  an- 
gehörte, der  wurde  auf  den  Tonkünstler- Versammlungen  halb  mit  Ehrfurcht, 
halb  mit  Misstrauen  betrachtet. 

Doch  es  kam  anders.  Böse  Menschen,  die  nicht  nur  Lieder,  sondern 
auch  Logik  haben,  arbeiteten  eine  neue  .Satzung"  aus  und  räumten  mit 
allem,  was  einer  scharfien  Prüfung  nicht  Stich  hielt,  unbarmherzig  auf. 
Zweigvereine?  Vielleicht  auch  nur  ein  fiberflüssiger  dekorativer  Aufputz, 
vielleicht  auch  nur  eine  klingende  Redensart?  Nicht  doch.  Da  war  ein- 
mal jemand  auf  einen  guten  Gedanken  gekommen.  Die  anderen  aber  hatten 
die  Anregung  verkümmern  lassen,  weil  sie  es  sich  nicht  klar  machten,  dass 
hier  eine  Idee  von  bedeutender  Tragweite  aufgetaucht  war. 

Auch  im  Wege  lokaler  VereinstiHgkeit  wfirde  man  während  der  letzten 
Jahrzehnte  einem  gesunden  Fortschritt  in  der  Musik  zweckmässig  haben  vor- 
arbeiten können,  wenn  die  Krilfte  nicht  verzettelt  worden  wären.  Die  seit  undenk- 
lichen Zeiten  in  germanischen  Landen  grassierende  Vereinskrankheit  forderte 


Anmerkung:  Die  neue  .Satzung"  des  Allgemeineii  Deutschen  Musikvereins 
liegt  jetzt  im  Druck  vor.  ScbrifirGhrer  des  Vereins  Ist  Herr  Kapellmeister  Friedrich 
Rdich,  Beriin,  KBolggrltzerstrasie  21;  Schatzmeister  Herr  Gustav  Rissow,  Bremen, 
Dombalde  4. 


42 
DIE  MUSIK  III.  1. 


nicht  zum  wenigsten  auf  diesem  Gebiete  ihre  Opfer;  wer  irgendwo  ein  paar 
neudeutsche  Glöcklein  in  übermässigen  Dreiklängen  läuten  gehört  hatte, 
verspürte  den  Ehrgeiz,  ein  Genie  zu  entdecken  und  einem  in  der  Eile  ge- 
stifteten Bund  den  Namen  des  annoch  Verkannten  zu  geben  —  wofern  er 
nicht,  als  Mann  von  grösserer  Bescheidenheit,  sich  mit  dem  Amte  des 
»Festordners"  in  einem  Wagner-  oder  Lisztverein  begnügte.  Freilich  mangelte 
es  auch  nicht  an  Mutigen  und  Opferwilligen,  die  sich  ehrlich  und  eifrig 
für  ernste  Zukunftsaufgaben  einsetzten.  Aber  wieviel  Zeit  und  Mittel  wurden 
verschwendet,  indem  man,  wenn  beispielsweise  an  einem  Ort  die  Propa- 
ganda für  die  Werke  Liszts  zu  den  erwünschten  Ergebnissen  geführt  hatte 
und  es  alsdann  rätlich  erschien,  für  den  ebendort  noch  wenig  gewürdigten 
Hugo  Wolf  eine  Gemeinde  zu  werben,  die  ganze  schwerfällige  Maschinerie 
der  Vereinsgründung  von  neuem  in  Bewegung  setzen  musstel  Verfocht  eine 
rührige  Genossenschaft,  wie  der  Wiener  akademische  Wagner- Verein,  gleicher- 
weise die  Sache  Anton  Brückners  mit  Entschiedenheit,  so  war  das  eine 
rühmliche  Ausnahme.  Unsere  verehrten  Konservativen  und  Rückständigen 
erwiesen  sich  als  die  besseren  Taktiker,  da  sie  in  ihren  geschlossenen 
0  Hochschulkreisen **  heute  für  diese,  morgen  für  jene  orthodox  gesinnte 
Persönlichkeit  eintraten,  und  auf  diese  Art  noch  Boden  behaupteten 
und  behaupten,  der  ihnen  von  Rechtswegen  schon  seit  längerem  hätte  ab- 
gestritten werden  sollen. 

Das  Geheimnis  starker  und  dauernder  Erfolge  ruht  heutzutage  in  einer 
weitverzweigten,  festgefügten,  auf  Jahre  und  länger  hinaus  gesicherten 
Organisation.  Wir  kennen  die  politischen  Parteien,  die  just  durch  plan- 
mässig  geförderten,  emsigen  Ausbau  einer  solchen  Organisation  zu  gewaltiger 
Machtstellung  emporgewachsen  sind.  Ähnlich  im  sozialen,  im  industriellen 
Leben  Europas  und  Amerikas.  Was  den  einzelnen  zurückwirft,  was  kleine 
Gruppen  nicht  besiegen,  das  bezwingt  die  Genossenschaft,  die  dadurch  er- 
starkt, dass  die  ihr  zugehörigen  lokalen  Verbände  verschiedener  Orte  sich 
wechselseitig  stützen. 

Warum  von  derartigen  Vorbildern  nicht  lernen,  warum  sich  beachtens- 
werte Erfahrungen  nicht  zu  Nutze  machen? 

In  jeder  einigermassen  grösseren  Stadt  Deutschlands,  Deutsch-Öster- 
reichs und  der  deutschen  Schweiz  müsste  sich  eine  Ortsgruppe  unseres 
«Musikvereins"  bilden,  die  als  Zentrum  der  fortschrittlich  musika- 
lischen Bestrebungen  des  betreffenden  Ortes,  beziehungsweise  der 
um  diesen  geistigen  Kern  gelagerten  Provinz  zu  gelten  hätte.  Denn  in 
einem  „Allgemeinen  deutschen  Musikverein"  ist  für  jedwedes  Wirken 
Raum,  das  ein  Vorwärtsgehen  bedeutet  und  eine  Entwicklung  verheisst. 
Mit  Rücksicht  auf  ein  notwendiges  Einsparen  und  Zusammenfassen  der 
Kräfte  sind  somit  die  Ortsvertretungen  dazu  berufen,  alle  noch  bestehenden, 


43 
MARSOP:  ORTSGRUPPEN 


vom  Fortschrittsgeist  durchdrungenen  Sonderverbände  gewissermassen  in 
sich  aufzusaugen,  und  die  Erbschaft  der  Vereine  anzutreten,  die  mit  der 
Durchfuhrung  der  ihnen  ehedem  gestellten,  durch  ihren  Namen  bezeichneten 
Teilaufgaben  im  wesentlichen  zu  Ende  gekommen  sind  und  daher  gegenwärtig 
nur  noch  ein  Scheindasein  fähren:  der  Wagner-  und  der  Lisztvereine.  Frau 
Wagner  hat  es  scharf  zutreffend  mit  klaren,  überzeugenden  Worten  aus- 
gesprochen, dass  den  Mitgliedern  des  Allgemeinen  Richard -Wagner -Vereins 
kaum  noch  etwas  anderes  zu  tun  übrig  geblieben  sei,  als  die  Schriften  des 
Meisters  recht  eingehend  zu  studieren,  und  unbemittelten  Künstlern  und 
Kunstfreunden  den  Besuch  von  stilgerechten  Festspiel-Aufführungen  zu  er- 
möglichen. Dazu  braucht  man  jedoch  den  nicht  leicht  im  Gang  zu  haltenden 
Apparat,  die  weitschweifige  Geschäftsführung  eines  Vereins  keineswegs. 
Für  die  , Bayreuther  Blätter",  die  just  die  Idealisten  unter  uns  Musikern 
am  wenigsten  missen  möchten,  die  man  schon  deshalb  nicht  eingehen  lassen 
darf,  weil  sie  ein  bedeutsames  Vermächtnis  Wagners  sind,  könnte  ferner- 
hin der  Allgemeine  Deutsche  Musikverein  einen  angemessenen  Zuschuss 
aufwenden.  Auch  Lisztvereine  fänden  jetzt  nur  noch  einen  sehr  einge- 
engten Wirkungskreis.  Die  monumentale  Ausgabe  der  Tondichtungen  des 
Meisters  wird  allgemach  ihrer  Vollendung  entgegenreifen.  Die  Leiter  der 
ständigen  grossen  Konzertinstitute,  Richard  Strauss  wie  Mottl,  Weingartner 
wie  Nikisch  sind  überzeugte  Lisztianer.  Ganz  abgesehen  davon,  dass  der 
Allgemeine  Deutsche  Musikverein  es  stets  als  seine  Ehrenpflicht  ansehen 
wird,  die  Verdienste  seines  Stifters  durch  mustergültige '  Aufführungen 
Lisztscher  Werke  dankbar  zu  feiern. 

Hinwiederum  ist  es  im  Sinne  Wagners  wie  Liszts  gehandelt,  dass 
man  begabten  Tonsetzern,  die  neue  Pfade  suchen,  es  ermögliche,  sich 
durchzuringen,  sich  bei  der  Öffentlichkeit  Gehör  zu  verschaffen.  Und  viel 
energischer  als  ein  auf  schmale  Einkünfte  und  auf  eine  mehr  oder  weniger 
bescheidene  Teilnehmerzahl  angewiesener  Hugo  Wolf-  oder  Ansorge-, 
Pfitzner-  oder  Reger -Verein  kann  dazu  die  grosse  Genossenschaft  des 
Allgemeinen  Deutschen  Musikvereins  mithelfen.  Denn  sie  verfügt  über 
verhältnismässig  ansehnliche  materielle  Mittel,  sie  erfreut  sich  mannigfacher, 
ausgebreiteter,  gesellschaftlicher  Verbindungen,  sie  ist  fähig,  in  der  Ver- 
wertung des  weitreichenden  Einflusses  der  im  Vereine  tätigen  Tonsetzer, 
Dirigenten,  ausübenden  Musiker  und  Kritiker  gar  vieles  durchzusetzen,  und 
sie  wird  schliesslich  bei  ergänzendem,  wohl  geregeltem  Zusammenwirken 
des  Vorstandes,  des  Musikausschusses  und  der  Ortsgruppen  eine  Macht 
verkörpern,  mit  der  in  Zukunft  die  eigenwilligsten  Bühnenleiter  und  die 
geldgierigsten  Musikagenten  im  guten  oder  im  schlimmen  zu  rechnen  haben. 

Wie  sich  die  Tätigkeit  der  einzelnen  Ortsgruppen  gestalte,  dafür  lässt 
sich  kein  Schema  festsetzen.     Im  Gegenteil:  es  walte  die  denkbar  grösste 


44 

DIE  MUSIK  III.  1. 


Freiheit  bei  der  Inangriffnahme  zweckdienlicher,  von  fortschrittlichem  Geiste 
beseelter  Arbeit!  Nur  auf  die  Vertreter  frivoler  Brettlkunst  und  anderer 
musikalischer  Gelegenheitsmacherei  darf  keinerlei  Rficksicht  genommen 
werden.  Ebensowenig  auf  die  Quadratur-Komponisten  und  akademischen 
Leisetreter.  Die  Herren  sorgen  schon  selbst  in  ausreichendem  Masse  ffir 
ihr  gegenseitiges  Wohlbefinden.  Schliesslich  noch  ein  Wort  zu  einem  wich- 
tigen Kapitel:  keine  Ausländerei!  Wir  sind  ein  Allgemeiner  deutscher 
Musikverein !  Wer  Charpentier  oder  Glazounow  ein  Denkmal  errichtet  wissen 
will,  der  mag  auf  seine  eigenen  Kosten  Sammelbogen  drucken  und  hemm- 
schicken. 

Im  übrigen:  sehe  jeder,  wie  er's  treibe!  Hier  wird  es  erspriesslicher 
sein,  vorerst  Brückner  oder  Hugo  Wolf  gegenüber  noch  bestehende  Schulden 
abzutragen.  Dort  ist  für  die  beiden  Genannten  bereits  manches  geschehen; 
somit  empfiehlt  es  sich,  den  ortsansässigen  Kunstfreunden  eine  eingehende 
Bekanntschaft  mit  Reger,  mit  Hausegger,  mit  den  jüngsten  Symphonikern, 
mit  eben  erst  auf  den  Plan  tretenden,  sich  in  neuen  Tönen  und  Weisen 
versuchenden  Gesangskomponisten  zu  vermitteln.  In  der  einen  Stadt  ist 
es  um  die  Konzertverhältnisse  relativ  besser,  um  die  musikalisch-dramatische 
Scene  schlechter  bestellt:  da  müssen  sich  die  Hauptanstrengungen  der  Orts- 
vertretung auf  eine  Hebung  der  heimischen  Theaterzustände  konzentrieren, 
da  soll,  in  Verbindung  mit  einer  liebevollen  Pfiege  von  Wagners  Schöpfungen, 
den  Bühnenpartituren  von  Pfitzner,  Richard  Strauss,  Schillings,  Klose  und 
Hausegger  ihr  Recht  werden.  Anderswo  wird  füglich  besonderer  Nachdruck 
auf  die  verständige  Förderung  neuzeitlicher  Symphonik  zu  legen  sein.  Für 
die  Errichtung  von  Theaterbauten  nach  dem  Bayreuther  Vorbild  ist  um 
so  eifriger  einzutreten,  je  mehr  unsere  heutigen  Dramatiker,  wie  ich  schon 
oft  darlegte,  ,mit  dem  Klang  des  versenkten  Orchesters  im  Ohr*  schreiben 
und,  dem  Entwicklungsgesetz  zufolge,  schreiben  müssen.  Insgleichen  ist 
es  an  der  Zeit,  die  brennenden  Fragen  der  » Konzertreform*  allerorten  mit 
gebührendem  Ernst  zu  behandeln.  Anzustreben  sind  kurze  Programme 
einheitlichen  Charakters;  zu  wirken  ist  für  die  Verdeckung  des  Musik- 
apparates, für  die  Erbauung  von  Musiksälen,  die  nur  mehr  einer  vornehmen 
Kunstausübung  dienen  und  mit  gesellschaftlichen  Zerstreuungen,  Mode- 
Unterhaltungen  und  ähnlichem  nichts  zu  tun  haben. 

Vor  einem  möchte  ich  noch  eindringlich  warnen:  nicht  zu  rasch  mit 
grösseren,  womöglich  namhafte  Ausgaben  erheischenden  Unternehmungen 
ins  Zeug  zu  gehen.  Die  neue  Vereinssatzung  sieht  vor,  dass  der  Mitglieder- 
beitrag unverkürzt  an  die  Zentralkasse  abgeführt  werde.  Da  erscheint  es 
denn  zweckmässig,  wenn  die  Ortsgruppen  während  des  ersten  Jahres  ihres 
Bestehens  noch  keine  besonderen  , Umlagen*  erheben.  Haben  sie  sich 
innerhalb  ihres  Wirkungskreises  eingebürgert,  sind  sie  einmal  zu  einem 


45 
MARSOP:  ORTSGRUPPEN 


bedeutsamen  Faktor  im  Musikleben  dieser  und  jener  Stadt  geworden:  dann 
dfirfte  man  vorerst  an  die  Opferwilligkeit  einzelner  begüterter  Mitglieder 
appellieren,  und  sodann  auch  einen  bescheidenen  Ortsgruppen-Beitrag  fest- 
setzen. Vielleicht  ist  es  rätlich,  die  Tätigkeit  einer  Ortsgruppe  im  ersten 
Arbeitswinter  mit  einem  Cyklus  von  Vorträgen  einzuleiten,  an  die  sich 
Verhandlungen  in  parlamentarischer  Form  knüpfen  mögen.  Wer  als  Künstler 
des  Wortes  mächtig,  wer  auf  musikästhetischem  oder  verwandtem  Gebiete 
tätig  ist,  wird  sich  fraglos  gern  bereit  zeigen,  im  Interesse  der  guten  Sache 
solche  Vorträge  zu  halten,  ohne  auf  ein  Honorar  Anspruch  zu  machen.  Die 
Anregung  durch  das  lebendige  Wort,  die  Klärung  der  Ansichten  durch 
Rede  und  Widerrede  vor  der  Öffentlichkeit  sind  wahrlich  nicht  gering  an- 
zuschlagen. In  den  drangvollen  Tagen  der  grossen  festlichen  Frühjahrs-  oder 
Herbstaufführungen  des  Allgemeinen  Deutschen  Musikvereins,  im  Wirrwarr 
von  Proben,  Besprechungen  und  Wahlvorbereitungen  bringt  man  für  noch  so 
gediegene  theoretische  Erörterungen  weder  Zeit  noch  Stimmung  auf.  Umso- 
mehr  läge  es  den  in  stetiger,  über  das  Jahr  hin  verteilter  Tätigkeit  ruhig  fort- 
schaffenden Ortsgruppen  ob,  jenes  bisher  brachliegende  Feld  zu  bebauen.  Thema 
des  ersten  Vortrages:  »Was  will  unsere  Ortsgruppe?"^  Ist  durch  diese  Ver- 
anstaltungen das  allgemeine  Interesse  geweckt,  dann  finden  sich  wohl  einige 
Künstler  bereit,  einen  »neuzeitlich  gerichteten'  Lied-  oder  Kammermusik- 
Abend  für  die  ortsansässigen  Vereinsmitglieder  und  die  von  diesen  ein- 
zuladenden, oder  gegen  Erlegung  eines  massigen  Eintrittsgeldes  zuzulassenden 
Gäste  zu  geben  —  eben  auch,  ohne  Honorarforderungen  zu  erheben.  Nach 
ein-  bis  zweijähriger  fruchtbarer  Arbeit  ist  dann  auch  unschwer  ein  massiger 
Garantiefonds  für  ein  den  Vereinszwecken  dienendes  Orchester-  oder  Chor- 
konzert,  beziehentlich  für  die  Wiedergabe  eines  gut  modernen  musikalischen 
Dramas,  zusammenzubringen,  vielleicht  gar  eine  Beihilfe  für  rührige,  fort- 
schrittlich gesinnte  Bühnenleiter  kleinerer  oder  mittlerer  Städte  zu  er- 
möglichen. So  stecke  man  sich  mit  allmählich  wachsendem  Einfluss  nach 
und  nach  das  Ziel  höher  und  höher. 

Es  fehlt  nicht  an  rührigen,  Hhigen  Männern,  denen  es  eine  Freude 
und  eine  Genugtuung-  sein  wird,  eine  Ortsgruppe  zu  begründen  und  sie 
bedachtsam,  aber  mit  gleichmässig  regem,  fürsorglichem  Eifer  zu  idealen 
Erfolgen  hinzulenken.  Die  Notwendigkeit,  die  bisher  schier  bis  ins  Fabel- 
hafte verschachtelte  Geschäftsführung  der  Vereinsleitung  zu  vereinfachen, 
bedingte  schlechterdings  eine  ansehnliche  Herabminderung  der  Zahl   der 


^)  Auch  Vorträge  Qber  Ziele  und  Kämpfe  der  oeueren  Malerei,  Plastik  und 
Architektur,  über  die  Dichtung  unserer  Tage,  vor  Allem  über  Wechselwirkungen 
und  -Strömungen  im  modernen  Entwicklungsleben  der  verschiedenen 
Künste  wären  begrfissenswert.  Der  Musikant  hat  abgewirtschaftet:  der  Musiker,  das 
helsst  der  Mann  von  freier,  umfassender  Bildung  soll  überall  an  seine  Stelle  treten. 


46 
DIE  MUSIK  III.  1. 


Vorstandsämter.  Es  wäre  hoch  dankenswert,  wenn  vor  allem  bewährte 
Männer,  die  sich  in  früheren  Jahren  als  Vorstandsmitglieder  verdient 
machten,  sich  mit  ihrer  Erfahrung  und  mit  ihrer  Autorität  den  Ortsgruppen 
zur  Verfugung  stellen  wollten.  Auch  die  Jüngeren,  denen  man  es  zuzutrauen 
hat,  dass  sie  dereinst  so  manchen  Gipfel  erklimmen  werden,  mögen  ihr 
Können  und  ihre  Tatenfreudigkeit  Innerhalb  der  Ortsgruppen  frisch  und 
wohlgemut  einsetzen  und  sich  dort  die  schwere  Kunst  zu  eigen  machen, 
einen  lediglich  künstlerischen  Zwecken  dienstbaren  Organismus  auszurunden 
und  fest  zusammenzuhalten. 

Und  nun  ans  Werk!     Fröhliche  Arbeit  und  schönes  Gelingen! 


HIE  NATIONALE 
TONSPRACHE  —  HIE  VOLAPOk'^ 


i^ 


O.  G.  Sonneck-Wasbington 


^as  Durchschimmern  eines  Volkscbinkters  ergibt  das,  was  wir 
.musikalische  Nationalität*  zu  nennen  gewohnt  sind.  Sie  unter- 
I  scheidet  sich  wesentlich  von  der  sogenannten  .LokalFarbe". 
I  Diese  ist  oft  nur  eine  absichtliche  Würze  und  ein  wirkungs- 
volles Kunstmittel,  auch  in  der  Hand  des  Ausländers.  Jene  dagegen  liegt 
einem  Künstler  im  Fleisch  und  Blut.  Sie  gibt  seiner  Eigenart,  ohne  sein 
Zutun,  eine  allgemeinere  Färbung  und  entzieht  sich  lusserlicher  Nach- 
ahmung. Denn  die  Musik  ist  kein  kosmopolitisches  Gewächs,  das  jenseits 
von  Zeit  und  Raum  steht.  Auch  der  Musiker  wurzelt  in  .Mutter  Erde'. 
Er  ist,  wie  Jedes  Individuum,  das  Ergebnis  von  Umgebung  und  Erziehung, 
der  mehr  oder  minder  ausgeprägte  Vertreter  seines  Volkes.  Zwischen  den 
Völkern  aber,  noch  weiter  gefasst,  zwischen  den  Rassen  bestehen  typische 
Unterschiede. 

Die  tägliche  Erfahrung  und  die  vergleichende  Volkskunde  lassen 
darfiber  keinen  Zweifel  aufkommen.  Die  Gebärden  des  Italieners  stechen 
von  denen  des  Deutschen  auf  viele  Schritte  ab.  Ihre  Affekte,  deren  Reflex 
die  Gebärden  sind,  haben  nicht  minder  unterschiedliche  Merkmale.  Der 
deutsche  Schwung  z.  B.  deckt  sich  durchaus  nicht  mit  dem  italienischen 
slancio,  und  beide  entfernen  sich  deutlich  vom  £lan  des  Franzosen  oder 
dem  kaltblütigen  dash  and  go  des  Amerikaners.  Der  seltsame  Vechsel 
von  Schwermut  zu  Wildheit  im  russischen  Volkscharakter  mag  in  anderen 
Völkern  ein  Pendant  finden,  aber  eine  völlige  Gleichung  wüsste  ich  nicht. 

Mao  beliebt  nun  diese  Erfahrungen  mit  dem  Hinweis  zu  entkräften, 
dass  kein  Volk  rassenrein  geblieben,  und  dass  innerhalb  der  Völker  selbst 
merkwfirdige  Charakterunterschiede  bestehen.  Sicherlich,  ein  echter  Bayer 
wird  nicht  leicht  mit  einem  Pommer  verwechselt,  oder  gar  ein  Irländer 
mit  einem  Engländer,  aber  mit  solchen  Hinweisen  ebnet  man  das  Problem 
nicht,  sondern  vertieft  es  mit  alt  seinen  Folgerungen.  Im  allgemeinen 
haben  doch  wohl  politischer  Zusammenschluss,  eheliche  Vermischung,  ge- 
meinsame Sprache,   Erziehung,   Interessen   den   Nationen   unterschiedliche 


48 

DIE  MUSIK  III.  1. 


Stempel  aufgedrückt,  so  dass  Unähnlichkeiten  innerhalb  der  politischen 
Kombinationen  nur  noch,  möchte  ich  sagen,  wie  Dialekte  des  Volkscharakters 
wirken.  Dass  solch  ein  Volkscharakter  sich  auf  eine  Mischung  von  Charak- 
teren zurückfuhren  lässt,  verschlägt  wenig.  Er  wird  von  Aussenstehenden 
nicht  als  eine  Mischung  empfanden,  sondern  als  Einheit,  eben  so  wie  Grün 
psychologisch  eine  eigene  Farbe  ist  und  nur  für  den  analysierenden  Ver- 
stand eine  Mischung  von  Gelb  und  Blau.  Der  schliessliche  Eindruck  hingt 
natürlich  von  der  stärkeren  oder  schwächeren  Beimischung  der  einzelnen 
Farben  ab,  wie  denn  der  nordamerikanische  Volkscharakter  angelsächsisch 
wirkt,  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  unter  den  heterogenen  Elementen 
das  angelsächsische  bei  weitem  überwiegt. 

'    Wenn   diese   Dinge  für  das  gesamte   Innen-  und   Aussenleben   der 
Völker  Bedeutung  haben,  dann  auch  für  die  Musik. 

•  Es  geht  nicht  an,  von  einer  internationalen  Musiksprache  zu  reden, 
nur  weil  die  Völker,  die  für  unser  Musikleben  in  Betracht  kommen,  sich 
derselben  Instrumente,  derselben  Tonstufen,  kurz  desselben  Klangmaterials 
bedienen.  Auch  die  Maler  arbeiten  überall  mit  gleichem  Material,  und 
doch  drückt  sich  ein  Franzose  anders  aus  wie  ein  Deutscher.  Die  Ge- 
mälde eines  Besnard  würden  auch  ohne  seinen  Namenszug  nicht  ihren 
fi*an'z5sischen  Ursprung  verleugnen  können,  und  die  eines  Franz  Stuck 
würden  unverkennbar  den  Stempel  tragen:  made  in  Germany.  Nicht 
einmal  eine  ähnliche  Technik  oder  eine  ähnliche  Gestaltung  kann  den 
V^sdiarakter,  der  die  Persönlichkeit  des  Künstlers  durchtränkt,  ver- 
wischen. 

:  .  Man  deutet,  und  nicht  unsere  schlechtesten  Kunstkenner  haben  es 
getan^  auf  eigentümliche  Charakterzüge  in  den  Werken  unserer  semitischen 
Meiäteir.  Manche  Leute  lächeln  über  diese  Beobachtung  und  wollen  sie 
schlankweg  auf  spintisierenden  Rassenhass  zurückführen.  Sie  spötteln 
mit  Unrecht.  Wenn  die  tönenden  Symbole  des  Innenlebens,  also  Melodik, 
Rhythmik,  Harmonik  u.  s.  w.  aus  der  Volksseele  der  Magyaren  in  Gebilden 
hervorquellen,  die  psychischen  Gesetzen  zu  gehorchen  scheinen,  welche 
der  ;Germane  oder  der  Romane  als  fremdartig  empfindet,  warum  nicht  auch 
bei  den  Semiten?  Mag  Umgebung  und  künstlerische  Erziehung  diese  Farbe 
übertüncht  haben,  es  wäre  seltsam  und  bedauerlich,  wenn  sie  nicht  doch 
zuweilen  durchschimmerte. 

>  Die  Neurussen  werfen  Tschaikowsky  Ausländerei  vor.  Sie  sehen 
ia  ihm.  keinen  reinen  Vertreter  ihres  Volkes,  im  Gegensatz  zu  Moussorgsky 
und  anderen.  Nun  war  Tschaikowsky  kein  musikalischer  Hurra-Patriot, 
kein  Problematiker,  er  kehrte  den  Russen  nicht  absichtlich  heraus,  und 
doch  vermag  seine  Vorliebe  für  die  Italiener  und  Mozart  uns  Occidentalem 
seinen  russischen  Ursprung  nicht  zu  verdunkeln.     Uns  ist  er,  wie 


4d 

SONNECK:  NATIONALE  TONSPRACHE  —  VOLAPÜK 


sich  ausdruckt,  eine  lyrisch  beanlagte,  echte  Musikernatur,  zugleich  aber 
gut  nationaler  Russe. 

Das  Böhmische  Streichquartett  bietet  ein  anderes  Beispiel.  Es  ist 
schon  vielhch  aufgefallen,  dass  die  vier  Künstler  allen  Werken,  die  sie 
spielen,  eine  slavische  Färbung  geben.  Während  sie  böhmische  und 
russische  Meister  unnachahmlich  echt  und  originalgetreu  wiedergeben,  wirkt 
ihr  Vortrag  unserer  Klassiker,  sozusagen,  wie  eine  hervorragend  schöne, 
reizvolle  Übersetzung  aus  dem  Deutschen  ins  Slavische.  Beethoven  wird 
unter  ihren  Händen  zu  einer  Art  Dvor&k.  Sie  sind  sich  dessen  wahr- 
scheinlich nicht  bewusst.  Sie  können  nicht  anders  und  jeder  Versuch 
zu  deutschtümeln  würde  an  Naturgesetzen  scheitern,  über  die  sie  nicht 
Herr  sind.  Das  gleiche  gilt  natürlich  vom  Vortrag  italienischer  oder 
russischer  Werke  durch  Deutsche. 

Man  würde  sich  zum  Apostel  von  Binsenwahrheiten  machen,  wollte 
man,  soweit  heterogene  Rassen  in  Betracht  kommen,  das  Problem  in  die 
Breite  treten.  Die  Verfechter  einer  internationalen  Musiksprache  müssen 
sich  also,  wenn  ihre  Theorie,  die  zugleich  ihr  Ideal  ist,  einen  Sinn  haben 
soll,  auf  Mittel-  und  Westeuropa  beschränken.  Also  auf  die  Länder,  die 
seit  Jahrhunderten  unablässig  ihre  musikalischen  Gedanken  ausgetauscht 
haben. 

Es  kann  nun  nicht  geleugnet  werden,  dass  England,  die  Niederlande, 
Frankreich,  Italien,  Deutschland  u.  s.  w.  so  sehr  bei  einander  in  die  Schule 
gegangen  sind,  sich  gegenseitig  so  befruchtet  haben,  dass  sie  ihre  Eigenart 
nicht  unvermlscht  aus  der  vielfachen  Wechselverbindung  gerettet  haben. 
Aber  zwischen  Vermischung  von  Charakterzügen  und  ihrer  Vernichtung 
liegt  eine  Kluft.  Solange  die  Völker  sich  in  allen  anderen  Künsten  unter- 
scheiden, ist  nicht  daran  zu  denken,  dass  die  Tonkunst  ihre  unterschied- 
liche Physiognomie  verlieren  wird.  Besonders  nicht,  solange  die  Volkslieder 
so  von  einander  abstechen,  wie  es  der  Fall  ist.  Was  wirklich  international 
geworden,  scheint  mir,  im  Grunde  genommen,  nur  die  Technik  unserer 
Kunstmusik  zu  sein.  Darüber  hinaus  gebe  man  sich  keiner  akustischen 
Täuschung  hin.  Und  wie  wenig  zuweilen  diese  internationale  Technik  im- 
stande ist,  die  Gegensätze  und  Unähnlichkeiten  in  den  Volksseelen  zu  über- 
brücken, dafür  bietet  Mozart  ein  Beispiel. 

Sein  Entwickelungsgang  macht  ihn  in  vielen  technischen  Dingen  zu 
einem  Abkömmling  italienischer  Meister,  weshalb  gar  kluge  Leute  ihn  einen 
italienischen  Komponisten  nennen.  Aber  wie  kommt  es  denn,  dass  er  in 
Italien  bis  heute  noch  nicht  rechten  Fuss  gefasst  hat,  trotz  seiner  italie- 
nischen Attitüden?  Liegt  es  daran,  dass  er  es  nicht  wert  war  sieghaft  über 
die  Alpen  zu  dringen?  Liegt  es  daran,  dass  er  ein  echter  Deutscher  in 
italienischem   Gewände  ist,  dass  die   Italiener  die  teilweise  Verkleidung 

JH.  1.  4 


50 
DIE  MUSIK  III.  1. 


merken,  fühlen,  dass  er  nicht  einer  der  ihrigen  ist,  dass  er  Saiten  anschlägt, 
die  ihrem  Charakter  fernab  liegen?  Ich  glaube  das  letztere,  ich  glaube, 
dass  der  auffallende  Widerspruch  zwischen  äusserem  und  innerem  Ausdruck 
zumal  in  seinen  italienischen  Opern,  Mozarts  Stellung  in  Italien  bedingt  hat. 
Man  mag  sich  also  drehen  und  wenden,  die  Theorie  einer  inter- 
nationalen Musiksprache  ist  nicht  haltbar.  Damit  schwindet  zugleich  ihre 
Berechtigung  als  Vorbild  und  mithin  auch  ihre  Nutzanwendung  für 
unser  zukünftiges  Musikleben.  Wird  aber  die  Musikgeschichte  als  Stütz- 
punkt herangezogen  mit  der  Behauptung,  die  musikalische  Pfropfkultur 
habe  während  der  letzten  fünf  Jahrhunderte  so  viele  guten  Früchte  gezeitigt, 
dass  sie  die  Trägerin  des  musikalischen  Fortschrittes  bleiben  müsse,  so 
heisst  das  auf  Wolken  wandeln.  Denn  diese  Pfropfkultur  hat  mindestens 
ebensoviel  Schaden  gestiftet  wie  Segen.  Dieser  besteht,  wie  betont  wurde, 
in  dem  Austausch  technischer  Errungenschaften,  jener  aber  in  einer  alles 
zersetzenden  Ausländerei. 

So  bietet  das  deutsche  Musikleben  des  achtzehnten  Jahrhunderts  ein 
erbärmliches  Schauspiel.  Die  Italiener  waren  Herren  im  Lande.  Musiker 
und  Publikum  mussten  nach  ihrer  Pfeife  tanzen.  Es  war  das  goldene  Zeit- 
alter für  Komponisten,  die  nicht  nur  von  den  Italienern  lernten,  sondern 
ihnen  nachäfften.  Deutsch  gedachte  Musik  lebte  nur  ein  Aschenbrödel- 
dasein. Aber  es  ging  wie  im  Märchen.  Jene  verschwanden  mit  der  Mode, 
während  die  Meister,  die  sich  in  technischen  Dingen  befruchten  Hessen, 
ohne  dabei  dem  Mutterboden  entwurzelt  zu  werden,  langsam  aber  sicher 
ihre  Auferstehung  feiern.  Allen  voran  Johann  Sebastian  Bach!  Aber  auch 
seine  Werke  sind  nicht  immer  stilrein.  Auch  er  gab  der  Mode  zuweilen 
allzuviel  nach.  So  sehr  seine  Arien  z.  B.  von  seinem  Genius  durchhaucht 
sind,  sie  sind  nach  italienischer  oder  französischer  Manier  zugestutzt.  Das 
raubt  ihnen  ein  gut  Stück  ihrer  Lebenskraft.  Sie  bilden  die  —  verhältnis- 
mässig —  schwächeren  Teile  in  seinen  gewaltigen  Werken.  Sie  wirken 
weniger  befriedigend,  weil  weniger  echt,  als  die  Arien  mancher  zeit- 
genössischen Italiener,  die  im  übrigen  sich  neben  Bach  fast  wie  Zwerge 
ausnehmen.     Das  sollte  doch  zu  denken  geben! 

Dann  betrachte  man  die  Geschichte  der  englischen  Musik.  Bis  zu 
Purcell  eine  Periode  der  Blüte,  während  der  die  englischen  Meister  trotz 
italienischer  Einflüsse  den  Charakter  ihres  Volkes  wiederspiegeln.  Darauf 
setzt  der  Händel-Kultus  ein,  und  seitdem  Hess  sich  England  am  Gängel- 
bande aller  möglichen  fremdländischen  Idole  führen.  Fast  zwei  Jahrhunderte 
eines  beispieUosen  Musikschwelgens,  aber  zugleich  zwei  Jahrhunderte, 
während  derer  die  schöpferische  Kraft  englischer  Komponisten  brach  liegt. 
Sollte  zwischen  beiden  Momenten  kein  innerer  Zusammenhang  bestehen, 
kein  Sichauslösen  von  Ursache  und  Wirkung?     Ist  es  nicht  bezeichnend^ 


5t 
iSONNECK:  NATIONALE  TONSPRACHE  -  VOLAPÜK 


dass,  nachdem  sich  diese  Erkenntnis  in  den  letzten  Jahrzehnten  Bahn  ge- 
brochen, die  Anzeichen  eines  schöpferischen  Aufschwunges  sich  in  England 
deutlich  gemehrt  haben? 

Seit  dem  Beginn  des  neunzehnten  Jahrhunderts  kämpften  Italiener 
und  Deutsche  um  die  Vorherrschaftin  musikalischen  Dingen.  Die  Deutschen 
haben  seit  den  letzten  fünfzig  Jahren  zweifellos  auf  der  ganzen  Linie  gesiegt. 
So  sehr,  dass  Italien,  das  bereits  von  den  Franzosen  abhängig  geworden, 
sich  noch  dazu  unter  deutsches  Joch  beugte.  Viele  italienischen  Musiker 
kennen  ihren  Wagner  und  ihren  Brahms,  ganz  zu  schweigen  von  Bach, 
Beethoven,  Schumann,  so  gründlich,  dass  sie  ihre  deutschen  Kollegen  in 
gelindes  Erstaunen  setzen  könnten.  Doch  glaube  man  nur  nicht,  dass  diese 
Musiker  in  der  Nachahmung  der  Deutschen  ihr  Heil  erblicken.  Nur  als 
Mittel  zum  Zweck!  Ihr  Ziel  ist,  die  italienische  Musik  aus  einer  veralteten 
und  verBachten  Formgebung  wieder  bergan  zu  führen.  Verdi's  berühmtes 
und  erlösendes  Wort:  Torniamo  all'  antico  ist  der  Wahlspruch  aller  ver- 
ständigen Italiener.  Wer  diese  ihre  Sehnsucht  nach  einer  Erlösung  von 
der  durch  zeitliche  Umstände  bedingten  Deutschtümelei  für  eine  Eitelkeits- 
pflanze ansieht,  irrt  sich  sehr.  Sie  drängen  auf  die  Pflege  der  altitalienischen 
Meister  in  Haus,  Schule,  Konzertsaal  als  auf  einen  unversieglichen  Jung- 
brunnen. Sie  sehen  ein,  dass  diese  alten  Meister  ihrem  Naturell  viel 
näher  liegen  als  die  zeitgenössischen  Meister  jenseits  der  Alpen.  Auch 
hier  also  die  Erkenntnis,  wie  Kosmopolitik  nur  für  die  Technik  eine  Quelle 
des  Fortschrittes  ist,  für  den  Inhalt  aber  ein  Siechbett.  Sie  wollen  über- 
haupt für  die  Musik  nur  eine  ähnliche  Kur  von  innen  heraus,  wie  die 
jungitalienische  Dichterschule,  die  unter  der  Führung  des  grandiosen  Giosuft 
Carducci  mit  Feuereifer  die  Dichter  des  Trecento  und  Quattrocento 
studiert,  um  endlich  die  italienische  Literatur  von  Gallicismen  und  sonstigen 
Unreinheiten  zu  säubern.  Und  zweifellos  sind  diese  Anstrengungen  bereits 
von  Erfolg  gekrönt  geworden. 

Wer  nun  schliesslich  die  Augen  auf  die  Vereinigten  Staaten  lenkt, 
dem  wird  die  Richtigkeit  all  dieser  Ausführungen  peinlich  klar  vor  Augen 
treten. 

Die  Vereinigten  Staaten  sind  seit  über  hundert  Jahren  der  Tummel- 
platz europäischer  Musiker.  Nicht  nur  solcher,  die  hierher  auswanderten, 
sondern  auch  derer,  die  ein  oder  mehrere  Jahre  im  Lande  bleiben,  um 
Geld  und  Ehren  einzuheimsen.  Englische,  französische,  italienische,  deutsche 
Musiker  haben  mehr  als  die  einheimischen  hier  in  überraschend  kurzer 
Zeit  ein  reiches  Musikleben  zur  Entfaltung  gebracht,  nicht  nacheinander, 
sondern  nebeneinander  wirkend,  höchstens  dass  sich  der  Schwerpunkt  des 
Einflusses  von  Zeit  zu  Zeit  verschob.  Sie  spielen  noch  heute  die  Haupt- 
rolle und  haben  ihre  eingeborenen  Kollegen  in  den  meisten  Zweigen  der 

4* 


52 
DIE  MUSIK  III.  1. 


Tonkunst  arg  in  den  Hintergrund  gedringt.  Insonderheit  haben  die  Musik- 
lehrer ihr  europäisches  Wesen  der  musiktreibenden  Jugend  eingeimpft. 
Nicht  nur  das,  Legionen  junger  Amerikaner  pilgern  zu  den  europäischen 
Musikschulen,  und  zwar  meist  in  einem  Alter,  wo,  musikalisch  wenigstens, 
ihr  Volkscharakter  noch  ausgerottet  werden  kann  und  wird.  Was  ist  die 
Folge?  Die  Vereinigten  Staaten  sind  in  musikalischen  Dingen  noch  immer 
vorwiegend  eine  Kolonie  Europas.  Die  Theorie  einer  internationalen  Musik- 
sprache ist  also  hier  in  die  Praxis  umgesetzt  worden.  Wäre  sie  nun  A 
und  O  der  Musik  der  Zukunft,  so  hätte  man  hier  bereits  einen  Prüfstein 
ihrer  Vorteile  und  die  Amerikaner  müssten  allen  Grund  haben,  mit  ihrem 
Musikleben  zufrieden  zu  sein. 

Sie  sind  es  aber  durchaus  nicht.  Unsere  Musiker,  soweit  sie  nicht 
selber  Europäer  sind,  seufzen  unter  dem  europäischen  Joch.  Sie  sehen 
mit  Schrecken,  was  die  planmässige  Transfusion  europäischen  Blutes 
geschaffen  hat:  ein  krüppelhaftes  Musikleben  unter  einer  glänzenden 
Schale. 

Unsere  Architekten,  Maier  und  vornehmlich  unsere  Bildhauer  haben 
sich  in  der  ganzen  Welt  Hochachtung  erzwungen,  weil  ihre  Meisterschaft 
sich  von  der  ihrer  Berufsgenossen  jenseits  des  Ozeans  wesentlich  unter- 
scheidet. 

Unsere  Dichter,  wie  Edgar  Allan  Po€,  Emerson,  Whittier,  James 
Rüssel  Lowell,  Walt  Whitman  bilden  typisch  amerikanische  Zierden  der 
Weltliteratur  und  wirken  ihrerseits  schon  auf  europäische  Dichter  be- 
fruchtend ein. 

Diese  Künstler  haben  in  der  Volksseele  mächtig  Wurzeln  geschlagen 
und  gelten  den  Amerikanern  als  fernhin  sichtbare  Warten  ihres  Volkslebens. 
Ganz  anders  die  Musiker.  Das  Volk  bringt  ihnen  nicht  die  gleiche  Achtung 
entgegen.  Die  Musik  ist  ihm  mehr  ein  importierter  Modeartikel  als  eine 
Kunst,  die  so  gut  wie  die  Poesie  ein  Volk  veredeln,  bilden,  stärken  kann 
und  soll. 

Es  wird  einem  Europäer  kaum  glaubhaft  scheinen,  dass  die  wenigsten 
unserer  Sänger  imstande  sind,  geniessbar  in  ihrer  Muttersprache  zu  singen. 
Wie  sollten  sie  es  auch  können?  Sie  sind  ja  meist  nur  auf  Italienisch, 
Französisch  oder  Deutsch  eingedrillt  worden.  Das  Gesetz  von  Angebot  und 
Nachfrage  verlangte  es  so.  Denn  unsere  Oper  zumal  ist  ein  kosmopolitisches 
Sammelsurium.  Wer  englischen  Sang  hören  will,  ist  auf  die  Operette  an- 
gewiesen. Alle  Versuche  einer  englischen  Oper  aber  sind  entweder  ge- 
scheitert, oder  wurden  auf  ein  mittelmässiges  Niveau  geschraubt,  weil  es 
dem  grösseren  Teil  unseres  Publikums  weniger  darauf  ankommt  zu  ver- 
stehen, was  gesungen  wird,  als  sich  vom  Klangreiz  teuer  bezahlter  Stimmen 
berauschen  zu  lassen. 


53 
$ONNECK:  NATIONALE  TONSPRACHE  —  VOLAPÜK 


Was  aber  viel  schlimmer  ist,  wir  haben  keinen  Komponisten,  den 
wir  stilistisch  als  echten  Amerikaner  bezeichnen  dürfen,  keinen,  der  die 
Ideale  seines  Volkes  in  Musik  setzt,  wie  es  die  Poeten  für  die  Dichtkunst 
getan.  Wenn  aber  einige  Leute  es  doch  behaupten,  wie  Mr.  Hughes  in 
seinem  fesselnden  Buche  „Contemporary  American  Composers*",  so  ist  ihr 
Wunsch  der  Vater  ihres  Gedankens.  Unsere  Komponisten  stehen  in  Wirk- 
lichkeit technisch  zwar  vollkommen  auf  der  Höhe  der  Europäer,  aber  nur 
zuweilen  merkt  man  an  der  Art  und  Weise,  wie  sie  ihre  Themen  und 
deren  Verarbeitung  anpacken,  dass  sie  nicht  Sklaven  Europas  sind,  sondern 
selbständig  und  natürlich  sich  gebärdende  Amerikaner.  Ihre  Partituren  wimmeln 
von  internationalen  Reminiszenzen,  und  ihre  dann  und  wann  aufbäumende  Per- 
sönlichkeit kämpft  vergebens  gegen  den  Wust  angelernter  Formeln.  Nicht 
Mangel  an  Talent,  sondern  die  unglückselige,  Blut  zersetzende  Einimpfung 
einer  internationalen  Musiksprache  hat  die  Amerikaner  vorläufig  ausser 
Stand  gesetzt,  der  Welt  Meister  zu  schenken  wie  Brahms,  Bizet,  Tschai- 
kowsky,  Sibelius.  Die  Europäer  haben  Recht,  wenn  sie  unsere  Kompo- 
nisten über  die  Achsel  ansehen.  Eklektisches  Gut  ist  nun  einmal  Diebs- 
gut. Es  demoralisiert,  trägt  nicht  weit,  und  ist  darum  kein  Element  der 
Stärke,  sondern  der  Schwäche. 

Das  wissen  unsere  Musiker  und  Musikschriftsteller  recht  gut.  Ihr 
Kampfruf:  Los  von  Europa!  stammt  nicht  von  heute  oder  gestern.  Er 
tönt  bereits  seit  mehreren  Jahren  und  schwillt  immer  mächtiger  an.  Genau 
wie  in  Italien  ist  diese  Sehnsucht  nach  einer  volkstümlichen  Tonkunst 
keine  Ausgeburt  nationaler  Hysterie,  sondern  die  Frucht  ernster  Gedanken, 
das  Ergebnis  vergleichender  Musikgeschichte,  ein  aus  Schaden  Kluggeworden- 
sein. Italien  ist  aber  besser  daran.  Es  kann  aus  seiner  glorreichen  Ver- 
gangenheit neues  Leben  schöpfen,  während  die  Amerikaner  ohne  eine 
solche  ihre  fraglose  Machtstellung  in  der  Musik  der  Zukunft  vorbereiten 
müssen. 

Die  Nutzanwendung  all  dieser  Erwägungen?  Sie  ist  einfach  und  all- 
gemein gültig.  Man  pflege  die  guten  neuen  Meister  aller  Völker,  um  nicht 
abzusterben;  die  guten  alten  Meister,  um  sich  bei  Zeiten  aus  etwaigen 
Sackgassen  zu  retten,  und  man  wurzle  im  Mutterboden,  um  zu  wachsen 
und  die  Tonkunst  dem  Herzen  seines  Volkes  so  nahe  zu  bringen,  dass  es 
über  sie  wacht,  wie  eine  Mutter  über  ihr  Kind.  Geniessen,  vergleichen, 
lernen!  Einer  kosmopolitisierenden  Tonkunst  aber  planmässig  den  Nähr- 
boden nehmen.    Denn  sie  ist  nur  die  Götzin  charakterloser  Mittelmässigkeit. 


e\a  Lebtag  vergesse  ich  die  Aufregung  nicht,  die  «uf  der  Grenz- 
I  sution  zwischen  Deutschland  und  Russland  —  in  Alexandrowo 
I  —  bei  der  Durchwüblung  meines  Köfffcrchens  ein  Band  der 
I  Gedichte  von  Heinrich  Heine  bervorgeruFen  bat.  Die  nächste 
Folge  war,  dass  der  Koffer  bis  auf  den  Grund  durchsucht  wurde,  dann 
eilte  der  Zollrevisor  mit  seinem  Fund  in  das  Bureau  zu  dem  wachthabenden 
Kapitin.  Dort  wurde  in  aller  Eile  eine  Konferenz  der  Zollbeamten  improvi- 
siert und  die  Folge  war,  dass  man  mir  den  Band  konfiszierte,  um  ihn  der 
Zensurbehörde  nach  Warschau  zu  schicken,  von  wo  ich  mir  denselben,  wie 
mir  gesagt  wurde,  nach  einigen  Wochen  abholen  könnte,  „Falls  er  über- 
haupt frei  gegeben  wird',  bemerkte  mit  pfiffigem  Ucheln  der  eine  der 
russischen  Zollbeamten,  ein  Kurlioder,  in  deutscher  Sprache. 

Der  Mann  hatte  sich  geirrt.  Der  Warschauer  Zensor  war  barmherziger 
als  der  Zollrevisor  von  Alexandrowo,  und  so  erhielt  ich  nach  vierzehn 
Tagen  mein  Heine-Exemplar  zurück,  allerdings  wiederum  mit  einer  sehr 
pfiffigen  Bemerkung  des  Zensors:  .Ich  setze  voraus,  dass  Sie  es  zu  Studien- 
zwecken brauchen t' 

Man  sieht,  dass  es  nicht  leicht  ist,  sich  in  Russland  Heines  Gedichte 
zu  verschaffen,  und  doch  werden  sie  dort  gelesen  and  zwar  viel  gelesen 
und  gekauft  und  übersetzt  und  gesungenl  Man  weiss  eben  der  Zensur  auf 
jede  mögliche  Weise  ein  Schnippchen  zu  schlagen,  und  alle  literarischen 
MIchte  sind  dort  im  Bunde,  um  dies  zu  ermöglichen. 

Die  Scenen,  die  ich  hier  schilderte,  haben  sich  allerdings  vor  zwanzig 
Jahren  zugetragen,  aber  viel  besser  ist  es  in  dieser  Beziehung  auch  heute 
noch  nicht  geworden.  Die  Übersetzungen,  die  im  Russischen  und  Polnischen 
von  Heines  Liedern  und  Prosascbriften  herausgegeben  worden,  erscheinen 
selbstverständlich  mit  Zensurerlaubnis.  Es  sind  also  tugendhafte  Ausgaben 
seiner  Werke,  in  denen  man  wohl  alle  Cynismen  bat  stehen  lassen,  dafür 
aber  alle  Anspielungen  auf  politische  und  soziale  Verhältnisse  sorgsam 
ausgemerzt  hat.  Dies  alles  konnte  aber  nicht  verhindern,  dass  Heine  In 
Russland   sehr    populär    geworden   ist.      Es   besteht   zwischen    Heine    und 


S5 
KARPELES:  HEINE  IN  RUSSLAND 


Russland  das  Verhältnis,  wie  zwischen  dem  Spielmann  und  seinem  Mädchen 
in  dem  bekannten  Liede  von  Geibel: 

„Und  legt  Ihr  zwischen  mich  und  sie, 

Auch  Strom  und  Tal  und  Hfigel, 

Gestrenge  Herrn,  Ihr  trennt  uns  nie, 

Das  Lied,  das  Lied  hat  FlQgell'* 
Auf  diesen  vielberufenen  Flügeln  des  Gesanges  sind  auch  Heines 
Lieder  vor  allem  in  Russland  populär  geworden.  Es  ist  das  eine  in  der 
musikalischen  Welt  bisher  noch  nicht  beachtete  Tatsache,  die  ich  aber 
authentisch  belegen  kann.  Seit  längerer  Zeit  habe  ich  mich  bemüht,  ein 
Verzeichnis  der  Gedichte  Heines,  die  von  russischen  Komponisten  in  Musik 
gesetzt  sind,  zu  erlangen,  aber  alle  meine  Bemühungen  waren  vergeblich, 
bis  ich  vor  einiger  Zeit  in  literarische  Beziehungen  zu  einem  in  Russland 
lebenden  tüchtigen  Kenner  der  modernen  Literatur  und  warmen  Verehrer 
Heines  kam,  der  mir  ein  solches  Verzeichnis  anfertigte.  Es  ist  dies  Herr 
Wladimir  Karenin,  der  ausgezeichnete  Biograph  der  Georges  Sand,  der 
wohl  von  der  berühmten  französischen  Schriftstellerin  auch  die  Vorliebe 
für  Heine  geerbt  hat.  Das  Verzeichnis  ist  ein  sehr  genaues.  Es  fehlen 
aber  trotzdem  noch  15  Lieder,  von  denen  man  vermuten  kann,  dass  sie 
zu  Heineschen  Texten  geschrieben  worden  sind.  Diese  Lieder  sind  aus 
dem  nachfolgenden  Verzeichnis  ausgeschieden;  andererseits  fehlen  darin 
einige  Übersetzungen,  die  den  Originaltitel  nicht  ganz  genau  angeben.  Ich 
habe  die  Aussicht,  auch  über  beide  Kategorieen  noch  einen  Nachtrag  bringen 
zu  können.  Zunächst  folgt  hier  das  Verzeichnis,  für  das  alle  Leser  dieser 
Zeitschrift  mit  mir  Herrn  Wladimir  Karenin  zu  herzlichstem  Dank  ver- 
pflichtet sind: 

VERZEICHNIS 
Heinescher  Gedichte,  die  von  russischen  Komponisten  in  Musik 

gesetzt  worden  sind. 

A. 

(Mit  russischem  Text,  meist  von  den  besten  russischen  Dichtern 

übersetzt.) 

1.  An  mein  Lied:  »Mir  träumte  einst  von  wildem  Liebesglfibn**,  von 
N.  Rimsky-Korsakow. 

2.  «Lieb'  Liebchen,  leg's  Händchen  aufs  Herze  mein*,  von  Dfitsch, 
Pomasansky. 

3.  Bergstimme:  »Ein  Reiter  durch  das  Bergtal  zieht*,  von  Bobrow. 

4.  Die  Botschaft:  „Mein  Knecht,  steh  auf  und  sattle  schnell*,  von 
Makarow,  Ofrossimow,  N.  Rimsky-Korsakow. 

5.  „Im  wunderschönen  Monat  Mai",  von  K.  von  Bach. 

6.  „Aus  meinen  Tränen  spriessen*,  von  N.  Artzybuscbew,  A.  Borodin, 
Caesar  Cui,  Demidow,  Denissow,  Kutkin,  An.  Liadow,  N.  Rimsky-Korsakow,  Startzow, 
Schäfer,  Schulgin,  Willamow. 

7.  „Wenn  ich  in  deine  Augen  seh'*,  von  Bleichman,   Demidow,  Dfitsch, 


56 
DIE  MUSIK  III.  1 


Glazounowy  Gnshof,  KrimoWyOfrossimow,  N.  Rim8ky-Kor8akow,N.SoIovjew,V.Sokolow, 
A.  Titow. 

8.  »Lehn'  deine  Wang'  an  meine  Wang'%  von  Alenew,  Demidow»  Galkin, 
Kiriakow,  Korganow,  Makarow,  Meiasner,  N.  Rimsky-Korsakow,  A.  Rubetz,  N.  Solovjewy 
Sokolow. 

9.  »Ich  will  meine  Seele  tauchen*,  von  Caeaar  Cui,  Mm«  Startzew. 

10.  »Auf  Flögein  dea  Geaangea*,  von  P.  Blaramberg,    Dluasky,    Gurilew, 
Uaaatow. 

11.  Die  Lotoablame:  »Die  Lotoablume  ingstigt",  von  K.  von  Bach, 
Iwanow,  Juferow,  Köhnemann,  Leiaaek,  Makarow,  Orlow,  Ant.  Rubinstein,  Schenk, 
Sokolow,  Solovjew. 

12.  »Du  liebst  mich  nicht,  du  liebat  mich  nicht*,  von  Alferoki, Caesar Gui. 

13.  »O,  schwöre  nicht  und  kfiase  nur",  von  Alferoki,  Kopylow. 

14.  »Ja,  du  bist  elend  und  ich  grolle  nicht",  von  Startzow. 

15.  »Das  iat  ein  Flöten  und  Geigen",  von  Somow. 

16.  »Und  w&ssten's  die  Blumen,  die  kleinen",  von  Alenew,  Bemard, 
Dütsch,  Klemm,  Kreibich,  Proteininsky,  Seifert,  M»«  Terminska,  Ussatow. 

17.  »Warum  aind  denn  die  Rosen  so  blaas?",  von  Bleichman,  Caesar  Cui, 
Gabel,  Mm«  Kawelin,  Klemm,  Simon,  Tschaikowsky,  Tolstoi. 

18.  »Die  Linde  blQhte,  die  Nachtigall  sang",  von  Merten. 

19.  «Ein  Fichtenbaum  steht  einsam",  von  Archangelsky,  Argamakow, 
M.  Balakirew,  Belgardt,  Briansky,  Braun,  Dawydow,  A.  Dargomyschsky,  Derfeldt, 
Dmitriew,  Gabel,  Iwanow,  Mme  Kawelin,  Krimow,  Lomakin,  Makarow,  Mandelstamm, 
Marenitsch,  Ofrossimow,  Ant.  Rubinstein,  N.  Rimsky-Korsakow,  Rachmaninow,  Sokolow, 
Titow. 

20.  »Aus  meinen  grossen  Schmerzen",  von  Caesar  Cui,  M««  Danilewska, 
Juferow,  Merten,  Raamadse. 

21.  »Hör'  ich  das  Liedchen  klingen",  von  K.  von  Bach,  Demidow,  Grigor- 
jew,  Lawrow,  Merten,  Paufler,  Raamadse,  Sokalsky,  Sokolow,  Spiro,  Stschurowsky, 
Wekschin. 

22.  »Mir  triumte  von  einem  Königskind",  von  K.  von  Bach,  Ofrossimow. 

23.  »Ich  hab'  dich  geliebt  und  liebe  dich  noch",  von  Fürst  S.Wolkonsky. 

24.  »Sie  haben  mich  gequilet",  von  Imberd,  Kachanow,   Korestschenko. 

25.  »Es  liegt  der  heisse  Sommer",  von  Alferoki,  Kachanow. 

26.  .Wenn  zwei  von  einander  scheiden",  von  Ehban,  Krimow,  Lissenko, 
Merten. 

27.  »Vergiftet  sind  meine  Lieder",  von  Alferoki,  N.  Artzybuschew,  A.  Boro- 
din, Merten,  Raamadse. 

28.  »Ich  hab'  im  Traum  geweinet",  von  N.  Artzybuschew,  Caeaar  Cui, 
Demidow,  Dfitsch,  Elchowsky,  Krimow,  König,  Lodyschensky,  Makarow,  S.  Morosow, 
E.  Naprawnik,  Nikober,  Ofrossimow,  Paufler. 

29.  »Allnichtlich  im  Traume  seh'  ich  dich",  von  Korganow,  Lippold. 

30.  »Das  ist  ein  Brauaen  und  Heulen",  von  P.  Blaramberg. 

31.  »Es  fillt  ein  Stern  herunter",  von  Artzybuschew,  Merten. 

32.  »Am  Kreuzweg  wird  begraben",  von  Rapport 

33.  »In  mein  gar  zu  dunkles  Leben",  von  Sig.  Blumenfeld,  Sokolow. 

34.  »Du  schönes  Fischermidchen",  von  Bobrow,  Derfeldt,  Gogel,  Makarow, 
Schenk,  Ussatow. 

35.  »Die  Jungfrau  schüft  in  der  Kammer",  von  L.  Engel. 


57 
KARPELES:  HEINE  IN  RUSSLAND 


36.  »Ich  stand  in  dunkeln  Triumen",  von  Alferaki,  Sig.  Blumenfeld, 
Demidowy  Dfitsch,  Makarow,  Morosow. 

37.  »Was  will  die  einsame  Trine?*,  von  Bulacbow,  Derfeldt,  Dtibfique  (oder 
Dfibfic),  Guiilew,  Hlavacz,  Korganow,  Malaschkin,  Merten,  Schenk,  Sokolow,  Tolstoi. 

38.  »Der  bleiche  herbstliche  Halbmond*,  von  Kasperow. 

39.  «Deine  weissen  Lilienfinger",  von  Prigoschy. 

40.  „Sie  liebten  sich  beide,  doch  keiner*,  von  Caesar  Cui,  Dmitriew, 
Grodsky,  Nekrassow,  Putiata,  Spendiarow. 

41.  „Werdet  nur  nicht  ungeduldig*,  von  Sokolowsky. 

42.  „Nun  ist  es  Zeit,  dass  ich  mit  Verstand*,  von  Alferaki. 

43.  „Herz,  mein  Herz,  sei  nicht  beklommen*,  von  Derfeldt 

44.  „Du  bist  wie  eine  Blume*,  von  Artzibuschew,  Christianowltsch,  Dank- 
mann, DQtsch,  Iwansky,  Lischin,  Lissowsky,  Rachmtninow,  Rybakow,  Schantzberg, 
Sokalsky,  Somow,  Villebois,  Warlamow,  Willamow. 

45.  „Kind,  es  wire  dein  Verderben*",  von  Grodsky. 

46.  „Wenn  ich  auf  dem  Lager  liege*,  von  K.  von  Bach,  Weidenbrfick. 

47.  „Midchen  mit  dem  roten  Mundchen*,  von  Stschurowsky. 

48.  „Mag  da  draussen  Schnee  sich  tärmen*,  von  Caesar Cui,  P.  Weimarn. 

49.  „Saphire  sind  die  Augen  dein*,  von  Stschurowsky. 

50.  „Ich  wollt',  meine  Schmerzen  ergössen*,  von  Grodsky,  V.  Sokolow, 
Taskin,  Titow,  P.  Tschaikowsky. 

51.  „Du  hast  Diamanten  und  Perlen*,  von  Bulachow,  Hlavacz,  Ossipow, 
Prigoschy,  Somow. 

52.  „An  deine  schneeweisse  Schulter*,  von  Alferaki,  Glazounow,  Kalinni- 
kow,  Rasmadse. 

53.  „Es  blasen  die  blauen  Husaren**,  von  Makarow,  Mme  Slawianska. 

54.  „Dimmernd  liegt  de.r  Sommerabend*,  von  Miklaschewsky. 

55.  „Der  Tod,  das  ist  die  kühle  Nacht*,  von  K.  Villebois. 

56.  „Ich  bin  die  Prinzessin  Ilse*,  von  Th.  Iwanow. 

57.  „Das  Meer  hat  seine  Perlen*,  von  Dmitriew,  Somow. 

58.  „Aus  den  Himmelsaugen  droben*,  von  N.  Solovjew. 

59.  Aus  dem  Rabbi  von  Bacharach:  „Brich  aus  in  lauten  Klagen*, 
von  Alferoki. 

60.  Fruhlingslied:  „In  dem  Walde  spriesst  und  grünt  es*,  von  Ant. 
Rttbinstein. 

61.  „Die  schönen  Augen  der  Fruhlingsnacht*,  von  Bleichmer. 

62.  „Ich  lieb  eine  Blume,  doch  weiss  ich  nicht  welche*,  von 
Bleichman,  Klemm,  Ussatow. 

63.  „Gekommen  ist  der  Maie*,  von  Caesar  Cui,  Cüi-Rubetz,  Dutsch. 

64.  „Leise  zieht  durch  mein  Gemüt*,  von  Ant.  Rubinstein. 

65.  „Die  blauen  Frühlingsaugen*,  von  Demidow,  Dübüque  (DQbuc),  Ant. 
Rubinstein,  P.  Tschaikowsky. 

66.  „Die  schlanke  Wasserlilie*,  von  K.  von  Bach,  Caesar  Cui,  K.  Dawydow, 
Dlnssky,  Goldstein,  Hlavacz,  Kott,  Markewitsch,  Miklaschewsky,  Pantschenko,  M^« 
V.  PreisSy  Rachmaninow,  Rappert,  Ant.  Rubinstein,  K.  Schreider,  V.  Sokolow,  N.  Solovjew, 
Stschurowsky,  M™«  Sybin. 

67.  „MitdeinenblauenAugen*,  von  Mme  Baikow,  Caesar  Cui,  Dreier,  Sokolow, 
Starzowy  Ussator,  P.  Weimarn. 

68.  „Ich  wandle  unter  Blumen*,  von  Dubuque  (Dübüc). 


58 
DIE  MUSIK  in.  1 


60.  i,Wie  des  Mondes  Abbild  zittert^  von  Sokolowsky. 

70.  „Es  war  ein  alter  König",  von  K.  Dawydow,  Gurilew,  luferow,  Kalinnikow, 
Ofrossimow,  Ratscbinsky,  Ant.  Rubinstein. 

71.  »Meinen  schönsten  Liebesantrag*',  von  Caesar  Cui. 

72.  „Ein  schöner  Stern  geht  auf  in  meiner  Nacht",  von  Bleichman, 
K.  Dawydow. 

73.  «Das  gelbe  Laub  erzittert*,  von  Derfeldt,  Klemm. 

74.  »Mir  träumte  von  einem  schönen^Kind,  sie  trug  das  Haar  in 
Flechten",  von  M.  Balakirew,  A.  Dawidow,  Makarow,  Sokolow. 

75.  »Ich  hatte  einst  ein  schönes  Vaterland",  von  K.  von  Bach,  Hlawacz, 
Demidow,  Korganow,  Miklaschewsky,  Rachmaninow,  Saitzew,  Sokolow. 

76.  Tragödie:  »Entflieh  mit  mir  und  sei  mein  Weib",  von  Alferoki, 
Demidow,  Ant.  Rubinstein,  Ussatow. 

77.  Ein  Weib:  (»Sie  lachte"  —  Ballade)  »Sie  hatten  sich  beide  so 
herzlich  lieb",  von  G.  Lischin. 

78.  »Ritter  Olaf",  von  Sig.  Blumenfeld. 

70.  »König  Harald  Harfagar",  von  Makarow. 

80.  Der  Asra:  »Tiglich  ging  die  wunderschöne",  von  Linew,  Juferow, 
Ant.  Rubinstein. 

81.  »Wo  wird  einst  des  WandermGden  letzte  Ruhestitte  sein?  Unter 
Palmen,  in  dem  SQden",  von  Ant.  Rubinstein. 

B. 

(Mit  deutschem  Originaltext.) 

1.  »Es  fällt  ein  Stern  herunter",  von  Caesar  Cui. 

2.  Sechs  Lieder:  1.  »Der  kranke  Sohn",  II.  , Der  Tod  das  ist  die 
kühle  Nacht",  IlL  »Der  Asra",  IV.  »Der  Schncidergeselle-,  V.  »Vergiftet 
sind  meine  Lieder",  VI.  »Ich  bin  die  Prinzessin  Ilse",  von  N.  Sischer- 
batschew. 

3.  »Sag',  wo  ist  dein  schönes  Liebchen",  von  Andreas  Stscherbatschew. 

Ehe  ich  auf  dieses  Verzeichnis  näher  eingehe,  will  ich  nur  noch  der 
Vollständigkeit  halber  erwähnen,  dass  der  bekannte  russische  Komponist 
Caesar  Cui  das  Drama  Heines  »William  Ratcli£P"  schon  in  den  sechziger 
Jahren,  wie  mir  Wladimir  Karenin  schreibt,  »zu  einer  höchst  originellen 
und  talentvollen,  vom  grossen  Publikum  aber  wenig  geschätzten  Oper  ver- 
arbeitet hat".  Der  Text  ist  beinahe  wörtlich  von  dem  angesehenen  russischen 
Dichter  Alexei  Plestschejew  übersetzt  worden.  Die  Oper  wurde  im  Sommer 
1868/9  im  Kaiserlichen  Theater  zu  Petersburg  mit  grossem  Beifall  aufgeführt. 

Was  nun  das  Verzeichnis  anbelangt,  so  staunt  man  über  die  grosse 
Zahl  der  Kompositionen  zu  Heineschen  Liedern  in  Russland,  die  allein 
schon  einen  Rückschluss  auf  die  Popularität  Heines  im  weiten  Zarenreiche 
gestatten,  und  die  der  gewiss  nicht  geringen  Zahl  von  Kompositionen 
deutscher  Tondichter  zu  Heineschen  Liedern  zuweilen  fast  gleichkommt. 
Ein  Vergleich  dürfte  nach  dieser  Richtung  hin  nicht  uninteressant  sein.  Das 
Lied  aus  dem  Lyrischen  Intermezzo:  »Aus  meinen  Tränen  spriessen"  ist 
in  Deutschland  21  mal,  in  Russland  12mal  komponiert;  »Wenn  ich  in  deine 


59 
KARPELES:  HEINE  IN  RUSSLAND 


Si 


Augen  seh'*  ist  in  Russland  ebenso  oft  komponiert  wie  in  Deutschland; 
das  Lied  vom  Fichtenbaum  und  der  Palme  ist  23  mal  in  Russland,  aber  frei- 
lich 77  mal  in  Deutschland  in  Musik  gesetzt  worden.  «Ich  hatte  einst  ein 
schönes  Vaterland*  ist  in  Russland  8  mal,  in  Deutschland  aber  nur  7  mal 
vertont  worden.  Es  scheint,  als  ob  die  Sehnsucht  nach  einem  schönen 
Vaterland  in  Russland  grösser  sei  als  bei  uns.^ 

Man  ersieht  schon  aus  dieser  kleinen  Zusammenstellung,  dass  Heine 
zu  den  am  meisten  komponierten  Dichtern  gehört;  aber  am  Ende  kommt 
es,  wie  jeder  Musikkundige  weiss,  ja  nicht  auf  die  Zahl  der  Kompositionen 
an.  In  jedem  Fall  haben  die  besten  russischen  Komponisten  all  ihren  Eifer 
und  die  Fülle  ihrer  Sympathie  Heine  zugewendet.  Seine  pointenreiche  Lyrik 
musste  ihrem  Geschmack  ja  ganz  besonders  entgegenkommen,  weil  sie  die 
wichtigsten  Stimmungen  des  Lebens  in  engem  Rahmen  zusammen fasst. 
Allerdings  huldigten  sie  dabei  mehr  der  Weise  Robert  Schumanns  als  der 
Franz  Schuberts,  dessen  mehr  rezitierender  Liedstil  der  russischen  Musik 
nicht  entsprechen  konnte,  während  das  grosse  Obergewicht  der  Klavier- 
begleitung, das  die  Lieder  Heines  durch  Robert  Schumann  erfahren  haben, 
den  russischen  Tondichtern  eher  zusagen  musste. 

Vielleicht  liegt  darin  auch  der  Grund,  dass  Heine  in  Deutschland  so 
gut  wie  in  Russland,  ja  fast  in  allen  Ländern  der  Kulturwelt  so  viele  Ton- 
dichter in  den  Bann  setner  Poesie  gelockt  hat.  Er  selbst  hat  bekanntlich 
von  Musik  so  gut  wie  gar  nichts  verstanden  und  gelegentlich  sogar  den 
Generalbass  mit  dem  Kontrabass  verwechselt  —  von  wegen  seiner  statt- 
lichen Grösse.  Aber  er  hatte  mehr  als  die  Kenntnis  der  Musiktheorie. 
Franz  Liszt  hat  dies  einmal  in  einem  Briefe  an  mich  sehr  tre£Pend  in 
dem  einen  Satze  zusammengefasst:  «Er  war  Musiker  als  Dichter!* 
Sein  Geist  war  aus  Scharfsinn  und  Phantasie  geknetet.  In  ihm  hatten  sich 
hellenischer  Schönheitssinn,  deutsche  Empfindung  und  semitischer  Scharfsinn 
harmonisch  vereinigt.  Und  so  erriet  er  förmlich  auch  die  tiefsten  Geheimnisse 
der  Musik.  Er  war  Musiker  als  Dichter!  Und  kein  neuerer  Poet  hat  den 
Zauber  der  Lorelei,  die  tönenden  Gluten,  in  denen  Frau  Mette  untergeht, 
das  Langen  und  Bangen,  das  Himmelhochjauchzend  und  Zu  Tode  betrübt 
im  Menschenherzen   mit  grösserer  Gewalt  zum   Ausdruck  gebracht  als  er. 


*)  Vielleicht  wird  es  bei  dieser  Gelegenheit  die  Leser  dieser  Zeitschrift  inter- 
essieren, zu  erfkbren,  welche  Lieder  Heines  am  biuflgsten  vertont  worden  sind:  „Du 
bist  wie  eine  Blume"  160  mal,  ,Ich  hab'  im  Traum  geweinet*  83  mal,  »Leise  zieht  durch 
mein  Gemüt"  83 mal,  »Ein  Fichtenbaum"  77  mal,  »Und  wQssten's  die  Blumen,  die 
kleinen"  74  mal,  »Im  wunderschönen  Monat  Mai"  61  mal,  »Es  war  ein  alter  König" 
SOmal,  »Wenn  ich  in  deine  Augen  seh'"  54mal,  »Du  schönes  Fischermidcben"  51  mal, 
»Ich  stand  in  dunklen  Träumen"  49m'al,  »Mädchen  mit  dem  roten  Mündeben"  46mal, 
»Die  blauen  Frühlingsaugen"  42  mal. 


■enn  der  Tod  auf  der  TaUtan  als  das  elScUtcbste  Ende  des  Helden  ge- 
j  priesen  wJrd,  dann  starb  sucb  Hennan  Zumpe  einen  seligen  Tod.  Er 
hatte,  als  er  den  Taktstock  zum  letztenmal  blnlegte,  einen  gllnienden 
I  Sieg  erklmpft,  er  batte  nocb  mit  hsler  Hand  das  Verk  seines  Lebens 
*  gekrSnt  mit  der  Tat,  die  seiner  idealen  Geslnnunt  eines  Lebens  voll 
ArMt  wert  schien,  utid  mitten  in  Glanz  und  Jubel  schenkte  ihm  der  Tod  ein  sanftes 
Steiten.  TIe  ein  trfibes  Mircben  flog  am  Morgen  des  vierten  September  die  Kunde 
von  Mund  zu  Mund:  Hermsn  Zumpe  ist  nicht  mehr  —  erst  Uoglsubeo,  dann  fassungs- 
lose Bestüriung  und  liefe  Trauer  verbreitend.  Dann  aber  folgte  das  Erkennen  dessen, 
was  er  für  seine  letzte  Heimat  getan  —  und  in  den  Schmerz  um  den  Verbliebenen 
mischte  sich  die  Erhebung,  die  die  Erkenntnis  seines  von  reinem  Herzen  gekommenen 
Scbsffens  gsb. 

Zumpe  war  ein  Mann  der  Arbelt.  Ein  weiter,  veiter  7eg  lag  hinter  dem  Fünfzig- 
jlbrigen,  als  er  zum  ersten  Male  am  Dirigenten  pult  unseres  Prinz- Regententtaesters 
stand  mit  der  Aufgabe,  das  Riesenwerk  seines  Meisters  und  Förderers  in  seinem 
ganzen  Glanz  und  unter  Voraussetzungen,  die  redlichem  Fleiss  auch  die  Vollendung 
verbürgten,  neu  erstehen  zu  Isssen.  Tas  der  ideal  angelegte  Lehrer  In  einem  weit* 
fernen  slchslscben  Geblrgsdorf,  was  der  Musikscbüler  in  einem  letzten  TInkel  des 
Leipziger  Tbeaterorcheslers  ertriumte,  —  hier  sah  es  der  ErfDIIung  entgegen. 

Uns  MGnchnera  schied  in  Zumpe  der  Reorganlsator  unserer  Hofoper,  der 
SchBpt^r  des  musikalischen  Teils  unserer  Tagnerftistspiele,  der  zusammen  mit  Ernst 
von  Possart  den  Ruf  unserer  Hofb&fane  zu  fast  ungeahnter  HShe  hob.  Und  doch  Ist 
damit  das  Lebenswerk  Zumpes  zwar  gekrOnt,  aber  nicht  in  seiner  Bedeutung  erschSpft 
—  denn  man  gedachte  nicht  seiner  selbstschaffenden  Kraft,  und  nicht  seiner  reorgsnl- 
satorischeu  Arbeit,  die  er  auch  dem  Konzertsaal  In  gleich  treuem  Eifer  gewidmet  hatte. 

Es  würde  viel  zuweit  fuhren,  bler  dem  Komponisten  Zumpe  gerecht  werden  zu 
wollen.  Dsss  er  in  den  letzten  Jahren  so  wenig  genannt  wurde,  war  sein  eigenes 
Verschulden  —  er  halte  in  sich  selbst  den  sIlerschlechteBten  Anwalt  seiner  Sache. 
Die  Toolyrlk  seiner  Lieder  und  Gesinge  wird  aber  in  ihrer  poetlscben,  sbgeklirten 
Schfinheit  noch  jene  Stellung  finden,  die  Ihr  zukommt:  in  ihrer  zarten  Reinheit  darf 
sie  sich  sn  dem  Besten  des  von  Peter  Cornelius  auf  diesem  Gebiet  Geschaffenen 
messen.  Und  auch  was  er  im  Bereich  der  beute  so  tief  gesunkenen  Operette  schuf, 
wsr  retOrmatorlscben  Plinen  entsprungen;  such  hier  erstrebte  er  die  kfinstterische 
Hebung  des  ganzen  Genres  und  der  Erkenntnis,  dass  hier  alle  Mühe  vergeblich  sei, 
machte  er  oft  in  blttem  Vorten  Luft 

Sein  ganzes  Inneres  Tesen,  sein  Charakter  sprach  sich  aber  in  seiner  Dirigier- 
kunst aus.    Da  ward  ihm  die  Werkstsn  zum  Tempel,  und  er  ging  vjtllig  auf  In  dem 


nfc^--5  TEIBLER:j!HERMAN  ZUMPE  f  q'^^F^ 

Villen  des  Meisters  dem  er  diente  —  einerlei  ob  er  dleBcn  Oienat  In  Gecenwart  eines 
tausendkSpflgen  Publikums  oder  in  einer  stillen  Piirtt-Kltvlerprobe  betitigle.  Die 
ginze  ungetaeure  Senalblllilt  seines  EmpHndens,  der  Tast  unglaubliche  innere  Auf- 
schwung seines  Vesena  tat  aicta  dann  kund.  In  seiner  begeisterten  Art  des  Nach- 
scbalTens  lag  ein  so  grenzenloses  Sich  aufopfern,  dasa  die  Bewunderung  seiner  Kunst 
fast  ein  Gefühl  des  Schmerzes  mit  sich  führte.  Und  wer  mit  Zurape  einmal  unmittel- 
bar nach  einer  seiner  Orchesiertaten  zusammentraf,  der  konnte  sehen,  wie  er  die 
geistige  Erhebung  mit  der  tlehien  körperlichen  Erschöpfung  bezahlte,  wie  das  Erlebnis 
nacbzitterte  In  seinem  begeisterten.  In  weite  Fernen  irrenden  Blick. 

Zumpe  war  kein  Schnellsrbeiier,  seine  Authssung  fand  nie  ein  Ziel,  sondern 
scbof  immer  auf  dem  einmal  Erreichten  weiter  —  für  Ibn  war  jedes  wahre  Kunstwerk 
grenzenlos  und  ein  Born  stetiger  neuer  Erkenntnis.  Er  war  kein  vielseitiger  Mode- 
dlrlgent,  kein  duldsamer  Kompromissler  —  er  zog  an  oder  stiess  ab.  Ihm  war  die 
ganze  Ausübung  seiner  Kunst  Charaklersacfae.  Sein  Geist  war  modern  im  besten 
Sinne  des  Wortes;  sein  Herz  aber  gebSne  Im  Konzertsaal  Beethoven,  im  Theater 
Vagner  und  Schillings,  der  ihm  der  beratene  Nachfolger  des  ersteren  war.  Die  in 
ihm  lebende  stille  Begeisterung  wsr  stets  flugberelL  Er  sprach  von  den  Meistersingern 
nie  anders,  wie  von  dem  .vom  Himmel  gehllenen  Wunderwerk". 

Und  doch  geriet  dieser  reine  Ideallsmus  nie  in  uferlose  Empfindelei;  denn 
Zumpe  hatte  In  einem  Leben  der  Arbeit  gelernt  was  Selbstzucht  ist;  vielleicht  hstte 
er  such  vom  einstigen  Lehrberuf  jene  prachtvolle  Besonnenheit  sich  bewahrt,  die  mit 
dem  Schwung  seines  Empfindens  so  reine  abgeklirte  Konturen  schuf  und  seiner 
Individualltit  das  seltene  Geprige  gab. 

So  war  uns  Zumpe  ein  ganzer  Mann,  wie  ein  ganzer  Künstler.  Sein  grOsstes 
Terk,  dem  er  seine  volle  Oberieugung  und  sein  Leben  opferte,  schenkte  er  München, 
und  München  betrauert  in  ihm  einen  der  muligsten  Mitarbeiter  an  seinem  künst- 
lerischen Veitruf.  Sein  Denicmal  hat  er  sieb  In  unseren  Festspielen  selbst  mit  fester 
Hsnd  gesetzt  Und  sein  Ende  war  schfin  wie  sein  Virken,  und  eine  letzte  Bestidgung 
der  Vorte,  die  er  einst  in  ein  Stammbuch  schrieb:  .Selig  sind,  die  musikalischen 
Herzens  sind,  denn  sie  kOnnen  Gott  schauen  I" 


BÜCHER 

1,  Karl  Lamprecht  Deutsche  Geschichte.  Eratet  Etginzunfsband :  Ton- 
kunst —  bildende  Kunst  —  Dichtung  —  Velt4n Bebauung.  Verlag: 
R.  Gaertner,  Berlin. 
Seinem  grossen  deuiscben  Geschicbrswerk  fügt  Lainprectat  zwei  Ergin  zu  ngsbinde: 
.Zur  jüngsten  deutschen  Vergangenheit*  bei.  Im  ersten  spricht  er  über  Kunst  und 
Veltanscbiuung.  Dem  Mittelalter  mit  seinem  gebundenen  typischen  Seelenleben  steht 
die  neue  Zeit  mit  den  rrei  gewordenen  individuellen  SeelenktiFten  gegenüber.  Von  1750 
ab  beginnt  das  subjeklivistische  Zeltalter  mit  drei  Entwicklungsstuten :  Empfindsamkeit, 
Romantik,  Relzsanikeit.  .Das  jüngste  grosse  Zeitalter  deutseben  Seelenlebens'  setzt  ein 
mit  der  EmpRndaamkelt  und  geht  durch  die  Jahrzehnte  der  Romantik  hindurch  zu  den 
modernen  Zustinden  über,  die  psychisch  lingst  als  die  der  Nervosltit  erkannt  sind.  Man 
darf  dabei  mit  dem  Torte  .NerTOSilif  nicht  ohne  weiteres  den  BegrilT  des  krankhaften 
verbinden:  es  handelt  sich  nur  üin  ein  uns  In  verstirkter  Teise  bewusst  gewordenes 
Leben  der  Nerven,  das  man  vielleicht  besser,  da  einmal  das  Tort  .Nerven*  bestimmte 
Neben  Vorstellungen  erweckt,  för  den  hier  gemeinten  Sinn  mit  dem  Worte  .Relzsarokeit" 
vertauschen  wird.  Die  .Reiisamkeit",  die  Lamprecht  aufstellt,  entbllt  also  keinen  Tadel, 
bedeutet  weder  Entartung  noch  krankhaftes  ÜberreJitseln.  Ist  doch  für  Lamprecht  das 
relisame  Gesamt kunstwerk  aller  Künste  ein  eigenartiges  Merkmal  der  Urzeit  und  des 
subjektlvlstlschen  Zeitalters.  „Die  illere  Kunst  richtete  sich  mit  ihren  Spannungsgefüblen 
im  allgemeinen  an  die  oberen  Empfindungen,  an  das  Gemüt,  an  die  Gefühle  ...  Ste  grub 
also  bloss  bis  ins  Stockwerk  der  Gefühle  herunter ;  die  darunter  liegende  mehr  primire, 
nervSse  Scbicbt  erreichte  sie  nicht  oder  doch  nicht  unmittelbar.'  Die  Tonkunst  aber 
.mit''  vor  allen  andern  „auf  die  Nerven'.  Ihre  Ausdrucks  mittel  sind  Im  19.Jabrbandert 
ungemein  gesteigert  worden.  Die  Aufnahmefiblgkelt  für  musikalische  Eindrücke  ist  bei 
den  ZuhSrern  illmihlich  entsprechend  gewachsen.  .Tausend  neue  Empfind ungsnuanceti 
vor  allem,  und  namentlich  wieder  Nuancen  Im  Gebiet  des  Seh  webend- Ätherischen,  Ge- 
heimnisvollen, Abnungsreicben,  NervCs-ScbmerzIlcfaen  sind  uns  zuglnglich  geworden. 
Hier  liegen  die  Kaupitrümpfe  der  neuen  Kunst.'  Ein  Abschnitt  über  die  Entwlcklungs- 
geschjchte  der  deutschen  Musik  vom  Mittelalter  ab  und  über  den  technischen  Charakter 
der  neuesten  Musik,  kurz  und  klar  geschrieben,  nur  die  Umrisse,  aber  diese  um  so 
schirfer  zeichnend,  zeigt  das  Werden  und  Wachsen  dieser  neuen  Ausdrucksmittel.  .Ntcbl 
ein  Endiger,  ein  ErCfFner  neuer  Zeit  war  Beethoven,  so  betrachtet."  Und  nun  werden 
Liszl  und  Wagner  als  die  Meister  der  neuen  Kunst,  der  symphonischen  DIcbtung  und 
des  Wort-Ton- Dramas  geschildert,  wie  durch  sie  die  Musik  zur  Dichtung  und  Welt- 
anschauung sich  erhebt.  Unnachahmlich  schSn  hat  Wagner  selbst  (Ges.  Schriften  X, 
188  IT.  und  Chamberlaln,  Richard  Wagner,  kleine  Ausgabe  S.  264  fT.^  im  Bild  vom  Seher, 
Dichter  und  Künstler  diesen  Vorgang  geschildert  Wagner  entdeckte  eben  in  der  Musik 
die  tBnende,  unmittelbar  gestaltungsHbige  Seele  aller  Kunst  und  des  deutschen  Dramas 
im  besonderen.  Lamprecht  dankt  im  Vorwort  unter  andern  den  Herren  GSbler  und 
Prüfer  für  ihren  Rat.    Er  folgt  guten  Gewihrsleuten,  und  so  fiel  die  Darstellung  auch 


63 
BESPRECHUNGEN  (BÜCHER  UND  MUSIKALIEN) 


schön  und  richtig  aus.  Die  Schilderung  Wagners  lehnt  sich  an  Chamberlains  Werk  an. 
Wir  erfahren  also  zwar  Qber  unsere  Meister  selbst  nichts  Neues.  Aber  im  Zusammen- 
hang des  Ganzen  behauptet  Lamprechts  psychologische  Auffassung  und  Behandlung 
doch  ihren  eigenen  Wert,  indem  sie  Liszt  und  Wagner  in  den  Mittelpunkt  der  geistigen 
Kultur  rückt  und  nachweist,  dass  die  Musik  der  allgemeinen  geistigen  Bewegung  und 
der  Entwicklung  der  anderen  Kfinste  sich  anschliesst,  ja  sogar  in  neuester  Zeit  die 
Führung  übernahm.  Der  Historiker  übertrifft  an  Wissen,  Urteil  und  Kenntnis  der 
Fachschriften  weit  die  Literaturhistoriker,  die  [mit  wenigen  Ausnahmen  von  Wagners 
Grösse  immer  noch  keine  Anschauung,  oft  überhaupt  noch  keine  Ahnung  haben.  Und 
er  zeigt  uns  das  Kunstwerk  Wagners  im  bedeutungsvollen  Zusammenhang  mit  dem 
ganzen  Geistesleben  der  Vergangenheit,  Gegenwart  und  Zukunft.  .Es  war  die  erste 
Errungenschaft  der  neuen  Zeit:  tausend  annoch  vereinzelten  Tendenzen  verhalf  es  zu 
einem  einzigen  Ausdruck,  den  grossen  Bruch  schuf  es  in  den  Damm  der  Zeit,  durch 
den  die  Wasser  eines  neuen  Seelenlebens  unaufhaltsam  einströmten.*  »Wagner  ist  die 
repräsentative  Persönlichkeit  der  Anfinge  der  reizsamen  Periode  überhaupt.*  Wir  be- 
grüssen  es  mit  Freuden,  wenn  ein  so  einflussreicher  und  angesehener  Geschichtsschreiber 
wie  Lamprecht  seinen  Lesern  Wagners  Bedeutung  vor  Augen  führt.  Und  doch  befriedigt 
seine  Darstellung  in  einem  wesentlichen  Punkt  nicht  ganz.  Lamprecht  unterschätzt  bei- 
nahe die  geniale  Persönlichkeit^des  Künstlers,  die  ich  mir  so  vorstelle,  wie  Chamberlain  in 
den  Grundlagen  1,26  andeutet,  vor  lauter  Entwicklungslehre  und  Form  Psychologie.  „Das 
Gesamtkunstwerk  Wagners  ist  also  nicht  ein  persönlich-schöpferischer  Gedanke,  es  ist 
der  Gedanke  vielmehr  eines  bestimmten  Zeitalters,  einer  Epoche.*  Aber  der  Schöpfer 
war  ebenso  nötig  und  ebenso  persönlich  wie  etwa  Bismarck  fürs  Deutsche  Reich.  ,Im 
Anfang  war  die  TatI*  Richard  Wagner  in  Bayreuth  —  der  Künstler  und  sein 
Werk,  das  deutsche  Drama  und  sein  weltentrückter  Schauplatz,  die  ethisch-symbolische 
Bedeutung  dieser  unvergleichlichen  Tat  —  alles  das  muss  im  Mittelpunkt  und  Vordergrund 
jeder  wahrheitsgetreuen  Schilderung  des  Bayreuther  Meisters  stehen,  sonst  wird  die  Betrach- 
tung falsch  oder  doch  nur  sehr  einseitig  und  auf  Nebensachen,  vom  Gehalt  zur  Form  gerichtet. 
Richard  Wagner  ist  in  der  Geschichte  deutscher  Kunst  und  Kultur  eben  doch  noch  etwas 
anderes  als  ein  Einiger,  Mehrer  und  Verfeinerer  psychophysischer,  künstlerischer  Aus- 
drucksmittel, eine  jener  seltenen  hohen,^  schöpferischen  Heldengestalten,  in  denen  der 
deutsche  Geist  vollkräftigst  auflebt  und  durch  die  Geschichte  weithin  leuchtet.  Bei 
Lamprecht  fehlt  aber  das  Wort  „Bayreuth*  überhaupt  ganz.  Er  geht  an  der  lebendigen 
Anschauung  vorbei  und  spricht  dafür  in  geistvollen  Begriffen  von  Formen,  die  ohne  Liszt, 
Wagner  und   einigen  wenigen  Auserwähiten  leer  und  nichtssagend  sind,  die  sogar  zu  ^ 

üblen  Unarten  missbraucht  werden  können,  sobald  sie  nicht  im  Dienst  der  Idee,  sondern 
nur  als  Selbstzweck  auftreten.  Allerdings  will  Lamprecht  die  Entwicklung  der  neu- 
deutschen Tonkunst,  nicht  die  Geschichte  der  Kunst  Liszts  und  Wagners  behandeln. 
Aber  gerade  die  scheinbar  abstrakte,  formale  und  begriffliche  Darstellung  hat  im  Grunde 
doch  nur  von  diesen  beiden  Meistern,  von  der  durch  sie  vollzogenen  Neugestaltung  der 
Idee  und  der  Ausdrucksformen  der  Kunst  und  von  der  Stellung  anderer  Musiker  zu 
ihnen  zu  berichten.  Darum  war  auch  ihre  geniale  Persönlichkeit,  die  Idee  ihrer  künst- 
lerischen Taten  noch  mehr  zu  betonen.  W.  Golther. 

MUSIKALIEN 

2.  Armas  Järnefelt:  Korsholm.    Symphonische  Dichtung  für  grosses  Orchester. 
Partitur.     Verlag:  Breitkopf  &  Härtel,  Leipzig. 
Nach  dem  grossen  Aufheben,  das  man  vor  einigen  Jahren  von  Berlin  her  mit  der 
neuflnnischen   Musik  machte,  bedeuteten   die   Werke   von   Sibelius,  dem   anerkannten 


64 
DIE  MUSIK  III.  1. 


Meister  dieser  Schule,  soweit  man  sie  in  Deutschland  kennen  lernte,  eine  schwere  Ent- 
täuschung. Und  auch  Järnefelts  yKorsholm*,  furchte  ich,  wird  kaum  geeignet 
sein,  uns  eine  bessere  Meinung  von  den  Leistungen  der  modernen  Finnlinder  auf  dem 
Gebiet  der  Orchestermusik  beizubringen.  Korsholm  heisst  der  Ort  am  bottnischen 
Meerbusen,  wo  das  erste  Kreuz  in  Finnland  von  schwedischen  Kreuzfahrern  aufgepflanzt 
wurde.  Der  Kampf  der  christlichen  Schweden  mit  den  heidnischen  Finnen,  der  endliche 
Sieg  der  ersteren,  die  Unterwerfung  Finnlands  unter  schwedische  Herrschaft,  die  An- 
nahme des  Christentums  durch  die  Finnen,  ihr  Eintritt  in  die  abendländische  Kultur 
und  ihr  lebhafter  Anteil  an  der  Glanzepoche  der  schwedischen  Geschichte,  das  will 
von  Jämefelt  in  seiner  Symphonischen  Dichtung  musikalisch  illustriert  sein.  So  be- 
hauptet wenigstens  die  der  Partitur  vorgedruckte  programmatische  Erläuterung.  Rein 
musikalisch  hat  das  Werk  ausser  einer  klangvollen,  aber  wenig  intimen  und  gar  keine 
individuellen  Reize  aufweisenden  Instrumentation  kaum  eine  wertvolle  Qualität  In  for- 
maler Beziehung  ein  missverstandener  Liszt,  im  motivischen  Material  dürftig  und  wenig 
anziehend,  in  seiner  Verarbeitung  ohne  jegliches  Interesse  und  in  Bezug  auf  Ausdrucks- 
und  Stimmungsgehalt  ganz  und  gar  äusserlich,  dürfte  diese  Musik  ein  deutsches  Publikum 
kaum  begeistern  können.  Wogegen  sich  sehr  wohl  denken  lässt,  wie  in  Finnland  — 
zumal  in  gegenwärtiger  Zeit,  wo  die  Not  des  hartbedrängten,  an  den  Wurzeln  seiner 
nationalen  Existenz  angegriffenen  Volkes  einem  Appell  an  das  patriotische  Empfinden 
verdoppelten  Wiederhall  erwecken  muss  —  das  Sujet  für  sich  allein  einen  Enthusiasmus 
wecken  könne,  der  dann  unverdienterweise  der  Musik  Järnefelts  zu  gute  kommen  mag. 
3.  Georg  Henschel:  Requiem  für  Chor,  Solostimmen  und  Orchester,  op.  50. 
Klavierauszug  mit  Text.  Verlag:  Breitkopf  &  Härtel,  Leipzig. 
Der  Baritonist  Georg  Henschel  gehört  zu  der  Klasse  der  komponierenden 
Sänger,  die  in  jüngster  Zeit  wieder  etwas  zahlreicher  geworden  ist.  Erfreulicherweise. 
Denn  wenn  auch  bei  diesem  Komponieren  gerade  nichts  von  hervorragender  Bedeutung 
herauskommen  sollte,  so  beweist  es  doch  zum  mindesten,  dass  der  betreffende  Sänger 
wenigstens  jenes  Minimum  an  musikalischer  Bildung  sich  angeeignet  hat,  das  auch  zum 
schlechtesten  Komponieren  erforderlich  ist,  und  das  der  Durchschnittssänger  unserer 
Zeit  bekanntlich  nicht  zu  besitzen  pflegt.  Henschel  gehört  jedenfalls  zu  den  begabteren 
und  auch  gebildeteren  unter  den  komponierenden  Sängern.  Er  hat  gute  Studien  gemacht 
(in  Leipzig  bei  Richter  und  in  Berlin  bei  Kiel)  und  seine  Werke  werden  vielfach  auf- 
geführt Trotzdem  wird  sich  das  dem  Andenken  an  Henschels  Frau,  der  bekannten 
Sängerin  Lillian  Henschel,  gewidmete  Requiem  in  Deutschland  wohl  kaum  allzu  viele 
Freunde  erwerben.  Dass  man  dieses  Werk  nicht  ohne  Recht  mit  Verdis  Totenmesse 
hat  vergleichen  können,  kennzeichnet  die  kirchenmusikalische  Richtung,  der  es  angehört 
Aber  während  des  grossen  Italieners  riesenhaftes  Genie  damit  versöhnt,  dass  er  keine 
geistliche  Musik  in  unserem  Sinne  gibt,  fehlt  bei  Henschel  die  Genialität  ganz  und  gar. 
Gut  für  die  Singstimme  geschrieben,  äusserlich  effektvoll,  ohne  jegliche  Vertiefung  und 
oft  trivial  in  einem  Masse,  wie  wir  es  uns  selbst  in  einem  weltlichen  Werke  ernsten 
Charakters  nicht  würden  gefallen  lassen,  ist  dieses  Requiem  für  Deutschland  so  ziemlich 
wertlos.  Einzig  und  allein  der  Umstand,  dass  es  der  Aufführung  keine  allzngrossen 
Schwierigkeiten  bietet,  könnte  vielleicht  hier  und  da  einen  Dirigenten  reizen,  bei  einem 
weniger  anspruchsvollen  Publikum  einen  Versuch  damit  zu  wagen. 

Dr.  Rudolf  Louis. 


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BERLINER  TAGEBLATT  1903,  9.  8.  —  Wirklich  interessant  ist  das  Feuilleton 
JMusikalische  Erinnerungen*  von  Oskar  Eisner.  Wir  erftthren  hier  viel  von  der 
Konstfreundlichkeit  und  künstlerischen  Betätigung  des  1893  verstorbenen  Herzogs 
Ernst  II.  von  Koburg-Gotha,  der  als  Komponist  vorwiegend  das  Gebiet  der  Oper, 
und  zwar  im  Meyerbeerschen  Stile,  pflegte.  Der  Ruf  des  Herzogs  als  Protektors 
der  Musik  zog  unter  andern  auch  Richard  Wöerst  aus  Berlin,  der  damals  seine 
erste  Symphonie  komponiert  hatte,  Rudolf  Bial  und  Heinrich  Hofmann,  die 
beide  zu  Jener  Zeit  auf  dem  Operetten wege  wandelten,  nach  Koburg;  Eisners  Er- 
innerungen an  die  drei  Kfinstler  bergen  manche  hübsche  Anekdote. 

ANHALTISCHER  STA  ATS  ANZEIGER  (Dessau)  1903,  2.  8.  -  Ein  Gedenkblatt 
jpAugust  Klughardt*  hat  Ernst  Hamann  auf  Grund  der  Tagebucher  und  Briefe 
Klnghardts  geschrieben.  Das  hier  veröffentlichte  Material  lässt  Klughardt  als  herzens- 
tiefien,  begeisterungsfreudigen  Menschen  und  als  gewissenhaften,  schaffensdurstigen 
Künstler  erscheinen.  Wie  gut  lässt  sich  die  Entstehungsgeschichte  seiner  Opern 
jplwein**  und  ,»Gudrun*  und  seines  Oratoriums  »Judith*  verfolgen!  Ein  paar  Stellen 
von  besonderer  Schönheit  seien  angeführt.  1883  verlor  er  Gattin  und  Vater  und 
blieb  allein  mit  seinem  zehnjährigen  Töchterchen  und  seiner  Mutter.  Da  schreibt 
er  nun:  ,»Ein  ernstes  Jahr  für  mich.  Die  nun  mit  Macht  anrückende  Arbeit  lenkt 
mich  wieder  in  die  Lebensbahn  und  durch  meine  Fassung  erhält  auch  meiner 
Mutter  Gemüt  die  Ruhe  wieder.  Gretchen  muss  früh  lernen,  was  die  Menschen 
Schicksal  nennen;  möge  der  Sonnenschein  nun  ungehindert  auf  das  liebe  Kind 
herableuchten.  Den  Kopf  oben  zu  behalten,  scheint  mir  das  Notwendigste  für 
mich,  damit  die  andern  nicht  verzagen.*  In  dem  Tagebuch  einer  Gebirgsreise 
von  1886  steht  die  Stelle:  „Aber  beute  war's  habschl  O  Salzburg,  du  wunder- 
schöne Stadt!  O  grossartige  Erinnerungen!  Ein  eigentümlicher,  heiliger  Hauch 
umweht  uns  hier.  Mozart,  Mozart,  Mozart!  Was  hast  du  aus  deiner  Vaterstadt 
gemacht!  Der  Geist  Gottes  schwebte  über  diesen  Mauern,  als  du  geboren  wurdest! 
Salzburg  wäre  auch  ohne  Mozart  eine  schön  gelegene  Stadt,  aber  mit  ihm  ragt  sie 
hoch  empor  über  die  andern  Städte  der  Welt.  Ein  Zauber  liegt  über  diesem 
Fleckchen  Erde  . .  .*  Und  1891,  vor  den  Dessauer  Nibelungentagen,  schreibt  er: 
ipWas  ich  Dir  sonst  noch  sagen  kann,  fasst  sich  am  klarsten  und  am  kürzesten 
zusammen  in  zwei  Worte:  Rheingold  —  Walküre!  Wir  wollen  sie  in  der  zweiten 
Hüfte  des  Januar  geben;  danach  kannt  Du  bemessen,  wie  mir  zu  Mute  ist.  Im 
Wachen  und  Träumen,  immer  wühlt  Wotan,  wuchtige  Wogen  wälzend,  mir  mächtig 
mein  M&nnerherz.  Eine  ungeheure  Aufgabe,  ja  eigentlich  ein  grausames  Ansinnen 
ist  es,  dieses  Riesenwerk  innerhalb  eines  laufenden  Repertoires  zu  studieren,  wo 
einem  die  Stimmung  immer  und  immer  wieder  zerstört  wird;  aber  eine  ebenso 
grosse  Freude  ist  mir's,  dem  Geiste  des  Unsterblichen  auf  weltentlegene  Pfade 
folgen  zu  dürfen.* 

TAGESFRAGEN  (Bad  Kissingen)  1903,  No.  8.  —  Cyrill  Kistlers  Notiz  »Die 
Missa  Salve  Regina  von  Stehle*  weist  auf  bedeutsame  Einflüsse  des  gregorianischen 
Clionüs  auf  den  »Parsifal*  hin.  Interessant  ist  der  dem  Heft  beiliegende 
HL  I.  5 


66 
DIE  MUSIK  III.  1. 


jyKommentar  und  Ffihrer  zur  Neubearbeitung  der  Beethoyenschen  Symphonie 
Wellingtons  Sieg  oder  Die  Schlacht  bei  ViUoria*  von  Cyrill  Kistler.  Er 
hat  dieses  Weric  neubearbeitet  und  neuinstrumentiert.  Seiner  wohldisponierten 
kritischen  Analyse  geht  eine  Einleitung  yoraus,  welche  die  Entstehungsgeschichte 
von  Beethovens  Komposition  behandelt  und  auf  den  grossen  Wert  dieses  viel  ver- 
kannten Werkes  hinweist.  «Ein  ganzer  Beethoven  steht  vor  uns.  Ja,  ein  Prophet 
spricht  zu  uns.  Die  Harmonieen  in  diesem  Werke  greifen  50  Jahre  seinem  Leben 
voraus.  In  keinem  Werke  Beethovens  ist  der  harmonische  Gehalt  so  gewaltig  und 
so  reich  . . .  grandios  sind  die  polyphonen  Geflechte  des  Werkes  . . .  Gerade  als 
Harmoniker  zeigt  sich  uns  Beethoven  in  diesem  Werke  in  seiner  universellen  Grösse. 
Die  Ausdrucksmittel  seines  Orchesters  vermögen  aber  nicht  die  tiefen  harmonischen 
Wendungen   unseren   verwöhnten  Ohren   so  recht  zum  Bewusstsein  zu  bringen.* 

DEUTSCHES  VOLKSBLATT  (Wien)  1903,  22.  7.  -  Das  Gedenkblättchen  »Vom 
Komponisten  des  Postillon  von  Lonjumeau*  sei  deswegen  erwähnt,  weil  es  den 
Gedanken  festhält,  Adam  sei  als  der  Sohn  eines  Strassburgers  wahrscheinlich  ein 
Deutscher  gewesen. 

VOSSISCHE  ZEITUNG,  Sonntagsbeilage,  1903,  No.  30  u.  31.  —  Wertvolles  neues 
Material  bietet  Alfr.  Chr.  Kalischer  der  Musikgeschichte  durch  die  Veröffentlichung 
«Ungedruckter  Briefe  Beethovens  an  die  Familie  Brentano  und  an  andere*.  Die  Briefe, 
die  durch  die  hinzugefugten  Erläuterungen  doppelt  wertvoll  werden,  enthalten  viel 
zur  Erkenntnis  von  Beethovens  Wesen;  aber  seine  Werke  ist  (ausser  der  missa 
solemnis)  nicht  viel  in  ihnen  enthalten;  einiges  erfahren  wir  Qber  seinen  Gesund- 
heitszustand, namentlich  über  die  Brustgicht  —  ein  Übel,  das  mit  Beethovens  seit 
seiner  Jugend  datierenden  Engbrüstigkeit  zusammenhing. 

—  15.  8.  —  Das  oft  behandelte  Thema  „Goethe  und  Beethoven*  ist  der  Gegenstand  eines 
Aufsatzes  von  Karl  Wilhelm  Schmidt.  Frei  von  jeglicher  einseitigen  Auffassung 
tut  der  Verfasser  dar,  welch  ein  Unterschied  im  Wesen  zwischen  Beethoven  und 
Goethe  besteht  und  worin  die  beiden  andererseits  wiederum  einander  ähnlich  sind. 
Namentlich  wird  schön  gezeigt,  wie  Goethe,  wenn  er  auch  nicht  die  Möglichkeit 
besass,  Beethovens  Musik  nachzuempfinden  und  zu  verstehen,  dennoch  in  diesem 
Komponisten  den  grossen  Meister  geahnt  hat,  der  seiner  Zeit  mit  mächtigen  Schritten 
vorauseilte  und  dessen  volle  Bedeutung  sich  erst  einer  späteren  Zeit  in  hellstem 
Glänze  enthüllen  werde. 

NATIONAL- ZEITUNG  (Berlin)  1903,  13.  8.  —  Eine  schwerwiegende  Besprechung 
der  Schattenseiten  in  unserem  modernen  Kunstleben  ist  Lg's  Feuilleton  „Moderne 
Opemstoffe*.  Da  wird  gezeigt,  wie  unser  Theaterpublikum,  durchdrungen  von  der 
„Furcht  vor  der  Wahrheit*,  lieber  die  unmöglichsten  Situationen  der  romantischen 
Epoche  hinnimmt,  um  nur  nicht  Spiegelbilder  seiner  eigenen  Zeit  zu  sehen.  Unsinn 
mit  »Kostüm"  und  Schaugepränge  umkleidet,  das  wollen  Publikum  und  Bühnen- 
leiter; daher  verunglücken  die  Versuche  einzelner  wenigen  Komponisten,  das  moderne 
Leben  musikdramatisch  zu  behandeln.  Der  Weg,  den  der  italienische  Verismus 
anbahnte,  hätte  vielleicht  zum  Ziel  geführt;  aber  Mascagnis  Nachfolger  haben  das 
durch  eigene  Schuld  verscherzt.  Im  übrigen  trägt  die  Schuld  an  der  Geschmack- 
losigkeit des  Publikums  nichts  anderes,  als  die  gänzlich  im  Argen  liegende  gegen- 
wärtige musikalische  Erziehung.  Trotzdem  wird  die  Zeit  für  eine  moderne  Oper 
gewiss  kommen.  Es  sei  gestattet,  die  folgenden  sehr  richtigen  Bemerkungen  des 
Verfassers  zu  wiederholen:  »Wir  haben  uns  nun  einmal  daran  gewöhnt,  die  Zeiten 
des  Mittelalters  und  auch  der  ihm  nachfolgenden  Epochen  als  die  Periode  des 


67 
REVUE  DER  REVUEEN 


Prunks  und  der  PrachtentAiltung  zu  betrachten.  Der  Opembesucher,  für  den 
13  Opern  auf  ein  Pfund  gehen,  sucht  vor  allem  die  Gelegenheit,  sein  Auge  an  den 
Wundem  der  dekorativen  Kunst  zu  ergötzen.  Schauen,  bewundem,  anstaunen,  das 
ist  leider  für  viele  Menschen  ausschliesslicher  Kunstgenuss,  und  man  muss  es  unseren 
Operahäusera  zugestehen,  sie  kargen  nicht  mit  den  äusseren  Mitteln,  durch  die 
die  Menge  gefesselt  werden  kann.  Das  Leben  der  Gegenwart  aber  ist  nüchtern, 
einförmig  und  eine  grausame  Zeit  harter  Arbeit.  Eine  Oper  aus  dem  Jahre  1903 
kann  keine  Turniere  auf  die  Bühne  bringen;  sie  müsste  zeigen,  wie  die  Menschen 
sich  abmühen  und  quälen,  um  das  tägliche  Brot  sich  zu  verschaffen,  und  da  auch 
unsere  Zeit  den  Wundem  und  Zeichen  abhold  geworden  ist,  so  kann  der  Text- 
dichter von  heute  kein  anderes  Rüstzeug  von  überzeugender  Kraft  auf  die  Zuhörer 
wirken  lassen  als  die  Ergebnisse  vemünfdgen  Denkens,  und  dies  verlangt  eine 
Mitarbeit  von  ihrer  Seite,  die  sie  am  späten  Abend,  in  festlichen  Gewändem  zu 
leisten  nicht  gewillt  sind.* 

NEUE  FREIE  PRESSE  1903,  No.  13995.  —  Josef  Popper  nimmt  in  seinem  Artikel 
»Einige  Gedanken  über  Kant,  Goethe  und  Richard  Wagner"  ein  Buch  von  Bölsche 
zum  Ausgangspunkt,  um  Wagner  mit  anderen  MUniversalmenschen*  zu  vergleichen. 
Der  Vergleich  fällt  übel  für  Wagner  aus.  Man  höre:  »Der  Ring  der  (I)  Nibelungen 
ist  nichts  als  die  Vorfühmng  einer  Kette  von  Betrug  und  Gewalttaten,  eine  Con- 
tinuität  von  Lumpereien  von  Menschen  verschiedenen  Formats  oder,  mit  einem 
philosophisch  klingenden  Ausdmck,  des  Willens  zur  Macht.*  Popper,  der  den  «Ring* 
nur  von  der  philosophischen  Seite  betrachtet,  findet  in  ihm  nur  »eine  in  die  Länge 
und  ins  kleinste  Detail  hinein  entwickelte  Darstellung  des  Verlaufes  eines  Haupt- 
vorganges, der  eigentlich  gar  nicht  ein  Problem  genannt  werden  kann.  Nur  die 
Lindwurmszene  als  solche  erhebt  sich  in  philosophische  Höhe.* 

LA  VIE  MUSICALE  (Paris)  1903,  No.  26  u.  27.  —  Jean  Pascal  erwartet  in  dem 
neuen  Papst  («Le  nouveau  pape  et  le  chant  gr^gorien*)  einen  definitiven  Reformator 
der  religiösen  Musik.  Eine  ausführliche  Abhandlung  («Seleneia*)  von  Marie 
Berdenis  vonBerlekom  befiisst  sich  mit  Emil  von  Brucken-Focks  musikalischem 
Drama  j^Seleneia*,  von  dem  unter  anderem  gesagt  wird:  »c'est  une  source  sans 
cesse  jaillissante  de  beaut6s,  une  ,mer  d'azur*  qui  reflöte  id^alement  les  plus  pro- 
fondes  6motions  humaines*.  Eine  aktuelle  Frage  behandelt  Maurice-L6on  Kerst 
in  seinem  Artikel  »L'^cole  de  la  musique  et  la  musique  ä  l'^cole*. 

NEUES  WIENER  TAGBLATT  1903,  U.  a  —  Lesenswert  und  inhaltlich  sehr  be- 
deutend sind  mit  W.  F.  unterzeichnete  |»Musikalische  Erinnerangen*.  Einige  recht 
amüsante  Zensur- Anekdoten  werden  uns  hier  erzählt;  wichtiger  aber  ist,  was  der 
Verfasser  im  allgemeinen  sagt,  ausgehend  von  dem  Bayreuther  Ausdrack  ^heiligste 
Empfindungen*.  Sehr  schön  beweist  uns  der  Aufsatz  durch  den  Hinweis  auf  zahl- 
reiche Beispiele  aus  der  Geschichte  des  geistigen  Lebens  auf  Erden,  dass  »Geduld 
und  Zeit*  das  probateste  Mittel  sind  »gegen  die  nationalen  Empfindlichkeiten  in 
der  musikalischen  Kunst*.  Besonders  dankbar  wird  mancher  Musikf^und  sein 
für  die  herrlichen  Worte,  die  dem  auch  in  der  Gunst  der  Zeiten  bald  steigenden, 
bald  sinkenden,  von  so  vielen  als  weinerlich,  süsslich  und  überwunden  verschrieenen 
Mendelssohn  zu  Ehren  gesagt  werden. 


5* 


NEUE  OPERN 

Max  Burkhardt:  .KSnig  Drosielbart,*  eine  vol kB tüm liebe  Oper  des  in  KSIn 
als  Dirigent  mehrerer  GeunKvertine  und  als  Musikiehrer  iebenden  Ver- 
hssers  soll  Im  dortigen  Sudtthealer  im  Lauf  dieaer  Salioa  ihre  UraufTGIining 
erieben. 

Ivan  Caryll:  »Die  Herzogin  von  Daniig"  betitelt  sieb  ein  Teric  dea  eng- 
lischen Librettisten  Hamilton,  der  mit  Eriaubnls  Victorien  Sardoa's  dessea 
.Madame  Sans-Gtoe*  an  einer  Operette  zurechtatuUte. 

Gustav  Lazarus;  .TCIe-d'or'  lautet  der  Titel  eines  Einakters,  den  der  Kom- 
ponist vollendet  bat 

Höncli:  .Das  Paternoster,"  eine  Oper  des  niederiindlscben  Komponisten  (nach 
der  Dichtung  von  Francois  Coppte)  ist  von  der  Neuen  Nlederlindiscben 
Operndlrektlon  Orelio  zur  Auffilhning  angenommen  worden. 

Oesar  Schröter:  .lodocus  der  Narr,"  eine  dreiaktige  Oper,  zu  der  der  Kom- 
ponist selbst  den  Text  verhsst  bat,  der  sich  auT  ein  dem  Sachsenspiegel 
entnommenes  kulturhistorisches  Kuriosum  stfitzt,  soll  Ende  September  am 
Bremer  Stadttbeater  zum  eratenmal  aufgeführt  werden. 

Hemian  Zompe:  aSawitri."  Der  Teict  dieses  nach  gelassenen  bis  auf  die  In- 
strumentation vollendeten  dramatischen  Terkes  iai  vom  Grafen  Sporck  nach 
dem  gleichnamigen  Mlrcben  Kalldasa's  verfasst 

AUS  DEM  OPERNREPERTOIRE 

BrOflsel:  Folgende  neuen  Opern  gedenkt  das  Monnaie-Tbeater  In  der  kommenden 
Spielzeit  herauszubringen:  „Die  Kapelle"  von  Jan  Blockz,  .Le  roj  Arthur" 
von  ChauBSon,  aGid"  und  „Sapho"  von  Massenet,  aTosca"  von  PaccInI,  .Lea 
Barbares'  von  Saint-SaCns,  .La  belle  au  Bois-dormant*  von  SUver. 

Dfisseldoif;  In  der  kommenden  Saison  sollen  an  Neuheiten  zur  Auff&hrung 
gelangen:  .Daa  Midchen  von  Navarra",  .Der  Gaukler  unserer  lieben 
Frau"  von  J.  Massenet,  „Das  war  ich"  von  Leo  Blecb,  .Die  verBunkene 
Glocke'  von  Heinrieb  Zflllner,  .Fausts  Verdammung'  von  Hector  Berlloz 
(BGhnenbearbeltung  von  Gunibourg),  .Tosca"  von  Giacomo  Puccinl,  .Rfislein 
Im  Hag"  von  CyriU  Kistler. 

Haag:  Als  Novititen  hat  die  KSnigl.  franiOsiscbe  Oper  In  Aussicht  genommen: 
.Die  Meeresbraut"  von  Jan  Blockx,  .Djamlleh*  von  Blzet,  „Beatrtce  und 
Benedikt"  von  Berlioi  und  Puccinis  .Toaca". 

Kdln:  Die  neue  Direktion  des  Stadtlhestera  {Otto  Purschian)  verhelsst  folgende 
neuen  Terke:  „Faust"  und  .Benvenuto  Cellini"  von  Berlloz,  „Verther'  von 
Massenet,  .Rose  vom  Liebesgarten"  von  PBtzner,  .Corregidor*  von  Hugo 
Toir.  Neueinatudiert  werden  .Fedora"  von  Giordano,  beide  .Iphigenieen' 
von  Gluck,  sowie  .Abu  Hassan"  von  Teber. 

New  York:  Der  Spielplan  der  Metropolitan  Opera  wird  In  der  Tiniersaison  nm- 
fassen:  Lohengrin,  Tannhiuscr,  Die  Meistersinger,  Rheingold,  Valk&re,  Sieg- 


69 

UMSCHAU 


fried,  Götterdlmmening,  Tristan  und  Isolde,  Fidelio,  Don  Juan,  Zauberflöte, 
Figaros  Hochzeit,  Faust,  ATda,  la  Boheme,  Barbier  yon  Sevilla,  Cavalleria 
ratticana,  Liebestrank,  Tosca,  Maskenball,  Trayiata,  Troubadour,  la  Somnam- 
bula.  Die  verkaufte  Braut,  Hugenotten,  Carmen,  Romeo  und  Julie,  Glöckchen 
des  Eremiten,  Weisse  Dame. 
Petersburg:  Im  national-russischen  Operntheater  werden  im  Laufe  der  kommen- 
den Saison  u.  a.  zur  AuffQhrung  kommen:  »Judith*  von  Sserow,  «Der  Papagei* 
und  j^Die  Makkabäer*  von  Rubinstein,  |«Antonius  und  Kleopatra*  von  Inferow, 
«Die  versunkene  Glocke"  von  Dawidow  (Text  nach  dem  Drama  G.  Haupt- 
manns), femer  Werke  von  Rimski-Korsakow  und  Iwanow. 

KONZERTE 

Aachen:  Städtische  Abonnementskonzerte.  Im  kommenden  Winter  werden 
im  grossen  Kurhaussaal  sieben  Konzerte  unter  Leitung  des  stidtischen 
Musikdirektors,  Hm.  Prof.  Schwickerath,  stattfinden.  Zur  Auffuhmng 
sind  folgende  Werke  in  Aussicht  genommen:  1.  Chorwerke:  Wolff- Ferrari, 
Vita  nnova  (zum  erstenmal);  Brahms,  Ein  deutsches  Requiem;  Bach,  Die 
hohe  Messe,  sowie  kleinere  Werke  (teilweise  a  cappella)  von  Mendelssohn, 
Schumann,  Scholz,  Urspruch  und  Verdi.  2.  Orchesterwerke:  Symphonieen 
von  Beethoven  (eroica),  Brahms  (e-moll),  Brückner  (d-moll,  zum  erstenmal), 
Haydn,  Strauss  (aus  Italien,  zum  erstenmal),  Tschaikowsky  (e-moll),  sowie 
Werke  von  Leo  Blech  (Waldwandemng,  zum  erstenmal),  Elgar  (Variationen, 
zum  erstenmal),  C6sar  Franck  (Der  wilde  Jäger,  zum  erstenmal),  Schillings 
(Vorspiel  aus  »Der  Pfeifertag*,  zum  erstenmal)  u.  a.  m.  Als  Solisten  haben 
ihre  Mitwirkung  zugesagt:  die  Damen:  Behr,  Gmeiner,  Gmmbacher  de  Jong, 
Hattingen,  Noordewier-Reddingius,  Philippi,  Playfair  (Violine);  die  Herren: 
Bronsgeest,  van  Eweyk,  Ettore  Gandolfl,  Prof.  Heermann  (Violine),  Heine- 
mann, Kammersänger  Hess,  Jungbluth,  Prof.  Pauer  (Klavier),  Sistermans. 
Berlin:  Der  Philharmonische  Chor  (Dir.  Prof.  Siegfried  Ochs)  wird  in 
dieser  Saison  das  Requiem  von  Berlioz,  Bachs  h-moll  Messe,  von  Brahms 
i^in  deutsches  Requiem"  und  »Schicksalslied*  und  als  Neuheit  Chorstücke 
von  Hugo  Wolf  zur  Aufffihmng  bringen. 

Der  Sternsche  Gesangverein  (Prof.  Fr.  Gernsheim)  hat  u.  a.  fQr 
den  kommenden  Konzertwinter  folgende  Werke  zur  Aufführang  in  Aussicht 
genommen:  «Paulus*  von  Mendelssohn  (zum  Sterbetag  des  Komponisten); 
Cantate  „Eine  feste  Burg*  von  J.  S.  Bach;  „Das  hohe  Lied"  von  E.  Bossi; 
JVlissa  solemnis*  von  L.  van  Beethoven. 

Die  Trio-Vereinigung  der  Herren  Professoren  Georg  Schumann, 
Carl  Halir  und  Kammervirtuos  Dechert  veranstaltet  in  diesem  Winter  ihre 
vier  Kammermusik- Abende  im  Saal  der  Sing -Akademie. 

Das  „Holländische  Trio*  wird  im  kommenden  Winter,  diesmal 
nur  im  Beethovensaal,  unterstfitzt  von  hervorragenden  Gesangskräften,  seine 
populären  Sonntagskonzerte  veranstalten. 
Breilau:  In  den  zwölf  im  Winter  unter  der  Leitung  Dr.  Dohrns  stattfindenden 
Konzerten  des  Orchestervereins  und  der  Sing-Akademie  werden  neben 
Sirmphonieen  von  Haydn,  Mozart,  Beethoven  (3.,  4.  und  7.),  Brahms  aufgeführt 
werden:  drei  Sätze  aus  „Romeo  und  Julie*  von  Berlioz,  Bmckners  neunte 
Symphonie,  Dante- Symphonie  von  Liszt  und  eine  ungedrackte  Symphonie 
von  Wilhelm  Purtwängler.  Mit  Ouvertüren  werden  vertreten  sein:  Beethoven 


70 
DIE  MUSIK  III.  1. 


(»Leonore*  No.  2  und  3  und  „Weihe  des  Hauses*),  Mozart  (»Idomeneo*  und 
«Zauberflöte"),  Weber  (.Preciosa*),  Cherubini  und  Berlioz  (»Rob-Roy*,  zum 
erstenmal).  Ferner  gelangen  zur  Aufführung  zwei  neue  symphonische 
Dichtungen:  »Odysseus'  Ausftüirt*  von  Ernst  Boehe  und  »Eine  Steppenskizze* 
von  Borodin,  die  A-dnr-Serenade  und  die  Variationen  über  ein  Haydnscbes 
Thema  von  Brahms,  „Romeo  und  Julie*  von  Tschaikowsky,  »Till  Eulen- 
spiegel* von  Richard  Strauss  und  zwei  Tonsitze  von  Wagner  (Schluss  des 
ersten  Aktes  aus  der  »Walkfire*  und  Schluss  des  dritten  Aktes  aus  der 
»Götterdämmerung*).  Unter  Mitwirkung  der  Singakademie  werden  aufgeführt 
«Chorphantasie*  und  einzelne  Sitze  aus  den  »Ruinen  von  Athen*  von  Bee- 
thoven, »Rhapsodie*  von  Brahms,  Wagners  Kaisermarsch  und  Hugo  Wolf^ 
»Elfenlied*  und  »Fenerreiter*.  —  Die  Sing-Akademie  bringt  in  ihren  beiden 
Konzerten  Verdis  Requiem  und  Bachs  h-moll-Messe  zu  Gehör.  Für  das 
Verdische  Requiem  sind  die  Damen  Meta  Geyer  und  Jettka  Finkenstein, 
sowie  die  Herren  Raimund  von  Znr-Mfihlen  und  Arthur  van  Eweyk  engagiert; 
in  der  Bachschen  Messe  werden  Frau  Laporte-Stolzenberg,  Frau  Luise  Geller- 
Wolter  und  die  Herren  Robert  Kaufmann  und  Rud.  von  Milde  mitwirken. 
Der  Orchesterverein  hat  sich  fQr  seine  Auffuhrungen  vorlluflg  der  Singerinnen 
Marie  Götze,  Anna  von  Mildenberg,  Thila  Plaichinger  und  Emestine  Schu- 
mann-Heink  versichert.  Es  sind  femer  zu  erwähnen:  Fr6d6ric  Lamond,  Josef 
Sliwinski,  Marie  Soldat-Röger,  Bram  Eidering.  —  Ausserdem  veranstaltet  der 
Orchesterverein  unter  der  Leitung  von  Hermann  Behr  acht  volkstümliche 
Konzerte  und  sechs  Kammermusikabende. 

Essen:  Der  Musikverein  veranstaltet  sechs  Konzerte  und  gedenkt  zur  Auf- 
führung zu  bringen:  Symphonische  Phantasie  »Aus  Italien*  von  Richard 
Strauss,  «Von  Spielmanns  Leid  und  Lust*  von  Max  Schillings,  fünfte 
Symphonie  und  Coriolanouvertüre  von  Beethoven,  den  »Barbier  von  Bagdad* 
von  Peter  Cornelius  (Konzertaufführung),  fünfte  Symphonie  von  Raff,  Ouver- 
türe Michel  Angelo  von  N.  W.  Gade,  Tranerchöre  von  A.  von  Othegraven, 
»Paradies  und  Peri*  von  Schumann,  »Schön  Ellen*  von  Bruch,  »Elfenlied 
und  Feuerreiter*  von  Hugo  Wolf,  Konzerte  von  Tschaikowsky  und  Witte, 
Chöre  aus  der  biblischen  Oper  »Das  verlorene  Paradies*  von  Rubinstein, 
Tragische  Ouvertüre  von  Brahms,  Requiem  von  HenscheL  Als  Solisten 
wirken  mit:  Alexander  Kosman  (Violine),  Alida  Oldenboom,  Agnes  Leydhecker, 
Franz  Litzinger,  Gustav  Nieratzky  (Gesang),  CIcilie  Rüsche,  Marie  Craemer- 
Schleger,  Richard  Fischer,  Georg  Walter,  Prof.  Messchaert,  Willy  Metz- 
macher (Gesang),  Julius  Klengel  (Violoncell),  Katharine  Goodson  (Klavier), 
Frau  Noordewier- Reddingius,  Anna  von  Nieveit,  Willy  Schmidt  und  Paul 
Haase. 

Frankfurt  a.M.:  Das  Programm  der  in  der  kommenden  Saison  stattfindenden 
sechs  Abonnements-Konzerte  im  Opernhaus  ist  wie  folgt  festgesetzt 
worden:  I.  Dirigent  Arthur  Niki  seh.  Beethoven:  Egmont-Ouvertüre,  Brahms: 
erste  Symphonie,  Tschaikowsky:  Francesca  da  Rimini,  Wagner:  Vorspiel  und 
Liebestod  aus  «Tristan  und  Isolde*.  II.  Dirigent  Dr.  Ludwig  Rotten  borg. 
Brückner:  IX.  Symphonie  (d-moU),  zum  erstenmal,  Bruch:  Schottische  Phan- 
tasie für  Violine,  Wagner:  »Eine  Faust-Ouvertüre'',  Solistin:  Elsie  Play  fair. 
IIL  Dirigent  Gustav  Mahl  er.  Symphonie  No.  3  (d-moll)  von  G.  Mahler  (zum 
erstenmal).  IV.  Dirigent  Dr.  Ernst  Kun  wald.  Haydn:  Symphonie  in  B-dur, 
Mozart:  Klavier-Konzert  in  c-moll,  Schumann:  Manftvd-Ouvertüre,  Beethoven: 


71 
UMSCHAU 


Sechste  Symphonie,  Solistin:  Paula  Szalit.  V.  Dirigent  Fritz  Steinbach. 
Beethoven:  Fünfte  Symphonie,  Schillings:  Vorspiel  zum  2.  Akt  der  Oper 
«Ingwelde*  und  Vorspiel  zur  Oper  »Der  Pfeifertag*,  Liszt:  Tasso.  VI.  Dirigent 
Arthur  Niki  seh.  Beethoven:  Dritte  Symphonie,  Schubert:  Unvollendete 
Symphonie  (h-moll),  Berlioz:  Tanz  der  Irrlichter,  Sylphentanz  und  Ungarischer 
Marsch  aus  »Fausts  Verdammung**,  Wagner:  Tannhäuser-Ouvertüre. 
Leipzig:  Im  Zentraltheater  finden  auch  in  diesem  Winter  zehn  Philharmonische 
Konzerte  des  Winderstein-Orchesters  statt.  Das  zehnte  wird  Mascagni 
leiten,  die  übrigen  unterstehen  der  Direktion  des  Kapellmeisters  Winder- 
stein. An  grösseren  Orchesterwerken  verheisst  die  Vorankündigung  Sym- 
phonieen  von  Haydn  (Oxford),  Mozart  (Jupiter),  Beethoven  (No.  3  und  6), 
Schubert  (h-moll),  Schumann  (C-dur),  Berlioz  (Romeo  und  Julie)  und 
Tschaikowsky  (Manfred);  femer  Werke  von  Liszt  (Orpheus),  R.  Strauss 
(Ein  Heldenleben),  Hans  Pfltzner  (Vorspiel  zu  Fest  auf  Solhaug),  C.  Gleitz 
(Fata  Morgana)  usw.  Als  Solisten  werden  genannt  die  Sängerinnen 
Mariane  de  Maringh,  Marie  Münchhoff,  Franceschina  Prevosti,  Therese  Behr, 
der  Tenorist  Franz  Naval,  ferner  Elsa  Ruegger  (Violoncell),  Felix  Berber 
(Violine),  Jolanda  Merö,  Ferruccio  Busoni  und  Fritz  von  Böse  (Klavier).  — 
Die  Eulenburgschen  Neuen  Abonnementskonzerte  in  der  Alberthalle 
werden  teils  von  der  Dessauer  Hofkapelle,  teils  von  der  Chemnitzer  städtischen 
Kapelle  unter  abwechselnder  Leitung  von  Felix  Weingartner  (4  Konzerte), 
Max  Fiedler,  Hofkapellmeister  Franz  Mikorey,  Max  Pohle  und  Prof.  Karl 
Panzner  bestritten  werden.  Diesem  Cyklus  sind  wieder  4  Kammermusik- 
aufführungen des  „Böhmischen  Streichquartetts"  angegliedert. 

TACESCHRONIK 

Die  nächste  Tonkünstlerversammlung  des  Allgemeinen  Deutschen  Musik- 
vereins findet  1904  in  Frankfurt  a.  M.  statt,  während  für  1905  bereits  eine  Ein- 
huliing  von  Graz  vorliegt. 

Der  Niederländische  Tonkünstlerverein  hat  einen  Preis  von  1000 
Gulden  für  ein  Oratorium  (Soli,  Chor  und  Orchester)  über  niederländischen, 
deutschen  oder  lateinischen  Text  ausgeschrieben.  Auch  Niederländer,  die  im 
Aasland  wohnen,  können  sich  an  diesem  Wettbewerb  beteiligen.  Die  Manuskripte 
müssen  vor  1.  September  1904  franko  an  den  Sekretär,  Herrn  Ackermann,  s'Graven- 
bage,  Konigin  Emmakade  105,  eingeschickt  werden,  der  auch  nähere  Auskunft  erteilt. 

In  London  ist  unter  dem  Namen  „International  Copyright  Bureau,  Ltd., 
for  Are,  Drama,  Literature  and  Music*  (Bureau:  London,  4,  Eastcheap,  E.  C.)  ein 
Unternehmen  ins  Leben  getreten,  das  es  sich  zur  Aufgabe  macht,  allen  in-  und 
aoslindischen  Schriftstellern,  Bühnenautoren,  Komponisten  usw.  in  den  oft  recht 
strittigen  Copyright-Fragen  kompetente  Auskunft  zu  erteilen,  die  Erlangung  der 
Copyrights  und  Aufführungsrechte  für  sie  zu  besorgen,  sowie  die  Obersetzung  und 
Piazierong  ihrer  Werke  zu  übernehmen  und  die  Interessen  aller  nach  England 
Kommenden  Künstler  und  Autoren  zu  wahren. 

Klangausgleich  nennt  sich  eine  vom  Musiklehrer  A.  Schönherr  in 
Müscben  gemachte  Erfindung,  die  bei  Geigen,  Bratschen  und  Cellos  bezweckt, 
4m8  die  Kreuz-  und  B-Tonarten  in  ihren  Klangverhältnissen  ausgeglichen  werden. 
Das  Königl.  Bayerische  Staatsministerium  des  Innern  für  Kirchen-  und  Schul- 
Migelegenheiten  Hess  die  Schönherrsche  Erfindung  durch  die  Königl.  Akademie  der 
Tonkunst  unter  Beiziehung  von   Fachlehrern   prüfen.     Das  amtliche   Gutachten 


72 
DIE  MUSIK  III.  1. 


besagt,  jydass  es  Herrn  Sctaönherr  gelangen  ist,  die  akustischen  Gesetze,  welche 
für  Entstehung  und  Verbreitung  gleichmissiger  Schwingungen  von  Saiten  und 
Luftraum  der  Streichinstrumente  bestimmend  sind,  f&r  seine  Zwecke  zu  verwerten 
und  somit  einem  oft  empfundenen  Obelstande,  mit  wenigen  Eingriffen,  abzuhelfen.* 
Für  einen  Witwen-  und  Waisenfond  der  Hofkapelle  stiftete  der  Herzog 
von  Sachsen-Altenburg  die  Summe  von  20000  M. 

Anton  Fuchs  tritt  am  1.  August  1904  von  seiner  Tätigkeit  als  Buhnensinger 
zurück,  bleibt  Jedoch  in  seiner  Stellung  als  Oberregisseur  der  Münchener  Hoftheater. 
Musikdirektor  Gustav  Kogel,  der  bisherige  Leiter  der  Museums-Konzerte 
in  Frankfurt  a.  M.,  hat  die  ihm  angetragene  Leitung  des  Cäcilienvereins  in  Wies- 
baden angenommen. 

Wie  die  Münchener  Hoftheaterintendanz  mitteilt,  ist  für  den  laufenden  Opem- 
dienst  aushilfeweise  der  bisherige  Stuttgarter  Hofkapellmeister  Hugo  Reichen- 
berger  kontraktlich  verpflichtet  worden. 

In  Reichenau  L  S.,  dem  Geburtsort  des  namhaften  Kirchenkomponisten  und 
Kantors  an  der  Thomasschule  in  Leipzig  Johann  Gottfried  Schicht,  wird  im 
September  die  150.  Wiederkehr  seines  Geburtstags  festlich  begangen  werden. 

In  Lachen  (Schweiz),  dem  Geburtsort  Joachim  Raffs,  haben  Musikfreunde 
eine  darauf  bezugnehmende  Gedenktafel  errichten  lassen. 

Am  7.  September  wurde  in  Windischgraz  die  vom  Hugo  Wolf-Verein 
in  Wien  dem  Andenken  des  Tondichters  gewidmete  Gedenktafel  enthüllt 

Auf  der  Grabstätte  des  früheren  Dessauer  Hofkapellmeisters  Dr.  A.  K 1  u  g  h  a  r  d  t 
wurde  ein  von  Bildhauer  Semper  geschaffenes  stimmungsvolles  Denkmal  des 
Komponisten  errichtet 

Das  Grab  des  verstorbenen  Kammersingers  Theodor  Reichmann  auf 
dem  alten  Jerusalemer  Kirchhof  in  Berlin  erhielt  einen  Gedenkstein  aus  weissem 
Marmor  mit  der  kurzen  Inschrift:  Theodor  Reichmann.    1003. 

Der  Dirigent  des  Berliner  Philharmonischen  Orchesters,  Königl.  Musik- 
direktor Josef  Rebicek,  erhielt  von  der  Königin  von  Holland  das  Offizierkreuz 
vom  Oranien-Nassau-Orden. 

Bertrand  Roth  in  Dresden  ist  vom  König  von  Sachsen  der  Professor-Titel 
beigelegt  worden. 

Der  Königl.  Kammervirtuos  Oscar  Schubert  ist  zum  Königl.  Professor 
ernannt  worden. 

Dem  Pianofortefabrikanten  M.  Ibach,  Mitinhaber  der  Firma  Rud.  Ibach  Sohn 
in  Barmen,  wurde  das  Offizierkreuz  des  fürstlich-bulgarischen  Zivilverdienstordens 
verliehen. 

Der  26.  Jahrgang  des  Allgemeinen  deutschen  Musiker-Kalenders 
für  1904  (Raabe  und  Plothow)  behandelt  nunmehr  371  Stidte  in  ihren  musika- 
lischen Verhältnissen.  Bremen,  Kassel  und  Stuttgart  sind  mit  genauen  Adressen- 
angaben versehen  worden.  Max  Hesses  Deutscher  Musiker-Kalender  für 
1904  enthält  einen  umfassenden  Musiker-Geburts-  und  Sterbekalender  und  ein 
alphabetisches  Namensverzeichnis  der  Tonkünstler  Deutschlands.  Beide  altbe- 
währten, unentbehrlichen  Nachschlagebficher  sind  in  der  bekannten  gediegenen 
Ausstattung  soeben  erschienen. 


VORLESUNGEN  ÜBER  MUSIK 
^AN  UNIVERSITÄTEN  UND 
HOCHSCHULEN    IM  WINTER- 
SEMESTER 1903/1904 


Basel.    Docent  Nef:  Obersicht  fiberj^dieji^Geschichte  der  Musik.  —  Musikgeschichtliche 

Übungen. 
Berlin.       »       Fleischer:  Musikgeschichte  des  17.  und  18.  Jahrhunderts.  —  Geschichte 

der  Notenschrift.  —  Musikwissenschaftliche  Übungen. 
^  jp       Fried  Und  er:  Allgemeine  Geschichte  der  neueren  Musik.  —  Mozart. — 

Musikwissenschaftliche  Übungen, 
jp  „       Wolf:  Geschichte  der  Musik  im  15.  Jahrhundert.  —  Evangelische  Kirchen- 

musik. —  Musikwissenschaftliche  Übungen. 
9       (Lessinghochschule)   Docent  MOnzer:    Richard    Wagners    „Meistersinger   von 

Nürnberg".  —  Beethoven. 
Bern.     Docent  Hess-Rfietschi:   Harmonielehre.    —    Kontrapunkt.   —   Erklärung  be- 
deutender Hauptwerke  der  Musikliteratur. 
Bonn.        jp       Wolff:    Harmonielehre.  —   Geschichte  der  Oper:    Mozart  und   seine 

Zeit  —  Unterricht  im  Orgelspiel. 
Breslaa.  Docent  Bohn:  Über  Beethovens  Symphonieen.  —  Harmonielehre.  —  Orgelspiel. 
Darmstadt.    Docent  Nagel:  Geschichte  der  Musik  vom  Beginn  der  christlichen  Zeit- 
rechnung  an  bis   auf  Beethoven.  —  Die  geschichtliche 
EntWickelung   der    Klaviermusik.   —   Harmonielehre.  — 
Die  Formen  des  Kanons  und  der  Fuge.  —  Gesangsübungen. 
F^ibarg  1.  B.    Docent  Hoppe:  Harmonie-  und  Instrumentationslehre.  —  Virgiltechnik- 

klavier.  —  Orgelpedal  und  Harmonium.  —  Kammer- 
musikübungen. 
Gieieen.    Docent  Trautmann:   W.  A.  Mozart  und   seine  Werke,   mit  Beispielen   am 

Klavier.  —  Elementartheorie   und   Harmonielehre.  — 
Übungen  in  Partiturspiel,  Klavier,  Violine,  Gesang. 
Göttingen.    Docent  Freiberg:  Ensemblespiel.  —  Harmonielehre.  —  Chorgesang. 
Greiliiwald.        ^      Reinbrecht:  Allgemeine  Musikgeschichte.  —  Theoretisch-prakti- 
scher Unterricht  im  liturgischen  Kirchengesang.  — 
Harmonielehre. 
Halle- Wittenberg.     Docent  Abert:   Carl  Maria  von  Weber  und  Richard  Wagner..— 

Geschichte  der  protestantischen  Kirchenmusik. 
9  jp  „       Reubke:    Harmonielehre  und  Kontrapunkt.  —  Unterricht 

im  Orgelspiel.  —  Akademischer  Kirchenchor. 
Heidelberg.    Docent  Wolfrum:  Evangelisches  Kirchenlied  in  musikalischer  Beziehung, 

besonders  des  16.  Jahrhunderts.  —  Elementarmusik- 
lehre. —  Harmonielehre.  —  Instrumentationskurs.  — 
Orgelspiel. 


74 

DIE  MUSIK  111.  1. 


Si 


Helsingfors.     Docent  Krohn:  Das  evangelische  Kirchenlied.  —  Das  wohltemperierte 

Klavier  von  J.  S.  Bach. 
Jena.    Docent  Naumann:  Liturgische  Übungen. 

Kiel.    Docent  Stange:   Harmonielehre.  —  Liturgische  Übungen.  —  Akademischer  Ge- 
sangverein. —  Übungen  im  Ensemblespiel.  —  Kammermusik. 
Königsberg.    Docent  Berneker:  Orgelseminar  (Orgelspiel,  Orgelstruktur).  —  Übungen 

im  liturgischen  und  Choralgesang. 
»  „      Brode:  Allgemeine  Musikgeschichte.  --  Harmonielehre. 

Leipzig.    Docent  Kretzschmar:    Geschichte   der   Oper.    —    Musikwissenschaftliche 

Übungen.  —  Liturgische  Übungen. 
«  »       Prüfer:   Ludwig  van  Beethoven.  —  Richard  Wagner  im  Zusammen- 

hang  mit  der  Kunst-  und  Weltanschauung  des  18.  und  19. 
Jahrhunderts.  —  Musikwissenschaftliche  Übungen. 
„  »       Riemann:   Geschichte  der  Instrumentalmusik  im  17.  und  18.  Jahr- 

hundert. —  Harmonielehre.  —  Kontrapunkt  —  Kammer- 
musikübungen. 
Marburg.    Docent  Jenner:  Deutsche  Instrumentalmusik  nach  Beethoven.  —  Harmonie- 
lehre mit  praktischen  Übungen. 
Mflnchen«    Docent  Sandberger:  Geschichte  der  Oper  und  des  musikalischen  Dramas 

seit  Mozarts  Tod  bis  zur  Gegenwart  —  Geschichte 
des  weltlichen  musikalischen  Kunstliedes  (vornehm- 
lich   in    Deutschland)    von    den   Anfingen    bis   zur 
Gegenwart.  —  Musikwissenschaftliche  Übungen. 
»  »      Kroyer:  Die  Vokalformen  des  16.Jahrh.  mit  Demonstr.  am  Klavier. 

„  „      Muncker:  Richard  Wagners  Schriften  und  Dichtungen. 

»  »      Frhr.  vonderPfordten:  Entwickelungsgeschichte  der  Oper  von 

ihrem    Ursprung    aus    der    klassischen 
Tragödie  bis  zum  modernen  Musikdrama. 
„  ^      Borinski:  Das  deutsche  Volkslied. 

Prag.    Docent  Rietsch:   Die  Theorieen  vom  Ursprung  der  Musik.  —  Franz  Schubert 

und  das  deutsche  Lied  des  19.  Jahrhunderts.  —  Musikwissen- 
schaftliche Übungen. 
»  »       Schneider:   Musiktheorie.  —   Besprechung   ausgewählter  Stellen   aus 

Musikwerken.  -—  Singschule  für  Minnerchor. 
RoBtock.    Docent  Thierfelder:   Die  Musikreste  des  klassischen  Altertums.  —  Ge- 
schichte der  Liturgie  in  musikalischer  Beziehung.  — 
Harmonielehre.    —    Liturgische   Übungen    für    Mit- 
glieder des  theologischen] Seminars.  —  Leitung  der 
Übungen  des  akademischen  Gesangvereins. 
Strassburg.    Docent  Jacobsthal:   Geschichte  der  Musik  vom  16.  bis  zum  la  Jahr- 
hundert. —   Übungen  in  der  musikalischen  Kom- 
position.— Leitung  des  akademischen  Gesangvereins. 
Tübingen.    Docent  Kauffmann:  Leitung  der  Vokal-  und  Instrumentalmusik. 
Wien.    Docent  Adler:  Richard  Wagner.  —  Erklären  und  Bestimmen  von  Kunstwerken. 

—  Übungen  im  musikhistorischen  Seminar. 
»  »       Dietz:  Das  Tondrama  von  seiner  Entstehung  bis  zur  Neuzeit  (mit  vielen 

Musikbeispielen).  —  Ästhetische  Untersuchungen  auf  dem  Ge- 
biet der  neueren  Instrumentalmusik. 
n  9       Wallaschek:  Psychologische  Prinzipien  des  Musikunterrichts. 


OPER 

CHARLOTTENBURG:  Tbe«(er  des  Testens.  Oalibor,  grosse  taeroiscbe  Oper 
von  Friedrich  Smetana  (ErfiffnungsTorslelluDg  der  Direktion  Aloys  Prsscb).  — 
Eine  heroiscbe  Oper  von  Friedricta  SroeUni,  du  Ist  ein  TJdersprucb  in  sieb.  Smetua 
bat  oft  den  Ehrgeiz  gehabt,  sein  grosaes  KSnnen  in  ein  grdsserea  Vollen  einzuspannen. 
Oder  richtiger;  er  hat  nicht  Immer  den  passenden  Rahmen  gewIhlL  Ein  künstlerisches 
Temperament,  das  so  organisch  aus  seiner  nationalen  Kultur  heraus  sich  entfaltet,  hat 
gant  gewiss  keinen  Vergleich  xu  scheuen.  Nur  da,  wo  ibm  die  Oberlieferung  seiner 
Heimatknnst  nicht  genügt,  wo  aus  dem  guten  Tschechen  ein  scbiecbter  Europier  wird, 
da  gebt  ein  Sprung  durch  seine  Terke.  Deckt  sich  schon  bei  den  nach  Llszts  Ruhm 
geizenden  symphonischen  Dichtungen  Smetanas  nicht  Inhalt  und  Form,  so  Ist  vollends 
der  grosse  Vnrf  missglSckt,  der  in  dieser  heroischen  Oper  gewagt  wurde.  Das  ist  tflnende 
Pilotyacbule,  Historienmalerei  nach  Noten,  nichts  welter.  Man  erschrickt,  über  welche 
5den  Cemeinplltie  Smeiana  hier  mit  aller  Grandezza  hinwegschreitet,  nur  um  an  sein 
eingebildetes  Ziel  zu  gelangen.  Marsch rhythmen  und  Fanfaren  begleiten  den  Helden,  in 
verminderten  Sepukkorden  mscbt  das  tragische  .Ha!"  oder  .Teh!'  sich  Luft,  bebende 
StreicheTtremoli  als  Seiltativunteriage  bilden  das  Klebemittel  zwischen  den  einzelnen 
Nummern,  und  was  dergleichen  Kapel  Im  eiste  rhieroglyphen  mebr  sind.  Und  dann  wieder, 
zwischen  all  den  heroiscben  Redensarten,  plfttzlicb  (meist  im  rein  instrumentalen  Teil) 
ein  paar  Takte,  die  ganz  Smetana  sind,  prickelnd,  temperamentvoll,  von  freiem  und  reinem 
Klang.  Aber  es  sind  ihrer  zu  wenige,  sie  ersticken  in  der  Tbeatermuslk,  die  sie  über- 
wuchert und  die  jeden  Kontakt  mit  wahrer  künstlerischer  Kultur  verloren  hat.  —  Über 
die  AuRühmng  dieaes  Verkes  am  Theater  des  7estens  gebietet  die  Gerechtigkeit,  sich 
nacbaicbdg  zu  inasem.  Eine  neue  Direktion,  ein  neues  Personal,  und  alt  nur  der  Zwang, 
mit  bescheidenen  Mitteln  zu  arbeiten,  das  sind  nicht  gerade  die  besten  Voraussetzungen, 
an  einem  so  gut  wie  verlorenen  Terk  die  Rettung  zu  versuchen.  Die  musikalische 
Leitung  hatte  Hans  Pfltzner.  Er  hielt  sich  sehr  wacker,  und  einige  übertriebenen 
Scfairtfen  in  der  Rbytbmialerung  mochten  geboten  sein,  um  das  noch  nicht  ganz  durch- 
gearbeitete Ensemble  fest  lusammeniuhalten.  Im  Solisten  personal  boten  die  erfreulichsten 
Leistnngen  H^rr  Stammer  ala  Kerkermeister  und  Fri.  Roxy  King  als  Miiada.  Dagegen 
reichten  Herr  Bleiden  und  Frl.  Fritz  in  keiner  Veise  für  ihre  Aufgaben  aus.  Aber 
wie  gesagt,  es  soll  darüber  beute  nicht  im  einzelnen  geurteilt  werden.  Eine  ^zweite 
Oper"  kSnnte  uns  in  Berlin  wahrlich  nietat  schaden,  und  namentlich  nicht  eine  solche 
Oper,  deren  Besuch  auch  den  unteren  Zehnmilllonen  mSglicta  ist.  Hoffen  wir,  dasa  die 
neue  Direktion  es  weiter  bringt  als  die  alte!  Tilly  Pastor. 

MÖNCHEN:  Unsere  Sudt  steht  wieder  im  Zeichen  Richard  Tagners.  Seit  Woctaen 
ist  es  dranssen  auf  den  sogenannten  .Bogen hausener  Lüften'  wieder  lebendig  ge- 
worden. Das  Prinz regententheater  bat  seine  Tore  geoniet,  die  Festspiele  haben  be- 
gonnen. Damit  ist  jenes  merkwürdige  Bild  internationaler  Typen,  das  man  sonst  nur  in 
Bayreuth  in  sehen  gewohnt  war,  wieder  entrollt.  Ter  an  den  Spielnacbmittagen  binaus- 
pUgert  in  die  Bstllchen  Vorstidte,  muss  wihnen,  in  eine  VSlkerwanderung  geraten  lu 
sdn:  In  endloser  Flucht  rollen  Karossen  und  Tagen  dahin,  in  dichten  Scbaren  atrOmen 
Fest-  und  ZaungXite  hinaus,  alle  gangbaren  Sprachen  werden  gesprocben,  alle  denkbaren 


76 
DIE  MUSIK  III.  1. 


Gestalten  lassen  sich  sehen,  es  ist,  als  ob  alles,  was  nur  irgend  Beziehungen  zur  Kunst 
pflegt,  sich  hier  zusammengefunden  hitte  zur  gemeinsamen  Feier,  es  herrscht  allenthalben 
eine  Bewegung,  Spannung,  Erwartung,  deren  sich  selbst  die  sonst  so  gleichgültig  ein- 
gefleischten Ureinwohner  nicht  ganz  erwehren  können.  Ich  übertreibe  nicht,  wenn  ich 
feststelle,  dass  die  Festesfreudigkeit  lebhafter,  die  Beteiligung  allgemeiner  ist,  als  in 
früheren  Jahren.  Wir  haben  heuer  den  .Ring"  im  Festprogramm ;  überdies  waren  auch 
Wunder  von  Scenenkünsten  verheissen  worden.  Ich  habe  die  ersten  Aufführungen  nicht 
gehört,  nach  einwandfreien  Beurteilem  sollen  sie  vortrefflich  gewesen  sein.  Auch  die 
spiteren  Hessen  nur  wenig  zu  wünschen  übrig.  Namentlich  von  den  technischen  Wundem 
hatte  man  nicht  zuviel  versprochen.  Um  einige  zu  nennen :  Im  .Rheingold*  schwimmen 
die  Rheintöchter  aufe  natürlichste  mit  richtigen  Fischschwinzen  (früher  hatten  sie  nur 
zusammengebundene  Röcke  an),  das  Wasser,  durch  ein  sinnreiches  Verfahren  maskiert, 
fliesst  in  den  oberen  Schichten  täuschend  dahin;  die  Walhalla  im  letzten  Bild  ist  neu 
entworfen,  ein  geradezu  bezaubernder  Anblick,  Farben,  Lichteffekte,  wie  sie  die  Natur 
nicht  schöner  hervorbringt  In  der  .Walküre*  ist  das  wilde  Felsengebirge  von  imposanter 
Perspektive;  auch  die  Bilder  im  .Siegfried*  haben  manche  wirksame  Bereicherung  er- 
fahren. Nur  in  der  .Götterdimmerung*  scheinen  mir  die  Uferszenen  (ausgenommen  die 
prachtvollen  Hintergründe)  stark  verkünstelt,  am  Schluss  wird  der  wildwogeode  Rhein 
durch  überschnell  aufündniederhopsende  Versatzstücke  dargestellt  und  die  lodernde 
Brunst  von  einem  grellen  Feuer  unterstützt,  so  dass  man  Dinge  sieht,  die  man  nicht 
sehen  durfte.  In  den  übrigen  Werken,  .Meistersinger*,  .Tristan  und  Isolde*,  .Lohen- 
grin*,  .Tannhiuser*,  ist  für  den  Fremden  des  Sehens-  und  Staunenswerten  nicht  weniger: 
die  Strasse  von  Nürnberg  mit  ihren  zart  verschmelzenden  Firbungen,  die  glanzerfüllte 
Festwiese,  die  spannende  Landung  des  Tristanschiffes,  die  imposante  BurghofBzenerie, 
die  zauberhafte  Wartburglandschaft  im  herbstlichen  Abendglanz  —  solche  Eindrücke 
müssen  sich  jedem  EmpSnglichen  unauslöschlich  in  die  Seele  senken.  Ober  den  Ver- 
lauf der  Aufführungen,  über  die  musikalischen  und  darstellerischen  Leistungen  muss  ich 
mich  leider  kurz  fassen.  Zahlreiche  Gäste  waren  und  sind  noch  hier.  Frau  Lilian 
Nordica .  sang  die  Brfinnhilde  hoheitsvoll,  in  der  .Walküre*,  die  mit  Ernst  Kraus  als 
Siegmund  und  Frl.  Morena  als  Sieglinde  überhaupt  zu  einer  der  abgeklärtesten,  ge- 
waltigsten Aufführungen  sich  gestaltete;  im  .Siegfried*  überlegen,  aber  kühl,  um  erst 
in  der  .Götterdämmerung*  ihre  ganze  Grösse  der  Auffassung  zu  entftilten.  Dr.  Briese- 
meisters  Loge  war  fein  und  geistreich,  sehr  charakteristisch  der  Alberich  Desider  Zadors, 
ganz  vortrefflich  der  Mime  Julius  Liebans,  einer  der  wenigen,  die  nicht  bloss  krächzen, 
sondern  auch  rechtschaffen  singen,  wo's  nötig  ist.  Frau  Schumann-Heink  brachte  die  Erda 
mit  sonorer  Tongebung  und  deutlichster  Accentuierung  zu  Gebor;  ebenso  auch  die 
Magdalene  in  den  .Meistersingern*.  Den  Sachs  gab  ein  Wiener  Gast,  Leopold  Demuth, 
recht  schusterlich-unpoetisch;  im  .Tannhäuser*  sang  dieser  Herr  den  Wolfram  technisch 
vollendet.  Zu  nennen  sind  noch  Slezak  als  Tannhäuser,  Burrian  als  Tristan,  Olive 
Fremstad  als  Fricka,  Ottilie  Metzger  als  Waltraute,  die  Damen  David  und  Hieser  als 
Rheintöchter  —  sorgflUtig  durchgearbeitete,  tüchtige  Darbietungen.  Von  den,  bis  auf 
einige,  vollzählig  vertretenen  einheimischen  Künstlern  sind  zu  erwähnen:  Knote,  der  als 
Siegfried  und  Lohengrin  mit  seiner  urfrischen,  kräftig  zupackenden  Art  erquickte,  eine 
tiefempfundene  Elisabeth  des  Frl.  Bertha  Morena,  Brodersens  Günther,  die  beiden 
schreckhaften  Riesen  Bender  und  Klopfer,  Frl.  Koboths  Gutrune,  Baubergers  Kurwenal, 
Gestalten,  an  denen  man  seine  Freude  haben  konnte.  Das  sind  freilich  nur  die  wichtig- 
sten Namen;  noch  vieles  Hesse  sich  sagen.  Dieser  schier  unerschöpflichen  Fülle  t>e- 
merkenswerter  Erscheinungen  gegenüber  ergeht  es  dem  Referenten,  wie  Goethe  einmal 
gesagt  hat:  sitzt  im  Rohr  und  kann  vor  Pfeifenschneiden  nicht  zum  Pfeifen  kommen. 


77 
KRITIK:  KONZERT 


d.  b.  er  mass  auf  Einzelheiten  wohl  oder  fibel  verzichten.  Aber  es  mag  schon  aus  dem 
Angedeuteten  klar  geworden  sein,  dass  die  heurigen  Festspiele  bisher  Erfolge  aufzuweisen 
haben,  wie  man  sie  im  Interesse  des  künstlerischen  Rufes  unserer  Stadt  nur  wfinschen 
kann.  Mag  auch  nicht  alles  und  jegliches  untadelhaft  ausgefdlen  sein,  so  trug  doch  das 
Ganze  stets  den  Stempel  zielbewussten  Strebens.  Man  hat  unlängst  geäussert,  dass  den 
Festspielen  heuer  auch  ein  materieller  Erfolg  gesichert  sei,  dank  der  gfinstigen  Verhält- 
nisse. Das  mag  sein.  Man  darf  aber  nicht  vergessen,  dass  v<lie  andauernd  stattliche 
Frequenz,  namentlich  der  »Ring^-Auffuhrungen,  nicht  möglich  wäre,  wenn  nicht  eben 
wirklich  Positives,  Bedeutendes  geleistet  wfirde.  Dr.  Theodor  Kroyer. 

KONZERT 

GR£N0BLE  und  LA  CÖTE-SAINT-ANDR£:  Die  Hundertjahrfeier  von  Berlioz. 
Obwohl  Berlioz  erst  am  19.  Frimaire  des  Jahres  XIII,  d.  h.  am  11.  Dezember  1803^ 
geboren  ist,  feierten  die  Städte  Gr6noble  und  la  Cdte*Saint-Andr6  bereits  im  August  den 
hundertsten  Geburtstag  Ihres  berühmten  Landsmanns.  In  Gr6noble  fielen  die  Festlichkeiten 
für  Berlioz  mit  einem  internationalen  Wettbewerb  für  Bläserchdre,  Liedertafeln  usw.  zu- 
sammen, der  mit  dem  Komponisten  nur  schwache  Beziehungen  hatte.  Man  weihte  eine 
vom  Bildhauer  Urbain  Basset,  einem  Kind  der  Dauphin6e,  verfertigte  Statue  ein,  die  den 
Meister  darstellt,  wie  er  den  Stimmen  der  künstlerischen  Eingebung  lauscht;  die  Feier 
ftmd  Sonnabend  den  15.  August  unter  dem  Vorsitz  des  Komponisten  Henri  Mar6chal  bei 
entsetzlichem  Wetter  in  Gegenwart  einiger  hundert  teilnahmsloser  Personen  statt.  Das 
wenig  interessante  Werk  des  Bildhauers  Basset  bedeutet  für  das  Genie  des  Meisters  nur 
eine  schwache  Huldigung.  Glücklicherweise  hat  dieser  am  16.  und  17.  August  volle 
Genugtuung  erhalten.  Im  Theater  von  Gr6noble,  wo  man  nie  etwas  anderes  zu  hören 
bekam  als  Schauspiele  und  bedauerliche  Operetten,  brachte  das  Orchester  von  Aix-les- 
Bains  am  ersten  Tag  zur  Aufführung:  »La  damnation  de  Faust*,  unter  der  Leitung  seines 
gewohnten  Dirigenten  Jehin;  tags  darauf  den  »Römischen  Kamaval*,  Fragmente  aus 
»Romeo  und  Julie*,  den  Pilgermarsch  aus  .Harold  in  Italien",  zwei  Lieder  (.Absence*; 
ale  jeune  Pätre  breton*)  und  die  Ouvertüre  zum  .Korsar*,  unter  der  Leitung  des  Herrn 
Marty;  den  Schluss  bildete  die  »Symphonie  fantastique*  unter  Weingartner.  Die  Solisten 
des  ersten  Tages  waren  Frau  Lina  Pacary  und  Herr  Laffitte,  beide  vortrefflich  in  ihren 
Rollen  als  Faust  und  Gretchen;  Herr  Dangfts  war  ein  mittelmässiger  Mephisto  und  Herr 
Ferrar  aus  Bordeaux  ein  sehr  schlechter  Brander;  auch  die  Chöre  klangen  nicht  besonders 
gut,  dagegen  spielte  das  Orchester,  das  Jehin  mit  imponierender  Überlegenheit 
dirigiert,  tadellos  und  trug  hauptsächlich  zur  befriedigenden  Ausführung  der  Berliozschen 
Partitur  bei.  Marty  errang  denselben  Erfolg  wie  sein  Kollege  Jehin;  er  musste 
den  Pilgermarsch  wiederholen,  gleich  wie  Eleonore  Blanc  das  Lied  »Absence*  und 
das  Duo-noctume  aus  »Beatrice  und  Benedikt*,  das  sie  bewunderungswürdig  mit  Frau 
Deschamps-Jehin  sang.  Vor  der  Aufführung  der  Phantastischen  wurde  ein  Gedicht 
Camille  Saint-SaCns'  zu  Ehren  Berlioz'  recitiert;  hierauf  hielt  der  Bibliothekar  des  Pariser 
Konservatoriums,  Julien  Tiersot,  einen  kurzen  Vortrag,  den  er  mit  der  Bitte  schloss,  man 
möchte  die  sterblichen  Oberreste  des  Meisters  anlässlich  der  im  Dezember  in  Paris  statt- 
findenden Berliozfeier  in  das  Pantheon  überführen  lassen.  Endlich  erscheint  Weingartner 
am  Dirigentenpult.  Der  einzige  Vertreter  Deutschlands  bei  diesem  Fest  wird  von  der 
Gesamtheit  des  Orchesters  und  Publikums  mit  einer  Begeisterung  empfangen,  die  nach 
der  Ausführung  jedes  einzelnen  Satzes  der  Symphonie  noch  wächst.  Noch  niemals  wurde 
übrigens  dieses  so  romantische,  so  echt  Berliozsche  Werk  mit  grösserer,  sich  allen  mit- 
teilender Wärme  zu  Gehör  gebracht.    Die  »Marche  au  supplice*  musste  wiederholt  werden 


78 
DIE  MUSIK  111.  1. 


und  das  Poblikam,  aberwiegend  aus  Bewohnern  der  Dauphin^e  bestehend,  d.  h.  nicht  eben 
sehr  mosikalisch,  wire  trotzdem  mit  dem  zweimaligen  Anhören  des  ganzen,  in  unserer 
Musikliteratur  einzig  dastehenden  Werkes  einverstanden  gewesen.  Die  Vorf&hning 
gestaltete  sich  zu  einem  unerhörten  Triumph  fQr  Weingartner,  der  unter  allgemeinem 
Beifell  die  Ehre  auf  Berlioz  übertrug,  indem  er  die  auf  dem  Pult  liegende  Partitur 
mit  einem  Lorbeerzweig  bekrinzte.  Diese  beiden  Konzerte  waren  Berlioz'  wfirdig 
und  werden  den  Schatten  des  Meisters  mit  dem  schlechten  Denkmal,  das  ihm  seine 
Landsleute  gesetzt,  versöhnen,  ebenso  wie  mit  den  minderwertigen  musikalischen  Auf- 
fQhrungen,  die  mit  der  EnthQUung  verbunden  waren.  Am  23.  August  wurde  in  la  Cöte- 
Saint-Andr6,  einem  kleinen  zwischen  Lyon  und  Gr6noble  gelegenen  Städtchen  der  Dauphin6e, 
Berlioz'  hundertster  Geburtstag  ebenso  wie  in  letzterem  Orte  gefeiert,  wenn  auch  in  etwas 
intimerer  Art.  Es  wurde  im  Geburtshaus  des  Komponisten  ein  Berlioz-Museum  ein* 
geweiht,  das  bereits  zahlreiche  interessante  Stucke  enthält:  einen  Brief  von  Berlioz  aus 
dem  Jahr  1830  von  Paris  an  seinen  Vater,  Lieder  mit  Guitarre-Begleitung  (sie!),  von  denen 
mehrere,  nach  Worten  von  Florian,  sicherlich  die  ersten  Kompositionen  des  Meisters 
darstellen;  Flöten  und  Klarinetten  aus  seinen  Kinderjahren;  mehr  als  hundert  Porträts 
aus  allen  Lebensabschnitten;  seine  vollständigen  musikalischen  und  literarischen  Werke; 
der  massive  silberne  Kranz,  der  dem  Verfasser  des  Rakoczymarsches  1861  von  der 
Jugend  von  Gior  verehrt  wurde;  die  Partitur  von  «Romeo  und  Julie*,  die  der  Komponist 
dem  König  von  Preussen  überreichte,  ein  Geschenk  Felix  Weingartners.  Der  Organisator 
des  Museums,  Jean  Celle,  beabsichtigt,  nächstens  eine  vollständige  und  detaillierte  Be- 
schreibung zu  liefern,  in  der  Hoffnung,  dass  die  Berlioz-Anhänger  aus  aller  Herren  Ländern 
es  besuchen  oder  ihm  ein  Geschenk  oder  eine  Erinnerung  an  den  Meister,  felis  sie  welche 
besitzen,  zuwenden  werden.  Später  will  die  Stadt  La  Cöte-Saint-Andr6  das  Haus  ankaufen, 
in  dem  sich  heute  ein  unbedeutender  Laden  befindet,  und  man  wird  es  so  gut  wie  möglich 
wieder  in  den  Zustand  zu  setzen  suchen,  in  dem  es  sich  befand,  als  es  der  Arzt  Louis 
Berlioz  bewohnte.  Die  Einweihung  des  Berlioz-Museums  bildete  indessen  nicht  die 
einzige  Anziehungskraft  des  23.  August.  Was  in  la  Cöte  noch  aussergewöhnlicher,  noch 
schwerer  zu  verwirklichen  war  als  in  Gr6noble  —  man  führte  Beriiozsche  Werke  in 
seiner  Geburtsstadt  auf.  Ein  Teil  der  ungeheuren  Markthalle  war  zum  Konzertsaal 
umgewandelt.  Die  «Symphonie  lyonnaise"  spielte  unter  der  Leitung  ihres  Kapell- 
meisters Mariotte  die  Ouvertüre  zum  «Camaval*,  drei  Fragmente  aus  »Harold  in  Italien*, 
den  Trauermarsch  aus  «Hamlet*,  Fragmente  aus  der  «Kindheit  Christi*  (mit  den  Herren 
Commune,  PouilI6  und  Frl.  E.  Blanc,  die  überdies  unter  grossem  Beifall  noch  «l'Absence*, 
«le  jeune  Pätre  breton*  und  Gretchens  Arie  «D'amour  Tardente  fiamme*  aus  der  «Dam- 
nation de  Faust*  sang).  Das  Musikkorps  des  140.  Infanterieregiments  endlich  begleitete 
die  «Marseillaise*'  von  Berlioz  und  spielte  die  Ouvertüre  zu  den  «Vehmrichtern*.  Trotz 
des  schlechten  Wetters  und  der  mangelhaften  Akustik  der  Halle  fanden  die  Berliozschen 
Fragmente,  die  für  die  meisten  eine  Offenbarung  bedeuteten,  bei  der  zahlreichen,  aus 
allen  benachbarten  Ländern  herbeigeeilten  Zuhörerschaft  starken  Beifall;  der  Erfolg  der 
Feier  hat  bereits  den  Gedanken  gereift,  womöglich  jedes  Jahr  in  Berlioz'  Geburtsstadt  die 
schöne  Kundgebung  zu  wiederholen,  die  noch  keine  Vorläuferin  gehabt  hat. 

J.  G.  Prod'  homme. 


EINGELAUFENE  NEUHEITEN 


BÜCHER 
Allgcnielaer  Deutscher  Musiker-KaleDder  für  1904.     Verlag:   Rübe  &  Ploibo«, 

BeriiD. 
R.  Bctks:  Kranz.    Gesammelte  Butler  über  Musik.    Verlag:  Lauterbacb  &  Kubn,  Leipzig. 
Oentseher  Maslker-Kaleader  für  daa  Jabr  1604.  Verlag:  Max  Hesse,  Leipzig.  (M.  1,50.) 

MUSIKALIEN 

Volfgang  Hickel:  Gedicbte  von  Goetbe  für  eine  Singstimme  und  Klavier.  No.  1—4. 
Selbstverlag  des  Komponisten,  München. 

Tllhelm  Merer:  Minnercbflre  im  Volkston,  op.  53,  66,  70,  77,  78,  79  (i  M.  I).  Veriag: 
Chr.  Frledr.  VIeweg,  Berlin. 

Albert  Lenz:  Lieder  Für  eine  SingsUmme  mit  Pisnotbrtebegl eilung  op.  20.  No.  1  .Und 
wQsBten'a  die  Blumen*  für  hohen  Sopran.  No.  2  aErinaeTung*  für  Sopran. 
9  M.  1,20.)    Kommissionsverlag  von  Bernhard  Siege),  Berlin. 

M«K  Peters:  Ad  astra.   Orgelflnale.   op.  48.   <M.  3.)    Verlag:  Carl  Giessel  jun.,  Bayreuth. 

Angast  Klughardt:  5.  Symphonie  (c-moll)  op.  71.  Klavieriuszug  zu  vier  HInden  be- 
arbeitet von  Jobannes  Doebber.    (M.   10.)    Ebenda. 

Tilhelm  Dfilb:  .Holdes  Mlgd lein  weine  nicht*.  Lied  für  eine  SingsUmme  mit  Klavier* 
begleitung.  op.  47.  <M.  1,50).  .Tel  b  nachts  friede'.  Poetisches  Tongemilde 
fSr  Pianotorte.  op.  49.  (M.  1,50).  Telbnscbtssymphonle  für  Pianotorte  zu 
vier  Binden  mit  Kinderinsirumenten.  op.  50.  (M.  2,ia)  Verlag:  Eisoldt  & 
Rohkrimer,  Berlin. 

T.  Herrmann;  Zwei  Lieder  für  vierstimmigen  Minnercbor.  No.  I:  O  weh,  du  arger 
Tirt;  No.  2:  Der  fahrende  Musikant,  op.  50.  {k  M.  0,80.).  Vier  Lieder  für 
eine  Singstlmme  mit  Klavierbegleitung,  op.  60.  Nol:  Sicheres  Merkmal; 
No.2:  In  der  Feme;  No.  3:  Begegnung;  No.4:  Du  riefst.  (No.  1  M.  1,20; 
No.  2,  3,  4  ft  M.  0,80.).  .Unter  den  blühenden  Linden.'  Lied  für  eine  Sing- 
sUmme mit  Klavierbegleitung,    op.  61.     Ebenda. 

M.  von  Kehler:  Sechs  Lieder  für  eine  mittlere  Stimme  mit  Begleitung  des  Pianoforte. 
op.  22.  No.  I:  Heilige  Nicht;  No.  2:  Vas  geht  dss  ^mde  Lied  mich  anP; 
No.  3;  Maiennacht;  No.4:  An  eine  Verlorene;  No.  5:  Die  Trauernde;  No.  6: 
Branilted.    (No.  1—4  i  M.  1,20;  No.  5  M.  1,30;  No.  6  M.  1,50.)    Ebenda. 

Vsither  Mlekley:  F6nf  Lieder  für  eine  Singstlmme  mit  Klavierbegleitung,  op.  1. 
No.  1:  Taldeinsamkeii;  No.2:  Vie  gerne  dir  zu  Füssen;  No.  3:  DOrpertani- 
welse;  No.4:  AbendÜed;  No.  5:  Das  GIfick.  (No.  1  und  3  Jt  M.0,80;  No.2, 
4  und  S  t  M.  1,20.)    Ebenda. 

H.  Gottlieb  Noren:  Suite  in  e-moll  für  Violine  und  Klavier,  op.  16.  <M.  7,50.).  Drei 
Lieder  für  I  Singstlmme  mit  Klavierbegleitung,  op.  17.  No.  1—3.  (M.  1,50.) 
Ebenda. 

Leopold  Schmidt:  Sechs  Debesiieder  aus  dem  16.  Jahrhundert  für  4stlmmigen 
gemischten  Chor.  Panitur,  op.  3.  (M.  1,50).  Sonate,  f-rooll,  für  Violine  und 
Klavier,  op.  4.    (M.5)    Ebenda. 

t  RedmklioD  lu  adnuiercn.  BeipRchiini  ciniElDer  Wcike  vDcbttiMllcB.  P«  dU 
!r  Buchet  usd  Muiilulicn.  dEren  Rüduenduni  kcinuUll  lUttSadM,  Übw 
CD  Reduktion  UDd  VcrUg  keine  Gutnüe. 


lin  Aotctalnss  äa  den  ersten  Artikel  bringen  wir  eine  Abbildung  des  viel  umstrittenen 
Berliner  Vsgnerdenkmala  von  Prof.  GobUt  Bberlein. 

Unsern  Plan,  im  Lauf  der  Zeil  die  Ansicbten  aller  Tehnbiuser,  (n  denen  Tagner  ge- 
wellt. Im  Bild  wiederzugeben,  setzen  wir  heute  fort  Die  dargestellte  sctamacke 
Villa,  seit  langem  dem  Fabrikbeiiuer  Rud.  Dykerboff  In  Blebricb  am  Rbein  gebOrig, 
ist  ein  musikgescblcbtllcb  lusaerst  denkwardiges  Gebinde:  die  Geburtaititte 
der  „Meistersinger*.  Von  drei  Selten  durch  habe  Biurae  tut  verdeckt  und 
nur  vom  Rhein  aua  deutlich  sichtbar,  diente  das  .Bibemeaf,  wie  er  es  nannte, 
1862  dem  Meisler  zum  AuTenthalL  Von  einigen  kleinen  banllcben  Verilndernngen 
an  der  VorderAttnt  abgeaeben,  stellt  das  Bild  die  treue  Wiedergabe  des  historischen 
Hauses  dar,  an  dem  der  Eigentümer  demnichst  eine  Erinnerungsufel  anzubringen 
gedenkt.  Das  wohlgelungene  Aquarell,  von  dem  unser  C1ich£  stammt,  ist  eine 
Arbeit  des  Herrn  Hans  Pfellscbmldl  in  Prankfurt  a.  M^  unseres  gescbltiien 
Mitarbeiters.    Es  Ist  u.  V.  noch  keine  ReprodukHon  bisher  erschienea. 

Zorn  Aubati  von  van  der  Stneten  gebSren  die  Portrilts  von  Mendelssohn  (nach  dem 
Stich  von  Th.  und  A.  Wtger  len.  In  Leipzig),  Schumann  (nach  dem  Limmelscben 
Stich)  und  Verbullt.  Bild  und  Namenazug  des  n  lederl  In  d  Ischen  Ton  dl  cbtera  ver- 
danken wir  dem  Entgegenkommen  seiner  Tochter,  Madame  Eilseber  VerbulsL  Von 
dem   auf  S.  11   mitgeteilten  MendelsBobnscben  Brief  bringen  wir  ein   Facsimlle. 

Die  charakteriitticben  Z6ge  des  DJctalera  und  Musikers  E.  T.  A.  Hoffmsnn,  dessen 
Kapellmeister  Kreisler  In  seinem  «Kater  Murr*  Schumann  zu  seinem  op.  IB  anregte, 
m&gen  zur  Illustration  des  von  MQIlerschen  Artikels  dienen.  Unsere  Reproduktion  Ist 
nach  dem  kfistllchen  Original  in  der  Mendela  lohn  sehen  Portrttsammlung  angefertigt. 

An  den  90.  GeburtaUg  (9.  Oktober)  Altmeister  Verdis  erinnert  ein  Bild,  zu  dessen 
Tledergsbe  uns  eine  wenig  bekannte  Zeichnung  von  Camlile  Gilbert  gedient  hat. 

AnTderHObeaelnei  künstlerischen  SchaBbns  undTlrkens  IstHerman  Zumpe  in  München, 
der  hervorragende  Dirigent  des  Prinzregententheatera,  der  veratiüidnlsvolle  Schfiler 
und  begelstene  Interpret  des  Bsyreuiber  Meisters,  plötzlich  am  4.  September  bin- 
weggerafft  worden.  Tle  er  aufstrebenden  Talenten  Förderung  und  Unterstütiung 
angedelhen  Hess,  davon  Hefen  sein  Eintreten  für  Max  Scbilllnga  einen  voll- 
gültigen  Beweis;  wir  bringen  von  letzterem  in  unserer 

Musikbeilage  die  Vertonung  eines  wundervollen  Gedichtes  .Aus  dem  Takt*  von  Goatar 
Falke,  daa  uns  der  Komponiat  zum  ersten  Abdruck  überlassen  hat.  Das  vornehm 
gehaltene,  packende  Musikstück  verleugnet  den  Verhsser  der  alngwelde*  nicht. 

Zum  Scbluas  dedicleren  wir  unseren  Lesern  das  neue  Exlibris  für  den  ersten  Quartals- 
band des  dritten  Jahrgänge  nach  einer  atimmu nga vollen  Zeichnung  von  H.  Lind]  off. 


k  lU*  VuUfw  ■■• 


Pono  briLut  OlnniiBai  di*  RadakttoB  Iibih  Guancw. 

Verantwonlicher  ScbrifÜeiter:  Kapellmeister  Berahuil  Scbuster 
Berlin  SV.  II,  Luckenwnlderatr.  I.  111. 


(^<.  /^' 


^-  ^^c^i^tJ- 


BRIEF  MENDELSSOHNS  AN  VERHULST 


ULI 


E.  T.  A.  HOFFMANN 


GIUSEPPE  VERDI  o 
^9.  OKTOBER    1813 


HSprner  «i  Pitpcrhoff,  H.llc  phoi. 


HERMAN     ZUMPE    o 
t4.  SEPTEMBER  1903 


X 


Massiges  Hauptzeitmass. 


all       mein       hol      -     der         Kreli^ 


mein 


Kind 


i'  j  r  r  j 


S:  iLir  f 


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und 


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>'Ö~^'  ij 


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Steigernd  und  drängend. 


^  Jü  iQ  ^^^ 


E.  T,  A.  HOFFMANN 


Ü       ^  -M  f" 


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Tod      Pflicht. 


Herd- 


Stleh  u.  Druckt  Berliner  MnaUcallen  Druckerei  O.oi.b.  H.  ClubrlotleDbvrff. 


I 


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• 


Höprocr  &  Pi^P""""-  """  P""- 


HERMAN     ZUMPE    o 
t  4.  SEPTEMBER  1903 


|ur  manchen  vielleicht  eine  seltsame  Zusammenstellung,  dieses: 
«Königschlösser*  und  „Wagner Festspiele!"  Wenn  man  aber 
zufllHgy  wie  Verfasser  dieses,  die  Tage  unmittelbar  vor  Eröffnung 
der  Festspielreihe  am  Münchner  „Prinz- Regenten-Theater*  mit 
seinem  Rade  «freiweg*  durch  den  Schwangau  und  den  Ammerwald  ge- 
hhren  ist,  von  den  Bergen  und  Schluchten,  Seen  und  Wäldern,  Giessbächen 
und  Wasserfillen  der  Hochalpenwelt  eben  herkommt  und  ca.  60  bezw. 
36  Stunden  vor  Beginn  des  „Nibelungen-Ringes*  noch  auf  Neu-Schwanstein 
und  in  der  «Hunding- Hütte*  (zwischen  Plansee- Linderhof)  geweilt  hat, 
dann  erlebt  man  so  mancherlei  merkwürdige  persönliche  Eindrücke.  Die 
eigenartige  Kombination  setzt  sich  als  Erlebnis  fest,  klingt  noch  lange  nach 
in  der  angeregten  Seele  und  führt  schliesslich  sogar  zu  allerhand  inter- 
essanten Ergebnissen,  wo  nicht  gar  zu  neuen  ästhetischen  Erkenntnissen. 
Ein  Problem  ist  da  mit  einem  Male  klar  aufgegangen,  ein  Problem,  das 
nur  sehr  unvollständig  mit  „König  Ludwig  —  Wagner*  zu  bezeichnen  ist, 
nnd  das  hier  nur  eben  als  Skizze  leicht  angerissen,  nicht  aber  irgendwie 
erschöpft  werden  kann.  Oder  vielmehr  gleich  ein  ganzes  Bündel  von 
Problemen!  • .  • 

Man  sieht  den  herrlichen  Schwangau  mit  seinen  darüber  schimmernden 
Borgen,  erlebt  die  „Waldesmorgenpracht*  mit  dem  köstlichen  Durchblick 
auf  den  poetischen  „Alp-See*,  auf  dessen  spiegelglatter,  in  der  Sonne  er- 
llinzender  Fläche  weisse  Schwäne  in  majestätischer  Ruhe  silberklare 
Sparen  ziehen.  Unwillkürlich  fragt  man  sich:  „Sind  die  Tiere  hier  nicht 
heilig?*  Das  waren  des  phantasievollen  Königs  erste  Natur-Eindrücke 
in  seiner  frühesten  Jugend,  zu  denen  ihm  der  „Lohengrin*  (alsbald)  und 
der  «PftrsihI*  (später)  durch  die  Kunst  noch  die  Verklärung  bringen 
sollten.  Man  wendet  sich  sodann  zum  steilen  Anstiege  gen  „Neu-Schwan- 
steltt*  zu,  und  bald  wie  die  Wart-,  bald  wie  die  Gralsburg  scheint  der 
Ban  den  Wanderer  traulich  -  traut  durch  den  Bergwald  herabzugrüssen 
oder  aber  ihm  als  ein  fernes  Wunder  dieser  Welt,  „unnahbar  euren 
Schritten*,  von  schroffem  Gestein  entgegenzuwinken.  Bis  hierher  wäre 
also  alles  ganz  richtig  und  in  Ordnung.  Nun  aber  kommt  der  offizielle 
«Fflbrer  durch  das  Schloss*   dazwischen   und   er  preist  mit  begeisterten 

6* 


84 
DIE  MUSIK  III.  2. 


Reden   und   flammenden  Worten  die  hier  gelungene  .himmelanstrebende, 

imposante  Verwirklichung*  jener  Wagnerschen  Verse: 

»Vollendet  das  ewige  Werk;  auf  Bergesgipfel  die  Gdtterburg, 

Prachtvoll  prahlt  der  prangende  Bau!') 

Wie  im  Traum  ich  ihn  trug,  wie  mein  Wille  ihn  wies, 

Stark  und  schön  steht  er  zur  Schtu,  hoher  herrlicher  Btu! . .  ,* 

und  er  spricht  davon:  »gleich  als  ob  Zyklopenhände  dieses  Mauerwerk, 
diese  mächtigen  Türme  und  diese  ragenden  Zinnen  und  Giebel  aufgetürmt* 
hätten  —  denkt  sonach  offenbar  an  das  »Walhall "-Gebilde  im  »Rheingold* 
selber.  Hier  jedoch  stimmt  die  Sache  ganz  und  gar  nicht  mehr.  Oder  aber, 
stimmte  sie  am  Ende  doch,  teilweise  wenigstens,  und  würde  sogar  brenzelig- 
anzüglich,  wenn  wir  im  Texte  weiterlesen:  »Nur  Wonne  schafft  dir,  was 
mich  erschreckt?  Dich  freut  die  Burg,  mir  bangt  es  . .  .  Achtloser, 
lass  dich  erinnern  des  ausbedungenen  Lohns!  Die  Burg  ist  fertig,  ver- 
fallen das  Pfand:  vergisst  du,  was  du  vergabst?*  »Wohl  dünkt  mich*s, 
was  sie  bedangen,  die  dort  die  Burg  mir  gebaut;  durch  Vertrag  zähmt' 
ich  ihr  trotzig  Gezücht,  dass  sie  die  hehre  Halle  mir  schufen;  die  steht 
nun  —  Dank  den  Starken  —  [kein  Stein  wankt  im  Gestemmi]:  um  den 
Sold  sorge  dich  nicht!*  »O  lachend  frevelnder  Leichtsinn!  Liebelosester 
FrobmutI*  . . .  »Sanft  schloss  Schlaf  dein  Aug':  wir  beide  bauten  Schlummers 
bar  die  Burg.  Mächt'ger  Müh'  müde  nie,  stau'ten  starke  Steine  wir  auf; 
steiler  Turm,  Tür  und  Tor,  deckt  und  schliesst  im  schlanken  Schloss  den 
Saal.  Dort  steht's,  was  wir  stemmten;  schimmernd  hell  bescheint's  der 
Tag:  zieh  nun  ein,  uns  zahl'  den  Lohn!*  »Seid  ihr  bei  Trost  mit  eurem 
Vertrag?*  .  . .  Sollen  wir  dabei  etwa  die  ergreifenden  Nöte  unseres  edlen 
Königs  wie  sein  unseliges  Ende  in  Schauern  bedenken  und  gleichzeitig 
unsere  Blicke  sogar  auch  mit  schweifen  lassen  bis  zu  Ernst  von  Possarts 
kühnem,  »prachtvoll-prangenden  Bau*  auf  die  Bogenhausener  Höhe  zu 
München  hinan,  bei  welchem  Bauwerke  durch  spekulativer  »Verträge 
trügenden  Bund*  ja  auch  klingender  »Lohn*  ausbedungen  ward,  wiewohl  es 
zweifelhaft  erscheinen  kann,  ob  er  sich  je  vollauf  bezahlt  machen  wird.  — 
Doch,  wir  lassen  den  eben  aufgenommenen  Faden  lieber  zunächst 
noch  fallen  und  gehen  hier  weiter,  ins  Innere  der  Schlossgemächer  hinein. 
»Regin  schmiedet  Sigurd  das  Schwert  Gram*;  »Tristan  reicht  Isolde 
unbewusst  den  Liebestrank*;  »Parzivals  Hochzeit  mit  Condviramur* 
und  so  weiter  mit  viel  steifer  »Professoren*-Grazie  bis  zu  den  »Nibelungen* 
in  der  falschen  Betonung  des  erklärenden  Kastellans!  Also  nichts  hinzu- 
gelernt, und  was  gewusst  —  vergessen;  im  Grunde  nur  wieder  die  alte, 
herkömmliche  Sagenkunde  vor  dem  Auftreten   eines  Richard  Wagner,  die 


^)  Der  Führer  schreibt  lustig  „prunkvoll  prankt  [I]  der  prächtige  Btu'^  —  daher 
der  Name  „FQhrer^^ 


8S 
SEIDL:  KÖNIGSCHLÖSSER  U.  WAGNERFEStSWELE 


reinen  Stoff- Gebiete  daran  allein,  unbearbeitet,  hergenommen  —  und  der 
neue  Ideenkem  darin  gerade  wieder  total  verfehlt!  (Im  übrigen  genau 
so,  wie  auch  schon  durch  König  Ludwigs  I.  , Walhalla"-  und  Viktorien*- 
Gestalten  das  germanische  Volksbewusstsein  ungeweckt  über  «Walhall'' 
und  die  »Walküren*  geblieben!)  Wozu  also  nur  all  dieser  Aufwand? 
War  dies  etwa  der  „Zweck  der  Übung''?  Dazu  dann  angemalte  „Sänger- 
lauben*, vWaldesschweigen'-Prospekte  und  „Venusberg^-Kulissen  auf  Sack- 
leinewand in  künstlichen  Grotten  —  alles  das  inmitten  einer  selbstherrlich- 
ragenden, erhaben -unvergleichlichen  Natur,  dicht  zudem,  und  überaus 
störend,  neben  dem  solidesten  Baumaterial  und  massivsten  Edelmetalle! 
Wie,  dieser  Freund  Wagners  und  vielgerühmte  Kunstkönig  hatte  ein  so 
zweifelhaftes  künstlerisches  „Stilgefühl'',  dass  ihn  dies  fatale  Nebeneinander 
nicht  im  geringsten  mehr  störte?  Dass  er,  die  konventionelle  Tapezier- 
Arbeit  mit  Beleuchtungs-Effekten  dem  Urwüchsig-Elementaren  gegenüber- 
zustellen, nicht  verschmähte,  ja  es  sogar  dem  Organisch -Kongruenten 
beherzt  vorziehen  konnte?  Er  besass  im  Grunde  nicht  den  ästhetischen 
Feinsinn,  von  dem  Poetisch-Malerischen  statt  des  öden  und  blöden  „Was* 
das  »Wie*  streng  künstlerisch  zu  nehmen?  —  mit  einem  Worte:  er 
stand  nicht  an,  mit  der  unbestechlichen  Natur  Theater  zu  spielen  und  die 
grossartige  Alpen -Wirklichkeit  in  illusionäre  Dekoration  alsbald  wieder 
umzusetzen?  Er  wäre  also  —  wie  weiland  sein  Grossvater  König  Ludwig  I. 
ein  „sogenannter*  Dichter  —  auch  nur  der  soidisant-Künstler  gewesen?  . . . 
Man  betrachte  sich  doch  einmal,  wie  idyllisch  und  traulich-anheimelnd, 
wie  eine  Verkörperung  der  ganzen  Landschaft,  die  romanische  Wartburg 
in  Thüringen  den  Fussgänger  beim  sanften  Laubwald-Aufstiege  zum  Wart- 
beige hinan  anmutet,  und  schaue  dann,  wie  scharf  und  zackig-brüsk  dieses 
Neu-Schwanstein  durch  den  hochragenden  Berg-Nadelwald  mit  wohlgepflegter 
Fremden-Fahrstrasse,  ebenso  verwegen  als  übertrieben,  herausspitzt.  Von 
unten  sieht  sich  die  Sache  ja  noch  verhältnismässig  harmlos  und  gemütlich 
an,  so  lange  man  zwischen  den  Bäumen  der  Hof-Chauss6e  auf  der  Ebene 
von  Füssen  herkommt;  von  oben  herab,  z.  B.  der  „Marienbrücke*  besehen, 
ist  es  aber  mit  seinem  felsigen  Hintergrunde  geradezu  unheimlich  anzu- 
schauen, mit  seinen  tiefen,  zerklüfteten  Schluchten  wahrhaft  zum  Schluchzen. 
Ein  neuartiger,  organisch  -  ausladender,  zupassend  -  grandioser  Alpen  -  Stil, 
mit  mächtigen  Zyklopen-Quadern,  von  derb-elementaren  Formen  und  in 
herb-strengen  Grundlinien  (so  etwa,  wie  sich  Prof.  Fritz  Schumacher  gewisse 
Monumental-Architekturen  aus  Felsen  denkt)  hätte  das  vielmehr  werden 
müssen:  just  wie  man  Wagner-Wotans  „Walhall  *-Traum,  von  schwieliger 
Riesenhand  aufgeführt,  an  unsren  Bühnen  (selbst  zu  Bayreuth  und  am 
Prinzregenten-Theater)  —  gar  niemals  leider  zu  sehen  bekommt;  eine  neue, 
produktive  Bau-Idee  also  und  ein  typisch-petrefaktes  Urbild;  nicht  aber  ein 


66 

DIE  MUSIK  111.  2. 


auf  einen  schroffen  Felsen  aufgesetztes  Schmuckkästchen  nur,  nach  be- 
kanntem Mittelgebirgs-Modelle,  dessen  Nachbildung  in  solcher  Umgebung, 
darinnen  es  keinerlei  Wurzel  hat,  allein  eine  leere  Nachahmung  bleiben 
muss.  Und,  wenn  es  doch  wenigstens  heissen  dürfte:  «Ober  Gestein  zu 
Gestirn*!  Welche  erschfittemde  Tragik  aber  des  Königsgedankens,  wenn 
schliesslich  eine  solche  stolze  „Burg*  nicht  wirklich  zugleich  my  Castle 
sein  kann?  Wenn  ein  königlich-absoluter  Wille  sich  darin  dem  ersten 
Diener  blind  ergeben  muss  und  gerade  hier  in  die  Gefangenschaft  der 
Suats-Raison  gerät,  statt  «seines  Willens  blind  wählende  Kfir",  den  un- 
botmässigen  Minister-Knecht,  dafür  lieber  in  das  finstere  Burg-Verlies  zu 
stossen  oder  vom  steilen  Turmfenster  in  die  Kluft  einfach  jählings  hinab- 
zustürzen? Gerade  hier  ja  sollte  den  Höhensinnigen  sein  Geschick  er- 
reichen —  er  fiel,  und  nicht  der  Staatsdiener,  der  ihn  einzuholen  hatte! 
Nicht  nur  vom  Erhabenen  zum  Lächerlichen  ist  oft  nur  ein  Schritt  (vgl. 
die  «Professoren"  Hauschild,  Spiess,  Eberle  usw.  und  ihre  z.T.  «unsterblich* 
blamablen  Kunstwerke!),  sondern  auch  vom  Erhabenen  zum  Schwindelhaft- 
Verstiegenen.  Hier  wird  das  «Erhabene*  denn  in  der  Tat  das  «auf  die 
Spitze  Getriebene*:  Hohen -Schwangau  —  «Neu-Sch  wanstein*  —  Ruine 
Falkenstein  —  excelsior,  immer  höher  hinauf ...  bis  wir  selber  stürzen. 
Wahrlich,  nirgends  wohl  lässt  sich  die  alte  Ikarus -Lehre  angehenden 
Menschen  von  ihren  Lehrern  und  sittlichen  Führern  anschaulicher  ad  oculos 
vordemonstrieren,  als  an  dieser  beklemmenden,  keineswegs  erhebenden 
Stätte!  Das  «Baumeister  Solness*-  und  das  moderne  Nietzsche-Problem 
meldet  sich:  die  Höhe  als  Abgrund-Tiefe;  von  dem  ästhetischen  treten  wir 
hier  bereits  ins  pathologische  Gebiet  über,  und  Freund  Dr.  M.  G.  Conrad, 
der  mit  seinem  «Majestäts*-Roman  diese  dunkle  Psychiatrie  bis  zur  Ver- 
stiegenheit der  Ich-Anbetung,  Selbst-Heiligsprechung  und  Eigen-Vergottung 
uns  aufdecken  sollte,  untersuchen  musste  und  nicht  zu  alledem  Ja!  sagen 
durfte  —  er  hat  sich  meines  Dafürhaltens,  als  Ästhetiker  wie  als  Psycho- 
loge, als  ehemaliger  Führer  des  deutschen  Naturalismus  wie  als  belle- 
tristischer Realist,  in  unseren  Augen  ganz  ausserordentlich  mit  diesem 
Werke  diskreditiert.  Freilich,  auch  sonst  finden  wir  ja  nirgends  noch  diese 
Töne  darüber  angeschlagen,  und  doch  würde  uns  nicht  wenig,  vielmehr 
äusserst  interessant  zu  wissen  sein,  welche  Beobachtungen  etwa  ein  fein- 
fühliger Psychiater  an  diesen  Orten  im  stillen  wohl  anstellen  möchte.  Wahr- 
haft gespenstisch,  wie  der  Schatten  Klingsors  nächtlicherweile  über  der 
Wartburg,  scheint  des  Königs  Geist,  brütend  über  seinen  Bauträumen,  über 
dieser  seiner  Burg  zu  schweben  —  das  bewusste  Bild  im  Innern  wird  so 
zum  grausigen  Symbol  für  das  Äussere:  D6cadence!  das  ist  es,  wonach  das 
ganze,  so  hochragende  Gebilde  förmlich  schreit.  Aussen:  viel  herbe  SUicken 
und  Zinnen  —  im  Innern  dagegen:  die  weichliche,  oder  doch  mimosenhafte 


87 
SEIDL:  KÖNIGSCHLÖSSER  U.  WAGNERPESTSPIELE 


Sentimentalität  einer  katholischen  Romantik,  bei  komfortabelstem  Luxus. 
Und  dicht  wiederum  neben  Marmor,  Eisen  und  Eiche  usw.,  mit  köstlichen 
Türbeschlägen,  kunstvollsten  Schnitzarbeiten  und  reichen  Stickereien  eine 
grenzenlose  Geschmackarmut  im  Kunstgewerblichen  (Vasen,  Tintenzeug, 
Krfige  usw.)  „auf  den  Thron  erhoben";  Wintergärten  mit  exotischen  Palmen 
und  gemachten  Kaskaden,  sowie  orientalische  Kioske  mit  fremdfarbigen 
Fenstern  in  unmittelbarer  Umgebung  einer  lebendigen  Natur  samt  den 
majestätischen  Schönheiten  schroffer  Bergriesen  und  tosender  Gebirgsbäche 
voll  eruptiven  Steingerölles  —  wie  Mahnung  aus  einer  ungebrochen-kraft- 
vollen, germanischen  Urwelt.  Gewiss,  feenmässig  —  aber  doch  mehr 
«Feerie*;  zauberhaft  wohl  —  doch  im  Grunde  mehr  , Theater-Zauber*; 
eine  unerschöpfliche  Phantasie  —  aber  mehr  die  einer  krankhaft  über- 
spannten «Phantastik**;  mit  seinen  vielen,  allzubunten,  ewig  nur  fabu- 
lierenden, in  den  dunklen  Gängen  und  lichtlosen  Alkoven  zudem  meist 
färben- unwirksamen  Wandgemälden  zuletzt  mehr  fabelreich  als  gerade 
»fabelhaft''  zu  nennen.  Dass  ihn  nicht  gefroren  hat  in  dieser  seiner 
Alleinsamkeit  —  im  hochgetürmten  Pallas,  mit  einer  ^^  Kemenate*  zur  Seite, 
der  das  sein  Wesen  ergänzende  Weib  fehlte! . . .  Kurz:  ,Ich  seh'  dich 
an,  und  Wehmut  schleicht  mir  ins  Herz  hinein*  —  das  ungefähr  ist 
doch  wohl  die  Grundstimmung  aller  wahrhaften  Ästheten  beim  Anblicke 
dieser,  nicht  aus  der  gewaltigen  Umwelt  selbst  heraus  geborenen,  sondern 
ihr  höchst-eigenwillig  oktroyierten,  nicht  gewachsenen,  sondern  gemachten 
und  aufgeklebten  Stammburg  ohne  «Stammhalter*.  Incipit  tragoedia  hu- 
mana,  und  das  Glaubensbekenntnis  des  Wagnerianers  über  diesen  «Sonnen- 
König*,  Ideal-Jüngling  wie  Schirmherm  seiner  Meisterkunst,  es  hat  ein  für 
allemal  nun  seinen  Stoss  erlitten  ... 

Tiefbekümmert  im  Herzen  über  ein  zerstörtes  «Ideal*  wenden  wir 
unsere  Schritte  bedachtsam  von  dannen  und  gelangen,  uns  dem  Ammer- 
walde zuwendend,  alsbald  zu  dem  versteckten  Linderhof-Winkel.  Auch  da 
wieder  ein  fremdes,  auf  diesem  Boden  nicht  bodenständig  gewordenes 
Element!  Das  befremdende  Sonnen-Königtum  mitten  unter  bayrischen 
Naturburschen;  die  eingezwängte,  beschnittene  Natur  einer  französischen 
Garten-Zucht  und  romanischen  Parkett-Kultur  neben  wilden  Hochwald- 
Gebilden  von  lapidarer  Eigen-Faktur.  Dekoration  und  Kostüm,  Maske, 
Requisit  und  Theaterspiel  allüberall,  wo  Elementargewalten  Ereignis  und  Ur- 
wüchsigkeit Wachstum,  lebendiger  Ausdruck  werden  sollten :  die  ästhetische 
Dissonanz  abermals  stellt  sich  ein.  Und  wie  verstimmend  vollends  wirkt 
hier,  in  diesem  vornehm-feinen  Milieu  des  zeremoniellen  Zwangs  wie  der 
streng-höfischen  Weltmanns-Sitte,  das  Herumtrampeln  all  der  gemeinen 
Herdentiere  unter  der  Leithammelei  eines  besoldeten,  ungebildeten  Führers, 
die  doch  alle  seinem  weltfernen  Geist  —  odi  profanum  volgus,  et  arceol 


88 
DIE  MUSIK  III.  2. 


•~  bei  Lebzeiten  niemals  zu  nahen  hätten  wagen  dürfen.  Dieser  vorlaute 
Lärm  heute  durch  die  weiten  Hallen  und  stillen  Gemächer;  diese  zudring- 
lichen Beine  und  indiskreten  Hände,  die  ihre  staub-schmutzigen  Schuhe 
nicht  erst  aus-,  die  Handschuhe  nicht  erst  anziehen,  um  heiliges  Gebiet  zu 
betreten  oder  zu  berühren,  die  alles  brutal  betasten  und  begreifen  müssen  I 
Auch  hier,  hinsichtlich  der  Schlossverwaltung,  liegt  ja  doch  schliesslich  — 
wie  bezüglich  der  Erhaltung  des  «Parsifal*  für  Bayreuth!  —  ein  ausdrück- 
licher Meisterwille  und  ein  klares  Königs-Testament  vor  uns,  das  es  pietät- 
voll zu  respektiren  gälte:  ^Erlöse,  rette  mich  aus  schuldbefleckten 
Händen  f*  Aber  weit  gefehlt  I  Das  .Volk«,  der  Alltags-Tourist  und  Fremden- 
Verkehr,  trampelt  darauf  und  darin  wie  mit  Elefanten-Tritten  weihelos  um- 
her; für  sein  Geld  muss  ihm  auch  das  zu  seiner  . volkstümlichen«  Er- 
götzung —  panem  et  circenses!  —  unbedingt  ,»zugänglich«  sein.  Sie  tun 
ganz  so,  als  wenn  sie  bei  sich  „zu  Hause«  wären  I  Und,  wenn  darüber 
auch  ein  Herz  in  Krämpfen  blutet,  wenn  durch  seine  neugierig-sensations- 
lüsterne Anwesenheit  das  Geheimnis,  der  Genius  loci, .  erst  «profanirt« 
wird  —  tut  nichts,  ein  König  wird  verhöhnt,  eine  Psyche  nicht  ästhetisch, 
sondern  stofflich  genommen,  ein  Kranker  ex  profundo  ac  professo  miss- 
kannt  und  missverstanden  I  —  ,Die  Wagnerschen  Opern  sind  ja  sehr  schön, 
aber  mir  sind  die  eigentlichen  Volksstücke  doch  lieber  —  die  haben  doch 
etwas  so  Humorvolles  an  sich,  man  könnte  sagen:  die  rechte  Zerstreuungl« 
So  sagte  mein  Barbier  —  nicht  von  Bagdad,  sondern  von  München-Solln 

—  später,  während  der  Aufführungen  am  i^ Prinzregenten-Theater«,  gelegent- 
lich höchst  naiv  zu  mir  und  meinte  mit  diesem  Gemeinplatz  des  ober- 
flächlichen Alltags-Bedürfnisses  wahrscheinlich  noch  Wunder  welch  tiefe 
Lebensweisheit  ausgekramt  zu  haben.  Das  mag  denn  so  ungefähr  auch 
die  landläufige  „Ästhetik«  unsres  begehrlichen  Durchschnitts  -  Publikums 
wohl  sein,  das  sich  —  geschmeichelt  als  „Volk«,  das  ein  Recht  auch  auf 
die  idealen  Lebensgüter  für  sich  in  Anspruch  nehmen  dürfe  —  von  seinen 
Organen  der  „öffentlichen  Meinung«  und  „privaten  Faulheit«  immer  die 
„Freigebung  des  Parsifal  für  die  grosse  Allgemeinheit«,  das  „Los  von 
Bayreuth!«  bis  zum  Wahnwitze  vorschreien  lässt.  Und  ich  fürchte  sehr, 
dass  auch  die  Kunsterkenntnis  des  scharfsichtigen  Herrn  „Beobachters«  an 
der  Spree  nicht  allzu  weit  von  dieser  Trivialität  zuletzt  entfernt  sein 
möchte,  der  sich  neulich  („Tag«  vom  2.  August)  für  einen  „populären« 
Wagner  gar  so  sehr  ereifert  hat.  Diese  guten  Leute,  aber  schlechten 
Musikanten  und  für  das  Ideal  ganz  verdorbenen  Spiessbürger  —  sie  sind 
nun  einmal  die  grosse  Majorität  im  Leben,  „an  ihr  wirst  du  nichts  ändern !« 

—  sie  wird  der  Bayreuther  Meister  mit  seinen  Werken  und  werden  wir  mit 
unserm  Ruf  nach  einer  „Kunst  des  Ernstes  und  der  Sammlung«  doch  kaum 
jemals  anderen  Sinnes  machen,  eines  Besseren  belehren  noch  zu  unseren 


89 
SEIDL:  KÖNIGSCHLÖSSER  U.  WAGNERFESTSPIELE 


»ideologischen*  Ansichten  bekehren  können  —  man  steht  nicht  ungestraft 
bereits  20  Jahre  in  der  Wagner-Bewegung,  um  sich  hierüber  ein  für  allemal 
.auszukennen*.  Der  vollendete  Trugschluss  obendrein,  sich  einzubilden, 
dass  diese  Dinge  alsdann,  preisgegeben,  jemals  in  der  bisherigen  Güte  zu 
»zivilen*  Preisen  dem  »schlichten  Mann  aus  dem  Volke*  allenthalben  er- 
reichbar sein  würden  I  Wohl  stets  werden  solche  Dinge  20  bezw.  3  Mk. 
kosten  und  die  great-attraction  der  haute-saison  für  ein  internationales  Mode- 
und  Fremdenwesen  im  Grunde  nur  bilden.  Ganz  abgesehen  auch  noch 
davon,  dass  die  Wagner-  und  »Parsifal*-Schreier  schliesslich  doch  auch  die 
Besichtigung  all  der  königlichen  Bauwünder  und  Schlossträume,  etwa  durch 
hydraulische  Transferierung,  in  den  grossen  Centren  des  Verkehrs:  München, 
Berlin,  Wien,  Paris,  London,  New- York  energisch  einmal  heischen  könnten! 
Warum  wohl  haben  sie  das  noch  nie  getan,  sich  vielmehr  zur  Reise  an 
Ort  und  Stelle  selbst  bequemt  ?  . . . 

Dementgegen  nun  die  »Hunding-Hütte*,  der  wir  noch  unseren  schuldigen 
Besuch  abstatten  —  nur  scheinbar  haben  wir  unser  Thema  nämlich  mit 
obigem  verlassen:  »wie  anders  wirkt  dies  Zeichen  auf  uns  ein*!  Vor 
allem  herrschte  hier  endlich  die  grösste  Ruhe  und  zurückgezogene  Stille; 
keine  Menschenseele  an  diesem  lauschig-beschaulichen  Orte,  verborgen 
im  Waldesdickicht,  kein  Führer-Trott,  der  den  von  den  offiziellen  Touristen- 
Leitfaden  so  vielbesungenen,  nachgerade  aber  nur  mehr  ironisch  zu  fassenden 
»Waldesfrieden*  turbulenter  durchkreuzt.  Und,  während  wir  dort  all- 
überall an  den  von  uns  verlassenen  Plätzen  mit  den  Spuren  königlicher 
Herrlichkeit,  bei  aller  Pracht  und  Würde  des  verwendeten  Materials  usw., 
das  Gefühl  der  Inkongruenz,  einer  unwahren,  nicht  einverleibten  Kulissen- 
Dekoration:  Simili,  Talmi  oder  gar  Pappe  —  nirgends  recht  los  werden 
konnten,  hier  zum  aller  erstenmal  auf  dieser  Rundfahrt  haben  wir  den 
entschiedenen  Eindruck  einer  adäquaten  Einheit  und  harmonischen  Ver- 
schmelzung zwischen  Lokal  und  Milieu.  Und  das  geht  so  weit,  dass  man 
Bauzimmerung  wie  innere  Einrichtung  dieser  groben,  altechten  Blockhütte 
unseren  berufenen  Wagner-Regisseuren  geradezu  als  mustergültig  zur 
sorgBltig-genauen  Nach-Inszenierung  mit  gutem  Gewissen  anempfehlen 
dürfte,  wo  man  »Neu-Schwanstein*  doch  vielmehr  als  abschreckendes  Bei- 
spiel gegen  die  Gestaltung  von  »Walhall*  vorzuhalten  hätte.  Hier,  mit 
der  »Hunding-Hütte*,  ward  etwas  geschaffen,  oder  doch  freischöpferisch 
gebildet,  das  mit  seiner  primitiven  Umgebung  vollkommen  übereinstimmt, 
ja  diese  ebenso  poetisch  zu  verklären  wie  urtümlich  zu  rechtfertigen  scheint, 
und  das  darum  auch  retrospektive  das  früher  Geschaute  nun  doch  wieder 
in  etwas  versöhnlicherem  Lichte  uns  noch  erscheinen  lässt:  Hat  es  viel- 
leicht nur  an  den  verständnislosen  »Handlangem*  der  königlichen  Bau- 
pläne und  Kunst-Entwürfe  gelegen? 


90 
DIE  MUSIK  111.  2. 


Und  jetzt  erfahren  wir  an  uns  etwas  ganz  merkwfirdiges,  indem  wir 
darauf  hin  die  schöne  Gebirgs-Fahrstrasse  in  der  kräftig-freizugigen,  tief- 
erfrischenden  Höhenluft  mit  unserem  Rade,  einsam  für  uns  selbst,  schwirrend 
dahinsausenl  Während  wir  uns  kurz  vordem  noch  auf  die  grosse  Kunst 
Wagners  und  die  echte  ,  Kultur ''-Wirkung  seiner  Schöpfungen  gegenüber  dieser 
unschöpferischen  Pseudo-Kunst  aufrichtigst  gefreut  hatten,  beginnen  wir  in 
dieser  unserer  Körper-  wie  Geistes -Verfassung,  unter  dem  freien  Himmel, 
den  innerhalb  24  Stunden  schon  bevorstehenden  Besuch  der  Vorstellungen 
im  gedeckt-geschlossenen  „  Prinzregenten-Theater*  der  Grossstadt  bereits 
als  lästige  Einengung  unserer  entbundenen  Phantasiekräfte  zu  empfinden 
und  uns  vor  diesem  kaudinischen  Joche  für  unseren  aufrechten  Nacken,  je 
näher  wir  ihm  kommen,  nunmehr  fast  zu  graulen.  Während  wir  uns  dort, 
in  den  Schlössern  und  Burgen,  über  das  viele  romantische  Theaterspielen, 
die  dekorativen  Kulissen-Launen  usw.  innerhalb  einer  gewaltigen  Wirk- 
lichkeits-Grösse  grämten  und  ärgerten  zumal,  tun  wir  es  nun,  im  Vor- 
geschmack des  Kommenden  schon,  mit  dem  Hinblick  auf  die  bei  Wagner  so 
aufdringlich-realistische  Akzentuierung  eines  freien  Spieles  mit  elementaren 
Naturvorgängen  und  entfesselten  Naturgewalten  (im  «Nibelungen*-Ring  vor 
allem I)  —  eines  „Spieles*,  das  doch  unausbleiblich  an  eine  gewisse  Bühnen- 
Konvention  und  Maschinen-Technik  gebunden  bleibt  und  uns  fortwährend 
nur  wieder  an  die  Leinwand-Kulissenwelt  eines  täuschungsvollen  Rampen- 
Lichtscheines  unliebsam  gemahnen  muss.  (Vgl.  meine  tiefer  eindringenden 
Ausführungen  zu  diesem  aktuellen  Problem:  „ Phantasie  oder  Illusions- 
bühne?* —  ,25  Jahre  Bayreuth  und  24  Stunden  München*,  aus  dem 
Jahre  1901,  in  meinem  Buche  »Kunst  und  Kultur*  S.  441—486.)  Un- 
willkürlich ertappen  wir  uns  bei  der  Frage:  Wohnt  der  Wagnerschen  Musik, 
konform  mit  ihren  grandiosen  poetischen  Vorwürfen,  implicite  auch  jenes 
beseligende  Moment  nervenstärkender  , Frigidität*  inne,  wie  wir  es  im 
Vorbilde  solcher  freien,  unverfälscht  ozonreichen  und  wasserstoff-haltigen 
Höhen-Natur  draussen  mit  vorfinden,  als  notwendigen  Grund-Bestandteil 
und  wichtigen  Koeffizienten  (assoziativen  Faktor)  einer  ganz  unvergleich- 
lichen Gesamtwirkung?  Ohne  Frage:  in  der  Musik  zum  «Rheingold* 
herrscht  es  z.  B.  gßnx  vorwiegend,  und  es  ist  sicherlich  kein  Zufall,  dass 
ich  beim  Erschauen  eines  Sonnenaufgangs  von  hoher  Bergspitze  herab,  mit 
all  seinen  erhabenen  Schauem,  von  dem  .Erlebnis  einer  wahren  Rheingold- 
Stimmung*  in  der  Natur  ins  dort  aufliegende  Fremdenbuch  schreiben  konnte. 
Auch  in  der  »Walküre*  (IL  und  IlL  Akt)  ist  jenes  frigide  Moment  ganz 
zweifellos,  charakteristisch  mitwirkend,  gar  heilsam  inbegriffen.  Selbst  im 
«Siegfried*  wie  in  der  «Götterdämmerung*  noch  klingt  unserem  aufmerksamen 
Empfinden  diese  herbe  Kühle  streckenweise  wohl  aus  den  Tönen  der  Partitur 
auffrischend  entgegen,  und  von  gewissen  Stellen  im  I.  Akte  des  «Tristan* 


DIE  MUSIK 


Die  Kunst  kann  niemand  fördern  als 
der  Meister.  Gönner  Fördern  den 
Künstler,  das  ist  recht  und  gut;  aber 
dadurch  wird  nicht  immer  die  Kunst 
gefördert. 

Goethe. 


III.  JAHR  1903/1904  HEFT  2 

Zweites  Oktoberheft 

Herau^egeben 

von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 

Verlegt  bei  Schuster  &  LoefHer 

Berlin  und  Leipzig 


92 
DIE  MUSIK  IIL  2. 


von  Oberammergau-Brixlegg  mit  Haut  und  Haaren  danach  uns  nun  zu 
verschreiben  und  somit  auch  für  die  Wagner-Aufführungen  statt  des  (immer- 
hin noch  gut  ventilirten)  Bayreuther  Festspielhauses  oder  Prinzregenten- 
Theaters  irgend  ein  Freiluft-  wie  Freilicht-Theater  gleich  zu  fordern.  Aber 
da  kommt  die  unberechenbare  Witterung  unserer  so  schön  „ gemässigten ** 
Zone  uns  arglistig  in  die  Quere  und  erinnert  uns  empfindlich  genug  daran, 
dass  wir  weder  im  Amphitheater  zu  Orange  in  der  warmen  Provence 
sitzen,  noch  auch  der  »ewig  heitere  Himmel  Griechenlands''  über  unseren 
armen,  deutschen  Gefilden  blaut.  ,Jupiter  pluvius*  als  Zutreiber  und  Fest- 
spielschlepper I  Ex  est  cantus:  das  i^hohe  Lied**  nämlich  von  der  Plein-air- 
Dramaturgie  eines  letzten,  höchsten  und  wahrhaft  idealen  Gesamtkunst- 
werkes der  Zukunft  für  alle  regen  Sinne  des  Total  menschen  —  die 
Gegenwart  fordert  gebieterisch  ihre  Rechte,  indem  wir  in  die  Stickstoff- 
Atmosphäre  unserer  bayrischen  Residenz  soeben  einlenken.  Und  die  Ver- 
gangenheit will  uns  sogar  schon  wieder  hinabsinken  in  die  nächstbeste 
Theater- Versenkung,  da  wir  uns  —  seufzend  ob  all  der  menschlichen  Unvoll- 
kommenheiten  im  Angesichte  der  hohen  Vollkommenheit. unserer  grossen 
Nährmutter  «Natur*  —  anschicken,  unseren  Freiplatz  im  modernen  Amphi- 
Theater  der  Münchner  Festspiele  einzunehmen.  Doch  halt,  nicht  ganz! 
Denn  kurz  vor  Eintritt  fällt  unser  (durch  die  Naturreize  im  Freien  nun 
einmal  gewecktes)  Auge  noch  auf  eines  der  offiziellen  Plakate  der  Fest- 
spiel-Leitung mit  Theater-Guirlande  im  guten  deutschen  Biedermanns- 
Ton,  dessen  Stil  uns  wie  eine  nachklingende  Reminiszenz  an  unseren 
inneren  Konflikt  der  letzten  Tage  gar  seltsam  wiederum  berührt:  unecht, 
durch  und  durch,  vom  modernen  Wesen  wahrhaft  dekorativer  Kunst  doch 
weit  entfernt  und  kaum  nur  den  Schein  geborgt;  zu  einem  R.  Wagner 
»stimmend*  wie  die  „Gartenlaube"  zur  «Edda*!  — 

Und  das  geistige  Resultat  dieser  unserer  hochnotpeinlichen  „Sitzung* 
in  der  momentphotographischen  „Dunkelkammer*  mit  .Sphärenharmonien* 
aus  „mystischem  Abgrunde*?  Eine  Formel:  Durch  seinen  »Parsifal*  zog 
der  gewaltige  „Zauberer  von  Bayreuth*  eine  Art  von  Idealkreis  der  „Tempel- 
weihe* um  seine  geliebte  Kunst,  wie  Göttervater  Wotan  mit  seinem  hl.  Speer 
einen  Feuerring  von  wabernder  Lohe  um  den  Brfinnhilden-Felsen,  den  er 
selbst  verlassen  musste,  damit  kein  Unwürdiger  je  diesem  weihelichen 
Bezirke  nahen  sollte;  der  Zweck  jedoch  dieses  also  eingefriedeten 
Reiches  der  Höhenkunst  und  seines  eigenen  Tagewerkes  einer  Höhenkultur 
auf  dieser  Erden,  ist  und  bleibt  doch  nun  einmal  der  „Ring*,  als  das  natio- 
nale Weihefest  und  feierliche  Volksspiel  naturfrohen,  kraftvollen  Ariertums, 
gleich  jenem  bei  den  vornehmen  alten,  „klassischen*  Griechen.  Und  weiter- 
hin: Diese  „Nibelungen*,  als  Gesamtzyklus  (nicht  nur  zu  Bayreuth  — 
sondern   auch    in  München   nunmehr)  wiederholt   ausverkauft   und  als  ein 


IBSEIDL:  KÖNICSGHLÖSSBR  U.  TAGNER  FESTSPIELE 


a^ 


zasammenhingvoltes  Ganzes  genossen,  wenn  auch  heute  noch  nicht  durch- 
aus erfasst  und  verstanden  (denn  die  «Walküre*  und  .Götterdlmmerung* 
bilden  leider  immer  noch  die  besonderen  Lieblinge  unserer  .Musik-  und 
Opern  Freunde*,  vie  .Rheingold'  und  .Siegfried'  ebenso  bedauerlicherweise 
die  Stiefkinder  unserer  Theater-Habitu£s  bleiben  I)  .  .  .  das  ist  nun  einmal 
eine  grosse,  nicht  genug  zu  rühmende,  künstlerische  Errungenschaft  gegen 
frühere  deutsche  Gepflogenheiten!  Und  endlich:  Ernst  Ritter  von  Possart, 
als  Inszenator  sowohl  des  Prinzregenteo-Theaters  selbst,  als  such  der  Auf- 
führungen darin,  vielleicht  doch  eine  Art  von  .Reprisentanz'  der  beiden 
genannten  Grossen,  Richard  Wagners  und  König  Ludwigs  II.  zusammen, 
in  seiner  peisSnlichen  Mischung  nimlich  von  Natur  dicht  neben  vollendeter 
Unnatur,  von  wahrer,  idealer  Bühnenkunsl  und  theatralischer  Künstelei. 
Qn.  e.  d.  —  schon  an  anderen  Orten. 


WM^'^^M\ 


MENDELSSOHNS 

UND  SCHUMANNS  BEZIEHUNGEN 
ZU  J.  H.  LÜBECK  UND 
JOHANN  J.  H.  VERHULST 

AUS  MEIST  UNVERÖFFENTLICHTEN   BRIEFEN 

Ertäuieri  von   E.  van   der  Straeten- 
London 


manns  Gesundbeitszustand  fing  von  dieser  Zeit  an  sich  stetig 
verschlimmern.  Schon  der  Vorfall  in  Antwerpen  scheint 
[  damii  in  Zusammenhang  gebracht  werden  zu  müssen.  Bereits 
II.  Juni  1851  schrieb  er  an  Wasielewsky:  , Sonst  sind  wir 
Alle  leidlich  wohl,  ich  nur  manchmal  von  nervösen  Leiden  afflcirt,  die 
mich  manchmal  besorgt  machen  j  so  neulich  nach  Radecice's  Orgelspiel,  dass 
ich  beinahe  ofanmäcbtig  wurde." 

Im  Verlauf  der  Krankheit  stellten  sieb  Halluzinationen  und  ein  ge- 
IXbmtes  Empfindungsvermögen  ein,  was  auch  die  Sprache  scbwerfillig  machte 
und  seine  Haltung  gedrückt  erscheinen  Hess. 

Im  Sommer  1852  besuchte  ihn  Verhulst  mit  seiner  jungen  Frau  und 
sie  machten  zusammen  eine  Vergnügungsreise  am  Rhein,  nach  Rolandseck 
und  Bonn,  wo  Schumann  zum  erstenmal  das  Beethoven-Denkmal  sah.  Er 
ging  von  hier  aus  nach  Godesberg,  wo  er  sieb  einige  Zeit  zu  seiner  Er- 
holung aufhielt  und  wohin  ihm  Verhulst  und  seine  Frau  kurz  darauf  folgten. 

Die  vom  Arzt  verordneten  kalten  Rbeinbäder  vermochten  nicht, 
Schumanns  Leiden  zu  verscheuchen;  nach  dem  vom  1.  bis  4.  August  in 
Düsseldorf  stattfindenden  Mlnnergesangfest,  an  dem  er  nur  geringen  Anteil 
nehmen  konnte,  begab  er  sich  mit  seiner  Frau  nach  Scheveningen,  das  er 
anfangs  September  wieder  zu  verlassen  gedachte.  Er  war  wahrend  dieser 
Zeit  viel  mit  Verhulst  zusammengekommen,  der  nun  Hofmusikdirektor 
im  Haag  war.  Am  8.  September  schrieb  er  ihm  (siehe  Erler):  «Lebe  wohll 
Es  hat  mich  gefreut,  Dich  in  alter  Rüstigkeit  zu  finden.  Vielleicht  bringen 
die  guten  Genien  auch  jene  mir  wieder.  Auch  dass  Du  eine  so  liebe  Frau 
errungen,  freut  mich.  Darin  haben  wir  gleiches  glückliches  Loos.*  Die 
Abreise  sollte  aber  einen  unerwarteten  Aufschub  erleiden.  Am  nlcbsten 
Mittag  schon  erhielt  Verhulst  folgende  Zeilen: 

Lieber  Verhüllt, 
Meine  Fraa  b>t  ein  bedeutendes  Unwotalseio  behllen.   Ich  kann  Dir  dis  Nihere 
nur  mflndllch  mititaellen.    Beaucfae  uns  bald;  Freundesanblfck  lat  Immer  ein  Tn»t. 
Tir  rafistcn  wenigaieoi  noch  4 — 5  Tage  bleiben. 


05 
STRAETEN:  AUS  UNVERÖFFENTLICHTEN  BRIEFEN 


Grusse  Deine  Hebe  Frau  und  sei  Du  selbst  herzlich  gegrüsst 

von  Deinem 

R.  S. 
Bringe  uns,  lieber  Verhulst,  noch  ein  ptar  deutsche  Bficher  mit! 
d.  9.  Sept.  52  früh  11  Uhr. 

Auch  an  Lübeck  schrieb  er  am  7.  September,  dass  sein  Gesundheits- 
zustand ihm  leider  nicht  gestatte,  ihm  persönlich  für  die  Teilnahme  zu 
danken,  die  er  seinen  Werken  schenkte.  Der  Aufenthalt  zog  sich  noch 
einige  Tage  länger  hinaus,  als  Schumann  annahm.  Nachstehender  Brief 
setzt  uns  hiervon  in  Kenntnis: 

Lieber  Verhulst, 

Vielen  Dank  für  Deine  CompositionI  Sie  war  mir  noch  wohl  erinnerlich  von 
Deinem  Vorspielen  in  Düsseldorf.  Es  ist  ein  ganz  effectvolles  Stück  (an  das  eine 
Motiv  in  G  dur  stoss  ich  mich  etwas). 

Von  Deinem  »Kinderleben*  hoffe  ich  auch  bald  zu  sehen. 

Morgen  früh  3  Uhr  reisen  wir  ab,  im  Haag,  das  wir  passiren,  wibrend  Du  wohl 
noch  schüfet,  wollen  wir  Deiner  recht  gedenken.  Habe  Du  und  Deine  Frau  noch- 
mals Dank  für  alle  Freundschaft,  die  Ihr  uns  bewiesen! 

Dein 

d.  16.  Sept.  52.  R.  Seh. 

[Am  Kopf  des  Briefs  in  umgekehrter  Richtung  befinden  sich  noch  die  Worte:] 
»Mit  den  40  Gulden,  die  ich  Dich  mir  noch  zu  schicken  bitte,  erhältst  Du  nun  im 
ganzen  150  fl." 

Der  Brief  war  durch  einen  Boten  abgeliefert,  da  er  keinen  Post- 
stempel, wohl  aber  in  Verhulsts  Schrift  mit  Blaustift  das  Wort  «pScheve- 
ningen"  unter  dem  Datum  enthält. 

Nach  seiner  Rückkehr  nach  Düsseldorf  besserte  sich  Schumanns  Zu- 
stand allmählich,  obwohl  er  noch  nicht  imstande  war,  die  Direktion  der 
Konzerte  zu  übernehmen.  Die  beiden  ersten  Winterkonzerte  wurden  auf 
seinen  Wunsch  von  Julius  Tausch  geleitet. 

Der  Arzt,  Dr.  Hasenclever,  hatte,  vermutlich  um  ihn  zu  beruhigen, 
seinen  Zustand  als  ein  Hämorrhoidal-Leiden  erklärt,  wie  aus  einem  bisher 
unveröffentlichten  Brief  an  Verhulst  hervorgeht.     Er  lautet: 

Düsseldorf,  den  5.  November  1852. 

Lieber  Verhulst, 

Gern  hätte  ich  Dir  gleich  geschrieben,  aber  allerhand  hinderte  mich  daran.  Und 
nun  kann  ich  Dir  doch  nicht  die  Orchesterstimmen  zum  Adventlied  schicken!  Der 
Himmel  weiss,  wo  sie  hingekommen  sind;  der  Bibliothekar  sagt  mir,  er  habe  die  ganze 
Bibliothek  durchsucht  und  schickt  mir  nichts  als  ein  paar  elende  Violhidoubletten. 
Es  ist  mir  ganz  fatal,  dass  ich  Dir  auch  diesmal  nicht  dienen  kann.  Und  mit  der 
Partitur  allein,  die  ich  habe,  ist  Dir  wohl  nicht  genutzt?  -^ 


96 
DIE  MUSIK  III.  2. 


Oft  denken  wir  Eurer!  Es  geht  mir  viel  besser  jetzt,  muss  aber  noch  alle  grösseren 
Anstrengungen,  wie  das  Dirigtren,  meiden.  Mein  Leiden  bat  sich  jetzt  als  ein  sehr 
vulgaires  herausgestellt  (als  ein  haimaroidalisches)  und,  nachdem  der  Arzt  dagegen 
Mittel  ergriffen,  sich  schnell  gemildert.  Dagegen  wurde  meine  liebe  Klara  (noch  in 
Folge  des  Unfalles  in  Scheveningen)  vor  einigen  Tagen  wieder  sehr  unwohl  und  muss 
noch  jetzt  das  Bett  hüten.  Dies  Alles  hat  nun  die  Antwort  an  Dich  verzögert  und 
Du  wollest  auch,  lieber  Verhulst,  deshalb  entschuldigen. 

Noch  habe  ich  Dir  auch  zu  danken  für  Dein  freundliches  und  reiches  Geschenk 
an  Musik,  das  Du  mir  noch  vor  unserer  Abreise  gemacht.  Du  bist  Dir  Deines  Zieles 
bewusst;  die  Kränze  werden  nicht  ausbleiben. 

So  viel  hätte  ich  Dir  noch  zu  sagen;  doch  wartet  heute  noch  Manches  auf 
mich  und  ich  will  Dir  und  Deiner  Frau  von  mir  und  meiner  nur  noch  herzlichen 
Grnss  senden.  Dein 

alter  Freund 

R.  Seh. 

Lieber  Verhulst  —  noch  etwas  prosaisches!  Ist  die  Summe  auf  dem  Wechsel 
in  Richtigkeit?  Wir  wissen  es  beide  nicht  mehr  genau. 

Wir  ersehen  aus  den  obigen  Zeilen  auch,  dass  Verhulst  eine  Auf- 
führung des  Adventliedes  beabsichtigte  und  dass  Schumann  ihm  die  leih- 
weise Überlassung  der  Partitur  und  Stimmen  dazu  versprochen  hatte.  Auch 
erfahren  wir  daraus,  dass  die  arme  schwergeprüfte  Gattin  des  Meisters 
durch  eine  Wiederholung  des  Leidens,  das  sie  in  Scheveningen  befallen, 
ans  Bett  gefesselt  war.  Die  Folgen  jenes  Unfalles  machten  sich  noch 
späterhin  bemerkbar,  so  auf  der  holländischen  Reise  im  November  1853. 
Im  Januar  spielte  sie  wiederum  in  Holland,  aber  ohne  ihren  Mann,  wie 
ein  vom  23.  Januar  1853  von  Leyden  aus  an  Lübeck  gerichteter  Brief  be- 
kundet, in  dem  sie  ihm  ihre  Abreise  nach  dem  Haag  mitteilt,  wo  sie  unter 
seiner  Leitung  das  Beethovensche  Es-dur-Konzert  spielen  sollte.  Im  selben 
Jahre  fand  das  Niederrheinische  Musikfest  Mitte  Mai  in  Düsseldorf  statt. 
Schumann,  Hiller  und  Tausch  waren  die  Festdirigenten.  Am  25.  April 
schrieb  Schumann  an  Hiller:  „Es  ist  Dir  doch  Recht,  dass  ich  das  Ora- 
torium (Messias  von  Händel)  und  meine  Symphonie  (D  moll).  Du  Alles 
Andere  dirigirst?*  —  Joseph  Joachim  entzückte  bei  dieser  Gelegenheit 
zum  ersten  Male  das  rheinische  Publikum  durch  seine  unnachahmliche 
Wiedergabe  des  Beethovenschen  Violinkonzerts,  und  Beethovens  Neunte 
Symphonie  unter  Hillers  Leitung  bildete  den  Gipfelpunkt  des  Festes. 
Schumann  fühlte  sich  den  bevorstehenden  Anstrengungen  wenig  gewachsen. 
Am  20.  April  schrieb  er  an  Hiller:  »Eben  da  meine  Kräfte  noch  nicht 
ganz  die  alten,  dachte  ich  an  eine  Theilung  der  Direction  in  der  Art,  wie 
ich  Dir  schrieb.  Es  sind  die  Proben,  die  am  meisten  anstrengen,  und  auf 
diese  Weise  hätte  ich  nur  am  Freitag  die  anhaltendste,  die  am  Sonnabend 
nur  theilweise  zu  halten,  und  wäre  am  Sonntag  ganz  frei.* 

Die  Mutter   des  Verfassers   dieses  Aufsatzes,  Schülerin  von  Tausch 


97 
STRAETEN:  AUS  UNVERÖFFENTLICHTEN  BRIEFEN 


und  mit  Clara  Schumann  befreundet,  wohnte  jenen  Proben,  sowie  der  Auf- 
führung bei  und  erzählte  folgendes:  »Schumann  war  sehr  zerstreut  beim 
Dirigieren;  manchmal  Hess  er  den  Taktstock  sinken  und  hörte  zu.  Seine 
Frau  half  bei  den  Proben  an  allen  Ecken  und  Enden  aus,  besonders  bei 
seiner  Symphonie,  die  eine  sehr  harte  Nuss  fürs  Orchester  war.  Der  erste 
Violoncellist  hatte  sich  längere  Zeit  vergebens  abgemüht,  seine  Stimme  zu 
spielen,  als  er  endlich  ausrief:  ,Der  Teufel  mag  das  Zeug  spielen,^  sein 
Instrument  hinlegte  und  verschwand.'^)  Schumann  erwartete  nicht  allzuviel 
von  der  Aufführung,  wie  ein  Brief  an  Verhulst  vom  3.  Mai  zeigt,  in  dem 
er  diesen  zum  Besuch  des  Musikfestes  willkommen  heisst:  «Von  den 
musikalischen  Aufführungen  darfst  Du  Dir  übrigens  nicht  zu  viel  ver- 
sprechen. Es  ist  zu  wenig  Zeit  zum  Probiren*  heisst  es  darin.  Das  Fest 
war  ein  besonders  glänzendes;  man  hatte  im  Geisslerschen  Garten  eine 
geräumige  „Tonhalle"  aus  Holz  erbaut,  um  Raum  für  die  zahlreich  von 
allen  Gegenden  herbeiströmenden  Künstler  und  Gäste  zu  gewinnen. 

In  dem  vorerwähnten  Brief  erteilt  Schumann  Verhulst  den  Rat,  es 
sei  „am  Besten,  dass  Du  Donnerstag  hier  einträfest.  Schreib  mir,  ob  ich 
Dir  eine  Wohnung  besorgen  soll  und  auf  wie  lange!  Das  Fest  wird,  wie 
ich  glaube,  zahlreich  besucht,  und  es  ist  diese  Vorsorge  nöthig  .  .  •  Deinen 
Kleinen  hoffe  ich  doch  auch  vielleicht  in  nicht  zu  femer  Zeit  zu  sehen." 
Dieser  Kleine  war  Schumanns  Patenkind. 
Drei  Tage  später  schrieb  er  wieder: 

Lieber  Verhulst, 
Es  trifft  sich  zufällig,  dass  in  unserem  Hause  in  der  2.  Etage  ein  Zimmerchen 
leer  ist  Es  ist  freilich  sehr  bescheiden,  hat  aber  eine  hübsche  Aussicht  in's  Grüne 
und  nach  dem  Rhein  hin.  Es  soll  (die  Bedienung  einbegriffen)  täglich  1  Thlr.  kosten, 
was  um  diese  Zeit,  wo  die  Miethspreise  um  das  3  und  4  fache  steigen  sehr  billig  ist, 
und  dann  sind  wir  ja  auch  recht  nahe  beieinander.  Schreibst  Du  mir  also  nicht  ab, 
so  nehme  ich  an,  dass  Du  es  beziehen  willst.   Von  Mittwoch  Abend  kannst  Du  es  haben. 

Mit  herzlichem  Gruss 

Dein 

Freund 
Düsseldorf,  d.  6.  Mai  53.  R.  Schumann. 

Das  Briefpapier  zeigt  in  der  linken  Ecke  die  Initialen  RS,  die  mit 
einem  Stempel  eingepresst  sind.  Auf  der  als  Umschlag  dienenden  Aussen- 
seite  steht:  «Wir  wohnen  jetzt  Bilkerstrasse  No.  1032."  Die  Häuser- 
nummern zu  jener  Zeit  waren  durchlaufend  für  die  ganze  Stadt,  nicht,  wie 
jetzt,  für  jede  einzelne  Strasse.     Das  Haus  war  so  gelegen,  dass  es  von 


^)  Dies  erinnert  sehr  an  Bernhard  Romberg,  der  beim  Spielen  des  ersten 
Rasoumoffski-Quartetts  von  Beethoven  eine  ähnliche  Bemerkung  machte,  die  Stimme 
auf  die  Erde  warf  und  sie  mit  Füssen  trat. 

111   2  7 


08 
DIE  MUSIK  HI.  2. 


der  Rückseite  den  Speeschen  Graben  und  Park  überschaute,  sowie  in 
einiger  Entfernung  die  Berger  Allee  und  den  Rhein.  Diese  Wohnung  war 
es,  in  der  sich  die  traurige  Katastrophe  im  Februar  1854  ereignete. 

Wasielewsky  sagt,  da^s  Schumann  bei  der  Gelegenheit  «noch  einen  ent- 
schiedenen Triumph  mit  seiner  D  moll  Symphonie  feierte*.  —  Von  anderen 
Zeitgenossen  hat  der  Vf.  gehört,  dass  in  jenem  Winter  je  eine  Symphonie 
von  Mendelssohn,  Hiller  und  Schumann  zur  Aufführung  kam.  Mendels- 
sohn entzückte  und  begeisterte  durch  Klarheit  und  melodischen  Reiz. 
Hillers  Frfihlings-Symphonie  bezeichnete  man  als  Pariser  Frühlingsluft 
(er  war  damals  noch  nicht  lange  von  Paris  zurückgekehrt).  Schumanns 
Symphonie  erweckte  das  Gefühl,  dass  man  vor  etwas  Bedeutendem  stehe, 
dessen  verschleierte  Grösse  sich  erst  bei  näherer  Bekanntschaft  enthüllen 
werde.  Überhaupt  wurden  seine  Werke  noch  lange  danach,  ganz  so  wie 
in  jüngerer  Zeit  noch  vielfach  die  Brahmsschen,  als  Mysterien  betrachtet, 
zu  denen  nur  Geweihte  den  Schlüssel  besftssen.  Als  jüngere  Kräfte  an- 
fingen, sich  mit  Ernst  und  Eifer  dem  Studium  derselben,  namentlich  der 
Kammermusikwerke,  zu  widmen,  wurde  ihr  Bestreben  häufig  als  freche 
Anmassung  von  den  älteren  verhöhnt  und  verlacht!  Die  Lieder  und  Chor- 
werke, bei  denen  der  Text  den  musikalischen  Gedanken  erläuterte,  errangen 
sich  zuerst  allgemeine  Anerkennung.  Verhulst  kämpfte  tapfer  für  den 
Ruhm  seines  Freundes. 

Schumann  hatte  im  Juni  1851  mit  der  Komposition  des  Uhlandschen 
«Königsohns*  den  ersten  Versuch  gemacht,  der  musikalischen  Produktivität 
ein  neues  Feld  zu  eröffnen.  Er  baute  grosse  Hoffnungen  darauf,  die  sich 
nicht  erfüllen  sollten.  Für  das  Düsseldorfer  Musikfest  hatte  er  das  Werk 
in  Vorschlag  gebracht  und  bereits  die  Chorstimmen  dazu  beschafft,  als 
das  Komitee  ihn  veranlasste,  lieber  die  d-moll-Symphonie  statt  des  neuen 
Werkes  aufzuführen.  Verhulst  hatte  nun,  wahrscheinlich  auf  Schumanns 
Vorschlag  hin,  den  «Königssohn*  für  die  Maatschapij  tot  bevordering  von 
Toonkunst  in  Rotterdam  in  Aussicht  genommen,  und  darauf  beziehen  sich 
die  beiden  folgenden  Briefe: 

Lieber  Verhulst! 

Der  Königtsohn  eignet  sich  gut  zu  einer  Massen-Aufnihrung;  er  besteht  meistens 
aus  Volkschören.  Die  Solopartien  sind  im  Alt,  im  Tenor  und  zwei  Bassstimmen.  Das 
Ganze  dauert,  so  viel  ich  mich  erinnere,  gegen  28  Minuten.  Du  kannst  Dir  übrigens 
den  Clavier-Auszug  in  Rotterdam  gewiss  verschaffen;  denn  er  ist  schon  vor  einigen 
Wochen  erschienen,  auch  die  Chorstimmen.  «Israel  in  Egypten*  würde  ich  für  so 
grosse  Besetzung  als  für  das  geeignetste  halten.  Mit  den  »Jahreszeiten*  geschähe 
wohl  nur  dem  älteren  Theil  des  Publikums  ein  Gefallen;  sie  dauern  über  3  Stunden 
und  man  wird  ganz  müde  davon.  Doch  das  weisst  Du  ja  Alles  selbst.  Sonst  gefällt 
mir,  den  »Israel*   vorausgesetzt,  das  Programm  sehr  gut,  zwischen  3  und  4  wäre 


od 

STRAETEN:  AUS  UNVERÖFFENTLICHTEN  BRIEFEN 


▼iellcicht  ein  InstrumentalstQck  (Ouvertüre)  anzubringen,  da  sonst  drei  Chorstficice 
hintereinander  folgten  und  das  Ganze  doch  auch  mit  Chor  (in  der  9.)  schliesst. 

Wir  freuen  uns  bei  dem  Feste  anwesend  zu  sein.  Vielleicht  sehen  wir  auch 
uns  schon  vorher. 

Grfisse  Deine  liebe  Frau  von  mir  und  Klara  und  sei  Du  selbst  herzlich  gegrfisst 

von  deinem 

alten  Freunde 
Düsseldorf,  den  23ten  Juli  1853.  R.  Seh. 

Herrn 

Hofmusikdirector  Verhulst 

in 
frei.  Rotterdam. 

Einige  Tage  darauf  schrieb  Schumann  wiederum  mit  Bezug  auf  das 
erwähnte  Konzert: 

Lieber  Verhulst! 

Eine  Anfrage  und  Bitte  auf  besondere  Veranlassung!  Hat  sich  Euer  Musik- 
festcomit^  noch  für  den  Königsohn  entschieden,  so  habe  ich  einen  Vorschlag  wegen 
Beschaffung  der  Chorstimmen,  muss  aber,  um  ihn  Dir  klar  zu  machen,  etwas  weiter 
ausholen,  ich  hatte  zum  letzten  hiesigen  Musikfest  den  »Königssohn*  zur  Aufführung 
vorgeschlagen  und,  da  das  Comit6  stillschweigend  einwilligte,  die  Chorstimmen  be- 
stellt und  mir  schicken  lassen.  Dann  bestürmten  mich  die  Herren  vom  Comit^  ich 
möchte  lieber  die  j^Symphonie*  in  Dmoll  auffuhren,  wozu  ich  bereit  war,  wenn  sie 
die  bereits  bestellten  Chorstimmen  übernehmen  wollten.  Dies  gingen. sie  ein.  Nach 
dem  Ausweis  des  Budgets  hat  sich  nun  ein  (sehr  kleines)  Defizit  ergeben,  und  es 
hatte  sich  ein  Hr.  Regierungsrath  erboten,  den  Betrag  für  die  Stimmen  zur  Ballade 
aus  seiner  Tasche  zu  bezahlen.  Dies  ist  mir  nun  etwas  faul.  Nun  fiel  mir  ein,  ob 
Ihr  die  Stimmen  nicht  zu  dem  Musikfest  verwenden  könntet.  Ihr  würdet  sie,  glaub' 
ich,  billiger  auf  diese  Weise  bekommen,  als  durch  Beziehen  von  Leipzig,  nämlich 
mit  50  pr.  c.  Rabbat,  das  uns  Hr.  Whistling  aus  besonderer  Rücksicht  bewilligt  Frei- 
lich sind  es  nur  70  Sopran-,  60  Alt-,  60  Tenor-  und  70  Bassstimmen,  und  würdet 
Ihr  noch  den  Rest  von  Leipzig  beziehen  müssen.  Aber  es  wäre  doch  der  bef 
weitem  grosseste  Theil,  den  Ihr  brauchtet.  Im  Uebrigen  sind  diese  Zeilen  im  Ver- 
trauen an  Dich  gerichtet  und  ich  bitte  Dich  vor  Allem,  Deine  Privatansicht  darüber 
zu  hören.  Mich  bewegt  nichts  dazu,  als  dem  Regierungsrath,  der  sich  so  honnett 
gezeigt,  die  Ausgabe  zu  ersparen. 

So  schreibe  mir  bald  und  sei  freundlich  gegrüsst  von 

Deinem  Freund 
Düsseldorf,  den  28ten  Juli  1853.  R.  Schumann. 

Ob  die  Auffuhrung  stattgefunden,  erfahren  wir  leider  nicht.  Während 
Schumanns  Aufenthalt  in  Holland  erlebte  der  »Königsohn''  eine  solche  nicht. 

Am  27.  November  teilte  Schumann  von  Utrecht  aus  Verhulst  mit, 
dass  seine  Frau  infolge  des  Missgeschickes,  das  sie  seiner  Zeit  in 
Scheveningen  betroffen,  plötzlich  wiederum  erkrankt  sei,  so  dass  die 
Weiterreise  zweifelhaft  geworden.     Sie  hatte  am  Abend  irorher  trotzdem 

7* 


100 
DIE  MUSIK  III.  2. 


gespielt   » —  und  wie  schon!     Es  war  ein  grosser  Enthusiasmus  über  das 
Publikum  gekommen". 

Aus  einem  Brief  von  Clara  Schumann  an  Lübeck  vom  10.  November 
erfahren  wir,  dass  Fräulein  Hartmann  aus  Düsseldorf,  die  durch  ihren 
vortrefflichen  Vortrag  Schumannscher  Lieder  sich  auszeichnete,  an  der 
Konzertreise  teilnahm.  Von  Utrecht  gingen  sie  nach  Arnheim  und  von 
hier  nach  Rotterdam,  wo  am  1.  Dezember  das  Konzert  der  j^Eruditia 
musica*  stattfand,  in  dem  Clara  spielte  und  Robert  seine  Es-dur-Symphonie 
dirigierte.  Nachdem  sie  dort  einen  wahren  Triumph  gefeiert,  reisten 
sie  nach  dem  Haag,  wo  Clara  in  Lübecks  Konzert  (für  ein  Honorar  von 
200  Gulden)  zu  spielen  hatte.  Am  8.  Dezember  sandte  Schumann  von 
Rotterdam  aus  einen  Abschiedsgruss  an  Lübeck;  er  spricht  darin  mit  Be- 
geisterung von  dessen  ausgezeichnetem  Chor  und  Orchester. 

Mittlerweile  muss  wohl  der  König  den  Wunsch  ausgesprochen  haben, 
Clara  zu  hören,  denn  am  11.  Dezember  schreibt  sie  von  Utrecht  aus  an 
Lübeck  mit  der  Bitte,  den  Tag  festzustellen,  da  sie  im  Begriif  seien, 
nach  Amsterdam  zu  reisen.  Die  Aufnahme,  die  das  Schumannsche  Ehe- 
paar im  Lübeckschen  Hause  gefunden,  scheint  eine  besonders  herzliche 
gewesen  zu  sein,  da  beide  ausdrücklich  in  ihren  Briefen  versichern,  dass 
sie  )ene  Abende  zu  den  schönsten  Erinnerungen  ihrer  Reise  zählten.  Am 
15.  gingen  sie  noch  einmal  nach  dem  Haag,  wie  wir  aus  folgendem  Brief 
an  Verhulst  erfahren,  der  auch  von  einem  weiteren  Konzert  in  Rotterdam 
spricht : 

Amsterdam,  den  15.  Dezember  1853. 

Lieber  Verhulst! 

Wir  haben  Sehnsucht  nach  Hause  und  möchten  bald  abreisen.  Wäre  die  Soirie 
in  Rotterdam  noch  bis  auf  Sonnabend  zu  arrangiren,  so  wtirden  wir  gern  kommen, 
vorzüglich  um  noch  mit  Dir  und  Deiner  Frau  einige  Stunden  zusammen  zu  sein  und 
Deinen  prächtigen  kleinen  Stammhalter  zu  sehen.  Wäre  dies  aber  nicht  möglich  und 
die  Soir6e  erst  Dienstag,  so  mössten  wir  drei  Tage  (von  Sonnabend— Dienstag)  hier 
mussig  zubringen,  was  bei  dem  theuren  Leben  im  Hotel  doch  auch  Kosten  verursacht. 
Schreibe  mir  also  sobald  als  möglich,  dass  wir  morgen  (Freitag)  früh,  wenn  wir 
aus  dem  Haag  zurückkommen,  eine  bestimmte  Nachricht  vorfinden.  Wir  reisen  in 
einigen  Stunden  nach  dem  Haag,  wohin  eine  eben  erhaltene  telegraphische  Depesche 
zu  einer  Soir6e  bei  der  Princessin  Friedrich  meine  Frau  berufen.  Morgen  spielt  sie 
noch  in  Felix  Meritis.    Die  Soir6e  hier  ist  sehr  ergiebig  ausgefallen. 

Grfisse  an  Deine  liebe  Frau  wie  an  Dich. 

R.  Seh. 

Eben  erhalten  wir  von  Herrn  Smalt  einen  Brief  und  freuen  uns,  dass  unsere 
Gedanken  zusammentreffen.  Da  nun  keine  Zeit  zu  vielem  Probiren  ist,  so  haben  wir 
das  Programm  so  geindert: 


101 
STRAETEN:  AUS  UNVERÖFFENTLICHTEN  BRIEFEN 


I. 

1.  Sonate  quasi  Fantasia  (Cis  moll)  von  Beethoven. 

2.  Gesang? 

3.  Variations  sMeuses  von  Mendelssohn-Bartholdy. 

II. 

4.  Preludium  und  Fuge  (A  moll)  von  J.  S.  Bacb. 

5.  Quartett  von  Mozart  oder  Haydn. 

6.  Etudes  en  forme  de  Variations  von  R.  Schumann. 

7.  Gesang? 

8.  a)  Notturno  von  F.  Chopin, 
b)  Etüde         9     »  . 

Am  20.  Dezember  schrieb  Schumann  von  Amsterdam  aus  fiber  eine 
verloren  geglaubte  Brieftasche.  Der  Brief  ist  von  Erier  und  Jansen  mit- 
geteilt, nicht  aber  das  Postskriptum,  das  folgendermassen  lautet:  ,»Ich 
furchte,  dass  das  Pacquet  vielleicht  richtig  hier  im  Hotel  des  Pays-bas 
abgegeben  und  von  Irgend  Jemanden  unterschlagen  worden  ist.  Forsche 
nach!"  Mit  diesem  Brief,  dem  einzigen,  der  mit  lateinischen  Buch- 
staben geschrieben,  sandte  er  einen  gereimten  „Abschiedsgruss*  für  die 
Mttsikzeitung  »Cäcilia*.  Verhulst  riet  von  der  Veröffentlichung  ab,  als 
Schumanns  unwürdig.  Gleichzeitig  teilte  er  ihm  mit,  dass  die  Brief- 
tasche sich  bei  ihm  befinde.  Es  zeigt  Schumanns  grosse  edle  Natur,  dass 
er  die  Zurückweisung  seines  Gedichts  Verhulst  in  keiner  Weise  übel 
nahm.  Am  23.  Dezember  schrieb  er  ihm  von  Düsseldorf  aus:  „Es  freut 
mich,  dass  Du  mir  über  den  Abschied  eine  so  starke  Wahrheit  sagst. 
Fadheit  ist  sonst  eigentlich  nicht  mein  Talent  Mir  lags  daran,  einfach 
zu  sein.  Aber  Du  hast  Recht,  man  kann  in  so  kurzer  Weise  nicht  Allem 
und  Allen  genügen.  Vielleicht  dass  ich  Zeit  finde,  über  die  Musikzustände 
Holland's  im  Allgemeinen  etwas  aufzusetzen,  wo  ich  Deinem  Vorwurf  der 
Fadheit  zu  entgehen  hoffei  — * 

Dazu  sollte  es  leider  nicht  mehr  kommen.  Nachdem  er  noch  seine 
Freude  fiber  die  wiedergefundene  Brieftasche  ausgedrückt,  schliesst  er: 

Leb  wohl  lieber  Verhulst!  Du  bist  ein  braver  Mann!  Grüsse  Deine  Frau 
herzlich. 

Düsseldorf,  d.  23.  Dec.  1853.  R.  Seh. 

Es  waren  die  letzten  Worte,  die  er  an  Verhulst  schrieb.  Von  Endenich 
aus  sandte  er  ihm  noch  mehrmals  Grüsse,  aber  wiedergesehen  haben  sich 
die  beiden  Freunde  nicht  mehr  nach  jenen  letzten  glücklichen  Stunden. 

Am  31.  Juli  1856  wurde  die  sterbliche  Hülle  des  grossten  Meisters 
jener  Zeit  der  alliebenden  Mutter  Erde  wieder  anvertraut  und  zwei  Tage 
darauf  sandte  Joseph  Joachim  im  Auftrag  von  Clara  Schumann  an  Verhulst 
folgende  Zeilen: 


^c 


102 
DIE  MUSIK  III.  2. 


^ 


Dasseldorf,  am  2.  Augusi  I8S6. 
Hocbgeebner  Herr, 
Ala  wir  vor  einigen  Jahren  In  DQsseldorf  lUMmmen  das  Mualkfest  fdenen 
and  Scbumaons  Tlerte  Sinfonie  zuerst  bSrten,  uns  an  den  krifrigen  Geist  in  ibr  er- 
Mscbien,  als  Sie  nacbher  iuiserten:  wie  docb  die  tücbtige,  minnllcbe  BQstc  den 
bedeutendea  Menacben  in  Schumanns  Gestall  auch  andeutete,  da  ahnten  wir  wohl 
Beide  nichts  von  der  erschfitteraden  Krankheit  des  Meisters,  die  uns  sobald  betrüben 
sollte.  Und  jettt  haben  wir  erlebt,  was  alle  noch  Hebend  gehegte  Hoffnung  auf  immer 
du rchscb neidet I  Gewiss  haben  Sie  seinen  Tod  In  Ihrem  Land  bereits  vernommen; 
aber  Frau  Schumann  wünscht,  dass  Sie,  der  im  Leben  Ihrem  Robert  so  berreundet 
waren,  nicht  nur  durch  die  fremd-kalten  Zeitungen  den  Tnuerflill  hSren  mBcbten  — 
eine  nlhere  wirmere  Hand  aoll  in  ihrem  Namen  Ihnen  von  des  gellebten  Meisters 
Ende  sprechen.  Ea  war  mild  und  ruhig.  In  den  vorletzten  Tagen  zwar  hatte  er  viel 
gelitten;  denn  zu  den  bdngstlgenden  Fantasien,  die  wiedergekommen  waren,  hatte  sich 
eine  Lungenlihmung  gesellt  —  doch  konnte  die  Pflege  der  Gattin,  die  ihn  da  zuerst 
wiedersah,  die  Schmerzen  llndeni;  das  freundlich  beredte  Licheln  auf  dem  Gesicht 
sagte  hiuflg,  dasa  Schumann  die  Toblthat  der  Nifae  seiner  Frau  empfand  I  Jetzt  ruht 
der  sterbliche  Theil  des  Verehrten  auf  dem  Friedbof  zu  Bonn.  Frau  Schumann  Ist 
nach  Dfiaseldorf  zurückgekehrt;  sie  sendet  Ihnen  die  rreuadscbsfElicbsten  Empfeblnngen 
durch  mich,  der  Ich  in  aulricbtlgsler  Hochachtung  verbleibe 

Ihr  ergebener 

Joseph  Joachim. 


ffUt 


Deformation  des  Konzertes  an  Haupt  und  Gliedern  —  so  klingt 
es  immer  vernehmlicher  in  den  letzten  Jahren.  Und  bedeutsam 
I  scheini  es  mir,  dass  diese  Forderung  nicht  ein  Einzelner  auf- 
I  fesiellt  hat,  dem  es  nun  andere  nachplapperten,  sondern  dass 
sie  bald  hier,  bald  dort  von  Menschen,  die  von  einander  unabhingig  sind, 
als  etwas  ganz  Neues  der  Öffentlichkeit  vorgetragen  vurde. 

Voher  kommt  die  plötzliche  Wut,  zu  erneuem,  was  schon  begann, 
das  Alter  ehrwQrdlger  und  unantastbarer  Heiligkeit  zu  erlangen  ?  Die 
Verdeckung  der  Ausführenden,  besonders  des  Orchesters,  die  Verdunklung 
der  RInme,  eine  andere  Anordnung  des  Orchesters  und  der  Chöre,  diesem 
allen  entsprechend  ein  verinderter  Bau  des  Konzertsaales,  die  Abschaffung 
des  Beifalls  und  des  Zischens,  die  Verminderung  der  Solisten-Konzerte, 
die  Umgestaltung  der  öffentlichen  Kritik,  die  Verbesserung  der  Programme 
—  mich  dünkt,  das  ist  eine  stattliche  Reihe  von  mehr  und  minder  ein- 
greifenden Vorschlagen,  deren  Ausführung  die  bekannte  Physiognomie 
unserer  Konzerte  gar  sehr  verändern  müsste.  Selbst  die  iHajestiten  des 
Publikums  und  der  Kritik  werden  dabei  scharf  aufo  Korn  genommen  I 
Und  die  ausGbendea  Künstler  —  müssen  die  nicht  erst  recht  dann  den 
alten  iHenschen  ausziehen,  der  durch  Beihllsgelüste  im  Irrtum  eigner  Ehre 
sich  verderbet? 

Einiges  aus  dieser  Liste  ist  gelegentlich  schon  durch  beherzte  Künstler 
zur  Tat  geworden.  Aber:  alles  überall  I  —  das  ist  die  Losung,  die  wir 
ausgeben  müssen,  soll  anders  es  wirklich  besser  werden  mit  den  Zucht- 
ansulten   eines  gedankenlosen  Musik-Geniessens,  das  zum  Kunst-Er- 


Aamerknng:  DIeier  Auhaiz  war  schon  verhuat,  ehe  Paul  Marsop  seine  vor- 
trefflichen pnktlschea  Vorachlige  für  die  Arcbitektur  des  sMuslkiules  der  Zukunft' 
In  dieser  ZeltachriR  TcrfifTeotlichte;  ich  ervlbne  dies,  weil  sich  manctaea  mit  seinen 
Gedanken  bernbTt.  Meine  Ausführungen  Ober  die  Abfassung  der  Programme  werden 
fDr  eine  ganze  Reihe  von  Astheilkem  und  Kßnailem  Bekanntes  enthalten.  Mögen 
diese  trotidem  die  kleine  Arbeit  gelten  lassen  In  der  Erwigung,  dass  das  ,Dn  moast 
es  dreimal  sagenl"  immer  noch  lu  Recht  besieht,  wenn  man  einer  Sache  Elniais 
Willi 


104 
DIE  MUSIK  III.  2. 


leben  erst  den  Vorhof  bildet  und  leider  die  bequemen  Meisten  bei  sich 
zurückbehält. 

Es  berührt  auf  den  ersten  Blick  verwunderlich,  dass  wir  erst  in  der 
jüngsten  Zeit  eine  energischere  Bewegung  bemerken,  das  Konzertwesen 
zu  erneuern.  Die  Geschmacksläuterung  in  ästhetischen  Dingen  geschieht 
indessen  langsam,  langsamer  noch  bei  der  Allgemeinheit,  als  beim  Ein- 
zelnen. Denn  allerdings  sehe  ich  es  als  das  Zeichen  eines  höheren 
ästhetischen  Standpunkts  an,  nicht  als  ein  Merkmal  des  Niedergangs,  wenn 
man  wegen  der  Konzerte  und  der  Konzerträume  heutzutage  empfindlicher 
wird,  an  der  Stelle  kalten  Prunkes  oder  nüchterner  Kahlheit  ein  Interieur 
verlangt,  das  schon  in  sich  selbst  sozusagen  musikalisch  wirkt,  seinen 
einzigen  Zweck,  der  Musik  zu  dienen,  in  jedem  Detail  verrät,  und  wenn 
man  auch  in  allem  übrigen  eine  Veredlung  wünscht. 

Und  nicht  nur  das  durch  die  Verschärfung  des  kritischen  Verstandes 
verfeinerte  ästhetische  Gefühl  fragt  nach  den  Neuerungen,  sondern  noch 
etwas  anderes:  das  Streben  nach  Exklusivität,  das  wiederum  nur  eine 
Notwehr  des  Feinfühligen  gegen  die  soziale  Nivellirung  ist.  Wie  die 
Künstler  und  die  Konzerte,  so  haben  auch  die  Hörer  an  Zahl  zugenommen. 

» 

Die  kleine  Gemeinde  echter  Musikliebhaber,  die  ein  geheimer,  ahnungs- 
voller Zug  miteinander  und  mit  den  Künstlern  verbunden  hatte,  ging  in  der 
breiten  Masse  unter,  die  von  den  verschiedensten  Interessen  in  die  Konzerte 
getrieben  wird.  Da  nun  aber  alle  Musik  ein  Fest  für  die  Seele  ist,  so 
mussten  die,  die  sie  ganz  innerlich  geniessen  möchten,  irgend  ein  Mittel 
finden,  das  sie  von  einer  Umgebung,  mit  der  sie  nicht  die  geringste 
Sympathie  verband,  ablöste.  Diesen  kam  nun  zum  Beispiel  die  Idee  der 
Verdunklung  gerade  recht,  die  ihnen  schon  die  ästhetische  Empfindung 
als  notwendig  bezeichnet  hatte.  Das  vorläufig  unvermeidliche,  aber  trotz- 
dem abscheuliche  Übel  der  musikalischen  Massenfütterung,  das  nur  zu 
sehr  mit  dem  Geruch  des  Geschäftsmässigen  behaftet  ist,  konnten  sie 
hoffen,  dadurch  abgeschwächt  zu  sehen. 

Müssen  nicht  ausserdem  die  ungeheuer  gesteigerten  Anforderungen 
an  die  Musikaufnahme  dazu  führen,  Verhältnisse  zu  schaffen,  die  Körper 
und  Seele  am  schnellsten  für  die  Empfängnis  der  Musik  bereiten?  Die 
Nerven  werden  im  Leben  und  in  der  Kunst  gegenwärtig  so  bedeutend 
angespannt,  dass  man  ihnen  jede  unnütze  Tätigkeit  („Depotenzierung  des 
Gesichts*,  Anstrengung  der  Augen  durch  das  Blenden  des  grellen 
Lichtes  etc.)  ersparen  sollte. 

Ich  habe  in  einem  Aufsatz  in  der  inzwischen  eingegangenen  Seidischen 
„Gesellschaft*  versucht,  die  Gründe  für  die  Verdunkelung  der  Konzerträume 
und  eine  Verdeckung  der  Ausführenden  aufzuzählen;  wer  sich  für  die  Sache 
interessiert,  sei  bescheidentlich  auf  das  5.  Heft  des  vorigen  Jahrgangs  der 


105 
EHLERS:  ZUR  KONZERTREFORM 


Zeitschrift  verwiesen.  Etwas,  das  ich  darin  zu  erwähnen  unterlassen  habe, 
wirenoch  hinzuzufügen:  die  Einwirkung  der  modernen  Orchesterkomposition 
auf  das  Problem.  Wenn  wir  glauben,  die  Wirkung  des  Wagnerschen  Orchesters 
erst  durch  die  terrassenartige  Anordnung,  mit  dem  schweren  Blech-  und 
Schlagzeug  unten,  und  durch  die  Schalldecke  in  idealer  Schönheit  herbei- 
führen zu  können,^)  so  werden  ganz  bestimmt  auch  die  Tonschöpfungen 
unsrer  Neuen  und  Neuesten  nur  unter  denselben  Voraussetzungen  das 
richtige  Klangverhältnis  empfangen.  Dass  hier  gar  oft  eine  Inkongruenz 
zwischen  Absicht  und  Wirkung  besteht,  die  von  den  Blinden  nur  zu  gern 
der  Absicht  zur  Last  gelegt  wird,  dürfen  wir  nicht  leugnen.  Es  wäre 
anmassend,  wollte  man  vom  Komponisten  verlangen,  sich  bei  grossen 
Plänen  von  den  Zauberfarben  des  modernen  Orchesters  zu  emanzipiren. 
Dem  .Herrentum*  des  Genies  darf  kein  Damm  gesetzt  werden;  er  würde 
ja  auch  nur  ein  Maulwurfshügel  sein.  Versuchen  wir  es  also  auf 
andere  Art! 


Es  ist  klar,  dass  die  Vorschläge  der  Verdunklung  des  Raumes  und 
der  Verdeckung  der  Ausführenden,  zusammen  mit  der  neuen  Bauart  des 
Konzertsaals,  die  früher  oder  später  folgen  muss,  am  tiefsten  in  die  ge- 
wohnten Verhältnisse  einschneiden.  Äusserlich  weniger  bemerkbar,  aber 
im  Zwecke  ebenso  bedeutend  ist  die  Reform  „von  innen **,  die  wir  mit 
dem  Worte  .Verbesserung  des  Programms"  bezeichnen.  Diese  wollen  wir 
etwas  eingehender  betrachten. 

Schiller  sagt  bekanntlich  in  seinem  Vorworte  zur  »Braut  von  Messina": 
.Es  ist  nicht  wahr,  was  man  gewöhnlich  behaupten  hört,  dass  das  Publikum 
die  Kunst  herabzieht;  der  Künstler  zieht  das  Publikum  herab,  und  zu  allen 
Zeiten,  wo  die  Kunst  verfiel,  ist  sie  durch  die  Künstler  gefallen.  Das 
Publikum  braucht  nichts  als  Empfänglichkeit,  und  diese  besitzt  es.**  Setzen 
wir  die  Umkehrung  hinzu:  .Es  ist  auch  nicht  wahr,  dass  das  Publikum  die 
Kunst  hinaufhebt!*  dann  haben  wir  die  Wahrheit,  die  der  grosse  Idealist 
meinte.  Schiller  weist  mit  Recht  die  Verantwortung  dem  Künstler  zu; 
denn  ebensogut  wie  jeder  sittlich  verantwortliche  Mensch  zur  Ehrenhaftig- 
keit selbst  unter  bitterer  Entsagung  verpflichtet  ist,  hat  der  Künstler  die 
Pflicht,  die  Kunst  rein  zu  erhalten.  Er  muss  für  sein  Ideal  sterben  können, 
wozu   ihm   in  Deutschland   ja  von  Zeit  zu  Zeit  noch  Gelegenheit  geboten 

^  Diese  Erkenntnis  ist  ganz  besonders  wichtig  wegen  der  Parsifal-Frage;  wollte 
man  von  der  spezifisch-religiösen  Stimmung,  die  nun  einmal  ^.Parsifal"  erfüllt,  und 
ihn  vielleicht  aus  der  Reihe  der  rein  ästhetischen  Kunstwerke  heraushebt,  ganz 
absehen,  so  mfisste  man  doch  aus  praktisch-künstlerischen  Gründen  gegen  die  Frei- 
gabe des  Werkes  an  solche,  vorläufig  also  fast  alle  Buhnen,  protestieren,  die  kein 
iiberdecktas  Orchester  haben. 


106 
DIE  MUSIK  III.  2. 


wird.  Das  einzige  Recht,  das  er  hat,  ist  das,  überhaupt  keine  Kunst  zu 
haben,  falls  die  erhabene  Kunst  nicht  aufgenommen  wird;  für  niedrige 
Kunst  gibt  es  keine  Entschuldigung.  Schiller  legt  den  Hauptakzent  auf 
die  «Empfänglichkeit*  des  Publikums;  es  ist  nur  fraglich,  ob  er  nicht  ihr 
Dasein  als  gar  zu  sicher  angenommen  hat.  Es  gibt  Zeiten  im  Völkerleben, 
wo  die  Not  und  politische  Aufgaben  die  Rezeptibilität  für  Kunst  voll- 
ständig unterdrucken.  Ist  freilich  Empfänglichkeit  vorhanden,  so  ist  das 
Publikum  ziemlich  leicht  zu  lenken,  nur  darf  man  nicht  glauben,  dass  es 
sich  im  Handumdrehen  zu  einem  ästhetischen  erziehen  Hesse;  denn  seine 
Sonne  scheint  fiber  Gerechte  und  Ungerechte,  und  es  jubelt  eben  Trivi- 
alitäten mit  derselben  Lust,  ja!  noch  mit  einiger  Bevorzugung  zu,  wie  den 
gottlichsten  Schöpfungen  der  grössten  Meister. 

Wir,  die  wir  mit  der  Kunst  zu  tun  haben,  wollen  uns  also  den 
Schillerschen  Spruch  gefallen  lassen  und  darnach  handeln  auch  in  der 
Programmfrage.  Wenn  wir  die  Programme  alter  und  neuer  Zeit  ansehen, 
können  wir  überdies  einen  Fortschritt  konstatieren,  der  uns  sogar  ein 
wenig  anspornen  könnte,  sollten  wir  eines  Reizmittels  im  Kunstdienste 
bedürfen. 

Die  brutale  Zerstücklung  einer  Mozartschen  Symphonie  durch  banale 
Musikpi^cen,  wie  sie  ein  in  Richard  Heubergers  hübscher  Monographie 
.Franz  Schubert*  mitgeteiltes  Programm  aus  dem  Jahre  1820  dartut,  würde 
heutzutage  kein  Dirigent  seinen  Hörern  mehr  bieten  dürfen.  Die  Auf- 
fassung, dass  eine  Symphonie  ein  organisch  entwickeltes  Kunstwerk,  keine 
wahllose  Zusammensetzung  schöner,  aber  einander  gleichgültiger  Sätze  sei, 
mag  allerdings  nur  dem  kleinen  Teil  Geistesaristokraten  eigen  sein  und 
der  Menge  völlig  fehlen;  denn  sonst  könnte  nicht  der  wüste  Lärm  des 
Händeklatschens,  untermischt  mit  dem  Geklapper  sprechhungriger  Mäuler, 
zwischen  Beethovensche  Töne  hineinfahren.  Aber  die  Gewöhnung  durch 
gute  Erziehung  würde  das  Publikum  gegen  derartige  Programme,  die  zwar 
noch  gegenwärtig  bei  Wohltätigkeitskonzerten  und  Festvorstellungen  ent- 
fernte Verwandtschaft  finden,  protestiren  machen. 

Auch  Bereicherungen  eines  vornehmen  Konzertes  durch  Variationen 
für  die  Gitarre,  oder  eine  Kömleinsche  Polonaise  für  Hom  dürften  jetzt 
nur  noch  einem  ganz  .unbefangenen*  Auditorium  munden;  als  Richard 
Wagner  während  seines  Zürcher  Exils  in  einem  Konzerte  der  Allgemeinen 
Musikgesellschaft  Beethovens  A-dur-Symphonie  dirigierte,  musste  er,  neben 
Rossini,  Verdi,  Donizetti,  Kücken  (!)  usw.,  diese  Stücke  in  der  Nachbar- 
schaft Beethovens  dulden.  Im  Münchener  Hoftheater  kamen  im  Anfang 
des  vorigen  Jahrhunderts  Gastspiele  von  Feuerschluckern,  Akrobaten  und 
Athleten  vor;  es  besteht  eine  gewisse  Ähnlichkeit  zwischen  den  beiden 
Vorgängen. 


107 
EHLERS:  ZUR  KONZERTREFORM 


Si 


Die  Gitarre  ist  als  anspruchsvolles  Soloinstrument  aus  dem  Konzert- 
saal verschwunden,  doch  täten  wir  Unrecht,  wollten  wir  nur  unsem 
Vätern  die  Virtuosität  zugestehen,  merkwürdige  Programme  zusammenzu- 
stöppeln. Ich  werde  einige  Vortragsordnungen  aus  der  letzten  Zeit  vor- 
legen, die  die  Ahnungslosigkeit  unserer  gegenwärtigen  Konzertgeber  ebenso 
klassisch  dokumentieren.  Sehr  hübsch  war  ein  Konzert  eines  vor  wenigen 
Jahren  abgehaltenen  Musikfestes;  wir  bekamen  damals  zu  hören: 

1.  Quintett  für  Klavier  und  Blasinstrumente  von  Mozart.  —  2.  Landsknechts- 
lieder von  Lenz.  —  3.  Lieder  von  Mozart  und  Beethoven.  —  4.  a)  Sonate  von  Mozart, 
b)  Intermezzo  von  Brahma,  c)  Ballade  von  Chopin.  —  5.  Arie  aus  »Hunyadi  Liszlo* 
von  Erkel;  Lieder  von  Schubert  und  Hubay.  —  6.  Lieder  von  Mozart  und  AlabiefT. — 
7.  Trio  f&r  Klavier  und  2  Violinen  von  J.  S.  Bach. 

Natürlich  war  dieses  Konzert  der  Tummelplatz  der  Solisteneitelkeit; 
man  pflegt  ja  den  bei  solch  einem  Musikfeste  mitwirkenden  Künstlern 
zu  Gage  und  Applaus  ein  Extravergnügen  zu  bieten,  ladet,  um  den 
Glanz  des  Festes  zu  erhöhen,  womöglich  noch  besondere  Magneten  der 
Kunst,  die  nicht  just  immer  Magnaten  sind,  dazu  ein.  Wie  köstlich  machen 
sich  die  Landsknechtslieder  zwischen  den  Stücken  Mozarts  I  Wie  fein  em- 
pfunden ist  die  Vereinigung  dreier  so  heterogenen  Stücke,  wie  sie  No.  4 
zeigt!  Wie  edel  nehmen  sich  Erkel  und  Hubay  in  ihrer  vornehmen  Um- 
gebung aus!  Die  Perle  aller  Geschmacksverirrungen  war  aber  doch  Ala- 
bieffs  geistlose  Trillerei  i,Die  Nachtigall*  unmittelbar  vor  Bach.  Und  leider 
lernten  wir  die  « Empfänglichkeit"  des  Publikums  dabei  in  pessimistisch 
stimmender  Weise  kennen.  Sie  meinen:  der  Umstand,  dass  die  ver- 
schiedenen, aus  allen  Gegenden  stammenden  Solisten  dieses  Programm 
zufällig  verbrochen  hätten,  entschuldige  die  Verwaltung  des  Konzertes 
und  das  Konzert  selbst?  Ich  muss  widersprechen,  und  zwar  ganz 
energisch,  weil  ich  in  dieser  Solistenwillkür  eine  der  schädlichsten  Ur- 
sachen des  Stilmangels  unserer  Programme  sehe,  die  wir  ganz  besonders 
bekämpfen  müssen.  Die  Freiheit,  womit  die  Solisten  unter  unserer  stillen 
Zustimmung  ihre  Stücke  auswählen,  ist  in  den  meisten  Fällen  schon  mehr 

■ 

Freizügigkeit;  man  vermisst  in  ihren  Programmen  jedes  Programm,  wofern 
wir  nicht  etwa  in  ihrer  Bewertung  der  Stücke  nach  der  »Dankbarkeit*  so 
etwas  wie  ein  Prinzip  erblicken  wollen. 

Wahrscheinlich  ebenfalls  durch  die  Wünsche  der  Solisten  ist  der 
folgende  musikalische  Regenbogen  entstanden;  er  ging  an  dem  Konzert- 
himmel irgend  einer  süddeutschen  Hauptstadt  auf: 

1.  Ouvertüre  zu  den  aPemrichtem*  von  Berlioz.  —  2.  Arie  aus  j^Alceste* 
von  Gluck.  —  3.  Klavierkonzert  in  e-moll  von  Chopin.  —  4.  Symphonie  in  g-moll 
von  Mozart.  —  5.  Lieder  von  Richard  Strauss.  —  6.  Klavier-Tarantella  nach  Auber 
von  Liszt.  —  7.  Ouvertüre  zur  „Zauberharfe*  von  Schubert. 


108 
DIE  MUSIK  III.  2. 


Klassisches  und  Modernes  ist  darin  in  aller  Unschuld  vermengt; 
friedlich  schlägt  das  Pendel  hin  und  her :  neu  —  alt  —  neu  —  alt  I  Gegen 
den  Wert  der  einzelnen  Stücke  brauchen  wir  nicht  zu  schelten;  alle  sind 
sie,  für  sich  betrachtet,  einer  HoFkapelle  wohl  würdig.  Aber  fühlt  man 
denn  nicht  den  Widersinn,  der  sich  in  einer  solchen  „Vortrags-Ordnung" 
breit  macht?  Die  Verdeutschung  des  Wortes  Programm  ist  recht  fein 
gewählt,  sicherlich  unbeabsichtigt;  man  wollte  die  «Folge*  der  Vortrags- 
stücke bezeichnen  und  geriet  dabei  auf  die  „Ordnung",  die  ihrem  Wort- 
sinne nach  eine  kritische  Arbeit  einschliesst.  Es  wäre  zu  wünschen,  dass 
die  „Vortrags-Ordnung*  als  Wort  und  Sinn  überall  angewendet  würde! 
In  jenem  Konzert  gab  es  schlechte  „Programm '-Musik.  Man  hatte  nicht 
bedacht,  dass  der  unablässige  Wechsel  der  Stilarten  eine  ruhige  Aufnahme 
der  Musik  verhindern  müsste,  dass  jeder,  der  sich  in  die  Chopinsche 
sentimen talische  Romantik  eingesponnen  hatte,  für  die  Mozartsche  Symphonie 
mit  ihrem  gänzlich  verschiedenen  harmonischen,  melodischen  und  geistigen 
Inhalt  so  schlecht  wie  nur  denkbar  vorbereitet  wäre.  Hätte  man  mit 
Mozart  begonnen,  darauf  Gluck  und  Schubert  folgen  lassen,  um  mit  Auber- 
Liszt,  Berlioz,  Chopin  und  Richard  Strauss  fortzufahren,  so  hätte  man 
zwar  noch  lange  kein  untadeliges  Konzert  bekommen,  aber  mit  einiger 
musikalischen  Vernunft  Ordnung  geschaffen.  Jedoch !  eine  derartige  Reihen- 
folge hätte  der  unverletzlichen  Gewohnheit  widersprochen,  die  nach  einem 
kurzen  Einleitungstücke  die  beiden  Solisten  erst  ihre  Paradepferde  in 
Freiheit  dressirt  vorführen  lassen  musste. 

In  ein  Symphonie-Konzert  gehören  von  Kunstrechts  wegen  überhaupt 
keine  Solisten,  weil  sie  seinen  Charakter  stören.  Während  bei  den 
symphonischen  Werken  jeder  einzelne  im  Dienste  des  Ganzen  steht, 
bringen  sie  ein  Virtuosentum  hinein,  das  den  Künstler  und  sein  Instrument 
unverhältnismässig  in  den  Vordergrund  drängt.  Konzerte  für  Klavier, 
Violine,  Violoncello  oder  andere  Instrumente  bilden  eine  besondere  Gattung, 
ebenso  die  Konzertarien  oder  die  Gesänge  mit  Orchester;  sie  wären  also 
auch  besonders  aufzuführen  und  nicht  mit  rein  symphonisch  gedachten 
Werken  zu  vermischen.  Selbstverständlich  gehören  zu  diesen  „Konzerten* 
nicht  Schöpfungen  wie  Mahlers  zweite  Symphonie,  auch  nicht  Berlioz' 
„Harold  in  Italien*  oder  Straussens  „Don  Quixote*,  obgleich  bei  dem 
ersten  Werke  ein  Gesangsolo  einen  ganzen  Satz  bildet,  bei  dem  zweiten 
die  Bratsche,  bei  dem  dritten  das  Violoncello  durchgehends  als  Solo- 
instrument erscheint;  denn  bei  ihnen  sind  die  Soli  nicht  Hauptzweck, 
sondern  integrirende  Teile.  Ich  sehe  gar  nicht  ein,  warum  man  nicht 
die  Instrumentalsoli  mit  Orchesterbegleitung  in  besonderen  Konzerten 
geben  sollte,  anstatt  sie  zwischen  die  symphonischen  Werke  einzuzwängen. 
Sie  würden   ungleich   stärker  und  reiner  zur  Wirkung  kommen,   als  jetzt. 


100 
EHLERS:  ZUR  KONZERTREFORM 


WO  sie  sich  mit  ganz  ungleichartigen  Tonstücken  ums  Interesse  der  Hörer 
streiten  müssen. 

Will  man  sie  indessen  während  der  Übergangszeit  noch  in  dem 
Rahmen  der  Symphoniekonzerte  behalten,  so  befolge  man  doch  zwei 
Grundsätze.  Erstens  wähle  man  sich  die  Solisten  nach  ihrer  Eigentümlich- 
keit aus,  das  heisst:  man  bedenke,  dass,  allgemein  gesprochen,  Joachim 
Beethovens  Violinkonzert  am  besten  vorträgt  und  somit  nicht  in  ein  Kon- 
zert lisztischer  Richtung  hinein  passt,  wogegen  wir  in  Jaques  Thibaud  den 
Meister  der  französischen  Eleganz  und  Charme  haben,  der  vor  allem  in 
einer  französischen  Nachbarschaft  am  Platze  ist,  dass  Fr6d6ric  Lamond 
im  Bach-  und  Beethovenspiel  sein  Schönstes  gibt  und  Edouard  Risler  be- 
sonders Liszt  vorzüglich  spielt.  Man  füge  sie  also  nur  in  Ordnungen  ein, 
die  ihrer  Art  entsprechen.  Zweitens  —  und  dies  ist  ganz  besonders 
wichtig!  —  beschränke  man  ihre  Willkür  in  der  Wahl  ihrer  Vortragstücke; 
die  beiden  erwähnten  Programme  zeigen,  zu  welchen  heillosen  Kunst- 
stücken die  Solistenfreiheit  führen  kann.  Wenn  man  sich  früh  und  höflich 
mit  ihnen  verständigt,  so  gehen  sie,  soweit  sie  ernsthafte  Künstler  sind, 
gern  auf  die  Vorschläge  ein.  Hat  man  es  einmal  mit  einem  ganz  Grossen 
zu  tun,  dem  man  nicht  mit  Vorschriften  kommen  zu  dürfen  glaubt,  so 
suche  man  eben  in  des  Himmels  Namen  die  übrigen  Stücke  zu  seinem 
Vortrage  passend  aus.  Jedenfalls  muss  der  Stilmischmasch,  der  durch  die 
Solisterei  gezüchtet  wird,  endlich  einmal  abgeschafft  werden. 

Ganz  unbedingt  notwendig  ist  es  aber,  die  lyrischen  Solostücke  aus 
den  Symphoniekonzerten  durchaus  zu  verbannen.  Es  gehört  die  ganze 
Ünempfindlichkeit  unsers  ästhetischen  Sinnes  dazu,  nach  grossen  Orchester- 
Stücken  ein  Klavier-  oder  Violinsolo  oder  Lieder  mit  Klavierbegleitung 
anzuhören,  ohne  dass  wir  unserm  Formgefühl  einen  Ruck  geben  müssten. 
Diese  Kompositionen  sind  auf  intime  Räume  und  intime  Wirkungen  an- 
gelegt und  ausgearbeitet;  ihre  musikalische  Struktur  unterscheidet  sie 
ebensosehr  von  den  symphonischen  Werken,  wie  die  Vortragsart,  die  sie 
fordern«  Wie  häufig  kann  man  beobachten,  dass  z.  B.  Sänger,  die  im 
Zimmer  durch  die  Feinheit  ihres  Vortrages  entzückten,  im  grossen  Konzert- 
saale gerade  durch  ihre  echte,  zarte  Kunst  unterlagen!  Das  ist  etwas 
ganz  Natürliches,  weil  die  Kammermusik  andere  Mittel  zur  tönenden  Dar- 
stellung ihrer  Ideen  verwendet,  als  die  Konzertmusik;  sie  wirkt  mehr 
durch  die  Subtilität  der  Zeichnung,  die  Konzertmusik  durch  Farben  und 
Plastik«  Wer  eine  Radirung  zwischen  zwei  Gemälde  von  Stuck  und 
Uhde  hängen  wollte,  würde  als  Unkünstler  verschrien  werden.  Aber 
unsere  Musiker  begehen  aus  Gewöhnung  jahraus,  jahrein  diese  ungeheure 
Gedankenlosigkeit,  ohne  dass  sie  ihnen  gross  angerechnet  würde. 

Die  aus   ästhetischer  Unkenntnis  erblühende  Milde  gegen  die  Lyrik 


110 
DIE  MUSIK  in.  2. 


in  Symphonie- Konzerten  suchte  man  durch  um  so  grössere  Strenge  gegen 
die  Opern-Arien  im  Konzertsaale  wett  zu  machen.  Von  einem  Erfolg  der 
Mahnungen  an  die  Sänger  ist  bisher  nicht  viel  zu  merken  gewesen.  Man 
hatte  eben  die  Sache  verkehrt  angepackt.  Anstatt  mit  dem  ganzen  System 
aufzuräumen,  verlangte  man  Besserung,  ohne  anzugeben,  was  denn  nun 
die  Gescholtenen  singen  sollten.  Was  es  an  Konzertsoli  mit  Orchester 
gab,  war  einesteils  zu  gering  an  der  Zahl  oder  für  unsere  Zeit  nicht  mehr 
geeignet,  andemteils  zu  wenig  bekannt,  als  dass  es  hätte  vorgeschlagen 
werden  können.  Die  Gegenwart  hat  von  Richard  Strauss  und^  anderen 
modernen  Komponisten  Gesänge  für  eine^Stimme  und  Orchester  empfangen, 
die  für  die  Arien  aus  Opern  genommen  werden  können,  um  so  mehr,  als 
diese  Tondichter,  wie  schon  Berlioz  in  seinen  »Sommernächten",  die^ Sing- 
stimme nicht  in  dem  virtuosen  Sinne,  sondern  sozusagen  als  erste  unter  gleich- 
wertigen benutzen,  um  ihren  Text  auszudeuten.  Das  ist  ausser  aller  Frage, 
dass  die  Opern-Arien,  losgelöst  aus  ihrem  natürlichen  Zusammenhange,  kein 
Recht  auf  einen  Platz  in  einem  stilvollen  Konzert  haben,  jedenfalls  nicht 
in  einem  Symphonie-Konzert  und  noch  viel  weniger  mit  Klavierbegleitungs- 
surrogat in  einem  Liederabend.  Man  könnte^vielleicht  dafür  plaidiren, 
schöne  Arien  aus  solchen  Opern,  die  wir  wegen  ihrer  dramatischen  Un- 
möglichkeit nicht  mehr  aufführen,  in  KonzertenJ^vorzutragen,  um  sie  nicht 
ganz  untergehen  zu  lassen;  aber  auch  sie  gehörten  dann  in  besondere 
Gesangskonzerte  und  dürfen  nicht  dazu  dienen,  für  Fräulein  X.  oder  Herrn 
Y.  einen  Vorwand  für  ihre  Applausabsichten^  abzugeben.  Den  grössten 
Unfug  begeht  man  jedoch  damit,  Gesangstücke  aus  Wagnerschen  Dramen 
in  die  Konzerte  zu  verpflanzen.  Gewiss  hat  es  einmal  eine^Zeit  gegeben, 
wo  es  zur  Pflicht  gegen  die  deutsche  Kunst  wurde,  Wotans  Abschied  oder 
Isoldens  Liebestod  in  Konzerten  zu  singen,  damals,  als  es  den  Theatern, 
die  jetzt  von  Wagner  leben,  noch  nicht  konvenabel  schien,  die  Dramen 
des  Meisters  zu  spielen.  Jetzt  aber  gebietet  dieselbe*[Pflicht,  Wagners 
Werke  nur  dort  zu  geben,  wo^sie  nach  des  Meisters  Willen  zum  Leben 
erwachen  sollen:  auf  der  Bühne  und  zwar  auf  der  Wagnerschen  Bühne. 
Empfinden  wir  schon  die  Arien  alter  Opern  als  deplaziert^auf  dem  Konzert- 
podium, so  verschärft  sich^diese  Empfindung  bei^^Fragmenten  von  Wagners 
Dramen.  Denn  die  alten  Arien  waren  nach  einem  architektonisch  sym- 
metrischen Schema  in  sich  abgeschlossen  gebaut,  sie  waren  ausserdem  nur 
mehr  allgemeine  Stimmungsbilder  des  Textes,  wogegen  die'^Wagnerschen 
Gesangstücke  eben  immer  »Fragmente*  einer  grösseren  Form  bleiben, 
deren  Musik  nicht  allein  die  Worte^  interpretirt,  sondern  auch  an  der 
Szene  und  der  Handlung  hängt.  Es  ist  wohl  unnötig  zu  sagen,  dass  aus 
ähnlichen  Gründen  Instrumentalstficke  aus  den  Wagnerschen  Dramen  im 
Konzertsaal   nichts   mehr  zu   suchen   haben.     An  Wagners  Stelle  dürften 


111 

EHLERS:  ZUR  KONZERTREFORM 


endlich  einmal  überall  Berlioz,  Liszt,  Brückner,  Brahms,  Strauss,  Schillings, 
Arnold  Mendelssohn,  Mahler,  Pfitzner,  Fr.  Klose  und  eine  ganze  Reihe 
anderer  treten. 

Haben  wir  erst  einmal  die  Solisten  aus  den  Symphonie-Konzerten 
ausgeschieden,  so  sind  wir  der  Aufgabe,  eine  richtige  Vortragsordnung  zu 
machen,  um  ein  gut  Stück  näher  gekommen.  Es  ist  uns  möglich  ge- 
worden, Programme  zu  schaffen,  die  nur  Werke  des  symphonischen  Prinzips 
enthalten;  zugleich  haben  wir  eine  neue  Gattung  von  Konzerten,  die 
Solistenvorträge  mit  Orchester,  gewonnen,  die  wiederum  für  sich  einheit- 
lichen Programmen  folgen  können.  Diese  Solisten-Abende  kann  man  recht 
wohl  in  den  Kranz  der  regelmässigen  Symphonie-Konzerte,  die  in  jeder 
grossen  Stadt  im  Abonnement  gegeben  werden,  verflechten,  um  den  Hörern 
zu  ersparen,  ihr  Konzertbudget  erhöhen  zu  müssen. 

Man  hat  vielleicht  dem  Gesagten  schon  entnommen,  wohin  die  Re- 
form der  Programme  will:  Einheitlichkeit  anstatt  einer  bunten  Menge, 
Organisches  für  das  durcheinander  Geworfene,  Erhebung  an  die  Stelle  der 
Unterhaltung  —  das  ist  ihr  Ziel.  Was  bisher  mehr  zufällig  wohl  einmal 
zum  Segen  der  Kunst  geschehen  ist,  will  sie  zur  überall  befolgten  Regel 
machen;  nicht  nur  das  «interessante''  sondern  das  ästhetisch  schöne  Programm 
soll,  ihrem  Wunsche  nach,  den  Konzertgebern  das  Zeichen  sein,  worin  sie 
siegen  werden. 

Besondere  Zwecke  haben  von  jeher  besondere  Programme  gezeitigt. 
Wenn  Tondichter  wie  Beethoven  oder  Wagner  Konzerte  gaben,  in  denen  nur 
ihre  eignen  Schöpfungen  vorgetragen  wurden,  so  erhielten  diese  Konzerte 
nicht  nur  durch  die  Schönheit  der  einzelnen  Werke  einen  hohen  Wert, 
sondern  auch  dadurch,  dass  alle  Stücke  einem  Geiste  entsprungen  waren, 
dass  die  Besucher  in  das  Innere  nur  eines  Menschen  schauen,  dieses  aber 
auch  grundlich  kennen  lernen  konnten.  Bei  den  beliebten  Potpourri- 
Programmen  —  und  etwas  anderes  geben  uns  die  landläufigen  Konzerte 
ja  nicht  —  ist  es  ganz  unmöglich,  die  musikalische  Seele  eines  Kompo- 
nisten wirklich  zu  verstehen.  Die  Musik  ist  eine  flüchtige,  schnell  ver- 
rauschende Kunst,  die  nicht  wie  die  bildenden  Künste  erlaubt,  ihre  Er- 
zeugnisse ruhig  zu  betrachten,  und  die  darum  den  Hörern  auch  keine  Zeit 
lässt,  die  Persönlichkeit  eines  Tonsetzers  vollständig  zu  erfassen,  wenn  sie 
nicht  ausgiebig  zu  Worte  kommt. 

Deshalb  wäre  es  das  beste,  das  Prinzip  der  „Einer-Ausstellungen* 
auf  das  Konzert  zu  übertragen,  jedesmal  nur  einen  Tondichter  zu  wählen, 
von  dem  man  Werke  vortragen  will.  Bei  den  Königen  der  Musik  sollte 
man  immer  nur  einem  einzigen  zur  Zeit  huldigen.  Ausserdem  ist  dieser 
W^  ein  Musikkaleidoskop  zu  vermeiden,  wie  es  uns  das  vorhin  erwähnte 
Muaterprogramm  bescherte,    dann    zu    empfehlen,   wenn    man    einen    un- 


112 
DIE  MUSIK.  III.  2. 


bekannten  oder  wenig  bekannten,  noch  umstrittenen  Komponisten,  besonders 
unter  den  lebenden,  dem  Publikum  zu  Gemüte  führen  möchte.  In  solchen 
Fällen,  wie  den  letzten,  dürfte  man  mit  weiser  Anordnung  auch  das  sonst 
streng  zu  erfüllende  Gesetz  umgehen,  das  eine  Vermengung  der  ver- 
schiedenen Kompositionsgattungen  in  ein  Programm  verbietet.  Denn  mancher 
Tonsetzer  wäre  vielleicht  als  Lyriker  bedeutend,  den  man  als  Epiker  ab- 
lehnen müsste,  und  um  über  seinen  musikalischen  Charakter  mit  seinen 
Vorzügen  und  seinen  Schwächen  ganz  klar  zu  werden,  muss  man  ihn  als 
Ganzes  vor  sich  haben.  Vielleicht  gehen  wir  aber  auch  mit  solchen 
exzeptionellen  Vortragsordnungen  schon  über  das  Ästhetische  hinaus  und 
folgen  einer  pädagogischen  Absicht,  wie  wir  sie  auch  bei  jenen  Programmen 
als  bestimmend  empfinden,  die  die  historische  Entwicklung  einer  Kom- 
positionsgattung, zum  Beispiel  der  Symphonie  oder  der  Sonate,  zeigen  wollen. 
Ich  habe  ein  Programm  im  Sinne,  das  die  D-dur  Suite  von  J.  S.  Bach,  die 
Symphonie  «La  Reine*"  von  Haydn,  die  Es-dur  Symphonie  von  Mozart  und 
die  achte  Symphonie  von  Beethoven  umfasste.  Es  stammt  von  Hans  von 
Bfilow,  der,  wie  in  vielen  andern  Dingen,  so  auch  im  Programm-Machen 
unser  Lehrmeister  ist  und  uns  praktisch  schon  das  meiste  vorgemacht  hat, 
worüber  wir  theoretisiren.  Unzweifelhaft  muss  es  höchst  interessant  und 
belehrend  gewesen  sein,  ein  derartiges  Konzert  zu  hören,  zumal  wenn  es 
der  Universalist  Bülow  dirigierte.  In  »Hochschulkursen*  der  Musik  wäre 
es  auch  immer  am  Platze,  dagegen  will  es  mir,  so  sehr  ich  es  natürlich 
den  prinzipienlosen  Programmen  der  herrschenden  Gewohnheit  vorziehe, 
in  die  vornehmsten  Konzene,  die  nur  der  Schönheit  folgen  sollen,  nicht 
recht  hineinpassen;  hier  dürfte  sein  Gesetz  erst  als  Leitstern  zweiter 
Ordnung  beachtet  werden. 

Jedenfalls  müssen,  will  man  die  .Einer-Konzerte''  aus  irgend  einem 
Grunde  nicht  zur  Richtschnur  nehmen  (oftmals  reicht  auch  wohl  die  Poteiiz 
eines  Komponisten  nicht  aus,  einen  ganzen  Abend  lang  zu  fesseln),  die 
Zahl  der  Komponisten  beschränkt  und  die  Stile  der  Zeitperioden  und 
der  Nationalitäten  scharf  gesondert  werden.  Die  Wichtigkeit  der  ersten 
Forderung  näher  zu  belegen,  kann  ich  mir  wohl  ersparen;  es  ist  einfach  eine 
Erweiterung  des  Grundsatzes  von  der  Einheitlichkeit.  Die  zweite  Forderung 
soll  die  erweiterte  Einheit  regeln  und  vor  falschen  Programmbauten  be- 
wahren. Denn  es  ist  ein  stilistischer  Unsinn,  wenn  man  ein  Konzert  aus 
Mozart  und  Richard  Strauss  zusammensetzt.  Oder  auch,  wenn  man  Bach, 
Saint-Sa€ns  und  Richard  Wagner  in  einem  Programm  vereinigt.  Beiden 
Stilungeheuem  bin  ich  in  den  letzten  Jahren  begegnet.  Die  Zahl  der  zu- 
sammengekoppelten Tondichter  wäre  schon  recht  gewesen,  aber  ihre 
Musiknaturen  sind  so  verschieden,  dass  sie  sich  nicht  mit  einander  ver- 
tragen.    Selbst,  wenn  die   historische   Folge  beobachtet  wird,   passen  sie 


113 
EHLERS:  ZUR  KONZERTREFORM 


nicht  zusammen,  der  apollinische  Mozart  und  der  dionysische  Richard  Strauss^ 
der  Umwerter  aller  Werte. 

Und  wie  sich  die  Stile  der  verschiedenen  Zeitabschnitte  nicht  amal- 
gamiren,  so  sträuben  sich  auch  die  Nationalitäten  gegen  eine  allzu  innige 
musikalische  Ehe.  Mit  dem  berühmten  allverständlichen  Volapük  der 
Musik  ist's  nicht  gar  so  weit  her^  wie  man  meistens  annimmt;  die  Ver- 
wandtschaft geht  bei  den  Völkern,  deren  Musik  uns  einigermassen  geläufig 
ist,  nicht  viel  über  den  gemeinsamen  Besitz  der  zwölf  Töne  und  der  Aus- 
dracksmittel  hinaus;  es  ist  mehr  ein  Verständnis  der  Sinne,  als  des  Herzens, 
das  sie  verbindet.  Und  müssen  wir  schon  wegen  der  Stilunterschiede 
unserer  deutschen  Meister  auf  eine  sorgfältig  bedachtsame  Programm- 
Aufstellung  halten,  so  wird  unsere  Pflicht,  die  Stile  reinlich  zu  scheiden, 
natfirlich  noch  zwingender,  wenn  Musik,  die  nicht  Geist  von  unserm  Geiste 
ist,  aufjgeffihrt  werden  soll. 

Es  ist  eine  wohl  zu  beachtende  Tatsache,  dass  eine  Vortragsordnung, 
die  sich  streng  nach  den  Entstehungsdaten  der  Werke  richtet,  nicht  immer 
auch  schon  ästhetisch  wirksam  ist.  Am  eigentümlichsten  ergeht  es  uns 
mit  J.  S.  Bach ;  der  kann  als  Anfänger  eines  Programms  für  eine  ganze 
Reihe  der  folgenden,  insbesondere  —  um  einen  Grossen  zu  nennen  — 
für  Mozart,  verhängsnisvoll  werden.  Bach  war  trotz  des  strengen  Stils 
eigentlich  ein  Anachronismus ;  wir  begreifen  die  meisten  seiner  Werke  mit 
unserer  Beethoven -Wagnerischen  Auffassung  besser,  als  aus  seiner  Zeit 
heraus.  Mozart  dagegen  ist  bei  all  seiner  Göttlichkeit  und  der  innigen 
Grösse  seiner  ewigen  Melodie,  die  alle  Sterne  mit  der  Erde  zu  verbinden 
scheint,  der  getreue  Ausdruck  seiner  Zeit;  den  «Meister  des  Rokoko"*  hat 
ihn  Marsop  ja  mit  vollem  Rechte  genannt.  Bach  bannte  nur  den  Geist 
der  Musik  mit  gewaltiger  Hand  und  ging  oft  mit  seinen  Gedanken  über 
die  Mittel  hinaus,  Mozart  beachtete  schon  viel  sorgsamer  zugleich  den 
Körper,  worin  er  den  Geist  der  Welt  geben  wollte.  Um  Mozart  mit  allem 
Reize  vorzutragen,  muss  man  ohne  Schulmeisterei  und  Pedanterie  ein 
wenig  historisch  verfahren,  das  heisst  bei  seinen  Klavierwerken  z.  B.  den 
Klang  des  Spinetts  nicht  ganz  aus  dem  Ohre  verlieren,  wogegen  wir  Bach 
trotz  alles  allein  «Echten  und  Wahren *"  erst  dann  ganz  gerecht  werden, 
wenn  wir  ihn  als  «allgegenwärtig*  betrachten.  Ich  bitte  jedoch  ergebenst, 
meine  «historische*  Auffassung  Mozarts  nicht  so  auszulegen,  als  ob  ich 
seine  Werke  trocken  und  dünn  gespielt  wünsche;  Mozart  kann  nur  einer 
verstehen,  der  das  Leben  versteht  und  in  sich  fühlt;  aber  man  braucht 
nicht  das  Donnerblech  zu  rasseln,  wo  er  nur  mit  zarten  vollen  Glocken 
gelintet  hat  Was  ich  mit  alledem  sagen  will,  ist,  dass  man  den  Inhalt 
und  ebenso  die  Ausdrucksmittel  der  Werke  recht  prüfen  soll,  ehe  man 
ihre  Reibenfolge  bestimmt. 

III.  2  8 


114 
DIE  MUSIK  III.  2. 


Denn  zu  der  ästhetischen  Wirkung  eines  Konzertes  gehört,  dass  die 
einzelnen  Nummern  einander  in  einer  steten  Steigerung  folgen;  die  Steigerung 
kann  innerlich  durch  den  musikalischen  und  metaphysischen  Inhalt,  oder 
äusserlich  durch  die  Mittel  geschehen,  —  am  besten  ist  es  natürlich,  wenn 
die  Steigerung  innerlich  und  äusserlich  ist.  Daneben  sorge  man  für  künst- 
lerische Kontraste.  Ein  ganz  hübscher  Gegensatz  ist  es  zum  Beispiel  ge- 
wesen, ein  Programm  aus  je  einer  Symphonie  von  Brahms  und  Brückner 
zu  machen;  das  Konzert  war  sogar  etwas  für  Feinschmecker  wegen  des 
Antagonismus  der  beiden  Tondichter,  der  übrigens  auch  klar  beweist,  dass 
die  Musik  nicht  ohne  weiteres  international  genannt  werden  darf.  Stösst  doch 
Brückner  im  Norden,  Brahms  im  Süden  bei  den  deutschen  Stammesbrüdern 
auf  Hindernisse  im  Verständnis! 

Man  kann  die  Regel,  auf  die  es  bei  jeder  Art  Konzerte  ankommt, 
sie  seien  Symphonie-  oder  Kammermusik-Konzerte,  Klavier-  oder  Lieder- 
abende oder  was  immer,  kurz  fassen:  gestaltet  die  Programme  stilrein  und 
einheitlich!  Stilrein  in  der  Wahl  der  Kompositionsgattungen,  stilrein  in 
der  Wahl  der  Tondichter.     Dies  ist  das  wichtigste  Gebot. 

Ein  zweites  Gesetz  steht  daneben:  macht  keine  allzu  langen  Pro- 
gramme, macht  dafür  zwischen  den  einzelnen  Stücken,  sofern  sie  nicht 
zu  einem  Werke  gehören,  genügend  lange  Pausen,  damit  der  Hörer  Zeit 
habe,  das  Empfangene  zu  verarbeiten  und  sich  für  das  Neue  zu  bereiten. 
Dieses  Gebot  gilt  vor  allem  auch  für  die  Kammermusik,  die  fast  überall 
zu  viel  auf  einmal  bietet.  Grosse  und  mächtige  Schöpfungen,  wie  Beethovens 
»Neunte*,  gebt  allein  für  sich,  ohne  musikalische  Vor-  und  Nachspiele; 
denn  sie  dulden  keine  andern  Götter  neben  sich  und  wollen  in  aller 
Reinheit  und  Kraft  auf  die  Gemüter  wirken. 

Und  zum  Schlüsse  noch  ein  drittes:  seid  Menschen  der  Gegenwart 
und  vergesst  nicht  über  euerm  schönen  Recht,  die  alten  Meister  an- 
zubeten, eure  ernste  Pflicht,  die  Lebenden  und  Kämpfenden  zu  unter- 
stützen. Beweist,  dass  ihr  ihre  Mit-Menschen  und  keine  Nachtrotter  seid, 
auf  die  eine  Zukunft  Steine  werfen  müsste.  Und  folgt  nicht  nur  der 
Mode,  die  von  allen  Komponisten  nur  ganz  wenige  bestimmten  Werke 
kennt,  sondern  forscht  und  breitet  den  ganzen  Schatz  unserer  deutschen 
Musik  vor  der  Welt  aus! 


bli  dem  am  19.  September  faochbengl  und  nach  langem  Leiden  gestorbenen 
n  rheodor  Kirchner  ist  ein  Künstler  von  uns  geschieden,  der  die  vielen 
I  jm  Hsupiesllnge  überrsgie,  die  Ihm  den  Vorwurf  micliten,  dass  er  es 
inils  vermocht  habe,  grCssere  Formen  zu  beherrschen  und  in  ihnen 
'  Hervorragendes  zu  schaffen.  Darin  liegt  aber  für  mich  die  Bedeutung 
eines  Komponisten  nicht;  Ich  halte  es  vielmehr  mit  Goethe,  der  einmal  meinte,  dass 
In  der  Beschränkung  sich  erst  der  Meister  zeige.  Theodor  Kirchner  kannte  ganz 
getuiu  die  Grenzen  seines  Könnens,  seines  künstlerischen  Wesens,  und  so  Hess  er, 
der  Musiker  mit  dem  scharFen  durchdringenden  Verstand  und  der  unerbittlichen 
Selbstkritik  sich  niemals  auF  \Pege  locken,  die  ihm  zu  steil  erschienen.  Er  bat  niemals 
das  Masa  seines  KSnnens  überschätzt  und  keinen  Ikarusflug  unternommen,  sondern 
sich  suF  Jenes  Gebiet  beschrankt,  auf  dem  er  Werke  von  bleibendem  Wert  schaiTen 
■ollle.  Theodor  Kirchner  gehörte  nicht  zu  den  Grossen,  aber  er  war  ein  Meister  der 
Kleinkunst,  des  musikalUcben  Miniaturbildes,  und  hier  steht  er  in  seiner  Art  einzig 
da,  Und  wenn  man  Ihm  Femer  vorgeworfen  hat,  dass  er  hier  auF  den  Schultern 
Robert  Schumanns  stehe,  so  gereicht  es  ihm  nur  zum  Vorteil,  sich  einen  so  guten 
Meister  zum  Vorbild  gewlhlt  zu  haben.  Kirchner  beaass  übrigens  eigenes  Kapital 
genug  und  brauchte  nicht  von  den  Zinsen  anderer  zu  zehren.  In  allen  seinen 
Schöpfungen  für  Klavier  lebt  eine  warme  Musikseelc,  ein  vornehmes  EmpHnden.  Wir 
hSren  aus  ihnen  und  aus  so  manchen  Liedern  die  Stimme  eines  fein  besaiteten  Ton- 
dichters, vernehmen  die  Sprache  eines  innigen  Gemüts,  es  klingt  uns  der  Ton  einer 
trtamerlacben  und  welchen  Seele  entgegen.  Durch  fast  alle  zieht  dieser  Ton,  der 
UBS  ein  Empfinden  icündet,  das  nur  sinnigen  Naturen  eigen  Ist. 

Ich  erinnere  nur  an  die  Skizzen  op.  13,  «n  die  Phantasiestücke  op.  14,  an  die 
.Stillen  Stunden"  op.  56,  die  neuen  Davidsbündlertinze  op.  18,  die  ein  würdiges  Seltenstück 
tn  Schumanns  gleichnamigem  Werk  bilden.  Ferner  an  die  .Nachklänge'  op.  53,  die 
an  der  Spitze  des  Titelblails  die  Namen  Florestan  und  Euseblus  tragen,  die  dann  wieder 
Ihre  gegensltzllche  Stimmung  in  den  Klavierstücken  op.  24  mit  der  OberschHFt  .Still 
und  bewegf  finden.  Zu  den  schönsten  Eingebungen  seines  Künstlergelstes  gehSren 
aber  die  „Nacblbilder"  op.  25  und  die  .Romantischen  Geschichten"  op.  73,  die  manchen 
(cmetassmeD  Zug  mit  Schumanns  Novelletten  aufweisen.  Den  zebn  Klavierstücken 
.Ant  trCben  Tagen*  op.  32  stehen  dann  wieder  die  bellen,  heiteren,  neckischen 
Humoresken  op.  48  und  die  graziSsen  Capricen  op.  27  gegenüber.  Lauter  Dichtungen, 
die  XU  lUn  empfunden,  zu  vornehm  In  ibrem  ganzen  Habitus  waren,  um  Im  vulglren 
Sinne  popollr  zu  werden.  Kirchner  sprach  sich  selbst  einmal  In  einem  Brief  an 
Tiltaelm  Klenil  über  sein  Schaffen  aus:  .Nur  so  viel  kann  Ich  Ihnen  sagen,  dass  ich 
lUle  meine  kleinen  Sachen  wirklich  empfunden  und  nicht  geschmiert  und  oft  mehr 


116 
DIE  MUSIK  III.  2. 


Zeit  dazu  gebraucht  habe,  ein  kleines  StuclEchen  fix  und  fertig  hinzustellen,  als  es 
nachtriglich  erscheinen  mag.* 

Als  LiederlEomponist  hat  uns  Kirchner  auch  manchen  liostbaren  Schatz  hinter- 
lassen. Ich  rechne  dazu  nicht  gerade  die  Gesinge  op.  1  und  3,  aber  die  Lieder  op.  40 
und  50,  von  denen  die  ersten  seinem  Freunde  Franz  v.  Holstein  gewidmet  sind,  sowie 
das  herrliche  als  op.  67  erschienene  .Liebeserwachen*.  Weniger  bedeutsam  sind  die 
Novelletten  op.  59  fQr  Klavier,  Violine  und  Cello,  die  beiden  Trio-Serenaden,  das 
Streich-Quartett  in  G-Dur  op.  20  wie  seine  übrigen  Klaviermusik -Werlie,  wenigstens 
zeigen  sie  uns  Kirchner  nicht  auf  der  Höhe  seines  Schaffens.  Schreibt  er  doch  selbst 
einmal:  «Ob  besondere  Neigung  und  Faulheit  oder  Ungeschicklichkeit  mich  immer 
wieder  aufe  Klavier  hinweisen,  und  für  dieses  hauptsichlich  in  kleinen  Formen  mich 
bewegen  Hessen  —  wer  weiss  es  genau?*  Er  wusste  es  aber  ganz  genau,  warum  er 
es  ut,  warum  es  ihn  immer  wieder  zum  Klavier  hinzog,  zum  kleinen  Genrestück,  zum 
«liedmissig  gegliederten*  Charakterstück  für  Klavier.  In  diesen  kleinen  Formen  hat 
Kirchner  nach  Schumann  das  genialste  und  bedeutendste  geschaffen.  Und  im  Kleinen 
gross  zu  sein,  ist  nur  ein  Vorrecht  des  echten  Künstlers. 

Doch  noch  eine  Seite  von  Kirchners  künstlerischer  Titigkeit  möchte  ich  hervor- 
heben: seine  Klavier-Arrangements  von  Schumannschen,  Brahmsschen  und  Franzschen 
Gesingen,  die  Transcriptionen  der  Symphonien  Schumanns  und  der  Klaviermusik- 
werke zu  vier  Hinden  für  die  Edition  Peters;  femer  die  ausgezeichnete  Umarbeitung 
der  beiden  Streich-Sextette  von  Brahms  für  Klavier,  Geige,  Cello,  die  Transcription 
des  Schumannschen  Faust  und  des  Deutschen  Requiems  von  Job.  Brahms  für  Klavier 
allein.    In  diesen  und  andern  Bearbeitungen  steht  Kirchner  einzig  da. 

Der  Verstorbene  war  in  der  Schule  der  grossen  Meister  aufgewachsen,  und  in 
ihnen  wurzelte  er  mit  allen  Fasern  seines  musikalischen  Empfindens;  eine  innere 
Fühlung  vermochte  er  mit  jener  Richtung  niemals  zu  finden,  die  sich  an  Berlioz,  Uszt, 
die  Weimarer  Schule  und  ihre  Nachfolger  sowie  an  Richard  Wagner  anschloss.  Nur 
für  Richard  Strauss  bezeugte  er  ein  lebhaftes  Interesse,  und  wenn  er  sich  auch  gerade 
nicht  intimer  mit  seinem  Schaffen  befreunden  konnte,  so  sprach  er  doch,  wenigstens 
mir  gegenüber,  stets  mit  grösster  Anerkennung  über  ihn.  Für  Kirchner  war  mit 
Johannes  Brahms  das  letzte  Glied  der  Kette  eingefügt,  die  mehr  als  zwei  Jahrhunderte 
die  ruhmreichste  und  bedeutendste  Periode  deutscher  Musikgeschichte  umschloss.  Mit 
diesem  Meister  verband  Kirchner  eine  innige  Freundschaft,  fand  er  doch  auch  bei 
Brahms  ein  volles  Verstindnis  für  seine  Schumannverehrung.  Im  Sommer  1865 
lernten  sich  die  beiden  Manner  in  Baden-Baden  kennen,  und  bald  wurden  sie  intime 
Freunde.  Und  Kirchner  hat  ihm  die  Freundschaft  treulich  gehalten  und  ist  für  die 
Werke  von  Brahms  überall  und  zu  jeder  Zeit  mit  Wort  und  Tat  eingetreten.  Er  war 
auch  einer  der  ersten,  die  das  d-moIl-Konzert  op.  15  öffentlich  vortrugen.  Ober  das 
Klavier-  und  Orgelspiel  Kirchners  habe  ich  kein  Urteil;  ich  lernte  ihn  als  Pianist  zu 
einer  Zeit  erst  kennen,  da  er  als  ausübender  Künstler  wohl  nicht  mehr  auf  der  Höhe 
stand.  Minner  wie  Stockhausen  und  Brahms  scheinen  aber  auch  den  ausübenden 
Künstler  in  Kirchner  sehr  geschitzt  zu  haben,  der  in  den  fünfziger  Jahren  mit  Franz 
Liszt,  der  zum  Besuche  seines  Freundes  Wagner  in  Zürich  eingetroffen  war,  in  vier- 
hindiger  Bearbeitung  dem  Meister  die  Manfred-Ouvertüre  und  die  d-moll-Symphonie 
vorspielte,  um  ihn  für  Schumann  zu  gewinnen;  es  gelang  ihnen  aber  nicht,  die  Anti- 
pathie Wagners  gegen  seinen  Landsmann  zu  überwinden.  Auch  ein  Hans  von  Bülow 
schitzte  Theodor  Kirchner  hoch,  der  ausserdem  einen  seltenen  Verstand,  ein  immenses 
Wissen,  eine  oft  imponierende  Offenherzigkeit,  die  gründlichste  Kenntnis  der  Literatur 
und  eine  Schirfe  der  Kritik  besass,  die  zuweilen  die  ganze  Umgebung  verstummen 


117 
SITTARD:  THEODOR  KIRCHNER 


macbte.  Er  nahm  kein  Blatt  vor  den  Mund  und  war  ein  Freund  der  |oldenen 
Rficksichttlosigkeltes.  Kirchner  war  fiberbaupt  kein  Mann  der  Kompromiise  und  ein 
Hofmann  vollends  nicht. 

In  Hamburg  landete  er  1890  nach  langer  Irrfahrt,  denn  vom  Jahre  1872  an 
begannen  tir  ihn  die  Zeiten  unruhigen  Tandema  nnd  schwerer  Sorgen  um  die  Existenz. 
Tie  viel  er  selbst  veracbaldct,  dies  zu  erSrtem  Ist  nicht  meine  Au^abe.  In  der  alten 
Hsnsestadt  wsr  nsn  )n  den  kunatft«un dllchen  Kreisen  bemüht,  dem  Greise  die  letzten 
Lebensjahre  sorglos  lu  gestalten.  Trotzdem  der  hst  Achtiigjihrige  durch  mehrere 
Schlsganfllle  geschwicht  und  der  Sprache  hat  ginillch  beraubt  war,  sah  man  noch 
Im  vergangenen  Frühjahr  in  den  grossen  Konzerten  die  hohe  Gestsit  mit  dem 
charakteristisch  CO  Beethovenkopf  Im  Ssal  des  Konventgarten  sitzen  und  den  Auf- 
fObrungen  mit  Interesse  ttolgen.  Wer  dss  GIQck  hstte,  dem  vom  Schicksal  stieftnfltterlich 
behandelten  Künstler  niher  zu  treten,  seiner  geistreichen  Unterhaltung  und  dem  oft 
scharfen,  mit  Bülowscher  Ironie  und  einer  starken  Dosis  Ssrkssmus  gewfinten  Urteil 
zu  lauschen,  wird  dem  Dahingeschiedenen  ein  fteundllches  Andenken  bewehren,  und 
such  die  Musikgeschichte  wird  seinen  Namen  festhstten. 


DAS  DEUTSCHE  LIED  IM  18.  JAHR 
HUNDERT 

QUELLEN  UND  STUDIEN  VON  MAX  PRIEDLÄNDER 
Besprochen  von  Dr.   Leopold  Schmidt-Berlin 


l^em  lebhafteren  und  allgemeineren  Interesse,  das  im  Vergleich 
früheren  Zeilen  das  19.  Jahrhundert  der  Tonkunst  ent- 
I  gegengebracht  hat,  ist  es  zu  danken,  dass  den  übrigen  Kunst- 
vissenscbaften  als  jüngste  nun  auch  die  Musikforschung  sich 
zugesellt  hat.  Freilich,  sowohl  die  Musiktheorie  vie  die  musikalische 
Ästhetik  stecken  noch  gar  sehr  in  den  Annngen,  und  besonders  die  histo- 
rische Forschung,  die  in  streng  wisseoschaftlicher  Weise  Icaum  länger  als 
einige  Jahrzehnte  betrieben  wird,  hat  weile  und  wichtige  Gebiete  noch  un- 
berührt gelassen.  Das  gilt  nicht  nur  vom  Mittelalter,  aus  dessen  erster  Hälfte 
die  Überlieferungen  überdies  nur  spärlich  Blessen;  auch  unsere  Kenntnis  der 
neueren  Musik  ist  in  vielen  Beziehungen  eine  lückenhafte.  Dieser  Obel- 
stand  ist  oft  mit  Recht  beklagt  worden;  der  Mangel  an  Vorarbeiten  macht 
sich  dem  Spezial  forscher  überall  empfindlich  bemerkbar.  Viel  zu  vieles 
wird  ungeprüft  nachgesprochen,  und  jeder  Schritt  vorwärts  in  das  Docb 
unbebaute  Land  lehrt  uns,  dass  wir  unsere  Urteile  modifizieren  müssen. 

Diese  Sachlage  gibt  einem  Buch,  wie  dem  von  Max  Friedländer  um 
die  Jahreswende  veröffentlichten,*)  eine  alle  kritischen  und  ästhetislerenden 
Schriften  überragende  Bedeutung.  .Quellen  und  Studien"  sind  vorläufig 
das,  wessen  wir  am  dringendsten  benötigen.  Nur  durch  Erweiterung  und 
Veniefung  der  faistoriscben  Kenntnis  können  wir  auch  in  der  Kritik 
fortschreiten  und  uns  davor  schützen,  im  Phrasentum  und  in  vorgefassten 
Meinungen  befangen  zu  bleiben. 

Friedländer  hat,  wenn  man  will,  sich  ein  bescheidenes  Ziel  gesteckt: 
dem  Liede  des  18.  Jahrhunderts  gelten  seine  Untersuchungen.  Gegenüber 
der  Blüte  des  deutschen  Liedes  im  16.  Jahrhundert  bedeutet  allerdings  die 
geschilderte   Zeit   einen    Tiefetand;    auch    an   den    Aufechwung,   den    die 

>)  Vfrlig:  J.  G.  Conuche  Buchhandlung  Nichfolger,  Stuten  and  Berlin,  1902. 


119 
SCHMIDT:  DEUTSCHES  LIED  IM  18.  JAHRHUNDERT 


■i 


S 


lyrische  Produktion  seit  Schubert  genommen  hat,  darf  man  nicht  denken, 
wenn  man  jener  gerecht  werden  will.  Aber  für  die  geschichtliche  Betrach- 
tung ist  die  Entwicklung  eine  kontinuierliche,  und  wo  es  sich  darum 
handelt,  sie  unsrer  Kenntnis  zu  erschliessen,  gibt  es  keine  verschiedenen 
Grade  der  Wichtigkeit.  Und  dann:  jene  Zeit  mit  ihren  bis  zur  Dürftigkeit 
einfachen,  oft  zopfigen  und  trockenen  Weisen  war  ein  notwendiger  Über- 
gang, sie  hat  den  Boden  bereitet  und  den  Keim  gelegt  der  üppigen  Blüte, 
zu  der  das  klavierbegleitete  einstimmige  Lied  bei  modernen  Tonsetzern 
sich  entfaltet  hat.  Friedländer  ist  es  nun  geglückt,  diese  hundert  Jahre 
vorbereitender  Entwicklung  in  ein  helles  Licht  zu  rücken.  In  jahrelanger 
Sammelarbeit  hat  er  das  Material  zusammengetragen,  das  bisher  in  alle 
Winde  verstreut,  zum  grössten  Teil  so  gut  wie  unbekannt  war,  über  das 
selbst  jede  Übersicht,  von  dem  jede  zusammenhängende  und  ordnende 
Darstellung  gefehlt  hat.  In  der  Vermittlung  der  Quellen,  die  wir  ihm 
danken,  in  der  klaren  Abgrenzung  und  sorgfältigen  Durcharbeitung  des 
Ganzen  erblicke  ich  die  Hauptvorzüge  und  den  eigentlichen  Wert  des  Buches. 

Der  behandelte  Stoff  brachte  es  mit  sich,  dass  nicht  die  musikalische 
Entwicklung  allein  in  den  Bereich  der  Untersuchung  gezogen  wurde.  Wie 
Oper  und  Oratorium  nur  im  Zusammenhang  mit  der  Literaturgeschichte 
eine  erschöpfende  Darstellung  erfahren,  so  ist  auch  eine  Geschichte  des 
Liedes  nicht  von  der  der  zeitgenössischen  Lyrik  zu  trennen.  Ihre  Doppel- 
natur macht  die  Aufgabe  besonders  schwierig,  aber  auch  um  so  reiz- 
voller. Die  Verbindung  von  Dicht-  und  Tonkunst  im  Licdc  bedingt  es, 
dass  weder  der  Musiker  noch  der  Literaturhistoriker  für  sich  allein  diese 
Aufgabe  lösen  kann.  Nur  ein  auf  beiden  Gebieten  Bewanderter  durfte 
sie  in  Angriff  nehmen.  Die  äussere  Form  der  Darstellung  konnte  von 
verschiedenen  Gesichtspunkten  gestaltet  werden;  Friedländer  hat  sich  für 
eine  gesonderte  Abhandlung  beider  Faktoren,  des  musikalischen  wie  des 
literarischen,  entschieden.  Eine  Verschmelzung  beider  wäre  denkbar  und 
hätte  den  Reiz  der  Lektüre  erhöht,  wohl  auch  manche  Punkte  wirksamer 
hervorgehoben.  Indessen  die  gewählte  Zweiteilung  des  Stoffes  hat  ihrerseits 
zweifellos  viel  Praktisches  für  sich.  Das  Raisonnement  ist  —  abgesehen 
von  dem  einleitenden  Essay,  auf  den  wir  noch  zu  sprechen  kommen  —  auf 
einen  bescheidenen  Raum  beschränkt;  einzelne  Teile  des  Werkes  sind  von 
lexikalischer  Knappheit.  Wo  aber  der  Verfasser  sich  reflektierend  äussert, 
geschieht  es  in  der  ihm  eigenen  vornehmen  Weise  und  in  echt  wissen- 
schaftlichem Geist,  der  aus  den  Tatsachen  allgemeine  Gesichtspunkte  zu 
gewinnen  weiss. 

Gibt  der  bibliographische  Inhalt  dem  Buche  seine  Bedeutung,  und 
war  seine  Aufstellung  die  leitende  Absicht  des  Verfassers,  so  ist  damit 
keineswegs    gesagt,    dass    wir   es   hier    lediglich    mit    einem    mit    Rand- 


120 
DIE  MUSIK  111.  2. 


bemerkungen  versehenen  Queilenwerk  zu  tun  haben.  Dem  Leser  wird 
darüber  hinaus  noch  etwas  wesentlich  anderes  geboten.  Wie  der  zur 
Untersuchung  stehende  Zeitabschnitt  nicht  losgelöst  von  seiner  Umgebung, 
sondern  im  Zusammenhang  mit  der  gesamten  Entwicklung  behandelt  wird, 
indem  eine  ausgedehnte  Einleitung  und  viel  verstreute  historisch-kritische 
Bemerkungen  das  Bild  ergänzen,  so  werden  auch  die  reichen  Ergebnisse 
der  Forschung  nicht  leblos  ausgebreitet.  Dadurch,  dass  alles,  was  zu  den 
verschiedensten  Zeiten  und  an  den  verschiedensten  Orten  über  die  Lieder 
und  ihre  Komponisten  gesagt  worden,  auf  das  sorgfSltigste  zusammen- 
getragen ist,  erfahren  wir  zugleich  Wissenswertes  fiber  ihre  Wirkungen 
auf  Zeitgenossen  und  spätere  Generationen;  der  Bericht  gibt  femer  Aus- 
kunft fiber  die  Lebensschicksale  und  die  ästhetischen  Anschauungen  der 
Autoren;  indem  endlich  die  Lieblinge  der  Zeit  an  uns  vorfiberziehen, 
wird  das  musikalische  Treiben  unsrer  Vorfahren  und  das  milieu,  das  ihm 
entsprach,  geschildert  und  ein  Bild  von  kulturhistorischem  Interesse  ent- 
rollt. So  wird  die  Chronik  häufig  zur  lebendigen  Geschichte,  zur  Ge- 
schichte des  deutschen  Liedes,  wie  sie  so  eingehend  und  vollständig,  so  in 
inniger  Verbindung  mit  den  literarischen  Bewegungen  der  Zeit  bisher  noch 
niemand  zu  schreiben  versucht  hat.  Dieses  Ergebnis  liegt  freilich  nicht 
an  der  Oberfläche;  man  muss  durch  wiederholte  Beschäftigung  mit  dem 
Werke,  mit  allen  Einzelheiten  der  Darstellung  vertraut  sein,  um  sie  in 
dem  angedeuteten  Sinne  auf  sich  wirken  zu  lassen. 

Von  der  Reichhaltigkeit  des  Materials  kann  man  sich  einen  Begriff 
machen,  wenn  man  den  Umfang  der  zwei  Bände  betrachtet.  Der  erste 
umfasst  744  Seiten,  von  denen  384  auf  die  Bibliographie,  360  auf  die 
Musikbeispiele  entfallen;  der  zweite,  der  die  Dichtungen  behandelt,  ist 
632  Seiten  stark.  So  gross  war  immerhin  die  Ernte  aus  einem  Jahrhundert, 
dessen  Stärke  nicht  einmal  auf  dem  Gebiet  der  Liedproduktion  lag. 
Dem  ersten  Band  vorausgeschickt  ist  der  schon  erwähnte  einleitende  Essay. 
Dieser  «vorbereitende  Versuch*,  wie  ihn  Friedländer  vorsichtig  nennt,  ist 
mit  der*  interessanteste  Teil  des  ganzen  Werkes,  ein  Abriss  der  Geschichte 
des  deutschen  Liedes  von  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  bis  zur  Gegen- 
wart. Immer  auf  Grund  der  Quellen,  die  freilich  für  die  ersten  100  Jahre 
viel  spärlicher  fliessen  als  für  die  spätere  Zeit,  entwirft  Friedländer  ein 
Bild  der  Entwicklung  und  reiht  die  Ergebnisse  der  einzelnen  Speziai- 
forschungen  zu  einem  fesselnden  Ganzen  aneinander.  Auf  die  Zeit  der 
Madrigalisten,  auf  das  geistliche  Lied  und  die  Choralkomposition,  auf  die 
Wechselwirkung  zwischen  kirchlicher  und  weltlicher  Musik  wird  im  Ver- 
lauf der  Darstellung  näher  eingegangen;  dabei  wirft  manch  scharfsinniges 
Urteil  neues  Licht  auf  diese  Dinge,  die  schon  durch  die  hier  zum  ersten- 
mal erfolgte  Zusammenstellung  ihre  Beziehungen  aufdecken  und  dem  Ver- 


121 
SCHMIDT:  DEUTSCHES  LIED  IM  18.  JAHRHUNDERT 


ständnis  näherrflcken.  Auch  in  dieser  allgemeinen  Übersicht  sind  die 
wichtigsten  Vorginge  in  Poesie  und  Literatur,  soweit  sie  sich  in  der  musi- 
kalischen Bewegung  widerspiegeln  oder  sie  beeinfiusst  haben,  stets  mit 
einbezogen.  Der  Anlage  entsprechend  endet  die  Einleitung  in  einem  kurzen 
Ausblick  auf  das  Schaffen  der  Neueren  bis  in  unsere  Zeit  hinein. 

In  der  ersten  Abteilung  des  ersten  Bandes  folgt  nun  das  Hauptstück 
der  Arbeit,  die  Bibliographie.  In  ihr  haben  wir  ein  Verzeichnis  der 
zwischen  1689  und  1709  im  Druck  erschienenen  deutschen  Liederkompo- 
sitionen, soweit  sie  der  Nachforschung  erreichbar  waren.  Es  sind  489,  mit- 
unter umfangreiche  Sammlungen,  von  denen  jede  einzelne  hier  genau  be- 
sprochen wird.  Natürlich  kann  auf  Vollständigkeit  kein  Anspruch  erhoben 
werden;  vermutlich  wird  aber  nur  sehr  weniges  späterhin  nachzutragen 
sein.  Welche  Mühe  es  machte,  das  alles  zu  sammeln  und  zu  sichten, 
kann  man  sich  denken.  Alle  Bibliotheken  Deutschlands,  auch  einige  aus- 
ländische und  mancher  Privatbesitz  haben  Beiträge  zu  diesem  Quellenwerk 
geliefert,  das  an  Reichhaltigkeit  und  Zuverlässlichkeit  seinesgleichen  in  der 
musikalischen  Literatur  sucht.  Der  Bericht  gibt  Auskunft  nicht  nur  über 
Titel  und  Publikationszeit  und  Ort  der  wichtigsten  Auflagen  aller  Werke, 
sondern  auch  über  die  äussere  und  innere  Gestalt  der  einzelnen  Gesänge, 
über  ihre  Texte,  ihre  Schicksale,  über  allerlei  Wissenswertes,  das  auf  sie 
Bezug  hat.  Kurz,  eine  Unsumme  von  minutiösester  Arbeit  ist  hier  ge- 
leistet und  ein  Material  gesammelt,  wie  wir  es  wohl  auf  keinem  anderen 
Gebiete  der  Musikgeschichte  besitzen. 

Ein  interessantes  Bild  gewinnt  man  aus  dem  Vergleich  der  Ziffern, 
die  sich  für  die  verschiedenen  Abschnitte  des  18.  Jahrhunderts  aus  der 
Anzahl  der  Drucke  ergeben.  Ein  stetiges  Anwachsen  der  Produktion  lässt 
sich  verfolgen.  Aus  den  Jahren  1689 — 1710  sind  uns  nur  6  Publikationen 
erhalten.  Bis  1727  folgt  dann  ein  Zeitraum,  in  dem  das  Lied  zu  schlummern 
scheint;  aber  es  scheint  nur  so,  denn  wahrscheinlich  lässt  es  sich  in  der 
noch  undurchforschten  Literatur  der  Solokantaten,  der  Opern  und  Oratorien 
nachweisen.  1750 — 60  verzeichnet  der  Bericht  bereits  44  Sammlungen, 
bis  1780  ist  die  Zahl  auf  106  angewachsen,  und  für  die  letzten  beiden 
Jahrzehnte  möchte  der  Verfasser  nicht  annähernd  mehr  für  Vollständigkeit 
einstehen,  so  sehr  geht  die  Entwicklung  ins  Breite. 

Aus  der  Fülle  des  Materials  heben  sich  durch  ihre  Bedeutsamkeit  oder 
durch  die  liebevollere  Behandlung,  die  sie  erfahren,  einzelne  Erscheinungen 
heraus.  Auf  den  wenig  bekannten  Philipp  Heinrich  Erlebach  wird  als  einen 
verdienstvollen  Vorgänger  Bachs  hingewiesen,  auch  für  den  wahrschein- 
lich lange  nicht  nach  Gebühr  geschätzten  Telemann  eine  Lanze  gebrochen. 
In  ihrer  Zeit  weitverbreitete  Sammlungen,  wie  das  „Augsburger  Tafel- 
konfect*  (1733)  oder  Sperontes'  , Singende  Muse  an  der  Pleisse*  (1736—45) 


122 
DIE  MUSIK  III.  2. 


werden  eingehend  erörtert,  ihr  Wesen  und  Einfluss  klargelegt.  War 
Sperontes'  Werk  eine  Sammlung  beliebter  Kompositionen  (zum  Teil  sogar 
instrumentaler  Herkunft),  denen  neue  Texte  untergelegt  sind,  so  schlug 
Gräfe  in  seinen  beifällig  aufgenommenen  Liederbüchern  den  umgekehrten 
Weg  ein:  er  sammelte  beliebte  Gedichte  und  setzte  sie  im  Verein  mit  vier 
anderen  Komponisten  in  Musik.  Eine  dritte,  sehr  wichtige  Sammlung  ist 
die  von  Hagedorn-Görner.  Man  muss  es  Friedländer  Dank  wissen,  dass 
er  auf  das  sinnige  Kompositionstalent  Joh.  Valentin  Gömers  wieder  auf- 
merksam gemacht  hat.  Die  Gesänge  dieses  zarten  Tonpoeten  sind  mit  das 
Erfreulichste,  was  die  vorklassische  Epoche  des  Liedes  hervorgebracht  hat. 
Traurig  dagegen  ist  der  Eindruck,  den  das  Schaffen  der  sogenannten  Berliner 
Schule  macht,  obgleich  diese  über  die  Theorie  des  Liedes  manches  Zutreffende 
aufgestellt  hat.  Die  Werke  der  Krause,  Quantz,  Agricola,  Graun,  Kirn- 
berger  und  Genossen  zeichnen  sich  meist  durch  phantasielose  Trockenheit 
und  philiströses  Wesen  aus.  Trotzdem  weiss  der  Verfasser  auch  hier 
freundliche  Zfige  hervorzuheben,  weil  er  überall  das  Gute  liebevoll  auf- 
sucht und  sich  der  historischen  Bedeutung  bewusst  ist,  die  ein  Kunstwerk 
unabhängig  von  der  rein  artistischen  besitzen  kann.  Im  weiteren  Verlaufe 
der  Darstellung  ziehen  u.  a.  Ph.  Emanuel  Bach,  Hiller,  Reichardt,  Andr6, 
Neefe  (der  Lehrer  Beethovens),  J.  A.  P.  Schulz,  der  jüngere  Kunzen,  Benda, 
Gluck,  Haydn,  Mozart,  Zumsteeg  und  Zelter  an  uns  vorüber.  Auf  die 
Berührungspunkte  zwischen  Zelter  und  dem  Balladenmeister  Loewe  wird 
feinfühlig  hingewiesen.  Friedr.  Nicolai  ist  ausführlicher  behandelt  um 
seines  »feinen  kleinen  Almanachs**  willen,  der  auf  dem  Umweg  über 
Kretzschmar  und  Zuccalmaglio  bis  in  die  Neuzeit  hinein  seinen  Einfluss 
geübt  hat.  Als  einer  der  wichtigsten  Vertreter  Österreichs,  wo  das  Lied 
wesentlich  später,  dann  aber  um  so  üppiger  zur  Blüte  gelangte,  ist  der 
liebenswürdige  Anton  Steffan  genannt,  in  dessen  Musik  man  schon  mit  der 
Schuberts  verwandte  Züge  zu  entdecken  glaubt.  Endlich  sind  auch  einige 
französischen  Chansons  mit  einbezogen,  die  zwar  nicht  zu  unserer  Lied- 
literatur gehören,  aber  in  Deutschland  so  verbreitet  waren,  dass  sie  hier 
nicht  fehlen  durften. 

Die  Bibliographie  findet  ihre  Ergänzung  und  gewissermassen  ihre 
Illustration  in  der  zweiten  Abteilung  des  ersten  Bandes,  in  der  die  Musik- 
beispiele untergebracht  sind.  Natürlich  konnten  nicht  annähernd  alle 
Autoren  berücksichtigt,  vielmehr  konnte  nur  eine  gedrängte  Auslese  dar- 
geboten werden.  Die  Zusammenstellung  ist  jedoch  so  geschickt,  dass  die 
236  Nummern  eine  ziemlich  klare  Obersicht  über  die  Liedproduktion  des 
18.  Jahrhunderts  gewähren.  Das  subjektive  Moment,  das  sich  auch  sonst 
bei  dieser  Arbeit  nicht  völlig  ausschalten  Hess,  macht  sich  naturgemäss 
bei   der   Auswahl   der  Beispiele  am   meisten   geltend.     Wer  das  gesamte 


123 
SCHMIDT:  DEUTSCHES  LIED  IM  18.  JAHRHUNDERT 


Material  kennt,  wfirde  vielleicht  hier  und  da  andere  Stücke  bevorzugen ;  das 
bleibt  eben  Sache  des  individuellen  Geschmacks.  Im  ganzen  neigt  Fried- 
lander zur  Überschätzung ;  der  weitaus  grösste  Teil  dieser  Gesänge  ist  für 
unser  Empfinden  nicht  mehr  zu  retten.  Für  praktische  Zwecke  würde  es 
sich  empfehlen,  aus  dieser  Literatur  eine  Anthologie  nach  rein  musikalischen 
Kriterien  herzustellen.  Die  gebotene  Sammlung  von  Beispielen  hat  meines 
Erachtens  mehr  den  Zweck  eines  wissenschaftlichen  Belegs  und  kommt  als 
solcher  dem  Buche  zu  statten,  weil  die  Ergebnisse  historischer  Forschung 
durch  lebendige  Kunstanschauung  nur  gewinnen  können.  Ihren  Wert  er* 
höht  noch  der  Umstand,  dass  fünf  Sechstel  der  Lieder  hier  zum  erstenmal 
im  Neudruck  erscheinen.  Die  ursprüngliche  Fassung  ist  dabei  gewahrt; 
nur  hier  und  da  sind  in  diskreter  Weise  durch  den  Druck  kenntlich  ge- 
machte Mittelstimmen  hinzugefügt.  Wenn  Friedländer  dagegen  sich  für 
die  Übertragung  in  moderne  Schlüssel  und  Schreibweise  entschlossen  hat, 
so  wird  man  das  im  Hinblick  auf  den  Leserkreis,  an  den  er  sich  wendet, 
gerechtfertigt  finden. 

In  dem  umfangreichen  dritten  Teil,  der  den  zweiten  Band  füllt,  tritt 
das  kunstgeschichtliche  Interesse  hinter  das  philologische  ganz  erheblich 
zurück.  Der  Verfasser  beschäftigt  sich  eingehender  als  irgend  ein  Musik- 
forscher vor  ihm  mit  der  Literatur  und  kommt  zu  Resultaten,  die  haupt- 
sächlich für  Germanisten  von  Wichtigkeit  sind.  Es  ist  ihm  gelungen, 
Irrtümer  aufzudecken  und  den  Stand  der  Kenntnisse  durch  neue  Ergebnisse 
seiner  Studien  zu  fördern.  Von  den  wichtigsten  Texten,  die  eine  Rolle 
in  der  Geschichte  des  Liedes  spielen,  wird  der  Ursprung  nachgewiesen  und 
der  Wortlaut  der  Varianten  angeführt.  Das  Interessante  liegt  hier  in  der  Fülle 
des  Details.  Darüber  hinaus  scheint  mir  die  Bedeutung  dieses  Teiles,  der 
vorwiegend  statistischen  Charakters  ist,  nicht  zu  gehen.  Im  Grunde  ist 
die  Kenntnis,  wie  oft  und  von  wem  ein  Text  komponiert  worden  ist,  so 
willkommen  sie  für  praktische  Zwecke  sein  kann,  doch,  schon  weil  sie 
nie  vollständig  ist,  von  untergeordneter  Bedeutung.  Von  Günther  bis 
Goethe  sind  viele  hundert  Texte,  chronologisch  geordnet,  in  dieser 
Weise  behandelt,  wobei  allerdings  die  Charakterisierung  der  Kompositionen, 
die  Friedländer  an  dieser  Stelle  bis  in  die  Gegenwart  verfolgt,  und  die 
daran  geknüpfte  Kritik  die  Darstellung  lebendig  erhalten.  Einzelne  Unter- 
suchungen treten  bedeutsam  heraus:  so  die  Abschnitte  über  «Erwache 
Friedrike*  oder  «Ich  liebte  nur  Ismenen*,  über  «Gott  erhalte*,  über 
«Freude,  schöner  Götterfunken*  und  die  Geschichte  des  Grossvater- 
tanzes. Vielleicht  liegt  der  grösste  Wert  dieser  Ermittelungen  darin,  dass 
wir  die  Schicksale  der  deutschen  Dichtung  in  der  Musik  verfolgen  und 
erkennen  können,  wie  das  Fortleben  der  Poesie  oft  allein  der  Ton- 
kunst  zu   verdanken    ist.     Zugleich    haben    wir   hier   eine    Art    Lexikon, 


124 
DIE  MUSIK  III.  2. 


das    über    die   Beziehungen    der   Dichter   zur   Musik   erschöpfende   Auf- 
klärung gibt. 

Eine  Reihe  von  Registern  vervollständigen  den  zweiten  Band.  Von 
allgemeinem  Interesse  ist  die  Statistik  über  die  Kompositionen,  die  von 
den  Liedern  jedes  Dichters  bis  1800  nachweisbar  sind.  Aus  diesem  Anhang 
ergibt  sich  ein  Bild,  das  für  den  Geschmack  der  Zeit  bezeichnend  ist 
Während  Lessing  119  mal,  Schiller  nur  43  mal  in  Musik  gesetzt  ist,  finden 
wir  185  Vertonungen  Goethescher  Lieder.  Überflügelt  aber  werden  diese 
von  Claudius  (194  mal),  Holty  (188  mal)  und  Voss  (186  mal).  Noch  Aus- 
gangs des  Jahrhunderts  sind  nicht  die  Klassiker  die  Lieblinge  der  Musiker, 
sondern  Geliert,  Weisse,  Gleim,  Bürger,  Hagedom  usw. 

Wir  sind  am  Ende  unserer  Betrachtung.  Für  die  Allgemeinheit  bietet 
die  Lektüre  des  Werkes  ohne  Zweifel  eine  Steigerung.  Die  Beispiele  der 
musikalischen  Entwicklung  wirken  lebendiger  als  ihre  Chronik,  und  die 
vielen  interessanten  Untersuchungen  des  dritten  Teiles  sind  einem  weiteren 
Kreise  als  dem  der  Musiker  und  Musikgelehrten  zugänglich.  Bei  einer 
wissenschaftlichen  Bewertung  stellt  sich  jedoch  das  Verhältnis  umgekehrt 
dar:  da  steht  der  erste  Teil  mit  seinem  reichen  Quellenmaterial  obenan. 
Der  vornehme  Geist,  der  in  dem  Buche  herrscht,  verleugnet  sich  auch 
darin  nicht,  dass  der  Verfasser,  obwohl  Autorität  auf  seinem  Gebiete,  sich 
nie  zur  Polemik  verleiten  lässt  —  oder  doch  fast  nie.  Nur  einmal  —  um 
auch  diesen  Punkt  zu  erwähnen  —  wo  es  sich  um  das  ihm  teure  Volks- 
lied handelt,  wendet  er  sich  gegen  vermeintliche  Fälschungen,  deren 
sich,  auf  Nicolai-Zuccalmaglio  fussend,  Brahms  in  seinen  Bearbeitungen 
schuldig  gemacht  haben  soll.  Friedländer  vertritt  dabei  den  Standpunkt 
derer,  die  für  die  Definition  des  Volksliedes  auf  negative  Merkmale,  auf 
das  Fehlen  der  Autorschaft,  nicht  verzichten  wollen.  Man  kann  aber  sehr 
wohl  dieser  Definition  eine  andere,  positive,  entgegensetzen,  die  sich  nur 
an  die  artistischen  Werte  hält,  Werte,  die  auch  ein  lebender,  wohlbekannter 
Komponist  prägen  kann.  Die  eine  Definition  fliesst  aus  philologischem 
Geiste,  die  andere  aus  künstlerischem  Empfinden.  Nach  der  einen  würde 
ein  Volkslied  aufhören  Volkslied  zu  sein,  wenn  nachträglich  der  Autor 
bekannt  würde;  nach  der  andern  ruht  sein  Wesen  in  ihm  selber  unab- 
änderlich begründet.  Legt  man  diese  künstlerische  Definition  des  Volks- 
liedes seiner  Kritik  zugrunde,  so  fallen  die  gegen  Brahms  —  in  aller  Ehr- 
erbietung —  erhobenen  Vorwürfe,  denn  wie  wenige  hatte  gerade  dieser 
Meister  ein  feines  und  sicheres  Empfinden  für  das  Volkstümliche  und 
Nationale  in  der  Musik. 

Solche  oder  ähnliche  Ausstellungen  betreffen  jedoch  nur  Unwesent- 
liches und  tun  der  Wertschätzung  des  Buches  keinen  Abbruch.  Die  «Quellen 
und  Studien **  gehören  zu  den  Werken,   die  es  vertragen,  dass  man  auch 


—^  125 

C^PO    SCHMIDT:  DEUTSCHES  LIED  IM  18.  JAHRHUNDERT  Q^^J 

ihre  vielleicbt  anfechtbaren  Punkte  diskutiert.  Nach  Form  und  Inhalt  sind 
sie  eine  vereinzelte  Erscheinung  in  der  noch  jungen  musikgeschichtlichen 
Literatur.  Erst  wenn  in  «leicher  Weise  weitere  Gebiete  bearbeitet  sind,  wird 
der  eingangs  beklagte  Missstand  zu  schwinden  beginnen.  Deshalb  ist  es  zu 
wünschen,  dass  Friedländer  auf  dem  betretenen  Wege  weiterschreiten  und 
andere  ihm  folgen  mögen.  Für  das  moderne  deutsche  Lied  ist  die  Grund- 
lage geschaffen.  Fallen  die  hier  gegebenen  Anregungen  auf  fruchtbaren 
Boden,  so  ist  dem  Verfasser  am  besten  gedankt  für  die  rastlose  Mühe  und 
Arbeit,  die  er  der  Erreichung  seines  Zieles  gewidmet  hat. 


■enn  eine  deutscbe  Musikzeitactarift  des  100.  Geburtstages  einer  Sio{eria 
1  gedenkt,  die,  veno  auch  deutschen  Ursprungs,  doch  In  enter  Reibe 
aur  der  italiealactaen  Bühne  gevlrkt  hat,  so  darf  angenommen  «erden, 
dass  dieser  Kfinstlerln  nicht  nur  gani  exieptlonelle  Ehren-Qualitiien 
I  eigen  gewesen,  sondern  dsss  auch  einige  Tatsachen  vorhanden  sind, 
die  die  Künstlerin  mit  deutschem  Musik-  und  Geistesleben  in  mehr  oder  minder 
innige  Beziehuag  bringen.  Diese  Tlelleichl  nicht  allgemein  bekannten  Momente  einem 
weiteren  Leserkreise  nitaer  2U  bringen,  soll  in  erster  Reihe  Zweck  dieser  Zeilen  sein. 
Caroline  Unger  —  sie  nannte  sich  spiterhln  Ungber,  well  die  Itsliener  sie  ja 
sonst  Undscher  genannt  haben  würden  ~  wurde  am  28.  Oktober  IS03  In  Stuhl- 
welssenburg  geboren  und  bat  Ihre  gesangliche  Ausbildung  von  Domenico  Ronconl  In 
Mailand  erhalten.  Die  Bühne  hat  sie  zuerst  1819  in  Tien  als  Cherubim  in  Bplgaros 
Hocbielt"  betreten  und  dann  bis  1825  dem  dortigen  Kirnmertbor-Theater  angehOrt. 
Obwohl,  wie  gesagt,  deutschen  Ursprungs  und  deutscher  Musik  in  technischer  wie 
Intellektueller  Beziehung  durchaus  nicht  ternstehend,  ist  sie  um  diese  Zelt  lur 
italienischen  Oper  Gbergegsngen,  die  damals  allerdings  bei  weitem  bessere  Aussichten 
bot,  hat  an  grossen  lisllenischen  Opembühnen  und  an  der  Salle  Ventadour  In  Paris 
gesungen  und  sich  auf  dem  Gebiet  hochdramstlscher  Sopran-Partieen  eine  erste 
Stellung  errungen.  Sie  hat  zweifellos  eine  grosse,  umfsngrelctae,  wenngleich  von 
Schirfe  nicht  freie  Stimme  besessen,  die  sie  auch  zur  Bewilligung  von  Meizosopran- 
Panleen  beflhlgte.  in  welch  hoher  Gunst  sie  mit  Ihrer  künstlerischen  Intelligeni 
und  dramatischen  Schlagkrafi  bei  den  damaligen  Italienischen  Komponisten  gestanden 
haben  muss,  geht  am  besten  daraus  hervor,  dass,  um  nur  einige  Namen  zu  nennen, 
Doniietti  für  sie  die  weiblichen  Hauptpartieen  in  Parisina,  Belisario  (Antonlna)  und 
Maria  dl  Rudenz,  Bellini  für  sie  La  Straniera  und  Pacinl  für  sie  die  Nlobe  geschrieben 
hat.  Eine  Rosslnische  Kriillc,  die  Arthur  Pougin  In  seinem  Supplement  zur  Fälisscben 
.Biographie  universelle  des  Muslclens"  anführt,  Ist  ein  wahrer  Panegyrikus.  .Ardeur 
du  Sud,'  heisst  es  da,  .Energie  du  Nord,  poltrine  de  bronze,  rolx  d'argönt,  tslent  d'or." 
Tir  werden  spiterhln  noch  sehen,  dass  dieser  Hymnus  doch  in  Tlrklichkelt  von  den 
Tatsschen  nicht  allzu  weit  entfernt  gewesen  sein  muss.  Anhng  der  1840er  Jahre 
hat  die  Singerin  sich  wieder  der  deutschen  Bühne  zugewendet,  sie  hat  von  1840  bis 
1842,  bereits  mit  dem  rranzaslschen  Schriftsteller  Ssbailer  verheiratet,  der  Dresdener 
Hofbüfane  angehart  und  dort  am  5.  September  1843  zum  letzten  Male  die  Bretter 
betreten.  Gestorben  ist  sie  im  Frühjahr  IST7  als  Rentiere  In  ihrer  Villa  in  Florenz. 
Kinder  hat  sie  nicht  gehabt;  ihr  Adoptivkind  war  die  llteren  Konzertbesuchem  noch 
In  angenehmster  Erinnerung  stehende  feinsinnige  Konzertsingerin  Anna  Regan. 
Tenn  leb  zunlcbst  der  Beziehungen  der  Künstlerin  zur  deutschen  Tonkunst 
gedenke,  so  Hegt  hier  wieder  einmal  einer  jener  nicht  seltenen  Fille  vor,  wo  der 
nach  schaffende   Künstler  von   dem   schaffenden  gewissennassen  per  Oberfracbt  mit 


127 
STEUER:  CAROLINE  UNGER 


in  die  Unsterblicbkeit  spediert  wird.  Es  war  am  7.  Mai  1824.  Ort  der  Handlung 
Das  Kirtnertbor-Tbeater  in  Wien.  Ein  tauber  Tondichter,  Ludwig  van  Beetboven, 
fQbrte  seine  neueste  Sympbonie  —  es  war  ^die  Neunte**  —  auf;  er  stand  mit  dem 
RQcken  gegen  das  Auditorium  und  borte  somit  nicbt,  was  hinter  ibm  vorging.  Und  als 
nacb  dem  Scbluss  des  vierten  Satzes  der  unglucklicbe  Künstler  den  überströmenden 
Enthusiasmus  des  Publikums  nicbt  hören  konnte,  da  packte  die  resolute  Altistin  des 
Solo-Quartetts,  Caroline  Unger,  den  tauben  Meister  beim  Arme,  drehte  ihn  um,  damit 
er  das  Hindeklatschen  der  Aufgeregten  wenigstens  sehen  konnte.  Ein  volles  halbes 
Jahrhundert  hat  Caroline  Unger  diesen  erschütternden,  wahrhaft  kunsthistorischen 
Moment  überlebt    Ob  sie  ihn  jemals  vergessen  hat? 

Aber  auch  die  deutsche  Literatur  bat  Ursache,  der  genialen  Künstlerin  in 
Dankbarkeit  zu  gedenken;  hat  sie  doch  Rosen  auf  den  Weg  eines  Dulders  gestreut, 
dem  der  Dichtung  Merkmal  ein  Kainsstempel  gewesen  ist,  der  sich  an  der  Flamme 
des  eigenen  Genies  verzehrt  hat,  an  Nikolaus  Lenau.  Ende  der  1830  er  Jahre  hat  der 
unglückliche  Dichter  die  Singerin  kennen,  schltzen  und  —  lieben  gelernt  Unter 
dem  25.  Juni  1830  schreibt  er:  »Caroline  (das  ist  eben  Caroline  Unger)  sang  V0|. 
Tische  den  ,Wanderer*  und  das  ,Gretchen^  von  Schubert  hinreissend  schön.  Es 
rollte  wirklich  tragisches  Blut  in  den  Adern  dieses  Weibes.  Sie  Hess  in  ihrem  Ge. 
sänge  ein  singendes  Gewitter  von  Leidenschaft  auf  mein  Herz  los.  Sogleich  erkannte 
ich,  dass  ich  in  einen  Sturm  geraten;  ich  kimpfte  und  rang  gegen  die  Kraft  ihrer 
Töne,  weil  ich  vor  Fremden  nicht  so  gerührt  erscheinen  mag,  umsonst,  ich  war  ganz 
erschüttert  und  konnte  es  nicht  verhalten.  Da  fasste  mich,  als  sie  ausgesungen,  ein 
Zorn  gegen  das  sieghafte  Weib  und  ich  trat  ins  Fenster  zurück;  sie  aber  folgte  mir 
nach  und  zeigte  mir  bescheiden  ihre  zitternde  Hand,  wie  sie  selbst  im 
Sturm  gebebt**  ...  Und  an  anderer  Stelle  beisst  es:  »Caroline  ist  ein  wunderbares 
Weib.  Nur  am  Sarge  meiner  Mutter  habe  ich  so  geschluchzt,  wie  an  jenem  Abend, 
als  ich  die  herrliche  Künstlerin  in  ,Belisario'  gehört  hatte  ...  Ich  freue  mich  ihrer 
Freundschaft,  denn  sie  ist,  was  ich  ihr  auch  sagte,  eine  der  höchsten  Naturen,  die 
wir  auf  Ehren  zu  verehren  haben  ...  Ich  wünsche,  dass  sie,  wie  sie  sich  vorgenommen, 
in  einigen  Jahren  sich  dem  deutschen  Schauspiel  zuwendete;  da  wire  es  eine  Freude, 
ein  Trauerspiel  für  sie  zu  scbreiben.**  Der  Dichter  hat  die  Singerin  auch  heiraten 
wollen.  Sophie  Loewenthal,  seine  verheiratete  Freundin,  hat  ihm  die  Sache  aus- 
geredet und  obwohl  die  Singerin  den  Dichter  geliebt  hat  und  die  seine  werden  wollte, 
Hess  sich  der  haltlose  Dichter  von  seiner  Freundin  doch  zum  Verzicht  bewegen. 
Zwei  Lieblinge  des  deutschen  Volkes  haben  den  Lebenspfad  der  genialen  Frau  gekreuzt, 
wenngleich  der  bedeutendere  nur  flüchtig,  und  doch  wird  es  genügen,  um  das  An- 
denken an  die  geniale  Frau  wachzuhalten.  So  lange  die  Welt  sich  an  der  »Neunten 
Symphonie*  begeistern  wird,  wird  man  auch  der  Frau  gedenken,  die  dem  Schöpfer 
derselben  ermöglicht  hat,  wenigstens  zu  sehen,  welchen  Eindruck  sein  Werk  auf  die 
Zeitgenossen  ausgeübt  hat 


BÜCHER 

4.  Hugo  Riemana:   Grosie   Kompotliionilebre.     II.  (votleiiier)  Band.    Der 

polyphone  Sitz.    (KontTapualcl,  Fuge,  Kidod).    Verlag:  Speroann  1903,  Berlin 

und  Stuttgart. 
Daa  Von  von  ^vlel  Liebt  und  viel  Schatten"  mu«  man  auch  für  dleaea  Buch 
Riemanna  Indern  In:  ein  Meer  von  Licht  und  eioielne,  f&r  daa  Game  belangloae, 
achvarze  Punkte.  Zu  den  letzteren  lible  Ich,  wie  in  den  meisten  seiner  Terkc,  einige 
PhraaierungsbeieichnuDgen,  in  denen  kongruente  Stellen  so  verachleden  anfgefaut  sind 
(statt  gleichfalls  kongruent),  dass  Ihre  Richtigkeit  vohl  keinem  zweiten  Menschen  auf  der 
ganzen  Telt  einleuchten  mag.  Befremdend  wirkt  der  heftige  Ausfall  gegen  die  Stelle  aus 
Brückners  Tedeum  .In  te  dominum".  Teno  sie  gegen  alle  Regeln  der  Fuge  verstSsst,  so 
ist  eben  es  keine  Fuge;  die  Etikette  Ist  doch  bei  einer  so  wundervollen  Tirkung  benllch 
gleichgültig.  Und  Im  übrigen  ist  RIemaan  auch  gerade  dadurch  so  gross,  dass  er  trotz 
seiner  Immenien  Gclehnbelt  fast  nie  zum  Schulmeister  wird.  Die  Inanspruchnahme  der 
ausschliesslich  ungeraden  Taktart  für  die  Psssacaglla  dürfte  sich  nicht  festhalten  lassen. 
Das  Buch  iit  auch  für  interessiene  Nlchtmualker  eine  Gabe  ersten  Ranges.  Tenn 
sie  einzelne  didaktischen  Detail-Exkurse  auslassen,  so  haben  sie  eine  Reibe  Intimer 
zwangloser  .conf6rences'  aua  der  Musikgeschichte,  die  an  Reiz  schwerlich  Ihresgldcben 
Bnden.  Dass  auch  der  Fachmann  unendlich  viel  aus  Ihnen  lernen  kann,  Ist  selbstve^ 
sUndlicb.  Aub  Innigste  zu  wünschen  aber  ist  diese  Lektüre  besonden  lenea  Vllden,  für 
die  die  wahre  Musik  erat  mit  der  neunten  Symphonie  beginnt.      Dr.  M.  Stelnltier. 

5.  Herniann  Ritter;  Allgemeine  Illustrierte   Eniyklopldle    der    Musik- 

geachichte.  Band  3,  4,  5  und  6.  Verlag:  M»  Schmilz,  Leipzig. 
Von  Ritters  Enzyklapidle  liegen  nunmehr  alle  sechs  Binde  vor.  Das  Terk  Ist 
vollstiodig.  Zunichst  eine  Obersicht  über  den  Inhalt  des  3.  bis  6.  Bandes :  Der  dritte 
Band  behandelt  .Die  Musikcotwicklung  auf  dem  Boden  von  Italien,  hervorgerufen  durch 
die  Renaissance"  (Rom,  die  zwei  ven et i mischen  Schulen,  Florenz,  die  beiden  neapolita> 
n Ischen  Schulen,  Italleoiscfae  Theoretiker  vom  15.— 17.  Jahrb.,  Entwlckclung  der  sbsoluien 
Instrumentalmusik  vom  16.  Jahrhundert  an,  Teltherrschaft  der  Italienischen  Oper  und 
der  italienischen  Musik  überhaupt  bis  ins  19.  Jahrhundert).  Der  vierte  Band  befsssl 
sich  mit  der  Entwicklung  der  Musik  In  Deutschland:  er  behandelt  zunichst  die  Ent- 
wicklung der  deutschen  Musik  von  der  Refonnatioo  bis  zu  J.  S.  Bach  und  in  einem 
zweiten  Teil  Bach,  Hindel,  Gluck,  Haydn,  Mozart  und  Beethoven.  Ein  Anhang  birgt 
die  Namen  von  Theoretikern  des  17.  und  IS.  Jahrhunderts  und  von  narohatlen 
Musikern  der  zweiten  Hlifte  des  18.  und  der  ersten  Hüfte  des  19.  Jahrhunderts.  Im 
fünften  Band  werden  behandelt  die  Hauptvertreter  der  Musik  des  19.  Jahrhunderts  auf 
deutschem  Boden  (Schubert,Spohr, \Feber,Mendelssohn, Schumann, Brabms, Chopin,  Rubin- 
stein, Berlioi,  Liszt,  Tagner);  femer  ,Das  deutsche  Lied  und  das  Melodrama*;  auch  hier 
ein  Anhang,  der  namhafte  Musiker  des  19.  Jahrhunderts  enthilt.  Endlich  der  sechste 
Band:  .Die  Musikentwicklung  ausserhalb  Deutschlands  und  Italiens".  TIr  erhalten  hier 
die  Hauptdaten  der  Mnsikentwicklung  in  Frankreich,  Britannien,  Polen,  Russlaod,  BShmen, 


129 
BESPRECHUNGEN  (BÜCHER  UND  MUSIKALIEN) 


__.  u 


Skandinavien,  Ungarn  (dabei  die  Zigeunernittsik),  Holland,  Spanien  und  Portugal.  Zwei 
recht  interessante  Abschnitte  handein  ferner  fiber  die  Musik  in  den  Alpen  und  über  die 
Musik  der  Chinesen.  Ein  Anhang  entfallt  Schlussfragen  und  Antworten  und  eine  Schluss- 
betrachtung: »Ober  Musik  und  Musikentwicklung**.  Jeder  Band  entfallt  eine  ausfufar- 
licfae,  sefar  reicfafaaltige  und  übersicfatlicfa  angeordnete  Bibliograpfaie  am  Scfaluss;  der 
seefaste  Band  besitzt  ausserdem  ein  sorgflltig  angelegtes  Gesamt-,  Namen-  und  Sacfa- 
register  über  den  Infaalt  aller  secfas  Binde.  —  Von  wenigen  Einzelfaeiten  abgesefaen,  llsst 
sicfa  über  das  Werk  nur  Lobendes  und  Anerkennendes  sagen;  es  wire  kleinlich,  wollte 
man  dem  Verfasser  Vorwürfe  machen,  weil  er  bei  der  Bearbeitung  des  ungeheuren 
Stoffes  ein  oder  das  andre  mal  zu  kurz  dargestellt  oder  geurteilt  hat.  Das  ungefaeure 
Material  ist  übersicfatlicfa  befaandelt,  die  scfawierige  Form  der  katecfaetiscfaen  Frage  und 
Antwort  mit  Gescfaick  und  Erfolg  gefaandfaabt  worden;  was  nicfat  ausfüfarlicfa  in  den  Haupt- 
abscfanitten  befaandelt  wurde,  hat  wenigstens  in  den  Anhingen  Aufnahme  gefunden  und  das 
Generalregister  ermöglicht  jederzeit  ein  rasches  und  sicheres  Sicfazurecfatfinden.  Viel  inter- 
essante Einzelfaeiten  faaben  ifar  Plltzcfaen  in  den  einzelnen  Kapiteln  gefunden  und  man 
kann  wofal  sagen:  die  Enzyklopidie  wird  dem  Scfaüler  zu  Zwecken  des  Studiums,  dem 
Lefarer  als  Lefar-  und  Hilfsbucfa  beim  Unterricfat,  dem  Musikfreund  als  erftriscfaende 
Lektüre,  dem  gebildeten  Laien  als  Orientieningswerk  gleicfa  grosse  Dienste  leisten.  Wie 
das  Gescfaick,  so  ist  aucfa  der  Fleiss  des  Verfassers  bedingungslos  anzuerkennen:  er  bat 
eine  Bienenarbeit  vollbracfat,  die  ifam  nicfat  jeder  nacfamacfaen  kann.  —  Die  Ausstattung 
der  Binde  ist  ganz  besonders  zu  loben;  sie  sind  elegant  und  faandlicfa;  der  Reicfatum  an 
Illustrationen  und  Scfarift-  und  Notenbeilagen  ist  verblüffend;  namentlicfa  die  Titelbilder 
der  einzelnen  Binde  sind  gut  ausgewifalt  und  verleifaen  der  Arbeit  aucfa  den  Wert 
eines  an  Anscfaauungsmaterial  reicfaen  Werkes.  Dr.  Egon  von  KomorzynskL 
6b  Adolph  Carpe:  DerRfaytfamus.  Sein  Wesen  in  der  Kunst  und  seine  Bedeutung 
im  musikaliscfaen  Vortrage.  Verlag:  Gebrüder  Reinecke,  Leipzig. 
Der  Titel  verspricfat  mefar  als  das  Bucfa  entfallt.  Es  faltte  etwa  benannt  sein 
können:  Der  Rfaytfamus  in  der  Klaviermusik  und  im  KlavierspieL  Die  allgemeinen 
theoretiscfaen  Ausfüfarungen  des  Verfassers  sind  etwas  weitscfaweifig  und  nicfat  ftrei  von 
überflüssigen  Polemiken  gegen  ungenannte  »Herausgeber*  oder  »Pianisten**.  Entweder 
man  nennt  das  Kind  beim  recfatea  Namen,  oder  man  nennt*s  gar  nicfat.  Gern  folgt  man 
dagegen  dem  Verfasser  überall,  wo  er  sicfa  an  das  praktiscfae  Beispiel  fallt.  Er  zeigt  sicfa 
faier  als  ein  gediegener  Kenner  der  Klaviermusik  und  seine  Bemerkungen  sind  zutreffend 
und  feinsinnig.  Aucfa  die  rfaytfamiscfaen  Übungen,  die  er  angibt,  sind  sefar  gut.  So  darf 
das  Bucfa  als  ein  rfaytfamiscfaes  Vademecum  für  Pianisten  empfofalen  werden.  Sie  werden 
vieles  darin  finden,  was  ihnen  für  die  Praxis  nützlich  sein  wird.      Dr.  G.  Münzer. 

MUSIKALIEN 

7.  Orehesterwerke  des  17.  Jahrhunderts.     1.  Journal  du  Printemps   von  J.  C. 

F.  Fischer.     2.  Zodiacus   von  J.  A.  S.*)     Herausgegeben  von  Ernst  von 

Werra.    Denkmiler  deutscher  Tonkunst.    Erste  Folge.    10.  Band.    Verlag: 

Breitkopf  &  HIrtel,  Leipzig. 

Dem  oft  beklagten  Mangel,  dass  unter  den  neueren  Publikationen  literer  Tonwerke 

gerade  die  historiscfa   so  wicfatige  Instrumentalmusik  der  zweiten  Hllfce   des  17.  Jafar- 

faunderts  bisher  so  dürftig  vertreten   war,   hilft  die  Verüffentlichung  des  Journal  du 

Printemps  von  Jofaann  Caspar  Ferdinand  Fiscfaer  und  des  Zodiacus  von  J.  A.  S. 

durcfa  Ernst  von  Werra  im  10.  Band  der  ersten  Folge  der  Denkmiler  deutscher  Tonkunst 


*)  Nicfat  D.  A.  S.,  wie  irrtümlicfaerweise  auf  dem  Titelblatt  des  Bandes  stefat. 
III.  2.  9 


130 
DIE  MUSIK  III.  ^ 


in  dankenswert  erfreulicher  Weise  ab.    Wihrend  bis  vor  kurzem  einzig  Georg  Muflbts 
Florilegien  (Denkmiler  der  Tonkunst  in  Österreich  1,2  und  11,2)  an  Streich-Instrumental- 
musik aus  jener  Zeit  im  Neudruck  vorlagen,  lernen   wir  jetzt  zwei  neue  wichtige  Ver- 
treter der  Vor-Bachischen  Orchestersuiten-Komposition  kennen.    Biographische  Daten 
Qber  J.  C.  F.  Fischer  fehlen   fast  vollständig.    1605  ist  er  bereits  Hofkapellmeister  des 
Markgrafen  von  Baden-Baden  (Titelblatt  des  Journal  du  Printemps).   Sein  »Musikalischer 
Pamassus''  ist  der  1726  geborenen  Markgrifin  Elisabeth  gewidmet,  also  wohl  kaum  vor 
das  Jahr  1738  zu   setzen.     1606  weilt  Fischer  mit  dem  durch  die  Franzosen  (1680)  aus 
seiner   Residenz  vertriebenen  Markgrafen  zu  Seh  lacken  werth  in  Böhmen  (Titelblatt  der 
„Pikees  de  Claressin"),  wo  er,  wie  es  scheint,  bis  in  das  erste  Dezennium  des  18.  Jahr- 
hunderts geblieben   ist.    1720  und  1733   finden    wir  ihn   in   Rastatter  PfarrbOchern   als 
Trauzeugen  verzeichneL    Am  27.  Mirz  1732  stirbt  seine  Gattin,  und  noch  1738  taucht 
sein  Name  ohne  den  Zusatz  p.  m.  (piae  memoriae),  also  als  der  eines  noch  Lebenden 
auf.    Sein  Todestag  ist  vielleicht  der  27.  Mirz  1746  (Casparus  Fischer  ohne  weitere 
Notiz  im  Sterberegister).    Das  ist  alles.    Noch  dürftiger  ist  es  um  die  Biographie  des 
Anonymus  J.  A.  S.  bestellt.    Die  Vermutung  Dr.  E.  Vogels,  dass  sich  hinter  den  drei 
Buchstaben  der  Autor  der  »Ars  magna  consoni  et  dissoni"  (1603;  Johann  Speth  verberge, 
hat  sich  als  unbegründet  herausgestellt.    Dagegen  wurde  wenigstens  der  Name  des  Kom- 
ponisten J.  A.  Schmierer  oder  Schmicerer  neuerdings  durch  Dr.  Albert  Göhler  aus  gleich- 
zeitigen Frankfurter  und  Leipziger  Messkatalogen  eruiert.    Der  2.  Teil  des  Zodiacus,  den 
der  Frankfurter  Fastenmesskatalog  von  1710  anzeigt,  ist  bis  heute  nicht  wieder  aufgefunden 
worden.    Dr.  Göhlers  Schluss  aus  der  Angabe  von  Augsburg  als  der  Verkaufsstelle  fQr 
den  Zodiacus  auf  Augsburg  als  die  Heimat  bezw.  den  Wohnort  Schmierers  vermag  Ernst 
von  Werra  bei  der  damaligen  Wichtigkeit  der  Fuggerstadt  für  den  süddeutschen  Musik- 
bandel  und  Musikverlag  nicht  beizutreten.    Fischers  »Journal''  ist  geschrieben  für  Streich- 
quintett (2  Violinen,  2  Violen,   Bass)  und  2  Trompeten  ad  libitum,  der  »Zodiacus"  für 
Streichquartett  (Violine,   Violetta,  Viola,  Violone).    Ersteres   enthilt  8  Suiten  (Partien) 
von  4  bis  zu  8  Sitzen,  letzteres  deren  6  von  8  Sitzen  (mit  Ausnahme  der  7 sitzigen  No.  3). 
Bei  Fischer  wie  bei  Schmierer  wird  die  Suite  regelmässig  eröffnet  durch  eine  Ouvertüre. 
Ober  den  musikalischen  Wert  der  beiden  Werke  sei  es  mir  gestattet,  Dr.  Karl  Nef,  einen 
der  besten  Kenner  der  Instrumentalmusik  dieser  Periode,  zu  zitieren.    Er  sagt  über  das 
Journal  (Zur  Geschichte  der  deutschen  Instrumentalmusik  in  der  2.  Hüfte  des  17.  Jahr- 
hunderts): »Frische  und  Natürlichkeit  sind  seine  Hauptvorzüge.    An  musikalischer  Be- 
deutung kommt  das  Journal  du  printemps  den  Florilegien  MufTats  zum  mindesten  gleich. 
Muifat  schreibt  kunstvoller,  Fischer  ist  ihm  überlegen  in  prägnantem  und  charakteristischem 
Ausdruck.    Erst  kürzlich  hat  M.  Seiifert  Fischer  als  einen  unmittelbaren  Vorläufer  Job. 
Seb.  Bachs  in  der  Klavierkomposition  nachgewiesen.   Mit  gleichem  Recht  kann  man  ihn 
auch  einen  Vorläufer  des  grossen  Thomas-Kantors  in  der  orchestralen  Suitenkomposition 
heissen.*    Und  über  den  Zodiacus  (a.  a.  O.):  ajedenfalls  war  der  Autor  ein  bedeutender 
Komponist.   Sein  Werk  ist  reich  an  musikalischer  Erfindung  und  birgt  eine  Menge  echter 
Charakterstücke   in   gefälliger  Form.    Man   wird   hier,  wie  bei  Fischer,  an  den  später 
lebenden  Job.  Seb.  Bach  erinnert . . .    Auch  die  Ouvertürenform  behandelt  J.  A.  S.  geist- 
voll und  mit  künstlerischer  Freiheit ...    Ich  glaube,  dass  das  Werk  heute  noch  lebens- 
fähig wäre,  ganz  abgesehen  von  seinem  grossen  historischen  Werte.*    Wenn  Nef  demnach 
den  J.  A.  S.  fast  über  Fischer  setzen  zu  wollen  scheint,  so  ist  dem  gegenüber  mit  dem 
Herausgeber  zu  betonen,  dass  schon  in  bezug  auf  Gewandtheit,  Reinheit  und  Klangfülle 
des  Satzes  der  badische  Hofkapellmeister  seinem  Zeitgenossen  weit  überlegen  ist.    Die 
Unsauberkeit  und  Nachlässigkeit  im  Satze,  die  für  unsere  modernen  Ohren  bei  J.  A.  S. 
doch  recht  fühlbar  hervoitritt,  könnte  sogar  auf  die  Vermutung  hinleiten,  dass  er  kein 


Fachmusikery  sondern  ein  besserer  Dilettant  (etwa  vom  Schlafe  Ronsseaus)  gewesen  sein 
möchte.  Die  Herausgabe  der  beiden  Werlce  bat  Ernst  von  Werra,  soweit  sich  ohne 
deuillierte  Nachprüfung  urteilen  lisst,  mit  Sorgfalt  und  guter  Sachkenntnis  besorgt 
Druckfehler  sollten  in  Monumentalausgaben,  wie  den  Denkmilern  deutscher  Tonkunst, 
nach  Möglichkeit  vermieden  werden.  Dass  gar  das  Titelblatt  des  Bandes  beim  Autor 
des  Zodiactts  die  Initialen  falsch  (D.  A.  S.  statt  J.  A.  S.)  angibt,  bitte  nicht  vorkommen 
dQrfen.  Dr.  Rudolf  Louis. 

8.  Max  Reger:  op.63.  Monologe.  (ZwölfStQcke  für  Orgel.)  Verlag:  E.  P.C.  Leuckart; 
op.  65.  Zwölf  Stücke  für  Orgel.  Verlag:  E.  F.  C.  Peters;  op.  67.  Zwei- 
undfünfzig leicht  ausführbare  Vorspiele  für  die  Orgel  zu  den 
gebriuchlichsten  evangelischen  Chorilen;  op.  60.  Zehn  Stücke  für  Orgel. 
Verlag:  Lauterbach  &  Kuhn,  Leipzig. 
Max  Reger.  Freilich  wird  seine  künstlerische  Betitigung  in  ihrem  gesamten 
Umfang  noch  nicht  allgemein  anerkannt.  Doch  seine  Orgelwerke  gewannen  ihm  die 
Anerkennung  und  Bewunderung  der  Besten  unserer  Zeit.  Die  drei  Sammlungen  von 
Orgelstücken  (op.  63,  65  und  60)  beweisen  wiederum  und  im  verstirkten  Masse  die  nicht 
mehr  abzuleugnende,  schier  unübertreffliche  Meisterschaft  seiner  kompositorischen 
Technik.  Ist  an  und  für  sich  diese  Tatsache  ein  erfreuliches  Moment,  so  wichst  die 
Bewunderung  für  solches  Können  mit  der  Erkenntnis,  dass  hier  die  schwierigsten  Formen 
allein  als  Mittel  zum  Ausdruck,  nicht  als  Selbstzweck  angewandt  sind.  Nicht  der  .Ton- 
Setzer*,  sondern  der  Stimmungskünstler  in  Reger  zwingt  zur  Bewunderung.  Das 
psychische  Empfinden,  das  in  diesen  Tönen  zum  Ausklang  kommt,  ist  fk^ilich  für 
unsere  Tage  so  unzeitgemiss,  als  eben  möglich.  Ein  Revenant  aus  jener  Zeit,  da  nach 
den  Greueln  des  dOjihrigen  Krieges  unser  Volk  das  Lachen  verlernte,  spricht  in  einer 
schwermütig  lastenden  Sprache  zu  uns.  Will  er  die  Schönheit  des  Lebens  schildern,  so 
geschieht  es  in  schwerer  Grandezza;  ein  letzter  Schimmer  von  der  güldenen  Pracht  des 
firfihen  Barock  leuchtet  auf.  Vill  er  scherzen,  so  verzerrt  bittere  Ironie  den  Scherz  zur 
grimmen  Satire.  Von  ringenden  Mühen  und  schmerzenden  Kämpfen  sprechen  herbe 
Klinge,  mühvoll  schleichende  Melismen,  wie  sie  ihnlich  kein  andrer  vordem  gefunden 
hat.  Die  Erfüllung  des  Daseins  kann  ein  solcher  Geist  in  diesem  Leben  nicht  erblicken. 
Ein  Jenseits  voll  seliger  Freude,  wie  es  Christi  Kirche  verspricht,  gibt  den  Bedringten 
dieser  Erde  himmlischen  Ersatz.  Das  eigene  Innenleben  führte  den  Künstler  immer 
wieder  dazu,  nach  seinem  Vermögen  dem  religiösen  Gedanken  zu  huldigen,  der  Kirche, 
dem  Triger  solcher  Welunsicht,  zu  dienen.  So  entstanden  die  „52  Chocalvorspiele* 
(op.  67)!  —  Reger  übergibt  den  deutschen  Organisten  mit  dieser  Sammlung  ein  Choral- 
werk, wie  es  seit  dem  Jahrhundert  Johann  Pachelbels,  seit  dem  Wirken  Job.  Seb.  Bachs 
nicht  wieder  geschrieben  worden  ist.  Trotz  Brahma  I  —  Die  »Elf  Choralvorspiele*  in 
hohen  Ehren,  —  jedoch  es  sind  religiöse  Studien  eines  Weltkindes,  hochbedeutsame 
Versuche  des  grossen  Meisters  auf  einem  der  Gesamtrichtung  seiner  Entwicklung  femer- 
Megendem  Gebiete.  Regers  Vorspiele  dagegen,  herausgewachsen  aus  dem  kirchlichen 
Empfinden,  gehören  in  den  sonniiglichen  Gottesdienst.  Erst  an  solcher  Stelle,  in  solcher 
Anwendung,  wird  der  Stimmungsreiz  dieser  wundervollen  Kunstwerke  zum  vollen  Erblühen 
gelangen.  Was  Reger  sagen  will,  das  bringt  sein  Stil  restlos  zur  Darstellung.  Wie  stets 
in  seinen  Orgelkompositionen  benutzt  er  die  Formengebung  der  ilteren  Meister.  Nur  einmal 
könnte  an  eine  Kopie  von:  »OWelt  ich  muss  dich  lassen**  in  Brahma'  Fassung  gedacht 
werden.  Es  ist  deshalb  wohl  notwendig,  ausdrücklich  festzustellen,  dass  Regers  Vorspiel 
zu  dem  gleichen  Choral  vor  der  Hetausgabe  des  Brahmsschen  Werkes  konzipiert  und 
niedergeschrieben  war.  Jedes  einzelne  der  ^orliegetden  Werke  ist  neuer  Beweis  für 
die  eine  Tatsache,  dass    fA^x  Reger  unstreitig  der  erste  unter  den  modernen  Oigel- 

9» 


132 
DIE  MUSIK  111.  2. 


komponisten  ist.  Es  ist  Pflicht,  insbesondere  der  deutschen  Orgsnistenwelt,  durch  ein 
gründliches  Studium  der  Werke,  durch  ein  liebevolles  Einleben  in  des  Meisters  Wesensart, 
sich  dieser  imponierenden  Kunstlererscheinung  würdig  zu  erweisen. 

Karl  Straube. 
9.  Collegium  musicuin.    Auswahl  ilterer  Kammermusikwerke  für  den  praktischen 

Gebrauch   bearbeitet   und   herausgegeben   von  Prof.  Dr.  Hugo  Rie mann. 

Nr.  1—6,  8  und  19.  Verlag:  Breitkopf  &  HIrtel,  Leipzig. 
Die  sechs  ersten  Hefte  dieser  Sammlung,  deren  Klavierstimmen  je  3  Mk.,  Streich- 
stimmen je  60  Pf.  leider  kosten,  bilden  die  6  Orchestertrios  fQr  2  Violinen,  Violoncello  und 
Basso  continuo  op.  1  von  dem  Mannheimer  Johann  Stamitz  (1717—1757),  den  Riemann 
sehr  verdienstlicherweise  als  Vorläufer  Haydns  als  Symphoniker  aus  der  unverdienten 
Vergessenheit  gerissen  und  auch  in  seiner  grossen  Kompositionslehre  vielfach  zitiert  hat. 
Diese  Orchestertrios,  die  sich  auch  zur  Not  von  3  Streichinstrumenten  allein  ohne  den 
nach  dem  Continuo  vom  Herausgeber  mit  bekannter  Sorgfalt  bearbeiteten  Klavierpart 
spielen  lassen,  enthalten  fast  durchweg  ganz  prichtige  Sitzchen,  die  für  erste  En- 
sembleübungen wie  geschaffen  sind  und  bei  ScbüleraufFubrungen  ganz  vorzüglich  ver- 
wertet werden  können.  Weit  interessanter  und  musikalisch  wertvoller  erscheint  mir 
No.  8,  ein  viersitziges  Trio  in  d-moll  für  Violine,  Viola  und  Basso  continuo  in  Kanon- 
form von  Johann  Fried r.  Fasch  (1668—1758),  keine  blosse  Spielerei  mit  der  Form, 
sondern  ein  Musikstück,  das  sehr  wohl  unter  der  Flagge  Joh.  Seb.  Bachs  segeln  könnte 
und  das  auf  weitere  Werke  Fascbs,  die  Riemann  in  Aussicht  genommen  (darunter  ein 
Streichquartett!),  sehr  gespannt  macht  Dagegen  kann  ich  nicht  finden,  dass  die  Heraus- 
gabe des  zweisitzigen  D-dur-Trios  für  Klavier,  Violine  und  Violoncello  von  Joh.  Chr. 
Bach  (1735—1782)  unbedingt  notwendig  war;  die  Violoncellstimme  dient  übrigens  hier  wie 
auch  noch  in  den  Haydnschen  Klaviertrios  nur  zur  Verstirkung  des  Klavierbasses,  so  dass 
das  Werk  als  Duo  für  Klavier  und  Violine  gespielt  werden  kann. 

10.  Ernst  von  Dohnanyit  op.  7.  Quartett  (A-dur)  für  2  Violinen,  Viola  und  Violon- 

cell.  Verlag:  L.  Doblinger,  Wien. 
Als  seinerzeit  dieses  Quartett  von  Joachim  aus  dem  Manuskript  gespielt  wurde, 
habe  ich  nicht  (vergl.  »Die  Musik**  Jahrgang  1,  1504)  denselben  günstigen  Eindruck  gehabt 
wie  jetzt,  nachdem  ich  das  Werk  wiederholt  selbst  gespielt  habe;  möglich,  dass  der 
Komponist  es  mittlerweile  umgearbeitet  hat.  Dass  er  unter  dem  besonders  im  ersten 
Satz  bemerkbaren  Einfluss  von  Brahma  schreibt,  mache  ich  ihm  nicht  zum  Vorwarf, 
um  so  weniger,  als  er  auch  viel  Eigenartiges  gibt;  so  ist  z.  B.  das  reizende  Intermezzo 
in  bezug  auf  Harmonik  und  Klangwirkungen  ein  Unikum.  Auf  letztere  versteht  sich  der 
Komponist  überhaupt  sehr;  trotzdem  er  Klavierspieler  ist,  weiss  er  die  Streichinstrumente 
aufs  beste  auszunutzen.  Der  langsame,  gedankenreiche  Satz  ist  von  edler  Melodik.  Der 
erste  zeichnet  sich  durch  vortreffliche  Stimmführung  aus;  interessant  ist  gegen  den 
Schluss  die  Stelle,  wo  der  3/4  Takt  stindig  mit  dem  4/4  wechselt.  Den  letzten  Satz  kann 
nur  ein  Ungar  geschrieben  haben;  famos  macht  sich  der  öfters  angewandte  Orgelpunkt. 
Hinsichtlich  der  kontrapunktischen  Arbeit  ist  dieses  Quartett  sehr  gelungen.  Wegen  seines 
Gedsnkeninhalts  und  seiner  prichtigen  Klangwirkungen  sei  es  aufs  nachdrücklichste  allen 
Quartettfreuoden  und  vor  allem  auch  zur  öffentlichen  Vorführung  empfohlen. 

11.  Jan   Brandts  Buys:   Quintett  (D-dur)    für  Flöte,   zwei  Violinen ,  Viola  und 

Violoncell.    Verlag:  Ludwig  Doblinger,  Wien. 

Kein    Satz    dieses    in    klanglicher   Hinsicht  wohllautenden    Quintetta   trigt   eine 

Tempobezeichnung,  Jeder  eine  Oberschrift,  nimlich  Satz  1 :   „Und  es  waren  Hirten  auf 

dem  Felde,  die  hüteten  dea  Nachts  ihre   Herde;  2:   Und  siehe I   Diesen  erschien  ein 

Engel  des  Herrn;  ein  göttlicher  Lichtglanz  umleuchtete  sie;  3:  Und  es  kamen  die  Weisen 


133 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 

vom  Morgenlande,  um  das  Kindlein  anzubeten;  4:  Ich  verkündige  euch  eine  grosse 
Freude,  denn  heute  ist  euch  der  Heiland  geboren.**  Was  Haydn  seinerzeit  fQr  die  Passion 
Christi  (Streichquartett:  Die  sieben  Worte  des  Erlösers)  versucht  hat,  unternimmt 
Brandts  Buys  also  für  die  Geburtsgeschichte  des  Heilands.  Am  wenigsten  ist  ihm  dieser 
Versuch  im  Finale  gelungen,  das  sehr  wenig  innerlich  und  beinahe  gewöhnlich  in  der 
Melodik  ist  Gut  getroffen  ist  der  pastorale  Charakter  des  ersten  Satzes,  der  freilich 
keine  Probe  eines  starken  Talents  ist.  Ein  hübsches,  durch  Klangelfekte  ausgezeichnetes 
Scherzo  ist  der  zweite  Satz,  aber  von  einem  göttlichen  Lichtstrahl  ist  nicht  allzuviel  zu 
verspüren.  Ebenso  ist  der  dritte  (langsame)  Satz  an  sich  ein  schönes  Musikstück,  das 
auch  den  ersten  Teil  des  Programms  durch  eine  Art  Marsch  deutlich  illustriert. 

12.  Leone  Sinigaglia:  op.  20.  Konzert  für  Violine  und  Orchester.    Ausgabe  für 

Violine  und  Pianoforte.  Verlag:  Breitkopf  &  HIrtel,  Leipzig. 
Gelegentlich  der  Vorführungen  dieses  Konzerts  aus  dem  Manuskript  durch  Arrigo 
Serato  ist  es  von  verschiedener  Seite  in  der  »Musik**  rühmend  erwähnt  worden.  Es 
ist  jedenfalls  ein  in  grossem  Zuge  und  symphonischem  Stil  angelegtes  Konzert,  nicht 
übermissig  schwer  und  durchaus  vioiingerecht  geschrieben.  Dadurch,  dass  es  in  die 
Volksausgabe  Breitkopf  au^enommen  ist  und  nur  6  Mk.  kostet,  dürfte  es  der  Verbreitung 
sicher  sein.    Seine  Vorführung  wird  immer  Interesse  erwecken.  W.  A. 

13.  Ludwig  ThuiUe:   Traumsommernacht,    für  4stimmigen   Frauenchor,    Solo- 

Violine  und  Harfe  (oder  Klavier)  op.  25;  Verlag:  F.  E.  C.  Leuckart,  Leipzig. 
Das  Bierbaumsche  Gedicht  ist  schon  halb  Musik  und  wenn  ein  Musiker  wie  Thuille 
die  Noten  dazu  setzt,  dann  kann  der  Erfolg  nicht  ausbleiben.  Das  prächtige  Stimmungs- 
bild, nur  durch  die  systematischen  Wiederholungen  der  zweitaktigen  Motive  etwas  all- 
zusehr erweitert,  wird  viele  Verehrerinnen  finden.  Thuille  ist  durch  sein  Bliser-Sextett 
und  mehrere  Opern  rasch  zu  einiger  Berühmtheit  gelangt.  Möchte  er  in  ruhigem  Schaffen 
und  wohlerwogenem  Herausgeben  nur  seiner  besten  Schöpfungen  bald  in  die  erste  Reihe 
unserer  Tonkünstler  treten  —  fembleibend  den  spekulativen,  nur  die  rasche  Ausbeutung 
ins  Auge  nehmenden  Anerbieten  einiger  Verleger,  wodurch  schon  mancher  den  höchsten 
Zielen  zuschreitender  Gutschreiber  zum  Vielschreiber  geworden  ist. 

14.  Hans  Koesslerx   Der  46.  Psalm   (Gott  ist  unsre   Zuversicht  und   Stirke)  für 

Doppel-Soloquartett  und  Doppelchor  (16 stimmig,  a  cappella);  Verlag:  Süd- 
deutscher Musikverlag,  Strassburg  i.  E. 
Hans  Koessler  —  laut  Aufdruck  auf  den  uns  vorliegenden  drei  Werken  „ordent- 
licher  Professor  an  der  Königl.  Musikakademie  in  Budapest"  —  (auf  Brahmsschen  und 
sonstigen  Meisterwerken  fanden  wir  Ihnliche  Personalien  just  nicht!)  —  wird  in  letzter 
Zeit  als  Verfasser  von  Kirchen-  und  Kammermusik  oft  genannt.  Mit  der  Herausgabe 
seines  „46.  Psalm''  hat  die  Verlagsflrma  dem  Autor  wohl  eine  Freude  bereitet,  und  zu- 
gleich ein  grosses  finanzielles  Opfer  gebracht,  da  erfahrungsgemiss  solche  Werke,  auch 
wenn  sie  noch  so  vortrefflich  sind,  keinen  nennenswerten  Absatz  finden.  Die  Erfindung 
in  diesem  46.  Psalm  dünkt  uns  hinter  der  Mache  erheblich  zurückgeblieben  zu  sein  und 
wenn  bei  einer,  nur  mit  immensen  Schwierigkeiten  verbundenen  Aufführung,  sich  die 
vom  Autor  erhoifte  Wirkung  auch  tatsichlich  ergibt,  so  verdankt  er  das  wohl  haupt- 
sichlich  seiner  unverkennbar  dramatischen  Begabung.  Erstklassige  Vereine,  die  einen 
Versuch  wsgen  sollten,  wollen  sich  vorher  an  die  Verlagshandlung  wenden  mit  der  An- 
frage, ob  auch  Stimmen  des  Werkes  zu  haben  sind  —  die  Partitur  enthält  diesbezüglich 
keinerlei  Vermerk. 

15.  Bernhard  Scholz:   Deutsches  Flottenlied  für  Minnerchor  op.  86;  Verlag: 

Gebrüder  Hug  &  Co.,  Leipzig  und  Zürich. 
Das  9  Deutsche  Flottenlied"  von  B.  Scholz  (dem  Kölner  Minnergesangverein  ge- 


134 
DIE  MUSIK  III.  2. 


widmet),  den  charmanten  Text  musikalisch  in  vortrefflichster  Weise  illustrierend,  wire 
als  Meistersang,  als  aufgegebener  Chor  beim  Franl^furter  Kaiserwettstreit  der  Aufführung 
wert  gewesen.  Technisch  nicht  leicht,  aber  auch  die  Grenzen  der  Leistungsflhigkeit 
nirgends  überschreitend,  wire  dieser  Komposition,  bei  obigem  Feste  gewihlt  —  mm 
mindesten  bitte  der  genannte  Verein  die  Verpflichtung  zur  Aufführung  gehabt  —  ein 
dauernder  Repertoire-Erfolg  beschieden  gewesen.  Fritz  Baselt 

16.  Ernst  Ed.  Taubert:   Vier  Lieder  für  eine   Singstimme    mit  Begleitung  des 

Pianoforte.  op.  62.  —  Vier  Lieder  für  eine  Singstimme  mit  Begleitung 
des  Pianoforte.  op.  64.  Verlag:  Ries  &  Erler,  Berlin. 
Als  op.  62  und  64  hat  E.  E.  Taubert  eine  Anzahl  klangschöner  Lieder  heraus- 
gegeben. Wenn  auch  an  Erfindung  nicht  durchaus  gleichwertig,  haben  diese  Gesinge 
doch  so  viele  Vorzüge,  dass  wohl  Jedes  einzelne  des  Empfehlens  wert  ist.  Besonders 
glücklich  war  der  Komponist  in  der  Vertonung  der  Dichtungen  »Das  Lied  vom  deutschen 
Schmied**  von  Conrad  Ferdinand  Meyer  und  „Weltflucht*  von  Georg  Busse- Palma. 
Kraftvolle  Erfindung,  sowie  technische  Ausarbeitung  vereinigen  sich  mit  der  poetischen 
Grundstimmung  in  glücklicher  Weise. 

17.  W.  Heinemaiin:  Spazierginge  durch  Wald  und  Flur.    Klavierstücke  zu  vier 

Minden  für  die  Jugend.  —  Sechs  Klavierstücke,  op.  2.  —  Sechs 
Lieder  für  eine  mittlere  Singstimme  mit  Begleitung  des  Pianoforte.    op.  7. 

—  Sechs  Kinderlieder  mit  Klavierbegleitung,  op.  8.  —  Dieselben  zwei- 
stimmig. —  Sechs  Kinderlieder  für  Mezzosopran  mit  Klavierbegleitung, 
op.  6.  —  Kinderlieder  für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegleitung,   op.  9. 

—  Vier  Gesinge  mit  Klavierbegleitung,  op.  12.  Verlag:  Heinrichshofen, 
Magdeburg. 

Wilhelm  Heinemann  kultiviert  mit  Vorliebe  das  leicht  graziöse  Genre.  Mit  seiner 
flüssigen  Melodik,  seinem  vortrefflichen  und  wohlklingenden  Klaviersatz,  seiner  formalen 
Geschicklichkeit  eignet  er  sich  hier  ebenso  gut  wie  für  den  tindelnden  Ton  der  Kinder- 
lieder. Manch  glückliche  Eingebung  ist  ihm  da  gekommen.  Die  paar  Anliufe,*auch  mit 
Ernst  und  sogenannter  geistigen  Vertiefung  aufzuwarten,  stehen  ihm  nicht  zu  Gesicht 
Wozu  denn  die  Selbstverleugnung? 

18.  Emil  S^hting:  Weihnachtslied  für  eine  Singstimme  mit  Klavier  oder  Har- 

monium,   op.  31.  —  Dasselbe  für  zwei  Singstimmen  mit  Klavier.    Verlag: 
Carl  Simon,  Berlin. 
Söchtings  »Weihnachtslied*  trifft   in   seiner  natürlichen   Anspruchslosigkeit  den 
schlichten  Volkston  sehr  gut. 

19.  Josef  Reiter:   Des  Singers   Fluch.    Ballade  für  eine   mittlere  Stimme  mit 

Pianoforte.  —  Frau  Hitt.   Ballade  für  eine  mittlere  Stimme  mit  Pianoforte. 

Verlag:  Th.  Rittig,  Leipzig. 
Josef  Reiter  versucht  in  diesen  Balladen  Loewesche  Pfade  zu  wandeln.  Vergeb- 
liche Liebesmühe.  Weder  bezüglich  der  melodischen  Erfindung  noch  der  musikalischen 
Charakterisierung  des  Stoffes  weiss  er  zu  interessieren.  Mit  dem  »wie  er  sich  riuspert 
und  wie  er  spuckt*  ist  es  noch  lange  nicht  getan.  Zu  solchen  Aufigaben  gehört  doch 
mehr  Talent,  als  es  Josef  Reiter  aufzuweisen  vermag. 

20.  Oskar  Wermann:   Neun  Gesinge   für  eine  Singstimme   mit  Begleitung  des 

Pianoforte.    op.  125.    Verlag:  J.  Rieter-Biedermann,  Leipzig. 

Die  Bahnen,  auf  denen  sich  Oskar  Wermann  in  seinem  op.  125  bewegt,  sind  von 

altersher  schon  so  weit  ausgetreten,  dass  man  sich  unmöglich  an  irgend  einer  Ecke  oder 

sonstigen  Holprigkeit  stossen  kann.   Die  Lieder  sind  mit  ihrer  glatten  Faktur  gut  gemeint 

und  wohlklingend,  ohne  jedoch  ein  tieferes  Interesse  zu  erregen.       Adolf  Göttmsnn. 


135 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


21.  Julius  Klengel:  Konzert  No.  4  (h-moll)  für  Violoncell  und  Klavier;  Kadenz 

undSchiusa  zum  Violoncell-Konzert  op.  33  von  Robert  Vol  km  an  n;  Tech - 
nische  Studien  durch  alle  Tonarten  für  Violoncell;  Suite  No.  2  (a-moll) 
op.  40  für  Violoncell  und  Pianoforte.    Verlag:  Breitkopf  &  HIrtel,  Leipzig. 
Wie  die  anderen  Konzerte  des  berühmten  Cellomeisters  bietet  auch  dieses  vierte 
dem  Spieler  schwierige,  aber  nicht  unlösbare  technische  Probleme  und  Gelegenheit  zur 
Entfialtung  eines  gesangvollen  Tones.    Noblesse,   Formenschönheit  und  flüssige  Arbeit 
zeichnen  dieses  Werk  in  jeder  Hinsicht  aus.    Dass  Klengel  sich  zur  Herausgabe  der 
Kadenz  zum  Volkmannschen  Konzert  entschloss,  kann  nicht  hoch  genug  angerechnet 
werden,  denn  die  Kadenz  ist  ein  Meisterstück  in   ihrer  Art.    Zu  ihrem  Ruhm  brauche 
ich  nichts  mehr  zu  sagen,  denn  ihre  Vorzüge  sind  schon  seit  Jahren  durch  den  prak- 
tischen Gebrauch  bekannt.   Die  zweite  Suite  wahrt  gleich  der  ersten  op.  1  die  antike  Ein- 
fiichheit  und  kann  zum  Studium  empfohlen  werden.    Ebenso  die  «Technischen  Studien**, 
die  Tonleitern  durch  ein,   zwei  und  drei  Oktaven,   nebst  Akkorden   und  gebrochenen 
Terzen  enthalten  und  dem  Fleisse  des  Spielers  die   mannigfaltigsten  Variationen  bieten. 

22.  Riehard  Franck:  Sonate  No.  2  (es-moll)  für  Violoncello  und  Klavier,   op.  36. 

Verlag:  Schlesingersche  Buchhandlung  (R.  Lienau),  Berlin. 
Diese  Sonate  bedeutet  einen  unverkennbar  grossen  Fortschritt  gegen  seine  erste, 
an  dieser  Stelle  besprochene.  Es  ist  ein  tiefempfundenes  Werk,  das  überall  ernst  zu 
nehmen  ist  Die  ersten  beiden  Sätze  enthalten  das  Wertvollste,  der  letzte  Teil  verliert 
sich  allzusehr  ins  Chromatische,  abgesehen  von  einem  reizenden  kleinen,  hinein- 
geworfenen Andante.  Oberall  zeigt  der  Komponist  sich  als  ein  Meister  des  Ausdrucks 
und  der  Technik,  und  überall  bemerkt  man  eine  selbständige  Natur.  Freilich  leicht  ist 
das  Werk  nicht  zu  spielen,  die  zum  Studium  aufgewandte  Mühe  wird  sich  aber  lohnen. 

23.  Julius  Röntgen:  Sonate  (a-moll)  für  Violoncello  und  Klavier,   op.  41.    Verlag: 

A.  A.  Noske,  Middelburg. 
Der  Sonate  ist  in  erster  Linie  nachzurühmen,  dass  sie  den  Cellopart  in  dankbarster 
Weise  behandelt.  Der  Spieler  kann  in  Tongebung  schwelgen,  nirgends  stört  eine  spröde 
Technik  den  Wohlklang  des  Ganzen.  Das  ist  viel  wert  bei  einem  Instrument,  das  in 
der  Technik  so  schwer  zu  wirklichem  Klingen  zu  bringen  ist,  wie  das  Violoncell.  Auch 
sonst  bietet  die  Sonate  neben  aller  flüssigen  Arbeit  viel  melodische  Schönheiten  und 
echte  Musik.  Temperamentvoll  und  empflndungswarm  gespielt  muss  sie  grossen  Ein- 
druck machen. 

24.  Ludwig  Thuille:  Sonate  (d-moll)  für  Violoncello  und  Pianoforte.   op.  22.    Süd- 

deutscher Musikverlag,  Strassburg  i.  E. 
Ein  gross  angelegtes  Werk.    Unverkennbar  ist  der  Schwung,  der  den  beiden  Eck- 
tltzen  innewohnt.    Im  übrigen  werden  die  guten  Einfälle  durch  allzu  verzwickte  rhyth- 
mische und  harmonische  Kombinationen  leicht  verdeckt.    Oberall  zeigt  sich  aber  der 
ernste,  dem  Trivialen  und  Gewöhnlichen  abholde  Musiker.    Hugo  Schlemüller. 

25.  Wilhelm  Kienzl:  Drei  Gesänge  für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegleitung. 

op.  66.  Verlag:  Rob.  Forberg,  Leipzig. 
Die  drei  Gesänge  Kienzls  sind  edel  und  fein  empfunden,  zeigen  eine  glückliche 
Verschmelzung  des  melodischen  und  deklamatorischen  Prinzips  und  tragen  ein  vornehmes 
harmonisches  Gewand.  In  »Ekstase"  ist  der  dithyrambische  Ton  der  Dichtung  recht  gut 
getroffen.  In  dem  reizvollen  „Wiegenlied''  wäre  etwas  weniger  unruhige  Modulation  zu 
wfinschen.  Bei  dem  mehr  rezitativisch  gehaltenen  „Meine  Mutter**  fällt  der  Schwerpunkt 
in  die  Klavierbegleitung,  die  den  schmerzlichen  Ernst  des  Gedichts  in  sprechenden 
Harmoniefölgen  zum  Ausdruck  bringt.  Dr.  A.  Schüz. 


NEUE  MUSIK-ZEITUNG  (Stuttgart)  1903,  No.  19  u.  20.  —  Ein  Aufsatz  von  Fred 
Brandes  behandelt  das  abenteuerreiche  Leben  des  Kapellmeisters  und  Reformators 
des  englischen  Musiklebens  ,Dr.  August  Friedrich  Manns".  Originell  und  in- 
teressant sind  Camille  Mauclairs  Gedanken  über  »Richard  Strauss  und  die  Musik 
seit  Wagner*.  Mauclair  sieht  in  dem  weit  mehr  von  Liszt  und  Berlioz  als'von 
Wagner  beeinflusstcn  Symphoniker  Strauss  den  Mann  der  Zukunft;  er  nennt  ihn 
»den  ersten  Deutschen,  dessen  Name  aus  dem  ungeheuren  Schattenkretse  hervor- 
gegangen ist,  den  Bayreuth  auf  das  musikalische  Deutschland  geworfen*.  Neue 
Wege  muss  die  deutsche  Musik  wandeln,  die  wohl  am  Fuss  des  Wagnerschen 
Kunsttempels  vorüber  wandeln,  aber  sich  von  diesem  entfernen.  »Das  Wagnertum 
hat  aufgehört,  die  erste  Rolle  zu  spielen  und  gehört  von  jetzt  an  der  Geschichte 
an.  Ein  neues  Leben  beginnt  für  die  ,men8chliche^  Musik:  denn  so  gross  ein 
Mensch  auch  ist,  er  ist  nie  eine  ganze  Kunst  für  sich  allein,  und  es  ist  gut,  dass 
er  das  nicht  isti*  Eine  kleine  gehaltvolle  Studie  Karl  Grunskys  behandelt  »Hugo 
Wolf  als  Lyriker*;  in  seinem  Artikel  ,Hugo  Wolf  als  Kritiker*  nimmt  Hugo  Klein 
eine  Ehrenrettung  vor,  indem  er  zeigt,  wie  ungerecht  es  ist,  Wolf  als  Kritiker  nur 
gehässige  Leidenschaftlichkeit  zuzuschreiben.  Sehr  stimmungsvoll  ist  Adolf  Kess- 
lers Skizze  »Eduard  Mörike*,  an  die  sich  eine  Analyse  »Hugo  Wolfe  Mörike-Lieder* 
von  G.  V.  Lüpke  anschliesst  Ein  bisher  unbekannter  Brief  von  Wolf  an  den 
ihm  befreundeten  Rechtsanwalt  Faisst  in  Stuttgart  (Wien,  21.  April  1808)  wird  ver- 
öffentlicht, in  dem  es  u.  a.  heisst:  »Was  die  »Verstimmung*  anlangt,  so  steckt 
dahinter  nichts  anders  als  mein  stilles,  ruhiges  Wesen,  was  manche  Leute  be- 
fremdend anmutet  und  als  Verstimmung  ausgelegt  wird.  Dass  ich  Besuche  ungern 
empfange  und  Einladungen  fast  regelmässig  ausschlage,  auch  Besuche  in  seltensten 
Flllen  erwidere,  das  irgert  die  meisten.  Aber  ich  denke  denn  doch  einmal  leben 
zu  dürfen  in  der  Weise,  wie  es  mir  und  nicht  wie  es  andern  behagt,  zumal, 
wenn  ich  mich  dabei  völlig  reserviert  halte,  um  ja  niemandem  nahezutreten. 
Weniger  kann  man  von  seinen  Mitmenschen  denn  doch  nicht  verlangen,  als  dass 
sie  einen  ungeschoren  sein  lassen  sollen  I* 

DIE  ZEIT  (Wochenschrift,  Wien)  1903,  No.  403.  —  Batkas  Aufeatz  »Gerhard 
Schjelderup,  der  Musikdramatiker  Norwegens*  enthilt  einen  bedeutenden  Hinweis 
auf  diesen  Künstler,  von  dem  Batka  u.  a.  sagt:  »Ein  Künstlertypus,  wie  man  ihn 
sonst  kaum  findet.  Ein  tiefer,  eingefleischter  Idealismus,  eine  hohe  Auffassung 
des  Kfinstlerberufes  ist  ihm  eigen.  Jeder  Satz,  den  er  dichtet,  jede  Note,  die  er 
komponiert,  ist  mit  Herzblut  geschrieben,  ist  Ausdruck  des  eigenen,  bewegten 
Seelenlebens ...  Er  schafft  seine  Opern  nicht  als  Marktware,  sondern  für  künst- 
lerischCy  mitempfindende  Menschen,  er  ist  ein  Aristokrat  der  Bühne,  er  hat  nichts, 
was  Massengefühl  weckt;  und  man  möchte  zuweilen  staunend  fragen,  was  einen 
so  innerlichen  Tondichter  gerade  zur  dramatischen,  zur  theatralischen  Gattung 
drängte  ...  Dass  er  ein  echter  Künstler  ist,  dafür  möchte  ich  mich  nach  dem, 
was  ich  von  ihm  kenne,  verbürgen  ...  Ich  selbst  verehre  in  Schjelderup  eine 
der  reichsten  und  eigenartigsten  künstlerischen  Persönlichkeiten  der  Gegenwart* 


137 
REVUE  DER  REVUEEN 


ÖSTERREICUISCHE  VOLKSZEITUNG  (Wien)  1903,  No.230.  —  Ein  AuMtzlein 
»Eine  Erinnerung  an  Beethoven**  von  J.  Diemberger  weist  auf  das  nieder- 
österreichische  Dörfchen  Gneixendorf  hin,  wo  Beethoven  Ende  1826  wohnte  und 
das  letzte  seiner  Streichquartette  schrieb.  Sein  damaliges  Wohnhaus  ist  noch 
wohl  erhalten,  die  Gegend  einsam  und  naturprichtig.  Der  vor  wenigen  Wochen 
in  Wien  verstorbene  »Kaltenbrunner  Poldl**,  ein  Bauer,  der  als  Knabe  Beethoven 
oft  auf  Spaziergingen  das  Notenpspier  hat  nachtragen  dürfen,  erinnerte  sich  bis 
in  sein  Alter  noch  gar  wohl  an  den  Meister. 

KORRESPONDENZBLATT   DES   EVANGEL.   KIRCHENGESANGVEREINS 

FÜR  DEUTSCHLAND  igoa,  No.  9.  —  Aus  dem  Inhalt  des  Heftes  ist  be- 
sonders der  sehr  interessante,  von  O.  Köstlin  erstattete  Jahresbericht  des  Vor- 
sitzenden für  das  Jahr  1902/3  hervorzuheben. 

ALLGEMEINE  MUSIKZEITUNG  1903,  No.  34/35.  -  Nach  geistvoller  Behand- 
lung der  Musik  Aubers  und  Rossinis  und  des  HierhergehOrigen  bei  Haydn, 
Mozart  und  Beethoven  bricht  Camille  Bellaigue  in  dem  Schluss  seiner  Ab- 
handlung „Der  Esprit  in  der  Musik**  in  die  Klage  aus:  «Geist  Mozarts  und  Haydns! 
Esprit  Aubers,  Rossinis,  ja  und  auch  OfTenbachs!  Geist  der  Verwicklung  und 
Intrigue,  der  Beobachtung,  der  Psychologie  und  Karikatur;  Esprit,  der  nur  ein 
Spiel  der  Töne  ist,  ein  glückliches  Schauen  der  Wesen  und  Dinge,  warum  drohst 
du  in  all  deinen  Formen  aus  unserer  Kunst  zu  verschwinden?...  Die  Musik 
quilt  sich  und  quilt  uns  täglich  mehr;  immer  mehr  straft  sie  das  Wort  des  Philo- 
sophen Lfigen:  ,Was  schön  ist,  ist  leicht,  und  der  Genius  hat  beschwingte  SohlenM** 
Ausserdem  enthält  das  Heft  einen  ausfuhrlichen  Bericht  Ober  die  MQnchener 
Wagner-Festspiele  von  Otto  Lessmann- 

PRAGER  TAGBLATT  1903,  No.  231  und  232.  —  Hier  veröffentlicht  Arthur  Sei  dl 
sehr  lesenswerte  Reminiszenzen  unter  dem  Titel  »Meine  Erinnerungen  an  Hein- 
rich Porges*.  Mehrere  Briefe  von  Porges  werden  hier  gedruckt,  aus  denen  zum 
Teil  ersichtlich  ist,  welch  ein  wagnertreuer  Idealist  Porges  war  und  wie  tiefen 
Gemüts. 

THE  MUSICAL  WORLD  (London)  1903,  No.  8.  —  Aus  dem  reichen  Inhalt  des 
Heftes  sei  ganz  besonders  der  Aufsatz  »Richard  Strauss,  Tschaikowsky  and  the 
idea  of  death**  von  Lawrence  Gilman  hervorgehoben  —  ein  geistvoller  Vergleich 
zwischen  »Tod  und  Verkllrung"  von  Strauss  und  Tschaikowskys  »Sinfonie  path^- 
tique^  Im  übrigen  enthilt  die  Nummer  die  Artikel:  „The  recent  R.  Strauss  festi- 
val  in  London*  von  Edwin  Evans,  »The  other  aide  of  music  study  at  Paris*  von 
Fannie  Edgar  Thomas  und  einige  bedeutende  Aufsitze  von  aktueller  Firbung. 

FRANKFURTER  ZEITUNG  1903,  No.  238.  —  Edgar  Istel  handelt  hier  über  »Goethe 
und  J.  F.  Reichardt*.  Interessant  ist  es,  die  ganz  verschiedenen  Ansichten  Goethes 
und  Schillers  in  bezug  auf  Reichardt  mit  einander  zu  vergleichen.  Goethe  war 
von  Reich  rdt  entzückt;  Schiller  sagte  von  ihm:  »Dieser  Reichardt  ist  ein  unerträg- 
lich aufdringlicher  und  impertinenter  Bursche,  der  sich  in  alles  mischt  und  einem 
nicht  vom  Halse  zu  bringen  ist.* 

BLÄTTER  FÜR  HAUS-  UND  KIRCHENMUSIK  1903,  No.  9.  -  Das  Heft  ent- 
hilt einen  gehaltvollen  Aufsatz  über  »Heinrich  von  Herzogenberg*  von  Ernst 
Rabich,  der  Herzogenbergs  an  Leiden  reiches  Dasein  voll  Mitgefühls  darstellt 
und  seine  Schöpfungen  mit  Verstindnis  würdigt.  Einen  »Reichen*  nennt  ihn  Rabich: 
»Reich  an  Schaffen,   reich  an  Wissen  und  Können,  reich  an  Freuden,  reich  an 


138 
DIE  MUSIK  in.  2. 


Leiden.**  Er  stellt  sein  kirchenmusikalisches  Schaffen  ganz  besonders  hoch  und 
vergleicht  seine  Lieder  sehr  hübsch  und  wohlbegrQndet  mit  der  duftigen  Lyrik 
Eichendorffs.  —  Im  selben  Heft  befindet  sich  eine  wertvolle  Abhandlung  von  Els- 
beth  Friedrichs:  „Der  ästhetische  Wert  der  Eiementargrössen  in  der  Musik^ 
In  ausfuhrlicher  Darlegung  wird  hier  das  Wesen  der  Konsonanz  und  der  Disso- 
nanz erörtert.  Die  Verfasserin  emanzipiert  sich  von  der  formalistischen  Anschauung, 
die  besagt,  durch  die  erklingende  Dissonanz  werde  die  Konsonanz  schon  in  der 
Erwartung  angeregt.  Sie  sagt,  wenn  auch  die  Konsonanz  zweifellos  sinnlich  an- 
genehmer sei  als  die  Dissonanz,  so  würden  für  den  reflektierenden  Geist  Konso- 
nanz und  Dissonanz  zu  Symbolen  eines  charakteristischen  Wohls  und  Wehes. 
9 Alles  Leid,  das  aus  dem  Zank,  dem  Hader,  dem  Nichtfibereinstimmen  mensch- 
licher Verhiltnisse  entspringt,  kann  zu  einem  Gefühl  der  Bitterkeit  und  tiefen 
Trauer  namenlos  die  Seele  füllen  —  keine  Worte,  keine  Darstellung  vermag  diese 
Stimmung  auszudrücken,  nur  die  Dissonanz  gibt  ihre  Eigentümlichkeit  wieder. 
Für  das  unnennbare  Wohlbehagen  und  den  Frieden,  der  das  menschliche  Innere 
füllen  kann  durch  völlige  Obereinstimmung  menschlicher  Zustinde,  durch  gegen- 
seitige Zustimmung,  durch  einigende  Versöhnung,  ist  die  Konsonanz  das  einzige 
treffende  Ausdrucksmittei.  Nicht  den  einzelnen  Vorgang,  nicht  das  einzelne  iussere 
Ereignis  oder  das  einzelne  innere  Gefühl  stellt  sie  dar,  sondern  die  mit  solchen 
Erlebnissen  zusammenhingenden  Stimmungen  regt  sie  an.**  Ausserdem  enthilt 
das  Heft  einen  Jubillumsartikei  Johann  Christoph  Bach"  von  Max  Pütt  mann 
und  einen  Aufsatz  über  ,,Musikschulen*'  von  Hans  Schmidkunz. 

FRANKFURTER  ZEITUNG  1903,  No.  240.  —  Felix  Weingartners  Feuilleton  «Die 
Zentenarfeier  für  Hektor  Berlioz  in  Grenoble**  enthielt  die  schönen  und  wahren 
Sitze:  ,,E8  ist  nun  wirklich  gut,  dass  wir  Menschen,  obwohl  die  Zeit  nach  Kants 
Lehre  nur  eine  aprioristische  Denkform  unseres  Gehirns  sein  soll,  doch  so  fest 
an  der  Vorstellung  der  Zeit  hangen,  dass  der  Ablauf  eines  Sikuiums  immer  sehr 
vernehmbar  an  unseren  Verstand,  aber  auch  an  unser  Herz  und  Gewissen  klopft. 
Minner,  deren  wir  selten  oder  nie  gedenken,  werden  uns  plötzlich  lebendig,  wenn 
ein  Gedenktag  an  sie  erinnert,  und  wir  überlegen,  wie  wir  sie  feiern  sollen. 
Empfinden  wir  nur  schuldigen  Respekt  vor  ihrem  Wirken,  so  gleicht  die  Feier 
einer  Seifenblase,  die  uns  für  eine  kurze  Spanne  Zeit  leuchtende  Farben  vortiuacht, 
um  nachher  in  graues  Geriesel  zu  zerstieben.  Sind  aber  lebendige  und  Leben 
spendende  Werke  vom  Gefeierten  ausgegangen,  denen  keine  Spur  des  Alters  an- 
haftet, so  glinzt  ein  flammendes  Feuerzeichen  weithin  hell  durch  die  Lande  und 
Tausende  blicken  staunend  darauf  hin.** 

OSTDEUTSCHE  RUNDSCHAU  (Wien)  1903,  No.  247.  —  Der  Aufeatz  »Herman 
Zumpe  t*  von  Richard  Braungart  lobt  namentlich  Zumpes  »angeborene  Neigung 
zum  Pathetischen  und  zum  Grosszügigen**  und  seine  ,,al  fresco-Gestaltung''  und 
verbreitet  sich  besonders  über  Zumpes  kompositorische  Titigkeit. 

BRESLAUER  ZEITUNG,  1903,  No.628.  —  .Herman  Zumpe  f«  von  Eduard  Engels 
—  eine  ergreifende  Darstellung  des  Ringens  und  Kimpfens  dieses  Lebens.  »Sicher 
ist,  dass  Zumpe  sich  nie  mit  einer  Leistung  zufriedengegeben  hat,  die  zu  über- 
bieten noch  innerhalb  des  Bereiches  seiner  oder  seiner  Mitarbeiter  Krifte  lag. 
Er  verlangte  von  sich  und  anderen  das  Höchste  und  das  trug  eine  Weihe  in  seine 
Aufführungen,  die  nur  für  ganz  feine  Sinne  von  der  echten  Weihe  des  Genius  zu 
unterscheiden  war.** 

DEUTSCHE  WACHT  (Dresden),  1903,  27.  &  —  Ein  G.  unterzeichneter  kurzer  Auf- 


139 
REVUE  DER  REVUEEN 


8atz  »Zur  Parsifal-Auffubning  in  Amerika*  klingt  in  die  Worte  aus:  »Parsifal  ist 
das  tiefete  Werk  Wagners,  in  dem  er  sein  aus  der  Vereinigung  von  Siegfried  und 
Christus  hervorgehendes  Ideal  des  Zukunftsmenschen  enthüllt  hat.  Diese  Idee 
wird  ihrem  ganzen  Wesen  nach  nur  in  Deutschland  auf  Verständnis  zu  rechnen 
haben;  für  die  Amerikaner  bleibt  ,Parsifal<  selbst  bei  der  besten  künstlerischen 
Wiedergabe  ein  sensationelles  Schaustück.* 

STANDARD  (London),  1903,  4.9.  —  Ein  kurzer  Bericht  über  „Promenaden- Konzerts* 
befiisst  sich  mit  Strauss'  „Till  Eulenspiegel*,  der  „a  gigantic  humoresque*  genannt 
wird. 

MONTHLY  MUSICAL  RECORD  (London),  1903,  Nr.  393.  -  Bringt  den  Schluss 
von  E.  Prouts  Analyse  „Grauns  Passion  Music*,  in  der  „Der  Tod  Jesu*  „a  work 
of  very  considerable  musical  value*  genannt  wird,  und  mehrere  anderen  wertvollen 
Aufsitze  und  Berichte. 

TÄGLICHE  RUNDSCHAU  (Berlin),  1903,  No.  201.  -  „Neue  Beiträge  zur  ,Parsifal*- 
Frage*:  Die  VerOfTentiichung  der  interessanten  Zuschrift  eines  Musikers,  Rud.  M.  Br., 
die  ohne  Zweifel  allgemeine  Verbreitung  verdient.  Der  Verfasser  weist  einleitend 
auf  „Weimar*  und  „Bayreuth*  als  zwei  kunstgeschichtliche  Tatsachen  hin,  die  im 
deutschen  Geistesleben  des  19.  Jahrhunderts  zwei  Marksteine  von  ewiger  Bedeutung 
darstellen.  Näher  eingehend  auf  die  unvergleichliche  Willcnsleistung,  die  sich  dem 
In-  und  Ausland  in  der  Wagnerschen  Schöpfung  von  Bayreuth  kundgibt,  verlangt 
er  von  uns,  den  Nutzniessem  des  dort  aufgespeicherten  künstlerischen  Kapitals, 
das  Gefühl  der  Verpflichtung,  des  Dankes.  Und  diesen  Dank  sollten  wir,  meint 
er,  abtragen,  indem  wir  —  das  deutsche  Volk  —  in  würdiger  Weise  auf  die  Er- 
haltung von  Bayreuth  bedacht  sind  und  diese  Pflicht  von  den  Wagnerschen  Erben 
übernehmen  . . .  „Man  spricht  von  Eigennutz  der  Familie  Wagner,  von  ungeheuren 
Tantiemen,  goldenen  Bergen,  und  von  Rieseneinnahmen  in  Bayreuth.  Wie  töricht 
und  erbärmlich  zugleich!  Nur  leichtfertige  Oberflächlichkeit  oder  nichtsnutzige 
Bosheit  vermag  die  13  mageren  Jahre  voll  bitterster  Sorgen  uud  Nöte  zu  über- 
sehen, die  Zeiten,  da  wohlgezählt  ein  paar  Dutzend  Zuhörer  im  Bayreuther  Haus 
Sassen,  zu  vergessen.  Wenn  jetzt  fette  Jahre  kommen  und  hier  und  da  gar  eine 
gute  Ernte  verzeichnet  werden  darf  (die  nur  wieder  der  Festspielkasse  zufliessti), 
so  isfs  den  Säern  und  Schnittern  zu  gönnen,  das  ist  nicht  mehr  wie  recht  und 
billig.  Wahrlich,  wäre  die  Familie  Wagner  nicht  uneigennützig,  handelte  sie  nicht 
im  Sinne  des  grossen  Toten,  sie  könnte  Bayreuth  Bayreuth  sein  lassen  und  die 
Hallen  schliessen.  Jeder  Apotheker,  der  eine  neue  Pille,  jeder  Chemiker,  der  ein 
neues  Kopfschmerzenpulver  oder  ein  helleres  Licht  erfunden  hat,  darf  reich  werden; 
der  Familie  Wagner  gönnt  man's  nicht . . .  Das  Haus  Cotta  kann  mit  den  ,Memo- 
iren  Bismarcks^  Millionen  verdienen,  aber  die  Familie  Wagner  darf  nicht  20000  Fr. 
Tantiemen  aus  Frankreich  oder  sonst  irgendwoher  erhalten,  ohne  dass  es  der  Welt 
hämisch  verkündet  wird.  Es  ist  Zeit,  das  Volk  über  ein  solch  beschämendes  Ge- 
baren aufzuklären  und  eine  Sache  mit  dem  ruhigen  Takt  zu  behandeln,  der  ihr 
gebührt  1* 

NEUE  MUSIKALISCHE  PRESSE  1903,  No.  17.  -  Aus  Max  Battkes  Artikel  Jugend- 
Konzerte*  ist  ersichtlich,  dass  für  den  nächsten  Winter  wieder  1 1  solcher  Konzerte 
für  Berlin  geplant  sind.  Die  11  Konzerte  des  verflossenen  Winters  wurden  ins- 
gesamt von  etwa  25000  Kindern  besucht,  von  denen  viele  weniger  Bemittelte  Frei- 
karten erhielten.  Ist  das  immerhin  auch  nur  ein  Kömchen  des  Guten,  wenn  man 
bedenkt,  dass  Berlin  mit  den  Vororten  ca.  400000  Schaler  aufweist,  so  wurde  doch 


140 

DIE  MUSIK  III.  2. 


wenigstens  ein  Anfang  gemacht  und  Sache  der  leitenden  Persönlichkeiten  muss  es 
sein,  die  Idee  weiter  auszubauen,  wenn  sie  sich  segenspendend  über  ganz  Deutsch- 
land ausdehnen  soll.  —  Arthur  Smolians  Aufsatz  .Parsifal  in  New- York*  klingt 
aus  in  die  Worte:  »Mögen  uns  Deutschen  denn  ,Parsifar  und  die  ,Bayreutber 
Bühnen festspiele*  noch  langehin  ein  unantastbares,  weihevolles  Erbgut  bleiben,  und 
jeder  Deutsche  betitige  bei  seiner  Stellungnahme  gegenüber  der  New- Yorker  Parsihl- 
angelegenheit  dankestreu  die  Sieglindenworte:  für  ihn,  den  wir  liebten,  ~  rett'  ich 
das  liebste!''  —  Über  „Die  MGnchener  Wagner-Aufführungen''  spricht  Arthur  Seidl 
und  schickt  seiner  Besprechung  der  Verdienste  der  beteiligten  Persönlichkeiten 
einen  kurzen  Vergleich  zwischen  Bayreuth  und  München  voraus,  dessen  Grund- 
gedanke der  ist:  in  Bayreuth  wird  uns  ein  Gesamtkunstwerk  geboten  und  herrschen 
Wagners  Ideen,  in  München  haben  wir  „Star-Aufführungen*  und  herrschen  klein- 
liche Rücksichten  auf  Virtuosen  und  Publikum. 

WEEKLY  CRITICAL  REVIEW  bringt  die  Veröffentlichung  von  Briefen  Minna 
Planers  durch  J.  G.  Prod'  homme.  Von  Interesse  ist  insbesondere  ein  Brief 
Minnas  an  ihre  Mutter,  in  dem  es  heisst:  „Ich  bin  traurig  und  krank  infolge 
zweier  Sachen  und  werde  mich  nur  langsam  erholen,  vielleicht  auch  nie.  Mein 
armes  Herz  schiigt  noch  heftig.  Der  htale  Tristan,  den  ich  deshalb  gar  nicht 
liebe,  scheint  erst  nach  langen  Unterbrechungen  und  Mühen  ins  Leben  gerufen 
werden  zu  können.  Wer  weiss,  was  noch  alles  passieren  wird!  Ich  glaube,  dass 
es  für  derartige  Arbeiten  kein  Glück  gibt  Vielleicht  tiusche  ich  mich  aber.  Wir 
wollen  sehen,  wie  das  Ende  sein  und  ob  diese  Oper  dem  Publikum  gefallen  wird. 
Ich  wünsche  es  von  ganzem  Herzen  . . .  Richard  schreibt  mir  viel  und  herzlich, 
auch  ich  schreibe,  aber  ich  wünsche  doch,  dass  eine  Anniherung  zwischen  uns 
noch  in  weiter  Feme  liegen  möge.  Es  schnürt  mir  die  Kehle  zusammen,  aber  ich 
kann  nicht  anders! . . ." 

NATIONAL-ZEITUNG  (Beriin)  1903,  No.  468.  —  „Münchener  Festaufführungen«  von 
Paul  Marsop.  Der  Aufsatz  gibt  eine  zusammenfassende  Übersicht  über  die 
heurigen  Erfolge  des  Prinzregententheaters.  „Das  in  allem  Wesentlichen  gemäss 
den  Absichten  Wagners  errichtete  Haus  mit  amphitheatralisch  ansteigendem  Zu- 
schauerraum und  verdecktem  Orchester'*  hat  teil  an  dem  grossen  Erfolg,  aber  ebenso 
auch  „die  überaus  gewissenhaft  durchgeführte,  auf  Klarlegung  jedwedes  scheinbar 
noch  so  geringfügigen  szenischen  Vorganges  gerichtete  Regiearbeit":  „Noch  nie  ist 
die  vielverftstelte  ,Intrigue'  der  Tetralogie  bis  in  jede  Faser  so  zum  Greifen  deutlich 
ausgelöst,  noch  nie  der  Gesamtbau  des  Riesenwerkes  in  so  übersichtlicher  per- 
spektivischer Aufzeichnung  hingestellt  worden,  wie  nunmehr  in  München.  Ein 
Triumph  der  szenischen  Deutlichkeit,  ein  Sieg  des  Fleisses  und  der  Energie." 
Marsop  betont  namentlich  das  Verdienst  Possarts  und  schliesst  mit  einem  Vor- 
schlag künftiger  Erweiterung  des  Spielplanes:  „Soll  das  Prinzregententheater  ein 
Zukunftstheater  sein,  das  heisst,  will  sich  sein  Leiter  die  Zukunft  sichern,  so 
muss  er  über  Wagner  hinausgehen  und  den  Werken  der  begabtesten  unter  den 
lebenden,  für  die  Bühne  schreibenden  Tonsetzer,  vornehmlich  also  denen  von 
Richard  Strauss,  Max  Schillings  und  Hans  Pfltzner,  die  gebührende  Berücksichtigung 
schenken.  Nicht  in  etwelchem  Opemhause,  sondern  in  einem  deutschen  Spiel- 
hause, wie  es  zu  München  steht,  wird  man  darüber  volle  Klarheit  gewinnen 
können,  was  die  an  Wagner  herangebildeten  Dramatiker  unserer  Tage  beabsichtigen 
und  vermögen.  Die  Aufgaben,  welche  die  Zeit  stellt,  recht  begreifen,  das  betagt, 
sie  bereits  zur  Hilfre  itelöst  zu  haben." 


NEUE  OPERN 

Jan  Blockx:  .De  Kapel',  eine  Oper,  derea  Libretto  von^Nestor  de*Tlire  herrührt, 

wird  an  der  ßlmlscben  Oper  in  Antwerpen  ihre  Urauffübrung  erleben. 
C.  Dluffski:  .Die  Frau  mit  dem  Dolche"  (nach  dem  gleichnamigen  Stück  voa 

Arthur  Scbnitzter)  vird  in  St.  Peteraburg  lum  erstenmal  über  die  Bretter  gehen. 
Caiuille   Erlanger:    .Aphrodite*    heisst   der    Titel    einer  Oper,   zu   der  L.  de 

Grammont  nach  dem  Roman  von  Pierre  Louys  den  Text  geschrieben  hat. 
Theodor  G«rlach:  .Liebes wogen",  eine  .gesprochene''Oper  wurde  vom  Bremer 

Siadttbeater  tur  Aufführung  angenommen. 
Paul  GUson:   .Prinzea  Zonnenschijn",  Text  von  Pol  de  Mont,  helast  ein 

dramatisches  Terk  des  flimischeo  Komponisten,  das  an  der  Oper  in  Ant- 
werpen das  Licht  der  Rampen  erblicken  wird. 
Otto  Neitzel:  „Barbarloa',  eine  aua  3  Akten  und  einem  Nachspiel  bestehende 

Oper,  zu  der  der  Komponist  das  Libretto   verhisste,   wird  am  Wiesbadener 

Hoftheater  lur  ersten  AuRührung  gelangen. 
Ferdinand Paer:  .Der  Herr  Kapellmelster",elnekomlscheOper, neubearbeitet 

in  der  von  Dr.  Kleefeld  herausgegebenen  Sammlung  .Opem-Renalssance* 

(Verlsg  von  Schlesinger- Berlin),  wird  ihre  Uraufführung  am  Magdeburger 

Stadtttaeaier  erleben. 
Theodor  Podbertgky:  .Des  Liedes  Ende"  heisst  ein  einaktiges  dramatisches 

Terk,  lu  dem  der  Komponist  selbst  das  Buch  geschrieben  hat. 
Spiro  Samara:    .Storia  d'amore',   eine  Oper  des   italienlacben  Komponisten 

wird  am  Teatro  llrlco  lu  Mailand  zur  ersten  AuffDhrung  kommen. 
Max  Vogrlch:  .Der  Buddha"  wird  zum  erstenmal  sm  Hoftheater  zn  Weimar 

in  Scene  gehen. 

AUS  DEM  OPERNREPERTOIRE 

Dessau:  Die  herzogliche  Hofhühne  erSlfnet  die  Spielzelt  mit  einer  Gesamt- 
aufführung  des  .Rings  des  Nibelungen*,  wobei  die  Tieferlegung  und  Ver- 
grSsserung  des  Orchesterraums  zum  erstenmal  praktisch  erprobt  werden 
soll.  Von  Novltiien  sind  vorliuRg  In  Aussicht  genommen:  .Holfmanns  Er- 
ilblungen'  von  Offenbach  und  .Samson  und  Dalllk"  von  Saint-Saens.  Neu- 
einstudiert werden:  .Maskenball'  von  Verdi,  .Schwarzer  Domino*  von  Auber, 
.Hinsei  und  Crctel'  von  Humperdinck. 

Hamburg:  Von  Neuheiten  sind  vorgesehen:  .Corregidor'  von  Hugo  Wolf,  die 
deutseben  Uraufführungen  der  italienischen  Oper  .Adrieone  Leeouvreur" 
von  Franceaco  CiKa,  der  franzAsiscben  .Muguette"  von  Edmond  Missa. 
Neueinsiudiert  werden  .Hoffmanns  Erzihlungen'  von  Offbnbach,  .Atrafil' 
von  Franchetti,  .Undlne*  von  Lortilng,  ausserdem  Werke  von  Berlloi  und 
Gluck. 

Lübeck:  An  Novltlten  verspricht  die  Spielzeit:  .Fedora'  von  Giordano,  .Vasanta- 
sena"  von  Reicbwetn,  .Corregidor"  von  Hugo  Wolf,  .Das  Andreasfesf  von 


142 
DIE  MUSIK  III.  2. 


Grammtnn,  die  „Oresde  des  Äscbylot*  mit  der  Musik  von  Schillings  und 
«Faust*  1.  und  2.  Teil  mit  der  Musik  von  Bungert;  an  Neueinstudierungen: 
«Oberon*  von  Weber  in  der  Einrichtung  des  Wiesbadener  Hoftbeaters,  »Ent- 
führung aus  dem  SeriiP,  »Heimchen  am  Herd**,  »Die  Stumme  von  Portici*, 
»Robert  der  Teufel*,  »Othello*  (Verdi),  »Maurer  und  Schlosser*,  »Jessonda" 
(Spohr). 

Malland:  Im  Teatro  Lirico  werden  im  Laufe  des  Winters  aufgeführt  werden: 
»Thais*  von  Massenet,  »Chopin*  von  Oreflce,  »Louise*  von  Charpentier, 
»Storia  d'amore*  von  Spiro  Samara,  femer  La  Bohdme,  Norma,  Traviata, 
Gioconda  und  Lohengrin. 

Mannheim:  An  neuen  Opern  hat  das  Hoftheater  in  Aussicht  genommen:  Pfltzner 
»Die  Rose  vom  Liebesgarten*  und  Massenet  »Der  Gaukler  unserer  lieben 
Frau*.  Berlioz'  hundertster  Geburtstag  wird  durch  die  Neueinstudierung 
von  „Benvenuto  Cellini'^  begangen;  auch  Schillings'  „Ingwelde^  erscheint 
demnächst  wieder  auf  dem  Spielplan. 

Weimar:  »Der  Cid*  von  Peter  Cornelius,  der  1865  zwei  Darstellungen  erlebte, 
wird  vom  Hoftheater  in  der  neuen  Spielzeit  wieder  aufgenommen  werden. 

Wien:  Die  Hofoper  rerheisst  folgende  Neuheiten:  „Bohdme"  von  Puccini, 
„Corregidor^  von  Hugo  Wolf,  „FalstafP^  von  Verdi  und  „Götz  von  Berlichingen*' 
von  Goldmark. 

KONZERTE 

Augsburg:  In  den  acht  Abonnementskonzerten  des  Oratorienvereins  unter 
Leitung  von  Prof.  Weber  werden  u.  a.  aufgeführt:  J.  S.  Bach  (h-molI-Messe), 
Enrico  Bossi  (»Das  verlorene  Paradies*,  symphonische  Dichtung  in  einem 
Prolog  und  drei  Teilen,  Text  nach  John  Milton  von  L.  A.  Villaris;  Urauf- 
führung), Brückner  (8.  Symphonie,  Te  Deum),  Carl  Pohlig  (Per  aspera  ad 
astra).  Zwei  weitere  Symphoniekonzerte  werden  vom  Kaimorchester  unter 
Weingartner  bestritten.  —  Ausserdem  findet  ein  Kammermusikabend  des 
Böhmischen  Streichquartetts,  sowie  ein  Beethoven  •  Abend  von  FtidMe 
Lamond  statt 

Basel:  Die  Allgemeine  Musikgesellschaft  veranstaltet  im  Winter  zehn 
Symphoniekonzerte  unter  Leitung  von  Kapellmeister  Suter.  Es  kommen  zur 
Aufführung:  J.  S.  Bach  (Brandenburgisches  Konzert  No.  1),  Beethoven 
(Ouvertüre  zu  Egmont,  Violinkonzert,  Romanze  für  Violine,  3.  und  4.  S)rm- 
phonie,  Klavierkonzert  Es-dur),  Brahma  (Violinkonzert,  D-dur-Symphonie, 
Klavierkonzert  d>moll),  Brückner  (8.  Symphonie  c-moll,  zum  erstenmal),  Ber- 
lioz  (Symphonie  fantastique,  Nuits  d'6t6,  La  mort  d'Oph^lie,  Duett  aus  »Bea- 
trice und  Benedikt*,  Ouvertüre  zum  Cmmavai  romain),  Gluck  (Ouvertüre  zu 
Alceste,  zum  erstenmal),  Hindel  (Concerto  grosso  h-moU  für  Streichorchester, 
zum  erstenmal),  Haydn  (Symphonie  c-moU,  Violoncellkonzert),  Jaques-Dai- 
croze  (Ouvertüre  zu  »Sancho*),  d'indy  (Symphonie  sur  un  chant  montagnard, 
neu),  Joachim  (Violinkonzert),  Uszt  (Ungarische  Phantasie  für  Klavier  und 
Orchester,  Prometheus),  Mendelssohn  (Ouvertüre  zur  »Fingalsböhle*),  Mozart 
(Ouvertüre  zur  »Zauberfiöte*,  Notturno  für  vier  Orchester,  zum  erstenmal, 
Violinkonzert,  Symphonie  g-moll),  Schubert  (b-moll-Sympbonie),  Schumann 
(Es-dur-Symphonie),  Smetana  (Ouvertüre  zu  i» Verkaufte  Braut*),  R.  Strauss 
(Don  Quixote,  Liebesscene  aus  »Feuersnot*),  Wagner  (Vorspiel  und  Liebestod 
aus  »Tristan  und  Isolde*,  Ouvertüre  zum  »Fliegenden  Hollinder*),  Weber 
(Freischfitzouvertüre).    Femer  Lieder  und  Arien  von  Brahms,  Uszt,  Mozart, 


143 
UMSCHAU 


Schubert,  Vtccti.  Von  Solisten  sind  angemeldet  die  Damen  Hermine  Bosetti, 
Julia  Culp,  Teresa  Carefio,  Anna  Hegner,  Ida  Huber-Petzold,  Berta  Morena, 
Maria  Philipp,  Ernestine  Schumaon-Heinlc  sowie  die  Herren  Leopold  Auer, 
Robert  Freund,  Karl  Halir,  Hans  Kötscher,  Egon  Petri  und  Willy  Treichler. 
Ausserdem  finden  sechs  Kammermusikabende  statt,  an  denen  Werke  von 
Beethoven,  Brahms,  Dvorak,  Haydn,  Mozart,  Schubert,  E.  Straesser  (neu)  und 
Schumann  zur  Aufführung  kommen. 

Berlin:  Die  Singakademie  (Dir.  Prof.  Georg  Schumann)  veranstaltet  sechs  Kon- 
zerte, in  denen  zur  Aufführung  gelangen:  Paradies  und  Peri  von  R.  Schu- 
mann, NXnie  von  Brahms,  Missa  solemnis  von  Beethoven,  Judas  Maccabius 
von  Händel,  Totenklage  von  G.  Schumann  (zum  erstenmal),  Requiem  von 
Verdi,  Weihnachtsoratorium  und  Matthiuspassion  von  Bach. 

Bremen:  Die  Philharmonische  Gesellschaft  gedenkt  im  kommenden  Winter 
aufzuführen:  Beethoven  (5.,  7.  und  9.  Symphonie),  Haydn  (Symphonie  No.  13), 
Mozart  (Symphonie  C-dur),  Schubert  (Symphonie  h-moU),  Mendelssohn 
(Ouvertüre  Hebriden),  Schumann  (Symphonie  Es-dur),  Weber  (Ouvertüre 
Freischütz  und  Euryanthe),  Brahms  (4.  Symphonie,  akademische  Festouver- 
türe), Wagner  (Tannhiuser-Bacchanal,  Faust-Ouvertüre),  Liszt  (Faust-Sym- 
phonie, Les  Pr6ludes),  Cornelius  (Ouvertüre  Barbier  von  Bagdad),  Volkmann 
(Ouvertüre  Richard  111.),  Rieh.  Strauss  (Heldenleben).  Von  Neuheiten  sind 
in  Aussicht  genommen:  Rieh.  Strauss  (Don  Quixote),  Brückner  (Symphonie 
No.  3),  Elgar  (Londoner  Volksleben),  Schillings  (Meergruss),  Pfitzner  (Fest 
auf  Solhaug),  Boehe  (Odysseus).  Von  Chorwerken  kommen  zur  Aufführung: 
Bach  (Kantate),  Haydn  (Schöpfung),  Brahms  (Deutsches  Requiem),  Berlioz 
(Fausts  Verdammnis),  letzteres  unter  Beteiligung  des  Lehrer-Gesangvereins, 
zur  Feier  des  hundertjährigen  Geburtstags  von  Berlioz.  Als  Solisten  sind 
gewonnen  worden:  Gesang:  Edith  Walker,  Marcella  Pregi,  Julia  Culp,  Jean- 
nette Grumbacher  de  Jong,  Helene  B6rard,  Antonie  Stern,  Marie  Seyff-Katz- 
mayr,  Johannes  Messchaert,  Dr.  Ludwig  Wüllner,  Hans  Giessen,  Dr.  Felix 
Kraus,  Raimund  von  Zur-Mühlen,  Ludwig  Hess,  Jos.  Loritz,  Anton  Sister- 
mans.  Klavier:  Paula  Szalit,  Eugen  d' Albert.  Violine:  Eug&ne  Ysaye,  Fritz 
Kreisler,  Ferd.  Schleicher.    Cello:  Hugo  Becker. 

BrftsBtfl:  Die  Concerts  populaires  unter  der  Leitung  von  S.  Dupuls  kündigen 
vier  Konzerte  an,  deren  erstes  Berlioz  gewidmet  ist.  Als  Solisten  für  die 
übrigen  sind  genannt:  F.  Kreisler,  A.  de  Greef  und  J.  Hofmann.  —  Eug&ne 
Ysaye,  veranstaltet  sechs  Konzerte  im  Th^ätre  de  TAlhambra.  Es  wirken 
darin  mit:  Eugdne  Ysaye,  Raoul  Pugno,  J.  Gerardy,  A.  Silsti,  sowie  die 
Singerinnen  Lula  Mysz-Gmeiner  und  M.  Gay. 

Budapest:  In  den  zehn  Philharmonischen  Konzerten  werden  folgende 
Neuheiten  zur  Aufführung  gelangen:  B61a  Bartök  (Kossuth-Symphonie), 
Berlioz  (Symphonie  fundbre  et  triomphale),  Gluck-Mottl  (Balletsuite),  Herz- 
feld (Suite),  Händel  (Ouvertüre),  Kajanci  (finnische  Rhapsodie),  Kössler 
(Sylvesterglocken),  Massenet  (Scönes  pittoresques),  Mozart  (Serenade  für 
Bliser),  R^kai  (Ouvertüre),  Szer6my  (Suite).  Femer  Symphonieen  von: 
Beethoven  (2.,  8.  und  9.),  Brückner  (4.),  Brahms  (2.),  Schubert  (h-moU), 
Tschaikowsky  (5.)  Ausserdem:  Beethoven  (Egmontouvertüre,  Klavierkonzert 
Es-dur),  Bach-Abert  (Präludium  und  Fuge),  Dvo^k  (Slavische  Rhapsodie), 
Goldmark  (Frühlingsouvertüre),  Liszt  (Tasso),  Mendelssohn  (Die  Hochzeit 
des  Camacho),  Saint-Sains  (Danse  macabre),  Svendsen  (Karneval  von  Paris), 


144 


Wagner  (Karfreitagsztuber).  Von  Solisten  wirken  in  diesen  Konzerten  mit: 
Luis  Gmeiner,  Victoria  Bartoluca,  Bertha  Morena,  Margit  Tessönyi,  Grifin 
Idalia  Vasquez-Molina,  sowie  die  Herren  Georg  Antbes,  Emil  Bar6,  Franz 
Broulik,  E.  von  Dohnäoyi,  Hugo  Heermann,  Henri  Marteau,  David  Ney, 
Anton  Sistermans,  Stephan  Tbomän. 

Darmstadt:  Die  Grossberzoglicbe  Hofkapelle  veranstaltet  in  diesem  Winter 
sechs  Symphoniekonzerte  im  Hoftheater.  Zur  AufTührung  gelangen  von 
Symphonteen  Beethoven  (1.  und  Q.),  Haydn  (Es-dur  No.  3),  F.  Mendelssohn- 
Bartholdy  (a-moll),  Brahms  (e-moll),  Mabler  (D-dur),  ferner  kleinere  Werke, 
darunter  Mozart  (Serenade  für  vier  kleine  Orchester),  Smetana  (Visegrad), 
Leo  Blech  (Waldwanderung),  Saint-SaSns  (Pbaeton),  Berlioz  (Ouvertüre  zu 
Benvenuto  Cellini).  Von  Solisten  wirken  mit  die  Damen  Kapust,  Tolli, 
Frieda  Kwast-Hodapp,  Marcella  Pregi,  Irene  Pewny,  Else  Berny,  Hedwig 
Kirsch  und  die  Herren  Otto  Wolf,  Kammersinger  Weber,  Hofkonzertmeister 
Havemann,  James  Kwast,  Julius  Klengel,  Miroslav  Weber,  Dr.  Felix  Kraus. 
In  den  vier  Konzerten  des  Musik- Vereins  werden  aufgeführt  werden : 
Willem  de  Haan  (Harpa),  Edward  Elgar  (Traum  des  Gerontius),  F.  Mendels- 
sohn-Bartboldy  (Elias),  R.  Schumann  (Paradies  und  Peri),  J.  S.  Bach  (Mat- 
thiuspassion).  Als  Solisten  wirken  mit  die  Damen  Minna  Obsner,  Else  Bengell, 
Alida  Oldenboom,  Emma  Schudt,  Agnes  Leydhecker,  Helene  Staegemann, 
Martha  Stapelfeldt,  Emma  Rückbeil-Hiller,  sowie  die  Herren  Oscar  No€, 
Alexander  Heinemann,  Otto  Wolf,  Arthur  van  Eweyck,  Heinrich  Bnins, 
Franz  Harres,  Nikola  Doerter,  Gerard  Zalsman. 

Dresden:  Die  Symphoniekonzerte  der  Hofkapelle  werden  folgende  Neuheiten 
aufweisen:  Berlioz  (Harald-Symphonie),  Draeseke  (Serenade  D-dur),  DvoHk 
Symphonie  (d-moll),  Volbacb  (Ouvertüre),  ZolötareflT  (Rhapsodie  h^braique), 
Sgambati  (Symphonie  D-dur),  Fried  (Priludium  und  Fuge  für  grosses  Streich- 
orchester), Pohlig  (Symphonie  „Per  aspera  ad  astra^),  Sibelius  (Symphonie), 
Rimsky-Korsakow  („Sadko^,  symphonisches  Gemilde),  Lully  (Balletsuite), 
Glazounow  (Symphonie  No.  6),  G.  Schumann  (Variationen),  Reuss  (sym- 
phonischer Prolog). 

Elberfeld:  Für  die  sechs  Konzerte  der  Konzert-Gesellschaft  sind  in  Aussicht 
genommen:  J.  S.  Bach  (Brandenburgisches  Konzert  No.  3),  Berlioz  (Fausts 
Verdammung),  Brahms  (Parzenlied),  Delius  (Lebenstanz),  Haydn  (Jahres- 
zeiten), Parry  (Holde  Sirene),  Schubert  (Stindchen),  Tschaikowsky  (Symphonie 
path^tique),  Verdi  (Requiem). 

Frankfurt  a«  M.:  In  den  Freitags-  und  Sonntagskonzerten  der  Museums- 
gesellschaft  werden  in  kommender  Saison  u.a.  gespielt  werden:  H.  BischoflT 
(Pan),  Brückner  (vierte  und  neunte  Symphonie,  Tedeum  für  Soloquartett, 
Chor  und  Orchester),  Ph.  E.  Bach  (Symphonie  No.  3),  Dohninyi  (Symphonie 
d-moll),  Ducas  (L'apprenti  sorcier),  Franck  (Symphonie  d-moll),  Hausegger 
(Wieland  der  Schmied,  symphonische  Dichtung),  H.  Goetz  (Symphonie 
f-moll),  H.  Pfltzner  (Vorspiele  zu  »Das  Fest  auf  Solhaug*),  A.  Reuss  (sym- 
phonischer Prolog  zu  H«  von  Hofmannsthals  »Der  Tor  und  der  Tod*), 
Rameau  (Fragmente  aus  »Castor  und  Pollux"),  A.  Ritter  (Ouvertüre  und 
Monolog  aus  der  Oper  »Der  faule  Hans*),  Smetana  (Die  Moldau),  Sibelius 
(»Der  Schwan  von  Tuonela*  und  »Lemminkalnen  zieht  heimwirts*, 
Legenden  für  Orchestei),  R.  Strauss  (»Till  Eulenspiegel',  »Ein  Helden- 
leben*,   »Don  Juan*,    »Tod    und    Verklimng*),    H.  Wolf    (»Penthesilea*, 


145 

UMSCHAU 


symphonische  Dichtung,  Vor-  und  Zwischenspiel  aus  der  Oper  »Der  Corre- 
gidor*).  Die  Konzerte  stehen  unter  der  Leitung  von  Siegmund  von 
Hsusegger.  —  Als  Solisten  wirken  mit:  Gesang:  die  Damen  Brems,  Foster, 
Holmstrsnd,  Kraus- Osborne,  Lehmann,  Morena,  Pregi,  sowie  die  Herren 
Forchhammer,  Hess,  Dr.  Kraus,  Loritz,  Lang;  Klavier:  die  Damen  Careno 
und  Ripper,  sowie  die  Herren  d'Albert,  Busoni  und  Dohninyi;  Violine:  die 
Herren  Heermann,  Ysaye,  Ahner;  Violoncell:  die  Herren  Becker  und 
Klengel.  —  Ausserdem  finden  noch  zehn  Kammermusik-Abende  statt. 

Hamburg:  Max  Fiedler  veranstaltet  in  der  Wintersaison  acht  Orchesterkonzerte. 
Es  kommen  u.  a.  zur  Aufführung  Beethoven  (1 ,  7.  und  9.  Symphonie), 
Berlioz  (Carnaval  romain),  Brahma  (1.  Symphonie,  Variationen  über  ein 
Haydnsches  Thema),  Grieg  (Konzertouvertüre),  Haydn  (Oxford-Symphonie), 
Liszt  (Tasso),  Mozart  (D-dur-Symphonie),  Schumann  (d-moU-Symphonie), 
Tschaikowsky  (Romeo  und  Julie,  Symphonie  path6tique,  Ouvertüre  »1812*, 
Variationen  aus  der  Orchestersuite  G-dur,  „Nussknacker'-Suite),  Weber 
(Jubelouvertüre).  Von  Novitäten  sind  in  Aussicht  genommen:  Glazounow 
(Moyen-ige,  Suite  für  Orchester,  erste  Aufführung  in  Deutschland;  7.  Sym- 
phonie), Elgar  (»Cockaigne*  [Londoner  Leben],  Konzertouvertüre),  d' Albert 
(3  Gesinge  mit  Orchester),  Sibelius  (2.  Symphonie),  Tschaikowsky  (Röves 
d'enfant),  A.  Krug  (Eine  Faustscene),  Jaques-Dalcroze  (Tableaux  romands, 
Suite).  Ferner  kommen  zum  Vortrag  Arien  und  Lieder  von  Brahms,  Mozart, 
Fiedler,  Schillings.  Solisten  sind  die  Damen  Schumann-Hein k,  Hermine 
d'Albert,  Paula  Szalit,  Lula  Mysz-Gmeiner  und  die  Herren  Henry  Marteau, 
Emanuel  Stockhausen,  Eugen  d' Albert  und  Pablo  de  Sarasate. 

Karlsruhe:  Von  dem  Konzert-Zyklus  des  Hoforchesters  wird  in  der  bevor- 
stehenden Spielzeit  von  Felix  Mottl  infolge  seiner  Übersiedelung  nach 
Amerika  nur  das  erste  Konzert  dirigiert  werden;  5  Konzerte  werden  unter 
Leitung  des  Hofkapellmeisters  A.  Lorentz»  2  unter  auswärtigen  Dirigenten 
und  zwar  Hans  Richter  und  E.  v.  Schuch,  stehen.  Zur  Aufführung  sind 
u.a.  in  Aussicht  genommen:  Beethoven  (7. und  8.  Symphonie,  Violinkonzert), 
Haydn  (Vier  Jahreszeiten),  Schubert  (h-moll-Symphonie),  Schumann  (Sym- 
phonie B-dur),  Berlioz  (Fausts  Verdammung),  Liszt  (13.  Psalm),  Wagner 
(Eine  Faust-Ouvertüre,  Gebet  aus  Rienzi),  V.  d'lndy  (La  for6t  enchant^e), 
Smetana  (Phantasie  über  die  »Verkaufte  Braut*  für  Violine  und  Orchester), 
Rieh.  Strauss  (Zarathustra).  An  Solisten  sind  ausser  Ondricek  bisher  noch 
Klotilde  Kleeberg,  Bertha  Morena  und  Karl  Burrian  gewonnen. 

Kopenhagen:  An  Neuheiten  im  Konzertsaal  sind  vorgesehen  »Helios-Ouvertüre** 
von  Carl  Nielsen,  Symphonie  von  Ludolf  Nielsen,  »Gurresange*  (Gurrelieder) 
von  Gustav  Heisted,  nach  einem  Gedicht  von  J.  P.  Jacobsen  für  Soli 
und  Chor. 

Lftbeck:  Als  Solisten  wirken  in  den  acht  Symphoniekonzerten  unter  Ugo 
Afferni  mit:  Ettore  Gandolfl,  Lula  Mysz-Gmeiner,  Emma  Holmstrand, 
Emilie  Herzog,  Teresa  Carreno-Tagliapietra,  Raoul  Pugno  und  Henri  Marteau. 
Das  siebente  Konzert  dirigiert  Arthur  Nikisch.  Unter  den  angenommenen 
Novitäten  sind  besonders  erwähnenswert:  Brückner  (Symphonie  B-dur), 
Hausegger  (Barbarossa),  Sibelius  (König  Christian)  und  Richard  Strauss 
(Also  sprach  Zarathustra). 

Magdeburg:  In  den  Abonnementskonzerten  des  stidtischenOrchesters  unter 
Krug-Waldsee  werden   zur  Wiedergabe  gelangen:   Beethoven  (Vierte  und 

IlL  2.  10 


146 
DIE  MUSIK  III.  2. 


Fünfte  Symphonie),  Mozart  (D-dur),  Mendelssohn  (a-moil),  Brshms  (D-dur), 
Berlioz  (fantasdque),  Knig-Wtldsee  (C-dur),  ferner  Tschaikowsky  (Francesca 
dt  Rimini),  Cbarpentier  (Impression  d'Italie),  G.  Schumann  (LiebesfrQhling), 
Boehe  (Odysseus'  Ausfahrt  und  Schiffbruch),  Handel  (Konzert  D-dur  für  zwei 
oblig.  Violinen,  oblig.  Cello  und  Streichorchester). 

Mannheim:  Das  Kaimorchester  unter  Weingartner  reranstaltet  vier  Konzerte 
im  Museumssaal  des  Rosengartens.  Der  Musikverein  begeht  sein  75jihriges 
Jubiläum  durch  eine  Auffuhrung  von  Bachs  h-moil-Messe  und  gedenkt  des 
Geburtstages  Berlioz'  durch  die  Wiedergabe  seines  Requiems.  —  Unser  ein- 
heimisches Quartett  bringt  u.  a.  auch  einen  Pfltzner-Abend.  Das  Frankfurter 
Quartett  Heermann  und  Genossen  wird  dreimal  spielen.  Zu  erwähnen  ist 
noch  das  neugegründete  Trio:  Schuster,  MQUer  und  Bopp. 

München:  Für  die  zwölf  Kaimkonzerte  unter  Leitung  von  Felix  Weingartner 
sind  in  Aussicht  genommen :  Bach  (Brandenburgisches  Konzert,  Konzert  für 
zwei  Violinen),  Beethoven  (Dritte  Symphonie,  Fünfte  Symphonie,  Neunte 
Symphonie,  Ouvert&re  und  Zwischenakts-Musik  aus  »Prometheus*,  Violin- 
konzert), Berlioz  (Harald-Symphonie,  Phantastische  Symphonie),  Brahms 
(Zweite  Symphonie,  Haydn-Variationen),  Dohnanyi  (Symphonie  d-moll,  zum 
erstenmal),  Eigar  (Variationen),  Handel  (Konzert  für  zwei  Blasorchester,  zum 
erstenmal),  Haydn  (Oxford-Symphonie),  loimpe  (Tragisches  Tongedicht,  zum 
erstenmal),  Liszt  (Orpheus,  Mazeppa,  Klavier  -  Konzert  Es-dur,  Toten- 
tanz, Adagio  aus  Beethoven -B-dur-Trio,  instrumentiert),  Mendelssohn 
(Ouvertfire  und  Scherzo  aus  »Ein  Sommemachtstraum'),  Mozart  (Konzert 
für  vier  Orchester,  Deutsche  Tinze,  beide  zum  erstenmal,  Violinkonzert), 
Pfltzner  (Vorspiel  zum  dritten  Akt  aus  Ibsens  »Das  Fest  auf  Solhaug*,  zum 
erstenmal),  Pohlig  (Symphonie  Per  aspera  ad  astra,  zum  erstenmal), 
Schubert  (Symphonie  C-dur),  Schumann  (Ouvert&re  Manfred,  Symphonie 
d-moU),  Thuille  (Romantische  Ouvertfire),  Hugo  Wolf  (»Penthesilea',  sym- 
phonische Dichtung,  zum  erstenmal).  Als  Solisten  wirken  mit:  die  Damen 
Lula  Mysz-Gmeiner,  Jeanette  de  Jong,  Emma  Hiller,  Elisabeth  Sendtner- 
Exter,  Tilly  Koenen,  Anna  loingenhan-Hirzel,  Marcella  Pregi,  Frida  Scotta- 
Kaulbsch,  sowie  die  Herren  Fritz  Kreisler,  Jan  Kubelik,  Alfred  Reisenauer, 
Herrmann  Ritter,  Eugdne  Ysaye,  Albert  Jungblut  und  Rudolf  von  Milde. 

PariB:  Die  Leitung  der  Colonne-Konzerte  veröffentlicht  ihr  Programm  ffir  die 
Saison  1903/1904.  An  grossen  Werken  werden  zur  Aufführung  gelangen: 
Beethoven  (Neunte  Symphonie),  Charpentier  (Leben  des  Dichters),  Schumann 
(Manfred),  Berlioz  (Romeo  und  Julia,  Requiem,  Die  Kindheit  Christi,  Pausts 
Verdammnis,  Symphonie  fantastique).  Neben  ilteren  Werken  von  Pranck, 
Holmda,  d'lndy,  Lalo  und  Saint-SaSns  sind  Novititen  von  Debussy,  Paurd, 
Glazounow,  Massenet,  d'OUone,  Widor  und  Paderewsky  vorgesehen.  Einen 
hervorragenden  Platz  in  den  Programmen  werden  Werke  Richard  Wagners 
einnehmen.  Von  Solisten  werden  genannt:  die  Damen  Carefio,  Litvinne, 
Schumann-Heink  und  die  Herren  van  Dyck,  Diemer,  Pugno,  Risler  und 
Sal^za. 

Wien:  Der  Konzertverein  unter  Leitung  von  Ferdinand  Löwe  veranstaltet 
12  Konzerte  im  Grossen  Musikvereinssaal.  Zur  Aufführung  werden  u.  a. 
gelangen:  Werke  von  Bach,  Haydn,  Handel,  Mozart,  Beethoven,  Schubert, 
Mendelssohn,  Schumann,  Cherubini,  Weber,  Volkmann,  Berlioz,  Brahma, 
Liszt,  Wagner,  Brückner  (Neunte  Symphonie),  R.  Straust  und  Tschaikowsky. 


141 
UMSCHAU 


An  Novitäten:  d*Albert  (Ouvertüre  zu  »Der  Improvisator*),  Borodin 
(Symphonie  h-moll).  Brüll  (Serenade  F-dur),  Dukas  (L'apprenti  sorcler), 
Elgar  (Ouvertüre),  Jaques-Dalcroze  (Violinkonzert),  A.  Ritter  (Symphonische 
Dichtung),  H.  Wolf  (Italienische  Serenade). 

TAGESCHRONIK 

Die  Bayreuther  Buhnenfestspiele  im  Jahre  1904  werden  in  der  Zeit 
vom  22.  Juli  bis  20.  August  stattfinden  und  aus  zwei  Aufführungen  des  »Ring 
des  Nibelungen*,  sieben  AufTQhrungen  des  „Parsifsl*  und  fünf  AuffOhrungen  des 
i»Tannhiuser*  bestehen. 

Die  Leitung  der  diesjährigen  Odeons-Konzertein  München  wurde  General- 
musikdirektor Fritz  Steinbach,  Direktor  Bernhard  Stavenhagen,  Hofkapellmeister 
Franz  Fischer  und  Professor  Erdmannsdörfer  Qbertragen. 

Der  deutsche  Musik- Verein  zu  Milwaukee  hat  zum  Dirigenten  den  Musik- 
direktor Max  Puchat,  bisher  in  Paderborn,  gewählt. 

Der  Schriftsteller  Dr.  Arthur  Seidl  aus  Manchen  ist  als  dramaturgischer 
Sekretär  an  das  herzogliche  Hoftheater  in  Dessau  berufen  worden. 

Prof.  Richard  Buchmayer  aus  Dresden  hat  die  Musikabteilung  der  Lfine- 
burger  Stadtbibliothek  einer  Durchsicht  unterzogen,  die  eine  musikgeschicht- 
lich äusserst  interessante  Ausbeute  lieferte.  Sie  besteht  aus  sechs  bisher  unbekannten 
Sammlungen  von  Werken  der  Orgel-,  Klavier-,  Kammer-  und  Vokalmusik,  zumeist 
aus  dem  17.  Jahrhundert.  Sie  sind  besonders  auch  für  die  Bacbforschung  von 
unschätzbarem  Wert  und  bedeutsam  för  die  Entwicklung  des  Orgel-  und  Klavier- 
stils. Am  wichtigsten  ist  der  fünfte  Band,  denn  er  beschert  uns  die  seit  zwei 
Jahrhunderten  verschollenen  Klavierwerke  des  Mathias  Weckmann,  eines  seiner 
Zeit  hochangesehenen  Musikers,  der  von  1655—1674  als  Organist  an  der  Jakobi- 
kirche  in  Hamburg  wirkte. 

In  Horitz  (Böhmen)  wurde  ein  Smetana-Denkmal  enthüllt 

In  Waizenkirchen  fand  am  13.  September  die  Wilhelm  Kienzl-Feier  statt; 
am  Geburtshaus  des  Komponisten  wurde  eine  Gedenktafel  enthüllt. 

Kaiser  Wilhelm  hat  dem  Direktor  der  Wiener  Hofoper,  Gustav  Mahler, 
den  preussischen  Kronenorden  II.  Klasse  verliehen.  ■ 

Prinzregent  Luitpold  von  Bayern  verlieh  Ernst  von  Possart  für  das  Ge- 
lingen der  Festspiele  das  Komturkreuz  des  Verdienstordens  der  bayrischen  Krone. 

Frau  Lillian  Nordica  erhielt  vom  Prinzregenten  für  ihre  Mitwirkung  an 
den  Wagnerfestspielen  die  Ludwigsmedaille  für  Kunst  und  Wissenschaft. 

Der  seit  23  Jahren  bestehende  Flügeische  Gesangverein  i»  Breslau  ist 
von  seinem  Gründer,  Professor  Ernst  Flügel,  aufgelöst  worden. 

TOTENSCHAU 

Im  Schloss  Alt-Erlaa  zu  Niederösterreich,  das  ihm  die  Herzogin  von  Olden- 
burg zur  Verfügung  gestellt  hatte,  starb  am  10.  September  Anton  Rückauf. 
Geboren  zu  Prag  am  13.  März  1855,  Schüler  von  Proksch,  Nottebohm  und  Navratil, 
hat  er  sich  besonders  als  Lyriker  einen  Namen  gemacht.  Ein  geschmackvoller, 
feingebildeter  Tonsetzer  schloss  er  sich  in  seinen  Liedern  hauptsächlich  an 
Schubert  und  Brahms  an.  Neben  Kammermusikwerken  und  Klavierstücken  (er 
war  selbst  ein  tüchtiger  Pianist)  schrieb  er  auch  eine  Oper  „Die  Rosenthalerin*, 
die  in  Dresden,  Prag  und  anderwärts  mit  freundlichem  Erfolg  zur  Aufführung  kam. 

Am  29.  September  früh  verschied  in  Leipzig  nach  langem,  schweren  Leiden 
Prof.  Dr.  Robert  Papperitz,  ein  vorzüglicher  Musiktheoretiker  und  Orgelspieler, 

10» 


148 
DIE  MUSIK  III.  2. 


der  seit  1851,  wo  er  seine  Studien  bei  Hauptmann,  Richter  und  Moschelea  be- 
endet hatte,  dem  König!.  Konservatorium  zu  Leipzig  als  Lehrer  für  Harmonie  und 
Kontrapunkt  angehörte  und  seit  1868  auch  den  Organistenposten  an  der  Nikolai- 
kirche bekleidete.  Papperitz  wurde  am  4.  Dezember  1826  zu  Pirna  i.  S.  geboren 
und  hat  noch  bis  ror  kurzem  —  also  bis  in  sein  77.  Lebensjahr  hinein  gelehrt, 
gewirkt  und  geschaffen.  Er  schrieb  mehrere  gediegenen  Kompositionen  für  ein- 
und  mehrstimmigen  Gesang  und  für  die  Orgel,  sowie  auch  musiktheoretische 
Studienwerke. 

Cavaliere  Enrico  Modisto  Berignani,  25  Jahre  lang  Kapellmeister  an  Covent 
Garden,  der  sich  in  englischen  Musikkreisen  ausserordentlicher  Beliebtheit  er- 
freute, ist  am  29.  August  in  Neapel  gestorben. 

In  Reichenhall  starb  der  deutsch-böhmische  Komponist  August  Labitzky, 
der  50  Jahre  lang  der  Karlsbader  Kapelle  angehörte. 

Die  KönigL  sichs.  Hofopemsingerin  a.  D.  Mathilde  Löffler  ist  im  Alter 
von  51  Jahren  in  Heidelberg  gestorben. 

Der  Heldentenor  des  Prager  deutschen  Theaters  Wilhelm  Eisner  ist  einem 
Nierenleiden  erlegen. 

Aus  Oedenburg  wurde  die  Nachricht  von  dem  Ableben  des  Musikprofessors 
Emanuel  Haas  gemeldet 

In  Elberfeld  verschied  der  Heldentenor  des  Stadttheatera  E.  Kronenberg  im 
Alter  von  40  Jahren. 

Der  Königl.  Kommerzienrat  J.  L.  Duysen,  Pianofortefabrikant,  ist  am 
30.  August  in  Berlin  verstorben. 

Einer  der  frühesten  französischen  Wagnerianer,  Charles  de  Lorbac,  der 
bereits  1861  eine  Lebensbeschreibung  des  Meisters  herausgab,  ist  in  Villiera  sur 
Marne  aus  dem  Leben  geschieden. 

Der  Orchester-Dirigent  und  Komponist  August  Meissner,  ein  Deutscher, 
starb  im  Alter  von  70  Jahren  in  Stockholm. 

Der  ungarische  Violinvirtuose  Eugen  Adorjän,  Schiller  Hubays  und 
Joachims,  1897—99  in  Lübeck,  später  in  Düsseldorf  als  Konzertmeister  titig,  ist, 
erst  30  Jahre  alt,  in  Gödöllö  gestorben. 

Am  24.  September  verschied  in  seinem  46.  Lebensjahre  Charles  Wolff, 
der  jüngere  Bruder  des  vor  ca.  2  Jahren  verstorbenen  Konzertdirektors  Hermann 
Wolff.    Er  war  Mitbegründer  des  bekannten  Beriiner  Instituts. 

Im  Alter  von  62  Jahren  ist  in  Paris  Gabriele  Krauss  gestorben.  Geborene 
Wienerin,  Schülerin  des  dortigen  Konservatoriums,  1860—68  Mitglied  der  Wiener 
Hofoper,  war  sie  in  den  70  er  und  80  er  Jahren  eine  Hauptstütte  der  Pariser 
Grossen  Oper,  nachdem  sie  in  der  Zwischenzeit  den  Bühnen  in  Mailand  und 
Neapel  angehört  hatte.  Die  vielgefeierte  Primadonna,  besonders  ausgezeichnet  auf 
dem  Gebiet  der  grossen  dramatischen  Rollen  der  fhmzösischen  Oper,  wurde  seiner- 
zeit sogar  zum  Offizier  der  Ehrenlegion  ernannt. 

Auf  ihrer  Besitzung  Rastenfbld  bei  Klagenfurt  starb  am  29.  September  Marie 
Geistinger  im  Alter  von  67  Jahren.  Die  nichste  Nummer  der  »Musik*  wird 
einen  kurzen  Artikel  zu  ihrem  Gedächtnis  bringen. 


ff4^'i^ 


OPER 

AMSTERDAM:  Dai  Erbe  des  Herrn  tbq  der  Linden,  der  nach  berGbmtem  Musler  den 
Amerikanern  den  Panlhl  vorführen  vfrd,  und  ivar  In  Koniertform  durch  eise 
reisende  Geeellacharr,  haben  zwei  nieder).  Opcmgesellschirtea  an|etretea:  die  frühere 
Nederl.  Opera  und  die  Sezeasion,  die  Nieuwe  Neder).  Opera.  Direktor  der  crtteren  lat 
Herr  D.  H.  Joosteo,  ala  Kapellmeitter  tind  litlg  die  Herren  Hagcman  und  Rothwell  und 
lu  den  bewihrten  Krifteo,  den  Damen  Engelen-SewJng,  Bosae-Sommer,  Loiln,  Hageman 
und  den  Herren  de  Vos,  van  Duynen,  van  der  Hoeck  Bind  u.  i.  hinzu  gekommen  die 
dramatische  Singerin  Frau  van  Hülsen  und  der  Ijrrische  Tenor  Dalamo.  Um  das  Banner 
der  Secession,  der  Nieuve  Nederl.  Opera,  und  ihre  Führer,  die  beliehten  Singer  Oreüo 
und  Pauwels  und  den  geschickten  Regisseur  Coini,  scharten  sich  die  Damen  Colnl,  Kloos, 
DIrx  van  de  Veghe,  Vlbbela  und  van  Overelm,  sowie  die  Herren  Schulde,  van  Cauveren, 
Koster  und  Maal,  als  Kapellmeisier  die  Herren  Kwast,  TJerie  und  MOnch.  TIe  zwei 
Feldlager  stehen  sich  beide  Opern 'gegenüber  und  haben  den  grossen  Kampf  ums  Dasein 
begonnen,  der,  ohne  Subvention  von  Stadt  oder  Staat,  mit  dem  Untergang  der  einen  oder 
anderen  enden  muss.  Die  Nederi.  Opera  brachte  bisher  Herodiade,  Faust,  Lobengrln, 
Cavallerla  und  Bajaizo,  der  junge,  feurige  Kapellmeister  Rothwell  erwies  sich  als  Kraft 
ersten  Ranges.  Die  Nieuwe  Nederl.  Opers,  gestützt  auf  ein  voriügliches  Orchester,  gab 
Carmen,  Teil,  MIgnon  und  tat  sich  besonders  hervor  durch  eine  von  Kapellmeister  TlerJe 
Insserst  sorgflltlg  vorbereitete  Tannhiuser- Aufführung,  Als  Neuigkeiten  sind  In  Vor- 
bereitung hei  der  Stamrooper  Paderewskis  Manru,  bei  dem  neuen  krinig  emporstrebenden 
Unternehmen  aHerbergsprinzess'  und  .Braut  der  See'  von  Biockx. 

Hans  Augustin. 

BRESLAU:  Die  junge  Saison  hat  bisher  nur  Neueinstudierungen  bekannter  Repertoire- 
Opern,  zumeist  In  der  vertrauten  Besetzung  früherer  Jahre  gebracht.  Es  gab,  da 
unsere  Personal -Verhiltnisse  In  der  Oper  erfreulicherweise  ziemlich  stabile  sind,  nur 
wenige  Debüts.  Den  Talter  von  der  Vogelwelde  im  .Tannhiuser'  und  den  Radames 
in  der  .Aide'  sang  Herr  HolzspFel  sus  Graz,  der  bereits  in  seinen  Anfingen  der  Bres- 
Isuer  Bühne  angebSrt  hat.  Er  hat  sich  seither  zu  einem  geschmackvoll  vortragenden 
lyrischen  Tenor  entwickelt,  dessen  Krifie  freilich  fUr  den  Elan  Verdiseber  Helden  nicht 
annibemd  ausreichen.  Als  Brünnbilde  In  der  „Talküre"  debütierte  Rudolflne  Waldeck. 
Sie  bot  Gutes  und  Unzullnglicbes  in  buntem  Gemisch.  Ihr  Mezzosopran  Ist  umfingllch 
und  Borgnitlg  gebildet.  Einen  sehr  sngeaehmen  Gewinn  bedeutet  das  Engsgement  des 
In  Breslau  ausgebildeten,  In  KOIn  und  Hamburg  rasch  zu  betrilchtl Icher  Theater- Routine 
gelangten  Hans  SIewert.  Er  besitzt  eine  der  leichtesten  und  höchsten  Tenorstimmen, 
die  man  auf  deutschen  Bühnen  hAreo  kann.  Er  scbllgi  ein  hohes  D  ganz  sicher  an. 
Dabei  ist  er  kein  Schreihals  und  kein  Protzer  mit  seinen  Glanznoten,  sondern  er  phrasiert 
durchaus  gescbraackTOll  und  spinnt  Ksntilenen,  wie  ein  Franzose  oder  Italiener. 

Dr.  Erich  Freund. 

BUKAREST:  Die  ruminische  lyrische  Gesellschaft,  gegründet  und  geleitet  von  dem 
ausgezeichneten  Musiker  C.  Stephanesco  Ist  aus  den  bedeutendsten  Kriften  der 
ruminischen  Oper  zusammengesetzt.  Lucia,  Maria  de  Roban,  Faust,  Traviata,  CsTalieria, 
Crispino  von  Ricci,  die  Reise  nach  China  a.  a.  wurden  gut  aufführt;  auch  eine 
Ori^naloperette  von  Stephanesco  ,Dle  Schwiegermutter"  ttai  vielen  Beifall.  Die  Italienische 


150 
DIE  MUSIK  111.  Z 


Oper  gab  Lobengrin,  Carmen,  ATda,  die  Jüdin,  Lucia,  Barbier  von  Sevilla,  Dinorab,  Travi- 
ata,  ]a  Bob6nie,  Troubadour,  Zaza,  Pagliacci,  Faust  u.  a.  Der  ausgezeichnete  Tenor  Bonci 
wirkte  in  Gemeinscbaft  mit  der.  Primadonna  Wermez,  dem  Bariton  Polese  und  dem 
Bassisten  Sabeliier  in  den  Puritanern,  Rigoletto  und  Faust  mit.  Die  Truppe  der  Prager 
Oper  vermittelte  uns  die  Bekanntschaft  mit  der  cbarakteristischen  tschechischen  Musik. 
Sie  spielte  Smetanas  »Verkaufte  Braut*;  ihr  Persona]  besteht  durchaus  nicht  aus  Kräften 
ersten  Ranges,  aber  ihr  Zusammenspiel  ist  tadellos.  Jean  Schorr« 

DRESDEN :  Nachdem  die  ersten  Wochen  der  neuen  Spielzeit  lediglich  der  Einarbeitung 
zahlreicher  neuen  Mitglieder  gegolten  und  keine  Neuheit  oder  Neueinstudierung 
gebracht  hatten,  kam  am  1.  Oktober  im  Königl.  Opernhaus  Leo  Blechs  dreiaktige  Oper 
i»Alpenkönig  und  Menschenfeind*  zur  Oberhaupt  ersten  Auffuhrung.  Den  Text  hat 
Richard  Batka  nach  dem  bekannten  gleichnamigen  Zauberstück  von  Ferdinand  Raimund 
verfasst  Der  Textdichter  hat  bei  dieser  Novität  kaum  die  Stellung  eingenommen,  die 
man  von  einem  so  begeisterten  Wagnerianer  in  diesem  Falle  wohl  bitte  erwarten  dürfen. 
Er  hat  sich  vollständig  dem  Bedürfhis  des  Komponisten  angepasst  und  diesem  den  Text 
sozusagen  »auf  den  Leib  geschrieben*.  Die  Leser  erinnern  sich,  dass  ich,  als  vor 
Jahresfrist  Blechs  Einakter  »Das  war  ich*,  hier  aufgeführt  wurde,  auf  das  Missverhiltnis 
hinwies,  das  aus  dem  Bestreben  Blechs  sich  ergab,  volkstümliche,  harmlose  Musik  zu 
schreiben  und  sich  dabei  doch  als  modemer  Musiker  und  Dramatiker  zu  betitigen. 
Dieser  Zwiespalt  ist  auch  in  »Alpenkönig  und  Menschenfeind*  noch  nicht  behoben, 
wohl  aber  wieder  zum  Teil  dadurch  verdeckt,  dass  der  Textverfasser  dem  Komponisten 
reichlich  genug  Gelegenheit  gibt,  pathetisch  zu  sein  und  ihn  nicht  mehr  nötigt,  seine 
Vorliebe  für  diese  Schreibweise  an  dem  unrechten  Orte  zu  betätigen.  In  seiner  neuen 
Oper  kann  Blech  einerseits  in  der  Schilderung  häuslicher  Verhältnisse  sich  einer  harm- 
losen, liebenswürdigen  Ausdrucksweise  befleissigen  und  andererseits  seiner  Neigung  zum 
grossen  Stil  ebenfalls  Rechnung  tragen.  Da  aber  diese  beiden  Arten  der  musikalischen 
Betätigung  des  Blechschen  Talentes  so  sehr  von  einander  verschieden  sind,  so  vermisst 
man  immer  noch  die  Einheitlichkeit  des  Stiles  schmerzlich  und  wird  die  Empfindung 
nicht  los,  es  mit  einem  Werke  zu  tun  zu  haben,  dem  trotz  zahlreicher  Schönheiten  und 
feinster  kompositorischen  Arbeit  doch  die  Geschlossenheit  des  organischen  Kunstwerkes 
mangelt.  Die  Sätze  in  geschlossener  Form  stehen  musikalisch  der  Art  und  Weise,  in 
der  Blech  den  Dialog  komponiert,  vollständig  fremd  gegenüber  und  die  verstandes- 
mässige  Arbeit,  die  auf  den  Effekt  ausgehende  Berechnung,  tritt  so  stark  hervor,  dass 
man  sich  ihrem  abkühlenden  Einfluss  nicht  entziehen  kann.  Im  einzelnen  hat  man 
indessen  genug  Gelegenheit,  das  reiche  Können  Blechs  zu  bewundern,  der  übrigens 
dort,  wo  er  sich  natürlich  gibt,  weit  mehr  Erfindung  beweist,  als  an  den  pathetischen 
Stellen,  bei  denen  sich  ziemlich  viel  »Nachempflndung*  bemerkbar  macht.  Ein  grosses 
Wollen  offenbart  auch  das  neue  Werk  Blechs  ganz  deutlich  und,  da  sich  dieses  Wollen 
mit  einem  so  tüchtigen  Können  paart,  so  verdient  es  alle  Hochachtung.  Aber  den  er- 
hofften Fortschritt  bedeutet  die  neue  Oper  nicht,  ja  es  dürfte  nicht  an  Stimmen  fehlen, 
die  »Das  war  ich*  noch  als  einheitlicher  im  Stil  und  echter  im  ganzen  künst- 
lerischen Wesen  bezeichnen  werden.  Dass  der  Textdichter  das  romantische  Element  so 
stark  beschnitten  hat  und  uns,  statt  uns  im  Märchenreiche  heimisch  werden  zu  lassen, 
die  Raimundsche  Fabel  in  ziemlich  rationalistischer  Form  vorführt,  hat  vielleicht  den 
Komponisten  in  einigen  Fällen  um  ein  paar  besonders  schöne  Musikstficke  gebracht,  aber 
auch  ohne  dies  hätte  er  auf  Innerlichkeit  mehr  Wert  legen  sollen,  als  auf  die  Häufung 
von  Schwierigkeiten  und  den  oft  ftist  nervösen  Wechsel  von  Rhythmen  und  Tonarten. 
Der  Erfolg  war  anftinga  nicht  unbestritten,  später  aber  ungeteilt  und  stark,  ohne  indes 
aassergewöhnlich  zu  sein.    Am  besten  wirkte  der  zweite  Akt  mit  der  in  Wahrheit  ent- 


151 
KRITIK:  OPER 


zückenden  ersten  Szene  ror  dem  Huttchen  des  Tischlers  und  Dorfmosikanten.  Unter 
Leitung  von  Genertlmusikdirektor  r.  Schuch  verlief  die  Aufführung  glinzend.  Die 
Herren  Scheidemantel,  Perron,  Rüdiger,  Jiger  und  Greder  sowie  die  Damen  Krull,  Nast, 
V.  Charanne,  Eibenschütz  und  r.  d.  Osten  leisteten  in  den  Hauptrollen  durchweg  Vor- 
zügliches. Der  Komponist  konnte  nach  dem  zweiten  und  dritten  Akte  zahlreichen 
Henrorrufen  Folge  leisten.  F.  A.  Geissier. 

ELBERFELD:  Zur  neuen  Spielzeit  bat  die  Direktion  Gregor  mit  frischer  Kraft  ein- 
gesetzt. Nachtlager,  Bajazzo,  Wildschütz,  Margarethe,  Troubadour,  Lohengrin,  Martha 
gingen  bis  jetzt  über  die  Bühne  und  befriedigten  Kritik  und  Publikum  in  gleicher  Weise. 
Neben  bewihrten  ilteren  Kräften,  wie  Menzinsky,  ron  Haxthausen,  Foerster,  Whitehill, 
Spiess,  Arnold,  Wissiak,  Valentin  führten  sich  als  neugewonnene  Mitglieder  die  Damen 
Adam,  Kaliina,  Honigberger,  Radö  und  die  Herren  Sorani,  Regneas,  Hanke  recht  günstig 
ein.  In  den  szenischen  Arrangements  erweist  sich  Jacques  Goldberg  als  ein  sach-  und 
fticbkundiger  Regisseur,  während  in  Fritz  Cassirer  ein  routinierter,  temperamentvoller 
Kapellmeister  neben  Baldreich  getreten  ist.  Der  erste  Gast  wird  Sigrid  Amoldson  als 
»Mignon'  und  i^Trariata*,  die  erste  Novität  »Röslein  im  Hag*  von  Cyrill  Kistler  sein. 

Ferdinand  Schemensky. 

FRANKFURT  A.  M.:  Ein  Richard  Wagner-Cyklus  von  Rienzi  bis  zur  Götter- 
dämmerung hat  hier  viel  Anteil  gefunden,  da  die  Rollenbesetzung  gegen  früher  ein 
vielfach  stark  verändertes  Bild  ergab.  Das  Jugendwerk  kam  neueinstudiert  zum  Vorschein; 
unser  Forchhammer  repräsentiert  den  letzten  der  Tribunen  sehr  würdig,  noch  heldischer 
als  den  Siegfried  am  Schluss  der  Trilogie;  Kapellmeister  E.  Kunwald  lässt  in  jugend- 
lichem Eifer  manchmal  noch  agogische  Gegensätze  schroflT  hintereinander  eintreten. 
Eine  noch  jüngere  Kraft,  der  Baritonist  Buers,  der  hier  vor  2  Jahren  von  der  Pike  auf 
l>egann,  ist  nunmehr  bis  zum  Holländer,  Wotan  und  Wanderer  avanciert  und  entledigt 
sich  der  Aufgaben  gesanglich  sehr  schön,  indessen  das  Spiel  noch  oft  der  fesselnden  Eigen- 
schaften entbehrt.  Als  Erik  trat  Emil  Borgmann  (ein  Bayreuther  Erik)  sein  hiesiges 
Engagement  verheissend  an,  aber  auch  er  muss  noch  arbeiten,  um  für  seinen  Amtsvor- 
^nger  Tijssen,  der  jüngst  seine  hiesige,  rasch  befestigte  Position  verliess,  durchaus  Ersatz 
zu  bieten.  Tijssens  Stolzing  steht  namentlich  im  guten  Andenken.  Im  Tristan  musste 
Anton  Bürger  aus  München  in  der  Titelrolle  beispringen,  in  der  Walküre  Bucksath  aus 
Mannheim  als  Wotan;  besonders  angenehm  ward  Dr.  Prölls  Kurwenal  vermerkt,  weil  er 
hierzu  auch  die  nötige  Reckenhaftigkeit  in  Erscheinung  und  Spiel  besitzt.  Die  Mitwirkung 
eines  Frl.  v.  Statzer,  die  ohne  besondere  Ankündigung  als  Fricka  im  Rheingold  und 
Götterdämmerungs-Nome  auftrat,  fand  bei  Kennern  Beachtung.  In  den  Alberich  teilen 
sich  jetzt  Breitenfeld  und  Steffens;  von  letzterem  hörte  ich  die  Szene  mit  Hagen  so 
packend  und  so  klar  in  der  Sprache,  wie  ich  sie  seit  Bayreuth  nicht  gehört. 

Hans  Pfeilschmidt. 

HAMBURG:  Unter  Bedingungen,  die  bei  ehrlichem  künstlerischem  Wollen  an  leitender 
Stelle  einen  recht  günstigen  Verlauf  der  neuen  Spielzeit  verbürgen  könnten,  hat  am 
1.  September  mit  dem  «Fidelio'  unsere  Oper  ihre  Tätigkeit  wieder  aufgenommen.  Freilich 
wird  man  gut  tun,  auf  ein  wirklich  planvolles  künstlerisches  Arbeiten  nicht  allzu  fest 
zu  bauen,  denn  unser  Theater,  ein  reines  Geschäftsunternehmen,  das  sich  bei  vielen 
guten  Momenten  doch  von  einem  durchaus  merkantilen  Betrieb  niemals  entfernte,  dies 
Theater  ist  nun  einmal  in  einer  Weise  aufgezogen,  die  immer  zuletzt  von  der  Kunst 
wegführt.  Damit  hierin  eine  Änderung  eintreten  könnte,  müssten  nicht  nur  unsre  auf 
ihre  Art  wirklich  recht  tüchtigen,  fleissigen  und  betriebsamen  Herren  Direktoren  sich 
ändern  —  auch  das  in  seiner  Majorität  leider  recht  undisziplinierte  und  bei  allem  En- 
thusiasmus so  recht  konfuse  Publikum,  müsste  im  Theater  etwas  anderes  sehen,  als  es 


152 
DIE  MUSIK  III.  2. 


bisher  in  ihm  erblickte.  Das  Material,  mit  dem  unsere  Oper  in  ihr  neues  Arbeitspensum 
hineingeht,  ist,  wie  eingangs  erwähnt,  gut,  ja  glänzend.  Zu  Birrenkoven  und  Pennarini, 
zu  Frau  Fleischer-Edel,  Frl.  Beuer,  Frl.  v.  Artner,  Frau  Hindermann,  zu  Dawison  und  Lobflng 
—  Künstlerinnen  und  Kfinstlem  von  verbreitetem  Ruf  sind  Frau  Metzger-Froitzheim,  die 
berühmte  Altistin,  Frau  Fränkel  -  Claus,  die  grossartigste  lebende  Isolde,  Herr  Tyssen, 
ein  junger  Tenorist  van  Dykschen  Genres,  und  der  Baritonist  Bronsgeest,  ein  talent- 
voller Schiller  Stockhausens,  gekommen  —  ein  Opemensemble,  wie  ein  Stadttheater 
sich's  wahrlich  nicht  besser  wünschen  kann.  Und  an  die  Spitze  dieses  Ensembles  ist 
jetzt  neben  Carl  Gille,  den  genialen  Instinkt-  und  Temperamentsdirigenten,  in  Gustav 
Brecher  ein  bewusstes  Dirigenten phänomen  von  eminenter  Bedeutung  getreten.  Brecher 
leitet  heute,  ein  Jüngling  von  knapp  24  Jahren,  Wagnerscbe  und  Mozartsche  Werke  in 
einer  Weise,  die  an  die  gewaltige  schöpferische  Dirigeotentatkraft  Gustav  Mablers  heran- 
reicht. Der  Musiker  darf  sich  den  Namen  Brecher,  ganz  i»fremd  vorm  Ohr*  klingt  er 
ihm  schon  ohnehin  nicht,  merken.  Heinrich  Cbevalley. 

KÖLN:  Das  »Ereignis*  des  diesjährigen  Herbstes  ist  die  Einführung  des  von  Graz 
gekommenen  neuen  Leiters  der  Vereinigten  Kölner  Stadttheater,  Direktors  Otto 
Purschian.  Hat  der  neue  Pächter  des  grössten  rheinischen  Tbeaterinstituts  hier  eine 
durch  ein  gewisses  Missverbältnis  zwischen  der  Zahl  der  ernsten  Kunstfreunde  und  dem 
umfassenden  Betriebe  der  beiden  Häuser  bedingte  einigermassen  schwierige  Situation 
angetreten,  so  kann  man  sich  andererseits  nicht  der  Einsicht  versch Hessen,  dass  Purschian 
während  der  jetzt  abgelaufenen  ersten  4  Wochen  das  immer  Mögliche  getan  hat,  um 
durch  künstlerische  Mittel  seine  Chancen  zu  verbessern  und  sich  weitere  Kreise  des 
etwas  zurückhaltend  gewordenen  Theaterpublikums  zu  erobern.  Die  Zurückhaltung  hat 
nichts  mit  den  Leistungen  des  frühem  Bühnencbefs  Julius  Hofmann  zu  tun,  sie  datiert 
vielmehr  seit  der  vorjährigen  Eröffhung  des  neuen  Theaters,  an  das  sich  die  Kölner  nur 
langsam  gewöhnen,  während  sie  sieb  dem  alten  Hause  bei  der  Umwälzung  der  Verbältnisse 
entfremdet  haben.  Um  nun  zunächst  wenigstens  seinen  Leistungen  eine  rege  Auf- 
merksamkeit und  in  deren  Gefolge  eine  tatsächliche  Anteilnahme  von  selten  des  Publikums 
zu  sichern,  hat  Direktor  Purschian  sich  vor  allem  bemüht,  das  Repertoire  in  beiden 
Häusern  so  reich  an  Abwechslung,  wie  nur  möglich,  zu  gestalten,  wobei  hüben  und  drüben 
Oper  und  Schauspiel,  so  weit  es  angeht,  bunte  Reihe  zeigen,  während  immerhin  nach 
Beschaffenheit  der  äusseren  Vorbedingungen  der  Schwerpunkt  der  Oper,  und  zumal  der 
grossen,  auf  dem  neuen  Hause  beruht.  In  28  Tagen  wurden  unter  den  Kapellmeistern 
Prof.  Arno  Kleffel,  Gustav  Meyer,  Wilhelm  Mühldorfer  und  Franz  Weissleder 
20  verschiedene  Opern  herausgebracht  und,  was  mehr  gilt  als  die  Ziffer,  diese  den  ent- 
ferntesten Zeitepochen,  allen  möglichen  Nationalitäten  und  mosikaliscben  Richtungen 
angehörenden  Werke  zeigten  durchweg  bei  stilgerechter  Herausarbeitung  ihrer  Cha- 
rakteristiken eine  sehr  würdige  Gesamtaufführung.  Ein  Teil  des  frühem  solistischen 
Stammes  ist  dem  Institut  verblieben,  dann  aber  bat  die  Direktion  bei  der  Anwerbung 
einer  grossen  Zahl  neuer  Kräfte,  an  deren  Spitze  der  hervorragende  Dirigent  Weissleder 
zu  nennen  ist,  eine  glückliche  Hand  gehabt.  So  gefielen  in  erster  Linie  die  Altistin 
Anna  Hofmann,  die  jugendliche  Sängerin  Marie  Marx,  die  dramatische  Singerin  Marie 
Brandis,  die  Soubretten  Bella  Alten  und  Rosa  Waraiy,  die  Koloratursängerinnen  Melanie 
Domenego  und  Angdle  Vidron;  dann  ftinden  die  Tenöre  Bucar  und  PIficker  viele  Be- 
achtung. Weniger  minder  glückliche  Engagements  können  das  aussichtsvolle  Gesamt- 
bild nicht  trüben.  Besonderen  Erfolg  erzielten  die  nach  sorgAltiger  Neueinstudierung 
erfolgten  vortreflPlichen  Aufführungen  von  Giordanos  .Fedora'  (mit  Frida  Felser  und  Adolf 
Gröbke),  von  «Evangelimann*  und  »Tannhäuser*.  Da  Direktor  Purschian  auch  eine  grössere 
Anzahl  Novitäten  erworben  hat,  darf  man  der  weitem  Entwicklung  der  Dinge  mit  Ver- 
trauen auf  gut  künstlerische  Ergebnisse  der  Saison  entgegensehen.       Paul  Hiller. 


153 
KRITIK:  OPER 


KOPENHAGEN:  Die  Opernsaison  der  Kgl.  Bübne  wurde  tm  2.  September  mit  einer 
Aaffühning  ron  AugustEnnas  frfiber  scbon  in  Aarbus  und  von  der  hiesigen  Volksoper 
gespieltem  musikalischen  Mürchen  »Die  Erbsenprinzessin"  (nacb  Andersen)  eröffnet. 
Das  kleine  Werk  hatte  nicht  eben  grossen  Erfolg,  wurde  aber  freundlich,  teilweise  mit 
Heiterkeit,  aufgenommen.  Ohne  besonders  originell  zu  sein,  verrit  die  Musik  die  sichere 
Hand  des  Komponisten;  der  mit  Vorliebe  verwendete,  nur  nicht  streng  eingehaltene 
Rokokostil  verdeckt  nicht  den  Mangel  an  wirklicher  Märcbenstimmung  und  Fröhlichkeit. 
Ennas  bekannter  Klangsinn,  wie  seine  Kunst,  dankbare  Gesangspartieen  zu  schreiben, 
verleugnet  sich  auch  in  dieser  Oper  nicht.  Dr.  William  Behrend. 

KRAKAU:  Zur  Jahreszeit,  um  welche  in  aller  Herren  Lindern  die  Opembübnen  noch 
feiern,  pflegt  in  der  Jagellonenstadt  seit  einigen  Jahren  eine  Opern-Stagione  zu  be- 
ginnen. Bis  vor  kurzem  waren  es  minderwertige,  italienische  Ensembles,  die  fast  aus- 
schliesslich italienische  Opern  zur  Aufführung  zu  bringen  pflegten.  Erst  Ludwig  Heller, 
der  Gründer  der  Lemberger  Philharmonie,  mit  dessen  Namen  die  Hebung  des  musi- 
kalischen Niveaus  Galiziens  für  immer  verknüpft  ist,  rief  durch  Vereinigung  der  hervor- 
ragendsten polnischen  Opemkräfte  das  erste  rein  polnische  Opern-Ensemble  ins  Leben, 
mit  welchem  er.  Dank  dem  prachtvollen,  unter  Leitung  des  Kapellmeisters  Ludwig 
Czela^ski  stehenden  Lemberger  Philharmonie-Orchester,  dem  hiesigen  Publikum  zum 
erstenmale  das  europäische  Opern-Repertoire  in  polnischer  Sprache  darbot.  Als  grösstes 
Verdienst  rechnen  wir  Herrn  Direktor  Heller  einwandfreie  Wiederholungen  von  Lohengrin, 
Tannhiuser  und  Walküre  an,  welch  letzteres  Werk  zum  überhaupt  erstenmale  in 
polnischer  Sprache  zur  Aufführung  gebracht  wurde,  und  zwar  in  der  Übersetzung  des 
auch  in  Deutschland  als  Wagnersänger  bestbekannten  Heldentenors  Alexander  v.  Band- 
rowski,  der  als  Lohengrin,  Tannhäuser  und  Siegmund  prachtvolle  Leistungen  bot  und 
in  der  Elsa,  Elisabeth  und  Sieglinde  der  Primadonna  Irene  Bohuss-Hellerava  eine 
ebenbürtige  Partnerin  fand.  Unter  den  übrigen  Sangeskräften  des  Ensembles  verdienen 
lobend  hervorgehoben  zu  werden:  der  phänomenale  Warschauer  Bassist  Adam  Didur, 
femer  die  Tenöre:  FlorjaiSski  und  Drzewiecki,  die  Baritone:  SzymaiSski  und  Ludwig  und 
die  Singerinnen:  Frenklöwna,  Kurzöwna,  Otto  und  Marek  u.  a.  Zum  Schluss  möchten 
wir  noch  an  dieser  Stelle  einigen  hiesigen  »Musikrezensenten''  den  wohlgemeinten  Rat 
erteilen,  vor  der  »Kritisierung'*  Wagnerscher  Meisterwerke  diese  etwas  gründlicher  zu 
studieren,  um  nicht  Inhaltsangaben  der  „Walküre**  z.  B.  ihren  Lesern  aufzubinden,  die 
einen  deutschen  Statisten  erröten  machen  würden.  Bernard  Scharlitt. 

LEIPZIG:  Von  den  August-  und  Septembervorstellungen  der  hiesigen  Oper  heben  sich 
bedeutsamer  ab  die  Neueinstudierungen  von  Meyerbeers  »Der  Phrophet*  und  Webers 
»Euryanthe*  —  erstere  von  Kapellmeister  Hagel,  letztere  von  Kapellmeister  Porst  mit 
vollem  künstlerischen  Ernst  besorgt  —  sowie  die  von  Prof.  Nikisch  geleiteten  Auf- 
führungen von  »Siegfried*  und  „Walküre**,  die  gleichsam  als  Vorproben  zu  einer  für  die 
Zeit  vom  4.  bis  21.  Oktober  angekündigten  zyklischen  Vorführung  aller  Wagner-Dramen 
vom  i»Rlenzi*  bis  zur  „Götterdämmerung**  gelten  konnten.  In  den  erwähnten,  neuein- 
ttudierten  Opemvorstellungen  leisteten  sehr  Erfreuliches  Jacques  Urlus  als  Johann, 
Frl.  Sengem  als  Fides  und  als  Eglantine,  Frl.  Korb  als  Bertha,  Herr  Moers  als  Adolar, 
Herr  Schütz  als  Lysiart  und  last  not  least  die  vortreffliche  Paula  Doenges,  die  glücklicher- 
weise für  20  Gastspiele  an  der  hiesigen  Bühne  verpflichtet  wurde,  als  Euryanthe.  In 
einer  späteren  Wiederholung  der  Meyerbeerschen  Oper  sang  lebhaft  umjubelt  die  grosse 
Meisterkfinstlerin  Frau  Schumann-Heink  die  Partie  der  Fides.  Weniger  erfolgreich  ver- 
lief das  Gtstspiel  einer  anderen  Berliner  Hofopernsängerin,  der  Frau  Plaichinger,  die 
als  Brünnhilde  in  der  „Walküre**  doch  nur  eine  stimmlich  mittelgute  und  darstellerisch 
konventionelle    Leistung  zu    bieten    vermochte.     Vorzüglich    gaben    Herr   Moers    und 


154 
DIE  MUSIK  111.  2. 


Frau  Doenges  das  leidvoll  liebende  WUsungenpaar  wieder,  und  Tüchtiges  leisteten 
Urlus  als  Siegfried,  Schutz  als  Wotan  und  Wandrer  und  Marion  als  Mime.  Die 
Auffühningen  unter  Prof.  Nikitch  brachten  viel  Feines  im  Orchester,  ermangelten  aber  noch 
der  temperamentvollen  Grosszugigkeit  in  der  Interpretation,  deren  gerade  die  Nibelungen  in 
hohem  Grade  bedürfen.  Für  den  Wagner-Zyklus  stehen  ausser  Arthur  Nikiscb,  der  die 
Nibelungen-Abende  und  »Tristan  und  Isolde*  dirigieren  soll,  noch  einige  anderen  Giste 
in  Aussiebt:  Prof.  Panzner  als  Dirigent  der  Meistersinger- Aufführung,  Frau  Leffler- 
Burckard  als  Isolde,  und  Perron  als  Wolfram  und  als  Wandrer.  Als  Norititen 
werden  für  das  Spieljahr  1003/1904  versprochen:  »Domröschen*  von  Humperdinck,  »Don 
Pasquale*  von  Donizetti  (in  der  Bierbaum-Kleefeldschen  Bearbeitung),  »Der  Dusle  und 
das  Babeli*  von  Kaskel  und  »Tosca*  von  Puccini  —  als  weitere  Neueinstudierungen 
aber  »Robert  der  TeufeP,  »Teil**,  »Der  Vampyr*,  »Cosi  fan  tutti*,  »Der  schwarze  Domino', 
»Des  Teufels  Anteil*  und  »Genovera*.  Auch  in  der  Operette  stehen  einige  Novititen  — 
»Bruder  Straubinger*  von  Eysler,  »Frühlingsluft*  von  Reiterer,  »Florodora*  von  Stuart 
und  »Der  Rastelbinder*  von  L6har  in  Sicht.  Möchte  mit  dem  vielen  Neuen  auch  ein 
neuer  künstlerisch  gewissenhafterer  Arbeitsgeist,  wie  ein  solcher  an  den  beiden  ersten 
Neueinstudierungen  unverkennbar  sich  betitigt  hatte,  dauernd  der  hiesigen  Opembfihne 
wiedergewonnen  werden.  Arthur  Smolian. 

KONZERT 

AMSTERDAM:  Das  Konzertgebouw  mit  seinem  glinzenden  Orchester,  das  sich  vor 
kurzem  erst  beim  R.  Strauss-Festival  in  London  reiche  Lorbeeren  erworben,  stellt 
eine  ganze  Reihe  erlesener  Genüsse  in  Aussicht  Als  Solisten  werden  erscheinen  u.  a. 
F^lia  Litvinne,  Adrienne  Kraus-Osbome,  Hermine  Bosetti,  Elsa  Hensel,  sowie  Messchaert, 
Thibaud,  Ondricek  Carl  Flesch  (Nachfolger  am  hiesigen  Konservatorium  von  Bnun 
Eidering),  Casals,  Jos.  Hofmann  und  Francis  Planta.  Im  Oktober  wird  Gustav  Mahler 
seine  dritte  Symphonie  aufführen,  welchem  Ereignis  mit  allgemeiner  Spannung  entgegen- 
gesehen wird.  —  Als  Bewerber  bei  dem  kürzlich  hier  abgehaltenen  Gesangwettstreit  trat 
als  einziger  deutscher  Verein  der  Minnergesangverein  Köln-Nippes  auf.  In  einem  Mittags- 
konzert stellte  er  sich  unter  Prof.  Fedor  Bergers  schwungvoller  Leitung  als  fein  geschulter 
Chor  vor  und  am  Abend  holte  er  sich  den  dritten  Preis.  Hans  Augustin. 

BERLIN:  Bernhard  Irrgang  priludierte.  Die  einleitenden  Klinge  galten  ihm  selbst 
In  den  300  Orgelkonzerten  liegt  eine  grosse  Kulturarbeit  Solche  Pioniere  sind 
wertvoll.  Auch  um  den  Kirchengesang  ist  es  etwas  Schönes,  wo  Seele  und  Musik,  Stil 
und  Technik  vereint  sind,  was  weder  bei  Fri.  Kaufmann,  noch  bei  Frau  Herms- 
Sandow  zutrifft  Hekkings  Kantilene  ging  tiefer  als  ihre  Stimmen.  —  Ein  Verleger  — 
D.  Rahter  —  gab  den  Kindern  seines  Verlsges  ein  Fest  Die  Rahtersche  Idee  ist  gut, 
Mls  sie  ideelle  Zwecke  verfolgt  Nur  eins:  Kunst  lisst  sich  nicht  machen!  Wer  mit 
ihr  hausieren  geht,  muss  schon  Genieware  haben.  In  dem  »modernen  Liederabend* 
gab's  nur  »Halbftibrikate*.  Von  den:  Walter  Rabl,  Ermanne  Wolf- Ferrari,  Alex, 
von  Fielitz,  Willy  von  Moellendorff,  Hugo  Kann,  Hans  Hermann,  können  nur 
»Steigende  Nebel*  (op.  10  und  1 1  von  W.  von  Moellendorff)  und  Hans  Hermanns  graziös- 
koketter  »Frühling*  und  das  frech-frumbe  Rauf-  und  Sauflied  »Vor  der  Schenke*  als 
gangbare  »Artikel*  gelten.  Der  Griechen-  und  Kreterwein  mundete  schlecht,  und  was 
sonst  an  bunten  Bindern  und  Glassichelchen  vorhanden,  nahm  wenig  für  sich  ein«  Aber 
die  Rahtersche  Idee  ist  kühn  und  keck.  Ein  Breitkopf  &  Hirtel-,  Schott-,  Simrock-»  Utolff-, 
Schlesinger-,  Peters-Abend  —  die  Kunst  nicht  auf  staubigen  Böden  und  als  wertiote 
Makulatur,  sondern  als  klingende  Ware  auf  offienem  Markt  und  in  freiem  Wettbewerb  — 
nicht  übel!    Es  Hesse  sich  schnell  die  Spreu  vom  Weizen  sondern.  —  Arthur  Perleberg 


155 
KRITIK:  KONZERT 


teilt  das  Schicksal  der  vorigen.  All  den  Kompositionen  fehlfs  an  Kern  und  Charakter, 
an  Temperamentsdurchschuss.  Oder  soll  man  die  «Berceuse*  vom  Prinzesschen  mit  den 
Sternenkrönchen,  oder  das  schummerige  ^^Abendlied**  von  Hugo  Kaun  (mit  obligater 
Violine  —  con  sordino)  und  deriei  Zuckerblckerware  etwa  für  Kunst  halten?  Wiege- 
weiche-Wasserrosenpoesie und  Oberfllchenkunst  —  was  soll's?!  Echte  Perlen  und  Lieder 
haben  Meerestiefe  und  -Grund.  —  Eduard  Gaston6  (Bass-Bariton)  wirkte  statisch.  Musik 
und  Seele:  marmorkalt  und  tot.  Wo  die  Rohmittel  schwerer  wiegen  als  die  Kunstmittel, 
ist  das  Spiel  verloren,  das  Organ  hat  keinen  Kunstwert.  —  Giovanna  Tornelli  würde 
fester  dastehen,  wenn  sie  weniger  Flackerung  und  mehr  Stauung  bitte.  Die  Partie 
.hinterm  Segel"  liegt  brach.  Es  fehlt  an  Knochenresonanz.  Vortrag  und  Temperament 
würden  bei  stehendem  Tone  an  Tiefwirkung  gewinnen.  In  Betzy  Gebhardt  sehe 
ich  ein  pianistisches  Volltalent,  das  der  nachdrücklichsten  Förderung  bedarf.  War  der 
GriflP  der  Es-dur-Polonftse-Chopin  auch  verfehlt,  so  war  Ton  und  Technik  doch  von  un- 
gemeiner Ursprünglichkeit  und  natürlicher  Rundung.  Der  Deppesche  Satz:  Schöne  Be- 
wegung —  schöner  Ton  war  hier  praktisch  verwirklicht.  Aber  eins:  Der  Charakter  der 
Polonäse  liegt  im  blitzenden  Rhythmus,  in  einem  «rhythmischen  Pathos*.  Die  Begleitung 
hat  Hauptwert,  keinen  Nebenwert.  Also  die  Bisse  marcato,  und  die  ersten  Achtel  an- 
geschleift!   Der  Rhythmus  muss  tanzen.  Rudolf  M.  Breithaupt. 

Die  Herren  Halir,  Exner,  Ad.  Müller  und  Dechert  boten  an  ihrem  ersten  gut 
besuchten  populären  Quartettabend  Mozart  F-dur,  Beethoven  e-moll,  dessen  langsamer 
Satz  herrlich  wiedergegeben  wurde  und  Haydn  D-dur  op.  76;  so  sehr  die  Leistungen 
dieser  Quartettvereinigung  im  allgemeinen  anzuerkennen  sind,  so  darf  doch  nicht  ver- 
schwiegen werden,  däss  in  den  Schlusssitzen  der  beiden  ersten  Quartette  der  Primgeiger 
mitunter  unrein  und  unsauber  gespielt  hat.  Die  Geigerin  Theresa  Versel  genoss  bei 
ihrem  Debüt  den  Vorzug,  mit  Herrn  Prof.  James  Kwast  nicht  nur  die  Brahmssche 
d-moU-Sonate  zu  spielen,  sondern  auch  von  ihm  ihre  Solls  begleitet  zu  erhalten;  in 
Saint-Saöns'  erstem  Konzert  kam  ihr  prichtiger  voller  Ton,  ihre  solide  Technik  und  ge- 
sunde Auffassung  aufs  beste  zur  Geltung.  Noch  weit  günstiger  führte  sich  ihre  Konzert- 
partnerin Anna  Jungren  ein;  ihr  wundervolles,  künstlerisch  ausgebildetes  Organ,  ihr 
warmes  Empfinden  und  ihr  anmutiger,  keuscher  und  schön  durchdachter  Vortrag  gewann 
ihr  im  Sturm  den  Beifall  der  Zuhörer;  mit  grösstem  Genuss,  an  dem  auch  Eduard 
Behm  als  Begleiter  einen  grossen  Anteil  hatte,  hörte  ich  Cornelius'  Brautlieder  und 
einige  Wolfsche  Perlen.  Frl.  Jungren  darf  getrost  ihrer  künstlerischen  Zukunft  entgegen- 
sehen! Ob  dies  bei  der  etwa  14jlhrigen  IdaMampel  der  Fall  sein  wird?  Sie  hat  eine 
ganz  respektable  Technik,  aber  ihr  Klavierspiel  schmeckt  noch  zu  sehr  nach  der  Schule, 
der  sie  noch  lange  nicht  entwachsen  ist.  Ein  Vortragskünstler  von  Intelligenz  ist  der 
stimmgewaltige  Baritonist  Viktor  Porth,  der  trotz  einiger  Übertreibungen  besonders 
Schumanns  Belsazar  gut  zur  Geltung  brachte,  von  Otto  Bake  vortrefflich  begleitet. 

Dr.  Wilh.  Altmann. 

BRESLAU:  Fanny  Moran-Olden  und  Kammersinger  Bertram  gaben  im  Börsensaal 
ein  Konzert  zum  Besten  der  Oberschwemmten  in  Schlesien.  Wlhrend  Bertram 
gUnzend  disponiert  war  und  mit  bekannten  Opernarien  grosse  Wirkungen  erzielte,  wurde 
seine  Frau  durch  eine  aufftillend  starke  Gemütsdepression  an  der  vollen  Entfaltung  ihrer 
noch  immer  betrlchtlichen  Mittel  gehindert.  Mit  gutem  Erfolg  konzertierte  unter  Prüfers 
Leitung  der  Königliche  Domchor  aus  Berlin.  Oberorganist  Starke  hat  seine  jlhr- 
lichen  Gratis-Orgelkonzerte  wieder  aufgenommen.  Unter  den  von  ihm  zur  Belebung  der 
Konzerte  herangezogenen  Vokal-Solisten  trat  bedeutsam  Robert  Daehmke  hervor, 
ein  aus  der  Schule  Alfred  Schauers  hervorgegangener  hoher  Bass  mit  ungewöhnlichen 
Stimmmitteln.  J.  Seh  in  k. 


156 
DIE  MUSIK  III.  2. 


BUKAREST:  Die  Saison  1902/3.  Ein  trauriges  Ereignis  leitete  unsere  diesjlbrige 
Spielzeit  ein:  der  Tod  des  aucb  im  Ausland  wohlbekannten  ausgezeichneten 
rumlnischen  Komponisten  J.  Ivanovici.  Er  starb  in  der  Bifite  seiner  Scbaffenskrafr  und 
hinterliess  eine  Menge  Kompositionen,  besonders  Tlnze;  seine  Walzer  sind  voll  Zartheit 
und  Eigenart.  —  Die  Konzertsaison  begann  unter  den  lockendsten  Aussichten.  Johann 
Strauss  jr.  eröffnete  sie  mit  seiner  in  vielen  Beziehungen  trefflichen  Kapelle.  —  Einer 
der  besten  Tenoristen  unserer  Tage,  Franz  Naval,  errang  bei  uns  schöne  Erfolge.  Er  ist 
ein  Kunstler  ersten  Ranges,  auf  jedem  Gebiet  des  Gesanges  bewandert.  —  Der  russische 
Vokalchor  der  Frau  Nadina  Slaviansky,  aus  Mlnnem  und  Kindern  bestehend,  machte 
uns  mit  der  nationalrussischen  Musik  und  ihren  grossen  Meistern  bekannt.  Wir  be- 
wunderten die  Eigenart  des  Volkslieds  mit  seinem  unbeschreiblichen  Reiz,  die  Abwechs- 
lung feiner  und  fröhlicher  Accente  mit  ernsten  und  rauhen,  die  dem  Ganzen  einen  solch 
pittoresken  Zauber  verleiht.  Am  Ende  des  Konzerts  produzierten  sich  die  Balalaika- 
spieler. —  Zu  den  bedeutendsten  Ereignissen  der  Saison  gehörten  unstreitig  die  Konzerte 
von  Moritz  Rosenthal;  er  fand  beim  Publikum,  das  von  diesem  phänomenalen  Kfinstler 
geradezu  enthusiasmiert  war,  ausserordentlichen  Beifall.  Ahnliche  Triumphe  feierte 
Leopold  Godowsky.  Als  Virtuose  Rosenthal  gleich,  übertrifft  er  ihn  als  Musiker. 
Ausser  in  Beethovenschen  Sonaten  zeigte  er  seine  einzig  dastehende  Virtuosität 
besonders  in  den  von  ihm  arrangierten  Chopinschen  Etüden.  —  Von  Geigern  sind 
zu  nennen  Thibaud,  Ondricek  und  Enesco.  Ersterer,  ein  treflPlicher  Interpret  klassischer 
Musik  (Kreutzersonate,  mit  dem  hervorragenden  Klavierspieler  L.  Wurmser)  glinzte 
besonders  auch  in  der  Wiedergabe  modemer  französischen  Stficke.  Unser  einheimischer 
Violinvirtuose  Enesco,  frfiher  der  deutschen  Schule  zugehörig,  hat  sich  jetzt  ganz 
der  französischen  zugewendet.  Zuletzt  Schüler  Marsiks,  liat  er  viel  von  der  Art 
seines  Lehrers  fibernommen:  den  vielleicht  etwas  zu  sehr  vibrierenden  und  sfissen,  an- 
sprechenden Ton,  die  reiche  Farbe,  die  Gewandtheit  und  Prizision  in  der  technischen 
Bravour.  ~  Prof.  Dinico,  der  erste  rumlnische  Violoncellist,  zeigte  seine  Meisterschaft 
in  der  Sonate  op.  69  No.  3  von  Beethoven  und  im  schwierigen  Konzert  von  Saint-Saöns. 
Er  ist  der  Begrfinder  des  „Carmen  Sylva'-Quartetts,  dem  Enesco  als  Primgeiger  an- 
gehört. Ihr  Programm  enthielt  u.  a.:  Trio  H-dur  von  Brahms;  Dumky,  Klaviertrio;  die 
Quartette  No.  4  op.  18  von  Beethoven  und  das  in  a  von  Schubert.  Das  Quintett  von 
C.  Franck  wurde  tadellos  zu  Gehör  gebracht.  Am  dritten  Kammermusikabend  spielte 
Enesco  eine  eigene  Sonate,  die  viele  harmonischen  und  polyphonen  Schönheiten  ent- 
fallt —  Von  grossem  Interesse  waren  diesmal  die  Symphonischen  Konzerte.  Mit  dem 
zweiten  feierte  man  ein  Jubilium;  es  war  das  150.  unter  Leitung  des  Dirigenten 
Ed.  Wachmann.  Zur  Aufführung  gelangten:  Die  Jahreszeiten,  Ouvertfire  zu  den  »Fehm- 
richtem"  von  Berlioz,  Symphonie  B-dur  von  Schumann,  Pastoralsymphonie  von  Beethoven, 
eine  Suite  und  zwei  Rumlnische  Rhapsodieen  von  Enesco,  Tannhiuserouvertfire,  .Traum 
der  Jungfhtu"  von  Massenet,  Symphonie  No.  3  von  Mendelssohn,  .Sigurd  Jorsalfar*  von 
Grieg,  «Impressions  de  ritalie"  von  Charpentier.  Das  5.  Konzert  ftind  unter  Mitwirkung 
Max  Pauers  statt,  der  das  g-moll-Konzert  von  Mendelssohn  und  das  erste  Lisztsche  vor- 
ffibrte.  Jean  Scborr. 

FRANKFURT  a.  M.:  Den  Anfang  im  Konzertleben  machte  diesmal  das  Opernhaus, 
das  ffir  seine  sechs  Abonnementskonzerte  viermal  auswärtige  Dirigenten  stellt. 
Diesmal  war  es  Niki  seh,  der  abermals  stfirmischen  Beiftill  davontrug,  der  ihm 
namentlich  um  seine  ungemein  interessante  Leitung  der  symphonischen  Dichtung 
»Francesca  da  Rimini*  von  Tscbaikowsky  und  des  Tristanvorspiels  vollauf  zu  gönnen 
war,  wogegen  in  der  ersten  Symphonie  von  Brahms  einige  Nuancen  etwas  ft«md  und 
gekfinitelt  berfibrten  und  das  Orchester  nicht  immer  edel  klang.    Die  Ankfindigungen 


r^ KRITIK:  KOHZERT Q^Q^ 

verheisscD  eine  HocbBut  Ton  Konterten,  man  iltalt  jetzt  schon  etva  40  grosse  Orchester* 
und  Ontorieoabende  und  35  Kammermusik- Produktionen. 

Hans  Pfellaclimfdt 

KONSTANTINOPEL:  Die  ruaslaclie  Pianistin  Mad.  Pekachen  gsb  mit  gutem  Erfolg 
im  Saal  der  russischen  Botschaft  iwei  Konzerte.  Sie  ist  eine  Tortreiriicbe  Pianistin 
und  erfreute  durch  poetische  AuFhssung  und  saubere  Technik.  Zvel  andere  russischen 
KGuBtier  lleasen  sich  gleichfalls  hSren;  sie  hatten  auch  die  Ehre,  vor  S.  M.  dem  Sulun 
tu  spielen.  Frau  Dolina  glinzte  durch  ihr  prichtiges,  fein  geachuliei  Organ,  und  durch 
ihre  vollendete  AuRassung.  Prof.  Auer  entzückte  durch  klassische  Ausfiihrung,  reifste 
Technik  mit  Immer  noch  jugendlicher  Begeisterung  in  Spiel  und  Auffassung.  Auch  der 
Ritter  vom  hohen  C,  Vemer  Albertl,  hnd  viel  Belhll.  Der  Pianist  Friedenihal  gab  nur  ein 
Konzert.  Sein  Nacbfblger,  der  Hexenmeister  Godovskr»  erregte  durch  seine  pblnomenale 
Technik,  seine  vortreffliche  Interpretation  auch  klassiscber  Stücke  allgemeine  Bewunderung. 
In  aelnem  Partner,  Prof.  Dlnico  aus  Bukarest,  lernten  wir  einen  vorzGgllchen  Violon- 
cellisten mit  prichtlgem  Ton  und  feuriger  Auffassung  kennen.  Eine  Italienisch- russische 
Opemtruppe  unter  dem  Impresario  Casteliano  bietet  seit  drei  Monaten  dem  Publikum 
wlbrend  der  konzcrtiosen  Zeit  angenehme  Unterhaltung  durch  annehmbare  AufTChningen 
mli  guten  Solisten,  ChSren  und  reichhaltigem  Repertoire.  Vas  unsrer  TQrken-Haiipntadt 
nun  der  Tinter  und  der  Frahllng  bringen  wird  —  wissen  allein  die  Gatter! 

Paul  Lange. 


EINGELAUFENE  NEUHEITEN 


bOcher 

Ernst  Hirscbberg:   PublikMioaeo   der  internatiooalen   Mnslkgeiellicbaft    BefhetI  X. 

Die  EncyklDpidistCQ  und  die  rranzSslscbe  Oper  Im  18.  Jsbrbundert.  V«rlac: 

Breltkopr  &  Hlrtel,  Uipilg. 
Auguit  Iffert:  Allgemeine  GeHngicbule.    A.  TbeoreHsclier  Teil.    4.  AuH.    Ebeadi. 
Iwin  Knorr:  Aufgaben  für  den  Untenicbt  in  der  Harmonielebre.    Ebendt. 
Hngn  Rleminn:  System  der  musiksUscben  Rbyttamlk  und  Metrik.    Ebenda. 
Dr.  F.  A.  Stelnbausen:  Die  Pbysiologie  der  Bogenfübrung  auf  den  Slrelcblnsiruinenien. 

Ebenda. 
Mejrers  Grosses  Konversailons-Lexikon.    Ein  Nacb  seh  läge  werk  des  allgemeinen 

Tissens.    Sechste,  ginillch  neubearbeltele  nnd  vermehrte  Auflage.  Band  IV. 

(M.  lOv)    Verlag:  BIbIfograpbiscbes  Institut,  Leipzig  and  Wien. 
R.  Schulivelda:   ,Tie  soll  icb  singen?"    Gemelnnnuiger  Vortrag,  gebsltea  allen  Ge- 
sangstudierenden und  Slngem.    3.  Aufl.    (M.  0,00.)    Im  Selbstverlag. 
Dr.  L.  Mfiffelmann:  Richard  Wagner  und  die  Entwlckelung  lur  roenscbllchen  Freiheit. 

(M.  1.)    Verlag:  Richard  Schr&dcr,  Berlin. 
Dr.  Karl  Siorck:  Das  Opembucb.    Ein   Führer  durch  den   Spielplan   der  deutschen 

Opembübnen.    3.  Aufl.    (Geb.  M.  3.)    Mntbacbe  Verlagshandlung,  Stuttgart. 
Max  Reger;  Beltrlge  zur  Modulation  sieb  re.  (M.  1.)    Verisg:  C.  F.  Kahnt,  N^  Leipzig. 

MUSIKALIEN 
J.  F.  Reicbardt:    Goethes   Lieder,   Oden,   Balladen    und    Romanien.     Zum    Teil   neu 
herausgegeben  von  Hermann  Wetiel.  Verlag;  Eisoldt  &  Rohkriraer,  Berlin. 
Engen  Teizel:  Neuer  Lehrgang  des  Klavienpiels  mit  einer  Begleltbrosctaiire.    <M.3,30.> 


Amsdena  Wandelt:  Walser  tfir  Pianoforte.    op.  20.    Eigentum  des  Komponisten. 
Joh.  Seb.  Bach:    Toten priludium.    Ffir  Posaunen,   Pauken   und  Orgel   bearbeitet  von 

O.  Wangemann.    (Partitur  und  Stimmen  M.  1^)    Vertag:  Eisoldt  &  Roh- 

krlmer,  Berlin. 
E.  Wooge:    aLyrische  Weisen".    Drei  Klavieraificke.    op.'il.    (Preis  komplett  M.  1,2a) 

Zwei  Weihnachtslieder  mit  Klavierbegleitung,  op.  12.  No.  I:  Weihnachtslied; 

No.  2:  ChristnacbL    (k  M.  0,6a)    Ebenda. 
Nicolai  TOD  Wllm:    op.  191.    Intermezzi  für  Pianotbrt«;    No.  1;  Intermezzo  giojoso; 

No.2:  Intermezzo  «chersando  (it  M.  1,50).   op.  188.  Six  Bagstelles  ffir  Pleno- 

tbrte.    (M.  1,20^)    Verlag:  Bosworth  &  Co.,  Leipzig. 
Oscar  Beringer:    Neue  Sonatlnen  für  Planotbrt«.    No.  i:   Soaedne  Pastorale;    No.2: 

Sonatine  Martlale.    (k  M.  2.)    Ebenda. 
Rud.  Weinwurm:    Potmes  (Stimmungsbildar).    12  Klavierstücke.    No.  I:   Am  Kamin; 

No.  2:   Faacbinga-Nacbkiinge;    No.  3:    Frühlingslied;    No.  4:   Frühlings  Er> 

wachen;  No.5;  Poime  de  Mai;  No.6:  Wanderlled;  No.7:  Friscbar  Hauch; 

No.  8:  Ernte  Lied;    No.O:  Jagdlied;   No.  10:  Welkes  Laub;    No-il:  Dahin; 

No.  12:   Wlnterlaune;    (No.  1,  4,  7,  S,  9  nnd  12  k  M.  i;»,  No.  2,  3,  5,  6,  10 

und  11  k  M.  I.)    Ebenda. 
A.  Tellier:    ComposMons  modernes  tSr  Pianoforte,  No.O:   Plainte  d'Amour.    (M.  L) 

Ebenda. 


159 
EINGELAUFENE  NEUHEITEN 


Herman  Zumpe:  Zwei  Gesinge  für  gemischten  Chor.  No.  1:  Der  91.  Psalm; 
No.  2:  Der  23.  Psalm,  (ä  M.  i;aO.)  Weitanachtslied  von  Peter  Cornelius 
fQr  1  Singstimme  mit  Begleitung  des  Pianoforte.  (Orgel,  Harmonium.  M.  1.) 
Verlag:   Gebr.  Hug  &  Co.,  Leipzig. 

Friedrich  Smetana:  Dalibor,  Oper  in  3  Akten  von  Josef  Wenzig;  Klavierauszug  mit 
Text  Deutsche  Buhnenbearbeitung  von  Max  Kalbe ck.  Verlag:  Hermann 
Seemann  Nfg.,  Leipzig.    (Universal-Edition.) 

Georg  Friedrich  Haendel:  10  Altarien  aus  Opern  und  Oratorien  mit  Begleitung 
des  Klaviers.  Bearbeitet  von  Otto  Dresel.  (M.  4).  13  Sopranarien  aus 
Opern  und  Oratorien  mit  Begleitung  des  Klaviers.  Bearbeitet  von  Otto 
DreseL    <M.  5.)    Verlag:  Max  Brockhaus,  Leipzig. 

Ernst  Otto  Nodnagel:  Gesinge  mit  Begleitung  des  Orchesters,  op.  16  „Neurotika^ 
vier  Liebesgesinge  für  Bariton  und  grosses  Orchesternach  Felix  Dorm  an  n; 
Klavierausgabe.  I.  Heft.  No.  1:  Sei  mein!  No.  2:  Stumme  Liebe.  (M.  2,10.) 
IL  Heft.  No.  1:  Vergieb!  No.  2:  Niemals.  No.  3:  Epilog.  (M.2,40.)  Gesinge 
mit  Begl.  des  Orchesters,  op.  18.  „Impressionen";  acht  lyrische  Skizzen 
ffir  eine  mittlere  Singstimme  und  Orchester.  Klavierausgabe.  I.  Heft.  No.  1: 
»Traumelf"  von  W.  Valloth;  No.  2:  „Glfick*  von  K.  Busse;  No.  3:  „Flocken- 
fall"  von  F.  Dörmann;  No.4:  „Morgenstimmung*  von  K.  Bleibtreu.  (M.2,40.) 
IL  Heft  No.  5:  .Nordwind"  von  F.  Ddrmann;  No.  6:  .Es  ist  ein  Flfistem* 
von  Th.  Storm;  No.  7:  »Die  Regenströme  rauschen"  von  F.  Ddrmann; 
No.  8:  «Einsam"  von  F.  Dörmann  (M.  2,10).  Lieder  und  lyrische  Rezitative. 
Gedichte  von  Goethe  und  Richard  Dehmel.  op.  26.  Drei  Gedichte  von 
Richard  DehmeL  No.  1:  Klage;  No.  2:  Ernte;  No.  3:  Die  Reise.  (M.  2,10). 
op.  27.  Fünf  Gedichte  von  Goethe.  No.  1:  An  die  Entfernte;  No.  2: 
Ernster  Verlust;  No.  3:  Hoflfhungslos ;  No.4:  Erinnerung;  No. 5:  Am  Flusse. 
(M.  3,00.)  op.  28.  »Kamilla."  Drei  lyrische  Rezitative.  No.  1 :  Einzig  dein 
(Goethe);  No.  2:  Der  Sturm  (R.  Dehmel);  No.  3:  Sehnsucht  (Goethe). 
(M.  2,10.)  op.  29.  Traugesang  nach  Th.  Kerner.  (M.  1,50.)  op.  32.  Vier 
lyrische  Rezitative.  No.  1:  »Frage  nicht"  von  N.  Lenau;  No.  2:  «Ach  wirst 
du  niein"  von  N.  Lenau;  No. 3:  «Deine  Stimme"  von  A.  v.  Platen.  No.4: 
«Lobgesang"  von  R.  Dehmel.  (M.  3.)  op.  34.  Fünf  Lieder.  No.  1:  «Liebchen 
im  Garten"  von  J.  Marbach.  No.  2:  «Das  BlQmchen"  von  J.  Marbach;  No.  3: 
«Volkslied"  von  Fr.  Held;  No.4:  «Idyll"  von  L.  Dombrowsky;  No.  5:  «Lied 
des  Fischermldchens"  von  J.  Wefte.  (M.  3,60.)  op.  36.  «Chrysis."  Vier 
lyrische  Rezitative.  No.l:  «Der Asra"  von  H.  Heine;  No.2:  «Alte  Geschichte" 
von  H.  Heine;  No.  3:  «Viel  zu  lieb"  von  H.  Heine;  No.  4:  «Mignon"  von 
Fr.  Rfickert  (M.3,60>  Verlag:  Drei  Lilien,  Berlin,  op  33.  Vier  Gedichte  von 
Richard  Dehmel,  fOr  eine  Singstimme  und  Klavier.  No.  1:  Die  stille  Stadt; 
No.2:  Heimat;  No.  3:  Waldseligkeit;  No.4:  Viegenlied.  (M.  1,50.)  Verlag: 
Ostpreussische  Druckerei  und  Verlagsanstalt  Akt-Ges.,  Königsberg  i.  Pr. 

Frank  L  Limbert:  op.  20.  Ffinf  Gesinge  mit  Begleitung  des  Pianoforte.  No.  1:  Lied 
eines  wahnsinnigen Mldchens;  No.2:  Mysterium;  No.3:  Pyrenaeen  am  Abend 
(erste  Fassung);  No.4:  Pyrenaeen  am  Abend  (zweite  Fassung);  No.5:  Goldene 
Sonne.  (No.  1,  4  und  5  1  M.  1,20,  No.  2  M.  1,  No.  3  M.  1,50.)  Verlag: 
Ernst  Germann  &  Co.,  Regensburg. 

BioMadiiiigen  lind  nur  an  die  Redaktion  su  adretsieren.    Betprechunf  eimelaer  Werke  Torbehalten.    Ffir  die 
Pmfti chiim  uaTerlaagt  eiafesaadtcr   Bücher  und  Musikalien,  deren  Rücksendung  keiaetfidU   ttattfiadef,  fibff- 

aahmea  Redaktion  und  Veriag  keine  Oanati«f 


Zu  ForUetiung  und  Scbluti  dei  Artikel«  Ton  E.  vui  der  Straeieo  bringen  wir  heute  iwei 
Jugeodblldoisse  too  Robert  (nacb  dem  Stieb  von  Krlebnber)  und  Ciara 
Schumann,  sowie  die  Reproduktion  einer  lebensvollen  Bütte  der  Grelain  nacb 
dem  Original  von  Fr.  Hauamaon- 

Dea  Nacbruf  Josef  Siitards  mSge  daa  Bild  von  Tbeodor  Kirchner  Illustrieren,  das  die 
luasere  Äbnllcbkelt  des  Tondichters  der  klavierlati sehen  Miniaturen  mit  Beethoven 
sprechend  veranscbaullcbt 

Zum  Cedenkblati  Max  Steuers  gehört  das  Bild  der  seinerzeit  in  Italien  wie  In  Deuisch- 
Isnd  gefeienea  Bfibnenslngerin  Caroline  Unger. 

Aa  die  Tiedetkebr  des  Todestages  eines  bedeutenden  frantSsiscben  Meisters  (f  am 
17.  Oktober  1893)  erinnert  das  Bild  von  Charles  Gonnod.  Der  liemllch  seltene 
Stich  lelgt  den  Komponisten  des  sFaust"  in  der  Vollkraft  seiner  Jabre. 

Den  unliogst  verstorbenen,  hsuptslchlicta  auf  dem  Gebiet  des  Liedes  auageiei ebneten 
sympsthischeo  Komponisten  Anton  RückauT  (cf.  Totenschau)  führen  wir  unsem 
Lesern  im  Bild  vor. 

Berichtigung:  Von  geschlttter  Seite  werden  wir  darauf  antaietksam  gemacht,  dass  das 
Bild  In  Heft  23  nicht  den  Vor^nger  Job.  Seh.  Bachs  im  Thomasksntorat, 
Johann  Kuhnau  (1667—1722),  sondern  den  verdienten  Musiker  und  Schulmann 
Jobann  Christoph  KShnau  (1735—1805)  daralelll.  Der  Herr  Einsender  besitzt 
die  Vorlage  unaerer  Reproduktion,  einen  Stablsticb,  der  auf  die  Utelaelte  folgenden 
Terks  gedruckt  ist:  .Alte  und  neue  Choralgesinge  vierstimmig  ausgeaetit  von 
Jobann  Christoph  KChnau  gewesenem  Kantor  und  Mntikdirektor  bei  der  Dreifsltig- 
keitsklrche  II.  Aufl.  herausgegeben  vonjobsnn  Friedrich  Vllbelm  Kfibnau.  Berlin, 
Im  Verlag  des  Heranagebers  1817'.  Jedenfalls  wird  die  Vorlage  des  Herrn  August 
Spiita  heran sgescbnitten  sein,  so  dass  ein  Versehen  leicbt  möglich  war. 

Die  heulige  Musikbeliage  fSr  Klavier  zu  vier  HInden  ist  dem  op.  24  dea  russischen 
Tensetzers  Paul  Juon  entnommen,  der  uns  das  interessante,  durch  den  unge- 
wohnten, konsequent  durchgeführten  Vecbsel  des  Rhythmus  in  jedem  Tskt  be- 
tooders^reli volle  Stück  zum  ersten  Abdruck  freundlichst  überlassen  hat 


Verutvortlicher  ScbrifUeiter:  Kapellmeltter  Bernhard  Scbntter 
Berlin  ST.  11,  LnckenwBldentr.  1.  III. 


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,f€k.^^^/-' 


.^-v/-,. 


(«fcU^-V!',^^. 


CLARA  SCHUMANN   o 

EOSTE  von  KK.  HAUSMANN 


THEODOR  KIRCHNER 
-j-19.  SEPTEMBER    1903 


CAROLINE  UNGER 
«28.  OKTOBER  1803 


ANTON    ROCKAUF    o 
flu.  SEPTEMBER   1903 


2.  Spieler. 


Allegretto. 


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2.  Spieler. 

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Stieb  «.  Druck«  Berliner  BinsikaÜen  Dmekeret  Q.a.b.  R.  Ch*rlotleiibvr?f. 


_3»A/-~itt5F_TS.. 


„Ober  die  allen'  Tonarten  srudiert,  die  mir  immer  un- 
klarer werden.  Abends  Stunde  bei  Baini,  dem  es  aucb  nur 
balbdunkel  oder  balbbell  zu  sein  scheinti 

Einen  Tag  in  der  Vocbe  muss  leb  docb  den  alten  Ton* 
arten  widmen.  Ich  arbeitete  bierin,  wiewobl  leb  glaube,  dass 
es  liemllcli  nutzlos  ist.  Ein  Gegenstand,  der  vor300Jabren 
scbon  nicht  mebr  klar  war,  hat  durch  den  Verlauf  dieser 
Zwischenzeit  an  Klarheit  natürlich  nicht  zunebmen  kSsnen." 
Otto  Nicolai,  Tagebücher,  8.  und  21.  Juli  1835. 

Ijoll  eine  Lehre  verstanden  werden,  so  muss  sie  verständlich  sein; 
I  Nutzen  wirken,  so  muss  sie  wahr  sein.     Die  bisherige 
,  Lehre  von  den  Kirchentönen  ist  leider  sehr  unverständlich  und 
'  häufig  auch  unwahr.     Hier  Wandel  zu  schaffen,  ist  der  Zweck 
eines  Aufeatzes,  der  im  Auszug  folgt. 

Die  Kirchentöne    scheiden   sich  in  drei  Dur-  und  drei  Molltonarten. 
Dem  Ionischen,  Mixolydischen  und  Lydischen  Hegen  die  Töne  einer 
Dnrtonleiter  zugrunde,  nur  dass  das  Mixolydische  eine  kleine  Septime,  und 
das  Lydiscbe  eine  übermässige  Quarte  aufweist.     Z.  B. 

Ionisch  mlxolrdisch  lydiscb 

cdeTgabc  gahcdefg  fgahcdef 

Dem  Äollschen,  Doriseben  und  Phrygischen  liegen  die  Töne  einer 
Molltooleiter  mit  kL  Septime  zugrunde,  nur  dass  das  Dorische  eine  grosse 
Seite,  und  das  Phrygische  eine  kl.  Sekunde  aufweist.     Z.  B. 

ioliscta  dorisch  phrygisch 

ahcdefga     defgahcd    efgabcde 

Den  Tönen  der  genannten  Reihen  gesellte  sich  friihzeitig  der  Ton  b, 

und  zwar  mehr  als  leitereigener,  denn  als  chromatischer  Ton.    Dazu  traten 

noch  die  durch  die  ersten  drei  Kreuze  bezeichneten  Töne:  fis,  eis,  gis  — 

so  dass  also  für  jede  Tonart  elf  Töne  vorhanden  waren. 

C  lonlscta  A  aolisch  ,_  G  mixolydJBcb 


164 
DIE  MUSIK  III.  3. 


D  dorisch  F  lydisch  E  phrygisch 


Ausser  den  sieben  Stammtönen  finden  wir  also  nocli  im 

Ionischen:    Ob.  1     üb.  4  üb.  5    kl.  7 

Mixolyd.:      üb.  1     kl.  3  üb.  4    gr.  7 
Lydischen:    üb.  1     fib.  2      r.  4     Ob.  5. 

Demnach  unterscheidet  sich 

das  Mixolydische  vom  Ionischen  und  Lydischen  dadurch, 

dass  es  kl.  3,  aber  nicht  üb.  5  haben  kann; 
das  Lydische  vom  Ionischen  und  Mixolydischen, 

dass  es  üb.  2,  aber  nicht  kl.  7  haben  kann; 
das  Ionische  vom  Mixolydischen  und  Lydischen, 

dass  es  weder  kl.  3,  noch  üb.  2  haben  kann. 

Mit  anderen  Worten:  durch  Anwendung 

einer  üb.  5  in  einem  mixolydischen  Satze, 
einer  kl.  7  in  einem  lydischen  Satze, 
einer  kl.  3  oder  einer  üb.  2  in  einem  ionischen  Satze 
wird  das  Wesen  der  betreffenden  Tonart  zerstört. 

Ausser  den  sieben  Stammtönen  finden  wir  noch  im 
Äolischen:       kl.  2    gr.  3      gr.  6      gr.  7 
Dorischen :      gr.  3    üb.  4      kl.  6      gr.  7 
Phrygischen :  gr.  2    gr.  3   verm.  5   gr.  6. 

Demnach  unterscheidet  sich 

das  Dorische  vom  Äolischen  und  Phrygischen  dadurch,^ 

dass  es  üb.  4,  aber  nicht  kl.  2  haben  kann; 
das  Phrygische  vom  Äolischen  und  Dorischen, 

dass  es  verm.  5,  aber  nicht  gr.  7  haben  kann ; 
das  Aolische  vom  Dorischen  und  Phrygischen,* 

dass  es  weder  üb.  4,  noch  verm.  5  haben  kann. 

Mit  anderen  Worten:  durch  Anwendung 

einer  kl.  2  in  einem  dorischen  Satze, 
einer  gr.  7  in  einem  phrygischen  Satze, 
einer  üb.  4  oder  einer  verm.  5  in  einem  äolischen  Satze 
wird  das  Wesen  der  betreffenden  Tonart  zerstört. 

Keine  Durtonart  hat  kl.  2,  kl.  6  oder  verm.  5. 
Keine  Molltonart  hat  üb.  1,  üb.  5  oder  üb.  2. 
Unter  simtlichen  Tonarten  bat  nur  das  Lydische  keine  kl.  7, 

und  nur  das  Phrygische  keine~gr.  7. 

»Der  Regel  Güte  daraus  man  erwägt,  dass  sie  auch  mal  'ne  Ausnahm^ 
verträgt'',  singt  Hans  Sachs  bei  Wagner.  In  mehr  als  tausend  Sätzen  des 
15.  und  16.  Jahrhunderts  traf  Verf.  d.  A.  nur  sechs  Ausnahmen  von  diesen, 
aus  den  Werken  der  Meister  (nicht  der  Schulmeister)  gezogenen  Regeln 
an:  eine  übermässige  Prime  im  Dorischen  bei  Henry  VI.;  eine  kleine 
Sekunde  im  Dorischen  bei  Okeghem,   Hobrecht  und  Brumel;  eine  kleine 


165 

ziEHN:  Ober  die  kirchentöne 


Sexte  im  Mixolydischen  bei  Brück;  eine  grosse  Septime  im  Phrygischen 
bei  Eccard. 

Im  mehrstimmigen  Satz  dienten  fis,  eis  und  gis  meistens  als  Dur- 
Terzen  oder  als  Grundtöne  verminderter  Dreiklänge.  Als  Quinten  von 
Moll-  und  übermässigen  Dreiklängen  sind  sie  selten,  noch  seltener  freilich 
als  Bestfmdlfi^ille  von  Septimenakkorden.  B  erscheint  als  Grundton  eines 
Dur- Dreiklanges,  als  Terz  eines  Moll -Dreiklanges  und  kleinen  Moll- 
Septimenakkordes,  sowie  als  Quinte  eines  verminderten  Dreiklanges  und 
kleinen  Septimenakkordes. 

Jeder  oben  angeführten  Tonart  standen  folgende  Dur-  und  Moll- 
Dreiklänge  zur  Verfügung.  (Die  letzten  drei  sind  Seltenheiten.)  Nach 
F.  M.  Böhme  waren  es  »im  Ganzen  nur  sechs*". 


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Bei  der  gebräuchlichen  Transposition  in  die  Oberquarte  erhielt  jede 
Tonart  ein  |?  Vorzeichnung,  und  die  in  jeder  Tonart  möglichen  Töne  und 
Dur-  und  Moll-Dreiklänge  waren  dann  folgende 


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Bei  der  ebenfalls  nicht  seltenen  Transposition  in  die  grosse  Unter- 
sekunde erhielt  jede  Tonart  zwei  wesentliche  1?.  Doch  wurde  häufig, 
namentlich  in  einzelnen  Stimmen,  nur  das  erste  vorgezeichnet  und  das 
zweite  zufällig  gesetzt.  Die  hier  verwendbaren  Töne  und  Dur-  und  Moll- 
Dreiklänge  waren 


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Belege  für  das  Vorkommen  der  selteneren  Moll-Dreiklänge. 

H-m.  in  C  ionisch:  Hobrecbt,  geb.  c.  1430,  „La  TortorelU*. 

9      9  G  mixol.:  Wtlther,  1524,  No.  15. 
Fis-m.  in  A  iolisch:  Gutmmi,  f  1501,  Canzona  fQr  Orgel. 
H-m.  in  D  dorisch:  Hassler,  1601,  Lustgarten,  No.  13. 

«      „  E  phryg.:  Lassus,  Busspsalmen,  111,6. 

H-m.  in  F  ionisch:  Schlick,  1512,  Tabulaturen,  No.  6. 
E-m.  in  G  dorisch:        »  »  »  No.  1  und  9. 

Fls-m.  in  G  dorisch:    .  .  •  No.  2  und  14. 


166 
DIE  MUSIK  III.  3. 


H-m.  in  C  dorisch:  Henry  VI,  f  1471,  «Et  in  terra*. 
«      „  G  lolisch:  Cabezon,  geb.  1500,  Orgel  Vorspiel. 

H-moll    in  Tonarten  mit  einem  |?  entspricht  Fis-moll  in  Tonarten  ohne  Vorzeichnung. 
E-moll     „         „          »        »      »  »         H-moll     »         »  »  » 

Fis-moll  »         ,  9>        »      »  »         Cis-moU  »         »  »  » 

H-moll    »         »  »      «wei  t?  ,  »         »         »  »  » 

Ziemlich  seltene  Erscheinungen  sind  auch  der  As-dur-  und  der  F-moU-Dreiklang. 
Beide  werden  angewandt  in  dem  oben  angeführten  C  dorischen  Satze  von  Henry  VI. 
und  in  den  B  ionischen  Lamentationen  von  Carpentras  (1532);  der  As-dur-Dreiklang 
von  Schlick,  Tabulaturen  No.  13,  G  iolisch;  der  F-moU-Dreiklang  von  Brück  (1534) 
und  Fra  Thomas  (1565). 

In  Beziehung  auf  die  Vorzeichnung  ist 

Ionisch      »  Dur; 

Mixolyd.    =     „      mit  1  ^  weniger  oder  1  f  mehr; 

Lydisch     «,        »It^        »  »lj|» 

Äolisch     »  Moll; 

Dorisch     -B      «   mit  1  [?  weniger  oder  1  |  mehr; 

Phrygisch  =,,lj|       ,  ^     ip      n 

Sätze  in  Kirchentonarten  haben  nicht  immer  die  richtige  Vorzeichnung. 
Was  in  deutscher  Tabulatur  geschrieben  wurde,  hatte  überhaupt  keine,  und 
wird  auch  oft  so  in  unsere  Notenschrift  übertragen.  Um  da  die  Tonart 
zu  erkennen,  muss  man  sämtliche  Töne  in  ihrem  Verhältnis  zur  Tonika 
betrachten,  was  auch  bei  Sätzen,  die  schon  ursprünglich  in  Notenschrift 
stehen,  nie  aus  dem  Auge  gelassen  werden  darf. 

In  Schlicks  Tabulaturen  ist  No.  11  D  dorisch,  No.  13  G  äolisch.  Eimer 
setzt  beiden  Sätzen  ein  [?  vor,  während  der  erste  keine  Vorzeichnung  haben 
dürfte,  der  zweite  dagegen  zwei  [?  haben  müsste. 

A.  G.  Ritter  lässt  den  D  äolischen  Satz  „Erhalt  uns  Herr*,  aus  dem 
Tabulaturbuch  von  Paiz,  ohne  Vorzeichnung,  so  dass  er  dorisch  aussieht. 

Mit  einem  t'  statt  mit  zweien  schreibt  Hassler  das  B  ionische  „Es 
spricht  der  Unweisen  Mund  wohl*;  ebenso  Gesius  das  D  phrygische  »Da 
Jesus  an  dem  Kreuze  stund*. 

„Nun  bitten  wir  den  heiligen  Geist*,  in  F  ohne  Vorzeichnung,  also 
lydisch,  im  Strassburger  Kirchenampt  1525  —  in  G  ohne  Vorzeichnung, 
also  mixolydisch,  bei  Witt  1715  —  erscheint  ionisch  bei  Walther,  Eccard, 
Hassler  u.  a.  bis  herauf  zu  Schiffer. 

Das  dorische  „O  Rosa  bella*  von  Dunstable  steht  in  Dr.  Hugo  Rie- 
manns  Illustrationen  zur  Musikgeschichte  in  D  mit  einem  (f. 

In  Erks  Sammlung  der  Bachschen  Choralgesänge  ist  die  Vorzeichnung 
von  17  dorischen  und  3  phrygischen  Melodien  äolisch,  von  3  äolischen 
und  1  phrygischen  Melodie  dorisch,  von  2  lydischen  und  1  mixolydischen 
Melodie  ionisch,  zweier  ionischen  mixolydisch,  und  einer  äolischen  phrygiscb. 

No.  185  bei  Bach-Erk  wird  schwerlich  als  modernes  Dur  empfunden 


167 

ziEHN:  Ober  die  kirchentöne 


werden,  doch  lässt  sich  der  Satz  auch  nicht  einem  bestimmten  Kirchenton 
zuweisen.  Die  Melodie  enthält  keine  Septime,  wohl  aber  eine  übermassige 
Prime;  in  den  anderen  Stimmen  erscheinen  noch  kleine  und  grosse  Septime 
und  übermässige  Quarte;  es  sind  Schlüsse  im  Mollton  der  Dominante  und 
im  Durton  der  kleinen  Septime  vorhanden.  Alles  das  kann  sowohl  im 
Ionischen  als  im  Mixolydischen  vorkommen.  Eine  übermässige  Quinte  würde 
den  Satz  zum  ionischen  stempeln,  eine  kleine  Terz  zum  mixolydischen. 
Nicht  die  Vorzeichnung  (hier  ist  sie  mixolydisch),  sondern  die  Anwendung 
gewisser  Intervalle  ist  massgebend.  Folgende  Beispiele  mögen  zur  Klärung 
dieser  Frage  dienen. 

Besondere  Töne  in 
C  ionisch      C  mixol.      C  lydisch 


Gemeinsame  Töne  in  C  ionisch, 
C  mixolydisch  (1»  und  C  lydisch  (l)(). 


m 


(Im  gleichnamigen  Mixolydisch  und  Lydisch  finden  wir  denselben  Ton  auf 

verschiedenen  Stufen:  kl.  3  =  üb.  2.) 


Gemeinsame  Töne  in  A  äolisch, 
A  dorisch  (l||)  und  A  phrygisch  (l|;^). 


Besondere  Töne  in 
A  äolisch      A  dorisch    A  phrygisch 


(Im  gleichnamigen  Dorisch  und  Phrygisch  finden  wir  denselben  Ton  auf  verschiedenen 

Stufen:  üb.  4  ~  verm.  5.) 

Von  zehn  Melodien  ist  durchschnittlich  eine  nicht  genau  bestimmbar 
in  Beziehung  auf  die  Tonart.  V.  d.  A.  fand  unter  500  Melodien  (Choräle, 
Volkslieder  und  einige  Meistersingertöne),  vor  1600  komponiert,  38  in  Moll 
mit  grosser  Sekunde,  doch  ohne  Sexte  (also  dorisch  oder  äolisch),  und  12 
in  Dur  mit  reiner  Quarte,  doch  ohne  Septime  (also  mixolydisch  oder  ionisch). 

Die  Melodie  „Nun  bitten  wir  den  heiligen  Geist*,  während  des  16. 
und  17.  Jahrhunderts  in  F,  entbehrt  der  Quarte  im  Strassburger  K.  A., 
bei  Walther,  Resinarius,  Eccard,  Gesius,  Decker,  M.  Prätorius  (1607), 
Erythräus,  Moritz  von  Hessen,  Crüger,  Witt  (1715),  Portmann  und  Schäffer, 
und  dürfte  wohl  ursprünglich  lydisch  gemeint  sein.  Mit  einer  Quarte  fand 
ich  sie  nur  bei  Hassler,  M.  Prätorius  (1609)  und  Bach.  Soweit  meine 
Kenntnis  reicht,  hat  der  Choral  bisher  noch  keine  lydische  Behandlung  erfahren. 

Einige  alte  Meister  gaben  zuweilen  äolischen  und  mixolydischen  Sätzen 
ein  besonderes  Zeichen:  ein  alleinstehendes  |?  auf  der  obersten  Linie  des 
Diskantsystems  (gelegentlich  kommt  es  auch  in  anderen  Stimmen  vor). 
Dieses  [^  deutete  in  Moll  die  kleine  Sexte  und  in  Dur  die  kleine  Septime 
an.  Beispiele  aus  Ambros-Kades  „Auserwählten  Tonwerken**  (2.  Auflage): 
für  Moll  S.  lO(Okeghem)  und  S.  29  (Hobrecht);  für  Dur  S.  16  (Okeghem), 
S.  67,  60,  120  (Josquin),  S.  351  (Isaac).     (Kades  Fussnote  auf  S.  29  passt 


108 
DIE  MUSIK  III.  3. 


nicht  dahin.)  Josquins  Stabat  mater,  von  Zarlino  F  ionisch,  von  Pietro 
Aron  F  lydisch  genannt,  ist  weder  dieses  noch  jenes,  sondern  C  mixolydisch ; 
was  durch  die  gelegentliche  kleine  Terz,  sowie  durch  die  besondere  Vor- 
zeichnung bewiesen  wird.  Der  Cantus  firmus  ist  allerdings  F  ionisch,  aber 
der  Satz  nicht;  und  in  F  lydisch  gibt  es  kein  es.  Das  Amen  am  Schluss 
auf  dem  F-dur-Dreiklang  ist  als  Anhängsel  zu  betrachten.  In  dem  oben 
angeführten  Beispiel  von  Isaac  steht  der  grössere  erste  Teil  in  G  mixolydisch, 
der  Schlussteil  in  C  ionisch. 

Wenn  zwei  so  berühmte  Theoretiker  des  Mittelalters,  wie  Zarlino 
und  Aron,  die  Tonart  eines  Satzes  nicht  mit  Sicherheit  feststellen  konnten, 
so  braucht  man  sich  nicht  zu  wundem,  dass  auch  in  unserer  Zeit  noch 
Verwirrung  herrscht. 

Die  ioliscben   Melodien   „Christ   unser  Herr  zum  Jordan  kam*  und  «leb  ruf 

zu  dir*  sind  dorisch  nach  Mendel; 
das  äolische  «Durch  Adams  Fall*  ist  dorisch  nach  Mendel  und  Böhme; 
das  ionische  «Komm  heiliger  Geist,  Herre  Gott*  ist  dorisch  nach  Mendel  und 

mixolydisch  nach  Böhme: 
das  ionische  «Gott  hat  das  Evangelium*   ist   phrygisch  nach  Winterfeld   und 

äolisch  nach  Böhme; 
das  phrygische  «Christus,  der  uns  selig  macht*  ist  äolisch  nach  A.  G.  Ritter; 
das  phrygische  «Es  weil  uns  Gott*  ist  äolisch  nach  Oskar  Paul; 
das  phrygische  «Christum  wir  sollen  loben  schon*  ist  phrygisch  nach  Böhmes 
«Kursus  in  Harmonie*,  dorisch  nach  dem  dazu  gehörigen  «Aufgabenbuch*; 
das   äolische   «Mag  ich  Unglück  nicht  widerstan*   ist  äolisch   nach   Böhmes 
«Kursus*,  phrygisch   mit  iolischem   Schluss  nach   Böhmes  Altdeutschem 
Liederbuch,  das  überhaupt,  was  Tonarten  anbetrifft,  die  spassigsten  Angat>en 
darbietet 
Als  Tonika  ist  der  Schluss  der  Melodie  anzusehen.    Einige  seltene  Ausnahmen: 
Der  melodische  Scblusston  ist  die  Quinte  der  phrygiscben  Tonart: 
H.  Sachs,  1519,  «Der  kurze  Ton*; 
M.  Weisse,  1531,  .Der  Tag  vertreibt  die  finstre  Nacbt.* 
Der  melodische  Schlusston  ist  die  Terz  der  pbrygischen  Tonart: 
Steuerlein,  1588,  «Das  alte  Jahr  vergangen  ist*. 
Gumpeltzhaimer,  1619,  «Wie  lang*,  o  Gott*. 
Der  melodische  Schlusston  ist  die  Terz  der  ionischen  Tonart: 
Walter,  1548,  «Gott  hat  das  Evangelium*; 
Hassler,  1601,  «Mein  G'müt  ist  mir  verwirret*. 

Manche  Melodieen  wechselten  im  Lauf  der  Zeiten  die  Tonart  Im 
Erfurter  Enchiridion,  bei  Walther  und  Finck,  ist  die  Melodie  «Es  ist  das 
Heil*  mixolydisch,  und  «Diess  sind  die  heil'gen  zehn  Gebot*  dorisch.  Erstere 
kennen  wir  seitdem  nur  als  ionisch,  und  letztere  als  mixolydisch.  Das 
dorische  «Ach  Gott,  thu  dich  erbarmen*  wurde  bei  Stobäus  mixolydisch. 
Dieselbe  Veränderung  erfuhr  «Erschienen  ist  der  herrlich  Tag*  durch 
Gesius.  aJesu,  nun  sei  gepreiset*,  dorisch  bei  Vulpius,  M.  Prätorius  und 
Witt,  wird  bei  Bach  und  Vogler  ionisch. 


169 

ziEHN:  Ober  die  kirchentöne 


Die  Einfügung  des  b  in  die  Tonarten  ohne  Vorzeichnung  (oder  des 
es  in  die  Tonarten  mit  einem  l',  usw.)  wurde  bisher  allgemein  nur  für  das 
Dorische  und  Lydische  angenommen. 

In  dem  „Cursus''  von  Böhme  liest  man,  dass  „im  Mixolydischen  zu- 
weilen eine  kleine  Terz  vorkomme,  wodurch  es  sich  ins  Dorische  um- 
wandele«. A.  G.  Ritter  berichtet,  dass  Adam  Hiller,  1791,  den  Dur-Dreiklang 
auf  der  erniedrigten  Septime  kurz  vor  der  Dominante  im  Ionischen  als 
unleidlich  bezeichnet  habe.  Er  selbst  nennt  diesen  Dreiklang  eine  «har- 
monische Auffälligkeit,  die  im  15.  Jahrhundert  gebräuchlich  wurde,  um 
1570  im  Choralsatz  aber  bereits  Mode  geworden  war*".  Die  kleine  Terz 
im  Mixolydischen,  sowie  die  kleine  Septime  im  Ionischen  (diese  als  Grund- 
ton eines  Dur-Dreiklanges),  sind  demnach  nur  als  Ausnahme  bemerkt  worden. 
H.  Bellermann  führt  als  Regeln  auf:  „Wenn  eine  dorische  Melodie 
von  d  aus  sich  bis  zur  Sexte  erhebt  und  dann  wieder  abwärts  nach  a  zurück- 
geht, so  muss  das  h  in  b  verwandelt  werden;  geht  sie  jedoch  weiter  in 
die  Höhe  nach  c  und  darüber  hinaus,  so  bleibt  h.  —  Steigt  eine  lydische 
Melodie  nach  der  Quinte  hin  und  darüber  hinaus,  so  muss  es  h  heissen, 
geht  die  Melodie  aber  abwärts,  namentlich  zum  Schluss,  so  wird  b  gesetzt. 
—  In  den  anderen  Tonarten,  der  ionischen,  phrygischen,  mixolydischen 
und  äolischen,  ist  die  Anwendung  des  b  nicht  zulässig,  am  allerwenigsten 
aber  in  der  phrygischen,  deren  Dominante  h  ist.*"  (Beiläufig:  Im  Phrygischen 
ist  die  Quinte  nicht  die  Dominante;  und  nach  unseren  heutigen  Begriffen 
von  der  Dominante  hat  das  Phrygische  überhaupt  keine.) 

Die  kleine  Septime  im  Ionischen  findet  man  u.  a.  an  folgenden  Stellen: 

Schlick,  Ttbulaturen,  No.  6  (der  einzige  ionische  Satz); 

Lassus,  Busspsalmen,  in  16  aus  30  Sätzen; 

Eccard,  Geistl.  Lieder  „ 

Hasaler,  Lustgarten,  ^ 

«       Kirchengesinge  « 

Stobius,  Preuss.  Festl.,  „ 
Kade,  Auserw.  Tonwerke,  , 

Die  kleine  Sekunde  im  Äolischen: 
Schlick,  Tabulaturen,  No.  13; 
Lassus,  Busspsalmen,  in  11  aus  21  Sätzen; 
Scandellus,  «Auf  dich  trau  ich"  und  „Lobet  den  Herren,  denn"; 
Eccard,  Geistl.  Lieder  u.  Preuss.  Festlieder,  in  9  aus  17  Sitzen; 
Hassler,  Lustgarten,  in  7  aus  12  Sitzen; 
Stobius,  Preuss.  Festl.  in  4  aus  5  Sitzen; 
Kade,  Auserw.  Tonwerke,  in  13  aus  22  Sitzen. 


19 

»  32 

11 

»  15 

16 

»  22 

8 

»  13 

19 

.  28 

r» 


Die  kleine  Terz  im  Mixolydischen: 
Lassus,  .Domine  in  auxilium*  -~  „Parce  mihi  Domine*  —  Ut  queant  laxis*; 

9      Busspsalmen,  in  14  aus  22  Sitzen; 
Palestrina,  «O  Domine  Jesu  Christe'  (bei  Bellermann  I); 


170 
DIE  MUSIK  III.  3. 


18   \ 

'  >  «Mitten  wir  im  Leben  sind*; 


Palestrina,  «Agnus  Dei",  5 st.  Doppellcanon; 

«         „Et  in  terra*  a.  d.  Missa  Papae  Marcelli; 
A.  Gabrieli,  12st.  Magnificat; 
L.  Schröter,  «Veni  creator  spiritas*; 
Heinr.  Finck,  .Es  ist  das  Heil"; 
Hassler,  Lustgarten,  in  4  aus  6  Sätzen; 
Ktde,  Auserw.  Tonwerke,  in  13  aus  22  Sitzen; 

Die  verminderte  Quinte  im  Phrygiscben: 
Ltssus,  Busspsalmen,  in  16  aus  31  Sätzen; 

Walther,    1524,  «Christum  wir  sollen  loben  schon*  (enthält  die  verm.  Quinte  16mal). 
Eccard,  Geistl.  L.  u.  Preuss.  Festl.,  in  12  aus  16  Sätzen; 
Demantius, 
Erythräus, 

Hassler,  »Ach  Gott  vom  Himmel*  u.  „Chr.  wir  sollen  loben  schon*; 
H.  Bellermann!    3 st.  Fuge  (Kontrapunkt,  S.  313). 
Kade,  Auserw.  Tonwerke,  in  6  aus  22  Sätzen. 

Die  übermässige  Quarte  ist  im  Dorischen  so  gewöhnlich,  dass 
es  kaum  besonderer  Angaben  bedarf.  Unter  den  26  dorischen  Sätzen  der 
Busspsalmen  von  Lassus  ermangeln  nur  4'  dieses  Intervalls,  unter  20 
dorischen  Sätzen  Eccards  nur  6. 

Die  übermässige  Sekunde  ist  im  Lydischen  fast  allgemein  an- 
zutreffen.  So  in  den  beiden  einzigen  lydischen  Sätzen  der  Busspsalmen 
von  Lassus;  dem  Qu!  tollis  a.  d.  Missa  de  beata  Virgine  von  Heinrich 
Finck  (Kade  hat  die  betreffende  Stelle  nicht  bemerkt);  dem  5  st.  B  lydischen 
Choral  «Welt  ade*  von  Rosenmfiller;  dem  Choral  »Wer  Gottes  Marter* 
von  Heinrich  Schütz. 

In  den  Tonarten  ohne  Vorzeichnung  sind  Teilschlusse  auf  dem  H-moll* 
oder  H-dur-Dreiklang  unmöglich;  dagegen  können  solche  auf  dem  B-dur- 
und  G-moll-Dreiklang  stattfinden.    Allgemein  ausgedrückt:  Teilschlüsse  sind 

unmöglich  möglich 

im  Ionischen      auf  Moll  u.  Dur  der  gr.  7      auf  Dur  der     kl.  7  und  Moll  der  5; 
.   Mixolyd.  »«»»«gr.  3       ««»       kl.  3«        »»1 

«  Lydischen  »  »»»»üb.  4  ««  «  r.  4«  „«2 
«  Äolischen  «  »»««gr.  2  «»  «  kl.  2«  «  ,7 
«  Dorischen  «  «««»gr.  6  »»  «  kl.  6«  ««4 
«    Phrygiscben    «       ««««r.  5       ««       « verm.  5    «       «      «    3. 

F.  M.  Böhme  sagt:  «Das  Dorische  moduliert  niemals  ins  Phrygische.* 
Das  bedeutet,  ein  dorischer  Satz  moduliert  nicht  in  die  Tonart  der  Wechsel- 
dominante. Die  Behauptung  ist  vollständig  aus  der  Luft  gegriffen.  Phrygische 
Modulation  im  Dorischen  kann  V.  d.  A.  an  20  alten  Choral-  und  Volks- 
melodieen  nachweisen.    Man   findet  sie  femer  z.  B.  an  folgenden  Stellen: 

Th.  Stoltzer,  1526,  der  12.  Psalm,  2.  Teil; 

LassuSy  Busspsalmen  I.  2^  6.  u.  9.  Satz,  IL  3.,  5^  13.  und  16.  Satz,  VII.  2.  und  9.  Satz; 

Hassler,  Lustgarten,  No.  15,  17,  18,  28,  30; 

Eccard,  ebenCiüls  in  fünf  Sitzen. 


171 

ziEHN:  Ober  die  kirchentöne 


Die  Möglichkeit  der  Modulation  eines  Mollsatzes  in  die  Tonart  der 
grossen  Obersekunde  ist  ein  Unterscheidungszeichen  des  Dorischen  vom 
Äolischen  und  Phrygischen. 

F.  M.  Böhme:  i,Dem  Äolischen  ist  die  Modulation  nach  dem  Dorischen 
versagt. **  Also  ein  äolischer  Satz  moduliert  nicht  in  die  Tonart  der  Unter- 
dominante.    Beweise  des  Gegenteils: 

Hassler,  Lustgarten,  No.  8,  10,  25,  30,  37  (mit  9  dorischen  Schlüssen), 
43,  45,  50.  V.  d.  A.  vermag  noch  an  mehr  als  50  Sätzen  und  Melodieen, 
die  meistens  sogar  mehr  als  zweimal  ins  Dorische  gehen,  das  Unhaltbare 
der  Behauptung  Böhmes  zu  zeigen. 

M.  Hauptmann:  »Bei  den  Schlüssen  der  Choräle  und  Volkslieder  aus 
alter  Zeit  schliesst  die  Melodie  nicht  aus  dem  Leitton,  sondern  aus  der 
Dominantquinte  nach  dem  Grundton. ^  Entweder  kannte  Hauptmann  nur 
wenig  Choräle  und  Volkslieder  aus  alter  Zeit,  und  zwar  zufälligerweise  nur 
solche,  die  seiner  Behauptung  den  Schein  der  Berechtigung  gaben,  oder 
er  Hess  unbeachtet,  was  seiner  Meinung  widersprach.  Dutzende  von  Bei- 
spielen »aus  alter  Zeit^  entziehen  jenem  Satze  den  Boden. 

Robert  Franz:  «Der  erste,  der  von  der  Art  des  alten  Satzes  abwich, 
ist  eigentlich  Franz  Schubert;  bei  ihm  findet  man  zuweilen  Akkorde,  von 
denen  man  gar  nicht  weiss,  wo  sie  auf  einmal  herkommen;  bei  Schumann 
findet  sich  das  noch  mehr.  Diese  Abweichungen  liegen  zum  Teil  darin, 
weil  die  Alten  das  Verhältnis  des  7.  zum  8.  Tone,  die  Septime,  den  Leitton, 
der  doch  ein  halber  Ton  ist,  nicht  kannten;  die  7.  bis  8.  Stufe  ist  bei  den 
Alten  immer  ein  ganzer  Ton ;  deshalb  vermochten  sie  auch  nicht  aus  einer 
Tonart  in  die  andere  überzugehen.^  Eine  der  vielen  unglaublichen 
Äusserungen,  die  Meister  Franz  im  Verkehr  mit  Dr.  Waldmann  von  sich 
gegeben  haben  soll.  Das  8  st.  dorische  Stabat  mater  von  Palestrina  enthält 
20  Abschlüsse  (8  äolische,  5  dorische,  4  ionische,  2  lydische,  1  mixoL), 
die  sämtlich  mit  der  Dominante  gemacht  sind.     Das  genügt  wohl. 

Nach  einem  Bericht  in  der  Cäcilia,  1864,  den  Böhme  in  seinem 
»Cursus*  abdruckt,  wurde  von  Rom  aus  bestätigt,  „dass  nach  Tradition 
und  Gewohnheit  der  römischen  Kirche  im  diatonischen  gregorianischen 
Gesang  hinzugefügte  Halbtöne  bei  Schlüssen  und  Einschnitten  zulässig 
seien.*  Das  hindert  Böhme  nicht,  in  demselben  Kapitel  seines  Werkes 
u.  tu  folgenden  Satz  niederzuschreiben:  „In  der  mixolydischen  Tonart  wird 
der  tonische  Ganzschluss  stets  mit  Hilfe  des  Unterdominant-Dreiklanges 
gebildet,  ist  also  Plagalschluss  (Kirchenschluss);  einen  authentischen  Schluss 
(Dominante-Tonika)  hat  sie  nicht,  weil  ihr  dazu  der  Leitton  fehlt.  "*  Dass 
dieser  Ausspruch  nicht  auf  Wahrheit  beruht,  dürfte  aus  nachstehenden 
Angaben  zu  ersehen  sein. 


172 
DIE  MUSIK  III.  3. 


Unter  den  11  mixol.  Sätzen  Walthers,  1524,  befinden  sich  nur  2  mit 
Plagalschluss,  die  übrigen  9  schliessen  authentisch. 

Der  mixol.  VII.  Busspsalm  von  Lassus  hat  1 1  mixol.  Abschlüsse,  von 
denen  7  authentisch  sind,  nur  3  plagal,  und  einer  wird  mit  der  Wechsel- 
dominante gemacht.  Der  ionische  V.  Busspsalm  hat  ebenfalls  11  mixol. 
Abschlüsse,  von  denen  6  plagal  sind,  4  werden  mit  dem  Leitton  und  dessen 
Terz  oder  mit  dem  verminderten  Dreiklang  auf  dem  Leitton  gemacht,  und 
einer  mit  der  Wechseldominante.  Ausser  diesen  zweimal  1 1  mixol.  Schlüssen 
kommt  in  den  Busspsalmen  kein  weiterer  vor. 

A.  Gabrieli  schliesst  sein  mixol.  12 st.  Magnificat  authentisch,  dagegen 
die  ionische  Fantasia  Allegra  für  Orgel  plagal. 

Authentisch  schliessen  sämtliche  mixol.  Sätze  Eccards  in  den  „Geistl. 
Liedern*  u.  den  i,Preuss.  Festl.**;  die  sämtlichen  mixol.  Sätze  von  Stobäus  im 
letztgenannten  Werke;  die  sämtlichen  mixol.  „ Kirchengesänge **  Hasslers;  in 
Hasslers  ,  Lustgarten*  schliessen  2  mixol.  Sätze  plagal,  die  anderen  4  authentisch. 

In  Ambros-Kades  i, Auserwählten  Tonwerken*  stehen  22  mixol.  Sätze, 
davon  4  mit  plagalem  Schluss,  doch  18  ohne  diesen. 

Der  ivphrygische*  Schluss  (z.  B.  in  E:  Dm.  Ed.,  oder  Dm.  Em.)  ist 
dem  Phrygischen  ebensowenig  eigentümlich  wie  der  Kirchenschluss  dem 
Mixolydischen. 

H.  Bellermann  lehrt  in  seinem  „Kontrapunkt*  für  das  Phrygische  nur 
den  phrygischen  Schluss,  schliesst  indessen  die  erste  seiner  beiden  3  st. 
Fugen,  desgleichen  die  4  stimmige,  mit  Unterdominante-Tonika. 

Goudimels  5  st.  O  crux  benedicta  und  Vittorias  5  st.  Agnus  Dei,  beide 
abgedruckt  in  Bellermanns  »Kontrapunkt*,  schliessen  ebenfalls  plagal. 

Walthers  Wittemb.  Gesangb.,  1524,  enthält  8  phryg.  Sätze,  5  derselben 
ohne  phryg.  Schluss.  »Mitten  wir  im  Leben*  hat  nur  beim  ersten  Einsatz 
des  Tenors  einen  solchen  Schluss,  obwohl  im  ganzen  sieben  möglich  wären. 
Lediglich  »Mensch,  wiltu*  und  »Vivo  ego*  schliessen  Dm.  Em.  (E-dur  ist 
hier  undenkbar). 

Die  14  phrygischen  Abschnitte  des  phrygischen  III.  Busspsalms  von 
Lassus  endigen  sämtlich  mit  dem  Kirchenschluss;  und  von  den  16  phryg. 
Abschnitten  des  phryg.  IV.  Busspsalms  endigen  nur  3  »phrygisch*,  die 
übrigen  13,  darunter  der  letzte,  ebenfalls  mit  Unterdominante-Tonika. 

Eccard,  1507  u.  1508,  schliesst  von  16  phryg.  Sätzen  nur  einen 
phrygisch,  alle  übrigen  plagal. 

Hassler  hat  1608  unter  11  phryg.  Sätzen  2  mit  phrygischem  und  0 
mit  Kirchenschluss. 

Stobäus  bringt  in  den  Bearbeitungen  der  Melodieen  »Mein  G'mfith  ist 
mir  verwirret*,  1630  u.  1634,  und  »O  Herre  Gott,  begnade  mich*,  1644, 
gar  keinen  phrygischen  Schluss  an. 


173 

ziEHN:  Ober  die  kirchentöne 


Es  gibt  phrygische  Melodieen,  bei  denen  ein  phrygischer  Schluss  gar 
nicht  stattfinden  kann,  weil  die  beiden  Schlusstöne  eine  fallende  Terz  bilden: 
«Durch  Adams  Fall«,  Walther,  1524,  No.  17  —  ^Erbarm  dich  mein«, 
Erfurter  Enchiridion  —  „Es  woll  uns  Gott*"  und  «Ich  hab  geruft*,  Strassb. 
K.  A.  —  «Ich  weiss,  dass  mein  Erlöser  lebt**,  Burgk  —  «So  wolt  ich  gerne 
scherzen  (singen)«.  Dahin  gehört  auch  die  Melodie  «Herzlich  thut  mich 
verlangen«,  sobald  man  sie  phrygisch  auffasst,  mit  der  seit  Joh.  Kuhnau 
gebriuchlichen  Schlusswendung,  die  wohl  dem  Tenor  des  Originalsatzes 
von  Hassler  entnommen  sein  wird. 

Von  den  22  phrygischen  Sätzen  in  Ambros-Kades  «Auserwählten 
Tonwerken«  schliessen  5  phrygisch  und  17  nicht  phrygisch. 

Unzähligemal  tritt  der  phryg.  Schluss  in  nichtphrygischen  Kom- 
positionen auf. 

Der  Schluss:  Dm.  Em.,  in  alter  Zeit  nicht  gar  selten  (besonders  schöne 
Beispiele:  Josquin,  «Pleni  sunt«  a.  d.  Missa  Fange  lingua;  Fevin,  «Descende 
in  hortum  meum«;  HofThaimer,  «Meins  Traurens  ist«)  und  noch  bei  Bach 
einigemal  vorhanden  (Erk,  No.  213,  1.  Zeile;  Orgelwerke  V,  No.  36,  Peters), 
kommt  in  neuerer  Zeit  wieder  zur  Geltung,  allerdings  meistens  als  Halb- 
schluss  in  Moll.  Einige  Beispiele:  Brahms,  op.  1,  Scherzo;  Raff,  «Lenore«, 
Fart.  S.  220;  Nicod6,  op.  25,  Klavier-Violoncello -Sonate,  1.  Satz,  Takt 
120—133;  StscherbatschefF,  op.  15,  No.  4,  Takt  1  u.  2,  5  u.  6,  13  u.  14. 
Andere  Beispiele  von  Bach,  Berlioz  und  Nicod6  sind  in  meiner  Harmonie- 
und  Modulationslehre,  S.  55,  angeführt. 

H.  Bellermann  behauptet,  Sept.  1876,  dass  am  Schluss  mehrstimmiger 
Gesinge  in  phrygischer  Tonart  die  grosse  Terz  statt  der  kleinen  seit  dem 
15.  Jahrhundert  bis  auf  den  heutigen  Tag  ohne  Ausnahme  gesetzt  worden  sei. 

Im  Mixolydischen  sind  nur  Modulationen  möglich  in  die  Dur- 
Tonarten  der  4.  und  7.  Stufe,  sowie  in  die  Moll-Tonarten  der  2.,  5.  u.  6.  Stufe; 
femer  Teilschlfisse  auf  dem  Dur-Dreiklang  der  2.,  5.  u.  6.  Stufe  und  der 
kleinen  Terz,  sowie  dem  Moll-Dreiklang  der  1.  Stufe. 

Im  Lydischen  sind  nur  Modulationen  möglich  in  die  Dur-Tonarten 
der  2.  u.  5.  Stufe,  sowie  in  die  Molltonarten  der  3.,  6.  u.  7.  Stufe;  femer 
Teilschlfisse  auf  dem  Dur-Dreiklang  der  3.,  6.  u.  7.  Stufe  und  der  reinen 
Quarte,  sowie  dem  Moll-Dreiklang  der  2.  Stufe. 

Im  Dorischen  sind  nur  Modulationen  möglich  in  die  Dur-Tonarten 
der  3.,  4.  u.  7.  Stufe,  sowie  in  die  Moll-Tonarten  der  2.  u.  5.  Stufe;  femer 
Teilschlfisse  auf  dem  Dur-Dreiklang  der  1.,  2.  u.  5.  Stufe  und  der  kleinen 
Sexte,  sowie  dem  Moll-Dreiklang  der  4.  Stufe. 

Im  Fhrygischen  sind  nur  Modulationen  möglich  in  die  Dur-Tonarten 
der  2.,  3.  ii.  6.  Stufe,  sowie  in  die  Moll-Tonarten  der  4.  u.  7.  Stufe;  femer 


174 
DIE  MUSIK  III.  3. 


Teilschlüsse   auf  dem  Dur-Dreiklang  der  1.,  4.  u.  7.  Stufe  und  der  verm. 
Quinte,  sowie  dem  Moll-Dreiklang  der  3.  Stufe. 

Zur  Unterscheidung  des  mittelalterlichen  Ionisch  vom  neuzeitlichen  Dur. 

Im  Ionischen  können  ausser  den  sieben  Stammtönen  nur  noch  vor- 
kommen: üb.  1,  üb.  4,  üb.  5  u.  kl.  7;  nur  Modulationen  stattfinden  in  die 
Dur-Tonarten  der  4.  und  5.  Stufe,  sowie  in  die  Moll-Tonarten  der  2.,  3. 
u.  6.  Stufe;  femer  Teilschlüsse  auf  dem  Dur-Dreiklang  der  2.,  3.  u.  6.  Stufe 
und  der  kleinen  Septime,  sowie  dem  Moll-Dreiklang  der  5.  Stufe. 

Zur  Unterscheidung  des  mittelalterlichen  Äolisch  vom  neuzeitlichen  Moll. 

Im  Äolischen  können  ausser  den  sieben  Stammtönen  nur  noch  vor- 
kommen: gr.  3,  gr.  6,  gr.  7  u.  kl.  2;  nur  Modulationen  stattfinden  in  die  Dur- 
Tonarten  der  kl.  3,  kl.  6  u.  kl.  7,  sowie  in  die  Moll-Tonarten  der  reinen 
Quarte  u.  Quinte;  femer  Teilschlüsse  auf  dem  Dur-Dreiklang  der  1.,  4. 
u.  5.  Stufe  und  der  kleinen  Sekunde,  sowie  dem  Moll-Dreiklang  der  kleinen 
Septime. 

Nach  Oskar  Paul  bilden  dorische  und  äolische  Melodieen  ihre  Schlüsse 

auf  Prime,  Terz  und  Quinte  der  Tonika.    Das  stimmt  nicht.    So  bildet  z.  B. 

Der  Bruder  Veiten  Ton  \  ^^^j  ^^^^  ^^^  ^^^      ^^^.  g^^j  ^^^  ^^^      ^^^^^  ^  " 

mit  8  Schlüssen       J  9-^9 

«Singen  wir  .us  Herzensgrund«  J 

mit  7  Schlüssen  j  ^  ' 

*  *^.   „  «*w?«  \  2wei  Sohl,  auf  der  2,  einen  auf  der  7,  einen  auf  der  4; 
mit  7  Schlüssen      |  *  >  9 

Jesu,  nun  sei  gepr.«  l^,et.i       m  a      n  b  ^      *% 

,    -Ä  o  .-t^  i  fünf  Schi,  auf  der  7,  zwei  auf  der  2; 

mit  10  Schlüssen     J  '  ' 

.Kommt  her  zu  mir*  |,ot.i       «^^i  »  ^      » 

,    «  o  ..1-  )  vier  Schi,  auf  der  2,  einen  auf  der  7; 

mit  6  Schlüssen      |  ^  ' 

"  ^   .    *,  o  «.!>-  \  zwei  Schi,  auf  der  7,  einen  auf  der  2,  einen  auf  der  4; 

mit  7  Schlüssen      |  >  -»  » 

»Von   üppiglichen   Dingen-     1 

mit  9  Schlüssen  j  ' 

-Wo  soll  ich  mich  hinkeren*  1         .«ui       »  a      a     t  «^o 

mit  6  Schlössen  J  '*•*  ^"-  •"'  ^"  *'  *'"*"  ""  *"  ^^ 

*  "'f  A  o  V?:f  ?  zwei  Schi,  auf  der  4,  einen  auf  der  7,  einen  auf  der  6; 
mit  6  Schlüssen     j  »  >  » 

»Diess  sind  d.  h.  10  Geb.* )         ,ot.i       p  ^      a     x  p  ^      n 

,    ^  ^  ^,.  \  zwei  Schi,  auf  der  4,  einen  auf  der  7; 

mit  5  Schlüssen  |  '  ' 

i  zwei  Schi,  auf  der  2,  einen  auf  der  4; 

„Hilf  Gott,  wie  ist«  \ 

(Zinkeisen)  \  fünf  Schi,  auf  der  4,  zwei  auf  der  7,  einen  aaf  der  6. 

mit  11  Schlüssen    i 

Allgemein  wird  gelehrt,  dass  die  Alten  weder  Septimenakkorde  noch 
Quartsextakkorde  anwandten.  Auch  dieser  Satz  ist  unrichtig,  wie  u.  a. 
folgende  Beispiele  beweisen. 


«Warum  betrübst* 
mit  5  Schlüssen 


(^ 


ziEMN:  Ober  die  kirchentöne 


Du  ■cbtatlratnjge  dorische  StabKt  mater  von  PaleWrina  birgt  vleneha  Quartgextaccorde, 


Um  diese  Auszüge  nicht  allzusebr  aDzuschwelleo,  sind  manche  An- 
gaben nur  allgemein  gehalten  oder  wurden  stark  verkürzt.  Vieles  blieb 
unberührt,  z.  B.  Aufdeckung  weiterer  Irrtümer,  Umfang  und  Anfang  der 
Melodleen,  Veränderung  der  Melodieen,  der  Untergang  der  Kircben-Tooaiten, 
Bach  und  die  Kirchen-Tonarten,  die  harmonische  Behandlung  gewiaser 
Melodieeo  bei  verschiedenen  Meistern  und  zu  verschiedenen  Zeilen,  u.  s.  f. 


DIE  WIEDERGEBURT  DER  OPERETTE 

von  Dr.  Erich  Urbin-Berlin 


•cjirr.^rirh''Rr 


„Keine  Gtttung  1»  (erinc  lu  achten;  jede  iit 
erfreulich,  sobald  ein  grosses  Talenr  darin  den  Gipfel 
erreichte."  Goethe. 

dem  ernsten,  strengen,  tiefen  Deutschland  über  die 
\  Operette  reden,  ist  eine  heikle,  zuweilen  auch  nicht  ungeßhr- 
'  liehe  Aufgabe.  Dieses  Deutschland  ist  so  tier,  stets  so  be- 
:  strebt,  in  jedem  Ding  die  Abgründigkeit  anzutrefTen,  dass  es  für 
eine  Kunst  der  liebenswürdigen  Oberfläche  nur  ein  leichtes  Achselzucken 
übrig  hat,  den  aber,  der  an  solcher  Kunst  Gefallen  findet  oder  gar  ihren 
Anwalt  macht,  sogar  strenge  straft.  Es  siebt  in  der  Operette,  diesem 
heiter-lockeren  Wesen,  nur  das  Unwesen,  das  wie  ein  büser  Traum  gaukelnd 
die  Geister  verwirrt,  das  den  Geschmack  des  Publikums  in  die  Tiefe  zieht, 
wo  es  ein  Aufblicken  zu  hoher,  echter  Kunst  nicbt  mehr  gibt.  Sie  ist 
ihm  ein  Parasit  an  dem  gesunden  Leib  des  Schaffens.  Eine  schidlicbe 
Giftpflanze  aus  sumpfigem  Boden,  da  gestürzte  Ideale  modern.  Sie  ist 
ihm  im  ganzen  ein  kulturfeindliches  Etwas,  das  ertragen,  seufzend  ertragen 
werden  muss,  weil  es  nun  einmal  existiert. 

So  eifert  das  sehr  tugendhafte,  sehr  klassische  Deutschland.  Und  ich, 
obwohl  ich  sehr  tugendhaft  und  sehr  klassisch  gern  nur  da  bin,  wo  es 
sich  wirklich  lohnt,  eifere  mit.  Soweit  nlmlich  der  Eifer  gegen  das  geht, 
was  aus  dem  ursprünglich  Gewollten  geworden  ist.  Was  sich  heut  so 
»Operette*  nennt.  Mit  einem  Vort;  was  sich  als  Orif^nal  ausgibt,  wahrend 
es  doch  nur  fible  Nachbildung,  schlechtes  Clicbi  ist.  Das  .Clichi",  die 
handwerksmXssige  Nachahmung  künstlerischer  Absichten,  hat  die  ganze 
Gattung  durchdrungen.  Es  sitzt  nicht  nur  in  den  beiden  deutlich  sicht- 
baren und  unterschiedlichen  Teilen  der  Operette,  im  Libretto  und  in  der 
Musik.  Es  hat  sieb  glelchermassen  in  Stück,  Liedertext,  Musik,  Orchester 
Gesang,  Vortrag,  Darstellung,  Kostüm,  Dekoration,  Regie  wie  ein  schXd- 
ticber  Pilz  eingefressen  und  überall  ein  Absterben  der  Motive  und  Formen 
verursacht.     An  schlagenden  Beweiaen  solcher  Verflizung  und  Verpilzung 


177 
URBAN:  WIEDERGEBURT  DER  OPERETTE 


ist  kein  Mangel.  Wenn  man  will,  sind  —  von  wenigen  rühmlichen  Aus- 
nahmen abgesehen  —  ein  einziger  grosser  schlagender  Beweis  sämtliche 
Operetten,  die  in  den  letzten  zwanzig  Jahren  erschienen  sind.  Die  i,  Hand- 
lung* einer  Clich6-Operette  --  soweit  deren  überhaupt  vorhanden  ist, 
also  besser  der  sogenannte  „rote  Faden**  —  wird  dadurch  angeknüpft, 
dass  ein  Mägdlein  einen  Jüngling  zum  Ehegemahl  begehrt,  der  seinerseits 
das  Mägdlein  nicht  nehmen  mag  oder  durch  ein  zweites  böses  Mägdlein 
daran  gehindert  wird,  bis  —  ja,  bis  die  Operettenmoral  und  das  drohende 
Ende  des  dritten  Aktes  eine  Vereinigung  des  Mägdleins  mit  dem  Jüngling 
herbeiführen.  Die  anfänglich  geplanten,  dann  heimtückisch  hintertriebenen, 
zum  Schluss  feierlich  besiegelten  Heiraten  machen  ungefähr  die  Hälfte 
aller  Fälle  aus.  In  die  andere  Hälfte  teilen  sich  friedlich  die  ausgesetzten, 
schrecklich  gepeinigten,  im  dritten  Akt  an  Muttermalen,  Medaillons,  Notiz- 
büchern, Dokumenten,  Taufscheinen  erkannten  Kinder  diskreter  Herkunft 
und  die  in  Kleidern  anderer  herumlaufenden,  mit  ihnen  zum  allgemeinen 
Gaudium  verwechselten,  gestossenen,  geschlagenen,  geprügelten,  zer- 
knitterten, zerknautschten  Individuen.  Soweit  die  „Handlung**,  die  «Idee*, 
der  »rote  Faden*,  der  nun  ganz  einfach  dadurch  in  Wirksamkeit  gesetzt 
wird,  dass  man  sie  —  oder  ihn  —  an  einer  beliebigen  Anzahl  von  »Trägem* 

—  .Menschen*  wäre  zuviel  gesagt  —  aufhängt.  Das  Arsenal  der  Glich 6- 
Operette  weist  einen  ganz  stattlichen  Vorrat  an  solchen  » Trägern*  auf.  Da 
ist  der  schmachtende,  zumeist  Tenor  singende  Liebhaber,  in  allen  Jahr- 
hunderten und  Zonen  anzusiedeln.  Da  ist  die  sopranierende,  ebenfalls  an 
kein  Klima  und  keine  Zeit  gebundene  Liebhaberin.  Da  ist  der  Bösewicht, 
die  Inkarnation  des  Schlechten  und  Malitiösen,  ausgestattet  mit  einem 
knarrenden  Bass.     Da  ist  der  Bariton,  dem  die  Absolvierung  »des  Lieds* 

—  le  lied,  the  song  —  obliegt.  Da  ist  der  Komiker,  der  im  dritten  Akt 
»das  Couplet*  angetan  mit  den  beliebten  »aktuellen  Strophen*,  zum  Ent- 
zücken und  unter  lautem  Jauchzen  der  Galerie  zu  singen   hat.     Da  sind 

—  beherzt  im  ganzen  sei's  gesagt  —  all  die  lieben  Gestalten,  die  uns  so 
vertraut  erscheinen.  Die  wir  freundlich  grüssen,  wenn  wir  ihnen  begegnen. 
Die  wir  kameradschaftlich  mit  »du*  anreden.  Die  wir  Bruder  und 
Schwester  nennen.  Hat  der  »Wortdichter*  alles  das  getan,  was  meine 
schwachen  Kräfte  nur  anzudeuten  vermögen,  hat  er  sich  zum  Oberfluss 
auch  noch  nach  einem  pittoresken  Milieu  umgesehen  —  seit  »Mikado* 
und  »Geisha*  spielt  das  Milieu  eine  grosse  Rolle  — ,  so  trägt  er  das  Werk, 
den  Abglanz  seines  strahlenden  Innern,  zum  »Tondichter*.  An  dem  ist 
es  jetzt,  über  den  schönen  Körper  ein  schimmerndes  Gewand  zu  werfen. 
In  die  güldene  Krone  die  Perlen  und  Edelsteine  zu  fügen.  Er  macht  die 
Musik.  D.  h.  nach  dem  Wörterbuch  der  Clich6-Operette :  er  stellt  ein 
Potpourri  von  Tänzen   zusammen,  von  denen   er  annimmt,  dass  sie  das 

in.  3.  12 


178 
DIE  MUSIK  III.  3. 


Publikum  befriedigen  und  später  zum  kräftigen  Kaufen  der  einzelnen 
«Nummern**  anregen  werden.  Mögen  auch  Situation  und  seelische  Stimmung 
mit  nichten  einen  7«-  oder  */^-Takt  heischen.  Das  tut  nichts.  Er  schreibt 
munter  seinen  Walzer,  seine  Polka,  seine  Mazurka,  seinen  Rheinländer, 
seinen  Marsch.  Einem  Liebesduett  hängt  er  unversehens  einen  Polka- 
Schluss  an.  Und  ein  Couplet  lässt  er  flugs  in  einen  Walzer  einmünden. 
Denn  er  kennt  sein  Geschäft.  Als  kluger  Mann  sorgt  er  vor.  Er  blickt 
in  die  Zukunft.  Er  sieht  schon  im  Winter  vor  seinem  Geiste  —  den 
Sommergarten.  Das  Konzertpodium.  Darauf  die  Militärkapelle.  Vom  den 
ersten  Bläser  mit  dem  blankgeputzten  Comet  ä  piston.  Unten  die  atemlos 
lauschende  Menge.  Darum  schreibt  er  auch  ein  Potpourri  von  Tänzen. 
Schliesst  vor  den  dramatischen  Forderungen  einfach  die  Augen.  Und  noch 
eins  schreibt  er.  Und  dies  vorzfiglich.  Den  .Schlager'.  O  wunder- 
sfisses  Ding!  Den  »Schlager"!  Wer  ihn  fände,  dem  gehörten  die  Schätze 
der  Welt!  Der  verstünde,  wie  Siegfried,  den  Gesang  des  Waldvögleins I 
Was  sind  doch  unsere  alten  Meister  so  gar  bescheiden  und  dumm  gewesen! 
Sie .  schwitzten  noch  nicht  um  den  »Schlager".  Sie  sangen,  wie's  ihnen 
um's  Herze  war.  Und  wenn's  ihnen  recht  wohlig  war,  so  wurde  es  eben 
etwas,  das  nachher  sich  listig  in  aller  Herzen  schlich.  So  naiv  sind  wir, 
Gott  sei  Dank,  heut  nicht  mehr.  Heut  giert  der  Komponist  nur  noch 
nach  dem  Einen.  Dem  »Schlager".  Er  ist  das  Loch  in  der  Partitur,  auf 
das  der  Tondichter  unverwandt  starrt.  Aber  mit  der  Erfindung  des 
»Schlagers'  allein  ist  es  nicht  getan.  Wo  er  steht,  wann  und  wie  oft  er 
wiederkommt,  das  verursacht  oft  noch  grössere  Kopfschmerzen.  Jeder 
neue  Operettenerfolg  schafft  neue  »Schlager-Theorieen"  und  stürzt  alte  zu 
Boden.  Wenn  es  nicht  so  traurig  wäre,  lachen  könnte  man  über  das 
fieberhafte  Bestreben  des  Epigonen,  dem  Meister  gleich-  oder  doch  wenigstens 
nahe  zu  kommen.  Nach  der  »Fledermaus"  und  »Mamsell  Angöt"  war  es 
eine  Zeitlang  Mode,  den  Finalwalzer  des  zweiten  Akts  zum  »Schlager"  zu 
stempeln.  »Vogelhändler"  und  »Obersteiger"  verwiesen  ihn  dann  in  den 
zweiten  Akt,  wo  er  als  »Lied  mit  Chor"  erschien,  um  als  Entreeakt  vor 
dem  dritten  Akt  wiederzukehren.  Die  jüngste  Manier  stammt  aus  »Madame 
Sherry".  Hier  taucht  das  »Youp-lä  Catarina"  zum  erstenmal  im  zweiten 
Akt  auf,  wird  im  Finale  des  zweiten  Akts  repetiert,  liefert  das  Vorspiel 
zum  dritten  Akt  und  beschliesst  endlich  die  ganze  Operette.  Kaum  hatten 
nun  die  fingerfertigen  Verhsser  von  „Cupido  &  Co/*  gesehen,  dass  diese 
Methode  gut  und  zu  loben  sei,  dass  da  wieder  einmal  das  Urbild  zu  einem 
herrlichen  Clich6  vorlag,  als  sie  behende  es  ebenso  zu  machen  beschlossen. 
Und  wirklich  steht  der  „Schlager**  in  beiden  Operetten  genau  an  derselben 
Stelle.  Er  ist  hier  wie  dort  auch  die  einzig  gute  Nummer.  Nur  heisst 
er  dort  „Youp-lä  Catarina**   und  hier  »Das  Lied  vom  Titicacasee".    Die 


179 
URBAN:  WIEDERGEBURT  DER  OPERETTE' 


von  der  Fälle  der  auf  sie  losstürzenden  Ereignisse  gepeitschten  Nerven 
des  Publikums  reagieren  in  unseren  Tagen  nicht  mehr  auf  eine  schlichte, 
schöne,  gut  gemachte  Musik,  wie  sie  die  alten  Meister  schrieben.  Schliess- 
lich geht  ihnen  auch  das  Gleichgewicht  und  die  Ruhe  ab,  um  eine  solche 
ehrliche  Kunst  auf  sich  wirken  zu  lassen.  Auch  ist  man  ja  zu  unserer 
Zeit  so  vergesslich.  Man  soll  so  viel  behalten  —  und  hat  so  wenig  im 
Kopf.  Da  braucht  man  einen  Haken,  an  den  man  den  Faden  der  Erinnerung 
knfipft.  Und  diesen  Haken  —  eben  den  „Schlager^S  den  „scenischen  Tric**  — 
liefern  Wort-  und  Tondichter  in  fröhlichem  Verein.  Man  kann  es  nicht 
leugnen:  sie  kommen  damit  einem  Bedürfnis  des  Tages  entgegen.  Sie 
kommen  ihm  aber  leider  auch  allzu  weit  und  allzu  bereitwillig  entgegen. 
Sie  machen  sich  das  Leben  zu  leicht.  Wenn  das  Ziel  nicht  mehr  ist, 
eine  gute  ebenmässige  Musik  zu  schaffen,  sondern  nur  ein  Stück,  das  den 
Leuten  sozusagen  ins  Gesicht  springt,  so  handelt  es  sich  auch  nicht  mehr 
um  Produktion,  sondern  um  das  rein  technisch  glückliche  Erfassen  eines 
günstigen  Augenblicks.  Das  Komponieren  ist  kein  heiliges  Empfangen 
mehr,  sondern  ein  schlaues  Auffangen,  gleichviel  von  welcher  Seite  das 
Resultat  kommt,  und  so  entflieht  ungenützt  die  Stunde,  die  allein  etwas 
Künstlerisches  hervorzubringen  fähig  war.  Denn  an  das,  was  nachher  ge- 
schieht, wenn  Wort-  und  Tondichter  ihre  Feder  beiseite  gelegt  haben, 
klammert  sich  keine  Hoffnung.  Die  Kunst  verhüllt  ihr  Antlitz.  Das  Hand- 
werk triumphiert.  Was  Librettist  und  Komponist  so  fein  ersonnen,  so 
klug  begonnen,  so  listig  gesponnen,  wird  nun  rasch  instrumentiert.  Rasch 
und  roh,  aus  vollen  Backen  blasend,  die  Melodie  dick  unterstreichend. 
Instrumentiert  zumeist  nicht  einmal  vom  Komponisten  selbst.  Johann 
Strauss  (in  seinen  Anfängen),  Carl  Zeller  und  die  kleineren  alle  haben 
sich  ihre  Operetten  instrumentieren  lassen.  Nach  dem  Instrumentator 
kommt  der  Regisseur.  Er  setzt  die  Clich6-Operette  in  Scene.  In  die 
Soene»  die  sie  verdient.  Natürliches  Sprechen,  natürliche  Stellungen  sind 
dieser  Scene  fremd.  Ungeniert  und  unbekümmert  um  den  Sinn  der 
Situation  und  der  Worte  wird  alles  ins  Publikum  hinein  gesagt.  Der 
höchste  Gipfel  aber  ist  dann  erreicht,  wenn  im  Finale  was  Beine  hat, 
nmrauscht  von  den  Tonfluten  des  unisono  arbeitenden  Orchesters,  an  die 
Rampe  läuft.  Soll  ich  noch  etwas  von  dem  Gesang  sagen?  Von  den 
mittelmissigen,  mangelhaft  gebildeten  Stimmen?  Von  dem  angeblich 
»fbachen*,  in  Wahrheit  unsäglich  unfeinen  Vortrag?  Von  den  subtileren 
Dingen?  Von  Kostümierung,  Dekoration  und  Beleuchtung?  Ich  soll  es 
nicht!  Ich  bitte  nur  eins  zu  überlegen:  nun  sitzt  der  deutsche  Kritiker 
in  dieser  Vorstellung,  vor  dieser  Clich6-Operette.  Darf  man  es  ihm  da 
fibel  nehmen,  wenn  er  bitter  böse  wird?    Wenn  er  schreibt:  „Diese  Operette 

Ist  eitel  Ohrenschinderei!  Dieses  Textbuch  ist  eine  Ansammlung  von  Un- 

12» 


18Ö 
DIE  MUSIK  111.  a 


gereimtheiten  I  Diese  Masik  wiegt  mich  nicht  in  Träume,  sie  schaukelt 
mich  seekrank!  Meine  Meinung  ist,  die  Operette  starb!**?  Er  muss, 
meine  Freunde!     Er  muss!     Aber  — 

Aber  er  hat  nicht  das  Recht  zu  schreiben:  «Die  Operette  ist  ein 
Unwesen,  das  wie  ein  böser  Traum  gaukelnd  die  Geister  verwirrt!  Die 
Operette  zieht  den  Geschmack  des  Publikums  in  die  Tiefe,  wo  es  ein  Auf- 
blicken zu  hoher,  echter  Kunst  nicht  mehr  gibt!  Die  Operette  ist  ein  Parasit 
an  dem  gesunden  Leib  des  Schaffens!  Die  Operette  ist  eine  schädliche  Gift- 
pflanze aus  sumpfigem  Boden,  da  gestürzte  Ideale  modern!  Die  Operette 
ist  im  ganzen  ein  gewisses  kulturfeindliches  Etwas,  das  ertragen,  seufzend 
ertragen  werden  muss,  weil  es  nun  einmal  existiert!"  So  zu  schreiben,  so 
im  allgemeinen  zu  schreiben,  hat  er  nicht  das  Recht.  Er  muss  wissen, 
dass  man  das  Genre  nicht  dafür  verantwortlich  machen  darf,  was  in  dessen 
Namen,  unter  dessen  Schutz  gesündigt  wird.  Ist  das  historische  Drama 
darum  schlecht,  weil  — ?  Ist  der  Vers  darum  von  der  Bühne  zu  ver- 
bannen, weil  — ?  Ist  die  Dialog- Oper  darum  ein  Verbrechen,  weil  — ? 
Die  Operette  hat  ihre  Berechtigung,  ihre  Bedeutung,  ihre  Ge- 
schichte genau  wie  jede  andere  Kunstgattung.  Nur  muss  man 
auf  ihre  Anfänge  zurückgehen.  Unter  dem  vielen  Schutt  und  Unrat, 
den  die  Zeitläufte  auf  sie  geschichtet  haben,  muss  man  sie  hervorgraben. 
Ihren  Sinn  muss  man  von  neuem  entdecken.  Ihn  deuten.  Ihn  beleben. 
Und,  ich  versichere  es,  man  wird  seine  kleine  Freude  haben.  Die  Schul- 
weisheit lehrt,  dass  die  Operette  auf  dem  fauligen  Boden  der  französischen 
Gesellschaft  des  zweiten  Kaiserreichs  gediehen  sei.  Dass  sie  rein  musikalisch 
sich  als  ein  Produkt  der  Zersetzung,  der  Zersetzung  der  französischen 
komischen  Oper,  darstelle.  Darf  man  ihr  daraus  einen  Vorwurf  machen? 
Ist  nicht  jedes  Neue  das  Produkt  einer  Zersetzung?  Setzt  nicht  alles 
Werden  und  Entstehen  ein  Vergehen  voraus?  Ist  nicht  Wagners  Musik- 
drama ein  Produkt  der  Zersetzung  ebenso  gut  wie  Ibsens  modernes  Schau- 
spiel? Die  Operette  ist,  so  lehrt  die  Schulweisheit,  nur  in  einem  Organis- 
mus möglich,  dessen  Glieder  sich  untereinander  befehden.  Gewiss.  Aber 
sagt  man  damit  etwas  nur  der  Operette  Eigentümliches?  Allerdings  war 
die  korrupte  französische  Gesellschaft  des  zweiten  Kaiserreichs  für  die 
Operette  mit  ihren  vorwiegend  satirisch-parodistischen  Tendenzen  der  denk- 
bar fruchtbarste  und  ergiebigste  Nährboden.  Aber  darf  man  daraus  eine 
Schuld  der  Operette  konstruieren?  Allerdings  lag  die  Operette  fertig  aus- 
gebildet vor,  als  die  komische  Oper  zerfiel.  Aber  in  ihren  Anfängen  ist 
sie  ebenso  alt  wie  die  komische  Oper  selbst.  Als  die  komische  Oper 
geboren  wurde,  regten  sich  bereits  die  ertten  Keime  der  Operette.  Und 
es  bedurfte  nur  eines  günstigen  Augenblicks,  eines  äusseren  Anlasses,  um 
diese  Keime   zum   jähen  Aufechiessen  zu  bringen.    Der  OffSenbach   der 


181 
URBAN:  WIEDERGEBURT  DER  OPERETTE 


ersten  Periode  knfipft  an  Duni,  Philidor,  Monsigny,  Gr6try,  DaUyrac 
an.  Und  das  Singspiel  dieser  Meister  ist  auch  die  Grundlage  des  späteren 
Offenbach  geblieben,  als  er  immer  breiter  in  den  Formen,  immer  quellender 
im  Inhalt,  immer  üppiger  in  den  Farben  wird.  Man  erinnert  sich,  dass 
die  französische  komische  Oper  ihre  Entstehung  der  italienischen  Opera 
buflk  verdankt.  Oder  vielmehr  dem  Bestreben  französischer  Musiker  um 
die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts,  etwas  der  Opera  buffa  gleiches  zu  schaffen 
und  mit  diesem  Erzeugnis  des  Landes  die  verhassten  Italiener  aus  Paris 
zu  vertreiben.  Der  Italiener  Egidio  Romoaldo  Duni  (seit  1757  in  Paris) 
schreibt  französische  Singspiele,  darunter  das  bekannte  ,Les  chasseurs  et  la 
laiti^re".  Der  Reihe  nach  treten  auf  Philidor  (,Le  soldat  magicien"  u.  a.), 
Monsigny  («Le  cadi  dup^"*  u.  a.),  Gr6try  (»Le  Huron"  u.  a.),  und  Dalayrac 
(,Les  deux  petits  Savoyards**  u.  a.).  Eine  deutliche  Vorstellung  dieses 
musikalischen  Lustspiels  des  18.  Jahrhunderts  gewinnt  man  am  besten  aus 
den  kleinen  einaktigen  Singspielen,  mit  denen  Offenbach  im  Jahre  1855 
die  «Bouffes  Parisiens"  eröffnete  und  die  ihm  ob  ihrer  Anmut  und  Melodieen- 
frische  von  seiten  Rossinis  den  Beinamen  eines  ,  Mozart  des  Champs 
Elys^es"  einbrachten.  Auch  Glucks  ^Betrogener  Kadi**,  den  die  Wiener 
Hofoper  im  Jahre  1881  erfolgreich  auffrischte,  ist  ein  instruktives  Beispiel 
fOr  diese  Gattung.  Victor  Mass6's  einaktige  Opern  ^La  chanteuse  voil6e", 
„Les  noces  de  Jeannette**  und  »Galat^e*  sind  dagegen  schon  zu  bewusst, 
zu  pointiert,  zu  süss  in  der  Kantilene,  zu  hüpfend  in  den  schnellen  Zeit- 
massen. Man  kann  sich  die  Gaben  aus  dem  Frühling  der  komischen  Oper 
nicht  anspruchslos,  nicht  heiter  und  naiv  genug  denken.  Schlichte  Natürlich- 
keit bei  Verwendung  bescheidenster  Mittel  ist  ihr  am  meisten  hervorstechen- 
des Kennzeichen.  Sie  leben  vom  Strophenlied  und  von  der  Romanze.  Das 
wird  erst  in  der  Folge  anders,  als  die  reicheren  Talente  Isouard,  Boiel- 
dleu,  Auber,  Adam  sich  der  Gattung  bemächtigen  und  sie  auszubauen 
beginnen.  Heissere  Sinnlichkeit  durchdringt  die  sentimentalen  Melodieen. 
Straffere  Rhythmen  beleben  die  eiligen  Stücke.  Glühendere  Leidenschaft 
zittert  in  den  dramatischen  Sätzen.  Tollere  Lustigkeit  kichert  in  den 
heiteren  Quiproquos.  Die  Ensembles  werden  kunstvoller.  Die  Finales 
wuchtiger  und  komplizierter.  Verschlungene  Koloraturen  zieren  die  Solo- 
geslnge.  Das  Orchester  redet  eine  eindringlichere  und  farbenreichere 
Sprache.  Die  ganze  Mache  wird  eleganter,  glänzender,  geistreicher.  Niccolö 
Isouard  gehört  zur  Hälfte  noch  der  alten  Zeit  an.  Sein  „Cendrillon"  kommt 
uns  heut  schon  recht  verstaubt  und  blutleer  vor.  Boieldieu  mit  der 
»Weissen  Dame"  und  dem  » Rotkäppchen",  Adam  mit  dem  «Postillon  von 
Lonjnmean*  leben  noch  frisch  und  ungebrochen  unter  uns.  H6rold  mit 
seinem  <in  Frankreich  sehr  geschätzten)  »Pr6  aux  clercs",  Hal6vy  mit  dem 
(sehr  zu  Unrecht  vernachlässigten)  ,  Blitz"   fallen  bei  der  Betrachtung  der 


182 
DIE  MUSIK  III.  3. 


ganzen  Art  nicht  allzu  sehr  ins  Gewicht.  Mit  Auber  aber  befinden  wir 
uns  schon  mitten  in  der  Operette.  Dieser  Meister  —  von  allen  Mit- 
bewerbern unstreitig  der  erfindungsreichste  und  fruchtbarste  —  beginnt 
nach  einem  schwachen  Versuch,  Boieldieu  nachzuahmen  (in  der  «Berg^re 
chfttelaine**),  als  unbedingter  Anhänger  Rossinis  (1823  «La  neige"),  erreicht 
dann  im  «Maurer"  und  «Fra  Diavolo*  seinen  Höhepunkt  («Die  Stumme 
von  Portici"  steht  als  Einzelerscheinung  vollkommen  abseits)  und  endet 
kaum  einen  Schritt  vor  der  Operette.  Man  hat  Auber  im  Gegensatz  zu 
den  national  -  französischen  Boieldieu,  H6rold,  Adam  einen  Pariser  Kom- 
ponisten genannt.  Mit  Recht.  Nur  das  letzte  Werk  des  86  jährigen  Ton- 
dichters, »Le  Premier  jour  de  bonheur",  weist  noch  einige  liebenswürdige 
Zfige  des  französischen  Nationalcharakters  auf.  Vom  «Schwarzen  Domino" 
(1837)  an  ist  seine  Musik  eminent  pariserisch.  Das  musikalische  Gewebe 
wird  lockerer.  Hier  und  da  fällt  eine  Masche  unbemerkt  zur  Erde.  Tanz- 
rhythmen werden  bevorzugt,  verhfillte  und  unverhüllte.  Mit  einem  Wort: 
wir  sind  mitten  im  Pariser  Gewimmel.  Den  ländlich -heiteren  Reigen  der 
Musen  löst  der  Chahut  der  Montmartre -Schönen  ab.  Der  Weg,  den  die 
komische  Oper  von  diesem  Punkt  nimmt  und  der  schliesslich  zu  einer 
reinlichen  Scheidung  in  das  führt,  was  heute  «Op6ra  Comique"  heisst,  und 
in  die  Operette,  ist  unschwer  aufzufinden.  Auf  der  einen  Seite  Auber,  der 
die  heiteren  Elemente  der  komischen  Oper  immer  mehr  zur  musikalischen 
Burleske  drängt.  Auf  der  anderen  Seite  die  Männer,  die  die  ernsten 
Bestandteile  im  «Drama  lyrique"  sammeln,  das  sich  von  der  «Grand  Op6ra" 
nur  durch  die  Anwesenheit  des  Dialogs  und  das  Fehlen  des  Ballets  unter- 
scheidet. Es  braucht  nur  jemand  aufzutreten,  der  beherzt  den  entschei- 
denden Schritt  tut,  und  die  Trennung  ist  endgültig  vollzogen.  Dieser  Jemand 
ist  Jacques  Offenbach.  Das  Signal  zur  Bildung  der  modernen  «Op6ra 
Comique"  hat  Meyerbeer  mit  seinen  angeblich  «komischen"  Opern  «Dinorah" 
und  «Nordstern"  gegeben.  Gefolgt  sind  ihm  D61ibes  mit  «Jean  de  Nivelle", 
«Lakm6"  und  «Kassya",  Bizet  mit  «Die  Perlenfischer",  «Das  hübsche  Mädchen 
von  Perth"  und  «Carmen",  Massenet  mit  «Don  C6sar  de  Bazan",  «Manon" 
und  «La  Navarraise",  Cbarpentier  mit  «Louise",  Messager  mit  «Le  Chevalier 
d'Hermenthal".  Die  Titelheldin  der  Meyerbeerschen  «Dinorah"  ist  eine 
geisteskranke  Ziegenhirtin;  ihr  als  Begleiter  beigegeben  sind  teils  idiotische, 
teils  niederträchtige  Individuen.  Im  «Nordstern"  erfüllen  wildes  Kriegs- 
geschrei, Rache,  Wut,  Verschwörung,  Wahnsinn  die  Scene.  In  »Jean  de 
Nivelle"  sind  politische  Intriguen  die  Triebfeder  der  Handlung;  der  Kavalier 
Saladin  wird  im  Zweikampf  erschlagen,  die  Zauberin  Simone  übt  ihr 
dunkel-verbrecherisches  Handwerk,  im  dritten  Akt  werden  wahrhaft  shake- 
spearesche  Schlachten  geschlagen.  Die  Inderin  Lakm6  in  der  gleichnamigen 
Oper  stirbt   an   Gift;   durch    die  ganze  Oper   zuckt  ein  meuchlings  ge- 


183 
URBAN:  WIEDERGEBURT  DER  OPERETTE 


Bchwungener  Dolch.  Die  »Kassya''  durchtobt  zigeunerische  Ruchlosigkeit. 
Am  Schluss  der  »Perienfischer*'  lodert  wieder  der  Scheiterhaufen.  Ohne 
einen  kleinen  Wahnsinnsausbruch  geht  es  auch  in  dem  „ Hübschen  Mädchen 
von  Perth"  nicht  ab.  Carmen  endet  unter  den  Dolchstichen  des  rasenden 
Jo86.  »Don  C6sar  de  Bazan"  bringt  die  Verurteilung  Don  C6sar8  zum 
Tode  und  die  Anstalten  zu  seiner  Hinrichtung.  Manon  stirbt  an  der 
Landstrasse  nach  Havre.  Die  einaktige  „Navarraise'  wartet  gleich  mit 
zwei  Todesfallen  auf  und  einem  Lärm,  von  dem  ein  Dutzend  dreiaktiger 
Opern  leben  könnten.  Der  „  Louise'  liegt  eine  teils  schwül-sinnliche,  teils 
realistisch-krasse  Handlung  zu  gründe.  Messagers  »Chevalier  d'Hermenthal*' 
gleicht  in  seiner  Zusammensetzung  dem  Massenetschen  »Don  Cösar**.  Die 
Liste  macht  auf  Vollständigkeit  keinen  Anspruch.  Sie  verzeichnet  nur  die 
markantesten  Beispiele  und  kann  nach  Belieben  fortgesetzt,  erweitert, 
bereichert  werden.  Eins  ist  aber  all  diesen  Werken  gemein:  sie  sind  ohne 
Ausnahme  leidenschaftlich -heroisch -blutrünstig.  Heiterkeit,  Grazie,  Froh- 
sinn gehen  ihnen  vollständig  ab.  Komisch  ist  einzig  und  allein  nur  noch 
—  die  Titulatur.  Durch  den  energischen  Ruck,  den  die  komische  Oper 
mit  Mey erbeers  »Dinorah*'  nach  der  grossen  Oper  hin  macht,  entsteht 
eine  empfindliche  Lücke.  Und  diese  Lücke  füllt  ganz  folgerichtig  die  in 
Auber  vorbereitete  Operette  aus.  Die  komische  Oper  alten  Stils  gleitet  in 
die  Archive,  von  wo  es  keine  Wiederkehr  mehr  gibt.  Freilich,  ausgestorben 
ist  die  Gattung  in  Frankreich  auch  heut  noch  nicht  ganz.  Sie  hat  noch 
einen  späten,  einen  zweiten  Frühling  gezeitigt,  dessen  duftigste  Blüten 
Thomas'  »Mignon"*,  Maillarts  »Glöckchen  des  Eremiten**,  Camille  Saint- 
Safos'  »Phryne«,  Delibes'  »Le  roi  Ta  dit**,  Bizets  »Djamileh«"  (fast  fehlen 
mir  schon  die  Namen)  sind.  Allein  —  diesen  Blüten  fehlt  die  tauige 
Frische,  der  starke  Erdgeruch,  das  Unberührtsein. 

Die  Musikgeschichte  nennt  Auber  den  Grossvater,  Florimond 
Ronger-Herv6  den  Vater,  Jacques  Offenbach  den  Vollender  der 
Operette.  Ich  füge  dieser  Ahnentafel  noch  den  Namen  Albert  Grisars 
za,  der  von  1808 — 1869  lebte,  nette  musikalische  Dinge  —  halb  komische 
Oper,  halb  Operette  —  schrieb  und  mit  Fug  der  Vetter  der  Operette 
Messe.  Wenn  reiche  Gaben,  umfassendes  Können  und  stattliche  Erfolge 
den  Begriff  »Vater**  ausmachen,  so  ist  in  Wahrheit  Offenbach  der  .Vater 
der  Operette**.  Irgendwo  habe  ich  einmal  einen  hübschen  Ausdruck  ge- 
lesen, der  das  Verhältnis  von  Herv6  zu  Offenbach  sehr  glücklich  bezeichnet. 
Herv6,  so  stand  da,  habe  die  Tür  aufgemacht,  Offenbach  sei  eingetreten. 
Sehr  richtig.  Vielleicht  hat  Herv6  manche  ansprechende  Partitur  ge- 
schrieben. Aber  derjenige,  der  zuerst  mit  Bewusstsein  und  Genie  die 
Operette  pflegte,  war  nicht  er,  sondern  Offenbach.  Was  ich  von  Herv6 
kenne  —  «Chilperic",  „Petit  Faust,  «Mamzelle  Nitouche**  —  vermag  an 


184 
DIE  MUSIK  IIL  3. 


diesem  Urteil  nichts  zu  ändern,  bestätigt  es  vielmehr.  Eine  ganz  nette 
Musik,  niedliche  Einfälle.  Es  reicht  eben  gerade  aus,  um  «die  Tflr  zu 
öffnen",  durch  die  Offenbach  auf  eine  glänzende  Bahn  tritt.  Offenbachl 
Ein  sonderlicher  Name!  Viel  genannt  und  viel  gemissbraucht.  Viel  be- 
wundert und  viel  geschmäht.  Hoch  gepriesen  und  tief  in  den  Schmutz 
gezogen.  Für  viele  der  Inbegriff  des  Genialisch-Kecken.  Für  ebenso 
viele  die  Zentrale  alles  Frech-Lasterhaften.  Nicht  ein  »Mann*  in  des 
Wortes  edelster  Bedeutung.  Aber  sicherlich  ein  Genie.  Ein  Genie  des 
Witzes,  der  Laune,  der  Ausgelassenheit,  der  göttlichen  Frechheit,  des 
Leichtsinns.  Das  musikalische  Seitenstück  zu  Heinrich  Heine,  mit  dem 
er  Talent,  Schicksal,  Geburt  und  —  Erfolg  teilt.  Während  seines  Lebens, 
das  61  Jahre  währte,  hat  Offenbach  102  Operetten  geschrieben,  einschliesslich 
der  «Lurette",  die  —  soviel  ich  weiss  —  bisher  noch  nicht  aufgeführt  ist 
In  seiner  ersten  Periode,  die  die  fünfziger  Jahre  umfasst,  kultiviert 
er  jenes  einaktige  Singspiel,  das  wir  als  eine  Wiederbelebung  und  Fort- 
führung der  von  Duni,  Philidor,  Monsigny,  Gr6try,  Dalayrac  gepflegten 
Gattung  kennen  gelernt  haben.  Ihr  gehören  an  »Les  deuz  Aveugles", 
«Le  Violoneux",  »Ba-ta-Clan",  «Croquefer",  »Les  Dames  de  la  Halle*, 
»La  Chanson  de  Fortunio*  und  die  übrigen  allerliebsten  Kleinigkeiten, 
in  denen  der  unerschöpfliche  Quell  reizvoller  Melodik  am  reinsten  sprudelt 
Eine  gleichmässige,  naive  Fröhlichkeit  erwärmt  und  vergoldet  die  Musik. 
Die  Komik  ist  unwiderstehlich,  überschlägt  sich  aber  noch  nicht,  wie  in 
den  späteren  parodistischen  Werken,  zu  greller  Clown-Spassigkeit  Wer 
den  Offenbach  der  «Schönen  Helena"  und  des  «Pariser  Leben"  nicht 
goutiert,  mag  sich  an  diese  einfachen  Stückchen  halten.  Hier  wirkt  Offen- 
bach am  unmittelbarsten  und  erfreulichsten.  Sprudelnder,  toller,  launiger 
und  geistreicher  aber  ist  er  sicherlich  in  den  Operetten  seiner  zweiten 
Periode,  die  mit  dem  «Orpheus"  anhebt  und  kurz  vor  der  «Prinzessin  von 
Trapezunt"  zu  Ende  geht.  Was  wir  als  spezifisch  «Offenbachisch"  kennen, 
was  ihn  zum  unbestrittenen  Herrn  und  Meister  der  Operette  macht,  woran 
wir  ihn  sofort  im  Gedränge  rekognoszieren,  das  findet  sich  in  den 
Schöpfungen  seiner  zweiten  Periode.  Nach  einer  Reihe  von  Jahren,  in 
denen  er  ruhelos  produziert,  ist  seine  Fähigkeit,  spielend  leicht  zu  der 
einfachsten  Begleitung  die  reizvollste  Melodie  zu  finden,  ungeschwächt 
erhalten.  Sie  ist  sogar  gesteigert  und  verdoppelt  durch  einen  eminenten 
Kunst  verstand,  der  mit  rhythmischen  und  dynamischen  Hilfsmitteln  die 
Melodie  an  sich  hebt,  sie  bedeutungsvoller  erscheinen  lässt  Ich  brauche 
nur  an  ein  paar  der  populärsten  Stücke  zu  erinnern,  um  noch  einmal 
diese  oft  gerühmten,  oft  aber  auch  schmählich  verkannten  Vorzüge  in  das 
glänzendste  Licht  zu  rücken.  An  den  ganzen  «Orpheus*.  An  den  zweiten 
Akt  der  «Schönen  Helena".     An  das  Auftrittslied  der  Grossherzogin  und 


185 
URBAN:  WIEDERGEBURT  DER  OPERETTE 


den  Schlachtbericht  aus  der  ^ Grossherzogin  von  Gerolstein"*.  Mit  einer 
unerhörten  Melodieenfreudigkeit  und  Melodieenfrische  verbindet  sich  eine 
scharfe  Rhythmik.  Das  Orchester  ist  sehr  einfach  behandelt,  klingt  aber 
stets  nobel.  Weniger  bedeutend  ist  die  Harmonik.  Auf  diesem  Gebiet 
beschränkt  sich  Offenbach  auf  das  Allemotwendigste.  In  zart-sentimentalen 
and  pikant-rhythmischen  Partieen  ist  er  am  glücklichsten.  Ffir  die  ersteren 
bieten  die  Eingangsscenen  aus  , Orpheus",  die  lyrischen  Gesänge  aus  der 
«Schönen  Helena"*  und  der  «Grossherzogin  von  Gerolstein""  eine  Fülle 
von  Beispielen.  Berühmt  resp.  berüchtigt  geworden  sind  seine  »Cancans", 
die  er  mit  grossem  Geschick  nnd  ungeheurem  Erfolg  von  den  Ballhäusern 
auf  die  Bühne  verpflanzte.  Dem  Walzer  hat  er  keine  neue  Note  abzu- 
gewinnen vermocht;  das  blieb  Edmond  Audran  vorbehalten.  In  allen 
Operetten  zusammen  findet  sich  höchstens  ein  Dutzend  Walzer.  Die  aber 
sind  ersten  Ranges.  Unter  ihnen  ist  der  schönste  derjenige,  den  Metella 
im  letzten  Akt  des  » Pariser  Leben""  singt  und  der  mit  den  einfachsten 
Mitteln  geradezu  verblüffend  echt  das  Hasten  und  Rauschen  des  Pariser 
Lebens  charakterisiert.  In  seiner  dritten  Periode  gelingen  Offenbach  noch 
einige  wirkungsvollen  Stücke.  Er  verlässt  den  gefährlichen  Boden  der 
Parodie  und  gibt  in  bunter  Reihe  Operetten,  Singspiele,  Possen,  Opern. 
Immer  noch  trifft  man  hier  und  da  Nummern  an,  die  von  einer  un- 
gebrochenen Schöpfungskraft  zeugen.  Allein,  sie  werden  seltener.  Sie 
stehen  weiter  auseinander.  Zwischen  unfehlbaren  Treffern  lagert  viel 
Gleichgültiges,  Halbgelungenes,  Müdes.  Kein  Wunder  bei  einem  Mann, 
der  sich  nie  auch  nur  eine  Minute  Ruhe  gönnte.  Der  im  Bett,  bei  Tisch, 
auf  der  Reise  unaufhörlich  produzierte.  Was  in  ihm  noch  steckt,  das 
spart  er  sich  für  ein  Werk  auf,  an  dem  er  mit  der  ganzen  Kraft  seines 
kindlichen  Herzens  hängt.  Für  die  phantastisch-komische  Oper  ,  Hoffmanns 
Erzählungen*.  Er  ist  darüber  hinweggestorben,  ehe  er  die  Instrumentation 
vollenden  konnte.  Die  Oper,  die  Offenbach  von  einer  ganz  neuen  Seite 
zeigt,  ist  in  den  letzten  Jahren  wieder  erweckt  worden.  In  Berlin,  Dresden, 
Stuttgart,  Wien.  Überall  mit  dem  ausgezeichnetsten  Erfolg.  Stücke  wie  das 
Lied  Hoffmanns  vom  ,Klein-Zack"  im  ersten  Akt,  die  Tanzscene  im 
zweiten  und  das  Terzett  im  dritten  beweisen,  dass  Offenbach  doch  etwas 
mehr  war,  als  ein  »Cancan- Komponist""  und  genialer  „Bänkel-Sänger*.  Dass 
Rossini  mit  seinem  Wort  vom  »Mozart  der  Champs  Elys6es""  Recht  hatte. 
Sie  öffneten  übelwollenden  Kritikern,  die  ihn  gleich  Donizetti,  Auber, 
Verdi  mit  unverhohlenem  Misstrauen  empfangen  hatten,  die  Augen.  Diese 
fingen  an,  das  Zeitlich-Vergängliche  in  Offenbach  zu  trennen  von  dem 
Unverwelklichen,  als  das  sie  einmütig  eine  geniale  Begabung  für  fröhliche 
Kunst  erkannten  und  festsetzten. 

Mit  Offenbach   trat  die   Operette  ihren   Siegeslauf  durch  die  ganze 


186 
DIE  MUSIK  III.  a 


Welt  an.  Überall  mit  offenen  Armen  aufgenommen  und  freudig  begrüsst 
als  ersehnte  Spenderin  lang  entbehrten  musikalischen  Frohsinns.  Man 
liess  den  Komponisten  nicht  entgelten,  was  der  Textdichter  gefehlt  Man 
sah  über  eine  holprige  Obersetzung  und  eine  stimmungslose  Aufffihrung 
gern  hinweg.  Man  kümmerte  sich  auch  nicht  um  die  geheimen  politisch- 
dynastischen Anspielungen,  die  in  Paris  das  schmackhafte  Gericht  noch 
fiberpfeffen  hatten.  Man  hielt  sich  einzig  und  allein  an  die  so  unendlich 
viel  Freude,  Heiterkeit  und  Wohlklang  ausströmende  Musik.  Daneben 
erhoben  sich  allerdings  Stimmen,  die  vor  einer  Überschätzung  und  ttber- 
triebenen  Pflege  dieses  Genres  dringend  und  vernehmlich  warnten.  Die 
auf  die  Gefahren  aufmerksam  machten,  die  aus  einer  blinden,  kritiklosen 
Hingabe  an  diese  Gattung  für  die  öffentliche  Moral  und  den  Geschmack 
erwachsen  könnten.  Die  die  Lust  des  Publikums  an  einer  gewiss  liebens- 
würdigen, aber  doch  oberflächlichen  und  hinter  einer  schillernden  Aussen- 
seite  Untiefen  bergenden  Kunst  einzudämmen  sich  bemühten.  In  Deutsch- 
land schwoll  solcher  Stimmenklang,  dem  auswärts  die  scharfe  Nuance  ge- 
fehlt hatte,  sofort  zu  einem  wahren  Stimmorkan  an.  Während  das  deutsche 
Publikum  die  Operette  in  seinen  besonderen  Schutz  nahm,  machte  die 
deutsche  Kritik  ziemlich  einmütig  und  energisch  gegen  sie  Front.  Der 
deutschen  Kritik,  der  Maurice  Maeterlinck  eben  erst  wieder  das  Zeugnis 
unerbittlicher  Strenge  und  Objektivität  ausgestellt  hat,  musste  nun  freilich 
ein  Widerstand  gegen  die  Operette  unmittelbar  aus  dem  Herzen  heraus- 
wachsen. Diesem  Herzen,  das  erst  recht  warm  wurde,  wenn  es  die  gute 
Begabung  mit  ausgezeichnetem  Ernst  und  peinlichem  Fleiss  gepaart  fühlte. 
Das  da  klagte,  alles  sei  viel  zu  leicht,  viel  zu  wenig  gewichtig.  Das  da 
frohlockte,  so  etwas  könne  jeder  beliebige  Notenklexer,  wenn  er  nur  wolle. 
Gewiss.  Die  Operette  hat  im  weiten  Reich  der  Kunst  nur  ein  niedriges 
und  bescheidenes  Amt  Aber  dieses  Amt  füllt  sie  aus«  Wer  dafür  noch 
keine  Meinung  hat,  der  sehe  sich  einmal  in  der  Kunst  um,  was  nach  der 
Operette  gekommen  ist  Welche  Kunstinstitute  prosperieren,  nachdem  die 
Operette  aus  Gründen,  die  noch  klar  zu  legen  sein  werden,  degenerierte. 
Die  Vari6t6s  sind  es.  Die  Singspielhallen.  In  sie  drängt  Abend  für 
Abend  die  Menge.  Das  Volk  verlangt  nach  musikalischer  Heiterkeit  Es 
lechzt  nach  sinn-  und  ohrenfälligen  Melodieen.  Findet  es  seinen  Drang 
nicht  in  der  komischen  Oper  befriedigt,  so  wendet  es  sich  zur  Operette. 
Sieht  es  sich  auch  da  betrogen,  so  wirft  es  sich  skrupellos  und  un- 
bekümmert um  die  Finessen  der  Kritik  dem  Gassenhauer  in  die  Arme. 
Wer  die  Operette  bekämpft,  befördert  das  Aufblühen  des  Gassenhauers. 
Feine  Klugheit  also  sollte  ihm  allein  schon  von  seinem  heiligen  Krieg  gegen 
die  Operette  abraten.  Wenn  dies  nicht  die  Worte  des  Olympiers  ver- 
mochten, die  ich  als  Leitspruch  vor  diesen  Aufsatz  stellte. 

Ein  zweiter  Artikel  folgt 


DIE  HUGENOTTEN-PREMifiRE 


von  J.  G.  Prod'bomme-Paris 


4 


[ie  Pariser  Oper  hat  in  diesem  Jahre  die  tausendste  Aufffihning  der 
«Hugenotten"  (Ende  März)  herausgebracht.  Das  Meyerbeersche 
Meisterwerk,  das  am  29.  Februar  1836  zum  erstenmal  auf  der 
Bühne  der  königlichen  Akademie  ffir  Musik  aufgeftihrt  wurde, 
hat  in  den  zwei  Dritteln  des  Jahrhunderts,  so  zu  sagen  ohne  Unterbrechung, 
einen  der  glänzendsten  Siegeszüge  erlebt,  den  die  Theater- Annalen  jemals  zu 
verzeichnen  hatten.  Die  «Hugenotten*  teilen  mit  dem  «Faust*  von  Gounod 
(der  sich  seit  1860  der  dreizehnhundertsten  Aufführung  nähert)  den  Ruhm, 
auf  derselben  Bühne  der  Oper  die  Ziffer  einer  tausendsten  Aufführung 
erreicht  zu  haben. 

Es  scheint  uns  der  Moment  gekommen,  dreiundsechzig  Jahre  zurück- 
zugreifen, in  die  Zeit  der  Regierung  des  Bürgerkonigs  Louis  Philipp,  und 
sich  den  Rahmen  zu  veranschaulichen,  in  dem  sich  die  Hugenotten-Premiere 
damals  abgespielt  hat.  Um  so  mehr,  als  das  Meyerbeersche  Werk  trotz 
des  immer  wachsenden  Erfolges  der  Wagnerschen  Musik- Dramen  in  Frank- 
reich noch  ziemlich  zahlreiche  und  treue  Anhänger  aufzuweisen  hat,  für 
die  die  Form  des  lyrischen  Dramas  eines  Scribe,  Meyerbeer,  Hal6vy  und 
ihrer  Nachahmer,  die  gegebene  zu  sein  scheint.  Welche  Auffassung  man 
übrigens  auch  vom  lyrischen  Drama  haben  mag,  so  wird  man  sich  doch 
nicht  verhehlen  können,  dass  die  «Hugenotten"  in  ihrer  Art  ein  bedeutendes 
Werk  sind,  und  ohne  Zweifel  einen  Teil  ihrer  bis  in  die  heutige  Zeit  noch 
währenden  Popularität  ihrem  eigenen  künstlerischen  Wert  verdanken. 

Mehr  als  vier  Jahre  waren  seit  dem  Erscheinen  von  «Robert  der  Teufel" 
an  der  Pariser  Oper  (23.  November  1831)  vergangen.  Diese  Bühne  hatte 
mit  wechselndem  Glück  in  dieser  Zeit  mehrere  Opern  und  Ballets,  darunter 
den  «Don  Juan"  von  Mozart  (von  Emil  Deschamps  und  Castil  Blaze  fünf- 
aktig  arrangiert!),  und  am  23.  Februar  1835  die  «Jüdin"  von  Hal6vy  gebracht. 
Dr.  V6ron  zog  sich  am  Schluss  dieses  Jahres,  nach  einer  Wiederaufnahme 
der  «Belagerung  von  Korinth,"  von  der  Bühne  zurück. 

«Man  hielt  allgemein,"  schrieb  der  Biograph  des  berühmten  Singers  Adolphe 
Nourrit,  «Herrn  V^rons  Rücktritt,  zu  der  Zeit  da  die  ,Hugenotten*  schon  so  weit 


188 
DIE  MUSIK  111.  a. 


vorgeschritten  waren,  für  eine  Unklugtaeit  und  glaubte,  dass  er  ihn  lebhaft  bedauert 
haben  rouss,  als  er  den  grossen  Erfolg  dieses  Werkes  sah.  Das  ist  ein  Irrtum:  Herr 
V^ron  trat  von  seinem  Unternehmen  erst  zurück,  als  es  für  ihn  bereits  unwider- 
ruflich verloren  war.  Bekanntlich  war  Meyerbeer  schwer  umginglich,  sehr  penibel 
und  anspruchsvoll,  sobald  er  an  einem  Werke  arbeitete,  und  da  der  Komponist 
das  Herausbringen  der  ,Hugenotten*  verzögerte,  und  das  Werk  zu  der  durch  kontrakt- 
liche Bestimmung  festgesetzten  Zeit  nicht  fertig  hatte,  rousste  er  eine  Entschidigungs- 
summe  von  30000  Franks  zahlen,  von  denen  Scribe  10000  Franks  bekam.  V^ron 
strich  die  20000  Franks  ein,  sah  aber  damit  die  Quelle  seiner  Einnahmen  versiegen. 
V^ron  hat  es  nie  begreifen  können,  dass  Kunstwerke  nicht  wie  Handelsware  zu  be- 
handeln sind  . . .  Meyerbeer  machte  sich  nicht  viel  aus  den  30000  Franks,  war  aber 
fiber  Verona  Rücksichtslosigkeit  empört  Er  schwor,  dass  dieser  Direktor  die  »Huge- 
notten^ niemals  bekommen  wfirde.  Man  sieht  also,  dass  V^ron  ohne  Bedauern  einem 
Theater  den  Rficken  kehren  konnte,  in  dem  er  sich  ein  Vermögen  erworben  hatte  — 
und  in  dem  es  für  ihn  nichts  mehr  zu  verdienen  gab."^) 

»An  dem  bestimmten  Tage*,  fSgt  ein  Chronist  der  Oper  hinzu,  «waren  die 
,Hugenotten<  nicht  zur  Stelle,  dafür  aber  die  Abstandssumme.  Meyerbeer  entschuldigte 
sich  und  bezahlte  die  30000  Franks,  deren  Annahme  zu  verweigern  richtiger  und 
vernünftiger  gewesen  wire  . . .  Herr  Duponchel  hatte  mit  diesem  kleinen  Staatsstreich 
nichts  zu  schaffen,  hatte  nur  seine  Folgen  zu  tragen.") 

Duponchel,  ein  tatkräftiger,  praktischer  Mann,  der  Nachfolger  des 
Dr.  V6ron  in  der  Leitung  der  königlichen  Akademie  der  Musik,  hatte 
nichts  eiligeres  zu  tun,  als  mit  dem  Komponisten  zu  verhandeln  und  den 
schweren,  von  seinem  Vorgänger  begangenen  Fehler  wieder  gut  zu  machen. 
Es  gelang  ihm,  Meyerbeer  von  seinem  Entschluss,  die  «Hugenotten*  niemals 
der  Oper  zu  übergeben,  welcher  Direktor  sie  auch  leiten  würde,  zurück- 
zubringen, und  gab  ihm  die  20000  Franks  zurück,  die  V6ron  eingesteckt 
hatte.  Es  muss  ausserdem  zu  Ehren  Meyerbeers  bemerkt  werden,  dass 
die  Verzögerung,  die  die  Fertigstellung  der  «Hugenotten"  erlitt,  nicht  in 
seiner  Schuld  lag;  der  Scribesche  Opemtext  hat  verschiedentlich  umgeändert 
werden  müssen,  so  dass  auch  die  Musik  eine  vollständige  Umarbeitung 
erfuhr.  Der  vierte  Akt  missfiel  Nourrit;  der  Schluss  brachte  eine  so  fatale 
Situation,  dass  der  Künstler  um  eine  Änderung  der  Scene  bat,  ja  sie 
energisch  verlangte.  Auch  Fräulein  Falcon  erklärte,  in  einer  solchen  Scene 
nicht  auftreten  zu  wollen.  Es  gab  für  Scribe  nichts  Unangenehmeres,  als 
auf  ein  Stück  zurückkommen  zu  müssen,  wenn  nach  seiner  Fertigstellung 
die  Keime  zu  mehreren  anderen  in  ihm  bereits  zu  spriessen  anfingen.  Als 
Nourrit  ihm  eine  Art  Ultimatum  gestellt  hatte,  machte  er  aus  seiner  Un- 
zufriedenheit kein  Hehl. 

Eines  Tages  kam  ein  Schauspieldirektor  zu  Scribe  und  bat  ihn  um  ein  Stück. 
«Wie  soll  ich  Ihnen  liefern,  was  Sie  verlangen?"   rief  Scribe  aus.    «Ich  bin  augec- 


1)  L.  Quicherat:  Adolphe  Nourrit  (Paris  1867)  I,  S.  195. 
*)  De  Boigne:  kl.  Memoiren  der  Oper.    S.  121. 


189 
PROD'HOMME:  HUGENOTTEN-PREMIERE 


blicUIch  zu  sehr  mit  den  Hugenotten  beschifdgt.  Man  hat  ja  keinen  Begriff  davon, 
was  das  heisst»  eine  Oper  zu  scbreiben:  zuerst  muss  man  sie  fQr  Herrn  Duponchel 
schreiben,  dann  fiir  Herrn  Meyerbeer;  und  jetzt,  wo  ich  alles  fertig  zu  haben  meinte, 
muss  Ich  den  ganzen  vierten  Al^t  fQr  Herrn  Nourrit  umarbeiten.  Können  Sie  es  sich 
vorstellen,  dass  ich  den  ganzen  vierten  Akt  für  Herrn  Nourrit  umzugesuiten  habe?" 
Und  doch  hat  Scribe  recht  getan,  sich  den  Wünschen  des  Künstlers  zu  fügen,  denn 
der  vierte  Akt,  so  wie  Scribe  ihn  verfasst  hat,  bitte  die  «Hugenotten*  sicherlich  nicht 
auf  diesen  Höhepunkt  ihres  Ruhms  gebracht,  zu  der  Nourrits  Ideen,  im  Verein  mit 
Meyerbeers  Inspirationen  ihm  verhelfen  haben.^) 

Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  die  , Hugenotten*'  von  Anbeginn  an 
den  grössten  Teil  ihres  Erfolges  dem  vierten  Akt  zu  verdanken  hatten,  der 
damals  den  einmütigsten  Beifall  fand.  Es  wurde  also  ein  neuer  Entwarf 
vereinbart  zwischen  dem  Dichter  und  dem  Sänger;  dieser  hatte  z.  B.  die 
Idee  zu  dem  grossen  Duett  am  Schluss  des  vierten  Aktes.  Aber  Scribe 
weigerte  sich  energisch,  an  die  Arbeit  zu  gehen  und  auch  nur  einen  einzigen 
Vers  zu  schreiben.  Und  so  beauftragte  er  Emil  Deschamps  damit.  Es  war 
Meyerbeer  gar  nicht  recht,  dass  er  sich  wieder  an  die  Arbeit  machen 
musste,  aber  in  anbetracht  des  glänzenden  Rahmens,  der  seinem  Talent 
geboten  wurde,  gab  er  schliesslich  nach.^  Meyerbeer  hatte  hierin  eine 
gimz  andere  Anschauung  als  Scribe:  er  hielt  es  für  keine  Zeitvergeudung, 
wenn  durch  neue  Wirkungen  eine  sichere  Garantie  für  Erfolg  und  Ruhm 
geboten  würden. 

Die  Proben  zu  den  »Hugenotten*"  waren  sehr  anstrengend  und  zahlreich 
—  etwas  zu  jener  Zeit  ganz  ungewöhnliches.')  Habeneck  dirigierte  das 
Orchester,  Meyerbeer  und  Hal6vy  die  Chöre,  Taglioni  übernahm  den 
choreographischen  Teil  der  Oper.  Die  «Gazette  musicale"  kündete  anfangs 
fQr  Ende  Januar  die  erste  Aufführung  von  der  , Bartholomäus-Nacht"  an. 
So  lautete  der  ursprüngliche  Titel,  der  erst  im  Laufe  der  Proben  geändert 
wurde/) 

Am  10.  Januar  war  die  erste  Probe  der  ersten  drei  Akte,  acht  Tage 
darauf  die  des  fünften.  Am  siebenten  Februar  wurde  in  derselben  Zeitung 
angekündigt,  dass  die  Oper  nicht  vor  dem  22.  oder  24.  herausgebracht 
werden  könne,  und  zwar  durch  die  Schuld  der  Dekorateure.  Die  in  diese 
Affaire  hineingezogenen   Herren  S6chan,   L6on  Feuchöres,   E.  Despl6chin 


^)  Quicherat,  S.  197. 

*)  Quicherat,  S.  19S.  Dr.  V6ron  schreibt  in  seinen  Memoiren  des  Bürgers 
von  Paris  (Band  111,  S.  178),  dass  der  Singer  Nourrit  ein  gutes  Urteil  habe,  passende 
Ratschläge  zu  erteilen  wisse  und  dass  seine  eigenen  Rollen,  durch  die  Änderungen, 
die  er  vorschlage,  nur  gewinnen.  Auch  in  den  Hugenonen  hatte  er  die  Idee  mit 
dem  Duett  am  Schluss  des  vierten  Aktes. 

*)  Die  erste  Aufführung  war  seit  dem  Monat  August  18^  angekündigt. 

*)  Während  der  Proben  wurden  noch  zwei  andere  Titel  vorgeschlagen:  »Leonore* 
und  »Valentine*. 


100 
DIE  MUSIK  III.  3. 


und  Jules  Di6teric,  die  Dekorationsmaler  der  Oper,  veröffentlichten  einen 
Protest  in  der  «Gazette",  der  mit  den  Worten  schloss:  «Sie  können  gar  nicht 
ahnen,  mein  Herr,  was  für  Gründe  das  Hinausschieben  der  Probe  nötig 
machten,  über  die  öffentlich  zu  sprechen  wir  nicht  das  Recht  haben."  Die 
„Gazette"  blieb  jedenfalls  bei  der  Behauptung,  dass  die  Dekorationen  zum 
1 9.  nicht  fertig  waren.  Kurz,  die  Premiere  fand  am  letzten  Tage  im  Februar, 
am  20.  um  sieben  Uhr  abends  statt.  «Um  7Vs  Uhr  beehrten  Ihre  Majestät 
die  Königin,  die  königlichen  Hoheiten:  der  Herzog  von  Orleans,  der  Herzog 
von  Nemours,  der  Prinz  von  Joinville,  die  Prinzessinnen  Marie  und 
C16mentine  und  der  Herzog  von  Anmale  die  Vorstellung  mit  ihrer  Gegen- 
wart." 0  Am  nächsten  Morgen  berichtete  das  Journal  des  D6bats"  in 
einigen  Zeilen,  dass  die  beiden  letzten  Akte  einen  ungeheuren  Jubel  hervor- 
gerufen hätten.  Der  Komponist  von  «Robert  der  Teufel"  hätte  sich  noch 
niemals  bis  zu  solcher  Höhe  erhoben. 

«Alle  Schönheit  dieser  grossen  Partitur  wurde  durch  eine,  in  allen  Teilen 
wunderbare  Darstellung  noch  erhöht,  so  dass  man  vergebens  sonst  so  neue  und 
pikante  Wirkungen  suchen  kann,  wie  sie  hier  durch  luxuriöse  und  geschmackvolle 
Inscenierung  erzielt  worden  sind.  Herrn  Duponchels  Ruf  eines  versierten  und  be- 
gabten Mannes  bat  sich  bei  dieser  feierlichen  Gelegenheit  wieder  vollauf  bewährt. 
Die  »Hugenotten^  scheinen  dazu  ausersehen,  einen  ebenso  langen  und  ruhmreichen 
Weg  zu  nehmen  wie  ,Robert  der  Teufel^*)" 

Die  Aufführung,  welche  die  besten  Kräfte  der  Königl.  Akademie  für 
Musik  vereint  hatte,  lag  in  den  Händen  der  Damen:  Frl.  Falcon,  Frau 
Dor-s-Gras,  Frl.  F16cheux  und  der  Herren  Adolphe  Nourrit,  Levasseur, 
Serda,  D6rivis,  Alexis  Dupont,  Wartel,  Massol,  Pr6vöst,  Tr6vaux  usw. 
Habeneck  dirigierte.  Im  ersten  Akt  begleitete  Urhan  auf  der  Viola  d'amour 
die  rasch  berühmt  gewordene  Romanze. 

Das  Sujet  der  «Hugenotten"  ist  allgemein  bekannt;  es  ist  der  Ge- 
schichte der  religiösen  Kämpfe  entnommen,  die  in  Frankreich  im  16.  Jahr- 
hundert wüteten;  der  ursprüngliche  Titel  «Bartholomäusnacht"  beweist  zur 
Genüge,  an  welche  Ereignisse  der  Textdichter  hat  anknüpfen  wollen.  Der 
Scribesche  Text  wurde  mit  Recht  vom  ersten  Moment  an  sehr  scharf 
beurteilt.  Jules  Janin  geisselte  ihn  u.  a.  in  dem  «Journal  des  D6bats"  in 
einer  beissenden,  geistreichen  Kritik,  in  der  er  sich  über  die  dramatische 
Handlung  ausliess. 

«Der  Dichter,"  sagte  Quicherat  an  einer  Stelle,  «hat  das  Geschichtliche  in  einen 
banalen  Roman  umgewandelt,  die  unzulässigen  Voraussetzungen  und  das  Unzutreffende 
in  Sprache  und  Handlung  nur  noch  vermehrt;  mit  einem  Wort,  das  Libretto  der 
«Hugenotten"  ist  nichts  weiter  als  die  alltägliche  Dichtung  eines  zu  fruchtbaren 
Schriftstellers.    Aber  Scribe  weiss  seinen  Vorteil  zu  wahren,  wenn  er  dieses  Gedicht 


>)  Journal  des  D«bats  2.  März  1836. 
>)  Journal  des  D«bats  I.  März  1830. 


191 
PROD'HOMME:  HüGENOTTEN-PREMifeRE 


nur  alt  den  Rahmen  zur  Musik  gibt;  allerdings  hat  diese  Dichtung  eine  Interesse 
erregende  Handlung,  bietet  eine  Menge  abwechslungsreicher  Situationen  und  gibt 
Gelegenheit»  Grazie,  Grösse  und  Pathos  zu  entfalten;  mit  einem  Wort,  sie  erfüllt  die 
wesentlichsten  Ansprüche,  die  man  an  einen  Operntext  stellt . . .  Scribe  suchte  in  erster 
Reihe  schöne  Stimmungen  und  hat  damit  dem  Musiker  die  Quelle  der  Phantasie  er- 
schlossen; die  Partitur  Meyerbeers  beweist  das.**^) 

Was  der  Komponist  aus  den  drei  kläglichen  ersten  Akten  der  «Huge- 
notten" gemacht  hat,  ist  bekannt.  Die  Teile,  die  rasch  populär  geworden, 
sind  zahlreich,  von  der  bereits  erwähnten  Romanze  bis  zu  dem  berühmten 
Duell-Septett.  Aber  trotzdem  mehr  als  die  Hälfte  des  Textes  minder- 
wertig ist,  gelang  es  Meyerbeer  doch,  dem  sehr  wenig  anregenden  Entwurf 
ein  lebhaftes  Kolorit  zu  geben,  und  in  erster  Reihe  erhält  die  blasse 
Gestalt  Marcels  durch  die  Wucht  des  Lutherischen  Chorals  etwas  gewisser- 
massen  Obermenschliches. 

• 

»Dieser  Lutherische  Choral,"  schreibt  Jules  Janin,  »dieses  Lied,  dieser  Marcelsche 
Talisman,  ist  auch  der  Talisman,  mit  Hilfe  dessen  Meyerbeer  einen  dramatischen 
Helden,  und  was  für  einen  Helden!  aus  dem  hugenottischen  Figaro,  wie  er  Scribe 
Torgeschwebt,  geschaffen  hat.  Diese  Arie  ist  das  protestantische  Gepräge,  das  mit 
unverwischbaren  Lettern  diesem  farblosen  Libretto  aufgedrückt  wurde.  Das  pro- 
testantische Kolorit,  auf  das  er  ganz  von  selbst  gekommen  ist,  ist  mitten  in  der 
grossen  Verwilderung  die  gewaltige  Einheit,  auf  die  der  Musiker  mit  unerbittlicher 
Logik  immer  wieder  und  wieder  zurückkommt,  und  mit  der  er  der  katholischen 
Einheit  in  ,Robert  der  Teufel'  ein  würdiges  Gegengewicht  hält."  —  «Geht  und  hört 
euch  diesen  vierten  Akt  an,"  sagte  Janin  weiter.  »Geht  und  seht  die  hochklopfenden 
Herzen  und  die  fliessenden  Tränen ;  seid  Zeuge  dieser  Bewunderung,  die  sich  sowohl 
dureh  begeistertes  Zurufen,  wie  durch  Schweigen  kundtut,  und  ihr  werdet  das  Wort 
verstehen,  das  die  Welt  bewegt:  ,ErfoIg<.  Keines  der  früheren  Werke  Meyerbeers 
kann  mit  diesem  gewaltigen  vierten  Akt  verglichen  werden  . . .  Scribe  hatte  ihm  ein 
Gerippe  gegeben.  Meyerbeer  hat  ihm  seinen  Odem  eingeblasen  ...  —  Wenn  man  mich 
jetzt  nach  dieser  höchsten  Leistung  eines  genialen  Mannes,  der  als  der  grösste 
seiner  Kunst  dasteht,  fragen  würde,  welches  die  Zukunftsmusik  sein  wird  [nebenbei 
bemerkt:  man  achte  auf  diesen  Ausdruck,  der  ein  halb  Jahrhundert  später  soviel 
Tinte  cum  Fliessen  gebracht  hat  bei  den  berühmten  Tannhäuser-Aufführungen  in 
Parial],  mfisste  ich  sagen,  dass,  meiner  Ansicht  nach,  die  Musik  hier  an  ihren  Höhe- 
punkt gelangt  ist,  und  dass  neben  solcher  Verwertung  aller  Kräfte,  aller  Intelligenz, 
aller  Instrumente  und  Stimmen,  bei  der  Vollkommenheit  dieses  Werkes  sich  das 
Hirn  eUies  Menschen  nicht  vorstellen  kann,  was  hierauf  noch  folgen  sollte,  wenn 
überhaupt  etwas  folgen  kann.  Aber  was  tut  das?  Die  Zukunft  gehört  Gott,  der  die 
Meisterwerke  schafft.  Also  überlassen  wir  uns  ohne  weiteres  Grübeln  ganz  dem 
Genuas  der  augenblicklichen  Stunde.**^) 

Hector  Berlioz  war  in  der  »Gazette  musicale*  voller  Begeisterung 
für  das  neue  Meyerbeersche  Werk,  kritisierte  die  „Hugenotten**  mehr  in 
technischer  Hinsicht,  konstatierte  einen  „kolossalen,  ganz  ungewöhnlichen 


0  L.  Quicherat,  S.  199-200. 

*)  Journal  des  D^bats,  7.  März  1836. 


192 
DIE  MUSIK  III.  3. 


Erfolg  dieser  musikalischen  Enzyklopädie,  auf  die  die  Kunstfreunde  so 
grosse  Hoffnungen  gesetzt  und  in  die  Meyerbeer  so  viel  musikalische  Reich- 
tümer gelegt  hatte,  dass  zwanzig  Opern  davon  gespeist  werden  könnten.* 
«Der  dramatische  Ausdruck  ist  darin  stets  wahr  und  tief,  das  Kolorit  frisch, 
die  Abwechslung  reich  und  die  Form  vornehm.  Als  Instrumentation,  als  vokale 
Massenwirkung  übertrifft  diese  Partitur  alles  bisher  dagewesene.  Marcels  Rolle  ist 
Im  ganzen  musterhaft;  es  gibt  nichts  Originelleres  und  Wahreres  als  diese  halb 
komisch,  halb  puritanisch  gehaltene  Figur*  . . . 

Und  Berlioz'  dritte  Besprechung  des  Meyerbeerschen  Meisterwerkes 
schliesst  mit  den  Worten: 

»Ich  bleibe  bei  meiner  Behauptung;  die  Hugenotten  sind  besser  als  Robert 
der  Teufel  und  bleiben  deshalb  Meyerbeers  Meisterwerk.* ') 

Kurze  Zeit  nach  der  ersten  Aufführung  der  Hugenotten  widmete 
Henry  Blaze  Meyerbeer  eine  lange  Studie,  in  der  er  am  15.  März  schrieb: 

»Der  Stil,  dieser  schöne  Teil  des  Meyerbeerschen  Talentes  erinnert  an  den 
der  Euryanthe,  von  der  er  die  mysteriösen  Quellen  und  michtigen  Wirkungen,  aber 
auch  die  Trockenheit  und  strenge  Schmucklosigkeit  hat  • . .  Es  liegt  in  dem  all- 
gemeinen Entwurf  dieses  Werkes  etwas  Trockenes,  das  der  Malerei  Albrecht  Durers 
und  der  ersten  protestantischen  Meister  anhaftet  .  • .  Melodieen  sind  in  den  yHuge- 
notten*  nur  selten  . . .  Meyerbeer  beherrscht  die  Instrumentation  vollauf  .  •  •  Bellini 
singt  mit  dem  Herzen,  Meyerbeer  mit  dem  Kopf  • . .  Bellini  singt  weit  mehr  als  er 
komponiert,  Meyerbeer  komponiert  immer,  singt  aber  selten.* 

Und  in  seinem  Vergleich  zwischen  dem  italienischen  und  dem  deutschen 
Meister  fortfahrend,  setzt  Blaze  hinzu: 

»Dort,  ein  wundervoller,  in  feinem  Silber-  und  Goldfiligran  gearbeiteter  KIflg; 
aber  er  ist  leer,  der  Vogel  fehlt,  der  schöne  Vogel,  der  so  herrlich  singt  im  Garten 
von  Cimarosa  und  Mozart* 

Die  Instrumentation  der  «Hugenotten"  ist  das  Produkt  eines  geüb- 
teren, bewussteren  Kunstverstandes,  als  die  von  «Robert  der  Teufel*.  Nach 
einer  scharfen  Kritik  des  Scribeschen  Opemtextes  kommt  Blaze  wieder 
auf  die  Instrumentation  der  neuen  Partitur  zurück,  und  behauptet,  dass 
die  Kraft  Meyerbeers  in  erster  Reihe  in  der  Beherrschung  der  Massen- 
wirkungen liege,  und  dass  er  mehr  als  jeder  andere  Gefühl  für  Klangeffekte 
habe.  Er  hat  im  Orchester  überraschende  Klangkombinationen  erzielt,  und 
auch  bei  den  Stimmen  Wirkungen,  an  die  vorher  niemand  gedacht  hatte, ^) 

In  der  «Chronique  de  Paris",  deren  Begründer  und  Chefredakteur 
Balzac  war,  kritisierte  Gustave  Planche  auch  das  Textbuch  der  «Hugenotten* 
in  ganz  unerbittlicher  Weise.  «Ich  glaube  nicht,"  schrieb  er,  «dass  man 
auf  dem  Gebiet  des  Absurden  noch  mehr  leisten  kann."  Den  beiden  letzten 
Akten  spricht  er  seine  Bewunderung  zu,  behauptet  aber,  dass  Meyerbeers 
Können  grösser  wäre  als  seine  Inspiration. 


>)  Revue  des  Deux  Mondes,  15.  MIrz  1830.  S.  678 -71^. 


PROD'HOMME:  HUGENOTTEN-PREMifeRE 


» . . .  Die  einzeloen  Teile  sind  mit  Sorgfalt  und  eioer  klösterlichen  Geduld  ge- 
schriebeuy  die  sich  in  Einsamkeit  gefillt,  die  aber  keinen  individuellen  Wert  hat  . . . 
Sie  folgen  aufeinander,  fugen  sich  aber  nicht  ineinander  . . .  Meyerbeer  ist  ein  Mann 
von  Talent,  aber  kein  Genie,  mit  Casimir  Delavtgne  und  Paul  Delaroche  vergleichbar. 
Sein  Wappen  gehört  allen  Rassen.  Er  hat  sich  ganz  plötzlich  geadelt,  hat  nur  ver- 
gessen, sich  Ahnen  zu  geben.*  ^) 

„Le  m6nestrel",  den  Jules  Lovy,  »Le  Monde  dramatique",  den  J.  Mainzer 
redigierte,  lobten  den  Musiker  gleichfalls,  tadelten  aber  den  Scribeschen 
Text.  Einer  der  Redakteure  der  „Revue  du  Th6fttre",  Jules  Belin  war  der 
Ansicht,  dass  das  Meyerbeersche  Werk  «durch  seine  Tendenz  berufen  sein 
könnte,  neu  belebend  zu  wirken".  Sein  Mitarbeiter  Pr6vöst,  der  die  Partitur 
besonders  studiert  hatte,  wollte,  dass  man  das  Drama  an  zwei  Abenden  gäbe, 
um  die  Striche  vermieden  zu  sehen,  die  er  für  nachteilig  hielt.  Und  im 
Gegensatz  zu  Gustave  Planche  ist  er  der  Ansicht,  dass  alle  Teile  des  Werkes 
sich  logisch  aneinander  fügen.  Eine  Fortlassung  kann  oft  alles  in  Frage 
stellen.^ 

Louis  Desnoyers  war  im  «National  von  1834'*  viel  eher  der  Ansicht 
von  Gustave  Planche,  als  er  sagte,  dass  Meyerbeer  Genie  zur  Bearbeitung, 
zur  Nachahmung  hätte,  mit  einem  Wort,  dass  er  das  Genie  hätte,  keines  zu 
haben.  Meyerbeer  macht  weder  französische,  noch  italienische,  noch  deutsche 
Musik.  Das  ist  das  Geheimnis  seiner  Popularität.  Was  man  aber  nicht 
genug  loben  kann,  ist  seine  unermüdliche  Geduld,  mit  der  er  Note  für 
Note  den  dramatischen  Ausdruck  sucht.  Man  hat  viel  zu  ausschliesslich 
die  Kunst  seiner  Instrumentation  betont,  in  vielen  Teilen  scheint  uns  der 
Stil  der  Hugenotten  im  Verhältnis  zu  dem  Stil  der  grossen  Meister,  und 
zur  reinen  und  einfachen  Musik  das  zu  sein,  was  das  Diorama  für  die 
grosse  und  schöne  Malerei  ist,  die  ihre  Wirkungen  aus  sich  selbst  zieht.") 

Der  Sieg  war  vollständig,  grossartig,  schrieb  der  Redakteur  des 
«Constitutionnel",  obgleich  nach  den  drei  ersten  Akten  nur  Beifalls- 
bezeugungen und  schweigendes  Zögern  zu  verzeichnen  waren,  was  weder 
ein  Erfolg  noch  eine  Ablehnung  genannt  werden  kann.^) 

Nachdem  wir  die  hauptsächlichsten,  ernsthaften  kritischen  Stimmen 
vernommen  haben,  wollen  wir  dem  .Charivari",  dieser  für  die  Geschichte 
der  Gesellschaft  und  für  den  französischen  Geist  seit  70  Jahren  so  wert- 
vollen Sammlung,  einige  Eindrücke  und  Anekdoten  entnehmen. 

«Eine  der  glänzendsten  Gesellschaften"  schrieb  Albert  Giere  am  1.  März  »war 
gestern  in  der  Oper  vereint,  um  der  ersten  AufTührung  der  ,Hugenotten^  beizuwohnen. 
Die  Toiletten  erstrahlten.    Eine  Menge  Neugieriger  hatte  selbst  die  Korridore  über- 


^)  Ghronique  de  Paris,  1.  Jahrg.,  3.  März  1836,  S.  250,  252. 

^  U  Revue  du  Th6ätre  von  1836,  S.  316,  317,  364-67  und  306-97. 

>)  U  National  de  1834,  3.  und  16.  März  1836. 

«)  Le  Gonstitutionell  2,  März  1836. 

III.  3.  13 


194 
DIE  MUSIK  UL  a 


schvemiDt  WUtfend  des  paatn  Abeads  hallte  es  tvo  DiifillilM  HBftMy 
Die  Oper,  die  am  7  Uhr  anfioc  war  erst  um  MHtemadit  tu  Eade,  «ad  adnea  ia  die 
Salven  hellster  Beyistcnmg  hioeia  hatte  Noorrit  Giacomo  Mcyerbeer  für  die  Maaüc 
genannt,  Engine  Scribe  für  den  Text,  sogar  Taglioni  für  das  BaDet,  aad  SMMa, 
FenchWes,  Diaeric  und  Despidchin  für  die  Dekoratioaea.  Der  Sieg  war  YoOstiadig 
nnd  ^inzend,  nnd  wenn  der  Ernst  des  FenUleton  rin  Wortspiel  gestattete,  oifchiea 
wir  behaupten,  dass  die  ,Hagenotten'  nicht  einen  einzigoi  Protestanten  ioi  Saal  ge- 
funden haben  ...  All  die  glinzenden  Eigenschaften,  die  Meyerbeer  einen  so  hohen 
musikalischen  Ruf  eiagebracht  haben,  finden  sich  hier  vereint;  Farbe  aad 
Reichtum  der  lastrumentation,  grosse  und  erhabene  Inspiratioiien,  Origiaalitit  des 
Stils  und  des  dramatischen  Ausdrucks.  Aber  es  liesse  »di  vielleicht  dagegen  ein- 
weadea,  dass  die  beiden  letzten  Eigenschaften  bia  ins  Extrem  getrieben  sind,  so  dass 
die  Origiaalitit  ins  Bizarre  hinuberspielt,  und  der  dramatische  Ausdruck  dem  Reiz 
und  der  Klarheit  der  musikalischen  Durchführung  schadet  . . .  Wenn  wir  Meyerbeer 
einen  weiteren  Vorwurf  macheu  mnssten,  der  übrigens  nach  Ansicht  gewisser  Modernen 
für  ihn  rin  Vorzug  ist,  so  ist  es  der,  dass  er  der  Melodie  keinen  genügend  grossen 
Raum  eingeiiumt  oder  sie  zu  oft  unvermittelt  abgebrochen  hat  Wir  erwihnen  nur 
diese  KritilKen  mit  iusserstem  Misstrauen  und  sind  überzeugt,  dass  dieser  Mangel  bei 
dem  berühmten  Komponisten  mit  seinem  System  zusammenhingt^  das  wir  für  irrig 
halteti,  und  nicht  mit  seinem  Mangel  an  Können  und  musikalischer  Inspiration.* 

Vierzehn  Tage  später  warf  der  Redakteur  vom  «Charivari*  wieder  einen 
Blick  in  die  Oper.  Er  verglich  Meyerbeer  mit  Hofhnann  tind  Cr6billon 
und  riet  dem  Komponisten,  die  beiden  ersten  Akte,  die  jeder  Lddenschaft 
bar  wären,  in  einen  zu  verschmelzen  und  lobte  die  drei  letzten.  Er  sdiloss 
dann  mit  einer  lustigen  Anekdote,  die,  abgesehen  davon,  dass  sie  ein  Bild 
von  der  Zaghaftigkeit  der  Zensur  unter  der  Herrschaft  der  Revolution  von 
18J0  zeigt,  uns  auch  beweist,  dass  der  Textdichter  der  »Hugenotten*  nicht 
allein  Nourrit  und  Duponchel,  sondern  auch  der  öffentlichen  Moral  zu  ge- 
horchen  hatte. 

»Maa  weiss  schon,  wie  unsere  modernen  Pdres-Loriquet  das  Königreidi  von 
Salnt-Bris  mit  dem  von  Karl  IX.  identifizierten  >)  und  erUirt  hatten,  die  Monarchie 
wire  biossgestellt,  wenn  man  Katharina  von  Medid  ihre  Partie  in  o>moll  mit  den 
Verschwörern  der  blutigen  Bartholomius-Nacht  singen  liesse.  Die  Königin  verschwand 
also  von  den  Brettern  und  bescbrinkte  sich  darauf,  die  Buhne  wihrend  der  Schluss- 
scene  in  einer  oflbnen  Sinfite  zu  passieren,  ohne  ein  Wort  zu  sprechen,  mit  tiefem 
Mitgefühl  auf  den  Zügen  beim  Anblick  der  gemordeten  Ketzer  auf  dem  Strassen- 
pfiaater.  Die  modernen  Pdres-Loriquet,  die  sich  einer  ausserordentlichen  Toleranz 
ziehen,  behaupteten,  daas  die  Ehre  der  Monarchie  auch  noch  durch  eine  stumme 
Miene  des  Mitleids  kompromittiert  wire.  Sie  verlangten  das  vollstindige  Verschwinden 
Katharinens  und  ihrer  Sinfte.  Dagegen  Einspruch  des  Direktors,  der  wenigstens  die 
Sinfte  als  Schaustuck  nicht  aufgeben  wollte.  —  Endlich  nach  vielen  Strdtigkeiten 
haben  die  Paschas  der  schönen  Kfinste  einen  glficldichen  Ausweg  gefunden:  sie  haben 
geruht  darein  zu  willigen,  dass  die  Sinfte  blieb,  verlangten  aber  unerbittlich,  dass  sie 
geschlossen  wire.    Sie  brauchteti,  um  diesen  sinnreichen  Ausweg  zu  finden,  erzihlte 

^)  Ursprfinglich  hat  Scribe  den  König  Karl  IX.  in  eigener  Person  auf  die  Bfihne 
gebracht;  er  muaste  ihn  dann  aber  dureh  Saint-Bria  ersetzen. 


105 
PROD'HOMME:  HUGENOTTEN-PREMIJ^RE 


nun,  nicht  weniger  als  den  Geist  von  sieben  Zensoren  und  acht  königlichen  Beamten 
und  den  des  neuen  Ministers  Montalivet  Das  ist  übrigens  das  zwölftemal,  dass 
diese  Herren  die  Monarchie  an  der  Hand  der  „Hugenotten*'  retteten,  und  dabei  sind 
wir  erst  bei  der  sechsten  Aufführung.  Voraussichtlich  werden  sie  aber  dabei  nicht 
stehen  bleiben.*) 

Ausserdem  sei  noch  die  Ansicht  des  Geschichtsschreibers  der 
Kdniglichen  Akademie  der  Musik  Castii  Blaze  erwähnt,  der  dem  Meyer- 
beerschen  Meisterwerk  mehrere  Seiten  widmete. 

»Bedeuten  die  Hugenotten  für  Meyerbeer  einen  Fortschritt?  Ja,  wenn  man  an 
die  Schwurscene,  das  glanzvolle  Ensemble  der  Verschwörer  und  das  geheimnisvolle 
und  düstere  Finale  denkt.  Nach  dieser,  von  einer  Schar  von  Künstlern  ausgeführten 
leidenschaftlichen  Scene  musste  er  den  Akt  mit  zwei  Personen  beschliessen :  er 
mnsste  die  Zuhörer  interessieren  und  in  Erregung  versetzen,  zu  rühren  versuchen 
mit  den  geringen  Mitteln  eines  Duetts.  Das  war  gewissermassen  die  Herausforderung. 
Meyerbeer  hat  sie  mutig 'aufgenommen.  In  der  Partitur  »Robert  der  Teufel''  findet 
sich  nichts,  was  sich  bis  zur  Höhe  des  vierten  Aktes  erhebt;  aber  das  Ensemble 
im  Robert  ist  wertvoller,  und  der  Erfolg  der  zweiten  Oper  hat  den  der  ersten  in  keiner 
▼eise  beeintrichtigt.  Der  Text  der  »Hugenotten*  hat  einen  Oberfluss  an  unzusammen- 
hingenden  Scenen,  die  den  Musiker  nicht  inspirieren  konnten.  Das  Werk  verdankt 
den  grössten  Teil  seines  Erfolges  seinem  vierten  ;Akt.  Weshalb  ist  man  nicht  auf 
den  Gedanken  gekommen,  dieses  herrliche  Fragment  aus  seiner  Umgebung  zu  lösen? 
Wenn  man  ohne  Vorspiel  bis  zum  vierten  Akt  der  „Hugenotten**  gelangen  und  mit 
seinem  Schluss  aufhören  könnte,  das  wXre  ein  musikalisches  Ereignis  gewesen,  das 
das  Publikum  zu  schätzen  verstanden  hXtte.  Eine  solche  glückliche  Verkürzung  bitte 
die  »Hugenotten*  zu  einem  Meisterwerk  gemacht.  Durch  seinen  herrlichen  vierten 
Akt  würde  Meyerbeer  zum  würdigen  Nebenbuhler  von  Weber  und  Rossini  geworden 
sein.  Man  würde  ohne  Zweifel  einige  kostbaren  Bruchstücke  vermisst  haben,  aber  die 
Kritik  bitte  vergebens  gesucht  nach  den  Gemeinplätzen,  nach  den  Lückenbüssem 
und  diesem  leeren  Klingklang,  die  von  der  Trockenheit  und  dem  schöpferischen 
Unvermögen  des  Meisters  Zeugnis  ablegen.  »Robert*  und  die  »Hugenotten*  bedeuten 
eine  BarthoIomXus- Nacht  für  die  Singer.*') 

Nach  der  Pariser  Oper  eroberten  die  »Hugenotten*  siegreich  die 
Provinz  und  das  Ausland.  Die  strenge  Kritik  Robert  Schumanns  über  die 
»Hugenotten*  ist  bekannt.  In  London  wurden  sie  im  Covent  Garden- 
theater am  20.  April  1842  und  am  20.  Juli  1848  italienisch  mit  Madame 
Alboni  gegeben,  für  die  Meyerbeer  eine  neue  Arie  geschrieben  hatte. 

Aber  es  war  nur  unsere  Absicht/^Erinnerungen  an  die  erste  Vorstellung 
wachzurufen,  nicht  aber  die  Geschichte  dieser  Oper  zu  schreiben.  Es 
bleibt  uns  nur  noch,  über  eine  gewisse  Zahl  unveröffentiicher  Fragmente 


')  Feuilleton  aus  dem  »Charivari*  vom  15.  MXrz  1836,  S.  2,  3  und  6:  »Neues 
zu  den  Hugenotten.  —  Die  Ultra-Meyerbeeristen.  —  Engel  oder  DXmon.  —  Die 
schwere  Musik.  —  Die  beiden  ersten  Akte.  —  Dekorationen  und  Kostüme.  —  Die 
Monarchie  zum  13.  mal  gerettet*.  Das  einfache  Aufzihlen  der  Titel  dieses  Feuilletons, 
von  dem  wir  nur  den  letzten  Paragraphen  wiedergeben,  genügt,  um  darauf  hinzuweisen, 
wqlche  Fragen  sein  Verfasser  Albert  Clerc  darin  behandelt  hat. 

^  C.  Blaze,  Königl.  Akademie  f.  Musik  Band  II  S.  248. 

13* 


DIE  MUSIK  III.  a. 


zu  sprechen,  die  in  den  Archiven  unserer  National-Akademie  für  Musik 
aufgehoben  werden. 

Die  Bibliothek  der  Oper  in  Paris  besitzt  eine  Anzahl  unveröffent- 
lichter Fragmente  der  »Hugenotten''.  Die  meisten  von  ihnen,  Autographen 
Meyerbeers,  sind  in  der  veröffentlichten  Partitur  nicht  aufgenommen  und 
geben  deshalb  einige  deutlichen  Hinweise  auf  die  Arbeit  des  Komponisten 
vor  dem  Stich  der  Partitur. 

Man  hat  es  oft  bedauert,  dass  Meyerbeer  zu  den  »Hugenotten* 
keine  Ouvertüre  geschrieben  hat,  sondern  nur  ein  Vorspiel.  Zwei 
Ouvertüren-Skizzen  befinden  sich  unter  den  Manuskripten  in  der  Bibliothek 
der  Oper.  Die  erste,  die  15  Seiten  umfasst,  viel  ausführlicher  als  die 
zweite,  ist  gewissermassen  der  erste  Entwurf  zu  dem  Vorspiel.  Er  besteht 
aus  einem  Andante  in  Es-dur  im  4/4  Takt,  auf  das  ein  Allegro  in  6/8  in 
D-dur  folgt;  danach  kommt  ein  anderes  Tempo  im  4/4  Takt  und  in  Es-dur 
wie  am  Anfang.  In  dieser  Ouvertüren-Skizze  findet  man  schon  den 
Lutherischen  Choral:    »Ein'  feste  Burg  ist  unser  Gott.* 

1.  Akt 

Zum  ersten  Akt  existiert  ein  Scenen-Fragment,  das  in  Scene  II  oder 
Scene  III  gehört.  Es  heisst  Coral  und  Lied  (nach  der  Introduktion) 
und  umfasst  sechs  Seiten.     Hier  die  Worte: 

Nevers: 
Wein  her  für  diesen  Diener  I 

Marcel: 
Dank,  man  nehm  ihn  wieder  forti 
Ich  trinke  nicht  mit  Minnem  dieser  Art. 

(Als  ob  er  ein  Kirchenlied  rezitierte) 
Denn  Gott  sagt  (mit  halber  Stimme):  Mit  Gottlosen  meide  das  Mahl! 

Ferd.  Pr^vöst  (lachend):^) 
Er  ist  ein  Heiliger  Israels  I 

Marcel: 
Unter  den  Philistern! 

Massel: 

Ein  Priester  Luthers.    Wessen  Bote  mag  er  sein? 

Wartel: 
Predigen  will  er  uns  hier!    Potzblitz!  .  .  . 

Marcel: 
Warum  nicht?    (Mit  halber  Stimme)  Als  Kind  lernt  ich  dich  kennen  . . . 

(zurückhaltend) 
Verfluchte  . . .  Verfluchte!  (wider  Willen  fortgerissen) 


^)  Meyerbeer  bezeichnete  die  Personen  mit  den  Namen  der  Darsteller.  Pr^vöst, 
Massel  und  Warte!  spielten  die  Rollen  der  katholischen  Edelleute  de  Re%  Tavanses 
und  Thor6. 


197 
PROD'HOMME:  HUGENOTTEN-PREMifeRE 


Stets  seh  ich  nnser  brennendes  Haus. 

Es  sterben  die  Schwestern,  die  Mutter, 

Und  kimpfend  fiel  mein  greiser  Vater. 

Kimpfend  f&r  seinen  Gott. 

Und  ich,  ich  armes  Kind, 

Ich  irrte  in  der  Schlacht, 

Da  zeigte  mir  sich  ein  Engel  Gottes. 

Die  sieben  Edlen  (ohne  Chor): 
Ein  Engel,  ahl  hört  ihr,  ha,  hal 

Marcel: 
Ein  Engel  war's  von  Wuchs  und  Miene, 
Er  war  der  Ahne  meines  edlen  Herrn. 

(Bewegt  durch  die  Erinnerung) 
Er  hob  mich  armes  Kind  zu  sich  aufs  Ross, 
Und  stimmte  an  den  Sang  der  Zuversicht, 
Das  heil'ge  Lutherlied,  da  wuchs  die  Kraft  des  Glaubens; 
Und  diese  Töne  hab'  ich  treu  bewahrt, 
Sie  sind  mir  Waffen  gegen  alle  Bösen! 

(Folgt  der  Choral.) 

Nach  einem  andern  Manuskript,  das  gleichfalls  nicht  zur  Verwertung 
gelangte,  trat  Marcel  schon  Scene  II  auf,  wahrscheinlich  nach  dem  Gelage. 
Das  Manuskript  trägt  den  Titel: 

Fortsetzung  der  Scene. 
(Marcel  tritt  auf,  er  sucht  Raoul.) 

Marcel  (schüchtern  zu  Raoul): 
Verzeiht,  ich  bin's. 

Die  sieben  Edlen  (allein): 

Welch  verwittert  Antlitz  seh  ich  hier? 

Ha,  (zwölfmal). 

Marcel:^) 

Mein  alter  Diener  ist's,  mehr  noch  mein  Freund! 

Was  kommst  du  melden  mir? 

Marcel: 
Der  Admiral  verlangt  nach  euch  u.  s.  w. 

Raoul  geht  kurze  Zeit  darauf  fort,  um  sich  zum  Admiral  Coligny  zu 
begaben.     Diese  fortgelassene  Stelle  umfasste  68  Takte. 

Nach   dem  Choral  und   Marcels  Lied   kam   dann   noch   eine  andere 

Scene  zwischen  den  Edlen: 

Nevers: 
Gebt  acht,  Marcel  bringt  uns  in  böse  Hindel! 
Sein  Glaubenseifer  treibt  ihn  oft  zu  weit. 

Raoul: 
Mein  strenger  Ahne  nahm  sich  seiner  an, 

^)  Hier  mfisste  Raoul  stehen  anstatt  Marcel. 


198 
DIE  MUSIK  IIL  3. 


Er  zog  ihn  auf  im  Glanben  an  die  Bibel 

Und  hiess  ihn  fluchen  Hölle,  Papst  und  Liebe. 

Marcel  (mit  Befriedigung): 

So  ist  esl 

Raoul: 

Doch  treu,  ein  Held  und  voll  Empfinden, 

Ein  ungeschliffner  Diamant  gefasst  in  Eisen. 

Nevers: 
Was  wollte  doch  der  Admiral? 

Raoul: 
Ein  trefflich  Abenteuer,  nichts' vom  Admiral! 

Nevers: 
Wie? 

Raoul: 

Ihn  glaubte  ich  zu  flnden  und  ich  ftind 

Dies  hübsche  Band  undjeine  iunge  Schöne. 

Nevers  (ironisch): 

Die  Ihr  wohl  kennt? 

Wartel: 

Was  tut's?    Wer  ist  sie? 

Massol: 
Ihr  Name,  sprecht! 

Raoul: 

Ich  kenn'  ihn  nicht. 

Die  sieben  Edlen : 
Wie? 

Nevers: 

Und  was  soll  dieses  Band  von  dieser  Schönen? 

Lasst  hören  uns  von  eurem  Abenteuer. 

(Dann  Scene  und^Romanze.) 

Hier  folgte  darauf  der  ganze  Schluss  der  Scene  II,  während  der 
Anfang  der  jetzigen  Scene  III  (Marcels  Auftritt  und  der  hugenottische 
Gesang)  mitten  in  dieser  Scene  lagen.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  der 
Komponist  es  vorzog,  den  Diener  Raouls  später  erscheinen  zu  lassen, 
weil  er  eine  grössere  Wirkung  erzielen,  und  nicht  zu  früh  die  ernste 
Färbung  hineinbringen  wollte,  die  der  Choral  Luthers  dem  ganzen  ersten 
Teil  des  ersten  Aktes  verleiht. 

Das  folgende  Fragment  (21.  Seite)  heisst:  Arie  Valentinens.  Scene  VI. 
Rezitativ  (nach  dem  Ensemblesatz)  und  fängt  so  an: 

Nevers: 
Ich  kann  noch  nicht  daran  glauben. 

Nach  diesem  Recitativ  erscheint  Valentine,  deren  Arie,  die  im  späteren 

Teit  ausgelassen  wurde,  mit  diesen  Worten  anflbigt: 

Im  dunklen  Schoss  des  Klosters 
Verbracht  bis  Jetzt  ich  einsam  meine  Tage. 


199 
PROD*HOMME:  HUGENOTTEN-PREMlfeRE 


Meyerbeer  versuchte  zwei  verschiedene  Melodieen  zu  diesen  Worten. 
Auf  diese  Romanze  folgte  dann:  Chor  hinter  der  Bühne. 

2.  Akt. 

Meyerbeer  hat  eine  Scene  geschrieben  zwischen  St.  Bris  und  seiner 

Tochter  Leonore  (der  späteren  Valentine),  ein  Manuskript  von  18  Seiten, 

das  eine  Arie  enthalt  in   Es-dur  allegro   con   spirito  mit    Begleitung  des 

Streichquartetts,  die  der  Gouverneur  des  Louvre  singen  sollte.     Hier  sind 

die  ersten  Worte: 

Leonore  (mit  flehender  Stimme) : 
Mein  Vater  I    Mein  Vater  I 

St.  Bris: 
Ich  hab's  gesagt,  ich  wilPsI    Du  musst  gehorchen  I 

Das  Auftreten  St.  Bris'  sollte,  wie  es  scheint,  vor  dem  Auftreten 
der  Edlen,  Scene  VII,  stattfinden,  damit  man  nicht  eine  Unterhaltung 
zwischen  St.  Bris  und  seiner  Tochter  voraussetzt,  sei  es  vor,  sei  es  nach 
der  ersten  Scene. 

Zwei  andere  autographischen  Fragmente  beziehen  sich  auf  den  zweiten 
Akt:  ein  Instrumental -Nachtrag  zu  den  „Hugenotten**  (Schwur;  Quartett 
2.  Akt)  von  sechs  Takten  und  ein  Tanz  „Pas  de  six"  mit  Violin-Solo 
(vier  Seiten). 

3.  Akt. 

20  Manuskriptseiten  beziehen  sich  auf  den  dritten  Akt,  sie  sind  be- 
zeichnet mit:  5.  Monolog  und  Choral  (nach  dem  Abendläuten)  3.  Akt. 
Marcel  erwartet  Raoul. 

Die    folgenden    Bezeichnungen     stammen    von     Meyerbeers    Hand: 

»Coral;  dieses  Stück  nicht  abschreiben.     Folgt  Erzählung  und  Duett,   der 

Coral  bleibt  fort. 

Behuf  uns   grosser  Gott  im  Himmel, 
Errett*  uns,  Herr,  du  unser  Gott. 

sagt  Marcel.     Dann  Rezitativ  und  Duett.**  ^) 

4.  Akt. 

Die  Opembibliothek.  hat  sicherlich  nur  eine  sehr  kleine  Zahl  un- 
veröffentlichter Stücke,  die  sich  auf  diesen  vierten  Akt  beziehen,  der  wie 
man  weiss,  vollständig  umgearbeitet  wurde.  Dieser  Akt  sollte,  allem  An- 
schein nach,  mit  einer  Scene  zwischen  Valentine  im  Kreise  ihrer  Ehren- 
damen und  ihrer  »ersten  Dame*  beginnen.  Hier  sind  die  ersten  Worte 
dieses  Fragmentes  (4  Seiten): 


*)  Dieses  Stück  wurde  mit  grossem  Erfolg  in  den  Salons  des  Marschall 
Vaillant,  Ministers  des  kaiserlichen  Hauses,  1865  aufgef&hrt.  (De  Lsjarte,  Catal. 
de  la  Bibl.  de  Fopöra  II.  S.  252.) 


200 
DIE  MUSIK  III.  3. 


Valentine: 
Was  seht  ihr  dort? 

Erste  Dame: 

Ein  glinzend  schöner  Zug  ist  hier  zu  sehen, 

Man  sagt,  es  sei  der  Admiral  von  Coligny, 

Der  aus  dem  Louvre  sich  nach  Haus'  begiebr. 

(St  Bris  kommt  zum  Schluss  dieser  Introduktion.) 

St.  Bris: 
Du  wirst  die  Frau  des  Grafen  von  Nevers, 
Noch  heut,  heut  Morgen,  unsere  Ehre  heischt  esl 

„Darauf  folgt  Arie,"  heisst  es  im  Manuskript.  Diese  Arie  ersetzt 
die  vorhandene  Romanze:  Meiner  Liebe  traurig  Opfer  . . . 

Von  Meyerbeer  sind  davon  mindestens  zwei  Fassungen  aufgezeichnet. 
Die  eine  fängt  mit  den  Worten  an: 

Ach,  das  Bild,  das  ich  im  Herzen  trage, 

Unvergessen  ruht's  in  mir. 

Achl  nicht  kann  ich  ihm  entrinnen. 

Die  andere,  in  D-dur  mit  deutschem  und  italienischem  Text,  ist  nur 
eine  Kopie,  der  die  Orchester-Stimmen,  die  zur  Aufführung  nötig,  bei- 
gefugt sind.  Sie  trägt  oben  den  Namen  der  Frau  Pauline  Viardot,  die  sie 
wahrscheinlich   in   ihren   Konzerten   sang.     Der  erste  unvollendete   Vers 

lautet  im  Französischen: 

Parmi  les  plenrs  mon  röve  sera  [?] 

Der  deutsche  Teit  fängt  an: 

Er  f&llt  allein  mein  Herz  mit  sfisser  Liebe. 

Die  meisten  der  hier  aufgezählten  Stücke  stammen  vom  Kopisten 
Lebome,^)  aber  weder  das  eine  noch  das  andere  hätten  der  endgültig  ab- 
geschlossenen Partitur  der  »Hugenotten*  einen  grösseren  Wert  verleihen 
können.  Sie  beweisen  nur,  welche  minutiöse  Sorgfalt  Meyerbeer  der 
Durcharbeitung  seines  Werkes  angedeihen  Hess,  einer  Durcharbeitung,  die 
deshalb  so  schwierig  war,  weil  der  Text,  den  Scribe  ihm  geliefert  hatte, 
nichts  weniger  als  zum  Komponieren  geeignet  war.  Aber  ebenso  wie  die 
Zeitgenossen  sollten  wir  bei  unserm  Urteil  über  die  » Hugenotten"  die 
larmoyante  Dichtung  Scribe's,  die  Emil  Deschamps  so  gut  als  möglich 
durcharbeitete,  berücksichtigen,  denn  der  Komponist  würde  wohl  zweifellos 
eine  bedeutendere  Partitur  geschrieben  haben,  wenn  sein  Mitarbeiter  ihn 
hätte  besser  inspirieren  können. 


^)  In  dem  Katalog  der  Opembibliothek  (1878)  weist  Lajarte  noch  anf  ein  unver- 
öffentlichtes Fragment  der  »Hugenotten*  hin,  das  hierzu  gehören  soll  und  das  in 
Wirklichkeit  nicht  dabei  ist.  Beim  ersten  Akt  wurde  nämlich  eine  Chorpartie  bei 
der  Aufführung  ausgelassen.  Die  Herren  spielten  Ball  and  da  Meyert>eer  verlangte, 
dass  der  Ball  taktmissig  anfjiefingen  würde,  musste  man  einsehen,  dass  das  scenisch 
unmöglich  war.    (Katalog  II  Seite  152.) 


„Musik"  ist  ein  sehr  ernsttasfies  Blatt  und  oacb  Lage  der  Dlnge^kann 
i  die  lelcbtgesctaDrite  Operette  In  Ifar  nur  einen  verfaittnismtssig  kleinen  Platz 
1  t>ean Sprüchen;  aber,  wenn  die  «KOnigin  der  Operette*,  obvobl  der  Gegen- 
I  vart  seit  langer  Zeit  fremd  geworden,  aus  diesem  Leben  scbeldet,  so  ioll 
1  doch  aucb  an  dieser  emstbaflen  Stelle  mit  einigen  Worten  von  dem  die 
Rede  sein,  was  die  Tonkunst  und  vor  sltem  die  Muse  des  Gesanges  an  Ibr  ver- 
loren bat. 

Ter  beansprucben  will,  über  die  G es angskSns tierin  Marie  Geistlnger  ein 
Urteil  abiugeben,  der  muas  sie  zum  mindesten  Ende  der  iseoer,  spitcsiens  Anfang 
der  1870er  Jahre  kennen  und  lieben  gelernt  haben.  Was  die  KüDSlIerin  damals  rein 
vom  Standpunkt  des  bei  canio  geboten  bat,  das  stellt  sie  den  ersten  Gesangs- 
kfinstlerinnen  der  damaligen  Zeit  (und  das  will  etwas  sagen  1)  an  die  Seite  und  be- 
rechtigte sie,  mit  allen  tecbniscben  Schwierigkeiten  ihrer  mitunter  recht  saspmcbs- 
TOlIen  Partleen  spielend  fertig  zu  werden.  Frei  von  jeder  gesanglichen  Untugend  — 
mnsterbaft  waren  Intonation  und  Aussprache  —  reibie  sie  die  TSne  wie  Perlen 
sneinander;  die  feinsten  Künste  des  Ziergesanges  standen  ihr  zu  Gebote;  kein  ge- 
•cbrieener  Ton  siBrte  die  reizvolle  Harmonie  des  Ganzen.  Wer  sie  damals  als 
sSchBne  Helena*,  .Grossberzogin  von  Gerolstein",  als  .Rosalinde'  (Fledermaus) 
gebBrt  bat,  wird  diese  Eindrücke  niemals  vergessen.  Keine  Bravoursingerln  von 
Fach  wird  Ihr  jemals  den  .Czardas*  aus  der  „Fledermaus"  nachzusingen  rermfigen. 
UanStlg  zu  sagen,  dats  ihr  die  feinste  detikatesie  Kunst  der  Charakterisierung  zu 
Gebole  stand,  dass  ihre  Palette  einen  Farbenreichtum  aufwies,  der  ans  UnerscbSpfllche 
grenzte,  dass  die  Fülle  ihrer  geistvollen  und  pikanten  Nuancen  staunenerregend  war, 
dtM  sie  —  vielleicht  Ibre  grösste  Kunst  —  aus  dem  Nichts  Etwas  lu  gestalten  ver> 
mocbie,  Vle  Haydn  gesagt  hat,  dass  ein  rechtschaffener  Komponist  die  Speisekarte 
In  Musik  tu  seaen  verstehen  müsse,  so  schuf  sie  aus  den  oft  dürren  Noten  Otfenbachs 
dl«  reltvolUten  Kleingebilde,  leb  erinnere  mlcb  so  einer  Drölerie  aus  „Frau  Erz- 
henog";  sie  sang  —  das  Alphabet;  aber  was  sie  mit  Ihrer  entzückenden  Grazie  aus 
dem  Offenbach scheu  Scherz  machte,  das  war  eben  bei  allem  Unsinn  ein  musikalisches 
Kunstwerk.  Sie  war  eben  die  alles  Kennende  und  so  sehr  Vergleiche  hinken:  ich 
weiss  ihr  aus  einer  nahezu  40iihrlgen  Vergangenheit  nur  eine  an  die  Seite  zu  setzen, 
die  ebenso  In  allen  SItteln  gerecht  war:  Lilll  Lehmann,  die  gleichfalls  Universale. 
Ab  dem  Sarge  der  Geisdnger  trauert  nicht  die  Operette;  denn  diese  Ist  ihr  Im 
Tode  schier  voran  gegangen.  Was  sieb  beute  in  produktiver  wie  reproduktiver  Be- 
siehung aOperette"  nennt,  das  ist  eine  halb  traurige,  halb  Widerwillen  erregende 
Kulkatttr  von  dem,  was  ein  früheres  Geschlecht  so  nennen  durfte.  Schon  lingst 
■lud  die  Grellen  aus  dem  unwirtlichen  Gebiet  geflohen ;  übrig  geblieben  sind  bSchstens 
die  Mlnaden.  So  lange  aber  Können,  Geist,  Witz,  Grazie,  kurz:  alle  guten  Geister  der 
Kon«  nicht  von  der  deutschen  Bühne  verbannt  sein  werden,  wird  man  auch  In 
Dukbarkeii  derer  gedenken,  auf  deren  blondem  Scheitel  sich  alle  diese  Ebrenqualititen 
verrinicten:  Marie  Gelstingers. 


BÜCHER 

26.  Richard  WeIleBcbek:ADringederTi>nkuo8t.  Verlag: J.A.  Barth, Uipzig  1903. 
Du  wenvolle  Bucb  Ist  die  dentscbe  Ausgabe  des  vor  ecwa  lebn  Jabren  in  London 
erschienenen  Terkea:  .Primitive  Muslc".  Mit  der  Übertragung  ins  Deulscbe  wurde 
eine  teilweise  Umarbeitung  des  Stoffes  verbunden,  welche  die  neusten  Errungenschaften 
und  Ergebnisse  der  Foracbnng  benutzte.  Es  Hegt  so  ein  Terk  vor,  das  über  Ursprung, 
▼esen  und  Bedeutung  der  Tonkunst  bedeutaame  Auftcblüsse  gibt.  Der  Verfasser 
uniernimmi  es  zum  erstenmal  auf  Grund  eingehender  ethnologischen  Forschungen, 
das  Teseo  der  lltesteu  Tonkunst  ffesizu steilen.  Phantasiert  lat  darüber  allerband  worden. 
Positives  ergibt  aicfa  erst  aus  Valiascbeks  Untersuchungen.  Mit  staunenswertem  Fleiase 
ist  innichsl  alles  zuaammengetragen,  vaa  uns  Über  die  Musik  der  Naturvölker  bekannt 
ist.  Es  ergibt  sich  dabei  als  erstes  Resnliai,  dass  das  Hauptelemenl  der  lltesien  Musik 
lediglich  der  Rhythmus  war.  Melodie  und  Harmonie  sind  untergeordnet.  Eng  verbunden 
mit  der  Musik  Ist  stets  der  Tanz.  Aus  der  Gemeinsamkeit  von  Musik  and  Tanz  ergibt 
sich  ihr  eminent  sozialer  Charakter,  im  gemeinsamen  Tanze  lernt  der  Einzelne  sich 
dnem  Ganzen  fügen.  Aus  dem  Cbor  des  tanzenden  Summes  treten  mit  der  Zeit  Solisten. 
Vlelhch  Ist  der  Klupitlng  auch  der  Vortinzer,  Vorsinger  und  Sollst  Wallaschek  gebt 
sodann  auf  die  Geschichte  der  Instrumente  und  der  Tonsysteme  ein.  Das  ilteste 
lostniment  ist  nicht,  wie  man  glaubt,  die  Trommel,  sondern  die  Knochenpfeife  des 
JIger*  gewesen.  Auch  so  mancher  andere  liebe  alte  Glaube  über  Alter  und  Ursprung 
der  Instramente  wird  zeratSrt  Tlchtlg  sind  sodann  Nachweise  fiber  die  Entwicklung 
der  Skala.  Die  viel  tlderten  VIcrteltfine  beruhen  nach  Tallascbek  bei  gewissen  VSlkem 
einfach  auf  falacber  Intonation,  dem  UnvermBgen  primitiver  Unger,  das  reine  Intervall 
lu  treltfen.  Für  die  Frage  nach  dem  Alter  der  Harmonie  Ist  überaus  Interessant  die 
Taiiacbe,  dass  manchen  Raasen  das  Gefühl  dafür  seit  Anbeginn  innewohnte.  Alles  was 
TaliMchek  vorbringt,  vermag  er  durch  ein  überaus  relchea  Beweis material  zu  belegen. 
E«  ergeben  sich  nun  aber  bei  der  Eigenart  seiner  Untersuchungen  und  dem  ihm  eigenen 
weiten  Blick  aus  den  Forschungen  über  die  Vergangenheit  überraschende  Resultate  für 
wichtige  Fragen  der  Gegenwart  So  ist  von  Bedeutung  ^r  die  Kritik  der  Theorie  des 
Musikdramas  die  durch  ethnologische  Forschung  offenbar  tfeatgestelite  Tatsache,  dass  die 
erste  masikslische  Melodie  sich  nicht  ana  dem  Tonhll  der  Sprache  entwickelt  hat,  da 
die  iltesten  Gesinge  gar  keinen  Text  hatten,  sondern  nur  artikuliert  wurden.  Die  Utesie 
Vokalmuaik  iat  nach  Valiaachek  durchaus  nicht  eine  Verbindung  von  Poesie  und  Musik 
gewesen,  schon  deshalb  nicht,  weil  es  erstere  nicht  gsb.  Nur  die  Vereinigung  von  Tanz 
und  Musik  ist  Immer  vorhanden.  Die  Entwlcldnng  der  Künste  aber  war  gleichbedeutend 
mit  Selbstlndigkeit  deraelben.  Man  mfisate  selbst  wieder  ein  Buch  schreiben,  um 
alle  Teile  dieses  Buches  zu  würdigen.  Nur  auf  die  Untetsuchungen  über  den  .Ursprung 
der  Tonkunst'  und  auf  die  Kapitel  von  der  »Entwicklung*  und  »Vererbung*  aei  noch 
hlngewieaen.  Ala  beaonderer  Vorzug  von  Tallaseheka  Werk  aber  muaa  bei  der 
Schwierigkeit  der  erSnerten  Materie  die  Klarheit  und  Versilndllchkelt  der  Darstellung 
gerühmt  werden.    Der  Stil  Ist  im  besten  Sinne  ffenllletonistlscb.    Beigegeben  sind  zahl- 


203 
BESPRECHUNGEN  (BÜCHER  UND  MUSIKALIEN) 


roiche  Abbildungen  undüNotenbeispiele,  sowie  ein  Literaturverzeichnis,  das  von  der 
stapenden  Belesenheit  und  Gelehrsamkeit  des  Autors  auch  dem  berichtet,  der  bei  der 
interessanten,  geistvollen  Darstellung  ganz  vergessen,  dass  er  eigentlich  kein  unterhalten- 
des sondern  ein  gelehrtes  Buch  vor  sich  hatte.  Dr.  G.  Münz  er. 

27.  Alice  Leighton  Cleather  and  Basil  Crump:  The  Ring  of  the  Nibelungan 

Interpretation  embodying  Wagner's  own  explanations.  Verlag:  Methuen&Co., 

London  1003. 
Das  B&chlein  sucht  in  gefilliger  Form  zum  gründlichen  Verstlndnis  der  Ring- 
dicbtung  anzuleiten.  Einer  kurzen  allgemeinen  Vorbemerkung  folgt  eine  Inhaltsangabe 
der  Ringdramen,  die  den  Ideengehalt  heraushebt  und  dabei  auch  auf  die  musikalischen 
Motive  kurz  eingeht.  Die  Auslegung  geschieht  möglichst  durch  Wagners  eigene  Aus- 
sprüche. Das  Büchlein  ist  also  kein  landliuflger  »Opernführer*,  weist  vielmehr,  gestützt 
auf  gute  Quellen,  namentlich  auf  das  Buch  von  Ashton  Ellis,  den  Leser  zur  Hauptsache, 
zum  deutschen  Drsma,  das  im  Ring  seinen  Höhepunkt  erreicht,  wie  einst  das  griechische 
in  der  Trilogie  des  Äschylos.  W.  Golther. 

28.  E«  W.  Degner:    Anleitung   und    Beispiele   zum  Bilden  von  Kadenzen  und 

Modulationen,  zum  Harmonisieren  gegebener  Melodieen  und  Bisse  am  Klavier 
und  an  der  Orgel.  Verlag:  Franz  Deuticke,  Leipzig  und  Wien  1002. 
Der  erste  Teil  dieses  Werkes,  der  die  Übungen  am  Klavier  umfasst,  liegt  vor  uns 
and  lisst  sich  im  Anschlusa  an  jeden  theoretischen  Unterricht  mit  grossem  Nutzen  ver- 
werten. Ausgehend  von  der  Bildung  der  einfachen  Dur-  und  Moll-Kadenzen  und  deren 
Erweiterungen  durch  Anwendung  von  Nebendreiklingen  und  Umkehrungen  der  betreffen- 
den Akkorde  wird  dem  Lernbegierigen  das  Aneinanderreihen  logisch  zusammenhiogender 
Akkorde  nach  den  Regeln  des  vierstimmigen  Satzes  gelehrt.  Die  weiteren  Ausführungen 
über  die  Mehrdeutigkeit  der  Akkorde,  die  zu  Anknüpfungspunkten  für  neue  Harmonie- 
folgen umgedeutet  werden,  leiten  die  Modulationslehre  in  die  richtigen  Wege.  Die  nun 
folgenden  Paragraphen  über  das  Vorkommen  und  die  Anwendung  harmoniefremder  Töne 
(Durchginge,  Wechselnoten,  Vorhalte,  Antizipationen  und  Orgelpunkt)  geben  ein  sehr 
klares  Bild  von  dem  Ausbau  des  vierstimmigen  Satzes  zu  freier  mehrstimmigen  Melodik 
und  Figuration.  Beschlossen  wird  das  Werk  mit  den  Regeln  über  die  Anwendung  der 
Fünfklinge  (Dominant-Septimen -Akkord  und  seiner  Umkehrungen),  wihrend  sich  durch 
simtliche  Kapitel  hindurch  das  Bestreben  zeigt,  einer  Elementar- Formenlehre  gerecht 
zu  werden,  die  es  dem  Leser  ermöglicht,  das  gelernte  Harmonieen-Material  ebensowohl 
in  einzelnen  Takten,  als  auch  in  Taktgruppen,  Halbsitzen  und  Sitzen,  gipfelnd  in  der 
dreiteiligen  Liedform,  nach  den  Regeln  der  Kunst  zu  verwenden.  Die  Art  und  Weise 
der  Darstellung  des  Lehrstoffs  und  der  notwendigen  Erklirungen  ist  iusserst  klar  und 
übersichtlich.  Die  einer  jeden  Regel,  Besprechung  oder  Anmerkung  in  reicher  Aus- 
wahl beigegebenen  Beispiele  sind  vorzüglich  gewihlt  und  übersetzen  nicht  nur  die 
Theorie  in  sehr  bequemer  Weise  in  die  Praxis,  sondern  geben  auch  jedem,  der  das  Buch 
zum  Selbststudium  verwenden  möchte,  eine  ausgiebige  Kontrolle  seiner  praktischen  Ver- 
suche. Man  kann  nach  diesem  in  jeder  Hinsicht  empfehlenswerten  ersten  Teil  vom 
zweiten  nur  das  allerbeste  erwarten.  Adolph  Pochhammer. 

MUSIKALIEN 

20.  Felix  Draeseke:  Christus.  Ein  Mysterium  in  einem  Vorspiel  und  drei 
Oratorien.  Vorspiel:  Die  Geburt  des  Herrn.  Erstes  Oratorium:  Christi 
Weihe.  Zweites  Oratorium:  Christus  der  Prophet.  Drittes  Oratorium:  Tod 
und  Sieg  des  Herrn.  Klavierauszüge  mit  deutschem  und  englischem  Text, 
Verlag:  Hermann  Seemann  Nachfolger,  Leipzig. 


204 
DIE  MUSIK  III.  3. 


Felix  Draeseke  ist  beute  ein  Mann  von  fast  70  Jahren.  Er  blickt  nicht  nur  auf 
ein  langes  Leben,  sondern  auch  auf  eine  reiche  künstlerische  Entwicklung  zuriick.  Er 
begann  in  der  zweiten  Hilfte  der  50er  Jahre  als  begeisterter  Anhinger  Franz  Liszts  und 
Richard  Wagners  und  galt  als  einer  der  radikalsten  Verfechter  der  künstlerischen  Prin- 
zipien der  neudeutschen  Schule.  Wie  bei  so  vielen  anderen,  die  in  der  Periode  jugendlich 
ungestümen  Sturms  und  Drangs  sich  für  eine  neue,  Herkommen  und  Oberiieferung 
revolutionierende  künstlerische  Richtung  begeisterten,  wich  auch  bei  ihm  der  anfingliche 
Enthusiasmus  einer  allmihlich,  aber  unaufhaltsam  eintretenden  Ernüchterung.  Draeseke 
wurde  immer  mehr  zum  retrospektiven  Klassizisten,  der  zwar  für  Wagner  sich  seine 
glühende  Bewunderung  bewahrt  hat,  der  von  Liszt  beeinflussten  Entwicklung  der  neueren 
Konzertmusik  aber  um  so  fremder  gegenübersteht.  Für  ihn  selbst  wurde  diese  Wandlung 
zum  Verhängnis.  Denn  so  lange  um  die  moderne  Musik  noch  gekimpft  werden  musste, 
und  die  Verfechter  des  Alten  noch  an  der  Herrschaft  waren,  galt  Draeseke  immer  noch 
als  der  tolle  Umstürzler  von  anno  60.  Wogegen  jetzt,  wo  diese  Geltung  eher  eine 
Empfehlung  als  einen  Nachteil  bedeuten  würde,  man  lingst  erkannt  hat,  dass  Draeseke 
alles  andere  eher  denn  ein  modemer  Musiker  ist.  So  blieb  er  eigentlich  immer  unauf- 
geführt:  damals  weil  er  zu  modern  erschien,  heute  aus  dem  entgegengesetzten  Grunde. 
Dabei  ist  das  merkwürdige,  dass  nicht  etwa  Draesekes  Name  selbst  unbekannt  geblieben 
oder  wieder  in  Vergessenheit  geraten  wire.  Nein,  jedermann  kennt  ihn  und  nennt  seinen 
Namen  mit  Respekt  und  Hochachtung.  Nicht  nur  als  gelehrter  Kontrapunktiker  und 
bedeutender  Lehrer  erfreut  er  sich  eines  grossen  und  weitverbreiteten  Rufes.  Auch  dass 
seine  schöpferische  Bedeutung  nicht  gering  zu  veranschlagen  sei,  steht  in  der  allgemeinen 
Meinung  fest.  Und  trotzdem  wird  man  seine  Werke  vergeblich  auf  unseren  Konzert- 
programmen suchen!  ^  Wenn  ein  solcher  Mann  mit  einer  grossen  vierteiligen  Oratorien- 
schöpfung vor  uns  tritt,  die  man  sehr  wohl  als  ein  ^»Lebenswerk*  tMzeichnen  kann,  und 
die  dazu  noch  einem  Gegenstande  gewidmet  ist,  der  trotz  allem  modernen  Anti-Christia- 
nismus einem  jeden  von  uns  ein  kostbarstes  und  erhabenstes  seelisches  Besitztum  bleibt, 
so  haben  wir  die  Gabe,  die  er  uns  bietet,  zum  mindesten  mit  jenem  Gefühle  der  Ver- 
ehrung entgegenzunehmen,  die  jedes  ideale,  auf  ein  hohes  und  ernstes  Ziel  gerichtete 
künstlerische  Streben  erwecken  muss,  wenn  es  nicht  mit  ganz  unzureichenden  Kräften 
verwirklicht  wird.  Und  dass  davon  bei  einem  Musiker  wie  Draeseke,  der  zum  mindesten 
in  technisch-formaler  Hinsicht  ein  Meister  seiner  Kunst  ist,  keine  Rede  sein  kann,  ver- 
steht sich  von  selbst.  Aber  auch  noch  ein  anderes  dürfte  kaum  zu  bestreiten  sein.  Dass 
man  nimlich  von  dem  Kritiker,  der  ein  solches  Werk  nicht  von  dem  lebendigen  Eindruck 
einer  Aufführung  her  kennt  und  in  seiner  eigentlichen  Wirkungsfihigkeit  erprobt  bat, 
sondern  mit  dem  toten  Studium  der  Noten  —  und  dazu  nur  des  Klavierauszuget,  nicht 
einmal  der  Partitur  —  sich  hat  begnügen  müssen,  dass  man  von  ihm  nicht  etwa  ein 
irgendwie  massgebliches  oder  gar  abschliessendes  Urteil  wird  verlangen  dürfen.  Ich 
beschränke  mich  auf  einen  rein  tatsächlichen  Bericht  über  Art  und  Anlage  des  Werkes, 
dem  ich  nur  einige  ganz  kurze,  den  ersten  persönlichen  Eindruck  widerspiegelnde  sub- 
jektiv kritische  Bemerkungen  t>eifügen  will.  Draeseke  hat  sich  über  seine  Christus- 
Schöpfung  selbst  in  einem  Vorworte  ausgesprochen.  Danach  nennt  er  sein  Werk  nur 
deshalb  ein  »Mysterium*,  weil  es  drei  Oratorien  nebst  einem  Vorspiel  enthält  und  für 
sich  als  Ganzes  eine  eigene  Benennung  erforderte.  Im  Oratorium  erkennt  er  ein 
wesentlich  dramatisches  Kunstwerk.  Oratorien  sind  ihm  Opern  mit  geistlichen  Stoffen. 
Er  glaubte  also  auch  in  seinem  »Christus*  durchaus  des  dramatischen  Stiles  sich  bedienen 
und  alles  Epische  unbedingt  vermeiden  zu  müssen.  Wobei  er  aber  im  entferntesten 
nicht  an  eine  scenische  Aufführung  gedacht  hat.  Eine  solche  würde  sich  nicht  nur  durch 
die  Heiligkeit  des  Gegenstandes,  sondern  auch  technisch-praktisch  durch  die  grosse  Aus- 


205 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


dehnong  nod  Schwierigkeit  vieler  Chorpartieen  verbieten.  Während  der  Komponist  sparsam 
gewesen  ist  in  der  Verwendung  eigentlicher  Leitmotive,  hat  er  sich  sowohl  des  gregoria- 
nischen Chorals  (insbesondere  in  dem  Johannes  den  TXufer  behandelnden  Oratoriumteile) 
als  auch  der  evangelischen  Choralmelodie  (aber  nur  instrumental,  indem  sie  neben  der 
Handlung  begleitend  hergeht,  manchmal  aber  auch  in  grossen  Chören  dominierend  durch- 
kliogt)  in  ausgedehnterer  Weise  bedient.  Auch  hat  er  in  beabsichtigter  Nachfolge  Richard 
Waguers  den  strengen  Abscbluss  der  einzelnen  Abschnitte  vermieden  und,  wie  jener 
jeweils  einen  Aufzug,  so  jeweils  einen  ganzen  Oratorienteil  in  ein  ununterbrochen  fort- 
laufiendes  Ganzes  zusammengefasst,  das  denn  auch  sehr  wohl  selbständig  für  sich  allein 
zur  Aufführung  gelangen  kann.  Als  den  für  die  Wiedergabe  seines  Werkes  passendsten 
Raam  und  Rahmen  bezeichnet  Draeseke  die  Kirche.  Der  Text  ist  fast  ausschliesslich 
der  Heiligen  Schrift  entnommen.  Bei  dessen  Zusammenstellung  hatte  sich  der  Verfasser 
der  wirksamen  Hilfe  des  bibelkundigen  Pastors  Adolf  Schollmeyer  zu  erfreuen.  Das 
Ganze  gliedert  sich  folgendermassen :  1.  Vorspiel.  Die  Geburt  Christi:  Israels  Er- 
wartung des  Messias  (Eingangschor),  Verkündigung  der  Geburt  durch  die  Engel,  Anbetung 
der  Hirten,  Lobgesang  der  Jungfrau,  Huldigung  der  heiligen  drei  Könige,  Darbringung 
Jesu  im  Tempel,  Mahnung  des  Engels  zur  Flucht  nach  Ägypten.  2.  Erstes  Oratorium. 
Christi  Weihe:  a)  Johannes  der  TXufer  in  seiner  Begegnung  mit  dem  Volke,  den 
Pharisiem  und  Jesu,  der  von  ihm  getauft  wird;  b)  der  Sohn  Gottes,  zum  Erlösungszwecke 
in  die  Welt  hinausgesandt,  wird  vom  Satan  versucht,  und  überwindet  ihn.  3.  Zweites 
Oratorium.  Christus  der  Prophet.  Das  Wirken  des  Heilandes  unter  dem  jüdischen 
Volke:  a)  Hochzeit  von  Kana,  Bergpredigt  mit  den  Seligpreisungen,  Heilung  des  Gicht- 
brüchigen, Einladung  an  die  Mühseligen  und  Beladenen;  b)  Vaterunser,  Erzihlung  vom 
bannherzigen  Samariter,  Auferweckung  des  Lazarus,  c)  Scene  im  Hause  Simons»  wo  Jesus 
von  Lazarus'  Schwester  Maria  gesalbt  wird,  Einzug  in  Jerusalem,  Wehklage  über  die  Stadt  und 
Vertreibung  der  KrXmer  und  Wechsler  aus  dem  Tempel.  4.  Drittes  Oratorium.  Tod  und 
Sieg  des  Herrn:  a)  Fusswaschung,  Abendmahl,  Jesu  Rede  und  Anfechtung  in  Gethsemane, 
Verrat  und  Gefangennahme,  b)  Jesus  vor  Kaiphas  und  Pilatus,  Gang  zum  Kreuze, 
Kreuzigung,  Tod  mit  den  ihn  begleitenden  Zeichen,  c)  Chor  der  GrabeswXchter  (Auf- 
erstehung), die  verschiedenen  Kundgebungen  des  Heilandes  vor  Frauen  und  Jüngern, 
Himmelfahrt.  Schlusschor  (Hinweisung  auf  das  zu  erwartende  Weltende).  —  Dem  durch 
die  ganze  Anlage  des  Werkes  bedingten,  namentlich  im  zweiten  Oratorium  empfindlichen 
Mangel  an  weiblichen  Solopartieen  hat  der  Komponist  durch  möglichste  Verwendung 
weiblicher  Stimmen  für  Gesäuge  der  Engel  einigermassen  abzuhelfen  gesucht.  Jesus  — 
Bariton;  Simeon,  Satan,  Kaiphas,  Judas  Iscbarioth  —  Bass;  Johannes  der  TXufer,  Pilatus 
—  Tenor.  Für  die  Chorbesetzung  gibt  Draeseke  als  Minimum  150—200,  als  Maximum 
400  Stimmen  an.  Das  Orchester  verlangt  Streichquartett,  zwei  Harfen,  eine  kleine  und 
zwei  grosse  Flöten,  zwei  Hoboen,  Englisch  Hörn,  zwei  Klarinetten,  zwei  Fagotte,  Kontra- 
figotty  vier  Hörner,  drei  Trompeten,  vier  Posaunen,  ein  Paar  Pauken  und  Tamtam;  dann 
noch  an  einigen  Stellen  zwei  lan^e  Trompeten,  Orgel  und  in  der  Versuch ungsscene 
eine  Kontrabass-Posaune,  sowie  Becken  und  grosse  Trommel.  Soweit  Draeseke  selbst. 
Nun  noch  einige  Worte  über  den  ersten  Gesamteindruck,  die,  wie  gesagt,  nichts  weniger 
als  eine  abschliessende  Beurteilung  darstellen  wollen.  Hohes,  ernstes  Wollen  und  ein 
meisterhaftes  technisches  Können,  das  sind  die  sofort  in  die  Augen  springenden  grossen 
Hauptvorzüge  der  Draesekeschen  Schöpfung.  Dann  kommt  noch  etwas  von  nicht  zu 
unterschitzender  Bedeutung:  grosse  Einheitlichkeit  und  Geschlossenheit  in  der  Gesamt- 
haltung.  Der  Draesekesche  Christus  hat  Stil.  Es  ist  eine  abgerundete,  reife  und  in  sich 
fertife  Persönlichkeit,  die  dahinter  steht.  Und  diese  Persönlichkeit  ist  sympathisch,  ja 
verehmngswürdig.    Demgegenüber  darf  nun  freilich   auch  nicht  verschwiegen  werden, 


206 
DIE  MUSIK  III.  a. 


dass  diesen  Vorzfigen  bedeutende  Mingel  gegenüberstehen,  und  dass  beinahe  zu  be- 
f&rchten  ist,  diese  Mingel  mussten  —  soweit  es  sich  um  die  allgemeine  Schitxung  und 
die  Verbreitung  des  Draesekeschen  Mysteriums  handelt  —  schwerer  in  die  Wagschale 
fallen  als  jene  Vorzfige.  Zunichst  fehlt  es  bei  Draeseke  durchweg  an  der  eigentlichen 
Inspiration.  Wenn  man  von  den  Chören  absieht,  die  sich  überall  durch  meisterhaft 
klangvollen  Satz,  an  einzelnen  Stellen,  wo  sie  wie  im  Eiagangschor,  dem  auf  die  Auf- 
erweckung  des  Lazarus  folgenden  grossen  Tripelchor  und  dem  Schlusschor  breitere 
Dimensionen  annehmen,  durch  imposanten  Aufbau,  und  hier  und  da  —  z.  B.  in  dem 
Engelchor  zu  Anfang  des  a.  Oratoriums:  As- Dur  9/4,  Kl.-A.  S.  20  ff.  —  auch  durch 
poetischen  Stimmungszauber  auszeichnend  hervorheben,  ist  alles  andere  in  der  Wirkung 
fast  ohne  jegliche  Ausnahme  reizlos,  trocken,  nfichtem,  ja  oft  geradezu  öde  und  lang- 
weilig. Nun  ist  es  ja  an  und  für  sich  schon  schlimm,  dass  das  Hauptgewicht  bei  einem 
Werke,  das  —  wie  Draesekes  Mysterium  —  ausgesprochenermasscn  Drama  sein  will, 
gerade  auf  die  Chöre,  d.  h.  diejenigen  Partieen  fillt,  in  denen  der  Komponist  zu  gunsten 
rein  musikalischer  Wirkungen  vom  dramatischen  Stil  mehr  oder  minder  stark  abgewichen 
ist.  Überdies  scheint  es  mir  von  vornherein  ein  Missgriff  gewesen  zu  sein,  dass 
Draeseke  seine  Schöpfung  gerade  als  geistliches  Drama  intentioniert  hat.  Und  zwar 
aus  folgenden  Gründen:  Jene  bekannte  Verurteilung  der  ganzen  Gattung  des 
Oratoriums  durch  Richard  Wagner  ging  —  ganz  allgemein  und  ohne  Einschrinkung 
ausgesprochen  —  vielleicht  wohl  zu  weit  Aber  dass  sie  für  den  Fall,  dass  ein 
Oratorium  Drama  sein  will  —  ohne  es  doch  seinem  Wesen  nach  ganz  und  voll- 
kommen sein  zu  können  --  durchaus  berechtigt  ist,  leidet  keinen  Zweifel.  Sodann 
haben  gerade  wohl  seine  pseudodramatischen  Velleititen  Draeseke  zu  jenem  »Durch- 
komponieren* verleitet,  das  ihm  gerade  so  zum  Verhingnis  geworden  ist,  wie  so 
manchem  Opern  komponierenden  Wagner-Epigonen.  In  der  Tat  kann  ich  mir  nicht  vor- 
stellen, wie  man  diese  zum  Teil  recht  ausgedehnten  Oratorien-Abschnitte,  die  auf  weite 
Strecken  in  einem  zwar  sehr  korrekt  deklamierten,  aber  leblos  starren,  einer  wahrhaft 
von  innen  heraus  beseelten  Accentuierung  entbehrenden  Rezitativ  und  dazu  noch  meist 
in  langsamem  Tempo  sich  endlos  dahin  schleppen,  über  sich  ergehen  lassen  kann,  ohne 
sich  tödlich  zu  langweilen.  Einzig  in  England,  wo  man  das  Anhören  geistlicher  Musik 
nicht  sowohl  als  künstlerischen  Genuss,  denn  als  einen  Akt  religiöser  Askese  ansieht, 
scheint  mir  das  möglich  zu  sein.  Alles  in  allem :  dass  Draesekes  »Christus*  ein  in  vieler 
Hinsicht  imponierendes  Werk  ist,  das  einem  Respekt  und  ehrfurchtsvolle  Hochachtung 
abnötigt,  ist  gewiss.  At>er  es  lisst  kalt  und  spricht  weder  zu  unseren  Sinnen  noch  zu 
unserem  Herzen  die  machtvoll  überredende  Sprache  des  Genies.  Es  wird  viel  gelobt, 
aber,  wie  ich  fürchte,  sehr  wenig  aufgeführt  werden.  Dr.  Rudolf  Louis. 

30.  Norbert  Salter:  Orchesterstudien  für  Violoncello.  2.  Binde.  Verlag:  Stein- 
griber,  Leipzig. 
Für  angehende  und  auch  für  bereits  im  Amte  titige  Orchesterspieler  sind  die 
Orchesterstudien  von  Salter  ein  Bedürfnis.  Sie  enthalten  grosses  Material.  Ausser  dem 
klassischen  Konzertprogramm  auch  Stellen  aus  Werken  von  Berlioz,  ferner  aus  38 
Repertoire-Opern.  Die  Fingersitze  und  Bogenstriche  sind  sorgfiltig  bezeichnet.  Dass 
Brahma,  Wagner,  Richard  Strauss  etc.  nicht  in  die  Sammlung  auf|genommen  werden 
konnten,  ist  sehr  bedauerlich,  da  die  moderne  Technik  noch  ganz  andere  Ansprüche  an 
den  Spieler  stellt.  Die  fleissige  Arbeit  Salters  hilft  ihnen  aber  schon  über  viele 
Klippen  hinweg.  Hugo  Schlemfiller. 


DEUTSCHES  VOLKSBLATT  (Wien)  1903,  2.  9.  —  H.  A.  S.  berichtet  über  „Beethoven 
und  seine  Ärzte**  Neues  auf  Grund  von  Material  des  Wiener  Stadtarchivs.  Ver- 
öffentlicht wird  eine  Honorarforderung  des  Arztes  Johann  Seibert,  der  neben 
Wawruch  und  Malfatti  Beethoven  während  seiner  letzten  Krankheit  behandelte. 
Er  fordert  195  fl.  R.  M.  für  „vier  chirurgische  Operationen,  90  Krankenvisiten  und 
mehrere  ärztliche  Beratungen  während  des  Zeitraums  vom  21.  Dezember  1826  bis 
26.  März  1827.''  Wawruch  fordert  „für  geleistete  Beratschlagungen  und  Operations- 
beiwohnungen* 270  fl.,  ein  Dr.  med.  Johann  Wagner,  der  den  Leichnam  Beethovens 
obduzierte,  will  „hierfür  den  Betrag  von  20.  fl.  ins  Verdienen  gebracht*  haben. 

WISS.  BEILAGE  ZUR  GERMANIA  (Berlin)  1903,  No.  36.  —  „Zur  Geschichte 
des  deutschen  Kirchengesanges*  liefert  Hermann  Müller  einen  Beitrag,  indem 
er  die  erste  allgemeine  Verordnung  veröffentlicht,  durch  welche  der  letzte  Kurfürst 
von  Köln  Maximilian  Franz  (1784—1801)  den  deutschen  Kirchengesang  beim  Hoch- 
amte in  seiner  Diözese  einführte.  Der  Erlass  trägt  das  Datum:  Bonn,  29.  Juli  1793 
und  es  heisst  darin  u.  a.:  „Es  ist  eine  auffallende  Wahrheit,  dass  es  zur  Erbauung, 
Belehrung  und  Besserung  des  Betenden  weit  mehr  beiträgt,  wenn  er  in  einer 
ihm  bekannten  Sprache,  als  wenn  er  in  einer  fremden,  ihm  unverständlichen, 
weiters  nicht  einmal  richtig  ausgesprochenen  Sprache  betet.* 

L'BTOILE  BELGE  bringt  wertvolle  Mitteilungen  über  die  Vorgeschichte  der  Familie 
Beethovens.  Beethovens  Urahne  war  der  Schneider  Heinrich  Adelhard  van  Beethoven, 
der  seit  1713  das  zur  „Sphaera  mundi*  genannte  Haus  in  Antwerpen  besass.  Dieses 
Haus  wurde  im  Jahre  1753  infolge  des  Konkurses  seines  Besitzers  herrenlos  und 
1754  gerichtlich  versteigert.  Adelhards  Kinder,  zwölf  an  der  Zahl,  vertrugen  sich 
schlecht  untereinander  und  einer  von  den  Söhnen  namens  Ludwig  wanderte  im 
Jahre  1761  nach  Bonn  aus,  wo  er  kurfürstlicher  Kapellmeister  wurde.  Er  war  der 
Grossvater  Beethovens. 

FREISTATT  (München)  1903,  No.  37.  —  „Herman  Zumpe  f*  von  Felix  Adler. 
Der  Nekrolog  feiert  Zumpe  als  „keinen  Sieger,  aber  dennoch  einen  Helden,  der 
buchstäblich  sein  Herzblut  für  das,  was  ihm  heilig  war,  hergegeben  hat,*  und  sagt 
u.a.:  „Seine  bedingungslose  Hingabe  an  die  gute  Sache,  der  er  bis  ans  Ende  mit 
einem  glühenden  Enthusiasmus  diente,  sein  strenges  Pflichtbewusstsein,  das  mit 
der  Kraft  des  nimmer  ruhenden  glaubensstarken  Fanatismus  keine  Lässigkeit, 
keine  Erschlaffung  duldete,  das  waren  die  Eigenschaften,  die  ihm  die  unbedingte 
Hochachtung  aller  erzwingen  musste.* 

ALLGEMEINE  MUSIK-ZEITUNG  1903,  No.  37.  -  In  dem  Heft  beginnnt  ein  Artikel 
»Kunst  und  Geschäft*  von  Hugo  Conrat,  der  sich  zunächst  mit  dem  Verhältnis 
Schuberts  zu  seinen  Verlegern  befasst.  Peters  machte  tausend  Schwierigkeiten; 
Probst  bemängelt  den  „mitunter  etwas  seltsamen  Gang  seiner  Geistesschöpfungen*. 
—  Otto  Lessmann  schliesst  seinen  Nekrolog  Herman  Zumpe  mit  den  Worten: 
»Fortleben  wird  die  dankbare  Erinnerung  an  das,  was  er  seiner  Ktinst  zu  Preis  in 
^inem  arbeitsreichen  Leben  gewirkt  hat.*  —  „Kein  Loblied*  nennt  Franz  Dubitzky 


208 

DIE  MUSIK  III.  a. 


seinen  Aufsatz  „Muster- Programme  und  Muster  -  Aufführungen  unserer  Militir- 
kapellen*',  der  ebenso  scharfe  wie  wahre  und  berechtigte  Klagen  enthilt  und  in 
der  Forderung  nach  jährlicher  Verteilung  des  Repertoires  an  die  einzelnen  Kapellen 
und  nach  Einsetzung  einer  staatlichen  »Kunstkommission*  ^  die  Repertoire  und 
Programme  alljährlich  zu  prüfen  bitte  —  gipfelt. 

BRESLAUER  ZEITUNG  ]g03,  No.  634.  —  Hier  handelt  Adolf  Oppenheim  über 
»Frau  Cosima  Wagner  als  Regisseurin''  und  stellt  deren  Verdienste  um  die  Bay- 
reuther Festspiele,  namentlich  um  die  Parsifal- Aufführungen  im  Jahre  1883,  ins 
rechte  Licht.  Aus  dem  Aufsatz  geht  hervor,  dass  Frau  Wagner  die  Intentionen 
ihres  Gatten  verstindnisvoll  und  bei  aller  Ruhe  mit  eiserner  Beharrlichkeit 
durchführte. 

HAMBURGER  FREMDENBLATT  1903,  30.8.  -  Albert  Königs  Artikel  »Fürsten 
als  Künstler*  gibt  eine  Obersicht  über  die  künstlerische  Betitigung  gekrönter 
HXupter,  angefangen  von  den  römischen  Kaisern.  Interessant  Ist  namentlich,  was 
über  das  Lautenspiel  Friedrichs  des  Schönen  gesagt  wird.  Heinrich  V.  von  England 
sang  Couplets,  Karl  VI.  von  Österreich  war  ein  guter  Opemkomponist  und  war 
stolz  darauf,  dass  er  Jeden  Augenblick  Kapellmeister  werden  könnte*.  Auch  unter 
den  jetzt  lebenden  Potentaten  befinden  sich  viele  Musiker,  selbst  ein  trefflicher 
Pfeifer:  der  König  Karl  I.  von  Portugal. 

MUSICAL  RECORD  AND  REVIEW  (Boston)  1903,  No.500.  -  Aus  dem  reichen 
Inhalt  dieses  Heftes  seien  die  folgenden  Aufsitze  hervorgehoben:  John  Towers 
Artikel  »Singing  soldiers**,  der  auf  General  Corbins  Vorschlag  zurückgeht,  man 
solle  im  Heer  den  Gesang  pflegen,  da  dadurch  die  Disziplin  verbessert  werde; 
W.  J.  Baltzells  Studie  »The  young  woman  in  music  —  her  opportun ities";  die 
sehr  hübsche  Notiz  »Where  do  old  planes  go?*,  die  Abhandlung  »Artistlc  Per- 
formance* von  Frances  J.  Robinson  und  Percy  Goetschius'  Aufsatz  über  die 
Kadenzen  (»Lessons  in  music  form*). 

HOCHLAND  1903,  No.  1.  —  »Musik  und  Drama*  ist  der  Titel  einer  lingcren  geist- 
vollen Arbeit  von  Karl  Store k.  Der  Verfasser  scheidet  zunächst  die  Begriffe  Oper 
und  Musikdrama  von  einander:  bei  der  ersteren  hat  die  Musik  die  Prioritit  und 
das  Drama  tritt  hinzu;  beim  Musikdrama  tritt  zum  Drama  die  Musik.  Der  weitere 
Gang  seiner  Darlegung  führt  zu  der  Notwendigkeit,  an  die  Stelle  der  Wagnerschen 
Gegenüberstellung  »Oper  und  Drama*  den  Gegensatz  »Musik  und  Drama*  zu 
setzen.  Storck  stellt  fest,  dass  Wagners  Wort,  Musik  und  Poesie  seien  wie  Mann 
und  Weib,  nicht  zutreffe;  jede  dieser  beiden  Welten  ist  für  sich  ausreichend  und 
nur  dort,  wo  sie  sich  berühren,  bedeutet  ihre  Vereinigung  an  sich  eine  Steigerung. 
Der  Aufsatz,  der  eine  sehr  schöne  knappe  Übersicht  über  die  Entstehung  und 
Entwicklung  der  Oper  bei  den  verschiedenen  Nationen  enthilt,  liuft  In  eine  Spitze 
gegen  die  Ästhetik  Wagners  und  der  Wagnerianer  aus.  Da  schon  die  nationalen 
Vorbedingungen  eine  verschiedene  Entwicklung  hervorrufen,  führt  die  Entwicklung 
naturgemiss  nach  verschiedenen  Gipfeln  und  der  Glaube  an  Begriffe  wie  »Das 
Allkunstwerk*  und  gar  »Das  Kunstwerk  der  Zukunft*  führen  zur  Einseitigkeit  und 
bedeuten  ein  »Festlegen  auf  einen  Punkt*. 

TAGESFRAGEN  (Kissingen)  1903,  No.  9.  —  Aus  dem  Inhalt  verdienen  hervor- 
gehoben zu  werden:  Kistlers  Auf^tz  »Kritik  und  Künstlerruhm*  und  die  zur 
Diskussion  anregende  Studie  »Die  Wirkung  des  musikalischen  Tones  und  musi- 
kalischer Werke*. 


209 
REVUE^DER  REVUEEN 


NEUE  MUSIKALISCHE  PRESSE  (Leipzig)  1903,  No.  18.  —  Der  knappe  Artikel 
»Die  Entstehung  der  Kammermusik  von  Heinrich  Pudor  gibt  eine  schöne  Dar- 
stellung des  Entwicklungsganges  von  Gabrieli's  Sonaten  über  J.  H.  Scheins  Suiten 
und  Corelli's  Violinsonaten  zu  Scarlatti,  Kuhnau,  Bach  und  Haydn.  —  Arthur  Seidl 
bespricht  ausführlich  „Die  Münchner  Wagner-Aufführungen*;  Arthur  Smolian 
widmet  (Herman  Zumpe  f)  Zumpe  einen  warmen  Nekrolog. 

BLÄTTER  FÜR  HAUS-  UND  KIRCHENMUSIK  (Langensalza)  1904,  No.  1. - 
Auch  hier  ein  Zumpe-Nachruf  (Herman  Zumpe  f)  von  Hermann  Teibler.    »Er 
aber  errang  einen  grossen  Sieg  und  gewann  sanft  den  Schlaf,  der  alles  Strebens 
Ende  bedeutet.    Den  Besten  seiner  Zeit  hat  er  genug  getan.    Er  war  ein  ganzer 
Mann  und  ein   ganzer  Künstler.     Er  gehörte  zu   den   wenigen,  die   in   der   Er- 
innerung nicht  nur  Trauer,  sondern   auch  Erhebung  wachrufen.*     Der  Aufisatz 
»Goethe  und   Mozart**  von   Wilibald   Nagel    enthilt   im   Anschluss  an  die   Er- 
wähnung von  Goethes  Theaterleitung  in  Weimar  einen  wertvollen  Exkurs   über 
die  gleichzeitige  Entwicklung  der  Musik;  in  Nord-  und   in  Süddeutschland.    Ein 
Prachtstück    ist    Nagels    Besprechung    von    Mozarts    »Veilchen*,  die    zeigt,    wie 
Mozart  ebenso  sorglos  und  arglos  das  Gedicht  komponierte,  wie  er  andererseits 
unbewusst  das   Lied   mit  warmem   dramatischen  Leben  erfüllt  hat.    Goethe  war 
ein   Gegner  »durchkomponierter  Lieder*;   1801    sagt  er  in   den  »Annalen*,  das 
»Studieren   des  eigentlichen  Ausdrucks*   bestehe   darin,   »dass   der  Singer  nach 
einer  Melodie    die    verschiedenste    Bedeutung    der  einzelnen   Strophen  hervor- 
zuheben und  so  die  Pflicht  des  Lyrikers  und  Epikers  zugleich  zu  erfüllen  weiss*. 
Und  so  hat  denn  Nagel  gewiss  recht,  wenn  er  schreibt:  »Goethe  hat  in  Mozart 
in  erster  Linie  den  Dramatiker  der  Musik  kennen  gelernt,  d.  h.  Mozart  als  Schöpfer 
des  ,Don  Juan^  der  ,Zauberflöte<  hat  sich  ihm  innerlich  erschlossen  und   ist  für 
seine  Anschauungen   massgebend   geworden.*   —   »Ketzer-Betrachtungen*    nennt 
Arthur  Seidl  seinen  auf  die  Enthüllung  des  Berliner  Wagner-Denkmals  sich  be- 
ziehenden   »Monumentum    aere    perennius*    überschriebenen   Aufsatz,   der   nach 
einer  Zusammenstellung  denkwürdiger  Stellen  aus  Wagners  Briefen  als  wichtigsten 
Schluss  daraus   den  Gedanken   zieht,   »dass   das  einzig  richtige,  allein  ^adiquate* 
und  wahrhaft  nationale  Wagner-Denkmal  unserer  Zeit  eben  vor  allem  darin  bitte 
bestehen   müssen,  dass   das  deutsche  Volk  in   seiner  Gesamtheit  einhellig  den 
Manen  des  geschiedenen  Meisters  ein  massiv  und  künstlerisch  ausgeführtes 
Monumentalgebiude,  an  Stelle  des  bisherigen  ,Not-  und  FachwerkbauesS  auf 
dem  Bayreuther  Hügel  als  dauergründiges  ,Wagner-Theater'  und  nationales  ,Fest- 
splelhaos*  nunmehr  errichtet  haben  würde.*     Als  weitere  Schlüsse  zieht  Seidl 
aus  den  Äusserungen   Wagners  die   Notwendigkeit  der  Begründung  jener   von 
Wagner  geforderten  »Stilbildungs-  oder  musikdramatischen  Gesangsschule*,  ferner 
»die    Bewahrung   des    Parsifal-Mysteriums,    als  Ausnahmeerscheinung    wie    un- 
anterbrochen   auf  alle  Zeiten,   allein   für  das  Bayreuther  Festspielhaus;  zu  all- 
jihrllcher  National-Gedenkfeier  künstierischen  Hochsinnes,  bei  der  den  Manen 
des  SchöpfSers  selbst  wie  allen  guten  Geistern   unseres  Volkes  in  isthetischer 
Kultur  firendvoU-dankbar  geopfert  würde*  —  endlich  die  Ausgestaltung  des  »Fest- 
spiel-Stipendienfonds* zu  voller  Leistungsfihigkeit.    »Dann,  und   auch   nur  dann 
erat,  stünde  das  unser  einzig  würdige  National-Denkmal  auf  R.  Wagner  vollendet, 
hitte  und  besisse  der  unermesslich  grosse  Meister  das  seiner  Bedeutung  und 
seinem  Idealwerte   für  uns  allein  angemessene  Monumentum  aere  perennius  .  • . 
nimllch  im  Herzen  und  Bewusstsein  seines  liebenden  Volkes  selber  . .  •* 

HL  a.  14 


NEUE  OPERN 

Alfred  Schattmann:  »Die  Freier*,  ein  einaktiges  musikalisches  Lustspiel 
(Text  nach  dem  FrQhlingsspiel  »Im  Stöckelschuh"  von  Gustav  Klitscher  vom 
Komponisten  bearbeitet)  wird  am  Stuttgarter  Hoftheater  zum  erstenmal  auf- 
geführt werden. 

Fr.  Schuchhardt:  »Die  Bergmannsbraut"  wurde  vom  Hoftheater  in  Koburg 
zur  UrauffQhrung  angenommen. 

AUS  DEM  OPERNREPERTOIRE 

Braunschweig:  Das  Hoftheater  bereitet  für  die  nichste  Zeit  vor:  »Trisun  und 
Isolde*  von  Wagner,  »Der  Maskenball**  von  Verdi  und  »Benvenuto  Cellini* 
von  H.  Berlioz. 

Brüssel:  Das  Monnaletheater  hat  bis  jetzt  folgende  Opern  zur  AuffGhrung  ge- 
bracht: Lohengrin,  Prophet,  Stumme,  Rigoletto,  Barbier,  Manon,  Aida,  Re- 
gimentstochter, Noce  de  Jeanette.  Unter  den  neuengagierten  Künstlern  sind 
vor  allem  zu  nennen  der  Spieltenor  Delmar  und  Mme.  Brdjean-Silver  (Sopran). 

München:  Die  Festspielsaison  1004  umfasst  im  ersten  Teil  zehn  Fest- 
auffQhningen  Mozartscher  Werke  (Figaros  Hochzeit,  Entführung  aus  dem 
Serail,  Don  Giovanni,  Cosi  hn  tutte,  Zauberflöte)  im  Residenztheater  und 
Hoftheater  vom  1.  bis  11.  August  Der  zweite  Teil  besteht  aus  zwanzig  Fest- 
auffQhrungen  Wagner  scher  Werke  im  Prinzregenten-Theater:  Tristan  und 
Isolde  (zweimal).  Die  Meistersinger  (zweimal),  Der  Fliegende  Hollinder 
(zweimal).  Der  Ring  des  Nibelungen  (dreimal).  Die  Spielzeit  ist  vom 
12.  August  bis  10.  September. 

Schwerin:  Als  Opem-Novititen  sind  in  Aussicht  genommen:  »Der  Dusle  und 
das  Babeli*  von  Karl  von  Kaskel,  »Die  Glocken  von  Comeville**  von  Plan- 
quette,  »Die  Nonne  von  Ghirceni*  komische  Oper  von  Konrad  Schröder, 
»Die  Tante  schüft*  Operette  von  Henri  Casper.  Neueinstudierungen: 
Stumme  von  Portici,  Vampyr,  Wassertriger,  Rienzi,  Rigoletto,  Joseph  und 
seine  Brüder,  Barbier  von  Bagdad,  Jüdin,  Maskenball  (Verdi). 

KONZERTE 

Berlin:  Der  Pftmnschmidtsche  Chor  (Dirigent:  Heinrich  Pfannschmidt)  in 
Pankow  führt  am  Busstag  in  der  Gamisonkirche  das  Deutsche  Requiem 
von  Brahms  und  die  Bacbsche  Kantate  »Wer  weiss,  wie  nahe  mir  mein 
Ende**  auf. 

Bielefeld:  In  den  Konzerten  des  Stidtischen  Orchesters  unter  Traugott  Ochs 
kommen  in  der  Saison  1003/04  folgende  Novititen  zur  Aufführung:  Wilb. 
Berger  (Symphonie  B-dur),  Brahms  (Symphonie  F-dur;  Variationen  über  den 
Choral  St  Antoni),  Berlioz  (Benvenuto  Cellini;  König  Lear;  Harold  in  Italien), 
Borodin  (h-moll-Symphonie),  DvoHk  (E-dur-Serenade),  Gluck  (Alceste,  mit 
Schluss  von  Weingartner),  Guiraud  (Danse  Persane),  Kaun  (d-moU-Sym- 
phonie),  Kistler  (Bearbeitung  der  j^Schlacht  von  Vittoria*),  LAngenbeck  (An 


211 
UMSCHAU 


der  Schicksalswende),  Liszt  (13.  Rhapsodie,  bearbeitet  von  Hutschen- 
ruyter;  Bergsymphonie),  Noetzel  (Symphonie),  Rufer  (Rubens  -  Ouver- 
türe), Saint-SaSns  (PhaSton),  Schillings  (Vorspiele  zu  Ingwelde  und 
Pfeifertag;  »Hexenlied*,  mit  Ernst  von  Possart),  Suk  (E-dur-Symphonie), 
AI.  Ritter  (0er  faule  Hans),  Thomas  (Ouvertüre  »Une  nuit  d'6t6").  Volkmann 
(Ouvertüre  Richard  111.),  Wagner  (Karfreitagszauber;  Isoldens  Liebestod; 
Siegfrieds  Rheinfahrt;  Tannhäuser- Bacchanale),  Weingartner  (Bearbeitung 
der  »Aufforderung  zum  Tanz"  von  C.  M.  von  Weber),  Hugo  Wolf  (Penthesilea), 
Otto  Wolf  (Suite;  Symphonia  appassionata). 

Braunschweig:  An  wichtigen  Konzerten  sind  angekündigt:  vier  der  Hofkapelle, 
fünf  Abende  des  Vereins  für  Kammermusik,  sowie  acht  populäre  Konzerte 
des  Direktors  Wegmann,  der  wiederum  erstklassige  Kräfte,  z.  B.  Lula 
Gmeiner,  Minette  Wegmann,  Dr.  L.  Wüllner,  Emil  Sauer,  das  Böhmische- 
und  Waldemar  Meyer- Streichquartett  u.  a.  gewonnen  hat.  Am  25.  Oktober 
waren  es  50  Jahre,  dass  H.  Berlioz  mit  der  Hofkapelle  ein  Konzert  gab  und 
aus  Dankbarkeit  für  die  vorzügliche  Wiedergabe  seiner  Werke,  wie  der 
freundlichen  Aufnahme  seitens  des  hiesigen  Publikums  den  bedeutenden 
vollen  Ertrag  als  Grundstock  einer  Witwen-  und  Waisenkasse  für  die  Hof- 
kapelle bestimmte.  Letztere  wird  z.  T.  dieselben  Werke  wie  damals, 
u.  a.  die  «Symphonie  fantastique*  aufführen.  Der  Chorgesang-Verein  be- 
reitet unter  Hofmusikdirektor  Clarus  «J^^Ias  Makkabäus**  von  Händel  und 
die  grosse  Messe  (h-moll)  von  Bach  vor. 

Breslau:  In  den  vier  Kammermusik-Vereinigungen  des  Konservatoriums  werden 
zur  Aufführung  gelangen:  Klaviertrios  von:  Heubner,  Arensky,  Scharwenka, 
Sinding;  ferner  Rheinberger  (Klavierquartett),  Thuille  (Cello-Sonate),  Gold- 
mark (Violinsuite),  Saint-Saens  (Klavierquartett).  Die  Vereinigung  besteht 
aus  den  Herren:  Ludwig  Forste!,  Willy  Pieper,  Dr.  Felix  Rosenthal  und 
W.  Trappmann.  —  Der  Bohnsche  Gesangverein  veranstaltet  vier 
historische  Konzerte.  I.  Die  romantische  Oper  in  Deutschland  (E.  T. 
A.  Hoffknann,  C.  M.  von  Weber,  Marschner,  Spohr,  Reissiger,  Lindpaintner, 
Kreutzer).  II.  Weihnachtsgesänge  (16.  bis  19.  Jahrhundert).  III.  und  IV.  Die 
Zigeuner  in  der  Musik. 

Dortmund :  Der  Musikverein  veranstaltet  unter  Janssens  Leitung  fünf  grosse 
Konzerte,  in  denen  u.  a.  folgende  Chorwerke  zur  Aufführung  gelangen:  Bach 
(Matthäus-Passion),  Berlioz  (Fausts  Verdammung),  W.  Berger  (Der  Totentanz), 
Bruch  (Gruss  an  die  heilige  Nacht),  Doret  (Die  sieben  Worte  des  Erlösers, 
erste  Aufführung  in  Deutschland).  Neben  Symphonieen  von  Beethoven  und 
Brahms  ist  die  Instrumentalmusik  vertreten  durch  d'Alberts  Cello-Konzert, 
Solist  Hugo  Becker.  Ausserdem  sind  zur  Mitwirkung  gewonnen :  das  hiesige 
philh.  Orchester,  das  Böhmische  Streichquartett,  die  Damen:  Stephanie 
Becker,  Luise  Hövelmann  und  Sophie  Hiller,  Marie  Rost  und  Luise  Geller- 
Wolter,  die  Herren:  v.  Fossard,  Prof.  Messchaert  und  A.  Sistermans,  G.  A. 
Walter  und  Fr6d6ric  Lamond.  —  In  den  jährlich  von  Kapellmeister  Hüttner 
veranstalteten  Solisten-Konzerten  des  philharm.  Orchesters  sind  in 
Aussicht  genommen:  Instrumentalwerke  von:  J.  S.  Bach,  Mozart,  Beethoven, 
Liszt,  Wagner,  Tschaikowsky,  Rieh.  Strauss  (Tod  und  Verklärung) ;  femer  das  Vor- 
spiel zu  »König  Ödipus**  und  zu  »Ingwelde**  und  das  »Hexenlied**  von  Max 
Schillings.  Letzterer  wird  seineWerke  persönlich  dirigieren  und  die  Rezitation  zum 
„Hexenlied"  liegt  in  den  Händen  von  Ernst  v.  Possart.    Als  Solisten  wirken 

14* 


212 
DIE  MUSIK  III.  3. 


in  den  Konzerten  mit:  Waldemar  Lutschg  (Es-dur-Konzert  von  Beethoven), 
Willi  Eickemeyer  (A-dur-Konzert  von  Liszt),  Dr.  Felix  Kraus,  Mary  Munch- 
hoff  und  Frau  Cahnbley- Hinken.  —  Direktor  Holtschneider  veranstaltet 
wiederum  drei  grosse  Orgelkonzerte  und  bringt  durch  das  Konservatorium 
»Der  Rose  Pilgerfahrt*  und  den  »Elias*  zur  Wiedergabe.  Des  weiteren  findet 
in  Anlehnung  an  das  Konservatorium  ein  Weingartner-Konzert  (Dirigent 
Felix  Weingartner)  und  ein  Rieh.  Strauss-Abend  statt.  In  jenem  kommt  des 
Dirigenten  d-moll-Streichquartett  zu  Gehör,  in  diesem  Strauss'  Sonate  für 
Violine  und  Klavier,  op.  18,  mit  dem  Komponisten  am  Klavier,  und  eine 
Anzahl  seiner  Lieder,  gesungen  von  Pauline  Strauss-de  Ahna.  —  In  den  von 
der  Konzertagentur  der  Köppenschen  Buchhandlung  (Hans  Homung)  ver- 
anstalteten Kunstler-Konzerten  sind  für  diesen  Winter  verpflichtet 
worden:  Mary  MQnchhoff,  Ernestine  Schumann -Heink,  Ettore  Gandolfi, 
Anna  Haasters-Zinkeisen,  Josephine^  Hartmann,  Otto  Voss,  Jos.  Hofmann 
und  Marie  Soldat-Roeger. 

Dresden:  In  den  Konzerten  der  Gewerbehauskapelle  unter  Willy  Olsen 
sollen  u.  a.  aufgeführt  werden  Symphonieen  von :  Beethoven  (erste  bis  achte), 
Brahms  (vierte),  Tschaikowsky  (fünfte).  Raff  (Im  Walde),  Mendelssohn  (dritte), 
Schumann  (vierte),  ferner  von  Haydn,  Mozart  und  Schubert.  Symphonische 
Dichtungen  von:  Smetaoa,  Svendsen  (Romeo  und  Julia),  Liszt  (Ideale), 
R.  Strauss  (Tod  und  Verklirung),  Geisler  (Rattenfinger  von  Hameln);  Suiten 
von:  Grieg  (Holbergsuite),  Bizet  (L'Arlösienne).  Ouvertüren  von:  Schumann 
(Genoveva),  Berlioz  (Camaval  Romain),  Kempter  (Gott  Pan),  Cherubini 
(Anakreon),  Saint-SaSns  (Die  Sintflut). 

Essen:  Hier  hat  sich  eine  Musikalische  Gesellschaft  gebildet,  die  es  sich  zur 
Aufgabe  stellt,  im  Theater  und  Konzert  Aufführungen  zu  veranstalten,  wie 
sie  in  dem  üblichen  Rahmen  meist  nicht  zu  erzielen  sind.  Der  Haupt- 
zweck ist  vor  allem  die  Förderung  der  modernen  Tonkunst  (die  Komponisten 
führen  ihre  Werke  selber  vor)  und  die  Interpretation  von  Schöpfungen  älterer 
Meister  durch  bedeutende  Dirigenten.  Erster  Grundsatz  ist  die  Verwirklichung 
der  Forderung  nach  Einheitlichkeit  des  Programms.  Demgemiss 
werden  an  einem  Abend  nur  Quartette  modemer  russischen  Meister  auf- 
geführt, ein  weiteres  Konzert  bringt  ausschliesslich  Beethovensche  Sonaten 
und  ein  drittes  ist  Kompositionen  von  Hans  Pfitzner  gewidmet  Das 
Pfitznerkonzert  wird  im  Stadttheater  gegeben,  und  zwar  bei  verdunkeltem 
Zuhörerraum  und  unsichtbarem,  auf  der  Bühne  aufgestelltem  Orchester. 
Für  die  russischen  Quartette  ist  das  Quartett  Kamensky  und  Genossen  aus 
Petersburg  gewonnen,  für  den  Beethoven-Abend  Eugen  d' Albert,  für  das 
Pfitzner-Konzert  das  auf  60  Musiker  verstärkte  Städtische  Orchester,  sowie 
Hermann  Gausche,  Konzertsänger  aus  Kreuznach.  Hans  Pfitzner  hat  die 
Leitung  des  Konzertes  selbst  übemommen.  Als  Berliozfieier  wird  eine 
scenische  Aufführung  von  Fausts  Verdammnis  vorbereitet,  für  die  sowohl 
In  musikalischer  Hinsicht  wie  In  bezug  auf  eine  aus  dem  Geist  der  Musik 
heraus  schaffende  Regie  ganz  besondere  Anstrengungen  gemacht  werden. 

Frankfurt  a.  M.:  Die  Herren  J.  Wolf  (Klavier),  Konzertmeister  Post  (Violine), 
H.  Schmidt  (Viola)  und  H.  Schlemüller  (Violoncello)  veranstalten  im  Winter 
sechs  populäre  Kammermusik-Matineen  im  Saal  des  Hochschen  Konser- 
vatoriums. 


213 
UMSCHAU 


Hamburg:  In  den  zehn  philharmonischen  Konzerten  unter  Leitung  von 
Professor  Rieh.  Barth  kommen  in  dieser  Wintersaison  u.a.  zur  Auffuhrung: 
Beethoven  (II.  Symphonie;  Pastoral-Symphonie),  Brahms  (Rhapsodie  für  Alt- 
stimme und  Minnerchor;  Klavierkonzert  d-moll ;  Symphonie  e-moll;  Akadem. 
Festouvertüre),  Brückner  (IX.  Symphonie  mit  Te  Deum  für  Soli,  Chor  und 
Orchester),  Dvoi^k  (Symphonie  G-dur),  Haydn  (Violoncell-Konzert;  Sym- 
phonie C-dur),  Joachim  (Ouvertiire  zu  einem  Gozzischen  Lustspiel),  Locatelli 
(Violoncell-Sonate),  Loewe  (Archibald  Douglas),  Mozart  (Grosse  Messe  in 
c-moll;  Ouvertüre  zu  „Die  Entfuhrung^Oi  Mendelssohn-Bartholdy  (Scherzo  aus 
dem  „Sommernachtstraum''),  Smetana  (Wallensteins  Lager,  symph.  Dichtung), 
Rieh.  Strauss  (Symphonie  f-moll),  Tschaikowsky  (»Der  Sturm'S  Phantasie  f&r 
Orchester),  E.Wolf-Ferrari  („Das  neue  Leben^,  für  Soli,  Chor  und  Orchester), 
Schillings  („Das  Hexenlied'').  Solisten:  Emestine  Schumann-Heink,  Elsa 
Ruegger,  Artur  Schnabel,  Joseph  Joachim,  Dr.  Ludwig  Wüllner. 

Heidelberg:  Die  der  Leitung  von  Prof.  Dr.  Wolfrum  unterstehenden  Bach- 
verein-Konzerte  werden  u.  a.  zur  Auffuhrung  bringen:  J.  S.  Bach  (h-moll 
Messe),  Charpentier  („La  vie  du  podte'S  unter  Leitung  des  Komponisten), 
Mahler  (dritte  Symphonie,  unter  Leitung  des  Komponisten),  ferner  Werke 
von:  Beethoven,  Brahms,  Schubert,  Wagner  und  H.  Wolf.  —  In  den 
populären  Symphonie-Konzerten  unter  Leitung  des  Musikdirektors 
Paul  Rad  ig  werden  auftreten:  Alfred  Krasselt,  Elly  Bern,  Elsa  Ruegger. 

Kiel:  Im  kommenden  Winter  werden  drei  Abonnementskonzerte  unter  Leitung  von 
Hans  Sonderburg  gegeben  werden.  Die  Programme  bringen  sieben  Werke, 
die  ihre  Erstaufführung  in  Kiel  erleben,  darunter  Bizet  (Suite  Jeux  d'enfants), 
Spohr  (Nonett  F-dur),  Max  Schillings  (»Das  Hexenlied'')  und  Tschaikowsky 
(Orchesterphantasie  „Der  Sturm"). 

Leipzig:  Der  Riedel -Verein  (Dirigent  Dr.  Georg  Göhler)  veranstaltet  in  der 
kommenden  Konzertzeit  fünf  Aufführungen.  Zum  Gedächtnis  an  den 
100.  Geburtstag  Hektor  Berlioz'  kommt  sein  Requiem  nach  der  Original- 
partitur zur  Auffuhrung.  Einem  a  cappella-Konzert  folgt  Bachs  Hohe  Messe. 
Im  Mai  1004  begeht  der  Verein  durch  die  Auffuhrung  von  Händeis  Messias 
und  Liszts  Christus  die  Feier  seines  50jährigen  Jubiläums.  Ausserdem  ist 
er  eingeladen,  zu  Pfingsten  in  zwei  grossen  Chorkonzerten  mit  Orchester  zu 
Reichenberg  in  Böhmen  mitzuwirken. 

London:  Die  unter  der  Leitung  von  Prof.  Johann  Kruse  stehenden  Populären 
Konzerte  in  St.  James'  Hall  veröffentlichen  ihr  Programm.  Es  handelt 
sich  hierbei  ausschliesslich  um  Kammer-  und  Vokalmusik.  Neben  Werken 
von:  Bach,  Beethoven,  Bottesini,  Boccherini,  Brahms,  Chopin,  Cornelius, 
Dittersdorf,  Dvoi^k,  Ernst,  Grötry,  Grieg,  Haydn,  Henschel,  Joachim,  Liszt, 
Locatelli,  Loewe,  Mendelssohn,  Mozart,  Paganini,  Parry,  Rachmaninoff,  Rubin- 
stein, Saint-SaSns,  Schubert,  R.  Schumann,  Sinding,  Spohr,  Stanford,  Tartini, 
Tschaikowsky,  Valentini-Piatti  kommen  folgende  Novitäten  zur  Auffuhrung: 
d'Albert  (Streichquartett  op.  7),  Ariosti  (Sonate  für  Viola  d'amore  und 
Clavicembalo),  J.  S.  Bach  (Sonate  C-dur  für  zwei  Violinen;  Doppelkonzert 
für  zwei  Violinen;  Chaconne;  Gavotte  d-moll  für  Clavicembalo),  Wilhelm 
Berger  (Streichquartett;  Sonate  für  Pianoforte  und  Violine),  Rutland  Boughton 
(Drei  Lieder  von  Rudyard  Kipling),  Busoni  (Sonate  No.  2,  op.  36a  für 
Pianoforte  und  Violine),  Couperin  («Petit  carillon**  für  Viola  da  Gamba  und 
Clavicembalo),    Fran^ois   Couperin    (Drei    Soli    für   Clavicembalo),  Jaques- 


214 
DIE  MUSIK  III.  3. 


Dalcroze  (Drei  Vokalduette),  Dandrieu  (Zwei  Soli  für  Clavicembalo),  Daquin 
(»Der  Kuckuck",  für  Clavicembalo),  Alexander  von  Fielitz  (Liederzyklus), 
Glazounow  (Variationen  fls-moll  f&r  Klavier),  Hindel  (Sonate  für  zwei 
Violinen;  Thema  f&r  Viola  da  Gamba  und  Clavicembalo),  Gaix  d'Hervelois 
(»Le  Papillon**,  für  Viola  da  Gamba  und  Clavicembalo),  Josef  Holbrooke 
(Streich Sextett  op.  19),  Robert  Kahn  (Sonate  f&r  Violine  und  Pianoforte 
op.  5;  Klavierquartett  op.  41),  Lorenzin  (Menuett  f&r  Viola  d'Amore  und 
Doppelbass),  Martini  («Plaisir  d'Amour*,  Solo  für  Viola  d'Amore),  Norman 
O'Neill  (Klavierquintett  op.  10),  Rameau  (Trios  f&r  Clavicembalo,  Viola 
d'Amore  und  Viola  da  Gamba),  Georg  Schumann  (Klavierquintett  op.  18; 
Klavierquartett  op.  29),  Cyril  Scott  (Klavierquintett  op.  8),  Sgambati  (»M^lodies 
Po^tiques**  f&r  Klavier),  R.  Strauss  (Sonate  f&r  Violine  und  Pianoforte), 
D.  F.  Tovey  (Streichquartett),  Richard  H.  Walthew  (Trio  f&r  Pianoforte, 
Klarinette  und  Violine),  Weingartner  (Quartett  op.  26).  —  Femer  Lieder 
von:  d'Albert,  Bach,  Beethoven,  C.  Böhm,  Wilhelm  Berger,  Bizet,  Borodine, 
Brahms,  Bruneau,  Carissimi,  Cesti,  Coster,  Hamish  MacCunn,  L^on  D61ibes, 
Denza,  Elgar,  Robert  Franz,  B.  Godard,  Gordigiani,  Edvard  Grieg,  Hindel, 
Hamilton  Harty,  J.  Haydn,  Georg  Henschel,  Jensen,  Samuel  de  Lange,  Otto 
Lessmann,  Franz  Liszt,  Loewe,  Massenet,  Mozart,  Walter  Rabl,  Catharina 
von  Reims,  Rubinstein,  Camille  Saint-SaSns,  Franz  Schubert,  R.  Schumann, 
Sinigaglia,  R.  Strauss,  F.  Paolo  Tosti,  Tschaikowsky,  Vidal,  Wagner,  Hugo 
Wolf.  —  Ausserdem  wirken  mit:  das  Kruse-Quartett  (Johann  Kruse,  Haydn 
Inwards,  Altrtd  Hobday,  Percy  Such),  das  Grimson-Quartett  (Jessie  Grimson, 
Frank  Bridge,  E.  Tomlinson,  Edward  Mason),  die  Vereinigung  f&r  alte 
Instrumente  (Prof.  Louis  Ditoer  [Cembalo],  M.  van  Waefelghem  [Viola 
d'Amore],  Jules  Papin  [Viola  da  Gamba]),  M.  Casadesus  und  Ed.  Nanny 
(bei  Duos  f&r  Viola  d'Amore  und  Doppelbass).  —  Von  Solisten  werden 
aufgezihlt:  Violine:  Johann  Kruse,  Marie  Hall,  Hugo  Heermann;  Violon- 
cello: Jean  G6rardy;  Klavier:  die  Damen  Teresita  Carefio-Tagliapietra, 
Fanny  Davies,  Sandra  Droucker,  Muriel  Elliot,  Polyxena  Fletcher,  Marie 
Fromm,  Johanna  Heymann,  Tora  Hwass,  Janotha,  Grace  Smith,  Norman 
O'Neill,  Margaret  Wild,  sowie  die  Herren:  d' Albert,  Backhaus,  W.  Berger, 
Borwick,  Herbert  Fryer,  Percy  Grainger,  Robert  Kahn,  Fr6d6ric  Lamond, 
Max  Mayer,  Wladimir  von  Fachmann,  Egon  Petri,  Edouard  Risler,  Willibald 
Richter,  Georg  Schumann,  Donald  Francis  Tovey;  Gesang:  die  Damen 
Julia  Culp,  Susanne  Dessoir,  M.  Fordham,  Muriel  Foster,  Allis  von  Gelder, 
Helen  Henschel,  Katherine  Jones,  Grumbacher  de  Jong,  Grainger  Kerr, 
Yvonne  Kerval,  Lucie  Lenoir,  Eva  Lessmann,  Hope  Morgan,  Lula  Mysz- 
Gmeiner,  Agnes  Nicholls,  Rose  Relda,  Agnes  Witting,  sowie  die  Herren: 
Fr^d^ric  Austin,  Gervase  Elwes,  Ffhmgcon  -  Davies,  Ettore  Gandolfl, 
Plunket  Greene,  Francis  Harford,  Alexander  Heinemann,  Hugo  Heinz,  Theo 
Lierhammer,  Johann  Messchaert,  Raimund  von  Zur  Mfihlen;  f8r  Duette 
femer  Herr  und  Frau  Dulong. 

Mainz:  In  den  zehn  Symphoniekonzerten  werden  von  Solisten  mitwirken :  Klavier: 
Eugen  d' Albert,  Emst  von  Dohninyi,  Katharina  Goodson,  Joseph  Hofmann« 
Otto  Voss;  Violine:  Joseph  Joachim,  Fritz  Kreisler,  Altrtd  Stauffbr,  Mirot- 
law  Weber,  Anton  Witek;  Gesang:  Karl  Burrian,  Stephanie  Becker,  Jeanette 
Grambacher  de  Jong,  August  Leimer,  Thea  Dora  Reicher,  Edyth  Walker. 

New-Tork:   Die  Philharmonische  Gesellschaft  veranstaltet  acht  Konzerte 


215 
UMSCHAU 


in  der  Caraegie  Hall  und  hat  dazu  folgende  Dirifenten  verpflichtet:  Edouard 
Colonne  (Paris),  Gustav  Kogel  (Frankfürt  a.  M.)»  Henry  Wood  (London),  Victor 
Herbert  (Pittsburg),  Felix  Weingartner  (München),  W.  von  Safonoff  (Moskau) 
und  Richard  Strauss  (Berlin). 

Nikmberg:  In  den  Konzerten  des  Philharmonischen  Vereins  unter  W.  Bruch 
werden  aufgeführt:  Mendelssohn  (Hebridenouverture),  Tschaikowsky  (Mozar- 
tiana),  Beethoven  (Eroica),  Mozart  (B-dur-Symphonie),  Wagner  (Waldweben), 
DvoHk  (In  der  Natur,  Ouvertüre),  Schumann  (Manft-edouvertüre),  Beethoven- 
Liszt  (Adagio  aus  dem  B-dur-Trio),d'Indy  (Wallenstein-Symphonie).  Von  Solisten 
werden  bis  jetzt  genannt  Hermine  Bosetti  und  Anna  Langenhahn-Hirzel. 

Paris:  Die  Direktion  der  Lamoureux-Konzerte  (unter  Leitung  von  Camille 
Chevillard)  veröffentlicht  ihr  Programm:  Beethoven  (neun  Symphonieen), 
Schumann  (vier  Symphonieen;  Ouvertüre,  Scherzo  und  Finale),  Brahma 
(vierte  Symphonie),  Mozart  (die  letzten  fünf  Symphonieen),  Liszt  (Orpheus; 
Les  Pr61udes),  R.  Strauss  (Tod  und  Verklirung),  Borodin  (zweite  SymphonieX 
Lalo  (zweite  Orchestersuite  aus  Namouna),  Wagner  (Fragmente  aus  Parsifal 
und  Götterdimmerung),  Berlioz  (Fausts  Verdammung;  Symphonie  fantastique). 
Femer  Novit! ten  von:  de  Br^ville,  Busser,  Erlanger,  Le  Borne,  Levad6, 
Lutz  und  Witkowski. 

Petersburg:  Die  Konzertsaison  wird,  wie  es  scheint,  eine  Reihe  besonders  in- 
teressanter Musikaufführungen  bieten  und  eine  Reihe  der  hervorragendsten 
Künstler  hierher  führen.  Für  die  dieswinterlichen  Symphonie- 
konzerte der  KaiserL  russischen  Musikgesellschaft,  die  den 
Mittelpunkt  des  Konzertlebens  bilden,  kündigt  das  Programm  folgende 
Novititen  an:  Sibelius  (Symphonie  e-moll),  Saint-SaSns  (c-moll-Symphonie 
mitOrgel),TanSieff  (II.  Symphonie  b-moll),  Glasunoff  (Suite),  Richard  Strauss 
(Also  sprach  Zarathustra).  Ferner  sollen  folgende  grösseren  Werke  zur  Auf- 
führung gelangen:  Beethoven  (V.  und  VII.  Symphonie),  Brahms  (I.  Sym- 
phonie), Berlioz  (Te  deum),  Wagner  (Verwandlungsmusik  und  Schlussscene 
aus  Parsifal),  Liszt  (Faust-Symphonie),  Tschaikowsky  (V.Symphonie;  Romeo 
und  Julie),  Schumann  (Manfred),  Rubinstein  (Ouvertüre  „Antonius  und 
Cleopatra^')  und  noch  Werke  von  Grieg,  Rimsky-Korsakoff,  Cui,  Borodin, 
Napravnik  u.  a.  Paderewsky,  Reisenauer,  Sapellnikoff,  Auer,  Fiedelmann, 
Bramsen,  Wierzbilowicz  u.  a.  sind  als  Solisten  gewonnen.  Generalmusik- 
direktor Fritz  Steinbach,  A.  Kajanus  aus  Helsingfors,  Alexander  Chessin 
und  Felix  Blumenfeldt  sind  als  Dirigenten  vertreten. 

Prag:  Die  Philharmonischen  Konzerte  unter  Leo  Blech  bringen  neben 
klassischen  Werken  zur  Aufführung:  Max  Schillings  (Vorspiel  zum  II.  Akt 
,Ingwe]de*<),  Hugo  Wolf  (Penthesilea),  Gluck-Mottl  (Ballet-Suite),  Georg 
Göhler  (Symphonie  No.  1),  Gustav  Mahler  (Symphonie  No.  3).  Von  Solisten 
werden  genannt:  Ernestine  Schumann-Heink,  Karl  Perron,  Moriz  Rosenthal, 
Jean  G6rardy. 

Reichenberg  i,  B.:  In  der  Wintersaison  sind  an  Konzerten  vorgesehen:  Ernestine 
Schumann-Heink  (Liederabend  mit  der  Pianistin  Jessie  Hartmann),  C6sar 
Thomson  (Violine),  Georg  Schumann,  Karl  Halir  und  Hugo  Dechert  (Trio- 
Vereinigung),  Agnes  Bricht-Pyllemann,  Rechtsanwalt  Falsst  und  Karl  Fried- 
berg (Gedenkfeier  für  Hugo  Wolf),  Leopold  Godowsky  (Klavierabend).  Femer 
plant  der  Musikverein  ein  »Nordböhmisches  Musikfest*,  der  Minnergesang- 
verein ein  grösseres  Chorkonzert. 


216 
DIE  MUSIK  III.  a 


Rotterdam:  Das  Utrechtsche  Stadtorchester  hat  in  seinen  Programmen 
für  die  Abonnements-Konzerte  mehrere  Novititen  auf||enommen :  »Don 
Juan*  von  Rieh.  Strauss,  Konzertouverture  .Jugend*  von  Kor  Kuiler, 
lyDramatische  Phantasie*  von  Ph.  Scharwenka,  Vorspiel  ,Saint-Foix*  von 
Hans  Sommer  und  Wagners  ,Faostouvertüre*. 

Strassburg:  In  der  Konzertsaison  1003—1904  werden  wie  bisher  acht  Konzerte 
des  stidtischen  Orchesters  unter  Prof.  Stockhausen  stattfinden, 
ausserdem  ein  Chorkonzert  zur  CentenarfSeier  von  Hektor  Berlioz.  Femer 
finden  vier  Kammermusikabende  statt  Die  Programme  yerheissen  eine 
Reihe  interessanter  Werke  und  namhafter  Solisten;  wir  werden  sehen,  was 
davon  in  die  Erscheinung  treten  wird.  —  Wihrend  anderswo  der  Kunstsinn 
immer  mehr  für  die  ästhetische  Ausgestaltung  der  Konzertsäle  tut,  löst 
man  bei  uns  diese  Fragen  auf  weit  einfachere  Weise,  nämlich  auf  dem  Wege 
des  —  Kuhhandels!  Wir  haben  einen  herrlichen  Konzertsaal  im  »Sänger- 
haus*,  nehmen  ihn  aber  nicht,  sondern  der  Gemeinderat  votiert  ffir  den 
bisherigen,  wiewohl  er  akustisch  ganz  ungeeignet,  feuergefährlich  usw. 
ist  —  da  er  600  M.  weniger  kostet!  Manche  behaupten  sogar,  seine  Lage 
im  .katholischen  Vereinshaus*  habe  auch  dabei  mitgespielt,  da  ja  im  Reichs- 
land —  wie  anderswo  —  katholisch  Trumpf  ist!  Und  so  etwas  in  einer 
rein  musikalischen  Frage!  Dr.  G.  Alt  mann. 

Waracliaii:  Die  Philharmonie  gedenkt  in  der  Wintersaison  u.  a.  zum  Vortrag 
zu  bringen:  Bach  (Weihnachtsoratorium),  Beethoven  (9.  Symphonie),  Berlioz 
(Fausts  Verdammung),  Brahms  (Schicksalslied),  Mendelssohn  (Antigene; 
Oedipus  auf  Kolonos),  Schumann  (Paradies  und  Peri),  Strauss  (Also  sprach 
2Umithustra).  Man  gibt  zehn  grosse  Symphonie-Konzerte,  sechs  Kammer- 
musik-Abende, zwölf  Jugendkonzerto  usw.  Als  Dirigenten  sind  vorgesehen: 
Mlynarski,  NiUsch,  R.  Strauss,  Humperdinck,  d'Indy,  Moskowski,  Damrosch, 
Orefice.  Von  Solisten  werden  genannt:  Klavier:  Paderewski,  Hoftnann, 
Carefio,  Busoni,  Schelling,  Scharwenka,  Dohnänyi,  Wurmser,  Michalowski, 
Horszowski,  Growlez,  Mark  Hambourg.  Violine:  Kubelik,  Sarasate,  Kocjan, 
Barcewicz,  Burmester,  Halir,  Berber.  Cello:  Hugo  Becker.  Orgel:  Clarence 
Eddy.  Gesang:  Act6,  Pregi,  Litvinne,  Edyth  Walker,  Nina  Faliero  Dalcroze, 
Battistini,  Marconi,  d'Andrade,  Bellincioni,  Prevosti,  Bandrowski. 

Wien:  Zur  Leitung  ihrer  acht  Konzerte  haben  die  Philharmoniker  folgende 
Dirigenten  eingeladen:  Ernst  von  Schuch  (Dresden),  Arthur  Nikisch  (Leipzig), 
W.  von  Safonoff  (Moskau)  und  Dr.  Karl  Muck  (Berlin).  —  Die  Gesellschafts- 
Konzerte  bringen  zur  AufTOhrung:  Beethoven  (Missa  solemnis),  Berlioz 
(Fausts  Verdammung),  Josef  Reiter  (Requiem,  zum  erstenmal),  femer  Werke 
von:  Bach,  Beethoven,  Brahma,  Händel,  H.  Schenker  und  H.Wolf.  —  Das 
Ros6-Quartett  fQhrt  neben  älteren  Werken  von  Haydn,  Mozart,  Beethoven, 
Schumann,  Brahma,  DvoMk  Novitäten  auf  von:  Buonamici,  Scontrino,  Bergh 
und  Bruno  Walter. 

Wiesbaden:  Die  Kurverwaltung  veranstaltet  zwölf  Symphoniekonzerte,  für  die 
als  Dirigenten  neben  dem  Kapellmeister  Louis  Lfistner  gewonnen  sind: 
CamiUe  Saint-Saöns,  der  bei  dieser  Gelegenheit  sein  neuestes  Werk  ,AfHka*, 
symphonische  Dichtung  ffir  Klavier  mit  Orchester,  zum  erstenmal  in 
Deutschland  zur  Aufführung  bringen  wird,  Ernst  von  Schuch,  Arthur  Nikisch, 
Fritz  Steinbach.  Der  solistische  Teil  weist  folgende  Namen  auf:  Emestine 
Schumann-Heink,  Erika  Wedekind,  Berta  Morena,  Karl  Burrian,  Fritz  Fein- 


217 
UMSCHAU 


hals,  Victor  Klopfer,  Eugen  d' Albert,  Mark  Hambourg,  Eugene  Ysaye, 
Alexander  Petschnikoff,  Henri  Marteau. 
Winterthur:  Wie  alljährlich  veranstaltet  das  Musikkollegium  sieben  Abonne- 
mentskonzerte unter  Leitung  des  Musikdirektors  Dr.  Ernst  Rad  ecke;  sechs 
davon  sind  Orchesterkonzerte,  eines  ist  der  Kammermusik  gewidmet.  Als 
Novititen  für  Winterthur  sind  auf  das  Programm  gesetzt:  Berlioz  (drei 
Instrumentalsätze  aus  Romeo  und  Julia),  Bizet  (rArl^sienne-Suite),  Smetana 
(Die  Moldau),  Rob.  Radecke  (Konzertouvertüre  „Am  Strande^'),  Schubert 
(Balletmusik  aus  Rosamunde),  J.  S.  Bach  (Konzert  für  Violine,  Flöte,  Oboe, 
Trompete),  Wolf-Ferrari  (Kammersymphonie  op.  8),  Brahms  (Trio  H-dur), 
Richard  Strauss  (Sonate  Es-dur  für  Klavier  und  Violine).  Von  klassischen 
und  schon  früher  gespielten  modernen  Werken  werden  aufgeführt  die 
Symphonieen:  Mozart  (D-dur,  ohne  Menuett),  Beethoven  (vierte),  Brahms 
(zweite);  die  Ouvertüren:  Schumann  (Manfred),  Volkmann  (Richard  III.), 
DvoMk  (Husitska),  Wagner  (Der  fliegende  Holländer)  und  Beethoven  (Fidelio). 
Ausserdem  gelangen  Notturno  aus  »Sommemachtstraum*  von  Mendelssohn, 
Präludium  und  Fuge  aus  der  I.  Suite  von  Franz  Lachner  und  ein  Trio  von 
Haydn  zum  Vortrag.  Als  Solisten  werden  auftreten:  Raoul  Pugno  (Klavier), 
Franz  Ondricek  (Violine),  Jean^  G6rardy  (Violoncello),  Marcella  Pregi, 
Muriel  Fester  (Mezzosopran),  Richard  Breitenfeld  (Baryton)  und  zwei 
junge  aus  Winterthur  gebürtigen  Künstler:  Oscar  Studer  (Violine),  Schüler 
von  Hubay,  und  Robert  Spoery  (Tenor),  Schüler  von  Vidal  und  Stockhausen. 
Die  Kammermusikwerke  werden  von  der  hiesigen  Trio- Vereinigung  der 
Herren  Dr.  Radecke  (Klavier),  Konzertmeister  Bach  (Violine)  und  W.  Düwell 
(Cello)  vorgetragen.  —  Ausser  den  Abonnementskonzerten  werden  5  populäre 
Konzerte  ebenfalls  unter  Leitung  von  Dr.  Radecke  stattfinden.  In  ihnen 
werden  vorzugsweise  junge  schweizerische  Künstler  als  Solisten  zur  Mit- 
wirkung herangezogen.  —  Der  unter  derselben  Direktion  stehende  »Ge- 
mischte Chor  Winterthur**  gibt  ein  Konzert,  in  dem  kleinere  Chor- 
werke zur  Aufführung  gelangen:  Gade  (Erlkönigs  Tochter),  Mendelssohn 
(Loreley-Finale)  und  als  Novität  „Der  gefesselte  Strom**  von  Friedrich 
E.  Koch.    Die  Sopransoli  in  diesem  Konzert  singt  Johanna  Dietz. 

TAGESCHRONIK 

Für  die  in  Berlin  geplante  Errichtung  eines  den  Zwecken  der  Musik  und 
der  bildenden  Künste  dienenden  Palastes,  der  einem  bisher  allgemein  empfundenen 
Mangel  eines  für  musikalische  Aufführungen  grösseren  und  grössten  Stils  geeig- 
neten Raumes  abhelfen  soll,  ist  ein  Ehrenkomitee  sowie  ein  geschäftsführender 
Ausschuss  gebildet  worden. 

Nach  einem  Vergleich  zwischen  Wagners  Erben  und  der  Münchener  Hof- 
theaterintendanz werden  nächstes  Jahr  sowohl  in  Bayreuth  wie  in  München 
Aufführungen  vom  „Ring  des  Nibelungen'*  stattflnden. 

Ein  Denkmal  von  Liszt,  eine  Schöpfung  des  Bildhauers  A.  Freund,  wurde 
in  Stuttgart  enthüllt.  Die  Kosten  sind  durch  freiwillige  Beiträge  und  Konzert- 
veranstaltangen  aufgebracht  worden,  den  Platz  in  den  Anlagen  stellte  der  König 
zur  Verfügung.  Am  Abend  ftind  eine  Festaufführung  der  »Heiligen  Elisabeth*  statt. 
Wir  werden  im  nächsten  Heft  ein  Bild  des  Denkmals  bringen. 

Auf  dem  südlichen  Friedhof  in  München  wurde  ein  Grabdenkmal  für  Josef 
von  Rheinberger  enthüllt.  Das  in  edler  Einfachheit  gehaltene  Denkmal  i$t  ein 
Werk  des  Bildhauers  Heinrich  Jobst. 


218 
DIE  MUSIK  III.  3. 


Am  IS.  Oktober  feierte  die  Kammersiogerio  Emestine  Schumann-Heiok  ihr 
ZSjähriges  Buhnenjubilium.  Am  15.  Oktober  1878  trat  die  Kfiostlerin  in  den 
Verband  der  Dresdener  Hofoper. 

Der  Professor  am  Kaiserl.  Konservatorium  in  St.  Petersburg  Leopold  von 
Auer  feiert  am  1.  September  sein  35jähriges  Jubiläum  in  dieser  Stellung,  in  die 
er  1868  als  Nachfeiger  Henry  Wieniawskis  eintrat 

Der  PriTatdozent  für  Musikgeschichte  an  der  Berliner  Universitit,  Dr.  phil. 
Max  Friedlinder,  ist  zum  ausserordentlichen  Professor  ernannt  worden. 

Opemsinger  Otto  Goritz  in  Neu-Strelitz  wurde  zum  grossherzogl.  mecklen- 
burgischen Kammersinger  ernannt. 

Der  Kaiser  von  Österreich  hat  die  Opemsingerinnen  Marie  Gutheil-Schoder 
und  Selma  Kurz  zu  Kammersingerinnen  ernannt  und  dem  Hofopemdirektor 
Gustav  Mahl  er  den  Orden  der  eisernen  Krone  3.  Kl.  verliehen. 

Kaiser  Wilhelm  dekorierte  den  Grafen  vonSeebach,  Generaldirektor  der 
musikalischen  Kapelle  und  der  Hoftheater  zu  Dresden,  mit  dem  roten  Adlerorden  2.  Kl. 
mit  dem  Stern  in  Brillanten. 

Generalmusikdirektor  von  Schuch  in  Dresden  erhielt  den  preussischen 
Kronenorden  2.  Kl.  in  Brillanten. 

Prof.  Kosleck  von  der  Königl.  Hochschule  für  Musik  zu  Charlottenburg 
erhielt  den  preussischen  roten  Adlerorden  3.  Kl. 

Hofkapellmeister  Josef  Hellmesberger  in  Wien  ist  plötzlich  von  seiner 
Stellung  als  Dirigent  des  Philharmonischen  Orchesters  sowie  als  Hofkapellmeister 
zurückgetreten. 

Der  Minnergesangverein  «Rottes  Mannenkoor*  in  Rotterdam  wird  sein 
50jlhriges  Jubillum  mit  einem  »internationalen  Gesangwettstreit*  feiern.  Das  Fest 
soll  vom  15.— 25.  Juli  1004  suttfinden. 

Anllsslich  seines  Jahresfestes  führte  der  Niedersichsische  Kirchenchor -Ver- 
band (Zweigverein  des  Allgemeinen  deutschen  Kirchengesangvereins)  in  Verden 
(Aller)  im  Dom  4 — 8  stimmige  Chorgesinge  niedersichsischer  Meister  auf  unter 
Leitung  des  Domorganisten  Ernst  Dieckmann. 

Dem  uns  zugegangenen  Bericht  des  Konservatoriums  der  Musik  zu  Krefeld 
(Direktorium:  Th.  Müller- Reuter  und  Carl  Pieper)  über  das  siebente  Unterrichts- 
jahr entnehmen  wir,  dass  die  Anstalt  von  360  Schülern  und  Schülerinnen  besucht 
war.  29  Lehrer  und  Lehrerinnen  leiteten  den  Unterricht  Es  fenden  fünf  Schüler- 
konzerte, dreizehn  Vortragsabende  und  fünf  Kammermusik-Konzerte  statt 

Herr  Prof.  Dr.  Hugo  Riemann  (Leipzig,  Promenadenstrasse  11)  ist  mit  der 
Fertigstellung  der  sechsten  Auflage  seines  Lexikons  beschlftigt  und  fordert  alle 
Interessenten  auf,  Erginzungen,  Berichtigungen  und  Mitteilungen  aller  Art  direkt 
an  seine  Adresse  gelangen  zu  lassen. 

Von  Hector  Berlloz'  gesammelten  Schriften  erscheint  demnichst  eine  neue, 
auf  zehn  Binde  berechnete  Gesamtausgabe.  Der  erste  Band  wird  die  seither  in 
deutscher  Sprache  noch  nicht  erschienenen  ^Memoiren*  enthalten.  Auch 
der  Dichter-Komponist  Peter  Cornelius  wird  demnichst  in  einer  von  Dr.  Edgar 
Istel  besorgten  Gesamtausgabe  seiner  poetischen  Werke  einem  grösseren  Publikum 
nihergebracht  werden. 

TOTENSCHAU 

Der  langllhrige  erste  Chordirektor  des  Pforzheimer  Gesangvereins,  Bundes- 
chormeister  des  badischen  Singerbundes  und  Musikdirektor  Theodor  Mohr  ist 
im  Alter  von  77  Jahren  gestorben. 


BRAUNSCHWEIG:  Unsere  Hofoper  bat  seit  Beginn  der  Spielzeit  erst  3  kleinere 
Werke  neu  einstudiert:  „Stradella^,  „Die  Glocken  von  Corneville'S  „Maurer  und 
Schlosser'*;  diese  Auswahl  entsprang  wohl  mehr  persönlichen  als  sachlichen  Gründen: 
die  neuengagierten  Krifte  sollten  sich  in  möglichst  vorteilhaftem  Lichte  zeigen,  und 
dieser  Zweck  wurde  vollständig  erreicht.  An  Frl.  Lautenbacher  vom  Hoftbeater  zu 
Dresden  haben  wir  eine  hoffnungsvolle  jugendlich-dramatische  Sängerin  und  an  Frl. 
Schönfeld  eine  tfichtige  Soubrette  gewonnen.  Ernst' Stier. 

BREMEN:  Dass  die  Bremer  Oper  auch  den  Nibelungenring  mit  43  Musikern  (inkL  der 
von  Fall  zu  Fall  aushelfenden  Basstuba)  und  den  Doppelcher  der  Brabanter  zur 
Begrfissung  Elsas  vor  der  Kemenate  ebenso  wie  den  Pilgerchor  im  Tannhäuser  mit 
ganzen  19  Herren  bestreitet,  ist  eine  magere  Wahrheit,  die  seit  etwa  dreissig  Jahren 
fieststeht.  Der  frische  Impuls,  den  die  neue  Direktion  vor  fünf  Jahren  wenigstens  dem 
Dekorativen  und  dem  Ensemble  brachte,  ist  längst  und  gründlich  verbraucht.  Die 
Seoatsbehörde  ist  zum  Umbau  und  zur  Vergrösserung  des  Orchesters  erbötig,  aber 
die  Theaterleitung  verschliesst  sich  dem  Fortschritt,  der  doch  sicher  in  ihrem  eigenen 
Interesse  liegt.  Wenn  nun  die  Ergänzung  und  Ersetzung  des  Ensembles  wenigstens 
künstlerischen  Ersatz  für  das  dünne  Orchester  und  Chormaterial  böte,  wäre  der  Schmerz 
leichter  zu  ertragen.  Aber  auch  hier  haben  wir  die  Anforderungen  von  Jahr  zu  Jahr 
stetig  hinabschrauben  müssen.  Seit  des  trefflichen  Jan  van  Gorkom  und  seit  Herrn 
Mosers  Fortgang  ist  das  Fach  des  lyrischen  Baritons  nicht  mehr  vollgültig  besetzt. 
Neben  Frau  von  Scheeles  Mezzosopran  ist  keine  echte  Altistin,  ebensowenig  wie  neben 
Herrn  Gerboth  ein  genügender  zweiter  Bassist  vorhanden;  der  lyrische  Tenor  (Herr 
Aichele)  ist  noch  ganz  in  der  Entwicklung  und  für  die  hohe  künstlerische  Intelligenz 
des  durch  ihre  Verheiratung  der  Bühne  entzogenen  Frl.  Grub  vermag  Frau  Hubenia, 
bei  aller  Anerkennung  ihrer  in  der  Aufwärtsentwicklung  begriffenen  Kunst,  nicht 
vollen  Ersatz  zu  geben.  So  bleiben  nur  das  stimmgewaltige  Frl.  Seiffert  als  Brfinn- 
hilde  und  Isolde,  die  ausgezeichnete  Frau  von  Scheele  (Carmen  und  Ortrud)  und  die 
Herren  Stury  (dramatischer  Bariton),  Barron-Berthald  (Heldentenor)  und  für  die  komischen 
Basspartieen  Herr  Radow  als  vollwertige  Kräfte  übrig,  neben  denen  sich  die  jüngeren 
Damen  Frl.  Weingarten  und  Frl.  Laube,  letztere  eine  besonders  sorgsam  geschulte  Sängerin, 
günstig  weiter  entwickeln.  Im  Repertoire  ist  ausser  der  Uraufführung  von  O.  Schröters 
Jodocus,  wenn  man  von  den,  dank  der  Umsicht  des  Kapellmeisters  Jäger  und  dank  der 
frischen  Kraft  des  jugendlich  energischen  Kapellmeisters  Oskar  Malata  etwas  sorg- 
Altiger  herausgebrachten  Walküre,  Holländer,  Carmen  und  dem  neuinscenierten  Zar  und 
Zimmermann  absieht,  nur  höchst  mittelmässige  Repertoirearbeit  geliefert  worden.  Darin 
vermochte  selbst  die  anfangs  scharf  einsetzende  Konkurrenz  der  neuen  von  Franz  Froneck 
geleiteten  Oper  im  Deutschen  Theater  (früher  Tivoli),  die  sich  inzwischen  klugerweise 
auf  die  Operette  und  das  Volksstück  zurückgezogen  hat,  nur  ganz  vorübergehend  eine 
Besserung  zu  erzwingen.  Und  über  die  Zukunft  schweigt  man  sich  ganz  aus.  Das  ist 
immerhin  noch  besser,  als  hohe  Versprechungen,  die,  wenn  sie  nicht  gehalten  werden, 
nur  bittere  Enttäuschung  erzeugen.  Das  Erstlingswerk  des  einheimischen  Musikers  Oscar 
Schröter  erzielte  einen  hübschen  Erfolg.  Der  grosse  Vorzug  der  Oper  ist,  dass  der 
Komponist  sein  eigener  Dichter  ist  und  dass  sowohl  in  dem  Komponisten,  wie  in  dem 
Dichter  ein  feinsinniger  Poet,  besonders  ein  zarter  Lyriker  steckt.    Das  Missgeschick  des 


220 
DIE  MUSIK  III.  3. 


Werkes  ist,  dtss  es  eine  Lobetanz-Variante  bringt  und  ihm  also  die  Herren  Tbuille  und 
Bierbaum  die  eisentliche  Originalitit  der  Idee  vorweggenommen  haben.  Der  Lobetanz 
heisst  hier  Jodocus  und  ist  ein  Goldschmiedgeselle,  der  sich  von  fibermütigen  Midchen 
Kfisse  schenken  lisst,  wie  die  Lobetanz-Midchen  den  Fiedler  mit  Rosen  bestecken.  Und 
Jodocus  gewinnt  seine  Prinzessin  als  Narr,  und  anstatt  vom  Galgen  befreit  sie  ihn  vom 
Stricktod  aus  Feindes  Hand.  Leider  fehlt  der  Liebe  der  Prinzessin  die  nötige  psychologische 
Vertiefung,  die  in  Lobetanz'  sympathetisch-musikalischer  Heilung  so  sinnig  symbolisiert 
wird.  Doch  verrit  die  ganz  moderne  Behandlung  des  Orchesters  und  der  Singstimmen,  die 
kunstvolle,  polyphone  Verwebung  der  leicht  und  klar  geprigten  Motive,  wodurch  der  Text 
seelische  Wirme  und  blähende  Farbe  erhält,  besonders  in  den  lyrischen  Höhepunkten 
zu  Schluss  des  zweiten  und  zu  Beginn  des  dritten  Aktes  (ein  reizvolles,  duftiges  Liet>es- 
duett)  soviel  echte  Poesie,  dass  man  von  dem  Dichterkomponisten  noch  viel  schönes 
erwarten  darf.  Dr.  Gerh.  Hellmers. 

BUDAPEST:  Die  diesiihrige  Opernsaison  wurde  am  15.  September  mit  einer  gerundeten 
Aufführung  von  Goldmarks  »Götz  von  Berlichingen*  in  vielverheissender  Weise 
eröffhet.  Der  Verlauf  der  ersten  Wochen  zeigte,  dass  das  Institut  unter  Raoul  Maders 
Leitung  sicher  seiner  kfinstlerischen  Klirung  entgegen  geht,  und  dass  auch  das  Publikum 
dem  Theater  abermals  seine  volle  Gunst  zuwendet.  Eine  überaus  glfickliche  Acquisition 
scheint  man  in  dem  ftüheren  sächsischen  Kammersinger  Georg  Anthes  gemacht  zu 
haben,  der  sich  gleich  mit  seinem  Debüt  als  Lohengrin  die  volle  Gunst  aller  Kunstver- 
ständigen im  Sturm  eroberte.  Steht  auch  Anthes  in  Hinsicht  der  sinnlichen  Schönheit 
und  des  Glanzes  der  Stimme  hinter  Carl  Burrian,  den  er  zu  ersetzen  berufen  ist,  etwas 
zurück,  so  überragt  er  doch  den  letztgenannten  bedeutend  an  Noblesse,  Reife  und  Ge- 
klärtheit  der  Künstlerschaft,  und  auch  an  edlem  Ernst  hingebungsvoller  Pflichterfüllung. 
Verstärkt  wurde  noch  der  Eindruck,  den  das  Debüt  des  Künstlers  erzielte,  durch  seinen 
grandiosen  Tannhäuser,  den  Anthes  vor  kurzem  sang.  Eine  zweite  auagezeichnete  Kraft 
wurde  der  Oper  in  der  Person  des  Kapellmeisters  Desider  Markus  erworben,  eines 
hochbegabten  jungen  ungarischen  Künstlers,  der  nach  erspriesslichen  Lehr-  und  Wander- 
jahren in  Deutschland  und  Holland  wieder  den  Weg  in  die  Heimat  gefunden  hat  Mit 
dem  Beginn  der  Saison  sind  auch  in  den  Verband  des  Kunstinstitutes  getreten:  Maria 
Scomparini,  eine  Altistin  von  prächtiger  stimmlicher  Begabung,  Lilli  Szäntö,  eine  talentierte 
Vertreterin  des  Mezzosopranfeches  und  der  als  Virtuose  rühmlich  ^kannte  Geiger  Emil 
Bar€,  der  in  Zukunft  im  Verein  mit  unserem  vielbewährten  Wilhelm  Grünfeld  als 
Konzertmeister  an  dem  ersten  Pult  im  Orchester  fungieren  wird.  —  Das  Novitäten- 
programm, das  sich  Direktor  Mader  für  heuer  gesetzt  hat,  umfesst:  Puccinis  »Tosca*, 
Glucks  »Orpheus*,  Wagners  »Rienzi*,  Leo  Blechs^Das  war  ich*,  von  Werken  heimischer 
Autoren  Emil  Abranyis  einaktige  Oper  .Der  Nebelkönig*,^ Eduard  Poldinis  Einakter  »Der 
Vagabund  und  die  Prinzessin*,  ein  grosses  dramatisches  Werk  der  Prof.  Szendy  und 
Szabados  »Maria*,  endlich  eine  Anzahl  kleinerer*Balletdivertissements.  Dazu  tritt  noch 
eine  Reihe  von  interessanten  Reprisen  älterer  Werke  —  fest  fürchten  wir,  der  Arbeit  zu 
viel  für  eine  Saison  von  acht  Monaten.  Indessen  sind  ja  Programmversprechungen  nicht 
klagbar,  und  wir  werden  es  zufrieden  sein,  wenn  uns  das  quäle  für  das  quantum  Ent- 
schädigung bietet.  Dr.  B^la  Diösy. 

a  ARMSTADT:  Die  am  0.  September  mit  Verdi's  »ATda*  eröffnete  Hoftheater -Saison 
brachte  bereits  eine  Reihe  von  Neueinstudierungen,  wie  Kreutzers  »Nachtlager*, 
Boieldieu's  »Weisse  Dame*,  D^libes'  »Lakm6*,  und  Zöllners  »Versunkene  Glocke*,  welch 
letztere  sich  bei  uns,  dank  einer  trefflichen  Besetzung  der  Hauptrollen,  auf  dem  Spiel- 
plan halten  zu  können  scheint  Besonderen  Erfolg  hatten  wieder  Wagners  »Meistersinger 
von  Nürnberg*,  die,  im  Gegensstz  zu  fHiher,  in  den  letzten  Jahren  auch  hier  stets  vor 


221 
KRITIK:  OPER 


ausverkauftem  Hause  gegeben  werden  und  in  ihrer  hochkünstlerischen  Gesamtwiedergabe 
—  namentlich  auch  nach  Seiten  der  Inscenierung  —  den  Vergleich  mit  den  Auffuhrungen 
der  grössten  deutschen  Buhnen  wohl  aushalten  können.  In  einem  ebenso  stimmungs- 
schönen wie  prunkvollen  und  glinzenden  äusseren  Rahmen  erschienen  anlässlich  der 
am  grossherzoglichen  Hofe  stattgehabten  Vermählungsfeierlichkeiten  vor  einem  »Parterre 
von  Fürsten*  als  offizielle  Festvorstellungen  die  beiden  fremdländischen  Opern  »ATda* 
und  ,Lakm6*.  Von  Neuengagements  sind  zu  verzeichnen  das  von  Martha  Hofacker  für 
das  Fach  der  jugendlich-dramatischen  Sängerin  und  des  lyrischen  Baritons  Franz  Gessner, 
seither  am  Stadttheater  in  Königsberg.  Als  nächste  Novitäten  sind  „Der  Dusle  und  das 
Babeli*  von  Kaskel  und  —  Supp6*s  .Boccaccio"  angekündigt.  H.  Sonne. 

DRESDEN:  Leo  Blechs  phantastische  Oper  ,Alpenkönig  und  Menschenfeind*  erhält 
sich  trotz  (oder  vielleicht  gerade  infolge)  ihrer  Schwächen  in  der  Gunst  des  Publikums 
und  macht  volle  Häuser.  Im  übrigen  hat  die  Saison  bisher  ausser  einer  Gesamt- 
aufführung  des  »Ring  des  Nibelungen*  wenig  Bemerkenswertes  gebracht  Ein  Ereignis 
war  der  Abend,  an  dem  das  Ehrenmitglied  der  Hoftheater  Therese  Malten  zum  ersten 
Male  seit  ihrem  Ausscheiden  aus  der  Aktivität  wieder  die  Bühne  betrat.  Sie  sang  die 
Titelrolle  in  Goldmarks  j^Königin  von  Saba*  unter  dem  stürmischen  Beifall  des  aus- 
verkauften Hauses.  Ihr  Auftreten  in  einigen  anderen  Rollen  ist  für  uns  um  so  wichtiger, 
als  wir  jetzt  bedauerlicherweise  für  gewisse  Rollen,  z.  B.  die  Isolde,  keine  ständige  Ver- 
treterin haben.  Erwähnt  sei  noch,  dass  der  Tenorist  v.  Bary  mit  überraschendem  Erfolg 
den  Siegmund  gesungen  und  damit  seine  Eignung  für  Wagnerpartieen  glänzend  bewiesen 
hat;  er  ist  denn  auch  bereits  für  die  nächsten  Bayreuther  Festspiele  verpflichtet  worden. 
Im  Residenztheater,  wo  Rudolf  Dellinger  als  Kapellmeister  wirkt,  hat  ein  Zyklus  älterer 
Operetten  grossen  Anklang  gefunden  und  die  Sehnsucht  nach  einer  wirklich  guten  Neu- 
heit auf  diesem  Gebiet  wieder  rege  gemacht.  F.  A.  Geissler. 

HAAG:  Die  ,Neue  niederländische  Oper*  eröffhete  die  Saison  mit  Wagners  »Tann- 
häuser*.  Sowohl  Direktion  als  auch  Regie  hatten  für  eine  würdige  Aufführung 
Sorge  getragen.  Kapellmeister  A.  Tirie  errang  mit  der  Wiedergabe  der  Ouvertüre  einen 
glänzenden  Erfolg.  Von  den  Sängern  sind  zu  nennen:  Frl.  Kloos  (Elisabeth),  Frau  Cofni 
(Venus),  die  Herren  Pauwels  (Tannhäuser)  und  Orelio  (Wolft-am).       Otto  Wernicke. 

HALLE  a.  S.:  Am  20.  September  erschloss  unser  Stadttheater  der  Oper  seine  Pforten 
und  Hess  zuerst  mit  allem  Pomp  und  Gepränge  »Die  Hugenotten*  passieren,  um 
den  neugewonnenen  Kräften  Gelegenheit  zu  geben,  den  Beweis  für  ihre  Daseinsberech- 
tigung zu  erbringen.  Wenn  unser  neuer  Heldentenor  Szirowatka  als  Raoul  und  Herr 
Rübsam  als  Nevers  zu  schönen  Hoffnungen  zu  berechtigen  schienen,  so  wurden  sie  in 
der  folgenden  Tannhäuser-Vorstellung  auf  ein  Mindestmass  zurückgeführt:  weder  Sziro- 
watka, dem  sein  Ausländertum  Schwierigkeiten  bereitet,  noch  Herr  Rübsam  (Wolfram) 
vermochten  ihre  Aufgaben  auch  nur  einigermassen  erschöpfend  zu  lösen.  In  aufsteigen- 
der Linie  bewegte  sich  dagegen  unser  Baritonist  Soomer.  War  er  als  St  Bris  in  Meyer- 
beers  Oper  fehl  am  Ort,  so  interessierte  er  umsomehr  als  Graf  Luna  im  Troubadour, 
fand  sich  recht  brav  mit  dem  Wolfhim  in  einer  zweiten  Tannhäuser-Aufführung  ab  und 
Hess  als  »Holländer*  die  Gewissheit  zurück,  dass  er  vielleicht  schon  bald  eine  der  besten 
Stützen  unsrer  Oper  abgeben  wird.  Zu  diesen  gehören  bereits  Lisbeth  Stoll,  die  als 
»Valentine*  und  »Venus*  höheren  Ansprüchen  vollauf  genügt,  Frl.  Ekeblad,  eine  der 
besten  DarsteUerinnen  der  Elisabeth,  die  ich  je  gesehen  habe,  und  Frau  GruselH-Böer, 
unsere  geschätzte  Koloratursängerin,  die  als  Margarethe  von  Valois  entzückte  und  als 
»Rosine*  im  Barbier  von  Sevilla  auf  der  Höhe  ihrer  Aufgabe  stand.  Mit  unserem  ersten 
Kapellmeister,  Bemh.  Tittel,  ist  im  Orchesterraum  ein  neuer  Geist  eingezogen,  dessen 
belebender  und  erfrischender  Hauch  sich  angenehm  bemerkbar  macht    Martin  Frey. 


222 

DIE  MUSIK  III.  a 


HAMBURG:  Mit  ihrem  prichtigen  Ensemble  leistete  die  Oper  bisher  an  Neuheiten 
nichts,  an  Neueinstudierungen  Gounods  »Romeo  und  Julia*  und  Lortzings  »Undine". 
Die  Preisfrage  zu  lösen,  welche  von  beiden  Opern  wässriger  ist,  ist  hier  nicht  der  Ort. 
Jedenfalls  braucht  die  Direktion  auf  diese  Taten  nicht  allzu  stolz  zu  sein,  denn  auch  der 
Umstand,  dass  man  aus  der  „Undine**  durch  hübsche  neue  Dekorationen,  die  ein  Heiden- 
geld gekostet  haben  mögen,  eine  Sehenswürdigkeit  machte,  kann  uns  nicht  an  der  Be- 
merkung hindern,  dass  die  Aufgaben  des  grössten  deutschen  Stadttheaters  weder  durch 
Auffuhrungen  Gounodscher  noch  Lortzingscher  Werke  gelöst  werden.  »Romeo*  wurde 
überdies,  mit  Pennarini  und  Frl.  Scbloss  in  den  Hauptrollen,  ziemlich  missig  gegeben, 
die  »Undine*  brachte  man  dagegen  gut  heraus.  Dem  vorigen  Bericht  über  die  neue 
Zusammensetzung  des  Ensembles  habe  ich  nachzutragen,  dass  ausser  dem  genialen 
Gustav  Brecher,  den  wir,  wenn  nicht  alle  Anzeichen  trügen,  leider  nicht  lange  den 
unseren  werden  nennen  dürfen,  noch  Josef  Stransky  aus  Prag  als  Kapellmeister  bei  uns 
funktioniert.  Er  machte  in  den  bisher  von  ihm  geleiteten  Aufführungen  den  Eindruck 
eines  tüchtigen,  routinierten  und  vom  besten  Willen  beseelten  Musikers,  der  über  viel 
Verstand,  aber  etwas  weniger  Wirme  verfügt.  Heinrich  Chevalley. 

HANNOVER:  Im  Kgl.  Theater  gab  es  zwei  Engagementsgastspiele  des  Herrn  Schirmer, 
der  sich  um  das  freiwerdende  Heldentenorftch  bewarb.  Schirmers  Organ,  kein 
eigentlicher  Heldentenor,  ist,  bis  auf  die  etwas  flache  Höhe  sehr  sympathisch,  seine 
musikalische  und  darstellerische  Befihigung' hochanerkennenswert.  Er  gastierte  als  Lohen- 
grin  und  Tristan,  vornehmlich  in  der  letzten  Partie  mit  schönem  Erfolg.  Im  übrigen 
gab  es,  abgesehen  von  einer  unter  Doebbers  Leitung  stattgefundenen,  erfolgreichen  Neu- 
einstudierung des  »Tristan**  nichts  Bemerkenswertes,  da  das  Repertoire  sich  in  den  ge- 
wohnten Geleisen  bekanntester  Opern  bewegte.  Als  nichste  Neueinstudierung  wird  Lortzings 
»Wildschütz**  genannt,  an  Novititen  zu  denken  wire  Vermessenheit     L.  Wuthmann. 

KARLSRUHE:  Das  Grossherzogliche  Hoftheater  stand  in  den  letzten  Wochen  unter 
dem  Einfluss  des  inzwischen  erfolgten  Abschieds  des  Generalmusikdirektors  Felix 
Mottl  von  dem  Schauplatz  seiner  20 Jährigen  Titigkeit  als  Opemleiter.  Wohl  versichert 
Mottl,  dass  er  nach  seiner  siebenmonatlichen  Kontraktserfüllung  in  Conrieds  Metropolitan 
Opera  House  zu  New- York  wieder  nach  Karlsruhe  zurückkehren  würde,  aber  hier  und 
da  wird  doch  ein  leiser  Zweifel  laut,  ob  sich  nicht  die  Verhiltnisse  stirker  erweisen 
werden,  als  Mottls  guter  Wille.  JedenMls  weiss  man  hier  wohl  zu  schätzen,  was  für 
eine  hohe  Bedeutung  der  Name  Mottl  für  die  Karlsruher  Oper  hat,  der  er  namentlich 
in  den  Aufführungen  der  Werke  Richard  Wagners  und  in  der  Wiedergewinnung  der 
Werke  Hector  Berlioz'  den  Ruhm  früherer  Tage  erneute.  Mit  der  Gesamtaufführung 
des  »Ring  des  Nibelungen**  und  einer  wiederholten  Aufführung  der  »Meistersinger*  fand 
dss  letzte  Abschiednehmen  statt  Sänger  und  Orchester  wetteiferten,  abgerundete 
Leistungen  herauszubringen  und  mit  voller  BefHedigung  darf  man  deshalb  auf  die 
giänienden  Tage  zurückblicken,  in  denen  unter  Mottls  begeisterungsvollem  Dirigenten- 
stabe Hr.  Büttner  einen  mit  Fortschreiten  der  Tetralogie  immer  eindrucksvolleren  Wotan 
gab,  Hr.  R6mond  namentlich  als  SiegfHed  an  den  beiden  Abenden  eine  geradezu  ideale 
Leistung  bot,  Hr.  Bussard  seinen  unübertrefflichen  Mime,  Hr.  Keller  seinen  machtvoll 
dfistem  Hagen  vor  uns  erscheinen  Hess,  Frl.  Fassbender  eine  in  vieler  Hinsicht  geradezu 
ausgezeichnete  Brünnhilde  und  Frl.  Ethofer  als  Fricka  wie  als  Waltraute  durch  den  Wohl- 
klang ihres  Organs  erfreute.  In  den  Meistersingern  genügt  zwar  unser  augenblicklicher 
Stolzing  (Hr.  Pauli)  darstellerisch  nicht  und  Hr.  v.  Bongardt  als  Beckmesser  outrierte 
vielfach  noch.  Aber  der  prachtvolle  Hans  Sachs  Büttners,  das  mit  jugendlicher  Frische 
gesungene  Evchen  Ada  Robinsons  vom  Wiesbadener  Kgl.  Theater,  der  brillante  David 
des  Hm.  Bussard  und   die  vorzüglichen  Ensemblescenen   machten,  zugleich  mit  den 


223 


wundersamen   Orchesterleistungen   den  Thesterabschiedssbend  Mottls  zu  einem  hohen 
Genuss.  Albert  Herzog. 

KÖLN:  Im  neuen  Stadttheater  gab  es  am  1.  Oktober  gelegentlich  der  Enthüllung  von 
Denkmälern  für  Kaiser  Friedrich  III.  und  die  Kaiserin  Augusts  eine  Festvorstellung, 
die  die  Verwsndlung  des  zweiten  Aids-Akts  und  den  dritten  Sommemachtstrsum-Akt,  von 
Direktor  Purschisn  glänzend  inscenierr,  mit  Mendelssohns  Musik  brschte.  Pur  eine 
Wiederbelebung  der  «Iphigenie  in  Aulis*  sind  wir  sehr  dsnkbsr,  wenngleich  die  sushilfsweise 
die  Titelrolle  singende  Frau  Rusche  nicht  recht  erwärmen  konnte.       Paul  Hiller. 

MAINZ:  Die  neue  Theaterssison  ist  mit  seltener  Spsnnung  erwsrtet  worden.  Nicht 
nur,  dass  ein  neuer  Direktor  an  die  Spitze  unserer  Bühne  trst,  dieser  brschte  such 
ein  fsst  vollständig  neues  Bühnenpersonsl  mit.  Die  Aufgabe,  die  der  neue  Leiter,  Direktor 
Steinert,  der  aus  Bsrmen  zu  uns  ksm,  durchzufühlen  übernommen,  ist  keine  leichte. 
Sein  Vorgänger  Hofrst  Emil  Steinbsch  hst  es  während  seiner  dreijährigen  Direktions- 
fühning  verstsnden,  die  künstlerischen  Leistungen,  besonders  in  der  Oper,  suf  einem 
hohen  Standpunkt  zu  halten,  und  durch  Vorführung  interessanter  Novitäten  oder  be- 
deutender Gäste  dss  Interesse  des  Publikums  stets  neu  zu  beleben.  Er  ist  nun  wieder 
zum  Kapellmeisterstnhl  zurückgekehrt  So  Isnge  er  den  Tsktstock  führt,  wird  nicht 
nur  dss  Publikum,  sondern  such  der  Direktor  suf  seine  Kosten  kommen.  Die  Direktion 
hst  eine  Reihe  interessanter  Genüsse  in  Aussicht  gestellt,  eine  Reihe  bedeutender  Novitäten. 
Was  er  bis  Jetzt  geleistet  hst,  zeigt  ihn  uns  sls  einen  Mann  von  ruhigem,  sicherm  und 
zielbewusstem  Handeln.  Machte  er  seinem  Ruf  als  Schsuspielregisseur  gleich  bei  der 
ersten  Vorstellung  sUe  Ehre,  so  bewies  er  tags  darauf  bei  der  Walküre,  dass  ihn  such 
bei  der  Oper  ein  sicherer  Bück  leitet,  der  sich  besonders  bei  den  Ensemblescenen  sufs 
sngenehmste  bemerkbsr  mschte.  Der  gute  Eindruck  dieser  ersten  Vorstellungen  hat 
sich  such  bis  jetzt  erhalten  bei  den  folgenden  Vorstellungen,  unter  denen  ich  Lohengrin, 
Jüdin,  Freischütz  nenne.  Die  neu  gewonnenen  Bühnenkräfte  scheinen  sich  fast  durch- 
weg zu  bewähren,  so  der  neue  Heldentenor  O.  Bolz,  der  Heldenbsriton  August  von  Manof, 
Frl.  E.  Salvi,  die  jugendliche  Sängerin.  Besonders  aber  ragt  Hedwig  Matema,  unsere 
Primadonna,  hervor,  das  einzige  Mitglied  der  Oper,  das  aus  der  vorhergehenden  Ära  vom 
Direktor  Steinert  herübergenommen  worden.  Sie  bildet  nach  wie  vor  eine  der  Haupt- 
stützen des  Instituts.  Prof.  Fritz  Volbach. 

MÖNCHEN:  Der  Schluss  unserer  Richsrd  Wsgner-Festspiele  nshm  mit  einer  Ring- 
auffühning,  die  viel  Anregendes  brachte,  einen  recht  würdigen  Verlauf.  In  der 
i^Götterdämmerung*  sang  ein  neuer  Gast,  Thila  Plaichinger  aus  Berlin  die  Brunn- 
bilde;  eine  temperamentvolle  Künstlerin,  die  über  unverbrauchte  Stimmmittel  verfügt 
imd  sehr  gewandt  spielt.  Von  den  einheimischen  Kräften  wsren  Knote  sls  Siegfried  und 
Brodersen  als  Günther  vorcrefflich.  Ober  das  Scenische  ist  dem  im  vorigen  Bericht  ge- 
sagten nichts  hinzuzufügen.  Am  Schluss  wurden  den  Mitwirkenden,  insbesondere  dem 
Intendanten  von  Possart  und  seinen  hsuptsächiichsten  Mitsrbeitem  Fischer,  Fuchs  und 
Müller  vom  vollbesetzten  Hsuse  ehrender  Dsnk.  An  die  Festspiele  im  Prinzregenten- 
theater reihte  sich  nsch  einer  Ruhepause  von  8  Tsgen  ein  Mozartzyklus  im  wunder- 
lieblichen Residenzthester:  »Figsros  Hochzeit*,  »Cosi  fsn  tutte*,  j^Don  Giovanni*  und 
92Uiuberflöte*  zur  Erinnerung  an  das  150jährige  Bestehen  des  Königl.  Residenzthesters,  — 
Aufführangen,  die  schon  ihrer  einzig  dsstehenden  Regie  und  Maschinerie  wegen  zu  den 
Wundem  der  Bühnenkunst  zählen.  Ich  habe  eine  ungemein  adrette  ,,Cosi  fan  tutte". 
Wiedergabe  genossen.  War  das  ein  Leben,  ein  Humor,  eine  Anmut  —  völlig  stumpf 
hätte  einer  sein  müssen,  um  nicht  im  innersten  erquickt  und  zu  herzhafter  Fröhlichkeit 
mitförtgerissen  zu  werden.  Auch  die  übrigen  Aufführungen  wsren,  nach  verbürgten 
Nachrichten,   in   diesem    Sinne    susserordentlich.     Es   hsben    die   diesjährigen    Unter- 


224 
DIE  MUSIK  III.  3. 


nehmun{en  unserer  Tbeaterleitung  sonach  reichlich  Gluck  und  Erfolg  gehabt,  was  ihr 
nur  zu  gönnen  ist.  —  Inzwischen  sind  wir  schon  mitten  in  der  Saison  und  nähern  uns 
den  in  Aussiebt  gestellten  Uraufführungen.  Die  Lücke,  die  Zumpes  Jiher  Tod  in  die 
musikalische  Direktion  der  Hofbuhnen  gerissen  hat,  ist  noch  nicht  ausgefiUlt,  die 
Generalmusikdirektorfrage  noch  ungelöst.  Man  sprach  von  Steinbach,  und  spricht  von 
Mottl.  Dr.  Theodor  Kroyer. 

PETERSBURG:  Das  kaiseriich  russische  Marientheater  hat  im  ersten  Monat  der 
neuen  Saison  schon  erhebliche  Resultate  seines  Wirkens  aufzuweisen.  Seit  Beginn 
der  laufenden  Theaterzeit,  vom  1.  September  an,  haben  wir  bereits  eine  ganze  Reihe  be- 
deutender Buhnenwerke  herauskommen  sehen.  Nach  altem  Herkommen  wurde  die 
Spielzeit  mit  Russlands  populärster  Oper  ,Das  Leben  für  den  Zar*  von  Glinka  eröffnet. 
Darauf  folgte  eine  neue  Oper  »Der  Saracene**  von  C6sar  Cui.  Nur  die  wertvolle  Musik 
sicherte  der  Auffuhrung  einigen  Erfolg,  der  jedoch  hinter  der  Erwartung  zurfickblieb. 
Zu  einem  kurzen  Gastspiel  traf  die  Koloratur-Sängerin  Mlle.  de  Treville  von  der  Pariser 
Op6ra  Comique  hier  ein  und  debütierte  mit  grossem  Erfolg  in  der  D^libesschen  Oper 
»Lakm^**  und  in  Gounods  »Romeo  und  Julia**.  Aus  dem  abwechslungsreichen  Repertoire 
seien  noch  gelungene  Aufführungen  von  »Tannhäuser'',  »Hugenotten*  (zum  160.  mal), 
»Dämon*  von  Rubinstein,  »Mazeppa*,  »Eugen  Onegin*  und  »Piquedame*  von  Tschai- 
kowsky  erwähnt.  In  »Eugen  Onegin*  sang  der  bekannte  lyrische  Tenor  Leonid 
Ssobinoff  aus  Moskau  den  Lensky;  er  dürfte  in  diesem  Part  kaum  einen  Rivalen  finden, 
so  ausserordentlich  weiss  er  das  Charakteristische  dieser  Figur  hinzustellen  und  das 
Musikalische  darzulegen.  Bernhard  Wende L 

RIGA:  Im  Wirken  unserer  Oper  herrscht  vorläufig  noch  beschauliche  Windstille.  Mit 
Ausnahme  der  Eröffhungsvorstellung  von  »Lohengrin*,  in  welcher  der  Tenorist 
Stolzenberg  erfolgreich  auf  Engagement  gastierte,  ist  kaum  etwas  sonderlich  Bemerkens- 
wertes zu  notieren,  denn  eine  überflüssige  Neueinstudierung  von  Meyerbeers  trostloser 
Oper  »Robert  der  Teufel*  kann  unmöglich  als  Bereicherung  künstlerischer  Taten  be- 
zeichnet werden.  Infolge  der  Erkrankung  unserer  dramatischen  Sängerin  Frau  Bninnow, 
sowie  durch  das  Engagement  mehrerer  unerfahrenen  Kräfte  musste  das  Repertoire  von 
Beginn  der  neuen  Saison  an  ins  Stocken  geraten  und  man  erwartet  sehnsüchtig  den 
Moment,  der  einen  vorteilhaften  Umschwung  herbeiführen  solL        Carl  Waack. 

SCHWERIN:  Die  Spielzeit  der  Hofbühne  begann  am  17.  September  mit  einer  trefflichen 
Aufführung  von  Webers  herrlicher  »Euryanthe*  in  der  gewohnten  bewährten  Be- 
setzung. In  der  75.  Aufführung  von  Flotowa  »Martha*  traten  zwei  neue  Mitglieder 
erfolgreich  ihr  Engagement  an,  die  Damen  Irene  Abendroth  (in  der  Titelrolle)  und  Höfer 
(Nancy).  Neben  Fidelio,  Don  Juan,  Der  polnische  Jude,  Der  OberMl  (Zöllner),  Carmen 
und  Faust  erschien  als  Novität  »Lobetanz*  von  Ludwig  Thuille.  Um  die  Aufführung, 
die  viel  Beifall  fand,  machten  sich  besonders  Fri.  Abendroth  und  Herr  Lang  verdient. 

C.  Burmeister. 

STUTTGART:  Dss  Wichtigste  scheinen  seit  Anfang  September  die  klassischen  Auf- 
führungen gewesen  zu  sein.  Besonders  der  »Don  Juan*,  der  als  Don  Giovanni, 
nicht  ungekürzt,  aber  neu  ausgestattet  und  einstudiert  auferstand.  Die  unrichtige  Reihen- 
folge mancher  Arien  und  einiges,  was  offenbar  die  Regie  angeht,  hätte  bei  dieser  Ge- 
legenheit auch  noch  verbessert  werden  können.  Pohligs  temperamentvolle  Leitung  gab 
sich  mehr  durch  intensive  Belebung  als  durch  getriebene  Zeitmasse  zu  erkennen.  Frao 
Bossenberger,  die  als  Donna  Elvira  glänzte,  bedeutet  einen  entschiedenen  Gewinn  für 
die  Stuttgarter  Oper.  Zum  Gala  -  Figaro,  von  Schink  dirigiert,  konnte  ich  keine  Karte 
mehr  erhalten.  Dr.  K.  Grunsky. 


225 
KRITIK:  OPER 


TU7IEN:  Als  erste  Neuheit  entpuppte  sieb  Osksr  Nedbsls  Bsllet  „Der  ftiule  Hans*  in 
W  unserer  Hofoper.  Seine  weiteren  Novitätensbsicbten  bullt  Direktor  Msbler  in 
tiefes  Geheimnis.  So  wenig  freilieb  versprochen  wird  —  immer  gelingt  es  der  Direktion, 
npch  weniger  zu  halten.  Für  Nedbsls  Balletpsntomime  wurde  tief  in  den  Sickel  gegriffen 
and  mit  diesem  den  Abend  ausfüllenden,  die  weitestgehenden  Anforderungen  der  Schau- 
last  befriedigenden  Ballet  den  Freunden  der  Theatertanzkunst  von  heute  Rechnung  ge- 
tragen. Die  Ba]let>dichtung*  vom  ftuilen  Hans  ist  im  höchsten  Grade  naiv  und  prätentiös. 
Sie  macht  sogar  dramatische  Ansprüche,  bietet  einen  Drachenkampfund  kindliche,  leicht 
JVL  übersehende  tschechisch-nationale  Symbolik.  Nedbals  Musik  verrit  einen  geschickten, 
nicht  gerade  originell  erfinderischen  Musiker.  Einzelne  Tänze  sind  charakteristisch  und 
temperamentvoll  und  in  der  Begleitung  der  Pantomime  treffen  wir  auf  Stellen,  denen 
ein  starker  und  bezeichnender  Ausdruck  nicht  abzusprechen  ist.  Die  Aufführung  solcher 
Werke  bedeutet  natürlich  kein  Kunstereignis,  sondern  ist  lediglich  Sache  der  Spielplan- 
|>Qlitik.  Als  Ausfluss  der  letzteren  muss  auch  die  mit  grossem  Arbeitsaufwand,  in 
mehrfticher  Besetzung  vorbereitete  und  nun  erfolgte  Wiederaufnahme  von  Hal6vys 
jjfidin**  gelten.  Das  Werk  erscheint  zwar  noch  heute  als  Produkt  einer  hervorragend 
tedentenden  dramatischen  Begabung,  edler  und  stilreiner  als  Meyerbeers  Opern  und 
Inam  entbehrlich  im  Repertoire  einer  täglich  spielenden  Oper.  Daneben  aber  verlangt 
tnan  Wiederaufnahmen  von  Werken,  die  denn  doch  in  der  Geschichte  der  Oper  einen 
höheren  Rang  einnehmen,  wie  Glucks  oder  M6huls,  oder  die  endliche  Einführung  einer 
'der  Opern  von  Berlioz,  die  bereits  Zugang  zu  fast  allen  grossen  deutschen  Bühnen 
gefunden.  Man  verlangt  die  Aufführung  einer  Neuheit,  die  unabhängig  vom  [Horoskop, 
■das  die  Praktiker  ihrem  Kassenerfolg  stellen,  einem  rein  künstlerischen  Interesse  zu 
dienen  bestimmt  ist.  Solches  darf  man  von  einem  Hoftheater,  das  ja  ein  Kunst- 
-institut  sein  will,  billigerweise  erwarten.  Die  Aufführung  der  ,Jüdin*  gelang  übrigens, 
-trotz  der  gewaltigen,  die  Kräfte  des  Instituts  durch  Wochen  in  Anspruch  nehmenden 
Vorbereitungen,  nur  halb.  Wie  im  Vorjahre  durch  die  Aufführung  der  „Hugenotten* 
wollte  Direktor  Mahler  durch  seine  Art  der  Wiedergabe  des  Werkes  den  Beweis 
'erbringen,  dass  man  es  in  der  ,Jüdin*  mit  unverfälscht  dramatischen  Wirkungen 
zu  tun  habe,  dass  diese  «»grosse  Oper**  at>er  auch  durchaus  musikalisches  Drama 
«ei.  Die  Unmöglichkeit,  diesen  Beweis  zu  führen,  liegt  auf  der  Hand.  Das  Unreine 
4er  Kunstgattung  vermag  auch  die  vorsichtigste  Künstlerhand  nicht  daraus  zu  entfernen. 
HaldFys  Werk  wurde  in  früherer  Zeit  an  der  Wiener  Hofoper  weit  besser  gesungen  und 
«dessen  spezifischen  Wirkungen  viel  eindringlicher  zur  Geltung  gebracht.  Herr  Slezak, 
4er  den  Eleazar  gab,  hatte  glänzende  Momente.  Es  fehlt  ihm  weder  an  glanzvollem 
Material  noch  an  Gesangskunst  und  schauspielerischem  Talent.  Die  Vollendung  und 
völlige  Sicherheit  in  der  Beherrschung  der  Rolle  wird  sich  erst  in  der  Zukunft  ein- 
stellen. Frau  Foerster-Lauterer  (Recha)  ist  eine  der  routiniertesten  Sängerinnen.  Stellen- 
weise erhob  sie  sich  zu  poetischen  Wirkungen.  Herr  Hesch  imponierte  durch  Stimme 
«nd  machtvollen  Vortrag  als  Kardinal.  Frau  Elizza  und  Herr  Preuss  opferten  sich  mit 
Anstand  auf  den  verlorenen  Posten  der  Prinzessin  und  des  Prinzen.  Künstlerisch 
^beglückende  Taten  ist  uns  Direktor  Mahler  schon  allzulange  schuldig  geblieben. 

Gustav  Schoenaich. 

ZÜRICH:  Vier  Wochen  einer  angestrengten  Tätigkeit  haben  die  solide  Durchführung 
eines  reichen  Materials  und  die  flotte  Einrangierung  neuengagierter  Kräfte  ergeben. 
Von  ihnen  kann  allerdings  die  Koloratursängerin  Frl.  Lorenz  noch  nicht  et>enbürtig  dem 
übgegangenen  Frl.  Level  genannt  werden,  da  es  an  künstlerischer  Freiheit  und  Ver- 
wendung der  recht  braven  Mittel  fohlt  Mehr  Glück  hatte  Direktor  Reucker  mit  dem 
itiefen  Bass.  Herr  Neugebauer  ist  eine  markante  Persönlichkeit  mit  schöngebildeter,  um- 
HL  3.  15 


226 
DIE  MUSIK  III.  a. 


fangreicher  Stimme  und  auch  als  Darsteller  das  Mittelmass  übersteigend,  dazu  durcb 
Fleiss  ausgezeichnet  Solcb  eine  Erwerbung  ist  dreifach  zu  begrfissen,  da  die  Frfichte 
der  letzten  Saison  ein  Defizit  sind,  die  Zfircher  Buhne  mit  ihrer  diirfttgen  stidtiscben 
Unterstützung  also  riskieren  muss,  eines  schönen  Tages  dem  indifferenten  Publikum 
geschlossene  Läden  zuzukehren,  jedenfalls  aber  nur  Verträge  auf  zwei  Jahre  abgeschlossen 
werden  können.  Einstweilen  rechnet  man  auf  private  Spenden  der  Millionäre  und  kultiviert 
mit  Eiför  jedes  dramatische  Genre,  wobei  namentiich  das  jetzt  zur  Frau  Brück  gewordene 
Frl.  Berger  (Primadonna),  Herr  de  Meyer  (Heldentenor),  die  beiden  Baritonisten  Basilio 
und  Bockholt,  sowie  das  Frau  Direktor  Reucker  gewordene  Frl.  Trebers  wacker  helfen. 

W.  Niedermann. 

KONZERT 

BERLIN:  Unter  den  sechs  Werken,  die  das  Programm  der  ersten  beiden  Symphonie- 
Abende  der  König].  Kapelle  unter  Felix  Weingartner  enthielt,  beftinden  sich 
zwei  Neuheiten.  Eine  alte  und  eine  ganz  frische.  Beide  in  d-moll:  J.  S.  Bachs  Konzert 
für  zwei  Violinen  und  Symphonie  (op.  9)  von  Ernst  von  Dohnänyi.  Das  Bachsche  Werk, 
das  im  Rahmen  dieser  Konzerte  zum  erstenmal  zum  klanglichen  Leben  erweckt  wurde, 
strömt  förmlich  über  in  seiner  sprudelnden  Spielfreudigkeit  und  beglückenden  Naivität. 
Der  zweite  Satz,  ein  Largo,  ma  non  tanto,  ist  ein  Stück  von  niederzwingender  Schönheit. 
Die  beiden  Solo-Violinen  ergehen  sich  hier  in  einem  Dialog,  der  durchtränkt  ist  von 
goldigster  Poesie.  Ein  wundersames  Gewebe  herrlicher,  melodischer  Linien,  das  vod 
den  Konzertmeistern  Halir  und  Dessau  mit  föinem  Stilgefühl  und  tiefer  Verinnerlichung 
blossgelegt  wurde.  Ernst  von  Dohnänyis  Partitur  verdankt  ihr  Entstehen  einem  grossen, 
ehrlichen  Wollen.  Sein  technisches  Rüstzeug  ist  glänzend,  vollzählig  und  vom  besten 
Kaliber  und  wird  bereits  mit  erstaunlicher  Souveränität  gehandhabt  Was  seinem  Werk, 
noch  mangelt  ist  der  straff^  gerade  Wuchs  seiner  Glieder  aus  einer  kraftvollen,  leben- 
spendenden Wurzel  heraus.  Das  löblichp  Bestreben,  eine  «eigene  Handschrift*'  zu 
schreiben,  verleitet  den  jungen  Tonsetzer  nur  zu  oft,  seinen  wenn  auch  noch  so  reiz- 
vollen Gedankensprfingen  allzu  nachgiebig  zu  folgen.  So  entsteht  ein  buntes,  sich  immer 
wieder  ablösendes  Nebeneinander  der  Gedanken  an  Stelle  eines  innigen,  logiseben 
symphonischen  Zusammenschlusses.  Die  kontrapunktische  Ehe,  die  seine  Themen  wohl 
hier  und  da  eingehen,  ist  mehr  auf  das  Konto  der  Freude  an  der  gewonnenen  technischen 
Fertigkeit  zu  setzen  und  mehr  eine  äusserliche,  wenn  auch  kunstvolle  Verschachtelun^ 
der  Motive.  Die  unsymphonische  Buntheit  des  Werkes  wird  auch  noch  durch  ein  kurzes 
«Intermezzo*  betiteltes  Sätzchen  gesteigert,  das  der  Komponist  zwischen  dem  dritten 
und  dem  Schlusssatz  eingefügt  hat  Am  einheitiichsten  wirkten  das  wundervoll  instru- 
mentierte Molto  adagio  und  das  keck  dahinstürmende  Presto-Scherzo.  Jedenfalls  präsentiert 
sieb  die  Symphonie  als  das  Werk  eines  ungewöhnlich  reich  begabten  jungen  Musikers. 
Im  übrigen  bekam  das  das  Haus  bis  unters  Dach  füllende  Stammpublikum  dieser 
Konzerte  Haydn,  Beethoven  und  Schumann  in  der  bekannten,  teilweise  unerreichteir 
Vollendung  zu  hören.  —  L  Philharmonisches  Konzert  Dirigent:  Arthur  Nikisch» 
Mit  Händeis  viertem  Konzert  (F-dur)  für  Orgel  und  Orchester  wurde  die  Serie  dieser 
zehn  Abende  würdig  eingeleitet  Alfred  Sittard  sass  an  der  Orgel.  Imponierend  über 
der  Sache  stehend,  war  er  dem  Werk  in  musikalischer,  wie  technischer  Hinsicht  ein. 
überaus  geschmackvoller,  gediegener  Interpret  Luis  Mysz-Gmeiners  Alt  reichte  nicht 
ganz  für  die  Wiedergabe  des  Arioso  aus  Cantata  con  stromenti  von  Händel  aus.  Da» 
Strahlende,  Leuchtende  in  diesem  wunderbaren  Stück  kam  nicht  recht  zur  Geltung.. 
Um  vieles  besser  gelang  ihr  dagegen  die  Brahmssche  Rhapsodie,  bei  der  ihr  der  Berliner 
Lehrer-Gesangverein  wirksam  sekundierte.  .Aus  Odysseus'  Fahrten«  op.  6;  No.  1 :  Ausfahrt 


227 
KRITIK:  KONZERT 


und  Schiffbruch  von  Ernst  Boebe  war  die  Novität  des  Abends.  Dem  freundlichen  Beiftül, 
den  das  angeregte  Publikum  einmfitig  spendete,  kaun  man  unbedenklich  zustimmen.  Ist 
auch  Torderhand  die  Technik  noch  zu  sehr  Selbstzweck,  betrachtet  resp.  verwechselt  der 
Komponist  sein  Programm  noch  zu  ängstlich  mit  einer  Vorlage,  die  er  möglichst  treu 
und  realistisch  im  Orchester  nachzuzeichnen  bestrebt  sein  mfisse,  wobei  er  sich  den 
Sfimpfen  der  Reflexion  schon  bedenklich  nähert,  so  sind  das  doch  alles  nur  Ausstellungen, 
die  bei  der  Jugend  des  Tonsetzers  noch  nicht  schwer  wiegen.  Auf  alle  Fälle  haben  wir 
berechtigten  Grund,  auf  das  nächste  Orchesterwerk  Boehes  gespannt  zu  sein.  Mit  der 
vPastorale**  klang  der  Abend  aus,  der  uns  Prof.  Nikisch  und  sein  herrliches  Orchester 
wieder  in  glänzendster  Disposition  gezeigt  hat.  Bernhard  Schuster. 

^    Unter  den  Klavierabenden  der  ersten  Oktoberwochen  sei  an  erster  Stelle  genannt 
der  Alfred  Reisenauers,  der  besonders  Schumanns  Davids -BQndlertänze  wundervoll, 
ganz  im  Geiste  dieser  Tondichtungen,  spielte.    Als  weit  Qber  das  Durchschnittsmass  der 
Pianisten  herausragend  zeigte  sich  Gottfried  Galston,  der  ein  Riesenprogramm,  u.  a. 
Liszts    h-moll-Sonate    und    die    d-moll-Chaconne   von    Bach-Buseni    mit   erstaunlicher 
Virtuosität  in  technischer  Hinsicht,  künstlerischer  Intelligenz  und  Grösse  des  Stils,  vor- 
trug.    Die   Herren   Oskar  Weichsel    und   Richard  Singer    spielen    vor    der   Hand 
noch  mehr  mit  den  Fingern  als  mit  Empfindung  und  Kunstverständnis;  doch  haben  sie 
beide  eine  gute  technische  Grundlage  und  lassen  weitere  Entwicklung  hoffen,  was  man 
von  Caroline  Beebe  nicht  sagen  kann,  die  ohne  technisches  Können,  ohne  Sinn  und 
Verstand  an  den  Beethoven,  Brahms  und  Schumann  herumhaspelte.    Einen  sehr  vorteil- 
haften Eindruck  hinterliess  mit  ihrem   Liederabend  Elisabeth  O  hl  hoff,    deren   hoher 
Sopran    trefflich  geschult    ist    und    die  mit    feinem   Geschmack    vorträgt      Katharina 
Hennig-Zimdars    empfahl    sich   durch   lebendiges   Empfinden    im   Vortrag   und   den 
sympathisch  weichen  Klang  des  dunkelgeftrbten  Mezzosoprans.    Hugo  Wolf  gelang  ihr 
vielleicht  diesen  Abend  am  besten  im  Ausdruck.     Richard  Fischer  erfreute  diesmal 
durch  schlackenfreie  Tongebung  seines  männlich -kräftig  klingenden  Tenors,   fein  aus- 
gearbeitete Textaussprache  und  klug  zusammengestelltes  Programm,  das  zur  Hälfte  aus 
Gesängen  von  Hugo  Wolf  bestand.    Josef  Loritz  sollte  sein  Organ,  das  mühelos  aas 
der  Bassregion  hoch  in  die  Tenorlage  hinaufreicht,  noch  geschmeidiger  schulen;  es  klingt 
noch  zu  robust,  was  er  singt.    Bisweilen  erinnert  er  klanglich  an  Eugen  Gura,  an  den 
er  aber  noch  nicht  in  der  plastischen  Gestaltung  hinanreicht     Richard  Koennecke 
hat  sich  bedeutend  zu  seinem  Vorteil  entwickelt;  er  singt  jetzt  mit  weniger  Kraftentfaltung 
und  fbinerem  Schliff;  sein  Vortrag  klingt  nicht  mehr  so  äusserlich  auf  den  Effekt  an- 
gelegt, wie  firfiher.     Der  Berliner  Lehrer-Gesangverein  (Professor  Felix  Schmidt) 
hatte  für  sein  erstes  grosses  Konzert  das  Programm  nach  den  Intentionen  des  Kaisers 
zusammengestellt;  der  Erfolg  des  Abends  bewies,  dass  ein  Männerchor  auch  mal  ohne 
Hegars  Totenvolk  konzertieren  darf.    Die  volkstümlich   kräftige  Art  Webers  (Lfitzows 
wilde  Jagd),  die  gemütvollen  Weisen  Kreutzers,  Mendelssohns,  Suchers,  ältere  Stücke  aus 
dem   Lochheimer  Liederbuch   u.  a.  wurden   mit  vollendeter  Schönheit  des  Ausdrucks 
und   des  Gesamtwohlklanges,   tadellos   klarer  Textaussprache  dargeboten.     Die  Sing- 
akademie  hat   in   ihrem    ersten   Abonnementskonzert   «Das  Paradies   und   die  Peri** 
Roh.  Schumanns    mit  Emilie   Herzog  als   Peri,   Klara  Erler   (Jungftrau),    Frau  Walter 
Cholnanas,  den  Herren  Fischer  und  Anton  Sistermans  aufjgeführt.    Prof.  Georg  Schu- 
mann gab  sich  ersichtlich  Mühe,  das  Werk  seinem  poetischen  Gehalt  nach  lebendig 
zu  machen;  er  detailierte  aufe  feinste  die  zarte  Farbe  der  Tondichtung,  für  die  wir 
alle  In  der  Jugend  geschwärmt  haben  und  die  wir  jetzt  zu  unserm  Kummer  immer 
blasser  werden  sehen.     Der  kräftige  Aufechwung  In  der  modernen  Kunstentwicklung 
läset  das  Schnmannsche  Werk  zur  Zeit  etwas  gestalt-  und  farblos,  gar  zu  klein  und 

15* 


228 
DIE  MUSIK  III.  a 


weichlich  erscheinen  —  möglich,  dass  eine  spätere  Zeit  es  wieder  mit  andern  Ohren 
anhört  Die  Schumannsche  Klaviermusik  seiner  ersten  Schaflfensperiode  rückt  dagegen 
immer  höher  in  ihrer  Bedeutung,  sie  und  die  Liederfülle  aus  den  ersten  Jahren  er- 
scheinen immer  nachhaltiger  wirkend  über  ihre  Zeit  hinaus,  während  seine  Chor-  und 
Kammer-Musik  bereits  von  ihrem  Reiz  einbüsst,  den  sie  einst  unleugbar  ausübte. 
Victor  Ben d ix  hat  in  der  Singakademie  eine  Reihe  seiner  Orchesterstücke,  zwei 
Symphonieen  und  einige  kleineren  Werke  mit  dem  philharmonischen  Orchester  auf- 
geführt, ausserdem  eine  längere  Liederreihe  von  Raimund  von  Zur-Mühlen  singen 
lassen.  Das  Orchester  ist  ftirbenreich  behandelt,  doch  fohlt  es  im  ganzen  den  Motiven 
an  plastischer  Kraft  und  der  Satz  entbehrt  des  polyphonen  Reizes.  Auch  die  Lieder 
scheinen  etwas  altmodisch  in  der  Art  der  Stimmführung  wie  der  Begleitung.  Muss 
man  übrigens  Gedichte,  die  Schubert,  Schumann  und  andere  Meister  komponiert  haben, 
immer  wieder  in  Musik  setzen?  Besser  als  die  machfs  doch  kaum  jemand.  Herr 
Bendix  dirigierte  selber  mit  Sicherheit;  mir  schien  er  als  Dirigent  bedeutender  denn  als 
Komponist.  E.  E.  Taubert. 

Erst  mit  der  Rückkehr  des  Philharmonischen  Orchesters  aus  Scheveningen 
beginnt  die  eigentliche  Musiksaison;  in  dem  Eröffhungskonzert  bot  Herr  Rebicek,  dem 
vom  Publikum  eine  überaus  herzliche  Begrüssung  zuteil  wurde,  mit  seiner  treflPlichen 
Künstlerschar  u.  a.  eine  brillante  Wiedergabe  des  »Don  Juan*  von  Richard  Strauss.  Auch 
der  TonkünstUr-Verein  hat  mit  seinen  dem  Schaffen  der  Lebenden  gewidmeten  Vor- 
tragsabenden begonnen  und  zwar  in  äusserst  glücklicher  Weise.  Zur  Aufführung  gelangte 
das  im  achten  Bande  der  »Musik**  S.  382  warm  empfohlene,  hochbedeutende  Sextett 
von  Hans  Koessler,  das  eine  tiefb  Wirkung  auf  den  leider  nicht  sehr  zahlreichen 
Zuhörerkreis  ausübte.  Vielleicht  noch  mehr  Eindruck  machte  das  hier  einmal  vor  elf 
Jahren  gespielte  Streichquintett  (mit  zwei  Cellis)  op.  26  von  Hugo  Kann,  eine  Perle 
der  Kammermusikliteratur,  der  weitesten  Verbreitung  würdig.  Das  Scherzo  kann  geradezu 
als  genial  bezeichnet  werden.  Beide  Werke  wurden  von  dem  Holländischen  Streich- 
quartett der  Herren  van  Veen,  Feltzer,  Ruinen  und  van  Lier  unter  Zuziehung 
der  Herren  Dr.  Philipsohn  (2.  Bratsche)  und  Meyroos  (2.  Violoncell)  vorgetragen,  das 
Quintett  weit  besser  als  das  Sextett,  in  dem  namentlich  der  erste  Geiger  manches  schuldig 
blieb.  Dazwischen  versuchte  E.  Severin  zwei  Gesängen  (Oktoberlied  und  der  Land- 
streicher) von  Ernst  Boehe  zur  Anerkennung  zu  verhelfen^  trefflich  von  Herrn  Dr.  Kuhlo 
am  Klavier  unterstützt;  aber  trotz  aller  Sympathieen  für  den  jungen  Komponisten  des 
»Odysseus*  muss  diese  bombastische  Vertonung  einfticher  Texte  als  verfehlt  bezeichnet 
werden.  Unter  Begleitung  des  philharmonischen  Orchesters  konzertierten  ein  Geiger 
und  zwei  Geigerinnen.  Ein  hervorragender  Vertreter  seines  Instruments  ist  der  auch 
musikalisch  feingebildete  Hamburger  Konzertmeister  Heinrich  Bandler,  dessen  nament. 
lieh  in  den  langsamen  Sätzen  sehr  ausdruckvolles  Spiel  mit  Recht  grossen  Beifall  fknd« 
Helene  Ferchland,  deren  grosses  Talent  schon  vor  zwei  Jahren  anerkannt  wurde,  hat 
solche  Fortschritte  gemacht,  dass  man  jetzt  getrost  sagen  kann:  sie  gehört  zu  den  Be- 
rufenen. Dem  bestrickenden  Liebreiz  ihres  Tones  wird  man  sich  ebenso  wenig  entziehen 
können  wie  ihrem  temperament-  und  seelenvollen  Vortrag;  sie  geht  geistig  ganz  in  dem, 
was  sie  vorträgt,  auf.  Otie  Chew  gehört  zu  den  recht  tüchtigen  Geigerinnen,  wie  sie 
heutzutage  nicht  gerade  selten  sind;  gesunde  musikalische  Auffassung  und  eine  energische 
Bogenführung  sind  an  ihr  zu  rühmen.  Zu  Violinspiel  und  Gesang  hatten  sich  viermal 
Paare  von  Konzertgebem  zusammengetan.  Immer  erwies  sich  der  geigende  Teil  als  der 
schwächere.  So  versündigte  sich  Laurenz  Korb  geradezu  an  Bachs  Ciacona.  Seine 
Partnerin  Hedwig  Reuter  litt  anfänglich  unter  starker  Befkngenheit,  die  sie  an  der 
Entfaltung  ihres  reichen  Stimmmaterials  hinderte  und  ihren  Vortrag  noch  zu  unfrei  er- 


220 
KRITIK:  KONZERT 


scheinen  Hess.  Ungeheure  Fortschritte  hat'  Madeleine  Walther  gemacht;  sie  ist  jetzt 
nicht  bloss  eine  Koloratursängerin  par  excellence,  sondern  behandelt  ihre  auch  voller 
gewordene  Stimme  in  feinster,  künstlerischer  Weise.  Ihr  Bruder  Gustave  Walther 
ist  ein  sehr  gediegener  Geiger.  Valerie  Zitelmann  (Mezzosopran)  wusste  besonders 
durch  ihr  schönes  Programm  und  ihren  geschmackvollen  Vortrag  zu  interessieren;  wie 
sie  wurde  auch  ihre  Partnerin  Ebba  Hjertstedt  mit  Beifall  überschüttet;  die  Jugend, 
liehe  talentvolle  Geigerin  wird  sich  hoffentlich  dadurch  nicht  verleiten  lassen,  die  ihr 
noch  sehr  nötigen  Studien  (Intonation!)  vor  der  Zeit  abzubrechen;  der  Öffentlichkeit  sollte 
sie  vorläufig  ganz  fem  bleiben.  Auch  Henrica  Jones  muss  dieser  Rat  erteilt  werden; 
den  nicht  ungünstigen  Eindruck,  den  sie  anfänglich  mit  Vfeuxtemps'  Fantasia  appassionata 
erweckt  hatte,  verdarb  sie  dann  völlig  mit  der  Bachschen  g-moll-Fuge.  Eine  grosse 
Künstlerin  ist  dagegen  ihre  Genossin  Hanna  Gründahl;  ihr  Alt  ist  von  einer  ent. 
zückenden  Weichheit  und  Rundung,  ihre  Atembehandlung  eine  künstlerische,  ihre  ganze 
technische  Ausbildung  einwandfrei.  Ihr  Vortrag  ist  lebensvoll  und  von  einer  überzeugen- 
den Reife  der  Auffassung.  Hertha  Geipelts  hoher,  in  Koloraturen  gewandter  Sopran 
wird  immer  durch  seine  Lieblichkeit  und  Süsse  gefallen,  aber  er  muss  noch  voller,  der 
Vortrag  vor  allem  viel  lebendiger  und  freier  werden,  wenn  man  auf  die  Dauer  gefesselt 
sein  soll.  Anton  Hekking,  der  Frau  Geipelts  Vorträge  durch  Solis  ergänzte,  wollten 
die  Flageolettöne  wunderbarerweise  dabei  nicht  gelingen.  Gut  gefiel  namentlich 
wegen  seines  schönen  Tones  und  seiner  geschmackvollen  Vortragsart  der  Geiger  Johannes 
Schroeder,  der  mit  Mark  Günzburg,  dem  gediegenen,  nur  allzu  sehr  das  Peda| 
liebenden  Pianisten,  u.  a.  auch  Beethovens  F-dur-Sonate  so  schön  spielte,  dass  man  es 
ihm  beinahe  verzeihen  konnte,  dass  er  eine  Sängerin  wie  Emmy  Jürgens  zu  seinem 
Konzert  zugezogen  hatte.  Einen  überwiegend  günstigen  Eindruck  hinterliess  der  Bari- 
tonist Karl  D rech  sei,  der  sich  besonders  bemüht,  den  geistigen  Inhalt  der  vorgetragenen 
Kompositionen  zu  erschöpfen  und  über  ein  sympathisches,  klangvolles,  sorgfältig  aus- 
gebildetes Organ  verfügt,  aber  leicht  in  seinem  Vortrag  monoton  wird.  Er  hatte  sich 
der  Beihilfe  der  hier  genügend  bekannten  Geigerin  Corinne  Coryn  versichert.  Endlich 
konzertierte  ein  von  Hubay  ausgebildeter  zehnjähriger  Geiger  Franz  von  Vecsey, 
schon  jetzt  ein  Künstler  ersten  Ranges;  es  ist  fabelhaft,  was  der  Knabe  auch  in  musi- 
kalischer Hinsicht  leistet.  Seine  Vorträge,  denen  bis  zu  Ende  Altmeister  Joachim 
und  viele  hervorragenden  Musiker  andächtig  lauschten,  erregten  einen  kolossalen,  durchaus 
berechtigten  Enthusiasmus.  Da  der  junge  Künstler  körperlich  gut  entwickelt  ist,  wird  er 
voraussichtlich  die  Gefahren,  die  einem  Wunderkind  immer  drohen,  siegreich  bestehen. 
Waldemar  Meyer  gebührt  das  Verdienst,  mit  seinen  Quartettgenossen  M.  Heinecke, 
B.  Heinze  und  A.  Löffler  sowie  den  Herren  Prof.  Schubert  (Klarinette),  H.  Lange 
(Fagott),  H.  Rudel  (Hom)  und  G.  Krüger  (Kontrabass)  Franz  Schuberts  melodieen- 
r^iches  Oktett  wieder  einmal  vorgeführt  zu  haben.  Das  grösste  musikalische  Ereignis 
aber  war  die  wahrhaft  ideale  Interpretation  des  Beethovenschen  cis-moll-Quartetts  durch 
das  Joachim -Quartett,  und  dabei  spielten  es  die  Herren  nach  Mozart  und  Haydn  in 
einer  solchen  Temperatur,  dass  schon  den  Zuhörern  der  Angstsch weiss  auf  der  Stirn 
stand.  Die  hygienischen  Zustände  in  der  überfüllten  Singakademie  sind  unglaubliche. 
Wann  wird  hier  endlich  Remedur  eintreten,  zum  mindesten  für  ausreichende  Ventilation 
gesorgt  werden!  Dr.  Wilhelm  Altmann. 

Quantitäten  und  Memorierleistungen  ergeben  noch  nicht  den  Begriff  Kunst.   Klavier- 
konzerte mit  Orchester  beweisen  dem  Kenner  nur  das  Gegenteil  vom  Können.    Anflhiger 
Unreife  und  Temperamentlose  wie  Middha  M6court  sollten  keine  Rekordkünste  treiben 
und  auf  ein  d-moll-Konzert  von  Rubinstein  nicht  das  Es-dur  von  Liszt  setzen,  da  jedes 
für  sich,  auch   ohne  Patzereien  und  die  bösen  Lapsus'  im  Finale  des  ersteren,  einen 


ganzen  »Kerl*  verlangt     Zwischen  beiden  noch  Griega  a-moll  zu  spielen,  war  ebenso 
wahnwitzig  wie  scherzhaft.    Im  ganzen  eine  lappige,  pappige  Aaffusttng.   Der  Ton  ohne 
Kern  und  klingende  Rundung;   Rhythmus  matt;  Phrasierung  beherrscht  vom  Geist  des 
^4  Taktes,  und  Passagen  und  Kantilene  vom  Pedal  erstickt    Dagegen  nötigt  Elisabeth 
Brauer  zu  grosser  Achtung.    Gebrach's  der  Schumann-Phantasie  auch  an  Grösse  und 
Klarheit,  so  steckte  doch  Ernst  und  Arbeit  darin.    Das  polyphone  Spiel  verriet  moderne 
Nuancen,    durchdachte    Stimmführung    und    klares    Eriksson    der    Gliederung.      Die 
Hollinderin  Maria  Seret  hat  angenehm  fiberrascht    Zwar,  das  Organ  ist  ängstlich  hell, 
der  piano-Ansatz  unsicher  und  flach,   die  Hauptresonatoren  nicht  volltitig,   aber  sie  hat 
Empfindung  und  Vortrag,  Anmut  und  Liebenswürdigkeit    Zur  dramatischen  Deklamation 
fehlt  Tiefipiff  und  Brustresonanz:  Konsonantik.   Sie  sang  Lieder  von  Heinrich  van  Eyken: 
»Schmied    Schmerz*,    »Idylle*,    »Unser   Glück*,    „Prinzessin^    die    sicher    im    Griff, 
von    strafPer    Gliederung,    logischer    Kadenzierung    und    musikalischer    Einheit   eine 
Sangeszukunft   haben.      Rosa   Olitzka    leidet   am   Tremolo,    sicherlich   ein    Produkt 
„italienischer**  Methode.    Aber  das  Organ  hat  einen  sinnlichen  Reiz,  einen  Schleier  und 
eine  gewisse  Sittigkeit,  die  bei  grösserer  Beherrschung  des  Inneren  und  noch  grösserer 
Konzentration  fkszinierend  wirken  könnte.   Dem  Vortrag  föhlf s  an  wahrhaft  seherischem 
Gestaltenkönnen.    Ein  raffinement  du  sentiment  und  virtuose  Berechnung  beherrschen 
Rasse  und   Temperament     Schwüle  Seele   —    Parfümkunst     Gertrude   Lucky  steht 
noch  unter  dem  Zwange  guter  Schulung.    Die  ängstliche  Sucht  zur  Korrektheit  verdirbt 
vieles.    Das  gebundene  Temperament,  das  ewige,  gieichmässige,  fadige  Legieren  und 
Bel-cantieren   ergibt  notwendigerweise  Monotonie.    Mal-canto,  mal-cantol    Mehr  Ecken 
und  Kanten,   mehr  Physiognomie  und  Seele!    Es  ist  die  Kraft  des  Tiefinnerlichen,  des 
Geheimen  und  Wunderbaren,  die  Mariane  de  Maringa  in  die  erste  Reihe  der  jüngeren 
Darstellerinnen  stellt    „Frauenliebe  und  Leben**,  das  war  schumannische  Poesie,  und 
Geist  von  s  einem  Geist    Die  Atmung  einer  weichen  Seele  und  die  schlichte  Hingabe 
des  Herzens,  jene  feine  Rieselkraft,  weckt  auch  das  Kleinste  zum  Leben  und  Licht   Die 
Einheit  zwischen  Wille  und  Psyche,  die  Verschmelzung  von  Kunst  und  Ausdruck,  Seele 
und  Gesang  wird  kommen.   Wo  die  Macht  der  Suggestion,  da  ist  Kunst  Auch  das  Intime, 
Kleine  ist  gross!  Stil  ist  mehr  als  Persönlichkeit,  und  Frederic  Lamond  hat  Stil.    Sein 
Beethoven  (Sonne  und  Humor  abgezogen)  hat  in  Wahrheit  etwas  t>eethovenisches.   Auch 
Brahma  kommt  er  nahe.   Aber  er  bedarf  der  völligen  Hingabe  und  ernster  geistiger  Konzen- 
tration.   Gemischte  Programme  liegen  ihm  nicht    Ich  habe  die  Waldstein-Sonate  besser 
von  ihm  gehört    Die  klavieristischen  Eigenheiten,  Härten  und  Absonderlichkeiten  spielen 
bei   dem    geistigen    Konto   eine   nebensächliche    Rolle.    Paula   Olshausens    umfang- 
reichen und  guten  Mittel  stehen  in  keinem  Verhältnis  zu  der  mangelhaften  Beherrschung 
derselben.     Sie  staut  schlecht,  fksst  nicht  und  lässt  Luft  durch,  infolgedessen  kein 
Pianoansatz,  ein  heuliges  Ziehen  und  ein  fortwährendes  Wanken  und  Schwanken  auf  der 
Tonhöhe.    Mehr  »Atempresse*  und  ihre  wirklich  schönen  Mittel  würden  der  Kunst  ge- 
rettet     Auch    bei   Alma   Brünette   und    Hjalmar   Arlberg   muss   man   über   viele 
stimmlichen  Mängel  hinwegsehen.    Aber  sie  wissen  zu   musizieren  und  verraten  eine 
gewisse  Energie  des  Ausdrucks.    Wann  werden  die  Stimmen  kommen,  die  Hugo  Wolf 
zu  fassen  vermögen?   Der  immense  Erfolg  des:  »Nachtzauber*,  »In  der  Frühe*,  »Mögen 
alle  bösen  Zungen*  spricht  doch  für  ihn.    Oder  reizen  seine  Tief^  Grazie  und  Liedkraft 
so  wenig?    Antonie  Stern    kann  einer  ernsten   Kunstbetrachtung  nicht  mehr  stand- 
halten.   Die  Vokale  stecken  wie  in  Sacktaschen  und  der  Vortrag  leidet  an  einem  Mangel 
an  Stimmbeherrschung.     Der  grosse  Ernst  und  die  musikalische  Empfindung  wurden 
durch   gewisse  Sentimentalität  und   ein   fortwährendes  zitteriges  Flackern  des  Organs 
wesentlich  t>eeinfius8t.    Maria  Romaneck  besitzt  Routine  und  singt  mit  Geschmack. 


231 
KRITIK:  KONZERT 


Zwar,  die  Koloraturen  sind  schon  etwas  ausgekugelt,  aber  sie  versteht  doch  wenigstens 
ihr  Organ  zu  handhaben  und  weiss  die  Pointen  herauszuholen.  Ober  die  Ungleichheit 
der  Lagen  schweigt  man  besser.  Rudolf  M.  Breithaupt. 

BREMEN:  Am  13.  d.  M.  nahm  hier  das  winterliche  Konzertleben  mit  dem  ereten  Abend 
der  Philharmonie  einen  vielveraprechenden  Anfting.  Die  Orchestergaben  boten  zwar 
nichts  neues,  aber  nur  goldene  Äpfel  in  silbernen  Schalen:  Euryanthen-Ouvertüre,  Tann- 
faäuser-Bacchanal  und  Beethovens  Siebente,  von  denen  besondere  das  Wagnereche  Ton- 
stuck Panzners  geniale  Interpretationskunst  wiederum  in  glänzendem  Lichte  zeigte. 
Als  Solistin  des  Abends  liess  sich  Edyth  Walker  zum  ereten  Male  hier  hören,  die  ihren 
t>edeutenden  Ruf  vollauf  rechtfertigte.  Im  Besitz  ganz  hervorragender,  vorzüglich 
geschulten  Stimmmittel  und  einer  allerdings  mehr  auf  das  Virtuose  gerichteten  bedeutenden 
Vortragskunst  dürfte  sie  auf  dem  ihrer  Eigenart  entsprechenden  Gebiet  dramatischer 
Leidenschaft  einen  sehr  hohen  Rang  einnehmen.  Prof.  Kissling. 

DARMSTADT:  Die  neue  Konzertsaison  wurde  eingeleitet  mit  dem  alle  zwei  Jahre 
wiederkehrenden  grossen  Prüflingskonzert  der  hiesigen,  jetzt  52  Jahre  lang  bestehen- 
den Akademie  für  Tonkunst,  die  Prof.  Philipp  Schmitt  seit  ihrem  Bestehen  ununter- 
brochen leitet  Die  gebotenen,  fkst  durchweg  künstlerischen  Massstab  vertragenden 
Leistungen  zeigten  das  bewährte  Institut  auf  seiner  vollen  Höhe.  Das  Gleiche  gilt  von 
der  hiesigen  Schwesteranstalt  der  Akademie,  dem  Süssschen  Konservatorium  für  Musik, 
das  die  Feier  seines  25]ihrigen  Jubiläums  beging  und  bei  dieser  Gelegenheit  das  von 
schönem  Erfolg  begleitete  Experiment  wagen  konnte,  ausschliesslich  Kompositionen 
(Kammermusikwerke,  Klavier-  und  Violinstücke)  früherer  und  jetziger  Lehrer  der  Anstalt 
zu  Gehör  zu  bringen.  Als  erater  unserer  musikalischen  Vereine  trat  auch  heuer  wieder 
der  Richard  Wagner- Verein  auf  den  Plan,  der  in  den  letzten  beiden  Jahren  eine  Mit- 
gliedenunahme  von  über  100  Peraonen  zu  verzeichnen  gehabt  hat  und  sich  mit  seinen 
im  besten  Sinne  des  Wortes  fartschrittlichen  Tendenzen  mehr  und  mehr  eine  führende 
Stellung  im  Darmstidter  Konzertleben  erringt.  Auf  seinem  diesjährigen  »Novititen- 
Abend«  führte  er  dem  hiesigen  Publikum  Schöpfungen  von  nicht  weniger  wie  fünf,  ihm 
bis  dahin  noch  völlig  unbekannten  lebenden  Liederkomponisten  (Hermann  Drechsler, 
Uli  E.  Hafgren,  Oskar  Meyer,  Max  Reger  und  Bernhard  Sekles)  vor.  Auch  andere 
mehr  oder  weniger  schon  bekannten  »Lebende*,  wie  Karl  Hallwachs,  Arnold  Mendelssohn, 
Hans  Pfltzner,  Ludwig  Thuille  und  Felix  Woyrach,  fehlten  nicht  in  dem  Reigen,  und 
dem  Andenken  Herman  Zumpes,  des  allzu  Mh  Verblichenen,  wurde  gleichftills  gehuldigt. 
Schliesslich  sei  noch  das  alljährlich  wiederkehrende,  von  Mitgliedern  unserer  Hofoper 
im  grossen  Stil  arrangierte  Wohlthätigkeitskonzert  zum  Besten  der  hiesigen  barmheraigen 
Schwestern  erwähnt,  auf  dem  sich  Klara  Roediger  als  Liedereängerin  par  excellence 
bewährte.  Die  nächsten  Wochen  werden  nun  unter  dem  Zeichen  der  Feier  des 
25jährigen  Dienstjubiläums  unseres  verdienten  Hofkapellmeistere  Willem  de  Haan 
stehen.  H.  Sonne. 

DRESDEN:  Die  Neuheit  des  ereten  Symphoniekonzerts  im  kgl.  Opernhaus  stammte 
aus  der  Feder  unseres  heimischen  Meistere  Felix  Draeseke,  dessen  Kunst  er- 
freulicherweise immer  mehr  allgemeine  Würdigung  findet,  obwohl  sie  sich  dem  ober- 
flächlichen Hörer  nur  schwer  erechliesst  und  nur  dem  ernsten  Musikfreund  die  ganze 
Fülle  ihrer  Schönheit  offenbart  Diesmal  aber  hörten  wir  ein  leichteres^Werk  des 
Meisters,  nämlich  eine  Serenade  D-dur  für  kleines  Orchester.  Aus  fünf  Sätzen  bestehend 
besticht  die  Serenade  ebenso  durch  den  Reichtum  ihrer  Melodik,  wie  durch  die  vornehme, 
von  allem  Konventionellen  sich  weit  entfernt  haltende  Harmonik  und  die  klare,  durch- 
sichtige Arbeit.  Dabei  erfüllen  sonniger  Humor  und  inniges  Empfinden,  welch  letzteres 
•ich  in  den   zahlreichen  Kantilenen  des  Solocellos  äussert,  das  ganze  Werk,  das  unter 


232 

DIE  MUSIK  III.  3. 


Generalmusikdirektor  v.  Scbucb  von  der  kgl.  Kapelle  binreissend  gespielt  wurde  und 
dem  anwesenden  Komponisten  einen  von  Satz  zu  Satz  sieb  steigernden  und  in  mebr- 
facben  Hervorrufen  am  Schluss  gipfelnden  Erfolg  eintrug.  Kammervirtuosin  Laura 
Rappoldi  -  Kabrer,  die  mit  der  sebr  talentvollen  Geigerin  Elsa  Wagner  ibren  ereten 
Sonatenabend  gab,  bracbte  eine  neue  Violinsonate  C-dur  von  Cbristian  Sinding  zu  recht 
guter  Wirkung,  obwobl  sieb  diese  Komposition  mebr  durch  Absonderlichkeit  als  lebendige 
Eigenart  auszeichnet.  Das  Petri-Quartett,  das  zwei  Jahre  lang  nur  Beethoven  spielte  und 
keinen  Lebenden  zu  Worte  kommen  Hess,  hat  sich  erfreulicherweise  seiner  Pflichten 
gegen  die  zeitgenössischen  Tonsetzer  erinnert  und  verbeisst  fOr  jeden  seiner  dies- 
winterlichen  Abende  eine  Neuheit.  Die  des  eraten  Abends  war  ein  Streichquartett 
d-moH  von  Alphons  Duvemoy,  einem  Pariser  Komponisten.  Das  Werk  birgt  viel 
Schönes  in  Erfindung  und  Technik,  leidet  aber  an  einem  Missverhältnis  zwischen  der 
Länge  der  weit  ausgesponnenen  Sätze  und  der  geringen  Ergiebigkeit  des  thematischen 
Materials.  Der  erate  Satz  ist  der  weitaus  einheitlichste,  in  den  drei  anderen  finden  sich 
neben  grossen  Schönheiten  recht  öde  Partieen,  die  den  kfinstleriscben  Gesamteindruck 
wesentlich  beeinträchtigen.  Von  den  weiteren  Konzerten  der  beginnenden  Saison  sei 
nur  noch  ein  Liederabend  von  Kammereänger  Hans  Giessen  hervorgehoben,  der  den 
glucklichen  Gedanken  hatte,  in  den  zwei  Teilen  seines  Programms  Schubert  und  Richard 
Strauss  einander  gegenüber  zu  stellen  und  dadurch  den  veretändnisvollen  Hörer  zu  der 
Erkenntnis  zu  bringen,  dass  gerade  die  späteren,  selten  gesungenen  Lieder  Schuberts 
deutlich  in  das  moderne  Gebiet  hin  überweisen,  aus  dem  Strauss  seine  schönsten  Lieder 
geholt  hat,  und  dass  in  der  Einheitlichkeit  der  Erfkssung  des  Textes  und  in  dem  grossen, 
zusammenfkssenden  Zug  ihres  Liederatils  beide  Komponisten  einander  sebr  ähneln. 
Hans  Giessen  bewährte  seinen  grossen  Ruf  als  Sänger  und  Vortragskünstler  an  diesem 
Abend  aufe  neue  und  Richard  Strauss  sass  selbst  am  Flügel,  so  dass  der  Abend  ein 
höchst  genussreicher  war.  F.  A.  Gei ssler. 

FRANKFURT  a.  M.:  Mit  den  ereten  beiden  Konzerten  der  Museumagesellscbaft  hat 
Siegmund  von  Hausegger  sein  hiesiges  Kapeil meisteramt  angetreten.  Man  kannte 
ihn  hier  schon  als  Komponisten ;  trat  er  uns  da  als  Anhänger  einer  modernen,  in  freien 
Formen  und  prangenden  Farben  sich  ergehenden  Kunst  entgegen,  so  war  sein  Auftreten 
als  Museumsdirigent  vielmehr  vorwiegend  dem  Klassischen  und  der  Romantik  älteren 
Stils  zugewandt,  und,  um  das  gleich  zu  sagen,  liebevoll  zugewandt  Nicht  minder  wie 
in  der  Wahl  seiner  eraten  Programme  aber  bekundete  sich  auch  In  der  Art  der  Inter- 
pretation ein  sozusagen  diplomatischer,  voreichtig  das  Terrain  sondierender  Geist.  Es 
gab  keinen  Sturm  und  Drang,  wie  man  ihn  vielleicht  von  der  Jugend  des  Dirigenten  hier 
und  da  erwartet  hatte,  keine  Oberplastik  der  Daratellung  —  z.  B.  Im  eraten  Satz  der 
c-moU-Symphonie  von  Beethoven,  wo  oft  die  Fermaten  Im  Obereifer  allzu  „furcbtt)ar* 
ausfallen  —  wohl  aber  spürte  man  aus  diesem  Juste  milieu*  die  klare  Beherrachung 
des  Stoffes  und  eine  mit  einem  gewissen  Schicklichkeitsgefübl  gepaarte  Begeisterung,  die 
bald  auch  auf  das  anfänglich  reservierte  Publikum  überging  und  beifsllsfreudige  Stimmung 
weckte.  Seinem  Münchener  Brauch  gemäss  band  Hausegger  In  der  erwähnten  Symphonie 
den  c-moll-Aufstieg  der  Bässe  und  Celli  im  Scherzo  fkst  unmittelbar  an  den  As-dur- 
Schluss  des  vorhergegangenen  Satzes,  was  sich  hier  wirklich  gut  und  bedeutsam  aus- 
nimmt. AufftUende  Nuancen  wurden  vermieden,  auch  in  Brucknera  Es-dur-Symphonie, 
wo  der  Reiz  dazu  näher  liegt;  Im  Meistereingervoraplel  waren  die  Zeltmaase  sogar  mehr 
ausgeglichen,  als  man  jetzt  meist  hört.  Der  Dirigent  hat  sich  gut  eingeführt.  Das 
Kammermusikquartett  des  Museums  brachte  an  seinem  Eröffhungsabend,  der  auf  Verdi*» 
Geburtstag  fiel,  das  e-moll-Quartett  dieses  Meistere  und  bereitete  mit  dieser  reifen  und 
geniligen  Schöpfung  viel  Freude.    Auch  eine  andere  Kammermusikvereinigung,  das  Trio 


233 
KRITIK:  KONZERT 


der  Herren  C.  Friedberg,  A.  Rebner  und  J.  Hegar,  machte  einen  guten  Anfang,  wiewobl  man 
sich  an  der  Novität,  einem  d-moll-Trio  von  Novak,  nicht  erbauen  konnte.  In  einem 
Satze  «quasi  una  ballata**  verfliesst  das  Werk  doch  nicht  recht  in  einem  Guss,  nur  ein 
starkes  Pathos  bindet  die  «Gedanken«'  aneinander.  Aber  der  Vortrag  war  brillant  studiert 
and  wurde,  wie  auch  der  von  Saint-SaSns*  op.  92  und  von  Mendelssohns  op.  66  nach 
Gebfihr  mit  vielem  Beifall  ausgezeichnet.  Hans  Pfeilschmidt. 

HAAG:   Das  erste    Konzert  in  dieser  Saison    bestand   in  einem  Sonatenabend  von 
Caroline  Hinlopen  (Klavier)  und  Max  Oberstadt  (Violine).   Brahms  op.  100,  Beethoven 
op«  96  und  Sinding  op.  12  standen  auf  dem  Programm.  Otto  Wernicke. 

HALLE  a.  S.:  Das  Vorpostengefecht  lieferte  mit  glQcklichem  Ausgang  unser  im  ver- 
gangenen Jahre  gegründetes  Streichquartett  (die  Herren:  Konzertmeister  Knoch, 
Reinh.  Hoffmann,  Hopfer  und  Schwendler),  das  sich  zur  Aufgabe  gemacht  hat,  unsere 
Kammermusik  in  populären  Konzerten  zu  niedrigen  Eintrittspreisen  den  breiten  Schichten 
unserer  Stadt  zugängig  zu  machen.  Das  Unternehmen  dürfte  umsomehr  Aussicht  auf 
Erfolg  haben,  als  zur  Mitwirkung  stets  eine  Gesangskraft  herangezogen  wird,  um  zwischen 
die  instrumentalen  Vorträge  Liedersträusschen  einzuflechten.  Nur  mfisste  man  zielbe- 
wusster  vorgehen  in  der  Programmaufstellung  und  nicht  auf  ein  Mozartsches  Streich- 
qnintett  (C-dur)  die  Brahmsschen  Gesänge  mit  Viola  folgen  lassen.  Um  derartige  Kost 
aufzunehmen,  muss  das  Ohr  erst  geschult  werden.  Die  erste  Hauptschlacht  schlug  Kapell- 
meister Winderstein-Leipzig  mit  seinem  Philharmonischen  Orchester,  mit  dem  er  Bee- 
thovens A-dur-Symphonie,  Volkmanns  C-dur-Serenade  und  drei  Ouvertüren  (Glucks  Iphi- 
genien-,  Mozarts  Zauberflöten-  und  Webers  Freischutz- Ouvertüre)  zu  Gehör  brachte. 
Beethovens  „Siebente**  bedurfte  noch  in  den  Ecksätzen  der  Ausfeilung,  und  das  AUegretto 
hätte  recht  gut  ein  etwas  lebhafteres  Tempo  vertragen.  Im  übrigen  gelang  alles  aus- 
gezeichnet bis  auf  die  Webersche  Meisterouvertüre,  deren  poesiegetränkte  Waldschilderung 
durch  die  Homer  mit  ihren  schlechten  Einsätzen  in  der  Wirkung  beeinträchtigt  wurde. 
Etwas  mehr  von  Wagners  Geist  hätte  nichts  geschadet.  Mary  Münchhoff  riss  wie  aller- 
orten das  Publikum  zur  lautesten  Bewunderung  hin.  Martin  Frey. 

HAMBURG:  Den  ersten  Akkord  in  der  neuen  Saison  Hessen  unsere  Liebliogsgäste, 
die  Berliner  Philharmoniker,  erklingen.  Wie  seit  sechs  Jahren  standen  sie  unter 
der  Leitung  Arthur  Nikischs.  Das  sagt  genug  über  den  Geist  des  Programms,  über  die 
Ausführung  und  über  die  Physiognomie  des  Abends.  Es  wird  Nikisch,  der  mit  der 
Leitung  unserer,  immer  seinen  Gewandhauskonzerten  in  Leipzig  nach  24  Stunden  folgen- 
den philharmonischen  Konzerte  direkt  seinen  hiesigen  Freunden  ein  Opfer  bringt,  eine 
Genugtuung  bereitet  haben,  zu  sehen,  dass  auf  Grund  seiner  Persönlichkeit  diese  Konzerte 
wenigstens  pekuniär  nunmehr  vollkommen  gesichert  sind:  der  Konzertsaal  ist  annähernd 
durch  Abonnenten  ausverkauft.  Für  den  künstlerischen  Erfolg  bürgt  sein  Name  und 
seine  Gesinnung.  Im  ersten  Konzert  brachte  Nikisch  gleich  eine  höchst  beachtenswerte 
Neuheit:  Boehes  „Ausfahrt  und  Schiffbruch  des  Odysseus.*  Gerade  in  Hamburg,  wo  die 
Musik,  die  Bungert  dem  edlen  Dulder  Odysseus  angetan  hat,  ziemlich  bekannt  geworden 
ist,  Interessierte  Boehes  Werk  stark.  Mich  fesselte  an  seiner  Musik  in  erster  Linie  der 
eigenartige  Stil,  der,  namentlich  in  der  ganz  aparten  Harmonik,  deutlich  Boehes  Streben 
verrät,  die  Kongruenz  zwischen  der  musikalischen  Tondichtung  und  der  Dichtung  her- 
zustellen. Nach  der  überall  und  nirgends  hinpassenden  Musik  Bungerts,  einer  Art  in 
Musik  gesetzten  Restaurationssauce,  wirkte  Boehes  symphonische  Dichtung  ausgesprochen 
In  einer  auf  den  geistigen  Anschluss  an  Homer  hinarbeitenden  und  individualisierenden 
Art  und  Weise.  Aufgenommen  wurde  die  Novität,  die  oftmals  herb  im  Klang  anmutet 
und  billige  Kompromisse  konsequent  verneint,  respektvoll.  Dem  äusserst  talentierten, 
jungen    Münchener,    fast   noch    Münchener    Kindl,     hätte    ich    einen    wärmeren    Em- 


234 

DIE  MUSIK  III.  a. 


pfang  in  unserer  Hansestadt  schon  gegönnt.  Als  Solistin  trat  mit  enormem  Erfolg  Editb 
Walker  auf,  die  wirklieb  in  grosser  Art,  mit  gewaltigem  Schwung  und  in  plastischer 
Rhythmisierung  zunächst  die  Arie  der  Eglantine  und  später  Lieder  sang.  Unter  letzteren 
eine  der  Beachtung  sehr  wfirdige  Komposition  unseres  genialen  Gustav  Brecher  »Der 
Arbeitsmann",  eine  musikalische  Schöpfung,  die  den  sozialen  Unterton  des  Dehmelscben 
Textes  michtig  zum  Mitklingen  bringt  und  die  den  Beweis  liefert,  dass  Gustav  Brecher, 
der  für  unsere  Oper  fast  zu  künstlerisch  ist,  der  auch  als  Begleiter  am  Klavier  Vorzfig- 
liches  leistete,  gleicbftüls  auf  die  Liste  derer  zu  setzen  ist,  deren  ScbafPien  wir  unsere 
Aufmerksamkeit  zuzuwenden  haben.  An  Orchesterwerken  brachte  Niklsch  in  herrlichster 
Wiedergabe  die  Euryanthen-Ouverture  und  die  Pastoral-Symphonie.  Die  einheimischen 
Kunstinstitute  haben  ihren  Veranstaltungen  ein  dissonanzenreiches  Präludium  voran- 
geschickt: um  die  Erstaufführung  von  Wildenbruchs  ,,Hexenlied*  mit  der  Musik  von 
Schillings  hat  sich  zwischen  den  Herren  Fiedler  und  Stockhausen  einerseits,  Prof.  Barth 
andererseits  ein  Streit  entsponnen,  der  sich  coram  publice  in  ZeitungsveröfPentlichungen 
abspielte.  Viel  Sympathieen  dürfte  sich  dabei  die  Leitung  der  Philharmonie  nicht  erworben 
haben,  wenn  auch  juristisch  in  diesem  Falle  das  Recht  natürlich  bei  denen  um  Barth 
und  Schemann  war.  Heinrich  Chevalley. 

HANNOVER:  Ausser  dem  ersten  Abonnementskonzert  unseres  Königl.  Orchesters, 
das  unter  Doebbers  umsichtiger  Leitung  Beethovens  Pastoralsymphonie,  Svendsens 
j,  Karneval  in  Paris*,  sowie  die  Hebriden-Ouvertüre  von  Mendelssohn  in  gediegener 
Vorführung  brachte  und  das  femer  durch  die  Mitwirkung  des  ausgezeichneten  Pianisten 
Busoni  t)esonderen  Glanz  erhielt,  gab  es  noch  mehrere  bedeutenden  Solisten-Konzerte. 
Zweimal  besuchte  uns  der  durch  seine  mächtigen  Stimmmittel  sowie  grosszugige  Vor- 
tragskunst hervorragende  Baritonist  Th.  Bertram,  das  erstemal  mit  seiner  Gattin  Fanny 
Moran-Olden,  das  anderemal  mit  der  Pianistin  Margarethe  Eussert,  deren  Spiel  sich  durch 
Feinheit  und  Sinnigkeit,  weniger  durch  Kraft  und  Temperament  auszeichnete.  Einen 
glänzenden  Erfolg  hatte  die  Kammersängerin  Edith  Walker  aus  Wien,  in  der  wir  eine 
der  allerersten  Grössen  der  Gegenwart  bewundem.  Dann  wäre  noch  der  erste  Kammer- 
musik-Abend des  Rillerquartetts  zu  nennen,  der  wie  immer  anregend  und  genussreich 
verlief.  Als  Novität  gab  es  eine  interessante  Senate  von  C6sar  Franck,  die  in  den  Herren 
Riller  und  Evers  zwei  kongeniale  Erwecker  gefunden  hatte.  Das  hiesige  Konservatorium 
der  Musik  vollendete  mit  einem  treflPlich  gelungenen  Prüfüngskonzert  sein  sechstes 
Schuljahr.  Für  die  Bedeutung  der  hiesigen  Anstalt  spricht  es,  dass  sie  bei  einem  Lehrer- 
personal von  42  Mitgliedem  von  über  000  Schfilem  besucht  wird. 

L.  Wuthmann. 

KARLSRUHE:  Das  Konzertleben  hat  gerade  in  den  letzten  Tagen  hier  in  blühender 
Fülle  begonnen.  Den  Anfeng  machte  der  Pianist  Walter  Petzet,  Lehrer  am  Grotsb. 
Konservatorium  hierselbst,  der,  auf  das  Vomehmste  unterstützt  von  dem  Direktor  der 
Anstalt,  Prof.  Ordenstein,  am  zweiten  Flügel,  Schumanns  a-moll-Konzert,  alsdann  vor 
allem  Brahma'  zweites  Konzert  in  B-dur  ungemein  ausdracksreich  spielte,  sowie  in 
Scharwenkas  drittem  Konzert  cis-moll  sich  von  wohltuender  Frische  und  Gefälligkeit 
zeigte.  Zwei  Konzertabende  veranstaltete  des  femeren  das  bekannte  Stuttgarter  Steindel- 
Quartett,  das  auch  hier  durch  die  Sicherheit  und  geistige  Beherrschung,  mit  der 
9— 13]ährige  Knaben  Beethoven,  Chopin,  Liszt  usw.  in  reifen  Leistungen  vorführen, 
Staunen  erregte.  Als  erstes  Künstlerkonzert  des  Zyklus  Hans  Schmidt  schuften  Herr 
und  Frau  Petschnikoff  mit  dem  prächtigen  Vortrag  des  Violinparts  in  Bachs  C-dor- 
Sonate,  wirkungsvoll  begleitet  von  Karl  Friedberg  am  Klavier,  mit  dem  Wieniawsklschen 
d-moU-Konzert  No.  2,  mit  Tschaikowsky's  »Melodie*  und  dem  rassischen  Tanz  des 
Violinisten  selbst,  einen  beifallgetragenen  Abend.  Albert  Herzog. 


255 


KÖLN:  Die  von  Berlin  ausgegangene  Institution  der  Jugend-Konzerte  hat  nun 
aach  bei  uns  einen  ersten  löblichen  Schritt  nach  dieser  ideellen  Seite  der  Kinder- 
erziehung  hin  gezeitigt,  und  zwar  wurde  er  von  den  berufensten^  Kreisen  aus  unter- 
nommen. Der  Kölner  Lehrer-  und  Lehrerinnen-Gesangverein  versammelte  Sonntags 
nachmittags  etwa  1500  Kinder  beiderlei  Geschlechts  im  grossen  GOrzenich-Saal,  und  hier 
war  es  denn  ein  Vergniigen  für  uns  alten  Stammgäste  des  Hauses,  zuzusehen,  welche  ge- 
spannte Aufmerksamkeit  die  jüngste  Generation  zunächst  dem  »Milieu*,  dann  aber  den 
Vorträgen  zuwandte,  und  wie  sie  jeden  einzelnen  derselben  mit  einheitlich  jubelndem 
Beifall  lohnte.  »Erziehung  der  Kinder  durch  die  Kunst*  lautet  die  Parole.  Wie  weit 
sich  der  Erfolg  der  Methode  bei  dem  Kinde  einstellt,  wird  ja  immer  bis  zu  wesentlichem 
Grade  von  der  individuellen  Beanlagung  und  Empfänglichkeit,  dann  aber  nicht  zum 
mindesten  von  den  äusseren  Lebensverhältnissen  abhängen;  sicher  aber  ist,  dass  die  ge- 
botene Anregung  durch  edle  Kunst  und  die  Befruchtung  der  jugendlichen  Phantasie 
niemandem  Schaden  bringen,  wohl  aber  einen  guten  und  entwicklungsflhigen  Keim  in 
manches  Kindergemüt  legen  können.  Die  gesamten  Kosten  der  Konzerte  trägt  der  Verein 
selbst  und  das  Resultat  ist,  dass  die  jungen  Gäste  sich  kostenlos  an  erhebender  Musik 
erfreuen  und  beobachten  können,  wie  Musik  und  vornehme  dichterische  Sprache  sich  in 
wechselseitiger  Ergänzung  zu  bedeutenden  Werken  im  Grossen,  zu  Ohr  und  Gemüt 
bildenden  Gesängen  im  Kleinen  verschmelzen.  In  jedem  Falle  handelt  es  sich  um  einen 
rühmlichen  erzieherischen  Akt,  der  nicht  nur  des  Versuches,  sondern  auch  jeder  Unter- 
stützung wert  ist  An  dem  gut  gewählten  Programm  waren  solistisch  mehrere  bewährten 
Kölnischen  Kräfte  mit  Instrumental-  und  Gesangsvorträgen  beteiligt.  Das  Beste  aber 
bot  der  Verein  selbst,  indem  er  unter  seinem  trefflichen  Dirigenten  Carl  Reuther  eine 
Anzahl  Chöre  der  verschiedensten  Komponisten,  darunter  Reuthers  stimmungsreiches 
«Sonntags  am  Rhein*,  in  virtuoser  Weise  sang.  —  Es  hat  einigermassen  eigentümlich 
berührt,  dass  man,  um  Geld  zu  einem  Grabdenkmal  für  den  verstorbenen  städtischen 
Kapellmeister  Dr.  Franz  Wüllner  aufzubringen,  ein  Konzert  veranstalten  musste.  Wollte 
man  den  Toten  ob  seiner  Verdienste  ehren,  so  hätten,  wie  man  doch  denken  sollte,  die 
Mittel  zu  einem  Monumente  zur  Verfügung  sein  müssen,  ohne  Appell  an  das  Mitmachen 
des  Publikums.  Die  Vorstände  der  drei  Korporationen,  denen  Wüllner  hier  diente, 
nämlich  der  Konzert-Gesellschaft,  des  Konservatoriums  und  der  Musikalischen  Gesell- 
schaft, hatten  das  Konzert  im  Gürzenich  veranstaltet  und  der  Besuch  war  ein  ziemlich 
zahlreicher.  Haydns  »Schöpfung*  fand  unter  Fritz  Steinbach  eine  namentlich  im  Orchester 
ausgezeichnete  Aufführung.  An  der  Spitze  der  Solisten  stand  der  meisterliche  Messchaert, 
während  die  Sopranistin  Frau  Hinken-Cahnbley  ihre  gutgeschulte  Stimme  allzu  monoton 
und  ohne  Gemüts-Anteilnahme  verwendete,  und  der  Tenorist  Jungblut  dartat,  dass  seine 
ansprechenden  Mittel  noch  weiterer  künstlerischen  Feilung  bedürfen.      Paul  Hiller. 

LEIPZIG:  Wie  bei  Bamum  und  Bailey  zu  gleicher  Zeit  in  drei  Arenen  gearbeitet  wird, 
so  haben  hier  im  grossen  Musikzirkus  Leipzig  fast  gleichzeitig  die  drei  grossen 
Orchesteruntemehmungen  ihre  Winterspiele  aufgenommen;  dem  ersten  Philharmonischen 
Konzert  (Winderstein),  das  im  Saal  des  Zentraltheaters  stattfand  und  das  Beethovens 
Siebente,  Wagners  Kaisermarsch  und  Liszts  A-dur-Konzert  und  Totentanz,  meisterhaft 
interpretiert  von  Femiccio  Busoni,  gebracht  hatte,  folgte  das  erste  Gewandhaus-Konzert 
mit  Zauberflöten-Ouvertüre,  Tanzsätzen  aus  Glucks  »Orpheus*,  der  siebenten  Symphonie 
▼on  Beethoven  und  solistischen  Vorträgen  von  Helene  Staegemann,  deren  zarttonig 
distinguierte  Liedergaben  lebhaften  Beifall  fanden,  und  nun  hat  auch  das  erste  der 
»Neuen  Orchester-Abonnementskonzerte*  (Eulenburg)  in  der  Alberthalle  stattgefunden 
und  mit  schönen  Vorführungen  dreier  Beethoven -Werke,  der  dritten  Leonoren-Ouvertüre, 
der  dritten  Symphonie  und  des  vierten  Klavierkonzertes  durch  die  von  Felix  Weingartner 


236 
DIE  MUSIK  III.  3. 


geleitete  Chemnitzer  Kapelle  und  durch  Alfred  Reisenauer  sehr  lebhaft  angesprochen. 
Im  Gewandhaus-Konzert  unter  Nikisch  gelangen  besonders  schön  die  Gluckschen  Tanz- 
sitze und  die  Beethoven  -  Symphonie,  deren  Allegretto  Prof.  Nikisch  allerdings  in  ein 
Larghetto  umkomponiert,  während  die  Wiedergabe  der  einleitenden  Ouvertüre  hinter  be- 
rechtigten Gewandhausansprüchen  zurückblieb.  Gegenüber  Nikischs  geistvoller  aber  häufig 
auch  blasiert-kraftloser  Interpretationsweise  musste  Weingartners  enthusiastischeres,  ener- 
gischeres Zupacken  einigermassen  erfrischend  wirken,  wobei  es  allerdings  nicht  ver- 
schwiegen sein  mag,  dass  auch  bei  Weingartner  des  Gedankens  Blässe  und  ihre  Folge- 
erscheinung, die  Pose,  oftmals  recht  aufnilig  zu  Tage  tritt.  Der  moderne  Reisedirigent 
muss  eben  das  ganze  Publikum  für  sich  gewinnen,  und  da  unter  diesem  viele  Taube 
sind,  die  Musik  mit  den  Augen  zu  geniessen  pflegen,  so  ist  ein  bisschen  Schauspielerei 
eben  unerlässlich  geworden.  Schade,  dass  bei  den  drei  Konzertuntemehmungen  nicht 
das  Bestreben  vorwaltet,  durch  eine  gewisse  Gegensätzlichkeit  in  der  Aufstellung  der 
Programme  die  musikalische  Erziehung  und  Heranbildung  des  Publikums  gemeinsam  zu 
fördern,  was  eher  geschehen  könnte,  wenn  beispielsweise  einem  klassischen  Gewand- 
hausprogramm von  Seiten  der  Herren  Eulenburg  und  Winderstein  Kompositionen  der 
Frühklassiker  und  der  Romantiker,  sowie  neuestes  von  Strauss  und  anderen  gegenüber- 
gestellt würden,  und  umgekehrt,  als  wenn  Leipziger  Musikfreunde  und  vornehmlich  die 
Musikstudierenden  eine  ganze  Woche  lang  fast  ausschliesslich  mit  Beethoven  und  gar 
mit  Wiederholungen  desselben  Werkes  in  ungleichwertiger  Ausführung  regaliert  werden. 
Bei  dem  reichen  Konzertleben  Leipzigs  müsste  jede  Woche  gleichsam  einen  kleinen 
Oberblick  über  die  Gesamtentwickelung  der  Tonkunst  —  nicht  aber  nur  über  einen 
engeren,  sei  es  auch  den  wichtigsten  Abschnitt  der  Musikgeschichte  geben.  Vor  dem 
Wagner-Zyklus  im  Stadttheater,  über  den  im  nächsten  Heft  berichtet  werden  soll,  trauen 
sich  die  kleineren  Solo-Konzertabende  noch  nicht  so  recht  hervor;  doch  hi^t  es  immerhin 
bereits  einige  derartigen  Ereignisse  gegeben,  von  denen  ein  beifällig  aufgenommener  Lieder- 
und  Deklamationsabend  des  Baritonisten  Max  Wever  aus  Wiesbaden  und  seiner  Gattin 
Franziska  Wever,  sowie  das  Konzertdebut  der  von  Kapellmeister  Robert  Erben  begleiteten 
Gertrude  Lucky,  die  mehr  mit  ihrem  Stimmmaterial  als  mit  ihrer  Stimmbehandlung  zu 
interessieren  vermochte,  erwähnt  sein  mögen.  Arthur  Smolian. 

LONDON:  Von  dem  Zwang,  den  die  Mode  hier  übt,  kann  sich  einen  Begriff  machen, 
wer  die  einfache  Tatsache  verzeichnet,  dass  im  Monat  September  nicht  eine  einzige 
musikalische  Veranstaltung,  mit  Ausnahme  der  Promenaden-Konzerte  in  Queens  Hall 
stattftind,  für  die  nächsten  vier  Wochen  aber  allein  in  St.  James  Hall,  also  einer  einzelnen 
unter  den  vielen  grossen  Konzerthailen,  45  grosse  Aufführungen  angekündigt  sind.  Es 
fehlt  natürlich  kaum  ein  einziger  namhafter  Virtuose:  Kubelik,  Sauer,  de  Fachmann, 
Josef  Hofmann,  Busoni,  Ysaye  h  tutti  quanti  stehen  auf  dem  Programm.  Einen 
späteren  Kulturhistoriker  mag  die  interessante  Tatsache  beschäftigen,  dass  sämtliche 
Konzerthallen  Londons  jetzt  in  das  Eigentum  oder  die  Verwaltung  von  Pianoforte- 
febrikanten  übergegangen  sind.  Die  Firma  Chappell  hat  Queens  Hall  und  St.  James* 
Hall,  Bechstein-  und  Steinway  Hall  bezeichnen  schon  durch  ihren  Namen  ihre  Eigen- 
tümer, ebenso  die  Brinsmead  Rooms  und  die  Salle  Erard.  Bleibt  nur  noch  die  Gros- 
venor  Galerie  und  auch  diese  ist  von  einer  Klaviervertriebsgesellschaft,  die  die  «Weber 
und  Wheelock  Pianos*  herstellt,  für  die  kommende  Saison  gepachtet  worden.  Über  die 
Promenaden-Konzerte  in  Queens  Hall,  die  auch  in  diesem  Jahre  unter  Leitung  Henry 
Woods  ihren  guten  Ruf  bewährt  haben,  wird  nach  dem  bald  eintretenden  Schluas 
einiges  anzumerken  sein.  Nur  heute  schon  soviel,  dass  der  durch  den  starken  natio- 
nalen Impuls  aufgenötigte  beträchtliche  Kultus  der  »rein  englischen*  Komponisten  mit 
einem  noch  grösseren  künstlerischen  Defizit  abschloss,  als  die  früheren  Versuche.  A.  R. 


237 
KRITIK:  KONZERT 


RIGA:  Ständige  Giste  haben  uns  bisher  im  Konzertsaal  besucht:  Raimund  von  Zur- 
Mühlen,  Anna  Stephan  und  Frau  von  Niessen-Stone  gaben  in  kurzer  Aufeinander- 
folge mehrere  Liederabende,  ein  jeder  von  ihnen  nach  seiner  Art  die  Vorzüge  seiner 
Kunst  wirksam  zur  Geltung  bringend.  Zum  erstenmal  bei  uns  erschien  der  Tenorist 
Alfred  Rittersbaus.  Er  hatte  sein  Auftreten  mit  der  denkbar  energischsten  Reklame 
insceniert,  seine  Bekanntschaft  brachte  aber  durch  die  unmusikalische  Art  seines  Singens 
und  durch  ein  Programm,  das  einem  das  Gruseln  lehren  konnte,  allgemeine  Ent- 
tioschung.  Ich  glaube,  wenn  dieser  Tenorist  Frau  Venus  die  Worte  zurufen  würde: 
»O,  Königin,  Göttin,  lass  mich  zieh'n!*'  sie  hätte  keinen  Grund,  ihm  sein  Abschieds- 
gesuch zu  verweigern.  Carl  Waack. 
SCHWERIN:  Herr  W.  Kruse  vom  Stadttheater  in  Mainz  gab  einen  Lieder-Abend  und 
errang  mit  seiner  schönen  Baritonstimme  grossen  Erfolg.  Prof.  Berwald  und  Frau 
aus  Syrakuse  (New- York)  und  der  hiesige  Konzertmeister  Meyer  veranstalteten  ein  Konzert, 
in  dem  mehrere  Kompositionen  Berwalds  (darunter  eine  Violinsonate)  verdientes  Interesse 
fknden.  Kammersänger  Karl  Mayer  hatte  mit  einem  Lieder-Abend  den  gewohnten  Beifall, 
aufe  beste  unterstützt  von  der  Hofpianistin  Emma  Monick.  In  einem  Konzert,  das  Frau 
Prof.  Schmidt-Köhne  und  Prof.  Lutter  veranstaltet  hatten,  erregte  der  letztere  wegen  seiner 
ausgezeichneten  pianistischen  Leistung  Bewunderung.                    C.  Burmeister. 

STUTTGART:  Bis  jetzt  nur  eine  Flut  von  Solistenkonzerten!  Als  einheimische 
Künstler  nenne  ich:  Prof.  Seitz,  der  das  25jährige  Jubiläum  des  Dienstes  in  der  Hof- 
kapelle mit  einem  Violoncellkonzert  feierte;  Frau  Tester,  eine  Sopranistin  von  grosser 
Stimme  und  ebenso  grossem  Können;  den  Pianisten  Dünn,  Lehrer  am  Konservatorium, 
dessen  Streben  zu  den  besten  Hoffnungen  berechtigt.  Der  Baritonist  Reusch  (von 
Friedberg  begleitet  und  durch  selbständige  Vorträge  abgelöst)  scheint  nicht  nach  Gefühls- 
tiefe zu  graben.  Ein  Konzert  der  Frau  von  Rhyn  und  des  Tenoristen  Bergen  flösste 
Hochachtung  vor  der  zwar  kühlen,  aber  vornehmen  und  doch  sehr  sympathischen 
Sopranstimme  ein  und  zeigte  Bergens  Kunst  von  der  besten  Seite;  das  Programm  war 
bemerkenswert  und  für  Bergens  Idealismus  bezeichnend.  Frau  Köhnemann-Zinnow 
entwickelte  eine  schöne,  nur  durch  knappen  Atem  gehinderte  Altstimme,  vielseitiges 
Vortragstalent,  berücksichtigte  dabei  mehr  den  Geschmack  des  Salons.  In  einem 
Konservatoriums konzert  trat  die  Sopranstimme  von  Frl.  Schreier  hervor  als  für  die 
Öffentlichkeit  reif  an  Schönheit  und  Gewandtheit.  Dr.  K.  Grunsky. 

ZORICH:  Die  Anfänge  der  Tonhallevorführungen  schlössen  sich  an  die  guten  Orgel- 
konzerte von  Hindermann  im  Grossmünster  an;  dann  begrüsste  man  als  Introduktion 
Angerers  Prüfungen  seiner  Musik-Akademie,  deren  Besuch  alljährlich  mehr  zur  fashionabeln 
Pflicht  wird,  allerdings  auch  höchst  interessant  ist.  Dass  zu  Kirchners  Andenken,  der 
doch  fast  ein  viertel  Jahrhundert  in  Winterthur  gewirkt  hat,  kaum  Stimmen  in  den  Tages- 
blättem  sich  zu  dürftigsten  Epilogen  regten,  wurde  arg  beklagt  und  nun  steht  ein  würdiges 
Erinnerungskonzert  in  Aussicht.  Die  Saison  der  grossen  Konzerte  brachte  frisch  und 
ewigjung  unsern  Hegar,  dem  namentlich  die  Interpretation  der  „Siebenten*'  hinreissend 
gelang.  Daneben  bewunderte  man  den  Geiger  Prof.  Kruse  aus  London,  dem  das  Epitheton 
Virtnose  in  seiner  herabsetzenden  Nebenbedeutung  absolut  nicht  zukommt.  Der  un- 
weigerlich ausverkaufte  Saal  macht  sich  kurios  neben  den  leeren  Häusern  der  dramatischen 
Kunst.  Auch  das  Streichquartett  gab  bereits  den  ersten  seiner  soliden  Kammermusik- 
abende. Wi  Niedermann. 


EINGELAUFENE  NEUHEITEN 


MUSIKALIEN 

Hecior  Berliot:  Ouvertiires,  bearbeitet  t&r  n«oofOrte  zu  2  Hindea  von  Otto  Taub- 
mann.  No.  1:  »Taverley-;  No.  2:  JtSmUcher  KarnaTal*;  No.  3:  .Beatrice 
uod  Benedict*;  No.  4:  »Sylpbeo-Tani*  und  No.  5:  .Tanz  der  Irrlictatei* 
ans  .Fansts  Verdammung".  (No.  t  bis  3  i  M.  2;  No.  3  und  4  li  M.  1.) 
Verlag:   Breitkopf  &  Hirtel,  Ulpzig. 

G.  F.  Hindel:  Terice  für  Kammermusik;  Kammenonate  No.  6  fBr  Cembalo  und  Flauto. 
Bearbeitet  von  Max  Seiffert.    (M.  1,80.)    Ebenda. 

F.  Teingartner:  op.  34.  Quartett  No.  3  in  F-dur  fQr  2  Violinen,  Bratsche  undViolon- 
cell.    Partitur  und  Stimmen.    (M.  3.)    Ebenda. 

Pb.  Schirwenfca:  op.  113.  An  den  KSnig;  4a  Ode  von  F.  G.  Klopslock  Rir  Chor, 
Sopranaolo,  Orchester  und  Orgel.   Klivierausiug.    (M.  2.)    Ebenda. 

Bach:  ,Tlr  eilen  mit  schwachen,  doch  emsigen  Schrlnen',  Duett  aus  der  Kantate  No.  78; 
,Jesu,  der  du  meine  Seele'.    Bearbeitet  von  Siegfried  Ochs.  (M.  1.)  Ebenda. 

Anton  Megner:  op.20.  Suite  fQr  Vloloneell  und  PlanofOrte.  (M.  3.)  Klassische  Stücke 
fQr  Unterrichts-  und  AuffQbrungszvecke  der  Mltlelschnlen,  sowie  zum  Ge- 
brauche In  Orcbesterverelnen.  Bearbeitet  von  Dr.  Heinrich  Schmidt.  Heft  4. 
(M.  3.)    Ebenda. 

A.  Bird:  op.  ^.   No.  2:  Valse  menuet,  tDr  Streichorchester.    (M.  1.)    Ebenda. 

Friedrich  Gernsheim:  op.  74.  Ffinf  Gedichte  von  Otto  Julius  Bierbaum.  No.  I: 
Letzte  Bitte;  No.  2:  Frauenhaar;  No.  3:  Abend;  No.  4:  Flieder;  No.  5:  Stnm- 
lled.  (No.  I  bis  4  k  M.  1,  No.  5  M.  2;  zusammen  M.  3.)  Verlag:  Chr.  Priedr. 
Vleweg,  Beriln-Groas-Llchterfelde. 

Otto  Teber:  .Mir  Ist,  als  wehe  es  über  mich  bin . . .",  Lied  für  eine  Slagstlmme  mit 
Klavierbegleitung.  (M.  1.)  .Auf  Gassen  der  Heimat."  Gedichte  von  A.  Lobsien, 
ffir  eine  Singstimme  mit  KlavJBri>eglaltung-  (M.  I.)  .Ich  glaub*,  lieber 
Schatz  . . .',  Gedicht  von  Anna  Ritter,  fQr  eine  Singstimme  mit  Klavlef 
begleimng.    (M.  1.)    Vertag:  K.  Perd.  Heckel,  Mannhelm. 

Richard  Kahn:  .Die  Verwaisten",  zwei  Lieder  für  eine  Singstimme  mit  Bereitung  des 
Planobrte.  No.  t:  .Leise  klagt  der  Soeenbusch',  Gedicht  von  R.  Volker 
(M.  1,20);  No.  2:  .Tenn  der  Schwermut  Schatten  lauem",  Gedlcbi  von  Thekla 
LIngen.    (M.  1,50.)    Ebenda. 

Ernst  Heuser:  op.40.  Drei  KlavieratScke.  No.  1:  Intermezzo.  <M.  1,50);  No.  2:  Impromptu. 
(M.  1^;  No.  3:  Csnzonetta.    (M.  1,25.)    Vertag:  Julius  Hainauer,  Breslau. 

Ludwig  Schf  tte:  op.  128.  Scinea  de  Pantomimca  für  naao.  No.  I  bis  3.  (No.  1:  M.  I, 
No.  2:  M.  1,50,  No.  3:  M.  1,25.)    Ebenda. 

Eraat  Flfigel:  op.  61.    Talzer  In  C-dur.    (M.  1,50.)    Ebenda. 

Ed.  Poldlnl;  op.  38.  .Dekamsron."  Novellen  und  Novelletten  fOr  Klavier.  No.  5: 
Phantaatlschea  Stück  In  E.  T.  A.  Hoffimanna  Manier.  (M.  3.)  op.  30.  .Blumen* 
(nach  Sprüchen  von  Fr.  Rücken)  für  Klarler.    (M.  2,sa)    Ebenda. 

Carl  Reinecke:  op.  2B4.  Trio  für  PlanofOrte,  Klarinene  und  Viola.  (M.  7.)  Veriag: 
Banbelir  Senf,  Leipzig. 

W.  Junker:  op.  42.    Denxitme  Fantasie  pour  Piano.    (M.  2.)    Ebenda. 

Ferd.  Tblerlot:  op.  78.  Okten  für  4  Violinen,  2  Bratachen,  2  Violoncelle.  (M.  12.) 
op.  79;     Vier  Motetten   für  Sopran,  Alt,  Tenor  und  Baas.    (No.  I  bis  i 


230 
EINGELAUFENE  NEUHEITEN 


ä  M.  1^  No.  4  Mk.  2^.)  op.  80.  Quintett  in  a-moll  für  Pianoförte,  Hoboe^ 
Klarinette,  Hom  und  Fagott.    (M.  10.)    Ebenda. 

Carl  Piepe:  op.  20.  Drei  Lieder  nacb  Texten  von  Otto  Julius  Bierbaum  und  Arno 
Holz  für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegleitung.  No.  1  bis  3.  (M.  1,50.) 
Verlag:  Mano  Naerger,  Berlin-Friedenau. 

Emil  Magnus:  op.  12.  Lieder  für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegleitung.  Heft  1^ 
No.  1  bis  3.    (M.  1,80.)    Ebenda. 

Joh.  Seb.  Bach:  Klavier-Werke.  Band  XIL  16  Konzerte.  Mit  Fingersatz  und  Vortrags- 
zeichen versehen  von  Carl  Reinecke.  .  2.  Abteilung  No.  9—16.  (M.  2.> 
Verlag:  Breitkopf  &  Härtel,  Leipzig. 

Hector  Berlioz:  op.  6.  »Der  fünfte  Mai,*'  Gesang  auf  den  Tod  des  Kaisers  Napoleon. 
Deutsch  revidiert  von  Felix  Weingartner.  Klavierauszug  mit  Text  von 
Otto  Taubmann.  (M.  1,50.)  op.  26  »Kaiserhymne*'  für  2  Chöre.  Deutsche 
Übertragung  von  Emma  Klingenfeld.  Klavierauszug  von  Philipp  Schar- 
wenka.  (M.  3.)  »Resurrexit*  für  Chor  und  Orchester.  Klavierauszug  mit 
Text  von  Otto  Taubmann.  (M.  1^.)  »Religiöse  Betrachtung*  für  Chor  und 
Orchester.  (Aus  »Tristia*  op.  18  No.  1.)  Klavierauszug  mit  Text  von  Otto 
Taubmann.  (M.  1.)  »Heroische  Scene**  (Der  Aufstand  der  Griechen). 
Deutsche  Obersetzung  von  Emma  Klingenfeld.  Klavierauszug  mit  Text  von 
Otto  Taub  mann.    (M.  3.)    Ebenda. 

N.  Paganini:  Sechs  Capriccios  und  Thema  mit  Variationen  für  Violine  mit  hinzu- 
komponierter Begleitung  von  Otto  Singer.    (M.  3.)    Ebenda. 

Ferd.  David:  60  Duette  für  2  Violinen.  Bearbeitet  von  Dr.  H.  Schmidt  Heft  I  u.  II 
(ä  M.  1,50).    Ebenda. 

J.  L.  Nie  od  6:  op.  22.    Ein  Liebesleben.     10  Poesien  für  Pianoforte.    (M.  4.)    Ebenda. 

X.  Scharwenka:  op.  77.  Heft  2.  Beiträge  zur  Fingerbildung.  Technische  Klavier» 
Studien.    (M.  3.)    Et>enda. 

Augost  Stradal:  Sechs  Gedichte  von  Carl  Stieler  für  eine  Singstimme  mit  Klavier- 
begl.  (M.  2,50.)  Drei  Gedichte  von  Hildegard  Stradal  für  eine  Singstimme 
mit  Klavierbegl.  (M.  1,50.)  »Wegewart*'  von  S.  Volff.  Lied  für  eine  Sing- 
stimme mit  Klavierbegl.  (M.  0,60.)  „Auf  der  Puszta*  von  Hildegard  Stradal 
für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegl.  (M.  1.)  Vier  Gedichte  von  H.  Stradal 
für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegl.  (M.  2.)  «Versunken**,  Gedicht  von 
Carl  Stieler  für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegl.  (M.  1.)  Drei  Gedichte 
von  H.  Stradal  für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegl.  (M.  1,50.)  Drei  Ge- 
dichte von  C.  Stieler  für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegl.  (M.  1,50.> 
vSchwanenlied,*  Gedicht  von  E.  Grifln  Ballestrem  für  eine  Singstimme 
mit  Klavierbegl.  (M.  0,80.)  Zwei  Gedichte  von  H.  Stradal  für  eine  Sing* 
stimme  mit  Begleitung  des  Pianoforte.  (M.  1,50.)  »Vidmung,**  Gedicht  von 
Carl  Stieler  für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegl.  (M.  0,80.)  Zwei  Gedichte 
von  H.  Stradal  für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegl.  (M.  1,20.)  Drei  Lieder 
für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegl.  (M.  2,50.)  Verlag:  J.  Schuberth  &  Co.,. 
Leipzig. 

£•  Hamperdinck:  „Unter  der  Linde^  (M.  1,20.)  Gesang  der  Rosenmidchen  aus  „Dom- 
röschen* für  Sopran  und  Alt.    (M.  1,50.)    Verlag:  Max  Brockhaus,  Leipzig.. 

Gonnar  Foss:  op.  5.    Drei  Tonstücke  für  die  Orgel.    Verlag:  Wilhelm  Hansen,  Leipzig. 

Fred«  Matth.  Hansen:  Choral  med  Variationes  for  Orgel.    Ebenda. 

fiDMuduögtB  fiiMi   nur  an   die  Redaktion  m  adressieren.    Besprechung  einselner  Werke  vorbehalten.    Fär  dlr 
Suprfirhiiin  UBTerlangt   eingesandter  Bücher  und  Musikalien,  deren  Rücksendung  keinesfiJls   stattfindet,  fib«r> 

nehmen  Redaktion  und  Verlag  keine  Garantie. 


Du  Bild  von  Jmcques  Offenbach,  dem  sVoUender  der  Operette',  wie  ihn  der  Inier- 
esunte  Auhati  Ton  Erleb  Urban  taeUit,  du  den  Komponliten  im  Alter  von 
28  Jahren  daratellt,  iat  nach  einem  ultenen  franiBilichen  Stich  antetbrtict 

ElBen  nicht  minder  bekannten  *f£  Prankreich  natarallaierten  deutschen  Tenietier,  der 
wie  Offenbach  VergStterunf  und  Unterachltznnf  In  (leichem  Muae  erhhren  hat, 
zeigt  ala  IlluatraHon  des  Artikels  von  Prod-hömme  du  wohl|elnngene  Portrll  de* 
mnaikalischen  Kosmopoliten  Glacomo  Meyerheer  nach  dem  trefflichen  Krlehuber- 
schen  Stich.  Eine  Schriftprobe  stellt  der  beigefOKte  knne  Brief  dar,  den  wir  im 
Faksimile  wfederseben. 

Die  I>hatocrapfaie  von  Marie  Geiatlnfcr,  der  eminent  vlelsellI(eD,  auf  dem  Gebiet 
der  Operette  Ihr  HBchates  bietenden  kDnÜch  verstorbenen  Kfinstlerin  fehflrt  mm 
Gedenkblatt  von  Max  Steuer. 

An  den  sehnjlhrigen  Todeslaf  des  bedeutendsten  russischen  Komponisten  der  Gegen- 
wen  mSfe  die  Abbildung  des  Tschaikowsky-Denkmals  erinnern,  du  im  Peters- 
burger  Konservatorium  seine  Helmstitte  hat 

Von  Ludwig  Richter,  dem  gem&tvollen,  nnübeRrefflictaen  Schilderer  deutschen  Volks- 
tums, dessen  hundertster  Geburtstag  neulich  b^angen  wurde,  bringen  wir  die 
Reproduktion  eines  lithographierten  Titelblatts,  du  er  1840  zu  Schumanns  op.  79 
entworfen  hat. 

Die  Bruckner-Plakette  von  Tantenhayn-Tlen,  d)e  nur  In  wenigen  Exemplaren  seprlgt 
worden  ist,  atammt  aus  der  Zelt  der  Tlener  Denkmala-Bnihflllung. 

Unsere  diesmalige  Muslkbelisge  hat  inm  Verfsaser  den  In  jüngster  Zeit  vielgenannten 
erst  23  Jshre  slten  MQnchener  Komponisten  Ernst  Boche.    Du  drollige 
Buuesche  Gedicht  „Du  Kitzchen"  Ist  von  dem  begabten  Künstler  In  lasserst 
lustiger  Telse  vertont  worden. 


Verantwoitllcber  ScbrlMelter:  KapellmoiMer  Bernhard  Schtuter 
Beriin  SW.  11,  Lnckeswalderttr.  1. 111. 


JACQUES  OFFENBACH 


mar^t-o 


1^0/ ^i 


I 


a^^ay^U      /rP^rtcx-    tn^iUot. 


1    ^/-JMfcA^^r-  *C*    *^ 


^^  ^y^e^f^^ 


BRIEF  VON  MEYERBEER 


III.  3 


MARIE  GEISTENGER  o 
t29.  SEPTEMBER    1903 


o     DAS  DENKMAL  TSCHAIKOWSKYS     o 
IM  PETERSBURGER  KONSERVATORIUM 


TITELBLATT  VON   LUDWIG   RICHTER 


ANTON  BRUCKNER.PLAKETTE 
VON  J.  TAUTENHAYN  JUN.     o 


Sehrrasdi. 


Immer  mit  Pedafgthrauck, 


^ 


ein  Kall  .  chen  an-gespnuigen 


an-ffespnuuren  so  den   Wie  -      -  sen-rain  eot-lai 


T=T 


j'  J,     j^  ji^iJ.  Ir      Jii  r     |i  \^  M 


hört  es       ei-nes    Ice  -  cken  Jnn  -      -  gen  seiimet    -   temd  liel-len    Lost  - 


8acli4e    soldea      -     nigst  dann  das    Wei  -       -te  links  vom     grfi-nenWie-      -  sen- 


imin. 


Etwas  langsamer. 
PP 


i 


^^ 


Korn  ein  Häd  -       -  chen       an    -    ge-^En-%en 
JEtioas  langsamer. 


Bosch. 


gani  ge  -  nan  denselben     Steg, 

"5 


brau-nes  Haar,  ver-brannte  Wan-gen, 


Rasch. 


bestimmt 


^*  J^it  ii  i'fj^ 


TTistfer  €tu>aa  ruhiger. 


m 


^ 


i=r 


trat  der Bursch ihr  in  den     Weg.. 


Wieder  etwas  ruhiger. 


iff  j>Tr|»r?,fr|»rfr?T^ 


molto 


Fanden  bald  ein  heimlich  Pläts   -   eben,    o     du  wunderschöner  Mail. 


Wieder  sehr  Mha^ft. 
Wieiier  sehr  lebhaft. 


f^f 


Ja,  das  Mädel  war  kein  Katsehen 


Pi   iTHilM  1)1 


deshalb  '^*^*"  esnichtvor- 


Rtlch  v.Dmckt  Bariin^r  MmlkAUea  Drvokerel  6.B.lkH.  CkArl«ttMkari|. 


DIE  MUSIK 


Der  feinste  Verstand  ist  ntcbt  vermOgend, 
ein  wahres  Kunstweric  hervorzubringen;  oder 
M  wird  immer  das  Büd  des  Unlebendigen, 
des  Tolen  m  sich  tragen.  Jedes  wahrhaft 
lebendige,  jedes  aus  dem  Geiste  gebt 
Veik  entslehi  aus  der  Vollkraft  des  Lebens, 
und  entwickeil  sieb  nach  äusseren  und 
Bedingungen  durch  sich  selbst,  durch  untere 
und  obere  Einflüsse.  Es  ist  Natur  und  Gnade. 


Ludwig  l 


chier 


IM.  JAHR  1903/1904  HEFT  4 

Zweites  Novemberheft 

Herausgegeben 

von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 

Verlegt  bei  Schuster  &  Loeffler 

Berlin  und  Leipzig 


jgas  Fest  des  masikaljschen  Fortschritts,  das  uns  der  wagemutige 
\  Volfnim,  der  Mann  der  eisernen  Energie,  in  Heidelberg  be- 
I  leitete,  ist  glänzend  verlaufen.  Um  so  schwerer  wiegt  der  Erfolg, 
er  von  einer  sehr  häkltgen  Zuhörerschaft  bekräftigt  warde: 
seit  1882,  dem  unvergesslichen  ersten  Jahre  der  Parsifal-Auff&hningen, 
aab  man  nie  so  viele  Kritiker  and  Füllfedern  beisammen  als  jetzt  in  der 
Denen  Stadtballe  am  Neckar.  Wer  ausblieb  und  nicht  gegen  seinen  Willen 
znräckgehallen  wurde,  hat  alle  Veranlassung,  es  zu  bereuen :  denn  schon 
heute  bricht  sich  die  Erkenntnis  Bahn,  dass  das  Heidelberger  Fest  einen 
Wendepunkt  in  unserem  gesamten  Konzert-  und  ÖfFentltchen  Musikwesen 
bedeutete. 

Was  ist  als  Hauptergebnis  jener  an  edlen  Genüssen  wie  an  belehr- 
tamen  BrMintngen  Überreichen  Tage  anzusehen? 

Dass  selbst  in  einem  Räume,  der  nichts  weniger  als  einen  echten 
und  rechten  Musiksaal  darstellt,  durch  zweckvolle,  mit  Takt  und  Geschmack 
getrofhne  Vorkehrungen,  durch  Tieferlegung  des  Orchesters,  beziehungs- 
weise durch  Verdeckung  des  ganzen  Musikapparates  sich  ausserordentlich 
bedeutende  Ideale  Wirkungen  erzielen  lassen. 

Wer  vor  dem  Beginn  der  ersten  Festaufführung  die  Halle  betrat,  hatte 
ein  Gefühl  der  EnttXuschung  niederzukämpfen.  Das  war  ja  wiederum  der 
Gesellschafts-,  der  Kasinosaal  ohne  bestimmte  architektonische  Physlo- 
gnomie,  wie  man  ihn  so  ziemlich  In  allen  deutschen  Residenzen  und  mittleren 
Stidten  findet:  rechteckiger  Grundplan,  breite  umlaufende  Galerieen  im 
ersten  Stock;  am  Mittelbalkon  die  landläufigen  Stuckverzierungen  im  Kondltor- 
stll;  in  den  Oewölbekappen  gleichförmige,  riesige  Reichsadler  mit  aus- 
gerenkten FIngeln;  an  der  Decke  spielerisch  angebrachte  rote,  blaue  und 
gelbe  Glühlichter.  Unwillkürlich  sucht  der  Blick  nach  der  üblichen,  wie 
aus  einem  Kinderbaukasten  herausgepackten,  vom  grellen  Schein  der  Bogen- 
lampen fiberfinteten  Estrade,  auf  der  das  theatralische  Gebahren  von  Diri- 
genten mit  der  Byron-Locke  und  dem  .süssen*  Augenauhchlag,  die  Ver- 
rahrungskünste  der  Solistinnen,  die  für  ein  hochmodernes  Schnelderatelier 
Reklame  machen,  und  die  akrobatiscben  Obnngen  sämtlicher  Instnimen- 

16» 


244 
DIE  MUSIK  111.  4. 


talisten  das  rechte  Relief  erhalten.  Doch  Ungewohntes  zeigt  sich  unseren 
Blicken.  Wir  gewahren  eine  weite  Nische,  vor  der  sich  eine  ziemlich 
hohe,  auf  einen  dunkelroten  Ton  gestimmte,  oben  am  Rande  nach  innen 
umgebogene  Wand  hinzieht.  Dahinter,  zu  Beginn  des  Rundes,  rechts 
und  links  ein  Boskett  hochstämmiger,  grüner  Pflanzen.  Tribünen,  Pulte, 
Musiker  sind  nicht  zu  sehen.  Im  Hintergrunde  die  Reihe  der  Orgel- 
pfeifen,  von  schlichtem,  dunklem  Holzwerk  umrahmt.  Ein  Vorhang  in  der 
gleichen  Farbe  und  ebenso  gemustert  wie  jene  Schallwand  wallt  von  der 
Brüstung  einer  unter  dem  gewaltigen  Instrumente  befindlichen  Galerie 
herab  und  verdeckt  die  Sängerinnen,  die  den  abschliessenden  Chor  in 
Liszts  Dante  -  Symphonie  auszuführen  haben.  Und  nun  wird,  in  wohl- 
geregelten Abstufungen,  die  Halle  soweit  verdunkelt,  dass  nur  noch  ein 
massiges  Dämmerlicht  herrscht.  Das  in  seiner  monumentalen  Einfachheit 
grandiose  Thema  der  Bachschen  Orgelfiige  in  Es-dur  erklingt :  verschwunden 
ist  alles  Kleinliche,  Weltliche,  der  ganze  Trödelkram  und  Markt  der  Eitel- 
keiten rings  um  uns  her.  Befreit  atmen  wir  tief  auf:  wir  sind  im  Heilig- 
tume  der  grossen  Kunst,  die  uns  ans  Herz  greift  wie  nie  zuvor.  Still, 
ehrfurchtsvoll  lauscht  die  gesamte  Gemeinde,  die  Ungläubigen,  die  Zweifler, 
die  sich  willig  Hingebenden  der  Stimme  des  Genius. 

Solches  habt  ihr  im  Gotteshause  auch  an  euch  erfahren,  hör'  ich 
sagen.  Recht  wohl;  wem  gereicht  es  zum  Leide,  wenn  uns  auch  jeweilig 
im  Profanbau  religiöse  oder  dem  Religiösen  verwandte  Stimmungen  um- 
fangen? Nach  einer  kurzen  Pause  setzen  die  Instrumente  mit  dem 
Abendmahls-Thema  des  Vorspiels  zum  «Parsifal**  ein.  Welches  Wunder 
begibt  sich?  Sind  wir  wie  mit  einem  Zauberschlage  an  die  Weihestätte 
von  Bayreuth  versetzt?  Vieles  klingt  ähnlich,  wie  man  es  dort  im  Amphi- 
theater hört,  wenn  auch  ein  völliges  Ineinanderaufgeben  der  Streicher- 
und Bläserchöre  nicht  zu  ermöglichen  ist,  wie  es  die  Gesamtanlage  und 
die  unvergleichliche  Akustik  des  Festspielhauses  bewirken.  Doch  der 
relative  Gewinn  gegenüber  Aufführungen  mit  offenem  Orchester  ist  so 
gross,  dass  man  sich  sagt:  begehen  Wagnerianer  einmal  die  Inkonsequenz, 
dass  sie  das  herrliche  Stück,  den  Absichten  seines  Schöpfers  zuwider,  von 
der  Bübnenhandlung  loslösen,  so  können  sie  es  allein  in  einer  der  Heidel- 
berger Einrichtung  analogen  Art  zur  Aufführung  bringen.  Wie  weit  hier 
die  Illusion,  in  die  Sphäre  eines  feierlichen  Dramas  einzutreten,  durch  die 
Verdunkelung  des  Raumes  genährt  wird,  das  bedarf  keines  umständlichen 
Nachweises. 

Es  war  ein  feinsinniger  Gedanke  Wolfrums,  diesem  Vorspiele  Liszts 
Symphonie  zu  Dante's  «Divina  commedia"  folgen  zu  lassen.  Von  den 
jedem  modernen  Musiker  geläufigen  thematischen  Wechselbeziehungen  zu 
schweigen:   wohl   in   keiner  anderen  Tondichtung  Liszts  nähert  sich  seine 


245 
MARSOP:  VOM  MUSIKSAAL  DER  ZUKUNFT 


Instrumentation,  vornehmlich  in  der  Behandlung  der  tiefen  Holzbläser  bei 
rezitativischen  Stellen,  so  beträchtlich  der  wagnerischen.  Läuterung  und  Ver- 
klärung ist  ferner  der  Grundgedanke  beider  Werke;  auch  der  «Parsifal* 
führt  uns  von  der  Hölle  durch  das  Fegefeuer  —  Einleitung  zum  dritten 
Aufauge  —  in  den  Himmel.  Ich  muss  bekennen,  durch  die  Heidelberger 
Wiedergabe  zur  Symphonie  Liszts  in  ein  weit  innigeres  Verhältnis  getreten 
zu  sein ;  nicht  wenige  derer,  die  dem  ersten  Festkonzert  beiwohnten,  teilten 
mit  mir  die  Empfindung,  dass  wir  ihr  erst  jetzt  völlig  gerecht  werden 
können.  Liszt  zog  es  seiner  Zeit  in  Erwägung,  die  Vorführung  der  beiden 
Sätze  mit  Dioramen-Bildern  begleiten  zu  lassen.  Sollte  er  überhaupt  an 
dieser  Idee  festgehalten  haben,  so  würde  er  sicherlich  von  ihr  zurück- 
gekommen sein,  wenn  es  ihm  beschieden  gewesen  wäre,  eine  Wiedergabe 
des  Werkes  mir  verdecktem  Orchester  und  bei  Verdunkelung  des  Saales 
zu  erleben.  Um  wie  viel  stärker  arbeitet  unter  solchen  Gegebenheiten 
die  Phantasie  des  empfänglichen  Hörers!  Und  es  ist  ja  der  sehnliche 
Wunsch  nicht  nur  des  wahrhaften  Tondichters,  sondern  jedes  echten 
Künstlers:  dass  der  Mitgeniessende  gleichsam  zum  NachschafFenden,  also 
im  hohen  Sinne  zum  künstlerischen  Genossen  werden  möge.  Mühelos  fanden 
wir  zu  Heidelberg  den  Zugang  in  die  Stimmungswelt  Liszts.  Alles  schien 
mit  verdoppelter  Bildkraft  sich  darzustellen;  die  Sologeige,  die  Klarinetten 
dfinkten  uns  wie  lebende  Wesen  zu  reden.  Es  war,  wie  wenn  uns  ein 
Riesenvogel  auf  seine  Fittiche  genommen  hätte  und  mit  uns  durch  die 
Kreise  des  Inferno  auf-  und  niedergeschwebt  wäre.  Niemand  brauchte 
noch  einen  Kommentar,  niemand  dachte  mehr  an  ein  Diorama.  Auch  die 
Dehnungen  und  Wiederholungen  im  zweiten  Teile  kamen  uns  als  solche 
kaum  zum  Bewusstsein.  Es  ging  uns  ähnlich,  wie  wenn  es  uns  in  einer 
Galerie  ein  Gemälde  besonders  angetan  hat  und  wir  von  einem  unwider- 
stehlichen Drange  getrieben  werden,  immer  wieder  davor  zu  treten,  es  uns 
von  neuem  einzuprägen.  Wundervoll  war  am  Schluss  die  Wirkung  des 
«Magnificat*  —  auch  da  ertönten,  wie  im  Weihefestspiel,  „Stimmen  aus 
der  Höhe.« 

Konnte  neben  jenen  Tonschöpfungen  Wagners  und  Liszts  am  gleichen 
Abend  einer  der  Lebenden  mit  einer  symphonischen  Dichtung  zu  Worte 
kommen,  so  war  es  Richard  Strauss  mit  „Tod  und  Verklärung.«  So  fasst 
ein  Moderner,  der  etwas  zu  sagen  hat,  den  Kampf  mit  der  Welt  und  mit 
den  allzu  ungestümen  Trieben  in  der  eigenen  Brust  auf,  so  schildert  er 
das  letzte  Ringen  mit  dem  Schicksal,  das  Hinüberschweben  ins  Nirwana, 
80  symbolisiert  er  in  aufsteigenden  Klängen  den  immer  heller  erschimmem- 
den  Strahlenkranz  des  Nachruhmes.  Auch  zu  Strauss  konnten  wir  an 
jenem  Abend  sagen :  wir  brauchen  kein  Programm.  Nie  zuvor  ist  uns  deine 
Linienführung  so  logisch,  deine  Architektur  so  übersichtlich  erschienen.  Wie 


246 
DIE  MUSIK  111.  4. 


aber  der  Polyphonie  von  Strauss,  so  kommt  auch  der  Klangpracht  seiner 
Partituren  das  stufenweise  abfallende,  verdeckte  Orchester  und  seine  Idea- 
lisierung durch  die  Schallwand  zustatten.  Freilich  werden  für  eine  Wieder- 
gabe des  „Heldenleben*,  auch  des  «Zarathustra*  innerhalb  dieser  An- 
lage die  einzelnen  Instrumental-Familien  anders  zu  gruppieren  sein,  wie 
für  die  von  „Tod  und  Verklärung". 

Just  durch  die  Heidelberger  Erfahrungen  ist  mir's  vollkommen  deut- 
lich geworden,  dass  die  symphonischen  Dichtungen  unserer  Tage  ebenso- 
sehr einer  neuzeitlichen  Orchesteranlage  bedürfen,  wie  ein  «Guntram*, 
eine  „Ingwelde*,  eine  „Rose  vom  Liebesgarten"  des  „mystischen  Abgrundes" 
zwischen  Scene  und  Amphitheater.  Die  Schulmeister  klagen  gar  beweglich 
über  die,  wie  sie  sagen,  übermässige  Häufung  der  Bläser  in  den  Instru- 
mentalwerken von  Strauss.  Nun  denn:  wem  Fortschrittsohren  gewachsen 
sind,  der  wird  sich  über  jede  ausgiebige  Bereicherung  der  Darstellungs- 
mittel freuen.  Andererseits  jedoch:  je  gewaltiger  die  dynamischen  Ex- 
plosionen im  Musiksaal  krachen,  je  mehr  Systeme  sich  in  der  Partitur 
übereinander  auftürmen,  je  verwickelter  sich  das  Gewebe  der  Stimmen 
ausnimmt,  um  so  notwendiger  erscheint  es,  ein  gelegentlich  hervortretendes 
Obermass  von  Tonfülle  zu  neutralisieren  und  es  auch  dem  weniger  Ge- 
übten zu  ermöglichen,  das  Miteinander  ohne  Anstrengung  zu  überschauen. 
Mein  verstorbener  Freund  Berwin  legte  mir  einmal  in  der  Bibliothek  von 
S.  Cecilia  zu  Rom  eine  zweiundvierzigstimmige  Messe  von  Bailabene  vor. 
Kaum  dass  ich  hineinblickt,  traten  mir  die  Schweisstropfen  auf  die  Stirn. 
Dann  aber  wurde  mein  Angstgefühl  wenigstens  insoweit  gemildert,  dass 
ich  mir  ins  Gedächtnis  rief,  wie  gut  man  in  einer  dämmerigen  Kirche, 
bei  verdecktem  Musikapparat,  die  Stimmen  „übereinander"  hört.  Im 
Konzertsaal  kommen  uns  die  Verdunkelung  und  die  Schallwand  zu  Hilfe. 
Wer  sich  ehedem  in  den  von  Hans  von  Bülow  geleiteten  Aufführungen 
zum  rechtschaffenen  Zuhörer  erzog,  dem  wird  die  kristallklare  Orchester- 
diktion des  Meisters  der  Meister  vom  Stabe  unvergesslich  bleiben.  Ich 
hatte  das  Glück,  gegenwärtig  zu  sein,  als  Bfilow  einmal  „Tod  und  Ver- 
klärung" über  alle  Beschreibung  schön  herausbrachte.  Dennoch  habe  ich 
selbst  damals  Einzelheiten  nicht  oder  doch  nicht  so  deutlich  gehört,  die 
mich  zu  Heidelberg  in  helles  Entzücken  versetzten.  Die  Folgerungen 
liegen  auf  der  Hand. 

Wie  Bülow,  so  ist  auch  Richard  Strauss  nur  in  sehr  bedingtem  Grade 
Brucknerianer.  Aber  er  bat  es  mit  dem  grossen  Verewigten  gemein,  dass 
er  für  jedes  Werk,  das  auf  seinem  Dirigentenpult  liegt,  mit  seiner  ganzen 
Persönlichkeit  einsteht.  So  erzielte  unter  seiner  Führung  insbesondere 
der  erste  Satz  von  Brückners  „Neunter"  zu  Heidelberg  eine  tiefgreifende 
Wirkung.    Ein  Staatsgeheimnis  verrate  ich  nicht,  wenn  ich  berichte,  dass 


247 
MARSOP:  VOM  MUSIKSAAL  DER  ZUKUNFT 


Strattss  in  die  liebliche  Neckarstadt  mit  der  Absicht  kam,  die  Tonschöpfung 
«offen*  zu  dirigieren,  dass  er  jedoch,  nachdem  er  mit  der  Einrichtung 
'Wolfrums  Fühlung  gewonnen  hatte,  zum  Entschluss  gelangte,  die  Auf- 
f&brung  «gedeckt*  zu  leiten.  Zum  Heile  des  Wiener  Symphonikers. 
Auch  fiber  Brückner  dürften  wir  unser  Urteil  in  manchem  umzurevidieren 
haben,  sobald  erst  sein  gesamtes  symphonisches  Lebenswerk  in  Auf- 
führungen mit  unsichtbarem  Orchester  an  uns  vorübergezogen  sein  wird. 
Schon  in  Heidelberg  lernten  auch  die,  welche  ungefähr  seit  Anfang  oder 
Mitte  der  achtziger  Jahre  Bruckner-Propagandisten  sind,  nicht  weniges  hinzu. 
Vor  allem,  wie  tief  Brückner  in  Richard  Wagner  wurzelt.  Nicht  auf  Anklinge 
an  Themen  der  „Faust-Ouverture*,  des  „Tristan*,  des  »Parsifal*,  wie  sie 
sich  im  dritten  Satz  der  unvollendeten  „Neunten*  finden,  sei  damit  hin- 
gedeutet —  dergleichen  hört  auch  ein  kleiner  Konservatorist  heraus. 
Ebensowenig  spiele  ich  auf  die  Verwendung  der  Tuben  bei  Wagner  und 
bei  Brückner  oder  auf  Ähnliches  an.  Vielmehr  möcht'  ich  sagen:  wir  er- 
fassen erst  jetzt,  wie  stark  der  Dramatiker  in  der  Seele  des  Symphonikers 
reflektierte,  der  mehr  oder  weniger  an  den  überkommenen  Formen  seiner 
Kunst  festhielt.  Findet  das  von  Wagner  ausgehende  glühende  Licht  in 
Brückner  sozusagen  ein  hinreichend  grosses  und  reines  Stück  Spiegel- 
fläche, dann  entsteht  Stimmungsmusik  von  einer  Intensität  des  Ausdrucks, 
von  einer  Wärme  des  Lokaltones,  dass  wir  bald  im  Innersten  erschüttert, 
bald  förmlich  berauscht  werden.  Stösst  jedoch  jener  Lichtstrom  bei 
Brückner  auf  Hemmungen,  als  da  sind:  Entwicklungsgesetze  einer  wenn 
auch  noch  so  ausgeweiteten  Sonatenform,  Grenzen  der  ästhetischen  Kultur 
und  Auffassung,  Brüchiges,  Unausgereiftes,  Unausgeglichenes  in  einer  an 
sich  mächtigen  Persönlichkeit,  dann  stockt  die  Produktion  bei  Brückner, 
4ann  gibt  es  für  den  anteilvoll  Zuhörenden  jene  leeren  Stellen,  in  denen 
fortmusiziert,  aber  nicht  fortgeschritten  wird,  dann  klaffen  Risse  im  Auf- 
hau. Ober  beides:  über  das  reich  und  kühn  Romantische  in  dem  Brückner, 
in  welchem  wir  fast  ein  individuelles  Stück  Wagner  verehren,  und  ebenso 
fiber  das  unrettbar  Fragmentarische  in  ihm  erhalten  wir  erst  vollen  Auf- 
achluss,  wenn  wir  den  gewohnten  Mechanismus  des  Orchesters  nicht  mehr 
Tor  uns  arbeiten  sehen,  uns  nicht  mehr  einzureden  vermögen,  dass  eine 
solch  ungeheure  Mühle  nicht  leer  gehen  könne.  Das  Tragische  in  Brückners 
Tondichtungen  —  ich  möchte  seine  letzte  Symphonie  schlechthin  «die 
tragische*  nennen  —  es  kündet  einerseits  fraglos  sein  hartes  Lebensgeschick, 
sein  Ringen  mit  sich,  mit  dem,  was  ihm  Versuchungen  zu  sein  dünkten,  mit 
Not  und  der  sich  feindlich  gegen  ihn  kehrenden  Aussenwelt.  Es  deutet 
aber  auch  zum  anderen  auf  das  Kunstwerk,  die  Tragödie  Wagners,  ihren 
Stimmung^kreis  und  Gefühlsinhalt.  Der  lyrisch-symphonische  Strom  fiiesst 
tBMt  immer  aus  diesen  beiden  Quellen  zusammen.   So  auch  in  der  «Neunten*, 


248 
DIE  MUSIK  III.  4. 


will  sagen  in  ihrem  ersten  und  dritten  Satze  —  dem  ich  nicht  das  «Tedeum* 
des  Meisters  angereiht  wissen  möchte.  Denn  hier  ist  augenscheinlich  Be- 
jahung, in  der  Symphonie  strikte  Verneinung  des  Willens  zum  Leben,  in- 
soweit sie  durch  die  Kunst  und  ihre  Mittel  ausgesprochen  werden  kann. 
Der  zweite  Satz  und  sein  Trio  muten  mich  an  wie  zwei  Totentanz-Blätter 
voll  grimmigen,  verzweifelten  Humors,  die  Orchestrierung  durch  Berlioz 
befruchtet,  die  Form  von  Beethovenscher  Straffheit,  wie  stets  in  den 
Scherzi  Brückners.  Im  übrigen  sei  auf  die  liebevoll  und  erschöpfend 
durchgeführten  Erläuterungen  des  Werkes  verwiesen,  die  Karl  Grunsky 
in  dieser  Zeitschrift  (IL  Jahrg.  Heft  11)  und  anderen  Orts  gegeben  hat. 

Vom  genialsten  aller  Fragmentaristen  zur  problematischen  Kunst  an 
sich,  zum  Melodram.  Das  .Hezenlied'*  gewann  sich  beim  Heidelberger 
Fest  noch  stürmischeren  Beifall,  machte  hier  einen  noch  stärkeren  Eindruck 
als  gelegentlich  der  Wiedergabe,  die  uns  die  Baseler  Tonkünstlef"- Ver- 
sammlung gebracht  hatte.  Ganz  rein  freilich  war  auch  dieser  Eindruck  nicht, 
konnte  er  nicht  sein.  Soweit  ein  Ineinanderaufgehen  von  Rezitation  und 
symphonisierender  Darstellung  überhaupt  möglich  ist,  halfen  dazu  ebenso- 
sehr Schillings,  der  im  verdeckten  Orchester  aus  seiner  überaus  reizvollen 
Partitur  als  ausgezeichneter  Dirigent  die  feinsten  Abschattierungen  des 
clair  obscur  entwickelte,  wie  Ernst  von  Possart,  der,  frei  über  den  Instru- 
mentaiisten  stehend,  mit  seinem  über  zwei  Oktaven  umfassenden  Organ 
wieder  neue  klangliche  Wunder  wirkte.  Doch  wenn  selbst  zwei  Engel 
Ton  zu  Ton,  aber  in  verschiedenen  Sprachen,  fügten,  ergäbe  sich  ein 
Erdenrest,  zu  tragen  peinlich.  Dazu  drängte  sich  zwischen  den  geistvollen 
Sprecher  und  den  selten  feinfühligen  Tondichter  des  öfteren  jemand  störend 
hinein.  Nämlich  Ernst  von  Wildenbruch,  der  Verfasser  des  Textes.  Ich 
bin  nicht  Politiker,  nicht  einmal  Demokrat,  erfreue  mich  also  harmlos 
an  den  vortrefflichen  Scenen  in  den  HohenzoUemdramen  des  kurmärkischen 
Schiller.  Insgleichen  schätz'  ich  ihn  als  gestaltungskräftigen  Novellisten. 
Aber  für  die  tränenselige  Pathetik  seines  Hezenliedes  hab'  ich  nicht 
allzuviel  übrig.  Wozu  benötigt  auch  Schillings  eines  Wildenbruch  ?  Er  ist 
Manns  und  Poet  genug,  um  aus  Eigenem  eine  runde  Dichtung  zu  Papier 
zu  bringen.  Und  zwar  für  ausgeführte  Gesänge  mit  Instrumentalbegleitung, 
wie  just  die  neuen  Heidelberger  Einrichtungen  und  die  an  sie  sich  an- 
schliessenden,  aus  ihr  weiterhin  sich  entwickelnden  sie  zeitigen  werden. 


Solches  und  ähnliches  war  aus  den  Vorführungen  zu  lernen,  die  uns 
bei  völlig  verdecktem  Orchester  zu  Heidelberg  geboten  wurden.  Jetzt 
bitte^ich  den  Leser,  durch  eine  der  an  den  beiden  Enden  des  Schallschirms 


249 
MARSOP:  VOM  MUSIKSAAL  DER  ZUKUNFT 


angebrachten  Türen  mit  mir  zu  sclilfipfen  und  sich  die  Anlage  in  der  Nähe 
zu  betrachten. 

Als  vor  ffinfzehn  Jahren  die  erste  Aufführung  der  «Meistersinger* 
im  Festspielhause  stattfand,  wollte  es  mir,  ungeachtet  der  ausgezeichneten 
Leitung  des  damals  noch  jugendfrisch  empfindenden  Hans  Richter  und 
seiner  Getreuen,  unbeschadet  meiner  bayreuthfesten  Gesinnung  doch 
dünken,  dass  unter  anderem  im  Vorspiel  und  während  der  Scenen  auf 
der  Festwiese  die  Trompeten,  in  der  Einleitung  zum  zweiten  Akt  die  hohen 
Holzbläser  nicht  ganz  zu  ihrem  durch  die  Partitur  gewährleisteten  Rechte 
kämen.  Wie  da  Abhilfe  schaffen?  Ich  schlug  vor,  die  einzelnen  Podien 
der  Orchesterterrasse  derart  von  einander  abzulösen,  dass  jedes  von  ihnen, 
unabhängig  vom  anderen,  durch  hydraulische  oder  elektrische  Kraft  beliebig 
hoch  oder  tief  gestellt  werden  könnte  —  wobei  dann  natürlich  über  dem 
Ganzen  genügend  freier  Raum  geschaffen  werden  müsste.  Unsere  Mechanik 
wäre  derart  entwickelt,  dass  ein  Druck  auf  einen  am  Dirigentenpult 
befindlichen  Knopf  genügen  würde,  um  eine  «Etage*  geräuschlos  hinauf 
oder  hinunter  zu  bewegen.  Beim  Vorspiel  zu  den  „Meistersingern^^  stünde 
dann  beispielsweise  das  Teilpodium,  auf  dem  Trompeten  und  Posaunen 
untergebracht  wären,  ziemlich  hoch,  würde  aber  sodann,  sobald  der  Vorhang 
sich  teilte,  abwärts  gesenkt.  Es  wurden  dazumal  über  diesen  Vorachlag 
allerhand  Scherze  gemacht  —  was  mich  nicht  abhielt,  ihn  von  Zeit  zu 
Zeit  zu  wiederholen.  Ich  bin  fest  davon  überzeugt,  dass  ich  mit  ihm  auch 
im  Theater  durchdringen  werde.  Wagners  Erfindung  der  verdeckten 
Orchesteranlage,  wie  er  sie  im  Festspielhaus  ausgestaltete,  ist  sicherlich 
eine  geniale,  aber  recht  wohl  der  Verbesserung  fähige. 

Wie  ich  mir  eine  ungefähr  analoge  Einrichtung  für  den  „Musiksaal 
der  Zukunft^*  denke,  das  habe  ich  in  dieser  Zeitschrift  eingehend  beschrieben, 
und  bitte  die  Gesinnungsfreunde,  die  sich  mit  unseren  Reformfragen  ernst- 
lich beschäftigen,  die  hierauf  wie  auch  die  auf  die  ganze  Konstruktion  und 
Ausschmückung  des  Saales  bezüglichen  Darlegungen  freundlichst  durch- 
sehen zu  wollen.  („Die  Musik,''  erstes  Oktoberheft  1902  und  erstes  Juni- 
heft 1003.)  Aus  Raumrücksichten  habe  ich  hier  Wiederholungen  zu  ver- 
meiden. Im  Musiksaal  der  Zukunft  soll  sich  die  veränderte  Or- 
chesteranlage als  Kern,  als  Hauptbestandteil  eines  logisch 
durchgeführten  Bau-Organismus  darstellen.  Bis  es  jedoch  soweit 
käme,  gälte  es,  in  Räumen,  wie  sie  einmal  vorhanden  sind,  annehmbare 
Provisorien  zu  schaffen,  deren  ich  eine  Anzahl  skizzierte. 

Nicht  Reden,  Taten  sind  entscheidend.  Philipp  Wolfrum  bleibt  das 
Verdienst  gesichert,  die  erste  durchgreifende  Reformtat  auf  dem  viel- 
umstrittenen Gebiete  vollbracht  zu  haben.  Einen  idealen  Saal,  wie  auch 
er  ihn   sich  erträumte,   vermochte  ihm  keine  gütige  Fee  aus  dem  Boden 


250 
DIE  MUSIK  III.  4. 


hervor  zu  zaubern.  Was  er  jedoch  mit  unerhörter  Energie  ungünstigen 
Umständen  abrang,  das  ist  wahrhaft  bewunderungswert.  Sehen  wir  uns 
seine  Einrichtung  an. 

Die  Mitte  einer  grossen,  nischenförmigen  Einbuchtung  nimmt  ein 
ungefähr  quadratisches  Podium  ein.  Es  zerfällt  in  vier  Teile.  Jeder  ist 
vom  anderen  völlig  unabhängig  und  kann  mit  Hilfe  einer  Kabelwinde 
beliebig  hoch  oder  tief  gestellt  werden.  Man  vermag  also  alle  vier  Teil- 
podien auf  das  Niveau  des  Saales  zu  bringen,  daher  für  Feste,  bei  denen 
die  Musik  nur  gefällig  Hilfsdienste  leistet,  den  Nischenraum  im  Zusammen- 
hang mit  dem  Saalparkett  zu  benutzen.  Man  ist  imstande,  selbige  Teil- 
podien von  der  Saalebene  aus  terrassenförmig  aufsteigen  zu  lassen  —  die 
bisher  übliche  Disposition  —  oder  Stufe  für  Stufe  abfallen  zu  lassen  — 
Anlage  des  Orchesterraumes  im  Bayreuther  Festspielhause  und  im 
Münchner  Prinzregenten-Theater.  Je  nach  Charakter  und  Instrumentierung 
der  wiederzugebenden  Tondichtung  ist  somit  der  Dirigent  fähig,  die  ihm 
gut  dünkende  Anordnung  zu  treffen.  Nun  bedingten  es  die  Rücksicht  auf 
die  in  Heidelberg  für  gewöhnlich  zu  Gebote  stehenden  Kräfte  und  der 
haushälterische  Sinn  der  Stadtväter,  dass  das  Podium  nur  für  einige  fünfzig 
Musiker  berechnet  wurde.  Wolfrum  brauchte  aber  diesmal  eine  ungewöhn- 
lich starke,  eine  Musikfest-Besetzung  —  er  hatte  die  „Meininger^^  und 
Militärbläser  der  vortrefflichen  Karlsruher  Regimentsmusik  Boettges  zur 
Mitwirkung  eingeladen.  Demgemäss  sah  er  sich  genötigt,  einen  Teil  der 
Streicher  sowie  die  Harfen  noch  auf  dem  Niveau  des  Saales  unterzubringen, 
den  Schallschirm,  der  sonst  unmittelbar  vor  den  allmählich  abfallenden 
Teilpodien  steht,  um  ein  massiges  Stück  in  die  Saalebene  hinauszurücken 
und  ihn  bis  auf  2,40  Meter  zu  erhöhen.  Dieser  Schallschirm  besteht  aus 
leichtem,  gebogenen  Holz  und  ist  nach  aussen  zu  mit  einer  tapetenartig 
bemalten  Leinwand  verkleidet;  er  lässt  sich  durch  Anwendung  eines  ein- 
fachen Mechanismus  um  etwa  dreiviertel  Meter  herunterschrauben.  Auch 
ist  an  ihm  eine  Art  gleichfalls  nach  innen  zu  überhängender  Kappe  anzu- 
bringen; man  befestigt  an  seinem  oberen  Rande  ein  leichtes  Reifengesteil 
und  überdeckt  es  mit  einem  weichen  Tuch.  —  Von  drei  Seiten,  rechts, 
links  und  im  Hintergrunde  läuft  um  das  Podium  eine  breite  Estrade:  sie 
nimmt,  wie  das  bei  der  Wiedergabe  der  Wolfrumschen  Festmusik  und  des 
„Taillefer^*  geschah,  die  Chöre  und  die  Gesangs-Soiisten  auf.  Sollen,  wie 
für  die  Aufführung  der  „Schöpfung^*  durch  den  „Voikschor^S  grössere 
Massen  untergebracht  werden,  dann  ziehen  sich  die  Teilpodien  gegen  die 
Orgel  zu  aufwärts  und  bilden  mit  den  umlaufenden  Estraden  eine  die 
gesamte  Nische  ausfüllende,  ansteigende  Sängerbühne.')  Bei  dieser  Gelegen- 

')  Auch  dieser  Volkschor  ist  durch  den  unvergleichlichen  Organisator  Wolfrum 
ins  Leben  gerufSen  worden.    Etwa  fünfhundert  Minner  ond  Frauen,  denen  man  zum 


251 
MARSOP:  VOM  MUSIKSAAL  DER  ZUKUNFT 


beit  musste  das  ganze,  dem  Haydn-Stil  entsprechend  verhflltnismässig 
schwach  besetzte  Orchester  auf  der  Saalebene  Unterkunft  finden,  war  aber 
durch  den  Schallschirm  gedeckt.  Wer  in  Zukunft  ein  Podium  nach  dem 
Vorbild  des  Heidelberger  konstruiert,  wird  es  ansehnlich  geräumiger  an- 
tuen mfissen,  damit  auch  ein  modern  ausgestattetes  Orchester  und  eine 
Anzahl  Sflnger  auf  den  absteigenden  Flächen  unterzubringen  sind.  Zu 
erwähnen  ist  noch,  dass  der  nach  Wolfrums  Angaben  gefertigte,  mit  den 
Pfeifen  durch  ein  elektrisches  Kabel  und  einen  Luftschlauch  verbundene 
Spieltisch  für  die  Orgel  an  jede  beliebige  Stelle,  also  auch  unmittelbar 
neben  das  Pult  des  Dirigenten  gerückt  werden  kann. 

Treten  wir  jetzt  wieder  in  den  Saal  zurück.  Wie  nimmt  sich  das 
Gesamtbild  der  Nische  bei  verdecktem  Apparat  und  stark  eingezogener 
Beleuchtung  aus? 

Vom  Parkett  aus  gewahrt  man  weder  die  Ausführenden  noch  den 
Dirigenten.  Ebensowenig  vom  Mittelbalkon.  Hingegen  sieht  man  von 
einer  Anzahl  Plätze  der  Seitengalerieen  die  tief  sitzenden  Bläser,  das 
Schlagzeug,  schliesslich  auch  den  Kapellmeister.  Wird  demnach  ein  Saal 
von  herkömmlicher  Bauart  mit  der  Wolfrumschen  Orchesteranlage  versehen, 
so  ergibt  sich  folgerichtig  die  Notwendigkeit,  ähnliche  Seitengalerieen  etwa 
zu  drei  Fünfteln  abzusperren. 

Brennen  im  Zuhörerraum  nur  noch  die  sogenannten  Notlampen  — 
die  übrigens  bei  unruhigem  Flackern  der  Flämmchen  wunderliche  Schatten- 
bilder an  der  Wand  hervorrufen  und  somit  besser  durch  Kerzen  zu 
ersetzen  wären  — ,  ist  also  dort  die  Decken-  und  die  seitliche  Beleuchtung 
durch  Ampeln  und  Wandarme  abgestellt,  so  erhält  der  Saal  immer  noch 
soviel  indirektes  Licht  von  der  Musiknische  her,  dass  nicht  nur  die  Form, 
sondern  auch  die  Farben  des  Schallschirmes  deutlich  zu  unterscheiden  sind. 
Vom  Balkon  aus  gesehen,  nahm  er  sich  gar  nicht  übel  aus:  er  schien  da 
gleichsam  als  Unterbau  für  die  im  Hintergrunde  aufragende  Masse  der 
Orgel  zu  dienen.  Weniger  gut  Hess  er  sich  für  die  Zuhörer  an,  welche 
die  ersten  Reihen  im  Parkett  inne  hatten,  also  dicht  davor  sassen.  Indessen 
ist  billigerweise  zu  bedenken,  dass  in  Heidelberg  nur  sehr  bescheidene 
Mittel  zur  Verfügung  standen;  für  bare  500  Mark  lässt  sich  eine  solche 
ausgedehnte,  zerlegbare  Holzwand,  zumal  wenn  sie  haltbar  gearbeitet  sein 
soll  und  bei  der  Verlässlichkeit  unserer  durch  sozialpolitische  Angelegen- 
heiten so  stark  in  Anspruch  genommenen  Handwerker  erst  in  der  letzten 


guten  Teü  den  Kampf  um  das  tägliche  Brot  ansah,  standen  vor  uns  und  taten  dem 
Meisterwerke  Haydns  alle  Ehre  an:  herzhaft  sichere  Einsätze,  gute  Aussprache, 
IrtMndiger  Vortrag.  In  einzelnen  Gruppen,  zu  je  fünfzig  oder  sechzig,  waren  sie  von 
Schttllefarem  vorbereitet  worden;  manche  kennen  die  Noten  nicht  und  singen  nach 
dem  Gehör. 


252 
DIE  MUSIK  III.  4. 


Stunde  fertig  wird,  beim  besten  Willen  nicht  noch  mit  erlesenem  Ge- 
schmack dekorieren.  In  Kunststädten  wie  München,  Karlsruhe,  Dresden, 
Düsseldorf  würde  es  den  jungen  Architekten  und  Malern  weder  sonder- 
liche Mühe  machen,  noch  viel  Zeit  kosten,  einem  solchen  leichten  Einbau 
eine  gefällige  Linienführung  zu  geben  und  die  Fläche  zwischen  Sockel  und 
der  nach  innen  zu  überhängenden  Kappe  in  Zeichnung  und  Farbe  derart 
zu  beleben,  dass  die  Hauptmotive  der  Innen-Architektur  und  Ornamentik 
des  Saales  wieder  zur  Verwendung  gelangen.  Verhängte  man  noch  die 
blank  herausstechenden  Orgelpfeifen  und  mit  ihnen  den  ganzen  Hintergrund 
der  Nische  durch  einen  Prospekt,  der  in  geschickter  perspektivischer  Malerei 
gleichfalls  die  Säulen-  und  Pfeilerstellungen  des  Saales  und  seine  koloristischen 
Hauptwerte  wiederspiegelte,  so  würde  bei  gedämpftem  Licht  im  Hörer  die 
Illusion  erweckt  werden,  dass  er  etwas  einigermassen  organisch  Durch- 
geführtes vor  sich  habe.  Auch  möchte  ich  vorschlagen,  den  Schallschirm 
völlig  mit  lebendigem  Grün  einzuhüllen:  Grün  bietet  stets  den  wohltuendsten 
Ruhepunkt  für  das  Auge.  Ganz  befriedigend  ist,  wie  ich  bei  früheren 
Gelegenheiten  hervorhob,  das  Problem  natürlich  nur  in  einem  Raum  zu 
lösen,  der  eigens  als  Musikhalle  im  Sinne  der  Reformfreunde  gebaut  wird 
—  ich  verweise  auf  den  Entwurf  zu  einem  Saal  in  gotischem  Charakter, 
den  ich  in  der  oben  angeführten  Studie  mitteilte.  Der  ebendort  entwickelte 
Gedanke  eines  Rundbaus  mit  dem  unsichtbaren  Musikapparat  als  Zentrum 
wird  von  Wolfrum  in  der  fesselnd  geschriebenen,  sehr  lesenswerten  Ein- 
leitung zu  seinem  Heidelberger  Programmbuch  wieder  aufgenommen. 
Architekten,  die  dieser  Idee  näher  zu  treten  Lust  hätten,  sei  empfohlen, 
sich  vorerst  mit  der  Einteilung  des  grossen  Pariser  Trocad6ro-Saales,  so- 
wie der  Londoner  Albert-Hall  vertraut  zu  machen,  sich  auch  den  ungefähr 
im  Halbrund  aufsteigenden  Zuschauerraum  des  Teatro  Famese  in  Parma 
durch  ein  gleichartiges  Halbrund  zum  Kreise  ergänzt  zu  denken. 

Femer  erheischt  in  Rücksicht  auf  die  zu  Heidelberg  gemachten  Er- 
fahrungen die  Frage  eine  Beantwortung,  ob  auch  die  Chöre  und  die  Solisten 
zu  verdecken  seien.  Es  sieht  in  der  Tat  für  die  in  der  vorderen  Abteilung 
des  Parterres  Sitzenden  wunderlich  aus,  wenn  nur  eine  Reihe  von  Köpfen,  viel- 
leicht auch  einige  Hände  mit  weissen  Notenblättern  über  dem  Schallschirm 
auftauchen.  Gar  zu  hoch  darf  man  die  Chöre  nicht  über  das  Orchester 
stellen,  damit  die  Einheitlichkeit  der  Klangwirkung  gewahrt  bleibe.  Wenn 
wir  nun  die  einschlägige,  für  unsere  Zeit  in  betracht  kommende  Literatur 
durchmustern:  wie  vielen  Standard  works  ist  denn  wirklich  damit  gedient, 
dass  man  die  Chöre  sichtbar  aufstellt?  Der  «Schöpfung*  und  den  »Jahres- 
zeiten*, ohne  Zweifel.  Den  Kantaten,  den  Passionen  Bachs?  Ganz  gewiss 
nicht.  Sie  sind  für  die  Kirche  geschrieben,  wo  die  Ausführenden  der  Ge- 
meinde ganz  oder  fast  ganz  verdeckt  blieben,  und  erheischen,  wenn  sie  heute 


253 
MARSOP:  VOM  MUSIKSAAL  DER  ZUKUNFT 


im  Musiksaal  zur  Wiedergabe  kommen  sollen,  einen  Aufführungsmodus, 
der  alles  störend  Weltliche  mit  Strenge  ausschliesst.  Ebenso  die  h-moll- 
Messe.  Händel?  Was  an  ihm  für  unsere  Anschauung  noch  gross  ist,  nämlich 
seine  gewaltigen  Chorfugen,  wäre  nach  Analogie  bedeutender  Orgelmusik 
zu  behandeln.  Die  Requiems  eines  Mozart,  eines  Cherubini,  die  Missa 
solemnis  Beethovens?  Das  dünkt  mich  Gottesdienst,  wie  der  Bachs  — 
nur  mit  veränderter  ästhetischer  Liturgie;  es  ist  eine  unsägliche  Profanation, 
beim  weihevollen  «Incarnatus*",  wo  die  Musik  nicht  nur  das  Wunder  an- 
deutet, sondern  selbst  zum  Wunder  wird,  den  Anblick  einiger  Hundert 
meist  unfreiwillig  verzogenen  Gesichter  mit  aufgesperrten  Mündern  zum 
Besten  zu  geben.  Gehe  ich  zur  ernsten  grossen  Chormusik  unserer 
Zeit  über:  wie  sehr  kämen  dem  »Deutschen  Requiem*"  und  dem  «Schick- 
salslied* von  Brahms,  Liszts  „Christus*  und  13.  Psalm,  der  f-moll- 
Messe  und  dem  «Tedeum*  Brückners  eine  Unterstützung  durch  stimmung- 
fördemde  Einrichtungen  zu  statten!  Auch  glaube  ich,  dass  just  die  Mög- 
lichkeit, die  Chormassen  im  Musiksaal  verdeckt  singen  zu  lassen,  die  fort- 
schrittlich wirkenden  Tonsetzer  unserer  Zeit  dazu  anregen  wird,  religiöse 
Musik  zu  schaffen.  Richard  Strauss  ist  es  Liszt,  Max  Reger  ist  es  Bach 
schuldig,  eine  Messe  zu  schreiben;  der  erstere  hat  vielleicht  'in  seiner 
herrlichen  16  stimmigen  Hymne  seinen  kirchlichen  Stil  schon  gefunden.  Von 
Schillings  wäre  ein  »Requiem*,  von  Humperdinck  und  Wolfrum  neue  Oster- 
und  Pfingstkantaten,  von  Pfitzner  eine  „Asfeunta",  eine  Verklärung  Maria 
zu  erwarten  —  er  hat  sich  dazu  im  Vorspiel  seiner  „Rose  vom  Liebes- 
garten* bereits  vorbereitet.  Gewiss  wird  es  gelegentlich  aus  besonderen 
Rucksichten  erwünscht  sein,  dass  sich  die  Chöre  dem  Publikum  zeigen, 
zum  Beispiel  wenn  dem  Landesherrn  eine  musikalische  Huldigung  dar- 
gebracht werden  soll.  Es  ist  unnötig,  weitere  Ausnahmen  auszuklügeln, 
die  nur  die  Regel  bestätigen  würden. 

Dass  bei  der  Aufführung  von  Oratorien  und  anderen  ernsten  Chor- 
werken auch  die  Gesangs-Solisten  unsichtbar  bleiben  müssen,  ist  selbst- 
verständlich. In  Kostüme  können  wir  sie  nicht  stecken;  einen  mythischen 
Helden  oder  gar  einen  Apostel  in  Frack  und  weisser  Weste  zu  verkörpern, 
ist  der  Gipfel  des  Unsinns.  Darauf  bedacht  sein,  den  Gesichtsausdruck, 
das  Mienenspiel  eines  Konzertsängers  zu  verfolgen,  das  heisst  doch  wohl, 
den  Musiksaal  mit  der  Scene  verwechseln.  Schlimm  genug  für  einen 
Künstler,  wenn  er  in  ersterem  nicht  durch  seinen  Gesang  restlos  aus- 
zuschöpfen vermag,  was  der  Komponist  an  Seele  in  ein  Tonstück  hinein- 
legte. Hingegen  nehmen  wir  selbst  ein  geringes  Vibrato  der  Empfindung, 
jede  kleine  Ton-  und  Vortragsfärbung  viel  deutlicher  wahr,  wenn,  unter 
allgemein  günstigen  akustischen  Bedingungen,  der  Sänger  verborgen  bleibt. 
Es  ist  erstaunlich,  wie  feinöhrig  auch  der  Laie  unter  solchen  Umständen 


254 
DIE  MUSIK  HI.  4. 


wird.  Er  erfasst  den  Text  schneller;  er  ist  föhig,  auch  einen  verwickelten 
thematischen  Aufbau  leichter  zu  überschauen;  er  deklamiert  und  fühlt  mit 
dem  Charakter 9  den  der  Tondichter  zeichnet;  er  folgt  als  Psycholog. 
Er  wird  sich  auch  durch  die  Schallwand  mit  dem  Künstler  besser  ver- 
stehen, der  eine  lyrische  Gesangsscene  vorträgt.  Eine  Trennung,  welche 
die  Intimität  steigert.  Den  Künstler,  der  ein  derartiges  Stück  vorzutragen 
hat,  erkennbar,  aber  in  matter  Beleuchtung  singen  zu  lassen,  das  war  eine 
Verlegenheits-Bestimmung,  wie  man  sie  in  Heidelberg  noch  wohl  oder 
übel  treffen  musste.  Es  schien  nicht  rätlich,  dem  grösseren  Publikum  alle 
Vorurteile  auf  einmal  abzuschminken;  man  hatte  überdies  mit  den  zu 
Gebote  stehenden  Kräften  zu  rechnen.  Somit  erschien  auch  der  aus- 
gezeichnete Violinist,  Professor  Petri,  in  ganzer  Figur  auf  einer  kleinen 
Bühne  hinter  und  über  dem  verdeckten  Orchester.  Auf  den  sonst  so 
feinsinnig  zusammengestellten,  nur  etwas  zu  lang  geratenen  Reform- 
programmen hätte  man  das  Mozartsche  Konzert  nicht  ungern  vermisst. 
In  grossen  Aufführungen  symphonischen  Stiles  benötigen  wir  keine  Virtu- 
osenmusik, selbst  wenn  sie  ein  Mozart  geschrieben  hat.  Soll  Beethovens 
Violinkonzert,  das  bekanntlich  eine  Symphonie  ist,  zum  Vortrag  gelangen, 
so  wird  ein  vornehm  empfindender  Vertreter  der  Prinzipalstimme  in 
Zukunft  darauf  verzichten,  von  den  Hörern  gesehen  zu  werden.  Hat 
etwa  jemand  den  Wunsch,  bei  einer  Aufführung  von  „Harold  in  Italien" 
die  Bogenführung  des  Solo-Bratschisten  zu  beobachten?  Im  übrigen  schlage 
ich  vor,  dass  die  Besitzer  unserer  Warenhäuser,  die  ja  neuerdings  ihre 
Kunden  mit  kleinen  Kunstausstellungen  ä  la  mode  regalieren,  auch  eine 
Halle  für  peripatetische  Musikfreunde  errichten,  in  der  vom  Morgen  bis 
zum  Geschäftsschluss  Darbietungen  von  Phonographen,  Klavierpaukern, 
stark  dekolletierten  Koloratursängerinnen  und  Flageoletpfeifern  ununter- 
brochen aufeinander  folgen.  Wer  dann  eine  Petroleumkanne  gekauft  hat, 
dem  stünde  es  frei,  mit  einem  Lachsbrötchen  in  der  einen  und  einem  Glas 
Pilsner  in  der  anderen  Hand  abwechselnd  eine  Radierung  von  Liebermann 
zu  kritisieren  und  einen  Schnitt  Tschaikowsky  zu  geniessen. 

Bleibt  dabei  die  ernste  Kunst  aus  dem  Spiel,  so  mag  sich  nur  die  breite 
Masse  mit  leichten  Zerstreuungen  vergnügen,  wenn's  ihr  gerade  darum  zu 
tun  ist.  Jeder  nach  seiner  Art.  Unsere  Art  aber  wäre  es,  Rafael  zu  ver- 
ehren, ohne  dass  ein  beliebiger  Reisehanswurst  dazu  mit  knarrendem 
Organ  aus  dem  Bädeker  vorliest,  uns  von  der  Tragik  Shakespeares  und 
Schillers  durchschauem  zu  lassen,  ohne  dass  uns  der  Opemhaus-Humbug 
aus  der  Stimmung  wirft,  im  Allerheiligsten  Beethovens  vor  den  Offen- 
barungen seiner  letzten  Quartette  niederzuknieen,  ohne  das  Menschliche 
einer  Toiletten-Parade  und  das  Allzumenschliche  im  Gebaren  erhitzter» 
transpirierender  Musiker  mit  in  den  Kauf  nehmen  zu  müssen.     Der  kleine 


255 
MARSOPrIVOM  MUSIKSAAL  DER  ZUKUNFT 


Saal  der  Heidelberger  Stadthalle  wäre  für  ideale  Kammermusik-Aufführungen 
wie  geachaffen.  Nur  müsste  in  der  Dekoration,  von  deren  D6tails  ich 
lieber  nicht  reden  will,  und  in  den  Beleuchtungsverhältnissen  noch  einiges 
geändert  werden:  das  durch  eine  Decken-Rosette  einfallende  Tages-Ober^ 
licht  wirkt  zu  nüchtern.  Der  Zuhörerraum  ist  in  Form  eines  Halbrundes 
sehr  glücklich  angeordnet.  Davor  liegt  die  Musiknische ;  sie  hat  gewisser- 
massen  ein  Untergeschoss  und  darüber  eine  Art  Balkon,  beide  mit  ge* 
wSlbten  Decken,  was  vorderhand  noch  eine  zu  starke  Resonanz  verursacht: 
man  vernimmt  jedes  leise  Anschwirren  der  Saiten.  Ein  dicker  Filzbelag 
über  dem  Fussboden  der  Loggia  würde  vielleicht  gute  Dienste  tun.  Wird  in 
der  oberen  Abteilung  gespielt  oder  gesungen,  so  sind  die  Ausführenden 
den  Hörern  nicht  sichtbar.  Auf  diese  Art  gelangte  Beethovens  a-moll-Quartett, 
Werk  132,  zum  Vortrag.  Solcher  transzendentalen  Musik  lauschen  zu  können, 
ohne  die  vier  Fiedelbogen  exerzieren  zu  sehen,  das  ist  wahrlich  auch  eine 
Befreiung!  Leider  wurde  der  himmlische,  langsame  Satz  von  den  ausgezeich- 
neten Künstlern  der  Dresdener  Vereinigung  zu  derb  angefasst.  Eine  Leistung 
allerersten  Ranges  war  hingegen  die  stilgetreue,  kraftvolle,  plastische  Wieder- 
gabe von  Bachs  Goldberg-Variationen  in  der  meisterlichen  Bearbeitung  Rhein- 
bergers  durch  Wolfrum  und  Julius  Buths.  Ein  Vorschlag:  wird  oben  ge- 
spielt, 80  wäre  füglich  die  untere  Nische  durch  einen  nach  Massgabe  der 
Ornamentik  des  Saales  in  Applikationsarbeit  zu  dekorierenden  Vorhang 
abzuschliessen.  Hat  man  einen  leeren,  bühnenartigen  Raum  vor  sich,  so 
erwartet  man  in  jedem  Augenblick,  Personen  auftreten  zu  sehen. 


Noch  einige  Worte  über  die  beiden  Heidelberger  Uraufführungen: 
die  von  Wolfrums  Festmusik  zur  Zentenarfeier  der  Ruperto-Carola,  und 
die  des  «Taillefer*  von  Richard  Strauss.  Jene  ist  ein  klar  gegliedertes 
Programm-Stück,  mit  charakteristischen  Original-Themen  und  geistvoll  aus 
der  Intonation  des  alten  «Te  deum  laudamus"  entwickelten  Motiven  und 
fignrativem  Beiwerk.  Herolde  schmettern  Fanfaren;  eine  Fakultät  nach 
der  anderen  zieht  auf  und  wird  in  der  Eigenart  ihrer  Vertreter  wie  in 
ihrer  Bedeutung  für  die  allgemeine  Geistesgeschichte  abkonterfeit.  Als- 
dann feiert  ein  Männerchor  mit  Bariton-Solo  den  Landesfürsten.  Sinnvoll 
hat  Wolfrum  Zitate  eingewoben:  der  Hauptgedanke  des  «Kaisermarsches*, 
«Alt-Heidelberg*,  auch  die  »Wacht  am  Rhein*  —  sie  tauchen  als  jedem 
Hörer  vertraute  Symbole  auf.  Die  Instrumentation  ist  gut  modern  und 
abwechselungsreich.  —  Der  »Taillefer*  tritt  uns  als  ein  ganzer,  vollwertiger 
und  vollwichtiger  Richard  Strauss  entgegen.  Zugleich  als  verheissungs- 
voller  Igrstling:  der  Tonsetzer  hat  mit  ihm  ein  für  ihn  neues  Gebiet  er- 
obert, das  der  Chorballade.     Doch   er  wäre  nicht  Strauss,  wenn  er  sich 


256 
DIE  MUSIK  III.  4. 


nicht  auch  hier  sein  eigen  Formgerüst  gezimmert  hätte.  Nicht,  dass  er 
die  Grenzen  der  epischen  und  der  dramatischen  Darstellung  verwischte; 
aber  er  erweitert  unsere  Anschauung  vom  Wesen  der  musikalischen  Epik, 
wie  Wagner  und  vor  ihm  Weber  den  Zeitgenossen  neue  Einsichten  in  die 
Natur  der  musikalischen  Tragödie  und  Komödie  erschlossen.  Wie  er  die 
Solostimmen  aus  dem  Uhlandschen  Gedicht  in  ungezwungen  flüssiger 
Deklamation  auslöst,  wie  er  den  Chor  an  Erzählung  und  Handlung  be- 
teiligt, das  ist  genial.  Es  verschlägt  wenig,  dass  die  zugleich  grosszügige 
und  packend  realistische  Instrumental-Schilderung  der  Schlacht  bei  Hastings 
nicht  völlig  in  der  Ökonomie  des  Ganzen  aufgeht.  Viel  ist  darüber  ge- 
stritten worden,  ob  die  frische,  volkstümliche  Melodik,  wie  sie  das  Werk 
durchzieht,  zur  kühnen,  neuzeitlichen  Harmonik  und  zu  dem  kolossalen 
Aufgebot  der  orchestralen  Mittel  im  rechten  Verhältnis  stände.  Warum 
nicht?  Wenn  nur  die  Kunst  ihren  Segen  dazu  gibt  und  das  Temperament 
Populäres  und  fein  Ersonnenes  in  Eins  verschmilzt.  Hat  nicht  schon 
Händel,  sofern  es  darauf  ankam,  schlichte  Weisen  mit  einem  schweren 
Prunkgewand  umkleidet?  Trägt  Beethoven,  wenn  das  als  naives  Lied 
geborene  Freudenthema  später  «wie  ein  Held  zum  Siegen"  einherschreitet, 
etwa  Bedenken,  Tamtam  und  Triangel  kräftig  zu  rühren?  Von  Wagner 
und  den  im  polyphonen  Überfluss  schwimmenden,  einfach  klaren  Meister- 
singer-Motiven gar  nicht  zu  reden.  — 

Mit  einer  Ovation  für  den  Ehrendoktor  Richard  Strauss,  als  princeps 
der  modernen  Musik,  endeten  die  Heidelberger  Festtage.  Begonnen  hatten 
sie  mit  einer  Huldigung  für  den  greisen,  verehrungswürdigen  Grossherzog 
von  Baden,  der  herbeigeeilt  war,  um  seine  Sympathieen  für  die  fortschritt- 
lichen Bestrebungen  in  der  Kunst  zu  bekunden.  Erwägt  man,  dass  auch 
das  neuere  Musikdrama  seit  einer  Reihe  von  Jahren  in  Karlsruhe  liebe- 
voll gepflegt  wurde,  dass  die  Münchener  , Sezession"  durch  den  Prinz- 
regenten von  Bayern  die  wärmste  Förderung  erfuhr,  dass  heute  die  Pforten 
des  Stuttgarter  Hoftheaters  den  Gerhart  Hauptmann  und  Max  Halbe  offen- 
stehen, so  tröstet  man  sich  darüber,  dass  anderswo  nach  wie  vor  ein  ab- 
gestandener Konventionalismus  sich  breit  machen  darf. 

Auch  das  Oberhaupt  einer  Republik  der  freien  Geister,  der  Prorektor 
der  Heidelberger  Hochschule,  hat  in  ritterlicher  Weise  der  Kunst  unserer 
Zeit  salutiert,  und  denen,  die  mit  dem  Reformbanner  in  den  Kampf  ge- 
zogen sind,  ein  hell  klingendes  »Glückauf*  zugerufen.  Den  Dunkelmännern, 
den  trockenen  und  den  winselnden  Schleichern,  so  da  vermeinen,  das  Rad 
der  Zeit  aufhalten  zu  können,  blieb  es  stets  verwehrt,  sich  am  Neckar- 
ufer einzunisten.  Jetzt  hat  man  uns  anders  gearteten  »viri  obscuri",  die 
wir  aus  der  Dämmerung  das  Licht  der  grossen  Kunst  in  seinem^  vollen 
Glänze  entwickelt  wissen  wollen,  dort  aufs  gastlichste  aufgenommen.    Viel 


^ 


MARSOP:  VOM  MUSIKSAAL  DER  2UKUNPT 


a^ 


lernten  vir,  mit  einem  reichen  Schatz  gewonnener  Erkenntnis  kehrten  wir 
beim.  Herzlichen  Dank  jedem,  der  Für  die  gute  Sache  eintrati  Dank  vor 
allem  dir,  du  lieber,  streitbarer,  treuer  Philipp  Wolfntmt  Du  faast's  ge- 
wagt und  du  hast  gesiegt!  Dein  Name  wird  in  den  Annalen  des  Fort- 
schritts einen  Ehrenplatz  erhalten. 


Anmerkunc.  Tolfrnm  hat  In  der  HeMelberjer  Stadtballe  so  mannlgrache  An- 
retangeD  t^boten,  dasi  es  BChtechterding«  nnaiStllch  war,  sie  im  Rahmen  dei  oblten 
Anbatie«  limillch  nach  GebQtar  zu  wQrdfgen.  leb  bebalte  mir  vor,  auf  einifes  bei 
Gelegenbeit  zarfickiukommen  —  bCBOndeTS  auf  das  Beleucbtungsproblem  und  den 
aVolkacbor*.  —  Eine  Reibe  von  DliigeDieo  sprach  leb,  die  vortaabes,  wlbrend  des 
bevorstehe  öden  Tinter*  ibniicbe  VerinBtaltungen  Ina  Terk  zu  setzen.  Ich  erneuere 
meine  Bitte:  der  verehrllchen  Redaktion  der  .Musik'  oder  mir  allea  auf  Tleferie|nn| 
und  Verdeckung  des  Orchesters  im  Musiksaale,  Verdunkelung  des  ZtibSrerraumea 
etc.  etc.  bezDgiiche  Material  freundlicbtt  zugeben  zu  lassen.  Ober  die  betreffenden 
Aaff&brnogen  und  die  daraus  gewonnenen  Ergebnisse  werde  ich  weiterbin  von  Zeit 
XU  Zeit  Im  Zuiammenbange  berichten.  —  Noch  zu  erwibnen  bleibt  mir,  dass  sich 
die  Herren  Musikdirektor  Radig  und  Fritz  Stein  unter  der  Oberieltung  Tolfmma  um 
das  scbftne  Gelingen  des   Heidelberger  Festes  ausserordentlich  verdient  machten. 


lusik,  aufgefesst  als  Sprache  des  tiefinneren  Empfindoagslebens, 
I  ßnden  wir,  ebenso  wie  des  religiöse  GeHihl,  bei  tllen  VSlkern 
I  der  Erde.  Tir  dürfen  hierbei  nicht  nur  die  Kunstmusili  ins 
I  Auge  hsscD,  die  sieb  im  Verlauf  der  Kulturgeschichte  bei 
einzelnen  Völkern  ganz  besonders  entwickelte,  sondern  wir  haben  auch 
jenen  ungeschminkten,  d.  h.  natürlichen,  ohne  ii^endwelche  künstlerische 
Absicht  hervorquellenden  Ausdruck  dessen,  was  das  Volk  im  Innern  fühlt, 
zu  beobachten.  Die  Volksseele  kommt  musikalisch  Im  Volkslied  zum 
Ausdruck.  Selten  entsteht  ein  Volkslied  ohne  Singweise  und  diese  ist  es, 
die  das  Lted  weitertiügt  bis  in  ferne  Zeilen  und  oft,  wenn  die  Worte  längst 
verloren  gegangen  sind,  noch  lebendig  bleibt.  Letzteres  beobacbtMi  wir 
z.  B.  an  den  altgaelischen  Volksliedern  in  Schottland. 

Der  Schöpfer  eines  Volksliedes  ist  wohl  meist  ein  Einzelner  gewesen 
und  da  das  Volkslied  in  Absicbtsloslgkeit  und  NaivetSi  entstand,  so  weiss 
man  höchst  selten  den  Namen  des  Autors.  Ein  äusseres  Kennzeichen  des 
Volksliedes  ist,  dass  es  Stropbenlied  und  nicht,  wie  die  meisten  Kunst- 
lieder, durchkomponiert  ist.  Das  Volkslied  steht  demnach  im  Gegensatz 
zum  Kunstliede,  gleichwie  die  Volksmusik  zur  Kunstmusik.  Das  Volkslied 
wird  ohne  Unterschied  des  Standes  von  allen  Mitgliedern  einer  zusammen- 
gehörigen Menge  (Nation)  gesungen  und  ist  so  der  getreue  Spiegel  des 
Empfindungslebens  eines  Volkes.  In  ganz  alter  Zeit  verhielt  es  sich  aller- 
dings anders.  Wir  wissen,  dass  hellenische  Rhapsoden  und  nordische 
Skalden  die  Ereignisse  ihrer  Zelt  besangen,  wie  sie  es  überhaupt  waren, 
die  durch  ihre  Gesinge  die  Erinnerung  an  altgeschichtliche  Vorzüge  ihres 
Volkes  in  demselben  wach  erhielten.  Das  Gleiche  gilt  auch  von  den  alt- 
deutschen Barden,  den  indischen  und  baktriscben,  den  finnischen  und 
faröriscben  Sängern.  Ihr  Mund  ist  längst  verstummt,  den  Zauber  und  den 
Reiz,  den  ihre  Erzählungen  durch  das  musikverklärte  Wort  gehabt  haben 
mögen,  können  wir  nur  noch  ahnen;  jedoch  die  geschichtlichen  und  heiligen 
Sogen,  die  sie  besangen,  llias  und  Odyssee,  Mahabharta,  Schahnahme,  Kale- 
wala,   die   Sigurd  -  Lieder  auf  den   Farörinseln,   sind  durch   die   Tradition 


259 
RITTER:  VOLKSMUSIK  UND  VOLKSGESANG 


noch  lange  frisch  geblieben,  bis  der  Mensch  die  Fähigkeit  erlangt  hatte, 
sie  aufschreiben  zu  können. 

Die  Entwicklung  der  Musik  hält  mit  dem  Fortgange  der  Gesittung 
der  Völker  steten  Schritt  und  wir  sind  durch  das  Mittel  der  Musik  im- 
stande, einem  Volke  ins  Herz  zu  schauen  und  so  dem  Pulsschlag  seiner 
inneren  Empfindungen  zu  lauschen.  Nicht  immer  erblicken  wir  auf  solche 
Weise  hohe  und  edle  Regungen  eines  Volkes.  So  war  z.  B.  in  Alt-Klein- 
asien die  Musik  der  Stachel  der  Zügellosigkeiten  oder  auch:  es  kamen 
diese  durch  die  Musik  zum  Ausdruck,  denn  es  gab  kein  Gastmahl,  an 
dem  die  Trunkenheit  und  Sinnlichkeit  nicht  angeregt  und  gesteigert  wurde 
durch  musikalische  Instrumente  und  obszöne  Gesänge,  sowie  durch  Tänze 
liederlicher  Dirnen.  Dass  dies  auch  stellenweise  heute  noch  im  Orient 
der  Fall  zu  sein  scheint,  beweist  eine  Schilderung,  die  ich  vor  nicht 
langer  Zeit  von  einem  Bekannten  aus  der  Oase  Biskra  in  der  algerischen 
Wüste  erhielt.  Dort  treffen  sich  die  Bewohner  abends  in  einer  elenden 
Spelunke;  die  Männer  lagern  auf  Bänken,  nehmen  Haschisch  zu  sich  und 
lassen  sich  nun  durch  tanzende  Frauenzimmer  bei  einer  Musik,  die  einem 
chaotischen  Gelärme  gleicht,  in  einen  Rausch  bringen,  der  viel  zur 
Degeneration  dieser  Leute  beiträgt.  Kinder  und  Frauen  schauen  in  stoischer 
Ruhe  diesem  verderblichen  Treiben  ihrer  Familienväter  zu. 

Im  Altertum  erwähnt  schon  Hiob,  ein  Zeitgenosse  Jakobs,  den 
Missbrauch  der  Musik  auf  Harfen  und  Pfeifen  bei  häuslichen  Festen  in 
Syrien.  Welche  Rolle  die  Musik  bei  den  Juden  des  Altertums  spielte, 
ist  durch  das  Alte  Testament  genügend  bewiesen.  Jubal  galt  bei  den  alten 
Juden  als  Erfinder  der  Musik.  Dass  der  Musik  im  Tempelkultus  der  Juden 
des  Altertums  ein  wichtiger  Platz  eingeräumt  war,  ist  bekannt,  ebenso, 
dass  sie  im  gesellschaftlichen  Leben  eine  grosse  Bedeutung  hatte.  Die 
Psalmen  Davids  wurden  zur  Harfe  gesungen.  Heute  finden  wir  in  den 
Gegenden,  wo  sich  früher  die  altjüdische  Kultur  ausbreitete,  den  Mohamme- 
danismus. Die  Musik  der  Mohammedaner  hat  für  uns  etwas  Monotones, 
scheinbar  Unrhythmisches,  Klangfarbenloses;  sie  hat  den  Charakter  der 
Rezitation.  Gesang  und  Musik  in  unserem  Sinne  kennt  man  bei  den 
beutigen  Völkern  des  Orientes  nicht;  eine  mit  näselndem  Tonfall  vor- 
getragene Verherrlichung  eines  Helden,  eine  Tat  oder  eine  melodramatisch 
erzählte  Anekdote  bilden  fast  den  ganzen  Musikschatz  des  Volkes.  Dem 
entsprechen  die  Instrumente:  Trommeln  und  Pfeifen,  sowie  die  primitive 
Harfe  und  primitive  Geige,  die  Rebek  oder  Rebäb  heisst,  die  Stamm- 
mutter unserer  heutigen  Geige.  Diese  Instrumente  begleiten  den  Gesang; 
in  den  seltensten  Fällen  hört  man  dort  ein  selbständiges  Musikstück  auf- 
führen.    In  Kairo  und  Chartum  begegnet  man  öfters  Strassensängem,  die 

auf  einer  mit  geschabter  Kamelblase  überspannten  durchschnittenen  Kokus- 

17* 


DIE  musK  m.  4. 


dss  HtffSß  uMd  TitMiad  ircttiwigjL 

Bd  dem  Altgriechen  war  die  Mvsik 
der  ErgidiOTifc  obwoU  zaletzt  Philosopheo  wie  Pleto  «ad  Plalarch  nrf  die 
Verwetdilscliitiig  der  Jogead  dlirdb  iber^Maate  vad  ibemizte  Masik  Ida- 
deatetea.  Bei  iliaea  ist  Ori^ieas  die  Penoaifikadoa  der  Macht  der  Marik, 
wie  ja  Fiaalaad  «Kalewala*  aad  Deutsdiland  dai  «Ratteafi^er  Toa  Haaela' 
als  Uniliclie  Figarea  aaCmweitea  babea.  Kitbaia  aad  Flöte  erscballtea 
bei  feierlidiea  Umzagea  aad  dea  Aafahrer  der  Maaea«  Apollo,  stellte 
aan  hinlig  aiit  der  Kitfaan  dar.  Etazdae  Hjaisea,  die  aas  etbahea 
Wf^ben^  liefera  dai  Beweis  Toa  bober  Feiafabli^ot  des  griechiscbea 
Volkes  ia  musikalischer  Bezsehuag. 

Bei  dai  Römera  des  Altertums  giag  das  ibaea  Toa  dea  Grieciiea 
fiberlieferte  Sameakora  der  Musik  aicht  soaderlicb  auf,  obwohl  im  alt- 
rtatscbea  Volkslebea  Tielfiicb  Musik  aazutrelfea  ist.  Die  Musik  galt  im 
allceaieiaea  als  eiae  dem  Measdea  verweichlicfaeade  Besdiifriguag  tiad 
wurde  eigeatlicfa  aur  bei  Sklavea  tiad  Freigelasseaen  geduldet.  Die  Lfra 
und  die  lydtscfae  Fldte  werdea  als  die  erstea  von  Griediealaad  aach 
Italiea  febracbtea  lostrumeate  bezeichaet.  Vorher  kaante  man  bei  dea 
Römern  nichu  als  eine  Schiferpfeife.  In  der  VerherrUchung  von  TriumfA- 
zfigea,  Schauspielea,  Gastmahlen  und  Ldchenbestattungen  Euid  bd  den 
Römern  die  Musik  ihre  Anwendung.  TInzer  waren  gewöhnlich  Etrurier 
und  bei  ausserordentlicfaen  Festen  liess  man  auch  aus  Griedienland 
Musiker  kommen.  Flötenspieler  waren  bei  Opfern  sowie  bei  allen  gottes- 
dienstlichen  Festen  unentbehrlich.  Bd  den  Römern  g^  es  zum  ersten 
Male  ofBzielle  Militirmusiker;  diese  rekrutierten  sich  aus  der  durch 
Senrius  TuUius  (578  v.  Chr.  G.)  bei  der  Einteilung  des  Volkes  in  Klassen 
und  Centurien  bestimmten  Musikerklasse.  Die  Militirmusiker  wurden  ein- 
geteilt in  tubidnes  (Trompeter),  tibidnes  (Hötenspieler)  und  comicines 
(Hombliser).  So  war  es  bd  den  Römern  Gebrauch,  bei  Leicfaenbestattungen 
der  Erwachsenen  Trompeter  und  bd  Bestattung  von  Jfinglingen  Flötenbliser 
herbeizuziehen.  Sehr  lange  aber  währte  es  bei  den  Römern,  bis  sie  den 
Gesang  mit  Sdteninstrumenten  begldteten.  Erst  am  Ende  des  zweiten 
Jahrhunderts  v.  Chr.  G.  zog  man  Frauen  herbei,  die  ihren  Gesang  bei 
Gastmahlen  auf  Saiteninstrumenten  begleiteten.  Nach  ihren  Instrumenten 
nannte  man  sie  «psaltriae*  und  «sambucistriae*.  Diese  Frauen  waren 
jedoch  Personen,  die  kein  sonderliches  Ansehen  genossen.  Denkwürdig 
ist,  dass  das  Händeklatschen  und  Pfeifen  als  Ausdruck  des  Beifalles  und 
Missbehagens  fiber  musikalische  Leistungen  zuerst  bei  den  Römern  aufkam 
und  zwar  soll  es  aus  der  Zeit  des  Kaisers  Augustus  herrfifaren.    In  den 


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RITTER:  VOLKSMUSIK  UND  VOLKSGUSANG 


zwanziger  Jahren  des  19.  Jahrhunderts  wurden  in  Herkulanum  antike 
Papyrusrollen  aufgefunden ,  die  interessante  Aufschlüsse  über  das  römische 
Theater  liefern.  Unter  anderem  enthielten  sie  bemerkenswerte  Notizen  über 
den  Beifall,  den  die  Römer  den  Schauspielern  zu  erteilen  pflegten.  Anfangs 
war  dieser  ohne  Mass  und  Ordnung;  in  der  Folge  hielt  man  es  aber  für  an- 
gemessen, in  dieser  Beziehung  eine  regelmässige  Methode  einzuführen  und 
nach  gewissen  Abstufungen  die  geringere  und  grössere  Zufriedenheit  des 
Publikums  mit  den  Schauspielern  zu  erkennen  zu  geben.  Im  ersten,  dem 
mindesten  Grade  schnalzte  man  mit  dem  Mittelfinger  und  dem  Daumen ;  im 
zweiten  wurden  die  ausgestreckten  Finger  der  rechten  Hand  auf  die  der  linken 
Hand  geschlagen,  welche  Art  des  Beifalles  den  Namen  «testae*  erhielt. 
Im  dritten  Grade  (imprices)  wurden  die  Hände  flach  und  im  vierten 
(bombus)  gewölbt  aufeinander  geschlagen.  Die  letzte  und  grösste  Gunst- 
bezeugung bestand  darin,  dass  die  Zuschauer  einen  Zipfel  ihrer  Toga 
gegen  den  Schauspieler  bewegten,  zu  welchem  Behufe  der  Kaiser  Aurelius 
an  die  niedere  Volksklasse,  die  keine  Toga  tragen  durfte,  kleine  Stückchen 
Zeug  verteilen  liess.  Die  Römer  bedienten  sich  zuweilen  auch  der 
Stimmen,  um  ihren  Beifall  laut  werden  zu  lassen,  aber  so,  dass  die 
hervorgebrachten  Töne  eine  gewisse  Melodie  bildeten;  daher  auch 
Propertius  und  Tacitus  ihren  Zeitgenossen  über  deren  ungeordneten  und 
kadenzlosen  Beifall  bittere  Vorwürfe  machten. 

Nun  zu  den  Deutschen.  —  Aus  den  Annalen  des  Tacitus  erfahren 
wir,  dass  die  Germanen  Lieder  zum  Preise  Armins,  ihres  Befreiers  vom 
Römerjoche,  sangen,  Lieder  beim  fröhlichen  Mahle,  um  die  Feuer  des 
Lagers  geschart,  bei  Leichenbestattungen  ihrer  Fürsten  und  Heerführer. 
Im  angelsächsischen  Epos  »Beowulf*"  wird  von  einer  fröhlichen  Ver- 
sammlung berichtet,  die  sich  täglich  bei  König  Hrodgars  Metmahle  ver- 
einigte: 

Da  war  Sang  und  Klang  im  Saale  vereinigt 

Hier  vor  Healfdones  Heerführern; 

Die  Saite  ward  gerührt,  gesagt  manch  Spruch, 

Da  Hrodgars  Sänger  in  der  Halle  die  Freude 

Längs  den  Metbänken  ermuntern  sollte. 

Auch  die  Goten  und  Vandalen  begleiteten  ihre  Lieder  mit  der  Harfe; 
selbst  Könige  übten  diese  Kunst.  Als  Gelimer,  der  König  der  den  Goten 
nabestehenden  Vandalen,  von  Belisar  533  n.  Chr.  G.  eingeschlossen  war, 
erbat  er  von  seinem  Besieger  drei  Dinge :  ein  Brot,  einen  Schwamm  und  eine 
Harfe.  Auch  die  Prosa  wurde  bei  den  Goten  gesungen,  d.  h.  so  melodisch 
vorgetragen,  dass  nur  das  fehlende  Saitenspiel  sie  von  dem  Gesang  des 
Liedes  unterschied.  Sigvan  war  das  allgemeine  Wort  für  Singen  und 
Lesen,   während  Singen  mit  Harfenbegleitung   «liuthon*  hiess.     Mit   dem 


262 
DIE  MUSIK  III.  4. 


Untergang  des  oströmischen  Reiches  und  mit  der  Völkerwanderung  starb 
die  gotische  Sprache  allmählich  aus. 

Nur  wenige  Zeugnisse  von  weltlichen  Liedern  oder  Volksgesängen 
besitzen  wir  aus  den  ersten  Jahrhunderten  christlicher  Zeitrechnung. 
Hinderlich  für  die  Entstehung  sowie  Verbreitung  solcher  Gesänge  waren 
die  Wirrsale  der  Völkerwanderung.  Besonders  gilt  dies  von  den  ger- 
manischen Volksstämmen,  die  wir  in  den  ersten  Jahren  christlicher  Zeit- 
rechnung in  einem  Zustand  gänzlicher  Verwilderung  antreffen,  bedungen 
durch  den  Druck  der  Völkerschiebung  von  Norden  und  Osten  her.  In 
solchem  Gewirre  ging,  wie  selbstverständlich,  alles  Traditionelle  zugrunde; 
Barbarei  war  die  Folge,  aus  der  die  ganz  verwilderten  Menschen  erst 
wieder  die  Kulturmacht  des  Christentums  erlöste.  Auch  musste  die 
durch  die  Vermischung  der  Völker  herbeigeführte  Sprachen-Verwirrung 
schwinden,  bis  ein  neues  Bardentum  im  Volksliede  entstehen  konnte.  Aus 
dem  siebenten  Jahrhundert  ist  uns  ein  Gesang  auf  den  Sieg  Clothars  II. 
(584—628)  erhalten,  den  dieser  über  die  Sachsen  erfocht;  aus  dem  neunten 
Jahrhundert  das  Rolandslied,  Gesang  auf  die  Schlacht  bei  Fontenay  (842); 
aus  demselben  Jahrhundert  das  Ludwigslied,  gesungen  zur  Ehre  Ludwigs  III., 
als  dieser  882  über  die  Normannen  bei  Saucourt  siegte.  Dieses  Ludwigs- 
lied ist  ausser  dem  Hildebrandslied  (achtes  Jahrhundert)  das  erste  Lied  in 
deutscher  Sprache. 

Aus  der  Zeit  Karls  des  Grossen  wird  von  Lob-  und  Ehrenliedem, 
Liebes-  und  Spottgesängen,  sowie  von  Teufelsliedem,  die  auf  den  Gräbern 
der  Verstorbenen  gesungen  wurden,  berichtet.  Aus  der  Zeit  Karls  des 
Grossen  datieren  auch  die  ersten  Zeugnisse  für  die  Existenz  fahrender 
und  umherziehender  Musikanten.  Der  Schriftsteller  Alkuin,  ein  Gelehrter, 
der  aus  dem  Ausland  an  eine  von  Karl  dem  Grossen  gegründete  Kloster- 
schule berufen  war,  berichtet  791  in  einem  Briefe  von  Histrionen,  Mimen 
und  Tänzern  und  sagt:  »Wer  Histrionen,  Mimen  und  Tänzer  in  sein  Haus 
aufhimmt,  der  weiss  gar  nicht,  welch  eine  Menge  unreiner  Geister  diesen 
folgt."  Auch  Agobard,  Erzbischof  von  Lyon,  eifert  gegen  die  Leute,  die 
den  umherziehenden  Musikanten  stets  zu  essen  und  zu  trinken  geben, 
während  sie  die  Armen  der  Kirche  zu  speisen  vergessen. 

Die  fahrenden  Spielleute  des  Mittelalters  waren  von  der  Kirche 
in  den  Bann  getan,  der  erst  im  späteren  Mittelalter  (unter  Papst  Eugen  IV.) 
aufgehoben  wurde.  Sie  trieben  Gesang  und  Spiel  auf  Instrumenten  aller 
Art,  sowie  Tanz  als  Profession  und  waren  bei  allen  Volksbelustigungen. 
Diese  fahrenden  Musikanten  waren  es  nun,  die  uns  manche  Gesänge 
(dem  Inhalt  nach  der  altgermanischen  Volkssage  entnommen)  aufbewahrt 
haben;  sie  teilten  diese  dem  Volke  mit,  das  sie  noch  lange  sang. 
Spiellente  solcher  Art  treffen  wir  auch  bei  den  Troubadours  und  Minne- 


263 
RITTER:  VOLKSMUSIK  UND  VOLKSGESANG 


singern  in  der  Periode  des  ritterlichen  Minnesanges,  die  vornehmlich  in 
die  21eit  der  Kreuzzüge  fällt.  In  Frankreich,  Italien,  Spanien,  England  und 
Deutschland  zeitigte  diese  Epoche  manch  schönes  Lied,  das  noch  heute 
gesungen  werden  kann.  In  Frankreich  waren  es  besonders  die  provenzalischen 
Troubadours,  die  mit  ihren  Spielleuten  die  Feste  der  Grossen  verherr- 
lichten; durch  diese  gewann  der  ritterliche  Sang  auch  in  Italien  festen 
Boden,  wo  sich  die  Trovatore  bildeten,  die  in  provenzalischer  Sprache 
dichteten  und  sangen,  weil  die  damalige  italienische  Sprache  für  die  Poesie 
eine  sehr  ungefüge  war. 

In  Deutschland  blühte  der  Minnesang  durch  Männer  wie  Reinmar 
der  Alte,  Heinrich  von  Morungen,  Heinrich  von  Meissen  (Frauenlob), 
Reinmar  von  Zweter,  Hartmann  von  der  Aue,  Wolfram  von  Eschenbach, 
Heinrich  von  Ofterdingen,  Walther  von  der  Vogelweide,  Gottfried  von 
Strassburg  u.  a.  m.;  einer  der  letzten  Minnesänger  war  Oswald  von  Wolken- 
stein. Die  Lieder  der  Troubadours  und  Minnesänger  wurden  meist  mit 
Begleitung  eines  oder  mehrerer  Instrumente  vorgetragen  und  zerfielen  in 
Dienst-  und  Huldigungslieder,  in  Klagelieder,  in  Streit-,  Abend-  und  Morgeo- 
lieder.  Aus  den  Tageliedem  gingen  die  sog.  Wächterlieder  hervor,  von 
denen  sich  sehr  schöne  bei  Walther  von  der  Vogelweide,  Wolfram  von 
Eschenbach  und  Dietmar  von  Aist  vorfinden.  Auch  den  Rundgesang  so- 
wie das  Ringeltanzlied  finden  wir  bei  den  Minnesängern.  Viele  Belege  in 
Schriften  und  bildlichen  Überresten  aus  der  Zeit  des  Minnesanges  sind 
für  Ausübung  von  Musik,  wenn  auch  in  primitiver  Weise,  in  allen  Volks- 
schichten vorhanden.  So  berichtet  die  Braunschweiger  Stadtchronik  vom 
Jahre  1203,  dass  ein  Pfarrer  zu  Ossemer  bei  Stendal  seinen  Bauern  zum 
Tanze  aufspielte.  Gottfried  von  Strassburg  lässt  seinen  Tristan  die  Fiedel 
und  die  Rota  (Drehleier)  erlernen.  Auch  über  die  Besetzung  eines  Or- 
chesters bei  feierlichen  Aufzügen  und  bei  Turnieren  gibt  uns  Ulrich  von 
Liechtenstein  in  seinem  „ Frauendienst'  Aufschlüsse  Bei  Gelegenheit  des 
Neuburger  Turniers  1228  wird  von  ihm  zweier  reitenden  «Posauner*,  eines 
Fldtenbläsers,  der  auch  Pauke  schlug  und  zweier  Fiedler,  die  eine  fröh- 
liche Reisenote  (Marsch)  spielten,  Erwähnung  getan. 

Auf  die  Zeit  des  Minnesanges  folgte  in  deutschen  Landen  der  zünftige 
Meistersang.  Er  hatte  seinen  Grund  im  Bürger-  und  Handwerker- 
tum  deutscher  Städte  des  Mittelalters.  Die  Gesamtdauer  des  Meister- 
sanges umfasst  etwa  400  Jahre  und  zwar  vom  14.  bis  ins  17.  Jahrhundert. 
Kaiser  Karl  IV.  verlieh  den  Meistersingern  Zunftrechte.  Die  Gründung 
der  ersten  Meistersingerschulen  fand  im  14.  und  1 5.  Jahrhundert  in  Mainz, 
Frankfurt  a.  M.,  Strassburg,  Augsburg,  Nürnberg,  Zwickau  und  Prag  statt. 
Späterhin  kamen  Gründungen  in  Kolmar,  Breslau,  Danzig,  Görlitz,  Heil- 
bronn,   Regeosburg  und    Ulm   zustande.     Der  Süden   Deutschlands  hatte 


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DIE  MUSIK  III.  4. 


mehr  Meistersingerscbulen  als  der  Norden  aufouveisen.  Gewöhnlich  fanden 
an  den  Nachmittagen  der  Sonn-  und  Festtage  nach  den  Nachmittags- 
gottesdiensten entweder  in  der  Kirche  oder  auch  auf  der  Herberge  oder 
Zeche  der  Gewerke  ein  Preis-  oder  Schulsingen  statt.  In  solcher  Weise 
erblicken  wir  bei  den  ehrsamen  deutschen  Bürgern  und  Handwerks- 
meistern des  Mittelalters  das  Streben  nach  einer  idealen  Pflege  der 
Dicht-  und  Sangeskunst  nach  der  Tages-  oder  Wochenarbeit.  Bei 
dem  damaligen  Drange  der  Zeit,  die  den  Zunftzwang  entwickelte  und 
zur  Reife  brachte,  wird  es  begreiflich  erscheinen,  wenn  wir  auch  die 
fahrenden  Musikanten  zu  Innungen,  zu  Brüderschaften,  sich  konsoli- 
dieren  sehen.  Der  Oberdruss  am  unsteten  Leben,  die  Verachtung,  die 
ihnen  die  Gesellschaft  im  allgemeinen  zollte,  der  Bann,  der  von  selten 
der  Kirche  auf  ihnen  lastete,  sowie  die  nach  Ordnung  ringenden  Zeit- 
verhlltnisse  mögen  auch  sie  gezwungen  haben,  nach  Art  der  Handwerker- 
zünfte Vereinigungen  zu  bilden.  Als  älteste  bekannte  Bruderschaft  von 
Spielleuten  ist  die  St.  Nikolaibruderschaft  in  Wien  bekannt.  Am  Ende  des 
16.  Jahrhunderts  gab  es  in  allen  Länderbezirken  Deutschlands  Korporationen 
von  Spielleuten;  in  der  Schweiz,  Frankreich  und  England  ebenfalls.  Solche 
Korporationen  oder  Brüderschaften  wählten  gewöhnlich  einen  Fürstlichen 
oder  Adeligen  zu  ihrem  obersten  Schirm-  und  Gerichtsherrn  und  dieser 
wählte  sich  wieder  einen  «Vikarius*,  der  auch  Pfeiferkönig  genannt  wurde, 
als  Beihilfe.  So  wurden  z.  B.  im  Elsass  die  Herren  von  Rappoltstein 
durch  Lehnsbriefe  von  Ferdinand  II.  mit  dem  Königstum  über  die  fahren- 
den Spielleute  betraut.  Vom  Jahre  1400  an  wurde  in  der  Stadt  Rappolts- 
weiler  ein  Pfeifertag  abgehalten,  zu  dem  früher  die  Spielleute  aus  dem 
ganzen  Lande  herbeiströmten,  um  neben  Beratung  ernsthafter  Geschäfts- 
angelegenheiten und  Zahlung  der  Steuer  grosse  Feste  zu  feiern.  Mit  dem 
Dreissigjährigen  Kriege  ging  das  stolze  Geschlecht  der  Rappoltsteiner,  das 
Leben  auf  den  Burgen  Hochrappoltstein,  Hoheneck  am  Eingange  des 
Mfinstertales,  Thannenkirch,  Bergheim,  Geroldseck,  ein  Bild  voll  echter 
ritterlicher  Romantik,  im  Sturm  der  Zeiten  unter. 

Aus  diesen  Korporationen  gingen  im  Laufe  der  Zeit  die  Zünfte  der 
Musiker,  denen  Stadtpfeifer  vorstanden,  hervor.  Kaiser  Karl  IV.  ver- 
lieh 1355  bei  seiner  Anwesenheit  in  Mainz  den  Spielleuten  ein  Wappen 
und  Papst  Eugen  IV.  (1437 — 1447)  erteilte  Trompetern,  Pfeifern,  Lauten- 
Schlägern  sowie  anderen  Spielleuten  das  Recht,  als  ehrliche  Leute  zum 
Abendmahl  gehen  zu  dürfen.  Diese  Leute  waren  es,  die  bei  Volks- 
belustigungen aller  Art  aufspielten;  Märsche  und  Tänze  sowie  Begleitung 
zu  Volksgesängen  bildeten  die  Aufgaben  ihres  Berufes. 

Losgelöst  von  den  »Brüderschaften*  der  Spielleute  standen  im  Mittel- 
alter in  den  deutschen  Landen  die  gleichfalls  zusammengehörigen  Spiel- 


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RITTER:  VOLKSMUSIK  UND  VOLKSGESANG 


leute  des  Reichsheeres:  die  Hof-  und  Feldtrompeter  und  Heerpauker. 
Sie  standen  unter  der  Schutzherrlichkeit  des  Kurfürsten  von  Sachsen  und 
verrichteten  ausser  Musik  auch  Kurierdienste,  begleiteten  die  Fürsten  auf 
ihren  Reisen  und  hatten  täglich  zu  gewissen  Stunden  ihre  Fanfaren  er- 
tönen zu  lassen,  z.  B.  als  Signal  zum  Mittagstische  und  zu  anderen  Ge- 
legenheiten. Eine  ähnliche  Stellung  hatten  noch  bis  vor  wenigen  Jahren 
in  Schottland  die  bagpipers  (Dudelsackbläser). 

Fragen  wir,  wann  denn  eigentlich  in  deutschen  Landen  jene  vielen 
alten  Volkslieder,  an  denen  unser  Volk  so  reich  ist,  entstanden,  so  ist  es 
gerade  in  jener  Zeit,  in  der  ein  Rückschlag  vom  höfischen  ins  volks- 
tümliche Leben  stattfand.  Es  war  dies  der  Fall  nach  der  Zeit  des  Minne- 
sanges, als  sich  in  kräftigem  Streben  ein  Volksleben  und  Bügertum  in 
deutschen  Städten  entwickelte,  —  vom  Beginn  des  14.  bis  zum  Ende  des 
16.  Jahrhunderts.  Der  Grundzug  des  Empfindens  jener  Zeit  war  Ge- 
sundheit und  Natürlichkeit  auf  Grundlage  der  eigenen  deutschen  Natur, 
die  später  durch  mannigfache  fremde  Einwirkungen,  durch  romanische 
Bildungselemente,  —  Renaissance  (Humanismus)  und  Einfluss  von  Frank- 
reich (Französelei)  umgebildet  wurde.  Das  reiche  Gefühlsleben  dieser  echt 
deutschen  Zeit  war  anfangs  rauh  und  derb,  wird  aber  im  Verlaufe  zart 
und  innig,  wie  es  die  vielen  Volkslieder  dieser  Epoche  zeigen,  in  der 
die  Einheitlichkeit  des  deutschen  Volkes  in  gleichem  Denken  und  Fühlen 
bei  hoch  und  niedrig  deutlich  zutage  tritt.  ^) 

Die  neue  Zeit  hat  in  Deutschland  auf  dem  Gebiet  der  Volksmusik 
auch  neue  Erscheinungen  ins  Leben  gerufen.  Nicht  mehr  treffen  wir  den 
Meistergesang  an,  wohl  aber  den  Männergesang,  der  in  vielen  Vereinen 
gepflegt  wird.  Den  Meistersinger-Schulen  folgten  die  Männergesang- Vereine* 
Wenn  letztere  auch  nicht  immer  direkt  aus  den  ersteren  hervorgingen,  so 
ist  doch  das  Männergesang- Vereinsleben  nur  eine  neue  Form  der  Idee  der 
Meistersinger-Zünfte.  In  Ulm  fand  erst  im  Jahre  1839  die  dortige  Meister- 
singer-Zunft ihr  Ende,  indem  die  letzten  vier  Zünftler  ihre  Bücher,  Fahnen, 
Innungszeichen,  kurz  all  ihr  Inventar  dem  dortigen  «Liederkranz"  urkundlich 
vermachten.  Waren  die  Meistersinger  des  Mittelalters  eifrige  Vorkämpfer 
der  Reformation  und  Erhalter  der  deutschen  Sprache,  so  haben  die  heutigen 
Männergesangvereine  das  Verdienst  gehabt,  die  Gemüter  für  Vaterlands- 
liebe entflammt  zu  haben  zu  einer  Zeit,  in  der  Deutschland  zerrissen  und 
in  grosser  Erniedrigung  daniederlag.  Viel,  ja  sehr  viel  hat  der  deutsche 
Männergesang  zur  Verbrüderung  der  deutschen  Männer  aus  allen  Gauen 
beigetragen.      Möge   er   seinen   ursprünglichen   volkstümlichen    Charakter 


^)  Siehe  F.  M.  Böhmes  Liederbücher,  die  die  Volkslieder  des  Deutschen  aus 
der  Vorzeit  und  Gegenwart  nach  Wort  und  Weise  enthalten.  Sie  erschienen  in 
4  Binden  bei  Breitkopf  &  Hirtel  in  Leipzig. 


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DIE  MUSIK  111.  4. 


stets  bewahren  und  nicht  in  Künstelei  ausarten,  d.  h.  keine  Gebiete  be- 
bauen, die  seinem  Wesen  widersprechen. 

Wir  wissen  von  altdeutschen  Skalden  und  Barden.  Skalden  heisst 
in  der  altdeutschen  Sprache  auch  so  viel  als  laut,  rauschend,  fröhlich  sein. 
Von  demselben  Worte  im  allgemeinen  Sinn  haben  bekanntlich  die  nordischen 
Skalden  ihren  Namen.  Bar  (Baren  =  Bar  =  Töne)  war  das  Lied  bei  den 
Meistersingern.  Dieses  Wort  ist  wohl  schon  in  dem  bekannten  Barritus 
bei  Tacitus  enthalten,  wiewohl  noch  etwas  birenmässig  und  so  hat  ohne 
Zweifel  die  Silbe  «bar*  den  Barden  ihren  Namen  gegeben.  Deutschlands 
Barden  stehen  heute  nicht  mehr  ausserhalb  des  Volkes,  sondern  jeder 
stimmbegabte  Deutsche  ist  heutzutage  ein  Barde,  wenn  er  Mitglied  eines 
Männerchores  ist,  und  diese  zählen  nach  hunderten  im  deutschen  Reiche. 

Im  Gesänge,  in  seinen  Volksliedern  befreit  sich  der  Deutsche  und 
mit  seinen  kräftigen  Volksgesängen  half  er  auch  sein  Vaterland  vom 
fremden  Joch  befreien.  Der  lutherische  Choral  war  volkstümlicher 
Gesang.  Viktor  Hugo  nennt  sogar  »Ein'  feste  Burg  ist  unser  Gott*  die 
Marseillaise  der  Deutschen.  Und  wahrlich,  von  der  Zeit  der  Entstehung 
dieses  Volksgesanges  bis  zu  den  Liedern  aus  Körners:  «Leyer  und  Schwert* 
sowie  zur  «Wacht  am  Rhein*  liegt  die  Befreiung  deutschen  Wesens  von 
den  ihm  aufgedrungenen  fremden  Einflüssen. 

Der  erste  grosse  Mann,  der  fremden  Einfluss  mit  Erfolg  bannte,  war 
Luther;  er  verlangte,  dass  das  deutsche  Volk  in  deutscher  Sprache 
seinem  Gott  Lob-  und  Danklieder  singe.  Martin  Luthers  gedankenvollen 
und  sinnreichen  Kemsprüche  über  die  von  ihm  so  hochgehaltene  Kunst  der 
Musik  sind  mehrfach  gesammelt  worden.  Ebenso  ist  sein  Gedicht  »Frau 
Musica*,  das  Johann  Walter  in  seinem  1538  in  Wittenberg  erschienenen 
«Lob  und  Preis  der  löblichen  Kunst  Musica*  zuerst  mitteilte,  bekannt 
Wenig  verbreitet  ist  aber  ein  Brief  Luthers  an  Ludwig  Senfl,  in  dem  er 
schöne  und  wahre  Worte  vom  Wesen  der  Tonkunst  mitteilt.  Dieser  Brief, 
der  von  Koburg  d.  4.  Oktob.  1530  datiert,  schliesst  mit  den  Worten:  «Aber 
was  lobe  ich  jetzt  die  Musik?  Was  versuche  ich,  auf  so  kleinen  Blättchen 
solch  eine  grosse  Sache  zu  schildern  oder  vielmehr  zu  entstellen?  Indes 
das  Herz  ist  mir  so  voll  und  schwillt  über,  weil  sie  mich  so  sehr  oft 
erquickt  und  von  grossen  Lasten  befreit.*  Hüten  wir  darum  den  Volks- 
gesang, dieses  Juwel  des  Deutschen,  vor  Entartung  und  musikalischer 
Blasiertheit. 

Das  Volkslied  ist  vorherrschend  einstimmig,  wobei  Männer-  und 
Frauen-  oder  Kinderstimmen  in  Oktaven  gehen.  Ein  sicheres  Kenn- 
zeichen eines  echten  alten  deutschen  Volksgesanges  ist  der  Kehrreim, 
Kehrvers  (Refrain)  anzusehen,  den  meistens  der  Chor,  als  die  den  Solo- 
sänger umstehende  Menge  sang.    Die  meisten  deutschen  Volkslieder  be- 


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RITTER:  VOLKSMUSIK  UND  VOLKSGESANG 


ginnen  mit  einem  Auftakte  im  Gegensatz  zu  den  romanischen  und 
slawischen:  Der  Jambus  w  ~  ist  vorherrschend,  selten  findet  sich  der 
Trochäus  -  ^ .  Der  Schatz  älterer  deutschen  Volkslieder  zerfällt  in  Balladen 
und  Romanzen,  Tage-  und  Wächterlieder,  Liebeslieder,  Abschieds-  und 
Wanderlieder,  Rätsel-,  Wunsch-  und  Lügenlieder,  Tanz-  und  Kranzlieder, 
Trinklieder,  historische  Lieder,  Landsknechtlieder,  Jägerlieder,  Lieder  auf 
die  verschiedenen  Stände,  Scherz-,  Spott-  und  Schandlieder,  geistliche 
Volkslieder  und  Kinderreime.  So  tönen  uns  wie  früher  auch  noch  heute 
alle  Empfindungen  der  Volksseele  aus  den  deutschen  [Volksliedern  ent- 
gegen: Hoher  Ernst,  sanfte  Schwärmerei,  Liebesglück,  Liebesklage,  Wander- 
lust, Heimatsehnsucht,  Zecher j übel,  Jugendlust,  Vaterlands-  und  Freiheits- 
gefuhl. 

Auch  das  19.  Jahrhundert  brachte  Volkslieder  aller  Art,  sowohl 
friedlichen  als  auch  kriegerischen  Charakters  hervor.  Die  Jahre  1813  bis 
1815,  1848  sowie  1870  schenkten  uns  z.  B.  eine  Menge  begeisterter  pa- 
triotischen Gesänge,  Kriegs-  und  Freiheitslieder.  Nennenswerte  Komponisten 
für  das  einfache  Volkslied  des  19.  Jahrhunderts  waren  Wenzel  Müller  („ Ich 
bin  der  Schneider  Kakadu**;  »Kommt  ein  Vogel  geflogen*;  «Wer  niemals 
einen  Rausch  gehabt*;  »So  leb'  denn  wohl  du  stilles  Haus*  u.a.m.)  [Er  wirkte 
mit  Ferd.  Kauer  in  Wien  Ende  des  18.  und  am  Anfang  des  19.  Jahrhunderts. 
Wenzel  Müller  ist  bekannt  durch  sein  Hauptwerk  »Die  Teufelsmühle*,  Ferd. 
Kauer  durch  »Das  Donauweibchen*.  Die  moderne  Zeit  hat  die  harmlose,  naive 
Musik  dieser  Tondichter  vollständig  unmöglich  gemacht.  Die  damalige  Volks- 
oper bildete  das  Entzücken  des  Publikums;  die  Melodieen  fassten  Fuss  bei 
alt  und  jung;  arm  und  reich  sang  sie.  Sie  mussten  aber  sehr  bald 
der  Musikfiut  der  italienischen  Oper  weichen.]  Heinrich  Himmel  (»An 
Alexis  send'  ich  dich*;  »Es  kann  ja  nicht  immer  so  bleiben*  u.a.m.). 
Karl  Maria  von  Weber  (Lieder  aus  Körners  »Leyer  und  Schwert*,  sowie 
die  Volksweisen  aus  »Freischütz*  und  »Euryanthe*).  Glück  (»In  einem 
kühlen  Grunde*).  Gustav  Reichardt  (Melodie  zu  Arndts  »Was  ist  des 
Deutschen  Vaterland?*  »Das  Bild  der  Rose*).  Zelter  (»Es  war  ein  König 
in  Thule*;  »'s  war  Einer,  dem's  zu  Herzen  ging*).  Anselm  Weber  (»Mit 
dem  Pfeil  und  fiogen*).  Joseph  Haydn  (»Gott  erhalte  Franz  den  Kaiser*). 
Konradin  Kreutzer  (»Das  ist  der  Tag  des  Herrn*).  Felix  Mendelssohn- 
Bartholdy  (»Es  ist  bestimmt  in  Gottes  Rat*;  »Wer  hat  dich  du  schöner 
Wald*).  Fesca  (»Heute  scheid'  ich,  morgen  wandr'  ich*).  Abt  (»Wenn 
die  Schwalben  heimwärts  ziehn*).  Kücken  (»Wer  will  unter  die  Soldaten*). 
Fax  (»Du,  du  liegst  mir  am  Herzen*).  Karl  Wilhelm  (»Es  braust  ein 
Ruf  wie  Donnerhall*).  Ludw.  Erk  (»Zu  Mantua  in  Banden*).  Fr.  Gumbert 
(»Morgen  kommt  der  Weihnachtsmann*).  Aug.  Neithardt  (»Ich  bin  ein 
Preusse,    kennt   ihr  meine    Farben*).      Friedr.   Sucher   (Ȁnnchen   von 


CC^PO  DIE  MUSIK  III.  4.  Q<^T^ 

Tharau*;  .Morgen  muss  ich  Tort  von  faier*;  .Es  ritt  ein  Jiger  vohlgemnt"; 
älch  hau'  einen  Kameraden";  .Ade,  es  muss  geschieden  sein*;  Jetzt 
gang  i  ans  Brünnele*;  .Ich  weiss  nicht,  was  soll  es  bedeuten*).  W.  Heiser 
(.Nur  einmal  blüht  im  Jahr  der  Mai*)  u.a.  m. 

Dem  einfachen  Volksgesang  tritt  der  kunstgemisse  Volksgesang 
gegenOber.  Er  verdankt,  wie  schon  vorhin  bemerkt,  seine  Ent- 
wicklung ganz  besonders  der  Bildung  von  Minnergesangvereinen.  Die 
Zahl  der  Komponisten  für  Männergesang  ist  heute  Legion  und  es  gibt 
wohl  keinen  Ort  in  Deutschland,  in  dem  sich  nicht  ein  MSnnerchor  be- 
fände. Als  erste  Gründer  solcher  MSnnergesangverelne  sind  der  Berliner 
Berger  und  der  Schweizer  NSgeli  zu  nennen,  in  den  ersten  Jahrzehnten 
des  19.  Jahrhunderts  entstanden  in  Deutschland  Männercbdre,  sogenannte 
.Liedertafeln',  von  denen  sich  dann  später  wieder  eine  Anzahl  zu  einem 
grösseren  Singerbunde  zusammentat,  wie  wir  dies  heute  im  .Mir- 
kischen  Sängerbünde*,  .Schwibischeo  Sängerbunde*,  .Fränkischen  Singer- 
bunde* u.  a.  m.  erblicken.  Schubert,  Mendelssohn,  Kreutzer,  Methfessel, 
Silcher,  J.  Otto,  Zfillner,  Tschirch,  Kticken,  ScbSITer,  V.  Lachner,  V.  E.  Becker, 
Attenhofer,  Hegar,  Kremser,  Kistler,  Kircbl,  Meyer-Olbersleben,  Breu,  Pfeil 
u. «.  m.  sind  als  Komponisten  für  den  Männergesang  ganz  besonders  za  nennen. 

Das  deutsche  Lied,  wie  es  in  den  Männerchören  unserer  Zeit  be- 
steht, ist  eine  Macht  geworden,  und  diese  heisst  Volksbewusstsein. 
Seitdem  dieses  erwachte,  ist  auch  in  die  Kunst  jener  volkstümliche  Zug 
gekommen,  den  wir  in  der  Mänoergesangsbewegung  erblicken.  Vie  die 
gewöhnlichen,  wöchentlichen  Gesangsübungen  die  Mitglieder  der  vielen 
Gesangsvereine  erfreuen,  angenehm  und  veredelnd  unterhalten,  so  tun  dies 
in  grösserem  Massstabe  die  grossen  Sängerfeste,  die  in  verschiedenen 
deutschen  Gauen  oft  Tausende  von  SSngern  und  Gästen  versammeln  zar 
Verherrlichung  deutschen  Wesens  und  deutscher  Lust. 

Dass  solche  Siogerfeste  viel  zur  Einigung  der  verschiedenen  deutschen 
Stimme  beigetragen  haben,  ist  bekannt  genug,  —  eine  wunderbar  schöne 
Eigenschaft  der  Musiki  Möge  sie  auch  in  dieser  volkstümlichen  Weise 
weiterbIQhen  zu  Nutz  und  Frommen  unseres  gellebten  Vaterlandes. 


DIE  WIEDERGEBURT  DER  OPERETTE 


von  Dr.  Erich   Urban-Berlin 


CJirr^rirpra 


Streng  genommen:  Offenbach  hat  die  Operette  begonnen.  Voll- 
1  endet.  Und  abgeschlossen.  Er  ist  zugleich  ihr  Anfang.  Höhe- 
punkt. Und  Ende.  Was  ihm  vorausgeht,  ist  nar  ein  Auftakt 
zu  ihm.  Was  ihm  nachfolgt,  nur  ein  Nachklang  an  ihn.  Hier 
und  dort  natürlich  schon  viel  Hübsches  und  noch  viel  Anmutiges.  Aber 
vas  im  besten  Sinne  den  „Meister'  macht,  den  „Kerl",  dem  etwas  Rechtes 
einnilt,  der  eine  eigene  Hand  schreibt,  der  auch  dann  noch  immer  originell 
bleibt,  wenn  er  ganz  gleichgültig  ist:  das  bat  nur  Offenbach.  Eine  seiner 
ganz  schwachen  Partituren  ist  z.  B.  die  der  , Banditen".  Ein  famoses  Buch. 
Und  dazu  eine,  von  dem  berühmten  ,  Stiefel-Chor*  abgesehen,  erstaunlich 
müde,  stimmungslose,  missmutige,  fibellaunige  Musik.  Trotzdem:  Offen- 
bach. Man  sieht  von  ihm  zwar  nur  die  „Stiefel".  Aber:  Olfeobachs 
Stiefel.  Was  man  leider  nur  von  den  wenigsten  sagen  kann,  das  trilTt  bei 
Offenbach  zu:  man  erkennt  ihn  nach  den  ersten  drei  Takten.  An  dem 
schnellen  FIuss  der  Melodie.  Am  Rhythmus.  Am  Brio.  Überall.  In 
seinen  Werken.     Und  —  in  denen  der  anderen. 

Streng  genommen  also  sollte  eine  Geschichte  der  Operette  nur  eine 
Geschichte  Offenbachs  sein.  Die  vor  ihm  waren,  sollten  in  einem  Vor- 
wort behandelt,  die  nach  Ihm  kamen,  in  einem  Anhang  abgetan  sein.  Aber 
mit  dieser  Strenge,  mit  dieser  grausamen  Hirte  gelangt  man  nicht  weit 
Abgesehen  davon,  dass  man  einer  Anzahl  reizender  Talente  bitter  Unrecht 
tut.  Schliesslich  ist  ja  auch  das  weite  Gebiet  der  Operette  nicht  nur  von 
Parks  bestanden,  in  denen  es  so  stark  und  eigen  rauscht,  wie  in  der 
aDomäne  Olfenbach".  Wo  die  Bäume  fest  im  Ur-Erdreich  wurzeln.  Wo 
die  Blumen  ihren  süssesten  Duft  ausstrdmen.  Da  gibt  es  auch  GXrten 
und  Girtlein,  in  dem  majestätischen  Einerlei  ein  lieblich-bunter  Wechsel. 
Sonne  und  gut  Wetter  locken  manch  anmutiges  Pflänzlein  aus  dem  Boden. 
Und  zuweilen  weht  auch  Irgend  ein  günstiger  Wind  ein  Samenkorn  vom 
Nachbar  herüber.  So  finden  wir  die  Operettenkomponisten  zu  Lebzeiten 
Olfenbacbs  und  nach  seinem  Tode  eifrig  bemüht,  im  Geiste  des  Meisters 


270 


zu  schaffen  und  sich  da  anzusiedeln,  wo  er  eine  Lücke  gelassen.  Denn 
wie  jedes  grosse  Werk  weist  auch  das  Offenbachs  Stellen  auf,  die  —  iin- 
bewusst  aus  übergrosser  Fülle  oder  absichtlich  übersehen  —  noch  des 
Ausbaues  fähig  sind,  ja,  geradezu  nach  ihm  verlangen.  Offenbachs  un- 
vergleichliche Spezialität  ist  der  Zweivierteltakt.  Wo  in  der  weiten  Welt 
jemand  im  Zweivierteltakt  zu  reden  beginnt,  verfällt  er  unweigerlich  in  den 
Offenbachschen  Jargon.  Anders  ist  es  mit  dem  Dreivierteltakt  und  mit 
der  Lyrik.  Obgleich  Offenbach  auch  hier  unvergänglich  Schönes  geschaffen 
hat  Auch  im  Walzer  und  in  lyrischen  Partieen,  so  oft  er  Gelegenheit 
dazu  findet,  verleugnet  er  sein  Genie  nicht.  Aber  er  findet  sie  eben 
nicht  häufig.  Oder  vielmehr,  er  sucht  sie  nicht  allzu  eifrig.  Hier  gibt  es 
wirklich  etwas  nachzuhelfen,  zu  bessern  und  neu  zu  bilden.  Das  haben 
Offenbachs  Nachfolger  getan.  Jeder  dieser  Nachfolger  hat  seine  grössere 
oder  kleinere  Spezialität,  die  seiner  Musik  die  Marke  aufdrückt  Lecocq's 
Partituren  zeichnen  sich  durch  die  saubere,  korrekte  Arbeit  aus.  Au  dran 
ist  der  Schöpfer  des  modernen  französischen  Walzers.  Message r  ver- 
einigt Lecocq  und  Audran  mit  der  Besonderheit  in  sich,  dass  er  auf  die 
altfranzösische  Musik  zurückgeht.  Varney  pflegt  mit  Vorliebe  den  Cancan 
in  starker  Anlehnung  an  sein  grosses  Vorbild.  Planquette  bevorzugt 
Stoffe  mit  düsterem,  oft  grausigem  Einschlag.  Terrasse  scheint  ein  neues 
Genre,  das  der  musikalischen  Groteske,  ausbilden  zu  wollen.  Ban6s  gibt 
sein  Bestes  in  der  Erfindung  weicher,  wiegender  Walzerthemen.  Ganne 
endlich  wendet  eine  besondere  Sorgfalt  auf  die  Ausarbeitung  des  har- 
monischen Details.  Im  einzelnen  betrachtet,  nehmen  Lecocq,  Audran  und 
Messager  in  der  zeitgenössischen  Operettenproduktion  den  ersten  Rang 
ein.  Charles  Lecocq  (geb.  1832)  nähert  durch  seine  sorgfiUtige  Schreib- 
weise, die  sich  selbst  in  dem  jüngsten  Werk  des  7 1  jährigen  » Yetta*  nicht 
verleugnet,  die  Operette  wieder  mehr  der  komischen  Oper.  Nach  den 
Exzessen  des  späteren  Offenbach  ein  wohltuendes  Beginnen.  Es  ist  viel- 
leicht nicht  nur  der  blanke  Zufall,  der  ihn  bei  seinem  ersten  Auftreten 
(1857  ,Le  docteur  Miracle'')  mit  Bizet  zusammenführt  und  ihn  im  Alter 
ein  Ballet  für  die  Oper  schreiben  lässt.  In  Wahrheit  hat  er  stets 
innerlich  zwischen  Oper  und  Operette  geschwankt.  Nicht  stark  und 
eigen  genug  für  die  Oper  begabt,  nicht  leichtsinnig  und  keck  genug 
für  die  Operette,  hat  er  es  sich  gefallen  lassen  müssen,  dass  man  seine 
Opern  zu  Operettenhaft  und  seine  Operetten  zu  opemhaft  fand.  Mit  einem 
Werke  hat  er  sich  die  Welt  erobert,  mit  der  »Fille  de  Madame  Angot"» 
der  sich  in  einigem  Abstand  „Girofl^-GirofU"  und  »Le  petit  duc* 
anschliessen.  Zu  Recht.  Denn  die  «Mamsell  Angot*  ist  ein  aus- 
gezeichnetes Stück.  Zu  Unrecht.  Wenn  man  an  die  anderen,  unbekannt 
gebliebenen  Operetten   denkt,  die  eigentlich   viel  hübscher,   viel  reicher 


271 
URBAN:  WIEDERGEBURT  DER  OPERETTE 


sind.  Was  uns  in  der  »Mamsell  Angot"  entzückt,  die  Introduktion,  die 
Legende  von  der  Madame  Angot,  das  Duett  der  beiden  Frauen  im  zweiten 
Akt,  der  Final walzer,  der  Brief  im  dritten  Akt:  das  alles  ist  noch  über- 
treffen in  „Fleur  de  th6«,  ,La  petite  marifee«,  „Le  jour  et  la  nuit*, 
,Le  coBur  et  la  main*"  u.  a.  Seinen  Höhepunkt  hat  Lecocq  ums 
Jahr  1870.  Die  neue  Zeit,  mit  ihrem  Verlangen  nach  stärkeren  Würzen, 
nach  Pikanterie,  Eleganz  und  Mondainität,  findet  zu  ihm  kein  rechtes  Ver- 
hältnis mehr.  Er  ist  bei  seiner  ersten  Manier  stehen  geblieben.  Seine 
,Yetta",  die  kürzlich  in  Brüssel,  der  Geburtsstadt  der  „Mamsell  Angot", 
ihre  erste  Aufführung  erlebte,  zeigt  dieselbe  dünne  Begleitung,  die- 
selbe Keuschheit  in  der  Harmonie,  allerdings,  auch  dieselbe  Feinheit 
in  der  Melodie.  Ungleich  bedeutender  —  im  Operettensinne  natürlich  — 
als  der  sympathische,  aber  etwas  indifferente  Lecocq  ist  Audran.  Edmond 
Audran  (1842—1902)  hat  zeit  seines  Lebens  keine  Skrupel  gekannt.  Er 
ist  —  soweit  dies  bei  einem  Franzosen,  der  als  oberstes  Gesetz  stets  den 
guten  Geschmack  anerkennt,  überhaupt  möglich  ist  —  immer  rücksichts- 
los «aufs  ganze"  gegangen.  Bei  Audran  kommt  man  nie  ohne  eine  Stelle 
weg,  über  die  man  sich  ärgert.  Einen  gemeinen  Augenblick  hat  er  immer. 
Irgend  einen  Cancan,  einen  Marsch,  eine  Polka,  die  das  Ohr  beleidigt.  Ein 
Beispiel  aus  ^.Gillette  de  Narbonne*.  Dem  knatternden,  krachenden 
Refrain  ,En  avant  Briquet*"  hängt  Andran  flugs  einen  ordinären  Schwanz 
an.  Und  kaum  haben  sich  zu  einer  süssen  Liebesmelodie  über  Roger  und 
Gillette  die  Vorhänge  des  Zeltes  geschlossen,  so  stürzt  sich  der  Chor  in 
den  Kampf  und  zugleich  in  einen  Marschcancan  von  ausgesuchter  Ge- 
meinheit. Dies  alles  von  der  Summe  des  Audranschen  Schaffens  abgezogen, 
bleibt  doch  noch  genug  des  Bedeutenden,  frisch  und  unmittelbar  Erfundenen 
übrig,  das  Audran  in  die  engste  Nähe  des  Grossmeisters  der  Operette 
rückt  Nichts  reizenderes  als  ein  Audranscher  Walzer!  Eine  Fülle  solcher 
leichtbeschwingten  Melodieen,  die  sämtlich  eine  nur  ihm  eigentümliche 
Linie  zeigen,  hat  Audran  angefangen  bei  der  „Mascotte*  und  endend  bei 
der  i^Puppe*  über  seine  Operetten  ausgestreut.  Er  ist  für  den  französischen 
Walzer  dasselbe,  was  Johann  Strauss  für  den  Wiener  Walzer  ist.  Mit  dem 
Unterschied  allerdings,  dass  sein  Walzer  stets  dramatisch,  Straussens  da- 
gegen immer  reine  Tanzmusik  ist.  Andr6  Messager  ist  in  erster  Reihe 
der  feine  Musiker.  Kein  gewöhnlicher  Operettenschreiber.  In  Berlin 
kennt  man  ihn  von  der  reizenden  „Basoche"  her.  In  Paris  gilt  er  als 
einer  der  fähigsten  Köpfe.  Er  ist  der  Begabteste  unter  den  Jungen.  Für 
die  Komische  Oper  komponierte  er  den  „Chevalier  d'Hermenthal*",  für 
die  Grosse  Oper  ein  Ballet  „Les  deux  pigeons*.  Seine  «Madame 
Chrysantheme"*  hat  nicht  weiter  gewirkt.  Jetzt  ist  er  Kapellmeister  der 
Komischen  Oper.     Und  als  Komponist  befindet  er  sich   auf  der  rechten 


272 


Bahn,  wie  sein  jüngstes  Werk  „Vdronique*  beweist.  Er  setzt  die 
französische  Operette  dort  fort,  wo  Audran  ermattet  Halt  gemacht.  Man 
vergleicht  ihn  mit  Lecocq,  findet  jedoch,  dass  er  jenem  an  Erfindung  nach- 
steht. Die  solches  sagen,  wissen  es  nicht  besser.  Lecocq  ist  die  gute 
alte  Zeit.  Seine  Melodieen  sind  leicht  verständlich.  Man  behält  sie  be- 
quem. Sie  erfreuen  sich  eines  gesunden,  normalen  Wuchses.  Das  Or- 
chester ist  ganz  einfach.  Die  Harmonisierung  beschränkt  sich  auf  das 
Nötigste.  Bei  Messager  ist  das  anders.  Zwischen  ihm  und  Lecocq  liegt 
Audran.  Messagers  Musik  ist  bewusster,  raffinierter.  In  seinem  Raffine- 
ment ist  Messager  ein  grosser  Erfinder.  Und  ein  wahrer  Künstler  oben- 
drein, den  nie  der  auserlesene  Geschmack  verlässt.  Messagers  Partituren 
sind  bis  in  die  geringsten  Kleinigkeiten  fein,  geistreich  und  mit  einem 
grossen  technischen  Können  gearbeitet.  Überall  reizende  Einfälle,  denen 
eine  pikante  Harmonie,  eine  instrumentale  Finesse  hilfreich  zur  Seite  steht. 
Nirgends  drängt  sich  etwas  grosstuerisch  hervor.  Nichts  Brutales  oder 
gar  Sentimentales  findet  sich  in  der  Musik  Messagers.  Messager  steht  auf 
dem  rechten  Flügel  der  modernen  französischen  Operette,  deren  linken  die 
Gruppe  der  Vaudevillisten  bildet.  Wie  nämlich  aus  der  alten  komischen 
Oper  der  Duni,  Philidor,  Monsigny,  Gr6lry,  Dalayrac,  Isouard,  Boieldieu, 
Adam  und  Auber  die  moderne  komische  Oper  und  die  Operette  hervor- 
gegangen sind,  so  hat  sich  die  Meisteroperette  Offenbachs  in  die  Operette 
der  Lecocq,  Audran,  Messager,  Vamey,  Planquette,  Pessard,  Serpette, 
Ganne  und  in  das  Vaudeville  der  Ban6s,  Roger  usw.  gespalten.  Diese 
jüngste  Entwicklung  geht  dahin,  die  breit  ausgeführten  Ensembles,  die 
kunstvoll  aufgebauten  Finales  beiseite  zu  schieben  und  die  Musik  mehr 
diskret  begleiten,  den  Dialog  pikant  unterstreichen,  als  ein  selbständiges 
Dasein  leben  zu  lassen.  Das  moderne  Vaudeville,  ein  Schwank  feinerer 
Haltung  mit  eingestreuten  Musiknummem,  legt  das  Hauptgewicht  auf  das 
Stück,  das  sich  in  kräftigen  Situationen  entwickelt,  und  weist  der  Musik 
eine  untergeordnete  Stellung  an.  Träger  des  Vaudevilles  sind  Schauspieler, 
nicht  Sänger.  Mancherlei  Umstände  zeigen  die  Zukunft  des  Vaudevilles 
im  günstigsten  Licht.  Darsteller  mit  guten  und  wohlgebildeten  Stimmen 
werden  immer  häufiger  der  Operette  untreu  und  gehen  zur  Oper  über. 
Die  Operette  mit  ihrer  ansprechenden,  aber  an  Sensationen  armen  Hand- 
lung behagt  einem  modernen,  nach  Überraschungen  lechzenden  Publikum 
längst  nicht  mehr.  Andererseits  siecht  der  französische  Schwank  an  Über- 
spannung der  Situationen  langsam  dahin.  Welcher  Gedanke  also  liegt 
näher,  als  diesen  Schwank  mit  der  Operette  zu  verquicken?  D.  h.  ihm 
durch  Zuführung  von  Musik  neues  Leben  einzuflössen?  Mit  einem  Wort: 
die  Operette  durch  den  musikalischen  Schwank,  das  Vaudeville,  abzulösen? 
Seit   Menschengedenken   ist   Wien    für    romanische    Kunstprodukte 


273 
URBAN:  VIEDERGEBURT^DER  OPERETTE 


Durchgangstation  nach  dem  deutschen  Norden.  Seit  jeher  hat  es  welsche 
Gäste  mit  offenen  Armen  aufgenommen.  Italien  und  Frankreich  haben 
dort  an  der  schönen  blauen  Donau  für  ihre  Kunstschätze  gleichsam  ein 
Emporium  errichtet.  Antonio  Caldara,  durch  seine  Kirchenkompositionen, 
Kammermusik  und  Opern  berühmt,  hat  in  Wien  lange  Jahre  neben  Fux 
gewirkt.  Den  Schöpfer  des  ersten  «Barbiere  di  Seviglia*,  Giovanni  Paesiello, 
führen  ausgedehnte  Reisen  nach  Russland  und  Wien.  Domenico  Cimarosa, 
der  Komponist  der  «Heimlichen  Ehe^,  weilte  in  Wien.  Antonio  Salieri, 
Mozarts  Rivale,  ist  in  Wien  gestorben.  Cherubini  ist  1806  in  Wien  und 
bringt  dort  seine  »Fanisca*  heraus.  Rossini,  Verdi,  Mascagni  haben  sich 
in  Wien  fast  das  Heimatsrecht  erworben.  Nicht  schlechter  ist  es  Frank- 
reich ergangen.  Stets  hat  man  in  Wien  eifrig  gespäht,  was  an  der  Seine 
Mode  ist.  Auber,  H6rold,  Hal6vy,  Thomas,  Gounod,  D61ibes,  Bizet  sind 
in  Paris  und  Wien  beinahe  gleichzeitig  erschienen.  Die  Wiener  Hofoper 
ist  das  erste  und  einzige  Institut  grossen  Stils,  das  Massenetsche  Werke 
Aut  dem  Spielplan  hält.  So  oft  welsche  Komponisten  nach  Wien  kommen, 
werden  sie  herzlich  empfangen.  Papa  Hanslick  gibt  seinen  Segen  dazu. 
Kurz,  Italiener  und  Franzosen  fühlen  sich  in  der  österreichischen  Kaiser- 
stadt wie  zu  Hause.  Die  Wurzeln  dieser  Romanenliebe  sind  nicht  schwer 
Aufzugraben.  Einmal  ist  die  ganze  Denkungs-  und  Gemütsart  des  Wieners 
der  romanischen  ungemein  nahe  verwandt.  Dann  schliesst  die  fast  groteske 
Buntheit  der  Völkermischung  ein  stark  nationales  Empfinden  so  gut  wie 
ganz  aus.  Und  endlich  wirkt  die  Erinnerung  an  alte  politischen  Bande  noch 
heut  nach.  Wenn  also  Wien  um  das  Jahr  1860,  das  Offenbach  auf  der 
Höhe  zeigt  („Orpheus^  ist  erschienen  und  »Die  schöne  Helena*  folgt  vier 
Jahre  später  nach),  geblendet  und  gierig  zugleich  auf  die  Operette  blickt, 
so  bleibt  es  damit  —  weit  davon  entfernt  aus  der  Rolle  zu  fallen  —  nur 
streng  im  Stil.  Man  kann  ihm  —  zuerst  wenigstens  —  nicht  einmal  den 
Vorwurf  machen,  dass  es  den  bunten  Schmetterling,  der  von  der  Seine 
zum  staunenden  Ergötzen  der  ganzen  Welt  aufflattert,  ruchlos  eingefangen 
und  ihm  den  zarten  Schmelz  von  den  schimmernden  Flügeln  genommen 
Jiabe.  Wenn  eine  Stadt  der  neuen  Kunstart  sich  zuwenden  durfte,  so  war 
es  sicherlich  Wien,  und  einzig  und  allein  Wien.  Aber  nun  macht  man 
gleich  im  Anfang  einen  furchtbaren  Fehler.  Anstatt  die  Pariser  Pflanze 
mit  allen  ihren  Fasern  aus  dem  gallischen  Boden  zu  heben  und  in  das 
heimische  Erdreich  zu  setzen,  raubt  man  ihr  hastig  die  Blüten  und  putzt 
4iamit  inländisches  Gewächs  bunt  aus.  Die  Wiener  Operette,  sollte  sie 
überhaupt  einen  Sinn  haben,  musste  sich  aus  dem  national-österreichischen 
Singspiel  entwickeln,  wie  es  in  den  20er  Jahren  in  Wien  gedieh,  wie  es 
Wenzel  Müller  und  Adolf  Müller  schrieben.  Eine  lustige  Geschichte,  der 
auch  das  bischen  Sentimentalität  nicht  fehlt.  Eine  heitere  Gegend.  Die 
III.  4  18 


274 
DIE  MUSIK  III.  4. 


schöne  blaue  Donau.  Die  schönen  blauen  österreichischen  Berge.  Diese 
Scenerie  anmutig  belebt  mit  heiteren  Menschen»  die  singen,  tanzen  und 
springen.  Auch  Offenbach  hat  an  das  Singspiel  angeknüpft,  das  ihm  sein 
Bestes  gegeben  hat.  Das  war  der  Weg  für  die  Wiener  Operette.  Und 
was  bieten  uns  die  Wiener  Operettenkomponisten  statt  dessen?  Einen 
schwachen  Abklatsch  der  Pariser  Operette.  Karikaturen.  Zerrbilder.  Mario- 
netten.  Da  erscheinen  wieder  die  oft  gesehenen  Figuren  der  Offenbach- 
sehen  Groteske.  Der  trottelige  König  mit  seinem  idiotischen  Minister. 
Die  verbuhlte  Königin.  Der  gerissene  Oberpriester.  Der  irrsinnige  Hof- 
arzt. Die  lange  Kette  parodistisch  verrenkter  Gestalten,  die  im  Lande  Offen- 
bachs hinzielend  auf  wirklich  vorhandene  Personen  und  Zustände  einea 
kleinen  versteckten  Sinn  haben,  taucht  plötzlich  an  der  Donau  auf.  Nie- 
mand weiss,  woher  sie  kommen.  Was  sie  bedeuten.  Geheimer  Sinn  wird 
zu  offenbarem  Unsinn.  Die  Tatsache  allein,  dass  Dreiviertel  aller  Wiener 
Operetten  —  darunter  die  deutsche  Meisteroperette  „  Fledermaus"  —  textlich 
aus  dem  Französischen  herrühren,  beweist,  wie  völlig  unselbständig,  wie 
vorbehaltlos  abhängig  von  ihrem  Vorbild  die  Wiener  Gattung  ist.  Doch  — 
dass  mir  keiner  vorwerfe,  ich  sei  gegen  Wien  ungerecht,  ich  streue  gar 
das  Gerücht  aus,  die  Wiener  Operette  lebe  und  sterbe  mit  der  Ausnützung 
des  Pariser  Modells!  Etwas  haben  die  Wiener  allerdings  getan.  Sie  haben 
den  feinen,  leichten,  heiteren  Geist  aus  der  Operette  ausgetrieben.  Sie 
haben  verdickt  und  vergröbert,  wo  sie  nur  konnten.  Sie  haben  dem  perlen- 
den Mousseux  einen  kräftigen  Schuss  Sirup  zugefügt.  Das  Erklecklichste 
in  dieser  Verdickung  und  Vergröberung,  in  lärmender  Instrumentation,  in 
pomphaft  aufgedonnerten  Finales  ä  la  Meyerbeer  und  Hal6vy  haben  Supp6 
und  Gen6e  geleistet.  Supp6,  der  dem  rein  technisch  begabten  Gen6e 
gegenüber  den  Ruhm  eines  reichen  musikalischens  Erfinders  für  sich  in 
Anspruch  nehmen  darf,  beginnt  sehr  frisch,  munter  und  harmlos  mit  kleinen 
Possen  wie  „Das  Pensionat**,  „Zehn  Mädchen  und  kein  Mann"» 
„Flotte  Bursche*,  »Die  schöne  Galath6e",  »Leichte  Kavallerie" 
u.  a.  Alsbald  aber  genügt  der  enge  Rahmen  seinem  Ehrgeiz  nicht  mehr» 
Er  wird  der  Begründer  der  sogenannten  »grossen  Operette*,  die  unver- 
hohlen mit  dem  pathetischen  Stil  der  »grossen  Oper*  liebäugelt.  Meyerbeer, 
Verdi  und  Wagner  nachäfft  und  sich  nicht  genug  tun  kann  in  Riesenauf- 
zügen, gespreizten  Ensembles,  auf  Stelzen  gehenden  Arien,  brutalen  Unisono- 
effekten und  einem  immer  aus  vollen  Backen  blasenden  Orchester.  »Fati- 
nitza,*  »Boccaccio*  und  »Afrikareise*  sind  solche  »grossen  Operetten*. 
Sie  sind  uns  erträglich,  ja,  lieb  geworden  durch  das  unleugbare  Talent» 
das  sich  darin  ausspricht,  durch  die  Fülle  einschmeichelnder  und  effekt- 
voller Melodieen,  hauptsächlich  Marschmelodieen.  Als  Typus  Supp6scher 
Manier  erscheint  mir  stets  die  allen  vierhändig  spielenden  Klavierschulen! 


275 
URBAN:  WIEDERGEBURT  DER  OPERETTE 


ans  Herz  gewachsene,  auf  dem  Programm  jedes  Gartenkonzerts  prangende, 
ungeheuer  populäre  und  riesig  beklatschte  Ouvertüre  zu  «Dichter  und 
Bauer*.  Ein  Monstrestück  I  Eine  wahre  Ausstellung  von  Knalleffekten  und 
Überraschungen!  Und  trotzdem  —  das  Erzeugnis  einer  mühelos  schaffen- 
den Phantasie  und  eines  grossen  technischen  Vermögens.  Gen6e  verdient 
kaum  den  Namen  eines  Operetten- »Komponisten*.  Trotz  seiner  »Nanon", 
die  ihn  in  allen  Zonen  bekannt  gemacht  hat.  Er  ist  vielmehr  der  «ge- 
treue Ekart*  der  Wiener  Operettenschreiber.  Der  zuverlässige  Helfer  in 
allerhand  instrumentalen  und  satztechnischen  Nöten.  Heut,  wo  er  nicht 
mehr  ist  und  wo  es  dem  nichts  mehr  schadet,  dem  er  einst  so  grosse 
Dienste  geleistet,  kann  man  es  ja  offen  aussprechen.  Gen6e  hat  nicht  bloss 
alle  Operetten  des  beginnenden  Strauss  instrumentiert.  Von  ihm  stammt 
auch  der  ganze  Satz,  das  gesamte  Gefüge,  zu  dem  er  von  Strauss  nur  die 
Themen,  sozusagen  die  Bausteine,  erhielt.  Bei  dieser  Tätigkeit  kam  ihm 
seine  textdichterische  Begabung  vortrefflich  zu  statten.  Sagte  ihm  jemand 
die  Melodieen  an,  so  konnte  dieser  jemand  in  drei  Monaten  bestimmt  auf 
die  ganze  Operette  rechnen.  Das  »Sich-Ansagen-Lassen*'  war  Gen6e  so 
zur  zweiten  Natur  geworden,  dass  er  es  selbst  bei  eigenen  Werken  nicht 
missen  mochte.  So  hat  ihm  z.  B.  Planquette  den  berühmten  Walzer  «Anna, 
zu  dir  ist  mein  liebster  Gang*"  Note  für  Note  „angesagt*'.  Supp6  und 
Gen6e  füge  ich  gleich  hier  den  zwar  weit  jüngeren,  aber  innerlich  zu 
ihnen  gehörigen  Karl  Millöcker  an.  Millöcker  ist  gleichsam  die  Synthese 
der  beiden.  Von  Supp6  hat  er  die  Melodieenfreudigkeit.  Von  Gen6e  die 
technische  Solidität.  Sein  Bestes  und  Reifstes  hat  er  im  i» Bettelstudent" 
gegeben.  »Der  Vizeadmiral, **  „Gasparone,**  »Der  arme  Jonathan" 
und  .Das  Sonntagskind"  zeigen  bei  sicherer  Mache  schon  eine  leichte 
Ermüdung.  Leider  ist  er  auf  dem  von  Supp6  und  Gen6e  betretenen  ver- 
hängnisvollen Wege  nicht  stehen  geblieben.  Er  hat  denen  in  die  Hände 
gearbeitet,  die  später  der  Wiener  Operette  einen  weiteren  Stoss  nach  unten 
versetzen.  Immerhin  sichern  ihm  so  reizend  erfundene  Stücke  wie  der 
Walzer  »O,  du  himmelblauer  See"  aus  dem  „ Verwunschenen  Schloss", 
wie  der  9Apajune"-Marsch,  wie  das  »Ach,  ich  hab'  sie  ja  nur*  aus  dem 
»Bettelstudent",  wie  der  »Traum-Walzer"  aus  dem  «Feldprediger",  wie  das 
»Komm  mit  mir  in  den  Garten"  aus  dem  » Vizeadmiral",  wie  das  »Ich  bin 
der  arme  Jonathan"  aus  dem  »Armen  Jonathan"  und  noch  vieles  andere 
das  Andenken  eines  sympathischen  Musikers,  dem  etwas  einfiel,  der  das 
Gefundene  auch  ansprechend  und  selbst  künstlerisch  zu  gestalten  wusste  . .  • 
In  eine  andere  Sphäre  gelangen  wir  sofort  mit  Johann  Strauss.  Kurz 
herausgesagt  und  ohne  den  übrigen  etwas  von  ihrem  Wert  nehmen  zu 
wollen:  vom  Handwerk  in  die  echte  Kunst.  Johann  Strauss  (1825 — 1800) 
hat  im  Jahre  1871  seine  erste  Operette  (»Indigo")  herausgebracht.     Er  ist 

J8» 


276 
DIE  MUSIK  III.  4. 


als  Mann  von  46  Jahren  an  die  Operette  herangetreten.  Nachdem  er  ein 
Vierteljahrhundert  hindurch  ungefähr  300  TInze  geschrieben.  Aus  der 
nackten  Feststellung  dieser  Daten  springt  ins  Auge,  was  Strauss  ffir  die 
Wiener  Operette  hätte  werden  können,  und  was  er  für  sie  —  bei  der  rück- 
haltlosesten Bewunderung  seines  Genies  —  schliesslich  geworden  ist  Wer 
seine  besten  Jahre  darauf  verwendet  hat,  mit  leichter  Hand  Tanzmusik  — 
und  sei  es  selbst  die  genialste  —  aufs  Papier  zu  werfen,  der  wird  nicht 
plötzlich  als  dramatischer  Komponist  entdeckt,  der  ist  nicht  von  heut  auf 
morgen  der  Bühne  gewonnen,  die  über  den  blanken  Einfall  hinaus  scenischen 
Instinkt,  polyphone  und  kontrapunktische  Fähigkeiten  verlangt.  Sollte  Strauss 
also  wirklich  den  Konzertsaal  mit  dem  Theater  vertauschen  —  ich  weiss 
nicht,  was  ihn  dazu  trieb,  Ermüdung  und  Ekel  vor  dem  Tanz  oder  die 
Sucht  nach  breiteren  Erfolgen  — ,  so  musste  man  ihm  textliche  Unterlagen 
geben,  in  denen  der  Tanz  —  und  zwar  der  unverhüllte,  offenbare  Tanz  — 
dominierte.  Stücke,  die  seinem  heiteren,  leichten,  sonnigen,  eines  warmen 
Herzenstones  nicht  entbehrenden  Temperament  entgegenkamen.  Und  vor 
allem:  in  denen  getanzt  wurde.  Das  hat  man  nicht  getan.  Sehr  zum 
Schaden  der  Sache.  Denn  man  liess  die  vielleicht  einzige  Gelegenheit, 
zwischen  dem  komischen  Singspiel  und  der  Operette  eine  Brücke  zu 
schlagen,  ungenützt  vorübergehen.  Und  zum  Schaden  von  Strauss  selbst. 
Denn  er  wurde  dadurch  in  eine  Richtung  gedrängt,  die  abseits  seiner 
ursprünglichen  Begabung  und  abseits  auch  seines  gesteckten  Zieles  lag. 
Er,  bei  dem  sich  jede  Vorstellung,  jeder  Gedanke,  jede  Empfindung  sofort 
in  einen  Tanzrhythmus  auflöste,  für  den  das  Leben  ein  Tanz  war,  sah 
sich  plötzlich  vor  dramatische  Aufgaben  gestellt.  Ratlos  stand  er  zuerst. 
Aber  bald  wusste  er  sich  zu  helfen.  Vor  allem  spürte  er  die  Stellen  auf, 
die  einen  Tanzrhythmus  verlangten  oder  wenigstens  leidlich  vertrugen. 
Und  dann  setzte  er  überall,  wo  es  anging  und  wo  es  nicht  anging,  Walzer- 
und Polkamotive  schnell  entschlossen  als  Lichter  auf.  So  sind  die  Potpourri- 
Operetten  entstanden,  die  man  heut  mit  dem  Namen  „Wiener  Operette* 
deckt,  und  über  denen  man  sogar  eine  Zeitlang  Offenbach  vergessen  konnte. 
Wenn  dies  geschah,  so  lag  es  daran,  dass  diese  Potpourris  eben  von 
Johann  Strauss  waren,  einem  der  genialsten  musikalischen  Erfinder  über- 
haupt, der  in  seinen  schwächsten  Werken  soviel  Reichtum  nutzlos  ver- 
geudete, dass  ein  sparsamer  Komponist  unserer  Tage  ein  halbes  Dutzend 
Operetten  davon  anständig  ausstatten  könnte.  Strauss'  unvergleichliche 
Spezialität  ist  der  Walzer,  in  dessen  modemer  Ausgestaltung  er  die  Tradi- 
tion Lanner-Gungl-Strauss  Vater  fortsetzt.  Der  alte  Wiener  Walzer  ist  das 
behagliche  Geniessen  einer  harmlosen,  heiteren,  spiessbürgerlichen  Gene- 
ration. Der  Walzer  von  Strauss  Sohn  ist  das  bebende  Entzücken  einer 
wissenden,  leidenschaftlichen,   modernen  Jugend.     Er  hat  nicht  mehr  den 


277 
URBAN:  WIEDERGEBURT  DER  OPERETTE 


kurzen  Atem  und  den  trippelnden  Schritt  Alt -Wiens.  Er  strömt  aus  voller 
Brust.  Seine  Linien  sind  schön  und  lang  geschwungen.  Er  ist  nicht  allein 
ein  Vergnügen  des  Tanzbodens.  Er  ist  eine  starke  heimliche  Macht.  Eine 
Zeit  hat  es  gegeben,  da  Strauss  nach  dem  Ruhme  geizte,  nicht  ein  Pot- 
pourri-Komponist, sondern  ein  deutscher  Offenbach  zu  werden.  Das  waren 
die  Tage  des  ^^ Prinz  Methusalem^.  Hier  steht  er  noch  im  Bann  Meister 
Jacques'.  Französisch  ist  die  Rhythmik.  Von  melodischen  Anlehnungen 
abgesehen,  die  bei  einem  Anfänger  selbstverständlich  sind.  Französisch 
ist  auch  die  Unterdrückung  der  reinen  Tanznummem  zu  Gunsten  einer 
liebevolleren  Ausarbeitung  des  Scenischen.  Die  grossen  Tanzwalzer 
(„Suites  de  valses**  nennt  sie  der  Franzose  richtiger),  wie  sie  jetzt 
in  den  Konzerten  gespielt  werden,  folgen  nicht  nacheinander  in  der 
Operette.  Die  einzelnen  Teile  setzte  man  beliebig  zusammen  und  gab 
ihnen  ein  Vorspiel,  in  dem  zumeist  das  Hauptthema  anklang.  So  sind 
die  „Rosen  aus  dem  Süden*  aus  dem  „Spitzentuch  der  Königin" 
und  der  « Lagunenwalzer **  aus  der  „Nacht  in  Venedig**  gezogen. 
Später,  ungefähr  vom  „Lustigen  Krieg**  an,  kümmert  sich  Strauss  kaum 
noch  um  die  Technik  der  Franzosen.  Tänze  konnte  er  nur  geben.  Tänze 
um  jeden  Preis  wollte  man  von  ihm  haben.  So  bietet  er  sie  denn  in 
Oberfülle.  2/4  Takt  und  3/4  Takt  in  lieblichem  Wechsel.  Dazwischen 
eine  jener  berühmten  sentimentalen  Nummern,  um  die  die  Wiener  das 
Genre  angeblich  bereichert  hatten.  Im  „Zigeunerbaron**  noch  im  Voll- 
besitz seiner  schöpferischen  Kraft,  bringt  Strauss  an  der  Schwelle  des 
Greisenalters  nach  mehreren  Fehlschlägen  den  „Waldmeister"  fertig,  bei 
einem  Mann  von  seiner  Produktion  eine  erstaunliche  Leistung.  Zu 
welchem  Ausgang  Strauss  —  ohne  sein  Wollen  freilich  —  die  Wiener 
Operette  gedrängt  hat,  wird  an  ihren  letzten  Ausläufern  jetzt  klar,  wo  die 
glänzende  Gestalt  des  Walzerkönigs  das  Auge  nicht  mehr  blendet.  Czibulka, 
Dellinger,  Roth,  Zeller,  Ziehrer,  Zumpe:  sie  alle  haben  an  dem  lächerlichen 
Gerücht,  dass  die  Operette  tot  sei,  mitgearbeitet.  Erst  die  junge  Generation 
fängt  wieder  an,  sich  auf  sich  selbst  zu  besinnen.  An  erster  Stelle  steht 
Richard  Heuberger,  der  ein  sehr  feiner  Musiker,  aber  leider  nicht 
stark  genug  in  der  Erfindung  ist,  um  dem  Untergang  der  Wiener  Operette 
dauernd  steuern  zu  können.  Sein  „Opernball**  ist  immerhin  ein  durch- 
aus vornehmes,  sehr  respektables  Werk.  Hugo  Felix  hat  mit  der  pi- 
kanten, fein  gearbeiteten  „Madame  Sherry**  einen  verdienten  Erfolg  ge- 
habt. Von  L6har  und  Eysler  spricht  man  augenblicklich  sehr  viel.  Und 
Heinrich  Reinhardt  hat  in  dem  „Süssen  Mädel**  und  dem  „Lieben 
Schatz*  den  an  sich  schon  lobenswerten  Versuch  gemacht,  von  der 
Operettenschablone  loszukommen  und  einen  spezifisch  österreichischen 
Stoff  zu  komponieren.     Vielleicht  schenkt  er  uns  das  Wiener  Singspiel. 


278 
DIE  MUSIK  III.  4. 


m 


Vor  wenigen  Jahren  noch  gab  es  ausserhalb  der  Linie  Paris — Wien, 
die  eine  gebundene  Marschroute  bedeutete,  für  die  Operette  keine 
beachtenswerten  Punkte.  Italien  deckt  seinen  Bedarf  an  Operetten  in 
Paris  und  Wien.  Französische  Truppen  bringen  in  jeder  Saison  das 
Neueste  vom  Pariser  Markt.  Was  etwa  in  italienischen  Komponisten  an 
Hang  oder  Talent  für  die  Operette  vorhanden  ist,  macht  sich  in  Gassen- 
hauern und  vor  allem  in  den  berühmten  „Canzoni  di  Piedegrotta*  Luft. 
Mehrere  solcher  italienischen  Gassenhauer  sind  auch  bei  uns  populär 
geworden.  Ich  erinnere  nur  an  «Anne  Marie,  mein  Engel,  ich  verehr' 
dich*,  an  „Man  munkelt  allerlei*  und  an  „Youp-lä,  Catharina*.  Spanien 
hat  eine  reichere  Produktion  auf  dem  Gebiet  der  Operette.  Unter  den 
spanischen  Operetten  („Zarzuela*  genannt)  befinden  sich  viele  sehr  reizende, 
textlich  und  musikalisch  anmutige  und  ansprechende.  Wie  es  bei  Spanien 
nicht  anders  sein  kann,  dreht  sich  in  einer  »Zarzuela*  alles  um  Liebe, 
Frauenverehrung,  Entführung  und  Rache.  Der  Liebhaber  singt  unter  dem 
Fenster  der  Angebeteten  eine  Serenade.  Die  Angebetete  wird  von  einem 
alten  Vormund  bewacht,  der  dem  Amoroso  nicht  hold  ist.  Zwischenfälle, 
Hindemisse,  Überraschungen  treten  ein.  Bis  zum  Schluss  die  Liebenden 
vereint  sich  in  die  Arme  sinken  und  der  geprellte  Oheim  seine  Zustimmung 
gibt.  Das  sceniscbe  Gefüge  ist  sehr  locker.  Die  Musik  setzt  sich  aus 
Liedern  und  Couplets  zusammen.  Als  das  Meisterwerk  der  spanischen 
Operette  gilt  ^^Gran  Via"  von  Cuecha.  Die  Melodieen  sind  Gemeingut 
des  spanischen  Volkes  geworden.  Sie  dringen  auch  in  andere  Länder  und 
werden  dort  wegen  ihrer  prickelnden  Leichtigkeit,  ihrer  rhythmischen  und 
melodischen  Frische  gern  gehört.  Möglich,  dass  sich  aus  der  Zarzuela 
noch  einmal  etwas  Fruchtbares  entwickelt.  Vorläufig  jedenfalls  zählen  nur 
Wien  und  Paris.  Oder  vielmehr,  sie  zählten,  als  plötzlich  die  englische 
Operette  mit  einigen  erfolgreichen  Schöpfungen  auf  den  Platz  trat.  Mit 
einem  Schlage  veränderte  sich  das  Bild.  Die  Pariser  und  die  Wiener 
Manier  waren  in  den  Hintergrund  gedrängt.  Arthur  Sullivan  mit  seinem 
„Mikado*  und  Sidney  Jones  mit  seiner  „Geisha*  hatten  ihnen  eine 
neue,  eine  dritte  hinzugefügt,  die  englische.     Diese  neue  englische  Manier 

—  zurückgehend  auf  die  Maskenspiele  und  Interludes  des  17.  Jahrhunderts 

—  vernachlässigt  das  Stück,  den  Text.  Sie  verzichtet  auf  eine  vernünftige 
zusammenhängende  Handlung  und  bringt  nur  Musik,  Ausstattung  und  Tanz. 
In  der  Musik  wechselt  der  »Song*  (meist  sentimental,  im  Stil  der  alten 
«ballads*)  mit  dem  Couplet  ab.  Der  Refrain  fast  jeder  Nummer  wird  zur 
Pianissimo-Begleitung  des  Orchesters  getanzt.  Als  die  Engländer  plötzlich 
anfingen,  im  musikalischen  Leben  eine  Rolle  zu  spielen,  mögen  sie  selbst 
nicht  am  wenigsten  erstaunt  gewesen  sein.  Wie,  dieses  musikarme,  mit 
einem    unsicher   tastenden   Allerweltsgeschmack   begabte,   von   deutschen. 


279 
URBAN:  WIEDERGEBURT  DER  OPERETTE 


italienischen  und  französischen  Meistern  abhängige,  rein  reproduktiv  aus- 
gestattete Volk  sollte  der  Musik  Propheten  geboren  haben?  Nimmermehr! 
Sullivan  war  ein  hübsches  Talent,  das  mit  seinen  Gaben  gut  Haus  zu 
halten  verstand.  Jones  hatte  eine  volkstümliche,  frisch  sprudelnde  Ader, 
mehr  nicht.  Aber  damit  macht  man  keine  Welterfolge.  Und  in  Wahr- 
heit hat  der  englischen  Manier  etwas  ganz  anderes  zum  Siege  verholfen. 
Das  ist  der  groteske  Rhythmus.  Diese  schlenkernden  Rhythmen,  diese 
Synkopen,  diese  verrenkten  Betonungen  trafen  das  Ohr  des  Kontinents  wie 
Stachelhiebe.  Sie  brachten  den  erschlafften  Nerven  Europas  die  langersehnte 
neue  Sensation.  Wem  das  nicht  sofort  einleuchtet,  der  werde  nachdenklich 
an  dem  fast  gleichzeitig  auftretenden  Amerikanismus.  Von  welchen 
Kräften  geht  dessen  Wirkung  aus?  Ebenfalls  und  einzig  nur  vom  Rhythmus. 
Und  wie  Amerika  im  geschäftlichen  und  politischen  Leben  das  Land  des 
schnellen,  rücksichtslosen  Entschlusses  ist,  so  überbietet  es  auch  schnell 
England,  indem  es  den  »Nigger-Song^  kulturfähig  macht.  John  Philipp 
Sousa's  famose  Märsche  mit  ihren  genialen  aber  brutalen  rhythmischen 
Effekten,  der  Boston,  der  Cake-Walk  .  .  .  bedarf  es  da  noch  eines  Beweises? 
Ohne  Zweifel;  noch  schwimmen  wir  mitten  im  Anglo-Amerikanismus. 
Aber  jeden  Augenblick  kann  sich  die  Flut  verlaufen  und  wir  sitzen  am 
trocknen  Land.  Denn  darüber  wollen  wir  uns  ja  nicht  täuschen.  Die 
anglo-amerikanische  Mode,  die  uns  jeden  Tag  mit  neuen  juckend-zuckenden 
Rhythmen  überschüttet,  ist  eben  nur  eine  Mode,  ein  äusserer  grotesker 
Aufputz,  keine  von  innen  kommende  Bewegung.  Und  dann?  Dann  gilt 
es,  die  Faktoren  zu  sammeln,  zu  prüfen  und  zu  ordnen,  die  eine  Wieder- 
geburt der  Operette  herbeiführen  könnten.  »Die  Operette  ist  tot.** 
So  wiederholt  man  immer  und  immer  zum  Überdruss.  Die  Operette,  wie 
sie  heut  in  Paris  und  Wien  in  spärlichen  Resten  existiert,  die  erstarrte, 
mumifizierte  Operette,  die  Schablonen-  und  Clich6operette,  die  ist  tot. 
Richtig.  Und  ich  füge  hinzu:  Gott  sei  Dank.  Aber  die  Operette  im  all- 
gemeinen, das  Genre,  die  Kunstart,  die  wir  als  eine  durchaus  berechtigte, 
musikalisch  und  dichterisch  reizvolle,  liebenswürdige  und  sympathische 
kennen  gelernt  haben:  die  lebt.  Vorläufig  freilich  nur  in  den  Gedanken 
und  Hoffnungen  derjenigen  Kunstfreunde,  die  von  heiterem  Frohsinn 
eben  so  viel  Erbauung  erwarten,  wie  von  strenger  Grösse.  Damit  nun 
diese  Hoffnungen  und  Träume  zu  lebensvoller  Wirklichkeit  werden,  muss 
man  auf  den  Zeitpunkt  zurückgehen,  da  die  Operette  geboren  wurde.  Da 
das  Erzeugnis  geschmackvoller  und  erfindungsreicher  Menschen  noch  nicht 
verdorben  war.  Also  auf  die  Anfänge  Jacques  Offenbachs.  Denn  das 
halte  man  sich  vor  Augen:  nur  wenn  wir  den  guten  Willen,  den  Geist 
und  die  Erfindungskraft  jener  Offenbachschen  Zeit  besitzen  und  aufbieten, 
kann  aus  der  Operette  noch   etwas  werden.     Die   neue  Operette,  wie  sie 


280 
DIE  MUSIK  111.  4. 


erst  geschaffen  werden  soll,  die  «Operette  der  Zukunft**  —  wenn  man 
so  sagen  darf  — ,  muss  sich  zu  der  Höhe  einer  musikalischen  Charakter- 
komödie erheben.  Offenbachs  Operetten  waren  in  der  Anlage,  und  so 
lange  sie  nicht  mit  dem  Ballast  possenhaften  Unsinns  fiberladen  wurden, 
musikalische  Charakterkomödien.  Die  Operette  der  Zukunft  besteht  aus 
zwei  gleichwertigen  Bestandteilen.  Aus  der  Komödie.  Und  aus  der  Musik. 
Mit  dem  Axiom,  dass  für  die  Operette  der  grösste  Blödsinn  gerade  gut 
genug  sei,  muss  aufgeräumt  werden.  Die  Komödienschreiber  machen  vor 
den  Herren  Zell,  Gen6e,  West,  Held,  L6on,  Stein,  Landesberg  Kehrt  und 
schliessen  sich  den  Meilhac,  Hal6vy,  Cremieux  an.  Die  Komödie  selbst 
stellt  Menschen  auf  die  Beine,  keine  Puppen.  Sie  bringt  eine  mensch- 
liche, logisch  entwickelte  Handlung.  Die  Musik  bricht  mit  der  Wiener 
Gewohnheit,  jedem  Musikstuck  einen  Tanz-,  vor  allem  einen  Walzerschluss 
anzuhängen.  Der  Walzer  ist  ein  lyrisches,  kein  dramatisches  Moment. 
Es  ist  eine  Widersinnigkeit,  Versen,  die  nicht  den  Dreivierteltakt  in  sich 
oder  an  sich  tragen,  Walzerthemen  unterzulegen.  Im  zweiten  und  fünften 
Akt  von  «Margarete*,  im  „Hans  Heiling**,  in  der  „Fledermaus**,  in  der 
«Mamsell  Angot*  ist  der  Walzer  dramatisch  verwendet.  Die  Musik  also, 
sage  ich,  hat  vier  Eigenschaften:  sie  ist  einfach,  sie  ist  melodisch,  sie  ist 
charakteristisch,  sie  ist  dramatisch.  Die  Musikstücke  fliessen  ungezwungen 
aus  der  Handlung  und  münden  ebenso  zwanglos  wieder  in  sie  ein.  Har- 
monie, Instrumentation,  Polyphonie,  Kontrapunktik  sind  die  Hilfsmittel 
dieser  Musik.  Text-  und  Tondichter  ergänzen  und  korrigieren  sich. 
»Dichter  und  Komponist, **  bemerkt  Offenbach  einmal,  „müssen  in  geistiger 
Ehe  mit  einander  leben  .  .  .'^  Und  sehe  ich  mich,  da  bisher  nun  einmal 
die  Stationen  der  Operette  an  eben  so  viele  Städte  gebunden  waren,  für 
den  neuesten  Haltepunkt  nach  einem  Ort  um,  so  —  meine  ich  —  könnte 
das  Berlin  sein.  Nach  der  Pariser  und  Wiener  die  Berliner  Operette. 
Zwar  haben  wir  schon  eine  Operette,  die  die  „Berliner*  heisst  und  deren 
Schöpfer  Paul  Lincke  ist.  Aber  von  ihr  rede  ich  hier  nicht.  Ich  nehme 
den  Geist,  der  seit  Jahrhunderten  in  Berlin  lebt.  Den  heiteren,  kecken, 
satirischen  Geist.  Er  soll  ja  auch  die  „Operette  der  Zukunft*  durch- 
dringen. An  Berliner  Komponisten  wäre  schon  jetzt  kein  Mangel,  wenn 
man  nur  recht  zu  suchen  wüsste.  Bogumil  Zepler  hat  seit  den  Tagen 
des  Überbretti  wiederholt  Proben  eines  feinen  graziösen  Talentes  gegeben. 
Victor  Holländer  sind  zwei  Stücke  von  der  populären  Schlagkraft  des 
„Nord-Express*  und  der  „Kleinen  süssen  Mägdelein*  gelungen.  Paul 
Lincke  könnte  mittun,  wenn  er  zu  den  reichen  musikalischen  Gaben  auch 
noch  die  reife  musikalische  Kultur  erwürbe. 

Und  mag  dem  einen  oder  dem  anderen  der  Ernst  und  der  Eifer,  mit 
dem  ich  ein  so  leichtes  Ding,   wie  die  Operette  ist,  anfasse,   übertrieben 


281 
URBAN:  WIEDERGEBURT  DER  OPERETTE 


erscheinen:  ich  berufe  mich  aufGr6try,  der  da  sagt:  ,In  der  Opemmusik' 
ist  nichts  so  schwer  wie  das  Leichte.*  Ja,  ich  'gehe  sogar  noch  einen 
Schritt  weiter.  Ich  halte  nicht  nur  an  der  „Operette  der  Zukunft"  fest. 
Ich  denke  mir  sogar,  dass  sie  die  Opemform  der  Zukunft  werden  kann, 
wenn  die  richtigen  Leute  an  die  Sache  herankommen.  Ohne  etwas  davon 
nehmen  oder  etwas  dazusetzen  zu  wollen:  in  fünfundzwanzig  Jahren  ist 
uns  die  Gewissheit  geworden,  dass  auf  dem  Weg,  den  Wagner  mit  genialer, 
gewaltiger  Kraft  und  Rücksichtslosigkeit  sich  geebnet  hat,  kein  Fortschreiten 
möglich  ist.  Auf  der  ganzen  Linie  wird  zum  Rückzug  geblasen.  Humper- 
dinck,  Batka,  Siegfried  Wagner  wollen  zur  Volksoper  zurück.  Man  strebt 
los  von  Wagner.  Wäre  da  die  neue,  die  „Operette  der  Zukunft"  nicht  ein 
brauchbares  Hilfsmittel?  Ein  Segen  für  den,  der  sie  schriebe?  Ein 
Segen  für  sie  selbst?  Etwa:  die  simplifizierte  «Feuersnot"?  Weniger 
Pathos?     Und  mehr  Erfindung? 


JOSEPH  MAYSEDER 

(t  21.  November  18631 
Von  Dr.  Tilh.  Altmann,  Friedenau- Berlin 


er  heutiten  Generation  Ist  der  Name  Maf  aeder')  ao  gut  wie  unbekannt. 
I  Und  doch  war  dieser  KQnstler  einst  ein  als  Virtuos  und  Quartettspieler 
I  gleich  ceschitzter  Geiger,  haben  sich  seine  Kompositionen  einst  einer 
I  ungemeinen  Beliebtheit  erfreut  Er  iat  freilich  als  ausCbender  KQnstler 
s  nur  eine  lokale  GrSsse  gewesen,  da  er  sich  nie  zu  einer  Koniert- 
reise  hat  enischllessen  kdnnen,  und  selbst,  als  er  1820  dnen  seiner  Schüler  nach 
Paris  begleitete,  hat  er  dort  nur  zweimal,  allerdings  vor  den  musikalischen  GrSasen, 
aber  In  Privatzlrkeln  gespielt.  Er  war  ein  eingefleischter  Tiener  Zelt  seines  Lebens 
and  mit  dem  Tiener  Musikleben  aufs  innigste  rerwacbsen. 

Gebaren  am  26.  Oktober  1789  als  Sohn  eines  nicht  mit  Glücksgütern  gesegneten 
akademischen  Malers  wurde  er  1708  Schfiler  des  Gelgera  Trsnltiky  und  trat  schon 
im  Jahr  1800  In  dem  berühmten  Auganen  dreimal  mit  grossem  Erfolg  öffentlich  auf. 
Klavier-  und  Theorieanierricht  nahm  er  von  1802  an  bei  Emannel  Purster  und  wurde 
etwa  gleichzeitig,  um  sein  Geigenspiel  in  rertlefen,  Schüler  des  mit  Beethoven  eng 
befreundeten  Ignaz  Schuppanzigh;  dieser  nahm  Ihn  dann  1804  als  zweiten  Geiger  in 
sein  bald  berühmt  gewordenes  Streichquartelt  auf.  Als  Solist  und  Vorgeiger  wurde 
Mayseder,  der  unabllssig  an  seiner  Vervollkommnung  gearbeitet  hatte,  beteits  1810 
in  die  Kaiserl.  Theaterkapelle  aufgenommen;  1816  Slhiete  sich  ihm  die  Kaiserl.  Hof- 
kapelle,  In  der  er  1835  zum  Kammervirtuosen  und  allmihllch  zum  Kapellmeister 
avancierte;  daneben  gehSrte  er  auch  dem  musikalischen  KSrper  der  Stefanskirche  an, 
fBr  die  er  1846  eine  noch  jeUt  gebriucbliche  Messe  komponierte.  Etwa  bis  1840  liess 
er  sich  fiffentllch,  auch  in  eigenen  Konzerten,  als  Solist  bSren  und  galt  in  Tlen 
durchaus  fBr  einen  in  jeder  Hinsicht  ausgezeichneten  Vertreter  seines  Instruments, 
der  keinen  Rivalen  zu  scheuen  brsuchte;  auch  veranstaltete  er  Kammermusik-Abende 
(die  sogen.  Dukaienkonierte),  wobei  Ihn  Hnmmel  und  splter  Moacbeles  auf  dem  Klavier 
unterstQtiten.  Besonders  geschitit  war  er  als  Quartettapieier;  als  solcher  hat  er  sich 
um  die  AuffGbrung  der  letiten  Quartette  Beethovens,  der  Ihn  auch  seiner  Preund- 
achaft  würdigte,  besondere  Verdienste  erworben;  von  1843—1856  war  er  Führer  des 
Privatsirelcbqnartetts  des  Fürsten  Czartorfskl.  In  behaglichen  Verbiltnissen  Boss  der 
Rest  seines  Lebens  dahin.  Nicht  nur  als  Musiker  erfreute  er  sich  bis  an  sein  Lebens- 
ende der  allgemeinsten  Spmpathieen,  sondern  auch  als  Mensch.  Bereits  1817  wurde 
er  zum  Dank  dafür,  dass  er  seine  Kunst  unermüdlich  in  den  Dienst  der  Tohllitig* 
keit  stellte,  Ehrenbürger  seiner  VaterstadL 

Als  Lehrer  war  er  sehr  beliebt  und  namentlich  von  den  aristokratischen  Kreisen 
gesucht;   von  seinen   Scbülem   seien  hier   Heinrich   Panofka,   Aug.  von  Adelburg, 


<>  Ein  Bild  Marsedera  wird  die  aMusik"  im  II.  Deiembertaett  bringen. 


283 
rfoo_  ALTMANN:  JOSEPH  MAYSEDER  qC^^T^ 

Mlslcm  Hiuser  und  vor  allem  Heinrich  de  Atana,  der  in  Berlin  eine  relcbe  Tirksam- 
keit  gehinden  hat  und  hier  noch  lange  unvergessen  sein  wird,  namhaft  gemacht. 

Einige  60  Terke  hat  Mayseder,  der  dem  aufkommenden  Talente  Richard  Tagnen 
gegenüber  sich  gleJchgSlilg  verhielt,  verSfFentlicht,  recht  gute  soll  attch  sein  Nachlass 
geborgen  haben.  Zu  nennen  sind  sieben  Streichquartette,  drei  Streichquintene,  vier 
KlaviertrioB,  ein  Trio  für  Harfe,  Violine  und  Hom  (wer  denkt  da  nicht  an  das  Brabms- 
sche  Homtrio?),  drei  Violinkonzerte,  zwei  Konzertinoa,  sechs  Polonaisen,  zwanzig 
Variationen  werke  u.  dergl.  für  Violine,  meist  mit  Orchesterbegleiiung.  Seine  Solo* 
werke,  die  vielleicht  am  besten  mit  denen  de  Bfriois  und  ferd.  Davids  verglichen 
werden  können,  waren  so  beliebt,  dass  sie  mit  Hinwegiassung  der  Begleitung  in  einem 
stattlichen  Gesimtbande  bei  Albl  in  München  verSfFentlicht  worden  sind.  Als  kürzlich 
In  Tien  die  .Unlversal-Editlon"  ins  Leben  gerufen  wurde,  da  entsannen  sich  deren 
Leiter  auch  des  Komponisten  Ma^seder  und  veranstalteten  Neuausgiben  von  einigen 
seiner  Terke,  die  in  rousikaliscber  Hinsicht  ansprechend,  nicht  zu  veraltet  und  vor 
allem  als  Obangsstücke  von  Vert  sind;  es  sind  dies  die  drei  Violinduette  op.  30,  31 
und  32,  von  denen  namentlich  das  mittlere  auch  heute  noch  mit  Vergnügen  gespielt 
werden  wird,  die  sechste  Polonaise  op.  38  und  das  iweite  Concertlno  op.  53,  die  beide 
lur  Erlangung  einer  eleganten  Technik  des  Bogens  sehr  verwertbar  sind,  und  vor 
allem  die  sechs  ausgezeicbneien  Etüden  op.  29,  die  übrigens  auch  wie  die  Variationen 
op.  40  in  die  .Kollektion  Litoilf  Aufnahme  gefunden  haben;  zu  der  letzten  Etüde 
bat  Qbrigena  Helinesberger  eine  in  Talzerform  gehaltene  Klavierbegleitung  hinza- 
komponiert  und  damit  ein  dankbares  Vortragsstück  geschaffen. 

Mag  man  auch  heute  über  die  Mafsederschen  Kompositionen  liebelnd  zur 
Tagesordnung  übergehen,  in  der  Geschichte  des  Violinspiels  muss  jedenhlls  sein 
Name  immer  mit  Ehren  genannt  werden. 


BÜCHER 

31.  H.  Uaberlandt:  Hugo  Volt,  Erinnernngeii  und  Gedanken.  Verlaf:  Lauterbacb 

&  Kuhn,  Leipzig. 
Ein  lilelnea  Buch,  aber  ein  wertvolles  Bncb.  Preundachaft  hat  ea  entworhn,  and 
Liebe  hat  ea  durchwirmt.  Anspruchslos  wirkt  es  um  so  Üefer,  je  persSnlicher  es  Ist. 
Es  tat  keine  Biographie,  kein  Ceachlchtawerk,  kein  Liedeirerzelchals  voll  Namen  and 
Daten,  auch  keine  kritisch-istbetlache  Analyse,  sondern  ein  einhch  Buch,  vom  Freunde 
dem  Freunde  geschrieben.  Die  Schlichtheit  und  Natfirllchkeii  dleaer  Erinnerungen  de« 
Vorsitzenden  vom  .Tiener  Hugo  Tolf-Verein"  sichern  ihnen  einen  hSberen  Tert,  als 
der  kommende  Hugo  Woll-Follant.  Der  Zauber  des  Persönlichen,  die  Kraft  des  (Ut 
GegenirilTtigen  und  Greifbaren,  der  Duft  des  Schlich i-Menscb liehen  gehen  tiefer  als  alle 
Asibetlcismen.  Vom  Gefühl  der  ausserordentlichen  PersCnlichkeit  Hugo  Tolfs  getragen 
haben  die  kurzen  Gedanken  Tagebuchkrafi  und  -Bedeutung.  Ter  der  Kunst  dieses 
unseres  letzten  lyrischen  Genies  nahe  steht,  der  greife  lu  dem  kleinen  Büchlein;  denn 
es  ist  in  Tahrhelt  a^in  Kram,  von  der  Hand  der  Freundschaft  auf  sein  kaum  ge- 
schlossenes Grab  gelegt'  Rudolf  M.  Breiihaupt 

32.  Gustav  Levy:   Richard  Tagners  Lebensgang  in   tabellarischer  Dar- 

stellung. Verleg:  Harmonie,  Berlin  1904. 
Es  ist  doch  etwas  Scbfines  um  den  Enthusiasmus  der  Jugend,  und  wenn  man 
durch  wfiste  Orgien  der  Eitelkeit  und  Mode  irre  werden  kfinnie  an  der  Zukunft,  so 
irtchst  eine  Generation  heran,  deren  Begeisterung  für  den  Genius  Trost  und  Holbung 
gibt.  Solche  Gedanken  weckt  wohl  dies  Büchlein,  dessen  Vorrede  uns  einen  JGnger 
Richard  Tagners  zeigt,  der  In  helsser  Verehrung  des  Meisters  und  eifrigem  Studium 
seiner  Biographen  den  Antrieb  erhalten  hat,  nun  auch  selbst  fOr  die  Erkenntnis  des 
Lebenaganges  Tagners  etwaa  TQcbtfges  lu  wirken.  Und  so  hat  er  In  der  Tat  mit  diesen 
biographischen  Tabellen  etwas  Tretnicbes  und  Brauchbares  gegeben ,  das  In  seiner 
scbelnbaren  Trockenheit  doch  auch  einem  tieferen  Bedürfnis  entspricht.  Tagners  Leben 
In  chronologiachen  Daten:  wir  blittem,  und  die  Zahlen  werden  lebendig  und  erziblen 
nna  eine  ergreifende  Odyssee!  Dadurch  aber,  dass  der  Verf.  die  gute  Idee  gehabt  hat, 
überall  kurze,  prigoanie  Stellen  aua  Tagnera  Brieten  und  Schriften  einzustreuen,  tritt 
uns  ein  Innen-Leben  entgegen,  vom  iusseren  bedingt  und  doch  so  ganz  frei,  selbsdindig 
und  gegen sitil Ich.  Die  Einteilung  der  Lebensabschnitte  ist  durchaus  richtig,  nur  bitte 
leb  Venedig  und  Luxem  (1858/9)  schon  lur  zweiten  Tanderzeit  gezogen.  Berichtigungen 
werden  bei  der  ungeheuren  Masse  von  Zahlen  nicht  ausbleiben.  Der  Brief  vom  31.  Jan. 
1883  Ist  an  H.  v.  Stein,  nicht  an  E.  v.  Teber  gerichtet;  die  Briefe  an  v.  Teber  in  Sachen 
des  Tierschutzes  hllen  zu  1879  bis  1881.  S.  40  Anm.  muss  es  1861  statt  1859  beissen. 
Dass  am  5.  Mai  1849  ein  Konzert  unter  Tagner  durch  die  hereindringende  Revolution 
abgebrochen  wurde,  scheint  mir  ein  Irrtum.  R.  Sternfeld. 

33.  Alfr.  Chr.  KaUacher:    Die   Macht  Beethovens.    Eine   Erdblung  aus   dem 

Musikleben  unserer  Zeil.    Verlag:  Selbstverlag,  Beriln. 


285 
BESPRECHUNGEN  (BÜCHER  UND  MUSIKALIEN^ 


JedenAillt  ein  seltsames  Bucb,  dessen  Wert  fQr  viele  nicht  auf  den  ersten  Blick 
ersichtlich  sein  wird.  Den  Kern  der  Handlung  bildet  die  Geschichte  einer  Liebe;  aber 
wie  der  idealistisch  gesinnte  Philologe  und  Musiker  Edgar  Wittig  die  junge  Griechin 
£ithemia  Palleukos  kennen  und  lieben  lernt,  bis  er  sich  endlich  am  Grabe  Beethovens 
mit  ihr  verlobt,  das  wird  gar  mancher  als  unnatürlich  und  mit  vieler  Überspanntheit 
erzihlt  bezeichnen.  Eine  gewisse  exaltierte  Färbung  der  Erzählung  wird  auch  derjenige 
zugestehen  müssen,  der  die  glQckliche  Art  des  Verfassers,  die  Macht  von  Beethovens 
Kunst  und  Persönlichkeit  —  die  beide  eng  miteinander  verbunden  und  in  gleichem 
Mass  unsterblich  sind  —  zum  Leitstern  und  zur  Grundlage  für  das  Geschick  zweier 
Menschenkinder  werden  zu  lassen,  verstehen  und  schätzen  kann.  Die  Handlung  bildet 
in  gewissem  Sinn  nur  den  Rahmen  für  eine  Würdigung,  Rettung  und  Analyse  von 
Beethovens  Persönlichkeit,  die  ihre  Macht  auf  die  Herzen  derer,  die  Beethoven  verstehen 
und  verehren,  unwiderstehlich  äussert.  Die  zahlreichen  Gespräche  über  Beethoven, 
fiber  Musik  und  Kunst,  die  in  den  Gang  der  Handlung  eingestreut  sind,  enthalten 
gar  viel  des  Schönen  und  des  Wahren  und  bilden  in  ihrer  Gesamtheit  gewiss  den  besten, 
stärksten  und  wirkungsvollsten  Teil  des  Buches.  Die  Erzählung  selbst  kann  nahezu  nur 
als  Rahmenerzählung  Geltung  haben :  Personen,  die  sich  so  ausschliesslich  dem  Idealen 
hingeben,  erscheinen  uns  nicht  glaubhaft  und  wir  können  infolgedessen  kein  wahres 
Interesse  an  ihnen  empfinden;  Begeisterung,  die  nicht  nur  auf  den  Höhepunkten  des 
Lebens  als  seltener  königlicher  Gast  sich  einstellt,  sondern  zur  ständigen  Begleiterin 
des  Lebens  geworden  ist,  muss  den  Eindruck  des  Eingebildeten  oder  gar  des  Falschen 
machen.  In  Kleinigkeiten  muss  sich  der  Wiener  verletzt  fühlen:  Kalischer  gebraucht 
von  dem  modernen  Wien  noch  die  Strassen  und  anderen  lokalen  Bezeichnungen,  wie 
sie  im  Anfang  des  neunzehnten  Jahrhunderts  bestanden  haben.  An  einzelnen  Scenen 
in  der  Erzählung  aber  kann  man  seine  helle  Freude  haben:  die  Liebesscene  am  Schluss 
Ist  gewiss  erhebend  und  weihevoll  zu  nennen.  Der  Wert  der  ästhetischen  Wechselreden 
4es  Buches  soll  auch  durch  die  vorstehenden  Bemerkungen  keineswegs  geschmälert 
werden.  Der  Musiker  und  auch  der  Musikfreund  wird  wohltuend  berührt  werden  von 
der  glühenden  Verehrung  Beethovens,  die  das  ganze  Buch  erfüllt  und  die  mitunter  einen 
^rklich  schönen  Ausdruck  gefunden  hat. 

34.  Dr.  Georg  Fischer:  Hans  von  Bülow  in  Hannover.  Verlag:  Hahn,  Hannover 

und  Leipzig. 
Zum  Teil  auf  gedruckt  vorliegende  Quellen,  zum  Teil  auf  ungedruckte  Briefe 
BQlows  und  auf  die  Akten  des  kgl.  Theaters  in  Hannover  zurückgehend,  entrollt  dieses 
Büchlein  ein  ansprechendes  Bild  von  Bülows  Wirksamkeit  als  Dirigent  in  Hannover 
seit  1853;  insbesondere  die  Jahre  1877—1879  erfahren  eine  sehr  gründliche  Behandlung. 
Mehrere  Zusammenstellungen,  Listen  von  Programmen  und  Repertoires  u.  ä.  m.  bilden 
jeine  angenehme  Zugabe  zu  der  recht  lebensvoll  gehaltenen  Darstellung  Fischers. 

Dr.  Egon  von  Komorzynski. 

MUSIKALIEN 

35.  Friedrich  Schuchardt:   Petrus   Forschegrund.    Oratorium   in   drei   Teilen 

für  Soli,  Chor,  Orchester  und  Orgel,     op.  4.    Verlag:  Carl  Giessel  jun., 

Bayreuth. 
Es  handelt  sich  hier  um  ein  mit  grosser  Reklame  angekündigtes  Werk,  das  at>er 
keineswegs  den  Erwartungen  entspricht,  die  man  an  dasselbe  zu  stellen  berechtigt  ist. 
Unter  einem  Oratorium  verstand  man  bisher  ein  grösseres,  in  einheitlichem  Stil  ge- 
haltenes Werk,  das  u.  a.  breit  angelegte  Ensemblesätze  enthielt  und  vor  allen  Dingien 
polyphone  Chor-  und  Orcbesterbehandlung  darbot.    Von  alledem  ist  hier  nichts  zu  finden, 


286 
DIE  MUSIK  IIL  4. 


der  Chor  singt  regelrechte  vierstimmigen  Chorile  und  Gesinge,  und  sutt  kontrapunktischer 
Stimmführung  dienen  zerlegte  Akkordflguren  oder,  noch  schlimmer,  Akkordtremoli  dazu, 
um  Bewegung  in  der  Begleitung  zu  erzielen,  so  dass  man  sich  streckenweise  in  eine 
lltere  italienische  Oper  versetzt  glaubt  Es  ist  deshalb  ein  grosser  Irrtum,  wenn  Herr 
Schuchardt  sich  mit  so  geringen  kontrapunktischen  Kenntnissen  berechtigt  wihnt,  seine 
Hand  nach  derartig  hohen  Zielen  auszustrecken,  deren  Erreichung  zum  mindesten  eine 
absolut  sichere  Behemchung  aller  technischen  Schwierigkeiten  voraussetzt  Im  Qbrigen 
soll  gern  anerkannt  werden,  dass  die  Harmonik  zwar  ihren  Wagnerechen  Ureprung 
nicht  verliugnen  kann,  aber  durch  aparte  und  vornehme  Behandlung  angenehm  auffillt, 
und  die  Singstimmen  geschickt  und  wirksam  geschrieben  sind.  Gleicherweise  scheint 
die  Instrumentation  dankbar  und  farbenreich  zu  sein,  soviel  sich  aus  dem  Klavlerauszug 
ersehen  lisst  Hoffentlich  dienen  diese  Zeilen  dazu,  den  noch  jugendlichen  Autor 
zu  veranlassen,  durch  emsiges  Studium  und  gründliche  Selbstkritik  seinen  hohen  Zielen 
niherzukommen,  oder  sie  aber  etwas  niedriger  zu  schrauben,  falls  ihm  die  Lust  dazu 
fehlen  sollte.    Seine  Zukunft  wird  sicherlich  von  dieser  Entscheidung  abhingen! 

Karl  Kimpf. 

36.  Leo  Blech:    2  Quartette   in   oberbayrischer  Mundart   (für  gemischten  Chor). 

op.  8.  Verlag:  Süddeutscher  Musikverlag,  Strassburg  i.  E. 
Der  Komponist  hat  mit  seinem  op.  8  wohl  ein  Gelegenheitswerk  veröffentlicht 
Moderne  Opemschöpfungen  und  Lieder  in  oberbayrischer  Mundart  —  welche  Kluft! 
Indessen  sind  die  Sichelchen  durchaus  frisch  und  keineswegs  langweilig.  Im  Chor 
au^ef&brt  wird  der  Dirigent  gut  tun,  im  Tenor  und  im  Bass  einige  unbequemen  und 
sprunghaften  Intervalle  seinen  Singem  durch  kleine  Änderungen  sangbarer  zu  machen. 
Auch  Quinten  sind  im  a  cappella-Satz  zum  mindesten  nicht  schön,  unbedingt  aber 
entbehrlich. 

37.  Hans  Koessler:  Kol  Nidre,  nach  zahlreichen  Ausgaben  kritisch  revidiert  und 

gesetzt  für  eine  Solostimme  und  gemischten  Chor.    Verlag:  Süddeutscher 

Musikverlag,  Strassburg  i.  E. 
Die  altehrwürdige  Melodie  des  jüdischen  Veraöhnungsfestes  Kol  Nidre  ist  für 
Tenor-Solo  mit  gemischtem  Chor  nach  zahlreichen  Quellen  vortrefflich  bearbeitet  worden. 
Bei  weiteren  Ausgaben  wire  die  Beifügung  eines  deutschen  Textes  erwünscht  und  da- 
durch die  Möglichkeit  gegeben,  das  herrliche  Werk  in  den  Konzertsaal,  besondere  für 
historische  Abende,  zu  verpflanzen. 

38.  Friedr.  E.  Koch:  H  allein  ja!    Eine   Festkanute  nach  Worten  der  Bibel   für 

Chor,  Einzelstimmen  und  Orchester,  op.  27.  Klavierauszug.  Verlag:  Chr. 
Fr.  Vieweg,  Gr.  Lichterfelde. 
Kunstvoll,  ohne  Künstelei,  technisch  ohne  nennenswerte  Aufführungsschwierit* 
keiten  —  auf  Soloquartett,  Halbchor,  Ganzchor  abwechselnd  und  steigernd  aufgebaut, 
wird  das  ,Halleluja%  wenn  an  richtiger  Stelle  aufgeführt,  gute  Wirkung  machen.  Dass 
der  Autor  als  Schluss  des  Werkes,  mehr  als  100  Takte,  den  ganzen  Anfangschor  nur 
wörtlich  wiederholt  und  keinerlei  abschliessende  Steigerung  hier  mehr  bringt,  will  uns 
bei  der  sonstigen  lot>enswerten  Knappheit  des  Werkes  als  unvorteilhaft  erecheinen. 

Fritz  Baselt. 

39.  Emile  Säuret:   Gradus  ad  Parnassum  du  Violoniste.    Lehrgang  für  das 

virtuose  Violinspiel,    op.  36.    Heft  1  und  2.    Verlag:  Rob.  Forberg,  Leipzig. 

Die  t>este  Empfehlung  dieser  ausgezeichneten  Virtuosenschule  ist,  dass  die  beiden 

1806  erst  erschienenen  Hefte  schon  jetzt  in  neuer  vermehrter  Ausgat>e  vorliegen.    Ich 

weiss  nicht,  was  ich   mehr  bewundem  soll,  die  Fülle  des  Materials  oder  den  hohen 


287 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


pädagogischen  Wert  der  Übungen:  sie  fuhren  mit  Sicherheit  zur  Erlangung  einer  grossen 
Virtuositit 

40.  Alexis  HollAnder:  Sechs  Charakterstücke  für  Violine  und  Violoncello  (auch 

Klarinette  und  Viola)  mit  Begleitung  des  Klaviers  in  Kanonform.    op.  53. 

Verlag:  Schlesingersche  Buchhandlung  (Rob.  Lienau),  Berlin. 
Hübsch  klingende  Stücke.    Der  Komponist  ist  offenbar  in  der  Kanonform  sehr 
zu  Hause  und  handhabt  sie  mit  Geschmack.    Auch  als  Ensembleübungen  für  die  Jugend 
gut  zu  verwenden. 

41.  Richard  Franck:   Sonate  No.  2  (c-moll)  für  Violine   und   Pianoforte.    op.  35. 

Verlag:  Schlesingersche  Buchhandlung  (Rob.  Lienau),  Berlin. 
Im  sechsten  Bande  der  »Musik**  S.  43  habe  ich  eine  Anzahl  Kammermusikwerke 
von  Richard  Franck  t>esprochen,  seine  gewandte  Schreibart  gelobt,  aber  auf  seinen  Mangel 
an  Erfindung  hingewiesen.  Auch  über  diese  neue  Sonate,  deren  2.  Satz,  eine  Art  Inter- 
mezzo, wohl  am  gelungensten  ist,  kann  ich  nicht  anders  urteilen.  Der  Klavierpart  ist 
wieder  mit  Passagen  überladen;  die  Violinstimme  ist  namentlich  im  Finale  nicht  ohne 
Intonationsschwierigkeiten.  W.  A. 

42.  £•  Jaques-Dalcroze:   Trois  morceaux  pour  Violoncello  avec  accompagnement 

du  piano,   op.  48.     1.  Lied  romantique.    2.  Serenade.    3.  Bagatelle.    Verlag: 
Süddeutscher  Musikverlag,  Strassburg  i.  E. 
Rhythmisch-harmonisch  allzu  gesucht,  hinterlassen  die  drei  Stücke  von  Dalcroze^ 
die  ausserdem  zu  lang  ausgesponnen  sind,  einen  wenig  befriedigenden  Eindruck. 

43.  Robert  Hausmann:  J.  S.  Bach.    Drei  Sonaten  für  Violoncello  und  Pianoforte» 

Verlag:  Steingriber,  Leipzig. 
Verdienstvoll   bleibt  eine  jede  Neuausgabe   der  drei  Gambensonaten   von  Bach» 
Wird  doch  dadurch  neue  Hoffnung  erregt,  dass  die  schönen  Stücke  öfter  gespielt  werden. 

Hugo  Schlemüller. 

44.  Karl  Wolfrum:  Sonate  in  f-moll  für  Orgel,    op.  4.    Sonate  in  F-dur  für  OrgeL 

op.  15.  Verlag:  F.  E.  C.  Leuckart,  Leipzig. 
Karl  Wolfrums  f-moU-Sonate  erschien,  wenn  ich  nicht  irre,  vor  etwa  zehn  Jahren 
und  erweckte  damals  in  den  beteiligten  Kreisen  ein  starkes  Interesse  für  den  Schöpfer,, 
wie  für  sein  Werk.  Der  Ernst  dieser  Tonsprache,  das  beträchtliche  kontrapunktische 
Können  des  Komponisten,  die  geschickte  formale  Gestaltung  der  einzelnen  Sitze  Hessen 
die  schönsten  Hoffnungen  für  kommende  Taten  erblühen.  Freilich  durfte  dabei  eine 
schulgemisse  Abhängigkeit  des  ersten  und  letzten  Satzes  von  den  gleichen  Teilen  der 
Pastoral-  und  der  vierten  Orgelsonate  Rheinbergers  nicht  übersehen  werden.  Karl 
Wolfhim  ist  leider  ein  Epigone  der  EpigonitSt  geblieben.  Die  dritte  Sonate  erbringt  den 
Beweis:  auch  hier  klangschöne,  emstempfundene  Musik,  aber  ohne  jede  Eigenart  der 
Tontprache.  Die  Ecksitze  weisen  wiederum  auf  Rheinbergers  musikalische  Art  hin.  Das 
Adagio  sostenuto  kann  eine  innere  Verwandtschaft  mit  dem  langsamen  Satz  der  ersten 
Sonate  des  grösseren  Bruders  Philipp  Wolfrum  nicht  verleugnen.  Und  während  wir  ea 
bei  op.  4  mit  einem  organisch  gewachsenen  Kunstwerk  zu  tun  haben,  ist  die  dritte  Sonate 
lediglich  eine  iusserliche  Kompilation  von  vier  einzelnen  Stücken.  Bei  dem  Mangel  an 
wirklich  schöpferischen  Talenten  auf  dem  Gebiete  der  Orgelkomposition  ist  es  bedauerlich, 
dass  Karl  Wolfrums  schönes  Beginnen  eine  solche  weniger  erft^uliche  Fortsetzung 
gefunden  hat.    Hoffen  wir  für  die  Zukunft!  Karl  Straube. 


BASLER  NACHRICHTEN  1903,  No.  256—258.  —  H.  Stumms  Artikelserie  ,Die 
Wagner-Festspiele  im  MQnchner  Prinzregenten-Theater*  gibt  eine  ausf&hrliche 
kritische  Darstellung  des  Verlaufe  der  Spiele,  die  »eine  grossartige  künstieriscbe 
Tat,  die  man  gleich  den  Bayreutber  Festspielen  als  einen  Markstein  in  der  Ge- 
schichte der  musikalisch-dramatischen  Kunst  bezeichnen  muss*,  genannt  werden. 
Namentlich  die  grossen  bübnen-tecbnischen  Leistungen  werden  gebfibrend  ge- 
wfirdigt  und  zum  Scbluss  die  MQnchner  Festspiele  als  eine  würdigere  Ehrung 
Wagners  bezeichnet,  als  das  Berliner  Wagner-Denkmal. 

NEW-YORKER  STAATSZEITUNG  1903,  No.36.  —  Der  Artikel  .Moderne  Programm- 
Musik  und  Richard  Strauss*  von  August  Spanuth  gibt  eine  Schilderung  der  Ent- 
wicklung der  Programmmusik  von  ihren  Anfingen  Qber  Beethoven  zu  den 
Romantikem,  Berlioz  und  Liszt  Spanuth  zeigt,  wie  Strauss  als  erster  an  Liszt 
anknöpfte  und  Qber  diesen  hinausging,  während  die  meisten  anderen  Programm- 
musiker der  neueren  Zeit,  wie  Tschaikowsky,  Smetana  u.  a.  m.  es  verschmiht 
haben,  mit  der  rein  musikalischen  Architektur  tabula  rasa  zu  machen.  Er  sagt: 
.Auch  Richard  Strauss  steht  auf  den  Schultern  anderer  und  die  anderen  sind  vor 
allem  Liszt  und  Richard  Wagner.  Kann  auch  Wagner  nicht  als  eigentiicher 
Programmmusiker  in  betracht  kommen,  so  hat  er  doch  der  Tonmalerei  eine  neue 
Farbenpalette  dargereicht  und  ihr  neue  Perspektiven  eröffnet.*  Und:  .Strauss  ist 
kein  enger  Geist;  er  hat  sich  kein  begrenztes  Feld  vorgenommen,  um  es  abzugrasen; 
er  tragt  vielmehr  seine  Eigenart  in  die  heterogensten  StoflSe  hinein.  Er  modelt  sie 
nach  seinem  Willen,  sie  mQssen  sich  ihm  beugen.* 

KORRESPONDENZBLATT   DES   EV ANGEL.    KIRCHENGESANGVEREINS 

FÜR  DEUTSCHLAND  (Leipzig)  1903,  No.  10.  -  Unter  dem  Titel  »Ein  geist- 
licher Ring*  analysiert  hier  G.  Weimar  Felix  Draesekes  Mysterium  «Christus*: 
»Schitze  musikalischen  Goldes  sind  hier  angehäuft  .  .  .  Wahrlich,  es  steht  noch 
nicht  schlecht  um  die  deutsche  Tonkunst  und  die  Kirchenmusik,  wenn  noch  solche 
Werke  geboren  werden,  in  denen  die  urewigen  Gesetze  wahrer  Musik  mit  freiester 
Harmonie  und  StimmfQhrung  so  berzerfreuend  vereinigt  sind.  Aber  am  besten 
wird  man  das  Lebenswerk  eines  deutschen  Meisters  wie  Draeseke  ehren,  wenn 
man  es  auffQhrt  nach  seinen  Intentionen.* 

ALLGEMEINE  MUSIKZEITUNG  (Charlottenburg)  1903,  No.  36-38.  —  Hugo 
Conrat  setzt  seine  interessanten  Betrachtungen  Qber  »Kunst  und  Gescbift*  fort 
RQbrend  sind  die  Einzelheiten,  die  der  Verfasser  zu  Beethovens  Geschifts- 
kenntnis  beibringt;  erschQttemd  ist  die  Zusammenfassung  alles  dessen,  was  über 
Schuberts  finanzielle  Verhiltnisse  bekannt  ist;  Mozarts  herzliche  Naivität  und  sein 
edles  KQnstlertum  haben  etwas  Erhebendes.  Auch  die  seit  Handel  datierende 
Praxis,  dass  Musiker  zur  Besserung  ihrer  EinkQnfte  England  bereisten,  wird  be- 
leuchtet durch  die  Zusammenstellung  der  hierher  gehörigen  Namen  und  Tatsachen. 
Otto  Lessmann  berichtet  Qber  «Die  Wagner-Festspiele  im  Prinz-Regenten-Theater 
zu  MQnchen*.    Der  [Scbluss  von^FranzJDubitzkys  anj  wertvollen  Wahrheiten 


289 
REVUE  DER  REVUEEN 


reichem  Artikel  «Muster-Programme  und  Muster-AufTfihrungen  unserer  Militir- 
kapellen*  beschäftigt  sich  hauptsichlich  mit  den  abscheulichen  Missgriffen  in  der 
Temponahme.    Die  zahlreichen  Notenbeispiele  erliutem  das  Gesagte  vorzuglich. 

MONATSHEFTE  FÜR  MUSIKGESCHICHTE  (Leipzig)  1903,  No.  6-9.  -  Ausser 
dem  Nachtrag  «Der  Minnesang  und  sein  Vortrag**  von  Paul  Runge  verbindet 
Robert  Eitner  mit  der  Besprechung  des  Fischerschen  Werkes  in  dem  Aufsatz 
«Musik  in  Hannover*  eine  Zusammenfassung  von  biographischen  und  historischen 
Daten,  die  eine  wertvolle  Ergänzung  zu  seinem  Quellenlexikon  bildet.  Ein 
interessanter  Artikel  von  Eugen  Schmitz  behandelt  die  ^^Gitarrentabulaturen* 
auf  Grund  von  Montesardo's  Werk  und  bringt  in  der  Einleitung  eine  vorzügliche 
l^^PP  gehaltene  Geschichte  der  Entwicklung  der  Gitarre.  Eine  umfangreiche, 
gründliche  .Totenliste  des  Jahres  1902,  die  Musik  betreffend*,  von  Karl  Lüstner 
und  der  als  Beilage  gegebene  Katalog  der  Musikwerke  in  der  Westminster-Abtei 
in  London  von  Wm.  B.  Squire  vervollständigen  den  reichen  Inhalt  der  Hefte. 

NEUE  ZEITSCHRIFT  FÜR  MUSIK  (Leipzig)  1903,  No.  29-36.  —  Von  den  aus- 
führlichen  Rezensionen  und  Berichten  seien  erwähnt:  „Die  Klavierbearbeitungen 
Lisztscher  Lieder  von  August  Stradal*  von  Vemon  Spencer,  „Das  Pyrmonter 
Schubert- Liszt- Fest*  von  Edwin  Neruda,  „Die  Maifestspiele  in  Prag  1903*  von 
Viktor  Jo SS,  „Prager  Unterrichtswesen*  von  Viktor  Joss.  M.  Lorenz  behandelt 
in  einer  musikgeschichtlichen  Skizze  „Henry  Purcell,  den  englischen  Orpheus*. 
Kite  Stellmacher  lässt  ihre  Studie  „Vor  Klingers  Beethoven*  in  die  Worte  aus- 
klingen: „Hier  schuf,  wie  er  ihn  sieht,  wie  er  ihn  fühlt,  ein  grosser  schaffender 
Mensch  das  Bild  —  eines  Schaffenden!*  Adolf  Kohut  macht  zum  Helden  seines 
Artikels  „Ein  Doppelgänger  Otto  Nicolais*  den  musikalischen  und  schriftstellerischen 
Stümper  Gustav  Nicolai,  der  in  den  dreissiger  Jahren  des  19.  Jahrhunderts  viel 
von  sich  reden  machte  und  mit  dessen  Worten,  Schriften  und  Taten  sich  die 
damaligen  Zeitungen  eingehend  befassten.  Otto  Nicolai  hat  sogar  gegen  seinen 
listigen  Doppelginger  einen  ihn  vernichtenden  offenen  Brief  geschrieben.  Ein 
ausführlicher  Aufsatz  von  Ottmar  Rutz  handelt  über  „Die  Rutzschen  Tonstudien 
and  die  Reform  des  Kunstgesangs*. 

NEUE  MUSIKZEITUNG  (Stuttgart)  1903,  No.  21-23.  —  Eine  Biographie  Wilhelm 
Bergers  („Wilhelm  Berger*)  liefert  Adolf  Kohut.  Eine  sehr  hübsche  und  gründ- 
liche Analyse  „Franz  Schuberts  Klaviersonaten*  von  Alfred  Mello  ISufc  durch  die 
Hefte  hindurch;  wir  entnehmen  ihr  die  kennzeichnenden  Sätze:  „Simtlich  sind 
sie  klangschön;  alles  ist  edel  und  tief  empfunden  darin!  In  seinen  langsamen 
Mittelsitzen,  die  ihm  wieder  Anlass  gaben,  sich  in  reichstem  Masse  als  Lyriker 
zu  betitigen,  bringt  uns  der  Meister  entzückende  Genrebilder  stiller,  märchenhafter 
Triumereien.  Oft  glaubt  man  Prinzen  und  Prinzessinnen  aus  dem  Mirchenlande 
vor  sich  zu  sehen;  bald  wieder  befinden  wir  uns  auf  mondscheinbeglinzter  Wald- 
wiese und  sehen  die  Elfen  und  Kobolde  beim  zierlich  schwebenden  Reigen; 
wiederum  lauschen  wir,  in  stilles  Sinnen  versunken,  dem  echt  kindlichen  Sanges- 
gemüt unseres  echt  deutsch  fühlenden  Schubert,  dessen  herzinniges  Gefühlsleben 
sich  bald  in  schmerzlich  klagender,  bald  zart  lieblicher  Melodik  offenbart.*  ijohann 
Pachelbel*  betitelt  sich  ein  Gedenkblatt  zu  Pachelbels  250.  Geburtstag  von  Max 
Puttmann.  „Der  Leipziger  Riedel -Verein  in  Prag*  erhilt  einen  Bericht  von 
Rudolf  von  Prochäzka;  von  den  „Münchener  Wagner-Festspielen*  handelt  Arthur 
Hahn;  „Ein  Dutzend  Tonmeister  im  Lichte  Grillparzers*  ist  eine  hübsche  Zu- 
sammenstellung von  Julius  Blaschke.  Mit  Zumpe  beftisst  sich  eine  Reihe 
III.  4.  19 


290 
DIE  MUSIK  III.  4. 


von  Artikeln:  „Herman  Zumpe  f*,  «Zumpe  in  Miinchen*  von  Arthur  Hahn; 
j^Zumpes  Sawitri*  von  Baur;  »Erinnerungen  an  H.  Zumpe*  von  August  Richard: 
«mit  der  wunderbaren  Neueinstudierung  des  Nit>elungenring8  für  die  diesjährigen 
Festspiele  bat  Zumpe  sein  Meisterwerk  gekrönt  Ein  beneidenswerter  Tod  hat  ihn 
hinweggeralft.  Unverginglich  aber  bleibt  sein  leuchtendes  Beispiel  in  unserer 
Dankbarkeit!*.  Interessant  beantwortet  A.  Schüz  die  zum  Thema  eines  Artikels 
gemachte  Frage:  »Wer  ist  der  Künstler?*  Noch  seien  erwähnt:  die  Studie  »Die  Bee- 
thoven-Hiuser  in  Wien*  von  Hugo  Klein,  Karl  Wolffs  biographische  Skizze  »Arno 
Kleffel*  und  der  Aufeatz  »Zum  Gedächtnis  Friedrich  Wiecks*  von  Kurt  Mey. 
FLIEGENDE  BLÄTTER  FÜR  KATHOLISCHE  KIRCHENMUSIK  (Regens- 
bürg)  1903,  No.  8—9.  Ausser  zahlreichen  Vereinsberichten  enthalten  die  Hefte 
einen  Aufeatz  »Papst  Pius  X.^,  in  dem  der  neue  Papst  als  »leuchtendes  Vor- 
bild und  fester  Anker  f&r  die  kirchlichen  Grundsatze  in  betreff  der  heiligen  Musik* 
gefeiert  wird. 

DER  KUNSTWART  (Leipzig)  1904,  No.  1.  —  Richard  Batkas  Artikel  »Wunderhom- 
klinge*  befasst  sich  mit  den  Liedern  Theodor  Streichers,  den  Batka  als  Nachfolger 
Wolfs  betrachtet,  nur  dass  wir  bei  ihm  keinerlei  subjektive  Ich-Lyrik  finden,  son- 
dern einen  epischen  Grundzug,  eine  „Gegenstindlichkeit  des  Stils*. 

Le  M£NESTREL  (Paris)  1903,  No.  36-38.  —  Den  Hauptinhalt  der  Hefte  bildet  die 
gründliche  Untersuchung  »Werther*  von  A.  Boutarel;  femer  mögen  genannt 
werden  die  Aufeitzchen  »Schumann  et  la  musique  ä  programme*  (auf  Berlioz 
bezQglich)  und  »Berlioz  jug6  par  Wagner*;  beide  von  Raymond  Bouyer. 

LA  RfVUE  MUSICAL  (Paris),  1903,  No.  7.  —  Ein  sehr  stimmungsvoller  Artikel  von 
Louis  Laloy  gilt  »Ambroise  Thomas*,  der  zum  Schluss  sehr  hQbsch  mit  Auber, 
Adam  und  Bizet  verglichen  wird.  Vincent  d'Indy's  Aufsatz  »C6sar  Franck*  be- 
handelt hauptsichlich  »Psycho*,  »Redemption*  und  »Les  B6atitudes*,  von  denen 
u.  a.  gesagt  wird:  »Les  B6atitudes  n'en  restent  pas  moins  le  monument  musical  le 
plus  consid^rable  qui  alt  6t6  6difi6  depuis  la  messe  solennelle  de  Beethoven, 
et  cette  haute  et  expressive  musique  console  des  emphatiques  boursouflures  que 
des  compositeurs  tans  croyances  et  sans  convictions  artistiques  ont  accumul6es 
en  vue  de  l'effet,  tans  pr6texte  de  drame  sacr6*.  Die  Studie  »Un  organiste  au 
17.  sidcle*  von  Andr6  Pirro  behandelt  Nicolas  Gigault  Endlich  sei  noch  eine 
Arbeit  »J.  Ph.  Rameau  au  thdfttre*  von  Constant  Zakone  erwähnt. 

DAS  DEUTSCHE  VOLKSLIED  (Wien)  1903,  No.  8.  -  Von  grösstem  Interesse 
ist  ein  hier  wieder  abgedruckter,  aus  dem  Jahre  1884  stammender  Aufsatz  von 
Peter  Rosegger,  betitelt:  »Von  der  Vernachlässigung  unseres  alten  Volksliedes*. 
Rosegger  beklagt  die  Geschmacksverirrung  der  Gegenwart,  die  sich  von  den 
Schitzen  des  Volksliedes  —  des  echten  Volksliedes,  dessen  Dichter  und  dessen 
Komponist  gleich  unt>ekannt  sind  —  abwende  und  allerhand  Raffiniertes  vorziehe. 
Er  sagt  weiter:  »Ich  wQnsche  eine  Gesellschaft  zur  Pflege  des  alten  Volksliedes. 
Man  sollte  wenigstens  In  der  grossen  Stadt,  die  ein  Archiv  f&r  alle  Zweige  der 
Kultur  sein  soll,  wissen,  wohin  man  zu  gehen  hat,  wenn  man  die  alten  Volks- 
lieder hören  will,  die  unsere  Ahne  und  Mutter  gesungen,  nach  denen  unser 
Grossvater  geworben,  gejubelt,  gelitten,  gestritten  hat,  an  welchen  den  meisten 
Menschen  süsse  Erinnerungen  hingen.  Es  wQrde  sich  Ar  diese  Lieder  ein  grosses 
Publikum  finden  und  es  wQrden  diese  Lieder  allmählich  eine  Läuterung  des 
Geschmacks  vollbringen.  —  Auch  die  mit  zahlreichen  Notenbeispielen  ausgestattete 
Fortsetzung  des  Aufsatzes  »Das  Alpbacher  Almlied  und  seine  Abarten*. 


NEUE  OPERN 

Baron  Ludwig  Erlanger:  » Ritter  Olaf,*  ein  dreiaktiges  drmmatitches  Werk, 
zu  dem  der  Komponist  nach  der  Heineschen  Ballade  gleichen  Namens  das 
Buch  geschrieben,  wurde  von  Direktor  Angele  Neumann  in  Prag  zur  Auf- 
führung angenommen. 

Alexander  Fiks:  „Totentanz,*  eine  einaktige  Oper  von  Marg.  Möller,  wird 
an  der  Hofoper  in  Dresden  aufgeführt  werden. 

Kreglingen:  „Der  Christbaum,*  zu  dem  der  niederlindische  Komponist  selbst 
den  Text  verftisste,  wird  von  der  Neuen  niederlindischen  Oper  herausgebracht 
werden. 

Karl  Pottgiesser:  «Die  Heimkehr*  will  die  Direktion  des  Kölner  Stadttheaters 
zur  Uraufführung  bringen. 

Graf  Sa3m- Wittgenstein:  „Antonius  und  Kleopatra,*  grosse  Oper  in  vier 
Aufzögen  und  einem  Nachspiel  von  S.  H.  Mosenthal,  hat  im  Metzer  Stadt- 
theater eine  beißllige  Aufnahme  gefunden. 

Herman  Zumpe:  „Sa  vi  tri,*  die  nachgelassene  Oper  des  jungst  verstorbenen 
Generalmusikdirektors,  soll  von  Max  Schillings  vollendet  werden. 

AUS  DEM  OPERNREPERTOIRE 

Darmstadt:  An  Novitäten  sind  für  diesen  Winter  vorgesehen:  Karl  von  Kaskel 
(Der  Dusle  und  das  Babeli),  Saint-SaSns  (Samsoo  und  Dalila),  Leopold 
Reichwein  (Vasantasena). 

Dfisseldorf :  Direktor  L.  Zimmermann  hat  das  Musikdrama  „Kunihild*  von  C3rriU 
Kistler  erworben  und  sich  auch  die  Uraufführung  von  „Baldurs  Tod*,  des- 
selben Autors  jüngerem  Drama  in  Wagners  Stil,  gesichert  —  Zur  Berlioz- 
Feier  (am  11.  Dezember)  bereitet  die  hiesige  Bühne  eine  scenische  Auf- 
fuhrung von  „Fausts  Verdammung*  vor. 

Leipzig:  Eugen  d'AIberts  dreiaktiges  realistisches  Musikdrama  „Tiefland*  —  Dich- 
tung nach  A.  Guimera  von  Rudolph  Lothar  —  ist  von  der  Direktion  des 
Stadttheaters  zur  Aufführung  angenommen  worden. 

KONZERTE 

Brflssel:  Das  Programm  der  Ysaye-Konzerte  enthalt:  Beethoven  (Eroica; 
Violinkonzert),  Bizet  (Roma-Suite),  Corelli  (Violinkonzert),  C.  Franck 
(Balletmusik  aus  „Hulda*;  Lieder),  Hindel  (Concerto  grosso),  Liszt  (Faust- 
Symphonie),  Mozart  (g-moll-Symphonie),  Schumann  (Ouvertüre  zur  „Braut 
von  Messina*;  Klavierkonzert).  Novitäten:  d'Indy  (Symphonie),  Debussy 
(Drei  Notturnos),  Rachmaninof  (Klavierkonzert),  Tan6ielf  (Vorspiel  zu 
„Orestes*),  Glazounow  (Variationen  für  Klavier),  Rimski-Korsakolf  („Schehe- 
razade*),  Tscherbatchef  (Serenade  für  Orchester),  Dupuis  (Symphonische 
Dichtung),  Jongen  (Violoncellkonzert),  Vereuls  (Symphonie  für  Orchester 
und  Solovioline).  Ausserdem:  Lekeu  (Phantasie),  Rasse  (Rhythmische 
Symphonie),  Caetani  (Priludium  für  Orchester). 

19* 


202 
DIB  MUSIK  IIL  4. 


I>ariiistadt:    Du  Darmttidter  Streichquartett  (die  Herren:  Fr.  Mehmei, 

Gatt  Spohr,  Rieh.  Senff  ond  Aug.  Weynt)  spielt  an  seinen  vier  Kammer» 

maailuibenden:  Beethoven  (Quartett  op.  18  No.  6;  Serenade  op.  25^  D-dor, 

für  Röte^  Violine  ond  ViolaK  Brahma  (Zwei  Gesinge  mit  Viola-  und  Klayief^ 

begleitanii  op.  OIK  Haydn  (Quartett  op.  50  No.  3K   Moiair  (Quartett  C-dnr; 

Klavierquartett    Ea-dur)»    Schubert    (Quartett    d-moU)»    Schumann    (Quai^ 

tett  op.  41  No.  1;  Liederayklua  »Frauenliehe  und  -leben*),  Grieg  (Sonate 

fttr  Klavier  und  Violine  op.  45),   Iwan  Knorr  (Klavierquartett),  Saint-SaSas 

(Variatioiien  Aber  ein  Thema  von  Beethoven  fir  twei  Klaviere),  Tschai- 

kowshy  (Quartett  op.  30).    Mitwirkende:   Klara  Forbach  (Klavier),   Iduaa 

Walt•^Choiaanna  (Gesang),  August  Kdhler  (Fldte),  Karl  Friedbeig  (Klavier), 

Prits  Rehboch  (Klavier),  Ludwig  Weber  (KUvier). 

Mrankfürt  «%  IL:    Die  Kammermnaikvereinigung  fir  Blaaiaatrumeate 

(Plorence  Baasermaaa  und  die  Herren  Kdnits,  Müns,  Mechler,  Preusse,  Tnrfc) 

wird  in  ihren  drei  Konterten  tum  Vortrag  bringen:  Beethoven  (Quinteoe 

op.  16  und  op.  71)^  BrahSM  (Sonaie  op.  120  No.  2),  Hnber  (Sextett  op.  114)^ 

Klughardt  (Quintett  op.  79^  Rheinbetger  (Nonett  op.  13^  Rubinstein  (Quintett 

op.  5S|^  Voiboch  (Quintett  op.  2H»  Zemlinskf  (Trio  op.  ^ 

Hngott  L  W«:    MusiMirekior  Robert  Lange  hat  fir  aeiae  tiaf  Abonnements- 

konaerte,  die  die  Konaertgesellachaft  nter  Mitwirkung  des  Stidtiechen 

Gesangveieini^  des  Hager  Minneifesaatvefcias,  des  Lehiergessngverens 

und  des  Hitmeischm  PIrfttarieaischgn  Orchesters  aas  Dectmaad 

aMMHe^  lir  dienen  Winter  ibigenda  Werke  aur  Aullihruag 

HiaM  (MossissK  Schuaaaui  (Msnfredmnsik)^  Brahms  (Rhapsodie  fir  Attsolo 

und  Minnsrcheij^  Schüben  (Plranenchifc);  an  Oithnttiutikrin;  Dttiheitn 

(Paateralsi  mphonit ;  Leeneisasuvaitire    No.  3),    Schumann    (Erste  Sfas- 

phenl^    RidMttd  Sinmss  (Tod  und  Verkünmg),    Smusns  (Die  Mtliisj^ 

Unat  (Las    FtOtndas)»     SibcHus  (Der  Sdnmn),     Mman  (Ouvciiiie    iwr 

laubtHUtat  RidMttd  Wiener  (Verspisl  an  PhniMt,  H.  Deriioa  fOuvcisiffe 

RiSL  Kai«avi4^  Grieg  (Ihssr  Gfn^Snit^  Biaet(L*Ari<riiiinnr)|  W^erBcrinc 

(Antfciitiung  sna  Tan^^    An  SoUsten  sini  gtastintn;  Mary  Minrhhsg, 


293 
UMSCHAU 


GerttnergeIeiteteKaininerma8ikyereinigangwird4Abonnement8-Abeiide 
geben  und  neben  Klassischem  noch  Werke  von:  Brmhms,  DvoMk,  Henbner, 
Geoff  Schumann,  Sgambati,  Tscbaikowsky,  Volkmann  zum  Vortrag  bringen, 

lllknchen:  Von  vier  der  acht  Abonnements-Konzerte  der  Musikalischen 
Akademie  ist  das  Programm  festgesetzt:  Beethoven  (Eroica;  7.  Symphonie), 
Berlioz  (Ouvertfire  zu  «Benvenuto  Cellini*),  Brabms  (3.  Symphonie;  Variationen 
Qber  ein  Thema  von  Haydn ;  Akademische  Festouvertfire),  Liszt  (Die  Ideale), 
Schumann  (2.  Symphonie),  R.  Strauss  (Don  Juan),  Wagner  (Faust-OuvertQre; 
Parsifttl-Vorspiel),  Weber  (Euryanthe-Ouvertüre).  Dirigenten:  Max  Erd- 
mannsdörfer,  Fritz  Steinbach,  Franz  Fischer.  —  Ein  neues  Unter- 
nehmen plant  die  Veranstaltung  von  drei  grossen  Orchester-Konzerten 
(Kaim-Orchester  unter  Bernhard  Stavenhagen),  in  denen  ausschliesslich  neue 
Werke  mit  besonderer  Berücksichtigung  einheimischer  Komponisten  zum 
Vortrag  kommen  sollen.  In  Aussiebt  sind  genommen:  Brückner  (Q.Symphonie), 
Strauss  (Taillefer),  Boche  («Kirke%  Uraufführung),  Kl.  Pringsheim  (Das  Meer), 
Edgar  Istel,  Schirach  (Gesinge  mit  Orchester),  Joseph  Schmid  (Ouvertüre^ 
Gustav  Mahler  (3.  Symphonie),  Schillings  (Hexenlied). 

New«Tork:  Zu  einem  wichtigen  Faktor  im  hiesigen  Musikleben  werden  sich  in 
dieser  Saison  die  Wetzler-Symphonie-Konzerte  gestalten,  vor  allem 
deshalb,  weil  Richard  Strauss  sich  im  fünften  derselben  zum  erstenmale 
einem  amerikanischen  Publikum  präsentieren  wird.  Dieses  Konzert  findet 
am  25.  Februar  statt,  ist  das  letzte  der  regulären  Wetzler^Konzerte  und 
gleichzeitig  das  erste  des  aus  vier  Konzerten  bestehenden  Strauss- 
Festivals.  Frau  Strauss-de  Ahna  wird  in  allen  Konzerten  als  Singerin 
auftreten.  Hermann  Hans  Wetzler  wird  folgende  Werke  auffuhren:  Beethoven 
(Symphonie  A-dur  und  Ouvertüre  Leonore  III),  Scbut>ert  (Symphonie  C-dur), 
Brahma  (Symphonie  c-moll),  Tschaikowsky  (Symphonie  Path6tique),  Bach 
(Suite  in  Es;  orchest.  von  Wetzler),  Liszt  (Mazeppa),  Claude  Debussy  (Drei 
Nocturnes),  Glinka  (La  Jota  Aragonesa),  Mozart  (Bllser-Serenade).  Solisten: 
Susan  Metcalfe  (Sopran),  Jacques  Thibaud,  L.  Lichtenberg,  M.  Banner  (Violine), 
Harold  Bauer  (Klavier)  und  Frau  R.  Strauss. 

Teplitz:  In  den  sechs  philharmonischen  Konzerten  unter  Leitung  von 
Musikdirektor  Franz  Zeischka  werden  zur  Aufführung  kommen:  Beethoven 
(2.  Symphonie;  Romanze  G-dur),  Berlioz  (Symphonie  fsntastique;  Sylphentanz 
und  Ungarischer  Marsch;  Les  nuits  d'6t6;  Ouvertüre  zu  Rob  Roy),  Boehe 
(Odysseus'  Ausfahrt  und  Schilfbruch),  Brahma  (3.  Symphonie),  Brackner 
(k  Symphonie  und  Tedeum),  Dohninyi  (Klavierkonzert  e-moll),  Dvottk 
(Ouvertüre  op.  91),  Ernst  (Notturno  E-dur),  Hindel  (Arioso  mit  Orchester, 
Harmonium  und  Harfe),  Haydn  (1.  Symphonie  Es-dur;  Violoncellkonzert 
D-dur),  Hubay  (Seines  de  la  Czarda),  Liszt  (Mephisto-Walzer),  R.  Strauss 
(Violinkonzert  d-moll;  Don  Juan),  Tschaikowsky  (4.  Symphonie),  Wagner 
(Arie  aus  «Der  fliegende  Holländer*;  Trauermarsch  aus  der  »Götterdimme- 
rang";  Preislied  aus  »Die  Meistersinger  von  Nürnberg*).  Als  Solisten  sind 
au^Ahrt  Lula  Mysz-Gmeiner  und  die  Herren:  Hugo  Heermann,  Einst 
von  Dohnänyi,  Theodor  Bertram,  Jean  G6rardy  und  Hans  Giessen.  —  In 
den  drei  Konzerten  des  Vokal- Quartetts  Jeanette  Grambacher  de  Jong, 
Therese  Behr,  Ludwig  Hess  und  Arthur  van  Eweyk  kommen  Werke  von 
Brabms,  Haydn  und  R.  Schumann  zum  Vortrag.  —  Die  Gedenkfeier  für  Hugo 
Wolf  (22.  Febraar)  unter  Mitwirkung  von  Agnes  Bricht-Pyllemann  und  dem 


Kurorchester  bringt:  Penthesilea,  Italienische  Serenade,  sowie  Lieder.  —  Das 
Brüsseler  Streichquartett  (Franz  Schörg,  Hans  Daucher,  Paul  Miry  und  Jacques 
Gaillard)  führt  vor:  Beethoven  (op.  59  e-raoll),  Glazounow  (op.  64  a-moll), 
'  Haydn  (Kaiserquartett).  —  Im  April  veranstaltet  der  Dresdener  Mozart-Verein 
zum  Besten  des  Mozart-Denkmals  ein  grosses  Konzert. 
Würzbarg:  Die  Musikschule  unter  Leitung  von  Direktor  Dr.  Kliebert  bringt 
in  ihren  sechs  Abonnements-Konzerten  u.  a.  zur  Auffuhrung:  Beethoven 
(Eroica),  Berlioz  (Carnaval  Romain),  Brahms  (c-moll-Symphonie),  Poblig  (Per 
asperaad  astra),  Haydn  (Oxford-Symphonie),  Wolfrum  (Weibnachtsmysterium), 
femer  Orchesterwerke  von :  Brahms,  Mendelssohn,  Liszt  und  Kammermusik- 
werke von:  Beethoven,  Haydn,  Schubert  u.  a. 

TAGESCHRONIK 

Am  28.  Oktober  wurde  in  Stuttgart  das  Liszt-DenkmaP)  des  Bildhauers 
A.  Fremd  —  das  zweite  in  Deutschland  —  von  zahlreichen  Verehrern  des  Meisters 
begrüsst;  die  Hülle  war  schon  am  Abend  vorher  gefallen.  Das  Schöne  an  der 
Feier  lag  gerade  in  ihrer  Zwanglosigkeit.  Um  die  Mittagsstunde  pilgerte  man  hinaus 
in  die  Königl.  Anlagen,  fiber  die  Eberhardsgruppe  bis  zum  Rosenhfigel,  in  dessen 
Nähe,  vor  einer  Gruppe  mehrerer  AhombSume  und  einer  Silberpappel  das  Denkmal 
steht,  etwas  abseits  vom  Wege,  damit  das  Auge  im  idyllischen  Anblick  ruhen  kann. 
Der  Kopf  ist  nicht  bloss  herrlich  gelungen,  sondern  sogar  bedeutend  aufgefasst.  Die 
BQste  von  weissem  Marmor  ist  uberlebensgross;  wirkungsvoll  hebt  sie  sich  vom 
grauen,  ins  rötliche  spielenden  Sockel  ab  (aus  bayrischem  Muschelkalk),  an  dessen 
Seiten  ein  weitistiger  Lorbeer,  vorn  mit  der  Gestalt  des  lyraspielenden  Orpheus, 
herausgearbeitet  ist.  Der  gesenkte  Kopf  des  letzteren  bildet  einen  bedeutsamen 
Gegensatz  zu  dem  etwas  zurückgeworfenen  Haupte  des  Tondichters.  Ausser  von 
den  Begrüssenden  —  darunter  Siegfried  Wagner  und  den  Familien  Tbode  und 
Wolzogen  —  find  das  Denkmal  auch  seitens  der  Unbeteiligten  aufrichtige  und  warme 
Anerkennung.  Nachdem  die  Stifterin,  Frau  Hofrat  Klinckerfuss,  eine  Schülerin 
Liszts,  in  der  Öffentlichkeit  genannt  wurde,  müssen  wir  auch  hier  der  hochherzigen  Frau 
gedenken.  Am  Abend  des  28.  wurde  im  Interimstheater  die  ,»Heilige  Elisabeth*  gegeben. 
Es  war  eine  Festvorstellung,  wie  man  sie  weihevoller  und  künstlerisch  wirksamer 
nicht  wünschen  konnte.  Die  zurückhaltende  und  feinsinnige  Regie  Harlachers, 
das  stimmungsvolle  Orchester  unter  Pohligs  Leitung,  die  Vertreterin  der  Elisabeth 
(Frl.  Wiborg),  die  tadellosen  Chöre  —  kurz,  alle  Mitwirkenden  wetteiferten  im 
Strebon  nach  stilvoller  Wiedergabe.  Am  29.  dirigierte  dann  Siegfried  Wagner  noch 
Im  ersten  Abonnementskonzert  (Symphonieabend)  der  Hofkapelle  und  wurde  freund- 
lich, ja  mit  einer  gewissen  Herzlichkeit  vom  Publikum  aufgenommen.  Das  Denkmal 
Liszts,  umgeben  von  zahlreichen  Kränzen  zum  teil  aus  weiter  Feme  (seltsamer- 
weise fehlt  gerade  das  Stuttgarter  Konservatorium),  bildete  in  den  letzten  Tagen 
einen  wahren  Wallfthrtsort  und  kann  als  schöne,  stille  Sühne  betrachtet  werden 
für  manches,  was  hier  Unschönes  gegen  den  Meister  gesprochen  und  gehandelt 
worden  ist  Dr.  Karl  Grunsky. 

Am  29.  November  wird  der  Berliner  Altmeister  des  Flötenspiels,  Professor 
Heinrich  Gantenberg  sein  80.  Lebensjahr  in  verblltnismissig  grosser  körper- 
licher Rüstigkeit  vollenden.  Lange  Zeit  war  in  Berlin  kein  Konzert,  in  dem  eine 
Soloflöte  gebraucht  wurde,  denkbar,  ohne  dass  Gantenberg  auf  dem  Podium  er- 
schienen wire;  war  doch  sein  edler  Ton  und  seine  geschmackvolle  Vortragskunst 

V  Das  Bild  des  Denkmals  wird  im  II.  December-Heft  veröffentlicht  werden. 


295 

UMSCHAU 


ebenso  rQbmlichst  bekannt  wie  seine  unfehlbare  Tecbnik.  Wurden  im  Operabaus 
,Die  Hugenotten*,  »Lucia*,  »Orpbeus*  oder  sonst  eine  mit  einem  grösseren  Flöten- 
solo ausgestattete  Oper  gegeben,  so  durfte  Meister  Gantenberg  jedesmal  Qber 
rauschenden  Beifall  quittieren.  Als  Accessist  oder  Hülfsmusiker  war  er  schon 
mit  16  Jahren  in  die  Königl.  Kapelle  getreten,  um  anderthalb  Jahre  später  bereits 
den  ersten  Flötisten posten  im  Kaiser-Alexander-Garde-Grenadier-Regiment  zu  über- 
nehmen. Hier  blieb  er,  nachdem  er  1848  mit  nach  Schleswig  und  1849  nach 
Dresden  zur  Niederwerfung  der  dortigen  Revolution  gezogen,  bis  1.  Januar  1860, 
an  welchem  Tage  er  die  erste  Soloflotistenstelle  in  der  Königl.  Kapelle  übernahm 
und  neben  dem  Oboer  Wieprecht  und  dem  Klarinettisten  Pohl  der  Stolz  der 
Holzbläser  wurde.  Als  1872  die  Königliche  Hochschule  für  Musik  auch  eine 
Flötistenklasse  errichtete,  wurde  Gantenberg  zum  Leiter  derselben  erwihlt.  Diese 
Stellung  an  der  Hochschule  behielt  er  auch  bei,  als  er,  der  mittlerweile 
Königl.  Kammervirtuos  geworden  und  sowohl  den  Kronen-  wie  den  roten  Adler- 
orden erhalten  hatte,  am  1.  September  1892  aus  dem  anstrengenden  Operndienst 
schied.  Er  war  ein  begeisterter  Lehrer  und  hat,  bis  er,  durch  Verleihung  dss 
Professortitels  ausgezeichnet,  am  1.  April  1903  zugunsten  seines  Lieblingsschulers 
Emil  Prill  von  seinem  Lehramt  zurücktrat,  eine  überaus  stattliche  Schfilerschar 
herangebildet.  Er  hielt  übrigens  stets  an  der  alten  Flöte  fest  und  vermochte  sich 
nicht  zur  Böhmflöte  (1847  bereits  vollkommen  hergestellt)  zu  bekehren.     W.  A. 

Zuverlässiger  Mitteilung  zufolge  ist  das  Engagement  von  Felix  Mottl  als 
Generalmusikdirektor  der  Münchener  Hofiheater  perfekt.  Er  wird  schon  die  nächsten 
Wagner- Festspiele  leiten. 

Nach  18 jähriger  Tätigkeit  hat  Prof.  Sitt  sein  Amt  als  Dirigent  des  Leipziger 
Bach- Vereins  niedergelegt;  als  Nachfolger  ist  der  Organist  an  der  Thomaskirche 
Karl  Straube  gewonnen  worden. 

An  Stelle  Hellmesbergers  wurde  der  Solokorrepetitor  und  Chordirektor  des 
Wiener  Hofopemtheaters  Karl  Luze  zum  ersten  Dirigenten  und  Leiter  der  Wiener 
Hofmusikkapelle  (für  den  Kirchendienst)  ernannt. 

Als  Nachfolger  von  Waldemar  von  Baussnem  wurde  der  bisherige  Leiter  des 
Mozartvereins  in  Dresden,  Kapellmeister  Max  von  Haken,  zum  Dirigenten  des 
Dresdener  Chorvereins  ernannt. 

Der  Klaviervirtuose  Anton  Förster,  bisher  Lehrer  an  den  Ausbildungs- 
klassen des  Stemschen  Konservatoriums  in  Berlin,  ist  vom  1.  Oktober  1904  an 
in  gleicher  Eigenschaft  dem  hiesigen  Konservatorium  Klindworth-Scharwenka  ge- 
wonnen worden. 

Das  Musikbureau  der  Ausstellungsleitung  für  die  Weltausstellung  in 
St  Louis  1904  veröffentlicht  die  Bedingungen  für  den  Wettstreit  von  Gesang- 
vereinen, die  während  der  Dauer  der  Ausstellung  sich  am  Wettsingen  beteiligen 
wollen.    Die  Preise  bewegen  sich  zwischen  4-  und  18000  Mark. 

Auf  Anregung  eines  Wagnerverehrers  in  Halberstadt  hat  dort  eine  Auf- 
führung des  ersten  Aktes  der  „Walküre*  stattgefunden  mit  den  Herren  Burgstaller 
(Siegmund),  Lohfing  (Hunding)  und  Frau  Wittich  (Sieglinde)  unter  Leitung  von 
Kapellmeister  Hellmann.  Die  Scenerie  war  eigens  nach  Bayreuther  Muster 
angefertigt,  auch  die  Tieferlegung  des  Orchesters  fehlte  nicht.  Der  interessante, 
sehr  anerkennenswerte  Versuch  ist,  wie  uns  mitgeteilt  wird,  vollständig  geglückt. 

Anlässlich  seines  25jährigen  Dienstjubiläums  erhielt  der  Dannstädter  Hof- 
kapellmeister Willem  de  Haan  vom  Grossherzog  das  Ehrenkreuz  in  Gold  und 
den  Titel  Hofrat 


296 
DIE  MUSIK  III.  4. 


Am  7.  November  wurde  in  Leipzig  unter  allseitiger  Teilnahme  das  fOnfzig- 
jahrige  Besteben  der  Hof-Pianofortefabrik  Julius  Blütbner  gefeiert.  Der  Gründer 
der  Firma,  Kommerzienrat  Julius  Blütbner,  bat  sich  ganz  aus  eigener  Kraft,  mit 
eisernem  Fleiss  und  genialer  Begabung  vom  schlichten  Instrumentenscbreiner  zum 
Inhaber  eines  Weltgescbifts  von  unbestrittener  Bedeutung  emporgearbeitet 

Aus  dem  reichen  Inhalt  von  No.  75  der  Mitteilungen  der  Musikalien- 
handlung Breitkopr&  Hirtel  sind  hervorzuheben:  praktische  Einzelausgaben 
von  Berlioz,  Johannespassion  (H.  Reimann),  Gesamtausgabe  von  Job.  Herrn.  Schein 
(A.  Prüfer),  Morphy  (spanische  Lautenmeister  des  16.  Jahrb.);  femer  Lebens- 
beschreibungen von  Elgar,  Fiedler,  Jimefelt,  Kroger,  Catbarina  von  Rennes. 
Neu  ist  ein  Verzeichnis  der  wichtigsten  kircbenmusikalischen  Werke  eigenen  und 
fremden  Verlages,  Konzerthandbuch  Vll. 

Zu  einer  literarischen  Arbeit  bedarf  Herr  Emerich  Kastner  (Wien  VIII, 
Lammgasse  9)  der  Titel  aller  jener  Werke,  die  Brahms  gewidmet  wurden  und 
erbittet  gefl.  Mitteilungen  von  selten  der  Musikalienverleger  Deutschlands  und  des 
Auslands  an  seine  Adresse. 

Die  auch  von  uns  fUschlicberweise  totgesagte  Opemsingerin  Gabriele  Kraus 
ist,  wie  wir  zu  unserer  Freude  vernehmen,  von  ihrer  Krankheit  genesen  und  nach 
Paris  übergesiedelt.  Möge  sich  auch  bei  der  eh6dem  so  gefeierten  Künstlerin  der 
alte  Erfahrungssatz  glänzend  bewahrheiten! 

TOTENSCHAU 

Am  7.  Oktober  verschied  plötzlich  in  Mödling  bei  Wien  der  Vizehofkapell- 
meister der  kaiserl.  und  königl.  Hofmusikkapelle  Karl  Brückner.  Zu  seinem 
Nachfolger  wurde  Kapellmeister  Julius  Böhm  berufen. 

Auf  Capri  verstarb  im  Alter  von  71  Jahren  der  französische  Librettist  Camille 
du  Locle,  Mitart>eiter  von  Verdi  und  Emest  Reyer. 

Der  ausgezeichnete  spanische  Violinist  Jesus  Manasterio,  Gründer  der 
Madrider  Quartettgesellschaft,  ist  t>ei  Santander  gestorben. 

Im  Alter  von  61  Jahren  starb  der  französische  Opemkomponist  William 
C  bäum  et.  Am  bekanntesten  sind  geworden  «Bathyle*,  »Hdrode''  und  vor  allem 
i^Mamz'elle  Pioupiou*. 

Der  Bassist  Eduard  Decarli,  von  1872—1901  dem  Verband  der  Dresdener 
Hofoper  angehörig,  ist  in  Radebeul  einem  Herzleiden  erlegen. 

In  Paris  starb  der  Redakteur  und  Musikschriftsteller  Dr.  Oskar  Berggruen, 
früher  Advokat  in  Wien. 

Am  19.  Oktober  verschied  in  Fraustadt  der  bekannte  Musikschriftsteller  und 
Komponist  Rot>ert  MusioL 

Der  Komponist  Victorin  deJonci6res  (geb.  1839)  ist  in  Paris  gestorben. 
Anhinger  Richard  Wagners  hat  er  unter  den  neuzeitlichen  fhtnzösiscben  Ton- 
setzem  eine  hervorragende  Stellung  eingenommen.  Von  seinen  Opern  sind  haupt- 
sicblich  zu  nennen:  «Die  letzten  Tage  von  Pompeji*,  ,»Sardanapal*,  ,»Dimitri*  und 
Johann  von  Lothringen*.  Er  schrieb  femer  eine  Musik  zu  «Hamlet*,  Symphonieen, 
ein  Violinkonzert  u.  a.  Dreissig  Jahre  lang  war  er  Musikkritiker  der  «Libert6*. 
Die  «Musik*  wird  Im  II.  Dezember^Heft  ein  Bild  des  Künstlers  bringen. 

Am  4.  November  starb  in  Berlin  der  unvergessene  fHibere  Regisseur  und 
Bassist  der  Berliner  Hofoper  Heinrich  Salomon  im  Alter  von  78  Jahren. 


OPER 

AMSTERDAM:  Das  Hauptereignis  bildete  das  Gastspiel  von  Sigrid  Arnoldson,  die  bei 
der  .Neuen  Niederländischen  Oper**  als  Mignon,  Carmen,  Margarete  und  Trtviata 
auftrat.  Der  Zauber  ihrer  Persönlichkeit,  die  eigenartige,  reizvolle  Ausgestaltung  ihrer 
Rollen  und  ihre  bedeutende  Gesangskunst  gewannen  der  Künstlerin  aller  Herzen.  Das 
Bestehen  der  Niederlindischen  Oper  (Stadttbeater)  ist  durch  das  hochherzige  Eintreten 
von  Kunstfreunden  bis  zum  Ablauf  der  Spielzeit  gesichert  und  die  Oper  kann  nun  mit 
Ruhe  an  die  Lösung  ihrer  Aufgaben  herantreten.  Als  schöne  Frucht  der  neuen, 
glucklicheren  Periode  brachte  der  energische,  junge  Kapellmeister  Rothwell,  dem  jetzt 
die  künstlerische  Leitung  der  Oper  übertragen  ist,  eine  sorgßltige  Neueinstudierung 
von  Fidelio,  bei  der  sich  besonders  Frau  Bosse-Sommer  als  Leonore,  de  Voss  als 
Florestan  und  van  Duynen  als  Rocco  auszeichneten.  Hans  Augustin. 

BRESLAU:  Aus  der  Fülle  der  „Neustudierungen«,  mit  denen  wir  allwöchentlich  über- 
flutet werden,  einzelne  besser  gelungenen  herauszugreifen,  hätte  wohl  keinen  Zweck. 
Der  Tatsache  gegenüber,  dass  die  Direktion  bisher  in  47  Tagen  der  Spielzeit  63  Opem- 
und  Operetten-Aufführungen  auf  ihren  drei  Bühnen  (NB.  mit  einem  Chor,  einem 
Orchestf.r)  veranstaltet  hat,  bedarf  es  keines  Beweises,  dass  in  dieser  Theaterlotterie 
die  Aufführungsnieten  überwiegen,  grosse  Treffer  kaum  je  vorkommen.  Von  unseren 
Solisten  wäre  zu  berichten,  dass  sich  Hans  Siewert,  unser  junger,  lyrischer  Tenor,  mit 
Lyonel  und  Manrico  noch  fester  der  Gunst  der  Hörer  versichert  hat,  und  dass  Francis 
Rose  mit  bestem  Erfolg  zum  ersten  Male  an  die  Senta  herangetreten  ist.  Dann  ge- 
niessen  wir  gegenwärtig  ein  auf  längere  Zeit  berechnetes,  nicht  alltägliches  Gastspiel, 
das  eines  jungen,  italienischen  Baritonisten,  Pasquale  Amato,  von  dem  sein  Vater- 
land noch  wenig  weiss,  der  sich  aber  in  Breslau  einen  künstlerischen  Spezialkredit  ver- 
schafft hat.  Herr  Amato  war  im  Sommer  mit  einer  italienischen  Truppe  bei  uns  und 
glänzte  dort  mit  starker  Spielbegabung,  anständiger  (für  italienische  Verhältnisse  aber 
nicht  hervorragender)  Gesangskunst  und  schönen  hohen  Brusttönen  im  Kreise  massiger 
Landsleute  als  Stern.  Die  hiesige  Direktion  hat  ihn  darauf  zu  einem  Wintergastspiel 
eingeladen  und  Herr  Amato  singt  jetzt  Rigoletto,  Luna,  Alfio,  Tonio  und  dergleichen 
italienisch  inmitten  unserer  deutschen  Sänger.  Um  einen  derartigen  Sprachmischmasch 
halbwegs  zu  rechtfertigen,  ist  aber  Herr  Amato  doch  wohl  nicht  bedeutend  genug.  Die 
Direktion  soll  die  Absicht  haben,  Herrn  Amato  deutsch  lernen  zu  lassen  und  dauernd 
zu  verpflichten.  Ich  glaube,  beide  Teile  würden  sich  schlecht  dabei  stehen.  Gerade 
ein  italienischer  Sänger  schlüpft  nicht  in  eine  deutsche  Haut,  ohne  bei  dem  Wechsel 
seine  besten  und  eigentümlichsten  Vorzüge  einzubüssen.         Dr.  Erich  Freund. 

DRESDEN:  Im  königlichen  Opemhause  machte  man  am  16.  Oktober  den  Versuch, 
Aubers  dreiaktige  komische  Oper  »Der  schwarze  Domino*  dem  Spielplan  nach 
langer  Pause  wieder  einzufügen,  aber  das  Ergebnis  war  wenig  befriedigend.  Der  allzu 
ausgedehnte  Dialog  ermüdete  die  Hörer  und  Hess  den  musikalischen  Teil  so  zerrissen 
erscheinen,  dass  man  zu  keinem  einheitlichen  Genuas  kommen  konnte.  Soll  diese 
graziöse,  leichte  und  farbenprächtige  Musik  der  Zukunft  erhalten  bleiben,  so  muss  eine 
geschickte  Hand  das  Textbuch  so  umarbeiten,  dass  der  Dialog  wesentlich  verkürzt  und 
die  ganze  Handlung  stärker  konzentriert  wird.  Die  hiesige  Neueinstudierung  wurde  auch 
durch  die  nicht  sehr  glückliche  Besetzung  der  Rollen  beeinflusst  und  so  ist  «Der  schwarze 


298 
DIE  MUSIK  III.  4. 


Domino*  bereits  wieder  vom  Spielplan  verschwunden.  Am  30.  Ol^tober  erlebte  die  Musik- 
tragödie  .Odysseus'  Tod**  von  August  Bungert,  das  mit  Spannung  erwartete  Schluss- 
werk  der  Odysseus-Tetralogie,  ihre  Uraufführung.  Der  Erfolg  blieb  nicht  unwesentlich 
hinter  dem  zurück,  den  Bungerts  frühere  Odysseus-Dramen  in  den  letzten  Jahren  hier 
gefunden  haben.  Das  Publikum  spendete  wohl  nach  jedem  Fallen  des  Vorhangs  Beifall, 
aber  die  Wärme  und  Begeisterung  wollte  sich  nicht  einstellen  und  erst  am  Schlüsse  des 
ganzen  Werkes  konnte  der  Dichterkomponist  mit  den  Darstellern  und  Generalmusik- 
direktor von  Schuch  zahlreichen  Hervorrufen  Folge  leisten.  Die  Mingel  des  Textbuches, 
das  trotz  vieler  dichterischen  Einzelschönheiten  wohl  das  schwächste  der  Tetralogie  ist, 
erklären  manches.  Der  Autor  hat  eine  an  sich  kurze  Begebenheit  durch  allerlei  sym- 
bolische Zutaten  so  stark  verbrämt,  dass  sich  der  Hörer  nur  schwer  zurechtfindet.  Be- 
sonders erdrückt  die  Breite  des  ersten  Aktes  die  lebendige  Wirkung.  Unstreitig  ist  vieles 
an  der  Symbolik  Bungerts  tief  und  schön  ersonnen,  aber  der  dramatische  Fluss  leidet 
erheblich  unter  all  den  dunkeln  Dingen,  die  da  «hineingeheimnist*  worden  sind.  Dazu 
kommt  noch,  dass  die  Handlung  starke  Anklänge  an  Wagners  «SiegfHed*  und  «Götter- 
dämmerung*  aufweist,  was  zu  Vergleichen  Anlass  gibt,  die  naturgemäss  nicht  zum  Vor- 
teil für  Bungert  ausschlagen.  Musikalisch  erscheint  mir  «Odysseus'  Tod*  dagegen  als 
das  reifste  der  vier  Dramen  des  Zyklus.  Es  steckt  sehr  viel  Erfindung  in  dieser  Partitur, 
die  düstem  Stimmungen  werden  sicher  getroffen  und  in  den  Liebesscenen  walten  Feuer 
und  eindringliche  melodische  Schönheit.  Auch  das  Orchester  ist  meinem  Empfinden 
nach  weit  modemer  und  ausdrucksvoller  behandelt  als  in  den  vorhergebenden  Werken, 
ohne  dass  Bungert  dabei  den  eigenartigen,  herben,  durch  die  starke  Ausnützung  der 
Trompeten  bewirkten  ehern-bebenden  Klang  aufgegeben  hätte,  der  ihm  zur  musikalischen 
Charakterisierung  seiner  altklassischen  Heroenzeit  dient  Weiter  muss  dem  Komponisten 
auch  der  Widerstrebende  zugestehen,  dass  ein  grosser  Zug  sein  Werk  durchweht  Es 
ist  ein  grosses,  ernstes  Wollen,  das  auch  aus  ^Odysseus'  Tod*  zu  uns  redet  und  das  zu 
verkennen  oder  gering  zu  schätzen  um  so  ungerechter  wäre,  je  weniger  wir  seit  dem 
Auftauchen  Bungerts  als  Dramatiker  Opemneuheiten  gehabt  hat>en,  die  auf  dauernde 
Bedeutung  irgendwie  Anspruch  erheben  können.  Die  Aufführung  war  mit  der  erdenk- 
lichsten Sorgfalt  vorbereitet;  neben  Herrn  von  Schuch,  in  dem  Bungert  einen  geistvollen 
und  begeisternden  Interpreten  fknd,  seien  als  Vertreter  der  Hauptrollen  die  Damen 
Abendrotb,  von  Chavanne  und  Eibenschütz  sowie  die  Herren  Scheidemantel,  Burrian 
und  Jäger  genannt  F.  A.  Geissler. 

DÜSSELDORF:  Am  1.  September  öffneten  sich  wieder  die  Pforten  des  Stadttheaters. 
Zugleich  begann  die  Ära  des  neuen  Direktors  Ludwig  Zimmermann.  Neue 
Oberleitung,  neue  Besetzung  aller  Hauptfächer,  in  denen  mehrere,  meist  begabte  jungen 
Kräfte  miteinander  alternieren,  ein  vorzüglicher  Oberregisseur,  Oskar  Fiedler,  zwei  erste 
Kapellmeister,  Alfred  Fröhlich  und  Dr.  Walter  Rabl,  endlich  ein  wesentlich  verstärkter 
Chor,  ein  ausreichendes  Balletensemble  erwarben  sich  rasch  das  unbedingte  Vertrauen 
der  Theaterfreunde.  Zwanzig  verschiedene  Werke  kamen  bis  heute  heraus.  Eine  aus- 
gezeichnet arbeitende  Regie  ermöglichte  abgerundete,  harmonisch  wirkende  Vorstellungen. 
Als  Novität  fand  das  »Mirakel":  »Der  Gaukler  unserer  Lieben  Frau"  von  Massenet 
bei  geradezu  glänzender  Inscenierung  grossen  Beifall.  Caesar  Krause  (Gaukler),  Gustav 
Waschow,  ein  hervorragend  stimmbegabter  Bariton  (Bonifacius),  Heinrich  Gärtner,  ein 
famoser  Bassist  (Prior),  zeichneten  sich  dabei  besonders  aus.  Die  »Engel*  sangen 
Hermine  Förster  und  Klara  Bellwidt  entzückend.  Im  Engel-Chore  wirkten  alle  Solisten  mit 
Regle  und  Ausstattung  waren  mustergültig.  Durch  Stileinheit  und  vortreffliche  Inscenie- 
rung ragte  auch  die  Neueinstudiening  von  Mozarts  »Figaros  Hochzeit*  hervor.  Das 
Orchester  verdiente  stets  hohes  Lob.  A.  Eccarius-Sieber. 


299 
KRITIK:  OPER 


ELBERFELD:  Sigrid  Arnoldson  konnten  wir  als  «Mignon*  und  «Traviata*  bewundern.  — 
Cyrill  Kistler  hat  mit  seiner  Volksoper  .Röslein  im  Hag%  die  hier  ihre  Ur- 
aufführung erlebte,  einen  Achtungserfolg  errungen.  Die  teils  recht  flache,  teils  recht 
niedliche  Dichtung  entstammt  der  Feder  der  Munchener  Hofschauspielerin  Alexandra 
Kolbe.  Die  einfache  Handlung  spielt  in  einer  kleinen  Stadt  um  1500  und  wie  in  den 
^Meistersingern''  erwirbt  schliesslich  ein  Minnelied  dem  rechten  Sänger  die  Braut,  »Das 
Röslein  im  Hag*.  Wenn  Kistler  hier  auch  unter  dem  Einfluss  Wagners,  Lortzings,  ja 
Nesslers  steht,  so  weiss  er  doch  auch  eigene  Wege  zu  gehen.  Seine  Musik  ist  äusserst 
melodiös  und  ansprechend,  die  Instrumentation  aber  für  diese  Operngattung  und  den 
volkstumlichen  Stoff  im  allgemeinen  zu  stark  und  massig;  die  ihr  anhaftende  Monotonie 
hätte  durch  eine  lebhaftere  Mischung  der  Klangfarben  vermieden  werden  können.  Die 
Verwendung  des  Volksliedes,  wie  die  Charakteristik  der  an  die  „Meistersinger'*  erinnern- 
den handelnden  Personen  ist  nur  teilweise  gegluckt.  Im  zweiten  Akt  nimmt  der  Komponist 
einen  bemerkenswerten  Aufschwung,  um  im  dritten  Akt,  der  namentlich  herzhafte  Striche 
verträgt,  wieder  abzufallen.  Um  das  Gelingen  der  Aufführung  machten  sich  mit  Chor 
und  Orchester  Kapellmeister  Sauer,  ein  Schüler  Kistlers,  und  Oberregisseur  Goldberg, 
besonders  durch  das  geschickte  Arrangement  der  zahlreichen  Volksscenen,  verdient, 
ausserdem  Alice  Kaliina  (Rose)  und  Emil  Sorani  (Spielmann),  ferner  Wilhelm  Wissiak 
als  drolliger  Schmied  und  plumper  Freiersmann  und  Georg  Förster  als  dürrer,  auf- 
geblasener Stadtschreiber  Florian.     Der  anwesende  Komponist  wurde  gerufen. 

Ferdinand  Schemensky. 

FRANKFURT  a.  M.:  Ihre  erste  deutsche  Aufführung  erlebte  am  20.  Oktober  an  unserer 
Bühne  die  Oper  «Die  Meeresbraut",  Text  des  Originals  von  Nestor  deTidre, 
Musik  von  Jan  Blockx.  Der  Komponist  war  anwesend  und  konnte  mit  der  Auf- 
nahme, die  sein  Werk  und  er  fanden,  recht  zufrieden  sein,  aber  noch  bedeutend  mehr 
mit  der  Güte  der  Darstellung,  dem  schönen  Wetteifer  aller  Beteiligten,  ihr  Bestes  mit 
in  die  Wagschale  des  Erfolges  zu  werfen.  Wirklich,  unsere  Oper  konnte  mit  dieser 
Wiedergabe  Staat  machen.  Die  Handlung  ist  eine  vlämische  Fischerdorftragödie;  im 
Mittelpunkt  steht  ein  armes,  schwärmerisch  und  träumerisch  beanlagtes  Mädchen,  das 
sich  nicht  in  den  Gedanken  finden  kann,  dass  sein  Schatz  im  Meere  ertrunken  ist. 
Die  Eltern  drängen  sie  aus  Egoismus  zur  Heirat  mit  einem  anderen,  braven  und  vor 
allem  reicheren  Freier;  eine  Rivalin,  ihres  Handwerks  MG&rnaalmeisje"  d.  i.  Krabben- 
flscherin,  missgönnt  ihr  den  neuen  Bräutigam  und  verfolgt  die  ohnehin  schon  von  Ge- 
wissensqual Bewegte  mit  einer  düsterschauerlichen  Ballade,  bis  sich  Kerlien  —  so  heisst 
die  leidende  Heldin  des  Stücks  —  im  Wahnsinn  ins  Meer  stürzt,  just  zur  Stunde,  als 
die  jährliche  Zeremonie  der  «Meeressegnung "  vorgenommen  wird;  gleichzeitig  wird 
aber  auch  die  böse  Gameelenflscherin  von  einem  eifersüchtigen  Strandläufer  erstochen: 
nach  gemächlich  vorschreitender  Handlung  eine  starke  Anhäufung  von  Effekten  am 
Schluss,  welcher  doch  der  Effekt  nicht  ganz  entspricht.  Der  Stil  der  musikalischen 
Komposition  ähnelt  dem  des  italienischen  Verismus,  steht  aber  höher  in  der  leit- 
motivischen Durchbildung,  die  von  vielem  Geiste  zeugt,  aber  allerdings  aufs  grosse 
Publikum  weniger  Eindruck  macht  als  die  gelegentlich  eingeflochtenen  «geschlossenen 
Melodieen*,  die  wohl  dem  Volkstone  entlehnt  sind.  So  die  alte  Ballade  von  den  zwei 
Königskindem,  die  bedeutungsvoll  die  Handlung  eröffnet  und  später  noch  öfter  hinein- 
klingt, ein  Fischerliedchen  der  koketten  Rivalin  mit  einer  Grazie  vom  massiveren,  nieder- 
deutschen Schlage,  und  die  düstere  Ballade  in  äolischer  Tonart  „Vom  gebrochenen  Eid^'. 
Künstlerisch  wohl  noch  anziehender  und  mehr  aus  dem  Eigenen  des  Tonsetzers  heraus- 
entwickelt ist  die  Art,  wie  das  reich  bedachte,  aber  nicht  aufdringliche  Orchester  die 
wachsende  Verdüsterung  im  Gemütsleben  Kerliens  andeutet    Manches  andere  ist  im 


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DIE  MUSIK  III.  4. 


Ausbau  etwas  kfihl  und  verstandesmässig  ausgefkllen ,  einiges,  wie  das  Liebesdnett 
Kerliens  mit  ihrem  ersten  Freier  streift  leicht  ans  Banale.  Die  Intentionen  des  schaffen- 
den Kunstlers  unterstfitzte  Elsa  Hensel  durch  ihre  Wiedergabe  der  Hauptrolle  vortrefflich ; 
temperamentvoll  und  tonschön  gab  Frau  Kemic  die  Gameelenflscherin«  den  Strandlinfier 
schilderte  Richard  Breitenfeld  comme  il  f^ut  als  einen  gefihrlichen  aber  ganzen  KerL 
Das  Stuck  wird  sich  hier  kaum  lange  halten,  aber  nach  Erfolgen  wie  z.  B.  von  Charpentier's 
i^Louise*  wire  es  nicht  ausgeschlossen,  dass  es  anderswo  noch  festeren  Fuss  fasste. 

Hans  Pfeilschmidt 

HAAG:  Die  französische  Oper  eröffnete  die  Saison  unter  günstigeren  Umständen  als 
im  vorigen  Jahre.  Von  den  Solisten  gefielen  Mme.  Marignan  als  Traviata;  Mme. 
Savine  als  Carmen  genfigte  weniger.  —  Die  «Neue  niederländische  Oper*  (Palaisoper) 
brachte  .Mignon*  mit  Sigrid  Amoldson  in  der  Titelrolle.  Auch  bei  diesem  Unternehmen 
muss  man  das  ernste  Streben  der  Direktion  anerkennen.  —  Weniger  glficklich  war  die 
Direktion  der  zweiten  niederländischen  OpemgesellschafI  (Stadttheater  von  Amsterdam) 
mit  der  Aufführung  von  Beethovens  «Fidelio*.  Otto  Wernicke. 

KÖNIGSBERG  i.  Pr.:  Die  bisherige  Tätigkeit  unserer  Oper  in  der  neuen  Spielzelt 
kann  nicht  zu  Lobliedern  begeistern.  Die  neuengagierten  Kunstler  bedeuten  keine 
Verbesserungen  ihrer  Fächer  gegen  das  vorige  Jahr.  Die  Direktion  macht  auch  keine 
Anstrengungen,  eine  höhere  Kunststufe  mit  ihren  Opemtaten  zu  gewinnen.  Das  beste 
war  eine  Auffuhrung  von  »Figaros  Hochzeit*,  die  schon  im  vorigen  Winter  mit  dem 
köstlich  vornehmen  Grafen  v.  Ulmanns  einen  Glanzpunkt  in  dem  Gran  trüber  Stadt- 
theateralltäglichkeit bildete.  Das  Publikum  sagt  und  schreibt  oft  seine  Unzufriedenheit 
mit  den  Zuständen,  hat  aber  gleichwohl  um  die  Abonnements  gekämpft  und  bereitet 
schlechte  Auffuhrungen,  z.  B.  des  »Lohengrin*,  vom  Wagnerschen  Geiste  fortgerissen, 
mit  Beifall.  Daher  sich  denn  auch  die  Direktion  nicht  bewogen  ffihlt,  Besserung  zn 
schaffen.  Premieren  gab  es  von  Lehärs  militärmusikantischer  Operette  «Der  Rastelbindet* 
und  letzhin  von  Kaskels  »Dusle  und  Babeli*'.  Paul  Ehlers. 

LEIPZIG:  Abgesehen  von  dem  dankenswerten  Einspringen  des  Kammersängers  Zeller 
aus  Weimar  ffir  die  Partie  des  Junker  Stolzing  und  der  Frau  Bener  aus  Hambnif 
als  Götterdämmerungs-Brunnhilde  hat  sich  der  Wagner-Zyklus  im  hiesigen  Stadttheater 
ganz  programmgemäss  abgespielt.  Wirkliche  Wagner- Festspiele  hatte  man  trotz  der 
mehreren  Gastkunstler  und  Gastdirigenten  nach  Lage  der  Dinge  hier  nicht  erwarten 
können,  und  so  nahm  man  denn  dankbaren  Sinnes  die  im  ganzen  besser  vorbereiteten 
tmd  zum  Teil  wfirdig  l>esetzten  Reproduktionen  entgegen,  zumal  in  dem  um  der  sensa- 
tionellen Dirigentengastspiele  willen  meist  ausverkauften  Hause  viel  guter  Begeistenings- 
wUle  vorhanden  war,  der  sich  betätigen  wollte  und  mnsste.  Die  Meistersinger-Auffuhrnng 
unter  Prot  Panzner  war  ein  wenig  Schnellmalerei,  die  Wiedergabe  der  Nibelungentetralogie 
tmd  des  Tristan  unter  Prof.  Nikisch  schon  eher  das  Gegenteil;  doch  hat  man  bei  den 
letzterwähnten  Auffuhrungen  sich  hat  durchweg  an  äusserst  feinen  und  klangschönen 
Orchesterleistungen  erfreuen  können.  Neben  den  Gastleistnngen  auf  der  Buhne,  dem 
edel  tifflbrierten  Wolfram  und  Wanderer  des  Dresdener  Kammersängers  Perron  tmd  der 
stimmhaft  grosszugigen  Isolde  der  Frau  Leffler-Burckard  vom  Königl.  Theater  in  Wies- 
baden, taten  sich  vom  einheimischen  Personale  besonders  hervor  Herr  Urins  als  RienzI, 
Siegfried  und  Tristan  des  dritten  Anfenges,  Fran  Doenges  als  Irene  iwd  Sieglinde,  Herr 
Moers  als  Loge  und  Siegmund,  Frl.  Sengem  als  Adriano,  Herr  Schfitz  als  Hans  Sachs, 
Herr  Kunze  als  Alberich  und  Beckmesser  und  Herr  Mari  n  als  unverwüstlicher  Re- 
pfisentant  des  Mime  nnd  des  David.  Nach  Schlnss  des  Wagner-Zyklus  hat  die  Oper 
mit  »AIHkanerin*,  .Der  Widerspänstigen  Zähmung",  »Die  lustigen  Weiber*  (Gastspiel 
der  Kammersängerin  Banmann  von  hier),  .Hansel  nnd  Gretel«  und  .Bajazzo«  wieder 


301 
KRITIK:  OPER 


ins  Repertoire-Fahrwasser  eingelenkt  und  vor  der  ersten  Novität  wird  es  wohl  kaum 
mehr  etwas  Wichtigeres  zu  berichten  geben.  Übrigens  ist  Eyslers  Operette  «Bruder 
Straubinger*  nun  auch  hier  mit  recht  gutem  Erfolge  in  Scene  gegangen. 

Arthur  Smolian. 

MAGDEBURG:  Der  Spielplan  unserer  Oper  hat  bisher  dem  Stadttheater  noch  keinen 
«grossen  Abend*  gebracht;  er  blieb  in  bekannten  Grenzen  des  Herkömmlichen. 
Die  Personalfragen  sind  noch  nicht  alle  gelöst,  erst  der  Monat  November  wird  eine  er- 
wünschte Stetigkeit  bringen.  Unter  dem  neuen  Kapellmeister  August  G öl  1  rieh  nimmt 
das  Institut  aber  einen  starken  inneren  Aufschwung.  Dieser  mittelgrosse,  bewegliche 
Mann  mit  den  blitzenden  Augen,  gehört  mit  in  die  erste  Reibe  derer  vom  Taktstock. 
Vom  Handwerker,  vom  »Ruderknecht*  ist  hier  nichts  mehr  vorhanden;  seine  Darbietungen 
tragen  einen  eminent  künstlerischen  Zug.  Dabei  umfasst  sein  Blick  mit  der  gleichen 
Liebe  Vergangenheit  und  Gegenwart.  Solche  stilreinen  Aufführungen  von  «Figaros 
Hochzeit*,  vom  „Holländer^S  von  „Romeo  und  Julia''  und  „Carmen*'  hat  das  hiesige 
Theater  vorher  kaum  gekannt.  In  Aussicht  steht  der  „Ring"  und  „Fausts  Verdammnis'' 
von  Berlioz.  An  diesen  Abenden  wird  der  Dirigent  wahrscheinlich  auch  diejenigen 
trigeren  Geister  und  langsamer  Denkenden  von  seiner  grossen  Befähigung  fiberzeugen, 
die  sich  gestutzt  auf  einige  Kenntnis  des  Violin-  und  Bassschlussels  „gute  alte  Zeiten" 
zurfickwfinschten.  —  An  kleineren  Werken  erlebte  Paörs  Oper  „Der  Herr  Kapell- 
meister" in  der  Bearbeitung  von  W.  Kleefeld  und  H.  Brenn ert  eine  erfolgreiche 
Auffuhrung  unter  demselben  Dirigenten.  Max  Hasse. 

MANNHEIM:  Ibsens  „Fest  auf  Solhaug"  mit  der  Musik  von  Hans  Pfitzner  er- 
öffnete am  1.  September  die  neue  Spielzeit.  Seit  der  Ur- Aufführung  des  Werkes 
in  dieser  Gestalt  (Mainz  1895)  ist  Mannheim  die  erste  Bühne,  welche  die  nun  bei 
Feuchtinger- Stuttgart  verlegte  Musik  mit  dem  Drama  zur  Aufführung  brachte.  Der 
Komponist,  dessen  „Rose  vom  Liebesgarten"  demnächst  herausgebracht  wird,  wohnte 
der  Eröffnungsvorstellung  bei  und  hatte  die  Freude,  zu  sehen,  wie  seine  Jugendarbeit 
hier  sehr  gut  gefiel.  Als  erste  Opern -Novität  ging  Donizetti's  „Don  Pasquale"  über  die 
BGhne,  und  das  reizvolle  Werk,  das  Rossini's  „Barbier"  nicht  so  sehr  weit  nachsteht, 
gefiel  ganz  ausserordentlich.  Carl  Marx  ist  allerdings  ein  köstlicher  Vertreter  der  Titel- 
partie,  und  Elisabeth  Suchanek  gab  die  ungezähmte  widerspenstige  Norina  in  jeder  Hin- 
sicht gut.  Die  erste  „Ring"- Aufführung  wurde  ausschliesslich  durch  einheimische  Kräfte 
bestritten.  Margarethe  Brandes  (Brunnhilde)  ist  tief  in  den  Geist  ihrer  Rolle  eingedrungen, 
und  Friedrich  Carl6n  bot  als  Loge,  Siegmund  und  Siegfried  eine  brillante  Leistung.  In 
Alfred  Sieder  hat  unsere  Bühne  einen  ausgezeichneten  Minie  erhalten.  Max  Bucksath 
als  stimmgewaltiger  Wotan  hielt  sich  sehr  tapfer  wie  das  übrige  Ensemble.  Die  Auf- 
führungen fanden  in  Willibald  Kahler  einen  berufenen  musikalischen  und  in  Eugen 
Gebrath  einen  gediegenen  scenischen  Leiter.  K.  Eschmann. 

MÖNCHEN:  In  der  jüngsten  „Zauberfiöte"- Aufführung  sangen  zwei  Gäste,  FrL 
Reinisch  aus  Berlin  die  Königin  der  Nacht  und  Frl.  Gehrer  die  Papagena.  Erstere 
ist  im  Koloraturfach  bewandert,  aber  ohne  ausreichend  frische  Stimmmittel;  sie  macht 
den  Eindruck  einer  Sängerin,  die  den  Höhepunkt  ihrer  Leistungsßhigkeit  bereits  über- 
schritten hat.  Etwas  mehr  Glanz  hat  der  Sopran  Frl.  Gehrers,  die  ihre  Rolle  mit 
technischem  Geschick,  doch  geringem  Reiz  durchführt.  Sonst  ist  nichts  Besonderes  zu 
berichten.  Hugo  Reichenberger  hat  mit  Thutlles  „Lobetanz"^  den  er  im  verflossenen 
Jahr  an  der  Spitze  des  Stuttgarter  Hoforchesters  hier  dirigierte,  sein  neues  Kapellmeister- 
amt erfolgreich  angetreten.  Man  bringt  ihm  Sympathieen  entgegen,  die  sicher  nicht  bloss 
dem  Sohn  des  verstorbenen  Magistrats-  und  Kommerzienrats  gelten.  Die  Generalmusik- 
direktorenfrage ist  anscheinend  noch  in  der  Schwebe.    Das  Gerficht  aber,  dass  Mottl 


302 
DIE  MUSIK  III.  4. 


der  kommende  Mann  sein  werde,  tritt  immer  bestimmter  auf;  sogar  die  näheren  Be- 
dingungen, unter  denen  der  Karlsruher  Dirigent  fOr  unsere  Hofbfihne  verpflichtet  worden 
sei,  sind  heute  bekannt.  Es  wird  aber  wohl  einige  Zeit  verstreichen  bis  zur  offiziellen 
Bestätigung.  —  Die  erste  der  angekündigten  Premieren,  Hugo  Wolfs  „Corregidof^  steht 
unmittelbar  bevor.  Dr.  Theodor  Kroyer. 

PRAG:  Weniger  interessant  als  sonst  hebt  diesmal  die  Saison  an.  Im  Neuen  deutschen 
Theater  bildet  die  Suche  nach  einem  Wagnertenor  fOr  den  plötzlich  verstorbenen, 
trefflichen  Eisner  das  erregende  Moment.  Holdak  (Hannover)  vorsang  als  Tristmn* 
Briesemeister  begeisterte  als  Loge,  gefiel  als  Siegmund,  holte  sich  als  Evangelimann 
eine  Schlappe  und  eine  Niederlage  als  Siegfried.  Ober  den  Mangel  an  Stimmreiz  hebt 
die  geistvolle  Darstellung  eben  nicht  immer  hinweg . . .  Unglück  hatte  die  Oper  mit 
ihrer  ersten  Neuheit,  „Zaire^'  des  Franzosen  P.  V.  de  la  Nux.  Die  noble,  aber  in  kon- 
ventioneller Gesangspose  einherschreitende,  auf  die  Dauer  langweilige  Musik  erzielte 
trotz  einer  vorzuglichen  Aufführung  nur  ein  flasco  d'estime.  Wo  Massenet's,  Chabrier*s, 
Charpentier's  Muse  nicht  zu  Worte  kommt,  durfte  um  so  mehr  auf  Mr.  de  la  Nux  ver- 
zichtet werden.  Der  Lichtpunkt  des  Spielplans  war  bisher  Humperdincks  „Hinsei  und 
Gretel**,  das  Leo  Blech  mit  ungemeiner  Liebe  von  Grund  auf  neustudiert  hat  Auch 
hebt  sich  die  Operette  und  die  neue  Diva,  Frau  Fischer-Frey,  bringt  Offenbach  und 
Supp6  zu  neuen  Ehren.  —  Das  tschechische  Nationaltbeater  führt  noch  ein  Wiederkiuer- 
dasein.    Wirklich  „neue  Taten^  soll  auch  hier  erst  der  November  zeitigen. 

Dr.  R.  Batka. 

STOCKHOLM:   Einige  hervorragenden  auswärtigen   Singer   und  Singerinnen   haben 
hier  Gastrollen  gegeben,  darunter  die  berühmte  finnische  Singerin  Aino  Ackt6,  die 
mit  ihrer  Elsa  (Lohengrin),  Elisabeth  (Tannhiuser)  ganz  Stockholm  bezaubert  hat. 

Tobias  Norlind. 

STRASSBURG:  Das  erste  Ereignis  der  Saison  war  der  Rücktritt  des  bisherigen 
Direktors  infolge  verschiedener  unliebsamer  Vorkommnisse.  Warum  die  Kunst  an 
diesem  „gefallenen  Engel*  nichts  verliert,  habe  ich  in  den  Vorjahren  manchesmal  niher 
begründet.  Der  Spielplan  pendelt  derweil  in  den  gewohnten  Bahnen  weiter  —  ein  paar 
klassische  und  Wagnerwerke,  sonst  zumeist  «welscher  Tand".  Die  einzige  wertvollere  Neu- 
einstudierung war  die  «Verkaufte  Braut*,  der  allerdings  die  hiesige  Presse  dieselbe  Ver- 
stindnislosigkeit  entgegenbrachte,  wie  im  Vorjahre  «Hoffmanns  Erzihlungen*.  Im 
Ensemble  glinzt  wie  bisher  der  bei  canto  von  Agnes  Hermann;  in  Erna  Croissant  ist 
eine  stimm-  und  spielbegabte  Soubrette  gewonnen.  Das  beste  ist  noch  immer  das 
Orchester  und  sein  Leiter  Lohse;  Smetana  und  Mozart  passen  allerdings  weniger  zn 
seiner  musikdramatischen  Faust,  die  das  zierliche  Filigran  einer  Figaro-Ouvertüre  zu 
einem  unförmlichen  Tonklumpen  zerknautscht!  Gustav  Altmann. 

WARSCHAU:  Um  sich  im  Repertoire  unserer  Oper  orientieren  zu  können,  muss 
man  das  System  kennen  lernen,  mit  dem  sie  geführt  wird.  Die  kaiserl.  Oper  ist 
eigentlich  polnisch,  obwohl  die  beiden  Kapellmeister  (Podesti  und  Stermicz)  Italiener 
sind  und  das  Prisidium  durch  hohe  russischen  Beamten  vertreten  wird;  nach  einer  alt- 
hergebrachten Mode  aber  werden  für  die  Hauptsaison  italienische  Singer  engagiert  und 
mit  diesen  müssen  unsere  hiesigen,  also  polnischen,  Künstler  italienisch  singen.  Es  gibt 
demnach  abwechslungsweise  polnisch  und  italienisch  gesungene  Oper.  Bis  jetzt  wurde 
polnisch  ausser  den  üblichen  Moniuszko-Werken  „Die  verkaufte  Braut^  von  Smetmna 
gegeben,  die  zur  Saisoneröffnung  zum  ersten  Male  mit  missigem  Erfolg  in  Scene  ging. 
Die  Italiener  führen  alte  und  genug  abgespielte  Werke  auf  wie:  Rigoletto,  Wilhelm  Teil, 
Gioconda  a.  dergl.  Von  neueren  werden  bloss  „Werther^  und  „Manon^  von  Massenet» 
»Onegin^  von  Crajkowski,  und  „Samson  und  Dalila^  (die  Premiere  der  vorigen  Saison) 


303 
KRITIK:  KONZERT 


von  Saint-SaSns  gegeben.  Sonst  sind  die  gastierenden  Kräfte  (die  Herren:  Anzelmi, 
Maggini-Coletti,  Giüon,  die  Damen:  Pinto  und  Borissi]  sehr  gut,  besonders  der  aus- 
gezeichnete Tenor  Anzelmi.  H.  Opiensl^i. 

WIEN:  Donizetti's  .Lucia  von  Lammermoor^  sollte  derzeit  ein  grosses,  sub- 
ventioniertes, den  Rang  eines  Kunstinstitutes  beanspruchendes  Hoftheater  billig 
reisenden  Gesangsvirtuosinnen  überlassen,  die  gegen  ein  grosses  Abendhonorar  ihre 
Fertigkeit  auf  einer  Privatbfihne  gerne  glänzen  lassen.  Diese  Drehorgeloper,  gegen  die 
sich  zu  erhitzen  heute  die  Muhe  wahrlich  nicht  lohnt,  trägt  gar  zu  deutlich  den  Stempel 
einer  Zeit,  da  der  Theatersaal  die  Hauptsache  war  und  die  Bühne  nur  durch  die  Kehlen- 
virtttosität  des  Sängers  Leben  gewann.  Dennoch  glaubte  Direktor  Mabler  den  kapita- 
listischen Logenbesitzem  und  Auslagenarrangeuren  der  Galerie  dieses  zweifelhafte  Ver- 
gnügen nicht  vorenthalten  zu  dürfen.  So  horten  wir  die  Lucia  unter  der  Leitung 
des  für  das  italienische  Opernrepertoire  engagierten  Kapellmeisters  Speltrino  mit  Selma 
Kurz  in  der  Titelrolle.  Ihre  für  eine  spezifische  Koloratursängerin  fast  zu  kemsaftige 
Stimme  und  teilweise  vortreffliche  Gesangstecbnik  vermochten  nicht  ganz  darüber 
zu  täuschen,  dass  die  Künstlerin  mit  den  grossen  Meisterinnen  des  Ziergesanges  nicht 
in  die  Schranken  zu  treten  vermag.  Die  Herbeiziehung  eines  Italieners  zur  Leitung 
italienischer  Opern  ist  unbedingt  zu  billigen,  um  so  mehr  als  Herr  Speltrino  sich  als 
ebenso  feuriger  wie  musikalischer  Dirigent  erwies.  Freilich  —  je  mehr  Tempo  und 
Rhythmik  des  Orchesters  von  italienischem  Operngeist  erfüllt  sind,  desto  greller  tritt 
hervor,  dass  unsere  deutschen  Sänger  für  den  Abend  nicht  auch  in  Italiener  sich  ver- 
wandeln können.  Gustav  Schoenaich. 

KONZERT 

AMSTERDAM:  Im  Konzertgebouw  erschien  als  erster  Solist  Jacques  Thibaud,  der 
jedoch  mit  den  Konzerten  von  Mozart  und  Bruch  nicht  den  gewöhnlichen  Erfolg 
erzielte,  da  sein  Spiel  an  Gleichgültigkeit  litt  und  der  Wärme  ermangelte.  In  hohem 
Masse  ist  diese  dem  feurigen  Geiger  Serato  zu  eigen,  der  im  Verein  mit  Mme.  Roger- 
Miclos,  einer  sehr  begabten  Pianistin,  konzertierte  und  sich  als  Künstler  ersten  Ranges 
erwies.  Ein  Riesenerfolg  wurde  Gustav  Mahler  zuteil,  der  auf  Einladung  des 
Konzertgebouw-Vorstandes  seine  dritte  Symphonie  vorführte.  Beim  ersten  Teil  des 
einen  ganzen  Abend  füllenden  Werkes  war  das  Publikum  ziemlich  zurückhaltend,  als 
sich  jedoch  die  reiche  Gedankenwelt  des  Werkes  stets  grossartiger  in  leuchtender 
Schöne  entfaltete,  als  sich  zu  den  Tonfiuten  des  herrlichen  Orchesters  die  fröhlichen 
Kinderstimmen  mit  den  Glockenklängen  gesellten,  der  auserlesene  Frauenchor  einfiel, 
Hermine  Kittels  ergreifende  Altstimme  Nietzsches  tiefen  Weisheitsworte  verkündete,  da 
kannte  das  begeisterte  Publikum  keine  Grenzen  mehr  und  brachte  dem  Schöpfer  des 
grossartigen  Tongemäldes  und  eminenten  Dirigenten  seinen  Dank  in  einer  Huldigung 
voll  seltener  Wärme  zum  Ausdruck.  Hans  Augustin. 

BASEL:  Unter  aussergewöhnlich  reger  Anteilnahme  seitens  des  Publikums  ist  mit  dem 
ersten  Abonnementskonzert  die  Serie  der  Symphonie-Konzerte  eröffnet  worden.  Wenn, 
ganz  im  Gegensatz  zu  früher,  schon  das  erste  Konzert  vor  nahezu  ausverkauftem  Saale 
stattfand,  so  ist  die  Tatsache  auf  Rechnung  der  im  Juni  in  Basel  abgehaltenen  Ton- 
künstler-Versammlung des  A.  D.  M.  V.  zu  setzen,  die  —  gewiss  eine  sehr  erfreuliche 
Erscheinung  —  unserem  hiesigen  musikalischen  Leben  reiche  und  nachhaltige  Anregung 
und  Förderung  gebracht  hat.  Durch  das  Tonkünstlerfest  ist  —  ich  betone  dies  an  dieser 
Stelle  gerne  —  in  weiten  Kreisen  unserer  Bevölkerung  neues  und  lebhaftes  Interesse 
an  allen  unseren  musikalischen  Bestrebungen  geweckt  worden,  und  insbesondere  sind, 
was  bei  uns  sehr  nötig  war,  der  neuen  und  neuesten  Richtung  in  der  Musik  und  ihren 


304 
DIE  MUSIK  III.  4. 


Vertretern  viele  Freunde  zugeführt  worden.  Die  Hauptnummer  im  ersten  Abonnements- 
konzert bildete  die  Eroica,  die  unter  Hermann  Suters  hervorragender  Leitung  in  glän- 
zender Weise  wiedergegeben  wurde.    Als  Solist  wirkte  Karl  Halir  mit 

Dr.  H.  Stumm. 

BERLIN:  In  der  Philharmonie  hat  Prof.  Siegfried  Ochs  an  der  Spitze  seines  phil- 
harmonischen Chores  die  grosse  Totenmesse  von  Berlioz  wieder  zur  Auf- 
führung gebracht.  Es  ist  das  sechstemal,  dass  der  Verein  das  Riesenwerk  vorführt, 
das  stets,  wenn  die  erschütternden  Klangmassen  im  dies  irae  oder  lacrymosa  herein- 
brechen, den  Hörer  mächtig  anpackt;  auf  feiner  organisierte  Naturen  wird  allerdings  der 
acappella-Satz  »quaerens  me*  mit  seinem  blühenden  Wohllaut,  das  Sanctus  mit  seiner 
reizvollen  Melodik  und  den  aufe  zarteste  vibrierenden  Schlaginstrumenten  noch  nach- 
haltigere Wirkungen  ausüben.  Hier  im  Sanctus  erscheint  alles,  der  Solotenor,  die  Chor- 
und  Orchesterstimmen  wie  von  transzendentalem  Licht  durchstrahlt.  Der  Dirigent  führte 
seinen  Chor  und  die  verstärkte  philharmonische  Kapelle  wie  zu  einem  glänzenden  Siege; 
alles  griff  mit  wunderbarer  Sicherheit  ineinander.  Schade,  dass  Curt  Sommer  nicht 
gut  disponiert  war  und  durch  unreine  Intonation  das  Solo  im  Sanctus  nicht  zur  gehörigen 
Geltung  zu  bringen  vermochte.  Der  Sternsche  Gesangverein  hat  in  seinem  ersten 
Abonnementskonzert  den  Mendelssohnschen  Paulus  zum  Gedächtnis  des  in  den  ersten 
Novembertagen  1847  verschiedenen  Komponisten  aufgeführt  und  damit  einen  traditionellen 
Akt  der  Pietät  vollzogen,  denn  seit  den  ersten  Jahren  seines  Bestehens  hat  der  Verein 
stets  mit  besonderer  Vorliebe  Mendelssohns  Chorwerke  gepflegt.  Professor  Gernsheim 
dirigierte  mit  Lust  und  Liebe,  ebenso  sang  der  Chor  mit  voller  Hingabe,  so  dass  das 
Werk  zu  schöner  Wirkung  gelangte.  Unter  den  Solisten  zeigte  sich  Herr  Messchaert 
wieder  als  Meistersänger;  die  übrigen  Kräfte,  die  Damen  Blanck-Peters,  Marie  Ries 
fügten  sich  geschickt  ein,  nur  Herr  von  Zur-Mühlen,  wohl  indisponiert,  sang  beharrlich 
unrein  und  seine  Vortragsweise  passte  nicht  in  den  reinen  Stil  Mendelssohns.  In  dem 
zweiten  Nikisch-Konzert  dieser  Saison  stand  in  der  Mitte  des  Programms  die  un- 
vollendete neunte  Symphonie  in  d-moll  von  Anton  Brückner.  Es  wäre  ver- 
messen, wollte  man  nach  einmaligem  Hören  das  in  grossartigen  Verhältnissen  angelegte 
Werk  mit  seiner  komplizierten  echt  symphonischen  Polyphonie  beurteilen,  es  wird  seinen 
Weg  zum  Herzen  der  Musikfreunde  gewiss  ebenso  finden,  wie  die  anderen  Symphonieen 
Brückners.  Von  entzückender  Wirkung  war  auch  bei  erstmaligem  Anhören  das  Scherzo 
mit  seinen  frappierenden  kühnen  Harmonieen,  seinen  leicht  dahinschwebenden  Klängen. 
In  wanderlwrer  ruhiger  Schönheit  tönte  das  Adagio  aus;  vieles  in  dem  ersten  düsteren 
Ailegro  imponierte  durch  den  tiefernsten  Ausdruck.  Dass  Brückner  von  der  Musik 
Wagner«  und  Beethovens  durch  und  durch  imprägniert  ist,  dass  er  seine  reiche  Ge- 
staltungskraft dazu  zwang,  im  kühnen  Flug  der  Phantasie  diesen  Vorbildern  nachzufolgen, 
diesen  Gedanken  wird  man  allerdings  nicht  los,  wenn  man  dem  geheimnisvollen  Anfang 
und  Ausgang  des  ersten  Satzes  lauscht,  wenn  zum  erstenmal  das  Motiv  des  Adagio  auf- 
tritt, das  wie  ein  Zitat  das  Hauptthema  aus  der  Faustouvertüre  Wagners  bringt.  Klänge 
ans  Beethovens  Neunter,  aus  dem  fliegenden  Holländer  umschwirren  unausgesetzt  unser 
Ohr,  doch  über  den  Apell  an  unser  Gedächtnis  hinaus  erscheint  dann  doch  wieder  der 
Charakterkopf  des  alten  Brückner  mit  seiner  Naivität,  mit  der  tieftragischen  Grund- 
stimmung, mit  seiner  Fülle  eigenartiger  Gedanken,  mit  seiner  Beherrschung  der 
Orchestertechnik,  dass  man  gern  sich  bescheidet  und  t>eschliesst,  das  Werk  sich  zu 
Hause  vorzunehmen  zu  genauer  Durchart>eitung  und  dann  erst  auf  die  nächste  Orchester- 
aufführung  zu  warten,  um  sein  Urteil  zu  klären.  Dem  Dirigenten,  den  Orchester- 
mitgliedem  ist  keine  leichte  Aufgabe  gestellt;  dass  aber  Arthur  Nikisch  der  Mann  dazu 
ist,  solch  eine  Orchetterpartitur  zur  Geltung  zu  bringen,  dass  unsere  Philharmoniker 


305 
KRITIK:  KONZERT 


unter  solcher  Fuhrung  wunderbar  leistungsAhig  werden,  weiss  jeder,  der  Nikischs  Art 
zu  studieren,  zu  dirigieren  kennt.  Der  übrige  Teil  des  Programms  brachte  Cherubini's 
Ouvertüre  zum  i» Wasserträger*  und  Haydns  Abschiedssymphonie  in  fls-moll  mit  dem 
rührend  humoristischen  Ausgang  in  Fis-dur,  wo  nach  dem  allmählichen  Verstummen 
der  Instrumente  nur  noch  zwei  Geigen  eine  Weile  erklingen,  ehe  auch  sie  schliessen. 
Fritz  Kr  eis  1er  spielte  mit  vorzüglichem  Gelingen  das  Brahmssche  Violinkonzert.  — 
Aus  der  Fülle  der  Liederabende  sei  an  erster  Stelle  der  von  Dr.  Ludwig  Wüllner  in  der 
Philharmonie  genannt.  Der  Sänger,  der  nach  wie  vor  einen  fascinierenden  Eindruck  auf 
die  Hörer  ausübt,  überraschte  seine  Verehrer  diesmal  dadurch,  dass  er  sein  Organ  von 
der  Tenorhöhe  zu  der  Klangfarbe  eines  Bassbariton  heruntergeschraubt  hatte,  er  sang 
z.  B.  den  Legenden zyklus  «Gregor  am  Stein"  von  Loewe  in  der  Original tonart.  Erspart 
wurden  dem  Hörer  diesmal  die  unschön  gellenden  hohen  Töne;  Herr  Wüllner  singt 
jetzt  in  der  Tat,  er  deklamiert  nicht  nur.  Ausser  Schubert,  Brahms  und  Loewe  brachte 
er  neun  Gesänge  von  Theodor  Streicher  zu  köstlich  erfrischender  Wirkung.  Lieder, 
die  mit  ihrer  geistvollen  Begleitung,  ihrem  natürlich  melodischen  Fluss  der  Singstimme 
und  meisterhaft  sicheren  Deklamation  allgemeinen  Anklang  fanden,  zudem  der  meist 
humoristische  Inhalt  von  dem  Sänger  zu  schlagendem  Ausdruck  gebracht  wurde. 
Therese  Behr,  wie  stets  von  Artur  Schnabel  vortrefflich  begleitet,  hatte  sich  für 
ihren  Liederabend  Gruppen  von  Schubert,  Cornelius,  Brahms  und  Hugo  Wolf  aus- 
gewählt und  erfreute  wie  sonst  durch  feine  Ausarbeitung  des  Stimmungsgehalts, 
diesmal  auch  noch  durch  frischen  Vollklang  des  Organs.  Klara  Erler  zeigte  wieder 
ein  sicher  durchgebildetes  Organ,  dessen  Register  vollkommen  ausgeglichen  sind, 
dazu  eine  feine  abgeschliffene  Koloraturfertigkeit,  die  selbst  minderwertige  Musik 
durch  ihren  Vortrag  schmackhaft  zu  machen  versteht.  Reizend  trägt  sie  einfache 
Lieder  naiven  Inhalts  vor.  Meister  Joachim  unterstützte  die  Konzertgeberin  durch  seine 
Mitwirkung.  Marie  Hertzer-Deppe  singt  mit  Anmut,  vielleicht  noch  zu  geschäftig 
im  Detail  des  Ausdrucks,  dagegen  Hertha  Dehmlow  fast  zu  ruhig;  aber  ihr  Organ 
klingt  wundervoll,  durchaus  sympathisch  und  die  talentvolle  Künstlerin  reift  zur  Meister- 
schaft. Schönes  z.  T.  hochbedeutendes  Stimmmaterial  zeigten  Therese  Lederer- 
Schiestl  und  Olga  Lenk,  doch  bedarf  es  bei  beiden  Damen  feineren  Schliffes;  Julia 
Culp,  diesmal  weniger  glücklich  disponiert,  sang  zwar  ihre  Schubertgmppe  interessant, 
doch  versagte  der  warm  sympathisch  anklingende  Alt  im  Verlauf  des  Abends  allzu  oft 
Ungenügend  vorgebildet  für  die  Öffentlichkeit  zeigten  sich  Hedwig  Hartmann  und 
Max  Wewer,  doch  das  Material  wäre  eingehender  Schulung  wert.  Arthur  van  Eweyk 
sang  zu  Beginn  des  Programms  merkwürdig  unruhig;  seinen  Schubertliedem  mangelte 
es  an  dem  ruhigen  Fluss  der  Kantilene.  Erst  bei  Brahms  sammelte  er  seine  Kraft  und 
die  letzten  Gesänge  von  Hugo  Kann  und  Hugo  Wolf  glückten  ihm  so,  wie  wir  es  von 
dem  treiftichen  Künstler  gewohnt  sind.  —  Aus  der  Reihe  der  Klavierabende  sei  der  von 
Margarete  Eussert  als  bedeutend  genannt:  wer  Liszts  h-moll-Sonate  so  durchgeistigt 
vorzutragen  vermag,  ist  mehr  als  eine  gute  Pianistin,  der  rangiert  in  der  Reihe  der 
wahren,  echten  Künstler.  J.  P.  Dünn  spielt  nicht  übel,  vor  der  Hand  aber  mehr  mit 
wohldressierten  Fingern  als  mit  Kopf  und  Herz.  Norah  Drewett  hat  entschieden 
Talent,  auch  bereits  anerkennenswerte  Technik  erworben,  es  fehlt  aber  noch  an  der 
plastischen  Gestaltungskraft,  sie  fasst  alles  zu  willkürlich  an.  Ein  beachtenswertes 
Unternehmen  war  der  Lisztabend  von  Hintze-Reinhold,  der  dabei  von  der  geist- 
vollen Susanne  Dessoir  und  seinem  Kollegen  Otto  Hegner  wirksam  unterstützt  wurde. 

E.  E.  Taubert 

Beim  ersten  populären  Kammermusikabend  der  Herren  Professoren  Barth,  Wirth 
und  Hausmann  war  der  grosse  Saal  der  Philharmonie^  lange  nicht  so  gefüllt  wie  in 
III.  4.  ~  20 


306 
DIE  MUSIK  IIL  4. 


den  Vorjahren,  ein  Beweis,  dass  das  Bedürfnis  nach  KammermusilL  jetzt  mehr  als  gedeckt 
ist;  Brabms'  C-dur-Trio  fand  eine  vortreffliche  Wiedergabe;  Webers  As-dur-Sonate  spielte 
Prof.  Barth  gllnzend.  Tüchtige  Leistungen  wies  der  KammermusilE-Abend  der  Pianistin 
Margaretbe  Zimmer  auf,  die  von  dem  Geiger  Bernhard  Gehwald  und  dem  temperament- 
vollen Violoncellisten  Franz  Borisch  unterstfitzt  wurde.  Das  famos  eingespielte  Hol- 
lindische Trio  der  Herren  van  M.  Bos,  van  Veen  und  van  Lier  begann  seine 
populären  Soireen  mit  Beethoven  op.  97  und  Ph.  Scharwenka  op.  112;  Alexander  Heine- 
mann sorgte  für  vokale  Abwechslung.  Die  Triovereinigung  Prof.  Georg  Schamann, 
dessen  Klavierspiel  hervorragend  ist,  Carl  Halir  und  Hugo  Dechert  brachte  den  Manen 
Tb.  Kirchners  durch  Vorführung  einiger  seiner  Novelletten  ein  wardiges  Totenopfer. 
Nur  mit  grösster  Hochachtung  kann  ich  des  Kammermusik-Abends  gedenken,  in  dem 
Victor  Bendix,  übrigens  ein  hervorragender,  äusserst  temperamentvoller  Klavierspieler, 
nur  eigene  Werke  zur  Aufführung  brachte.  Von  seiner  Klaviersonate  op.  26  hörte  ich 
leider  nur  das  gewaltig  dahinbrausende  Finale.  Wertvoll  erschien  mir  der  Liederkreis 
»Welke  Blätter*,  der  in  Hertha  Deh ml ow  eine  durchaus  geeignete  Interpretin  f^nd  und 
hoffentlich  in  weitere  Kreise  dringt.  Dies  ist  vielleicht  noch  in  höherem  Grade  dem 
hier  schon  durch  das  Holländische  Trio  erfolgreich  eingeführten  Klaviertrio  op.  12  zu 
wünschen,  das  der  Komponist  mit  Karl  Klingler  und  Prof.  Hausmann  ausgezeichnet 
vortrug;  es  ist  unstreitig  eines  der  besten  Trios  der  Neuzeit,  nach  Form  und  Inhalt 
gleich  ausgezeichnet.  Eine  ebenbürtige  Konkurrenz  scheint  dem  Böhmischen  in  dem 
Prager  Streichquartett  entstanden  zu  sein;  ich  sage  scheint,  weil  das  von  den  Herren 
Georg  Herold,  Carl  Liska,  Udalrich  Vavra  (der  die  äusserliche  Kopie  des  Herrn 
Nedbal  lieber  unterlassen  sollte)  und  Max  Skvor  gewählte  Programm  kein  definitives 
Urteil  gestattet  Würden  die  Herren  jedes  Streichquartett  so  fein  abgetönt,  so  klang- 
schön, so  jeden  Wunsch  des  Komponisten  restlos  erfüllend,  so  vornehm  und  technisch 
vollendet  spielen,  wie  DvoHks  F-dur-Quartett  op.  96,  so  wären  sie  als  eine  geradezu  ideale 
Quartettvereinigung  zu  bezeichnen.  Leider  beschränkten  sich  die  Herren  aber  auf  dieses 
eine  Quartett,  vereinigten  sich  freilich  schliesslich  noch  mit  dem  gediegenen  Pianisten 
Ed.  Tregler  zu  Schumanns  Klavierquintett;  dazwischen  aber  boten  die  beiden  Geiger 
eine  Probe  ihrer  grossen  Meisterschaft  in  einem  leider  völlig  veralteten  Doppelkonzert 
von  C.  Hoffmann,  tischte  der  Cellist  einige  Stückchen  von  Gabriel  Marie  auf!  Mein 
kürzlich  über  die  Geigerin  Otie  Chew  ausgesprochenes  günstiges  Urteil  wurde  durch 
den  Sonatenabend  bestätigt,  den  sie  im  Verein  mit  Artur  Schnabel  gab;  er  ist  ihr 
freilich  an  Innerlichkeit  überlegen.  Der  kleine  Geiger  Franz  vonVecsey  übt  eine 
Anziehungskraft  auf  das  Publikum  aus,  um  die  ihn  die  reifeten  Künstler  beneiden 
können.  Alexander  Petschnikoff  hat  diesmal  drei  Konzerte  (ohne  Orchester)  an- 
gekündigt; im  ersten  fehlte  die  sonst  von  ihm  immer  mitgebrachte  grössere 
Novität;  wieder  entzückte  sein  herrlicher  Ton  und  seine  gediegene  Künstlerschaft. 
Drei  Geigerinnen  erschienen  in  eigenen  Konzerten  in  Begleitung  des  Philharmonischen 
Orchesters.  Die  Krone  gebührt  Erna  Schulz,  der  zu  Liebe  ihr  Lehrer  Joachim 
dirigierte  und  Engen  Brieger  einige  Lieder  beisteuerte.  Die  hohen  Erwartungen,  zu 
denen  Erna  Schulz  berechtigte,  hat  sie  noch  übertroffön:  wie  eine  Offenbarung  er- 
schien mir  ihr  Vortrag  von  Beethovens  Konzert  Ihr  Ton  ist  von  seltenem  Adel^ 
ihr  Strich  kraftvoll,  ihre  seelische  Anteilnahme  vollkommen.  Diese  vermisste  ich 
bei  Marie  Nichols,  einer  bedeutenden  Technikerin,  besonders  in  Bruchs  grosser 
Serenade;  ihr  Bestes  gab  sie  in  Guiraud's  hier  noch  unbekannter  Kaprice,  deren 
zweiter  Satz  ein  brillantes  Virtuosenstück  ist  Enttäuscht  hat  mich  Eugenie  Argiewicz, 
die  vor  zwei  Jahren  weit  besser  gefallen  hat  Sie  hat  technisch  viel  zugelernt, 
ohne  freilich  Tschaikowsky's  Konzert  schon  ganz  bewältigen  zu  können,  spielt  aber  zu 


307 
KRITIK:  KONZERT 


gleichgültig  ihren  Part  herunter;  auch  entbehrt  ihr  Ton  zu  sehr  der  Rundung  und  Ffille. 
Die  in  ihren  Leistungen  hier  zur  Genüge  bekannte  Frau  Marie  Blanck-Peters  ver- 
anstaltete einen  Liederabend;  sie  sang  u.  a.  die  schönen,  von  ihr  schon  öfters  vor- 
getragenen Lieder  von  Spohr  mit  Klarinette  (Kammervirtuos  O.  Schubert).  Trotz  ihres 
geringen  Erfolges  in  der  vorigen  Saison  will  die  Koloraturslngerin  Mary  Munter- Qu  int 
diesmal  mehrere  Liederabende  veranstalten;  der  erste  bitte  wohl  genügt.  Mit  beneidens- 
wertem Mut,  aber  ohne  jede  Berechtigung,  betrat  die  Sopranistin  Else  Michalke  das 
Podium;  ihre  Partnerin,  die  Altistin  Helene  Beling,  interessierte  wenigstens  stimmlich. 
Das  Konzert  der  Sopranistin  Emmi  Lange-Aranyi  ist  nur  erwibnenswert,  weil  darin 
eine  blutjunge  Wiener  Violinistin,  Amelie  Heller,  ein  eminentes  Geigentalent,  mitwirkte. 
Sie  spielte  zunichst  Paganint's  D-dur-Konzert  mit  ziemlicher  Nonchalance  und  einer 
zigeunerhaften  Liederlichkeit,  fesselte  aber  bereits  durch  Sauret's  grosse  sehr  schwierige 
Kadenz.  Darauf  aber  trug  sie  die  Moses-Variationen  von  Paganini  auf  der  G-Saite  so 
vollendet  vor,  wie  ich  dieses  schwierige  Virtuosenstück  vielleicht  noch  nie  gehört  habe; 
besonders  exzellierte  sie  im  Flageolett  und  Ponticello.  In  einigen  Zugaben  erbrachte 
sie  dann  den  weiteren  Beweis  ihrer  ganz  hervorragenden  virtuosen  Beanlagung;  sie 
durfte  gut  tun,  sich  noch  in  strenge  Schulung  zu  begeben,  um  zu  einer  Meisterin  heran- 
reifen zu  können.  Wäre  sie  hier  ebenso  eingeführt  worden  wie  der  Wunderknabe  Vecsey, 
so  bitte  sie  sicherlich  denselben  Erfolg  gehabt.  Dr.  Wilh.  Alt  mann. 

Neue  Lieder,  neue  Klänge!  Man  sollte  nicht  müde  werden,  die  Kunst  der  Gegen- 
wart zu  pflegen,  sofern  das  Neue  auch  neu.  Unter  den  Modernen,  die  Emil  Liepe  sang^ 
war  nur  Hugo  Wolf  „neu**.  Woyrscb,  Scheinpflug,  Kämpf:  alte  Klänge  —  »Raritäten*! 
Schnabels  i^Waldnacht**  op.  1 1  dagegen  echt,  wenn  auch  zu  viel  Mondschein  «drüberhin*. 
Kühnere  Ansätze  verraten  Georg  Vollertbun  und  R.  v.  Wistinghausen  (Der  «Musikant**). 
Ober  die  Ausführung  soll  man  nicht  rechten.  Karola  Huberts  Sopran  sprach  jedenfialls 
an.  —  Agnes  Fridrichowicz  bewies  die  Halbheit  unserer  stimmlichen  Organe.  Es 
hapert  immer  an  etwas.  Aber  dieses  „Etwas''  genügt,  um  die  Vorzüge  zu  entwerten. 
Hier  war's  die  Unausgeglichenheit  der  Lagen,  ein  trüber  Schleier  in  der  Tiefe,  und  das 
Mitgehen  klangloser  Luft.  Form  ist  da,  aber  der  Ton  fängt  sich  im  weichen  Gaumen, 
klingt  hohl,  ohne  Hartmetall,  und  beginnt  schon  jetzt  zu  flackern,  so  dass  Musik  und 
Vortrag  zu  kurz  kommen.  Prof.  Georg  Schumann  war  ihrer  Tüchtigkeit  ein  vorzüg- 
licher Begleiter.  Die  „Harzbilder*  klangen  bedeutsam  musikalisch,  aber  unklavieristiscb. 
^  Gewisse  Dinge  dieser  Welt  sind  undiskutabel:  so  die  Gesangsembryonik  von  Cassie 
Helmrich- Hofmeister.  Der  Geiger  Michael  Zacharewitsch  war  solider.  Die 
Technik,  ohne  grossen  Ton  und  besonderen  Schliff,  muss  ausreifen.  —  Ein  Loewe- Abend! 
Eine  künstlerische  Idee  ist  eine  gute  Einführung,  vorausgesetzt,  dass  man  berufen  ist. 
Aber  Ferdinand  Krause  und  Ida  Seegert  (die  besser  als  der  Herr)  passten  nicht  zu 
Loewe,  oder  besser,  Loewe  passte  nicht  zu  ihnen.  —  Hermann  Köglers  Kompositionen 
darf  man  nicht  mit  absolutem  Mass  messen.  In  der  F-dur  Sonate  und  Grand  Phantasie 
fls-moll  steckt  ein  guter  Wille  und  ein  gut  Teil  Können.  Aber  es  war  Schulmusik, 
zweckvolles  Tonspiel  und  Formenkunst,  ohne  sonderliche  Tiefe  und  irgend  welchen  eigenen 
Zug.  Der  Klaviersatz  veraltet,  die  Melodik  sentimentalischsüsslich,  und  die  Begleitung 
von  erstaunlicher  Harmlosigkeit.  Die  Einseitigkeit  des  Gefühlsinhaltes,  eine  Monotonie 
unfruchtbarer,  unkünstlerischer  Gedanken  berührt  nicht  sympathisch.  Bei  aller  Hoch- 
achtung vor  ihrem  meist  grossen  Können  und  Empfinden  und  alle  Rücksicht  auf  ihr  Leid: 
Blinde  sollten  sich  nicht  selbst  interpretieren.  —  Gerard  Zalsmans  Mittel  kann  man 
nicht  anders  als  glänzend  bezeichnen.  Ein  tenoraler  Bariton  von  grosser  Weichheit  und 
schmetternder  Höhe,  ein  Naturalist,  der  in  manchem  gar  viel,  und  in  vielem  gar  wenig 
besitzt.    Dazu  Alida  Oldenboom  als  sonderbarster  Kontrast:  ein  Vogelstimmchen  mit 

20* 


308 
DIE  MUSIK  III.  4. 


jesem  indifferenten  GlocIcenlElangy  der  nicht  menschlich  zo  sein  scheint.  Solch  hohe 
natfirlicben  Kopfetimmen  haben  etwas  unindividuelles.  Undehnbar,  unbiegsam  und 
modulationsarm.  Die  Ausdruckskunst  daher  sehr  beschrinkt,  —  doch  »die  Schule  ist  zu 
loben".  —  Das  Mfinchener  Damen-Terzett:  Wilma  Bäcker,  Grischa  Harb  und  Annie 
Bremer  ist,  glaube  ich,  an  der  Isar  besser  aufgehoben;  denn  Teczett  heisst:  Dreiklang, 
nicht  Schreiklang;  Reinklang,  nicht  Missklang.  —  Luise  Klosseck-Mfillers  Alt  ist 
brfichig.  Er  hat  wunde  Stellen.  Bei  solch  flacher  Mitte,  offher  Mundbildung  und  brach- 
liegender Brustresonanz  tut  der  Vonrag  nur  wenig,  obwohl  er  der  bessere  Teil.  —  Der 
Leipziger  Verleger  D.  Rahter  setzte  im  Stemschen  Konservatorium  seine  Bemfihungen 
für  seinen  Verlag  durch  einen  Vortrag  fiber  Klaviermusik  mit  •Illustrationen*  von  Prof. 
Kwast  fort  Er  sprach  flott  und  anregend  fiber  altes  Gerfimpel  und  wertlose  Scharteken. 
Auch  Neues  gab's  —  »ffir  die  Kleinen*  im  Hause  geeignet  —  Schade  um  Marie  Gesel- 
schap:  Kapitale  Mittel,  kernlose  KunstI  Cantilene  und  Vortrag  sentimentalisch-verzerrt, 
Rhythmik  schlapp  und  die  Tongebung  —  bei  vollkommener  Ungleichheit  der  Hände  — 
iusserlich,  hart,  ohne  Rundung.  —  In  Toni  Kunz  könnte  man  eine  »schöne  Stimme* 
wittern,  wenn  .  • .  Mehr  Bruststfitze,  wuchtigere  Konsonantik,  sichere  Atemfunktion  und 
eine  Knospe  wfirde  zur  BlQte.  Herr  van  Bos  gab  sich  als  Solist  Der  Begleiter  ist  mir 
lieber,  weil  feine  Korrektheit  und  saubere  Flüssigkeit,  Poesie  und  Anmut  sich  in  der 
Seele  Raum  nicht  stossen.  —  Das  zweite  Konzert  von  Victor  Ben d ix  bestätigte  das  all- 
gemeine Urteil:  ein  Stilgemisch  ohne  Stil,  fremde  Säfte  ohne  Eigensaft  und  -kraft.  Der 
Dreiklang:  Mendelssohn- Schumann -Gade  klingt  durch  alles  hindurch.  Fehlt  die  Kunst 
individueller  Umwertung.  Im  Klavierkonzert  g-moll  spuken  Puck  und  die  Elfen,  nicht  im 
▼ald  von  Athen  skizzenhaft,  im  Husch,  sondern  materialisiert  in  der  gröblichen  Be- 
leuchtung elektrisch-greller  Instrumentation.  Und  in  der  D-dur  Symphonie:  »Sommer- 
klänge  aus  Sfid-Russland*  Beethoven  plus  Tschaikowsky.  Aber  die  Melodik  ist  hier 
(wie  das  Pinalthema  des  Klavierkonzerts)  nicht  anoriginell,  und  die  Scenerie  dieser 
Programmkunst  voll  Leben  and  Farbe,  Rhythmik  und  Harmonik  gleichwertig  gut  Aber 
sein  Lyrismus:  »Tulipa  mendelssohniana*  in  nordischer  Färbung.  Seine  Lieder  samt 
dem  Andante  sostenuto:  archaistisch.  Andere  Zelten  —  andere  Themen  I  Die  Solistin 
Hertha  Dehmlow  erweckte  noch  grössere  Bedenken  wie  im  Vorjahre.  Sollte  ihre 
Einsicht  ebenso  sorglos  sein  wie  ihre  Kunst?  Wie  tfichtlg  and  sattelfest  dagegen 
die  Pianistin  Dagmar  Ravenl  —  Emil  Severin  ist  als  solider  und  braver  Vortrags- 
kfinstler  bekannt  Seinem  Bariton  fehlt  viel,  aber  man  muss  halt  mir  seinem  Musizieren 
snfHeden  sein.  Gewisse  Forderangen  liegen  ausserhalb  des  Bereiches  stimmlicher  Mög- 
lichkeiten. Als  ein  Nichtersatz  ffir  die  erkrankte  Frau  Knfipfer-Egli  versuchte  Marianne 
Geyer  einige  Lieder  zu  singen,  deren  Zweck  nur  anklar  aus  der  Nacht  ihrer  Stimme 
lieraastrat  ^  Jella  and  Ernst  Artur:  Die  Kunst  der  Unvollkommenheit  Das 
Orpok  der  Dame  hohl,  glasig  und  brfichig  mit  ausgiebiger  Höhe,  aber  völlig  schwacher 
Tiefe.  Und  der  Herr?  Den  Winden  sei's  geklagt  —  Dr.  Otto  Neitzel  ist  ein  zusammen- 
gesetzter Begriff:  ein  CoUectivam.  Man  scheide  also  mit  Bedacht  aus  der  Vielheit  den 
Schriftsteller  und  kfinstlerisch  Nachempfindenden  vom  Virtuosen  und  kfinstlerisch  Vor- 
aosempfiiidenden.  Sein  »Kreisler*  war  geistig  originell,  mehr  Hoffmannisch-excentrisch 
und  toll,  denn  Schamannlsch-wUd-phan'sstisch.  Der  Satiriker  gut,  der  Träumer  herzlich 
schlecht  Obrigens:  wir  sind  sinnlich  geworden  and  Klavieristen  und  wollen  leben  von 
Licht  und  Färb«.  Fingerigkeit  und  Stöckerigkeit,  Ecken  und  Kanten,  Holz  und  Härte, 
wer  freut  sich  des?  Und  die  Lieder  und  Kompositionen:  »Lee  Vaguesde  Torquay*  u.  s.  w.? 
Kondensierte  Melodik  mit  begrifflicher  Begleitung  die  einen,  ^  »Les  annöes  de  pölerinage* 
die  anderen,  nur  verblasst,  well  durcbgepaustl  Louise  Hövelmann-Tornauer  stand 
dem  »trlplez*  in  Treuen  aar  Seite:  eine  tflchtige  Sängerin,  ehrliche  Musikantin  und 


309 
KRITIK:  KONZERT 


Herrin  über  Ausdruck  und  Phrase.  —  Bestimmte  Nuancen  und  EffSekte  lassen  Franz 
Manthey  schon  heute  fOr  die  Kunst  verloren  erscheinen.  Er  neigt  zur  Bravour  und 
hat  vielleicht,  falls  der  Ton  an  klingender  Kraft  gewinnt,  und  der  Anschlag  ,ein 
sluselnder  Hauch*,  als  „Virtuos*'  gunstige  Chancen.  —  In  Thea  Dora  Reicher 
haben  die  Seh  wichen  statt  der  Vorzüge  überhand  genommen.  Das  Organ  beginnt  zu 
flackern,  die  Stimme  wird  schepperig,  und  der  Knödel  wichst,  aber  Einsicht 
und  künstlerischer  Geschmack  nehmen  ab.  —  Fredenc  Lamond  grösser  denn  je.  Das 
Rondo  G-dur  spielerisch  duftig  und  der  Appassionata  erster  Satz  gross  im  GriflT  und 
vollendet  im  Aufbau.  —  Erna  Klein  ist  kein  Wunderkind,  sondern  ein  Produkt  gediegener 
pianistischer  Durchbildung:  keine  Vecseynatur,  eher  tüchtig  und  musikalich-zuverlissig, 
als  rassig  und  triumensch  tief.  Aber  ihr  Liszts  Es-dur-Konzert  zu  geben,  heisst  Hirten 
gross  züchten,  statt  sie  auszumerzen.  —  Kammersängerin  Müller-Hartungs  Stimm- 
mingel traten  im  Bechsteinsaal  nackt  zutage.  Schade  um  ein  herrliches  Organ,  das 
schon  jetzt  rissig.  Auch  der  Vortrag  war  farblos,  müd  und  matt.  Oder  lag's  an  den 
Liedern  von  Meyer-Olbersleben,  dass  ihre  alten  flammenden  Mittel  und  ihre  Liebens- 
würdigkeit versagte?  —  Lodovica  Stark  war  in  mehr  wie  einer  Beziehung  interessant. 
Vorzügliche  Mittel  und  »künstlicher**  Stützpunkt.  Alles  festgeschraubt  am  weichen  Gaumen 
mit  gutem  Nasalklang,  aber  unbiegsam  und  für  die  Kunst  des  legato  und  portato  zu  dick. 
—  Zum  Schluss,  ein  Genuss:  Agnes  Stavenhagen  und  Iduna  Walter-Choinanus: 
Duette  und  Lieder  in  guter  Fassung  und  Form.  An  Hugo  Wolf  und  Richard  Strauss 
bitte  man  manches  auszusetzen,  aber  das  Echte  überwog,  und  der  musikalische  Geschmack 
glich  vieles  aus.  Nur  die  Kunst  der  Begleitung  konnte  sich  hier  und  da  mehr  von 
pianistischer  Exaktheit  abheben.    Sie  war  zu  klar,  zu  partiturgemiss. 

Rudolf  M.  Breithaupt. 

BIRMINGHAM:  Das  Triennial  Birmingham  festival  nimmt  unter  allen  Musik- 
festen Englands  seit  Jahrzehnten  den  vornehmsten  Platz  ein.  Stets  sind  es  Erst- 
Attfführungen  von  Werken  hervorragender  Komponisten,  die  diesen  musikalischen 
Zusammenkünften  einen  ganz  besondern  Reiz  verleihen.  Das  diesmalige,  das  vom 
13. — 17.  Oktober  unter  Hans  Richters  Leitung  abgehalten  wurde,  brachte  nur  eine 
grosse  Novität;  es  war  der  Teil  I  und  II  des  mit  grosser  Spannung  erwarteten 
Oratoriums:  »Die  Apostel**  unseres  El  gar,  der  nun  wohl  unbestritten  seinen  Platz 
in  den  vordersten  Reihen  aller  lebenden  Tonkünstler  behaupten  darf.  Es  ist  unendlich 
schwer,  nach  dem  ersten  Hören  eines  in  so  kolossalen  Dimensionen  angelegten  Werkes 
ein  Urteil  abzugeben,  das  den  Versuch  macht,  einer  eingehenden  Besprechung  nahe  zu 
kommen.  Das  Werk  verdient  vollauf  eine  gründliche  Analysierung  an  der  Hand  der 
Partitur.  Aber  so  viel  darf  ich  wohl  feststellen,  dass  es  im  Vergleich  mit  dem  vor 
3  Jahren  an  gleicher  Stelle  aufgeführten  „Gerontius*  einen  wesentlichen  Fortschritt  be- 
deutet. Eine  höher  entwickelte  Technik  ist  unverkennbar;  die  Homogenitit  im  Stil  ist 
vollkommener  ausgebildet  und  Elgar  hat  von  der  durch  die  Wahl  und  Verarbeitung  des 
Stoffes  gebotenen  Gelegenheit  zu  einer  reicheren  Individualisierung  den  herrlichsten 
Gebrauch  gemacht.  Allerdings  scheint  die  Einheit  des  Bildes  zuweilen  durch  den  allzu 
hiuflgen  Scenenwechsel  in  Gefahr  zu  geraten,  das  Interesse  des  Hörers  zu  zersplittern. 
Die  Aufeinanderfolge  von  Scenen,  die  unter  sich  nur  einen  sehr  losen  Zusammenhang 
haben,  ist  einem  ruhigen  Ausgeniessen  nicht  sonderlich  förderlich.  Ich  nehme  an,  dass 
der  III.  Teil,  den  wir  nicht  zu  hören  bekamen,  ein  strafferes  Gepräge  tragen,  und 
uns  so  den  Vollgenuss  des  grandiosen  Werkes  erleichtern  wird.  Den  Chören  ist  eine 
ausserordentlich  schwierige  Aufgabe  zugeteilt,  die  aber  glänzend  gelöst  wurde.  Ausser 
Christus  sind  Minner-Partieen  nur  für  drei  Apostel  geschrieben:  Petrus,  Johannes  und 
Judas;   Maria  Magdalena  und   die   Stimme   des   Engels   sind  die  beiden  Damenrollen. 


310 
DIE  MUSIK  III.  4. 


Sonst  bot  das  »Fest*  —  der  Name  hat  eigentlich  heutzutage  nur  noch  eine  sehr  geringe 
Bedeutung  bei  den  auch  ausserhalb  der  Musikfeste  stattfindenden  Massendarbietungen 
von  Konzerten  —  nichts  Besonderes,  was  man  nicht  bei  weniger  feierlichen  Gelegen- 
heiten ebenso  leicht  zu  hören  bekommt.  Berlioz'  «Harold  in  Italien*  und  Brückners 
»Te  Deum*,  Bachs  «h-moll-Messe*  und  Beethovens  «Neunte*,  Stanfords  „The  Voyage 
of  Maeldune*  und  Liszts  »XIII.  Psalm*,  Tschaikowsky's  »Hamlet*,  Cherubini's  »Anacreon-* 
und  Webers  »Freischütz-Ouvertüre*,  Mozarts  g-moll-  und  Brahms'  4.  Symphonie  sind 
eigentlich  alles  sattsam  bekannte  Dinge.  Dass  der  »Elias*  und  »Messias*  in  einem 
englischen  Musikfest  nicht  fehlen  durften,  versteht  sich  von  selbst.  H.  J.  C. 

BRESLAU:  Die  beiden  ersten  Abonnementskonzerte  des  Orchestervereins  brachten 
die  Symphonie  No.  4  von  Beethoven,  eine  vollendete  Wiedergabe  der  zweiten 
Symphonie  von  Brahms  und  eine  interessante  Gegenüberstellung  der  zweiten  und  dritten 
Leonoren-Ouvertüre.  Was  Dr.  Dohm  von  alten  Ouvertfiren  ausgrub  (»Idomeneo*  und 
»Preciosa*)  konnte  ebenso  wenig  auf  unbedingte  Anerkennung  rechnen  wie  die  Borodinsche 
»Steppenskizze  aus  Mittelasien*.  Im  ersten  Konzert  wirkte  Frau  Schumann-Heink,  im 
zweiten  der  Pianist  Sliwinski  mit.  An  der  Singerin  war  die  Wahrnehmung  zu  machen, 
dass  ihr  die  Kleinkunst  nicht  ebenso  liegt,  wie  die  grossen  Aufgaben  dramatischen 
Charakters.  Sliwinski  spielte  Chopins  e-moll-Konzert  ein  wenig  farblos.  Registriert 
sei  ein  Konzert  des  Baritonisten  Eugen  Brieger  unter  Mitwirkung  von  Xaver  Scharwenka, 
ein  Konzert  der  Violinvirtuosin  Irene  von  Brennerberg,  ein  Liederabend  des  vornehm 
gestaltenden  Baritonisten  Hans  Hielscher  und  ein  Richard  Wagnerabend  von  F.  Kaatz, 
bei  dem  das  Harmonium  geschickt  als  Konzertinstrument  verwertet  wurde.  Mit  ganz 
t>esonderem  Nachdruck  muss  der  Liederabend  von  Martha  Schauer- Bergmann  erwähnt 
werden.  Eine  wunderbar  timbrierte  Stimme,  die  das  ganze  Feld  der  Lyrik  und  der 
Dramatik  gleich  vollendet  beherrscht,  im  Bunde  mit  einer  starken  Gestaltungskraft 
weisen  der  Kfinstlerin  ihren  Platz  neben  den  besten  deutschen  Singerinnen  zu. 

J.  Schink. 

DRESDEN:  Im  ersten  Symphoniekonzert  der  Serie  B.  im  kgl.  Opernhaus  vermochte 
es  die  symphonische  Dichtung  „Per  aspera  ad  astra^  von  Karl  Pohlig  zu  keinem 
rechten  Erfolge  zu  bringen.  Man  würdigte  das  Werk  wohl  als  die  tüchtige  Arbeit  eines 
guten  Musikers,  aber  der  Mangel  an  Originalität  und  innerer  Wärme  machten  sich  zu 
stark  bemerkbar,  als  dass  das  mehr  aus  verstandesmässigen  Erwägungen,  als  aus  künst- 
lerischem Zwang  entstandene  Werk  einen  tieferen  Eindruck  hätte  erzielen  können. 
Solist  des  Abends  war  der  Brüsseler  Pianist  Arthur  de  Greef,  der  sich  eines  starken 
Erfolges  zu  erfreuen  hatte.  —  Im  ersten  Philharmonischen  Konzert  sprang  für  die  erkrankte 
Frau  Scbumann-Heink  Frau  Metzger  vom  Hamburger  Stadttheater  ein  und  erzielte  viel 
Beifall;  der  zweite  Solist  war  Alfred  Reisenauer,  der  anfangs  nicht  recht  bei  Stimmung 
war,  aber  dann  seinen  alten  pianistischen  Ruhm  aufs  neue  bewährte.  Die  orchestrale 
Neuheit  des  Abends  war  eine  symphonische  Dichtung  „Romeo  und  Julia''  von  Johann 
Svendsen,  ein  schwungvolles,  farbenreiches  Tonstück,  das  eine  sehr  freundliche  Aufnahme 
fiand.  —  Die  Dreyssigsche  Singakademie  unter  Kapellmeister  Hösel  veranstaltete  eine 
Aufführung  der  Bachschen  Matthäus-Passion  im  Konzertsaal,  die  zwar,  was  die  Chor- 
leistung anlangt,  volles  Lob  verdiente,  aber  doch  Grösse  und  religiösen  Ernst  teilweise 
vermissen  Hess.  Die  Bachschen  Passionsmusiken  gehören  nun  einmal  in  die  Kirche, 
zum  mindesten  darf  man  nicht,  wie  es  Herr  Hösel  getan  hatte,  die  Orgel  fortlassen, 
deren  Klang  zur  Erzielung  der  rechten  und  von  dem  Altmeister  beabsichtigten  Wirkung 
mir  unerlässlich  scheint  —  Von  Solistenkonzerten  seien  die  Liederabende  von  Edyth 
Walker,  Katarina  Hiller  und  Dr.  Ludwig  Wüilner  hervorgehoben.  Letzterer  führte  eine 
lange  Reihe  von  Kompositionen  von  Theodor  Streicher  ein,  die  mir  allzu  zerplittert  in 


311 
KRITIK:  KONZERT 


der  Konzeption,  übergeistreich  im  Ausdruck  und  viel  zu  gekünstelt  im  Verhältnis  zu  de» 
einfichen  Texten  aus  »Des  Knaben  Wunderhom'*  erscheinen  wollen,  zumal  da  die  Er- 
flndung  bei  Streicher  sehr  spärlich  fliesst  Auch  der  Klavierabend  Emil  Sauers  sei 
nicht  vergessen;  er  bildet  alljährlich  eine  besondere  Freude  f&r  die  musikalischen  Fein- 
schmecker. F.  A.  Geis sl er. 

ELBERFELD:  Mit  der  Aufführung  von  Haydns  Jahreszeiten«  ist  hier  die  Saison  durch 
die  Konzert-Gesellschaft  eröflfiiet  worden.  Unter  Leitung  des  Kgl.  Musikdirektors 
Dr.  Hans  Haym  leisteten  Chor  und  Orchester  Vorzugliches.  Die  dankbaren  Solopartieen 
der  Hanne,  des  Lukas  und  Simon  waren  nicht  durchweg  glücklich  besetzt.  Rose  Ettinger 
sang  mit  recht  angenehmer,  aber  wenig  kräftiger  Sopranstimme.  Raimund  von  Zur-Mühlen 
weiss  durch  Kunst  des  Vortrags  zu  ersetzen,  was  ihm  schon  seit  Jahren  in  der  Höhe 
an  Stimme  gebricht.  Am  wenigsten  konnte  Hermann  Gausche  befriedigen,  dessen  Stimme 
und  Vortrag  vielfach  zu  hausbacken  erschien.  —  Im  ersten  Sausetschen  Künstierkonzert 
machte  die  Kammersängerin  Edyth  Walker  durch  ihre  phänomenale  Altstimme  und  ihren 
den  Empfindungsgehalt  einer  Reihe  von  Liedern  von  Schubert,  Schumann,  Brahms, 
Wolf,  Brecher,  Strauss  völlig  erschöpfenden  Vortrag  grossartigen  Eindruck.  Neben  ihr 
präsentierten  sich  Elzie  Play  fair  als  ausserordentiich  temperamentvolle  jugendliche 
Violinistin  französischer  Schule  und  Prof.  Karl  Friedberg  als  ein  Klaviervirtuose  von 
klassischer  Vornehmheit.  Ferdinand  Schemensky. 

FRANKFURT  a.  M.:  Wieviel  Kammermusik  wir  in  diesem  Winter  zu  gewärtigen 
haben,  wurde  schon  früher  angedeutet.  Das  ist  einerseits  ein  schmeichelhaftes  An- 
zeichen für  den  Musikgeschmack  des  Frankfurter  Publikums,  und  man  wird  andererseits, 
wenn  man  den  Nachdruck  aufs  richtige  Wort  legt,  auch  nicht  behaupten  können,  dass 
wir  hier  zuviel  des  Guten  haben.  Ein  oder  das  andere  Unternehmen  will  eben  erst 
noch  werden,  lässt  noch  zu  wünschen  übrig,  sei  es  im  Zusammenspiel,  sei  es  in  den 
einzelnen  Elementen.  Zu  den  Gewordenen  dürfen  sich  ausser  dem  klassischen  Museums- 
quartett und  dem  Trio  Friedberg-Rebner-Hegar  auch  die  Mitglieder  des  Hermann  Hock- 
sehen  Quartetts  zählen,  das  wieder  sehr  einladend  und  erfreulich  begann  und  auf  dessen 
erstem  Programm  sich  eine  anregende  neue  Gabe  fand :  eine  Violinsonate  des  Schweizers 
Volkmar  Andrea.  —  Die  von  der  Pianistin  Florence  Bassermann  und  fünf  Bläsern 
unseres  Opernhausorchesters  gebildete  Genossenschaft  brachte  als  Novum  ein  Bläser- 
quintett von  Aug.  Klughardt  op.  79  heraus,  dem  man  wenigstens  in  den  Mittelsätzen 
gut  sein  muss,  wenn  es  auch  nicht  zu  viel  besagt.  —  Der  neue  Dirigent  der  Museums- 
gesellschaft, Siegm.  V.  Hausegger,  befestigte  den  guten  Eindruck  seiner  Debüts  stark 
in  einem  nur  Beethoven  gewidmeten  Abend,  wo  u.  a.  auch  das  Tripel-Konzert  op.  86 
von  Friedberg,  Heermann  und  H.  Becker  ganz  meisterlich  gespielt  ward.  —  Felix  Wein- 
gartner  rückte  mit  dem  Kaimorchester  am  29.  Oktober  wieder  in  die  bevorzugte  Stelle 
ein,  den  diese  Gastkonzerte  von  je  in  unserm  Kunstleben  einnahmen.  Die  Hauptstficke 
waren  Brahms'  zweite  Symphonie  und  Liszts  »Mazeppa*,  der  vorzüglich  geriet  —  Be- 
sondere Anerkennung  gebührt  schliesslich  noch  einem  Klavierabend  Max  Pauers  und 
dem  Auftreten  der  sympathischen  Mezzosopranistin  Alice  Aschaffenburg  als  Liedersängerin. 

Hans  Pfeilschmidt 

HAAG :  Die  zwei  Konzerte  des  Künstierpaares  Marie  Roger-Miclos  und  Arrigo  Serato 
boten  sehr  viel  Interessantes.  Serato  bewies,  dass  er  in  der  vordersten  Reihe  unserer 
Geigenvirtuosen  steht  Der  Künstier  verfügt  über  eine  eminente  Technik;  sein  temperament- 
voller Vortrag,  seine  hervorragende  Treffoicherheit  auch  in  den  Flageoletttönen  riss  das 
Publikum  zur  Begeisterung  hin.  Otto  Wernicke. 

KASSEL:    Das  erste  Konzert  der  kgL  Kapelle  unter  Dr.  Beier  brachte  Beethovens 
o-moU-Symphonie  und  »Tod  und  Verklärung'  von  Strauss  in  schönster  Wiedergabe; 


312 
DIE  MUSIK  III.  4. 


Petschnikoff  spielte  trefflichst  das  Tschtikowsky- Konzert  und  zwei  Stöcke  eigner  Kom- 
position. —  In  der  ersten  Kammermusik  der  Herren  Hoppen,  Ktletsch,  Schmidt,  Mon- 
haupt  fanden  ein  Haydn,  Beethovens  e-rooU-Quartett  und  das  köstlich-frische  B-dur-Sextett 
von  Brabms  eine  woblbefriedigende  Darbietung.  —  Im  Verein  mit  seiner  Gattin,  einer 
schltzenswerten  Liedersingerin,  und  dem  Kammersinger  Brune  bot  einen  sehr  genuss- 
reichen Abend  der  Geigenvirtuose  Professor  Sahla.  —  Zu  erwlbnen  sind  femer  die 
Leistungen  des  Pianisten  Salewski,  der  über  eine  fein  durchgebildete  Technik  verfugt 
und  mit  dem  Vortrag  von  16  Nummern  (in  historischer  Folge)  ein  bedeutendes  Gedächt- 
nis bekundete.  Besonders  klar  und  fesselnd  gestaltete  er  die  Ilteren  Werke  von  Bach, 
Rameau  usw.  Pur  die  Neueren  fehlt  seinem  Spiel  noch  vielfach  der  Ausdruck 
warmer  Leidenschaft.  —  Eine  wohlgelungene  Auffuhrung  von  Grauns  »Tod  Jesu*^  durch 
den  Damenchor  der  Hof-  und  Garnisonkirche  und  den  Minnergesangverein  „Harmonie^ 
unter  dem  kgl.  Kammermusiker  Nagel  befriedigte  mehr  das  historische  Interesse  des 
Publikums,  dem  zumeist  das  Werk  unbekannt  war,  als  die  Ansprüche,  die  wir  heutzutage 
an  Kirchenmusik  stellen.  —  Zum  Schluss  sei  die  Aufführung  des  ,Judas  Maccablus^ 
durch  den  Oratorien-Verein  unter  C.  Hallwachs  erwähnt.  Die  Chöre  waren  festgefügt 
und  klangen  prlchtig.  In  der  Sopranpanie  zeigte  Frau  Bellwidt  durchweg  feines  Em- 
flnden,  nicht  immer  aber  rhythmische  Ruhe.  Vertreterin  der  Airpartie  war  Mathilde 
Haas.  Sie,  wie  auch  der  Mannheimer  Bassist  Wilhelm  Fenten  wurden  ihren  Aufgaben 
völlig  gerecht,  wlhrend  Raimund  von  Zur-MGhlen  sich  etwas  Mässigung  in  der  Entfaltung 
seiner  Stimmmittel  hätte  auferlegen  dürfen.  Dr.  Brede. 

KÖLN:  Der  Eintritt  Fritz  Steinbachs  in  das  Kölner  Musikleben  macht  sich  auch  in 
den  äusseren  Betriebsverhältnissen  der  von  ihm  geleiteten  Institute  bereits  vorteilhaft 
geltend.  Wie  neues  Leben  in  die  musikalische  Gesellschaft  eingezogen  ist  und  das 
Konservatorium  erhöhten  Zuspruch  erfahren  hat,  so  ist  die  Zahl  der  Abonnenten  für  die 
Gürzenich- Konzerte  derartig  gestiegen,  dass  überhaupt  kaum  noch  ein  paar  Saalkarten 
für  die  einzelnen  Abende  zu  haben  sind.  Im  ersten  Konzert  hatte  man  die  Freude, 
wieder  einmal  Altmeister  Josef  Joachim  als  Solisten  zu  begrüssen,  der,  vortrefflich  dis- 
poniert, Giovanni  Battista  Viotti's  gesangreiches  a-moll-Konzert  spielte,  das  als  No.  22 
unter  28  ähnlichen  Werken  figuriert  und,  nach  den  Mitteln  wie  dem  Geschmack  der  in 
die  zweite  Hälfte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  fallenden  Entstehungszeit,  orchestral  in 
schlichten  Farben  gehalten,  zumal  in  den  Ecksätzen  eine  eigenartige  Originalität  der 
Musiksprache  beobachten  lässt.  Dann  spielte  Joachim  noch  zusammen  mit  dem  als 
Nachfolger  von  Willy  Hess  hier  eingetretenen  Konzertmeister  Bram  Eidering  Bachs 
d-moll- Konzert  für  zwei  Violinen  und  wurde  selbstverständlich  herzlich  gefeiert.  Das 
Hauptwerk  des  Abends  war  des  Italieners  Enrico  Bossi  „Canticum  canticorum**  (Das  hohe 
Lied)  für  Bariton-  und  Sopransolo,  Chor,  Orchester  und  Orgel,  das,  da  es  bereits  genugsam 
bekannt  geworden  ist,  verhältnismässig  spät  an  dieser  Stätte  erschien.  Unsere  Gürzenich- 
Chöre  bedürfen,  um  die  volle  mögliche  Leistungsfähigkeit  zu  erreichen,  einiger  Auf- 
frischung und  des  Ausgleichs  in  den  Beständen  der  Stimmgruppen;  gleichwohl  lösten 
sie  ihre  so  schwierige  wie  charakteristische  und  schöne  Aufgabe  mit  viel  Aplomb,  während 
Steinbach  mit  seinem  Orchester  eine  geradezu  virtuose  Leistung  erzielte.  Die  Bariton- 
partie sang  Arthur  van  Eweyk  in  der  bei  dem  Sänger  bekannten  weniger  bestechenden, 
als  gediegenen  Weise  und  mit  der  Sopranaufgabe  war  die  hiesige  Sängerin  Frau  Rüsche 
betraut.  Um  den  Erfolg  wurde  das  Werk  Bossi's  bis  zu  wesentlichem  Grade  durch  die 
übertriebene  Länge  des  Konzertprogramms  gebracht,  das  ihm  seinen  Platz  in  der  zweiten 
Hälfte  anwies;  so  verliessen  schon  vor  dem  dritten  Teile  des  Werkes  zahlreiche  Hörer 
den  Saal  und  die  Stimmung  der  übrigen  wurde  dadurch  naturgemäss  abgeflaut.  Ober 
den  Eindruck  des  in  Uraufführung  gebrachten  Max  Bruchschen  Werkes  „Damajanti"*» 


313 
KRITIK:  KONZERT 


Scenen  aus  der  indischen  Dichtung  „Nalt  und  Dtmtjtnti^  f&r  Sopransolo,  Chor  und 
Orchester,  ist  nicht  viel  gGnstiges  zu  berichten.  Technisch  ist  im  Orchester  wie  in  den 
Chören  alles  säuberlich  gearbeitet  und  die  Stimmführung  bestätigt  hier  wie  in  der 
dominierenden  Solopartie  den  bestbewanderten  Tonsetzer,  aber  Kraft  der  Empfindung 
und  Originalität  fehlen  in  so  auffallendem  Masse,  dass  es  nicht  zu  tieferen  Eindrficken 
auf  den  Hörer  kommt.  Die  Wahl  von  Cicilie  Rösche  als  Vertreterin  der  Solopartie, 
konnte  die  Wirkung  auch  nicht  gerade  heben  und  so  kam  es  fQr  den  Komponisten 
lediglich  zu  einem  Achtungserfolg.  Den  wertvollen  Anfang  des  Konzerts  hatte  eine  aus- 
gezeichnete Wiedergabe  von  Beethovens  zweiter  Leonoren-Ouvertüre  gebildet. 

Paul  Hiller. 

KÖNIGSBERG  i.  Pr.:  Das  erse  Symphonie-Konzert  führte  Meister  Johannes  Messchaert 
wieder  zu  uns;  reinste  Kunsterfreuung  war  das  Ergebnis  seines  Gesanges.  Das 
Orchester  unter  Brodes  Leitung  beteiligte  sich  u.  a.  mit  einer  braven  Aufführung  der 
»Eroica*  am  Erfolge.  Das  erste  Hübnersche  Künstlerkonzert  brachte  uns  die  sehr  will- 
kommene Bekanntschaft  mit  dem  Vokalquartett  Grumbacher-de  Jong,  Therese  Behr, 
Ludwig  Hess,  Arthur  Eweyk  und  dem  zierlich  begleitenden  Pianisten  Hermann  Zilcher. 
Kleinere  Konzerte  von  Fritz  Hlckel,  Carl  Becker,  Richard  Gloyen,  Carl  Grimm  ver- 
TOllatindigten  den  annoch  magern  Kranz  von  Konzerten.  Paul  Ehlers. 

KOPENHAGEN:  Obschon  das  Konzertleben  hier  seit  mehreren  Wochen  sehr  rege 
gewesen  ~  wie  es  scheint  allzu  rege  für  die  Kopenhagener  Ökonomie,  geldlich 
wie  geistig  —  habe  ich  doch  nicht  viel  darüber  zu  berichten.  Denn  die  meisten  Konzerte 
gaben  fremde,^ hier  öfters  erscheinende  Virtuosen  oder  hiesige  Musikanten  von  nicht 
besonderer  Bedeutung,  und  nur  ein  Konzert  grösseren  Stils:  das  der  kgl.  Kapelle  hat 
stattgefunden  —  leider  zu  einem  Zeitpunkt,  wo  ich  nicht  in  Kopenhagen  war.  Hierbei 
wurde  als  Novität  eine  Ouvertüre  „Helios^'  von  dem  öfters  in  diesen  Berichten  genannten 
Karl  Nielsen  aufgeführt.  Das  gross  angelegte  Werk  scheint  beim  Publikum  eine  mehr 
unbedingt  freundliche  Aufnahme  als  bei  der  Kritik  gefunden  zu  haben.  Bei  diesem 
Konzert  wirkte  Jacques  Tbibaud  mit.  Er  gab  auch  ein  eigenes  Konzert,  ohne  doch 
diesmal  besonders  stark  zu  ziehen.  Mehr  Glück  hatte  Willy  Burmester,  der  mehrere 
vollen  Häuser  und  eine  sehr  begeisterte  Zuhörerschaft  vorfand.  Teresa  Carefio  kon- 
zertierte mit  grossem  Erfolg  und  sehr  freundlich  wurde  die  Pianistin  Dagmar  Walle- 
Hansen  aufgenommen.  William  Bohrend. 

LEIPZIG:  In  dem  von  der  Wasserträger- Ouvertüre  und  Schumanns  B-dur-Symphonie 
umrahmten  dritten  Gewandhauskonzert  fand  neben  Mary  Münchholf,  die  mit  ihren 
sehr  tonklaren  und  tonlieblichen  Gesangsvorträgen  neuerdings  entzückte,  Edgar  WoU- 
gandt,  der  neue  Konzertmeister  des  Gewandhauses  Gelegenheit,  sich  mit  einer  sehr 
respektablen  Wiedergabe  des  Beethovenschen  Konzertes  dem  Leipziger  Publikum  als 
tüchtiger  Geiger  vorzustellen,  wie  er  sich  denn  auch  zwei  Tage  später  in  der  ersten 
Gewandhaus-Kammermusik  als  neuer  Primgeiger  des  Quartetts  ganz  erfreulich  bewähren 
konnte.  Vom  alten  Gewandhausquartett  ist  jetzt  eigentlich  nur  noch  Prof.  Julius  Kiengel 
am  Platze,  —  Herr  Sobald  (Bratsche)  spielt  erst  seit  wenigen  Jahren  mit,  Herr  Heyde 
(2.  Violine)  ist  erst  vor  Jahresfrist  dazugekommen,  und  am  ersten  Geigenpult  trat  eben 
der  Wechsel  ein  —  und  von  ihm  wird  wohl  die  Heranbildung  des  neuen  Quartettes  zu 
alter  Meisterschaft  ausgehen  müssen.  Da  heisst  es  also  zunächst  abwarten  und  sich  des 
allmiligen  Fortschreitens  in  der  Beherrschung  und  Durchgeistigung  des  Zuaammenspieles 
erfreuen.  Auch  das  vierte  Gewandhauskonzert  hatte  mit  Bachs  h-moll-Suite  für  Flöte 
und  Streichorchester  und  Mendelssohns  schottischer  Symphonie  eine  klassizistische 
Fassung,  barg  aber  in  seiner  Mitte  Tschaikowsky's  „Romeo  und  Julia'^  als  modern- 
funkelnden  Halbedelstein  und  Gesangsvorträge  der  Frau  Schumann-Heink  (Alt-Rhapsodie 


314 
DIE  MUSIK  III.  4. 


▼on  Brmhms  nod  Lieder  ron  Schobert  und  Ltszt).  —  Im  zweiten  PhUharmonischen  Konzert 
(l^inderstein)  sang  zwischen  Mozarts  g-moU-Symphonie,  Glucks  Iphicenien-OoTertfire  nnd 
der  Peer  Gynt-Suite  Kammersincer  Narai  die  Tamino-Arie  und  Lieder  nnd  rief  mit  setner 
kunstreichen  Stimmbehandlnng  begeisterten  BeifidJ  herror.  —  Das  zweite  Abonnements- 
Konzert  (Enlenburg)  vermittelte  den  Leipzigern  eine  neue  sehr  erfreuliche  Dirigenten- 
bekanntschafty  die  von  Max  Fiedler  aus  Hamburg,  der  mit  der  Chemnitzer  Kapelle  in 
recht  herrorragender  Weise  Tschaikowsky's  „Path^que^  und  in  tüchtiger  Art  „Tod  nnd 
Verkllmng^  von  Stranss  und  das  Meistersinger -Vorspiel  interpretierte.  Solistin  des 
Abends  war  Helene  Staegemann,  deren  feinsinnige  Ltederspenden  immer  wieder  die  freund- 
lichste Aufriabme  finden.  —  Mit  einem  eigenen  Liederabend  stellte  sich  unter  sehr  schätzens- 
werter Mitwirkung  der  Dresdener  Hofopemsingerin  Frl.  Nast  der  gleichfells  an  der 
Dresdener  Buhne  engagierte  Bassist  Lten  Rains  hier  erstmalig  vor  und  erweckte  mit 
seinem  vollen  und  sehr  sympathisch  klingendem  Organ  bei  vorläufig  noch  mangelnder 
Herrschaft  über  die  Aussprache  schöne  Hoffkiungen.  Ltedervortrige  einer  Knnstnovize, 
FrL  Anna  Führer,  muteten  freundlich  an;  einen  stürmischen  Begeisternngserfölg  er- 
spielte sich  schliesslich  aber  auch  hier  der  zehnjihrige  Geigenkünstler  Franz  v.  Vecsey, 
ein  wahrhaftig  sehr  ernst  zu  nehmender  Wunderknabe,  der  durch  seine  technische 
Beherrschung  des  Wieniawski-Konzerts  nnd  des  Hexentanzes  von  Paganini  nnd  mehr 
noch  durch  seine  geistige  Beherrschung  Bachscher  Sitze  für  die  Solovioline  staunende 
Bewunderung  hervorrief.  Arthur  Smolian. 

MAGDEBURG:  Im  zweiten  Stadttheater-Konzert  des  stidtischen  Orchesters  frmd  eine 
neue  Manuskript-Symphonie  unseres  Konzertdirigenten  Krug-Waldsee  viel 
Aufmerksamkeit  und  BeiftlL  Die  Themen  des  Werkes  regen  das  Interesse  lebhaft  an,  die 
polyphone  Arbeit  fesselt:  gesund  und  munter  stand  die  Symphonie  da.  Ein  gewisser 
Eklektizismus  macht  sich  nicht  in  störender  Weise  breit  Ein  allegro  vivo  von  Fühligkeit 
und  Orchesterglanz.  Die  Musik  des  Adagio  etwas  nordisch  fremdartig,  Klagen  des  eng- 
lischen Homs,  triumerische  Sordinen-Stimmungen,  sanftes  Entschlummern  des  Tags, 
schliesslich  eine  Nacht,  wie  sie  Grieg  liebt  Das  Scherzo  von  halb  übermütigem,  halb 
groteskem  Rondotoo,  das  Finale  mit  grossen  Steigerungen  noch  zuviel  Wirkung  ohne 
Ursache,  aber  gleichwohl  ein  beredtes  Zeugnis  von  der  ausgesprochenen  grossen 
kompositorischen  Begabung  des  Dirigenten.  Das  Orchester  spielte  das  Werk  mit 
grosser  Bravour.  In  den  Konzertsälen  bekannte  Erscheinungen.  In  diesem  Konzert 
die  Schumann-Heink;  im  Konzert  des  Kaufmännischen  Vereins  das  Berliner  Vokal- 
quartett de  Jong^  Therese  Bebr,  Hess  und  Eweyk  mit  prachtvoll  gesungenen  Lieder- 
cyklen  von  Brahma  und  Schumann.  Im  Kasinokonzert,  das  der  hier  mit  Recht  sehr 
angesehene  Dirigent  Hans  Winderstein  leitet,  Marie  Seret  und  van  Eyken;  im  Ton- 
könstlerverein,  der  in  bezng  auf  die  Frequenz-Ziffer  ein  sehr  kummerliches  Dasein 
fristet,  endlich  ein  Quartett  von  Konrad  Heubner,  ein  tüchtiges  Gesellenstück.  Daneben 
anhörenswerte  Liedervorträge  von  Frl.  G.  Langbein  —  nicht  ohne  Unglücksfälle.  Sie 
sind  in  diesen  Konzerten  nichts  seltenes,  da  der  Verein  angehenden  Sängerinnen  vielftch 
den  Weg  in  die  Konzertsäle  ebnen  möchte.  Max  Hasse. 

MANCHESTER:  Vom  Konzertleben  im  Oktober  ist  nicht  viel  zu  berichten.  Die 
erste  Woche  hatte  unser  Hall6-Orchester  mit  Proben  für  das  Birminghamer  Musik- 
fest zu  ttm,  die  zweite  Woche  gehörte  dem  Feste  selbst  an,  und  das  erste  (einzige) 
Konzert  des  Winters  brachte  als  hervorragendste  Nummer  nur  die  |,Harold-Symphonie*. 
Nun  gehen  unsere  Künstler  für  die  erste  Novemberhälfte  nach  London  zu  einer  Serie 
von  4  Konzerten.  Etwas  mehr  Adhäsion  an  den  Heimatsboden  unserer  Stadt  wäre  zu 
wünschen.  —  Dagegen  habe  ich  über  einige  interessanten  Solistenabende  zu  berichten. 
In  erster  Reihe  verdient  der  «Liederabend'  des   Herrn  Atkinson  lobend  erwähnt  zu 


315 
KRITIK:  KONZERT 


werden;  ein  anderer  Singer  vom  WGIlner-Typus  erfreute  ans  mit  den  besten  Schöpfungen 
deutscher  Tonsetzer:  Hugo  Woli;  Riebard  Strauss,  Berger,  Pieütz,  Reynaldo  Hahn;  ein 
wohlgeschttlter  Baritonist  von  nicht  gewöhnlicher  Intelligenz.  Ebenso  Ist  das  Recital  von 
Miss  Meredith  hervorzuheben;  die  Dame,  eine  Schfilerin  von  Mme.  Marchesi  brachte 
Stficke  leichterer  Gattung  (Haydn,  DvoHk,  Tschaikowsky)  mit  grossem  Erfolg  zur  Geltung. 
—  Ein  Musik-Abend,  der  nur  Blas-Instrumental-Musik  gewidmet  war,  rief  mich  nach  unserer 
Nachbarstadt  SheflReld;  ausser  Mozarts  (Köchel  452)  Quintett  für  Oboe,  Klarinette,  Hom, 
Fagott  und  Klavier  kam  auch  nach  Pauers  Quintett  (op.  44),  Beethovens  Quintett  (op.  16) 
und  desselben  Meisters  Trio  (Flöte,  Fagott  und  Piano)  sehr  wirksam  zur  Geltung.     H.  J.  C. 

MANNHEIM:  In  2  Akademieen  des  Hoftheaterorchesters  wurden  als  Novitäten  gebracht: 
»Die  Ideale*  von  Liszt,  »Don  Quixote*  von  Rieh.  Strauss  sowie  die  Liebesscene 
aus  dessen  »Feuersnot*;  die  beiden  letztgenannten  Werke  dirigierte  der  Komponist  Als 
Solisten  wirkten  Frl.  Walker  und  Hugo  Becker  mit,  Musikdirektor  Haenlein  spielte  auf 
der  neuen  Orgel  des  Musensaals  Liszts  Präludium  und  Fuge  Qber  B,  A,  C,  H. 
Felix  Weingartner  hatte  fQr  sein  1.  Kaimkonzert  ein  sinniges  Programm  zusammengestellt: 
Ouvertüre  und  Scherzo  aus  dem  .Sommemachtstraum*,  Ouvertüre  zu  »Manfred*,  Brahma' 
2.  S3rmphonie  und  Liszts  »Mazeppa*.  Die  Ausfuhrung  war  eine  brillante.  Das  Frank- 
furter Quartett  (Heermann  und  Genossen)  spielte  das  lang  entbehrte  Quartett  in  c-moll 
von  Verdi,  und  auch  unser  einheimisches  Quartett  Schuster  errang  einen  sehr  schönen 
Erfolg.  K.  Eschmann. 

MÜNCHEN:  Die  Saison  hat,  heuer  etwas  später  als  im  Vorjahr,  mit  dem  ersten 
Volkssymphoniekonzert  ihren  Anfang  genommen.  Peter  Raabe,  der  an  Stelle 
Hauseggers  gewonnene  Dirigent  dieser  Veranstaltungen,  führte  sich  mit  einer  Haydn- 
Symphonie  und  Beethovens  Achter  als  erfahrener  Orchesterleiter  ein;  er  scheint  berufen, 
Hausegger,  dessen  Fortgang  ja  einen  Verlust  bedeutet,  in  der  Tat  zu  ersetzen.  Auch 
sein  zweites  Konzert  hinterliess  einen  verheissenden  Eindruck.  —  Das  erste  Abonnement- 
konzert des  Kaimorchesters  unter  Weingartner  brachte  uns  die  D-dur-Sympbonie  von 
Brshms  in  sehr  feiner,  durchgeistigter  Ausführung.  Als  Solist  des  Abends  spielte  der 
gefeierte  Eugene  Ysaye  Bruchs  d-moll- Konzert  und  die  Romanzen  in  G  und  F  von  Bee- 
thoven; er  spielte  mit  berfickender  Sfissigkeit.  —  Einige  Tage  vorher  brachte  unter  Mit- 
wirkung des  Kaimorchesters  ein  anscheinend  junger  Komponist,  August  Reuss,  zwei 
symphonische  Dichtungen  und  Lieder  zu  Gehör.  Seine  Schöpfungen  bekunden  Phantasie 
und  höhere  musikalische  Bildung.  Die  Dichtungen  »Der  Tor  und  der  Tod'  und 
ajohannisnacht**  sind  mit  Sorgfalt  instrumentiert;  aber  es  mangelt  ihnen  an  scharfer 
Charakteristik,  an  innerer  Spannung.  Auch  den  Liedern.  Reifer  ist  der  Gesang  mit  Orgel 
und  Geige  »Melodie*  op.  17,  in  den  der  Komponist  so  etwas  wie  Unendlichkeitsstimmung 
hineinzttweben  wusste.  —  Von  Novitäten  ist  Pfitzners  Streichquartett  op.  13  zu  erwähnen, 
das  uns  von  zwei  Kammermusilcvereinigungen,  dem  Hösl-  und  Kulan- Quartett  ftist 
unmittelbar  hintereinander  vorgeführt  wurde.  Wie  in  seiner  flüssig  geschriebenen  Cello- 
sonate op.  1  zeigt  Pfltzner  auch  in  dem  Quartett  eine  nicht  geringe  Fähigkeit  im  Bilden 
und  Formen;  es  Ist  gesundes  Leben  in  diesem  Werk,  Begeisterung.  —  An  Kammer- 
musikabenden scheinen  wir  heuer  keinen  Mangel  zu  haben;  von  Mitte  Oktober  bis  heute 
fast  ein  volles  Dutzend  und  darunter  recht  tüchtige,  ausser  den  genannten  besonders  die 
Sonatenabende  der  Frau  Langenhan-HIrzel  und  des  Herrn  Rettich,  die  sich  durch  Stil 
auszeichneten.  —  Am  zahlreichsten  waren  wie  immer  die  Solistenabende.  Lili  Lehmann- 
Kaiisch  gab  ein  glänzendes  Wohltätigkeitskonzert,  die  virtuose  Geigerin  Saenger-Sethe 
mit  dem  mnskelbegabten  Klavierspieler  Hinze-Reinhold  eine  anregende  Soiree,  ausserdem 
sangen  die  Damen  Dessoir,  Lucl^,  Anna  Alt,  Ada  Lingenfelder,  Gimckiewicz. 

Dr.  Theodor  Kroyer. 


316 
DIE  MUSIK  HL  4. 


PRAG:  Die  Konzerttalson  besinnt  unter  cnten  Anzeichen.  Die  Pliillimmionitcliea 
Konzerte  im  Neuen  denttchen  Tbeater,  die  Leo  Blech  dirigiert,  setzten  mit  Schnbertt 
C-dar,  Schillingt*  «IngweldenTortpiel«  und  «Tasso*  ron  Liszt  bei  massenhaftem  Zolaiir 
flinzend  ein.  Als  Solist  sang  Perron  Tomehm,  allzu  Tomehm  f&r  Prag^  das  mehr  die 
Entzngelung  als  die  Bändigung  des  Temperamentes  liebt,  Schnbertsche  Arien  und  Lieder. 
--  Die  tschechische  Philharmonie  hat  ihren  Fortbestand  nun  doch  wieder  glnddich 
gesichert  und  weiss  unter  ihrem  fortschrittlichen  und  Torurteilslosen  Dirigenten 
Dr.  W.  Zemanek  die  Aufmerksamkeit  aller  Musikkreise  auf  sich  zu  ziehen.  Er  spielt 
jetzt  sämtliche  symphonischen  Dichtungen  Liszts.  —  Ein  Ereignis  bildeten  die  zwei 
Konzerte  von  Hubermann,  des  einzigen  Künstlers,  der  es  hier  wagen  kann,  selbstindi^ 
ohne  Anschluss  an  die  bestehenden  Konzertinstitate,  auCsutreten  und  der  sogar  mit 
klassischen  Programmen  das  Publikum  in  Entzficken  geigt.  —  In  den  Kammerkonzerten 
hat  das  Frankftirter  Heermannsche  Quartett  durch  sein  fein  nuanciertes  Zusammen- 
spiel sich  Anerkennung  erworben,  die  in  der  Heimat  der  «Böhmen*  schon  etwas  bedeuten 
wilL  Dr.  R.  Batka. 

STOCKHOLM:  Zwei  Orchesterkonzerte  von  «Konsert-Föreningen*  und  das  erste 
Symphoniekonzert  sind  besonders  zu  erwähnen.  Die  Neuheit  im  erstgenannten 
Konzert  waren  Bruchstucke  aus  Edward  Elgars  .The  Dream  of  Gerontius*.  Das  gewaltige 
Präludium  mit  mächtiger  Orchesterwirkung  achlug  besonders  ein.  Solistenkonzerte  sind 
ausserdem  von  Willy  Burmester,  Teresa  Carrefio  und  Henri  Marteau  mit  mehr  oder 
weniger  Erfolg  gegeben  worden.  Tobias  Norlind. 

STRASSBURG:  Das  erste  Abennementskonzert  (Stockhansen)  brachte  Beethovens  VIII., 
fast  nicht  minder  gut  wie  im  Sommer  unter  Mottl,  eine  recht  zahme  .Prometheus*- 
Ouvertüre  des  grossen  Universalanlehners  Goldmark,  als  Solisten  Busoni.  Seine  Technik 
ist  gewiss  unbestritten;  manches  subjel^tive,  selbst  manierierte  im  Vortrag  wfirde  man 
ihm  gern  nachsehen,  wenn  er  nicht  gar  zu  oft  durch  die  brutale  Härte  eines  unelastisch- 
hackenden Anschlags  jedes  Feingefühl  verletzte.  Wie  sich  volle  Kraftentwicklung  mit 
Elastizität  einen  kann,  zeigte  Alice  Ripper  (im  Tonkfinstlerverein);  Schumannsche  Poesie 
mtiss  sie  allerdings  noch  lernen.  Ebendaselbst  entzückten  unsere  ersten  Bläser  durch 
Beethovens  op.  16.  Nicht  ohne  politischen  Beigeschmack  war  der  9Bombenerft>lg*  von 
Saint-SaSns,  der  zugleich  wiederum  die  prächtigen  Konzert-Qualitäten  des  Sängerhaussaales 
erwies.  Gewiss  ist  der  .Französische  Brahma*  eine  der  sympathischeren  Erscheinungen 
des  zeitgenössischen  Miuildebens;  aber  die  keineawegs  geschickt  ausgewählten  Kom- 
positionen und  die  mehr  an  Kunst  als  an  Stimme  reiche  Partnerin  Marchesi  (London) 
vermochten  die  Begeisterung  der  sonst  so  kühlen  Strassburger  doch  kaum  allein  zu  er- 
klären: so  ein  bischen  Ausländerei  ist  doch  halt  gar  zu  schön !  Zu  erwähnen  ist  noch 
ein  hübscher  Trioabend  der  Vereinigung  Stennebrüggen-Walter-Schmidt,  und  ein  Lieder- 
abend dea  bis  atif  manchea  in  der  Aussprache  stets  sympathischen  Sistermans;  den 
städtischen  (Schuster-)  Quartetten  drängt  sich  die  Kritik  nicht  mehr  auf! 

Dr.  Gustav  Altmann. 

WARSCHAU:  Nach  einem  glänzenden  Erfolg,  den  sich  unsere  Philharmoniker  unter 
Leitung  von  E.  Mlynarsld  in  Krakau  und  Lodz  erapielt  hatten,  wurde  die  hiesige 
Saison  mit  der  IX.  Symphonie  von  Beethoven  eröflPhet  Die  zwei  nächstfolgenden  Dienstags- 
konzerte brachten  die  auagezeichnet  gespielte  D-dur-Symphonie  von  Brahms  und  eine 
Symphonie  von  A.  Webber,  einem  jungen,  englischen  Komponisten,  ein  Erstlingswerl^ 
das  von  Talent  und  ernsten  Studien  des  Autors  zeugt  Als  Solist  liess  sich  zweimal 
der  Geiger  J.  Kocyan  hören,  dessen  verblüffende  Technik,  aber  ziemlich  geistloses 
Spiel,  einen  grossen  Erfolg  bei  unserem  Publikum  geftinden  hat.  Die  grossen  symphoni- 
schen Konzerte  beginnen  am  Ö.  November  mit  Liszts  Fauat-Symphonie.    H.  OpienskL 


317 
KRITIK:  KONZERT 


WIEN:  Die  grossen  FiGgel  zur  Wiener  Konzertstison  eröffnen  sich  erst  tm  1.  No- 
Tember.  Wenige  Unternehmungen  und  Konzerristen,  die  es  sehr  eilig  haben, 
dringen  sich  durch  Seitenpforten  schon  in  den  letzten  OIctobertagen  auf  den  Plan.  Der 
19 Wiener  Konzertrerein*,  dessen  erste  Produktion  von  seiner  die  besten  und  weitesten 
musikalischen  Kreise  umfassenden  Zuhörerschaft  mit  besonderer  Wlrme  aufgenommen 
wurde,  machte  den  Anfang.  Dieses  Orchester  hat  seit  seinem  Entstehen  einen  mächtigen 
AufiBchwung  genommen.  Ferdinand  Lowes  nach  jeder  Richtung  unermfidlich  nach- 
bessernder Arbeit  ist  es  gelungen,  von  dieser  Instrumentalistenvereinigung  unsern  auf 
ihren  altererbten  Ruf  etwas  allzu  leichtsinnig  vertrauenden  Philharmonikern  viel  Wind 
aus  den  Segeln  zu  nehmen.  Die  Neuheit  des  Abends  —  des  Parisers  Paul  Ducas* 
Scherzo  »Der  Zauberlehrling*  —  hatte  einen  durchschlagenden  Erfolg  und  wird  zweifel- 
los in  unserer,  der  Orchestervirtuositlt  zugeneigten  Zeit  ihren  Weg  machen.  Die  Ober- 
raschungen,  die  Saint-SaSns'  «Danse  macabre*  dem  Hörer  vor  dreissig  Jahren  be- 
reitete, sind  hier  verzehnfacht.  Ein  nicht  geringes  Mass  charakteristischer  Erfindungs- 
kraft und  des  Komponisten  Fähigkeit,  mit  den  Forderungen  des  Programms  zugleich  dem 
Formenbedfirfnis  des  Zuhörers  gerecht  zu  werden,  machen  für  die  Wunder  seiner 
stupenden  Orchestertechnik  um  so  empfinglicher.  Sehr  glücklich  führte  sich  eine  Trio- 
vereinigung  der  Herren  Moriz  Violin  (Klavier),  Paul  Fischer  (Violine)  und  Prof.  Julius 
Kiengel  (Cello)  aus  Leipzig  an  einem  Abend  ein,  der  nur  exquisite  und  selten  gehörte 
Stücke  der  grossen  Musikliteratur  bot.  Im  Programm  ragte  Beethovens  Sonate  für 
Klavier  und  Violoncell  op.  102  D-dur  wie  ein  Monolith  hervor.  Beethoven  hat  darin 
Allergeheimstes  aus  den  tiefsten  Erfahrungen  seiner  letzten  Schaffenszeit  mitgeteilt.  Ein 
Trio  von  Haydn  führte  zu  Gemüt,  wieviel  dieser  alte,  musikalisch  überreiche  Meister  zu 
sagen  hat,  was  man  heute  im  musikalischen  Lirm  des  Tages  überhört.  Moriz  Violin 
bewihrte  sich  als  hervorragend  musikalischer  Kammermusikspieler,  Paul  Fischer  als 
vortrefflicher  Geiger.  Ober  Kiengels  vollendete  Meisterschaft  ist  ja  nichts  weiter  zu 
sagen.  Sehr  Interessante,  selten  gehörte  Lieder  von  Hector  Berlioz  steuerte  der  tüchtige 
Konzertsinger  Eduard  Gärtner  bei.  Gustav  Schoenaich. 

WIESBADEN:  Den  Reigen  der  grossen  Orchester-Konzerte  eröffnete  die  Hofkapelle 
unter  Prof.  Mannstädts  Leitung  mit  einem  Symphonie-Abend,  der  die  Wieder- 
holung des  schon  früher  an  gleicher  Stelle  gehörten  «Heldenleben*  von  R.  Strauss  be- 
scherte. Der  Erfolg  war  diesmal  noch  allgemeiner  als  bei  der  Premiere  —  doch  noch 
lingst  nicht  allgemein.  Reisenauer  errang  mit  Liszts  Es-dur-Konzert  und  dem  poesie- 
ToUen  Vortrag  Chopinscher  Stücke  grossen  Erfolg.  Dass  er  die  letzteren  oft  etwas  kühn 
modulierend  untereinander  verknüpfte,  fand  verschiedene  Beurteilung.  Er  scheint 
mir  ganz  der  Mann,  die  von  früheren  Klaviermeistem  geübte  Kunst  der  «freien 
Konzert-Phantasie*  wieder  zu  Ehren  zu  bringen.  —  Im  Kurhaus  erschien  als  Gast  Camille 
Saint-SaSns  —  wohl  etwas  angegraut,  doch  immer  noch  elegant  und  elastisch  trotz  seiner 
last  70  Jahre  I  Seine  Phantasie  »Afrika*  für  Klavier  und  Orchester  war  das  Hauptwerk 
des  Abends,  —  nicht  gerade  eine  seiner  bedeutendsten  Emanationen,  wenn  es  auch  die 
Vorzüge  seiner  Kunst:  Glanz  und  Glitte  der  Arbeit,  eine  oft  geistvolle  Ausnutzung  der 
zum  Teil  fremdlindisch  angehauchten  Themen  bekundet.  Das  Spiel  des  liebenswürdigen 
Tonmeisters  fesselte  mehr  als  das  Gespielte:  es  klang  alles  so  sauber  und  aufgeriumt 
Zwei  iltere  Kompositionen,  die  Saint-Saöns  selbst  dirigierte,  waren  übel  gewihlt:  »Jeunesse 
d'Hercule*  ist  wohl  das  schwichste  seiner  symphonischen  Gedichte;  ein  «Marsch  der 
Synode*  aus  Henri  VIII.  —  tönendes  Erz  —  klingende  Schellel  Nun,  ein  Saint-Saöns 
darf  sich  so  etwas  schon  einmal  gestatten.  Derselbe  Konzert-Abend  wurde  mit  der 
«Romanfischen  Ouvertüre*  t.  L.  Thuille  eingeleitet:  recht  hübsch,  recht  hübsch  . . .  aber 
Thuille  durfte  sich  so  etwas  eigentlich  noch  nicht  gestatten.  Otto  Dorn. 


EINGELAUFENE  NEUHEITEN 


BÜCHER 
Otto  Keller:  Illustrierte  Geschichte  der  Mu*lk.  2.  Aufl.    Llerenmi  1.    (M.  I.)   Verisf: 

Eduard  Koch,  M&ncheu. 
Tilbelm  Tappert:  Richsrd  Tagner  im  Spiegel  der  Kritik.    Zweite  bedeutend  vermehrte 

und  umgearbeitete  Autlage  des  Wagneriexikons.     Verlag:  C.  F.  T.  SIegri, 

Leipzig. 
Dr.  Theodor  S.  Flatsu:  Das  habituelle  Tremolieren  der  Slagstlmme.  2.  Aufl.  (M.O^ia) 

Intoaationastömngen  und  StlmmverluiL    Beitrige  zur  Lehre  ren  den  Stimm- 

itBruDgen  der  Singer.    3.  Aufl.    (M.  0,40.)    Verlag:  Albert  Stahl,  Beriin. 
T.  Alfred  Parr:  Chronologlache  Oberslcht  Sber  die  Entvickinng  der  Muiifc.  Tabellariacb 

zusammengeBtellt    (M.  (^50.)    Ebenda. 
Richard  Hermann:  Die  Mualklnstnimente,  Ihre  Beichrdbung  und  Verwendung.  (Tebera 

Illustrierte  Katecbiimen  Bd.  47.)  Sechste  ToUsHbidig  neu  bearbelteie  Auflage. 

(M.  4.)    Verlag:  J.  J.  Teber,  Ulpiig. 
Karl   Fischer  and   Rudolf  Krauaa:  Eduard  MSrlkes  Briefe.    Bd.  1.    Veriag:  OtM 

Elaaer,  Berlin  1903. 
Irene  Wild:  Ein  Llebesschicksal  in  Liedern.   Verlag:  E.  Piersons  Verlag,  Dreaden  1004. 
Nana  Teber-Bell:  Natonrlsaenachaft  und  Stimmenleb ung.  Materialprinzipien  (Br  Pida- 

gogen  und  Singer.    Verlag:  Max  Schmitz,  Leipzig. 
Carl  Hunnlus:  Gedichte.    2.  Aufl.    Verlag:  C.  F.  Amelang,  Leipzig  1003. 
Dr.  G.  Terntck:  Znr  Parcholog^e  dea  lathetiachen  Gennisea.  (M.  2,4a)  Veriag:  Vilhelm 

Engalmann,  Leipzig  1003. 

MUSIKALIEN 
Ludwig  Schytte:  op.  107.    Kleine  Klarleratecke  mit  Mottls.    Heft  I  und  II.    Veriag: 

Tilhelm  Hansen,  Leipzig. 
Christian  Slndlng:  op.  SO.    Serenade  Kr  zwei  Violinen  und  Piano.    Ebenda. 
Peter  Cornelina:  op.  1.    No.  5:  .Nschta",  Gedicht  (Cr  zwei  Singstimmen  und  KUTier, 

ungerichtet  von  P.  Volbach.    <M.  1.)    Verlag:  B.  Schotts  SSbne,  Mainz. 
Edward  Elgar:  .Liebeagmas"  fGr  eine  SingsHmme  mimanofortebegleltung.   Nach  dem 

Engllscben  Ton  E.  Kllngenfbld.    (M.  1.)    Ebenda. 
Ernat  Ludwig,  Grosabenog  von  Hessen:  Zwei  Gedichte  von  Olaf  (6r  eine  Singstimme 

und  Klavier;  zwei  Lieder  (6r  eine  Slagstlmme  nnd  Klavier.    Ebenda. 
Martin  Jacobl:  op.  33.    Drei  Lieder  fGr  eine  Singstimme  mit  KlavlerbegL    No.  1—3. 

(k  M.  1.)    Ebenda. 
Felix  Draeaeke:  op.  T7.    Quintett  fBr  zwei  Violinen,  Bratachen  nnd  zwei  Violoncelle. 

(Partitur  M.  3,  Stimmen  M.  IOl)    Verlag:  N.  Slmreck,  Beriin. 
Max  Bruch:  op.  70.    Lieder  und  Tinze  nach  nisalaeben  und  schwedischen  Volksmelo- 

dieeo  nr  Violine  und  KUvIer.    Heft  1  und  2.    »  M.  4.)    Ebenda. 
Alexla  Hollaender:    op.  58.      Secha  Cbarakteratflcke  fBr  Violoncello  und  Klavier. 

No.  1—3.    (No.  1  und  3  k  M.  1,  No.  2  M.  Z)    Ebenda. 
Edouard  ScbBtt:  op.  8B.    Pages  intimes.  Stx  morceanx  ponr  Piano.    (M.  3.)     Deox 

InlermMes  ponr  Piano  No.  1  und  Z    (k  M.  2,50.)    Ebenda. 
Arnold  Krug:  op.  119.    Romanzen.    4  KlavIerttOcke  No.  1 — *.    (M.  3.)    Ebenda. 


319 
EINGELAUFENE  NEUHEITEN 


Frtnz  Bölsche:  »Frühlingsweben^  Gedicht  von  Josef  Haggenberger  ffir  eine  Sing- 
stimme mit  Begleitung  des  Planoforte.    (M.  1.)    Ebenda. 

Richard  Rössler:  .Wir  Drei"*,  Duett  f&r  Sopran  und  Alt  Gedicht  von  Hans  Eschel- 
bacb.    (M.  1^.)    Ebenda. 

Louis  R6e:  op.  29.  Fünf  Lieder  mit  Begleitung  des  Pianoforte.  No.  1—5.  (No.  1  u.  3 
ä  80  Pf.,  No.  2,  4,  5  ä  M.  1.)    Ebenda. 

Victor  Rosenberg:  »Capriccio«  f&r  Pianoforte.    (M.  1,50.)    Ebenda. 

Paul  Zilcher:  op.  28.  Lieder  und  Tlnze,  kleine  Trios  für  Klavier,  Violine  und  Cello. 
(M.  4.)    Ebenda. 

G.  Capellen:  op.  14  No.  1.  .Mutter,  o  sing  mich  zur  Ruh"*  für  eine  weibliche  Stimme 
mit  Klavierbegl.   4.  Auflage.  (M.  0,75.)    Verlag:  H.  R.  Krentzin,  Beriin. 

Carl  Ta'usig:  Zwei  Sonaten  für  Pianoforte  von  Domenico  Scarlatti.  Für  den  Konzert- 
vortrag bearbeitet.    Verlag:  Gebrüder  Hug  &  Co.,  Leipzig. 

P.  Ploridia:  op.  15.  Compositions  pour  Piano  No.  1—6.  (No.  1,2.  4  ä  M.  1.  No.  3^5^6 
ä  M.  1,50.)    Ebenda. 

Hans  Pfitzner:  op.  13.  Quartett  in  D  für  2  Violinen,  Viola  und  Violoncello.  (Partitur 
M.  4,50  und  Stimmen  M.  7,50.)    Verlag:  Julius  Feuchtinger,  Stuttgart 

Niels  W.  Gade:  Holger  Danskes  Sänge  for  Klaver  (bearbeitet  von  Ludwig  Schytte). 
Verlag:  Wilhelm  Hansen,  Kopenhagen,  Leipzig. 

Ludwig  Schytte:  »Piazza  del  Popolo^  Kleine  italienische  Suite  für  Klavier,  op.  110. 
(Serenade,  Romanze,  Barcarole,  Tarantella.)    Ebenda. 

Emil  Sjögren:   Sonate  für  Klavier,   op.  35.    Ebenda. 

Eilerjensen:  Tarantelle  op.  4.  Rastlos  (Scherzo)  op.  5.  R6verie  op.  6.  Pour  Violon- 
cello avec  Piano.    Ebenda. 

Johan  Halvorsen:  Andante  Religiöse  pour  Violon  solo  avec  Orchestre.  (Für  Violine 
und  Klavier  [oder  Orgel]  bearbeitet  von  Nicola]  Hansen.)    Ebenda. 

Corelli:  Sonate  pour  Violoncelle.    Bearbeitet  von  Jacques  van  Li  er.    Ebenda. 

Gustav  Hollaender:  Bunte  Blätter.  Sechs  Vortragsstücke  für  die  Violine  mit  Piano- 
fortebegleitung,   op.  61.    Ebenda. 

L.  Birkedal-Barfod:  Skizzer  for  Klaver.    op.  20.    Ebenda. 

Christian  Sinding:  Album.  L  Teil:  Zehn  ausgewählte  Lieder.  IL  Teil:  Zwölf  aus- 
gewählte Lieder.    Verlag:  Robert  Forberg,  Leipzig. 

A.  H.  Amory:  Angelus.  Ballade  für  eine  tiefere  Stimme  mit  Klavierbegleitung,  op.  48. 
Verlag:  Gebr.  Wagenaar,  Amheim  (Hol)and). 

Georg  Pittrich:  Drei  Lieder  für  eine  Singstimme  mit  Pianofortebegl.  op.  39.  (ä  M.  1.) 
Drei  Lieder  für  eine  Singstimme  mit  Pianofortebegl.  op.  43.  (No.  1  ä  M.  1, 
No.  2  und  3  ä  M.  0,60.)    Verlag:  J.  Schuberth  &  Co.,  Leipzig. 

Gustav  Baldamus:  .Das  deutsche  Volkslied"  für  Mlnnerchor.  op.  74.  (Partitur  M.  1.) 
Zwei  Minnerchöre,   op.  75.  (Partitur  ä  M.  0,40.)    Ebenda. 

Hector  Berlioz:  »Die  Trojaner  in  Carthago."  Vorspiel  für  Klavier,  bearbeitet  von 
Otto  Taubmann.  —  Ungarischer  Marsch  aus  Fausts  Verdammung.  Desgl. 
Verlag:  Breitkopf  &  Hirtel,  Leipzig. 

Anton  Brückner:  Neunte  Symphonie  für  grosses  Orchester.  Herausgegeben  von 
Ferdinand  Löwe.  Partitur  (M.  30.)  Klavierauszug  zu  vier  Hinden.  (M.  6.) 
Verlag:  Ludwig  Doblinger,  Wien. 


limxMliimnn  nad  nur  an  die  Redaktion  su  adressieren.    Bespredmng  einselner  Werke  vorbehalten.    FSr  die 
fietpfednaia  unverlangt  eingesandter  Bücher  und  Musikalien,  deren  Rficksendung  heineefcHs  stattündef,  fiber- 

aehoMn  BiMJwIrtfon  und  Verlag  keine  Oarantieb 


Im  AaKbluss  an  den  .MnBiksaal  der  Zukunh*  (iwejtes  Er{lninDpb]an)  betitelten  Auf- 
aalt  von  Paul  Maraop  veranschaallcben  wir  heute  nnaem  Leaem  die  Rlume,  In 
denen  das  tat  die  EatvicUunc  nnaere«  Koniertlebena  ao  bedeutaame,  für  die 
Rebrni  des  KoDzeriaaals  in  mancher  Hinsicht  hoffenttich  roTbildlicbe  Heldel- 
berger  Musikfeai  siatt(ehtndeD  hat  Blatt  1  zelct  nni  die  Anordnnnf  des  ver- 
deckten Orchestern,  Blatt  2  den  Konzertsaal  der  Stadthalle,  sowie  die  .Mnslk- 
nisctae'.  Hinter  der  ersten  (niedereren)  Scbailvand  befindet  sich  das  verdeckte 
Orchester,  hinter  der  iweiten  (hSheren)  der  nnsichtbare  Chor;  auf  Blatt  3  erblicken 
wir  daa  PortriU  des  verdienitvoUen  Leiten  and  Oriaolsators  der  ganzen  Ver- 
anstaltung, Herrn  Universliltamusikdirekiors  Praf.  Dr.  Philipp  Toirrnm. 

Fortsetzung  und  Scbluaa  des  Urbanscfaen  Artikela  illustrieren  die  rolgenden  vier  Blitter, 
auf  denen  wir  Photograph leen  der  Koryphlen  der  leicht  geschürzten  Mnse  sehen, 
die  Franzosen  Charles  Lecocq,  Robert  Planquette,  Edmond  Audrao  und 
Andr6  Mesaater,  die  Eogllnder  Arthur  Sullivao  nod  Sldney  Jonea,  endlich 
die  Deutschen  Johann  Stranas,  Franz  von  Snpp«,  Karl  MillScker  (beide 
letzteren  nach  Stieben  von  A.  Teger),  Paul  LIncke  und  Bogumil  Zepler. 

Bmcknera  Meisterwerke  beginnen  erfreulicherweise  in  unseren  Koniertallen  langsam 
festen  Fuaa  zu  hasen.  Unaere  dleamallge  Masikbeiiage  bringt  daa  herrliche 
Adagjo  aus  dem  Streich -Quintett  F-dur,  dem  einsigen  Kammermnsikwerk  de* 
Meiaiers,  in  der  ganz  ausgezeichneten  Obertragnng  fGr  Klavier  von  Josef  Schalk. 


ItwRUkripn.  Ute  llBMa  alekt  g  •  ■  fl  g  •  a  4 


Venntwoitlicher  SchrifUelter:  Kapellmeist«-  Beinbard  Sclmster 
Beriio  SW.  II.  Lackeowaldeivtr.  1.  III. 


PHILIPP  WOLFRUM 


DER  KONZERTSAAL  DER  STADTHALLE  IN  HEIDELBERG 


BLICK  AUF  DAS  VERDECKTE  ORCHESTER  UND 
PODIUM  IN  DER  HEIDELBERGER  STADTHALLE 


JOHANN  STRAUSS 


FRANZ  VON  SUPP£  CARL  MILLÖCKER 


Aus   dem   Muilkhiatorlsclieii  MuMum   d 
Herrn  Fr.Nicol«»  Mlnskopf,  FrinkfUrt  ... 


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AKTHUR  SULLIVAN 


SIDNEY  JONES 


PAUL  LINCKE 


BOGUMIL  ZEPLER 


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stieb  n.  Dniok:  Berliner  MnslkaUeii  Dmekerel  G.ai.k.  H.  CharloMealmrs. 


iAKioCR,. 


BERLIOZ  UND  SEINE 
„ARCHITECTURALE  MUSIK' 

von 
Ained6e  Boutarel-Paris*) 


der  Musik  des  19.  Jahrhunderts  nimmt  Berlioz  etwa  die 
'  Stellung  ein ,  wie  Michelangelo  unter  den  KUostlern  der 
Renaissance:  ohne  Jünger,  ohne  Schule,  ohne  Nachahmer. 
I  Man  bat  von  ihm  behauptet,  er  habe  nicht  zu  komponieren 
verstanden,  seine  Schöpfungen  seien  masslos,  ungeheuerlich,  sie  entbehrten 
des  inneren  Gleichgewichts;  man  bat  ebenso  Michelangelo  Unkorrektheit  der 
Zeichnung,  übertriebene  Darstellung  der  Muskulatur,  bedenkliche  Proportions- 
fehler vorgeworfen.  Michelangelo  und  Berlioz  bieten  uns  fast  nichts 
von  dem,  was  den  Wert  geruhigen  Lebens  im  Schoss  häuslicher  Verhlltnlsse 
ausmacht;  dies  ist  der  Grund,  warum  ihre  Zeitgenossen  sie  nicht  ver- 
standen, wenn  sie  ihnen  auch  Genie,  Ruhm  und  Ehren  zuerkannten. 
Mag  man  sich  diesen  Meistern  gegenüber  in  fanatischer  Anbetung  gehllen, 
mag  man  zu  ihren  Werken  eine  gezwungene  Haltung  einnehmen,  die  es 
einem  nicht  ermSglicht,  sie  zu  lieben,  weit  man  sie  als  übermenschlich 
empfindet  —  immerhin  wird  man  zugestehen  müssen,  dass  es  auf  musi- 
kalischem Gebiet  niemand  gibt,  der  streng  genommen  mit  Berlioz  zu  ver- 
gleichen wire,  in  der  plastischen  Kunst  niemand,  der  als  Massstab  für  die 
Abschätzung  der  Grösse  Micbelangelo's  dienen  könnte.  Pbidlas,  Polyklet, 
Skopas,  Bach,  Beethoven,  Vagner  waren  anders  —  sicherlich  nicht  weniger 
bedeutend  —  aber  die  Schöpfer  der  .Totenmesse*  und  des  jüngsten  Ge- 
richts' gehören  zum  Geschlecht  der  Titanen,  zu  den  «pollinischen  Geistern, 
zu  den  .Übermenschen'.  .Michel  piü  che  mortale,  enget  divinot'  sagte 
Ariost  von  Michelangelo;  ein  junges  Mädchen,  Camitia  Moke  (spiter  als 
Pianistin  unter  dem  Namen  Marie  Pleyel  berühmt),  nannte  in  ähnlicher 
Weise,  als  sie  den  Sabbat  aus  der  .Fantastischen'  gehört,  Berlioz  ,mon 
eher  Luclffcr,  mon  beau  Satan  l**) 

Berlioz  ist  zugleich  ein  aristokratisches  und  ein  demokratisches  Genie; 

')  Aus  dem  Fraozftsiichen  von  TUly  Rem. 

*)  Brief  an  Humbert  Femnd  vom  12.  Deiember  1830.    Hector  Berlloi,  Lettre« 
iotimes,  I^rls  1S82. 


324 
DIE  MUSIK  IIL  5. 


in  gewissen  Kreisen  ausgesprochen  erzeugte  sein  Name  die  eigentümliche 
Wirkung,  die  ehrenwerten  Leute  der  bürgerlichen  Gesellschaft  in  Erbitterung 
und  Bestürzung  zu  versetzen,  sie  ausser  sich  geraten  zu  lassen.  Anderer- 
seits fand  er  gewichtige  Verteidiger  unter  Künstlern  und  Schriftstellern; 
er  hat  die  Massen  zu  packen  verstanden,  wenn  es  ihm  vergönnt  war,  sich 
an  sie  zu  wenden;  dann  bezwang  er  die  Geister,  riss  sie  mit  sich  fort  wie 
ein  siegreicher  Titan,  aber  ohnmächtig  blieb  er  dem  eingewurzelten  Spiess- 
bfirgertum  gegenüber,  das  im  Grund  genommen  einzig  und  allein  den 
Theatern  Gesetze  vorschreibt.  Und  von  1830 — 1860  zfthlte  in  Frankreich 
nur  das  Theater  mit;  ausserhalb  konnte  sich  musikalisches  Leben  auf  die 
Daner  nicht  halten.  Zudem  wurde  Berlioz  um  diese  Zeit  für  eine  Art  geflUir- 
lichen,  umstürzlerischen  Mephistopheles'  gehalten ;  die  wackem  Dilettanten 
erblickten  in  ihm  einen  Spross  der  Hölle,  einen  Todfeind  ihrer  Götter 
Rossini,  Auber,  Hal6vy  und  Meyerbeer;  sie  zogen  ihm  Adam  und  Clapisson 
vor.  Oifenbach  entrüstete  sich  darüber  und  verspottete  ihre  Torheit  0 
Berlioz  seinerseits  hüllte  sich  in  stolzes,  verächtliches  Schweigen. 

Noch  heute  traut  man  ihm  nicht  recht,  man  befürchtet  Blitz  und 
Donner,  wenn  man  ihm  auf  seinen  Sinai  folgt.  Und  doch  ist  sein  Werk 
nicht  mörderisch,  wie  das  Feuer  des  heiligen  Bergs;  es  handelt  sich  nur 
um  das  Wagnis,  sich  dem  verzehrenden  Feuer  zu  nähern,  der  blendenden 
Atmosphäre  Trotz  zu  bieten.  Hauptsächlich  muss  man  den  groben  Fehler 
vermeiden,  Berlioz'  Schöpfungen  vom  engen  Professorengesichtskreis  aus  zu 
betrachten:  die  Prüfung  seines  technischen  Verfahrens,  das  minutiöse 
Studium  seiner  Schreibweise,  die  kritische  Obduktion  mit  einem  Wort  — 
sie  darf  erst  an  zweiter  Stelle  kommen.  Wie  dies  Schumann  wahrhaft 
intuitiv  gezeigt  hat,  handelt  es  sich  in  erster  Linie  um  folgende  Fragen: 
Ist  der  Zweck  erreicht?  Ist  der  Intellekt  befriedigt?  Das  Ideal  —  fast 
immer  figürlich,  beschreibend,  dramatisch,  folglich  ausserhalb  des  rein 
Musikalischen  stehend  —  ist  es  realisiert?  Nun,  die  Antworten  werden, 
um  es  oifen  zu  sagen,  immer  bejahend  ausfallen.  Man  braucht  mit  der 
Musik  Berlioz'  nicht  zu  sympathisieren,  aber  man  wird  sich  schwerlich 
der  Erkenntnis  verschliessen,  dass  er  das  Endziel  —  in  grandioser  oder 
schlicht-ergreifender  Weise  —  immer  meisterhaft  erreicht  hat.  In  seiner 
schönen  Analyse  der  »Fantastischen  Symphonie*  hat  Schumann  die  darin 


*)  cf.  L'Artiste,  Jahrgang  1855,  Seite  40.  Offenbach  macht  sich  besonders  über 
die  musikalische  Inkompetenz  der  Mitglieder  des  »Institut  de  France"  lustig,  die,  in 
die  Notwendigkeit  versetzt,  einen  Kollegen  wählen  zu  müssen,  Berlioz  zuerst  Ad.  Adam, 
den  Komponisten  des  »Postillon  von  Longjumeau"  vorzogen,  dann  Clapisson,  der 
gleichfalls  einen  Postillon  (von  B^ranger)  in  Musik  gesetzt  hatte.  »Clapisson,*  meinte 
Offenbach,  »hat  denselben  Rang  wie  Adam  erhalten,  nftmlich  des  Postillons  halber, 
was  beweist,  ,que  TAcademie  est  k  cheval  sur  les  principes  de  l'arf." 


325 
BOUTAREL:  BERLIOZ'  ARCHITECTURALE  MUSIK 


enthaltenen  Stellen  aufgedeckt,  die  den  Vorschriften  der  Schule  zuwider- 
laufen, hütet  sich  aber  sehr  wohl,  sie  zu  verurteilen  und  versichert  sogar, 
»dass  einige  ganz  prächtig  klingen*".  Das  war  1835.^)  Inzwischen  sind 
wir  etwas  beherzter  geworden;  wir  denken  heutzutage  kaum  mehr  daran, 
die  Kühnheiten  im  .Te  Deum*^  zu  kritisieren. 

Die  Werke  von  Berlioz,  die  er  selbst  als  .Musique  architecturale*^) 
bezeichnet  hat,  haben  ihren  Ursprung  in  der  Literatur,  in  der  Politik,   in 
den  grossen  Erinnerungen  der  Menscheit,  in  allem,  was  einen  nachhaltigen 
Eindruck  auf  Seele  und  Herz  auszuüben  vermag.    Die  drei  bedeutendsten 
Partituren  dieser  Art,  die  .Totenmesse^,  die  «Trauer-  und  Triumph- 
Symphonie^  und  das  «Te  Deum**,  sind  oft  der  Klasse  der  Gelegenheits- 
kompositionen zugezählt  worden.     Sie  erklangen  in  der  Tat  bei  festlichen 
Anlässen,  Gedenkfeiern  von  Ereignissen  aus  dem  national-französischen  Leben, 
sind  aber  nicht   für  diesen  Zweck  geschaffen  worden.     In  Berlioz'  Seele 
vibrierten  nicht   dieselben   Schwingungen   wie   bei   den    andern   Neuerem 
seiner   Generation.     Hierin   lag   ein   verhängnisvolles   Moment   für  seine 
künstlerische  Existenz;  dies  war  auch  die  Ursache,  dass  seine  herrlichsten 
Schöpfungen,  nach  dem  fast  stets  sich  einstellenden  ersten  lauten  Erfolg, 
in  tiefe  Vergessenheit  gerieten.   Der  politische  Zustand  Frankreichs  in  den 
Jahren     1830 — 1860,    der    unüberbrückbare     Gegensatz     zwischen    einer 
reaktionären  Regierung  und  den  beständig  unterdrückten  Unabhängigkeits- 
bestrebungen des  Volkes  legten  der  künstlerischen  Entwickelung  Fesseln  an, 
der  Musik  insbesondere.    Ein  überzeugter  Apostel  der  neuen  musikalischen 
Religion  Liszts   und  Wagners   war  Berlioz   durch   die  Macht  der  Verhält- 
nisse, in   Ermangelung  von   Nachfolgern,   gezwungen,    vor   dem   höchsten 
Aufschwung  Halt  zu  machen.     Der  Möglichkeit  beraubt,   sich  über  seine 
Ideen    mit    seinen    Zeitgenossen    zu    verständigen,    wurde    er,    wie    wir 


^)  cf.  Schumann,  Gesammelte  Schriften  I.  Seite  08.    Symphonie  von  H.  Berlioz. 

')  cf.  die  Partitur  des  .Te  Deum*.  No.  1 :  dritter  Akkord  B-dur,  vierter  Akkord 
a-moU;  am  Schluss  die  Akkordfolge:  c-moll,  B-dur,  a-moll,  G-dur,  fis-moll.  No.  7: 
Judex  crederis:  Fortschritt  von  B-dur  zu  a-moll  durch  die  Tonarten  H  und  C;  die 
zehnmalige  Wiederholung  der  Stelle  in  Des-dur  in  dem  Augenblick,  wo  die  Bisse  des 
Chors  singen:  Per  singulos  dies.  Endlich  das  Einsetzen  der  Trommeln,  die  den 
Rhythmus  markieren,  und  das  mächtige  Spiel  der  Orgel.  Das  ist  schwindelerregend 
und  entspricht  vollkommen  der  Empfindung  des  Schreckens  und  der  Majestät,  die 
ausgedrückt  werden  sollte. 

*)  cf.  M^moires  de  Hector  Berlioz,  IL  Seite  362.  Paris  1878.  .Es  empfiehlt  sich, 
Ihnen  den  Gedankengang  kenntlich  zu  machen,  in  dem  ich  so  ziemlich  als  einziger 
unter  den  modernen  Komponisten  mich  bewege . . .  Ich  meine  die  Kompositionen, 
die  von  manchen  Beurteilem  mit  dem  Namen  architecturale  oder  monumentale 
Musik  bezeichnet  worden  sind  und  die  den  deutschen  Dichter  Heinrich  Heine  ver^ 
anlassten,  mich  eine  ,kolossale  Nachtigall,  einen  Sprosser  von  Adlersgrösse^  zu 
nennen  . .  .'^  usw.    (cf.  Henri  Heine,  Lutdce,  S.  387  f.    Paris,  nouvelle  Edition,  1878). 


326 
DIE  MUSIK  III.  5. 


sehen  werden,  in  die  Notlage  versetzt,  seine  ungeheuren  Entwürfe  zu  opfern 
und  die,  immerhin  noch  kolossalen,  Bruchstficke  zur  Feier  von  Ereignissen 
zu  verwenden,  für  die  er  sich  in  Wirklichkeit  herzlich  wenig  interessierte. 
War  er  etwa  ein  Freund  der  Freiheit  im  Sinn  der  Revolutionäre  von  1793? 
Keineswegs.  Er  machte  sich  gern  fiber  die  Republik  und  die  Demokratie 
lustig.  Trotzdem  sang  er  die  Marseillaise  und  schenkte  ihr  eine  breite, 
leidenschaftliche  Neuorchestrierung.  Verspfirte  er  vielleicht  1830  eine 
Art  heroischen  Empfindens,  als  das  Volk  die  alte  Monarchie  im  Namen 
neuer  Grundprinzipien  umstürzte?  Nichts  weniger  als  das.  Die  Opfer  des 
Strassenkampfes  sind  für  ihn  keine  Märtyrer;  er  begeistert  sich  nicht  für 
sie  —  und  doch  ist  er  der  Schopfer  des  »Requiem*,  das  zur  beabsichtigten 
Totenfeier  im  Invalidendom  bestimmt  war,  der  Schöpfer  der  »Trauerklage* 
und  der  .Apotheose*,  die  vor  dem  Mausoleum  (1840  auf  dem  Bastillen- 
platz  errichtet  und  überragt  von  der  Juli-Säule,  wie  man  sie  heute  sieht) 
ausgeführt  wurden. 

Berlioz  feiert  so  auf  doppelte  Weise  die  .Helden*  des  Juli  und  die 
»Sonne*  des  Juli.  Erinnern  wir  uns  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  er  zum 
Mitarbeiter  am  »Benvenuto  Cellini*  den  Verfasser  der  »Jamben*,  Auguste 
Barbier,  hatte,  der  zum  Gedächtnis  Napoleons  sang: 

O  Corse  ä  cbeveuz  plats,  que  ta  France  6tait  belle, 
Au  beau  soleil  de  Messidor! . . . 

Diese  Mitkämpfer  von  1830  nun,  die  in  den  drei  Tagen  des  Auf- 
standes vom  27.,  28.  und  29.  Juli  gefallen  waren  (504  an  der  Zahl), 
deren  Überreste  zehn  Jahre  später  gesammelt  und  deren  Namen  auf  der 
Säule  verewigt  wurden,  hat  Berlioz  bei  zwei  Gelegenheiten  unsterblich 
gemacht.  Seine  »Totenmesse*  ist  in  der  Tat  auf  Verlangen  der  fran- 
zösischen Regierung  geschrieben  worden,  um  am  28.  Juli  1837,  aus  An- 
lass  des  siebenten  Gedächtnistages  zur  Aufführung  gebracht  zu  werden. 
Sie  fand  nicht  an  diesem  Tag  statt.  Berlioz'  Requiem,  für  das  man  sich 
in  Unkosten  gestürzt  hatte,  diente  dazu,  den  Eindruck  des  Gottesdienstes 
zu  erhöhen,  der  am  5.  Dezember  zu  Ehren  des  Generals  Damr6mont  und 
der  Soldaten,  die  bei  der  Einnahme  von  Constantine  gefallen  waren,  im 
Invalidendom  abgehalten  wurde.  Diese  Bestimmungsänderung  war  eine  ganz 
zufällige. 

Vom  Jahre  1836  etwa  liegt  ein  Skizzenentwurf  für  eine  Chor- 
komposition   vor,    deren    Inhaltsangabe    sich    bereits    in    einem    Brief  an 

Humbert  Ferrand  findet,  datiert  aus  Rom,  3.  Juli  1831: 

»Ich  hatte  einen  grossen  Plan,  den  ich  gern  mit  Ihnen  vollendet  hätte;  es 
handelte  sich  um  ein  kolossales  Oratorium,  das  bei  einer  musikalischen  Feierlichkeit 
in  Paris  aufgeführt  werden  sollte  ...  im  Hof  des  Louvre.  Es  hätte  sich  betitelt  »Der 
jQngste  Tag"...     Die  Menschen,  auf  der  untersten   Stufe  der  Verderbtheit  an- 


327 
BOUTAREL:  BERLIOZ'  ARCHITECTURALE  MUSIK 


gelangt,  giben  sich  allen  Schftndlichkeiten  hin,  eine  Art  Antichrist  beherrschte  sie  als 
nnumschrinkter  Gebieter  . . .  Eine  kleine  Anzahl  Gerechter,  unter  der  Führung  eines 
Propheten,  Stiche  wohlthuend  von  dieser  allgemeinen  Verkommenheit  ab.  Der  Despot 
sachte  sie  zu  umgarnen,  entführte  ihre  Jungfrauen,  beschimpfte  ihren  Glauben  . . . 
Der  Prophet  hielte  ihm  seine  Verbrechen  vor  und  kündigte  ihm  das  bevorstehende 
Ende  der  Welt  an,  das  jüngste  Gericht.  Der  gereizte  Despot  Hesse  ihn  ins  Geftngnis 
werfen  und,  sich  aufs  neue  ruchlosen  Lüsten  überlassend,  würde  er  inmitten  eines 
Festes  durch  die  schrecklichen  Trompeten  der  Auferstehung  überrascht.  Die  Toten 
verlassen  ihre  Griber . . .  ausser  sich  vor  Entsetzen  stossen  die  Lebenden  gellende 
Angstrufe  aus ...  die  Welten  stürzen  krachend  zusammen. . .  die  himmlischen  Heer- 
scharen donnern  in  den  Wolken  —  das  wäre  der  Schluss  dieses  Musikdramas  . . . 
Ausser  den  beiden  Orchestern  gibe  es  noch  vier  Gruppen  von  Blechinstrumenten,  in 
den  vier  Hauptecken  des  Aufführungsraums  verteilt . .  .^ 

Die  Trauer-  und  Triumphsymphonie  steht  in  einem  weit  engeren 
Zusammenhang  mit  der  Erinnerung  an  die  Helden  vom  Juli  1830  als 
die  »Totenmesse**.  Sie  ist  speziell  zu  einem  solchen  Zweck  geschrieben 
worden:  Zur  Einweihung  der  Bastillensäule.  Die  Einzelheiten  der  Feier- 
lichkeit waren  derartig  geregelt,  dass  Berlioz  in  der  behördlichen  Vorschrift 
geradezu  die  Unterabteilungen  seines  musikalischen  Vorwurfs  fand  und 
damit  die  Möglichkeit,  sich  der  Ausdrucksweise  zu  bedienen,  die  er  jeder 
anderen  vorzog:  in  Tönen  zu  schreiben  und  zu  sprechen.  Sein  Werk 
wurde  am  28.  Juli  1840  aufgeführt.  Die  wiederaufgefundenen  Skelette 
der  Opfer  vom  Juli  1830  waren  in  50  Särgen  geborgen,  von  denen  jeder  un- 
gefähr zehn  enthielt.  In  der  Kirche  Saint-Germain-FAuxerrois,  derColonnade 
du  Louvre  gerade  gegenüber,  waren  die  Särge  aufgebahrt.  Nach  einer 
Festmesse  von  Cherubini  wurden  sie  auf  einen  sechsräderigen,  über  7  m 
hohen,  20  m  langen,  4  m  breiten  Wagen  getragen,  den  24  mit  reichen 
Decken  geschmückte  und  zu  vier  nebeneinander  angeschirrte  Pferde 
zogen.  Der  Zug  bewegte  sich  über  die  Quais  der  Seine  ent- 
lang, erreichte  den  Konkordienplatz,  die  Madeleine,  die  Boulevards. 
Der  erste  Teil  der  Symphonie,  der  Trauermarsch,  wurde  während  des 
Umzuges  gespielt;  der  zweite  und  dritte,  die  Leichenrede  und  die  Apo- 
theose, Hessen  ihre  beredten  Melodieen,  ihre  Fanfaren  und  den  donnernden 
Schluss  auf  der  Esplanade  de  la  Bastille,  der  Säule  gegenüber,  erschallen, 
während  der  Klerus  die  Gräber  einsegnete. 

Die  Erinnerungen  an  1830  blieben  in  Wirklichkeit  in  Berlioz'  Geist 
sehr  lebendig:  im  Juli  dieses  Jahres  erhielt  er  den  Rompreis,  was  für  ihn 
von  ausserordentlicher  Bedeutung  war;  es  war  gerade  auch  um  jene  Zeit, 
als  seine  Liebe  zu  Camilla  Moke^)  am  feurigsten  loderte.  Während  jener 
Sommertage  lebte  er  in  einem  Zustand  ungewöhnlicher  Nervenanspannung 


^)  Marie  F61icit6  Denise  Moke  (1811—1875).  Berlioz  nennt  sie  seine  ^angebetete 
Camilla",  seinen  ^zarten  Ariel".  Er  bezeichnet  sie  als  »das  grösste  Talent  Europas". 
Sie  spielte  ihm  Beethovensche  Adagios  vor. 


328 
DIE  MUSIK  IIL  5. 


und  die  aufregende  Wirkung,  die  die  doppelte  Krönung  seiner  Wünsche 
—  durch  die  Musik  und  durch  die  Liebe  —  auf  sein  Gemüt  ausübte» 
wurde  verzehnfacht  durch  den  verzehrenden  Gluthauch,  der  von  der  Strasse 
her  zu  ihm  drang.  Man  sang  in  Paris  gerade  einen  Chor^)  von  ihm» 
dessen  Text  (von  Thomas  Moore)  trefflich  auf  die  Verhältnisse  passte: 

Vergesset  nicht  die  Felder,  die  getränkt 
Von  unserer  Krieger  Blut,  das  Boss  im  Streit! 
Und  bei  der  Edlen  Staub  mit  Tränen  gedenkt: 
Durch  sie,  die  nih'n,  ist  Haus  und  Herd  befreit! 

Sie  sind  dahin!    Ruhm  über  sie,  die  schlafen! 
Doch  uns  wird  schöner  die  Zukunft  erstehn: 
Es  sollen  gleich  sich  Herren  sein  und  Sklaven! 
Glückliche  Zeit,  mögest  du  nie  vergehn! 

Heil  dir,  o  Volk,  das  wahret  seine  Rechte 
Auch  ohne  Kampf  und  nimmer  lässt  davon! 
Nie  galt  die  Freiheit  höher  dem  Geschlechte 
Als  wenn  sie  kam  segnend  herab  vom  Thron!*) 

Mit  diesem  Stück  und  mit  der  Bearbeitung  der  Marseillaise  scheint 
Berlioz  in  prophetischer  Vorausahnung  die  berühmten  Juli-Tage  gefeiert  zu 
haben,  die  er  später  mit  seiner  .Totenmesse*  und  der  «Trauer-  und  Triumph- 
Symphonie*"  verherrlichen  sollte.  Ein  Beweis,  welch'  hohen  Grad  von 
Initiative  er  besass.  Ihm  war  eine  tiefe  Empfänglichkeit  für  jeden  feurigen 
Hauch,  der  die  Welt  durchbebte,  zu  eigen  und  dann  geriet  sein  Innerstes 
in  zitternde  Erregung,  sein  Geist  entzündete  sich  mählig:  er  schien 
über  der  Erde  zu  schweben.  Er  träumte  von  einer  anderen  Welt,  von 
Sälen,  die  20000  Hörer  zu  fassen  imstande  waren,  von  Orchestern  mit 
1500  Musikern,  von  gigantischen  Chören,  und  danach  verbreiterte,  er* 
weiterte  und  vergrösserte  er  seine  Ausdrucksweise  und  seinen  Stil.  Man 
hat  ihn  mit  einer  stark  elektrisch  geladenen  Wolke  verglichen;  wenn  er 
mit  der  materiellen  Welt  in  Berührung  kam,  gab  es  Blitz  und  Donner. 
Zorn,  Enttäuschung,  Niedergeschlagenheit,  Ekel  vor  der  Arbeit  —  alles 
überwältigte  diesen  neuen  Prometheus.  Selbst  seine  Freunde,  über  den 
Umfang  seiner  Entwürfe  bestürzt  und  am  Erfolg  verzweifelnd,  wagten  nicht 
immer  seine  Verteidigung.  Niemand  sollte  die  Tatsache  vergessen,  dass 
man,  um  einem  ähnlich  kühnen  und  gewagten  Werk  wie  der  .  Fantastischen 
Symphonie*  zu  begegnen,  mehr  als  30  Jahre  überspringen  muss,  bis  man 


^)  Op.  2.  Chant  guerrier. 

*)  Deutsche  Obersetzung  von  Emma  Klingen feld.  Wir  verdanken  sie  dem 
liebenswürdigen  Entgegenkommen  der  Firma  Breitkopf  &  Hftrtel,  Leipzig»  die  uns  einen 
Sonderabzug  des  in  der  Gesamtausgabe  demnächst  erscheinenden  »Kriegslieds"  bereit- 
willigst zur  Verfügung  gestellt  hat    Anm.  der  Redaktion. 


329 
BOUTAREL:  BERLIOZ'  ARCHITECTURALE  MUSIK 


Zu  »Tristan  und  Isolde""  gelangt,  und  dass  «Tannhäuser**  erst  volle  sieben 
Jahre  nach  »Benvenuto  Cellini''  erschienen  ist. 

Dem  Theater  durch  den  skandalösen  Misserfolg  dieses  Werkes  ent- 
fremdet, musste  Berlioz  sich  auf  die  Komposition  von  Symphonieen  und 
Chorwerken  beschränken.  Als  er  gegen  Ende  seiner  Laufbahn  die 
«Trojaner**  und  .Beatrice  und  Benedikt"  schrieb,  hatte  sein  dramatisches 
Ideal  eine  starke  Herabminderung  erfahren.  Trotz  herrlicher,  genialer 
Stellen  lehnen  sich  diese  beiden  mächtigen  Entwürfe  an  eine  rühmliche 
Vergangenheit,  an  Gluck,  Spontini  und  Weber  an,  aber  in  eine  bereits 
dem  Verfall  geweihte  Form  eingeengt  weisen  sie  keine  neuen  Pfade.  Und 
doch  —  wie  wenige  von  den  beliebtesten  Beherrschern  des  modernen 
Repertoires  sind  ihm  ebenbürtig!  Eine  seltsame  Antithese  übrigens!  In 
Berlioz'  Musik  ist  alles  Drama,  alles  Gemälde.  Sein  «Te  Deum*"  (1849 
beendigt)  ist  eine  Tonschöpfung,  die  an  «Babylon  und  Ninive'^  gemahnt, 
die  umfangreichste  sicherlich  von  allen;  und  doch  nicht  ganz  so,  wie  er  es 
gewünscht  hatte.  Der  originale  liturgische  Text  genügte  ihm  nicht.  Es 
macht  einen  eigentümlichen  Eindruck,  wenn  man  sieht,  wie  er  die  Worte 
stellt,  sie  wiederholt,  die  Folge  des  lateinischen  Textes  ändert,  ein  Wort 
hinzufügt,  ein  anderes  weglässt,  einzig  und  allein  zu  dem  Zweck,  der  Musik 
plastische  Darstellung,  dramatischen  Ausdruck  und  lebendig  fortschreitende 
Handlung  zu  ermöglichen.  Denn  das  ist  sicher  —  Berlioz  hat  im  Geist 
den  Zug  der  Engel,  der  Cherubim  und  Seraphim  wirklich  geschaut,  wie  er 
beim  Näherkommen  an  Gottes  Thron  singt:  Tibi  omnes  angeli!...;  er 
hat  den  ungeheuren  Chor  der  Apostel,  die  dichten  Scharen  der  Propheten, 
die  gewaltige  Men^e  der  Märtyrer  vor  sich  gesehen,  wie  sie  die  Herrlich- 
keit Gottes  verkünden:  Te  gloriosus  apostolorum  chorus!  .  .  .;  seine 
Augen  erblickten  schliesslich  die  „ecclesia  militans'S  ^i^  sie  auf  den  Knieen 
den  Sohn  des  Allerhöchsten  in  seinem  Glänze  preist:  Te  per  orbem 
terrarum!  .  .  .  und  er  hat  im  Geist  diese  riesige  Heerschau  von  himmlischen 
und  irdischen  Wesen  wie  die  Personen  auf  einer  das  Weltall  darstellenden 
Bühne  sich  entwickeln  lassen,  während  die  überwältigende  Hymne  lang- 
sam anschwellend  ihr  furchtbares  Crescendo  erschallen  lässt:  Pleni  sunt 
coeli  et  terra  majestatis  gloriae  tuae!...  Weiterhin  will  uns 
Berlioz  den  ergrimmten  Richter  zeigen,  wie  er  aus  den  Wolken  hernieder- 
steigt: Judex  crederis  esse  venturus!  .  .  .  dem  Zorn  des  mosaischen 
Jehovah  stellt  er  kontrastierend  das  demütig  in  den  Staub  niedergestreckte 
Volk  gegenüber:  Domine  salvum  fac  populum!...  dann,  inmitten  des 
triumphalen  Pomps  einer  Fahnenweihe,  vernehmen  wir  das  Wirbeln  der 
Trommeln,  die  Klänge  eines  religiösen  und  eines  Militärmarsches,  den 
Choral  des  Te  Deum,  der  wie  ein  Kampfruf  die  Luft  durchschneidet, 
übertönt  von  den  zermalmenden  Akkorden  der  Orgel,  die  von  der  Tribüne, 
gleichsam  vom  hohen  Himmel  herab,  erbrausen:  Coeli  enarrant! .  .  • 


330 
DIE  MUSIK  IIL  5. 


Es  ist  dies  nur  eine  schwache  Andeutung  dessen,  was  Berlioz  in 
Wirklichkeit  gewollt  hat.  Das  .Te  Denm*  ist  nur  das  Fragment  eines  in 
noch  weit  kolossaleren  Dimensionen  geplanten  Werkes,  das  nie  vollendet 
wurde,  einer  epischen  Komposition  zu  Ehren  Bonaparte's,  des  ersten  Konsuls. 
Der  Titel  lautete  .Rückkehr  aus  dem  italienischen  Feldzug«.  So 
erklären  sich  die  durchaus  kriegerische  Pracht  verschiedener  Nummern 
und  die  schrillen  Klänge  des  Saxhoms  während  der  Fahnenweihe.  Das 
Werk  hat  zum  Schauplatz  den  Mailänder  Dom.  Im  Augenblick,  wo  der 
Held  von  Arcole  und  Rivoli  das  Gotteshaus  betritt,  donnern  die  Kanonen, 
neigen  sich  die  Fahnen,  die  Tambours  schlagen  an,  die  Luft  erdröhnt  von 
stürmischen  Zurufen  und  siegreichen  Hurras,  das  gesamte  Volk  b^rnsst 
den  jungen  General.  Es  erwartet  von  ihm  den  so  lange  entbehrten  Frieden, 
das  Glück  und  dankt  dem  Himmel,  weil  es  an  die  Zukunft  glaubt:  Te 
Deum  laudamus!^) 

Als  das  Werk  auf  den  Umfang  eines  Tedeums  reduziert  war,  be- 
mühte sich  Berlioz  vergeblich  um  die  Ehre  einer  Aufführung  in  Notre- 
Dame  zu  Paris  gelegentlich  der  Salbung  Napoleons  III.  Ein  musiklieben- 
der Priester,  der  Pfarrer  von  Saint-Eustache,  stellte  ihm  hierauf  seine 
Kirche  zur  Verfügung  und  dort  wurde  das  Werk  am  30.  April  1855  auf- 
geführt, einige  Tage  vor  der  Eröffnung  der  Weltausstellung.  Acht  Monate 
später  diente  die  Kantate  .rimp6riale*  als  dekorative  Musik  bei  der 
Preisverteilung  am  Schluss  der  Ausstellung. 

Die  «Totenmesse",  die  «Trauer-  und  Triumph-Symphonie*,  das  »Te 
Deum*"  und  «l'Impdriale*  bilden  das,  was  man  die  «architekturale  Musik* 
Berlioz'  zu  nennen  übereingekommen  ist.  Doch  wäre  hierher  noch  der 
Trauermarsch  in  der  letzten  Szene  im  «Hamlet*^ zu  rechnen,  der  sicher- 
lich neben  der  Trauermusik  aus  der  «Götterdämmerung*  mit  zum  Eindrucks- 
vollsten gehört,  was  die  symphonische  Kunst  geschaffen  hat.^ 

Berlioz'  Werke  sind  nicht  der  Kategorie  zuzuzählen,  die  man  als 
«absolute  Musik*  zu  bezeichnen  pflegt;  die  Ausdrücke,  die  gewöhnlich  zur 

^)  Das  Original-Manuskript  des  «Te  Deum*  befindet  sich  in  der  Bibliothek  in 
St  Petersburg;  es  enthält  ein  Stuck  (No.  3),  das  in  die  Ausgabe  für  Klavier  und  Ge- 
sang (Paris  und  London  1885)  nicht  aufgenommen  ist  Berlioz  schrieb  eigenhändig 
in  die  Partitur:  ^^Diese  Nummer  soll  nur  aus  Anlass  einer  Siegesfeier  auljgeführt 
werden  oder  bei  anderen  Gelegenheiten,  die  mit  militärischen  Dingen  irgend  welche 
Berührungspunkte  gemein  haben  * 

*)  Was  eine  ^^ideale  Auffuhrung*  betrifft,  so  ist  die  Interpreution  dieses  Stückes 
ausserordentlich  schwierig.  Lamoureuz  in  Paris  hat  den  Werken  Berlioz'  niemals 
ihren  wahren  poetischen  Zauber  zu  verleihen  verstanden,  am  wenigsten  diesem. 
Colonne  dagegen  erzielte  mit  dem  Marsch  einen  betrichtlichen  Erfolg  und  musste 
ihn  jedesmal  wiederholen.  Die  vollendetsten  Aufführungen  der  „Fantastischen 
Sfmphonie*  und  von  »Harold  in  Italien*  habe  ich  unter  Felix  Weingartner  gehört. 


331 
BOUTAREL:  BERLIOZ'  ARCHITECTURALE  MUSIK 


Benennung  der  Werke  anderer  Komponisten  dienen,  reichen  zur  Charak- 
terisierung der  seinen  nicht  aus.  Daher  der  Name  „architekturale 
Musik*,  der  sofort  an  die  gewaltigsten,  am  längsten  der  Verwitterung 
und  Zerstörung  trotzenden  Bauten  denken  lässt,  an  Parthenon  und  Kolos- 
seum .  . .  Leider  hat  Berlioz  seine  hochfliegenden  Ideen  nicht  verwirklichen 
können  und  von  zwei  Denkmälern  einer  Kolossalkunst,  die  er  mit  Hilfe 
seiner  klanglichen  Ausdrucksmittel  auftürmen  wollte  (»Das  jüngste  Gericht* 
und  «Rückkehr  vom  italienischen  Feldzug*),  hat  er  uns  bloss  zwei  Bruch- 
stücke hinterlassen:  die  „Totenmesse*  und  das  »Te  Deum*.  Auch  Michel- 
angelo musste  vieles  unvollendet  lassen,  darunter  bekanntlich  das  Grabmal 
von  Julius  IL,  von  dem  uns  der  „Moses*  von  S.  Pietro  in  vincoli  und 
die  «Sklaven*  im  Louvre  erhalten  sind.  Beide  haben  sich  schriftstellerisch 
betätigt;  Berlioz  mit  Musikkritiken,  Novellen  und  humoristischen  Phanta- 
sieen,  Michelangelo  mit  Sonetten.  Eine  merkwürdige  Erscheinung  —  so 
umfassend  sich  Berlioz'  geistige  Kultur  erweist,  sobald  es  sich  um  Shake- 
speare, Goethe,  Virgil,  Beethoven  handelt,  sie  versagt  völlig  der  Bibel, 
der  bildenden  Kunst,  Joh.  Seb.  Bach  gegenüber,  was  indessen  nicht  aus- 
schliesst,  dass  das  „Dies  irae*  in  der  „Totenmesse*  das  breitest  aus- 
geführte apokalyptische  Bild  ist,  das  musikalisch  wiedergegeben  worden  ist. 

In  bezug  auf  Berlioz  habe  ich  wohlgefällig  den  Namen  Michel- 
angelo's  meiner  Feder  entschlüpfen  lassen.  Ich  will  damit  keine  buch- 
stäbliche  Ähnlichkeit  konstruieren  und  weiss  sehr  wohl,  dass  es  der 
Sanktionierung  von  Seiten  ganzer  Jahrhunderte  bedarf,  um  einem  Mann 
neben  der  ragenden  Höhe  des  grössten  Künstlers  der  Renaissance  seinen 
Platz  anweisen  zu  dürfen;  Berlioz  kann  eine  solche  für  sich  noch  nicht 
in  Anspruch  nehmen,  da  gerade  erst  ein  Säkulum  seit  seiner  Geburt  ver- 
strichen ist.  Gleichwohl  hat  ein  Vergleich  Berlioz'  mit  Michelangelo  in 
mancher  Beziehung  seine  Berechtigung:  beide  haben  ihre  Kunst  von  tat- 
sächlich vorhandenen  Vorurteilen  befreit,  beide  haben  sich  ihre  Un- 
abhängigkeit gewahrt  und  beide  sind  gestorben,  ohne  das  volle  Mass 
dessen  auszuschöpfen,  was  sie  hätten  leisten  können,  wenn  ihre  Zeit- 
genossen sie  besser  verstanden  und  wirksamer  unterstützt  hätten. 

Es  ist  wahrlich  keine  Kleinigkeit,  das  von  zwei  Meistern  sagen  zu 
können,  von  denen  der  eine  uns  die  „Erschaffung  der  Welt*,  die  „Pro- 
pheten und  Sibyllen*  der  sixtinischen  Kapelle  hinterlassen  hat,  der  andere 
die  „Totenmesse*,  die  „Trauer-  und  Triumph-Symphonie*  und  das 
„Te  Deum*. 


i/it\ 


Es  JBt  elD  Vorrecht  der  Grossen  am  Geist 
slleln  SU  sein,  such  wean  sie  mitten  unter 
MeoBCtaen  sind. 


jRer  stärkste  Anreiz  menschlicher  Nerven  und  Herzen  ist  Musik. 
Nicht  alle  trifft  dieser  Satz,  sofern  aber  Menschen  überhaupt 
I  einer  Erregung  durch  Tongebilde  ßhig  sind,  bewirkt  sie  in  ihnen 
i  den  gewaltigsten  Aufruhr.  Das  gilt,  in  verminderten  Ver- 
hiltnissen,  für  die  Jahrtausende  unserer  Kultur.  Seit  der  Wende  des 
19.  Sikulums  ist  die  Empflndungsmdglichkeit  zu  einer  Höhe  und  Feinheit 
gesteigert,  der  in  ihrem  ganzen  Umfang  gerecht  zu  werden  schaffende  wie 
empfangende  Menschheit  noch  Jahrhunderte  zu  arbeiten  hat.  Das  ist  das 
Werk  eines  Mannes,  dessen  Schöpfungen  mit  der  Kraft  des  Blitzes  fernste 
Horizonte  erhellten,  eine  neue  Weil  offenbar  machten.  In  ihm  wurzelt  das 
Fühlen  der  Grössten  unter  den  nachfolgenden  Künstlern,  von  seinen  Taten 
strahlt  eine  Wirme  aus,  die  Generationen  erfüllL  In  dem  Hymnus  seiner 
Verehrung  vereinigt  sich,  was  höchster  Erregung  zuginglicb  ist.  Noch 
wächst  sein  machtvolles  Brausen,  dem  Strom  gleich,  der  von  den  Beigen 
herab  unaufhaltsam  sich  ergiessend  Wässerchen  und  Flüsse  autaimmt,  bis 
er  länderbeherrschend  und  fruchtbar  durch  die  Ebene  rollt.  Den  Musikalischen 
unter  den  glücklichen  Bewohnern  dieser  reichen  Ebene  —  ich  spreche  von 
einer  fernen  Zukunft  —  werden  die  letzten  Sonaten,  ja  die  letzten  Quartette 
Beethovens  Gemeingut  sein. 

Seiner  Apostel  Arbeit  aber  wird  niemals  aufhören.  Derer,  die  seinen 
Geist  verkünden;  derer,  die  in  seinem  Geist  der  eigenen  Natur  Ausdruck 
geben.  Unter  denen  —  soweit  fremde  Nationen  in  Betracht  kommen  —  steht 
Berlioz  obenan,  ein  Mann,  der  Beethoven  wesenverwandt  ist:  seinem  Fühlen 
in  der  Verinnerlicbung,  in  der  trotzigen  Wahrhaftigkeit,  in  der  Innigkeit; 
seinem  Denken  in  der  Entschiedenheit,  in  der  schroffen  Rücksichtslosi^eit, 
im  lakonischen  Sarkasmus;  seiner  Musik,  so  verschieden  Technik  und  Ge- 
halt sind,  in  der  Übereinstimmung  des  letzten  Zweckes:  Ausdruck  zu  sein, 
Ausdruck  einer  originalen  Persönlichkeit;  Leidenschaft  entfesselt,  gebändigt 
darzustellen.     Rouget  de  Lisle  sagt  von  Berlioz,  was  auch  auf  Beethoven 


333 
PISSIN:  BERLIOZ  DER  MENSCH 


passt:  ySein  Kopf  war  ein  immer  tätiger  Vulkan."  —  Dass  er  ein  Romane, 
bezeugt  die  explosive  Gewalt  seiner  Leidenschaft,  ihre  wirbelnde  Heftigkeit, 
ihr  Tränenreichtum;  und  dennoch  ist  seine  nachhaltige  Ergriffenheit  in 
künstlerischen  Angelegenheiten,  die  tiefe,  beharrliche  Glut  seines  Wesens, 
das  mit  unbeugsamer  Entschlossenheit  für  seine  hohen  Ziele  kämpft,  dem 
Typus  des  Franzosen  mit  seiner  leichtherzigen,  liebenswürdig-gefälligen 
Oberflächlichkeit,  seiner  graziösen  Laune,  seinem  vergänglichem  Gepackt- 
werden entgegengesetzt.  Wie  Berlioz  sich  .als  Musiker  von  dreiviertel 
deutscher  Art  und  Weise''  fühlt,  sehnt  er  als  Mensch  sich  nach  Verständnis 
in  diesem  Lande,  in  dem  es  noch  ein  Leben  der  Seele  gäbe,  wo  noch 
Begeisterung  zu  finden  sei.  „Woran  dachte  der  liebe  Gott,  als  er  mich 
hier  geboren  werden  liess?*"  Im  Grunde  ist  dieser  Südfranzose  aus  dem 
d6partement  de  Tlsöre  dem  Ethos  der  germanischen  Nationen  verwandt: 
den  Engländern  im  Hageren,  Eckigen  des  Leibes  wie  in  den  weltschmerz- 
lichen Regungen  seiner  vielgestaltigen  Seele,  welche  die  Qualen  der 
Mutlosigkeit,  ja  Verzweiflung,  der  Unrast,  mit  einem  Worte  der  «Philosophie 
noire*  so  gut  kennt  und  zu  schildern  weiss,  den  manchmal  eine  Wollust 
der  Selbstqual  überfällt;  den  Skandinaviern  in  den  oft  grotesken,  oft  gi- 
gantischen Ausgeburten  einer  stürmischen  Phantasie,  deren  Entwicklung 
die  einsame  Majestät  der  Fjorde  gleicherweise  begünstigt,  wie  die  erhabene 
träumerische  Ruhe  der  Bergtäler  zwischen  Vienne,  Grenoble  und  Lyon; 
den  Nachkommen  der  Wikinger  vielleicht  auch  in  der  Abenteuerlust,  in 
der  Sucht  fremde  Länder  zu  sehen,  die  dann  bei  seinem  Sohn  durchbrach, 
der  ein  Seemann  ward.  Und  dann  zeigt  sich  der  grübelnde  Melancholiker 
wieder  als  echter  Landsmann  Tartarins  de  Tarascon  in  seiner  Liebe  zur 
Hyperbel.  Alles  in  allem  aber  überwiegt  das  menschlich  Allgemeine  die 
ausgeprägten  Stammeseigentümlichkeiten;  Berlioz  darf  zu  jener  kleinen 
Schar  Erwählter  gerechnet  werden,  die  jenseits  von  Zeit-  und  Volksgrenzen 
unter  den  Menschen  den  Adel  repräsentieren.  So  sind  denn  Beethoven, 
Gluck,  Goethe  und  Shakespeare  seine  Götter.  „Beethoven  ist  ein  Titan, 
ein  Erzengel,  ein  thronender  Herrscher l*" 

Emest  Legouv6,  ein  späterer  treuer  Freund  Berlioz',  schildert  an- 
schaulich die  typische  Situation,  in  der  er  den  jungen  Enthusiasten  kennen 
lernte.  Eine  Aufführung  des  „Freischütz^.  Mitten  im  Ritomell  des  Liedes 
von  Kaspar  erhebt  sich,  zitternd  vor  Wut,  Legouv6's  Nachbar.  „Es  sind 
nicht  zwei  Flöten!  Es  sind  zwei  kleine  Flöten!  Zwei  kleine  Flöten! 
Plccolo!  O,  diese  Heupferde!^  Mit  blitzenden  Augen  stand  er  da,  und 
seine  gewaltige,  rötlich-blonde  Mähne  ragte  wie  ein  bewegliches  Schutzdach 
über  einem  Raubtierschnabel.  Den  markanten  Eindruck  der  mittelgrossen 
Gestalt  vollendete  die  breite  Stirn,  das  vorspringende  Kinn.  So  löste  immer 
die  Musik,   ob  er  pries,   ob  er  verdammte,  heftige  Erregung  in  ihm  aus. 


534 
DIE  MUSIK  IIL  & 


Er  besass  jene  „anseriesene  Empfindsamkeit*,  Um  erfollfe  jene  »onb^rriffidie 
Exaltation',  die  er  in  seiner  Novelle  »Der  Selbstmörder  ans  Entfansiasniiis* 
zur  Charaktersmndlage  des  Helden,  eines  Mnsikers,  madit.  Dieser  er- 
schiesst  sich  nach  einer  Anffohrnns  der  von  ihm  yeigotterten  »Vestalin* 
Spontini's,  weil  ein  erhabenerer  Gennss  ihm  nidit  denkbar  ist,  die  Ohren 
aber,  die  so  Heili^^  vernahmen,  durch  proftme  Klinge  nicht  mehr  «t- 
weiht  werden  sollen.  Ober  die  physisdien  Wiitangen  der  Musik  anf 
seinen  Orguiismos  —  von  den  snbtilen  seelischen  Affekten  zn  schweigm 
—  macht  Berlioz,  ein  scharfer  Beobachter  auch  seiner  sdbst,  wiederholt 
Gestindnisse.     Das  ansfohrlichste  und  merkwürdigste  ist  dieses: 


»Beim  Anhören  gewisser  Musikstäcke  scheinen  gleich  anCtngs  meine  Lebens- 
geister sich  zn  verdoppln;  ich  empfinde  eine  nnveri^eidiliche  Wonne,  der  aDe 
VerMandeskIngelei  nichts  anhaben  kann;  die  Gewohnheit  xn  analysieren  mfl  sodaan 
an  nnd  fnr  sich  schon  die  Bewnndemng  hervor;  die  Gemfitsbcwegimfc  die  im 
direkten  Verhllmis  mit  der  Gewalt  und  Grösse  der  Ideen  der  Komponisten  wichst 
erzengt  bald  eine  seltsame  Aufregung  meines  Bluts;  die  Pulse  schlagen  heftig;  Trinen, 
die  für  gewöhnlich  das  Ende  des  Paroxysmus  ankündigen,  sind  oft  auch  nur  die 
Vorllufer  eines  noch  um  vieles  gesteigerten  Anftlls.  In  letzterem  Falle  tritt  eine 
krampfhafte  Zusammenziehimg  der  Muskdn  ein,  ein  Zittern  an  allen  Gliedern,  ein 
völliges  Absterben  der  Hinde  und  Fasse,  eine  teilweise  Lihmimg  der  Gesiclits-  und 
Gehörnerven;  ich  sehe  nichts,  ich  höre  nur  wenig  mehr  . . .  Schwindel  . . .  halbe  Be- 
wnsttlotigkett  . .  .* 

Wenn  er  bei  einer  Anffnhmng  seines  Requiems  an  die  Stelle  „Iudex 
ergo  cum  sedebit^*  gelange,  »dann  wird  alles  schwarz  um  mich  her;  ich  er* 
blicke  nichts  mehr,  ich  wähne  in  ewige  Nacht  zu  versinken*,  schreibt  er 
einmal.  Begreiflich,  dass  er  die  Ansicht  äussert,  die  Musik  bringe  die 
charakteristischsten  Wahnsinnserscheinungen  hervor. 

Immer  war  er  den  grossartigen,  auch  rein  körperlich  überwältigenden 
Effekten  am  geneigtesten.  Man  erinnere  sich,  um  nur  dies  eine  anzuführen, 
seines  Jugendwerkes,  der  phantastischen  Symphonie  und  ihres  Programms» 
So  reift  z.  B.  der  unerhörte  Eindruck,  den  das  Unisono-Singen  von 
6000  Armenschulkindem  in  der  Sankt-Paulskirche  zu  London  ihm  macht, 
in  seiner  berauschten  Phantasie  den  Plan  zu  einer  ähnlichen  Massenauf» 
fnhrung,  deren  Stätte  das  Pantheon  sein  sollte.  Wurde  aus  diesem  flüchtigen 
Projekt  auch  nichts,  so  wissen  wir  doch  von  manchem  »Festival*,  dessen 
gewaltige  Instrumental-  und  Chormassen  sein  Wille  belebte.  Und  er  ver> 
stand  es,  seine  Begeisterung  einem  Orchester  zu  übertragen,  sein  Feuer 
in  die  Scharen  überzuleiten,  dass  sie  in  einen  geschmeidigen  Körper 
zusammenglühend  jedem  Wink  des  Meisters  folgten.  Berlioz  ist  recht 
eigentlich  der  Stammvater  der  Dirigiervirtuosen  unserer  Tage.  Er  wusste 
aber  auch,  sich  rasch  Respekt  zu  verschaffen;  Nachlässige  oder  Wider» 
willige  bekamen  seine  Gereiztheit  zu  spüren. 


335 
PISSIN:  BERLIOZ  DER  MENSCH 


„Wenn  die  Stunde  zum  Anfangen  geschlagen  hat  und  das  Chorpersonal  nicht 
durchaus  vollständig  ist  oder  nur  das  Geringste  mangelt,  so  gehen  Sie  um  das  Piano 
herum,  wie  der  Löwe  in  seinem  Käfig;  Sie  brummen  dumpf  vor  sich  hin,  indem  Sie 
Ihre  Unterlippe  kauen,  Ihre  Augen  schiessen  fahle  Blitze;  man  grüsst  Sie,  Sie  wenden 
das  Haupt  ab;  von  Zeit  zu  Zeit  schlagen  Sie  heftig  auf  dem  Klavier  dissonierende 
Akkorde  an,  die  Ihren  innem  Zorn  kundgeben  und  uns  deutlich  zeigen,  dass  Sie 
imstande  wären,  die  Nachzügler,  die  Ausgebliebenen  zu  zerreissen,  wenn  sie  gegen- 
wärtig wären,** 

lässt  Berlioz  im  Prolog  zu  seinen  „Musikalischen  Grotesken**  die  Choristen 
von  der  Grossen  Oper  ihn  anreden.     Aber  sie  schliessen: 

»Wir  ertragen  dies  alles,  und  lieben  Sie  deshalb  nicht  weniger,  weil  Sie  uns, 
wie  der  Augenschein  lehrt,  zugetan  sind  und,  wie  das  Gefühl  sagt,  die  Musik  anbeten." 

Gerade  diese  Heilighaltung  der  Musik,  dieses  feiertägliche  Gefühl 
ihr  gegenüber,  von  der  er  mit  Recht  sagt,  sie  sei  nicht  bestimmt,  zu  den 
täglichen  Genüssen  des  Lebens  zu  gehören,  vermehren  seine  Qual,  wenn 
er  z.  B.  ein  eigenes  Werk  einstudiert.  „Der  Komponist,  genötigt,  zu  2  bis 
300  Mittelspersonen  seine  Zuflucht  zu  nehmen,  ist  ein  zum  Leiden  aus«- 
erkorener  Mensch.**  In  einer  biographischen  Skizze  Spontini's  schildert 
Berlioz  die  Schwierigkeiten,  die  der  geniale  Mann  trotz  des  hohen  Schutzes 
der  Kaiserin  Josephine  zu  überwinden  hatte,  um  sich  durchzusetzen.  Es 
galt,  die  «Vestalin**  einzustudieren.  Welche  Plage  da  der  Neuerer  ohne  an- 
erkannte Autorität  durchzumachen  hatte: 

wdem  das  ganze  Personal  der  Ausführenden  natürlicher  und  systematischer  Weise 
feindlich  gesonnen  war;  überall  Kampf  gegen  übelwollende  Gesinnungen,  ingrimmige 
Anstrengungen,  um  beengende  Schranken  niederzureissen,  Eisschollen  zu  erwärmen, 
mit  Toren  vernünftig  zu  sprechen,  von  Liebe  mit  Verschnittenen,  von  Kunst  mit 
Handwerken,  von  Aufrichtigkeit  mit  Lügnern,  von  Enthusiasmus  mit  Neidischen,  von 
Mut  mit  Feigen  zu  reden.** 

Da  ist  die  Summe  der  eigenen  schmerzlichen  Erfahrungen  gezogen, 
die  Berlioz  während  einer  langen  Künstlerlaufbahn  so  oft  gemacht,  so  oft 
verwünscht  hat.  »In  Deutschland,  in  Italien,  in  Frankreich,  allenthalben 
hat  in  den  Theatern  jedermann  ohne  Ausnahme  mehr  Verstand  als  der 
Autor.*  Die  Komponisten  laufen  Gefahr,  von  aller  Welt  umgebracht  zu 
werden,  und  nicht  zuletzt  von  den  Claqueurs,  den  »Römern**,  wie  sie  der 
Pariser  nennt.  Sie,  ihren  «Kaiser",  den  Chef  des  Erfolges,  hat  er  mit 
seinem  galligsten  Hohn  bedacht.  Er  hat  an  sich  selbst  die  Wahrheit  eines 
Wortes  der  grossen  Sängerin  Branchu  erproben  können,  die  zu  ihm  — 
er  war  »fast  noch  ein  Kind"  —  sagte,  in  Frankreich  sei  das  grösste  musi- 
kalische Verdienst  für  den,  der  es  besitze,  fast  wertlos;  zu  wenige  ver- 
möchten es  zu  erkennen,  zu  viele  hätten  ein  Interesse  daran,  es  zu  leugnen 
und  zu  unterdrücken. 

Trotz  aller  Mühsal  aber  ist  es  ihm  eine  Lust  und  ein  Bedürfnis  zu 
komponieren;   eine  natürliche  Funktion.     Hätte   er  ihr  nur  jederzeit  und 


536 
DIE  MUSIK  III.  5. 


80,  wie  es  ihn  trieb,  treu  bleiben  können  I  Aber  die  leidige  Not  des 
Lebens  —  besonders  in  den  ersten  Jahren  seiner  Ehe  mit  Henriette 
Smithson,  die  dann  so  wenig  glucklich  endete  —  zwang  ihn,  Prosa  zu 
schreiben,  und  das  war  ihm  eine  Qual,  wie  er  selbst  gesteht.  Längere 
Zeit  war  er  Kritiker  am  »Journal  des  D6bats*,  mit  dessen  damaligem 
Herausgeber,  Jules  Janin,  ihn  nahe  Freundschaft  verband,  und  Mitarbeiter 
anderer  angesehenen  Zeitungen  und  Zeitschriften.  Aber  diese  Tätigkeit 
lag  auf  ihm  wie  ein  Joch,  das  er  mit  Grollen  und  Seufzen  trug.  Wie 
manches  Mal  unterdrückte  er  andrängende  schönen  Pläne  zu  symphonischen 
Werken.  Er  wusste,  wenn  er  der  Verfuhrung  nachgab  und  einmal  anfing, 
gab  es  kein  Aufhören:  im  Eifer  des  Schaffens  hätte  er  alles  vergessen . . . 
er  hatte  aber  keine  Zeit.  Ein  Artikel  musste  geschrieben  werden.  Dann 
ging  er  zähneknirschend  in  seinem  Arbeitszimmer  auf  und  ab;  oft  kostete 
ihn  ein  einziger  Artikel  mehrere  Tage.  Man  sieht  diese  mfihselige  Arbeit 
seinen  geistvollen  Aufsätzen  kaum  an,  die  Witz  und  Bosheit,  Ironie  und 
sprühende  Laune  vereinen.  Sie  bezeugen  seine  hohe  natürliche  Begabung 
auch  auf  diesem  Gebiet.  Berlioz'  eigene  Versicherung,  er  sei  kein  Schrift- 
steller —  tatsächlich  ein  Irrtum  —  ist  nur  insoweit  aufrecht  zu  er- 
halten, als  dieser  Mann  allerdings  einem  grösseren  Herrn  zu  dienen  be- 
rufen war.  Und  bedauernswert  und  armselig  musste  er  sich  vorkommen, 
wenn  es  ihn  trieb,  ihm  frei  zu  huldigen,  dass  er  dem  Kleineren  zu 
fronen  gezwungen  war.  Dann  fühlte  er  sich  als  Galeerensklave.  Was 
für  zerreissende  Schmerzen,  für  tiefen  Ekel,  für  schaudernden  Widerwillen, 
für  unterdrückten,  ingrimmigsten  Zorn  diese  Rezensierarbeit  verursache, 
sei  nicht  zu  ermessen.  »Wie  viele  verlorenen  Kräfte  I  wie  viele  verschleuderte 
ZeitI  wie  viele  erstickten  Gedanken I"  Den  Aufsatz,  der  diesen  Schmerzens- 
ruf  enthält,  „Klagen  des  Jeremias"  betitelt,  durchzieht  gleich  einem  Refrain 

folgende  Periode: 

„Elende  Kritiker!  f&r  sie  hat  der  Winter  kein  Feuer,  der  Sommer  kein  Eis. 
Immer  frieren,  immer  brennen.  Immer  hören,  immer  leiden.  Immer  den  Eiertanz 
aufffihren,  zitternd  eins  zu  zerbrechen,  sei  es  mit  dem  Fuss  des  Lobes,  sei  es  mit 
dem  des  Tadels,  wenn  sie  Lust  hätten,  mit  beiden  Füssen  zugleich  in  diese  Masse 
von  Truthahn-  und  Pfaueneiem  zu  treten,  ohne  grosse  Gefahr  für  die  Nachtigalleier, 

so  selten  sind  sie  heutzutage Und  nicht  einmal  ihre  mfide  Feder  an  den 

Weiden  des  Flusses  zu  Babylon  aufhängen  und  sich  am  Ufer  niedersetzen  zu  können, 
um  nach  Müsse  zu  weinen! " 

Er  war  ein  strenger  Kritiker,  der  stets  das  höchste  Mass  anlegte, 
dessen  scharfen  Blicken  nicht  leicht  eine  Schwäche  entging,  dessen  ge- 
schärfte Zunge  nicht  leicht  einen  Fehler  ungeahndet  Hess.  Er  war  gerecht 
in  seinem  Denken  und  Urteilen;  es  bereitete  ihm  Freude,  einen  würdigen 
Gegner  zu  loben.  So  bewunderte  er  aufrichtig  den  «Barbier*  Rossini's, 
den  er  sonst,  wie  überhaupt  die  italienische  Schule  seiner  Zeit,  verurteilte. 


^ 


337 
PISSIN:  BERLIOZ  DER  MENSCH 


Seinem  lebhaften  Selbstbewnsstsein  hielt  eine  unbarmherzig  richtende 
Selbstkritik  die  Vage.  Die  allermeisten  seiner  Jugendkompositionen  ver- 
brannte er  entweder  auf  der  Stelle  oder  bald  danach.  .Ein  kurzer,  kühler, 
kritischer  Blick  genügte,  mich  zu  belehren,  dass  auch  diese  Komposition 
an  dem  Antodaffi  teilnehmen  durfte,"  berichtet  er  einmal  sarkastisch  über 
solch  ein  Gericht. 

Man  darf  nicht,  und  kennt  man  sie,  so  will  man  nicht  mehr  Berlioz' 
Prosaschriften  entbehren,  denn  in  ihnen  lebt  ein  Teil  seiner  feurigen  Per- 
sönlichkeit und  wird,  wenn  auch  auf  andere  Weise,  durch  sie  nicht  weniger 
eindringlich  als  durch  die  Musik.  Das  Werk,  aus  dem  sie  am  reinsten 
hervortritt,  das  am  machtvollsten  den  Eindruck  gibt,  dass  ein  Edler  und 
ein  KImpfer  mit  uns  spreche,  sind  die  beiden  Binde  seiner  Memoiren, 
an  denen  er  bessernd  und  langsam  vorschrettend  das  letzte  Drittel  seines 
Lebens  geschrieben  bat:  1848  im  Londoner  Exil  begann,  1854  beendete 
er  sie  vorläufig.  Vier  Jahre  später  entstand  eine  erste  Nachrede,  die 
zweite  trägt  das  Datum:  1.  Januar  1865.  Es  stimmt  wehmütig  mit  zu 
erleben,  wie  diese  reiche  Natur  vom  Schicksal  schliesslich  zermürbt  wird; 
wie  Einsamkeit  und  Immer  erneute  furchtbare  neuralgischen  Anfälle  seine 
Widerstandskraft  lähmen. 

aM>  caniftre  est  flnie,  Otbello's  occupaiiODs  gone.  Je  ne  compose  plus  de 
musiqne,  )e  ne  dlrige  plus  de  coDceris,  je  n'^cris  plus  nl  vers  ni  prose,  —  j'ai  ionni 
ma  dtmiBsion  de  ciitique;  lous  les  trsvaux  de  musique  que  j'iviis  entrepria  sont 
termlnfis;  je  ae  veux  plus  rien  hire,  et  je  ne  his  rleo  que  lire,  in£dlier,  Inner  ivec 
trn  mortel  ennu),  et  soufTrir  d'une  Incurable  ndvralgie  qui  me  torture  null  et  jour." 


Mtreelin.     1803. 


■eno  man  Betrachtungen  überHector  Berlioz  als  dramatischen 
~  Komponisten  anstellt,  so  müsste  man  eigentlich  alle  Verke  des 
rranzösfschen  Tondichters  dabei  beninzieben,  wenigstens  alle 
1  grösseren.  Denn  sie  alle  durchweht  ein  starker  dramatischer 
Zug.  Ihr  Schöpfer  ist  immer  bestrebt,  menschliche  Gestalten,  ihre  Hand- 
lungen und  Stimmungen  durch  seine  JHusik  darzustellen,  und  zwar  stets 
bestimmte  und  möglichst  scharf  begrenzte  Gestalten.  Oft  ist  er  selbst  in 
seinem  Ringen  und  Leiden  der  Gegenstand  seiner  Vertonung.  Dies  ist 
ganz  besonders  in  seiner  ersten  grossen  Symphonie,  der  .Symphonie  fan- 
tastique",  der  Fall.  Aber  auch  seine  nächste  grosse  Symphonie  «Harotd 
en  Italic  muss  in  einem  gewissen  Sinne  eine  dramatische  genannt  werden. 
Die  Bratsche  stellt  in  ihr  den  durch  Italiens  Auen  streifenden  Künstler 
dar,  welcher  die  verschiedenen  menschlichen  wie  Naturszenen  nicht  einfach 
an  sich  als  Beschauer  vorüberziehen  Usst,  sondern  welcher  sich  auch  redend 
hineinmischt.  Berlioz  lisst  die  Natur  z.  B.  nicht  nur  zu  sich  sprechen» 
wie  Beethoven  im  zweiten  Satz  der  Pastoralsymphonie,  sondern  er  ant- 
wortet ihr  wieder  und  kritisiert  sie  sogar.  Er  geht  nicht  liebend  in  ihr 
auf,  sondern  er  empfindet  sich  als  ausser  ihr  stehend,  d.  h.  er  betont 
immer  seine  Individualitit  und  fasst  die  Welt  ausdrücIcHch  als  seine  Vor- 
stellung auf.  Vir  werden  sehen,  dass  diese  charakteristische  Eigenschaft 
in  Berlioz'  eigentlichen  dramatischen  Werken,  also  in  seinen  Opern,  nicht  nur 
auch  zur  Geltung  kommt,  sondern  dass  sie  ihn  unwillkürlich  dazu  führt,  auf 
die  Darstellung  des  Reinmenscbtlchen  als  inneren  Urgrundes  der  szenischen 
Handlung  zu  verzichten  und  sich  mit  dieser  allein  zu  bescheiden.  Niher 
dem  wirklichen  Bübnendrama  aber  stehen  jedenfalls  diejenigen  Symphonieen 
von  Berlioz,  deren  Kompositionen  durch  Dramen  angeregt  wurden.  Es 
sind  dies  die  .Dramatische  Symphonie'  (nach  des  Komponisten  eigener 
Benennung),  .Romeo  et  Jnliette*  und  die  .Damnation  de  Faust", 
zwischen  welchen  beiden  die  .Symphonie  funibre  et  triomphale" 
ti^,  die  wir  indessen  unberücksicht  lassen  dürfen.  Die  ,Romeo'-Sym- 
pbonie,  welcher  die  Oper  .Benvenuto  Cellini*  zeitlich  voraufgeht,  wurde 
im  Jabre  1830  vollendet  und  war  durch  Aufführungen  des  gleichnamigen 
Dramia  Shakespeares   angeregt  worden,  vielleicht  wohl  auch  mit  durch 


339 
MEY:  BERLIOZ  ALS  DRAMATIKER 


Bellini's  nach  diesem  geschaffene  Oper,  die  Berlioz'  höchstes  Miss  fallen 
erweckte,  so  dass  er  wohl  zeigen  wollte,  wie  man  Shakespeare  vertonen 
müsse,  wenn  man  seinem  Genie  wahrhaft  gerecht  werden  wollte.  Zu 
diesem  Zwecke  griff  Berlioz  aus  dem  Drama  einige  Szenen  heraus,  welche 
ihm  zur  musikalischen  Darstellung  besonders  geeignet  erschienen  und  zum 
grossen  Teil  auch  wirklich  wesentliche  Bestandteile  im  Drama  bildeten. 
Nach  dem  kühnen  Beispiele  des  von  ihm  höchst  verehrten  Beethoven 
begnügt  sich  aber  Berlioz  diesmal  nicht  mit  rein  instrumentaler  Dar- 
stellung,  sondern  er  verwendet  auch  menschliche  Solo-  wie  Chorstimmen. 

Von  grösseren  symphonischen  Kompositionen  Berlioz'  haben  wir  noch 
die  »Damnation  de  Faust^  zu  betrachten.  Dass  diese  gewaltige,  1846  erst- 
malig aufgeführte  musikalische  Schöpfung  in  höchstem  Grade  dramatisch  ist, 
beweist  am  besten  die  Tatsache,  dass  sie  in  allerneuster  Zeit  in  mehreren 
Städten  zur  szenischen  Aufführung  gekommen  ist,  und  zwar  mit  ungeheurem 
und  erschütterndem  Erfolge.  Wir  müssen  deswegen  bei  ihr  etwas  länger 
verweilen. 

Vorausschicken  wollen  wir  dabei,  weil  es  wohl  kaum  allgemein  bekannt 
ist,  dass  Berlioz  schon  als  Jüngling  einige  Stücke  aus  Goethes  „Faust^  kom- 
poniert hat,  den  er  in  der  französischen  Übersetzung  de  Nervals  kennen  ge- 
lernt hatte  und  der  ihn  auf  allen  Wegen  begleitete.  Er  sandte  die  Kompo- 
sitionen (es  waren  der  Osterchor,  die  Lieder  Branders  und  Mephisto 's  in  Auer- 
bachs Keller,  der  Soldatenchor,  ein  Sylphenchor,  der  König  von  Thule, 
Gretchens  Lied  und  die  Serenade)  sogar  an  Goethe;  dieser  hat  ihm  indessen 
nie  darauf  geantwortet,  vermutlich  (wie  Pohl  meint),  weil  ihm  Zelter  Berlioz 
als  schlechten  Komponisten  hingestellt  hatte.  Einiges  aus  diesen  Jugend- 
kompositionen ist  sogar  in  die  grosse  Faustsymphonie  übergegangen .  Auch 
der  junge  Wagner  hat  ja  fast  zu  derselben  Zeit  einzelne  Nummern  aus  »Faust* 
komponiert,  schon  bevor  er  seine  gewaltige  Faustouvertüre  in  ihrer  ersten 
(Pariser)  Gestalt  schuf.  Es  ist  schade,  dass  diese  Kompositionen  bisher  noch 
nicht  veröffentlicht  worden  sind;  denn  es  wäre  doch  zweifellos  interessant,  sie 
mit  denen  von  Berlioz  zu  vergleichen.  Goethe  gehörte  zu  den  drei  von 
Berlioz  höchst  verehrten  Dichtem.  Die  beiden  anderen  waren  Virgil  und 
Shakespeare.  Auch  aus  »Faust*  nahm  Berlioz  scheinbar  beliebig,  aber  doch 
gewiss  nicht  willkürlich,  einzelne  Szenen  heraus,  um  ihnen  musikalische  Ge- 
stalt und  Farbe  zu  geben.  Wir  begleiten  Faust  auf  seinen  Fahrten,  zuletzt 
auch  auf  seiner  Höllenfahrt.  Denn  bei  Berlioz  verfällt  Faust  dem  Teufel;  er 
übergibt  ihm  zuletzt  durch  Vertrag  seine  Seele,  damit  Gretchen  gerettet  wird. 
Von  den  vier  Teilen  des  Werkes  »spielt*  der  erste  in  Ungarn.  Nun,  das  ist 
nicht  von  Goethe;  aber  warum  soll  der  zauberkundige  Faust  nicht  auch  das 
Land  des  Schwarzkünstlers  Klingsor  aufsuchen?  Indessen  tut  er's  eigentlich 
nur,  weil  Berlioz  den  Rakoczymarsch,  also  ungarische  Nationalmusik  ver- 

22^ 


340 
DIE  MUSIK  III.  5. 


arbeitet  hatte  und  möglichst  wirkungsvoll  anbringen  wollte.  Doch  bildet  der 
Marsch  keineswegs  die  Hauptsache,  sondern  nur  eine  der  beiden  Episoden 
(Nahen  von  Bauern  und  dann  von  Soldaten)  dieser  Szene,  die  vielmehr  Fatist 
in  der  Einsamkeit  darstellt.  Der  zweite  Teil  schildert  Faust  in  seinem  Studier- 
zimmer, seinen  Wissens-  und  Lebensüberdruss.  Die  Osterhymne  wird  natür- 
lich g^ungen,  wie  denn  auch  Faust  und  die  andern  Personen  immer  singend 
(nicht  etwa  nur  im  InstmmentalrezitativI)  auftreten.  Mephisto  kommt 
hinzu  und  verspricht  ihm  Freude  und  Lebensgenuss.  Die  Szene  in  Auer- 
bachs Keller  folgt,  musikalisch  bis  ins  Detail  wunderbar  und  charakteristisch 
geschildert.  Dann  kommt  eine  Szene  am  Eibufer,  wo  Faust  von  tanzenden 
und  singenden  Sylphen  umringt  wird  und  wo  der  Sylphenchor  von  früher 
(wie  auch  in  der  Kellerszene  die  Spottlieder)  Verwendung  findet.  Im 
Traume  erblickt  Faust  hier  Gretchen;  und  nach  dem  Erwachen  muss  ihn 
Mephisto  sofort  zu  ihr  fuhren,  wobei  ihnen  unterwegs  prächtig  singende 
Soldaten  und  Studenten  begegnen  (kontrapunktierter  Doppelchor).  Im  dritten 
Teil  des  Werkes  befinden  wir  uns  in  Gretchens  Zimmer,  wo  Faust  eine 
sehnsuchtsvolle  Arie  singt,  da  die  Bewohnerin  abwesend  ist.  Bei  ihrer 
Rfickkehr  gedenkt  sie  ihres  zukünftigen  Geliebten,  den  sie  gleichfalls  im 
Traume  erschaut  hat,  und  singt  darauf  das  erwähnte  Lied  vom  König  von 
Thttle.  Mephisto,  der  sich  mit  Faust  in  ihrem  Zimmer  versteckt  hält, 
sucht  ihre  Sinne  durch  einen  Irrlichtertanz  zu  verwirren  und  singt  zu 
dem  Chor  der  Irrlichter  ein  Ständchen.  Dann  folgt  eine  Liebeszene  des 
Paares,  bis  Mephisto  zum  Aufbruch  mahnt.  Im  vierten  Teil  hören  wir 
zunächst  das  vom  Geliebten  verlassene  Gretchen  klagen;  Bilder  des  ent- 
fiohenen  Glückes  ziehen  in  ihrem  Innern  vorüber  (was  natürlich  zu  längeren 
orchestralen  Reminiszenzen  Veranlassung  gibt).  Mephisto  sucht  den  in 
einsamer  Natur  grübelnden  Faust  auf  und  erzählt  ihm  von  Gretchens  Haft 
und  Verurteilung.  Um  den  Preis  von  Fausts  ewiger  Seligkeit  muss 
Mephisto  sie  retten.  Die  Höllenfahrt  ist  ein  schauriges  Tongemälde  von 
ungeheurer  Gewalt  und  Plastik,  kühnster  Phantasie  und  wildem  Leben. 
Jubelchöre  der  Höllenbewohner  empfangen  Faust.  Dann  verkündet  ein 
Epilog  auf  der  Erde  Fausts  furchtbares  Schicksal,  worauf  im  Himmel 
Engelchöre  die  Verklärung  Gretchens  besingen,  wobei  die  Verwendung  von 
Kinderstimmen  besonders  tiefen  Eindruck  macht. 

Wir  haben  uns  bei  dem  poetischen  Inhalt  der  »Damnation  de 
Faust*  besonders  lange  aufgehalten,  damit  man  sie  mit  Goethes  drama- 
tischem Gedicht  vergleiche.  Man  wird  nicht  verkennen,  dass  auch  bei 
Berlioz  die  Dichtung  einen  logischen  Zusammenhang  aufweist,  ohne  dem 
grossen  Vorbild  mit  sklavischer  Treue  zu  folgen.  Ist  doch  aus  dem  ganzen 
zweiten  Teil  Goethes  nur  Gretchens  Verklärung  entnommen,  und  auch  diese 
keineswegs  in  Einzelheiten.    Alfred  Ernst,  der  früh  verstorbene  französische 


341 
MEY:  BERLIOZ  ALS  DRAMATIKER 


S^ 


Musikschriftsteller,  sagt^)  mit  grossem  Recht,  Berlioz  sei  nicht,  wie  z.  B. 
Schumann,  durch  die  Grösse  der  Dichtung  Goethes  angezogen  worden, 
sondern  mehr  durch  die  darin  herrschende  Mannigfaltigkeit.  Also  wiederum 
reizte  ihn  weniger  das  Reinmenschliche  oder  gar  das  Erlösungsproblem  (wes- 
halb er  seinen  Faust  ohne  künstlerische  Gewissensbisse,  ja  selbst  ohne  Mit- 
leid in  die  Hölle  fahren  lässt),  als  vielmehr  das  einzelne,  bestimmte  Individuum 
im  Lichte  der  verschiedenartigen  Erscheinungen  des  Lebens.  Allerdings  ist 
die  Nebeneinanderstellung  von  Hölle  und  Himmel  von  grandioser  Wirkung, 
zumal  in  musikalischer  Hinsicht:  aber  Berlioz  ist  als  Musiker  kein  Philo- 
soph, was  wiederum  gerade  viele  Musikgelehrte  für  einen  grossen  Vorzug 
halten,  die  vielleicht  sonst  nicht  unbedingte  Verehrer  seiner  Muse  sind. 

In  den  bisher  besprochenen  musikalischen  Schöpfungen  hatte  Berlioz, 
vom  «letzten"  Beethoven  ausgehend,  sich  ganz  selbständig  ein  Orchester  von 
ausserordentlicher  Ausdrucksfähigkeit  geschaffen,  ganz  gewiss  unabhängig  von 
dem  Richard  Wagners  und  wohl  auch  von  dem  Franz  Liszts.  Wir  haben  nun  zu 
untersuchen,  wie  Berlioz  dieses  Orchester  (dessen  Zusammenstellung  er  für 
jedes  seiner  Werke  bis  auf  die  Anzahl  jedes  Instrumentes  immer  genau 
zu  bestimmen  pflegte,  und  worin  besonders  die  Harfen  und  die  Pauken 
eine  ungewohnte  Rolle  spielen),  wie  er  dieses  Orchester  in  seinen  Opern 
verwertete,  denen  wir  uns  nunmehr  zuwenden,  besonders  ob  er  es  zu  einem 
ähnlichen  szenischen  Ausdrucksmittel  wie  Richard  Wagner  erhob.  —  Das 
zwischen  Oratorium  und  Oper  stehende,  in  den  Mitteln  auffällig  einfache 
Werk  «Die  Kindheit  Christi"  übergehen  wir  dabei;  ebenso  einige 
Jugendversuche  auf  dem  Gebiete  der  Oper  und  die  unvollendete  Oper 
«La  nonne  sanglante".  Von  dieser  sei  nur  erwähnt,  dass  ihre  Vollendung 
nur  wegen  gemeiner  Theaterkabalen  und  Intriguen  unterblieb,  unter  denen 
Berlioz  zeitlebens  ebenso  zu  leiden  hatte  wie  Richard  Wagner,  sowie  dass  dieses 
Werk  schliesslich  von  Gounod  komponiert  wurde,  wie  einst  der  erste  Entwu  rf  des 
«Fliegenden  Holländer"  von  Wagner  durch  den  Pariser  Kapellmeister  Dietsch, 
der  übrigens  auch  Berlioz'  Leben  als  rechter  Durchschnittsmensch  durchkreuzt 
hat.  Andre  in  Paris  lebende  namhafte  Komponisten,  darunter  sogar  Meyer- 
beer, hatten  wegen  Berlioz'  Verunglimpfung  die  Komposition  der  «Nonne  sang- 
lante"  aus  Taktgefühl  abgelehnt.  Es  bleiben  dieOpem  «Benvenuto  Cellini", 
«Beatrice  und  Benedikt"  und  die  zwei  Abende  füllenden  »Trojaner". 

^)  In  seinem  Buche:  «L'oeuvre  dramatique  de  H.  Berlioz.*  Dieses  im  Jahre  lä84 
bei  Calman  L^vy  in  Paris  erschienene  Buch  von  massigem  Umfange  ist  noch  heute 
sehr  aktuell,  so  dass  eine  deutsche  Ausgabe  zu  empfehlen  ist,  zumal  es  der  Berlioz- 
Biographie  von  Luise  Pohl  keine  Konkurrenz  macht,  jene  vielmehr  in  ausgezeichneter 
Weise  ergänzt  Der  Verfasser  des  vorliegenden  Aufeatzes  besitzt  durch  den  ver- 
storbenen Alfred  Ernst  das  alleinige  Obersetzungsrecht  ins  Deutsche  und  wäre 
bereit,  von  diesem  Rechte  Gebrauch  zu  machen,  wenn  sich  ein  Verlagshaus  fQr  das 
Werk  interessieren  wurde. 


342 
DIE  MUSIK  III.  5. 


Man  könnte  meinen,   Berlioz  sei  zur  Komposition   der  Oper  »Ben- 

venuto  Cellini'',  welche  1838  vollendet  wurde,  durch  Goethe  angeregt 

worden,  doch  scheint  dies  nicht  der  Fall  zu  sein.    Das  Neue,  die  gewaltige 

Schöpferkraft  des  berühmten  Goldschmieds  und  Giessers  zog  ihn  an.    Das 

Libretto  ist  von  L6on  de  Wailly  und  Auguste  Barbier,  deren  ungeschickte 

Manier  und  schlechte  Verse  (Dramenfabrik  der  Scribeschen  Schule)  Berlioz 

scharf  tadelt.     Der  Inhalt  ist  kurz  folgender: 

Cellini  liebt  Teresa,  Tochter  des  päpstlichen  Schatzmeisters  Balducci  und  Vei^ 
lobte  des  Bildhauers  Fieramosca.  Balducci  ist  gegen  Teresas  Liebe  zu  Cellini,  der 
als  Abenteurer  bekannt  ist  Cellini  benutzt  die  Verwirrung  und  Maskerade  des 
römischen  Karnevals,  um  die  Geliebte  zu  entfuhren,  in  Begleitung  seines  Schülers 
und  Freundes  Ascanio,  wobei  Cellini  Pompeo,  den  Begleiter  Fieramoscas,  niedersticht 
Zwar  gelingt  die  Flucht  und  die  Vereinigung  der  Liebenden;  aber  Balducci  und  Fiera- 
mosca eilen  ihnen  nach  und  erreichen  sie  in  Cellinis  Atelier.  Der  Kardinal,  welcher 
bei  Cellini  eine  Perseusstatue  bestellt  hat,  kommt  hinzu  und  sieht  mit  Zorn,  dass  der 
Künstler  mit  seinen  Liebeständeleien  die  Arbeit  vernachlässigt  hat  In  der  Bedrängnis 
will  Cellini  trotzig  sein  Modell  mit  dem  Hammer  zerschlagen.  Der  erschreckte 
Kardinal  verspricht  ihm  Gnade  und  den  Besitz  der  Geliebten,  wenn  er  sofort  die 
Statue  vollende;  andernfalls  werde  er  sofort  gehenkt  werden.  Beim  Guss  zeigt  sich, 
dass  zu  wenig  Metall  vorhanden  ist  In  höchster  Not  kommt  Cellini  der  rettende 
Gedanke,  seine  sämtlichen  bisherigen  Kunstwerke  ins  Feuer  zu  werfen,  um  Metall 
für  die  Statue  zu  gewinnen.  So  gelingt  der  Guss,  und  das  Drama  nimmt  einen  glück- 
lichen Ausgang. 

Man  sieht:  ein  sehr  wohl  brauchbarer  Stoff  für  ein  Drama,  zumal 
für  eine  Oper,  wenn  ihn  nur  die  Librettisten  verständnisvoller  behandelt 
hätten.  Berlioz  Hess  sich  denn  auch  die  Gelegenheit  nicht  entgehen,  im 
Karneval  und  in  der  Gussszene  musikalische  Meistergemälde  zu  schaffen; 
und  auch  sonst  gelangen  ihm  manche  Nummern,  während  andere  von 
Ernst  (a.  a.  O.)  getadelt  werden.  Dieser  nennt  das  Werk  im  ganzen 
minderwertig  im  Vergleich  mit  den  andern  grösseren  Werken  seines 
Schöpfers.  Liszt,  der  allerdings  mehr  auf  die  Musik  als  auf  das  Drama 
sah,  war  aber  begeistert  davon  und  führte  es  in  Weimar  später  häufig  auf, 
von  wo  es  auch  auf  andre  Bühnen  Deutschlands  kam,  ohne  sich  indessen 
dauernd  zu  halten.  Bei  der  Uraufführung  in  Paris,  an  der  Grossen  Oper, 
1838,  war  es  vollständig  durchgefallen  und  wurde  nach  drei  Vorstellungen 
für  immer  abgesetzt.  Auch  hier  waren  niedrigste  Intriguen  massgebend. 
Ut  den  Proben  hatten  Orchestermitglieder  in  der  Kamevalsszene  statt  ihrer 
Stimme  frech  einen  Gassenhauer  gespielt,  um  den  Berlioz  feindlichen 
Dirigenten  zu  erfreuen  (III);  auf  der  Bühne  hatten  sich  Tänzer  und  Tänze- 
rinnen gegenseitig  gekniffen  und  während  des  schwierigen  und  lauten 
Ensembles  gelärmt  und  geschrieen.  Der  Opemdirektor,  bei  dem  sich 
Berlioz  beschweren  wollte,  war  aber  nicht  für  ihn  zu  sprechen!  —  Neue 
Formen  hat  Berlioz  in  dieser  Oper  nicht  geschaffen;  wohl  gibt  es   eine 


343 
MEY:  BERLIOZ  ALS  DRAMATIKER 


Art  Cellinimotiv  und  andere  musikdramatischen  Reminiszenzen  darin:  im 
übrigen  ist  das  Werk  eine  Oper  alten,  fast  italienischen  Stils.  Nur  die 
Deklamation  ist  bei  Berlioz  besser  und  sinngemässer  behandelt.  Ausser 
den  gerühmten  Szenen  ist  die  Ouvertüre  (G-dur)  das  beste;  sie  ist  von 
prächtiger  Klarheit  und  Farbenfülle.  Nicht  musikalisch,  wohl  aber  inhalt- 
lich erinnert  die  Oper  mehrfach  an  die  «Meistersinger''.  Fieramosca  ist  ein 
boshafter  und  alberner  Tropf  wie  Beckmesser,  wie  dieser  der  verschmähte 
Liebhaber  und  gehässige  Nebenbuhler.  In  beiden  Werken  wollen  die 
Liebenden  einen  nächtlichen  Strassentumult  zur  Flucht  benutzen  —  nur, 
dass  dies  bei  Berlioz  gelingt,  bei  Wagner  nicht.  Es  gibt  noch  mehr 
verwandte  Züge,  die  aber  aufzuzählen  kein  Raum  vorhanden  ist.  In  Cellini 
ist  der  von  Neidern  und  Mittelmässigen  umgebene  grosse  und  seiner  Ge- 
nialität sich  stolz  bewusste  Berlioz  wohl  mit  Absicht  verkörpert;  in 
Walter,  aber  auch  in  Sachs,  erkennt  man  Wagner  wieder,  den  Schöpfer 
einer  neuen,  vom  Unverstand  bekämpften  und  gehinderten  Kunst.  Doch 
soll  man  mit  solchen  Behauptungen  vorsichtig  sein :  das  echte  Kunstwerk  ist 
kein  Tendenzwerk,  sondern  ein  Abbild  des  Lebens,  und  zwar  ein  typisches; 
nur  weil  man  aus  dem  Leben  Sentenzen  (eben  Lebenswahrheiten!)  heraus- 
lesen kann,  kann  man  es  auch  aus  dem  Kunstwerke,  welches  das  Leben 
darstellt.     Aber  man  soll  keine  Tendenz  von  vornherein  hineinlegen! 

Mit  «Beatrice  und  Benedi kt**  können  wir  uns  kürzer  fassen. 
Es  ist  gleichfalls  eine  komische  Oper,  die  Berlioz  auf  Bestellung  des  Kur- 
direktors Benazet  von  Baden-Baden  schuf  und  1862  zur  Eröffnung  des 
neuen  Kurtheaters  mit  ausserordentlichem  Erfolge  leitete.  Das  Werk, 
welches  Ernst  in  seinem  angeführten  Buche  merkwürdigerweise  nur  kurz 
erwähnt,  aber  nicht  behandelt,  ist  später  von  Felix  Mottl,  dem  eifrigsten 
Förderer  der  Kunst  Berlioz',  auch  in  Karlsruhe  mehrfach  aufgeführt 
worden.  Es  ist  aus  Shakespeares  »Viel  Lärm  um  nichts*"  entnommen,  be- 
handelt indessen  nur  die  durchaus  komische  Episode,  welche  dort  neben 
der  für  eine  Komödie  viel  zu  ernsten  Haupthandlung  herläuft,  nämlich  die 
Liebesgeschichte  des  Paares  Beatrice  und  Benedikt,  zweier  lustigen  Leut- 
chen, die  erstens  prinzipiell  nicht,  zweitens  speziell  nicht  sich  gegenseitig 
heiraten  wollen,  sich  aber  schliesslich  doch,  zur  grössten  «Schadenfreude^ 
der  andern  „kriegen^.  Berlioz  hat  sich  hier  seinen  Text  selbst  gedichtet, 
und  zwar  mit  gutem  Geschick.  Die  Oper  besteht  wieder  aus  einzelnen 
Nummern,  welche  Mottl  später  durch  Rezitative  zum  Vorteil  des  Werkes 
und  stilgemäss  verbunden  hat.  Pohl  findet  die  Ouvertüre  schwach  und 
nennt  ihre  Motive  zu  unbedeutend,  mit  Ausnahme  der  rhythmisch  prächtigen 
Einleitung.  Im  übrigen  ist  die  Musik  vorzüglich,  charakteristisch  und  stark 
komisch,  wo  der  Text  es  rechtfertigt.  Von  besonderer  Schönheit  ist  ein 
Duett  (Notturno  in  cis-moll  und  E-dur);  auch  andere  Nummern  haben  stets 


344 
DIE  MUSIK  III.  5. 


Beifall  gefunden;  hervorragend  auch  in  musikalischer  Beziehung  ist  der 
witzige  und  schlagfertige  Dialog  zwischen  Benedikt  und  Beatrice,  in  welchem 
sich  Beriioz  möglichst  genau  an  sein  dichterisches  Vorbild  anl  ehnt.  Alles 
in  allem  kann  man  sagen:  ^ Beatrice  und  Benedikt*  ist  eine  Gelegenheits- 
Oper,  aber  die  eines  grossen  Meisters,  mit  welcher  jede  gute  Buhne  noch 
heute  vollen  Erfolg  erzielen  wird. 

Es  bleiben  uns  nunmehr  noch  die  »Trojaner**  übrig,  Beriioz'  theatra- 
lisches Meisterwerk,  das  er  nachträglich  seiner  grossen  Länge  wegen  in  zwei 
Teile  gespalten  hat,  in  welcher  Form  es  1890  in  Karlsruhe  seine  fiberhaupt 
erste  Gesamtauffuhrung,  unter  Felix  Mottl,  erlebte,  dessen  kühnem  Beispiel 
bisher  nur  ganz  wenige  Bühnen  zu  folgen  den  Mut  und  das  Verständnis  hatten. 
Der  erste  Teil  behandelt  und  heisst  »Die  Einnahme  von  Tro  ja*,  der  zweite 
»Die  Trojaner  in  Karthago*.  Die  Dichtung  (denn  eine  solche  und  kein 
gewöhnliches  Libretto  ist  das  Buchl)  ist  von  Beriioz  selbst,  aber  nicht  nach 
Homer,  sondern  nach  Virgil  bearbeitet.  Bei  der  geringen  Verbreitung  des 
Meisterwerkes  dürfte  sich  eine  Skizzierung  des  Inhaltes  empfehlen. 

Der  erste  Abend  besteht  aas  drei  Akten.  Im  ersten  Aufzug  kommen  die  Trojaner 
in  das  von  den  listigen  Feinden  verlassene  griechische  Lager  und  staunen  das  kolossale 
hölzerne  Pferd  an,  das  jene  zurückgelassen  haben.  Die  Seherin  Kassandra,  im  Traum 
von  Hektors  Geist  gewarnt,  ermahnt  die  Obermütigen  und  Sorglosen  vergebens  und 
weissagt  mit  Prophetenstimme  Troja's  nahen  Untergang.  Fruchtlos  versucht  ihr  Ver- 
lobter Choröbus  sie  zu  trösten:  Kassandra  verkündet  ihm  und  sich  den  Tod  für  den 
kommenden  Tag.  Im  zweiten  Akt  feiern  die  leichtfertigen  Trojaner  bereits  unter 
Spiel  und  Tanz  ein  Friedensfest.  Äneas  eilt  herbei  und  erzählt,  dass  zwei  grosse 
Schlangen  sich  vom  Meere  aus  auf  den  Priester  Laokoon  gestürzt  und  diesen  ver- 
schlangen hätten,  weil  dieser  gewagt  habe,  mit  seinem  Schwert  an  den  Bauch  des 
Pferdes  zu  klopfen.  Um  die  erzürnte  Göttin  Pallas  zu  versöhnen,  beschliesst  man, 
eine  Bresche  in  die  Stadtmauer  zu  legen  und  das  hölzerne  Pferd  unter  feierlichem 
Jubel  nach  Troja  hineinzuziehen.  Trotz  Kassandra's  Verzweiflung  geschieht  dies,  und 
selbst  Waffengeklirr  im  Innern  des  Kolosses  vermag  die  rasenden  Trojaner  nicht  zur 
Vorsicht  zu  veranlassen.  Im  dritten  Akt  sind  die  Griechen  bereits  nachts  in  die  Stadt 
eingedrungen,  Mord  und  Brand  verbreitend.  Der  schlafende  Äneas  wird  von  Hektors 
Geist  zur  Flucht  ermahnt;  denn  schon  brennt  der  Königspalast  Die  Szene  verwandelt 
sich  und  stellt  die  trojanischen  Frauen  vor  Cybeles  Tempel  dar.  Kassandra  kommt 
zu  ihnen:  Äneas  hat  den  Staatsschatz  gerettet  und  wird  die  überlebenden  Trojaner 
nach  Italien  führen;  aber  Choröbus  ist  gefallen.  Kassandra  ermahnt  die  Frauen,  trotz 
der  Hoffnungslosigkeit  ihrer  Lage  keine  Sklaverei  zu  dulden,  sondern  sich  im  Augen- 
blicke höchster  Gefahr  selbst  zu  töten.  Mit  Ausnahme  einiger  Feigen  stimmen  alle 
Frauen  dem  heroischen  Entschluss  bei.  Schon  ersteigen  die  Griechen  die  Tempel- 
umwallung.  Kassandra  ersticht  sich  zuerst,  nachdem  sie  den  Feinden  verkündet  hat, 
dass  die  Nachkommen  der  Trojaner  in  Italien  einst  mächtiger  sein  würden  als  die 
Griechen.  Die  Frauen  folgen  Kassandra's  Beispiel  und  stürzen  sich  mit  dem  Rufe 
„Italia"  in  den  Abgrund  hinab. 

Diese  wahrhaft  tragische  Schlussszene  ist  Beriioz'  freie  Erfindung, 
während  er  sonst  getreulich  seinem  geliebten  Vorbilde  Virgil  gefolgt  ist. 


345 
MEY:  BERLIOZ  ALS  DRAMATIKER 


Der  zweite  Abend  besteht  aus  fünf  Akten.  Der  erste  Akt  spielt  bereits  in 
Karthago.  Vorher  ertönt  ein  grossartiges  Instnimental-L4iniento,  und  ein  Rhapsode 
singt  bei  verschlossener  Szene  von  der  trojanischen  Katastrophe.  Dann  sieht  man 
Dido's  Palast,  wo  ein  Friedensfest  die  Königin  mit  ihren  Untertanen  vereint.  Mit  ihrer 
Schwester  Anna  allein,  gesteht  Dido,  dass  sie  sich  doch  nicht  glucklich  fühle;  sie 
schwört  zwar,  Witwe  bleiben  zu  wollen,  verschweigt  sich  selbst  aber  ihr  erneutes 
Liebesbedurfais  nicht.  Der  Hofdichter  Jopas  meldet,  dass  Abgesandte  einer  fremden, 
vom  Sturme  nach  Karthago  verschlagenen  Flotte  vorgelassen  zu  werden  wünschen. 
Unbestimmte  Ahnungen  erfassen  Dido;  doch  lässt  sie  die  Fremden  vor:  den  Priester 
Pantheus,  Äneas'  Sohn  Askanius  und  Äneas  selbst,  als  Matrose  verkleidet  Der 
junge  Askanius  bittet  um  Asyl  und  bringt  als  Geschenke  Helena's  Schleier  und  Hekuba's 
Krone.  Die  Fremden  werden  gastlich  aufgenommen.  Dido's  Minister  Narbal  meldet 
das  Nahen  eines  feindlichen  numidischen  Heeres.  Äneas  gibt  sich  zu  erkennen  und 
bietet  seine  Hilfe  an,  bricht  auch  sofort  zum  Kampfe  auf.  Der  zweite  Akt  enthält 
die  berühmt  gewordene  Jagdsymphonie.  Dido  und  Äneas  werden  auf  der  Jagd  vom 
Gewitter  überrascht  und  flüchten  in  eine  Grotte,  wo  sie  sich  in  Liebe  zu  einander 
finden.  Geheimnissvolle  Stimmen  rufen:  «Italia!*,  um  Äneas  an  seine  Pflicht  zu  er- 
innern. Sonst  stockt  die  Handlung,  die  im  ganzen  zweiten  Teil  überhaupt  nur  lang- 
sam vorschreitet:  die  Szene  ist  einzig  von  Naturfrieden  und  Menschenglück  erfüllt. 
Der  dritte  Aufzug  bringt  abermals  ein  antikes  Fest,  diesmal  eine  Siegesfeier,  bei  welcher 
Jopas  die  Segnungen  der  Ceres  und  des  Friedens  besingt.  Auch  diesmal  bleiben  Anna 
und  Dido  schliesslich  allein  zurück  und  vereinigen  sich  zu  einem  herrlichen  Duett. 
Nachdem  sie  auch  die  Bühne  verlassen  haben,  kommt  Merkur,  berührt  die  an  einer 
Säule  hängenden  Waffen  des  Äneas  und  ruft:  »Italia'*!  Der  vierte  Akt  führt  den 
Hafen  mit  den  Schiffen  und  Zelten  der  Trojaner  vor.  Sehnsüchtig  singt  ein  Matrose 
im  Mastkorb  von  der  Heimat.  Unbekannte  Stimmen  erschrecken  die  Trojaner  durch 
abermalige  Rufe:  .Italia'*!  Sie  fordern  Äneas  zur  jähen  Abreise  auf.  Äneas  allein 
beklagt  sein  Geschick,  der  Liebe  zu  Dido  entsagen  und  die  Anker  nach  Italien  lichten 
zu  müssen.  Ein  edler  Heldentod  sei  ihm  zwar  beschieden,  doch  fürchte  er  den  Ab- 
schied von  Dido.  Die  Schatten  des  Priamus,  Choröbus'  und  Hektors  erscheinen  und 
ermahnen  ihn,  seine  Schwäche  zu  überwinden;  Kassandra's  Schatten  gesellt  sich  hinzu: 
Äneas  soll  abfahren,  siegen  und  gründen.  Vor  seinem  Geiste  steigt  Roms  künftige 
Grösse  auf  und  begeistert  ihn  zum  Entschlüsse  sofortiger  Abfahrt  nach  der  Götter 
BefehL  Heimlich,  ohne  Abschied  will  er  Dido  verlassen.  Er  ruft:  »Italiaf*  und  die 
Trojaner,  die  sich  zur  schnellen  Abreise  rüsten,  antworten  ihm  mit  dem  gleichen  Rufe. 
Da  kommt  —  es  ist  Morgengrauen  —  Dido  hinzu  und  überschaut  sofort  die  Vor- 
bereitungen der  Trojaner.  Vergebens  fleht  sie  und  schilt  den  Geliebten;  die  Italia- 
Rufe  übertönen  ihre  Rufe,  und  beim  ersten  Schein  der  Morgenröte  sind  die  Trojaner 
bereit,  die  Taue  zu  kappen.  Auch  Dido's  Geständnis,  dass  sie  ein  Liebespfand  von 
Äneas  berge,  vermag  diesen  nicht  mehr  umzustimmen.  Er  versichert  ihr  seine  un- 
vergängliche Liebe,  doch  sei  die  Trennung  göttlicher  Befehl.  Im  fünften  Akt  klagt 
Dido  auf  ihrem  Lager  im  Palaste  vor  Anna  und  Narbal  ihr  Los;  Verzweiflung  wechselt 
noch  immer  mit  Hoffnung:  Äneas  könne  noch  nicht  fort  sein,  Narbal  solle  ihn  um 
einige  Tage  weiteren  Verweilens  anflehen,  Liebe  müsse  selbst  Jupiters  Willen  trotzen. 
Anna  macht  sich  Vorwürfe,  den  Liebesbund  zwischen  Dido  und  Äneas  begünstigt  zu 
hat>en.  Da  meldet  Jopas  die  bereits  erfolgte  Abfahrt  der  Trojaner.  Dido  ruft  die 
Tyrier  zu  den  Waffen  und  zur  Verfolgung  der  Entflohenen  auf,  widerruft  aber  diesen 
Befehl  sofort  wieder.  In  einem  Auftritt  von  echt  antiker  Grösse  beklagt  sie  ihr  un- 
glückseliges Los  und  verflucht  die  Trojaner,  die  das  Meer  zerschellen  und  deren  Schiffe 


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DIE  MUSIK  III.  5. 


das  Feaer  zerstören  möge.  Grissliches  Unheil  wünscht  sie  Äneas  und  bittet  die 
Götter,  sie  einen  furchtbaren  Hsss  gegen  den  Geliebten  zu  lehren.  Sie  will  Pluto  ein 
Opfer  weihen;  man  solle  einen  Holzstoss  errichten,  auf  dem  sie  des  Geliebten  Ge- 
schenke verbrennen  wolle.  Dann  sagt  sie  Lebewohl  dem  Lande,  der  Stadt,  ihrem 
Volke,  ihrer  Liebe.  —  Die  Szene  wechselt  In  Dido's  Garten  am  Meer  ist  der  Scheiter- 
haufen auflgeschichtet,  wie  Dido  es  beföhlen.  Pluto^s  Priester  Terrichten  in  dfisterer 
Grösse  die  Trauerzeremonieen.  Anna  und  Narbal  bitten  um  einen  niedrigen  Tod  für 
Aneas;  wilde  Tiere  sollen  seinen  unbestatteten  Leib  verzehren.  Dido  erhebt  sich  am 
Scheiterhaufen.  Prophetisch  verkündet  sie  ihrem  Volke  zukünftige  Heldengrösse;  in 
Hannibal  werde  aus  ihm  ein  Rächer  an  den  treulosen  Trojanern  erstehen.  Sie  aber 
wolle  stolz  in  die  Unterwelt  hinabsteigen,  worauf  sie  sich  mit  Äneas*  Schwert  ersticht 
Schreckvoll  schreit  die  Menge  auf;  Anna  stürzt  sich  auf  die  Sterbende.  Diese  erhebt 
sich  in  visionärem  Zustande  und  weissagt  Karthago's  einstigen  Untergang  durch  Feindes- 
wüten.  Rom  aber  werde  unsterblich  sein  und  ewig  herrschen.  Dido  stirbt.  Am  Himmel 
erglüht  das  Kapitel,  und  die  Siegeshymne  der  ewigen  Stadt  erklingt  und  fibertönt  den 
furchtbaren  Rache-  und  Hassesschwur  des  tyrischen  Volkes  in  siegenden  Klängen. 

In  der  Musik  zu  den  »Trojanern*  wendet  Berlioz  seine  giuize 
und  höchste  Meisterschaft  an.  Dennoch  bleibt  er  zu  sehr  Musiker,  um 
mit  den  herkömmlichen  Opemfonnen  und  Einzelnummern  zu  brechen. 
Daher  scheint  manchmal  die  alte  Opemmanier  stark  durch,  zum  Schaden 
der  dramatischen  Situation,  welcher  er  auch  sonst  meist  nur  äusserlich  — 
im  theatralischen  Effekte  —  gerecht  wird.  Es  gibt  allerdings  auch  echt 
dramatische  Stellen,  ja  Szenen  in  dem  Riesenwerke;  besonders  die  Rollen 
der  Kassandra  und  Dido  sind  dadurch  ausgezeichnet.  Wie  die  »Trojaner 
in  Karthago*  durch  die  »Einnahme  von  Troja*  infolge  der  in  letzterer 
vorherrschenden,  knappen  Dramatik  und  rüstig  vorwärtsdrängenden  Hand- 
lung ziemlich  weit  überragt  werden,  so  ist  auch  Kassandra's  Gestalt  be- 
deutender als  Dido's.  Wohl  zeigt  auch  Dido  erschütternde  und  wahrhaft 
antike  Grösse;  wohl  singt  sie  in  Rezitativen  von  Gluckscher  Erhabenheit: 
aber  Kassandra  reicht  an  die  allerersten  tragischen  Gestalten  heran;  in 
ihr  scheinen  sich  Shakespeares  und  Sophokles'  Schöpferkraft  zu  ver- 
einigen, und  ihre  Gesänge  ertönen  mit  Wagnerischer  Wucht.  Berlioz 
scheint  die  Notwendigkeit  einer  einheitlichen  Musik  für  das  musikalische 
Drama  ziemlich  deutlich  geahnt  zu  haben;  zwar  findet  sich  bei  ihm 
kein  Motivgewebe  wie  bei  Richard  Wagner,  wohl  aber  einige  Motive.  So 
zieht  sich  ein  trojanischer  Triumphmarsch  durch  beide  Teile  des  Werkes. 
Er  erklingt,  als  die  betörten  Trojaner  das  hölzerne  Pferd  festlich  in  die 
Stadt  geleiten ;  wir  hören  ihn  im  Lamento  um  Troja's  Fall  am  Beginn  des 
zweiten  Teiles  in  gedämpften  und  getrübten  Klängen;  er  begleitet  die 
Ankunft  und  Vorstellung  der  Trojaner  in  Karthago;  er  kehrt  ganz  oder  in 
einzelnen  Teilen  wieder  und  erstrahlt  endlich  zu  der  Schlussapotheose  als 
römischer  Trinmphgesang.  Von  einzelnen  Nummern  wären  zahlreiche 
ihrer  musikalischen  Schönheiten  und  Feinheiten  halber  besonders  hervor- 


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MEY:  BERLIOZ  ALS  DRAMATIKER 


zuheben,  während  bisweilen  allerdings  auch  Berlioz'  musikalische  Kraft 
und  dichterische  Begeisterung  zu  erlahmen  scheinen.  Ganz  besonders 
schön  sind  das  Duett  zwischen  Dido  und  Anna,  femer  Kassandra's  und 
Dido's,  zum  Teil  auch  Äneas'  Einzelgesänge  (teils  Rezitative,  teils  Arien), 
das  Lied  des  Matrosen  Hylas,  sowie  vor  allem  die  Jagdsymphonie  und  die 
darauf  folgende  Liebesszene  zwischen  Dido  und  Aneas. 

Mit  den  »Trojanern*  hatte  Berlioz  ähnliche  Nöte  wie  Richard  Wagner  mit 
dem  »Ring  des  Nibelungen".  Aber  während  der  deutsche  Meister  sich  nicht 
mit  einer  mangelhaften  Aufführung  von  Bruchteilen  seines  Werkes  («Rhein- 
gold* und  »Walküre*  in  München,  1869)  begnügte,  sondern  siegreich  in  Bay- 
reuth durchdrang,  verzagte  und  versagte  Berlioz  und  musste  sich  mit  der 
unvollkommen  einstudierten  und  jämmerlich  zerstrichenen  Aufführung  der 
»Trojaner  in  Karthago*  im  Th6ätre  Lyrique  zu  Paris  zeitlebens  begnügen; 
er  hörte  nie  die  »Einnahme  von  Troja*,  so  dass  sich  seine  Befürchtung 
erfüllte:  »Oh  ma  noble  Cassandre,  mon  h6roique  vierge,  je  ne  t'entendrai 
Jamals*. 

Der  Umstand,  dass  Berlioz  die  »Trojaner*  für  sein  hervorragendstes 
Werk  hielt,  der  »Ring  des  Nibelungen*  andrerseits  aber  doch  Richard 
Wagners  hauptsächliches  Meisterwerk  ist,  um  das  sich  die  andern  gleich- 
sam gruppieren,  drängt  zu  allerhand  Vergleichen,  die  zum  Schluss  hier 
noch  kurz  berührt  werden  sollen.  Virgil  hat  in  seinem  Epos  mehr  die 
Römer  verherrlichen  wollen  als  ihre  sagenhaften  Urahnen,  die  Trojaner. 
Berlioz  tat  dies  vielleicht  in  noch  höherem  Grade;  wenn  er  sich  in  seinen 
Schriften  nicht  darüber  ausspricht,  so  redet  er  doch  in  der  »Trojaner*- 
Dichtung  um  so  deutlicher  davon.  Er  feiert  darin  nicht  nur  das  antike  und 
kaum  das  katholische  Rom,  wohl  aber  das  romanische  Rom  (sit  venia  verbot), 
die  Stammutter  aller  romanischen  Völker,  als  deren  grösstes  natürlich  die 
Franzosen  angesehen  werden  sollen.  Berlioz'  »Trojaner*  sind  also  auch 
ihrer  innerlichen  Entstehung  nach  ein  französisch-nationales  Kunstwerk.  Die 
französischen  Ideale  sind  Tamour  und  la  gloire;  und  Liebe  und  Ruhm  sind 
denn  auch  das  Höchste  in  den  »Trojanern*.  Dadurch,  dass  die  Liebe  dem 
Ruhm  geopfert  wird,  entscheiden  sich  hier  Völkerschicksale:  die  Lösung  des 
Konfliktes  der  Handlung  ist  somit  eine  nationale.  Auch  Wagners  Kunst- 
werk entspringt  aus  den  tiefsten  und  kräftigsten  Wurzeln  der  deutschen 
Nation.  Jedoch  strebt  der  deutsche  Künstler  über  sein  Volk  hinaus  und 
wird  übernational.  Dido  stirbt  freiwillig  vor  dem  Scheiterhaufen  und  ver- 
kündet die  zukünftige  Grösse  und  ewige  Macht  Roms;  Brünnhilde  stürzt 
sich  in  die  Flammen  des  Holzstosses  und  erlöst  durch  ihren  Tod  Götter  und 
Welt  vom  Fluche  der  Lieblosigkeit.  Berlioz  bleibt  der  nationale  Künstler; 
Wagner  umfasst  mit  seiner  Kunst  zugleich  die  höchste  Philosophie ;  sein  Werk 
wird  weltbedeutend,  übernational. 


Die  Liebe  und  die  Mnaik  tind 
die  beiden  Flfigel  der  Seele. 

f|ie  Memoiren  tod  Berlioz  geben  jnns  kein  ganz  vollstXndiges 
[  Bild  von  dem  Leben  des  Künstlers.  Auch  sind  es  nicht  im 
I  eigentlichen  Sinne  Memoiren,  sondern  nur  eine  Zusammeo- 
l  Stellung  und  Er^zung  der  bereits  veröffentlichten  auto- 
biographischen Fragmente  aus  früheren  Schriften  und  Artikeln.  Wenn 
man  die  Süsseren  Umstände  in  betracbt  zieht  und  die  geistige  Verfassung, 
in  der  Berlioz  sich  befand,  als  er  seine  Memoiren  schrieb,  so  begreift  man, 
dass  sie  nicht  immer  so  genau  sein  können,  wie  man  es  wünschen  möchte. 
Er  verfasste  diese  Autobiographie  in  einem  kritischen  Augenblick ; 
sein  Lebensglück  war  zerstört,  ernste  pekuntlre  und  künstlerische  Sorgen 
bedrückten  ihn.  Auch  sah  er  die  Ereignisse  seines  Lebens  aus  einer  Rückerlnne- 
ning  von  zwanzig,  dreissig  und  vierzig  Jahren.  Überdies,  und  das  ist  das 
wesentliche,  sagt  er  selbst  in  dem  Vorwort  zu  seinen  Memoiren,  dass  er 
keine  Beichte  ablegen,  sondern  nur  sagen  werde,  was  ihm  beliebe.  Er 
erklärt,  dass  ihm  daran  liege,  unsem  Beihll  zu  erringen,  und  dass  er  daher 
alle  kompromittierenden  Geständnisse  vermeiden  werde.  Das  bat  er 
allerdings  getan.  Seine  Memoiren  sind  ein  glänzendes  Plaidoyer,  aber 
nicht  die  getreue  Wiedergabe  seines  Lebens.  Aucb  aus  der  .Correspon- 
dance  intdile*  tritt  uns  sein  Bild  nicht  klar  entgegen,  selbst  die  .Lettres 
intimes'  enthatten  manche  Lücken.  Sie  geben  uns  wohl  eine  Obersicht 
seiner  künstlerischen  Karriere;  sein  Streben  und  Ringen,  seine  Erfolge  und 
Enttäuschungen  sind  getreulich  aufgezeichnet,  der  Künstler  gibt  sich  hier 
frei  und  ganz,  aber  nicht  der  Mensch,  mit  Ausnahme  der  ersten  Briefe  an 
Humbert  Ferrand.  In  diesen  vertraulichen  Mitteilungen,  die  in  die  Epoche 
seiner  grossen  Leidenschaft  hllen,  endiüllt  Berlioz  dem  glelchgesinnten 
Freunde  seine  Seele  schrankenlos. 

Die  Frauen  nehmen  eine  zu  bedeutende  Rolle  in  Berlioz'  Leben  ein,  als 


')  Nach  Legnuyi,  Hippeau  und  Berlioz'  Scbriflen. 


349 
SAVIC:  BERLIOZ  UND  DIE  FRAUEN 


dass  man  dies  Thema  mit  ein  paar  Worten  flüchtig  berühren  könnte.  Zum 
Schluss  seiner  Memoiren  sagt  er:  „Die  Liebe  und  die  Musik  sind  die 
beiden  Flügel  der  Seele.  "^  Die  Liebe  und  die  Musik  erschütterten  schon 
die  Seele  des  Knaben.  Er  erzählt  uns,  wie  bei  seiner  Erstkommunion  eine 
Hymne  ihn  so  tief  ergriff,  dass  er  den  mystischen,  leidenschaftlichen  Auf- 
ruhr in  seiner  Seele  kaum  zu  verbergen  vermochte. 

9E8  schien  mir,**  so  sagt  er,  ,»als  öffne  sich  der  Himmel,  ein  Himmel  der  Liebe 
und  der  keuschen  Wonnen,  ein  Himmel,  der  tausendmal  schöner  und  reiner  war  als 
der,  von  dem  man  mir  erzählt  hatte  . . .'' 

Mit  zwölf  Jahren  sieht  er  zum  erstenmal  die  schöne  Estelle  Gautier, 

yla  Stella  Montis*,   die   spätere  Freundin   seiner   alten  Tage.     Von  dieser 

ersten  Begegnung  sagt  Berlioz  in  seinen  Memoiren: 

«...  als  ich  sie  sah,  durchfuhr  mich  ein  elektrischer  Schlag.  Mich  fasste  ein 
Schwindel,  den  ich  nicht  überwinden  konnte.  Ich  hoffte  nichts  ...  ich  war  wie  von 
Sinnen ...  ich  fühlte  einen  tiefen  Schmerz  im  Herzen.  Ganze  Nächte  verbrachte  ich 
in  Verzweiflung,  und  wihrend  des  Tages  verbarg  ich  mich  in  den  Maisfeldem  oder 
verkroch  mich  still  mit  meinem  Leid  wie  ein  verwundeter  Vogel  in  die  Schlupfwinkel 
von  meines  Grossvaters  Garten.  Die  Eifersucht,  die  bleiche  Geßlhrtin  der  reinsten 
Liebe  quälte  mich  bei  dem  geringsten  Wort,  das  ein  Mann  an  mein  Idol  richtete  • .  ,* 

Diese  ausserordentliche  Empfindsamkeit,  die  er  schon  als  Kind  hatte, 
verlor  Berlioz  nie.  In  allen  Abschnitten,  in  allen  Lagen  seines  Lebens 
treiben  ihn  die  seelischen  Erregungen  zum  Paroxysmus.  In  seiner  Leiden- 
schaft verfällt  er  beständig  von  einem  Extrem  ins  andere.  Er  kennt  keine 
Mässigung,  keine  Kaltblütigkeit  oder  Zurückhaltung,  er  ist  stets  ungestüm 
in  seinen  Gefühlen.  Seine  Liebe  verwandelt  sich  in  Hass,  seine  Be- 
geisterung in  Wut,  seine  Freude  ist  zügellos,  seine  Verzweiflung  furchtbar, 
und  sie  folgen  einander  oft  unmittelbar.  Die  entsetzlichste  Nieder- 
geschlagenheit übermannt  ihn  plötzlich  inmitten  der  überströmendsten 
Begeisterung.  Nie  leiten  ihn  Vernunft  und  Überlegung,  er  lässt  sich  stets 
von  seinem  zügellosen  Temperament,  von  seiner  phantastischen  Natur  hin- 
reissen.  Ohne  Kenntnis  von  Welt  und  Wirklichkeit  stürzt  er  sich  als 
23  jähriger  Jüngling  in  den  Roman  seines  Lebens.  Und  doch  sind  die  Entstehung 
und  Entwicklung  dieser  grossen  phantastischen  Liebe  und  die  Jahre  seines 
ehelichen  Glückes  die  schönste  Periode  in  dem  Leben  des  Künstlers. 

Das  Ereignis,  das  eine  so  ungeheure  Umwälzung  in  seinem  Herzen  und 

später  auch  in  seiner  ganzen  Existenz  hervorbrachte,  fällt  in  das  Jahr  1827. 
„Ein  englisches  Theater  führte  in  Paris  die  Dramen  von  Shakespeare  auf,  die 
dem  französischen  Publikum  dazumal  völlig  unbekannt  waren,"  schreibt  Berlioz  in 
seinen  Memoiren.  „Ich  wohnte  der  ersten  Hamlet-Vorstellung  im  Od6on  bei.  In  der  Rolle 
derOpheliasah  ich  Henriette  Smithson,  die  funfjahredaraufmeine  Frau  wurde.  Die 
Wirkung,  die  ihr  wunderbares  Talent  oder  vielmehr  ihr  dramatisches  Genie  auf  meine 
Phantasie  und  mein  Herz  ausübten,  kann  ich  nur  der  Erschütterung  vergleichen,  die 
mich  der  Dichter,  dessen  würdige  Darstellerin  sie  war,  empfinden  Hess.  Mehr  vermag 
ich  nicht  zu  sagen.^ 


350 
DIE  MUSIK  OL  5u 


Die  EindnckCy  die  Berlioz  bei  dieser  Hamlet-Vofst^img  empBag, 
sind  nur  ein  Prolog  zn  seiner  verzweifelten  Liebe.  Sdbon  nm  niclislca 
Tsg  kauft  er  sich  für  die  Aufführung  von  «Romeo  und  Julie*  ein  BilleC» 
aus  Furcht,  dass  der  Direktor  über  seinen  Freiplatz  anders  ▼erfügen  könnte. 
Im  dritten  Akt  ^leidet  er,  als  ob  eine  eiserne  Hand  sein  Herz  unddanunert 
hielte.     Ich  bin  verloren*  ruft  er  in  Verzwriflung. 

Dieser  Abend  entsdieidet  über  sein  guizes  Leben.  Der  S^laf  flieht 
ihn  fortan,  er  hat  nicht  mehr  die  frühere  Geistesfrische,  seine  Lieblings- 
studien machen  ihm  keine  Freude  mehr,  er  ist  unfihig  zur  Arbeit.  Ziellos 
irrt  er  in  den  Strassen  von  Paris  umher,  ganze  Tage  lang  streift  er  durch 
die  Felder.  Ermattet  von  den  seelischen  Erregungen  und  von  körperlidien 
Anstrengungen  schüft  er  eines  Abends  auf  einer  ^ese  ein,  ein  anderes 
Mal  auf  freiem  Felde  zwischen  den  Garben,  dann  im  Schnee  am  Seineufer 
und  schliesslich  sogar  an  einem  Tisch  im  Caf6  Cardinal,  wo  die  er- 
schrockenen Kellner  ihn  für  tot  halten  und  nicht  wagen,  an  ihn  heran- 
zugehen. Mehrere  Monate  vergehen  in  einem  verzweifelten,  geisttötenden 
Zustand,  er  «denkt  nur  noch  an  Shakespeare  und  an  die  schöne,  geistreidie 
Schauspielerin,  the  fair  Ophelia,  über  die  ganz  Paris  ausser  sich  vor  Ent- 
zücken ist*.  In  tiefster  Niedergeschlagenheit  vergleicht  er  seine  obskure 
Existenz  mit  der  ruhmvollen  Laufbahn  der  gefeierten  Künstlerin,  dann 
aber  rafft  er  sich  auf,  entschlossen,  alles  zu  wagen,  sein  ,Name^,  den 
sie  nicht  kennt,  „soll  bis  zu  ihr  ,erstrahlenS^  er  wird  versuchen,  was 
bisher  noch  kein  Komponist  in  Frankreich  gewagt  hat  Im  Konser- 
vatorium soll  ein  Konzert  stattfinden,  das  einzig  aus  seinen  Kompositionen 
zusammengestellt  sein  wird.  „Ich  will  ihr  zeigen,  dass  auch  ich  ein 
Maler  bin!'' 

Das  Konzert  fand  auch  wirklich  nach  grossen  Schwierigkeiten  statt; 
es  war  für  den  jungen  Künstler  entschieden  von  grossem  Nutzen,  aber  den 
Hauptzweck  erfüllte  es  nicht.  Berlioz  erfuhr  später,  dass  Miss  Smithson 
weder  von  ihm,  noch  von  seinem  Konzert  und  Erfolg  etwas  gehört  hatte. 
Obendrein  wollte  es  das  Unglück,  dass  Berlioz  bei  dem  Wettbewerb  im 
Institut  nur  den  zweiten  Preis  errang  und  nicht  den  ersten  noch  die  damit 
verbundene  Pension,  wie  er  erhofft  hatte.  Er  verfillt  in  einen  Zustand 
gänzlicher  Untätigkeit.  Die  Liebe  martert  sein  Herz,  er  wird  träumerisch 
bis  zum  Stumpfsinn,  menschenscheu,  vernachlässigt  sein  Äusseres,  ist  reizbar 
und  unausstehlich.  Dann  setzt  er  sich  in  den  Kopf,  seinen  Namen  neben 
dem  der  Tragödin  prangen  zu  sehen.  Von  dem  Direktor  der  Op6ra- 
Comique,  in  dessen  Theater  zwei  Akte  von  Hamlet  aufgeführt  werden, 
mit  Miss  Smithson  als  Ophelia,  erreicht  Berlioz  die  Erlaubnis,  eine  Ouver- 
türe seiner  Komposition  spielen  zu  lassen.  Er  war  nicht  mehr  ein  gänz- 
lich Unbekannter  für  die  Schauspielerin,  er  hatte  ihr  geschrieben: 


351 
SAVIC:  BERLIOZ  UND  DIE  FRAUEN 


»Wenn  Sie  nicht  meinen  Tod  wollen,  so  lassen  Sie  mich  aus  Mitleid  wissen 
(icn  wage  nicht  zu  sagen  aus  Liebe),  wann  ich  Sie  sehen  darf. 

Auf  den  Knieen  flehe  ich  schluchzend  um  Gnade!! 

O,  ich  Unglückseliger,  ich  glaubte  nicht  all  dies  Leid  verdient  zu  haben,  aber 
ich  segne  die  Schläge,  die  von  Ihrer  Hand  kommen. 

Ich  erwarte  Ihre  Antwort  wie  das  Urteil  meines  Richters.*) 

H.  Berlioz." 

Aber  seine  Briefe  blieben  unbeantwortet.  Sie  hatten  die  Schau- 
spielerin eher  beunruhigt  als  gerührt,  so  dass  sie  ihrer  Kammerfrau  verbot, 
weitere  Briefe  anzunehmen. 

Von  der  Ouvertüre  und  ihrem  Autor  erfuhr  Miss  Smithson  nichts. 
Sie  reiste  tags  darauf  nach  Holland  ab.  Berlioz  wohnte  in  der  Rue 
Richelieu  und,  wie  er  sagt,  aus  reinem  Zufall  gerade  der  Wohnung  der 
Schauspielerin  gegenüber.  Bis  um  drei  Uhr  nachmittags  lag  er  nach  der 
Vorstellung  des  vorhergehenden  Abends  „gebrochen  und  sterbend'  auf 
seinem  Lager.  Er  steht  auf,  nähert  sich  mechanisch  dem  Fenster  und  ein 
«feiges,  grausames  Schicksal**  fügt  es,  dass  Miss  Smithson  gerade  in  diesem 
Augenblick  in  den  Wagen  steigt,  um  nach  Amsterdam  abzureisen. 

„Der  Schmerz,  den  ich  empfand/^  sagt  Berlioz  in  seinen  Memoiren,  „ist  gar 
nicht  zu  beschreiben.  Diese  Herzenspein,  dies  Gefühl  der  Vereinsamung,  diese  ent- 
setzliche Leere,  diese  Qualen,  die  das  Blut  in  den  Adern  erstarren  machen,  dieser 
Lebensfiberdruss  und  die  Unmöglichkeit  sterben  zu  können!  Selbst  Shakespeare  hat 
nie  versucht,  das  zu  schildern.  Im  Hamlet  beschränkt  er  sich  darauf,  diesen  Schmerz 
zu  den  grausamsten  zu  zählen,  die  das  Leben  uns  bringen  kann. 

Ich  komponierte  nicht  mehr,  meine  Intelligenz  schien  in  demselben  Masse 
abzunehmen,  wie  meine  Sensibilität  sich  steigerte.    Ich  konnte  nichts  tun,  als  leiden.^ 

Hier  hören  die  Geständnisse  in  den  Memoiren  auf,  aus  den  Briefen 

an    Humbert  Ferrand  können  wir  sie  ergänzen.     Am   29.  November  1827 

erwähnt  Berlioz  zum  erstenmal  dem  Freunde  gegenüber  die  Leidenschaft, 

die  ihn  beherrscht.  Einige  Monate  später  schreibt  er  voll  Verzweiflung: 
„Wie  einsam  bin  ich!  Alle  meine  Muskeln  zittern,  wie  die  eines  Sterbenden I 
O  mein  Freund,  geben  Sie  mir  etwas  zu  tun,  werfen  Sie  mir  einen  Knochen  zum 
Nagen  hin  .  .  .  Wie  schön  ist  es  draussen  auf  dem  Lande!  Welch  eine  Oberfülle  an 
Licht!  Die  Menschen,  die  von  dort  zurückkamen,  sahen  alle  so  glücklich  aus.  Die 
Bäume  rauschten  sanft  und  ich  war  allein,  allein  in  der  weiten  Ebene  .  .  .  nur  um- 
geben von  Unendlichkeit,  Entfernung,  Vergessen,  Schmerz  und  Wut.  Trotz  all  meiner 
Anstrengungen  entschlüpft  mir  das  Leben,  ich  halte  nichts  als  die  Fetzen  davon!..." 

Er  bittet  den  Freund,  niemandem  zu  sagen,  in  welcher  Verfassung 

er  ist,  damit  sein  Vater,   der  ihm  seit  kurzem  die  Zulage  verweigert  hat, 

nichts  davon  erfährt,  denn  das  würde  ihm  die  letzte  Ruhe  rauben. 

„Mir  vermag  niemand  Ruhe  zu  geben,  alles  was  ich  tun  kann,  ist  in  Geduld  leiden 
und  hoffen,  dass  die  Zeit,  die  vieles  ändert,  auch  mein  Schicksal  ändern  wird." 


')  Dieser  Brief  ist  von  Alexis  Berchthold  mitgeteilt  worden. 


352 
DIE  MUSIK  III.  5. 


Zu  Beginn  des  Jahres  1829  kehrt  Henriette  nach  Paris  zurück  und 
es  scheint,  dass  sich  die  Verhältnisse  günstiger  für  Berlioz  gestalten  sollen. 
Eine  Annäherung  ist  ihm  noch  immer  nicht  gewährt, 

»aber  sie  bat  gesagt**,  schreibt  er  dem  Freund,  »wenn  er  mich  wirklich  Hebt, 
wenn  seine  Liebe  nicbt  der  Art  ist,  dass  ich  sie  mit  Verachtung  zurückweisen  muss, 
80  wird  seine  Beständigkeit  während  weniger  Monate  des  Harrens  nicht  erschlaffen." 

Aus  diesen  wenig  verheissenden  Worten  schöpft  Berlioz  neue  Hoff- 
nung und  Mut,  er  gerät  in  Ekstase,   »die  Liebe  Ophelias  hat  seine  Kräfte 

verhundertfältigf . 

»Sollte  es  mir  wirklich  gelingen,  Ophelias  Liebe  zu  gewinnen,  oder  könnte 
ich  wenigstens  erreichen,  dass  meine  Liebe  ihr  schmeichelt,  ihr  gefällt?  Mein  Herz 
schwillt  mächtig  an  und  meine  Phantasie  macht  verzweifelte  Anstrengungen,  um  die 
Unendlichkeit  eines  solchen  Glückes  fassen  zu  können.  Wie?  ich  soll  leben... 
soll  schreiben  . . .  soll  meine  Flügel  ausbreiten  . . .  ?  O  dear  friend!  o  my  heart! 
o  lifel  love!  All!  AllI . . .« 

Zum  Schluss  des  Briefes  schreibt  Berlioz: 

»Lassen  Sie  sich  nicht  erschrecken  durch  meine  Freude,  sie  ist  nicbt  so  blind, 
wie  Sie  furchten,  ich  blicke  in  die  Zukunft;  ich  habe  nichts,  worauf  ich  rechnen  kann, 
ich  erbebe  in  Furcht  wie  in  Hoffhung." 

Miss  Smithson  reiste  ab  und  hinterliess  ihm  die  Nachricht,  dass  er 
nichts  zu  hoffen  habe.  Berlioz  ist  in  furchtbarer  Verzweiflung,  er  trägt 
sich  mit  Todesgedanken,  aber  kurz  darauf  scheint  er  wie  durch  ein  Wunder 
von  dieser  todbringenden  Liebe  geheilt  zu  sein.  «Schreckliche  Wahrheiten, 
an  denen  gar  nicht  zu  zweifeln  ist,  haben  mich  auf  den  Weg  der  Ge- 
nesung gebracht",  schreibt  er  an  den  Freund;  allerdings  erfahren  wir  nicht, 
welcher  Art  diese  Verleumdungen  sind,  aber  seine  Gefühle  für  Henriette 
sind  ins  Gegenteil  umgeschlagen: 

»Ich  beklage  und  verachte  siel  sie  ist  nur  eine  ganz  gewöhnliche  Frau,  mit 
einem  instinktiven  Genie  begabt,  um  Seelenqualen  auszudrücken,  die  sie  selbst  nie 
empfunden  bat.  Sie  ist  nicbt  fähig  die  grossen  Gefühle  zu  hegen,  wie  ich  irrtümlich  zu 
ihrer  Ehre  angenommen  habe.   Sie  bat  kein  Talent,  sie  ist  unbedeutend  und  herzlos." 

Nicht  aus  Berlioz'  Briefen,  aber  aus  einer  Biographie  seines  ver- 
trauten Freundes  Ortigue,  erfahren  wir,  dass  er  einer  ganz  abgeschmackten 
Verleumdung  leichtfertig  Glauben  schenkt  und  ohne  Überlegung  opfert» 
was  ihm  teuer  ist.  Während  zweier  Tage  ist  Berlioz  verschwunden,  seine 
Freunde  glaubten  bereits  an  einen  Akt  der  Verzweiflung,  aber  es  scheint, 
dass  der  Schlag  doch  nicht  vermochte,  seine  robuste  Natur  zu  fällen. 
Der  Wunsch,  sich  zu  rächen,  ist  in  ihm  erwacht  und  mit  Wollust  stürzt 
er  sich  in  dies  Gefühl.  Die  »Symphonie  Fantastique",  in  der  Berlioz 
schildert,  wie  die  geliebte  Frau  vor  dem  Manne  bei  der  »Ronde  du 
Sabbat"  als  Buhlerin  erscheint,  »die  unwürdig  ist,  an  einer  solchen  Orgie 
teil  zu  nehmen",  soll  ein  Akt  der  Rache  werden  .  .  . 


353 
SAVI6:  BERLIOZ  UND  DIE  FRAUEN 


»Ich  hoffe,  die  Unglückliche  wird  an  dem  Tage  bei  der  Vorstellung  sein,  aber 
wenn  sie  das  Programm  meines  instrumentalen  Dramas  liest,  so  ist  es  unmöglich, 
dass  sie  sich  nicht  darin  wiedererkennt,  und  dann  wird  sie  sich  hfiten  zu  kommen  . .  .'^ 

Berlioz  ist  also  geheilt  von  dieser  Liebe  und  noch  mehr,  er  hat  sich 
getröstet,  denn  bereits  zwei  Monate  später  beichtet  er  wiederum  dem  Freunde: 

»Ich  habe  alles,  was  die  Liebe  an  Zärtlichkeit  und  Zartheit  zu  bieten  vermag. 
Meine  reizende  Sylphide,  mein  Ariel,  mein  Leben  scheint  mich  mehr  als  je  zu  lieben; 
ihre  Mutter  wiederholt  mir  wieder  und  immer  wieder,  wenn  sie  in  einem  Roman  die 
Schilderung  meiner  Liebe  läse,  so  würde  sie  es  nicht  für  möglich  halten." 

In  seinen  Memoiren  nennt  Berlioz  diese  neue  Liebe  eine  »heftige 
Abschweifung,  eine  Sinneserregung**  und  erzählt  uns,  wie  Ferdinand  Hiller 
seiner  schönen  Freundin  Camilla  Moke  gegenüber  von  ihm  und  seiner  fana- 
tischen Schwärmerei  spricht  und  die  Unvorsichtigkeit  begeht,  ihr  zu  sagen: 
»Auf  den  werde  ich  nie  eifersüchtig  sein,  denn  ich  bin  sicher,  dass  er  Sie 
nicht  lieben  wird**.  Und  Berlioz  fügt  hinzu:  »Man  begreift,  welche  Wirkung 
ein  so  ungeschicktes  Geständnis  auf  eine  Pariserin  haben  musste.  Sie 
dachte  nur  noch  daran,  ihren  allzuvertrauenden,  platonischen  Freund  Lügen 
zu  strafen.*"  Der  Zufall  fügt  es,  dass  Camilla  Moke  in  derselben  Pension 
Klavierstunden  gibt,  in  der  Berlioz  Unterricht  in  Gitarre  erteilt.  Das 
Mädchen  scherzt  über  seine  traurigen  Mienen  und  gibt  zu  verstehen,  dass 
sie  bereit  ist,  ihn  zu  trösten.  Nach  kurzem  Widerstand  erliegt  Berlioz 
und  lässt  sich,  wie  er  sagt,  »in  seinem  Kummer  mit  einer  Hingabe,  einer 
Leidenschaft   trösten,    die   sehr   begreiflich   erscheinen,    wenn   man   mein 

jugendliches  Feuer  und  Camilla's  berückende  Schönheit  bedenkt .  .  .** 

»Hiller,''  wie  Berlioz  erzählt,  »dem  ich  die  Wahrheit  schuldig  zu  sein  glaubte, 
vergoss  zuerst  einige  bittere  Trinen,  dann  ergriff  er  in  einem  Gefühl  der  Dankbar- 
keit meine  Hand  und  druckte  sie  konvulsivisch,  denn  im  Grunde  hatte  ja  nicht  ich 
die  Treulosigkeit  gegen  den  Freund  begangen.  Würdig  nahm  er  sein  Schicksal  auf 
sich  und  reiste  nach  Frankfurt  ab,  indem  er  mir  viel  Vergnügen  wünschte.** 

Ferdinand  Hiller  hat  diese  Episode  in  seinem  »Künstlerleben*  eben- 
falls geschildert,  allerdings  in  etwas  anderer  Weise.  Wie  dem  auch  sei, 
»fair  Ophelia"  und  die  ganze  unglückselige  Leidenschaft  ist  zu  dieser 
Stunde  vergessen.  Es  handelt  sich  nicht  nur  um  eine  »starke  Abschweifung 
und  um  eine  Sinneserregung*,  denn  Berlioz  trägt  sich  mit  ernsten  Heirats- 
gedanken und  hofft,  alle  Hindemisse  besiegen  zu  können.  Er  hat  einen 
einflussreichen  Fürsprecher  gefunden,  der  Camilla's  Mutter  für  ihn  zu  ge- 
winnen hofft.  Berlioz  hat  inzwischen  im  Institut  den  »Prix  de  Rome*  er- 
rungen; am  28.  August  schreibt  er  an  Ferrand: 

»O  mein  Freund,  welch  ein  unbeschreibliches  Glück  ist  es,  einen  Erfolg  zu 
erlangen,  der  ein  geliebtes  Wesen  entzückt.  Meine  angebetete  Camilla  starb  vor  Un- 
geduld, als  ich  ihr  gestern,  Donnerstag,  die  so  sehnlich  erwartete  Nachricht  brachte. 
O  mein  Ariel,  mein  schöner  Engel,  deine  Flügel  waren  ganz  zerknittert,  die  Freude 
hat  sie  wieder  entfaltet . .  .* 

111   5  23 


354 
DIE  MUSIK  III.  5. 


Ophelia  ist  nicht  länger  die  Muse  des  Künstlers,  denn  in  einem 
neuen  Brief  an  den  Freund  spricht  er  von  einer  Ouvertüre,  die  er  ver- 
Cftsst  hat  und  fügt  hinzu: 

»Mit  welch  glühender  Anbetung  habe  ich  meiner  vergötterten  Camilla  gedankt, 
daas  sie  mich  zu  dieser  Komposition  inspiriert  hat!  Ich  sagte  ihr  kürzlich,  dass 
mein  Werk  aufgeführt  werden  soll;  sie  zitterte  vor  Freude.  Nach  verzehrenden 
Küssen  und  feuriger  Umarmung  habe  ich  ihr  das  Geständnis  ins  Ohr  geflüstert^  wie 
,wir*  die  grosse  poetische  Liebe  verstehen." 

Einen  früheren  Brief  schliesst  er  mit  den  Worten:  «Die  Smithson, 
diese  elende  Dirne,  ist  noch  immer  in  Paris." 

Am  5.  Dezember  veranstaltete  Berlioz  ein  Konzert  im  Konservatorium- 
Saal,  wo  zum  erstenmal  die  «Symphonie  Fantastique"  angeführt  wurde,  denn 
das  früher  geplante  Konzert  war  nicht  zustande  gekommen.  Ein  seltsamer 
Zufall  fügte  es,  dass  Henriette  Smithson  gerade  am  Konzerttag  in  der  Op^ra 
als  Fenella  in  der  „Stummen  von  Portici**  auftrat.  Während  ihr  Stern  im 
Sinken  begriffen  ist,  hat  Berlioz  einen  glänzenden  Erfolg,  er  ist  auf  dem 
Gipfel  des  Glücks.  Seitdem  Camilla  ,1a  Ronde  du  Sabbat"  gehört  hat, 
nennt  sie  ihn  nur  noch  «ihren  teuren  Lucifer,  ihren  schönen  Satan".  Die 
Musik  hat  gesiegt,  Frau  Moke  gibt  endlich  ihre  Einwilligung.  Die  Hoch- 
zeit wird  für  das  Osterfest  1832  festgesetzt,  unter  der  Bedingung,  dass 
Berlioz  auf  ein  Jahr  nach  Italien  geht  und  dass  er  die  Pension,  die  ihm  das 
Institut  zahlt,  nicht  verliert.  Herzzerreissender  Abschied  von  der  Ge- 
liebten, dann  verbringt  er  einige  Wochen  im  Kreise  seiner  Familie  in  La 
Cöte  Saint-Andr6  und  in  Grenoble.  Interessant  ist  der  Briefwechsel  mit 
Hiller  aus  dieser  Zeit.  Am  9.  Januar  schreibt  er  ihm,  wie  furchtbar  er 
unter  der  Trennung  von  der  Geliebten  leide  und  bittet  ihn  zum  Schluss, 
Camilla  einen  einliegenden  Brief  zu  übergeben.  Der  Auftrag  war  sehr 
delikater  Natur  und  fraglos  sehr  unvorsichtig,  denn  Hiller  war  keineswegs 
nach  Frankfurt  abgereist  und  hätte  sich  leicht  für  den  ihm  gespielten 
Streich  rächen  können,  statt  dessen  warnt  er  den  glücklichen  Rivalen, 
nicht  zu  fest  auf  Camilla's  Treue  zu  bauen.    Berlioz'  Antwort  ist  stürmisch: 

»Was  mit  Ihnen  ein,  mir  zu  sagen,  dass  ich  mir  in  einer  Verzweinung  gefeUe, 
für  die  mir  niemand  Dank  weiss,  am  wenigsten  die  Leute,  denen  sie  gilt  Erstens 
sage  ich  Ihnen,  dass  ich  über  ,Leute'  nicht  in  Verzweinung  gerate,  und  wenn  Sie 
ernste  Gründe  haben,  die  Person,  um  derentwillen  ich  verweifelt  bin,  hart  zu  be- 
urteilen, so  habe  ich  die  meinen,  um  Sie  zu  versichern,  dass  ich  ihren  Charakter 
besser  kenne  als  irgend  jemand.  Sie  wissen  nicht,  was  sie  denkt  und  fühlt  Wenn 
Sie  sie  in  einem  Konzert  vergnügt  und  zufrieden  gesehen  haben,  so  ist  das  noch  kein 
Grund,  um  daraus  für  mich  fktale  Schlussfolgerungen  zu  ziehen." 

Aber  Berlioz  sollte  sehr  bald  in  seiner  stolzen  Zuversicht  getäuscht 
werden.  Am  9.  Februar  1831  schifft  er  sich  in  Marseille  nach  Civita 
Vecchia  ein  und  geht  von  hier  aus  nach  Rom.  Die  Villa  Medici  nimmt 
ihn  gaatlich  auf,  ein  alter  Palast  aus  dem  Jahre  1557,  den  die  Pensionire 


SAVIC:  BERLIOZ  UND  DIE  FRAUEN 


der  französischen  Akademie  und  ihr  Direktor  Horace  Vemet  bewohnen; 
aber  es  wird  ihnen  kein  Zwang  auferlegt,  sie  geniessen  völlige  Freiheit. 
Die  Pensionäre  sind  allerdings  verpflichtet,  jedes  Jahr  ein  Bild,  eine  Zeichnung, 
eine  Bronze  oder  eine  Partitur  nach  Paris  an  die  Akademie  zu  senden, 
aber  wenn  diese  Arbeit  eingereicht  ist,  so  können  sie  ihre  Zeit  gebrauchen, 
wie  es  ihnen  beliebt.  Die  Aufgabe  des  Direktors  beschränkt  sich  auf  die 
Leitung  des  Instituts,  auf  das  Studium  selbst  hat  er  keinen  Einfluss,  aus 
dem  einfachen  Grund,  weil  die  22  Schüler  sich  mit  fünf  verschiedenen 
Künsten  beschäftigen,  und  es  unmöglich  ist,  dass  ein  einziger  Mann  in 
allen  kompetent  sein  kann. 

Die  Briefe,  die  Berlioz  bei  seiner  Ankunft  in  Rom  zu  finden  hofft, 
bleiben  aus.  Drei  Wochen  vergehen  in  vergeblichem  Warten  und  wachsender 
Unruhe.  Endlich  vermag  er  den  Zustand  der  Ungewissheit  nicht  mehr  zu 
ertragen  und  beschliesst  trotz  aller  Vorstellungen  seiner  Freunde  und  aller 
Ermahnungen  des  Direktors,  nach  Frankreich  zu  gehen,  um  die  Ursache 
dieses  mysteriösen  Schweigens  zu  erfahren.  In  Florenz  erkrankt  er  und 
muss  während  acht  Tage  das  Bett  hüten.  Sein  erster  Ausgang  ist  zur 
Post,  das  Paket,  das  man  ihm  aushändigt,  enthält  einen  Brief  von  Camilla's 

Mutter,  worin  sie  ihm  die  Verheiratung  ihrer  Tochter  mit  M.  Pleyel^)  mitteilt. 
»Etwas  furchtbares  geschab  da  in  mir,  zwei  Tränen  der  Wut  entfielen  meinen 
Augen,  mein  Entscbluss  war  gefasst.  Ich  musste  sofort  nach  Paris  eilen,  um  dort 
zwei  schuldige  Frauen  und  einen  Unschuldigen  zu  töten;  dass  ich  mich  hinterher 
selbst  töten  musste,  versteht  sich  von  selbst,  wie  man  sich  denken  kann." 

Er  reist  auch  in  der  Tat  nach  Paris  ab,  um  blutige  Rache  zu  nehmen, 
nachdem  er  sich  zuvor  ein  vollständiges  Frauengewand  hat  anfertigen  lassen, 
lim  verkleidet  in  Camilla's  Wohnung  einzudringen.  Aber  unterwegs  erwacht 
von  neuem  die  Liebe  zum  Leben.  Ein  gesunder  Hunger  meldet  sich,  nach 
tagelängem  Fasten  fordert  die  Natur  ihre  Rechte.  Die  laue,  warzige  Luft 
in  Nizza  erffiUt  ihn  mit  Entzücken,  er  atmet  sie  in  vollen  Zügen.  Einen 
ganzen  Monat  bleibt  er  hier,  durchstreift  die  Orangenwälder,  begeistert  sich 
an  Shakespeares  König  Lear,  der  ihn  zu  seiner  gleichnamigen  Ouvertüre 
inspiriert  und  kehrt  «voll  AUegria*  nach  Rom  zurück,  wo  der  Direktor 
und  die  Freunde  ihm  ein  Fest  bereiten.  Camilla's  Treulosigkeit,  die  eine  ge- 
rechte Strafe  für  seinen  doppelten  Verrat  an  Henriette  und  Hiller  war,  hat 

er  überwunden,  denn  schon  nach  zwei  Monaten  schreibt  er  an  Ferrand: 
.Camilla  ist  mit  Pleyel  verheiratet,  ...  ich  bin  heute  sehr  froh  darüber, 
denn  ich  lerne  dadurch  die  Gefahr  kennen,  der  ich  entgangen  bin.  Welche  Gemein- 
heit l  welche  Gefühllosigkeit!  welche  Schlechtigkeit!  ...  O,  es  ist  ungeheuerlich,  es 
ist  fiut  erhaben  in  seiner  Schändlichkeit,  wenn  der  Begriff  des  Erhabenen  vereinbar 
ist  mit  der  ,Ignoblerie'  (ein  neues,  treffendes  Wort,  das  ich  Ihnen  gestohlen  habe)." 
Es  scheint,  ein  neuer  «graziöser  Ariel"  hat  die  Sympathieen  des  jungen 

.  .  ^)  Der  bekannte  Pariser  Klavierbauer. 

23* 


ise 

DIE  MUSIK  IIL  S. 


Künstlers  emmgen,  denn  nachdem  er  definitiv  nach  Frankreich  zurück- 
gekehrt ist,  schreibt  er  während  eines  Aufenthalts  bei  seinen  Eltern  in 
La  Cöte  Saint- Andr6  am  25.  Juli  1832  an  Madame  Vemet  und  entschuldigt 
sich,  dass  er  nicht  eine  kleine  Komposition,  wie  Frl.  Louise  sie  liebt,  bei- 
fügt, »denn,  was  ich  geschrieben  hatte,"  sagt  er,  «erschien  mir  nicht  würdig, 
ein  Beifallsllcheln  des  graziösen  Ariels  zu  erringen".  Allerdings  fehlen  die 
sicheren  Belege,  um  behaupten  zu  können,  dass  Louise  Vernet,  die 
schöne  Louise,  wie  Berlioz  sie  zu  verschiedenen  Malen  nennt,  ihm  mehr 
als  eine  gute  Freundin  gewesen  sei. 

Dank  einer  besonderen  Ermächtigung  von  Horace  Vemet  durfte  Berlioz 
sechs  Monate  vor  Ablauf  der  beiden  vorschriftsmässigen  Jahre  nach  Frankreich 
zurückkehren.  Die  erste  Hälfte  dieses  Urlaubes  verbrachte  er  in  seiner 
Familie,  dann  ging  er  nach  Paris,  um  hier  ein  oder  zwei  Konzerte  zu  ver- 
anstalten, bevor  er  seine  Reisen  ins  Ausland  antrat.  Als  er  sein  früheres 
Zimmer  besetzt  findet,  treibt  ihn  eine  geheime  Macht,  sich  in  dem  Hause 
g^enüber,  wo  ehemals  Henriette  Smithson  wohnte,  einzuquartieren.  Hier 
erfthrt  er,  dass  die  Schauspielerin  wieder  in  Paris  weilt  und  noch  bis  vor 
zwei  Tagen  ihre  alte  Wohnung  inne  gehabt  hat  Die  Nachricht  von  diesem 
unglaublichen  Zubdl  ergreift  Berlioz  aufs  heftigste.  Er  fühlt,  wie  die  alte 
Liebe  mit  aller  Kraft  erwacht.  Um  nicht  alle  Herrschaft  über  sich  zu 
verlieren,  beschliesst  er,  Henriette  nicht  wiederzusehen,  bevor  nicht  sein 
Konzert  stattgefunden  hat  Aber  durch  eine  wohlgemeinte  Intrigue  des 
Musikhändlers  Schlesinger  geschieht  es,  dass  die  ahnungslose  Henriette 
diesem  Konzert  beiwohnt.  Erst  auf  dem  Wege  zum  Konservatorium  erfährt 
sie,  dass  Berlioz  dies  Konzert  veranstaltet  Sie  ist  tief  ergriffen  von  dem 
leidenschaftlichen  Ausdruck  der  «Symphonie  Fantastique"  ...  bei  der  Stelle, 
,0  warum  kann  ich  sie  nicht  finden  .  .  .  Ophelia  .  •  .  Julia  .  .  .  sie, 
die  meine  Seele  ruft",  fühlt  sie  einen  heftigen  Schreck,  es  ist  ihr,  als  drehe 
sich  der  Saal  mit  ihr,  sie  vermag  nichts  mehr  zu  hören  und  wie  eine 
Nachtwandelnde  kehrt  sie  nach  Hause  zurück.  Berlioz  erzählt  dies  zu 
verschiedenen  Malen  mit  sichtlicher  Genugtuung. 

Dieser  Abend  wird  entscheidend  für  die  beiden  Künstler.  Beriioz 
erhält  endlich  die  Erlaubnis,  sich  Henriette  vorstellen  zu  dürfen.  Zwar 
erreicht  er  nicht  viel  dadurch,  denn  sowohl  seine  Familie,  wie  Henriettens 
Mutter  und  Schwester  widersetzen  sich  der  Heirat 

Ein  Jahr  vergeht  unter  Hoffen  und  Zweifeln,  zwischen  bündiger  Zu- 
versicht und  bangem  Zagen.  Henriette  hat  ihr  Vermögen  verloren,  ihre 
firüheren  Erfolge  sind  vergessen,  Shakespeare  ist  nichts  Neues  mehr  für  die 
Pariser.  Zudem  hat  sie  das  Unglück,  das  Bein  zu  brechen  und  muss  ihren 
Beruf  zeltwellig  aufgeben.  Trotz  aller  Misslichkeiten  drängt  Berlioz  zur 
Heirat,  in  freudiger  Zuversicht  auf  sein  künsderisches  Können  und  seine 


357 
SAVIC:  BERLIOZ  UND  DIE  FRAUEN 


Erfolge.     Henriette   schiebt  in  banger   Furcht  vor   den   unsicheren    Ver- 

hlltnissen  den  Termin  ihrer  Vereinigung  immer  wieder  hinaus.    Es  kommt 

zo  heftigen  Szenen,  und  infolge  von  Verleumdungen  zu  ernsten  Zerwürfhissen. 

Berlioz  zieht  sich  von  ihr  zurück,  aber  Henriette  fleht  ihn  an,  zurückzukommen 

. . .  neuer  Zwist  .  .  .  neue  Versöhnung.     Henriettens  Schwester  sucht  die 

Heirat   zu   hintertreiben,   da   macht  Berlioz  einen  Vergiftungsversuch   vor 

den  Augen  der  Geliebten,  worauf  sie  endlich  verspricht,  alles  zu  tun,  was 

er  verlangt;  als  sie  dennoch  kurze  Zeit  wiederum  schwankt,  die  Hochzeit 

festzusetzen,  droht  Berlioz,  dass  er  nach  Berlin  abreisen  werde,  denn  es  ist 

sein  Recht,  als  Laureat  des  Institutes  ein  Jahr  in  Deutschland  zuzubringen. 

Wirklich  bereitet  er  alles  zur  Reise  vor.    Ein  reizendes,  exaltiertes  Mädchen 

von  18  Jahren,  eine  Sängerin,  die  ihren  Eltern  davongelaufen  ist  und  sich 

ihm  an  den  Hals  geworfen  hat,  wird  ihn  begleiten.     Sein  Pass  ist  bereit, 

nur  einige  Dinge  sind  noch  zu  ordnen,  und  er  wird  abreisen: 

»Henriette  soll  die  Folgen  ihres  unseligen  Charakters  büssen,  der  sie  unfSbig 
macht  für  alles  grosse  Gefühl  und  jeden  energischen  Entschluss.  Sie  wird  sich  trösten 
und  mir  die  Schuld  zuschieben.  So  ist  es  immer.  Aber  ich  muss  vorwärts,  ich  darf 
nicht  länger  auf  die  Stimme  meines  Gewissens  hören,  das  mir  beständig  zuscbreit,  wie 
unglücklich  ich  bin  und  wie  grausam  das  Leben  ist.    Aber  ich  werde  taub  sein.* 

Doch  schon  nach  drei  Tagen  grosse  Umstimmung.     Henriette  ist  zu 

ihm  gekommen  .  .  .  Berlioz  bleibt,  die  Freunde  übernehmen  die  Sorge  ffir 

die  junge  Sängerin  und  das  Aufgebot  wird  bestellt. 

Am   3.   Oktober   findet    die   Trauung   in   der   Kapelle    der   englischen 

Gesandtschaft  statt.     Hiller,  Liszt  und  Heine  sind  zugegen.^)     Dann  zieht 

sich  das  junge  Paar  mit  seinem. Glück  in  die  Umgebung  von  Paris  zurück. 

Berlioz   sagt   in  seinen  Memoiren:    «Nun  ist  sie  mein,   ich  trotze  allem!* 

und  dem  Freunde,  gegen   den  er   früher   seine  ganze  Verachtung  für  die 

Geliebte  geäussert  hatte,  macht  er  mit  inniger  Freude  das  Geständnis,  dass 

die  Verleumdungen,  die  man  zwischen  ihn  und  seine  Braut  gestreut  hatte, 

wirklich  nichts  als  erlogene  Verleumdungen  gewesen  seien: 

„Ihnen  als  meinem  besten  Freunde  darf  ich  es  sagen  und  mit  meinem  Ehren- 
wort bestätigen,  dass  ich  mein  Weib  so  rein  und  jungfräulich,  wie  nur  möglich  ge- 
funden habe.  Es  ist  kein  geringes  Verdienst^  dass  sie  in  der  sozialen  Stellung,  in 
der  sie  bisher  lebte,  den  schlechten  Beispielen  und  den  Versuchungen,  die  Gold 
und  Ehrgeiz  ihr  boten,  siegreich  widerstand.  Sie  können  sich  denken,  welche  Sicher- 
heit mir  das  für  die  Zukunft  gewährt^ 

^)  Nach  dem  Register  der  englischen  Gesandtschaft  in  Paris  und  Ferdinand 
Hillera  »Künstlerleben«  S.  87. 


Scbluss  folgt 


jeder  ist  deoi  Scbickstü  nntenrorfen,  seiae  Handluogeo  |oder  Ideea 
I  seiner  eigeDen  nmoittellwrea  Umgebung  missTersluiden  xa 
J  sehen.  Es  darf  uns  daher  nicht  weiter  Tnnder  nehmen,  dass 
I  die  Grossen  dieser  Erde  gleichblts  in  einem  noch  stlrkeren 
Grade  daran  leiden,  da  ihr  Kreis  nur  vom  Äquator  begrenzt  viid.  Zd- 
weilen  haben  diese  MissverstXndnisse  in  Lögen  ihren  Ursprung,  die,  von 
den  Gegnern  des  Genies  vobl  ervogen,  schliesslich,  weil  es  keine  Lost 
hat,  derartigen  Absurdititen  zd  widersprechen,  sogar  von  seinen  eigenen 
Frenndeo  geglaubt  weiden.  Aber  ebenso  hXnflg  entstehen  sie  ans  einem 
atrop  de  zile"  seiner  Paneiglnger,  die  in  Ihrer  stürmischen  Begeisterung 
eilfertig  dabei  sind,  der  Welt  Tbeorieen  und  Gedanken  ihres  Meistert  zn 
verkfinden,  die  sie  selbst  nur  nnvollkommen  verstanden  haben. 

Glücklich,  wer  lange  genug  lebt,  die  Schmitaungen  seiner  Gegner 
und  den  noangebrachten  Eifer  seiner  Sdiäler  zu  widerlegen,  wie  es  z.  B. 
Tagaer  konnte  I  Aber  der  arme  Berlioz  starb,  ehe  sdne  Stellung  genügend 
gesichert,  oder  seine  Kompositionen  und  Schriften  hinlinglich  bekannt 
waren,  um  die  Welt  zn  zwingen,  der  Wahrheit  über  ihn  grösseres  GehSr 
zu  schenken  alt  der  Lüge. 

Die  MissverttindDisse  über  Beriioz'  persSnlichen  Charakter  brauchen 
uns  nicht  aubuhalten:  sie  sind  bereits  von  Legouvt,  Reyer  nnd  Saint- 
SaCns,  lauter  intimen  Freunden ,  bekämpft  worden ,  und  vir  kSniien 
wiildlch  den  Worten  des  letztgenannten*)  Glauben  schenken,  dass  Beilioz 
a6tait  uD  itre  bon,  affectuenx,  tris  original,  saus  doute  sarcas- 
tlqne  k  l'occasion,  mais  appelant  irr6tittiblement  la  Sympathie 
de  qui  poovait  l'apprficier.'  Die  scharfe  Feder  des  Franzosen  ruht, 
nod  wenn  auch  einige  von  unserer  Generation  Gegner  seiner  Musik  sein 
mfigen,  so  kSnote  doch  keiner  von  denen,  die  unter  seiner  Geissei  litten, 
den  Wunsch  h^en,  seinen  privaten  Charakter  auf  den  W^e  der  Wieder- 
Vergeltung  anzutasteiL 

Wir  kSnnen  beinahe  ebenso  die  AngrlBlB,  die  gegen  seine  Itlusik  als  dne 


')  Aas  dem  EagUichaa  voa  Rnd.  M.  Brelttaanpt 

^  GeacbrMan  ffir  die  Berlies-Feler  In  GrenoUe,  Angnst  1903. 


359 
WOTTON:  MISSVERSTÄNDNISSE  BETREFFS  BERLIOZ' 


regellose,  bizarre,  exzentrische  vorgebracht  sind,  entkräften.  Dieselben  An- 
griffe sind  gegen  jeden  anderen  grossen  und  schaffenden  Künstler  gerichtet 
worden,  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  die  Welt  es  nicht  zugeben  will,  dass 
das,  was  sie  nicht  verstehen  kann,  möglicherweise  aber  sie  kommt.  Um  daher 
ihre  eigne  Eitelkeit  zu  retten,  brandmarkt  sie  das  Werk  als  das  eines  Wahn- 
sinnigen und  beglückwünscht  sich  höflichst  zu  ihrem  ganz  vorzüglichen 
und  gesunden  Menschenverstände.  Dass  Berlioz  —  selbst  vom  Standpunkt 
vieler  übermodernen  Werke  aus  betrachtet  —  von  einem  gewissen  Teil 
des  Publikums  noch  für  überspannt  gehalten  wird,  erklärt  sich  aus  der 
besonderen  musikalischen  Sprache,  die  er  spricht:  dem  Franzosen  ist  er 
oft  zu  deutsch,  während  er  den  Deutschen  oder  Engländern  zuweilen  zu 
romanisch  erscheint,  als  dass  er  mit  ihrer  Denkweise  vollständig  überein- 
stimmen könnte.  Die  Musik  drückt  ebenso  den  Geist  eines  Volkes  aus, 
wie  es  die  Sprache  jener  Völker  tut,  und  es  ist  für  einen  Italiener  ebenso 
unmöglich,  im  Geiste  Beethovens  wie  im  Geiste  Goethes  zu  denken.  Die 
Musik  ist  keineswegs  jene  universale  Sprache,  wie  uns  manche  glauben 
lassen  wollen. 


Gleichwie  das 


^^ 


von  den  Franzosen  ut,  von  den  Italienern 


do,  und  von  den  Engländern  und  Deutschen  c  genannt  wird,  so  charak- 
terisiert eine  ganze  Phrase,  und  noch  mehr  eine  ganze  Komposition,  jedes 
Volk  in  ganz  verschiedener  Weise.  Berlioz  wird  oft  einfach  deshalb  für 
exzentrisch  gehalten,  weil  seine  musikalische  Phraseologie  vielen  fremd 
ist:  er  spielt  ein  wenig  die  Rolle  des  Vogel  Strauss  in  der  Schlacht 
zwischen  den  Vögeln  und  wilden  Tieren,  dessen  Dienste  von  den  ersteren 
verspottet  wurden,  weil  er  nicht  fliegen  könnte,  und  von  den  letzteren 
zurückgewiesen  wurde,  weil  er  Schwingen  besässe. 

Mit  dieser  sogenannten  Überspanntheit  verbindet  sich  der  landläufige 
Gedanke,  dass  er  beständig  von  Riesenorchestern  Gebrauch  mache,  und 
sich  ausserordentlicher  Mittel  bediene.  Dafür,  muss  man  zugeben,  ist 
allerdings  der  Meister  grossenteils  selbst  verantwortlich;  denn  er  be- 
wunderte Orchester  von  grossartigen  Verhältnissen,  da  er  nur  in  einem 
grossen  Streichkörper  vollkommene  Reinheit  oder  ein  wahres  pianissimo 
fand.  Aber  er  wusste  sich  den  jeweiligen  Verhältnissen  anzupassen,  z.  B. 
als  er  bei  einer  Aufführung  seiner  «Trauer-  und  Triumph-Symphonie* 
in  Lille,  für  welche  die  gedruckte  Partitur  191  Musiker  angiebt,  ein 
Orchester  von  70  Mann  —  eingerechnet  etwa  20—26  Militärmusiker  —  in 
Vorschlag  brachte.  Und  oft  sehen  wir,  wie  in  Riga,  dass  ihm  ein  Orchester 
von  nur  50  Mann  vollständig  genügte.  Dass  dem  Publikum  seiner  eigenen 
Zeit  seine  Orchester  möglicherweise  riesenhaft  erschienen  sind,  können  wir 
leicht  verstehen,  obwohl  die  Pariser  von  1837  von  seinen  fünf  Orchestern 


360 
DIE  MUSIK  III.  5. 


des  Requiems  nicht  so  ängstlich  bedrückt  zu  sein  brauchten,  seitdem  sie 
vorher  die  beiden  Orchester  Gossec's,  die  drei  Möhul's  und  die  vier 
Lesueur's  gehört  hatten.  Aber  sehr  häufig  gründet  sich  die  Behauptung, 
dass  er  beispiellose  Mittel  verlangt  habe,  auf  Forderungen,  die  an  eine 
alltägliche  Erscheinung  rütteln.  So  versetzte  er  z.  B.  bei  seinem  ersten  Be- 
such die  guten  alten  Leipziger  dadurch  in  Schrecken,  dass  er  statt  16  Vio- 
linen, an  die  sie  gewöhnt  waren,  ihrer  24  forderte. 

Nimmt  man  seine  Werke  als  ein  Ganzes,  was  uns  dank  der  neuen 
und  vollständigen  Ausgabe  heute  ermöglicht  ist,  so  ist  man  über  die  Zurück- 
haltung, die  er  in  seiner  Orchestration  im  allgemeinen  beobachtet,  betroffen. 
Er  benutzt  nicht  nur  häufig  ein  kleines  oder  unvollkommenes  Orchester, 
und  erhöht  sorgfältig  die  Wirkung  irgend  einer  charakteristischen  Tonftu-be, 
wie  z.  B.  die  des  englischen  Homs,  mit  dessen  Verwendung  er  lange  Zeit 
sehr  vorsichtig  war,  sondern  er  bereitet  seine  Ausbrüche  mit  dem  «Blech* 
gleichsam  systematisch  vor.  In  der  Anwendung  der  Posaunen  ist  er  relativ 
ebenso  zurückhaltend  wie  ein  Mozart.  Und  nur  der  starke  und  plötzliche 
Gegensatz  zwischen  seinen  lauten  Stellen  und  den  vorhergehenden  zarteren 
mag  wahrscheinlich  auf  das  Publikum  den  Eindruck  gemacht  haben,  dass  seine 
Musik  geräuschvoller  und  sein  Orchester  grösser  sei,  als  es  wirklich  der 
Fall.  Gleich  dem  Fürsten  Mettemich  leidet  es  an  der  Einbildung:  «C'est 
vous,  monsieur,  qui  composez  de  la  musique  ponr  cinq  cents 
musiciens?"  Wir  kennen  Berlioz'  ironische  Antwort:  »Pas  toujours, 
monseigneur,  j'en  fais  quelquefois  pour  quatre  cent  cinquante!" 

Sonderbar,  dass  diejenigen,  die  am  meisten  und  ohne  Zaudern  Ber- 
lioz' Musik  für  nichts  weiter  als  einen  «Furienklang"  halten,  zu  allererst 
den  vollklingendsten  Stellen  Beifall  zollen  —  wie  der  Kritiker  bei  einer 
neulich  stattgefundenen  Aufführung  des  «Requiem",  der  seinen  Artikel 
mit  einer  Fehde  gegen  den  Komponisten,  der  mit  einem  Orchester  von 
der  Grösse,  die  einem  Mozart  genügte,  nicht  zufrieden  wäre  (wer  könnte 
nicht  16  Posaunen  bekommen,  wenn  er  sie  nötig  hätte!)  begann,  und  mit 
dem  naiven  Zugeständnis  schloss,  dass  er  —  der  Kritiker  —  die  Sätze 
vorgezogen,  in  denen  das  Orchester  seine  volle  Kraft  entwickelt  habe. 
Leider  gleichen  noch  viele  jenem  Menschen,  neben  dem  ich  einst  bei  einer 
Aufführung  der  »Symphonie  hntastique*  sass.  Er  hörte  das  Werk  zum 
ersten  Male,  und  ich,  der  ich  ganz  Auge  ond  Ohr  war,  hatte  wegen  der 
frostigen  Abneigung  meines  Nachbars  meine  Begeisterung  etwas  berab- 
gescbraubt  Nach  den  ersten  drei  Sätzen  war  er  beinahe  sanft  entschlafen; 
sogar  der  Zauber  der  «Ballszene",  die  ihn,  der  sie  zum  ersten  Male  hörtet 
doch  hätte  ansprechen  müssen,  vermochte  seinen  trägen  Puls  nicht  zu  be- 
schleunigen. Erst  nach  der  »Scdne  auz  champs"  (Szene  auf  dem  L4mde)  ent- 
deckte ich  die  Ursache  seiner  mangelnden  Würdigung.    Als  er  nämlich 


361 
WOTTON:  MISSVERSTÄNDNISSE  BETREFFS  BERLIOZ' 


die  Trommel  und  zwei  Tuben  bemerkte,  die  sich  für  den  Marsch  vorbereiteten, 
und  die  Posaunisten  die  Züge  ihrer  Instrumente  lockerten,  wachte  er  auf 
und  flüsterte  mir  erregt  zu:  »Ah!  das  war's,  was  ich  hören  wollte,  und 
wofür  ich  mein  Geld  bezahlte!"  —  Er  war  offenbar  ein  Posaunenbläser 
oder  ein  Blasinstrumentenmacher,  daher  sein  Interesse!  Jedoch,  da  seine 
Stellungnahme  mit  der  eines  grossen  Teils  des  Publikums  zusammenfällt, 
so  habe  ich  wahrscheinlich  recht,  wenn  ich  ihn  für  eins  von  den  beiden 
halte,  besonders  als  ich  zufällig  hörte,  dass  er  die  Nachahmung  des  Donners 
gegen  Schluss  des  langsamen  Satzes  als  zu  »undeutlich'  verwarf.  Für  so 
viele  klingt  Berlioz'  Donner  zu  «undeutlich"!  Gleich  Elias  achten  sie 
auf  den  Geist  im  Sturm  und  Erdbeben  und  sind  verhältnismässig  ent- 
täuscht, dass  sie  nichts  hören. 

Es  ist  paradox,  dass  wir,  die  wir  Berlioz'  Ideen  ebenso  auf  die 
Vergrösserung  des  Streichkörpers  als  auf  die  Erhöhung  der  Anzahl  der 
Blasinstrumente  und  die  Verdopplung  und  Verdreifachung  unseres  Orchesters 
bei  einer  Festaufführung  übertragen,  wie  Papageien  noch  dieselben  Vor- 
würfe gegen  den  französischen  Meister  wiederholen,  die  fünfzig  Jahre 
vorher  gegen  ihn  gerichtet  wurden.  Es  wäre  beinahe  dasselbe,  als  wenn 
Astronomen,  die  täglich  in  ihrem  Leben  die  Keplerschen  Gesetze  anwenden, 
sich  mit  feierlicher  Würde  versammeln  wollten,  um  den  grossen  deutschen 
Astronomen  —  in  efflgie  —  zu  verbrennen. 

Aber  von  allen  seinen  Ideen  ist  besonders  und  ganz  allgemein  seine 
Stellungnahme  gegenüber  der  Fuge  missverstanden  worden,  und  zwar  selbst 
von  denen,  die  offenbar  Berlioz'  eigenem  Wunsche  gefolgt  sind,  sein  Glaubens- 
bekenntnis »in  dem  zu  suchen,  was  er  getan  hat,  und  in  dem,  was  er 
nicht  getan  hat".  Freund  und  Feind  sind  sich  gleicherweise  in  der  Meinung 
einig,  dass  Berlioz  die  Fuge  hasste.  Sie  haben  dies  mit  solch  unveränder- 
licher Hartnäckigkeit  behauptet,  dass  ein  vorurteilsloser  Zuhörer  halb 
geneigt  ist,  die  Wahrheit  einer  so  fortwährend  emphatisch  verkündeten 
Tatsache  zu  glauben.  Sie  haben  ebenfalls  über  den  schreienden  Wider- 
spruch eines  Komponisten  gejammert,  der  die  Fuge  so  heftig  zu  hassen 
eingestand,  und  noch  dazu  die  Unverfrorenheit  besass,  in  seine  nicht 
einmal  sehr  zahlreichen  Werke  15  oder  16  Fugen  einzustreuen,  die,  »wenn 
auch  keine  Bachsche*,  wie  Schumann  vom  Finale  der  »Fantastique" 
meinte,  so  doch  »von  schulgerechtem  und  klaren  Baue"  sind. 

Berlioz  hasste  die  Fuge  keineswegs  —  und  es  lässt  sich  in  seinen 
Kompositionen  oder  veröffentlichten  Schriften  auch  nichts  finden,  was 
eine  solche  Behauptung  rechtfertigte. 

Er  hasste  nicht  den  Gebrauch,  sondern  den  Missbrauch  der  Fuge. 
Und  in  unserer  Zeit,  wo  die  Wahrheit  des  Ausdrucks  gleichsam  als  con- 
ditio sine  qua  non   der   Musik  betrachtet  wird,  ist  es  befremdlich,  dass 


362 
DIE  MUSIK  111.  5. 


die  wahre  Bedeutung  seiner  Ideen  in  diesem  Punkte  schändlich,  um  nicht 
zu  sagen  absichtlich  missverstanden  werden  konnte. 

Berlioz  hasste  keineswegs  die  Fuge  trotz  Cherubini's  Bonmot:  „Parce 
que  la  fugue  ne  l'aime  pas!*  —  eine  Bemerkung,  die  der  Leiter  des 
Konservatoriums,  der  Berlioz  viermal  übergangen  hatte,  trotzdem  er  sehr  wohl 
kompetent  war  in  dieser  Form  zu  schreiben,  in  böswilliger  Absicht  fallen  Hess. 
Was  er  hasste,  war  der  Gebrauch  von  schnellen  Fugen  in  Kirchenkompo- 
sitionen (ausgenommen  ganz  seltene  Fälle),  da  sie  allen  wahrhaft  religiösen 
Gefühlen  und  Empfindungen  vollkommen  widersprechen.  Es  ist  ebenso 
unlogisch,  ihn  als  einen  Feind  der  Fuge  zu  brandmarken,  weil  er  dieser 
nur  eine  beschränkte  Verwendung  zuerkannte,  wie  etwa  einen  Dichter  als 
einen  Feind  von  Sonetten  hinzustellen,  weil  er  die  Zweckmässigkeit  der 
Sonettenform  als  eines  Mittels  zur  getreuen  Darstellung  eines  epischen 
oder  erzählenden  Stoffes  bezweifelte. 

In  den  «Grotesques  de  la  Musique"  berichtet  Berlioz  als  einen  ent- 
zückenden Scherz  die  Geschichte  eines  Dresdener  Musikliebhabers,  der  nach 
einer  Aufführung  von  «Fausts  Verdammnis"  ängstlich  den  Komponisten 
ausforschte,  ob  die  burleske  Fuge  über  das  Wort  »Amen"  als  eine  Ironie 
beabsichtigt  wäre.  «11  n'en  6tait  pas  sürü!..."  schliesst  Berlioz  mit 
blitzenden  Ausrufungszeichen  und  Punkten.  —  Jetzt,  nach  über  einem 
halben  Jahrhundert,  sind  nicht  nur  Musikliebhaber  «pas  sür",  sondern  auch 
sehr  viele  andere,  von  denen  man  hoffen  darf,  dass  ihr  musikalisches  Ver- 
mögen auf  einer  höheren  Stufe  steht  als  ihr  Humor.  In  diesen  Tagen  der  ge- 
heimen Deutungen  mag  die  Verwirklichung  des  Gedankens  für  manche  Geister 
möglicherweise  schwierig  sein,  dass  irgend  eine  Musik  wirklich  genau  das 
ausdrücken  kann,  wozu  sie  sich  bekennt,  und  gerade  aus  diesem  Grunde 
scheint  es  kaum  möglich,  des  Komponisten  Absicht  misszuverstehen,  oder 
seinen  wilden  Zecherchor  in  « Auerbachs^Keller"  für  etwas  anderes  zu  halten, 
als  er  in  Wahrheit  ist:  eine  Parodie  auf  die  traditionelle  Fuge  über  das 
Wort  »Amen*,  —  nichts  mehr  und  nichts  weniger!  Nichts  kann  jeden- 
falls die  Meinung  rechtfertigen,  dass  sein  Autor  im  allgemeinen  Fugen 
hasste,  oder  gar  Fugen  in  kirchlichen  Werken.  Selbst  der  Umstand,  dass 
er  die  Möglichkeit  einer  Fuge  über  das  Wort  «Amen",  die  alle  Merkmale 
eines  aufrichtigen  religiösen  Gefühles  besitzen  würde,  verneinte,  gibt  keine 
Berechtigung  zu  solcher  Annahme. 

Über  diesen  letzten  Punkt  spricht  er  sich  selbst  in  einem  Brief  an 
den  Abb6  Girod^)  sehr  deutlich  aus:  «Zweifelsohne  könnte  man",  sagt  er, 
«eine  glänzende  Fuge  schreiben,  die  den  frommen  Wunsch:  «Amen"  aas- 
zudrücken  vermöchte,    aber   sie   müsste   langsam    im   Tempo,    voll   Zer- 


>)  Correspondance  in6dite,  Lettre  LXXXIII. 


363 
WOTTON:  MISSVERSTÄNDNISSE  BETREFFS  BERLIOZ' 


knirschung  und  sehr  kurz  sein.  Während  man  nämlich  den  Sinn  eines 
Wortes  wohl  auszudrücken  vermag,  kann  dieses  Wort  nicht  oftmals  wieder- 
holt werden,  ohne  dass  es  lächerlich  würde. **  Beide  Male,  in  diesem 
Briefe  und  in  einem  Artikel  über  Beethovens  Messe  in  D,  den  er 
zwanzig  Jahre  vorher  geschrieben,^)  greift  er  die  überlieferte  Fuge  über 
das  «Amen*  an,  die  er  als  im  Gegenteil  für  „rasend,  gewalttätig  und 
stürmisch*  brandmarkt,  und  die  „nichts  weiter  zu  sein  scheint  als  ein  Chor 
von  Zechern,  in  den  sich  donnerndes  Gelächter  mischt,  da  jede  Stimme 
auf  der  ersten  Silbe  des:  „a...a  —  a  —  a  —  amen*  vokalisiert  und 
dadurch  eine  sehr  groteske  und  unfeine  Wirkung  hervorruft.*  Er  bemerkt 
sehr  richtig,  dass,  wenn  der  Chor  statt  200  Takte  lang  „Amen*  zu  jauchzen, 
sich  plötzlich  auf  den  Ausdruck  seiner  Gefühle  auf  französisch  (oder 
deutsch)  besänne  und  im  allegro  furioso  die  Silben  „So  —  so  —  so  —  so  — 
ist  —  ist  —  es  — *  sänge,  die  meisten,  die  nur  irgend  ein  musikalisches 
Empfinden  besitzen,  doch  wohl  eingestehen  müssten,  dass  das  eine  Karikatur 
jeder  religiösen  Empfindung  sei.  Und  in  der  Tat,  gerade  diese  sinnlose 
Wiederholung  desselben  Wortes  rief  weit  eher  als  die  musikalische  Form, 
in  der  sie  dargestellt  war,  seinen  Unwillen  hervor  und  Hess  sie  ihn  (in 
den  Worten  seines  Mephistopheles)  als  die  „bestialit6  dans  toute  sa 
candeurl*  bezeichnen.  Und  dieser  sein  Unwille  muss  wirklich  sehr 
heftig  gewesen  sein,  dass  er  es  ertrug,  Flecke  auf  seiner  Sonne  „Beethoven* 
zu  finden.  „Ist  der  Gedanke  nicht  herzzerreissend,  dass  Routine  genug 
Macht  sich  bewahrt  hat,  um  zu  sehen,  dass  sich  selbst  ein  Beethoven  einen 
Augenblick  vor  ihr  verneigt?*  Ja,  er  bemerkt  bei  Gelegenheit  der  Auf- 
nahme Reicha's,  des  Freundes  und  Genossen  des  Bonner  Meisters,  dass 
„les  amen  vocalis6s*  ein  Barbarismus  wären,  der  nur  bestände,  weil  er 
Gewohnheit  sei. 

Der  Humor  der  burlesken  Fuge  in:  „Beatrice  und  Benedikt"  ist 
feiner  als  der  im  „Faust*,  aber  er  illustriert  Berlioz'  tiefwurzelnde  Über- 
zeugung im  diesem  Punkte  besonders  augenscheinlich,  —  nämlich,  dass  die 
blosse  Form  ohnmächtig  ist,  irgend  etwas  auszudrücken  und  dass  „der 
bestimmte  Ton  einer  musikalischen  Komposition  weder  machtvoller  noch 
wahrhafter  ist,  weil  sie  z.  B.  in  einem  unendlichen  Kanon  geschrieben.*^ 

Die   sinnlosen   Worte^  dieses   grotesken   Epithalams   (Hochzeit- 


')  Journal  des  D6bats,  25.  Januar  1855. 
«)  Mömoires,  eh.  XXXIX. 

*)  O  sterbt,  ihr  holden  Gatten, 
Von  Liebe  ganz  berauscht! 
Ihr  dQrft  nicht  überleben 
Der  Stunde  höchstes  Glück! 

ObersetzuDg  nach  Richard  Pohl,  siebe:  „Gesammelte  Schriften*,  Bd.  111,  S.  104. 


564 
DIE  «MUSIK  IIL  5. 


gedichtes)  in  Fugenform  zu  behandeln,  ist  so  ungeRbr  das  letzte,  wovon 
ein  Komponist,  der  nur  eine  Idee  von  der  Zweckmässigkeit  der  Dinge  bat, 
träumen  würde.  Aber  natürlich,  das  ist  dem  Kapellmeister  Somarone  (einer 
Figur  der  Oper)  vollkommen  gleichgültig.  Er  will  lieber  seine  eigene  Geschick- 
lichkeit leuchten  lassen,  als  irgendwie  eine  Anpassung  an  die  Worte  in  Erwägung 
ziehen.  Überdies  sucht  er  seinen  Gebrauch  von  der  scbulmässigen  Form 
absolut  damit  zu  rechtfertigen,  dass  er  erklärt:  .Das  Wort  ,Fug^  kommt  her 
von  fuga:-  Flucht;  ich  habe  deshalb  eine  Fuge  mit  zwei  Subjekten  gewählt, 
um  das  junge  Ehepaar  an  die  Flucht  der  Zeiten  zu  erinnern  I  Beide  Sub- 
jekte haben  einen  ganz  verschiedenen  Charakter,  —  das  eine  lacht,  das 
andere  weint,  —  Tod  und  Leben  —  alles  ist  darin! I"^) 

Können  die  glühendsten  Verehrer  der  Fuge  für  sie  eine  grössere 
Ausdruckstiefe  verlangen?  Jedoch,  es  ist  kaum  zu  hoffen,  dass  diese  ent- 
zückende Ironie  allgemein  gewürdigt  werden  wird,  da  ja  die  offenkundige 
Parodie  des  burlesken  Amen  noch  immer  missverstanden  wird. 

Die  strengen  Fugen  über  das  »Kyrie  Eleison"  waren  Berlioz  eben- 
falls ein  Greuel,  und  zwar  aus  demselben  Grunde,  den  er  den  Fugen  über 
das  Wort  «Amen*  vorgeworfen  hatte. 

Wir  wissen  aus  seinem:  Trait6  dMnstrumentation,  dass  er  schnelle 
Fugen  verwarf,  da  sie  «dem  sanften  Charakter  frommen  Gebetes,  tief- 
innerster Betrachtung  oder  gar  religiöser  Scheu  und  Furcht"  widersprächen* 

Berlioz  hasste  die  Fuge  nicht,  aber  er  verwarf  ebenso  vollständig 
und  schroff  ihre  unangebrachte  Einführung  in  kirchliche  Werke,  wie  er 
unter  den  gleichen  Bedingungen  den  Walzerrhythmus  verabscheut  haben 
würde.  Ihm  unterzuschieben,  dass  er  andererseits  in  die  Fugenform  »an 
sich*  gerade  besonders  verliebt  gewesen  wäre,  wäre  ebenfalls  gehässig. 
Er  missbilligte  Virtuosität  in  jeder  Gestalt  und  rechnete  die  Akrobaten- 
künste der  Kontrapunktiker  unter  dieselbe  Kategorie  wie  solche  von  Sängern 
oder  Instrumentalisten.  »Ars  est  celare  artem,"  war  sein  Motto,  und 
er  hasste  alles,  was  nur  irgend  die  Geschicklichkeit  des  Komponisten  oder 
Ausübenden  auf  Kosten  der  ausdrücklichen  Vorzüge  der  Musik  ins  Licht 
setzte. 

Kurz  und  gut,  mag  man  Berlioz  auch  nicht  für  einen  grossen 
Harmoniker  und  Kontrapunktisten  halten,  so  wusste  er  doch  in  dieser 
Hinsicht  mehr,  als  seine  Gegner  behaupten,  und  sicherlich  entstanden 
einige  Vorwürfe,  dass  er  die  Fuge  hasse,  keineswegs  daraus,  dass  er 
irgendwie  zu  ungeschickt  war,  in  dieser  Form  zu  komponieren.  Seine 
Regellosigkeit  war  hier  nicht  grösser  als  in  seiner  symphonischen  Musik. 
Dass  er  an  den  Gebrauch  der  Fuge  in  ihrer  etwaigen  Ausdehnung  auf  die 


«)  Pohl.   A.  a.  O. 


<^ 


(^  WOTTON:  MISSVERSTÄNDNISSE  BETREFFS  BERLIOZ'  ^ 

Klrcheomusik  glaubte,  ist  nicht  nur  durch  seine  eigenen  Fugen  in  seinen 
drei  grossen  Kirchenwerken  und  in  seinem  Hymnus  der  .Elevation'  für 
Hannoninm  bewiesen,  sondern  auch  durch  seine  Preisfuge  Lesueurs  über: 
Qais  enarrabit  coelorum  gloriam,  in  der  die  Fugenform  vollkommen 
den  Ausdruck  erhöht.  Dass  er  ferner  sogar  ein  Fugiertes  Amen  für  mög- 
lich hielt,  ist,  wie  oben  erwähnt,  durch  seinen  Brief  an  den  Abb£  Girod 
erwiesen.  Dass  er  an  beides,  an  die  Fuge  wie  an  ein  Fugato,  für  all- 
gemeine Zwecke  glaubte,  erhellt  aus  den   meisten  seiner  Kompositionen. 

Unter  anderem  sind  auch  Berlioz'  Gedanken  über  die  Programm- 
musik gewöhnlich  missdeutet  oder  missverstanden  worden.  Viele  glauben 
wirklich  an  Amals  Karikatur  von  Berlioz  auf  einem  Maskenball  in  der 
Pariser  Oper,  wo  er  eine  komische  Ansprache  an  das  Orchester  richtet,  in 
der  er  verkündet,  er  beabsichtige  eine  Symphonie  über  den  „Code  civile" 
aufzuführen,  und  erklärte,  dass  die  Musik  alles  mögliche  ausdrücken  könne, 
.selbst  die  Kunst,  jemandes  Krawatte  zu  binden". 

Berlioz  kannte  tatsächlich  die  Grenzen  der  Musik  vielleicht  besser 
als  mancher  seiner  Nachfolgerl  In  seinem  Vorwort  zur  „Fantastique" 
legte  er  die  goldene  Regel  nieder,  dass  die  Programmmusik  —  .ganz  ab- 
gesehen von  einer  dramatischen  Absicht  des  Autors",  genug  des  Inter- 
essanten in  sich  selbst  bergel  Und  in  der  „Romeo  und  Julie-Symphonie' 
zeigte  er  deutlich,  dass  er  nicht  an  eine  Musik  glaubte,  die  etwa  die  Kraft 
besass,  dass  man  beim  Anhören  schon  auf  eine  Szene  oder  Situation,  mit 
der  man  nicht  vertraut  war,  schwur.  Und  diese  Meinung  vertritt  er  auch 
In  einer  Fussnote  zu  dem  Satze,  in  dem  er  —  ganz  nach  Garricks  An- 
schauung von  der  Tragödie  —  den  Tod  der  beiden  Liebenden  schildert, 
und  der  nach  seiner  Angabe  ausgelassen  werden  könne  —  ausgenommen 
fSr  diejenigen  Zuhörer,  die  mit  Garricks  Auffassung  vertraut,  .was  wohl 
QQmal  von  100  der  Fall".  —  Das  Gesetz,  dass  die  Musik  keine  un- 
bekannten Vorgänge  schildern,  sondern  bloss  bereits  bekannte  illustrieren 
könne,  verbunden  mit  dem  Gesetz,  dass  die  Musik,  ohne  Rücksicht  auf 
ein  Programm  immer  ein  inneres  Interesse  hervorrufen  müsse,  lässt  sich 
im  allgemeinen  trotzdem  nicht  als  Norm  für  Berlioz'  Schaffen  aufstellen  — 
aber  gewiss  sollten  beide  Gesetze  mehr  als  Regel,  denn  als  Ausnahme 
respektiert  werden. 


An  Hector  Berlioz. 


Tic  (roii  itt  nicht^dein  Zanber,  grünes 

Rei*, 
Daia  mich  dein  Anblick  so  erhebt  und 

rührt. 
Obwohl  ich  deutlich  kaum  lu  »ceo  veiss, 
Wu  als  lebend'ten  Hauch  die  Seele  spürt. 
GlücUich  der  Vsodrer,  deo  vor  Sonneaglui 
Beschirmt  der  Linde  siuselnd  Scbatten- 

dscta. 
Sanft  ruht  er  unter  ihrer  Zveige  Hnt, 
Vertriumei  süss  des  Vegea  Ungemach, 
Docb  drdroal  glücklich,  wer  den  stellen  Fels 
Des  Helikon  erklommen,  unermattet, 
Deas  Fuaa  sich  aetit  am  Rand  des  ew'gen 

Quells, 
Deas  helaae  Schüre  Lorbeer  kühl  um- 

schattet. 
Dmm  steh  leb  gern  vorMarmorbildem  atill. 
Vor  Geistesbelden  mit  bekriniteo  Stirnen, 
Teil  sieb    mein    Hen  den    Kram    hst 

deuten  «rill 
Wie  MorgenglÜbn  um  höbe  AlpenflraeB. 
Doch  doppelt  freudig  bin  Ich  heut  bewegt, 
Weil   mir  vor  Augen,   lebend    nod  rer- 

kllrt, 


ElDstoliesKOnstlerbsupt  den  Lorbeer  trilgt, 
Den  ich  Im  Geist  ihm  tauaendmal  gewihrt. 
Seht  ber,  Ibr  JGoger  echten  Künsdertsma, 
Hier  einen  Kimpfer  aua  der  ersten  Reih'I 
Freut  euch  dea  Meiaiera,  Freni  euch  seines 

Ruhms, 
Der  euch  ein  Sporn  in  kühnem  Streben  seil 
Sieb  ber,  da  mfias'ger  Haufen,  feUerTross, 
Der  flüchtig  bublt  um  Hfichtiges  Geniessen, 
Hier  einen  Reiter  auf  dem  Rfigelross, 
Hier    eine    Stirn,    um    welche    Larbeem 

apriessen. 
Frankreich,  sieb  her  auf  delnea  Künsders 

Haupt, 
Für  den  du  keinen  Ehreasessel  bast; 
Mao   bat  sich    scbücbteni  den  Versal 

eriaubt. 
Ob  ihm  vielleicht  ein  deutscher  Lorbeer 

passt 
Und  wenn  ein  Denkmal  einst  btA  dir  ihm 

glinit, 
Tenn  spit  dein  Herz  sich  seiner  Kunst 

erschloss. 
So  haben  wir  den  Lebenden  bekrinzt 
Und  nannten  atoli  ihn  unareo  Berlloit 


So  sang  einst  «hnuagsvollen  Geistes  ein  deutscher  Dichter  und  Ton- 
dichter, und  der  dies  sang,  er  selbst  bat  wahrlich  lange  genug  darauf 
warten  müssen,  bis  sein  Vaterland,  das  des  grossen  Franzosen  Genie  so 
frGhe  jubelnd  anerkannt,  auch  ihm  schüchtern  den  deutschen  Lorheer 
reichte.  Doch  darum  bangte  er  nicht:  dem  gewaltigen  Beherrscher  des 
Orchesters  den  Pfad  in  Deutschland  zu  ebnen,  war  er  neidlos  stets  freudig 
besorgt,  nod  wie  er  apiter  für  Vagner  kimpfte,  da  er  diesen  noch  deo 
pbantastjscben  Gallier  überragenden  deutschen  Meister  nilier  kennen  lernte, 
•0  leuchtete  neben  Liszt,  dem  edlen  Freunde,  der  Name  Berlioz  nicht 


<\ 


367 
ISTEL:  BERLIOZ  UND  CORNELIUS 


minder  hell  im  Herzen  unseres  Peter  Cornelius,  der  sich  stolz -be- 
scheiden einen 

blassen  Lisztianer 

Bis  zum  letzten  Ton  und  Hauch, 

Berlioz-y  Wagner-,  Weimarianer 

Einen  Comelianer  auch 

einst  nannte.  «Ich  komme  nach  Weimar,^  erzählt  er  in  seiner  liebens- 
würdigen kleinen  Autobiographie,  „ich  höre  Berlioz,  stürze  über  seine 
Partituren  her,  studiere  Tag  und  Nacht  darüber  —  und  war  ganz  verliebt 
in  diesen  Benvenuto  Cellini. **  Das  war  im  Frühjahr  1852.  Im  November 
veranstaltete  dann  Liszt  in  Weimar  eine  Berliozwoche,  die  zwei  Auf- 
führungen des  Benvenuto  Cellini  unter  Liszt  und  ein  von  Berlioz  selbst 
geleitetes  Konzert  (Romeo  und  Julie  vollständig,  sowie  die  zwei  ersten  Teile 
des  Faust)  umfasste.  Aber  Cornelius,  der  gern  dabei  gewesen  wäre,  war 
gerade  in  Soest  (Westfalen)  und  scheute  die  Kosten  der  weiten  Reise. 
Doch  hatte  er  dann  im  Oktober  1853  gelegentlich  des  von  Liszt  geleiteten 
Karlsruher  Musikfestes  Gelegenheit,  wenigstens  den  zweiten  Teil  der 
Romeo -Symphonie  zu  hören.  Persönlich  lernte  er  den  verehrten  Meister 
erst  am  12.  Dezember  1853  gelegentlich  einer  »Kunstfahrt  nach  Leipzig" 
kennen  —  und  just  unter  diesem  Titel  hat  Cornelius  dann  seine  Erlebnisse 
in  einem  entzückenden  Capriccio  beschrieben,  das  er  in  der  ersten  Nummer 
des  Jahrgangs  1854  der  Berliner  Musikzeitung  »Echo",  die  heute  kaum 
mehr  dem  Namen  nach  bekannt  ist,  veröffentlichte.^)  Berlioz  selbst,  der 
es  zu  Gesicht  bekam,  schrieb  am  15.  Januar  1854  darüber  an  Liszt: 
»Remercie  mille  et  mille  fois  Mr.  Cornelius  ...  de  son  charmant  et  spiri* 
tuel  article  de  la  gazette  musicale  de  Berlin",  und  scherzend  setzt  er 
hinzu:  »II  me  comble;  tu  communiques  tes  mauvaises  qualit6s  ä  tout  ce 
qui  t'entoure."    Doch  lassen  wir  nun  Cornelius  selbst  das  Wort  ergreifen. 

...In  Leipzig  ziemlich  erstarrt  angekommen,  hatten  wir  den  guten  Einfall, 
uns  aus  dem  Waggon  in  mehrere  Droschken  zu  begeben  und  so  nach  dem  Hotel 
de  BaTidre  zu  fahren,  wo  auch  Hector  Berlioz  einstweilen  abgestiegen  war,  da  er  in 
der  Pariser  Akademie  keinen  Platz  finden  konnte.  — -  Jal  keinen  Platz  finden  konntet 
Dies  leichtsinnig  hingesprochene  Witzwort  hat  schwermütigen  Ernst  genug  in  sich, 
und  dieser  Ernst  ist  ersichtlich  genug  in  den  von  bittern  Erfahrungen  gefurchten 
Zügen  des  Meister  Berlioz  ausgedrückt.  Mag  augenblickliches  Unwohlsein  immerhin 
zu  seiner  Verstimmung  beigetragen  haben,  ich  schiebe  dieselbe  rücksichtslos  und  mit 
dem  herzlichsten  Ärger  auf  die  ewige  alte  Komödie,  in  welcher  ein  verkanntes  Genie 


')  Die  gesammelten  Aufeitze  von  Peter  Cornelius,  die  auch  diesen  hier  nur 
auszugsweise  mitgeteilten  Artikel  vollständig  enthalten,  erscheinen  demnächst  von  mir 
herausgegeben  bei  Breitkopf  &  Hirtel.  Eine  Neuausgabe  der  Gedichte  (von  Prot 
Dr.  A.  Stern  redigiert)  und  eine  erstmalige  Sammlung  der  Briefe  (besorgt  von  Prof. 
Dr.  C.  Cornelius)  wird  sich  daran  anschliessen. 


368 
DIE  MUSIK  HL  S. 


die  Hauptrolle  spielt  und  ein  Haufen  feiler  Rezententen  den  Chor  bflden.  Vird  man 
diese  Kunstlertra^ie  auch  in  Deutschland,  auch  bei  dem  dritten  Versuch  des  fran- 
zösischen Tonkunstlers,  seine  wohlerworbenen  Heimatsrechte  bei  uns  geltend  zu 
machen,  ohne  weiteres  bis  zum  letzten  Akt  durchfahren,  um  spiter,  wenn  der  Voi^ 
hanf  gefallen  ist,  den  Helden  henrorzurufen?  Lassen  wir  doch  der  Pariser  Akademie 
ihren  Reber,')  dem  ich  ja  seinen  wohlverdienten  Platz  von  Herzen  gönne,  aber 
nehmen  wir  doch  dagegen  Berlioz  in  die  grosse  unsichtbare  Loge  unsrer  unsterblichen 
Meister  auf;  wie  er  es  verdient  Möge  doch  endlich  auch  Ber  1  i  n  [den  Stidten]  We  i  m  a  r  und 
Braunschweig  nachfolgen,  möge  dem  Franzosen  Hector  ein  deutscher  Habeneck*) 
erstehen,  der  ungeachtet  des  Gelichters  unwissender  Musiker  seinen  Beethoven 
durchsetzte.  Ihr  Berliner  Symphonie-Dirigent  Taubert*)  sollte  sich  eine 
Ehre  daraus  machen,  statt  aus  altem  Partiturenkram  Werke,  wie  den  »Beherrscher 
der  Geister*  von  Weber,  oder  «Lodoiska*  von  Cherubini  hervorzusuchen, 
sich  mit  Fleiss  und  Aufopferung  in  Berliozsche  Partituren  hineinzustudieren,  um 
sie  dann  nicht  etwa  mit  zwei  Proben,  sondern  mit  so  vielen,  als  nötig  sind,  um  auch 
den  unflhigsten  Orchesterspieler  in  das  richtige  Verstindnis  derselben  einzuweihen,  vor 
das  Publikum  zu  bringen.  Sprecht  mir  nicht  von  dem  Geschmack  des  Publikums; 
wenn  irgendwo,  so  wird  Berlioz  in  Berlin  verstanden  werden,  und  der  Dirigent, 
welcher  dort  Berlioz  siegreich  zur  Geltung  bringt,  wird  eine  entschiedene  Majoritit 
für  sich  haben.  Wo  Bach  und  Beethoven  oben  auf  sind,  wird  auch  das  dritte 
grosse  B  am  ersten  Anerkennung  finden.^)  Sputet  euch  deshalb,  ihr  Berliner  Kapell- 
meister, heraus  mit  Berlioz!  Stellt  ihn  mit  Fleiss  und  Beharrlichkeit  auf  das  gttnzeade 
Piedestal  der  Berliner  Kapelle,  und  er  wird  kühn  und  ebenbürtig  neben  euren  Herren 
stehen!  Sputet  euch,  wenn  ihr  nicht  wollt,  sind  andere  da.  Ich  kenne  dort  den  Preis- 
Ulrich,*)  der  mit  Monstre-Partituren  umzugehen  versteht,  wenn  der  den  Taktstock 
einmal  schwingt,  wird's  an  Berliozschen  Werken  nicht  fehlen.  Heraus  mit  Berlioz 
also^  nicht  erst  warten,  bis  die  Leute  tot  sind!  Munter,  Kinder!  Munter!  Morgen, 
morgen,  nur  nicht  heute,  sagen  alle  faulen  Leute!  Also  frisch  drauflos!  B—- B— B— I 
Halten  Sie  mir  diesen  ermunternden  Zuspruch  an  Ihren  Symphonie-Dirigenten  zngut 
und  folgen  Sie  mir  ducch  ca.  12  Grad  Kilte  in  die  Riume  des  Gewandhauses,  wo 
Berlioz  nach  zehn  Jahren  zuerst  wieder  vor  das  Leipziger  Publikum  trat  Vater 
Beethoven  nahm  ihn  mit  seiner  heitersten  jovialsten  Miene  an  der  Hand  (man  spielte 
die  achte  Symphonie  zu  Anfuig)  und  sagte:  sieh,  liebes  Leipzig,  dies  ist  mein  Sohn 
Berlioz.  Wie  man  denn  auch,  wenn  man  eine  alte  Tante  besucht,  nicht  gleich  durdM 
Zimmer  springt  und  mutwillig  an  die  Fenster  trommelt,  so  nahm  Berlioz  auch  ganz 
bescheiden  Platz  und  fing  ein  Gesprich  an,  wie  es  f&r  gesetzte  Leute  passt  Er  be- 
gann die  Reihe  seiner  Kompositionen  nimlich  mit  der  »Flucht  nach  Ägypten*, 


1)  Napoleon  Henri  Reber  (1807—1880),  Elsisser  von  Geburt,  als  Instrumental- 
komponist lange  über  Berlioz  gestellt,  war  damals  (1853)  gerade  an  Stelle  Onslows  in 
die  französische  Akademie  gewihlt  worden. 

*)  Fran^ois  Antoine  Habeneck  (1781—1840),  ebenfidls  deutscher  Abstammung^  ent- 
fidtete  als  Leiter  der  durch  ihn  berühmt  gewordenen  Pariser  Konservatoriums-Koiizerte 
eine  segensreiche,  auch  von  Wagner  in  Paris  bewunderte  Wirksamkeit 

*)  WUhelm  Taubert  (1811—1801). 

*)  Das  Wort  von  den  »drei  grossen  B*  wurde  spiter  durch  Bülow  neu  geprigt 
und  zum  geflügelten  gemacht;  freilich  setzte  er  statt  Berlioz  Brahma  ein! 

*)  Huge  Ulrichs  zweite  Symphonie  (Symphonie  triomphsle)  war  1853  von  der 
belgischen  Akademie  preisgekrönt  worden« 


369 
ISTEL:  BERLIOZ  UND  CORNELIUS 


deren  Entstebung  ich  als  Ihnen  bekannt  voraussetze.  Der  Komponist  Berlioz  wett- 
eifert hier  mit  dem  Kritiker  und  Feuilletonisten  desselben  Namens,  der  hohen  Kritik 
ein  Schnippchen  zu  schlagen  und  den  Verehrern  der  guten  alten  Zeit  eine  geniale 
Notlfige  als  Wahrheit  anzubinden.  Er  schreibt  diese  modernste  Komposition,  welche 
in  jedem  Ton  die  naivste  Frömmigkeit  atmet,  einem  fingierten  französischen  Kom- 
ponisten^) zu,  der  vor  fast  200  Jahren  gelebt  habe,  und  führt  damit  die  Pariser  auf  die 
liebenswürdigste  Weise  hinters  Licht.  Nennen  Sie  mir  ein  Mitglied  der  Pariser  Akademie, 
welches  versteht,  einen  ihnlichen  frommen  Witz  zu  machen,  zu  lügen,  indem  man  die 
lauterste  Wahrheit  sagt,  und  ich  will  mich  nicht  länger  irgern,  dass  man  einem  Berlioz 
den  Ehrenplatz  in  diesem  Institut  versagt  Man  wird  dies  Werk  noch  in  späten  Zeiten 
im  Familienkreise  zur  Weihnachtszeit  singen  und  sich  wundern  über  die  Frömmigkeit 
des  verschrieenen  19.  Jahrhunderts.  Das  Orchester  besteht  aus  einem  Quartett  von 
Streichinstrumenten,  aus  Flöten,  Oboen,  Klarinetten  und  Englisch-Hom.  Der  Text  wird 
von  einem  gemischten  Chor  und  einem  Solo-Tenor  vorgetragen,  welch  ersterer  in 
Leipzig  durch  Dilettanten  und  Thomasschüler  befriedigend,  letzterer  aber  von  Herrn 
Schneider*)  ganz  vortrefflich  und  in  der  edelsten  Weise  ausgeführt  ward.  —  Tante 
Leipzig  hörte  ganz  andächtig  zu  und  freute  sieb,  in  dem  jungen  Hector,  von  dem  es 
nur  wilde  Streiche  vermutet  hatte,  einen  so  gesitteten  Mann  kennen  zu  lernen,  der  mit 
wenig  Mitteln  trefflich  hauszuhalten  wusste.  Sparsamkeit  ist  bei  haushälterischen  Leuten, 
die  gegen  pietätloses  Wirtschaften  mit  teuren  Ersparnissen  empört  pro- 
testieren, immer  eine  gute  Empfehlung.  Nun  aber  folgten  die  drei  ersten  Sätze  der 
Harold-Symphonie.  Berlioz  knüpft  hier  unmittelbar  an  Beethoven  an,  wo  er  in 
der  Pastoral-Symphonie  eine  Reihe  von  Bildern  vor  die  Augen  der  Seele  stellt, 
in  welchen  er  das  empfindende  Herz  über  dem  Gegenstand  schweben  lässt  und  es  mit 
seligem  Jubel  durch  die  von  Menschen  und  Kreaturen  belebte  Natur  leitet  Berlioz 
aber  stellt  auf  den  glutf^rbigen  Hintergrund  italischer  Landschaft  ein  sebnsfichtig  auf- 
blickendes Menschenbild.  Fühle  ich  es  recht  heraus,  so  ist  es  der  polyphone  spezi- 
fische Musiker,  welcher  den  Poeten  Berlioz  zwingt,  für  die  Fülle  seines  vielstimmigen 
Ausdrucks  eine  dramatische  Gestalt  innerhalb  der  Symphonie  zu  schaffen,  damit  das 
Weben  der  Natur  und  der  über  ihr  waltende  Geist  nicht  mehr  allein  sei,  sondern, 
dass  die  fühlende  Menschenseele  dazutrete,  um  im  Ringen  nach  dem  Verständnis 
beider  beide  ergänzend  zu  verstehen  und  zu  geniessen.  Diesem  Drange  verdankt  die 
Solo-Bratsche  dieser  Symphonie  ihr  Dasein.  Es  ist  nun  nicht  mehr  eine  Reihe  von 
Naturbildem,  wie  sie  in  ihrer  Wirkung  auf  das  Gemüt  in  der  Pastoral-Symphonie 
dargestellt  sind,  sondern  das  Gemüt  selbst  ist  hier  der  Held  und  die  Beziehungen 
dieses  besonderen  Gemütes  zu  den  wechselnden  Scenen  der  Natur  sind  der  Gegen- 
stand der  Berliozschen  Tondichtung.  Haben  wir  also  wirklich  neben  dem  spezifischen 
Musiker  einen  Dichter  vor  uns,  so  erhöben  sich  plötzlich  die  Ansprüche,  die  wir  nun 
an  beide  zu  machen  haben.  Wir  verlangen  von  dem  Dichter  einen  logischen  Zu- 
sammenhang, die  Begründung  einer  Innern  Notwendigkeit  in  der  Folge  der  einzelnen 
Teile  seines  Gedichts.  Wir  wünschen,  Zeugen  einer  handelnden  Innerlichkeit  zu  sein, 
sie  fortschreitend  sich  entwickeln,  untergehen  oder  sich  verklären  zu  sehen.  Hier 
«her,  wo  wir  diese  erhöhten  Anforderungen  an  Berlioz  stellen,  die  sein  eignes  Be- 
ginnen in  uns  steigernd  hervorrief,  befriedigt  uns  Berlioz  nicht,  oder  nur  halb.  Doch 
müssen  wir  bedenken,  dass  Berlioz,  welcher  den  Impuls  zum  musikalischen  Schaffen 
meist  durch   poetische  Grössen,  wie  Shakespeare,  Goethe,  erhält,  hier  durch 


»)  „Pierre  Ducr«.« 

*)  Karl  Schneider  (1822—1862),  renommierter  Tenorist 

HL  5.  34 


370 
DIE  MUSIK  III.  5. 


Byron  angeregt  ist.  Auch  Byrons  Harold  ist  kein  handelnder,  sondern  nur  ein 
wandelnder  Held,  dessen  erhabene  Trauer  über  die  Verginglichkeit  alles  Grossen  und 
Irdischen,  kontrastiert  durch  die  Schilderung  der  unverginglich  schönen  Natur,  auch 
in  diesem  Gedicht  zu  keiner  Spitze  sich  emporringt,  sondern  in  Wellenwindunfon  sich 
fortbewegend,  im  selben  Niveau  bleibt.  —  Ich  fühle,  dass  ich  zu  weitschweifig  werde, 
und  möchte  es  doch  gern  bei  weitem  mehr  sein.  Doch  daher  erzlhle  ich  Ihnen  so- 
gleich, dass  Herr  David')  in  jenem  Konzert  das  Bratschen-Solo  mit  tief  eingehendem 
Verständnisse  spielte,  so  wie  auch  diesem  Künstler  Anerkennung  für  das  echt  künst- 
lerische Entgegenkommen  gebührt,  welches  er  Berlioz  gegenüber  ausserhalb  des 
Konzertsaals  einhält.  Tante  Leipzig  aber  rückte  verlegen  an  ihrer  Gewandhaushaube, 
als  der  Andächtige  so  modern  schwärmte.')  Nun  aber  kam  die  »Fee  Mab*.  Als 
nach  dem  Vorüberrollen  dieses  Nussschalen-Feenwagens  voll  Quintessenz  Shake- 
spearschen  Humors  eine  kleine,  aber  sachverständige  Partei  zu  applaudieren  wagte  — 
machte  sich  der  Arger  darüber  in  Zischen  Luft,  welchem  dann  aber  die  kleine,  aber 
sachverständige  Partei  ein  durch  manche  andre  Stimme  verstärktes,  sonores,  leiden- 
schaftliches Bravo  entgegenstellte,  worauf  der  zu  neuem  Zischen  zusammengepresste 
Luftvorrat  sich  bestürzt  zurückzog  und  anderweitige  Auswege  suchte,  auf  welchen  wir 
ihm  nicht  folgen  wollen.  —  Dem  zarten  Vortrag  des  Tenoristen,  Herrn  Schneider, 
gelang  es  mit  dem  »Schäfer  aus  der  Bretagne*')  wieder  etwas  Öl  auf  die  von 
den  vollen  Backen  des  humoristischen  Aolus  zu  stürmischem  Widerstreit  aul|geregten 
Wogen  zu  giessen.  Sie  legten  sich  dann  auch,  denn  hier  konnte  man  sich  Gott  sei 
Dank  wieder  einmal  sagen:  wie  einfach!  —  Es  folgte  nun  die  Scene  aus  »Faust*,  in 
welcher  Mephisto  ihn  »einsingen*  lässt  So  einzig  auch  in  dieser  Komposition  das 
magisch  Einschläfernde  dieses  wunderbaren  Sandmanns,  die  schwer  niedersinkenden 
Augenlider,  die  vom  Sehauen  des  Schönsten  ermüdet  sich  schliessen,  um  noch  viel 
herrlicheres  im  Traume  zu  schauen,  geschildert  sind,  so  sehr  das  Werk  von  Schön- 
heiten träuft,  war  es  dennoch  für  heute  fast  zu  viel,  wenn  man  bedenkt,  dass  dem 
Publikum  alles  neu,  und  ausserdem  die  achte  Symphonie  von  Beethoven  voran- 
gegangen war.  War  die  Tante  also  vielleicht  unter  dem  magnetisch  sie  bestreichenden 
Blicken  des  dunkeläugigen  Hector  sanft  eingenickt,  so  konnte  sie  nun  doch  seinen 
lustigen  Geschichten  vom  »Römischen  Karneval*  ein  Lächeln  nicht  versagen,  und 
der  letzte  Applaus  nach  dieser  Ouvertüre  klang  etwa  wie  ein  gnädiges:  «Sprich  einmal 
wieder  vor,  wenn  du  vorbeikommst.*^)  Mir  aber  gönnen  Sie  zum  Schluss  für  meinen 
modernen  Lieblingsmeister,  für  den  stolzen  und  kühnen  Helden  Hector,  für  den  viel- 
stimmigen  Komponisten  und  vielseitigen   Schriftsteller  Berlioz,  für  den  grossen 


')  Ferdinand  David  (1810—1873),  der  berühmte  Violinist. 

*)  Berlioz  sagt  in  seinen  Memoiren  11,  344  darüber  (Paris,  18.  octobre  1854): 
»A  Leipzig  aussi,  bien  qu'on  entende  aujourd'hui  ma  musique  avec  d'autres  oreilles 
qu'en  temps  de  Mendelssohn  (ä  ce  que  j*al  pu  voir,  et  ä  ce  que  m*assure  Ferd.  David), 
il  y  a  encore  quelques  petits  fknatiques,  61^ves  du  Conservatoire,  qui  me  regsrdent,  ssns 
ssvoir  pourquoi,  comme  un  destmcteur,  an  Attils  de  Tart  musical,  m'honorent  d'une 
hsine  forcen^e,  m*to1vent  des  injures  et  me  font  des  grimsces  dans  les  corridores  de 
Gewandhaus  quand  ]*ai  le  dos  toum^.* 

^  »Le  jenne  pätre  breton*  von  Berlioz  (No.  5  der  »Flears  de  landes*). 

*)  Berlioz  selbst  schrieb  aus  Leipzig  an  seinen  Apostel  Griepenkerl,  den  Vei^ 
fiasser  der  Brochüre  »Ritter  Berlioz  in  Braunschweig* :  Tout  le  monde  dit  que  j'y 
si  obtenu  an  grand  snccds.  II  laut  bien  le  croire  malgr6  le  flroidear  de  ce  public  que 
je  ne  poovsis  m'empöcher  de  comparer  ä  Tardear  da  public  de  Brunswick. 


371 


Humoristen  des  19.  Jahrhunderts,  eine  kleine  Linnfttnfare  anzustimmen.  Wie  sein 
grosser  Liebeskanon  in  der  Karneval-Ouvertüre,  diese  eines  Co rreggio  würdige 
Umarmung  zweier  Liebenden,  von  dem  Gewüble  und  Lirm  des  Karnevals  verschlungen 
wird,  um  die  Getrennten  durch  hunderterlei  Hindemisse  und  Masken-Missverstind- 
nisse  sich  durchwinden  und  wiederfinden  zu  lassen,  so  umarmt  der  liebevolle  Ton- 
Genius  Berlioz  die  Muse  und  sieht  lächelnd  auf  das  wogende  Treiben,  versunken  in 
trunkne  Umarmung.  Da  werden  Stimmen  laut,  «Seht  da,*  ruft  ein  Polichinell  auf  die 
Liebenden  deutend:  „Amor  und  Psyche!*  Und  der  grosse  Haufen  bildet  ehrfurchts- 
voll Spalier  vor  der  Gruppe,  in  welcher  er  die  Statuen  seiner  grossen  Meister,  in 
blühendes  Leben  verwandelt,  erkennt  und  bewundert. 

Von  nun  an  wurden  die  Beziehungen  zwischen  Berlioz  und  Cornelius 
immer  reger:^)  Cornelius,  der  schon  den  „Benvenuto  Cellini**  und  »La  fuite 
en  £gypte*  für  Weimar  und  Leipzig  übersetzt  hatte,  übertrug  nun  noch 
den  Rest  der  „L'Enfance  du  Christ*  sowie  ferner  „L61io*,  »Les  Nuits 
d'£t6*  und  «La  Captive*  ins  Deutsche  zur  höchsten  Zufriedenheit  von 
Berlioz,  der,  unserer  Sprache  trotz  seines  langen  Aufenthaltes  in 
Deutschland  nicht  mächtig,  einmal  an  Liszt  schreibt  (14.  November  1854): 
«On  me  dit  que  la  traduction  allemande  est  trös  bien  faite  et  je  te  prie  de 
remercier  trts  particuliörement  mon  exact  et  spirituel  traducteur.*  Und 
ein  halbes  Jahr  früher  (31.  März  1854)  heisst  es:  «Remercie  de  ma  part 
Mr.  Cornelius  pour  la  peine  qu'il  s'est  donn6e  et  qu'il  se  donne,  je  ne  sais 
comment  reconnaitre  de  telles  marques  d'int6r6t  et  de  Sympathie*,  und 
stets  fügt  der  Meister  in  seinen  Briefen  an  Liszt  einige  liebenswürdigen 
Worte  für  seinen  deutschen  Apostel  bei.  In  der  Tat,  es  hat  vielleicht 
zur  Verbreitung  der  Berliozschen  Vokalwerke  bei  uns  kein  Umstand  mehr 
als  die  trefflichen,  gleich  einem  Originalgedicht  erscheinenden  Übersetzungen 
von  Cornelius  beigetragen.  Wenn  unser  gesamtes  ausländisches  Opem- 
repertoire  in  so  mustergültiger  Weise  übersetzt  würde,  dann  könnte  ein 
guter  Teil  der  jetzt  so  berechtigten  Klagen  über  die  Stillosigkeit  romanischer 
Opern  auf  deutschen  Bühnen  verstummen.  —  Schade  nur,  dass  die  direkte 
Korrespondenz  beider  Männer  nicht  mehr  vorhanden  ist;  sie  Hesse,  wenn 
sie  auch  wohl  kaum  umfangreich  wäre,  da  fast  alles  durch  Liszts  Hand 
ging,  doch  interessante  Schlüsse  auf  das  Verhältnis  dieser  so  verschieden 
gearteten  und  doch  durch  die  begeisternde  Macht  der  Musik  so  eng  ver- 
bundenen Naturen  ziehen.     Der  Einfluss,  den  Berlioz  auf  Cornelius  übte, 


*)  Einen  zweiten  aus  der  Weimarer  Zeit  (also  1853—58)  stammenden  Artikel 
über  Berlioz  hat  Cornelius  laut  Angabe  in  seinem  grossen  Arbeitsbuch  in  der 
Pariser  »Gazette  musicale*  veröffentlicht  ~  wahrscheinlich  in  einer  von  der  Fürstin 
Wittgenstein  herrührenden  fhinzösischen  Obersetzung.  Der  bekannte  Berliozschrift- 
steller  J.  G.  Prod'homme  in  Paris,  der  sich  auf  meine  Anregung  hin  einer  Nach- 
forschung widmete,  hat  ihn  leider  nicht  entdecken  können.  Vielleicht  ist  einer  der 
Leser  dieses  Aufeatzes  so  glücklich,  ihn  zu  finden  und  mir  näheres  durch  die 
Redaktion  der  „Musik*^  mitzuteilen. 

24* 


fe; 


372 
DIE  MUSIK  m.  5. 


a^ 


hatte  zweifellos  etwas  DImonisches,  dem  Einfluss  Wagners  tat  ihn  eng 
Verwandtes;  und  wie  er  diesem  bei  aller  Selbstlndigkeit  der  Empflodong 
und  Erfindung  im  ,Cid'  und  in  der  «Gunlfid*  Tribut  zollen  musste,  so 
war  sein  erstes  eigenstes  Werk,  der  .Barbier  von  Bagdad',  wie  er  selbst 
zugab,  nicht  frei  von  Berliozscben  Einfiüssen.  .Das  tut  aber  nichtsi 
Das  Ganze  ist  doch  eigentSmllcb  und  gehört  mein,*  setzt  er  diesem  Be- 
kenntnis an  Liszt  (12.  Oktober  1855)  hinzu.  Und  damit  hat  er  Recht  be- 
balten: so  organisch  wie  Berlioz  das  deutsche  Musikempflndeo  mit  seinem 
eigenen  verschmolz,  in  dem  Maasse  hat  Cornelius  die  Anregungen,  die  der 
ausIXndische  Meister  ihm  gab,  als  Eigentümliches  in  sich  aufgenommen. 
Und  so  schliesst  er  einen  schönen  Artikel  über  das  Fest  des  .Allgemeinen 
deutschen  Musikvereins'  im  Jahre  1867  mit  den  Worten:  .Das  fühlen  wir 
alle:  was  wir  Deutschen  den  Franzosen  von  unserem  Gluck  lassen  müssen, 
der  nur  auf  dem  von  ihnen  bebauten  Boden  der  grossen  Oper  sein  Höchstes 
erreichen  konnte,  das  müssen  sie  uns  in  Berlioz  reichlich  wiedergeben, 
der  nur  an  Beethoven,  nur  an  der  deutschen  instrumentalen  Durch- 
bildung zur  vollen  Reife  und  zur  vollen  Wirkung  gelangte.*  ,In  diesem 
Sinne"  brachte  auch  Cornelius  in  Wien  1866  auf  Berlioz  seinen  schönen 
Toast  aus,  der  mit  den  Worten  scbloss; 

Du  ritterlicher  Singer,  Teil  reich  Im  Fenerceltte 

Da  Kflntller  grou  nod  kfitan,  Ihr  Bild  dch  Dir  erachlos*. 

Dir  soll  ans  dentsctasm  Herien  Hoch  an  Germanlas  Hersen, 

Ein  Kraai  der  I.lebe  blfifan!  Hoch  Hector  Berlloil 


ilio  oder  die  Rückkehr  ins  Leben*  ist  die  1831  entstandene  Fort- 
setzung der  „Symphonie  Fantastique*.  Während  diese  jetzt  wohl  das  am 
häufigsten  gehörte  Werk  von  Berlioz  ist,  blieb  „Lelio*  fast  unbekannt. 
Der  Grund  dafür  wird  aus  dem  folgenden  hervorgehen. 

Die  „Fantastique*  schildert  mit  orchestralen  Mitteln  die  Traumbilder 
eines  durch  Opium  berauschten  Künstlers.  Im  „Lelio*  ist  dieser  „Artiste*  wieder  er- 
wacht; er  tritt  als  handelnde  Person  auf  und  zwar  als  die  einzige  dieses  «Monodrame 
Lyrique*.  Wir  haben  es  somit  mit  einer  ganz  besonderen  Schöpfung  des  ebenso 
genialen  wie  bizarren  Franzosen  zu  tun,  die  gewiss  in  kein  ästhetisches  Schubfach 
unterzubringen  ist.  Hier  soll  nur  kurz  erörtert  werden,  ob  eine  wirkliche  Darstellung 
möglich  ist,  die  ohne  Frage  ein  interessantes  Werk  wiederbeleben  könnte. 

Die  Handlung  vollzieht  sich  im  Proszenium  einer  Bühne  vor  einem  geschlossenen 
Vorhang,  hinter  welchem  Chor,  Soli  und  Orchester  stehen  und  sämtliche  Musikstücke 
(bis  auf  das  letzte)  unsichtbar  ausführen. 

1.  Monolog:  Lelio  tritt  ins  Proszenium,  schwach  und  wankend:  »Gott,  ich 
lebe  noch!*  Der  ganze  schauerliche  Traum  der  „Fantastique*  zieht  an  ihm  vorüber. 
Dann  gedenkt  er  seines  Freundes  Horatio  und  dessen  Lieblingsliedes: 

1.  Musikstück:  Goethes  »Fischer*,  von  einem  Tenor  (Horatio)  hinter  dem 
Vorhang  gesungen.  Zwischen  der  1.  und  2.  Strophe  spricht  Lelio  nur  wenige  Sätze; 
zwischen  der  2.  und  3.  spielen  die  Geigen  die  »Id6e  fixe*  aus  der  »Fantastique*,  wozu 
Lelio  ruft  »Sirene!  Sirene!  Mir  bricht  das  Herz!* 

2.  Monolog:  Lelio  denkt  an  Hamlets  Monolog  »Sein  oder  nicht  sein*;  dann 
an  die  Szene,  wo  der  Geist  von  Hamlets  Vater  erscheint:  sie  hat  ihn  schon  lange 
zur  Komposition  gereizt.  Er  hört  das  Stück  gleichsam  von  seinem  Innern  vorgetragen, 
während  er  sich  auf  ein  Ruhebett  streckt. 

2.  Musikstück:  Geisterchor,  unisono  mit  Orchester. 

3.  Monolog:  Lelio  preist  Shakespeare,  dessen  Verächter  die  verständnislosen 
Routiniers  und  Theoretiker  sind,  die  in  der  Kunst  nur  den  Schlendrian,  den  Sinnen- 
kitzel wollen.  Ans  dieser  konventionellen  Gesellschaft  will  Lelio  fortstürmen:  »in  die 
Abruzzen  zu  den  Banditen,  das  ist  Leben!* 

3.  Musikstück:  Räuberlied.   Männerchor  mit  Bariton-Solo  des  Hauptmanns. 

4.  Monolog:  Lelio's  Extase  geht  in  Wehmut  über,  er  weint  Er  sieht  die 
Geliebte,  HoflPhung  auf  Glück  zieht  in  sein  Herz.    Er  hört  sich  selbst  zur  Harfe  singen. 

4.  Musikstück:  Hymnus  des  Glücks,  von  einem  Tenor  gesungen,  gleichsam 
-Lelio's  eigene  Stimme. 

5.  Monolog:  Lelio  beklagt,  dass  ihm  wahre  Liebe  nie  zuteil  geworden.    Dann 


374 
DIE  MUSIK  III.  5. 


würde  er  in  den  Armen  der  Geliebten  sterben  und  eine  AolsharfSe  Ober  seinem  Grabe 
die  Erinnerung  früheren  Glückes  verhauchen. 

5.  Musikstück:  die  Äolsharfe.  Zartestes  Orchesterstück,  dessen  Klari- 
nettenmelodie den  Gesang  des  Glücks-Hymnus  wiederholt 

6.  Monolog:  Lelio  (lebhaft)  verscheucht  alle  schmerzlichen  Erinnerungen  und 
Träume:  die  Musik  soll  ihn  trösten»  er  will  ausführen,  was  ihn  lange  beschiftigt  bat: 
die  Komposition  zu  Shakespeares  »Sturm*:  Fernando  seufte,  Miranda  lieble,  der 
wilde  Caliban  brülle  und  tanze,  und  Prospero  gebiete  den  Geistern.  Da  gerade  eben 
sich  Lelio's  Schüler  (Singer  und  Spieler)  versammeln,  will  er  von  ihnen  die  Skizze 
vortragen  lassen.  Er  geht  ab,  der  Vorhang  erhebt  sich,  auf  der  Bühne  sieht 
man  Chor  und  Orchester.  Lelio  tritt  wieder  auf.  Nach  einer  Ansprache  an  die 
Ausführenden  dirigiert  er  das 

6.  Musikstück:  Die  Phantasie  über  Shakespeares  »Sturm*.  Chor  (ohne  Bisse) 
und  Orchester  (nebst  Klavier). 

7.  Monolog:  Lelio  entlisst  dankend  die  Musiker.  Der  Vorhang  schliesst 
sich  wieder.  Lelio  allein.  Das  »ideale*  Orchester  spielt  noch  einmal  die  »Id6e 
fixe*  der  »Fantastique*.  Lelio  (schmerzlich):  »Nochmals I*  Tremolo  der  Streicher. 
Schlussakkord  der  Flöten,  dazu  Lelio:  »Nochmals  —  und  für  immer!*   Er  geht  ab. — 

So  der  Inhalt  des  »Lelio*.  Er  enthält  Stücke,  die  zu  den  besten  Eingebungen 
von  Berlioz  gehören.  Der  Geisterchor  ist  voll  düsteren  Schauers,  die  »Aolsharfe* 
mit  ihrer  in  einen  Sack  gesteckten  Klarinette  und  den  Arpeggien  der  Harfb  und 
Streicher  epochemachend  für  Instrumentation,  vor  allem  die  »Sturm-Phantasie*  ein 
weitausgeführtes  Stück  voll  Leben  und  Poesie,  reizvoll  in  der  Firbung  des  Chors  und 
Orchesters,  in  der  ganz  italienischen  Chor-Melodie,  in  der  Episode  des  Caliban,  der 
ein  Vetter  des  Polyphem,  Osmin,  Fafher  ist,  wenn  auch  nur  instrumental  dargestellt 
Interessant  hier  die  Verwendung  des  Klaviers  (zwei  Spieler)  als  Orchesterinstrumentes, 
was  erst  in  neuester  Zeit  wieder  versucht  worden  ist 

Aber  nicht  um  die  einzelnen  Stücke  handelt  es  sich  hier,  sondern  um  die 
Möglichkeit  der  Aufführung  so,  wie  Berlioz  sie  gedacht  hat  Nur  eine  gute  Dar- 
stellung kann  praktisch  Vert  und  Eindruck  des  seltsamen  Werkes  erweisen.  Das 
Problem  reizt  zur  Lösung  gerade  jetzt,  wo  Experimente  mit  Chor  und  Orchester  hinter 
einer  Schallwand  wieder  an  der  Tagesordnung  sind:  auch  für  diese  Reform  erscheint 
Berlioz  also  als  Bahnbrecher,  die  Wirkung  des  »Lelio*  ist  darauf  basiert. 

Ich  wende  mich  an  Felix  Weingartner.  Für  ihn  liegt  die  Aufführung  des  »Lelio* 
am  günstigsten.  Er  hat  einst  mit  der  »Fantastique  'Bresche  gelegt  in  die  Berlioz-Ver- 
achtung  seines  Publikums.  Er  setze  sie  wieder  auh  Programm  und  füge,  nach  der 
ausdrücklichen  Vorschrift  des  Autors,  als  zweiten  Teil  den  »Lelio*  hinzu.  Seiner 
Begeisterung  kommt  das  Lokal  zu  Hilfe.  ^Sein  Orchester  spielt  ja  auf  der  Bühne, 
der  Vorhang  (eine  Zwischenakts-Gardine  I)  ist  schon  vorhanden,  der  schmale  Raum 
davor  genügt  für  die  wenigen  Requisiten  des  Monologlsten.  Einen  guten  Darsteller 
des  Lelio  zu  finden  (Kainz  wäre  der  geeignetste)  wird  nicht  schwer  halten;  dieser  darf 
sich  l>eUeibe  nicht  ironisch  nehmen,  sondern  muss  sich  mit  dem  überschwinglichen 
Geist  des  jungen  Berlioz  erfüllen,  um  dss  Publikum  mitzureissen. 

Nun  aber  die  einzige  Schwierigkeit:  Lelio  hat  auch  die  »Sturm-Phantasie*  zu 
dirigieren.  Wir  haben  wohl  Dirigenten,  die  Schauspieler  sind,  aber  keine  Schau- 
spieler, die  dirigieren  können.  Indes  gibt  es  eine  Aushilfe:  man  lasse  die  Worte 
einfach  fort,  die  der  Dirigent  vor  und  nach  dem  Stück  zu  seinen  Musikern  und 
Slngem  zu  sprechen  hat  Seine  Mahnungen,  nicht  zu  schleppen,  nicht  die  Noten 
vor  den  Mund  zu  halten,  auf  den  Taktstock  zu  sehen,  wirken  ohnehin  nur  störend 


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375 
to-5         STERNFELD:  IST  DER  .LELIO"  AUFFOhRBAR? 


und  komlscb.  Es  muBS  iber  allea  vennjedeti  werden,  was  einer  ernsten  Silmmung 
Eintraf  tut  Also  der  Dirigent  spreche  überhaupt  nicbt.  Er  muss  allerdings  von  der 
RGcIcseite  In  Kleidang  und  Haartractai  so  susseben,  wie  der  Scbauspleler,  denn  die 
lUusIoQ,  dass  Lello  der  Dirigent  ist,  darf  nicht  fehlen.  Lello  hraacht  ja  olcbt  vor 
der  .Phantasie*  einiutreteo,  sondern  der  Dirigent  steht  schon  vor  dem  Pult,  wenn 
der  Vorbang  auseinandergeht,  der  sich  am  Schlüsse  des  StQckes  sofort  schliesst.  So 
wird  die  einzige  Klippe  vermieden,  an  der  die  Ausführung  scbeiiern  kSnnte. 

Beriioz  bat  den  HLelio*  sehr  ernst  genommen;  er  hat  ihn  seinem  Sohne  Louis 
gewidmet.  Er  hat  sein  Terk  vermutlich  nie  so  gesehen,  wie  es  gedacht  war;  denn 
«b  die  erate,  24  Jahre  nach  der  Vollendung  in  Weimar  am  21.  Februar  1855  von 
Berlioi  selbst  dirigierte  Auff&brung  nach  dem  Original  inszeniert  war,  scheint  mir 
zwelfelhan.   Möge  uns  Teingartner  in  Berlin')  den  Ur-  und  Original- Lello  bescheren. 


*)  Karl  Kljndwonb,  der  Urheber  der  unvergesslicben  Aufführung  der  .Dam- 
nation" hat  im  Berliner  Wagner-Verein  ebenfalls  am  4.  Nov.  18S9  die  „Aolsharfe- 
und  die  ^Sturm-Phantasie'  mit  grossem  Gelingen  zu  Gehör  gebracht. 


MUSIKALIEN 

45.  Hector  B«rU(u:  ReaarrexitfQrCboruadOrchrater.  Klavlerausiug  mit  Text  ran 
O.  Tanbrnami.  Verlag:  Breltkopr&Hinel,  Leipzig  (VolkaaasgatM  No.  1965.) 
Die  (rosse  moaumentale  GeMmtaasgabe  der  Berllouchen  Verke,  die,  bearbetlet 
von  Felix  Teiatartaer  und  Cbarlea  Malberbe,  bei  Breitkopf  &  Hirtel  eracheint,  hat 
alcbt  nur  das  Verdienst,  dass  sie  das  gesamte  Scbaihn  des  genialen  Franzosen,  sovelt 
es  bisber  bekannt  var,  zum  erstenmal  zusammenfasst  nnd  in  einem  krlliscb  revidierten 
autbeatlBcben  Text  hstlegt,  sie  bringt  aucb  verscbledeoes  vieder  ans  Tagesllcta^  das 
man  ginilicb  verloren  geglaubt  batte,  oder  vaa  doch,  wenn  man  es  scbon  vorhanden 
wuaste,  lUTor  fiberhaupt  nocb  nicht  durch  den  Dmck  pnbliiiert  worden  war.  Zu  diesen 
wieder  aurgehindenen  Stücken,  die  nach  des  Komponisten  eigener  Angabe  Temlctatel 
worden  sein  sollten,  gebort  auch  das  Resurrexlt  fSr  Chor  und  Orchester.  Es  war  ein 
Teil  der  Messe,  die  Berlloz  gant  im  Anfang  seiner  Laufbahn  geschrieben  hatte,  und  die 
er  selbst  «une  Imitation  maladroite  da  atyle  de  Lesueur*  (seines  Lehrers}  nennt  (MÖ* 
moires  1,  36).  Am  28.  Dezember  1824  (danach  ist  die  Angabe  des  Taubmannschen 
Klavierausings :  komponiert  1825,  su  berichtigen)  wurde  das  Werk  unter  sehr  unglGck- 
licben  Umstinden  in  der  Kirche  St  Roch  probiert,  daraufbin  vom  Komponisten  ginzlicb 
umgearbeitet  und  dann  in  derselben  Kirche  am  10.JulllS25uod  tum  iweilenmal  amCicilien* 
tage  (22.  November)  1827  In  Sl  Euatache  zur  Aufführung  gebracht.  Offenbar  hielt  Berlloz 
selbst  das  Resurrexlt  fGr  das  beste  St&ck  der  ganzen  Messe.  Denn  er  hat  noch  in  wleder- 
holtenmalen  (lulelil  in  Rom  1831)  die  bessernde  Hand  daran  gelegt,  und  wir  begegnen 
Ihm  nocb  zweimal  auf  Programmen  Berlloischer  Konzerte:  am  26.  Mal  I82S  nnd  unter 
dem  Titel  „Le  Jugement  demier"  am  1.  November  1829.  In  aelner  definitiven  Gestalt 
hat  es  der  Meister  nach  seiner  eigenen  Angabe  (M<molres  I,  243),  die  von  Adolphe 
Jalllen  allerdings  bezweifelt  wird,  an  die  Pariser  Akademie  als  sogensnnten  .Envot  de 
Rome"  geschickt  und  damit  den  , Unsterblichen"  einen  flbeln  Possen  gespielt  (Der 
aEnvol  de  Rome'  aollie  nimllch  eine  neue,  wihrend  des  rSmlseben  Auhnthalts  selbst 
gefertigte  und  die  Fortschritte  des  jungen  Kfinstlera  bezeugende  Arbeit  sein!)  Ffir  uns 
hat  daa  Resurrexlt  bauptalchlich  bistorisch-blographiscbei  Interesae.  Nsmentlich  zwei 
Stellen  sind  merkwfirdlg.  Znnicbat  das  Andante  maestoso  [K1.<A.  S.  4f.)  vor  dem  .Et 
Iteniro  veotums  est".  In  ihm  fcCndlgen  sich  nimllch  scbon  deutlich  erkennbar  die  be- 
rühmten grossen  Es-dur- Fanfaren  des  Requiem  an.  Nor  daae  aus  den  aechs  Trompeten, 
vier  HSmem,  drei  Posaunen  und  zwei  Opbicielden  der  Messe  in  dem  spiteren  Terke 
die  micbtlgen  vier  Nebenorcbester  geworden  sind,  die  eine  so  unglsubllche  VIrknng 
machen,  und  dssa  das  Ganze  weiter  ausgeführt  erscheint  Tenn  Beriloz  von  einem  seiner 
Jugendwerke  sagt,  dass  er  es  vemicbtei  habe,  so  helsst  daa  meist  nicht  mehr,  als  dass 
er  es  sIs  nicht  vorhanden  angesehen  wlsaen  wollte,  well  er  Teile  oder  einzelne  Modve 
aus  ihm  In  spitere  Tei^c  herfibergenommen  hatte.  So  sehen  wir  denn  anch,  wie  das 
Resurrexlt  vom  Komponisten  für  das  erste  Pinsle  seiner  Oper  sBenvenuto  Cellini'  ver- 
wendet worden  Ist.  Die  michlige  Unlaono-Slelle  .Et  exapecto*,  die  er  In  einem  Briete 
vom  29.  November  1827  seinem  Freunde  Humbert  Ferrand   mittdit  mit  dem  Bemerken, 


377 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


dass  sie  bei  der  Auffiihrung  »une  impression  terrible*  bervorgebracht  habe  (Lettres  intimes 
S.  5 f.),  sie  findet  sich  notengetreu  in  der  Oper  (»Ah!  eher  canon  du  fort  St.  Ange*). 

46.  Heetor  Berlioa:   Heroische  Szene  (Der  Aufstand  der  Griechen).    Dichtung 

von  Humbert  Ferrand.    Deutsche  Übersetzung  von  Emma  Klingenfeld. 

Klavierauszug  mit  Text  von  Otto  Taubmann.    Verlag:  Breit]copr&  Hirtel, 

Leipzig.  (Volksausgabe  No.  1961.) 
Auch  die  .Heroische  Szene*  gehört  zu  den  vor  Erscheinen  der  Gesamtausgabe 
nicht  allgemein  bekannten  Werken  des  Meisters.  Sie  ist  nach  Jullien  1825  oder  1826 
komponiert  (der  Klavierauszug  gibt  das  Jahr  1828  an)  und  kam  in  dem  gleichen  Konzert, 
auf  dessen  Programm  auch  das  Resurrexit  figurierte,  am  26.  Mai  1828  zur  ersten  Auf- 
führung. Das  Manuskript  befand  sich  später  im  Besitz  von  Mr.  Martin,  dem  Direktor 
des  Marseiller  Konservatoriums.  Als  nach  dessen  Tod  im  Jahre  1885  seine  grosse 
Musikaliensammlung  in  Paris  versteigert  wurde,  erstand  Weckerlin,  der  Bibliothekar  des 
Pariser  Konservatoriums,  die  Handschrift  um  72  Frs.  (A.  Jullien,  H.  Berlioz  S.  35  Anm.). 
Berlioz  selbst  sagt,  dass  diese  Komposition  den  Einfiuss  Spontini's  verrate  (M6moires 
I,  55).  In  der  Tat  ist  ihr  »heroischer*  Charakter  ganz  von  der  Art,  wie  der  Meister  der 
»Olympia*  diesen  Begriff  fiuste:  kriegerisch-militärisch.  Harmonisch  sehr  einfach  und  in 
der  Erfindung  wenig  eigenartig,  zeigt  diese  Jugendarbeit  doch  schon  einen  prächtig  ent- 
wickelten Sinn  für  den  Aufbau  in  grossen,  kontinuierlich  sich  steigernden  Linien,  ein 
Vorzug,  der  ihr  auch  heute  noch  eine  gewisse  äussere  Wirkung  sichern  könnte. 

47.  Heetor  Berlioz:  Religiöse  Betrachtung  (Meditation  rdligieuse).    Nachworten 

von  Th.  Moore.  Deutsche  Obersetzung  von  F.  Graf  Sporck.  Klavier- 
auszug mit  Text  von  Otto  Taubmann.  Verlag:  Breitkopf  &  Härtel,  Leipzig. 
(Volksausgabe  No.  ig7&) 
Diese  kleine  Komposition  für  sechsstimmigen  gemischten  Chor  und  Orchester  ist 
eine  der  wenigen  Früchte  von  Berlioz'  an  neuen  Arbeiten  so  wenig  ertragreichem 
italienischen  Aufenthalt  (1831—1832).  Das  Manuskript  ist  datiert  vom  4.  August  1831. 
Späterhin  (1854)  hat  der  Meister  den  Chor  als  erste  Nummer  in  sein  op.  18  (Tristia, 
drei  Chöre  mit  Orchesterbegleitung)  aufgenommen.  Hier  haben  wir  nun  schon  den 
ganzen  und  echten  Berlioz.  Mit  seiner  mächtigen  Ausdrucksgewalt,  mit  seiner  er- 
greifenden Stimmungspoesie,  aber  auch  schon  mit  all  den  Eigenheiten  seiner  oft  so 
seltsam  anmutenden  und  doch  so  wirkungsreichen  Technik.  Wie  er  z.  B.  in  seinem 
Chorsatz  unbekümmert  um  alle  Satzbedenklichkeiten  einzig  und  allein  den  Klangeflfekt 
im  Auge  hat  und  was  dergleichen  mehr  ist  Es  wäre  sehr  zu  wünschen,  wenn  diese 
Neuausgabe  Veranlassung  würde,  dass  man  diesem  wehmütig  ernsten  Tongedicht,  mit 
dem  sich  allerdings  keine  populären  Wirkungen  erzielen  lassen,  das  vielmehr  durchaus 
nur  ein  Bissen  für  den  Kunstgourmet  ist,  auch  im  Konzertsaal  häufiger  begegnen  würde. 

48.  Heetor  Berlioz:  Der  fünfte  Mai.   Gesang  auf  den  Tod  des  Kaisers  Napoleon. 

Opus  6.     Dichtung  von    P.  de  B oranger.     Deutsch   revidiert  von   Felix 

Weingartner.     Klavierauszug   mit   Text  von   Otto   Taubmann.    Verlag: 

Breitkopf  &  Härtel,  Leipzig.    (Volksausgabe  No.  1975.) 

Man  weiss,  wie  gross  die  Schwärmerei  Berlioz'  für  den  ersten  Napoleon  gewesen 

ist,  in  dessen  Glanzzeit  des  Meisters  erste  Jugend  fiel.    In  der  Komposition  des  Fünften 

Mai   hat  diese  Begeisterung  ihren  künstierischen  Niederschlag  gefunden.     1834  (nach 

Jullien;  der  Klavierauszug  gibt  1832  an)  geschrieben  und  am  22.  Nov.  1835  zum  ersten- 

male  angeführt,  gehört  diese  Kantate,  in  der  das  Bass-Solo  die  Hauptsache  ist,  während 

der  Chor  mehr  nur  eine  untergeordnete  Rolle  spielt,  zu  jenen  im  edelsten  Sinne  des 

Wortes  volkstümlichen  Werken,  die  wir  bei  Berlioz  immer  dann  entstehen  sehen,  wenn 

er  sich  als  national  empfindender  Franzose  an  das  allgemeinsame  Fühlen  seines  Volkes 


378 
DIE  MUSIK  UL  S. 


weadec  Was  Richard  Wagner  einmal  von  der  JaU-Symphonie  gesagt,  dass  jeder  Gaaaia 
mit  Mauer  Blase  and  roter  Mfitze  sie  bis  aaf  den  Grand  Terstehen  mnsse,  and  dass 
sie  existieren  and  begeistern  werde,  solange  eine  Nation  ezistien;  die  sich  Franzosen 
nennt,  —  es  gilt  in  etwas  anch  von  dem  Fünften  MaL  Gelegentlidi  seiner  Kanst- 
reisen  hat  Beriioz  dieses  Stock  aach  mehrmals  mit  grossem  Erfolg  in  Deots^- 
land  anfjiefahrt,  wobei  man  allerdings  bedenken  mnss,  dass  in  den  40er  Jahren 
der  Zanber  der  Napoleonischen  Legoide  auch  in  dentschen  Herzen  noch  aaf  Wider- 
hall rechnen  konnte,  woran  heate  nicht  mehr  zu  deaken  ist  Und  gewiss  kann 
nar  ein  Franzose  die  elegische  Wehmat  dieser  Traaer  am  den  gestorbenen  Hdden- 
Icaiser  gtnz  nachf&hlen.  Aber  ein  Versach,  wie  weit  die  künstlerische  Wirkung  der 
Kantate  aach  ohne  diese  nationalen  Vorbedingnngen  geht,  würde  sich  immerhin  Ter- 
li^men.  Während  die  dentschen  Übersetzungen  der  Heroischen  Szene  und  der  Kaiser- 
hymne (s.  u.)  im  grossen  Ganzen  recht  tüchtig  sind,  und  die  Sporcksche  Obersetznng 
der  Meditation  r^ligieuse  sogar  vorzüglich  genannt  werden  kann,  bitte  Felix  Weingartner 
bei  dem  Fünften  Mai  yielleicht  besser  getan,  statt  die  Übersetzung  nur  za  reridieren, 
sie  gtnz  neu  zu  machen,  was  ihm  bei  seiner  in  eigenen  Textdichtungen  schon  oft  be- 
währten grossen  sprachlichen  Gewandtheit  gewiss  nicht  schwer  gefallen  wire. 

40.  Hector  Beriioz:  Kaiserhymne  (L'Imp^riale)  für  zwei  Chöre  und  zwei  Orchester, 
op.  26.    Dichtung  Ton  Capitaioe  La  fönt    Deutsche  Übertragung  Ton  Emma 
Klingenfeld.    Klavierauszug  mit  Text  von  Philipp  Scharwenka.  Verlag: 
Breitkopf  &  Hirtel,  Leipzig  (Volksansgabe  No.  196^. 
Im  Jahre  18S5  fknd  in  Paris  die  erste  kontinentale  Weltausstellung  statt    Vom 
Prinzen  Napoleon  (Plon-Plon),  dem  Generalprisidenten  der  Ausstellung,  beauftragt,  den 
musikalischen   Teil  der  am    15.  November  erfolgenden   feierlichen   Preisverteilung  zu 
organisieren,  schrieb  Beriioz  die  Gelegenheitskomposition,  die  er  an  diesem  und  am 
folgenden  Tage  mit  ungeheuren  Mitteln,  einem  Chor  von  600  Stimmen  und  einem  wahren 
Monstre-Orchester,  zur  Aufffihrung  brachte  und  später  dem  Kaiser  Napoleon  UL  widmete. 
Es  ist  natürlich,  dass  ein  solches  nicht  aus  innerem  Antrieb  entstandenes  Werk  —  wie 
Julllen  sich  ausdruckt  —  »ne  marque  gu^re  dans  sa  carri^re*.    Aber  es  ist  brillant  ge- 
macht, und  wurde  sich,  wenn  man  den  Text  den  veränderten  Umständen  adaptierte,  sehr 
wohl  dazu  eignen,  bei  einer  ähnlichen   festlichen  Gelegenheit  wieder  einmal  hervorge- 
zogen zu  werden.    Ober  die  Güte  der  Klavierauszuge  dieser  Werke  (45—40)  kann  ich,  da 
die  Partituren  mir  augenblicklich  nicht  zur  Hand  sind,  kein  Urteil  abgeben. 

50.  Heetor  Beriioz'  Werke:  Neue   Bearbeitungen  f&r  Klavier  zu  zwei  Händen 
von  Otto  Taubmann,    a)  Waverley,  Ouvertüre,  op.  l^:    b)  Rob.  Roy, 
Ouvertfire  (bisher  unveröffentlicht),    c)  Der  Korsar,  Ouvertüre,  op.  21.   d) 
Benvenuto   Cellini,  Ouvertüre,  op.  23.     e)  Römischer  Karneval, 
Ouvertfire,  op.  0.    f)  Ungarischer  Marsch  aus  Fausts  Verdammung,  op.  24. 
g)  Sylphen  tanz  aus  Fausts  Verdammung,  op.  24.   b)  Tanz  der  Irrlichter 
aua  Fausts  Verdammung,  op.  24.    I)  Beatrlcejund  Benedict,  Ouvertüre, 
k)  Beatrice  und  Benedict,  Ouvertüre,  vierhändig.    1)  Die  Trojaner  In 
Karthago,  VorspleL    Verlag:  Breitkopf  &  Härtel,  Leipzig. 
Beriioz  ist  unter  den  grossen  neueren  Komponisten  vielleicht  der  einzige,  der 
ganz  und  gar  unabhängig  vom  Klavier  geschaffen  hat    In  keinem  Stadium  des  Kompo- 
nierens,  weder  bei  der  Konzeption,  noch  bei  dem  Skizzleren,  noch  auch  bei  dem  Aus- 
arbeiten seiner  Gedanken  nahm  er  die  Taaten  zu  Hilfe.    Ja,  wenn  er  es  auch  gewollt 
hätte,  so  wäre  es  ihm  unmöglich  gewesen:  denn  das  Flageolett,  die  Flöte  und  die  Gultarre 
waren  bekanntlich  (ausser  der  Pauke)  die  einzigen  Instrumente,  die  er  spielte.    Damit 
hängt  ea  nun  ganz  zweifellos  zusammen,  dass  seine  musikalische  Ausdnickswelse  un- 


379 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


kUviermässiger  ist  als  die  jedes  anderen  Komponisten.  Und  wie  seine  Gedanl^en  in 
keiner  Weise  aus  dem  Klavier  herausgewachsen,  ja  nicht  einmal  in  irgend  einer  Weise, 
wenn  auch  nur  nebensächlich,  durch  die  Klangwelt  dieses  Instrumentes  beeinflusst  sind, 
so  lassen  sie  sich  auch  nicht  fürs  Klavier  übertragen.  Das  Pianoförte-Arrangement  eines 
Berliozschen  Orchesterwerkes  ist  —  von  wenigen  Ausnahmen  abgesehen  —  immer  ein 
Versuch,  das  Unmögliche  möglich  zu  machen,  ein  Versuch,  der  niemals  gelingen  kann, 
sondern  bei  dessen  Beurteilung  es  einzig  und  allein  darauf  ankommt,  ob  er  mehr  oder 
minder  missgluckt  ist  Otto  Taubmann  hat  sich  in  seinen  Bearbeitungen  ersichtlicher 
Weise  vor  allem  bestrebt,  möglichst  einfach  und  leicht  spielbar  zu  schreiben.  Dass 
dabei  nicht  immer  ein  sehr  klangvoller  Klaviersatz  herausgekommen  ist,  lisst  sich 
denken.  Ja,  man  kann  kaum  von  einem  einzigen  dieser  Stücke  —  die  vierhindige  Bea- 
trice und  Benedict-Ouvertüre  vielleicht  ausgenommen  —  sagen,  dass  die  Bearbeitung 
auch  nur  einen  ungefihren  Begriff  von  dem  vermittle,  was  in  der  Partitur  steht  Aber, 
wie  gesagt,  das  liegt  mehr  in  der  eigentümlichen  Schwierigkeit  der  in  idealer  Weise 
überhaupt  unlösbaren  Aufgabe  begründet,  als  dass  dem  Bearbeiter  daraus  ein  Vorwurf 
zu  machen  wire.  Manchmal  ist  freilich  auch  e  r  nicht  ganz  glücklich  gewesen.  Die  Ober- 
tragung  des  Vorspiels  zum  zweiten  Teil  der  Trojaner  —  um  nur  eins  herauszugreifen  — 
bedeutet  z.  B.  nicht  durchweg  eine  Verbesserung  gegenüber  dem  alten  dürftigen  Arrange- 
ment in  dem  in  Paris  erschienenen  Klavierauszug  der  Oper.  Auch  wimmelt's  da  von 
den  entsetzlichsten  Druckfehlem.  Wie  denn  überhaupt  auch  für  die  andern  Stücke  zu 
bemerken  ist,  dass  auf  die  Korrektur  etwas  mehr  Sorgfalt  hätte  verwendet  werden  können. 
51.  Hector  Berlioz'  Vl^erke:  Bearbeitungen  für  Pianoforte  ä  2  ms.  von  August 
Stradal.  Drei  Stücke  aus  der  Symphonie  .Romeo  und  Julie*,  a)  Fest 
bei  Capulet  b)  Adagio  (Liebesszene),  c)  Fee  Mab,  Scherzo.  Verlag: 
J.  Schuberth  &  Co.,  Leipzig.  (Edition  Schuberth  No.  7428—7430.) 
Eine  ganz  andere  Absicht  als  Taubmann  verfolgt  Stradal  mit  seinen  Klavier- 
bearbeitungen. Während  jener  die  Technik  des  Durchschnittsklavierspielers  im  Auge 
hat  und  vor  allem  leicht  spielbar  übertragen  will  —  ohne  es  freilich  immer  und  überall 
auch  erreichen  zu  können  — ,  denkt  der  Lisztschüler  an  den  Virtuosen  und  scheut  vor 
keiner  Schwierigkeit  zurück.  Dadurch  ist  die  Aufgabe  des  Übertragers  natürlich  leichter 
geworden.  Und  trotzdem  kommen  bisweilen  noch  unmögliche  Dinge  heraus.  Es  gibt 
da  eben  Klippen,  an  denen  selbst  der  beste  Wille  und  das  tüchtigste  Können  scheitern 
müssen.  Die  liebevolle  Begeisterung  und  der  emsige  Fleiss,  die  Stradals  Arbeiten  doku- 
mentieren, sie  verdienen  alle  Anerkennung.  Aber,  so  muss  man  sich  doch  fragen,  wem 
soll  mit  diesen  Bearbeitungen  gedient  sein,  für  welches  Publikum  sind  sie  berechnet? 
Vortragsstücke,  die  der  Virtuos  im  Konzertsaal  gebrauchen  könnte,  sind  sie  nicht,  für  den 
gewöhnlichen  Dilettanten  sind  sie  zu  schwer,  und  jene  Musiker  und  besseren  Dilettanten, 
die  sie  technisch  bewältigen  könnten,  sind  doch  wohl  meistens  auch  imstande,  die 
Partitur  zu  lesen  und  dadurch  sich  von  einem  Orchesterstück  ein  so  deutliches  An- 
schauungsbild zu  verschaffen,  wie  es  keine  Bearbeitung,  auch  nicht  die  beste,  zu  geben 
vermag.  Haben  überhaupt  Klavierübertragungen  von  ernsten  und  komplizierten  Instru- 
mentalwerken heute  noch  einen  Sinn?  Wäre  es  nicht  zweckdienlicher,  statt  des  Klavier- 
auszugs eine  Art  von  übersichtlicher,  aber  keinerlei  Prätention  auf  „Spielbarkeit"  er. 
hebender  Particeila  zu  veröffentlichen?  Oder  aber  —  um  einen  radikalen  Vorschlag  zu 
machen  ~  das  Partiturlesen  und  Partiturspiel  durch  Abschaffung  des  ganzen  Trans- 
positionswesens, das  auch  höherstehende  Dilettanten  so  oft  abschreckt  und  heute  doch 
nicht  viel  praktischen  Sinn  mehr  hat,  so  zu  erleichtem,  dass  die  Verleger  mit  einem 
Massenabsatz  der  Orchesterpartituren  rechnen  und  darnach  die  Verkaufspreise  wesentlich 
wohlfeiler  ansetzen  könnten?  Ein  Ziel,  aufe  innigste  zu  wünschen!  Dr.  Rudolf  Louis. 


OPER 

AACHEN:  Eine  ziemliche  Anzahl  landliuflger  Opern  kam  im  ganzen  sorgfiltig  vor- 
bereitet auf  die  Bretter.  Sigrid  Amoldson  mimte  Mignon  und  Carmen  in  bekannter 
Gfite.  Als  Novitit  stellte  sich  Verdi's  ,,Othello*  vor,  ein  Werk,  das  besonders  im  vierten 
Akt  an  Schönheiten  reich  ist.  Wie  es  sonst  mit  Urauff&hrungeny  Novititen,  Cyklen  aus- 
sieht, von  denenfman  in  den  Nachbarstidten  allerlei  redet?  In  dieser  Beziehung  gehöre 
ich  leider  nicht  mehr  zu  den  Optimisten.  Jos.  Liese. 

BREMEN:  Die  Urauff&hrung  von  zwei  kleineren  musikdramatischen  Werken,  Th.  Ger- 
lachs Melodram  (Sprechoper  nennt  er  es  selber)  j^Liebes wogen*  und  Rieh.  Batkas 
Schiferspiel  »Der  Kuss*,  folgte  Oskar  Schröters  Jodocus  nach  kurzem  Zwischenraum. 
Beide,  Gerlach  und  Batka,  wollen  unser  Publikum  aus  dem  Oberpathos  des  modernen 
Musikdramas  in  die  vormozartliche  Zeit  zurückretten.  Der  erste  im  Ernst,  der  zweite 
im  Scherz.  Th.  Gerlachs,  des  Komponisten  des  Matteo  Falcone,  neues  Werk,  ignoriert 
leider  die  ganze  musikdramatische  Entwicklung  der  Oper  seit  mehr  als  einem  Jahr- 
hundert und  knfipft  —  es  gehört  wirklich  Mut  dazu  —  an  Bendas  Ariadne  und  Medea 
wieder  an.  Gerlach  will,  fireilich  mit  Hilfe  einer  ganz  modernen,  anerkennenswert  dis- 
kreten, leider  die  iusseren  Vorginge  mehr,  als  die  innere  Stimmung  malenden  sym- 
phonischen Orchesterbegleitung  das  Ideal  des  schon  von  J.  J.  Rousseau  ertriumten 
Melodrams  erreichen.  Statt  aber  ein  kleines  Drama  zu  geben,  wenn  auch  nur  ein  intim 
psychologisches  Monodram  (Psychodram  nannte  man  es  auch),  bleibt  er  bei  einer  Art 
von  lebendem  Bilde  mit  viel  pathetischen  Deklamationen,  einem  kurzen  Chorsatz  und 
einigen  kurzen  liedartigen  Sitzen  stehen.  Der  Text  Gerlachs  zeigt  den  Dichter  der 
Heineschen  Nordseebilder  an  Bord  seines  auf  der  Fahrt  begriffenen  Schiffes;  hier 
deklamiert  er  auf-  und  niederwandelnd,  im  engsten  rhythmischen  Anschluss  an  das  Or- 
chester, mit  vorgeschriebenem  Tonfell  einen  aus  Kraftstellen  der  Nordseebilder  (Thalatta, 
Thalatta!)  bunt  zusammengewürfelten  weltschmerzlich  erregten  Text.  Dieser  Text  findet 
erst  ein  unnatürliches,  aber  nicht  unerwünschtes  Ende,  wenn  der  deklamierende  Dichter 
im  Leidens-Paroxysmus  über  Bord  stürzt  Kein:  Doktor,  sind  Sie  des  Teufels I  rettet  ihn» 
noch  auch,  so  fürchte  ich,  die  Sprechoper,  die  trotz  Gerlach  und  Humperdincks  „Königs- 
kinder* nichts  anderes,  als  das  alte  Zwitterding  ist,  das  man  Melodram  nennt  —  Richard 
Batka  ist  auch  ein  ganz  Modemer  und  doch  Reaktionir,  aber  glücklicherweise  ein  viel 
nngefihrlicherer  und  unterhaltenderer  als  Gerlach.  Er  hat  die  Rokokograzie  einer 
hübschen  Auswahl  von  Melodieen  von  Gluck,  Mozart,  Beethoven  und  J.  A.  P.  Schulz 
(die  bekannte  Gavotte  von  Lully  leitet  das  Schiferspiel  ein)  zur  Veredlung  des  sorglosen 
Oberbrettlsingspiels  benutzt  Ein  gewiss  nicht  schlechter  Gedanke.  Leider  ist  ihm  aber 
der  Text  seines  Schiferspiels  (Der  Kuss),  das  sich  ihnlich  wie  Goethes  „LAune  des 
Verliebten*  mit  einem  doppelten  Liebespaar  begnügt,  aber  leider  durchaus  nicht  die 
Goethesche  Charakteristik  hat,  allzu  ferblos  geraten;  für  das  Oberbrettl  zu  wenig  pikant 
und  für  die  anspruchsvollen  Weltbretter  zu  harmlos,  um  mehr  als  ein  fiüchtiges,  aber 
nicht  nnfireundliches  Liebeln  hervorzurufen.  Um  die  schwierige  Deklamation  der  Ger- 
lachschen  Sprechoper  machte  sich  unser  tüchtiger  Heldendarsteller,  Herr  Mayr,  verdient, 
und  die  liebenswürdige  Wirkung  des  Batkaschen  Kusses  musste  Frl.  Laube  durch  ihren 


381 
KRITIK:  OPER 


sauberen  Gesang  und  ihre  Schelmerei  ftist  allein  bestreiten,  da  die  drei  anderen  eifer- 
sfichtig  Verliebten  des  Kussquartetts  besonders  gesanglich  sehr  fehl  am  Orte  waren. 

Dr.  Gerh.  Hellmers. 

BRONN:  Eine  der  erfreulichsten  Errungenschaften  der  Direktion  Lechner  ist  die  Auf- 
nahme der  ,piMeistersinger%  die  früher  nur  ab  und  zu  auftauchten,  in  das  stindige 
Bfihnenrepertoire.  Auch  heuer  erschienen  sie  wieder,  und  mit  ihnen  der  «Tristan*  in 
recht  gerundeten  Aufführungen.  Im  übrigen  bewegt  sich  der  Spielplan  in  ziemlich  aus- 
gefkhrenen  Geleisen,  nur  kann  man  erfreulicherweise  feststellen,  dass  sich  das  Niveau 
der  Aufführungen  in  qualitativer  Hinsicht  allmiblich  hebt,  was  wohl  der  grösseren  Sorg- 
falt, die  man  jetzt  der  Oper  widmet,  zuzuschreiben  ist.  Die  neuengagierten  Krifte»  und 
zwar  das  jugendlich-dramatische  Frl.  Szika,  die  Opemsoubrette  Frl.  Rüders  und  der  Bariton 
Mechler  wissen  sich  gut  dem  Ensemble  anzupassen.         Siegbert  Ehrenstein. 

DANZIG:  Unter  günstigem  Stern  erschienen  zehn  bekannte  Werke  gut,  zum  Teil  vor- 
züglich.  Hervorragend  wirkten  Schwab  (Dirigent),  Tinzler  (Tenor),  Grützner  (Bariton), 
Ollner  (Koloratur),  Marie  Götze  dreimal  als  Gast  (Orpheus).  Dr.  C.  Fuchs. 

DESSAU:  An  den  Anfang  der  dieswinterlichen  Saison  stellte  sich  unter  Franz 
Mikoreys  Direktion  eine  geschlossene  Aufführung  des  Nibelungenringes.  Im  »Sieg- 
fried* und  der  »Götterdimmerung"  gastierte  Frau  Schumann-Heink  als  Erda  bezw. 
Waltraute  mit  grossem  Erfolg.  Auch  im  „Tannbäuser*  wie  im  «Zar  und  Zimmermann* 
wurde  die  Tugend  der  Gastlichkeit  geübt.  In  ersterem  sang  Frl.  Dazara  die  Elisabeth, 
in  letzterem  Herr  Troitzsch  den  Zaren.  Beide  befriedigten  nach  der  gesanglichen  Seite 
hin.  Ausser  den  genannten  Werken  erschienen  auf  dem  Repertoire  »Der  Zigeuner- 
baron*, jyMargarete*,  „Die  lustigen  Weiber  von  Windsor*  (Frau  Feuge  war  eine  treffliche 
Frau  Flutb),  «Bajazzo*  und  «Cavalleria  rusticana*.  Eine  Neueinstudierung  von  Verdi's 
«Der  Maskenball*  bildete  das  jüngste  Ereignis.  Ernst  Hamann. 

DRESDEN :  Im  königlichen  Opemhause  gab  es  in  den  letzten  zwei  Wochen  nicht  viel 
Bemerkenswertes.  Die  Tatsache,  dass  «Odysseus'  Tod*  von  August  Bungert  trotz 
der  darauf  verwandten  künstlerischen  Mühen  beim  Publikum  nicht  viel  Anklang  findet, 
wirkte  naturgemiss  lähmend  auf  den  Spielplan  ein.  Hervorzuheben  wiren  nur  eine  teil- 
weise Neueinstudierung  von  Mozarts  «Figaros  Hochzeit*,  wobei  Erika  Wedekind  als 
Susanne  und  Emil  Greder  als  Figaro  neu  waren,  und  eine  Aufführung  von 
«Tristan  und  Isolde*,  die  sich  nur  durch  ein  Gastspiel  des  Ehrenmitgliedes  Tberese 
Malten  ermöglichen  Hess,  da  wir  infolge  des  schwankenden  Gesundheitszustandes  der 
Frau  Witticb,  die  schon  lingst  die  Isolde  singen  sollte,  keine  stindige  Vertreterin  dieser 
Rolle  in  unserm  Ensemble  haben.  Frl.  Malten  riss  bei  ihrem  Gastspiel  die  Hörer  wieder 
zu  den  stürmischsten  Begeisterungsausbrüchen  bin.  Den  Kurwenal  sang  mit  recht  gutem 
Erfolg  zum  ersten  Male  Herr  Kiess,  ein  junger  Baritonist,  der  zu  Beginn  der  Saison 
erst  hier  eingetreten  ist,  aber  bereits  zahlreiche  Beweise  eines  auf  schöne  und  wohl- 
gebildete Stimmmittel  sich  gründenden  Talents  erbracht  hat.         F.  A.  Geissler. 

ESSEN :  In  unserm  Stadttbeater  wirft  die  mit  nicbstem  Winter  eintretende  Vereinigung 
der  Essener  mit  der  Dortmunder  Bühne  schon  ihre  Schatten  voraus.  Zunichst  hat 
die  Leitung  einige  für  die  vereinigten  Theater  gewonnenen  Krifte  schon  für  dies  Jahr 
verpflichtet  und  dadurch  das  Ensemble  gegen  früher  erheblich  verbessert  und  dann  führt 
sie  uns  eine  Reihe  der  in  Aussicht  genommenen  Künstler  schon  jetzt  in  Probegastspielen 
vor.  So  hat  man  denn  alle  Ursache,  mit  dem  Gebotenen  zufrieden  zu  sein,  denn  die 
Aufführungen  stehen  auf  einer  hier  firüher  nicht  gekannten  Höhe.  Tannhiuser,  Meister- 
singer, Königin  von  Saba  und  Oberen,  die  bisher  den  Spielplan  beherrschen,  bekommt 
man  an  Bühnen  gleichen  Ranges  schwerlich  in  solcher  Güte  zu  hören. 

Max  Hehemann. 


DIE  MUSIK  IIL  5u 


FRANKFURT  A.  JUL:  Fnui  Scfatmumii-Heiiik  liane  naserer  B&kae,  mnf  der  sie  noch  sie 
gesehen  wurde,  ein  Gastspiel  als  Fides  Im  »Prophef*  xofessgty  mscirte  aber  die 
Sache  wieder  rnckcinps.  An  ihrer  Scdle  erschien  einife  Tafe  ^iier  Qttilie  Jüetzfer- 
Fnritzheim,  die  fnr  die  berfihmte  Altpartie  eine  nmfaigreidie,  wohlcd^üdele  StianM  sowie 
ein  fsnzes  Empfinden  mitbmchte  and  sdiUesslich  anch  als  geborene  Frankfdrterin  ein 
kleines  Obergewicht  in  die  Wagschale  des  Erfolges  werfen  konnte.  Unser  Heldentenor 
Forchhammer  war  an  dieser  Anffohrong  nidit  nnr  als  Darsteller  des  Johann  Ton  Leiden, 
sondern  anch  als  teilweiser  Oberarbeiter  des  einer  Nadhnlfe  gewiss  sehr  bedfirftigea 
Textes  beteiligt,  ebenso  rührten  einige  praktischen  Massnahmen  in  der  scenischen  Ein- 
richtnng  des  3.  Anfzoges  von  ihm  her.  Hans  PfeilschmidL 

HAMBURG:  In  den  letzten  Wochen  zehrte  die  Oper  in  der  Hanptsadie  Ton  Vieder- 
holnngen  der  im  ersten  Monat  in  den  Spielplan  an^goioinmenen  Verke,  nnd  nnr 
bedichtig  erweiterte  sie  den  Kreis  ihrer  Anffahrnngen«  Erwibnenswert  ist  allenCdls  eine 
Neneinstndientng  von  M^hnls  aJosef,  einem  Werke,  das  man  eigentlich  nicht  imgem 
dem  Konzertsaal  fiberlassen  wurde,  in  den  es,  seinem  StO  nach,  anch  vid  besser  passL 
Trotz  einer  recht  gnten  Anffohning  unter  Kapellmeister  Stransky  war  der  Erfolg  misslg 
und  trotz  der  als  wundervoll  bekannten  Leistung  Birrenkovens  in  der  Titrirolle  hatte  die 
Ankfindigung  des  aJosef"  genfigt,  um  die  Hamburger  am  Theater  vorbetzutreiben.  Auch 
Blechs  „Das  war  ich*  erschien  wieder  im  Repertoire,  leider  in  einer  ziemlich  tm^nck- 
lichen  Aufbssung  und  einer  reichlich  verwischten  Aufffihnmg  unter  dem  Chordirektor 
Kittel.  In  der  „Aida*  begann  lud  schloss  Frl.  Olfenberg  vom  KOlner  Stadttheater  ein 
Gastspiel.  Da  die  junge  Dame  indisponiert  war,  konnte  mau  zu  einem  abschliessenden 
Urteil  nicht  gelangen.  Aber  dass  dramatische  Rollen,  wie  die  der  Aida,  ihr  nicht  liegeti, 
Hess  sich  doch  mit  Sicherheit  feststellen.  Zwei  Konzerte  Franz  von  Vecseys  haben  dem 
kleinen  Wundermann  auch  bei  uns  allgemeine  Bewunderung  lud  stürmische  Ovationen 
eingetragen.  Heinrich  Chevalley. 

HANNOVER:  In  der  kgl.  Oper  wurde  weiter  gastiert.  Ausser  dem  schon  genannten 
Herrn  Schirmer,  der  noch  im  „Prophet*  nnd  in  „Cavalleria  nuticana*  mit 
gleich  gutem  Erfolge  wie  s.  Z.  in  „Lohengrin*  und  „Tristan*  auftrat,  bewarb  sich  noch 
Herr  Classen  aus  Köln  um  das  Heldentenorfuch.  Als  Tamino  und  Lyonel  gastierte 
femer  als  Bewerber  um  das  ebenftlls  freiwerdende  Fach  des  zweiten  lyrischen  Tenors 
Dr.  Coppony  aus  Freiburg  i.  B.,  nnd  zeigte  sich  hierin  als  stimmbegabter,  intelligenter 
Singer,  der  besonders  auch  ffir  kleinere  Spielpartieen  (David)  eine  sehr  branchbare  Kraft 
bedeuten  wfirde.  —  An  Novititen  zu  denken  ist  immer  noch  Vermessenheit 

L.  Wnthmann. 

KARLSRUHE:  Die  Karlsruher  Oper  hat  gleich  nach  dem  Ausscheiden  Felix  Mottis, 
der  nun  nach  seiner  Rfickkehr  von  Amerika  definitiv  an  die  Mfinchener  Oper  fiber- 
siedelt, eine  Premiere  und  zwar  die  hier  noch  neue  phantastische  Oper  Oflfonbachs  „HofT- 
manns  Erzählungen*  unter  Leitung  von  Hofkapellmeister  Lorentz  herausgebracht  nnd 
in  der  Feinheit  der  Einstudierung  und  der  wirkungsvollen  Darstellung  gezeigt,  dass 
sie  gesonnen  ist,  nach  wie  vor  unter  den  deutschen  Opembfihnen  eine  erste  Stelle 
zu  behaupten.  Vielleicht  noch  dentiicher  ging  das  aus  der  AuffGhrung  des  „Lohengrin* 
unter  Hofkapellmeister  Gorter  hervor,  so  prachtvoll  abgerundet  und  so  musikalisch 
plastisch  trat  das  hehre  Werk  in  der  Ffille  seiner  Schönheit  vor  uns  hin.  Nur  die 
Chöre  wollen,  wie  schon  frfiher,  hierbei  nicht  recht  mittun.  In  Fri.  Robinson  vom 
Königl.  Theater  zu  Wiesbaden,  die  vom  nichsten  Herbst  ab  die  Nachfolgerschaft  Frau 
Mottis  fibemimmt,  ward  uns  eine  schitzenswerte  Elsa  beschert  Eine  Neueinstudierung 
des  Kienzischen  „Evang^limann*  zeigte  die  Herren  Ramend  und  Bfittner  als  ungleiches 
Bruderpaar  abermals  von  vollendeter  Anschaulichkeit  in  Spiel  und  Gesang.   In  Nesslers 


383 
KRITIK:  OPER 


j^Trompeter  von  Sikkingen**  bat  Herr  Schillings-Ziemsseiiy  bektnnt  durch  seine  Kompo- 
sitiooen  vom  letzten  Basler  Tonkünstlerttg,  den  ersten  Beweis  seiner  Tüchtigkeit  tls 
umsichtiger  Opemdirigent  Albert  Herzog. 

KÖLN:  In  den  Vereinigten  Stsdtthestem  wird  ungemein  fleissig  gearbeitet  und  die  in 
fast  ubergrosser  Zahl  herausgebrachten  Opern  der  verschiedensten  Genres  zeigen 
durchweg  eine  so  gute  künstlerische  Abrundung  und  soviel  Wechsel  in  ihrer  solistischen 
Besetzung,  dass  das  zunehmende  Interesse  des  Publikums  an  der  ganzen  Art  und  Weise 
der  Direktion  Purschian  sehr  gerechtfertigt  erscheint.  Ober  den  Beginn  einer  Serie  von 
UraufTühningen  wird  demnichst  zu  berichten  sein.  Paul  Hill  er. 

LEIPZIG:  Von  der  hiesigen  Oper,  in  deren  Spielplan  Don  Juan,  Hinsei  und  Gretel, 
Bajazzo,  Louise,  Prophet,  Fidelio,  Rigoletto,  Carmen,  Troubadour  und  Euryanthe, 
einander  ablösten,  gibe  es  für  diesmal  kaum  etwas  besonderes  zu  bemerken,  wenn  nicht 
in  einzelnen  Vorstellungen  mehr  oder  minder  berühmte  Gastsingerinnen  sich  bitten  hören 
lassen.  Nach  Erika  Wedekind,  die  sich  mit  Erfolg  als  Gilda  vernehmen  Hess,  kam  Frau 
Burrian-Jelinek,  deren  Carmen  vorwiegend  als  Darstellung  interessierte,  und  schliesslich 
Frau  Schumann-Heink,  die  als  Azucena  trotz  wahrnehmbaren  temporiren  Ermüdetseins 
der  Stimme  bedeutend  zu  wirken  vermochte.  In  der  Fidelio-Aufführung  erwarb  sich 
Frau  Doenges  mit  ihrer  gesanglich  und  darstellerisch  bedeutenden  Gestaltung  der  Leonore 
sehr  herzlichen  Beiftill.  Für  die  allemichsten  Tage  steht  die  Aufführung  von  Donizetti's 
liebenswürdig  launiger  Buffo-Oper  „Don  Pasquale''  bevor,  die  auch  hier  nach  Otto  Julius 
Bierbaums  und  Dr.  W.  Kleefelds  Neubearbeitung  neueinstudiert  worden  ist 

Arthur  Smolian. 

PETERSBURG:  Im  grossen  Saale  des  Konservatoriums  haben  im  Oktober  die  Vor- 
stellungen einer  neuorganisierten  russischen  National-Oper  begonnen.  „Russlan  und 
Ludmilla**,  „Das  Leben  für  den  Zar**  von  Glinka,  „Russalka*  von  Dargomyzski,  „Rogneda* 
von  Sseroff,  „Opritschnik**,  „Pique-Dame*  und  „Eugdne  Onegin**  von  Tschaikowsky, 
„Dimon",  „Nero**  und  „Makkabier*  von  Rubinstein  und  andere  Werke  russischer  Ton- 
dichter bildeten  bis  jetzt  das  Repertoire.  —  Im  Hofopemtheater  gastierte  jangst  der  phi- 
nomenale  Bassist  Schaljapin  aus  Moskau.  Ganz  Petersburg  war  versammelt,  uni  den 
populirsten  Singer  Russlands  in  Rimsky-Korsakoflfe  Oper  „Pskowitjanka''  (Das  Midchen 
von  Pskow)  in  der  Rolle  des  grausamen  Zaren  Iwan  zu  hören  und  zu  sehen. 

Bernhard  WendeL 

ROSTOCK:  Unsere  Oper  ist  mit  mehreren  neuen  Kriften  besetzt;  die  Herren  Gross 
und  Band  sind  als  Kapellmeister  neu  eingetreten.  Eine  sehr  gute  Lohengrin- 
aufführung  eröffnete  die  Spielzeit,  deren  Hauptereignis,  eine  strichlose  Ringaufführung 
im  engsten  Anschluss  an  Bayreuth,  mit  dem  „Rheingold*  glinzend  begann.  Tollers 
meisterhafte  Spielleitung  waltete  über  dem  Ganzen,  die  Herren  Kronen  (Wotan),  Berghof 
(Alberich),  besonders  aber  Wilke  (Loge)  boten  hervorragend  gute  Leistungen.  Kapell- 
meister Gross  dirigierte  mit  künstlerischem  Verstindnis.  Prof.  Dr.  Golther. 

STETTIN:  Es  war  ein  iusserst  geschickter  Schachzug  unserer  Opernleitung,  dass  sie 
die  neue  Spielzeit  nicht  mit  naturgemiss  halbfertigen  Wagnerauffahrungen,  sondern 
mit  harmlosen  Spielopem  wie  „Wildschütz*,  „Waffenschmied*  und  „Glöckchen  des  Ere- 
miten* eröffhete.  Auf  diese  Weise  konnten  die  unvermeidlichen  Personalerginzungen 
in  aller  Stille  bewerkstelligt  werden.  Die  böse  Kritik  ging  meist  spazieren.  So  gelangten 
wir  ohne  Ärgernis  zu  einer  auf  festen  Füssen  stehenden  Othello-Erstaufführung.  Frau 
von  Putkammer  (Desdemona)  und  Herr  Leydemer  (Mohr)  leisteten  Wertvolles.  Die  Stützen 
der  letzten  Spielzeit,  Kapellmeister  Grimm,  Heldenbariton  Zarest  und  die  erste  dramatische 
Singerin  Frl.  Wille  sind  uns  zum  Glück  geblieben.  Heddi  Kaufmanns  viel  bewundertes 
Gastspiel  als  Traviata  und  Carmen  bildete  bis  jetzt  den  Höhepunkt. 

Ulrich  Hildebrandt. 


384 
DIE  MUSIK  III.  5. 


WEIMAR:  Die  Vorstison  des  Grossherzoglichen  Hoftheaters  wurde  unter  günstigeo 
Auspicien  mit  einer  Reihe  von  Neueinstudierungen  eröffnet  Die  j»Lustigen  Weiber*^ 
jyFigaros  Hochzeit*,  ,,Lohengrin''  (tus  Anlass  der  in  Weimar  tagenden  Association 
Litt^raire  et  artistique  internationale)  und  Liszts  ,,Heilige  Elisabeth*  (als  Erinnerungs- 
feier zu  des  Meisters  Geburtstag)  kamen  in  rascher  Folge  heraus;  Als  Novititen  ge- 
langten .Daa  Midchen  von  Navarra*,  lirrische  Episode  in  zwei  Aufcfigen  (hier  wurde  das 
Werk  in  einem  Aufzuge  gegeben)  von  Massenet  und  .Oor  hiusliche  Krieg*  von  Schubert 
zur  wohlgelungenen  AuffQhrung.  Massenet  hat  sich  leider,  einem  Modegeschmack 
huldigend,  von  dem  Erfolge  der  j^Cavalleria  rusticana*  so  verblenden  lassen,  dass  er  fiber 
Nacht  Verist  geworden  ist.  Dazu  fehlt  ihm  jedoch  das  Feuer  des  lulieners.  Geschickte 
Mache  allein  tut's  nicht  Ungleich  günstiger  wirkte  Schuberts  zu  neuem  Leben  erwecktes 
Opus.  Quellende  Melodik  und  gesundes  natfirliches  Empfinden  zeichnen  dieses  heitere 
Werkchen  aus.  Die  fibrigen  Opernabende  brachten  zum  grossen  Teil  recht  gute  Wieder- 
holungen der  vorigen  Saison,  so:  „Fra  Diavolo*  (mit  entzfickenden  Dekorationen),  „Waffen- 
schmied*, den  „Fliegenden  Hollinder*  und  „Fidelio*.  Carl  Rorich. 

KONZERT 

AACHEN:  Man  muss  es  dem  Leiter  der  stidtischen  Abonnementskonzerte  Prof. 
Schwickerath  nachrühmen,  dass  er  die  Programme  vielgestaltig  und  interessant  zu 
machen  weiss.  Um  die  Abonnementsftiulen  ein  wenig  zu  kitzeln,  ist  diesmal  eine  un- 
gewöhnlich grosse  Anzahl  von  Solisten  gewonnen.  Im  ersten  Konzert  eröffhete  der  hier 
etwas  wenig  gespielte  Brahma  mit  seiner  vierten  Symphonie  den  Reigen.  Ganz  wunder- 
voll ausgearbeitet  waren  die  a-cappella  Chöre  Mendelssohns  (Auf  dem  See,  Tragödie,  Jagd- 
lied). Ich  bin  überzeugt,  dass  man  ähnlich  vollendete  Darbietungen  in  Deutschland  nur 
selten  hören  kann,  im  Rheinland  sicher  nicht  Hugo  Heermann  (Geige)  spielte  ein  Jugend- 
werk von  R.  Strauss  vornehm  und  tonschön.  Heinemann  sang  unter  steigendem  Beifall 
Balladen  von  Schubert  usw.  —  Die  erste  Kammermusikaufführung  (Prof.  Schwickerath, 
Konzertmeister  van  der  Bruyn  usw.)  war  sehr  gewissenhaft  vorbereitet  Die  Klaviertrios 
Es-dur  von  Beethoven  und  Schubert  sprachen  mehr  an  als  Smetana's  düsteres  Streich- 
quartett: „Aus  meinem  Leben.*  Die  Ausführung  war  hinreissend,  der  Besuch  leider  nur 
fiau,  da  man  hier  den  Wert  der  Kammermusik  noch  nicht  erkannt  hat     Jos.  Liese. 

BERLIN:  Der  dritte  Symphonieabend  der  Königlichen  Kapelle  unter  Weingartners 
Leitung  brachte  als  Hauptwerk  Liszts  Dante -Symphonie,  die  wie  im  vergangenen 
Winter  die  Faust-Symphonie,  zu  glinzender  Wirkung  gelangte.  Nur  mit  höchster  An- 
erkennung kann  über  die  Aufführung  der  Lisztschen  Tondichtung  gesprochen  werden, 
jedes  einzelne  Instrument  kam  den  Anforderungen  des  Werkes  nach,  das  wohl  selten  so 
vollendet  erklungen  ist  Der  Eintritt  der  Menschenstimme  nach  dem  Purgatorio  wirkte 
so  befreiend,  geradezu  beseligend  wie  der  Erlösungschor  in  der  letzten  Szene  des  Parsiftl. 
Dass  die  doch  vorwiegend  klassischer  Musik  zugeneigten  Besucher  dieser  Konzerte  dem 
Lisztschen  Werke  gerade  so  wie  einer  Beethovenschen  Symphonie  zujubelten,  sei  hier- 
mit ausdrücklich  konstatiert  Zu  Beginn  des  Programms  wurden  zwei  Orchesterstücke 
von  Hans  Pfltzner  gespielt:  Vorspiele  zu  verschiedenen  Akten  von  Ibsens  „Das  Fest  auf 
Solhaug*.  Das  erste,  ein  feineres  Gebilde  voll  kontrapunktischer  Finessen,  erzählt  uns 
von  der  Sehnsucht  der  gefengenen  Margit  nach  Licht  und  Freiheit;  das  zweite  ist  ein 
fiotter,  fröhlicher  Walser.  Pfltzner  erscheint  hier  natürlicher  Im  Ausdruck,  aber  nicht 
nit  dem  stark  individuellen  Zug  wie  sonst  —  Arthur  NIkIschs  Programm  zu  dem 
dritten  philharmonischen  Konzert  enthielt  als  [Novltit  die  Symphonie  In  D-dur  von 
Tschaikowsky,  die  nur  kleine  genrehafle  Sitze,  sogar  fünf  oder  elgentiich  sechs  enthilt 
Manche  feinen  vom  Dirigenten  sorgflUtig  ausgefeilten  Klangwirkungen  konnten  nicht  über 


385 
KRITIK:  KONZERT 


den  kleinlichen  Stil  des  ginzen  Werkes  hinwegtiuschen.  Mir  scheint  überhtupt  der  Enthu- 
sitsmus  für  den  Russen  etwas  sbzufltuen,  der  RQcIcschlag  nach  der  Überschätzung  mehrere 
Jahre  hindurch  musste  notwendig  eintreten.  Glucks  Alceste-Ouvertüre  mit  einem  knapp- 
geformten  stilvoll  von  Weingartner  gesetzten  Abschluss»  die  Orchestersuite  aus  der  Musik 
zu  jyPeer  Cynt''  von  E.  Grieg  —  als  Huldigung  für  den  nordischen  Tondichter,  der 
€0  Jahre  geworden  ist  —  bildeten  den  anderen  Teil  des  Programms.  Die  Solistin  Edith 
Walker  sang  eine  Arie  der  Eboli  aus  Verdi's  »Don  Carlos"  und  die  Rezia-Arie  aus  dem 
«Oberon*  mit  wundervollem,  in  seinem  ganzen  Umfang  gleich  klangreicbem  Organ. —  Zu 
dem  Programm  des  Konzertes  der  beiden  Wagner -Vereine  Berlin  und  Berlin-Potsdam, 
das  von  Dr.  Muck  dirigiert  wurde,  könnte  man  als  Motto  ein  paar  Worte  aus  einem 
Briefe  Wagners  an  Liszt  setzen:  „In  dieser  Gegenwart  gehören  eigentlich  nur  wir  drei 
Kerle  zu  uns,  weil  nur  wir  uns  gleich  sind,  und  das  sind  du  —  er  —  und  ich.*  Mit 
»er*  war  Hector  Berlioz  gemeint  Es  wurde  Wagners  Kaisermarsch  und  die  Gralsfeier 
aus  dem  ersten  Parsifalakt,  zwei  Episoden  aus  Lenaus  Faust  „Nächtlicher  Zug*  und 
„Tanz  in  der  Dorfschenke*  von  Liszt  und  der  „Harold  in  Italien*  von  Berlioz  mit  Herrn 
Fridolin  Klingler  am  Pult  der  Solo- Bratsche  gespielt.  Das  Orchester,  erbeblich  ver- 
stärkt, auch  die  Chöre  mit  den  Solisten  (Hans  Schütz  sang  den  Amfortas)  leisteten  treff- 
liches. —  Weniger  glücklich  fiel  der  Orchesterabend  Ferruccio  Busoni's  aus,  der,  wie 
im  vorigen  Jahre,  unberücksichtigt  gebliebene  Komponisten  bekannt  machen  will,  aber 
in  seiner  Auswahl  keine  glückliche  Hand,  keinen  Geschmack  bekundet,  dazu  jedenfalls 
besser  vor  dem  Flügel  sitzt,  als  mit  dem  Taktstock  das  Orchester  dirigiert.  Vincent 
d'Indy  war  mit  der  symphonischen  Introduction  des  zweiten  Aktes  zu  TEtranger  ver- 
treten, Claude  Debussy  mit  einem  Pr6Iude  ä  Taprös-midi  d'un  Faune,  Hector  Berlioz 
mit  seiner  Marche  troyenne,  C6sar  Franck  mit  der  symphonischen  Dichtung  Les  Djinus 
<Vianna  da  Motta  spielte  die  Klavierpartie).  C.  Nielsen  aus  Kopenhagen  dirigierte  eine 
viersitzige  Tondichtung  „Die  vier  Temperamente*  und  schliesslich  wurden  „Syrische 
Tinze*  von  H.  Schenker,  instrumentiert  von  Arnold  Schönberg,  gespielt  Entweder 
war  es  unbedeutende  Musik  oder  das  Werk  kam  unter  der  wenig  geschickten  Leitung 
nicht  zur  Geltung.  —  Die  Böhmen  gaben  ihr  erstes  Konzert.  Sie  spielten  ein  neues 
Quartett  in  e-moll  von  Ewald  Straesser,  das  einen  guten  Eindruck  hinterliess.  Die 
Themen  sind  geschickt  verarbeitet,  die  Sätze  fest  geformt,  mancher,  wie  der  dritte,  wies 
einen  geistreichen,  durchaus  individuellen  Zug  auf.  Wer  dies  Quartett  gebort  hat,  wird 
sich  den  Namen  des  jungen  Komponisten  merken.  Mit  Frau  Carreüo  spielten  die 
Herren  Hoffmann  und  Wihan  Tscbaikowsky's  Trio  in  a-moll,  das  mir  nie  so  unerträg- 
lich monoton  durch  seine  Wiederholungen  von  unbedeutenden  Phrasen,  so  abspannend 
<erschien  wie  diesmal;  die  Pianistin  kam  mir  ausserdem  nicht  gut  disponiert  vor,  ihr 
Anschlag  klang  gar  zu  hart  —  Frau  Florence  Bassermann  aus  Frankfurt  a.  M.  gab 
«inen  Brahmsabend,  für  den  sie  die  Mitwirkung  Meister  Joachims,  Rob.  Hausmanns, 
Richard  Mühlfelds  und  des  Hornisten  C  Preusse  gewonnen  hatte.  Sie  zeigte  sich 
als  eine  gewandte  Kammermusikspielerin,  die  sich  in  Brahma  völlig  heimisch  fühlte: 
das  Trio  in  a-moll  für  Klavier,  Klarinette  und  Cello  hat  mir  noch  niemals  einen  solchen 
Eindruck  wie  in  diesem  Zusammenspiel  gemacht;  das  Werk  klang  durchaus  nicht  so 
apröde  wie  früher,  der  Gedankengehalt,  die  formelle  Ausgestaltung  hat  mich  diesmal 
vollständig  gewonnen.  Die  Violinsonate  in  d-moll,  das  Trio  in  Es-dur  mit  Cello  und 
Hom  wurde  meisterhaft  ausgeführt.  —  Unter  den  Liederabenden  sei  der  Lilly  Leh- 
manns zuerst  genannt;  trefflich  disponiert  stand  sie  wieder  als  die  grosse  Vortrags- 
kfinstlerin  da  und  elektrisierte  ihre  Gemeinde,  die  ihr  zujubelte.  —  Von  sonstigen 
Liederabenden  ist  nicht  viel  gutes  zu  berichten:  Julius  Berggruen,  Dr.  Ferry  Leon 
iiaben  kaum  das  Recht,  sich  schon  auf  das  Podium  zu  stellen,  der  Vortrag  ist  noch  viel 

IIL  5.  25 


386 
DIE  MUSIK  UL  5u 


zu  oniiidiTidiiell,  das  Orpoi  bei  beiden  Herreo  zu  trogen,  zu  ftrblos.  Tflly  Erlen- 
meyer  hat  erhebliche  Fortschritte  femacht^  sie  sinft  ruhiger,  wenicer  nerrös  anfj^erecjl 
und  das  Orfan,  ein  sympadüscher  Alt,  Uin^t  }etzt  aosgiebifer.  —  Das  Qnartett  der 
Damen  Grambacher  und  Behr,  der  Herren  Hess  und  Tan  Ewejk,  die  ni^t  ndn* 
von  Artnr  Schnabel,  sondern  Ton  Hinze-Reinhold  begleitet  wurden,  gßben  ihr 
erstes  Konzert  mit  Brahma  und  J.  O.  Grimm,  dessen  Liederfcranz  ans  Klans 
Groihs  Qnickbom  indessen  gtgtn  die  Brahmaache  Mnsik  recht  abfleL  Gar  zu  diirftis 
iat  die  KlaTierbesleitnng^  zn  eintönig  der  Anadmck  in  der  langen  Reihe  der  Ueiaea, 
feingeformten  Stucke.  —  Ala  KlsTierspieler  liess  si^  Herr  tou  Zadora  hören,  der  eine 
reich  entwickelte  Technik,  aber  einen  harten  Anschlag  hat  Audi  Dora  Popper  sdieint 
anzmrid  Freude  an  übertriebener  Kraftinaaening  zu  haben;  die  Grazie  flirte  diesem 
KlaTierspiel  durchana.  B.  E.  Taubert 

Vorteilhaft  f&hrte  sich  daa  Damentrio  Margarete  Eussert  (KlsTier),  Martha  Drews 
(Violine)  und  Eugenie  Stoltz  (Violoncdl)  ein;  Brahma*  o-moU-Trio  wurde  gediegen, 
DroiAks  Dumka  ganz  anagezeidinet,  besonders  in  bezug  auf  Zuaammenspiel  und  Ab- 
tönung wiedergegeben.  Weniger  vollkommene  Leistungen  wies  ein  zweites,  aus  den  Damen 
Mardia  Sanvan  (KlaTier),  Elaa  Barkowska-Fischer  (Violine)  und  Adeline  Metzdorf 
(Violoncell)  bestehendes  Trio  aul^  da  die  temperamentvolle  Pianistin  zu  robust  spielte  und 
daa  Pedal  zu  viel  gebrauchte;  auch  fend  daa  Konzert,  in  dem  die  Sopranistin  Hedwig 
Kaufmann  (Begleiter  Max  Lau rischkus)  mitwirkte,  in  einem  akustisch  ni^t  gfinstigen 
Saal  atatt  Sehr  interessant  Tcrtief  ein  skandinaTischer  Kammermnsikabend,  den  die  etwas 
reichlich  stark  spielende  Pianistin  Bella  Edwards  mit  der  Geigerin  Ets  Mudocci,  einer 
editen  Künstleiin,  Teranstahete.  FrL  Mudocd's  Spid  muss  immer  fesseln,  auch  wens 
sie  die  Grenzen  der  Ausdrucksllhigkeit  streift  und  In  der  Erregung  den  Adel  der  Ton- 
bildung Temachliaaigt  Mit  dem  Tortrefllichen  Violoncellisten  Josef  Mal kin  spielten  die 
Damen  zunichat  SIndings  erstes  ferbenprichtiges  KlaTlertrio,  aodann  eine  originelle  Suite 
f&r  Violine  und  Klavier  von  dem  hier  noch  völlig  unbekannten  Efvind  Alnoes  und  Sjögrens 
beste,  d.  h.  zweite  Violinsonate.  Die  auagezeichnete  Trio-Vereinigung  der  Herren  Artur 
Schnabel,  Alfred  Wittenberg  lud  Anton  Hekking  begann  ihre  populiren  Abende 
mit  Beethoven  D-dnr  .und  Brahma  C-dur;  die  mitwirkende  Kopenhagener  Singerin  EOen 
Beck  aang^  wie  mir  berichtet  wird,  mit  wohlklingender,  umfengreicher  Stimme  eine  An- 
zahl meiat  unbedeutender  Lieder,  deren  Gattung  Ihrem  von  Manier  nicht  freien  Vortrag 
zuaagte.  Seit  Jahren  aind  bei  una  die  Herren  Adolf  Rebner  (Violine)  und  Johannes 
Hegar  (Violoncell)  aufe  vorteilhafteste  bekannt;  statt  des  Prot  Kwaat  bildet  jetzt 
Carl  Friedberg  mit  ihnen  daa  Frankfurter  Trio,  ein  ganz  hervorragender  Pianiat,. 
dem  vl^elcht  mitunter  nur  eine  Dosis  Robustheit  fehlt;  es  war  ein  Hochgennss,  von 
diesem  Trio  Schubert  zu  hören.  Beethovens  Es-dur-Quartett  op.  127,  insbesondere  der 
Variadonenaatz,  liegt  dem  Waldemar  Mofer-Quartett  ni^t,  dagegen  soll  es  DviMks 
C-dur<)uartett  trefllidi  gespielt  haben,  wie  auch  Brahma*  Homtrio  von  Herrn  Meyer 
mit  Bruno  HInze-Relnhold  und  Hugo  Rfidel  zu  gelungener  Wiedergabe  ge- 
bracht aein  solL  Bewundenmgswert  sind  die  Leistungen  des  Stelndel-Quartetts,  daa 
Vater  Steindti  mit  aeinen  Söhnen  Bruno  (12  Jahre,  Klavier),  Max  (Wh  J^hre»  Cello)  und 
Albin  (B*/t  Jahre,  Violine)  bildet;  die  Technik  der  beiden  Streicher  iat  achon  eine  aehr 
grosae,  der  Violoncellist  sieht  sogiu*  schon  einen  sehr  schönen  Ton,  der  Klavierspieler 
ist  mtwikalisch  am  relfeten,  zeigt  aber  schon  eine  gewisse  Blaaiertheit;  der  Vater,  der  die 
Kinder  aetbat  unterrichtet^  musa  ein  auageseichneter  Pldagoge  tmd  Musiker  sein;  hoffsut* 
lieh  werden  die  sehr  ndentierten  Kinder  hervorragende  Kfinsder.  Anlisslich  des  25  jährigen 
Bestehens  der  AbounementskmzerteHeinridiGrfinfelds  war  ganz  Berlin  G.  herbeigeeilt 
tmd  iberschittete  seinen  erkUrlMi  Liebling  mit  Huldigungen.   An  den  Ehren  des  Abend» 


387 
KRITIK:  KONZERT 


hatten  auch  Xaver  Scharwenka  und  Gusuv  Hol  lind  er,  die  Mitbegründer  dieser  Kon- 
zerte nnd  Grünfelda  jetziger  Partner  Florian  Zajic  reichen  Anteil.  iVlit  dem  phil- 
harmonischen Orchester  anter  Rebicek  konzertierten  drei  Geiger.  Weiuus  der  bedeutendste 
war  Artur  Hartmann,  der  jetzt  zu  den  glinzendsten  Geigern  zu  ziblen  ist»  da  er  an 
geistiger  Vertiefung  wesentiich  gewonnen,  seine  Tonbildung  sehr  veredelt  und  seine  firfiher 
nicht  angenehmen  Manieren  völlig  abgelegt  hat.  Der  als  Mitglied  des  hollindischen  Trios 
und  Führer  des  hollindischen  Quartetts  geschitzte  Joseph  M.  van  Veen  hatte  dem  nicht 
gerade  diskret  begleitenden  Orchester  gegenüber  einen  schweren  Stand;  auch  liegt  ihm 
Solospiel  nicht.  Anerkennung  verdient  sein  Streben,  in  das  ziemlich  gleichmissige  Re- 
pertoire der  Geigerkonzerte  Abwechslung  zu  bringen;  leider  vermochte  das  ca.  15  Jahre 
alte  Konzert  von  Benoit  Hollander,  das  der  Komponist  selbst  dirigierte,  mit  Ausnahme 
des  Finale  nicht  zu  interessieren;  der  erste  Satz  erwies  sich  als  eine  Nachbildung  des 
Brahmsschen  Konzerts,  mit  dem  der  Konzertgeber  begonnen  hatte.  Ein  glücklicher  Fund 
war  die  Vorführung  eines  Violinkonzerts  von  Bach  in  g-moll,  das  W.  H.  Feltzer  nach  der 
nur  vorliegenden  Klavierbearbeitung  Bachs  in  f-moll  rekonstruiert  hat,  was  nicht  schwierig 
war,  da  die  im  Original  vorhandenen  Violinkonzerte  Bachs  auch  in  einer  Klavierbearbeitung 
(immereinen  Ton  tiefer)  vorliegen;  besonders  der  langsame  Satz  ist  eine  echte  Bachsche  Perle. 
Dass  ein  Franzose  sich  an  Brahms'  Violinkonzert  wagt,  ist  sehr  löblich,  aber  er  muss 
dann  doch  ein  anderer  Geiger  sein  als  Lucien  Durosoir.  Zusammen  Hessen  sich  Alma 
Pankenin,  eine  Altistin  von  hervorragenden  Stimmmitteln  und  ansprechender  Vortrags- 
art, und  die  junge  Prager  Geigerin  Irene  Streiten fels,  von  Otto  Bake  vortrefflich  be- 
gleitet, hören.  Aus  der  für  das  rein  Technische  ganz  hervorragend  begabten  Geigerin 
kann  eine  grosse  Künstierin  werden;  sie  wird  gut  tun,  noch  einmal  in  strenge  Schulung 
anderer  Richtung  sich  zu  begeben.  Mit  Unterstützung  des  vortrefPlichen  Geigers  Michael 
Zacharewitsch  konzertierte  Adele  Meina,  der  die  Aussprache  des  Deutschen,  wie  mir 
berichtet  wird,  noch  grosse  Schwierigkeiten  macht;  die  technische  Behandlung  ihrer 
Stimme  und  auch  die  Phrasierung  Hessen  namentiich  in  den  französischen  Gesingen 
eine  gute  Schule  erkennen.  Das  Streichorchester  Berliner  Tonkünstlerinnen 
gab  sein  erstes  diesjihriges  Konzert  unter  Mitwirkung  von  Karl  Kimpf  (Harmonium) 
nnd  des  rasch  zur  Beliebtheit  gekommenen  Duettpaares  Margarete  Palm  und  Eugen  B  rieger. 
Wenn  doch  die  Damen  sich  mehr  nach  den  Intentionenen  ihres  das  Beste  wollenden 
Dirigenten  Willi  Benda  richten  wollten I  Im  Tonkünstierverein  konnte  ich  leider  nur 
einige,  von  Frau  Sandow-Herms  mit  der  ihr  eigenen  Anmut  vorgetragenen  Lieder  von 
Fritz  Fnhrmeister  hören,  dem  doch  manchmal  auch  etwas  Wertvolles  (z.  B.  Traumsommer- 
nacht) einfillt  Unbedeutend  sollen  Lieder  von  R.  J.  Eichberg  und  auch  eine  Manuskript- 
sonate für  Fagott  und  Klavier  von  O.  Malau  gewesen  sein,  die  Franz  Krueger-Ny  stedt 
und  Dr.  Franz  Knhlo  vortrefflich  vortrugen.  Endlich  unterzog  sich  Herr  Joh.  Schroeder 
nnd  Dr.  Kuhio  der  undankbaren  Auflgabe,  drei  Stücke  für  Violine  und  Klavier  von  Arnold 
Mendelssohn  lebensfihig  zu  machen.  Noch  immer  werden  Konzerte  für  den  Lortzing- 
Denkmal-Fonds  veranstaltet;  wieder  hatte  sich  der  Blochsche  Gesangverein  dieses 
guten  Zweckes  angenommen;  er  erzielte  mit  E.  E.  Tauberts  stimmungsvollem  .Du  Abend- 
klang* und  Reineckes  »Der  verratene  Freier*  eine  schöne  Wirkung;  den  Hauptbeifall  aber 
heimsten  Frau  Lieban-Globig  und  Julius  Lieban  ein.  Dr.  Wilh.  Altmann. 

Die  kfinstierische  Ausbeute  der  letzten  Wochen  war  nur  gering.  Viel  Fallobst  und 
wucherndes  Unkraut,  viel  Mühe  und  Krafftverschwendung  um  —  nichts  I  Ein  reproduk- 
tiver .Durchschnitt*,  nicht  nhig  zum  Leben  und  zum  Sterben,  ein  Sklaventum  der  Un- 
kunst  nnd  technischer  Unfertigkeit  ohne  Mass  nnd  Einsicht,  ohne  Achtung  nnd  heilige 
Scheu,  ohne  Priesterweihe  und  -Würde.  Kunst  ist  ein  Kulturbegriff  und  ein  ethisches 
Gesetz  sagt:  .Du  soUst  die  Wege  siubem  und  den  Boden  lockern.*    .Du  sollst  die  Pilze 

25* 


388 
DIE  MUSIK  III.  5. 


bekimpfen  und  die  Engerlinge  zertreten,  auf  dtss  das  Schöne  spriesst  und  der  gute 
Baum  Frucht  trigt  nach  aetner  Blüte.«  Wer  aeinen  Garten  wahrhaft  liebt,  wer  auf  Hoch- 
kulturen  sieht,  muaa  jiten  und  harken  um  der  —  Blumen  willen.  Was  da  atichlich-suchlich 
wie  Distel  und  Dom,  waa  da  wickentoll  zum  Himmel  schiesst,  und  wie  Quecken  und 
Kuhblumen  zu  Häuf  sich  brüstet  und  breitet:  das  hat  keinen  Platz  im  Garten  der  Kunst 
Dass  sie  es  nicht  wahr  haben  wollen,  dass  Schönheit  und  Zweck  unlösbar!  Wir  kranken 
an  zweckloser  Kunst  Und  der  Fluch  der  Reproduktion  ist  der  Mangel  an  Reife  und 
künstlerischer  Berechtigung.  —  Sympsthisch  berührten  Margarete  Palm  und  Eugen 
Br leger.  Beiden  wünschte  man  mehr  Kern  und  Schlagkraft,  Konaonantik  und  Hart- 
metall. Der  Dame  eine  plastischere  Aussprache,  ssttere  Tiefe  und  festgefssstere  Höhe; 
dem  Herrn  eine  bessere  Atemftinktion  und  grössere  Gestaltungskraft.  Das  Beste  haben 
aie:  Weichheit  und  Klang,  Liederluat  und  Sangesftvudigkeit  —  Cateau  Keasler- Ober- 
meyer: ein  Mezzosopran  mit  auagiebiger  Tiefe,  hohlklingender  Höhe,  aber  von  be- 
deutender Kraft  und  Spannung.  Der  Mangel  an  einheitlichem  Klang,  gewiase  Sprödig- 
keiten  und  Unvollkommenheiten,  achwichliche  Vortragskunst  drücken  das  Gute  auf  ein 
Niveau  herab,  daa  weit  unter  der  atimmlichen  Beanlagung  liegt.  Eine  Cello -Sonate 
op.  41  von  J.  Röntgen  hielt  aich  als  solide  tüchtige  Arbeit  auf  der  mittleren  Linie,  trotz 
Jacquea  van  Liers  bedeutenden  Au^utzes.  —  Ein  Sonnenblick  inmitten  trüber  Finsternis: 
Jolanda  M6rö.  Das  erste  wshrhafte  Talent  unter  den  Jüngern  und  Jüngsten.  Ein  Voll- 
blut, rassig  und  sprühend,  voll  unbindiger  Kraft  und  achiumendem  Temperament,  ehern 
im  Anschlag,  und  doch  weich  wie  Trsum,  eine  Pianiatin  und  Klavieristin  zugleich.  Die 
.Davidsbündler«  waren  ein  wilder  Pusztsunz,  kein  Schumann,  aber  Ton  für  Ton  originell, 
voll  Physiognomie  und  Charakter.  Man  achaute  neues,  fremdes  und  seltsames,  jihe 
Tiefen  voll  Inbrunst  und  Leidenschsft  und  den  süssen  Zauber  echter  Poesieen.  Fehlt 
zur  Reife  eine  natürliche  Auagleichung  der  Gegenaitze,  die  dynamischen  Mittelstufen, 
und  jenes  weise  Mass  der  Würde,  das  der  Zukunft  vorbehalten.  —  Ala  klassischer 
Gegensatz:  Sandra  Droucker.  Zweifelaohne  eine  hochbegabte  pianistische  Intelligenz 
und  glinzende  Musikerin.  Die  Technik  znverlissig  und  klar,  ohne  Wucht  und  Grösse, 
aber  zart  im  piano  und  flüssig  im  Pssssgenwerk.  Aber  Kunst  und  Seele  ohne  Blut  und 
sinnliche  Glut:  ein  Gemisch  virtuoser  Brillsnz  und  ungeheuerer  Kühle.  „Kreissler" 
surb  sn  Monotonie.  Statt  toller  Ironie  phanustischen  Spuks:  Grabesstille  und  Marmor- 
kilte.  Dagegen  Glazounow'a  Variationen,  welch  apielerlach  interessante  Klavierleiatung:  wie 
durchdacht,  fein  und  sauber  ausgesrbeiteti  —  Dszu  Mark  Günzburg:  ein  ezcellenter 
Techniker  und  Geschwindspieler.  Dss  Lsrgo  e  mesto  Beethoven  op.  10  No.  3  flüssig  und 
klar  gespielt,  ohne  Schluchzen  und  Trinen,  so  recht  ohne  slle  Aufiregung  und  qualvolle 
Tiefe.  Und  die  Schumann- Sonate  Liszts?  Wsrd  sie  der  Grösse  gerecht,  und  den  süssen 
Augenblicken?  —  Sodann  die  „Caecilia  Melodie*  unter  der  Leitung  Max  Eschkes: 
Hochachtbare  Leistungen  und  exakt  ausgearbeitete  Chöre.  Das  Bassfundament  besonders 
gut  Jacques  van  Lier  im  leidigen  Boccherini  elegant  und  graziös.  —  Zuletzt  Annemarie 
Httber,  wohl  eine  der  beaten  Stimmen,  ala  Material  gefesat,  unter  den  bisher  vergeblich 
Ringenden.  Hilt  die  Entwicklung  des  Organea  und  die  Zucht  der  Mittel  (mehr  Griff  und 
massiveres  Anpacken  der  Konsonanten,  vollendetere  Atempresse)  nur  annihrend  Schritt  mit 
ihren  Vortragsgaben,  so  ist  eine  Sangeszukunft  gewiss.  Max  Schwarz  und  Frau,  Blanche, 
bitten  das  Allegro  brillant  von  Mendelssohn  sich  und  uns  besser  ersparen  können:  die  Kom- 
poeition  passt  füglich  nicht  mehr  für  unsere  2^it  Der  Künstier  spielte  op.  1 1 1  von  Beethoven 
akademisch  kühl  und  in  Jener  mehr  objektiv  historischen  Auffsssung^  für  die  Bülow  zu- 
wetten  schwirmte.  Ich  glaube,  man  kann  aie  auch  anders  spielen.  Wenigstens  hörte  ich 
sie  grandioser,  kühner  und  leidenschaftlicher,  rhythmischer  und  polychromer.  —  Wss 
sich  sonstens  vernehmen  Hess,  steht  ausserhalb  isthetischer  Gesetze.  Nur  Marie  Bender 


389 
KRITIK:  KONZERTi 


^ 


sei  um  der  guten  Grundlagen  und  ihres  Temperamentes  willen  erwihnt  Auch  der  blinde 
Planist  Michel  Michalowicz  darf  mit  Rficksicht  auf  die  physische  Behinderung  mit 
Achtung  genannt  werden.  Der  Reat:  Alma  Johanna  Schmidt,  Ida  Reman,  Louise 
Heymann-Göttinger,  Dorothea  HQbner,  Hedwig  Jacob-Anspach,  Anna  Ro  ther, 
Elsa  Berny  kommt  teils  aus  technischen,  teils  sus  musikslisch-kQnstlerischen  Gründen 
im  einzelnen  nicht  niher  in  Betracht.  Rudolf  M.  Breithaupt 

BREMEN:  Das  Hsuptereignis  der  letzten  Wochen  bildete  die  erstmslige  Auff&hrung 
des^Don  Qulzote*,  von  Richsrd  Strauss,  dem  das  Phiihsrmonische  Orchester  unter 
Panzners  genialer  Leitung  eine  meisterhafte  Wiedergsbe  zu  teil  werden  Hess.  Kaum 
irgend  ein  anderes  Werk  des  grossen  Symphonikers  erweckt  solche  Bewunderung  seiner 
unvergleichlichen  Charakterisieningskunst,  ksum  eines  sber  such  solches  Bedsuem  fiber 
seine  Neigung,  dss  Gebiet  der  Tonkunst  zu  erweitem  durch  Überschreitung  ihrer  natür- 
lichen Grenzen.  —  Stürmischen  Erfolg  erzielte  die  Phiihsrmonische  Ksmmermusik 
(Klavier:  Bromberger)  mit  dem  jungst  in  Basel  schon  gebrachten  Klavierquartett  unseres 
Konzertmeisters  Psul  Scheinpfiug.  Das  glänzend  gesrbeitete,  unerhört  schwierige  Werk 
trigt  trotz  eines  gewissen  jugendlichen  Oberschwanges  und  übergrosser  Kühnheit  das 
Gepräge  echter,  ernster  Künstlerschsft  und  bedeutenden  Könnens.  —  Von  suswirtigen 
Solisten  feierte  Yssye  mit  dem  Bachschen  E-dur-Konzert  und  mit  Lalo's  j^Symphonie 
Espagnole**  wohlverdiente  Triumphe,  von  einheimischen  hatte  der  Pianist  Hsns  Heinemann 
erfreulichen  Erfolg  mit  einem  »Liazt-Abend**.  Ehrenvolle  Erwähnung  verdient  endlich 
ein  Unionskonzert  der  »Neuen  Singakademie"  unter  ihrem  verdienstvollen  Dirigenten 
Ed.  Nössler,  wobei  seine  nsch  längerer  Psuse  mit  prächtigen  Liedervorträgen  wieder  an  die 
Öffentlichkeit  tretende  Gsttin  nsch  Gebühr  gefeiert  wurde.  G.  Kissling. 

BrONN:  Mit  einem  flotten  Tempo  hat  die  Konzertssison  eingesetzt.  Sowohl  die  Phil- 
harmoniker (Veit)  als  auch  das  Musikvereinsorchester  (Frotzler)  haben  schöne  Erfolge 
zu  verzeichnen.  Ersteren  gelang  besonders  Rimsky-Korsskows  «Scheherezsde*,  letzteres 
lieferte  durch  die  Vorführung  der  Hsrold-Symphonie  (Solo-Viols  A.  Ros6)  einen  neuen 
Beweis  seiner  Entwicklungsfähigkeit  Von  den  zshireichen  Versnstaltungen  des  .Deut- 
schen Hsuses**  seien  u.  s.  gensnnt  die  Konzerte  von:  Alfred  Grünfeld,  Sonjs  Herms, 
Karl  Prill,  Am61y  Heller  und  Werner  Alberti.  Siegbert  Ehrenstein. 

CHEMNITZ:  In  fünf  Symphonie-Konzerten  und  einem  Abonnement-Konzert  der  Stadt- 
kapelle (Max  Pohle)  dominierte  das  symphonisch -orchestrale  Moment  neben  der 
Mozartschen  Klassik  des  Spätrokoko  mit  Tschsikowsky's  grosszügiger  „Pathötique**,  Sindings 
interesssnter  d-moll-,  Brahma'  wunderbarer  D-dur-  und  Alb.  Fuchs'  volkstümlich  wsrmer 
Es-dur-Symphonie,  wobei  Programmmusik  von  Volkmann,  Weber,  Liszt,  Heinrich  Hof- 
mann, Rieh.  Strauss  u.  a.  die  wertvolle,  in  hervorragender  Ausführung  gespendete  Kost 
vervollständigte.  In  einem  Beethoven-Abend  (Stadtkapelle,  Felix  Weingartner  ala  Gast- 
dirigent) feierte  Alf^^  Reisensuer  mit  des  Alltitanen  G-dur-Konzert  einen  namhaften 
Triumph,  während  als  weitere  Solisten  Fr.  Dietrich  (Violin-Konzerte  von  Brshms  und 
Tschalkowaky),  Max  Behrens  (Klsviersoli  von  Bsch,  Chopin,  Schumann  und  Moazkowsky) 
und  Josephine  Hartmann  starke  Erfolge  hstten.  Auf  dem  Gebiet  des  Liedes  und  der  in 
den  Konzertsaal  verpflanzten  Arie  sammelten  Frau  Schumann -Heink,  Maud  Biring, 
Frida  Hartkopf  und  Eva  Uhlmann  reichliche  und  wohlverdiente  Lorbeeren.  —  Ein  neues 
Blatt  fügte  seinem  Ruhmeskranze  der  Musikverein  (Franz  Mayerhoff)  durch  die  tadelloae 
Vorbereitung  und  musterhafte  Aufführung  von  Liszts  „Legende  der  heiligen  Elisabeth* 
bei.  —  Lebhsftes  Interesse  und  beifällige  Aufnahme  fand  ein  Kammermuaikabend  für 
Originalwerke  für  2  Klaviere  (Mozart,  Clementi,  Th.  Kirchner,  O.  Hoffmann)  und  Lieder 
(Loewe,  Franz,  Schubert,  Weber)  von  Unterzeichnetem  und  Rose  Gerlsch,  die  mit 
Temperament  und  Geschmack  sehr  anerkennenawerte  Proben  musikalisch  gut  fundierter 
pianlatischen  und  gessnglichen  Leistungsfähigkeit  sblegte.  Osksr  Hoffmann. 


390 
DIE  MUSIK  III.  & 


DANZIG:  Der  erste  Ktmmermusik-Abend  von  Binder  (Klavier),  Davidsohn  (erste 
Geige),  Wemicke  (zweite  Geige),  Seidel  (Bratsche),  Becker  (Cello)  brachte  das  ideen- 
reiche, formenschöne  g-moll-Klavierquintett  von  Brahma  in  schwungvollster  Ausf&hning» 
nnd  das  doch  schon  sehr  „romantiach'-monologiache,  rhapsodische  f-moU-Quartett  op.  96 
von  Beethoven,  vorher  Haydn  op.  77,  1;  der  zweite  das  bis  auf  ein  etwas  zu  echt 
Schumannisches  langes  S^mkopengeschiebe  wenig  originale  Quintett  op.  41  von  R.  Scha- 
mann, und  das  wenig  Beethovensche  op.  18,  VI;  dann  aber,  glinzend  ausgef&hrt,  das 
Trio  op.  50  von  Tschaikowsky,  j^zum  Andenken  eines  grossen  Künstlers.*  Willy 
Helbing  gab  ein  zweist&ndiges  Klavierkonzert  im  Raum  von  Bach  bis  Brahma, 
Bach  klar  aber  atarr,  Mozart  und  Beethoven  modern  textwidrig,  alles  neuere  aus- 
gezeichnet durch  feine  Klangwirkung  und  hohe  Virtuoaitit;  auch  innerlich  interessant 
—  Im  Orchesterverein  bewies  Hinze-Reinhold,  indem  er  das  mit  Recht  vergessene  A-dur- 
Konzert  von  Mozart  und  das  mit  Unrecht  unvergessene  A-dur-Konzert  von  Liszt  spielte, 
dass  im  Sinne  des  Autors  und  der  Zeit  zu  spielen  Mozart  schwerer  ist,  als  bei  höchster 
Virtuositit  Liszt  Das  Orchester  spielte  die  Ouvertüre  in  D  von  Mozart  in  Wfillners 
Arrangement  vortrefflich,  die  Symphonie  in  F  von  Brahma  anerkennenawert   Dr.  C.  Fuchs. 

DESSAU:  Das  erste  Konzert  der  Herzoglichen  Hofkapelle  bot  in  vorzüglicher  Wieder- 
gabe Mozarts  Jupitersymphonie  und  Smetana'a  Ouvertüre  zu  „Die  verkaufte  Braut*. 
Die  Gesangssolistin  war  Frau  Schumann-Heink,  die  mit  der  Vitellia-Arie  aus  Titus  und 
mit  Liedern  am  Klavier  sich  als  eine  unserer  hervorragendsten  Gesangskünslerinnen 
erwies.  Im  zweiten  Konzert  gelangte  Bizets  Suite  »Roma*  und  Beethovens  „Achte* 
zu  Gehör;  ausserdem  stellte  sich  Konzertmeister  Bruno  Ahnert  mit  dem  A-dur- 
Violinkonzert  von  Sinding  und  kleineren  Stücken  von  Bach  und  Schubert  ala  vor- 
züglicher Geiger  vor.  Das  Programm  des  ersten  Kammermusikabenda  füllte  Beethovens 
Streichquartet  op.  18  No.  6  und  das  Klaviertrio  von  Rubinstein  op.  52,  in  welch  letzterem 
Franz  Mikorey  den*  Klavierpart  zu  hervorragender  Geltung  brachte.  Erwihnenswert  ist 
noch  ein  Philharmoniaches  Konzert  des  Windersteinorchesters.  In  dem  Solisten  des 
Abends,  Telemaque  Lambrino,  lernten  wir  einen  Pianisten  von  bedeutenden  künstlerischen 
Qualititen  kennen«  Ernat  Hamann. 

DORTMUND:  Der  lOOjihrigen  Geburtstagsfeier  von  Hektor  Berlioz  war  das  erste 
Musikvereins*Konzert  gewidmet  „Fauats  Verdammung*  gelangte  unter  Janssens 
impulsiver  Leitung  zu  erfolgreicher  Aufführung.  Unter  den  Solisten  ragte  Prof.  Mea- 
schaert  als  Mephisto  hervor,  der  eine  Cbarakterzeichnung  von  unwiderstehlicher  Gewalt 
schuld  iHUirend  v.  Fossard  (Fauat)  und  Frl.  Becker  (Gretchen)  Durchachnittsleistungen 
nicht  überschritten.  —  Das  erste  Solistenkonzert  des  philharm.  Orchesters  gestaltete  si^ 
zu  einem  Wagner-Liazt-Abend.  Hüttner  wuaste  im  Vorspiel  zu  den  „Meistersingern* 
und  zum  „Lohengrin*  in  der  kunstvollen  Stimmenverwebung  die  klarlkssliche  Abtönung 
und  den  charakteristischen  Ausdruck  darzulegen,  und  Liazts  „Mazeppa*  gestaltete  sich 
zu  einem  Glanzpunkt  technischer  Ausführung.  Als  stimmgewaltiger  dramatischer  Singer 
bewihrte  sich  Dr.  Felix  Kraus,  und  Willy  Eickemeyer  offenbarte  im  Klavierkonzert 
A-dnr  und  einigen  selten  gehörten  Soli  von  Liszt  ein  glinzendes  Rüstzeug  technischer 
Fertigkeit  —  Ein  von  echt  weiblicher  Gewissenhaftigkeit  und  poetischem  Dufte  getragenes 
Spiel  bot  die  Pianistin  Anna  Haasters-Zinkeisen  im  ersten  Homungschen  Künstler- 
konzert^  und  ein  schimmernder  Glanz  technischer  Bravour  durchflutete  die  von  Mary 
Mfinchholf  gesungenen  Arien  „No  che  non  sei  capace*  von  Mozart  und  „Una  voce 
poeo  li*  von  Rossini,  denen  die  auf  einen  aeelischen  Gnindton  gestimmten  Lieder 
nachstanden.  Heinr.  Bfille. 

DRESDEN:  Im  zweiten  Symphoniekonzert  (Serie  A)  der  Königt  Kapelle  erzielte  Anton 
DvoMks  JL  Symphonie  (d-moll)  eine  überaus  starke  Wirkung^  die  sie  sowohl  ihrem 


391 
KRITIK:  KONZERT 


Reichtum  an  edler,  schöner  Melodik,  als  auch  der  knappen  und  prägnanten  Form  sowie 
der  künstlerisch  bedeutenden  Arbeit  zu  danken  hatte.  Die  für  Dresden  neue  Symphonie 
«rginzte  das  Gesamtbild  dieses  hochbedeutsamen,  reifen  JMusikers  um  so  glücklicher,  als 
«r  hier  auf  die  Verwendung  slawisch-nationaler  Weisen  verzichtet.  Sehr  interessant  ver- 
lief ein  historisches  Posthomkonzert,  das  der  Orchesterverein  «Philharmonie''  veranstaltete. 
Dieser  Verein  setzt  sich  lediglich  aus  Postbeamten  zusammen  und  das  über  70  Mann 
starke  Orchester  besteht  aus  ehemaligen  Militärmusikem,  die  jetzt  im  Dienste  der  Reichs- 
post stehen;  Dirigent  ist  der  frühere  Militirkapellmeister  C.  Bornschein.  Das  Pro- 
gramm wies  lediglich  Stücke  auf,  in  denen  das  Posthorn  Verwendung  gefunden  hat. 
Bach  und  Hindel  sprachen  da  zuerst  mit,  dann  folgten  Werner  und  Spohr.  Besonderes 
Entzücken  erregten  die  drei  deutschen  Tänze  von  Mozart,  von  denen  der  dritte  mit  den 
«inander  antwortenden  Homrufen  der  Postillone  geradezu  stürmische  Begeisterung  er- 
weckte. Ein  Marsch  von  Edmund  Kretschmer  mit  einem  vierstimmigen  Chor  von 
chromatischen  Ehrenposthörnem  der  Reichspost  schloss,  vom  Komponisten  selbst  dirigiert, 
das  Konzert  ab,  in  dessen  Verlauf  Emilie  Herzog  eine  Anzahl  von  Liedern  sang,  die 
auf  die  Post  Bezug  haben.  —  Von  den  Solistenkonzerten  stand  der  Liederabend  von 
LiUi  Lehmann  obenan,  deren  bewundernswerte  Kunst  wieder  einen  uneingeschränkten 
Triumph  feierte.  Dagegen  vermochte  Mary  Münchhoff  nicht  alle  Hoffnungen  zu  erfüllen,  die 
man  nach  auswärtigen  Berichten  auf  sie  gesetzt  hatte.  Ein  einheimischer  junger  Künstler, 
Rudolf  Feigerl,  führte  sich  in  einem  eignen  Klavierabend  als  tüchtiger,  mehr  solider  als 
hinreissender  Pianist  ein.  Der  erste  Quartettabend  der  von  Hofkonzertmeister  Lewinger 
geführten  Kammermusikvereinigung  brachte  als  Neuheit  ein  schönes  Variationenwerk  von 
Sinigaglia  und  als  pianistiscben  Gast  Waldemar  Lütscbg.  F.  A.  Gei ssler. 

ESSEN:  Unter  Wittes  Leitung  brachte  uns  das  erste  Musikvereins-Konzert  das  Vorspiel 
zum  dritten  Akt  aus  dem  „Pfeifertag"  von  Max  Schillings  und  Straussens  sym- 
phonische Phantasie  »Aus  Italien*".  Rose  Ettinger  bewies  ihre  staunenswerte  Virtuosität 
in  der  Arie  aus  Mozarts  „11  t6  pastore",  wandte  ihre  Kunststückchen  aber  leider  auch 
bei  verschiedenen  alten  Volksliedern  und  Gesängen  von  Brahms  an.  Der  neue  Konzert- 
meister des  städtischen  Orchesters,  Herr  Kosman,  führte  sich  mit  dem  Violinkonzert 
von  Tschaikowsky  glänzend  ein.  Max  Hehemann. 

FRANKFURT  A.  M.:  Von  Anton  Brückner  ist  nun  auch  die  neunte,  die  „gotische** 
(weil  aus  der  Betrachtung  des  Wiener  Stephansdoms  inspirierte)  Symphonie  in  Frankfürt 
«ingeführt  worden,  und  zwar  in  einem  Opemhauskonzert  durch  Kapellmeister  Dr.  Rotten- 
berg, der  schon  bei  zwei  früheren  Gelegenheiten  tatkräftige  Bruckner-Propaganda  betrieben 
hat.  Diesmal  schien  sie  besonders  erfolgreich;  das  von  fast  dämonischem  Geist  erfüllte 
Scherzo  hat  sicherlich- Eindruck  hinterlassen.  —  Eine  andere  d-moll-Symphonie,  komponiert 
von  dem  ungarischen  Musiker  E.  v.  Dohnanyi,  präsentierte  zuerst  der  Museumskapell- 
meister  S.  von  Hausegger;  das  Werk  redet  auch  von  grossen  Absichten,  besitzt  gleichfalls 
ein  anziehendes  Scherzo,  lässt  aber  im  übrigen  auf  nicht  allzuviel  schöpferische  Kraft 
schliessen.  Der  Komponist  trat  gleichzeitig  als  Pianist  in  Liszts  Es-dur-Konzert  auf,  hier 
mit  unfraglichem  Erfolg.  Noch  freudiger  denken  wir  eines  anderen  Museums-Abends, 
wo  der  neue  Dirigent  sich  in  Wagners  Faust- Ouvertüre  und  Siegfried -Idyll  sowie  in 
Liszts  Dante-Musikdichtung  aufe  Schönste  bewährte  und  namentlich  den  Ausdruck  er- 
achüttemder  Wahrheit  in  der  Ouvertüre  fand.  Frau  Brema  sang  bei  dieser  Gelegenheit 
Wagners  Kompositionen  der  Wesendonckschen  Lieder  mit  Orchesterbegleitung,  durch 
welche  diese  Lyrika  stark  dem  Dramatischen  angenähert  werden.  —  Rühls  Gesangverein 
brachte  in  seinem  ersten  Abonnementskonzert  eine  Wiederholung  der  von  ihm  hier  ein- 
^führten  „Seligkeiten*  C6sar  Francks  in  einer  soliden,  nur  bei  Einzelheiten  nicht  ganz 
zulänglichen   Darstellung.    —   Originell   machte  sich  ein  skandinavischer  Liederabend, 


392 
DIE  MUSIK  III.  5. 


gegeben  von  Frtu  A.  UUtcker  und  Tenor  Ejnar  Forchhammer.  Das  Programm  sehdpfte 
ganz  aus  der  musikalischen  Produktion  des  Nordens  und  befreundete  den  Hörer  besonders 
mit  der  Kunst  Chr.  Sindings.  —  Auch  der  Tenorist  Richard  Fischer  gab  einen  in  Prosramm 
wie  in  Ausführung  Beachtung  verdienenden  Liederabend.  —  Am  Klavier  waren  nach 
einander  zwei  Meisterinnen  zu  bewundem:  Clotilde  Kleeberg  und  Frieda  Kwast-Hodapp. 

Hans  Pfeilschmidt. 

GLASGOW:  Unser  „Palette  Club'S  ^^^  ^^^  edelsten  Typus  populärer  Musik  unserer 
Stadt  reprisentiert,  erfreute  tms  in  seinem  ersten  Monats -Konzert  mit  DvoFnks 
Neuer  Welt- Symphonie,  der  sich  die  „Rienzi-Ouverture*'  und  Violin-Soli  von  Horace 
Fellowes  wirksam  anreihten.  Frederic  Lamond,  unser  auch  im  Ausland  rühmlichst 
bekannter  Landsmann,  erzielte  —  nach  fünfjähriger  Abwesenheit  vom  heimatlichen 
Podium  —  mit  einem  Recital  (Chopin -Polonaise  in  As»  Liszts  Tarantella  etc)  grossen 
Erfolg.  Auch  ein  anderer  Glasgower  hat  die  Aufmerksamkeit  der  musikalischen  Welt 
in  der  letzten  Zeit  auf  sich  gelenkt,  das  ist  Mr.  McAlpin  mit  seiner  Preis-Oper:  ,,Krenz 
und  Halbmond^.  Die  Mood-Manner-Company  brachte  das  Werk  hier  zur  Auffühmng. 
Ungenügende  Proben  haben  leider  diese  unzweifelhaft  bedeutende  Schöpfung  hier  um 
einen  vollen  Erfolg  gebracht  Eine  ganze  Reihe  von  Solisten-Konzerten  hat  uns  dieser 
erste  Wintermonat  auch  schon  beschert.  Ich  hörte  Miss  Toggarts  Vortrag  von  Nardini's 
Violin-Sonate  in  D,  und  Rheinbergers  Duo-Sonate  in  Es.  Künstlerisch  bedeutender  er- 
schienen mir  Mr.  Hendersons  Solo-Vortrige:  besonders  D'Alberts  Gavotte  und  Musette 
aus  der  Suite  in  d-moll,  und  Schumanns  Romanze  in  Fis.  H.  J.  C. 

HAMBURG:  Arthur  Nikisch  wird  einen  netten  BegriflP  von  den  getreuen  Besuchern 
der  philharmonischen  Konzerte  bekommen  haben.  Als  er  nimlich  neulich  den 
Versuch  machte,  in  unsrer  Brahminenstadt  den  hat  gänzlich  unbekannten  Brückner  zu 
Worte  kommen  zu  lassen,  indem  er  die  neunte  Symphonie  des  viel  Geschmihten  auf- 
führte, rührte  sich  nach  dem  ersten  Satz  keine  Hand,  da  das  p.  t.  Publikum  einfich 
nicht  gemerkt  hatte,  dass  der  Satz  zu  Ende  war.  Erst  als  Nikisch  gar  keine  Miene 
machte,  weiter  zu  dirigieren  und  man  sah,  dass  die  Musiker  ihre  Instrumente  bei  Seite 
legten,  roch  man  Lunte  und  nach  einer  Pause  von  vielleicht  zwei  Minuten  setzte  der 
BeiftU  ein,  für  den  Nikisch  denn  auch  die  entsprechende  Dankadresse  bereit  hatte  in 
einem  vielsagenden  Blick.  Ich  habe  mir  in  dieser  Pause  geschworen,  nie  wieder  ein 
Wort  des  Vorwurf^  an  Nikisch  zu  richten,  wenn  er  für  Hamburg  bei  dem  engen  Kreis 
»altkreditierter''  Symphonieen  und  Ouvertüren  bleibt  Die  Beurteilung,  die  Brückners 
Werk  in  der  Presse  gefunden  hat,  empfahl  sich  durch  Ruhe,  Vornehmheit  und  das  Be- 
streben, abweichende  Ansichten  würdig  zu  iussem.  Nur  eine  unwürdige  Stimme  trug 
eine  Dissonanz  in  die  Debatte.  —  Max  Fiedler  hat  zwei  seiner  schönen,  anregenden  Kon* 
zerte  hinter  sich  und  namentlich  mit  seinem  Tschalkowsky-Abend  sich  und  dem  Meister^ 
den  der  Abend  ehren  sollte,  ein  den  Moment  überdauerndes  Denkmal  gesetzt.  —  Der 
Kompositionsabend,  den  Alphonse  Maurice  veranstaltete,  trug  den  Interpreten  seiner  Lieder». 
Frau  Knüpfer-Egli  und  Herrn  Jörn  rauschende  Ehren  ein,  und  dem  Schöpfer  der  Gesinge 
blieb  die  Anerkennung  der  Wissenden  nicht  vorenthalten.         Heinrich  Chevalley. 

HANNOVER:  Das  zweite  Abonnements-Konzert  des  Königl.  Orchesters  bescherte  uns 
unter  Kotzkys  energisch-temperamentvoller  Leitung  eine  restlos  gelungene  Vor» 
führung  von  Tschaikowsky's  «Symphonie  path^tique''  sowie  hochachtbare  Darbietungen 
von  dem  Vorspiel  zu  d'Alberts  „Rubin*  und  dem  Scherzo  aus  der  „Wallenstein- 
Symphonie"  von  Rheinberger.  Mitwirkend  war  der  Violoncellist  Grützmacher  aus  Köln^ 
der  mit  DvoHks  Konzert,  weniger  mit  den  zu  sentimental  angefsssten  kleinen  Soli  einen 
hübschen  Erfolg  erzielte.  —  Aus  der  Flut  der  vielen  sonstigen  Konzerte  seien  erwfthnt: 
das  des  Pianisten  Leopold  Godowsky  und  Violinvirtuosen  Flesch,  mit  dem  diese  mit 


303 
KRITIK:  KONZERT 


phlBomenaler  Technik  bezw.  kfinstlerisch-tiefer  Auffassung  ausgerüsteten  Künstler  aber- 
mals einen  bedeutenden  Erfolg  erzielten;  das  erste  Konzert  des  Hofpianisten  Prof.  Lutter» 
n  dem  der  Konzertgeber,  unterstfitzt  von  dem  trefflichen  Violinisten  Zajic  und  der  grossen 
Edith  Walker  ein  hochgediegenes  Programm  vorführte.  In  einem  eigenen  Konzert  spielte 
die  einheimische  Pianistin  Mary  Wurm  Tschaikowsky's  b-moll-  und  Schumanns  a-moU- 
Konzert  mit  ausgezeichnetem  Gelingen.  Unterstützt  wurde  sie  wesentlich  von  Kapell- 
meister Trienes,  der  das  begleitende  Orchester  mit  viel  Routine  vorbereitet  hatte  und 
auch  mit  einer  eigenen  Ouvertüre  guten  Erfolg  erzielte.  Von  auswärtigen  Künstlern 
besuchten  uns  noch  die  entzückende  Koloratursängerin  Mary  Münchhoff  gelegentlich  des 
vorzGglich  gelungenen  Lehrergesangverein-Konzerts,  Dr.  WüIIner  sowie  das  Künstlerpaar 
Sarasate  und  Berthe  Marx-Goldschmidt.  L.  Wuthmann. 

HEIDELBERG:  Nach  den  Anstrengungen  unseres  Musikfestes,  das  mit  zwei  ausver- 
kauften Volksaufführungen  der  »Schöpfung**  beschlossen  wurde,  musste  eine 
Ruhepause  eintreten.  Von  grösseren  Veranstaltungen  ist  nur  das  erste  der  unter 
Paul  Radigs  Leitung  stehenden  «Populären  Symphoniekonzerte"  zu  verzeichnen  mit 
Schumanns  B-dur-Symphonie  und  Elsa  Ruegger  (Cello)  als  Solistin.  —  Die  beängstigend 
lange  Reihe  der  Solistenkonzerte  eröffnete  Theodor  Bertram  im  Verein  mit  L.  E.  Hafgren 
(Klavier)  und  dessen  sympathischer,  vielversprechenden  Schwester  Lilli  Hafgren  (Sopran). 
Der  bedeutende  Bühnensänger  enttäuschte  leider  sehr  im  Konzertsaal.  War  es  schon  eine 
Geschmacklosigkeit,  die  Holländer-Arie  im  grossen  Saal  mit  Klavierbegleitung  zu  singen, 
so  spottete  der  nach  plumpen  Effekten  haschende  Vortrag  der  unvermeidlichen  «beiden 
Grenadiere*  und  des  «Prinz  Eugen**  jeder  Beschreibung.  Nicht  mit  Unrecht  nannte 
jemand  Bertram  den  «Tenor  unter  den  Baritonen*,  zum  feinsinnigen  Liedvortrag  ist 
Bertram  zu  sehr  «Natursänger**.  —  In  erfreuliebem  Gegensatz  zu  diesem  Stimmathleten 
stand  Dr.  Arno  Hollenberg  (Bariton),  der  trotz  nicht  gerade  bedeutender  Stimmmittel  mit 
einem  sehr  interessanten  und  stilvollen  Programm  meist  weniger  bekannter  Lieder  von 
Schubert,  Schumann,  Brahms  und  Wolf  eine  tiefe  Wirkung  erzielte.  Als  Klavierspieler 
von  gediegenem  Können  erwies  sich  Otto  Hollenberg.  Fritz  Stein. 

KARLSRUHE:  Die  Konzertveranstaltungen  gingen  diesmal  hintereinander  her  wie  ein 
Walkürenritt  Kein  Wunder,  wenn  sie  da  Tote  im  Sattel  tragen.  Schon  mussten 
wegen  mangelnder  Überflutung  der  Konzerträume  einige  Unternehmungen  in  letzter 
Stunde  abgesagt  werden.  Und  auch  die,  welche  unter  Aufbietung  allererster  künst- 
lerischen Kräfte  vor  sich  gingen,  suchten  vergebens  nach  dem  berühmten  Apfel,  der 
nicht  zur  Erde  ftillen  kann.  Ein  halb  leeres  Haus  sah  Saint-Saöns,  der  mit  dem 
Strassburger  Orchester  im  Schmidtschen  Konzertcyklus  herüberkam.  Trotz  allen  Bei- 
falls, den  der  französische  Meister  für  die  Vorführung  seiner  Phsntasie  für  Klsvier  und 
Orchester  «AfHks**,  für  den  „Msrsch  der  Synode*  aus  seiner  Oper  «Heinrich  VIII.*,  für 
die  symphonische  Dichtung  »Jugend  des  Herkules*  und  seine  Orgelpräludien  bei  dem 
über  eine  gewisse  Einförmigkeit  hinwegsehenden  Publikum  fand,  und  trotz  der  fbinen 
Darbietungen  des  Strassburger  Orchesters  unter  seinem  ausgezeichneten  Dirigenten  Lohse 
erfüllte  das  Konzert  nicht  alle  Erwartungen.  Vielmehr  war  das  der  Fall  an  den  zwei 
Konzertabenden  unseres  Hoforchesters  unter  der  vorzüglichen  Leitung  von  A.  Lorentz, 
der  u.  s.  Richard  Strauss'  «Also  sprach  Zarathustra*  wirkungsvoll  sufbaute  und  mit 
Beethovens  schter  Symphonie  durch  die  Frische  und  Lebhsftigkeit  der  Ausführung  einen 
besonderen  Erfolg  erzielte.  Im  ersten  Konzert  tat  sich  dabei  das  Hofbrchester  in  dem 
von  Clotilde  Kleeberg  glänzend  gespielten  Schumannschen  a-moll- Konzert,  und  am 
zweiten  Abend  in  dem  von  Franz  Ondricek  ausserordentlich  feinfühlig  dsrgebotenen 
Beethovenschen  Violinkonzert  durch  treffliche  Ausarbeitung  hervor.  Ein  zumeist  aus 
Wagner-Vorträgen  bestehendes  Konzert  Theodor  Bertrsms  brachte  dem  Sänger  grosse 


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<  DIE  MUSIK  III.  & 


Orstionen,  obwohl  seine  gesanglichen  Unarten  nicht  allen  behaften.  Sein  Begleiter 
Alezander  Dillmann  verblfiffle  durch  die  Selbstherrlichkei^  mit  der  er  als  solistischer 
Partiturspieler  das  Klarier  die  Stelle  des  Orchesters  Tortreten  Hess.      Albert  Herzog. 

KÖLN:  Im  zweiten  Gürzenich-Konzert  gelangte  der  Abaage-Tenfel,  der  dem  Programm 
seine  Marke  aufgebrannt  hatte,  erst  im  zweiten  Teile,  dann  allerdings  um  so  nach- 
drficklicher,  zu  Einfluss.  Das  den  Abend  beginnende  Hauptwerk,  Beethovens  Pastoral- 
symphonie,  fuid  durch  Fritz  Steinbach  eine  in  allen  Details  wunderbar  klare,  dann  wieder 
im  grossen  Zuge  des  Ganzen  so  überzeugende  und  iusserlich  gllnzende  Auslegung^  daas 
eine  grosse  Wirkung  nicht  ausbleiben  konnte.  So  wurde  auch  die  Trauermuaik  zum 
Tode  Siegfrieds  in  ergreifender  Weise  vom  stidtischen  Orchester  zu  Gehör  gebracht. 
Teresa  Carrefio  bewies  durch  den  Vortrag  von  Rubinsteins  Klavierkonzert  d-moll  und 
kleinerer  Stficke  von  Beethoven,  Schumann  und  Chopin,  daas  sie  nach  wie  vor  über 
jedes  immer  gewünschte  Schattierungsvermögen  des  Anschlags  und  eine  Jedem  Tempo 
mit  Leichtigkeit  entsprechende  Geliuflgkeit  verfugt  Den  zweiten  Teil  des  Abends  sollte 
ursprünglich  die  dramatische  Singerin  Bertba  Morena  gesanglich  bestreiten,  indes  kam 
einige  Tage  vor  dem  Konzert  die  Nachricht  dass  sie  krankheitshalber  den  ganzen  No- 
vember pausieren  müsse.  Die  zum  Ersatz  verschriebene  Singerin  Marie  Brema  sang 
auf  der  Generalprobe  drei  altdeutsche  Gesinge  und  die  Schlussszene  aus  der  Götter- 
dimmerung  bei  schlechter  Disposition,  um  dann  am  Konzerttage  selbst  noch  nach  5  Uhr 
abends  wegen  Halsentzündung  abzusagen.  Das  Pech  der  einen  Singerin  l>edeutete  die 
glückliche  Chance  einer  andern,  die  nicht  daran  gedacht  haben  mochte,  sobald  das 
Gürzenich-Podium  zu  betreten,  nimlich  des  als  Koloraturspezialitit  ein  gewisses  begreif- 
liches AufMhen  erregenden  Friulein  Vidron  vom  hiesigen  Stadttheater.  Durch  ihr  Ein- 
treten in  die  Lücke  des  Programms  musste  dessen  Physiognomie  natürlich  eine  ganz 
andere  werden  und  der  Begabungseigenart  der  jugendlichen  Singerin  Raum  gewihren. 
Sie  sang  unter  virtuoser  Geltendmachung  ihres  abnorm  hohen  Soprans  und  dessen  aus- 
gezeichneter Schulung  eine  Mozartsche  Konzertarie  und  dann  die  allerdings  hier  recht 
gewaltsam,  weil  als  unpassend  eingezwingte  Arie  der  Gilda  aus  Rigoletto.  Es  kann  leider 
kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  dass  der  nichts  weniger  als  kunstisthetisch  empfindenden 
Majoritit  des  Gürzenich-Publikums  der  Tausch  in  den  musikalischen  Genüssen  sehr  will- 
kommen war;  denn  nach  der  Ankündigung  hellten  sich  viele  Gesichter  ganz  eigentümlich 
auf  und  nachher  überschüttete  man  die  in  der  dreigestrichenen  Oktave  heimische  Verdi- 
singerin  mit  jubelndem  Beifall.  Arme  Frau  Schumann-Heink,  bedauernswerte  Meisterin 
vornehmer  Kunst,  die  man  an  der  gleichen  Stitte  im  vorigen  Jahre  mit  ihren  wunder- 
vollen Vortrigen  ausgesuchter  Gesinge  von  Brahma,  Liszt  und  Schubert  einftch  „ab- 
ftllen*  Hess,  und  —  armes  Publikum  I  Paul  Hill  er. 

KREFELD:  Die  Kammermusik-Konzerte  des  Konservatoriums  eröflfaeten  in  diesem 
Winter  den  Reigen.  Die  Programme  dieser  Veranstaltungen  sind  unter  der  neuen 
Leitung  Müller-ReutefPieper  stilvoller  geworden,  das  ganze  Unternehmen  erscheint  in 
ematerem  Gewände.  Ein  immer  beklagter  Mangel  unseres  Musiklebens,  daa  Fehlen 
eines  anaiaaigen  Streichquartetts,  ist  endlich  behoben.  Spielt  sich  das  aus  den  Lehrern 
des  Konservatoriums  bestehende  Krefelder  Streichquartett  mehr  und  mehr  zusammen 
und  vereinigt  sich  Konzertgesellschafit  und  Konservatorium  zu  gemeinaamem  Tun,  dann 
erscheint  die  Heranziehung  fremder  Quartettgenoaaenschaften  in  Zukunft  überflüssig. 
Als  Gaat  erschien  Huge  Heermann,  der  mit  den  einheimischen  Quartettisten  und  Herrn 
Stoye  am  Klavier  Goldmarka  Klavierquintett  zu  Gehör  brachte  und  auaaerdem  Soli 
von  Bach,  Emat  imd  Tachalkowsky  in  bekannter  meisterhafter  Weise  spielte.  Herr  Stoye 
vervoUstindlgte  mit  Schumanns  Symphonischen  Etüden  in  geschmsckvollster  Weise  daa 
Programm.    Die  Koniortgesellschaft  schonte  in  ihrem  ersten  Abonnementskonzert  ihren 


395 
KRITIK:  KONZERT 


Chor  und  fOhite  daf&r  zwei  Solisten,  Frau  Haasters-Zinkeisen  und  Ettore  Gandolfl,  vor. 
Entere  spielte  technisch  gewandt  Schumanns  a-moll-Konzert,  ohne  dessen  poetischen 
Gehalt  zu  erschöpfen.  Gandolfl  vermochte  die  auf  ihn  gesetzten  Erwartungen  nicht  vollauf 
zu  befriedigen.  An  Orchestervorträgen  bot  Mfiller-Reuter  geistvolle  Wiedergaben  von  Raffs 
Ouvertfire  »Ein'  feste  Burg  ist  unser  Gott*  und  Schuberts  C-dur-Symphonie.       A.  Z. 

LEIPZIG:  Im  Gewandhause  (V.  und  VI.  Konzert)  gab  es  neben  vielerlei  junggebliebenem 
und  mancherlei  altgewordenem  Alten  (Symphonieen  von  Volkmann  B-dur,  Mozart 
g-moll  und  Beethoven  B-dur;  Vorspiel  aus  Reineckes  «König  Manfred*  und  Peer-Gynt- 
Suite  von  Grieg)  eine  veritable  Novität:  Ernst  Boches  symphonisches  Odyssee-Fragment 
»Ausfahrt  und  SchiflTbruch*,  das  hier  als  eine  starke  Talentprobe  aufgefasst  und  um 
mancher  bedeutenden  Einzelzuge  in  der  gefestigteren  ersten  Hälfte  und  um  der  sehr 
wirksamen  Instrumentation  willen  mit  lebhaftem  Beifall  beantwortet  wurde.  Als  Solistinnen 
hörte  man  im  fünften  Konzert  Alice  Ripper,  ein  junge  Bravourspielerin,  der  fQr  das 
e-moll-Konzert  von  Chopin  allerdings  noch  die  geistige  Reife  uud  die  rechte  Innerlichkeit 
fehlten,  und  im  sechsten  Edith  Walker,  deren  prächtiges  Organ  neuerdings  zu  lauter 
Bewunderung  stimmte.  —  Im  vierten  philharmonischen  Konzert  erklangen  Teile  der 
Sommemachtstraummusik,  Tschaikowsky's  G-dur-Klavierkonzert  und  Klaviersoli,  gespielt 
von  Jolanda  M6rö,  einer  talentvollen  und  kraftgesegneten  sechzehnjährigen  Zukunfts- 
pianistin, und  die  symphonische  Dichtung  «Fata  Morgana*  von  Karl  Gleitz,  der  sein  geist- 
voll kombiniertes,  üppig  geßrbtes  Tongemälde  selbst  dirigierte  und  reichen,  zum  Teil 
allerdings  grösseren  Vorgängern  gutzuschreibenden  Beifall  fand.  —  Ober  dem  dritten 
Eulenburg- Konzert  walteten  Unheilsmächte,  da  der  angekündigte  Geiger  wenige 
Stunden  vor  Konzertbeginn  krankheitshalber  absagen  musste  (Herr  Reisenauer,  der  in 
liebenswürdigster  Weise  einsprang,  spielte  als  Ersatz  das  Es-dur-Konzert  von  Beethoven) 
und  da  Herr  Weingartner,  nachdem  er  mit  der  Chemnitzer  Kapelle  drei  Ouvertüren 
von  Gluck,  Mozart  und  Weber  so  ganz  vorzüglich  interpretiert  hatte,  dass  die  Oberon- 
Ouvertüre  sogar  wiederholt  werden  musste,  sich  mit  der  Ausführung  der  D-dur-Symphonie 
von  Brahma  auf  ein  ihm  augenscheinlich  allzufernliegendes  Gebiet  begab.  —  Im  Kauf- 
haussaal drängten  sich  die  Erscheinungen:  Ernst  von  Possart  rezitierte,  Reisenauer  gab 
einen  Klavierabend,  an  dem  er  besonders  durch  eine  wundervolle  Wiedergabe  der  Davids- 
bündlertänze  entzückte,  Herr  von  Zur-Mühlen  erwies  seine  hohe  Kunst  am  Vortrag 
Goethe-Schubertscher  Gesänge,  und  von  Prof.  Nikisch  begleitet,  debütierte  Elena  Ger- 
hardt, eine  vortrefflich  gebildete,  sehr  anmutige  Liedersängerin,  der  man  eine  erfolgreiche 
Konzertlaufbahn  prognostizieren  konnte.  Helene  Fürst  spielte  drei  Violinkonzerte,  ohne 
dafür  schon  die  volle  Reife  zu  besitzen,  und  unfertig  wirkten  auch  die  Liedervorträge  der 
Damen  Antonia  Beel  und  Gertrude  Lucky.  Ernsten  Genuss  bereitete  das  erste  Orgel- 
Konzert  von  Karl  Straube,  der  in  meisterhafter  Weise  Kompositionen  von  Meistern  des 
17.  und  18.  Jahrhunderts  spielte.  Der  Leipziger  Lehrer-Gesangverein  unter  Prof.  Sitt 
löste  in  seinem  ersten  Winterkonzert  schwierige  Aufgaben  wie  Brambachs  »Meeresstille 
und  glückliche  Fahrt*  und  Hegars  ,Johannesnacht*  in  rühmlichster  Weise  und  sang  zudem 
in  buntem  Wechsel  mit  Sologesängen  des  Herrn  Pinks  und  Geigen  vortragen  des  Herrn  Woll- 
gandt  manche  zum  Teil  von  A.  von  Othegraven  trefflich  gesetzten  Volkslieder,  während  die 
Leipziger  Singakademie  unter  Wohlgemuth  und  unter  solistischer  Mitwirkung  der  Damen 
Buff-Hedinger  (Leipzig)  und  Dehmlow  (Berlin)  und  der  Herren  Müller  (Leipzig)  und  Loritz 
(München)  Mendelssohns  »Paulus*  wieder  einmal  zu  Ehren  brachte.    Arthur  Smolian. 

LIVERPOOL:  Die  65.  Saison  der  Philharmonischen  Gesellschaft  wurde  durch  ein  den 
|Traditionen  des  Institutes  würdiges  Konzert  eröffhet.  DvoHks  Ouvertüre  »Mein 
Heim*  und  Parrys  »Ode  an  die  Musik*  bildeten  Anfang  und  Schluss  des  Programms;  in 
der[Mitte  stand  Mozarts  Symphonie  in  Es.    Den  Hauptanziehungspunkt  für  einen  grossen 


396 
DIE  MUSIK  IIL  5. 


Teil  des  Pablikums  aber  bildete  Marie  Hall  mit  der  erstaunlichen  Wiedergabe  vonlPaph 
nini's  Konzert  in  D;  auch  Gesangs-Vortrice  des  Ehepaares  Kenneriy-Batt  erzielten  ge- 
bfihrenden  BeifUL  —  Zwei  fiberall  gefSeierte  Pianisten  gaben  viel  besachte  Rezitals: 
Wilhelm  Backhaas  (Brahma'  Variationen  fiber  ein  Thema  von  Paganini  und  Uszts 
Arrangement  von  Mendelssohns  Hochzeitsmarsch)  and  Josef  Hoftnann  mit  einem  um- 
fimgreichen  Programm.  In  St.  George  Hall  hörten  wir  den  »Elias*  and  in  einem  Kirchen- 
Konzert  Garretts  Ernte-Kantate.  Auch  ein  sehr  interessantes  Orgel-Konzert,  das  Mr. 
Townshend  gab,  verdient  rfihmend  hervorgehoben  zu  werden.  Conrat 

FiTERSBURG:  Als  erstes  bedeutsames  Lebenszeichen  unserer  musikalischen  Saison 
muss  das  Konzert  der  hiesigen  Hofopemslngerin  Frau  von  Gorienko-Dolina  be- 
zeichnet werden.  In  ihm  trat  Giovanni  Sgambati  zum  erstenmal  vor  das  hiesige 
Publikum,  das  selbstverstindlich  diese  Gelegenheit  benutzte,  den  Komponisten  mit  Be- 
zeugungen aussergewöhnlicher  Sympathie  zu  überschütten.  Das  Programm  enthielt  fkst 
nur  Werke  von  Sgambati,  darunter  das  Quartett  op.  17,  das  Quintett  op.  5.  Die  »Böhmen' 
waren  zur  Unterstfitzung  dieses  interessanten  Konzerts  herangezogen  worden.  —  Das 
erste  Symphonie-Konzert  der  Kaiserl.  Russischen  Musikgesellschaft  war  im  Hinblick  auf 
den  zehnjährigen  Todestag  Tschaikowsky's  ginzlich  diesem  Meister  geweiht;  es  kamen 
die  V.  Symphonie  und  »Francesca  da  Rimini"  unter  Alezander  Chessin's  Leitung  in 
höchster  Vollendung  zur  Ausf&hrung.  In  die  solistischen  Vorträge  teilten  sich  die  Hof- 
opemslngerin Frau  Friede  und  der  gefeierte  Klaviervirtuose  Ossip  Gabrilowitsch. 
Letzterer  Hess  sich  auch  in  zwei  eigenen  Konzerten  hören  und  erntete  f&r  sein 
bewunderungswfirdiges  Spiel  rauschende  Beifiülsovationen.  Nicht  minder  animiert  ver- 
lief auch  ein  Liederabend  der  bedeutenden  Vortragskünstlerin  Luis  Mysz-Gmeiner.  — 
Zwei  Konzerte  sind  zu  erwähnen,  die  unser  einheimischer  Geigenmeister  Leopold  Auer 
in  Gemeinschaft  mit  Raoul  Puguo  gab.  Sollten  wir  einem  der  beiden  Kfinstler  den 
Preis  zuerkennen,  so  fiele  die  Wahl  auf  Auer,  da  ihm  das  Musikalische  zumeist  am 
Herzen  liegt,  während  Pugno  in  der  Technik  und  im  Gebrauch  des  Pedals  vollständig 
aufgeht  —  Alexander  Siloti  eröffnete  den  Cyklus  seiner  angekfindigten  fünf  grossen 
Orchesterkonzerte  mit  Liszts  »Faust-Symphonie",  dem  «Meistersinger^-Vorspiel,  und 
Griegs  Klavierkonzert  (Raoul  Pugno).  —  Um  nun  schliesslich  noch  über  unsere  Kammer- 
musik-Abende zu  berichten,  mfissen  wir  der  vier  Soireen  des  Brüsseler  Schörg-Quartetts 
gedenken,  das  von  der  Kaiserlichen  Musikgesellschaft  eingeladen  wurde. 

Bernhard  WendeL 

POSEN:  Der  Beginn  der  diesjährigen  Saison  hat  in  das  Posener  Konzertleben  einen 
neuen  Faktor  eingeführt,  der  seinen  Aufgaben  und  Leistungen  nach  wohl  bald  der 
bedeutendste  werden  dürfte:  es  handelt  sich  um  die  neu  gegründete  »Posener  Orchester- 
vereinigung*, die  aus  ca.  70  Berufemusikem  besteht  und  es  sich  zur  Aufgabe  gesetzt 
hat,  einem  möglichst  grossen  Publikum  zu  billigstem  Eintrittspreise  die  Bekanntschaft  mit 
den  Meisterwerken  alter  und  neuer  Orchestermusik  zu  vermitteln.  Die  Programme  zu 
den  ersten  drei  Konzerten  brachten:  Die  Ouvertüren  «Iphigenie  in  Aulis"  von  Gluck, 
und  iplm  Herbst*  von  Grieg;  die  Symphonieen  No.  4  und  8  von  Beethoven,  sowie 
die  Symphonie  No.  6  (path6tique)  von  Tschaikowsky;  die  symphonischen  Dichtungen 
9 Waldphantasie"  von  H.  Zöllner,  »Vysehrad*  von  Smetana,  «Rattenfänger  von  Hameln" 
von  Paul  Geiasler;  die  beiden  L'Arl6sienne-Suiten  von  Bizet,  das  »Fest  bei  Capulet"  aus 
der  dramatischen  Symphonie  »Romeo  und  Julie"  von  Berlioz  und  den  »Karfireitagszauber" 
aus  Wagners  ParsifeL  Als  Dirigenten  füngieren  .abwechelnd  die  Kapellmeister:  Paul 
Geiasler,  Arthur  Sass  und  Oskar  Hackenberger.  Die  trefflichen  Leistungen  des 
neuen  Orchesters  unter  ihrer  hervorragenden  Leitung  berechtigen  zu  den  besten  Hoff- 
nungen für  eine  gftnstige  Fortentwicklung  dieses  neuen  Konzertinstitutes.    Sonst  regte 


r- 


397 
KRITIK:  KONZERT 


•ich  bisher  das  Konzertleben  nur  spärlich.  Als  einzige  Grosstat  ist  zu  erwähnen  die 
wohlgelungene  AuffQhrung  des  Herzogenbergschen  Oratoriums  »Die  Erntefeier"  seitens 
des  Kreuzkirchenchors  unter  Leitung  des  Pastors  Greulich.  Auch  diesmal  hinterliess 
das  gewaltige  Werk,  wie  bei  seiner  ersten  AuffQhrung  im  Jahre  1901,  allgemein  einen 
Qberaus  ergreifenden  und  nachhaltigen  Eindruck.  Das  Schnabel-Trio  aus  Berlin  kon- 
zertierte mit  grossem  Erfolg,  ebenso  der  Pianist  Josef  Slivinski,  der  hier  zum  erstenmal 
eine  Klavier-Sonate  von  Glazounow  zu  Gehör  brachte,  die  jedoch  wenig  Beifall  fand. 

Gustaf  Richter. 

ROSTOCK :  Musikdirektor  Schulz  brachte  in  einem  Wagner-Lisztabend  zum  erstenmal 
die  Bergsymphonie  und  Wagners  As-dur-Sonate  in  der  Orchesterbearbeitung  von 
MQller-Berghaus.  Im  Konzertverein  führte  er  als  Neuheit  die  Cidouverture  von  Cornelius 
auf.  —  Prof.  Dr.  Thierfelder  brachte  mit  der  Singakademie  und  mit  Solisten  Spohrs 
Weltgericht  —  Herman  Gura  gab  einen  wundervollen  Liederabend,  dessen  erster  Teil 
dem  Andenken  Zumpes  gewidmet  war.  Kapellmeister  Cortolezis  (aus  Schwerin)  erwies 
sich  dabei  als  feinsinniger  Begleiter  sowie,  mit  der  Verwandlungsmusik  aus  Parsifiü  I, 
als  Meister  des  Partiturspiels.  Im  Konzertverein  sang  Frau  Grumbacher  de  Jong,  im 
Wagner- Liszt- Abend  Frl.  Marie  Walter.  Prof.  Dr.  Golther. 

STETTIN:  Dem  aufmerksamen  Beobachter  kann  es  nicht  entgehen,  dass  sich  in  unsrem 
Musikleben  jetzt  ein  Zug  zum  Modernen  regt;  und  zwar  trifft  dies  (ein  bemerkenswerter 
Umstand)  gerade  auf  die  Konzerte  von  rein  lokaler  Bedeutung  zu.  Man  singt  Hugo 
Wolf  allenthalben,  selbst  in  den  Kirchenkonzerten,  die  übrigens  in  letzter  Zeit  ihre 
künstlerischen  Ziele  erbeblich  höher  stecken  als  ehedem.  Neben  den  historischen  Kon- 
zerten in  der  Schlosskirche  erfreuen  sich  namentlich  die  Veranstaltungen  in  der  herrlich 
restaurierten  Jacobi-Kirche  grosser  Anziehungskraft.  Prof.  Dr.  Lorenz  spielte  dort  un- 
längst eine  seiner  neuen  Orgelkompositionen,  eine  kraftvoll  erfundene,  geistreich  durch- 
geführte Phantasie  f-moll.  —  Die  dünngesäten  Konzerte  auswärtiger  Kunsterscheinungen 
eröffneten  keine  neuen  Gesichtspunkte.  Wüllners  Vortragskunst,  Waldemar  Meyers 
Raffiniertheit  und  Manieriertheit  und  die  Grosstaten  des  zu  drei  Symphonie-Konzerten 
verpflichteten  Philharmonischen  Orchesters  unter  Rebiöek,  das  alles  hat  man  hier  letzthin 
wieder  nach  Gebühr  würdigen  können.  Ulrich  Hildebrandt 

STUTTGART:  Die  Abonnementkonzerte  der  Hofkapelle,  jetzt  unter  einheitlicher  Leitung 
Pohligs,  teilen  sich  verständigerweise  nunmehr  in  reine  Symphonieabende  und  in 
Solistenkonzerte.  Bachs  D-dur-Suite  (mit  der  Arie),  Beethovens  siebente  Symphonie, 
Liszts  Tasso  und  Stücke  aus  Herzog  Wildfang  von  Siegfried  Wagner  wurden  prächtig 
vorgetragen;  als  Solisten  erschienen  der  neue  Konzertmeister  Wendung  und  Frl.  Bossen- 
berger  vom  Hoftheater  für  Frau  Schumann-Heink.  Herr  Wendung,  der  sich  auch  mit 
seinem  Quartett  vorteilhaft  einführte  (Künzel,  Presuhn,  Seitz),  ist  ein  würdiger  Nachfolger 
Singers,  womit  sehr  viel  gesagt  ist  Bei  Weingartner  im  Kaimkonzert  gab  es  Mendelssohn- 
Schumann,  Brahma  und  Liszt  zu  hören;  Mazeppa  und  Manfred-Ouvertüre  waren  am 
schönsten.  Der  Liederkranz  hatte  fürs  erste  populäre  Konzert  Frl.  Maurina  aus  Moskau 
(Klavier),  Herrn  van  Eweyk  aus  Berlin  (Bariton),  Herrn  Armbrust  aus  Leipzig  (Orgel) 
Terschrieben;  letzteren,  als  Enkel  Faissts,  empfing  man  mit  besonderer,  nicht  getäuschter 
Teilnahme.  Der  neue  Singverein  unter  Prof.  E.  H.  Seyffardt  trat  mit  einer  Aufführung 
von  Haydns  Schöpfung  hervor.  Am  ersten  Konzert  des  Vereins  für  klassische  Kirchen- 
musik (Prof.  S.  de  Lange)  ist  rühmenswert  die  Einfügung  zweier  für  Stuttgart  neuer  Bach- 
kantaten: »Nach  dir,  Herr,  verlanget  mich",  mit  dem  interessanten  Tannhäuser- Bussmotiv 
(als  Viertel  gleichmässig  rhythmisiert)  und  «Jauchzet  Gott*,  worin  Frl.  Küttner  trotz 
glänzender  Stimme  nicht  recht  genügte.  Ein  zielbewusstes  und  sinnvolles  Programm 
hat  wiederum   Herr  Schapitz  aufgestellt:  das   erste  Konzert  mit  Beethovens  cis-moU- 


308 
DIE  MUSIK  UL  5. 


Quartett  gelang  ausgezeichnet.  Von  den  Solisten  erwibne  Ich  Irma  Singer-Sethe,  derea 
wunderbarem  Violinspiel  man  zweimal  lauschen  durfte,  Ludwig  Hess,  der  im  ersteo 
Konzert  absagte,  und  den  Pianisten  Hinze-Reinhold,  der  u.  a.  die  (von  David  henosc»- 
gebene)  c-moU- Violinsonate  Bachs  in  einer  pietitvollen  und  glinzenden  Klavierfibertragmif 
spielte;  die  Arbeit  des  Virtuosen  sollte  durch  den  Druck  zuginglich  gemacht  werden. 
Die  grossartigste  Leistung,  vor  allem  was  Gedichtnis  und  Ausdauer  betrifft,  vollbriiig:! 
auf  pianistischem  Gebiet  diesen  Winter  Prof.  Pauer,  indem  er,  »die  Entwickelung  der 
Klavierliteratur^  In  acht  Konzerten  vorf&hrt;  im  ganzen  Plan,  wie  in  der  Vortragsweise 
fiberwiegen  die  Lichtseiten.  Sobald  das  Unternehmen  beendigt  Ist,  folgt  eine  abwigende 
Wfirdigung.  Dr.  K.  Grunsky. 

WEIMAR:  Die  Saison  erOffheten  FrL  Schenk  und  Herr  Heydenbluth  mit  einem  schönen 
Liederabend.  Ihnen  folgte  Karl  Scheidemantel  mit  giinzendem  Vortrag  meist  moderner 
Lieder,  u.  a.  "Plfiddemannscher  Balladen;  sein  Begleiter,  Herr  Kronke,  zeigte  auch  als 
Solist  hohe  Technik  und  feine  Phrasierung.  Ein  Konzert  von  Frau  Helmrich-Hofkneister 
und  Alezander  Petschnikoff  gipfelte  in  des  letzteren  intimer  Ausf&hrung  von  Brahma* 
d-moll-Sonate  und  Mozarts  A-dur-Konzert  bei  innigster  Fühlung  mit  seinem  Partner, 
Herrn  Zilcher;  die  geschulte,  doch  wenig  gereifte  Singerin  trat  dagegen  sehr  zurfick. 
Im  ersten  Theaterkonzert  (Eroica,  Pr61udes)  sang  Herr  Naval  mit  fast  vollendeter  Kunst 
neben  Liedern  die  Bildnisarie.  Das  Krasseltsche  Quartett  bot  mit  Herrn  Mfihlfeld 
höchsten  Genuss  in  Brshms'  und  Mozarts  Klarinettenquintetten,  Schönes  endlich  noch 
Karl  Mayer  mit  Begleitung  des  Herrn  Grsbofeky.  Prof.  Bachmann. 

WIEN:  Durch  dreiundzwanzig  Jahre  meisterte  Hans  Richter  das  edle  Instrument : 
die  Wiener  Philharmoniker.  Da  gab  es  nur  volle,  den  besten  Musikgeist  aus- 
strömende Klinge.  Drei  Jahre  lang  verstand  es  Gustav  Mahler,  ihm  das  Geprige  seines 
interessanten,  wenn  auch  oft  zum  Widerspruch  herausfordernden  Geistes  aufeudrficken, 
zwei  Jahre  Josef  Hellmesberger,  zu  beweisen,  dass,  je  besser  das  Instrument,  es  um 
so  schonungsloser  die  Unzulinglichkelt  des  Spielers  verrate.  Heute  f&hrerios,  gerieten 
die  Philharmoniker  auf  den  Einfill,  durch  Ladung  von  Gastdirigenten  ihre  geschwichte 
Anziehungskraft  zu  stirken.  Man  verzichtete  darauf,  durch  eine  bestimmte,  ernste 
Farbe  zu  wirken  und  sucht  durch  deren  chamileonartigen  Wechsel  das  Interesse  des 
Publikums  zu  erregen.  Oss  bedeutet  seitens  einer  so  berfihmten  Körperschaft  nicht 
weniger  als  Verzicht  auf  den  Charakter,  ffir  das  Publikum  eine  bedenkliche  Steigerung 
des  Interesses  an  der  Dirigentenleistung  dem  beabsichtigten  Eindruck  des  Werkes  gegoi* 
fiber.  Glficklicherweise  haben  viele  Absagen  und  Hindemiase  die  vorgesehene  Zahl  der 
Steine  In  diesem  Dirigentenkaleidoskop  verringert  und  werden  vier  vor  den  acht 
Abonnementskonzerten  von  Ernst  von  Schuch  geleitet  Ihm  wurde  gebfihrend  der 
Vortritt  eingeriumt  und  er  ffihrte  die  Philharmoniker  zu  einem  schönen  Erfolg.  Schuch 
ist  kein  Wanderdirigent  Sein  schöner  Vorzug,  dass  er  musiziert,  wie  es  ihm  ums  Hers 
ist,  gewinnt  ihm  sofort  Sympathieen.  Feinheit  wird  bei  ihm  nicht  zum  Raffinement, 
Energie  nicht  zum  Krampt  So  gelang  vortrefflich  der  Vortrag  einer  Symphonie  Haydns 
und  das  Concerte  grosso  f&r  Streichinstrumente  von  Hindel.  Die  o-moll-Symphonie 
zeigte  nach  unserer  Empfindung  einige  Beethovenwidrigkeiten.  —  Der  Wiener  Konzert- 
verein brachte  kfirzlich  Edward  Elgars  Ouvertfire  »Cokaigne'  (Londoner  Leben),  deren 
vortreffliche  Ausffihrung  namentlich  die  Musiker  von  der  hervorrsgenden  Begebung  des 
englischen  Komponisten  fiberzeugte.  —  Als  ernstes  und  ffir  das  Wiener  Musikleben  be- 
sonders wichtiges  Unternehmen  t>ewihrte  sich  sogleich  bei  Beginn  der  Saison  der  »Wiener 
i  cappella  Chor"  unter  der  Leitung  von  Eugöne  Thomas.  Die  kleine,  aber  durch  schönes 
Material  und  grosse  technische  Fertigkeit  ausgezeichnete  Schar  bot  mit  Bachs  Motette 
«Der  Geist  hilft   unserer  Schwachheit  auP<,  kirchlichen  und  weltlichen  Chören  der 


^Ss- 


399 
KRITIK:  KONZERT 


grouen  Nied«rilnder  (Joaquiii  de  Ptha,  Swsellnck,  Clemena  non  papi>  und  modernen 
a  eappella-Kompoaltloaen  von  Anton  Brückner  and  Hugo  Volt  eine  Reihe  lUMfleaener 
Genfiaae.  Ala  Solistinnen  traten  nacheinander  zwei  Kfinatlerlanen  faerror,  die  ea  den 
Nacb kommenden  schwer  machen,  die  Erinnemag  an  Ihre  groaaen  Lelatnngen  «ett.zn 
machen:  Emeatine  Seh u mann- Hein k  und  Edith  Talker.  Das  Konzert  der  lettteren 
dlriglene  Cuatav  Brecher  aus  Hamburg,  dessen  geniale  Leitung  der  groaaen  Leonoren- 
envertfire  und  des  „Tasso"  von  Llait  Aufsehen  erregte.  Den  grossen  Meisterinnen  der 
Getangakunat  achlosa  aich  Eugine  Ysaye  an,  dem  unter  den  Konzertgelgem  heute  der 
erste  Rang  gebShrt  Er  entzQckte  durch  seinen  Vortrag  des  Es-dur- Kon  zartes  von 
Mozart,  feaselte  und  Qberraschte  durch  die  Ausführung  von  Lalo's  geistreicher  „Symphonie 
Eapagnole"  und  bewies,  dass  selbst  der  Bogen  des  ersten  Meisters  ein  Konzert  von 
Vieuztemps  heute  nicht  mehr  ertriglich  machen  kann.  Dem  „Böhmischen  StraicV 
qnartetf  sucht  das  „Prager  Streichquartett"  den  Wind  aus  den  Segeln  zu  hngen.  VorlluBg 
Ist  Ihm  daa  noch  nicht  völlig  gelungen.  Aber  Beethovens  c-m oll- Quartett  op.  18  wurde 
von  der  Vereinigung  sehr  sauber,  Dvol^ks  P-dur- Quartett  op.  96  sehr  schwungvoll  go- 
apielt  —  B£la  Bartek,  ein  sehr  Junger  ungarischer  Musiker,  der  als  Klavierspieler  her- 
vorragende nhlgkelten  besitzt  und  dessen  noch  nicht  veröffentlichten  Komposliooen 
von  kompetenter  Seite  eine  starke  produktive  Kraft  nachgerühmt  wird,  sfdeite  im 
Koniertverein  Beethovens  Es-dur- Konzert.  Er  blieb  durch  allerlei  widrige  iussere  Um- 
adUide  behindert  etwas  hinter  den  Erwartungen  zurück.  —  Sofle  Auspitz,  eine  der  be- 
gabtesten Wiener  Pianistinnen,  eine  eminent  musikalische  Natur,  trat  in  einem  eigenen 
Konzert  hervor.  Brahma'  ganz  eigenartige,  spiritualla tische  Melodik  ausatmende  Sonate 
für  Klarier  und  Violoncell  spielte  sie  mit  Wilhelm  Jerai  sehr  feinsinnig.  Emil  Saners 
neue  Klaviersonate  bot  ihr  Gelegenheit,  den  bfibschen  vom  Virtuosen  Sauer  eraonnenen 
Klangwirkungen  des  Stfickea  mit  Ihrem  ungewöhnlich  gesangvolien  Anschlag  gerecht  » 
werden  tmd  Im  Vortrag  von  Llszts  „Don  Juan -Phantasie"  bot  sie  alles,  waa  eine  Fnm 
ans  diesem  fibermlonllchen  Stück  herauszuholen  vermag.     Gustav  Schoenaicb. 


BtrllH-KirlkiiHr  von  CIubi, 


Tir  bcijnnen  die  Reibe  noserer  BeUicen  xam  Berilos-Hefl  mit  der  1 
«iner  OrlciDalzeicliDtiiig  nmch  dem  MlmmaotsToilen  Cemilde  .L'AnnlTerssIr«  t* 
Betliot'  Ten  FuUo-Latoar,  du  ISW  im  .Salon'  «nsfcstellt  w«r.  In  dM  kMoe  SMi- 
etaen  Le  CMe-Saint-Andr£  renetzt  mu  du  zweite  Bild,  du  nn«  du  Gebartska«« 
(No.  83  der  rae  Nationale)  du  Meisten,  der  bier  am  11.  Dezember  1803  du  Lkfet  dir 
Telt  erblickte,  in  seinem  nrsprfio^chen  Znaiand  zeift  Die  Anbuhme  stammt  ae^ 
aas  der  Zeit  ror  der  Reatanriemni,  die  18S5  angebrmctate  Gedicbtnistaflel  iat  nicht  danaf 
zu  seben.  Von  den  zvei  fallenden  Portrits  stellt  du  eine  den  Kfinsder  Im  AHsr  na 
28  Jahren  dar  (Slgnol  malte  e«  in  Kom  1831),  du  andere  ist  nach  einer  Mlnlatiir  na 
P.  de  Pommanme  um  das  Jahr  1830  gehTti|;L  Die  beiden  Frauen,  die  eine  so  boieal- 
ume,  eatscbeidende  Rolle  im  Leben  dea  Icichtentzfindlicben  fenricen  ToDdlcblers  iplaHa« 
nnd  deren  Namen  aach  In  dem  Anihatx  von  Gertmd  San£  hioflg  enrthal  aaidiia, 
erblicken  wir  fHedlicb  nebeneinander  (wu  in  Vlrkllchkelt  ana  Itecreilllchea  Grtedaa 
nicht  (ans  der  Fall  war)  auf  dem  nictaatea  Blatt:  die  fefeierte  Scbaospielerla  Mian 
Henriette  Smittaaon,  Berlioz*  erste  Frau  (aach  einer  LidiOfr^ihie  Ton  Fraads  1827) 
and  Marie  Reclo*  ihre  weatg  sympatbiscbe  Nachfolgeria  (nach  einer  in  Paria  a» 
leltolclm  Photograpble).  Eine  echt  frantSsische  Karikatur  stellt  du  fbifonde  BiMt 
dar:  Un  concert  de  la  aociM  pbilbannoniqne  ron  Gnatare  Dori,  dem  cetotreichea  Mit- 
arbeiter dea  Journal  ponr  rlre*  (I850>.  Dm  dreinndfanhidihrlfea  Berlioa  sel(t  om 
du  nicbate  PortriL  Die  eractafittemden  Klinge  des  Taba  mirum  aus  dem  „Renalem" 
Tcrsinnblldllcfat  der  Abdruck  einer  gleichnamlfen  Ori|jaalllthograpble  Ton  PaaUa-Laloar. 
Die  Gilbertsche  Radierung  nach  dem  wnadenrollen  Gemilde  Ton  G.  Conrbet  zeigi  om 
die  edlen  feingeschnittenen  Zfige  dea  Berilouchen  CharakKrkopfes.  Seine  HaadaAlift 
sehen  vir  auf  den  beiden  folgenden  BUttem,  einem  faksimilierten  Notenblatt  nod  dem 
Brief,  den  er  irthrend  der  Weimarer  Berlloz-Voche  I8S5  an  Bembard  Coumaoa,  den 
bekannten  Cello-Virtuosen,  ilctattte.  Die  Afflche  fGr  die  .Trojaner  In  CarthagB' 
Mammt  voa  C.  Leray  (1883).  Ein  aoaserordentlicb  interessantes  Porlrlt  ist  anch  du 
Mgeade,  du  dea  Meister  um  du  Jahr  I8B3  darstellt;  u  wurde  nach  einer  PhotograpUa 
Ton  nerre  Petit  roo  Fnhn  lithographiert  Die  Karikatur  tou  GrandTille  (1848) 
penifllert  In  ergSizlicber  Weise  die  Vorliebe  BeiUoz'  fBr  Muaenwirknagen  and  Moiwtre- 
Konzerte  („Heorensement  la  aalle  est  solide  . . .  eile  r£ststeI-0-  Zum  Schlau  die  1 
gäbe  eines  Reliefs  In  Gips  von  Adam-Salomon  aas  dem  Jahre  1852  and  die  / 
des  Medaillons  aaf  dem  Grabmal  Berllos*  voa  Crprien  Codebskl  (1884).  Ala  Mnalk- 
bellage  bringen  wir  die  Romanze  „Le  Jeane  PItre  breton",  Fragment  eiau  GedlcMu 
Ton  Marie  de  Brizenz,  komponiert  1834  fSr  eine  SlagaHmme  mit  Klavietbegleitaag  nad 
Hora  ad  llblinm.  Du  ganz  einhch  gehaltene  reiiende  Stfick  wurde  ron  FrL  Palcoa 
am  23.  November  1834  zum  erstenmal  Torgetragen  und  fand  auch  bei  der  CentenarMar 
in  Grenoble  und  La  Cdte-5aInt-Andr4  verdienten  BeihlL 


kl  .■■... Id. I 

^M  dl*  BidtKioi 

Venutwortllcher  ScbriMelttr:  Kap^meister  Bernhard  Schlüter 
Berlin  SW.  11,  Lockenwaldentr.  1.  III. 


GEDÄCHTNISBLATT  AUF  BERLIOZ 
VON  M.  FANTIN-LATOUR     o     o     o 


BERLIOZ'    GEBURTSHAUS 
IN  LA  CÖTE-SAINT-ANDRfi 


KARIKATUR  AUF  BERLIOZ  VON  GUSTAVE  D0R£.  1850 


A*f-'' 


HECTOR    BERLIOZ 

IM    JAHRE    1856 
Nach  einer  Photograpbie 


O  O  TUBA  MIRUM  o  o 
Gedenkblin  auF  Berlloz'  Requiem 
O   O    von  M.  Fintin-Utour    O   O 


-    ••     ^«-«k 


{jj^£j^ 


jLi^l'le.u/^Jt\i  — ^ /^/L  l>^  ^^iuuu  Cv yiviS-  J/Li<4       ^x^ ^xT^Ua'  ^ta.'qpl 


'^^^^. 


5 


fi 


BERLIOr  NOTENSCHRIFT     o 
Orifinal  im  Besitz  der  Pariser  Oper 


IIL5 


>^^  c4t^    /t^Jf 


Cn^uJH   Q^  iX/dii^u^  U- 


•^    ViflA4       ^^      Oa/C^       ^'h.    ^A 


BRIEF  VON  BERLIOZ  AN 
BERNHARD     COSSMANN 


III.  5 


PLAKAT  DER  .TROJANER".   1863 


'ict;^Ö/0/A 


KARIKATUR  AUF  BERLIOZ 
oVON  CRANDVILLE.  1846  O 


^       Aü^retto  sempMoeim  pooo  lento.(J>sM.) 

Com©  in  E8.(Jff^).^    8       ~      I      " 


1 


1 


NaTvement. 

Einfach. 

Naive 


Piwive 
II   '  I  '  II "ij  Alf  jM  ik'  f'"u^;i^ 
DesQue    la  nireest^-  veiU^  -  e. ^^Snreel.^ 

_  DerThitmbe. 


Pianoforte. 


qiue    la  grhre  est  6  -  veiHe  -  e^ 
DieDros9el  istnoehkaumer.wacht,. 


Atmorn^Rviienall  the  birds  are  sing-ing, My  alp-honi 

,    AUegretto  sempUoe  im  poco  lento.  (J-s  56.) 


t 


^ 


fr  Mf  r'"^ 


laii4eeiicorBiiioiill-le    -    e 
fBuchMnaehdie  Hai  -   de,. 
sels  thevall-ey    ring-   ing;. 


▼ieii8iii%i.sseoir   Jasques  au     soir.. 


wo  ich  ver- weil' bis  A-bends  spät,, 
Myflocksl     tend  tili  ev  .  en  .  tide,. 


1^ 


^ 


j^^  t  >  ;  ;i|>  Ji ;  iilp   r"\f>JiJ  f  If  f  r  Vit'    r  fl 


Oraiid^Bii .  re,  de    qpii  Je     me    ca   -    che 
wmiegraiMlMi  fey   ttetnartfadoUiiinit  -  tlet. 


Dlt»Lo.io  ai-metrop  sa  va  -  fslie<«()lil 
„SsimKMeimhaUihmtntf  derWei  .  de'' ha! 
''Blessmelthatbqydoeelove  his  cat    .    Üel"  Oh! 


i^fP  iQ  Qu"    iHli  |i  [Tj 


i'iUU 


s*^ 


Strophe  II.     ^p) 


jij  J'ir  Jij  J'ir  r'iji^Jrt- 


^^ 


r  Aii-tia,iiiaMtii-pa  .   Kn», CoD-dultiMT-rle  .  re  la  mdn-ta  -  giie,_ 

NurAn-iia,m«i.nt!  süsse  KM  -  w^ ßArtik-reSA^kkanü-bemSü-  g*l,— 

ForAnne^the  mlU.er^lovBjyiUa^-er, Wba  oft-eD  lead9berK<Mtsto   mt-er, 


Tempo  1. 


f  j',rf-j4(^^f^i\j     u  y\sv  rp\uJlf^\T&T^ 


^  Pl'i-  her    I    siRh  tbeHholpilfly  longl 


Sl     la    iDOiitaeni<  ou  Jp     m'c  $ 
TTndS/'»W.vie  sei.  Scrauc^T'er.b'ir  .  gen,— 

AI  tiinEH  tbGUUiluitailnlie.4   be-tw^en  Tis, 


igrandmn^iioiiss^  -  pa  •  re,   S»     dorn  - 

MumkrmtfdM    Qt'9tm^;eM  Flu  -  gel,  die    SHm- 

—  Attünestlie  wood-ed    uplandssereen  ob,  Yet     fiur,... 


so    far     »-wi^Tf  1 


IT  III  H  -  I 


i 


i 


i 


pel-lean  fond  dn    bots. 


UtkMckdurekdmWM. 
hear  ber  jfbtAxASm    wnig., 


3^  Couplet«  Clukiite  et  aflooapa^ii^  vipea 
J.  iSVrcyiAe.  Bim  wemig^  ieUerg^mmgrem 
3.  Couplet.  To  be  sung  and  aeeooqpaiüed 
/^  jnüdaiee 

M  yi  ■  I  -  I*  j»  j  J>ir  J' j  ^ 


Oh!  sur  an  alr  |iUiii-tif  et 
ifitf  solekemsm^'Umf  ifl  wei 
0U8weettte8Qi«tl»t  4»  is 


/-^    Tempo  I. 


%6.  • 


^ 


I 


i 


plus  piano  que  lee  pr^eteeiit8.(M«ia  d«  H.B«rUoBj 
tmd  k€gMiei  wie  die  verkm'gek^mdem. 
«nnewliat  more  piano  thaa  tlie  f oregoing- 


ten  - 
■tng  - 


QiAl  est  doiui  an  loln  de    sWi-ten  •  dre,. 
sieh  iei-me  Zie-be  mu    ge-wU  -  km,. 
Strange  M-laee  to  mjfond  beartMng- ii«». 


flantimemea^wir  Uhear  de  so 
wieiti  ee  eüee  mtehum-ge 
Fat  Abb»  is    all     tlieworid  to 


1^ 


I)n   lu  mon-tOKne  a,     la,  val  >  le 
BaFtidayto    mn  NtaegrowclhilFar  - 


La  voix  tat  In  volx  ap-p«- 
die  Jdäti  -ge  at^fund  «fe-Är 
Ahlwouldtbat  I  were  ul-ways 


-  henund  Seiff zer  lauf  misch/ ■•rüAtkal'reudeJirldtigcn  traitt.- 

berlBut     ohl a  -  lasl      a-lasl  for  that  mayncv-er     bat 


L«  Cor  dnns  un  appart«in«nt  im  peu  Jlolgnc  du  Piano.  (N>ia  de  II.BnUi 
Daa  Hont  in  einem  Zimmer  ein  wenige  entfernt  vom  Pümo/brte. 
Tbe  hom  La  a  rooni)  somewbat  awi^  from  the  piano. 
Tempo  I.      (ppp) 


^ 


^^'11    [tj 


4^  Couplet.  l>'a<wompagnemeiit  dolt  s'^telndre  Icl  tout-B-falt,et  le  ebaiit  devenlr 
4.Stropke.  Die  Begieiiitng  musa  hier  ganx  xurüdttrtU»  vnd  der  Oeemmg  eo 
4>Couplet.  Tbe  aeeonpanimeiit  here  must  b«  entlrely  J9  tbe  voloe  part  belng 
pppaottovoee 


[^ 


m 


^     Tenqio  I. 


Aht  re  -  te  -  nez  blen  nitre  ha  -  lel  -      .    . 

Oapartden  A-tem    U  .  te  Win  .  de, 

Obl  barkltbe  ootes  are   dy  -  Ing,  dy  -  lBgl_ 


riwiJ'M'^' 


^ 
Ä 


1^ 


^ 


fipptremol« 


IjJJJ^IjjJ^ 


^1^     j  /  ,1  J'X^j.j^j'^p'^r  Mr  F  g:i| 


^ 


1 


aussl  dOUX  que  pOSSible.  (Note  de  H.BerllosJ 

leise  wie  nwglich  werden. 
sung  as  softly  as  possible. 


di-e,  et,   daas   la    plai  ^  ne^- 
wil-demFluchtge  -dräu  .  ge  — 
with  thebreez-e^s  sigh  -  Ing, 


Par-mi     Ics  bles  Cou-rez,  vo  -  lezl 

weitjitrt  zu    je  -  nem  Fkl  -  de     hin,^ 
Theyfloat  a  -  far     a-crossthe    piain  $. 


¥  j'i  j'i 


j'i  j.".i  I  i'i  J'i 


•  %».     *  %&. 


•  9a. 


• 


4^^  <  j>»j^r  -^  J  ^T  r~if»'^'  'i  F'r 


X   ij  ^'    i'i 


poco  cresc. 


Dieul    la   me-chantea    sur   son    al  -  le 
Weh*  ohn'Br'har-men  habt  ihr  Lo  -  sen. 
Tbougbwoods  di  -vide^andmountains  sev  -  er,  . 


Em-por-te  la  voixdou^eet  tr^  -  le,  La 
enf/^hrtmir  je  -ne  hol- den  Klan  -  ge,  die 
Yet  in   my  heart  I    hear  for      ev  -  er>     I 


ft  t*^  JÜ-  J.^'  I J 


1^ 


I  I'  JiJ  LU  UM  C^f  Ij^f  IjJ  ^JÜ'-I  Üü  I  U  i 


J0OC0  ereeo. 


poco  rit. 


rr  »Ml  ■  I 


atleh  «.  Druckt  Berliner  ManIkaHeii  Druckerei  0.».b.  H.  Ckarl»He»l»T>. 


DIE  MUSIK 


Das  geistige  Ohr  will  etwas  Ganzes  sehen,  eine 

Tongestall  mit  einem  Gesichte,  dass  es  auch  der 

Fremde  wieder  erkenne  und  unter  dem  Gewühle 

finde,  hat  er  es  einmal  gesehen. 

Karl  M«rU  von  Weber 


III.  JAHR  1903/1904  HEFT  6 

Zweites  Dezemberheft 

Herausgegeben 

von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 

Verlegt  bei  Schuster  &  Loeffler 

Berlin  und  Leipzig 


J^^  Mtmii  "wier  Elemente  unserer  National-Literatur,  innig  gesellt,  bilden  das 

igeistige  Leben  des  deutschen  Volkes  im  IS.  Jahrhundert  und 
bauen  die  Welt  unseres  Deniiens  und  EmpÜndens  auch  noch 
der  Gegenwart.  Ich  rede  hier  von  dem  klassischen  Vier- 
gestirn  von  Weimar:  von  Goethe,  Schiller,  Wieland  und  Herder. 
Hit  such  der  letztere  als  schöpferischer  Genius  keine  so  berechtigte  An- 
wartschaft auf  die  Unsterblichkeit  wie  das  Dioskurenpaar  der  deutschen 
Dichtung  Schiller  und  Goethe,  so  gehört  er  doch  zu  unseren  hervor- 
ragendsten und  einßussreichsten  Schriftstellern  und  Denkern.  In  Wort 
und  Schrift  hat  er  unendlich  viel  Segen  gestiftet,  sich  auf  den  mannigfachsten 
Gebieten  der  Intelligenz  durch  seine  bahnbrechende  Wirksamkeit  aus- 
gezeichnet und  so  seinen  Namen  für  ewige  Zeiten  mit  goldenen  Lettern 
in  die  Annalen  des  menschlichen  Fortschritts  eingeschrieben. 

Das  Grabdenkmal  Johann  Gottfrieds  v.  Herder  in  der  Weimarer 
Sttdtkirche  trägt  die  Aufschrift:  .Licht,  Liebe,  Leben,"  und  diese  Devise 
versinnbildlicht  so  recht  eigentlich  das  bewunderungswürdig  vielseitige 
Schaffen  dieses  gottbegnadeten  Genius.  Unvergleichlich  reich  an  eignen, 
grossen  und  ursprünglichen  Gedanken,  voll  höchsten  Schwunges  und 
schSrfster  Einsicht,  anregend  und  befruchtend  an  überraschenden  Ideen  in 
seinen  zahllosen  Schriften  hat  er  in  die  grosse  Umwandlung  des  deutschen 
Lebens  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts  mächtiger  und  entscheidender  ein- 
gegriffen als  einer  seiner  Zeitgenossen,  und  die  leuchtenden  Spuren  seines 
Geistes  lassen  sich  überall  nachweisen.  Wie  er  durch  die  verschwenderische 
Fülle  seiner  Anschauungen,  die  kühne  Genialität  seiner  Ideen  und  die 
hohe  Begabung  seiner  geradezu  wunderbaren  Anempflndung  die  Dichtkunst, 
Ästhetik,  Kritik,  Ethik,  das  Volkslied,  die  Religions-Philosophie  und  auch 
noch  andere  geistige  Gebiete  mit  dem  frischen  und  gesunden  Odem  seiner 
in  ihrer  Art  einzig  dastehenden  Individualität  belebt  hat,  so  ist  sein  grund- 
legendes kultui^scbichtliches  Auftreten  auch  im  Reiche  der  Musik  be- 
deotongavoll  und  in  vielbcher  Beziehung  von  grosser  Tragweite  gewesen. 
Mit  Recht  schildert  einmal  sein  LieblingssohD  Emil  Gottfried  v.  Herder 


404 
DIE  MUSIK  HL  6. 


in   dem  »Lebensbild",   das   er  seinem  berühmten  Vater  gewidmet,   diese 
geistige  Eigenart  unseres  Klassikers  mit  den  Worten: 

»Du  wandelst  hier  entlang  den  Ufern  einet  schönen  Lebensstroms,  der  —  ihnlich 
unserm  edlen  Rheine  —  in  seinen  Anfilngen  die  härtesten  Felsen  mit  seiner  Fener- 
kraft  durchbricht  und  in  den  Spiegeln  seiner  Katarakte  das  Bild  der  ihm  inne- 
wohnenden Gottessonne lin  wunderschönen  Farben  widerstrahlt;  darauf  vereinigt  mit 
deinem  xweiten  edlen  Ich  das  schöne  blumenreiche  Land  der  Liebe  beseligend-beseligt 
dnrchwallend  • .  •  Deutschland,  Geburtsland  von  so  vielen  edlen  Menschen,  wenn  du 
dich  Jetzt  mit  Mutteretolz  und  Freude  in  der  Erinnerung  alles  dessen>rhebst,  was 
Herder  dir  gewesen,  unterlasse  nicht,  auch  daran  zu  denken,  was>r  dir*und  der  Welt 
bitte  werden  sollen][und  in  angemesseneren  günstigeren  Verhältnissen  werden  können! 
▼erde  deinen  edlen  Kindern  eine  menschliche  Mutter!  O,  Deutschland,  wint  du 
Jemals  dahin^gelangen,»  den  Gottesfunken  in  den  Talenten  deiner  Söhne  zur  rechten 
Zeit  zu  kennen*ttnd  zudachten,  ihn,  wie  eine  Mutter  ihr  Kind,  zu  lieben,  zu  pflegen, 
zu  entwickeln  und  ihm  Raum  zu  geben  zur  ganzen  beseligenden  Entfaltung  seiner 
göttlichen  Leuchtkraft?« 

War  auch  Herder  kein  schSpfbrischer  Tonkünstler,  der  die  Musik  mit 
eigenen  Kompositionen  oder  neuen  .Formen  bereichert  hfttte,  so  ist  er 
doch  ein  leidenschaftlicher,  schwärmerischer  und  begeisterter  Verehrer  der 
Frau  Musika  gewesen,  der  schon  frühzeitig  klar  erkannte,  welchen  Einfluss 
die  Musik  auf  das  Gemüts-  und  Gefühlsleben  ausübe,  und  welche  Be- 
deutung ihr  in  der  Kirche,  in  der  Gesellschaft  im  allgemeinen  und  im 
Leben  des  Einzelnen  insbesondere  innewohne.  Was  Jean  Paul  über 
seinen  Freund  und  Bruder  in  Apollo  gesagt  hat,  kann  man  auch  auf 
Herder  in  seiner  Beziehung  zur  Musik  anwenden: 

«Er  war  ein  Gedicht,  ein  indisch-griechisches  Epos  von  irgend  einem  reinsten 
Gott  gemacht.  Wie  soll  ich*s  anseinandereetzen,  da  in  seiner  schönen  Seele  eben 
wie  in  einem  Gedicht  alles  zusammenfloss  und  das  Gute,  das  Wahre,  das  Schöne 
unteilbar  in  ihr  war? . . .  Wenige  Geister  waren  auf  die  grosse  Weise  gelehrt  wie  er. 
Die  meisten  verfolgen  nur  das  Seltenste,  Unbekannteste  einer  Wissenschaft.  Er  hin- 
gegen nahm  nur  die  grossen  Ströme,  aber  aller  Wissenschaften,  in  sein  himmel- 
spiegelndes Meer  auf.  Viele  werden  von  der  Gelehrsamkeit  umschlungen  wie  von 
einem  austrocknenden  Epheu,  er  aber  wie  von  einer  Traubenrebe.  Oberall  das  Ent- 
gegengesetzte, Organisch-Poetische  sich  anzueignen,  war  sein  Cnarakter  . . .  Wie 
herrlich  unversöhnlich  entbrannte  er  gegen  jede  kriechende  Brust,  gegen  Schlaffheit, 
Selbstzwist,  Unredlichkeit  und  dichterische  Schlammweiche,  sowie  gegen  deutsche 
kritische  Roheit  und  gegen  jedes  Zepter  in  einer  Tatze,  und  wie  beschwor  er  die 
Schlangen  der  Zeit!  Aber  willst  du  die  süsseste  Stimme  hören,  so  war  es  seine  in 
der  Liebe:  es  sei  gegen  ein  Kind,  gegen  ein  Gedicht  oder  die  Musik.* 

Herder  hat  nicht  allein  in  vielen  Stellen  seiner  Schriften,  sondern 
auch  in  Privatbriefen,  die  keineswegs  für  die  Öffentlichkeit  bestimmt 
waren,  seiner  leidenschaftlichen  Liebe  für  die  Musik  Ausdruck  gegeben. 
In  den  Zuschriften,  die  er  als  glücklicher  und  liebender  Briutigam  an 
seine  Verlobte,  Caroline  Flachsland,  richtete,   unterhUt  er  sich  aufs 


405 
KOHUT:  HERDER  UND  DIE  MUSIK 


angelegentlichste  von   der  Tonkunst.     So  schreibt  unterm  20.  September 
1770  der  damals  26  jährige  Jüngling  an  seine  Braut :^) 

«Ich  liebe  die  Musik  unaussprechlich.  Nur  bin  ich  so  sehr  versiumt:  ich  bin 
früh  in  so  schlechte  Hinde  gefallen:  ich  bin  bald  in  so  viele  verwickelnde  Geschifte 
geraten:  und  dann  endlich,  ich  bin  so  fluchtig  und  ungeduldig  bei  allem,  was  viele, 
lange  mechanische  Obung  fordert  —  dass  ich  bei  der  empflndlichsten  Seele  die  un- 
geschicktesten Hinde  zum  Klavier  habe.  Die  Musik  ist  für  empflndllche  Herzen  und 
feine  Seelen  ein  so  unentbehrliches  Vergnügen!  Die  Gedanken  des  blossen  Kopfes 
ermatten  so  leicht;  die  Sprache  des  blossen  Mundes  wird  hier  und  da  so  unkriftig, 
dass  ein  Saitenspiel  mit  einem  Liede  beseelt  gewiss  in  die  Ökonomie  eines  glQcklichen 
Lebens  als  tigliches  Hausgerit  gehört.** 

Im  »musikalischen  Magazin**  hat  der  Dichter  in  einer  Rhapsodie 
die  Tonkunst  auch  im  Vers  verherrlicht.  Ich  entnehme  diesem  langen 
Poem  nur  die  nachstehende  Stelle: 

,,Die  du  droben  den  Reigen  der  Sterne 

Und  der  Unsterblichen  führst, 

In  ewig-jungem  schwebenden  Jubeltanz 

Nah  und  niher  hinan  des  Allvollicommenen  Thron, 

Und  tief  hinieden  im  Erdental 

Unter  des  Himmels  heiligem  Blau 

In  leisen  Tönen,  im  verlorenen  Laut 

Der  Ahnung,  unser  Herz 

In  die  Chöre  der  Himmel  erhebst: 

Ewige  Harmonie! 

Kling*  in  meine  Saiten, 

Heilige  Harmonie! 

Kling*  in  meine  Seele. 

Sie  fühlt  dich,  sie  will,  sie  wird  dich  fühlen. 

Des  Wohllauts  ewige  Kette  zieht 

Auch  meinen  Geist.    Es  wallt  mein  Herz 

Im  Strome  der  Melodie  zum  hallenden  Ozean 

Der  All  Vollkommenheit. 

Wach  auf  in  mir,  du  leiser  Himmelston, 

Der  meine  Seele  ward. 

Aus  keiner  Engelsharf  entquollst  du.    Dich  hauchte 

Der  Ewige  selbst  mir  ein. 

Und  bist  mir  Ewigkeit, 

Bist  Gottesgefuhl  in  mir,  der  unendlichen  Harmonie 

Vorahnende  VerkQnderin. 

Wenn  einst  mein  Geist 

Vom  Erdenstaube  sich  hebt  empor 


^)  Vergl.  »Erinnerungen  aus  dem  Leben  J.  G.  v.  Herders;  gesammelt  und  be- 
schrieben von  Maria  Caroline  v.  Herder  geb.  Flachsland.  Herausgegeben  v.  Job.  Georg 
Mfiller,  Dr.  der  Theologie  u.  Professor  zu  Schaffhausen."  2.  Teil.  Tfibingen  1820. 
Seite  164. 


406 
DIE  MUSIK  III.  6. 


Und  seiner  Fesseln  sanft  sich  windet  los, 

Zu  Hilfe  komm'  ihm  dann,  du  heiiger  Strom 

Von  Tönen  andrer  Welt, 

Umström'  ihn  ganz,  und  trag*  ihn  sanft  hinüber . .  .* 

Herder  war  der  Sohn  eines  Kantors  in  der  kleinen  ostpreussischen 
Stadt  Mohrungen,  und  der  kirchliche  Vortrag  des  biederen  Mannes  machte 
auf  das  Gemüt  des  Kindes  schon  einen  tiefen  Eindruck.  So  kam  es,  dass 
Musik  und  Gesang  bereits  im  zartesten  Alter  Johann  Gottfrieds  für  ihn 
einen  hohen  Genuss  bildeten.  Wie  uns  seine  Witwe  in  ihren  schon  ge- 
nannten »Erinnerungen"^)  mitteilt,  erlernte  er  das  Kiavierspiel  in  der 
Schule  seines  Heimatortes  mit  vielen  anderen  Schülern  zusammen;  und 
diese  hatten  ein  einziges  kleines,  armseliges  Instrument,  das  sie  jedesmal 
aus  einer  Schulstube  in  die  andere  schleppen  mussten.  Wie  wenig  Unter- 
richt konnte  bei  einer  solchen  Menge  auf  den  Einzelnen  kommen!  Der 
Rektor  der  Mohrunger  Stadtschule,  Grimm,  ein  trefflicher  Musiker  und 
gediegener  Schulmann,  aber  ausgemachter  Pedant,  an  dem  sein  Schfiier 
übrigens  Zeit  seines  Lebens  mit  grosser  Liebe  hing,  hatte  ihm  die  ersten 
Anweisungen  im  Kiavierspiel  gegeben.  Die  ungewöhnliche  Begabung  des 
Kleinen  erkennend,  unterwies  er  ihn  auch  in  den  Anfangsgründen  des 
Generalbasses  und  der  Harmonielehre,  wobei  er  das  musikalische  Interesse 
des  Kantorsöhnchens  noch  durch  mancherlei  Übungen  rege  zu  halten  wusste. 
Die  Liebe  für  die  einfachen  und  erhabenen  Töne  der  Kirchenmusik,  die 
Herder  allezeit  erfüllte,  prägte  ihm  der  genannte  Rektor  ein,  der  selbst 
aus  Neigung  und  Liebhaberei  das  Studium  des  reinen  Kirchengesanges 
eifrig  hegte  und  pflegte. 

Die  Erinnerungen  und  Anregungen  aus  der  Jugendzeit  setzte  Herder 
in  seinem  späteren  Leben,  namentlich  in  seiner  amtlichen  Stellung  als 
Oberhofprediger,  Oberkonsistorialrat  und  Generalsuperintendent  in  Weimar, 
in  Taten  um,  indem  er  als  Reformator  des  öffentlichen  Gottesdienstes  auf- 
trat, ihm  Erweckung,  Teilnahme  und  Innigkeit  speziell  durch  die  Kirchen- 
musik zu  geben  suchend,  wobei  er  bestrebt  war,  die  einfach-erhabenen 
Melodieen  der  alten  Kirchenmusik  zur  vollen  Geltung  zu  bringen.  Er  ver- 
Aisste  zu  diesem  Behufe  auch  Kantatentexte  für  die  wichtigsten  Festtage, 
Hess  den  Händeischen  »Messias",  Haydns  »Schöpfung*  und  noch  andere 
Oratorien  dieser  Meister  und  ebenso  manche  Kirchenkompositionen  Glucks 
und  Mozarts  in  der  Hofkirche  zu  Weimar  aufführen. 

Seine  Verehrung  namentlich  für  Händel  und  dessen  Oratorien  hat 
er  in  zahlreichen  begeisterten  Aufsätzen  seiner  Feder  ausgesprochen.  So 
heisst  es  z.  B.  in  seiner  Abhandlung:  »Das  Oratorium  und  die  Kantate" 


0  A.  a.  C,  Seite  la 


407 
KOHUT:  HERDER  UND  DIE  MUSIK 


u.  a.:  „Der  ,MessiasS  dieses  grosse  Stück,  auf  einfachen  biblischen  Worten 
beruhend,  ist  wert  zu  dauern  so  lange  eine  Saite  gerührt,  so  lange  ein 
Instrument  angehaucht  wird.** 

Nie  versäumte  er  in  seinen  Wirkungskreisen  zu  Riga,  Bfickeburg 
und  Weimar  ein  Konzert,  wo  Oratorien  aufgeführt  wurden,  ebenso  besuchte 
er  auf  seinen  Reisen  in  Italien  und  Frankreich  fleissig  die  Kirchen,  wo  er 
den  Klängen  der  Musik  lauschen  konnte.  Als  Superintendent  am  kleinen 
Hofe  des  Erbgrafen  Wilhelm  von  Schaumburg-Lippe  und  dessen  kunst- 
sinnigen und  frommen  Gemahlin  Maria  bildete  das  musikalische  Leben 
einen  Hauptreiz  für  ihn,  der  ihn  magisch  fesselte.  In  den  Briefen  an 
seine  Braut  gibt  er  wiederholt  seiner  Befriedigung  und  Freude  über  die 
gelungenen  Aufführungen  derartiger  Kirchenwerke  Ausdruck.  So  schreibt 
er  ihr  einmal  im  Juli   1771: 

yPergolese's  ,Stabat  mater*  hat  mich  sehr  gerührt,  noch  mehr  aber  eine  andere 
Arie  von  Pergolese  aus  einer  Oper,  die  mir  noch  immer  in  der  Seele  weint.  Es  iti 
die  Sprache  zweier  Gatten,  die  sich  im  Gefängnis  vor  ihrem  Tode  als  Geschwister 
finden  und  ihr  armes  Kind  anreden:  ,misero  Pergoletto!*  —  o,  warum  kann  ich  Ihnen 
nicht  Ton  und  Empfindung  ganz  herzaubern  !** 

In  der  schon  erwähnten  Abhandlung  „Das  Oratorium  und  die  Kantate ** 
entwickelt  er  seine  Ansichten  über  diese  Musikgattungen  in  eingehender 
Weise.  Seinen  Ausführungen  sei  nur  die  nachstehende  schwungvolle  Stelle 
entnommen : 

„Das  Oratorium  ist  eine  reine  Kunstgattung,  vom  Ton  und  Gebirdestreit  sowohl, 
als  von  der  Oper  gesondert.  Sein  Vorbild  ist  der  reine  griechische  Chor  oder  der 
Psalm  und  Hymnus.  Ein  viel  in  sich  fassendes  Vorbild!  Hoch  wie  der  Himmel  der 
Phantasie,  tief  und  breit  und  felsenreich  wie  das  Meer  der  Empfindung,  zugleich  auch 
ein  Land  voll  Tiler  und  Höben,  voll  Mondesberge  und  Mondesgrfifte  ist  sie.  Die 
lyrische  Komposition  begreift  alles  in  sieb,  was  Gesang  und  Ton  ausdrücken  können, 
ohne  Gebirdung.  Durch  diese  Trennung  von  der  Gebärde  wird  ihr  freies  Reich  ge- 
öffnet, denn  so  viel  ausdrückend  die  theatralische  Deklamation  sein  mag,  so  weiss 
man  doch,  wie  viel  sie  auch  ausschliesst.  Da  in  ihm  alles  der  Aktion  angemessen 
werden  muss,  so  gebietet  diese.  Und  mit  ihr  gebieten  die  Töne;  unter  beider  Herr- 
schaft müssen  die  Worte  sich  fugen.  Wie  nun?  Hat  die  Musik  sich  ein  eigenes 
freies  Feld  in  Ouvertüren,  Sonaten  usw.  eröffoen  dürfen,  wo  sie,  unbehindert  von  jeder 
anderen  Kunst,  ihre  Flügel  ausbreitet  und  oft  den  höchsten  und  wildesten  Flug  nimmt, 
warum  sollten  Poesie  und  Musik,  zwei  Schwestern,  sich  nicht  auch  gesellen,  um  ge- 
meinschaftlich, ohne  Rucksicht  des  Zwanges  einer  dritten  Kunst,  ihre  Krifte  zu  üben? 
So  wird  das  Oratorium,  die  Kantate.  Es  kommt  vom  Himmel  ohne  zerstreuenden 
und  das  Auge  fesselnden  Theaterschmuck,  verhüllt  gleichsam  wie  eine  Vestalin,  oder 
vielmehr  unsichtbar  fiiessen  nach  und  nach  Stimmen  und  Töne  in  unsere  Seele,  vom 
zartesten  Tropfen  bis  zum  wildesten  Strom,  ah  keinen  Faden  gereiht  als  an  den  leisen, 
aber  mächtigen,  unzerreissbaren  der  Empfindung.  In  diesen  Ufern  oder  auf  diesem 
hohen  Meere  leitet  und  regiert  das  Schaffen  der  Meister.* 

In  einem  anderen  Aufsatz,  betitelt  ,Cäcilia",  stellt  er  die  Bedingung 
auf,  dass  der  Kirchengesang  vom  Anfang  bis  zu  Ende  eines  Gottesdienstes 


408 
DIE  MUSIK  III.  6. 


oder  Festes  ein  Ganzes  sein  mfisse.  Diese  Einheit  sei  in  den  protestantischen 

Kirchen  jedoch  ziemlich  verschwunden.    Die  Grundlage  der  heiligen  Musik 

sei    der  Chor.     Arien,  Duette,   Terzette   könnten   nicht   der   Hauptzweck 

einer  kirchlichen  Musik  sein,  und  nur  auf  dem  Wege  des  Chors  gelangte 

man  zu  jener  Bewegung  und  Rührung,  die  diese  Musik  erforderte.     Dass 

die   Chöre  von   Hymnen  und   Liedern   unterbrochen  oder  gleichsam  auf 

genommen,  besänftigt,  oder  beflügelt  werden,  liege  in  der  Natur  der  Sache. 
»Sehen  wir  nicht,"  sagt  er  wörtlich,  »dass  ausser  der  Kirche  die  Musik  er- 
staunende Fortschritte  gemacht  hat,  dass  durch  diese  selbst  das  Ohr  des  Volkes 
vieltöniger  worden  ist,  und  dass  wir  folglich  nicht  mehr  wie  unsere  alten  Vorfahren 
leiern  und  singen  können,  weil  wir  nicht  mehr  wie  sie  akzentuieren,  sprechen  und 
leben?  Eine  Reformation  des  Kirchengesangs  dönkt  mich  also  ein  väterliches  Er- 
fordernis der  Zeit  zu  sein.* 

Wie  man  sieht,  war  Johann  Gottfried  von  Herder  in  musiktheoretischer 
Beziehung  vielfach  ein  Vorläufer  Richard  Wagners,  und  es  ist  in  hohem 
Grade  wahrscheinlich,  dass  der  unsterbliche  Schöpfer  des  Musikdramas 
von  Bayreuth  nicht  allein  von  der  Gluckschen  Musik,  sondern  auch  von 
den  Ansichten  des  Weimarer  Klassikers  vielfach   beeinflusst  worden  ist. 

Durch  die  musikalischen  Unterhaltungen  im  Hause  seines  Herrn, 
des  regierenden  Erbgrafen  Wilhelm  von  Schaumburg-Lippe  zu  Bfickeburg, 
wurde  Herder  veranlasst,  die  erwähnten  Kantaten  zu  dichten,  zu  denen 
der  Kapellmeister  des  genannten  Grafen,  der  sogenannte  «Bückeburger 
Bach*,  Johann  Christoph  Friedrich,  der  dritte  Sohn  Johann  Sebastian 
Bachs  (geboren  21.  Juni  1721  in  Leipzig  und  gestorben  als  gräflich  lippischer 
Kapellmeister  zu  Bückeburg  am  26.  Juni  1795),  berühmt  als  Komponist 
von  Kirchen-  und  Kammermusikwerken,  von  sechs  Quartetten  für  Flöte 
und  Streichinstrumente,  der  Oper:  «Die  Amerikanerin*,  einer  vierhändigen 
Klaviersonate  usw.,  die  Musik  geschrieben  hat.  Diese  Kantaten  sind  u.  a. 
die  folgenden:  «Die  Kindheit  Jesu*  und  «Michaels  Sieg.  Der  Streit  des 
Guten  und  Bösen"  usw.  Auch  schrieb  Herder  einen  Operntext:  «Brutus", 
gleichfalls  von  Bach  komponiert.  Über  das  Libretto  dieser  Oper  äusserte 
er  sich  einem  Freunde  gegenüber: 

«Sie  wissen,  dass  dieser  edle  Römer,  der  um  nichts  und  wieder  nichts  umkam, 
einer  meiner  Lieblingshelden  ist,  wenigstens  habe  ich  über  ihn  etwas  von  meiner 
Lieblingsphilosophie  ausgeschüttet;  er  ist  ohne  Musik  nur  Fachwerk  und  Netz.  Dazu 
sind  die  besten  Züge  nicht  mein.  Geschichte  und  Shakespeare.  Ich  habe  diese 
Kantate  auch  eigentlich  nur  für  mich  geschrieben,  um  die  Lieblingssitnation  darzu- 
stellen,  dass  fast  nichts  in  der  Welt  recht  gut  sei,  alles  von  aussen  Farbe  erhalte, 
die  beste  Tat  auf  dem  Rade  des  Schicksals  liege,  und  wie  es  denn  wohl  ein  Brutus 
sein  müsse,  wenn  das  Rad  sich  umkehrt;  und  er  sehe,  es  sei  gut  von  hinnen  zu 
gehen.* 

Diesen  ursprünglichen  Text  arbeitete  Herder  später  etwas  um,  indem 
er  auch  die  Figur  der  Portia,  der  Frau  des  Brutus,  hinzunahm.    Ein  Zug 


409 
KOHUT:  HERDER  UND  DIE  MUSIK 


von  ihr  bei  Plutarch  hatte  ganz  besonders  sein  Interesse  geweckt.  Dort 
las  er,  dass  sie,  als  sie  beide  von  einander  Abschied  nahmen,  tränenlos 
hinweggehend,  plötzlich  das  Gemälde  erblickt:  „Der  Abschied  Hektors  von 
der  Andromache*  aus  dem  Homer;  da  bricht  sie  in  Tränen  und  die  Worte 
Homers  aus:  «Hektor,  du  bist  mir  Vater  und  Mutter  und  Bruder,  du  mein 
geliebter  Gemahl. "*  Auch  die  Wunde,  die  sie  sich  selbst  gab,  deutet  Herder 
ganz  anders,  wie  andere  Erklärer.  Er  meint,  dass  sie  sich  diese  nicht 
deshalb  beibrachte,  um  vom  Manne  das  Geheimnis  zu  erzwingen  und  da- 
mit zu  paradieren,  sondern  nur  um  für  sich  erst  zu  erfahren,  wie  weit 
sie  Schmerzen  ertragen  könnte  und  also  fähig  wäre,  an  irgend  einer 
grossen  Tat  teil  zu  nehmen.  Dieser  grosse  und  starke  Zug  hatte  für  den 
Dichter  etwas  ungemein  Anziehendes.  In  diesem  »Musikdrama"  wollte 
Herder,  ähnlich  wie  später  Richard  Wagner  es  ausführte,  dass  der  Text 
in  der  Oper  nur  das  sein  solle,  was  die  Unterschrift  an  einem  Gemälde 
oder  an  einer  Bildsäule  sei: 

»Erklirung  und  Leitung  des  Stromes  der  Musik  durch  dazwischen  gestreute 
Worte;  er  soll  nicht  gelesen,  er  soll  gehört  werden.  Die  Worte  sollen  nur  den 
rührenden  Körper  der  Musik  beleben,  und  diese  soll  sprechen,  bandeln,  rühren, 
fortsprechen  nur  dem  Geiste  und  dem  Umriss  des  Dichters  folgen.*' 

So  viel  mir  bekannt,  ging  dieses  Musikdrama  1774  über  die  Bühne 
von  Bückeburg,  doch  konnte  ich  über  seinen  Erfolg  aus  den  zeit- 
genössischen Blättern  nichts  Positives  feststellen. 

Die  Grundzüge   seiner   musikalischen  Ästhetik    spricht  Herder  auch 

in  seiner  «Kalligone''  aus;  dort  finden  wir  unter  anderem  eine  Abhandlung 

von   ihm    unter   dem   Titel:    «Ob  Malerei    oder  Tonkunst   eine   grössere 

Wirkung  gewährt  ?**    Statt  jedoch  diese  Frage  durch  kritische  Betrachtungen 

zu    lösen,    nimmt    der   Verfasser    zu    einer    geistreichen    mythologischen 

Allegorie  seine  Zuflucht,  indem   er   uns  Vater   Apollo   vorführt,  wie  er 

unter  seinem  geliebten  Lorbeerbaum   sitzt  und  die  jüngste  und  schönste 

seiner  Töchter,  die  Poesie,  im  Schosse  hat,  zur  Rechten  und  zur  Linken 

derselben   ihre  beiden   älteren  Schwestern,  sich  über  diese  aufgeworfene 

Frage   unterhaltend.     Der  Malerei,   die  sich   der  bestimmtesten,  klarsten 

und    dauerndsten   Wirkungen   rühmt    und  behauptet,   dass   die  Töne   der 

Schwester  nur  die  verworrene  Sprache  der  Halbempfindung  rede,  erwidert 

die  Tonkunst: 

»Glaubst  du,  meine  Schwester,  der  Klumpen  von  Farben,  der  auf  der  Palette 
liegt,  könne  mit  der  Natur  wetteifern?  Geschweige,  dass  er  ihre  allmichtige  Fülle 
und  Wahrheit  fibertrefPen  sollte?  Im  Gewühl  deiner  Farben  und  Gestalten  verint 
sich  die  edle  Menschennatur  nie  und  hat  gar  noch  etwas  nötig,  was  über  alle  Erd- 
gestalten hinausgeht,  um  sich  nur  einigermassen  gegen  das  leere  Wiederkommen 
derselben  zu  sichern.  Bei  mir  hat  sie  dies  nicht  nötig:  meinen  Empfindungen  bleibt 
jede  Erdennatur  unendlich  nach,  und  sie  wird  von  Stufe  zu  Stufe  steigen,  ehe  sie 


410 
DIE  MUSIK  III.  & 


das  Tongebiude  der  allgemeinen  Vollkommenheit  nur  in  einigem  Umfkngey  mit 
einiger  Fortdauer  seiner  ewig  steigenden  Melodie,  empfindet.*  Nach  langem  Streit, 
den  Apollo  vergeblich  zu  schlichten  sucht,  übernimmt  die  Poesie  das  Schiedsrichter- 
amt, indem  sie  sagt:  »Du,  Malerei,  wirkst  mehr  auf  die  Phantasie  als  auf  das  Herz, 
aber  die  Phantasie  kann  auch  zum  Herzen  kommen,  und  wenn  sie  dahin  reicht,  ist 
sie  gemeiniglich  desto  näher  dem  Verstände.  Also  sind  deine  Darstellungen  klarer, 
aber  wie  du,  Tonkunst,  meinst,  auch  kilter.  Das  ist  der  Malerei  keine  Schande, 
sondern  mag  eben  ihr  Vorteil  werden,  denn  Richtigkeit  und  Wahrheit  sind  die  Haupt- 
mittel ihrer  Wirkung,  die  sie  mit  Schönheit  und  Annehmlichkeit  nur  bekleidet  Du, 
Tonkunst,  bist  mir  mehr,  als  mir  die  Malerei  sein  kann,  denn  wie  du  recht  gesagt 
hast,  bist  du  der  harmonische  Grund,  und  die  melodische  Begleiterin  aller,  selbst  der 
malerischen,  Schönheit.  Du  wirst  mir  aber  zugeben,  dass  ohne  meine  Worte,  ohne 
Gesang,  Tanz  und  andere  Handlungen  für  Menschen  deine  Empfindungen  immer  im 
Dunklen  bleiben  ...  Ich  werde  gelesen,  du  wirst  gehört,  bei  mir  tadelt  und  gihnt 
man,  bei  dir  spielt  oder  plaudert  man,  und  zuletzt  schüft  man  bei  uns  beiden  ein. 
Und  käme  man  nicht  wieder  zu  der  alten  und  grossen  Wirkung,  meine  Schwester, 
wenn  deine  Kunst  sich  mit  der  meinigen  näher  zusammenfände?*  Die  Poesie 
willigt  mit  Freuden  in  den  Bund,  denn  sie  meint :  »Der  Tonkfinstler  dichtet,  wenn  er 
spielt,  sowie  der  echte  Dichter  singet,  wenn  er  dichtet.*  Während  sich  die  Tonkunst 
und  die  Poesie  in  die  Arme  sinken,  haben  sie  die  Malerei  ganz  vergessen;  nun 
erhebt  Vater  Apoll  seine  Stimme  zu  dem  Rufe:  »Ihr  seid  beide  meine  Töchter,  du, 
Malerei,  die  Zeichnerin  für  den  Verstand,  du,  Tonkunst,  die  Sprecherin  zum  Herzen 
und  du,  meine  liebe  jugendliche  Dichtkunst,  du  die  Schülerin  und  Lehrerin  beider.* 

Wie  im  Oratorium,  der  Kantate  und  der  Kirchenmusik,  so  liebte 
Herder  auch  im  Lied  das  Schlichte,  das  Einfache,  das  zum  Herzen 
Gehende.  Zu  den  Volksliedern  sammelte  er  die  Original-Melodieen  und 
würde,  wenn  er  die  berühmt  gewordene  Sammlung:  «Stimmen  der  Völker 
in  Liedern*  noch  selbst  hätte  ordnen  können,  wahrscheinlich  jene  damit 
verbunden  haben,  denn  Lied  und  Melodie  waren  für  ihn  unzertrennlich. 
Er  fühlte  bei  dem  Inhalt  und  Metrum  eines  Liedes  von  selbst  die  dazu 
passende  Melodie  und  wusste  mit  Bestimmtheit  anzugeben,  wenn  der 
Dichter  und  der  Komponist  nicht  harmonierten  oder  der  erstere  die  Melodie 
nicht  selbst  in  seiner  Seele  gesungen  hatte. 

In  seinem  «Zeugnisse  über  Volkslieder"  ^)  zitiert  er  mit  Vorliebe  aus 
den  Tischreden  Martin  Luthers  den  Ausspruch:  «Musika  ist  eine  holde 
Disziplin  und  Zuchtmeisterin,  so  die  Leute  milder  und  sanftmütiger,  sitt- 
samer und  vernünftiger  macht.  Die  Musika  ist  eine  schöne,  herrliche  Gabe 
Gottes  und  nahe  der  Theologie*;  auch  bemerkt  er  dort,  auf  Gluck  hin- 
weisend, dass,  als  dieser  grosse  Meister  die  Wahrnehmung  machte,  dass  die 
simple  Stelle  die  meiste  Wirkung  auf  die  Seele  und  Empfindung  des  Zuhörers 
ausfibe,  habe  er  sich  seit  jener  Zeit  beständig  befiissen,  für  die  Singstimme 
mehr  in  dem  natürlichen  Ton  der  menschlichen  Empfindungen  und  Leiden- 

^)  «Herders  ausgewählte  Werke,  herausgegeben  von  Bernhard  Suphsn  und  Karl 
Redlich*,  Berlin  1885,  xweiter  Band,  Seite  2. 


411 
KOHUT:  HERDER  UND  DIE  MUSIK 


Schäften  zu  schreiben,  als  den  Liebhabern  tiefer  Wissenschaften  oder  grosser 
Schwierigkeiten  zu  schmeicheln.  Es  sei  anerkennenswert,  dass  die  meisten 
derselben  in  seiner  Oper  „  Orpheus  **  so  klar  und  simpel  seien,  wie  die 
englischen  Balladen;  er  sei  dafür,  die  Musik  zu  simplizieren  und  statt  mit 
grenzenloser  Erfindungskraft  und  Fähigkeit  die  eigensinnigste  Schwierigkeit 
hervorzubringen  und  seine  Melodieen  mit  wählerischen  Zieraten  zu  ver- 
brämen, tue  er  alles  Mögliche,  seine  Muse  nüchtern  und  keusch  zu  er- 
halten. Noch  deutlicher  spricht  sich  Herder  über  diese  seine  Vorliebe  für 
das  Keusche  und  Simple  im  Volkslied  in  der  Einleitung  zu:  „Stimmen  der 
Völker  in  Liedern*"  aus.     Dort  heisst  es: 

„Das  Wesen  des  Liedes  ist  Gesang,  nicht  Gemälde.  Seine  Vollkommenheit 
liegt  im  melodischen  Gang  der  Leidenschaften  oder  Empfindung,  den  man  mit  dem 
alten  treffenden  Ausdruck:  „Weise"  nennen  könnte;  fehlt  dies  einem  Liede,  hat  es 
keinen  Ton,  keine  poetische  Modulation,  keinen  gehaltenen  Gang  und  Fortgang  der- 
selben; habe  es  Bild  und  Bilder  und  Zusammenhang  und  Niedlichkeit  der  Farbe,  so 
viel  es  wolle,  es  ist  kein  Bild  mehr." 

In  der  Abhandlung  über  „Volksgesang"  in  der  Abteilung  seiner  Werke: 
„Zur  schönen  Literatur  und  Kunst"  geht  er  dem  Grunde  nach,  warum  Volks- 
lieder ein  so  gewaltiges  Mittel  seien,  aufs  Herz  zu  wirken  und  der  Sprache 
des  Herzens  einen  so  unverhohlenen  Ausdruck  zu  geben,  und  er  findet  den 
Grund  dafür  in  dem  Schönen  und  Edlen  der  Melodieen  unserer  alten  Volks- 
lieder. Eine  Musik,  wenn  sie  eine  wirklich  gemeine,  das  heisst  triviale  und 
ekle,  Volkspoesie  mit  Saitenspiel,  Trommel  und  Pfeifen  vertone,  sei  un- 
anständig und  nicht  imstande,  unser  Gemüt  zu  erheben  und  das  Leben  zu 
verschönem. 

„Der  Maestro  ist  hier  ein  Knabe  worden;  der  Dichtungsart,  die  eigentlich  ganz 
Herz  sein  sollte,  wird  das  Herz  genommen,  es  wird  damit  gespielt.  In  unserer 
stillsten  Kammer  hat  Adrastea  Zepter  und  Wage  verloren,  sie  wird  verspottet,  mit 
ihr  wird  kunstmissig  gegaukelt." 

Herder  verlangte  die  Gründung  einer  neuen,  echt  deutschen 
Oper  nach  seinen  Grundsätzen,  ohne  französischen  Schnickschnack,  Augen- 
täuschungen und  verwirrenden  äusseren  Kram.  Was  er  unter  einer  neuen 
„deutschen  Oper"  versteht,  darüber  spricht  er  sich  in  folgender  Weise  aus: 

„Auf  menschlichem  Grunde  und  Boden,  mit  menschlicher  Musik  und  Dekla- 
mation und  Verzierung,  aber  mit  Empfindung.  Empfindung,  o  grosser  Zweck,  grosses 
Werkl  Sprechen,  wo  man  spricht,  singen,  wo  man  singt!  Oder  nein,  statt  sprechen,  ganze 
Auftritte  durch  nur  Pantomine,  und  dann  singen,  wo  man  empfindet  —  das  ist  eine  Operl 
Der  Plan  muss  einfach  sein:  keine  Verkleidung,  keine  Verwicklung,  keine  Geschichte 
und  Novelle  und  Romane,  keine  Handlung,  die  das  Auge  auch  ohne  Ohr  nicht  sehen, 
erkennen,  übersehen,  verfolgen,  beurteilen  könnte.  Der  Taube  muss  die  Oper  ver- 
stehen können  I  Tiefo  Allegorie  und  tiefe  Geschichte  werden  gleich  ausgeschlossen, 
und  die  Frage  fällt  weg,  die  beide  unterscheidet  Der  Plan  muss  Empfindung  sein; 
nur  diese  spricht  durch  Mienen  und  diese  durch  Liederl   Nichts  also  als  menschliche 


412 
DIE  MUSIK  III.  e. 


Szenen;  alle  Spielereien  durch  Worte  fielen  weg.  Die  Dekoration  mata  menachlich 
aein.  Die  Schürze  der  Mannaperaonen  und  ihre  SchnQrbr&ate  aind  unleidlich«  Ein 
elendea  Ballet  in  der  franzdaiachen  Komödie,  —  wie  weit  natfirlicher!  Die  Tänze 
mfiaaen  Empfindung  aein.  Nicht  bloaa  Fiiaae  apielen  und  Hinde  auaatrecken  oder 
Nacken  beugen,  sondern  mit  dem  ganzen  Körper  aprechen,  und  ea  wird  von  aelbat, 
wenn  Gebirden  die  elenden  Rezitative  eraetzen  aollen.  Getanzt  muaa  nur  werden, 
wenn  getanzt  werden  aoll,  und  dann  Tanz  der  Freude,  Oberraachung,  Erachrecken, 
Wut,  Zwietracht,  Rache,  Furcht,  Neckerei  uaw.  Den  Inhalt  auadrfickend,  muaa  die 
Empfindung  dem  Tanz  gezeichnet  und  die  Muaik  dazu  geaetzt  und  die  Gebirden 
gebildet  haben.  Oper  iat  Bild  fura  Auge,  Ton  fürs  Gehör.  Ei,  füra  Gefühl?  Un- 
mittelbar füra  Gefühl?  Wo  aind  die  Bewegungen  in  den  Tinzen,  die  unmittelbar 
blind  tiuachen?  Wo  aind  die  Töne  dea  Gesangea,  die  unmittelbar  erachüttem?  Und 
die  Gebirden  der  Deklamatoren,  die  atumm  die  grösste  Wirkung  tun  müaaten?  — 
Und  aiehe,  daa  lebte  bei  den  Alten!  Unaere  Musik  malt,  unaere  Deklamation  ficht 
und  malt,  unaere  Tinze  malen  in  Linien,  —  die  Kraft  iat  weg!  Wie  sind  die  Kfinate 
entatanden?  Sieh'  eine  lebendige  Schönheit!  Reizende  Stellungen  werden  dir  im 
Gedichtnis  bleiben,  —  ein  Ideal  davon:  Tanzkunat  Nimm  eine  Stellung  deraelben, 
die  du  verewigt  wünachest,  —  Bildhauerei.  Halte  für  dieaea  Kunatatfick  ein  Glaa, 
—  Gemilde;  Gemilde  iat  alao  Fliehe;  Bildhauerei  ^  Körper,  Tanzkunat  von  Körpern.* 

Mit   der   bestehenden   deutschen  Oper   seiner  Zeit   war  Herder   in 

keiner  Weise  zufrieden;  wie  er  gegen  die  franzosische  Oper  ankämpfte, 

so  eiferte  er  auch  gegen  ihre  deutsche  Kollegin,  und  in  scharfen  Worten 

geisselt  er  ihren  schlechten  Geschmack.    Bedauerlich  ist  es  nur,  dass  er, 

gar  zu  grosses  Gewicht  auf  gute  Texte  legend,  die  Musik  zu  den  schlechten 

gleichfalls  verdammte  und  deshalb  sogar  mit  dem   unsterblichen  Genius 

eines  Wolfgang  Amadeus  Mozart  zu  Gericht  ging.    Man  höre  nur  die 

nachstehenden  kritischen  Ausführungen  Herders: 

9W0  die  Oper  jetzt  steht,  wissen  wir:  auf  dem  Kunstgipfel  der  Tonkunst  und 
Dekoration,  fkat  mit  Vemachliaaigung  dea  Inhalta  und  der  Fabel.  Den  Opemdichter 
nennt  man  jetzt  kaum;  aeine  Worte,  die  man  aelten  verateht,  und  noch  aeltener  dea 
Veratehena  wert  aind,  geben  dem  Tonkünatler  nur  Anlaaa  zu  aeinem  (wie  er'a  nennt) 
muaikaliachen  Gedanken,  dem  Dekorateur  zu  aeinen  Dekorationen.  Muaikaliache 
Gedanken  ohne  Worte,  Dekorationen  ohne  eine  veratindige  Fabel  aind  freilich  aonder- 
bare  Dinge;  wir  denken  aber  einmal  in  der  Oper  reinmuaikaliach.    Sie  Iat  der  Ort: 

,Wo  wie  vor  aüaaen  Zaubereien 
Der  Bürger  aeinen  Gram  vertriumt. 
Den  Krieg  vergiaat  und  Plackereien, 
Und  waa  er  aelbat  an  Pflicht  veraiumt. 
Auch  Vaterland  und  Schurkereien 
Dea  Rechte,  Auflagen  —  ach,  er  triumt 
In  einem  trunknen  Augenblick 
Sich  aeinea  Lebena  —  Opemglück.' 

Hat  der  Tonkünatler  durch  dieae  Zurückaetzung  dea  poetiachen  Stoffea  ge- 
wonnen oder  verloren?  Für  aeine  Kunat  glaubt  er  gewonnen  zu  haben;  er  darf 
aeine  Arien  drehen  und  wenden  nach  Herzenaluat;  höchatena  paaat  er  aie  der  Kehle 
an,  die  aie  hinwirbelt   Ala  Tondichter  aber,  ala  Sprecher  und  Wirker  der  Empfindung 


413 
KOHUT:  HERDER  UND  DIE  MUSIK 


hat  er  gewiss  verloren.  Spazieren  seine  Töne  in  der  Luft,  verschlingen  sie  sich  nicht 
unmittelbar  mit  Worten  und  Szenen  der  Empfindung,  so  dringen  sie  nie  ans  Herz, 
sie  bleiben  im  Ohre.  Bearbeitet  er  einen  unwürdigen,  gar  schindlichen  Stoff,  muss 
er  seine  sfissen  Töne  an  Laffereien,  an  eine  Persiflage  alles  Grossen,  Guten  und 
Schönen  verschwenden.  O,  wie  bedauern  wir  den  Tonschöpfer  I  Wie  bedauern  wir, 
zauberischer  Mozart,  dich  in  deinem  »Cosi  fan  tutte*,  .Figaro*',  »Don  Juan*  usw.! 
Die  Töne  setzen  uns  in  den  Himmel,  der  Anblick  der  Szenen  ins  Fegefeuer,  wo  nicht 
gar  tiefer.  Lisst  der  Tonkunstler  sich  gar  hinreissen,  seiner  musikalischen  Drehbank 
zu  gefallen  die  Empfindungen  zu  zerstückeln,  zu  kauen  und  wiederzukäuen,  zu  kaden- 
zieren,  Unmut  .erregt  er,  statt  Dank  und  Entzückung  in  unserer  Seele!  Schnürt  er 
endlich  seine  Kunstmaschinen  Sängern  und  Sängerinnen  so  an  die  Kehle,  dass  Held 
und  Heldin  darüber  zu  Spott  werden,  folgt  er  dem  Trödelkram  sogenannter  weicher 
Empfindungen  bis  zu  Szenen  ausgelassener  Frechheit,  —  wie  hätte  er  gewonnen? 
Und  nicht  vielmehr  das  Beste,  den  Zauber  seiner  Kunst,  die  höchste  Einwirkung  auft 
menschliche  Gemüt  verloren?  Der  Fortgang  des  Jahrhunderts  wird  auf  einen 
Mann  führen,  der  diesen  Trödelkram  wortloser  Töne  verachtend,  die 
Notwendigkeit  einer  innigen  Verknüpfung  rein  menschlicher  Empfindung 
und  der  Fabel  selbst  mit  seinen  Tönen  einsieht.  Von  jener  Herrscherhöhe, 
auf  welcher  sich  der  gemeine  Musikus  brüstet,  dass  die  Poesie  seiner  Kunst  diene, 
stieg  er  hinab  und  lieh,  soweit  es  der  Geschmack  der  Nation,  für  die  er  Töne  dichtete, 
zuliess,  den  Worten  die  Empfindung,  der  Handlung  selbst  mit  seinen  Tönen  nur 
dienend.  Er  hat  Nacheiferer;  vielleicht  eifert  ihm  bald  jemand  vor,  dass 
er  nämlich  die  ganze  Bude  des  zerschnittenen  und  zerfetzten  Opern- 
Klingklangs  umreisse,  und  ein  Odeum  aufrichte,  ein  zusammenhängendes 
lyrisches  Gebäude,  in  welchem  Poesie,  Musik,  Aktion,  Dekoration  eins 
sind.« 

Das  Wort,  dass  der  Dichter  ein  Prophet  sei,  bewahrheitet  sich  auch 
bei  Herder,  er  ahnte  den  Zukunftsmusiker  vor,  der  mit  dem  Schnickschnack 
der  französisch-italienischen  Oper  endlich  einmal  gründlich  aufräumen  und  eine 
neue  deutsche  Oper  auf  nationalen  Grundlagen  schaffen  werde!  Nur  kam  dieser 
Messias  nicht  so  rasch,  nicht  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts,  wie  Herder 
glaubte,  sondern  erst  ein  Jahrhundert  später.     Er  hiess  Richard  Wagner. 

Zweifellos  übertrieb  Herder  in  seinem  Reformfanatismus  die  Zustände, 
die  auf  den  deutschen  Opembühnen  herrschten,  indem  er  gar  zu  sehr  grau 
in  grau  malte,  aber  in  seinen  beissenden  und  ätzenden  Kritiken  traf  er 
oft  den  Nagel  auf  den  Kopf,  wie  z.  B.  in  den  nachstehenden  Zeilen, 
die  sich  gleichfalls  mit  Mozart  und  seinen  Opemtexten  beschäftigen: 

»In  wie  anmutreichen  Zeiten  leben  wir!  In  züchtig-unzüchtigen,  musikalisch- 
theatralischen  Zeiten,  da  der  Tonkünstler  seine  musikalischen  Gedanken  und  Empfind- 
ungen mir  nichts  dir  nichts  jedem  Unsinn  anpasst,  und  der  dekorierte  Schauspieler  sein : 

,Gib  mir  ein  Scbmätzchen, 
O  du  mein  Kätzchen, 
Gib  mir  ein  Mäulchen, 
O  du  mein  Eulchen' 

ohne  alles  Erröten  singt,  indes  Parterre  und  Galerien  in  Empfindungen  lieblicher 
Töne  zerschmelzen.    Wie  wäre  es,  wenn  wir  eine  Alla  Potrida  solcher  musikalischer 


414 
DIE  MUSIK  III.  6. 


Gedanken  und  Empflndungen  unserer  neuesten  deutschen  Oper  zur  Probe  ^ben! 
Gross  kann  sie  nicht  werden,  denn  in  jeder  sind  fkst  dieselben  Worte,  dieselben 
Reime.* 

In  Buckeburg,  sowie  in  Weimar  spielte  Herder,  aber  nur  auf  stfirmisches 
Verlangen  seiner  intimen  Freunde  oder  der  Hofkreise,  am  Klavier  oder 
sang  mit  seiner  sympathischen  Stimme  das  eine  oder  das  andere  Lied,  spez. 
ein  Volkslied.  Zu  den  wärmsten  Bewunderem  seines  musikalischen  Talents 
gehörte  besonders  die  Herzogin-Mutter  von  Sachsen- Weimar,  Anna  Amalie, 
die  bekanntlich  selbst  sehr  musikalisch  war  —  sie  komponierte  u.  a.  für 
die  herzogliche  Kapelle  und  das  Theater,  z.  B.  die  Musik  zu  Goethes 
Singspiel:  „Erwin  und  Elmire"*  —  und  sich  mit  ihrem  Hofprediger  gern 
über  theoretische  Fragen  der  Tonkunst  eingebend  unterhielt  und  sich  an 
seinen  klaren,  treffenden  Urteilen  zu  erfreuen  pBegte. 

Nicht  soll  noch  unerwähnt  bleiben,  dass  der  grosse  Physiker  Helm- 
holtz  zu  vielen  seiner  Lehren  und  Theorieen  der  Mechanik  der  Tonkunst 
durch  jene  Abhandlungen  angeregt  wurde,  die  Herder  in  seinem  vierten 
»kritischen  Wäldchen*  ^)  über  die  Ästhetik  des  Gehörs  und  Tons  veröffent- 
licht hat.  Allen  denjenigen,  die  sich  über  diesen  Gegenstand  genau  orientieren 
wollen,  empfehlen  wir  das  Studium  dieser  grundlegenden  Untersuchungen 
des  ausgezeichneten  Weimarischen  Ästhetikers  und  Kritikers.  Ein  Vergleich 
seiner  Ausführungen  mit  denjenigen  von  Helmholtz  wird  sicherlich  für  jeden 
Freund  der  Tonkunst  von  hohem  Interesse  sein. 

Wie  haben  sich  seit  einem  Jahrhundert  die  Zeiten  geändert  I  Wo  gibt 
es  noch  heutzutage  Konsistorialräte  und  Superintendenten  und  Oberkirchen- 
räte, die  sich  so  mit  der  Musik  beschäftigen,  das  Wesen  derselben  zergliedern 
und  in  Wort  und  Schrift  die  heilsame  kulturgeschichtliche  Bedeutung  der 
Frau  Musika  zu  erläutern  suchen?  Ehre  und  Ruhm  daher  dem  Genius 
dieses  Unsterblichen,  dessen  Manen  zu  huldigen  an  seinem  Säkulartage 
auch  die  Musik  berufen  ist! 


.\    y.^)  Herders  Lebensbild,  3.  Band,  zweite  Hilfte,  Seite  352  ff. 


^nde  Oktober  [kehrt  Berlioz  mit  seiner  jungen  Frau  nach' Paris 
zurück  und  sie  richten  sieb  so  gut  es  gebt  in  seiner  früheren 
\  JuDggesellenwohnung  ein.  Die  Sorge  zieht  mit  ihnen,  denn 
I  Berlioz'  ganze  Barschaft  besteht  in  300  Francs,  die  sein  Freund 
Gounet  ihm  geborgt  hat  und  auf  weitere  8  Monate  bezieht  er  die  Pension 
vom  Institut;  die  Schulden  seiner  Frau  aber  belaufen  sich  auf  14000  Francs. 
Mit  bevunderungswürdigem  Mut  nimmt  er  diese  Last  auf  sich  in  freudiger 
Zuversicht  auf  die  Zukunft.  Liszt  ist  ein  bäußger  Gast  in  dem  Hause  und 
Zeuge  ihres  jungen  Glücks. 

Berlioz'  Leben  ßngt  an  ruhiger  zu  werden.  Wohl  werfen  die  Sorgen 
manchen  Schatten  hinein,  aber  das  Lächeln  seines  Kindes  zerstreut  sie  wieder. 

„Der  kleine  Louis',  so  schreibt  er  lo  Feirand,  ,tsi  das  niedlichste  Kind,  das  ich 
ie  gesehen  habe.  Meine  Frau  und  ich  füblen  uns  so  einig  und  glücklich  wie  nur 
mSgllch,  trotz  alter  materiellen  Sorgen." 

Die  diskrete  Hilfe  guter  Freunde  und  der  Ertrag  seiner  Konzerte 
reichen  jedoch  nicht  zum  Unterhalt  des  Hausstandes  aus.  Berlioz  sieht 
sich  genötigt,  Feuilletonist  zu  werden,  um  die  Bedürfnisse  des  täglichen 
Lebens  bestreiten  zu  können.  Er  hat  diesen  Frondienst,  wie  er  seine 
schriftstellerische  Tätigkeit  nennt,  sein  Lebelang  verwünscht ;  erst  nach 
dreissig  Jahren  ermdglichte  ihm  der  Verkauf  von  der  Partitur  der  „Trojaner" 
sein  Amt  als  Feuilletonisl  niederzulegen. 

Trotz  aller  Kämpfe  und  Sorgen  ist  Berlioz  in  den  ersten  Jahren 
seiner  Ehe  künstlerisch  sehr  produktiv.  In  dieser  Periode  entstehen: 
Harold,  das  Requiem,  Benvenuto  Cellini  und  Romeo  und  Julie. 

Am  10.  September  1838  findet  die  erste  Aufführung  von  ^Benvenuto 
Ceillni*  statt.  Trotzdem  die  Oper  durchfällt,  feiert  Berlioz'  Ehrgeiz  einen 
grossen  Triumph.  Paganini  hatte  der  Vorstellung  beigewohnt  und  war 
empört  über  die  Niederlage: 

„Tire  Ich  Direktor  der  OpJra",  sagte  er,  .^0  würde  ich  nicht  verfehlen,  diesen 
jungen  Mann  lu  veranlassen,  mir  drei  weitere  Partituren  lu  schreiben,  ich  würde  ihm 
den  Preis  im  vorsus  zahlen,  Sberteugt,  dass  ich  damit  einen  goldenen  Handel  ab- 
sckllesien  vürda." 


> 


416 
DIE  MUSIK  III.  a 


Ein  Konzert,  das  drei  Monate  spiter  stattftmd  und  bei  dem 
«Harold*  und  die  «Symphonie  Fantastique*  ausfuhrt  worden,  gab  dem 
grossen  italienischen  Geiger  Gel^enbeit,  seine  Begeisterung  dnrch  dn 
grossmfitiges  Geschenk  zu  betätigen.  Berlioz  erzählt  uns  diese  Szene  in 
den  Memoiren.  Es  ist  am  Tage  nach  dem  Konzert,  ein  Brief  von  Paganini 
wird  ihm  im  Bett  fiberbracht;  seine  Frau  tritt  ins  Zimmer  und  findet  ihn 
bleich  mit  verstörten  Mienen,  angstvoll  ruft  sie: 

«Was  gibt  et  wieder?  ist  ein  neues  Unglfick  geschehen?  Verzage  nicht,  wir 
haben  so  manches  ertragen  .  .  .  Nein,  nein,  im  Gegenteil!  —  Was  denn?  —  Paga- 
nini ...  —  Nun?  —  Schickt  mir  .  .  .  20000  Francs!  ...  —  Louis!  Louis!  ruft 
Henriette  ganz  verwirrt  und  läuft,  um  den  Kleinen,  der  im  anliegenden  Zimmer  spidt^ 
zu  holen,  dann  kniet  sie  mit  dem  Kinde  am  Bette  nieder  und  ftütet  seine  kleinen 
Hände  zum  Gebet* 

Berlioz  konnte  nun  nicht  nur  alle  seine  Schulden  bezahlen,  er  behielt 
noch  eine  stattliche  Summe  in  Händen,  die  er  zu  musikalischen  Zwecken 
verwenden  wollte.  Er  fühlte  das  dringende  Bedurftiis,  durch  eine  grosse 
musikalische  Tat  Paganini  zu  beweisen,  dass  er  seine  vertrauende  Be- 
geisterung keinem  Unwfirdigen  geschenkt  hatte.  So  entstand  seine  grosse 
Symphonie  «Romeo  und  Julie*.  Er  arbeitete  sieben  Monate,  ft»t  ohne 
sich  eine  Ruhepause  zu  gönnen.    Von  dieser  Zeit  sagt  Berlioz: 

»Mit  welchem  Feuereifer  habe  ich  gearbeitet,  mit  vollen  Zfigen  schwamm  Ich 
in  diesem  gewaltigen  Meer  von  Poesie,  umschmeichelt  von  dem  kräftigen  Windhauch 
meiner  zügellosen  Phantasie,  unter  den  heissen  Strahlen  der  Liebessonne,  die  Shake* 
speare  entzfindet  hatte,  im  VoUgefiihl  der  Kraft,  jene  Wunderinsel  zu  erreichen,  wo 
der  Tempel  der  reinen  Kunst  sich  erhebt* 

Im  nächsten  Mai  (1840)  schreibt  Berlioz  auf  Verlangen  von  M.  de 
R6musat^)  seine  «Symphonie  fundbre  et  triomphale*  für  die  Überführung 
der  Opfer  der  Julirevolution  und  die  Einweihung  der  Säule  auf  der  Place 
de  la  Bastille.    Der  Plan  zu  dieser  Komposition  bestand  seit  langem. 

Aber  Berlioz  ist  nicht  mehr  der  stürmische  Romantiker,  der  er  war, 

der  glfihende  Apostel  einer  reformatorischen  Musik. 

»Können  Sie  sich  denken,*  schreibt  er  an  Ferrand,  »meine  musikalische  Be- 
geisterung ist  einer  Art  resignierter  Kalü>lfitigkeit  und  Verachtung  gewichen  . . .  mir 
scheint,  ich  steige  mit  ungeheurer  Geschwindigkeit  den  Berg  hinab;  das  Leben  ist  so 
kurz,  ich  spfire,  wie  seit  einiger  Zeit  oft  der  Gedanke  an  das  Ende  an  mich 
herantritt« 

Der  häusliche  Friede  ist  schon  gestört,  aber  Berlioz  macht  darfiber 
dem  Freunde  keine  Geständnisse,  er  sagt  nur :  „wenn  Sie  in  diesem  Winter 
kommen,  so  werden  wir  uns  viele  Dinge  zu  sagen  haben,  die  man  beim 
Schreiben  schlecht  erklären  kann.^ 


')  Comte  de  R^musat  (1797—1875)  Minister  des  Innern. 


417 
SAVIC:  BERLIOZ  UND  DIE  FRAUEN 


Legouv6,^)  einer  der  intimen  Freunde  des  Künstierpaares,  erzählt  in 

seiner  Biographie: 

Als  Berlioz  Henriette  heiratete,  liebte  er  sie  wahnsinnig;  »sie  hatte  ihn  gern", 
um  ihre  eigenen  Worte  zu  gebrauchen.  Es  war  eine  »blonde  Liebe**,  die  Oberschwäng- 
lichkeiten  des  exaltierten  Mannes  hatten  sie  erschreckt,  sie  gewöhnte  sich  aber  all- 
mihllch  daran  und  fand  schliesslich  einen  grossen  Reiz  darin.  Aus  der  kalten  Eng- 
Underin  wurde  eine  feurig  liebende  Gattin,  unglücklicherweise  war  Berlioz  schon  er- 
nüchtert. Seine  Liebesfiamme  hatte  in  freier  Luft  gebrannt  und  sich  zu  früh  verzehrt. 
In  dem  Grade,  in  dem  das  Thermometer  Smithson  stieg,  ging  das  Thermometer  Berlioz 
zurück.  Zuhause  war  er  nur  noch  der  gute  Freund,  sehr  korrekt  und  ruhig,  wihrend 
draussen  immer  neue  Gelegenheiten,  wie  sie  das  Künstlerleben  bietet,  ihn  so  oft  in 
Versuchung  führten,  dass  er  ihnen  schliesslich  erlag.  Seine  Widerstandskraft  war 
nicht  so  beschaffen,  dass  er  sich  gegen  Versuchungen,  die  so  nahe  an  ihn  herantraten 
und  seiner  Eigenliebe  schmeicheln  mussten,  schützen  konnte.  —  Frau  Berlioz  suchte 
in  den  Feuilletons  ihres  Mannes  die  Spuren  seiner  Untreue,  sie  suchte  sie  überall: 
Bruchstücke  aufgefangener  Briefe,  auf  indiskrete  Weise  geöffnete  Schubfächer  brachten 
<hr  unvollstindige  Enthüllungen,  die  wohl  hinreichten,  dass  sie  ganz  ausser  sich 
geriet,  die  sie  aber  nur  halb  aufklärten.  Berlioz'  Herz  ging  so  schnell,  dass  sie 
ihm  nicht  folgen  konnte.  Wenn  sie  durch  Nachforschungen  den  Gegenstand  seiner 
Leidenschaft  entdeckt  hatte,  so  hatte  diese  Leidenschaft  schon  ihren  Gegenstand 
gewechselt,  er  liebte  schon  wieder  eine  andere,  und  da  er  dann  leicht  seine  Unschuld 
nachweisen  konnte,  so  blieb  die  arme  Frau  auf  falscher  Fährte  wie  ein  Spürhund, 
der  eine  halbe  Stunde  lang  einer  Fährte  nachgelaufen  ist  und  endlich  an  das  Lager 
kommt,  von  dem  der  Vogel  schon  aufgeflogen  ist.  Freilich  Hessen  andere  Ent- 
deckungen sie  bald  wieder  neuen  Spuren  folgen  und  darüber  gab  es  dann  entsetzliche 
häusliche  Szenen. 

In  der  Tat  tritt  bald  die  Katastrophe  ein.  Durch  einen  Staatsstreich, 
wie  er  es  in  seinen  Memoiren  nennt,  gelingt  es  Berlioz,  seine  Freiheit  zu 
gewinnen  und  seine  Reisen  ins  Ausland  unternehmen  zu  können,  woran 
seine  Frau  ihn  um  jeden  Preis  hat  hindern  wollen,  »eine  törichte,  während 
langer  Zeit  unbegründete  Eifersucht  war  das  Motiv  ihrer  Opposition*. 
Heimlich  lässt  Berlioz  seinen  Koffer  und  seine  Noten  aus  dem  Hause 
schaffen.  Ein  Brief  unterrichtet  die  arme  Henriette  von  seiner  Flucht. 
Berlioz  reist  nicht  allein.  Eine  junge  Sängerin  Marie  Recio  begleitet  ihn 
auf  allen  seinen  Reisen.  Eine  bequeme  und  angenehme  Gefährtin  muss 
sie  ihm  nicht  einmal  in  der  ersten  Zeit  gewesen  sein.  Legouv6  sagt  von 
ihr:  »Sie  war  eine  hübsche  Person  mit  einer  schönen,  aber  schwachen 
Stimme,  nichtsdestoweniger  war  sie  sehr  singwütig".  Berlioz  bestätigt  dies 
Urteil  in  einem  Brief  an  Morel: 

»Bedauern  Sie  mich,  mein  Lieber,  Marie  hat  in  Mannheim,  in  Stuttgart  und  in 
Hechingen  singen  wollen.  Die  beiden  ersten  Male  war  es  noch  erträglich,  aber  das 
letzte  Mal!  • . .  und  schon  der  Gedanke  an  eine  andere  Sängerin  empört  sie.*' 

Hiller   erzählt   zu    diesem  Fall   in   seinem  Künstlerleben   eine   sehr 


*)  Emest  Legouv6«  französischer  Schriftsteller. 

IlL  6  37 


418 

DIE  MUSIK  III.  6. 


amüsante  Episode.    Er  hatte  in  seiner  Heimatstadt  Frankfurt  ein  Konzert 
vorbereitet  und  lud  Berlioz,  der  von  Karlsruhe  zurfickkehrte,  dazu  ein. 

»Unmöglich,  lieber  Freund,*  antwortet  dieser,  »Du  weisst,  ich  reise  in  Begleitung 
einer  Sängerin.  Sie  singt  wie  eine  Kitze,  aber  dtrin  liegt  das  UnglQck  nicht,  das 
Schlimme  ist,  sie  will  in  allen  meinen  Konzerten  auftreten.  Ich  gehe  von  hier  nach 
Weimar,  es  ist  unmöglich,  dass  sie  mich  begleitet,  aber  mein  Plan  ist  gemacht  Sie 
glaubt  nimlich,  dass  ich  heute  Abend  bei  Rotschild  eingeladen  bin.  Um  sieben  Uhr 
verlasse  ich  das  Hotel,  mein  Platz  im  Postwagen  ist  bestellt,  meine  Koffer  sind  bereit, 
ich  reise  ab,  und  zwei  Stunden  später  erhält  sie  durch  den  Hotelbesitzer  den  Brie^ 
der  sie  von  meinem  Ausflug  unterrichtet.* 

Hiller  drängt  Berlioz  nicht  zum  Bleiben,  aber  als  er  zwei  Tage 
darauf  sich  erkundigt,  wie  die  Geschichte  abgelaufen  ist,  hört  er,  dass 
Mlle.  Recio  sich  am  nächsten  Morgen  sofort  auf  der  Post,  wo  man  da- 
zumal noch  seinen  Namen  einschreiben  musste,  erkundigt  und  erfahren 
habe,  wohin  Berlioz  sich  gewandt  hatte.  Sie  war  alsbald  dem  FIfichtling 
nachgeeilt. 

Hiller  sagt  von  Berlioz'  Gefährtin:  „Sie  war  eine  kluge  Person,  die 
es  verstand,  ihren  Mann  zu  behandeln.''  Dennoch  war  Berlioz  nicht 
glücklich  an  ihrer  Seite.  Anlässlich  einer  traurigen  Szene  schüttet  er 
Legouv6  sein  Herz  aus  und  macht  ihn  zum  Vertrauten  seiner  Sorgen.  Er 
klagt  ihm,  welche  Schmach  es  für  ihn  sei,  den  Direktoren  schmeicheln  zu 
müssen,  um  für  die  Recio  eine  gute  Rolle  zu  erlangen,  welche  Pein  er 
leide,  wenn  er  in  seinen  Kritiken  ihre  Misserfolge  bemänteln  und  zu  Er- 
folgen stempeln  müsse,  wie  er  gezwungen  sei,  nachdem  sie  endlich,  sehr 
gegen  ihren  Willen,  auf  das  Theater  verzichtet  hatte,  sie  in  seinen  Kon- 
zerten singen  zu  lassen,  seine  eigenen  Melodieen  falsch  gesungen  zu 
hören,  und  wie  er  als  Kapellmeister  selbst  die  Stücke  dirigieren  müsse, 
in  denen  sie  ihn  als  Komponisten  vernichte. 

Trotzdem  vermochte  Berlioz  nicht,  sich  von  der  unwürdigen  Fessel 
zu  befreien.  Legouv6  erzählt  uns  eine  traurige  Begebenheit,  die  den 
Charakter  der  Marie  Recio  in  seiner  ganzen  Niedrigkeit  zeigt: 

Eines  Tages  hört  Henriette,  die  sich  mit  ihrem  Gram  in  eine  armselige  Wohnung 
nach  Montmartre  zurückgezogen  hatte,  klingeln  und  geht,  um  zu  öffnen: 

»Ich  möchte  Madame  Berlioz  sprechen.* 

»Ich  bin  es,  Madame.* 

»Sie  irren  sich,  ich  frage  nach  Madame  Berlioz.* 

aja,  die  bin  ich,  Madame,  wie  ich  schon  sagte.* 

»Nein,  Sie  sind  es  nicht!  Sie  sprechen  mir  von  der  alten  Madame  Berlioz, 
von  der  Verlassenen!  Ich  meine  die  Junge,  die  Schöne,  die  Vorgezogene,  und  sehen 
Sie,  das  bin  ich!* 

Darauf  ging  sie  fort  und  schlug  die  Tfir  hinter  sich  zu. 

»Wer  hat  Ihnen  das  berichtet?*  rufl  Legouv^  empört,  als  Beriioz  ihm  dies 


4id 


SAVIC:  BERLIOZ  UNO  DIE  FRAUEN 


erzihlty  vObne  Zweifel  hat  sich  die  Titerio  noch  dieser  hisslichen  Handlung  gerühmt, 
und  Sie  haben  sie  nicht  aus  der  TGr  geworfen?" 

«Wie  hätte  ich  das  gekonnt?*  erwiderte  Berlioz  mit  gebrochener  Stimme,  »ich 
liebe  sie  jal«' 

Trotz  aller  Schmach  und  Bitterkeit,  die  Henriette  ertragen  musste, 
willigte  sie  nie  in  eine  völlige  Trennung  ein.  Eine  schwere  Krankheit 
fesselte  sie  in  den  letzten  acht  Jahren  ans  Bett,  sie  war  schliesslich  ganz 
gelähmt  und  hatte  die  Sprache  verloren.  Berlioz  sah  seine  Frau  nur  noch 
in  langen  Zwischenräumen,  ein  glücklicher  Zufall  fügte  es,  dass  er  gerade 
in  Paris  war,  als  Henriette  1854  am  3.  März  starb.  Der  letzte  Sonnen- 
blick für  die  arme  Ophelia  war  ein  Besuch  ihres  Sohnes  kurz  vor  ihrem 
Tode.  In  seinem  Beruf  als  Seeoffizier  hatte  er  nur  selten  Gelegenheit,  die 
Heimat  und  seine  Angehörigen  zu  sehen. 

Henriettens  Tod  war  für  beide  Gatten  eine  Erlösung.  Berlioz 
schien  die  traurige  Vergangenheit  so  schnell  als  möglich  verwischen  zu 
wollen,  denn  im  August  desselben  Jahres  verheiratete  er  sich  wieder. 
Allerdings  erfüllte  er  dadurch,  dass  er  Marie  Recio  zu  seiner  legitimen 
Frau  machte,  nur  eine  gesetzliche  Formalität.  Das  Bedürfnis,  ein  Heim 
zu  haben  und  wohl  auch  die  Macht  der  Gewohnheit,  veranlassten  ihn  zu 
diesem  Schritt,  den  seine  Familie  sowie  seine  Freunde  aus  Schicklichkeits- 
rücksichten  billigten.  Er  hatte  vor  seiner  Wiederverheiratung  die  Inter- 
essen seines  Sohnes  sichergestellt,  trotz  dieser  Rücksicht  scheint  Berlioz 
zu  fürchten,  dass  sein  neues  Bündnis  von  dieser  Seite  gemissbilligt  werden 
könnte.     Er  schreibt  an  den  Sohn: 

lylch  bin  wieder  verheiratet.  Dies  Verhältnis  war  auf  die  Dauer,  wie  Du 
Dir  wohl  denken  kannst,  unlösbar  geworden.  Ich  konnte  nicht  mehr  allein  leben 
und  auch  die  Person,  die  seit  vierzehn  Jahren  mit  mir  lebt,  nicht  verlassen!  Meine 
Stellung  ist  auf  diese  Weise  geregelter  und  schicklicher  Ich  glaube  wohl,  dass  Du 
noch  unliebsame  Erinnerungen  hegst  und  Marie  Recio  nicht  wohl  geneigt  bist,  aber 
ich  zweifle  nicht,  dass  Du  diese  Regungen  mir  zu  Liebe  in  Deiner  tiefsten  Seele  ver- 
bergen wirst  Wenn  Du  mir  darüber  schreibst,  so  erwähne  nichts,  was  ich  meiner 
Frau  nicht  zeigen  könnte,  ich  gebe  viel  darum,  dass  kein  Schatten  in  unser  Heim 
fällt ...   Ich  überlasse  es  Deinem  Herzen,  Dir  zu  diktieren,  was  Du  zu  tun  hast . .  .* 

Die  Schatten  blieben  nicht  aus,  aber  sie  kamen  nicht  von  dieser 
Seite,  denn  Louis  bewahrte  dem  Vater  die  zärtlichste  Anhänglichkeit. 

Die  acht  Jahre  seiner  zweiten  Ehe  waren  für  den  Künstler  die 
schwerste  Prüfung  seines  Lebens.  In  den  Memoiren  finden  wir  kein  Wort 
darüber,  aber  man  errät  die  traurigen  Verhältnisse  aus  einer  Stelle  in  den 
Briefen  an  Adolph  Samuel,  die  M.  Wilder  1879  im  „M6nestrel*  veröffent- 
lichte.    Der  Brief  ist  datiert  vom  29.  Juni  1860: 

»Ich  bin  immer  krank,*'  schreibt  Berlioz,  „und  zudem  ist  mein  Geist  verwirrt 
und  unruhig.    Ich  lebe  draussen,  denn  mein  Heim  ist  ermüdend,  aufregend  und  hsi 

ZI* 


42Ö 
DIE  MUSIK  III.  6. 


unertriglich.   Es  gibt  keinen  Tag,  Iceine  Stunde,  wo  ich  nicht  bereit  wäre,  mein  Leben 
zu  riskieren  und  den  verzweifeltsten  Entschluss  zu  fassen  . .  .* 

Den  Sohn  warnt  er  verschiedene  Male  vor  der  Heirat,  in  der  er 
die  furchtbarste  Kette  sieht,  die  ein  Mensch  zu  tragen  verurteilt  ist. 

Glücklicherweise  machte  sich  die  Leere  seines  Heims  in  den  ersten 
fünf  Jahren  dieser  Ehe  nicht  so  fühlbar.  Berlioz  war  fast  beständig  auf 
Konzert -Reisen  im  Ausland,  und  überdies  ging  er  ganz  auf  in  seiner 
Dichtung  zu  den  Trojanern. 

Eine  hochgesinnte  geniale  Frau,  die  Fürstin  Sayn-Wittgenstein,  die 

treue   Freundin   Liszts,  hatte  den  Keim   zu   diesem  Werk   in   ihn  gelegt. 

Bei  einem  Besuch  in  Weimar  im  Februar  1856  hatte  Berlioz  eines  Tages 

seine  lebhafte  Bewunderung  für  Virgil   geäussert  und  seine  Überzeugung, 

dass  das  erste  und  vierte  Buch  der  Äneide  einen  wundervollen  Vorwurf 

zu  einem  musikalischen  Drama  im  Shakespeare-Stil  bieten  müsse. 

«Sicherlich,*  hatte  die  Fürstin  geantwortet,  «und  Sie  müssen  diese  Oper,  dieses 
lyrische  Drama  schreiben.  Nennen  Sie  es,  wie  Sie  wollen,  aber  machen  Sie  sich  an 
diese  Arbeit  und  vollenden  Sie  sie.* 

Als  Berlioz  noch  zögert  angesichts  dieser  gewaltigen  Aufgabe,  fügt 
sie  mit  freundlicher  Beharrlichkeit  hinzu: 

»Wenn  Sie  vor  der  Mühe  zurückschrecken,  die  dieses  Werk  Ihnen  geben  wird 
und  muss,  wenn  Sie  nicht  den  Mut  haben,  für  Kassandra  und  Dido  alles  zu  wagen, 
so  kommen  Sie  nie  mehr  zu  mir,  ich  will  Sie  dann  nicht  wieder  sehen.* 

Mehr  bedurfte  es  nicht,  um  Berlioz  anzuspornen.  Kaum  aus  Weimar 
zurückgekehrt  macht  er  sich  ans  Werk.  Aus  seinen  Briefen  an  die  Fürstin^) 
geht  hervor,  dass  die  edle  Frau  einen  regen  Anteil  an  seiner  Arbeit  nimmt. 
Schritt  für  Schritt  verfolgt  sie  sein  Werk  und  lässt  nicht  nach,  ihn  zu 
ermutigen  und  anzufeuern.  Berlioz  ist  schon  sehr  leidend  in  dieser 
Zeit,  ihre  liebevolle  Teilnahme  richtet  ihn  wieder  auf: 

»O  wie  Sie  alles  verstehen,"  schreibt  er,  «aber  ich  kann  nicht  nach  Weimar 
kommen,  um  mich  in  Ihrer  Sonne  zu  wirmen  . . .  Nur  die  Frauen  finden  so  be- 
zaubernde Worte,  die  den  Schmerz  besänftigen,  wenigstens  für  kurze  Zeit  Aber  auch 
nur  hochgesinnte  Frauen,  wie  Sie  es  sind,  finden  solche  Ausdrücke.  Sie  haben  viel- 
leicht einen  Hintergedanken  bei  den  Trojanern,  Sie  glauben,  die  geheime  Ursache 
meines  Kummers  zu  sein,  weil  Sie  mich  veranlasst  haben,  dies  Werk  zu  schreiben. 
Glauben  Sie  das  nicht,  es  ist  nicht  der  Fall,  ich  bin  Ihnen  im  Gegenteil  grossen 
Dank  schuldig  für  dies  tatkräftige  Leben,  das  ich  in  den  letzten  beiden  Jahren  während 
meiner  Komposition  geführt  habe." 

In  einem  späteren  Schreiben  sagt  er: 

»Ihre  Briefe,  teure  Fürstin,  versetzen  mich  in  grosse  Erregung.  Ihre  Ideen, 
Ihre  Träume  wirken  auf  mich,  wie  das  Pulver  auf^  Feuer!    Wenn  ich  zwanzig  Jahre 


^)  Die  Briefe  von  Berlioz  an  die  Fürstin  Wittgenstein  erscheinen  im  Dezember 
in  deutscher  Obersetzung  im  Verlag  von  Breitkopf  &  Härtel  Jn  Leipzig. 


^ 


421 
SAVIÖ:  BERLIOZ  UND  DIE  FRAUEN 


jünger  wire^  so  würden  Sie  etwas  aus  mir  machen.  Aber  was  wollen  Sie?  Die 
Ruhe,  die  Heiterkeit  des  Geistes  fehlen  mir,  um  etwas  zu  unternehmen  und  zustande 
zu  bringen ..." 

Am  4.  November  1863  gelangen  die  «Trojaner'^  endlich  nach  grossen 
Schwierigkeiten  zur  Aufführung.  Der  Erfolg  ist  ein  glänzender.  Berlioz 
schreibt  an  die  Fürstin: 

»Endlich  ist  Robinsons  grosses  Canoe  vom  Stapel  gelaufen.  Sie  haben  mich  vor 
fünf  Jahren  veranlasst,  den  Baumstamm  auszusuchen  und  mir  Mut  eingeflösst,  ihn 
auszuhöhlen ...  Ich  will  mich  Ihnen  zu  Füssen  werfen,  will  Ihre  beiden  Hinde  er- 
greifen und  Ihnen  danken  für  Ihre  sympathischen  Worte,  Ihre  freundschaftlichen 
Mahnungen,  für  Ihren  hochherzigen  Sinn,  Ihr  harmonisches  Mitempfinden  der  fernen 
Echoklinge  »unseres  Werkest  Dank,  Dank,  hochverehrte,  intelligente  Freundin, 
glauben  Sie  mir,  dass  ich  aufs  tiefste  ergriffen  und  von  Dankesgefühlen  bewegt  bin ..  .* 

Berlioz  war  ein  Jahr  vorher  zum  zweiten  Male  Witwer  geworden. 
Marie  Recio  starb  am  13.  Juni  1862  im  Alter  von  48  Jahren.  Aber  der 
Roman  des  Künstlers  ist  damit  nicht  beendet.  Beständigkeit  lag  nicht  in  seinem 
Charakter,  schon  während  der  ersten  Jahre,  als  er  mit  Henriettens  glück- 
licher Rivalin  Europa  durchstreifte,  hatte  er  es  möglich  gemacht,  beide  zu 
täuschen,  jetzt,  da  sie  tot  waren,  trieb  ihn  sein  leidenschaftliches  Temperament 
den  Frauen  immer  wieder  zu.  Zwei  Monate  nach  Marie  Recio's  Tod  ist 
Berlioz  bereits  in  den  Banden  einer  neuen  Leidenschaft: 

„Lächelnd  und  lockend**  —  so  schreibt  er  an  Humbert  Ferrand  —  »trat  eine  neue 
Liebe  an  mich  heran.  Ich  hatte  sie  nicht  gesucht  und  widerstand  der  Versuchung 
kurze  Zeit,  aber  die  Vereinsamung,  in  der  ich  lebe,  und  das  unauslöschliche  Bedürfhis 
nach  Liebe,  haben  mich  besiegt.  Ich  Hess  mich  lieben,  dann  habe  ich  selbst  noch 
mehr  geliebt,  und  dann  wurde  eine  Trennung  nötig,  eine  völlige,  unerbittliche  Trennung 
absolut,  wie  der  Tod.** 

Wir  erfahren   nicht   viel   über  diese   neue  Liebesepisode.     Legouv6 

war  Zeuge  dieser  Leidenschaft,  die  in  Baden-Baden  entstand,  in  der  Zeit, 

als   Berlioz   hier  die   Proben   zu    «Beatrice   und   Benedikf*    leitete.      Das 

Mädchen  ist  26  Jahre  alt,  der  60jährige  Künstler  klagt  dem  Freunde  voll 

Verzweiflung: 

»Sie  kann  mich  nicht  lieben,  sie  liebt  mich  nicht!  O,  mein  Freund,  welche 
Qualen!    Ich  schafTe  mir  eine  Hölle  mit  diesem  Paradies  . . .« 

Ans  einem  Brief  an  die  Fürstin  Wittgenstein  hören  wir,  dass  sie 
Am  alle  heisst  und  dass  Berlioz  ihren  Tod  erst  nach  sechs  Monaten  erfährt. 
Berlioz  hat  sich  bereits  freiwillig  in  neue  Leiden  gestürzt.  Die  Ver- 
einsamung seiner  alten  Tage,  wie  er  an  Ferrand  schreibt,  das  Martyrium, 
das  er  jeden  Tag  von  vier  Uhr  früh  bis  vier  Uhr  nachmittags  erdulden 
muss,  haben  den  Traum  seiner  Jugend,  das  Bild  der  schönen  Estelle,  der 
Stella  Montis,  der  späteren  Madame  Fomier,  die  das  Herz  des  Knaben 
bezaubert  hatte,  wieder  wachgerufen. 

Diese  Wiederatiferstehung  der  Vergangenheit  ist  in  der  Tat  nichts  als 


422 

DIE  MUSIK  III.  & 


ein  Traum.    Mit  seiner  romantischen,  sentimentalen  Natur  lebt  er  sich  mit 

einer  solchen  Leidenschaft  in  die  Erinnerung  hinein,  dass  ihm  der  Traum 

zur  Wirklichkeit  wird. 

Trotz  Alter  und  Krankheit  reist  Berlioz  1864  nach  Meylan,  um  die 

Stätte  wiederzusehen,  wo  das  junge  Mädchen  in  den  roten  Lederstiefelchen 

sein  Kinderherz  in  Aufruhr  versetzt  hatte.     Schon  im  Jahre  48  hatte  er 

eine  Pilgerfahrt  nach  Meylan  unternommen,  und  der  Geliebten  seiner  Jugend 

in  einem  Briefe,  den  wir  in  den  Memoiren  finden,  seine  leidenschaftliche 

Verehrung  gestanden.     Noch   häufig  in   seinem   Leben    steht  die  ^^Stella 

Montis*   vor  seiner  Seele,   so   in   der  Zeit,  als  er  das  Requiem  verfasst. 

Im  Traum  glaubt  er  mehrere  Male   wieder  in  Meylan   zu  sein,  an  ihrer 

Seite  die  alten  Wege  zu  wandeln  und  ihre  Stimme  zu  hören.    Ober  seine 

letzte  Pilgerfahrt  nach  Meylan  schreibt  Berlioz  an  die  Fürstin  Wittgenstein: 

„O,  Sie  Herzensgute,  Sie  haben  alles  erraten.  Ja,  ich  habe  die  Schwiche  ge- 
habt, eine  Wanderung  nach  Meylan  zu  machen,  und  diesmal  habe  ich  alles  gesehen. 
Ich  habe  um  die  Erlaubnis  gebeten,  den  Garten,  das  Haus  zu  betreten.  Ich  habe  das 
Zimmer  gesehen,  das  sie  mit  achtzehn  Jahren  bewohnte.  Alles  ist  in  demselben  Zu- 
stand ...  die  EigentQmerin  war  erschQttert  über  meine  Bewegung  . . .  und  ich  habe 
ihr  nur  sagen  können:  ,Ich  kam  hierher  . . .  das  sind  nun  49  Jahre  her^  . . .  dann  lief 
ich  seufzend  davon  ...  Ich  ging  nach  Lyon,  ich  kannte  ihre  Adresse  ...  Sie  hat 
mich  empfangen  ...  ich  habe  sie  gesehen.  Es  ist  mir  ganz  unmöglich,  Ihnen  diese 
Zusammenkunft  zu  beschreiben,  welcbe  Verwüstung  die  Zeit  angerichtet,  wie  mein  Herz 
diese  Schönheit  wiederherzustellen  suchte;  ihre  ruhige  Würde,  meine  halbe  Bewusst- 
losigkeit,  als  sie  mir  auf  meine  Bitte  die  Hand  reichte;  meine  trostlose  Rückftihrt  nach 
Paris  . .  .• 

In  einem  späteren  Briefe  heisst  es: 

»Die  grossen  Leiden  sind  überwunden,  ich  darf  ihr  schreiben,  ich  werde  zu- 
weilen Briefe  von  ihr  erhalten,  mein  Himmel  ist  fortan  nicht  mehr  dunkel  .  •  .* 

Dies  sind  auch  die  letzten  Worte  in  den  Memoiren,  der  letzte  Wunsch, 
den  Berlioz  ans  Leben  knüpfte. 

Vier  Briefe  hat  er  selbst  in  seiner  Autobiographie  wiedergegeben, 
die  andern  (es  sind  36)  wurden  heilig  aufbewahrt.  Sie  sind  im  Besitze 
eines  Patenkindes  von  Berlioz  und  Enkelin  der  schönen  Estelle.  Madame 
Kitty  Fomier,  die  letzte  ihres  Namens,  ist  eine  geschätzte  Portrait-Malerin 
in  Paris.  Dank  ihrer  gütigen  Bereitwilligkeit  war  es  mir  gestattet,  die 
Briefe  zu  übersetzen  und'  zu  veröffentlichen.^) 

Es  geht  aus  diesen  Briefen  hervor,  dass  Berlioz,  dieser  leidenschaft- 
liche Phantast,  den  Wunsch  gehegt  hatte,  die  72jihrige  Frau  Fomier,  in 
der  er  noch  immer  die  schöne  Estelle  Gautier  sah,  durch  eine  Heirat  an 
sich  zu  fesseln: 


0  Berlioz'  romantische  Uebe,  Briefe  an  Estelle  Fomier.    Verlag:  Breitkopf 
&  Hirtel,  Leipzig. 


423 
SAVIC:  BERLIOZ  UND  DIE  FRAUEN 


»Ist  es  meine  Schuld,  wenn  sich  der  keusche  Ehrgeiz  in  mein  Herz  gestohlen 
hatte,  den  Rest  meines  Lebens  an  Ihrer  Seite  zu  verbringen?  Der  Rausch,  den  Ihre 
Gegenwart  auf  mich  ausübte,  gebar  diesen  Wunsch;  ich  bin  es  noch  nicht  gewohnt, 
Sie  zu  sehen,  und  die  Furcht  vor  dem  Augenblick  des  Abschiednehmens  machte  mich 
vollends  verwirrt.    Aber  nun  ist  es  aus. 

Lesen  Sie  die  letzten  Seiten  meiner  Memoiren,  dort  werden  Sie  sehen,  dass 
meine  süssesten  Hoffnungen  seit  langem  in  den  Grenzen  eingeschlossen  sind,  die  Sie 
selbst  ihnen  neulich  angewiesen  haben:  Sie  zuweilen  sehen,  einige  Briefe  mit  Ihnen 
tauschen  dürfen,  mir  Ihr  Interesse,  Ihr  Wohlwollen  zu  bewahren  . . .  das  ist  alles 
(und  das  sind  Ihre  eigenen  Worte). 

Ich  werde  nie  mehr  aus  diesem  Kreis  heraustreten,  zweimal  oder  dreimal  im 
Jahre  werde  ich  kommen  und  Sie  in  der  Nähe  verehren  und  während  24  Stunden 
Sie  sehen,  Sie  hören,  dieselbe  Luft  mit  Ihnen  atmen,  dann  werde  ich  nach  Paris 
zurückeilen,  stolz  und  glücklich  wie  eine  Biene,  die  ihre  Beute  heimträgt,  und  dazu 
von  zärtlicher  Dankbarkeit  durchdrungen  . . . 

Versuchen  Sie,  ich  bitte  Sie  darum,  in  Ihrer  Antwort,  die  ich  mit  Sehnsucht 
erwarte,  nicht  mehr  strenge  und  unzufrieden  zu  sein,  damit  die  Wunde  heile,  die 
noch  blutet.** 

Allerdings  reisst  er  selbst  beständig  diese  „Wunde*"  wieder  auf . .  . 
Doch  ein  wirklicher,  grosser  Schmerz  trifft  ihn  noch  vor  seinem  Ende:  Sein 
einziger  Sohn  stirbt  in  Havanna  im  Alter  von  33  Jahren. 

Noch  einmal  rafft  Berlioz  sich  auf,  im  Dezember  geht  er  auf  eine 
Veranlassung  der  Grossfürstin  Helene  nach  Russland.  »Die  Geldfrage  und 
der  Wunsch,  etwas  angenehmer  leben  zu  können,**  wie  er  an  die  Fürstin 
Wittgenstein  schreibt,  veranlassen  ihn  zu  dieser  anstrengenden  Reise.  Im 
Februar  kehrt  er  reich  an  Ehren  und  Geld  zurück,  doch  sein  Leiden  hat 
sich  sehr  verschlimmert.  Die  Sehnsucht,  „in  der  Sonne  zu  liegen  und  in 
Veilchen  zu  baden**,  treibt  ihn  nach  dem  Süden.  Aber  in  Nizza  stürzt  er 
und  kehrt  nach  8  Tagen  schwer  verwundet  nach  Paris  zurück.  Unter  der 
liebevollen  Pflege  seiner  Schwiegermutter,  Madame  Recio,  erholt  er  sich 
so  weit,  dass  er  sein  Lager  verlassen  kann,  aber  er  ist  an  Leib  und  Seele 
gebrochen.  Trotzdem  lässt  er  sich  einen  Monat  später  nach  Grenoble 
führen,  wo  seine  Freunde  und  Landsleute  ihm  zu  Ehren  eine  Feier  ver- 
anstalten. Nur  die  Heimat  hatte  bisher  mit  Ruhmesbezeugungen  für  den 
Künstler  gegeizt,  nun  sollte  ihm  auch  dieser  Triumph  zuteil  werden. 
Wie  ein  Schatten,  wie  ein  Gespenst  wohnt  Berlioz  geistesabwesend 
der  eigenen  Apotheose  bei,  und  unter  dem  begeisterten  Jubel  der  Menge 
drücken  ihm  die  Freunde  voll  Trauer  den  goldenen  Kranz  auf  das  greise 
Haupt. 

Bald  darauf,  am  8.  März  1869,  stirbt  er.    Seine  letzten  Worte  sind: 

,,Endlich  wird  man  meine  Musik  aufführen.^^ 

Dieses  wehmutsvolle  Abschiedswort  hat  sich  in  reichem  Masse  erfüllt, 
des  Meisters  Ruhm  geht  durch  alle  Lande. 


.s?*a^t«^' 


LUDWIG  VAN  BEETHOVEN 

LEBEN  UND  SCHAFFEN  VON  ADOLF  BERNHARD  MARX 

besprochen  von  Dr.  Alfr.  Chr.  Kalischer-Berlin 


>^^^j^^^t ■.^;^£ixr^^^;«^^:-^.fV  ' '    -'  '   ^  ^^¥«öWVC?iy|öf^^^S<^3^;^^^ 


|iir  die  Erkenntnis  des  Beethoven  sehen  Genius  haben  nach  dem  Er- 
scheinen der  Anton  Schindle rschen  Beethovenbiographie  in  demselben 
Sinne  und  Geiste  zwei  Männer  das  Hervorragendste  geleistet:  Wilhelm 
von  Lenz  und  Ad.  Bernh.  Marx;^)  letzterer  ist  jedoch  der  grössere 
von  beiden.  Tiefstes  allseitiges  Musikwissen,  hohe  ästhetisch-philosophische 
Durchbildung  und  energisches  begeisterungsvolles  Versenken  in  die  Mysterien  des 
Beethovenschen  Schaffens  treten  zusammen,  um  der  Musikwelt  ein  unvergleichliches 
Beethovenwerk  zu  übergeben.  Eine  eigenartige  höhere  Weihe  ruht  auf  dem  Beethoven- 
buche von  Adolf  Bernhard  Marx.  Der  Ästhetiker  und  Musiker  geht  hier  mit  dem 
dichterisch  schauenden  Psychologen  Hand  in  Hand.  Darum  hat  es  von  jeher,  nament- 
lich auf  die  studierenden  KunstjQnger,  eine  befreiende,  fast  erlösende  Wirkung  aus- 
geübt Wie  manch  ein  Musenjfinger,  selbst  ein  solcher  rauheren  Gepräges,  dem  das 
erleichternde  Salz  der  Tränen  nur  spärlich  beschieden  ist,  wird  die  beglQckende 
Erfahrung  gemacht  haben,  dass  ihm  auch  gerade  die  Darstellung  von  der  Tragik  des 
reinen  Beethovenschen  Lebens,  zumal  der  Schilderung  des  allzufrOhen  Todes,  Tränen 
entlockten.  Kurz  und  gut:  Marx  hat  es  verstanden,  den  Kunstjüngem  die  hehre  Er- 
habenheit Beethovens  ins  Herz  zu  schreiben.  Man  kann  im  Laufe  der  Zeiten  hin- 
sichtlich des  Menschen  und  des  Künstlers  Beethoven  im  Einzelnen  zu  VoUkommnerem 
gelangen:  allein  das  Ganze  bleibt  einzigartig,  gross  und  t>ewundemswert  Und  so 
muss  das  Werk  seinen  lebendigen  Wert  behalten,  wie  viel  auch  sonst  die  Beethoven- 
forschung Neues  in  der  Geschichte  Beethovens  aufgestellt  hat  Würde  dem  Marxschen 
Beethoven  nicht  eine  so  unverwelkliche  Weihe  innewohnen:  dann  wäre  es  beim 
Anwachsen  der  Beethovenliteratur  nicht  gut  zu  begreifen,  dass  ein  so  ernstes,  um- 
fassendes Werk  so  viele  neue  Auflagen  erleben  konnte. 

Marx  selbst  war  es  beschieden,  im  Jahre  1863  die  2.  Auflage  seines  Meister- 
werkes zu  veröflTentlichen;  seitdem  ist  die  Pflege  desselben  in  der  Familie  verblieben; 
sein  Schwiegersohn  Dr.  Gustav  Behncke  ward  der  Hüter  und  Fortpflanzer  dieser 
Geisteserbscbaft. 

Von  Prof.  Behncke  ist  auch  —  nicht  lange  vor  seinem  Tode  —  die  vorliegende 
fünfte  Auflage  dieses  grandiosen  Werkes  veröffentlicht  worden. 

Der  Hauptruhm  des  Herausgebers  liegt  darin,  dass  er  dem  Schöpfer  dieses 
Beethovenbuches  die  tiefete  Pietät  bewahrt  und  dass  er  sich  demzufolge  nach  der  Seite 
des  Marxschen  Hauptvorzuges  in  Beethoven  —  ieh  meine  nach  der  poetisch-ästhetischen 
Seite  hin,  keinerlei  Änderungen  oder  Zutaten  gestattet;  er  hält  es  vielmehr  in  weiser 
Selbsterkenntnis  lediglich  für  seine  Aufgabe:  die  Errungenschaften  in  der  reinen 
Lebensgeschichte  des  Tonmeisters  zu  t>entttzen  und  dem  Ganzen  einzufügen. 

*)  Fünfte  Auflage,  mit  Berücksichtigung  der  neuesten  Forschungen  durchgesehen 
und  vermehrt  von  Prof.  Dr.  Gustav  Behncke,  Berlin  1902  (Verleg  O.  Jankey.  2  Bde. 


425 
KALISCHER:  BEETHOVEN  VON  A.  B.  MARX 


Und  in  dieser  Beziehung  hat  Behncke  auch  im  grossen  und  ganzen  An- 
erkennenswertes geleistet:  so  dass  der  Marxsche  Beethoven  in  seiner  vorliegenden 
Gestalt  den  Anforderungen  der  Gegenwart  wohl  genfigen  mag.  Eines  muss  freilich 
im  allgemeinen  ausgestellt  werden.  Der  Pfleger  des  Manschen  Werkes  berficksichtigt 
gerade  im  Gegensatz  zu  seinem  grossen  Vorginger  die  philologische  Seite  der 
Beethovenforschung  zu  einseitig.  Der  Nottebohmschen  Regenwürmerherrlichkeit 
in  Beethoven  wird  ein  gar  zu  grosser,  ich  möchte  sagen,  fast  ausschliesslicher  Altar 
errichtet  Und  so  hört  die  Berücksichtigung  der  »neuesten  Forschungen*,  genau  ge- 
nommen, bei  Nottebohm  und  Thayer  auf.  Hier  wird  denn  ein  späterer  Neubearbeiter 
viel  Versäumtes  nachzuholen  haben.  Das  wird  sich  noch  deutlicher  aus  manchen 
Einzelheiten  erkennen  lassen,  denen  wir  uns  nunmehr  zuzukehren  haben. 

Wenn  sich  der  Herausgeber  in  aestheticis  auch  Schranken  oder  Stillschweigen 
auferlegt  hat,  so  durfte  das  doch  nicht  so  weit  gehen,  dass  er  sich  nicht  hier  und  da 
bei  manch  einer  offenbaren  ästhetischen  Ungereimtheit  sub  linea  ein  bescheidenes  Veto 
einzulegen  veranlasst  sehen  müsste.  So  gebraucht  z.  B.  Marx  (I,  S.  86),  wo  er  von 
der  schönen  Haydnschen  Sonate  in  D  (7.  Sonate,  Heft  I  der  Breitkopf  &  Härteischen 
Ausg.)  spricht,  Ausdrücke,  wie  diese,  dass  er  (Haydn)  »gleich  vom  vierten  Takt  mit 
solcher  Hohlheit  (1 1 1),  wie  hier 


fortAhrt* Das  soll  hohl  sein?  Das  ist  feierliche  Friedensstille.    Hier  hätte  der 

Herausgeber  entgegentreten  müssen.  —  Bei  der  Darstellung  der  Adelaide-Komposition 
gibt  Behncke  diese  Fussnote:  »Matthisson  fügte,  wie  Thayer  aus  seinen  1825  heraus- 
gekommenen Schriften  anführt,  der  Adelaide  folgende  Bemerkungen  hinzu:  Mehrere 
Tonkünstler  beseelten  diese  kleine  lyrische  Phantasie  durch  Musik;  keiner  aber 
stellte,  nach  meiner  innigsten  Oberzeugung,  gegen  die  Melodie  den  Text  in  tiefere 
Schatten,  als  der  geniale  Ludwig  van  Beethoven  in  Wien.**  Konnte  Behncke  das 
nicht  selbst  aus  Matthissons  Schriften  entnehmen?  Eine  tadelnswerte  Bequem- 
lichkeit, selbst  bei  ganz  erreichbaren  Dingen  einen  anderen  allein  für  sich  arbeiten 
zu  lassen!  Hätte  sich  Behncke  der  notwendigen  Aufgabe  unterzogen,  Matthissons 
Gedichte,  bezw.  Schriften  selbst  zu  durchblicken,  dann  hätte  er  hierbei  gleich  Herrn 
Thayer  in  einigen  Punkten  rektiflzieren  können.  Erstens  sagt  das  nicht  Matthisson 
etwa  erst  in  seinen  1825  herausgekommenen  Schriften.  Mir  liegt  eine  Ausgat>e  der 
Gedichte  von  Friedrich  von  Matthisson  bereits  aus  dem  Jahre  1815  vor.  Und 
diese  in  Wien  erschienene  Ausgabe  besagt  sogar:  «Neueste,  sehr  vermehrte  und  voll- 
ständigste Ausgabe.*  Und  zweitens  lautet  daselbst  (I,  S.  266)  der  Schluss  satz  nicht 
der  geniale  usw.,  sondern  »der  genialische  Ludwig  van  Beethoven  zu  %ien.**  — 
Dass  der  Herausgeber  sein  Eigenes  gewöhnlich  in  den  Marxschen  Text  hineinwebt, 
ist  vom  Obel,  oft  hat  man  grosse  Mfihe,  den  Marxschen  Ideengang  vom  Behnckeschen 
zu  scheiden.  Das  Allt  besonders  bei  den  Darlegungen  von  der  Guicciardi-Angelegen- 
heit  auf,  wo  ja  der  Herausgeber  nur  so  herumirrlichteriert,  —  in  der  einen  Ausgabe 
hat  er  diese,  in  einer  anderen  Ausgat>e  wieder  eine  ganz  andere  Anschauung.  —  In 


426 
DIE  MUSIK  III.  & 


dieser  neuetten  Atttgtbe  huldigt  Betancice  wanderlicher  Weise  wieder  dea  Thsyer- 
Tengerschen  Phantssmagorieen. 

Manche  positive  Marztche  Irrtümer  schleppt  Bebncke  aas  einer  Auflage  in  die 
andere  fort  —  unentwegt,  obgleich  er  auf  den  einen  oder  anderen  Fehler  bereits 
aufmerksam  gemacht  worden  ist.  Hier  ein  Beispiel  aus  den  Beziehungen  zwischen 
Beethoven  und  Goethe-Zelter: 

Marx  schreibt  (1,  275,  5.  Aufl.):  »Wenn  es  wahr  ist,  dass  Goethe  von  Beethoven 
gesagt:  es  komme  ihm  beim  Anhören  Beethovenscher  Musik  vor,  als  ob  dieses 
Menschen  Vater  ein  Weib,  seine  Mutter  ein  Mann  gewesen  sein  mSsse;  so  hat  der 
sonnlugige  Dichter  wieder  einmal  klar  und  tief  geblickt  Der  Vater,  der  Geist,  hat 
ihn  in  die  Musik  gewiesen,  die  ist  in  ihm  Mann  —  Geist  —  geworden.*  Und  dazu 
von  Marx  selbst  sab  linea:  Gewährsmann  und  Anreger  ist  Zelter,  der  mit  der 
ganzen  plumpen  Frechheit  eines  Berliner  Philisters  (den  er  ,unser  Zelter'  hiess)  von 
Beethoven  gessgt:  er  gebe  ihm  den  Namen  eines  Tiers,  das  man  lieber  gebraten,  als 
lebendig  im  Zimmer  suche.*  Bereits  in  meiner  Studie  »Beethoven  und  Zelter* 
(im  »Bir*  vom  2.  Oktober  1886  (f.)  wies  ich  darauf  hin,  dass  jene  Worte  fiber 
Beethoven  nicht  von  Goethe,  sondern  von  Zelter  herrühren  (cf.  Briefwechsel 
zwischen  Goethe  und  Zelter  II,  30,  vom  14.  September  1812>.  Ich  fugte  hinzu,  dass 
Marx  mit  obigen  Worten  wider  sein  Wissen  und  Wollen  Zelter  ein  hohes  Lob 
gespendet  habe.  Und  so  wfirde,  wenn  man  jenen  als  von  Zelter  stammenden  Aus- 
spruch fiber  Beethoven  als  ein  besonders  »sonnlugiges*  Schauen  anerkennt:  nicht 
Goethe,  sondern  Zelter  der  sein,  der  »als  sonnlugiger  Dichter  wieder  einmal  klar 
und  tief  geblickt  hat*.  Wo  fibrigens  Marx  das  in  seiner  Fussnote  gegebene  »Philister- 
wort* Zelters  fiber  Beethoven  her  hat,  verrät  er  uns  nicht  Jedenfalls  kommt  es 
nicht  in  der  Korrespondenz  zwischen  Goethe  und  Zelter  vor.  Ich  selbst  machte 
noch  in  meinem  oben  erwähnten  Aufsatze  die  Randglosse:  »Auch  nach  dem  Tode  des 
geistvollen  A.  B.  Marx  sind  von  dessen  Beethovenbiographie  zwei  neue  Ausgaben 
durch  Herrn  Dr.  G.  Bebncke,  die  letzte  im  Jahre  1884,  besorgt  worden.  Dieser 
Herausgeber  hat  nun  diese  Zelter-Geschichten  ganz  unverändert  stehen  lassen,  nichts 
hinweg-  und  nichts  hinzugetan.  Vielleicht  holt  derselbe  in  einer  5.  Auflage  das  Ver- 
säumte nach.*    Nun  —  er  hat  es  nicht  getan. 

Es  ist  bereits  erwähnt,  dass  Bebncke  seine  Ergänzungen  zur  Marxbiographie 
zumeist  aus  philologisch-kritischen  Gesichupunkten  gibt  Umsomehr  ist  es  da  zu 
verwundern,  dass  er  nicht  selten  die  Quellenangaben  unterlässt;  wie  beispielsweise 
da,  wo  Bebncke  vom  Finale  der  Eroica  spricht,  das  Beethoven  seinem  Landsmann 
G.  Mäh  1er  im  Herbst  1803  vorspielte  (1,  313).  Ebendort  lässt  Behncke  auch  er- 
kennen, dass  er  in  betreflTder  Leonore-Schöpfung  seine  Hauptquelle  Nottebohm  nicht 
genfigend  gewfirdigt  hat;  sonst  wfirde  er  fiber  die  Kompositionszeit  der  Beethovenschen 
Oper  Exakteres  angegeben  haben;  siehe  hier  des  Verf.  Aufsatz  in  der  »Musik* 
(2.  Dezemberheft  1901)  fiber  Frau  Milder-Hauptmann  und  Fidelio.  —  Auch  sonst  ist 
in  der  Geschichte  der  Fidelio-Oper  vieles  nur  kritiklos  nachgebetet,  was  Thayer  vor- 
zutragen ffir  gut  fand  (man  vergl.  Marx-Behncke  I,  345  tf,  mit  den  Resultaten  des 
Verliusers  in  der  Milder-Hauptmann-Studie).  —  Ober  Eleonore  v.  Breuning  und 
Beethovens  Briefe  an  diese  sind  hier  die  alten  Irrtfimer  vorgetragen:  da  ja 
Behncke  trotz  seiner  Versicherung  die  neueren  Forschungen  —  nach  Nottebohm 
und  Thayer  —  fast  ganz  unberficksichtigt  lässt 

Dass  Behncke  sich  in  Sachen  der  vier  Leonoren-Ouvertfiren ,  besonders  fiber 
die  Entstehung  der  I.  Leonoren-Ouvertfire  gegen  Nottebohm  und  Thayer  wendet 
(I,  328 f.),  ist  löblich,  besonders  darin,  was  fiber  »den  gerade  in  dieser  Frage  so 


427 
KALISCHER:  BEETHOVEN  VON  A.  B.  MARX 


siegesgewissen  und  schulmeisterlichen  Thayer*  (S.  329)  vorgebracht  wird.  Allein  die 
Literatur  darfiber  ist  wieder  sehr  mangelhaft  berücksichtigt:  sonst  mfisste  die  ganze 
Art  der  Betrachtung  doch  noch  anders  ausfallen.  Vgl.  hier  des  Verfassen  Aufsatz: 
»Die  Anzahl  der  Leonoren  (Fidelio)-Ouvertfiren  Beethovens*  in  den 
Sonntagsbeilagen  zur  «Voss.  Zeitg.*  vom  8.  Juni  1890.  —  Wo  in  Anknfipfung  daran 
von  der  geplanten  Komposition  der  Grillparzerschen  Melusine  die  Rede  ist  (I, 
395  f.)  werden  viele  Mitteilungen  aus  den  «Konvereationsheften*  gegeben.  Behncke 
sagt  in  margine  nur  kurz  und  bGndig  ,,a]les  Nachfolgende  aus  den  Konvenations- 
heften*,  wobei  Behncke  die  Leser  vollständig  im  Unklaren  darüber  lässt,  ob  er  selbst 
sich  die  Mühe  genommen  hat,  die  Konvereationshefte  zu  studieren,  oder  ob  er  nur 
die  Mühen  anderer  benutzt  habe,  ohne  diese  namhaft  zu  machen.  Das  letztere  ist 
augenscheinlich  der  Fall.  Denn  Behncke  gibt  niemals  an,  in  welchem  Hefte  er  diesen 
oder  jenen  Ausspruch  aufgefunden  habe.  —  Es  ist  alles  kunterbunt  durcheinander 
geworfen  und  zumeist  den  Mitteilungen  des  Referenten  aus  dessen  umfangreichen 
Beethovenstudien  in  «Nord  und  Süd**  und  in  anderen  Zeitschriften  wie  auch  wohl 
noch  den  Mitteilungen  L.  Nohls  entnommen,  ohne  dass  diese  Autoren  dabei  namhaft 
gemacht  werden. 

Bei  Betrachtung  der  grossen  f-moll-Sonate,  op.  57  macht  Marx  einige  nicht 
zuverlässige  Bemerkungen  über  den  von  Beethoven  benutzten  Umfang  der  Tastatur 
(II,  31),  Behncke  lässt  das  alles  unverbessert  passieren.  Marx  betont,  nachdem  er 
erat  unrichtig  erklärt  hat,  dass  die  Oberstimme  den  Satz  bis  zum  höchsten  g  hinauf- 
führt, —  in  Wahrheit  nur  bis  g''',  nicht  bis  g"",  —  darnach  betont  also  Marx,  dass 
Beethoven  in  den  Sonaten  op.  2,  7,  10  und  13  im  alten  Umfang  der  Tastatur  von  F 
bis  f"  blieb,  obgleich  ihm  in  der  D-dur-Sonate  op.  10  fis'"  zur  Vollendung  des  Haupt- 
satzes evident  fehlt.  In  der  Sonate  bis  op.  31  überschreitet  er  die  alten  Grenzen 
ebenfalls  nicht;  in  der  Sonate  op.  53  geht  er  bis  zum  dreigestrichenen  g  und  a,  aber 
ohne  wesentlichen  Einfluss  usw.  Das  ist  tatsächlich  unrichtig.  Bereits  in  op.  7 
(Es-dur-Sonate)  gibt  es  im  Largo  das  dreigestri ebene  g,  ebenso  im  Finale-Rondo  der- 
selben Sonate;  op.  10,  No.  1  (c-moll)  bat  im  Durchführungsteil  des  1.  Satzes  bereits 
ges''';  op.  3t  No.  3  (Es-dur)  hat  im  IL  Sat2  g'''  und  sogar  as"  (im  Allegretto  scherzando). 
In  op.  57  geht  es  nun  freilich  nicht  bis  zum  höchsten  g  (g""),  aber  doch  bis  zum 
höchsten  c,  (namentlich  c"")* 

Hinsichtlich  des  Textes  zur  Chorphantasie  (op.  80):  «Schmeichelnd  hold  und 
lieblich  klingen*  usw.,  als  dessen  Autor  Christoph  Kuffner  gilt,  habe  ich  in  meinem 
Aufsatze:  Christoph  Kuifners  Gespräche  mit  Beethoven  (Euphorien  1897,  III.  Er 
ginzungsheft)  eingehende  Beweisführung  unternommen,  dass  Kuifner  trotz  der  Aus- 
führungen Nottebohms  in  seiner  »Zweiten  Beethoveniana**  (S.  503 f.)  doch  wohl 
dieser  Textdichter  sein  konnte  (Euphorion  a.  a.  O.  S.  169  f.).  Behncke  macht  sich  die 
Resultate  der  Nottebohmschen  Argumentation  (II,  91,  Fussnote)  zu  eigen,  ohne  irgend 
seine  Quelle  anzugeben. 

Wenn  nun  noch  auf  weiteres  kritisch  auftnerksam  gemacht  wird,  so  geschieht 
das  im  Interesse  des  so  wichtigen  Marxschen  Beethovenwerkes,  damit  der  spätere 
wohlausgerüstete  Neubearbeiter  mancherlei  erfährt,  was  er  zu  verbesssem  und  um- 
zugestalten haben  wird. 

Bei  der  Betrachtung  der  Pastoralsymphonie  gibt  der  Herausgeber  (II,  98) 
folgende  Anmerkung:  Auf  Skizzenblättem,  die  jetzt  in  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin 
aufbewahrt  werden,  stehen  zwischen  zwei  Entwürfen  zur  Pastorale  folgende  hierher 
gehörige  Bemerkungen  eigener  Hand:  »Jede  Malerei,  nachdem  sie  in  der  Instrumental- 
musik zu  weit  getrieben,  verliert.  —  Sinfonia  pastorella.    Wer  auch  nur  je  eine  Idee 


428 
DIE  MUSIK  III.  6. 


vom  Laodleben  erbalten,  kann  sich  ohne  viele  Oberschriften  selbst  denken,  was  der 
Autor  (will).  —  Auch  ohne  Beschreibung  wird  man  das  Ganze,  welches  mehr  Em- 
pfindung als  Tongemllde,  erkennen!* 

Hier  möchte  man  den  alten  Denkvers  anwenden:  Quis?  quid?  ubi?  quibus 
aoziliis?  cur?  quomodo?  quando?  —  Heisst  das  wissenschaftlich  zitieren?  Wo  hat 
denn  Behncke  diese  Skizzenweisheit  her,  wo  soll  sie  darnach  ein  anderer  finden, 
der  Lust  und  Neigung  verspürt,  solche  Urskizzen  und  Urideen  Beethovens  nach- 
zustudieren?  Nun  habe  ich  unter  grossester  Mühe  und  Anstrengung  vor  einigen 
Jahren  sämtliche  Beethoven-Autographen  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin  auf- 
genommen und  beschrieben.  Das  Ganze  ist  in  zahlreichen  Nummern  in  den  »Monats- 
heften für  Musikgeschichte*  unter  dem  Titel:  »Die  Beethoven-Autographen  der 
Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin«  (No.  10-12  1885  und  No.  1—7  inkl.  1896)  er- 
schienen. Ffir  einen  Mann  wie  Behncke  existieren  solche  Arbeiten  nicht;  obgleich  der 
Herausgeber  der  Monatshefte,  Prof.  Rob.  Eitner,  durch  ein  sorgfiltiges  Register  die  Be- 
nutzung dieser  Forschungen  wesentlich  erleichtert  hat  Unter  »Pastoralsymphonie** 
konnte  also  jeder  leicht  finden,  was  die  Autographen  in  Wahrheit  darüber  enthalten. 
Da  kann  jeder  leicht  in  No.  2  vom  Jahre  1896  finden:  Autograph  No.  32.  Ein  Skizzen- 
heft 44  Blatt  stark,  Qu.-Fol.  Skizzen  zur  Phantasie  mit  Chor,  op.  80.  Und  da 
steht  nun  in  Wahrheit  folgendes  über  die  Pastoralsymphonie  auf  Bl.  16:  »pastoral 
Sinfonie.  Keine  Malerei,  sondern  worin  die  Empfindungen  ausgedrückt  sind,  welche 
der  Genuss  des  Landes  im  Menschen  hervorbringt,  wobei  einige  [innige?]  Gefühle 
des  Landlebens  geschildert  werden.  Ruhm  sei  Gott  in  der  Höh  im  Kirchenstil  heilig 
—  Kirchenstil  statt  pleni  sunt  coeli:  Es  jauchzen  die  Himmel,  die  Erde,  statt 
osanna:  amen.    Gellerts  Lieder  können  dabei  gute  Dienste  tun.* 

So  ist  in  Wahrheit  diese  ganze  Seite  von  Beethoven  ausgefüllt  Ich  habe  auch 
in  meinen  Autographen-Studien  auf  Nottebohms  »Zweite  Beethoveniana*  (S.  504) 
hingewiesen,  der  diese  Beethovenschen  Worte  fast  ganz  korrekt  wiedergegeben  hat  — 
nach  einem  Skizzenbuche  aus  dem  J.  1808.  Die  oben  von  Behncke  ohne  Quellen- 
angabe mitgeteilten  Beethoven  werte  sind  ebenfalls  aus  diesem  Nottebohmschen 
Beethovenbuch  (S.  375),  wo  ebenfalls  von  einem  »unvollständigen  Skizzenbuche  aus 
dem  Jahre  1808**  die  Rede  ist  (S.  369)  und  von  »einzelnen  Bogen  und  Blättern,  die 
in  der  königl.  Bibliothek  zu  Berlin  aufbewahrt  werden*.  Nun,  diese  Blätter  mit  den 
von  Nottebohm  vermerkten  Beethoven- Wortenbefinden  sich  nicht  unter  den  Beethoven- 
Autographen  der  königl.  Bibliothek. 

In  betreff  der  Thayerschen  Methode  macht  Behncke  (II,  193),  nachdem  er  in  Sachen 
der  Lebewohl-Sonate  (op.  81  a)  Marx  salviert,  Thayer  aber  vortrefflich  ad  absurdum  geführt 
hat,  schliesslich  diese  sehr  zutreffende  Bemerkung:  »Der  Fall  selbst  aber  ist  ein 
redendes  Beispiel  davon,  dass  die  Beweiskraft  äusserer  Tatsachen  ihre  Grenzen  hat, 
ferner  dass  derjenige,  der  sich  auf  sie  stützt,  wenigstens  alle  äusseren  Umstände 
kennen  und  berücksichtigen  muss,  wenn  er  ein  richtiges  Urteil  aus  ihnen  gewinnen  will.* 

Herrn  Behncke  muss  man  es  fernerhin  zu  hohem  Lobe  anrechnen,  dass  er  — 
der  im  übrigen  Thayers  Verdienste  voll  und  neidlos  anerkennt  —  im  Streitfall 
Beethoven-Mälzel  in  begreiflichster  Entrüstung  Gelegenheit  nimmt,  eine  ebenso 
scharfe  als  umfangreiche  Philippika  gegen  A.  W.  Thayer  in  Szene  zu  setzen,  der  ja 
stets  gar  zu  gern  befiissen  ist,  in  Streitpunkten  stets  gegen  Beethoven  zu  zeugen. 
Dieser  Abschnitt,  von  II,  Seite  211  ab,  gereicht  dem  Buche  zur  besonderen  Zierde. 
Behncke  gelangt,  nachdem  er  auch  von  einem  kleinen  Fehlgriff  Beethovens  dabei 
gesprochen,  zu  diesem  Resultate  (II,  227):  »Beethovens  Verhalten  in  dem  weiteren 
Verlauf  der  Sache  ist  vollkommen  vorwurfsft^i,  ja  es  verdient,  groeemfitig  genannt 
zu  werden.* 


429 
KALISCHER:  BEETHOVEN  VON  A.  B.  MARX 


Von  der  Kapelle  des  Musikdirektors  Carl  Liebig,  die  sich  um  die  Popttlarisfeniiig 
Beethovenscher,  wie  der  klassischen  Symphonieen  überhaupt  unvergängliche  Verdienste 
errungen  hat,  merkt  der  Herausgeber  an  (II,  240):  „Später  hat  sich  diese  Kapelle 
allmählich  zum  heutigen  Philharmonischen  Orchester  entwickelt,  das  mehrere 
Jahre  lang  MusterauifGhrungen  der  Beethovenschen  Symphonieen  unter  Bfilows  hin- 
reissender  Leitung  veranstaltete  und  heute  unter  Niki  sc  h.**  Das  ist  nicht  zutreffend. 
Die  Liebigsche  Kapelle  ward  zur  „Berliner  Sinfonie-Kapelle^'  unter  den  verschiedensten 
Dirigenten,  wie  Prof.  J.  Stern,  Ludwig  Deppe,  G.  Janke,  Mannstädt  und  von 
Brenner.    Sie  loste  sich  schliesslich  in  Wohlgefallen  auf. 

In  der  wichtigen  Streitfrage  um  Beethovens  „Unsterbliche  Geliebte"  (II,  279  ff.) 
macht  Behncke  gegen  seine  frühere  Auffassung  in  dieser  Ausgabe  Rückschritte.  Er 
wandelt  nun  mit  einemmale  im  Tenger-Tbayerschen  Irrgarten.  Behncke  berück- 
sichtigt hierbei  wohl  meine  Abhandlung  darüber  in  der  „Voss.  Zeitung**  1891,  aber 
weder  die  daraus  hervorgegangene  erweiterte,  selbständige  Schrift  über  die  Unsterb- 
liche Geliebte  Beethovens  und  ebensowenig  die  weiteren  neuen  Arbeiten  darüber  in 
„Beethovens  Frauenkreis**  (Neue  Berliner  Musikzeitung  1893).  Ich  verweise  bei  dieser 
Gelegenheit  nur  auf  den  dort  abgedruckten  Brief  des  Dr.  phil.  G.  C.  Grossheim 
an  Beethoven  aus  Kassel  vom  10.  November  1819.  Bekanntlich  ist  dies  der 
Brief,  den  Thayer  wiederholt  als  starkes  Geschütz  gegen  meine  Auffassung  in  der 
Guicciardi-Frage  zu  benutzen  liebte.  Wie  unsterblich  sich  Thayer  damit  kompromit- 
tiert hat,  das  ist  in  jener  Studie  Neue  Berl.  Musikzeitung,  besonders  7.  u.  14.  Dezember 
1893  nachgewiesen  worden.  —  In  dieser  Sache  hat  sich  ja  fast  die  gesamte  Kritik 
auf  meine  Seite  gestellt,  in  allerneuester  Zeit  auch  W.  Nagel  im  I.  Band  seiner 
»Sonaten  Beethovens.** 

Noch  auf  mancherlei  anderes  wäre  einzugehen,  doch  es  dürfte  zu  weit  führen. 
Es  sei  nur  erwähnt,  dass  auch  die  Darstellung  der  Bettina-Angelegenheit  nicht  frei 
von  Inkorrektheiten  ist.  So  hat  sich  z.  B.  Thayer  nicht  für  die  Echtheit  aller  drei, 
sondern  nur  der  zwei  ersten  Bettinabriefe  ausgesprochen.  Das  ist  mit  besonderer 
Deutlichkeit  im  Meinungsaustausch  zwischen  Thayer  und  meiner  Wenigkeit  in  der 
musikpädagogischen  Zeitschrift  „Der  Klavierlehrer**  1879  und  1880  ausgesprochen 
worden.  —  Es  werden  auch  noch  weiterhin  (z.  B.  II,  404—405)  Proben  aus  den  Skizzen- 
bfichem  —  ohne  jede  Quellenangabe  —  mitgeteilt,  natürlich  nicht  selten  inkorrekt, 
weil  ja  die  Autopsie  dabei  ebensowohl  fehlt  wie  die  Berücksichtigung  der  neuesten 
auf  Autopsie  beruhenden  Forschungen.  Und  dieser  Mangel  der  Berücksichtigung 
neuester  Beethovenforschungen  macht  sich  noch  an  vielen  anderen  Fragen  in  der 
Geschichte  Beethovens  geltend. 

Vortreffliche  Beigaben  des  Werkes  bilden  das  Verzeichnis  der  Werke 
Beethovens  und  das  Register.  —  Im  Verzeichnis  ist  so  ziemlich  alles  aufgeführt, 
was  Beethoven  in  Notenzeichen  aufgeschrieben  hat,  auch  kleine  und  kleinste  Bruchstücke. 
Um  so  erstaunlicher  ist  es,  dass  die  gewiss  hochinteressanten  allerletzten  Noten 
Beethovens  nicht  vermerkt  sind.  Diese  sind  zum  ersten  Male  in  den  Monatsheften 
für  Musikgeschichte  (Autographe  Beethovens  No.  11,  1895)  vom  Verfasser  mitgeteilt 
worden;  danach,  aber  auch  unter  selbständiger  Prüfung  des  Autographs  von  Prof* 
G.  Lange  im  Programm  des  Humboldt-Gymnasiums  1900.  Und  —  sollte  man't 
glauben  — -  Behncke  zitiert  hier  dieses  selbe  Programm  Langes  (11,  491):  allein  die 
allerletzten  Noten  Beethovens  finden  keine  Berücksichtigung. 


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Noch  ein  Selbstzitat  bei  R.  Wagner 
von  Dr.  Georg  Münzer-Berlin 

üa  seinem  vortrefflichen  Aufsalz  .Musiktlische  Zitate  und  Selbst- 
'  Eiuie"  (Musik  II,  24)  bespricht  Sternffeld  auch  einige  Fälle  von 
Selbstzitaten  bei  Wagner.  Es  mag  hier  —  um  der  freundlichen 
,  AufforderuDg  des  geehrten  Herrn  Verhssers,  andere  derartigen 
FXlIe  zur  Mitteilung  zu  bringen,  nachzukommen  —  noch  an  ein  bemerkens- 
wertes Selbstzitat  Wagners  erinnert  werden,  das  sicherlich  allgemeines 
Interesse  verdient.  Es  findet  sich  ebenhlls  in  den  Meistersingern.  David 
erklärt  dem  Ritter,  wer  ein  »Meister"  genannt  würde:  .der  Dichter,  der 
aus  eig'nem  Fleisse,  zu  Wort'  und  Reimen,  die  er  erhnd,  aus  TSneo  auch 
fügt  eine  neue  Weise,  der  wird  als  .Meistersinger'  erkannt."  Diese  Stelle 
illustriert  im  Orchester  zunächst  eine  Vorahnung  der  seligen  Morgentraum- 
Deutwelse.  Das  Motiv  setzt  bei  den  Wonen  ,aus  Tönen  auch  fügt*  ein, 
und  wird  von  der  Flöte  (dolce  p.)  gesungen.  Aber  bei  den  Worten  eine 
.neue  Welse",  da  wendet  es  sich  wundersam,  indem  es  zugleich  In  die  Oboe 
Qbeigeht  und  wir  hören: 


Oboe 
Was  ist  das?  —  Ein  Zitat  aus  den  Nibelungen,  das  Minnemotiv  aus 
der  Walküre  I  Wahrlich  der  Künstler,  der  diese  neue  Weise  erfunden,  er 
durfte  nach  der  Meisterkrone  greifen!  Die  Stelle  erhält  durch  dieses  Selbst- 
zitat eine  tiefe  Bedeutung.  Freilich  geht  sie  dank  der  routinierten  Taktier- 
knnat  unterer  Dirigenten  im  Theater  meist  unbemerkbar  vorüber,  da  man 
das  vorgeschriebene  rallenundo  übersieht,  statt  es  —  wo  möglich  —  ein 
Viertel  schon  vorher  anzudeuten.  Wer  aber  einmal  auf  die  Stelle  anf- 
mericsam  gemacht  wurde,  dem   drängt  sie  sich  immer  wieder  auf.     Ganz 


Q^^^^  MONZER  U.  GROHE:  MUSIKALISCHE  ZITATE  ^^^jj 

wundersam  aber  berührt  uns  der  klagende  Ton  der  Oboe  In  diesen  beiden 
so  vielsageaden  Takten.  Kein  Jubel  über  die  errungene  Meisterschaft! 
Die  Welt  weihte  dem  Künstler  kein  .Blumenkrinzlein  aus  Seiden  fein'. 
Die  Meisterkrone  ward  ihm  zur  Dornenkrone.  Es  verschwinden  an  dieser 
Stelle  David  und  Valtber  und  vor  unserm  geistigen  Auge  erscheint  das 
ernste  Bild  des  Meisters,  auf  das  ein  schweres  Geschick  seine  Schatten 
warf. 

So  ist  dieses  Nibelungenzital  in  den  Meistersingern  wohl  noch  be- 
merkenswerter, weil  von  allgemeinerer  Bedeutung  als  jene  Tristan-Reminis- 
zenz. Ja,  es  dürfte  das  bedeutsamste  musikalische  Selbstzitat  sein,  das  wir 
kennen  und  so  durfte  bei  dieser  Gelegenheil  darauf  hingewiesen  werden. 


Zu  Dr.  Stemfelds  Aufsatz:  „Zitate  und  Selbstzitate" 

von  Dr.  Oscar  Grohe-Mannheim 

^er  Verfasser  hat  mit  Recht  in  einer  Fussnote  zu  seinem  Artikel 
I  auf  die  Möglichkeit  hingewiesen,  es  möchte  ihm  das  eine  oder 
]  andere  Zitat  entgangen  sein  und  hat  sich  bereit  erklärt,  weitere 
, Zitate  von  Zitaten"  entgegen  zu  nehmen.  Anknüpfend  hieran 
möchte  ich  meinerseits  seine  interessanten  Ausführungen  durch  einige 
Zitate  aus  meiner  Erinnerung  ergänzen. 

Da  wäre  zuvörderst  des  Meistersinger<Themas  im  Gesellenlied  von 
Hugo  Wolf  zu  gedenken,  wie  es  im  sechsten  bis  neunten  Takt  sich  im 
Bass  ankündigt.  Wolf  selbst  hat  mich  einst  darauf  aufmerksam  gemacht. 
Sodann  lässt  Wolf  im  Gesang:  .Gränzen  der  Menschheit'  <Goetheband) 
zu  der  Stelle:  „Ein  kleiner  Ring  begrenzt  unser  Leben'  die  Erda- 
Harmonieen  aus  dem  Wagnerschen  .Ring'  erklingen. 

Beillu&g  sei  bemerkt,  dass  die  Bäcker  auf  der  Festwiese  (dritter 
Aufzug  der  Meistersinger)  in  der  .abgeschiedenen  Vielfrassweis"   singen  I 

Auch  Brückner  citiert  sich  gelegentlich  selbst.  Ein  solches  Cltat 
findet  sich  in  der  Zweiten  Symphonie  im  letzten  Teil  des  zweiten  Satzes 
<Andante),  woselbst  plötzlich  ein  Thema  der  f-moll-Messe  einsetzt 

Im  Zusammenhang  mit  diesen  Bemerkungen  möchte  ich  noch  etwas 
.Reminiszenzen-Jagd"  ausüben  und  zwar  auf  dem  Gebiet  eines  Künstlers, 
dessen  Schaffen  sonst  an  Reminiszenzen  nicht  eben  reich  ist.  Ich  meine 
Brahms.  Es  handelt  sich  um  Anklänge  an  die  Meistersinger  —  ein  Werk, 
das  Brahms,  wie  verlautet,  hoch  geschätzt  bat. 


432 

DIE  MUSIK  III.  6. 


Bekannt  mag  der  Anfang  der  A-dur- Violin-Sonate  in  seiner  Verwandt- 
schaft mit  dem  Preislied  Walthers  sein;  weniger  bekannt  die  Überein- 
stimmung des  Schlusses  des  Intermezzos  No.  2  op.  119  mit  dem  Ausklang 
des  zweiten  Aufzugs  der  Meistersinger.  Die  Tonart  und  der  ganze 
Charakter  der  beiden  Stellen  stimmen  überein.  Hier  wie  dort  wird 
letzterer  durch  die  Noten  eis»  gis,  h  bedingt. 

Als  die  auffallendste  Reminiszenz,  die  fast  wie  ein  Zitat  wirken 
könnte,  erscheint  mir  aber  das  Thema  des  letzten  Teiles  des  Andante  der 
f-moII-Sonate  op.  5  im  Vergleich  mit  dem  Gesang  Hans  Sachsens  im 
zweiten  Aufzug:  .Dem  Vogel,  der  heut  sang*"  usw. 

Man  vergleiche: 
Wagner: 


Sacht 


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Dem 


^=f^ 


Vo     -    gel,  der  heut' 


r    vJ'  p  g 


saog,      dem  war  der 


Brahms: 
Andante  molto. 
4h 


Beide  Themen  klingen  ihrerseits  wieder  an  das  Volkslied  an:  »Steh  ich 
in  finstrer  Mitternacht.^ 

Ober  das  Kapitel  .Reminiszenzen*  sprach  sich  Wolf  in  einem  Briefe 
an  mich  vom  17.  Februar  1896  aus,  der  zum  Schluss  auszugsweise 
hier  folgen  möge.  Ich  hatte  ihm  zuvor  mitgeteilt,  mir  falle  eine  Ähnlich- 
keit des  obrigkeitlichen  Motivs  im  zweiten  Aufzug  seines  Corregidors  — 
als  welches,  beiläufig  bemerkt,  im  ursprünglichen  Entwurf  das  Motiv  der 
Bischohmusik  am  Schluss  des  ersten  Aufzugs  fungieren  sollte  —  mit 
dem  ersten  Thema  des  Finales  des  Smetanaschen  Streichquartetts  «Aus 
meinem  Leben*  auf.    Hierauf  hat  Wolf  sich  wie  folgt  geäussert: 

«Eine  Ähnlichkeit  meines  obrigkeitlichen  Motivs  mit  dem  Smetanaschen 


mONZER  U.  GROHE:  MUSIKALISCHE  ZITATE 


s^ 


aus  seinem  Streichquirtett  kann  icb  nicht  vorfinden.  Der  Schwerpunkt 
meines  Motivs  beruht  doch  ganz  nur  auf  dem  Vordersatz  desselben 

I  und  die  Figur 

verbindet  gewissermassen  das  vorhergehende  Motiv  mit  den  Folgenden 
Takten,  die  nach  ihrer  rhythmischen  sowohl  wie  nach  ihrer  melodischen 
Seite  hin  den  Charakter  des  Vordersatzes  tragen.  Hingegen  fällt  mir  die 
Ähnlichkeit  des  Smetanaschen  Motivs  mit  einem  solchen  aus  einer 
Beethovenschen  Sonate  op.  31  No.  3  auf.     Dort  heisst  es  im  Verlauf  des 


Finales 


in  Smetanas  Weise  übertragen 


Bei  Reminiszenzen  kommt  es  nicht  sowohl  auf  die  gleichlautende 
Tonreihe  als  vielmehr  auf  die  Struktur  an,  auf  den  Periodenbau  und  vor 
allem  auf  den  Charakter.  Die  ÄbnUchkeit  zwischen  dem  Beethovenschen 
und  dem  Smetanaschen  Motiv  ist  entschieden  vorhanden.  Deshalb  aber 
möchte  ich  nicht  gesagt  haben,  dass  Smetana  ein  Plagiat  verübt  hat.  Vas 


speziell  die  Figur 


anlangt ,    ist   dieselbe    sozusagen 


musikalisches    Gemeingut    geworden,   fast     schon    wie     Skalenllufe    und 
Mordente.' 


ME 


ZUM  BEETHOVEN- 
MEDAILLON VON  JACQUES 
EDOUARD  GATTEAUX 

von  Theodor  v.  Frimm  el-Wien 


^ai  abgebildete')  StDck  tauchte  vor  einiten  Jahren  In  Wien  auf,  ea  war  bei 
I  dner  Versieicerang  aua  alt-adellsem  Bcsiti,  die  nicht  mehr  mit  Beathnmt* 
I  beit  in  emittelo  Ist  S|dter  kam  es  lum  Sammler  J.  J.  Lichtmann  In 
[  Vlen,  und  {egenwirtlK  gchOrt  ea  dem  bekannten  Muilkachrifiateller 
•  Emerlch  Kaatner  ebendorl,  der  eine  trenicfae  Pbotographie  nach  dem 
interessanten  Werke  berfestellt  hat.  Wir  haben  eg  mit  einem  GlpBabguss  zu  tun,  der 
offenbar  nach  einer  VacbsboBslening  angefertigt  Ist  Ein  Künatleroame  Ist  darauf 
nicht  vorgefunden  worden.  Trotidem  ist  die  Frage  nicht  zu  unterdrücken:  wer  hat  das 
vorliegende  Medaillon  boaalert?  Zuschnitt  und  Stil  weisen  die  Arbelt  etwa  In  die  Zelt 
zwlachan  1815  und  1830,  um  weite  Grenzen  ftei  zn  lassen.  Dann  mit  alsbald  eine 
gewisse  allerdings  recht  allgemeine  Ähnlichkeit  mit  dem  BeetbovenmedaUlon  von 
Josef  Daniel  Boebm  auf  nnd  eine  noch  viel  grossen  mit  dem  Beethovenkopf  snf  der 
Medalll«  von  Jacques  £donard  Gatteauz  aua  dem  Jahre  1827.  Von  Gatteaux* 
Beethovenkopf  unterscheidet  sich  der  vorliegende  nur  durch  wenige  Einzelheiten,  be- 
aondera  Im  Schwung  der  Haarbüschel.  Es  sind  Kleinigkeiten,  die  wohl  bei  Vollendung 
dea  Medaillen  Stempels  gelodert  worden  sein  mOgen.  Deshslb  vermute  leb,  dass  das 
BeetbovenmedaUlon  bei  Kasraer  nach  einer  Bosalemng  von  Gatteaux  hergestellt  Ist, 
die  all  Vorarbeit  ffir  die  Medaille  gedient  bat  Die  Medaille  von  Ganeaux,  dem 
ehedem  vielgenannten  Plaailker  und  Kunatsammler  Ist  erat  nach  Beethovena  Ableben 
ausgegeben,  wohl  aach  geformt  worden.  Sie  darf  nicht  mit  der  goldenen  Medaille 
(ohne  Bildnis  Beethovens)  verwccbselt  werden,  die  noch  den  lebenden  Beethoven  er- 
freute.*) Auf  welchen  Grundlagen  die  Gatteanxscho  Arbeil  ruht  bezQgllch  der,  Ich 
aage  es  sogleich,  geringen  Portriiihnlfchkcl^  ist  bisher  nlcbt  klar  gestellt  worden. 
MSgllckerwelae  hat  ein  Abguss  der  Boeh machen  Bossiemng  dem  franzQalachen 
KQnader  die  allgemeine  Anregung  ffir  seine  Medaille  abgegeben.  Ter  Gaiiesnx' 
Medaille  nicht  kennt,  Badet  eine  leidliche  Abbildung  derselben  in  J.  Seffrleds  Buch 
»Boeihovana  Studien  im  Generalbasa",  fbrner  In  der  von  Pierson  herausgegebenen 
englischen  Auagabe  dieses  Terkea,  Oberdiea  ala  Titelvignette  fiber  einem  Fakalmlle 
eines  Beethovenbrlofes  Im  .Album  cosmepolltt'  (1848).    Was  die  J.  D.  Boehmsch« 


*}  »ehe  die  Kunatbellage. 

■)  Dieao  wird  von  der  Gesellachatl  der  MusIkfreuDde  In  Wien  verwahrt 
C.  F.  Pohl  hat  sie  beschrieben  im  Jabreabericht  dea  Wiener  Konaorvatorlnma  von 
1870,  S.  19.  Ver^.  auch  Wegeier  u.  Ries,  Biographische  Notizen  S.51  und  Seyfrlcd, 
Studien  Im  Generalbasa,  Anhang  S.  11.  Dort  die  Verwechslung  der  beiden  bo- 
■chrfebenen  Medaillen. 


r^O—  FRIMMEL:  BEETHOVENMEDAILLON  VON  CATTEAUX    q^^J 

VBctasbossIerung  betrifft,  so  wurde  sie  vor  Jataren  in  J.  J.  Vebers  llluBtrierter  Zeitung 
veröffentlicht.  Die  viel  spiler  entstandene  C.  Radnitzkyscbe  Beethoven medallle  hat  Blch 
ziemlich  eng  an  den  Boehmschen  Beethoven -Typus  angeschlossen.  Sie  bat  weile  Ver- 
breflung  gefunden.  Die  ursprüngliche  Bosslerung  Boebms  aber,  die  Ich  noch  bei  Rad- 
nlliky  gegen  ISSO  kennen  gelernt  habe,  ist  seither  verloren  gegangen  und  ein  Glpi- 
abguss  danach  In  meinem  Besitz  bildet  gegenwirtig  die  einzige  plastische  Erinnerung 
an  das  Boehmsche  Beetbovenblldnis,  das  In  den  IS^er  Jahren  nach  der  Natur  modelliert 
worden  Ist.  Ich  meine,  annehmen  zu  dürfen,  dass  fSr  den  Gatteauxschen  Beethoven 
keinerlei,  Naiuraufnahme  von  Galleaux  selbst  gefertigt  worden  ist,  da  von  einem 
Aufenthalt  des  franzCsischen  Medailleurs  in  Wien  zur  Zeit  als  Beethoven  noch  lebte 
nichts  verlautet.  Gatteaux  wird  sich  eben  einen  Behelf  aus  Vien  verschafft  haben. 
Und  da  Hegt  es  denn  gar  nahe,  an  die  Boehmsche  Bosslerung  zu  denken,  die  einzige, 
die  vor  1827  einen  Profllkopf  Beethovens  in  Relief  aufzuweisen  hatte.  Damit  irtre 
die  Tahrscheinlichkeit  skizziert.  Für  hartgesottene  Zweifler  muss  aber  auch  der 
Verdacht  erOrtert  werden,  ob  es  sich  nicht  etwa  um  eine  durchtriebene  niacbung 
handle.  Ich  meine,  dass  folgende  Feststellung  eine  FÜscbung  als  unwahrscheinlich 
dartDD  wird:  das  Medaillon  ist,  soweit  ich  ermitteln  konnte,  als  unbenannies  gering 
getchitztes  BeeihovenbildnJs  auf  den  Markt  gekommen.  Keineriel  Spur  ist  zu  Bnden 
von  Irgend  welcher  Anpreisung,  die  darauf  hinaus  gelaufen  wire,  das  Stück  entweder 
als  Kunstwerk  oder  als  Bildnis  Beethovens  zu  einer  unverdienten  Stufe  der  Tert- 
schltzung  hinaufzuschrauben.  So  wüssle  Ich  denn  nicht,  was  für  Beweggründe 
einer  Fälschung  anzugeben  wiren.  Weder  ist  eine  kunstgescbichtllche  Bedeutung  er- 
strebt worden,  noch  hat  man  sich  mit  der  Angelegenheit  des  Preises  aufMlend« 
Mühe  gegeben.    Die  Sache  dürfte  sich  aber  so  verhalten,  wie  sie  oben  dargestellt  Ist 


BÜCHER 

52.  Emil  Krautie:  Neu>r  Gradus  ad  Parnasauro.    EInhunden  Studien  ffir  Piano- 

föne,  Bd.  1—4,  Verlag:  C.  F.  V.  Siegele  Mualkbdlg.  (R.  Llnnemann),  Lelpilg. 
Dies  Terk  kann  al<  eine  künstleriacbe  Tat  angeseben  werden.  Knnstvert  UDd 
Nutzwert  decken  sieb  derart,  dass  die  Zweckbarmoole  fast  rollkommen  erscheint  Eine 
tüblbare  LQcke  ist  ausgerülll,  und  der  bisher  unvermittelte  Obergang  zu  Bach  blermii 
Termlitelt.  Kann  für  Bach  Oberhaupt  nie  zu  viel  geUn  werden,  so  ist  such  technisch 
die  Idee,  einen  Gradus  der  Polyphonie  geschaffen  zu  haben,  Ton  bedeutendem  Tert. 
Die  Grundlage  Jedes  Klavlereplels  bildeten  bisher  die  2-  und  3-stlmmlgen  Inveotlonen 
TOn  Bach.  Krause  hat  zu  diesen  im  1.  Heft  eine  Vorschule  gescbileben,  deren  man 
dilngend  bedurfte.  Zeichnen  sich  diese  Studien  schon  durch  klingenden  Gebalt,  lecb- 
niscbe  Feinbelien  und  einen  welchen  melodiösen  Fluss  sus,  so  muss  man  die  Thematik 
des  11.  und  111.  Teils  und  ihre  Bearbeitung  als  ungemein  anregend  und  bildend  an> 
erkennen.  Nicht  nur  der  Pianist,  sondern  auch  der,  Denker  erhalten  Ihre  Nabmng. 
Flngersplel,  Tonspiel  und  Formenspiel  gteifen  Ineinander.  Der  polyphone  Sinn  wird 
geweckt  und  ao  das  Geistige  In  den  Vordergrund  gerückt  Ganz  abgesehen  von  der 
knnstToUen  DurcbfQbrung  der  Themen  In  Bd.  IV  (erat  2-,  dann  3-  und  scbllesslicta 
4-stimmig},  möchte  ich  den  Tcrt  der  Studien  In  den  echt  modernen  Modulstlonen  und 
dem  wirklich  Musikalisch- KI  lügenden  erblicken.  Der  singende  Fluss  der  Stimmen  llsst 
die  Hemmungen  der  durch  die  Polypbonle  bedingten  anormalen  Bewegungen  nur  noch 
als  ganz  unmerkllcb  erscheinen.  TIhrend  der  Anflnger  bei  Bach  immer  einer  gewissen 
.Knobelel*  unterworfen  ist,  gebt  ihm  hier  die  Mehrstimmigkeit  wie  von  selbst  in  Sinn 
und  Finger.  Das  will  viel  besagen.  Der  technische  Nutzen  kann  vom  modernen  Stand- 
punkt des  Gewlchtaspiels  (Polyphonle  ist  nichts  welter  sls  GewlcbUTerteilungl)  bestritten 
werden.  Aber  der  polyphone  Sati  iwlngt  an  sich  schon  jede  Hand  zu  eelbsilndlger 
Tiilgkelt  Die  Studien  nfitzeo  alao  tausendmal  mehr,  als  slle  Etudenbinde  zussmmen- 
genommen.  Daa  Krauaescbe  Terk  darf  daher,  ganz  abgeseben  von  dem  polyphonen 
Zweck,  ala  eines  der  vorzüglichsten  (echnlscbeo  Scbnlwerke  betrachtet  werden.  Es 
steckt  so  viel  gesunde  Musik,  so  viel  Tlssen  und  Können,  so  viel  Modem- KIsvieristisch es 
darin,  dass  es  in  den  slten,  snerkannieo,  eisernen  Bestand  als  ein  geistig  hervorragendes 
Material  mit  einbezogen  werden  sollte.  Der  bschlacbe  Geist, ist  der  Geist  der  Zukunft 
Fehlt  Kr  den  plsnlstlscben  Zweck  nur  noch  die  Oberbrückung  der  Klnft:  Clementi— 
Chopin  (Etfiden)!  Rudolf  M.  Brelthaupt 

53.  WlUielm    Tapport:    Richard    Tagner  Im  .Spiegel  der  Kritik.    Veriag: 

C.  F.  W.  Siegels  Muaikhsndlung  (R.  Llnnemann),  Leipzig. 
Ein  guter  sller  Beksnnter  prisentlert  slcb  hier  In  neuem  Gewsnde:  Tapperts 
aTagnerlezlkon*,  das  sich  nsch  durchgreifender  Umarbeitung  und  reicher  Vermehrung 
eines  neuen  und  beasereo  Titels  erfreut  Dleaea  aTfirterbuch  der  Unböfllcbkeif  ist 
heute  nicht  mehr  .aktuell",  wie  es  damals  war,  sls  der  treue  Gumemsnz  die  groben, 
geblsalgen  und  verleumderlschen.Ausfltle,  dle^  gegen  Tagser,  seine  Kunst  nnd  seine 
Fteuode  gesclileudert  wurden,  in  einem  Strausa  plodtvoll  band.    Heute  trennt  nna  «in 


437 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


Zeitabstand  von  fast  einem  Lebensalter  von  jenen  Sommertagen,  an  denen  der  »Ring* 
auf  dem  Bayreutber  Hügel  der  Welt  die  neue  Kunst  verkündete.  Heute  liebeln  wir 
Qber  den  unsiglicben  Missverstand,  die  bornierte  Robeit  und  den  mageren  Witz,  durcb 
den  sieb  jene  Skribentlein  von  damals  ein  unrubmlicb  Denkmal  für  alle  Zeiten,  solange 
man  Wagner  ebrt  und  liebt,  setzten.  Und  so  trifft  denn  beute  die  Absicht  des  Heraus- 
gebers, sein  Lexikon  möge  uns  in  müssigen  Stunden  gemutlicb  ergötzen,  weit  eber  zu, 
als  in  den  Tagen  des  brandenden  Für  und  Wider,  da  mancher  Ehrliche  die  Faust  gegen 
solche  Niedrigkeiten  der  Gesinnung,  des  Geschmacks  und  der  Empfindung  geballt  hat. 
Heute  betrachten  wir  diese  «Anthologie**  als  ein  Zeitdokument,  ein  kunst-  und  kultur- 
historisches. Nicht  wegen  der  Namen  der  Kläffer,  deren  Zöpfe  zumeist  schon  eingesargt 
sind;  nicht  deshalb,  weil  ein  Teil  der  Saulusse  zu  Paulussen  geworden  ist,  sondern 
darum,  weil  diese  Ohnmichtigen  eine  Zeitlang  kritische  Machthaber  spielen  durften 
und  sich  unterfingen,  dem  Riesenrad  ihre  Knüttel  zwischen  die  Speichen  zu  werfen. 
Nun,  das  Rad  ist  über  sie  hinweggerast.   Wer  überhaupt  hätte  es  aufzuhalten  vermocht! 

Richard  Wanderer. 

54.  Otto  Hartwich:    Richard  Wagner   und   das   Christentum.    Verlag:  Georg 

Wigand,  Leipzig. 
Dies  Büchlein  ist  jedem  ernstlich  zu'empfehlen,  der  zu  einem  wirklichen,  tieferen 
Verständnis  der  Dramen  des  Meisters  von  Bayreuth  durchdringen  will.  Der  Verfasser 
betont  scharf  —  fast  zu  scharf  —  den  Antagonismus  zwischen  Natur-  und  Vertragsrecht, 
der  für  Wagners  Weltanschauung  bedeutsam  wurde.  Zur  Ergänzung  lese  man  das  treff- 
liche Buch  von  Louis,  Wagners  Weltanschauung.  R.  Petsch. 

55.  Otto  Keller:   Illustrierte   Geschichte   der  Musik.    Zweite  stark  vermehrte 

und  neubearbeitete  Auflage.  1.  Lieferung.  Verlag:  Eduard  Koch,  München. 
Wie  das  Vorwort  besagt,  ist  der  Zweck  dieser  Musikgeschichte  nicht,  ,,neue  Ge- 
sichtspunkte und  neue  selbständige  Forschungen**  zu  bieten,  sondern  ,,nur  ein  leicbt- 
fasslicbes,  nicht  allzu  umfangreiches  Kompendium  für  Musikstudierende  und  Dilettanten.* 
Diesen  Zweck  scheint  sie  erfüllt  zu  haben,  denn  sie  wird  jetzt  nach  10  Jahren  in  einer 
zweiten  Auflage  herausgegeben,  welche  wie  die  vorliegende  1.,  die  Musik  des  Altertums 
behandelnde  Lieferung  zeigt,  in  bezug  auf  die  Ausstattung  ganz  bedeutend  gegenüber 
der  darin  ziemlich  armseligen  ersten  Auflage  verbessert  worden  ist.  Auch  die  neuere 
Literatur  ist  vielfach  berücksichtigt.  Inwieweit  die  getroffene  Auslese  und  ihre  Zu- 
sammenstellung den  billigen  Anforderungen  entspricht,  wird  sich  wohl  erst  am  Schlüsse 
des  ganzen  Werkes  beurteilen  lassen.  Dr.  MaxVancsa. 

MUSIKALIEN 

56.  G.  F.  Händel:  Konzerte  für  Orgel  und  Orchester,  für  den  praktischen  Gebrauch 

herausgegeben  von  Dr.  Max  Seiffert.  Verlag:  Breitkopf  &  Härtel,  Leipzig. 
Max  Seiffert  gibt  Händeis  Orgelkonzerte  in  einer  Ausgabe  für  den  praktischen 
Gebrauch  neu  heraus.  Zunächst  ist  das  erste  (g-moll)  Konzert  veröffentlicht  worden, 
nach  Erscheinen  der  übrigen  wird  über  diese  Ausgabe  des  weiteren  zu  sprechen  sein. 
Schon  jetzt  ist  klar  ersichtlich,  dass  hier  eine  Musterarbeit  vorliegt,  die  den  dringenden 
Wunsch  nach  einer  Renaissance  dieser  Kompositionen  G.  F.  Händeis  der  Erfüllung 
nahe  bringt. 

57.  Alexander  Guilmant:  Siebente   Sonate  (Suite  pour  Orgue).    op.  89.    Verlag: 

Otto  Junne,  Leipzig. 
Es  gab  eine  Zeit,  in  der  Guilmant  zu  den  Grössten  unter  den  Orgelkomponisten 
gezählt  wurde.    Bald  wird  der  Rückschlag  eintreten,  schon  jetzt  mehren  sich  dafür  die 


438 
DIE  MUSIK  III.  6. 


Zeichen,  und  sein  gesamtes  Schaffen  wird  als  ein  Nichts  angesehen  werden.  Beide  An- 
schauungen sind  falsch.  Ein  wirklich  Grosser  kann  Guilmant  nicht  sein,  denn  dazu 
fehlt  seiner  Kunst  jegliche  persönliche  Note.  Gegen  das  absprechende  Urteil  müsste 
ihn  sein  gediegenes  Können,  seine  grosse  Bedeutung  als  reproduzierender  Kfinstler 
schützen.  In  der  vorliegenden  Sonate  sind  alle  positiven  und  negativen  Eigenschafren  der 
Kunst  Guilmants  zu  finden.  Von  seinem  kontrapunktischen  Geschick  zeugt  der  vierte 
Satz,  »Tempo  di  Minuetto*,  von  seinem  konstruktiven  Talent  der  erste  und  letzte, 
von  seiner  Begabung,  klanglich  schöne  Wirkungen  dem  Instrumente  abzugewinnen, 
namentlich  die  Mittelsitze.  Dagegen  beweisen  die  Hauptthemen  der  Ecksitze  einen 
Mangel  an  wirklicher  Grösse  der  Erfindung,  die  sogenannten  kantabilen  Themen  einen 
wenig  entwickelten  Sinn  fQr  Adel  des  Ausdruckes,  die  Gesamtfolge  der  Sitze  ein  geringes 
Empfinden  fQr  Stil.  Weder  mit  den  Franzosen:  C6sar  Pranck,  C.  Saint-SaCns  und 
C.  M.  Widor,  noch  mit  den  Deutschen:  A.  G.  Ritter,  Julius  Reubke,  Josef  Rheinberger 
und  Max  Reger  kann  Guilmant  gleichgestellt  werden.  Er  ist  und  bleibt  in  seinem 
Schaffen  ein  Eklektiker,  der  das  Gute  nimmt,  wo  er  es  finden  kann.    Karl  Straube. 

58.  W«  Barclay  Sqnire:  Ausgewihlte  Madrigale  und   mehrstimmige  Ge- 

singe berühmter  Meister  des  16.— 17.  Jahrhunderts.    In  Partitur  gebracht 

und  mit  Vortragszeichen  versehen.   Neue  Polge.    No.  22.  Jacob  Arcadelt. 

II  bianco  e  dolce  Cigno.    Der  Schwan,  im   Tode  klagend  (1539)   No.  23. 

OrazioVecchi.    II  bianco  e  dolce  Cigno.   Leis'  singt  der  Schwan  im  Tode 

(1589).  Verlag:  Breitkopf  &  Hirtel,  Leipzig. 
In  seiner  grundlegenden  Studie  »Die  AnAnge  der  Chromatik  im  italienischen 
Madrigal  des  16.  Jahrhunderts«  (Leipzig,  Breitkopf  &  Hirtel  1902)  hat  Th.  Kroyer  die 
für  die  Geschichte  der  Harmonie  höchst  wichtige  Entwicklung  des  Madrigals  eingehend 
erliutert  Squire  hat  nun  eine  Reihe  der  schönsten  Madrigale  ausgewihlt  und  in 
moderne  Partitur  gebracht.  Arcadelts  (eines  der  früheren  Madrigalisten)  »il  bianco  e 
dolce  Cigno«,  das  in  zweifacher  Bearbeitung  (vierstimmig  und  von  O.  Vecchi  fünf- 
stimmig arrangiert)  vorliegt,  wird  mit  seinen  überraschenden  harmonischen  Feinheiten 
und  seinem  zarten  Stimmungszauber  manchen  Laien  einmal  wieder  darüber  aufkliren, 
wie  sehr  zu  Unrecht  viele  der  angeblich  »antiquierten*  Schitze  alter  Vokalmusik  in 
Vergessenheit  geraten  sind. 

59.  Hans   Koessler:    Altdeutsche    Minnelieder    in    Madrigalenform    für 

Minnerchor  nebst  Gaudeamus  igitur  als  Kanon  für  vier  Minnerchöre  gesetzt 

Verlag:  Süddeutscher  Musikverlag,  Strassburg  L  E. 
Koessler  versucht  mit  viel  Glück  die  Form  des  Madrigals  zur  Komposition  mittel- 
alterlicher Minnepoesie  neu  zu  beleben.  Wie  sehr  er  sich  die  verwickelte  Polyphonie 
der  Madrigalisten  zu  eigen  gemacht  hat,  beweisen  besonders  No.  2  (»Lieblich  hat  sich 
gesellet*)  und  No.  4  (»Gesegne  dich  Gott,  du  reines  Weib*).  Auch  sonst  scheint  er  die 
gleiche  Vorliebe  für  artistische  Pormkunststücke  zu  haben,  wie  manche  alten  Vokal- 
komponisten; den  prichtig  gearbeiteten  Kanon  »Gaudeamus  igitur*  für  vier  Minnerchöre 
macht  ihm  nicht  so  leicht  jemand  nach! 

60.  Josef  Rheinberger:   Zwei   Lieder   »Die   Moos-Rose*,   »Janna   coeli*.     Mit 

Klavierbegleitung.     Aus  dem    Nachlass  nach   der  im  Besitze  der  Königl. 

bayerischen  Hof-  und  Staatsbibliothek  in  München  befindlichen  Handschrift 

revidiert    und    herausgegeben    von    Louis    Adolphe    Coerne.      Verlag: 

P.  £•  C.  Leuckart,  Leipzig. 
In  der  rührenden  Innigkeit  ihrer  Empfindung,  in  der  Schlichtheit  ihrer  klaren 
Harmonik  zeigen  uns  diese  Lieder  Meister  Rheinberger  kurz  vor  seinem  Tode  noch  auf 
voller  Höhe  des  Schaffens. 


439 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


61.  Georg  Schumann:   Drei  geistliche  Gesinge  für  gemischten  Chor.    op.  31. 

Verlag:  F.  E.  C.  Leuckart,  Leipzig. 
Echt  protestantische  Glaubensstrenge  spricht  aus  Schumanns  edlen  Chören;  die 
spielende   Beherrschung  des   Chorsatzes,   der   durch   kanonische   und   andere   flgurale 
Omamentierung  bereichert  ist,   verraten   den   gefestigten  Musiker;   besonders  tief  em- 
pfunden ist  No.  3  »Herr,  wie  lange*.  Arthur  Neisser. 

62.  Franz  Liszt:  Eine  Symphonie  zu  Dantes  Divina  Commedia.    Arrangiert 

von  August  Stradal.  Verlag:  Breitkopf  &  Härte],  Leipzig. 
Lange  hat  man  die  Bedeutung  des  Komponisten  Liszt  unterschätzt,  bis  doch  eine 
würdigere  Auffassung  Platz  griff.  Die  verdiente  Wertung  der  Lisztschen  Tondichtungen 
ist  jQngsten  Datums,  aber  sie  kam  nicht  plötzlich,  wie  sie  auch  keiner  Propaganda  zu 
▼erdanken  ist;  allmählich  lernte  man  die  Schöpfungen  des  grossen  Neuromantikers  nach 
Gebühr  beurteilen,  und  kein  anderer  als  die  Zeit  selbst  hat  ein  Verdienst  um  diese 
Wandlung:  das  Publikum  musste  erst  zum  Verständnisse  reifen,  und  die  oft  abstrusen 
Bestrebungen  der  »Allermodernsten*  haben  diesen  Vorgang  beschleunigt.  Die  Symphonie 
zu  Dantes  Divina  Commedia  ist  eine  der  gehaltreichsten  und  gewaltigsten  Schöpfungen 
des  Meisters.  Stradal,  der  bereits  eine  grosse  Zahl  Lisztscher  Orchesterwerke  für 
Klavier  transskribiert  hat,  beweist  auch  in  dieser  Übertragung  sein  eminentes  Verständnis. 

63.  Karl  Loewe:   Balladen   und    Lieder.    Für  Pianoforte   mit  Hinzufugung  des 

Gesangstextes  übertragen  von  Karl  Rein  ecke.  2  Bände.  Verlag:  Gebruder 
Reinecke,  Leipzig. 
Wer  die  Sonderart  des  Balladenmeisters  Loewe  kennt,  der  wird  vergeblich  nach 
dem  Grunde  einer  solchen  Publikation  suchen.  Man  wende  mir  nicht  ein,  dass  auch 
Liszt  Lieder  von  Schubert  und  anderen  für  Klavier  übertragen  hat;  denn  hier  handelt 
es  sich  jedesmal  um  eine  Neugestaltung,  nicht  um  eine  blosse  Einflechtung  der  Sing- 
stimme in  den  Klavierpart.  Die  zwei  Bände  enthalten  die  Gesänge:  „Die  Uhr*,  .Prinz 
Eugen*,  „Glockenturmers  Töchterlein**,  „Edward«,  „Tom  der  Reimer«,  „Der  Wirtin 
Töchterlein«,  „Niemand  hat's  gesehn«,  „Archibald  Douglas«,  „Erlkönig«,  „Der  Nöck«, 
„Die  Glocken  zu  Speier«  und  „Heinrich  der  Vogler«. 

64.  Algemon  Ashton:  Sonate  in  es-moll  für  Pianoforte,  op.  101.    Verlag:  Mozart- 

haus, Wien. 
Eine  vornehme,   formvollendete  Tondichtung,   die  sich  aller  Vorzuge  der  Muster- 
stQcke  ihrer  Gattung  rühmen  kann. 

65.  Josef  Reiter:    Klaviergedichte,    op.  57.    1.  Lebenskämpfe.    2.  Weihestunde. 

3.   Excelsior.     4.   Im   Mondenschein   auf  Waldeswegen.     Drei   Klavier- 
gedichte,   op.  58.     1.   In   stiller  Abendstunde.     2.    Kräftiger  Entschluss. 
3.  Gedanken.    Verlag:  Mozarthaus,  Wien. 
Sinnige  Tonpoesieen,  die  sich  durch  eine  dem  jeweiligen  Sujet  angepasste  Form 
und  gewandten  Klaviersatz  auszeichnen. 

66.  Otto  Zweig:  Suite  in  E  für  Pianoforte.    op.  6.    Verlag:  Fr.  Kistner,  Leipzig. 
Eine  ernste,  gediegene  Arbeit,  die  fQr  das  reife  Können  des  Komponisten  zeugt, 

wenngleich  kein  Kunstwerk.  Die  Suite  ist  in  sechs  Sätze  gegliedert:  Präludium,  Toccata, 
Scherzo,  Tema  con  Variazioni,  Intermezzo,  Rondo.  Der  Name  des  angesehenen  Musik- 
gelehrten Dr.  Eusebius  Mandyczewski,  dem  sie  gewidmet  ist,  bedeutet  einen  vertrauen- 
erweckenden Geleitbrief  fQr  den  Tondichter. 

67.  Ernst  Fltlgel:  Drei  Klavierstücke,   op.  60.  Verlag:  Julius  Hainauer,  Breslau. 
Kleine  melodiös-gefällige   Programmkompositionen,  die   auch   einer  zutreffenden 

Charakteristik  nicht  entraten. 


440 
DIE  MUSIK  III.  6. 


68.  Karl  Zuschneiet:  Melod i sehe  Studien  f&r  Klavier.   op.50.   Verlag:  Ebnersche 

Musikalienhandlung,  Stuttgart. 
Melodische  Studien    —   das  sagt  wohl  viel,  aber  Zuschneid  erreicht   das   Ziel, 
das  er  sich  mit  dem  Titel  selbst  gesteckt;  die  kleinen  Kompositionen  sind  belehrend 
und  melodiös  ansprechend.  Dr.  Viktor  Joss. 

69.  Ludwig  Thuille:    Drei   Lieder   f&r   eine    Singstimme    mit   Klavierbegleitung. 

Op.  24.  Verlag:  F.  E.  C.  Leuckart,  Leipzig. 

70.  Ludwig  Thuille:  Traumsommernacht  für  vierstimmigen  Prauencbor,  Solo- 

violine und  Harfe.  Op.  25.  Ebenda. 
Die  neuerscbienenen  op.  24  und  op.  25  des  sympathischen  Ludwig  Thuille  sind 
nicht  gleichwertig.  Von  den  drei  Liedern  dQrfte  das  erste  den  Vorzug  verdienen.  Das 
ganze  Opus  macht  keinen  allzugGnstigen  Eindruck  und  wird  von  seinem  jüngeren  Ge- 
schwister um  viele  Haupteslingen  überragt.  Das  op.  25  ist  so  recht  aus  der  geistes- 
und  gemütstiefen  Lobetanzstimmung  berausgeboren  und  gehört  wohl  zu  dem  Peinsinnig- 
sten, was  seit  Jahren  auf  dem  Gebiet  des  weiblichen  Chorgesangs  geschaffen  wurde. 
Hier  lösen  sich  Dichtung  und  Musik  wahrhaft  aus.  In  einen  süssen  Zauber  duftiger 
Harmonieen  hat  Thuille  die  wunderliebliche  Dichtung  Bierbaums  getaucht.  Melodik, 
Chorsatz,  dazu  die  sommerAdenfeinen  Klinge  von  Harfe  und  Violine,  alles  vereinigt  sich, 
dies  Werkchen  zu  einer  der  lieblichsten  Errungenschaften  der  Chorliteratur  zu  stempeln. 

71.  Fritz  NefT:    Schmied  Schmerz,   für  gemischten  Chor  mit  Orchester.   Op.  6. 

Verlag:  F.  E.  C.  Leuckart,  Leipzig. 
Zu  Bierbaums  viel  komponiertem  Stimmungsbild  »Schmied  Schmerz*  hat  Neff 
einen  acbtstimmigen  Chor  und  grosses  Orchester  mobil  gemacht  Die  Masse  der  auf- 
gebotenen Mittel  steht  zu  dem  kleinen  Stoff  in  gar  keinem  Verhiltnis,  umsomehr  als  dies 
jüngste  Kompositionsprodukt  Neffs  nicht  gerade  durch  einen  besonderen  Erfindungswert 
besticht.  In  dem  Bestreben,  viel  dramatischen  Ausdruck  aus  der  kleinen  in  ihrer  kon- 
zentrierten Form  doppelt  eindringlichen  Dichtung  herauszuholen»  zerrt  er  das  knappe,  viel- 
sagende Stimmungsbild  durch  unsinnige  Wonrepetitionen  voUstindig  auseinander.  An 
Anwendung  extremer  Kraftmittel  lisst  das  Werk  nichts  zu  wünschen  übrig. 

72.  Heinricli   Schulz-Beuthen:    Harald.     Ballade  für  Mionerchor,    Baritonsolo, 

grosses  Orchester  und  Klavier.  Op.  46.  Verlag:  F.  E  C.  Leuckart,  Leipzig. 
Die  Harald-Ballade  von  Wolfgang  Muller  von  Königswinter  hat  durch  Schulz-Beuthen 
eine  im  ganzen  gute  Vertonung  erfahren.  Kraftvolle  Charakteristik  der  einzelnen 
Themen,  sowie  ein  wohlklingender,  wenn  auch  hier  und  da  etwas  dumpfer  Chorsatz  zeichnen 
das  knappe,  für  einen  halbwegs  leistungsAhigen  Minnerchor  nicht  schwierige  Stück 
aus.  Die  Solopartie  verlangt  einen  sehr  stimmbegabten,  hohen  Bariton.  Die  Behand- 
lung des  Orchesters  ist,  soweit  der  Klavierauszug  einen  Schluss  zulisst,  sinngemiss. 

73.  Franz  Kessel:    Kain.       Phantastische     Tondichtung    für    grosses    Orchester. 

Verlag:  Louis  Oertel,  Hannover. 
Das  in  seiner  poetischen  Kraft  so  unendlich  grosszügige  Mysterium  »Kain*  des 
Lord  Byron  zum  Vorwurf  einer  Tondichtung  zu  wihlen,  war  nicht  klug.  Franz  Kessel 
ist  ein  ernst  strebender  Musiker,  der  viel  gelernt  hat.  Für  diese  Aufgabe  hat  er  jedoch 
seine  Krifte  üt>er8chitzt  Stoff  und  tonale  Ausdeutung  stehen  sich  in  seiner  Komposition 
allzusehr  gegenüber.  Den  Themen,  die  an  und  für  sich  gut  erdacht  aind,  f^hlt  die 
glaubhafte  Grösse;  dadurch  erscheint  das  musikalische  Kleid,  das  Franz  Kessel  dieser 
Dichtung  angezogen,  für  diese  Riesengestalten  eines  Byron  an  allen  Ecken  su  kurz. 
Solch  inkommensurable  Dichtung  eines  Genies  lisst  sich  nicht  mit  sogenannter  Wohl- 
anatindigkeit  abspeisen,  da  gehört  eine  andere,  eine  congenialere  Phantasie  dazu,  als  sie 
das  Talent  Kessels  besitzt  Adolf  Göttmann« 


RIVISTA  MUSICALE  ITALIANA  (Turin),  1903,  Fase.  3.  —  Das  Schlusskapitcl 
von  B.  Grassi-Landi's  Arbeit  „Genesi  della  musica''  .handelt  über  die  Be- 
gleitung der  Melodie.  Angelo  Solerti  bringt  als  Anhang  zu  seinem  Aufsatz 
»Precedenti  del  melodramma*  einen  Neudruck  der  favola  pastorale  »I  fidi  atnanti* 
von  A.  Ordei,  in  Musik  gesetzt  von  Guasparri  Torelli  (1600).  Die  Studie  »Grillparzer 
et  Beethoven*  von  H.  Kling  enthält  die  französische  Obersetzung  von  Grillparzers 
Grabrede  und  den  hierher  gehörigen  Stellen  aus  der  Selbstbiographie,  voran  geht 
eine  sehr  hübsche  Einleitung,  die  zeigt,  welche  Rolle  die  Musik  in  Grillparzers 
Leben  und  Dichten  gespielt  hat.  Von  J.  Valetta  bringt  das  Heft  den  ersten  Teil 
einer  gross  angelegten  Arbeit  „I  musicisti  compositori  francesi  all'  accademia  di 
Francia  a  Roma*.  Alberto  Cametti  veröffentlicht  „Un  nuovo  documento  sulle 
origini  di  Giovanni  Pierluigi  da  Palestrina*,  das  aus  dem  Jahre  1527  stammende 
Testament  der  Jacobella  Pierluigi,  der  Grossmutter  Palestrinas.  Von  den  der 
zeitgenössischen  Kunst  gewidmeten  Arbeiten  seien  erwähnt:  Die  ausführliche 
Untersuchung  «La  nuova  fisiologia  della  emozione  musicale*  von  M.  L.  Patrizi  und 
der  patriotisch  gefärbte  Aufsatz  „Di  una  vera  cultura  musicale  Italiana*  von 
Vincenzo  Tommasini,  der  in  den  Wunsch  ausklingt,  es  möge  einstmals  der 
Tag  kommen,  an  dem  dem  italienischen  Volk  der  Mann  ersteht,  der  ihm  gibt 
»il  nuovo  canto  atteso  e  invocato,  un  canto  di  fusco  e  di  vita,  un  canto  di  gioja  e 
d'amore,  un  canto  di  giustizia  e  di  forza.* 

MUSICA  SACRA  (Regensburg)  1903,  No.  8  und  9.  —  Ausser  dem  gegen  den  Rück- 
fall des  Cäcilien-Vereins  sich  richtenden  Artikel  »Wer  stehet,  der  sehe  zu,  dass 
er  nicht  falle*  und  den  Vorträgen  „Der  Choralstreit*  von  Endres  und  „Katholische 
Kirchenmusik*  von  J.  Kumpfmüller  ist  namentlich  der  hier  abgedruckte  Hirten- 
brief erwähnenswert,  den  der  jetzige  Papst  1894  als  Kardinal  Joseph  Sarto  und 
Patriarch  von  Venedig  anlässlich  der  Neueinweihung  der  Markuskirche  nach  ihrem 
Umbau  erlassen  hatte.  Der  Brief  beschäftigt  sich  mit  der  echten  Kirchenmusik, 
die  drei  Haupteigenschaften  besitzen  müsse:  Heiligkeit,  künstlerische  Güte  und 
Allgemeinheit;  demgemäss  werden  drei  Arten  der  geistlichen  Musik  unterschieden: 
der  gregorianische  Gesang,  die  klassische  Polyphonie  und  der  theatralische  Stil. 
Da  der  letztere  zur  Übertreibung,  Süsslichkeit  und  Leichtfertigkeit  hinneigt,  ist 
das  Verbot  der  profanen  Gesangs-  und  Instrumentalmusik  in  der  Kirche  not- 
wendig. In  sehr  sachlicher  und  durchaus  nicht  parteiischer  Weise  werden  die 
möglichen  Einwände  überlegt  und  es  heisst  da  u.  a.:  „Man  sage  nicht,  dass 
Palestrina  eine  ganz  andere  Musik  schreiben  würde,  wenn  er  in  unseren  Tagen 
lebte.  Pier  Luigi  aus  Palestrina  könnte  uns,  auch  wenn  er  unserer  Zeit  angehörte, 
als  vollkommener  Kenner  der  liturgischen  und  künstlerischen  Regeln  keine  andere 
Musik  geben,  als  eine  der  Heiligkeit  des  Ortes  entsprechende  und  jenen  ewigen 
Quellen  jeder  Kirchenmusik,  dem  Choral,  entsprechende*. 

MONATSSCHRIFT  FÜR  GOTTESDIENST  UND  KIRCHLICHE  KUNST 
(Göttingen)  1903,  No.  9.  —  Der  interessante  Aufsatz  .Orgelzwischenspiele  beim 
Choralgesang  der  Gemeinde*  von  Heinrich  R  e  i  m  a  n  n  verdient  besondere  Erwähnung. 


44i 

DIE  MUSIK  IIL  6. 


ALLGEMEINE  MUSIK-ZEITUNG  (Charlottenbnrs)  1903,  No.  30.  -  Der  Sdünss 
▼on  Hu^  Conratt  Aafoatz  «Kimst  and  Geschift*  entbilt  noch  Interessantes 
aber  BeetfaOTens  cescbifUlche  Scbicksale  and  bebandelt  dann  K.  M.  von  Weber, 
der  in  seiner  lundlicben  Treaberzigiceit  die  Chance,  dnrch  den  ungeahnten  Erfolg 
seines  «Freischatz*  reich  zu  werden,  nicht  ansnfitzte.  «Johann  Gottfried  Schicht*, 
der  Sachse,  als  Oratorienlcomponist  (Die  Feier  der  Christen  anf  Golgatha),  als 
Violinist  des  Gewandbaasorchesters  and  als  Gesangslehrer  gleich  bedeutend,  wird 
von  Engen  Segnitz  in  einer  biographisch-loitischen  Skizze  behanddt  Ein  Schlass- 
wort  Ton  IL  Teibier  bespricht  «Die  Münchener  Wagner-Festspiele*. 

MUSIKALISCHES  WOCHENBLATT  (Leipzig)  1903,  No.  33-30.  — Eine  nmfkng- 
reiche  Arbeit  fiber  «Das  moderne  Orchester*  von  Panl  Merkel  befosst  sich  mit 
dem  Werden  and  den  Eigenschaften  des  modernen  Orchesters  and  den  Vorzagen, 
mit  denen  der  moderne  Dirigent  aasgestattet  sein  mnss.  Der  Verfosser  will  das 
Orchester  nicht  in  sklavischer  Abbingigkeit  vom  Dirigenten  wissen,  die  Ansdracks- 
fihigkeit  wird  sicher  darch  eigenes  Ffihlen  verstirkt  werden.  Er  sagt:  «Der 
moderne  Dirigent  muss  für  das  moderne  Orchester  ein  Gef&hlsregnlator  and  nicht 
Geffiblsttsarpator  sein*.  —  Der  Aafoatz  von  Moriz  Wirth  «Ernst  von  Possart  and 
die  Matthiaspassion*  preist  die  Knnst  Possarts  als  die  einzige,  die  imstande  sei, 
in  Bachs  Werk  das  Drama  ans  der  es  umgebenden  Musik  herauszuschilen  und 
eindrucksvoll  zu  gestalten.  —  In  dem  Nachruf  «Herman  Zumpe*  von  H.  Teibier 
heisst  es:  «Jugendlicher  Eifer,  besonnene  Gelehrsamkeit,  sensible  Empfindung  ver- 
banden sich  in  ihm  und  standen  im  Dienst  seines  eisernen,  keine  Grenzen 
kennenden,  auch  das  Letzte  freudig  opfernden  idealen  Pflicbtgef&hls*.  —  «Zwei  un- 
gedruckte Briefe  Richard  Wagners*  verölTentlicht  Otto  Dorn:  beide  (Paris  20.  S.  1800 
und  Biebrich  13.  2.  1862)  sind  an  Wagners  Freund  Scbindelmeisser  gerichtet  — 
Köstliche  Perlen  sind  die  von  F.  Gustav  Jansen  publizierten  «Ungedruckte  Briefe 
von  Robert  Schumann*.  Der  erste,  an  Jobann  Nepomuk  Hummel  in  Weimar  ge- 
richtet und  «Leipzig,  20.  August  1831*  datiert,  entbilt  eine  bescheidene  und  treu- 
herzige Schilderung  von  Schumanns  musiludiacbem  Entwicklungsgang  und  es 
heisst  dann  weiter:  «An  den  Meister  wend'  ich  mich  nun  vertrauensvoll,  ob  er 
mir  vielleicht  eine  Zeitlang  den  Genuas  seines  Unterrichts  gewähren  wolle.  Eine 
alte,  vortreffliche  Matter,  die  gern  möchte,  dass  etwaa  Rechtea  aus  mir  würde, 
spricht  mit  mir  diese  Bitte  aua  und  aetzt  ihr  ganzes  Vertrauen  in  den  Mann,  den 
die  Welt  als  so  liebreich  und  ft^undlich  gegen  Kunstjunger  schildert*.  Und  am 
Schluss  sagt  Schumann:  «Beschloss  ich  je  einen  Brief  mit  den  Gef&hlen  einer 
wahren  Verehrung,  ao  ist  es  heute*.  Der  zweite,  an  Hauptmann  von  Fricken  in 
Asch  gerichtete  Brief  (Zwickau,  28.  11.  1854)  entbilt  ein  paar  von  Mitgefühl  er- 
füllte Sitze  über  das  bevorstehende  Ende  des  unglücklichen  Schunke.  Der  letzte 
Brief  endlich  ist  an  Schumanna  Bruder  Carl  gerichtet  und  trügt  das  Datum 
«Dresden,  10.  Juni  1848*.  Mit  rührender  Ergebung  und  kindlichem  Frohmut 
schreibt  Schumann,  wie  er  nur  mit  seiner  Oper  beschiftigt  sei  und  wie  zugleich 
leider  das  Geld  immer  weniger  werde;  von  Clara,  die  «gute  Stunden*  hat,  muaste 
er  sich  schon  einen  Vorschuss  geben  lassen;  nicht  weiss  er,  wober  die  drohende 
Wohnungsmiete  zu  bezahlen,  und  wenn  nicht  Fortuna  plötzlich  einen  Sack  Geld 
beschert,  können  sie  den  Bruder  nicht  besuchen! 

NORD  UND  SÜD  (Breslau)  1003,  No.  317.  —  Ausführlich  und  sehr  beherzigens- 
wert sind  die  Darlegungen,  die  Hans  Schmidkunz  unter  der  Oberschrift 
«Der  Unterricht  in  der  Musik*  bietet     Er  bespricht  den  Musikunterricht  nach 


443 
REVUE  DER  REVUEEN 


drei  Richtungen  hin:  Praxis,  Kritik  und  Theorie  und  historische  Erforschung 
und  Darstellung.  Mit  allen  diesen  Zweigen  ist  es  in  dem  Musikunterricht,  wie  er 
gegenwärtig  allenthalben  betrieben  wird,  höchst  schlecht  bestellt.  Schmidkunz 
deckt  nun  nicht  bloss  die  herrschenden  Übelstände  auf,  sondern  er  stellt  ihnen 
auch  positive  Vorschläge  zu  einer  Verbesserung  gegenüber  und  gibt  auch  im 
Umriss  die  Wege  an,  die  zu  einer  Verwirklichung  dieser  Vorschläge  fuhren 
könnten. 

WESTERMANNS  MONATSHEFTE  1903,  No.  565.  -  Kari  Storcks  Aufsatz  »Allerlei 
Musikfeste*  enthält  wichtige  prinzipielle  Gedanken  über  den  Begriff  des  Musik- 
festes. Storck  nennt  das  Musikfest  eine  heutzutage  veraltete  Erscheinung,  stammend 
aus  einer  Zeit,  in  der  man,  um  ein  Oratorium  oder  ein  grösseres  symphonisches 
Werk  auffahren  zu  können,  eine  Menge  sonst  zersplitterter  Kräfte  vereinigen 
musste.  Heute,  wo  dieselben  Werke  überall  mit  Leichtigkeit  aufzuführen  sind, 
sind  solche  Musikfeste  nichts  Aussergewöhnliches  und  haben  auch  nichts  Segens- 
reiches mehr,  die  Unmasse  von  Musik,  die  sie  mit  sich  bringen,  ermüdet  eher, 
als  dass  sie  erhebt.  Die  Musikfeste  könnten  erst  dann  wieder  eine  Berechtigung 
finden,  wenn  für  ihr  Programm  Kompositionen  gewählt  würden,  die  nur  durch  das 
Zusammenwirken  bewältigt  werden  könnten. 

DER  TÜRMER  1903,  No.  10-13.  -  Die  ständige  Rubrik  „Hausmusik«  in  dieser  Zeit- 
schrift enthält  eine  Reibe  wertvoller  Artikel,  die  alle  durch  Lebensfülle  und  einen 
populären  Zug  ausgezeichnet  sind.  Karl  Storck  gibt  in  seinem  Aufsatz  «Männer- 
chorgesang  und  Musikpflege**  einen  Oberblick  über  die  geschichtliche  Entwicklung 
des  Chorgesanges  und  schliesst  mit  einem  sehr  aktuellen  Gedanken:  dem  der 
Beteiligung  der  Frauen,  die  ja  gegenwärtig  eine  ganz  andere  Rolle  im  Leben 
spielen  als  ehedem,  am  Chorgesang,  wodurch  eine  Hebung  des  mehrstimmigen 
Gesanges  mit  gemischten  Stimmen  angebahnt  würde.  „Die  Frauen  bewahren  ihre 
Lieder  besser;  sie  singen  sie  nicht  bloss  im  Verein,  sondern  auch  daheim  im 
Hause;  sie  lehren  sie  ihren  Kindern.  Ich  will  den  Männergesang  keineswegs 
verbannen,  aber  wichtiger  ist  der  Volksgesang.  Zu  diesem  gehört  das  ganze 
Volk.  Die  Frauen  tragen  ihr  gutes  Teil  an  des  Lebens  Last,  so  mögen  sie  auch 
teilhaftig  sein  an  des  Lebens  Schmuck.  Ein  solcher  ist  der  Gesang;  ein  Schmuck, 
der  nicht  nur  verschönt,  sondern  auch  veredelt.«  —  Ein  Aufsatz  von  Arthur  Seidl 
(»Ein  Tonkünstlerfest«)  behandelt  das  Baseler  Musikfest;  Karl  Storck  be- 
spricht in  einer  knappen  Abhandlung  „Die  Musik  und  die  christliche  Kirche« 
und  preist  in  dem  Artikel  „Heinrich  von  Herzogenberg  als  Liederkomponist« 
ganz  besonders  die  Männlichkeit  des  Empfindens,  die,  obschon  innerlich  von 
Leidenschaft  durchglüht,  äusserlich  als  Kühle  erscheint.  —  „Wie  ist  Richard 
Wagner  vom  deutschen  Volke  zu  feiern?«  Diese  Frage  beantwortet  Storck  in 
einem  anderen  Aufsatz  mit  den  Worten:  „Muss  es  denn  wirklich  immer  ein 
Denkmal  aus  Erz  oder  Marmelstein  sein?  Könnte  man  für  einen  Geisteshelden 
nicht  einmal  eine  geistigere  Form  der  Verehrung  finden?!«  Storck  macht  den 
Vorschlag,  man  möge  ein  Kapital  sammeln,  durch  das  alljährlich  Unbemittelten 
der  Besuch  vom  Theater  ermöglicht  werden  könnte.  Daran  könnte  sich  jeder, 
der  Millionär  wie  der  Minderbemittelte,  mit  einem  Beitrag  beteiligen;  es  gäbe  also 
eine  Mitwirkung  des  ganzen  Volkes.  —  Noch  ein  Artikel  von  Karl  Storck  sei 
erwähnt:  .E.  T.  A.  Hoffmann  als  Musikschriftsteller.«  „Nicht  zum  Musiker,  zum 
Musikschriftsteller  war  er  berufen!«  —  mit  diesen  Worten  kennzeichnet  der  Ver- 
fasser Hoffmann,  und  er  sagt,  Hoffmann  sei  durch  seine  theoretischen  Kenntnisse, 
durch   seine   musikalische  Ausbildung  und  durch  seinen  geläuterten  Geschmack 


444 
DIE  MUSIK  III.  6. 


einerseits  zum  Musikisthedker  geschsffen  gewesen,  andererseits  habe  er  infolge 
seiner  schöpferischen  Begabung  und  seiner  StimmungsfQlIe  das  innerste  Wesen 
der  Musik  in  seinen  Dichtungen  mitunter  verkörpern  können.  Es  folgen  abgedruckte 
Stellen  aus  Hoffmanns  Werken:  .Gedanken  über  den  hohen  Wert  der  Musik**  und 
»Höchst  zerstreute  Gedanken**. 

LA  R£VUE  (Paris)  1903,  No.  16—19.  —  Durch  die  Hefte  zieht  sich  die  amftmgreiche 
Reihe  der  »Lettres  sur  la  musique  fran^aise*  von  Adolphe  Adam,  die  aus  den 
Jahren  1836—1850  stammen  und  eine  Menge  des  Wichtigen  und  des  Interessanten 
enthalten. 

NEUE  ZEITSCHRIFT  FÜR  MUSIK  (Leipzig)  1903,  No.  37-39.  -  Die  Besprechung 
von  G.  F.  Seiles  Chören  aus  der  «Braut  von  Messina*  gibt  Robert  Musiol  (»Eine 
neue  Komposition  zu  Schillers  Braut  von  Messtna*)  Gelegenheit,  die  zu  diesem 
Trauerspiel  geschriebenen  Musiken  seit  den  ersten  von  F.  S.  v.  Destouches  n. 
Siegmund  R.  v.  Neukomm  komponierten  zusammenzustellen.  —  Der  verstorbene 
Zumpe  wird  von  Max  Wallberg  («Herman  Zumpe  f*)  »Ein  Dirigent  von  un- 
gewöhnlicher Spannkraft  des  Willens,  von  einer  glühenden  Begeisterung  für  die 
Kunst,  von  einer  leuchtenden  Begabung  für  seinen  Beruf*  genannt.  —  Ober  .Die 
Münchener  Wagnerfestspiele*  schreibt  Eugen  Johannes.  —  Den  Kern  eines  aus- 
gedehnten Artikels  von  Arthur  Seidl  bildet  die  kritische  Besprechung  von  Ermanne 
Wolf-Ferrari's  Oratorium  nach  Dante's  »Vita  nuova*.  Der  Aufsatz  entbilt  eine 
Kette  schöner  und  in  der  Anwendung  gewiss  fruchtbarer  Gedanken.  Die  Besprechung 
des  Textes  nimmt  Seidl  zum  Anlass,  sich  über  Charakter  und  Wert  des  Danteschen 
Epos  knapp  auszusprechen.  Zur  Besprechung  der  musikalischen  Seite  des  Werkes 
übergehend,  sagt  er:  »Wie  wir  sozusagen  eine  nördliche  und  eine  südliche  Drama- 
turgie —  dort  des  In-  und  Durch-,  hier  des  Neben-  und  Nacheinander  —  deutlich 
unterscheiden  können,  die  in  Hebbel  und  Anzengruber  als  Gegenpolen  etwa  kul- 
minieren, so  ergibt  sich  auch  wieder  innerhalb  der  Tonkunst  eine  Art  von  nord- 
deutscher und  süddeutscher  Symphonik;  jene  wire  durch  Brahms,  diese  durch 
Brückner  ungefähr  charakteristisch  vertreten.  Desgleichen  aber  wird  germanischer 
Geist  in  der  Musik  mit  Vorliebe  auch  ,mehr  Ausdruck  der  Empfindung*  geben, 
wo  der  Romane  ohne  weiteres  Situation sd ras tik,  dekorative  Plastik,  das  Stimmungs- 
gemilde  und  die  Tonmalerei  suchen  und  betonen  wird,  ohne  dass  man  dabei  von 
,innerlfcher'  und  ,ausserlicber*  Kunst  im  lobenden  oder  tadelnden  Sinne  schlechthin 
wird  reden  dürfen.  Es  sind  schliesslich  National-Eigentümlichkeiten,  die  —  wenn 
man  nur  recht  zusehen  will  —  beide  Male  etwas  Inneres,  nimlich  ,Natur*  (natura 
naturans  —  nicht  natura  naturatal)  bedeuten.  Und  ebenso  mag  der  Nordlinder 
nach  seiner  Organisation  ganz  unwillkürlich  für  das  wandlungsfihige  ,Leit-Thema' 
einer  vielgestaltigen  Verwebung  und  intrikaten  Verknüpfung  sich  entscheiden, 
wahrend  der  naivere  Südlinder  das  einfachere,  stereotype  ,Reminiszenz-Motiv*  leicht 
bei  sich  vorziehen  dürfte.*  Seidl  findet  in  Wolffs  Musik  eine  südliche  Naturanlage 
vertreten,  die  sich  aber  immer  mit  germanischem  Ernst  paart. 

GREGORIANISCHE  RUNDSCHAU  (Graz)  1003,  No.9.  —  Es  beginnt  in  dem  vor- 
liegenden Hefte  eine  gross  angelegte  Abhandlung  von  Karl  Ott:  »Der  Entwicklungs- 
gang der  mittelalterlichen  Choralmelodie*.  —  Rafael  Moli tors  Aufsatz  über  aJosef 
von  Rheinberger*  beschifcigt  sich  insbesondere  mit  Rheinbergers  Orgelkomposi- 
tionen,  deren  Wert  nach  jeglicher  Richtung  hin  gewürdigt  wird. 


NEUE  OPERN 

Roberto  Catdlla:  ,Der  Glockenguss  von  Groningen',  Text  von  Eugenio 
de  Lupl  und  Artur  Belloitl  (deutsche  Oberseliung  von  Tllly  von  Timetal) 
wird  seine  Uraurrübrung  sm  Stidtibeater  zu  Sietiln  erleben. 

Claude  Debussy:  .Der  Teufel  In  der  Turmuhr*  beisst  eine  Oper  (Text 
nich  Edgsr  A.  PoS),  an  der  der  Komponist  gegenvirtig  arbeitet. 

Alfred  Stelzner:  .Svatowlls  Ende",  ein  einaktiges  Masikdrama,  la  dem  der 
Komponist  aucb  das  Buch  schrieb,  wird  am  Hoftheaier  zu  Kassel  zum 
erstenmal  aufgeffihrt  werden. 

AUS  DEM  OPERNREPERTOIRE 

Aachen:  Die  Spielzelt  begann  am  16.  September.  Als  Heldentenor  ist  E.  Voss, 
als  dramatltcbe  Stagerinnen  die  Damen  Stelgerwald  und  Sorelll  verpflichtet. 
An  Neuheiten  verspricht  Direktor  Schrfitler  den  Abonnenten:  Goldroarks 
aGStz  von  Berllchingen',  Verdi's  aOibello*  und  Tagners  .Siegfried'.  .In 
Aussiebt  genommen"  sind  drei  Terke  von  Masaenel:  .Terther*,  .Der 
Gaukler  unserer  lieben  Frau*  und  .Das  Midcben  von  Navarra'. 

Brl«g:  Die  Brlegcr  Singakademie  brachte  unter  Leitung  von  Musikdirektor 
Hlelscherdas  Chorwerk  .Sulamit'  von  Ermanne  Tolf>Ferrari  erfolgreich 
zur  Aufrfihrung.    Es  war  die  erste  in  Deutschland. 

Frankfurt  a.  H.:  Gelegentllcb  des  Musikfestes  des  Allgemeinen  DeuUchen 
Musikvereins  Anfoog  Juni  1904  wird  die  Uraufführung  des  dreiaktigen 
Muaikdramas  .Der  Bundschuh*  (Dichtung  von  Otto  Erler)  von  Taldemar 
von  Baussnern  siatiflnden. 

Mailand:  Die  Scala  eröffnet  ihre  Tinlersplelzeit  mit  ,Rheingold"  und  —  eine 
sonderbare  Zussmmensiellung  —  mit  der  .Puppenfee*.  Zur  AuffQtarung 
gelangen  u.  a.:  Umberto  Giordano  (Sibirien,  zum  erstenmal),  Franchettl 
(Germania),  Verdi  (Rlgoletio),  Puccinl  (Madame  Buiterfly),  Gounod  (Faust), 
Dilibes  (Lakrai),  Massenet  (Griselidls),  ferner  dss  Bsilet  .Das  Spinnerlled' 
von  Carlo  Coppl. 

Wiesbaden;  Victor  von  Toikovsky-Biedaus  Oper  .Helga',  die  von  der 
General-Intendani  fQr  das  KSnigllcbe  Theater  angenommen  worden  Ist, 
wird  ihre  ErstauffQbrung  am  29.  Dezember  d.  J.  erleben. 

KONZERTE 

Aachen:  Die  Musikalische  Gesellschaft  veranstaltet  vier  Kammermusik- 
Abende,  wobei  neben  dem  Brflsseler  und  dem  BOhmischen  Si reich qusrtett 
Agnes  Leydhecker,  Julia  Culp,  Leopold  Godowsky  und  Henri  Martesu  mit- 
wirken. Ausserdem  flnden  noch  drei  weitere  KammermnsikauffQh- 
rungen,  die  wScbentlichen  Konterte  des  Inatrumenlalverelns,  sowie 
die  Volkssymphonle-Konzerte  statte  letztere  erfahren  in  diesem  Tinter 
eine  grosse  Mannigfaltigkeit  ihres  Programms  durch  Heranziehung  von  Vokal- 
nnd  Instrumentalsolisten.  Prof.  Schwickerath  leitet  alle  musikalischen 
Veranstaltungen. 


446 
DIE  MUSIK  III.  6. 


Berlin:  Die  Barthscbe  Madrigal  Vereinigung,  ein  unter  Leitung  von  Arthur  Barth 
aus  den  Damen  Geipelt,  Kaufmann,  Schott  (Sopran),  Bremer  und  Martus 
(Alt)  und  den  Herren  Weiss  und  Michel  (Tenor),  Harzen-Muller  und  Lederer- 
Prina  (Bass)  bestehendes  Vokaldoppelquartett,  wird  Mitte  Dezemt>er  ihr 
erstes  Konzert  geben,  in  dem  eine  ganze  Reihe  von  italienischen,  fran- 
zösischen, niederlindischen,  englischen  und  deutschen  Madrigalen  des 
15.  bis  17.  Jahrhunderts  zum  Vortrag  gelangen. 

Brieg:  Die  Singakademie  (Dirigent:  Musikdirektor  Hielscher)  eröffnete  ihre 
diesjährige  «Saison  mit  einer  AufTOhrung  von  »La  Sulamite*  von  Wolf-Ferrari, 
unseres  Wissens  der  ersten  in  Deutschland.  Das  Werk,  dessen  Text  dem 
Hohenliede  Salomonis  entnommen  ist,  gibt  in  allen  seinen  Teilen  einen 
grossen  Liebeszwiegesang  zwischen  Sopran  und  Alt,  unterbrochen  von 
wunderbar  fein  gearbeiteten  Chorsitzen.  Als  Solisten  wirkten  mit:  Anna 
Münch  aus  Gera  (Sopran)  und  Hofopemsinger  H.  Wolff  aus  Koburg  (Tenor). 
Die  beiden  Regimentskapellen  (156.  und  157.  Inftmterie-Rgt.)  haben  sich  für 
diesen  Winter  zusammengetan  und  veranstalten  drei  Symphoniekonzerte. 
Es  kommen  u.  a.  zur  Aufführung:  Brahma'  vierte  Symphonie  und  zur  Feier 
von  Berlioz'  hundertjihrigem  Geburtstag  »König  I^ar*  und  andere  Werke 
des  Meisters. 

Halle  a.  S.:  In  dieser  Saison  scheint  das  Leipziger  Philharmonische 
Orchester  (Leiter:  Hans  Winderstein)  das  Konzertfeld  allein  beherrschen 
zu  sollen.  Angekündigt  sind  sechs  Symphonie-Abende  mit  Solisten 
wie  Mary  Münchhoff,  Felix  Berber,  Leopold  Godowsky  u.  a.  —  Genüsse 
erlesener  Art  versprechen  die  Herren  Arno  Hilf,  Alfr.  Wille,  Bemh.  Unkenstein 
und  Georg  Wille  in  ihren  vier  in  Aussicht  gestellten  Kammermusik- 
abenden. —  Die  Singakademie  (Dirigent  Prof.  Otto  Reubke)  rafft  sich  zu 
einer  grossen  Tat  empor,  indem  sie  Bachs  .Weihnachtsoratorium*  zur 
Aufführung  vorbereitet. 

Hannover:  Die  Hannoversche  Musikakademie  begeht  den  lOOjihrigen  Geburtstag 
Berlioz'  mit  einer  Aufführung  von  dessen  »Requiem*;  die  aus  gleichem  An- 
lass  im  Königl.  Theater  in  Aussicht  genommene  Neueinstudierung  der  Oper 
.Benvenuto  Cellini*  ist  wieder  ad  acta  gelegt;  dafür  ist  eine  Aufführung  der 
geistlichen  Trilogie:  .Kindheit  Christi*  vorgesehen.  Für  das  nächste  Abonne- 
mentskonzert des  Königl.  Orchesters  ist  Hugo  Wolfs  .Penthesilea*  als 
Novitit  in  Aussicht  genommen. 

Innsbruck:  In  den  Musik verein-Konzerten  gelangen  zur  Aufführung:  Bach 
(Air  für  Violine  mit  Orchester;  Praeludium  und  Fuge  für  Orgel),  Beethoven 
(fünfte  Symphonie),  Brahma  (vierte  Symphonie),  Brückner  (zweite  Symphonie; 
der  150.  Psalm),  Cornelius  (Die  Vitergruft),  Elgar  (Variationen  für  Orcheater), 
R.  Fuchs  (Andante  gracioso  für  Streichorchester),  Gluck-Mottl  (Balletstücke), 
Guilmant  (Symphonie  für  Orgel  und  Orchester),  Handel  (Arie),  Liszt  (Mephisto- 
Walzer;  Die  Legende  von  der  heiligen  Elisabeth),  Mendelssohn  (Die  schöne 
Melusine),  Mozart  (g-moU-Symphonie;  Arie  aus  «Cosi  fkn  tutte*),  Neff(Chor 
der  Toten),  Pembaur  (Thermopylae),  Pfltzner  (Vorspiele  aus  «Das  Fest  auf 
Solhaug*),  Stehle  (Arie  aus  dem  Oratorium  .Fritjofs  Heimkehr*),  Schjelderup 
(Vorspiel  zu  »Norwegische  Hochzeit*),  Schubert  (Lieder),  Strauss  (Tod  nad 
VerkUntng ;  Lieder),  Svendsen  (Romanze  für  Violine),  Tschalkowsky  (Scherzo 
für  Violine),  Vieuxtemps  (Konzert  d-moU),  Wagner  (Tannhiuser-Ouvertfire; 
Verwandlungsmusik  und  Schlussszene  des  ersten  Aktes  aus  Parsiftü),  Wicken- 


447 

UMSCHAU 


bausen  (Suite),  Wolf  (Der  Feuerreiter).  Solisten:  Johanna  Dietz,  Ada  Jahn, 
Maria  Pbilippi  (Gesang),  Issay  Barmas  (Violine),  Karl  Pembaur  (Orgel),  Alfred 
Reisenauer  (Klavier),  Josef  Loritz,  Karl  Senn,  Hans  dessen.  Albert  Reitter 
(Gesang).  Femer  findet  ein  Kammermusik- Abend  des  Streichquartetts 
Miroslav  Weber  statt. 

Königsberg  i.  Pr.:  Ernst  Wendel  wird  mit  dem  Königsberger  Musikverein 
in  diesem  Winter  Brückners  neunte  Symphonie  aufführen. 

Mfllheim  (Ruhr):  Unter  Leitung  von  Musikdirektor  Karl  Diehl  veranstaltet  der 
Gesangverein  vier  Abonnements-Konzerte  und  bringt  zur  Aufführung: 
Bach  (Matthäus-Passion),  Berlioz  (Fausts  Verdammung),  Beethoven  (Klavier- 
konzert c-moll),  Mozart  (Symphonie  Es-dur),  Schumann  (Paradies  und  Peri), 
R.  Strauss  (Wanderers  Sturmlied).  Solisten:  die  Damen:  Emma  Ruckbeil- 
Hiller,  Natorp,  E.  Diergardt,  Carola  Hubert,  Adrienne  Kraus-Osbome,  Martha 
Beines,  sowie  die  Herren:  Nicola  Dörter,  P.  Baum,  Max  Pauer,  Franz 
Litzinger,  Dr.  Felix  Kraus,  Adolf  Bachem,  Raimund  von  Zur-MQhlen, 
Job.  Messchaert,  H.  Steg. 

TAGESCHRONIK 

In  einer  Auffuhrung  der  ,, Walküre*  am  3.  November  im  Königlichen  Opern- 
haus zu  Berlin  nahm  Rosa  Sucher,  die  bis  heute  unerreichte  Sieglinde  und 
Isolde  Abschied  von  der  Biihne. 

Richard  Strauss  ist  mit  der  Komposition  einer  einaktigen  Oper  beschiftigt, 
deren  Text  abermals  von  Ernst  von  Wol zogen  stammt. 

Engelbert  Humperdinck  arbeitet  an  einer  neuen  Oper,  deren  Libretto  er 
selbst  verfasste.  Der  Stoff  ist  dem  Lustspiel  »Das  Fräulein  von  Saint-Cyr*  von 
Dumas  entnommen. 

Carl  Wolfram,  Kapellmeister  der  Frankfurter  Oper,  ist  vom  Winter  1004  ab 
fQr  eine  Reihe  von  Jahren  als  1.  Kapellmeister  an  die  Vereinigten  Stadttheater  von 
Essen  und  Dortmund  verpflichtet  worden. 

Die  französische  Kammer  hat  mit  grosser  Mehrheit  den  Antrag  Millevoye 
angenommen,  die  Theateragenturen  in  gleicher  Weise  wie  die  Stellenver- 
mittlungsbureaux  für  Arbeiter  zu  behandeln,  die  erlangten  Konzessionen  abzulösen 
und  keine  neuen  mehr  zu  erteilen.  Die  Kammer  vertrat  die  Anschauung,  dass  die 
Theateragenturen  die  dramatischen  Künstler  und  Künstlerinnen  ungebührlich  aus- 
beuten. Wenn  der  Senat  dem  Gesetz  zustimmt,  wird  es  in  kurzer  Zeit  keine 
Theateragenturen  mehr  in  Frankreich  geben. 

Der  gegenwärtig  in  Krakau  lebende  Heldentenor  Alexander  von  Bandrowski, 
der  als  erster  Pionier  der  Wagnerschen  Muse  in  Polen  das  Publikum  mit  der 
.Walküre*  bekannt  machte,  hat  vor  kurzem  das  Kunstwerk  einer  vollendeten  Ober- 
tragung  der  »Meistersinger*  in  die  polnische  Sprache  zustandegebracht. 

Am  Grabe  Dr.  Friedrich  Schneiders,  des  ehemaligen  Dessauer  Hofkapell- 
meisters und  Komponisten  des  »Weltgerichts*  fand  am  23.  November,  dem 
50.  Todestage  des  Tonsetzers  eine  Gedenkfeier  statt 

Für  Herman  Zumpe  soll  in  München  ein  grosses  kunstvolles  Grabmal  er- 
richtet werden. 

Bei  der  Gelegenheit  des  50jährigen  Bestehens  seiner  Fabrik  erhielt  Kom- 
merzienrat  Blüthner  folgende  Auszeichnungen:  Vom  König  von  Sachsen  Rang 
und  Titel  eines  Geheimen  Kommerzienrates,  vom  König  von  Württemberg  den 
Titel  eines  kgi.  Hoflieferanten,  vom  Fürst  von  Reust  j.  L.  das  Ebrenkreuz  2.  Klasse 
und  vom  König  von  Rumänien  das  Offlzierskreus  des  Ordens  der  rumänischen  Krone. 


448 
DIE  MUSIK  IIL  6. 


Intendant  Ernst  von  Possart  hat  vom  König  von  Dinemark  das  Kommandenr- 
krenz  des  Danebrog-Ordens  ertialten. 

Der  seit  über  fQnfoig  Jahren  in  England  titige  deutsche  Mnsikdirigent  Dr. 
Aagnstns  Manns  wurde  in  den  Rttterstand  erhoben. 

Dem  Generalmusikdirektor  Wilhelm  Kes  in  Mosksu  ist  wegen  seiner  Ver- 
dienste um  das  russische  Musikleben  der  Stanislaus-Orden  Terliehen  worden. 

Im  Verlag  von  Breitkopf  &  Hirtel,  Leipzig,  ist  ein  Verzeichnis  «Die  grossen 
Meister*  erschienen,  das  alle  im  Verlag  erschienenen  und  zum  Vertrieb  über- 
nommenen Gesamtausgaben  der  grossen  Meister  der  Musik  enthilt.  Zugleich 
werden  auch  alle  für  den  praktischen  Gebrauch  erschienenen  Einzelausgaben 
genannt,  so  dass  es  nicht  nur  bei  Anschaffung  von  Werken  der  klassischen  und 
romantischen  Meister  dienen,  sondern  über  jedes  einzelne  ihrer  Orchester-  und 
Instrumentalwerke  in  Partitur  und  Stimmen,  Original  und  Bearbeitung  erwünschten 
AuÜBchluss  geben  kann. 

Anfing  Dezember  beging  in  Prankfurt  a.  M.  der  Singerchor  des  Lehrer- 
vereins, der  mit  seinen  mehr  als  200  Stimmen  den  quantitativ  wie  qualitativ 
ersten  Minnerchor  der  Stadt  bildet,  das  Fest  seines  25jihrigen  Bestehens  mit 
einer  akademischen  Feier,  einem  Festkonzert  und  der  weiteren  Veranstaltung,  die 
der  Devise  »cantores  amant  humores*  Rechnung  trigt  Georg  Krug,  jetzt  Dirigent 
des  Frankfurter  katholischen  Kirchengesangvereins,  war  der  Gründer  und  erste 
Dirigent,  der  mit  16  Aktiven  den  Anfang  machte;  seit  1880  wird  der  Verein  vom 
jetzigen  Prof.  Maximilian  Fleisch  geleitet,  und  zwar  in  einem  künstlerischen  Geist, 
der  nicht  nur  hier,  sondern  auch  an  aus  wirtigen  vom  Verein  bereisten  Orten 
(u.  a.  Berlin,  Hamburg,  Amsterdam,  im  Haag,  London)  anerkannt  worden  ist  In 
der  Heimatstadt  konzertiert  der  Verein  jihrlich  zweimal  öffentlich,  wobei  er  sich 
an  die  kompliziertesten  Aufgaben  der  Minnergesangsltteratur  wagen  darf,  aber 
auch  mit  seiner  höchst  subtilen  Ausführung  von  Volksliedern  den  Beiftül  von 
Laien  und  Kennern  erwirbt. 

Am  1.  November  feierte  Hermann  Riedel  sein  fünfündzwanzigjihriges 
Jubilium  als  Hofkapellmeister  in  Braunscbweig. 

Nach  dem  Register  des  Deutschen  Bühnen-Spielplans  erlebten  in  der 
Spielzeit  1002/3  Aufführungen:  Opern:  Adam,  Der  Postillon  von  Lonjumeau  83^ 
d'Albert,  Die  Abreise  13,  Kain  5,  Auber,  Fra  Diavolo  100,  Die  Stumme  von  Por- 
tici  48»  Beethoven,  Fidelio  167,  Bizet,  Carmen  203,  Blech,  Das  war  ich  74,  BoUdieu, 
Die  weisse  Dame  75,  Brüll,  Das  goldene  Kreuz  34,  Charpentier,  Louise  91,  Donizetti, 
Die  Regimentstochter  03,  Enna,  Das  Streichholzmidel  5,  Flotow,  Stradella  50, 
Manha  173,  Goldmark,  Die  Königin  von  Saba  49,  Gounod,  Margarete  (Faust)  173; 
Romeo  und  Julie  45,  Hal^vy,  Die  Jüdin  94,  Humperdinck,  Hinsei  und  Gretel  129; 
Kienzl,  Der  Evangelimann  59,  Kreutzer,  Das  Nachtlager  in  Granada  77,  Leoncavallo, 
Der  Bajazzo  189,  Loruing,  Undine  150,  Der  Waffenschmied  139,  Der  Wildschütz  97, 
Zar  und  Zimmermann  165,  Maillart,  Das  Glöckchen  des  Eremiten  77,  Marschner, 
Hans  Helling  37,  Mascagni,  Cavalleria  rusticana  225»  Meyerbeer,  Die  Afrikanerin  68» 
Die  Hugenotten  119,  Der  Prophet  64,  Robert  der  Teufel  21,  Mozart,  Don  Juan  99, 
Figaros  Hochzeit  121,  Die  Zauberflöte  138»  Nessler,  Der  Trompeter  von  Sikkingen 
135»  Nicolai»  Die  lustigen  Weiber  141»  Offenbach,  Hoffmanns  Erzihlungen  184» 
Rossini»  Der  Barbier  von  Sevilla  105,  Teil  36,  Saint-Saöns,  Samson  und  Dalila  76^ 
Smetana»  Die  verkaufte  Braut  42»  Strauss»  Feuersnot  30^  Thomss»  Mignon  210» 
Verdi»  Aida  123»  Der  Maskenball  61,  Othello  35»  Rigoletto  70,  Violetta  (U  Tra- 
vlata)  70^  Der  Troubadour  225»  Wagner»  Der  fliegende  Holunder  187»  Die  Götter- 


449 
UMSCHAU 


dimmeruog  97,  Lobengrin  284,  Die  Meistereinger  von  Nfirnburg  176,  Das  Rhein- 
gold 82,  Rienzi  21,  Siegfried  115,  Tannhiuser  283,  Tristan  und  Isolde  60,  Die 
Wallcfire  148,  Weber,  Der  Freischütz  234,  Oberon  34,  Weingartner,  Orestes  11,  Weis, 
Der  polnische  Jude  67,  Zoellner,  Der  Oberfall  14,  Die  vereunkene  Glocke  45.  — 
Operetten:  Audran,  Die  Puppe  107,  Bands,  Pick  und  Pocket  43,  Dellinger,  Don 
Cesar  55,  Jadwiga  74,  Eysler,  Bruder  Straubinger  44,  Felix,  Madame  Sherry  287, 
Hervd,  Mam'zelle  Nitouche  80,  Heuberger,  Der  Opernball  49,  Jones,  Die  Geisha 
165,  L6har,  Der  Rastelbinder  198,  Wiener  Frauen  58,  Miilöcker,  Der  Bettelstudent 
136,  Gasparone  66,  Offenbach,  Orpheus  in  der  Unterwelt  94,  Die  schöne  Helena  47, 
Planquette,  Die  Glocken  von  Corneville  44,  Platzbecker,  Der  Wahrheitsmund  59, 
Reinhardt,  Der  liebe  Schatz  112,  Das  süsse  Mädel  323,  Strauss,  Die  Fledermaus 
355,  Der  lustige  Krieg  56,  Wiener  Blut  196,  Der  Zigeunerbaron  199,  Sullivan,  Der 
Mikado  63,  Supp6,  Boccaccio  100,  Fatinitza  59,  Die  schöne  Galath6e  56,  Zeller, 
Der  Kellermeister  83,  Der  Obersteiger  76,  Der  Vogelhändler  144,  Ziehrer,  Die  drei 
Wünsche  48,  Die  Landstreicher  154.  —  Ballet  und  Pantomime:  Bayer,  Die 
Puppenfee  100,  Sonne  und  Erde  20,  Wiener  Walzer  24,  Berdny,  Die  Hand  77,  Seine 
Puppe  40,  Hellmesberger,  Die  Perle  von  Iberien  19,  Hertel,  Slawische  Brautwerbung 
13,  Saint-Saöns,  Javotte  18,  Steinmann  und  Graeb,  Phantasieen  im  Bremer  Rats- 
keller 12,  Wormser,  Der  verlorene  Sohn  13. 

Die  von  der  Genossenschaft  Deutscher  Tonsetzer  gegründete  Anstalt  für 
musikalisches  Aufführungsrecht  hat  durch  ein  am  1.  Dezember  in  Kraft 
getretenes  Übereinkommen  die  ausschliessliche  Vertretung  der  Österreichischen 
Gesellschaft  der  Autoren,  Komponisten  und  Musikverleger  übernommen.  Diese 
letztere  Gesellschaft  hat  demzufolge  ihre  Tätigkeit  in  Deutschland  nunmehr  voll- 
ständig eingestellt.  Da  die  deutsche  Anstalt  neben  ihrem  eigenen  Bestände  auch 
über  das  österreichische  Repertoire  verfügt,  ist  den  Veranstaltern  von  Aufführungen 
in  Deutschland  die  Möglichkeit  geboten,  für  die  Werke  beider  Anstalten  die  ge- 
setzlich erforderlichen  Aufführungsgenehmigungen  von  einer  einzigen  Stelle  zu 
erlangen.  Wegen  Abschlusses  eines  ähnlichen  Vertretungsverhältnissea  sind  mit 
den  entsprechenden  Vereinigungen  in  Frankreich  und  Italien  Verhandlungen  im 
Gange. 

TOTENSCHAU 

Ein  gelegentlicher  Mitarbeiter  unserer  Zeitschrift,  der  hervorragende  Musik- 
schriftsteller Joseph  Sittard,  langjähriger  Musikkritiker  des  »Hamburger  Korre- 
spondent* ist  am  24.  November  im  58.  Lebensjahre  in  Hamburg  einem  Herzschlag 
erlegen.  In  Aachen  geboren,  studierte  er  am  Stuttgarter  Konservatorium,  an  dem 
er  später  als  Lehrer  wirkte,  bis  er  der  Redaktion  des  Hamburger  Blattes  beitrat. 
Neben  zahlreichen  Referaten,  Kritiken  und  kleineren  Studien  verfasste  er  eine 
»Geschichte  der  Kirchenmusik*,  »Geschichte  des  Konzertwesens  in  Hamburg*  und 
die  »Geschichte  der  Musik  am  württembergischen  Hofe*. 

Kammersänger  Kaspar  Bausewein  (geb.  1838),  von  1858—1901  Mitglied  der 
Münchener  Hofoper,  ist  in  München  gestorben. 

Geheimer  Intendanzrat  Ferdinand  Diedicke,  Intendant  des  Herzoglichen 
Hoftheaters,  ist  am  17.  November  infolge  eines  Schlaganfalls  plötzlich  verachieden. 

Crescenzio  Buongiorno,  Komponist  der  Opern  »Michel -Angelo*,  »Das 
Erntefest*  und  »Ein  Mädcbenberz*  ist  am  7.  November  im  40.  Lebensjahr  zu  Dresden 
nach  langem  Leiden  gestorben. 

Der  Komponist  und  Musikscbriftsteller  Dr.  August  Reistmann  vertchled 
bei  Wiesbaden  im  78.  Lebensjahre. 
IlL  6.  2Q 


OPER 

AMSTERDAM:  Bei  der  »Niederländischen  Oper«  (Stadttheater)  kehrte  ein  beliebter 
Gast  ein:  Frau  Madier  de  Montjau.  Mehr  durch  ihre  einnehmende  Persönlichkeit 
und  ihr  reizvolles  Spiel,  als  durch  ihre  Stimmmittel  wusste  sie  die  schwirmerische  Tochter 
Capulets  in  Gounod's  etwas  zu  süsslicher  Oper  » Romeo  und  Julie«  ergreifend  darzu- 
stellen. Von  den  übrigen  Mitwirkenden  seien  noch  hervorgehoben:  Phlippeau  (Romeo), 
van  der  Hoek  (Capulet),  van  Duyren  (Pater).  Die  »Neue  Niederlindische«  Oper  (Paleis) 
hatte  weder  Muhe  noch  Kosten  gescheut,  die  »Herbergsprinzess*  von  Jan  Blockx  glanzvoll 
aufzuführen.  Das  viele  Schönheiten  enthaltende  Werk  hatte  unter  der  Leitung  des  Kom- 
ponisten einen  grossen  Erfolg.  Von  den  Hauptdarstellern  verdienen  besonderes  Lob  Frau 
Coini  (Rita),  Orelio  (Rabe),  Pauwel  (Merlyn),  Koster  (Bluts);  ein  grosses  Verdienst  an  dem 
glänzenden  Erfolge  ist  dem  Regisseur  Coini  zuzuschreiben.  Hans  Augustin. 

BERLIN:  .Der  Waffenschmied.«  Das  Premieren publikum  war  mobilisiert  worden,  weil 
in  dieser  Oper  Frl.  Kauffmann  von  Wiesbaden  als  Waffenschmieds -Töchterlein 
debütieren  sollte.  Der  Erfolg  war  spirlich.  Frl.  Kauffmanns  Stimme  fühlte  sich  anscheinend 
wenig  heimisch  im  weiten  Raum  des  Opernhauses,  zudem  machte  sie  beim  Vortrag  einen 
so  ausgiebigen  Gebrauch  vom  portamento,  dass  alle  feinere  Charakteristik  verloren  ging. 
Herr  Wittekopf  als  Waffenschmied  war  gleichfalls  von  einer  sehr  summarisch  allgemeinen 
Art.  Die  Herren  Nebe  und  Lieban  machten  wohl  in  den  beiden  humoristischen  Rollen 
ihre  Sache  ausgezeichnet,  und  Herr  Hoffmann  charakterisierte  seinen  Ritter  und  Schmiode- 
gesellen  fest  und  markig  wie  immer  —  aber  alles  in  allem  blieb  es  ein  matter,  eindrucks- 
schwacher Abend.  Das  ist  unzweideutig  auszusprechen,  doch  nicht  minder  unzweideutig 
abzuweisen  sind  die  Folgerungen,  die  das  geschwitzige,  geschiftige  Vorurteil  daran  an- 
knüpft. Was  Frl.  Kauffmann  anlangt:  vederemo;  ein  Debüt  beweist  nichts,  und  in  Wies- 
baden soll  sie  sich  bewihrt  haben.  Wichtiger  sind  die  Folgerungen,  die  mit  Fingern 
auf  die  »neue  Ära«  weisen.  Wer,  wie  der  ergebenst  Unterzeichnete,  nach  gewissen 
Symptomen  gegen  Herrn  von  Hülsen  voreingenommen  war,  und  dann  nach  der  Meister- 
singer-Aufführung, deren  Spiritus  rector  der  neue  Herr  war,  zugeben  musste:  hier  zeigt 
sich  ein  Regie-Talent  von  nicht  gewöhnlicher  Art  —  der  wird  auch  diesmal  vorsichtig  sein. 
—  »Manon.«  »Und  das  ist  die  Geschichte  —  von  Manon  Lescaut«:  sie  ist  eine  Magdalena, 
eine  schöne  Sünderinne,  die  ins  französische  18.  Jahrhundert  hineingeraten  ist,  jene  Rokoko- 
kultur, die  alles  verzierlichte,  verniedlichte,  die  selbst  Leidenschaft  und  Liebe  nur  in 
Diminutivform  gelten  Hess.  Dass  diese  Manon  viele  Amouren  hat,  würde  man  ihr  nicht 
verübeln ;  aber  sie  weiss  die  Reihenfolge  ihrer  Amouren  so  zu  ordnen,  dass  sie  dabei  Karriere 
macht,  und  daa  ist  fatal.  Doch  man  wird  versöhnt,  als  im  Zenith  ihres  Reichtums  die 
wirkliche  Magdalenanatur  in  ihr  wach  wird.  Sie  sucht  wieder  ihre  reinste,  leidenschaft- 
lichste Liebe  auf:  einen  Chevalier,  der  sie  einst  vom  Kloster  gerettet  hat,  und  den  sie  nun 
ihrerseits,  da  er  Abb6  werden  soll,  der  Kirche  nicht  gönnt.  Das  wird  ihr  Verhingnis. 
Die  Verwandten  des  Chevaliera  retten  diesen  vor  seinem  lasterhaften  Liel>chen  und  setzen 
es  durch,  dass  die  gefihrliche  Kleine  als  Verbrecherin  deportiert  wird.  Auf  dem  Wege 
zur  Galeere  stirbt  sie,  aber  sie  stirbt  in  den  Armen  ihres  Chevaliers,  der  einen  letzten 
Versuch  zu  ihrer  Beft^iung  machte.  Den  Stoff  gab  ein  Roman  des  18.  Jahrhunderts. 
Der  Abb6  Prdvost  d'Fxiles  hat  ihn  geschrieben.    Es  steckt  noch  viel  Rousseauscher  Idealis- 


451 
KRITIK:  OPER 


mus  in  der  .hittolre  du  Chevalier  des  Grieux  et  de  Manon  Lescaut*,  und  mindettent 
ebenso  wichtig  wie  das  süsse  Luderchen  Manon  ist  dem  alten  Abb6  der  schwirmerisch 
gute  Chevalier  des  Grieux.  Der  Operntext  ist  einer  anderthalb  Jahrhundert  späteren 
französischen  Kultur  angepasst:  die  kleine  Grisette  ist  in  den  Mittelpunkt  gerfickt,  der 
Chevalier  wird  blosse  Dekoration.  Die  Musik,  die  Massenet  zu  diesem  Text  geschrieben 
hat,  ist  in  gewisser  Hinsicht  wirklich  sehr  stilgerecht.  Sie  Hebelt  nimlich  ebenso  stark 
und  ebenso  vielseitig  wie  die  leichtsinnige  Manon.  Bald  geht  sie  alten  Suiten  nach,  bald 
hilt  sie  es  mit  der  jungen  Italieneroper,  bald  mit  einem  deutschen  Klassiker.  Nur  die 
Leidenschaft,  die  Manon  doch  schliesslich  beherrscht,  die  fehlt  ihr.  Nie  wird  Massenet 
so  flach,  so  banal,  als  wenn  er  Seelisches  darstellen  soll.  Nie  aber  wird  sie  auch  unter- 
haltender, als  wenn  sie  tänzeln  und  graziös  sein  darf.  Der  Massenet  dieser  Oper  ist 
ein  Causeur,  ein  Mann  von  gesellschaftlichen  Talenten,  ein  Salonfranzose  von  Geblfit 
Man  begreift  sehr  wohl,  dass  diese  Manon  in  Paris  entzücken  konnte,  in  Berlin  aber 
wird  sich  schwerlich  eine  Filiale  für  Massenet  gründen  lassen.  Unseren  Opemkfinstlem 
fehlt  die  Leichtigkeit  zur  Darstellung  solcher  Figuren,  und  es  ist  eigentlich  ein  Kompliment, 
wenn  man  Frl.  Farrar  (Manon),  Herrn  Naval  (Chevalier),  Herrn  Hoffmann  (Lescaut)  und 
den  andern  nachsagt,  dass  sie  künstlerisch  zu  schwerfällig  sind  für  Aufgsben,  wie  sie 
sie  an  diesem  Abend  hatten.  Hervorzuheben  ist  an  der  musikalischen  Leitung  (Dr.  Muck), 
dass  sie  die  Einzelkräfte  straffer  als  früher  zusammenhielt.  Es  fehlt  uns  noch  immer 
an  einem  wirklich  organischen  Ensemble  auf  der  Bühne,  und  wenn  zu  dessen  Heraus- 
bildung die  Einstudierung  der  »Manon*  auch  nur  einiges  beigetragen  hat,  dann  wollen 
wir  uns  ihrer  gern  noch  lange  erinnern.  Willy  Pastor. 

BRAUNSCHWEIG:  Die  Hofoper  bot  in  den  letzten  Wochen  als  glänzendes  Dreigestim 
»Tristan  und  Isolde*  von  Wagner,  den  wirklichen  und  den  zweiten  »Fidelio*,  wie 
Liszt  pBenvenuto  Cellini"  von  Berlioz  nennt;  derjenige  Beethovens  gestaltete  sich  su 
einer  aussergewöhnlichen  Festvorstellung,  weil  an  dem  Tage  (1.  Nov.)  Hofkapellmeister 
Riedel  auf  eine  25jährige  hiesige  Dirigenten-Tätigkeit  zurückblicken  konnte;  er  wurde 
mehr  als  irgend  ein  Künstler  während  des  letzten  Jahrzehntes  gefeiert.  Berlioz  war  oft 
und  gern  in  Braunschweig,  da  seine  Werke  durch  die  Hofkapelle  eine  vorzügliche  Wieder- 
gabe erfuhren  und  vom  Publikum  günstig  aufgenommen  wurden.  Als  Vorfeier  für  den 
100jährigen  Geburtstag  des  Meisters  wurde  die  genannte  Oper  einstudiert  und  fand  am 
28.  Nov.  eine  geradezu  glänzende  Wiedergabe.  Die  Herren  Oberregisseur  Frederigk  und 
Riedel  hatten  das  Werk  gewissenhaft  vorbereitet.  Für  die  erkrankte  Kollegin  Schönfeld 
sprang  Frl.  Bräunig  (Ascanio)  ein  und  lieferte  damit  einen  vollgültigen  Beweis  musikalischer 
Schlagfertigkeit.  Die  Damen  Ruzek  und  Bräunig,  sowie  die  Herren  Gritzinger,  Grahl, 
Jellouschegg  und  Nöldechen  boten  vorzügliche  Leistungen.  Ernst  Stier. 

BRESLAU:  Nach  mehr  als  zweimonatlicher  fieberhafter,  aber  recht  oberflächlicher  musi- 
kalischer Tätigkeit  brachte  die  Oper  ihre  erste  Novität  heraus  und  zwar  an  Stelle  der 
ursprünglich  in  Aussicht  genommenen  italienischen  Sensation  «Tosca*  das  zahme  deutsehe 
Bühnenspiel  .Lobetanz*,  Text  von  O.  J.  Bierbaum,  Musik  von  Ludwig  Thuille. 
Von  dem  Buche  dieses  Werkes  hatten  wir  vor  der  unmittelbaren  Bekanntschaft  viel 
Wundersames  vernommen.  Daher  gab  es  eine  Enttäuschung  durch  das  wenig  dramatische, 
in  der  Personen-Charakteristik  ganz  skizzenhafte,  nur  im  sprachlichen  Ausdruck  von  der 
Schablone  abweichende  Libretto.  Thuilles  Partitur  ist  vornehm,  beredt,  nicht  arm  an 
Ijrrischen  Schönheiten,  von  einem  Meister  der  Kunst  instrumentiert,  aber  die  Herzen  zu 
zwingen,  fehlt  ihr  die  eigene  Kraft  ursprünglicher  Melodieen-Erfindung.  Die  Aufführung  — 
Kapellmeister  Prüwer,  Regisseur  Kirchner  —  war  sorgsam.  Den  unzählige  Lieder  singenden, 
viel  Monologe  sprechenden,  fieissig  turnenden  Titelhelden  vertrat  Herr  Siewert  mit  einer  in 
allen  diesen  Disziplinen  gleich  angenehmen  Gewandtheit.  Als  Geiger  sekundierte  ihm  Herr 

29^ 


452 
DIE  MUSIK  III.  6. 


Henorichs.    Der  bleicbsüchtigen,  Prinzessin  gab  die  gesangliche  Meisterschafc  von  Frl. 
Pewny  mehr  Relief,  als  dem  .Midel  von  16  Jahren«  zustand.      Dr.  Erich  Freund. 

BUDAPEST:  In  der  Aufrollung  des  diesjährigen  Novitäten  program  ms  gab  es  in  der 
königlich  ungarischen  Oper  gleich  an  dem  ersten  Premierenabend  eine  kleine  Sen- 
sation. Ein  junger  ungarischer  Komponist  erzielte  mit  seiner  Erstlingsoper  einen  Erfolg, 
wie  er  hier  seit  .Hansel  und  Gretel«  keinem  Werke  beschieden  war.  Der  geniale 
Autor  heisst  Eduard  Poldini  und  sein  kleines  JMeisterwerk,  ein  knapper  Einakter  von 
kaum  einer  Stunde  Spieldauer,  führt  den  Titel  »Der  Vagabund  und  die  Prinzessin*. 
Der  Oper  liegt  als  Libretto  das  Andersensche  (von  A.  Seligmann  auf  gefällige  Verse  ab- 
gezogene) Märchen  »Der  Schweinehirt*  zugrunde.  Der  Prinz  wirbt  mit  Rosen  und 
Liedern  um  die  Prinzessin.  Das  hochmütige  kleine  Ding  weist  ihn  ab.  Da  erscheint 
etir  fahrender  Spielmann  mit  einem  Marionettentheater.  Die  Püppchen  spielen  so  ent- 
zueilend,  dass  die  Prinzessin  den  hübschen  Kram  um  jeden  Preis  haben  möchte.  Der 
Spielmann  —  natürlich  der  Prinz  —  stellt  den  Preis  freilich  hoch:  hundert  Küsse  von 
der  Prinzessin  will  er  haben.  Die  stolze  Schöne  willigt  nach  einiger  Entrüstung  ein. 
Der  prinzUche  Vagabund  küsst  die  Holde  über  den  Rhythmen  einer  entzückenden  Ga- 
votte, indes  die  Hofdamen  schnatternd  die  Küsse  zählen.  Der  Lärm  weckt  den  König, 
der  mit  seinem  Hofstaat  herbeieilt  und  das  ungeratene  Kind  von  Haus  und  Hof  jagt 
Noch  ist  aber  ihre  Strafe  nicht  voll,  denn  auch  der  Prinz  gibt  sich  ihr  nun  zu  erkennen 
und  verlässt  sie  zur  selbigen  Stunde.  Die  Musik,  die  Poldini  zu  diesem  reizvoll-naiven 
Text  komponiert  hat,  ist  die  feinste,  duftigste,  poetischeste  und  —  witzigste,  die  wir  seit 
vielen  Jahren  gehört  haben.  In  dem  kleinen  Werk  kichert  und  kost  der  Esprit, 
die  Grazie  Aubers,  blüht  und  schmachtet  die  süsse  Sinnigkeit  Schumanns.  Die  geist- 
volle Persiflage,  die  der  Komponist  überdies  in  seine  Partitur  schmuggelt,  bietet  für  den 
Kenner  eine  ergötzliche  Pikanterie  für  sich.  Leider  verbietet  uns  die  Enge  des  uns  zur  Ver- 
fügung stehenden  Raumes  ein  näheres  Eingehen  auf  die  einzelnen  Details  des  bewunderungs- 
würdigen Werkchens,  doch  glauben  wir  uns  der  Mühe  entheben  zu  dürfen,  da  das  Werk 
ja  zweifellos  sich  binnen  kurzem  alle  Bühnen  Mitteleuropas  erobern  dürfte.  Die  von  Kapell- 
meister Kemer  einstudierte  Oper  erzielte,  wie  erwähnt,  einen  stürmischen  Erfolg,  der  sich  in 
nicht  weniger  als  fünfzehn  Hervorrufen  der  Hauptdarsteller  —  des  FrL  Szoyer  und  des 
Herrn  Gabor  —  manifestierte.  —  An  demselben  Abend  gelangte  gleichfalls  als  Novität 
die  einaktige  dramatische  Oper  »Der  Nebelkönig«  von  dem  jungen  Komponisten  Emil 
Äbränyi  zur  Aufführung;  ein  Werk,  das  in  Stil  und  Technik  über  Wagner  hinaus  zu 
Richard  Strauss  hinüberstrebt,  aber  bei  aller  Massloaigkeit  des  WoUens  in  seinem  melo- 
4i8chen  wie  dramatiachen  Gehalt  von  einem  bedeutenden,  kraftvoll-eigenartigen  Talent 
Kunde  gibt  Der  Komponist,  der  sich  in  der  Leitung  des  Werkes  auch  als  hochbegabter 
Dirigent  erwies,  wurde  mit  den  Vertretern  der  Hauptpartieen  —  Frau  Vasquez  und  Herrn 
Bochniiek  —  gleichfalls  durch  vielfache  Hervorrufe  geehrt  Dr.  B61a  Diösy. 

BUENOS-AIRES:  Der  Erfolg  von  Berlioz'  »Pausts  Verdammung«  in  seiner  Fassung 
als  Bühnenwerk  ist  andauernd.  Es  wurde  ungefähr  acht  Mal  aufgeführt.  Die  Abon- 
nenten, die  im  allgemeinen  mehr  Geld  als  Verständnis  für  Kunst  ihr  eigen  nennen, 
sträuben  sich  gegen  Wiederholungen:  eine  für  den  Impresario  bedenkliche  Tendenz,  in- 
sofern —  bei  dem  System  der  alljährlich  frisch  importierten,  mit  verschiedenem  Re- 
pertorium  ausgestatteten  Sänger»  dem  ebenso  fremden  Chor  und  Orchester,  und  bei  der 
Verpflichtung,  während  der  nur  dreimonatlichen  Spielzeit  drei  oder  vier  völlig  neuen  Werke 
einzustudieren  —  eine  derartige  Abwechslung  zur  Unmöglichkeit  wird,  zumal,  wenn  der 
gleichfalla  importierte  Kapellmeister.eher  seinem  künstlerischen  Gewissen  ais  materiellen 
Interessen  zu  genügen  bestrebt  ist  In  der  Ausflndigmachung  einer  tüchtigen  Kraft,  die 
einigermassen   nach  jeder  Seite  hin  zu  befriedigen  imstande  ist,  liegt  denn  auch  der 


453 
KRITIK:  OPER 


Schwerpunkt  der  Weisheit  des  Unternehmers.  Man  hat  es  hier  verstanden,  in  einer 
Saison  sechs  völlig  neuen  und  drei  Reprisen  längst  vergessener,  nebst  zehn  allerseits  be- 
kannter Opern  auf  die  BQbne  zu  bringen.  Die  Abonnenten  waren  befriedigt  uhd  die 
Kunst  trauerte.  ~  Von  allen  in  den  letzten  Jahren  hier  engagierten  Dirigenten  hat 
Maestro  Toscanini,  vom  Mailänder  Scalatheater,  am  besten  das  schwierige  Amt  auszti- 
füllen  verstanden,  indem  er  für  die  aufzuführenden  Neuheiten  auf  Verpflichtung  der 
Hauptkunstler,  sowie  teilweise  des  Chors  und  Orchesters  bestand,  die  die  betreffenden 
Werke  in  Mailand  mit  aus  der  Taufe  gehoben  hatten.  Dadurch  war  viel  gewonnen  und 
wenn  nicht  im  Moment  der  Einschiffung  eine  Primadonna  untreu  geworden  wäre,  so 
hätte  man  fast  das  ganze  Repertoire  flx  und  fertig  gehabt.  —  Als  zweite  Neuheit  ging 
Humperdincks  »Hansel  und  Gretel"  in  Szene.  Es  war  ein  WagstOck,  vor  diesem 
nüchternen,  der  Poesie  unserer  gemutvollen  Märchen-  und  Sagenwelt  so  fem  stehenden 
Kreolen-Publikum,  ein  derartiges  urdeutsches  Werk  zur  Auffuhrung  zu  bringen.  Hatte 
doch  ein  vielgelesenes  Blatt  schon  vorher  von  »kindischer  Albernheit*  gesprochen,  was 
allerdings  kaum  zu  verwundern  ist  in  einem  Land,  wo  man  in  Mephisto  nur  die  Kari- 
katur und  in  Hans  Sachs  nur  den  Schuster  sieht!  Dank  der  durchaus  stilvollen  Dar- 
stellung und  wunderbaren  Musik  hat  denn  doch  der  intelligentere  Teil  des  Publikums 
begriffen,  dass  er  sich  vor  ein,  in  seiner  Eigenart  kostbares  Kleinod  gestellt  sieht,  wozu 
allerdings  das  Verhalten  unseres  europäischen  Publikums  viel  beigetragen  hat.  .Hansel 
und  Gretel",  von  ersten  Kräften  gegeben,  gelang  prächtig.  Frische,  gutgeschulte  Stimmen, 
natQrliches  Spiel,  passende  Gestalten  und  überzeugender  Vortrag  machen  aus  den  Damen 
Ferraris,  Farneti  und  Guerrini  Interpreten,  wie  man  sie  schwerlich  auf  italienischen 
Bfihnen  heute  zusammenfinden  durfte.  Die  ganze  Auffassung  und  szenische  Aus- 
stattung ist  eine  ideale,  erfüllt  uns  Deutschen  mit  Stolz  und  macht  uns  den  befremdenden 
Sprachwechsel  fast  vergessen.  Die  wärmste  Aufnahme  fand  das  wundervolle  Werk  begreif- 
licherweise in  einer  speziell  der  deutschen  Kolonie  gewidmeten  sogenannten  populären  Vor- 
stellung zu  erniedrigten  Preisen  (immerhin  14  Mark  für  den  Parkettsitz!),  wo  All-Deutsch- 
land in  Jugenderinnerungen  schwelgte.  Während  man  im  Abonnement  den  Abend  mit 
Wagners  Waldweben,  Vorspiel  und  Liebestod  Isoldens  ausfüllte,  die  befriedigend  ausgefl^hrt 
wurden,  zog  man  für  diese  Extravorstellung\die  beiden  ersten  Akte  von  Berlioz'  »Fausts 
Verdammung*  hinzu.  Man  kann  behaupten,  dass  seit  dem  Erscheinen  der  »Meistersinger* 
(1888)  und  des  »Tristan*  (1901)  kein  Buhnenwerk  die  kleine  Schar  von  Kunstverständigen 
so  hingerissen  hat,  wie  Humperdincks  »Hansel  und  Gretel*.         F.  G.  Hartmann. 

DARMSTADT:  Während  die  hiesige  Konzertsaison  in  den  Monaten  Oktober  und  No- 
vember eine  hier  noch  kaum  dagewesene  numerische  und  kfinstlerische  Höhe  er- 
reichte, ist  von  den  Vorstellungen  unseres  Hoftheaters  wenig  von  allgemeinem  Interesse 
zu  melden.  Eine  Reibe  von  Auffuhrungen  galten  Gastspielen  auf  Engagement,  die  zum 
Resultate  hatten,  dass  Fanny  Pracher  für  das  jugendlich-dramatische  Fach,  Alfred  Stephani 
als  seriöser  Bass  und  Joseph  Salcher  als  Tenorbuffö  von  der  nächsten  Saison  ab  fQr 
unsere  Hofoper  verpflichtet  wurden.  An  Premieren  gab  es  zwei:  Supp^'s  »Boccaccio*,  der 
in  lebensprühender  Inszenierung  und  glänzender  Ausstattung  fast  wie  eine  Novität  wirkte, 
und  Karl  von  Kaskels  Volksoper  »Der  Dusle  und  das  Babeli*,  der  auch  hier,'dank  der  präch- 
tigen Leistung  Klara  Roedigers  als  »Babeli*  und  der  historisch-treuen  Inszenesetzung,  der 
verdiente  Erfolg  treu  blieb.  Ende  November  begann  mit  »Rienzi*  ein  Richard  Wagner- 
Zyklus,  der  bei  aufgehobenem  Abonnement  und  zu  ermässigten  Preisen  in  den  Monaten 
Dezember  und  Januar  sämtliche  auffuhrbaren  Werke  des  Meisters  in  chronologischer 
Reihenfolge  und  strichlosen  Aufführungen  bringen  soll.  H.  Sonne. 

DRESDEN:  Massenet's  vieraktige  Oper  »Manon*   war,  obwohl   sie  schon  in  vielen 
deutschen  Städten  aufgeführt  worden  ist,  für  Dresden  noch  neu  und  wir  lernten  sie 


.' 


454 
DIE  MUSIK  111.  6. 


am  28.  November  kennen.  Der  Erfolg  war  freandlich,  ohne  durchschlagend  zu  sein. 
Dass  die  Hofoper  ihre  besten  Krifte  dafür  einsetzte,  war  selbstrerstindlich,  aber  Frau 
Vedeldnd  liess  in  der  Titelpartie  allzu  sehr  jene  Anmut  und  Schönheit  vermissen,  durch 
welche  die  ganze  Handlung  erst  wahrscheinlich  wird.  Die  Musik  selbst  geht  trotz  vieler 
Feinheiten,  die  sich  besonders  in  den  Tanzsfltzen  zeigen,  zu  wenig  in  die  Tiefe,  um  auf 
die  Dauer  fesseln  zu  können;  sie  ist  zu  sehr  dem  Kopfe,  zu  wenig  dem  Herzen  ent- 
sprungen. Ein  interessantes  Gastspiel  absolvierte  Frau  Aino  kkt€  von  der  Pariser  Oper 
als  Elsa  und  Margarete.  Die  in  Finnland  geborene  Künstlerin  sang  die  erste  Rolle 
deutsch,  die  zweite  französisch  und  erwies  sich  als  Sängerin  von  sehr  schöner  und  aus- 
gezeichnet geschulter  Stimme,  zu  der  eine  treffliche  Textaussprache  und  ein  ausdrucks- 
volles Antlitz  sich  gesellen.  Bei  aller  Vertschitzung  ihrer  Kunst  und  Kunstbegeisterung 
vermisste  man  aber  in  ihrem  Gesang  und  Spiel  die  innere  Vflrme,  den  Herzenston,  ohne 
die  wir  uns  gerade  'die  von  Frau  Akt6  gewählten  Rollen  nicht  vorstellen  können.  Das 
Haus  war  beidemal  trotz  wesentlich  erhöhter  Preise  ausverkauft  und  die  Gastin  hatte 
sich  Sber  mangelnden  Beiftill  sicher  nicht  zu  beklagen.  F.  A.  G ei  ssler. 

ELBERFELD:  Die  respektable  Höhe,  die  unsere  Oper  in  dieser  Saison  gegenüber  der 
letztverflossenen  bisher  erreichte,  wurde  auch  bei  den  November-AuffQhrungen  l>e- 
hauptet.  In  der  nach  jeder  Richtung  hin  gelungenen  Aufführung  der  »Meistersinger* 
unter  Baldreich  trat  neben  dem  herrlichen  Hans  Sachs  Whitehills  noch  der  Valter 
Stolzing  Menzinsky's,  der  David  Sorani's  und  das  Evchen  Alice  Kallina's  hervor.  Der 
Beckmesser  Haukes  war  gesanglich  noch  nicht  genug  auf  den  Beckmesserton  gestimmt. 
Die  Regie  Goldbergs  bot  in  den  Volksszenen  buntbewegte,  farbenbreiche  Bilder. 
Villi  Birrenkoven,  der  Hamburger  Heldentenor,  bot  als  »Tannhfluser*  eine  durch 
Manieriertheit  und  Outriertheit  minderwertige  Leistung.  Unter  Cassirers  Leitung  gab  es 
eine  würdige  Aufführung  der  «Zauberflöte*  in  prunkvoller  Ausstattung.  Zur  Abwechslung 
war  auch  die  französische  und  engliche  Operette  auf  dem  Spielplan  vertreten;  mit  Alice 
Nowa  als  reizender  Darstellerin  der  Titelrolle  erwarb  sich  Audran's  »Puppe*  und  in 
glinzender  Ausstattung Sullivan's  »Mikado*  viele  Freunde.     Ferdinand  Schemensky. 

FRANKFURT  a.  M.:  Vebers  »Oberen*  wurde  nach  jahrelanger  Ruhe  dem  Spielplane 
wieder  zugeführt,  diesmal  in  der  textlichen  Bearbeitung  von  Grandaur,  die  dem 
Verke  unbedingt  zu  gute  kommt,  und  mit  den  Rezitativen  von  Franz  Wüllner,  der  mit 
seinem  treuen  Bettreben,  das  Hinzugeschafliene  im  Geiste  Vebers  zu  halten  und  damit 
das  stilistische  Niveau  des  Ganzen  zu  heben,  gewiss  Anerkennung  verdient,  dabei  aber 
doch  auch  in  den  ohnehin  gemichlichen  musikalisch-dramatischen  Dahinfluss  der  Oper 
noch  einige  weitere  Breiten  hineingetragen  hat,  die  sich  namentlich  im  dritten  AufiEug 
fühlbar  machen.  Die  Neustudierung  geschah  mit  Liebe  und  Fleiss,  auch  mit  möglichstem 
Aufwand  von  Prospekten  und  Maschinen.  Herr  Borgmann  ist  ein  guter,  jugendlich- 
sympathischer Hüon;  aber  Frau  Greflf-Andriessen,  die  Rezia,  hfltte  wohl  mit  Frau  Hentel- 
Schweitzer,  welche  die  Roschana  gab,  die  Rollen  tauschen  sollen.  Dabei  bitte  die  Ozean- 
Arie  an  stimmlicher  Vucht  verloren,  im  übrigen  wflren  die  Krflfte  besser  balanziert  ge- 
wesen. Sehr  gut  macht  sich  Herr  Schramm  als  Scherasmin;  dessen  Partnerin  gab  ein 
Gast  aus  Braunschweig,  FrL  Alten,  schlicht  und  recht.  Hans  Pfeilschmidt 

FREIBURG  i.  B.:  Am  15.  September  eröffnete  unser  Stadttheater  seine  Pforten;  die 
Opemauffühningen  bewegten  sich  so  ziemlich  in  den  üblichen,  zum  Teil  recht  aus- 
getretenen Repertoiregeleisen;  neueinstudiert  erschienen  Cornelius'  feingearteter  »Barbier 
von  Bagdad*,  Auber's  »Stamme  von  Portid*  und  Verdi's  stets  gern  gehörter  »Falstaflf". 
Im  Lauf  der  Saison  seilen  noch  Massenet's  »Gaukler  unserer  lieben  Frau*,  Goldmarks»  Götz 
von  Berlichingen*  und  Donizetti's  »Don  Pasquale*  in  neuer  Bearbeitung  herauskommen. 
Der  Theatemeubau  schiebt  sich  aus  hier  nicht  zu  erörternden  Gründen  etwas  hinaus 
doch  hofft  man  im  kommenden  Frühjahr  damit  beginnen  zu  können.      V i c t.  Aug.  Loser. 


455 
KRITIK:  OPER 


GENF:  Der  Spielplan  unseres  stidtischen  Theaters  zeigt  ungefähr  dasselbe  Bild,  das 
wir  seit  langer  Zeit  zu  sehen  gewohnt  sind.  Von  Opern  Icamen  zur  AufPfihrung: 
.Margarethe*»  „Die  Hugenotten*,  «Afrikanerin*,  «Lakm6*,  «Teil*,  »Die  Favoritin*,  »La  vie 
de Bohtae*  (Puccini),  »Samson  und  Dalila*,  »Der  Herr  Kapellmeister*  (PaSr),  »DieJQdin*,  »Die 
Glocken  von  Corneville*,  »Miss  Helyett*,  »La  Poup6e*  usw.  Aus  dem  Bereich  des  Ballets 
ist»Coppelia*  von  D6Iibes,  sowie  »Le  Printemps*  von  Blanchereau,  zu  erwähnen.  Als  Novität 
gelangte  die  komische  Oper  »Muguette*  von  E.  Missa  zur  Auffuhrung,  deren  Ausstattung 
und  Vorführung  vortrefflich  war.  Der  Komponist  leitete  persönlich  die  Vorstellung  und 
wurde  lebhaft  gefeiert.  Sämtliche  Darsteller,  Chor,  sowie  Orchester  leisteten  durchweg 
Tfichtiges.  Was  die  Musik  anlangt,  so  bekundet  der  Komponist  in  der  Verwendung  der 
Orchestermittel  reiche  Erfahrung  und  grundliche  Einsicht.  Prof.  H.  Kling. 

HALLE  a.  S.:  Provinzbuhnen  und  Opern-Novitäten  stehen  meist  miteinander  nicht  auf 
gutem  Fusse.  Auch  f&r  Halle  trifft  dieser  Satz  zu.  Die  beiden  Opern  von  Leo 
Blech  und  d'Alberts  »Abreise*  werden  für  uns  wohl  noch  auf  längere  Zeit  »mehrere 
Unbekannte*  bleiben,  mit  denen  wir  gern  »rechnen*  möchten,  doch  unsere  ffirsorgliche 
Theaterdirektion  versagt  uns  bis  auf  weiteres  jede  Anstrengung  und  schwere  Kost. 
»Madame  Sherry*  allein  ward  bisher  für  geniessbar  befunden  und  erfreute  sich  einer 
freundlichen  Aufnahme.  Nur  Neueinstudierungen  beherrschen  das  Repertoire.  »Die  Stumme 
von  Portici*,  Verdi's  »Maskenball*  nötigen  Achtung  ab;  »Mignon*  und  »Carmen*  gaben 
Sigrid  Amoldson  Gelegenheit  zu  zeigen,  dass  mit  des  Geschickes  Mächten  kein  ewiger 
Bund  zu  flechten  ist.  Das  Unglück,  die  Abnahme  der  Stimmmittel,  schreitet  auch  in 
diesem  Falle  schnell.  Gesanglich  wie  darstellerisch  soll  dagegen  Fr.  d'Andrade  als  Don 
Juan  noch  ganz  auf  der  Höhe  seiner  Kunst  gestanden  haben.  Ein  bedeutsames  Ereignis 
bildete  die  Siegfried-Aufführung  mit  Dr.  Banasch  als  Gast  auf  Engagement  in  der  Titel- 
rolle. Da  sich  unser  neuer  Heldentenor  trotz  seiner  glänzenden  Höhe  als  nicht  be- 
sonders geeignet  erweist  für  Wagners  Tondramen,  so  erregte  das  Gastspiel  natürlich 
lebhaftes  Interesse.  Der  Gast  blieb  als  Sänger  uns  so  manche  Feinheit  in  den  lyrischen 
Episoden  des  zweiten  und  dritten  Aufzuges  schuldig,  traf  aber  sonst  so  vortrefflich  den 
rechten  Ton  und  wusste  durch  sein  wohldurchdachtes  Spiel  so  lebhaft  zu  interessieren» 
dass  sein  Engagement  schon  jetzt  so  gut  wie  sicher  sein  dürfte.  Die  Herren  Soomer 
(Wandrer),  Gruselli  (Mime)  und  Raven  (Alberich)  und  Lisbeth  Stell  (Brünnhilde)  entsprachen 
im  allgemeinen  höheren  Anforderungen,  und  vor  allem  trug  unser  ausgezeichneter  Kapell- 
meister Bernhard  Tittel  wesentlich  dazu  bei,  die  Aufführung  zu  einer  der  besten  zu 
machen,  die  Halle  je  gesehen  hat.  Martin  Frey. 

HAMBURG:  Eine  Menge  kostbarer  Zeit  und  sehr  schätzbaren  Talentes  wurde  an  die  Ein- 
studierung einer  neuen  Oper  »Adrienne  Lecouvreur*  vergeudet,  ohne  dass  auch 
nur  irgend  wer,  sei  es  das  Publikum,  oder  die  Sänger,  oder  die  geschäftlichen  Leiter  des 
Theaters,  oder  gar  die  Kunst,  von  diesen  Opfern  den  geringsten  Vorteil  gehabt  hätte. 
Mit  drei  Aufführungen  war  der  Fall  erledigt,  wie  so  viele  seiner  Vorgänger.  Und  es 
musste  so  kommen  —  das  sagte  dem  einigermassen  Kundigen  schon  ein  flüchtiger 
Blick  in  das  dramaturgisch  entsetzlich  ungeschickte  Textbuch,  in  den  kläglich  hohlen 
Klavierauszug  dieser  »Adrienne  Lecouvreur*.  Dass  dies  Werk,  in  dem  zwei  Männer,  die 
beide  vom  Wesen  der  Bühne  keine  Ahnung  haben:  Colautti,  der  Librettist,  und  Gilda, 
der  Komponist,  sich  die  Hand  reichen,  zur  Ehre  einer  deutschen  Uraufführung  in  Hamburg 
kam,  gehört  zu  den  Unbegreiflichkeiten.  Der  Textdichter  ist  von  den  beiden  der  Schlimmere. 
Denn  schon,  dass  er  auf  das  Rezitations-Drama  »Adrienne  Lecouvreur*,  ein  Drama,  das 
vom  Wesen  des  deklamierten  Wortes  existirt,  verflel,  war  ein  ästhetischer  Missgriflf. 
Fragen  über  pathetische  oder  realistische  Deklamation  lassen  sich  in  einer  Oper  nun 
einmal  nicht  anstragen.  Ausserdem  beging  er  den  Fehler,  den  Scribe  in  den  komplizierten 


456 
DIE  MUSIK  III.  6. 


Texten  glücklich  vermieden  hat:  Scribe,  der  Tbeaterkenner,  legt  die  Intriguen  in  sicher 
verständlichen  Dialogen  offen  hin;  Colautti  versteckt  sie  in  musikalische  Ensemblesfltze 
und  vernichtet  damit  eine  Grundbedingung  der  theatralischen  Wirkung:  die  Deutlichkeit 
Cilda's  Arbeit  vermehrt  die  grosse  Zahl  der  vollkommen  Qberflussigen  Partituren.  Seine 
Musik  ist  nicht  einmal  schlecht,  aber  erst  recht  nicht  gut.  Die  armseligen  Kinder  seiner 
Melodie y  die  im  Klavier- Auszug  so  pauvre  anlassen,  erscheinen  in  dem  orchestralen 
Gewände  ja  ganz  passabel,  denn  »Kleider  machen  ;Leute*  auch  in  der  Musik.  Scheinbar 
wenigstens.  Aber  diese  Musik  Cilda's,  die  so  absolut  unvertieft  neben  den  Worten  und 
den  Situationen  herrennt,  ohne  sichj  dem  Drama  zu  amalgamieren,  bringt  es  Qber  das 
fatale  „in  den  Ohren  krabbeln*  nirgends.  Sie  sagt  dem  Musikdramatiker  nichts  und 
dem  absoluten  Musiker  -—  der  Oberhaupt  besser  gar  nicht  ins  Opernhaus  gehen  sollte  — 
recht  wenig.  An  Cilda's  Kunst  ist  die  Zeit  vorübergegangen,  ohne  ihr  irgend  ein  Merkmal 
aufgedrückt  zu  haben.  Wo  Gilda  beute  steht,  stand  Meyerbeer  schon  vor  70  Jahren.  Und 
dann  machte  er  das  alles  viel  impulsiver  und  mit  einem  brutalen  Instinkt,  der  wenigstens 
ein  Ziel  erreichte.  So  kommt  es,  dass  Gilda  mit  einer  ganz  anständigen,  homophon-primi- 
tiven aber  gut  klingenden  Musik  uns  den  ganzen  Abend  stört,  indem  er  sich  zwischen  uns 
und  die  Klarheit  des  Dramas  stellt.  Der  echte  musikalische  Dramatiker,  der  Gharaktere 
vertiefr,  stellt  Brücken  zwischen  uns  und  dem  Innersten  des  Dramas  her  —  Gilda  be- 
müht sich,  mit  Ausdauer  und  Erfolg,  sie  abzubrechen.  Was  sollen  wir  mit  solchen  Werken, 
wenn  sie  auch  noch  so  gesinnungsbrav  sind!  Die  Aufführung,  von  Gille  einstudiert  und 
mit  Elan  geleitet,  stand  hoch  über  dem  Werke.  Frau  Frflnkel-Glaus  sang  die  Titel- 
rolle, Pennarini  den  Moritz  von  Sachsen.  —  Neueinstudiert  erschien  auf  dem  Spiel- 
plan OflPenbachs  phantastische  Oper  „HoflPmanns  Erzflhlungen^S  Mir  will  scheinen, 
dass  mancher  durch  eine  Dberschitzung  dieses  Werkes  gut  zu  machen  sich  bestrebt, 
was  er  vielleicht  durch  Unterschfltzung  des  Oprettenkomponisten  Offenbach  gesündigt 
hat.  Dass  der  „maltre  suprdme  du  genre  cochon^^  in  dieser  Oper  aus  seiner  Haut  gefahren 
sei  und  etwas  von  ihm  nicht  zu  Erwartendes  in  ihr  geleistet  habe,  kann  ich  nicht 
recht  einsehen.  Es  ist  guter,  zum  Teil  bester  Offenbach  in  diesen^ „HofTmanns  Erzählungen*^. 
Aber  die  „Helena*^  oder  die  „Gerolstein^  sind  mir  musikalisch  ebenso  lieb  und  textlich 
unendlich  lieber.  Gustav  Brecher  dirigierte  die  Oper  meisterhaft,  wie  alles,  was  er  anfasst. 
Als  Gast  machte  der  Tenorist  Theodor^Konrad  von  der  Breslauer  Oper  seine  Aufwartung 
und  dokumentierte,  bei  bescheidenen  stimmlichen  Mitteln,  als  „Tannhfluser^  und  „Samson** 
soviel  überzeugende  und  mitreissende  darstellerische  Schwungkraft,  dass  die  Direktion  sich 
zu  einem  Probe-Engagement  entschloss.  Konrad  tritt  1905  an  die  Stelle  des  von  Mahler 
nach  Wien  entführten  Willi  Birrenkoven.  Heinrich  Ghevalley. 

KASSEL:  Zu  einem  hocherfreulichen  Ereignis  gestaltete  sich  die  Uraufführung  der 
Märchenoper  «Dornröschen*  im  Königl.  Theater.  Hans  Eschelbach  hat  nach 
dem  allbekannten  Märchen,  unter  szenisch  sehr  wirksamer  Benutzung  von  dessen  Haupt- 
momenten, ein  prächtiges  Opernbuch  geschrieben,  das  ein  Vorspiel  und  drei  Akte  ent- 
hält und  sich  durch  poetisch  wertvollen  Gehalt  an  Gedanken  und  Sprache  auszeichnet 
Was  wusste  man  bisher  von  dem  Musiker  August  Weweler?  Mit  um  so  lebhafterem 
Interesse  wurden  in  den  letzten  Tagen  sein  Name  und  musikalisches  Gredo  in  den  Kreis 
der  Betrachtung  gezogen.  Ein  innigerer  Zusammenhang  von  Musik  und  Text  ist  kaum 
zu  denken,  als  Weweler  ihn  schuf,  so  ganz  und  überzeugend  bringt  er  die  Märchen- 
stimmung zum  Ausdrucke,  so  treffsicher  sehen  wir  die  zahlreichen  Personen  charak- 
terisiert Weitgehende  Satz-  und  Harmonisieningskunst  im  Sinne  unserer  Tage,  blühen- 
des Kolorit  der  Instrumentiening,  kurz,  eine  aus  dem  Vollen  schöpfende  Orchestertechnik, 
bildet  die  solide  Grundlage  seines  Schaffens.  Von  dieser  ans  schlug  er  mit  seltenem 
Geschick  zurück  ins  Märchenreich  die  Brücke;  deren  Pfeiler  aber  sind  Melodieen,  fast 


457 
KRITIK:  OPER 


unübersehbar  an  Zahl,  sehr  verschieden  in  Gestalt  und  AusschmQckung,  mit  einander 
verwandt  in  reizvoller  Originalität.  Die  wesentlichen  Figuren  Domröschens,  der  Liebe, 
der  Sorge  und  des  Prinzen  haben  sinnige  Motive  erhalten.  So  erscheint  das  Ganze  als 
eine  in  echte  Opemform  gebrachte  überaus  glückliche  Illustrierung  eines  urdeutschen 
Märchens.    Die  Aufführung  war  unter  Dr.  Beier  eine  recht  gute.  Paul  Hiller. 

KÖLN:  Das  neue  Stadttheater  brachte  als  Uraufführung  eine  der  Opern,  die  bei  der 
von  Kommerzienrat  Simon  in  Königsberg  vor  einiger  Zeit  ausgeschriebenen  Volks- 
oper-Konkurrenz das  negative  Resultat  der  Nichterteilung  des  ausgesetzten  Preises  ge- 
zeitigt haben:  »Heimkehr*,  Oper  in  zwei  Akten  von  Carl  Pottgiesser.  Der  Komponist 
hat  sich  selbst  nach  einer  alten  und  schon  in  allen  möglichen  Formen  variierten  Idee  das 
schwache  Textbuch  zurechtgemacht.  Es  handelt  von  einem  aus  der  Kriegsgefangenschaft 
heimkehrenden  und  zu  Hause  bereits  totgeglaubten  jungen  Bauer,  dessen  Braut  sich 
eben  mit  einem  andern  Manne  verheiratet  hat.  Resultat:  Drei  geknickte  Herzen  und 
zwei  Leichen.  Die  Musik  zeigt  Pottgiesser  als  gemässigten  Modernen.  Es  fehlt  nicht 
an  frischer  Erfindung,  solange  er  ganz  schlicht  bleibt  und  auch  Sinn  für  gute  Klang- 
wirkungen ist  zu  beobachten.  Wenn  auch  nicht  bedeutend,  so  doch  vielfach  ganz  inter- 
essant, ist  die  orchestrale  Arbelt;  die  Instrumentierung  verweist  durchweg  auf  den 
gediegenen  Techniker,  der  allerdings  zeitweilig  in  Widerspruch  mit  dem  Szenisch- 
Charakteristischen  gerät.  Bei  den  Sängern  findet,  abgesehen  von  einer  Anzahl  geschlossener 
Nummern,  die  dialogisierende  Form  reichliche  Anwendung,  während  das  Orchester  sich, 
zumeist  begleitend,  ergänzend  oder  reflektierend,  im  Abhängigkeitsverhältniss  zu  den 
Sängern  befindet.  Es  fehlt  Pottgiesser  nicht  an  melodischem  Flusse,  aber  dieser  führt 
keine  sonderlichen  Schönheiten  mit  sich,  die  man  festhalten  möchte.  Die  einzelnen 
Personen  reden  viel,  haben  uns  aber  herzlich  wenig  zu  sagen.  Das  Schlimmste  aber 
ist,  dass  des  Komponisten  Kraft  durchaus  nicht  zur  Wiedergabe  der  im  Textbuch  aufs 
Programm  erhobenen  Tragik  ausreicht.  Obgleich  von  selten  des  Dirigenten  Kleffel  und 
einer  Schar  leistungsfähiger  Solisten,  weiter  an  wirksamer  Ausstattung  das  immer  Mög- 
liche getan  worden  war,  kam  es  nur  zu  einer  sehr  kühlen  Aufnahme.  —  Wagners  „Tristan 
und  Isolde*  ging  nach  längerer  Pause  neu  einstudiert  in  Szene  und  zwar  zeigte  die  Bühne 
den  Schmuck  stilvoller  Dekorationen  allerjüngster  Beschaffung.  Für  den  indisponierten 
ersten  Tenoristen  Gröbke  trat  Herr  Birrenkoven  als  Tristan  ein,  stimmlich  nicht  mehr  auf 
der  Höhe,  sonst  aber  das  Rüstzeug  zu  wirksamer  Durchführung  der  Rolle  aufweisend. 
Frau  Pester- Prosky  war  eine  grosszügige  Isolde  von  edler  Plastik.     Paul  Hiller. 

KOPENHAGEN:  Die  Vorsaison  beherrschte  der  erste  Tenor  unserer  königL  Bühne 
Wilh.  Herold.  Er  Ist  nicht  fest  engagiert,  sondern  tritt  nur  ein  paar  Monate  als 
Gast  auf,  um  sich  nachher  anderswo  engagieren  zu  lassen  (für  diese  Saison  in  „Covent- 
garden*).  So  lange  Herold  und  seine  Bravourrollen  auf  dem  Theaterzettel  stehen,  macht 
das  Theater  gute  Geschäfte  —  während  es  um  die  Kunst  im  allgemeinen  ziemlich 
miserabel  aussieht.  Jetzt  nach  seinem  Fortgang  bringt  das  Repertoire  als  Neueinstudierung 
nur  —  die  alte  „Mignon*  sogar  in  nicht  ganz  gelungener  Aufführung.  Ohne  Herold  und 
mit  einem  recht  mageren  Repertoire  macht  unsere  Oper  augenblicklich  nicht  eben  einen 
aufmunternden  Eindruck  und  wird  vielleicht  auch  geschäftlich  schweren  Stand  haben  — 
bis  einmal  wieder  ein  glücklicher  Griff  gelingt.  William  Bohrend. 

LEIPZIG:  Donizetti's  „Don  Pasquale*  ist  in  der  die  Handlung  und  den  Text  wirksamer 
ausgestaltenden  Neubearbeitung  von  Dr.  Wilh.  Kleefeld  und  Otto  Julius  Bierbaum 
nun  auch  hier  aufgeführt  worden  und  hat  dem  Publikum  viel  Freude  t>ereitet  Kapell- 
meister Hagel  hatte  die  Oper  gründlich  einstudiert  und  die  wesentlicheren  Partieen  wurden 
durch  Frl.  Gardini  (Norina)  und  die  Herren  Urlus  (Emesto),  Kunze  (Don  Pasquale)  und 
Gross  (Doktor  Malatesta)  recht  ansprechend  wiedergegeben.         Arthur  Smolian. 


458 
DIE  MUSIK  III.  6. 


LEMBERG:  Die  Philharmonie  stnlc  nach  kurzem  Dasein  unter  dem  Druck  der  Schulden 
und  —  der  kurzsichtigen  Presse,  die,  statt  sich  mit  den  Leistungen  zu  beschiftigen, 
stets  die  hierorts  unbeliebte  Direktion  in  ihre  Kritik  hineinzog.  Aus  selbstverstindlichen 
Gründen  stieg  nun  das  Barometer  im  Stadttheater.  Die  Saison  wurde  mit  der  »Walküre* 
erölfhet.  Orchester  (Kapellmeister  Brünette),  Sänger:  Bandrowski  (Siegmund),  Zawitowski 
(Wotan),  Mosoczy  (Hunding),  Frau  Korolewicz  (Sieglinde),  Frau  Gembarzewska  (Brünnhilde), 
Frau  Kasjarowicz  (Fricka)  und  die  Direktion  boten  alles  auf,  um  die  Sachkundigen  zum 
Schweigen  zu  bringen;  dies  ist  ihnen  jedoch  nur  teilweise  gelungen.    Dr.  N.  Hermelin. 

MADRID:  Seitdem  im  vorigen  Jahr  der  bisherige  Unternehmer  von  Stiergefechten 
Urana  sich  als  Meistbietender  zum  Pächter  des  Teatro  Real  aufgeschwungen  hat, 
ist  es,  wie  es  nicht  anders  zu  erwarten  war,  mit  der  Oper  in  Madrid  rapid  bergab  ge- 
gangen. Während  einer  ganzen  Saison  Bellini  und  Donizetti  zu  hören,  das  hilt  heut- 
zutage selbst  der  eingefleischteste  Anhänger  des  sogenannten  Belcanto  nicht  mehr  aus, 
um  wieviel  weniger  musikalisch  Gebildete!  Letztere  haben  sich  denn  auch  rechtzeitig 
in  der  Presse  gegen  die  Wiederholung  eines  solchen  Unfiigs  gewehrt.  Nur  ein  gewisser 
Carmena,  angeblich  »künstlerischer*  Beirat  des  Impresario,  hatte  den  Mut  zu  erklären, 
dass  Bellini  doch  einige  Pesetas  mehr  als  Wagner  einbringe  und  dass  so  unendlich 
langweilige  Opern  wie  »Tristan  und  Isolde*,  die  »Meistersinger*,  »Siegfried*,  die 
»Walküre*  usw.  doch  noch  das  Rossinische  .Aschenbrödel,  dem  er  offenbar  die 
Rolle  des  Clous  der  Saison  zugedacht,  vorzuziehen  sei.  Von  „Fidelio**  behauptet  er 
nebenbei,  dass  er  nirgends  gefalle.  Diese  jeder  musikalischen  Intelligenz  Hohn 
sprechenden  Äusserungen  stiessen  dem  Fass  den  Boden  aus,  und  es  wurde  nicht  nur 
nachgewiesen,  dass  gerade  die  Wagnerschen  Opern  sich  für  einen  Impresario,  der  sein 
Handwerk  versteht,  am  besten  rentieren,  sondern  dass  auch  das  künstlerische  Leben 
einer  modernen  Opernbühne  ohne  sie  eigentlich  undenkbar  ist.  Die  Freunde  eines 
Fortschrittes  auch  in  der  Tonkunst  nahmen  sich  vor,  dem  neuen  Pächter  die  Hölle  heiss 
zu  machen,  wenn  er  seine  Drohung  ausführen  und  dem  Publikum  wiederum  ausschliess- 
lich Opern  vorsetzen  sollte,  die  vielleicht  ein  gewisses  historisches  Interesse  haben,  die 
aber  weder  dem  modernen  Geschmack  mehr  zusagen  noch  den  heutigen  Ansprüchen 
genügen  können.  Herr  Urana  macht  indes  seine  Drohung  wahr,  wie  aus  seiner 
Abonnementsankündigung  hervorgeht.  Das  Programm  enthält  in  erster  Linie:  „Norma", 
„Die  Puritaner'S  „Die  Favoritin^,  „Der  Liebestrank",  „Lucia",  »Lucrezia  Borgia*, 
»Emani*,  »Rigoletto*,  »Troubadour*,  »Maskenball*,  »Force  del  Destino*,  »Barbier  von 
Sevilla*,  »Afrikanerin*,  »Prophet*,  »Hugenotten*  und  dann  »Toska*,  »Bohdme*,  »Aida*, 
»Mephistofeles*  und  „Samson  und  Dalila".  Nicht  eine  neue,  hier  noch  nicht  gehörte 
Oper!  Da  die  Mehrzahl  dieser  Werke  die  Mitwirkung  sogenannter  stars  erfordert,  be- 
hauptet der  Impresario  zu  dem  Zweck  u.  a.  folgende  „erstklassigen*  Künstler  auf  längere 
oder  kürzere  Zeit  engagiert  zu  haben:  Als  Sopranistinnen:  Maria  Barrientos,  die 
Bianchini-Cappelli,  Carelli,  de  Lorma  und  Micucci.  Als  Altistinnen:  Anna  Giacomini 
und  die  Parsi.  Als  Tenöre:  Biel,  Boncl,  Bassi  und  Franceschini.  Als  Baritons:  Ancona, 
Ardito  und  Rabonato.  Als  Bassisten :  Ercolani,  Parello  und  Verdaguer.  Dazu  als  Orchester- 
leiter Ferrari.  —  Es  ist  danach  zu  erwarten,  dass  es  diesmal  zu  einem  Zusammenstoss 
zwischen  den  Anhängern  der  alten  und  neuen  Richtung  kommen  wird,  die  sich  von  dem 
in  Kunstsachen  völlig  laienhaften  Impresario  nicht  gänzlich  kalt  stellen  lassen  will,  die 
vielmehr  entschieden  verlangt,  dass  man  dem  Musikdrama  und  der  modernen  Oper  die 
ihnen  gebührende  Stellung  einräumt.  Allerdings  fordert  man  auch,  dass  die  Intentionen 
der  Komponisten  dabei  auch  wirklich  zur  Geltung  kommen  und  die  Werke  nicht  auf  der 
Bühne  und  im  Orchester  verballhornt  werden.  »Lieber  gar  nichts  als  eine  Profanierung,* 
denken  viele.    Seitdem  die  Berliner  Philharmoniker  mit  Nikisch  hier  gewesen  sind  und 


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KRITIK:  OPER 


gezeigt  haben,  wie  Künstler  spielen,  ist  man  aucli  hier  in  musilcalischen  Kreisen  sehr 
anspruchsvoll  geworden.  Der  Impresario  stützt  sich  bei  seinem  Vorgehen  auf  die 
anderen  Kreise,  namentlich  auf  die  leider  einen  so  grossen  Teil  des  Publikums  aus- 
machenden reichen  Modedamen,  die  nur  in  die  Oper  gehen,  um  ihre  Kleider  und 
Diamanten  auszustellen  und  sich  während  der  Vorstellung  Neuigkeiten  zu  erzählen, 
während  die  Gatten  nach  dem  üppigen  Diner  sich  nach  einem  Schläfchen  im  Hinter- 
grund der  Loge  sehnen.  Dazu  eignet  sich  allerdings  die  Bellinische  und  Donizettische 
Musik  besser!  Diese  Leute  huldigen  noch  der  Ansicht,  dass  sie  dadurch,  dass  sie  über 
eine  Sache  nachdenken  und  sie  mitzuempfinden  suchen,  ein  Opfer  bringen.  Und  in  der 
Alternative:  Neues  in  sich  aufzunehmen,  es  geistig  zu  verarbeiten  und  sich  wo  möglich 
darüber  zu  äussern  oder  in  bequemer  Gleichgültigkeit  das  tausendmal  Gehörte  noch 
einmal  an  sich  vorbeiziehen  zu  lassen,  optieren  sie  für  das  letztere.  Dem  Obelstand 
kann  nur  dadurch  abgeholfen  werden,  dass  das  Teatro  Real  nicht  mehr  wie  der  erste 
beste  Kartoffelacker  an  den  Meistbietenden  verpachtet,  sondern  wie  eine  Kulturstätte 
behandelt  wird,  zu  deren  Unterhalt  umgekehrt  der  Staat  selbst  beiträgt  (anstatt  Nutzen 
daraus  zu  ziehen),  um  dann  natürlich  auch  ein  gewichtiges  Wort  bei  der  Zusammen- 
stellung des  Repertoires  mitzusprechen.  F.  Matthes. 

MAGDEBURG:  Unser  Stadttheater  brachte  jüngst  des  alten  Pagrs  längst  vergessenes 
Opernwerk:  »Der  Herr  Kapellmeister**  in  modernisierter  Fassung  heraus,  die  ihm 
die  Herren  Kleefeld  und  Brennert  gegeben  haben.  «Le  maitre  de  chapelle*  ist  für  die 
damalige  Zeit  ganz  gewiss  ein  liebenswürdiger  Einfall  und  ich  stelle  mir  vor,  wie  die 
Zuhörer  in  der  grossen  Soloscene  des  Kapellmeisters  gelacht  haben,  als  er  seine  grosse 
Parodie  auf  die  damaligen  Opernkomponisten  losliess.  Aber  gerade  in  dieser  Szene 
stiess  das  Werk  auf  wenig  Verständnis.  Was  sind  dem  heutigen  Theaterpublikum  Sarti, 
Rameau,  Piccini,  was  ist  ihm  vielfach  selbst  Gluck?  Wo  damalige  Kenner  hell  auf- 
gelacht haben  mögen,  weil  sie  den  musikalischen  Witz  verstanden,  herrscht  heut  zu  Tage 
berechtigtes  Schweigen.  In  der  Uminstrumentierung  haben  die  Bearbeiter  des  Guten  fast 
zu  viel  getan.  —  Eine  andere  Aufführung  eines  altern  Opern werkes  zog  viel  mehr  an. 
Die  Einrichtung  der  taurischen  »Iphigenie*  von  Gluck  durch  Richard  S trau ss.  Sie  ver- 
stösst  nicht  gegen  den  Geist  dieses  Dramas  und  erfolgte  in  Bewunderung  für  den 
monumentalen  Stil  des  Werkes  und  mit  der  klugen  und  sicheren  Hand  eines  Meisters 
der  Instrumentationskunst,  die  hier  eine  Linie  deutlicher  macht,  dort  eine  Farbe  auf- 
frischt, hier  kürzt  und  unnötiges,  die  Handlung  hemmendes  weglässt,  dort  schneller  und 
entsprechender  verbindet.  Ein  besonderer  Vorzug  der  Partitur  sind  ihre  Vortrags- 
zeichen. Wie  ergreifend  kam,  um  nur  eins  zu  erwähnen,  das  berühmte  Bratschen-a  des 
Andante  in  der  Orestszene  des  zweiten  Aufzuges  heraus.  Das  Orchester  unter  Josef 
Göllrichs  Leitung  leistete  Ausgezeichnetes.  Ein  Schmuck  der  Aufführung  war  die 
Iphigenie  des  Frl.  Re]]6e,  einer  Altistin  mit  umfangreichen  und  bedeutenden  Mitteln  und 
von  bester  Schulung.  Max  Hasse. 

NÜRNBERG:  Man  kann  nicht  sagen,  dass  unsere  Oper  in  diesem  Winter  besser  ge- 
worden ist.  An  musikalischer  Intelligenz  und  an  gesanglichem  Können  ragt  unser 
Heldentenor  Wallnöfer  um  mehrere  Haupteslängen  über  seine  Kollegen  und  Kolleginnen. 
Das  Repertoire  bewegt  sich  in  ausgefahrenen  Geleisen ;  neu  einstudiert  wurden  „Die  beiden 
Schützen"  und  Gounods  „Romeo  und  Julie".  Eine  wirkliche  Neuheit  brachte  der  ehr- 
geizige Kapellmeister  Weigmann  in  Saint  SaSns'  „Samson  und  Dalila".  Chor  und  Orchester 
stehen  noch  immer  unter  dem  Durchschnitt  der  Mittelmässigkeit.  Dr.  Flatau. 

PARIS:  Die  wichtigste  Novität  auf  theatralischem  Gebiet  ist  eine  dritte  Opernbühne, 
die  eine  neue  Direktion  in  der  „Gait6"  errichtete  und  welche  bezweckt,  nebst  Novitäten 
vernachlässigte  Werke  zur  Aufführung  zu  bringen.    So  haben  wir  eine  seit  20  Jahren 


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DIE  MUSIK  III.  6. 


nicht  gegebene  Oper  von  Massenet  »Herodiade*  und  eine  Novität  von  Lambert  .Flamenea* 
zu  hören  bekommen.  Ist*  dem  Massenetscben  Jugendwerke,  in  dem  sich  bereits  die  Vor- 
zuge und  Mängel  seiner  Manier  kundgeben,  ein  warmer  Empfang  zuteil  geworden,  so 
kann  man  der  Novität  kaum  ein  langes  Leben  prophezeien.  Dem  Komponisten  sind  Be- 
gabung und  Geschick  nicht  abzusprechen,  doch  ist  die  Musik  recht  bunt  und  der  an 
Carmen  sich  anlehnende  Text  ungQnstig.  Unterdessen  huldigen  die  ständigen  Buhnen 
den  Italienern.  Während  in  der  grossen  Oper  der  Verdische  .Othello*  erfolgreich  wieder 
aufgenommen  wurde,  verlieh  Puccini's  Anwesenheit  der  ErstaufPQhrung  seiner  »Tosca*  in 
der  Op6ra-Comique  besonderen  Glanz.  Kommt  in  der  Zunft  der  Kritiker  manchem  das  Werk 
zu  äusserlich  vor,  so  scheint  die  Teilnahme  des  Publikums  desto  lebhafter  zu  sein.  Nennens- 
wert ist  noch  die  Reprise  des  Massenetschen  »Werther*.     Sigismund  StojowskL 

PRAG:  Das  Ereignis  des  November  war  im  neuen  deutschen  Theater  die  UrauffQhrung 
von  Eugen  d'Alberts  „Tiefland*  am  15.  November,  worin  der  Komponist  zur  all- 
gemeinen Überraschung  auf  den  Wegen  des  italienischen  Verismo  wandelt,  die  Orchester- 
polypbonie,  die  thematische  Arbeit  preisgibt  und  nach  welschem  Muster  den  Text  gern 
auf  einem  Tone  abrezitiert.  Was  konnte  d'Albert  in  diese  nun  schon  innerlich  über- 
wundene Richtung  treiben,  ihn,  dessen  polyphones  Können  und  sprachgemässe  deutsche 
Deklamation  durch  frühere  Werke  über  jeden  Zweifel  erhaben  ist?  Offenbar  die  Be- 
schaflPenheit  des  Lotharschen  Libretto's,  das  wie  die  meisten  modernen  Bücher  Italiens 
mehr  literarisch  als  musikalisch  konzipiert  eigentlich  auch  ohne  Musik  als  wirksames 
Theaterstück  gespielt  werden  könnte  und  oft  nicht  mehr  vertrug  als  musikalische  Unter- 
malungen. Das  hat  d'Albert  mit  feinem,  künstlerischen  Instinkt  herausgefühlt  und  daraus 
erklärt  sich  das  «neue  Gesicht*,  das  der  Schöpfer  von  «Gemot*,  »Kain*  und  «Abreise* 
hier  darbietet.  Den  StoflT  holte  Rudolf  Lothar  von  dem  Dramatiker  Guimera  aus  dem 
Sumpfe  hispanischen  Volkslebens:  man  lockt  den  braven  Hirten  Pedro  von  den  Pyrenäen 
herab  und  verehelicht  den  Ahnungslosen  mit  der  Müllerin  Martha,  der  Maitresse  des 
Gutsherrn  Sebastiano,  den  missliche  Umstände  zu  einer  reichen  Heirat  drängen.  Die 
neuen  Gatten  entbrennen  in  echter  Liebe  zu  einander  und  entfliehen,  nachdem  Pedro 
den  Herrn,  der  das  Verhältnis  zu  dem  früheren  Liebchen  fortsetzen  wollte,  mit  eigener 
Faust  erwürgt  hat,  aus  der  Stickluft  des  Tieflandes  in  ,'die  reine  Atmosphäre  der  freien 
Berge.  Der  Aufbau  der  Handlung  ist  nicht  sehr  glücklich.  Es  ermüdet  etwas,  dass  ein 
szenisches  Vorspiel  in  den  Bergen  durch  ein  symphonisches  Tonstück  unmittelbar  (wie 
in  der  «Götterdämmerung*)  an  einen  langen  ereten  Akt  gekoppelt  eracheint  und  dass  der 
letzte  Akt  nur  eine  Verzögerung  der  unvermeidlichen,  schon  am  Schlüsse  des  zweiten 
erwarteten  Katastrophe  bringt.  Dagegen  muss  die  geschickte  Führung  der  einzelnen 
Szenen  anerkannt  werden.  d'Alberts  Musik  kristallisiert  sich  in  einigen  schönen,  teils 
schwungvollen,  teils  zarten  Melodieen,  rührt  zuweilen  an  Mascagni,  selten  an  Wagner  und 
bannt  den  Hörer  vorzugsweise  durch  die  zwingende  Kraft  der  Stimmung.  Wundervoll 
ist  gleich  der  Beginn,  die  von  einer  einsamen  Klarinette  durchklagte  Mondnacht  auf  der 
Hochalp,  und  der  Ausklang  des  ersten  Aktes.  In  den  leidenschaftlichen  Szenen  der  Neu- 
vermählten trifft  d'Albert  als  geborener  Dramatiker  stets  den  Rhythmus  der  seelischen 
Bewegung;  zuletzt  in  dem  Duo  «Wir  wollen  hinaus,  hinaus  in  die  Berge*  gestattet  er 
sich  sogar  einen  veritablen  «Reisser*,  wogegen  die  wenigen  liedartigen  Stellen  recht 
flüchtig  behandelt  sind.  Mit  Unrecht.  Die  «geschlossene  Form*  ist  die  Blüte  der  Musik, 
die  wir  nicht  missen  mögen,  wenn  wir  auch  durch  Wagner  gelernt  haben,  Blatt,  Stengel 
und  Wurael  als  notwendige  Bestandteile  eines  rechtschaflTenen  Opern-Gewächses  zu 
schätzen.  Die  skizzenhafte  Technik  des  Verismo  schliesst  liebevolle  Durcharbeitung  des 
Details  aus.  d'Albert  wollte  einfach  sein  und  wurde  zuweilen  primitiv.  Ich  möchte 
wirklich  nicht,  dass  seine  Methode,  die  als  eine,  durch  die  Art  des  Textes  bedingte  Aus- 


461 
KRITIK:  OPER 


nähme  gelten  mag,  viele  Nachahmer  finde  und^ei  ihm,  dem  Proteus  des  Musikdramts, 
der  in  jedem  Werk  dank  einer  ungewöhnlichen  Anptssungtflihigkeit  als  ein  anderer  er- 
scheint, ist  ein  Festrennen  in  der  hier  eingeschlagenen  Richtung  ohnehin  ausgeschlossen. 
Die  von  Leo  Blech  dirigierte  Oper  hatte  dank  der  vortrefflichen  Aufführung  (AlfSldy  «= 
Martha,  Hunold  «=  Sebastiane  und  Aranyi  =' Pedro)  einen  starken,  bei  den  Wiederholungen 
bestätigten  Erfolg  und  trug  Meister  d'Albert  und  Lothar  zahlreiche  Hervorrufe  ein.  — 
Im  tschechischen  Nationaltheater  brachte  man  als  erste  Neuheit  Puccini's  „Tosca*.  Der 
StoflP  stiess  ab,  die  Musik  interessierte,  die  sehr  gute  Auffuhrung  (Matura  =  Tosca, 
Benoni  ^  Scarpia)  unter  Kovrovic  gefiel.  Dr.  R.  Batka. 

RIGA:  Als  erste  Novität  ging  jungst  Charpentier's  vielbesprochener  Musikroman  »Louise* 
in  Szene.  Das  in  vielen  Teilen  interessante,  aber  dennoch  abseits  vom  Wege  einer 
hohen  Kunst  liegende  Werk  hat  dank  einer  vortrefflichen  Einstudierung  von  selten  unseres 
Kapellmeisters  Ohnesorg  und  Direktors  Balder  eine  bemerkenswerte  Zugkraft  ausgeübt. 
In  den  Hauptrollen  waren  die  Damen  Goetzl  (Louise),  Mosel-Tomschick  (Mutter)  und  die 
Herren  Jadlowker  (Julien)  und  Jessen  (Vater)  erfolgreich  beschäftigt.     Carl  Waack. 

SCHWERIN:  Unsere  Hofbühne  brachte  zur  Auffübruog:  «Oberon*  in  der  Wiesbadener 
Bearbeitung  und  früheren  Besetzung,  »Barbier  von  Sevilla"  (Irene  Abendroth), 
»Cavalleria  rusticana*  (die  Damen  Abendroth  und  Höfer,  Herr  Seim),  »Undine*  (Frau 
Ries),  »Freischütz"  (Herr  Lang)  in  trefflichen  Vorstellungen.  Die  Novität  bildete 
Planquette's  amüsante  Operette  »Die  Glocken  von  Corneville",  die  unter  Meissners 
Leitung  und  mit  den  Damen  Siegmann-Wolff,  Ries  und  den  Herren  Gura,  Sattler,  Holy 
grossen  Erfolg  hatte.  Es  sind  noch  zu  erwähnen  die  Neueinstudierung  von  »Hans  Helling* 
(die  Damen  Friede,  Höfer,  Liebeskind,  die  Herren  Seim,  Liebeskiod,  Drewes  und  Sattler) 
und  Aufführungen  von  »Tannhäuser*'  und  „Zauberflöte".  Carl  Bur meisten 

WIEN:  Als  erste  Opemnovität  brachte  die  Hofoper  Puccini's  »Bohdme*  zur  Auf- 
führung. Das  Werk  ist  allbekannt,  auch  in  Wien  schon  gegeben  und  im  künst- 
lerischen Sinne  schon  halb  veraltet.  Durch  ein  Aufgebot  fast  aller  ersten  Kräfte,  durch 
doppelte  Besetzung  auch  der  Nebenrollen  wurde  dem  Ereignis  dieser  Spätgeburt  der 
jetzt  übliche  Aplomb  verliehen.  Wenn  die  Wiener  Hofoper  acht  Wochen  konzentrierter 
Arbeit  daran  wendet,  Puccini's  »Bohdme*  herauszubringen,  so  muss  die  Aufführung 
selbstverständlich  gut  werden.  Die  Herren  Schrödter  und  Slezak  waren  vorzügliche 
Rudolfe.  Frl.  Kurz  entzückte  stimmlich  |und  durch  Gesangskunst  als  Mimi.  Frau  Gutheil- 
Schoder  setzte  ihre  Genialität  an  zwei  Abenden  für  die  beiden  weiblichen  Hauptrollen 
ein.  In  der  eraten  Vorstellung  eine  durch  dramatisches  Temperament  fast  versengende 
Musette,  erschien  sie  bei  der  zweiten  als  rührend  innige,  von  poetischem  Reiz  umfiossene, 
ergreifend  sterbende  MimL  Gustav  Schoenaich. 

WORZBURG:  Ein  neuer  Herr  ist  in  das  alte  Würzburger  Theater,  das  heuer  übrigens 
das  100.  Jahr  seines  Bestehens  vollendet,  eingezogen,  nachdem  der  frühere  Direktor 
Adolphi  im  vorigen  Frühjahr  plötzlich  die  Flinte  ins  Korn  geworfen  —  wegen  »Unrenta- 
bilität  des  Unternehmens"  und  »Gleichgültigkeit  des  Publikums*.  Der  neue  Direktor  Hagin 
scheint  rechnerisch  bessere  Erfolge  zu  erzielen,  teils  durch  Eröffnung  einer  »Filiale*  in 
Schweinftirt,  teils  wohl  auch  durch  billigeren  Gagen-Etat.  Beides  geht  ft-eilich  teilweise  auf 
Kosten  der  Qualität,  was  sich  namentlich  in  der  Oper  zeigte.  Weit  besser  ist  die  Operette 
besetzt,  die  fiott  und  zügig  geht,  auch  treflPliches  Personal  aufweist  Prächtige  Vorstellungen 
waren  z.  B.  »Boccaccio*,  »Fledermaus*,  »Schöne  Helena*,  in  der  Spieloper  »Lustige  Weiber*. 
In  Vorbereitung  sind  die  Opern  »Der  Haubenkrieg  von  Würzburg*  von  Meyer-Olbersleben 
und  »Röslein  im  Hag*  von  Cyrill  Kistler.  Dr.  Kittel. 

ZORICH;  Das  epochemachende  Ereignis  war  Frau  Schumann-Heinks  Gastspiel  mit  dep 
bekannten  drei  Schlagern,  die  leider  nicht  den  der  Behandlung  würdigen  Stoff  bieten. 


462 
DIE  MUSIK  III.  6. 


Die  srandiose  Fides  der  Künstleriii  ist  Iflngst  gewertet,  ihre  Grifln  im  .Vildschfitz«  im- 
poDierte  selbstverständlich,  tber  chtrakteristisch  für  Publilcaai  wie  Presse  bei  uns  wmr 
dts  geringe  Verständnis  rQr  ihre  vornehme  Auffsssung  der  Amneris.  Man  wagte  sogar, 
die  allerdings  mit  vorzuglichen  Mitteln  ausgestatteten  Vertreter  des  Radames  und  der 
Aida,  Frau  Burk-Berger  und  Pierre  de  Meyer,  neben,  wo  nicht  Ober  Jene  zu  stellen,  weil 
sie  dem  Temperament  die  Zügel  schiessen  Hessen.  Im  allgemeinen  hebt  sich  das  Per- 
sonal der  Oper  über  das  des  Schauspiels,  nur  dass  der  lyrische  Tenor  ohne  dramatische 
Begabung  und  die  Koloratursängerin  ohne  Charakterisierungsgabe  sind,  was  sie  einiger- 
massen  durch  musikalische  Tüchtigkeit  ausgleichen.  Infolge  guter  Regie  sind  die  Gebrechen 
weniger  spürbar,  so  dass  das  Ensemble  Vorstellungen  ersten  Ranges  erzeugt  Hierzu  dürfte 
neben  der  „Aida*  namenlich  Lortzings  „Wildschüu*  zu  rechnen  sein.  Oberhaupt  wirkt 
die  Vielseitigkeit  des  Repertoires  günstig  und  es  ist  erstaunlich,  wie  mit  teilweiser  AnfiUiger- 
schaft  dieser  Reichtum  geschaffen  werden  kann.  Schon  steht  «Tristan  und  Isolde"  vor 
der  Tür,  längst  begehrt  und  seit  etwa  5  Jahren  nicht  gegeben.        W.  Niedermann. 

KONZERT 

AMSTERDAM:  In  der  letzten  Kammermusik-Soiree  von  „Tonkunst*  stellte  sich  der  an 
Bram  Eiderings  Stelle  an  das  hiesige  Konservatorium  berufene  Geiger  Carl  Flesch 
dem  Publikum  als  Solist  in  C6sar  Francks  Sonate  und  als  Kammermusikspieler  In 
Röntgens  neuem  interessanten  Klavierquartett  vor.  Er  erwies  sich  als  bedeutender 
Techniker  mit  edlem,  warmem  Ton.  Pablo  Casals  erzielte  mit  Haydns  Cellokonzert  einen 
grossen  Erfolg  im  Abonnements-Konzert  des  .Konzertgebouw*.  —  Jan  Kubelik  erregte 
auch  hier  grosses  Aufsehen  durch  seinen  schwindelerregenden  Vortrag  von  Paganlnl- 
Verken.  Miss  Goodson,  die  als  Pianistin  Im  Kubelik-Konzert  mitwirkte,  erspielte  sich 
mit  Schumanns  Faschingsschwank  und  erster  Liszt-Polonaise  grossen  Belfkll.  —  Der 
Oratorienverein  führte  unter  A.  Tierie's  Leitung  zweimal  „Die  Jahreszeiten"  auf.  Beide 
Volks- Konzerte  waren  ausverkauft  Hans  Augustin. 

BARMEN:  Der  allgemeine  Konzertverein  „Volkschor"  eröffhete  unter  Hopfes  temperament- 
voller Leitung  die  dieswinterliche  Konzeruaison  dadurch  in  glänzender  Welse,  dass 
er  in  seinem  71./72.  Stadthallen  -  Abonnementskonzert  Haydns  ewig  jugendfrlsche 
„Schöpfung"  mit  dem  gutgeschulten  Volkschor,  einem  auserlesenen  Orchester  und  den 
erstklassigen  Solisten:  Rose  Ettinger,  Jungblut  und  Dr.  Kraus  zu  tadelloser  Wiedergabe 
brachte.  Die  Barmer  Konzertgesellschaft  bescherte  in  ihrem  ersten  Konkordiakonzert 
Beethovens  „Fidelio",  der  unter  Stroncks  feinfühliger  Direktion  durch  den  städtischen 
Singverein,  das  verstärkte  städtische  Orchester  und  die  Solisten:  Ida  Doxat-KrzyzanowskI 
(Titelrolle),  Kaiisch  (Florestan),  Martha  Beines  (Marzelline),  Gausche  (Pizarro),  Day 
Oacquino)  und  Haase  (Rocco)  in  vollendeter  Form  zur  Aufführung  gelangte.  Im 
Mittelpunkt  des  73./74.  Stadthallenkonzerts  standen  die  Darbietungen  Joachims,  der  mit 
bekannter  Meisterschaft  Konzert  und  Romanzen  von  Beethoven  zur  Wiedergabe  brachte. 
Das  aus  65  Künstlern  gebildete  Orchester  interpretierte  In  einwandfreier  Welse  die  tragische 
Ouvertüre  von  Brahms,  die  symphonische  Tondichtung  „Moldau"  von  Smetana,  sowie  als 
Uraufführung  eine  Suite  für  grosses  Orchester  von  Bruch,  die  thematisch  treflPlich  durch- 
geführt und  originell  instrumentiert  ist»  in  den  beiden  letzten  Sätzen  aber  verflacht  Der 
Barmer  Quartettverein  brachte  unter  Wickes  Leitung  „Die  Legende  von  der  helligen  Elisa- 
beth" von  Liszt  unter  Mitwirkung  der  Solisten  Emma  und  Klara  Bellwidt,  Otto  Süsse  und 
Walter  Scheffels  als  dieswinterliche  Erstlingsgabe.  Heinrich  Hanselmann. 

BAYREUTH:  Am  Sonntag,  den  22.  November,  ftmd  im  hiesigen  alten  markgräflichen 
Opemhause,  diesem  Musterban  des   feinsten   Barockstils,    wo  vor  31  Jahren  die 
IX.  Symphonie  unter  Rlchanl  Wagner  erklungen  war,  das  als  Jubiläumsfeier  besonder« 


463 
KRITIK:  KONZERT 


festlich  gestaltete  200.  Konzert  des  Bayreuther  Musikvereins  sutt,  den  in  früheren 
Jahren  Junge  musikalische  Helfer  des  Meisters  Torübergehend  geleitet  hatten,  die  später 
als  reife  Künstler  zu  Namen  und  Ehren  kamen,  wie  Anton  Seid],  Franz  Fischer,  Benhold 
Kellermann,  Engelbert  Humperdinck,  und  der  sich  zu  seiner  jetzigen  sehr  achtungs- 
werten künstlerischen  Höhe  aufgeschwungen  hat  unter  der  Leitung  des  ausserordent- 
lichen Chordirektors  der  Festspiele  Professor  Julius  Kniese.  An  dem  festliche  Tage 
Hess  dieser  in  seinem  Verein  die  grossen  grundlegenden  und  zielweisenden  Meister 
Beethoven,  Liszt  und  Wagner  zu  Worte  kommen,  den  ersteren  durch  das  schon 
öfter  mit  ihm  verbundene,  hier  verstärkte  philharmonische  Orchester  von  Nürnberg  (A-dur- 
Symphonie),  den  zweiten  durch  die  ausgezeichneten  Solisten  und  echten  Künstler  Conrad 
Ansorge  (A*dur-Konzert)  und  Ludwig  Hess  (Lieder:  »Ich  möchte  hingehn%  .Ah,  quand 
Je  dors*,  »Kling  leise,  mein  Lied"),  Kunstdarbietungen  der  besten,  vornehmsten  Art,  und  den 
letzten,  den  Bayreuther  Meister,  durch  die  Tannhäuser-Ouvertüre  und  den  ganzen 
Schluss  der  »Meistersinger**  vom  Auftritt  der  Meister  an.  Ohne  den  »Beckmesser*, 
versteht  sich,  der  hier  mit  vollem  Recht  zu  schweigen  hatte!  Die  Ouvertüre,  ein  herr- 
licher Vorklang  zu  nächstem  Sommer,  dirigierte  Siegfried  Wagner  sieghaft  im  Geiste 
seines  Vaters.  Er,  der  Erbe  von  Bayreuth,  und  —  da  es  sich  hier  doch  um  ein  Lokal- 
ereignis handelte  —  mit  gutem  Fug  als  »Komponist  vom  Ort**  dazu  eingeladen, 
brachte  auch  den  stimmungsvoll  innigen  Gesang  des  Reinhart  aus  »Herzog  Wildfang* 
zu  Gehör,  in  zarter,  sympathischer  Weise  vorgetragen  von  Herrn  Lejdström  aus  der 
Bayreuther  Schule,  der  auch  neben  dem  »Walther*  des  Herrn  Hess  als  »Hans 
Sachs*  in  den  »Meistersingern*  trefflich  seinen  Mann  stand.  Hier  muss  man  aber  vor 
allem  die  Männer  und  Frauen  samt  den  tapferen  Fräuleins  alle  aufrichtig  rühmen,  die 
als  musterhaft  geschulte  Armee  Knieses  die  grosse  Aufgabe  der  Chöre  jener  Szenen, 
auch  im  Kampfe  mit  einem  stark  besetzten  Orchester,  derart  lösten,  wie  man  es  von 
ihnen  seit  Jahren  aus  den  verdienstvollen  Konzertleistungen  des  Vereins  gewöhnt  ist,  die 
nun  zu  einem  solchen,  ihrer  würdigen  Jubiläum  gefuhrt  haben.     H.  von  Wol zogen. 

BERLIN:  Im  vierten  Symphonie-Abend  der  Königl.  Kapelle  unter  Felix  Weingartner 
umrahmten  die  C-dur-Symphonie  Schumanns  und  die  Freischütz-Ouvertüre  zwei  alte 
Neuheiten:  Drei  deutsche  Tänze  von  Mozart  in  der  Besetzung  eines  Serenaden-Orchesters 
und  Schuberts  selten  gehörte  zweite  Symphonie  (B-dur).  Mozarts  Tänze  sind  köstliche 
Kleinigkeiten,  die  so  lecker  dargeboten  wurden,  dass  sie  wiederholt  werden  mussten; 
am  liebsten  hätte  man  sich  gleich  einen  ganzen  Tisch  voll  dieser  entzückenden  Nippes 
gewünscht.  Schuberts  B-dur-Symphonie  hält  freilich  keinen  Vergleich  mit  der  himmlisch 
langen  in  C-dur  und  der  so  bedauerlich  kurzen  h-moll  aus,  zeigt  uns  aber  doch  des 
jungen  Schubert  erstaunliche  Formengewandtheit  und  die  fabelhaft  leicht  gestaltende 
Hand  des  Liederkönigs.  Die  in  jeder  Beziehung  tadellose  Wiedergabe  sämtlicher  Werke 
machte  diesen  Abend  zu  einem  überaus  genussreichen.  —  Am  Totensonntag  brachte  die 
Singakademie  Verdi's  Requiem  und  eine  Neuheit  von  Georg  Schumann  »Totenklage* 
op.  33  für  Chor  und  Orchester  zu  Gehör.  Als  Textunterlage  für  sein  Stück  bediente 
sich  Georg  Schumann  Schillerscher  Worte  aus  dessen  »Braut  von  Messina*  (Durch  die 
Strassen  der  Städte,  Vom  Jammer  gefolget  usw.).  Das  Werk  will  sich  nach  meinem 
Gefühl  nicht  zu  einem  Ganzen  runden,  es  erschien  mir  wie  ein  herausgerissener  Teil 
aus  einer  grösseren  Komposition  und  so  erklärt  sich  auch  wohl  das  Gefühl  des  nicht 
voflständig  Befriedigtseins  am  Schluss,  der  mir  überdies  wie  ein  nicht  ganz  geschickt 
aufgepfropftes  allerdings  in  prachtvollen  Farben  blühendes  Reis  erschien.  Jeder  Takt 
der  Totenklage  zeugt  von  dem  ernsten,  hohen  Streben  seines  Schöpfers.  De^r  höchste 
Massstab  ist  deshalb  hier  geboten.  Ein  Sichnichtgenugtunkönnen  im  Harmonischen  in 
diesem  Werk  ist  femer  einem  ruhigen  Geniessenwollen  nicht  förderlich,  zumal  diese 


464 
DIE  MUSIK  111.  6. Q^Ol3 


Neigung  des  Komponisten  bisweilen  sogar  etwas  flusserlich  anmutet.  Dass  dafür  wieder 
viele  reizvolle  melodische  Wendungen  und  sogar  bedeutende  Momente  namentlich  in 
dem  dQster-schaurigen  ersten  Teil  des  Werkes  den  Hörer  entschädigen  und  Alles  klingt, 
sei  hiermit  gern  konstatiert.  Der  vollen  Wirkung  des  Werkes  tat  auch  die  keineswegs 
auf  der  Höhe  stehende  Leistung  des  Chors  wesentlich  Einbusse.  Der  erste  Schritt  auf 
ein  ihm  noch  nicht  heimisches  Gebiet  ist  dem  Chor  der  Singakademie  jedenfalls  nicht 
ganz  geglückt  Eine  Auffuhrung  des  von  süssesten  Melodieen  durchfluteten  Verdischen 
Requiems  ist  für  einen,  der  sich  in  den  Romanismus  des  genialen  Werkes  hineinzufühlen 
versteht,  jedesmal  ein  Fest.  Die  Aufführung  gelang  hervorragend.  Von  den  Solisten 
genügten  leider  nur  Frau  de  Haan-Manifarges  und  Johannes  Messchaert,  der  eine  nicht 
zu  überbietende  Meisterleistung  bot.  —  Emil  Paur  gab  an  der  Spitze  des  philharmonischen 
Orchesters  in  Monumental  werken  von  Brahms  und  Tschaikowsky  als  Kapellmeister  und 
mit  der  Interpretation  des  Lisztschen  Es-dur-Konzerts  als  Pianist  in  Berlin  seine  Visiten- 
karte ab.  Wir  haben  allen  Grund,  ihm  für  seinen  Besuch  zu  danken.  Er  ist  als 
Orchesterleiter  eine  in  sich  gefestigte,  scharf  profilierte  Persönlichkeit,  die  mit  allen 
Fasern  ihres  Seins  in  und  mit  dem  aufzuführenden  Werke  lebt.  Sein  mitreissendes 
Temperament  ist  so  recht  geeignet,  einen  Orchesterkörper  aufzurütteln.  Unser  wunderbar 
elastisches  Philharmonisches  Orchester  spielte  unvergleichlich  unter  seinem  Stabe  an 
jenem  Abend.  Der  Klavierspieler  Paur  schnitt  nicht  so  glücklich  ab,  sein  loderndes 
Temperament  verleitete  ihn  hier  zu  einem  al  fresco-Stil,  der  sich  nicht  zu  der  diesen 
Stil  rechtfertigenden  Grosszügigkeit  auszuwachsen  vermochte.  Infolgedessen  Hess  sein 
Spiel  Abgeklflrtheit  vermissen.  Herr  Paur  hatte  einen  starken  ehrlichen  Erfolg.  —  IV. 
Philharmonisches  Konzert  Dirigent:  Arthur  Nikisch.  Solist:  Artur  Schnabel.  Das 
Brahmssche  erste  Klavierkonzert  (d-moll)  war  das  geeignetste  Betätigungsfeld  für  die 
staunenswerten  Fähigkeiten  dieses  musikalisch  wie  technisch  eminent  begabten  jungen 
Pianisten,  dem  für  seine  imposante  Leistung  rauschender  Beifall  gespendet  wurde.  Der 
Majestät  des  ersten  Satzes  wurde  mit  etwas  zu  breiten  Tempi  gehuldigt,  die  ihn  unver- 
hältnismässig dehnten.  Eine  „Idyllische  Ouvertüre*  von  E.  N.  v.  Reznicek  wurde 
darauf  aus  der  Taufe  gehoben.  Sie  repräsentiert  sich  als  eine  kleine  Orchesterhumoreske 
über  den  Schlag  des  Gold-Pirols.  Auf  den  echt  Reznicekschen  Till  Eulenspiegelton 
gestimmt,  interessierte  sie  vornehmlich  ihrer  überaus  raffinierten  Faktur  wegen.  Nikisch 
brachte  das  Werkchen  zu  virtuoser  Darstellung.  Mit  einer' Vorführung  der  Schumann- 
schen  Genoveva-Ouvertüre,  wie  sie  eben  nur  Nikisch  zu  bieten  vermag,  begann  und 
mit  der  Achten,  die  charakteristischer  in  Ton  und  Tempo  hätte  ausfallen  können,  schloss 
der  genussreiche  Abend.  Bernhard  Schuster. 

Eingedenk  des  Franz  Schubertschen  Todestags,  der  mit  dem  Datum  ihres  Lieder- 
abends zusammenfiel,  hatte  Susanne  Dessoir  ihr  Programm  ausschliesslich  mit  Schubert- 
schen Gesängen  ausgefüllt,  und  zwar  waren  es,  mit  Ausnahme  einiger  bekannteren,  meist 
wenig  gesungene,  dem  Nachlass  entnommene  Lieder.  Der  Vortrag  fesselte  durch  den 
surk  individuellen  Zug  der  Gestaltung,  durch  das  schöne  Ebenmass  künstlerischer 
Intelligenz  und  warmer  Empfindung.  Bruno  Hinze- Reinhold  begleitete  mit  feinem  Ge- 
schmack. —  Karl  Reusch  zeigte  einen  wohlgeschulten,  nur  in  der  Höhe  noch  nicht 
willig  gehorchenden  Bariton  sympathischen  Klanges,  treffliche  Aussprache  und  natürliches 
lebhaftes  Empfinden;  eine  grössere  Gruppe  Franzscher  Gesänge  gelangen  dem  Sänger 
recht  glücklich.  —  Margarethe  Knaufts  Alt  ist  ganz  unfertig  in  der  technischen  Aus- 
bildung; der  Vortrag  war  langweilig,  das  Auftreten  mithin  verfrüht  —  Hansi  Delisles 
Wollen  ist  interessanter,  als  ihr  Können.  Der  Vortrag  zeugt  von  Geist  und  Gestaltungs- 
talent,  doch  klingt  das  Organ  ungenügend  vorgebildet.  —  Frau  von  Blankenburg,  als 
Anna  Driese  einst  eine  anmutige  Soubrette  unserer  Königlichen  Oper,  trat  nach  längerer 


465 
KRITIK:  KONZERT 


Pause  mit  einem  Liederabend  vor  das  Berliner  Publikum.  Das  Organ  ist  etwas  scharf 
geworden  und  klingt  nicht  mehr  geschmeidig  genug  fOr  die  Nüancierung  verschieden- 
artiger Gesflnge,  doch  fühlt  man  an  dem  lebendigen  Vortrag,  der  musterhaft  deutlichen 
Aussprache  die  Intelligenz  der  Sängerin  heraus.  Ihr  Begleiter  spielte  die  Klavierbegleitung 
zu  der  Gruppe  Hugo  Wolfscher  Gesänge  ganz  verständnislos.  —  Julius  Bercht  Hess 
durch  Marie  Hertzer-Deppe  eine  Reihe  seiner  Lieder  singen.  Unglaublich,  wie  töricht 
die  Musik  in  der  Erfindung,  in  der  Melodieführung  wie  Begleitung  erschien,  wie  weit 
das  Missverhältniss  zwischen  den  Gedichten  und  der  musikalischen  Fassung  auseinander- 
klaffte! —  Unter  den  Pianisten -Abenden  steht  der  Leopold  Godowsky's  voran.  Man 
wird  dem  Flügel  wieder  innerlich  zugetan,  wenn  man  diesem  Spieler  zuhört  mit  seiner 
unfehlbaren  technischen  Sicherheit,  der  vollendeten  Klangschönheit,  die  alles  materielle 
der  Tonerzeugung  überwunden  hat.  Die  Hörer  hingen  mit  angespannter^Aufmerksam- 
keit  an  dem  poetischen  Vortrag  der  Chopin -Sonate  in  b-moll  und  jubelten  nach  der 
Paraphrase  des  Donauwalzers  von  Schulze  -  Erler  mit  ihren  kolossalen  technischen 
Schwierigkeiten.  —  Conrad  Ansorge,  Alfred  Reisenauer,  Fr6d6ric  Lamond  be- 
schlossen ihre  über  mehrere  Abende  sich  ausdehnenden  Vorträge  und  Jeder  bewährte 
die  Eigenart  seiner  festabgeschlossenen  KQnstlerindividualität.  Beethoven,  Schumann, 
Chopin,  Liszt,  diesmal  auch  mehr  Schubert  als  sonst  füllen  die  Programme  dieser 
Pianisten.  —  Adeline  Bailet  zeigte  wie  die  meisten  in  Paris  gebildeten  Pianisten 
korrekte  flüssige  Technik  und  feste  Rhythmik.  Der  Klavierton  ist  etwas  klein,  der  Vor- 
trag aber  anmutig  belebt.  Im  Zusammenspiel  mit  dem  Orchester  bewies  sie  musikalische 
Durchbildung.  —  Pauline  Hofmann,  die  u.  a.  Beethovens  Es-dur-Konzert  mit  unsem 
Philharmonikern  und  Schumanns  Karneval  spielte,  gelang  mancherlei  und  zwar  gerade 
schwierigere  Partieen  überraschend  klar  und  sicher;  im  ganzen  ist  der  Vortrag  noch 
geistig  zu  unbedeutend,  das  Klavier  wird  auch  nach  selten  der  Tonfärbungen  hin  zu 
wenig  ausgebeutet.  —  In  der  Philharmonie  gab  die  Berliner  Liedertafel  (Chormeister 
A.  Zander  und  Max  Werner)  ein  überaus  erfolgreiches  Konzert.  Im  Programm  standen 
die  Preislieder  des  Frankfurter  Sängerfestes,  ausserdem  Chorstücke  von  Thuille, 
Heuberger,  Wilhelm  Sturm,  F.  Hummel,  Brahma,  die  klangschön,  rhythmisch  fest  ge- 
staltet und  vollendet  klar  in  der  Textaussprache  dargeboten  wurden.  Als  Solistin  trug 
Emilie  Herzog  u.  a.  eine  Serie  volkstümlicher  Lieder  von  C.  M.  v.  Weber  vor,  die  be- 
sonders dankbar  aufgenommen  wurden.  E.  E.  Taubert. 

Von  den  Kammermusik  Vereinigungen,  die  während  des  letzten  Halbmonats 
konzertierten,  ist  an  erster  Stelle  das  durch  Klangschönheit,  und  höchst  ausgeglichenes 
Zusammenspiel  ausgezeichnete  Petersburger  Streichquartett  der  Herren  Boris  Kamensky, 
Naum  Kranz,  Alex.  Bornemann  und  Sig.  Butkewitsch  zu  nennen.  Diese  hervor- 
ragenden Künstler  boten  freilich  nur  russische  Werke  (Borodin  A-dur,  Tanejew  b-moll, 
sehr  wertvoll,  und  das  Bd.  8,  379  gerühmte  Quartett  von  Glidre),  doch  ist  nicht  zweifel- 
haft, dass  sie  auch  die  Werke  unserer  Klassiker  vollendet  wiedergeben  werden.  Das 
einheimische  Quartett  Dessau,  Gehwald,  Könecke  und  Espenhahn  brachte  unter 
Zuziehung  des  hervorragenden  Dresdener  Pianisten  Eduard  Reuss  [das  Bd.  7,  367  ff. 
analysierte  eigenartige  Klavierquartett  von  Scheinpflug  zu  wundervoller  Wiedergabe.  Prof. 
G.Holländer  spielte  mit  seinen  Quartettgenossen  Nicking,  Rampelmann,  Sandow 
Dohnanyi's  wertvolles  (vgl.  S.  132)  op.  7  und  mit  Elisabet  Schmitz-Pollender  die 
interessante  Suite  op.  16  von  H.  Gottlieb-Noren  (vgL  Bd.  7,  155);  Frau  Adelina  Sand ow- 
Herms  steuerte  Lieder  bei.  Das  Klavierquartett  Egidi,  Seuffert,  Werner  und 
Dechert  entriss  das  prächtige  Klavierquartett  von  Hermann  Götz  der  unverdienten  Ver 
gessenheit.  Von  dem  Holländischen  Trio  der  HH.  Bos,  van  Veen  und  van  Lier 
hörte  ich  eine  famose  Wiedergabe  des  gar  nicht  üblen  Trio's  von  Ed.  Behm;  in  demselben 

III.  6.  30 


466 
DIE  MUSIK  IIL  e. 


Konzert  kam  Conrad  Antorge  als  Komponist  and  Begleiter  einiger  von  Richard 
Koennecice  vorgetragenen  Gesinge  zur  Geltnn^  —  Nur  ein  Geiger  konzertierte  mit  dem 
Philharmonischen  Orchester:  Florian  Zajic,  der  am  hosten  in  Bachs  Ciaconna  gefiel, 
er  spielte  ansserdem  Rafis  wirkungsvolle  Suite  und  das  hier  noch  unbekannte  Konzert 
op.  ao  von  Cornelius  Ruhner,  ein  langatmiges,  mit  Schwierigkeiten  überladenes,  wenig 
Eigenart  zeigendes  Werk.  Ein  grosser  Genuss  war  es,  von  dem  Ehepaar  Petschnikoff 
die  eigentlich  für  F15te  und  Violine  geschriebene  Sonate  aus  Bachs  musikalischem  Opfer, 
gediegen  von  Hermann  Zilcher  begleitet,  dessen  leider  noch  ungedrucktes  Deppelkonzert 
fGr  2  Geigen  (vgL  Bd.  5, 230)  das  Programm  vervollstindigte.  Eugenie  Argiewicz  Hess 
sich  nochmals,  aber  nur  mit  Klavierbegleitung  (Herr  Boa)  hören:  Vieniawaki's  d-moU« 
Konzert  liegt  ihr  besser  als  Tschaikowsky.  Die  Geigerin  Bianca  Becker-Samolewska 
wird  von  ihrem  Gemahl,  dem  soliden  Pianisten  Otto  Becker  immer  mehr  auf  klassisches 
Gebiet  gedriogt,  das  ihr  aber  vorläufig  noch  fem  liegt;  ihre  Konzertpartneriu  Suse  de 
Cava  besitzt  einen  prachtvollen  Kootra-Alr,  aus  dem  noch  viel  werden  kann,  aber 
ihr  Vortrag  muss  noch  impulsiver  werden;  Ossian  Fohström  meistert  das  Violoncell 
mit  grosser  Eleganz  und  brillanter  Technik;  aein  Ton  ist  einschmeichelnd,  aber  nicht  so 
gross,  um  sich  gegen  das  Orchester  immer  zu  behaupten.  Ein  Hocbgenuss  war  der 
Vortragsabend  der  VioloncellkQnstlerin  Elsa  Ruegger,  die  nach  längerem  Zwiachenraum 
sich  hier  wieder  einmal,  von  Hermann  Zilcher  begleitet,  hören  Hess.  Endlich  konnte 
man  den  grossartigen  Kontrabassvirtuosen  Sergei  Kussewitzky  bewundem,  der  wie  im 
Vorjshr  mit  dem  Pianisten  Sergei  Mamontoff  konzertierte.      Dr.  Wilh.  Altmann. 

Ein  Wunder  ist  Jolaada  M6rö:  In  Wahrheit  ein  Geschenk  des  Himmels,  in  jeder 
Fingerspitze  ein  Genie  und  zum  Kunstspiel  geboren!  Die  Kleine  hat  im  5.  Finger  mehr 
als  ein  Dutzend  FingerkGnstler  in  klapperdürren  10  und  Chaos  genug,  um  eine  grosse 
Kunst  gebären  zu  können.  Hut'  sie  ihr  GIQckI . . .  Neben  dem  wilden  Schössling  ein 
Produkt  intensivster  Kultur:  Waldemar  Lfitschg.  Die  Kunst  der  sammetnen  Weichheit 
und  schmerzlichen  Resignation.  Ein  feines  Spiel  der  zarten  und  weichen  Töne,  der 
anaprachslosen  und  keuschen  Farben.  Die  Poesie  der  verechleierten  Stimmung  und 
der  leise  fiutenden  Dämmemng.  Zwar  ohne  monumentale  Wucht,  ohne  das  Spiel 
der  „grossen  Flächen^,  ohne  sprühenden  Rhythmus  und  deklamatorisches  Pathoa, 
aber  alles  klingend  und  singend,  von  einer  klavieristisch- formalen  Tonschönheit, 
die  mit  Rubinstein  starb.  —  Und  dann  eine  dritte:  Hedwig  Meyer.  Eine 
klavieristische  Vollnatur  vom  Schlage  der  Carrefio  mit  jenem  grandiosen  Schmiss  und 
jenem  echten  Temperamentsdurchbracb,  der  grosser  Begabung  zu  eigen.  Nur  eins,  wozu 
die  bratalen  Stechakkorde  in  der  Bockstellung  und  im  falschen,  zu  winkligen  Auffall? 
Ist's  so  schwer,  derlei  Härten  zu  mildem?  —  Im  grossen  Abstand  folgen  zwei  kleinere: 
Moritz  Mayer-Mahr  und  Gisela  Springer.  Eraterer  ein  Geschwindspieler  mit  kleiner 
Technik  und  kleinem  Ton,  aber  flüssiger,  sauberer  und  klarer  Spielart.  Im  übrigen 
ateraotyp,  ohne  Wärme  und  künstlerisches  Temperament,  ohne  Stil  und  belebenden  Witz. 
Ein  Musiker  schlechthin.  Der  ^Liederkomponist^  entspricht  dem  Pianisten.  Der  jungen 
Wienerin  steht  man  wärmer  gegenüber.  Ein  tüchtiges  Talent  mit  ausgefeilter  kugeliger 
Passagentechnik  und  einem  Gestaltungsvermögen,  das  Hoffnungen  wachraft.  —  Bleiben: 
ein  Buaatagskonzert  des  Pfannschmidtschen  Chores.  Gewiss,  „der  Fleiss  ist  zu 
loben^y  aber  dem  „Deutachen  Requiem^*  ward  wenig  Ehre.  War*  nur  der  Rahmen  besser 
und  die  orchestrale  Seite  vornehmer,  man  würde  es  gem  zufrieden  sein  und  über  dem 
kulturallen  Zweck  der  Vermittlung  die  Ausführung  vergessen.  —  Dann  ein  Kompositions« 
Abend  von  Gustav  Lazarua,  der  wenig  zu  denken  gab.  Ein  feines  Formtalent  mit  jener 
seltenen  Liebenswürdigkeit,  die  Mendelssohn,  den  „guten*^,  auszeichnet.  Vor  allem: 
sinnliche  Muaik  voll  klanglicher  Reize  und  melodischer  Weichheit.     Zumeist  echte 


467 
KRITIK:  KONZERT 


Lieder,  Sangeslieder,  keine  Kunstlieder,  —  niclit  gross,  aber  aucli  niciit  klein,  gefällig 
und  angenehm,  fQr  den  Geschmack  der  Anspruchslosen  und  Liederfrohen,  mit  einem 
Stich  ins  Leichtfassliche  und  VolkstQmliche.  Da,  wo  die  Originalität  beginnt,  hört  seine 
Kraft  auf,  und  wo  sich  Tiefen  und  Grazien  zu  klingenden  Wundern  und  Werken  formen, 
ist  seine  Kunst  zu  Ende.  Aber  es  ist  Musik,  Musik  eines  Musikers,  wohlgestaltet, 
blühend,  nicht  ohne  Geistreichelei,  aber  zum  Glück  ohne  dekadente  Gehimfloskeln  und 
schwimmende  Mondscheinlyrik,  mit  orchestral-farbigem  Durchschuss.  —  Das  Stimm* 
material  bewies  den  Niedergang  der  „Systeme*'.  Vielleicht  mag  Ellen  Beck  um  des 
Metalles  und  der  grossen  Spannung  willen  zu  erwähnen  sein.  Aber  der  nasale  Knödel 
drückt  die  Vorzüge  herab,  und  ihr  virtuoser  Charme  ist  nur  Gift  für  die  Kunst  der  Tiefb. 
—  Allein  Käthe  Ravoth  darf  auf  den  Weg  wirklicher  Arbeit  zurückblicken.  Es  ist  mit 
das  einzigste  Organ,  das  merklich  vorgeschritten.  Der  Klang  hat  mehr  Kern,  da  die 
hinteren  Nasenresonanzen  ausgenutzt.  Stünde  nur  Temperament  und  Ausdruck  im 
gleichen  Verhältnis!  Else  Vetter  leidet  am  „Gegenteil*^  Timbre  und  Klangweichheit, 
Temperament  und  Ausdruck  deuten  auf  Kunst,  aber  die  Tragik  der  absolut  falschen  Atem- 
funktion  wirft  tiefe  Schatten  auf  die  Zukunft.  Mit  der  Oberzeugung  oder  Nicht- 
überaeugung  von  der  absoluten  Notwendigkeit  der  Atempresse  steht  oder  fällt  das  an 
sich  schöne  Organ.  —  Zum  Schluss  die  Zuvielen:  Die  mit  dem  technischen  Gepäck, 
denen  die  leichten  Sonnenschwingen  fehlen,  oder  die  Kunst  des  Unvermögens,  der 
Anfängerschaft,  oder  der  verwehten  Blüte:  Theodor  Prusse,  Severin  Eisenberger,  Gastone 
Bemheimer,  Marianne  Brünner,  Max  Rothenbücher,  Paula  Olshausen,  Anna  Leydhecker, 
Elfriede  Goette,  Marianne  Geyer,  Helene  Lieban-Globig.  Zuletzt  etwas  für  den  „Aus- 
hängekasten*': Leo  St.  Damian:  das  Spiel  der  melodiscnen  Grimasse  und  rhythmischen 
Paralyse.  Rudolf  M.  Breithaupt 

Im  Oberlichtsaal  der  Philharmonie  konzertierten  Julie  Grotefend  (Sopran)  und 
Käte  Pieczonka  (Violoncello);  eine  jener  musikalischen  Veranstaltungen,  über  deren 
Veranlassung  und  Zweck  man  sich  nicht  klar  wird.  Was  bewegt  solch'  blutigen  Dilet- 
tantismus zur  Flucht  in  die  Öffentlichkeit?  —  Herta  Bloch-Jahr  gab,  von  Dr.  Heinrich 
Potpeschnigg  als  Begleiter  wirksam  unterstützt,  einen  Liedtrabend  in  der  Singakademie. 
Das  eben  nicht  umfangreiche,  indessen  sympathische  Organ  der  Künstlerin  ist  Aufgaben 
wie  Schumanns  Frauenliebe  und  Leben  nicht  gewachsen,  wurde  aber  kleineren,  ein- 
ziehen Liedern  von  Brahms  und  Wolf  gerecht.  W.  R. 

BRAUNSGHWEIG:  Aus  der  musikalischen  Fülle  mögen  nur  die  Höhepunkte  erwähnt 
werden.  Die  Hofkapelle  gab  ein  Berlioz-Konzert  aus  Dankbarkeit  für  die  vor  50  Jahren 
von  dem  Meister  gegründete  Witwen-  und  Waisenkasse.  Das  Programm  war  nahezu  das- 
selbe wie  damals,  auch  derselbe  Sollst  Prof.  Joachim  wirkte  wieder  mit;  mit  einem  seiner 
frühesten  Schüler,  Symphoniedirektor  A.  Schulz,  der  ebenfalls  auf  eine  50]ährige  Tätig- 
keit zurückblicken  konnte,  wurde  er  ausserordentlich  gefeiert.  Im  ersten  Abonnements- 
konzert erspielte  sich  A.  Schnabel  mit  dem  Klavierkonzert  (d-moll)  von  Brahms  einen 
schönen  Erfolg,  während  Gertrude  Lucky  mit  ihren  Liedern  weniger  gefiel.  Die  populären 
Konzerte  üben  die  gewohnte  Anziehungkraft  aus,  bis  jetzt  boten  sie  einen  Klavierabend 
von  Em.  Sauer,  einen  Liederabend  von  Dr.  L.  Wfillner  und  einen  Abend  für  Kammer- 
musik (Waldemar  Meyer-Quartett  und  Frl.  H.  Berger).  Frau  M.  Wegmann  spielte  mit 
Prof.  Meyer  an  zwei  Abenden  alle  10  Violinsonaten  Beethovens  unter  wachsendem  Interesse 
des  Publikums.  Der  Chorgesang- Verein  brachte  Judas  Maccabäus*  von  Händel,  die 
Liedertafel  «Orpheus*  zum  Jubiläum  ihres  25jährigen  Bestehens  ein  neues  Werk  des 
Dirigenten,  M.  Clarus  „Auf  dem  Felde  der  Ehre"  zu  erfolgreicher  Aufführung.  Von  Virtuosen 
mit  eigenen  Konzerten  seien  noch  erwähnt:  Sarasate  mit  B.Marx-Goldschmidt,  eine  hiesige 
talentvolle  Pianistin  M.  Heinemann,  ein  hoffnungsvoller  Baritonist  W.  Rössel  mit  Konzert-' 
meister  Hamacher  und  FrL  Geratäcker  mit  Mary  Wurm.  Ernst  Stier. 

30^ 


4tt 
DIE  MUSK  m.  €L 


Y^KESLAU:   fiae 


die  SolopMtkc« 
▼Ml  Ewerk.    Zi 

Bcdhorea  op.  132;  Sdivaaaa  op.  41,  H«fda  G-dv  (No.  58)  «ai  mter  BeteOignf 
Dr.  Dohras  drei  Verfce  mit  Klairier:  C^sar  Fmcks  f-aoD-Qnstett,  S^abeits  ForeOes- 
qoiaiett  «ad  Brabas*  e-BoU-Sonife  op.  38;  aDes  stü-  «ad  siaac^aiss.  Die  Kamaer- 
Baatkreretaigaof  des  Breslaaer  Konaerratomms  beracksi^tigt  mter  Leitung  des 
Direktort  Willy  Pieper  die  neaerea  ErKiieiaaBgea.  Voa  SoUsteakoateitea  seiea  er- 
wikat  die  LicdendieBde  vea  Wnllner,  Tbereae  Bekr,  Heineaiaaa  nadjettka  Fiakeasieia, 
die  Koazerte  tob  Godowsky,  Habermaaa  (zweiaul)  Hertba  Streiter  (Violiae)  oad  eia 
iateressaaier  Klaner-  nad  Kompositioasabead  tob  Marpierite  MelTüle.   J.  Schiak. 

BUDAPEST:  Dea  ofBziellea  Beglaa  naserer  Koazertsaisoa  bedentet  jeweflif  der  erste 
Prodaktioasabead  der  Philbanaoaiker.  Vor  ibaea  wagt  sieb  keia  Solist  aof  das 
Podlaai,  daaa  aber  begiaat  die  wflde  Jagd  am  Gold  nad  BeifdL  Die  PbObanaooiker, 
die  beaer  ia  das  rweite  Halbjabrbnndert  ibrer  knitnrellea  Wirksamkeit  treten,  eröffneten 
die  Saisoa  im  Zeichea  Beetboireas:  aiit  der  acbtea  Sjmpboaie  des  Meisters.  Der  erste 
Abead  bracbte  ancb  dea  Karfreitagszanber  ans  .Parsilid*  und  znm  Scblnss  Liszts 
»Tasso*.  Der  Solist  des  Abends  war  Georg  Andies,  der  seine  Toraebaie,  getstr^^e 
Kfiasdersebaflt  ancb  als  Liedersinger  bekundete.  Am  rweiten  Abend  gab  es  der  NoTititen 
gar  drei:  Onirerture  in  D  Ton  Hindel,  eine  dreisitzige  redit  bnbscbe  Streicbserenade  von 
dem  jungen  nngariscben  Komponisten  Gnstair  Szer6mi  und  als  die  vielleicbt  willkommenste 
Riebard  Strauss*  Violinkonzert,  das  in  der  mnsterbaften  Interpretation  dnrcb  Professor 
Heermann  stfirmiscben  Beifill  fend.  —  Ancb  unsere  Quartettvereinigungen  sind  in  Toller 
Titigkeit  und  würzen  uns  die  edle  Konkurrenz  dnrcb  zabireicbe  Auffubrungen  Ton  No- 
Tititen.  So  borten  wir  jungst  bei  Hnbay-Popper  ein  Streicbquartett  in  D  Ton  C6sar  Franck, 
ein  sieb  interessant  gebinlendes  Werl^  aus  dessen  geistroUer  Verlogenbeit  uns  jedocb 
bloss  das  Scberzo  —  ein  secessionistiscb  nacbempfnndenes  Stuck  Mendelssobnscben 
Elfenzaubers  —  wirmer  anspracb;  bei  Grnnfeld  ein  überaus  woblanstindiges  Quartett  des 
russiscben  Komponisten  Borodin.  Die  Höbepnnkte  der  Solistenkonzerte  bildeten  ein  Arien- 
abend des  italieniscben  Wnndertenors  Alessandro  Bond,  wobi  des  süssesten  Singers  der 
Jetztzeit  und  ein  KlsTierkonzert  des  genial-koketten  Emil  Sauer,  der  dnrcb  sein  Spiel  selbst 
eine  .grosse*  Sonate  eigener  Faktur  künstleriscb  zu  adeln  Termocbte.       Dr.  B  6 1  a  D  i  6  s  7. 

DARMSTADT:  Das  bissige  Musikleben  stand  in  den  letzten  Wocben  eine  Zeit  lang 
ganz  unter  dem  Zeicben  des  Jnbiliums  des  um  seine  Entwicklung  bocbirerdienten 
Hofkapellmeisters  Willem  de  Haan,  der  jetzt  seit  25  Jahren  unsre  Hofoper  und  die 
Sirmpboniekonzerte  der  Grossberzoglicben  Hofmusik  leitet  Den  Anfeng  macbte  der 
Musikrerein,  dessen  Dirigent  de  Haan  seit  C.  R.  Mangolds  Tode  ebenfeUs  ist,  Indem  er 
seine  vor  20  Jahren  entstandene  Komposition  der  Dahnscben  Ballade  »Harpa*  (für  ge- 
mischten Chor,  Soli  und  Orchester),  eine  edd  und  Tomehm  empfundene  Tonschöpfüng, 
erneut  zur  AufTfibrung  brachte.  Es  folgte  das  Hoftheater  selbst  mit  dner  Neueinstudierung 
sdner  in  den  80  er  Jahren  wiederholt  gegebenen  romsntischen  Oper  »Die  Kdsertochter*, 


460 
KRITIK:  KONZERT 


welche  die  Sage  von  Eginbard  und  Emma  in  sehr  glfickiicher  Weise  musikalisch  ver- 
wertet hat,  und  sodann  die  grossherzogliche  Hofkapelle,  die  mit  der  Feier  zugleich  das 
Jubilium  des  50jihrigen  Bestehens  der  Symphoniekonzerte  zum  Besten  des  Witwen- 
und  Waisenfonds  der  Hofmusik  verband.  Den  Bescbluss  machte  dann  der  Mozartverein, 
als  dessen  Leiter  de  Haan  s.  Zt.  hierher  berufen  wurde,  mit  einer  AufTQhrung  einiger 
seiner  grossen  Balladen  fQr  Minnerchor.  —  Aus  der  OberfQlle  der  sonstigen  Konzert- 
Veranstaltungen,  bei  denen  Minderwertiges  erfreulicherweise  nur  ganz  selten  anzutreffen 
war,  mögen  um  ihrer  Programme  wie  ihres  künstlerischen  Erfolges  willen  zwei  Klavier» 
abende  hervorgehoben  sein:  Hedwig  Meyer  aus  Köln  spielte  im  Wagner* Verein  eines 
ihrer  aus  Sonate  op.  10,  No.  3,  Sonate  op.  90,  den  Sechs  Variationen  op.  34  und  der 
Hammerklaviersonate  bestehenden  Beethoven-Riesenprogramme  mit  erstaunlicher  Kraft, 
wihrend  Frieda  Kwast-Hodapp  sich  als  eine  Chopinspielerin  ersten  Ranges  erwies.  Neuheiten 
waren  für  hier  das  von  dem  Musikverein  aufgeführte  Oratorium  „Der  Traum  des  Gerontius" 
von  Edward  Elgar,  das  aber  nur  einen  matten  Achtungserfolg  erzielte,  und  Leo  Blechs 
hübsche  orchestrale  Ton-  und  Stimmungsmalerei  «Wald Wanderung*,  die  eine  freundliche 
Aufoahme  fand.  Auch  zwei  besonders  interessante  Kirchenkonzerte  verdienen  Erwihnung: 
eine  erfolgreiche  Aufführung  der  beiden  selten  gehörten  Bachschen  Kantaten:  „Der  Hirte 
Israel"  und  »Halt*  im  Gedächtnis  Jesum  Christ*  durch  ein  von  Arnold  Mendelssohn  ge- 
leiteten Evangelischen  Kirchengesangverein  der  Stadtgemeinde  und  ein  in  der  Hofkirche 
gegebenes  Konzert  der  berühmten  Singer  der  kaiserlich  russischen  Hofkapelle,  das  einen 
sehr  instruktiven  Einblick  in  die  moderne  russische  Kirchenmusik  gewihrte.  Kunstgenüsse 
reinster  Art  endlich  vermittelte  uns  Therese  Behr  mit  ihrem  im  Wagnerverein  gegebenen 
vierten  Liederabend,  sowie  das  Böhmische  Streichquartett.  H.  Sonne. 

DRESDEN:  Im  zweiten  Symphoniekonzert  der  Serie  B  brachte  die  königliche  Kapelle 
zwei  Neuheiten  auslindischer  Komponisten  mit  ungleichem  Erfolge  zu  Gehör.  Eine 
viersitzige  Symphonie  d-moll  des  Finnlinders  Jan  Sibelius  vermochte  infolge  der  in  ihr 
herrschenden  künstlerischen  Unruhe  keinen  Erfolg  zu  erzielen.  Der  Komponist  setzt 
viele  Male  zu  symphonischer  Ausdrucksweise  an,  verliert  sich  aber  ebenso  oft  wieder 
in  ein  unzugingliches  Gewirr  von  Motiven,  so  dass  es  weder  melodisch  noch  architek- 
tonisch zu  Klarheit  und  Bestimmtheit  kommt.  Dagegen  tat  N.  Rimsky-Korsakoffis  farben- 
prichtige  und  klangschöne  Tondichtung  „Sadko*  eine  sehr  gute  Wirkung  und  wurde 
überaus  freundlich  aufgenommen.  Solistin  war  Lula  Mysz-Gmeiner,  die  in  dem  grossen 
Hause  weit  weniger  zu  packen  wusste,  als  einige  Tage  spiter  in  einem  sehr  genussreichen 
eignen  Liederabend.  Im  zweiten  philharmonischen  Konzert  waren  Solisten  Franz  Naval 
und  der  Kontrabassvirtuose  Sergei  Kussewitzky.  Ersterer  war  leider  durch  eine  starke 
Indisposition  an  der  Entfaltung  seiner  Mittel  behindert,  letzterer  dagegen  ftind  für  seine 
in  Wahrheit  staunenswerten  Leistungen  stürmischen  Beifall.  Der  Busstag  brachte  eine 
höchst  lobenswerte  Aufführung  der  Bachschen  Johannes-Passion  durch  die  Robert 
Schumannsche  Singakademie  unter  Albert  Fuchs  und  der  Totensonntag  erhielt  eine 
besondere  Weihe  dadurch,  dass  Kantor  Römhild  mit  dem  von  ihm  in  unablissiger  Arbeit 
auf  eine  hohe  Stufe  erhobenen  Kirchenchor  der  Martin  Luther-Gemeinde  Eduard  Grells 
a  cappella-Messe  für  16  Solo-  und  16^Chorstimmen  in  geradezu  vollendeter  Weise  auf- 
führte. Von  Solistenkonzerten  sei  zunichst  der  Klavierabend  von  Waldemar  Lütschg 
hervorgehoben;  man  lernt  diesen  hochbegabten  und  mit  ernstem  Wollen  den  höchsten 
Zielen  zustrebenden  Künstler  immer  höher  schitzen.  Mit  vielem  Glück  führte  sich  in 
einem  eignen  Klavierabend  der  hiesige  junge  Komponist  August  Zöllner  ein.  Weniger 
glücklich  war  Else  Skenn-Gipser  in  einem  Konzert  mit  Orchester.    F.  A.  Geissler. 

ELBERFELD:   Das   Konzert   des   Lehrer-Gesangvereins   unter  Dr.   Haym   setzte  die 
Leistungsnhigkeit   und    das   Stimmmaterial    des   Vereins    in   das   günstigste  Licht. 


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DIE  MUSIK  III.  6. 


Durch  ausdrucksvollen  Liedervortrag  zeichnete  sich  der  Baritonist  Nieratzky  and  in 
Violinduos  Konzertmeister  Schmidt  und  Manrer  aus.  —  Im  zweiten  Sauset-Konzert  hatten 
Mimy  Bussius  (Violine)  und  Toni  Tholfus  (Klavier)  vermöge  ihrer  ausgereiften,  abge- 
klirten  Kunstlerschaft  bedeutenden  Erfolg,  weniger  der  Tenorist  Franz  Bergen,  der  in 
seiner  Vortragsweise  den  Gesangsdeklamator  Dr.  Wfillner  kopierte.  ~  Im  zweiten  Konzert 
der  Konzertgesellschaft  spielte  das  städtische  Orchester  unter  Haym  Schuberts  h-moll- 
Symphonie  vollendet  schön.  Als  Solisten  wirkten  Elsa  Ruegger  und  Professor  Messchaert 
mit.  Infolge  der  Vorbereitung  von  Berlioz'  „Fausta  Verdammung*  für  das  nichste  Konzert 
war  der  Chor  nur  mit  »Holde  Sirenen"  von  Hubert  Parry  vertreten.  —  Neben  virtuosen 
Vorträgen  des  Organisten  Flockenhaus  und  a  cappella-Chören  unter  Hayms  Leitung 
machte  der  ergreifende  Gesang  von  Frau  Cahn-Poft  das  Busstagskonzert  in  der  Stadt- 
halle zu  einem  hohen  Genuas.  Ferdinand  Schemensky. 

FRANKFURT  a.  M.:  Auf  die  Hundertfahrfeier  des  Geburtstages  von  Hector  Berlioz 
sind  wir  schon  einige  Zeit  vor  Erfüllung  des  richtigen  Datums  mehrfach  durch 
Konzertereignisse  nachdrücklich  hingewiesen  worden.  Sogar  der  Zufall  beteiligte  sich 
an  der  Herstellung  eines  Festprogramms.  Der  neue  Museumsdirigent  wurde  unpisslich; 
Richard  Strauss  kam  beim  fünften  Freitagskonzert  zum  Ersatz  her  und  setzte  ein  halbes 
Berlioz-Programm  an,  aus  welchem  durch  Erkrankung  der  Solistin  Pregl  noch  in  letzter 
Stunde  ein  ganzes  ward.  Da  hörte  man  u.  a.  die  Ouvertüre  zu  »Roh  Roy*  und  Stücke 
aus  »Romeo  und  Julie*;  die  hist  geisterhafte  Schönheit  bei  der  Entwicklung  der  Liebes- 
szene und  der  köstliche  Orchesterspuk  der  »Fee  Mab*  geriet  unter  Strauss'  Szepter  so 
vollendet  wie  selten.  —  Tags  vorher  hatte  das  Kaim-Orchester  einen  Berlioz-Abend  mit 
»Harold*  und  der  »Fantastischen  Symphonie*  geget>en;  Weingartner  dirigierte  (ebenMIs 
wegen  Unpisslichkeit,  die  er  sich  aber  wahrlich  nicht  merken  Hess)  nur  das  letztere 
Werk,  das  andere  wurde  von  Peter  Raabe  geleitet.  Es  war  keineswegs  ein  Unglücksrabe.  — 
Noch  einen  dritten,  schönen  Berliozabend  gab  der  »Cicilien verein*  am  Busstag:  er 
brachte  die  fesselnde,  wenn  auch  teilweise  ans  schreckhafte  heranreichende  »Grosse 
Totenmesse*,  die  er  hier  innerhalb  eines  Jahrzehnts  noch  zweimal  aufgeführt  hat,  doch 
nicht  so  vollkommen,  so  gleichmässig  tonschön  und  erhaben  im  gesamten  Ausdruck, 
wie  jüngst.  Prof.  Aug.  Grüters  war  auch  diesmal  der  verstindnisinnige  Leiter  des  Werkes, 
dessen  erster  Satz  mit  seiner  die  ganze  Luft  trinkenden  Klage  uns  beinahe  noch  ge- 
waltiger erscheint  als  die  riesenhaften  Tonfluten  der  Weltgerichts-Schilderung.  Mit  der 
noch  ausstehenden  Konzertaufführung  von  »Fausts  Verdammung*  im  Opernhaus  werden 
wir  eine  Berliozfeier  von  grosser  Vollständigkeit  haben.  —  In  Kürze  gedenke  ich  noch 
eines  gelungenen  Museumsabends  mit  ausschliesslichen  Seb.  Bach-Vortrigen,  eines  weiteren, 
wobei  Rubinsteins  vortreffliches  Bliserquintett  op.  55  ausgezeichnet  gespielt  ward,  und 
einer  Reihe  tüchtiger  Leistungen,  die  bei  sogen.  »Privat-Konzerten*  herauskamen.  Da 
Hessen  sich  u.  a.  hören:  Hans  Schröder  als  Liedersinger,  die  hier  schon  vorteilhaft  bekannte 
Violinkünstlerin  M.  Bumitz,  die  Pianisten  und  Pianistinnen  Ruzicka,  K.  Widmann,  Frieda 
Kwast-Hodapp  und  Gemahl,  der  Cellist  Hermann  Beyer-Han6  u.  a.  Die  Konzertereignisse 
dringen  einander  in  verwirrender  Reichhaltigkeit,  und  ich  würde  kaum  die  Kühnheit  be- 
sitzen, den  aus  der  Mozart-Geschichte  bekannten  Einwand:  »Sehr  viel  Noten!*  mit  den 
Worten  za  parieren:  »Nicht  mehr,  als  nötig  sind!*  Hans  Pfeilschmidt 

FREIBURG  i.  B.:  Im  Gegensatz  zu  den  Vorjahren  hielt  sich  unsere  Konzertsaison  bis 
Jetzt  in  missigen  Grenzen.  Unter  den  Solisten-Abenden:  A.  Epp,  Fabozzi,  Th.  Bertram 
und  L.  Hess  waren  nur  die  zwei  letzteren  von  Interesse;  insbesondere  hat  der  Tenorist 
Hess  mit  Schubert  und  Wolf  ganz  hervorragende  Proben  einer  absolut  individuellen 
Künstlerschaft  an  den  Tag  gelegt  —  Die  zwei  ersten  Stidtischen  Symphoniekonzerte 
standen  diesmal  unter  dem  Zeichen  Liszts;  ebenso  der  erste  Musikvereins- Abend.   Busoni 


471 
KRITIK:  KONZERT 


spielte  das  A-dur-Konzeit  mit  staunenswerter  Bravour;  bedeutender  noch  wirkte  als  «Novitit* 
die  in  monumentaler  Grosszfigigkeit  erklingende  Faustsymphonie,  prichtig  exekutiert  unter 
Starkes  Leitung.  —  Die  Wiederholung  der  Elisabeth -Legende  durch  den  M.-V.  gelang 
in  allen  Teilen  vorzQglich,  gehoben  durch  ausgezeichnete  Vertretung  der  Hauptpartieen : 
Elsa  Hensel-Schweitzer  und  des  Landgrafen  S.  Weil;  als  Dirigent  fungierte  AI.  Adam. 
Des  letzteren  Kammermusik-Abend  eigener  Kompositionen  stellte  seiner  bedeutenden 
Beanlagung  von  neuem  ein  glinzendes  Zeugnis  aus.  Die  Kammermusikvereinigung  des 
Sfiddeutschen  Streich  -  Quartetts  brachte  ausser  einem  Mozart- Beethoven  Abend  aua- 
schliesslich  Brahma;  die  Ausfuhrung  mit  Frau  Dr.  Thomas-St.  Galli  am  Klavier  war  durch- 
weg vollsten  Lobes  würdig.  Vict.  Aug.  Loser. 

GENF:  Den  Reigen  der  dieswinterlichen  Veranstaltungen  eröffnete  der  Pianist  Hugh 
del  Carril  mit  einem  R^cital  de  Piano,  in  dem  er  Werke  von  Bach-Liszt,  Bee- 
thoven, Mendelssohn  und  Chopin  zum  Vortrag  brachte.  Auf  diesen  folgte  ein  Concert 
k  deux  Pianos  von  W.  von  Mumm  und  Ch.  Delgouffre;  zur  Aufffihrung  kamen  Werke 
von  J.  S.  Bach,  Mozart,  Liszt,  Hans  Huber  und  Saint-SaSns.  —  Das  zur  Feier  des  Re- 
formationsfestes von  Domorganist  Otto  Barblan  in  der  Kathedralkirche  Saint-Pierre  ver- 
anstaltete Konzert,  unter  Mitwirkung  der  hiesigen  Konzertsingerin  Faliero-Dalcroze,  brachte 
Werke  von  Saint-SaSns,  J.  S.  Bach,  C.  F.  Richter,  E.  Jaques-Dalcroze,  Th.  Kirchner  und 
Schubert  Desgleichen  gab  Organist  Otto  Wend  ein  geistliches  Konzert;  als  Gesangs- 
solistin  fungierte  Camilla  Landi.  Zur  Auffuhrung  gelangten  Werke  von  Bach,  Hindel 
und  Beethoven.  —  Das  erste  Abonnementskonzert  war  Haydn  gewidmet.  Einen  hfibscben 
Erfolg  hatte  Frl.  E.  Briffod,  die  die  wenig  bekannte  Arie  aus  »Orph^e  et  Eurydice", 
einer  unvollendeten  Oper  Haydns,  nebst  einer  Reihe  von  Liedern  am  Klavier,  die  hier 
zum  ersten  Male  zur  Vorführung  kamen,  sang.  In  dem  Konzert  für  Violoncell  und 
Orchester  glänzte  Pablo  Casals  durch  schöne  Tongebung  und  seelenvollen  Vortrag. 
In  der  Sonate  für  Violoncell  und  Piano  zeigte  der  Künstler  echte  Virtuosentechnik.  Am 
Klavier  wirkte  der  Dirigent  Prof.  Willy  Rehberg  sehr  verdienstvoll.  —  Der  Violinvirtuose 
Henri  Marteau  veranstaltet  diesen  Winter  zehn  Konzerte  zu  volkstümlichen  Preisen. 
Das  erste,  ein  Grieg-Abend,  hat  schon  stattgefunden.  Das  Programm  brachte:  Streich- 
quartett in  g-moll,  op.  27  (die  Herren  H.  Marteau,  E.  Raymond,  W.  Pahnke  und  A.  Reb- 
berg), Sonate  in  a-moll  für  Piano  und  Violoncell,  op.  36  (die  Herren  Consolo  und  Rehberg), 
Sonate  No.  3  in  c-moll,  op.  45  für  Piano  und  Violine  (die  Herren  Consolo  und  Marteau). 
Die  Vortrige  waren  sehr  interessant  und  genussreich.  Prof.  H.  Kling. 

HAAG:  Wo  so  viel  Kammermusik  geboten  wird,  wie  hier,  ist  es  ein  Ereignis  zu 
nennen,  dass  das  «Pariser  Quartett''  drei  Konzerte  mit  steigendem  Erfolge  geben 
konnte.  Vor  allem  wird  die  Wiedergabe  Mozartscher  Kompositionen  sehr  gepriesen.  — 
Das  grOsste  Interesse  in  dieser  Saison  hat  bis  jetzt  der  junge  Violinvirtuose  Jan  Kubelik 
auf  sich  zu  lenken  gewusst.  Ich  habe  den  Virtuosen  mehr  bewundert»  als  den  denken- 
den Künstler.  Kubelik  spielte:  Sonate  in  C  von  Grieg,  das  fünfte  Konzert  von  Vieuxtemps, 
Campanella  und  Variationen  über  „Nel  cor''  von  Paganini.  Ein  interessantes  Programm 
brachte  das  Konzert  von  L6on  Moreau  (Pianist-Komponist)  und  von  Jan  ten  Have  (Violine). 
G.  Fauvre's  Sonate  op.  13,  Bachs  Violinsonate  in  g  und  vier  Kompositionen  für 
Klavier  von  Moreau.  Beide  Künstler  hatten  viel  Erfolg,  besonders  sprachen  die  Kompo- 
sitionen Moreau's  sehr  an.  Otto  Wernicke. 

HALLE  a.  S.:  Der  treffliche  Mfinchener  Singer  Franz  Bergen  hatte  den  Mut,  einen  Roh. 
Ftanz-Liederabend  zu  veranstalten  und  kam  in  der  Geburtsstadt*des  Komponisten  gerade 
noch  auf  seine  Kosten.  Alex.  Petschnikolf  trug  in  einem  Solistenkonzert  die  d-moU 
Violin-Sonate  von  Brahma  mit  herzlich  wenig  Stilgefühl  vor,  entschidigte  aber  dafür  hinter- 
her durch  die  exzellente  Wiedergabe  von  Mozarts  A-dur-Konzert.    Anton  Foerster  ent- 


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DIE  MUSIK  III.  6. 


zackte  an  einem  eignen  Klavierabend  durch  sein  echtes  Chopinspiel  und' faszinierte  mit 
Liszts  Legende  ,,Der  heilige  Franziskus  über  die  Wogen  schreitend*,  der  f-moll-Konzert- 
etude  und  E-dur-Polonaise  Zuhörer  und  Kritik.  Jos.  Joachim  und  Eugen  d' Albert  gaben 
einen  Sonaten-Abend,  an  dem  Seb.  Bach  mit  der  E-dur-Sonate,  Mozart  mit  der  zweiten 
in  A-dur,  Brahma  mit  der^G-dur  und  Beethoven  mit  der  c-moll-Sonate  op.  30  zu  Worte 
kamen.  Das  Publikum  brachte  beiden  Kfinstlem  stürmische  Ovationen  dar,  obgleich 
Joachim  in  rein  technischer  Hinsicht  längst  nicht  mehr  genügt.  Im  zweiten  Philh. 
Konzert  erlebte  Hugo  Wolfe  symphonische  Dichtung  „Penthesilea*  für  Deutschland  die 
UraufTQhrung.  Vieles  hslte  ich  im  1.  und  2.  Satz  für  gelungen,  über  den  3.  möchte  ich 
mich  erat  nach  wiederholtem  Anhören  äussern.  Felix  Berber  spielte  ganz  unvergleichlich 
Beethovens  Konzert  fQr  Violine.  Martin  Frey. 

KÖLN:  im  dritten  Gfirzenich- Konzert  interessierte  Wolf-Ferrari's  Werk  .Das  neue 
Leben*  in  lebhafter  Weise  und  eine  vortreffliche  Auffuhrung  unter  Steinbach  Hess 
die  erfinderische  Eigenart  des  jungen  Tonsetzers,  sein  kühnes  Anstreben  neuer  Klang- 
wirkungen, wie  seine  geschickte  Weise,  sich  dem  Danteschen  Dichtungsgehalt  anzupassen, 
zu  klarer  und  vollständiger  Wirkung  kommen;  dass  aber  Wolf-Ferrari's  Charakterisierungs- 
kunst  vorwiegend  einen  mehr  äusserlichen  Eindruck  macht  und  somit  beim  Hörer  nicht 
sehr  tief  greift,  kann  nicht  verachwiegen  werden.  In  der  Baritonpartie  schuf  Karl  Scheide- 
mantel eine  glänzende  Leistung,  während  die  kleine  Sopranaufgabe  durch  Erika  Wede- 
kind bestens  zur  Geltung  gebracht  wurde.  Paul  Hiller. 

KOPENHAGEN:  Für  unsere  Hauptstadt  war  der  November  eine  musikalisch  sehr  leb- 
hafte Zeit.  Obschon  besondere  Neues  oder  Hervorragendes  nicht  geboten  wurde, 
war  die  Ausbeute  doch  im  ganzen  eine  sehr  schöne.  Der  Musikverein  brachte  P.  E.  Lange- 
MüUera  ältere,  teilweise  etwas  locker  aufgebaute,  aber  poetische  Symphonie  .Herbst*, 
später,  als  schon  fest  veraltete  Neueinstudierung  »Die  Walpurgnisnacht*;  der  Cäcilienverein 
Bachs  Johannes-Passion;  Wolfgang  Hansens  «Philharmonische  Soireen*  das  beliebte, 
leicht  zugängliche  Quintett  von  Otto  Mailing,  ein  älteres  Klaviertrio  von  Gustav  Helstedt, 
ein  stimmungsvolles  Werk  von  etwas  nordischem  Ton,  und,  ziemlich  erfolglos,  eine  neue 
Cello-Sonate  von  G.  Höeberg.  —  Sonst  gab  es  jedenfalls  mit  Ausnahme  von  den  immer 
guten  «Palaiskonzerten*  (Joachim  Andersen)  meistens  Solistenkonzerte.  Von  Ausländem 
konzertierten:  Hugo  Becker  und  Borwick  mit  viel  Glück,  ferner  Sarasate  bei  spärlich 
besuchtem  Haus.  —  Bei  den  Voratellungen  des  »Oberbrettls*  des  Baron  v.  Wolzogen 
muteten  die  fein  abgetönten  und  sicher  pointierten  Gesangsvorträge  der  Frau  v.  Wolzogen 
künstlerisch  an.  —  Von  unseren  eigenen  Solisten  machten  sich  besonders  bemerkbsr  ein 
debütierender  Klavierapieier  Herr  Rihl  und  der  noch  jugendliche  Violinist  Julius  Thomberg, 
der  wirklich  das  Zeug  zu  einem  bedeutenden  Virtuosen  bat.      William  Behrend. 

KRAKAU:  Die  neue  Saison  nahm  einen  vielveraprechenden  Anfang.  In  zwei  Gast- 
Konzerten  der  unter  Leitung  Alexander  Rajchmanns  stehenden  Warachauer  Phil- 
harmonie ward  dem  hiesigen  Publikum  zum  ersten  Mal  die  Gelegenheit  geboten,  diese 
hervorragendste  polnische  Musikkörperachsft  sowie  deren  Dirigenten,  den  in  jeder  Hin- 
sicht modernen,  bedeutendsten  polnischen  Pultvirtuosen  Emil  Mlynaraki  kennen  zu  lernen. 
Unserem  durch  europäische  Philharmonie-Konzerte  verwöhnten  Ohr  dünkte  die  Wieder- 
gabe der  polnischen  Werke,  wie  Noskowski's  nicht  ganz  origineller  Variationen  „Zzycia* 
(worunter  die  beste  «Die  Elegie*),  Paderewski's  feininstrumentierter,  echt  sarmatische 
Schwermut  atmender  «Melodie**  und  Zelenski's.^Zwischenakt*  aus  dem  Drama  «Wit  Stwosz* 
weit  vollendeter,  als  jene  Beethovens,  Wagners  und  Richard  Strauss'.  —  Den  Reigen  der 
Konzert-Grössen  eröffnete  Alfred  Grünfeld,  der  uns  insbesondere  durch  die  prachtvolle 
Wiedergabe  von  Wagner-Brassins  «Feuerzauber*  entzückte.  Ihm  folgte  der  hiesige  viel- 
veraprechende  Leschetizki- Schüler  Ignacy  Friedmann,  in  dessen  Programm  uns  eine 
Komposition  des  hiesigen  Prof.  Felicyan  Szopski  angenehm  auffiel.    Bernard  Scharlitt. 


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KRITIK:  KONZERT 


LEIPZIG:  Das  eigentliche  Musikereignis  der  letzten  Wochen  und  wohl  tucb  der  gtnzen 
bisherigen    Konzertsaison    bildete    die   vom    Riedel -Verein    unter   Hofkapellmeister 
Dr.  Göhler  unternommene  Busstags -AuffQhrung  der  «Grande  Messe  des   morts*  von 
Hector  Berlioz.    Schon  abends  zuvor  bei  der  Generalprobe  war  die  weite  Thomaskirche 
bis  auf  den  letzten  Platz  besetzt  —  und  bei  der  Auffuhrung  standen  die  Hörenden  dicht- 
gediüngt  selbst  in   den   Gingen   noch.     Göhler  brachte   das   imposante   Werk  in   der 
originalen  Instrumentenbesetzung  mit  den  vier  Nebenorchestern,  mit  einem  Chore  von 
nahezu  500  Stimmen  und  mit  Herrn  Urlus  als  vortrefflichem  Interpreten  des  Tenorsolos 
sicher,   ziemlich  ausdrucksvoll  und  wirklich  wirksam  zur  Wiedergabe,  und  wenngleich 
einzelne  Details  der  Aufführung  und  die  vom  Dirigenten  für  die  Programme  geschriebene 
Einführung  eine  rückhaltlosere  künstlerische  Hingabe  an  das  eigenartig-kühne  Werk  ver- 
missen Hessen,  so  muss   doch   die   in   ihrer   Gesamtheit  schöngelungene   Tat  Göhler 
und  dem  Riedel-Verein  mit  vielem  Dank  und  zu  höchstem  Ruhm  angerechnet  werden. 
Es  war  da  doch  endlich  wieder  einmal  etwas  „Unbeschreibliches*  getan  gegenüber  dem 
allzuvielen  «Verginglichen**  und  „Unzulinglichen**  unseres  sonstigen  Konzertlebens.   Das 
Böhmische  Quartett,  das  in  Gesellschaft  einer  minderwertigen  Gesangssolistin  Catsie 
Helmrich-Hofmeister  und  der  vortrefflichen  Martha  Remmert  konzertierte,  spielte  nicht 
so  sauber  und  tonschön  als  sonst;  die  sehr  begabte  Klavierspielerin  Clara  Birgfeld,  die 
im  Verein  mit  der  werdenden  Sängerin  Barth-Schirmer  debütierte,   und   der  technisch 
hochentwickelte    Pianist   Waldemar    Lütschg,    der    den     anspruchslosen     Liederabend 
von  Hansi  Delisle  verschönte,   stellten   den  Hörenden   gute   Wechsel   für  die   Zukunft 
aus;  Sanna  van  Rhyn  und  Franz  Bergen  brachten  in  gut  künstlerischer  Weise  weniger 
bekannte  Lieder  und  Duette  älterer  Meister   und   jüngster  Gesellen  zum  Vortrag;  Fritz 
von    Böse   machte  in    rühmenswerter   Ausführung    mit   Wilhelm    Bergers   etwas   zer- 
pflückter   H-dur-Klaviersonate  op.  76   bekannt    und   hatte   zu   trefflichen    Mitwirkenden 
für  F.  W.  Rusts  d  moll-Sonate  und  für  Schuberts  Es-dur-Trio  den  Hamburger  Konzert- 
meister Ottokar  Kopecky   und   den   einheimischen  Violoncellisten    Robert  Hansen   ge- 
wonnen,   und    begeisterte    Aufnahme    fand    rechtens    wieder   Camilla    Landi,   die   dies- 
mal   an    einem    eigenen    Liederabend    ihre    schöne    Gesangskunst   offenbarte.     Tiefste 
künstlerische     Freude     rief    eine    Gewandhaus  -  Kammermusik    hervor,    in    der    nur 
Werke  von  Brahms  erklangen  und  das  herrliche  Hörn  -  Trio   und  das  g  -  moU  -  Klavier- 
quartett   mit    Eugen    d' Albert    als    berufenstem    Brahms  -  Interpreten    am    Flügel    des 
Meisters   allermenschlichstes   a  -  moll  -  Streichquartett   umschlossen.     Im    vierten   Phil- 
harmonischen   Konzert,    dessen    Solistin    die    gefeierte    Franceschina    Prevosti    war, 
gelangte    unter    Windersteins    Leitung    Hugo    Wolfs    »Penthesilea*    zur   Uraufführung 
und    wurde    mit   berechtigtem    Interesse    aufgenommen.     Schlimm    war    es    um    das 
siebente   Gewandhauskonzert  bestellt,  in   dem    man    sich    nicht   nur   einen    ganz   ge- 
wandhausunreifen   Petersburger   Geiger,    Herrn    Besekirsky,    gefallen    lassen   musste, 
sondern  auch  bei  den  Orchestervortrilgen  kleine  Versehen   und  eine  wohl   mit  durch 
die    beängstigenden    Vorkommnisse     beim    Tschaikowskyschen    Violinkonzert    hervor- 
gerufene   Nervosität    und    Derbheit    der    Ausführung    zu    bemängeln    hatte.     Webers 
Euryanthen  -  Ouvertüre    und    Wagners    „Eine    Faust  -  Ouvertüre*    verkümmerten    unter 
solcher  Behandlung,   und   erst  bei  den   drei  letzten  Sätzen  der  e-molI-Symphonle  von 
Brahms  standen  Dirigent  und  Orchester  wieder  auf  Gewandhaushöhe.   Das  Auftreten  des 
Hofkapellmeisters  Franz  Mikorey  und  der  Dessauer  Kapelle  im  vierten  Eulenburg-Konzert 
brachte  namentlich  hinsichtlich  des  im  vorigen  Jahre  mit  so  grosser  Reklame  in  Szene 
gesetzten  jungen  Dirigenten  eine  grosse  Enttäuschung!   Herr  Mikorey  scheint  einer  jener 
Kapellmeister  zu  sein,  die  nicht  die  Partitur  im  Kopfe,  sondern  den  Kopf  in  der  Partitur 
haben  und  denen  somit  eine  geistig-freie  Interpretation  versagt  bleiben  muss.  Das  Orchester 


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DIE  MUSIK  III.  6. 


war  zu  dfinn  fQr  die  Alberthalle,  und  Cornelius'  «Barbier-Oaverture",  Liszts  .Tasto"  nnd 
Beethovens  »Siebente*  blieben  daher  ziemlich  eindruckslos.  Herr  Loritz  trug  dazwischen 
mit  sympathischem  Stimmklang  den  »Schiller-Hymnus*  von  Richard  Strauss  und  Loewes 
Balladen-Cyklus  »Gregor  auf  dem  Stein"  vor.  Arthur  Smolian. 

LONDON:  Es  geht  ein  Singen  und  Klingen  durch  die  Riesenstadt.  Die  grossen  f&r 
die  grellftrbigen  Plakate  bestimmten  Mauern,  Giebel  und  Dicher  sind  so  voUstindig 
bedeckt  mit  Lockungen,  Musik  zu  hören,  dass,  wenn  der  italienische  König  mit  seiner 
Gemahlin  in  diesen  Tagen  durch  London  ziehen  wird,  er  die  britische  Metropole  schier 
als  Polyhymniens  Winterpalast  ansehen  msg.  »Die  Masse  muss  es  bringen,*  dieses 
Motto  scheint  bei  unseren  Entrepreneuren  das  wichtigste  künstlerische  Stichwort.  Durch- 
schnittlich laden  zwei  Konzertgeber  die  Freunde  der  Kunst  täglich  in  je  eine  der  grossen 
Musikhallen  der  Hauptstadt,  das  macht  per  Tag  mindestens  acht  bis  zehn  Veranstaltungen. 
Kein  Wunder,  dass  mit  Ausnahme  wirklich  hervorragender  Dsrbietungen  das  Freibillet 
in  Permanenz  erkürt  ist.  Tout  comme  chez  nous!  Von  den  Veranstaltungen,  die  der 
Erwähnung  wert  erscheinen,  sei  diesmal  eines  Konzertes  gedacht,  das  zwei  deutsche 
Mftnnergesangvereine  zum  besten  des  deutschen  Hospitals  in  dem  vornehmsten  Konzert- 
saal Londons,  der  St  Jsmes's  Hall  darboten.  Der  materielle  Erfolg  war  dank  dem  un- 
erschöpflichen Wohltitigkeitssinne  der  deutschen  Kolonie  ein  glinzender,  der  kfinst- 
Jerische  ein  sehr  befriedigender.  Die  beiden  Chöre,  »Freundschaft*  und  »West  London* 
genannt,  zeigten  unter  ihrem  tfichtigen  Leiter,  Herrn  Sondermann,  eine  löbliche  kSnst- 
lerische  Disziplin  und  eine  nicht  geringe  Intelligenz.  Man  darf  das  soziale  Moment  nicht 
ausser  acht  lassen,  wenn  man  den  Leistungen  gerecht  werden  will.  Die  Mitglieder  sind 
meist  Handwerker  und  junge  Kaufleute,  die  sich  die  wenigen  Stunden  zur  Obung  mit 
Mühe  und  strenger  Selbstzucht  absparen  müssen.  Der  Vortrag,  namentlich  der  Volks- 
lieder, erinnerte  an  die  besten  Muster.  —  Die  Richter- Konzerte  haben  wieder  begonnen 
und  dieselbe  freudige  Teilnshme  gefunden,  die  ihnen  nun  all  die  Jahre  hindurch  treu 
blieb.  Auch  die  Kruse-Konzerte,  die  im  vorigen  Jahre  einen  künstlerischen,  sber  sehr 
geringen  geschiftlichen  Erfolg  finden,  scheinen  diesmal  einen  grösseren  Kreis  anzuziehen. 
Berlioz  ist  unter  der  Ägide  von  Richter  wie  von  Weingartner  die  Mode  des  Tsges. 
Freilich  nur  die  Mode,  denn  so  recht  tief  gehen  die  Spuren  des  französischen  Meisters 
in  die  grosse  Masse  nicht.  Es  war  übrigens  interessant,  die  beiden  deutschen  Orchester- 
leiter zu  vergleichen;  für  den  gesunden  Dr.  Richter  schien  Berlioz  weniger  zu  taugen, 
als  für  seinen  feinfühligen  Kollegen  Weingartner.  —  Kubelik,  Busoni,  Leonard  Borwick, 
Josef  Hofmann  und  ein  ganzes  Heer  von  kleineren  Göttern  und  Götzen  stehen  auf 
dem  tSglichen  Programm  und  verheissen  bis  in  die  Weihnachts-Woche  ein  singendes, 
klingendes  Heer  von  grossen,  mittleren  und  kleinen'Genüssen.  A.  R. 

MAGDEBURG:  Der  Monat  November  lieferte  eine  reiche  Ausbeute  an  geistlicher 
Musik.  Der  Brandtsche  Gesangverein  führte  unter  Musikdirektor  Brandt  mit  der 
Herzog  in  trefflicher  Weise  Haydns  Schöpfung  suf  und  der  Kirchengesangverein  unter 
Musikdirektor  Kauffmann  mit  der  Geller- Wolter  und  anderen  Solisten  das  Requiem  von 
Georg  Henschel:  ein  geist-  und  gemütvolles,  grosszügiges  Werk,  tiefergreifend  in 
seinen  Einzelheiten.  Auch  hier  war  ein  voller  Erfolg  festzustellen.  —  Im  »Kauf- 
männischen Verein*  hörte  man  u.  a.  ein  neues  kleineres,  lustiges  Werk  von  Waldemar 
von  Baussnem  (noch  Manuskript),  eine  Ouvertüre  nach  dem  Motto:  »Treibt  der 
Champagner  das  Blut  erst  im  Kreise*.  Eine  feurige  vino  d'Asti  spumante  Melodie  taucht 
inmitten  übermütig  witziger  Orchesterklinge  auf,  ein  Symposion  bildet  den  Schluss: 
eine  feine  und  geistvolle  Arbeit.  —  Godowsky  sass  am  Flügel  wihrend  des  Konzertes 
von  Saint-Saöns.  Im  letzten  Harmoniekonzert  hörte  man  Prof.  Heerman  das  Violin- 
konzert von  Strauss  spielen:  eine  Meistergeige  und  ein  Meistergeiger.  —  Joachim  nnd 
d'Albert  gaben  einen  Sonatenabend  und  wurden  sehr  gefeiert.  Max  Hasse. 


475 
KRITIK:  KONZERT 


MAINZ:  Wie  auch  anderwärts  bat  unter  Konzertleben  in  der  neuen  Saison  wieder 
eine  quantitative  Steigerung  aufzuweisen.  In  Zahl  und  Gestalt  gleich  geblieben 
sind  eigentlich  nur  die  stidtischen  Symphoniekonzerte,  während  die  Zahl  der  grossen 
ChorauffOhrungen  der  Mainzer  Liedertafel  auf  sechs  gestiegen  ist,  drei  Konzerte  fOr 
die  Mitglieder  und  drei  Volkskonzerte.  Zu  den  sechs  Kammermusikveranstaltungen  der 
Liedertafel,  die  teils  durch  das  Heermannsche  Quartett,  teils  durch  die  hiesige  Quartettver- 
einigung ausgeführt  werden,  sind  noch  zwei  Abende  Kammermusik  für  Bläser  hinzugekommen. 
Rechnet  man  dazu  nun  noch  die  Fülle  von  Solisten-,  Kirchen-,  Männerchor-  und  sogar  Pianola- 
konzerten,  so  kann  man  sich  immer  nur  wundem,  woher  alle  die  Leute  kommen,  die 
diese  FClIe  der  Musik  auf  sich  wirken  lassen,  denn  über  schlechten  Besuch  der  meisten 
dieser  Konzerte  kann  man  nicht  klagen.  Aber  auch  qualitativ  kann  ich  gutes  berichten. 
Die  drei  bisher  stattgefündenen  Symphoniekonzerte  unter  Emil  Steinbachs  Leitung 
brachten  neben  bewährten  Werken  unserer  Grossmeister  auch  verschiedene  moderne  und 
zwar  mit  bestem  Erfolg;  so  neben  der  bereits  früher  aufgeführten  cmoll-Symphonie  von 
Glazounow,  Tschaikowsky's  leidenschaftliche  und  glühende  Tondichtung  „Francesca  da 
Rimini*.  Einen  sehr  guten  Eindruck  machte  auch  Boehes  Odysseus  (I).  Das  klangschöne 
und  von  natfirlichem  Empfinden  getragene  Werk  fand  eine  ganz  vortreffliche  Wiedergabe. 
Dasselbe  gilt  auch  von  Dohnanyi's  Symphonie,  die  Steinbach  schon  in  voriger  Saison 
mit  Erfolg  aufgeführt  hatte.  Fast  noch  besser  gefiel  der  Komponist  als  Pianist.  Er 
spielte  Beethovens  G-dur-Konzert  ganz  vortrefflich.  Von  den  übrigen  Solisten  interessierte 
besonders  Edith  Walker.  —  Im  ersten  Quartettabend  der  Liedertafel  wirkte  vor  allem 
Verdl's  Quartett  durch  eine  geradezu  meisterhafte  Vorführung  seitens  Heermann  und 
Genossen;  im  darauffolgenden  Abend  der  Mainzer  Vereinigung  trat  neben  dem  Streich- 
quartett zum  ersten  Male  die  neue  Bläservereinigung  erfolgreich  mit  Beethovens  Es-dur 
Sextett  auf.  —  Das  erste  Chorkonzert  der  Liedertafel  brachte  Händeis  F-durKonzert  für 
Orgel  und  Orchester,  von  Dr.  Reimann  (Berlin)  ganz  wunderbar  gespielt.  Glucks  Orpheus, 
in  dem  Therese  Behr  die  Titelpartie  mit  dramatischer  Lebendigkeit  und  dem  ganzen 
Klangzauber  ihrer  edlen  Stimme  durchführte,  von  Marie  Blanck-Peters  (Eurydice)  und 
FrL  Hubert  (Amor)  aufs  beste  sekundiert.  Als  Novität  erschien  in  diesem  Konzert 
Fritz  Volbachs  ,,Raffael*  für  Chor,  Orchester  und  Orgel  unter  des  Komponisten  Leitung 
zum  ersten  Male  in  all  seinen  Teilen.  Dr.  Fritz  Volbach. 

METZ:  Der  „Metzer  Konzertverband*  veranstaltete  eine  Aufführung  des  Verdischen 
Requiems.  Zweck  und  Ziel  des  Verbandes  ist  Metz,  die  westlichste  Stadt  Deutsch- 
lands, zu  einer  Musikstadt  von  Rang  und  Bedeutung  emporzuheben.  Die  begeisterte 
Aufhabme  dieser  Idee  von  selten  aller  Bevölkerungsschichten,  das  freudige,  opfermutige 
Mitwirken  der  zum  Teil  vorzüglichen  Militärkapellen,  die  Besetzung  der  Dirigentenstelle 
mit  einer  ersten  Kraft,  das  alles  half  dem  Verband  durch  die  ersten,  kritischen  Jahre 
hindurch  und  verschaffte  uns  eine  Requiemaufführung,  die  das  Bestehen  des  Verbands 
als  zweifellos  gesichert  erscheinen  Hess.  Chor  und  Orchester,  aus  über  400  Personen 
bestehend,  war  von  grösster  Reinheit  und  Präzision.  Unter  den  Solisten  boten  Dr.  Kraus 
und  Tilly  Hinken-Kahnbley  makellose  Leistungen.  Der  Dirigent  Walther  Unger  erwies 
sich  als  ein  durchaus  sicherer,  grosszügiger  Führer.  Otto  Weih 

NEW  YORK:  Unsere  Konzert-Saison  eröffnete  Hermann  Hans  Wetzler  mit  seinem 
ersten  Symphonie-Konzert.  Programm:  Siebente  Symphonie  von  Beethoven,  Mazeppa 
von  Liszt,  Violin-Konzerte  von  Mozart  in  Es-dur  und  Saint-Saöns  in  f-moll  (Jacques  Thibaud). 
Wetzler  bat  ein  ganz  ausgezeichnetes  Orchester  ersten  Ranges  engagiert  und  es 
durch  sorgnitige  Proben  trefflich  geschult  Seine  Leistungen  sind  viel  reifer  als  in 
voriger  Saison,  nur  neigt  er  etwas  zu  sehr  zum  Verlangsamen  der  Tempi,  besonders  im 
Trio  des  Beethovenschen  Presto.    Mazeppa  gelang  vorzüglich.    Thibaud  ist  ein  Geiger, 


476 
DIE  MUSIK  IIL  a 


wie]  man' [ihn  selten  antrifft.  —  Die  ,» Abschiedskonzerte«  von  Adelina  Patti  waren  ein 
kfinstlerisches  Fiasko.  —  Das  Kneisel-Qturtett  spielte  in  seinem  ersten  Konzert  vor  aus- 
▼erkauftem  Hause  Schuberts  d-moll- Streich-Quartett  und  eines  in  G-dur,  op.  15  von 
A.  Kopylow,  dazwischen  trugen  Harold  Bauer  und  Alwin  Schroeder  die  A-dur  Cello-Sonate 
von  Beethoven  meisterlich  vor.  Kopylows  Quartett  ist  eine  tüchtige  Arbeit,  aber  nicht 
mehr.  Es  fehlt  an  jeglicher  Inspiration.  Die  Themen  sind  nicht  fesselnd.  Seit  die  vier 
Künstler  aus  dem  Bostoner  Orchester  ausgetreten  sind,  scheinen  ihre  Leistungen  noch 
zu  wachsen.  —  Richard  Arnold  spielte  mit  seiner  Vereinigung  im  ersten  Liederkranz- 
Kammermusik- Konzert  das  Quartett  in  P-dur  op.  96  von  DvoHk  und  ein  Sextett-Diver- 
timento op.  53  von  Gemsheim.  —  Einen  grossen,  echten  Erfolg  hatte  der  junge  blinde 
Violinist  Edwin  Grasse,  der  nach  seinen  europiischen  Triumphen  in  der  Heimat  debütierte. 
Er  ist  ein  ausgesprochenes  Talent.  In  seinem  ersten  Konzert  mit  Orchester  (Wetzler) 
in  Carnegie  Hall  spielte  er  die  Konzerte  in  E-dur  von  Bach,  D-dur  von  Brahma  und  die 
Schottische  Phantasie  von  Bruch  mit  glänzender  Technik  und  viel  Innigkeit.  —  Stürmisch 
gefeiert  wurde  Edouard  Colonne,  der  das  erste  Konzert  der  Philharmonischen  Gesellschaft 
leitete.  In  der  Ouvertüre  «Patrie«  von  Bizet,  einem,  wenn  auch  nicht  gerade  hervorragen- 
den, so  doch  äusserst  interessanten  Werke,  und  in  der  »Fantastischen  Symphonie«  erwies  sich 
Colonne  als  Dirigent  ersten  Ranges.  Thibaud  war  wieder  der  Solist  und  hatte  einen  Riesen- 
erfolg, trotzdem  er  das  stellenweise  langweilige  Konzert  in  F-dur,  op.  20  von  Lalo  spielte. 
—  Julius  Lorenz  brachte  im  Arion-Konzert  die  Ouvertüre  ^Römischer  Karneval«  von 
Berlioz  und  den  »Karfreitags-Zauber«  mit  gutem  Gelingen  zur  Aufführung.  —  Zum  ersten- 
mal erschienen  hier  auf  einem  Programm  Kompositionen  von  Hugo  Wolf.  Der  amen- 
kanische  Tenorist  Kelley  Cole  sang  in  seinem  Recital  fünf  Lieder  des  hier  noch  gänzlich 
unbekannten  Komponisten,  konnte  aber,  obgleich  er  eine  hübsche  Stimme  besitzt,  infolge 
vollkommener  Verständnislosigkeit  für  den  Inhalt  und  ungewöhnlich  schlechter  Aus- 
sprache des  Deutschen  es  zu  keinem  Erfolge  bringen.  Arthur  Laser. 

NÜRNBERG:  Unser  philharmonischer  Verein  spart,  und  das  ist.  nicht  nur  sein  künst- 
lerischer Schaden ;  bei  den  Solisten  fehlen  die  Namen,  die  bei  dem  »grossen  Publikum« 
(und  das  füllt  doch  schliesslich  die  Säle  und  Kassen)  zugkräftig  sind,  und  die  Programme 
entbehren  jeden  Reizes.  Hermine  Bosetti  sang  im  ersten  Konzert,  sicher  und  gut, 
aber  nicht  ganz  mit  dem  Herzen,  und  Frau  Langenhan-Hirzel  meisterte  in  ihrer  nervös- 
leidenschaftlichen  und  persönlichen  Art  das  Klavier.  Kapellmeister  Bruch  konnte  seine 
ganze  Kunst,  modemer  Musik  eigenes  Leben  einzuhauchen,  erst  im  Orchestervereins- 
konzert beweisen,  wo  er  S.  v.  Hauseggers  »Barbarossa«  technisch  und  geistig  hervor- 
ragend herausgebracht  hat.  J.  S.  Bachs  Konzert  No.  6  für  Soli  und  Orchester  hätte 
bis  auf  den  Schlusssatz  weniger  pedantisch-würdig  aufgefasst  werden  können.  Warum 
so  viele  Dirigenten  bei  dem  Namen  »Bach«  sofort  eine  Miene  annehmen,  als  wenn  sie 
selbst  Perrücken  trügen  und  als  wenn  dieser  Seelenmeister  niemals  ein  herzliches,  fröh- 
liches Gesicht  gemacht  hätte!  Femer  sang  noch  Ella  Tordek  und  ftmd  dank  mancher 
ausserhalb  der  Kunst  stehenden  Vorzöge  reichen  Beiftll.  An  demselben  Abend  ver- 
sündigte sich  der  zweite  Kapellmeister  unserer  Oper  B.  Hartl  an  Webers  Konzertstück. 
Bruch  spielte  mit  seinen  Philharmonikem  Svendsens  frische  und  gut  instramentierte 
Symphonie  in  D  und  wusste  der  Goldmarkschen  »Sakuntala«  frischen  Farbenzauber  zu 
schenken.  Von  Sängem  hörten  wir  noch  Ludwig^Hess  mit  einem  prachtvollen  Liederabend 
und  Bertram  mit  seinen  grandiosen  Leistungen  als  Wagnersänger.  Von  den  mitwirkenden 
Pianisten  Bmno  Hinze-Reinhold  und  Alex.  Dillmann  ist  der  letztere  unzweifelhaft  der 
bedeutendere  und  interessantere.  —  Das  Kaimorchester  hat  uns  unter  Weingartner 
Brahms'  II.  gebracht.  Liszts  »Mazeppa«  wirkte  danach  doch  nur  wie  effektvolle  Deko- 
ration und  das  Publikum  hat  sich  an  Mendelssohns  .Sommemachtstraum«  am  meisten 


477 
KRITIK:  KONZERT 


erfreut  Im  zweiten  Konzert,  einer  antizipierten  Berliozfeier,  dirigierte  Peter  Raabe  den 
Harold  und  die  Fantastische.  Den  Violapart  hat  Hermann  Ritter  wieder  einmal  un- 
übertrefflich gespielt.  Endlich  noch  ein  Konzert  des  Vereins  für  klassischen  Cbor- 
gesang!  Programm:  zwei  Kantaten  von  Bach  und  Brückners  Te  deum.  Infolge  einer  unge- 
schickten, akustisch  unmöglichen  Aufstellung  in  der  Lorenzkirche  ist  ein  abschliessendes 
Urteil  ausgeschlossen.  Schade  jedenfalls  um  die  M&he  und  Arbeit.  Gehört  hat  man 
Organisiertes,  Abgestuftes  und  machtvoll  Hinreissendes  fast  gar  nicht;  alles  wurde  von  den 
ungeheuren  Säulenwölbungen  unbarmherzig  verschlungen.  Dr.  Fla  tau. 

PARIS:  Während  bei  Lamoureux,  nach  der  hier  herrschenden  Unsitte,  ein  Akt  der 
Götterdimmerung  die  Saison  eröffnete,  wurde  im  Chatelet  Berlioz  gefeiert,  zuerst 
durch  die  Fantastische  Symphonie,  dann  durch  seine  zum  Teil  uninteressanten  Ouvertüren, 
deren  eine  jedes  Programm  einleitet.  Colonne's  Reise  nach  Amerika  gab  uns  Gelegenheit, 
in  dem  bekannten  Komponisten  Piern6  einen  schwungvollen  und  sicheren  Dirigenten  zu 
erkennen.  Die  von  ihm  geleitete  Symphonie  von  Franck  war  auch  eine  Gedenkfeier,  das 
Lamento  für  Allerheiligen  Tag  des  eben  verschiedenen  Joncidres  leider  in  doppeltem 
Sinne  ein  Gelegenheitsstuck.  Von  Novitäten  hörten  wir  bei  Chevillard  eine  fleissig 
gearbeitete  Symphonie  von  Wittkowsky,  eine  nicht  reizlose  symphonische  Dichtung  von 
Busser  , Herkules  im  Hesperidengarten* ;  bei  Colonne  das  farbenreiche  Tongemälde  von 
Glazounow  „Stenka-Razin*  und  ein  von  Capet  glänzend  gespieltes  Violinkonzert  von 
Gemsheim,  das  sich  durch  melodischen  Reiz  und  solide  Faktur  auszeichnet.  Zu  erwähnen 
ist,  dass  man  hier  im  Begriff  ist,  Liszt  zu  entdecken:  wie  zuvor  die  Faust-Symphonie, 
begegneten  nun  ,»Les  Pr^ludes**  einem  warmen  Empfang  bei  Publikum  und  Presse.  Es 
gibt  wohl  auch  für  die  Toten  eine  Mode!  Sigismund  StojowskL 

PRAG:  Konzerte  und  kein  Endel  Die  deutsche  Philharmonie  brachte,  von  Leo  Blech 
dirigiert,  eine  Programm-Symphonie  in  d-moll  von  Dr.  Georg  Göhler,  worin  sich 
der  zweite  .Verfuhrung''  betitelte  Satz,  ein  Walzer  (statt  der  Menuett)  und  der  vierte 
.Trauer  und  Trost**  als  wertvoll  erwiesen.  Solistin  war  Frau  Schumann-Heink.  Sie  lang- 
weilte mit  einer  faden  Arie  von  Bruch  und  enthusiasmierte  mit  „alten,  lieben  Liedern*. 
Man  sagt,  sie  liebe  Schubert.  Verleumdung!  Ober  den  ersten  Band  des  Schubertalbums 
scheint  die  Liebe  nicht  hinauszureichen.  —  Von  Geigern  hörten  wir  in  letzter  Zeit 
Hubermann,  Ysaye  und  Ondficek.  Drei  »gute  Meister*.  —  Aufsehen  erregte  der  eminente 
Kontrabassvirtuose  Prof.  Kussewitzki  aus  Moskau.  —  Im  Schulvereinskonzert  fand  das 
Vokalquartett  Jong-Behr-Hess-Eweyk  mit  Schumanns  „Spanischem  Liederspiel*  und 
Brahma  .Zigeunerliedem*  nicht  die  gebührende  Würdigung.  —  Der  stark  dezimierte 
Singverein  erfreute  wiederum  durch  ein  sehr  gutes  Programm  (Morley,  Tuma,  Rietsch, 
Wolf).  Hugo  Wolf  selbst  ist  hier  vollends  Mode  geworden,  wie  der  massenhafte  Besuch 
des  Wolfabends  der  „Urania*  bezw.  dessen  Wiederholung  zeigte.  Als  moderne,  intelligente, 
leider  stimmlich  unzulängliche  Liedersängerin  stellte  sich  M.  Ruhen  vor.  Einen  Riesen- 
erfolg hatte  das  Bertram konzert,  trotz  des  nicht  sehr  geschmackvollen  Programmes 
(Eulenburg,  Böhm,  Wagnerfragmente).  Die  Tschechen  führten  zur  Vorfeier  von  Berlioz' 
100.  Geburtstag  „Fausts^Verdammung*  auf.  Deutscherseits  spielte  man  in  der  Philharmonie 
zu  seinen  Ehren  die  „Fee  Mab*  und  den  Rakoczymarsch.  Dr.  R.  Batka. 

RIGA:  Ein  mächtiger  Ansturm  von  Konzerten  hat  sich  hier  in  den  letzten  Wochen 
vollzogen  [und  zwar  gab  es  nicht  nur  Lieder-  und  Klavierabende,  unter  denen 
namentlich  die  von  Lula  Mysz-Gmeiner,  Sofie  Menter  und  des  in  seiner  Art  unübertreff- 
lichen Moriz  Rosenthal  intereasierten,  sondern  auch  Kammermusik-  und  Orchester- 
konzerte waren  in  reichem  Masse  vertreten.  Leider  aber  musste  dat][Brfisseler  Streich- 
quartett mit  seinem  wundervoll  abgeklärten  Ensemble  vor  leerem  Hause  spielen  und  auch 
die  vorzüglichen  orchestralen  Darbietungen  der  Lemberger  Philbarmonikerjeroberten  sich 


478 
DIE  MUSIK  III.  6. 


erst  nach  und  nach  die  Gunst  unseres  Publikums.  Unter  Leitung  ihres  Dirigenten  Czelansky 
veranstalteten  die  demnichst  wiederkehrenden  Lemberger  etwa  10  Konzerte  und  brachten 
Tondichtungen  von  Beethoven,  Tscbaikowsky,  Beriioz,  Wagner  und  Strauss  mit  durch- 
schlagender Wirkung  zu  Gehör.  Das  Programm  wurde  zuweilen  durch  ungereimte  Ein« 
Schaltung  minderwertiger  Kompositionen  nachteilig  beeinflusst  Carl  Waack. 

ROTTERDAM:  Haydns  Jahreszeiten*  fanden  durch  den  gemischten  Gesangverein 
i^Exceisior*  eine  vortreffliche  Wiedergabe.  Musikdirektor  Bernard  Diamant  hatte  sie 
mit  grosser  Sorgfalt  vorbereitet  und  leitete  die  Aufführung  mit  imponierender  Sicherheit 
Von  den  Solisten  zeichneten  sich  besonders  aus:  Alida  Gldenboom-Lfitkeman  und 
W.  Renaud  (Tenor).  «Gemengd  Koor*  (Dirigent  Georg  Ryken)  hat  mit  Erfolg  Emile 
Wambachs  ,»Yolande*  zur  Auffuhrung  gebracht.  Otto  Wernicke. 

SARAGOSSA:  Unter  der  trefflichen  Leitung  von  Kapellmeister  Alonso  Cordelas,  der 
seine  musikalische  Ausbildung  in  Deutschland  erhalten  hat,  fand  ein  Konzert  sutt, 
bei  dem  u.  a.  das  Vorspiel  zu  ^Lohengrin*  und  die  «Jota  Aragonesa*  von  Glinka  unter 
grossem  Beifall  zu  Gehör  gebracht  wurden.  R.  W. 

WIEN:  Die  Wiener  Philharmoniker  haben  sich  entschlossen  in  dieser  Saison  auch 
einmal  russisch  zu  kommen.  Sie  beriefen  dazu  den  Direktor  des  Moskauer 
Konservatoriums,  W.  J.  Safönoff  zur  Leitung  ihres  zweiten  Abonnementskonzertes.  Er 
stellte  ein  Programm  von  durchweg  russischen  Kompositionen  zusammen.  Eine  c-moll 
Symphonie  von  Alezander  Glazounow  machte  den  Anfang.  Sie  zeigt  in  allen  Sitzen 
konstant  nach  Westen,  ist  eine  vortreffliche  Arbeit  und  enthält  Erfindung  genug,  um  das 
Interesse  während  des  Hörens  nicht  erlahmen  zu  lassen.  Einen  tieferen  Eindruck,  der 
als  gewonnene  innere  Erfahrung  dauernd  nachwirkt,  wird  niemand  von  ihr  empfangen. 
Individueller,  wenn  auch  weniger  msgistral,  voll  hfibscher  Klangwirkungen  und 
Berliozscher  Orchesterscherze  ist  Rimsky-Korsakoffs  „Scheherazade*.  Sowohl  das  un- 
gewohnte  aber  fesselnde  Programm  als  der  Dirigent  erregten  das  Interesse  des  Publikums. 
Safönoff  ist  als  Orchesterleiter  eine  Charakterfigur,  ausgezeichnet  durch  Temperament, 
Prignanz  der  Rhythmik  und  imperatorische  Macht  über  den  Instrumentalkörper.  — 
Im  übrigen  signalisieren  die  Programme  das  Herannahen  des  hundertsten  Geburtstags 
Berlioz'.  Der  Wiener  Konzertverein  bot  eine  vortreffliche  Aufführung  der  Fantastischen 
Symphonie,  die  Gesellschaft  der  Musikfreunde  brachte  «Fausts  Verdammung*  mit 
Marcella  Pregi  als  Margarete,  Raoul  Walter  als  Faust  und  Gmür  als  Mephisto.  Beide 
unter  der  Leitung  Ferdinand  Loewes,  dessen  Gewissenhaftigkeit  und  Verständnis  sich  in 
der  Darstellung  beider  Werke  wieder  bewährte.  —  Virtuosenproduktionen  werden  in  einer 
fast  beklagenswerten  Oberzahl  geboten.  Erfreuliches  findet  sich  freilich  darunter.  Wenn 
Ernst  von  Dohnänyi  am  Klavier  sitzt,  ist  man  sicher,  Musik  aus  erster  Quelle  zu  hören. 
Seine  von  jedem  Raffinement  und  aller  Manier  freie,  geniale  Spielweise  entzückte  denn 
auch  die  Hörer.  Liszt's  B-a-c-h-fuge,  Schumanns  „Kreisleriana*  erklangen  wie  an  ihrem 
Geburtstage  in  der  musikalischen  Verstell ungs weit  ihrer  Schöpfer.  Emil  Sauer  ver- 
sammelte seine  grosse  Gemeinde  und  erfocht  für  Liszts  erst  in  den  letzten  Jahren  ge- 
bührend gewürdigte  h-moU-Sonate  einen  grossen  Sieg.  Sofie  Auspitz,  wohl  die  begabteste 
unter  den  Wiener  Klavierspielerinnen,  legitimierte  sich  als  vortreffliche  Kammermusikerin 
in  der  Violoncellsonate  von  Brahms,  die  sie  mit  Wilhelm  Jeral  zu  vollendetem  Vortrag 
brachte,  und  glänzte  durch  ihren  schönen,  gesangvollen  Anschlag  in  Sauers  musikalisch 
glatter  Klaviersonate.  —  Wera  Schapira,  die  vor  zwei  Jahren  als  Wunderkind  viel  ver- 
sprach, hat  bei  ihrem  Wiederauftreten  in  einem  eigenen  Konzert  noch  mehr  gehalten. 
Es  bleibt  nur  zu  sagen,  dass  das  fünfzehnjährige  Mädchen  Bachs  grandiose  Goldberg- 
variationen nicht  nur  mit  nie  versagender  Gedächtnistreue,  sondern  auch  rythmisch  lebendig, 
das  Stimmengewebe  mit  voller  Klarheit  biossiegend    spielte.    Als  Liedersängerin  fknd 


47& 
KRITIK:  KONZERT 


Helene  Staegemann  auch  in  diesem  Jahre  viele  Sympathieen.  Ober  ihren  feinen  Vortrags- 
gescbmack  hinaus  trftgt  sie  ihre  Begabung  bis  zu  tieferen  Wirkungen,  die  sie  mit 
Liedern  wie  Cornelius'  «Untreu*  und  Schuberts  »Nacht  und  Träume*  erzielte.  —  Willy 
Burmester  gewinnt  in  immer  höherem  Grade  die  Gunst  der  Musikfreunde  durch  seine 
Meisterschaft  und  Virtuosität  auf  der  Geige.  —  Als  halbes  Kuriosum  ist  das  Konzert 
des  Kontrabassvirtuosen  Eduard  Madenski  zu  erwähnen.  Dieser  Nachfolger  Bottessini's  ist 
ein  grosser  Meister  auf  seinem  Instrument  und  als  solcher  in  der  Lage,  ihm  auch 
Wirkungen  abzunötigen,  die  seiner  Natur  nicht  gemäss  sind.  Es  ist  schwer,  Grund- 
mauern ohne  Oberbau  zu  architektonischer  Wirkung  zu  bringen.  Der  Reichtum  seines 
Programms  an2Serenaden,  Pastoralen,  Souvenirs  undReverieen  Hess  schliesslich  den  Wunsch 
aufkommen,  zur  Abwechslung  einen  Elefanten  weinen  zu  sehen.    Gustav  Schoenaich. 

WORZBURG:  Das  musikalische  Leben  Wfirzburgs  ist  unbedingt  beherrscht  von  der 
Kgl.  Musikschule,  die  ihren  Ruhm,  trotz  bester  alter  Traditionen  den  akademischen 
Zopf  nicht  aufkommen  zu  lassen,  bewahrt.  Den  besten  Beweis  hiefur  liefert  der  Leiter 
des  Instituts  Hofrat  Dr.  Kliebert  wieder  eben  mit  einer  Auffuhrung  von  Wolfrums  »Weih- 
nachtsmysterium*, wobei  die  moderne  Anordnung  des  Klangkörpers  mit  verdecktem 
Orchester  erfolgreich  zur  Anwendung  kommt.  In  einem  früheren  Konzert  spielte  das 
hier  sehr  beliebte  Böhmen-Quartett.  Von  Privatkonzerten  wirbelte  ein  Symphoniekonzert 
Weingartners  etwas  Staub  auf,  da  er  am  Konzertabend  den  wochenlang  vorher  bestimmten 
Saal  ref&sierte  und  einen  anderen  Raum  wählte.  In  der  Sache  hatte  Weingartner  wohl 
Recht,  die  Form  veranlasste  aber  bittere  Kritik.  Dr.  Kittel. 

ZÜRICH:  Ob  wohl  irgendwo  bei  150000  Einwohnern  eine  grössere  Interessenlosigkeit 
Konzerten  gegenüber  zu  finden  ist,  wie  in  Zürich?  Wenn  der  akkreditierte  Häuser- 
mannsche  Privatchor  neben  andern  Delikatessen  Hans  Hubers  Liederzyklus  »Sangeslust*, 
also  einheimische  Vertonung  bester  einheimischer  Dichtung,  vor  leeren  Bänken  singen 
muss,  so  charakterisiert  das  die  Situation.  Der  sich  sehr  schön  und  vielseitig  ent- 
wickelnde Organist  Isler  konnte  von  Glück  sagen,  dass  die  Kirche,  in  der  er  uns 
mit  mehreren  [selten  gehörten  Werken  bekannt  machte,  leidlich  gefüllt  war,  und  den 
Vogel  schoss  in  dieser  Hinsicht  der  Liederabend  von  Nina  Faliero-Dalcroze  ab,  in  dem 
uns  die  geschickte  Sängerin  speziell  durch  Interpretation  französischer  graziöser  Kompo- 
sitionen ihres  Gatten  entzückte.  Natürlich  ist  das  Stammpublikum  der  Tonhalle-Symphonie- 
konzerte stets  in  alter  Vollzahl  vorhanden  und  fand  sich  auch  zum  Teil  bei  der  Wieder- 
gabe von  Berlioz'  »Totenmesse*  ein,  mit  der  der  junge  Berner  Andrea  als  Nachfolger 
Hegars  in  der  Leitung  des  gemischten  Chors  Triumphe  feierte.  Ferner  kann  hier  noch, 
da  wir  nun  einmal  die  patriotische  Saite  erklingen  Hessen,  Hans  Richard  erwähnt  werden, 
ein  Klaviervirtuos  von  zweifellos  grosser  Zukunft.  Dagegen  konnten  trotz  Hegars  genialer 
Interpretation  weder  Dvoräks  Symphonie  »Aus  der  neuen  Welt*  noch  Weingartners  raffinierte 
zweite  Symphonie  Erfolg  erzielen.  Einen  reicheren  errang'sich  die  Sopranistin  Münchhoff, 
deren  frische  wohlgebildete  Stimme  lebhaften  Eindruck  machte.    W.  Niedermann. 


Als  Illustratioii  zur  Studie  Th.  von  Frimmels  bringen  wir  die  Abbildung  des 
Beethoven-Medeillonsy  daa  Tennutlich  Ton  Jacques  Edouard  Gatteaux  herrührt 

Das  folgende  Blatt  zeigt  uns  das  Schwarzspanierhaus  in  Wien,  das  Beedioven 
vom  Oktober  1825  an  bewohnte.  In  dem  von  spanischen  Benediktinermönchen  einst 
erbauten  Hause  hind  der  Meister,  der  allein  von  1822  bis  Oktober  1825  nicht  weniger  als 
acht  Mal  die  Wohnung  gewechselt  hstte,  endlich  ein  ihm  zusagendes  Heim,  in  dem  er 
auch  am  26.  Mirz  1827  gestorben  ist.  Erfreulicherweise  verwirklicht  sich  der  an- 
fängliche Plan,  das  Gebftude  abzubrechen,  anscheinend  nicht;  das  Stift  Heiligenkrenz 
als  Eigentümer  des  Hauses  will  die  darin  enthaltenen  Bestandteile  der  ehemaligen 
Wohnung  Beethovens  der  Gemeinde  Wien  zur  Errichtung  eines  Beethovenzimmers  über- 
geben; ein  anderer  Plan  geht  dahin,  den  Teil,  der  die  Wohnung  enthielt,  beim  Neubau 
in  unverändertem  Zustand  zu  erhalten.  Einstweilen  hat  am  15.  November  im  Schwarz- 
spanierhaus eine  von  der  Gemeinde  Wien  veranstaltete  Gedenk-  und  Abschiedsfeier 
stattgefunden. 

Auf  der  nächsten  Beilage  erblicken  wir  das  Stuttgarter  Liszt- Denkmal  von 
A.  Fremd  (cf.  die  Notiz  von  Dr.  Karl  Grunsky  Heft  IV,  Seite  294)  nach  einer  Photographie, 
die  uns  die  Stifterin,  Frau  Johanna  Klinckerfuss,  in  liebenswürdiger  Weise  zur  Ver- 
fQgung  gestellt  hat. 

Zum  Gedenkblatt  von  Dr.  Wilhelm  Altmann  (Heft  IV,  Seite  282  u.  283)  gehört  das 
Porträt  Joseph  Mayseders. 

Den  Namen  eines  anderen,  noch  unter  uns  weilenden  Meisters  der  Geige  lesen 
wir  auf  der  Reproduktion  eines  alten  Programms:  am  16.  November  1843  trat  »Herr 
Joseph  Joachim  aus  Wien"  zum  erstenmal  vor  das  Publikum  der  Gewandhauskonzerte. 

Am  23.  November  waren  fünfzig  Jahre  seit  dem  Ableben  von  Friedrich  Schneider 
vergangen.  Wir  veröffentlichen  einen  Brief  im  Faksimile,  der  sehr  interessante 
Streiflichter  auf  den  Charakter  des  Schöpfers  des  ftüber  so  hochgestellten  Oratoriums 
»Das  Weltgericht**  wirft. 

Zwei  unlängst  verstorbene  Komponisten  führen  uns  die  folgenden  Blätter  im  Bild 
vor:  den  Franzosen  Victorin  de  Jonciöres  und  den  Italiener  Crescenzio  Bnongiorno. 

Unsere  diesmalige  Musikbeilage  hat  Felix  Weingartner  zum  Autor.  Das  hübsche 
Lied  nach  den  Worten  von  Martin  Greif  ist  dem  Cyklus  »Mädchenlieder"  op.  32  ent- 
nommen. 


Nachdruck  nur  mit  aosdrScklicher  Xilaubiiit  des  Verkges  g«itatt«t 
Alle  Rechte,  iasbesondere  des  der  Obcrsetsunf  ,  Toibehelten. 

fBr  die  ZoffickseiiduDg  nnTerlangter  oder  nicht  angemeldeter  Mannskripte,  falls  ihnen  nicht  genflgend 

Porto  beiliegt,  übernimmt  die  Redaktion  keine 


Verantwortlicher  Schriftleiter:  Kapellmeister  Bernhard  Schnster 

Berlin  SW.  11,  Luckenwalderstn  1.  III. 


BEETHOVEN -MEDAILLON 
vermutlich  von  Jacques  Edouard 
O     O     O     Gaireaux    o     O     O 


DAS  STUTTGARTER  LISZT- 
DENKMAL   VON   A.  FREMD 


JOSEPH     MAYSEDER 
fZI.  NOVEMBER  1863 


'üBümii 


Siebentes 


ABOMEMENT-CONCERT 

im  Saale  des  Geir^andhauses  zu  Leipzig, 

Donnerstag,  den  16.  November  1843. 


Mlrster  Theii. 

Militär^Symphonie  von  Jos.  Haydn. 

Recilaliv  und  Arte  aus  der  ScliöpfuDg  v.  J.  llaydn ,  gesungen 
von  Miss  Birch. 

And  God  said : 
Leth  ihe  earth  bring  forth  grass ,  Ibe  herb  yielding  seed,  and  ihe  fruil  tree 
]ielding  fruit ,  afler  bis  lünd ,  wbose  seed  is  in  itself  upon  tbe  eartb ,  and  it  was  so. 

Witb  verdure  clad  Ihe  Gelds  appear, 
DeligbtfuI  to  Ihe  ravish'd  sense; 
By  flowers  sweet  and  gay 
Enbanced  is  tbe  charming  sight. 
Here  breathe  their  sweets  the  fragnaot  herbs 
Here  sboots  tbe  bealing  plant 
By  loads  of  fruit  th'expauded  boughs  are  presscd. 
To  sbady  vaults  are  beut  tbe  tufty  gi*oves 
Tbe  mountains  brow  is  crown'd  witb  closed  wood.  — 

Fantasie  über  Motive  aus  Othello  für  die  Violine  von  Ernst, 
vorgetragen  von  Herrn  Joseph  Joachim  aus  Wien. 


^iia^Bgiilillllgi^ 


PROGRAMM  MIT  DER  ANZEIGE  DES  ERSTEN  AUF- 
TRETENS VON  JOSEPH  JOACHIM  IM  GEWANDHAUS 


III.  6 


Aus   dem    Musikhiscorischen    Museum   des 
Herrn  Fr.  Nicolas  Manskopf,  Frankfurt  a.  M. 


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VICTORIN  DE  J0NC1£RES 
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CRESCENZIO  BUONGIORNO 
fV.  NOVEMBER  1903 


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Ziemlich  langsam. 
Lenio  ma  non  troppo. 


Am        Bar  -  ba-ra  -  ta  -  ge         bolt'    Ich  drei  Zweig^lein  tob    Klr^scheii  -  fmjaoL,     ik 
On       Bar  -  iojnA'dag    I  eui    metki9Bskeai9  ^   tke  eker.rf  .    tr»^       I 


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setst'        ich 
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Der  er   -    sie,  dass  Bi .  ner  nich     wer  •  be, 

The         fiim    waSy       ihaimmeom&shatMeaurt  ms; 


etwas  Torw&rts 
p ^..^**^-^ paeo  atrimgendo 


iwei  •  te,  däss  er  noch        long, 

«0  -  eondy        that  he    he         tfoung, 


-  le>       Drei  WQn  -    schespmch    Ich  tin 

.  mk   Three       wish  -  eefid/ÜML     I  weM 


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irü    -     te,      dass        er  aocii 
iaei       waSy   fkmi        he  haiee 


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blfili  -  ten    snr     FHst. 
Mm  -  somsd,oh     hlissL 


leh     weise      el  -  neD        ar  -  men    Oe  .  sei  -  len, 
I       kn&w     qf     a       pooTy  Jkirpouni^  lad  -  die, 


sehr  mhig 
moito  iramfuiüo 


ji  '  f  I  I  1 1  I   j  1 1^1 


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den    nfitan'    ich, 
Fd    wed    kirn. 


wie       er 
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SMIek  &.  Dniokt  BmrUmtr  MatOwllm  DrMkai«!  «.Obb.  H.  Cli*rlott«ilrarg. 


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Jimsbritinti.  1.  .i>iiT]li:ac  der  Mhanimi  KloderIM«  intl  KUvicr- 

bfnl     I  r  -n   V.    r.   Hnmnkt. 3 — 

Welllicli.:  .        ,    mr  Schale  und  flnus.    U«<kr  Kr  diw 

Sine  i:i  '-xWlunK.     H«ria»te«<t*«   *■   ''■  Frfdnthi. 

<VerniTrnTiik'-n:nt  J"   1  eiircrvcrclottuaK  lor  Pflege  4er  kOoMlcriKlMa 

Bililuae  la  Himburi.j 4.^ — 

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Hey,  16  Klnderlle4«r 2— 

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KeJiucfl.  Lebet»]  Uli.  fffw^Mlmin. 

KlodMlied« 1.— 

—  FrähUncxblutnaa,    F.iDMiaatis* 
Kinder  ilriiehoB 2.  - 

ächumi(nti,Op.79.  Uedenibum 

lUr  die  Jugend   .......    2  — 


rauhen.  20  Kinderlieder  . 

WUliclut  (Konipöoi«  der  .Wiihl 
US  Übeln*].  «3  Lieder  rOr  dje 
bmnviGhMnile  Jugend     .   .    .    ', 


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Könige.        4.  Simeon.        5.  Christus   der 

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Behncke.    Mit  einem  Bilde  Beethovens,  gemalt  von  A.  v.  Kloeber. 

5.  Jl«flage.   Swei  Btade.   CeiiliOK-Toniat  TeiKttet  Papier. 
Prelt  mark  u.-  ,  ia  zwei  Haailfiaeabäade  geb.  Ittarb  i$.2o. 

Prof.  Dr.  Behncke.  der  Schwiegersohn  von  Marx,  hat  die  3.,  4.,  5.  Auflage  dieses  Werkes  bearbeitet  und 
vermehrt.  Ausser  zahlreichen  Noten  im  Text  enthält  das  Werk  9  autographische  Beilagen,  nebst  einem  autographischen 
Briefe  Beethovens   an   Bettina  von  Arnim-Brentano.    Ein  Sachregister,  das   bisher  fehlte,  ist  dieser  Auflage  beigefügt. 

Um  Verwechslungen  zu  vermeiden,  verlange  man  die 

^^i^B  Marx-Behnckesche  Ausgabe.  ^^'^^ 

Im  gleichen  Verlage  erschien: 

Adolf  Bernhard  Marx, 

Mf ttttti  im  Vortraie  BeetboVenscber  KlaVter- Werl(e. 

Mit  Berflcksichtigung  der  neuesten  Forschungen  durchgesehen  und  mit  einem  Vorwort 
herausgegeben'  von  Prof.  Dr.  GustMT  Behneke. 

3.  Jlaflage.   Ceailioa  t.   Preis  mark  3.—,  la  6aaaleiaea  gebaadea  mark  4.—. 

Über  dieses  Werk  äussert  sich  Hans  von  Biilow  im  zweiten  Bande  seiner  Ausgabe  der  Klavierwerke 
Beethovens,  1872.  Stuttgart  bei  Cotta,  folgendermassen. 

„Der  um  die  technische  Aufklärung  über  den  Tondichter,  wie  kein  anderer  Deutscher,  hochverdiente 
Ad.  Beruh.  Marx  hat  in  seiner  .Arbeit  ^Anleltun«  Znm  Vortr«O0  B0OthOV0neOll0r 
vKlawl0P*W0Pk0*  ein  Büchlein  geschaffen,  das  in  jedes  MusikersHand,  oder  vielmehr  Kopf  sein  sollte  . ..'' 

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Donizetti»  L'Ajo  neirimbarazzo 

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—  Don  Sebastiano 

—  L'Elisir  d*amore  (Liebestrank) 

—  La  Favorita 

—  La  FigUa  del  Reggimento  (Die 

Regiments-Tochter)  .... 

—  Gemma  di  Vergy 

—  Linda  di  Chamounix    .... 

—  Lucia  dj  Lammermoor  .... 

—  Lucrezia  Borgia 

—  Maria  di  Rohan 

—  Poliuto 

—  La  Regina  di  Golconda    .    .    . 

—  Roberto  Devereux 

Floridia«  La  Colonia  Libera  .    . 
Flotow,  Martha    .    . 
Franchetti,  Asrael 

—  Cristoforo  Colombo 

—  Germania 

Gastaldon,  Mala  Pasqua  .    .   . 
Gluck,  Alceste 

—  Armida 

—  Orfeo  ed  Euridice 

Hal6vy,  UEbrea  (Die  Jüdin)  .    . 

Herold»  Zaropa 

Marchetti,  Ruy  Blas 

Mascagni,  Iris 

Mascheroni,  Lorenza    .... 
Mercadante,  II  Bravo  .... 

—  11  Giuramento 

Meyerbeer,  Dinorah 

—  11  Profeta  (Prophet) 

—  Roberto  il  Diavolo  (Robert  der 

Teufel) 

—  Gli  Ugonotti  (Hugenotten)   .    . 
Mozart,  Don  Giovanni  (Don  Juan) 

—  11  flauto  magico  (Zauberflöte)  . 

—  Le  Nozze  di  Figaro  (Fig.  Hochz.) 
Nicolaj,  Le  vispeComari  di  Windtor 

(Die  lust.  Weiber  von  Windsor) 


dtsch, 


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Pacini,  Saffo 

Paisiello.  11  Barbiere  dl  SivigUa 
Pedrotti,  Tutti  In  maschera  .  . 
Pergolesi,  La  Serva  padroaa 
(Magd  als  Herrin)  .... 
PonchielU,  La  Giooonda  .  .  . 
Puccini,  La'Ek>h6me 

—  Manon  Lescaut 

—  Tosca 

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Ricci,  (FraL)  Grtspino  e  la  Comare 
Rossini,  L'Assedio  di  Corinto   . 

—  II  Barbiere  di  Siviglia  .... 

—  La  Cenerentola 

—  II  Gonto  Ory 

—  La  Gazza  ladra  ( Diebische  Elster) 

—  Guglielmo  Teil  (Wilhelm  Teil) 

—  L'ltaliana  in  Algeri 

—  Mosö 

—  Otello 

—  Semiramide 

Spinelli,  A  Basso  Porto     .    .    . 
Spontini,  Fernando  Gortez    .    . 

—  La  Vestale 

Verdi,  G.,  Oberto  Conte  di  San 

Bonifacio 

—  II  flnto  Stanislao    (Der  falsche 

Stanislaus) 

—  Nabucodonosor 

—  I  Lombard!  alla  prima  Crociata 

(Der  Lombarden  1.  Kreuzzug) 

—  Ernani     

—  I  dueFoscari(Die  beiden  Foscari) 

—  Giovanna  d'Arco 

—  Alzira 

—  Attila 

—  I  Masnadieri  (Die  Rtuber)  .    . 

—  II  Corsaro  . 

—  La  Battaglia   di    Legnano  (Die 

Schlacht  am  Legnano)    .    . 

—  Luisa  Miller 

—  Rigoletto 

—  II  Trovatore  (Troubadour)    .    . 

—  La  Traviau  (Violetta)  .... 

—  Traviata,  Miniatur- Ausgabe  16® 

—  I  Vespri  Siciliani  (Sicilianische 

Vesper)       • 

—  Aroldo     ....        

—  UnBallo  in  Maschera  (Maskenball) 

—  La  Forza  del  Destino  (Die  Macht 

des  Geschickes) 

—  Macbeth       

—  Don  Cario 

-  Aida 

—  Aida,  Miniatur-Ausgabe   16®    . 

—  Simon  Boccanegra 

—  Otello 

—  Falstaff 

Weber,  Der  Freischütz    .... 


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quillt*  (P.  Heyse).    Pr.  60  Pf. 

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Sprüchlein  (Ed.  Mörike).  Pr.  1  M.  —  No.  3.  Das  Kind  und 
die  Fliege  (Ida  Hahn).  Pr.  1,20  M.  —  No.  4.  Eislein  (H.  Erler). 
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für  eine  Singstimme  mit  Pianoforte.    Heft  i:  Einsamkeit.  — 

,Ich  stand  am  Fenster  in  der  Nacht. **  —  „Ich  lag  im  stillen 
Zimmer.*  Pr.  2  M.  —  Heft  II.  „Wenn  ein  Kind  im  Dunkeln  bang.* 
—  „Blume  im  Verwelken  spricht.*  —  Versteckte  Liebe.    Pr.  M.  1,80. 


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gezeichneten  Wolfram  darstellend. 

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Der  Verfasser  verteitigt  Leichner,  den  Errichter  des 
ersten  deutschen  Denkmals  und  Organisator  der  ersten 
Weltfeier  für  Richard  Wagner,  der  monatelang  den 
Schmähungen  einer  gewissen  Presse  ausgesetzt  war, 
mit  Grundsätzen  und  Aussprächen  Wagners,  und  weist 
nach,  dass  die  Leichnerhetze  nur  als  letztes  Glied 
eines  langen  Sündenregisters  Bajreuths  gewesen  ist. 


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Kipkc»  «Christfcsthllder**  haben  mit  den  7ahllosun,  alljährlich  den  Mu&ikalicninarkt  iibcrschwcmnienden  Weih- 
nachts-Albums und  sonMigcn,  planlo«  /usammenKcstellten  Weihnachislieder-Sammlunfsen  nichts  weiter  K«niäinsamf  als 
höchstens  und  das  nur  zufällig  hier  und  da  den  Titel  einzelner  Stücke.  In  allem  übrigen  ist  das  Werk  als  etwas 
ganz  vereinzelt  in  dietier  Gattung  der  Musikliteratur  Dastehendes  zu  be/ciohncn.  Wiewohl  von  vornherein  als  ein 
zusammengehöriges  Ganzes  gedacht,  kann  dennoch  jeder  ein/eine  Teil  davon  herausgenommen  und  gespielt  oder 
gesungen  werden.  Die  Kipkeschen  nChristfcstbilder"  bestehen  aus  den  beiden  Hauptabteilungen  „V'or  dem  Feste" 
und  ^Der  heilige  Abend*^.  Die  erstere  versinnbildei  in  kleinen  Klavierstücken  und  Liedern  die  Festvorfreudcn  und 
führt  uns  in  die  Spinnstube,  in  der  Grossmuttcr  den  lauschenden  Kleinen  die  (icschichte  von  der  Geburt  Christi 
erzählt.  Auch  der  Knecht  Ruprecht  hat  sich  eingestellt.  In  der  zweiten  Abteilung  nimmt  das  Kapitel  „Was  das 
Christkindchen  alles  brachte"  begreiflicherweise  den  breitesten  Raum  ein;  hier  hatte  der  Autor  Gelegenheit,  die  tausend 
Kleinigkeiten,  an  denen  ja  das  Rinderherz  hängt,  in  einigen  charakteristischen  Vertretern  musikalisch  zu  illustrieren. 
Trotzdem  sind  aber  dabei  die  beiden  vorangehenden  Gruppen  ^Morgen  und  Abend,  Vurbcrcitung  zur  Bescherung'^  und 
,«Die  Bescherung*^  keineswegs  /u  kurz  gekommen.  Auch  in  ihnen  hat  Kipkc  eine  Fülle  des  Anregenden  angehäuft. 
Das  ganze  Werk,  dem  als  Anhang  noch  ein  paar  Neujahrslieder  beigegeben  worden  sind,  lässt  uns  in  seinem  Autor 
ebensowohl  den  erfahrenen  Musikpädagogen,  wie  den  warmherzigen  Kinderfreund  erkennen;  die  durchaus  sinngemässe 
und  wohldurchdachte  Anordnung  des  gesamten  Stoffes  in  den  „Christfestbildern**  interessiert  aber  auch  den  Erwachsenen 
aufs  lebhafteste,  wiewohl  das  .«tchmuck  ausgestattete  Heft  zunächst  wohl  für  die  Hand  der  Kleinen  bestimmt  sein  mochte. 
Wer  sich  einmal  mehr  als  bloss  nur  Hüclitig  durchblätternd  mit  ihnen  abgegeben  hat,  wird  die  ,, Christfestbilder**  der 
ganzen  übrigen  Weihnachtsmusik-Litcratur  mit  ihren  stets  wiederkehrenden  ,, Stille  Nacht**-  und  ,,0  du  fröhliche^^- 
Transkriptionen   und   -Paraphrasen   vorziehen.     Haus   und  Schule   seien   nachdrücklichst  auf  das  Werk  hingewiesen. 

Verlag  von  C.  F.  W.  Siegels  Musikalienhandlung  (R.  Linnemann)  in  Leipzig. 


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Einzeln   .No.  4:   CaprJOOioso. 

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Fünfzehn  l'aprieen,  op.44. 

Heft   1.   3  a  AV  2.50.     Heft  2, 
4  ä  .M.    ISO.    Heft  5  M.    1.50. 

Biirlesi|iie.s,  op.  4s. 

Cah.    I     M.    l.so.      Kurlcsquc. 
IM.iisanteric   B:i^:iullc. 
r.aii.  :i.    \\.  .^      .    (^oquctterie. 
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No  I  in  G«  No.  2  in  H,  No.  3 
in  C,  No.  4  in  D,  No.  5  in  Es. 
No.  1,  2,  4  i  M.  1.75.  No.  3, 
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3u  oier  fjänben. 


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A  la  .Menuetto.     Konzertetude. 
Heft  2    M.  «V50.      Humoreske.  = 
Arabeske.     Pittoreske. 
Einzeln:  Humoreske.    M.  1.25. 

31eIo(lies  iiiipioiines(i-6) 

op.  52.     M.  2.25. 

31  oreeaiix    earacteristi- 

qiies,  op.  53.  M.  3    Minuetto. 
Nocturne.   A  la  Burla.   Scherzo. 

Uiiatre     morceaux     de 
Salon«  op.  54. 

1.  Etüde.  M  1.50.  2.Rondoletto. 

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•     '.-■  SiiKlinu  i«l*»  lilii%i«>rk«»iii|»«>iilHl   -cl  :-?il>!  lleir  Kiiimi  Kf'iriilt«  im  .Musik.il.  WuchenM.  \  'J>*  >{.  l!«Hi: 

..<  Iiri^liaii  Hiii«liii}.  i  i  ;.  ■  -ru  ..'::■  l'i  ^>  '.-n  .:ii.:(*ii  .mtei  oen  Ki*ni{:<  ii:-it'.-ii,  liie  jetiea  ern.«t  nenkcmleii  lymphatisch 

'•'•         • .!:     K  .'.  -.111    .  .     i  .' ••   ■  ':.'.       ..  ^rw:-".t  tiMii  b:iKl  -'.ic  l  lfr'iMS|;i.nß,   il;i><  er  mit  Leichtiizkeit  ein  Dutieod 

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„     3.  Feinste  „        „         «       «    54. —    ^  140. — 

Neapolitanische  oder  Rfimlsehe  Mandftlen. 

No.  1.  Gewöhnliche  ausgesuchte  Sorte,  mit  Mechanik  .    .     M.  25. —  bis  45. — 
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Lombardisehe  oder  Malländlsehe  Mandftlen. 

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XI 


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H*n  II:   PIludttii.     jigdiiene.     Die  Nushligiill 

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CiailKkt  OAitMMin.  Holt  I  QDd  £  .  .  i 
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Bsmrtt  Ml  Bicb l-M 

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BtnU:  No.4-7(HefiHBni,N<i  »-Sllm.  Al'fdidf)    5.— 
Heftlll:  N( " '■ 

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flBget..<pianino5( 

erhielten  \ 

In  den  letzten  23  Jahren 

24  aar  t8(tet<  toKkhmiBge» 


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von   fein   poliertem    Holz,   gutem   Glas    und    starker  Papp- 
« hinterwand    sind    dazu    bestimmt    und   geeignet,    besonders 
:;  wirksame  Kunstbeilagen  aus  der  „Musik^^,  ohne  dass  diese 
•  beschädigt  werden,  aufzunehmen  und  gegen  andere  zu  wechseln. 
Mittels  eines  Schiebers  wird  die  Hinterwand  des  Rahmens 
abgenommen,  das  betreffende  Bild  hineingelegt  und  die  Hinter- 
wand wieder  befestigt. 

So  kann  sich  der  Musikfreund  zu  jeder  Zeit  die  Bilder,  die 

ihm  lieb  geworden  sind,  über  seinen  Schreibtisch  hängen  und 

jeweils  gegen  andere  interessante  Blätter  auswechseln. 

Wir  lierern  diese  Rahmen  zn  anserm  Selbstkostenpreise  inkl. 

Terpaekang  fOr  2  Mk.  beim  Bezog  dareh  |den  Baehhandel;  bei 

direkt  gewOnsehter  Zusendung  inkl.  Porto  als  Postpaeket  fOr 

2V«  Mk.  bei  Torhergehender  Einsendung  des  Betrages. 

Hochachtungsvoll 

Schuster  &  LoefFler,  Berlin  SW.  11. 


XIII 


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für   Musikfreunde! 


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Herausgegeben  von  Dr.  ilfr.  Chr.  lEliseher 

gebunden  4  Mk. 


3  Bände.    Von  Dr.  irthnr  Seidl 

gebunden  ä  6  Mk. 
zusammen   15  Mk. 


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von  Dr.  Ernst  Deesey 

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von  Dr.  Paul  Marsop 

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der  TonkBnsl.      §r S  S:  'To.  $ 

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ständigen Kaulog  mit  Musik- 
anfingen sämtl.  Werke,  sowie 
Prospekt  über 

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Verlag  von   iBrW 

Leipzig-R.     Verfa 

rühmten  Praktischen  S'**' 
Harmonium- 


XIV 


DIE  MUSIK 


beschliesst  mit  diesem  Heft  das  erste 
Quartal  ihres  dritten  Jahrgangs. 


Damit  jede  Verzögerung  in  der  weiteren 
Zustellung  vermieden  werde,  empfiehlt 
sich  schnellste  Erneuerung  des 
Abonnements    für   diejenigen, 

DIE  MUSIK 

quartalsweise  beziehen 


Schuster  &  LoefHer,  Perlin  und  Leipzig. 


I  < 

I  I 


CARL  SIMON 


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_  HOFMUSIKALIENHÄNDLER    SR. 

HOHEIT     DES    ERBPRINZEN    VON    ANHALT. 


FERNSPRECHER  IV,  2312. 


BERLIN  SW.12  00 

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1^  Aatiqaarlat  aad    Abaaaiiiat.   — 
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2  KaUlace)  darch  die  MasikUtMVtar 

S  mk    AnfBbc    dca    Scfawlcrlfkctta' 

9  gradcs   n   dca    MUlgitea   Prriata. 

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HlllOlIVH-liCiZII. 

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aad  Aaalaadaa,  fBr  die  Strebe, 
Sehale,  dae  flaos  aad  Koamt. 

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sa  Kaaf  aad  Miete  la  «llaB  Frei»- 
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eine  Firma,  seit  1867  bestebend,  ist  stets   bestrebt  gewesen  in   obigen  3  Abteilnngeo    das 
Beste,  Zeitgemisse  und  Billigste  zu  bieten. 

Die  wachsende  Aufnahme  des  Harmoniums  in  den  Familien,  Anstalten,  Schulen  und 
Konzerten  macht  es  zur  Notwendigkeit,  dem  geehrten  Publikum  Gelegenheit  zu  bieten,  bei  vor- 
kommenden Störungen  und  Mängeln  an  den  Instrumenten   fach-  und  sacbgemiste  Abhilfb 

zu  schaffen;  daher  habe  ich  als   4^  Abteilung  meiner  Firma  eine 

REPARATURWERKSTAnroB  HARMONIUM") 

eingerichtet.    Die  Leitung   dieser  Werkstatt  liegt  in  den  Händen  eines   erprobten  Fachmannes. 

Ausgestattet  mit  den  modernsten  Einrichtungen  bin  ich  imstande,  zu  billigsten  Preisen 
Reparaturen  jeder  Art  an  Harmoniums  aller  Systeme  unter  weitgehendsten  Garantteen  zu  über- 
nehmen; hauptsächlich  wird  für  gute  Intonation  und  Stimmung  Sorge  getragen. 

U^^  Indem  ich  gleichzeitig  mein  grosses  Lager  von  Harmoniums  aller  Art  bestens  empfehle, 
erlaube  ich  mir,  aufmerksam  zu  machen,  dass  auch  GEBRAUCHTE  HARMONIUMS  zu  Kauf 
und  Miete  in  grösserer  Auswahl  stets  vorhanden  sind,  welche,  in  tadellosen  Zustand  gesetzt, 
unter  Garantie  zu  billigsten  Preisen  abgegeben  werden. 

Bei  Ankauf  neuer  Instrumente  nehme  ich  alte  Harmon|iums  in  Zahlung. 

Musik-Kataloge,  Harmonium-Preislisten  nebst  Lieferungsbedingungen  bitte 
zu  verlangen. 

Um  BESICHTIGUNG  des  Harmonium-Lagers  (ohne  Verbindlichkeit)  wird  höflichst  gebeten. 

Hochachtungsvoll 


CARL  SIMON,  MUSIKVERLAG. 


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^)  Sämtliche    Bestandteile  für    Druck-    und  Sat4i(luft-Harmonium:   Harmonium-Zun^, 
Registerknöp/e,    Trittbeläge  ^    Windlade  n^    Stimmstöcke  etc.    scnvie  Auf  polier  en-^  der    C 


häuse  billigst.  —   Klaviaturbleiche, 


XVI 


Den  Abonnenten  der  MUSIK, 

die    den   Wagnerfreunden    aus   ihrem    Bekanntenkreis,   falls 
diese  nicht  Abonnenten  der  MUSIK  sein  sollten, 

eitt  gbcaso  schSugs  wig  billiges  Vfcliiiiaciitsgcsdiciil; 

machen  wollen,  bieten  wir  hiermit  unsere 

Vier  Wagner- Hefte 

in  einem  geschinackvoUeii  Bande  vereinigt,   betitelt: 

Zu  Richard  Wagners  Gedächtnis 

zum  ermüsisten  Preise  von  nur  3  Hurk  on. 


Der  ca.  400  Seiten  starke 

Richard  Wagner 
Camille  Saint-Saens 
H.  St.  Chamberlain 
Henry  Thode 
Wolfgang  Golther 
Georg  Münzer 
Erich  Kloss 
Gustav  Kühl 
Franz  Munckcr 
Alfred  Lorenz 
Arthur  Egidi 
Wilhelm  Altmann 
Wilhelm  Klatte 

und  enthält 


Band  weist  Beiträge  auf  von: 

Peter  Cornelius 
Friedrich  von  Hausegger 
Hans  von  Wolzogcn 
Richard  Stcrnfcld 
Wilhelm  Tappert 
Kurt  Mey 
Hans  Beiart 
Edgar  Istel 
Wilhelm  Lubosch 
Gustav  Schoenaich 
Egon  von  Komorzynski 
Robert  Petsch 
Hermann  Ritter 

46  Kunstbeilagen 


Der  Vorrat  ist  ein  ganz  geringer,  etwa  80  Exemplare. 
Gefl.  Bestellungen  haben  darum  grösste  Eile! 


Schuster  &  Loeffler,  Berlin  SW.  11. 


XVII 


II 


Die  schüttstcii  1  im^uM  Fc;tj|<5ch«tl;c 

nir  Freande  der  Mosik.  der  bildenden 
Kunst  und  des  Theaters  ü  ü  jj^  jdi 

sind  die   nachfolgend   beschriebenen  Bilderwerke 
*    ^    ^    ^    zu  den  Schöpfungen   Richard  Wagners: 

DIE  MEISTERSINGER  VON    NÜRNBERG. 

Von  Richard  Wagner.  Mit  Bildern  und  Buchschmuck  ausgestattet  von  Georg  Barlosius. 
Ein  kostbar  ausgestatteter  Folioband,  gebunden  in  Schweinsleder  mit  Metallbeschlftgen 
und  Schliessen;  derselbe  enthält  eine  übergrosse  Zahl  von  Bildern  und  Vignetten, 
darunter  viele  mehrfarbige  Vollbilder.  —  Im  ganzen  ein  monumentales  Verk,  wie  es 
unter  den  Erscheinungen  der  letzten  drei  Jahrhunderte  kaum  seinesgleichen  hat. 
Preis  M.  75. 

TRISTAN  UND  ISOLDE. 

Zwölf  Bilder  zu  Richard  Wagners  Tondichtung  von  Franz  Stassen.  Mappe  in  Imperial- 
Folio  mit  14  Bildern  (bildgeschmückter  Titel,  Index  und  12  Bilder)  auf  echtes  Japanpapier 
gedruckt  und  in  Passepartout  gelegt.  Preis  M.  75.  —  Luxusausgabe  auf  Atlas  gedruckt 
in  prächtiger  Kalbledermappe  M.  500.  Von  dieser  nur  in  ganz  geringer  Anzahl  gedruckten 
Luxusausgabe  sind  nur  noch  wenige  Exemplare  verfügbar.  —  ...  »Ein  zusammenfassendes 
Urteil  aber  kann  nur  aussagen,  dass  zartes  Gefühl,  dichterische  Phantasie  und  feiner 
Geist  in  ihrer  gegenseitigen  Durchdringung  ein  Werk  geschaffen  haben,  welches  in  seiner 
Art  einzig  genannt  werden  darf,  so  urteilt  Prof.  Henry  Thode  über  dieses  Werk. 

PARSIFAL. 

Fünfzehn  Bilder  zu  Richard  Wagners  Bühnenweihfestspiel  von  Franz  Stassen.  Eine 
kostbar  ausgestattete  Kunstmappe  in  Gross-Folio-Format.  Jedes  der  fünfzehn  zweifarbigen 
Bilder  ist  auf  Japanpapier,  aus  der  kaiserlich  japanischen  Papierfabrik  in  Tokio,  also  auf 
das  kostbarste  aller  Papiere  gedruckt  und  auf  tiefroten  stumpfen  Karton  aufgelegt;  zu 
jedem  Bilde  gehört  ein  vom  selben  Künstler  im  romanischen  Stile  gezeichnetes,  schwarz 
und  rot  gedrucktes  Textblatt.  Für  die  Mappe  wurde  der  beste  und  vornehmste  erreich- 
bare Stoff  verwendet,  das  reich  in  Gold  und  Farbe  gedruckte  allegorische  Vorsatzpapier 
wurde  vom  Künstler  besonders  für  diese  Mappe  gezeichnet.    Preis  der  Mappe  M.  80.  — 

^  Prof.  Henry  Thode  schreibt  in  seinem  grossen  Aufsatze  über  das  Werk  u.  a.:  Wer  alles 

dies  zu  schildern  wagen  durfte,  musste  inbrünstigen  Ernstes  In  sich  gewiss  sein.  Stassen 
ist  es  gewesen.  Aus  jedem  Blatte  spricht  Versenkung.  Man  wird  in  manchem  seiner 
Konzeption  nicht  folgen  können,  die  Schöpfung  als  ein  Ganzes  ist  doch  so  reich  an 
Erfindungskraft,  an  Gefühl  und  Geist,  dass  sie,  wie  des  Künstlers  »Tristan  und  Isolde*, 
lebhafte  Teilnahme   und   Bewunderung   bei  allen   Fühlenden   und   sinnig  Betrachtenden 

^  finden  wird. 

Wenn  man  diese  Werke  vor  dem  Ankauf  zu  sehen  wünscht  u.  ünu^. 


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Bueh-  u.  Kunsthandlungen  am  Orte  nieht  vorrätig,  so  wende  man  sie 

an  den  Verlas: Fiseher&  Frankein  Düsseldorf,  Grafeuberger ChanSo^^ 

XVIli 


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im  Herzen  wieder  eingekehrt. 
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von  Staatsrat  Aksakow,  Prof. 
Crookei,  Dr.  du  Prel,  Prof. 
Fallionier,  Dr.  Fritse.  Baron 
Hellenbacli,  Dr.  v.  Langs- 
dorlT.  Riiicr  V.  VeiniB  u.  a. 
Die  AnschaFTung  wird 
nameniliLh  dem  Mindcrhe- 
mitielicn,  erleichtert  durch  die 

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Kammermusiker  (Cello);  Otto  Dienel,  kgi.  Musikdirektor  (Orgel);  Carl  Kämpf  (Harmonium);  Fr. 
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LELTaubert,  Max  Loewengard,  P.Geyer,  SchBnberg,  Gottlieb  Noren  (Harmonielehre,  Komposition); 
Dr.  Leop.  Schmidt  (Musikgeschichte  ;  Sga.  Dr.  Capiccucchi  (Italienisch);  Dr.  med.  J.  Katzenstein 
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