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Full text of "Die Musik"

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DIEMUSIK 

HALBMONATSSCHRIFT  MIT  BILDERN  UND  NOTEN 
HERAUSGEGEBEN  VON  KAPELLMEISTER 

BERNHARD  SCHUSTER 


SIEBENTER  JAHRGANG 

DRITTER  QUARTALSBAND 

BAND  XXVII 


VERLEGT  BEI  SCHUSTER  &  LOEFFLER 
BERLIN  UND  LEIPZIG 

1907—1908 


MöSC 


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or,-^ 


INHALT 


Seite 

Hugo  Riemann,  Beethoven  und  die  Mannheimer 3.  85 

J.  Niemack,  Herzschlag  und  Rhythmus.  Ein  Versuch,  dem  Verständnis  von  Beet- 
hovens Werken  durch  das  Studium  seiner  Ohren-  und  Herzkrankheit  niher 
zu  kommen 20 

Hans  Volkmann,  Beethoven  als  Epigrammatiker 26 

Alfr.  Chr.  Kalischer,  Beethovens  Briefe  an  Bemard 32 

Paul  Ehlers,  Die  Münchner  Ausstellung  und  der  Musikerverband 67 

Kaimorchester,  Ausstellung  München  1008  und  Allgemeiner  Deutscher 

Musikerverband.    Eine  Klarlegung 75 

Paul  Marsop,  Arturo  Toscanini 81 

Wilhelm  Altmann,  Die  Notwendigkeit  einer  Stiftung  zur  Ermöglichung  der  Druck- 
legung umfangreicher  Kompositionen.    Eine  Anregung 98 

Max  Kadisch,  Pauline  Lucca  f 101 

Richard  von  Perger,  Carl  Goldmark.    Eine  Skizze 131 

Carl  Goldmark,  Aus  meinen  Erinnerungen  und  Begegnungen    ...       144 

Richard  Specht,  Gustav  Mabler 140 

Richard  Hihn,  Die  Stadt  Düsseldorf  und  ihr  Musikdirektor 172 

Carl  Fuchs,  Zur  Auferstehung  des  Chorals  in  der  evangelischen  Kirche  .   .  195.  323 

O.  Landmann,  Bach-Porträts 216 

Hermann  Wetzet,  Solisten-Konzerte.    Ihr  Nutzen  und  Zweck 220 

Rudolf  Louis,  München 250 

An  der  Isar:    Paul  Marsop,  Vom  Münchner  Kunstgeist 268 

Paul  Ehlers,  Glossen  zur  Münchner  Oper 270 

^  Eduard  Wahl,  Vom  Münchner  Konzertleben 276 

Zum  44.  Tonkünstler-Fest  des  Allgemeinen   Deutschen  Musikvereins 

in  München 281 

Eduard  Platzhoff-Lejeune,  Das  Opernrepertoire  in  Deutschland  und  Frankreich    338 

Gustav  Altmann,  Die  Methode  Jaques-Dalcroze 345 

Arthur  Smolian,   Die  Enthüllung  des  Bachdenkmals  und  das  Bachfest  (15.  bis 

18.  Mai)  in  Leipzig 34» 

Richard  Specht,  Zur  Enthüllung  des  Wiener  Brahmsdenkmals 353 

Rudolf  Kastner,  Zum  ersten  ostpreussischen  Musikfest 357 


Besprechungen  (Bücher  und  Musikalien) 37.  103.  175.  236.  360 

Revue  der  Revueen 40.  109.  180.  241.  366 

Anmerkungen  zu  unseren  Beilagen 64.  128.  192.  319.  384 


INHALT 


Seite 

Antwerpen 183 

Augsburg 371 

Berlin 44.371 

Braunschweig    ...    44. 372 

Bremen 113.244 

Breslau 44.113 

Brüssel 113.244 

Budapest 114.372 

Colmari.  E 184 

Dortmund      114 

Dresden     .    44.114.244.373 
DQsseldorf     ....    45.373 

Elberfeld 114.373 

Essen  a.  R 184 

Frankfurt  a.  M.  45. 1 1 4. 244. 373 

Genf 184 

Graz 374 


Kritik  (Oper) 

Seite 

Haag  .   « 184 

Halle  a.  S 45.  374 

Hamburg 45 

Hannover 45.  244 

Johannesburg 46 

Karlsruhe 46.374 

Köln   .    .    .    46.115.245.374 

Königsberg  i.  Pr 374 

Leipzig 245 

Lemberg 185 

London 115 

Luzern 185 

Madrid 115 

Magdeburg     .    .    .    .116.374 

Mailand 46.375 

Mainz 46.375 

Mannheim 116.375 


Seite 

Manchen 46 

New  York 47.  245 

Paris 47.  185.375 

Prag 48.  186 

St.  Petersburg  .    .    .    48.376 

Schwerin  i.  M 186 

Stockholm 116 

StraOburg  i.  E.  .    .    .  116.  186 

Stuttgart 116.376 

Trier 48 

Warschau 117 

Weimar 117 

Wien  .  .  .  48.117.245.376 
Wiesbaden  .  .  .  .117.377 
Zürich 49.377 


Seite 

Amsterdam 49 

Antwerpen      ....    49.246 

Basel 50 

Berlin     .    .    50.118.187.247 

Boston 247 

Braunschweig 53 

Bremen 53. 188 

Breslau 189 

Brüssel 54.247 

Budapest 54.248 

Chicago      55 

Dortmund 55. 121 

Dresden.    .    55.121.248.377 

Düsseldorf 189 

Elberi^Id 248 

Essen  a.  R 56.  249 

Frankfurt  a.  M.  56. 1 2 1 .  249. 378 

Genf 57.249 

Haag 57.  378 


Kritik  (Konzert) 

Seite 

Halle  a.  S 189 

Hamburg 58 

Hannover 190.379 

Heidelberg 58 

Johannesburg 249 

Karlsruhe 190 

Kassel 59 

Köln  ...  59.  122.250.379 
Kopenhagen  ....  190.250 
Leipzig   ....  122.250.380 

London  251 

Luzern 251 

Madrid 125.381 

Magdeburg 190 

Mailand 190 

Mainz «190 

Manchester 252 

Mannheim 252 

Moskau 252 


Seite 
München    .    60.125.253.381 

New  York 382 

Paris 126.382 

Philadelphia 253 

Prag 191.254 

Pritoria 191 

Rotterdam 62 

St  Petersburg    .    .    .191.254 
Schwerin  i.  M.   .    .    .    62.  254 

Stockholm  .  '. 255 

StraOburg 255 

Stuttgart 255 

Verden  (Aller) 62 

Warschau 62.256 

Weimar 62.  127 

Wien 63.256 

Wiesbaden 191 

Zittau  i.  S 191 

Zürich 63 


NAMEN-  UND 
SACHREGISTER 

ZUM  III.  QUARTALSBAND  DES  SIEBENTEN 
JAHRGANGS    DER    MUSIK   (1907/8) 


dalFAbtco,  Feiice«  4.  5.  59. 
dairAbaco,  Giuseppe,  4. 
Abendroth,  Irene,  135. 
V.  Abrtnyi,  Rost,  244. 
Ackers,  Lotte,  119. 
Adamian,  Eugenie,   125.  256. 
Adamitn,  Helene,  125.  256. 
Agloda,  Olga,  374. 
Ahner,  Bruno,  283.  319  (Bild). 
Ahner-Quartett   277.    283.    319 

(Bild). 
Aigner,  Oskar,  244. 
V.  Akimoff,  Gregor,  381. 
Alang-Egger,  Bertha,  63. 
Albemoni,  Diane,  120. 
d' Albert,  Busen,  44.  45.  46.  48. 

49.    55.    56.    58.    125.    186. 

245.  359.  371.  373.  374.  375. 
d' Albert,  Hermine,  55. 
Albrecht,  Edith,  123. 
Alda,  Francte,  117. 
Alezander    Friedrich,    Landgraf 

V.  Hessen,  122. 
Allgeyer  360. 
Altmaon-Kuntz,  Margarete,  54. 

255. 
Alvarez,  Louis,  48.  114.  116. 
Amato,  P.,  46. 
Andersen«  Joachim,  250. 
Andreae,  Volkmar,  63.  249. 
Andriano,  Max,  118. 
Angerer,  Gottfried,  63. 
Anselmi  (Singer)  376. 
Ansorge,  Conrad,  62.  254. 
Antalfly,  Desider,  248. 
Anton,  Max,  117. 
Applegate,  Belle,  115. 
V.  Aranyi,  Adila,  379. 
Arbös,  Femandez,  125.  381. 
Arensky,  Anton,  48. 
Ariola,  Pepito,  256. 
d* Amalle,  V.,  123. 
Amaud,  Germaine,  57.  120. 
V.  Arnim,  Achim,  155. 
Arnim,  Gustav,  48. 
Amoldson,  Sigrid,  46.  116.  245. 

376. 
Aron,  Paul,  251. 
Arragui  (Komponist)  125. 
ArtOt  de  Padilla,  Lola,  372. 
Aschaffenburg,  Alice,  246. 
Astruc  &  Co.  384. 


Auber,    D.   £.,    46.    116.    339. 

373. 
Audran,  Edmond,  244. 
Auer,  Leopold,  252.  254. 
Aulin,  Tor,  255. 
Aumann,  Albert,  374. 
Avani-Carreras,  Maria,  51.  62. 

124. 
Averkamp,  Anton,  58. 
Bach,  Ambrosius,  225. 
Bach,  Anna  Carolina  Philippina, 

217. 
Bach,   C.  Ph.   E.,   5.  6.  7.  10. 

118.  217.  218.226.235.329. 

384  (Bild). 
Bach«  Christian,  85. 
Bach,  E.,  125. 

Bach,  Gottlieb  Friedrich,  226. 
Bach,  Johann    Christian,    226. 

384  (Bild). 
Bach,  Johann  Christoph,  226. 
Bach,  Joh.  Chr.  Friedrich,  225. 
Bach,  Joh.  Seb.,  3.  4.  5.  50. 

51.  57.   59.    118.    119.   120. 

121.  126.  133.  176.  190.  191. 

206.      208.      21 6  ff     (Bach- 

Portrits).  233.  234.  235.  247. 

248.  249.  250.  251.  252.  332. 

349  ff    (Die    Enthflllung    des 

Bach-Denkmals  und  das  Bach- 
fest 15.— 18.  Mai  in  Leipzig). 

357.  358.  361.  377.  378.  379. 

380.  381.  382.  383.  384. 
Bach-Gesellschaft  (Paris)  126. 
Bach,  Oscar,  57. 
Bach,  Veit,  225. 
Bach,  W.  Friedemann,  5L  118. 

218.    219.     225.     235.    384 

(Bild). 
Bach,    Wilh.    Friedrich    Ernst, 

225.  384  (Bild). 
Bach,  Dr.,  361. 
Backhaus,  Wilhelm,  52.  55.  56. 

123.    125.    190.     248.     240. 

251.    377. 
Bahling,  Hans,  375. 
Bain  105. 

Bakaleinikow,  W.,  252. 
Balakirew,  Mili,  119.  253. 
Bally-Apfelbeck,  Louise,  122. 
Band,  Erich,  116.  376. 
Bandler-Quartett  58. 


V.  Bandrowski,  Alexander,  185. 
Bantock,  Granviile,  252. 
Barbi,  Alice,  356. 
Barbier,  Jules,  138. 
Barblan,  Otto,  251. 
Barmas,  Issay,  51.  191. 
Bamay,  Lolo,  59.  187. 
Baroen,  Arthur,  249. 
Barrau  (Posaunist)  383. 
Barr6,  Julius,  45. 
Barron,  Berthald,  375. 
Barth,  Richard,  58.  123.  127. 
Barth,  Stephanie,  123. 
Barthsche    Madrigalvereinigung 

53.  60. 
Bartsch,  Karl,  103.. 
V.  Bary,  Alfred,  44. 
Basler  Gesangverein  50. 
Bastide,  Kapellmeister,  185. 
Bateson,  Thomas,  380. 
Batka,  Richard,  373. 
BattalUe-Quartett  121. 
Battisti,  Franz,  45.  245. 
Battistlni    (Singer)    117.     185. 

376. 
Bauer,  Erna,  188. 
Bauer,  Louia,  380. 
Baumbach,  Felix,  184. 
Baumbach»  Rudolf,  376. 
V.    BauOnem,   Waldemar,    189. 

370. 
Beaumarchais  330. 
Beaunier  126. 
Bechstein,  Carl,  52.  58. 
Beck,  Joh.  Nep.,  134. 
Becker,  F.,  51. 
Becker,  Fritz,  187. 
Becker,  Hugo,  55   62.  189. 
Becker,  Ludwig,  55. 
Becker,  Reinhold,  121. 
Becquer  125. 
Beeg,  Georg,  113. 
Beeg,  Sonja,  119. 
Beer,  Joseph,   11. 
Beer,  Michael,  186. 
van  Beethoven,  Johann,  362. 
van  Beethoven,  Karl,  361. 
van    Beethoven,    Ludwig,    3 ff 

(B.  und  die  Mannheimer.  I).  20  ff 

(Herzschlag    und    Rhythmus. 

Ein  Versuch,  dem  Verstindnis 

von  B.'s  Werken  durch  das 


IV 


NAMENREGISTER 


Studium  seiner  Ohren-  und 
Herzkrankheit  niher  zu  kom- 
men). 26  ff  (B.  tl8  Epigram- 
matiker). 3!  ff  (B.'s  Briefe 
tn  Beraard).  37  ff  (Beetnove- 
nitna).  50.  53.  54.  56.  57. 
58.  59.  60.  61.  62.  64  (Bilder). 
85  ff  (B.  und  die  Mannheimer. 
Schluß).  118.  120.  121.  122. 
123.  124.  125.  126.  127.  133. 
144.  145.  159.  162.  187.  188. 
189.  190.  191.210.233.247. 

248.  249.  250.  251.  252.  253. 

255.  256.  334.  336.  ^3.  359. 
361.  376.  377.  378.  379.  381. 
382.  383.  384. 

Behaim,  Michael,  104.  105. 

Behr,  Hermann,  189. 

Behrens,  M.,  57. 

Beier,  Franz,  59. 

Belaieff,  M.  P.,  99.  191. 

Bellini,  Vincenzo,  338. 

Bellmann,  C.  M.,  123. 

Bellwidt,  Emma,  189. 

Benda,  G.,  120.  124. 

Bendemann  350: 

Bender,  Paul,  47.  253.  381. 

Bendix,  Frau,  250. 

Bendix,  Toni,  61. 

Bendix,  Viktor,  250. 

Benedikt  von  Vatt  104. 

Bengell,  Else,  189. 

Benzinger,  A.,  256. 

Berber,  Felix,    121.    122.    249. 

381. 
Berger,  Rudolf,  183.  375. 
Berger,  Wilhelm,  282.  319. 
Bergmann,  Hans,  45. 
Berheine,  Franz,  48. 
Berlioz,  Hector,  51.  58.  61.  62. 

63.  122.  161.  172.  184.  189. 

249.  250.  252.  253.  254.  255. 
270.  274.  275.  278.  282.  283. 
314.  319.  340.  378.  384. 

Bemard,  Carl,  31  ff  (Beethovens 

Briefe  an  B). 
Bemecker,  Constanz,  125. 
Bemouilli,  E.,  103.  104. 
Berploon  (Organist)  379. 
Bertrand,   Marcel,    47   (»Ghys- 

laine*.  Uraufführung  in  Paris). 
Betz,  Franz,  102. 
Beyerlein,  F.  A.,  251. 
Bierbaum,  O.  J.,  365. 
Biliroth,  Theodor,  360. 
V.  Binzer,  Erika,  50. 
Birgfeld,  Rudolf,  62. 
Birkholz,  Max,  374. 
Birnbaum,  Alexander  Z.,  249. 
Birrenkoven,  Willi,  45. 
Bischof,  Georg,  184. 
Bischoff,  F.,  38. 
Bischoff,  Hermann,  69.  80.  254. 

256.  281.  319  (Bild). 


Bischoff,  Johannes,  45.  372. 
Bittner,  Julius,  245.  246. 
Bizet,  Georges,  57.  245. 
B)Omson,  Björn,  61. 
Blackpool    Glee    and    Madrigal 

Society  252. 
Bland,  Elsa,  256. 
Bllservereinigung,  Brflsseier,  54. 
Bliservereinigung  der  MQnchner 

Hofkapelle  277. 
Blech,  Leo,  183.  359. 
Bleyle,  Karl,  63.  282.  305.  319 

(Bild). 
Blodgett,  Elisabeth,  124. 
Blumenfeld,  Felix,  191. 
Blumer,  Theodor,  56. 
BIQmle,  Josef,  124. 
Blflthgen,  Viktor,  240. 
BIQthner,  Julius,  53. 
BOcklin,  Arnold,  151. 
Bodanzky,  Arthur,  191. 
Bodenstein,  Ernst,  279. 
Boehe,  Ernst,  61.  69.  80.   121. 

278.  357. 
Bogel,  Vicky,  57. 
B6hler,  Otto,  192. 
Böhm,  Anna,  123. 
B6hm,  KIthe,  51. 
Boehm-van  Endert,  Elisabeth,  45. 
Bohn,  Emil,  103.  189. 
Boieldieu,  F.  A.,  339. 
Bokemeyer,  Elisabeth,  191. 
Bolte,  Johannes,  103. 
Bolz,  Oskar,  185. 
Bommer,  Martha,  371. 
Bonfigiio,  Carlo,  249. 
V.  Bongardt,  Paul,  245. 
Bonin,  Willi,  375. 
Bopp-Glaser,  Auguste,  116.376. 
BOpple,  Paul,  345. 
Borchard,  Adolphe,  120. 
Bormann,  Edwin,  216.  217.  223. 
BOmer,  Hildegard,  380. 
Borodin,    Alexander,    57.    191. 

252.  254. 
Boronat,  Olympia,  376. 
Boruttau,  Alft^d,  186. 
Bos,  Coenraad  V.,  52.  378. 
V.  Böse,  Fritz,  60.  189. 
Bosetti,  Hermine,  49.  57.  190. 

253. 
Bosquet  (Pianist)  247. 
Bosquet-Quartett  54. 
Bossi,  Enrico,  54.  55.  114. 
Bossi,  Renzo,  55. 
Boßler,  H.  Ph.,  5.  16. 
Boucher,  Emestine,  187. 
Bourgault-Ducoudray,  L.  A.,  341. 
Boutarel,  Am6dte,  338. 
Brabms,  Johannes,  51.   53.  54. 

55.  57.  58.  59.  60.  63.    118. 

119.  122.  123.  124.  125.  126. 

127.  142.  145.  146.  172.  189. 

190.  191.  208.  234.  246.  247. 


248.  249.  250.  251.  252.  253. 
254.  255.  277.  353  ff  (Zur 
EnthQllung  des  Wiener  B.- 
Denkmals). 357.  358.  360. 
361.  379. 380.  381.  384  (Bild). 

Brandenberger,  Ernst,  371. 

Brandes,  Friedrich,  121. 

Brandt,  Marianne,  102. 

Brandukow,  A.,  252. 

Brauer,  Max,  190. 

Braun,  Emmy,  125. 

Braun,  Friedrich,  115. 

Braunfels,  Walter,  282.  319 
(Bild). 

Braunhofer,  Dr.,  25. 

Breest  51. 

Brecher,  Gustav,  45.. 

Breitkopf  &Hlrt6l  6.  38.  64.  350. 

Brema,  Marie,  251. 

Brendel,  Franz,  147. 

V.  Brenneis,  Hermine,  117. 

Brenner,  Ludwig,  362. 

Brentano  362. 

Breßler-Gianoli  47. 

Breuer,  Else,  373. 

Breuer,  Hans,  246. 

V.  Breuning,  Christoph,  64  (Bild). 

V.  Breuning,  Eleonore,  18. 

V.  Breuning,  Gerhard,  64  (Bild). 

V.  Breuning,  Helene,  64  (Bild). 

V.  Breuning,  Stephan,  64  (Bild). 

Breuning-Storm  250. 

de  Br6vilie,  Pierre,  127. 

Bricht-Pyllemann,  Agnes,  191. 

Brieger,  Eugen,  120. 

Briesemeister,  Otto,  116.  245. 
248. 

Bright,  Dora,  252. 

ten  Brink,  Henri,  191. 

Brode,  Max,  357.  358. 

Brodereen,  Friedrich,  47.  61. 

Brodsky-Quartett  252. 

Brombaro  (Singer)  376. 

Bromberger,  David,  54. 

Bronsgeest,  Cornelius,  378. 

Brouette,  Direktor,  375. 

Broussan,  Theodore,   126.   185. 

Bruch,  Max,  55.  59.  62.  118. 
123.  190.  250.  251. 

Brück,  Boris,  45.  100.  245. 

V.  Brucken-Fock,  Emil,  378. 

Brückner,  Anton,  50.  58.  60. 
61.  152.  253.  254.  255.  277. 
278.  357. 

Bruckstein,  M.,  212. 

Brflll,  Ignaz,  355. 

Brun,  Fritz,  124. 

Bruneau,  Alfred,  341. 

Brunet  249. 

Brunner,  Charlotte,  47. 

V.  Brunswick,  Therese  Grifln, 
64  (Bild). 

Buchner,  E.,  379. 

Bück,  Rudolf,  57.  123. 


NAMENREGISTER 


Buisson,  Marie,  55. 

Bfllau,  Wolf^tng,  55.  119.  381. 

V.  BQlow,  Htns,  81.  276.  277. 

360. 
BQltemtnn,  Walter,  372. 
Bungen,  August,  121. 
Burchardt,  Marga,  45.  244. 
Burchardt  (Singerin)  61. 
Borger,  G.  A.,  123.  249. 
Burian  (Cellist)  51. 
Burk-Berger,  Marie,   371.    373. 
Burkhardt,  Max,  119. 
Burmeister,  Richard,  123. 
Burmester,  Willy,  59.  60.    124. 

255.  256. 
Burrian,  Karl,  44. 
Bflrstinghaus,  Ernst,  375. 
Burzio,  Emilia,  46. 
Buschbeck,  Hermann,  47. 
Busoni,  Femiccio,  52.    57.    63. 

119.  127.  187.  251.  252. 
BueO,  Eugenie,  379. 
Busser,  Henri,  341. 
BuOmeyer,  Hans,  277. 
Buths,  Julius,  172  ff  (Die  Stadt 

DQsseldorf    und    ihr   Musik- 
direktor). 189. 
BQttner,  Max,  374. 
Buxbaum,  Friedrich,  118. 
Buxtehude,   Dietrich,    59.    189. 

190. 
Buysson,  Jean,  56. 
Byron,  Lord,  189. 
Cabisius,  Arno,  116.  374. 
Cicilia- Verein  (Kopenhagen)  188. 
Cacheux,  E.,  346. 
Gabler,  Charles,  256. 
Cahnbley- Hinken,    Tilly,    190. 

381. 
Caln,  Henri,  375. 
Caland,  Elisabeth,  106. 
Calderon  361. 
Calzin,  Alfred,  124. 
del  Campo,  Conrado,  125.  381. 
Cannabich,  Christian,  3. 4. 7. 92. 
Capet,  Louis,  127. 
Capet-Quartett  190.  383. 
Caponsacchi,  Marguerita,  56. 
Carissimi,  Giacomo,  49.  380. 
Carmen  Sylva  121. 
Garr6,  Albert,  48. 
Carr6,  M.,  138. 
Carreüo,  Teresa,   124. 
Garrefio-Blois,  Teresita,    124. 
Caruso,  Enrico,  245. 
Casals,  Pablo,  54.  56.  127.  246. 

252.  254.  378. 
Casals-Snggia,  Guilhermina,  54. 

378. 
Castelli,  Ignaz,  27. 
Cavaill6-Con   126. 
Cernikoff,  Walter,  51. 
Certani,  Alesaandro,   124.   189. 
Chabrier,  Emanuel,  191.  341.  h» 


Charpentier,    Gustave,   46.   47. 

50.  82.    113.    116.   185.  245. 

341. 
Chartres,  Vivien,  255. 
Chausson,  Emest,  127. 
Cherubini,  Luigi,  247.  255. 338. 
Chevillard,  Camille,  126. 
Chop-Groenevelt,  Celeste,    191. 
Chopin,  Fröd^ric,  55.  59.   120. 

123.  124.  125.  127.  187.  190. 

234.  249.  251.  256.  336.  361. 

379.  383. 
Christian  Ludwig,  Markgraf  von 

Brandenburg,  220. 
Clark,  W.,  252. 
Clemens  August,  KurfOrst .  von 

Köln,  4.  5. 
Cleve,  Halfdan,  179. 
CoAtes,  Albert,  114.  373. 
CoUin-Haberlandt,  Emmy,    119. 
Colonne,    Edouard,     126.    127. 

382.  384. 
Conrad,  W.,  359. 
Conrat,  Ilse,  353. 
Conried,  Heinrich,  47.  84. 
Converse,  F.-S.,  247. 
Conversi,  Girolamo,  380. 
Coquard,  Arthur,  127.  383. 
Cor  de  Las,  Alonso,  62. 
Corelli,  Arcangelo,  4.  59.  378. 
Cornelius,  Peter,   45.  57.   116. 

146  ff.  189.  249.  254. 
Corsi,  Emilia,  376. 
Cortolezis,  Fritz,  61.  253.  279. 
Cortot,  A.,  246. 
Cortot,  F.,  54. 
Corvinus,  Lorenz,  255. 
Coßmann,  Carl,  375. 
de  Coulon,  Dora,  122. 
Courvoisier,  Walter,  62.  278. 
Co  ward,  Dr.,  251. 
Crickboom,  Mathleu,  54. 
Cronberger,  Wilhelm,  44. 
Crflger,  Job.,  109.  201. 
de  la  Cruz-Fröhlich,  Louis,  57. 

378 
Culp,Julia,49.55.  119.246.248. 
Curci,  Alberto,  51. 
CuvUliis  272. 
Cuypers,  H.,  58. 
Dahn,  Felix,  139. 
Dallier,  Henri,  127. 
Dalmores,  Charles,  47. 
Dalossy,  Ellen,  188. 
Dalvarezzo,  Mercedes,  48. 
Damen-Vokalquartett,    Berliner, 

119. 
Damrosch,  Frank,  382. 
Damrosch,  Walter,  382. 
Daniela,  Anna,  114. 
Darier,  M.,  249. 
David,  F^licien,  383. 
David,  Ferdinand,  146. 
David,  J.  J.,  192. 


Davidoff,  Karl,  59. 
Davisson,  Walther,  56.  249.  383. 
Debogis-Bohy,  Louise,  190.  240. 
Debroux,  Joseph,  127.  250. 
Debussy,  Claude,  47.  49.  245. 

246.  253.  341.  343.  375.  382. 

383. 
Decius,  Nicolaus,  196. 
DecI6ry  (Singer)  244. 
Deiters,  Hermann,  3.  5.  6.   14. 

29.  36.  37. 
D6joie,  Marie,  373. 
Delibes,  Leo,  57.  114.  341.  374. 
Delius,  Frederick,  172. 187.282. 

319  (Bild). 
Delune,  Louis,  54.  60. 
Delvenne,  Louis,  249.  250. 
Demellier  (Singerin)  48. 
Demuth,  Leopold,  49. 
Dennery,  Mathilde,  189. 
Deppe,  Ludwig,  105.  106. 
Derichs,  Mathieu,  45. 
Dessoff,  Gretchen,  122. 
Dessoir,  Susanne,  62.  124.  189. 

378. 
Destinn,  Emmy,  48.  183. 
Diabelli,  Antonio,  17. 
Diamant,  Bemard,  62. 
Dickens,  Charles,  135. 
Didur,  Adam,  185. 
Di6mer,  Louis,  252. 
Dierich,  Carl,  247. 
Dierich-Geyer,  Meta,  247. 
Dietrich,  Anton,  64. 
Dietz,  Johanna,  55.  124. 
Dinsart  (Pianist)  54. 
Dippel,  Andreas,  47. 
Dittler,  Herbert,  119. 
DIabal,  Benno,  48. 
Doebber,  Johannes,  379. 
Docen  (Germanist)  103. 
V.  Dohninyi,  Ernst,  50.  55.  57. 

125.  190.  255. 
Dohm,  Georg,  189.  278. 
Dolmetsch,  Arnold,  247. 
DOmpke,  Gustav,  357. 
Doenges,  Paula,  115. 
Donizetti,  GaCtano,  81.  245. 338. 

376. 
Donnini  (Kapellmeister)  4. 
Door,  Anton,  355. 
Döring,  Georg,  44. 
Dom,  Otto,  117.  374. 
Dorp,  Elfriede,  114. 
Dörwald,  Wilhelm,  113. 
Dorland,  John,  380. 
Dreyer  (Germanist)  103. 
Drill-Orridge,   Theo,    54.    117. 

256. 
Droucker,  Sandra,  250.  254. 
Dua  (Singer)  244. 
Dubois,  Marie,  120. 
Dubois,  Theodore,  341. 
Dukas,  Paul,  61.  246  (»Arlane 


VI 


NAMENREGISTER 


und  Blaubart.*   Deutsche  Ur- 

aufrohrung  in  Vien).  341. 343. 
Dfllfer,  Mardn,  277. 
Dulow,  Cy  252. 
Duncan,  Elisabeth»  251. 
Duncan»  Isadora,  251. 
DupuiSy  Sylvaln»  54.  247. 
Durant,  Kapellmeister,  54.  247. 
Dusseau-Bormann,  Eugenie,  120. 
Duvernoy,  V.  A.,  341. 
Dvorik,  Anton,  51.  54.  56.  57. 

124.  127.  191.248.250.252. 

253.  379.  384. 
van  Dyck,  Ernst,  246. 
Easton  (Singerin)  371. 
Ebner,  Karl,  283.  319  (Bild). 
Eccard,  Joh.,  58. 
Egenieff,  Franz,  183.  372. 
Eggers,  Max,  376  («FrauHoIda*. 

Uraufführung  in  Wien). 
Ehlers,  Paul,  358. 
Ehrenberg,  Carl,  185.  282.  309. 

319  (Bild). 
Ehrlich,  R.,  252. 
Eibenschatz,  Jos6,  191. 
EibenschQtz,  Riza,  373. 
Eichler,  Hanns,  185. 
Eickemeyer,  Willy,  121. 
Eisenberger,  Severin,  120.  187. 
Eisenmann,  Ernst,  238. 
Ekeblad,  Maria,  189. 
Ekenberg  (Komponist)  379. 
Eidering,  Bram,  122. 
Elgar,  Edward,  54. 122.  172. 378. 
Elman,  Mischa,  247.  248. 
Eismann,  Alfred,  117. 
Elwart,  A.  A.  E.,  138. 
Endul6,  Georges,  379. 
Enesco,  Georges,  126. 
Engel,  S.,  252. 
Engel,  Kommissionsrat,  362. 
Enna,  August,  250. 
Epstein,  Julius,  145.  152. 
Erb.  Karl,  116. 
Erdmannsdörfer,  Max,  277. 
Erdödy,  Griiln,  64  (Bild). 
Erlanger,  Camille,  341. 
Erlebacl^  Joh.  Phil.,   95.    120. 

124. 
Erier-Schnaudt,  Anna,  123. 
Ertel,  Paul,  188.  256. 
Erwin,  Hans,  184. 
Evers,  Franz,  365. 
Evers,  Karl,  62. 
van    Eweyk,   Arthur,    59.    118. 

119.  246.  351.  359. 
Fabozzi,  Gennaro,  190. 
Fahre,  Gabriel,  127. 
Fabry,  Elisabeth,  371. 
Fährmann,  Hans,  363. 
Faliero-Daicroze,  Nina,  244. 
Falk,  Julius,   118. 
Falk-MehUg,  Anna,  50. 
Falke,  G.,  365. 


V.  Falken,  Frau,  114. 

Fall,  Leo,  244. 

V.  Fangh,  Frieda,  49. 

Fanniella  (Singerin)  49. 

V.  Famholz,  Ria,  49. 

FaObaender,  Peter,  251. 252. 380. 

FaObender,  Zdenka,  47. 

Faur«,  Gabriel,    127.  190.  252. 

Fehling,  Kari,  56. 

FeinhaU,  Fritz,  114.  116.  372. 
374. 

Felmy,  Maximilian,  47. 

Fenten,  Wilhelm,  375. 

Fest,  Max,  351.  381. 

Fevrier,  Henry,  252. 

Fiebig,  Hugo,  189. 

Fiebiger,  Erna,  374. 

Fiedler,  Max,  58. 

Filtz,  Anton,  19.  92. 

Fink,  Mizzi,  45. 

Fischer,  Franz,  277. 

Fischer,  Gisela,  377. 

Fischer,  Jenny,  256. 

Fischer,  Paul,   118. 

Fischer,  Richard,  189. 

Fischer-Maretzki,  Gertrud,  50. 
188. 

V.  Fladung,  Irene,  47. 

Fleisch,  Maximilian,  57. 

Flemming,  F.,  359. 

Flesch,  Carl,  49.  57.  378. 

V.  Florentin,  Paula,  245. 

Floresco,  Silvio,  60. 

Florian,  J.  P.  C,  244. 

Floris,  Emil,  187. 

Fokker,  Mary,  53. 

Folz,  Hans,  105. 

Forchhammer,  Ejnar,  115.  375. 
379. 

Forkel*  Nikolaus,  226. 

Forseil  (Singer)   116. 

Foerster  (Singerin)  189. 

Förster,  Gusti,  44. 

Förster,  Oscar,  44. 

Foumier  (Komponist)  341. 

Francis,  Alda,  46. 

Franoes-Quartett  125. 

Franchetti,  Alberto,  46.  62. 

Franck,  C^ar,  54.  57.  60.  62. 
126.  127.  246.  253.  254. 

Frank,  Franz,  374. 

Frank,  Mathieu,  114. 

Frinkel,  Ludwig,  372. 

Franko,  Sam,  382. 

Franz,  Robert,  126. 

Robert  Franz  -  Singakademie 
(HaUe)  189. 

Frauenchor,  Frankfurter,  122. 

Frauenlob,  Heinrich,  104. 

Freudenberg,  Gflnther,  120. 

Freudenberg,  Wilhelm,  244  (»Das 
Jahrmarktsfsst  zu  Plunders- 
weilen*. UrauffDhrung  in 
Bremen). 


Freund,  Grete,  49. 
Frey,  Emil,  119.  252. 
Fricke,  A.  G.  L.,  102. 
Fricke,  Richard,  363.  380. 
Fricker  249. 

Fried,  Oskar,  51.  187.  254. 
Fried,  Richard,  255. 
Friedberg,  Cari,  125. 
Friedheim,  Arthur,  124. 
Friedlinder,  Max,  95. 
Friedman,  Ignaz,  55.  56.    123. 
Friedmann,  Meta,  189. 
Friedrich    Wilhelm,     Prinz    v. 

Preußen,  350.  358. 
Friedrich  der  GroOe  219.   329. 
Friedrich  August,  König,  122. 
Friese,  P.,  380. 
Friese,  R.,  380. 

V.  Frimmel,  Theodor,  37  AT.  64. 
Frischen,  Josef,  190.  379. 
Frodl,  K.,  255. 
Fuchs,  Albert,  121. 
Fuchs,  Anton,  47. 
Fuchs,  Marie,  251. 
Fuchs,  Richard,  357. 
Fumagalll,   Kapellmeister,    252. 
Funck  (Singerin)  59. 
V.  Gabain,  Anna,  250. 
Gabrilowitsch,  Ossip,  53.    125. 

248. 
Gade,  N.  W.,  380. 
Gadski,  Johanna,  254. 
Galitzin,  Nikolaus  FQrst,  23. 
Galston,  Gottfried,  191.  384. 
Garden,  Mary,  47.  245. 
Garibaldi,  L.,  46. 
Gaertner,  Walter,  245. 
Gastinel,  Leon,  341. 
Gastoldi,  G.  G.,  380. 
Gastone  (Singer)  255. 
Gatti-Casazza,  Giulio,  47.  245. 
Gauthier-Villars  383. 
Gay,  Maria,  48.  116. 
Geibel,  Emanuel,  122. 
Geidel,  Moritz,  124. 
Geller-Wolter,  Louise,  50.  380. 
Georg  Friedrich  Carl,  Markgraf 

V.  Bayreuth,  220. 
Georgi,  Erna,  188. 
Gerhardt,  Elena,  190.  191.  250. 

381. 
Gerhiuser,  Emil,  299. 
Gericke,  Wilhelm,  382. 
Gerlach,  Luise,  381. 
Gemsheim,  Ella,  55. 
Gemsheim,  Friedrich,  119. 
Gesangverein  (DQsseldorf)   189. 
Gevaert,  F.  A.,  247. 
Gewandhaus-Quartett  124. 
Geyer,  Steil,  51.  248.  252.  378. 
Ghithi,  Giovanni,  190. 
GieOwein,  Max,  190. 
Gilibert  47. 
Gille,  Carl,  117. 


NAMENREGISTER 


YII 


vtn  GiUe,  Jtn,  281.  294.  319 

(Bild). 
Gllson,  Paul,  54. 
Giordtno,  Umberto,    115.   245. 

378. 
Girtud,  A.,  52. 
Giraad,  F.,  46. 
Glasneck,  R^  189. 
Glazouaow,  Alexander,  191. 
V.  Glehn,  Frl.,  383. 
GUnka,  Michail,  252. 
Gluck,  Chr.  W.,  5.  53.  94.  170. 

281.  317.  319.  339. 
Gluth,  Viktor,  278. 
Gmeiner,  Ella,  190. 
GmQr,  Rudolf,  283. 
Godelsky  (Komponist)  183. 
Godowaky,  Leopold,  54.  63. 249. 

252.  254. 
Gogl,  Rupert,  374. 
Göhler,  Georg,  46.  248.  374. 
Goldenweiaer,    Alexander,    52. 

252. 
Goldmark,  Carl,  57.   114.   124. 

131  ff   (C.  G.     Eine    Skizze). 

144  ff    (Aus   meinen    Erinne- 
rungen    und     Begegnungen). 

192  (Bilder).  372.  378. 
Goldschmidt,  Paul,  57.  125. 
Goldschmidt,  Richard,  123. 
Göllner,  August,  249. 
GöUrich,  Josef,  374. 
Gomperz  -  Bettelheim,    Caroline, 

134. 
Gonia,  Marianne,  244. 
Goodson,  Katharina,  254. 
Goosens  (Direktor)  54. 
Gordon,  Marc,  187. 
van  Gorkom,  Jan,  46.  57.  113. 

377.  379. 
Görres,  Joseph,  103. 
Gorter,    Alf^d,    45.    116.    186 

(.Der  Paria.*     Urauffahrung 

in  StraOburg).  255.  374. 
Gose  &  Tetzlaff  152. 
Goethe,  Johann  Volf|gang,   30. 

53.  60.    102.   124.   136.  217. 

244.  246.  253.  269.  271. 
Goette,  Elfriede,  119.  244. 
Gottsched,  Joh.  Chr.,  383. 
Goetz,  Hermann,  116.  250.  379. 
Götz,  Karl,  63.  125. 
Götzl,  Anselm,  373. 
Gounod,  Charles,  102.  124. 138. 

244.  340. 
Gozzi  360.  361. 
Grabert,  Martin,  120. 
Grabitz,  V7ini,  244. 
Gridener,  Hermann,  119. 
Gräfe,  Richard,  58. 
Gram,  Peder,  250. 
Grandjean,  Louise,  127. 
Grassi,  R.,  46. 
Graun  (Zittau)  191. 


de  Greef,  Arthur,  62. 
Gregor,  Hans,  183.  372. 
Gregory  (Pisnist)  252. 
Grenser,  Alfred,  217. 
Grenser,  Carl,  217. 
Grosse  383. 
Gr6try,  A.  E.  M.,  53. 
Gretschaninoff  (Komponist)  118. 
Grieg,  Edvard,  57.  61.  107.  188. 

191.  254.  378.  380. 
V.  Grigorowitsch-Barsky,    Val- 

demar,  120.  124. 
Grillparzer,  Franz,  137.  157. 
Grimm,  Berta,  115. 
Grimm,  J.  O.,  119. 
Grimm,  Jakob,  103. 
Grimm,  Moritz,  44. 
Grimm,  Brflder,  284. 
Griswold,  Putnam,  183.  359. 
Groebke,  Adolf,  44.  45. 
Grosch,  Georg,  56. 122. 373. 377. 
Grosse,  J.,  365. 
GroOkopf,  Marco,  376. 
Grumbacher-de  Jong,  Jeannette, 

118.  119.  246.  351.  359. 
Grflnfeld,  Heinrich,  188. 
Grflnfeld-Quartett  54. 
Grflning,  Wilhelm,  375. 
Grunow,  Fr.  Wilh.,  216. 
Gniselli-Boer,  Alice,  374. 
Grflters,  August,  378. 
Grfltzmacher,  Friedrich,  122. 
Guicciardi,    Giulia    Gräfin,    64 

(Bild). 
Guilmant,  Alexandre,  252. 
Gulbranson,  Ellen,  122. 
GQnther-Braun,  Walter,  44. 113. 
GQrzenich-Quartett  60.  122. 
Guszalewicz,  Alice,  46. 1 14.  245. 

374. 
Gutheil-Schoder,  Marie,  49.  245. 

246. 
Haagmans,  Marie»  379. 
de    Haan-Manifarges,     Pauline, 

378.  379.  381. 
Haas  (Sänger)  255. 
Haasters-Zinkeisen,  Anna,   189. 
Haberl,  Benno,  283. 
Hadley,  H.,  256. 
Hadwiger,  Alois,  44. 
Hafgren,  Lilly,  379. 
Haaren  (Komponist)  379. 
Hagedom,  Th.,  380. 
Hagel,  Richard,  245. 
Hagemann,  Cari,  116.  375. 
Hagen,  Adolf,    114.    244.  248. 

373.  377. 
Hagen,  OttfHed,  47. 
Hahn,  Reynaldo,  382. 
Haindl,  Augu^  283.  319  (Bild). 
Hajdeckl,  Alexander,  31.  33.  34. 
V.  Haken,  Max,  121. 
Hai6vy,  J.  F.  E.,  340. 
Haiir,  Kari,  118.  189. 


HaUwachs,  Carl,  59. 
Haivorsen,  Johan,  62. 
Hamann,  Hugo,  123. 
Hambourg,  Mark,  62,  250«  254. 
Hamm,  Adolf,  351. 
Hammerstein,  Martha,  45. 
Hammerstein,  Oskar,  47. 
Händel,  G.   F.,  5.  52.  59.  62. 

118.  122.  124.  126.  189.  190. 

234.  255.  339. 
Hanliitaengl,  Erich,  61. 
Hanger,  Ida,  117. 
Hans,  Annie,  117.  377. 
Hanslick,  Eduard,  360. 
Häntzsch  (Sänger)  56. 
Hartleben,  O.  E.,  52. 
Hartmann,  Arthur,  379. 
Hartmann,  Ludwig,  372. 
Hartmann,  Max,  219. 
Hartog,  Marie,  379. 
V.  Hase,  Oskar,  219. 
Hasse,  Ksrl,  381. 
HaOler,  Alfred,  55.  252. 
HaOler,  Hans  Leo,  58.  200.  332. 
Hang,  Gustav,  251. 
(lauschka,  Vincenz,  28. 
V.    Hausegger,    Siegmund,    50. 

58.  61.  63.  69.  70.  75.   80. 

156.  278.  282.  306.  319. 
Hausmann,  Robert,  60. 
HauOmann,  E.  G.,  216.  217. 
Haydn,  Joseph,  3.  5.  6.  14.  16. 

30.  50.  51.  57.   59.  60.  97. 

118.  119.  123.  124.  162.  190. 

234.  246.  251.  252.  253.  255. 
Haym,  Hans,  248.  249. 
Hebbel,  Friedrich,  61.  239.  299. 

354. 
Heckel,  Emil,  192  (Bild). 
Hegar,  Friedrich,  52.  63.   178. 

251. 
Hegar,  Johannes,  56.  249.  383. 
Heger,  R.,  255. 

Heinemann,  Alexander,  54.  189. 
Heinemann,  Toni,  251. 
Heinrich  XXIV.  v.  ReuO,  Prinz, 

121.  122.  350. 
Heibig,  Musikdirektor,  56. 
Hell,  Roland,  62. 
Hell-AchlUes,  Frieda,  62. 
Heller,  Stephen,  234. 
Helünck  58. 
Hellmer,  Edmund,  128. 
Hellmesberger,  Joseph,  133. 
Hempel,    Frida,   183.  359.  372. 
Henke,  Marie,  124. 
Hennicker  (Sänger)  380. 
Henriques,  Fini,  250. 
Henschel,  Georg,  54. 
Hensel,  Heinrich,  45.  117.377. 
Hensel- Schweitzer,    Elss,    45. 

374. 
Herbelt,  Hsns,  61. 
V.  Herget,  Leo,  352.  381. 


NAMENREGISTER 


Heritzt,  Mini,  376. 
HennuD,  Hans,  ISS. 
HenniDii,  Roben,  250. 
HennuiM,  Han«,  52.  248.  250. 

379. 
Hennannt- Stlbbe,    Marie,    248. 

25i.  37«. 
Herold,  Tilfaelm,  44,   Itft. 
HerrmaDO,  Carl,  124. 
Hemnann,  Daolel,  51. 
Hemninn,  Gunav,  251. 
Herrcl  (Germinist)  103. 
Herlling  95. 
ütitz,  Alfred,  47.  245. 
Hcscb,  Viltaeim,  136. 
»cQ,  Ludwig,   56.   01.   60.   SO. 

IIS.  252.  253-  2n.  2S3.  310 

(Bild).  351    364. 
HeQ  van  der  Tyt,  Tbeodor,  53. 
Hcnbercer,    Richard,  40.    123. 

355. 
Henbner,  Conrad,  122. 
Heuser,  Ernst,  240. 
HeuO,  Airrcd,  352. 
v«n  den  Heuvell  (Singerin)  40. 
Hejde,  Erhird,  60, 
Heyneck,  Edmaod,  123. 
HeyolDg,  J.  C,  370. 
Hilf,  Arno,  ISO. 
Hilf-Quaneti   ISO. 
Htlgenfeld  22Z. 
HIlfenoanD,  Laura,  240. 
HlUemacber,  L.,  341. 
Hillemacher,  P.,  341. 
Miller,  Job.  Adim,  4.  50.  126. 

101.  253. 
Hinion,  Ediel,  254. 
Hinze- Reinliold,  Bruno,  62.  IS«. 
Hlrach,  K.  Fr.,  38. 
Hirsch,  Rudolf,  3B0. 
Hirt,  Fritt,  100.  370. 
Hirzel,  S-,  223. 

Hirzel-Langenban,  Anna,  58. 381 . 
His.  Wilhelm.  223,  352. 
HI»,  Frl.,  352. 
Hoehbelm,  Paul,  372. 
Hofbauer,  Rudolf,  40.  117. 
HOhr,  Loutw,  47. 
Hoffmano,  Baptist,  371. 
HoSmanii,  E.  T.  A.,  51.  301. 
Honnann,  Hugo,  283.  284. 
Holfmaan  v.  FallcrslebeD  103. 
Hofkapelle,  MOocbner,  283. 
Hofkapelle,  Srangarter,  283. 
Hohnann,  Anaa,  375. 
HohnanD,  Haoa,  123. 
Hoftnann,  Josef,  254. 
Hohler.  E.  Th.,  26. 
Holm,  Emil.  116.  376.  370. 
Holmte,  Augusia,  34t. 
HoltBchneider,  Carl,   121. 
Hol^  Arno,  364. 
Holz,  Karl,  27. 
Holzer,  EroM,  175.  176.  177. 


Homer  136.  315. 
HSpH,  Josef,  44.   1 13. 
Horbell,  J.,  283. 
Hom,  Julie,  Z26,  384. 
Horncminn,  Chiisilan,  64, 
Hoeraes  <L!breitist)  48. 
Horzowaki,  Alieclo,  100. 
HOsl-Quartelt  277. 
Hfivclmann,  Luise,  Ol. 
Hoyer,  B.,  283. 
Hubay,  JenO,  55.  248. 
V.  Hdbbenei,  Jnseflne,  373. 
Huber,  Ernst,  48. 
Huber,  Hans,  50.  370. 
Hubenoan,  Brooislaw,  101.  254. 

358. 
Hue,  G.,  341. 
V.  HQlsen,  Georg.   |S3. 
Hummel,  Job.  Ncp.,  20. 
Hummelsbelm,  Anton,  45.  244. 
I  Humperdlnck,£ngelbert, 55.383. 
I  Hur«,  Jean,  l27. 
;  HQttner,  Georg,  55.  121, 
Hyde  (Dlrlgeni)  250, 
Ihle,  Job.  E..  220. 
Ible,  J.  J.,  217,  210.  220. 
Illica,  Luigi,  372. 
d'Indy,    Vincent,  54.    50.    12«. 
127.  185.  248,  240.341.343. 
Ingegneri.  M.,  58. 
Ingenbovcn,  Jan,  Sl.  270. 
IppoKiow-Iwsnow.  M.  M.,   252. 

253. 
IrrgiDg,  Bernhard,  50.   188, 
Istcrdael,  Charles,  57. 
Jacobsibal,  Gustav,  103. 
Jidlowker,  Hermann,  46.  374. 
Ja«]],  Marie.  105.  106. 
Jlgcr,  Rudolf,  S5.   110. 
Jahn,  Otto,  27. 
Jabrow,  Hubert.   110. 
JansB,  Leopold,   132. 
Janssen,  Julius.  55. 
Jsques-Dalcroie,  £iiiile,  121.  244 
(,Les  jumeauK  de  Besame*. 
UraufrahruneinBrassel).345ir 
(Die  Methode  J.-D.). 
Jlmefelt,  Annas,  255. 
Jlmefelt,  Maikki,  53. 
Jensen.  Adolf.  251. 
Jotcbim.  Josepb,  57.  370. 
Jonas,  Ella,  55. 
de  JonciCres,  Victorin,  341. 
Jörn,  Carl,   183. 
Jourdan-Cutsingcr.  Byrd,  188. 
Jouiard,   Flora,   119. 
Jungblui,  Albert,   187.  35«. 
JOngsl,  Hugo,  251. 
Junker,  K.  D.,  5. 
Juon,  Paul,  51.   118.  282.   312. 

310  (Bild). 
V.  Haan,  Albert,  254. 
Kahler,  Margarete,  373.  370. 
Kaehler,  Willibald,  255. 


Kahn,  Robert,  58. 

KahDt  Nachr.,  C.  F.,  154.   163. 

Kalm,  Fr*  11,  60.  61.  68.  60.  71. 

76.  77.  78.  277, 
Kaimache        Kammermuslkver- 

«Inlcnng  277. 


Uos 


,  48. 


Kalbcck,  Max,  3iS.  360.  361. 
Kiilnnikow  252. 
Kaliach,  Paul,  377. 
KallBcber,  Alfr.  Chr.,  24.  25.  26. 

27.  37.  361.  362. 
Kimpf.  Kart.  282.  310  (Bild). 
Klmpfert,  Anna,  50.  380. 
Kamtscbaloff,  Boris,  56. 123. 125, 
Kappcl,  Gertrud.  45. 
Karg-Elert,  SIgfrld,  107.  108. 
Karpow.  Michel,   108. 
Kaschowska,  Felicia,  382. 
Kise,  Alfred,  59.   123.  124. 
Kauffmann,  Ffnt,   100.  248. 
KaDthnaan-Franilllo,     Hedwig, 

183. 
Kauhnann,  Hedwig,  123. 
Kaufmann,  Marie,  125. 
KauD.  Hugo,  54.  188.  100.240. 

380. 
KaysdesuE,  Fran^  252. 
Kayl.  A..  380. 
V.  Keglevics,  Babette,  22. 
Keldorfer,  Marie,  373. 
Keller,  Gottfried.  «3.  23«.  282. 

306. 
V.  Kellersperg,  Anna,  40. 
Kem«ny-Quartetl  54. 
Kempter,  Lothar,  40. 
Keatev«n,  Horacc,  52. 
Ketten,  Leopold,  249. 
Kettner,  Anna,  373. 
V.  KeuOler,  Gerhard,  101. 
Kiefer,   Heinrich,   60.   62.   254. 

283.  31Ö  (BiidJ. 
Kiefer,  Julius,  373. 
Klelarski,  H.,  121. 
Kienzl,  Vilhelra,  245. 
KJUan.  Tbeodor,   62.   283.   31« 

(Bild). 
Klmla,  Ada,  377. 
Kirchberg,  Gustav,   188. 
KlTChbolf,  Walter,  371. 
Kircbner,  Hugo,  44.  113. 
Klmberger,  Job.  Pb.,  217,  218. 

210. 
Klr»:h,  Hedwig,  250. 
Klttl,  J.  F..  222.  223. 
Klauaner,  Otto,  46. 
Kleeberg,  Clotilde,  54. 
Klein,  Julius,  47. 
V.  Klenau,  Paul,  281.  286.31« 

(Bild). 
Kiengel,  Julius,  56.00.  121.  124. 

248.  351. 
Ktlndworth,  Karl,  51. 
Kllngbammer,  Erich,  40. 


NAMENREGISTER 


IX 


Klinsler,  Karl,  118. 
V.  Kloeber,  August,  64. 
Klose,  Friedrich,  270.  274.  281. 

283  ff.  319.  357. 
Klossesk-Mflller,  Luise,  52. 
V.  KlOsteriein,  Erika,  250. 
Klughardt,  August,  118. 
Klupp-Fischer,  Olga,  255. 
Knak,  Gustav,  351. 
Knauer,  Georg,  228.  283.  310 

(Bild). 
Knoch,  Eva,  101. 
Knorr,  Iwan,  125. 
Knote,  Heinrich,  116.  374. 
KnOpfer,  Paul,  183.  380. 
Koch,  Betty,  47. 
Koch,  Brunhilde,  53. 
Koch,  Frida,  188. 
Koch,  Hildur,  53. 
Koch,  Joh.  Chr.,  208. 
Koch,  Sophie,  53. 
Koch,  Geschwister,  100. 
V.  Koch,  S.,  123. 
V.  Köchel,  Ludwig  Ritter,  25. 
V.  Koczalski,  Raoul,  251. 
Kogel,  Gustav  F.,  101.  254. 
Koegel  (Singer)  50. 
KOhler,  Franz,  114. 
Kohmann,  Anton,  383. 
Kolkmeyer,  H.,  54.  188. 
Koenen,  Tilly,  55.  56.  60.  63. 

118.  250.  381. 
Konrad  von  Wflrzburg  104. 
Konzertgesellschaft    fQr    Chor- 
gesang 283. 
Koreschtschenko  252. 
Körner,  Carl,  122. 
KOrte,  Ernst,  40. 
KOstlin,  H.  A.,  206.  207. 
KOtscher,  Hans,  52. 
Kramer,  Leopold,  55. 
Kraemer,  Paul,  106. 
Krasa,  Rudolf,  183. 
Krasselt-Quartett  127. 
V.  Kraus,  Felix,  56.  58.  61.  124. 

125.  187.  247.  251. 
V.  Kraus-Osbome,  Adrienne,  58. 

124.  187.  247.  251. 
Krause,  Gottfried,  245. 
Krein,  D.,  252. 
Kreisler,  Fritz,  254.  382. 
Kremser,  C,  123. 
Krenn,  Franz,  152. 
Kreutzer,  Conradin,  330. 
Kreutzer,  Leonid,  101. 
KrOgel,  Arnold,  50. 
Krolop,  Franz,  102. 
Kromer,  Joachim,  252. 
Kronke,  Emil,  248.  251. 
Krug- Waldsee,  Josef,   100.  282. 

301.  310  (Bild). 
Krflger,  Gertrud,  183. 
Kuh,  Emil,  200. 
Kuhn,  Paul,  374. 


Kflhne-Hellmessen,  Minnie,  381. 
Kunkel,  Tina,  48. 
Kuntze,  Helene,  48. 
Kunwald,  Ernst,  110. 
Kunzen,  L.  A.,  05. 
Kurz,  Selma,  55. 
Kussewitzky,  Sergel,  53.  127. 
Kuttner,  Max,  44. 
Kutzschbach,     Hermann,     116. 

252. 
Kuyper,  Elisabeth,  110. 
Kwast,  James,  118. 
Kwast-Hodapp,  Frida,  118.  101. 
Kynast,  Martha,  120. 
van  Laar,  Louis,  240. 
Labia,  Maria,  183. 
Lachner,  Franz,  277.  278. 
Laute,    Karl,    48    (»Das    kalte 

Herz."  Uraufführung  in  Prag.) 
Lagarde  185. 
V.  d.  Lage,  Julie,  128. 
LagerlOf,  Selma,  312. 
de  Lajarte,  Th.  E.,  341. 
Lalo,  Edouard,  57.  1 10.  185.247. 

341.  382. 
La  Mara  34.  38. 
Lambinon,  Nicolas,  188. 
Lambrino,  T616maque,  240.  251. 
van  Lammen,  Mientje,  283. 
Lamond,  FrM6ric,  60.  125.  180. 

255.  256. 
Lamoureux,  Charles,   126.  382. 

383. 
Landauer,  Gustav,  116.  374. 
Landmann,  O.,  384. 
Landowska,  Wanda,  254. 
Landry,  Paul,  46. 
Landsberg,  Hans,  152. 
Landshoff,  Ludwig,  120.  124. 
Landshoff,    Philippine,    53.  60. 

120.  124. 
de  Lange,  Samuel,  255. 
Lange-Mflller,  P.  E.,  380. 
Langenhahn  278. 
Laparra,       Raoul,      47      („La 

Habanera*.     UrauffQhrung  in 

Paris).  383. 
Laube,  Elsa,  58. 
Laube,  Julius,  58. 
Lauer-Kottlar,  Beatrix,  187. 
Laugs,  Robert,  50.  247. 
Laurencin,  Graf,  147.  148. 
Laurischkus,  Max,  110. 
Lautenbacher,  Auguste,  44. 
Lazzari,  Sylvio,  383. 
Leander,  Richard,  155. 
Leblanc,  Georgette,  127. 
Lederer-Prina,  Felix,  187. 
Uderer,  Richard,  282.  307.  310 

(Bild). 
Leffebre.  Charles,  341. 
Lehir,  Franz,  244. 
Uhmann,  Lilli,    102.  121.  245. 
Lehmann-Osten,  Paul,  56. 


Lehrergesangverein,   Dresdener, 

121. 
Lehrergesangverein,    Mflnchner, 

61. 
V.  Lenbach,  Franz,  260. 
L6na,  Maurice,  244. 
Lengyel  v.  Bogota,  Ernst,  252. 
Leoncavallo,      Ruggiero,      245, 

378. 
Leoni,  Leon,  380. 
Leopold,  Fürst  v.  Anhalt-Köthen, 

220. 
Lermontoff,  A.,  101. 
Leroux,  Xavier,   113.  184.  185. 

341. 
Lessing,  G.  E.,  210.  320. 
Leßmann,    Eva,  55.   187.    100. 

255. 
Levi,  Hermann,  273.  277. 
Lewandowsky,   Max,   230.  240. 
Lewin,  G.,  62. 
Lewinger,  Max,  121. 
Leydhecker,   Agnes,    124.    248. 

378. 
V.  d.  Leyen,  Rudolf,  355. 
Liapounow,  Sergei,  110. 
Lichnowski,  Fflrst,  14. 
Lie,  J.,  187. 
Lie  (Komponist)  50. 
Liepe,  Emil,  188. 
Liepmannssohn,  Leo,  20. 
van  Lier,  Jacques,  110.  248. 
Lietzmann,  Kurt,  5. 
V.     Liliencron,     Rochus     Frhr., 

103. 
Lilienthal,  Herbert,   187. 
van    Linden  van    der   Heuvell, 

Johanna,  370. 
Linkenbach,  Henny,  374. 
Lipiner,  Siegfried,  130. 
Lippmann  (Singer)  100. 
Limbert,  Frank  L.,  110. 
van  der  Linde  (Singerin)  40. 
Linnebach,  Adolf,  116. 
Lisiewsky  (Maler)  217.  218. 
Liszewski,  Tillmann,  46. 
Liszt,  Franz,  37.  54.  55.  57.  58. 

50.  62.  63.    113.    118.    120. 

122.  123.  124.  125.  127.  145. 

180.  100.  101.  240.  251.  252. 

253.  254.  255.  278.  378.  381, 
Littmann,  Max,  260. 
Lohflng,  Robert,  47. 
Lohse,  Otto,  46.  115.  374. 
Loman-v.  Elischer,  Rudolf,  370. 
Loman-v.  Elischer,  Frau,  370. 
Lordmann,  Peter,  117.  376. 
Lorentz,  Alfred,  374. 
Loritz,  Josef,  253.  283. 
Lorleberg-Schnell,  Hannah,    62. 
Lortzing,  Albert,  44.  117.  170. 

186.  330.  374. 
Lossy,  L.,   101. 
Lothar,  Rudolph,  46.  48. 


NAMENREGISTER 


Louis,  Rudolf,  60.  283. 

LOventohn,  Marix,  119. 

Loewe,  Carl,  03.  188. 

Loewe,  Edmund,  244. 

Löwe,  Ferdinand,  277.  381. 

Loewe,  Margarete,  189. 

LOwenfeld,  Hans,  116.  245. 

Lucca,  Panllne,  100  ff  (P.  L.  f)* 
128  (Bild). 

Lucchesi,  Andrea,  4. 

Ludlkar,  Paul,  376. 

Ludwig  I.,  KOnig,  250.  268. 

Ludwig  II.,  König,  259.  265. 
272. 

Lumnitzer,  Magda,  57.  251. 

Lunssens  (Komponist)  247. 

V.  Luschan,  Felix,  64. 

Luflmann,  Adolf,  256. 

Lfltkemeyer,  Prof.,  48. 

Luther,  Martin,   202.  207.  325. 

Lutter,  Heinrich,  53. 

Macchi,  G.,  114. 

Mac  Gregor,  Helen,  119.. 

Mac  Grew,  Rose,  44. 

Maclennan,  Francis,  183. 

Maggs,  Dorothy,  249.  250. 

Magnus,  Eduard,  225. 

Mahlendorff,  Dina,  255. 

Mahler,  Gustav,  47.  84.  121. 
149  ff  (G.  M.)  177.  192  (Bil- 
der). 245.  253.  254.  256.  357. 
382. 

Maillart,  Aim6,  114.  339. 

Malata,  Oskar,  244. 

Malawski  (Singer)  117. 

Maiden,  Hermann,  48. 

Malischewsky  (Komponist)  191. 

Mailing,  Otto,  238. 

MaUinger,  Mathilde,  102. 

Milzel,  Joh.  Nep.,  28. 

Mambriny,  Prof.,  54. 

Mandyczewsky,  Eusebius,   355. 

Man6n,  Joan,  60.  188.  254. 

Mann,  Ed.,  377. 

Mannsfeld^  Edgar,  362. 

V.  Manoff,  August,  187. 

Mantler,  Ludwig,  372. 

Marak,  Otto,  378. 

Marchesi,  Mathilde,  188. 

Mar6chal  341. 

Marey  105. 

Mameff  (Cellist)  59. 

Mamer,  Konratt,  104. 

Marschner,  Heinrich,  128.  339. 

Marsop,  Paul,  67.  128. 

Marteau,  Henri,  55.  119.  190. 
249.  255.  282. 298. 319  (Bild). 
345.  351.  381. 

Martin,  Mabel,  125. 

Martini,  Helene,  120. 

Martucci,  Giuseppe,  61. 

Marty,  Georges,  341. 

Marx,  Mizzi,  245. 

Marx-Goldschmidt,  Berthe,  123. 


Massenet,  Jüles,  121.  184.  185. 

245.  340. 
Matauscbka  (Fagottist)  11. 
Maeterlinck,  Maurice,  341. 
Matema,  Amalie,  134.  135. 
Matema,  Hedwig,  375. 
Mattheson,  Joh.,  223. 
Matthieu  (Maler)  226. 
Mattioli  (Kapellmeister)  4. 
Max  Franz,  Kurfürst  v.  KOln,  4. 
Max  Friedrich,  KurfOrst  v.  KOln, 

4.  6. 
Maximilian  II.,  KOnIg,  259. 
Mayerhofer  (Singer)  135. 
Mayr,  J.  G.,  120. 
Mayr,  Richard,  246. 
Mebus,  Eduard,  117. 
Medek  (Singerin)  114. 
Meffert,  P.,  359. 
Mehrtens,  Meta,  191. 
M6hul,  E.  N.,  340.  371. 
Meitschik,  M.,  252. 
Melcer,  Henryk,  53. 
Mellot-Joubert,  Frau,  383. 
Melms,  Hans,  376. 
Melville,  Marguerite,  53. 
Mendelssohn,  Arnold,  255. 
Mendelssohn -Bartholdy,    Felix, 

54.  57.  59.  122.  123.  132. 
147.  190.  191.  228.  239.  255. 
350.  378. 

Mendelssohn-Quartett  380. 
Mengelberg,    Willem,    56.     57. 

378.  383. 
Menzlnsky,  Modest,  116. 
Mermet,  Auguste,  341. 
Merter,  Max,  49. 
Mervlola,  Helene,  244. 
Messager,  Andr6,  126.  185.  341. 

382. 
Messchaert,  Johannes,    49.   50. 

55.  189.  383. 

M^sziros,    Emericb,    114.    373. 
M6tra,  OH  vier,  341. 
Metzger-Froitzheim,  Ottilie,  124. 

245.  374. 
Metzl,  Wladimir,  252.  253. 
Mey,  Kurt,  103.  314. 
Meyder,  Karl,  362. 
Meyer,  C.  F.,  239. 
Meyer,  Hedwig,  60. 
Meyer,  Louis,  45. 
Meyer-Helmund,  Erik,  380. 
Meyerbeer,  Giacomo,   48.    183. 

186.  245.  339.  341. 
V.  Mihaiovich,  Edmund,  54. 
Miller,  WUliam,  189. 
Miller  zu  Aichholz,  Victor,  355. 
Mitnitzky,  J.,  51.  123. 
MItterwurzer,  Anton,  128  (Bild). 
MOhl-Knabl,  M.,  61. 
Mohwinkel,  Hans,  374. 
V.  Mojsisovics,    Roderich,   282. 

319  (Bild). 


Moll&re  373. 

V.  Moellendorff,  Willy,  120.  125. 

MOUer,  Albert,  189. 

MOnch  von  Salzburg  144. 

Monich,  Hermann,  254« 

Monn,  G.  M.,  97. 

Monod,  E.,  57. 

de  Monsigny,  J.  J.,  211. 

Moor,   Emanuel,   54.    57.    124. 

252.  378. 
Moreto,  A.,  371. 
MOrike,  Eduard  (Dichter),  239. 
Mörike,  Eduard  (Kapellmeister), 

45.  189.  374. 
Morley,  Thomas,  124. 
Morris,  Maximilian,  372. 
Morsztyn,  Helene  Comtesse,  62. 
Mortelman,  Lodevjik,  49.  246. 
Mosel-Tomschik,  Marie,  46. 
Mosenthal,  S.  H.,  133.  138.  139. 
Moser,  Anton,  246. 
Moest,  Rudolf,  45.  244.  374. 
Moszkowsky,  Moritz,  120.  250. 

252. 
Motti,    Felix,   50.    53.    61.    82. 

125.  271.  272.  273.  274.  275. 
279.  283.  314.  319  (Bild). 
359.  382. 

Mottu,  Alexander,  249. 
Moussorgsky,  Modest,  252. 
Mozart,  Leopold,  87. 
Mozart,  Wolfgang  Amadeus,  3. 

4.  5.  6.  8.  18.  19.  30.  51.  54. 

55.  58.  62.  63.  85.  101.  116. 

118.  120.  121.  122.  123.  124. 

126.  127.  136.  144.  146.  149. 
162.  171.  188.  190.  191.234. 
244.  245.  247.  248.  252.  253. 
254.  255.  272.  273.  275.  339. 
359.  374.  376.  379.  382. 

Muck,  Carl,  247.  254.  382. 
Mflgiin,  Heinrich,  104. 
Malier,  A.  E.,  219. 
Malier,  Ernst,  123. 
Maller,  Gabriele,  244. 
Maller,  Georg,  64. 
Manch,  Ernst,  255. 
Manchhoff,  Mary,  55.  378. 
Manzer,  Georg,  103.  104.  105. 

120. 
Muratore  (Singer)  127. 
V.  Mutzenbecher,  Kurt,  117. 
Mynotti,  J.  C,  125. 
Mysz-Gmeiner,  Lula,  53.    121. 

189.  248.  256. 
Nachtigall,  Konrad,  105. 
Nadolowltsch,  Jean,  372. 
Nagel  (Dirigent)  50. 
Nani  (Singer)  376. 
Napoleon  I.  376. 
Naprawnik,  Emanuel,  255. 
Nardini,  Pietro,  189. 
Nast,  Minnie,  121.  373.  374. 
Natterer,  Ludwig,  56.  249.  383. 


Ninert  05. 
Nannuin,  Hui«,  50. 
Nmuduo,  Otto,  53.  190. 
N»v«l.  fnoz,  46,  183.  372. 
Navarini  (Singer)  37S. 
Nebuschka,  Franz,  373. 
Nedbal,  Oskar,  4S.  252.2S4.25«. 
Neefe,  Chr.  C,  4.  9.  120. 
Neisch,  Margarete,  44.   113. 
NdtHl,  Otto,  255.  373. 
Nelle,   Dr.,  350. 
Kenid»,  Fr«n7,  2S5. 
Ne«cbdanowi,  A.,  252. 
NeOler,  Viktor,   IS«. 
Noubauer,   Hana,  35.  373. 
Neubeck,  LudKig,  185. 
NeudBrffer,  Julius,   HO.  376. 
Neuhaus,  Tali,  55. 
NeamBDD,  Angelo,   153. 
Nenmun,  Franz,  115. 
NeuDhen,  Jobaan,  224. 
Ney,  Elly,  59. 

Nicolai,  Otto,   133.  330.  376. 
Niedennann,  Gustav.  251. 
Nlelaen,  Ludoir,  250. 
Nlenann,  Albert,   102. 
Nietzacbe,  Friedrich,  305.    375. 
mUMh,   Arthur,    50.    62.    118. 

123.   124.  IBO.  252.380.  3SI. 

383.  384. 
NiklKts.  Otto,  188. 
Nodnagel,  E.G.,    163.200.358. 
NobI,   Ladwle,  24,  25.  27.  20. 

36.  37.  362. 
Noordewier-RcddingiuB,    EmiDi, 

378.  370. 
Nordraak,  Richard,  lOS. 
Norrie,  Anna,  55. 
Nottebohm,  Guatav,  28.  03,  360. 
Novacek,  O.,  56. 
Novak,  Viteslav,   IS7. 
NowowIejskI,  Felix,  50. 
Nultttr  185. 
Nnnnenbeck   105. 
NODIe,  H.,  56. 
de  la  Nnx  341. 
Nrrop  (Komponlet)  250. 
Ober,  Marsarete,  183. 
Obriat,   Alola,    116.   2S5.   283. 

3lfl  (Bild).  376. 
Ochs,  Siegrrled,  50.  240. 
ORenbacb,  Jacques,  245.  343. 
OUner,  G.  E.,  56. 
Ondricek,  Franz,  63.   101. 
Oadricek-Quartett  63. 
van  Oon.  Hendrik,  49.  180. 37«. 
Opitz,  MartlQ.  106. 
Orbeilini  (Slngerin)   185. 
Oretlo,  Josef,   114.  372. 
Orlik.  Emil,  192. 
Oertling,  Jullua,  251. 
Oabom,  E.,  82. 
Oabom-Hannab,  Jane,  245. 
Oeaer,  Auxun,  187. 


NAMENREGISTER 

V.  d.  Otten,  Eva,  54.  373. 

Oetierbeld,  Prof.,  228. 

V.  Oth^raven,  Aapiat,  380. 

Otten,  Aooa,  51. 

Otteobdioer,  PrdI,  188.  254. 

Ottermann,  Luiic,  Sfl. 

Otto,  Julius,  373. 

de  Fachmann,  Tladlmlr,  254. 

Pack,  E.,  248. 

Paderewski,  ignu,  383. 

PaSr,  Ferdinand,   33S. 

Ptbnkc.  W„  240. 

PaUdllbe,  £miie,  34t. 

Palestrlna  58. 1 23  ( Bild).  188. 380. 

PallofTen     SS. 

Panihis,  Marie.  49.  57. 

Panier  71.  77.  70. 

Paiuner,  Karl,  53.  118. 

Parent,  Armand,   126. 

Parlow,    Kaihleen,     121.     1 24, 

248.  378. 
Pasdeloup,  J.  E.,  341. 
Paner,  Max,  252.  254. 
Paul,  Jean,  150. 
Paul.  TbWHlor.  23«.  237. 
Paulhan     05. 
Pauli,  Max,  380. 
Paulaen,  J.,  252. 
Pelaer,  Oerbard,  248. 
Pembaar,  JoasT,  124.  ISO. 
Pembaur,  Maria,  127. 
Pennarinl,  AloU,   114. 
V.  PerWI,  Karl  Frhr,  278. 
Pufole«!,  G,  B.,  4.    6.    12.  13. 
PerilboD.  Gabriel,  126. 
Peroal,  Loreitio,  61. 
PerroD,  Carl,  121. 
Perrotn^  Jeanne,  240. 
Petaud,  E.  L.  F.,  341. 
Petere,  C  F.,  154.  216.  217. 
Petko,  Emmy,  40. 
Petrenko  ^Slngerln)   101. 
Petti,  E^on,  252. 
Petri.  Henri,  118.  101. 
Petri-Quanett   118,   121.  2M. 
Peiachnikoff,  Alexander,  255. 
Petter,  Ftmot,  46. 
Pfano,  Kart,  372. 
PRuncr.  Hans,  58.  60.62.  156, 

240,  255.  274.  278.  357. 
V.  d.   Pfordten,  H.,  39. 
Philharmoniker,    Berliner,    381. 

3S3. 
Pbilippi,  Maria,  247.  351.  383. 
Pick-Mangl«g«lli   (Pianlat)    254. 
Pickert,  Adelheid,  183. 
Pleme,  Gabriel,  191. 
Plerret,  Aaguat,  377. 
Pletratacbcwska   (Sincerin)    40, 
V.  Pllrol  33. 

PInfc*,  Emil,  124.  352.  381. 
PItteroir,  Mathlac,  378, 
Pittrieb,  Georc  244. 
PUil,  BiDilio,  37£ 


XI 

PUicbinser,  Thila,  45. 
Plaschke, Friedrieb,  41.373.377. 
Platz,  Oscar,  43. 
Piatzbecker,  Heinrich,  114. 
Playfalr.  Elaie,  252. 
Pleyel,  J-,  126. 
van  der  PIOÜ,  Bram,  370. 
Piaddemann,  Martin,  52. 
PIQddemannacher  Chor  (Breslau) 
ISO. 


er,  Jer 


,  246. 


PolUk,  Robert,  252. 

Pollitz,  D.,  57. 

PonBblelll,  Amilcare,  82. 

Poppe  (der  alte)   105. 

POppel,  Georg,  48. 

Popper,  David,  55. 

Porgea,  Frladricb,  50. 

Porgea,  Heinrich,  278. 

PorfM,  Walter,  381. 

Porpora,   Nicola,  124. 

Porst.  Bernhard,  245. 

V.  Poaaart,  Emat,  45.  1 14.  272. 

pMt,  Max,  58. 

Pon,  Richard,  58. 

Pct^ieDer,  Karl,  282.  295.  319 

(Bild). 
Pretl,  Marcella,  57. 
PreÖ,    Michael,    51.    118.    283. 

319  (Bild). 
PreO,Joseph,  1 18.2S3.310(Blld). 
PreO-Miurina,   Vera,    IIS.   283. 

319  (Bild). 
Preß-trio  «2. 
Preuse- Matzen  «uer,     Mar|arete, 

Öl    252.  253.  371.  372.  380, 
Prevosti,  Fraoceschina,  114. 
Preyer,  Gottfried,   132. 
Prili.  Emil,  350. 
Prout,  Eheoezer,   121. 
Prower,  Julius,  44,  113. 
Pacclni,  Glacono,  46.  245.  342. 

377. 
Putno,  Raonl,  57.  63.  248.  378. 
Punto,  Giovanni,  10. 
Purcell,  Henr>,  247. 
Puschkin,  Alexander,  101. 
Puacbman,  Adam,  103.  104.  105. 
Puttiitz,  Julius,  373. 
Raabe,  Peter,  63.  117.  121.  127. 

184.  278.  381. 
Rabaud,  Henri,  382. 
Rsbi,  Valter,    115.  125.  380. 
Rabi-Kristen,  Hermine.  44. 
Rabot,  Vllhelm,  45. 
Rachmaninoff,  Sergej,  248.  252. 

253.  254.  378. 
Ralf,  Joachim,   146.  101. 
Rabter,  Daniel.   125.  380, 
Rains,  L«on,  373. 
Rajchmao,  Alexander,  250. 
Ranean.  J.  Ph-,  127.  376. 


XII 


NAMENREGISTER 


Rampel  (Kopist)  37. 
Ranft,  Albert,  116. 
Raunay-Beaunier,  Jeanne,    126. 
Rauscher,  Erika,  381. 
Ravel,  Maurice,  382.  383. 
Ravn,  Irma«  48. 
Rebner,  Adolf,  56.  1 10. 240.  383. 
Rebner-Quartett  58. 60. 240. 253. 
Reboux,  Paul,  382. 
Reclam,  Philipp,  342. 
Reed,  G.  W.,  48. 
Regenbogen,  Bartel,  104. 
Reger,  Max,  50.  57.  61.    123. 

124.  126.  156.  172.  188.  100. 

101.  247.  251.  253.  254.  255. 

351.  364.  370. 
Rehberg,  Ad.,  240. 
Rehberg,  Willy,  240. 
Rehkopf,  Paul,  117. 
Reichardt,  Job.  Fr.,  05. 124.  217. 
Reichel,  Enna,  351. 
Reichenberg  (Singerin)  135.  136. 
Reichenberger,  Hugo,  121. 
Reicher,  Emanuel,  51. 
Reichert,  Fr.,-^2. 
Reichwein,  Leopold,  116.  375. 
Reimann,  Job.  Balthasar,  223. 
Reimers,  Paul,  50.  1 18.  1 10.  246. 
Reinecke,  Carl,  125. 
Reinhardt,  Johann,  376. 
Reinhold,  Arthur,  123. 
Reisenauer,  Alfred,  350. 
ReiO,  Georg,  380. 
Rell6e,  Leonore,  44. 
R6mond,  Fritz,  245. 
Renard,  Marie,  135.  136. 
Renaud,  Maurice,  47. 
Rentsch-Sauer,  Hella,  125. 
Respighl  124. 
de  Reszke,  Jean,  24ft> 
Reucker,  Alfred,  377. 
ReuO  j.  L.,  Erbprinz,  350. 
V.  Reuter,  Florizel,  381. 
Reyer,  Emest,  341. 
Reymond,  L.,  240. 
V.  Reznicek,  E.  N.,  371. 
Rheinberger,  Joseph,  363. 
Rheinfeld,  M.,  61. 
Ribera,  Antonio,  185. 
Ribot  105. 

Richepln,  Jean,  113.  185. 
Richter,     Franz    Xaver,    7.    8. 

85.  02. 
Richter,  Otto,  377. 
Rlemann,  Ernst,  125.  127. 
Rlemann,  Hugo,  103.  175.  208. 

211.  213.  328.  330. 
Riepel,  J.,  208. 
Ries,  Ferdinand,  25.  302. 
Righini,  Vtncenzo,  17. 
Rimsky-Kortsakow,  Nikolai,  56. 

126.     101.     248.    254.    382. 

383. 
del  Rio,  Glannatasio,  34. 


del  Rio,  Frau,  20. 
Ripper,  Alice,  251. 
Risler,  Edouard,  252. 
Riss-Arbeau  (Pianistin)  126. 
Ritter  (Singer)  135. 
Ritzinger,  Joseflne,  40. 
Robertine,  Fernande,  46. 
Rode,  Minna,  50. 
ROhr,  Julia,  110. 
V.  Rokitansky,  Viktor  Frhr.,  134. 
Roel,  Kapellmeister,  183. 
ROmhild,  Albert,  377. 
Rona-Kem6nyffy,  Josefa,  248. 
Ronis,  Maximilian,  51. 
ROntgen,  Julius,  40.  378. 
Roosevelt,  Maud,  373. 
Roquette,  Otto,  113. 
Rose,  Frances,  37 1 . 
R086,  Arnold,  118. 
Ros6,  Eduard,  118. 
Ros6-Quartett,  118.  383. 
Rosencrantz,  J.  M.,  51. 
Rosenthal,  Moriz,  63.  256. 
Rosenthal,  Wolfgang,  352.  381. 
ROsler  (Pianist)  125. 
Rossini,  Gioachino,  57. 250. 338. 
ROOler,  Otto,  51. 
Roth,  Bertrand,  248. 
Rother,  Gotthold,  373. 
Rotter,  Alexander,  244. 
ROthIg,  Brunov  125. 
ROthIg,  Clara,  125. 
Rousseau,  S.,  341. 
Rubinstein,  Anton,  144.  145.  146. 
Rflckbeil,  Hugo,  255.  256. 
Rackbell-HIller,  Emma,  255. 
Rackert,  Friedrich,  154. 
Ruederer,  Josef,  266. 
Rüdiger,  Hans,  51.  373. 
Rudolf,  Erzherzog,  25.  362. 
RudoHf,  Ernst,  50. 
Ruhlmann,  48. 
Rumann  (Singer)  80. 
Rumpel,  Franz,  372. 
Rumpf,  F.,  226. 
Rumschjysky,  S.  G.,  51. 
Rung,  Frederik,  188.  380. 
Runge,  Paul,  103.  104. 
Rupprecht  05. 

Rasche- Endorf,  Cicilie,  45.  114. 
Rust,  F.  W.,  125. 
Rust,  Wilhelm,  383. 
Ruzitska,  Anton,  118. 
Saal,  Alfred,  52. 
Sacchetto,  Rita,  373. 
Sachnowsky,  J.,  252. 
Sachs,  Hans,  103.  104.  244. 
Sachs,  Leo,  383. 
SafonofT,  Wassili,  382. 
Saint-Denis,  Ruth,  372. 
Saint-Sa€ns,   Camille,    57.    50. 

121.  123.  126.  127.  186.  101. 

247.  250.  252.  340.  378.  381. 

382. 


Salignac  (Singer)  48. 
Salomon,  Heinrich,  102. 
Salvatini,  Signorina,  183. 
Salvayre  (Komponist)  341. 
Salzwedel,  Max,  350. 
Sauden,  AHne,  52. 
Sandoz,  Jobin  &  Co.  345. 
Sangalli  (Tinzerin)  185. 
Sankt-Ursula-Midchenchor  110. 
SapellnlkofT,  Wassily,  53.  120. 
Saradschew,  K.,  252. 
deSarasate,  Pablo,  123. 101. 270. 
Sasse,  Gertrud,  120. 
Sasse,  Hans,  120. 
Sauer,  Emil,  55.  125.  180.  270. 

378. 
Sauret,  Emile,  250. 
de  Sauset  373. 
Scarlatti,  Domenico,  121. 
Schade,  Marie,  188. 
Schifer,  Dirk,  252. 
Schifer-Bender,  Franziska,  373. 

374.  377. 
van  Schalk  (Singer)  40. 
Schallapln,  Feodor,  375. 
Schalk,  Franz,  40. 
Scharrer,  Irene,  252. 
Scharwenka,  Xaver,  110.  188. 
Schauer,  Alfred,  44. 
Schauer-Bergmann,  Martha,  58. 

50.  110. 
Scheel,  Fritz,  253. 
Scheffler,  Rudolf,  188. 
Scheibel,  Gertrud,  120. 
vom  Scheidt,  Selma,  117. 
Schein,  Job.  Herm.,  106. 
Scheinpfiug,  Paul,  54. 
Schelle,  Henriette,  188.  370. 
Schelle,  Seraph  ine,  63. 
Schelling,    Emest,     281.     201. 

310  (Bild). 
Schenk,  Elisabeth,  62.  121. 
Scheremetjew,  Graf,  254. 
Schereschefsky,  Martha,  44.  113. 
Scherrer,  H.,  283. 
Schidenhelm  (Pianist)  383. 
Schiebold,  C,  380. 
Schierbeek  (Singerin)  40. 
Schilling- Ziemsen,    Hans,     184 

(«Sonnenwendglut*.       Urauf- 

fQhrung  in  Colmar). 
Schillings,  Max,  57.  61.  60.  70. 

80.  187.  240.  240.  260.  270. 

274.    280.    281.    282.    200  fr. 

310.  357. 
Schimon,  Ferdinand,  64. 
Schindler,  Anton,  16. 33. 36. 362. 
Schindler,  Kurt,  282.  363. 
Schioler,  Axel,  250. 
Schipanek  (Singerin)  117. 
Schirmer,  Robert,  114. 
Schjelderup,  Gerhard,  121.  373 

(»Frahlingsnacht".         Urauf- 

fahrung  in  Dresden). 


NAMENREGISTER 


XIII 


Schkolnick  (Gelger)  255. 
Schlaf,  Johannes,  305. 
Schlar,  Josef«  117. 
Schlesingersche  Buch-  und  Musik- 
handlung 163. 
Schloß,  Lotte,  61. 
Schlosser,  Anton,  61.  120.  253. 
Schlösser,  Adolph,  362. 
Schlosser,  Louis,  362. 
Schmedes,  Erik,  40. 
Schmid,  H.  Kaspar,  253. 
Schmid-Lindner,  August,  60.  61. 

255.  283. 
Schmidt,  Lou,  120. 
Schmidt,  Mary,  121. 
Schmidt-Badekow,    Alfred,    50. 

255. 
Schmidt-Reinecke,  55. 
Schnabel,  Artur,  124.  187.  359. 
Schnabel-Behr,  Therese,  359. 
Schneemann,  Else,  125. 
Schntevolgt,  Georg,  60.  70.  278. 

378. 
Schneider,  E.,  352. 
Schnitzer,  Germaine,  248. 
Schnirlin,  Ossip,  51.   187. 
Schnorr    v.    Carolsfeld,    Franz, 

103. 
Scholander,  Sven,  123.  190.  256. 
Scholz,  Bernhard,  59.  122.  251. 

361.  374. 
Scholz,  Hermann,  248. 
SchOnberg,  Ernst,  188. 
SchOnberg  (Pianistin)  62. 
SchOnholtz  (Singerin)  255. 
Schop,  Joh.,  214. 
Schotts  Söhne,  B.,  25.  134.  154. 
Schrattenholz,  Leo,  118. 
Schreck,  Gustav,  122.  351. 
Schrecker,  Franz,  256. 
Schroeder,  Alwin,  249. 
Schroeder,  Carl,  124. 
Schroeder,  C.  M.,  191.  254. 
Schroeder,  Emmy,  115. 
Schröder,  Fritz,  246. 
Schrödter  (Singer)  135. 
Schubart,  Gh.  F.  D.,  1 75. 1 76. 1 77. 
Schubert,  Betty,  245. 
Schubert,  Franz,  49.  52.  54.  55. 

57.  58.59.62.  118.  123.  126. 

127.  167.  189.  191.234.235. 

247.  249.  250.  251.  252.  253. 

255.  354.  358.  359.  378.  379. 
Schubert,  Oskar,  51. 
V.  Schucb,  Ernst,  114.  118.  121. 

123.  373. 
Schulz,  Elisabeth,  119. 
Schulz,  J.  A.  P.,  120.  124. 
Schulz,  P.  A.,  55. 
Schulz-Beuthen,  Heinrich,  50. 
Schulze-Prisca,  Walter,  248. 
Schumann,  Clara,  53.  356. 
Schumann,    Georg,     118.    187. 

188.  247. 


Schumann,  Robert,   40.  51.  52. 

53.  54.  55.  57.  59.  62.  120. 

125.  161.  188.  189.  190.246. 

247.  251.  252.  253.  255.  256. 

360.  378.  384. 
Schumann-Heink,  Emestine,247. 
Schflnemann,  Else,  283. 
Schuppanzigh,  Ignaz,  27.  362. 
Schuster   &   Loeffler   31.    128. 

192. 
Schott,  E.,  251. 
Schatz,  Hans,  245. 
SchOtzendorf,  Alfons,  45. 
Schätzer,  Clara,  119. 
Schwabe,  Emmy,  44. 
Schwalm,  Robert,  357.  358. 
Scbwartz,  Alexander,  52. 
Schwartz,     Heinrich,     00.     Ol. 

278. 
Schwartz,  Josef,  122. 
Schwarz  (Singer)  377. 
Schwarz,  Cicilie,  250. 
Schwarz,  Franz,   189. 
Schwarz,  Hermann,  187. 
Schwarz,  Josef,  117. 
Schwarz,  V.  W.,  Ol. 
Schwarzen  bach,  Onoffrius,  103. 

105. 
Schwarzenstein,  Siegmund,  251. 
Schwedler,  Maximilian,  351. 
Schweitzer,  Albert,  383. 
Schweitzer,  Wolfg.,  199. 
Schwendy  (Singer)  247. 
Schwenke  28. 
Sechiari,  Pierre,  120.  127. 
Secr&ve,  H.,  58. 
Sebald,  Alexander,  120. 
Seebe,  Charlotte,  184. 
Seebe,  Magdalena  191. 
Seelig,  Otto,  58. 
Seffher,  Karl,  228.  349.  352. 
Seidl,  Emanuel,  208. 
Seidl,  Gabriel,  208. 
SeifTert,  Max,  351.  381. 
de  Seigneux,  G.,  184. 
Sekles,  Bernhard,  02.  189.  250. 
Selva,  Blanche,  120. 
Sembach,  Johann,  44. 
Sembacb,  Josef,  1 1 4.  373. 
Sembrich,  Marcella,  382. 
Senff,  Bartholf,  134. 
Senger-Bettaque,  Katharine,  370. 
Sengem,  Leonore,  374. 
SenilOW  (Komponist)  191. 
Senius,  Felix,  50.  52.  02.  254. 

255.  359.  378. 
Seret,  Maria,  379. 
Sevöik-Quar^tt  49.  252. 
S6veilhac  (Singer)  48. 
V.  Seyfried,  Ignaz  Ritter,  38. 
Sgambati,  190. 
Shakespeare,  William,   50.  51. 

159.  317.  371. 
Sherwood,  Percy,  50. 


Sibelius,  Jean,  54.  55.  02.  252. 

255. 
Sibor,  B.,  252. 
de  Sicard,  Michel,  00. 
Siccard  (Geiger)  54. 
Siegel,  C.  F.  W^  380. 
Siegmund,  Theo,  244. 
Siessermann,  D.,  252. 
Siloti,  Alexander,  50.  57.   118. 

252.  254. 
Silvestre,  Armand,  375. 
Simon,  James,  119. 
Simons,  Rainer,  377. 
Simrock,  N.,  18. 
Sinding,  Christian,  119. 
Singer,  Kithe,  114. 
Singer,  Richard,  254. 
Sirou  (Singer)  254. 
Sistermans,     Anton,     54.     02. 

118. 
Sitt,  Hans,  123. 
Skarbek,  Pelagie  Grifln,  03. 
Slezak,  Leo,  250. 
Sliwinsky,  Josef,   50.  189.  254. 
Smetana,    Friedrich,    121.    252. 

372. 
Smimow,  D.,  254. 
Smit,  Joh.,  248. 
Smith,  Joh.,  50. 
Smith,  Madge  Shand,   119. 
Smith,  Nellie  Curzon,  121. 
Smulders,  Carl,  378. 
Snoer,  Johannes,  123. 
Sobinoff,  L6onid,  53. 
Soci6t6  de  concerts  d'instruments 

anciens  55.  00. 
Soloquartett  fQr  Kirchengesang, 

Leipziger,  125. 
Sommer  (Singer)  135. 
Son,  Henry,  248. 
Sondern,  Olga,  110. 
Soomer,    Walter,    48.  59.    121. 

245.  374. 
Sophokles  317. 
Souday  383. 
Spazier,  Joh.  G.  K.,  4. 
Specht,  Richard,  152.  384. 
Speidel,  Ludwig,  300. 
Spiering,  Theodor,  00. 
Spies,  Hans,  44. 
Spitta,  Philipp,  223. 
Spitzner,  Alfred,  118. 
Spitzweg,  Karl,  200. 
Spohr,  Ludwig,  29.   122. 
Spontini,  Gasparo,  338. 
Spoor,  Andr6,  57. 
Spörel  (Singerin)  189. 
Springfeld,  Oskar,  123. 
Stadler,  Abb^  28. 
Stadtegger,  Lia,  123. 
Sugl,  Gusti,  240. 
Staegemann,  Helene,    122.    124. 
Stahr,  Fritz,  122. 
Staiger  104. 


XIV 


NAMENREGISTER 


Stamitz,  Johann,  3.  7.  0.  12.  14. 
Stamitz,  Karl,  4.  5.  02.  04.  07. 
Stangen  364. 
Stapelfeldt^  Martha,  118. 
Stavenhagen,  Agnes,  127.' 
Stavenhagen,  Berahard,  55.  57. 

50.  122.  240.  277.  ^78. 
Stefkniai,  Emeric,  124. 
Steffen  05. 

Steinbachy  Emil,  100.  375. 
Steinbach,   Fritz,  54.  50.    122. 

126.  247.  250.  370.  380. 
Steindel,  Bruno,  55. 
Steinhausen,  F.  A.,  105.  106. 
Steinmeyer,  Georg,  370. 
Stenhammar,  Wilhelm,  255. 
Stennebruggen,  H.,  50. 
Stephany,  Alfired,  100. 
Stern,  Julius,  113. 
Stemfeld,  Richard,  51. 
Steyer,  Johanna,  48. 
Stichling,  Eugen,  352.  381. 
Stieler,  Josef,  64. 
Stillman-Kelley,  Edgar,  56. 
Stock,  Friedrich,  55. 
Stoeber,  Georg,  61. 
Stöcker,  Adele,  124. 
StOckert,  H.,  52. 
Stell,  August,  246. 
Stolle  (der  alte)  105. 
Stolle  (der  |unge)  105. 
Stoltz,  Eugenie,  58. 
Storch,  Pastor,  53. 
Storchio,  Rosina,  376. 
Storm,  Theodor,  230.  364. 
Stoye,  Paul,  58. 
Strathmann,  Friedrich,  44.  117. 

100. 
Straube,  Karl,  351.  352.  380. 
Straus,  Oscar,  46.  113.  115. 377. 
V.  Straufl,  Edmund,  372. 
StrauO,  Franz,  277. 
StrauO,  Johann,  113.  128  (Bild). 
StrauO,  Richard,  40.  50.  52.  53. 

57.60.62.  113.  117.118.  123. 

126.  156.  185.  187.  180.  101. 

210.  240.  247.  240.  251.  252. 

253.  254.  255.  256.  268.  271. 

274.  277.  286.  343.  350.  373. 

378.  370.  381.  382.  383.  384. 
Strawinski  (Komponist)  101. 
Streicher,  Nanette,  124. 
Streicher,  Theodor,  123. 156.240. 
Streichquartett,  Böhmisches,  40. 

51.  60.  62.  121.  124.  253. 
Streichquartett,    Brflsseler,    40. 

51.  60.  63.  101.  255. 
Streichquartett,  Florentiner,  133. 
Streichquartett,  Frankfurter,  383. 
Streichquartett,  Genfer,  57.  240. 
Streichquartett,    Mflnchner,    60. 

253.  277.  283.  310  (Bild). 
Streichquartett,  St.  Petersburger, 

254. 


Stromenger,  Hilde,  256. 
Stronck-Kappel,  Anna,  50.  247. 

240. 
Struensee,  Paul,  184. 
Stuck,  Franz,  30. 
Stuckey,  Isabel,  127. 
Stury,  Max,  114. 
Such,  Percy,  50. 
Sucher,  Josef,  102  (Bild). 
Sucher,  Rosa,  102. 
Succo,  R«,  174. 
V.  Supp6,  Franz,  46. 
SaOe,  Otto,  100. 
Suflmann,  Adolf,  117. 
Suter,  Hermann,  50. 
SvirdstrOm,  Astrid,  123. 
SvirdstrOm,  Olgs,  123. 
SvirdstrOm,  Sigrid,  123. 
SvirdstrOm,  Valborg,   60.    123. 

100.  372. 
Swirski,  Georg.  252.  254. 
Sylva,  Margarete,  377. 
Symiane  (Singerin)  244. 
Szanto,  Theodor,  187. 
Szemere  (Singerin)  114. 
Sztojanovics  (Dirigent)  54. 
Szymanowski  53. 
Tagosen  (Singer)  370. 
Talich,  Ferdinand,  51. 
Tanejew,  Sergei,  252. 
Tango,  Egisto«  183. 
Tannewitz,  Eugen,  125. 
Tannhiuser  104. 
Tinzler,  Hans,  116.  374. 
Tartini,  Giuseppe,  50.  254. 
Taubert,  E.  E.,  120. 
Taussig,  Karl,  147. 
Tauszky,  Marie,  63. 
Telemann,  G.  Ph.,  120.  124. 
Temmner  (Konzertmeister)  378. 
Tennenbaum,  Betty,  187. 
Tennyson,  Alfred,  240. 
Tercs,  Gisella,  46. 
Terry,  Muriel,  375. 
Tervani,  Irma,  114.  244. 
Terwin,  Johanna,  377. 
Tetrazzini,  Luisa,  47.  245.- 
Thal,  Della,  53.  124. 
Thalberg,  Marcian,  127. 
Thayer,  A.  W,,  3.  4.  5.  6.  11. 

14.  17.  26.  28.  20.  36.  37. 
Thelemann,  Dr.,  173. 
Thibaud,  Jacques,  51.  55.   127. 

246.  247.  382. 
Thiel,  Arthur,  116. 
Thielemann,  Brlgitta,  51. 
Thies-Lachmann,  Ella,  251. 
Thiessen,  Karl,  101. 
Thomas,  Ambroise,  340.  341. 
Thomas,  Theodor,  55. 
Thomas-Schwartz,  Anni,  44.  45. 
Thomberg  (Geiger)  250. 
Thomsvard,  Else,  373. 


Thuille,  Ludwig,  61.  124.  184. 

101.  305. 
Thflmler- Waiden,  Gustav,    110. 
Thynne,  R.,  57. 
Tietjen,  Heinz,  48. 
Tillier,  Claude,  362. 
Tillmetz,  Rudolf,  250. 
Tobieser,  Agnete,  120. 
Toch,  Ernst,  60. 
Toeschi,  C.  G.,  7. 
Tomaschek,  Wenzel,  124. 
Toscanini,  Arturo,  46.  47.  81  ff 

(AT.).  128  (Bild).  245.  375. 
Toselli,  Enrico,  256. 
Toulon  (Komponist)  250. 
Tonmemire,  Charles,  40. 
Traeg  (Musikalienhindler)  6. 
Trelli,  Madeleine,  127. 
Trenkler,  Albin,  46. 
Tressi  (Impresario)  46. 
Triebel-Horsten,  Margarete,  244. 
Triller  von  Gera,  Valentin,  104. 
Trio,  Heidelberger,  58. 
Trio,  Hollindisches,  250. 
Trio,  Russisches,  118.283.310 

(Bild). 
TrOndlin,  Dr.,  350. 
Trostorff,  Fritz,  44.  113. 
Tscbalkowsky,  Modest,  48. 
Tschaikowsky,  Peter,  50.  52.  53. 

55.   57.  58.  60.  62.  63.   124. 

125.  101.  251.  252.  253.  255. 

256.  378.  370. 
Turini,  Fr.,  05.  123. 
Ucko,  Paula,  100. 
Ujeiski,  Kernel,  123. 
Ulbrig,  Lisbeth,  371. 
Unkenstein,  Bernhard,  180. 
Urbaczek,  Paula,  245. 
Urius,  Jacques,   124.    180.  245. 

251.  376.  381.  383. 
Vach,  Ferdinand,  384. 
Vaterhaus,  Hans,  51.  180.  352. 

380. 
Vaucorbeil  (Komponist)  185. 
v.  Vecsey,  Franz,  110.  124.  378. 
Vela-Quartett  125. 
Veradni,  F.  M.,  4.  124. 
Verdi,    Giuseppe,   45.  81.  113. 

116.  117.  183.  186.244.330. 

375.  376. 
Vereinigung,  Deutsche,  fflr  alte 

Musik,  270. 
Verhey,  Anton,  370. 
Verhey,  F.  H.  H.,  255. 
Verhunk,  Fanchette,  44.  113. 
Verlaine  Paul,  126. 
Verlet,  Alice,  376. 
Vetter,  Else,  110. 
Vidal,  Paul,  185.  341. 
Viebig,  Hermann,  51. 
Vieuxtemps,  Henri,  57. 
Vigna,  Arturo,  62. 
Villar  (Komponist)  125. 


NAMENREGISTER 


XV 


Vines,  Rictrdo,  126. 
Viotta,  Henri,  57.  247.  370. 
Virgil  315.  317. 
Vivaldi,  Antonio,  351. 
van  Vliet,  Corneliut,  60. 
Vogel,  E.,  216.  217. 
Vogely  Hans,  105. 
Vogelttrom,  Fritz,  375. 
Vogl,  Adolf,   116. 
Vogl,  Heinrich,  130. 
Vogl,  Josef,  244. 
Vogt,  Valentin,  104. 
Vokalquartett,  Beriiner,  1 10.246. 
Vokalquartett  Brema  54. 
Vokaltrio,  Nordisches,  53. 
Volbacb,  Fritz,   55.    216.  217. 

221.  251. 
Volkmann,  Hans,  38.  64. 
Volkmann,  Robert,  62.  122.  189. 
Volkmar,  Tobias,  224. 
Volkschor,  Berliner,  110. 
Vollerthun,    Georg,    282.    310 

(Bild). 
VoUnhals,    Ludwig,    283.    319 

(Bild). 
Vrieslander,     Otto,     52.    253. 

365. 
Wach,  Adolf,  350. 
Wachsmann,  Julius,  380. 
Wächter,  Ernst,  114. 
Wagenseil,  Job.  Chr.,  103.  104. 
Waghalter,  W.,  255. 
Wagner,  Emil,  283.  319  (Bild). 
Wagner,  Karl,  283. 
Wagner,  Minna,  128. 
Wagner,   Richard,   44.  45.   46. 

48.  49.  50.  54.  56.  58.  59. 

61.  62.  81.82.  102.  103.  113. 

114.  115.  116.  117.  110.  122. 

123.  126.  127.  128.  131.  130. 

145.  146.  147.  148.  158.  170. 

183.  184.  189.  191.  192.  244. 

245.  246.  247.  248.  249.  251. 

252.  254.  255.  269.  271.  272. 

273.  274.  275.  276.  283.  284. 

286.  317.  318.  341.  354.  358. 

360.  371.  374.  375.  376.  377. 

378.  379.  384. 
Wagner,    Siegfried,     117.    186. 

189. 
Wahl,  Eduard,  67. 
Wahriich,  H.,  254. 
Wakemann,  Annie  L.,  120. 
Walde,  Doris,  377.  379. 
Waldmann  (Singer)  189. 
Walter,  Benno,  277. 
Walter,  Bruno,  246. 
Walter,  George  A.,  380. 
Walter,  Gustav,  134. 
Walter,  Josef,  277. 
Walter-Quartett  277. 
Warwas,  Erdmann,  118. 
Waschow,  Gusuv,  373. 
Wassilenko,  Sergei,  252. 


V.  Weber,   Cari  Maria,  50.  53. 

54.  58.    132.    136.   171.  250. 

255.  336.  371.  374. 
Miroslav   Weber  -  Quartett  277. 
Wedekind,  Erika,  50.  116.  373. 

374. 
Wegeier,  F.  G.,  24. 
Wegmann  53. 

Wehrenfennig,  Helene,  114. 
Weidemann,  Friedrich,  246. 
Weidinger,  Lonide,  120. 
Weil,  Hermann,  116. 
Weimar,  G.,  206. 
Weinberger,  Josef,  154. 
Weiner,  Leo,  54. 
Weingartner,  Felix,  50.  53.  55. 

61.  62.  63.  70.  76.  127.  149. 

187.  253.  254.  255.  278.  382. 

383. 
Weinmann,  Rudolf,  254. 
Weismann,  Julius,  108. 
WeiQ  (Singerin)  44. 
WeiQenbach,  Aloys,  36. 
WeiOenbom,  Hermann,  247. 
Weiflieder,  Franz,  245. 
V.  Weiden,  Olga,  283. 
Weltmann,  Franz,  51. 
Weltmann,  Rose,  51. 
Wendel,  Ernst,  357.  358.  359. 
Wendel-Quartett  357. 
Wendler  (Komponist)  384. 
Werdermann,  Clara,  119. 
Werte,  L.,  247. 
Wermann,  Martha,  123. 
Werner,  Florenz,  60. 
Wesendonk,  Mathilde,  252. 
Wetz,  Richard,  45. 
Wetzel,  Elise,  52. 
Wetzler,  H.  H.,  114.  254. 
Weyr,  Rudolf,  353.  384. 
Wheeler  (Impresario)  46. 
Whitehill,  Clarenoe,  246.  373. 
Wlborg,  Elisa,  376. 
WickenhiuOer,  Richard,  256. 
Widor,  Ch.  M.,  341. 
Wiedey,  Ferdinand,  117. 
Wieniawski,  Joseph,  188. 
Wieniawski  (Singerin)  382. 
Wiese,  Max,  364. 
Wiesner,  Richard,  251. 
Wilde,  Sebastian,  105. 
V.  Wildenbruch,  Ernst,  57.  249. 
Wildt,  Hermann,  116. 
Wilhelm  Ernst,  Herzog  v.  Weimar, 

226.  384  (Bild). 
Wilhelm!,  August,  191. 
WUhelmy,  Julius,  45. 
Wilke,  Fritz,  190. 
Wilke,  Theodor,  116.  187. 
Wille,  Alflred,  189. 
Wille,  Georg,  118.  189.  248. 
Williamson,  Sidney,  251. 
Willis,  William  C,  53. 
Willner,  A.  M.,  135.  141. 


Wilt,  Marie,  134. 
Winderstein,    Hans,    122.    124. 

189.  251.  277. 
Winkelmann,  Hermann,  135. 
Winneberger,  Paul,  5. 
Witte,  G.  H.,  56.  249. 
Wittekopf,  Rudolf,  44. 
Wittenberg,  Alflred,  59.  189. 
Wocke-Dowerk,  Emilie,  250. 
Wohlgemuth,  Gustav,  380. 
WOhrle,  E.,  279. 
Wolf,  Hugo,  358. 
Wolf,  Otto,  190. 
Wolf,  Sofie,  45. 
Wolf-Ferrari,  Ermanne,  256. 
Wolff,  Erich  J.,   119.  187.  240. 
Wolfheim,  M.,  62. 
Wolfhim,  Philipp,  58. 
Wollgandt,  Edgar,  124.  251. 
Wolter,  Minnie,  44. 
v.  WoLzogen,  Elsa  Laura,   127. 
Wormser,  Andr6,  341. 
Woyrsch,  Felix,  189. 
Wailner,  Anna,  189. 
Wflllncr,  Franz,  277.  278. 
wallner,  Ludwig,   56.   58.   59. 

123.  189.  191.  378. 
Wunderlich,  Otto,  56. 
Wustmann,  G.,   216.  217.  219. 
Wybauw  (Singerin)  247. 
V.  Wym6tal,  Wilhelm,  245. 
Ysaye,  Eugene,  54.  55.  62.  247. 

248.  256.  378. 
Yung  57. 

Zachow,  Philipp,  189. 
Zalsman,  Gerard,  247.  383. 
Zambelli  (Tinzerin)  185. 
Zander,  Ernst,  119. 
Zec,  Nicola,  376. 
Zehme,  Alfciertine^  123. 
Zeiller,  Helene,  371. 
Zelenka-Lerando,  Leo,  188. 
Zelenski,  C,  117. 
Zeller,  Cari,  46. 
Zeller,  Heinrich,  117. 
Zelter,     Cari     Fr.,     95.     217. 

219. 
Zemanek,  W.,  191.  254. 
Zemlinsky,  Alexander,  246. 
Zerlett,  J.  B.,  187. 
Zerlett-Olfenius,  Frau,  187. 
Zilcher,  Hermann,  121.  255. 
Zimmer,  A.,  248. 
Zimmer,  Frau,  248. 
Zimmer-Quartett  54. 
Zoder,  Nanny,  49. 
Zöllner,  Heinrich,   49.  59.  255. 
Zschoriich,  Paul,  186  («Carmen- 

ciu*.    UrauffQhrung  in  Prag). 
Zuckerman,  Augusts,  51. 
Zumpe,  Herman,  61.  277. 
Zumsteeg,  Job.  Rud.,  120. 
Zuschneid,  Karl,  252.  380. 
Zwintscher,  Rudolf,  189. 


XVI 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  BÜCHER  UND  MUSIKALIEN 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  BÜCHER 


Beethoven-Jahrbuch.  Erster  Band 
(1908).    38. 

Eisenmann,  Ernst:  Das  Urheber- 
recht an  Tonkunstwerken.  237. 

V.  Frimmel,  Theodor:  Beethoven- 
Studien.  II.    37. 

Holzer,  Ernst:  Schubart  als 
Musiker.     175. 

Jaeil,  Marie:  Die  Musik  und  die 
Psycho-Physiologie.  (Aus  dem 
Französischen  von  Franziska 
Kromayer).     105. 


Kalbeck,  Max :  Johannes  Brahms. 

Zweiter   Band,    erster   Halb- 

band^    360. 
Kalischer,  Alfr.  Chr. :  Beethovens 

Simtliche  Briefe.  Vierter  Band. 

361. 
Mflnzer,  Georg:  Das  Singebuch 

des    Adam    Puschman    nebst 

den  Originalmelodien  des  M. 

Behaim     und    Hans    Sachs. 

103. 
Paul,    Theodor:    Systematische 


Sprech-    und    Gesangstonbil- 

dung.     230. 
V.  d.  Pfordten,   H.:   Beethoven. 

30. 
Riemann,  Hugo:  Handbuch  der 

Musikgeschichte.      2.    Band, 

Erster  Teil  (3.  Halbband  des 

Ganzen):    Das    Zeitalter   der 

Renaissance.     175. 
Werdegang  und  Erlebnisse  eines 

Orchestermusikers.    Von  ihm 

selbst  erzählt.    362. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  MUSIKALIEN 


V.  Ambros,  Maximilian :  op.  40. 

Zwei  Lieder.    240. 
Ansorge,  Max:  Zehn  Duette  fflr 

zwei  Singstimmen  und  Klavier 

aus    dem    Kinderleben.     108. 
Bortkiewicz,     Sergei:     op.    3. 

Quatre  morceaux  pour  Piano. 

—  op.  4.  »Impressions*.  Sept 
morceaux   pour   Piano.     107. 

V.  Brucken-Fock,  G.  H.  G.: 
5  Liederen  voor  een  sopran- 
stem  met  begeleiding  van 
Klavier  (gedichten  van  J.  Red- 
dingius).     108. 

Cleve,  Halfdan:  op.  0.  Konzert 
No.  3  in  Es-dur  fflr  Klavier 
und  Streichorchester.     107. 

—  op.  20.  FOnf  Stimmungen 
fflr  Pianoforte.     178. 

Cui,  C6sar:  op.  68.  2me  Qua- 
tuor  pour  2  Violons,  Alto  et 
Violonoelle.     170. 

Fihrmann,  Hans:  op.  40.  Sechs 
Charakterstacke  rar  Orgel.  362. 

Fricke,  Richard:  Fanfeig  Choral- 
vorspiele far  Orgel.     363. 

Hefl,  Ludwig:  op.  21.  Fanf 
Lieder  fOr  eine  Singstimme 
und   Klavierbegleitung.     364. 

Kämpf,  Karl :  op.  24.  Suite  fOr 
grofles  Orchester.     106. 

Karg-Elert,  Sigfrid:  Lieder  und 
Gedichte  far  eine  Singstimme 
mit  Klavier.     107. 

—  op.  50.  Erste  Klaviersonate 
(fls-moU).     108. 

Karpow,  Michel:  op.  2.  Nocturne 
pour  le  Piano.     108. 


Kersbergen,J.  W.:  op.  0.  Quar- 
tett far  Klavier,  Violine,  Viola 
und  Violoncell.    240. 

Koch,  Friedrich  E. :  op.  31. 
Deutsche  Rhapsodie.  Konzert 
fOr  Violine  und  Orchester.  1 79. 

Köhler,  Emesto:  op.  97.  Con- 
certo  per  Flaute  con  accomp. 
di  Piano.    240. 

Kuiler,  Kor:  op.  '30.  »Een 
Vinterdag",  Kindercanute. 
Woorden  van  Kath.  Leopold. 
363. 

Lederer-Prina,  Felix:  Lieder. 
365. 

Lewandowsky,  Max:  op.  8. 
Sonate  far  Pianoforte  und 
Violine.     170. 

—  op.  9—16.  Lieder  und  Ge- 
singe.   239. 

Mahler,  Gustav:  Lieder  far  eine 
Singstimme  mit  Klavier  oder 
Orchester.     177. 

Mailing,  Otto:  op.  43.  Konzert 
c-moll  far  Klavier  mit  Be- 
gleitung des  Orchesters.    238. 

Nordraak,  Richard:  Scherzo 
capriccioso  fOr  Klavier  (bearb. 
von  Karg-Elert).     108. 

Reger,  Max:  Schlichte  Weisen. 
Band  3.  364. 

Renner,  Emil:  Zwei  Lieder.  364. 

Rosenkranz,  August:  op.  15. 
Konzerte  uvertare.     178. 

Schindler,  Kurt:  op.  8.  Drei 
Lieder  nach  Texten  zeit- 
genössischer Dichter  far  eine 
Singstimme  und  Klavier.  — 


op.  9.  Fanf  Lieder  aus  »Alte 
Weisen*'  von  Gottfried  Keller 
far  eine  Singstimme  mit 
Klavier.  —  op.  10.  „From 
a  city  Window*,  Song  for  a 
medium  voice  with  piano 
accompaniment.    363. 

Schoeck,  Othmar:  op.  1. 
Serenade  far  kleines  Or- 
chester.    178. 

Sinigaglla,  Leone:  op.  31.  Danze 
piemontesi.     106. 

Uhl,  Edmund:  op.  l5.  Drei 
Lieder  fOr  eine  Singstimme 
mit  Klavierbegleitung.  — 
op.  16.  Vier  Lieder  aus  »Ver- 
siumter  Frahling*  (Jenny 
Schnabel)  fOr  eine  Singstimme 
und  Klavierbegleitung.  — 
op.  17.  Slawische  Intermezzi 
fOr  Orchester.     108. 

Vrieslander,  Otto:  Vier  Gedichte 
von  Theodor  Storm.  —  Vier 
Gedichte  im  Volkston.  — 
Sieben  Gedichte  von  Gottfried 
Keller.    365. 

Wachmann,  Eduard:  Ruminische 
Chorgesinge.     177. 

Waghalter,  Ignatz :  op.  5.  Sonate 
fOr  Violine  und  Pianoforte.  179. 

Weismann,  Julius:  op.  17.  Im- 
promptus far  Pianoforte.   108. 

Wiese,  Max:  op.  26.  Gesinge 
und  Balladen  far  eine  Sing- 
stimme mit  Klavier.     364. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  ZEITSCHRIFTEN- 

UND  ZEITUNGSAUFSÄTZE 


Altmann,  Gustav:  Solisten  in 
Orchesterkonzerten .     111. 

Andro,  L.:  Pauline  Lucca  f* 
369. 


Andro,  L.:  Kleine  Studien  zur 
Opemdarstellung.    370. 

An61y,  Max:  Voix  mortes: 
musiques  maoris.     109. 


Aubry,     Pierre:      Le     folkiore 

musical  russe.    40. 
Bachmann,  Albert:  Nicolo  Paga- 

nini,  sa  vie,  scs  ceuvres,  son 


REGISTER  DER  BESPR.  ZEITSCHRIFTEN-  UND  ZEITUNGSAUPSATZE    XVII 


influeoce  sur  Tart  du  violon 
et  8ur  la  musique.     110. 
Batka,  Richard:  Novitäten.    111. 

—  Das  Deutsche  Theater  in 
Präs.    366. 

—  Richard  Wagner  und  Minna. 
369. 

—  Wagner  in  Prag.    370. 
Baunac][,  J.:   Anlilinge  an  des 

Euripides  «Iphigenie  bei  den 

Tauriem*       im      Text    von 

Beethovens  «Fidelio*.  243. 
Bekker,  Paul:  Max  Bruch.  181. 
de    Bertha,    A.:     Franz     Liszt. 

43.  109. 
Blaschke, Julius:  Zur  Geschichte 

des   Liedes    «Wer    hat    dich, 

du  schöner  Wald".     112. 
Boning,   A. :    PreOstimmen    aus 

Joachims    „zweiter    Heimat*. 

110. 
van  den  Borren,  Charles:  Hulda 

et  Ghiselle  de  Ctear  Franck. 

40. 
Boutarel,    Am6d6e :    Historische 

Portrits.      181. 
Brenet,    Michel:    Un     nouveau 

document    sur    les    commen- 

cements  de  l*op6ra  russe.    42. 

—  Les  rousiciens  de  Philippe 
le  Hardi.     110. 

Bruch,  Max:   Gedenkworte  bei 

der  Gedichtnisfeier  der  KOnigl. 

Akademischen  Hochschule  fOr 

Musik    in   Berlin   fflr  Joseph 

Joachim.    366. 
Brüssel,  Robert:  L'op6ra  russe. 

40. 
de    Busne,    Henry:    Ariane    et 

Barbe-Bleue  de  Paul   Dukas. 

43. 
Calvocoressi,  M.-D.:    Le  r6per- 

toire  de  la  musique  russe.    40. 

—  Esquisse  d'une  bibliographie 
d'ouvrages  sur  la  musique  et 
sur  les  musiciens  russes.   100. 

Canudo,  Ricciotto:  L'esth6tique 
de  Verdi  et  la  culture  muslcale 
italienne.     43. 

—  Le  drame  contemporain. 
100. 

Carraud,  Gaston:    Un  chanteur 

ittlien:  Delle  Sedie.     42. 
Chop,    Max:    Frederick  Delius. 

242. 
Le    Courrier    Musical:    Joseph 

Joachim.    41. 
Gramer,  Hermann :  Führer  durch 

die  Literatur  des  Violoncellos 

(Forts.).     181. 
Dacier,    Emile:    Une   danseuse 

fran^aise  i  Londres  au  d6but 

du  sidcle.     43. 
de  Danilowicz,  C.:    La  critlque 


russe  sur  la  musique  russe. 
40. 
Daubresse,    M.:     De     Tordre 
d'acquisition  des  connaissances 
musicales.    40. 

—  L*imagination  muslcale.    41. 
Debay,    Victor:    La    »Salom«* 

de   Richard    Straufl   k   Paris. 

40. 
Decsey,Emst:  Ausgleich  zwischen 

Ton  und  Wort     111. 
Deutsch,  Otto  Erich :  Schumanns 

erfolglose     Bewerbungen     in 

Wien.    242. 
Dietz,    Max:    Anton    Smareglla 

und  seine  Oper  „Istrianische 

Hochzeit«.     182. 
Diot,    Albert:    Edouard    Grieg. 

41. 
Dodge,  Janet:  Les  airs  de  cour 

d'Adrien  Le  Roy.     100. 
Dollien,     P.r     Un     th6&tre    de 

musique  k  Paris.     110. 
Droste,  Carlos:  Willem  Mengel- 
berg.    112. 
Dubitzky,     Franz:     Eine    neue 

Notenschrift.    Fflr  und  Wider. 

242. 
Dukas,  Paul:  «Boris  Godounoff* 

de  Moussorgsky.     40. 
Eccarius-Sieber,    Artur:   Joseph 

Haydn  als  Vater  des  Streich- 
quartetts.    111. 

—  Alte,  köstliche  Quartette  fflr 
die  Pflege  der  Kunst  in  Haus 
und  Salon.    369. 

Ecorcheville,  Jules:  La  musique 
dans  les  soci^6s  savantes  de 
la  France.     42. 

—  La  schola  cantorum  et  le 
style  de  Bach.    43. 

—  Les  textes  de  musique 
ancienne  et  leurs  röödltions 
modernes.    43. 

-^  Wagner  et  Tuniversit^.    109. 
Eisenmann,  Alexander:  Mozarts 

Siebentes  Violinkonzert.    180. 
Erckmann,  Fritz:  Frflhlingslleder 

und  Tinze.    370. 
Ertel,  Paul:    Das  Jubilium  des 

Philharmonischen  Chores  zu 

Berlin.     181. 

—  Fermccio  Busoni.    369. 
Farwell,    Arthur:    La    musique 

am6ricaine.     100. 

Fiege,  Rudolf:  Vorliufer  der 
Wiener  Klassiker.    370. 

Freudenberg,  Wilhelm:  Die  Auf- 
gabe des  Chorgesanges  in  der 
protesuntischen  Kirche.    243. 

Fritzsche,  Hermann:  Erinne- 
rungen an  Felix  Mendelssohn- 
Bartholdy.     112. 

—  Die  Verdienste  der  Hohen- 


zollem  um  die  Musik  und  den 
Gesang.     112. 

Gastou6,  A.:  L'ancienne  musique' 
byzantine  et  sa  notation.    43. 

Gauthiers- Villars,  H.:  Saint- 
Sadns,  Jean  d*Udine  et  la 
clart«.    42. 

GeiOler,  F.  A.:  Die  Sehnsucht 
nach  den  VierteltOnen.     180. 

Glöckner,  Willi:  Gabriella  Wur- 
zer.    111. 

Graf,  H«:  Schematismus  in  der 
zeitgenössischen  Opernproduk- 
tion.   242. 

Hackl,  L.  N.:  L' Inauguration  du 
palais  de  racad6mie  de  mu- 
sique de  Budapest.    40. 

Hihn,  Richard:  Der  Fall  Buths. 
370. 

Härder,  Knud:  Richard  Wagner 
und  Dinemark.     182. 

Harzen-Mailer,  A.  N.:  Wilhelm 
Friedemann  Bach  nicht  Kom- 
ponist von  «Kein  Hilmchen 
wichst  auf  Erden*.     242. 

V.  Hausegger,  Siegmund:  Der 
Allgemeine  Deutsche  Musiker- 
verband auf  Irrwegen.     370. 

Helm  jun.,  Theodor:  Anton 
Brückner.  Neunte  Symphonie 
in  d-moll.     180. 

Hohenemser,  Richard :  Die  Pflege 
der  Bachschen  Musik  in  der 
Gegenwart.     112. 

Honold,  Eugen:  Girtner  in 
Stuttgart.     111. 

—  Ein  Kapitel  aber  die  Geige. 
110. 

—  August  Wilhelm)  f.     182. 
Joachim-Moser:     De    1*  Interpre- 
tation muslcale.    41. 

de    Jonci&res,     Victorien:      Le 

Premier    concert    donn6    par 

Wagner  k  Paris.    41. 
Karpath,     Ludwig:      Mahler^ 

Weingartner.     241. 
Keller,   Otto:    Ernst  von  Doh- 

nanyi.     112. 

—  Aus  den  ersten  An^gen 
des  Konzertlebens.     112. 

—  Richard  Wagner.     112. 
Kefller,  GottfHed:    Der  Mutter 

Wiegenlied.     111. 

—  Joseph  von  Eichendorff  und 
die  Musik.     112. 

Kling,  Henri:  La  correspondanoe 
muslcale  de  Goethe  et  de 
Zelter.     40. 

—  Mozart  et  Voluire.    41. 
KloO,  Erich:    Richard  Wagners 

Briefe  an  seine  erste  Gattin. 
370. 
Knosp,    Gaston:     Notices     sur 
Richard  Strauß.     42. 


XVIII  REGISTER  DER  BE8PR.  ZEITSCHRIFTEN-  UND  ZEITUNGSAUFSÄTZE 


Knosp,  Gaston:  Un  msnifeste 
de  R.  Straufl.    43. 

—  Ls  musique  indo-chinoise.  43. 
Kohut,  Adolph:    Msris  Felidta 

MaUbran.    369. 
Konrath,    Toni:     Ffitzner    als 

Dirigent    der   Pastorale    von 

Beethoven.     181. 
Krause,    Emil:     Zu    Ferdinand 

Thieriots  70.  Geburtstag.  370. 
Kritikos:     Trop    de    concerts! 

Trop  d'artistes.    41. 
Kruse,    Georg    Richard:     Otto 

Nicolais  Beziehungen  zu  den 

Bflbnensingerinnen        seiner 

Zeit.     1 10. 
Laloy,  Louis:  Les  öcoliers.  42. 

—  Theorie  musicale.    43. 

—  Les  id^es  de  Jean-Philippe 
Rameau  sur  la  musique.    109. 

—  La  notation  musicale.     110. 
Laser,  Arthur:  Joachim  und  die 

Berliner  Hochschule  far  Musik. 
110. 

—  Aus  Grieg*s  Leben.    110. 

de  la  Laurencie,  Lionel:  Quel- 
ques documents  sur  Jean- 
Philippe  Rameau  et  sa  famille. 
43. 

Leriche,  Paul:  Les  f6tes  musi- 
cales  d'Orange.    41. 

Le  Roux,  Jean:  Une  belle  vente 
d*autographes.     1 10. 

Lewinski,  Joseph :  Aus  der  Selbst- 
biographie Karl  Friedrich 
Zelters.     180. 

—  Vom  Singen.  Aus  der  Schule 
geplaudert.    309. 

Loisel,  J.:    Les  origines  de  la 

Sonate.     41. 
Louis,  Rudolf:    Fortschritt  oder 

Verfall?     180. 

—  Zum  13.  Februar  1908. 
Erinnerung  und  Ausblick.  1 82. 

V.  Lflpke,  G.:  Joachim  als  Lehrer. 

110. 
Macler,  F. :  Notes  d'histolre  sur 

Saiom6  la  danseuse.     43. 
Marsop,  Paul:    Die  Anstalt  fflr 

musikalisches      AuffOhrunga- 

recht,  der  „Biderverband*  und 

eine  Pflichtsversiumnis.    182. 
Masson,   Paul -Marie:    L*huma- 

nisme    musicai     en      France 

au  XVI.  sitele.    42. 
Maudair,  Camille:  Causerie  sur 

Schubert  et  le  Lied  ailemand. 

40. 

—  La.Libuse*  deSmetana.  40. 

—  Lea  cbapelles  musicales  en 
France.    42. 

Mercare  Musical:    Lohengrin  k 

Paris  en  1881.    43. 
V.  Mojsisovics,  Roderich:  Erich 


WoU  Degner.  Zu  seinem 
50.  Geburtstage.    370. 

V.  Moisisovics,  Roderich:  Ein 
Autographenschatz.   370. 

Mortier,  Alfred:  La  France  musi- 
cale d'hier  et  d'au]ourd*hui.  41. 

Mflnzer,  Georg:  Obungen  in 
der  Betrachtung  musikalischer 
Kunstwerke.  (Kapitel  9  und 
10).     182. 

Musikalische  Rundschau  (Mfln- 
chen):  Philipp  Volfrum.  112. 

—  Der  Kromarograph.     112. 

MusikalischesWochenblatt  (Leip- 
zig): Kaimorchester,  Aus- 
stellung Mflnchen  1908  und 
Allgemeiner  Deutscher  Mu- 
sikerverband.   370. 

Neue  Musik-Zeitung  (Stuttgart): 
Zu  Joachims  Tode.     110. 

—  Aenny  Hindermann.     112. 

—  Enrico  Caruso.     180. 

—  Max  Schillings  Stuttgarter 
Hofkapellmeister.     180. 

—  Welche  Aussichten  hat  eine 
Musiklehrerin  fOr  ihr  Alter? 
180. 

—  Disharmonisches  aus  der 
Musiksudt     181. 

—  Etwas   von   Paganini.     181. 

—  Im  Namen  der  Kunst.    309. 

—  Die  erste  deutsche  Grieg- 
Biographie:  Edvard  Grieg  von 
Henry  T.  Finck,  deutsch  von 
Arthur  Laser.    369. 

Neuhaus,  Gusuv:  Das  natflr- 
liche  Notensystem.     182. 

Niemann,  Walter:  Eugen  d*Al- 
berts  Bach-Ausgaben.     180. 

—  Der  erste  Groflmeister  deut- 
scher Klaviermusik:  Johann 
Jakob  Froberger.    367. 

Pack,  Hermann :  Johannes  Bartz. 

112. 
Perrin,  Edouard:    Un  livre  de 

Lac^pMe  sur  la  musique.  43. 
Pfohl,    Ferdinand:     Hamburger 

Oper.    306. 

—  Zumpes  »Sawitri*  im  Schwe- 
riner Hoftheater.    366. 

Pioch,  Georges :  Lucienne  Br6val. 
42. 

Pohl,  Louise:  Aus  groOer  Zelt. 
110. 

Poirte,  Elle:  La  sociM  inter- 
nationale de  musique  en  1907. 
110. 

de  Polignac,  Armande:  Pensdes 
d*ailleurs.    42. 

Pons,  C. :  Verialne  et  la  musique 
contemporalne.    42. 

Potapjenko:  Der  verwflnschte 
Ruhm.  Erinnerungen  an  das 
Konservatorium.     180. 


Prelinger,    Fritz:    Tschechische 

Musik.     241. 
Prod*  bomme,    J .  -  G. :      F61iclen 

David  d*apr6s   sa  correspon- 

dance  in6dite  et  celle  de  ses 

amis.     42. 
Reger,  Max:   Degeneration  und 

Regeneration    in    der    Musik. 

111. 
Reifner,  Vincenz:    Max    Regers 

Opus  100.    369. 
Richter,  Georg :  Amllcare  Zanella. 

112. 
Riemann,      Hugo:      Die     Em- 

Wickelung   des  modernen  In- 

strumenulstils  um  1750.   111. 

—  Die  Melodik  und  Rhythmik 
der  Minnesinger.    242. 

Ritter,  William:  La  musique 
tch^ue  avant  Smetana.    40. 

—  Notes  sur  Smetana.    43. 

du  Robec:  A  propos  d*une  robe 
de  Charles  d'Ori6ans     109. 

ROttgers,  Max:  Max  Kalbeck, 
„Johannes  Brahma*.     182. 

Samazeullh,  Gustave:  Alberic 
Magnard.    40. 

—  Paul  Dukas.    41. 
Schabbel,  Otto:  Adolf  VallnOfer. 

112. 
Schaub,  Hans  F. :  Die  Lage  der 
Orchestermusiker  in  Deutsch- 
land.    181. 

—  Die  Eröffnung  des  neuen 
Hoftheaters  in  Weimar.    182. 

Scheumanuy  A.  Richard:  Carl 
Maria  von  Webers  Erholungs- 
und Arbeitsstätte  In  Hoster- 
witz bei  Dresden.     111. 

Scherber,  Ferdinand :  Degene- 
ration und  Regeneration.  368. 

Schjelderup,  Gerhard :  Edvard 
Grieg  t.     1 10. 

Schmitz,  Eugen:  -Zwischen  »Mo- 
nismus" und  »Dualismus*. 
243. 

Schultz,  Detlef:  Edvard  Grieg  f. 
241. 

—  Repertoire  und  Gesangsstil 
der  gegenwirtigen  deutschen 
OpembOhne.    367. 

Schflz,  Alfred:  Das  Tempo.  369. 
Schwartz,    Heinrich :     Czemys 

Schule  der  Geliuflgkeit  und 

anderes.     182. 
Schwers,   Paul:    Josef    Sucher. 

370. 
Schwidop:      Die      menschliche 

Stimme  und  ihre  Hygiene.  112. 
Segnitz,  Eugen:  La  Mara.    181. 

—  Alfred  Reisenauer.    243. 
Signale    far    die    musikalische 

•Welt  (Berlin):  Beriins  Vertust 
I—  Wiens  Gewinn.    241. 


REGISTER  DER  BESPR.  ZEITSCHRIFTEN-  UND  ZElTUNGSAUFSiTZE    XIX 


Sftn^e  ror  die  m&iiktlttehe 
Telt:  Ver  kompoalerte  Mo- 
zazt*  SlebeniM  Viollnkoniert? 
3«S. 

Sau»,  Robert:  Miorice  Mieter- 
lincketCUadeDebnuf.   110. 

Spanulh,  Aagn«:  Der  Marktwert 
■udbeDder  Tonkflnitler.   241. 

—  Die  Famillonbrlere  Richard 
Vipiers.    241. 

—  Ticner  In  Konzertual.  241. 

—  Alfred  ReUenaaer  t-    241. 

—  Germinla  aon  canut?    38a. 

—  Der  krtttelerte  Kritiker.   366. 

—  Kompaalaten  nnd  Gastwirte. 
306. 

— Joeeph  JoRcb  ImelnPfalnamen. 
366. 

—  Nochmall  Mourt*  Siebeates 
Vtoliakoiuert.     367. 

—  Du  Obel  der  in  bohen 
SlncerttBeti.     367. 

—  Bla  Cbor-Jublllnm.     367. 

—  ZnkuDflimnsIk?    368. 
Stembld,    Rlcbard:    Ebrt    eure 

deuticbeD  Meister.    242. 

—  Zu  C.  Fr.  Giasenapp«  60,  Ge- 
burtstsf.    242. 

Steraar,  Fraocoia:  Snr  l'lmprC- 


cldoo  et  le  moavemcDt  dam 

I'art  mualcal.     42. 
Stier,  Emit:  Berlloi  als  Mitclled 

der  Akademie.     110. 
de  Stoecklln,  Paul:   La   Rte   de 

raisoclallon     de*     mnilclena 

■ulsaea  k  Lnccnie.     41. 

—  Mendeluobn.     42. 

Stortk,  Karl:  Zu  Edvard Cries's 

Gedlchtnls.     112. 
StOmcke,  HelDricb:  Vier  Briefe 

von   Henriette  Sontag.     IM. 
SymonSiAnbar:  Riebard  StranD. 

100. 
Tchobanlao,    A.;    La    maaiqne 

rustlque  armtoleniie.    43. 
Tbdco,    Marti  al:     Un    mariage 

d'artlsia  au  XVIII*  sitcle.  42. 
Tblesaen,  Karl:   E.  T.  A.  HofT- 

manna  Zauberoper  .Undlne*. 

IIa 
Tbomas,  Louli:   Pokale  et  mu- 

slqne.     100. 
Thomaa,  Voirgang  A.:  Glossen 

zumuiIkallaefaeDKultiir.  241. 

—  Gloiaen   lur  mualkallachea 
Kultur.  IV:  Neue  Bahnen.  367. 

d'Udlne,   Jean:    A    propoa    de 
Cmoastlque  rhytbmique.    40. 


d'Udlne,  Jean:  Uur  orellle  et 
leur  Gtear.     40. 

—  Imaceaetslfnea  pbonlque*.  42. 

—  EDCoreunmotsarlaclartfl  42. 
Voelckor,  C:  Da*  Tbeodor  Tbo- 

maa-OrchesterlnChicaED.370. 
Vogt,  Karl:  Neue  Bflhnenknnat 

370. 
Tapier,  Rlcbard:    Le   nailcien 

et  la  publldtc.    41. 
Tallbeit,  Max:  Dr.  Julea  Slber. 

112. 
Veber-Bell,   Nana:    Dr.   tbeol. 

Franz  Xaver  Haberi.     112. 

—  Magr.  Dr.  Hennann  Bluerle. 
HZ. 

—  Wie  ich  Aber  Sprechen  und 
Slncen  denke.     112. 

Velcl,  Bruno:  Eine  Studie  zur 
Gescblebte  der  Hnniscben 
Mnalk.    300. 

TeiD,  LudwiE:  Die  Leonoren- 
OuvertQre.     112. 

WIIBbrodt,  Felix:  Schatten-  und 
Lichtselten  unsere*  Konzert- 
lebens.   360. 

ZöIIaer,  Heinrich:  Eicbenderff 
unddieMuilk.  ZuraSO.Todes- 
tafe  de*  Dichten.     112. 


'       ■       ■       ' 


DIE  MUSIK 


5.  BEETHOVEN- HEFT 


Beethoven  ist  die  Trauer  in  Ihrem  Hinweis 
tat  die  Quellen  ewiger  Sühnen,  seine 
Muse  die  Verherrlichung  des  Märtyrertums 
irdischen  Seins,  dieses  Elementes  des  rein 
Menschlicheo,  aller  Wonnen,  aller  Leiden; 
der  Kern  der  christlichen  Idee  vom  Leben. 


Vllhtlm  TOB  Line 


VII.  JAHR  1907/1808  HEFT  13 

Erstes  Aprilheft 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 
Verlegt  bei  Schuster  &  Loeffler 
Berlin  W.  57,   Bülowstrasse  107 


^j-a.rwQc.F«,.. 


gie  Neubearbeitung  des  ersten  Bandes  von  AI.  Wb.  Thayer's  Beet- 
n  hovenbiograptaie  durch  Hermann  Deiters  ist  lEtOI  erschienen, 
[  d.  b.  1000  gedruckt  und  noch  rrüher  geschrieben,  jedenralls 
I  vor  der  Wiederentdeckung  des  Ruhmes  der  um  die  Mitte  des 
18.  Jahrbunderta  wirkenden  Mannheimer  Komponisten,  vor  der  Erkenntnis, 
daß  die  merkwürdige  Wandlung  des  Stils  der  Instrumentalmusik  In  der  Zeit 
zwischen  Bach  und  Beethoven  ihren  Ausgang  in  Mannheim  genommen  und 
bereits  die  Welt  erobert  hatte,  ehe  Haydn  und  Mozart  bekannt  wurden.  So 
bat  denn  die  zweite  Auflage  ebensowenig  wie  die  erste  Beethovens  Verbälinls 
zu  den  Schöpfern  des  neuen  Stils  überhaupt  in  Frage  gezogen.  Man  findet 
zwar  (auch  schon  In  der  ersten  Auflage)  Mannheim  und  sein  berühmtes 
Orchester  ein  paarmal  gestreift,  auch  Christian  Cannabich,  aber  nicht  Jo- 
hann Stamitz  genannt,  jedenfalls  aber  auch  nicht  die  geringste  Andeutung, 
daß  Mannhelm  und  seine  Musik  irgendwie  für  den  Werdegang  von  Beet- 
hovens Künstierscbaft  ernstlich  In  Betracht  kommen.  Ich  gebe  des- 
halb hier  gleichzeitig  eine  Art  Nachtrag  zum  ersten  Bande  von  Thayer's 
Lebenswerk  und  eine  Ergänzung  zu  meiner  Studie  über  .Stil  und  Manieren 
der  Mannheimer'  {Einleitung  der  zweiten  Auswahl  von  Mannheimer 
Syrophonieen  in  den  .Denkmäler  der  Tonkunst  in  Bayern',  Jabrg.  VII,  Bd.  2), 
wenn  ich  von  den  inzwischen  Gemeingut  gewordenen  neuen  Erkenntnisse^ 
aus  Beethovens  FrQbwerke  einer  erneuten  Durchsicht  unterwerfe  und 
nachweise,  daß  Beethoven  in  der  Bonner  Zeit  und  vielleicht  darüber  hinaus 
doch  in  viel  höherem  Grade  unter  dem  direkten  Einflüsse  der  Mannheimer 
gestanden  hat,  als  Ich  selbst  noch  in  meiner  genannten  Studie  annehmen 
zu  müssen  glaubte.  Es  ergeben  sich  damit  neue,  schwerwiegende  Grunde 
zu  den  ohnehin  schon  vorliegenden,  eine  ganze  Reibe  wenigstens  der  bis 
1800  erschienenen  und  der  erst  aus  dem  Nachlasse  bekannt  gewordenen 
Werke  Beethovens  in  die  Bonner  Zeit  (vor  1792)  zu  setzen.  Die  be- 
aiimmte  Erweisbarkeit  starker  Mannheimer  Einflüsse  tritt  aber  überhaupt 
als  ein  ganz  neues  Kriterium  in  die  Betrachtung  von  Beethovens  Stil  ein 
nad  zwingt,  vieles,  was  man  bisher  In  Bausch  und  Bogen  als  Mozartisch 


4 

DIB  MUSIK  VII.  la. 


^JjBilt 


zu  definieren  sich  gewöhnt  hat,  vielmehr  auf  Rechnung  derer  zu  setzen,  mit 
deren  Musik  Beethoven  ebenso  wie  Mozart  aufgewachsen  ist.  Nur  zu  leicht 
vergißt  man,  dafi  Beethoven  doch  nur  nicht  ganz  15  Jahre  jünger  ist  als 
Mozart,  und  daß  noch  ein  Jahr  nach  Beethovens  Übersiedelung  nach  Wies 
in  Bonn  das  Konzertrepertoire  so  beschaffen  war,  daß  man  .anfieng, 
Haydn  neben  Cannabich,  Carl  Stamitz  und  Consorten  zu  dulden' 
(Musikbrief  aus  Bonn  vom  19.  Sept.  1793  in  Spazlers  Berlinischer  Musi- 
kalischen Zeitung). 

Leider  ist  Thayer's  Ausbeute  aus  den  Akten  der  kurkölnischen  Hof- 
haltung nur  für  die  durchaus  eine  zweite  Rolle  spielende  dramatische 
Musik  (Oper  und  Oratorium)  einigermaßen  ausgiebig  gewesen  und  läßt  uns 
bezüglich  der  in  erster  Linie  gepflegten  Kammer-  und  Orchestermusik  fast 
ganz  im  Stich.  Wir  wissen  aber,  daß  schon  seit  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
drei  Dirigenten  annähernd  gleichen  Ranges  besoldet  wurden,  einer  für  die 
Kirchenmusik,  einer  für  die  weltliche  Vokalmusik  und  einer  für  die  welt- 
liche Instrumentalmusik,  und  daß  die  Stelle  des  Kammermusikdirektors 
1738 — 65  der  Violoncellist  Giuseppe  dall'Abaco  inne  hatte  (der  Sohn 
des  Münchener  Kammermusikdirektors  Feiice  dall'Abaco),  der  einen  hohen 
Gehalt  bezog.  Wahrscheinlich  war  aber  um  diese  Zeit  die  Leitung  der 
Vokal-  und  Instrumental-Kammermusik  nicht  mehr  geschieden. 

Das  starke  Hervortreten  der  Italiener  unter  den  Bonner  Kapellmeistern 
und  Konzertmeistern  (Donnini,  dall'Abaco,  Lucchesi,  Mattioli)  macht  es  sehr 
wahrscheinlich,  daß  bis  über  die  Mitte  d6s  Jahrhunderts  hinaus  die  prächtige 
italienische  Violinmusik  (Corelli,  Veracini,  Abaco,  Pergolesi)  fleißig  ge- 
pflegt worden  ist;  dann  aber  wurde  Bonn  zweifellos  mit  Mannheimer  Musik 
fiberschwemmt.  Daß  Bonn  bezüglich  seiner  Musik  in  höherem  Grade  süd- 
deutschen als  norddeutschen  Einflüssen  unterstanden  hat,  ist  an  sich  nahe- 
liegend, wird  aber  zur  Gewißheit,  wenn  man  bedenkt,  daß  Kurfürst  Clemens 
August  (1723 — 61)  ein  bayrischer  Prinz  war,  Max  Friedrich  (1761 — 84)  dem 
schwäbischen  Hause  von  Königsegg-Rothenfels  angehörte  und  Max  Franz 
ein  österreichischer  Erzherzog  war.  Mit  dem  Auftauchen  von  J.  A.  Hillers 
Schüler  Neefe  als  Hoforganist  (1779)  kommt  wahrscheinlich  zum  ersten 
Male  die  der  süddeutschen  Richtung  zuwiderlaufende  norddeutsche  in  Bonn 
zur  Geltung,  aber  zu  spät  und  auch  nicht  energisch  genug,  um  die  süd- 
deutschen Einflüsse  brechen  zu  können.  Doch  hat  Neefe  dadurch,  daß  er 
notorisch  den  jungen  Beethoven  mit  dem  (vor  1800  nur  handschriftlich  in 
Händen  der  Bachverehrer  befindlichen)  .Wohltemperierten  Klavier*  Bachs 
bekannt  gemacht  hat,  sicher  einen  wenn  auch  nur  sehr  langsam  zur  Geltung 
kommenden  Einfluß  auf  Beethovens  Schaffen  gewonnen.  Denn  es 
ist  gewiß  nur  zu  begreiflich,  wenn  der  neue  Stil  mit  seinen  bestechendes 
Eigenschaften  zunächst  ganz  von  der  Phantasie  des   jungen  Komponisten 


5 
RIEMANN:  BEETHOVEN  UND  DIE  MANNHEIMER 


Besitz  nahm  und  daß  für  sein  Urteil  Bach  doch  naturgemäß  nur  zu  Händel, 
Abaco  und  den  anderen  Repräsentanten  des  Stils  rangieren  konnte,  den  der 
neu  aufgekommene  so  schnell  zurückdrängte.  Die  wenigen  unbedeutenden 
Versuche  Beethovens  im  fugierten  Stile  (zweistimmige  Fugbette  in  D-dur 
[1783],  das  f-moll-Präludium  [1787]  und  die  beiden  im  Quintenzirkel  modu- 
lierenden Präludien  [1789?])  verraten  noch  recht  wenig  Vertiefung  in  den  Geist 
Bachs,  sehen  vielmehr  doch  ganz  so  aus,  als  verdankten  sie  den  Ermahnungen 
des  wohlmeinenden  Lehrers  ihre  Entstehung,  fiber  dem  bestrickenden 
Zauber  des  neuen  Stils  nicht  das  unentbehrliche  Studium  der  älteren  Manier  zu 
vernachlässigen;  sie  kommen  mit  anderen  Worten  nicht  von  Herzen  und 
schmecken  nach  der  Schulstube.  Für  die  Beziehungen  der  Bonner  Kapelle  zun) 
suddeutschen  Musikleben  gibt  zunächst  nur  der  Bericht  K.  D  Junkers  (in  Boßlers 
Muslkidischer  Korrespondenz  1791)  über  seinen  zweitägigen  Aufenthalt  in 
Mergentheim  einen  weiteren  Beleg,  wohin  er  im  Oktober  1791  gereist  war,  um 
die  daselbst  mit  dem  Kurfürsten  weilende  Kapelle  kennen  zu  lernen  (der  Kur- 
fürst hielt  dort  als  Großmeister  des  Deutschritterordens  ein  Kapitel  ab).  Da 
erfahren  wir  beiläufig,  daß  im  Hofkonzert  eine  Symphonie  von  Mozart  gespielt 
wurde,  ferner  eine  konzertante  Symphonie  ffir  Violine  und  Violoncello 
mit  Orchester,  deren  Autor  leider  nicht  genannt  ist  (vermutlich  eine  der 
vielen  von  Karl  Stamitz),  und  daß  zuletzt  eine  neue  Symphonie  des  ebenfalls 
herzugereisten  furstl.  Wallersteinschen  Kapellmeisters  Paul  Winneberger 
zum  Vortrag  kam,  die  Tags  zuvor  erstmalig  in  der  Probe  angelegt 
war.  Bedauerlich  ist,  daß  in  der  erhaltenen  Ankündigung  des  ersten 
Konzerts  des  achtjährigen  Beethoven  im  Kölner  Redoutensaale  am 
26.  März  1778  nicht  näher  angegeben  ist,  was  für  .Klavierkonzerte*  und 
was  für  .Trios*  der  Knabe  (er  erscheint  allein  auf  dem  Zettel)  zum  Vortrag 
gebracht  bat,  und  noch  bedauerlicher,  daß  sich  kein  Katalog  und  auch 
keine  Restbestände  der  Musikbibliothek  der  Bonner  Kapelle  gefunden  haben, 
•  der  im  kurfürstlichen  Schlosse  ein  besonderes  Zimmer  eingeräumt  war, 
und  zwar  mit  strenger  Scheidung  der  Kirchenmusik,  der  weltlichen  Vokal- 
musik nnd  der  Instrumentalmusik  in  besondere  Abteilungen  (Thayer  I, 
2.  Aufl.,  S.  16). 

Leider  hatte  weder  Thayer  noch  Deiters  eine  zutreffende  Vorstellung 
von  dem  Repertoire  der  Instnimentalkonzerte  in  der  Zeit  von  Beethovens 
Jugend  nnd  der  zunächst  vorausgehenden  Jahrzehnte,  wie  aus  verschiedenen 
Auslassangen  bestimmt  hervorgeht.  So  heißt  es  1.  c.  S.  32  der  1.  Aufl. 
(S.  34  der  2.),  daß  während  der  Regierungszeit  Clemens  Augusts  (gest 
1761)  »verhältnismäßig  wenig  Musik  durch  Druck  bekannt  gemacht  wurde 
nnd  infolgedessen  neue  Formen  and  neue  Stile  nur  langsam  den  Weg 
zu  allgemeiner  Anerkennung  fanden*.  Ebenda  ist  gesagt,  daß  gegen  Ende 
der  Regieruagueit  Clemens  Augusts  Gluck,  PhU.   Em.  Bach   und  Haydn 


M 


6 
DIE  MUSIK  VII.  13. 


«die  Grundlage  des  neuen  Opern-,  Orchester-  und  Klavierstils  legten,  ehe 
die  vollständig  ausgebildete  Sonatenform  in  allen  Kompositionen  höherer  Art 
Aufnahme  gefunden'*.  Die  zweite  Auflage  (Deiters)  sagt  S.  148  speziell 
über  die  drei  1783  von  Beethoven  dem  Kurfürsten  Max  Friedrich  gewidmeten 
Klaviersonaten,  daß  diese  ihr  Vorbild  in  den  dreisätzigen  Klaviersonaten 
Phil.  Em.  Bachs  haben,  «welcher  die  Form  ausgebildet  hatte,  welchem  dann 
Haydn,  Mozart  und  andere  gleichzeitige  Komponisten  folgten,  unter  diesen 
Neefe.*  Die  Verwunderung  (S.  276,  2.  Aufl.  352),  daß  1799  der  Wiener 
Musikalienhändler  Traeg  in  seinem  Kataloge  512  Symphonieen,  konzertante 
Symphonieen  und  Ouvertüren  (Suiten)  anzeigen  konnte,  würde  bei  Thayer  und 
Deiters  geschwunden  sein,  wenn  sie  die  Kataloge  der  Pariser,  Londoner 
und  Amsterdamer  Verleger  aus  den  letzten  Jahrzehnten  vor  Beethovens 
Geburt  eingesehen  hätten.  Die  Symphonieen  der  Mannheimer  Kompo- 
nisten allein  übersteigen  aber  schon  die  Zahl  500  nicht  unerheblich. 
Übrigens  hätten  aber  doch  die  Breitkopfschen  Kataloge  seit  1761  schon  einen 
genügenden  Begriff  geben  können  von  der  enormen  Tätigkeit  der  aus- 
ländischen Pressen,  deutsche  Symphonieen  auf  den  Markt  zu  bringen. 
Erst  1764  taucht  der  Name  Haydns  unter  den  damals  gefeierten  auf,  und  zwar 
zunächst  ohne  jedes  Aufsehen.  Ich  will  hier  nicht  nochmals  ausführen,  wie 
offenkundig  die  allgemeine  Herrschaft  der  Mannheimer  um  diese  Zelt  ist, 
sondern  verweise  diesbezüglich  auf  meine  anderweitigen  Darlegungen.  Es 
kam  mir  hier  nur  darauf  an,  zu  konstatieren,  daß  Thayer  und  Deiters  von 
der  immensen  Popularität  der  Mannheimer  Orchestermusik  um  die  Zeit  von 
Beethovens  Jugend  keine  Ahnung  gehabt  und  deshalb  unterlassen  haben, 
ihre  historische  Bedeutung  für  die  Entwickelung  der  Formen  zu  unter- 
suchen, daß  sie  daher  gar  nicht  auf  den  Gedanken  kommen  konnten,  daß 
Beethovens  Frühwerke  andere  Muster  als  Phil.  Em.  Bach,  Mozart  und 
Haydn  gehabt  haben. 

Da  es  sich  nicht  um  ein  paar  schnell  erledigte  Kleinigkeiten,  sondern 
vielmehr  um  einen  recht  erheblichen  Bruchteil  von  Beethovens  gesamtem 
Schaffen  handelt,  so  sehe  ich  von  weiteren  einleitenden  Ausführungen  ganz 
ab  und  gehe  direkt  zur  Musterung  von  Beethovens  Frühwerken  selbst  über. 
Dazu  setze  ich  voraus,  daß  der  Leser  meine  Einleitungen  zu  Band  III,  1 
und  VII,  2  der  «Denkmäler  der  Tonkunst  in  Bayern*  oder  doch  Irgend  einen 
meiner  sonstigen  Aufsätze  über  den  Stil  der  Mannheimer  kennt  oder 
nachträglich  einzusehen  Gelegenheit  nimmt. 

Zunächst  ist  kurzweg  zu  konstatieren,  daß  die  drei  Sonaten  von  1783 
(in  welchem  Jahre  Beethoven  13  und  nicht,  wie  die  Widmung  besagt,  1 1  Jahre 
alt  war)  ganz  und  gar  im  Banne  der  Mannheimer  Manier  stehen  (vgl.  Ge- 
samt-Ausgabe,  Serie  XVI,  No.  33—35).  Gleich  das  Kopfthema  der  ersten 
Sonate  (Es-dur)  sieht  aus  wie  ein  Stück  Klavierauszug  einer  Symphonie 


SS 


RIEMANN:  BEETHOVEN  UND  DIE  MANNHEIMER 


von  Stamitz,  Richter,  Toeschi  oder  Cflnnabich  mit  seinem  zum  Übermaß 
von  allen  Mannheimern  verbrauchten  Emporwalzen  im  Akkord: 

AUegro  cantabile  (!) 
17 


m 


Ste 


Schon    Takt    4    bringt  aber  auch   die    weichliche    Mannheimer    Seufzer- 
manier,  deren  besondere  Bedeutung  ich  mehrfach  hervorgehoben  habe: 


Wer  je  etwas  von  der  Mannheimer  Musik  um  1750  gesehen  hat,  weiß, 
daß  das  nicht  der  Stil  Phil.  Em.  Bachs,  sondern  der  von  Job.  Stamitz, 
Fr.  X.  Richter  und  ihren  Nachahmern  ist.  Daß  Takt  10  das  zweite  Thema 
ebenfalls  im  Aufputz  dieser  Manier  erscheint,  überhaupt  dem  ersten  Thema 
viel  zu  ähnlich  ist,  beweist  die  Unreife  des  AnRngers,  beweist,  daß  ihm 
der  Sinn  des  durch  J.  Stamitz  eingeführten  Kontrastthemas  noch  nicht 
aufgegangen  ist: 


Die  epilogierende  kleine  Schlußgruppe  gehört  zur  Kategorie  der  schnip- 
pischen Tändeleien,  wegen  deren  die  Mannheimer  so  heftig  von  Hiller  u.  a. 
getadelt  wurden: 


^  (resp.  8va  basta) 


Auch  die  stereotypen  Akkordschläge  des  Schlusses  fehlen  nicht.  Eine 
ernstliche  Durchführung  ist  nicht  vorhanden,  vielmehr  setzt,  wie  bei 
Phil.  Em.  Bach  aber  auch  bei  den  Mannheimern,  der  zweite  Teil  einfach 
mit  der  Transposition  des  Anfangs  des  ersten  Teils  in  der  Dominante  ein  und 
bringt  eine  Art  Durchführung  erst  nach  der  Reproduktion  des  ganzen  ersten 
Themas,  die  auch  noch  gleichlautend  wie  im  ersten  Teile,  aber  mit  Halbschluß 
in  c-moll  ausläuft.  Daß  der  Halbschluß  auf  dem  B-dur- Akkord  eigentlich  keine 
Vorbereitung  des  Fortgangs  in  B-dnr  ist,  hat  Beethoven  noch  nicht  erkannt; 
tonst  hätte  er  im  ersten  Teile  einen  anderen  Weg  eingeschlagen  (bekannt* 


lieh  hat  diesen  bei  Mozart  sehr  häufigen  Konstruktionsfehler  auch  noch 
Beethovens  op.  40  II).  Die  Einschaltung  der  kleinen  Durchffihrung  zur  Wieder« 
gewinnung  der  Haupttonart  ist  aber  ein  interessanter  Beitrag  zur  Er- 
klärung der  Entwickelung  der  Sonatenform  aus  der  zweiteiligen  Liedform; 
tatsächlich  ist  die  wirkliche  Durchfuhrung  doch  entstanden  aus  den  Um- 
gestaltungen, die  die  veränderte  Modulationsordnung  des  zweiten  Teils 
bedingt  (erster  Teil:  Tonika —  Dominante  bzw.  Molltonika- Parallele;  zweiter 
Teil:  Dominante  —  Tonika  bzw.  Parallele-Tonika),  und  die  schließlich  so 
starke  Abschweifungen  machte,  daß  das  erste  Thema  noch  ein  drittes  Mal  und 
zwar  wieder  in  der  Haupttonart  eintreten  konnte  (so  in  Pergolesi's  G-dur- 
Trio  und  Stamitz'  E-dur  Trio).  Beethoven  steht  also  hier  noch  in  dem 
Anfangsstadium  des  Verständnisses  der  inzwischen  durch  MQzart  und 
Haydn  bereits  schon  weiter  entwickelten  Form. 

Der  zweite  Satz  ist  nur  mit  kleineren  Werten  geschrieben,  steckt  aber 
übrigens  ganz  im  Motivischen  des  ersten  Satzes  fest,  der  ja  (AUegro  canta- 
bilet)  selbst  andante-artig  ist,  bringt  also  ebenfalls  keinen  Kontrast: 

Andante 


^ 


findet  auch  für  sein  zweites  Thema  keine  andere  Ausdrucksform: 


g^  ;  .  f- 


und  gipfelt  in  einer  direkten  Reminiszenz  an  Stamitz  und  Richter: 


Diese  «cbluchzende  Septime  bringt  auch  das  sonst  schlicht  und  ohne  auf- 
fallende Zfige  sich  abspielende  Rondo  (Finale): 


m 


t^-^r^ 


Bass:  es 


eH 


Wesentlich  selbständiger  gibt  sich  die  zweite  Sonate  (f-moU),  sicher  mit 
zufolge  der  Wahl  der  Tonart,  die  dem  Komponisten  ernstere  Töne  ein- 


9 
RIEMANN:  BEETHOVEN  UND  DIE  MANNHEIMER 


m3SSm0 


gibt.     Doch  zuckt  in    dem  Andante   mehrfach   die  Stamltzsche  Liebe   fQr 
scharfe  dynamische  Kontraste  auf: 


^^^.iSTi'^r^ 


f  p      f  p 


f    p 


und  auch  der  mit  Pausen  durchbrochene  »gewundene  Abstieg*  ist  ein  echter 
Stamitz: 


^TTffi-?tF5-^ 


Es  Ist  wohl  der  Mühe  wert,  sich  klar  zu  machen,  was  es  bedeutet,  daß  schon 
in  so  frfiher  Jugend  Beethoven  die  raffinierten  Pausenwirkungen  der 
Stamitzschen  durchbrochenen  Arbeit  so  gründlich  verstanden  und  assimilert 
hat.     Denn  diese  Stelle  steht  doch  für: 


ist  also  fortgesetzte  Pausensynkopierung: 


^^^^^ri^-tJl^pi^-^j+J-f.^^^ 


und  steht  auf  dem  gleichen  Boden  mit  den  berühmten  .sanglots  entrecoup6s* 
von  op.  110  (Arioso  dolente),  op.  131  (Thema  der  Variationen  and  Van  6), 
op.  77  (Var.  1),  op.  126  (No.  I,  IV),  op.  33  (No.  VII)  usw. 

Daß  diese  Wunderwirkungen  auf  Stamitz'  Trios  op.  1  zurückgehen,  sei 
nachdrücklichst  betont;  ein  paar  Proben  aus  diesen  mögen  dies  belegen: 

(C-dor,  1.  Satx)  (2.  Sais) 

Ar 


^^i^j^tjja^ 


(A-dur,  2.  Satx) 


(B^or,  2.  Satx)      nb. 


NB. 


NB. 


Die  dritte  der  drei  Erstlingssonaten  (D-dur)  erinnert  mit  dem  Epilop 
des  ersten  Satzes  an  Richters  A-dur-Trio: 


10 
DIE  MUSIK  VII.  13. 


i^i^^ä^ 


—  I >: 1 MP- 


und   mit   mehrmaliger  Anwendung   des  gewundenen  Abstiegs  an  Stamitz: 


auch  bringt  das  variierte  Menuet  ein  paar  Mannheimer  Seufzer: 


NB.  NB. 

Übrigens  verdient  die  Flüssigkeit  des  klavieristischen  Figurenwerks 
des  Dreizehnjährigen  volle  Anerkennung;  man  erkennt  sehr  wohl,  wie  er 
sich  bereits  in  die  Rolle  des  Akkompagnisten  einzuleben  beginnt.  Das 
häufige  Auftreten  wirkungsvoller  unisono-Stellen  braucht  durchaus  nicht  auf 
Rechnung  Phil.  Em.  Bachs  gesetzt  zu  werden,  findet  sich  vielmehr  in  den 
Symphonieen  und  Triosonaten  der  Zeit  häufig  genug,  um  sich  aus  der 
Bekanntschaft  mit  diesen  zu  erklären. 

Ein  ganz  unverkennbar  unter  Einwirkung  der  Mannheimer  Musik  ent- 
standenes Werk  Beethovens  ist  auch  das  wahrscheinlich  1786  für  die  Familie 
von  Westerholt  geschriebene  Trio  für  Klavier,  Flöte  und  Fagott 
(Ges.  Ausg.  Serie  25  [Suppl.]  No.  294).  Schon  die  Akkord-Rakete  zu  An- 
fang ist  eine  besondere  Liebhaberei  der  Mannheimer.  Trotz  der  gewandten 
Führung  der  drei  Instrumente,  die  Beethoven  schon  als  den  Durchbildner 
der  Ensemblekunst  zeigt,  steht  doch  die  frühe  Zeit  der  Entstehung  außer 
Zweifel.  Das  Werk  ist  in  der  Gesamtausgabe  zum  ersten  Male  gedruckt; 
das  autographe  Manuskript  bezeichnet  Beethoven  als  kurfürstl.  kölner  Hof- 
organisten, und  der  Auktionskatalog  des  Nachlasses  Beethovens  be8agt(No.  179): 
«frühere  Arbeit,  noch  in  Bonn*.  Der  Stil  bestätigt  die  frühe  Entstehung 
vollkommen;  schon  Takt  5  bringt  auch  die  Seufzermanier: 

NB. 


die  auch  im  Übergange  zum  zweiten  Thema  auftritt: 


und  dieses  selbst  vollständig  beherrscht: 


...MXHH:  BBeTHOV..'i«„  O.  «*».„e,«H. 


(hagutt 

und  ibnlicb      Flöte  In  F-dor) 


NB. 


NB. 


^^^^^S 


Auch  der  wenn  auch  etwas  verschnörkelte  langsame  Satz  weist  mit  Fingern 
auf  Mannheim: 


b.         CN9 


(Fag.) 


Auch  eine  nur  als  Fragment  erhaltene  Romancecantahile  (Thayer  I, 
2,  Aufl.  208)  für  die  gleichen  Instrumente  mit  Orchester  gehört  sicher  in 
dieselbe  Zeit: 


ä 


i 


NB. 


NB. 


^^^ 


Schwerlich  hat  Thayer  recht,  wenn  er  für  die  drei  zuerst  in  der 
samtausgabe  (Serie  VIU«  No.  64)  gedruckten  Duos  für  Klarinette  und 
Fagott  (Chronolog.Verz.  No.70)  das  Jahr  1800  als  Entstehungsjahr  annimmt 
<ffir  den  Klarinettisten  Beer  und  den  Fagottisten  Matauschka,  beide  in  der 
furstL  Liechtensteinschen  Kapelle);  saßen  doch  in  der  wegen  ihrer  Leistungen 
gerfihmten  Bonner  Tafelmusik  auch  zwei  Klarinettisten  und  zwei  Fagottisten* 
Gerade  diese  drei  Duos  sind  so  durch  und  durch  mannheimisch,  dafi  man 
sie  anbedingt  erheblich  welter  zurfickdatieren  muß  (vor  1700).  Gleich  der 
Anfang  des  ersten  Duos  spricht  deutlich  genug  (Klarinette): 


noch  deatlicher  aber  das  zweite  Thema  (Fagott): 


k/  ^  J^~^\\  t^  ^^  I  tjE^ 


NB. 


NB 


12 
DIE  MUSIK  VIL  13. 


und  auch  wieder  der  Epilog  (Klarinette): 


Na 


NB.  NbI  J^ 


Das  nur  kurze  Largo  beginnt: 


Das  zweite  Duo  beginnt  im  Fagott: 


9>ö  ^, 


und: 


^f^^^^Ff^^lSlfafep 


NB.  NB. 

und  setzt  sich  ähnlich  in  der  Klarinette  in  C-dur  fort,  ist  aber  übrigens 
freier  von  Seufzermanieren.  Dafür  bringt  aber  das  dritte  Duo  (c«Qaoll)  den 
direkten  Beweis,  daß  Beethoven  das  C-dur-Trio  von  Stamitz  gekannt  hat: 


Egf^^"""^^"^"^"^ 


dolce  cresc, 

Stamitz,  C-dor  Trio  Op.  I  ^*2.  Satz: 


^^^^/m^^ 


Z3p  USW. 


NB. 


Aber  auch  sonst  fällt  noch  mancherlei  auf: 


k^       NB, 


i     NB.^ 


NB. 


\^f.:ßf\Un=S^ 


[^V'  '      *     ^UJ     I     (ebaaso  anscbJiefiead  das  Fagott  ifl.|*.moll) 

Wenn  innere  Indizien  mangels  anderer  Anhaltspunkte  eti^as  beweisen 
können,  sp  wird  man  diese  Duos  gewiß  der  Bonner  Zeit  zuweisen  müssen. 
Die  drei  (laut  Autograph)  bestimmt  1785  geschriebenen  Klavier- 
quartette verraten  uns  zunächst,  daß  Beethoven  auch  Pergolesi's  Trios 
nicht  unbekannt  geblieben  waren: 


No.  1.    EinleHung 
Takt  15-16 


osw. 


13 
RIEMANN:  BEETHOVEN  UND  DIE  MANNHEIMER 


Porgoletiy  B^or* 
Trio,  1.  Satx 


I  ^-^  8va  basso 


Auf  Pergolesrs  Wichtigkeit  als  Vorbereiter  der  Stilreforin  der  Mannheimer 
habe  ich  bereits  mehrfach  aufmerksam  gemacht  (er  ist  der  Schöpfer  des 
»AUegro  cantabile');  der  erste  Sat7  seines  G-dur  Trios  ist  von  einer  ganzen 
Reihe  von  Komponisten  nachgeschrieben  worden. 

Doch  bringt  die  Einleitung  des  ersten  Klavierquartetts  attch  noch 
ein  paar  Stamitziana: 


Die  Kadenz  mit  dem  gewundenen  Abstieg  (b),  mit  und  ohne  Durchbrechung 
durch  Pausen,  wie  sie  aus  der  Mannheimer  Musik  in  so  mancherlei 
Varianten  bekannt  ist,  spielt  in  den  drei  Quartetten  eine  Hauptrolle.  Reicher 
an  Seufzermanieren  ist  nur  das  dritte  Quartett  (C-dur),  das  Im  Autograph 
das  erste  ist,  aber  schon  in  der  ersten  Ausgabe  (1832)  seinen  jetzigen  Platz 
erhalten  hat.  Das  zu  wissen  ist  darum  nicht  ohne  Interesse,  weil  gerade 
da9  C-dur  Quartett  viel  stärker  als  die  anderen  im  Banne  des  Stils  der 
Mannheimer  st^bt.  Schon  der  Anfang  ist  ganz  mannheimisch  (vgl.  oben 
den  Anfang  der  Es-dur  Klaviersonate): 


Die  zur  transponierten  Wiederkehr  des  Anfangs  in  F-dur  überleitenden 
ersten  Takte  des  zweiten  Teils  (eine  eigentliche  Durchfuhrung  ist  es  nicht) 
sind  richtige  mannheimer  «Raketen*: 


\^ 


^as 


USW. 


baß  bei  Beethovens  Lebzeiten  diese  Quartette  nicht  im  Druck  erschienen,  hat 
seineü  guten  Grund,  da  er  hervorstechende  Partieen  dieses  ersten  (dritten) 
Quartetts   in   einer  der  Klaviersonaten  op.  2  verwandt  hat,  nämlich  zu- 


14 
DIE  MUSIK  VII.  la 


nächst  den  Übergang  zum  zweiten   Thema  und  den  zweiten  Hauptteil  des 
zweiten  Themas  in  der  C-dur  Sonate  op.  2,  III: 


C\9 


OfW. 


Zu  der  merkwürdigen  Modulationsordnung,  das  zweite  Thema  in  der  Moll- 
variante der  Dominante  (g-moll  bezw.  G-dur)  einzufuhren,  ist  auch  der  Hin- 
weis von  Interesse,  daß  das  einer  speziellen  Liebhaberei  Job.  Stamitz*  ent- 
spricht (vgl.  das  Finale  des  C-dur  Trios). 

Das  Adagio  con  espressione  des  C-dur  Quartetts  hat  Beethoven  meister- 
haft umgearbeitet  zum  Andante  der  Sonate  op.  2,  I  (f-moll).  Die  verzierte 
Wiederkehr  des  Hauptgedankens  hat  auch  im  Quartett  einige  Mannheimiaden» 
die  in  der  Umarbeitung  ausgemerzt  sind(t): 


a)  Violine 


NB. 


Wir  kommen  zu  den  1795  als  op.  1  gedruckten,  aber  schon  1793  von 
Beethoven  in  Gegenwart  Haydns  beim  Fürsten  Lichnowski  zum  Vortrage  ge> 
brachten  drei  Trios.  Thayer  nimmt  für  diese  die  Jahre  1791—92  in  Bonn 
als  Entstehungszeit  an;  Deiters  hat  in  der  2.  Aufl.  diese  Ansicht  fallen  lassen. 
Tatsächlich  bekunden  Skizzen,  daß  Beethoven  sich  noch  1794  mit  diesen  Trios 
beschäftigt  hat  Das  beweist  zunächst,  daß  er  sie  für  die  Herausgabe  nicht  so 
gelassen  hat,  wie  sie  1793  beschaffen  waren,  schließt  aber  durchaus  nicht 
aus,  daß  sie  in  den  Hauptideen  noch  älter  als  1793  sind  und  tatsächlich  in 
die  Bonner  Zeit  gehören.  Trotz  aller  unverkennbaren  Fortschritte  in  der  Aus- 
gestaltung, die  die  mächtige  Einwirkung  der  inzwischen  in  Wien  em- 
pfangenen Eindrücke  verraten,  enthalten  doch  diese  drei  Trios  tatsächlich 
so  vieles,  was  an  seine  Frühwerke  erinnert,  daß  ich  mich  unbedenklich 
Thayer's  Ansicht  anschließe.  An  Mannheimer  Reminiszenzen  ist  durchaus 
kein  Mangel,  aber  sie  haben  doch  ein  anderes  Aussehen  bekommen 
als  in  den  Sonaten  von  1783  oder  den  Quartetten  von  1785.  Sie  sind^ 
nicht  mehr  gedankenlos  nachgesprochene  Formeln,  sondern  treten  als  or-< 
ganische  Bestandteile  in   dem  Aufbau  ein,   sind   durchempfunden,  erlebt.. 


15 
RIEMANN:  BEETHOVEN  UND  DIE  MANNHEIMER 


Das    gilt    zunächst    für    die    an    die    Mannheimer    Raketen    erinnernden 
Themaköpfe: 

Op.  in.  1.  S. 


Op.  1 1-  1.  S. 


Op.  1  ni.  Finale 


U =-g--|^ >    •* ^ \^J<        i»^  '        - 


r 

aber  auch  für  die  in  gar  nicht  kleiner  Zahl  auftauchenden  Seufzermanieren, 
die  manchmal  starke  Emphase  angenommen  haben  (a)  oder  durch  den  Charakter 
des  Satzes  einen  Anflug  von  Humor  erhalten  (b)  und  nur  in  einigen 
Fällen  noch  ihre  Weichlichkeit,  ihr  schmachtendes  Wesen  zeigen  (c): 


No.  I,  Z  S.  (a) 


No.  11,  1.  S.  (a) 


^^^^ 


^ ^ 


NB. 


NB. 


NB. 


dasselbe  Violine  (b) 


NB. 


usw. 


t^i^=t^ 


das.(s) 


das.  2.  Thema  (b) 


f     t     L    *■   i — l—r^ ^ 


USW. 


usw. 


das.  2.  Sau  (a) 


(FÜUI) 


^-f^p  ^^tf  VJß 


i e 


^. 


NB. 


dat.  <a) 


NB. 


•  M#-~.-»<el  ^      g,  ■  *T  -  — 1 — n • — f }-^-* — T 


usw. 


espr. 


f^ 


dM.  (Schlußsatz) 


No.  111  Menuett  (b) 


^^Ft=f+t^rt^^ 


Klavier 


NB. 


NB. 


NB. 


aa.  Finale  (b) 


Daß  die  drei  Haydn  gewidmeten  Klaviersonaten  op.  2  nicht  nur 
unter  Haydns  Augen  in  Wien  entstandene  Musik  enthalten,  ist  schon  oben 
erwähnt;  daß  aber  außer  den  Quartetten  von  1785  auch  noch  andere  ältere 
Ideen  Verwendung  gefunden  haben,  scheinen  noch  einige  weitere  Mann-» 
heimiaden  zu  verbürgen,  so  im  Andante  der  A-dur  Sonate  das: 

NB.  NB.  NB. 


und  im  Finale  derselben  Sonate: 


^^^^^ 


ggT^ii'^g?!^ 


Wie  ein  Scherz  über  den  gewundenen  Abstieg  nimmt. sich  das  Rondo 
G-dur  für  Klavier  und  Violine  aus  (Ges.-Aug.  Serie  XII,  Nn  102), 
das  in  der  Hauptsache  mit  diesem  (und  seiner  Umkehrung)  bestritten  ist: 


r-f  irrffrf 


Der  gewundene  Abstieg  ist  aber  auch   schon  dem  kleinen  A-dor* 
Rondo  von  1783  (in  Boßiers  Blumenlese)  vertraut: 


In  einer  entzückenden  Variante  erscheint  er  auch  in  dem  ersten 
Satze  des  1830  zuerst  ans  dem  Nachlaß  herausgegebenen  Es-dnr 
Trios  (Klavier,  Violine,  Violoncello),  das  nach  Schindlers  Angabe 
Beethoven  mit  15  Jahren  komponiert  hätte  (d.  h.  -f-  2  =  1787): 


t-^ 


i 


yy  < 


17 
RIEMANN:  BEETHOVEN  UND  DIE  MANNHEIMER 


Das  unscheinbare  Motiv  spielt  da  eine  merkwürdige  Rolle  als  eine  Art 
beschwichtigender  Epilog.  Übrigens  scheint  die  Ähnlichkeit  des  Scherzo 
dieses  Trio  mit  dem  Diabelli -Walzer,  über  den  die  Variationen  op.  120 
geschrieben  sind,  noch  nicht  bemerkt  zu  sein: 


und 


Fff^pp^ 


Vielleicht  ist  aber  diese  Verwandtschaft  mit  ein  Grund  gewesen,  daß  Beet- 
hoven sich  für  Diabelli's  Walzer  erwärmte. 

Die  Vermutung,  daß  das  Streichtrio  Es-dur  op.  3  in  die  Bonner 
Zeit  gehört  (Thayer  P  280),  wird  wenigstens  durch  ein  paar  Mannheimer 
Seufzer  gestützt: 

4.  Sitz  Adagio 

'^     .:   .  CC  ♦  NB.  ^  ^.^  ^^  NB. 

Violine  f  j?  Jf  t^^-jurggirri  >._    _"  TTXzf^^^^?^??^ 


(lachimCello) 


5.  Satz  Menuetto 


Violine 


Violine 


6.  Satz  Finale 


»q^i^i:  :-*-4-y-|i-  =^=:qF^  "  g''"T"F"  ^^^^^^=??^  -^FS^^^R^  =^ 


usw. 


Von  frühen  Variationenwerken  führen  die  dem  Thema  fremde  Seufzer- 
manier ein  die  Variationen  über  Righini's  „Vieni  amore'  (1790): 

(Vsr.  4.) 

~"  Mi 


^1 


I 


.--v~< — h 


NB.  NB.  NB. 

auch  Var  6,  12,  23  und  24 


VII.  13 


18 
DIE  MUSIK  Vll.  13. 


M 


Auch  die  wohl  noch  in  Bonn  komponierten,   1793  mit   Widmung  an 
Eleonore  von   Breuning  gedruckten   über   Mozarts  »Se  vuol  ballare*: 

(Vtr.  6)  (Var.  7) 


Aber  auch  die  ganz  späten  (1818—1820  geschriebenen)  Variationen 
op.  105  und  107  greifen  noch  gelegentlich  auf  die  Manier  zurück: 


op.  105,  No.  2  (Var.) 


NB. 


g^^^^^ 


op.  107,  No.  5  (TiroHscb) 

— IK 


^ 


usw. 


NB. 


Nb. 


op.  1 17,  No.  0  (Ruttitcb) 


w 


t=: 


Das    1805  erschienene  Klaviermenuett  Es-dur  ist  wohl  auch  elo 
altes  Blättcheo  gewesen: 

NB. 


und  atKh  die  1796 — 97  als  op.  6  gedruckte  vierhändige  Klaviersonate 
seufzt  noch  naiv: 


Das  nachgelassene  Rondino  für  acht  Blasinstrumente  (Ser.  VIII^ 
No.  60)  ist    jedenfalls    für   die    kurfürstliche  Tafelmusik  geschrieben  und 
zwar  vermutlich  vor  1790: 
a)  NB.         b) 


c> 


JJgg^^S^Zgig 


Klavier  1« 


Ob.  P 


Dagegen  dürfte  das  Bläseroktett  (op.  108,  Ser.  VIII,  No.  59),  be- 
züglich dessen  Beethoven  1794  bei  Simrock  in  Bonn  anfragt  (Haben  Sie 
meine  Partita  schon  aufgeführt?),  zwar  für  Bonn,  aber  in  Wien,  also 
frühestens  1792,  geschrieben  sein,  da  Mannheimer  Manieren  darin  ganz 
fehlen,  wenn  man  nicht  in  der  dreitaktigen  Stelle: 


19 
RIEMANN:  BEETHOVEN  UNO  DIE  MANNHEIMER 


«ine  solche  sehen  will. 

Unverkennbare  Spuren  früher  Entstehung  trägt  die  Hornsonate  op.  17, 
die  angeblich  Beethoven  in  einem  Tage  für  Punto  geschrieben  haben  soll 
(17.  April  1800);  das  Rätsel  so  schneller  Arbeit,  das  wohl  für  Mozart 
aber  nicht  für  Beethoven  glaubhaft  wäre,  erklärt  sich,  wenn  man  annimmt, 
daß  er  alte  Bonner  Skizzen  benutzte.  Man  urteile,  ob  das  nicht  sehr 
wahrscheinlich  ist: 


(l.Satf)  t,^^^ 


!:|F.feEii 


EF#f%=j 


(2.  Satz)  e. 


(3  Satz)  d. 


NB. 


X 


-^ 


A y 


^ 


ge^^ 


±J 


Hier  fällt  besonders  das  in  Filtzscher  Manier  in  weiten  Sprüngen  einher- 
gehende  Hauptthema  des  Schlußsatzes  auf. 

Das  bereits  1798  in  Wien  aufgeführte  Klavierquartett  mit  Blasinstru- 
menten op.  16  ist  ebenfalls  früh  mit  Benutzung  älterer  Ideen  geschaffen. 
Schon  die  an  den  französischen  Ouvertürenstil  anklingende  Einleitung 
enthält  einige  Seufzer: 

Grave  und   TL 


NB. 


(Clarineue)  NB.  (Odoc) 

noch  deutlicher  verrät  aber  der  Anfang  des  Allegro   frühere   Entstehung: 


0 


f^'t, .'  I  r  :feg:ER^g£E^ 


und  auch  aus  dem  zweiten  $atz  lugt  so  etwas  hervor  (Oboe): 


EiFSEi 


m 


i 


(Ob.) 
Schluß  folgt 


2'-- 


HERZSCHLAG  UND  RHYTHMUS 

EIN  VERSUCH, 
DEM  VERSTÄNDNIS  VON    BEETHOVENS    WERKEN 
DURCH     DAS     STUDIUM    SEINER     OHREN-     UND 

HERZKRANKHEIT  NÄHER  ZU  KOMMEN 
von    Dr.   med.  J.  Niemack-Charles   Cily   (Jowa) 


oft  gestellte  Frage,  ob  und  in  wieweit  Beethovens  Ohrenleiden 
I  seine  musikalischen  Produkte  beeinflußt  habe,  isl  in  ihrer  ersten 
]  Hälfte  überflüssig,  in  ihrer  zweiten  dagegen  einer  sorgnitigen 
Untersuchung  wert  und  Rblg.  Erzeugnisse  eines  Genies  sind 
in  ihrer  ersten  Konzeption  Immer  Kinder  des  Augenblicks  und  seiner  zu- 
miligen  Eindrücke  und  Stimmungen,  wogegen  die  wissenschaftliche  and 
tecbniscbei  Ausarbeitung  als  etwas  Verstandes-  und  oft  handwerksmlOiges 
keiner  fortgesetzten  Inspiration  bedarf. 

Dem  Künstler  kommen  von  außen  her  zuerst  die  Eindrücke,  die  be- 
fruchtend auf  den  wohlbereiteten  schaffenden  Mutterboden  seines  Geistes 
fallen;  sie  werden  oft  augenblicklich,  oft  aber  erst  nach  einiger  Zeit  des 
Ausreifens  geboren. 

Der  Schwerhörige,  Taube  ist  eines  großen  Teils  dieser  Sinneseindrücke 
beraubt  und  z.  T.  auf  früher  Gehörtes,  z.  T.  auf  Gesichts-  und  Gefühls- 
eindrücke  angewiesen.  Dies  beschrinkt  und  verengt  notwendig  den  Um- 
kreis seiner  Gedankenwelt.  Zugleich  aber  ist  er  mehi*  auf  sieb  selbst 
angewiesen,  und  auch  im  geselligen  Kreise  von  der  oberflächlichen  Unter- 
haltung ausgeschlossen,  so  daß  er  —  falls  er  überhaupt  eme  eigene  Ge- 
dankenwelt besitzt  —  sich  selbst  nnd  der  Vertiefung  seiner  eigenen  Ideen 
überlassen  bleibt.  Beschränkung,  Begrenzung  der  inspiratorischen  Gedanken- 
welt mit  intensiver  Vertiefung  derselben  sind  notwendige  Eigenheiten  des 
schwerhörigen  Genies.  Beethoven  selbst  drückt  dies  In  seinem  sog.  Testa- 
ment 1802  so  aus;  er  sei  .gezwungen,  Philosoph  zu  werden'. 

Die  Untrennbarkeit  seines  Schaffens  von  seinem  persönlichen 
Innenleben,  wie  es  sich  im  Laufe  der  Jabre  unter  freudigen  und  trüben 
Gesctaebnissen  gestaltete,  ist  die  notwendige  Folge.  Seine  Schicksals- 
tnigödie  bat  es  nicht  mit  dem  König  Oedipus,  sondern  mit  Beethoven 
selbst  zu  tun:  der  Dankgesang  eines  Genesenen  im  Quartett  op.  132  ist 
nicht  einer    künstlichen  Vorstellung,    sondern  seinem  eigenen    Innenleben 


21 
NIEMACK:  HERZSCHLAG  UND  RHYTHMUS 


entspniDgen.  Es  ist  eine  eigentümliche  Schicksalsfügung,  daß  am  Beginn 
des  subjektivistischen  Zeitalters  ein  vom  Geschick  selbst  zum  höchsten 
Subjektivisten  gestempelter  Heros  steht  I 

Zu  diesen  formellen  Zügen  kommt  jedoch  noch  ein  den  Charakter 
seiner  Ideen  inhaltlich  beeinflussendes  Erfahrungsmoment.  Dem  modernen 
Ohrenarzte  ist  wohlbekannt  die  oft  zu  Selbstmordgedanken  führende  Melan- 
cholie seines  Patienten,  das  Gefühl  eines  Streites  zwischen  sich  und  der  in  ihrer 
lächenden  Unterhaltung  des  anwesenden  Tauben  nicht  achtenden  Mitwelt. 
Meist  wird  es  als  „krankhafter  Argwohn"  —  aber  nicht  begründet  —  be- 
zeichnet Der  Taube  weiß  sich  außer  Zusammenhang  mit  den  Anderen, 
glaubt  sich  in  seinen  besten  Absichten  mißverstanden,  bespöttelt,  hinter- 
rücks bekämpft:  Schicksal  und  Menschen  haben  sich  gegen  einen  ver- 
schworen. Diese  Psychose  der  Schwerhörigen  ist  uns  heute  wohlbekannt 
und  sie  wird  regelmäßig  vertieft  durch  die  Unfähigkeit  der  Hörenden,  sich 
von  dem  durch  Ohrenklingen  und  Oberempfindlichkeit  der  Nerven  ver- 
ursachten schweren  Leiden  des  Tauben  eine  zu  zarterer  Rücksichtsnahme 
führende  genügend  lebhafte  Vorstellung  zu  bilden. 

Seit  etwa  1800  beginnt  diese  charakteristische  Gedankenreihe  des 
Meisters  Vorstellungen  in  Briefen  und  Kompositionen  zu  beherrschen.  Die 
Fünfte  Symphonie  malt  sie  in  poetischer  Riesengröße.  Immer  von  neuem 
packt  uns  die  Vielseitigkeit  in  seiner  Erfassung  und  intensiven  Ausführung 
dieses  inneren  und  äußeren  Kampfes.  Beethovens  ganze  ethische  und 
religiöse  Riesengestalt  können  wir  erst  ahnen  an  der  Art,  wie  er  dieser 
krankhaften  Monomanie  Herr  bleibt.  Ein  Schwerhöriger  nur  kann  es  nach- 
fühlen, welche  sittliche  Höhe  es  bedeutet,  daß  dieser  von  seinen  Dienst- 
boten verspottete,  von  seinen  Verwandten  ausgenutzte  und  vernachlässigte 
Sonderling  die  Neunte  Symphonie  mit  solchem  Hymnus  schließt:  ein 
Apostel  idealster  Menschenliebe  trotz  —  trotz  alledem  I  — 

Diese  Dinge  nun  liegen  verhältnismäßig  auf  der  Oberfläche.  Auf 
einen  weniger  beachteten  Punkt  möchte  ich  aber  jetzt  aufmerksam  machen: 
das  sind  die  bei  katarrhalischer  Schwerhörigkeit  vorhandenen,*  oft  Jahrzehnte 
andauernden  Gehörparästhesieen  (subjektive  Geräusche).  Teils  sind 
es  kontinuierliche  Geräusche  in  höchsten  Tönen,  Pfeifen  und  Zischen,  oft 
ausgesprochen  musikalischen  Charakters  und  lang  ausgehalten,  teils  mehr 
Sausen  in  dem  Puls  mit  synchronischen  Stößen.  Der  bei  sklerotischem  Mittel- 
ohrkatarrh im  Labyrinth  vorhandene  Überdruck  wirkt  als  kontinuierlicher 
Reiz  auf  die  feinen  Nervenenden  ein;  außerdem  aber  wird  direkt  der  Puls- 
schlag der  größeren  anliegenden  Adern  gehört. 

Beethoven  klagt  über  diesen  Zustand,  den  er  als  »Dämon  in  seinen 
Ohren*  bezeichnet,  wiederholt  in  den  Jahren  von  1800  bis  1817.  Die 
wahnsinnige    Qual    treibt    ihn    zu    Selbstmordgedanken.     Ohne    subjektive 


22 
DIE  MUSIK  VII.  13. 


M 


Geräusche  wurde  Taubheit  schwerlich  so  häufig  zu  schweren  Geistes« 
Störungen  führen.  Und  doch  werden  diese  von  den  Unbeteiligten,  d.  h. 
von  denen,  die  weder  Arzt  noch  Patient  sind,  regelmäßig  übersehen.  Za 
den  »Unbeteiligten"  gehören  hier  offenbar  auch  alle  bisherigen  Biographen 
Beethovens,  denn  sonst  könnte  ihnen  nicht  entgangen  sein,  daß  Beethovens 
sog.  zweite  Periode  musikalisch  als  Periode  der  subjektiven  Geräusche 
charakterisiert  ist.  Unter  anderem  ist  die  häufige  Kontrastierung  hober 
Diskantpassagen  gegen  tiefe  rollende  Bässe  am  einfachsten  zu  erklären  als 
der  unbewußte  Versuch,  diese  aufdringlichen  Geräusche  los  zu  werden 
durch  musikalische  Formulierung  derselben.  Das  Largo  der .  Babetle 
V.  Keglevics  dedizierten  Sonate  op.  7  beweist  mir,  daß,  wie  in  der  Majorität 
der  Fälle,  auch  bei  Beethoven  subjektive  Geräusche  existierten,  ehe  ihm 
der  Verlust  des  Gehörs  zum  Bewußtsein  kam. 

Die  zweite  Art  der  Geräusche,  die  rhythmischer  Natur  sind,  ond 
dem  Herzschlage  entsprechen,  sind  uns  noch  besonders  wichtig,  da  sie  die 
Erklärung  geben  für  die  mehrfach  hervorgehobene  Tatsache,  daß  Beet- 
hovens Tempi  sich  immer  im  Rahmen  des  menschlichen  Pulsschlages,  d.  i. 
60-80  Pulse  in  der  Minute,  halten.  Beethoven  war  gezwungen,  fast  be- 
ständig seinen  Pulsschlag  lauter  oder  leiser  anzuhören. 

Nun  ist  —  besonders  bei  erregbaren  Menschen  —  der  Herzschlag 
steten  Schwankungen  unterworfen :  langsamer  bei  leerem  Magen,  schneller 
in  der  Verdauung,  ebenso  unter  dem  Einfluß  von  Krankheiten.  Das  «fieber- 
hafte Herzklopfen"  der  gespannten  Erwartung,  das  «Fliegen  der  Pulse*  bei 
hohen  Gefühlssteigerungen,  das  «Stillstehen  des  Herzens"  bei  plötzlichem 
Schreck  oder  plötzlicher  Freude  —  die  Pause  auf  dem  Klimax  —  sind  von  jeher 
der  Beobachtung  so  zugänglich  gewesen,  daß  es  sprichwörtliche  Wendungen 
geworden  sind.  Und  nun  denke  man  sich  unseren  Meister  an  seinen  Dämon 
gefesselt,  der  ihm  Tag  und  Nacht  den  Takt  zu  seinen  verschiedenen  Erregungs- 
zuständen in  die  Ohren  heult  und  paukt !  Man  muß,  wie  ich  persönlich  jahrelang, 
die  entsetzliche  Aufdringlichkeit  dieser  accelerierenden  und  retardierenden 
rhythmischen  Geräusche  erlebt  haben,  um  zu  begreifen,  wie  unmöglich  es 
für  Beethoven  war,  in  einem  dazu  kontrastierenden  Tempo  zu  komponieren. 

Wer  unsem  Meister  verständnisvoll  spielen  will,  darf  sich  diesen  Tat- 
sachen nicht  verschließen.  Hieraus  erklärt  sich  auch  Beethovens  von  Schindler 
bezeugte  Unfähigkeit,  sich  an  eine  feste  Metronomisiening  seiner  eigenen 
Kompositionen  zu  halten.  Er  mußte  sich  immer  nach  seinem  jeweiligen  Herz- 
schlag richten,  und  dieser  war  bei  ihm,  als  er  etwas  älter  wurde,  auch  ab- 
gesehen von  den  zufälligen  Erregungszuständen,  nicht  so  regelmäßig  wie  bei 
normalen  Menschen.  Er  war  täglichen  Schwankungen  unterworfen,  da  der 
Meister  an  Pulsaderverhärtung  (Arteriosklerosis)  und  Herzfehler  litt. 

Zum    Beweis    dieser    Behauptung    müssen    wir    ein    wenig   in    das 


23 
NIEMACK:  HERZSCHLAG  UND  RHYTHMUS 


medizinische  Gebiet  hinübergreifen.  Beethoven  war  früh  gealtert,  und 
«der  Mensch  ist  so  alt  wie  seine  Arterien".  In  Arteriosklerosis  verlieren 
die  Schlagadern  ihre  Glätte  und  Elastizität,  werden  gewunden,  kalkig  und 
brüchig.  Das  Herzfleisch  wird  schwielig  und  schlaff,  die  Herzklappen  ver- 
härten und  schließen  nicht  mehr.  Seelische  Erregungen,  seien  sie  nun  die  Folge 
von  Ausschweifungen  oder  von  Kämpfen  und  Sorgen,  gelten  als  Ursache.  Daß 
diese  Krankheit  mit  den  fiblichen  Komplikationen:  Herzanfällen,  Lungen- 
leiden,  Darmaffektionen  und  schließlicher  Schrumpfniere  Beethovens  Leiden 
war,  daran  ist  meines  Erachtens  kein  Zweifel  erlaubt.  Bei  der  Autopsie 
wurden  die  Adern  am  inneren  Ohr  als  hart  und  knotig,  wie  fiber  eine 
Federspnle  gespannt,  gefunden  (Schindler).  Die  plötzlichen  Ohnmächten 
mit  dem  Gefühl  drohenden  Todes,  das  Bluthusten  und  Nasenbluten,  die 
wiederkehrende  Atemnot,  das  allgemeine  «rheumatische*  Gefühl,  der  Kopf- 
schmerz, der  wichtige  Einfluß  barometrischer  Schwankungen,  die  bis  zur 
Gelbsucht  sich  steigernde  gelbe  Gesichtsfarbe,  das  öfter  erwähnte 
intermittierende  Fieber,  die  leichte  Reizbarkeit  mit  sofort  folgender  Er- 
schlaffung, endlich  die  geschwollenen  Füße,  die  Lungenentzündung  und 
BiMichwassersncht,  dazu  der  zeitweise  wohltätige  Einfluß  der  Landluft  und 
lauer  Bäder  —  alle  dieae  sich  über  seine  letzten  17  Lebensjahre  er- 
streckenden Symptome  erlauben  uns  jetzt,  die  Diagnose  dieser  damals  eben 
bekannt  werdenden  Krankheit  zu  stellen. 

Es  ist  eine  trübselige  Beschäftigung  für  den  Arzt,  die  Briefe  des 
Kranken  zu  lesen,  dessen  Ärzte  und  Umgebung  von  der  Ernsthaftigkeit  seiner 
Krankheit  erst  ganz  gegen  Ende  eine  Ahnung  bekamen.  Natürlich  wurde 
auch  sein  Ohrenleiden  dadurch  nur  ungünstig  beeinflußt,  und  da  schon  der 
gewöhnliche  Herzkranke  die  Schwankungen  seines  Pulses  störend  empfindet, 
wie  viel  mehr  der  Ohrenkranke,  der  gezwungen  ist,  sie  mit  anzuhören. 

Wir  gewinnen  in  der  Cavatina  des  einen  Galitzinschen  Quartetts 
op.  130  einen  interessanten  Einblick,  wie  alle  diese  Umstände  gemeinsam 
in  der  Werkstätte  des  Meisters  arbeiteten.  «Adagio  molto  espressivo*  zu 
spielen  und  mit  sehr  vielen  Vortragszeichen  versehen,  spiegelt  die  Cava- 
tina das  Gefühl  unendlicher  Traurigkeit  wieder.  Das  Thema  selbst  gleicht 
einem  tiefen  Stoßseufzer.  Plötzlich  bricht  die  Melodie  ab,  und  während 
die  begleitenden  Instrumente  in  leisesten  Triolen  den  normalen  Takt  scharf 
markieren,  stößt  die  erste  Violine  eine  Reihe  unzusammenhängender  Töne 
und  unrhythmischer  Figuren  aus.  «Beklemmt"  sollen  diese  gegen  den 
Rhythmus  kontrastierenden,  sich  überstolpemden  Töne  gespielt  werden!  — 
Woher  hat  der  alternde,  schwer  kranke  Meister  die  Idee  zu  dieser  höchst 
wunderlichen  Kombination  genommen  ?  Beides  kommt  nur  an  dieser  einen 
Stelle  vor.     Die  Briefe  aus  jener  Zeit  sind  voll  schwerer  Todesahnung. 

Als  freie  musikalische  Erfindung  betrachtet,  müßte  diese  Unterbrechung 


M8 


24 

DIE  MUSIK  VII.  13. 


des  Gesanges  sowohl  sinn-  wie  geschmacklos  bezeichnet  werden.  Das  ist 
also  ausgeschlossen.  Der  Meister  muß  diesen  sich  überstolpernden  Rhythmus 
gehört  haben,  und  diese  Empfindung  muß  mit  einem  Gefühl  tiefer  Be- 
klemmung verbunden  gewesen  sein. 

Spielen  Sie  diese  Stelle  einem  Arzt  vor,  der  mit  Herzkranken  zu  tun  hat 
und  fragen  Sie  ihn,  ob  er  solchen  Rhythmus  kenne.  »SelbstverstAAdlich 
kenne  ich  ihn",  wird  er  antworten,  «es  ist  der  Herzschlag  eines  Arterioskle- 
rotikers,  dessen  Herz  affiziert  ist  im  Zustande  unvollständiger  Kompensation.* 
Wir  Ärzte  sprechen  von  einem  Anfall  von  «angina  pectoris",  die  Laien 
von  »Herz-Beklemmung*.  Ein  Gefühl  unendlicher  Todesangst  ergreift  den 
Kranken,  kalter  Schweiß  tritt  auf  seine  Stirn;  ihm  ist,  als  könne  er  nicht  atmen. 
Solche  Zustände  werden  bei  Herzleidenden  bestimmter  Art  besonders  leicht 
durch  Verdauungsstörungen  hervorgerufen.  So  sagen  die  ärztlichen  Lehrbücher. 

Welch  eine  ergreifende  Bedeutung  gewinnt  aber  für  den  mit  diesen  Kennt- 
nissen ausgestatteten  Beethoven- Forscher  nunmehr  das  arhythmische  Inter- 
mezzo! Die  Cavatina  ist  im  Lichte  musikalischer  Verklärung  gesehen  der 
Stoßseufzer  elc  profundis  eines  Menschen,  dem  der  Sensenmann  naht,  an  dorn 
er  aber  noch  einmal  vorübergeht.  Die  peinvollsten  Augenblicke  seines 
Alters  hat  der  Meister  hier  in  Musik  gewandeil.  Die  angina  pectoris  ist 
ihm  zur  Inspiration  geworden.  «Beklemmt*!!  Dieses  Wort  ist  der  Schlüssel, 
der  uns  einen  erschütternden  Einblick  in  Beethovens  Gedankenwelt  erlaubt. 

Ich  hoffe,  daß  bessere  Beethovenkenner,  als  ich  es  bin,  sich  mit  dies.pn 
Gedanken  gründlich  vertraut  machen  werden.  Ob  der  Ästhetiker  solche 
musikalische  Reprodukrion  von  Krankheitszuständen  für  berechtigt  hält 
oder  nicht:  sie  ist  vorhanden  und  muß  helfen,  Licht  in  des  unvergleich- 
lichen Meisters  letzte  Werke  zu  werfen. 

Belege  aus  Briefen  Beethovens 
an  Wegeier.  »Wien,  am  2.  Mai  1810*.  (Kalischer,  Beethovens  Simtliche  Briefe, 
Bd.  I,  S.311,  No.215.) 
»Doch  ich  wäre  glücklich, ....  wenn  nicht  der  Dimon  in  meinen  Ohren  seinen 
Aufenthalt  aufgescblageo.  Hätte  ich  nicht  irgendwo  gelesen,  der  Mensch  dürfe 
nicht  freiwillig  scheiden  von  seinem  Leben,  so  lange  er  noch  eine  gute  That 
verrichten  kann,  längst  wäi'  ich  nicht  mehr  —  und  zwar  durch  mich  selbst.* 

an  denselben.    »Wien,  am  16.  November  [1800?]*.    (Kalischer,  B.  S.  Er.,  Bd.  I,  S.  54, 
No.  38.) 
i»Das  Sausen  und  Brausen  ist  etwas  schwächer,  als  sonst,  besonders  am  liDken 
Obre,  mit  welchem  eigentlich  meine  Gehörkrankbeit  angefangen  hat,  aber  mein 
Gehör  ist  gewiß  um  nichts  noch  gebessert.* 

an  Zmeskall.  .21.  August  1817*.  (Kaliscber,  B.  S.  Br.,  Bd.  III,  S.  193,  No.  649.) 
«....  —  was  mich  angeht,  so  bin  ich  oft  in  Verzweiflung  u.  möchte  mein  Leben 
endigen,. . .  .• 

an  den  Neffen.  »Baden  den  O.Juni  1825*.  (Nobi,  Briefe  Beethovens,  8.296,  Nr.  345.) 
pWie  ich  hier  lebe  weißt  Du,  noch  dazu  bei  der  kalten  Witterung.    Das  be- 


25 
NIEMACK:  HERZSCHLAG  UND  RHYTHMUS 


stindige  Alleinsein  scb wacht  micb  nur  nocb  mehr,  denn  wirklieb  grinzt  meine 
Scbwicbe  oft  an  Obnmacbt.  O  krinke  nicbt  mebr,  der  Sensenmann  wird  ohne- 
bin keine  lange  Frist  mehr  geben.* 

an  denselben.     »Baden  am  4ten  Oktober  [1825]".     (Nobl,  Br.  B.,  S.  317,  Nr.  dd9, 
^  Postskriptum.) 
»Bedenke,  daß  ich  hier  sitze  und  leicht  krank  werden  kann." 

an  Schott  in  Mainz.  »Btden  nichst  Wien  am  17ten  Septemb.  1824^  (Nohl,  Br.  B., 
S.  273,  No.  314.) 
»Apollo  und  die  Musen  werden  micb  nocb  nicbt  dem  Knochenmann  überliefern 
lassen,  denn  nocb  so  Vieles  bin  ich  ihnen  schuldig  und  muß  ich  vor  meinem 
Abgang  in  die  Elesiiscben  [sie]  Felder  hinterlassen,  was  mir  der  Geist  eingiebt 
und  beißt  vollenden.* 

an  Erzherzog  Rudolf.  »Baden  den  23ren  Aug.  1824*.  (Nobl,  Br.  B.,  S.  265,  Nr.  308.) 
»Ich  lebe  •—  wie?!  ^  ein  Schneckenleben;  die  so  ungünstige  Witterung  setzt 
mich  immer  wieder  zurück * 

an  denselben.    (August  1823).    (Köcbel,  83  Originalbriefe  B.'s,  S.  68,  No.  62.) 

»Ich  befinde  mich  wirklich  sehr  übel Die  Stadtluft  wirkt  auf  meine 

ganze  Organisation  übel . .  .* 

an  denselben.    »Unterdöbling,  am  18.  July  1821*.(Kaliscber,  B.  S.  Br.,  Bd.  IV,  S.  114, 
Nr.  823.) 
»Schon  lange  sehr  Übel  auf,  entwickelte  sich  endlich  die  Gelbsucht  voll- 

stindig,  mir  eine  höchst  ekelhafte  Krankheit auch  den  vergangenen 

Winter  hatte  ich  die  stirksten  rheumatischen  Zufille.* 

an  F.  Ries  in  London.    »Wien,  den  6.  April  1822*.     (Kaliscber,  B.  S.  Br.,  Bd.  IV, 
S.  136,  No.  836.) 
»Schon  über  ein  ganzes  halbes  Jahr  wieder  krinklicb,  konnte  ich  Ihr  Schreiben 
niemals  beantworten.* 

an  Erzherzog  Rudolf.  (1814).  (Köcbel,  83 Originalbriefe  Beethovens,  S.  34,  No.  22.) 
»Ich  boffe,  daß  das  schlimme  Wetter  keinen  bösen  Einfluß  auf  die  Gesundbeit 
I.  K.  H.  haben  werde;  mich  bringt  es  aber  immer  ein  wenig  aus  dem  Takt.* 

an  denselben.    (1814).    (Köcbel,  83  Originalbr.  B.'s,  S.  33,  No.  21.) 

»Schon  über  vierzehn  Tage  bin  ich  wieder  mit  meinem  mich  plagenden  Kopfweb 

behaftet Doch  nun  mit  dem  bessern  Wetter  verspricht  mir  mein  Arzt 

baldige  Besserung.* 

an  den  Neffen.    »Baden,  am  16.  Aug.  1823*.    (Nohl,  Br.  B.,  S.  249,  Nr.  278.) 

».  .  .  mit  Katarrh,  Schnupfen  kam  ich  bieber,  beides  arg  für  micb,  da  der 
Grundzustand  nocb  immer  catarrhaliscb  ohnehin  ist,  und  ich  furchte,  dieser 
zerschneidet  bald  den  Lebensfaden,  oder  was  noch  ärger,  durchnaget  ihn  nach 

und  nach Auch  mein  zu  Grunde  gerichteter  Unterleib  muß  noch  durch 

Medizin  und  Diät  hergestellt  werden  . .  .* 

an  Dr.  Braunbofer.  »Am  13.  Mai  1825*.  (Kalischer,  Neue  Beetbovenbriefe  S.  188.) 
»—  mein  katbaraliscber  [sie]  Zustand  äußert  sieb  hier  folgender  Maßen,  nemlicb: 
ich  speie  ziemlich  viel  Blut  aus,  wahrscheinlich  nur  aus  der  Luftröhre,  aus  der 
Nase  strömt  es  aber  öfter,  welches  auch  der  Fall  diesen  Winter  öfters  war. 
Daß  aber  der  Magen  schreeklicb  geschwächt  ist,  und  überhaupt  meine  ganze 
Natur,  dies  leidet  keinen  Zweifel.* 


»Tagebuch  aus  Wien  unterm  7. — 14.  August  1825." 

»Beethoven  befindet  sich  zur  Herstellung  seiner  Gesundheit  in  Baden 
und  bat  daselbst  die  Komposition  eines  neuen  Quartetts  für  Saiteninstrumente 
vollendet.  Er  soll  jetzt  vorzuglich  daran  Lust  finden,  kleine  Kanons  zu 
komponieren,  deren  er  schon  sehr  viele  fertig  liegen  hat.  ,Ich  mache  das, 
wie  der  Dichter  ein  Epigramm  macht !%  also  drückte  er  sich  gegen  einen 
seiner  Freunde  aus." 

Diese  interessante,  in  der  Beethovenliteratur  bisher  noch  nicht  ver- 
wertete Notiz  steht  in  der  »Dresdner  Abendzeitung"  vom  21.  Oktober  1825. 
Ihr  Verfasser  ist  vermutlich  der  fürstlich  Schwarzenbergische  Rat  und 
Bibliothekar  E.  Th.  Hohler,  der  um  jene  Zeit  öfter  Berichte  über  das 
Wiener  Musikleben  an  die  genannte  Zeitung  sandte,  ein  Mann,  der,  wie 
Kalischer  ^)  nachgewiesen  hat,  und  wie  auch  aus  dem  mitgeteilten  Schreiben  her- 
vorgeht, mit  Beethoven  und  dessen  Kreise  in  persönlicher  Berührung  stand. 

Der  erste  Teil  der  Notiz  wird  durch  andere  Quellen^  erläutert  und 
berichtigt.  Nachdem  Beethoven  Anfang  des  Jahres  1825  eine  schwere 
Krankheit  überstanden,  ging  er,  froh  der  wiederkehrenden  Kraft,  eifrig  an 
die  Komposition  eines  neuen  Streichquartetts.  Es  war  das  in  a-moll, 
op.  132,  mit  dem  wunderbaren  »Dankgesang  eines  Genesenen  an  die 
Gottheit."  Nur  dieses  Quartett  kann  der  Wiener  Korrespondent  meinen. 
Er  irrt  aber,  wenn  er  sagt,  das  Werk  sei  in  Baden  vollendet  worden. 
Beethoven  brachte  es  bereits  im  Mai  1825  in  Wien  zum  Abschluß.  Danach 
erst  bezog  er  eine  Sommerwohnung  in  Guttenbrunn  bei  Baden. 

Die  Mitteilung,  daß  Beethoven  damals  »vorzüglich  daran  Lust  fand," 
kleine  Kanons  zu  komponieren,  erweist  sich  jedoch  als  zutreffend. 
Zwar  läßt  sich  der  Umfang  der  Tätigkeit  Beethovens  als  Komponisten  selbst- 
ständiger, nicht  als  Teile  größerer  Werke  aufgezeichneter  Kanons  nicht  voll- 
ständig überblicken.  Denn  so  manches  Stück  davon  ging  verloren.  Beethoven 
hat    z.   B.   eine   Anzahl     »Kreisfluchtstücke",    wie    sein    Neffe    und   Karl 


')   »Die  Musik",  V,  4,  S.  240. 

^   Vgl.  Tbayer,  Cbronologisches  Verzeichnis,  No.  250. 


27 
VOLKMANN:   BEETHOVEN  ALS  EPIGRAMMATIKER 


Holz  den  Namen  Kanon  scherzhaft  verdeutschten,  in  ein  durchschossenes 
Exemplar  von  Castellis  «Tausend  Sprichwörtern"  notiert,  das  heute  ver- 
schollen ist  >).  Auch  der  fQr  Karl  Holz  komponierte  Kanon  «Hier  ist  das 
Werk,  schafft  mir  das  Geld*  ist  verschwunden  ^.  Möglich,  daß  .die  Zukunft 
noch  diesen  oder  jenen  Kanon  Beethovens  ans  Tageslicht  fordert,  sind 
doch  in  den  letzten  Jahren  verschiedene  zum  Vorschein  gekommen,  von 
denen  wir  nichts  wußten.  Schwerlich  aber  dürften  etwelche  derartige 
Nachzügler  das  Gesamtbild  wesentlich  verändern,  das  sich  heute  bei  einer 
Musterung  aller  gedruckt  vorliegenden^)  Kanons  von  Beethoven  ergibt. 
Wir  besitzen  deren  etwa  40,  von  denen  gegen  30  im  letzten  Jahrzehnt 
v6n  Beethovens  Leben  entstanden  sind.  In  diesem  Zeitraum  erscheint 
wiederum  das  Jahr  1825  mit  acht  Kanons  als  das  fruchtbarste,  — r  was  also 
mit  nnserm  Wiener  Bericht  in  Einklang  steht. 

Das  Wichtigste  jener  Notiz  ist  zweifellos  der  an  keiner  anderen 
Stelle  gebuchte  Ausspruch  Beethovens  fiber  seine  Kanonkomposition: 

«Ich  mache  das,  wie  der  Dichter  ein  Epigramm  macht!" 

Beethoven  war  nicht  freigebig  mit  Äußerungen  über  seine  Kunst. 
Um  80  wertvoller  ist  jede  einzelne.  Auch  die  hier  wiedergegebene  enthält 
viel  Treffendes.  Denn  Beethovens  Kanons  haben  sowohl  in  der  Art  ihrer 
geistigen  Konzeption  wie  in  ihrem  Inhalt  und  ihrer  Ausgestaltung  mancherlei 
Verwandtes  mit  dem  Epigramm^). 

Schon  die  Texte  zu  den  Kanons  von  Beethoven  —  ohne  Text  hat 
er  nur  sehr  wenige  geschrieben,  —  neigen  zum  Epigrammatischen  hinüber, 
mag  sie  nun  der  Meister  selbst  geformt  oder  von  anderer  Stelle  entlehnt 
haben.  Wie  die  Sinngedichte  sind  sie  von  großer  Kürze  und  sprechen 
einen  einzigen  Gedanken,  aller  Nebensächlichkeiten  entkleidet,  in  knappster 
Fassung  aus.  Oft  knüpfen  sie  in  humoristisch -satirischer  Art  an  die 
Eigentümlichkeit  oder  den  Namen  einer  Person  an,  wie  es  beim  «Falstaf- 
ferel'-Kanon*)  auf  den  beleibten  Schuppanzigh,  oder  bei  dem  Kanon 
«Kühl,  nicht  lau*  auf  den  Komponisten  Kuhlau  der  Fall  ist.  Andere  be- 
handeln in  der  Weise  des  einfachen  Sinnspruches  eine  allgemeine  Wahr- 
heit, wie  der  Kanon  «Freundschaft  ist  die  Quelle  wahrer  Glückseligkeit",  oder 
geben  eine  gute  Lehre,  wie:  «Glaube  und  hoffei"  Wieder  andere  erscheinen 


0  L.  Nohl,  Beethovens  Leben,  III,  S.  637. 

*)   Ebenda,  S.  050. 

*)  17  Kanons  befloden  sich  in  Serie  23  und  5  in  Serie  25  der  Gesamtausgabe 
von  Beethovens  Werken  gedruckt  Andere  sind  in  verschiedenen  Büchern  und  Zeit- 
Schriften  mitgeteilt 

*)  Auf  die  Verwandtschaft  des  Kanons  mit  dem  Epigramm  im  allgemeinen 
weist  auch  Otto  Jahn  bin  (Mozart,  4.  Aufl.,  II,  S.  61). 

^)  1003  von  Kalischer  veröfPentlicht  in  der  .Musik*,  II,  13. 


28 
DIE  MUSIK  VII.  13. 


als  gelegentliche  Scherze,  nur  denen  verständlich,  welchen  sie  zugedacht 
waren,  wie  jener  für  Vincenz  Hauschka:  »Ich  bitt'  dich,  schreib'  mir  die 
Es-Scala  auf*.  Einzelne  Kanontexte  haben  eine  verblüffende  Schluß- 
wendung, wie  sie  im  Epigramm  gern  angebracht  wirJ.  Am  drastischsten 
wirkt  sie  vielleicht  in  dem  Kanon  für  Abb6  Stadler,  wo  Beethoven  zuerst 
ganz  fromm  in  italienischer  Sprache  bittet:  ,Signor  Abbate,  io  sono  amma- 
lato.  Santo  Padre!  Vieni  e  datemi  la  benedizione!"  um  schließlich  deutsch 
herauszuplatzen:  «Hör  Sie  der  Teufel,  wenn  Sie  nicht  kommen*.  Immer» 
wenn  Beethoven  den  Text  selbst  formte,  geschah  es  mit  großer  Sorgfalt» 
Die  Entwürfe  zu  dem  Hof  mann- Kanon  ^),  in  denen  die  Silbenquantitäten 
der  Namen  Hofmann  und  HofFmann  aufs  genaueste  abgewogen  und  die 
Textworte  wiederholt  umgemodelt  werden,  beweisen,  wie  mühsam  Beethoven 
mitunter  die  Textworte  seiner  Kanons  zurechtgezimmert  hat. 

So  wenig  wie  den  Text  hat  Beethoven  auch  den  musikalischen 
Teil  seiner  Kanons  aus  den  Armein  geschüttelt,  mag  dieser  auch,  wie  er 
fertig  vor  uns  liegt,  oft  genug  wie  ein  flüchtig  hingeworfener  Einfall  er- 
scheinen. Zahlreiche  von  Nottebohm*)  abgedruckte  oder  erwähnte  Kanon- 
skizzen verraten,  wie  Beethoven  auch  hier  probierte  und  feilte.  Erforderte 
die  rein  technische  Anlage  des  Kanons  schon  eine  besondere  geistige 
Arbeit,  so  wurde  diese  hier  noch  dadurch  vermehrt,  daß  Beethoven  im 
Thema  zugleich  die  im  Text  enthaltene  Idee  voll  ins  Musikalische  umzü- 
werten  suchte.  Dabei  strebte  er,  wo  immer  möglich,  epigrammatische 
Schärfe  des  Ausdrucks  mit  epigrammatischer  Kürze  zu  verbinden.  Enthielt 
der  Text  musikalische  Anspielungen,  so  knüpfte  Beethoven  in  seiner 
Themenbildung  unmittelbar  an  diese  an.  In  dem  bereits  erwähnten  Kanon: 
«Ich  bitt'  dich,  schreib'  mir  die  Es-Scala  auf*  zog  er  naturgemäß  die  Es- 
dur-Tonleiter  ins  Thema  hinein.  In  dem  bekannten  Abschiedskanon  für 
seinen  Freund  Mälzel  benutzte  er  als  Thema  das  Geklapper  jener  Takt- 
maschine, deren  Erfinder  Mälzel  war.  Und  doch  verleugnete  sich  der 
Melodiker  Beethoven  auch  hier  nicht.  Denn  er  hing  dem  monotonen 
Geklapper  eine  Kantilene  an,  durch  die  das  Ganze  zum  Keim  des  Alle- 
grettos  der  8.  Symphonie  werden  sollte.  Bisweilen  leitete  selbst  der  Klang 
eines  Personennamens  den  Meister  auf  ein  Kanonthema  hin.  So  ertönte 
in  ihm  beim  Namen  Schwenke  das  schwungvolle  Motiv: 

f  «/     . 

- — ^^ — ^ — _ g — ^ 

usw., 


m^s^^^^^ 


Schwen-ke  dich!  Schwen-ke   dich! 

mit  dem  er  den  Kanon  auf  diesen  Namen  eröffnete. 


')  Thayer,  Cbron.  Vcrz.  Nr.  223. 

^]  Zweite  Beethoveniana,  S.  11,  13,  120,  177,312,315,330,331,462,475,579. 


29 
VOLKMANN:    BEETHOVEN  ALS  EPIGRAMMATIKER 


mJBO 


Auch  die  Kanontexte,  in  denen  unmittelbare  musikalische  Anknüpfungs- 
punkte nicht  enthalten  sind,  faßt  Beethoven  von  ihrer  charakteristischen 
Seite  und  verleiht  ihnen  angemessenen  musikalischen  Ausdruck.  Wie 
energievoll  und  glaubensfreudig  schreitet  das  Thema  »Gott  ist  eine  feste 
Burg*  einher: 


Moderaio. 


ä^e 


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SS 


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t 


s 


^. 


-a±. 


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t 


£ 


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Gott   ist 


ei  -  ne 


fes  -  te        Burg,    Gott    ist         ei  -  ne 


Diesen  interessanten,  erst  neuerdings  ans  Tageslicht  gekommenen  Kanon  ^) 
findet  der  Leser  in  Faksimile  im  Anhang  dieses  Heftes. 

Bei  dem  Kanon  «Ars  longa,  vita  brevis"  (erste  Komposition,  fär 
Hummel)^  malt  Beethoven  die  Länge  der  Kunst  mit  gebundenen  halben  und 
ganzen  Noten,  die  Kürze  des  Lebens  mit  flüchtigen  Vierteln  und  Achteln: 

poco  Aüegro 
p 


^e 


-^- 


e 


^E 


Ars     Ion. 


S* 


Ars  loo. 


ga 


m^. 


t 


^^m 


i^^^^^ 


-^- 


^ 


* 


Vi-ta        bre-vis     Vi  -  ta      bre-vis     bre-vis,    Ars   Ion- 


K 


Überhaupt  liebt  er,  soweit  es  der  Text  gestattet,  mit  kräftigen  Kontrasten 
zu  operieren.  So  im  Kanon  »Kurz  ist  der  Schmerz,  ewig  ist  die  Freude'' 
(Komposition  für  Spohr).  Hier  wird  der  erste  Teil  des  Textes  von  langen 
Pausen  zerrissen  vorgetragen,  der  zweite  tritt  durch  eine  gebundene  Kantilene 
dazu  in  Gegensatz.  Mittels  des  Kontrasts  weiß  Beethoven  auch  Schluß- 
pointen herauszuholen.  Nehmen  wir  den  Kanon  für  Frau  del  Rio:  «Glück 
fehl'  Dir  vor  allem,  Gesundheit  auch  —  niemalen *.^)  Der  paradoxe  An- 
fang des  Textes  erklingt  in  Noten  von  geringem  Zeitwert,  die  sich  meist 
in  Seknndenschritten  bewegen.     Bei  dem  Gedankenstrich  tritt  eine  Pause 


>)  Der  Kanon  wurde  zuerst  1906  im  Katalog  der  36.  Autographen- Versteigerung 
im  Antiquariat  L.  Liepmannssohn  zu  Berlin,  S.  142,  in  Faksimile  mitgeteilt  Er  stammt 
aus  dem  Album  eines  kurlindiscben  Obersten  von  DQsterlobe  und  ist  datiert:  »Wien, 
am  12ten  Jinner  1825".  —  Ob  durch  jenen  Obersten  noch  einmal  ein  Lebenszeichen 
von  Beethovens  in  Kurland  aniässigem  Jugendfreund  Amenda  an  den  Meister  gelangt 
sein  mag? 

')   Zuerst  abgedruckt  in  L.  Nohls  „Neuen  Briefen  Beethovens",  S.  106. 
^  Erst  Jungst  mitgeteilt  im  4.  Binde  von  Thayer-Deiters'  »L.  van  Beethoven", 
S.  521  f. 


30 
DIE  MUSIK  VII.  la. 


der  Spannung  ein.  Dann  erst  erfolgt  im  Worte  «niemalen"  mit  einem 
mächtigen  Oktavschritt  die  Aufhebung  der  Negation  des  Glückwunsches» 
und  eine  schwer  lastende  halbe  Note  besiegelt  ihn: 


GlGck  fehl'  Dir    vor        al  -   •  lern,    Ge  •  Si-nd  •  beit  aucb    nie-ma-lcn. 


Wie  in  Beethovens  Kanonthemen,  so  spielt  auch  im  Epigramm  der  Kontrast 
eine  wichtige  Rolle.  Die  Poetik  fordert  sogar  den  Gegensatz  zwischen 
Spannung  und  Lösung  als  einen  wesentlichen  Punkt  des  Sinngedichts. 

Der  Vergleich,  den  der  Meister  selbst  gezogen,  ist  also  wohlbegründet 
und  zutreffend:  Beethoven  ist  im  Kanon  Epigrammatiker.  Und  er  ist's 
in  höherem  Grade  als  andere  Tondichter  der-  klassischen  Zeit.-  Die 
Komposition  von  Kanons,  —  die  ihre  höchste  Blüte  in  der  Kunst  der 
niederländischen  Kontrapunktisten  des  15.  und  16.  Jahrhunderts  erreichte» 
—  war  noch  um  die  Wende  des  18.  Jahrhunderts  sehr  beliebt.  Haydn 
und  Mozart  haben  zahlreiche  Kanons  geschrieben.  Beide  beabsichtigten 
damit  vorwiegend  Chorgesänge  zu  bieten.  Demgemäß  wählten  sie  anakre- 
ontische  oder  derb  humoristische,  Mozart  aber  auch  geistliche  Texte.  In 
der  musikalischen  Ausgestaltung  sind  ihre  Kanons  reich  und  ansehnlich: 
lange,  ausgiebige  Themen  werden  von  einer  größeren  Stimoienanzahl  auf- 
genommen. Von  Mozart  besitzen  wir  mehrere  grandiose  Kanons  —  sogar 
einen  für  drei  vierstimmige  Chöre.  Epigrammatische  Schärfe  der  Charak- 
teristik und  Knappheit  des  Ausdrucks  sind  in  Mozarts  wie  auch  in  Haydns 
Kanons  höchst  selten  anzutreffen.  Gerade  diese  Elemente  herrschen  aber^ 
wie  wir*gesehen  haben,  in  denen  Beethovens  vor.  Unter  ihnen  kann  sieb 
wohl  nur  einer  an  Größe  und  Bedeutung  mit  den  meisten  von  Mozart 
messen,  der  sechsstimmige  auf  Goethes  Worte  «Edel  sei  der  Mensch, 
hülfreich  und  gut".  Allerdings  bildet  dieser  auch  insofern  eine  Ausnahme 
unter  Beethovens  Kanons,  als  er  nichts  Epigrammatisches  hat.  Bei  ihm 
allein  könnte  an  eine  Auffuhrung,  etwa  durch  einen  Männerchor,  gedacht 
werden,  während  bei  den  meisten  anderen  schon  die  Kürze  der  Themeir 
und  die  Anlage  für  eine  geringe  Stiqimenanzahl  —  oft  nur  für  zwei  — 
diese  Möglichkeit  ausschließt.  Beethoven  schrieb  sein^  Kanons  nicht  für 
Aufführungen,  sondern  für  private,  persönliche  Zwecke,  ^r  wollte  damit 
seinen  Freunden  und  Kunstgenossen  in  froher  Stunde  oder  beim  Abschied 
musikalische  Xenien  bieten,  kleine  Erinnerungsgaben  voll  geistreichen* 
Inhalts  und  von  kunstreicher  Struktur.  Deshalb  verschmähte  er  es  auch, 
sie  „offen",  d.  h.  in  Partitur,  aus  der  Hand  zu  geben.  Das  tat  er  nur  bei 
einigen  in  freier  Form.     Er  bot  sie  vielmehr  „verschlossen*,  d.  h.  nur  in 


31 
VOLKMANN:   BEETHOVEN  ALS  EPIGRAMMATIKER 


mJBO 


einer  Stimme  notiert  0»  mit  den  üblichen  Einsatzbezeicbnungen  für  die 
anderen  Stimmen,  oder  selbst  ohne  diese  als  Rltselkanons,  —  ihre  Auf* 
lösung  dem  Geschick  der  Empfänger  überlassend.  Ganz  ähnlich  entläßt 
bisweilen  der  Epigrammatiker  seinen  Leser  mit  einer  gedankenanregenden 
Frage. 

Legten  die  Vorgänger  Beethovens  beim  Kanon  den  Hauptwert  auf 
die  virtuose  Beherrschung  der  strengsten  musikalischen  Form,  so  betrachtete 
Beethoven  auch  hier,  wie  in  seinen  großen  Werken,  den  erschöpfenden 
Ausdruck  der  einzelnen  zugrunde  liegenden  poetischen  Idee  als  seine 
wichtigste  Aufgabe.  Das  musikalisch  Formale,  das  bei  jenen  dominierte^ 
ging  bei  ihm  als  erwas  Selbstverständliches  nebenher.  Auch  hier  offen- 
barte sich  Beethovens  fortschrittlicher  Sinn,  der  in  früher  ungekanntem 
Maße  den  vertiif^si^en  und  differenzierenden  Einwirkungen  der  Poesie  auf 
die  Musik  Raum  gewährte.  Trotz  der  untergeordneten  Stellung,  welche 
die  Kanons  in  der  Fülle  der  großen,  in  ewiger  Schönheit  prangenden 
Tondichtungen  Beethovens  einnehmen,  bleiben  sie  doch  als  charakteristische 
Äußerungen  der  Eigennatur  des  Meisters  beachtenswert. 


^)  In   der  Gesamtautaabe  wurden   die  Kanons  zum  giößten   Teile  von  dea 
Herautgebern  in  offene  Form  umgesetzt. 


|ohl  noch  nie  ist  in  der  Beethovenltteratur  wegen  einer  Anzahl 
unbekannter  Briefe  Beethovens  dermaßen  die  Reklametrommel 
geröhrt  worden,  wie  über  einige  Dutzend  Briefe  des  Meisters 
an  den  Theaterdichter  Carl  Bernard.  Der  mir  vorliegende 
Essay  von  Alexander  Hajdecki:  «Ein  neuer  Beethovenschatz"  beginnt 
mit  folgenden  Worten:  »Was!  Sie  wollen  neue  Beethovenbriefe  noch  ent- 
deckt haben?!''  —  ,,Ja,  das  habe  ich  und  mit  einem  Schlage  deren  gleich, 

wenn  Sie  wollen, zwei  Dutzende  und  noch  eine  Zugabe  dazu  . .  •  •* 

«Sie  erlauben,  mein  Herr,  daß  ich,  ohne  Ihnen  nahetreten  zu  wollen,  vor- 
läufig die  Authentizität  dieses  Fundes  in  Zweifel  ziehen  und  denselben 
vorsichtshalber  dem  Publikum  bloß  als  einen  angeblichen  ankündigen 
werde.*  »Warum?''  »Weil  heute  noch  an  einen  unbekannten  Brief 
Beethovens  zu  denken  —  einfach  —  undenkbar  ist."  —  Herr 
Hajdecki  fährt  dann  fort,  sein  »sensationelles  Ereignis"  vom  neuen  Beet- 
hovenschatz zu  rühmen  und  zu  preisen.  Die  Quintessenz  sei  der  Umstand, 
daß  die  berechtigten  »Zweifel  an  die  Möglichkeit  des  Aufkommens  von 
noch  unbekannt  geblieben  sein  sollenden  Beethovenbriefen"  sein  nach- 
forschendes Interesse  geweckt  und  ihn  zu  einer  »kleinen  Studie  über 
Beethoven  als  Briefschreiber  veranlaßt"  hätten.  Also  das  Wunder 
wäre,  daß  jetzt  noch  etwa  zwei  Dutzend  unbekannter  Beethovenbriefe  der 
Beethovengemeinde  mitgeteilt  werden  konnten.  Welch  ein  erstaunliches 
Wunder!  Weiß  denn  Herr  Hajdecki  nicht,  daß  im  Jahre  1889  in  der 
»Sonntagsbeilage  der  Vossischen  Zeitung"  mehr  als  40  unbekannte  Briefe 
Beethovens  an  Anton  Schindler  publiziert  wurden?  Weiß  Herr  Haj- 
decki nicht,  daß  etwa  zehn  Jahre  danach  in  vier  Heften  der  »Deutschen 
Revue"  mehr  als  100  unbekannte  Briefe  Beethovens  an  die  ver- 
schiedensten Personen  veröffentlicht  worden  sind?  Weiß  Herr  Hajdecki 
nicht,  daß  alle  jene  Briefe  mit  noch  vielen  anderen  in  den  »Neuen  Briefen 
Beethovens"  (Verlag  von  Schuster  &  LoefTler)  —  über  160  an  der  Zahl  — 
herausgegeben  wurden?  Weiß  denn  ferner  Herr  Hajdecki  nicht,  daß  in  der 
Ausgabe  von  »Beethovens  Sämtliche  Briefe"  (Verlag  von  Schuster  & 
Loeffler)  schon  im  ersten  Band  bis  1810  wohl  an  100  neue  unbekannte 
Briefe  Beethovens  veröffentlicht  werden  konnten?  Weiß  Herr  Hajdecki 
ferner  nicht,   daß   jeder   Band   dieser   Ausgabe   neue,   ungedruckte   Briefe 


33 
KALISCHER:  BEETHOVEN  AN  BERNARD 


darbietet?  Was  soll  denn  also  das  Geschrei  mit  24  ungedruckten  Briefen 
bedeuten?  —  Ich  kann  Herrn  Hajdecki  sogar  jetzt  verraten,  daß  man  auch 
in  England,  in  London,  wo  es  noch  erstaunlich  viele  ungedruckte  Briefe 
Beethovens  gibt,  die  ängstlich  bisher  gehüteten  Beethovenschätze  der  All- 
gemeinheit zu  fibergeben  anfängt.  Ich  werde  demnächst  mehrere  in  London 
vorhandene  Originalbriefe  Beethovens  veröffentlichen  dürfen.  —  So  viel 
über  den  Gedankengang:  „daß  auch  die  Kunstwissenschaft  mit  einer 
Möglichkeit  des  Vorhandenseins  von  noch  unbekanntem  Briefmateriale 
Beethovens  gar  nicht  mehr  gerechnet"  usw. 

;  Daß  Bernard  zu  Beethovens  Freundeskreise,  ja  sogar  zu  seiner  engeren 
Tafelrunde  gehörte,  ist  durch  Schindler  und  die  Konversationshefte  genug- 
sam bekannt.  Auch  Hajdecki's  Aufsatz  läßt  es  unaufgeklärt,  wie  es  kommen 
konnte,  daß  Beethovens  Briefe  an  Bernard  »bis  heute  gänzlich  unbekannt 
und  ungeahnt  bleiben  konnten".  Herr  Hajdecki  fährt  fort:  »Beethovens 
Name,  Ruhm  und  Größe  stieg  so  rapid  nach  seinem  Tode,  daß  jedermann, 
welcher  nur  irgendwie  mit  dem  großen  Heros  in  briefliche  oder  persön- 
liche Berfihrung  kam,  sich  beeilte,  dies  in  die  Öffentlichkeit,  eventuell  die 
kostbaren  Reliquien  an  den  Mann  zu  bringen.  Die  Briefe  Beethovens  waren 
schon  in  den  dreißiger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  ein  gesuchter  und 
geschätzter  Artikel  auf  dem  europäischen  Markte."  Das  ist  alles  gewißlich  wahr. 
Wie  kommt  es  denn  nun,  daß  Carl  Bernard  von  seinen  Beethovenbriefen, 
die  für  die  Seele  Beethovens  zeugen  sollen,  bei  seinen  Lebzeiten  nichts 
veröffentlicht  hat,  während  doch  Schindler  seine  Beethevenbriefe  wenigstens 
so  sicher  aufbewahrte,  daß  sie  der  allgemeinen  Kenntnis  zugänglich 
gemacht  werden  konnten?  (Siehe  seine  Beethovenschätze  in  der  König- 
lichen Bibliothek  in  Berlin.) 

Von  Briefen  Beethovens  an  Bernard  —  so  will  es  Herr  Hajdecki 
wahr  haben  —  soll  bis  jetzt  nichts  in  der  Beethovenliteratur  bekannt 
sein.  Das  ist  in  mehrfacher  Beziehung  tatsächlich  unrichtig.^)  Herr 
Hajdecki  sollte  sich  in  Schindlers  Beethovenbiographie  mehr  umsehen,  dann 
wurde  er  eines  Besseren  belehrt  werden.  Dieser  Beethovenfreund  schreibt 
in    der   dritten    Auflage   seines  Beethovenbuchs  (III,  50)  also: 

«Behufs  Eioruckung  dieser  Aaszeichnung  aus  hohem  Norden^  in  deo  Oest- 
reichischen  Beobachter  und  die  Wiener  Zeitschrift  Gberschickte  er  mir  für  den  ersteren 
[Herrn  von  Pilrot]  und  für  C.  Bernard  betreffs  des  anderen  Blattes  zwei  Briefe 
in  launigster  Abfassung  und  durcheinander  geworfenen  Sitzen.  In  einem  dritten, 
mir  zugehörigen,  spiegelte  sich  die  Form  der  anderen  bestens  ab.    Dieser  Brief  lautet: 


^)  Nach  einem  mir  neuerdings  zugegangenen  Artikel  Hajdeckis  im  »Erdgeist" 
zu  schließen,  scheint  dieser  Herausgeber  jetzt,  etwas  spät  nach  seinen  sonstigen 
Publikationen,  anzufangen,  Anton  Schindler  zu  berficksichtigen. 

*)  Beethoven  war  zum  Ehrenmitglied  der  Stockholmer  Kunstakademie  ernannt 
worden.    (Siehe  des  Verfassers  »Beethovens  Sämtliche  Briefe"  IV.  Band,  No.  877). 

VII.  13.  3 


34 

DIE  MUSIK  VII.  13. 


^itWt 


ySehr  bester  L— k—  von  Epirus  nicht  weniger  von  Brundusium!  Gebt  den 
Brief  dem  Beobachter,  Es  muß  aber  sein  Name  von  Euch  darauf  gesetst  werden . . . 
Ich  habe  geschrieben  »zum  Ehrenmitglied^  ich  weiß  aber  nicht,  ob  es  so  heißen  soll» 
ob  nicht  vielleicht  blos  »zum  auswärtigen  Mitglied^  unwissend  und  nie  beachtend  der- 
gleichen. Fragen  Sie  bei  beiden  philosophischen  Zeitungsschreibern,  ob  dies  eine 
Ehren-  oder  eine  Schandmitglieds-Emennung  sey'*  usw. 

Der  hier  erwähnte  Briefzettel  an  C.  Bernard  scheint  mir  einer  der 
zwei  in  Faksimile  in  der  Zeitschrift  »Der  Erdgeist'  dargebotenen  Briefe 
Beethovens  an  Bemard  zu  sein.  Diese  zwei  kleinen  faksimilierten  Briefe 
werden  denn  auch  von  mir  in  meiner  kritischen  Ausgabe  der  Briefe  Beet- 
hovens mitgeteilt   werden;   sonst  nur  solche,   die  im  Faksimile   vorliegen. 

Herr  Hajdecki  meint  des  ferneren,  daß  der  im  »Beethovenjahrbuch* 
(S.  85)  publizierte  Brief  Beethovens  von  Bernard  seines  »Wissens  der 
einzige  bisher  bekannt  gewordene  Brief  an  Bemard'  sei.  Hajdecki's  »Wissen* 
erweist  sich  jedoch  auch  hierbei  wieder  als  Stückwerk.  In  ihren  »Un- 
gedruckten Briefen  Beethovens"  hat  La  Mara  vor  vielen  Jahren  bereits 
einen  Brief  Beethovens  an  C.  Bemard  veröffentlicht.  (Siehe  »La  Mara, 
Klassisches  und  Romantisches  aus  der  Tonwelt',  Leipzig  1892,  S.  99.) 
Eben  dieser  Brief  an  Bemard  fand  auch  in  meiner  kritischen  Ausgpibe 
der  Briefe  Beethovens  nebst  Erklärungen  Aufnahme  (als  No.  612  im 
IIL  Bande).  In  meinen  dort  gegebenen  Erklämngen  verwies  ich  auf 
einen  Brief  Beethovens  an  den  Pensionatsvorsteher  Giannatasio  del  Rio 
vom  22.  September  1816  (No.  522),  in  dem  sich  der  Meister  sehr  ab- 
flUlig  über  den  Dichter  und  Schriftsteller  C.  Bemard  ausspricht  Da  heißt 
es:  »Ich  habe  seit  Sie  fort  von  hier  an  Bernhardt  geschrieben,  damit  er 
sich  bei  Ihnen  erkundigen  solle,  habe  aber  keine  Antwort  erhalten;  denn 
am  Ende  können  Sie  mich  für  einen  halben  sorglosen  Barbaren  halten 
indem  Herr  B.  wahrscheinlich  ebensowenig  bei  Ihnen  gewesen,  als  er  an 

mich  geschrieben  hat. "     Femer  in  ebendemselben  Briefe  an  Giannatasio : 

»da  ich  mich  nun  auf  einen  so  gemüthlosen  untheilnehmenden 
Freund  wie  Herr  B.[ernard]  verzichtet  habe,  so  muß  ich  Ihre  Freund- 
schaft und  Gefälligkeit  in  dieser  Rücksicht  doch  in  Anspruch  nehmen" 

Der  geliebte  Neffe  war  damals  bedenklich  erkrankt  und  mußte  operiert 
werden.  Damit  hatte  also  die  Freundschaft  zwischen  Beethoven  und 
Bernard  einen  starken  Riß  durch  des  letzteren  »Gemütlosigkeif  erfahren. 

Daß  Beethoven  aber  auch  mit  Bernard  als  Dichter  des  Oratoriums 
»Der  Sieg  des  Kreuzes'  nicht  sonderlich  zufrieden  war,  das  geht  am  offen- 
barsten aus  dem  langen  Schreiben  des  Meisters  an  die  Gesellschaft 
der  Musikfreunde  in  Wien  hervor.  Dieser  Brief  »vom  23.  Januar  1824'  ist 
vielfach  publiziert  (u.  a.  in  des  Verfassers  »Neue  Beethovenbriefe' 
S.  181  ff.).  In  ihm  heißt  es:  » —  das  Oratorium  betreffend,  so  hoffe 
ich    veritas    odium    non   parit,    nicht    ich    wählte    H.  v.   B[ernard]    das- 


35 
KALISCHER:  BEETHOVEN  AN  BERNARD 


selbe  ztt  schreiben,  mir  ward  versichert ,  der  Verein  habe  ihn  hier- 
zu beauftragt,  denn  da  H.  v.  B.  die  Zeitung  zu  redigieren  hat,  so  ist 
es  schwer,  sich  viel  mit  ihm  zu  besprechen.  Es  müßte  daher  eine 
Lange  Geschichte  werden,  ja  sehr  verdrießlich  für  mich,  da  H.  v.  B. 
für  Musik  nichts  als  die  Libussa  geschrieben  hatte."  —  Ferner  heißt  es 
in  jenem  Brief:  —  »was  mich  aber  angeht,  so  will  ich  lieber  selbst  Homer, 
Klopstock,  Schiller  in  Musik  setzen,  wenigstens  wenn  man  auch  Schwierig- 
keiten- zu  besiegen  hat,  so  verdienen  dies  diese  unsterblichen 
Dichter"  etc.  etc.  Es  leuchtet  also  ein,  daß  Bemard  dem  Tondichter 
weder  als  Mensch  noch  als  Dichter  irgendwie  imponieren  konnte,  wenn 
er  ihn  auch  ferner  als  Genossen  seiner  Tafelrunde  dulden  mochte.  Jeden- 
falls dürfen  wir  ihn  kaum  geeignet  halten,  die  Seele  Beethovens  zu  er- 
fassen und  zur  Darstellung  zu  bringen.  —  Wie  dem  nun  auch  sein  mag. 
Briefe  Beethovens  an  Bernard  liegen  vor.  Ich  bin  nunmehr  in  der  Lage, 
an  einem  dieser  jüngst  bekanntgegebenen  Briefe  nachzuweisen,  daß 
dieser  Brief  nicht  von  Beethoven  geschrieben  sein  kann. 
Hier  stehe  zunächst  der  fragwürdige  Brief: 

»MOdling,  am  10.  Oktober 
Lieber  Bemardus  von  Sanctusl 

Ich  bitte  also  daß  Sie  Mittwoche  kommen  wollen  Karl  mitzubringen  lassen  Sie 
ihn  doch  seinen  Mantel  mitnehmen  da  es  abends  schon  kühl  wird  —  wegen  Salzburg 
glaobe  ich,  am  besten  sei  es,  daß  der  Verschwiegenheit  wegen  ich  Karl  selbst  bin- 
bricbte,  nor  kann  dies  vor  Aofoogs  November  nicht  sein,  ich  glaube  daß  er  leicht 
dasjenige,  was  dort  in  der  Schule  gelehrt  wird,  dort  einholen  kann,  wir  haben  aber 
noch  vorher  erst  auszumachen,  daß  die  Mutter  nicht  hinkann.  Gastein  ist  deswegen 
auch  ein  Anstoß  —  und  dann  die  Schule?!  Wie  wenn  erst  ich  wieder....  viel- 
leicht könnte  man  auch  einen  Paß  auf  uns  drei  R.  K.  und  mich  machen  lassen  und 
ich  blieb  beroach  hier,  so  brauchten  wir  erst  nicht  wieder  die  Oberbinterschaft  an- 
zugehen und  erreichten  doch  unseren  Zweck.  —  Was  glauben  Sie,  Sie  können  mir 
dies  Mittwoche  in  einem  Augenblick  was  wir  K.  bei  R.  lassen  sagen  —  Blöcblinger 
hat  noch  einen  Mantelsack  da,  ich  bitte,  bringen  Sie  mir  diesen  mit,  da  ich  nun  bald 
von  hier  mich  gedenke  wegzubegeben  —  mit  meiner  Wohnung  die  ich  verlasse,  geht 
es  sehr  gemichlich,  ich  kann  alles  dalassen  noch  nach  der  Ausziehzeit  —  nun  handelt 
es  sich  noch,  daß  die  Wohnung  ausgemalt  werde,  für  die  Augen  durfte  Hellgrün  am 
besten  sein,  wird  aber  wohl  viel  kosten,  obscbon  ohne  alle  Zierraten,  Sie  würden  mir 
eine  große  Gefilligkeit  erzeigen,  wenn  Sie  sehen,  ob  der  Besitzer  meiner  künftigen 
Wohnung  schon  ausgezogen?  Bis  13.  Dieses  zur  Mittagzeit  muß  er  schon  ganz  ge- 
riumt  haben,  man  könnte  ftüber  schon  die  Zimmer  malen,  damit  sie  bald  trocknen, 
verstehen  Sie  sich  nicht  darauf,  so  fragen  Sie  bei  Steiner  im  Paternostergissel,  es 
braucht  aber  Eile  —  Eile  —  Eile  --  nicht  mit  Weile  —  Von  K.  noch  keine  Zeile  als 
böser  Wille,  wie  getagt,  das  empfangene  Geistgift  der  Fr. M .. .  Hinterschaft  steckt 
noch  tief.  —  Unterdessen  werde  ich  ihn  Mittwoche  doch  zu  packen  wissen,  so,  daß 
er  wohl  bald  wieder  zu  sich  kommen  wird.  —  Also  ich  erwarte  Sie  und  Weissen- 
bach  mit  K.  gewiß,  die  Auslage  des  Fiakers  werde  ich  Ihnen  nebst  den  Weg- 
geldern gleich  hier  vergüten,  leben  Sie  wohl 

Eiligst  der  Ihrige.« 

3^ 


36 
DIE  MUSIK  Vll.  13. 


X 


Dieser  Brief  kann  nicht  von  Beethoven  herrühren. 

Beweis: 

1.  Der  Brief  ist  von  Mödling  am  10.  Oktober  datiert. 

2.  Es  steht  unwiderlegliclPFest,  daß  Beethoven  sich  nur  in  den  drei 
Jahren  1818,  1819  und  1820  während  der  Sommerszeit  in  Mödling  auf- 
gehalten hat,  weder  vorher,  noch  nachher.  Das  steht  nach  allen  Beethoven- 
Biographen  absolut  fest,  von  Schindler  an  bis  zu  Thayer-Deiters  im  vierten 
Band  von  Beethovens  Leben. 

3.  Nun  beachte  man  die  von  mir  gesperrt  gedruckten  Worte  in 
diesem  Briefe:  »Also  ich  erwarte  Sie  und  Weissenbach  [!!??]  mit  K.  gewiß." 
Wie  kommt  das  in  diesen  Brief? 

4.  Wie  kommt  Weißenbach  nach  Mödling?  Dr.  Aloys  Weißenbach, 
der  herrliche  Beethoven-Enthusiast,  der  Verfasser  des  Textes  zu  der  von 
Beethoven  für  den  Wiener  Kongreß  1814  komponierten  Kantate  »Der 
glorreiche  Augenblick"  (op.  136)  machte  sich  im  Hochsommer  1814  von 
seinem  Wohnsitz  Salzburg  nach  Wien  auf,  wo  er  die  persönliche  Bekannt- 
schaft Beethovens  machte.  Die  Erlebnisse  und  Erinnerungen  seiner  Reise 
hat  Dr.  Weißenbach  in  einem  in  Wien  im  Jahre  1816  erschienenen  Buche 
unter  dem  Titel  niedergelegt:  «Meine  Reise  zum  Kongreß,  Wahrheit  und 
Dichtung.  Von  Dr.  A.  Weißenbach.*  In  diesem  Buche  ist  ein  herrlicher 
Abschnitt  über  Beethoven  enthalten.  (Man  vergleiche  die  Biographieen  von 
Schindler,  Nohl  und  Thayer;  dann  besonders  Dr.  G.  Nottebohm  in  seinen 
»Beethoveniana*  von  1872,  Aufsatz  XXVIII:  Beethoven  und  Weißenbach). 

5.  Dr.  Weißenbach  ist  aber  seit  dem  Jahre  1815  gar  nicht  mehr  mit 
Beethoven  in  persönliche  Berührung  gekommen;  er  hat  nur  noch  mit 
Beethoven  korrespondiert.  Er  lebte  wieder  in  Salzburg  und  wirkte  enthu- 
siastisch für  die  Sache  Beethovens.  Einen  Brief  von  ihm  an  den  Meister 
vom  Jahre  1819  bewahrt  das  Beethovenhaus  in  Bonn. 

6.  Es  müßte  der  Nachweis  geführt  werden  können,  daß  Weißenbach 
noch  während  der  Jahre  1818,  1819  und  1820  in  Wien  und  in  Mödling 
gewesen  ist.  Sonst  kann  dieser  Brief  nicht  als  von  Beethoven  herrührend 
angesehen  werden;  es  müßte  denn  also  die  Authentizität  dieses  Briefes 
bezweifelt  werden. 

Wie  dem  nun  auch  sein  mag:  Mögen  diese  Briefe  Beethovens  an  Bemard 
echt  sein  oder  nicht,  sie  tragen  nichts  dazu  bei,  das  Bild  von  Beethoven 
in  irgend  einer  Beziehung  neu  zu  gestalten. 

Jener  Brief  aus  Mödling  müßte  jedenfalls  erst  im  Faksimile  vorgelegt 
werden. 


116.  Theodor  von  Frlmm«]:  Beetbovea-Siudleo  II.  Bauileine  lu  einer 
Lebeniteschicble  des  Meiflerr  Verlag:  GeorfMOIIer,  Mflacbea  and 
Leipzig  1906. 
Ein  pomphafter  Titel  olinc  ealsprecta enden  Hintergrund.  Der  Verhaser  bietet  eine 
FBlIe  von  Kleinigkeiten  dar,  die  nicbia  in  beaagen  baben.  Schon  Im  Voivort  beweist 
er,  daa  ihm  ObJekllTitit  hblt,  lumal  In  Sachen  der  Beetbor enbriefe.  Wir  lesen  da: 
.Ebenatt  fehlt  eine  kriiiache  Auagabe  aller  BeetboTeobrlefe.  Die  Sacbe  sollte  einmal 
ordentllcb  gemacht  werden.  Die  Annnge  iweier  verschiedenen  Ausgaben,  die  jetzt  hastig 
snt  den  Markt  geworfen  werden,  versprechen  nicht  viel,'  Ea  felgt  eine  Reibe  armseliger 
Sklnen,  bei  denen  ganz  bciondera  eine  durctaaua  tinwiaaenschaft liehe,  geradem  bis  inr 
Petfldle  gebende  Art  des  Zitlereni  lutage  ttltt.  Hier  einige  Beispiele.  Es  Ist  von  Beet- 
hovens Kopisten  die  Rede.  Da  lieat  man  (S  8,  Note):  .Der  Irnum  mit  dem  angeblichen 
Kopisten  kehrte  aoch  wieder  In  der  ,SonnlagabeIIage'  znr  .Voaslacben  Zeltung'  vom  28.  Jnli 
1888  und  bei  Kaliscber  ,Neue  Beeihoveobrlefe*".  Nun,  die  aVossIscbe  Zeitung"  bat  nichts 
dsrfiber  geschrieben,  sondern  Dr.  Ksilacber  in  der  .Vosalscben  Zeitung*,  ebenderselbe 
In  den  .Nenen  Bectbovenbrlefen",  —  aber  wo?  So  wie  es  bler  zitiert  erscheint,  lIBt 
sicta's  Qberhanpt  nicht  kontrollieren.  S.  9  ist  von  einem  Konversationalle ft  Nr.  34  die  Redc^ 
snd  dabei  heiSt  ea;  .vgl.  die  ,Mnalk'  1905/S'.  Nnn,  die  .Mnalk"  hat  daa  Kon veraatio nabelt 
licht  neu  heraoagc geben,  sondern  Dr.  Ksllscber,  womit  Oberhaupt  zum  erstenmal,  solange 
es  eine  Beethoven feracbting  gibt,  ein  solches  Konversationsheft  verSITentllcht  wnrde 
Ferner  Seite  10,  Notel:  .Vgl.  in  dieser  und  den  folgenden  Stellen  Nohl,  ,Bricfe  Beet 
bovens*  Nr.  25Z,  258,  266,  268,  272,  326,  Gberdles  Ksllscber,  ,Nene  Beethoven briefe*  *,  — 
aber  wo?  Ferner  S.  15.  Es  ist  von  einem  Briefe  an  den  Kopisten  Rsmpel  die  Red», 
Und  da  lesen  wir;  .Der  Brief  Ist  bSchat  lückenhaft  bei  Nohl,  besser  In  der  Sonntag»- 
bellage  zur  .Vosslscben  Zeitung*  vom  28.  Juli  1889  mitgeteilt.'  Nnn,  die  .Vossische 
Zeitung"  hst  nichts  mitgeteilt,  sondern  Dr.  Ksllscber  In  der  Voaaiachen  Zeltnng.  Bin 
kraases  Beispiel  liefert  die  Skliie  .Der  kleine  Franz  Liait"  (S.  93(1.}.  Diese  Frage  (Liast 
und  Beethoven)  habe  Ich  auf  Grund  der  Konversatlonahefte  znm  eraten  Male  omA 
diesen  besten  Quellen  beleuchtet  und  die  Resultate  der  Forschung  in  der  .Neuen  ZeH- 
schtin  ffir  Musik'  Im  Oktober  1891  (.Der  kleine  Franz  Liszt  und  Beethoven')  nieder- 
gelegt Frimmei  eniblBdet  sieb  auch  gar  nicht,  die  von  mir  mit  großer  Mühe  ansBndig 
Cnmachien  Stellen  des  Konversationsbeftes  so  auszu schreiben,  ala  wiren  sie  von  tbm  ent- 
deckt worden,  aber  weder  wird  der  Aufeatz  von  mir,  noch  ich  selbst  dabei  zitiert,  wihrend 
CS  bei  Ptimmel  beißt:  .Vgl.  ,Neue  Zeitschrift  fSr  Musik*  1881,  Nr.  97".  Nun,  die  .Nene 
Zeitschrift  fOr  Musik"  hat  nichts  über  den  kleinen  Liazt  geschrieben,  sondern  Dr.  Ks- 
Uscher.  Von  solcher  pciSden  Art  und  Telse  lleflen  sieb  noch  viele  Beltplele  anführen. 
In  diesen  Tagen  gerade  Ist  der  llngat  erwartete  IV.  Band  der  Tbayer-Deltersachen  Beet- 
hoven blographle  eracblenen.  Und  dort  kann  man  wieder  einmal  die  einzig  richtige, 
•Chi  wlssenschsflllche  Art  des  Zitierens  Reden. 


38 
DIB  MUSIK  VII.  13. 


Ein  anderer  Mißstand  bei  dieser  langen  Serie  von  Niaiserieen  und  Qulsqullien  ist  die 
Lusty  als  Wiedericiuer  am  eigenen  Stoff  zu  erscheinen.  So  wird  die  Sldzzö  über  »Kaff 
Friedrich  Hirsch*,  die  wir  bereits  sattsam  aus  desselt)en  Autors  .Neue  BeeChOTeniana** 
kennen,  hier  wieder  dargeboten  (S.  53—71),  ebenso  der  Artllcel  »Der  Klavierspieler  Beet- 
hoven* (S.  201—272),  den  wir  schon  in  den  »Neuen  Beethoveniana'  auf  67  Seiten  kennen 
gelernt  haben.  Nehmen  wir  dazu  noch  den  langen  Aufsatz  »Beethovens  Nachlaß*,  nach 
von  Seyfried,  Thayer  (S.  160—201),  dann  haben  wir  in  diesem  sich  spreizenden  Nichts 
104-724-32»  123  Seiten,  die  ganz  unnötig  in  diesen  sogenannten  Bausteinen  stehen, 
so  daß  man  sich  firagen  muß,  wozu  wird  denn  ein  drittes  Buch  zusammengebraut? 
Dem  Rest  des  Dargebotenen  gebührt  also  jedenfalls  nicht  der  anspruchsvolle  Titel  von 
»Bausteinen*,  sondern  kaum  von  Zementkörnchen  zur  Verkittung  bei  wirklichen  Bau- 
steinen. 

117.  Beethoven« Jahrbuch.  Herausgegeben  von  Theodor  von  Frimmel.  Erster 
Band.  Verlag:  Georg  Mfiller,  Mönchen  und  Leipzig  1006. 
Unter  den  Aufsitzen  dieses  Beethoven-Jahrbuches  sind  mir  zwei  beachtenswetft 
erschienen:  1.  Beethoven  und  die  Grazer  musikalischen  Kreise  von  Prof.  Dr. 
F.  Bischoff  in  Graz.  Eine  Studie  ihnlichen  Inhalts  ist  bereits  im  vorigen  Jahre  von 
Otto  Erich  Deutsch  erschienen.  Aufklirungen,  die  man  bei  Deutsch  vermißte,  finden  sich 
auch  in  diesem  Aufeatz  nicht.  Der  Artikel  ist  jedoch  frei  von  den  Wunderlichkeiten, 
die  die  Deutsch*sche  Arbeit  entstellen.  2.  Ein  unausgeführt  gebliebener  Plan 
Beethovens  von  Hans  Voikmann.  Dieser  jüngste,  vortreffliche  Beethovenforscher 
unternimmt  es  hier,  von  einem  bisher  völlig  unbekannten  Projekt  Beethovens  zu  sprechen, 
das  ihm  mit  Recht  f&r  die  Charakteristik  des  Meisters  Bedeutung  hat,  als  es  Zeugnis 
von  seinem  toleranten,  von  jeder  konfessionellen  Engherzigkeit  freien  Sinn  ablegt:  Beet- 
hoven  erwog  im  Jahre  1825  die  Komposition  einer  Festkantate  zur  Einweihung  eines 
Judentempels  in  Wien.  Das  wird  recht  interessant  und  erschöpfend,  namentlich  an  der 
Hand  der  Konversationshefie,  in  denen  Volkmann  sehr  zu  Hause  ist,  ausgefShrt  Beet- 
hoven mußte  aber  schließlich  den  Plan  aufgeben.  —  Ein  Hauptabschnitt  des  Jahrbuchs 
betitelt  sich  »Briefe",  in  dem ^Kl^  Herausgeber  das  Wort  führt.  Dr.  Frimmel  hilt  sich 
ja  bekanntlich  zur  Herausgabe  von  Beethovenbriefen  für  besonders  berufen.  Daß  ihm  aber 
alle  notwendigen  Eigenschaften  dazu  fehlen,  das  habe  ich  in  meiner  »Kritischen  Ausgabe 
der  Beethovenbriefe*  vielfach  nachgewiesen.  Das  würde  ja  für  jeden  Einsichtigen  volU 
auf  genügen.  Da  aber  der  Herausgeber  hier  den  Referenten  in  unqualifizierbarer  Weise 
angreift,  muß  dieser  noch  einige  Worte  zur  Abwehr  zum  besten  geben.  Frimmel,  von 
dem  der  Nachweis  geführt  ist,  daß  er  nicht  drei  Zeilen  von  Beethoven-Originalen 
diplomatisch  getreu  wiedergeben  kann,  unternimmt  es  gleichwohl,  meine  Briefpublikation 
zu  kritisieren  (z.  B.  die  Beethovenbriefe  an  das  Haus  Breitkopf  &  Hirtel).  Einen  Brief 
an  Breitkopf  &  Hirtel  habe  ich  wie  im  vorliegenden,  als  Manuskript  gedruckten  La 
Mara-Heft~»Ungedruckte  Briefe  Beethovens"  Wien,  1&  Oktober  1802  datiert  (Briefe  Nr.  87, 
I.  Band).  Genau  nach  dem  La  Mara-Heft  habe  ich:  »beyde  sind  auf  eine  wirklich 
ganz  neue  Manier  bearbeitet".  Da  ich,  wie  ich  ausdrücklich  bemerkt  habe,  diesen  Brief 
nicht  nach  der  Urschrift  geben  konnte,  trifft  die  sich  daran  reihende  Frimmmelscho 
Kritik  nicht  mich,  sondern  La  Mars.  Beim  dritten  Briefe  aus  derselben  Quelle  erregt 
sich  Frimmel,  weil  ich  diesen  Brief  mit  dem  charakteristischen  Revers  von  Artaria  be- 
schloß, das  darauf  noch  folgende  Postskriptum  aber  aus  wohlerwogenem  Grunde  fortlieft. 
Die  zweite  Seite  des  Briefes  ist  von  mir  nicht  übersehen.  In  meinem  Druckhefc  ist 
auch  dieses  Postskriptum  mit  einer  Reihe  von  Korrekturen  versehen;  der  Brief  sollte 
aber  mit  dem  Revers  (S.  103  des  I.  Bandes)  abschließen.  Nun,  man  kann  dem  Heraus^ 
geber  diese  kleine  Freude  als  Pflaster  auf  die  schwere  Wunde  gönnen,  die  ihm   de? 


BESPRECHUNGEN  (BÜCHER) 


Nictaweli  elDM  atwolnten  FililSkats  (i.  die  krititche  Autfibe  der  Bsetbovenbriefe  II.  Band, 
Nr,  481)  tescblacen  hat  Der  Heranaceber  dea  Jalirbucfai  iit  nie  nm  eine  AnaRocbi 
Torlegen:  alteln  hierbei  —  aelbat  In  (einem  Jabrbucta  —  Ist  aeine  Zange  zum  Sc&weJgen 
(ebracbt  Den  Brief  aelbat,  den  leb,  vle  fiberall,  aelbatvera  Und  lieh  In  Bectbovena  Hand* 
acbrift  —  aJao  dentacb  —  wlederfegeben  babe,  bat  Frimmel  In  (ani  uDwiaa«nacbafiIick«r 
Teisa  mit  lateinlactaen  Typen  TerbOsert  nad  ao  daa  Urbild  aenlSrt  Die  bereila  in 
der  varitan  Reienalon  ter&cte  UnvIaaeDacbaflirchkeit  dea  Heratiacebera  beim  Zitieren 
maebt  alcb  anch  bler  wieder  breit;  leb  veraaia  aa  mir  abar,  taier  aocbmala  Belaplele 
daffir  aninfStaren;  der  Belaplele  bei  der  vorigen  Besprecbunc  elnd  Dbercanot- 

Alfr.  Cbr.  Kaliaeber 
118.  H.Toa  derPfordten:  Beetbovan.  (Ans:  aTlsaenacbaft  und  Blldnng",  Nr.  17). 
Verlac:  Quelle  &  Mcjer,  Leipzig. 
Daa  Portrtt  des  Meisters  von  Franz  Stnclc  Ist  wie  ein  Motto  dlaaem  Bficbleln 
voraaceaatzt:  mit  aeiner  erscbQttcmden  Auffasausf  dea  K&netlertums,  den  wie  In  tin- 
kelmllcbem  Inneren  Feuer  blitzenden  Aucen,  dem  wirren  Haar,  den  berbea,  bitteren 
Zflcan  nm  Naae  und  Mund.  Daa  Bucb  tat  dieses  Mottos  wGrdlg;  aus  einer  Ibsa  ga- 
ringelten  Kette  von  UnlTeraltiltaTorleBungen  und  von  popullren  Vortrlgen  bat  der  Ver- 
fasser ein  Games  gemacbt,  la  dem  gerade  das  kfinstleriscbe  Tesen,  der  Kern  der 
Fenamatnr  Beethovens  In  prlcbtlger  Vollendung  zum  Auadmck,  zur  Geltung  gebracht 
^rd.  Ein  popullr  gehaltenes  Bucb  fiber  einen  gewaltigen  Stoff  zu  athreltien,  iai  nldit 
ao  leicht,  wie  vielleicht  der  Laie  glaubt;  um  ao  mehr  ist  von  der  Pftordten  zn  beglfick- 
wflnschen:  es  ist  ibm  geinngen,  wirklich  für  Leser  ana  den  verschiedensten  Kreisen  zu 
schreiben  und  dabei  doch  dem  großen  Stoff  die  Treue  in  halten.  Und  wenn  aucb,  wie 
er  In  der  Einleitung  so  beachelden  veralctacrt,  sein  Bnch  nicht  dazu  bestimmt  war, 
irfeodeln  anderea,  achon  bestehendes  Terk  zu  ersetzen:  dne  Erglnznng  Im  besten 
Sinne  ist  die  Arbalt  wohl  Im  Hinblick  anf  die  achon  vorhandene  Baethoven-Litaratnr  zu 
nennen.  Vle  viel  Orglnalltit  anch  In  Ibr  aiackt,  zeigen  Abachnitte  wie  der  Bber  die 
.MlB8aaoIemnla''(S.  lOOffO,  fiber  die  .Erolca"(S.45ff.),  die  .Pasiorals'  (S.  52ff.)  n.  a.  m. 
Dar  letztgenannte  Abschnitt  la(  besoodsra  reich  an  Anregungen,  Ina  Allgemeinere 
aich  wendenden  Exkursen  und  voll  des  Hebten,  verstlndnls vollsten  Eingehens  anf  die 
PersSntIchkeit  dea  Kfinatlera;  was  da  Gber  das  Teaen  und  die  Arten  der  Tonmalerei, 
Aber  den  Zuaammentaaog  der  Programmnalk  mit  dem  inneraten  Seelenleben  dea  ScbSpfera 
wie  des  daa  Terk  gcnleOenden  HSrera  gesagt  wird,  Ist  vollauf  bcracbtlcl  und  aahr 
badeniaam.  Jeder  Beethoven  freund,  sowie  jeder  Freund  der  Kunst  fiberbanpt  kann  seiaa 
helle  Freude  an  dem  B&cbieia  haben.  Dr.  Egon  v.  Komortynski 


Aus  französischen  Zeitschriften  (Fortseauag) 

LE  COURRIER  MUSICAL  (Ptris)  1907,  Nr.  10-24.  —  Der  Auteatz  »De  Tordrc  d'acqul- 
sition  des  connaissances  musicales**  von  M.  Daubresse  untersucht  die  psycho- 
logischen Gesetze,  nach  denen  musikalische  Kenntnisse  erworben  werden.  —  Victor 
Debay  bespricht  in  dem  Auteatz  „La  Salomö  de  Richard  Strauß  k  Paris"  dieses 
Werk  und  seine  erste  Aufführung  in  Paris.  —  Jean  d*Udine  bespricht  in  dem 
Aufsatz  „A  propos  de  gymnastique  rythmique**  rühmend  die  Unterrichtsmethode 
Jaques-Dalcroze's.  —  In  Heft  11  handeln  alle  Aufsitze,  außer  den  Berichten  Ober 
Aufführungen,  von  russischer  Musik:  Um  zu  beweisen,  daß  die  russische  Musik 
in  Frankreich  schon  14  Jahre  vor  ihrer  allgemeinen  Anerkennung  sehr  bekannt 
war  und  sehr  gut  verstanden  wurde  („6tait  trds  connue  et  trds  comprise*y,  wird 
aus  dem  Jahrgang  1893  der  „Revue  Hebdomadaire"  der  Auteatz  „Boris  Godounof 
de  MoussorBski**  von  Paul  Dukas  wieder  abgedruckt.  —  Robert  Brüssel  ver- 
öffentlicht unter  dem  Titel  „L'opöra  russe**  eine  Geschichte  der  russischen  Oper 
bis  zum  Anfang  des  19.  Jahrhunderts.  Unter  dem  Aufsatz  steht  „A  suivre*; 
eine  Fortsetzung  ist  aber  nicht  erschienen.  —  M.-D.  Calvocoressi  führt  in 
dem  Aufsatz  „Le  röpertoire  de  la  musique  russe**  (Nr.  11  und  12)  die  wich- 
tigsten Werke  der  russischen  Musikliteratur  an.  —  Pierre  Aubry  berichtet  über 
das  russische  Volkslied  („Le  folk-lore  musical  russe**).  —  Jean  d*  Udine's  Auf- 
satz „Leur  oreille  et  leur  coeur'*  handelt  von  dem  russischen  Volkscharakter,  wie 
er  besonders  in  den  Werken  von  Borodin,  Rimsky-Korssakow  und  Musftorgsky 
zum  Ausdruck  kommt  —  Über  russische  Musikschriftsteller,  besonders  über  Stassow, 
Cui  und  Tschaikowsky,  handelt  der  Aufsatz  „La  critique  russe  sur  la  musique  russe' 
von  C.de  Danilowicz  (Nr.  11  und  12).  —  Aus  dem  neuen  Werke  „Hulda  et  Ghi- 
selle  de  C6sar  Franck^  von  Charles  van  den  Borren  wird  ein  Abschnitt  über 
die  Stellung  dieser  zwei  Opern  im  Entwicklungsgange  C6sar  Franck's  abgedruckt 
(Nr.  12).  —  Jean  d'Udine  bespricht  sehr  ausführlich  die  im  Mai  1907  veranstal- 
teten fünf  russischen  Konzerte  in  der  Großen  Oper  in  Paris.  —  Camille  Mauclair 
wird  durch  einen« Aufenthalt  in  Prag,  wo  er  einer  Aufführung  der  „Libussa"  bei* 
wohnt,  veranlaßt,  einen  Aufsatz  über  „La  ,Libuse'  de  Smetana"  (Nr.  13)  zu 
schreiben.  —  Aus  dem  Werke  „Smetana**  von  William  Ritter  wird  ein  langer 
Abschnitt  über  „La  musique  tchdque  avant  Smetana*'  abgedruckt.  —  Ober  das 
achte  Schweizerische  Tonkünstlerfest  berichtet  ausführlich  Paul  de  Stoecklin  in 
dem  Auteatz  „La  f6te  de  l'Association  des  musiciens  suisses  k  Luceme".  —  Die 
Kompositionen  Magnard's  bespricht  Gustave  Samazeuilh  („Alb6ric  Magnard"; 
Nr.  14).  —  Henri  Kling  veröffentlicht  zahlreiche  Briefe  Goethes  an  Zelter  und 
Zelters  an  Goethe  in  französischer  Übersetzung  („La  correspondance  musicale  de 
Goethe  et  de  Zelter*;  Nr.  14—19).  —  Über  die  Eröffnung  des  neuen  Gebindes 
der  ungarischen  Musikakademie  berichtet  Louis  Napoleon  Hackl  „L*inauguration 
du  palais  de  TAcadömie  de  musique  de  Budapest**).  —  Unter  der  Ol>erschrift 
„Causerie  sur  Schubert  et  le  Lied  allemand**  (Nr.  15—18)  veröffentlicht  Camille 
Mauclair  Teile  aus  zwei  Vorträgen,  die  er  in  den  Konzerten  von  Marie  Mockel 
in  Paris,  in   denen  diese  Schubertsche  Lieder  vortrug,  gehalten  hat.  —  Der  Auf- 


41 
REVUE  DER  REVUEEN 


satz  „Les  F6tes  musicales  d'Orange''  von  Paul  Leriche  (Nr.  15—16)  bandelt  von 
den  großen  Musikfesten  in  dem  antiken  Theater  in  Orange  in  Südfrankreich,  wo 
auch  die  Neunte  Symphonie  von  Beethoven  aufgefiihrt  wurde.  —  Kurze  Nachrufe 
auf  Edvard  Grieg  und  Joseph  Joachim  stehen  in  dem  Doppelheft  17—18  («Edvard 
Grieg''  von  Albert  Diot,  Joseph  Joachim**).  —  H.  Kling  veröffentlicht  in  dem 
Aufsatz  „Mozart  et  Voltaire**  zwei  von  den  Biographen  Mozarts  bisher  nicht  be- 
achtete Briefe,  die  Voltaire  1766  an  Madame  d'Epinay  und  Damilaville  richtete, 
und  in  denen  er  sein  Bedauern  darüber  ausspricht,  daß  er  durch  seine  Krankheit 
verhindert  gewesen  sei,  den  Besuch  Mozarts  während  seines  drei  Wochen  langen 
Aufenthaltes  in  Genf  zu  empfangen.  Vielleicht  hat  auch  die  Revolution  in  Genf 
im  Jahre  1766  ein  Zusammenkommen  der  Familie  Mozart  mit  Voltaire  verhindert. 
—  Alfred  Mortier  sagt  in  dem  Aufsatz  „La  France  musicale  d'hier  et  d'aujourd'hui", 
daß  vor  25  Jahren  in  Frankreich  die  Klavierwerke  Beethovens  und  Mendelssohns 
weit  verbreitet,  aber  die  Werke  J.  S.  Bachs  und  Schumanns  sehr  wenig,  die  C6sar 
Franck*s  und  Brahms'  fast  gar  nicht  bekannt  waren.  Um  Wagner  zu  hören,  habe 
man  nach  Bayreuth  reisen  müssen.  Jetzt  habe  die  Musikpflege  sowohl  in  Paris 
wie  in  der  Provinz  einen  grolkn  Aufschwung  genommen,  und  auch  der  Geschmack 
des  französischen  Volkes  habe  sich  geändert.  Auch  in  der  Literatur  zeige  sich 
dieser  Umschwung:  Th.  Gautier,  Vigny,  Musset,  Stendhal  und  Balzac  hätten  noch 
wenig  Verständnis  für  Musik  gehabt;  heute  seien  aber  die  meisten  französischen 
Schriftsteller  große  Musikfreunde,  was  hauptsächlich  durch  den  Einfluß  Richard 
Wagners  zu  erklären  sei.  Die  musikalische  Produktion  in  Frankreich,  die  früher 
vornehmlich  der  leichten  Musik  sich  zuwandte,  sei  jetzt  durch  Chabrier,  d'Indy, 
Gabriel  Faur6,  Bruneau,  Debussy,  Charpentier,  Dukas,  G.  Hue  u.  a.  auf  eine 
Stufe  gehoben,  daß  sie  mit  der  deutschen  wetteifern  könne.  —  Eine  längere  ge- 
schichtliche Abhandlung  von  J.  Loi  sei  handelt  von  dem  Ursprung  der  Sonate 
(„Les  origines  de  la  sonate**;  Nr.  19—21).  —  Aus  der  „Revue  et  Gazette  musicale" 
vom  1.  April  1840  wird  Richard  Wagners  Aufsatz  „Le  musicien  et  la  publicitd** 
abgedruckt  (No.  19).  —  M.  Daubresse  veröffentlicht  einen  Aufsatz  über  „LMmagi- 
nation  musicale**  (No.  20).  In  der  Einleitung  sagt  er,  daß  „die  geistige  Arbeit,  die 
dem  musikalischen  Schaffen  vorangeht**,  bisher  selten  von  Psychologen  untersucht 
worden  sei  und  daß  wir  die  Gesetze  der  musikalischen  Phantasie  weniger  kennen 
als  die  der  anderen  Arten  der  Einbildung.  Daubresse  erörtert  auch  die  Wichtigkeit 
einer  psychologischen  Untersuchung  der  musikalischen  Einbildung  für  die  Musik- 
geschichte, die  Pädagogik  und  die  Ästhetik.  —  Aus  der  „Revue  Internationale  de 
Musique**  wird  ein  Teil  des  Aufsatzes  „Le  premier  concert  donn6  par  Wagner  ä 
Paris**  von  V.  de  Joncidres  abgedruckt.  —  In  dem  Aufsatz  „Trop  de  concerts!  — 
Trop  d'artistesl*  (No.  21)  klagt  Kritikos  über  die  zu  große  Anzahl  der  Konzerte 
in  Paris,  Berlin  und  Amerika.  Der  praktische  Erfolg,  auf  den  die  Virtuosen  bei 
der  Veranstaltung  ihrer  Konzerte  hofften,  werde  selten  erreicht.  Daß  in  Paris  das 
Obel  noch  nicht  so  groß  sei  wie  in  Berlin  und  Amerika,  rühre  vielleicht  daher, 
daß  es  in  Paris  nicht  so  viele  Konzertsäle  gebe.  Auch  das  Geschäft  der  deutschen 
Konzert-Agenturen  bespricht  der  Verfasser,  auf  Grund  eines  Aufsatzes  von  Spanuth 
in  den  „Signalen**.  —  Unter  der  Überschrift  „De  Tinterpr^tation  musicale**  wird  die 
Obersetzung  eines  Abschnittes  aus  der  Violinschule  von  Joachim  und  Moser 
abgedruckt,  der  auch  Schumanns  „Haus-  und  Lebensregeln**  enthält.  —  Gustave 
Samazeuilh  bespricht  in  dem  Aufsatz  „Paul  Dukas**  (No.  22)  eingehend  die 
Werke  dieses  Komponisten,  dessen  „Ariane  et  Barbe-Bleue**  er  zu  den  bedeutendsten 
musikalischen  Werken  unserer  Zeit  zählt.  —  Jean  d'Udine  wendet  sich  in  dem 


HL 


42 
DIE  MUSIK  VII.  13. 


Artikel  „Images  et  signes  phoniques^  gegen  einige  der  von  Daubresse  in  dem 
Aufsatz  in  No.  20  ausgesprochenen  Ansichten.  —  Aus  dem  neuen  Werke  „Mendels- 
sehn''  von  Paul  de  Stoecklin  wird  ein  Abschnitt  abgedruckt,  der  einen  kurzen 
Überblick  über  Mendelssohns  Schaffen  gewährt.  —  H.  Gauthier-Villars  wendet 
sich  in  dem  Aufsatz  „Saint-Saens,  Jean  d'Udine  et  la  clart6''  (No.  22)  gegen  einige 
Einwände,  die  d'Udine  in  seiner  Vorrede  zu  den  Konzertberichten  dieser  Saison 
(No.  20)  gegen  des  Verfassers  Ansichten  über  moderne  Musik  erhoben  hat  — 
In  No.  23  wird  die  Diskussion  fortgesetzt  durch  den  Aufsatz  „Encore  un 
mot  sur  la  clart^**  von  d'Udine,  in  dem  er  auch  zwei  Briefe  von  Lionel 
Dauriac  veröffentlicht.  —  Michel  Brenet  bespricht  in  dem  Aufsatz  „Un 
nouveau  document  sur  les  commencements  de  l'op^ra  russe**  das  soeben  von 
Emest  Daudet  veröffentlichte  Werk  „Lettres  du  comte  Valentin  Esterhazy  k  sa 
femme**  und  druckt  einige  Briefe  daraus  ab.  Graf  Esterhazy  lebte  von  1791  an 
am  Petersburger  Hof.  In  den  Briefen  berichtet  er  über  dort  aufgeführte  Opern. 
—  Ein  längerer  Aufsatz  von  Fran9oi8  Sternay  handelt  „Sur  Timpr^cision  et  le 
mouvement  dans  Tart  musical**  (No.  23 — 24).  —  Aus  einem  Aufsatz  in  der  „Revue" 
von  Camille  Mauclair  wird  ein  Abschnitt  über  „Les  chapelles  musicales  en 
France**  abgedruckt  (No.  23),  der  von  den  Musikkapellen  und  der  Musikkritik  in 
Frankreich  handelt.  —  Gaston  Carraud  veröffentlicht  unter  dem  Titel  „Un  chan- 
teur  Italien.  Delle  Sedie**  (No.  24)  eine  Lebensbeschreibung  des  Ende  10Ö7  ge- 
storbenen Sängers  und  Gesanglehrers.  —  Georges  Pioch  schreibt  einen  be- 
geisterten Artikel  über  die  Sängerin  Lucienne  Br6val  („Lucienne  Br6vtl*). 

MERCURE  MUSICAL  ET  BULLETIN  de  la  Soci6t6  internationale  de  Musique, 
Section  de  Paris  (Paris)  1007,  No.  2-8.  —  Der  Aufsatz  „F^licien  David  d'apris 
sa  correspondance  inödite  et  celle  de  ses  amis**  von  J.-G.  Prod'homme  (No.  2-3) 
bringt  eine  Biographie  des  Komponisten  und  zahlreiche  in  der  Bibliothdque  de 
l'Arsenal  in  Paris  (Fonds  Enfantin)  liegende,  bisher  nicht  veröffentlichte,  sehr 
interessante  Briefe  Davids  und  seiner  Saint-Simonistischen  Genossen.^)  —  Armande 
de  Polignac  veröffentlicht  einige  Aphorismen  .unter  der  Überschrift  „Pensdes 
d'ailleurs**  (No.  2).  —  J.  £corcheville  stellt  in  dem  Aufsatz  „La  musique  dans 
les  soci6t6s  savantes  de  la  France^  die  in  Lasteyrie's  Werk  „Bibliographie  gfin^nüe 
des  travaux  historiques  et  arch^ologiques  publikes  par  les  Soci6t6s  savantes  de  la 
France**  (1888)  aufgeführten  musikhistorischen  Arbeiten  zusammen.  —  C.  Pons 
berichtet  über  einen  Vortrag  von  G.-J.  Aubry  über  „Verlaine  et  la  musique  con- 
temporaine**.  —  Paul  Marie  Masson  untersucht  in  dem  Aufsatz  „L'humanisme 
musical  en  France  au  XVI.  sidcle^  (No  4,  5  und  7)  den  Einfluß,  den  in  der  Zeit  der 
Renaissance  das  Studium  der  alten  Griechen  und  Römer  auf  die  Musik  und  auf 
die  Vorstellungen  der  Dichter  von  der  Musik  ausübte.  —  Der  Aufsatz  „Les  ^coliers** 
von  Louis  Laloy  (No.  4)  wendet  sich  gegen  einige  ungünstige  Urteile,  die  eine 
Gruppe  junger  Musiker  und  Schriftsteller  über  Debussy  ausspricht  —  Mar- 
tial  Teneo  spricht  in  dem  Aufsatz  „Un  mariage  d'artistes  au  XVIIIe  sidcle*  die 
Ansicht  aus,  daß  das  „lyrische  Drama**  Lulli's  und  Rameau's  seinen  Erfolg  haupt- 
sächlich dem  Ballet  („l'art  chor^graphique**)  verdanke  und  berichtet  dann  über  das 
Leben  der  Tänzerin  Louise  Madeleine  Lany  (1728—77),  insbesondere  über  ihre  Ehe 
mit  dem  Tänzer  G61in.  —  Gaston  Knosp's  „Notices  sur  Richard  Strauß**  enthalten 
Mitteilungen  über  Strauß'  Leben  und   Schaffen;  am  ausführlichsten  handeln  sie 


')  Vgl.  Prod'homme's  Aufsatz  „Fölicien  Davids  Reise  nach  Deutschland**  in  unserer 
Zeitschrift  V,  23. 


M 


43 
REVUE  DER  REVUEEN 


von  seiner  «Salome*.  —  J.  £corcbeville  kritisiert  in  dem  Aufsatz  „La 
scholl  cantorum  et  le  style  de  Bacb**  die  Aufführungen  des  Konservatorium» 
Schola  cantorum  in  Paris.  —  Emile  Dacier  veröfPentlicht  in  dem  Aufsatz  «Une 
danseuse  fran9aise  k  Londres  au  d6but  du  18.  sidcle**  eine  Biographie  Marie 
Sall^'s  (No.  5  und  7).  —  Henry  de  Busne  bespricht  sehr  lobend  die  Oper  «Ariane 
et  Barbe-Bleue  de  Paul  Dukas"  (No.  5).  —  A.  Tchobanian  übersetzt  eine  aus- 
fuhrliche, zahlreiche  Notenbeispiele  enthaltene  Studie  von  Le  R.  P.  Komitas 
fiber  »La  musique  rustique  arm6nienne*.  —  Auf  Grund  von  Dokumenten  in 
Pariser  Notariatsarchiven  veröffentlicht  Lionel  de  la  Laurencie  in  dem  langen 
Aufsatz  „Quelques  documents  sur  Jean-Philippe  Rameau  et  sa  fämille''  (No.  6) 
Mitteilungen  über  Rameau's  Leben  von  seiner  Heirat  (1726)  bis  zu  seinem  Tode 
(1764)  und  fiber  das  Leben  seiner  Kinder  bis  zur  Revolution.  —  F.  Macler  ver- 
öffentlicht «Notes  d'histoire  sur  Salom6  la  danseuse".  —  J.  £corcheville  fordert 
in  dem  Aufsatz  „Les  textes  de  musique  ancienne  et  leurs  r66ditions  modernes*, 
daß  die  musikalischen  Werke  früherer  Jahrhunderte  mit  solchen  Erginzungen  und 
Erläuterungen  veröffentlicht  werden,  die  die  alte  Musik  dem  Geschmack  des 
heutigen  Hörers  nahebringen  und  doch  den  berechtigten  Forderungen  nach 
historischer  Treue  entsprechen.  Der  Verfasser  kritisiert  dann  mehrere  neue  Aus- 
gaben alter  Musik  und  wendet  sich  am  Schluß  gegen  die  Auffassung  Bachscher 
Musik,  die  Eugen  d'Albert  im  Vorwort  seiner  Ausgabe  des  „Wohltemperierten 
Klaviers*  ausgesprochen  hat.  —  Louis  Laloy  bespricht  unter  der  Oberschrift 
«Theorie  musicale*  ausführlich  die  neuen  Bücher  „Les  bases  physiques  de  la 
musique*  von  H.  Bouasse  und  „La  musique,  ses  lois,  son  Evolution*  von  Jules 
Combarieu.  —  Ricciotto  Ca nudo  drückt  in  dem  Aufsatz  „L'esth^tique  de  Verdi  et 
la  culture  musicale  italienne'  (No.  7)  zunichst  seine  Freude  darüber  aus,  daß 
die  Italiener  anzufangen  scheinen,  sich  von  dem  ausschließlichen  Kultus  der 
Opemmusik  abzuwenden  und  die  symphonische  Musik  mehr  als  bisher  zu  pflegen. 
Dann  bespricht  er  auf  Grund  einiger  von  Alessandro  Luzio  veröffentlichter  Briefe 
Verdi's  dessen  Anschauungen  von  der  Musik.  Verdi  habe  mit  dem  Rufe  „Zurück 
zum  Alten*  die  Italiener  in  den  Netzen  der  alten  Oper  festhalten  wollen,  als  die 
jungen  Talente  schon  Neigung  zeigten,  sich  von  ihnen  zu  befreien.  —  L.  William 
Ritter  veröffentlicht  „Notes  sur  Smetana*,  die  in  seinem  soeben  erschienenen 
Werk  über  diesen  Komponisten  wegen  Mangels  an  Raum  nicht  mitgedruckt  wurden. 
—  Aus  dem  Werke  „Catalogue  des  manuscrits  de  musique  byzantine  des  bibllo- 
thdques  de  France*  von  A.  Gastouö,  das  die  französische  Sektion  der  Inter- 
nationalen Musikgesellschaft  demnächst  herausgeben  wird,  wird  das  lange  Kapitel 
über  „L'ancienne  musique  byzantine  et  sa  notation*  abgedruckt  (No.  8).  —  £douard 
Perrin  bespricht  unter  dem  Titel  „Un  livre  de  Lac6pdde  sur  la  musique*  das 
1785  in  Paris  erschienene  Werk  „La  po6tique  de  la  musique*,  das,  wie  Perrin  glaubt, 
ganz  unbeachtet  geblieben  oder  vergessen  worden  ist.  —  Der  Aufsatz  „Lohengrin 
k  Paris  en  1881*  besteht  zum  größten  Teil  aus  Übersetzungen  aus  Angelo  Neu- 
manns „Erinnerungen  an  Richard  Wagner*.  —  Gaston  Knosp  berichtet  unter  dem 
Titel  „Un  manifeste  de  R.  Strauß*  über  den  in  der  ersten  Nummer  der  Zeit- 
schrift „Morgen*  erschienenen  Aufsatz  von  Strauß  und  die  Polemik,  die  der 
Artikel  in  deutschen  Musikzeitschriften  angeregt  hat  —  No.  9  entbilt  einen  sehr 
langen  Aufsatz  von  Gaston  Knosp  über  „La  musique  indo-chinoise*.  —  A.deBertha 
veröffentlicht  eine  eingehende  Studie  über  Liszts  Charakter  („Franz  Liszt*;  No.  9 
und  10),  in  der  er  auch  eigene  Erinnerungen  mitteilt  (Schluß  des  Berichtes  fiber 
diese  Zeitschrift  im  nichsten  Heft.)  Magnus  Schwan tje 


KRITIK 


OPER 

BERLIN:  Das  Lortzing-Theater  brachte 
eioe  recht  achtbare,  von  Kapellmeister 
M.  Grimm  sorgfiltig  vorbereitete  AufTuhrung 
von  Beethovens  „Fideüo',  in  der  der  Minner- 
chor wesentlich  verstirkt  worden  war.  Eine  in 
jeder  Hinsicht  ausgezeichnete  Leistung  bot  Emmy 
Schwabe  in  der  Titelrolle.  Angenehm  fiel  der 
junge  Tenorbuffo  Max  Kuttner  (Jacquino) 
wieder  auf.  Die  Aufführung  der  großen  Leonoren- 
Ouvertüre  vor  dem  zweiten  Finale  ist  meines 
Erachtens  in  kfinstlerischer  Hinsicht  durchaus 
ungerechtfertigt  und  auch  völlig  fiberflGssig. 

Wilh.  Altmann 

BRAUNSCHWEIG:  Das  Hoftheater  ehrte 
Wagner  gelegentlich  seines  25jihrigen 
Todestages  durch  die  strichlose  Aufführung  des 
Nibelungenringes  unter  schwierigen  Verhilt- 
nissen,  denn  infolge  der  grassierenden  Influenza 
war  der  rote  Zettel  an  der  Tagesordnung.  So 
erschien  hier  eine  ganze  Reihe  von  Gisten,  die 
ohne  Proben  einsprangen,  sodaß  das  Gelingen 
mehr  oder  weniger  vom  Zufall  abhing.  Im 
.Rheingold"  kam  Strahtmann-Weimar  (Albe- 
rich), in  der  »Walkfire«  Frau  Th  o  m  a  s  -  S  c  h  w  a  r  t  z - 
Hannover  (Sieglinde), im  «Siegfried"  Hadwiger- 
Koburg  (Titelheld)  und  Frl.  R eil 6 e- Magdeburg 
(Erda),  endlich  in  der  «Götterdimmerung* 
G  r  o  e  b  k  e  -  Hannover  (Siegfried).  —  «Tiefland  *  von 
d*Albert  «zieht*  namentlich  auch  infolge  der 
trefflichen  Leistungen  von  Frl.  Lautenbacher 
(Martha),  Cronberger  (Pedro)  und  Spies 
(Sebastiane).  Ernst  Stier  . 

BRESLAU:  Eine  Auff&hrung  des  lieben,  alten 
«Wildschütz*  pflegt  gewiß  kein  besonderes 
Ereignis  zu  sein.  Aber  eine  Wiedergabe  des 
behaglichen  Werkes,  wie  sie  uns  jüngst  Kapell- 
meister Prüwer  bereitete,  gehört  dennoch  zu 
den  Seltenheiten.  Das  musikalische  Ensemble 
war  ebenso  fein  getönt,  wie  das  schauspielerische 
(Regie:  Herr  Kirchner)  und  die  Mitwirkenden 
(Damen:  Mac  Grew,  Neisch,  Wolter,  Weiß, 
Herren:  Schauer,  Höpfl,  Günther-Braun) 
überboten  sich  gegenseitig  an  munterer  Laune, 
die  aber  stets  den  Stil  Lortzingscher  Fröhlichkeit 
zu  bewahren  wußte.  So  enthüllte  sich  der  sonst 
meist  eilfertig  und  grob  heruntergeleierte  «Wild- 
schütz" als  das,  was  er  in  Wahrheit  ist:  das 
Muster  einer  deutschen  komischen  Oper.  — 
Wagners  25.  Todestag  begingen  wir  mit  der 
«Götterdimmerung*.  Ein  bedauerlicher 
Zwischenfall  trübte  den  von  den  Herren  Prüwer 
und  Kirchner  sehr  sorgfiltig  vorbereiteten 
Abend.  Herr  Trostorf f,  unter  normalen  Um- 
stinden  ein  Siegfried  von  schier  unerschöpflicher 
Stimmkraft,  wurde  im  zweiten  Aufzug  heiser. 
Im  dritten  Akt  steigerte  sich  die  Indisposition 
so  rapid,  daß  nach  der  Rheintöchter-Szene  der 
Vorhang  fallen  mußte.  Die  Jagdszenen  und 
Siegfrieds  Tod  blieben  fort,  und  erst  mit  der 
Trauermusik  nahmen  die  Ereignisse  ihren  Fort- 
gang. Noch  ein  zweites  Opfer  flel  der  Influenza. 
Statt  des  Herrn  Witte  köpf,  der  den  Hagen 
verkörpern  sollte,  erschien  unser  früherer  Bassist 
Döring  als  düsterer  Albensohn,  der  im  übrigen 
eine  ausgezeichnete,  scharf  charakterisierte 
Leistung  Dörings  ist.  Hocherfreulich  war  die 
Brünnhiide  der  Frau  Rabl-Kristen,  deren 
glinzendeTi  starker  Sopran  die  gewaltige  Auf|gabe 


mühelos  bewiltigte.  Die  Gutrune  der  Frau 
Verhunk,  die  Rheintöchtcr  der  Damen  Mac 
Grew,  Förster,  Schereschefsky,  die  Wal- 
traute  des  Fri.  Neisch,  der  Günther  des  Herrn 
Höpfl,  der  Alberich  des  Herrn  Schauer  waren 
durchweg  von  hohem  künstlerischen  Geiste  be- 
seelt. Wir  bitten  somit  eine  würdige  Wagner- 
feier erlebt,  wenn  das  eben  geschilderte  Miß- 
geschick der  Vorstellung  erspart  geblieben  wire. 

Dr.  Erich  Freund 
pvRESDEN:  Unser  Opernpublikum  ist  von 
'^  einem  Fanatismus  erfeßr,  den  man  einmal 
auch  in  diesen  Blittem  streifen  muß,  weil  er 
für  die  Psychologie  der  großen  Menge  sehr  be- 
zeichnend ist.  Karl  Burrian  ist  der  Gegen- 
stand dieser  Begeisterung,  die  ja  sicherlich  in 
den  hervorragenden  gesanglichen  und  dar- 
stellerischen Eigenschaften  dieses  Tenoristen 
ihre  Erklirung  flndet,  aber  vernünftigerweise 
doch  nicht  soweit  getrieben  werden  sollte,  daß 
das  Theater  leer  bleibt,  wenn  er  auf  dem  Zettel 
fehlt,  und  daß  andrerseits  eine  so  wenig  wert- 
volle Oper  wie  Mandns  «Acte'  ausverktufle 
Hiuser  bringt,  nur  weil  Burrian  darin  die  Haupt- 
rolle singt.  Es  ist  nach  alledem  kein  Wunder, 
wenn  der  auf  diese  Weise  verzogene  Helden- 
tenor das  berechtigte  Selbstbewußtsein  zur  Launen- 
haftigkeit werden  lißt  und  durch  Absagen  der 
Direktton  und  den  Theaterbesuchern  kaltblütig 
die  größten  Unannehmlichkeiten  bereitet.  Viel- 
leicht kommt  das  Publikum  wihrend  der  Amerikt- 
ftihrt  Burrians  etwas  zur  Einsicht;  l>esitsen  wir 
doch  in  Herrn  von  Bary  einen  Heldentenor  von 
hervorragenden  Qualititen  und  wichst  doch  in 
Herrn  Sembach  ein  Tenorist  heran,  der  bereits 
einige  Rollen  Burrians  mit  großem  Erfolge  ge- 
sungen hat.  Die  Schwirmerei  der  Kunstflivnnde 
für  einen  Singer  ist  an  sich  gewiß  sehr  er- 
fireulich,  aber  sie  darf  nicht  zur  Vemachlisslgung 
anderer  Künstler  werden.  —  Da  man  eine  Zeit- 
lang von  «Acte'  zehren  konnte,  ist  im  König- 
lichen Opemhause  der  Spielplan  der  letzten 
Wochen  sehr  gleichförmig  gewesen;  nur  ein 
Gastspiel  des  Bassisten  Herrn  Förster,  der 
sich  um  die  Nachfolgerschaft  des  leider  aus- 
scheidenden Herrn  Wächter  bewarb  und  als 
Falstaff  und  Landgraf  Herrmann  recht  gute  Ein- 
drücke hinterließ,  brachte  einige  Abwechslung.  — 
Der  Heldentenor  der  Königlichen  Oper  zu  Kopen- 
hagen, Wilhelm  Herold,  erledigte  im  Opem- 
hause ein  Gastspiel,  das  er  mit  dem  Tnriddn 
aufs  Glinzendste  einleitete.  Einen  so  lebens- 
wahren Vertreter  dieser  Rolle  hat  man  hier  kaum 
jemals  gesehen.  Doch  erreichte  der  Gast,  dessen 
Stimme  von  sympathischem  Klang  und  wohl- 
geschult, aber  keineswegs  groß  und  heldenhaft 
ist,  die  Höhe  dieser  darstellerischen  Leistung 
nicht  wieder,  so  daß  die  hohen  Erwartungen,  die 
er  zuerst  erweckt  hatte,  sich  nicht  voll  ver- 
wirklichten. Immerhin  hatte  der  Künstler  auch 
als  Canio,  Lohengrin  (den  er  deutsch  ssng)  und 
Don  Jos6  betrichtlichen  Erfolg.  Von  unseren 
heimischen  Kriften  hat  sich  in  letzter  Zeit  der 
Baritonist  Herr  Plaschke  eine  erste  Stellung 
erobert.  Ausgestattet  mit  einer  der  schönsten 
Baritonstimmen,  die  man  jemals  gehört  hat,  ist 
er  neuerdings  auch  darstellerisch  so  glücklich 
vorwirts  geschritten,  daß  sein  König  Markig 
Tonio,  Kühlebom  als  hervorragende  Knnst- 
leistungen    gewürdigt    werden   müssen.    Andli 


3iR_ 


45 
KRITIK:  OPER 


EHMbeth  Boehm-Tan  Endert  hat  als  Undine 
aufi  neue  den  Beweis  dafOr  erbracht,  daß  unser 
Ensemble  in  ihr  eine  sehr  schitiens werte  junge 
Kraft  gewonnen  hat  F.  A.  Geißler 

DOSS^DORF:  Das  Repertoire  bewegt  sich 
seit  Monden  in  sehr  ausgetretenen  Bahnen. 
Nichtsdestoweniger  gab  es  auch  einige  voll- 
wertige Theaterabende.  Vor  allem  kam  der 
«Ring  des  Nibelungen*  zu  einer  wirklich 
gennßbietenden  Vorführung.  Dabei  zeigte  sich 
wieder  Alfons  Schützendorf  als  ganz  hervor- 
ragender Wotan  und  gewann  die  Brfinnhilden- 
partie  durch  das  mehrmalige  Gastspiel  der  Hof- 
opemsingerin  Thila  Plaichinger  aus  Berlin 
an  Reiz.  Wagners  Todestag  wurde  besonders 
würdig  begangen,  indem  Ernst  von  Possart 
den  «Parsifal*  rezitierte,  woran  sich  die  Konzert- 
anfführung  des  Vorspieles,  des  Charfreitags- 
xaut>ers  und  Finales  (unter  solistischer  Mit- 
wirkung von  Kriften  unserer  Oper)  anschloß.  — 
Zur  Erstaufführung  gelangte  Verdi's  «Falstaff* 
und  zwar  in  geradezu  mustergültiger  Wieder- 
gabe. Da  war  Gustav  Waschow  ein  ausge- 
zeichneter Falstaff,  Schützendorf  ein  famoser 
Ford  und  zeigte  selbst  die  kleinste  Rolle  eine 
tadellose  Besetzung.  Wie  üblich,  kam  zur 
rheinischen  Karnevalszeit  dann  die  leichtge- 
schürzte Muse  der  Operette  ausgiebig  zur  Be- 
rücksichtigung. A.  Eccarius-Sieber 
FRANKFURT  a.M.:  Der  befdedigende  Verlauf 
eines  auf  Engagement  zielenden  Gastspiels 
von  Mizzi  Fink  vom  Wiener  Jubiliumstheater 
und  das  erste  Auftreten  unserer  bisher  nur  im 
jugendlich-drsmstischen  Fach  verwendeten  Frau 
Hensel- Schweitzer  sls  Fidelio  seien  kurz 
verzeichnet  Den  etwa  daraus  hervorgehenden 
Konsequenzen  wird  man  im  ersteren  Fall  mit 
Vertrauen  entgegensehen  dürfen,  falls  Frl.  Fink 
wenigstens  vorliuflg  bei  reinen  Soubretten partieen 
belassen  wird.  Das  zweite  Experiment  ist  ge- 
teilten Meinungen  begegnet;  auf  alle  Fille  würde 
es  verfrüht  scheinen,  etwa  eine  neue  Rollen- 
disposition darauf  zu  begründen. 

Hans  Pfeilschmidt 

HALLE  a.  S. :  Bisher  übte  die  »  Lustige  Witwe* 
in  unserem  Musentempel  eine  förmliche 
Schreckensherrschaft  Selbst  ihre  begeistertsten 
Verehrer  atmeten  erleichtert  auf,  als  sie  eines 
Tages  aus  dem  »Walzertraum*  erwachten.  Spit, 
doch  nicht  zu  spit  erschien  Eugen  d'Albert  als 
Hüter  des  Grals  mit  seiner  liebenswürdigen 
Lustspieloper  »Die  Abreise*  und  wirkte 
ordentlich  befreiend  auf  das  Gemüt  Herr 
Bergmann  bot  einen  prichtigen  »Gilfen*. 
Nicht  ganz  so  glücklich  traf  den  Lustspielton 
Sofie  Wolf;  Herr  Barr6  blieb  mit  seinem 
»Trott*  am  weitesten  zurück.  Kapellmeister 
Mörike  leitete  die  geschmackvoll  inszenierte 
Aufführung  mit  feinem  Stilgefühl. 

Martin  Frey 
UAMBURG:  Aus  dem  Stadium  des  »in  Vor- 
'^  bereitung*,  in  dem  sie  sich  seit  Jahren 
bei  uns  befanden,  sind  endlich  zwei  kleine  Opern 
hersQS  und  zur  Aufführung  gelangt:  Albert 
Gorters  »Süßes  Gift*  und  »Das  ewige 
Feuer*  von  Richard  Wetz.  Einen  Erfolg 
konnten  beide  Opern  nicht  erzielen.  Gorters 
Werk  deshalb  nicht,  weil  weder  die  viel 
SO  breite  und  in  possenhsften  Ulk  ausartende 
Hsodlongi    noch    die    sehr    nachempfundene. 


manchmal  witzige,  aber  im  ganzen  doch  un- 
ergiebige Musik  ein  dauerndes  Interesse  wach- 
halten konnten.  Wetz'  Oper  hatte  sehr  unter 
einer  völlig  ungenügenden  Aufführung,  die  mit 
Recht  einen  scharfen  Protest  des  Komponisten 
in  der  hiesigen  Tagespresse  zur  Folge  hatte,  zu 
leiden.  Man  hatte  das  doch  immer  hochgewollte, 
auf  vornehmsten  künstlerischen  Prinzipien 
basierende  Werk  hier  zunächst  zu  einem  Torso 
zusammengestrichen  und  die  Einstudierung  einem 
jungen,  unerfahrenen  Dirigenten  anvertraut,  der 
sich  der  nicht  leichten  Aufgabe  in  keiner  Weise 
gewachsen  zeigte.  Außerdem  hatte  man  die 
zweite  Garnitur  ins  Treffen  geschickt  und  damit 
von  vornherein  beim  Publikum  den  Verdacht 
wachgerufen,  daß  die  Direktion  selbst  an  einen 
Erfolg  kaum  glaube.  Daß  trotz  alledem  das 
Werk  einen  gewissen  Achtungserfolg  davontrug, 
spricht  dafür,  daß  der  verständigere  Teil  der 
Zuhörerschaft  sich  dessen  sehr  wohl  bewußt 
wurde,  daß  man  über  einen  Musiker,  wie  Wetz, 
mag  seine  Erstlingsoper  auch  noch  so  unbeholfen 
sein,  nicht  ganz  ohne  weiteres  zur  Tagesordnung 
übergehen  darf.  —  Als  einzig  angenehme 
Erinnerung  aus  der  Tätigkeit  unserer  Oper  bleibt 
eine  Aufführung  von  »Tristan  und  Isolde*  haften, 
die  zum  Benefiz  des  Kapellmeisters  Gustav 
Brecher  mit  Edith  Walker  und  Birrenkoven 
in  den  Titelpartieen  stattfand  und  erneut  Zeugnis 
dafür  ablegte,  welch  ganz  außerordentliche  Kraft 
unser  Institut  in  seinem  ersten  Kapellmeister 
besitzt  Heinrich  Chevalley 

HANNOVER:  Am  22.  Februar  ging  nach  fast 
31jihriger  Pause  Cornelius'  »Barbier  von 
Bagdad*  in  der  Königl.  Oper  neueinstudiert 
in  Szene.  Das  von  den  Herren  Kapellmeister 
Brück  und  Oberregisseur  Derichs  musikalisch 
wie  szenisch  mustergültig  vorbereitete  Werk 
wurde  in  der  vom  Komponisten  stammenden 
Originalfassung  —  also  nicht  in  der  Mottlscben 
Modemisation  —  gegeben  und  fand  gerade  in 
dieser  Originalgestalt  mit  ihrer  feinen,  dezenten 
Instrumentation  eine  überaus  herzliche  Auf- 
nahme. Die  Titelrolle  sang  und  spielte  Rudolf 
Moest  mit  der  diesem  ausgezeichneten  Künstler 
eigenen  vollendeten  Gesangs-  und  Charakte- 
risierungskunst Das  Liebespaar  Nureddin- 
Margiana  fand  durch  Franz  Battisti  und  Marga 
Burchardt  eine  vorzügliche  Vertretung,  und 
auch  die  Nebenrollen  waren  mit  den  Herren 
Hummelsheim  und  Bischof,  sowie  Frau 
Hammerstein  trefflich  besetzt  Wundervoll 
spielte  das  Orchester,  glanzvoll,  mirchenhaft 
schön  war  die  Ausstattung.  —  Vom  21.  bis 
25.  Januar  fand  hier  eine  zyklische  Aufführung 
von  Wagners  »Ring  des  Nibelungen*  statt, 
die  einen  derartigen  künstlerischen  und 
Kassenerfolg  hatte,  daß  noch  zwei  weitere 
folgen  sollen.  In  den  Hauptrollen  waren  die 
Damen  Thomas-Schwartz,  Rüsche- Endorf, 
Kappel,  Burchardt  und  Hammerstein,  so- 
wie die  Herren  Gröbke,  Bischof,  Moest, 
Hensel  aus  Wiesbaden,  um  Herrn  Gröbke 
zu  entlasten,  Hummelsheim,  Wilhelmy, 
Meyer  und  Rabot  titig.  Kapellmeister  Brück 
bewältigte  die  Riesenaufgabe,  dieses  Kolossal- 
werk innerhalb  fünf  Tagen  ohne  Strich  zu 
leiten,  mit  bewundernswerter  Energie  und  Frische, 
Vorzüge,  die  auch  der  Orchesterieistung  eigen 
waren.  L.  Wuthmann 


46 
DIE  MUSIK  VIL  13. 


mS30 


JOHANNESBURG:  Die  Oper  hat  in  unserer 
Stade  im  vergangenen  Jahre  rechte  Vemach- 
lissigung  erfihren.  Wheeler  ließ  aus  England 
uns  Operetteotruppen  kommen,  deren  Reper- 
toire das  minderwertigste  Genre  repräsentierte 
und  nur  den  fadesten  Geschmack  hefriedigen 
konnte.  Mehr  kGnstlerisches  Streben  zeigten 
Theateraufführungen  hiesiger  Dilettanten.  Diese 
hielten  sich  zwar  auch  an  leichte,  aber  doch 
etwas  wertvollere  Stfieke  wie  obengenannte. 
Mr.  Tressi  fährte  mit  seinen  Schülern  Sulli- 
van'sche  Operetten  auf,  sowie  Supp^'s  „Boccaccio**, 
und  auch  die  Deutschen  schwangen  sich  zu 
einer  gut  gelungenen  Aufführung  der  Zellerscben 
Operette  «Der  Vogelhindler*"  auf  und  wurden 
mit  Beifall  überschüttet. 

M.  von  Trützschler 

KARLSRUHE:  Als  wirkungsvolle  Novität 
brachte  die  Hofbühne  P  u  c  c  i  n  i's  «B  o  h  6  m  e". 
Puccini's  Tonsprache  besitzt  wirklichen  Kunst- 
wert und  übertrifft  die  seiner  Landsleute  Mas- 
cagni  und  Leoncavallo,  an  die  man,  wie  an 
Bizets  »Carmen*,  des  öfteren  erinnert  wird,  zwar 
nicht  an  dramatischer  Schlagkraft,  wohl  aber 
hinsichtlich  des  ganzen  Aufbaus,  des  Strebens 
nach  Einheitlichkeit  des  Stils  und  des  treffenden 
Ausdrucks,  der  in  der  geistreichen  Art  der  Ver- 
wendung prägnanter,  Personen  und  Situationen 
charakterisierender  Motive  gipfelt.  Manchmal 
berührt  die  musikalische  Ausdrucksweise  selt- 
sam; Sentimentalitit  und  Orchesterlirm  fehlen 
auch  nicht,  aber  als  Ganzes  betrachtet,  ist  die 
„Boh6me*  ein  effektvolles,  bühnenwirksames 
Werk.  Die  von  Dr.  Göhler  anregend  geleitete 
Aufführung  verlief  bei  vorzüglicher  Besetzung 
der  Hauptpartieen  mit  Hermann  Jadlowker 
rRudolpb),  Kithe  Warmersperger  (Mimi), 
GisellaTercs  (Musette)  und  Jan  vanGorkom 
(Marcel),  sowie  prächtiger  Ausstattung  sehr  ge- 
nußreich. —  Sigrid  Arnoldson  gastierte  in 
„Mignon*  und  „Romeo  und  Julia*  als  Vertreterin 
der  Titelpartieen  und  hinterließ  mit  der  geist- 
und  glanzvollen  Art  der  darstellerischen  und 
gesanglichen  Durchführung  starken  Eindruck. 

Franz  Zureich 

KÖLN:  Eine  Neueinstudierung  von  Aubers 
«Stumme  von  Ponici*  vermochte  nicht  den 
erhoffcen  vollen  Erfolg  zu  bringen,  da  einmal 
Albin  Trenklers  Leitung  eingehendere  Nüancie- 
rungen  und  das  für  dieses  Freiheitsdrama  wün- 
schenswerte Temperament  vermissen  ließ,  dann 
aber  die  Balletmeisterin  Fernande  Robertine 
sich  für  die  rührende  Gestalt  der  jugendlichen 
Fenella  nicht  geeignet  erwies,  Franz  Petter 
als  Masaniello  nur  bedingt  genügte,  Paul  Landry 
als  Prinz  schwach  war  und  schlielilicb  die  Regte 
bei  prichtigen  neuen  Dekorationen  einige  Fehl- 
griffe beging.  Trefflich  war  Tilmann  Liczewsky 
als  Pietro.  —  Als  Amneris  und  Fides  betätigte 
Marie  Mosel-Tomschik  von  Graz,  daß  sie 
sich  als  die  für  unsere  Oper  gesuchte  erste 
Altistin  nicht  qualifiziert.  —  Otto  Lohse  rief 
als  Interpret  der  teilweise  neu  besetzten  und 
demgemäß  neu  einstudierten  „Meistersinger* 
Bewunderung  wach  und  wurde  vom  Auditorium 
stürmisch  gefeiert.  Fesselnder  und  erfri- 
schender als  durch  Lohse  kann  ich  mir  aller- 
dings den  Geist  und  zumal  auch  den  Humor 
der  Vagnerschen  Partitur  nicht  ausgelegt  denken. 
Die  ausgezeichnete  Primadonna  unserer  Oper, 


Alice  Guszalewicz,  erzielte  neuerdings  mit 
ihren  glanzvollen  Darbietungen  als  Ortrud  und 
Donna  Anna  außerordentliche  Eindrücke.  Franz 
Naval,  der  erstmalig  hier  gastierte,  gewährte 
als  Romeo  und  Don  Jo86  erfreulichen  Ein- 
blick in  die  feine  und  aparte  Art  seiner  Kfinstler- 
schaft.  Paul  Hiller 

MAILAND:  Es  ist  unbegreiflich,  wie  die 
„Scala*  eine  Bum-bum-Oper  des  „grölten* 
Stils,  wie  Franchetti's  „Columbus*,  in  ihren 
Spielplan  aufnehmen  konnte.  P.  Amato  gab  die 
Titelpartie  zu  süß  und  zu  verzückt;  es  war  ein  Weib 
in  Manneskleidern.  —  Charpentier's  „Louise* 
ist  gewiß  ein  sehr  ernstes,  nicht  alltäglichea 
Produkt,  leidet  aber  unter  dem  Gegensatz  zwischen 
Handlung  und  Musik.  Eine  einfache  Familien- 
geschichte wird  gepaart  mit  schwerflüssiger 
Wagnerischer  Musik.  Die  Aufführung  unter 
Toscanini  mit  Alda  Francis,  F.  Girand, 
L.  Garibaldi  war  mit  Ausnahme  der  schleppen- 
den Tempi  gut  ^  Eine  glanzvolle  Leistung  bot 
E.  Burzio  als  Gioconda;  ihre  unbändige  Spiel- 
und  Singweise  kam  der  Rolle  sehr  zu  statten; 
auch  R.  Grassi,  Amato  und  die  Pietrat* 
schewska  waren  gut  am  Platze. 

Johann  Blnenbatim 

MAINZ:  Nachdem  mit  „Madame  Butterfly*  and 
„Rosalba*  bereits  zwei  italienische  Opem- 
komponisten  zu  Wort  gekommen,  entschloß  sieb 
die  Direktion  des  Stadttheaters,  nunmehr  mach 
dem  Werke  eines  deutschen  Meisters  bei  ans 
Heimatsrecht  zu  verschaffen.  Engend 'Alberte 
neueste  Oper  „Tragaldabas*  war  es,  die  in  treff- 
licher Besetzung  der  Hauptpartieen  unter  Kapell- 
meister Klausners  Leitung  erstmalig  in  Szene 
ging  und  einen,  wenn  auch  keineswegs  durch- 
schlagenden, so  doch  sehr  freundlichen,  für  den 
liebenswürdigen,  leider  in  letzter  Stunde  am  Er- 
scheinen verhinderten  Komponisten  höchst 
ehrenvollen  Erfolg  erzielte.  Die  Achillesferse 
des  Werkes  ist,  wie  so  häufig,  der  Text 
Die  mehrfiche  Aufeinanderfolge  der  gleichen 
Situationen,  der  teilweise  sehr  derbe,  den 
guten  Geschmack  verletzende  Dialog  und  noch 
manches  andere  haben  dem  Komponisten 
Schwierigkeiten  in  den  Weg  gelegt,  deren  er  nur 
sehr  unvollkommen  Herr  zu  werden  vermochte. 
Daß  d' Albert  sich,  wie  stets,  so  auch  in  seinem 
neuesten  Werke  als  feinfühliger,  gediegener 
Musiker  zeigt,  ist  wohl  selbstverständlich;  leider 
fließt  die  musikalische  Erflndung  so  schwach,  daß 
selbst  die  geistreiche  Behandlung  des  Orchesters 
darüber  nicht  hinwegzutäuschen  vermag.  —  An 
sonstigen  besonderen  Ereignissen  wäre  noch  zu 
erwähnen  ein  Gastspiel  von  Sigrid  Arnoldson 
als  Traviata,  zwei  vorzügliche  Vorführungen  der 
„Walküre*  und  „Götterdämmerung*  und  endlich 
die  25.  Aufführung  der  „Lustigen  Witwe*,  die 
jetzt  durch  Oskar  Straus'  „Walzertraum*  ein 
wenig  in  den  Hintergrund  gedrängt  wird. 

Fritz  Keiser 
\M  ONCHEN  :  Eine  Letztauffübrung  fand  Februar 
^^^  im  Hofheater  statt  —  Erstaufführung  dürfte 
ein  deplaziertes  Wort  sein  bei  einer  Sache,  die 
schon  über  fast  sämtliche  Opembühnen  Deutsch- 
lands gegangen  ist  — >  nämlich  die  von  Eugen 
d'  Alberts  „Tiefland*.  Da  Sie  schon  eine 
Reihe  von  Berichten  aus  anderen  Städten  erhalten 
haben,  dürfte  es  sich  erübrigen,  hier  nochmale 
näher  auf  das  Werk  selbst  einzugehen.    Dem 


47 
KRITIK:  OPER 


•P 


ReHerenten  persönlich  sagt  die  zu  einem  nicht 
immer  fibereeagenden  aber  gut  gemachten  Text- 
bach von  Rudolph  Lothar  geschriebene  Musik 
d'Aiberte  in  ihrer  Mischung  von  Wagnerscher 
I>nimatik,  italienischem  Verismus  und  —  man 
▼erzeihe  das  harte  Wort  —  Operettenaliiiren 
als  Ganzes  wenig  zu.  Was  ihr  berechtigten 
Erfolg  TerschaiTt,  ist  die  Geschicidichkeit,  mit 
der  sie  sich  allen  Erfordernissen  des  Librettos 
anpaßt,  die  Sicherheit  und  die  Schlagkraft  in  der 
melodischen  und  harmonischen  Zeichnung,  die 
feinsinnige  Instrumentation.  All  das  vermag,  be- 
sonders im  zweiten  Akt,  der  auch  weite  Strecken 
von  echter  und  wirklicher  Schönheit  enthilt,  Ober 
die  stilistische  Inkongruenz  der  musikalischen 
Bestandteile  und  ihren  manchmal  etwas  zweifel- 
haften Wert  sehr  wohl  hinwegzutiuscben.  Der 
Erfolg  war  groß  und  unbestritten,  dank  auch  einer 
ganz  vorzöglichen  Aufführung.  Pur  die  Martha 
dfirfte  schwer  eine  Besetzung  zu  finden  sein,  die 
den  ziemlich  gegensätzlichen  Anforderungen  der 
Rolle  vollkommen  gerecht  wird.  Prl.  Pass- 
bender arbeitete  die  tragische  Seite  der  Partie 
meisterhaft  aus  und  bot  auch  gesanglich  eine 
aasgezeichnete  Leistung.  Den  Sebastiane  sang 
Brodersen  mit  famoser  Charakteristik,  den 
Pedro  Hagen  ganz  überraschend  gut.  Als  Nuri 
zeichnete  sich  sehr  Frl.  Brunn  er  aus,  als 
Tommaso  und  Moruccio  die  Herren  Bender  und 
Lohfing.  Felmys  Nando  und  die  drei  neu- 
gierigea  Frauen  der  Damen  Koch,  Höfer  und 
V.  Fladung  vervollstindigten  entsprechend  das 
Ensemble.  Ausstattung  (Klein,  Buschbeck) 
and  Inszenierung  (Fuchs)  ließen  nichts  zu 
wfinschen  fibrig;  Qber  jedes  Lob  erhaben  war 
wieder  die  musikalische  Ausgestaltung  unter 
MottL  Dr.  Eduard  Wahl 

^EW  YORK:  Heinrich  Conried  wird  nach 
^^  Verlauf  dieser  Saison  nicht  mehr  «Manager* 
des  Metropolitan -Opernhauses  sein,  weil  seine 
Gesundheit  ganz  zerrfittet  ist.  Unter  ihm  haben 
»Parsifel«,  »Hinsei  und  Gretel«,  «Salome«, 
»Madama  Butterfly',  »Pedora*  ihre  erste  Auf- 
fQhrnng  erlebt;  im  ganzen  hat  er  mehr  für  die 
Italienische  als  für  die  deutsche  Oper  getan; 
die  fhmzösische  ist  von  ihm  fast  ganz  vernach- 
lisslgt  worden.  Man  baut  große  Hoffnung  auf 
die  neuen  Managers,  Gatti-Casazza,  der  seit 
fest  sehn  Jahren  die  Mailinder  Scala  verwaltet 
hat  und  Andreas  Dippel,  der,  seit  17  Jahren 
hier  als  Tenor  engagiert,  mit  den  hiesigen  Ver- 
hältnissen intim  vertraut  ist.  Gustav  Mab  1er 
wird  ihm  zur  Seite  stehen,  wihrend  Gatti- 
Casazza  seinen  Toscanini  mitbringen  wird. 
Wahracheinlich  wird  Alfred  Hertz,  der  seit 
einigen  Jahren  alle  Wagneropern  hier  dirigiert 
hat,  auch  bleiben.  Er  ist  ein  ausgezeichneter 
Wagnerinterpret,  nur  ist  unter  ihm  das  Orchester 
oft  zu  laut  und  er  weigert  sich,  die  hier  aus 
praktischen  Gründen  wünschenswerten  Striche 
zu  machen.  In  diesen  Punkten  hat  Mabler, 
zur  Oberraschung  des  Publikums  und  der  Presse, 
gleich  andere  Wege  eingeschlagen.  Er  paßt  sieb 
den  hiesigen  Verhiltnissen  auffallend  schmieg- 
sam an.  Besonders  haben  seine  «Don  Giovanni*- 
Auff&hrungen  Anklang  gefunden.  In  der  nichsten 
Saison  wird  der  .Oberen*  in  seiner  Bearbeitung 
gesungen  werden,  und  zwar  in  englischer  Sprache. 
—  Wihrend  Conried  die  französische  Oper  ver- 
nachlissigt,  hat  Hammerstein  im  Manhattan 


geradezu  eine  Spezialitit  daraua  gemacht 
Renan d  hatte  er  schon  letztes  Jahr;  dazu  hat 
er  vor  zwei  Monaten  den  „Stern"  der-  Opöra 
Comique  in  Paria,  die  schottisch-amerikanische 
Singerin  Mary  Garden,  engagiert;  die  beiden 
sind  seither  in  sieben  Aufführungen  von 
Massenet's  „Thais"  aufgetreten.  Durch  Mary 
Garden,  die  Bressler-Gianoli,  Dalmorea 
und  Gilibert  wurde  es  auch  möglich, 
Charpentier's  „Louise"  aufzuführen.  Mit  echt 
französischem  Esprit  gesungeh  und  gespielt,  hat 
die  Oper  einen  wirklichen  Erfolg  errungen.  Zur 
Abwechslung  bekamen  wir  dann  Giordano's 
„Siberia",  eine  italienische  Oper,  die  auch  ziem- 
lich gefallen  hat,  dank  verschiedenen  russischen 
Volksliedern,  die  der  Komponist  in  seine  Parti- 
tur eingeflochten  hat,  und  den  pittoresken  sibi- 
rischen Szenen,  die  den  Hintergrund  der 
Tragödie  bilden.  Nach  dieserOper  kam  endlich  eine 
Novitit,  auf  die  man  sehr  gespannt  war:  „Pelldaa 
und  M^lisande".  Diese  Debussy'sche  Oper 
war  vorher  nur  in  Paris,  Brüssel  und  Frankfurt 
aufgeführt  worden.  Hammerstein  war  klug  ge- 
nug, einzusehen,  daß  ein  so  außerordentlich 
schwieriges  und  eigentümliches  Werk  nur  durch 
eine  vollendete  und  echt  französische  Auf- 
führung gelingen  könne;  er  importierte  daher 
fast  die  ganze  Originalbeaetzung  (Mary  Garden 
hatte  er  schon),  und  die  Oper  wurde  wirklich 
ganz  musterhaft  herausgebracht  Ob  sie  hier 
populir  werden  wird,  ist  sehr  zweifelhaft.  Eine 
Oper,  aus  der  die  Melodie  absichtlich  sowohl 
im  Gesang  wie  im  Orchester  verbannt  ist,  hat 
hier  keine  Aussicht.  —  Neben  der  französischen 
Oper  hat  Hammerstein  noch  die  sehr  profltable 
Tetrazzini,  die  mit  ihrem  hohen  Koloratur- 
gesang hier  gerade  wie  in  London  Furore  ge- 
macht hat.  Henry  T.  Finck 
PARIS:DieKomischeOper  verdient  weniger 
als  je  ihren  althergebrachten  Namen,  denn 
die  beiden  Neuheiten,  die  sie  uns  am  26.  Februar 
bot,  gehören  dem  Stoff  und  der  Musik  nach  zum 
Schwirzesten,  das  sich  denken  lißt.  Im  Übrigen 
war  der  Unterschied  sehr  groß,  denn  der  Ein- 
akter „Ghyslaine*  von  Marcel  Bertrand  nach 
einem  Textbuch  von  Guiches  und  Frager  ist 
eine  völlig  unreife  Anfingerarbeit,  wihrend  „La 
Habanera"  von  Raoul  Laparra,  dem  ersten 
Rompreise  von  1903,  nicht  nur  große  technische 
Fertigkeit,  sondern  auch  bemerkenswerte  Spuren 
von  Originalitit  aufweist.  Raoul  Laparra  ist, 
wie  Charpentier,  mit  dem  er  sich  offenbar  am 
nichsten  berührt,  sein  eigener  Textdichter.  Er 
erhebt  sich  sogar  bis  zum  Verseschreiben  und 
tat  sehr  gut  daran,  so  dürftig  Verse  und  Reime 
auch  sein  mögen,  denn  der  Versrhythmus  kommt 
der  Musik  doch  viel  mehr  entgegen,  als  derjenige 
der  Prosa.  Als  Musiker  ist  Laparra  vor  allem  für 
klaren  energischen  Ausdruck  der  dramatischen 
Stimmung  und  für  Bevorzugung  des  melodischen 
Elements,  nicht  nur  im  Orchester,  sondern  sogar 
in  den  meist  sehr  gut  bebandelten  Sing- 
stimmen. Er  wird  sich  darauf  gefaßt  machen 
müssen,  von  den  Dindysten,  Debutsysten  und 
Ravellisten  als  Reaktionir  verschrieen  zu  werden. 
Wie  Charpentier  in  der  „Louise",  so  ist  auch 
Laparra  von  einem  Tagesereignisse,  dem  er  zu- 
fillig  beiwohnte,  ausgegangen.  Am  Hochzeitstage 
ermordet  der  eifersüchtige  Bruder,  ein  derber 
Bauer  Altkastiliens,den  Briutigam,  ohne  als  Titer 


48 
DIE  MUSIK  VII.  la. 


entdeckt  zu  werden.  Er  schwört  selbst  an  der 
Leiche  Rache.  Ein  Jahr  später  ist  er  auf  dem 
Punkte,  das  junge  Midcben,  das  nun  ihn  liebt, 
zu  heiraten,  aber  das  Gespenst  des  Ermordeten 
erscheint  ihm  und  befiehlt  ihm,  der  Braut  seine 
Schuld  zu  gestehen,  wenn  er  nicht  wolle,  daß  er 
sie  ins  Grab  nach  sich  ziehe.  Der  sehr  kurze 
dritte  Akt  spielt  auf  dem  Grabe  des  Ermordeten. 
Der  Mörder  macht  vergebliche  Anstrengungen,  das 
verhingnisvolle  Wort  auszusprechen,  aber  das 
Jahr  verrinnt  ungenützt  und  die  Braut  sinkt 
entseelt  nieder.  Er  entflieht  in  die  Dunkelheit,  die 
auch  seinen  Geist  umfangen  hat.  ,»La  Habanera* 
heißt  dieses  grausige  Stück  düsteren  Volkslebens, 
weil  zur  Zeit  des  Mordes  vor  dem  Hause  der  Brüder 
dieser  Tanz  aufgespielt  wird,  den  das  Brautpaar 
zusammen  eröffnen  wollte.  Die  Gewissensbisse 
des  Mörders  und  die  wehmütigen  Erinnerungen 
des  Mädchens  führen  immer  wieder  auf  das 
Motiv  dieser  Habanera  zurück,  die  Laparra  eigens 
so  gebildet  hat,  daß  sie  sich  leicht  den  düstersten 
Harmonieen  und  Orchesterwirkungen  anbequemt. 
Ein  neuer  Bariton  namens  S6veilhac,  der 
prächtige  Stimmittel  mit  dem  Talent  eines 
echten  Tragöden  verbindet,  Frl.  Dem e liier, 
die  namentlich  durch  den  Timbre  ihres  Mezzo- 
soprans bestrickt,  und  der  als  Opfer  weniger 
begünstigte  Tenorist  Salignac  brachten  eine 
hervorragende  Aufführung  zustande,  aber  fast 
noch  größer  war  das  Verdienst  des  ungemein 
energischen  Dirigenten  Ruhlmann  und  der 
kunstsinnigen  Ausstattung  des  Direktors  Albert 
Carr6.  Nach  dem  bunten  Sevilla  der  «Carmen* 
wurde  uns  hierein  fast  ganz  in  Schwarz  getauchtes 
Kastilien  geboten,  wo  die  Braut  selbst  am 
Hochzeitstage  nur  durch  ein  weißes  Brusttuch 
die  schwarze  Seide  aufzuhellen  wagt 

Felix  Vogt 

PRAG:  Das  deutsche  Theater  hat  mit  der 
Uraufführung  von  Karl  La  fites  Volksoper 
,»Das  kalte  Herz*  eine  Niete  gezogen.  Der 
Textdichter  (Hoernes)  und  der  Komponist  wett- 
eifern in  Undramatik;  das  freundliche  lyrische 
Talentchen  des  Musikers  war  dem  dämonischen 
Stoffe  Hauffs  nicht  im  entferntesten  gewachsen. 
—  Interessant  war  ein  Gastspiel  von  Alvarez, 
der  als  ]o%€  nur  stellenweise  wirkte,  hingegen 
als  Prophet  eine  hochbedeutende  Leistung  bot. 
Ja,  so  müssen  diese  Opern  gesungen  werden, 
wenn  sie  Eindruck  machen  sollen.  Da  lernt 
man  erst,  was  Meyerbeer  wollte  und  —  konnte. 
Eine  Festvorstellung  des  ^^Don  Juan*  zur 
25.  Gründungsfeier  des  deutschen  Theatervereins 
mit  Soomer  in  der  Titelrolle  bewies  leider, 
daß  man  dieses  Werk  auch  in  der  Stadt,  für  die 
es  geschrieben  ist,  nicht  mehr  stilgerecht  auf- 
führen kann.—  Der  Wagnergedenktag  wurde 
vom  Theater  auf  besondere  Weise  begangen. 
An  ein  Wagnerkonzert  schloß  sich  ein  Festspiel 
(vom  Unterzeichneten),  das  eine  wichtige  Episode 
aus  Wagners  Leben  behandelte  und  in  dessen 
Kontext  der  zu  Gast  geladene  Josef  Kainz 
als  Richard  Wagner  den  Entwurf  »Wieland 
der  Schmied*  las.  Natürlich  ging  es  da  hoch 
her.  —  Im  tschechischen  Nationaltheater 
feierte  die  Destinn  während  eines  längeren 
Gastspiels  Triumphe.  Eine  große  Balletpanto- 
mime  ,»Von  Märchen  zu  Märchen*  mit 
Musik  von  Nedbal  erwies  sich  bei  vorzüglicher 
Aufführung  als  ein  Treffer  und  wird  gewiß  den 


Weg  ins  Ausland  finden.  Der  Stoff  ist  zum  Teil 
höchst  originell,  die  Musik  farbenreich,  schlag- 
kräftig, melodiös.  Dr.  Richard  Batka 
ST.  PETERSBURG:  An  der  Kaiserlichen  Hof- 
oper gab  es  ein  gewissermaßen  sensationelles 
Ereignis.  Zum  wohltätigen  Zweck  gelangte  die 
Operette  ,»Die  lustige  Witwe*  mit  ersten  Hof- 
theaterkräften und  anderen  Koryphäen  zur  Auf- 
fuhrung. Das  gab  einen  seit  langem  nicht  er- 
lebten Kassensturm  trotz  der  fabelhaft  erhöhten 
Preise.  Ferner  brachte  die  Hofoper  die  mehr- 
fach verschobene  Aufführung  der  Oper  »Nal 
und  Damajanti*  von  Anton  Arensky.  Das 
Textbuch  ist  von  Modest  Tschaikowsky  be- 
arbeitet. —  In  der  Privatoper  im  großen  Saale 
des  Konservatoriums  nimmt  vor  der  Hand  Maria 
Gay  das  ganze  Interesse  des  Publikums  in  An- 
spruch. Bernhard  Wendel 
TRIER:  In  der  Woche  vom  18.-23.  Februar 
ist  hier  ,»Der  Ring  des  Nibelungen* 
zum  erstenmal  und  zwar  geschlossen  zur  Auf- 
führung gekommen.  Viele  ängstliche  Gemüter 
standen  diesem  Unternehmen  sehr  skeptisch 
gegenüber,  zumal  die  Aufführung  nur  mit  eigenen 
Kräften,  ohne  Hinzuziehung  auswärtiger  Solisten 
in  Szene  gesetzt  werden  sollte.  Aber  das  Werk 
ist  in  jeder  Beziehung  in  hervorragender  Weise 
gelungen  und  zwar  sowohl  gesanglich  wie  dar- 
stellerisch und  in  der  Ausgestaltung  der  Szenerie, 
die  für  einzelne  Teile  des  »Ring*  mit  bedeutendem 
Kostenaufwand  von  der  Kunstanstalt  Professor 
Lütkemeyer,  Koburg,  in  stilgerechter  Weise  an- 
gefertigt war.  Vor  allem  ist  anzuerkennen,  daß 
Direktor  Heinz  Tietjen,  der  den  »Ring*  selbst 
inszenierte  und  dirigierte,  die  Aufführungen  auf 
eine  Höhe  brachte,  daß  sie  sich  getrost  den 
Aufführungen  an  bei-  weitem  größeren  und 
bedeutenderen  Bühnen  ebenbürtig  zur  Seite 
stellen  können  und  in  der  Chronik  Triers  ganz 
gewiß  einen  hervorragenden  Platz  einnehmen 
werden.  Die  Darsteller  haben  sämtlich  ihre 
Partieen  ausgezeichnet  durchgeführt.  Ganz 
besondere  Anerkennung  verdienen  die  wunder- 
vollen Leistungen  von  Frl.  Steyer  (Pricka  im 
»Rbeingold*  und  die  Brünnhilden),  sowie  die 
Herren  Reed  (Froh,  Siegmund  und  beide  Sieg- 
friede), der  seine  Riesenaufgabe  glänzend  bestand, 
und  Arnim  (Wotan,  Wanderer  und  Günther),  der 
ebenfalls  mit  großer  Verve  seine  Partieen  wieder- 
gab. Auch  die  Damen  Ravn  (Freie,  Sieglinde  und 
Gutrune),  Kuntze  (Pricka  in  der  »Walküre*  und 
Erda),  Kuntze,  Dalvarezzo  und  Kunkel 
(Rheintöchter)  und  die  Herren  Dlabal  (Fafber, 
Hundingund  Hagen),  Platz  (Alberich),  Berheine 
(Mime),  Maiden  (Loge),  Pöppel  (Fasolt)  und 
Huber  (Donner)  waren  würdige  Vertreter  ihrer 
Partieen.  'AugustusDay 

WIEN:  In  der  Hofoper  d'Albert*s  »Tief- 
land*. Mit  jener  Wirkung,  die  das  Werk 
bisher  auf  den  meisten  Bühnen  erzielt  hat. 
Eine  Wirkung  des  Lotharschen  Textes  haupt- 
sächlich, dessen  grelle  Kraßheit  genügend  auf 
die  Nerven  geht,  um  dramatische  Spannung 
vorzutäuschen.  Und  kaum  eine  der  Musik,  die 
freilich  auch  nur  dann  möglich  gewesen  wäre, 
wenn  ein  wirklicher  Schöpfer  diesen  drama- 
tischen Inhalt  in  Töne  umsetzt,  —  in  schmerz- 
lich ursprüngliche,  aus  Not  und  Tumult  heraus- 
geborene Akzente,  die  den  groben  äußerlichen 
Vorgang  ins  Bereich  des  Menschlichen  rücken 


49 
KRITIK:  KONZERT 


und  seelische  Beziebungeii  und  Mö(elicbkeiten 
herstellen,  die  den  Hörer  mit  einem  GefQhl  des 
Miteriebens  und  nicht  nur  des  Mitansebens  um- 
stricken. Wird  Aber  keine  solche  Musik  dazu 
gemacht,  so  ist  es  auch  ganz  gleicbgfiltig,  welche 
Klinge  all  diese  Vorginge  begleiten:  es  ist  jede 
recht,  weil  das  bloße  Dazu-ertönen,  das  rein 
sinnliche  Klingen  genfigt,  um  den  gewünschten 
Effekt  hervorzubringen,  der  dann  allerdings  nie 
zum  dramatischen  vordringt,  sondern  im  iußer- 
lich-sensationellen  stecken  bleibt.  Leider  ist 
d'Alberts  Musik  von  dieser  Art;  außerordentlich 
gewandt,  genau  nach  bewibrtem  Rezept  im 
Treffen  der  Stimmung,  durchaus  klug  und  zu- 
meist mit  Geschmack  enge  dem  Szenischen 
angeschmiegt,— aber  verdrießlich  in  dieser  bloßen 
Fertigkeit,  die  alles  Innerliche  und  Ergriffene 
verweht  und  in  dessen  buntscheckigem,  aus 
Wagnerschen  und  jungitalienischen  Einflüssen 
gemischtem  Stil  sogar  nichts  Persönliches  liegt. 
Nirgends  eine  Spur  jener  Eigenart,  die  den 
SchöpfSer  der  „Abreise*  wert  gemacht  hat.  Die 
Anfr&hrung,  unter  Schalks  Leitung,  ist  ganz 
vortrefflich:  die  Gut  heil -Seh  od  er  erschütternd 
in  ihrer  gemarterten  Leidenschaftlichkeit, 
Schmedes  erfrischend  in  treuherzig  un- 
geschickter Natürlichkeit,  Demuth  überzeugend 
in  zwingender  Brutalitit.  Trotzdem  und  trotz 
alles  Erfolges  ein  betrübendes  Geffibl,  einen 
Tondichter,  von  dem  man  neue  Gestaltungen 
in  eigenster  Art  erwarten  durfte  und  auf  dem 
Gebiet  des  Musiklustspiels  hoffentlich  noch  er- 
warten darf,  jetzt  auf  den  Wegen  einer  Routine 
zu  sehen,  die  es  ihm  bald  ermöglichen  könnte, 
als  fachkundiger  Experte  eine  „Schule  der  Ge- 
liuflgkeit  im  Opemkomponieren*  herauszugeben. 
—  In  der  Volksoper  eine  NeuauffQbrung  von 
Heubergers  „Opemball^  Die  Vorstellung 
zum  größten  Teil  sehr  hübsch:  Emmy  Petko  als 
Henry  sehr  zierlich,  Grete  Freund  als  Hortense 
und  Anna  v.  Kellersperg  sehr  angenehm, 
Herr  H  o  f  b  a  u  e  r  ein  heiter  überzeugender,  manch- 
mal wohl  ein  wenig  zu  chargierter  Provinzler, 
wihrend  Fri.  Ritzinger  versagt  und  Dr.  Körte 
stimmliöh  und  gesanglich  unmöglich  und  in  der 
Haltung  bestenfalls  schablonenhaft  ist.  Das  Werk 
selbst  dagegen  reizvoller,  frischer,  vornehmer 
wirkend  als  je.  Die  geistreichste  Musikkomödie 
dieser  Art  neben  der  „Fledermaus*,  funkelnd 
von  Witz,  ziervoll  in  der  Erfindung,  über- 
schiumend  von  musikalischem  Mutwillen.  Der 
wertvollste  Wegweiser  ins  Operettenland  der 
Zukunft.  Richard  Specht 

ZÜRICH:  Es  war  mir  nicht  vergönnt,  den  Dar- 
bietungen der  Zürcher  Oper  immer  zu  folgen 
Aber  was  ich  hin  und  wieder  hörte,  trug  den 
Stempel  guter  szenischer  Ausarbeitung  und 
gewissenhafter  musikalischer  Titigkeit.  Zum 
„Benefiz*  des  verdienten  Kapellmeisters  Lotbar 
Kempter  hatte  man  zur  „Versunkenen 
Glocke*  Heinrich  Zoellners  gegriffen.  Wabr- 
scheinlich  in  Ermangelung  anderer  guter  und 
hier  noch  nicht  gehörter  neuerer  Opern.  Die 
Auffuhrung  brachte  indessen  keinen  Erfolg.  Wie 
die  der  meisten  Wagner-Epigonen,  so  erfuhr 
auch  Zoellners  ehrliche,  aber  doch  nicht  ganz 
flfissige  Musik  eine  ziemlich  laue  Aufnahme.  — 
Nach  wie  vor  dfirfen  die  Darstellungen  Wagner- 
scher Tondramen  als  Zentrum  des  Spielplans 
gelten«    In  einer  musikalisch  durchaus  tadel- 

VIL  la 


losen  „Tristan*-Auffuhrung  hatte  man  neuerdings 
Gelegenheit,  die  Bfihnensicherheit  und  Wagner^ 
begabung  Nanny  Zoders  kennen  zu  lernen. 
Die  Künstlerin,  die  in  der  nicbsten  Spielzeit  in 
Dresden  sein  wird,  dfirfte  sich  bald  in  Deutsch- 
land unter  den  Isolden  vorteilhaft  bemerkbar 
machen.  Herr  M  e  r t  e  r,  derzeit  der  einzige  unter 
unseren  Tenören,  der  ernstlich  ffir  solche  Partieen 
in  Betracht  kommt,  sang  den  Tristan  mit  viel 
Verstindnis  und  Fleiß.  Zur  Durchführung  in 
Spiel  und  Stimme  fehlt  es,  wie  bei  Siegfried, 
an  der  großen  Heldenbewegung  und  am  grofi^n 
Organ,  eine  Feststellung,  mit  der  der  kfinst- 
lerische  Wert  der  Leistung  nicht  herabgesetzt 
sein  soll.  Viel  Freude  machen  unsere  Anfinger: 
Erich  Klinghammer,  ein  lyrischer  Bariton 
mit  schönen  ausgeglichenen  Stimmitteln  und 
ausgesprochener  musikalischer  Begabung,  FrL 
von  Fangh,  eine  Altistin,  und  FrL  von  Farn- 
holz, eine  Koloratur-Soubrette  mit  selten 
graziösem  Vortrag  und  ausgezeichneter  gesang- 
licher Schulung.         Dr.  Hermann  Kesser 

KONZERT 

AMSTERDAM:  Nach  der  glinzenden  ersten 
Tournee  des  Sevcik-Quartetts  konnte  un- 
mittelbar darauf  eine  zweite  mit  dem  gleichen  Er- 
folge stattfinden.  Im  ersten  Konzert  in  Amsterdam 
bescherte  Julius  Röntgen  seinen  zahlreichen 
Freunden  ein  neues  Werk,  ein  vornehmes  Kla- 
vierqutntett  in  einem  Satz,  das,  vom  Kom- 
ponisten und  den  vier  jungen  Böhmen  in  hin- 
reißender Weise  zur  Geltung  gebracht  wurde« 
Das  Abscbiedskonzert  des  Sevcik-Quartetts  im 
Hollindischen  Theater  brachte  als  Überraschung 
das  erste  Auftreten  einer  ganz  jungen  nieder^ 
lindiscben  Singerin,  FrL  Fannieila,  die,  im 
Besitz  glinzender  Stimmmittel,  durch  ihren 
temperamentvollen  Vortrag  von  Liedern  von 
Carissimi,  Tournemire,  Schubert  und  Schumann 
einen  grolien  Erfolg  davontrug. — Stunden  reinsten 
Genusses  brachten  dieMesschaert-Röntgen- 
und  Flesch- Röntgen- Konzerte.  Mit  großem 
Erfolge  konzertierten  femer  Julia  Culp  und 
die  alten  Böhmen.  —  In  den  Abonnemenits- 
konzerten  des  Concertgebouw  traten  als  Solisten 
auf:  Hermine  Bosetti  —  prachtvolles  Organ, 
aber  kalt  lassend  —  und  die  warmblütige  Pianistin 
Marie  Panthds.  --  Ein  neues  Niederlindisches 
Vokal- Quartett,  bestehend  aus  den  Damen 
van  der  Linde,  vandenHeuvel  und  Schi er- 
beek,  sowie  den  Herren  van  Schalk  und  van 
Oort  stellte  sich  vor,  dessen  Leistungen  durch 
größeres  Einanderanpassen  noch  gewinnen 
werden.  Hans  Augustin 

ANTWERPFN:  Im  Konzertsaal  ging  es  ver- 
hiltnismißig  ruhig  zu.  Solistenkonzerte 
fehlen  fast  ganz.  Die  Gesellschaft  „Nieuwe 
Concerten*  verschaffte  uns  den  Genul^  das 
famose  Brüsseler  Quartett  aufs  neue  zu  be 
wundem.  Ganz  besonders  interessierte  Debussy's 
Quartett  in  G-dur,  dessen  letzter  Satz  durch 
orchestrale  Kraft  von  großer  Wirkung  ist.  Das 
dritte  Abonnementskonzert  derselben  Gesell- 
schaft bot  unter  der  kundigen  Leitung  Mortel- 
man's  einen  genußreichen  Abend.  Strauß' 
„Tod  und  Verklirang*  wurde  wie  vor  zwei 
Jahren  dankbarst  aufgenommeiL  In  diesem 
Konzert  begrüßte  man  als  Klaviervirtuosin  eine 

4 


m 


50 
DIE  MUSIK  VII.  13. 


alte  Bekannte,  Anna  Falk,  die,  als  Friulein 
Mehlig  vor  Jahren  eine  Zierde  der  deutschen 
KonzertsilCy  bis  heute  ihre  bedeutende  Kunst 
sich  erhalten  bat,  und  der  der  volle  Tbeatersaal 
mit  Recht  jubelnde  Anerkennung  zollte. 

A.  Honigsheim 
DASEL:  Unsere  letzten  Symphoniekonzerte 
*^  brachten  unter  Hermann  Suters  an  feuernder 
Leitung  neben  bewährtem  Altem  verschiedene 
neuere  und  neueste  Werke.  Max  Regers 
^»Variationen  und  Fuge  über  ein  Thema  von 
J.  A.  Hiller*,  die  der  Komponist  selbst  dirigierte, 
fanden  beim  Publikum  eine  verständnisvolle  Auf- 
nahme, während  die  Wiedergabe  von  Brückners 
,»Neunter*,  mit  ihrem  langfädigen  Adagio,  zwar 
freundlich,  aber  mitKopfschütteln  quittiert  wurde. 
Einen  sehr  starken  Erfolg  hatte  Hugo  Wolfs 
«Penthesilea*  und  ebenso  Hans  Hubers  dritte 
(Heroische)  Symphonie,  die  vor  einigen  Jahren 
hier  ihre  erste  Aufführung  erlebte.  Ferner  sind 
Charpentier's  «Impressions  d'Italie*  zu  er- 
wähnen und  eine  meisterhafte  Interpretation  des 
»Till  Eulenspiegel*  von  Strauß,  dessen  Werke, 
dank  Suters  intimer  Vertrautheit  mit  ihnen,  in 
Basel  immer  festeren  Boden  fassen.  Von  den 
mitwirkenden  Solisten  nenne  ich  neben  Erika 
Wedekind  die  Herren  Ernst  von  Dohnänyi 
und  Felix  Senius.  Die  beiden  Letztgenannten 
betraten  zum  ersten  Male  unser  Podium,  und 
beide  wurden  mit  stärkstem  Beifall  ausgezeichnet. 
Zum  Schlüsse  sei  noch  auf  ein  a  cappella  Konzert 
des  Basler  Gesangvereins  hingewiesen,  der 
Siegmund  von  Hauseggers  «Requiem*  für 
achtstimmigen  Chor  in  den  weiten  Räumen 
unseres  Münsters  zu  schöner  Wirkung  brachte. 

Dr.  H.  Stumm 

BERLIN:  Für  sein  drittes  Abonnementskonzert 
hatte  Siegfried  Ochs  mit  seinem  Philharmoni- 
schen Chore  vier  Bach  sehe  Kirch  enkan  taten 
einstudiert,  war  aber  durch  Abssge  des  durch 
Krankheit  verhinderten  Pf  ofessors  Messchaert  ge- 
zwungen worden,  mit  seinem  Programm  noch 
im  letzten  Augenblick  eine  Änderung  vor- 
zunehmen, d.  h.  statt  der  zwei  neueinstudierten 
andere,  früher  schon  gebrachte  Kantaten  zu 
wiederholen.  «Ihr  werdet  weinen  und  heulen*, 
«Christ  lag  in  Todesbanden*,  «Es  erhub  sich 
ein  Streit*,  «Nun  ist  das  Heil*,  diese  vier 
Werke  wurden  gesungen,  und  dazwischen  trug 
noch  George  Walter  die  Bachsche  Arie  «Seht, 
was  die  Liebe  tut*  vor.  Für  die  treffliche 
Disziplin  der  Sängerschsr  legte  der  Erfolg  des 
Abends  ein  glänzendes  Zeugnis  ab;  so  sicher 
fühlt  sich  der  Dirigent  seines  Chores,  sobsld 
es  auf  früher  einstudierte  Bachsche  Musik  an- 
kommt, daß  er  getrost  es  wagen  kann,  ohne  neue 
eingehende  Proben  sein  Programm  zu  ändern. 
Im  Sopran  wiikte  als  Solistin  Anna  Kaempfert, 
im  Alt  Gertrud  Fischer- Maretzki  mit;  auf 
der  Orgelbank  ssß  Musikdirektor  Irrgang.  — 
Den  letzten  Symphonie-Abend  der  König- 
lichen Kapelle  dirigierte  statt  des  aus- 
gebliebenen Weingartner  wieder  Robert  Laugf. 
Zwischen  Weingartner  und  der  Königlichen 
Intendanz  ist  der  Streit  jetzt  so  akut  geworden, 
daß  nur  noch  das  Schiedsgericht  zwischen  Recht 
and  Unrecht  zu  entscheiden  hat.  Zu  beklagen 
ist  es,  daß  es  dahin  hat  kommen  können. 
Das  Programm  enthielt  die  «Domestica*  von 
Richard  Strauß,  Webers  .Freischütz*-Ouvertüre 


und  Beethovens  «Siebente*.  Des  schwierigeo 
Straußseben  Werkes  zeigte  sich  Laugs  vollständig 
Herr,  die  verwickelte  Thematik  kam  durchaus 
klar  heraus.  Auch  die  Einleitung  der 
Beethovenschen  Symphonie  erfreute  durch  die 
straffe  Herausarbeitung  des  rhythmischen  Ele- 
mentes. Am  wenigsten  gefiel  mir  die  Webersche 
Ouvertüre,  der  es  an  Schwung  in  der  Ausführung, 
fehlte,  wie  denn  Überhauptes  Laugs  an  poetischer 
Empfindung  zu  mangeln  scheint.  Technisch  als 
Dirigent  steht  er  sicher  seinen  Mann.  —  Felix 
Nowowiejski,  ein  junger  Musiker,  der  bisher 
viel  Glück  im  Erobern  von  Konkurrenzpreisen 
gehabt  hatte  (den  großen  Meyer  beer- Staatspreis 
von  4500  Mark  hat  er  sogar  zweimal  gewonnen),, 
gab  mit  dem  Philharmonischen  Orchester, 
einem  Männer-  und  Frauenchor  und  Frau 
Geller-Wolter  als  Solistin  einen  Kompositions-^ 
abend.  Eine  Ouvertüre  «Polnische  Brautfahrt*, 
eine  Phantasie  für  Orchester  und  Orgel,  eine 
Symphonie  in  h-moll,  Lieder,  kleine  Chöre 
geistlichen  und  weltlichen  Inhalts  standen  auf 
dem  Programm.  Ein  gewisses  Geschick,  wohl- 
klingend zu  setzen,  soll  anerkannt  werden;  aucli 
als  Dirigent  zeigte  sich  der  Komponist  hin* 
reichend  gewandt.  Dem  Inhalt  nach  aber  war 
nicht  viel  wirkliches  Talent  zu  spüren,  überall 
hörte  man  viel  Bekanntes,  wenig  Eigenes.  In  der 
Symphonie  befremdete  geradezu  der  Mangel  an 
thematischer  Entwickelung;  auch  hier  nichts  al» 
leeres  Phrasengeklingel.  —  Felix  Mottl  dirigierte 
in  der  Philharmonie  ein  großes  Konzert  an  der 
Spitze  der  Philharmoniker,  die  übrigens  metk-^ 
würdig  schwach  in  der  Anzahl  auf  dem  Podium 
saßen.  Von  Beethoven  die  «Egmont*- Ouvertüre 
und  die  Eroica,  von  Wagner  das  «Tristan*- Vorspiet 
mit  Isoldens  Liebestod  und  die  «Tannhäuser*- 
Ouvertüre  bildeten  den  Inhalt  des  Programms. 
Wer  gehofft  hatte,  in  letztgenanntem  Werke  den 
Schluß  einmal  ohne  «Nikisch-Hörner*  zu  hören, 
wurde  enttäuscht.  Sonst  aber  zeigte  sich  der 
Dirigent  als  Meister  des  Taktstockes;  Kraft  und 
Energie  des  Ausdrucks,  feine  Nuancen  im 
Schattieren  der  Dynamik  wie  des  Zeitmaßes, 
Schwung,  völlige  Hingabe  an  den  poetisch- 
musikalischen Inhalt  der  Tondichtungen,  dabei 
eine  männliche  Schlichtheit,  die  sich  nicht  ins 
kleinliche  Pointieren  einließ,  erfreuten  die  zahl- 
reich erschienenen  Hörer,  die  dem  Dirigenten 
zum    Schluß   stürmische  Ovationen    bereiteten» 

E.  £.  Taubert 
Recht  mäßig  war  das  Programm  des  neunten 
Philharmonischen  Konzerts:  Arthur 
Nikisch  kümmerte  sich  wieder  einmal  gar 
nicht  darum,  daß  junge  Talente  das  Recht  haben,, 
gehört  zu  werden.  Er  servierte  uns  die  bekannte 
B-dur  Symphonie  von  Haydn,  das  Tannhäuser- 
Bacchanal  und  das  Meistersinger- Vorspiel  und  als 
Novität  Tschaikowky's  1873  entstandene,  durch 
Shakespeare  angeregte  Phantasie  «Der  Sturm*, 
deren  Bestes  in  der  zweimaligen  Schilderung  der 
ruhigen  Wellenbewegung  des  Meeres  besteht, 
während  der  eigentliche  Sturm  schwächlich  aus» 
gefallen  ist.  Bei  aller  Verehrung  für  den  großen 
Russen  kann  ich  den  «Sturm*,  in  dem  die  Liet>et- 
szene  zwischen  Fernando  und  Miranda  ziemlich 
süßlich  gehalten  ist,  nicht  gerade  bedeutend 
finden.  Nikisch  hätte  uns  lieber  die  hier  noch  völlig 
unbekannte  erste  Symphonie  Tschaikowsky's 
spenden  sollen.   Solist  des  Abends  war  der  viel- 


WL 


51 
KRITIK:  KONZERT 


fach  übertchitzte  Geiger  Jacques  Tbibaad,  der 
Bruchs    erstes    Konzert    spielte.   —    Ein    ent- 
schiedenes Verdienst  erwarb  sieb  die  Gesell- 
schaft  der  Musikfreunde,   indem   sie  auf 
Berlioz*  Phantastische  Symphonie  deren  Fort- 
setzung, den  ,Lelio*y  hier  erstmalig  auffuhren 
Heß.    Unsere  Leser  entsinnen  sich  wohl,  daß 
Richard  Stemfeld  im  9.  Bande,  S.  377  fr.,  f&reine 
szenische    Auffuhrung    dieses    eigentumlichen 
▼erkes,  von  dem  hier  nur  Bruchstücke  durch 
Karl  Klindworth  aufgeführt  worden  waren,  ein- 
getreten   ist    und   speziell   seine   Anregung  — 
leider  Tergeblicb   —  an  Weingartner  gerichtet 
hatte.  Leider  ließ  sich  die  szenische  Aufführung 
in  der  Philharmonie  nicht  ermöglichen.    Aber 
auf  jeden  Fall  war  auch  die  konzertmißige  Auf- 
f&hmng  eine  musikalische  Tat,  die  dem  Diri- 
genten Oskar  Fried  unvergessen  bleiben  wird. 
Der   wirklich   ausgezeichneten  VTiedergabe  der 
Phantastischen    Symphonie,  die   für  den   Diri- 
genten wie  für  das  Philharmonische  Orchester 
gleich  ehrenvoll  war,  stand  die  Aufführung  des 
»Leiio*  nicht  nach.    Einen  besonders  tiefen  Ein- 
druck machte  auf  mich  der  «Geisterchor*,  das 
orchestrale  Nachspiet  zum  »Gesang  des  Glficks* 
und  teilweise  die  durch  berauschenden  Orchester- 
klang  (mit  vierhiadigem  Klavier)    autgezeich- 
nete   »Sturm*- Phantasie   (Shakespeare),    deren 
Zwischenspiele  mir  freilich  zu  lang  vorkamen. 
Emanuel  Reicher  deklamierte  zu  theatralisch; 
derSternsche  Gesangverein  löste  seine  nicht 
leichten    Aufgaben    durchaus    trefflich;    Hans 
Rfidiger  sang  den  »Fischer*  und  den  »Gesang 
des    Glßcks*     sehr    ausdrucksvoll;     fQr    da« 
»Riuberlied*  war  der  Baß  von  Hans  Vaterhaus 
zu   schwach.     Hoffentlieh    hat   diese    Berliner 
AuffBhrung  des   »Lelio*,   die   eine  begeisterte 
Attfhahme   fand,   zahlreiche  andere  zur  Folge. 
Wie  vielleicht  kein  anderes  Werk  von  Berlioz, 
verdient  gerade  der  »Lelio*  Beachtung;  daß  er 
das  ehrwürdige  Alter  von  fast  80  Jahren  schon 
erreicht  hat,  ist  ihm  nicht  im  mindesten  an- 
zumerken. —  Sehr  verdienstlich  war  auch  der 
von  der  Gesellschaft  der  Musikfreunde 
veranstaltete  E.  T.  A.  H o f f m ann-Abend,  wenn- 
gleich   die   Hoffnung   einiger   enthusiastischen 
Verehrer  dieses  genialen  Dichters,  daß  er  auch 
als  Komponist  der  heutigen  Generation   etwas 
bieten  werde,  nicht  erfüllt  worden  ist.    Wenig 
oder  vielmehr  gar  nicht  phantastisch  ist  nimlich 
der  Komponist  E.  T.  A.  Hoffmann.  Mozart  und 
Haydn  sind  seine  Leitsterne  in  der  Klaviersonate 
In  f-moll  (Wladimir  Cernikoff)  und  in  einem 
Quintett     für    Harfe     und    Streichinstrumente 
(Klthe  Böhm,  Schnirlin,  Mitnitzki,  Breest 
und  F.  Becker).    Den  verhiltnismißig  größten 
Eindruck   hinterließ   ein   Duett   aus   der  Oper 
»Undine*,  für  deren  Neubelebung  bekanntlich 
Hans  Pfltzner  eingetreten  ist  —  Der  bekannte 
OnitorieBsinger   George    A.    Walter    (Tenor) 
veranstaltete  mit  dem  Geiger  und  Bratschisten 
Daniel  Herrmann  (Paris)  einen   Bach- Abend, 
an  dem  auch  einige  recht  weltliche  Arien  von 
Wilhelm   Friedemann   Bach   neben   Arien    und 
Inttmmentalwerken  Johann  Sebastians  vertreten 
waren.      Unter    diesen    ragte    die   Sonate   für 
Flöte  (Otto  Rößler),  Violine  und  Klavier  (Elsa 
Walter-Haas)  aus  dem  »musikalischen  Opfer* 
hervor;  die  Arien  waren  teils  mit  zwei  Flöten 
oder  Violine  und  Flöte,  teils  mit  Bratsche  außer 


Klavier  begleitet  —   Ein  populirer  Abend  des' 
Böhmischen   Streichquartetts   brachte   in 
ausgezeichneter    Wiedergabe    keine    Quartette, 
sondern  Mozarts  g-moU  Quintett,  das  Klarinetten* 
Quintett  von  Brahma  (mit  Oskar  Schubert)  und 
das    besonders    in    seinen    national   gefirbten 
Mittel  sitzen  Eigenartiges   bietende   Sextett   von 
Dvorak  (mit  den  Herren  Talich  und  Burian 
als   zweitem   Bratschisten,   bzw.    Cellisten).  — 
Von  dem  ausgezeichneten  Brüsseler  Streich- 
quartett   wurde   zwischen    dem    Haydnschen 
Gdur  op.  77   und  Beethovens  Es-dur  Quartett 
op.  127  eine  dreisitzige  Rhapsodie  für  Klavier 
(der  Komponist),  Violine,  Bratsche  und  Violoncell 
von  Paul  Juon  zur  Uraufführung  gebracht,  ein 
Werk,  das  rhythmisch   und  harmonisch  eigen- 
artig gehalten  ist,  aber  infolge  seiner  Herbheit 
sich  nicht  ohne  weiteres  jedem  Hörer  erschließt 
Die  Themen,    besonders    des    zweiten  Satzes, 
scheinen  russischen,  vielleicht  auch  nordischen 
Volksmelodieen  entlehnt   zu  sein.    Ihre    musi- 
kalisch technische  Verarbeitung   zeigt  den   ge- 
wiegten   Theoretiker.    —    Die    ausgezeichnete 
Pianistin   Maria    Avani-Carreras    hatte   sich 
mit  dem  jungen  Geiger  Alberto  C  urci  zusammen- 
getan,  der   sich  verhiltnismißig   gut   aus   der 
Affire  zog.  —  Entschiedenes  Geigentalent  haben 
die  Geschwister  Rose  und  Franz  Weltmann, 
doch  sollte  man  Ihnen  Zeit  zum  Ausreifen  gönnen 
und  das  Midchen  Bachs  »Ciaconna*  noch  nicht 
öffentlich  spielen  lassen.  —  Vielversprechend  ist 
auch   die  junge  Geigerin   Anna  Otten;  mehr 
Innerlichkeit    ist    freilich     ihrem    Vortrag    zu 
wünschen.  —  Dem  jungen  Geiger  Josef  Meredith 
Rosencrantz  war  in  der  Beethovenschen  so- 
genannten  »Kreutzer-Sonate*    seine    Partnerin 
Augusts    Zuckerman    bedeutend    überlegen; 
Talent  hat  er.    Dasselbe  gilt  auch   von  Maxi- 
milian Ronis,  der   schon   mit  Ausdruck   und 
Verstsnd  spielt   und  sich  neben  seinem  Lehrer 
Issay  Barmas  In  Bacbs  Doppelkonzert  gut  be- 
hauptete.    Freilich,  gegen  Stefl  Geyer  stehen 
alle  die  Genannten  erheblich  zurück:  sie  wird 
mit  ihrem  Geigenspiel  überall  Furore  machen. 
In   ihrem    Konzert  wirkte   der  Baritonist   Kurt 
Lietzmann,  ein  verstindnisvoller  Singer,  mit; 
das  noch  immer  im  Begleiten   nicht  ganz  zu- 
verlissige   Mozart-Orchester    stand    unter    der 
Leitung  des  bekannten  Geigers  Michael  Preß. 
—  Keine  Freude  ist  es,  Brigitta  Thielemann 
singen  zu  hören.    Ganz  verdienstvoll  wire  ja 
an  sich  der  Liederabend  gewesen,  den  sie  nur 
zeitgenössischen  Berliner  Komponisten  widmete, 
wenn  sie  nicht  gar  zu  ersichtlich  es  auf  meine 
komponierenden  kritischen  Kollegen  abgesehen 
bitte,  von  denen  einige  freilich  mit  beachtens- 
werten Liedern  vertreten  waren. 

Wilb.  Altmann 
Der  Pianist  Dr.  S.  G.  Rumschiysky  ver- 
fügt über  das  nötige  Rüstzeug,  um  sein  Augen-» 
merk  ganz  der  Interpretation  zuwenden  zu 
können.  Er  ist  ein  intelligenter  Musiker,  prunkt 
nicht  mit  Kunstfertigkeit  Dafür  phrasiert  er 
sehr  deutlich,  ohne  in  Extreme  zu  geraten.  — 
Hermann  Viebig  aber  wire  es  vorteilhaft  ge- 
wesen, wenn  er  ein  nach  allen  Richtungen 
reichendes  Temperament  gezeigt  bitte.  Schu- 
manns »durchaus  leidenschaftlich  und  phan- 
tastisch* vorzutragende  C-dur  Phantasie  spielte 
,  er  mit  außergewöhnlicher  Nüchternheit,  ja  ohne 

4^ 


52 

DIE  MUSIK  VII.  13. 


eigentliches  Verstindnis  für  die  Art  des  Meisters. 
Seine  Konzertptrtnerin  Elise  Wetzel  sollte  die 
Kritik  noch  nicht  herausfordern.  Vorerst  mfißte 
die  zwar  volle,  aber  rauhe  Altstimme  etwas  kul- 
tiviert und  der  Vortrag  ein  wenig  belebter  werden. 
—  Luise  Klossegk-Muller  legt  zu  viel  Ge- 
wicht auf  das  reine  Singen,  wodurch  der  Aus- 
druck zu  kurz  kommt.  Auch  bei  den  dramatisch- 
sten Stellen  (wie  z.  B.  im  i,Erlk5nig*)  scheint 
sie  nur  an  den  »Ton*'  zu  denken.  Schubert 
liegt  ihr  augenscheinlich  schlecht.  Bedeutend 
glucklicher  war  sie  in  Liedern  von  Franz  und 
in  einigen,  leider  viel  zu  selten  gehörten  Ge- 
singen von  Martin  PlQddemann.  —  Die  Sopra- 
nistin Leonore  Wall  n  er  sang  nur  LiederO.Vries- 
Ianders:die  von  O.  E.  Hartleben  Qbersetzten  Dich- 
tungen A.  Girauds  ^^Pierrot  Lunaire*.  Die  Ver- 
tonungen sind  interessant  und  äußerlich  teilweise 
auch  wirkungsvoll,  aber  unaufhörlich  tritt  die 
I, Absicht*  klar  zutage;  es  ist  keine  empfundene 
Musik,  sondern  gut  berechnete  Tonmalerei. 
Weder  die  menschliche  Stimme  noch  das  Klavier 
sind  für  den  Zweck  geeignet,  daher  machen  die 
Lieder  simtlich  den  Eindruck  des  Gekünstelten, 
Gequälten.  Auch  die  Deklamation  ist  nicht 
immer  richtig  behandelt.  Unwichtige  Worte  sind 
überflüssig  stark  betont  und  umgekehrt.  Die 
Wiedergabe  war  rühmenswert,  besonders  zeich- 
nete sich  C.  V.  Bos  am  Klavier  aus.  —  Der 
•Minnerchor  ehemaliger  Schüler  des 
Königlichen  Domchors*  bewährte  sich 
wacker  unter  seinem  Leiter  H.  Stöckert  Für 
Hegars  «Walpurga*  war  das  im  Tenor  mangel- 
hafte Stimmaterial  nicht  ausreichend.  Immer- 
hin ist  die  Leistung  der  Singer  in  Anbetracht 
der  großen  Schwierigkeiten  zu  loben.  Der  mit- 
wirkende Violinist  Alberto  Curci  hat  viel 
Technik  und  Temperament;  echte  künstlerische 
Auffassung  kam  nicht  zum  Vorschein.— Alexander 
Golden  weiser  ist  ein  äußerst  tüchtiger  Pianist 
mit  zuverlissiger  Technik  und  mit  Temperament. 
Besonders  gut  gelangen  ihm  die  fesselnden 
Variationen  von  Tschaikowsky,  während  Schu- 
manns vDavidsbündlertinze*  noch  mehr  Ab- 
wechslung  bedürfen,   um   nicht  zu  langweilen. 

Arthur  Laser 
Von  jeder  Kunstreproduktion  ist  doch  wohl 
entschieden  vor  allem  zu  verlangen,  daß  sie  ganz 
aus  dem  Wesen  des  hervorbringenden  Mittels 
geschehe.  Anderenfalls  kann  nichts  Ganzes 
herauskommen.  Wir  dürfen  (meines  Erachtens) 
selbst  dann,  wenn  wir  einen  i, Meister*  wie 
Busoni  vor  uns  haben,  nicht  vergessen,  daß 
wir  gerade  an  eine  solche  Erscheinung  nicht  nur 
die  höchsten,  sondern  mindestens  doch  auch 
instrumenteil  begründete  Anforderungen  zu 
stellen  berechtigt  sind.  Bei  aller  Glätte,  relativen 
großen  Sicherheit,  Feinheit,  Kraft  und  i^Erfüblt- 
heit*  seines  Spieles  darf  daher  nicht  übersehen 
werden,  wie  unklar  tatsächlich  an  seinem  ersten 
Klavierabend  gar  vieles  herauskam.  Mir  scheint, 
daran  war  vor  allem  eine  objektiv  ungenügende 
Pedalbehandlung  schuld.  Viel  zu  viel  ver- 
schwamm Akkordisches  in  anderes  Akkordische. 
Und  auch  manche  Passagen  der  rechten  Hand, 
zumal  Oktaven,  waren  nicht  plastisch  genug  zu 
hören,  weil  sie  viel  zu  fein  hinhuschend  gegeben 
wurden.  Was  nützt  da  alles  sonstige  Können! 
Ganz  war  die  Leistung  keineswegs  und  «wie 
immer,  meisterlich*  nach  meinem  Dafürhalten 


auf  keinen  Fall.  —  Wie  aus  dem  Wesen  des 
Instrumentes  heraus  plastisch,  goldklar  und  doch 
auch  eminent  musikalicb  gespielt  werden  kann, 
zeigte  uns  Wilhelm  Backhaus  in  einer  Weise, 
der  ich  unter  allen  von  mir  bisher  gehörten 
Klavierreproduktionen  die  Palme  reichen  möchte. 
Was  tut's  denn,  wenn  etwa  der  oder  jener  andere 
noch  »titanischer*  oder  »sensibler*  fühlt?  So  ganz 
wie  dieser  junge  Künstler  spielt  doch  kaum  einer 
.  • .  Klavier.  Hier  paaren  sich  »Klavierspieler* 
und  »Künstler*  iedenfalls  in  fast  idealem  Grade. 
Richard  Strauß  dirigierte  dies  Konzert:  schlicht, 
künstlerisch,  sachlich,  wie  eben  nur  er  dirigiert. 
Und  seine  »Burleske*  strahlte  in  solcher  Wieder- 
gabe ihre  ganze  Laune  und  ihren  Humor  eigent- 
lich schlechterdings  vollkommen  aus.  —  Ganz 
und  gar  nicht  geschah  dies  dagegen  unter  den 
Händen  von  Hans  Hermanns.  Und  auch  kein 
blühendes,  säfteschwellendes  Sichregen  tönte 
aus  seinem  Spiele  heraus.  Ein  mehr  trockenes, 
in  der  Kantilene  flaches  Spiel,  aber  tech- 
nisch ausgezeichnet.  Und  auch  klar,  wie  es  sich 
eben  —  der  zweite  hier  zu  konsutierende  Fall 

—  sehr  wohl  auf  dem  Klavier  erreichen  läßt. 

—  Ein  Gegensatz  hierzu  ist  anscheinend  Horace 
Kesteven.  Da  ihm,  obwohl  er  nichts  weniger 
als  kraftvoll  in  die  Tasten  greift,  das  Unglück 
zustieß,  mitten  im  Schumann-Konzert  das  Reißen 
einer  Saite  des  Bechstein  zu  erleben,  läßt  sich 
nicht  recht  sagen,  inwieweit  dies  ihn  etwa  irritiert 
haben  könne.  Aber  ich  glaube,  bei  dieser  Art 
des  Pedaltretens  muß  in  jedem  Falle  manches 
durcheinanderschwimmen.  Als  ein  feiner,  ge- 
läuflg,  wenn  auch  nicht  immer  völlig  sicher,  im 
ganzen  aber  etwas  unbeschwingt  spielender 
Pianist  schien  mir  Kesteven  nach  den  Eindrücken 
des  Abends  (er  spielte  noch  das  f-moll  Konzert 
von  Ghopin)  immerhin  wohl  anzusprechen  zu 
sein.  —  Der  Gellist  Alfred  Saal,  der  im  Konzert 
von  Hermanns  mitwirkte,  hat  keine  allzu  edle 
Kantilene  und  erschien  im  Passagenwerk  nicht 
immer  auf  der  Höhe.  Aber  er  spielte  tempem- 
mentvoll,  und  ein  gut  Teil  der  Unerqaicklichkeit 
der  Passagen  war  sicher  auf  das  Konto  des  an- 
dankbaren Kötscherschen  Gellokonzertes  za 
setzen,  einer  Komposition,  die  als  organisches 
oder  irgendwie  sprechendes  Werk  nicht  bezeich- 
net werden  kann.  Im  Händel-Konzert  erging  es 
dem  Gellisten  besser.  —  Noch  zwei  Komponisten 
bleiben  mir  zu  erwähnen.  Alexsnder  Seh  war tz* 
Liederkompositionsabend  (unter  Mitwirkung  von 
Felix  Senius  und  Aline  Sauden)  zeigte  uns 
ein  wohlgeschultes  Talent,  dem  jedoch  unter 
17  Liedern  eigentlich  nur  zwei:  »Es  ist  der 
Wind*  und  »Aufblick*  als  bemerkenswerte  ganze 
Früchte  gereift  sind.  Die  anderen  Lieder  kamen 
teils  über  eine  gewisse  physiognomielese  and 
nicht  immer  durchaus  wählerisch  hervor^ 
gebrachte  Glätte  nicht  hinaus,  teils  brachte 
das  Bestreben,  apart  zu  sein.  Gewohntem 
aus  dem  Wege  zu  gehen,  den  Tonsetzer 
auf  nicht  glückliche,  nicht  organisch  gewach- 
sene Einfälle.  —  Noch  viel  weniger  war  dieses 
allbeherrschende  Natur-  und  Kunstprinsip  in 
Busoni's  sechs  neuen  Elegieen  zu  spüren,  aus- 
genommen in  dem  »Intermezzo*  und  teilweise 
in  Nr.  2,  5  und  6.  Das  erstgenannte  Stück  ist 
entschieden  geistreich,  flüssig  und  hübsch.  In 
den  anderen  überwiegt  aber  das  uferlose  Spielen 
mit  modulatorischen  und  harmonischen  Einnllen, 


53 
KRITIK:  KONZERT 


obD€  daß  eigentlich  eine  künstlerisch  empfin- 
dende und  gestaltende  Hand  in  ihnen  zu  er- 
kennen wire.  —  Sergei  Kussewitzky's  zweiter 
Orcbesterabend  zeigte,  dsß  der  Kunstler  als 
Subffihrer  doch  eben  fiber  die  Linie  »Energie 
und  Rhythmus*  vorerst  nur  wenig  hinauskommt. 
Die  meisten  feineren  Fiden,  die  von  einem 
IMrigenten  zum  Orchester  laufen  mSssen«  fehlen 
noch  zumeist.  Einen  Fortschritt  bedeutete  der 
Al>end  gegen  den  ersten  aber  entschieden, 
namentlich  in  der  Wiedergabe  der  Tscbaikowsky- 
•eben  Streich  erserenade.  Beethoven  wurde 
fk^ilicb  mehr  gespielt  als  ausgeschöpft.  Großen 
Erfolg  hatte  der  Tenorist  L6onid  Sobinoff  in 
diesem  Konzert:  ein  erstklassiger  Singer  mit 
sehr  schöner,  auffallend  hell  gefirbter  Stimme. 

Alfred  Schattmann 

Ossip  Gabrilo witsch  ist  ein  markantes  Bei- 
spiel daför,  was  aus  vielen  unserer  begabtesten 
Jfingsten  Konzenspieler  hitte  werden  können, 
wenn  all  ihre  Gat>en  langsam  und  sorgsam  ge- 
pflegt und  zur  Reife  gebracht  worden  wären. 
Aber  Tag  f&r  Tag  üben  bis  zum  Überdruß,  Tech- 
nik und  immer  noch  mehr  Technik  lautet  die 
Devise.  Und  wenn  sie  endlich  da  ist,  dann  rasch 
aufs  Podium,  wo  es  vor  allem  Effektmachen 
heißt*  Was  man  einst  still  und  zart  empfand, 
wird  zum  Gesiusel,  ein  kleiner  agogiscber 
Akzent  wichst  zum  maßlosen  Rubato  aus, 
einem  Pianissimo  muß  stets  ein  Fortissimo 
gegenüber  stehen,  sonst  merkt's  das  über- 
fütterte  Publikum  nicht  mehr.  Große  Gaben, 
großes  Können,  kolossaler  Aufputz  und  viel 
Geschmacklosigkeit  vereinigen  sich  in  Ossip 
Gabrilowitsch's  Spiel.  —  William  C.  Willis 
spielte  einzelne  Partieen  aus  Beethovens  Sonate 
op.  110  so,  dsß  man  sah,  er  hat  Vortragstalent, 
andere,  wo  es  rhythmisch  verzwickt  hergeht,  so, 
dsß  man  sich  klar  war,  f&r  tiefbre  derartige 
Probleme  fehlt  instinktives  wie  theoretisches 
Verstindnis*  Brahms*  Hindelvariationen  paukte 
er  maßlos  herunter.  —  Dells  Thals  technisches 
Rflstzeug  ist  noch  recht  zerbrechliche  Ware. 
Trotzdem  sie  das  Meiste  zu  vorsichtig  nimmt, 
will  vieles  nicht  gelingen.  —  Die  Barthsche 
Madrigalvereinigung  ist  sehr  zu  loben.  Die 
neun  Damen  und  Herren  folgen  ihrem  Dirigenten 
aufls  genaueste,  und  singen  die  köstlichen  alten 
Sachen  nicht  nur  technisch  korrekt,  sondern  mit 
oflPenkondiger  Liebe.  Etwas  mehr  Wohlklang 
wire  freilich  dem  Ensemble  zu  wQnscben. 

Hermann  Wetzel 

Theodor  Heß  van  der  Wyk  hat  eine  an- 
genehme weiche  Tiefe,  der  die  flache  Mittellage 
und  Höhe  nicht  entspricht.  Sein  Vortrag  ist 
verstindnisvoll,  nicht  ohne  Temperament,  sber 
auch  nicht  frei  von  Absonderlichkeiten.  —  Die 
Vortrige  des  Nordischen  Vokal-Trios  der 
Schwestern  Brunhilde,  Hildur  und  Sophie 
Koch  zeugen  von  fleißiger  Arbeit  und  musika- 
lischer Begabung.  Stimmlich  Qberragt  die  So- 
pranistin ihre  Schwestern  weit,  sie  hitte  das 
Zeog  zu  einem  dramatischen  Sopran. 

Richard  Hihn 

Philippine  Landshoff,  eine  vornehme  Ge- 
saagskfinstleriDy  deren  Atemtechnik  bewunderns- 
wert ist,  sang  nur  »Gedichte  Goethes  in  der 
Matik  seiner  2^lt*.  Das  SSße  und  Zarte,  aber 
nadi  LeldentcbafUiche  und  Dramatische  brachte 
tic^  wie  nur  eine  feine  weibliche  Seele  es  ver- 


tnsS)  Sut  zur  Geltung.  Dennoch  bot  der  Abend 
mehr  Belehrung  als  lebendigen  Genuß;  wir 
haben  seit  ISOO  in  der  musikalischen  Gestaltung 
unserer  Gef&hle  große  Fortschritte  gemacht.  — 
Wassily  Sapellnikoff  ist  ein  «natfirlicher* 
Techniker  ersten  Ranges  und  ein  minnlicher 
Musiker.  Seine  «Tatzen*  holen  mit  eminenter 
Treffsicherheit  aus  dem  Instrument  —  der 
Bl&thner  klang  im  Diskant  störend  hölzern  — 
wenn  auch  auf  etwas  derb-barbarische  Art,  aus- 
gezeichnete Wirkungen  heraus.  Aber  eben  dies 
robuste  Empflnden  verletzt  oft  und  lißt  nur  bei 
breit  angelegten  und  weniger  differenzierten 
Stellen  ein  freudiges  Miterleben  und  Mitgenießen 
zusunde  kommen.  —  Marguerite M e  1  v i  1 1  e.  Un- 
mittelbarkeit des  Spiels,  modernes  Empflnden 
und  Unbefsngenheit  kennzeichnen  ihre  Persön- 
lichkeit. Von  den  zum  ersten  Male  gespielten 
Klavierstficken  waren  originell:  das  Nocturno 
von  Henryk  Meicer  und  die  Etfide  von  Szyma- 
nowski.  Die  Sonate  f-moll  von  Brahma  war 
meiner  Ansicht  nach  ein  Mißgriff  der  sympathi- 
schen Künstlerin.  —  Mary  Fokker  war  nichts 
weniger  als  unbefangen;  sie  spielte  nervös- 
trübselig  ihr  konventionelles  Klavierprogramm 
herunter  und  zeigte  —  zum  mindesten  an  diesem 
Abend  — ,  wie  wenig  sie  im  öffentlichen  Konzert- 
saale am  Platze  ist.  Arno  Nadel 
BRAUNSCHWEIG:  Das  letzte  Konzert  der 
Hofka pelle  litt  unter  der  Absage  von  Lula 
Mysz  -  Gmeiner,  denn  ihre  Stell  Vertreterin, 
Maikki  Jirnefelt  (Helsingfors),  ersetzte  sie  in 
keiner  Weise.  Beethovens  «Pastorale*  bildete 
aber  einen  würdigen,  glinzenden  Schluß. —  In 
dem  sechsten  populiren  Konzert  des  Direktors 
Wegmann  führte  sich  dss  Sevcik-Quartett 
vorteilhaft  ein.  —  Pastor  Storch -Magdeburg 
hielt  einen  interessanten  Vortrag  über  »Robert 
und  Clara  Schumanns  Brautzeit*  mit  einge- 
flochtenen Bruchstücken  der  damals  entstan- 
denen Werke.  —  Heinrich  Lutter  (Hannover) 
gewann  sich  namectiich  durch  die  vorzügliche 
Wiedergabe  der  Sonate  (As-dur)  von  Weber,  der 
Phantasie  (op.  17)  von  Schumann  neue  Verehrer. 

Ernst  Stier 

BREMEN:  Die  letzten  Philharmonischen 
Orchesterabende  brachten  im  wesentlichen 
Altbekanntes  in  erfreulicher,  unter  Panzners 
Zauberstabe  immer  noch  wachsender  TreflPiicbkeit. 
Als  seltenere  Gaben  sind  zu  erwihnen  die  f-moll 
Symphonie  von  Richsrd  Strauß,  eine  durch  Klar- 
heit und  Temperament  imponierende  Jugend- 
arbeit, die  aber  das  spitere  Haupt  der  «Moderne* 
noch  wenig  erkennen  lißt,  ferner  Glucks  klas- 
sisch-herbe ,Alceste*-Ouvertüre  mit  dem  Wein- 
gartnerschen  Schlüsse  und  drei  anmutige,  aber 
nicht  gerade  bedeutende  Taozsiücke  aus  Gr6try's 
i,C6pbale  et  Procris*  in  der  hübsch  sitzenden 
Gewandung,  die  Mottl  ihnen  verlieben  bat.  Da- 
gegen bescherte  uns  der  Chor  neben  Brshms' 
herrlichem  «Schicksalslied*  eine  interessante 
Neuheit  in  der  vorher  nur  in  Graz  einmal  auf- 
geführten Kantate  «Der  Tod  und  das  Mid- 
chen*  von  Otto  Naumann,  die  sehr  geflel  und 
dem  anwesenden  Verfasser  ebenso  lebhafte  wie 
wohlverdiente  Ehrungen  eintrug.  Macht  sich 
auch  ein  Mißverhiltnis  fühlbar  zwischen  dem 
naiven  Charakter  der,  einem  Andersenschen 
Mircben  nachgebildeten  Teztunterlage  und  dem 
micbtigen  Apparat  der  musikalischen  Ausdrucks- 


M 


54 
DIE  MUSIK  VII.  13. 


mittel,  so  hinterliflt  doch  die  edle  Haltung  der 
darchaus  modernen,  aber  ebenso  maßvollen  wie 
warmen  Tonspracbe  einen  bedeutenden  Eindruck. 
In  der  recht  guten  AuffQbrung  erhielt  die  das 
Ganze  tragende  Sopranpartie  der  Matter  durch 
Theo  Drill-Orridge  eine  vorzfigticbe  Verkör- 
perung, während  Margarete  Altmann-Kuntz 
und  Anton  Sistermans  den  kleineren  Rollen 
der  Grabfrau  und  des  Todes  charakteristische 
Ausprägung  gaben.  In  den  übrigen  Konzerten 
traten  als  Solisten  auf  Eva  von  der  Osten,  deren 
Lorbeeren  wohl  vorzugsweise  auf  der  Bühne 
gedeihen,  Godowsky,  der  Beethovens  G-dur 
Konzert  in  wundervoller  Klarheit,  aber  reichlich 
zarten  Farben  spielte,  und  Alexander  Heine- 
mann,  der  durch  die  schöne  Wirme  seines 
Vortrags  entzückte,  hinter  dessen  Versuch,  den 
i^Archibald  Douglas*  mit  einer  von  Hugo  Kann 
an  sich  recht  geschickt  gemachten  Orchester- 
begleitung vorzuführen,  jedoch  ein  dickes  Frage- 
zeichen gehört.  Glänzenden  Erfolg  hatte  end- 
lich unser  trefflicher  Konzertmeister  H.  Kolk- 
meyer mit  einer  ausgezeichneten  Wiedergabe 
des  Brahms'schen  Violinkonzertes,  jedenfalls 
eines  Prüfsteins  erster  Ordnung.  Im  Verein 
mit  David  Bromberger  hob  derselbe  Künstler 
ein  neues,  überaus  günstig  aufgenommenes  Werk 
von  Paul  Seh  ein  pflüg  aus  der  Taufe,  eine 
Violinsonate  (F-dur,  op.  13^,  die  einen  erheblichen 
Fortschritt  des  begabten  Tondichters  zu  größerer 
Geschlossenheit  der  Form  aufweist 

Gust.  Kissling 
DROSSEL:  Sylvain  Dupuis  hatte  für  das  zweite 
O  Concert  populaire  Schumanns  ^Paradies 
und  Peri*,  das  hier  so  gut  wie  unbekannt  war, 
gewlhlt.  Von  selten  des  Orchesters  und  des 
Chors  (Theaterchor)  erfuhr  das  herrliche  Werk 
eine  vortreffliche  Aufführung.  Aber  die  Solisten 
;—  Künstler  des  Monnaie-Theaters  —  standen 
den  zarten  poetischen  Ergüssen  der  Schumann- 
fchen  Muse  ziemlich  verstindnislos  gegenüber; 
am  schlimmsten  war  die  Perl.  Das  tat  natürlich 
dem  Werk  große  Einbuße.  —  Ysaye,  dessen 
Konzerte  jetzt  im  neuen  Saal  «Patria*,  der  at>er 
nur  gegen  1000  Personen  faßt,  suttfinden,  führte 
im  dritten  Konzert  Schuberts  «Unvollendete*, 
und  als  Novität  »Souvenir*  von  Vincent  d'Indy 
und  die  vier  Jugendouvertüren  von  R.  Wagner: 
König  Enzio,  Kolumbus,  Polonia  und  Ruie  Bri- 
tannia  auf.  Das  Werk  von  d*Indy  ist,  wie  alle  Werke 
dieses  Komponisten,  trotz  des  temperament- 
vollen Aufschwungs,  gequält;  man  kommt  zu 
keinem  rechten  Genuß.  Gespielt  wurden  sämt- 
liche Werke  in  bester  Weise.  Casals  mit 
Gattin  interpretierte  unter  großem  Beifall  ein 
neues  Konzert  für  zwei  Celli  von  Moor,  das,  in 
ziemlich  graue  Farben  gehüllt,  nur  in  dem 
pikanten  Scherzo  ansprach.  Allein  spielte  er  noch 
«Waldesruhe*  von  DvoHk.  Im  vierten  Concert 
Ysaye  schwang  Fritz  Steinbach  aus  Köln  das 
Szepter.  Beethovens  Fünfte,  Brahma'  Akade- 
mische, und  ein  neues  Werk  «Variationen  über 
ein  Thema  von  Händel*  von  dem  Belgier  De- 
lune  —  ein  recht  unnötiges  Werk  —  erfuhren 
unter  seiner  straffen,  temperamentvollen  Leitung 
eine  vorzügliche  Wiedergabe.  Als  Solist  wurde 
der  Pariser  Pianist  Cortot  —  cmoll  Konzert 
von  Beethoven  und  symphonische  Variationen 
von  C.  Franck  —  sehr  gefeiert.  —  Das  vierte 
historische  Konzert  Duran  t  war  Weber-Mendels- 


sohn gewidmet.  Refofmations-Symphonie,  Scherzo 
aus  dem  «Sommemachtstraum*,  die  Ouvertüren 
zu  «Euryanthe*  und  «Freischütz*  wurden  In 
tüchtiger  Weise  gespielt.  Das  Violinkonzert  von 
Mendelssohn  hatte  in  Crickboom  einen  aas- 
gezeichneten Vertreter.  —  Unter  den  kleinen 
Konzerten  ist  zu  nennen:  Konzert  des  Vocal- 
qua rt Otts  Brema  (sämtlich  Liebesliederwalzer 
von  Brahma,  serbisches  Liederspiel  von  Henschel), 
ein  Konzert  des  beachtenswerten  russischen 
Gelgers  Siccard  (Orchester  unter  Ysaye),  die 
Soireen  des  famosen. Zimmer-Streichqnar* 
tetts  unter  Mitwirkung  von  Clotilde  Kleeberg, 
ein  Klavierabend  D  i  n  s  a  r  t ,  einer  sehr  talentierten 
Schülerin  Degreefs,  sowie  Konzerte  der  neuen 
Bläservereinigung  (Direktor  Goosens)  and 
des  Quartetts  Bosquet  (Klavierquartette). 

Felix  Weicker 

BUDAPEST:  Rasch  haben  wir  uns  zur  masi- 
kalischen  Großstadt  emporgeschwungen  — 
von  hundert  Konzerten  sind  sechzig  leer.  Und 
ein  zweites  Hundert  steht  uns  noch  bevor.  Wir 
besitzen  zur  Stunde  immer  nur  noch  ein  kleines 
Konzertpublikum,  und  die  Aufnahmefllhigkeit 
und  —  Zahlkräfiigkeit  von  nur  wenigen 
tausend  Kunstfreunden  ist  bald  erschöpft,  zu- 
mal es  die  Mehrzahl  für  shocking  erachtet,  ein 
Billet  unter  zehn  Kronen  zu  benutzen.  Die 
Philharmoniker  haben  freilich  ihr  Stamm- 
publikum; ihre  letzten  beiden  Konzerte  waren 
trotz  des  anregungsarmen  Programms  —  wir 
hörten  als  Novität  bloß  eine  belanglese  Saite 
von  Sibelius  —  dicht  t>esetzt,  doch  ein  einge- 
schobenes außerordentliches  Konzert  fand  nur 
einen  halbgefüllten -Smsl,trotftdem  Entice  Boss!, 
wohl  der  bedeutendste  Orgelvirtuose  der  Gegen- 
wart, zur  Mitwirkung  eingeladen  war.  Der 
Künstler  spielte  auf  der  neuen  Prachtorgel  der 
Musikskademie  sein  Konzert  op.  100  und  eine 
Serie  kleinerer  Stücke  mit  ungeahnter  technischer 
Meisterschaft  und  unter  stürmischesten  BeifUlt- 
kundgebungen.  In  demselben  Konzert  hörten 
wir  Hugo  Wolfs  entzückende  «Italienische 
Serenade*  und  Wagnera  tonbrutale  Kapellmeisier- 
ouvertüre  «Rule  Britannia*.  -^  Mit  viel  äußeren 
Ehren  hat  sich  das  auf  Anregung  des  um  nnser 
Musikleben  hochverdienten  Edmund  von  Mi- 
halovich  aus  Professoren  und  Schülern  der 
Landesmusikakademie  gegründete,  neue  «Aka- 
demie-Orchester* in  die  Konzertsaison  ein- 
geführt. Wir  hörten  an  Novitäten  bisherMozartt 
angebliches,  neu  aufgefundenes  Violinkonzert  — 
in  der  trefTlichen  Interpretation  des  Professors 
Mambriny  — ,  des  Belgiers  G Ilsen  sympho- 
nische Dichtung  «Das  Meer*,  Leo  Weinert 
rhythmisch  hochinteressante  Humoreske  «Im 
Fasching*  und  Elgar's  geistvoll-charakteristische 
Orchestervariationen.  —  Von  größeren  Ver- 
anstaltungen gab  es  noch  eine  vom  Regenschori 
Sztojanovics  geleitete  Aufführung  von  Lieztt 
«Graner  Messe*  —  die  überhaupt  zweite  In 
Ungarn  —  die  jedoch  nur  geringen  Eindruck 
machte.  —  Von  den  kammermusikalischen  Ver- 
einigungen hat  das  Quartett  Kem^ny-Schiffer 
seinen  Zyklus  beendet;  wir  hörten  am  letzten 
Abend  ein  neues  Streichquartett  vonLeoWeiner, 
das  diesen  hochbegabten  jungen  Künstler. faet 
schon  in  der  Oberreife  raffiniertester  Spekniatlon 
erscheinen  läßt.  Bei  Grünfelds  interessierte 
die  Bläserserenade  von  S  ekles  nnd  durch  die 


55 
KRITIK:  KONZERT 


Persdnlicbkeit  des  mitwirkeiidea  Komponisten 
«acta  Felix  Weingsrtners  Klsvierseztett.  Die 
Herren  Hubsy  und  Popper  bsben  ibre  Trio- 
abende (mit  Dobnänyi,  StsTonbsgen  und 
Bsckbsus)  anter  größten  Ebren  beendigt.  — 
Von  Instntmenulisten  erfreuten  ans  die  Geiger 
Tssye  and  Tbibsud  durcb  zwei  genuflreicbe, 
klsssiscbe  Abende.  Von  Pianisten  borten  wir 
Ssaer,  der  vor  kuriem  mit  allem  äußeren 
Reklamepomp  und  reicben  kfinstleriscben  Ebren 
seinen  50.  Klavierabend  in  Budapest  gab,  den 
▼irtnosen  TastenstQrmer  Backbaus  und  den 
'Weit  genialeren  Ignaz  Friedman.  Von  Meistern 
und  Meisterinnen  der  Gesangskunst  ließen  sieb 
Messcbaerty  Selma  Kurz,  Julia  Culp  und 
Tllly  Koenen  boren.  Der  Scbweizer  Baritonist 
Dr.  Haß  1er  scbeint  eine  schöne  Zukunft,  die 
sonst  nicbt  uninteressante  scbwediscbe  Diseuse 
Anna  Norrie  eine  schöne  Vergangenheit  zu 
liaben.  Zwei  anziehende  Abende  haben  wir  noch 
«der  ,»Socl6t6  de  cencerts  d'instruments 
«nciens*  zu  danken,  in  deren  Konzerten  wir 
«der  anmutvollen  Singerin  Marie  Buisson  gern 
-wieder  begegnet  sind.  Auf  Registrierung  der 
Legion  konzertaler  Behelligungen  d&rfen  wir 
-wohl  verzichten.  Dr.  B6ta  Diösy 

CHICAGO:  Die  vier  Konzerte  des  Thomas- 
Orchesters,  die  ich  in  letzter  Zeit  be- 
sttctate,  haben  In  mir  die  Oberzeogung  gefestigt, 
daß  der  lunge,  hochbegabte  Leiter  Friedrich 
Stock  seine  Mannen  fest  unter  Kontrolle  hat,  und 
daß  die  Konzerte  in  Ihrer  gediegenen  Programm- 
Aufstellung  und  ihrer  Aasffibrung  noch  immer 
Mut  derselben  Höbe  wie  unter  Theodor  Thomas 
stehen«  Und  das  will  viel  sagen  bei  den 
■akustisch  so  ungen&genden  Verhältnissen  der 
Halle  und  unter  den  finanziellen  Schwierigkeiten, 
mit  denen  das  Management  der  Konzerte  noch 
immer  zu  kimpfen  hat.  Es  gab  eine  große 
Reihe  trefflicher  Solisten,  meist  von  auswärts. 
Doch  auch  unsere  einheimischen  Solisten,  unter 
denen  die  zwei  Konzertmeister  Leopold  Krame  r 
vnd  Ludwig  Becker  und  der  vorzfiglicbe  erste 
Cellist  des  Orchesters  Bruno  Steindel  am 
meisten  In  Betracht  kommen,  lassen  in  bezug 
auf  vollendetes,  kßnstlerisch  fein  durchdachtes 
S|riel  nichts  zu  wßnscben  fibrig.  Die  Novität, 
die  das  Orchester  in  einem  der  Dezember- 
konzerte brachte,  die  Symphonie  No.  1  in  e-moU 
Ton  Si bei  ins,  war  hochinteressant  durch  den 
wunderbaren  Farbenscbmelz  der  Orchester- 
iMbandlung,  In  der  Sibelius  Meister  ist.  Der 
vehmfitig  ernst  gestimmte,  nstional  finnländiscbe 
Klageton,  der  die  anderen,  bekannteren  Werke 
desselben  Komponisten  charakterisiert,  gebt 
anch  durch  dieses  Werk,  obwohl  stellenweis 
Icrifkigster  Klimax  die  Elegie  unterbricht  Im 
Finale  ertönt  nach  einem  sehr  eigenartigen 
Thema  der  Holzbläser,  dss  mit  dumpfem  Pauken- 
wirbel begleitet  ist,  ein  kräftig  kriegerischer  Ton, 
gleich  einer  Jubelfanfsre,  dem  ein  herrliches 
CantabHe-espressivo  folgt,  das  von  den  Streichern 
<salG)  unisono  gespielt  wird  und  sehr  effektvoll 
wirkt  Dss  wehmßtige  Originaltbema  der  Solo- 
klarinette  im  eraten  Satz  ertönt  wieder,  wie  eine 
Resignation  des  unterdrfickten  Volksgeistes;  der 
Schluß  mit  kräftigem  Ausklang  Ist  boflPnungs- 
nkk  ottd  energievoll.  Das  Werk,  1899  ver- 
IbfM^  wafde  mit  großem  Beifall  hier  auf- 
tenomaieB  und  ganz  vorz&glich  gespielt  —  Es 


gebt  ein  opemfreundlicber  Luftzug  durch  unsre 
Stadt,  ein  Zeichen,  dsß  wir  der  Wirklichkeit 
eines  stabilen  Opemensembles  im  Sinne  der 
deutschen  Städte  nicbt  mehr  fem  sind.  Eins 
der  besten  Opernhäuser  der  Welt,  unser  großes 
Auditorium,  steht  dafßr  zur  Verfügung.  Das 
Haus  ist  von  der  Vaudevilleluft,  die  seit  Beginn 
der  Saison  dort  webte,  gereinigt  und  wird  wieder 
für  große  Aufführungen  reserviert.  Conried's 
Opemensemble  von  New  York  gastiert  leider 
nur  eine  Woche  hier  (im  April),  doch  hatten 
wir  mehrere  italienische  Truppen  hier,  auch 
versuchsweise  eine  große  englische  Opemgesell- 
schaft    Es  geht  also  vorwärts. 

Eugen  Käuffer 

DORTMUND:  Das  dritte  Musikvereihs- 
Konzert  unter  Prof.  Janssen  interessierte 
durch  die  F-dur  Symphonie  von  Tschaikowsky 
und  die  Fantasia  Sinfonica  von  Renzo  Bossi, 
dem  23jäbrigen  Sohne  von  Enrico  Bossl.  An 
Chorwerken  kamen  zu  stimmuogsrelcber  Auf- 
f&brung  Brahma'  »Schicksalslied*  und  Volbachs 
Ballade  «Vom  Pagen  und  der  Königstochter*. 
Solistisch  wirkten  mit  Jobanna  Dietz  (Frankfurt) 
und  Rudolf  Jaeger  (Dresden),  der  mit  glanz- 
vollem, sieghaftem  Tenor  Waltbera  Preislied  und 
die  Gralserzäblung  zu  hinreißendem  Vortrag 
brachte.  —  Henri  Marteau  dirigierte  In  einem 
Symphonie-Konzert  eine  Jugendsymphonie  Mo- 
zarts und  eine  von  ihm  f&r  zwei  Geigen  und 
Orchester  eingerichtete  Serenade  von  Sinding, 
geistvoll  ausgeführt  von  Schmidt-Reinecke 
und  Dr.  Bfilau,  einem  Schüler  Marteaus,  der 
sich  mit  dem  Violinkonzert  von  Brabms  als  ge- 
diegener und  talentvoller  Künstler  einführte. 
In  unvergleichlicher  Ausführung,  mit  nobler 
Kfinstlerecbaft  und  geistreicher  Oberlegenheit 
spielte  Marteau  Bruchs  g-moll  Konzert,  und 
durcb  den  bestrickenden  Vortrag  einer  Reihe 
anziehender  Lieder  von  Schubert,  Humperdinck, 
P.  A.  Schulz  u.  a.  erschloß  Mary  Mfinchboff  sich 
auch  die  tonf^emdesten  Herzen.  —  Eugen  d' Al- 
bert dirigierte  ein  Konzert  eigner  Werke,  da- 
runter die  tieftragiscbe  «Kain*-Ouvertüre  und 
das  prickelnde  «Improvisator*-Vorapiel.  Sein 
Cello-Konzert  vermochte,  trotz  des  intelligenten 
Vortrags  von  Hugo  Becker,  nur  zu  interessieren. 
Unübertrefflich  bewährte  er  sich  dagegen  wieder 
als  ausübender  Klaviermeister.  Hermine  d* Al- 
bert sang  mit  hingebender  Wärme  einige  Lieder 
ihres  Gatten.  —  Hervorragend  war  ein  Klavier- 
abend von  Tala  Neu  haus  mit  Werken  von 
Brahma,  Chopin,  Liszt  und  den  mit  Prof. 
Janssen  gespielten  Variationen  für  zwei  Kla- 
viere von  Schumann.  —  In  Hüttnera  Soliaten- 
konzert  ssng  Eva  Leßmann  in  vornehmer  Art 
und  feinsinniger  Gefüblswärme  eine  Reihe  in- 
timer Lieder  neuer  Meister.  —  Eine  Bravour- 
leistung war  die  Wiedergabe  des  d'Albertschen 
E-dur  Konzertes  seitens  der  bochulentlerten 
Pianistin  Ella  Jonas.  Mit  jugendlicher  Frische 
dirigierte  Prof.  Gernsbeim  seine  viersätzige 
«Mirjsm'-Sympbonie,  die,  motivisch  an  alte 
Ritualgesänge  erinnernd,  eine  glänzende  Auf- 
nehme fsnd.  In  die  Orcbesterdirektlon  der 
Konzerte  teilten  sich  Hüttner  und  Janasen« 

Heinrich  Bfille 

DRESDEN:  Im  fünften  Sympbonlekonzert 
der   Serie  A    fand    die   Orchestemenheit 
«K  a  r  n  e  V  a  1*  von  dem  aus  unserer  Stadt  stammen» 


m 


56 
DIE  MUSIK  VII.  la 


s 


den  und  gegenwärtig  am  Altenbnrger  Hoftheater 
als  Kapellmeister  wirkenden  Theodor  Blum  er 
jun.  eine  sehr  freundliche  Aufhahme»  die  das 
frische,  warmblfitige  und  effektvolle  Werk  wohl 
verdiente.  —  Im  letzten  Philharmonischen 
Konzert  lernte  man  als  Gesangssolisten  den 
lyrischen  Tenor  der  MQochener  Hofoper  Jean 
Buysson  kennen  und  schätzen.  Neben  ihm 
errang  sich  die  Cellistin  Marguerita  Capon- 
sacchi  lebhaften  Beifall.  Richard  Wagners 
Jugendouvertfire  «Polonia*  dagegen  erschien  als 
die  schwächste  der  neu  aufgefundenen  Ouvertüren 
und  wurde  sanft  abgelehnt,  obwohl  Kapellmeister 
Olsen  mit  seinem  Orchester  sich  die  größte 
Mfihe  damit  gaben.  —  Von  den  Solisten konzerten 
der  letzten  Zeit  war  das  weitaus  bedeutendste 
der  Klavierabend  von  Ignaz  Friedman,  der 
ein  Riesenprogramm  mit  ebensoviel  Virtuosität 
als  kfinstlerischem  Ernst  erledigte  und  sich  in 
Anschlag  und  Auffassung  als  ein  ganz  hervor- 
ragender Pianist  erwies.  —  Ein  sehr  guter,  be* 
sonders  in  seiner  Pedalbehandlung  eigenartiger 
Klavierspieler  ist  Boris  Kamtschatoff,  doch 
mangelt  es  ihm  noch  an  Innerlichkeit  der  Em- 
pfindung und  Reife  der  Auffissung,  während 
Joseph  Sliwinski  diese  Eigenschaften  in  vollem 
JMaße  besitzt  und  auch  technisch  auf  einer  hohen 
Stufe  steht.  Ein  Lieder-  und  Duettenabend  der 
Damen  Luise  Ottermann  und  Doris  Walde 
gesultete  sich  sehr  genußreich,  da  sich  hier 
zwei  vortreffliche  GesangskQnstlerinnen  zu 
ernstem  Tun  vereinigt  hatten.  —  Den  siebzigsten 
Geburtstag  des  hier  seit  dreißig  Jahren  schaffen- 
den Komponisten  Heinrich  Schulz-Beuthen 
beging  der  Kreis  seiner  Verehrer  durch  ein 
großes  Konzert,  in  dem  lediglich  Kompositionen 
aus  seiner  Feder  zu  Gehör  kamen.  Sie  alle 
mußten  auch  den  Widerstrebenden  davon  über- 
zeugen, daß  dieser  Komponist  eine  weit  höhere 
Würdigung  verdient,  als  sie  ihm  bisher  zuteil 
wurde.  Ist  es  doch  leider  Tatsache,  daß  viele 
seiner  groß  angelegten,  durch  reiche  JMelodik 
ebenso  wie  durch  klaren  Bau  und  charakteristische 
Eigenschaften  ausgezeichneten  Kompositionen 
noch  nicht  einmal  einen  Verleger  gefunden 
haben,  während  Tausende  von  geringwertigen, 
halb  dilettantenhaften  Arbeiten  kleiner  Geister 
längst  aller  Welt  zugänglich  gemacht  sind.  Aus 
dem  reichen  Programm  des  Abends,  der  dem 
greisen  Meister  laute  und  herzliche  Ehrungen 
einbrachte,  seien  vor  allem  die  »Frühlings- 
symphonie* sowie  die  Ouvertüre  und  Schluß- 
szene aus  der  einaktigen  Oper  »Die  Paria*  her- 
vorgehoben. Um  die  Aufführung  der  Werke 
machten  sich  die  Herren  Häntzsch  und 
Nüßle  (Bariton  bzw.  Baß),  Otto  Wunderlich 
(Violine),  Lehmann-Osten  mit  seinem  Chor 
sowie  Musikdirektor  Heibig  verdient.  Dieser 
brachte  mit  der  ihm  unterstehenden  Kapelle  des 
Königlich  Sächsischen  Schützenregiments  den 
orchestralen  Teil  des  Abends  in  höchst  lobens- 
werter Weise  zur  Geltung  und  bewährte  sich 
mit  der  Leitung  des  Opemfragments  als  ein 
Dirigent  von  Temperament  und  großer  Sicher- 
heit Es  bleibt  nur  zu  hoffen,  daß  der  mit 
diesem  Konzerte  gegebene  Hinweis  auf  das 
reiche  und  reife  Schaffen  des  Meisters  Schulz- 
Beuthen  in  Zukunft  auch  die  gewünschte 
Wirkung  tun  wird.  Oder  soll  sich  an  ihm 
wieder  einmal  das  bittere  Wort  bewahrheiten. 


daß  ein  deutscher  Künstler  erst  sterben  muß, 
ehe  man  ihm  Gerechtigkeit  widerfahren  läßt? 

—  Im  Aschermittwochskonzert  gelangte  Liszts 
»Faustsymphonie*,  die  uns  heute  als  ein  Umssi- 
sches  Werk  erscheint,  mit  Herrn  Grosch  als 
Solotenoristen  zur  Aufführung.  Instrumental-' 
sollst  war  Eugen  d'Albert,  der  lediglich  eigene 
Kompositionen  mit  großem  Erfolge  spielte.  — 
Hans  Neumann  erwarb  sich  mit  einem  Solo- 
abend, den  er  im  Verein  mit  dem  trefflichen 
Pianisten  Karl  Fehling  gab,  aufs  neue  den 
Ruf  eines  hochbegabten,  echt  musikalischen 
Geigenvirtuosen.  Wilhelm  Backhaus  und  Tilly 
Koenen  erzielten  mit  ihren  Konzerten  wohl- 
verdiente große  Erfolge,  und  auch  die  beiden 
Dresdner  Künstler  Percy  Sherwood  (Klavier) 
und  Job.  Smith  (Cello)  durften  mit  ihrem  ge- 
meinsamen Konzert  ein  sehr  günstiges  Ergebnis 
verzeichnen.  F.  A.  Geiß  1er 

ESSEN:  Der  Musikverein  führte  in  seinem 
vierten  Konzert  unter  Prof.  Witte  Woyrschs 
»Totentanz*  auf,  in  dem  ein  großes  Thema  leider 
in  unrechte  Hände  gekommen  ist  Ludwig  Hess 
und  Felix  v.  Kraus  ließen  die  Leere  dieser 
nachempfundenen  Musik  einigermaßen  über^ 
sehen.  Der  Chor  sang  seine  leichteren  Sätze  gut, 
bei  den  komplizierten  haperte  es,  wie  auch  der 
Vortrag  der  feineren  Schattierungen  ermangelte. 

—  Vom  Frauenchor  war  Ludwig  Wfillner  su 
seinem  Hugo  Wolf- Abend  geladen,  zu  dem 
er  geistliche  Gesänge  beisteuerte,  die  Wolf 
nach  Gedichten  von  Eichender  ff  geschrieben 
hat.  Sie  sind  für  gemischten  Chor  komponiert 
und  waren  vom  Leiter  des  Chors,  G.  E.  O isner, 
für  Frauenchor  bearbeitet.  Max  Hehemann 
FRANKFURT  a.  M.:  Willem  Mengelberg, 
^  der  seither  nur  den  Freitagskonzerten  des 
Museums  vorgestanden,  trat  jüngst  auch  einmal 
an  die  Spitze  des  Sonntagsorchesters  und  hat  auch 
dieser  andern  Körperschaft  den  Stempel  seines 
aufs  Frische,  Gesunde  und  besonders  rhythmisch 
Ausdrucksvolle  zielenden  Wesens  rasch  auf- 
geprägt. Als  Solist  wirkte  diesmal  Alexander 
Siloti  mit  seinem  wundervoll  gereiften,  ernsten 
Klavierspiel.  Im  vorhergegangenen  Freitags- 
konzert hatte  sich  der  ebenfalls  schon  bekannte 
Cellist  Pablo  Casals  in  Dvoi^ak*s  bedeutendem 
Konzert  für  Violoncello  großen,  gerecht- 
fertigten Beiftill  ausgewirkt.  —  Casars  deutscher 
Kollege  Julius  Klengel  machte  sich  durch 
sein  Mitwirken  an  einem  Museums-Kamme r- 
musikabend  verdient;  ein  bei  diesem  An- 
laß vorgeführtes  Streichquartett  op.  10  von 
O.  Novacek  ließen  die  Hörer  achtungsvoll 
passieren,  ohne  tiefere  Neigung  zu  bekunden.  — 
Ähnlich  erging  es  diesmal  einer  Neuheit  der 
Hockschen  Kammermusikvereinigung,  einem 
Klavierquintett  von   Edgar  Stillman-Kelley.. 

—  Stärker  haftete  der  Bindruck  eines  Quartett- 
abends der  Herren  Rebner,  Davissen, 
Natterer  und  Hegar,  die  nichts  Neues  mit- 
brachten, aber  höchst  gehaltvolles  Altes,  darunter 
ein  Werk  wie  das  127.  von  Beethoven  (Es-dur  (Quar- 
tett), grundgediegen  wieder  aufzuschließen  wußten. 

—  Eines  fünften  Opernhaus-Symphonie- 
konzertsgedenken wir,  weil  sich  hier  bei  der  Auf- 
führung von  Rimsky-Korssakow's  Orchester^ 
dichtung  »Antar^  wieder  einmal  die  auftUlende, 
recht  beklagenswerte  Anteillosigkeit  zeigte,  mit 
der  unser  hiesiges  Publikum  dem  so  ungemdD 


57 
KRITIK:  KONZERT 


M 


iiitere8ttxiten  and  poesievollen  rassischen  Ton- 
schdpfer  gegenfiberstebt  Man  taute  erst  auf, 
alt  der  hier  schon  bestens  eingeführte  Raoul 
Pugno  sich  an  den  Fl&gel  setzte,  den  er  aller- 
dings wieder  brillant  meisterte.  —  Auch  ein 
paar  neue  Erscheinungen  auf  anderen  Konzert- 
podien wiren  zu  erwähnen,  so  die  Singerin 
Frl.  Yung  aus  M&nchen  und  der  englische 
Pianist  R.  Thynne,  beide  noch  im  Werden, 
aber  augenscheinlich  auf  gutem  Wege,  und 
die  Gesangsk&nstlerinnen  M.  Lumnitzer  und 
D.  FoMitz,  diese,  weil  sie  auch  den  Duett- 
gesang nicht  uneben  kultivieren  und  damit  manch 
liebenswfirdige  kleine  Tonschdpfung,  wof&r  der 
Modegeschmack  augenblicklich  nicht  viel  fibrig 
hat,  wieder  einmal  in  Vormerk  bringen.  — 
Glänzend  gelang  dem  »Museum*  sein 
zehnter  Freitags  -  Orchesterabend,  an  dem 
Brahma*  vierte  Symphonie,  «Tod  und  Ver- 
klirang*  von  Strauß  und  Wildenbruch-Schil- 
lings* »Hexenlied*  aufe  neue  an  uns  vorfiber- 
zogen,  letzteres  mit  Ludwig  Wül Ine r  als  innig- 
beseeltem Sprecher.  Aber  noch  höher  in  der 
Bedeutung  ist  vielleicht  ein  zweiter,  äußerlich 
weniger  ausgiebiger  Abend  desselben  Instituts 
einzttschitzen,  an  dem  uns  endlich  einmal  der 
Wunsch  erfQllt  ward,  Bachs  «Wohltemperiertes 
Klavier*  vom  Konzertpodium  herab  zu  ver- 
nehmen. Siloti,  der  Russe,  spielte  daraus 
zwei  Priludien  und  Fugen  und  darf  stolz  sein 
auf  diese  Pioniertat  fQr  ein  auserlesenes  Werk 
deutscher  Tonkunst,  das  bisher  von  so  vielen 
nur  als  ein  gediegener  Turnapparat  fQr  Geist 
und  Finger  angesehen  war.  ~  In  dem  wie  immer 
sehr  abwechslungsvollen  Programm,  mit  dem  der 
Singerchor  des  Lehrervereins  bei  seinem 
Jflngsten  Konzert  auftrat,  wurde  die  Aufmerk- 
samkeit durch  eine  Neuheit  »Die  wilde  Jagd* 
von  Rudolf  Bück  ungewöhnlich  gefesselt;  die 
kräftige  Eigenart  der  Komposition  und  die 
brillante  Ausf&hrang  durch  Prof.  Fleisch  und 
seine  feingeschulte  Singerschar  machten  so  viel 
Eindrack,  daß  das  St&ck  da  capo  gegeben  werden 
mußte.  Vortrefflich  hat  sich  such  eine  neue 
Pianistin  hier  eingefQhrt:  Germaine  Arnaud 
aus  Paris,  die  bei  ihren  blutjungen  Jahren 
z.  B.  schon  der  Beethevenschen  Appassionata 
solche  bedeutende  Wirkungen  abgewinnen  konnte, 
während  ihr  lostrumenulkollege  Paul  Gold- 
schmidt in  dem  von  ihm  veranstalteten  Abend 
sein  ansehnliches  Talent  durch  ein  Obermaß 
physischer  Kraftentwicklung  mehr  verschleierte 
als  dartat.  Hans  Pfeilschmidt 

GENF:  Im  sechsten  Abonnementskonzert  unter 
Leitung  von  Bernhard  Stavenhagen  wurde 
zuerst  die  l^onorenouvertfire  No.3  gespielt;  dann 
folgte  Liszt's  Es-dur  Konzert  (Frl.  Bogel).  Den 
Beschluß  bildete  die  Eroika.  ~  Das  siebente 
Abonnementskonzert  bot  folgendes  Programm: 
Brachstficke  aus  «Der  fliegende  Holländer*; 
Ouvert&re  zu  «Tsnnhiuser*;  Wotan's  Abschied ; 
Fragmente  aus  «Parsifal*.  Der  Solist  des  Abends 
war  der  Baritonist  Louis  de  la  Cruz-Fröhlich 
ans  Paris.  Das  inhaltsvolle  Programm,  von 
Stavenhagen  dirigiert,  unter  dem  das  Orchester 
simtliche  technischen  Schwierigkeiten  mit  bra- 
voaröser  Virtuositit  bewiltigte,  wurde  stfirmisch 
applaudiert  —  Prof.  M.  Behrens  gab  einen 
Rlevlerabend;  auf  dem  Programm  sunden  Werke 
von  Becl^^Bnsoni,  Beethoven,  Suvenhagen,  Schu- 


mann und  Liszt.  Sein  temperamentvoller  Vor- 
trag fand  dankbare  Aufnahme.  —  In  seinem 
dritten  Konzert  bot  das  Genfer  Quartett 
ein  Streichquartett  von  Borodine,  das  f-moU  Trio 
von  Dvoi^lk  und  Schuberts  Forellenquintett. 
Prof.  E.  Monod  hatte  in  den  beiden  letzten 
Nummera  den  pianistischen  Teil  fibernommen. 

Prof.  H.  Kling 

HAAG :  Auch  in  dieser  Saison  fiben  die  Konzerte 
des  Residenz -Orchesters  (Dirigent: 
Henri  Viotta)  und  die  des  Amsterdamschen 
Orchesters  (Dirigent:  Willem  Mengelberg) 
die  größte  Anziehungskraft  aus.  Das  Programm 
des  Residenz-Orchesters  unter  Andr6 
Spoor's  Leitung  enthielt  ausschließlich  Werke 
französischer  Komponisten:  Bizet  (Suite  Roms), 
Lalo  (Rhapsodie  norv6gienne),  Marche  militaire 
frangaise  aus  Ssint-Ssöns'  «Suite  alg6rienne*. 
Der  Violoncellist  Charles  Isterdael  spielte  u.  a. 
Saint-Saöos'  Konzert.  —  Unter  Henri  Viotta's 
Leitung:  Goldmark  (Symphonie  op.  26),  Saint- 
Saöns  (La  jeunesse  d'Hercule),  Tschaikowsky 
(Symphonie  op.  36),  Brahma  (Variationen  fiber 
ein  Thema  von  Haydn),  Haydn  (Symphonie 
No.  12  in  G),  Rossini  (Tell-Ouverture),  Delibes 
(Balletmusik  aus  «Sylvia*),  Grieg  (Elegiache 
Melodieen),  Beethoven  (Symphonie  No.  4),  Strauß 
(Don  Juan).  Als  Solisten  treten-  auf:  Marcella 
Pregi;  der  Großherzogiich  badische  Hofopem- 
sioger  J.  van  Gorkom  sang  u.  a.  Wotans  Ab- 
schied und  Feuerzauber  und  Lieder  von  Strauß 
und  Schillings;  der  Violinist  Oscar  Bach  aus 
Br&ssel  spielte  Vieuztemps*  Konzert  No.  4  in  d. 
Durch  Abwesenheit  war  ich  verhindert,  das 
Konzert  zu  besuchen,  in  dem  Ernst  von  Doh- 
nanyi  auftrat.  Als  Virtuose  und  als  Kom- 
ponist erzielte  er  einen  glinzenden  Erfolg  mit 
Brahma*  Klavierkonzert  No.  2  und  mit  seinen 
Stficken  «Humoreske*,  „Marsch*,  ^Pastorale*, 
«Introduction  und  Fuge*.  —  In  Willem 
Mengelberg  besitzt  Niederland  einen  Or- 
chesterdirigenten allerersten  Ranges.  Er  ver- 
steht, seine  Kfinstlerschar  außergewöhnlich  zu 
inspirieren  und  erzielt  darum  auch  außergewöhn- 
liche Resultate.  Er  brachte  u.  a«  auch  die  an- 
mutige «Rosamuodenmusik*  von  Schubert, 
Mendelssohns  i,  Meeresstille  und  glfickliche 
Fshrt*  und  Liszts  »Faust -Symphonie*.  Noch 
niemals  habe  ich  dieses  Werk  so  prachtvoll  auf- 
f&hren  hören,  als  unter  Mengelbergs  glutvoller 
Leitung.  Auch  der  Minnergesangverein  »Richard 
Hol*  wurde  inspiriert  und  löste  seine  Auf- 
gabe glinzend.  Auch  in  der  Wiedergabe  von 
Brahms'  zweiter  Symphoniejoachims  »Lustspiel- 
Ouvertiire*  und  Richard  Strauß'  »Don  Quixote*, 
offenbarte  sich  Mengelbergs  großes  Talent. 
Dirigent  und  Orchester  ernteten  stfirmischen 
Beifall.  Es  kamen  femer  zur  Vorführung  C6sar 
Francks  Symphonie  in  d,  Max  Regers  op.  100, 
Griegs  »Peer  Gynt*-Suite,  Liszts  »Les  Pr61udes.* 
Mitwirkende  Solisten  in  diesen  Konzerten  wsren: 
der  Violinvirtuose  Carl  Flesch  (Beethovens 
Konzert  mit  den  Joachimschen  Kadenzen); 
Hermine  Bosetti  exzellierte  in  der  Arie  der 
Consunze  aus  der  »Entführung*,  riß  aber  daa 
Publikum  zur  Begeisterung  hin  mit  dem  Vor- 
trsge  von  Liedern  von  Wolf  und  Cornelius.  Die 
Klsviervirtuosin  Marie  Panthia  spielte  u.  a. 
Moor's  Konzert  in  Des.  —  Im  Konzert  des 
Utrechtschen  Paleatrinachorea  (Dirigent: 


58 
DIE  MUSIK ^11.  13. 


H.  Guy  per s)  hörte  man  Kyrie,  Gloria  und 
Saocttta  aus  Palestrina's  Messe  »Papae  Mar- 
ceili%  «Hodie  Ghristus  oatus  est*  von  L.  Mar- 
enziOy  und  zwei  Altdeutsche  Weihnachtslieder. 
Der  Organist  H.  Secrdve  spielte  StScke  von 
Bach  «nd Rheinberger.  —  Der  Acappellachor 
aus  Amsterdam  (Dirigent:  Anton  Averkamp) 
brachte  ein  schönes  Programm:  Palestrina 
(Sanctus;  Benedictus),  Leo  Haßler  (Agnus  Dei), 
M.  Ingegneri  (Tenebrae  factae  sunt),  Brückner 
(Ave  Maria),  weltliche  Gesinge  von  Job.  Eccard, 
ein  Alt-niederlindisches  Lied  «Hans  und  Grete*, 
ferner  Kompositionen  von  Hellinck,  Brabms  und 
Robert  Kahn.  Otto  Wernicke 

HAMBURG:  Das  9.  Philharmonische  Kon- 
zert gab  unserer  »Philbarmonie*,  die  sich 
lange  genug  gegen  Wagner  —  und  nicht  nur 
gegen  ihn,  sondern  gegen  alles,  was  Fortschritt 
beißt,  —  gesträubt  hat,  die  vielleicht  innerlich 
auch  heute  noch  unversöhnt  der  Entwicklung 
der  Dinge  gegenfibersteht  und  nur  aus  prak- 
tischen Grfinden  sich  zu  einiger  Nachgiebigkeit 
bereitflnden  lißt,  Anlaß  zu  einem  Wagner- 
Gedenkkonzert  Man  fiel  dabei  von  einem 
Extrem  ins  andere:  fünf  großeWagnerscheOuver- 
t&ren  und  Vorspiele,  außerdem  noch  das  Sieg- 
friedidyll, die  Trauermusik  aus  »Götterdämme- 
rung* und  Liebestod  waren  entschieden  zu  viel 
für  einen  Abend.  Außerdem  mußten  die  so 
verschieden  gearteten  Werke  sich  in  dieser  Zu- 
sammensetzung des  Programms  direkt  erdrücken. 
Unmittelbar  nach  der  Ekstase  der  »Tannhiuser*- 
Ouvertüre  ist  es  eben  ganz  unmöglich,  sich 
innerlich  auf  den  itherischen  Glanz  des  »Lohen- 
grin*  -  Vorspiels  einzurichten.  Und  zwischen 
dem  Zyklopenbau  des  »Mdstersinger^-Vorspiels 
und  dem  heroischen  Pathos  der  Trauermusik 
aus  der  »Götterdimmerung*  ist  kein  Platz  für 
das  SiegfHedidyll.  Die  Aufführung  der  Werke 
bewies,  daß  Max  Fiedler  sich  im  Laufe  der  Jahre 
dem  inneren  Wesen  Wagnerseber  Kunst  zwar 
genihert  bat,  aber  daß  er  doch  noch  nicht  eine 
eigne  Spräche  spricht,  wenn  er  Wagner  dirigiert. 
Er  bat  den  Dialekt  gut  angenommen.  Aber 
es  ist  eben  Dialekt.  Das  10.  Konzert,  das 
unter  der  Mitwirkung  der  Singakademie  sutt- 
fand,  leitete  Prof.  Barth.  Es  brachte  zunächst 
einmal  Brabms  und  zwar  ziemlich  philiströse 
Wiedergaben  von  »Naenie*  und  »Gesang  der 
Parzen*.  Die  zweite  Abteilung  des  Konzertes 
wurde  mit  einer  wesentlich  höber  stehenden  Auf- 
führung von  Schumanns  »Manfred*  ausgefüllt, 
an  dessen  ergreifender  Wirkung  nicht  nur  Dr. 
Ludwig  Wüllner  als  genialer  Interpret  der  By- 
ronschen  Dichtung,  sondern  auch  das  unter 
Barths  Leitung  sehr  feinsinnig  spielende  Or- 
chester und  eine  respektable  Chorleistung  ihren 
Anteil  hatten.  -~  Das  vornehmste  einheimische 
Quartett,  das  Bandler-Quartett,  hatte  sieb  zu 
seinem  letzten  Abend  in  dieser  Saison  der  Mit- 
wirkung des  ausgezeichneten  Klarinettisten 
Richard  Grife  versichert  und  brachte  mit  ihm 
Mozarts  köstliches  Klarinetten-Quintett  in  A-dur 
in  einer  so  tonschönen  als  stilistisch  echten 
Ausführung  zu  Gehör;  unter  solchem  Beifall, 
daß  man  eigentlich  das  gsnze  Werk  bitte  da 
capo  spielen  können.  Weniger  glücklich  schnitt 
die  Korporation  mit  einer  klanglich  noch  nicht 
recht  ausgeglichenen  Wiedergabe  von  Brabms' 
€-moll  Quartett  ab.  —  Julius  Laubes  alljibr- 


liebes  Benefiz  brachte  diesmal  dem  vorzüglichen 
Dirigenten,  dem  Hamburg  so  außerordentlich 
viel  zu  verdanken  bat,  ganz  besondere  Ebmngen, 
da  es  sich  um  das  Abschiedsbeneflz  des  Künstlers 
handelte.  In  seiner  schlichten  und  ehrlicben 
künstlerischen  Weise,  der  ein  wirklich  großer 
Zug  nicht  abgesprochen  werden  kann,  dirigierte 
Laube  die  2.  Beethovensche  Symphonie,  die 
Trauermusik  aus  »Götterdimmerung*  und  die 
Ouvertüren  »Rule  Britannia*  von  'Wagner  und 
»1812*  von  Tschaikowsky.  Als  Solisten  wirkten 
die  Cellistin  Eugenie  Stoltz  aus  Berlin  mit, 
die  vielleicht  stirkeren  Erfolg  erzielt  bitte,  wenn 
sie  sich  eine  weniger  undankbare  Kompünitlon 
als  Eugen  d'Alberts  doch  recht  brüchiges  Cello- 
konzen  ausgesucht  bitte,  und  Elsa  Laube,  die 
begabte,  am  Bremer  Sudttheater  wirkende 
Tochter  Laubes.  Mit  hübsch  pointierten  Vor- 
trigen  wußte  die  Singerin,  die  namentlich  nnf 
dem  Gebiete  des  Heiteren  und  Anmutigen 
Meisterin  Ist,  sich  die  Gunst  der  Zuhörersiebafk 
im  Fluge  zu  erobern.     Heinrich  Chevalley 

HEIDELBERG:  Das  Programm  des  sechsten 
Bachvereinskonzertes  enthielt  die  l>eiden 
In  gewissem  Sinne  gegensitzllchen  Werke:  die 
»Dante*-Symphonie  von  Liszt  und  die  »Ptata- 
stlsche*  von  Berlloz,  die  unter  Philipp  Wolf- 
rums  geistvoller  und  anfeuernder  Leltmig  vom 
riesigen  Instrumenulkörper  vorzüglich  gespielt 
wurden.  Der  Frauenchor,  hinter  einem  Giue- 
vorhang  vor  der  Orgel  etwas  erhöht  plaziert  oad 
wie  das  Orchester  dem  Publikum  nicht  sichtbnr, 
bot  Im  Magniflkat  inbezug  auf  Reinheit  und 
Gestaltungskraft  eine  tiefergreifende  LeltUing. 
Im  siebenten  Konzert  entzückte  das  KünetlerpMT 
Dr.  Felix  von  Kraus  und  Adrienne  v.  Krant- 
Osborne  durch  Lieder  und  Duette  von  Sehn« 
bert,  Brahma,  Liszt,  Wolf  und  Weber.  Dr.  Wolf- 
rum sang  mit  am  Bechstein-Flügel.  Das  aehte 
Konzert,  auf  den  romantischen  Ton  gestimmt, 
gab  dem  vielumstrittenen  Tondichter  Hans 
Pfitzner  Gelegenheit  zu  beweisen,  daß  er  In 
musikaliscben  Dingen  »etwas  zu  sagen  habe*; 
er  dirigierte  seine  ,Christelfleln*-Ouvertüre  nnd 
einen  Abschnitt  aus  der  Musik  zum  »Kithchen 
von  Heilbronn*.  Martha  Schauer-Bergmann 
(Breslau)  Imponierte  in  zwei  Arien  (ans  »Eury- 
anthe*  und  »Oberen*)  durch  ihre  aleghalio 
Stimme  und  ihre  greßsügige  Art  der  DarMetang. 
Das  Konzert  wurde  mit  Beethovens  »Vierter* 
eröflPoet.  Im  neunten  legitimierte  sich  Anna 
Hirzel  mit  dem  B-dur-Konzert  von  Brahma  alt 
phinomenale  Pianistin,  und  Siegmund  v.  Hant- 
egger  bewihrte  sich  in  seinem  lingtt  gewür- 
digten »Wieland  der  Schmied*  ala  temperament- 
voller Orchesterdirigent  Schuberts  »Unvol- 
lendete*, in  kaum  zu  fiberbietender  Art 
interpretiert,  und  Wagners  Jugendwetk  »Colnm- 
bus*-Ouvertüre,  zur  Erinnerung  an  den  25k 
Todestag  des  Meisters  ins  Programm  auf- 
genommen, umrahmten  das  neunte  Konzert.  — 
Die  treflnichen  Kammermusikkonzerte  von 
O.  Seelig  fanden  durch  die  Münchener  und 
das  Rebner-Quartett  aua  Frankfürt  a.  M., 
das  ausschließlich  Beethoven'sche  Werke  und 
unter  diesen  das  Sepiett  opus  20  zu  Gehör 
brachte,  ihren  Abschluß.  Das  neue  Heidel- 
berger Trio:  Paul  Stoye  (Klavier),  Max  Pott 
(Violine)  und  Richard  Post  (Violoncello)  fUrte 
sich  u.  a.   mit  dem    H-dur-Trio   Op.  8  von 


59 
KRITIK:  KONZERT 


Bratain8  und  dem  B-dur-Trio  von  Schubert  viel- 
versprechend ein.  In  der  »Musikalischen  Ge- 
eellecliaft"  erwarben  sich  durch  die  VorfQhrung 
von  Sonaten  alter  Meister  (Corelli,  dair 
AbacOy  Hindely  Buxtehude  und  J.  S.  Bach) 
Anna  Bai  11  o  (Violoncello)  und  die  Herren 
Porges  (Violine)  und  Hasse  (Klavier)  großes 
Verdienst«  Solisten-,  Kirchen-  und  Minnerchor- 
Konzerte  füllten  die  noch  freien  Abende  aus. 

Karl  Aug.  Krause 
1^ ASSEL:  Das  Januar-Konzert  der  König- 
'^  liehen  Kapelle  unter  Dr.  Beier  bot  außer 
einer Haydn-Symphonie  eine  in  B  von  Rudorff,  die 
troti  mancher  Vorz&ge  und  Schönheiten  einen 
tieferen  Eindruck  nicht  hinterließ.  Begeisterung 
wecloe  Stavenhagen  mit  Liszts  Es-dur  Konzert 
und  Schumanns  Papillons.  Innerhalb  einer 
Woche  kamen  Mendelssohns  vElias*  und  «Paulus* 
zu  Gehör,  jener  durch  den  Philharmonischen 
Chor  (Dirigent  Nagel),  dieser  durch  den  Ora- 
torienverein (Dirigent  Hallwachs),  beide  in 
chorischer  wie  solistischer  Hinsicht  höchst 
lobenswert  und  wirkungsvoll.  Die  Herren  Käse 
und  Koegel  und  die  Damen  Stronck-Kappel 
und  Fnnck  wirkten  im  »Elias*,  Frau  Grum- 
bacher-de  Jong,  Frau  Hallwachs  und  die 
Herren  Eweyk  und  Reimers  im  »Paulus*. 
Eine  wertvolle  Novitit  bot  der  Lehrergesang- 
verein zur  Feier  seines  25jihrlgen  Bestehens 
mit  Zöllners  »Bonifficius*.  Der  Chor  stand 
«ttf  voller  Höhe  und  wurde  durch  gute  Solisten: 
▼alther  Soomer  und  Martha  Schauer-Berg- 
mann, die  außerdem  die  Ozean- Arie  aus  »Obe- 
fOB*  trefflichst  sang,  bestens  unterst&tzt.  —  Von 
Virtuosen  hatte  dendenkbar größten  Erfolg  Bur- 
mester,  dessen  Begleiter  Schmidt-Badekow 
CleichMls  viel  Beiffill  erntete.  Mit  Meister 
Wfillner  im  Bunde  traten  hier  zuerst  auf  Elly 
Ney  und  Herr  Marneff.  Die  Leistungen  der 
Pianistin  waren  interessant,  aber  ungleich  Im 
▼ert,  die  des  Cellisten  ausgezeichnet  durch  Ton- 
•chönhelt  und  Akkuratesse.  Ihr  altes  Renommee 
befestigten  in  einem  gut  besuchten  Konzerte  die 
Geigerin  Minna  Rode  und  die  Pianistin  E.  von 
Binzer.  Dr.  Brede 

X/^ÖLN:  Hauptstucke  im  neunten  Gfirzenich- 
'^  Konzert  waren  zwei  Beethovensche  Werke: 
die  von  Fritz  Stein bach  eindrucksvoll  inter- 
pretierte siebente  Symphonie  und  das  Violinkonzert 
D-dur,  für  das  Alfred  Wittenberg  mit  seiner 
bedeutenden  Technik,  seinem  warmen  großen 
Tone  ond  seiner  aller  unzeitigen  T&ftelei  abholden, 

Silittterten  Auffassung  höchst  erfolgreich  eintrat, 
ann  freuten  wir  uns,  Bernhard  Scholz  von 
Frankfhrt  in  voller  Frische  seine  symphonische 
Phantasie  »Malinconia*  vorfuhren  zu  sehen,  eine 
ideenschöne,  in  drei  Abschnitte  zerfallende  Ton- 
echöpfung,  deren  vornehme  und  wohllautreiche 
Art  bedauern  lassen  kann,  daß  Scholz  in  dis- 
kreter Selbstbeschrinkung  dem  Werke  einen 
größeren  Umfang  nicht  geben  wollte.  Dem 
Titel  entsprechend,  sind  es  vorwiegend  Gedanken 
schwerm&tiger  Natur,  die  uns  in  warmherziger, 
schlichter  Beredsamkeitvf elerlei  sagen  und  denen 
der  Meister  in  einer  stimmungsreichen,  die 
Instramente  ohne  alle  moderne  Anwandlungen 
aufisrordentlich  gewihlt  behandelnden  Tonsprache 
edles  Ausdruck  gibt.  Echte,  reine  Musik.  Das 
Cfirsenidipttbllinim  spendete  surken  Beifall  und 
rief  Sdiols  mehrmals  hervor.    Dann  hörte  man 


Vincent  d'Indy's  symphonische  Variationen 
«Istar*.  Ich  vermag  eine  wirkliche  musikalische 
Illustrierung  der  betreflPenden  Momente  des  alten 
babylonisch-assyrischen  Heldengedichts  Izdubar 
in  diesen  Variationen  nicht  zu  erblicken,  also 
die  Lösung  der  von  dem  allbekannten  Tonsetzer 
übernommenen  Aufgabe  nicht  als  gelungen  zu 
betrachten.  Die  Erfindung  d'Iody's  reichte  nicht 
aus,  und  so  finden  wir,  da  er  als  schaffender 
Musiker  unsere  Phantasie  zu  wenig  unterstützt, 
die  einzelnen  Bilder  oder  Geschehnisse  nicht 
genfigend  glaubhaft  geschildert.  Natürlich  bringt 
d'lndy  manches  Interessante  Detail,  und  hervor- 
ragende klangliche  Reize  erzeugt  namentlich 
seine  virtuose  Instrumentation.  Unser  Publikum 
traf  an  diesem  Abend  ein  zweitesmal  das  Rich- 
tige, indem  es  dieses  Werk,  dem  Steinbach  und 
das  Orchester  alle  möglichen  Chancen  geboten 
hatten,  recht  kühl  aufnahm.  —  Nun  aber  eine 
Frage.  Wo  blieb  denn  Richard  Wagner  in 
diesem  (am  18.  Februar  abgehaltenen)  Konzert, 
er,  dessen  25.  Todestag  die  ganze  musikalische 
Welt  durch  Aufführungen  ehrende  Rechnung 
trug?  Wagner,  von  dem  in  diesen  Abonnements- 
konzerten Im  Laufe  langer  Jahre  so  viel,  und 
so  oft  gänzlich  deplaziert,  Opembruchsiücke 
gebracht  wurden,  mit  dessen  Ouvertüren  man 
sonst  so  gern  die  Programme  bereichert?! 
Dem  Singer  X  oder  der  Singerln  Y  zuliebe  ließ 
man  sich  doch  Immer  ohne  Murren  bereit 
finden,  Szenen  und  Duette  Wagnerscher  Werke 
aus  dem  Bfihnenrahmen  weg  In  den  Konzert- 
saal zu  zerren.  Wollte  die  Konzertgesellschaft 
durch  die  auffiUige  Wagner-Abstinenz  gersde 
im  Anechlusse  an  den  jetzigen  Gedenktag  der 
Einsicht, daß  mandem  dramatischen  Tonsetzer 
Im  Gfirzenich  allzu  oft  tönendes  Unrecht  getan 
hat,  zerknirscht  schwelgenden  Ausdruck  geben? 
—  In  der  Musikalischen  Gesellschaft 
holte  sich  Ruth  Wald  au  er  aus  Mobile  einen 
durchaus  berechtigten  starken  Erfolg,  indem 
sie  Arien  und  Lieder  mit  sehr  schöner,  best- 
geschulter Sopranstimme  höchst  geschmack- 
voll vortrug.  Auch  der  Heidelberger  Gelger 
Friedrich  Porges  erzielte  mit  Bachs  g-moll- 
Konzert,  das  Arnold  Krögel  mit  dem  Streich- 
orchester der  Gesellschaft  feinfühlig  begleitete, 
und  mit  Tartlni's  g-moll-Sonate  vorwiegend 
günstige  Eindrücke.  —  Der  noch  junge  Cellist 
Percy  Such  aus  London  setzte  das  Audito- 
rium in  Erstaunen  durch  seine  Im  ersten 
Satze  von  DavidoflPs  wenig  originellem  a-moU- 
Konzert  betitigte  seltene  Technik,  dann  durch 
seine  edle  Kantllene  bei  der  Bruchschen  Canzone 
und  die  hier  wie  bei  Fitzenhagens  Perpetuum 
mobile  dargetane  vielseitige  Virtuositit.  —  Lebhaft 
interessieren  konnte  der  Planist  H.  Stenne- 
bruggen  von  Straßburg,  der  bei  der  Wiedergabe 
von  Saint-Saöns'  c-moll-Koozert,  Chopins  cis- 
moll-Noctume  und  Barkarole  und  Liszts  Tarantelle 
eine  schöne  Sicherheit  und  Glitte  der  tech- 
nischen Ausgestaltung,  aber  nicht  Immer  die 
vollgenügende  Kraftentfaltung  und  nicht  viel 
Wirme  des  Empfindens  beobachten  ließ«  Unter 
Frlu  St  ein  bach  gelangte  der  orchestrale  Part 
zu  wirkungsvoller  Ausprigung.  —  Durch  die 
bedeutsame  Eigenart  Ihres  Vortrags  und  die 
geschickte  Behandlung  Ihrer  Stimme  begeisterte 
Lola  Barnay  aus  Berlin  zumal  mit  dem  Uede 
«Schiiee*  des  Schweden  LIe  die  Hörer  In  außer- 


60 
DIE  MUSIK  VII.  13. 


gewöbnlichem  Maße.  —  Dann  lernte  man  in  L. 
Delune  aus  Paris  einen  trefflieben  Pianisten 
kennen,  der  nur  in  der  Wahl  seiner  eigenen 
schwachen  Violinsonate  einigermaßen  unvor- 
sichtig war.  Deren  Geigenpart  sowie  kleinere 
Stucke  hatten  übrigens  in  Silvio  Floresco 
einen  wenig  bedeutenden  und  noch  weniger 
interessierenden  Vertreter  gefunden.  —  Das 
G&rzenicb-Quartett  brachte  bei  seinem 
siebenten  Kammermusikabend  Beethovens  F-dur- 
Quartett  und  Haydns  dmoll-Quartett  in  wunder- 
vollem Zusammenspiel  und  stilreinster  Aus- 
fObrung  aller  Gedankenphasen  zu  sehr  genuß- 
reicher Veranschaulich ung.  Ein  erstmalig  ge- 
hörtes Quartett  a-moll  von  Ernst  Toch  sprach 
mehr  vermöge  guter  Arbeit  als  durch  Werte  der 
Empfindung  an,  die  eine  prignante  musikalische 
Physiognomie  nicht  erkennen  lißt.  Im  dritten 
Satze  glaubte  man  Tschaikowsky  zu  hören.  Am 
achten  Abend  der  Vereinigung,  dem  letzten  der 
Saison,  hinterließ  die  ausgezeichnete  Wiedergabe 
dreier  Beethoven- Werke:  der  Quartette  D-dur  und 
cis-moll  sowie  des  Klaviertrios  Es-dur,  bei  dem 
Hedwig  Meyer  höchst  verdienstlich  mitwirkte, 
Eindrücke  erhebendster  Art.       Paul  Hiller 

MÖNCHEN:  Das  Sprichwort  vom  kreißenden 
Berg,  der  eine  licherliche  Maus  gebiert, 
ist  alt,  manchmal  kommt  es  aber  doch  auch 
vor,  daß  eine  licherliche  Maus  einen  Berg  ge- 
biert. Ich  habe  in  meinem  letzten  Bericht  die 
Angelegenheit  Dr.  Kaim  -  Dr.  Louis  besprochen ; 
schon  damals  waren  aus  den  Bemerkungen  Dr. 
Kalma  aufder  Rückseite  eines  Konzertprogramms 
alle  möglichen  Unzutriglichkeiten  allmihlich 
entstanden;  sie  haben  sich  nunmehr  ins  Grosse 
und  fast  möchte  man  meinen  ins  Unentwirrbare 
ausgewachsen.  Hofrat  Kaim  soll,  wie  man 
hört,  die  Kündigung  gegenüber  den  Musikern, 
deren  Entfernung  das  Musikkomitee  der  Aus- 
stellung „München  1908*  verlangte,  schließlich 
wieder  zurückgenommen  haben;  daraufhin  löste 
das  Musikkomitee  den  mit  Kaim  geschlossenen 
Vertrag,  nach  dem  sein  Orchester  als  Aus- 
stellungsorchester  zu  fungieren  gehabt  bitte, 
sab  sich  auswirts  (Dortmund)  nach  einem  Er- 
satz um  und  wurde  deshalb  von  der  Münchener 
Presse  vielfach  getadelt  und  angegriffen.  Das 
Kaimorchester  selbst  wollte  infolge  einer  Er- 
klirung,  die  sein  Kapellmeister  Schn6evoigt  in 
den  Zettungen  abgegeben  hatte,  unter  ihm  nicht 
mehr  spielen,  streikte  in  Mannheim  wibrend 
eines  Konzertes  btw.  leistete  durch  schlechtes 
Spiel  passiven  Widerstand  und  wurde  daraufhin 
von  Hofrat  Kaim  ganz  berechtigterweise  wegen 
Kontraktbruches  entlassen.  Es  gibt  nun  unter 
einem  seiner  früheren  Dirigenten  eigene  Kon- 
zerte. Dr.  Kaim  seinerseits  will  ein  ganz  neues 
Orchester  sammeln  und  veranstaltete  vor  kurzem 
zum  erstenmal  einen  populiren  Abend  mit  der 
allerdings  noch  etwas  lückenhaften  neuen 
Kapelle.  Und  so  ist  der  ursprüngliche  Grund 
all  dieser  Schwierigkeiten  so  gut  wie  vergessen, 
der  Kampf  wogt  weiter  um  größere  und  wich- 
tigere Dinge,  vor  allem  um  die  Frage  der 
Neuschaffung  des  für  München  dringend  not- 
wendigen zweiten  großen  Konzertorchesters  und 
am  die  Frage  des  Ausstellungsorchesters.  Was 
das  Ende  davon  sein  wird,  weiß  heute  noch 
kein  Mensch  zu  sagen.  Bedauerlich  ist  und 
bleibt  nur»  daß  niemand  sich  gefunden  hat,  der 


«i«a 


M 


im  Interesse  unseres  Musiklebens  zu  Anfang 
der  Streitigkeiten  eingegriffen  bitte.  Bei  einer 
gütlichen  Einigung  über  den  ersten  Anlaß 
wire  es  wobt  kaum  zu  den  beklagenswerten 
Folgen  gekommen,  die  nun  die  Situation  für 
alle  Teile  überaus  prekir  und  unerquicklich 
gestaltet  haben.  —  Die  Kaim-  und  die  Pfitz- 
ner-Abonnementskonzerte  haben  natürlich» 
für  jetzt  wenigstens,  durch  die  Entlassung  des 
alten  Kaim-Orchesters  ein  jihes  Ende  gefunden. 
Das  vierte  Pfltzner-Konzert  hatte  vor  einem 
wieder  trostlos  leeren  Saal  eine  sehr  schöne 
Wiedergabe  von  C.  Francks  d-moll  Symphonie 
und  eine  in  der  Temponahme  verfehlte,  auf 
weite  Strecken  zu  langsame  Interpretation  von 
Strauß'  i^Don  Quixote*  gebracht.  Sollstisch 
beteiligten  sich  Tilly  Koenen  und  der  Meister- 
Cellist  Heinrich  Kiefer.  Das  siebente  Kaim- 
Konzert  vermittelte  die  Bekanntschaft  mit  dem 
temperamentvollen  Geiger  Joan  Man6n,  im 
achten  errang  Valborg  Svirdström  sehr 
hübschen  Erfolg.  Aus  dem  Programm  wire 
noch  Wolfs  «Italienische  Serenade*  unter 
Scbn6evoigts  geschickter  Leitung  hervor- 
zuheben. An  Stelle  der  ebenMls  unmöglich 
gewordenen  Volks  -  Symphonie  -  Konaerte 
sind  einstweilen  Volks  -  Kammermusik- 
Abende  getreten,  ausgeführt  von  den  Herren 
Hey  de  (Violine),  van  Vliet  (Cello)  und  rep- 
schiedenen  Pianisten,  darunter  auch  Prof. 
Schmid-Lindner.  —  Alte  Musik  in  echter 
Fassung  findet  glücklicherweise  immer  mehr 
Pfiege  und  Verstindnis.  Hervorragendes  leistet 
darin  die  Soci6t6  dMnstruments  anclens. 
Alte  Lieder  (.Gedichte  Goethes  in  der  Musik 
seiner  Zeit*  und  ^.Geistliche  und  weltliche  Lieder 
des  18.  Jahrhunderts*)  trug  Philippine  Lands- 
hof f  in  zwei  Konzerten  sehr  verstindnisvoll 
vor.  Den  größten  Beifall  fand  die  Barth  sc  he 
Madrigalvereinigung,  die  ein  eriesenes 
Programm  von  Madrigalen,  Chansons  usw.  zu 
größtem  künstlerischen  Genuß  stilvoll  aus- 
nibrte.  Auch  das  Konzert  des  Mfinchene^ 
Chorschulvereins  unter  der  sachverstindigen 
Leitung  Eugen  Wöbries  sei  in  diesem  Zn- 
sammenhang genannt.  —  Günstigen  Eindruck 
von  seiner  Dirigentenbegabung  hinterließ  Floren! 
Werner  in  einem  Konzen  mit  dem  Kaim- 
Orcbester,  das  zwei  Symphonieen  von  Brückner 
und  Brabms  einander  gegenüberstellte.  —  Von 
Kammermusikveranstaltungen  wire  eines  So- 
natenabends von  Julius  Kiengel  (Cello)  und 
Fritz  V.  Böse  (Klavier)  zu  gedenken,  femer 
zweier  interessanter  Konzerte  der  Münchener, 
das  erste  in  Gemeinschaft  mit  Heinrich  Schwerts 
(Klavier)  und  das  zweite  mit  August  Schmid- 
Lindner  (Klavier).  Mit  Robert  Hausmann 
(Cello)  spielte  Schmid-Lindner  in  mustere 
gültiger  Weise  simtliche  Cellosonaten  von  Beet- 
hoven. Weniger  Anklang  fand  das  Frankfurter 
Rebner-Quartett  wegen  seiner  nicht  immer 
klangschönen  Tongebung.  Aus  den  Programmen 
der  Abonnementskonzerte  der  Mfinchener 
und  der  Böhmen  ist  Brückners  herrliches» 
leider  viel  zu  selten  gehörtes  Streich quintett 
hervorzuheben.  Auch  die  Brüsseler  gaben 
ein  zweites  Konzert.  Lamond  und  Burmestet 
brauchen  nur  erwibnt  zu  werden.  Michel  de 
Sicard  erwies  sich  als  beachtenswerter  Geiger, 
ebenso    Theodor    Spiering.     Von    Gwumgt- 


61 
KRITIK:  KONZERT 


koBieiten  hatten  Bedeutung  die  Ton  Anton 
Schleeeer  (Tenor),  Toni  Bendix  (Alt),  Lotte 
Schloß  (Sopran),  F.  Broderaen  (Bariton), 
Erich  Hanfs taengl  (Bariton)  und  der  Duetten- 
abend der  Damen  Möhl-Knabl  und  Rhein- 
feld.  —  Unsere  Akademie-Konzerte  unter 
Felix  Mottl  halten  sich  nach  wie  vor  auf 
höchater  Höhe.  Im  dritten  sang  Frau  Preuse- 
Matsenauer  vorzüglich  Berüozsche  Gesinge; 
auch  Weingartners  «König  Lear*  wieder  zu  be- 
gegnen, war  sehr  erfreulich.  Im  vierten  fesselte 
die  hier  fHiher  schon  aufgeführte  Tondichtung 
,»Taormina*  von  E.  Boehe  als  starke  Talentprobe. 
Nach  dem  fünften  mit  Beethovens  «Neunter* 
brachte  das  sechste  wieder  eine  kleine  musika- 
lische Sensation:  Richard  Wagners  OuvertQre 
zu  «König  Enzio*.  Gewiß,  sie  ist  weniger 
originell  wie  die  zu  «Christoph  Columbus*, 
Beethovens  Vorbild  stark  erkenntlich;  trotzdem 
besticht  sie  durch  die  Klarheit  ihrer  Form  und 
die  immerhin  nicht  unbedeutende  Prignanz 
ihrer  Thematik.  Die  Instrumentation  läßt  natfir- 
lieh  den  späteren  Meister  nicht  ahnen,  ist  aber 
dennoch  recht  wohlklingend.  Vollendet  war  an 
diesem  Abend  die  Ausdeutung  von  Brückners 
dritter  Symphonie  durch  Mottl,  und  Heinrich 
Schwartz'  Spiel  in  Beethovens  Es-dur  Klavier- 
konzert —  Mehrere  Veranstaltungen  in  größerem 
Rahmen  sind  zu  erwähnen.  Ein  Konzert  des 
Lehrergesangvereins  enthielt  in  seinem 
Programm  als  HauptstQck  einen  achtstimmigen 
gemischten  Chor  von  Siegmund  v.  Hausegger, 
«Requiem*  nach  einer  Dichtung  von  Hebbel, 
ein  ganz  hervorragendes,  aber  dem  Chor 
onendliche  Schwierigkeiten  bietendes  St&ck« 
das  tiefsten  Eindruck  machte,  auch  infolge  der 
vollendeten  Interpretation  unter  Kapellmeister 
Cortolezis,  der  in  gleicher  Weise  mit  Chören 
von  Reger  und  Brückners  «Germanenzug*  seine 
eminente  Befllhigung  als  Chordirigent  bewies. 
Einen  großen  Erfolg  errang  Max  Schillings 
mit  der  Konzertvorf&hrung  des  ersten  Aktes 
seiner  Oper  «Moloch"  (Soli:  Felix  v.  Kraus, 
Ludwig  Heß,  Hans  Herbelt,  die  Damen  Bur* 
chardt  und  Hövelmann);  im  selben  vom  All- 
gemeinen Deutschen  Musikverein  gegebenen 
Konzert  gelangten  «Drei  Hymnen  an  die  Nacht* 
für  Bariton  und  Orchester  von  Siegmund  v.  H  a  u  s  - 
egger  zur  Vorf&hrung,  gesungen  von  Felix 
V.  Kraus,  Stflcke  voll  Erfindungskraft  und 
achönater  Charakterisierungskunst,  auch  in  der 
Instrumentation,  die  stets  Rücksicht  auf  die 
Singstimme  nimmt  Recht  gut  gefielen  drei 
Chöre  mit  Orchester  von  Ludwig  Heß,  am 
besten  vielleicht  «Schnitterlied*.  —  Eine  Ge- 
denkfeier für  Grieg  nahm  unter  Mitwirkung 
Björn  Björn sons,  der  eine  kleine  Gedichtnis- 
rede  hielt,  wfirdigen  Verlauf;  u.  a.  kam  das 
Streichquartett  g-moll  zu  Gehör.  —  Aus  einem 
Modernen  Abend  des  Philharmonischen 
Orchesters  unter  Jan  Ingenhoven  ist 
gsnz  besonders  die  meisterliche  Wiedergabe 
von  Paul  Dukas'  interessanter  Sonate  es-moll 
für  Klavier  durch  Prof.  Schmid  -  Lindner 
hervorzuheben.  In  Werken  von  Perosi  und 
Martucci  hielt  sich  das  verstärkte  Or- 
chester sehr  wacker.  —  In  einem  Novitäten- 
abend  endlich  unter  V.  W.  Seh  warz'  geschickter 
und  sympathischer  Leitung  wurde  nach  Kom- 
positionen von  Georg  Stoeber  und  einer  1880 


komponierten  «Frfihlingsouvertiire*  von  Ludwig 
Tbuilleder  dritte  Aufzug  von  Herman  Zumpes 
nachgelassener  Oper  «Säwitri*  aufgeführt  Ein 
Teil  der  Solisten  war  nicht  gut  disponiert,  so 
daß  der  Eindruck  erheblich  litt ;  aber  auch  ohne- 
dies mußre  man  sich  darüber  im  klaren  sein, 
daß  aus  dieser  Partitur  zwar  ein  äußerst  warm- 
herziger und  wahrhaft  kunstbegeisterter  Mensch, 
aber  kein  wirklich  originaler  Künstler,  kein 
genialer  Erfinder  zu  uns  sprach.  Wagner  und 
Schillings  haben  bestimmend  auf  ihn  eingewirkt; 
der  überwältigenden  Größe  Wagners  ist  er  mit 
seinem  eigenen  Ich  allzusehr  unterlegen.  Allein 
wegen  der  ehrlichsten  Echtheit  ihres  Empfindens 
kann  man  diese  Musik  nur  mit  Ergriffenheit  und 
Rührung  anhören.  Unterstützt  durch  schöne 
Bühnenbilder  wäre  sie  wohl  ihrer  Wirkung 
sicher.  —  Was  Leute,  die  mit  den  Verhältnissen 
vertraut  sind,  schon  länger  voraussahen,  ist  ein- 
getreten. Der  Allgemeine  Deutsche  Mu- 
sikerverband beabsichtigte,  wie  erinnerlich, 
durch  Verhängung  einer  sachlich  absolut  un- 
gerechtfertigten Sperre  über  die  Ausstellung 
«München  1908*  die  Ausstellungsleitung  zu 
zwingen,  das  von  Hofrat  Kaim  wegen  Kontrakt- 
bruchs entlassene,  nunmehrige  Tonkünstler- 
Orchester  als  Ausstellungsorchester  zu  enga- 
gieren. Die  Stadt  wollte  sich  auch,  gegen  den  Willen 
des  Musikkomitees  natürlich,  kampflos  vor  diesem 
Terrorismus  beugen,  als  die  Presse  von  der 
Sache  erfuhr  und  energisch  dagegen  protestierte. 
Daraufhin  wurde  von  Berlin  aus,  «um  Ver- 
handlungen zu  ermöglichen*,  die  Sperre  auf- 
gehoben, natürlich  nur  unter  der  Voraussetzung, 
daß  das  Tonküostler-Orchester  eben  doch  die 
angestrebte  Stellung  erhielte.  Da  die  Orcbester- 
mitglieder  bzw.  der  Musikerverhand  jedocb  auf 
keinen  der  von  der  Au^stellungfdeitung  gemachten 
Vorschläge  einging  und  auch  k  ine  ihrer  im 
Interesse  von  Disziplin  und  künstlerischer 
Leistungsfähigkeit  gestellten  Forderungen  er- 
füllte, entschloß  sich  die  Stadt  endlich,  gar  kein 
Orchester  zu  nehmen  und  alle  hoch  strebenden 
musikalischen  Pläne,  wie  sie  Siegmund  von 
Hausegger  im  Namen  des  Musikkomitees  noch 
kurz  vorher  veröffentlicht  hatte,  unausgeführt 
zu  lassen.  Da  man  aber  trotzdem  den  Zorn 
der  Gewaltigen  im  Musikerverband  bzw.  der  zu 
ihnen  stehenden  Gewerkschaften,  die  im  Falle 
der  Ablehnung  des  Tonkünsiler- Orchesters  offen- 
bar nicht  undeutlich  mit  der  Verhängung  einer 
Generalsperre  über  die  ganze  Ausstellung  ge- 
droht hatten,  fürchtete,  so  versprach  man,  das 
Tonkünsiler- Oichester  als  eine  Art  «Ehren- 
Orchester*  zu  größeren  Veranstaltungen  heran- 
zuziehen; neuerdings  heißt  es,  das  Orchester 
wolle  auch  auf  eigene  Rechnung  große  Konzerte 
in  der  Ausstellung  veranstalten,  andere  sprechen 
mit  ziemlicher  Sicherheit  dsvon,  daß  doch  noch 
ein  fester  Vertrag  zwischen  Stadt  und  Orchester 
mit  sehr  günstigen  Bedingungen  für  letzteres 
zustande  kommen  würde.  Jedenfalls  —  das  ge- 
samte Musikkomitee  hat  seinen  Rücktritt  erklärt, 
das  Tonkünstler-Orchester  und  der  Allgemeine 
Deutsche  Musikerverband  dagegen  werden,  wenn 
nicht  direkt,  so  doch  indirekt  ihren  Willen  durch- 
setzen, und  die  entlassenen  Kaim-Musiker  werden, 
sei  es  offiziell  oder  inoffiziell,  das  Ausstellungs- 
orchester bilden.  Die  gewichtigen  prinzipiellen 
Gründe,  die  gegen  diese  Lösung  der  Angelegen- 


62 
DIE  MUSIK  VIL  13. 


beit  sprachen  and  noch  sprechen,  darzulegen 
ist  hier  nicht  der  Raum.  Aber  es  ist  ein  trauriges 
Kapitel  nicht  nur  in  Münchens  sondern  in  ganz 
Deutschlands  Musikleben,  das  da  zur  Besprechung 
stünde.  Erwähnt  sei  noch,  daß  die  gesamte 
Müncbener  Presse  mit  Ausnahme  des  sozial- 
demokratischen Organs  in  gemeinsamer  Er- 
klärung es  abgelehnt  hat,  bis  auf  weiteres  die 
Vtranstaltungen  des  Ton  künstler- Orchesters 
redaktionell  anzukündigen  oder  kritisch  zu  be- 
sprechen. —  Des  Bedeutenden  gab  es  in  den 
Konzertsälen  letzter  Zeit  nicht  allzuviel.  An 
erster  Stelle  müssen  drei  Kammermusikabende 
von  EugöneYsaye (Violine)  und  Arthur  DeGreef 
(Klavier)  genannt  werden,  die  ganz  Außer- 
gewöhnliches boten  und  in  der  Wiedergabe  von 
C6sar  Francks  A-dur  Sonate  sich  geradezu  zum 
unvergeßlichen  künstlerischen  Ereignis  aller- 
höchsten Ranges  steigerten.  Wundervolle 
Leistungen  hörte  man  auch  in  dem  Abschieds- 
abend der  Böhmen,  insbesondere  mit  Schumann 
und  Mozart.  Ein  Kompositionsabend  von  Bernhard 
Sekles  vermittelte  die  Bekanntschaft  mit  einem 
ganz  originellen  Liederzyklus  «Aus  dem  Schi- 
King*.  Eine  sehr  interessante  Persönlichkeit 
offenbarte  auch  der  Liederabend,  in  dem  Dr. Walter 
Courvoisier  durch  ausgezeichnete  Inter- 
preten seine  Lieder  zur  Aufführung  brachte.  — 
Die  Pf itzn er- Konzerte  schlössen  vorzeitig 
infolge  der  Orchesterschwierigkeiten  mit  dem 
fönften  Abend,  an  dem  SistermansPfitznerscbe 
Lieder  sang  und  Pfitzner  selbst  mit  Kilian 
(Violine)  und  Kiefer  (Cello)  meisterhaft  sein 
ungemein  interessantes  und  in  den  beiden  Mittel- 
sitzen unmittelbar  packendes  Trio  op.  8  spielte. 
—  Ober  das  neunte  Kaim-Konzert,  das  erste 
wieder  nach  der  Mannheimer  Katastrophe,  Be- 
sonderes im  guten  oder  schlechten  Sinne  zu 
sagen,  ist  nicht  möglich;  das  neu  zusammen- 
gestellte Orchester  exekutierte  recht  wacker 
unter  Cor  de  Las  (Schn6evoigt  weigerte  sich 
zu  dirigieren)  ein  harmloses  Programm,  das  den 
noch  sehr  schwachen  Holzbläsern  keine  un- 
möglichen Aufgaben  stellte;  als  Solist  fand  der 
feinsinnige  Felix  Senius  (Tenor)  viel  Beifall. 

Dr.  Eduard  Wahl 

ROTTERDAM:  Der  sehr  rührige,  ausgezeich- 
nete Konzertdirigent  Bernard  Diamant  ver- 
anstaltete mit  seinem  gut  geschulten  Gesang- 
verein i^Excelsior*  eine  wohl  vorbereitete  Auf- 
führung von  Max  Bruchs  »Das  Lied  von  der 
Glocke".  Otto  Wernicke 

SCHWERIN  i.  M.:  Den  Liebhabern  von  Blas- 
musik bot  das  vierte  Orchesterkonzert  in 
einer  Serenade  von  Bernhard  Sekles  Schönes 
in  reichem  Maße.  Der  Bliserchor  leistete  Vor- 
zügliches an  Klangschönheit  und  Akkuratesse, 
im  Verein  mit  den  Streichern  wirkte  die  Kom- 
position sehr  anregend.  Auch  Jean  Sibelius' 
ifValse  triste**,  ein  Stück  von  stark  nationaler 
Färbung,  wurde  mit  Interesse  gehört.  Das  Or- 
chester fand  in  den  .Idealen*  von  Liszt  eine 
dankbare  Aufgabe  für  seine  bewundernswerten 
Fähigkeiten.  Hugo  Becker  spielte  ein  Cello- 
konzert von  Volkmann  und  entwickelte  eine 
Größe  des  Tones  und  edle  Empfindung  wie  sie 
nur  ein  wahrer  Künstler  zu  geben  vermag. 
Einen  außerordentlichen  Erfolg  hatte  das  russi- 
sche Trio  Press  aus  Moskau.  Sein  feines, 
exaktes   Zusammenspiel   drängte   nirgends   die 


technische  Seite  in  den  Vordergrund,  überall 
wurden  der  unmittelbar  zündende  Ausdruck  der 
Empfindung  und  edler  Wohllaut  gewahrt.  Auf 
Schuberts  B-dur  Trio  op.  99  folgte  Tschaikowsky's 
a-moll  Klaviertrio.  Eine  Passacaglia  über  ein 
Thema  von  Händel  von  Halvorsen  für  Violine 
und  Violoncello  war  im  Vortrag  von  frischer, 
warmer  Klarheit  und  straffer  Rh3rthmik. 

Fr.  Sothmann 

VERDEN  (Aller):  Im  Odeon  gab  die  Pianistin 
Hannah  Lorleberg-Schnell  überzeugende 
Proben  ihrer  reifen  Kunst.  Die  Appassionata 
von  Beethoven  erwuchs  zu  blühendem  Leben. 
Eine  Romanze  von  Evers  erwies  sich  als  dank- 
bares Vortragsstück  von  besserer  Faktur.  —  Frieda 
Heil-Achilles  sang  im  Verein  für  Kunst 
und  Wissenschaft  Lieder  romantischer  and 
modemer  Meister  mit  lieblicher  Stimme  und 
geschmackvollem  Vortrag.  Ich  schätze  sie 
namentlich  als  Interpretin  der  Weingartnerscben 
und  Pfitznerschen  Muse.  Ihr  Gatte  Roland  Helt 
erwies  sich,  auch  im  Duettgesang,  als  erfolg- 
reicher Gefährte.  Der  höheren  Lage  seiner 
Tenorstimme  hat  er  noch  besondere  Sorgfalt 
zu  widmen.  Rudolf  Birgfeld  wird  man  sich 
als  Begleiter  zu  merken  haben.  —  Zu  einer 
Wagnerfeier  gestaltete  sich  >ein  Konzert  des 
Oratorienvereins,  in  dem  u.  a«  Chöre  und 
Soli  aus  dem  »Fliegenden  Holländer*  gesungen 
wurden.  —  Kapellmeister  Reichert  aus  Celle' 
weiß  durch  Erläuterungen  von  Opern  am  Kla- 
vier—bisher «Tannhäuser*,  »Evangelimann*  and 
»Tiefland*  —  einen  zahlreichen  Zuhörerkreis  zu 
fesseln.  Ernst  Dieckmann 

WARSCHAU:  Ein  von  Arturo  Vigna  ge- 
leitetes Symphonie- Konzert  machte  ans 
mit  einer  Symphonie  von  Franchetti  bekannt, 
die  jedoch  außer  einem  gewissen  melodischen 
Fluß  und  Glätte  der  Form  wenig  Interessantes 
und  nichts  Tieferes  enthält.  —  Allgemeines  Ent- 
zücken hat  wie  immer  hier  das  Auftreten  von 
Arthur  Nikis ch  hervorgerufen,  der  die  Phan- 
tastische von  Berlioz  und  Wagner-Fragmente 
wunderbar  vortrug.  —  Als  Pianistinnen  traten 
auf:  das  talentvolle  Frl.  Schönberg,  Frau 
Avani-Carrera  und  die  technisch  und  musi- 
kalisch hervorragende  Helene  Komtesse 
Morsztyn.  —  Mark  Hambourg,  der  mit  dem 
kunst-  und  temperamentvollen  Vortrag  des 
Tschaikowsky'schen  Konzerts  immer  zn  ent- 
zücken vermag,  hat  auch  diesmal  gefallen, 
aber  nicht  so  interessiert  wie  früher. 

H.  V.  Opieüski 

WEIMAR:  Der  leider  nicht  sehr  zahlreich 
besuchte  Klavierabend  Ansorges  ließ  anfs 
neue  die  pianistischen  Vorzüge  dieses  aus- 
gezeichneten, im  Sinne  der  Komponisten  neu- 
schaffenden  Interpreten  erkennen.  —  Einen 
günstigen  Eindruck  hinterließ  auch  der  Lieder- 
abend von  Elisabeth  Schenk,  die  von  G.  Lewin 
trefHich  akkompagniert  wurde.  Das  aus  Schubert, 
Brabms,  Wolf,  Strauß  und  Weingartner  be- 
stehende Programm  machte  dem  gediegenen 
Geschmack  der  Konzertgeberin  alle  Ehre. 
Weniger  konnte  man  die  pianistische  Mitwirkung 
E.  Osborns  gut  heißen.  —  Durch  tadelloses 
Rein  singen  sowie  ungekünstelte,  natürliche  Vor- 
tragsweise erfreute  das  beifallslustige  Publikuia 
Susanne  Dessoir,  von  Hinze-Reinhold  fein« 
sinnig  begleitet   Am  besten  lagen  der  anmutigen 


63 
KRITIK:  KONZERT 


9 


Kfiflstlerin  die  Lieder  im  Volkstoncharakter.  — 
Einen  recht  dilettantenhaften  Eindruck  hinter- 
ließ der  Konzertsinger  Carl  Götz  (Mannheim), 
der,  von  M.  Wolf  heim  (Berlin)  sehr  ungenGgend 
begleitet,  außer  drei  Loeweschen  Balladen  eine 
Reibe  ziemlich  wertloser,  zum  Teil  trivialer 
Lieder  aus  den  Volkstonheften  der  »Woche* 
sang.  —  Als  anfeuernder,  in  den  Werken  völlig 
aufgebender,  vielleicht  iußerlich  zu  lebhafter 
Dirigent  leitete  Peter  Raabe  das  erste  Abonne- 
mentskonzert des  Hoftheaters  und  bot  die 
eigentlich  nicht  in  den  Konzertsaal  gehörende 
»Rienzi'-Ouvertfire  und  die  Symphonie  fantastique 
von  Berlioz.  Zwischen  beiden  Werken  spielte 
Ferruccio  Busoni  scheinbar  etwas  ermüdet 
das  Es-dur  Konzett  von  Liszt,  vom  Orchester 
ztt  stark  begleitet.  —  Der  letzte  Kammermusik- 
abend der  Brfisseler  bot  wie  immer  höchste 
Kunst  in  vortrefPlicher  Ausführung. 

Carl  Rorich 
'^^lEN:  Eine  neue  Quartettvereinigung  mit 
^  Franz  Ondricek  an  der  Spitze  hat  sich 
mit  zwei  Beetbovensctaen  Quartetten  und 
einem  des  Primarius  glficklichst  eingeführt  und 
Beethoven  im  besten  Stil,  in  ernster  Weihe  und 
geistiger  Durchdringung,  vielleicht  nur  ein  wenig 
zu  unsinnlich  gespielt;  Ondriceks  Werk:  eine  in 
ausgezeichnetem  Quartettsatz  gehaltene  Schöpf- 
ung Jener  nicht  allzu  hiuflgen  Art,  in  der  jeder 
Takt  l>egründet  und  verantwortet  werden  kann, 
mit  frischer  Verve  und  echter  Musikanten- 
fk^ttde.  —  Einige  Singerinnen:  Bertha  Alang- 
EcC^fff  *®l)f  unpersönlich,  ohne  rechte  ge- 
staltende Kraft,  aber  mit  schönen,  wenn  auch 
nicht  mehr  ganz  intakten  Mitteln;  Seraphine 
Schelle,  ein  zartes  und  anmutvolles  Talent; 
Grifin  Pelagie  Skarbek,  in  altitalischen  Kan- 
zonetten  am  wirksamsten,  die  sie  sehr  hübsch 
»bringt*,  ohne  jemals  zu  wirklich  bedeutendem 
Eindruck  zu  gelangen.  —  Marie  Tauszky,  die 
Scbfilerin  Rosenthals  und  Godowskys,  hat  sich 
in  Berlin  früher  bekannt  gemacht  als  in  ihrer 
Heimat.  Sie  gehört  gewiß  zu  jenen,  deren 
Entwicklung  zu  verfolgen  ist;  vorläufig  nötigt 
ihr  Können  Respekt  ab,  ihre  jih  anpackende 
Willenskraft  interessiert,  nur  vermißt  man  noch 
heftigere  musikalische  Impulse  und  jenes  inner- 
liche Mitsingen  und  Mitschwingen,  das  dem 
tönenden  Ausdruck  erst  Farbe  und  Leben  gibt. 
—  Im  Konzertverein:  Hauseggers  »Wieland 
der  Scbmied*,  in  seiner  trotzigen  Herbheit  und 
seiner  verwegenen  Struktur  vom  Auditorium  so 
wenig  erfißt  wie  jüngst  das  edle,  stimmungs- 
schwere »Requiem*  Hauseggers  im  Gesellschafts- 
konzert; dann  Weingartners  Es-dur  Sym- 
phonie, gleichfalls  widerspruchsvoll  aufgenom- 
men, obgleich  die  Durchsichtigkeit  und  Glitte 
des  Ganzen,  seine  jeder  Kühnheit  ferne,  an- 
genehm gefillige  Erfindung  und  die  Deutlichkeit 
des  Aufbaue  zu  keinerlei  Erregung  Anlaß  boten. 
Also  oflTenbar  eine  Kundgebung,  die  dem  Direktor 
galt,  der  durch  manche  administrative  Unvor- 


sichtigkeit und  durch  allzu  langes  Wartenlassen 
auf  entscheidende  künstlerische  Äußerungen  und 
Taten  verstimmt.  Richard  Specht 

ZÜRICH:  Die  Grundstimmung  der  Konzert- 
monate Dezember  und  Januar  ist  gewesen: 
nicht  viel  Durchschlagendes  und  Aufregendes, 
aber  viel  Tüchtiges.  Was  die  Abonnements- 
konzerte anbetrifft,  so  gehörte  ein  Mozartabend 
mit  Raoul  Pugno  im  Dezember  und  ein 
»russischer  Abend"  im  Januar  zu  den  hervor- 
tretenderen  Veranstaltungen.  Für  die  Mozartsche 
Tonkunst  fehlte  es  dem  Dirigenten  wie  dem 
Orchester  zwar  etwas  an  jenem  allerletzten  Sinn 
für  das  Zopfige  und  fein  Geistreiche,  den 
Mozarts  Kunst  verlangt.  Für  die  derbere  und 
erschütternde  Dramatik  von  Tschaikowsky's 
symphonischer  Tondichtung  «1812*  dagegen  fand 
Volkmar  Andreae  wuchtige  und  volltönende 
Vortragsformen.  Der  gleiche  Dirigent  brachte 
uns  in  der  zweiten  Dezemberhilfte  Berlioz' 
dramatische  Symphonie  »Romeo  und  Julia",  jenen 
großartigen  musikalischen  Versuch,  den  niemand 
ohne  tiefes  Empfinden  für  das  gewaltige  Wollen 
und  ohne  Bedauern  für  das  Unzulingliche  in 
sich  aufnimmt.  Die  Leitung  des  sechsten  Abonne- 
mentkonzertes hatte  Friedrich  He  gar  über- 
nommen. Brahmslieder,  von  Tilly  Koenen  ge- 
sungen, und  eine  herrliche  Wiedergabe  der 
c-moll-Symphonie  gaben  dem  Abend  einen  Aus- 
nahmeton besonderer  Festlichkeit.  Im  übrigen 
»wickeln"  sich  die  Abonnementskonzerte  als  alte 
und  pflichtmissig  vollbesuchte  musikalische 
Einrichtungen  von  kleineren  unangenehmen  Be- 
gleiterscheinungen, wie  sie  vielen  stidtischen 
Serien konzerten  anzuhaften  pflegen,  nicht  völlig 
frei,  immer  korrekt  ab.  —  Auf  dem  Gebiet  der 
populiren  Musik  gab  es  im  Dezember  ein  viel- 
beachtetes Jubilium.  Prof.  Gottfried  Anger  er, 
der  bekannte  Minnerchorkomponist  und  ange- 
sehene Minnerchordirigent  der  Schweiz,  ein 
geborener  Württemberger,  feierte  sein  zwanzig- 
jihriges  musikalisches  Schaffen  als  Leiter  des 
Zürcher  Minnerchors  »Harmonie".  Dieser 
Verein  zihlt,  wie  alle  Eingeweihten  wissen,  zu 
den  zwanzig  besten  deutschen  Minnergesang- 
vereinen. Das  Verdienst  Angerers  ist  es,  ihn 
zu  jenen  Leistungen  befihigt  zu  haben,  mit 
denen  er  sich  in-  und  ausserhalb  der  Schweiz 
seit  langen  Jahren  musikalischen  Rufam  und 
Ehren  holte.  Aus  dem  Programm  der  Konzerte 
vom  8.  und  10.  Dezember,  mit  denen  das  Jubilium 
seinen  festmusikalischen  Ausdruck  fand,  sind 
treffliche  a- cappella -Chöre,  Bleyles  »An  den 
Mistral*,  Hegars  farbige  Chöre  »Schlafwandel" 
(nach  Gottfried  Keller)  und  »Schön -Rothtraut" 
als  Bestes  namhaft  zu  machen.  —  Von  den 
Solistenkonzerten  und  Kammermusikabenden  zu 
sprechen,  ist  hier  nicht  möglich.  Daß  viele  der 
kleineren  Konzerte  an  Gediegenheit  den  Musik- 
abenden in  großem  Stil  recht  wohl  die  Wage 
halten,  sei  ausdrücklich  betont. 

Dr.  Hermann  Kesser 


Den  im  Laufe  der  Jibre  besonders  den  BeethOTen-Heften  unserer  Zeitschrift  bei- 
gegebenen zablrelcben  Portrlts  und  sonsrigen  luf  den  Meister  bezüglichen  bildlichen 
Darstellungen  lassen  wir  diesmal  zunicbst  eine  Reihe  der  berühmtesten  Beetboven- 
Portrlts  folgen,  die  in  der  Sammlung  unserer  Leser  nicht  fehlen  dürfen.  Tir  (eben 
hierbei  chronologisch  vor  und  beginnen  mit  dem  Miniaturbildnis  Beethovens  von 
Christian  Hornemann  vom  Jahre  1802.  „Das  kleine  Brustbild,  das  die  Oberlieferung 
als  gut  getroifen  bezeichnet,  zeigt  uns  Beethoven  mit  liemllcb  vollem  Gesichte,  das  er 
ein  wenig  nach  rechts  gerichtet  hat.  Der  Blick  ist  gegen  den  Beschauer  gerichtet.  Zu 
beachten  Ist  die  breite  und  dicke  Nase,  sowie  daa  grübchenreicbe  Kinn.  Das  dichte 
Haar  Ist  ungeordnet,  ungepflegt,  etwa  ßngerlang."  Diese  sowie  die  folgenden  kritischen 
ErlBulerungen  entnehmen  wir  der  ausgezeichneten  Schrift  von  Tb.  von  Primmel 
»Bcetbovens  iußere  Erscheinung.  Seine  Bildnisse.  Beethoven -Studien  L  München  und 
Leipzig  bei  Georg  Müller,  1905."  Auf  dem  von  Ferdinand  Schimon  gematten  cbarak- 
teristlscben  Brustbild  (1818)  haben  wir  „uns  den  Meister  mit  dunkelblauem  Rock  und 
mit  weißer  Binde  vorzustellen.  Das  Haar  zeigt  schon  einen  deutlichen  grauen  Schimmer  . . 
Es  ist  wohl  das  am  meisten  brauchbare  unter  den  gematten  Beethovn-Bildnissen.'' 
Daran  schließen  wir  das  weltverbreitete  Portrli  des  Meisters  nach  der  Kreidezeichnung 
von  August  von  Kloeber  (1818),  dessen  Mingel  Primmel  darin  findet,  „dafi  Nase  und 
Stirn  tu  hoch  sind".  Es  folgt  das  nicht  minder  bekannte  Gemilde  von  Josef  Stieler 
(1819).  .Sicher  lat  der  Nasenrücken  viel  zu  energisch  modelliert  und  im  oberen  Drittel 
ganz  verfehlt,  waa  schon  allein  einen  fremden  Zug  hereinbringen  würde."  Das  Im  Besitz 
des  Hauses  Breitkopf  &  HSrtel  befindliche  ölgcmllde  von  F.  G.  Valdmüller  summt 
aus  dem  Jahre  tS23.  „Ich  bin  der  Meinung,  daß  wir  Waldmüllers  Beethovenbildnis  recht 
wobt  als  einen  Behelf  benützen  kdnnen,  den  Beethoven  der  zwanziger  Jahre  vor  unsenn 
geistigen  Auge  wieder  lebendig  zu  machen.  Daß  Unwille  oder  Zorn  aus  dem  Antlitze 
blickt,  das  uns  Waldmüller  geliefert  bat,  macht  die  Sache  nur  interessanter,  statt  ibr 
zu  schaden.  Wir  wollen  den  Meister  nicht  immer  sehen,  wie  er  sich  gibt,  wenn  er 
weiß,  daß  er  portrltlert  wird,  sondern  auch  einmal  so,  wie  er  eben  bei  übler  Laune  ge- 
wohnheitsmäßig gewesen."  Ober  die  Zeichnung  von  Anton  Dietrich  0826?)  urteilt 
Frimmet:  „Zugunsten  der  Portritlhnlichkeii  stimmt  auch  der  Umstand,  daß  die  Un- 
gleichheit der  Kinnhilften  wohl  beobachtet  ist.  Die  Furchen  über  der  Nasenwurzel  sind 
ausgeprägt.  Ein  leidender  Zug  ist  dabei  nicht  zu  verkennen.  Die  Wangen  sind  merklieb 
eingeölten."  Das  nichste  Blatt  zeigt  Beethovens  Schldel  von  vorne  nach  der  Auf- 
nahme von  Felix  von  Luscban.  Hierbei  ist  nach  Primmel  charakteristisch  „das  starke 
Ausladen  des  Hinterhauptes,  die  groQe  Breite  des  SchBdels  überhaupt,  der  Nasenwurzel 
im  besonderen,  die  seltene  Form  der  Stirn,  die  auch  im  Knochenbau  jene  mittleren 
Partleen  besonders  vorgewaibt  erscheinen  läßt,  die  sonst  ßach  oder  gar  vertieft  zu  sein 
pflegen.    Allenfalls  beachten  wir  auch  das  stark  entwickelte  Kaugerüste." 

Das  Blatt  .Der  Breuningscbe  Familienkreis-  vereinigt  die  Portrits  von 
Stephan,  Helene,  Christoph  und  Gerhard  von  Breuning,  dem  verdienstvollen 
Verfasser  des  Buches  .Aus  dem  Scbwarispanierbause*';  das  nichste  zeigt  uns  die 
Crifinnen  Therese  von  Brunswick,  ErdSdy  und  Guicciardi  {.Die  unsterbliche 
Geliebte-). 

Zur  Vervollständigung  einzelner  von  uns  schon  früher  im  Bilde  vorgeführten 
Gebrauchsgegenstände  des  Meisters  bringen  wir  heute  das  Scbreibpuli  Beethovens. 

Den  Beschluß  bildet  der  Kanon  „Gott  ist  eine  feste  Burg-  in  Faksimile, 
über  den  der  Leser  im  Artikel  Hans  Votkmanns  auf  S.  29  das  nibere  findet. 


Alle  Rechte,  Inibeioiidere  du  der  Oberteliont,  vorbcbilien 
:r  SclirirtleLier:  KipellmeUier  Berehard  Schulter,  BerllD  W.  S7, 


BEETHOVEN 

nacta  der  Miniatur  von  Hornemann 

(1802) 


BEETHOVEN 
nach  dem  Gemilde  von  Ferdinand  Schimon  (1818) 


BEETHOVEN 
nach  der  Kreidezeichnung  von  August  v.  Kloeber  <I818) 


BEETHOVEN 
nach  dem  Gemälde  von  JoseF  Stieler  (1819) 


mm 


BEETHOVEN 
nsch  dem  Gemälde  von  F.  G.WaldmDlIer  (1823) 


'-nXmafM 


BEETHOVEN 
nach  der  Zeichnung  von  Anion  Diedrich  (1826?) 


.  ^  ««««äMAl 


BEETHOVENS  SCHAOEL 
aacb  der  Aufaabme  ron  Felix  v.  Luicbit 


AtM  Tb.  T.  FrlBB«U  B 


9 


STEPHAN  VON  BREUNING 


HELENE  VON  BREUNING 


9 


CHRISTOPH  VON  BREUNING 


GERHARD  VON  BREUNING 
im  Jahre  1825 


DER  BREUNINGSCHE  FAMILIENKREIS 


GRAFIN  THERESE  VON  BRUNSWICK 


GRÄFIN  GUICCIARDI 


GRÄFIN  ERDÖDY 


DIE  GRÄFLICHEN  FREUNDINNEN  BEETHOVENS 


BEETHOVENS  SCHREIBPULT 


n.  m 


ES 


DIE  MUSIK 


1  i 


Die  Gesetze  der  Moral  sind  auch 
die  der  Kunst. 


Robert   Schumiinii 


VII.  JAHR  1907/1908  HEFT  14 

Zweites  Aprilheft 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 

Verlegt  bei  Schuster  &  Loeffier 

Berlin  W.  57,   Bülowstrasse  107 


■^TArsoEK.."" 


DIE  MÜNCHNER 

AUSSTELLUNG  UND  DER 

MUSIKERVERBAND 

Paul  Ehlers-Munchen 


der  lebensfrofaen  Slidt  der  Gemfitlichkeil,  in  München,  hat 
'  sich  kürzlich  eioe  sehr  ungemütliche  und,  was  mehr  sagen 
11,  äußerst  bedenkliche  Sache  zugetragen,  die,  wie  es  schelDt, 
\  sobald  noch  nicht  zur  Ruhe  kommen  wird  und  jedenralls  eine 
solch  aligemeine  Bedeutung  besitzt,  daß  sie  auch  in  dieser  Zeitschrift 
betrachtet  zu  werden  verlangt.  In  dieser  Zeitschrift  ganz  besonders.  Es 
handelt  sich  um  die  Ainre  des  früheren  Kaim -Orchesters,  {etzigen 
alHfinchner  Tonkfinstler-Orchesters*.  Die  Leser  der  .Musik*  sind  über 
die  Angelegenheit  durch  die  Münchner  Berichte  meines  sehr  geschllzlen 
Kollegen  Dr.  Wahl  unterrichtet,  und  ich  will  nur  eine  grundsitz- 
licbe  Betrachtung  daran  knüpfen,  weil  sie  Symptome  zeigt,  daß  unser 
großes,  blühendes  deutsches  Musikleben  von  einer  schlimmen  Gefahr 
bedroht  wird,  wenn  nicht  von  vornherein  kräftig  gegen  die  Schädigungen 
angekimpft  wird.  Die  VerSITenllichungen  der  «Deutschen  Musikerzeitung" 
<des  Organs  des  Allgemeinen  Deutschen  Musikerverbandes)  und  das  vom 
Münchner  Tonkünstler-Orchesler  verschickte,  an  Widersprüchen  reiche 
Zirkular  .An  unsere  Dirigenten",  das  eine  Sympathiekundgebung  von 
82  Orchestern  enihXlt,  enthüllen  sehr  merkwürdige  Anschauungen,  die 
■icht  unwidersprochen  bleiben  dürfen.  Die  .Musik"  ist  aufs  talkrXftigste 
für  die  Verbesserung  der  Lage  unserer  deutschen  Orchestermusiker  ein- 
getreten, sie  hat  mit  den  großzügigen,  von  lebhaftestem  Mitgefühle  durch- 
wehten Aufsätzen  Paul  Marsops  die  Augen  aller  auf  die  in  vielem 
geradezu  unwürdigen  äußeren  Verhältnisse  der  Musiker  gelenkt.  Und  gerade, 
weil  sie  in  diesem  Kampfe  In  der  vordersten  Reihe  steht,  well  sie  mit 
dankenswertem  Mute  die  Führung  übercommen  hat,  deshalb  muß  auch 
von  ihr  aus  die  Warnung  gegen  unerhörte  Übergriffe  der  Musiker  erklingen. 
Daß  der  Verfasser  des  vorliegenden  unliebsamen  .Beitrages  zur  sozialen 
Lage  der  deutschen  Orchestermusiker"  kein  Anbänger  der  Ausnutzung 
wirtschaftlich  Schwacher  durah  gewissensarme  .Kapitalisten"  ist,  bat  er 
mit  seinem  Aufsätze  über  die  Chorsänger  bewiesen').     Um  so  mehr  aber 


■)  Vgl.  JabriUK  VII,  Heft  4  und  6.    Red. 


m 


68 
DIE  MUSIK  VII.  14. 


hofft  er  auch  Gehör  zu  finden,  wenn  er  an  die  Besonnenheit  und  Urteils- 
fähigkeit der  deutschen  Musiker  appelliert  und  diese  auffordert,  sich  nicht 
durch  ein  übel  angebrachtes  Solidaritfltsgeffihl  dazu  verfuhren  zu  lassen, 
eine  Sache  zu  unterstützen,  die  keineswegs  so  günstig  für  das  Orchester 
steht,  das  ihre  Kameradschaft  anruft.  Leider  hat  es  die  berufene  Ver- 
tretung des  deutschen  Musikerstandes,  der  Musikerverband,  an  der  Fähig- 
keit, zwischen  berechtigten  und  unberechtigten  Ansprüchen  und  zwischen 
berechtigten  und  unberechtigten  Kampfesweisen  zu  unterscheiden,  bedenk- 
lich fehlen  lassen  und  blindwütig  die  aufs  schärfste  zu  verurteilenden 
Verstöße  eines  von  agitatorischen  Rädelsführern  mißleiteten  Orchesters 
verteidigt.  Daß  auf  ihre  gänzlich  einseitige  und  darum  fehlerhafte  Dar- 
stellung hin  eine  Reihe  von  angesehenen  Orchestern  und  Dirigenten  irre- 
geführt worden  sind,  ist  sehr  zu  beklagen.  Diese  bedauerliche  Tatsache 
macht  es  indessen  noch  mehr  zur  Pflicht  aller  Freunde  der  Ordnung  und 
—  vor  allem!  —  der  deutschen  Kunst,  gegen  die  Mißstände  aufzutreten. 
Die  Sache  ist  ziemlich  verworren;  die  verschiedensten  Geschehnisse 
haben  sich  zu  einem  wüsten  Weichselzopfe  verknäult.  Ursachen  und  Er- 
scheinungen decken  sich  durchaus  nicht,  und  es  gehört  einige  Übung  dazu, 
die  Dinge  zu  überschauen.  Innere  Mißstimmungen  im  Institute  des  Hof- 
rates Kaim  bilden  die  eigentliche  Grundursache  des  Zwistes,  der  sich  je- 
doch weit  über  seine  ursprünglichen  Grenzen  ausgebreitet  und  die  Vor- 
kommnisse, die  hier  zu  betrachten  sind,  gezeitigt  hat.  Demonstrationen 
gegen  die  Kritik,  gegen  den  ersten  Dirigenten,  Kontraktverletzung  gegen- 
über dem  Chef,  Orchester-Volksversammlungen  in  sozialdemokratischem 
Stil,  Proklamationen,  unsinnig  in  der  Form,  wie  im  Inhalt:  das  sind  die 
äußeren,  wild  durcheinander  wirbelnden  Ereignisse.  Über  den  Streit  des 
Orchesters  mit  seinem  frühern  Chef  soll  hier  nur  gesagt  werden,  daß  die 
Verträge  in  der  Tat  eine  Reihe  sehr  anfechtbarer  Paragraphen  haben,  die 
-zu  beanstanden  und  zu  bekämpfen  die  Musiker  wohl  recht  hatten.  In- 
dessen ist  dabei  durchaus  die  Art  zu  verurteilen,  wie  das  Orchester  seine 
guten  Ansprüche  zu  erstreiten  versucht  hat,  und  es  berührt  auch  sehr  eigen- 
tümlich, daß  die  Mitglieder,  die  doch  jedenfalls  beim  Abschlüsse  mit  Hof- 
rat Kaim  die  Verträge  vorm  Unterschreiben  genau  gelesen  haben  werden, 
dieselben  Kontrakte  auf  einmal  für  so  verdammenswürdig  erklären:  man 
möchte  meinen,  sie  wären,  anstatt  frei  zu  handeln,  gezwungen  worden,  ins 
Kaim-Orchester  einzutreten.  Von  Anfang  an  hat  das  Orchester,  anstatt  durch 
ruhige,  anständige  Verhandlungen  sein  Ziel  zu  verfolgen,  terroristische  Mittel 
gewählt,  und  keine  noch  so  spitzfindige  Auslegung  hilft  darüber  hinweg,  dafi 
die  Mannheimer  Vorgänge  zum  mindesten  eine  Kontraktverletzung  —  einen 
Kontrakt- Bruch  möchte  ich  es,  um  alle  unnötigen  Schärfen  zu  meiden, 
nicht  nennen  —  bedeuten.     Aber,  wie  gesagt,  hiervon  soll  nicht  gehandelt 


60 
EHLERS:  MÜNCHNER  AUSSTELLUNG  UND  MUSIKERVERBAND 


werden;  denn  dies  ist  schließlich,  wenigstens  bis  zu  einem  gewissen  Grade, 
mehr  von  lokalem  Interesse.  Für  uns  steht  das  Verhalten  des  Münchner 
Tonkünstler-Orchesters  und  des  Allgemeinen  Deutschen  Musikerverbandes 
gegen  den  Musikausschuß  der  Ausstellung  »München  1908^  zur  Diskussion.- 
Die  Entstehungsgeschichte  des  ganzen  Zwistes  in  allen  seinen  Haupt-  und 
Nebendingen  ist  zudem  vom  Musikausschusse  in  einer  Erklärung  so  voll- 
ständig dargelegt,  daß  wir  sie  nicht  eigens  zu  erzählen  brauchen.  Nur  das 
durchaus  Notwendige  sei  daher  erwähnt. 

Der  Musikausschuß,  der  aus  Männern  wie  Siegmund  von  Hausegger, 
Max  Schillings,  Ludwig  Heß,  Hermann  Bischoff  und  Ernst  Boehe  be? 
stand,  war  der  Ausstellungsleitung  mit  der  ausdrücklichen  Aufgabe,  die 
Musik  als  Ausstellungsgegenstand  im  Sinne  des  Gesamtprogramms  zu  be- 
bandeln, angegliedert  worden.  Er  hatte  im  Rahmen  der  Ausstellung,  die 
die  künstlerische  Kultur  der  bayerischen  Hauptstadt  auf  dem  Gebiete  des 
Handwerks,  der  Industrie  und  des  Handels  zeigen  soll,  die  musikalischen 
Vorträge  auf  künstlerisch  vorbildliche  Art  zu  gestalten  und  zu  regeln. 
Vom  großen,  die  höchsten  Güter  unserer  Kunst  darreichenden  Konzerte 
bis  zur  reinen  Unterhaltungsmusik  sollte  alles  künstlerischen,  dabei  jedoch 
von  hyperästhetischer  Engherzigkeit  freien  Zug  haben;  einige  konzert- 
reformatorische  Ideen  wollte  man  ebenfalls  erproben;  Ernstes  und  Leichtes,- 
Strenges  und  Gefälliges  war  ausersehen  worden,  nach  wohldurchdachtem 
Plane  auch  in  der  Musik  zu  zeigen,  wie  künstlerische  Kultur  beschaffen 
sei.  Die  Grundsätze,  die  sich  der  Ausschuß  gestellt  hatte,  waren  streng, 
und  auszuführen  waren  sie  natürlich  nur  mit  vorzüglichen  Kräften,  nament- 
lich mit  einem  wirklich  leistungsfähigen  Orchester.  Dem  Grundgedanken 
der  Ausstellung  entsprechend,  die  besondere  Münchner  Art  hervorzuheben 
und  nur  Erzeugnisse  Münchner  Herkunft  —  nach  Idee  oder  Gegenstand 
—  zuzulassen,  sah  sich  auch  der  Musikausschuß  zur  Ausführung  seiner 
hohen  Pläne  nach  einem  Münchner  Orchester  um;  nach  der  Lage  der 
Dinge  konnte  er  allein  das  Kaim-Orchester  wählen,  das  zwar  nicht  den 
Anspruch  erheben  durfte,  ein  Orchester  ersten  Ranges  zu  sein,  aber  mit 
einigen  Änderungen  für  die  besonderen  Zwecke  herzurichten,  vor  allem 
auch  durch  die  Ausstattung  der  Streicher  mit  Instrumenten  aus  der  gleichen 
Fabrik  klanglich  bedeutend  zu  heben  war.  Nach  unsäglichen  Mühen  kam 
mit  Hofrat  Kaim  ein  Vertrag  zustande,  nach  dem  die  Ausstellungsleitung 
sein  Orchester  engagierte,  und  zwar  mit  der  ausdrücklichen  Bedingung, 
daß  verschiedene  Pulte  für  die  Dauer  der  Ausstellung  mit  besseren  Kräften 
zu  besetzen  seien  —  eine  Aufgabe,  die  natürlich  nur  dem  Inhaber  des 
Orchesters  zukam.  Das  Musikkomitee  behielt  sich  die  Prüfung  der  neu 
einzustellenden  Musiker  vor.  Kein  vernünftiger  Mensch,  auch  kein  ver- 
nünftiger Musiker,  der  seinen  edlen  Beruf  nicht  als  Handwerk  betreibt. 


70 
DIE  MUSIK  VII.  14. 


sondern  meint,  man  müsse  dazu  wirklich  »berufen*  sein,  wird  im  Ver- 
langen des  Ausschusses  etwas  Unbilliges  sehen;  jeder  mit  Verstand  Begabte 
muß  im  Gegenteil  anerkennen,  daß  der  Ausschuß  geradezu  verpflichtet 
war,  das  Orchester,  das  sich  im  Sommer  einer  besonders  scharfen  Kritik 
ausgesetzt  sehen  mußte,  aufs  möglichste  zu  vervollkommnen. 

Um  die  Sachlage  richtig  zu  beurteilen,  muß  man  wissen,  daß  der 
Glaube  an  die  außerordentliche  Vortretflichkeit  des  Kaim-Orchesters  ein 
Aberglaube  war,  der  hauptsächlich  noch  aus  der  Zeit  stammte,  da  Wein* 
gartner  mit  seiner  inneren  und  äußeren  Überlegenheit  die  Musiker  zu 
Taten  fortriß,  die  über  ihre  eignen  Kräfte  gingen;  auch  die  starke  Suggestions- 
kraft des  Namens  Weingartner  aufs  Publikum  ist  schuld  daran  gewesen. 
Daß  manches  der  Besserung  bedurfte,  war  keine  Entdeckung  des  Musik- 
ausschusses,  sondern  war  schon  vor  Jahr  und  Tag  vom  ständigen  ersten 
Dirigenten,  Herrn  Schneevoigt,  dem  Inhaber  mitgeteilt  worden;  schon 
lange  vorher  hatte  er,  allerdings  ohne  Erfolg,  die  Entfernung  der  paar 
Musiker  verlangt,  die  auch  dem  ganz  unabhängig  von  ihm  urteilenden 
Musikausschusse  als  ungenügend  erschienen  waren.  Auch  die  Kritik  hatte 
mehrmals  die  Mängel,  insbesondere  der  Bläser,  gerügt,  und  zwar  nicht  nur 
ihre  Unreinheit,  sondern  wiederholt  auch  andere  technische  Unzulänglich- 
keiten. Und  die  Kritik  urteilte  vollständig  unabhängig  vom  Dirigenten 
sowohl,  als  vom  Ausschusse.  Man  möchte  meinen,  daß  solche,  von  drei 
untereinander  freien  Stellen  gefällte  Urteile  auch  für  die  Betroffenen  etwas 
Überzeugendes  haben  müßten.  Der  Verlauf  der  Dinge  hat  gezeigt,  daC 
diese  Meinung  irrig  ist.  Der  Präsident  des  Musikerverbandes,  der  gewiC 
ein  persönlich  ehrenwerter  Mann  ist  und  sein  Amt  eifrig  verwaltet,  dem 
jedoch  wohl  keiner  eine  höhere  Urteilskraft  über  die  Leistungsfähigkeit 
eines  Orchesters  zusprechen  wird,  als  den  Herren  Hausegger  und  Schillings, 
bestätigte  dem  Orchester  in  seiner  Zeitschrift,  daß  es  ausgezeichnet  sei, 
und  der  Vorsitzende  des  Münchner  Ortsverbandes,  ein  Orchestermusiker, 
erging  sich  dem  Musikausschusse  gegenüber  in  Lobeserhebungen  des 
Orchesters.  Allerdings,  was  verstehen  denn  auch  solch  armselige  Musikanten 
wie  Schillings  und  Hausegger  vom  Orchester?  Da  sind  doch  die  Herren 
Präsidenten  des  Musikerverbandes  und  seiner  Münchner  Ortsgruppe  ganz 
andere  Sachverständige!  Ich  glaube,  diese  Gegenüberstellung  der  beiden 
in  Frage  kommenden  »Autoritäten*  genügt  für  die  Denkenden,  auch  unter 
den  Mitgliedern  des  Musikerverbandes,  sie  von  der  Notwendigkeit  zu  über- 
zeugen, das  Vorgehen  des  Präsidiums  noch  einmal  zu  prüfen,  ob  nicht 
die  Verhängung  der  Sperre  über  Kaim,  vor  allem  aber  über  die  Aus- 
stellung »München  1908",  eine  frivole  Überschreitung  der  präsidialen 
Macht  war,  und  ob  nicht  die  so  freudig  und  bereitwillig  gesandten  Geld- 
spenden doch  eine  im  Grunde  unnötige  Ausgabe  gewesen  sind. 


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71 
EHLERS:  MÜNCHNER  AUSSTELLUNG  UND  MUSIKERVERBAND 


Ich  bin  den  Geschehnissen  vorausgeeilt.  Hofrat  Kaim  kundigte  den 
Musikern,  deren  Pulte  neu  besetzt  werden  sollten,  auf  die  ausgesucht  un* 
geschickteste  Art.  (Nebenbei:  die  Kündigung  wäre  gamicht  nötig 
gewesen,  es  hätte  genügt,  für  die  als  ungenügend  bezeichneten  Musiker 
ein  Sommerengagement  zu  suchen  und  die  besseren  Kräfte  nur  für  die 
Ausstellung  zu  nehmen  —  falls  es  Kaim  wirklich  so  schwer  wurde,  die 
Betroffenen  zu  entlassen.)  Die  nächste  Folge  war,  im  Zusammenhange 
mit  einer  in  denselben  Tagen  erschienenen,  übrigens  sehr  maßvollen  und 
durchaus  berechtigten  Kritik,  die  bekannte  Demonstration  des  Orchesters 
gegen  den  Kritiker  der  »Münchner  Neuesten  Nachrichten'.  Die  Angriffe 
des  Orchesters  auf  Schneevoigt  und  Kaim  folgten.  Die  Ausstellungsleitung 
verlangte  natürlich  mit  Recht  Garantieen  dafür,  daß  sich  solche  Auftritte  im 
Sommer  nicht  wiederholten.  Das  Orchester  und  der  Musikerverband  er- 
klärten sich  mit  den  entlassenen  vier  Musikern  solidarisch  und  drohten 
mit  der  Sperre,  falls  die  Kündigung  nicht  rück^ngig  gemacht  würde.  Der 
Vertrag  mit  Kaim  wurde  gelöst,  und  die  Sperre  wurde,  da  Kaim  die  Ent* 
lassenen  väterlich  wieder  aufnahm,  einstweilen  nicht  verhängt.  Sein  Edel* 
mut  sollte  ihm  wenig  nützen.  Das  Orchester,  das  schon  gleich  nach  der 
antikritischen  Demonstration  in  einer  Versammlung  mit  der  Aufkündigung 
des  Verhältnisses  mit  Kaim  und  Selbstverwaltung  geliebäugelt  hatte,  wartete 
auf  die  erste  Gelegenheit,  seinen  Plan  auszuführen.  Diese  fand  sich  auf 
einer  Konzertreise  in  Mannheim.  Es  spielte  dort  aus  Ranküne  gegen  seinen 
Dirigenten  absichtlich  ohne  jeden  Ausdruck,  und  Kaim  sah  sich  veranlaßt, 
dem  Wortführer  —  einem  gewissen  Panzer,  der  sich  rühmen  kann,  trotz 
seiner  jungen  Jahre  schon  in  34  Orchestern  gesessen  zu  haben,  und  der,  ob- 
schon  erst  seit  Oktober  1907  in  Kaims  Diensten,  der  böse  Geist  des  Orchesters 
geworden  ist  —  außerordentlich  zu  kündigen.  Auch  hier  stellte  sich  das 
Orchester  auf  die  Seite  des  Gemaßregelten.  Der  Bruch  des  Orchesters 
mit  Kaim  war  damit  besiegelt.  Das  Orchester  fuhr  nach  München,  über- 
ließ seinen  Chef  seinem  Schicksal  und  schloß  sich  zum  Tonkünstler- 
Orchester  zusammen.  Ober  Kaim  wurde  die  Sperre  ausgesprochen. 
Nicht  über  Kaim  allein  aber,  sondern  auch  —  und  damit  kommen  wir  zu 
dem  in  seiner  Unglaublichkeit  interessantesten  Teil  der  Geschichte  —  über 
die  Ausstellung!  Und  dieses,  obgleich  der  Präsident  des  Ver- 
bandes dem  Musikausschusse  zugestand,  daß  die  Ausstellung 
keine  Schuld  an  den  Mannheimer  Vorgängen  habel  Was  war  der 
Zweck  der  Sperre?  Man  wollte  die  Ausstellung  durch  dieses  Mittel, 
dessen  Unberechtigung  jedem  Unbefangenen  ohne  weiteres  einleuchtet, 
gewaltsam  zwingen,  für  die  Ausstellung  das  Tonkünstler-Orchester  zu 
engagieren,  dasselbe  Orchester  also,  das  in  seiner  Gesamtheit  der  Musik- 
ausschuß   abgelehnt  hatte.     Verhandlungen    mit    auswärtigen    Orchestern 


JXSg  DIB  MUSIK  VII.  14.  gHK 

von  Ruf,  die  der  Ausschuß  sofort  nach  der  Lösung  seines  Vertrages  mit 
Kaim  eingeleitet  hatte,  mußten  abgebrochen  werden. 

Der  Musikausschuß  mußte  einerseits  die  Unmöglichkeit  erkennen, 
seine  schönen  Pläne  —  für  die,  was  äußerst  bezeichnend  für  den  Geist 
der  Herren  Musikerverbändler  ist,  weder  das  Tonkünstler-Orchester,  noch 
der  Präsident  des  Verbandes  Verständnis  besitzt  —  auszuführen,  anderer- 
seits empfand  er,  daß  er  durch  eine  Unterwerfung  unter  die  Forderung  des 
Musikerverbandes  eine  Verrottung  der  musikalisch  künstlerischen  Verhält- 
nisse Deutschlands  sanktionieren  würde.  Er  gab  seine  Entlassung,  und 
München  wird  seine  Ausstellungsmusik  in  der  herkömmlichen  Weise  machen. 

Es  hätte  keinen  Zweck,  die  weitere  Öffentlichkeit  mit  diesem  Gegen- 
stande zu  behelligen,  deckte  das  Verhalten  des  Musikerverbandes  nicht 
auf,  welche  zersetzenden  Anschauungen  in  aller  Stille  unter  der  Musiker* 
Schaft  aufgewachsen  sind  und  mit  ihrem  unheilvollen  Wesen  die  deutsche 
Kunst  ganz  allgemein  gefährden.  Zum  ersten  Male  sehen  wir  hier,  wie 
die  nackte,  krasseste  materielle  Eigensucht  und  die  Abwesenheit  jeglichen 
künstlerischen  Pflichtbewußtseins  die  Handlungsweise  einer  großen  Künstler- 
Berufsgenossenschaft  bestimmen.  Wäre  der  Streit  auf  München  be* 
schränkt  geblieben,  so  könnte  man  das  unkünstlerische  Vorgehen  des  kontrakt* 
brüchigen  Orchesters  ignorieren  und  im  Vertrauen  auf  den  gesunden  Geist 
des  deutschen  Musikers  zur  Tagesordnung  übergehen.  Dadurch  jedoch, 
daß  der  Musikerverband  ohne  die  in  solchem  Falle  gebotene  Sorgfalt  ein- 
gehender Prüfung  der  Umstände  die  Sache  des  revoltierenden  Orchesters 
zu  seiner  eigenen  machte,  daß  er  das  ideale  Streben  bedeutender  Musiker 
durch  ungesetzliche  oder  doch  terroristische  Mittel  lähmte,  daß  er  rein 
künstlerische  Absichten  durch  Maßregeln  vereitelte,  die  nur  in  Lohnkämpfen 
bei  Maurern  und  Zimmergesellen  üblich,  —  durch  alles  dies  hat  die  An- 
gelegenheit ein  Aussehen  erhalten,  das  alle  Musiker  ohne  Unterschied  ihrer 
Stellung  zwingt,  sich  aufs  allerernstlichste  damit  zu  beschäftigen.  Die  Ge- 
fahren, die  in  der  stillschweigenden  Duldung  solcher  Vorgänge  liegen,  hat 
ein  »offener  Brief*  des  Musikausschusses  an  die  Dirigenten  und  Orchester 
überzeugend  geschildert.     Ich  zitiere: 

1.  Kein  Dirigent  wird  mehr  sicher  sein,  ob  es  ihm  erlaubt  ist,  einen  als 
unzulänglich  befundenen  Musiker  zu  entlassen,  ohne  Gewaltmaßregeln 
von  Seiten  des  mit  dem  entlassenen  Musiker  paktierenden  Verbandes 
zu  riskieren.  Die  Entscheidung  über  die  Zusammensetzung  eines  Or- 
chesters soll  künftighin  nicht  von  den  künstlerischen  Erwägungen 
der  hierzu  berufenen  Faktoren,  sondern  von  rein  sozialen  der  Mu- 
siker selbst,  die  in  eigener  Sache  richten,  abhängen. 

2.  Durch  den  Zusammenbruch  eines  Kunstinstituts  kann  ein  anderes  mit 
diesem  in  keiner  Beziehung  stehendes,  hochbedeutsames  künstlerisches 


73 
EHLERS:  MÜNCHNER  AUSSTELLUNG  UND  MUSIKERVERBAND 


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Unternehmen  verhindert  werden,  die  seinen  Plänen  genugenden  Mittel 
frei  zu  wählen,  es  kann  ihm  ein  die  Protektion  des  Musikerverbandes 
genießendes  Orchester  mit  der  Pistole  in  der  Hand  aufgezwungen 
werden.  Dieser  Zwang  wirkt  in  empfindlicher  Weise  auf  die  anderen 
Orchester  zurtick,  denen  ein  freier  Wettbewerb  durch  das  Präsidium 
einfach  verboten  wird. 
3.  Wo  die  künstlerische  Qualität  allein  ausschlaggebend  sein  soll,  läßt 
der  Vert)and  nur  soziale  Erwägungen  gelten.  Dieser  unkünstlerische 
und  ausschließlich  sozialistische  Standpunkt  ist  geeignet,  den  Orchester- 
musiker in  kürzester  Zeit  um  die  Früchte  seines  harten  und  mit  tiefster 
innerlicher  Berechtigung  geführten  Kampfes  für  die  Ehre  seines  Standes 
zu  bringen. 

In  diesen  Sätzen  ist  klar  ausgedruckt,  wohin  wir  steuern,  wenn  die 
Prinzipien  des  Musikerverbandes  Gewohnheitsrecht  erlangen.  Wir  müssen 
auf  Abhilfe  sinnen,  auf  eine  Scbutzmaßregel  gegen  willkürliche  und  an- 
maßende Entscheidungen  und  Taten  des  Musikerverbandes.  Hieran  sind 
alle  Musiker  interessiert,  namentlich  die  guten  Orchestermusiker.  Denn 
gerade  die  wirklich  tüchtigen  unter  ihnen  müssen  wünschen,  daß  nicht 
Unfähige  auf  ihre  Kosten  geschützt  werden.  Sollten  die  Anschauungen 
des  Verbandes  Geltung  gewinnen,  so  wird  Deutschland  in  zehn  bis  fünf- 
zehn Jahren  mit  Biermusikem  übervölkert  sein,  und  anstatt  einer  Hebung 
ihres  Standes  werden  die  Orchester  im  Gegenteil  eine  Degenerierung  er- 
leben. Wohin  kommen  wir,  wenn  nicht  mehr  die  künstlerische  Tüchtigkeit, 
sondern  die  gemeine  Brotfrage  den  Ausschlag  geben  soll?  Und  ist  es 
denn  auch  irgendwie  gerecht,  schwebende  Streitfragen,  wie  die  zwischen 
Kaim  und  dem  Orchester  und  wiederum  zwischen  dem  Musikausschusse 
und  dem  Orchester  durch  gänzlich  einseitige  Beurteilungen  richten 
zu  wollen  und  einfach  durch  eine  plumpe  Machtprobe  zu  lösen? 

Dieser  letzte  Punkt  gibt  sogar  die  Erwägung  ein,  ob  es  nicht  nötig 
und  richtig  wäre,  gegen  die  Entscheidung  des  Verbandes  noch  nach- 
träglich zu  protestieren  und  sie  einer  strengen  Untersuchung  durch  ein 
unparteiisches  Kollegium  zu  unterwerfen.  Zu  den  schlimmsten  Folgen 
dieses  Falles  würde  es  zu  zählen  sein,  versuchte  man  nun,  einen  Gegen- 
satz zwischen  Dirigenten  und  Orchestern  zu  konstruieren,  eine  Feindschaft 
zwischen  den  Kräften  aufzurichten,  die  auf  gemeinsames  Wirken  angewiesen 
sind.  Es  ist  genug  an  den  sozialen  Kämpfen  in  der  Industrie;  von  der 
Kunst  wollen  wir  sie  soweit  wie  möglich  fernhalten.  Ich  würde  es 
wenigstens  als  sehr  beklagenswert  erachten,  führte  das  unsinnige  und 
fiberhebende  Benehmen  des  Musikerverbandes  dazu,  daß  sich  die  Dirigenten 
und  die  Vorstände  von  Konzertinstituten,  die  in  den  weitaus  meisten 
Fällen  rein  ideale  Unternehmungen  ohne  Gewinnfiberschuß,  ja,  gewöhnlich 


3^8^  DIE  MUSIK  VII.  14.  gHK 

mit  starker  Unterbilanz  sind,  nun  zu  einem  «Arbeitgeber'-Verbande  zu* 
sammentäten.  Nein,  wir  wollen  keinen  Zwiespalt;  gemeinsame  Arbeit 
muß  die  Lösung  finden.  So  wäre  es  denn  wohl  zu  fiberlegen,  ob  man 
nicht  —  vielleicht  unter  Fuhrung  des  Allgemeinen  Deutschen  Musikvereins 
—  einen  Kongreß  einberufen  sollte,  der  erstens  den  bedauerlichen 
Münchner  Fall  nachzuprüfen,  zweitens  ein  aus  Vertretern  der  Orchester- 
musiker und  der  Konzertgesellschaftsvorstände  oder  der  Dirigenten  be- 
stehendes Schiedsgericht  zu  ernennen  hätte,  das  in  ähnlichen  Streitfällen 
bindende  Urteile  fällen  müßte. 

Inzwischen  sei  an  die  Künstler-  und  Standesehre  der  denkenden 
Orchestermusiker  appelliert,  eine  schlechte  Sache  nicht  deswegen  zu  unter- 
stützen, weil  sie  von  «Kollegen*  gemacht  wird,  und  eine  Klärung  des 
Falles  zu  verlangen  unter  der  bestimmten  Forderung,  daß  die  Gegenseite 
frei  und  ungehindert  zu  Worte  komme  und  beachtet  werde.  Bis  jetzt  bat 
nur  die  sozialdemokratische  Partei  aus  der  künstlichen  Verwirrung  der 
Gemüter  Nutzen  gezogen.  Es  war  vorauszusehen,  daß  sie  sich  bedingungslos 
auf  die  Seite  des  Orchesters  stellen  würde,  das  mit  der  Veranstaltung  von^ 
Streiks  und  Skandalszenen  ganz  und  gar  den  Geschmack  jener  seltsamen 
Weltverbesserer,  die  immer  nur  für  sich  Freiheiten  beanspruchen,  sie  aber 
nicht  anderen  zugestehen,  zu  treffen  gewußt  hat.  Ihr  Münchner  PreS- 
organ  hat  denn  auch  nicht  verfehlt,  die  Angelegenheit  parteipolitisch  aus- 
zuschlachten; für  sie  kommt  die  künstlerische  Seite  überhaupt  nicht  in 
Betracht,  sie  preist  es  nur,  daß  sich  das  Orchester  eine  »demokratische' 
Selbstverwaltung  angeschafft  habe.  Die  ganze  Enge  ihres  Gesichtskreises 
offenbart  sich  wieder  in  der  Auffassung  dieses  Falles.  Es  mag  nützlich 
sein,  ihr  wenigstens  in  einem  Punkte  zu  widersprechen:  für  die  Öffent- 
lichkeit ist  es  ganz  fürchterlich*  egal,  ob  ein  Orchester  im  Solde  einer 
Gesellschaft  oder  eines  Unternehmers  steht  oder  ob  es  ein  selbständiges 
Institut  mit  eigener  Verwaltung  bildet;  es  kommt  allein  darauf  an,  ob  es 
ein  leistungsfähiges  Orchester  ist,  und  ob  es  künstlerisches  Ehrgefühl 
besitzt.  Auch  die  politische  Gesinnung  des  einzelnen  ist  natürlich  gleich- 
gültig, solange  sie  die  ungeschriebenen  Gesetze  der  gegenseitigen  Achtung 
und  der  Kunst  respektiert.  Hiergegen  aber  hat  das  Tonkünstler-Orchester 
und  mit  ihm  das  Präsidium  des  Musikerverbandes  gesündigt.  Und  darum 
ist  es   nötig,  den  Fall   zur  Sprache   zu  bringen  und  öffentlich  zu  prüfen. 

Es  gilt  die  deutsche  Kunst,  nicht  die  persönliche  Ehre  der  einzelnen 
in  den  Streit  verwickelten  Männer,  mögen  sie  nun  auf  dieser  oder  jener 
Seite  stehen. 


^*»\ 


Um  Februar  vorigeo  Jahres  erging  von  dem  geschXftlichen  Leiter 
'  der  Ausstellung  Müncbea  1608  an  Slegmund  von 
Hausegger  die  Einladung,  ein  Komitee  einzuberufen,  mit  dem 
.  er  die  künstlerische  Oberleitung  der  musikalischen  Arrangements 
Qbemehmen  möge.  Die  Tonkunst  sei  .mitprojeklJerter  Ausstellungs- 
gegenstand', besonders  werde  aber  angestrebt,  .die  Münchener  Ton- 
kunst , ,  .  durch  die  Vomebmbeit  und  Gediegenheit  der  Aufführungen 
darzutUD'.  In  einer  mündlichen  Besprechung  mit  dem  Oberbärgemeister, 
dem  Direktorium  der  Ausstellung  und  einer  Reihe  von  Vertretern  der 
Unterausschüsse  legte  Hausegger  seinen  Standpunkt  dar,  der  altgemeine 
und  bedingungslose  Zustimmung  fand.  Entsprechend  der  Direktive  des 
geacbiftllcben  Leiters,  laut  der  die  mnsikaliscben  Veranstaltungen  der  Aus- 
stellung nicht  dem  Geldgewinne,  sondern  lediglich  dem  Ansehen  und  der 
Ebre  des  Unternehmens  dienlich  sein  sollten,  wurde  aeben  dem  Unter- 
haltungskonzert vor  Restauration  und  der  BI2sermusik  im  Freien  eine  Reihe 
von  Symphoniekonzerten  groOen  Stiles,  sowie  eine  kleine  Anzahl  <5)  von 
Kammermusik-Abenden  vereinbart.  Auf  Grund  der  hierdurch  gegebenen 
Dispositionen  reichte  Ende  Mai  das  Musikkomitee  dem  Direktorium  sein 
Arbeitsprogramm  ein.  Dieses  kennzeichnete  die  gestellte  Aufgabe  darin, 
daß,  getreu  dem  Sinne  des  ganzen  Ausslellungsuntemehmens  als  eines 
kulturellen,  das  kulturelle  Moment  der  Musik  in  möglichster  Reinheit  dar- 
zustellen sein  werde.  Die  innerliche  Berechtigung  wird  bei  jeder  Art  von 
konzertanter  Darbietung  durch  Ihre  stilistische  Besonderheit  erwiesen  werden 
müssen.  Es  waren  demnach  die  stilistischen  Grenzen  zwischen  dem,  ledig- 
lich einer  lauten  Geselligkeit  als  belebendes  Element  dienenden  Bläser- 
konzert im  Freien  und  dem  vornehmen  Unterhaltungskonzert  Im  geschlossenen 
Räume,  zwischen  dem,  symphonischen  Charakter  tragenden  Orchesterkonzert 
und  dem  intimen  Kammermusik-Abend  zu  ziehen.  Als  das  gemeinsame 
Gmnderfordemis  jeder  Darbietung  wurde  aber  möglichste  künstlerische 
Vollkommenheit  bezeichnet. 

Auf  dieser  Grundlage  schritt  das  Komitee  an  die  praktische  Aus- 
führung.    Zunichst  galt  es,  ein  Ausstellungsorchester  zu  gewinnen,  das 


76 
DIE  MUSIK  VI!.  14. 


allen,  auch  den  höchsten  Ansprüchen  genügte.     Da  »München'  ausgestellt 
werden  sollte,  kam  vor  allem  das  einheimische  Kaimorchester  in  Betracht. 

Dieses  genoß  einen  glänzenden  Ruf  in  Deutschland,  leider  ohne  ihn 
in  den  letzten  Jahren  voll  gerechtfertigt  zu  haben.  Die  vielen  Schwierig- 
keiten, mit  denen  Kaim  bei  Führung  seines  Konzertinstituts  zu  kämpfen, 
hatte,  ließen  niemals,  auch  zu  Weingartners  Zeiten  nicht,  ein  völlig 
gleichwertiges,  ausgeglichenes  Ensemble  zustande  kommen.  Doch  war  es 
der  genialen  Dirigentenkunst  Weingartners  meist  gelungen,  diese  Mängel 
zu  verdecken.  Der  anstrengende  Dienst,  die  kleinen  Gagen,  sowie  die  tat- 
sächlich sehr  harten  Kontraktbestimmungen,  besonders  bezüglich  Krankheits-* 
falles,  einerseits,  andrerseits  der  taktische  Fehler,  daß  Kaim  in  künst- 
lerischen Fragen  fast  stets  für  sein  Orchester  gegen  den  Dirigenten,  sowie 
gegen  oft  wohlberechtigten  Tadel  der  Kritik  Partei  nahm,  führten  einen 
schon  zu  Weingartners  Zeiten  beginnenden  Rückgang  in  den  Leistungen, 
sowie  eine  zunehmende  Mißstimmung  des  Orchesters  herbei,  die  sich  in 
lässiger  Pflichterfüllung,  sowie  in  sich  lockernder  Disziplin  äußerten. 

Das  alles  war  dem  Komitee  nicht  verborgen  geblieben.  Es  galt  dem- 
nach, sich  vor  Vertragsschluß  den  notwendigen  Einfluß  auf  die  für  die 
Ausstellung  wünschenswerte  Qualität  des  Mitgliederstandes,  sowie  auf  Innd<* 
haltung  gewissenhafter  Disziplin  zu  sichern.  Unsere  dahingehenden  Be- 
mühungen begegneten  bei  den  Verhandlungen  dem  heftigsten  Widerstände 
von  Hofrat  Kaim,  der  dem  Musikkomitee  lediglich  die  Rolle  eines  ihm  zur 
Seite  stehenden  Badekommissariates  (nach  dem  Muster  von  Kissingen)  zu- 
gewiesen haben  wollte,  was  sich  mit  der  von  uns  selbständig  und  auf 
eigene  Verantwortung  durchzuführenden  Aufgabe  nicht  wohl  vertrug.  Endlich 
gelang  im  August  der  Vertragsabschluß,  nach  dem  Kaim  dem  Musikkomitee 
das  Recht  einräumte,  die  Entlassung  von  nicht  genügenden  Mitgliedern  zu 
verlangen,  soweit  ihm  selbst  dies  seine  Verträge  mit  den  Musikern  ge- 
statteten. Am  empfindlichsten  waren  die  Mängel  des  Orchesters  beim 
Holzbläserensemble,  weshalb  das  Komitee  die  Neubesetzung  von  vier 
Holzinstrumenten  für  die  Zeit  der  Ausstellung  beantragte.  Es  wäre  naturlich 
Herrn  Hofrat  Kaim  unbenommen  geblieben,  die  vier  Musiker,  falls  sie 
nach  seiner  Anschauung  genügten,  zu  veranlassen,  ein  Sommerengagement 
zu  suchen,  wie  es  ja  zahlreiche  Orchestermitglieder  tun,  und  sie  im  Herbst 
wieder  zu  engagieren.  Er  entließ  sie  aber  am  i.  Januar  vollständig,  hier- 
durch unserem  Urteil  zustimmend,  wälzte  jedoch  den  Musikern  gegenüber 
alle  Verantwortung  auf  uns  ab.  Dies  war  ein  ebenso  bequemes,  wie  un- 
korrektes Verfahren.  Die  Früchte  desselben  zeigten  sich  alsobald.  Eine 
zur  selben  Zeit  in  den  »Münchner  Neuesten  Nachrichten*  erschienene, 
die  Mängel  des  Orchesters,  die  sich  jedem  mit  Ohren  begabten  Hörer  un- 
abweislich  aufdrängten,  abflllig  beurteilende  Kritik  wurde  ^nzlich  grundlos 


WM 


77 
KAIMORCHESTBR,  AUSSTELLUNG  UND  MUSIKERVERBAND 


mit  unserem  Antrag  in  Zusammenhang  gebracht.  Das  Orchester,  unter 
der  Fiktion  einer  gegen  es  gerichteten  Machenschaft  stehend,  ließ  sich  zu 
einem  25  Minuten  dauernden  Skandal  gegen  den  Kritiker  der 
«M.  N.  Nachrichten*  hinreißen,  wie  es  scheint,  keineswegs  gegen 
den  Willen  seines  Chefs.  Außerdem  drohte  der  Musikerverband  aus 
Berlin  mit  der  Sperre  über  Kaimsaal  und  Ausstellung,  falls  die  —  künst- 
lerisch wie  formell  vollkommen  rechtlich  gekündigten  Musiker  —  nicht  so- 
fort wieder  engagiert  würden.  Der  böse  Geist  hatte  nun  von  dem  Orchester 
Besitz  ergriffen.  Störendes  Anzischen  des  eigenen  Dirigenten 
während  der  Beifallskundgebungen  des  Publikums,  passive  Re- 
sistenz, Zusammenschluß  zu  einer  gegen  den  eigenen  Chef 
gerichteten  Organisation,  dies  alles  waren  Dinge,  die  das  Orchester 
als  für  die  künstlerische  Aufgabe  der  Ausstellung  absolut  ungenügend  er- 
kennen ließen.  Dies  und  andere  sich  der  Öffentlichkeit  entziehende  Gründe 
veranlaßten  die  mit  uns  sich  vollkommen  solidarisch  erklärende  Ausstellungs- 
leitung, eine  gütliche  Lösung  des  Vertrages  mit  Kaim  herbeizuführen.  Un- 
mittelbar nachher  wurde  uns  über  den  seit  Herbst  rapiden  Rückgang  des 
Orchesters  neuer  Aufschluß:  Kaim  hatte  im  Oktober  vorigen  Jahres,  also 
nach  Abschluß  seines  Vertrages  mit  der  Ausstellung,  nicht  weniger 
ids  vierundzwanzig  neue  Musiker  engagiert,  ohne  uns  davon  Mitteilung 
zu  machen,  und  ohne  uns  zu  der  kontraktlich  ausbedungenen  Teilnahme 
am  Probespiel  einzuladen.  Also  fast  die  Hälfte  des  Orchesters  waren  gar 
nicht  mehr  die  für  die  Ausstellung  engagierten  Mitglieder! 

Da  Kaim  sofort  nach  seinem  Rücktritt  vom  Vertrage  die  vier 
Mitglieder  wieder  aufnahm,  kam  es  diesmal  nicht  zur  Verhängung 
der  Sperre. 

Das  Musikkomitee  trat  nun  unverzüglich  mit  auswärtigen  hervor- 
ragenden Orchestern  in  Unterhandlung.  Es  kam  mit  einem  der  ersten 
Hoforchester  Deutschlands  fast  zum  Abschluß,  als  Ereignisse  im  Kaim- 
Orchester  eintraten,  die,  so  unerwartet  und  ungewöhnlich  ihre  Form  war, 
doch  sich  seit  langem  im  Schöße  des  Institutes  vorbereitet  hatten.  Das 
Kaim-Orchester  hatte  als  Haupt  Herrn  Panzer  gewählt,  einen  Mann  von 
etwa  32  Jahren,  der,  erst  seit  letztem  Herbst  dem  Orchester  angehörend, 
sich  seltsamerweise  rühmt,  schon  in  34  Orchestern  engagiert  gewesen  zu 
sein.  In  diesem  mindestens  höchst  unruhigen  Geiste  sah  Kaim  den  Vater 
der  in  der  Verbandszeitung  offen  ausgesprochenen  Idee  einer  Trennung 
des  Orchesters  von  seinem  Chef  und  der  Gründung  einer  Selbstverwaltung, 
sowie  den  Anstifter  der  sich  stets  steigernden  Gärung.  Gelegentlich  eines 
Gastkonzertes  in  Mannheim  kündigte  er  ihm  außerordentlich,  worauf  das 
Orchester  die  Rücknahme  der  Entlassung  kategorisch  forderte,  widrigen- 
falls mit  dem  Streik  drohend.     Kaim  erklärte  jeden,  der  nicht  spiele. 


78 
DIE  MUSIK  VII.  14. 


für  kontraktbrüchig  und  deshalb  entlassen,  was  zur  Folge  hatte,  daß  das 
ganze  Orchester  ihm  einfach  nach  München  durchbrannte. 

In  dem  Streit  zwischen  Hofrat  Kaim  mit  seinem  Orchester  irgendwie 
Partei  zu  ergreifen,  liegt  uns  fem.  Nur  so  viel,  daß  wohl  auf  beiden 
Seiten  Ursache  zur  Klage  war.  Aber  der  Tatbestand,  der  sich  jedem 
objektiven  Beobachter  bietet,  ist:  das  Orchester,  seit  Jahren  in  Disziplin 
und  Leistung  zurückgegangen,  hat  für  die  Kundgebungen  seines  Willens 
Formen  gewählt,  die  bisher  in  der  Konzertgeschichte  überhaupt 
noch  nie  da  waren,  und  die  im  Interesse  des  IWusikerstandes  als 
einer  Künstlerkorporation  gänzlich  unwürdig,  auf  das  aller- 
schärfste  zu  mißbilligen  sind.  Es  hat  durch  die  ergriffenen  Mittel 
eklatant  dargetan,  daß  es  hohen  Aufgaben,  die  durch  einen  ernsten  künst- 
lerischen Geist  getragen  sein  müssen,  in  keiner  Weise  gewachsen  ist.  Die 
versäumte  Ablehnung  eines  solchen  Orchesters  von  selten  des  Musik- 
komitees wäre  als  grobe  Pflichtverletzung,  ja,  als  direkte  Vereitelung  des 
musikalischen  Planes  zu  bezeichnen  gewesen. 

Dieses  Orchester  schloß  sich  in  München  zu  einer  neuen  Gründung 
unter  dem  Namen  »Münchener  Tonkünstler-Orchester'   zusammen. 

Dies  alles  hätte  der  Ausstellung,  die  mit  den  letzten  Vorgängen  in 
gar  keiner  Beziehung  stand,  gleichgültig  sein  können,  wenn  nicht  der 
Musikerverband  über  Kaim-Institut  und  Ausstellung  die  Sperre  ver- 
hängt hätte,  die  jedem  Verbandsmitglied  ein  Engagement  an  einer  der 
beiden  Stellen  strikte  verbot.  Unsere  Verhandlungen  mit  dem  zum 
größten  Teile  dem  Verbände  angehörenden  Hoforchester  wurden  hierdurch 
hinfällig.  Diese  Maßregelung  der  Ausstellung  durch  das  Verbandspräsidium 
geschah  eingestandenermaßen  nicht  etwa  wegen  irgendeines  Verschuldens 
—  von  einem  solchen  sei  keine  Rede  — ,  sondern  zu  wirtschaftlichem 
Schutze  des  Tonkünstler-Orchesters.  Denn  als  Ausstellungs-Orchester 
dürfe  niemand  anderer  engagiert  werden  als  die  »Tonkünstler'. 
Gestützt  auf  diese  unerhörte  Repressalie  des  Verbandes,  boten  sich 
diese  tatsächlich  der  Ausstellung  an,  dieselben,  die  wegen  disziplinarer 
und  künstlerischer  Unzulänglichkeit  wenige  Wochen  vorher  abgelehnt 
worden  waren.  Allerdings  stellten  sie  als  Gewähr  dafür,  daß  die  gerügten 
Demonstrationen  sich  nicht  wiederholen  würden,  eine  Kaution  bis  zur 
Höhe  von  120000  Mk.  in  Aussicht  und  gestanden  die  Entlassung  einiger 
Mitglieder  zu.  Allein,  kann  es  eine  Sicherstellung  geben  gegen  die 
seelischen  Schäden,  die  jahrelange  Unzufriedenheit  und  bis  zur  Auflösung 
aller  Ordnung  gesteigerte  Disziplinlosigkeit  hervorrufen?  Kann  eine 
Kaution  das  Wunderwerk  zustande  bringen,  daß  die  zahlreichen  minder- 
wertigen Kräfte  des  Orchesters  nun  plötzlich  über  ihr  eigenes  kfinstleriscbee 
Vermögen  hinauswachsen,   andere  Musiker  werden?     Ultra   posse  nemo 


79 
KAIMORCHESTER,  AUSSTELLUNG  UND  MUSIKERV^RBAND 


tenetur.  Vor  allem  aber:  durfte  unter  dem  unwürdigen  Drucke 
der  Sperre  überhaupt  verhandelt  werden?  Das  Musikkomitee 
erklärte,  mit  dem  Tonkünstler-Orchester  in  keiner  Weise  paktieren  zu 
können.  Die  Ausstellungsleitung  verlangte,  daß  die  Sperre,  sollte  über- 
haupt verhandelt  werden,  erst  aufgehoben  werde.  Sie  wurde  nach  persön- 
licher Intervention  des  Oberbürgermeisters  aufgehoben,  aber  mit  der  aus- 
drucklichen Bedingung,  daß  mit  keinem  anderen  Orchester  irgend- 
welche Verhandlunge  n  angeknüpft  werden,  und  daß  dieSperre 
sofort  nach  etwaigem  Scheitern  des  Engagements  wieder 
eintrete.  De  facto  war  mithin  die  Ausstellung  nach  wie  vor 
gesperrt.  Sie  sollte  also  gezwungen  werden,  für  die  Erhaltung  dieses 
ihr  nicht  genehmen  Orchesters  aufzukommen.  Dabei  veranlaßte  dieses 
Orchester  aber  keineswegs  die  Not,  in  München  zu  bleiben;  denn  in 
einem  Zirkular  an  die  Orchester  Deutschlands  erklärte  es  ausdrücklich: 
»Obwohl  es  bei  unserer  Auflösung  jedem  von  uns  ein  leichtes  gewesen 
wäre,  da  oder  dort  ein  Unterkommen  zu  finden,  so  haben  wir  doch 
den  schwierigen  Pfad  zur  Konstituierung  eines  Orchesters  mit  Selbst- 
verwaltung gewählt.*  Uns  teilte  das  Orchester  durch  seine  Ver- 
trauensmänner in  mündlicher  Besprechung  mit,  es  könne  auch  ohne 
das  Engagement  in  der  Ausstellung  ein  Jahr  lang  ruhig  aushalten. 
Das  Ansinnen  der  Ausstellungsleitung,  einen  Tausch  mit  dem  Wiener 
Konzertvereinsorchester  in  der  Weise  zu  versuchen,  daß  dieses 
in  der  Ausstellung  spiele,  die  «Tonkünstler"  statt  seiner  nach  Kis- 
singen gingen,  wurde  rundweg  abgelehnt.  Man  sieht  also,  nicht 
eine  Frage  der  Not,  sondern  eine  Machtfrage  bedeutete  das 
brüske  und  selbstherrliche  Vorgehen  des  Verbandspräsidiums. 
Einem  solchen  sich  zu  beugen,  wäre  für  das  Musikkomitee  eine  Gewissen- 
losigkeit gegen  die  einschneidendsten  Interessen  des  deutschen  Kunstlebens 
gewesen.  —  Aus  diesen  Erwägungen  mußte  ein  Engagement  des  Ton- 
künstler-Orchesters unseren  Rücktritt  zur  Folge  haben.  Wir  versäumten 
aber  nicht,  der  Ausstellung  andere  Wege,  ein  Orchester  zu  gewinnen,  vor- 
zuschlagen. Diese  wurden  jedoch,  als  für  die  sonstigen  Interessen  des 
Unternehmens  nicht  opportun,  abgelehnt.  Das  Direktorium  versuchte  einen 
Kompromiß  in  der  Art,  daß  30  Mitglieder  des  Tonkünstler-Orchesters  und 
30  ausirärtige  Musiker  zu  einem  Ausstellungsorchester  vereinigt  würden. 
Auch  dies  lehnte  das  Tonkünstler-Orchester  ab;  es  müßten  mindestens 
42  Mitglieder  engagiert  werden,  von  einem  Rücktritt  des  Herrn  Panzer, 
des  Spiritus  rector  aller  Skandalszenen,  könne  keine  Rede  sein.  Die  Un- 
möglichkeit, auf  derartig  kategorisch  gestellte  Bedingungen  einzugehen, 
veranlaßte  das  Direktorium,  auf  das  Engagement  eines  ständigen  Aus- 
stellungsorchesters und  somit  auf  die  Durchführung  des  musikalischen 


80 
DIE  MUSIK  VII.  14. 


Programms  zu  verzichten.  Damit  war  der  Wirkungskreis  des  Musik- 
komitees gestrichen,  weshalb  wir  von  unserem  Amt  zurücktraten. 
Man  will  nun  sich  hauptsächlich  mit  Militärmusik  und  gelegentlichen 
Gastspielen  größerer  Orchester  behelfen;  allerdings  sollte  sich  unter 
diesen  auch  das  Tonkünstler- Orchester  befinden.  Wie  richtig  aber  die 
Öffentlichkeit  in  München  das  Verhalten  dieses  Orchesters  beurteilt,  findet 
seinen  Ausdruck  darin,  daß  sämtliche  Zeitungen  mit  Ausnahme 
der  sozialdemokratischen  «Münchner  Post*  bis  auf  weiteres  die 
Veröffentlichung  von  redaktionellen  Ankündigungen  oder  Be- 
sprechungen des  Tonkünstler-Orchesters  verweigern. 

Das  Fazit  der  Begebenheiten  ist:  der  Ausstellung  «München  1008' 
wurde  die  Durchführung  eines  kulturell  hoch  bedeutsamen  Teiles 
ihres  Programms  durch  die  beispiellos  eigenmächtige  und  im 
höchsten  Grade  ungerechte  Handlungsweise  des  Musikerverbandes 
verwehrt.  Der  Verband,  mit  dessen  Bestrebungen  zur  Hebung  der  sozialen 
Lage  der  Orchestermusiker  an  sich  jeder  Einsichtige  volle  Sympathie  haben 
mußte,  hat  einen  Weg  eingeschlagen,  auf  dem  kein  Künstler  wird  folgen 
dürfen.  Denn  wenn  statt  der  künstlerischen  und  im  wohlverstandenen  Sinne 
sozialen  rein  sozial-parteiliche  Gesichtspunkte  maßgebend  sein  sollen,  wenn 
es  einem  Unternehmen  von  der  Bedeutung  der  Ausstellung  verwehrt  sein 
soll,  ein  Orchester  nach  seiner  Qualität  zu  wählen,  nur  weil  der  Verband 
es  so  will,  dann  wird  in  Bälde  in  unser  Musikleben  der  Klassen- 
kampf getragen,  statt  eines  Zusammenschlusses  aller  Künstler  werden  wir 
auch  hier  Arbeitgeber  und  Arbeitnehmer  in  einem  die  Kunst  mordenden 
Ringen  sich  gegenseitig  bekriegen  sehen.  Die  Übertragung  des  sozial- 
demokratischen Prinzips  auf  die  gänzlich  anders  gearteten  künstlerischen 
Verbältnisse  im  Interesse  der  Kunst  mit  allen  Kräften  zu  verhindern,  wird 
Aufgabe  aller  Künstler,  zuerst  aber  der  Orchestermusiker  selbst 
sein.  Sie  hätten  allen  Anlaß,  gegen  ein  Präsidium  zu  protestieren,  das 
ihre  Sache  so  übel  berät.  Dem  guten  Musiker  müssen  die  Wege 
geebnet  werden,  nicht  jedem  Musiker  schlechthin;  ihn  in  seinem  harten 
Kampfe  zu  unterstützen  wird  nach  wie  vor  Sache  jedes  rechtlich  Denkenden 
sein.  Bestrebungen  des  Verbandes,  die  dahin  gehen,  werden  jederzeit  der 
wärmsten  Sympathie  und  Unterstützung  sicher  sein  müssen.  Sozial- 
parteilicher Terrorismus  aber  hat  im  Bereiche  der  Kunst  nichts 
zu  suchen. 

Siegmund  von  Hausegger  Professor  Max  Schillings 

Hermann  Bischoff      Kammersänger  Ludwig  Heß     Ernst  Boehe 


Hinnen  kurzem  wird  die  italienische  Opernbüboe  einen  schweren 
I  Verlust  erleiden:  auch  Arturo  Toscaoini,  zurzeit  der  beste 
,  Musiker  seines  Vaterlandes,  folgt  des  Lockungen  der  Dollar- 
'  leute.  Es  Ist  keiner  da,  der  ihn  an  den  Statten  seiner  bis- 
herigen Wirksamkeit  auch  nur  annähernd  zu  ersetzen  vermftchte.  Man 
bat  in  ihm  einen  künstlerischen  Erzieher  von  hervorragender  Bedeutung 
zu  sehen.  Mußte  Italien  nach  dem  Tode  Verdi's  sich  mit  kompositoriscbeo 
Begabungen  bescheiden,  die  nicht  über  die  TalentbShe  hinauswuchsen,  so 
konnte  es  sieb  in  Toscanini  doch  wenigstens  eines  Dirigenten  rühmen,  aus 
dem  hin  und  wieder  Geniefunken  sprühten.  Eines,  der  zu  den  seltenen 
Haturen  gehört,  die  nachschSpferische  Potenz,  Energie  und  organisatorische 
Gewalt  in  sich  vereinigen.  Intuitiv  gewann  er  mit  dem  Geist  der 
Wagnerischen  Epoche  so  enge  Fühlung,  als  das  einem  romanischen  Tempera« 
ment  wohl  überhaupt  gelingen  mag.  Von  diesem  Geiste  mächtig  angeregt, 
begann  er  den  Refonnhebel  anzusetzen.  Ein  Stück  Hans  von  Bülow,  ins 
Südlich- Brünette  abgewandelt.  Feurig,  feinnervig,  frauenhaft  erregbar, 
nnerblttlich  streng  gegen  sich  und  andere,  stets  einen  Blitz  im  Auge  und 
einen  Fluch  auf  der  Zunge,  setzt  er  das,  was  früher  regelmißig,  heute 
weniger  biußg  an  deutschen  Kapellmeistern  als  Gewissenhaftigkeit  zu  loben 
war  und  ist,  von  ungeßbr  in  Fanatismus  um.  Letztbin  kam  ich  vormittags 
gegen  elf  Uhr  in  die  Mailänder  gScala'.  Nachdem  ich  mir  mein  Billett 
für  die  Abendvorstellung  gekauft,  wandle  ich  mich  an  den  Hauswart  mit 
der  Bitte,  micb  die  unlängst  veränderte  Orchesteranlage  sehen  zu  lassen. 
.Bedaure  sehr,  im  Augenblick  geht  es  nicht:  Toscanini  probt.  Bitte  sprechen 
Sie  im  Laufe  des  Nachmittags  wieder  vor.*  Um  vier  war  ich  abermals 
zur  Stelle.  .Tut  mir  ganz  ungemein  leid:  die  Probe  ist  noch  nicht  ans.' 
Ab  und  zu  leitete  der  Maestro  eine  Sugione  im  Turiner  .Teatro 
Regio",  im  ,Communale*  von  Bologna,  im  .Carlo  Feüce'  von  Genua; 
überall  bahnte  er  mit  seinem  Können  und  seiner  Energie  dem  Fortschritt 
den  Weg.  Das  Beste  seiner  Liebe  aber  wendete  er  an  die  .Scala*.  Ich 
hörte  dort  im  Laufe  der  Jahre  unter  seiner  Leitung  fast  olle  Dramen 
Wagners,  eine  ansehnliche  Reihe  Donizetti'scher,  Verdi'scher  und  jung- 
italienischer  Opern.  Nie  verliefi  ich  das  Haus,  obne  lebhaft  angeregt  zu 
sdn  und  vornehmlich  in  Hinsicht  auf  Direktionstechnik  ein  gut  Teil  gelernt 
VII.  14.  6 


82 
DIE  MUSIK  VIL  14. 


ZU  haben.  Heuer  waren  mir  die  »Götterdämmerung*,  Ponchielli's  »GIo- 
conda'  und  Charpentier's  »Louise'  beschieden.  Meine  prinzipiellen  Ein- 
wände gegen  Aufführungen  des  »Ring'-Zyklus,  der  »IWeistersinger*,  des 
.Tristan'  in  italienischer  oder  französischer  Vemiedlichung  hab'  ich  — 
auch  an  dieser  Stelle  —  oft  genug  entwickelt.  Die  deutsche  Sprache  mit 
ihrer  Wucht,  ihrer  Härte,  ihrer  herbkräftigen  Schönheit,  mit  ihrem  ver- 
sonnenen Tiefton  und  ihrer  Bildhaftigkeit  ist  die  Seele  des  Wagnerischen 
Kunstwerkes;  die  deutsche  Empfindung  die  Seele  des  Wagnerischen  Orchesters. 
Seelen  lassen  sich  nicht  austauschen.  Und  dennoch  dünkt  mir  die  Wagner- 
Interpretation  Toscanini's  nicht  nur  beiehrsam,  sondern  in  ihrer  Art  auch 
vielfach  erfreulich.  Weil  sie  auf  einer  exemplarischen  Genauigkeit  der  Vor- 
bereitung beruht,  die  bei  uns  —  wenn  man  allenfalls  von  den  Bayreutfaer 
Festspielen  absieht  —  schon  halbwegs  zur  IWythe  wurde.  Es  muB  der 
Wahrheit  gemäß  ausgesprochen  werden,  daß  der  von  Toscanini  geschulte 
Instrumentalkörper  in  der  Präzision  der  Einsätze  wie  in  der  Sauberkeit 
und  Ebenmäßigkeit  der  Phrasierung  das  Wiener  wie  das  Berliner,  das 
Münchner  wie  das  Dresdner  Hoforchester  schlägt  Kein  Zweifel:  die 
Großzügigkeit  der  Linienführung  eines  Felix  Mottl  bedeutet  für  uns  etwas 
Höheres.  Doch  es  gab  einmal  eine  Zeit,  in  der  bei  deutschen  Dar- 
stellungen der  »Götterdämmerung'  bedeutende  Auffassung  und  sorgsamste 
Ausfeilung  selbst  der  kleinsten  rhythmischen  und  dynamischen  Werte 
verschwistert  waren.  Sie  ist,  so  scheint  es,  entschwunden.  Was  trägt 
die  Schuld  daran?  Hauptsächlich  unser  sich  immer  mehr  geschäftsmäßig 
anlassender  Opembetrieb:  die  unsinnige  Häufung  der  Aufführungen,  die, 
bei  täglich  wechselnden  Aufgaben,  ein  ausreichendes  Vorstudieren  und 
Nachprüfen  ausschließt,  die  Abwerkelung  und  gewerbsmäßige  Ausschlach- 
tung dessen,  was  als  ausnahmsweise  zu  bietendes  Festspiel  gedacht  ist, 
im  heruntergehaspelten  Alltagsspielplan.  Man  kann  nicht  jeden  zweiten 
Tag  begeistert  sein,  man  kann  auch  nicht  jeden  zweiten  Tag  innerhalb 
eines  riesenweit  gespannten  Rahmens  dreitausend  technische  Einzelheiten 
peinlich  streng  nach  der  Vorzeichnung  ausschattieren.  Der  Kapellmeister 
wie  der  Instrumentalist  greift  schließlich  gezwungenermaßen  zum  Maurer- 
pinsel. Es  ist  betrüblich,  daß  man  heute  nach  Mailand  reisen  muß,  um 
den  Brünnhilden-Doppelschlag  von  Streichern  und  Holzbläsern  gleichartig 
behandelt,  um  die  Tuben  tadellos  rein  und  haarscharf  auf  den  Schlag  ein- 
setzen zu  hören.  Es  ist  eine  Ironie  des  Schicksals,  daß  bei  der  Möglich- 
keit ungestörter  Vorbereitung  die  Autorität  und  der  schier  unendliche 
Probenfieiß  eines  Italieners  sogar  mit  offenem,  wenn  auch  tiefer  gelegten 
Orchester  öfters  den  vollkommenen  Ausgleich  zwischen  vokalen  und 
instrumentalen  Faktoren  zustande  bringen,  auf  den  wir  mit  und  ohne 
«mystischen  Abgrund'  wohl  bald  vollends  verzichten  werden. 


83 
MARSOP:  ARTURO  TOSCANINI 


Doch,  nicht  allein  den  musikalischen  Teil  der  Aufgaben,  die  er  sich 
stellt,  beherrscht  Toscanini  meisterlich  —  bis  zu  dem  Grade,  daß  er  alles 
und  jedes,  den  „Tristan*  wie  die  »Salome*,  den  »Falstaff*  wie  die 
»Btttterfly'  mit  souveräner  Sicherheit  auswendig  dirigiert.  Er  leistet  auch 
als  neuzeitlich  gestaltender  Mann  der  Szene  recht  Beträchtliches.  Allen 
einheimischen  Überlieferungen  entgegen  geht  er  auf  einheitlich  dramatische 
Wirkungen  geschlossener  Akte  aus.  Als  ihn  der  Mob  einmal  durch  Ent- 
fesselung eines  Höllenlärms  dazu  zwingen  wollte,  die  » Lodernden  Flammen* 
des  «Trovatore*  wiederholt  aufzungeln  zu  lassen,  warf  er  den  Taktstock 
hin,  fuhr  stracks  ffinfiig  Meilen  gen  Süden  und  kehrte  nicht  eher  an  das 
Pult  der  .Scala*  zurfick,  als  bis  er  die  Zusicherung  des  Verwaltungsrates 
in  der  Tasche  hatte,  sich  in  Zukunft  fiber  Dacapowfinsche  kurzerhand 
hinwegsetzen  zu  dürfen.  Etwas  Unerhörtes  fOr  italienische  Verhältnisse!^) 
Wie  die  Claque,  so  hat  er  auch  die  Snobs  gebändigt.  Allem  Widerspruch 
der  erbeingesessenen  Logeninhaber  zum  Trotz  befahl  er,  den  Zuschauer- 
raum zu  verdunkeln,  und  zwar  vom  ersten  Takte  der  Ouvertüre  oder  des 
Vorspiels  ant  In  Deutschland  wird  die  Ouvertüre  vielfach  noch  .bei  fest- 
lich beleuchtetem  Hause*  gespielt,  als  ob  sie  mit  der  ihr  folgenden  Oper 
nichts  zu  tun  hätte  —  damit  es  den  Zuschauem  doch  vergönnt  ist,  die 
mimischen  Fertigkeiten  des  Dirigenten  zu  bestaunen.  Im  Weiteren  ersetzte 
Toscanini  den  Vorhang  durch  die  sich  teilende  Gardine,  drang  darauf,  daS 
die  technischen  Kräfte  der  »Scala*  sich  mit  dem  Dekorations-,  Beleuch- 
tungs-  und  Maschinenwesen  des  Bayreuther  Festspielhauses,  der  Münchner 
und  Pariser  Bühnen  vertraut  machten,  drillte  den  Chor  so  lange,  bis  er 
aus  einer  rohen,  blöden,  nach  dem  Lineal  gerichteten  Statisten masse  zu 
einem  individuell  frischen  Mitspieler  wurde,  und  gewöhnte  es  schließlich 
den  eitelsten  Solisten  ab,  die  Zuschauer  en  face  anzusingen.  Fast 
trieb  er  den  Stimmprotzen  auch  die  landesübliche  Untugend  aus,  auf  den 
Fermaten  zu  übernachten.  Und  das  wesentlichste:  er  baut  den  gefühls- 
mäStgen,  den  dramatisch  belebten  Vortrag  stets  auf  der  Grundlage  un- 
erschütterlicher Korrektheit  auf.  Der  geringste  Notenwert  muß  plastisch 
hervortreten.  Ohne  Elastizität  und  Grazie  der  Stabführung  irgendwie  ver- 
missen zu  lassen,  schlägt  er  in  den  breiten  Kantilenen  Bellini's  unentwegt 
die  vier  Viertel  aus.  Wehe  dem,  der  ihm  nicht  gehorcht  I  Er  duldet 
keinen  Widerspruch;  er  ist  gefürchtet.  Das  hat  in  der  Theatersphäre 
zehnmal  mehr  für  sich,  als  beliebt  zu  sein.  Auf  und  vor  der  Bühne 
setzt  sich  nur  der  durch,  der  mit  einem  eisernen  Besen  kehrt.  Freilich 
darf  solch  Gerät  nicht  ein   Dilettant  qua  Intendant   handhaben,   sondern 

^)  Bei  einer  jüngst  in  Parna  vonsutfen  gegangenen  .Tristan'-AuffQhrung  mußte 
die  bereits  im  Liebestode  dahingeschiedene  Isolde  künstlich  wiederbelebt  werden  und 
ihren  Schwaneagesaag  repetieren. 


DIE  MUSIK  Vll.  14.  Sr 

klleia  der  leitende  Künstler.  Ich  wünschte,  wir  bitten  gegenwirtig  bei 
nns  zwei  bis  drei  solcher  Aufrechter,  Steirnsclilgerl  Oder  sollte  die  Eseli- 
baut  Basilio's  die  für  einige  Kapellmeister  vorgeschriebene  Hofiracbt  sein? 

Hatte  sich  Toscanini  dazu  entschlossen,  in  seiner  Heimat  antzn- 
harren,  so  würde  der  Ernst  seiner  Arbeit  mit  der  Zeit  wobi  ancta  du 
kompositoriscbe  ScbafFen  Italiens  beeinfiuBt  haben.  Ähnlich  wie  die  Pflicht- 
treue Hans  von  Bülows  und  sein  liebevolles  Ausscbleifen  Jedes  DetaHi 
sich  noch  beute  in  den  Partituren  der  Besten  unserer  zeltgenössitcheo 
einheimischen  Tonsetzer  spiegeln  —  schlechte  Psychologen  nennen  das 
Luzuswut,  was  teils  die  Fülle  der  naturgemäO  in  jedem  Lenz  frei  aas- 
schießenden Frühlingstriebkraft  offenbart,  teils  das  spezifisch  Oentscb- 
Dürerische  Genie  des  Feinfleißes  zeigt.  JMit  dem  Scheiden  des  hoch- 
begabten Italieners  wird  anderseits  nicht  wenig  von  seinem  nachschöpferi* 
sehen  Verke  abbröckeln.  Denn  in  welcher  Gestalt  sich  der  Fortschritt 
auch  nur  immer  kundgebe:  er  ist  nie  der  Niederschlag  rein  theoretiscbeo 
Grübelns,  sondern  strahlt  von  der  produktiven  Persönlichkeit  aus  und 
bleibt  an  diese  gebunden.  Immerhin  wird  die  eindringlich  vorgetragene 
reformatorische  Lehre  jenseit  der  Alpen  fortwirken.  Für  uns  alwr  ist  die 
Erkenntnis  das  Wichtigste,  daß  ein  Toscanini  aus  italienischem  Bod« 
überhaupt  hervorwachsen,  und  daß  dieser  iHusiker  von  unverfSlscht welschem 
Blute  die  legitimen  Erben  des  Wagnerischen  Geistes  in  Manchem  beschämea 
konnte.     Habt  acht! 

Unsere  Blicke  wenden  sich  der  Szene  zu,  vor  der  der  Rüstige,  Taten- 
ft-ehe  demnächst  sein  Lebensscbitf  verankern  will:  sie  haften  am  .Metro- 
polltan-Theater*  in  New-York.  Dort  erwartet  Gustav  Mahler  den  Kollegen. 
Sofern  diese  zwei  HarlscbSdel  miteinander  innere  Fühlung  gewannen  und 
sich  vertrügen,  hatten  wir  fortan  noch  mehr  Veranlassung,  auf  unserer 
Hut  zu  sein.  Eine  sinnlose  Anhäufung  von  Stars,  wie  sie  der  Openi- 
kramer  Conried  zu  Markte  brachte,  verdroß  uns  wob!  insoweit,  als  da? 
durch  die  Tenoristeogagen  zu  schwindelnder  Höhe  emporschnellten.  Doch 
eine  Beeinträchtigung  unseres  Primates  in  der  Kunstpflege  hätten  wir 
von  derartigen  Spekulantenmanövern  nicht  zu  befürchten.  Anders  lige  Mi 
wenn  die  beiden  erfolgreichsten,  sachlich  rücksichtslosesten  Bübnen- 
organisatoren  der  Gegenwart  sich  zu  gemeinsamem  Tun  vereinigten. 


Ioch  muicbes  Werk  Ist  zu  oennen,  das  durch  Anklinge  «a  dfe 
Mannbeimer  Minieren  auf  rrflhe  Entslebung  weist,  so  z.  B.  das 
Septett  op.  20  <I800  aurgeführt),  dessen  Kopfmotiv  abermals  wie 
die  erste  Klaviersonale  von  1783  und  das  dritte  (erste)  Klavier- 
quartett auf  die  Mannbelmer  Symphonieenanfange  weist: 

-n-nPrp-p^rr  f»ri^ 


und  weiterhin  auch  echte  Seu^rmanieren  bringt: 


(KlavleO  NB.       '  (FiKoit) 

Das  Streichquintett  op.  20  <I801)  steht  den  Frühwerken  In  seiner 
ganzen  Faktur  sehr  ftm,  bringt  aber  doch  im  Adagio  das  auf  Fr.  X.  Richter 
oder  Stamltz  zurückgehende  zierliche  Schlufimotiv: 


das  auch  Christian  Bach  und  Mozart  lieben  und  das  Beethoven  auch  . 
Ende  der  vier  langsamen  Takle  zu  Anhng  von  op.  78  wiederbringt: 


Auch  noch  ein  anderer  Anklang  an  Mannheim  findet  sich  In  dem  zweiten 
Satze  des  C-dur-QuIntetts: 


86 
DIE  MUSIK  VIL  14. 


Stärker  sind  die  Mannheimer  Anklinge  in  dem  Bläsertrio  op.  87 
(2  Oboen  und  Englischhorn): 

(l.Stti)  «)    ^  NR.        b) 


NB« 


*#  ■   ■         ■  ■  ■  ■  ■! 


NB. 


NB. 


(2.  Sati)  d) 


MB  ^^ 


Das  Bläser-Sextett  op.  71  (1804?)  wird  nach  einer  Unisono-FanlSire 
eingeleitet  durch  die  Mannheimer  Seufzer: 


m 


f^^^virr^^^-vU^ 


NB.  NB. 

bringt  auch  im  Allegro  des  ersten  Satzes  dergleichen  alte  Bekannte: 


[ffi^Tn=Eg=^p-^i  ^■i  f  g  Qt^^toi  • 


Der  gewundene  Abstieg  tritt  auch  in  einfacher  Form  im  Adagio  auf: 


und  das  zweite  Thema  des  Schlußrondos  sieht  so  aus: 


c>s 


^ 

w 


E^fe^^ 


Das   Sextett   op.  81a   (Streichquartett   mit   zwei    Hörnern)   kommt 
ebenfalls  nicht  ganz  um  die  Mannheimer  Manieren  herum: 
1.  Satz  2.  Satz 


\W^^!tfj^^ 


(1.  Vioü  e) 


(1.  Hom> 


87 
RIEMANN:  BEETHOVEN  UND  DIE  MANNHEIMER 


<  Rondo) 


1.  Hörn 

Ich  brauche  wohl  nicht  besonders  zu  betonen,  daß,  was  ich  da  an- 
führe, nur  Anklänge  an  ganz  besondere  Mannheimer  Manieren  sind,  die  durch 
ihr  gehäuftes  Auftreten  in  Kompositionen  nicht  nur  der  Mannheimer 
Schule  selbst,  sondern  auch  in  denen  der  zahllosen  Nachfolger  in  Deutsch- 
land und  im  Auslande  bereits  1778  so  auffällig  geworden  waren,  daß 
Leopold  Mozart  mit  Recht  von  einem  «vermanierierten  Mannheimer  gofit* 
sprechen  konnte.  Das  neue  des  Mannheimer  Stils  beschränkt  sich  aber 
nicht  auf  diese  paar  Äußerlichkeiten  der  Faktur,  sondern  besteht  vor  allem 
in  einer  starken  inneren  Wandlung  der  ganzen  Art  der  Konzeption,  einem 
völligen  Freigeben  der  Individualität,  einem  Brechen  mit  der  Tradition,  in 
einem  Satze  einerlei  Stimmungsausdruck  festzuhalten.  Starke  Kontraste  in 
kürzesten  Abständen  bringen  Einfälle  aller  Art,  flüsternde  Liebeslaute  neben 
tragischen  Akzenten,  kurz  das  ganze  in  -der  modernen  Musik  fluktuierende 
Gemütsleben.  Wenn  ich  trotzdem  den  daneben  eine  ganz  gewiß  unter- 
geordnete Rolle  spielenden  .Manieren*  hier  so  große  Wichtigkeit  beilege,  so 
geschieht  das  darum,  weil  sie  ganz  besonders  geeignet  sind,  den  direkten 
Einfluß  augenfällig  zu  machen,  viel  mehr  als  Nachweisungen  innerlicher  Ver- 
wandtschaft das  je  vermöchten.  Man  kann  bei  Beethoven  aber  geradezu 
sagen,  daß  seine  musikalische  Eigenart  anfänglich  durch  das  auffällige  Bei- 
werk des  ihn  ganz  in  seine  Kreise  ziehenden  neuen  Stils  geradezu  verdeckt 
wird,  und  nur  ganz  allmählich  soweit  durchbricht,  daß  er  das  neue  der  ganzen 
Ausdrucksweise  zu  dem  macht,  was  zu  sein  es  allein  berechtigt  ist:  ein 
Gewand.  Als  solches  hat  aber  Beethoven  die  Ausdrucksweise  der  Mann- 
heimer auch  in  seiner  reifen,  ja  reifsten  Zeit  dauernd  geschätzt. 

Es  ist  gewiß  einigermaßen  überraschend,  nun  zu  sehen,  wie  vollgepfropft 
mit  Mannheimer  Manieren  das  c-moll  Klavierkonzert  op.  37  ist,  dessen 
Autograph  die  Jahreszahl  1800  trägt,  was  freilich  zunächst  nur  beweist,  daß 
es  um  diese  Zeit  seine  1804  in  Druck  gegangene  Gestalt  erhielt.  Die 
Chronologie  der  Klavierkonzerte  Beethovens  ist  ja  keineswegs  klar;  wir 
wissen  nicht,  welches  die  Konzerte  waren,  die  Beethoven  in  den  ersten 
Jahren  in  Wien  mit  soviel  Erfolg  zum  Vortrag  brachte.  Vielleicht  liegen 
die  Verhältnisse  so,  daß  das  c-moll  Konzert  einer  starken  Umgestaltung 
älterer  Ideen  seine  Entstehung  verdankt  Auffallend  ist  jedenfalls,  in 
welchem  Maße  es  in  ihm  Beethoven  gelungen  ist,  die  Manier  als  solche 
ganz  zu  überwinden,  sie  einem  aus  dem  Vollen  schöpfenden  Ausdrucke 
dienstbar  zu  machen.    Ich  meine  etwa  so:  wie  im  Hauptthema  der  c-moll 

Symphonie    der    Rhythmus    J  j  j  |  J  als  solcher  außer  den  paar  Stellen, 


88 
DIE  MUSIK  VII.  14. 


m 


wo  ihn  Beethoven  isoliert  herausstellt,  gar  nicht  bemerklich  wird, 
sondern  nur  etwa  dem  Muster  eines  Gewebes  vergleichbar  ist,  das  die 
Formen  der  eigentlichen  Ideen  umkleidet,  so  sind  auch  im  c-moU-Konzert 
und  in  anderen  späteren  Werken  Beethovens  die  Mannheimer  Manieren  wirk- 
lich nur  mehr  Faltenwurf  der  Gewandung.  Die  uns  speziell  hier  inter- 
essierenden Stellen  (deren  Wiederholungen  natfirlich  nicht  angefBhrt  zu 
werden  brauchen)  sind: 

1.  Satx  ^_,^^ 


^  I  -f  >.  r  I  ^'^^^ 


it^ 


s 


NB. 


NB. 


NB. 


NB.  NB. 


2.  Satx 


08W. 


NB. 


jt>tfe,-  tt>f 


s 


NB. 


USW. 


Im  B-dur  Konzert  (op.  11)  und  C-dur  Konzert  finden  sich  Mano- 


89 
RIEMANN:  BEETHOVEN  UND  DIE  MANNHEIMER 


heimiaden  zwar  in    kleinerer  Zahl,  daffir  aber  auch  zum  Teil  in  weniger 
bezwungener  Form  des  Auftretens: 

(C-dur  Koniert)  2.  Satx 

b)     ♦^^^      ♦- 


(Rondo) 


^ 


tj« 


USW. 


(B-dur-Konzert)  l.Satx 


(Rondo)  e) 


Wenn  sich  aber  gar  herausstellt,  daß  der  intime  Reiz  des  G-dur 
Konzerts  op.  58  doch  nicht  zum  kleinsten  Teile  auf  der  auch  schon  im 
c-moU  Konzert  wiederholt  hervortretenden  Beseitigung  der  Längen  der 
Mannheimer  Seufzermanier  durch  Auflösung  in  Kiirzen  beruht: 

(1.  Satx) 


Frtr^  [j^^jg^^ 


usw. 


NB.  NB. 

daß  aber  daneben  doch  in  ihm  auch  noch  ein  richtiger  Seufzer  mit  wirk- 
licher Endbedeutung  und  Pause  vorkommt: 


^  NB. 


und  daß  sogar  doch  auch  noch  im  Finale  des  Es-dur  Konzerts  (op.  73) 
die  Manier  eine  Rolle  spielt: 


i"j.^'i,  <  '{!fi^-xiI-^^  ff]  f^xcif^ 


90 
DIE  MUSIK  VIL  14. 


SO  kommt  man  zu  der  Überzeugung,  daß  Beethoven  zwar  in  reiferen 
Jahren  den  elementaren  Zauber,  mit  dem  ihn  ebenso  wie  viele  andere  die 
Mannheimer  Melodik  umstrickte,  überwunden  hat,  darum  aber  doch  nicht 
charakteristischen  Wendungen  solcher  Art  aus  dem  Wege  geht,  wo  sie 
sich  mit  guter  Wirkung  in  die  Gestaltung  seiner  Ideen  einfügen.  Auf- 
fallend selten  sind  sie  in  den  Symphonieen: 


I.  Symphonie  (1.  Satz) 


"^wtcrr 


f9^ 


"^r  r  r  i 


NB. 


(2.  Säte)  c) 


d) 


2.  Symphonie 
^  •^     (l. Satt)  e) 


^*i  r>  r^  \  r  tglt^t  U-y  n\ 


(2.  Säte)  0 


(gewundener  Abstieg) 
(Finale)  g) 


5.  Symphonie  (1.  Satz)  h> 

l^»-fo  r  I  f  II  ^V  i  p  ^ 


osw. 


k) 


NB. 


i. '  U  i  i  4  "- 

^  ^  5:  ^  5  :jj:usw. 


6.  Symphonie  (2.  Satz)  1) 


7.  Symphonie 
(2.  Sau)   m) 


^^ 


r  I  f  f^  i*eg  I -^"1^  I  ff  f  I 


i 


NB. 


NB. 


NB. 


O) 


NB,  NB.  Jt^^       ^*^^ 


91 
RIEMANN:  BEETHOVEN  UND  DIE  MANNHEIMER 


8.  Symphonie 
(I.Satz)  p) 


(Pinale)  q) 


tesi 


|>^''  r  r  f\^-^\\^^i^\^ 


9.  Synphonie  (Scherzo)  s) 


usw. 


(Adagio)  t) 


NB. 


(Finale)  u) 


ygf  I  r^fftt;j 


usw. 


\^  II  NB.  NB.  ^     !l^^     . 


Untersuchen  wir  einmal  die  Mannheimer  Seufzermanier  etwas  ge- 
nauer, so  stellt  sich  heraus,  daß  sie  etwas  dem  Portament  nah  verwandtes, 
nämlich  das  Hinüberschleifen  aus  einem  Vorhaltstone  in  den  Auflösungs- 
ton   ist,    das   letzteren   leicht    voraus  andeutet,  weshalb   die  Manier   oft 

mit   punktiertem,  ja  doppelt  punktiertem  Rhythmus  auftritt  (JisJ  j..^  j)» 

eine  Nachbildung  ist  die  ebenso  geschleifte  Endung  im  Akkord.  Die 
spezielle  Mannheimer  Form  dieser  Bildung  hat  aber  weiter  4ie  Eigentüm- 
lichkeit, daß  die  Endnote  nach  dem  Schleiftone  lang  ist,  oder  durch  eine 
Pause  ähnlich  einer  Länge  wirkt.  In  Fällen  letzterer  Art  ist  häufig  die 
Endbedeutung  der  Bildung  gar  nicht  zu  bestreiten;  bei  weitem  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  ist  die  (lange)  Auflösungsnote  aber  überhaupt  gar  nicht 
als  Ende  gemeint,  sondern  zum  mindesten  zugleich  Ende  des  voraus- 
gehenden und  Anfang  des  folgenden  Motivs,  oft  sogar  überhaupt  nur 
emphatischer  Auftakt  und  als  solcher  zweifellos  charakterisiert,  wo  der 
Ton  mit  sf  bezeichnet  ist.  In  den  sensationellen  Modellbetspielen  bei 
Stamitz,  die  die  Manier  in  Gang  gebracht  haben,  z.  B.  im  B-dur-Trio 
op.  1  No.  5: 


92 
DIB  MUSIK  VIL  14. 


ist  die  Auffassung  1)  direkt  falsch,  aber  freilich  durch  die  lange  Note,  die 
der  gemeine  Hörer  leicht  als  Ende  versteht,  nahe  gelegt  (von  der  noch 
falscheren  von  Taktstrich  zu  Taktstrich  lesenden  mit  Schwellung  der 
Länge  -<=:  =^  will  ich  schweigen);  2)  ist  wohl  am  korrektesten,  jeden- 
falls am  emphatischsten,  da  es  die  Endungen  zu  Gunsten  stärkerer 
Auftaktwirkungen  einschränkt,  während  3)  eine  vermittelnde  Stellung  ein- 
nimmt, die  Längen  als  doppelt  bezogene  Noten  deutet,  statt: 


aber  hier  so! 


Man  wird  leicht  erkennen,  daß  auch  der  Knabe  Beethoven  nicht  dem 
Schicksal  entgangen  ist,  die  Manier  im  Sinne  von  1)  mißzuverstehen, 
d.  h.  sie  als  mit  der  langen  Note  endend  zu  empfinden,  woran  die  nicht 
unschuldig  gewesen  sein  werden,  von  denen  er  zuerst  Mannheimer  Musik 
spielen  hörte;  man  überzeuge  sich,  daß  in  den  eigentlichen  Jugendwerken 
der  Seufzermanier  meist  ein  Einschnitt  folgt,  sodaß  eine  Vorwärts- 
beziehung der  letzten  Note  ausgeschlossen  ist.  Es  steht  freilich  auch 
außer  Frage,  daß  die  jüngeren  Mannheimer,  die  Epigonen  von  Stamitz, 
Richter  und  Piltz,  schon  vielfach  selbst  in  der  Konzeption  verraten,  daß 
sie  den  eigentlichen  Sinn  der  Bildung  nicht  erfaßt  haben;  gerade  darin 
liegt  das  allzu  weichliche  und  fade  so  manches  Satzes  von  Cannabich, 
Karl  Stamitz  usw.  Bei  Beethoven  hat  das  gedankenlose  Mitmachen  der 
Manier  nicht  lange  gedauert,  wie  die  bald  auftauchenden  «/  bei  den  langen 
Noten  beweisen.  Übrigens  vergleiche  man  das  erste  Beispiel  aus  dem 
c-moll- Konzert  (a)  mit  dem  eben  angeführten  Stamitzschen,  um  sich  zu 
überzeugen,  daß  in  ersterem  Takt  6  genau  also  wie  in  letzterem  Takt  3 
der  Sprung  nach  der  Höhe  die  Auffassung  der  Länge  als  Schlußnote  un- 
möglich macht. 

Der    erste   Satz   der   Es-dur-Sonate   op.    31'",   der   die   Seufzer- 
manier als  Devise  trägt  und  sie  fortgesetzt  als  Hauptmotiv  festhält: 


liefert  den  strikten  Beweis,  daß  nach  1800  Beethoven  sich  von  der  Auf- 
fassung der  dritten  Note  als  wirklicher  Endung  vollsrändig  freigemacht  hat 
und  vielmehr  so  empfindet,  als  wenn  er  etwa  geschrieben  hätte: 


usw. 


und  weiterhin: 


93 
RIEMANN:  BEETHOVEN  UND  DIE  MANNHEIMER 


m 


*      -     £-      ^    Ali 


doch  muß  für  die  späteren  Werke  Beethovens  weiter  konstatiert  werden, 
daß  er  meist  vorzieht,  den  Gefabren  der  Mißdeutung  der  Bildung  zu  be- 
gegnen durch  Zerlegung  der  langen  Note  in  Tonrepetitionen  und  durch  Auf- 
geben des  Portaments.    Schon  in  der  zweiten  Symphonie  (1802)  schreibt 

er  (im  zweiten  Satz): 

_  stau: 


m 
W 


g  I  r  £/ 1  b^  II  c  I  r  £J  M 


NB. 


ähnlich  in  der  Pastoralsymphonie  (zweiter  Satz): 

NB.  sutt 


^ 
W 


^ 


^ßlr 


NB. 


und  in  der  A-dur-Symphonie  (erster  Satz): 

NB.       statt: 


u.  ö. 


Sehr  lehrreich  sind  die  Skizzen  zum  langsamen  Satze  der  Neunten;  sie 
zeigen  das  Thema  des  Andante  zuerst  in  der  Rhythmisierung  (Nottebohm, 
Zweite  Beethoveniana,  S.  174 ff.): 


NB. 


In  jüngeren  Jahren  würde  Beethoven  wahrscheinlich  geschrieben  haben: 


die  endgültge  Fassung  ist  bekanntlich  geworden: 

C)  NB. 


Ulf 


94 
DIE  MUSIK  VII.  14. 


SR 

mSSO 


d.  h.  das  Portament  fehlt,  und  die  längste  Note  ist  die  zweite,  die  Auf- 
lösungsnote  des  Vorhaltes;  und  doch  wäre  die  Fassung  b),  wenn  sie  nur 
nicht  mißverstanden  wfirde  (die  lange  dritte  Note'  als  Ende),  sogar  noch 
emphatischer  als  c): 


^^^r^^^g^^i^^^ 


was  aber,  verkehrt  gehört,  lahm  und  banal  wird: 


Man  beachte  aber,  wie  c)  gegenüber  a>,  durch  die  Ligierung  des  vierten 
Achtels  stark  an  Emphase  gewonnen  hat;  die  dreimalige  Angabe  des  Aaf- 
lösungstones  entspricht  der  Tempobezeichnung  der  zweiten  Skizze  «alla 
Menuette*  und  steht  der  Umgestaltung  der  Manier  nahe,  die  wir  in 
zahlreichen  anderen  Fällen  fanden: 


die  nun  leider  nicht  verhfitet,  die  Endung  als  bis  zum  fünften  Achtel  reichend 
zu  verstehen.  Daß  der  spätere  Beethoven  ernstlich  diese  verkehrte  Auf- 
fassung zu  verhüten  bemüht  ist,  hoffe  ich  wahrscheinlich  gemacht  zu  haben. 
Zum  Schluß  möchte  ich  die  Frage  der  Herkunft  der  Mannheimer 
Seufzermanier  als  wirkliche  Endung  wenigstens  streifen*  Daß  sie  als 
solche  auch  schon  bei  Stamitz  vorkommt,  steht  fest,  aber  sie  ist  bei  ihm 
selten  und  macht  sich  nie  so  unangenehm  aufdringlich  bemerkbar  wie  bei 
den  Nachahmern.  Ist  Stamitz  für  diese  Manier  verantwortlich  zu  machen 
oder  nicht?  Stammt  sie  vielleicht  aus  dem  Vortrag  weiblicher  Reime 
in  der  Opemmusik  gegen  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts?  Glucks  «Ach, 
ich  habe  sie  verloren*  fällt  natürlich  jedem  ein,  der  zum  ersten  Male  die 
ausführliche  Bekanntschaft  mit  der  Manier  macht;  das  Orcbestervorspiel 
der  Arie  bringt  gleich  die  Gestalt: 


w 


m 


f  iff  r 


NB. 


Natürlich  kann  aber  der  fünf  Jahre  nach  Stamitz'  Tode  entstandene  «Orpheus* 
nicht  selbst  die  Erklärung  geben.  Vielleicht  schafft  uns  einmal  einer  der 
Spezialkenner  der  Oper  bestimmte  Aufschlüsse,  wann  diese  musikalisdie 
Einkleidung  der  weiblichen  Reime  aufgekommen  ist.     Auch  Herr  Geheim- 


95 
RIEMANN:  BEETHOVEN  UND  DIE  MANNHEIMER 


rat  Max  Friedländer  könnte  wohl  vom  Liede  aus  den  Schlüssel  geben. 
Aus  seiner  «Geschichte  des  deutschen  Liedes  im  18.  Jahrhundert*  ersehe 
ich,  dafi  die  Manier  in  frappanter  Weise  bereits  zu  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts in  den  Liedern  Job.  Phil.  Erlebachs  auftritt: 


a)  Friedlinder,  S.  4. 


Schönstes  Band  ge -treu -er    Sin-ne        du  nur  hast  ein   Her  -  ze       in  •  ne 


c)  S.  10. 


^>\>  2  J  J  \T^j  i  1  j^i  J>^-^j4^g+f"^tf t^TftT^^ 


Mei-ne  Seuf- 


.xer 


(vgl.  hierzu  die  «rotti  accenti*  in  Fr.  Turinis  «Mentre  vaga  Angioletta*  [Blätter 
für  Haus-  und  Kirchenmusik  vom  Jan.  1908]  v.J.  1629,  die  aber  mit  der 
Seufzermanier  nichts  zu  tun  haben). 


d)  S.  15. 


e)  S.  20. 

tV  p  li  ü  6  I!  i; 


NB. 


lafi  al  -  les      ge  •  henl         Muß  man  sein  Ge-lieb-en       mei  -  den 


f)  S.  27. 


Du  bist  be-  sie  •  get,  du  bist  be-sie  -  get,  schwaches  Herz,  du  bist be  -   siegeti 

Dann  scheint  aber  im  Liede  die  Manier  wieder  gänzlich  zu  ver- 
schwinden, um  erst  wieder  nach  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  bei  Kom- 
ponisten aufzutauchen,  deren  Beeinflussung  durch  die  Mannheimer  Musik 
sich  in  bekannten  Formeln  verrät,  wie: 


Fr.  Gottl.  Fleischer  1702  <Friedlinder  S.  97) 


NB. 


Spalier  1781 
<Friedlinder,  S.  280) 


Nun  könnt  nach    trfi  •  ben        Ta    - 


gen 


Kfis   -   se! 


VgL  weiter  Friedländer  S.  107  (Hertling  1759),  158  (Steifen  1782),  191,  192 
(L.  Ä.  Kunzen  1788),  207,  335  (Reichardt),  213  (Zelter),  232  (Nauert  1758), 
320  (Neubauer  1788),  323  (Rupprecht  1789). 


96 
DIE  MUSIK  VIL  14. 


M 


Die  Frage,  ob  für  das  Wiederaufkommen  dieser  Gesangsmanier  nach 
1750  die  Mannheimer  verantwortlich  sind,  oder  ob  umgekehrt  sie  die 
vokale  Manier  ins  Instrumentale  hinfibergenommen  haben,  ist  darum  für 
mein  Thema  von  Bedeutung,  weil  Beethovens  vokale  Frühwerke  an  allen 
Ecken  und  Enden  die  Bildung  aufweisen.  Eine  kleine  Auswahl  mag 
meine  Skizze  beschließen: 


1.  Elegie  auf  den  Tod  einet  Pudels 
(1787) 


2.  An  Minna  (in  Op.  52)  nur  im  Nachspiel 

(1792?) 


m 


Zih-ren     Zan-ken    Ge  -  dan  -  ken 

mu-de 

Le  - bent 


^'fiwhrj  tt^W^^^^^-Üd.;^ 


3.  Man  strebt  die 
Flamme  zu  ver- 
hehlen.  (1792?) 


Lip  -  pe 
BM  -  cke 


4.  Mit  Mideln  sich  vertragen 
(mit  Orchester,  1790) 


5.  Primo  amore  (mit  Orchester,  1790) 


r-cl^'^ririi'^l' 


er 


run-gen     ge    -    sun-gen 


di  -  vi  -  sio  -  ne      di  -  vi  -  sie  - 


Primo  a  -  more 


io       tro  -  va   -  i     coli'  a  -  mo  -  re     a    -    mo  -  re 


6.  Auf  den  Tod  Josephs  II.  (Kantate,  1790) 


y^ 


3 


|-|— jt: 


jMj^|J>-^-^g|f"    g   tl^^Tfn^^ 


wei  •  net  es        wie    -  der       dir    hi  -  nie  -  den      kein      Rös  -  eben 
7.  Huldigungskanute  ffir  Leopold  II.  (1790) 

I 


hörst  du  nicht  der    £n-gel,  der  En-gel  Gru-ße      krönen     wie  Har-fen-lis  -  peln 

^  8.  Adelaide  (1796?) 


r  II  ^  ^J  fr  I  (Lf  r  II  f-n^ri^r±scg^^ 


tö-nen     Zih   •  ren    fiie-ßen  weil  mit  Se- gen 


im  31u  -  men  -  gar  •  ten 


y  i  si 


Ff^^W3^H=^ 


Ta-ges  Gold-ge  -  wöl  -  ke        Nachti-gaMen    flö  -  ten      Nacht!  -  gal  -  lan  flö  -  ten 


m. 


RIEMANN:  BEETHOVEN  UND  DIB  MANNHEIMER 


Grm-bfl     der  Aiehe  meliiet  Her-iena, 

Der  Zweck  dieser  kleinen  Studie  ist,  einen  Aofug  zn  machen  mit 
dem  positiven  Nachweise  des  Einflusses,  den  die  Mannheimer  Schule  auf 
das  Schaffen  der  groflen  Wiener  Klassiker  ansgeübt  bat*);  bezüglich  Hiydns 
gibt  der  Dmck  der  rrühesten  Symphonieen  in  Bd.  I  der  Gesamtausgabe  An- 
laß zu  ihnlichen  Betrachtungen.  Eine  viel  dankbarere  Aufgabe  ist  aber 
zweifdlos,  nachzuweisen,  worin  sich  auch  schon  in  frühen  Werken  Beet- 
hovens dessen  Eigenart  offenhält.  Gar  mancherlei  Beobachlangen  dringen 
sieb  da  auf,  besonders  zeigt  sich  eine  auffallende  Verwandtschaft  mancher 
weitausgreifenden  scherzoartigen  Sitze  in  gleichen  Noten  ohne  allen  har- 
monischen Apparat  mit  solchen  aus  spiterer  Zeit,  aber  auch  umgekehrt 
vollblütige  im  wesentlichen  harmonische  Konzeptionen  von  ausnehmender 
Ausdrucksliefe  fallen  auf.  Diesen  Beobachtungen  kann  hier  nicht  nach- 
gegangen werden.  Ich  wollte  aber  wenigstens  den  Hinweis  auf  sie 
nicht  unterlassen,  um  jedem  falschen  Schein  der  Kleinigkeitskrämerei  vor^ 
zubeugen,  den  ja  wohl  ein  Thema,  wie  das  dieses  Aufsatzes,  leicht  erwecken 
kann.  Beethovens  GröSe  wird  durch  meine  Nachweise  gewiß  nicht  an- 
getastet. Neben  die  Untersuchung  des  iufieren  Lebens  unserer  Meister 
mnfi  aber  nun  allmShlich  ein  detailliertes  Eindringen  in  ihren  Stil  treten, 
wenn  die  Musikwissenschaft  nicht  hinter  der  mit  der  Poesie  sich  be- 
schiftigenden  Schwesterwissenschaft  dauernd  zurückbleiben  will. 


')  Anm.  Der  soeben  ausgegebene  Bd.  XV<  der  aDeskiniler  der  Tonkunst  in 
öiierrelcb"  macht  cum  ira  ac  studio  einen  Venucta,  die  Mannheimer  tu  einem  Ab- 
leger einer  Tiener  Schule  lu  machen  und  einen  gewiesen  Georg  Matthias  Monn 
gegen  Siamlti  aiisiuepieien.    DarQber  an  anderer  Stelle  mehr. 


DIE  NOTWENDIGKEIT  EINER 
STIFTUNG  ZUR  ERMÖGLICHUNG 
DER    DRUCKLEGUNG    UMFANG- 
REICHER KOMPOSITIONEN 

EINE  ANREGUNG 
1  Wilhelm  Alimann-Friedenau/BerlJn 


■enn  man  im  .Allgemeinen  deutschen  Musiker-Kalender*  die  Zn- 
\  sammenstellung  der  mancherlei  Stiftungen,  die  für  Tonkünstler 
und  Musiker  gemacht  sind,  sich  ansieht,  so  mafi  man  darüber 
i  erfreut  sein,  trotzdem  das  Kapital  vieler  dieser  Stiftungen  nicht 
gerade  groß  ist.  Eine  Stiftung  aber  vermisse  ich,  die  meines  Eracbtens 
heute  unbedingt  notwendig  ist:  eine  Stiftung,  die  talentvollen 
Komponisten  die  Mittel  zur  Drucklegung  umfangreicher  Werke 
gewährt. 

Wir  haben,  Gott  sei  Dank,  in  Deutschland  noch  immer  eine  groDe  Anzahl 
recht  begabter  Tonsetzer,  die  ideal  genug  gesinnt  sind,  uns  Symphonieen, 
grofie  Chor-  und  Kammermusikwerke  zu  schaffen,  obwohl  sie  wissen,  dafi 
es  ibaen  sehr  schwer  sein  wird,  für  diese  Werke  als  Vorbedingung  für 
eine  Reihe  von  Aufführungen  einen  Verleger  zu  finden,  der  wenigstens 
die  Kosten  der  Drucklegung  trägt,  ohne  ein  Honorar  zu  zahlen.  Zahllose 
sehr  wertvolle  Werke  bleiben  im  Pulte  der  Komponisten  verschlossen, 
ohne  je  gedruckt  und  aufgeführt  zu  werden.  Mißmutig  verkümmern  häufig 
dann  selbst  sehr  begabte  Tondichter,  oft  wenden  sie  sich  von  der  ernsten 
Musik  ab  und  produzieren  nur  noch  leichte  Ware,  weil  sie  dadurch  allein 
und  ohne  große  Mühe  sich  ihren  Lebensunterhalt  erwerben  können.  Die 
Folge  dieser  Zustände  dürfte  unausbleiblich  die  sein,  dafi  Deutschland  die 
seit  wenigstens  anderthalb  Jahrhunderten  behauptete  führende  Stellung  auf 
dem  Gebiet  der  Komposition  verlieren  muß. 

Die  deutschen  Musikverleger  trilTi  die  Schuld  nicht.  Wenn  man 
die  Summen,  die  sie  allein  in  den  letzten  20—30  Jahren  idealen  Zwecken 
geopfert  haben,  addieren  würde,  so  würde  man  allgemein  über  deren  Höbe 
staunen.  Der  Absatz,  den  sie  mit  größeren  Werken  ernsterer  Art  erzielen, 
ist  leider  verschwindend  gering;  sogar  Werke  gefeierter  Komponisten,  die 
sie  mit  schweren  Opfern  erworben  haben,  gehen  nicht;  jedes  Salonstück 
aber,  jedes  Couplet  wirft  sicheren  Gewinn  ab.  Die  allgemeine  musikalische 
Bildung  oder  der  Geschmack  des  großen  Publikums  ist  leider  sehr 
zurückgegangen,  hat  sich  entschieden  verschlechtert.    Wer  kauft  heute  z.  B. 


99 
ALTMANN:  EINE  ANREGUNG 


den  Klavierauszug  eines  Oratoriums?  Selbst  KQnstlervereinigungen,  die 
z.  B.  ein  neues  Streichquartett  aufführen  wollen,  sehen  es  als  ganz  selbst- 
verständlich an,  daß  ihnen  die  Noten  gratis  zur  Verfugung  gestellt  werden. 
Dazu  kommt,  daß  die  Herstellungskosten  infolge  Verteuerung  des  Papiers 
und  vor  allem  der  Arbeitslöhne  in  den  letzten  Jahren  eine  solche  Höhe 
erreicht  haben,  daß  die  Kosten  der  Herstellung  z.  B.  eines  Streichquartetts 
in  den  seltensten  Fällen  gedeckt  werden.  Kann  man  es  daher  den  Ver- 
legern verdenken,  wenn  sie  sich  für  solche  Werke,  besonders  unbekannter 
Komponisten,  nicht  interessieren,  wenn  sie  zum  mindesten  einen  Zuschuß 
zu  den  Druckkosten  verlangen,  den  aber  der  meist  nicht  mit  Glücksgütem 
gesegnete  Komponist  beim  besten  Willen  nicht  aufbringen  kann? 

Hier  müßte,  da  eine  staatliche  Unterstützung  wohl  nicht  zu  erreichen 
wäre,  obwohl  die  Staaten  ja  für  wissenschaftliche  Zwecke  und  die  bildenden 
Künste  viel  Geld  aufwenden,  ein  Mäcen  eintreten  oder  vielmehr,  da  heute 
diese  Gattung  Menschen  doch  nur  sehr  selten  aufzufinden  ist,  eine  Stiftung. 
Deren  geeigneter  Verwalter  wäre  der  «Allgemeine  Deutsche  Musik- 
verein*, dem  bereits  einige  den  Musikern  zugute  kommende  Stiftungen 
anvertraut  sind.  Freilich  müßte  dafür  gesorgt  werden,  daß  nicht  bloß 
die  ultramodeme,  bei  den  Tonkünstlerfesten  des  „Allgemeinen  Deutschen 
Musikvereins*  bevorzugte  Richtung  und  die  Schüler  der  Leiter  dieses 
Vereins  berücksichtigt  würden,  sondern  auch  die  Außenseiter.  Die  gewährten 
Beihilfen  zum  Druck  müßten  nach  einem  Abkommen  mit  dem  betr.  Verleger 
wieder  in  die  Stiftung  zurückfließen,  sobald  der  Absatz  des  betreffenden 
Werkes  die  Kosten  gedeckt  hat.  Weitere  Einzelheiten  über  die  Art,  wie 
die  Stiftung  zu  verwalten  wäre,  mache  ich  absichtlich  nicht,  wie  ich  denn 
überhaupt  hier  nur  eine  Anregung  geben  will,  die  Berufenere  weiter  ver- 
folgen sollen. 

Woher  aber  sollen  die  Mittel  zu  dieser  Stiftung  beschafft  werden? 
Ich  bin  fest  überzeugt,  sobald  der  »Allgemeine  Deutsche  Musikverein*  sich 
dieser  Sache  annehmen  und  für  sie  mit  Nachdruck  eintreten  würde,  würden 
von  vielen  Seiten  Kapitalien  dieser  Stiftung  zufließen ;  es  gibt  ja  auch  unter 
den  Musikern  reiche  Leute,  die  keine  direkten  Erben  haben  und  jene 
Stiftung  sehr  gut  testamentarisch  bedenken  könnten.  Freilich  würden 
voraussichtlich  Jahre  vergehen,  bis  das  Kapital  so  groß  wäre,  um  nennens- 
werte Unterstützungen  zu  gewähren. 

Wenn  ich  recht  unterrichtet  bin,  so  hat  der  russische  Musikverleger 
Belaielf  bei  seinem  Tode  bestimmt,  daß  sein  Verlag  als  Stiftung  zugunsten 
der  jungen  russischen  Komponisten  weitergeführt  werden  soll.  Aus  einem  mir 
kürzlich  zugesandten  Zirkular  des  Vereins  schweizerischer  Tonkünstler 
ersehe  ich,  daß  dieser  jetzt,  wenn  auch  in  beschränktem  Maße,  dank  Unter- 
stützung  der  Bundesbehörde  in  der  Lage   ist,  die  Drucklegung  und  Ver- 


«  #  *    *    * 


100 
DIB  MUSIK  VII.  U. 


.breituDg  solcher  Kompositionen  schwelzeriscber  Tonseizcr  in  die  Hud  zu 
nehmen,  für  die  ihre  Autoren  trotz  gediegenen  Inhaltes  der  Werke 
keinen  Verleger  finden  können.  In  diesem  Zlrkulftr  heifit  es  mit  Recht: 
aUnd  doch  sind  es  bXuBg  gerade  die  bedeutendsten  Werke,  die  . .  ^  un- 
begehrt von  den  Zeitgenossen  derjenigen,  die  sie  geschaffen  haben,  der 
Vergessenheit  anheimfallen.  Dies  ist  das  Schicksat,  das  schon  manchen 
unserer  Kunstgenossen  entmutigt  and  seine  Schaffensfreudigkeit  gelihmt  bat.' 
Sollte,  was  in  Rußland  und  in  der  Schweiz  möglich  Ist,  nicht  auch 
in  Dentscbland  zu  erreichen  sein?  Die  Antwort  auf  diese  Frage  wird 
uns  sicherlich  der  .Allgemeine  Deutsche  Musikverein'  geben. 


fängst    entschwundene  Zeilen,  eine    längst    untergegangene    und 
verklungene  Kunstepoche  stiegen  auf  in  der  Erinnerung  in  dem 
f  Augenblicli,  wo  die  Kunde  vom  Tode  PauHne  Luccas  durch  die 
Welt  eilte. 

Man  vergegenwäritgte  sich  schnell  das  Berlin  der  secbsziger  Jahre  des 
vorigen  Jahrhunderts,  -das  Beilin  mit  seiner  Ahnung  von  etwas  Grofiem, 
das  da  kommen  sollte  und  mufite,  das  Berlin,  das  der  SchaupIaK 
hertiger  parlamentarischer  Kämpfe  und  von  schweren  WaiFeDgängen  siegreich 
heimkehrender  Truppen  war. 

Alle  diese  bekannten  Vorgänge  erzeugten  andauernd  Spannung  und  Ner- 
vosität und  bereiteten  gerade  damit  einen  Nährboden  für  das  Gedeihen  eines 
Talentes  von  der  Art  der  Lucca,  wie  er  geeigneter  gar  nicht  sein  konnte. 

Diese  merkwürdige  Sängerin,  deren  Kunst  in  der  Hauptsache  voa 
starken  Impulsen  des  Augenblickes  getragen  war  und  wie  das  unausgesetzte 
Improvisieren  einer  urwüchsig-genialen  Begabung  erschien,  kann  man  nicht 
treffender  charakterisieren  als  durch  zwei  Teile  des  Wortes,  das  auf  dem 
Grabstein  Mozarts  zu  lesen,  nämlich: 

«Jung  grofi,  (spät  erkannt,)  nie  erreicht.* 

Das  erste  und  das  letzte  paßt  vollkommen  auf  die  Lucca;  sonst  hatte 
sie  gerade  mit  dieses  Meisters  in  rafTaelitischer  Schönheit  strahlender  Kunst 
wenig  Berührungspunkte,  wenn  sie  auch  den  Cherubin  im  «Figaro*  und  die 
Zerline  im,  Don  Juan"  mit  größtem  Erfolge  in  der  ihr  eigenen  Art  gesungen  bat. 
Jung  groß  war  die  Vielgefeierte  wie  nur  je  eine ;  von  ihrem  zwanzigsten  bis 
zum  dreißigsten  Lebensjahr  stand  sie  bereits  als  Prima  donna  assoluta  auf 
der  Hofbühne  Berlins,  man  kannte  sie  also  in  der  ganzen  Kullurwell.  Im 
vierzigsten  Lebensjahr  trug  die  kleine  Frau  schon  die  Last  des  nunmehr 
selbsterrungenen  Weltruhmes.  Erreicht  worden  ist  sie  niemals  wieder. 
Künstlerische  Individualitäten  von  solcher  Originalität  wiederholen  sich  nicht. 

Viel  gerühmt  wurde  die  Vielseitigkeit  der  Lucca.  Von  den  leiden- 
schaftlichen Wallungen  der  Valentine  und  den  tieftragischen  Akzenten  der 
Selic«  bis  zur  Schalkhaftigkeit  der  Frau  Fiuth  und  der  Kofcetteije  der  Zerline 
im  ,Fra  Diavolo'  stand  ihr  eine  große  Skala  weiblicher  Empfindungen  in  Toa 
und  Farbe,  im  Gesänge  und  der  Darstellung  zur  Verfügung.     In  jede  Rolle 


102 
DIE  MUSIK  VII.  14* 


0mSBSa 


wußte  sieetwas  rein  Persönliches,  nur  ihr  Eigenes  zu  legen.  Und  dennoch  gab  es 
auch  für  diese  scheinbar  unendlich  Wandlungsßhige  eineGrenze  ihres  Könnens. 
Das  bereits  damals  leise,  aber  deutlich  anpochende  Kunstwerk  Wagners  fand  in 
derLucca  keine  Interpretin.  Da,  wo  es  hieß:  Diene  und  sei  ein  Glied  im  Ganzen, 
da  wardas  Endeeiner  Kunst,die  aufdem  schrankenlosen  Subjektivismus  beruhte^ 

Das  war  wohl  auch  der  tiefere  Grund,  daß  die  Lucca  zuerst  aus  dem 
Kreise  ausbrach,  der  sich  um  die  Wende  der  sechsziger  und  siebenziger  Jahre, 
von  einer  Anzahl  auserlesener  Künstler  gebildet,  um  sie  geschlossen  hatte. 
Waren  doch  allmählich  die  Mallinger,  Brandt,  Lehmann,  Niemann,  Betz,  Fricke, 
Krolop  neben  die  so  bevorzugte  Sängerin  getreten,  neben  sie,  die  gewohnt  war, 
Alleinherrscherin  zu  sein  und  nun  so  viele  kongeniale  Sänger  und  Sängerinnen 
neben  sich  dulden  sollte.  Die  bekannte  Rivalität  mit  der  Mallinger  führte  das 
Ende  herbei.     Pauline  Lucca  ging  von  dannen,  man  ließ  sie  ruhig  ziehen. 

Ob  die  damals  noch  kleine,  heftig  befehdete  Wagnerpartei,  die  begreiflicher- 
weise in  der  Mallinger  eine  bessere  Stütze  sah  als  in  der  Lucca,  nicht  un- 
gerecht  und  lieblos  gegen  diese  war  und  dadurch  den  häßlichen  Konflikt  noch 
verschärfte,  mag  unerörtert  bleiben.  Jedenfalls  verlor  die  Hofoper  eine 
Künstlerin,  wie  sie  eine  gleiche  bis  zu  Rosa  Sucher  nicht  mehr  besessen. 

Die  ein  Jahrzehnt  ungefähr  schmollende  Lucca  kehrte  als  Gast  in 
den  achtziger  Jahren  zurück  und  gab  als  Carmen  und  Bezähmte  Widerspenstige 
neue,  glänzende  Beweise  ihrer  im  NachschafFen  fast  schöpferischen  Kraft. 

Aus  ihrem  alten  Repertoire  sang  sie  damals  wieder  Gounod's  «Margarete*, 
war  von  entzückendem  Liebreiz  im  zweiten  und  dritten  Akt  und  fand 
erschütternde  Töne  für  die  Schmerzensakzente  der  Kircl»en-  und  Kerker- 
szene, in  denen  sich  alles  in  ein  einziges,  sanftes,  großes  Leiden  auf- 
zulösen schien.  Neben  dieser  kleinen  Margarete  stand  der  riesengroße 
Niemann  als  Faust,  mächtig  über  Gounod  zu  Goethe  hinstrebend  und  dazu 
Salomon  mit  seinem  eleganten,  in  seiner  Wirkung  an  zweihundert  Mal 
erprobten  Mephisto.  Das  war  eine  Aufführung  von  musikhistorischem 
Wert,  sie  mutete  an  wie  das  kurze  Aufflackern  einer  halbüberwundenen, 
großen  Zeit  vor  ihrem  völligen  Erlöschen. 

Nach  und  nach  wurde  es  still  von  Pauline  Lucca.  Sie  zog  sich  aus  der 
ÖflTentlichkeit  zurück,  um  auszuruhen  von  einer  Laufbahn,  bei  der  Kunst  und 
Gunst  gemeinsam  in  seltener  Weise  den  Erfolg  herbeigeführt  hatten. 

So  groß  und  originell  diese  Sängerin  war,  die  höchste  Aufgabe  eines 
Interpreten:  eine  Mission  zu  erfüllen,  blieb  ihr  versagt.  Pauline  Lucca,  ein 
ragender  Gipfel  einer  absterbenden  Kunstepoche,  war  am  Ende  ihres  Wirkens, 
als  Wagners  Kunstwerk  die  Morgenröte  einer  neuen  Zeit  ankündigte.  Ein 
Schicksal,  das  hinter  seinem  Glanz  doch  ein  wenig  Tragik  birgt. 


• '  •, 


BÜCHER 

116.  Das  Süifiebncb  des  Adam  Puschman  nebst  den  Origlnalmclodlen  des 
M.  Behalm  and  Hans  SacbSi  beransieceben  von  fisorg  H&nzor. 
Verlag:  Breltkopr  &  HIrtel,  Leipirf  1907. 
Der  elnitimmlKe  Getug  des  MlrielalterB  war  laofe  Zelt  ein  Stiefkind  der  Mnalk- 
foncbunf.  Die  Ltterartalatorlker,  welche  die  Lieder  der  Tronbadoora,  Tronvfcrea,  Mlnne- 
■iDcer  nnd  Meliteraiager  behandelten,  gingen  meist  Gber  die  mniikalfBche  Seite  Ibrea 
Tbenas  schnell  binFort  oder  ließen  lie  auch  giniltch  nnberfibrt,  und  den  MuBlkblsiorikem 
manfelte  die  nSHse  Kenntnia  der  elBicbllKlgen  band achrlftlf eben  Quellenliteramr,  um 
ein  treffendes  Urteil  abivgehen.  Georg  M&nier,  der  >ich  bisher  auf  dem  Gebiete 
der  neueren  Konzert-  und  Opem-Geaehlcbte  durch  ao  manchen  wertvollen  Beitrag  be> 
dllgt  bat,  kam  ohne  Zweifel  durch  die  Frage  nach  den  Grundlagen  tob  Tagners  aMeister- 
tinger  von  Nürnberg"  Aber  Tagesiell')  auf  die  qaellenmißige  Erfbrachnng  des  Meister- 
gesangs. Cermaniaten  wie  Docen,  Grimm,  GSrres,  Bartsch,  Hertel,  HoFfmann 
von  Falleraleben,  Schnorr  von  Carola feld,  Dreyer,  Bolte  hatten  so  manche  Vor- 
arbeit geleistet  und  auch  Musikhistoriker  wie  Jacobs  thal,  R.  t.  Llllencron,  Bohn  und 
bedingt  Mey  gar  manchen  Banatelo  geliefert.  Vor  allem  war  der  Teg  durch  die  Publi- 
kationen Paul  Runges,  Rlemanna  und  Bernoullla  geebnet.  Bildete  doch  das  Col- 
marer  Uederbnch,  daa  ersterer  seinem  Inhalte  nach  erschlossen  hat,  eine  der  ilteiieB 
schrifUicben  Grundlagen  des  Meisiergesanga.  Aber  trotz  nicht  zu  nntenchitzender  Vor- 
arbdlen  blieb  noch  MQnier  nahein  alles  cn  tan  übrig.  Seine  Forachung,  auf  breitetter 
Grundlage  angelegt,  zeigte  Ihm,  dafi  es  vor  der  Hand  Gber  die  Kraft  eines  einzelnen 
geht,  das  ganze  Gebiet  erichSpfend  zu  bebandeln,  daH  es  vor  allem  darauf  ankommt, 
die  Melodien  der  Meistersinger  lu  neuem  Leben  lu  erwecken  und  durch  sie  die  auf 
Tagesaell  fu&ende  Voratelluog  von  der  zur  Formel  eraiarrlen  knSchemen  Melodik  zu 
bekimpfen.  Tie  das  Kapitel  des  Melatergeaenga,  ao  werden  noch  manche  andere  mittel- 
allcrllcbcr  Mualk  bis  hin  zum  16.  Jshrhundert  auf  Grund  des  sn^edecklen  praictiacben 
Quallenmaieriala  vfilllg  nmiuachreiben  sein.  Als  Vorlage  seiner  Publikation  diente  Mfinzer 
in  erster  Linie  das  Singebucb  dea  Adam  Puacbman  ans  dem  Jahre  15BS,  da*  die 
Breslaoer  Bibliothek  bewahrt,  eine  Sammlung,  die  einen  guten  Oberblick  über  daa  Gebiet 
des  Melatergeaaags  bis  zu  Pnschmana  Zelt  verscbsin.  Adam  Puschman,  1532  zu  Cflriltz 
geboren  und  Schneider  von  Beruf,  hatte  nach  eifrigen  Studien  des  Meiatergesanges  bei 
OnolTrius  Sehwarzenbach  In  Augabnrg  und  Hans  Sachs  in  Nürnberg  seinen  Bemf 
aufgegeben  und  lebte  von  nun  sn  der  edles  Slngekunat,  Auf  seinen  vielen  Tander- 
hbrten  aammelte  er,  waa  er  von  Melatergeaingen  vorfand  und  zeichnete  sie,  so  gut  er 
ea  vermochte,  mit  den  Melodien  auf.    Bei   dem   hohen  Ansehen,  das  er  allenthalben 

■]  Buch  von  der  Meitier-Slnger  Holdseligen  KnnilAnItog,  Fortübung,  Nutzbarkeiten 
ttsd  Ubi^Sitzen.    Altriorf  1697. 


104 
DIE  MUSIK  VII.  14. 


Ji 


in  den  Kreisen  der  Meistersinger  genoß,  bsben  seine  Niederschriften  trotz  msncher 
Fehler  der  melodischen  Fixierung  und  mancher  Versehen  hinsichtlich  der  Verfasser- 
schaft ohne  Frage  besonderen  Wert.  Aber  auch  andere  Handschriften  hat  Münzer  znr 
Ausgabe  herangezogen,  wie  die  Zwickauer  Hans  Sachs-Handschriften,  die  Aufzeichnungen 
des  Michael  Behaim  (in  Heidelberg  und  München),  die  vielen  Nfimberger  Bestinde» 
vor  allem  den  Kodex  des  Benedikt  von  Watt,  Berliner  Manuskripte,  die  herrlich  ge- 
schriebene Handschrift  des  Valentin  Vogt  in  Jena,  Weimarer,  Mfinchener  und  Dresdner 
Manuskripte.  Immer  sehen  wir  den  Verfasser  bemüht,  eine  möglichst  einwandfreie 
Fassung  zu  gewinnen.  Münzers  Ausgabe  der  Melodien  ist  keine  Umschrift  ihrem 
einstigen  Vortrage  entsprechend,  sondern  lehnt  sich  eng  an  die  Vorlagen  an.  Die  für 
die  Lösung  der  Weisen  entwickelten  Grundsätze  sind  anzuerkennen.  Die  Frage  nach 
der  Notation  der  Meistersinger  war  jüngst  auf  dem  Basler  Kongreß  der  Internationalen 
Musikgesellschaft  aufgerollt  worden  und  hatte  von  Runge,  Münzer,  Bernoulli  und 
S taiger  Beantwortungen  gefunden,  die  in  den  wesentlichen  Punkten  übereinkamen  nnd 
bis  auf  wenige  Ausnahmen  den  Meistergesang  als  unmensuriert  hinstellen.  Gestützt  auf 
die  der  Publikation  angehängte  Tabulatur  Puschmans  stellt  Münzer  den  Satz  auf,  daß 
die  Meistersinger  das  Prinzip  der  Silbenzäblung  beherrschte  und  »die  Hebungen  der 
Sprache  gewöhnlich  keine  Rolle  spielten".  Er  betont  die  theoretische  Gleichwertigkeit 
aller  Silben  im  Puschmanschen  Meistergesinge,  gesteht  aber  zu,  daß  Silben  mit  längerer 
Koloratur  wohl  unwillkürlich  Verlängerung  und  mehr  unbetonte  Verkürznng  erfkhren 
haben  werden.  Mit  großer  Liebe  sucht  Münzer  in  den  Geist  der  Meistergesänge  ein- 
zudringen und  ihren  ästhetischen  Gehalt  zu  ergrunden.  Sein  allgemeines  Urteil  formniiert 
er  in  dem  Satz,  den  alle  Einsichtigen  unterschreiben  werden :  «Die  Melodien  der  Meister- 
singer sind  besser  als  ihr  Ruf*.  Die  vier  gekrönten  Töne,  die  nach  Wagen  seil  alt 
die  bedeutendsten  angesehen  wurden,  gehören  zu  den  aliersch wachsten.  Die  merkwürdigen 
Benennungen  der  Weisen  finden  durch  Münzer  eine  natürliche  Erklärung,  die  förm- 
bildnerischen  Prinzipien,  vor  allem  das  Streben  nach  abgerundeter  Form  und  auch  nacli 
thematischer  Verwebung,  werden  aufgewiesen,  der  Vorwurf  der  mangelnden  Tonalität  mit 
Recht  zurückgewiesen.  Nicht  alle  Melodien  beugen  sich  unter  die  Lehre  von  den 
Kirchentonarten,  das  Dur-  und  Mollgeschlecht  zeigt  sich  nicht  selten  schon  klar  aus- 
geprägt Eine  ganze  Zahl  der  Weisen  werden  ihrer  Tonart  nach  bestimmt  Wertvoll 
sind  Münzers  Hinweise  auf  die  Beziehungen  des  Meistergesangs  zum  gregorianischen 
Choral,  zum  evangelischen  Kirchenliede  und  zum  Volksgesange.  Lag  es  doch  nahe,  mit 
den  kirchlichen  Stoffen  auch  den  Grundzug  kirchlicher  Melodik  zu  übernehmen  nnd  bei 
volkstümlichen  Stoffen  sich  volkstümlicher  Weisen  zu  bedienen.  So  leiht  der  gregorianische 
Gesang  so  manche  melodische  Formel  her  und  klingt  auch  aus  dem  evangelischen  Choral 
so  manches  Melisma  hinüber.  Aber  auch  umgekehrt  konnten  sich  die  Sänger  der  Kirche 
dem  Einflüsse  des  Meistergesanges  nicht  entziehen;  ich  erinnere  nur  an  das  „Schlesich 
Singebüchlein*  des  Valentin  Triller  von  Gora  vom  Jahre  1555.  Ein  Verhältnis  der 
Reciprocität  bestand  ohne  Frage.  Hat  doch  auch  so  mancher  Meistersinger,  man  denlw 
nur  an  Hans  Sachs,  sich, in  den  Dienst  der  evangelischen  Sache  gestellt  Eine  ganse 
Fülle  von  Parallelen  ergeben  sich  mit  »Ein  feste  Burg*,  mit  »Wachet  auf,  mft  uns  die 
Stimme*,  mit  »Aus  tiefer  Not*,  »Christ  unser  Herr  zum  Jordan  kam*,  ajessia  dem 
Propheten  das  geschach*,  »Nun  bitten  wir  den  heiigen  Geist*,  »Vom  Himmel  hoch,  da 
komm  ich  her*,  um  nur  ein  paar  der  bedeutendsten  zu  nennen. 

Die  Auslese  von  Melodien,  die  Münzer  darbietet,  ist  höchst  wertvoll  nnd 
umgreift  den  ganzen  Meistergesang  von  der  Zeit  Frauenlobs  bis  zum  Ende  des  16.  Jahr- 
hunderts. Es  liegen  Töne  der  alten  Meister  Frauenlob,  Heinrich  Müglin,  Konratt  Manier, 
Bartel  Regenbogen,  Konrad  von  Würzburg,  Tannhäuser,  Mönch  von  Sslzburg,  der  stsrlES 


105 
BESPRECHUNGEN  (BÜCHER) 


Poppe,  der  tlte  und  der  junge  Stolle  vor.  Auch  die  jüngeren  Bebtm»  Machet  Schmider, 
Onoffrius  Schwtrzenbach,  Sebattitn  Wilde,  Konrad  Nachtigall,  Hana  Fplz,  Nunnenbeck, 
Hans  Sachs,  Hans  Vogel  und  Adam  Puschman  kommen  zu  ihrem  Recht,  zu  schweigen 
von  einer  großen  Zahl  weniger  bedeutender  Meister.  Jene  Periode  des  sich  an  den 
Minnegesang  anschließenden  b&rgerlichen  Meistergesangs  wird  wieder  vor  unseren  Ohren 
lebendig,  gewinnt  greifbare  Gestalt  Möchte  die  fleißige  Publikation  Munzers  Frfichte 
tragen  und  zu  weiterer  Forschung  auf  dem  Gebiete  des  einstimmigen  deutschen  Liedes 
anregen.  Johannes  Wolf 

117.  Marie  Ja&Il:  Die  Musik  und  die  Psycho-Physiologie.  Aus  dem  Franzö- 
sischen übersetzt  von  Franziska  Kromayer.  Verlag:  Straßburger 
Druckerei  und  Verlagsanstalt,  Straßburg  1905. 
Das  französische  Original  der  geistreichen  Verfasserin  liegt  bereits  zehn  Jahre  zurfick« 
Damals,  1895,  wire  eine  Obersetzung  des  treflPlichen  Werkes  wohl  eher  am  Platze  ge- 
wesen. Heute  kommt  es  ein  wenig  zu  spät;  denn  es  ist  von  den  Ereignissen  unserer 
i&ngeren  Forschungen  bereits  überholt.  Wenn  wir  trotzdem  der  Obersetzerin.  unseren 
Dank  wissen,  so  geschieht  es  aus  dem  Grunde,  weil  die  Schrift  auch  beute  noch 
manches  Interessante  und  Lesenswerte  enthält.  M.  JaSIl  war  bekanntlich  die  Erste,  di« 
die  Erforschung  der  pianistischen  Spielphänomene  auf  psycho-physiologiacher  Grund- 
lage betrieb.  In  Anlehnung  an  die  großen  Resultate  dieser  jüngsten  Wissenschaft,  be- 
einflußt durch  die  glänzende  Empirie  eines  Bain  (L'Esprit  et  le  Corps),  Paulhan  (La 
Physiologie  et  l'Esprit),  Marey  (Ls  Machine  animale),  Ribot  (La  Psychologie  de  l'  attention) 
u.  a.  m.,  besonders  angeregt  durch  ihre  eigenen  feinen  Wahrnehmungsreize  ging  sie  dazu 
Aber,  die  Einheit  alles  Musikslischen  als  einer  geistigen  und  körperlichen  Vibration  auf- 
zuspfiren  und  zu  begrfinden.  Abschnitte  wie:  «Der  Mechsnismus  des  musikalischen 
Ausdruckes*  oder  »Die  Aufmerksamkeit  und  der  Muskelsinn*,  »Der  Anschlag  und  der 
Gehörssinn*  enthalten  ebensoviel  feinsinnige  Beobachtungen,  wie  selbständige  und  feine 
Gedankenreiben.  M.  JaSIl  war  auch  die  Erste,  die  das  Obungsprinzip  als  einen  geistigen 
Akt  erkannte  und  vertrat.  Die  Abschnitte  fiber  den  »Vortrsg*,  über  »Tskt  und  Tempo 
rnbato*,  »Pedal*,  »Paktoren  des  musikalischen  Gedächtnisses*  sind  voll  von  geistreichen 
Apercus  und  beweisen  ein  hohes,  edles  Streben,  einen  echt  künstlerischen  Sinn  und 
ästhetisches  Feingefühl.  Wenn  das  ganze  Werk  als  solches  heute  nicht  mehr  die  Be- 
deutung für  sich  in  Anspruch  nehmen  ksnn,  so  liegt  das  an  der  bereits  oben  erwähnten 
Tatsache  der  Rfickständigkeit,  wie  an  einer  bypemervösen  Reizsamkeit  der  Verfasserin. 
Auch  ist  die  Anlage  insofern  verfehlt,  als  die  Voraussetzungen  JaöH's  dsmals  irrige 
waren,  und  demgemäß  auch  die  Schlußfolgerungen  jetzt  nicht  anzuerkennen  sind.  Das 
habe  ich  bereits  in  meinem  Werke:  »Die  nstürliche  Klaviertechnik*  nachgewiesen,  das  hat 
auch  Dr.  F.  A.  Steinhausen  in  seiner  vorzüglichen  Schrift:  »Die  physiologischen  Fehler 
und  die  Umgestaltung  der  Klaviertechnik*  des  näheren  kritisch  dargeian.  JaSll  beging 
den  Fehler:  1.  ihre  subjektiven  Reizempflndungen  als  Grundlage  eines  neuen  Anschlsg- 
systemes  zu  objektivieren  und  2.  etwss  zu  ergründen,  was  sich  meiner  Ansicht  nach 
nicht  ergründe»  läßt,  nämlich:  das  speziflsch  Geistig-Künstlerische,  die  Nervenphänomene 
der  Reproduktive.  Im  einzelnen  ähnelt  ihr  System  der  Deppeschen  »Lehre  des 
KlsTierspiels*,  von  der  sie  wohl  such  (trotz  der  Beteurung  der  Gleichzeitigkeit  seitens 
der  Übersetzerin  im  Vorwon)  nicht  unbeeinflußt  geblieben  ist.  Sie  teilt  den  gleichen 
Standpunkt  wie  diese  und  stellt  sich  damit  in  völligen  Gegensau  zu  uns.  Alles  ist  bei 
ihr  intensivste  Muskelspannung,  isolierte  Fingerbewegung  ä  la  Deppe  und  FIxität. 
Da  steht  pag.  72:  »Um  also  die  Noten  eines  musikalischen  Werkes  zu  studieren,  kommt 
et  luertt  darauf  an,  folgende  statische  Eigenschaften  zu  erringen:  die  FIxität  des 
Körpers,  die  Fixität  des  Armes,  abgesehen  Ton  denjenigen  Bewegungen,  welche  bewußt 


106 
DIE  MUSIK  VII.  14. 


hertogebildet  tind,  die  Fixität  der  Htnd  und  die  Fixität  der  Finger,  wenn  sie  keinen 
Anschlag  auszuführen  haben.  Auf  diesen  statischen  Zustand  der  Muskeln  muß  eine 
betrichtliche  Anstrengung  [??]  verwendet  werden,  so  daß  im  Vergleich  dazu  die  Dyna- 
mik weit  weniger  wichtig  erscheint.  [??]*  Also  Sberall  das  Prinzip  des  Festhaltent  und 
Anspannens  ganz  wie  bei  Deppe,  demgegenüber  wir  nicht  genug  den  Standpunkt  des 
Entspannens  und  Loslassens  betonen  können  (Vergl.  Bd.  II  meiner  »Natfirlichen  Klayier- 
technik*:  »Die  Grundlagen  der  Klaviertechnik*).  Oberall  auch  jenes  unglQck- 
selige  «Bewußtmachen*,  «Beherrschen*,  jenes  Explizieren  und  Anslysieren  von  Muskel- 
empflndungen  und  Bewegungsvorgängen,  die  die  Naivitit  jedes  Spielers  beeinträchtigen 
mfissen  und  zu  einem  völlig  verkehrten  Ideale  rühren.  JaCIl  lehrt  zwar  schon  die  Be- 
obachtung der  Bewegnngsvorgänge,  bleibt  aber  an  der  äußerlichsten  und  meiner  Ober- 
zeugung nach  unwesentlichsten  Bewegungserscheinung  der  Finger  als  solcher,  und  zwar 
isolierter  Form,  stehen.  Hier  ist  sie  schon  von  E.  Caland  weit  fiberholt  worden.  Die 
Erkenntnis  von  der  Bedeutung  des  gesamten  Gelenkmechanismus  ist  ihr  nicht  auf- 
gegangen. Das  Prinzip  der  Schwere  oder  der  Trägheit,  die  Schwingungsform  der 
frei  eingesetzten  Masse,  die  Rollfunktion  des  Oberarm-  und  des  cubitalen  Ellenbogen- 
gelenkes, auf  dem  allein  die  naturliche  Klaviertechnik  beruht,  fehlt  vollständig.  Am 
schärfsten  gehen  wir  aber  auseinander  in  puncto  «Muskelspannungslehre*.  Ich  stehe 
mit  Steinhausen,  Kraemer  u.  a.  auf  dem  Standpunkte  der  absoluten  Entspannung  und 
Erschlaffung  der  Muskeln.  Dafür  tritt  meine  «Schule  der  Technik*  Wort  fQr  Wort  den 
Beweis  an.  Technik  ist  kein  «Bewußtmachen*  und  «Beherrschen*  im  JaCll-Deppeschen 
Sinne,  sondern  ein  absolutes  Freimachen  und  Loslassen  in  geistiger  wie  in  körperlicher 
Beziehung.  Technik  ist  die  Befreiung  von  psychischen  Hemmungen  und  physischen 
Widerständen,  die  unbewußte  Freiwerdung  von  Seele  und  Körper,  nichts  weiter.  Darfiber 
an  anderer  Stelle  Ausfuhrlicheres.  R.  M.  Breithaupt 

MUSIKALIEN 

118.  Karl  Kämpf:  Suite  für  großes  Orchester,  op.  24.    Verlag:  Paul  Koeppen, 

Berlin. 
Ein  ansprechend  melodisches  Werk,  aus  romantischer  Phantasie  heraus  geboren, 
wird  diese  Suite  für  gute  populäre  Konzerte  sehr  wohl  zu  verwenden  sein.  Sie  setzt 
sich  aus  einer  Reihe  von  Stimmungsbildern  zusammen  («In  den  Dfinen*,  «Die  Haff- 
mficken*,  «Im  Meeressturm  dem  Tsg  entgegen*,  «Abendlied*,  «Kirmes*),  die  eigent- 
lich nur  gsnz  kurze  Improvisationen,  fluchtige  impressionistische  Andeutungen,  aber,  bis 
suf  allenfalls  die  beiden  letzten  Nummern,  keine  in  sich  geschlossenen  oder  gar  kunst- 
reicher ausgeführten  Sätze  sind.  Melodisch  und  auch  zumeist  harmonisch  ist  ein  ge- 
wisser Landscbafcston,  der  entsprechende  Gefuhlsverbindungen  suslösen  kann,  wqfil 
getroffen.  Die  Instrumentstion  ist  klangvoll  und  im  allgemeinen  mit  sicherem  Können 
ausgeführt.  Doch  finden  sich  auch  Reibungen,  die  an  sich  leicht  zu  vermeiden  ge- 
wesen wären  und  nicht  nsch  jedermanns  Gescbmscke  sein  werden.  Im  ganzen  ist  dieses 
Opus  ein  neuer  Beleg  für  eine  liebenswürdige  Begabung,  die,  dem  Gehalte  nach, 
Werke  von  nicht  Qblem  Durchschnittswerte  zu  schsffen  vermsg. 

119.  Leone  Sinigaglia:  Danze  piemontesi.  op.  31,  No.  1  und  2.   Verlag:  Breitkopf 

&  Härtel,  Leipzig. 
Auch  diese  ^ucke  stellen  eine  gute,  ich  möchte  fast  sagen:  eine  bessere  Unter- 
haltungsmusik dsr.    Sie  sind  mit  reifem  Können  und  manchmal  interessanter  kompo- 
sitionstechnischer Verarbeitung  der  populären  Themen  (wohl  sogenannten  Volkamelodlen) 
und  mittels  aller  Vorzfige  der  romanischen  Instrumentationsart  zu  einem  klaren  Partitar- 


m 


107 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


blld  geformt,  das  koloristischer  Reize  nicht  entbehrt.  Die  ansprechenden  Themen 
nnd  die  Tomehme  Weise  ihrer  Verarbeitung  machen  die  beiden  Orchesterstficke  zu  sehr 
feinen  Werken  ihrer  Art. 
120.  Halfdan  Cleve:  Konzert  No.  3  in  Es-dur  fSr  Klavier  nnd  Streich- 
orchester, op.  9.  Verlag:  Breiikopf  &  Hirtel,  Leipzig. 
Eine  liebenswürdige^  herzhaft  frische  und  flotte  Bejahung  ist  dieses  dritte  Konzert 
des  schreibfreudigen  Klavierkfinstlers.  Stets  vornehm  gehalten  und  wohlklingend,  dazu 
bei  seiner  leichten  Vorfuhrbarkeit  (obwohl  nicht  leichten  Spielbarkeit)  infolge  der  allein 
für  Streichorchester  geschriebenen  Begleitung  wird  es  als  eine  gewiß  vielfach  mit  Ver- 
gnügen anfgenommene  Bereicherung  seines  Literaturgebietes  anzusprechen  sein.  Eine 
greifbare  persönliche  Note  lugt  zwar  nicht  daraus  hervor,  es  ist  alles  mehr  ein»  aller- 
dings durchaus  vornehmes,  SchafVen  auf  oft  betretenen  Pfaden  mit  oft  deutlichem 
nordischen  Einschlage  und  auch  manchmal  darüber  hinausgehender  alterierter  Harmonik. 
Der  Mangel  starker  Persönlichkeit  ist  aber  ja  doch  in  jedem  Falle  kein  Grund,  das  absolnt 
Gnte  abzulehnen  —  wie  es  viele  Beckmesser  (immer  noch!)  nach  wie  vor  in  einiger- 
maßen fragwürdiger  Kurzsichtigkeit  tun  zu  müssen  meinen.  Und  so  kann  ich  nur 
sagen,  daß  mir  dieses  Konzert  in  seiner  Art  gefillt.  Die  Primeln  auf  der  Wiese  haben 
ebenso  ihre  Daseinsberechtigung,  wie  die  grotesk-riesigen  oder  überwiltigenden  Felsen 
und  Schroffen  des  Hochgebirges,  das  Blinken  eines  kleinen  schimmernden  Sternes  ist 
an  sich  ebenso  schön,  wie  das  Leuchten  ganzer  Weltensysteme  aus  unermeßlichen 
Femen,  Und  so  braucht  man  keineswegs  ein  Reaktionir  zu  sein,  um  auch  das  Be- 
scheidenere, sofern  es  an  sich  gut  und  ehrlich  ist,  gelten  zu  lassen  .  .  . 

Alfred  Schattmann 

121.  Sigfrid  Karg-Elert:    Lieder   und   Gedichte  für   eine   Singstimme   mit 

Klavier.  Verlag:  Carl  Simon,  Berlin. 
Aus  der  umfangreichen  Sammlung  liegt  uns  zunächst  »Ein  jungfriulich  Madrigal* 
op.  63,  No.  9  vor,  ein  einfaches,  klangschönes  Werk  ohne  hervorstechende  Eigenart,  aber 
gesnnd  empfunden.  —  op.  11,  No.  6B.  „An  Dich*.  Ein  geschickt  entworfenes,  nicht  einer 
gewissen  Innigkeit  des  Ausdrucks  entbehrendes  Lied.  —  op.  56,  No.  9.  .An  eine  sechs- 
jihrige  Schöne*.  Ein  scherzhaftes,  hübsches  Liedlein  mit  viel  Klangreiz,  der  mittels 
einer  durchsichtigen,  lebhaft  dahinströmenden  Begleitung  noch  gehoben  wird.  — 
op.  62,  No.  4.  »Empor*.  Recht  temperamentvoll,  leidenschaftlich  bewegt,  mit  entsprechend 
erregter  Klavierbegleitung  ausgestattet,  wirkt  das  Lied  frisch  und  lebendig.  —  op.  56,  No.  4. 
»Mein  Esel*.  Für  humorvolle  Vertonungen  besitzt  Karg-Elert  viel  Talent.  Das  zeigt 
auch  dieses  anspruchslose  und  doch  sehr  gefällige  Liedlein,  das  sich  gewiß  zahlreiche 
Freunde  erwerben  wird.  —  op.  12,  No.  4.  »Epigramm*.  Weniger  gut,  wie  in  seinem 
op.  62,  No.  2,  »Mein  Lieb  ist  schlafen  gegangen*,  trifft  Karg-Elert  in  diesem  Gesänge 
den  Volkston,  der  sich  über  das  Niveau  gediegener  Unterhaltungsmusik  in  keiner  Weise 
erhebt.  Artur  Eccarius-Sieber 

122.  Sergei  Bortkiewicz:  Quatre  morceaux  pour  Piano,  op.3.— »Impreasions*. 

Sept  morceaux  pour  Piano,  op.  4.  Verlag:  D.  Rahter,  Leipzig. 
Die  vorliegenden  lyrischen  Kompositionen  geben  Zeugnis  von  einem  vielver- 
sprechenden jungen  Talent,  das  feine  melodische  Erflndung  mit  gefälliger  Harmonik  nnd 
Rhythmik  vereinigt,  ohne  je  flach  zu  werden,  ohne  aber  auch  in  moderne  Extravaganz 
zu  verfallen.  Die  programmartigen  Stücke,  die  sich  schon  im  Titel  als  solche  geben 
(£tude  d'oiseaux,  Temp^te,  Aprfts  la  pluie:  op.  4,  No.  2— 4),  sind  weniger  gelungen  als 
die  mehr  lyrisch  gearteten.  Eine  wahre  Perle  ist  die  Gavotte-Caprice  (op.  3,  No.3);  auch 
die  No.  5  aus  op.  4  (Bergers  et  Bergftres)  sei  trotz  starker  Griegscher  Anklänge  an- 
erkennend hervorgehoben. 


108 
DIE  MUSIK  VII.  14. 


M 


123.  Sigfrid  Karg-Elert:    Erste  Klaviersonate  (fls-moll).     op.  50.     Verlag:  Carl 

Simon,  Berlin. 
Mit  dieser  eigentümlich  zerfahrenen  und  recht  gehaltlosen  Komposition  Tormochten 
wir  uns  nicht  zu  befreunden.  Und  ein  wahrer  Mißbrauch  ist  es,  eine  solche  endlose 
Phantasie,  bei  der  man  vergebens  nach  thematischer  Durchbildung  sich  nmschaut,  mit 
dem  Namen  Sonate  zu  belegen.  Selbst  in  dem  langsamen  Mittelsatx  kommt  der  Ver- 
fasser nicht  zu  einer  klaren  Gestaltung  seiner  fluktuierenden  Tonmassen. 

124.  Michel  Karpow:    Nocturne  pour  le  Piano,    op.  2.    Verlag:  Julius  Heinrich 

Zimmermann,  Leipzig. 

125.  Julius  Weismann:   Impromptus  für  Plan of orte.   op.  17.   Verlag:  D.  Rahter, 

Leipzig. 

126.  Richard  Nordraak:  Scherzo  capriccioso  für  Klavier,  f&r  den  Kon zeityor trag 

frei  bearbeitet  von  Sigfrid  Karg-Eiert.  Verlag:  Carl  Simon,  Berlin. 
Obwohl  etwas  sehr  süß  und  spielerig,  macht  das  Nocturne  von  Karpow  doch  den 
Eindruck  eines  guten  musikalischen  Talents,  das  vielleicht  fQr  die  kleinere  Sonatinen- 
oder  Suitenform  sich  eignen  könnte.  Die  Variierung  des  hfibschen  Themas  ist  fQr  die 
Einfachheit  ihrer  technischen  Bauart  etwas  zu  ausgesponnen.  —  Von  Weismanns  sehr 
gefSlligen  Impromptus  seien  No.  2  und  4  als  besonders  ansprechend  hervorgehoben,  lo 
No.  1  stört  das  recht  triviale  Thema  des  Durteils  den  guten  Eindruck;  dasselbe  kann 
man  von  No.  3  sagen.  —  Wir  waren  nicht  in  der  Lage,  Karg-Elerts  Bearbeitung  von 
Nordraaks  Scherzo  mit  der  Originalkomposition  zu  vergleichen,  können  aber  kaum  an- 
nehmen, daß  diese  dadurch  gewonnen  hat.  Das  StQck,  wie  es  vorliegt,  ist'sprOde  nnd 
wenig  anmutig,  fibrigens  mehr  Caprice  als  Scherzo.  Albert  Leitzmann 

127.  Edmund  Chi:  Drei  Lieder  für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegleitnog. 

op.  15.  —  Vier    Lieder    aus    »Versiumter    Frühling*    von   Jenny 

Schnabl  für  eine  Singstimme   und   Klavierbegleitung,   op.  16.   — 

Slaviscbe  Intermezzi  für  Orchester,    op.  17.    Ausgabe   für  Pianoforte 

zu  vier  Händen  vom  Komponisten.    Verlag:  C.  F.  Kahnt  Nach  folger,  Leipzig. 

Die  Lieder  zeigen  einen   feinen   routinierten  Musiker,   der   zumeist   mit   kleinen 

Mitteln  hübsche  Wirkungen  zu   erzielen  versteht.    Die   Deklamation    ist    natürlich,  die 

Modulation  apart  aber  unaufdringlich    und    die   oft   leicht   kontrapunktische  Begleitang 

immer  dankbar.    Die  etwas  sentimentale  Natur  der  Lieder  ist  durch  Kunst   gemilden. 

Hervorgehoben  seien  »Zu  spät*  und  »Wiegenlied*  aus  op.  15.  —  Die   drei  anspmcbs- 

losen  Klavierstückchen,  die  nicht  sonderlich  slavisch  sind,  sind   fürs  Haus  wie  für  den 

Unterricht  (die  Bezeichnungen  sind  sehr  präzise,  leider  fehlt  der  Fingersatz)  zn  empfSehlea. 

128.  G.  H.  G.  von  Brucken-Fock:   5  Liederen    voor    een    sopraanttem    met 

begeleiding    van    Klavier  (gedichten  van  J.  Reddingius).    Verlag: 

A.  A.  Noske,  Middelburg. 
Ein  starkes  Mitfühlen  mit  dem  Dichter  und  Durchsichtigkeit  zeichnen  diese  eigen* 
artigen  Lieder  aus.    Nur  ist  vieles  im  Gesänge  auf  Einen  Ton  gestimmt,  sodaß  die  Be- 
gleitung und  der  Rhythmus  sich   allzusehr  vordrängen.     Des    Komponisten    Art   kenn- 
zeichnet am  besten  das  Lied:  ,,Witte  wijven  dansen  om  en  om*. 

129.  Max  Ansorge:  Zehn  Duette   für  zwei  Singstimmen   und  Klavier  ans 

dem  Kinderleben.  Verlag:  C.  Becher,  Breslau. 
Die  Stückchen  halten  die  Mitte  zwischen  Kunst-  und  Kinderlied,  und  das  ist  ihr 
Böses.  Wer  soll  sie  singen  und  wo  soll  man  sie  singen?  Der  Klaviersati  ist  besser 
als  die  Melodik;  diese  ist  oft  gequält- kindlich  und  weist  manche  harte  Wendung  snf 
(No.  7  |,im  Sand  abgedrückt*,  No.  8  »Deine  feinen  Flüglein  schwing**).  Die  gelitnteastea 
Liedchen  sind  »Das  Entchen"  und  »Regenlied".  Arno  Nsdel 


Aus  Musikzeitschriften 

MERCURE  MUSICAL  ET  BULLETIN  FRANQAIS  de  la  Soci6t6  Internttiontle 
de  Musique  (Section  de  Paris)  (Paris)  1007,  No.9— 12  (Fortsetzung  aus  Heft  13).  — 
J.  £corcheville  spricht  in  dem  Aufsatz  »Wagner  et  Tuniversitö"  die  Ansicht  aus, 
daß  »der  große  Dienst,  den  Wagner  der  europäischen  Kultur  geleistet  bat%  darin 
bestehe,  daß  er  »eine  freundschaftliche  Verbindung  der  neidischen  Kfinste  wieder- 
hergestellt* habe,  und  hofft,  daß  Prod'homme's  Obersetzung  der  theoretischen 
Schriften  Wagners  dazu  beitragen  werde,  daß  die  Bevorzugung  der  Literatur  an  den 
französischen  Universitäten  aufhöre  und  dafür  die  Musik  mehr  gepflegt  werde. 
Der  gesamte  Unterricht  müsse  sich  mehr  der  Pflege  des  inneren  Lebens  zuwenaen, 
das  Studium  der  lateinischen  Sprache  und  Literatur  dürfe  nicht  das  Studium  der 
Literatur  der  Griechen  und  anderer  Völker  zurückdrängen,  und  die  unglaubliche 
Gleichgültigkeit  gegenüber  der  Philosophie  Schopenhauers  müsse  beseitigt  werden; 
dann  könne  die  Schule  auch  den  musikalischen  Sinn  wecken.  —  Max  An61y's 
Aufsatz  »Voix  mortes:  Musiques  maoris"  (No.  10)  handelt  von  der  Musik  der  Poly- 
nesier  in  Neuseeland,  Tahiti  usw. —  Der  Aufsatz  »Apropos  d'une  robe  de  Charles 
d'0rl6ans*  von  Du  Robec  untersucht  auf  Grund  einiger  in  der  Leber'schen 
Sammlung  in  Ronen  liegender  Dokumente  aus  dem  Jahre  1414  die  Frage,  ob  Karl 
von  Orleans  die  Musik  ausübte,  und  berichtet  über  die  i^usikpflege  am  Hofe 
Karls  VI.  von  Frankreich.  —  Der  Amerikaner  Arthur  Farwell  spricht  in  dem  Auf- 
satz »La  musique  amöricaine**,  dem  Louis  Laloy  ein  Nachwort  hinzufügt,  vornehm- 
lich von  der  Musik  der  Indianer  und  dem  Einfluß,  den  sie  auf  die  moderne  Musik 
ausüben  könnte.  —  A.  de  Bert  ha  setzt  seine  Abhandlung  über  Franz  Liszt  fort 
(No.  10—11).  —  Unter  der  Oberschrift  »Esquisse  d'une  bibliographie  d'ouvrages 
sur  la  musique  et  sur  les  musiciens  russes**  stellt  M.-D.  Calvocoressi  beinahe 
alle  französischen  Werke,  sowie  zahlreiche  Artikel  aus  französischen  Zeitschriften 
und  zahlreiche  deutsche  und  englische  Werke  über  russische  Musik  zusammen.  — 
Louis  Thomas'  Aufeatz  »Poesie  et  musique**  handelt  von  der  Stellung  französischer 
Dichter  zur  Musik  und  enthält  einige  neue  französische  Gedichte  über  Musik.  — 
Arthur  Symons'  von  Edouard  und  Louis  Thomas  übersetzter  Aufsatz  »Richard 
Strauß**  (No.  11)  enthält  mehr  ungünstige  als  lobende  Urteile  über  den  genannten  Kom- 
ponisten. —  Unter  der  Oberschrift  »Les  airs  de  cour  d'Adrien  Le  Roy*  veröffentlicht 
Janet  Dodge  Beispiele  aus  dem  1571  erschienenen  »Livre  d'airs  de  cour  miz  sur 
le  Ittth*,  denen  er  eine  kurze  Einleitung  voransetzt.  —  Aus  Louis  Laloy's  dem- 
nächst erscheinendem  Werke  über  Rameau  wird  ein  Abschnitt  über  »Les  id6es  de 
Jean-Philippe  Rameau  sur  la  musique**  abgedruckt.  »Rameau's  Musik  wird  erst 
kraftvoll  und  eigenartig  (»forte  et  personelle**),  als  das  System  seiner  Theorie  in 
seinem  Kopf  vollendet  ist  .  .  .  Die  Theorie  geht  bei  ihm  der  Praxis  voran;  der 
Gelehrte  herrscht  über  den  Musiker.  Man  kann  das  schwer  glauben,  wenn  man 
von  dem  Zauber  seiner  Werke  gefangen  genommen  ist.  Aber  sein  eigenes  Zeugnis 
darf  nicht  als  unglaubwürdig  abgelehnt  werden.*  ~  Aus  Ricciotto  Canudo's  dem- 
nächst erscheinendem  Werke  »L'homme.  Psychologie  musicale  des  civilisations* 


HO 
DIE  MUSIK  Vll.  14. 


Ji 


wird    ein  Abschnitt  fiber  „Le   drame   contemporain'*  abgedruckt  —  Der  Aufsatz 
^La  soci6t6  internationale   de   musique  en  lOO?**  (No.  12)  enthält  die  Ansprache» 
die  Elie  Poir6e  in  der  letzten  Generalversammlung  der  Pariser  Sektion  der  ge- 
nannten Gesellschaft  gehalten  hat,  und   in   der  er  fiber  die  Entwickelung  dieser 
Sektion  im  Jahre  1907  berichtet.  —  Alberto  Bach  mann   beginnt  einen  ausführ- 
lichen, mit  mehreren  interessanten  Bildern  geschmückten  Aufsatz   über  i,Nicolo 
Paganini,  sa  vie,  ses  oeuvres,  son  infiuence  sur  l'art  du  violon  et  sur  la  musique* 
zu  veröffentlichen.    Dem  Aufsatz  ist  ein  Brief  Joseph  Joachims  vorangestellt,  in 
dem  dieser  sagt,  daß  Paganini  die  Technik  des  Geigensptels  sehr  vervollkommnet, 
aber  die  Technik  nur  als  Mittel  zum  Zweck  betrachtet  und,  wie  Mendelssohn  ihm 
(Joachim)  berichtete,  es  verstanden  habe,  selbst  die  einfachste  Melodie  ergreifend 
zu  spielen.    Auch  manche  der  Kompositionen  Paganini's  bekunde  echtes  Genie. 
Auf  viele  Virtuosen  habe  Paganini   aber  ohne   seine  Schuld   einen  ungünstigen 
Einfluß  ausgeübt,  da  er  sie  dazu  veranlaßt  habe,  einseitig  die  Technik  zu  pflegen. 
Als  großen  Nachfolger  Paganini's  nennt  Joachim  nur  Heinrich  Wilhelm  Ernst  — 
Der  Vortrag  «Maurice  Maeterlinck  et  Claude  Debussy*  von  Robert  Souza  handelt 
mehr  von  den  Zwecken  eines  neuen  Vereins,  der  „Union  internationale  des  lettres  et 
des  arts*,  als  von  Maeterlinck  und  Debussy.  —  Nach  dem  ersten  Bande  des  Werkes 
«Inventaifes  mobiliers  et  extraits  des  comptes  des  ducs  de  Bourgogne*  etc.  von 
Bemard  Prost  berichtet  Michel  Brenet  in  dem  Aufsatz  «Les  musiciens  de  Philippe 
le  Hardi*'  über  die   Musikpflege   am    Hofe   Philipps  des   Kühnen   von   Burgund 
(1363—1404).  —  Ober  die  letzte  große  Autographenversteigerung  des  Musikalien- 
Antiquariats  L.  Liepmannssohn  in  Berlin  berichtet  Jean  Le  Roux  in  dem  Aufeatt 
„Une  belle  vente  d'autographes**.  —   Louis  Laloy  bespricht  in  dem  Aufsatz  „La 
notation    musicale**    zustimmend    das    Notenschrift -System    von    Hautstont.   — 
P.  Dollien  berichtet  unter  dem  Titel  „Un  th6ätre  de  musique  ä  Paris*  über  den 
Plan,  ein  Theater  auf  den  Champs-£lys6es  zu  erbauen,  und  über  die  Zusammen- 
setzung des  internationalen  Komitees,  dem  auch  mehrere  deutsche  Künstler  und 
deutsche  Würdenträger  angehören. 
NEUE  MUSIK-ZEITUNG  (Stuttgart)  1907,  No.  23—24;  1908,  No.  1—4.—  Der  Auf- 
satz „Berlioz  als  Mitglied  der  Akademie*'  von  Ernst  Stier  (No.  23)  behandelt  ein 
interessantes  Kapitel  aus  dem  Leben  Berlioz'.  —  Karl  Thiessen  weist  in  dem 
Aufsatz  „E.  T.  A.   Hoffmanns   Zauberoper   Undine**  zunächst  auf  die  Bedeutung 
Hoffmanns  als  Musikkritiker  hin,  bespricht  dann  die  Oper  „Undine**  und  zieht  eine 
Parallele  zwischen  Hoffmann  und  Wagner.  —  Georg  Richard  Kruse  untersucht 
„Otto  Nicolais  Beziehungen   zu  den  Bühnensängerinnen  seiner  Zeit**  (No.  23—24) 
und  veröffentlicht  in  diesem  Aufsatz  auch  ungedruckte  Briefe  und  Tagebuchblätter. 
—  Zu  Joseph  Joachims  Tode  werden  die  folgenden  Aufsätze  veröffentlicht  (No.  23): 
Ein  anonymer  Nachruf:  „Zu  Joachims  Tode*;  „Joachim  und  die  Berliner  Hoch- 
schule für  Musik*  von  Arthur  Laser;  „Aus  grosser  Zeit*  von  Louise  Pohl  (handelt 
von  dem  Verkehr  Joachims  mit  Liszt,  Wagner,  Schumann  und  Brahms);  ,Joachim 
als  Lehrer*'  von  G.  v.  Lüpke;  „Preßstimmen  aus  Joachims  »zweiter  Heimat'*  von 
A.  Boning  (enthält  Auszüge  aus  den  Nachrufen  in  „Daily  Telegraph*,  „Daily  News*, 
„Daily  Graphic**  und   „Moming  Leader*).  —  Zu  Edvard  Grieg's  Tode  werden  ein 
Nachruf  von  Gerhard  Schjelderup  („Edvard  Griegf*)  und  ein  kurzer  Aufsatz 
„Aus  Grieg's  Leben*  von  Arthur  Laser  veröffentlicht  (No.  24).  —  Unter  der  Ober- 
schrift „Ein  Kapitel  über  die  Geige**  veröffentiicht  Eugen  Honold  die  Aufsitze: 
„Allgemeine    Obersicht    über     den     heutigen     Stand    des    Geigenmarktes    and 
Geigenbaues*  (No.  24)  und  „Die  Entstehung  einer  Meistergeige*  (No.  1).  —  Hugo 


111 

REVUE  DER  REVUEEN 


Riemann  beleuchtet  in  dem  Aufsatz  ^^Die  Entwickelung  des  modernen  Instrumental- 
stils um  1750^  (No.  1  und  2)  Johann  Stamitz'  große  Bedeutung.  —  In  dem  Aufsatz 
»Novitäten"  (No.  1)  fordert  Richard  Batka,  daß  die  neuen  Werke  öfter  wiederholt 
werden,  da  das  Publikum  ein  Werk  in  der  Regel  erst  nach  mehrmaligem  Hören 
richtig  beurteile.  Um  das  Publikum  zu  veranlassen,  auch  neue,  noch  nicht  be- 
liebte Werke  wiederholt  anzuhören,  sollte  man  berühmte  Künstler,  die  die  große 
Masse  anlocken,  mehr  als  jetzt  auch  in  neuen  Werken  auftreten  lassen.  —  Der 
Aufsatz  ,»Dr.  Felix  von  Kraus  und  Adrienne  von  Kraus-Osbome*'  enthält  eine  Bio- 
graphie des  Sängerpaares.  —  A.  Richard  Scheumann  beschreibt  „Carl  Maria 
von  Webers  Erholungs-  und  Arbeitsstätte  in  Hosterwitz  bei  Dresden**  und  schildert 

Webers  Leben  in  Hosterwitz.  —  In  dem  Aufsatz  „Solisten  in  Orchesterkonzerten** 

* 

(No.  2)  tritt  Gustav  Altmann  der  in  der  letzten  Zeit  zuweilen  ausgesprochenen 
Forderung  entgegen,  die  Solisten  von  den  großen  Orchesterkonzerten  auszuschließen; 
er  wünscht  sogar,  daß  durch  die  immer  gut  besuchten  großen  Konzerte  auch  noch 
wenig  bekannten  talentvollen  Künstlern,  denen  das  Geld  zur  Veranstaltung  eigener 
Konzerte  fehlt,  Gelegenheit  geboten  werde,  sich  öffentlich  bekannt  zu  machen. 
—  Ober  die  Komponistin  Wurzer  veröffentlicht  Willi  Glöckner  einen  kurzen 
Aufsatz  („Gabriella  Wurzer'').  —  Gottfried  Keßler  bespricht  in  dem  Aufsatz  „Der 
Mutter  Wiegenlied**  einige  Gedichte  über  das  Liedersingen  der  Mütter.  —  Max 
Reger  wendet  sich  in  dem  Aufsatz  „Degeneration  und  Regeneration  in  der  Musik** 
(No.  3)  gegen  den  von  Hugo  Riemann  unter  dem  selben  Titel  in  Hesses  Deutschem 
Musikerkalender  für  1908  veröffentlichten  Aufsatz.  Er  stellt  fest,  daß  Werke  leben- 
der Komponisten  in  unserer  Zeit  viel  mehr  als  in  früheren  auch  „in  den  reaktionär- 
sten Städten**  aufgeführt  werden  und  trotz  ungünstiger  Kritik  in  den  Zeitungen  Freunde 
finden.  Dann  zeigt  Reger  eingehend,  daß  auch  gegen  Bach,  Mozart,  Beethoven, 
Wagner  u.  a.  von  ihren  Zeitgenossen  die  Vorwürfe,  die  Hugo  Riemann  gegen  die 
neuesten  Komponisten  erhebt,  erhoben  worden  sind.  Auf  Riemanns  Satz:  „Er 
(Brahms)  ist  als  lebendige  künstlerische  Potenz  das  Komplement  der  historisierenden 
Bestrebungen  der  in  den  letzten  Dezennien  aufgeblühten  Musikwissenschaft** 
und  ähnliche  Aussprüche  über  Brahms  erwidert  Reger  u.a.:  „Es  wäre  sehr  traurig 
um  die  Unsterblichkeit  eines  Brahms,  wenn  er  sie  in  erster  Linie  seiner  Anlehnung 
an  die  alten  Meister  verdankte,  wie  doch  Riemann  glaubt . . .  Was  Brahms  die  Un- 
sterblichkeit sichert,  ist  nie  und  nimmer  die  «Anlehnung*  an  alte  Meister,  sondern 
nur  die  Tatsache,  daß  er  neue  ungeahnte  seelische  Stimmungen  auszulösen  wußte 
auf  Grund  seiner  eigenen  seelischen  Persönlichkeit!  Darin  ruht  die  Wurzel  aller 
Unsterblichkeit,  aber  niemals  in  der  Anlehnung  an  die  alten  Meister,  welche  bloße 
Anlehnung  die  unerbittliche  Geschichte  in  wenigen  Jahrzehnten  zum  Todesurteil 
formt!**  Eingehend  wendet  sich  Reger  gegen  den  Vorwurf,  daß  die  modernen  Kom- 
ponisten nicht  die  alten  Meister  gebührend  ehrten  und  die  Arbeiten  der  modernen 
Musikwissenschaft  „mit  heimlicher  Sorge,  die  sich  allmählich  zu  offenem  Haß 
steigerte**,  betrachteten.—  A.Eccarius-Sieber  stellt  „Joseph  Haydn  als  Vater  des 
Streichquartettes**  dar.  —  »Vier  Briefe  von  Henriette  Sontag**  veröffentlicht  Heinrich 
Stümcke.  Den  ersten  Brief  richtete  Henriette  Sontag  1850  aus  York  an  ihre 
Mutter,  den  zweiten  1852  aus  New  York  an  einen  Großherzog,  den  dritten  1854 
aus  Buffalo  an  ihren  Halbbruder  August  und  den  vierten  1854  aus  Mexiko  an  ihre 
Mutter.  In  allen  Briefen  berichtet  sie  über  Erlebnisse  auf  der  Reise.  —  Eugen 
Honold  bespricht  in  dem  Aufsatz  „Eugen  Gärtner  in  Stuttgart**  die  Verdienste 
dieses  Geigenbauers.  —  In  dem  Aufsatz  „Ausgleich  zwischen  Ton  und  Wort** 
(No.  4)  wendet  Ernst  Decsey  sich  gegen  „das  Oberakzentuieren  von  Silben,  das 


112 
DIE  MUSIK  Vll.  14. 


M 


Oberbetonen  von  Buchstaben*,  die  »einseitige  Deutlichmtcherei,  die  zugleich 
ein  Mißverstehen  der  Absichten  Richard  Wagners*  sei,  und  andere  Fehler  der 
heutigen  Opernsänger.  —  Gottfried  Keßler  zeigt  in  dem  Aufeatz  jjoseph  von 
Eichendorff  und  die  Musik*,  daß  der  Dichter  „die  Macht  der  Töne  in  manoig* 
faltiger,  aber  stets  wundervoller  Weise  verherrlicht  hat.  —  Julius  Blaschke 
spricht  in  dem  Aufeatz  ,,Zur  Geschichte  des  Liedes:  ,Wer  hat  dich,  du  schöner 
Wald'*  über  die  Entstehung  des  Eichendorfifechen  Gedichtes  und  der  Mendelssotan- 
schen  Komposition.  —  Carlos  D roste  veröffentlicht  einen  kurzen  Aufsatz  über 
Willem  Mengelberg,  K.  einen  über  Aenny  Hindermann.  (Fortsetzung  in  der 
nächsten  „Revue*.) 

MUSIKALISCHE  RUNDSCHAU  (München)  1907,  No.  7-16;  1908,  No.  1-9.  -• 
Die  Hefte  enthalten  kurze  Aufsätze  über  die  folgenden  Komponisten,  Virtuosen 
und  Musikschriftsteller:  „Dr.  theol.  Franz  Xaver  Haberl*  von  Nana  Weber-Beil 
(1907,  No.  7).  -  „Adolf  Wallnöfer*  von  Otto  SchabbeL  —  „Amilcare  Zanella* 
von  Georg  Richter  (No.  9—10).  —  „Msgr.  Dr.  Hermann  Bäuerle*  von  Nana 
Weber-Beil  (No.  11-12).  —  „Dr.  Jules  Siber*  von  Max  Wallberg  (No.  15—1?).  — 
,Johannes  Bartz*  von  Hermann  Pack  (1908,  No.  3).  —  „Philipp  Wolfhim*  ▼on 
H.  M.  (No.  8).  —  „Ernst  von  Dohnänyi*  von  Otto  Keller  (No.  0).  —  Ein 
interessanter  Aufsatz  über  „Die  Pflege  der  Bachschen  Musik  in  der  Gegenwart* 
von  Dr.  Richard  Hohenemser  (No.  8ff.)  wird  nicht  vollständig  abgedruckt  In 
Heft  16  steht  „Fortsetzung  folgt*;  eine  weitere  Fortsetzung  ist  aber  nicht  er- 
schienen.  Wir  werden  über  den  Aufsatz  berichten,  wenn  er  in  einer  anderen  Zeit- 
schrift vollständig  erschienen  ist.  —  Der  Aufsatz  „Die  Schöpfer  des  neuen  Volks- 
liederbuches* (No.  7,  9  und  10)  enthält  kurze  Mitteilungen  über  Rochus  von  Lilien- 
crons,  Max  Friedlaenders,  Johannes  Boltes  und  Friedrich  Hegars  Mitarbeit  an  der 
Herausgabe  des  im  Auftrage  des  Deutschen  Kaisers  veröffentlichten  Volka- 
Liederbuches.  —  Fritzsche  berichtet  in  dem  Aufsatz  „Erinnerungen  an  Felix 
Mendelssohn-Bartholdy*  (No.  8—10)  über  einige  wichtige  Ereignisse  aus  Mendels- 
sohns Leben  und  bespricht  kurz  einige  seiner  Werke.  —  Schwidop  bespricht 
ausfuhrlich  Gerbers  Werk  „Die  menschliche  Stimme  und  ihre  Hygiene*  (No.  11  —  12); 
Nana  Weber-Beil  das  Werk  von  Maria  Ipes-Speet:  „Wie  ich  über  Sprechen  and 
Singen  denke*  (No.  13—14).  —  Unter  dem  Titel  „Der  Kromarograph,  automatischer 
Notenschreibapparat  zur  Festhaltung  von  Improvisationen  auf  dem  Klavier 
(Harmonium)*  wird  über  eine  Erfindung  Laurenz  Kromars  berichtet.  —  Ludwig 
Weiß  schlägt  in  dem  Aufsatz  „Die  Leonoren-Ouvertüre*  vor,  die  dritte  Ouvertüre 
am  Schlüsse  der  Oper  aufzuführen  (No.  15—16).  —  Hermann  Fritzsche  unter- 
sucht „Die  Verdienste  der  Hohenzollern  um  die  Musik  und  den  Gesang*  seit 
dem  17.  Jahrhundert  (1908,  No.  1-2).  —  „Zu  Edvard  Griegs  Gedächtnis*  veröffent- 
licht Karl  Store k  einen  Aufsatz  „Vom  Nationalen  in  der  Musik*  (No.  2—4).  — 
Heinrich  Zöllners  interessanter  Aufsatz  „Eichendorff  und  die  Musik.  Zum 
50.  Todestage  des  Dichters*  (No.  4—7)  bespricht  insbesondere  die  Vertonungen 
Eichendorffscher  Gedichte.  —  Otto  Keller  teilt  in  der  „historischen  Skizze* 
„Aus  den  ersten  Anfängen  des  Konzertlebens*  (No.  5—6)  einige  interessante  Tat- 
sachen aus  dem  Leben  von  reisenden  Virtuosen  früherer  Jahrhunderte  mit.  — 
Otto  Keller  regt  in  dem  Aufsatz  „Richard  Wagner*  (No.  8)  die  Schaffung  einer 
Wagner-Bibliographie  an,  in  der  alle  Bücher,  Broschüren  und  in  Zeitschriften 
erschienenen  Aufsätze  über  Richard  Wagner  angeführt  werden  müßten.  —  Der 
Aufeatz  „Vom  Küchenjungen  zum  General -Musikdirektor*  von  R.  B.  (No.  0) 
berichtet  über  das  Leben  Lully's.  Magnus  Schwantje 


KRITIK 

OPER 


Berlin  und  auch  «onit  In  Denlicbland  nlrgendi 
reflien  Fuß  fuseo  Uanen.    Bei  uns  hingegen 

BREMEN:    Dee    Hepertoiie  wird  nocb    Immer   "'««'l«  •l'ä"'nel«enen  Jubel     E.  bei  den 
von  der -Selome- ond  den  -W.l.enr.nn,-   Jr',"",'"' ,"';,'''' ,"°™'"''»''  ""'."?"' 
allein  die  Plbigkeit  bcciße,  diesem  Kleinod  die 
recbte    rouaikaliicbe    Faainng    zu    geben.      Er 
cm.  »u,™u.u„,  ..,  .^,™u.  ,.,.  u.,  ue.„g.„    S?"'»;""    "'°    Or;.'«""^  »1'    ™,nebmeter, 
Eli..be.b-,  die  'ireillcb  nJr  ein.  kur.e R..t  'ae, ,  l':?"'!  !"    ™"''«'v  "?"'. ''■■.  ..'■S  ?■" 


^REMEN:  Du  Repertoire  wird  Docta  immer 
^  von  der  aStüome"  uod  dem  aWalienriuni  ■ 
behemctaL  Um  die  Bfiboe  tu  reinigen,  vurd? 
■le  mit  Llflzttctaem  VelbwMier  besprengt  durcb 
eine  Aufffibrung  der  .Legende  von  der  beiiigen 


die»D  Böllern  flnden  »ird.  D>  .iebt  man  <s  ^°"™'"'^Ä  '"  "*'"  ,!"!,^'""^"  ^"  ""«»"8" 
wieder,  d.ß  die  Mor.1  mit  der  Kunst  olch.wu  '''t'°"  '*'""  ""  f".  ^"'^"'"2  P''""'»" 
lUD  bat.  Die  Salome,  dieoe  .cbrecklicb  Uh- 1  t""^  w.  ,  *^  m"1  'wm  "  ^''!''  S"°" 
mo«ll.cbe  kltine  PerwnjM  auf  der  Bübne  doch    ;;?/„''""'' 'Lo"'«)Ne,ch(M^^^^^ 

mebr  wert,  aii  dleie  fromme  Eliiabetb.  Die  ^  n "  V■.^"^'^  ^u""' ^'"' P''"."''X^'I."' 
Heiligkeit  IM  eben  völlig  undram.iisch.  Unj  I  «'«  Q«"ett  für  die  H.uptch.rakteredca  Werke« 
die  Mu.ik  Lisi«,  die  biet  g.oi  in  s.nhe ,  ""'"V  /"» ^''",  ''*'"'=e""  T.  ?"  P«/'«' 
Weichheit  und  Lyrik,  *enn  auch  glücklicher.  'J^T\!  P^X'J^^a"  ->■""""  ■'=''."«'e''rere 
wei»  nicht  in  die  sfiBliebe  Vcnückthelt  des  "''*  bewundert  habe,  durchaus  ebenbürtig  war. 
kraft-  und  lafiloaen  Texidicbters  Ono  ßoqueit«  .  ^^-  Erleb  Freund 

geraucht  lii,  würde,  im  Konzertsaal  bei  voliem  [  «^dAccri  ■  i..  ju«»«.i.  Th....,  »._j  -ii. .. 

Orcbeaier  vom  gutgescbuiten  vollen  Chor  gc  I  B  -  n-V"  ««""'■«-Tfeat.r  fand  die  eraic 
.uogen.   .icher  Tiefer   und    inneriicher   wirkfnj  "/"""^;"°K  J"    'y;'""^"  -L« 

ali  in  der  Theaieraufmachung  bei  har.ei«  S^i^'"„\^1t""„*''Y  J^r"'  ^°f,  '*''>,''*'' 
Rampenllcbt.  Eine  mualkdramafiacb  wertvolle  £'?',  ""'^,^  *'?."  ''"'"  ^"P"*^  mit  großem 
UnterbTecbungdesfaerrscbendenStrauH-Regimc^:  l''"}^,  "'";  °'^  "'""'"'8  "  '^''"  ^'■«"de: 
Riehard,  Dakar  und  Johann  <den  Johann  tanMe  !,Vi?en  ™ti.  .„^.C«  j,^/.h  H.V''"" 
Rita  Sacchetto)  bracbio  daa  Gastspiel  Jan  r.^",'!"/.'"^Ll'."*Y  'i  f.""»  """k^"!"* 
van  Gorkom'B  mit  dem  Rigoletto.  Sonst  i.t  ?,?.  ^"''•!?i^''"\''"u"%5°"?,"  ^V^Hfr";  ""t" 
«i.hi.  ..»!»•  n,   ^.,11    u.ii....r.        '""  S"'"  haben.     Auch  Toinette,  eine  bübicbe 

nichli  passiert.  Dr.  Gerb.  Hellmers        B|u/,i„^  „^bt  ibo,  und  Meister  Pierre  holTt,  dall 

BRESLAU:  Unsere  Oper  Rhrt  fort,  ihren  Spiel- :  sie  ihn  dauernd  fesaeln  mAge.  Doch  der  Land- 
plan vornehmlich  durch  gewissenhafte  Neu-  Streicher  liehi  sein  ungebundenes  Wanderleben 
stodlemogen  bekannter  Schöpfungen  aniiehend  I  einem  ruhigen  Glücke  vor  und  zieht  von  dannen. 
lu  machen.  Musikallscb  hervorragend  (auch  Toinette  reicht  in  der  Veriweiflung  dem  vorher 
wenn  man  .itatienlscbe'  AnsprGcbe  stellt)  gerler  von  ihr  zurDckgewiesenenFrancois,  einem  llteren 
Herrn  PrGwer  Verdl's  .ATda*,  und  er  konnte  Arbeiter,  die  Hand  und  schenkt  einem  Sohn  das 
sich  indem  den  Luxus  erlauben,  die  vier  Haupi-  Leben.  Dieser,  Toinei  mit  Namen,  verliebt  sich 
rollen  dieses  Meisterwerkes  doppelt  zu  besetzen,  als  20jibrlger  Jüngling  in  Aline,  das  Töchtereben 
Die  leitlich  erste  .Garnitur'  —  künstlerisch  Meister  Pierre's,  der  ihn,  ala  er  von  der  Neigung 
waren  beide  Besetzungen  so  ziemlich  einander  ernhrt,  unter  Drohungen  vom  Hofe  weist.  Hef- 
gleichwertig —  zeigte  die  rsssige  Frau  Verhunk  liger  Auftritt  zwlachen  den  beiden  VItern,  bei 
ala  Alda.  die  Stlmmrieaeo  Troatorff  und  Beeg  dem  Pierre  den  Tolnei  als  Bastard  bezeichnet, 
als  Radames  und  Amonaaro,  die  tiefe  Atiistin  Den  alten  und  kranken  Francols  trifft  ein  Schlag- 
Scbereschefaky  als  Amnerli.  Beider  Wieder,  anfall.  In  dieaer  für  die  Familie  so  kummer- 
taotnng  sang  die  hochdraraatlsche  Rabl-von  vollen  Zelt  führt  der  Zufall  den  Landstreicher 
Krietten  die  Aida,  die  Herren  Günther-  «ieder  nach  20  Jahren  an  den  Ort.  Er  (ladet 
Braun  nndHöpfi  waren  Radames  und  Amonaaro  !  Toinette,  eiAhrt,  daß  Tolnet  sein  Sohn  ist,  nimmt 
(beide  atlllstisch  ausgezeichnet),  und  die  höbe  sich  dessen  In  Liebe  an  und  bringt  es  fertig, 
Meiioaopranlstin  Neiach  vertrat  die  Amnerls,  Pierre  zu  versöhnen.  Und  als  er  allea  zum 
Nicht  auf  der  Höbe  der  muaikaiiachen  Wieder-  beiten  gewandt  und  Ihm  der  dem  Tode  nahe 
gäbe  lieht  unsere  .ATda'-lnszenierung  mit  ihrem  Pranfois  sein  Weib  zur  Lebensgefibrtla  empfiehlt 
buDteo,  jeder  Kostfimkunde  hohnsprechenden  -  da,  gerade  am  Weibnacbtssbend,  erfaßt  Ihn 
Fllneikram. —Julius  Stern  aus  Wien  hat  seine  plötzlich  wieder  aein  Wandertrieb.  Ohne  die 
Opef  aNarciss  Rameau",  die  im  Vorjahre  hier  Rückkehr  aelner  Liehen  aua  der  Mitternachta- 
ibre  UranfrübruDg  ericbte,  stellenweise  um-  messe  abzuwarten,  ergreift  er  Hut  und  Wander- 
gearheltet,  und  unsere  Direktion  spielte  nun  auch  stab  und  eilt  in  die  Wlntemacht  binaus.  Das 
lum  MiSrergnügen  der  Singer,  die  ihre  Partieen  Libretto  ist  wie  geschaffen,  um  in  Muaik  gesetzt 
ZDm  Teil  nmlemen  mußten,  den  korrigierten  '  lu  werden;  dem  Komponisten  bieten  ilcb  ganz 
aNarclsa*.  Daa  In  aelnen  lyrischen  Momenten  wundervolle  Szenen  dar.  Leroux  Ist  kein  Neuerer 
selir  eindrucksvolle,  In  der  Bebsndlung  des  <rle  Debussy  und  d'lndy,  seine  Musik  ist  im 
Rezitativs  aber  auch  jetzt  noch  nicht  durchweg  Gegensatz  zur  modernenCbromalik  überwiegend 
tlGeUlche  Werk  wurde  mit  Frau  Verbunk  und  diatoniach.  Er  benutztmit  Geschick  Volksweisen; 
Herrn  Beeg  in  den  fSbrenden  Rollen  wieder  seinen  Leitmotiven  fehlt  es  etwas  an  Cbarak- 
scbr  freundlich  aufgenommen.  —  Eine  wahre  leristlk,  aber  vor  allem  zeigt  er  ein  gesundes 
Meistertal  vollführten  die  Herren  Prüwer  und  Empfinden  für  die  lyrischen  Momente,  an  denen 
Kirchner  (Regie)  mit  einer  Neubelebung  der  die  Handlung  lo  reich  Ist.  Zwar  lit  dieae« 
vor  sechajataren  hier lusrst gegebenen a Louise'  Empflnden  durcbgehends  eiwaa  .rfihraellg",  und 
Ckarpeniler's.  Diese  elfentfimllche  Schöpfung,  L«roux  ist  In  der  Anwendung  der  Mittel  nicht 
die  den  craiM  und  wobl  auch  (trotz  .Salome')  besonders  wlhleriacb  (er  schwirmt  sehr  Nr 
•iBzlgeo  Versueh  bodeutet,  nach  Wagner  der  OrgeIpun1cte,Qberdencn  dieMelodieabweehaelnd 
Op«r  dramatttcbw  Neoland  in  gewinnen,  hat  In  ,  von  den  CellJ  ttnd  Gelgen  oder  vom  engliscb«ii 
VU.  14.  8 


114 
DIE  MUSIK  VI!.  14. 


Hörn  gesungen  wird)  —  tber  es  packt.  Die  Auffüh- 
rung ist  in  jeder  Hinsicht  vorzfiglich,  der  Erfolg 
bedeutend.  Felix  Welcker 

DUDAPEST:  Nach  dem  großen  Erfolg  von 
^^  Mihalovich's  »Eliane*  hat  man  sich  in 
der  königlichen  Oper  eine  kurze  Frist  der  Er- 
holung gegönnt;  aber  diese  ist  um,  und  es  wird 
mit  Feuereifer  das  Studium  von  Gold  mar k*s 
»Wintermärchen**  betrieben.  In  der  Zwischen- 
zeit sorgt  Direktor  M6izäros,  der  die  Schwierig- 
keiten der  Obergangsära  doch  siegreich  zu 
fiberwinden  scheint,  fQr  erwachende  Belebung 
des  Repertoires.  Unter  Mitwirkung  des  aus- 
gezeichneten holländischen  Baritonisten  Josef 
Orelio  kam  es  zu  vortrefflichen  Reprisen  der 
»Walkfire*,  der  «Meistersingei  *<  und  des  .Hamlet* ; 
auch  der  «Holländer",  der  mehrere  Jahre  im 
Repertoire  fehlte,  wurde  mit  Herrn  Szemere 
in  der  Titelpartie  und  einem  Gast,  der  stimm- 
lich hochbegabten  Sopranistin  Medek,  sehr  er- 
folgreich wieder  in  den  Spielplan  gestellt.  — 
Dem  Anregungsbedfirfnis  eines  Teiles  des 
Publikums  zu  entsprechen,  hat  man  nach  unter- 
schiedlichen Balletexperimenten  zum  richtigen 
Mittel  gegriffen  und  Delibe's  entzuckende 
«Sylvia*  neu  studieren  lassen. 

Dr.  B61a  Diosy 
T\ORTMUND:  Die  Oper  stand  in  letzter  Zeit 
^^  unter  dem  Zeichen  der  Gäste.  Unter  ihnen 
bekundete  Louis  Alvarez-Paris  als  Jos6  ein 
heißblutiges  Temperament  mit  großer  Ober- 
zeugnngskraft,  gab  seiner  Rolle  aber  im  letzten 
Akte  eine  zu  reale  Färbung.  Fritz  Feinhals- 
MQpcfren  war  in  Spiel,  Stimme  und  Deklamation 
ein  prächtiger  Wotan.  Von  den  einheimischen 
Kräfcen  war  Anna  Daniela  als  Carmen  und 
Sieglinde  ganz  von  ihrer  Aufgabe  erfüllt,  bei 
den  dramatischen  Höhepunkten  versagt  jedoch 
die  Stimme.  Als  Brunnhilde  und  Irene  wies 
Käthe  Singer  wertvolle  Momente  in  der  Rollen- 
behandlung auf.  Mustergültiges  schuf  Helene 
Wehrenfennig  als  Fricka  und  Adriane;  Max 
Sturys  vielseitiges  Talent  bewährte  sich  be- 
sonders als  Escamillo,  und  Robert  Schirm  er 
bot  in  der  Titelrolle  des  Rienzi  und  anderer 
Wagnerschen  Opern  abgerundete  künstlerische 
Leistungen.  Heinrich  Bfille 

DRESDEN:  Großes  Interesse  erregte  das  Debüt 
von  Irma  Tervani,  einer  jungen  Altistin, 
der  sich,  als  der  Schwester  der  Pariser  Prima- 
donna AToo  Akt6,  die  allgemeine  Teilnahme 
zuwandte,  als  sie  in  der  Rolle  der  Dalila  in  der 
Saint-SaSns'schen  Oper  «Samson  und  Dalila* 
zum  ersten  Male  die  B&hne  betrat.  Die  Stimme 
der  jungen  Dame  ist  noch  durchaus  nicht  fertig 
durchgebildet,  so  daß  ihr  ernsthafte  Tonstudien 
und  Kräftigung  des  Organs  vor  allem  anzuraten 
sind,  aber  in  die  Augen  sprangen  ihre  äußeren 
Vorzüge  und  ein  zweifellos  ganz  hervorragendes 
darstellerisches  Talent,  das  ihr  zu  einem  sehr 
herzlichen  Erfolge  und  einem  Engagement  an 
die  Hofoper  verhalf.  Frau  von  Falken  be- 
festigte ihre  hier  rasch  errungene  Stellung 
durch  eine  höchst  anerkennenswerte  Leistung 
als  Donna  Anns,  und  Herr  Sembach  bewies 
mit  dem  von  ihm  erstmalig  hier  gesungenen 
Loheogrin,  daß  wir  an  ihm  eine  bedeutende 
kfinstlerische  Kraft  gewonnen  haben.  Das  Gast- 
spiel des  Präger  Bassisten  Herrn  Frank  als 
Pasolt   und    Hundlng  hinteiließ   leider  keinen 


s 


günstigen  Eindruck,  so  daß  man  nnr  wQnschen 
kann,  die  Theaterleitung  möge  Herrn  Wächter 
nicht  gehen  lassen,  der  trotz  aller  seiner  getang- 
lichen Mängel  doch  noch  von  keinem  der  sabl- 
reichen  Bewerber  um  seine  Nachfölgerachafl 
erreicht  worden  ist.  Als  Jung-Siegfried  gaftlerte 
Herr  PennarinI,  der  das,  was  Ihn  an  stimn- 
licher  Kraft  fehlte,  muH  gifickllcbtte  dnrch  eine 
überaus  frische,  lebendige  und  knabenhaft-oaive 
Darstellung  ersetzte,  so  daß  Ihm  besonders  der 
zweite  Akt  ganz  vortrefflich  gelang  nnd  er  leb- 
haftesten Beifall  find.  —  Das  25  Jährige  Jnbillnm 
Adolf  Hagens  als  Dresdner  Hofkapellmeltier 
gab  Gelegenheit,  sich  einmal  dessen  ra  erinnern» 
was  dieser  ausgezeichnete  Künstler  für  die  Hof- 
oper bedeutet.  Stellt  die  schwierige  Anf||abe, 
Amtsgenosse  eines  Schuch  zu  sein,  an  die  Hin- 
gebung und  Tüchtigkeit  eines  Dirigenten  schon 
große  Anforderungen,  so  Ist  es  Herrn  Hagen 
dabei  überdies  noch  gelungen,  sich  als  Oiri|enc 
von  eigner  Art  zu  behaupten  und  dttrchioaetien. 
Seine  Ruhe,  Sicherheit  und  Geistesgegeowart 
lassen  ihn  stets  über  der  Partitur  und  über  den 
WecfaaelflUlen  der  Opemvorstellungen  ttohen, 
so  dsß  er  als  Opern-  nnd  Orcbesierielier  das 
größte  Ansehen  genießt.  Seine  Tätigkeit  als 
Dirigent  der  geistlichen  Anfführungen  in  der 
Hofkirche  ist  ebenfalls  von  starkem  Einfluß  auf 
unaer  Musikleben  gewesen.  Mögen  dem  ver- 
dienten Manne  noch  viele  Jahre  künstlerischer 
Arbeit  beschieden  sein.  F.  A.  Geißier 

ELBERFELD:  Franceschina  Prevostl  virkle 
als  »Traviata*  wie  sonst  durch  ihre  echte 
Gessngskunst  und  ihre  hervorragende  sdian- 
spielerlsche  Kraft,  während  als  Richard  Wagner- 
Gedächtnisfeier  die  Rezitation  der  »Parsifsl*- 
Dichtung  trotz  der Sprechlranst Ernst v.  Potsartt 
und  der  prachtvollen  Orchesterleistung  im  «Vor- 
spiel" nur  einen  zweifelhaften  Genoß  bieten 
konnte.  Unter  Albert  Coates  gab  es  eine 
treffliche  «Tristan* -Aufführung  mit  Alice  Ga- 
szalewicz  (Köln)  als  Isolde,  einer  außerge- 
wöhnlich beanlagten  Darstellerin  und  vometamea 
Sängerin.  In  Maillan's.Glöckchen  des  Eremiten* 
gab  Elfriede  Dorp  als  Novize  die  Roee  Priqnet 
so  gefällig,  wie  es  nur  ein  aogel>orenes  actaan- 
spielerisches  und  musikalisches  Talent  vemag. 
Der  zum  Gedächtnis  des  Meisters  Teranttaheie 
chronologiache  Wagner-Zyklus  brachte  bis  |etit 
den  »Rienzi*  In  vorzüglicher  Inszenierang,  den 
«Fliegenden  Holländer*  mit  der  sjrmpathlschen 
Senta  von  Cäcilie  Rüsche-Endorf  (Hannover) 
und  den  »Tannhäuser*  mit  unserem  k&aftlt*B 
ersten  Kapellmeister  Hermann  Hans  Wetiler 
(Hamburg),  einem  vorzüglichen  Mnaiker,  am 
Dirigentenpult.  —  Heinrich  Platsbeckers 
»Wahrheitsmund*  erwies  sich  als  eine  deaeate» 
unterhaltende,  des  musikalischen  Reises  nidit 
entbehrende  Operette. 

Ferdinand  Schementky 

FRANKFURT  a.  M:  Eine  für  die  Pensiossluaee 
deutscher  Bühnenangehöriger  gegebeneWekl* 
tätigkeitsvorstellung  des  Opernhauses  bot  iwel 
einaktige  Novitäten,  von  denen  das  mit  Wohl- 
gefillen  aufgenommene  Ballet  »Rfibesahl*  von 
Franz  Köhler  mit  einem  kurzen  Vermerk  neiaer 
hübschen  Ausführung  passieren  kann.  Dem 
erheblich  ernster  zu  tarierenden  lyriscben  Dnmt 
»Der  Wanderei*,  Dichtung  von  G.  Mncchi, 
Musik  von  Enrico  Bossi,  begegnete  man  weit 


115 
KRITIK:  OPER 


Utaler ;  der  Beiftll  reichte  gerade  noch,  um  den 
•aweteoden  Ktomponisfeo,  fQr  dessen  «Hohes 
Lied*  nen  9.  Z.  im  Konzertstal  viel  übrig  hatte, 
aof  die  Bfibne  zu  zitieren.  Auch  die  Icleine  Oper 
stellt  sein  zart  und  vornehm  empfindendes  und 
eiflndendet  Talent,  dessen  nationale  HerlLuori 
der  weiche  Wohllaut  fast  überall  verrir,  und 
femer  seine  schöne  Instrumentationakunst  ins 
bette  Licht;  es  fehlt  nur  an  der  dramatischen 
Schneid,  in  der  Musilc  wie  in  der  Handlung,  die 
einen  vorchristlichen  Propheten  der  Religion  der 
Liebe  in  die  Girung  des  1.  römischen  Sklaven- 
krieges hineinstellt  und  aus  diesem  Kontrait 
und  den  Motiven  der  Liebe  und  Eifersucht  eine 
ziemlich  dürftige  Fabel  webt.  Das  Werk  erfuhr 
durch  die  Damen  Doenges  und  Schroeder 
sowie  durch  die  Herren  Forchhtmmer, 
Brtun  und  Neu m tun,  welch  letzterer  diri- 
gierte, eine  liebevolle  Wiedergebe. 

Hans  Pfeilschmidt 
l/'OLN:  Von  den  beiden  letzten  der  vielen  im 
'^  Opembause  auf  Anstellung  gastierenden 
Altistinnen  war  die  allerdings  zu  lyrisch  be- 
anlagte  Berta  Grimm  von  der  Wiener  Hofoper 
künstlerisch  die  reifere,  gewihlt  wurde  aber 
dorchans  ohne  Einverstindnis  der  Presse  von 
der  Theaterleliung  die  mit  bedeutenden  Mingeln 
behaftete  Belle 'Applegate  von  New  York.  In 
der  neueinstudierten  «Fedora*  von  Giordano 
entwickelte  Otto  Lohse  als  Dirigent  wieder 
auBerordentliches  Verstindnis  für  Eigenart  und 
Vorzüge  der  jungitalienischen  Musik. 

Paul  Hiller 

LONDON:  Bis  zum  Beginn  der  Saison  in 
Covent  Garden  in  diesem  Monat  war  London 
wieder  einmal  für  geraume  Zeit  ohne  Oper,  und 
■nr  in  den  Vorstadttheatem  konnte  man  ab  und 
zu  eine  der  kleinen  wandernden  Operngetell- 
•chaften,  wie  die  von  Turner,  hören,  auf  deren 
Repertoire  allerdings  Wagner  nicht  zu  finden 
ist,  bei  denen  aber  iltere  und  veraltete  Repertoire- 
stücke, wie  die  ^Nachtwandlerin",  die  »Regimen ts- 
to^tei*  usw.  von  dem  musikliebenden  Vor- 
stadtpnblikum  dankbar  aufgenommen  werden.  — 
Um  von  der  Oper  auf  die  Operette  zu  kommen, 
so  ictzt  in  Daly's  Theater  »Die  lustige  Witwe* 
ihren  erfolgreichen  Lebenslauf  weiter  fort.  In 
HiciL's  Theater  bat  sie  nun  seit  einigen  Tagen 
in  dem  »Walzertraum"  von  Oskar  Streu s  Mit- 
werbong  erhalten,  die  ihr  jedoch  kaum  ge- 
Hbrlicb  werden  dürfte.  Die  Auftiahme  war  bei 
4er  Erstaufführung,  trotz  der  von  der  Kritik 
nllgefflein  gelobten  Musik,  eine  etwas  kühle. 
Die  Schuld  liegt  an  der  Bearbeitungzdes  Li- 
brettos, das  man  dem  englischen  Geschmack 
anpassen  zn  müssen  glaubte,  wodurch  es  seine 
Feinten  und  seine  Atmosphäre  verlor.  Der  eng- 
lische Geschmack  wurde  da  wieder  einmal  felsch 
bevrteilt.  und  Oskar  Straus,  der  sich  persönlich 
an  den  Hauptproben  und  den  eraten  Aufführungen 
ciageftinden  hatte,  ist  jetzt  etwas  enttiuscht  und 
verdrossen  nach  Paris  abgereist,  um  dort  sein 
Glück  zu  versuchen.  a.  r. 

MADRID:  Das  künstlerische  Ereignis  und 
zugleich  der  Schlnü  der  diesjihrigen  Opern- 
aaisott  war  die  Wiederaufführung  und  Neu- 
cioaiiidierang  der  »Walküre"  durch  den  zu 
diesem  Zweck  ans  Deutschland  verschriet>enen 
Kapellmeister  Dr.  Rabl,  der  bisher  im  Rhein- 
land titig  war,  und  sich  hier  in  solcher  Weise 


bewährte,  daß  die  gesamte  Presse  des  höchsten 
Lobes  voll  ist.  Unter  solcher  Leitung  konnte 
sogar  der  Versuch  gewagt  werden,  das  Werlc, 
das  früher  stark  gekürzt  wurde,  beinahe  ohne 
Striche  zu  geben  —  sicherlich  ein  erfreulicher 
Fortachritt!  Das  wachsende  Verständnis  des 
Publikums  äußene  sich  auch  während  der  Vor- 
stellung durch  große  Aufmerksamkeit,  durch  ein 
respektvolles  Schweigen  und  eine  intime 
Gemütsbewegung  und  am  Schluß  durch  Hoch- 
rufe auf  Wagner,  die  direkt  den  Charakter 
einer  Kundgebung  annahmen.  Man  beginnt 
eben  diese  Aufführungen  nicht  zu  besuchen, 
um  —  wie  bei  den  alten  Spielopern  —  einen 
angenehmen  »Gesellschaftsabend"  zu  verleben, 
die  neuesten  Toiletten  zu  bewundem  und 
gelegentlich  eine  gelungene  Bravourarie  eines 
Tenors  oder  einer  Primadonna  zu  bejubeln. 
Die  Zuhörer  geraten  vielmehr  unter  den  Bann, 
den  die  Kunst  unseres  großen  deutschen 
Meisters  auf  sie  ausübt.  Das  Werk  wurde 
fünfmal  gegeben,  und  jedesmal  war  das  Haus 
ausverkauft,  was  seit  Jahren  nicht  mehr  der 
Fall  war  und  außerordentlich  bezeichnend  ist 
Unter  solchen  Umständen  darf  man  sich  der 
Hoffnung  hingeben,  daß  die  neuen  Pächter  ein 
Einsehen  haben  und  in  ihrem  eigensten 
Interesse  das  nächste  Mal  den  ganzen  »Ring" 
bringen  werden,  so  den  endgültigen  Triumph 
Wagners  in  Spanien  besiegelnd.  Eine  Haupt- 
scbwierigkeit  besteht  in  dem  Engagement 
geeigneter  Gesangskräfte.  Jetzt  hatte  man  sich 
damit  beholfen,  daß  man  Wotan  und  Brünnhilde 
aus  Deutschland  kommen  ließ,  so  daß  die 
»Walküre*  vor  dem  spanischen  Publikum  halb 
in  italienischer,  hslb  in  deutscher  Sprache 
gesungen  wurde,  was  begreiflicherweise  zu 
manchen  Unzuträglicbkeiten  führte,  da  die 
scharfen  Konsonsnten  unserer  Muttersprache  bei 
dem  unmittelbaren  Vergleich  mit  dem  weichen 
Wohllaut  des  Italienischen,  an  den  das  Publikum 
gewöhnt  ist,  auf  dieses  zunächst  einen  befirem- 
denden  Eindruck  mschten.  Viel  einheitlicher 
wäre  es,  wenn  entweder  das  ganze  Ensemble 
deutsch  wäre  oder  die  deutschen  Sänger  auch 
italienisch  sängen,  da  eine  Aufführung  dieser 
Musikdrsmen  in  spanischer  Spreche,  die  dem 
Publikum  in  jedem  Augenblick  die  poetischen 
Motive  der  musikalischen  Entwicklung  ver- 
mittelnwürde —  wie  dies  wohl  am  meisten  im 
Sinne  Wagners  sein  würde  —  beute  wohl  noch 
nicht  möglich  ist.  Femer  müßte  dafür  gesorgt 
werden,  daß  zu  solchem  Gastspiel  auch  Kräfte 
ersten  Ranges  aus  Deutschland  herangezogen 
würden,  die  in  keiner  Weise  hinter  den 
italienischen  Gesangsstemen  zurückstehen. 
Unsere  hervorragenden  Wagnersänger  sind  aber 
natürlich  nicht  zu  jeder  Zeit,  womöglich  auf 
telegraphische  Aufforderung  hin,  abkömmlich. 
Darum  sollten  die  berufenen  Vermittler  es  der 
Leitung  des  Testro  Real  nahelegen,  rechtzeitig 
die  nötigen  Dispositionen  zu  treffen,  damit 
nichts  den  Anstrich  der  Improvisation  erhält 
und  das  fremde  Publikum  einen  möglichst  hohen 
Begriff  von  dem  Stand  unserer  musikalischen 
Kultur  bekommt.  —  Die  Saison  hat  uns  viele 
Rigolettos,  Lucias,Somnambulas,  Marias  de  Rohan, 
Troubadours,  Othellos,  Toscas,Manons,  Werthers, 
Hamlets  und  Mephistopheles  gebracht,  aber  wie 
durch   einen   mächtigen   Zauber  trat  daa  allea 

8^ 


116 
DIE  MUSIK  VII.  14. 


am  Schluß  gegen  die  «Walküre*  zurGck;  es 
war  —  und  die  spanische  Kritik  gibt  dem  auch 
Ausdruck  —  als  ob  es  dem  Publikum  plötzlich 
wie  Schuppen  von  den  Augen  fiele,  als  ob  es 
von  der  Empfindung  überwältigt  würde,  daß 
ihm  hier  große,  erhabene  Kunst  entgegentrete. 
Die  Emphase  verspricht  tatsächlich,  daß  wir, 
wenn  sich  der  Vorhang  in  der  nächsten  Saison 
hebt,  die  goldenen  Fluten  des  Rheins  sehen 
und  daß  die  ersten  acht  Vorstellungen  dem 
MRing**  geweiht  sein  sollen!         F.  Mattbes 

MAGDEBURG:  In  unserem  Stadttbeater 
geht  die  Saison,  die  eigentlich  nie  so  recht 
lebendig  wurde,  ihrem  Ende  entgegen.  Nach 
dem  im  vorigen  Jahre  erfolgten  Tode  des  Päch- 
ters, Hofrat  Arno  Gabisius,  führten  seine  Erben 
den  Kontrakt  weiter;  mit  nächster  Saison,  die 
bereits  am  1.  Sept.  statt  am  15.  beginnt,  fiber- 
nimmt Goßmann- Hamburg  die  Direktion  des 
Theaters.  Er  beginnt  in  der  Oper  mit  einem 
neu  inszenierten  »Lohengrin*'.  Um  einen  wür- 
digen Abschliß  zu  finden,  hat  die  jetzige  Direk- 
tion noch  eine  «Meistersinger*-Vorstellung  mit 
Knote,  Peinhals,  der  Wedekind  und  an- 
deren ersten  Kräften  angesetzt  und  eine  „Tristan- 
und  Isolde'-Aufführung  in  Bayreuther  Besetzung, 
mit  der  die  Saison  Ende  April  schließt.  Vom 
jetzigen  Repertoire  ist  nichts  Besonderes  zu  mel- 
den; es  kommt  noch  Verdi's  „Othello*  heraus. 

Max  Hasse 
]i^  ANNHEIM:  Des  25.  Todestages  von  Richard 
lYi  Wagner  gedachte  das  Hoftheater  durch 
eine  Auffuhrung  der  Nibelungen-Trilogie.  Otto 
Briesemeister  erfreute  als  Loge,  Hans 
Tänzler  aus  Karlsruhe  als  Siegfried  in  der 
.Götterdämmerung*.  Leopold  Reich  wein 
dirigierte  auch  diesen  zweiten  Zyklus  mit  un- 
bestrittenem und  starkem  Erfolge.  Im  fibrigen 
kommt  der  Spielplan  von  den  Alltagsrepertoire- 
Opern  nicht  los,  er  bringt  keine  Novität,  sehr 
dürftige  Neueinstudierungen  und  fast  keinerlei 
Anregung.  Im  .Freischütz*  vermochte  nicht 
einmal  die  technisch -dekorative  Einrichtung 
Adolf  Linnebachs  zu  genfigen.  Ein  Helden- 
tenor ist  immer  noch  nicht  gefunden.  Dagegen 
wurde  Olga  Sondern,  zurzeit  an  einer  Wiener 
Operette  beschäftigt,  als  jugendlich-dramatische 
Sängerin  verpfiichtet.  Mehrere  junge  Kräfte 
haben  ihre  Kfindigung  erhalten;  sie  ziehen 
wieder,  wie  sie  vor  Jahresfrist  kamen,  und  sind 
so  klug  als  wie  zuvor.  Der  nächste  Glou  wird 
eine  Kreolin  sein,  die  als  ersten  Versuch  auf 
der  Bühne  die  Garmen  darstellt.  Intendant 
Hagemann  ist  Optimist,  vielleicht  geschehen 
doch  noch  Zeichen  und  Wunder.  Warten  wir's 
ab.  Das  Warten  und  Abwarten  haben  wir  ohne- 
dies hier  gelernt,  leider  kommt  das  Erwartete 
aber  überhaupt  nicht,  und  doch  haben  wir  in 
H.  Kutzschbach  und  L.  Reichwein  zwei 
ausgezeichnete  Kapellmeister.  K.  Eschmann 
CTOGKHOLM:  Das  KönigK  Theater  be- 
^  findet  sich  jetzt  in  einer  Periode  des  Inter- 
regnums, das  den  künstlerischen  Arbeiten  des 
Instituts  keinen  günstigen  Boden  darbietet.  Der 
neuernannte  Ghef,  Arthur  Thiel,  bat  schon 
seinen  Nachfolger  gefunden,  und  zwar  wird 
Albert  Ranft,  schon  jetzt  Besitzer  fast  sämt- 
licher privaten  Theater  der  schwedischen  Haupt- 
stadt, am  1.  Juli  d.  Js.  auch  die  Intendanz  der 
Königl.    Oper     übernehmen.       Während     der 


Zwischenzeit  sind  bisher  nur  einige  Reprltea 
zu  verzeichnen,  vor  allem  der  «Othello*  von 
Verdi  in  ganz  neuem  Gewandyin  dem  Mensintky 
den  Mohren  und  Forseil  einen  ganz  vorzüg- 
lichen Jago  darstellten.  —  Der  dänische  Kammer^ 
Sänger  Herold  hat  gastiert     Ansgar  Roth 

STRASSBURG:  Die  Klage  über  die  Verödung 
der  Opernrepertoires  scheint  eine  siemlich 
allgemeine  zu  sein.  Vielleicht,  daß  wir  Im  Ver- 
gleich mit  dem  Ausland  etwas  zu  anspruchs- 
voll sind  —  nur  meine  Ich,  daß  es  unseren 
Direktionen  nicht  mehr  kosten  würde,  die  Funda- 
mente ihres  Spielplans  mehr  in  der  deutschen 
Kunst,  als  beim  .Troubadour*,  .Faust*,  bei 
.Garmen*,  .Mignon*  e  tutti  quanti  zu  suchen, 
die  —  mit  und  ohne  Gäste  —  jetzo  den 
.eisernen  Bestand*  bilden.  Dies  Urteil  kann 
auch  eine  Gay  oder  Arnoldson,  ein  Alvarez 
usw.  nicht  umstoßsn.  Fast  einzig  Ist  es 
Wagner,  der  die  Ehre  der  deutschen  Kunst 
rettet,  wobei  er  freilich  zum  .Alltagskomponisten*, 
sicherlich  sehr  gegen  seine  eigenen  Intentionen, 
herabsinkt.  So  wäre  von  erwähnenswerten  Dar- 
bietungen hierorts  während  der  letzten  tecbt 
Wochen  eigentlich  nur  der  .Ring*  zu  nennen, 
der  unter  G orters  mehr  korrekter  alt  genialer 
Leitung  vom  eigenen  Personal  recht  anstindig 
(mit  Ausnahme  der  Rheintöchter)  herautfebracht 
wurde,  desgleichen  die  .Meistersinger*,  wo- 
bei nur  der  Wunsch  nach  einem  Mittel  flbrig- 
blieb,  unserm  sonst  vortrefflichen  Heldenteaor 
Wilke  etwas  mehr  .Glanz*  zu  verleihen.  — 
Gornelius'  .Barbier*  leidet  immer  noch  an  sa 
großer  Eiligkeit, Gharpentier't  .Louise*  an  etwas 
unpariserischer  Heiligkeit.  Dr.  Gustav  Altmtnn 

STUTTGART:  Die  erste  Aufführung  der 
.Meistersinger*  in  der  laufenden  Spielzelt, 
geleitet  von  Erich  Band,  zeugte  bei  allen  Mit- 
wirkenden vom  Bestreben,  das  Werk  In  wQrdifer 
Form  darzubieten;  Herr  Neudörffer  ging  in 
der  Rolle  des  Sachs  mehr  aus  sich  beraua,  ala 
früher.  Mit  Ausnahme  des  Beckmesser  (Herrn 
Landauers  aus  Nürnberg)  waren  alle  Partleen 
von  einheimischen  Kräften  besetzt.  Als  einet 
herrlichen  Abends  gedenken  wir  der  vereinzelten 
Aufführung  von  Mozarts  .Gosl  fan  tatte*; 
Obrist  dirigierte,  Frau  Bopp-Glaser,  Herr 
Weil,  Herr  Holm  zeichneten  sich  liesondert 
aus.  Warum  dieses  Werk  Mozarts  so  selten 
und  von  so  wenigen . gehört  wird?  Sollte  wirk- 
lich in  demokratischen  Zeiten  der  Sinn  fQr 
psychologisch  feine  musikalische  Komik  ent- 
schwunden sein?  Natürlich  wird  diese  Frage 
nicht  etwa  durch  den  Zudrang  zu  den  »Melster- 
singern*  bejaht.  An  Königs  Geburtstag  hatten  wir 
als  Festvorstellung  den  .Schwarzen  Domino* 
von  Auber,  von  Oberregisseur  Löwen feld  einer 
erfolgreichen  Neubearbeitung  unterzogen  (Text- 
buch im  Verlag  Wildt,  Stuttgart).  Die  Maaik 
zu  den  neuen  Rezitativen  schrieb  Erich  Band, 
der  das  liebenswürdige  Werk  auch  dirigierte. 
Frau  Bopp-Glaser  und  Herr  Erb  hatten  die 
Hauptrollen.  Die  glänzende  Ausstattung  war 
ganz  neu  beschaffe.  Vogls  »Maja*,  von  deren 
Uraufführung  berichtet  wurde,  hält  sich  anf  dem 
Spielplan.  .Der  Widerapenstigen  Zlhmiing* 
kämpft  offenbar  mit  Widerspenstigkeit  Ober 
die  erste  Wiederholung  des  Meisterwerkes  von 
Goetz  kam  man  in  diesem  Winter  nieht  hinant. 

Dr.  Karl  Grniisky 


117 
KRITIK:  OPER 


WARSCHAU:  Die  fortdauernden  Gastspiele 
machen  jeden  Spielplan  unmöglich ;  die  ver- 
sprochenen »Meistersinger*  und,  die  polnische 
Oper  ,,Ein  altes  Märchen*  vonC.  Zele^ski  wurden 
verschohen,  and  wir  bewegen  uns  in  dem  wohl- 
bekannten Geleise  des  Battistini-  oder  Prances 
Alda- Repertoires:  »Maskenball*,  »Pavorita*, 
»Rigoletto*,  »Paust*  und  »Traviata*  wechseln 
mit  einander  ab.  Battistini  bewahrt  noch 
immer  den  Glanz  seiner  prachtvollen  Stimme; 
Prances  Alda  hat  sich  als  Gretchen  und*Violetta 
alt  eine  ausgezeichnet  geschulte,  ernste  Künst- 
lerin gezeigt.  Ihre  Stimme  ist  hell  und  schön- 
klingend,  doch  ihre  ganze  etwas  kühle  Er- 
scheinung wirkt  nicht  hinreißend  genug.  —  Eine 
außergewöhnliche  Pestvorstellung  erlebten  wir 
mit  der  »Salome*,  von  Richard  Strauß  per- 
sönlich dirigiert  (Salome:  Prl.  Schipanek, 
Herodes:  Malawski).  H.  v.  Opienski 

WEIMAR:  Endlich  eine  Novität,  wenn  auch 
eine  21  Jahre  alte:  Verdi's  »Othello*! 
Dieses  in  erster  Linie  von  Wagner,  in  zweiter 
von  Meyerbeer  beeinflußte,  fast  gar  keine  Ita- 
lianlsmen  aufweisende  Werk  des  74 jährigen 
Meisters  gelangte  mit  vollständig  neuer  Aus- 
stattung an  Dekorationen  und  Kostfimen  unter 
R nahes  gewissenhafter  Leitung  und  Wiedeys 
sorfültiger  Regie  zu  mustergültiger  Wiedergabe. 
Leider  ging  durch  das  verdeckte  Orchester 
mancher  Klaogeifekt  verloren.  Hervorragende 
Leistungen  boten  Zell  er  als  Vertreter  der  Titel- 
rolle, vom  Scheidt  als  DesdemonaundStrath- 
mann  als  Jago.  Trotz  dieser  gfinstigen  Re- 
sultanten glaube  ich  nicht  an  eine  längere  Lebens- 
dauer dieses  Werkes  als  Repertoireoper.  Ich 
bin  vielmehr  der  Meinung,  daß  die  speziflsch 
italienisches  Opern  Verdi's  seinen  im  Mischstil 
geschriebenen  »Othello*  Gberleben,  trotz  der 
Trivialitäten.  —  Die  fibrigen  Opernabende  brach- 
ten dagegen  zum  Teil  wenig  befriedigende 
AuflQhningen  von  »Hoifmanns  Erzählungen*, 
»Maitba*  und  »Wildscbfitz*,  was  hauptsächlich 
auf  die  willkfirlicbe  Temponahme  des  Kapell- 
meisters Eismann  zurfickzufQhren  ist. 

Carl  Rorich 
WriEN:  In  der  Volksoper  ist  Siegfried 
^  Wagners  »Sternengebot*  gegeben  wor- 
den, bis  jetzt  zweimal:  wie  es  scheint,  eine 
Erst-  nnd  eine  LetztauffQbrung.  Der  Eindruck 
des  Werkes  muß  wohl  Qberall  der  gleiche  sein: 
der  einer  verschwommenen  Monotonie  und  einer 
fiut  geflissentlichen  Unklarheit.  Nicht  in  der 
Musik:  sie  ist  nur  allzu  durchsichtig,  wo  sie 
ein  Aaldingen  an  jene  Töne  versucht,  die  im 
»Eirenbätttei*  ein  Versprechen  und  eine  Hoff- 
nung bedeuteten  —  ein  bisher  uneingelöstes 
Versprechen  nnd  eine  noch  unerfflllte  Hoffnung; 
und  sie  ist  im  Obrigen  vollständig  und  mehr 
als  je  im  Bann  der  Ansdrucksweise  Richard 
Wagners.  Die  einfachsten  Repliken  werden  in 
Trisianscher  Chromati k,  bedeutungslose  Hin-  und 
Widerrede  wird  in  Parsifalscher  Erhabenheit  in 
Klinge  gebracht.  Eine  Abhängigkeit,  die  traurig 
mnebt»  weil  man  den  wachsenden  Einfluß  eines 
felseii  beratenden  Kreises  spQrt,  der  ans  Sieg- 
fried Wagner  durchaus  eine  Portsetzung  des 
viterUchen  Werks  herauspressen  möchte,  statt 
ibo  den  Weg  der  eigenen  Begabung  gehen  zu 
Imra.  Was  die  Dichtung  vielleicht  noch  klarer 
Migl  ein  die  Mnsik:  eine  einfache  Handlung, 


aus  herzlicher  und  ehrlicher  Empfindung  ent« 
Sprüngen  und  von  schöner  Gesinnung  getragen, 
wird  bis  ins  Unmögliche  »vertieft*,  zu  einem 
falschen  Symbolismus  und  hypertrophischer 
Mystik  gebracht,  —  wird  kunstlich  verschlungen 
und  verknotet,  dramatisch  entspannt  und  — 
wenn  das  Wort  erlaubt  ist  —  entproflliert,  bis 
jede  Linie  undeutlich,  jedes  Geschehnis  unver- 
ständlich wird.  Ein  Eindruck,  den  ich  nur  mit 
Betrübnis  melde.  Denn  Siegfried  Wagner 
scheint  mir  nicht  nur  durch  sein  Wollen,  durch 
den  Ernst  und  die  Vornehmheit  seines  nachdenk- 
lichen Wesens  liebenswert,  sondern  auch  durch 
seine  Begabung.  Es  ist  gewiß  noch  immer  auf 
ihn  zu  hoffen,  trotz  dieses  »Sternengebots*,  das  in 
einer  tüchtigen  Vorstellung,  von  G i II e  dirigiert, 
von  Hermine  v.  Brenneis  aus  Prag,  Prau 
Drill  und  den  Herren  Anton,  Lussmann, 
Hofbauer,  Lordmann  und  Schwarz  mit 
Eifer  gesungen  und  dargestellt,  dem  verwirrten 
Publikum  Gelegenheit  gab,  dem  Sohne  Richard 
Wagners  zu  zeigen,  wie  lieb  allen  seine  Persön- 
lichkeit ist.  Jene  Hoffaung  braucht  gar  nicht 
immer  wieder  aus  dem  »Bärenhäuter*  geschöpft 
zu  werden:  wer  die  Kapellenszene  im  »Bruder 
Lustig*  gedichtet  und  musiziert  hat,  ist  eine 
künstlerische  Potenz.  Nur,  daß  sie  sich  auf 
sich  selbst  besinnen  muli.  Daß  Siegfried 
Wagner  nicht  das  reizvollste  an  seinem  Talent 
unterbinden  darf:  die  bescheidene  Liebens- 
würdigkeit, die  innige  Einfalt  volkstümlicher 
Kraft,  die  naturwüchsige  Heiterkeit  eines  frischen 
Gemüts.  Wenn  er  statt  dickleibiger  Partituren 
voll  falschen  Tiefsinns  und  gequälten  beziehungs- 
reichen Allegorieen  liebe  kleine  Werke  schaffen 
wird,  die  deshalb  nicht  minder  aus  dem  Volks- 
tum und  der  Sage  und  gleichzeitig  aus  seinem 
eigenen  redlichen  und  frohen  Naturell  heraus- 
geboren sein  mögen,  aber  ohne  gewollten 
Bombast  und  pathetische  Oberladung,  dann 
wird  man  sich  seiner  freuen  dürfen.  Gerade 
wer  ihn  liebt,  wird  den  Mut  haben  müssen,  es 
ihm  zu  sagen:  er  wird  niemals  ein  zweiter 
Richard  Wagner  werden.  Aber  er  könnte  ein 
moderner  Lortzing  sein.  Und  das  wäre  am 
erfrischendsten  in  einer  Zeit,  der  gesunde  Un- 
befangenheit und  herzliche  Munterkeit  —  be- 
sonders in  der  Musik  —  mehr  not  tut  als  irgend 
einer  Zeit  zuvor.  Richard  Specht 

WIESBADEN:  Als  Novität  brachte  unsere 
Hofoper  Otto  Dorn's  Spieloper  »Die 
schöne  Müllerin*.  Gelegentlich  der  Urauf- 
führung in  Kassel  ist  über  das  Werk  schon  be- 
richtet. Der  unterzeichnete  Komponist  kann  an 
dieser  Stelle  nur  anerkennen,  daß  der  graziöse 
Rokokoton,  der  in  Text  und  Musik  der  Oper 
angestrebt  ist,  von  den  Darstellern  mit  liebe- 
vollem Eingehen  verwirklicht  und  so  das  leicht 
und  heiter  gedachte  Scherzspiel  vor  jeder  derb- 
komischen  Nuancierung  geschützt  wurde.  Neben 
der  gewandten  Regie  des  Herrn  Mebus,  die 
unser  Intendant  v.  Mutzenbecher  in  persön- 
lichem Eingreifen  noch  durch  manche  fein- 
sinnigen Einzelzüge  bereicherte,  sei  auch  Prof. 
Schlar*s  musikalischer  Leitung  rühmend  ge- 
dacht. Annie  Hans  war  eine  allerliebste  »schöne 
Müllerin*;  Reh  köpf  ein  muntrer  Liebhaber; 
Hensel  ein  wahrer  Schwerenöter  von  »Graf* 
und  Prau  Hanger  die  alle  Wirmia  mit  zarter 
Hand  entwirrende  »Gräfln*.    Die  kleine  Rolle 


u 


118 
DIE  MUSlfC  VU.  14. 


des  servierenden  Mohren  gab  unser  erster 
Komiker  Andrisno  mit  der  nötigen  musi- 
kalischen Stummheit.  Prof.  Otto  Dorn 

KONZERT 

BERLIN:  Leo  Schrattenholz,  bisher  nur  als 
Cellist  bekannt,  dirigiene  einen  Orchester- 
abend an  der  Spitze  der  Philharmoniker.    Den 
künstlerischen  Schwerpunkt  des  Konzertes  bildete 
der  Geiger  Willy  Heß,  der  sich  mit  dem  Vor- 
trag des  Bruchschen  d-moll  Konzertes  als  ein 
ganz  bedeutender  Meister  seines  Instrumentes 
zeigte;  seine  Technik  ist  treffsicher,  sein  Vortrag 
voll    Wärme,    seine   Tongebung    von    seltener 
Schönheit.     Das   Programm   begann   mit  einer 
Fantasie  für  großes  Orchester  von  Paul  Juon 
Aber  ein  Glockenspiel  mit  eingestreuten  Brucb- 
stficken  dänischer  Volkslieder,  die  mir  recht  un- 
bedeutend erschien,  doch  den  Hörern  so  gefiel, 
daß  sie  nach  dem  Komponisten  verlangten.    Den 
Schluß  des  Abends  machte  die  c-moU  Symphonie 
von  Brahms,  die  von  dem  Dirigenten  mit  Hilfe 
des  Philharmonischen  Orchesters  ohne  Unfall 
zu  Ende  gefQhrt  wurde;  ich  denke,  Leo  Schratten- 
holz ist  besser  mit  seinem  Cello  auf  dem  Podium 
titig   als   mit   dem   Taktstock.   —   Das    neunte 
Symphoniekonzert  der  Königlichen  Kapelle 
dirigierte  Ernst  von  Schucb.    Das  Programm 
brachte  ein  Concerto  grosso  d-moll  von  Händel, 
eine   Haydnsche   Symphonie   G-dur   und   .Tod 
und  Verklärung*  von  Richard  Strauß.    Es  war 
ein    erlesener  Genuß,    zu   erleben,   wie   dieser 
Meister  des  Taktstockes  die  alte  und  neue  Musik 
behandelte,   geistvoll   das    kleinste   Detail   aus- 
arbeitete, dabei  nie  die  Gestaltung  des  Ganzen 
aus  dem  Auge  ließ,  wie  kraft-  und  schwungvoll 
vor  allem  das  Straußsche  Werk  aufgebaut  wurde. 
Solch  ein  Dirigent  wäre  dem  Orchester,  wäre 
auch  den  Hörern   fortan   für  ihre  Symphonie- 
Abende  zu  wünschen.  —  Das  letzte  Nikisch- 
Konzert  dieses  Winters  brachte  nur  drei  größere 
Orchesterwerke:  ein  Concerto  grosso  d-moll  für 
Streichorchester  von  Händel,  das  nämliche,  das 
Schuch    im   Opemhause   dirigiert  hatte,    Beet- 
hovens s^Pastorale*  und  die  c-moll  Symphonie  von 
Brahms,  die  unter  Nikisch  zu  schöner  Geltung 
kamen.     Der  Dirigent  brauchte  diesen  Abend 
sich   nicht  mit  irgend   einem   Solisten    In   die 
Ehren  und  Ovationen  zu  teilen,  die  vom  Publi- 
kum zum  Schluß  stQrmisch  gespendet  wurden. 
—  Auch  Karl  Panzner,  der  das  letzte  Konzert 
im  Mozartsaal  leitete,  erntete  mit  vollem  Recht 
reichen  Beifall  für  die  Muhen,  die  er  sich  mit 
dem  Mozartorchester  gegeben  hat.    Mit  solchem 
Klangkörper    Beethovens    »Eroika*    und   große 
»Leonoren'-OuvertQre  so  auszuarbeiten,  daß  alles 
Wesentliche  der  Werke  und  auch  manche  Einzel- 
heit richtig  herauskommt,  will   wirklich  etwas 
bedeuten.    Tilly  Koenen  sang  mit  ihrer  klang- 
reichen,  warmen  Stimme  eine  Arie  aus  Klug- 
hardts  »Zerstörung  Jerusalems*,  sowie  einige 
Lieder  von  Schubert  und  Hugo  Wolf.    Alexander 
Siloti,  der  sich  in  Berlin  seit  Jahren  nicht  hatte 
hören  lassen,  bewährte  sich  mit  dem  Vortrag 
der  »Wandererfantasie*  von  Schubert-Liszt  als 
großzügiger  Pianist  mit  nie  versagender  Technik 
und  impulsivem  Temperament.  —  Georg  Schu- 
mann führte  an  der  Spitze  der  Singakademie 
die  »Missa  solemnis*  von   Beethoven  mit  den 


Solisten  Jeannette  Grumbacher  -  de  Jong, 
Martha  Stapelfeldt,  Paul  Rei-mertund  Antoft 
Sistermans  auf.  Vorauf  hatte  er  ein  mmtm 
Werk  eigener  Arbeit  gestellt^  ein  »Preis-  nad 
Danklied*  furgroßsn  Chor  und  großes  Orchettefp 
das  indessen  mit  seiner  durchweg  lirmeadeB 
Satzwelse,  seinem  Mangel  an  originaler  Brfln* 
düng,  seiner  unfeinen  Rhythmik  keinen  gaten 
Eindruck  von  dem  Komponisten  Georg  Scha- 
mann hinterlassen  hat.  Ganz  anders  Ist  dieser 
Masikeran  seiner  Stelle,  wenn  er  Kammermnsik 
spielt,  wie  in  dem  Konzert  zugunsten  des  Bach- 
Museums  in  Eisenach,  In  dem  er  mit  Hallr  die 
Bachsche  E-dur-Sonate  für  Klavier  und  Violine,  mit 
Halir  und  K I  i  n  g  1  e  r  eine  Sonate  für  zwei  Violioen 
und  »Continuo*  von  Ph.  E.  Bach  vortmg.  Der 
Abend  brachte  außerdem  noch  ein  Konzert  F-dar 
für  zwei  Klaviere  von  Friedemann  Bach  mit  dem 
Ehepaar  Kwast  vor  den  BlfithnerflOgaln,  swei 
geistliche  Lieder  von  Seb.  Bach,  die  PmI 
Reimers  sang,  und  zum  Schluß  Seb.  Bachs 
Kantate  »Mer  han  en  neue  Oberkeef,  in  der 
Frau  Grumbacher -de  Jong  und  Arthvr 
van  Eweyk  als  Solisten,  ein  paar  Mitglieder 
aus  dem  Chor  der  Singakademie,  sowie  anch 
einige  Herren  des  Philharmonischen  Orchettert 
mitwirkten.  Ein  köstlicher  Ulk  diese  Musik, 
mit  der  der  Meister  seiner  eigenen  Weise  lu 
spotten  scheint.  Die  Komik  dieser  Rezltatlve 
und  Arien,  der  paar  Instrumente,  unter  denen 
die  Homer  sich  besonders  drastisch  herrortaten, 
die  Derbheit  des  Ausdrucks  wirkt  so  unwider- 
stehlich auf  die  Lachmuskeln,  daß  bisweilea 
lautes  Lachen  zwischen  Hörern  und  ausQbendeo 
Künstlern  hin  und  her  fiog.  Es  bitte  nur  noch 
gefehlt,  daß  die  Kfinstler  auf  dem  Podivm  im 
Kostüm  der  Zeit  gestanden  hätten.  So  hersinnif 
vergnügt  ist  man  wohl  selten  aus  der  Sing- 
akademie nach  Hause  gegangen. 

E.  E.  Tanbert 
Das  Ros6-Quartett  (Wien),  das  In  nelner 
neueren  Zusammensetzung  (Arnold  Rosö,  Panl 
Fischer,  Anton  Ruzitska,  Priedr.  Bnzbnnm) 
bei  uns  noch  unbekannt  war,  spielte  hier  an  drei 
Abenden  nur  Haydn,  Mozart,  Beethoven  (D-dar 
und  beide  in  Es),  Schubert  (d-moll  und  Quintett 
mit  Eduard  Rosö  am  zweiten  Violoneeli)  mid 
Brahms  (a-moll),  in  einer  wunderbar  ms* 
geglichenen,  durch  Tonschönheit  wie  AntfaatttBg 
hervorragenden  Weise;  das  Zusammene|iiel  war 
von  größter  Einheitlichkeit  und  Prliislos,  der 
Erfolg  beim  Publikum  mit  Recht  ein  allgemeiner 
und  sehr  großer.  —  Hervorragende  Leletnnfea 
bot  auch  der  Beethovenabend  (e-moll,  D-dnr  nod 
cis-moll)  des  Petri-Quartetts  (Dresden);  die 
Herren  Henri  Petri,  Brdmann  Warwas,  Alfred 
Spitzner,  Georg  Wille  sind  ansgeielehnete 
Musiker  und  Ensemblespieler,  die  nicht  mit  t^ 
suchten  Feinheiten  kokettieren,  sondern,  oll 
unter  Verzicht  auf  Tonschönheit,  in  erster  Linie 
den  Zuhörern  alles  klar  und  deutlich  machen 
wollen.  —  Eine  Zumutung  eeitene  des  Rneel- 
sehen  Trios  (Vera  Maurina-Preee,  Michael 
und  Josef  Press)  war  es,  zn  SonQteg  nachmittag 
die  Kritik  einzuladen;  trotidem  ich  dletai  En- 
semble sehr  hoch  schitze  und  anch  gern  das 
c-moll  Trio  von  Gretschaninoff  gehört  bitte.  Uieb 
ich  doch  der  Veranstaltung  fem.  —  Der  Geiger 
Julius  Falk,  der  mit  dem  Mozart-Orchester  nnler 
Leitung  von  Ignaz  Waghalter  konsertlerte^  war 


119 
KRITIK:  KONZERT 


M 


dem  Bachschen  E-dur  Konxert  noch  wenig  ge- 
wechteoy  gab  aber  dann  in  Lalo's  F-dur  und  In 
Geraaheims  Konzert  doch  Beweise  einer  reichen 
Begebang.  — .  Diese  fehlt  m.  E.  Dr.  Wolfgang 
BS  lau,  einem  Schüler  Marteaus,  der  ihm  zu 
Liebe  das  Mozart-Orchester  dirigierte;  den  letzten 
Satz  des  Brahmsschen  Konzerte  erinnereich  mich 
kaum  Je  so  schlecht  gehört  zu  haben;  mit  Lotte 
Ackers,  einer  auch  noch  nicht  konzertreifen 
Schfilerin  Marteaus,  trug  er  ohne  Schwung  die 
ecMlne  Serenade  fQr  zwei  Geigen  von  Sinding 
vor,  die  sein  Lehrer  zu  schwerfillig  instrumentiert 
hat.  —  TalentToll  ist  ohne  Zweifel  der  noch 
sehr  Junge  Geiger  Herbert  Dittler,  ein  kecker 
Draufginger.  —  Nach  lingerer  Pause  ließ  sich 
hier  wieder  einmal  und  zwar  mit  größtem  Er- 
folg das  sehr  beliebte  Vokalquartett  Jeannette 
Grambacher-de  Jong,  Julia  Culp,  Paul 
RelmerSyArthurvanEweykbören— ein  wahrer 
Hochgenuß,  zumal  auch  Erich  J.  Wolff  und 
Dr. James  Simon  besonders  In  den  Brahmsschen 
Liebeslieder- Walzern  die  Klavierbegleitung  pracht- 
voll ausfOhrten;  der  viel  zu  wenig  bekannte 
Liederkranz  aua  »Quickbom*  von  J.  O.  Grimm 
stand  a.  a.  auf  dem  Programm.  —  In  einem 
Eztrakonzert  des  Philharmonischen  Or- 
chesters, dessen  stindiger  Dirigent  Dr.. Ernst 
Knnwald  dabei  reichlich  Gelegenheit  hatte, 
seine  ungemeine  Anpassungslihigkeit  und  seine 
Umsicht  zu  zeigen,  wiederholte  der  junge  vor- 
treffliche Geiger  Franz  v.  Vecsey  das  ihm  ge- 
widmete dritte  Konzert  von  Hubay,  ohne  auch 
diesmal  damit  sonderliches  Interesse  zu  erwecken. 
Sehr  gefeiert  wurde  auch  der  zweite  Solist, 
Fermccio  Busoni,  der  ausschließlich  Werke 
von  Balaklrew  und  Liapunow,  von  letzterem 
o.  a.  eine  ihm  gewidmete,  durch  scharfe  Kon- 
traste l>emerkenswerte  ukrainische  Rapsodie  (mit 
Orchester)  vortrug.  Das  sehr  buntscheckige 
Programm  enthielt  auch  eine  wirkungavolle 
Ouvertüre  über  spanische  Themen  von  Balaklrew. 

Wilh.  Altmann 
Daa  aus  Emmy  Collin-Haberlandt,  Eli- 
sabeth Schulz,  Else  Vetter,  Sonja  Beeg  be- 
stebende  «Berliner  Damen-Vokalquartett* 
kann  gegen  das  Vorjahr  erhebliche  Portschritte 
verzeichnen.  Die  vier  Stimmen  passen  gut  zu 
einander,  man  hört  ihnen  mit  Vergnügen  zu. 
Besondere  Anziehungskraft  erhielt  das  Konzert 
durch  Mitwirkung  des  famosen  Pianisten  Emil 
Frey,  der  In  allen  Einzelheiten  individuell  ist 
—  Aach  die  Darbietungen  des  „St.  Ursula- 
Midchenchors'  sind  auf  einer  höheren  Stufe 
anfslangt  Ea  wird  rein  und  mit  hübschen 
Sckattierungen  gesungen.  Der  Vortrag  trifft 
allerdings  nicht  immer  den  Charakter  der  Lieder. 
Die  Koloratur-Sopranistin  Elf^lede  Goette  würde 
hei  emsigem  Studium  sich  eine  angesehene  Po- 
sition auf  der  Bühne  schaffen  können.— Achtung- 
gebietend war  die  Leistung  des  »  B  e  r  1  i  n  e  r  Vo  1  k  s - 
Chor*  (Dirigent  Dr.  Ernst  Zander)  an  seinem 
Richard  Wagner-Abend.  Das  Programm  bestand 
aasLohengrin-  undTannhiuser-Szenen.  Chor  und 
Mozar^Orchester  hielten  sich  wacker,  weniger  die 
Solisten.  Frau  Schauer-Bergmann  (Sopran) 
verdarb  die  Partie  der  Elsa  durch  zu  langsame 
TempL  Dem  Tenoristen  Jiger,  dessen  Stimme 
efcsatlich  mehr  ein  hoher  Bariton  ist,  fillt  die 
H4Mie  schwer,  weshalb  er  da  meistens  zu  tief 
singr.  Auch  neigt  er  zum  Schleppen  und  zur  Sen- 


m 


timentalitit.  —  Eine  hervorragende  Sängerin  ist 
Clara  Wer  der  mann.  Sie  besitzt  einen  Alt  von 
edler  Qualitit,  singt  geschult  ohne  Tremolo, 
spricht  trefflich;  der  schlichte  Vortrag  könnte 
wohl  etwas  vertiefter  sein.  Der  Sopran  von 
Clara  Schützer  Ist  gleichfalls  sehr  schön,  aber 
noch  nicht  genügend  gebildet.  Die  Tongebung 
ist  gequetscht.  —  Die  Pianistin  Julia  Röhr 
konnte  dem  wundervollen  c-moll  Konzert  von 
Xaver  Scharwenka  nicht  gerecht  werden.  Ihre 
Technik  reichte  nicht  aus,  Gedichtnisfehler 
wirkten  störend,  und  ein  Manko  bei  zu  tem- 
peramentvollen Ergüasen  geradezu  heraus- 
fordernden Stellen  war  aufhillend.  Lobenswert 
war  nur  die  Orchesterbegleitung  unter  Dr.  Max 
Burkhardt,  der  durch  energische  Direktion 
eine  exakte,  wenn  auch  nicht  individuelle 
Wiedergabe  der  «Hebriden'-Ouvertüre  erreichte. 
Der  als  Komponist  hier  noch  wenig  bekannte 
Frank  L.  Limbert  leitete  persönlich  seine 
«Variationen  für  Orchester  über  ein  Thema  von 
Händel*  mit  grossem  Geschick.  Das  Werk 
zeigt  mehr  kontrapunktisches  Können  als  Phan- 
tasie. Außerdem  gelangte  noch  ein  Konzert- 
stück für  Klavier  und  Orchester  desselben 
Tonsetzers  zur  Aufführung.  —  Die  Violinistin 
Helen  Mac  Gregor  und  die  Pianistin  Madge 
Shand  Smith  sind  aua  dem  Schülerstadium 
noch  bei  weitem  nicht  heraus.  Ernstes  Streben 
soll  ihnen  nicht  abgesprochen  werden.  —  Der 
Cellist  Marix  Lövensohn  spielte  das  Konzert 
von  Haydn  mit  gefühlvollem  Vortrag,  jedoch 
technisch  nicht  leicht  genug.  Geschmacklos 
sind  die  zahllosen  Glissandi  und  das  Anbinden 
des  folgenden  Auftaktes  an  die  vorausgehende 
Phrase.  Von  einem  Cello-Konzert  von  Flora 
Joutard  kam  (nach  Ankündigung  des  Dirigenten 
aus  Proben-Mangel !)  nur  das  Adagio  zur  Wieder- 
gabe. Es  scheint  den  Philharmonikern  Überhaupt 
an  Zeit  zu  fehlen.  Unentachuldbar  war  das  Zu- 
spätkommen verschiedener  Mitglieder  zum  Beet- 
hovenschen  Violinkonzert,  wodurch  sich  vielleicht 
die  Nervosität  des  ausgezeichneten  Geigers  Adolf 
Rebner  erklärt,  der  hier  schon  viel  vorteilhafter 
gehört  wurde.  —  Gleich  vier  Cello-Novitäten 
auf  einmal  brachte  Jacques  van  Li  er,  von  denen 
ich  leider  die  erste,  ein  Konzert  In  A-dur  von 
Hubert  J  a  h  ro  w,  nicht  hören  konnte.  Ein  Konzert 
in  g-moll  von  Max  Laurischkus  kam  unvoll- 
ständig zur  Aufführung.  Der  letzte  Satz  blieb 
fort,  wohl  zum  Vorteil  des  Werkes,  das  schon 
bis  dahin  recht  gequält  klang,  alles  erfunden, 
nicht  empfunden.  Das  Adagio  wies  einige  In- 
teressante harmonische  und  orchestrale  Kom- 
binationen auf.  Viel  höher  stand  ein  Konzert 
in  e-moll,  op.  45  von  Hermann  Grädener,  das 
unter  vorzüglicher,  ruhiger  und  zielbewußter 
Leitung  des  Komponisten  zu  bester  Wirkung 
gelangte.  Es  enthält  poetische  Gedanken  und 
ein  sehr  schönes  Adagio  mit  etwas  »Parsifal*- 
Stimmung.  Eine  Ballade  von  Elisabeth  Kuyper 
ist  süßliche  Salonmusik  mit  einigen  technischen 
Schwierigkeiten  vermengt  J.  van  Lier  setzte 
sein  großes  Können  für  alle  Werke  mit  Be- 
geisterung ein.  —  Gustav  Tbümler-Walden 
ist  Besitzer  eines  sympathischen,  ausgiebigen 
Baritons  ausgeprägt  lyrischen  Charakters.  Auf 
das  Feld  der  Lyrik  weist  ihn  auch  der  Charakter 
aelner  Vortragskunst  hin.  Die  Aussprache  Ist 
vorzüglich.  Arthur  Laser 


118 
DIE  MUSlfC  VU.  14. 


M 


4e8  servierenden  Mohreo  gab  unser  erster 
Komiker  Andrisno  mit  der  nötigen  musi- 
Icsliscben  Stummheit.  Prof.  Otto  Dorn 

KONZERT 

BERLIN:  Leo  Schrsttenholz,  bisher  nur  als 
Cellist  bekannt,  dirigiene  einen  Orchester- 
abend an  der  Spitze  der  Philharmoniker.    Den 
kfinstlerischen  Schwerpunkt  des  Konzertes  bildete 
der  Geiger  Willy  Heß,  der  sich  mit  dem  Vor- 
trag des  Bruchschen  d-moll  Konzertes  als  ein 
ganz  bedeutender  Meister  seines  Instrumentes 
zeigte;  seine  Technik  ist  treffsicher,  sein  Vortrag 
voll    Wärme,    seine   Tongebung    von    seltener 
Schönheit.     Das   Programm   begann   mit  einer 
Fantasie  für  großes  Orchester  von  Paul  Juon 
über  ein  Glockenspiel  mit  eingestreuten  Bruch- 
stficken  dänischer  Volkslieder,  die  mir  recht  un- 
bedeutend erschien,  doch  den  Hörern  so  gefiel, 
daß  sie  nach  dem  Komponisten  verlangten.    Den 
Schluß  des  Abends  machte  die  c-moll  Symphonie 
von  Brahms,  die  von  dem  Dirigenten  mit  Hilfe 
des  Philharmonischen  Orchesters  ohne  Unfall 
zu  Ende  geführt  wurde;  ich  denke,  Leo  Schratten- 
holz ist  besser  mit  seinem  Cello  auf  dem  Podium 
titig  als   mit  dem   Taktstock.   —   Das    neunte 
Symphoniekonzert  der  Königlichen  Kapelle 
dirigierte  Ernst  von  Schuch.    Das  Programm 
brachte  ein  Concerto  grosso  d-moll  von  Händel, 
eine   Haydnsche   Symphonie   G-dur   und   »Tod 
und  Verklärung*  von  Richard  Strauß.    Es  war 
ein    erlesener  Genuß,   zu   erleben,   wie   dieser 
Meister  des  Taktstockes  die  alte  und  neue  Musik 
bebandelte,   geistvoll   das    kleinste   Detail   aus- 
arbeitete, dabei  nie  die  Gestaltung  des  Ganzen 
aus  dem  Auge  ließ,  wie  kraft-  und  schwungvoll 
vor  allem  das  Straußsche  Werk  aufgebaut  wurde. 
Solch  ein  Dirigent  wäre  dem  Orchester,  wäre 
auch  den  Hörern   fortan   für  ihre  Symphonie- 
Abende  zu  wünschen.  —  Das  letzte  Nikisch- 
Konzert  dieses  Winters  brachte  nur  drei  größere 
Orchesterwerke:  ein  Concerto  grosso  d-moll  für 
Streichorchester  von  Händel,  das  nimliche,  das 
Schuch    im   Opernhause   dirigiert  hatte,    Beet- 
hovens »Pastorale*  und  die  c-moll  Symphonie  von 
Brahms,  die  unter  Nikisch  zu  schöner  Geltung 
kamen.     Der  Dirigent  brauchte  diesen  Abend 
sich   nicht  mit  irgend   einem   Solisten    In  die 
Ehren  und  Ovationen  zu  teilen,  die  vom  Publi- 
kum zum  Schluß  stürmisch  gespendet  wurden. 
—  Auch  Karl  Panzner,  der  das  letzte  Konzert 
im  Mozartsaal  leitete,  erntete  mit  vollem  Recht 
reichen  Beifall  für  die  Mühen,  die  er  sich  mit 
dem  Mozartorchester  gegeben  hat.    Mit  solchem 
Klangkörper    Beethovens   »Eroika*    und   große 
»Leonoren*-Ouvertüre  so  auszuarbeiten,  daß  alles 
Wesentliche  der  Werke  und  auch  manche  Einzel- 
heit richtig  herauskommt,  will   wirklich  etwas 
bedeuten.    Tilly  Koenen  sang  mit  ihrer  klang- 
reichen, warmen  Stimme  eine  Arie  aus  Klug- 
taardts  »Zerstörung  Jerusalems*,  sowie   einige 
Lieder  von  Schubert  und  Hugo  Wolf.   Alexander 
Siloti,  der  sich  in  Berlin  seit  Jahren  nicht  hatte 
hören  lassen,  bewährte  sich  mit  dem  Vortrag 
der  »Wandererfantasie*  von  Schubert-Liszt  als 
großzügiger  Pianist  mit  nie  versagender  Technik 
und  impulsivem  Temperament.  —  Georg  Schu- 
mann führte  an  der  Spitze  der  Singakademie 
die  »Missa  solemnis*  von   Beethoven  mit  den 


Solisten    Jeannette    Grambacher- de  Jong, 
Martha  Stapelfeldt,  Paul  Rei'mertund  Antoft 
Sistermans  auf.    Vorauf  hatte  er  ein  mmtm 
Werk  eigener  Arbeit  gestellt^  ein  »Preis-  und 
Danklied*  für  großsn  Chor  und  großes  Orchester^ 
das  indessen  mit  seiner  durchweg  lirmendea 
Satzwelse,  seinem  Mangel  an  originaler  Brfln* 
düng,  seiner  unfeinen  Rhythmik  keinen  guten 
Eindruck  von  dem  Komponisten  Georg  Scha- 
mann hinterlassen  hat.    Ganz  anders  ist  dieser 
Masikeran  seiner  Stelle,  wenn  er  Kamaerrnnslk 
spielt,  wie  In  dem  Konzert  zugunsten  des  Bach- 
Museums  in  Eisenach,  In  dem  er  mit  Hellr  die 
Bachsche  E-dur-Sonate  für  Klavier  und  Violine,  mit 
Halir  und  K 1  i  n  g  1  e  r  eine  Sonate  für  zwei  Violinen 
und  »Continuo*  von  Ph.  E.  Bach  vortrug.    Der 
Abend  brachte  außerdem  noch  ein  Konzert  F-dar 
für  zwei  Klaviere  von  Friedemann  Bach  mit  dem 
Ehepaar  Kwast  vor  den  Blfithnerflügaln,  nrel 
geistliche    Lieder    von    Seb.    Bach,    die    PmI 
Reimers  sang,  und   zum  Schluß  Seb.  Bachs 
Kantate  »Mer  hau  en  neue  Oberkeef,  In  der 
Frau    Grumbacher-de    Jong    und    Arthnr 
van  Eweyk  als  Solisten,    ein  paar  Mitglieder 
aus  dem  Chor  der  Singakademie,  sowie  anch 
einige  Herren  des  Philharmonischen  Orchesten 
mitwirkten.     Ein   köstlicher  Ulk  diese  Mnslk, 
mit  der  der  Meister  seiner  eigenen  Welse  lu 
spotten   scheint.    Die  Komik  dieser  Reiltative 
und  Arien,  der  paar  Instrumente,  unter  denen 
die  Hörner  sich  besonders  drastisch  henrortaten, 
die  Derbheit  des  Ausdrucks  wirkt  se  unwider- 
stehlich  auf  die   Lachmuskeln,   daß  bisweilen 
lautes  Lachen  zwischen  Hörern  und  ausübenden 
Künstlern  hin  und  her  flog.    Es  bitte  nur  noch 
gefehlt,  daß  die  Künstler  auf  dem  Podium  Im 
Kostüm  der  Zeit  gestanden  bitten.   So  heninnig 
vergnügt  ist  man  wohl  selten   aus  der  Sing- 
akademie nach  Hause  gegangen. 

E.  E.  Tanbert 
Das  Ros6-Quartett  (Wien),  das  In  «einer 
neueren  Zusammensetzung  (Arnold  Rosö,  Paul 
Fischer,  Anton  Ruzitska,  Priedr.  Buzbnum) 
bei  uns  noch  unbekannt  war,  spielte  hier  an  drei 
Abenden  nur  Haydn,  Mozart,  Beethoven  (D-dur 
und  beide  in  Es),  Schubert  (d-moll  und  Quintett 
mit  Eduard  Ros6  am  zweiten  Violoneell)  und 
Brahms  (a-moll),  In  einer  wunderbar  aus- 
geglichenen, durch  Tonschönheit  wie  Autfaisung 
hervorragenden  Weise;  das  Zusammenspiel  war 
von  größter  Einheitlichkeit  und  Priiision,  der 
Erfolg  beim  Publikum  mit  Recht  ein  allgemeiner 
und  sehr  großer.  —  Hervorragende  Letatungen 
bot  auch  der  Beethovenabend  (e-moll,  D-dur  und 
cis-moll)  des  PetrI-Quartetts  (Dresden);  die 
Herren  Henri  Petri,  Erdmann  Warwas,  Alfred 
Spitzner,  Georg  Wille  sind  ausgeseichiiete 
Musiker  und  Ensembleapieier,  die  nicht  mit  g^ 
suchten  Feinheiten  kokettleren,  sendem.  oll 
unter  Verzicht  auf  Tonachönheit,  in  erster  Linie 
den  Zuhörern  alles  klar  und  deutlich  machen 
wollen.  —  Eine  Zumutung  seitens  des  Rneel- 
sehen  Trios  (Vera  Maurlna-Press,  Midiael 
und  Josef  Press)  war  es,  zu  Sonotag  nachmittag 
die  Kritik  einzuladen;  trotidem  ich  dleeei  En- 
semble sehr  hoch  schitze  und  auch  gem  daa 
c-moll  Trio  von  Gretachaninoir  gehört  bfite.Uieb 
ich  doch  der  Veranataltung  fem.  —  Der  ueifsr 
Julius  Falk,  der  mit  dem  Mozart-Orcheater  unter 
Leitung  von  Ignaz  Waghalter  konsertierte,  war 


119 
KRITIK:  KONZERT 


M 


dem  Bachschen  E-dar  Konzert  noch  wenig  ge- 
wachteo,  gab  aber  dann  In  Lalo'a  F-dur  und  in 
Geraahelnis  Konzert  doch  Beweise  einer  reichen 
Begabang.  — .  Dieae  fehlt  m.  E.  Dr.  Wolfgang 
BSIau,  einem  Schüler  Marteaus,  der  ihm  zu 
Liebe  das  Mozart-Orchester  dirigierte;  den  letzten 
Satz  dea  Brabmsschen  Konzerts  erinnere  ich  mich 
kaum  je  so  schlecht  gehört  zu  haben;  mit  Lotte 
Ackere,  einer  auch  noch  nicht  konzertreifen 
Schfllerln  Marteaus,  trug  er  ohne  Schwung  die 
achOne  Serenade  fGr  zwei  Geigen  von  Sinding 
vor,  die  aein  Lehrer  zu  achwerfilllg  instrumentiert 
hat.  —  Talentvoll  Ist  ohne  Zweifel  der  noch 
sehr  Junge  Geiger  Herbert  Dittler,  ein  kecker 
Draufiginger.  —  Nach  lingerer  Pause  ließ  sich 
hier  wieder  einmal  und  zwar  mit  größtem  Er- 
folg daa  sehr  beliebte  Vokalquartett  Jeannette 
Grambacher-de  Jong,  Julia  Culp,  Paul 
Reimers,  Arthur  van  Eweykhören— ein  wahrer 
Hochgenuß,  zumal  auch  Erich  J.  Wolff  und 
Dr. James  Simon  besonders  In  den  Brahmsschen 
Liebeslieder- Walzern  die  Klavierbegleitung  pracht- 
voll ausfQhrten;  der  viel  zu  wenig  bekannte 
Liederkranz  aus  »Quickbom*  von  J.  O.  Grimm 
atand  u.  a.  auf  dem  Programm.  —  In  einem 
Extrakonzert  dea  Philharmonischen  Or- 
cheatera,  dessen  ständiger  Dirigent  Dr.. Ernst 
Kanwald  dabei  reichlich  Gelegenheit  hatte, 
aehie  ungemeine  Anpaasungslihigkeit  und  seine 
Umsieht  zu  zeigen,  wiederholte  der  junge  vor- 
treffliche Gelger  Franz  v.  Vecsey  das  ihm  ge- 
widmete dritte  Konzert  von  Hubay,  ohne  auch 
dieamal  damit  aonderliches  Interesse  zu  erwecken. 
Sehr  gefeiert  wurde  auch  der  zweite  Solist, 
Fermcclo  Buaoni,  der  ausschließlich  Werke 
von  Balakirew  und  Liapunow,  von  letzterem 
a.  a.  eine  Ihm  gewidmete,  durch  scharfe  Kon- 
traate  bemerkenswerte  ukrainiache  Rapsodie  (mit 
Orcbeater)  vortrug.  Das  sehr  buntscheckige 
Programm  enthielt  auch  eine  wirkungsvolle 
Ouvertüre  über  spanische  Themen  von  Balakirew. 

Wilh.  Altmann 
Daa  aus  Emmy  Collln-Haberlandt,  Eli- 
aabeth  Schulz,  Else  Vetter,  Sonja  Beeg  be- 
atebende  «Berliner  Damen-Vokalquartett* 
iumn  gegen  daa  Vorjahr  erhebliche  Fortschritte 
verzeichnen.  Die  vier  Stimmen  passen  gut  zu 
einander,  man  hört  Ihnen  mit  Vergnügen  zu. 
Beaondere  Anziehungskraft  erhielt  das  Konzert 
durch  Mitwirkung  dea  famoaen  Pianisten  Emil 
Frey,  der  In  allen  Einzelheiten  individuell  ist 
—  Auch  die  Darbietungen  des  „St.  Ursula- 
Midcbenchora«  alnd  auf  einer  höheren  Stufe 
aafslangt  Ea  wird  rein  und  mit  hübschen 
Sckatdeningen  gesungen.  Der  Vortrag  trifft 
allerdings  nicht  Immer  den  Charakter  der  Lieder. 
Die  Koloratur-Sopranistin  ElfHede  Goette  wurde 
bei  emalgem  Studium  eich  eine  angesehene  Po- 
sition auf  der  Bühne  schaffen  können.— Achtung- 
gebietend war  die  Leistung  des  »  B  e  r  I  i  n  e  r  Vo  I  k  s - 
Chor*  (Dirigent  Dr.  Ernst  Zander)  an  seinem 
Richard  Wagner^Abend.  Daa  Programm  bestand 
aoaLohengrln-undTannhiuser-Szenen.  Chor  und 
Mozar^Orcheater  hielten  eich  wacker,  weniger  die 
Soliaten.  Frau  Schauer-Bergmann  (Sopran) 
verdarb  die  Partie  der  Elaa  durch  zu  langsame 
TempL  Dem  Tenoristen  Jiger,  dessen  Stimme 
eimtlich  mehr  ein  hoher  Bariton  ist,  fillt  die 
Höhe  schwer,  weahalb  er  da  meistens  zu  tief 
•iagr.  Auch  neigt  er  zum  Schleppen  und  zur  Sen- 


m 


timentalitit.  —  Eine  hervorragende  Singerin  ist 
Clara  Ward  ermann.  Sie  besitzt  einen  Alt  von 
edler  Qualität,  singt  geschult  ohne  Tremolo, 
spricht  trefflich;  der  schlichte  Vortrag  könnte 
wohl  etwas  vertiefter  sein.  Der  Sopran  von 
Clara  Schützer  ist  gleichfalls  sehr  schön,  aber 
noch  nicht  genügend  gebildet.  Die  Tongebung 
ist  gequetscht.  —  Die  Pianistin  Julia  Röhr 
konnte  dem  wundervollen  c-moU  Konzert  von 
Xaver  Scharwenka  nicht  gerecht  werden.  Ihre 
Technik  reichte  nicht  aus,  Gedichtnisfehler 
wirkten  störend,  und  ein  Manko  bei  zu  tem- 
peramentvollen Ergüssen  geradezu  heraua- 
fordemden  Stellen  war  aufhiUend.  Lobenswert 
war  nur  die  Orcheaterbegleitung  unter  Dr.  Max 
Burkhardt,  der  durch  energische  Direktion 
eine  exakte,  wenn  auch  nicht  individuelle 
Wiedergabe  der  «Hebrlden'-Ouvertüre  erreichte. 
Der  als  Komponist  hier  noch  wenig  bekannte 
Frank  L.  Limbert  leitete  persönlich  seine 
«Variationen  für  Orchester  über  ein  Thema  von 
Händel*  mit  grossem  Geschick.  Das  Werk 
zeigt  mehr  kontrapunktisches  Können  als  Phan- 
tasie. Außerdem  gelangte  noch  ein  Konzert- 
stuck für  Klavier  und  Orchester  desselben 
Tonsetzers  zur  Aufführung.  --  Die  Violinistin 
Helen  Mac  Gregor  und  die  Pianistin  Madge 
Shand  Smith  sind  aua  dem  Schülerstadium 
noch  bei  weitem  nicht  heraus.  Ernstes  Streben 
soll  ihnen  nicht  abgesprochen  werden.  —  Der 
Cellist  Marix  Lövensohn  spielte  das  Konzert 
von  Haydn  mit  gefühlvollem  Vortrag,  jedoch 
technisch  nicht  leicht  genug.  Geschmacklos 
sind  die  zahllosen  Glissandi  und  das  Anbinden 
des  folgenden  Auftaktes  an  die  vorausgehende 
Phrase.  Von  einem  Cello-Konzert  von  Flora 
Joutard  kam  (nach  Ankündigung  dea  Dirigenten 
aus  Proben-Mangel !)  nur  das  Adagio  zur  Wieder- 
gabe. Es  scheint  den  Philharmonikern  Überhaupt 
an  Zeit  zu  fehlen.  Unentschuldbar  war  daa  Zu- 
spitkommen  verschiedener  Mitglieder  zum  Beet- 
hovenschen  Violinkonzert,  wodurch  sich  vielleicht 
die  Nervosität  des  ausgezeichneten  Geigera  Adolf 
Rebner  erklärt,  der  hier  schon  viel  vorteilhafter 
gehört  wurde.  —  Gleich  vier  Cello-Novitäten 
auf  einmal  brachte  Jacquea  van  Li  er,  von  denen 
ich  leider  die  erste,  ein  Konzert  in  A-dur  von 
Hubertjahrow,  nicht  hören  konnte.  Ein  Konzert 
in  g-moU  von  Max  Laurischkus  kam  unvoll- 
ständig zur  Aufführung.  Der  letzte  Satz  blieb 
fort,  wohl  zum  Vorteil  dea  Werkea,  das  schon 
bis  dahin  recht  gequält  klang,  alles  erfunden, 
nicht  empfunden.  Das  Adagio  wies  einige  In- 
teressante harmonische  und  orchestrale  Kom- 
binationen auf.  Viel  höher  stand  ein  Konzert 
in  e-moll,  op.  45  von  Hermann  Grädener,  das 
unter  vorzüglicher,  ruhiger  und  zielbewußter 
Leitung  des  Komponisten  zu  bester  Wirkung 
gelangte.  Es  enthält  poetische  Gedanken  und 
ein  sehr  schönes  Adagio  mit  etwas  »Parsifal*- 
Stimmung.  Eine  Ballade  von  Elisabeth  Kuyper 
ist  süßliche  Salon musik  mit  einigen  technischen 
Schwierigkeiten  vermengt.  J.  van  Lier  setzte 
sein  großes  Können  für  alle  Werke  mit  Be- 
geisterung ein.  —  Gustav  Tbümler-Walden 
ist  Besitzer  eines  sympathischen,  ausgiebigen 
Baritons  ausgeprägt  lyrischen  Charakters.  Auf 
das  Feld  der  Lyrik  weist  ihn  auch  der  Charakter 
seiner  Vortragskunst  hin.  Die  Aussprache  lat 
vorzüglich.  Arthur  Laaer 


120 
DIE  MUSIK  VII.  14. 


M 


Zwei  zweifellos  sehr  bedeutende  Klavier- 
talente, die  beide  aucb  technisch  bereits  ganz 
betrichtlich  reif  sind,  kehrten  bei  uns  als  Neu- 
linge ein.  Germaine  Arnaud,  eine  noch  ganz 
junge  Dame,  ist  die  klarer,  zuweilen  aber  auch 
derber  spielende.  Adolphe  Borchard  wird  noch 
zuweilen  mit  der  Rechten  undeutlich  und  tritt 
auch  das  Pedal  nicht  immer  so,  wie  es  getreten 
werden  muß,  um  alles  klar  hervorzubringen. 
Aber  er  ist  der  bereits  reifer  Empfindende. 
Aus  beiden  könnten  wohl,  wenn  nicht  alles 
trfigt,  erste  Meister  werden.  Bereits  heute  ragen 
sie  hoch  aus  dem  Durchschnitt  heraus.  — 
Marie  Dubois  schnitt  in  ihrem  zweiten 
(Orchester-) Konzert  weit  weniger  gut  ab.  Sie 
greift  zwar  mit  nicht  Qbler  Fertigkeit  und  mit 
einem  gewissen  Aplomb  in  die  Tasten,  aber 
Anschlag,  Phrasierung,  Disposition  und  gefühls- 
mäßige Nuancierungen,  dazu  das  Schmerzens- 
kind Pedal  —  das  alles  läßt  leider  viele  Wunsche 
offen.  Immerhin  spielte  sie  seltenere  Werke: 
die  Konzerte  Es-dur  von  Mozart  und  E-dur  von 
Moszkowski,  welch  letzteres  ja  freilich  nicht 
allzu  großen  rein  musikalischen  Wert  hat.  — 
Der  zweite  Liederabend  von  Pbilippine  Lands- 
hof f  mit  Ludwig  Landshoff  am  Nanette  Streicher- 
Klavier  interessierte  nicht  sehr,  da  unter 
Gesängen  von  Bach,  Erlebacb,  J.  A.  P.  Schulz, 
G.  Ph.  Telemann,  C.  G.  Neefe,  J.  G.  Mayr, 
G.  Benda  und  J.  R.  Zumsteeg  zu  wenig 
Bedeutendes  ausgewählt  war,  um  einen 
günstigen  Eindruck  von  der  Lied  Produktion  des 
achtzehnten  Jahrhunderts  hervorzurufen.  Gesang- 
lich und  klavieristisch  genügte  die  Wiedergabe 
zudem  nicht  immer  durchaus.  Die  Tongebung 
der  Sängerin  ist  nicht  immer  frei  genug  und  oft 
kehlig.  Aber  Atem  fuhrung  und  Vortrag  sind 
gut.  —  Von  zwei  gemeinschaftlich  in  einem 
Konzert  zu  Worte  gekommenen  Tonsetzern 
kommt  ernstlich  eigentlich  nur  Willy  von 
Moellendorff  in  Betracht.  Lieder,  wie 
»Steigende  Nebel*,  «Die  schwarze  Laute*  oder 
«So  einer  war  auch  er*,  verdienen  wohl  Beach- 
tung als,  wenn  auch  nicht  erfinderisch  starke, 
so  doch  objektiv  gute  und  gewählte  Gesänge. 
Von  Martin  Grabert  können  hier  dagegen 
nur  allenftills  «Nächtliche  Pfade*,  «Wie  ein 
Verhängnis*  und  «Schließe  mir  die  Augen 
beide*  erwähnt  werden.  Das  übrige,  was  der 
Abend  bot  —  außer  der  trefflichen  Gesangs- 
leistung Eugen  Briegers  —  sei  schonend  ver- 
schwiegen. Höchstens  ein  Chorlied  Moellen- 
dorffs,  «Ruhe*,  kam  etwas  über  die  platteste 
Liedertafelei  hinaus.—  Helene  Martini  besitzt 
einen  nur  wenig  umfangreichen  Mezzosopran, 
der  dazu  ziemlich  schwach  ist.  Aber  sie 
behandelt  ihr  nicht  mehr  jugendfrisches  Organ 
recht  sachgemäß,  spricht  meist  gut  aus  (manch- 
mal sind  die  unbetonte!^  e  zu  dunkel),  und  ihr 
Vortrag  ist  verständnisvoll.  Doch  stören  die 
nachhelfenden  Kopfbewegungen  sehr. 

Alfred  Schattmann 

Waldemar  von  Grigorowitsch-Barsky  ist 
wohl  der  schlechteste  Klavierspieler,  den  ich 
in  diesem  Winter  hörte.  Ein  solches  Unver- 
ständnis für  Beethoven,  wie  er  in  seinem  Vor- 
trage der  Sonate  op.  101  bewies,  hätte  ich  nicht 
für  möglich  gehalten.  Alle  Sätze  wurden  stark 
verschleppt  und  kamen  selbst  in  solchen  Tempi 
noch  technisch  äußerst  mangelhaft  heraus.  — - 


m 


Annie  L.  Wakemaa  besitzt  eine  Konter' 
vatorlstenfertigkeit  und  spielt  mit  dieser  fHscb 
drauf  los.  Dabei  greift  sie,  lumal  sie  nur  eine 
kleine  Hand  hat,  tüchtig  daneben  und  ermangelt 
der  persönlichen  Note,  über  der  man  solche 
Unebenheiten  vergessen  könnte.  Ich  hörte  Bach, 
Beethoven  und  Schumann,  dann  ging  ich  ent- 
täuscht von  dannen.  —  Auch  Diane  Albernoni 
kann  ich  kein  Lob  spenden.  Bei  Beethoven 
verschluckte  sie  ganze  Zählzeiten,  Mozarts  a-moU 
Rondo  spielte  sie  stechend  hart  und  poesielos. 
Cbopin's  Nocturne,  op.  48,  1,  erfördert  viel 
mehr  Wärme  und  Technik,  als  hier  aufgeboten 
wurde.  —  Gertrud  Sc  hei  bei  ist  nur  berechtigt, 
im  Familienkreise  zu  spielen.  —  Agnete  To- 
biesen  ist  eine  ernste  Künstlerin.  Einiges  in 
Beethovens  As-dur  Sonate  phrasierte  sie  auf- 
fallend richtig.  Im  allgemeinen  gebricht  et  ihr 
noch  an  virtuoser  Technik  und  Routine.  Immer- 
hin war  das  Geleistete  schon  recht  erfreulidh 
und  zeigte  eine  gute  Grundlage^  von  der  et  tich 
rasch  höher  kommen  läßt. 

Hermann  Wetiel 

Lou  Schmidt  ist  ein  inieressantet  Pertön- 
chen,  das  leider  bei  schön  ansprechender  Höhe 
in  seiner  Stimme  kein  genügendet  Autdrucka- 
mittel  bat.  —  Anton  Schlosser  bat  einen  sehr 
hübschen  Tenor,  aus  dem  sich  viel  machen 
ließe,  aber  Temperament  und  Gefühl  scheinen 
dem  Sänger  ziemlich  fremd  sa  sein.  —  Eagenie 
Dusseau-Bormann  leistet  technisch  recht 
gutes  und  erfreut  den  Hörer  mit  einem  kJang- 
vollen,  nie  forcierten  Ton.  Aach  ihr  Vortrag 
ist  warm  und  intelligent  —  Hans  Satte  ver- 
wendet seinen  schönen  Bariton  nicht  angetcblckt, 
tut  im  Vortrag  aber  dea  Guten  zu  riel.  Eine 
solche  Sentimentalität  läßt  kaum  einen  Hörer 
ernsthaft.  Gertrud  Sasse  litt  tichtlicb  anier 
Lampenfieber,  aodaß  sich  über  ihre  BeanlaguBg 
wenig  sagen  läßt.  Wohltuend  wirkten  die  ver^ 
einzelten  prachtvoll  gegriffenen  hohen  Tdne» 

Richard  Hihn 

Martha  Kynast  (Gesang)  und  Lenide  Wel 
dinger  (Klavier)  gaben  zusammen  einen  Abend 
in  der  Singakademie.  Das  Msterial  der  SiDferin 
ist  gut,  aber  die  Behandlung  ihres  Organt  itt 
eine  verfehlte,  daher  der  Quettchton;  am  erüreii- 
lichsten  ist  das  Piano.  Die  Pianistin  tpielt 
technisch  gut,  aber  bia  zum  Geist  reicbtt  nicht 
und  bis  zur  Seele  ganz  und  gar  nicht  —  Wenn 
der  Pianist  Günther  Freudenberg  Elegantep 
und  Effektvolles  zum  Vortrag  bringt,  wirkt  er 
durch  seine  eminenten  technischen  FihiflDSilta 
und  durch  sein  feinet  djmamiachet  GefBbl 
höchst  anregend,  das  gerade  Gegenteil  hber 
findet  statt,  sobald  wir  ein  emttet  Werk  Ton 
ihm  zu  hören  bekommen.  So  wußte  er  weder 
mit  der  Taubertschen  Phantasie-Sonate  aech  mit 
der  g-moll  Fuge  von  Bach-Liszt  etwas  anzaflin|ea. 
Dafür  mußte  er  das  Salonstück  «Dante  det  ElÜst* 
von  Sapellnikoff  wiederholen.  —  Georg  Mfinser 
(eigene  Kompositionen  und  mutikalltche  DIdlh 
tungen)  ist  romantisch  angehaucht;  er  tieckt 
noch  ganz  im  Subjektiven.  Von  der 
Pantaaia  quasi  Sonata  für  Violine  und  Klavier, 
in  der  er  am  meisten  zu  tagen  hatte,  geflei  mir 
am  besten  das  Finale.  Den  tieflitea  Bindraek 
hinterließen  seine  Dichtungen.  Aleuuider 
Sobald  und  Severin  Eiaenberger  ißbtm  sieh 
die  erdenklichste  Mühe,  der  nicht  gerade  denk* 


121 
KRITIK:  KONZERT 


btren  Violinsonate  gerecht  zu  werden,  was 
Ihnen  anch  vollkommen  gelang.  —  Nellie  Carzon 
Smith  (Klavier)  hat  ein  gutes  Talent  für  das 
Spielerische  und  Perlende;  ein  Stück  wie  das 
Allegrissimo  von  D.  Scarlatti  machen  ihr  nur 
wenige  Pianistinnen  nach.  Besondere  Hervor- 
hebung verdienen  ihre  peinliche  Exaktheit  und 
Ihre  Treffsicherheit.  Arno  Nadel 

T\ORTMUND:  In  einem  Bungert-Abend  ent- 
'^  zfickte  Lilli  Lehmann  ein  mehrtausend- 
köpflges  Publikum  durch  den  vollendeten  Vor- 
trag von  Liedern  der  Carmen  Sylva,  meisterhaft 
begleitet  vom  Komponisten,  der  ferner  die  große 
Orche8terszeaesSturmmusik,Götterversammlung 
und  Gesang  der  Okeaniden*  aus  „Kirke*  zu 
Gehör  brachte.  —  Huttner  brachte  u.  a.  Tschai- 
kowsky's  »Ouvertüre  solenelle*  zu  impulsiver 
Wirkung.  PQrst  Heinrich  XXIV.  von  Reuß 
errang  mit  seiner  schwungvollen  e-moll-Sytn- 
pbonle  warmen  Beifall,  und  Julius  Kien  gel 
bewihrte  sich  als  Meister  eines  vollendeten 
Cellotpieles.  —  Die  Suite  i^Les  Erinnyes*  und 
»Sc6ne  religieuse*  von  Massenet  ergänzten  das 
Programm  des  vierten  HQttnerschen  Solisten- 
kODzertes.  —  Der  Konservatoriumschor  ver- 
mittelte unter  Holtschneider  eine  geschicht- 
liche Obersicht  über  den  a  cappella-Gesang  vom 
Madrigal  an  bis  zur  Gegenwart.  Die  von  Willy 
EIckemeyer  eingestreuten  KlaWersoli  von 
Scarlatti,  Bach,  Mozart,  Beethoven,  stilrein  und 
In  gediegener  Auffassung  vorgetragen,  bedeuteten 
Ecksteine  der  Entwickelung  dieser  Kunstgattung. 
Eine  Reihe  Intimer  Lieder  fanden  durch  Frl. 
Schenk -Weimar  eine  vornehme  und  gienuß- 
reiche  Wiedergabe.  —  In  einem  Holtschneider- 
•ehen  Orgelkonzerte  interessierte  ein  erstmalig 
In  Deutschland  gespieltes  Konzert  für  Orgel 
und  Orchester  von  E.  Prout. 

Heinrich  Bfille 
pvRESDEN:  Im  fünften  Hoftheaterkonzert 
'^  der  Serie  B  machte  man  zwei  hocherfreu- 
llcbe  Bekanntschaften.  Zunichst  mit  Gustav 
M-nhIers  vierter  Symphonie  G-dur,  die  in  ihrer 
volkttfimllchen  Schlichtheit  so  ganz  verschieden 
von  den  anderen  Symphonleen  dieses  Kompo- 
nisten, aber  vielleicht  gerade  deshalb  von  so 
grofter  Wirkung  Ist  Was  diesem  Werke  nach 
neiner  Oberzengung  seinen  großen  Wert  ver- 
leiht, ist  die  Tatsache,  daß  darin  die  musikalische 
Erindung  endlich  wieder  einmal  den  wichtigsten 
Platz  einnimmt  und  daß  hier  ein  Meister,  der 
darchans  modern  ist,  den  Mut  und  die  Kraft 
lieknndet,  eine  Musik  des  Herzens  zu  schreiben, 
nachdem  so  lange  die  Verstsndesmusik  an  der 
Tagesordnung  war.  Der  Beifall  steigerte  sich 
von  Satz  zu  Satz  und  nahm  nach  dem  Schluß- 
lied «Das  hlnmliscfae  Leben*,  das  Minnie  Nast 
mit  aamntigiter  Naivitit  und  vollendeter  Schön- 
heit sang,  außergewöhnlich  sturmische  Form  an. 
Die  Solistin  des  Abends,  Kathleen  Parlow,  ist 
trotz  ihrer  Jugend  bereits  eine  GeigenkQnstlerin 
allerersten  Ranges  von  blendender  Technik, 
groftem,  edlem  und  ungemein  tragfibigem  Ton 
und  einer  staunenswerten  Reife  und  Wärme 
des  Vortrags.  Mit  der  prachtvollen  Wiedergabe 
der  OavertQre  za  Smetanas  Oper  »Die  verkaufte 
Brsat*  erzielte  die  königl.  Kapelle  unter 
V.  Schach  einen  Sondererfolg.  —  Der  Mozart- 
vsrsin  brachte  eine  Symphonie  C-dur  von 
Rsbihold  Becker  zum  ersten  Male  vollständig 


zu  Gehör,  nachdem  zwei  Sätze  daraus  vor  zwei 
Jahren  bereits  in  einem  Hoftheater konzert  auf- 
geführt worden  waren.  Der  lebhafte,  herzliche 
Erfolg  dieses  Werkes  unter  Max  v.  Haken  war 
wohlberechtigt,  denn  die  an  schönen  und  großen 
Gedanken  reiche,  in  der  Form  klare  und  in  der 
Instrumentation  sehr  farbenprächtige  Symphonie 
ist  eine  Schöpfung  von  starker  Eigenart  und 
ergreifender  Innerlichkeit,  auf  das  alle  Konzert- 
leiter nachdrücklich  hingewiesen  seien.  Die 
Solistin  Luis  Mysz-Gmeiner  bereitete  mit 
einer  Reihe  von  Liedern  den  Hörern  einen  un- 
getrübten Genuß.  —  Das  »Deutsche  Requiem* 
von  Brahms  erfuhr  durch  die  Robert  Schu- 
mannsche  Singakademie  unter  Albert 
Fuchs  eine  sehr  lobenswerte  Wiedergabe,  da- 
gegen fiel  das  Oratorium  »Die  Sündflut"  von 
Saint-SaSns  stark  ab  und  erzielte  einen  weit 
geringeren  Eindruck  als  seiner  Zeit  bei  der 
ersten  Aufführung.  Solisten  waren  die  Damen 
Nast,  Mary  Schmidt  und  die  Herren  Kie- 
larski  und  Perron.  —  Das  Petriquartett 
beschloss  seine  Soireen  mit  einem  höchst 
genußreichen  Beethovenabend,  während  infolge 
der  schweren  Erkrankung  des  Konzertmeisters 
Lewin ger  dessen  Quanettgenossen  ohne  ihn 
einen  Trioabend  veranstalten  mußten.  —  Der 
DresdnerLehrergesang  verein  unter  Friedrich 
Brandes  hatte  für  sein  Winterkonzert  wieder 
große  Anstrengungen  gemacht,  sich  aber  allzu 
weit  vom  Volkstümlichen  entfernt.  »Am  Sieg- 
friedsbrunnen* für  Männerchor  und  Orchester 
von  Fritz  Volbach  und  Walter  Moellendoiffs 
»Im  Nachtzug*  waren  die  wertvollsten  Dar- 
bietungen des  Abends,  dessen  Solist  Walter 
Soomer  erst  gegen  Ende  des  Konzerts  In  den 
Vollbesitz  seiner  Mittel  kam.  Als  orchestrales 
Zwischenstück  interessierte  »Sonnenaufgang 
über  Himalaya*  von  Gerhart  Scbjeldemp  durch 
Größe  der  Empfindung  und  des  Ausdrucks. 

F.  A.  Geißler 

FRANKFURT  a.  M.:  Von  den  sechs  Konzerten, 
die  jeden  Winter  im  Opernhaus  gehalten 
werden,  fand  das  letzte  (unter  Relchenberger) 
noch  rechten  Anklang,  nicht  sowohl  wegen  der  als 
Neuheit  dargebotenen  Tondichtung  »Taormina* 
von  E.  Boehe,  über  deren  innere  Frucht- 
losigkeit die  raffinierten  Reize  der  Instrumen- 
tation nicht  wegzutäuschen  vermochten,  sondern 
wegen  der  Mitwirkung  von  Lula  Mysz-Gmeiner, 
der  vorzugsweise  einige  Brahms-Lieder  prächtig 
gelangen.  —  Im  Museum  hörte  man  gelegent- 
lich eines  von  Peter  Raabe  dirigierten  Sonntags- 
konzertes ein  neues  anspruchsvolles,  aber  auch 
ernst  anregendes  Klavierkonzert  von  Hermann 
ZI  Ich  er,  der  selbst  am  Flügel  saß;  im  folgenden 
Freitags-Orchesterabend  war  das  Violinkonzert 
op.  50  von  Jsques-Dalcroze,  von  Felix  Berber 
sehr  schön  gespielt,  die  Novität,  die  nicht  gleich- 
mäßig ansprach,  stellenweise,  wie  im  1.  Satz 
aber  doch  recht  interessant  gearbeitet  ist.  — 
Von  zwei  Kammermusik-Abenden  des  nämlichen 
Instituts  geriet  der  eine,  bei  dem  wieder  einmal 
das  Böhmische  Streichquartett  an  den 
Pulten  saß,  ganz  meisterlich,  nur  Beethovens  Fuge 
op.  133  ließ  die  Hörer,  selbst  in  dieser  Aus- 
führung, verhältnismäßig  kfihL  Noch  weniger 
Freude  erlebte  man  an  den  Produktionen  des  fran- 
zösischen Gesangsquartetts  Battaille,  das 
bei  wenig  reizvollem  Stimmmaterial  auch  noch 


IR 


122 
DIE  MUSIK  VII.  14. 


mehrfach  recht  unrein  sang.  —  Im  Hochschen 
Konservatorium  gab  es  einen  Ehrenabend  für 
den  im  Herbst  von  der  Leitung  des  Instituts 
scheidenden  Prof.  Bernhard  Scholz,  der  hier 
noch  einmal  als  Vokal-  und  lostrumentalkomponist 
zu  Wort  kam,  während  eine  frühere  Auffuhrung 
von  Hindels  » Alexanderfest*  durch  konser- 
vatoristische Chor-  und  Orchesterschfiler  die 
vor  allem  erwünschte  Gelegenheit  bot,  in  Scholz 
vorzugsweise  den  verdienst-  und  erfolgreichen 
Musikpidagogen  und  Dirigenten  feiernd  zu  ,,be- 
tonen*.  —  Erwähnung  gebührt  noch  dem  Auf- 
treten eines  von  der  hiesigen  Musiklehrerin 
Gretchen  Des  soff  (Tochter  des  verstorbenen 
Kapellmeisters)  herangeschulten  leistungsfähigen 
Frauenchors,  und  eine  Beneflzmatinee  des 
verstärkten  Palmengarten-Orchesters,  das 
unter  M.  Kämpferts  sorgsamer  Hut  und  Pflege 
zu  einer  künstlerisch  ernst  zu  nehmenden  Körper- 
schaft ei wachsen  ist.  Ein  »Fathume*  betitelter 
Gesängezyklus  orientalischen  Stils,  vertont  von 
dem  musikliebenden  Landgrafen  Alexander 
Friedrich  von  Hessen,  fand  bei  diesem  Anlaß 
beifällige  Aufnahme. 

Hans  Pfeilschmidt 

KÖLN:  Im  zehnten  Gfirzenichkonzert  ge- 
langte Berlioz'  Große  Totenmesse  unter  Fritz 
Steinbach  zu  imposanter  Aufführung,  wobei 
eine  sehr  starke  Besetzung  der  Instrumental- 
gruppen im  Sinne  des  Komponisten  zumal  in 
den  trefflich  funktionierenden  verschiedenen 
Blasorchestern  besondere  Wirkungen  hervorrief. 
Während  das  gesamte  Orchester  die  Eindrucks- 
kraft des  Werks  voll  zur  Geltung  brachte,  wäre 
das  vom  Chore  nur  in  Teilen  zu  behaupten. 
Es  schien,  als  hätte  es  hier  an  den  nötigen 
Proben  gefehlt,  und  vorweg  bei  den  Tenören 
ließen  Sicherheit  und  Stimmenklang  viel  zu 
wünschen  übrig.  Georg  Grosch  von  der 
Dresdener  Oper  erwies  sich  als  ein  gut  musi- 
kalischer, angenehm  stimmbegabter  und  be- 
trächtlich geschulter,  allerdings  noch  nicht  ganz 
fertiger  Sänger,  der  vor  allem  die  Behandlung 
seiner  Tenorhöhe  und  seine  Textaussprache  wird 
verbessern  müssen,  um  einen  Platz  in  der 
vorderen  Reihe  der  Konzerttenöre  endgültig  zu 
belegen.  Keinen  bedeutenden,  aber  jedenAills 
einen  recht  gefälligen  Eindruck  erzielte  Edward 
Elgar's  Introduktion  und  Allegro  für  Solo-Streich- 
quartett und  Streichorchester,  worin  das  nicht 
sonderlich  bedachte  Soloquartett  durch  Bram 
Eidering,  Carl  Körner,  Josef  Schwartz  und 
Friedrich  Grützmacher  hervorragend  schön 
gespielt  wurde,  indeß  Steinbach  dem  im  Streich- 
orchester lebhaft  interessierenden  und  durch 
eine  prächtige  Fuge  exzellierenden  Tonstück  ein 
höchst  beredter  Mittler  war.  Conrad  Heubners, 
des  verstorbenen  Koblenzer  Dirigenten,  »Ge- 
heimnis der  Sehnsucht*,  nach  Geibel,  für  Tenor- 
solo (Georg  Grosch),  Chor  und  Orchester  er- 
wies sich  als  ein  sehr  stimmungsvolles  Werk 
von  schöner  Erflodung,  feinem  Chorsatz  und 
sicher  gestaltender  Instrumentierung.  Da  sich 
der  Chor  unter  Steinbachs  feinfühliger  Leitung 
hiert>ei  ebenso  brav  hielt  wie  Solist  und  Orchester, 
kam  es  zu  sehr  freundlichen  Wirkungen.  Zuletzt 
kam  noch  die  »Tannhäuser^-Ouvertüre.  Mag 
die  Masse  der  Konzertbesucher  mit  dem  Straßen- 
publikum der  Militärkapellen  gemeinsam  denken: 
Je  mehr  Blechmusik,  desto  schöner*  und  darob 


MS 


in  jubelnde  Verzückung  geraten;  daß  die  Bllter^ 
massen  zur  Wagnerschen  Ouvertüre  berange- 
zogen  wurden,  weil  sie  einmal  an  diesem  Abend 
für  Berlioz  engagiert  waren,  wollte  mir  nicht  fe- 
fallen.  Pilgerchor  bleibt  doch  immer  Pilgerchor, 
auch  wenn  er,  wie  hier,  geblasen  wird,  und  das 
faoAirenartige  Massengeschmetter  tönt  mdnem 
Ohr  nicht  als  Attsdmck  der  hier  In  Betracht 
kommenden  Stimmung.— In  derMasikal  Ischen 
Gesellschaft  gefiel  die  von  Steinbacb  ein- 
drucksvollst vorgeführte  Spohrsche  o-moU  Sym- 
phonie mit  Recht  sehr,  und  auch  eine  Orchester- 
Ouvertüre  .Karneval*  des  hiesigen  Geigers  Fritz 
Stahr  wurde  freundlich  sufgenommen.  Mit 
Beethovens  Klavierkonzert  G-dur  erwies  Louise 
Bally-Apfelbeck  aus  Wien  weit  entwickelte 
Technik,  aber  weniger  Vorzüge  der  AnfTassang 
und  Gestaltung.  Die  Sängerin  Dora  de  Coalon 
aus  Neuchätel  ließ  ganz  hübsche  Mittel«  Jedoch 
noch  keineswegs  gesangskünstleriscbe  Konzert- 
reife erkennen.  Paul  Hill  er 
LEIPZIG:  Das  gerade  auf  den  13.  Pebrnar 
fallende  17.  Gewandhauskonzert  hatte 
durch  sehr  wohlgelungene  VorfQbmngen  der 
«Eroica*,  der  »Faust-Ouvertfire*,  ,Tannhiate^ 
Ouvertüre  mit  Bacchanal*  (zum  ersten  Mal  an 
dieser  Stelle)  und  »Holländer-Oavertfire*  den 
Charakter  einer  schönen  Wagner-Gedenkfeier 
erhalten,  und  im  18.  Gewandhauskonzerte, 
bei  dem  der  treflriich  geschulte  Thomanerchor 
unter  Gustav  Schreck  und  die  an  dieaem  Abend 
trotz  Indisposition  auch  zur  Königiicb  Sichai- 
schen  Kammersängerin  avancierende  Bayerische 
und  Mecklenburgische  Kammersängerin  Helene 
Staegemann  mitwirkten,  ist  dem  mit  an- 
wesenden König  Friedrich  August  mit  vortreff- 
licher Reproduktion  der  Lisztschen  »Pr^ladea*, 
der  Volkmannschen  Ouvertüre  .Richard  IIL* 
und  der  Instrumentalsätze  aua  Mendelasobns 
»Sommemachtstraum*-Musiksowie  mit  mehreren 
Chor-  und  Sologesängen  gehuldigt  worden.  — 
Als  eine  Gedenkfeier  an  den  Todestag  Wagners 
hatte  auch  Hans  Winderstein  sein  oeantes 
Philharmonisches  Konzert  angelegt, ia  dem 
außer  den  Vorspielen  zu  den  „Meisttrsingem* 
und  zum  „Trisun*  erstmalig  zwei  von  Waners 
jüngst  erst  veröffentlichten  Jugend-Onvertlren, 
die  veräußerlicht  Beethovensche,  lirmendo  »Po- 
lonia*  und  die  durch  manche  Vorauadetitangen 
auf  den  späteren  »Holländer*-  und  »Rheiogold*- 
Schöpfer  interessierende  »Christoph  Colambns*- 
Ouvertüre  erklangen,  und  dieatimmadllgeMelatef^ 
Sängerin  Ellen  Gulbranson  die  Znbörorechaft 
mit  Isoldens  Liebestod  und  Brünnhildea  grofter 
Schlußszene  enthusiaamierte.  —  Die  mit  BetC- 
hovens  Trio-Serenade  op.  8  eingeleitete  finfte 
Gewandhaus-Kammermuaik  bracht»  weiter- 
hin das  rühmenswert  vorgetragene  c-moU  Streich- 
quartett von  Brahma  und  die  ErstaaflObrvBg 
einer  vom  mitanwesenden  Fürsten  Hoin- 
rich  XXIV  von  Reu ß  komponierten  MannakrtiH- 
Novität,  eines  Oktettes  op.  32  für  Klarinette, 
Hom,  Fagott  und  Streicherquintett,  das  über  alle 
vom  Autor  auch  an  dieaem  Werke  wieder  be- 
währte gediegene  Satzkunst  hinans  vomobmlicb 
mit  dem  distinguierten  Gedankenmateriale  der 
ersten  zwei  Sätze  ansprechen  mußte.  Ein  So- 
naten-Abend von  Bernhard  Steven  hegen  nnd 
Felix  Berber,  der  zwiachen  den  trtffUcfa  ana- 
geführten  Sonaten  in   C-dur  von  Motart  nnd 


123 
ERITIK:  KONZERT 


in  A-dur  (Krentzer-Sonate)  von  Beethoven  den 
blesigen  Musikfreunden  die  ganz  unterhaltsame 
Bekanntschaft  einer  b-moU  Sonate  op.  20  von 
Richard  Barth  vermittelte,  bildete  diesmal  das 
einiifo  kammermusikalische  Seitenstfick.  — 
Der  Leipziger  Lebrergesangverein  unter 
Hans  SItt  feierte  In  seinem  Wioterkonzerte  mit 
dem  Orctaestervorspiel  zur  ,,Loreley*  und  dem 
«Fritblof*  (Solisten  Hedwig  Kaufmann  und 
V.  d'Arnalle)  den  70.  Geburtstag  Max  Bruchs 
nach,  wiederholte  Volbachs  erinnerungsschweres 
Stimmungsbild  «Am  Siegfriedbrunnen*  und 
brachte  als  Neuheiten  Rudolf  Bucksverkfinstelte 
,WUde  Jagd*  und  zwei  hQbscbe  a  cappella-Cböre 
«Mein  Hüttlein  steht  im  Tannengrün*  und  »Die 
Pantoffeln**  von  Hugo  Kann.  —  Recht  großkünst- 
leriscb  hatten  Max  Reger  und  seine  jungen 
Singer  das  Winterfestkonzert  des  Universi- 
tits*Singervereins  zu  St  Pauli  ganz  auf 
die  Namen  Brahma  und  Wagner  gestellt,  und 
zwischen  der  ,,Akademi8chen  Festouvertüre* 
and  dem  »Meistersinger- Vorspiel*,  die  vom  Ge- 
wandhsusorcbester  unter  Regers  energievoll- 
Uarglledemder  Leitung  in  bester  Klaogplastik 
vorgeführt  wurden,  erklangen  von  Brahms  das 
durch  Heulierger  für  Minnercbor  und  Orchester 
bearbeitete  »Lied  vom  Herrn  von  Falkenstein*, 
die  Rhapsodie  mit  Altsolo,  die  a  cappella- 
Minnerchöre  »Geleit*,  »Marschieren*  und  »Sand- 
minnchen*  (letzteres  in  Bearbeitung  von  Kremser) 
und  die  von  einem  hoch  talentierten  jungen 
Midcben  (Edith  Albrecht)  überraschend  schön 

SMpleltea  »Variationen  über  ein  Thema  von 
indel*.  Dazu  steuerte  die  etwas  naturalistisch 
singende  Solistin  der  Rhapsodie,  Anoa  Erler- 
Schnaudt,  noch  einige  Sololieder  des  Meisters 
Johannes  bei.  Die  Pauliner  selbst  hatten  eigent- 
lich nicht  viel  zu  leisten,  vollbrachten  das  We- 
nige aber  auf  beste  Art  und  sind  jedenfalls  mit 
diesem  Brahms-Wagner  Konzerte  weit  von  der 
Uedertifler  Landstraße  abgebogen.  —  Dem  neuen 
Universititskirchen  Chore  unter  Kantor 
Hans  Hof  mann  muß  man  noch  einige  Reife- 
zeit lassen;  was  er  jetzt  schon  unter  unermüd- 
licher Mitwirkung  des  tüchtigen  Universitits- 
klrchenorganlsten  und  Choralkantatenkomponi- 
sten (»Herzlich  lieb  hab  ich  dich,  o  Herr*)  Ernst 
Müller,  der  Singerinnen  Martha  Wer  mann 
nnd  Lia  Stadtegger,  und^  der  Herren  Ge- 
wandhansmusiker Hugo  Hamann,  Edmund 
Heyneck  und  Johannes  Snoer  an  einem 
Sonntagnachmittagikonzerte  dargeboten  hat, 
schmeckte  bei  sehr  respektablem  Vollbringen  der 
meisten  Aufgaben  doch  allzusehr  nach  süßlicher 
DUettlererei.  —  In  langer  Reihe  zogen  die,  so 
den  Flügel  schlagen,  vorüber,  voraus  der  mit 
seinen  Vortrigen  noch  etwas  zwischen  Inhalt 
nnd  Form  eingeklemmte  ziemlich  virtuose  Spieler 
Richard  Goldschmied,  dann  der  etwas  genial- 
fahrlgsplelende  Richard  Burmeister,  der  sich 
der  Beteiligung  der  mit  einigen  sehr  wobl- 
gelungenen  Melodramvortrigen  («Fünf  Dich- 
tungen von  Ujeiski  über  Kompositionen  von 
C  hopln,  für  melodramatiachen  Vortrag  eingerichtet 
von  Richard  Burmeister,  und  Bürger^Liszts 
»Lenore*)  sensationell  wirkenden  Albertine 
Zehme  zu  erfreuen  hatte,  weiterhin  der  etwas 
drauljiingerlscbe  Vollblutvirtuose  Boris  Kamt- 
scbatofr,  der  talentvolle,  sich  künstlerisch- 
eigenpersdnllch    aber     auch    etwas    liederlich 


gebende  Oskar  Spring feld,  die  schönbegabte 
Stephanie  Barth,  die  Liszts  h-moli  Sonate  als 
Erlebnis  vorzutragen  und  zum  Erlebnis  zu 
machen  vermochte,  Ignaz  Friedman,  der  sein 
großes  technisches  Können  beim  Interpretieren 
zum  Verüben  unzihliger  Willkürakte  mißbraucht, 
Arthur  Rein  hold,  den  es  zu  oft  und  zu  früh 
in  die  Öffentlichkeit  binausdringt  und  der  — 
»unvorbereitet,  wie  er  sich  hat*,  —  ganz  unfertige 
Leistungen  sorglos  neben  einiges  Trefflich- Be- 
herrschte (so  jüngst  die  »B^nediction  de  Dien 
dans  la  solitude*)  stellt,  und  Anna  Böhm, 
deren  wobigebildetes  und  klangpoetisches  Spiel 
lebhaften  Beifall  gefunden  hat.  Mit  dem  immer 
noch  jungalten  Herzensstürmer  Pablo  de  Sara- 
sate  kam  seine  langjihrige,  bochscbirzungs- 
werte  Kunstgenossin  Berthe  Marx-Gold- 
schmidt zu  neuer  Ruhmesemte  hierher,  und 
als  sehr  beachtenswerter  junger  Geigenvirtuose 
hat  sich  J.  Mitnitzky  erweisen  können.  Sven 
Scholander  und  Ludwig  Wüllner,  denen 
beiden  der  Erfolg  linger  treu  bleibt  als  die 
Stimme,  siegten  neuerdings  durch  ihre  Kunst 
der  Ausdrucksdifferenzierung,  und  eine  an- 
genehme Ohr-  und  Seelenerfrischung  hatte  man 
den  vier  Schwestern  Val borg,  Sigrid,  Astrid 
und  Olga  Svirdström  zu  verdanken,  die 
allerdings  zarten  Kirchengesingen  von  Turlni 
und  Mozart  mit  ihrem  etwas  realistischen  plein  air- 
Singen  nicht  ganz  zu  entsprechen  vermögen, 
nordische  Kunstlieder  von  S.  v.  Koch  und  C..  M. 
Bellmann  und  allerlei  fröhliche  Volksliedlein  aber 
sogesundatmig  und  klangftisch  in  die  Luft  hinaus- 
schwellen machen,  daß  man  sich  wirklich  der 
Enge  des  Konzertsaales  entrückt  und  in  die  freie 
Natur  hinaus  versetzt  wihnen  könnte.  —  In  tun- 
licbster  Kürze  soll  nun  ein  reichlich  vier- 
wöchiger Abschnitt  des  Leipziger  Konzertlebens 
gewürdigt  sein,  und  so  beginne  ich  denn  mit  den 
am  27.  Februar,  5.,  12.  und  26.  Mirz  stattgehab- 
ten leuten  vier  Gewandhauskonzerten.  Da 
gab  es  im  19.,  das  ein  Chorkonzert  war,  Erst- 
aufführungen von  Theodor  Streichers  durch 
eine  gewisse  Stimmungseigenart  intereasieren- 
dem  Versuchsopus  »Miguons  Exequien*  und  von 
Hugo  Wolfs  durchaus  wirksamen  Geniewerken 
»Elfenlied*  und  »Der  Feuerreiter*,  wozu  dann 
noch  in  etwas  schwungloser  Wiedergabe  das 
»Schicksalslied*  von  Brahma  und  in  flüssiger  Re- 
produktion unter  besonders  ansprechender  soli- 
stischer Mitwirkung  des  Baritonisten  Alfred  Käse 
die  bis  auf  den  genialen  Satz  »Kommt  mit  Zacken, 
kommt  mit  Gabeln*  fadenscheinig  gewordene 
Mendelssobnsche  Kantate  »Die  erste  Walpurgis- 
nacht* erklangen.  Im  20.  umschlossen  Arthur 
N  i  k  i  s  c  h  s  feinzügige  Interpretationen  der  Mozart- 
schen  »Figaro*-Ouvertüre,  des  Salnt-Saönsschen 
Orchesterpoems  »Le  rouet  d'Omphale*  und  der 
Schubertschen  C-dur  Symphonie  sehr  beifillig 
aufgenommene  Lieder vortrige  Alfred  Käses. 
Das  21.  brachte  dem  vorzüglichen  Gastdirigenten, 
Generalmusikdirektor  Ernst  von  Schuch,  für 
sehr  schöne  Vorführungen  der  Haydnacben 
G-dur  Symphonie  (No.  13),  der  »Oberon*-Ouver- 
türe  und  der  Straußschen  Tondichtung  »Tod  und 
Verklirung*,  und  dem  mitwirkenden  aller- 
vortreiflichsten  Pianisten  Wilhelm  Backhaus 
für  die  vollkommene  Reproduktion  des  Beet- 
hovensctaen  Es-dur  Konzertes  stürmischen  Beifall, 
und  im  22.  ft>lgte  auf  Mozarts  g-moU  Symphonie 


124 
DIE  MUSIK  VII.  14. 


m 


nach  altem  Schlußbrauche  der  Gewandhaus- 
direktion Beethovens  »Neunte*,  deren  diesmalige 
Wiedergabe  unter  Arthur  Nilcisch  und  mit 
einem  in  den  Männerstimmen  vorzüglicheren 
Soloquartett  (Johanna  Dietz,  Agnes  Leyd- 
heclcer,  Jacques  Urlus  und  Alfred  Käse)  sich 
weder  im  Guten  noch  im  Schlimmen  wesentlich 
von  den  in  früheren  Jahren  stattgehabten 
repertoiregemlßen  Auffuhrungen  des  Kolossal- 
werkes unterschied.—  Die  sechste  Gewand- 
haus-Kammermusik der  Herren  Edgar 
Wollgandt,  Josef  Blümle,  Carl  Herrmann 
und  Julius  Kien  gel  hat  zwischen  der  im  Klavier- 
part durch  Max  Reger  ganz  außerordentlich 
schön  dargestellten  Brahmsschen  G-dur  Sonate 
für  Klavier  und  Violine  und  Beethovens 
respektabel  vorgeführtem  a-moll  Quartett  op.  132 
die  Uraufführung  eines  in  e-moll  stehenden, 
viersätzigen  Manuskripttrios  op.  102  von  Max 
Reger  gebracht,  einer  allerächtest-Regerschen 
Komposition,  die  mit  lebhaftem  Interesse  angehört 
und  mit  der  Forderung  ehier  Scherzo- Wieder- 
holung und  mehreren  Hervorrufen  des  Autors 
und  seiner  Mitinterpreten  aufgenommen  wurde, 
die  aber  doch  in  den  ersten  zwei  Sätzen  ein- 
heitlich geschlossenere  Tonsprache  und  in 
den  letzten  Sätzen  größere  Vornehmheit 
des  Gedankenmateriales  vermissen  ließ.  —  Die 
Böhmen,  die  nach  Absolvterung  ihrer  hiesigen 
fünf  Streichquartett- Abende  noch  ein  Extrakonzen 
gaben,  in  dem  auch  die  ausdrucksgewalcige 
Liedersängerin  Ottilie  Metzger  mitwirkte, 
enthusiasmierten  diesmal  mit  den  Quartetten 
in  D-dur  (aus  op.  76)  von  Haydn,  in  d-moll  von 
Dvoi^äk  und  in  C-dur  von  Beethoven.  —  Das 
von  Hans  Winderatein  dirigierte  zehnte  Phil- 
harmonische Konzert  begann  mit  der  Erst- 
aufführung von  Emanuel  Moors  lediglich  unter- 
haltsamen «Improvisationen  übet  ein  eigenes 
Thema  für  Orchester*  und  führte  zwischen  Violin- 
solis  des  voller  Reife  nahegekommenen  Franz 
vonVecsey  zu  einer  ziemlich  wohlgelingenden 
Reprise  der  Tschaikowsky'schen  f-moll  Sym- 
phonie, während  im  11.,  das  unter  Leitung  von 
Carl  Schroeder  stattAind,  eine  minderwertige 
Wiedergabe  der  Brahmsschen  F-dur  Symphonie 
und  eine  gute  Ausführung  der  ,,Euryanihe*- 
Ouvertüre  Vorträge  des  sich  an  Beethovens 
Es-dur  Konzert  und  Brahmsschen  Rhapsodieen 
mehr  als  Starkspieler  denn  als  Schönspieler 
bewährenden  Pianisten  Artur  Schnabel  um- 
rahmten. —  Gewissermaßen  herzerfreuend  be- 
rührte das  von  Hans  Winderstein  arrangierte 
und  teilweise  auch  geleitete  vierte  Orchester- 
Kammer-Konzert  mit  der  Bekanntgabe  einer 
sehr  anmutigen  «Sinfonietta  für  Flöte,  zwei 
Oboen,  zwei  Klarinetten,  zwei  Fagotte  und  zwei 
Homer*  von  Charles  Gounod  und  den  nach- 
folgenden schätzbaren  Reproduktionen  von 
Mozarts  Es-dur  Konzert  für  Violine  und  Viola, 
Beethovens  Septett  und  Haydns  Abschieds- 
Symphonie.  —  Eine  am  Bußtag  in  der  Thomas- 
kirche stattgehabte  Riedel- Vereins- Auf- 
führung des  Händeischen  i^Messias*,  bei  der  die 
Sopran-  und  Tenorsoli  von  Elisabeth  Blodgett 
und  Emil  Pinks  nicht  ganz  so  befriedigend 
schön  wirkten,  wie  die  Alt-  und  Baßsoli  von 
Adriennev.  Kraus-Otborne  und  Dr.  Felix  von 
Kraus»  Heß  an  der  trefflichen  Wiedergabe  der 
meltten  Chorsätze  and  an  dem  geschlosseneren 


Zusammenwirken  der  Singenden  und  der 
Instrumentalisten  erkennen,  daß  der  junge 
Vereinsdirigent  Josef  Fem  bau  r  ]r.  bereits  mehr 
in  Fühlung  mit  seinen  neuen  Aufgaben  und  mit 
dem  Ensemble  der  Mitwirkenden  gekommen 
war.  —  Im  Früh  Jahrskonzerte  des  von  Moritz 
Geidel  geleiteten  tüchtigen  Männergetan g* 
Vereins  Concordia,  in  dem  n.  a.  alt  wirksame 
Novitäten  ein  doppelchörlges  «Benedictut*  von 
R.  Succo,  «Jugend*  von  ThuillOy  ,,Tanzlied" 
von  Morley- Reger  und  «Frühlingsnetz*  von 
Gold  mark  erklungen  sind,  hat  Arthur  Fried- 
heim mit  dem  faszinierenden  Vortrage 
Chopinscher  und  Lisztscher  Kompositionen 
stürmischen  Beifall  hervorrufen  können.  — 
Als  vielgefeierte  Liedersängerinnen  folgten 
einander  mit  Volks-,  Tanz-  und  Klnderllede^ 
Abenden  die  feinsinnige  Susanne  Destoir  und 
die  anmutige  Helene  Staegemann,  während 
Philippine  Landshoff,  die  zu  Ludwig  Lands- 
hof fs  trefflicher  Begleitung  auf  einem  alten 
Streicherschen  Wiener  Klaviere  an  zwei 
Abenden  «Gedichte  Goethes  in  der  Musik  seiner 
Zeit*  und  «Geistliche  und  weltliche  Lieder  aus 
dem  18.  Jahrhundert*  zum  Vortrage  brachte, 
eigentlich  doch  nur  durch  die  Seltenheit  Ihrer 
Gaben,  nicht  aber  auch  mit  Ihrem  stimniich 
unvollkommenen  Singen  zu  befriedl^n  ver> 
mochte.  Manche  von  den  durch  das  Kfloitlerpaar 
Landshoff  neu  bekanntgegebenen  Kompo^tlonen 
—  so  insonderheit  einzelne  Lieder  von  Ph.  H. 
Erlebach,  Joh.  Adam  Peter  Schulz,  G.  Ph.  Tele- 
mann,  G.  Benda,  Fr.  W.  Rust,  W.  J.  Tomatebek 
und  Joh.  Fr.  Reichardt  —  verdienten  wahrlkli, 
zu  neuem  Leben  erweckt  zu  werden.  —  Guz 
unbefriedigt  ließ  das  Singen  von  Marie  Hanke» 
und  ihrer  Konzertpartnerin,  der  jungen  Gelgeria 
Adele  Stöcker,  sowie  auch  dem  mltbeteillmn, 
ulentbegabten  jungen  Komponisten  Friti 
Brun,  der  eine  selbstgemachte  d-moU-Smiate 
für  Klavier  und  Violine  vorführte,  hat  man  zu* 
nächst  die  Erlangung  größerer  Reife  zu  wQoscbea. 
— •  Die  junge  Meistergeigerin  Kathleen  Parlow 
begegnete  jubelnder  Aufnahme  auch  hei  ihren 
dritten  Konzert,  in  dem  die  mit  Talent  und 
Temperament  ausgerüstete,  aber  nodi  nicht 
ganz  dispositionslihige  Pianistin  Maria  ÄTani- 
Carreras  mitwirkte,  und  groß  war  die  Freude, 
mit  der  man  neuerdings  dem  adligen  Violln- 
spiel  Willy  Burmesters  lauschte,  in  dessen 
populärem  Konzerte  sich  der  tiegieiteDde 
Emeric  Stefaniai  mit  Solostücken  von  Uszt 
und  Chopin  als  interessierender  Pianist  erweiien 
konnte.  —  Der  warmtonige  Geiger  Alessandro 
CertanI  und  der  noch  allzu  äußerlich -▼irtaot 
spielende  Pianist  Alfred  Calzin  fesselten  sa 
ihrem  gemeinsam  veranstalteten  KaufliaasidieBde 
vornehmlich  mit  der  Vorführung  einiger  al^ 
italienischer  Sonatenkompositionen  von  Veradnl 
(darunter  eine  Manuskriptsonate  in  E^dnr.  be- 
arbeitet von  Respighi)  und  von  dessen  berfthm* 
terem  Zeitgenossen  Porpora.  —  Brutal  und  sSftlich 
zugleich  gab  sich  der  künstlerisch-unkuldvlc^ 
Klavierspieler  Waldemar  von  Grigorowitsch- 
Barsky,  —  vertrauenerweckend  mntetsdieder 
Meisterschaft  zustrebende  Klavierspieletin  Dslla 
Thal  an,  —  starke  Wirkungen  ersielte  disa^ 
etwas  zügellos  in  die  Tasten  stfimende  Ttfeslts 
Carrefio-Blols,  der  großen  Carrefio  tntait» 
und  temperamentgesegnete  Tochter,  nnd  Drttiad- 


125 
KRITIK:  KONZERT 


M 


lieh  sprach  das  wohlgehildete,  für  die  Ecksätze 
des  Tschaikowskyschen  b-moll  Konzertes  aller- 
dings nicht  genfigend  schwungkrifiige  Spiel 
Marie  Kaufmanns  an,  der  als  Leiter  des 
begleitenden  Winderstein-Orcbesters  und  als 
sehr  gewandter  Orchesterinterpret  einer  hüb- 
schen ,, Russischen  Lustspiel-Ouvertüre*  von 
Ivan  Knorr  und  der  Brahmsschen  »Variationen 
fiber  ein  Thema  von  Haydn*  ihr  vortrefflicher 
Lehrmeister  Carl  Priedberg  zur  Seite  stand.  — 
Fredertc  Lamond  überzeugte  mit  edlen  Dar- 
bietungen dreier  Klavierkonzerte  von  Brahms, 
Beethoven  und  Liszt  neuerdings  von  seiner 
schönen  Meisterschaft  und  seinem  hohen  Kunst- 
ernste  und  begegnete  auch  mit  der  Vorführung 
seiner  liebenswOrdigön  Ouvertüre  »Aus  den 
schottischen  Hochlanden*  einigem  Interesse. 
—  Mit  der  an  Eugen  d'Alberts  pianistiscbe 
BlQtezeit  gemahnenden  Vollkommenheit  und 
Schönheit  seines  Spieles  begeisterte  Wilhelm 
Backhaus,  der  in  einem  ersten  eigenen  Abende 
die  Klavierkonzerte  in  a-moll  von  Schumann, 
in  f-moU  von  Chopin  und  in  fls-moll  von 
Reinecke  zu  herrlichstem  Erklingen  brachte.  — 
Schließlich  ist  auch  der  funfundzwanzigjlhrigen 
Jubelfeier  zu  gedenken,  die  hier  das  am  18.  März 
1883  von  Kantor  Bruno  Roth  ig  gegründete 
»Soloquartett  für  Kirchengesang"  (Clara 
Röthig,  Else  Schneemann,  Bruno  Röthig 
und  Eugen  Tannewitz)  feiern  konnte,  nachdem 
es  mit  ca.  1200  geistlichen  Musiksufführungen 
das  deutsch-evangelische  Lied  durch  vier  Erd- 
teile getragen  und  damit  bereits  eine  Viertel- 
million Mark  für  Zwecke  der  christlichen  Liebes- 
titigkeit  ersungen  hat.  —  Eine  von  dem  Verleger 
Daniel  Rahter  vor  eingeladenem  Publikum 
veranstaltete  »42.  Musikalische  Ausstellung* 
vermittelte  den  Zuhörenden  die  Bekanntschaft 
mit  einigen  wertvollen  Gesängen  von  Walter 
Rabl  (»Passion*  und  »Schlafe,  ach  schlafe*), 
Willf  von  Moellendoiff  (»So  einer  war  auch  er,* 
»Steigende  Nebel*  und  »Die  schwarze  Laute*) 
und  Constanz  Bemeker  (»Vom  kühnen  Mtnstrel*). 

Arthur  Smolian 

MADRID:  In  der  nun  zur  Neige  gehenden 
Konzertsaison  hat  zweifelsohne  der  deutsche 
Künstler  Emil  Sauer  den  Vogel  abgeschossen. 
Hat  er  es  doch  fertig  gebracht,  in  drei  Konzerten, 
in  denen  nur  Klaviervorträge  zu  Gehör  gebracht 
wurden,  das  Teatro  de  la  Comedia  jedesmal  bis 
auf  den  letzten  Platz  zu  füllen.  Emil  Sauer 
fühlt  sich  nicht  nur  als  Virtuose,  sondern  auch 
als  Apostel,  der  den  Geist  unserer  großsn 
deutschen  Meister  ins  Ausland  tragen  will. 
Und  wenn  er  bei  diesem  löblichen  Werk  auch 
nicht  stets  vollem  Verständnis  begegnet,  so 
möge  er  bedenken,  daß  auch  Rom  nicht  an 
einem  Tage  erbaut  worden  ist,  und  daß  das, 
was  er  hier  und  anderwärts  ausgesäet,  doch  mit 
der  Zeit  Prüshte  tragen  wird.  Von  den  zahl- 
reichen Darbietungen  sagte  mir  persönlich  der 
stimmungsvolle  Voürag  der  Schumannschen 
Phantasie  (Op.  17)  am  meisten  zu.  —  Das 
Prances'sche  Quartett  hat  auch  in  diesem 
Jahre  vier  Kammermusik-Abende  veranstaltet, 
die  sich  dadurch  auszeichneten,  daß  auch  Werke 
moderner  spanischer  Komponisten  darin  erst- 
malig zur  AufTührung  gelangten.  Erwähnt  seien 
die  »Caprichos  romanticos*  von  Conrsdo 
del      Campo.      Das      Temperament      dieses 


intelligenten  und  strebsamen  Künstlers,  der  im 
Quartett  selbst  die  Viola  spielt  und  sich  schon 
mehrfach  in  Werken  dieser  Art  versucht  hat, 
ist  echt  spanisch,  d.  h.  durch  und  durch 
romantisch.  Das  Weh,  für  das  es  keinen  Trost 
gibt,  und  der  Pessimismus,  der  im  Leben  nur 
Schmerz  und  bittere,  verzweifelte  Tränen  kennt, 
finden  in  ihm  einen  beredten  Interpreten.  Denn 
seine  Seele  empfindet  nun  einmal  so  und  ergeht 
sich  am  liebsten  in  den  Formen  schwermuts- 
voller Poesie.  Kein  Wunder,  daß  er  sich  von 
der  Lyrik  Becquer's  mächtig  angezogen  fühlt. 
Von  ihr  hat  er  sich  denn  auch  bei  diesen 
Caprichos  inspirieren  lassen,  von  denen  vor 
allem  der  etwas  phantastisch  angehauchte  zweite 
Satz  den  größten  Beifall  erntete.  Bei  einigen 
Kürzungen  —  um  das  richtige  Gleichgewicht  ber- 
zustellen  — ließe  sich  das  Werk  sehr  wohl  auch  mal 
in  Deutschland,  gewissermaßen  als  Probe  dessen, 
was  man  zur  Zeit  in  Spanien  auf  diesem  Gebiet 
leistet,  aufführen.  —  Der  Erfolg  dieser  Quartett- 
geselischaft  hat  einige  eifrige  Kunstjünger,  erste 
Preise  des  Konservatoriums,  veraniaßr,  sich  zu 
einem  neuen  Quartett  unter  der  Leitung  des 
Violinisten  Vela  zusammenzutun.  Frische, 
Kraft  und  Natürlichkeit  des  Ausdrucks,  treff- 
liches Zusammenspiel  und  trotz  der  Jugend  der 
Mitwirkenden  eine  echt  künstlerische  Auffassung 
erwecken  die  Hoffnung,  daß  von  dieser  Ver- 
einigung für  das  musikalische  Leben  Madrids 
noch  hervorragendes  zu  erwarten  ist,  denn 
nichts  ist  bekanntlich  mehr  geeignet,  den 
Geschmack  des  Publikums  zu  heben,  als  die 
Kammermusikwerke  der  großen  Meister.  —  In 
diesem  Monat  stehen  uns  sechs  Symphonie- 
konzerte unter  Leitung  von  Arbös  bevor,  der 
u.  a.  als  Neuheit  einige  spanische  Kompositionen 
von  Villar,  Arragui  und  Lavifka,  sowie  »Tod 
und    Verklärung*    von    Strauß    bringen    wird. 

F.  Matthes 

MÖNCHEN:  Man  möchte  so  gern,  um  jede 
denkbare  Ungerechtigkeit  zu  vermeiden, 
alle  berücksichtigen,  die  unsere  Konzertsäle  mit 
Musik,  aber  nicht  mit  Publikum  füllen.  Unmög- 
lich. Ein  Klaviertalent  allerersten  Ranges  lernte 
man  in  Wilhelm  Backhaus  kennen;die  Leichtig- 
keit seiner  Hände  ist  fabelhaft;  Brahms'  Paganini- 
Variationen  und  Chopin  gelangen  wundervoll; 
seine  Beethoven* Interpretation  ließ  kalt.  Eine 
sehr  hoffnungsvolle  Begabung  zeigte  sich  auch 
in  einem  der  Kaimschen  Volks-Symphonie- 
Konzerte  in  Emmy  Braun;  ihre  Technik  ist 
für  ihre  Jugend  schon  ganz  ausgezeichnet  ent- 
wickelt. An  Klavierabenden  war  auch  sonst  kein 
Mangel.  Paul  Goldschmidt,  Rösler,  Boris 
Kamtschatoff,J.  C.  Mynotti,  E.  Bach,Mabel 
Martin,  Ernst  Riemann,  vor  allem  aber  der 
feinsinnige  Gabrilowitsch,  der  immer  inter- 
essante Lamond,  und  Dohnänyi,  der  Besten 
einer,  blieben  mir  in  meist  angenehmer  Erinne- 
rung. Die  Schwestern  Adamian  (Baku)  musi- 
zieren auf  zwei  Flügeln  recht  nett  und  sauber, 
ohne  aber  tiefere  Anteilnahme  zu  erregen.  — 
Stürmischen  Erfolg  hatte  wieder  Felix  v.  Kraus 
mit  altitalienischen  Gesängen  und  Schumann- 
liedem,  von  Felix  Mottl  meisterlich  begleitet. 
Sehr  freundliche  Eindrücke  vermittelte  endlich 
auch  Hella  Rentsch -Sauer  (Sopran),  nicht  min- 
der an  zwei  Abenden  Karl  Götz,  der  seinen 
wohlgebildeten,  klangvollen  Bariton  in  den  Diens 


126 
DIB  MUSIK  VII.  14. 


anregender  Programme  stellte;  neben  seltener 
geborten  Franzseben  Liedern  brachte  er  u.  a. 
teilweise  sebr  anmutende  Proben  aus  den  Volks- 
tonbefren  der  ,,Wocbe".       Dr.  Eduard  Wabl 

PARIS:  Im  zweiten  Konzert  Lamoureux,  das 
Fritz  Steinbacb  zu  leiten  hatte,  war  er 
noch  mehr  Babobrecber,  als  im  ersten,  denn 
er  vermittelte  die  erste  Bekanntschaft  des 
Pariser  Publikums  mit  Max  Reger,  dessen 
Variationen  und  Fuge  Ober  ein  Thema  Job.  Adam 
Htllers  er  mit  Kraft  und  Feuer  zur  Ausführung 
brachte.  Dem  Komponisten  ging  der  Ruf  voraus, 
daß  er  zwar  in  Deutschland  bereits  eine  hohe 
Bedeutung  erlangt  habe,  daß  er  aber  auch  als 
grund«>ätzlicber  Gegner  Wagners  und  Richard 
Sirauß'  angesehen  werde.  -  Das  genügte,  um  In 
Paris,  wo  Strauß  als  der  einzige  große  Komponist 
Deutschlands  seit  Wagner  gilt,  Mißtrauen  zu 
sien.  Das  Konzert  war  denn  auch  Verhältnis- 
mißig  schlecht  besucht,  und  das  neue  Werk 
wurde  nur  wenig  beklatscht.  Pfiffe  mischten 
sich  ein.  Die  Beifallsspender  suchten  dagegen 
zu  reagieren,  aber  schließlich  blieb  doch  den 
Pfeifecn  das  letzte  Wort  —  oder  vielmehr  der 
letzte  Ton.  Die  Kritik  fand  diesen  Mißerfolg 
verdient,  weil  Reger  aus  einem  sehr  unbe- 
deutenden Thema  zu  schwere  und  vor  allem 
viel  zu  lange  Folgen  gezogen  habe.  Dem  Vor- 
wurf der  Länge  war  Gbrigens  Steinbach  schon 
zum  voraus  durch  die  Auslassung  zweier 
Vanationen  begegnet,  so  daß  diese  Klage  wenig 
begründet  war.  Die  Wahrheit  ist  die,  daß  die 
Franzosen  immer  große  MOhe  haben,  sich  in 
Musik  zu  finden,  die  nur  Musik  sein  will. 
Rogers  erstaunlich  polyphonisches  und  auch  in 
der  Instrumentation  abwechslungsreiches  und 
interessantes  Werk  bitte  ihnen  als  Programm- 
musik, etwa  unter  dem  nicht  unpassenden  Titel 
»Der  überwundene  Biedermeier*  vorgesetzt 
werden  müssen,  dann  wire  der  Erfolg  sicher 
viel  besser  gewesen.  Als  eigene  bescheidene 
Gabe  ließ  Steinbacb  außerdem  sechs  von  ihm 
selbst  neuinstrumentieneTinze Mozarts  hören. 
Im  letzten  hat  er  die  Scblittenglocken  durch 
wirkliebe  Glockenbinder  ausführen  lassen.  Das 
fanden  nun  wieder  Publikum  und  Kritik  als  frivol 
in  einem  ernsten  Konzert.  Den  Schluß  bildete 
die  in  Paris  wegen  ihrer  Länge  selten  gegebene 
C-dur  Symphonie  Schuberts,  der  Steinbach 
durch  einige  nicht  vorgeschriebene,  aber  gut 
angebrachte  Beschleunigungen  einen  neuen 
Reiz  verlieh.  Eine  Probe  mehr  hätte  freilich 
auch  nichts  geschadet.  —  Um  hinter  Chevillard- 
Lamoureux  und  Sechiari  nicht  zurückzubleiben, 
die  im  Saale  Gaveau  über  eine  vorzügliche 
Orgel  verfugen,  die  freilich  bis  jetzt  am  meisten 
der  Bachgesellschaft  zugute  gekommen  ist,  bat 
sich  nun  auch  Colonne  im  Chätelet  eine 
große  Orgel  zugelegt.  Da  aber  die  Feerie  immer 
noch  dieses  Haus  allabendlich  beherrscht  und 
das  Konzert  hier  nur  geduldet  ist,  so  mußte  sich 
Colon  ne  mit  einer  beweglichen  Orgel  begnügen. 
Cavaill6-Coll  haben  es  übrigens  fertiggebracht, 
diesem  Instrument  musikalisch  alles  zu  geben, 
was  man  von  einer  großen  Orgel  verlangen  kann. 
Nur  die  übliche  Omamentierung  fehlt.  Eingeweiht 
wurde  das  neue  Instrument  mit  der  bekannten 
c-moll  Symphonie  von  Saint-SaCns,  in  der  im 
Andante  die  Orgel  und  im  Finale  ein  mit  vier 
Hinden  bearbeitetes  Klavier  eingreift,  ohne  den 


Wert  der  übrigens  achtungswerten  Kompositloa 
sonderlich  zu  erhöhen.  Noch  mehr  zeigt»  es 
sich  freilich  in  einer  Phantasie  für  Orsel,  Klarier 
und  Orchester  von  P6rilbou,  daß  sich  die 
Orgel  eben  doch  viel  weniger,  alt  das  Klavier, 
zu  einer  innigen  Verbindung  mit  dem  Orchester 
eignet,  weil  sie  zu  sehr  ein  Orchester  für  sidh 
ist.  Händel,  dessen  Werke  für  Orgel  und 
Orchester  populär  geblieben  sind,  bat  sich  meist 
mit  einem  abwechselnden  Nacheinander  be- 
gnügt. —  Im  Konzert  Lamoureaz  ließ  sich 
Chevillard  am  9.  Februar  durch  den  neuen 
Direktor  der  Großen  Oper^  Andr6  Messager, 
vertreten.  Soll  man  daraus  schließen,  daß  dieser 
die  wahre  Arbeit  seines  neuen  Amtss  gsni 
seinem  Kollegen  Broussan  überliflt?  JedenfUls 
zeigte  er  in  der  d-moll  Symphonie  Franck's, 
daß  er  das  Werk  und  die  Proben  ernst  fenag 
genommen  hatte.  Eine  der  Entstehung  nach 
schon  ziemlich  alte  Neuheit  dieses  Konserts 
war  das  kurz  gehaltene  cis-moll  Klavlerkonsert 
von  Rimsky-Korssakow,dessen  Stirke  jeden- 
falls nicht  auf  dem  Gebiete  der  absoluten 
Musik  zu  suchen  ist.  Das  henrorrsgende  Spiel 
von  Ricardo  Vines  konnte  darüber  nicht  hte- 
wegtäuschen.  —  Großen  Zulauf  und  Erfolg  hatte 
der  Geiger  Enesco,  der  im  Saale  Gsveau  mit 
dem  verkleinerten  Colonne-Orchester  bloß  diel 
Konzerte  von  Bach,  Mozart  (das  neu  entdeckte) 
und  Beethoven  spielte.  Obschon  Enesco  sucli 
als  Komponist  sehr  tätig  Ist,  hat  er  doch,  wie 
namentlich  die  zugegebenen  Kadenzen  bewiesen, 
seine  Technik  noch  mehr  vervollkommnet  und 
sich  namentlich  einen  reizenden  Triller  ange- 
wöhnt.— Das  Liederkonzert)  für  das  bis  jetzt  Paris 
ein  sehr  schlechtes  Feld  war,  scheint  sich  nun 
ebenftills  hier  einzubürgern.  Der  Saal  der 
Agriculteurs  war  bis  auf  den  letzten  Plats  ge- 
füllt, um  Joanne  Raunay-Beaunier  zu  hören, 
die  unter  Begleitung  des  Meisters  Faurd  lier- 
undzwanzig  Lieder  dieses  feinfühligen  Ton- 
setzers  mit  dem  zutreffendsten  Ausdruck  Ter- 
trug.  Da  Verlaine  dem  Komponisten  die  meisten 
und  zusagendsten  Texte  geliefert  hat,  so  wurde 
der  Gesang  durch  einen  Vortrag  des  Kritikers 
Beaunier,  des  Gatten  der  Sängerin,  fil>er  den 
unglücklichen  Dichter  angemessen  unterbrochen. 
Beaunier  fand  sich  veranlaßt,  dabei  des  be- 
rühmte Gedicht  „Clair  de  Lune*  herzusagen, 
und,  obschon  er  durchaus  kein  Deklamator  vom 
Fach  ist,  verstand  man  die  Worte  doch  tIoI 
besser,  als  im  vorausgegangenen  Gesang.  Die 
ungenügende  Textaussprache  Ist  eben  immer 
noch  ein  Hauptfehler  der  fhinzösischen  Singer 
und  noch  mehr  der  Siiigerlnnen.  —  Die  nnsge- 
zeichnete,  stets  auf  neue  Taten  bedachte  Pianistin 
Blanche  Selva  machte  in  ihrem  letzten  Konzert 
bei  Pleyel  ihre  zahlreichen  und  dankbaren  Zu- 
hörer mit  einem  neuen  Werke  Vincent  d'lndy's, 
einer  ihr  gewidmeten  Klaviersonate  in  E-dur,  be- 
kannt, die  sich  an  die  klassische  Einteilung  hilt, 
aber  im  einzelnen  sehr  frei  bewegt.  —  Allen 
Brahma  Verächtern  zum  Trotz  bat  Armand 
Parentauf  das  Programm  seiner  Kammermusik« 
konzerte  sämtliche  Werke  dieser  Gattung  g^ 
setzt,  die  Brahma  je  geschrieben,  ohne  eine 
Abonnentenflucht  zu  erzeugen.  Ganz  im  Gegen- 
teil. Ein  anderes  Beispiel  von  systematischer 
Beharrlichkeit  hat  die  Pianistin  Frau  Riss- 
Arbo  au   gegeben,   indem   sie  In   sechsi  Kon- 


127 
KRITIK:  KONZERT 


zerteil  den  ganzen  Chopin  abwickelte.  Auch 
•ie  fiand  ein  gleich  beharrlichea  Publikum.  — 
Einen  ungewöhnlich  günstigen  Empfang  bereitete 
das  Publikum  des  Konzerts  Colonne  einer 
neaen  Symphonie  in  F*dur  des  bis  jetzt  nur 
als  Organist  der  Madeleine  bekannten  Henri 
Dalli  er.  Seine  Symphonie  entspricht  ungefihr 
der  neoklassischen  Norm  von  C6sar  Franck,  hat 
aber  von  Saint-Saöns  die  Verbindung  von  je  zwei 
Sitzen  entlehnt.  Geschickte  Abwechslung  von 
WSrde  und  Heiterkeit  ist  der  Grundzug.  Dallier 
weiß  genau,  welche  einfachen  Tongruppen  als 
Motive  des  symphonischen  Gewebes  am  zweck- 
miiUgsten  sind,  und  handhabt  namentlich  die 
Blasinstrumente  vorzQglich.  Er  begnügt  sich 
mit  dem  klassischen  Orchester  ohne  Harfe, 
Orgel,  Klarier  oder  sonstige  moderne  Zutaten. 
Er  bat  jedenfalls  seinen  Erfolg  mit  den  recht- 
schaffensten Mitteln  errungen.  Im  gleichen 
Konzert  erschien  als  relativ  neu  das  Konzert 
von  Brahma  für  Geige  und  Cello,  vonThibaud 
and  Ca s als  vorgetragen.  Casals  fand  sich 
überraschend  gut  in  den  polternden,  echt  ger- 
manischen Humor,  den  Brahma  hier  dem  Cello 
zttwetot,  und  Thibaud  lieferte  einen  möglichst 
sfißeo  Kontrast  dazu.  Das  Publikum  war  ent- 
zfickr.  Ungnidig  war  ea  bloß  gegen  die  Sängerin 
Georgette  Leblanc,  die  in  der  berühmten  Arie 
»Trittes  appröft*  ans  Rameau's  ,,Castor  und 
Pollnx*  and  in  einigen  m3rstisch  angehauchten, 
zn  aofflUIig  orchestrierten  Liedern  von  Gabriel 
Fahre  ein  achadhaftes  Organ  durch  Theater- 
manieren  za  verdecken  auchte.  Am  23.  Februar 
brachte  Colonne  wieder  zwei  bedeutende  Neuig- 
keiten. Arthur  Coquard,  dessen  volkstümlich 
sentimentale  »Troupe  Jolicoeur"  in  der  Komischen 
Oper  vor  drei  Jahren  einigen  Erfolg  fand,  ließ 
in  diesem  Konzert  den  Schlußakt  einer  ganz 
andera  gearteten  Oper  »Omca*  ausführen,  in  dem 
AnuD,  ein  armenischer  Volksbegiücker  alter  Zeit, 
wie  ein  Prometheus  bestraft  und  auf  seinem 
Felsen  von  der  an  ihn  glaubenden  Jungfrau 
Omca  getröstet  wird.  Coquard  hat  nicht  nur 
den  Plan  seiner  Apotheose  Wagner  entlehnt, 
sondern  anch  sein  Leiimotivsystem.  Der  »Peuer- 
zattl>er*  hat  auch  ziemlich  direkt  auf  ihn  ein- 
gewirkt. Das  hindert  aber  nicht,  daß  die  Arbeit 
wirklich  Beachtung  verdient  und  das  Anhören 
dieses  einen  Aktes  den  Wunsch,  das  Ganze 
anf  der  Bühne  zu  sehen,  rege  macht.  Frau 
Grandjean  und  der  Tenorist  Muratore  von 
der  Großen  Oper  erwarben  sich  ebenso  großes 
Verdienst  am  den  Vortrag,  wie  Colonne  und 
sein  Orchester.  Die  andere  Neuheit  war  ein 
Noctame  für  Orchester  und  Klavier  von  Jean 
Hnrö.  Das  von  der  Harfe  und  dem  Celesta- 
Harmonium  onteratütste  Klavier  bildet  da  den 
»idealistiachen  Gegensatz*  zu  dem  i^qualvoll 
suchenden*  Orchester,  aber  dieses  im  Programm 
angegebene  Thema  kommt  bei  der  Ausführung 
nicht  genug  zur  Geltung.  Daa  Ganze  bleibt 
konfha,  obschon  Hnr6,  der  nebenbei  ein  starker 
Theoretiker  ist,  im  Programm  mitteilt,  daß  von 
2X  Takten  83  in  e-moll  und  55  in  dem  eng 
verwandten  G-dur  stehen.    Glücklicher  Mann! 


Er  kann  sich  trotz  aller  Chromatik  darüber 
Rechenschaft  geben,  ob  er  in  Dur  oder  in  Moll 
schreibt!  Der  Russe  Kussewitzki  erfreute  und 
überraschte  noch  mehr  im  gleichen  Konzert 
durch  den  Vortrag  eines  Fagottkonzertes  von 
Mozart  auf  dem  Kontrabaß,  der  freilich  nur  in 
einigen  wenigen  Baßnoten  eine  gewtße  Ober- 
legenheit  gegenüber  dem  Cello  dartun  konnte. 
—  Im  Konzert  Sechiari  wirkte  am  19.  Februar 
Ferruccio  Busoni  mit,  well  man  ihm  ver- 
sprochen hatte,  eine  große  Komposition  von  ihm 
für  Klavier,  Orchester  und  Chor  zur  Aufführung 
zu  bringen,  aber  die  Proben  mit  dem  Chor 
fielen  so  schlecht  aus,  daß  im  letzten  Moment 
Busoni  das  d-moll  Klavierkonzert  von  Mozart 
an  die  Stelle  setzte,  daa  leider  unter  diesen 
Umständen  sehr  improvisiert  zu  Gehör  kam. 
Der  Chor  wurde  immerhin  für  den  erstmaligen 
Vortrag  von  Brahms*  Rhapsodie  für  Altsolo  und 
Chor  sehr  glücklich  verwendet,  und  Busoni  hielt 
sich  an  Liszt  schadlos.  —  Der  russische  Pianist 
Marcian  Thal  borg  spielte  in  einem  eigenen 
Konzert  die  selten  gehörte  und  nur  stellenweise 
interessante  Dantephantasie  von  Liszt  mit  gutem 
Erfolg.  Daneben  stellte  er  als  scharfen  Kontrast 
die  sieben  ersten  Bagatellen  Beethovens,  die 
übrigens  trotz  aller  Einfachheit  die  Öffentlichkeit 
sehr  gut  vertragen.  —  Der  Lütticher  Gelger 
Joseph  Debroux,  der  von  allen  Meistern  dieaes 
Instruments  wohl  daa  auagedehnteate  Reper- 
torium  besitzt,  enthüllte  auch  dieamal  wieder  in 
zwei  interessanten  Konzerten  mehrere  Werke 
der  altfranzöaischen  Geigenschule,  ohne  die 
Modernen  deswegen  zu  vernachlissigen.  Der 
von  Barth  bearbeitete  sechste  slavische  Tanz  von 
Dvorak  gelang  ihm  besonders  gut.  —  Madeleine 
Trelli,  zugleich  Pianistin  und  Sängerin,  spielte 
mit  dem  Geiger  Capet  zusammen  eine  neue 
Sonate  dieaea  Künstlers,  deren  gesangvolles 
Adagio  sehr  ansprach.  Pikant  waren  die  vier 
Meisterporträts  für  Klavier,  in  denen  Pierre 
de  Br6ville  mit  schuldigem  Respekt  Faur6, 
d'Iody,  Cbausson  und  Franck  imitiert  hat. 

Felix  Vogt 

WEIMAR:  Der  Liederabend  von  Isabel 
Stuckey  unter  pianiatischer  Mitwirkung 
von  Maria  Pembaur  befriedigte  in  keiner 
Weise.  Solche  unfertige  Darbietungen  gehören 
nicht  in  den  anspruchsvollen  Rahmen  des 
Konzertsaals.  Ebensowenig  die  ja  an  sich  ganz 
reizenden,  zum  Teil  einzigartigen  Vorträge  Laura 
von  Wolzogena,  die  in  rafflnierteater  Weise 
entzückende  Proben  ihrer  Kabarettkunst  ablegte. 
Nur  die  monotone  Lautenbegleitung  wiikte  er- 
müdend.—  Den  übrigen  Veranstaltungen:  dritter 
Kammermusikabend  dea  Kraaselt-Quartetts 
(Schuberts  C-dur  Quintett),  einem  Liederabend 
von  Agnea  Stavenhagen  unter  Mitwirkung 
dea  Pianisten  Riemann  aowie  dem  zweiten 
Abonnementskonzert  der  Hofka pelle  unter 
Raab  es  Leitung  (Beethoven:  c-moll  Symphonie, 
Weingartner:  Serenade  für  Streichorcbeater, 
Brahms:  Rhapsodie  für  Altsolo,  Männerchor  und 
Orchester)  konnte  ich  leider  krankheitshalber 
nicht  beiwohnen.  Carl  Rorich 


1H*\ 


Tir  beginnen  mit  einem  Blatt,  das  des  gewählten  Vorwurfe  wegen  des  Interesses 
unserer  Leser  sicher  sein  dürfte:  der  Ansicht  des  Geburtshauses  Palestrins's,  des 
größten  Meisters  der  katholischen  Kirche,  in  Palestrina  (dem  alten  Prineste),  nach  einer 
Zeichnung  von  Julie  v.  d.  Lage,  Berlin  W.  50,  Tauen tzienstraße  9.  Frau  v,  d.  Lage,  die 
uns  mitzuteilen  bittet,  daß  bei  ihr  Originaldrucke  der  Abbildung  kiufllch  zu  erwerben 
sind,  verdanken  wir  folgende  Erläuterungen  zu  der  Zeichnung:  Nel  fabbricato  intemo 
di  questa  casa  Nacque  ed  abitö  Giovanni  Pierluigi,  Principe  della  musica.  (In  dem  Inneren 
Gebäude  dieses  Hauses  wurde  geboren  und  lebte  Giovanni  Pierluigi,  der  Fürst  der  Musik.) 
So  lautet  die  Inschrift  an  dem  äußeren  Torbogen,  der  den  Eingang  lu  diesen  halb  ver- 
fallenen Baulichkeiten  bildet.  Der  stattliche  Rundbogen  über  den  steinernen  Pfeilern 
hat  wohl  bessere  Tage  gekannt  und  war  schwerlich  immer  dazu  bestimmt,  Kühe  und 
Schafe  hier  ein-  und  ausgehen  zu  sehen.  Ob  niemals  mehr  als  ein  Fenster  neben  der 
Doppeltür  am  Ausgange  der  Treppe  war,  entzieht  sich  unserer  Vahmehmuag,  doch  Ist 
jetzt  das  obere  Stockwerk,  sowie  der  Bodenraum  nach  vom  vollkommen  offen.  Der 
Raum  vor  dieser  Wohnung  Palestrins's,  wie  Pierluigi  später  genannt  wurde,  ist  so  eng,  daß 
keinephoiographischen  Aufnahmen  gemacht  werden  kSnnen,  und  ich  mußte  so  dicht  vordem 
Bogen  sitzen,  daß  die  inneren  Baikenlagen  des  Daches  und  der  Decke  des  ersten  Stockes 
in  fast  unwahrscheinlicher  Verkürzung  sich  zeigten.  Eine  Menge  Kinder  hatten  sich 
selbstverständlich  um  mich  geschaart  und  belästigten  mich  sehr,  aber  ein  halbwüchsiger 
Junge  warf  sich  zu  meinem  Beschützer  auf.  „Ich  bin  der  Herr  des  Hauses",  sagte  er 
stolz,  „und  Ihr  dürft  die  signora  auf  meinem  Grund  und  Boden  nicht  stören.'  So  war 
es  möglich,  die  Zeichnung  zu  vollenden. 

Das  Bild  von  Pauline  Lucca  gehört  zum  Gedenkartikel  von  Max  Kadisch.  Es 
statnmt  aus  dem  Anfang  der  60er  Jahre,  also  aus  der  Zeit,  als  die  gefeierte  Künstlerin 
Mitglied  der  Berliner  Hofoper  war. 

Es  folgt  eine  Abbildung  des  unlängst  ein  Raub  der  Flammen  gewordenen 
Meining'-r  Hoftheaters,  von  dem  aus  die  „Meininger"  seineneit  ihren  Siegesiug  durch 
so  viele  Länder  angetreten  haben  Das  kleine,  freundlich  snbelmelnde  Haus  mh  der 
geräumigen,  für  große  Massenvorstellungen  geeigneten  Bühne,  wurde  am  17.  Dezemberl831 
eröffnet  und  bot  750  Personen  Platz. 

Dem  Essay  Paul  Marsops  im  vorliegenden  Heft  fügen  wir  ein  Portrilt  Arlnro 
Toscanini's  bei. 

Der  Ausschuß  für  das  in  Wien  zu  errichtende  Denkmal  für  Johann  Strauß 
hat  sich  für  den  von  Prof  Edmund  Hettmer  hergestellten  Entwurf  entschieden,  den 
wir  heute  im  Bilde  vorführen.  Im  Mittelpunkt  steht  die  Figur  des  volkstümlichen 
Meisters  in  jüngeren  Jahren,  umgehen  von  einem  ungrmein  wirkungsvollen  Reigen,  der 
Strautl'  Musik  symbolisiert.  Vorn  lauschen  das  „Don  au  weih  eben"  und  der  HR>l>ni«nn' 
den  wundersamen  Klängen.  Das  Denkmal  ist  für  den  Viener  Stadtpark  bestimmt.  £s 
wird  7,50  m  hoch  und  10  m  breit  und  wird  aus  Siebenbürger  Msrmor  hergestellt  Die 
HauptHgur  wird  in  Bronze  gegossen  und  matt  vergoldet.  Vien  wird  also  in  absehbarer 
Zeit  eines  der  schönsten  und   eigenartigsten  Denkmäler  der  Neuzeit  haben. 

Den  Beschluß  bildet  das  Porträt  des  berühmten  Bühnensängers  Anton  Mltter- 
wurzer  (geboren  12.  April  ISIS  zu  Sterling  in  Tirol).  Der  besonders  in  den  Opern 
Marschners  und  Vagners  hervorragende  Bariton  war  von  1839—1870  Mitglied  der  Dres- 
dener Hofoper.  In  der  soeben  bei  Schuster  &  Loelfler  erschienenen  Briefpuhllkation 
„Richard  Wagner  an  Minna  Wagner"  schreibt  der  Bsyreuther  Meister  (Bd.  11,  S.  130) 
über  den  Sänger:  „Wahrhaft  erquickt  hat  mich,  was  Du  über  Mitterwuner  schreibst 
denn  Ich  halte  diesen  nun  einmal  für  den  eigentlich  talentvollsten  und  mir  am  nächsten 
stehenden  unter  allen  mir  bekannten  Sängern". 

Diesem  Hefte  liegt   ferner  bei  das    Exlibris    zum  27.  Quarulsband  der  .Musik'. 

Nicbdruck  our  mir  ■uidrückllchcr  Erliabnli  d«  VerJa(ci  feititicl 

Alle  Rechte,  [n*beM>nden  du  der  ObcrienunE,  vorbchiliea 

VenBiwonllchcr  Schritilttrer:  Kipcllmeluer  Bcnibird  Schuirer,  Berlin  V.  5T,  BBIowtlr.  1071. 


DAS   GEBURTSHAUS   PALESTRINA'S 
nach  einer  Zeichnung  von  Julie  v.  d.  Lage 


PAULENE  LUCCA 
t  28.  Februar  1908 


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DAS  ABGEBRANNTE  MEININGER  HOFTHEATER 


ARTURO  TOSCANINl 


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ANTON  MITTEBWURZEB 
«  12.  Aprir  1818 


EXLIBRIS 

für  den  3.  QuirulBband  des  VII.  Jahrgangs 
Bsnd  27  der  MUSIK 


DIE  MUSIK      - 


MODERNE  TONSETZER 
HEFTS 


Das  Wahre  und    Echte  scheint,   ftls  wenn 
es   so   sein   müßte   und  nicht  anders  sein 
könnte.     Sncht    nach    Originalität    ist    ge- 
lehrter, grober  Egoismus. 


VII.  JAHR  1907/1908  HEFT  15 

Erstes  Maiheft 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 
Verlegt  bei  Schuster  &  Loeffler 
Berlin  W.  57,    Bülowstrasse  »07 


CARL  GOLDMARK 

EINE  SKIZZE 
voa  Richard  v.  Perger-Viea 


I.  Allgemeines 

"^ebt  euch  keine  Mfihe,  ihr  seriösen  deulscben  Opernkomponisten 
^  der  Gegenwirt,  und,  wenn  schon  geschrieben  werden  muS, 
I  bleibt  doch  mit  euren  Partituren  hübsch  zu  Hause.  Tagner 
I  erdrückt  euch  alle,  und  was  ihr  uns  kredenzen  wollt,  sind 
entweder  zweite  und  dritte  Abgüsse  von  seinem  Zauberkraut  oder  klassiscb- 
romantisches  Zuckerwasser.  Spart  also  Papier  und  Tinte  und  verleitet 
nicht  Direktoren,  Singer  und  Kapellmeister  zum  zwecklosen  Experimentieren  I* 
Diesen  Mahnruf  bekam  man  vor  nicht  zu  langer  Zeit  mehr  als  nur 
einmal  zu  hören,  und  es  war  auch  ein  Körnchen  Wahrheit  darin.  Das 
strahlende  Licht  von  Bayreuth  lockte  ungeziblte  Schmetterlinge  an, 
die  sich  daran  die  Flügel  versengten  und  nach  kurzem  Dasein  in  den 
Abgrund  der  Vergessenheit  stürzten;  ja,  selbst  in  unseren  Tagen  gibt  es 
Immer  noch  derartige  Unßlle  zu  verzeichnen.  Das  Paradies,  das  sich 
Tagner  durch  die  Verwirklichung  seines  Kunstideals  geschaffen,  hat 
nJbnlich  auch  seine  Erbsünde:  die  Unterjochung  der  Singstimme  unter 
das  alleinherrschende  Orchester  und  die  damit  verbundene  Vertreibung 
des  Kunstgesangs  von  der  Bühne.  Aber  ebenso,  wie  nach  dem  kirchlichen 
Dogma  der  Stammvater  des  Menschengeschlechts  schlie&lich  zur  Verherr- 
lichung gelangt  ist,  müssen  wir  auch  Tagner,  als  dem  Adam  der  modernen 
Mn^kdramatlker,  eine  solche  rückhaltlos  zuteil  werden  lassen;  was  sich  aber 
sein  Genie  erlauben  durfte,  ist  für  geringere  Geister  verderblich,  und  in  ihren 
HXnden  wird  der  Apfel  vom  Baume  seiner  Erkenntnis  mehr  oder  minder 
nngenleSbar.  Man  darf  aber  nicht  vergessen,  daO  neben  dem  oben- 
erwlhnlen  kleinen  FlügelvSIkcben  auch  einmal  ein  Adler  auftauchen  kann, 
dessen  starkes  Auge  von  den  weithin  leuchtenden  heißen  Strahlen  nicht 
geblendet  wird,  und  der  mutig  die  Schwingen  ausbreitet,  um  in  sein 
eigenes  luftiges  Reich  emporzusteigen.  Carl  Goldmark  ist  ein  solcher 
Adler.  Er  flog  an  der  Bayreuther  Leuchte  nicht  ZngstUch  vorbei,  ja,  ab 
nad  zu  leckte  sogar  die  wabernde  Lohe  an  seinem  Gefieder,  aber  sie  ver- 


132 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


sehrte  es  nicht  und  lenkte  den  starken  Vogel  niemals  aus  seiner  eigenen 
Flugbahn.  Goldmark  hat  bewiesen,  daß  jener  ängstliche  Mahnruf  auch 
widerlegt  werden  kann,  daß  ein  selbständiger  modemer  Stil  bei  der  Oper 
ernsten  Genres  noch  möglich  ist,  und  daß  ein  Bühnenkomponist  der 
Gegenwart  nicht  gezwungen  ist,  «Unsiegfriede*  oder  «Talmi-Rheingolde*  zu 
schreiben,  um  der  Mitwelt  dauerndes  Interesse  einflößen  zu  können. 

Auch  der  Werdegang  Goldmarks  unterscheidet  sich  wesentlich  von 
dem  aller  dramatischen  Tonsetzer  der  Jetztzeit  und  der  Vergangenheit 
Schon  in  den  Instrumentalwerken,  die  er  schuf,  bevor  er  sich  der  Bühne 
zuwandte,  gelangte  er  verhältnismäßig  rasch  zu  einer  völlig  selbständigen 
Ausdrucksweise;  er  hat  aber  auch  keine  Jugendopem  geschrieben,  die  man, 
nach  Webers  drastischem  Vergleich,  wie  Erstlingshündchen  ersäufen  muß. 
Goldmark  war  ein  zwar  noch  junger,  aber  doch  völlig  ausgereifter  Mann, 
als  er  den  Plan  zu  einer  Oper  entwarf,  die  ihm  später  nicht  nur  allgemeine 
Anerkennung  erwerben,  sondern  die  auch  sein  durch  ihn  selbst  kaum 
mehr  übertroifenes  Meisterstück  werden  sollte.  In  dem  kleinen  One 
Keszthely  am  Ufer  des  Plattensees  als  zweiter  Sohn  unbemittelter  Eltern 
1830  geboren^),  folgte  er  früh  dem  unwiderstehlichen  Drange,  Musiker  zu 
werden,  und  begab  sich  unter  großen  Schwierigkeiten  nach  Wien,  wo  er 
von  Jansa  auf  der  Violine  und  von  Gottfried  Preyer  in  den  Elementen 
der  Theorie  als  Schüler  des  Konservatoriums  Anleitung  fand.  Als  das 
Sturm  jähr  1848  die  Pforten  dieser  Anstalt  vorübergehend  schloß,  ließ  sich 
der  von  kräftigem  Streben  erfüllte  Jüngling  nicht  vom  Wege  ablocken  und 
überließ  sich  eifrigem  Selbststudium.  Daß  ihn  des  Lebens  Notwendigkeiten 
veranlaßten,  in  das  Orchester  eines  Wiener  Operettentheaters  einzutreten 
und  gegen  sehr  mäßige  Entlohnung  musikalische  Frohndienste  zu  leisten, 
erscheint  uns  heute  beklagenswert.  Aber  «es  ward  ihm  zum  Heil,  es  riß 
ihn  nach  oben".  Inmitten  eines  zwar  nicht  vorzüglichen,  aber  doch  gat 
geschulten  Orchesters  tätig,  sammelte  der  junge  Goldmark  unbewußt 
praktische  Erfahrungen  aller  Art;  bald  waren  ihm  die  instrumentalen  Einzel- 
wirkungen, die  Mischung  der  Klanggruppen  und  deren  dynamische  Ver- 
wendung kein  Geheimnis  mehr.  Auch  die  Bühnenaifekte  lernte  er  zur 
Genüge  kennen,  obgleich  die  an  dem  «k.  k.  privilegierten  Karltheater" 
gegebenen  Stücke  keineswegs  der  ernsten  Kunstrichtung  angehörten.  Schon 
in  diese  Zeit  fallen  Goldmarks  erste  Kompositionsversuche.  Mendelssohns 
edle  und  gewinnende  Tonsprache  übte  damals  starken  Einfluß  auf  die  gßnm 
Musikwelt  aus,  und  es  ist  daher  begreiflich,   daß  der  heranreifende  Ton- 


')  la  zahlreichen  Facbscbriften  ist  1832  als  Geburtsjahr  angegeben.  Goldmark 
selbst,  der  seit  Kinderzeiien  nicht  mehr  im  Besitz  eines  Geburuscheines  war,  stellte 
erst  vor  kurzem  aus  ihm  zugekommenen  Familieopapieren  die  richtige  Jahreszahl  fest 


133 
VON  PERGER:  CARL  GOLDMARK 


Setzer,  dem  bis  dahin  noch  Bach  und  Beethoven  Bücher  mit  sieben 
Siegeln  blieben,  ebenfalls  diesem  Zauber  unterworfen  war.  Seine  Jugend- 
verke  hat  Goldmark  wohlweislich  in  das  Pult  verschlossen,  und  auch  schon 
reifere  Arbeiten,  die  als  op.  1  und  2  hätten  in  die  Welt  treten  sollen» 
blieben  ungedruckt.  Erst  mit  einer  Reihe  von  Klavierstücken,  die  den 
Titel  «Sturm  und  Drang"  trugen,  kam  er  vor  die  Öffentlichkeit.  Ihnen 
folgte  ein  Trio  für  Klavier,  Violine  und  Violoncell  in  B-dur,  dann 
ein  Streichquartett,  das  zuerst  Hellmesberger,  bald  darauf  auch  die  damals 
in  höchster  Blüte  stehende  Florentiner  Quartettvereinigung  zum  erstenmal 
aufführten.  Indessen  hatte  Goldmark  durch  ein  von  ihm  selbst  veranstaltetes 
«Kompositionskonzert''  die  Aufmerksamkeit  neuerdings  auf  sich  gelenkt. 
Im  Jahre  1862  erschien  ein  in  großen  Zügen  entworfenes  Streichquintett 
mit  zwei  Violoncellen,  und  als  1864  die  erste  Suite  für  Klavier 
und  Violine  bei  einer  Kammermusikproduktion  Hellmesbergers  zur  Auf- 
führung gelangt  war,  zweifelte  niemand  mehr  daran,  daß  man  es  hier  mit  einem 
ebenso  kräftigen  als  auch  eigenartigen  schöpferischen  Talente  zu  tun  habe. 
Nun  erst  (1865)  betrat  Goldmark  sein  ureigenstes  Gebiet:  das  Reich  des 
farbenprächtigen  Orchesterklanges.  Ein  effektvolles  Scherzo  (No.  1,  e-moll> 
noch  weit  mehr  aber  die  von  orientalischer  Sonnenglut  und  üppigem 
Blütenduft  durchströmte  Ouvertüre  zu  «Sakuntala",  die  1865  zum  ersten 
Male  im  Programm  der  Wiener  Philharmoniker  Aufnahme  gefunden  hatte, 
brachten  dem  Tonsetzer  rauschende  Erfolge;  er  selbst  aber  gelangte  jetz| 
zur  Oberzeugung,  daß  er  auf  richtigem  Wege  und  imstande  sei,  auch 
größere  und  größte  Kunstformen  siegreich  zu  bewältigen. 

So  reifte  in  ihm  der  Entschluß,  an  die  Abfassung  einer  Oper  zu  gehen,  die 
ihm  zur  Entfaltung  seiner  Gaben  die  günstigste  Gelegenheit  geben  konnte.  Die 
morgenländische  Sakuntala  wies  ihm  den  Weg;  die  berückende  Gestalt 
der  Königin  vonSaba  trat  auch  ihm  verführerisch  vor  das  geistige  Auge, 
und  die  mit  ihr  verknüpfte  Sage  zog  ihn  mächtig  an.  Der  Dichter 
S.  H.  Mosenthal,  dem  es  schon  früher  gelungen  war,  durch  geschickte, 
bühnengerechte  Abfassung  von  Opembüchem  die  Bestrebungen  dramatischer 
Komponisten  erfolgreich  zu  unterstützen^),  kam  den  Wünschen  Goldmarks 
freundlich  entgegen,  der  nun  mit  Feuereifer  an  die  Arbeit  ging.  Aber 
mehr  als  sechs  Jahre  verstrichen,  bis  das  umfangreiche  Werk  vollendet 
war,  denn  vieles  mußte  schon  im  Text  eine  Änderung  erfahren,  und  der 
Komponist  selbst  unterzog  das  von  ihm  Geschaffene  einer  unbarmherzigen 
Selbstkritik.  «Wenn  ich  aber"  — ^  so  äußerte  sich  Goldmark  dem  Ver- 
fasser gegenüber  —  «über  die  mir  zu  Gebote  stehende  Kraft  jemals  im 
Zweifel  gewesen  wäre,  so  gelangte  ich  damals  zum  vollen  Bewußtsein,  daß 


^)  u.  a.  Nicolai,  ^^Die  Lustigen  Weiber  von  Windsor*. 


134 
DIE  MUSIK  VlI.  15. 


i>iSB 


ich  mein  künstlerisches  Wollen  zu  verwirklichen  vermochte.  Noch  niemals 
hatte  ich  mich  bis  dahin  im  vielstimmigen  Chorsatze  oder  gar  im  Aufbau 
eines  sich  steigernden  Ensemblesatzes  versucht,  aber  dies  alles  wuchs  und 
gelang  fast  unbewußt  unter  meiner  Hand."  Die  erste  Aufführung  der 
»Königin  von  Saba"  fand  1875  am  Wiener  Hofopemtheater  statt.  Eine 
auserlesene  Zahl  der  begabtesten  Solisten:  die  Damen  Materna  und  Wilt, 
die  Herren  Walter,  Beck  und  Rokitansky  hatten  die  Hauptpartieen  in 
Händen  und  trugen  zu  dem  ganz  außerordentlichen  Erfolg,  der  dem  Werk 
zuteil  wurde,  wesentlich  bei.  Diese  Uraufführung  nahm  vier  volle  Stunden 
in  Anspruch;  man  schritt  also  zu  (damals  als  notwendig  erscheinenden) 
Kürzungen.  Die  Stellen,  die  zu  jener  Zeit  dem  Rotstift  zum  Opfer  gefallen 
waren,  werden  jedoch  unserem  heutigen,  an  Dauerproduktionen  jeder  Art 
gewöhnten  Publikum  längst  nicht  mehr  vorenthalten. 

Nach  der  Vollendung  der  «Saba*  —  wie  der  Komponist  selbst  sein 
dramatisches  Meisterwerk  kurz  benennt  —  fühlte  er  sich  zu  einer  längeren 
erholungbringenden  Wanderung  auf  dem  Gebiete  der  Lyrik  veranlaßt. 
So  entstand  (1878)  die  umfangreiche  Symphonie  «Ländliche  Hoch- 
zeit" und  so  manches  Tonstück  kurzer  Form,  wie  das  »Regenlied*  für 
gemischten  Chor,  die  Männerchöre  »Frühlingsnetz"  und  »Ein  armer 
Mann,  ein  braver  Mann".  Drollig  erscheint  es,  daß  das  letztgenannte 
Opus  unseren,  allen  politischen  Dingen  völlig  femstehenden  Tonsetzer  in 
den  Ruf  eines  Sozialdemokraten  brachte,  und  daß  ihm  infolgedessen  von 
äer  betreifenden  »Partei"  ein  ganzer  Stoß  tendenziöser  Texte  eingeschickt 
wurde,  die  aber,  wie  selbstverständlich,  in  den  Papierkorb  des  Meisters 
wanderten.  —  Nun  folgten  die  »Frühlingshymne"  für  Singstimmen  und 
Orchester,  die  »Fuscher  Gesänge"  und  eine  Reihe  von  Liedern,  unter 
denen  die  vielgesungene  »Quelle"  zunächst  genannt  werden  muß.  —  Auch 
dem  Instrumente,  auf  dem  Goldmark  seine  erste  musikalische  Erziehung 
genossen,  und  das  ihn  lange  Zeit  hindurch  ernährt  hatte,  der  Violine 
nämlich,  wandte  er  sich  wieder  liebreich  zu;  allerdings  nicht  um  mit 
Hand  und  Bogen,  sondern  um  mit  seiner  Phantasie  darauf  zu  spielen. 
Damit  entstand  die  schöne  Piano-Violinsonate  und  das  bald  nachher 
erschienene  Violinkonzert  in  a-moll,  das  gegenwärtig  im  Repertoire  eines 
ernsthaften  Virtuosen  wohl  kaum  mehr  fehlen  dürfte.  In  bunter  Reihe 
ließ  nun  der  Meister  zahlreiche  kürzere  Werke  verschiedenster  Gattung 
aus  seiner  Feder  fließen.  Den  ihm  befreundeten  Gesangskfinstlem,  unter 
denen  in  erster  Reihe  die  in  der  Öffentlichkeit  noch  nicht  vergessene  und 
eigentlich  auch  bisher  noch  unersetzte  Kammersängerin  C.  Gomperz- 
Bettelheim  steht,  schenkte  er  eine  ansehnliche  Zahl  von  Liedern,  die 
teils  bei  Schott  in  Mainz,  teils  bei  Senif  in  Leipzig  erschienen  sind,  und 
aus   denen  wir  den  Zyklus   »Der  wilde  Jäger"  besonders  hervorhebea. 


135 
VON  PERGER:  CARL  GOLDMARK 


Aber  auch  die  Pianisten  gingen  nicht  leer  aus;  Goldmark  widmete  ihnen 
die  neuen  «Novelletten",  eine  Sonate  für  Klavier  und  Violoncell 
and  das  ebenso  groß  entworfene  als  wirkungsvolle  Quintett  in  B-dur  für 
Klavier  und  Streichinstrumente.  —  Daß  er  auch  gern  seine  Kraft  dem 
Orchester  zuwendete,  ist  begreiflich;  eine  zweite  Symphonie  (in  Es-dur) 
reifte  heran,  und  die  Konzertouvertüren  zu  «Penthesilea",  zum 
«Gefesselten  Prometheus''  und  «Im  Frühling"  kamen  in  rascher 
Folge  ans  Licht. 

Nach  elfjähriger  Pause  erst  wurde  das  Verlangen  gestillt,  mit  dem 
die  kunstliebende  Welt  einer  zweiten  Oper  Goldmarks  entgegenharrte. 
Am  19.  November  1886  hielt  «Merlin"  auf  der  Bühne  der  Wiener  Hof- 
oper seinen  festlichen  Einzug.  Von  den  Gesangssternen,  die  einst  der 
«Königin  von  Saba"  den  Eintritt  in  die  Welt  bestrahlt  hatten,  war  seither 
so  mancher  erloschen;  nur  Frau  Mater  na  glänzte  noch  als  Vertreterin 
der  weiblichen  Hauptpartie.  Neben  ihr  stand  Winkelmann  als  Merlin 
heldenhaft  da;  Sommer,  Schrödter,  Mayerhofer  und  Reichenberg 
fugten  sich  glücklich  in  das  Ensemble  ein.  Ob  nun  die  Erwartungen  der 
Wiener  vielleicht  allzu  hoch  gespannt  waren,  oder  ob  ihnen  der  Stil  des 
neuen  Werkes,  der  sich  von  dem  der  «Saba"  wesentlich  unterschied, 
Befremden  einflößte  —  genug,  «Merlin"  fand  bei  den  Opemfreunden  nicht 
einen  so  lebhaften  und  dauernden  Anklang  wie  seine  berückende  Vor- 
gängerin. Trotzdem  hat  auch  die  zweite  Oper  Goldmarks,  ebenso  wie  die 
erste,  ihre  Runde  durch  alle  größeren  deutschen  Städte  gemacht.  Nach 
einer  Reihe  von  Jahren  sah  sich  der  Meister  veranlaßt,  seinem  «Merlin" 
teilweise  eine  neue  Gestalt  zu  geben,  in  der  das  Werk  1904  zu  Frank- 
furt a.  M.  neuerlich  und  mit  starker  Wirkung  in  Szene  ging. 

Zwischen  dem  ersten  Erscheinen  des  «Merlin"  und  der  Vollendung 
der  dritten  Oper  Goldmarks  steht  abermals  ein  Dezennium.  Ungeahnter 
Weise  hatte  Goldmark  das  Reich  der  Sage  verlassen  und  den  Boden  behag- 
lichen Kleinbürgertums  betreten;  Dickens*  gemütreiche  Erzählung  «Das 
Heimchen  am  Herd"  lieferte  den  Stoif,  der  sich  in  den  Händen  A.  M. 
Willners  zu  einem  wirksamen  Opembuch  gestaltete.  Goldmark  hatte  für 
dieses  musikalische  Genrebild  ganz  andere,  zartere  Tonfarben  auf  der  Palette, 
die  an  und  für  sich  alle  äußerlich  packenden  Massenwirkungen,  alle  starken 
dynamischen  Opemeffekte  ausschlössen.  Aber  unser  Meister  lieferte  hier 
den  Beweis,  daß  er  auch  leisere  Schwingungen  der  Menschenseele  zum 
Ausdruck  zu  bringen  vermochte,  und  errang  mit  dem  «Heimchen",  das 
4896  ebenfalls  an  der  Wiener  Hofoper  mit  den  Solistinnen  Renard  und 
Abendroth  und  den  Herren  Ritter,  Schrödter  und  Reichenberg  zum 
erstenmal  gegeben  wurde,  einen  zwar  nicht  zündenden,  dafür  aber  tie^ 
gehenden,  nachhaltigen  Erfolg. 


136 
DIE  MUSIK  VIL  15. 


IM 


Inzwischen  hatte  er  auch  auf  dem  Gebiete  der  selbständigen  In- 
strumentalmusik wieder  neue  Früchte  gepflückt:  die  symphonische  Dichtung 
ySappho^,  ein  zweites  Scherzo  in  A-dur  für  Orchester,  eine  zweite 
Suite  für  Klavier  und  Violine,  das  Klaviertrio  in  e-moll  und  Tinze 
für  das  Pianoforte  zu  vier  Händen.  Nach  der  Vollendung  des  «Heimchen* 
entstanden  ebenfalls  wieder  einige  kürzere  Werke,  wie  die  Ouvertüre  »In 
Italien**,  das  bisher  noch  ungedruckte  Orchesterstück  «Zrinyi",  ein  Psalm 
für  Chor  mit  Instrumentalbegleitung,  auch  Lieder  und  Chöre,  darunter 
der  wirksame  a  cappella-Gesang  »Wer  sich  die  Musik  erkiest". 

Die  Entwickelungsgeschichte  des  musikalischen  Dramas  liefert  mehr 
als  nur  einen  Beweis,  welchen  Einfluß  die  einer  Oper  zugrunde  liegende 
Dichtung  auf  deren  Lebensfähigkeit  nimmt.  Auch  dann,  wenn  wir  die  Werke 
der  bedeutendsten  älteren  dramatischen  Tonsetzer  betrachten,  fallen  uns  merk- 
würdige und  oft  warnende  Beispiele  ins  Auge.  Selbst  Mozarts  Genius  konnte 
den  Dämon  der  Langeweile  aus  dem  Libretto  von  «Cosi  fan  tutte"  nicht  ver- 
treiben, und  Webers  prachtvolle  Musik  ging  mit  dem  abgeschmackten  Text- 
buch der  «Euryanthe**  eine  künstlerische  Mesalliance  ein,  an  der  wir  eigent^ 
lieh  doch  mit  bestem  Willen  keine  Freude  haben  können.  Auch  Goldmark 
hat  in  dieser  Beziehung  einmal  einen  Fehlgriff  getan,  obgleich  daran 
nicht  das  Buch  an  sich,  sondern  der  darin  behandelte  Stoff  im  allgemeinen 
Schuld  trug.  Mit  seiner  vierten  Oper  »Die  Kriegsgefangene*  führte 
er  uns  in  die  grauen  Zeiten  Homers  zurück;  sie  behandelt  eine,  allerdings 
wirksame  Episode  aus  dem  Trojanischen  Kriege.  Auch  dieses  Werk  ist 
reich  an  musikalischer  Charakteristik,  an  gewaltigen  Momenten;  aber  die 
auftretenden  Personen  erregen  unser  Interesse  nicht  mehr  in  genügendem 
Maße.  So  kommt  es,  daß  diese,  1900  erschienene  Oper  bei  ihrer  hauptsäch- 
lich von  Frl.  Renard  und  den  Herren  Reichenberg  und  Hesch  getragenen 
ersten  Wiener  Aufführung  zwar  einen  ehrenden  Beifall,  aber  trotzdem 
in  der  Bühnenwelt  keinen  festen  Boden  fand. 

Die  Schaffenslust  unseres  Tondichters  erlitt  dadurch  keine  Einbufie» 
Die  plastischen,  sympathischen  Gestalten  aus  Goethes  „Götz  von  Ber- 
lichingen**  beschäftigten  jetzt  seine  Phantasie;  er  wußte  die  geeignetsten 
Szenen  des  Dramas  mit  kluger  Hand  auszuwählen  und  zu  einem  bühnen- 
gerechten Ganzen  zusammenzufügen.  Das  Werk  —  das  fünfte  dieser 
Art,  das  uns  Goldmark  geschenkt  hat  —  erzielte  überall,  wo  es  über  die 
Bretter  ging,  einen  starken,  durchgreifenden  Erfolg.  Um  so  mehr  muBte 
es  befremden,  daß  sich  die  Wiener  Hofoper  bis  jetzt  nicht  damit  beEafite 
und  den  ausländischen  Bühnen  diese  Triumphe  teilnahmslos  fiberlieB. 
Die  Magyaren,  die  den  zwar  innerhalb  ihrer  Landesgrenzen  geborenen, 
aber  in  Wort-  und  Tonsprache  kerndeutschen  Tondichter  mit  Stolz  zu 
den  Ihrigen  zählen,  nahmen   die  Szenen  aus  «Götz*   mit   offenen  Armen 


137 
VON  PERGER:  CARL  GOLDMARK 


aof  und  brachten  eine  glänzende  Erstaufführung  des  Werkes  —  selbst- 
verständlich in  ungarischer  Obersetzung  —  1903  in  der  Königlichen  Oper 
in  Budapest  zustande.  Frankfurt  a.  Main  folgte  bald  mit  der  ersten  deutschen 
Anfffihrung  nach,  und  andere  größere  Bühnen  schlössen  sich  an,  so  daß  der 
Meister  die  passive  Haltung,  die  das  erste  Institut  der  österreichischen 
Monarchie  dem  neuen  Werke  gegenüber  einnahm,  leicht  verschmerzen 
konnte. 

Goldmarks  jüngste  Oper  hingegen,  das  «Wintermärchen",  erlebte 
im  vergangenen  Winter  ihre  erste  Aufführung  auf  der  Wiener  Hofbühne. 
Das  Werk  fand  eine  begeisterte  Aufnahme,  und  alles  staunte  über  die 
Frische  und  Kraft,  die  sich  in  der  Tonsprache  des  nun  Achtundsiebzig- 
jährigen  geltend  macht.  Daß  der  Erfolg  kein  vorübergehender  war,  wird 
durch  die  Tatsache  bekräftigt,  daß  sich  die  Oper  nun  schon  seit  Monaten 
im  Repertoire  erhält  und  andauernde  Zugkraft  ausübt.  Nicht  genug:  man 
erzählt  sich,  Goldmark  hätte,  durch  die  Aufnahme  seines  » Wintermärchen" 
angeregt,  bereits  die  Skizzen  zu  einem  neuen  dramatischen  Werke  fertig 
im  Pulte  liegen. 

Seit  seinem  schon  in  der  Jugend  erfolgten  Eintritt  in  das  Privatleben 
ist  das  Dasein  unseres  Meisters  in  jener  Gleichmäßigkeit  verflossen,  die 
der  schöpferischen  Tätigkeit  jedes  Künstlers  am  förderlichsten  ist.  Gold- 
mark genießt  im  Hause  seiner  Tochter  die  Behaglichkeit  des  Familien- 
lebens. Er  bringt  nur  die  strengen  Wintermonate  in  Wien  zu;  den  größeren 
Teil  des  Jahres  verlebt  er  in  Gmunden,  an  dem  Ufer  des  malerischen 
Traunsees,  wo  er  seit  siebenunddreißig  Jahren  dieselben  zwei  Zimmer  eines 
einfachen  Landhauses  bewohnt.  Der  sogenannten  großen  Welt  und  den 
Salons,  die  man  nur  gar  zu  gern  mit  seiner  Persönlichkeit  verzieren 
möchte,  bleibt  der  Meister  wohlweislich  fern;  dafür  bringt  er  gern  so 
manchen  Abend  im  engeren  Kreise  von  treu  ergebenen  Freunden  oder 
Berufsgenossen  zu.  An  äußeren  Ehrungen  fehlt  es  ihm  natürlicherweise 
nicht:  der  österreichische  Kaiser  hat  ihm  den  Leopoldsorden,  eine  der 
höchsten  Auszeichnungen  für  Personen  des  Zivilstandes,  verliehen.  Unser 
Tondichter  ist  gar  selten  mit  diesem  vielbegehrten  Kreuzchen  im  Knopf- 
loch zu  sehen.  Er  trägt  aber,  wie  Julius  von  Braunschweig  in  Grill- 
parzers  „Bruderzwist",  unterhalb  des  Kleides,  «dort,  wo  der  Herzschlag 
wärmt",  jenen  geheimnisvollen  Orden,  den  nur  der  König  aller  Könige 
verleiht. 

II.  Goldmark  in  seinen  Werken 

Schon  in  früheren  Jahren  ist  die  Sage  von  der  Königin  Saba's  wieder- 
holt   zu    Opemdichtungen    benutzt   worden.     Der    französische  Tonsetzer 


138 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


Elwart  hat  ein  solches  Libretto  in  den  vierziger  Jahren  des  vergangenen 
Jahrhunderts  komponiert,  und  Gounod  hat  eine  «Reine  de  Saba",  zu  der 
ihm  Barbier  und  Carr6  das  Buch  lieferten,  in  Paris  zur  Aufführung  ge- 
bracht. Beide  Werke  sind  vergessen;  erst  Goldmark  scheint,  von  Mosen- 
thal  unterstützt,  dem  an  und  für  sich  rein  epischen  Stoffe  dramatisches 
Leben  eingeflößt  zu  haben.  Wenn  seine  «Saba*  eine  mehr  als  dreiBig- 
jährige  Prüfungszeit  sieghaft  überdauert  hat  und  auch  gegenwärtig  zum 
ständigen  Spielplan  jedes  größeren  Opeminstituts  gehört,  so  liegt  die 
Ursache  davon  nicht  nur  in  deip  glücklich  erdachten  Aufbau  des  Werkes, 
sondern  noch  weit  mehr  in  der  charakteristischen  und  fesselnden  Ton- 
sprache, deren  sich  hier  Goldmark  bedient  hat.  Sowohl  die  Singstimme 
als  auch  das  reichbedachte  Orchester  machen  von  den  Wirkungen  modemer 
Melodik  und  Harmonik  ausgiebigsten  Gebrauch;  dennoch  führt  uns  die 
Musik  in  die  orientalische  Märchenwelt,  zugleich  aber  in  die  Blütezeit  des 
israelitischen  Reiches  zurück,  und  insbesondere  sind  es  die  in  richtiger 
Art  verwendeten  rituellen  Massengesänge,  die  der  Oper  ein  nationales 
Gepräge  und  damit  auch  besondere  Eigenart  verleihen.  Die  Singstimme 
bewegt  sich  überall  dort,  wo  sie  nicht  durch  das  rasche  Fortschreiten  der 
Handlung  zu  rezitierender  Deklamation  gezwungen  ist,  in  breiten  melodie- 
reichen Linien;  sie  verschmäht  es  nicht,  an  geeigneter  Stelle  auch  dem 
bei  canto  und  sogar  der  geschmackvollen  Verzierung  Rechte  einzuräumen. 
Im  Gegensatze  zu  den  Bayreuther  Dogmen  läßt  Goldmark  auch  hie  und 
da  zwei  oder  mehr  Solostimmen  vereint  erklingen  oder  stellt  in  Ensemble- 
sätzen die  Einzelstimmen  dem  Chor  wirkungsvoll  gegenüber.  Von  be- 
sonderer Bedeutung  sind  die  zahlreichen  in  sich  abgeschlossenen  Ton- 
stücke; wir  nennen  gleich  den  ersten  Wechselgesang  Sulamith's  mit  dem 
Frauenchor  und  die  fesselnde  Erzählung  Assad's,  femer  den  durch  rhyth- 
mische Gegensätze  und  charakteristische  Motive  ausgezeichneten  Einzugs- 
marsch der  Königin  und  die  sich  anschließenden  Ensemblesätze  des  ersten 
Aktes.  Am  Beginn  des  zweiten  Aktes,  in  der  nächtlichen  Stille  des 
Zypressenhains,  bringt  die  Königin  ihre  leidenschaftlichen  Empfindungen 
in  einem  breit  ausgeführten  musikalischen  Monologe  zu  beredtem 
Ausdmck;  die  Dienerin  Astaroth  läßt  einen  melodisch  seltsamen, 
die  Stimmung  höchst  anspannenden  Lockruf  a  cappella  erklingen,  und,  diesem 
folgend,  tritt  der  träumerische  Assad  mit  der  herrlichen  C-dur  Kantilene 
9 Magische  Töne,  berauschender  Duft"  aus  dem  Gesträuch  hervor.  Beinahe 
unmittelbar  schließt  sich  der  von  Verlangen  glühende  Gesang  der  Königin 
an,  und  die  Szene  steigert  sich  zu  einem,  größtenteils  im  unisono  tönenden, 
kurzen,  dadurch  aber  um  so  effektvolleren  Duett.  In  der  darauffolgenden 
Tempelszene  behält  naturgemäß  der  Chor  die  Oberhand;  nur  Salomon  spricht 
in  einer  freundlichen  Kantilene  ermutigend  zu  dem  unglücklichen'  Assad^ 


139 
VON  PERGER:  CARL  GOLDMARK 


Einen  gewaltigen  Moment  bringt  uns  die  Enthüllung  des  Allerheiligsten; 
in  ein  langes,  auf  H  dahinschvirrendes  Fortissimo  der  Geigen  tönt  aus  dem 
Hintergründe,  wie  in  ringender  Qual,  das  B  der  Posaunen;  das  im  hellen 
E-dur  aufjauchzende  Alleluja  des  Chors  bringt  jubelnde  Erlösung.  Das 
darauffolgende  Finale,  die  Verfluchung  Assads,  ist  in  bezug  auf  dramatische 
und  dynamische  Wirkung  der  Höhepunkt  der  Oper.  Am  Beginn  des 
dritten  Aktes  entwickelt  das  Orchester  in  einer  formvollendeten  Balletmusik 
seine  ganze  Farbenpracht;  ein  üppiges  Bacchanale  des  Chors  schließt  die 
Szene  ab.  Mit  dem  ihr  folgenden  Zwiegesang  der  Königin  und  Salomons 
kommen  die  Solostimmen  zu  neuer  Geltung,  und  die  Fürbitte  der 
schvergekränkten  Sulamith  greift  uns  tief  ins  Herz.  Noch  einmal,  im 
letzten  Aufzuge,  äußert  der  Tonsetzer  seine  melodische  Vollkraft;  die 
Abschiedsszene  zwischen  der  Königin  und  Assad  gehört  zu  den  wertvollsten, 
für  die  Sänger  lohnendsten  Partieen  des  Werkes.  Nun  stellt  uns  noch 
das  Orchester  die  Schrecknisse  des  Samums  in  packender  Weise  dar;  der 
Sturm  legt  sich;  aus  dem  nahen  Asyl  der  heiligen  Jungfrauen  schaUt  tröstlich 
ein  Chor  herüber,  während  Sulamith  in  einem  kurzen,  ergreifenden  Wechsel- 
Gesang  den  sterbenden  Assad  noch  einmal  an  das  treue  Herz  drückt. 

Als  die  ,Saba^  ihren  Triumphzug  über  die  Opembühnen  gemacht 
hatte,  sandte  Felix  Dahn  eine  Textdichtung  «Der  Fremdling''  an  unseren 
Komponisten.  Dieser  fühlte  sich  anfangs  von  dem  Buche  mächtig  angezogen, 
kam  aber  nach  Vollendung  des  ersten  Aktes  zur  Überzeugung,  daß  es  damit 
«doch  nicht  weiter  ginge"*,  und  überließ  die  Dichtung  dem  Sänger  Heinrich 
Vogl,  der  sie  auch  zu  Ende  vertont  und  in  München  zur  Aufführung  ge- 
bracht hat. 

Den  der  Artussage  entnommenen  Stoff  zu  «Merlin''  sollte  ursprünglich 
ebenfalls  Mosenthal  einer  textlichen  Bearbeitung  unterziehen.  Goldmark 
vermochte  sich  aber  den  von  diesem  gemachten  Vorschlägen  nicht 
anzuschließen  und  wandte  sich  daher  an  den  Schriftsteller  Siegfried  Lipiner, 
dem  es  gelang,  den  Wünschen  des  Tonsetzers  in  besserer  Form  gerecht 
zu  werden.  Unter  allen  Bühnenwerken  Goldmarks  steht  «Merlin"  noch  am 
meisten  unter  dem  Einflüsse  Wagners.  Schon  das  Vorspiel  läßt  Nibelungen- 
töne erklingen,  und  die  breit  ausgeführten  deklamatorischen  Stellen  der  Oper 
haben  mitunter  ein  stark  Wagnersches  Gepräge.  Hingegen  ist  Goldmark 
überall  dort,  wo  der  eigentliche  Gesang  in  seine  Rechte  tritt,  seiner  eigenen 
Ausdrucksweise  völlig  treu  geblieben.  Denken  wir  zunächst  an  den  Lob- 
gesang Merlins,  an  Vivianes  leidenschaftliche  Kantilene  im  ersten  Aufzuge; 
dann  an  die  schöne  Stelle  «Mein  Heiligtum,  o  Stätte  sel'ger  Ruh'"  und  an 
die  inbrünstige  Liebesszene  Merlins  und  Vivianes  im  zweiten  Akte.  Ganz 
besonders  reich  ist  der  Chor  bedacht;  mit  ihm  erzielt  der  Tondichter  ebenso 
neue  wie  mächtige  Wirkungen,  und  auch  dem  Orchester  ist  Gelegenheit 


140 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


geboten,  ein  eigenes  Wort  zu  sprechen,  wie  u.  a.  im  Tanz  der  Irrlichter« 
bei  der  Erscheinung  der  Fee  Morgana,  bei  dem  Aufmarsch  der  Krieger 
und  vor  allem  in  dem  zauberisch  klingenden  Geisterreigen.  Von 
erschütternder  Innigkeit  ist  die  Schlußszene  der  Oper,  der  Tod  der  Liebenden 
und  die  damit  erreichte  Erlösung  Merlins. 

Wie  schon  oben  erwähnt,  führt  uns  das  »Heimchen  am  Herd*  in  eine 
ganz  andere  Empfindungswelt  und  damit  auch  in  ein  völlig  anderes  Reich 
der  Töne.  Das  gewichtige,  durch  schwere  Orchestermassen  illustrierte 
Rezitativ  macht  einem  leichtflüssigen  Parlando  Platz,  das  stellenweise  der 
instrumentalen  Unterstützung  ganz  entbehren  kann.  Die  Solostimmen  be- 
wegen sich  in  feineren  melodischen  Konturen;  nur  dort,  wo  ein  bestimmter 
Anlaß  vorhanden  ist,  wie  z.  B.  bei  der  gemütvollen  Erzählung  Edward's 
«Die  Ferne  winkt",  geht  der  Komponist  ins  Breite.  Selten,  aber  um  so 
willkommener,  vereinigen  sich  die  Solisten  zum  Ensemble;  da  ist  wohl  das 
freundliche  Quintett  „Mein  Herz  erbebt'  zunächst  zu  nennen.  Goldmark 
hat  im  „Heimchen''  auch  drastische  und  humoristische  Töne  anzuschlagen 
gewußt  und  mit  dem  protzigen  Tackleton  eine  originelle  Charakterfigur 
hingestellt.  Das  Orchester  übt  mit  dem  in  sich  abgeschlossenen  prSchtigea 
Vorspiel  zum  dritten  Akte  unfehlbaren  Effekt  aus. 

Auch  in  der  „Kriegsgefangenen"  finden  wir  ein  Instrumentalstfick 
von  besonderer  Bedeutung:  die  Einleitung  zum  zweiten  Akte.  Die  Massen 
des  Chores  kommen  bei  dieser  Oper,  deren  Inhalt  gemäß,  zu  weitgehender 
Verwendung,  wovon  schon  die  zu  Anfang  stehende  Bestattungsfeier  Zeugnis 
gibt.  Im  übrigen  konzentriert  sich  das  Interesse  des  Zuhörers  auf  die 
beiden  Hauptfiguren:  auf  den  in  ganzer  Heldengröße  erscheinenden  Achilles 
und  die  gefangene  Briseis.  Die  letzte  Szene,  in  der  die  Liebesflammen  beider 
gewaltig  emporschlagen,  und  die  sich  zu  einem  Zwiegesang  hehrster  Art 
steigert,  bringt  die  Oper  in  glücklichster  Weise  zum  Abschluß. 

Die  Szenen  aus  „Götz  von  Berlichingen''  sind  das  einzige  Bühnen- 
werk Goldmarks,  das  eine  selbständige,  äußerst  frisch  erfundene  Onvertfire 
hat.  Leider  kommt  es  in  der  Oper  selbst  nur  selten  zu  einer  breiteren 
Entwickelung  der  Formen;  man  beobachtet,  wie  der  Tonsetzer  durch  die 
schon  an  und  für  sich  reiche,  hier  aber  noch  in  engeren  Rahmen  gepreßte 
Handlung  unaufhaltsam  vorwärts  getrieben  wird.  Darum  eilt  auch  gleich 
der  erste  Akt,  auf  Götzens  Burg  spielend,  in  rezitierender  Rede  und 
Gegenrede  hin  und  findet  erst  in  dem  schönklingenden  Oktett  „Dein  Herz 
ist  rein**  einen  Ruhepunkt.  Nicht  viel  anders  ist  dies  in  der  szenisch 
sehr  lebendigen  Rathaus-Szene  und  in  den  sich  anschließenden  Auftritten 
am  Hofe  zu  Bamberg.  Erst  im  dritten  Akte,  in  dem  die  dämonische  Gestalt 
der  Adelheid  in  den  Vordergrund  tritt,  und  stärkere  Akzente  der  Leiden« 
Schaft  zur  Anwendung  kommen  —  wie  z.  B.   in   der  großen  Szene  mit 


141 
VON  PERGER:  CARL  GOLDMARK 


dem  zu  Buhlschaft  und  Verbrechen  verleiteten  Franz  —  gewinnen  die 
Solopartieen  an  Bedeutung.  Im  vierten  Akte,  der  uns  mitten  in  den  Tumult 
des  Bauernkrieges  stellt,  herrscht,  wie  begreiflich,  der  Männerchor.  Der 
Tonsetzer  hat  hier  die  Zersplitterung  der  Singstimmen  wohlweislich  ver- 
mieden und  hält  sie  straff  im  Quartettsatze  fest,  mit  dem  er  die  stärksten 
Effekte  erzielt.  Die  Szenen  steigern  sich  lebhaft  und  schließen  mit  einer 
tollen  Orgie  ab.  Höchst  stimmungsvoll  wird  der  letzte  Akt  durch  das 
nächtliche  Walten  des  heimlichen  Gerichts  eingeleitet;  ein  Zwischenvor- 
hang fällt,  das  in  grellsten  Tonfarben  aufleuchtende  Orchester  bereitet  die 
letzte  Szene  vor:  die  Ermordung  Adelheids  durch  den  Femrichter.  Hier 
luOert  sich  noch  einmal  Goldmarks  Vollkraft  und  widmet  der  dramatischen 
Sängerin  ein  wahres  Pracht-  und  Paradestück.  Bedenklich  ist  es  nur,  daß 
damit  das  Interesse  des  Zuhörers  erschöpft  wird,  und  daß  die  Hauptfigur 
Götzens  nur  noch  in  einem  lebenden  Bilde  erscheint,  während  das  Orchester 
mit  einem  kurzen  Nachspiel  die  Oper  abschließt. 

Dem  «Wintermärchen"  liegt  ein  Textbuch  zugrunde,  das  Willner 
mit  viel  Geschicklichkeit  nach  Shakespeare*s  Drama  verfaßt  hat.  Goldmark 
hat  es  mit  einer  ebenso  wertvollen  als  leicht  eingänglichen  Musik  ausge- 
stattet; die  Singstimmen  sind  in  ihre  vollen  musikalischen  Rechte  eingesetzt 
und  bewegen  sich  häufig  in  prächtigen  Kantilenen,  ohne  dabei  den  drama- 
tischen Stil  irgendwie  außer  acht  zu  lassen ;  eine  bedeutsame  Rolle  spielt 
auch  der  Chor,  der  überall  belebend  eingreift.  Im  ersten  Akte  kommt  die 
auflodernde  Eifersucht  des  Königs  zu  mächtigem  Ausdruck;  nicht  minder 
ergreift  uns  die  Darstellung  von  Hermiones  inniger  Mutterliebe.  Der  zweite 
Akt  wird  mit  einem  brillanten  Vorspiel  eingeleitet;  dann  senkt  sich  ein 
Wolkenvorhang  herab;  die  Zeit  erscheint  als  allegorische  Figur  und  läßt 
in  einem  Melodram  sechzehn  Jahre  an  uns  vorübergleiten.  Die  folgenden 
Akte  spielen  sich  verhältnismäßig  rasch  ab.  Der  Schluß,  Leontes'  Wiederver- 
einigung mit  der  schwer  gekränkten  Hermione,ist  von  erschütternder  Wirkung, 
und  die  Musik  schwingt  sich  dabei  noch  einmal  zu  voller  Höhe  empor. 


Wir  wollen  nun  der  selbständigen  Tonsprache  des  Meisters,  wie  sie  ins- 
besondere in  seinen  Instrumental  werken  zur  Geltung  gelangt,  noch  einige 
Worte  widmen.  Sie  ist  selten  eine  rein  subjektive  und  erweist  sich  überall 
dort  am  wirksamsten,  wo  sie  äußere  Stimmungen  und  Empfindungen  zur 
Darstellung  bringt.  Goldmark  erscheint  daher  auch  in  seiner  absoluten 
Musik  weit  mehr  als  Epiker  denn  als  Lyriker,  und  diese  Charakteristik 
äußert  sich  auch  in  seiner  ganzen  Ausdrucksweise.  Wir  begegnen  überall 
einer  eigenartigen,  kräftigen  Harmonik  von  oft  weitgehender  Kühnheit. 
<Man  denke  an  die  beiden  an  einander  prallenden  Nebenseptimenakkorde  am 


142 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


Anfang  der  «Penthesilea^-Ouvertürel).    Obwohl  der  Meister  auch  von  den 
Reizen   der  Modulation  ausgiebig  Gebrauch  macht,  hält  er  doch  an  dem 
Prinzip  der  Toneinheit  fest  und  verfällt  niemals  in  jenes  unlogische  Hin- 
und  Herschvanken,  das  uns  in  der  modernen  Sezessionsmusik  nur  allzuoft 
begegnet,  und  das  in  uns  ein  an  die  Seekrankheit  mahnendes  Wehgefühl 
hervorruft.    Ganz   eigentümlich    ist    bei    Goldmark    die    Behandlung    des 
freieren  Stimmenvesens.    Bei  seinem  Kontrapunkt  mögen  sich  Theoretiker 
strengen  Stils  erschreckt  bekreuzigen,  aber  er  hat  Pulsschlag  und  Kraft;  von 
einer  mühsam  ausgeklügelten  Stimmenverwebung,  die  sich  auf  dem  Papiere 
imponierend  ausnimmt,  bei  lebendiger  Vertonung  aber  entweder  unverständ- 
lich oder  kakophonisch   wird,   finden   vir  in  Goldmarks  Partituren  nichts. 
In  formeller  Hinsicht  stellt  er  sich  fest  auf  den  Boden  der  Klassiker  und 
Romantiker;  vir  finden  überall  abgerundete  AUegrosätze  und  in  den  lang- 
sameren Stücken  herrscht  die  leichtfaOliche  Liedform.   In  seinen  Ouvertüren 
bewegt  er  sich  freier,  geht  aber  doch  nie  ins  Schrankenlose.     Goldmarks 
bedeutendstes   Orchesterverk  ist,   neben   der   schon   früher  besprochenen 
,pSakuntala***Ouvertüre,  zweifellos  die  Symphonie  «Ländliche  Hochzeit*. 
Brahms  äußerte  sich  über  das  Werk:  »es  väre  direkt  aus  dem  Haupte  der 
Minerva   entsprungen".     Schon    der  erste,   in    freier  Variationenform   ge- 
schriebene Festmarsch  ist  reich  an  interessanten  Gegensätzen;  das  schöne 
»Brautlied"  und  die  entzückende  »Serenade"  fesseln  uns  nicht  minder,  und 
der  übermütige  »Tanz"  erhält  die  Spannung  des  Hörers  ungeschwächt  bis 
zum    Schlüsse.     Am    mächtigsten    wirkt    aber   die   poetische    Szene    »Im 
Garten"  durch   ihre   bezaubernde  Melodik   und  den  die  stärksten  Akzente 
der  Leidenschaft   schildernden   Mittelsatz.     Neben  der  »Ländlichen  Hoch- 
zeit" nimmt  sich  die  zweite  Es-dur  Symphonie  nur  bescheiden  aus,  und 
wir  sehen  an  diesem  Beispiel  recht  deutlich,  wie  weit  Goldmarks  schildernde 
Kraft    seine    rein    lyrische    übertrifft.     Wenn    wir    die  Instrumentalwerke 
mit  Orchester   ins  Auge    fassen,   dürfen   wir   das   erste  Violinkonzert 
(a-moll)    nicht    übergehen;    es    strotzt    von    edelster    thematischer    und 
melodischer    Erfindung,    gibt    zwar    dem    Solisten    manch    harte    Nuß    zu 
knacken,  sichert  ihm  aber  bei  entsprechender  Ausführung  rauschende  Er- 
folge.   Die  beiden  Scherzi  für  Orchester  gehen  wohl  allzusehr  auf  äußeren 
Effekt  los,  aber  sie  verfehlen  ihn  auch  nicht  und  werden  deshalb  in  den 
Konzertprogrammen  stets  als  willkommene  Intermezzi  erscheinen. 

Unter  den  Kammermusikwerken  Goldmarks  stehen  die  erste  Suite 
für  Klavier  und  Violine  und  das  höchst  gelungene  Klavierqnintett  in 
B-dur  obenan.  In  beiden  Werken  ist  der  Stil  völlig  selbständig  und  nnbeei»- 
fiußt;  die  Suite  führt  uns  ganz  den  jungen,  temperamentvollen  Meister  ent- 
gegen, dem  schon  die  schmerzerfüllte  Sulamith  und  die  sinnlich  heiße  Königin 
unbewußt  im  Kopfe  spuken.     Das  Quintett  bietet  einem  Pianisten  Ge- 


VON  PERGER:  CARL  GOLDMARK 


legenheit,  alle  Vorzüge  in  helles  Ltcbt  zu  stellen  und,  Wenn  sieb  aucb 
dieses  Terk  vom  Aafang  bis  zum  Schlüsse  ganz  auf  der  Höhe  erhält  und 
wenn  auch  der  brillante  erste  Satz  am  meisten  zündet,  so  geben  wir  dock 
dem  Adagio  den  Prei^;  es  ist  wohl  das  empflndungsvollste  und  reichst- 
klingende  Tonstück,  das  Goldmark  auf  dem  Gebiete  der  Kammermusik 
geschaffen  hat. 


Mit  Anton  Rubinstein 


ch  lernte  ihn  früh  kennen  und  traf  mit  ihm  zusammen,  so  oft 
er  nach  Wien  kam,  was  ja  häufig  der  Fall  war. 

Im  Sommer  1860  mietete  er  in  der  Nflhe  Wiens,  in  Neu- 
valdegg,  eine  Villa  und  arbeitete  fleißig  an  seiner  Oper:  ,pKinder 
der  Heide". 

Eines  Tages  fuhr  ich  mit  zwei  Freunden  —  Geige  und  Violoncell  — , 
mein  neues  B-dur  Trio  im  Gewände,  zu  ihm  hinaus.  Rubinstein  spielte 
es  mit  den  beiden,  und  sein  einziges  Urteil  war:  „Spielen  Sie  fleifiig 
Mozart  I" 

Nach  dem  Mittagessen  (es  war  bescheiden,  die  Gärtnerin  besorgte 
es)  nahmen  wir  den  Kaffee  im  Garten.  Wir  sprachen  unter  anderm  von 
den  Beethovenschen  Symphonieen,  von  dem  ungewöhnlichen,  in  neueren 
Symphonieen  so  seltenen  Humor  der  „Achten".  Da  erklang  plötzlich  im 
Nachbargarten  ein  Leierkasten,  der  gerade  das  Motiv  des  letzten  Satzes 
dieser  Symphonie,  aber  im  ^/^-Takt,  als  Walzer,  spielte.  Der  Zufall  war 
belustigend,  und  wir  lachten. 

Es  wurde  Abend,  und  wir  kehrten  ins  Klavierzimmer  zurück. 

Rubinstein  setzte  sich  ans  Klavier  und  phantasierte  eine  Weile  plan- 
los. Da  nimmt  er  mit  einem  Male  das  ebengehörte  Walzennotiv  des 
Leierkastens,  der  achten  Symphonie  auf  und  variiert  es  in  mannigfacher 
Weise,  kontrapunktiert  es  im  Basse,  bringt  es  als  Kanon,  als  vierstimmige 
Fuge  in  einfacher  Durchführung,  dann  wieder  in  zarte  Liedform  aufgelöst, 
einmal  in  Beethovenscher  Urform,  dann  als  flotten  Wiener  Walzer  mit 
eigenartigen  Harmonieen,  um  dann  endlich  ganze  Kaskaden  glänzender 
Passagen,  wahre  Sturmfluten  über  das  immer  festgehaltene  Thema  hin- 
stürzen zu  lassen.  Es  war  herrlich  I  Ich  hatte  eine  solche  Improvisation 
nie  gehört,  eine  Kunst,  die  ja  leider  gänzlich  verloren  gegangen  ist. 

Und  wie  spielte  erl  Wer  nicht  die  d-moll  Sonate  oder  die  er- 
schütternde Orpheusklage  (zweiten  Satz)  des  G-dur  Konzertes  Beethovens 


145 
GOLDMARK:  ERINNERUNGEN  UND  BEGEGNUNGEN 


von  ihm  gehört  hat  —  hat  nie  Klavierspielen  gehört.  Noch  lebt  die 
Erinnerung  in  tausend  Herzen.  Und,  ach,  wie  lange  wird  es  dauern  — 
und  auch  diese  ist  erloschen. 


Es  ist  eine  eigen  tum  liehe  Erscheinung,  daß  einige  unserer  großen 
Musiker  den  grand  Seigneur  so  im  Leibe  hatten,  daß  er  sich  in  ihrer 
ganzen  Lebensführung  bemerkbar  machte.  Hierzu  gehörten  Richard  Wagner, 
Liszt  und  Anton  Rubinstein.  Brahms  (der  ja  ein  hübsches  Vermögen 
hinterließ)  hatte  gleich  Beethoven  die  denkbar  einfachste  Lebensweise. 
Wagners  Bedürfnis   nach  vornehmer,  behaglicher  Umgebung  ist  bekannt. 

In  diesem  Punkte  ist  für  Liszt  folgende  kleine  heitere  Episode  oder 
Anekdote  charakteristisch. 

Auf  einer  Konzerttournee  spielte  er  auch  in  einer  kleinen  Stadt,  der 
Saal  war  kaum  ein  Drittel  gefüllt.  Die  Leute  sind  dort  oft  weniger  neu- 
gierig. Liszt,  in  bester  Laune,  spielt  wie  ein  Gott;  das  anwesende  Drittel 
applaudiert  wie  rasend.  Am  Schlüsse  tritt  Liszt  vor  und  sagt  zu  dem  an- 
wesenden Segment:  «Darf  ich  mir  erlauben,  das  verehrte  Publikum  zum 
Souper  einzuladen?* 

Auch  Rubinstein  hatte  wie  gesagt  diesen  Teufel  im  -^Leibe.  Während 
seiner  Anwesenheit  in  Wien  als  Direktor  der  Gesellschaftskonzerte  hatte* 
er  jede  Woche  einmal  ein  Rout  mit  glänzendem  Büfett  bei  sich.  (Wie 
ich  hörte,  zahlte  er  hierfür  am  Schlüsse  der  Saison  4000  fl.  an  die  erste 
Delikatessenhandlung  Wiens  —  mehr  als  sein  Gehalt.)  An  einem  solchen 
Abend  spielte  er  seine  Variationen  für  zwei  Klaviere  mit  Liszt.  Es  war 
ein  eigentümlich  schöner  Anblick,  die  beiden  größten  Pianisten  des  Jahr- 
hunderts am  Klavier  beisammenzusehen  und  zu  hören;  das  dürfte  sich 
kaum  oft  wiederholt  haben.  —  Liszt  vergötterte  er. 

Leider  umdüsterte  sich  sein  sonst  so  neidloses  Gemüt  in  seinen  letzten 
Lebensjahren  mehr  und  mehr;  ja,  er  wurde  außerordentlich  verbittert  gegen 
die  Zeit  und  alle  Welt.  Er  fühlte  sich  als  Komponist  vernachlässigt.  Ab- 
gesehen von  Richard  Wagner,  dessen  Kunstrichtung  seinem  Wesen  fremd 
gegenüberstand,  hatte  er  auch  einen  verbissenen  Groll  gegen  das  glänzend 
aufsteigende  Gestirn  Brahms.  —  Zur  Gründung  des  jetzigen  Tonkünstler- 
vereins in  Wien  war  eine  stattliche  Zahl  hervorragender  Musiker  in  den 
Restaurationssaal  des  Musikvereins  geladen.  Liszt,  Rubinstein,  Brahms 
waren  anwesend  und  saßen  beim  Souper  nahe  beisammen.  Da  ließ  einer 
das  Wort  fallen:  »Das  Triumvirat*.  Rubinstein  sagte,  auf  Liszt  deutend: 
«Cisar*,  auf  sich  zeigend:  »Brutus*,  und  dann  auf  Brahms  weisend: 
«Lepidtts*. 

Später   trafen    wir   uns   eines  Abends  bei  Professor  Julius  Epstein^ 

VH.  15.  10 


i4e 

DIE  MUSIK  VII.  15. 


Nach  dem  Souper  gingen  wir  rauchend  ins  Klavierzimmer.  Auf  dem  Plana 
lagen  unter  anderen  Werke  von  Richard  Wagner  und  Brahma.  Beim  Anblick 
dieser  Werke  erwachte  sein  Unmut,  und  er  ließ  sich  in  der  heftigsten 
Weise  gegen  beide  aus  —  gegen  Wagner  sowohl  wie  gegen  Brahms. 
Ich  erwiderte  ihm:  »Sie  sind  ungerecht,  Sie  kennen  beide  nicht  Es  ist 
die  Eigenart  stark  ausgeprägter  Naturen,  daß  sie  die  anderen  nicht  erkennen, 
wie  mit  Scheuleder  vor  den  Augen  nur  ihren  eigenen  Weg  gehen,  nur 
ihr  eigenes  Ideal  sehen,  aber  nicht,  was  um  sie  vorgeht.*  «Ach  was,* 
sagte  er  zornig,  »Sie  sind  auch  so  einer;  ich  weiß,  Sie  sind  als  Komponist 
viel  berühmter  als  ich  (,Saba^  und  ,Ländliche  Hochzeit^  machten  gerade  die 
Runde),  aber  bis  Sie  ein  Werk  schreiben,  schreib'  ich  hundert.*  Wir 
lachten  alle  über  dies  naive  Geständnis,  an  das  er  selber  —  und  mit  Recht 
—  nicht  glaubte.  Ich  umarmte  ihn  und  sagte:  »Rubinstein,  Sie  sind  ein 
großes  Kind*  —  aber  er  war  in  Wahrheit  ein  großer,  edler  Mensch. 


Mit  Peter  Cornelius 

Im  Jahre  1861  (oder  1862)  gab  ich  In  Wien  ein  Konzert  mit  eigenen 
Kompositionen.  Das  war  um  diese  Zeit  der  einzige  Weg  —  wenigstens 
für  Unbekannte  —  wollte  man  in  die  Öffentlichkeit.  Heute  hat  der  nur 
einigermaßen  begabte  Jünger  keine  Sorge,  auch  gehört  zu  werden.  J% 
selbst  die  sonst  so  schwerhörigen  Theaterleiter  nehmen  jede  nur  halbw^g^ 
mögliche  Oper  (oder  auch  unmögliche),  wenn  sie  nur  die  «UrauffQhrttng* 
haben  können.  Das  war  dazumal  anders.  Das  Publikum  war  skeptisch, 
es  wollte  mühelos  genießen  und  keine  Rätsel  auflösen;  allem  Neuen  kam 
man  mit  Mißtrauen  entgegen,  und  neue  Werke,  kam  doch  eins,  hatten 
immer  einen  schweren  Stand. 

Brahms  erzählte  mir  einmal,  daß  nach  einer  seiner  Serenaden,  die  In 
Leipzig  durchfiel,  die  Mozartsche  g-moll  Symphonie  mit  Jubel  aufgenommen 
wurde. 

Bald  darauf  kommt  Rubinstein  mit  seiner  «Ozean-Symphonie*,  die 
ebenfalls  durchfiel,  worauf  abermals  die  Mozartsche  g-moll  Symphonie  be« 
jubelt  wurde.  Da  fragt  Rubinstein  den  Konzertmeister  David:  »Ist  das- 
hier  in  Leipzig  schon  statutarisch,  daß  nach  einem  mutmaßlichen  DarchMl 
immer  Mozarts  g-moll  Symphonie  gespielt  wird?* 

Ein  klassisches  Beispiel  für  die  Schwierigkeit  der  Aufführung  too 
Novitäten  um  diese  Zeit  ist  folgendes.  Die  Gesellschaft  der  Mnsikfreiinde- 
in  Wien  schrieb  einen  Preis  aus  für  die  beste  Symphonie.  Der  Prda^ 
hierfür  war  —  die  Aufführung  in  einem  ihrer  Konzerte,  VolUL 
tout.    Den  Preis  erhielt  Joachim  Raff  —  er  wurde  aufgeführt. 


147 
GOLDMARK:  ERINNERUNGEN  UND  BEGEGNUNGEN 


Ich  gab  also  mein  Konzert,  ffihrte  unter  anderem  auch  ein  Streich- 
quartett auf,  und  dieses  sollte  mir  nicht  bloß  den  Erfolg  im  Publikum, 
sondern  auch  die  Freundschaft  von  Peter  Cornelius  bringen. 

Einen  Tag  nach  diesem  Konzert  fand  ich  die  Visitenkarten  von  Peter 
Cornelius,  Karl  Taussig  und  vom  Grafen  Laurencin,  dem  Musikreferenten  der 
«N.  Zeitschrift  für  Musik*  (Brendel),  auf  meinem  Tische  liegen.  Cornelius 
hatte  sich  bekanntlich  nach  seinem  Mißgeschick  in  Weimar  nach  Wien 
geflüchtet.  Am  folgenden  Tage  suchte  ich  ihn  auf.  Er  bewohnte  ein  be- 
scheidenes Zimmer  mit  ebenso  bescheidenem  alten  Klavier  in  der  Vor- 
stadt: «Unter  den  Weißgärbem*. 

Er  empfing  mich  mit  den  Worten:  »Ihr  Quartett,  das  ich  vorgestern 
hörte,  hat  mir  den  Wunsch,  Sie  kennen  zu  lernen,  nahegelegt.*  Und  wer 
konnte  Peter  Cornelius  nahekommen,  ohne  ihn  sogleich  zu  lieben  I  Sein 
kindlich  naives  und  doch  so  tiefes  Gemüt,  sein  treues,  warmherziges,  offenes 
WeseU)  sein  hochgebildeter,  gekürter  Geist  mußten  jeden  sofort  gefangen- 
nehmen. Er  erkannte  in  mir  einen  Jünger  der  neuen  Zeit,  wir  waren 
hierin  gleicher  Gesinnung  und  schlössen  uns  enger  zusammen  —  er  trug 
mir  später  das  «Du*  an. 

Cornelius  schrieb  damals  schon  an  seinem  «Cid*.  Ich  kam  oft  zu 
ihm,  wir  tranken  schwarzen  Kaffee,  und  bei  der  Zigarre  plauderten  wir 
gemütlich  über  Musik  und  musikalische  Entwickelung  und  natürlich  viel 
über  Richard  Wagner;  stand  er  doch  schon  im  Mittelpunkte  alles  musika- 
lischen Interesses. 

Eines  Tages  lud  mich  Cornelius  schriftlich  zu  einem  wichtigen  Er- 
eignis ein.  Richard  Wagner  hatte  ihm  die  Aushingebogen  des  «Tristan*- 
Klavierauszuges  geschickt.  Wir  sollen  ihn  mit  Taussig  gemeinsam  durch- 
nehmen. Der  Eindruck  dieser  «Tristan'-Aufführung  wird  mir  unvergeßlich 
bleiben.  Karl  Taussig,  der  später  so  Abgeklärte,  Herrliche,  war  damals  in 
seiner  Jugendlichkeit  noch  ein  wilder  Tastenstürmer,  der  noch  fast  Alles 
mit  stets  offenem  Pedale  spielte. 

Cornelius  sang,  aber  nicht  den  Ton  richtig,  den  er  singen  sollte, 
sondern  deklamierte  nur  so  nebenbei  und  zog  die  Phrase  von  einem  falschen 
Ton  zum  andern  hinauf  —  hinunter. 

Nun  denke  man  den  »Tristan*  im  Jahre  1861!  —  In  der  langen 
Zeit  bis  heute  (1008)  haben  unsere  Ohren  vieles  an  Dissonanzen  ertragen 
gelernt,  und  »Tristan*  erscheint  wohl  schon  so  manchem  unserer  Jüngeren 
als  überwunden.  Aber  damals  war  Mendelssohn  noch  der  Moderne, 
der  Herrschende. 

Nun,  Taussig  an  dem  alten,  verstimmten  Clavicembalo  mit  offenem 
Pedale  vom  Blatt  spielend,  ebenso  das  immerwährende  Miauen  von 
Cornelius  —  Gesang  konnte   man*s  nicht  nennen  —  und  ^Tristan*,  mit 

10* 


148 
DIE  MUSIK  VII.  tS. 


seiner  reichen,  gSnzllch  neuen  und  külinen  Harmonlkl  —  ei  war  xnm 
Steinerweichen.  Nacb  dem  ersten  Akt  stand  ich  anf  und  aagte;  ,H8rt 
einmal,  alle  beilige  Weihen,  Tristan  und  Richard  Vagner  in  Ehren  — 
aber  das  halte  ich  einfach  nicht  aus,  mein  Kopf  ist  voll  zum  Platzen.* 
Die  anderen  mochten  stillschweigend  gleicher  Meinung  sein  —  das  Klavier 
wurde  geschlossen.  SpSter  erzählte  mir  Cornelius,  er  habe  Wagner  auch 
sein  Bedenken  geSuBert,  ob  er  (Wagner)  nicht  doch  in  diesem  Werke  za 
weit  gegangen  sei;   worauf  Ihm  Wagner  antwortete:   ,Dn  bist  ein   Esel.* 


^^3— 


Bald  nach  meinem  Konzerte  hatte  Cornelius  mich  gebeten,  ihm  das 
obenerwähnte  Quartett  zur  Durchsicht  zu  leihen.  Nach  Wochen  butterte 
ich,  als  er  auf  Augenblicke  das  Zimmer  verließ,  in  seinem  dicken 
Manuskriplbuch,  das  auf  dem  Klavier  lag.  Und  was  erblickte  ich?  — 
Den  ersten  Satz  eben  dieses  Quartettes,  von  seiner  Hand  eingeschrieben. 
Ich  war  gerührt  und  erfreut  von  dieser  seltenen  künstlerischen  Zustimmung 
und  stillen  Anerkennung. 

Als  Ich  das  Stück  von  ihm  zurückverlangte,  sagte  er  mir,  er  habe  es  dem 
Grafen  Laurenzia  gegeben,  der  darüber  schreiben  wolle,  was  auch  geschah. 
Als  Ich  es  auch  von  diesem  zurückverlangte,  fand  sich  das  Stück  nichta 
trotz  allen  Suchens,  trotz  meiner  wiederholten  Bitten  —  das  Stück  fand 
sich  nicht. 

Da  ging  Ich  selber  einmal  zu  ihm  and  bat,  doch  einmal  gründlich 
nachzusehen;  ich  hatte  keine  Abschrift  —  er  hatte  es  niemandem  geliehen, 
es  müsse  sich  finden.  Während  nun  Laurenzin  in  seinen  Noten  kramte, 
die  Kasten  ausleerte,  nahm  ich  aus  Langewelle  ein  Notenheft  vom  Klavier- 
stuhl —  es  war  mein  Quartett  —  er  benutzte  es  als  Unterlage  und  sali  die 
ganze  Zeit  darauf,  ohne  es  zu  wissen. 

Cornelius  verlieü  bald  darauf  Wien  —  Ich  sollte  Ihn  nie  wiedersehen. 


GUSTAV  MAHLER 

von  Richard  Specht-Wien 


.Ich  weiß  für  mich,  daß  fcb,  solange  Ich  melD 
Erlebnfa  In  Torten  iDaammenhaaen  kann,  ge- 
wiß keine  Mailk  hierflber  machen  wfirde.  Mein 
Bedürfnli,  mich  mualkallach  (lymphonlacb)  ant- 
zaaprecben,  beginnt  erat  da,  wo  die  dunkeln 
Empfindungen  walten;  alao,  aozasagen  an  der 
Pfonc,  die  in  die  .andere  Teil'  blnelnfOhrt, 
die  Telt,  In  der  die  Dinge  nicht  mehr  durch 
Zelt  und  Ort  anseinanderhllen  . . .' 

Guatav  Mahier 

Direktionswechsel  in  der  Wiener  Hofoper.  Veingartner  ist  gekommen, 
Mntaler  gegaagen.  Mehr  sls  zehn  Jahre  Inog  bat  er  ausgehslten  und  zu  zeigen 
versucht,  wie  dem  unküostlerischen  Gmndwesen  des  allabendlich  spielenden 
Theaters  Icünstlerisch  beizukommen  sei  und  wie  dem  Opemalltig  hohe  Kanst- 
hste  abgerungen  zu  werden  vermögen.  Aber  vielleicht  hätte  die  doppelte 
Zeit  den  VIenem  nicht  genügt.  Ihn  auszuhallen,  dessen  gaaze  Art  allen 
wienerischen  GrundinstlDkten  fremd  und  feindlich  ist.  In  anderen  Fftllen 
liebt  man  es  hier,  über  solch  unbequeme  Menschen  einfach  nach  kürzester 
Frist  zur  Tagesordnung  überzugeben:  durch  Totschweigen  oder  Totwitzeln, 
Aber  Mahler  war  auf  solche  Weise  nicht  zu  .erledigen".  Er  hat  Freunden 
und  Gegnern  nie  Zeit  gelassen,  sich  über  Ihn  zu  beruhigen,  weil  er  selbst 
sich  niemals  beschwichtigen  lieD.  Selbst  beim  scheinbar  Vollkommenen 
nicht:  man  denke  an  die  MozartauFTührungen  aus  seiner  ersten  Wiener  Zelt 
und  an  die  des  Vorjahres;  was  damals  in  seiner  ageistreichen  Heiterkeil* 
das  Entzücken  der  Kenner  war,  hat  sich  in  den  letzten  zyklischen  Mozart- 
darbietungen in  einer  Weise  entmaterialisiert,  vergeistigt  und  zu  sublimer 
Frendenkuast  gehoben,  dafi  man  vor  einem  bisher  Unbegreiflichen  stand. 
Um  ihn  ist  eine  Atmosphire  von  stSrkslem  geistigen  SauerstofTgehalt. 
Alles  voll  herrlicher  Unrast,  voll  ImmerwXhrender  Produktivität  auch  im 
Kleinsten.  Höchster  künstlerischer  Manomelerstand.  Ein  fortwährendes 
Selbstverbrennen,  ohne  sich  zu  verbrauchen,  —  Im  Gegenteil:  ein  Naturell, 
dem  die  tchOpfarische  Anspannung   aller  KrXfie  nicht  nur  lebenspendend, 


150 
DIE  MUSIK  VIL  15. 


sondern  lebenerneuernd  ist,  das  nur  in  Explosionen  von  Kampf  and  Arbdt 
atmen  kann,  das  sein  Gestern  ruhig  auf  dem  Altar  eines  besseren  Hente 
opfert  und  fBr  das  Morgen  immer  ein  gleiches  zu  tun  bereit  ist.  Ein 
ewiges  »Problem*,  das  ein  gemächliches  «mit  ihm  fertig  werden*  in 
herrischer  und  heiterer  Unbekümmertheit  verwehrt.  Vielleicht  ist  das  die 
Ursache  des  ungeheuren  Hasses  gegen  ihn:  der  Zwang  immerwihrenden 
Umlemenmüssens,  die  Unmöglichkeit  eines  sich  AbflndenkSnnens,  die  freie 
und  große  Art  eines  unerbittlichen  Musikers,  der  in  seiner  KunsterfBllnng 
nur  die  Gesetze  seiner  Kunst  und  niemals  solche  menschlicher  «Beziehungen* 
kennt. 

Zehn  Jahre  lang  ist  diese  ungeberdig  fesselnde,  aufreizend  leucht« 
kräftige  Persönlichkeit  der  Mittelpunkt  des  Wiener  kfinstlerischen  Lebens 
gewesen  und  hat  ihm  seinen  Stempel  aufgebrannt.  Und  jetzt,  im  Augenblick 
des  Scheidens,  ist  Mahlers  Wirkung  auf  die  Menschen  noch  immer  die 
gleiche,  aufrührerische  und  unwiderstehliche  und  durchaus  extreme.  Alles, 
was  von  ihm  kommt,  wirkt  wie  ein  Ereignis.  Die  meisten  wehren  sich. 
Wollen  seiner  Kraft  nicht  unterliegen.  Meinen  ängstlich,  ihr  schwichllches 
Naturell  müsse  seiner  furchtbaren  Energie  rettungslos  verfallen  und  schlagen 
blind  um  sich,  ohne  je  sein  Wesentliches  zu  treffen.  Andere  —  and  es  bat 
sich  gelegentlich  seiner  Demission  gezeigt,  daß  es  die  besten  Geister  dieser 
Stadt  sind  —  haben  sich  ihm  völlig  gefangen  gegeben.  Ihnen  ist  sein  Werk 
und  seine  Individualität  so  sehr  zum  Erlebnis  geworden,  daß  sie  die  bloß 
vernünftigen  Einwände  der  —  nicht  immer  durchaus  mittelmäßigen  — 
Gegner  gar  nicht  begreifen. 

Für  solches  Erlebnis  durch  Darstellung  zu  danken,  ist  das  söhönste 
Recht  nachschaffender  Kritik.  Man  mag  ihr  immerhin  Subjektivität  vor- 
werfen, aber  ich  bekenne,  daß  ich  schon  lange  die  sogenannte  »Objektivität* 
der  Kritik  für  Talentlosigkeit  oder  Heuchelei  halte.  Man  muß  deshalb 
nicht  in  jedes  Thema,  in  jede  Klangwirkung  »seines*  Tondichters  Verliebt 
sein  und  mag  ruhig  preisgeben,  was  nicht  neu,  vielleicht  auch  manches, 
was  nicht  ganz  persönlich  ist.  Nur  daß  es  nie  auf  jene  Dinge  ankommt, 
was  andere  Musiker  schon  gesagt  haben,  sondern  auf  das,  was  außer  »ihm* 
noch  keiner  gesagt  hat.  Was  immer  nur  auf  dem  Wege  subjektiver 
Empfängnis  an  der  Fülle  und  Stärke  des  seelischen  Miterlebens  erkannt 
werden  kann,  niemals  durch  »objektive*  Maßstäbe.  Denn  es  bleibt  dabei, 
Kritik  ist:  ein  Kunstwerk,  gesehen  durch  ein  Temperament. 

Auf  solche  Weise  möchte  ich  hier  das  Kunstwerk  Gustav  Mablers 
»sehen*.  Es  geschieht  nicht  zum  erstenmal,  aber  sein  Wesen  ist  so  reich, 
daß  dem  Chronisten  jedesmal,  wenn  er  vor  dem  »Fall  Mahler*  steht,  das 
Glück  veränderter  Perspektiven  zu  teil  wird.  Ein  Fall,  der  auch  heute 
wieder  eintritt,  wenn  ich  von  der  Warte  der  letzten  Mahlerschen  Werke 


151 
SPECHT:  GUSTAV  MAHLER 


aus  —  der  siebenten  und  der  achten  Symphonie  —  auf  seine  bisherigen 
ScbSpfiingen  zurfickblicke.  Wenn  sich  auch  deren  Wesen  und  Wert  an 
sich  nicht  verwandelt  hat  —  vom  veränderten  Standpunkt  aus  wird  manches 
zum  Priludium,  was  einst  schon  ErffiUung  schien  und  manches  als  un- 
wesentlicher betrachtetes  zum  wichtigen  Baustein  in  dem  Gebäude,  das 
von  flfichtigem  Stift  hier  skizziert  werden  soll.  Auf  die  Gefahr  hin,  ja  in 
der  Hoffnung,  ein  nächstesmal  den  Grundriß  aufs  neue  umzeichnen  zu  müssen. 

Nirgends  ist  Biographisches  so  wenig  angebracht,  als  beim  schöpfe- 
rischen Musiker.  Biographisches  in  jenem  Sinn  wenigstens  —  und  ein 
anderer  sollte  fiberhaupt  niemals  in  Betracht  kommen  — ,  daß  durch  die 
Ereignisse  seines  künstlerischen  Daseins  sein  Werk  erst  erklärt  wird;  daß 
durch  die  Beziehung  zwischen  dem  realen  Erlebnis  und  der  aus  ihm 
herausgereiften  Kunstschöpfung  erst  das  Weltbild  durchsichtig  wird,  das 
sich  dem  schaffenden  Künstler  geoffenbart  hat.  Aber  während  jedes  Er- 
lebnis des  Dichters  oder  des  Bildners  sich  wieder  in  reale  Zeichen  um- 
setzt, —  seien  es  nun  solche  des  Worts  oder  der  Farbe  —  beginnt  das 
Reich  des  Musikers,  nach  dem  schönen,  diesen  Blättern  vorangestellten 
Wort  Mahlers,  erst  dort,  wo  das  Unaussprechliche  zum  Ausdruck  kommt, 
wo  vdie  dunklen  Empfindungen  walten*,  und  es  wird  ihm  also  auch  nur 
das  in  Worten  nicht  wiederzugebende  Erlebnis  zum  Ton  werden.  Mehr 
als  jede  andere  Kunst  ist  die  Musik  Symbol.  So  wie  der  Gehalt  des 
Bildes  armselig  wäre,  der  mit  dem  bloß  malerischen  erschöpft  werden 
könnte,rund  wie  beispielsweise  Böcklins  »Schweigen  im  Walde*  nur  dann 
ganz  erfaßt  werden  kann,  wenn  hinter  den  Farben  und  Linien  auch  die 
symbolische  Stimmung  des  Werks  empfunden  wird,  so  wird  auch  kaum 
ein  wertvolles  Werk  der  »absoluten  Musik*  bloß  in  seiner  melodischen 
Linienführung  und  seiner  harmonischen  Farbe  ganz  zu  begreifen  sein. 
Auch  das  Werk  des  Musikers  ist  —  wie  jedes  echte  Kunstwerk  —  ein 
Abbild  der  eigenen  Persönlichkeit  und  als  solches  ein  Stück  Autobiographie; 
aber  es  ist  eine  Biographie,  die  hinter  den  Ereignissen  des  Alltagslebens 
verborgen  liegt  und  die  jede  Entschleierung  verwehrt. 

Das  gilt  für  Mahler  in  stärkstem  Maß.  Sein  Werk  ist  durchaus 
Selbstporträt,  in  jedem  Takt  und  jedem  Ton  mit  dem  subjektiven  Erleben 
seines  Schöpfers  untrennbar  verbunden.  Aber  nicht  mit  den  äußerlichen 
Daten,  die  hier  als  Notizen  von  bloß  lexikalischem  Wert  in  Schlagworten 
wiedergegeben  werden. 

Geburtsjahr:  1860.  Geburtsort:  das  deutscbböhmische  Dorf  Kalischt 
bei  Iglan.  Wozu  gleich  zu  bemerken  ist:  Mahler  ist  frühzeitig  nach  Wien 
gekommen,  hat  hier  seine  humanistischen  und  musikalischen  Studien  vol- 
lendet und  hat  dann,  bei  seinen  Wanderfahrten  als  Kapellmeister  —  die 
ihn   von   der  Kurmusik  in  Hall  angefangen  über  Kassel,   wo  er  Gesangs- 


t52 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


possen  zu  dirigieren  hatte,  und  über  die  Operntheater  von  Prag,  Leipzig, 
Pest,  Hamburg  bis  ins  Wiener  Hofopemhaus  fährten  —  kaum  mehr  die 
Heimat  gesehen.  Trotzdem  wurzelt  seine  Musik  ganz  in  ihr.  Ich  sage 
absichtlich  »wurzelt*",  denn  die  weit  hinaus  gestreckten  Zweige  ihres  Baumes 
sind  mit  allen  Geistigkeiten  und  Kulturen  unserer  Zeit  beladen.  Dabei 
aber  ist  sie  durchaus  österreichisch,  ja  oft  spezifisch  böhmisch.  Das  selt- 
same Wesen  der  Mahlerschen  Erfindung,  der  eine  volksliedhafte  Eingebung 
nach  der  andern  entströmt  und  eine  solcher  Art,  daß  man  diese  traurig- 
schlichten, einfältig-innigen  Weisen  aus  vergessenen  Zeiten  vertraut  zu 
kennen  glaubt  und  dabei  sicher  ist,  sie  nie  zuvor  gehört  zu  haben  — 
dieses  Wesen  hat  sicherlich  seine  Nahrung  aus  der  Musik  der  böhmischen 
Landstraße  erhalten  —  die  von  Mahler  wieder  eingeführte  Es-Klarinette 
ist  auch  ein  solcher  «Landstraßen^ -Fund  —  und  aus  den  Liedern  der 
Mägde  und  Soldaten,  die  der  vierjährige  Knabe  zu  hunderten  zu  singen 
wußte.  Ein  Einfluß,  fiber  den  ich  an  anderer  Stelle  ausfuhrlicher  zu 
sprechen  Gelegenheit  hatte.  ^) 

Weiter  im  »Biographischen^.  Studiengang:  Gymnasium,  dann  gleich- 
zeitig Musik  im  Wiener  Konservatorium  und  Philosophie  an  der  Universität. 
Bei  aller  Abneigung  gegen  anekdotische  Ausschmfickung  drängt  es  mich 
zur  Wiedergabe  einer  fiberlieferten  Geschichte  aus  jener  Zeit  des  Musik- 
studiums bei  Epstein  und  Krenn,  des  Verkehrs  mit  Brückner,  und  des  in 
heiterster  Bescheidung,  wenn  auch  ohne  Entbehrungen,  den  gegebenen^  etwws 
kargen  Verhältnissen  abgerungenen,  fröhlich  genießenden  Kunstjfii%ertunis, 
—  weil  mir  die  Geschichte  symptomatisch  scheint  für  Mahlers  ungeheure 
Spannkraft  und  Energie,  für  die  unerhörte  Art  seiner  Begabung  und  auch 
für  den  schon  damals  erwachten  Neid,  den  Haß  und  das  Widerstreben 
der  engeren  Kollegen,  gegen  die  als  unbequem  und  aufstörend  empfundene 
Eigenart  des  jungen  Kunstlers.  Es  handelte  sich  um  eine  vom  Konser- 
vatorium ausgeschriebene  Kompositionskonkurrenz,  an  der  sich  Mahler 
mit  einer  Symphonie  beteiligte,  weil  er  durch  den  zu  erringenden  Preis 
seinen  Eltern  den  Beweis  seiner  berufenen  Kühstierschaft  geben  wollte. 
Einen  Tag  vor  Ablauf  des  Einreichungstermins  wird  die  Symphonie 
vom  Schulerorchester  vor  der  Jury  durchgespielt:  ein  heillos  kakophonisches 
Chaos,  eine  unkenntliche  Mißklangsorgie  kommt  zutage.  Es  stellt  sich 
heraus,  daß  freundliche  Mitschüler  heimlich  in  Partitur  und  Stimmen  be- 
liebige entstellende  Noten  eingefügt  hatten,  um  das  Werk  des  Kollegen 
zu  disqualifizieren.  Mahler  ist  verzweifelt;  unmöglich,  bis  zum  nächsten 
Tag  die  Partitur  wieder  herzustellen  und  neue  Stimmen  kopieren  zu  lassen 


^)  Vgl.  «Gustav  Mahler'  von  Riebard  Specht.    No.  53  der  von  Dr.  Hans  Lands- 
berg herausgegebenen  »Modernen  Essays^    Berlin,  Verlag  Gose  &  Tetzlaff. 


153 
SPECHT:  GUSTAV  MAHLER 


—  man  kann  die  Stimmung  des  um  seinen  Wunsch  durch  albernste  Ge- 
hässigkeit betrogenen  Jfinglings  begreifen.  Aber  diese  Stimmung  ist  nicht 
von  Dauer:  er  fiberlegt,  daß  bis  zum  Ablauf  des  Termins  doch  noch  mehr 
als  zwölf  Stunden  übrig  sind,  rafft  sich  zusammen  und  konzipiert  aus 
schon  gehegten  Themen  einen  Streichquintettsatz  —  Freunde  erzählen 
sogar  von  einem  ganzen  Quintett  — ,  den  er  über  Nacht  niederschreibt. 
Und  erringt  damit  den  Preis. 

Mahler  selbst  liebt  solche  Reminiszenzen  nicht,  und  in  Wahrheit 
haben  sie  auch  mit  seiner  Kunst  nichts  zu  tun.  Wohl  aber  mit  seinem 
Bilde,  das  aus  solchen  Zügen  einer  durch  nichts  zu  brechenden,  beinahe 
ans  Fanatische  grenzenden  Willenskraft  deutlicher  wird.  Es  hat  sich  im 
Laufe  der  Jahre  wohl  noch  verschärft;  aber  schon  beim  Jüngling  über- 
rascht dieses  zähe  Festhalten  an  dem  einmal  gesteckten  Ziel  und  die 
wunderbare  Eigenschaft  eines  inneren  Gleichgewichts,  das  weder  durch 
Hohn  noch  durch  Gleichgültigkeit,  weder  durch  Triumphe  noch  durch 
völliges  Einsamgelassenwerden  zu  erschüttern  war:  das  stärkste  Kriterium 
wirklichen  Berufenseins  und  in  seiner  Mimicry  nur  bei  flachen  Graphomanen 
wiederzufinden,  deren  lächelnde  Eitelkeit  durch  nichts  angefochten  werden 
kann.  Ein  Mittelding  gibts  nicht.  Und  selbst  wer  nie  einen  Ton 
Mahlerscher  Musik  gehört  und  bloß  ihn  selber  einmal  am  Dirigentenpult 
gesehen  hat,  wird  unweigerlich  wissen,  zu  welcher  Art  er  zu  zählen  ist 
und  daß  ein  Zweifel  hier  nicht  möglich  sein  kann.  Daß  zu  solchem  Aus- 
harren ein  unbedingter  Glaube  an  die  eigene  Sendung  nötig  sein  muß,  ist 
sicher;  aber  auch  der  stärkste  Glaube  hätte  vor  dem  Sturm  an  Böswillig- 
keit, Unverstehen,  Schmähung  und  Spott  irre  werden  können,  den  Mahler 
erfahren  bat. 

Zum  mindesten  der  Komponist  Mahler.  Denn  der  Dirigent  hat  sein 
Auditorium  immer  augenblicklich  in  Fesseln  geschlagen.  Schon  bei  An- 
gelo  Neumanns  «Nibelungen'-Aufführungen,  dann  in  Pest,  wo  Mahler  aus 
einem  zerrütteten  Opemtheater  in  kürzester  Zeit  ein  Künstlerinstitut  von 
weithin  reichendem  Ruf  zu  schaffen  vermocht  hat,  in  Hamburg  und 
besonders  in  den  letzten  zehn  Wiener  Jahren  (1807 — 1007),  die  überdies 
seine  einstige  überredende  Gebärdendetaillistik  und  ihre  faszinierende 
Unrast  zu  wahrhaft  imponierender  Ruhe  gebändigt  haben,  hat  er  unzählige 
Male  gezeigt,  daß  heute  kein  Orchesterleiter  außer  ihm  die  gleiche  Gabe 
des  restlosen  Ausschöpfens  eines  Tonwerks  hat;  die  gleiche  ungeheure 
Intensität  der  Empfindung,  mit  der  jeder  Takt  gleich  einem  wundervollen 
Fluidum  geladen  ist;  die  magische  Einheitlichkeit  des  ganzen  musikalischen 
Organismus,  bei  dem  doch  jede  Einzelheit,  jede  unscheinbare  motivische 
Wendung  derart  lebt,  daß  man  bei  jeder  Mahlerschen  Interpretation  wieder 
aufs  neue  den  Eindruck  hat,  die  gerade  von  ihm  dirigierte  Schöpfung  jetzt 


^ .    ^ 


154 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


erst  ganz  zu  kennen  und  sie  zum  erstenmal  in  vollem  Erhsten  ihres 
Melos  gehört  zn  haben.  ^Deutlichkeit  ist  alles  in  der  Musik*,  hat  er  ein« 
mal  gesagt.  Was  man  erst  ganz  versteht,  wenn  man  ihn  am  Werk  gesehen 
hat  und  spQrt,  daß  es  sich  nicht  nur  um  die  »gemeine  Deutlichkeit  der 
Dinge*  handelt,  sondern  um  das  Transparentmachen  der  sublimsten  Geistig* 
keit  jedes  Werks.  Hier  hat  seine  tyrannische  Kfinstlerschaft,  die  keine 
Ermfidung  und  keine  Bequemlichkeit  kennt,  seine  beunruhigende  Macht  des 
Persdnlichkeitswillens,  die  vielleicht  manchmal  sogar  zu  tief  bohrende 
Eindringlichkeit  plastischer  Musikgestaltungskraft  und  seine  ungehenre, 
ekstatische  Suggestionsfähigkeit  Eindrücke  ausgelöst,  die  jedem  als  einzig-^ 
artig  und  unauslöschlich  in  dankbarem  Gedächtnis  bleiben.  Eindrficke,  wie 
sie  übrigens  dem  Komponisten  allmählich  auch  gewährt  zu  werden  scheinen. 


Wer  Mahlers  Schaffen  mit  Liebe  verstehen  lernen  will,  wird  zuerst 
nach  seinen  Liedern  greifen  müssen.  Nicht  bloß  deshalb,  weil  eine  große 
Zahl  seiner  symphonischen  Sätze  aus  seinen  lyrischen  Gebilden  herans 
entstanden  ist  und  also  auch  aus  ihnen  heraus  erst  ganz  zu  begreifen  sein  wird, 
sondern  vor  allem  darum,  weil  diese  intimeren  Schöpfungen  der  eigentliche 
Schlüssel  zu  der  Vielfalt  dieser  künstlerischen  Psyche  sind  und  weil  sie 
über  das  dichterische  Element  und  die  seltsam  reizvolle  Kontrastierung 
höchster  musikalischer  Kultur/ subtilster  Stimmungsfcondcy^ation  und  hold- 
ursprünglicher,  naiver  Volksliedhaftigkeit  der  Erfindung  in  dieser  Knnst 
den  dentlich^ttn  Aufschluß  geben. 

Sie  sind  in  zwei  Gruppen  zu  teilen:  in  die  kleine  der  Klavierlieder 
und  in  die  große  der  Gesänge  mit  Orchesterbegleitung,  die  ihrerseits  wieder 
in  drei  durch  Stil  und  Stimmung  durchaus  gesonderte  Liederkompleze  zer- 
fallen: die  »Lieder  eines  fahrenden  Gesellen*  nach  eigenen  Dichtungen, 
die  Lieder  nach  »Des  Knaben  Wunderhom*  und  die  nach  Rückertschen 
Gedichten.^) 

Die  Lieder  mit  Klavierbegleitung  —  sie  sind  in  drei  Heften  bei 
B.  Schott's  Söhne  in  Mainz  erschienen  —  sind  gleichsam  das  Vorspiel  zu 
allem  folgenden.  Mit  ungemeiner  Bestimmtheit  ist  schon  in  ihnen  der 
Ton  angeschlagen,  den  man  in  den  späteren  Schöpfungen  als  spezifisch 
Mahlerisch  empfindet;  jene  ungesuchte  und  fast  unbegreifliche  Selbst- 
verständlichkeit, die  den  Eindruck  erweckt:  wenn  jedes  dieser  Gedichte 
uns  als  altes  Volkslied  überliefert  wäre,  so  müßte  eben  dies  die  Melodie 


^)  Die  »Lieder  eines  fahrenden  Gesellen*  und  die  nach  »Des  Knaben  Wunder- 
hörn*  sind  bei  Josef  Weinberger,  Wien,  erschienen;  eine  zweite  Serie  »Wnnderhoni*- 
gesinge  und  die  RQckertlieder,  sowie  die  6.  Symphonie  bei  C.  F.  Kahnt  NadiMgsr, 
Leipzia;  die  1.— 4.  Symphonie  in  der  »Universal-Edition*,  die  5.  bei  Peters  in  Leipsig. 


-»;!*' 


155 
SPECHT:  GUSTAV  MAHLER 


81 

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8ein,  za  der  es  gesungen  worden  ist.  Ein  Ton,  dessen  .Bezeichnendes  in 
zwei  Arten  von  Liedern  zutage  tritt:  in  den  grausig  gespenstigen,  balladen- 
haften  Nachtstücken  und  in  jenen,  in  denen  ein  lieber,  kindlicher  und 
ursprünglicher  Humor  sein  Wesen  treibt  —  oft  ganz  holzschnittmißig  derb, 
oft  wieder  von  einem  krauset^  Übermut,  wie  ihn  Gottfried  Keller  manch- 
mal liebt.  Ffir  jene  ist  vielleicht  das  schaurig  ergreifende  «Zu  Straßburg 
auf  der  Schanz'*  das  charakteristischeste;  ein  Präludium  zu  der  späteren 
grandiosen  »Reveille*  —  die  ihrerseits  in  ihrer  geisterhaften  Phantastik 
und  ihrem  unheimlichen  schwarz-in-schwarz  stimmungsverwandt  mit  der 
prachtvollen  ersten  Nachtmusik  der  siebenten  Symphonie  ist  —  und 
vielleicht  noch  mehr  zu  dem  erschfittemden  «Tambourg'sell*;  für. die 
heiteren  das  allerliebste  «Ich  weiß  nicht  wie  mir  ist*,  «Hans  und  Grete*, 
oder  das  köstliche  «Kuckuck  hat  sich  zu  Tode  gefallen*,  das  in  dem  graziSs 
bizarren,  von  heimlichen  Waldstimmen  durchflfisterten  Scherzo  der  dritten 
Symphonie  seine  orchestrale  Auferstehung  gefeiert  hat.  Merkwürdig  und 
wesentlich  übrigens,  daß  diese  ganz  eigenartige  Färbung  sich  sofort 
abschwächt,  wenn  es  sich  um  moderne  Gedichte  handelt  (Richard  Leander  u.  a«), 
und  daß  sie  sich  am  singulärsten  schon  hier  in  den  Strophen  aus  »Des 
Knaben  Wunderhom*  meldet. 

Das  «Wunderhorn*,  diese  unerschöpfliche  Fundgrube  primitiver 
Poesie  und  ein  unvergleichlicher  Hort  dichterischer  Naturlaute  der  Volksseele, 
ist  in  Mahlers  Schaffen  zu  höchster  Bedeutung  gelangt.  In  der  musikalischen 
Wiedergeburt  dieser  Naturlaute  hat  er  den  eigentümlichsten  Laut  der  eigenen 
Seele  entdeckt  und  den  entscheidenden  Ausdruck  seines  Wesens  gefunden. 
Nicht  daß  es  des  glücklichen  Zufalls  unbedingt  bedurft  hätte,  der  dem 
Musiker  das  Volksbuch  als  Träger  seiner  Töne  entgegenbrachte:  ich  habe 
schon  früher  einmal  darauf  hinweisen  dürfen,  daß  Mahlef  in  den  «Liedern 
eines  fahrenden  Gesellen*,  die  schon  lange  entstanden  waren,  ehe  er 
«Des  Knaben  Wunderhom*  kennen  lernte,  i^knz  unbewußt  den  gleichen 
dichterischen  Ton  entdeckt  hat,  und  daß  jedes  dieser  «Gesellen*-Lieder 
in  der  Amimschen  Sammlung  stehen  könnte,  ohne  daß  eines  von  ihnen 
dem  Kenner  als  unecht  auffallen  müßte.  Daß  er  im  Volksbuch  dann 
vorgebildet  fand,  was  er  früher  instinktiv  aus  sich  heraus  dichterisch  ge- 
staltet hatte,  war  ein  Glücksfall;  aber  die  Dichtungen  zum  «Klagenden 
Lied*  —  dieser  in  der  Sicherheit  des  Wurfs  erstaunlichen  und  in  Einzelnem 
von  schmerzlich-süsser  Sagenstimmung  erfüllten  Ballade  (für  Chor,  Soli 
und  Orchester)  des  Achtzehnjährigen  —  und  ebenso  die  zum  «Fahrenden 
Gesellen*  beweisen  unwiderleglich,  daß  das  Ausbleiben  solchen  Glücksfalls 
höchstens  ein  Retardieren,  sicher  aber  keine  Änderung  in  der  Entwicklung 
des  Künstlers  bedeutet  hätte. 

Es  ist  schwer,  keine  Polemik  zu  schreiben,  wenn  man  des  äußeren 


156 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


Schicksals  des  Mahlerischen  Werkes  gedenkt ;  aber  schon  das  ethische  und 
ästhetische  Reinlichkeitsgefuhl  im  Verein  mit  der  Empfindung  deprimierender 
Aussichtslosigkeit  jeglichen  polemischen  Beginnens  hält  mich  davon  ab, 
diesen  Blättern,  gleichsam  als  Randzeichnungen,  den  skurrilen  Reigen 
kleinlicher  Gegner  und  ihrer  armseligen  Manipulationen  beizufügen.  Davon 
also  nichts.  Aber  es  stimmt  bitter,  wenn  man  —  um  nur  ein  Beispiel 
anzuführen  —  in  den  erlesenen  Schätzen  dieser  Wunderbomlieder 
blättert,  wenn  man  sich  an  dem  ahnungsvoll  traumentrückten  «Der  Schild- 
wache  Nachtlied*,  dem  trotzig  stolzen  »Lied  des  Gefangenen  im  Turm*, 
dem  lieblich  lockenden  «Rheinlegendchen*,  der  —  später  zum  Scherzo  der 
zweiten  Symphonie  gewordenen  —  überlegen  ironischen  »Fischpredigt  des 
heiligen  Antonius*,  dem  im  reinsten  melodischen  Quell  strömenden  sehn- 
suchtschweren  »Wo  die  schönen  Trompeten  blasen*,  oder  dem  herir 
zerreißenden  »Irdischen  Leben*  begeistert  und  daran  denkt,  daß  all  diese 
in  ihrer  Erfindung  berückenden  und  mit  souveräner  Meisterschaft  orchestral 
charakterisierten  lyrischen  Kunstwerke  jahrelang  unbeachtet  blieben.  Mehr: 
daß  von  diesem  ersten  Versuch  der  Schöpfung  des  Liedes  mit  Orchester- 
begleitung an  und  seit  diesem  Erschließen  der  Köstlichkeiten  aus  »Des 
Knaben  Wunderhom*  die  besten  Musiker  unserer  Tage  —  Strauß,  Pfitzner, 
Hausegger  —  das  orchestrale  Mittel  intensiverer  und  eindringlicher  leuchten- 
den Stimmungsmalerei  ergriffen,  daß  von  da  ab  nicht  nur  Tondichter  wie 
Reger  und  Streicher,  sondern  eine  Schar  berechnender,  das  Ihnen  ver- 
drießlich Neue  durch  Kompromisse  abschwächender  Liederkomponiston 
das  »Wunderhom*  ausbeuteten  und  mit  der  Form  des  Orchesterliedes  nnd 
dem  poetischen  Inhalt  des  »Wunderhom*  Erfolge  über  Erfolge  einheimsten, 
die  dem  Schöpfer  der  Gattung  versagt  waren.  Und  noch  mehr:  daß  dieser 
Schöpfer,  als  sein  Werk  breitere  Schichten  eroberte,  als  der  Nachahmer 
jener  galt,  die  seinen  Gedanken  in  gangbarere  Scheidemünze  umgesetzt 
hatten.  Tragikomödie  des  Schicksals.  Wenn  auch  zum  Glück  eine,  die 
ephemer  bleiben  muß  und  keine  Bedeutung  für  einen  hat,  dessen  Wesen 
und  Werk  schwer  genug  wiegt,  um  nicht  auf  die  Dauer  beiseite  geschoben 
werden  zu  können.     Er  kann  warten  .  . . 

Genug  davon  und  zurück  zu  den  Werken  selbst,  in  deren  tönendem 
Widerhall  das  Leben  ihres  Schöpfers  zu  spüren  ist.  Sein  naiv  kindlicher 
Frohsinn,  die  freie  und  reine  Männlichkeit  seiner  bildhaft  in  Tönen  gestalten- 
den Kraft,  seine  Sehnsucht  und  Angst  vor  den  Rätseldingen  des  Daseins 
in  den  » Wunderhom *-Liedern;  sein  subjektiveres  Bekennen,  seine  gerelfte 
Weltabkehr,  die  stille  Freudigkeit  des  mit  Willen  einsam  Gewordenen,  sein 
in  vertrauender  Liebe  errungenes  Meistern  eigenen  Lebens  in  den  Rückert- 
gesängen.  Dort  alla  prima-Malerei  mit  kühnem  Pinsel  und  leuchtstarken 
Farben  hingeworfen ;  hier  verhauchende  und  verschwimmende  Stimmungen, 


157 
SPECHT:  GUSTAV  MAHLER 


versonnenes  und  verhaltenes  Hintriumen  in  innerlicb  erobertem.  Ober 
Welt  und  Tag  hinlächelndem  Frieden  —  sublimste  lyrische  Extrakte, 
leine,  zerbrechliche  Dinge,  mit  behutsamer  Zartheit  durchgebildet  und  voll 
zum  Überfließen  von  tiefer  Innigkeit.  Diese  Lieder  »Ich  bin  der  Welt  ab- 
handen gekommen*,  »Ich  atmet  einen  linden  Duft*,  »Blicke  mir  nicht  in 
die  Lieder*,  die  sich  in  »Um  Mittemacht*  zu  großartiger  Inbrunst  hin- 
gebender Gläubigkeit  steigern,  sind  gleichzeitig  von  einer  Fülle  und  einer 
Delikatesse  ohnegleichen,  gesättigt  von  drängendem  Gefühl  und  dabei  durch- 
sichtig und  rein  in  ihrer  fleckenlosen  Verklärung.  Ein  bewunderndes  Wort 
Grillparzers  bietet  sich  hier  an:  »Wie  ist  das  filtriert!  .  •  .* 

Dazu  die  »Kindertotenlieder*.  Wieder  anders  in  ihrem  ganzen  Ge- 
halt, herber,  kraftvoller,  spontaner,  wenn  auch  von  gleicher  Intensität  der 
Empfindung;  aufwühlend  in  ihrem  Weh,  herzzermalmend  in  ihrer  gebändigten 
Verzweiflung;  ein  Höchstmaß  schmerzvoll  unerträglichen  Leides  zusammen- 
gepreßt in  karge  Laute,  in  denen  jeder  Ton  zu  schluchzen  scheint,  — 
expansivstes  Gefühl  fassungslosen  Duldens  in  engsten  Ausdruck  gedrängt 
und  gerade  dadurch,  ebenso  wie  durch  die  erschütternde  Schönheit  dieser 
gleich  Blutstropfen  hervorquellenden  Melodik,  von  unsagbarem,  bang  drücken-« 
dem  und  bei  dem  unirdisch  tröstenden  Wiegenlied-Schluß  in  Tränen  be-' 
freitem  Eindruck.  Die  Instrumentation  eine  fast  unbegreifliche  Meister- 
leistung überlegener  Orchesterkunst  von  spinnwebduftigster  Subtilität,  von 
einer  Klangzartheit  und  einem  Reichtum  an  verschleierten  Farbenübergängen, 
die  raffiniert  zu  nennen  wären,  wenn  nicht  aus  jedem  Takt  das  »so  muß 
es  sein*  der  unmittelbaren,  zwingenden  Eingebung  fühlbar  wäre. 

Alle  Schwächen,  die  man  dem  Menschen  Mahler  vorwirft,  sind  auch 
in  seinen  Werken,  und  in  ihnen  ist  nichts,  was  nicht  auch  vom  Menschen 
gilt.  Es  fällt  mir  nicht  bei,  die  Einwände  der  Gegner  zu  widerlegen,  ihnen 
beweisen  zu  wollen,  daß  sie  irren,  wenn  sie  diese  oder  jene  Stelle  trivial, 
manche  Harmonie  grell  und  herb,  manchen  symphonischen  Satz  hyper- 
trophisch finden  und  von  mancher  Härte,  von  vielem,  was  sie  als  über- 
hitzte Unrast,  fiackemde  Nervosität  und  wahllos  zufahrende  Willkür  seiner 
Erfindung  und  seines  Wesens  empfinden,  befremdet  sind.  Ich  will  das  schon  des- 
halb nicht,  weil  ein  solches  Zugeständnis  sich  immer  sehr  gut  ausnimmt  und 
die  »Gerechtigkeit*  des  Beurteilers  in  ein  wunderschönes  Licht  setzt;  aber 
auch  darum  nicht,  weil  ich  es  gamicht  weiß,  ob  sie  nicht  Recht  haben. 
Mag  sein:  aber  selbst  dann  möchte  ich  keine  dieser  »Schwächen*^  missen 
—  ganz  abgesehen  davon,  daß  es  ja  keine  sind,  die  man  beliebig  abändern 
kann ;  sie  gehören  so  ganz  zu  seiner  Physiognomie,  daß  es  ein  Verfiachen 
und  —  man  verzeihe  das  Wort  —  ein  Entwesentlichen  bedeuten  würde, 
wenn  er  »in  sich  ginge  und  sich  besserte*. 

In  den  Liedern  kann  von  alledem  keine  Rede  sein:  all  die  Bedenken, 


158 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


die  Mthlers  gewaltige  symphonische  Kolosse  erweckt  haben,  versagen  vor 
der  Geschlossenheit  und  der  inneren  Notwendigkeit  seiner  Lyrik,  nnd  selbst 
der  zunächst  stutzig  machende  Einwand,  daß  hier  ein  Raffinierter  mit  dea 
Gebärden  der  Kindlichkeit  zu  wirken  suche,  wird  jedem  schwinden,  der 
diese  Lieder  sich  mit  ernstlichem  Willen  näher  bringt.  Er  wird  aus  ihnen 
empfinden  mfissen,  was  jeder  weiß,  der  dem  Menschen  Mahler  nahe  ge- 
kommen ist:  daß  hier  wirklich  ein  großer  Künstler  ein  Kind  geblieben 
und  mit  der  lebendigen  Natur  unmittelbar  verknfipft  ist  und  dabei  vom 
ganzen  geistigen  Inhalt  seiner  Zeit  getragen  wird  und  ihm  künstlerischen 
Ausdruck  gibt.  Gerade  dieser  Kontrast  in  seinem  Naturell  ist  der  höchste 
Reiz  seiner  Kunst  und  ihr  eigentümlichstes  Wesen.  Er  gibt  ihr  jene  erd- 
frische  Unmittelbarkeit  und  —  bei  souveräner  Beherrschung  aller  Mittel 
—  jene  reine,  herbe,  ganz  unerotische  und  unfeminine  Männlichkeit,  die 
seine  Musik  so  deutlich  kennzeichnet.  Das  Wort  Wagners,  der  den  Geist 
der  Musik  nur  in  der  Liebe  begreifen  kann,  gilt  für  Mahler  in  höchstem 
Maße.  Nur  daß  die  Liebe,  die  durch  sein  ganzes  Werk  weht,  nicht  die 
schwüle,  sinnliche,  gebundene  des  Sexuellen  ist  —  die  ancb  so  oft  znm 
höchsten  Kunstwerk  geworden  ist  —  sondern  eine  pantheistiscbe,  behreitö, 
allumfassende.  Keine  verlogene  Keuschheit  einer  Pfaffen-  oder  Ennnchen- 
natur;  aber  die  alle  Fesseln  lösende,  gar  nicht  asketische,  gesunde  eines 
überlegen  Maskulinen,  der  sich  und  sein  Dasein  als  erfüllendes  nnd  vor« 
bereitendes  Glied  in  der  Rätselkette  des  Lebens  fühlt  und  der  im  Glaabeo 
an  die  Wiedergeburt  der  Persönlichkeit  seine  Mission  als  ethisches  Boden- 
bereiten  für  solche  Wiederkunft  empfindet. 


Ich  habe  der  »Lieder  eines  fahrenden  Gesellen*  mit  Absicht 
früher  nicht  gedacht,  um  sie  dann  hier  in  einen  anderen  Zusammenhang  zu 
bringen.  In  ihrem  melancholischen  Reiz  und  ihrer  schwermütigen  Schlichtheit 
üben  sie  eine  eindringliche  Wirkung;  wäre  nicht  alles  »Einreiben*  so  töricht, 
so  müßte  man  ihnen  —  meiner  subjektiven  Wertung  nach  —  den  Platz  auf 
der  Stufenleiter  zwischen  den  Klavierliedem  und  den  Wunderhomgesingen 
anweisen.  Ich  muß  aber  bekennen,  daß  mich  die  musikalische. Kraft  dieser 
Lieder  nicht  in  gleichem  Maße  fesselt  wie  die  anderen  nnd  daß  ich  — 
von  Einzelheiten  abgesehen  —  ihren  Reichtum  nnd  ihre  überredende 
Wärme  nicht  so  ungemein  empfinde  als  bei  anderen  Schöpfungen  Mahlers. 
Ihr  Wert  liegt  anderswo:  sie  sind  der  Keim  seines  symphonischen  Schaffens; 
aus  ihnen  hat  sich  die  erste  Symphonie  entfaltet,  —  nicht  nur  ans  ihrer 
Thematik,  sondern  aus  ihrer  dichterischen  Stimmung,  die  einfach  die  Stim« 
mung  der  Jugend  selbst  ist:  das  Bewußtwerden  der  eigenen  Welt,  das 
Entzücken  am  Weben  der  Natur,   die  jeder  für  sich  selbst  erst  entdeckt 


150 
SPECHT:  GUSTAV  MAHLER 


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und  für  sich  erobert,  das  lachende  Sich -ins -Leben -stürzen  und  die  grim- 
mige Verzweiflung  und  Emfichterung  bei  der  ersten  Enttäuschung  vor  der 
Grausamkeit  dieses  Lebens,  die  den  einen  bricht,  den  andern  stiblt  und 
zum  Sieger  macht. 

Mahlers  «Fahrender  Gesell*  wird  gebrochen  und  geht  zugrunde;  der 
Held  der  ersten  Symphonie  bleibt  im  Untergang  Sieger.  Wobei  »Held* 
natürlicherweise  nicht  anders  zu  verstehen  ist,  als  wenn  man  vom  Helden 
der  «Eroica*  spricht,  und  wobei  von  einer  programmatischen  Ausdeutung 
keine  Rede  sein  kann.  Vielleicht,  daß  man,  ähnlich  wie  Beethoven,  auf 
die  Frage  des  »Inhalts*  der  »Appassionata*  mit  dem  Wort  »Lesen  Sie 
Shakespeares  Sturm*  geantwortet  bat,  auf  eine  ähnliche  Frage  erwidern 
darf:  »Lesen  Sie  Jean  Pauls  ,Titan^*.  Aber  es  wäre  ein  bedenkliches  Miß- 
verstehen, wenn  man  von  der  Voraussetzung  ausginge,'  in  dem  Dichterwerk 
eine  Aufklärung  des  symphonischen  Gehaltes  der  »Ersten*  oder  gar  in 
dieser  ein  musikalisches  Illustrieren  jener  poetischen  Vorgänge  zu  suchen. 
Nichts  von  alledem  soll  in  solchem  Hinweis  liegen.  Nur  ein  Stimmungs- 
wegweiser —  ein  Hindeuten  auf  individuelle  Zustände  ähnlicher  Art,  die 
dort  Dichtung  und  hier  Musik  geworden  sind. 

In  der  ersten  Symphonie  —  sie  steht  in  D-dur  —  ist  Mahlers 
ganzer  Dämon  entfesselt  —  alles  Heftige  und  BrQske,  alles  Aufreizende 
und  jäh  Befehlshaberische,  alles  Helle  und  Übermütige  seiner  bis  zum 
Fanatischen  wahrhaften  Natur  ist  hier  in  harten  Kontrasten  nebeneinander- 
gesetzt.  Die  beiden  Anfangssätze  scheinen  in  leuchtender  Sonne  zu  liegen. 
Nach  dem  Beginn,  in  dem  eine  seltsam  verschleierte,  dunstige  Morgen- 
stimmung zum  Naturlaut  wird,  der  sich  —  es  ist  das  höchste  und  das 
tiefste  A  —  aus  dem  Weben  und  Brauen  löst,  von  fem  her  zum  Erwachen 
mahnendem  Trompetenruf  und  leisem  Kuckuckslaut  unterbrochen,  wird  die 
Dämmerung  lichter  und  lichter,  und  aus  dem  Kuckucksruf  d — a  wird  das 
in  köstlichem  Kanon  von  Holzbläsern  und  Streichern  mutwillig  durchgefOhrte, 
von  unbefangenster  Freudigkeit  erfüllte  Hauptthema  gebildet,  das  —  wie 


usw. 


fast  alle  Mahlerschen  Symphoniethemen  in  seiner  breiten  Ausdehnung  kaum 
sofort  zu  fibersehen  und  zu  perzipieren  —  sich  zu  einem  Sonnenattfgangsjubel 
ohnegleichen  steigert,  zu  einem  jauchzenden  Übermut,  einem  frenetischen 


160 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


Frühlingstaumel,  der  sich  aller  Instrumente  bemächtigt  und  sich  in  schallend 
hinreißendem,  seligem  Gelächter  befreit.  Ebenso  der  zweite  Satz  in  seiner 
vehementen,  derben  Lebensfreudigkeit,  in  den  spezifisch  österreichischen 
Rhythmen  seines  strotzend  körperhaften  Ländlerstils  und  dem  zärtlichen  Trio: 


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Lauter  Musik  der  Lebensbejahung,  der  unverstörten  fröhlichen  Jugend, 
die  sich  dem  Daseinsreigen  hingibt,  ohne  ihn  zu  meistern.  (Das  Scherzo 
der  fünften  Symphonie  bringt  —  meiner  Empfindung  nach  —  solchen 
«gemeisterten"  Reigen.)  Um  so  furchtbarer,  grimmig  verzweifelter  wirkt  der 
dritte  Satz:  vielleicht  das  kühnste  tönende  Abbild  der  Seelenstimmung 
eines  Vernichteten,  das  je  in  der  Musik  gemalt  worden  ist.  Das  nicht 
abzuschüttelnde  Leierkasteneinerlei  des  Kanons  »Bruder  Jakob,  schläfst  du 
noch",  das  sich  unerträglich  quälend  ins  Ohr  genistet  hat,  dazu  das  schrill 
höhnische  Auflachen  der  Oboe,  das  selbstmartemde  Parodieren  der  eigenen 
Trostlosigkeit  durch  das  Vorsichhinpfeifen  eines  groben  Gassenhauers  — 
all  diese  bis  zum  Schmerzhaften  wühlende  Selbstironie,  die  sich  dann  in 
dem  aus  dem  letzten  Lied  des  »fahrenden  Gesellen"  gewonnenen  Mittelsatz 
und  seiner  mild  beruhigenden  Wiegenweise  gleichsam  in  den  letzten  Schlaf 
weint  —  all  das  ist  mit  einer  hellseherischen  Genialität  ohnegleichen  hin- 
geworfen; ebenso  das  kolossale  Kampfspiel  des  letzten  Satzes  mit  seinem 
gleich  schimmernden  Lanzen  aufgepflanzten  Trompetenthema,  das  immer 
wieder  von  dem  zornigen  Entgegenwerfen  stürmischer  Holzbläser-  und 
Streicherfiguren  weggefegt  wird,  um  immer  siegreicher  neu  aufzutauchen 
und  zu  dem  sich  tröstend,  verheißend  und  in  edler  Hoffhung  eine  Melodie 
von  45  Takte  langem  Atem  niedersenkt,  die  zu  Mahlers  herrlichsten  Ein- 
gebungen gehört: 


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161 

SPECHT:  GUSTAV  MAHLER 


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usw. 


Es  sind  nicht  viele  Sätze  der  Mahlerschen  Symphonieen  in  gleicher 
Weise  wutenden  Angriffen  ausgesetzt  gewesen  wie  diese  beiden»  die  gerade 
in  ihrem  »Schmiß",  ihrer  intuitiven  Kfihnheit  des  Wurfs  und  der  schnei* 
denden  Schärfe  einer  vor  *  keiner  Konsequenz  zurückscheuenden  Wahr- 
haftigkeit des  Ausdrucks  seine  persönlichste  Signatur  tragen.  Wehleidigen 
Ohren  waren  die  störrischen  Harmonieen  mancher  Teile  und  die  Härte 
entsetzlich,  mit  der  schon  hier  die  kaum  jemals  als  Füllstimmen  behandelten, 
sondern  fast  durchweg  thematisch  gegeneinander  prasselnden,  begleitenden 
Instrumente  geführt  werden  —  ein  Merkzeichen  Mahlerscher  Symphonik 
überhaupt  — ,  und  andere  wieder  verwerfen  die  Trivialität  des  im  Andante 
benutzten  Kanons  ebenso,  wie  manche  ihnen  nicht  »gewählt*  genug  scheinende 
Wendung  der  Erfindung.  Beides  hat  an  Robert  Schumann  einen  gewichtigen 
Verteidiger  gefunden,  der  darüber  sagt:  »Man  probiere  nur,  irgend  etwas  zu 
ändern  und  zu  verbessern,  wie  es  einem  irgend  geübten  Harmoniker  Kinder- 
spiel ist,  und  sehe  zu,  wie  matt  sich  alles  dagegen  ausnimmt  I  Den  ersten 
Ausbrüchen  eines  starken  Jugendgemütes  wohnt  nämlich  eine  ganz  eigen- 
tümliche unverwüstliche  Kraft  inne;  spreche  sie  sich  noch  so  roh  aus, 
sie  wirkt  um  so  mächtiger,  je  weniger  man  sie  durch  Kritik  in  das  Kunstfach 
hinüberzuziehen  versucht.  Man  wird  sich  vergebens  bemühen,  sie  durch 
Kunst  verfeinem  oder  durch  Zwang  in  Schranken  halten  zu  wollen,  sobald 
sie  nicht  selbst  mit  ihren  Mitteln  besonnener  umzugehen  und  auf  eigenem 
Wege  Ziel  und  Richtschnur  zu  finden  gelernt  hat."  Was  um  so  mehr  gilt, 
als  Mahler  diesen  »eigenen  Weg*  gefunden  hat,  der  ihn  zu  der  technischen 
Meisterschaft  und  Souveränität  seiner  letzten  symphonischen  Werke  zu 
führen  vermochte.  Und  über  den  zweiten  Punkt:  »Man  bedenke,  daß  er 
ja  gar  keinen  großen  Gedanken  hinstellen  wollte,  sondern  nur  eine  fest- 
hängende quälende  Idee  in  der  Art,  wie  man  sie  oft  tagelang  nicht  aus 
den  Kopfe  bringt;  das  Eintönige,  Irrsinnige  kann  aber  gar  nicht  besser 
getroffen  werden.*  Es  tut  nichts  zur  Sache,  daß  diese  Worte  über  die 
Symphonie  Fantastique  von  Berlioz  gesagt  worden  sind;  die  Geltung,  die 
ihnen  innewohnt,  wird  man  ihnen  auch  in  ihrer  Anwendung  auf  das  jüngere 
Werk  nicht  versagen  dürfen. 

Über  den  Begriff  des  Banalen  und  der  Reminiszenz  herrschen  über- 
haupt im  allgemeinen  beschränkte  Ideen.  Gar  nicht  zu  reden  davon,  daß  es 
weniger  auf  ein  Thema  selbst  ankommt,  als  auf  seine  determinierende  Kraft, 
die  den  aus  ihm  gewonnenen  organischen  symphonischen  Aufbau  erst  be- 
stimmt, —  und  man  wird  zugeben  müssen,  daß  dies  bei  Mahler  in  ganz 

VII.  15.  11 


162 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


p^yw. 


besonderem  Maße  der  Fall  ist  und  daß  jeder  seiner  Sitze  durch  das  Thema 
absolut  bedingt  und  in  ihm  latent  vorgebildet  ist.  Aber  die  Empfindung 
der  »Trivialität"  verschiebt  sich  im  Laufe  der  Zeit;  insbesondere  dann» 
wenn  es  sich  um  ein  Motiv  handelt,  das  eben  zurzeit  seiner  symphonischen 
Verwendung  volkstümlich  ist  und  von  den  Zeitgenossen  als  gewöhnlich 
empfunden  wird,  während  es  für  die  Kommenden  eine  veredelnde  Patina 
gewonnen  hat,  die  sein  einst  Alltägliches  vollständig  verdeckt.  Sonst  wäre 
es  nicht  möglich,  daß  so  viele  Beethovensche  Themen  von  den  gleich- 
zeitigen Musikern  als  »billig"  und  »allzupopulär"  gescholten  worden  sind, 
während  sie  für  uns  in  dem  Glanz  der  Psyche  strahlen,  durch  die  sie 
hindurchgegangen  sind.  Wer  heute  die  symphonische  Ausweitung  und 
Stilisierung  eines  Walzers  als  »eines  ernsten  Werks  unwürdig"  empfindet, 
wird  bedenken  müssen,  daß  das  Menuett  zur  Haydn-Mozartzeit  um  keine 
Spur  vornehmer  war  als  der  Walzer  für  uns,  und  daß  unsere  Nachfahren 
jenes  ebensosehr  als  symphonisch  idealisierten  Tanz  betrachten  werden, 
wie  wir  es  diesen  gravitätisch-anmutigen  Rhythmen  unserer  klassischen 
Rokoko-Tondichter  gegenüber  tun.  Ganz  abgesehen  davon,  daß  der  BegrilT 
des  Trivalen,  ja  des  Gassenhauers  zumeist  ein  rein  lokaler  ist  und  daG 
beispielsweise  in  Norddeutschland  eine  Melodie  als  national-bodenständig 
und  dadurch  reiz-  und  wertvoll  angesehen  werden  mag,  die  in  Österreich 
als  »Volkssängerbanalität"  verächtlich  abgetan  wird.  Schließlich  kommt  es 
nur  auf  zweierlei  an:  auf  den  Lebendigkeitswert  eines  Themas  und  dessen, 
was  aus  ihm  organisch  herausgeholt  wird,  und  auf  den,  der  es  tut.  Kein 
dichterischer  Gedanke,  kein  Motiv  der  Musik  oder  Malerei  an  sich  hat 
Bedeutung;  erst  wenn  der  Künstler  kommt,  der  es  fruchtbar  macht,  der  ihm 
seinen  höchsten  und  endgültigen  Ausdruck  gibt  und  Kraft  genug  hat,  die 
andern  zum  Aufhorchen  und  Empfangen  zu  zwingen,  ist  jene  Bedeutung 
vorbanden.  Weshalb  jegliche  Reminiszenzen-  und  Plagiatsucherei  so  un- 
säglich unkünstlerisch  ist.  Wenn  irgendwo,  so  gilt  in  der  Kunst  das  Recht 
des  Stärkeren. 


Vor  kurzer  Zeit  habe  ich  wieder  —  nach  langen  Jahren  —  Mahlers 
c-moll  Symphonie  —  die  »Zweite"  —  erlebt.  Ein  anderes  Wort 
trifft  hier  nicht.  Das  ungeheure  Werk  wirkt  auf  mich  —  und  auf  unzählige 
andere,  wie  es  sich  jetzt  erfreuKich  gezeigt  hat  —  mit  der  packenden, 
hinreißenden  Kraft  eines  besitzergreifenden  Erlebnisses,  zu  dessen  Sub- 
jektivem aber  das  Befreiende  der  künstlerischen  Gestaltung  tritt.  Wenn 
es  überhaupt  ein  Werk  unserer  Zeit  gibt,  das  zu  späteren  Geschlechtern 
sprechen,  das  ihnen  die  Tonkunsthöhe  unserer  Epoche  melden  und  ihnen 
von  unserer  Art,  unserer  Not  und  Sehnsucht,  unserer  Angst  und  Liebe  in 


163 
SPECHT:  GUSTAV  MAHLER 


Tönen  berichten  soll,  die  «den  Worten  nahekommen,  aber  doch  unendlich 
▼iel  'mehr  kundgeben,  als  diese  vermögen"  —  ein  Mahlersches  Wort  — 
so  muß  es  dieses  Werk  sein,  das  freilich  noch  von  viel  mehr  erzählt  als 
von  uns,  unserer  Zeit  und  ihrem  rasenden  Pulsschlag:  nämlich  von  seinem 
Schöpfer  und  der  Größe,  mit  der  er  sich  über  das  Zeitliche  erhebt.  Das 
mag  übertrieben  scheinen,  und  vielleicht  ist  es  auch  irrig,  obwohl  ich  solch 
iberstarkem,  durch  und  durch  aufwühlendem  Eindruck,  der  redlich 
Lauschende  zum  höchsten  Bewußtsein  ihres  besten  Empfindens  und  ihrer 
reinsten  Menschlichkeit  bringt,  weit  eher  traue  als  aller  Tabulatur  der 
Vernunft.  Mag  sein,  daß  mir  und  ähnlich  Fühlenden  heute  die  rechte 
Distanz  zu  Mahlers  übrigem  Werk  fehlt.  Das  Gegenteil  wäre  unnatürlich: 
man  kann  nicht  gleichzeitig  lebendig  und  historisch  genießen.  Bei  der  «Zweiten" 
aber  spricht  ein  unerschütterliches  Bewußtsein,  daß  hier  nicht  nur  höchste 
Empfindungen  in  Tönen  zum  Ausdruck  kommen,  sondern  daß  hier  ein 
Inhalt  ist,  der  abgelöst  von  allem  bloß  mit  seiner  Epoche  Zusammen- 
hängenden den  Wert  des  Beständigen  in  sich  trägt  und  für  den  es  eine 
Nachwelt  geben  muß. 

Es  ist  nicht  meine  Absicht,  in  diesen  Blättern  Einzelanalysen  der 
Mahlerschen  Symphonieen  zu  geben.  Man  weiß,  daß  jeglicher  Musik  gegen- 
über das  schildernde  Wort  machtlos  ist:  es  können  bestenfalls  subjektive 
Eindrücke  wiedergegeben,  niemals  aber  das  Wesentliche  und  Fesselnde 
eines  Musikwerks  in  Worten  ausgedrückt  werden.  Ausführliche  thematische 
Studien  müßten  den  hier  zu  Gebote  stehenden  Raum  weit  überschreiten; 
abgesehen  davon,  daß  sie  entweder  die  Wiederholung  eines  schon  Gesagten 
oder  ein  Vorwegnehmen  in  Aussicht  genommener  Arbeiten  wären. ^)  Hier 
kann  es  sich  nur  um  allgemeine  Charakteristik  handeln,  nicht  um 
detaillierendes  Zerlegen.  Trotzdem  kann  ich  es  mir  nicht  versagen, 
wenigstens  die  Hauptthemen  der  «Zweiten"  anzuführen,  zuerst  das  trotzig 
grollende: 


^)  Vgl.  die  schon  angeführte  Broschüre;  dann  die  thematische  Analyse  «Gustav 
Mahlers  sechste  Symphonie*  (Verlag  C.  F.  Kabnts  Nachfolger)  und  die  demnächst 
in  den  «Musikfübrem*  der  Schlesingerscben  Musikhandlung,  Berlin,  erscheinenden 
analytischen  Studien  (zunächst  über  die  vierte  und  fünfte  Symphonie).  Vgl.  femer 
die  in  der  «Musik*  erschienenen  Analysen  E.  O.  Nodnagels  (zweite  Symphonie:  Jahr- 
Sang  II,  17;  fünfte  Symphonie:  Jahrgang  IV,  4  und  5;  sechste  Symphonie:  Jahr- 
gang V,  16), 


164 
DIE  MUSIK  VII.  IS. 


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gl!^^y-^^r-rI!ttIj^       itüJ^r  TjjLLp 


tempo. 


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mit  dem  die  feierlich  ernste  Totenfeier  des  ersten  Satzes  anhebt  und  das 
nach  einer  herben  Steigerung  zu  dem  unsiglich  weh  vollen  Gesang  fOhrt: 


__^  ä^  .-  u-,   <uii^ii?Ei^  %'^ts$  ¥*ifeg  gjffiilyl 


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der  gleichsam  als  zweiter  Teil  des  durchaus  organischen,  aber  in  Gruppen 
zu  gliedernden,  in  mächtigem  Bogen  gespannten  Hauptthemas  aufznfasaeo 
ist.  (Zweierlei  in  Parenthese:  zunächst  ein  Hinweis  auf  die  Eigenart  des 
Mahlerschen  Themenbaues,  der  das  eigentliche  Hauptthema  zumeist  nach 
einer,  die  kommende  Durchfuhrung  in  ihren  einzelnen  Keimen  schon  in 
sich  tragenden  Motivgruppe  auftreten  läßt,  worüber  sich  aufschlußreiche, 
hier  aber  viel  zu  weit  führende  Untersuchungen  führen  ließen;  dann  die 
endgültige,  durch  die  Werke  selbst  bewiesene  und  nicht  erst  durch  Gründe 
zu  belegende  Feststellung,  daß  sämtliche  Symphonieen  Mahlers  vollkommen 
in  der  —  im  einzelnen  erweiterten  und  streckenweise  freier  und  phantastischer 
behandelten  —  streng  symphonischen  Form  der  nachbeethovenschen  Zeit 
aufgetürmt  sind,  und  daß  jeder,  der  an  solchem  Schematisieren  Spaß  findet, 
beim  Aufstellen  eines  Schemas  sogar  bei  den  weitest  ausgesponnenen  Sitzen 
dieser  Werke  auf  seine  Rechnung  kommen  wird.  Was  die  Annahme  Ton 
a  Programmusik*  —  soweit  nicht  jede  gefühlte  und  erlebte  Musik  ihr 
«Programm"  hat  —  von  vornherein  ausschließt  und  was  ebensowenig  wie  die 


165 
SPECHT:  GUSTAV  MAHLER 


Tatsache  zu  diskutieren  ist,  daß  hier  auch  in  den  ausdruckbeladendsten 
Momenten  die  Mittel  des  rein  Musikalischen  nie  fiberschritten  werden.) 
Nach  der  tränenvoll  heftigen,  alle  Tiefen  des  Schmerzes  ausmessenden 
Tragik  des  ersten  Satzes  die  innige  Heiterkeit  des  lieblichen  Andante,  das 
gleich  dem  Gedenken  an  ein  mild  glückliches  Dasein  vorüberzieht: 


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4— r- 


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usw. 


und  dessen  seliges  Hinschweben  dann  von  den  Celli  und  spiter  von  den 
Geigen  mit  einem  innig  eindringlichen  Gesang  voll  bewegter  Wirme  begleitet 
wird,  dann  das  aus  der  schon  erwähnten  »Fischpredigt  des  Heiligen  Antonius* 
gestaltete  Scherzo,  dessen  von  einem  in  zartem  Glanz  strahlenden  getragenen 
Trompetensatz  unterbrochener,  unheimlich  schattenhafter  Fluß  sich  zu  einem 
gellenden  Aufschrei  einer  von  sinnloser  Angst  gepeinigten  Seele  steigert, 
and  deren  irre  Qual  durch  das  wundervoll  beruhigende  Altsolo  vom  «Ur* 
licht«  eebändigt  wird: 


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^n-mM 


iS3 


X 


'f-f=t^^i^^lifj' >^     f   ^ 


Ich  bin-^  von  Gott    und  will  wie  »der  zu  Gott,  der   lie   •    be  Gott,    der 


^E^^S^ 


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:p=t 


t=t 


lie  -  be  Gott  wird 


mir  ein  Licht*lein 


ge*ben,wirdleach  -  ten  mir 


in   das    e 


wlg      se    -     lig    Le  -  ben. 


Und  darauf  die  schaurig  wütende  Phantasie  des  Schlußsatzes,  in  dem  das 
jfingste  Gericht  anhebt,  ein  Sturm  über  die  Griber  fegt,  »der  Rufer  in  der 
Wüste«   zum  großen  Appell  rufr^  die  Toten  auferstehn  und  Könige  und 


166 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


Kärrner,  die  einen  in  Furcht  und  Bangen,  die  andern  in  gefaßter  Zuversicht, 
dem  Richter  entgegenziehen:  aber  statt  des  zermalmenden  Donners  ertönt 
eine  duftige  leise  Vogelstimme  zu  den  fernen,  zur  wahren  Heimkehr 
mahnenden  Trompeten  —  eine  geniale  Stilisierung  des  Zapfenstreichs  — 
und  überwältigend  milde  und  trostvoll  setzt  der  fiberirdische  Chor  ein,  der 
die  Schrecken  bannt  und  den  Sinn  des  Lebens  —  die  Worte  sind  von 
Mahler  selbst  —  verkündet: 


Wieder  aufzublfihn,  wirst  du  gesit! 

Der  Herr  der  Ernte  geht 

Und  sammelt  Garben 

Uns  ein,  die  starben. 

O  glaube,  mein  Herz: 

Es  geht  dir  nichts  verloren  I 

Dein  ist,  was  du  gesehnt, 

Was  du  geliebt,  was  du  gestritten! 

O  glaube:  du  wardst  nicht  umsonst  geboren! 

Hast  nicht  umsonst  gelebt,  gelitten! 

Was  entstanden  ist,  das  muß  vergehn! 

Was  vergangen,  auferstehn! 

Hör  auf  zu  beben! 

Bereite  dich!   Bereite  dich  zu  leben! 


O  Schmerz,  du  Alldurcbdringer! 

Dir  bin  ich  entrungen!  ' 

O  Tod,  du  Allbezwinger! 

Nun  bist  du  bezwungen! 

Mit  Flfigeln,  die  ich  mir  errungen 

In  heißem  Liebesstreben, 

Werd'  ich  entschweben 

Zum  Liebt,  zu  dem  kein  Aug*  gedrungen! 

Sterben  werd'  ich,  um  zu  leben! 

Auferstehn,  ja  auferstehn  wirst  du. 

Mein  Herz,  in  einem  Nu! 

Was  du  geschlagen. 

Zu  Gott  wird  es  dich  tragen! 


Ein  Aufschwung  von  hinreißender  musikalischer  Erhabenheit,  von 
einer  Höhe  tondichterischer  Inspiration,  der  kein  Wort  nahezukommen  ver- 
mag; von  solch  leuchtender  Größe,  solcher  inneren  Sammlung,  Kraft  und 
Gläubigkeit,  daß  jeder  Einzelheiten  treffende  ,»Kenner"-Einwand  einem  so 
unmittelbar  erlebnisstarkem  Eindruck  gegenüber  als  klägliche  Nörgelei  wirkt. 
An  solchem  Eindruck  zweifeln  und  glauben  zu  sollen,  daß  er  trfigen  könne, 
hieße  alles  verleugnen,  was  dem  Empfangenden  als  dauerndes  geistiges 
Besitztum  gereift  ist. 


Ganz  andere  Welten  erschließen  die  „Dritte"  und  «Vierte*.  Sie  er« 
ganzen  sich  gegenseitig;  die  ruhevolle  Weltflucht,  die  vom  Leben  unbefleckte 
Heiterkeit,  die  in  der  «Vierten''  zur  Musik  wird,  hat  ihr  riesenhaftes  Vorspiel 
in  der  dritten  Symphonie  in  d-moll,  in  der  die  reine  Natur  mit  allen 
Stimmen  der  Liebe  in  Tönen  redet.  Der  erste  Satz  —  es  sei  mir  erlaubt, 
schon  früher  Gesagtes  wieder  anzuführen:  «ein  Tagebuch  in  Tönen:  die 
klanggewordene  Darstellung  eines  typischen  Künstlerdaseins,  des  Kfinstlers 
Bacchuszug  durchs  Leben,  in  all  seiner  dionysischen  stolzen  Zuversicht 
und  schenkenden  Freude,  mit  all  seinen  Dämonen,  seiner  Gier,  seines 
Enttäuschungen  und  allem  Niedrigen,  Banalen  und  Pöbelhaften,  das  der 
Alltag  bringt,  und  dessen  er  in  der  sieghaften  Verachtung  und  der  Ent* 


167 
SPECHT:  GUSTAV  MAHLER 


rücktheit  des  Schaffens  Herr  wird,  weil  er  selbst  von  der  Warte  heiterer 
Resignation  und  in  gelassenem  Überderolebenstehen  herunterblickt."  Dies 
alles  ausgedrückt  in  einem  orgiastisch  lebenskräftigen  Marschsatz,  dessen 
melodische  Symbole  bis  zu  tragischer  Hohe  ebenso  wie  bis  zu  ordi- 
närer Schwankderbheit  reichen.  Nichts  für  Verzärtelte.  Um  so  lieblicher 
und  einschmeichelnder  die  fünf  Sätze  der  zweiten  Abteilung:  das  gleichsam 
von  glitzerndem  Tau  fiberhauchte  Menuett,  die  anmutvolle  Hast  der  Scherzo- 
groteske, das  aus  gefestigter  Inbrunst  geborene  Mittemachtslied  des  Zara- 
thustra,  der  schelmisch-kindliche,  weltfremd-freudige  Engelschor  und  das 
wieder  rein  instrumentale  Adagio  des  Schlusses  in  seinem  breit  hinströ- 
menden, von  kostlichster  Liebesfülle  getragenen  und  in  seinem  melodischen 
Atem  gar  nicht  enden  wollenden  Gesang  haben  dem  Tondichter  Mahler 
eigentlich  erst  die  Bahn  geöffnet,  an  deren  Ziel  er  heute  als  der  neben 
Strauß  meist  aufgeführte  und  wachsendes  Verstehen  empfangende  Sym- 
phoniker unserer  Tage  steht. 

Die  vierte  —  G-dur  —  Symphonie,  weit  knapper  in  ihren  Dimen- 
sionen und  ihren  Mitteln,  ist  in  ihrer  unbefangenen  Einfalt  und  ihrem 
gleichsam  grundlosen  Frohsinn  viel  mißverstanden  worden  und  wird  es 
weiter  von  all  jenen  werden,  denen  das  reizvoll  Kindliche  in  Mahlers  ganzem 
Wesen  fremd  ist.  Der  erste  Satz  in  seiner  fast  Mozartschen  Freudigkeit 
und  seinem  frisch  naiven,  von  allem  Grübeln  und  aller  Verständigkeit 
fernen  Geplauder,  das  Scherzo,  in  dem  Freund  Hein  lockend  beunruhigend 
die  Fiedel  streicht,  das  aus  wunderbarer  Einsamkeit  eines  innerlich  Befreiten 
und  nur  mehr  in  sich  Hineinhorchenden  gesungene  Adagio  geben  das 
tönende  Bild  einer  Welt,  über  deren  Sinn  eine  Kinderstimme  Aufschluß 
gibt:  80  ist  »das  himmlische  Leben''.  Der  mit  diesem  Wort  überschrie* 
bene  Schlußsatz  —  ein  Sopransolo  nach  dem  allerliebst  ein  Kinderhimmel- 
reich  schildernden  Gedicht  aus  «Des  Knaben  Wunderhom*  —  drängt 
in  seiner  an  Schubert  mahnenden  Anmut  eine  Überfülle  prachtvollen 
Humors  in  den  engsten  Rahmen:  das  Abbild  eines  Kosmos  in  einem 
magischen  Edelstein.  Wer  Mahler  und  sein  Wesen,  besonders  aber  das 
durchaus  Neue  der  Art  seines  musikalischen  Humors  ganz  erfassen  will, 
wird  sich  dieses  Werk  und  seinen  «Abgesang''  insbesondere  zu  eigen 
machen  müssen.     Er  wird  dann  nicht  wieder  davon  lassen  wollen. 

Die  »Fünfte*  setzt,  ähnlich  wie  die  »Zweite",  mit  einem  Trauerkon- 
dukt ein;  aber  statt  zu  Tod  und  Jenseits  führt  diese  festlich  siegreiche 
Musik  mitten  ins  jauchzende  Leben  hinein.  Was  besonders  aus  dem  ge- 
waltigen, freudekräftigen  Scherzo,  dieser  freien  und  übermütigen  Tanz- 
idealisierung voll  brausenden  Machtgefühls,  und  aus  dem  kolossalen  Rondo- 
Finale  spricht,  einem  in  der  Verwegenheit  der  Kontrapunktik,  der  meistere 
liehen  Bändigung  der  überreichen  Untermotive  und  in  der  Straffheit  der 


168 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


mSBo 


Beherrschung  weitestgespannter  Form  ebenso  wie  in  seinem  genialen 
Wurf  fiberwältigenden  Stücke.  Hier  und  ebenso  in  der  »tragischen* 
sechsten  Symphonie  spurt  man  die  Reife  des  Meisters,  der  sich  auch  in 
Details  nicht  mehr  der  eigenen  Erfindung  und  ihren  Ausdrucksmitteln  ge- 
fangen gibt,  und  dessen  Überlegenheit  in  jedem  Takt  fflhlbar  wird.  Alles 
»sitzt";  die  ausschweifendsten  Orchestermittel  —  zu  den  ungewöhnlichen 
Streich-  und  Bläsermassen  treten  in  einzelnen  Werken  Es-Klarinette,  Tenor- 
hörn,  Mandoline,  Celesta,  Orgel,  ganze  Schlagwerkgruppen,  wie:  Rute,  ge- 
stimmte Glocken,  Stahlstäbe,  Hammer,  Herdenglocken  und  vor  allem,  wo- 
rüber noch  zu  sprechen  sein  wird,  die  Menschenstimmen  —  sind  mit  einer 
Sicherheit  und  einer  erfinderischen  Hellhörigkeit  ohnegleichen  behandelt, 
jeder  Klang  aufs  subtilste  differenziert  und  selbst  dort,  wo  —  wie  im  Finale 
der  »Sechsten*  —  aufreizende  Schmerzhaftigkeiten  der  Bläser  und  des 
Schlagwerks  zuerst  befremden,  wird  bei  näherer  Betrachtung  die  künstle- 
rische, niemals  auf  bloßen  Klangeffekt  zielende  Absicht  deutlich.  Aber 
auch  die  unerhörten  Maße  der  Form  sind  in  bewundernswerter  und  mühe- 
losester Weise'  bewältigt;  nirgends  ein  Verlieren  der  Zügel,  überall  In 
diesem  unfehlbaren  Spiel  mit  den  größten  Dimensionen  des  symphonischen 
Satzes  ein  deutliches  Erkennenlassen  des  Ziels,  nirgends  bloße  Willkür, 
irgendwelches  Sichtreibenlassen,  irgendwelches  Zerreißen  des  organischen 
Zusammenhanges.  Wobei  zu  bemerken  ist,  daß  die  Konzentration  der 
Form  in  Mablers  letzten  Werken  noch  deutlicher  wird  als  in  den  frfihereQ, 
die  gleichsam  das  Vorspiel  zu  der  siebenten  und  achten  Symphonie  — *- 
insbesondere  zu  der  Tat  der  letztgenannten  —  bedeuten. 


Die  »Siebente"  und  »Achte*  sind  noch  nicht  gedruckt  und  noch 
nicht  aufgeführt  Es  ist  mir  also  verwehrt,  eingehend  von  diesen  höchsten  Br^ 
füUungen  des  Mahlerschen  Wesens  zu  sprechen  —  schon  deshalb,  veil 
jede  Gegenkontrolle  fehlt  und  das  Gesagte  nicht  yon  anderen  nachgeprOlk 
zu  werden  vermag.  Aber  über  beide  Werke  und  über  die  achte  Symphonie 
speziell  ist  so  viel  Halbwahres,  Entstellendes  und  hämisch  Mißdeutendes  in 
die  Öffentlichkeit  gebracht  worden,  daß  es  am  Platze  sein  mag,  wenigstens 
einige  Bemerkungen  über  den  Geist  und  die  Form  dieser  Werke  zur  Richtig- 
stellung vorgefaßter  Meinungen  vorzubringen. 

Beide  Symphonieen  sind  Freudenspender  erlesenster  Art,  kostbare 
Gefäße  lauterer  Eingebungen  von  edelster  innerer  Sammlung  und  von 
einer  Transparenz  des  Gefüges  sondergleichen.  Die  »Siebente",  in  ihren 
prchestralen  Mitteln  sparsamer  als  irgend  ein  anderes  Mahlersches  Weri^ 
ist  rein  instrumental;  die  menschliche  Stimme,  in  einzelnen  Sitten  der 


169 
SPECHT:  GUSTAV  MAHLER 


mSSO 


firttheren  Symphonieen  entweder  bloß  zur  Färbung  des  Klanges  oder  als 
Deuter  der  durch  das  Wort  präzisierten  und  konzentrierten  und  ohne  das 
Wort  einen  viel  zu  weitschweifigen  Musikausdruck  fordernden  Stimmung 
verwendet,  schweigt  hier  ganz.  Die  riesigen  Eckpfeiler  der  »Siebenten'', 
ihr  erster  und  ihr  letzter  Satz,  sind  auch  die  Träger  ihres  wesentlichen 
Gehalts;  der  erste,  monumental  aufgetürmte  Satz  mit  dem  vom  Tenorhom 
angestimmten,  machtvoll  düsteren  und  in  seiner  entschlossenen,  trotzigen 
Prägnanz  sofort  unvergeßlichen  Thema  der  Einleitung  und  seinem  von 
schwungvollem  Gesang  abgelösten,  mutig  stolzen  Motivenkampfspiel,  —  der 
letzte,  ein  Rondo  von  weitestem  Wurf  und  froh  erregender,  bewegter 
Spannung,  gehören  in  ihrer  innerlichen  Gebundenheit,  im  straff  Geschlossenen 
ihrer  organischen  Struktur  und  in  der  Kühnheit  der  Konzeption  zu  den 
überragendsten  Stücken  des  jedesmal  durch  neue  Töne  und  neuen  Stil 
überraschenden  Tondichters.  Aber  vielleicht  gerade  deshalb  wird  es  länger 
währen,  bis  sie  sich  williges  Verstehen  errungen  haben.  Während  die  drei 
zwischenspielartigen  Sätze  —  zwei  Nachtmusiken,  durch  ein  Scherzo 
getrennt  —  unmittelbaren  Zündens  sicher  sind :  die  erste  Nachtmusik,  ein 
in  dem  unheimlich  phantastischen,  an  Holbeinsche  und  Retheische  Toten- 
tänze mahnenden  Stil  der  «Reveille*  gehaltener  gespenstischer  Aufmarsch 
einer  geisterhaften  Scharwache,  in  deren  mittemächtige,  spukhafte  Runde 
sehnsuchtvoll  klagende  Volksliedstimmen  hallen,  die  zweite,  mit  ihrer  von 
Mandolinenklängen  getragenen,  wunderbar  zärtlichen  und  anmutvollen 
Ständchenmelodie,  von  rauschenden  Brunnen,  flüsternden  Linden  und  spinn- 
webzarten Traumlauten  umtönt,  dazu  der  graziöse  Übermut  des  eilig  hin- 
fliegenden, in  kosendem  Tanzrhythmus  sich  wiegenden,  lachend  aufjubelnden 
und  dann  wieder  duftig  verhuschenden  Scherzos:  drei  Intermezzi  von 
eindruckvollstem  sublimen  Zauber  und  von  einer  musikalisch-plastischen 
Kraft,  die  augenblicklich  bezwingt  und  erobert. 

Ich  gehe  mit  Scheu  daran,  von  der  »Achten*  zu  sprechen  und  das 
rechte  Wort  für  ein  Werk  zu  finden,  dessen  äußere  Gestalt  allein  zu 
Jenen  scheinbar  so  naheliegenden,  befreienden  und  doch  noch  von  Keinem 
je  zuvor  empfangenen  Eingebungen  gehört,  deren  Einfachheit  sich  nur  dem 
Genie  erschließt.  («Einfach*  und  »genial"  sind  meist  Synonyma,  hat 
Richard  Strauß  vor  kurzem  gesagt.)  Man  denke  sich  eine  Symphonie  in 
ihrer  fiberlieferten  Form,  —  nicht  etwa  eine  Kantate  mit  Arien  oder  ein 
Oratorium  mit  Soli  und  Chören  —  in  der  die  Gesangsstimme  sowohl  als 
Klang-  wie  als  Wortträger  zum  integrierenden,  ja  dominierenden  Teil  wird; 
einen  ersten  Satz  mit  Haupt-  und  Seitenthema  und  genauer  Reprise  nach 
einer  gewaltigen,  über  die  stolze  Brücke  einer  kolossalen  Doppelfngt 
schreitenden  Durchführting,  —  einen  zweiten  Teil,  der  die  Elemente  des 
Adagio, ,  Scherzo  und   Finale  zu  einem  Riesenbau  vereinigt  —   und  das 


MpB^  DIE  MUSIK  VII.  15.  SS 

Ganze  nicht  nur  orchestral  behandelt,  sondern  von  Anfang  bis  zum  Ende 
von  Chor  und  Soli  durchgesungen.  Die  Symphonie  an  sich;  die  völlige 
Eroberung  ihrer  Form  und  ihrer  Mittel:  ein  Gedanke  von  einer  Größe, 
die  nur  in  der  seiner  Ausführung  ihresgleichen  hat. 

Als  Text  zum  ersten  Satz  hat  Mahler  eine  mittelalterliche  lateinische 
Hymne  gewählt:  Veni  creator  Spiritus,  —  eine  brünstige  Anrufung  des 
schöpferischen  Geistes,  deren  Erfüllung  und  Gewährung  der  zweite  Teil 
bedeutet,  in  dem  die  Schlußszene  des  »Faust*  mit  dem  Chorus  mysticus 
als  krönender  Abschluß  zur  Symphonie  geworden  ist.  Ich  habe  schon 
vorhin  erwähnt,  daß  es  mir  jetzt  noch  nicht  vergönnt  ist,  in  Einzelheiten 
einzugehen  oder  gar  Proben  aus  dieser  ungeheuren  Partitur  mitzuteilen; 
es  bleibe  einem  —  wahrscheinlich  nicht  fernen  —  Zeitpunkt  aufbewahrt. 
Sicher  aber  ist,  daß,  wenn  nach  der  atemberaubenden  Wucht  des  ersten 
Themas  und  der  erfinderischen  und  kontrapunktischen,  die  schwierigsten 
Probleme  mit  spielender  Leichtigkeit  lösenden  Meisterschaft  des  ersten 
Satzes,  nach  der  weihevollen  Glut  der  Anachoretenchöre  und  den  unbe- 
schreiblich strahlenden,  in  verklärte  Höhen  entrückenden  Klängen  beim 
Nahen  der  Mater  gloriosa,  nach  der  geheimnisvollen  Majestät  des  SchluB- 
chors  sich  noch  Gegner  und  Zweifel  melden,  dies  nur  solche  sind,  die 
alles  Große  gefunden  hat,  solange  sein  Schöpfer  lebendig  war.  Ver 
dieses  Werk  geschaffen  hat,  wird  sie  ertragen  können.     Er  kann  warten  . . . 


Der  Musiker,  dem  man  all  diese  Werke  dankt,  ist  als  Dirigent  und 
Opemleiter  zehn  Jahre  lang  bei  uns  gewesen.  Man  hat  ihn  bekrittelt,  statt 
von  ihm  zu  lernen.  Hat  ihn  als  Umstürzler  gescholten,  statt  von  ihm  za 
erfahren,  was  wahre  Pietät  ist:  jedes  Werk  in  seiner  vollkommenen  Gestalt 
vorzuführen,  wie  es  —  der  redlichen  und  unerschütterlichen  Überzeugung 
des  Interpreten  gemäß  —  sein  Schöpfer  im  Geiste  geträumt  hat,  wenn  auch 
seine  Hilfsmittel  zu  seiner  Zeit  vielleicht  nicht  zur  völligen  Erfüllung 
seines  Traumes  ausreichten.  Mahler  hat  —  von  seiner,  ganz  Wagnerschem 
Geist  entsprungenen  äußerlichen  Erziehung  des  Publikums  zu  ehrfürchtig 
störungslosem  Erfassen  eines  musikdramatisch  einheitlichen  Organismus 
gar  nicht  zu  reden  —  in  zahllosen  Vorstellungen  gezeigt,  wie  die  Anwendung 
des  Wagnerschen  Stils  auf  opemmäßige  Werke  durch  ein  Ineinandergreifen 
von  Musik,  Wort,  Aktion  und  Bild  zu  bisher  ungeahnten  dramatischen 
Wirkungen  zu  führen  vermag;  er  hat  —  ich  nenne  nur  Lortzing,  «Die 
lustigen  Weiber**,  Glucks  «Iphigenie",  „Der  Widerspenstigen  Zähmung* 
neben  den  zum  erstenmal  unentstellt  und  ungestrichen  in  höchster  Intensität 
und   klarster  Eindringlichkeit    unwiderstehlich    dargestellten   Wagnerschen 


17t 
SPECHT]  GUSTAV  MAHLER 


ond  Mozartschan  Verken  —  Aufführunsen  geschaffen,  die  es  wert  wiren, 
■Is  jlbrlich  wiederkehrende  Kuastfeste  überliefert  zu  werden,  und  bat  im 
Konzertsul  Gleiches  geleistet.  Wer  sein  Stilgefühl  kennen  lernen  will, 
braucht  nur  seine  Bearbeitung  der  Weberschen  .Qrei  Pintos"  zu  prüfen, 
die  er  in  Selbstzurücksetzung  nie  aufgeführt  bat.  Sein  Lohn  für  all  sein 
Streben  war  Ekel.  Das  Verbalten  der  Kritik  gegen  ihn  und  die  Gründe 
dieses  Verhaltens  mögen  lieber  unberührt  bleiben;  es  ist  eines  der  traurigsten 
Viener  Kapitel.  Aber  auch  das  Publikum,  in  seinem  altgewohnten  Kultus 
der  iuQeren  Persönlichkeit,  hat  sich  mehr  an  die  Herbheiten  seines 
slSrriscben,  reizbaren  und  jähen  Wesens  gehalten  als  an  dessen  groBertigeo 
künstlerischen  Ausdruck.  Mag  sein,  daß  er  oft  Launen  nachgegeben  hat, 
zu  schroff  zugefahren  ist,  verletzt  bat  und  manchmal  fallen  liefi,  was  tags 
zuvor  in  erster  Reihe  stand;  aber  er  hat  alles  in  den  Dienst  seiner  Kunst 
gestellt,  niemals  die  Person  über  die  Sache  erhoben  und  von  sieb  immer 
dreimal  soviel  gefordert  wie  von  allen  andern.  Wenn  er  —  wie  es  in 
seinem  schönen  Abscbiedsbrief  an  die  Opemmitglieder  heifit  —  nur  Stück- 
werk hinterlassen  hat,  so  liegt  die  Schuld  nicht  an  ihm,  sondern  im  Wesen 
des  Theaters  und  in  der  gehässigen  Kleinlichkeit  seiner  Umgebung.  Jeut 
geht  er,  um  sich  eine  Unabhängigkeit  zu  schaffen,  die  ihm  gegönnt  werden 
mag.  Wo  immer  der  fahrige  Mann  mit  dem  blassen  Asketengesiebt,  der 
hohen,  herrischen  Stirn,  dem  Jlben,  hanen  Kinn,  den  hinter  Gllsem 
blitzenden,  geistvollen  Augen  und  dem  kindlich  gütigen  Mund  seinen  Platz 
einnehmen  wird  —  er  wird  fiberall  ein  künstlerisches  Willenszentrum  sein. 
Er  wird  als  der  wiederkommen,  der  er  war.  Hoffentlich  findet  er  {ene 
anders  wieder,  die  bisher  sein  Werk  und  sein  Wesen  nicht  mit  der  Liebe 
verstanden  haben,  die  er  in  der  Gemeinde  der  ihm  Dankbaren  erweckt  bat 
Aber  selbst  wenn  das  so  rasch  nicht  kommen  sollte  —  am  Ibn  und  sein 
Schaffen  braucht  keinem  bange  zu  sein.     Er  kann  warten  .  .  . 


s  Pensionierung  des  Düsseldorrer  stldtischen  Muiiicdlrektan  hat  unter 
I  so  eigenartigen  Umstanden  stattgefunden,  daß  die  Angelegenheit  zun 
I  Gegenstande  der  Behandlung  des  gröQten  Teiles  der  deutschen  Presse 
[  wurde.  Diese  Behandlung  ist  meist  so  leidenschaftlich,  daß  man  unsch ver 
'  erliennen  Icann:  die  Afdre  Buths  ist  lingst  keine  lokale  mehr,  londerh 
erheischt  weit  und  breit  in  allen  Fachkreisen  die  schirfste  Beachtung.  D«r  Vorsinc 
ist  folgender:  Professor  Julius  Buths  wurde  im  Jahre  1800  als  städtischer  Muslim 
direkter  berufen.  Als  solcher  Ist  er  den  Statuten  des  sogenannten  Stidtischen  Musik- 
vereins gemiß  gleichzeitig  Dirigent  dieses  Chorgesangvereins.  Die  Stadt  zahlt  den 
größten  Teil  des  Gehaltes.  Außerdem  ist  der  stidtische  Musikdirektor  Leiter  des  alle 
drei  Jahre  in  Düsseldorf  stattHndenden  Niederrheinischen  Muslkfestea,  dessen  OberscbuB 
oder  Fehlbetrag  Sladi  und  Musikverein  gleichmäßig  teilen.  Den  ersten  Fehlbetnc 
dieser  Vertnttsltungen  seit  Buths'  Leitung  brachte  das  Jahr  I90&,  während  bis  dabia 
stets  ein  Oberschufl  (1890  sogir  ein  solcher  von  14000  Mk.)  entelr  wurde. 
,  Buths  fsnd  Im  Jahre  1890   ziemlich    trostlose    Cborverbiltniise   vor,    versiaM 

aber  durch  seinen  rastlosen  Plelß  und  begeisternde  Hingabe  auf  Grund  einer  oß^ 
gewStanllch  musikalischen  Persönlichkeit  dss  Musikleben  Düsseldorh  auf  eine  Stufb  zfi 
beben,  die  sllseitig  hSchste  Anerkennung  hnd.  Seit  Brahma  und  Bcrlloz  Ist  da  kdk 
Kompottiat,  fßr  den  er  nicht  eintrat  und  die  Bahn  freimachen  half,  wovon  noch  M 
}Qngster  Zelt  Reger,  Dellus  und  Elgar  (dessen  Chorwerke  er  zum  Teil  erat  Ober- 
Setzen  mußteli  Zeugnis  ablegen  kSnnen.  Znvergesaen  ist  nebenbei  nicht,  daßButb«* 
Arbeit  in  einer  Industriestadt  vor  sich  ging,  was  ein  erfOltrelcbcs  TIrken  uniemoiiB 
erschwert,  noch  dazu  angeaichls  seiner '  verblüffenden  Ehrlichkeit,  der  jede  Diplomatie 
zuwider  Ist.  Wer  zielbewußt  seinen  Veg  geht,  schafft  sich  Gegner.  Und  so  eTg:lBC 
es  auch  Professor  Buths.  Stark  wurde  aber  die  Gegnerschaft  ent,  ala  sich  zu  Ihr 
der  Vertreter  einer  Tsgeszeltung  gesellte  und  mit  seinen  Angriffen  dem  stidtlschea 
Musikdirektor  seine  Arbeit  arg  verbitterte,  sodsß  der  Musikverein  sich  unklugerweise 
veranlaßt  sah,  Stellung  dazu  zu  nehmen.  Der  dadurch  bervor^rufbne  unmBglicfae 
Zustand  wurde  iußerllch  durch  Vermittelung  des  OberbiirgenneiBters'sehllefillch  bd-  . 
gelegt,  sber  manch  Stachel  blieb  doch  zurück.  Dss  Jahr  1006  und  aeln  Nieder* 
rheinisches  Musikfest  brsehte  nun  zum  ersten  Male  einen  Fehlbetrag,  und  zwar  In 
HShe  von  ca.  10000  Mk.  Ein  Deßzit  bei  einem  Musikfest  ist  Ja  etwas  so  Selb•^ 
verstand  lieb  es,  dsß  man  eigentlich  keine  Tone  weiter  darfiber  zu  verlieren  braucht 
1005  lagen  aber  die  Verhilmisse  besonders  unglücklich,  da  drei  Hollindlache  Muslk- 
fesie  und  das  Bonner  Beethovenfest  auf  dieselbe  Zeit  fielen,  und  sonst  besonders 
Holland  ein  starkes  Kontingent  von  Besuchern  stellte,  das  diesmal  ausblieb. 

Die  Stadt  konnte  wohl  den  auf  sie  entfsllenden  Teil   des    Fehlbetrages  nicfct 
verwinden ;  Jedenfslls  schien  ihr  vor  dem  Jshre  1908  und   seinem  Nieden-belnischea 


173 

hAhn:  Düsseldorf  und  sein  Musikdirektor 


M 


Mnsikfest  xu  grauen ,  und  der  Verlauf  der  Dinge  zeigt  eine  so  ungeschickte  und 
nervöse  Behandlung  der  Angelegenheit  seitens  der  Stadt,  daß  man  zwischen  Mitleid 
und  Zorn  schwanken  kann.  Da  aber  der  Musikerstand  auf  das  empfindlichste  dabei 
geschädigt  wurde,  so  haben  wir  das  Mitleid  anderen  zu  überlassen.  Der  ente  Schritt 
der  Stadt  war  die  Einholung  von  Gutachten  iiber  den  Mißerfolg  des  letzten  Musik- 
fiestes.  Nach  Lage  der  Verhiltnisse  war  von  vornherein  anzunehmen,  daß  sich  diese 
Gutachten  gegen  Buths  richten  mußten.  Man  hatte  nämlich  mit  deren  Abfassung 
zwei  Juristen  betraut:  der  eine  ein  durch  seine  Sammlung  Brahmstexte  weiteren 
Kreisen  bekannter  musikalischer  Dilettant  mit  ungemein  liebenswQrdiger  Beanlagung, 
der  andere  erat  so  kurze  Zeit  in  Düsseldorf  ansissig,  daß  sein  Gutachten  sich  wohl 
iberhaupt  nicht  auf  peraönlichen  Einblick  stutzen  konnte,  beide  aber  keineswegs  in 
der  Lage,  in  einer  derartig  komplizierten  Angelegenheit  ein  maßgebendes  Votum  ab- 
zugeben, zu  dem  von  Amts  wegen  der  städtische  Musikdirektor  der  einzig  Berech- 
tigte war.  Wollte  man  neben  seinem  Gutachten  noch  andere  haben,  so  saßen 
genug  Autorititen  in  Rheinland  und  Westfalen,  um  der  Stadt  den  Vorwurf  der 
Parteilichkeit  zu  eraparen.  Aber  ein  Gutachten  über  ein  Musikfest,  das  die  Stadt 
mit  Beiseiteschieben  des  städtischen  Dezernenten  für  Musik  von  einem  Laien  einzieht, 
kann  sich  nur  gegen  den  bvtrefPenden  Musikdirektor  selbst  richten.  Buths  wurde 
denn  auch  die  Schuld  für  den  Fehlbetrag  in  erater  Linie  aufgebürdet,  weil  er,  wie 
das  eine  Gutachten  sich  ausdrückt,  kein  virtuoser  Dirigent  sei.  Das  ist  eine  recht 
inifiglückte  Bezeichnung,  die  kein  Dirigent  als  Lob  empfinden  wird,  des  Wesens  Kern 
aber  auch  nicht  trifft  Was  würde  überhaupt  ein  Jurist  sagen,  wenn  ein  Musiker  zu 
einem  Gutachten  über  eine  Amtshandlung  dieses  oder  jenes  Richtere  aufgefordert 
würde!  Den  Aufruhr  unter  den  gesamten  Juristen  möchte  ich  sehen!  Und  warum?! 
Du  lieber  Gott,  ein  bißchen  mehr  oder  weniger  muß  beute  ein  jeder  juristischer 
Dilettant  sein!  —  Aber  die  Stadt  wollte  gegen  Buths  vorgehen,  andera  lassen  sich 
die  nachfolgenden  Schritte  nicht  veratehen.  Diese  Gutachten  wurden  auch  nicht 
einmal  geheimgehalten  (hatte  die  Stadt  eine  Absicht  dabei?),  was  ein  einfacher  Takt 
und  die  Rücksichtnahme  auf  die  Verfasser  unbedingt  geboten  hätte.  Die  Stadt  wählte 
nun  unter  völliger  Umgehung  ihres  musikalischen  Beraten  eine  Kommission,  die  die 
Vorverhandlungen  für  das  kommende  Musikfest  erledigen  sollte.  Professor  Buths 
reichte  als  Antwort  seine  Entlassung  ein,  die  er  aber  auf  Bitten  des  Musikvereins- 
voratandes  wieder  zurückzog,  ehe  sie  den  offiziellen  Weg  genommen  hatte.  Anstatt 
nun  die  Sache  auf  sich  beruhen  zu  lassen,  drängte  die  Stadt  zu  einer  anderen  Ent- 
scheidung. Die  Kommission  beschloß,  der  städtische  Musikdirektor  habe  an  den 
Beratungen  über  Programme  und  Solisten  nicht  teilzunehmen!  Das  bedeutet  eine 
Nichtachtung  des  fachmännischen  Wissens,  eine  Arroganz  des  Laientums  gegenüber 
der  Kunst  und  eine  Kränkung  gegenüber  einem  anerkannt  fähigen  Mann,  wie  es 
gottlob!  sich  kaum  wiederholen  kann.  Buths  mußte  jetzt  natürlich  definitiv  seine 
Entlassung  einreichen,  die  ihm  mit  der  üblichen  Pension  bewilligt  wurde.  Die 
«Düsseldorfer  Zeitung*  schreibt  sehr  treffend:  ».  .  .,  hat  sich  —  man  höre  —  jenes 
Konventikel,  das  im  Rathause  schon  so  viel  gut  und  auch  schon  so  viel  schlecht 
gemacht  hat,  die  Finanzkommission  (!!)  mit  dieser  delikaten  künstlerischen  Frage  beftßt, 
und  es  wurde  schließlich  ein  Plänchen  ausgeheckt,  das  nur  mit  einem  Unglück  enden 
konnte.  Man  hat  sich,  und  das  ist  durch  keine  Kasuistik  aus  der  Welt  zu  schaffen, 
an  Herrn  Buths  veraündigt.  Man  hat  ein  Konventikel  geschaffen,  das  nicht  offien 
und  ehrlich  mit  Herrn  Buths  gearbeitet,  sondern  das  mit  ihm  Veratecken  gespielt 
hat  Wenn  Herr  Dr.  Thelemann  sagte,  man  habe  Herrn  Buths  von  den  vorbereitenden 
grundlegenden  Beratungen  aus  Schonung  für  ihn  femgehalten,  so  gehört  das  zu  dem, 


174 

DIE  MUSIK  VII.  IS. 


wu  ich  oben  von  der  Kuulstik  gesagt  habe.  Als  notgedniD|ene  EntschDldlfun^ 
nachdem  die  Sache  so  gründlich  schief  gegangen,  kann  msn  die  Ausrede  {elten  lauen; 
aber  ea  fehlt  Ihr  die  überzeugende  Kraft.  Was  man  Herrn  Bnths  lu  sscen  halte, 
mußte  man  ihm  offten  und  ehrlich  ins  Gesicht  sagen,  denn  er  Ist  der  Tenintwortlictae 
sUdtische  Beamte;  daß  die  übrigen  Personenfragen  aber  in  seiner  Gegenwart  ver- 
handelt wurden,  das  zu  fordern,  war  nicht  etwa  sein  Recht,  sondern  sogar  aeine  direkte 
Amtspflicht  Was  Ist  das  für  eine  Art,  die  Geschifte  zu  führen,  wenn  man  zu  den 
grundlegenden  Beratungen  über  Solisten  und  Dirigenten  eines  Muiikfestes  Laien  und 
unverantwortliche  Dilettanten,  die  Steckenpferde  reiten,  mit  entscheidendem  Stlram- 
recbl  luzlebt  und  den  verantwortlichen  Berufelcün stier,  der  d»  Pest  vorbereiten  und 
zum  größeren  Teil  durchführen  muß.  ausschließt?"  Der  Musikvere  Ins  vorstand  hat  rick 
bei  der  AiTIre  nicht  rühmlich  gezeigt,  sonst  bitte  bei  einem  einigermaßen  charakter- 
vollen Vorgehen  desselben  das  Äußerste  vermieden  werden  müssen.  Der  Musikverein 
selbst  seilte  sich  allerdings  in  den  schrofTsten  Gegensatz  zu  seinem  Vorstand  und 
beschloß  in  einer  zahlreich  besuchten  Versammlung,  an  dem  Musikfest  sich  nicht 
lu  beteiligen.  So  traurig  es  ist,  daß  in  die  BS  Jahre  lange  Reibe  der  NIederrbelnIscheB 
iHusikfeste  eine  Lücke  kommt,  so  sehr  ist  zu  begrüDen,  daß  der  Paktor,  an  den  Buths 
die  höchsten  Anfoiderungen  stellte,  der  Chor  selbst,  geschlossen  für  Ihn  eintrat  und 
Ihm  damit  die  Gewiiheit  gab,  daß  seine  Hingabe  und  Aufopferung  und  die  dadurch 
erreichten  Leistungen  nicht  umsonst  gewesen  seien. 

Professor  Julius  Buths  hat  gezeigt,  daß  man  um  des  lieben  Friedens  und  der 
liebgewordenen  Arbeitsstätte  willen  nachgeben  kann,  hat  aber  auch  gezeigt,  daß  es 
eine  Grenze  gibt,  die  ein  Halt  gebietet  und  zu  den  Konsequenzen  zwingt.  Ich  welfi^ 
daß  er  deshalb  von  gar  manchem  für  töricht  gescholten  wird;  die  Mualker  in  Ihrer 
Allgemeinbelt  aber  werJen  holTenllich  Buths'  Sache  zu  der  ihrigen  machen  und  ein- 
mütig gegen  eine  derartige  Mißachtung  ihres  Standes  Protest  erhebeiL 


BÜCHER 

130.  HogoSlemanQ:  HandbDcb  dBrMualkceachlchte.  2. Band,  1. Tetl.  (3.H«lb- 

band  des  Garnen):  Das  Zellaller  der  Renalasance  (bis  1600).    Verlag: 

Brefrkopf  &  Hine),  Ulpilg  1007. 
Vean  nnlinist  eine  Muslkteliung  bemerkte,  Rlenann  ala  Historiker  erailcke  in 
Ge) ehrsam kclr,  lo  mScbte  Ick  In  b«u|  auf  diesen  Halbband,  ebenso  wie  bei  ^em  Tor- 
berigen,  lebr  oft  gerade  daa  Gegenlell  bebauplen:  leb  sebe  ibn  bocberbobenen  HaaptM 
die  enorme  PGUe  seines  positiven  Vlsseni  fiberacbauen.  Die  geniale  KraR  and  Klarbelt 
«eines  Blickes  erbebt  den  Leser  wie  beim  vorigen  Band.  Telcbe  Ströme  varmblfitlgen 
Kansiempflndens  mfissen  alcb  bei  diesem  Manne  tu  robiger  bistoriscb-lstbetiacher  B*' 
irachinng  abgeklin  haben,  bia  er  Imaiaode  war,  den  StoiT  Hlr  jede  kunstbisiorische  Frage 
deren  zu  siebten,  Vermutungen  fiber  noch  fehlendes  Material  und  Urteile  über  das  vor- 
baodene  gegen  die  Referate  der  Zeiigenoaten  aus  den  Terschledenaten  Epochen  abiu- 
wigeo,  seine  auf  Grund  des  momentanen  Forschungastandes  gewonnenen  ElndrAcke  mit 
den  Vati  rscbclol  ich  keilen  weiterer  Erkenntnisse  und  Resultate  zu  vergleichen!  Auch 
dieser  Halbband  wird  wieder  die  Ursache  sein,  daQ  in  den  Neuauflagen  kleinerer  Musik- 
gescbicbien  manctaes  dem  15.  und  16.  Jsbrbnnden  AngebSrtge  modlflilcrt  werden  mufi, 
da«  sich  bisher  recht  faGbscb  klipp  und  klar  immer  von  neuem  wiederholen  llcB.  So 
die  Auafiibrung  mehrstimmiger  Musik  durch  iauier  instrumeole  einer  ^Familie",  deren 
vervcbledene  Tonlage  nach  Analogie  der  vier  Menschen aiimmen  abgeatufi  war,  die  vor* 
wiegende  Lage  der  Melodie  Im  Tenor  der  Vokslsltie,  daa  Beginnen  und  flberwiegende 
Befassen  der  Nlederllnder  mit  kontrapuoktlscber  Kfinstelel,  die  rein  vokale  Natur  elnea 
gioBen  Tellea  der  mehratlmmigen  Komposition  Im  14.  und  IS.  Jahrhundert,  die  enge 
Begrenzung  des  Begriffes  Madrigalstil,  dl3  abscbnlitbcBilmmende  Bedeutung  des  Palestrlna- 
Biils.  Dafl  nun  die  Erwartungen  für  den  folgenden  Halbband,  apeilell  die  BIGtezeit  der 
italienischen  Schulen,  zumal  fGr  den  nlhcr  Intereaslerten  auQerordentllcb  hohe  sein 
mDssen,  Ist  klar.  Gewifi  wird  er  auch  Aber  einzelne  Punkte,  dis  Dlaposldon  des  Stoffes 
im  ganzen  beireifend,  volle  Klarheit  bringen.  Das  Terk,  das  RIemann  hier  vollbringt, 
ist  «OD  ao  gans  ungewSbnlicbem  gelangen  Umfang,  ds&  maochea  In  der  Darstellung 
wnbl  erst  endgültig  gegllitet  und  gegeneinander  abgewogen  werden  kann,  wenn  slmt- 
llcbe  Halbblnde  voiliegen,  und  damit  die  Vorbereitungen  zur  zweiten  Auflage  beginnen. 

Dr.  Max  Sieinitzer 

131.  Ernst  Hölzer:  Scbobart  als  Musiker.    Zweiter  Band  der  .Darstellungen  aua 

der  württembergischen  Gcachichte,  herausgegeben  von  der  würtf.  Kommission 
für  La ndetgescb lebte'.  Verlag:  W.  Kohlbammer,  Stuttgart  1905. 
Die  vorliegende  Schrift  Ernst  Holzers,  des  bekaonteo  Verfatsers  der  ,Scbubart- 
Mndien*,  stellt  die  erste  lussmmeohiogende  Arbelt  Qber  den  Musiker  Sebubart  dar.  Ein 
um  so  verdlensilicberes  Unternehmen,  sIs  damit  such  einem  gtSßeren  Leserkreise  Ge> 
legenheit  geboten  wird,  an  der  Hand  eines  lacbkundlgen  Führen  sich  in  bequemer  Telse 
fiber  die  muslkgescblcbtllcbe   Bedeutung   eines  Mannes   zu  unterrichten,   dessen  eigen- 


176 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


mm 


artige  Persönlichkeit  und  wechtelvollen  Schiclcsale  von  jeher  ttarlce  biographlscbe  Teil- 
nahme wachgerufen  haben,  dessen  tonsetzeriichem  Schaffen  aber  erst  die  neueste  Zeil 
wieder  allgemeineres  Interesse  zuzuwenden  begonnen  bat.    Venu  nun  auch  der  Zweck 
der  Holzerscben  Studie  hauptsichlich  biographischer  Natur  ist,  so  gewinnt  der  Leser  in- 
folge der  sorgfiltigen  Sichtung  und  zusammenfassenden  Darstellung  des  gesamten  bio- 
graphischen und  bibliographischen  Stoffes,  in  den  eine  Menge  bisher  unbekannten  JMaterials 
verarbeitet  ist,  im  Verein  mit  dem  berücksichtigten  Stand  der  neuesten  Forschungeergeb- 
nisse fiber  die  einschligige  Musikepoche  doch  ein  ziemlich  abgeschlossenes  Btld  vom 
Musiker  Schubart,  wie  es  in  dieser  Vollstindigkeit  und  Obersichtlichkeit  jedenfUls  noch 
nicht  vorhanden  war.    Holzer  gliedert  seinen  Stoff  in  drei  Teile.    Der  erste  bietet  die 
um  manche  neue  Einzelheiten  bereicherte,  sorgfiltig  ausgefOhrte  »Lebensskizze*,  die  uns 
den   unsteten   Entwickelungsgang  des   schwibiscben   Dichtermusikers,   dieser   wahrhaft 
problematischen  Natur,  aufs  lebendigste  veranschaulicht.   »Was  für  ein  zerfahrenes  Leben  i 
Theolog,  Schulmeister  in   einem   elenden   Nest,    Dichter,   Organist  an  einem   Weltort 
[Ludwigsburg],  Abenteurer  und  ,Scbmarotzer*,  «Konvertit*,  Journalist,  zehn  Jahre  Kerker 
[Hohenasperg],   Hofiheater-  und   Prologdtchterl    Mögen  andere  dabei  selbstgewifl  aus- 
rechnen, wieviel  ,Schuld*  ihn  selbst  trifft  —  es  ist  wahrhaftig  kein  Wunder,  dafl  nicht 
mehr  aus  ihm  geworden!*    Daran  schließt  sich  der  ffir  uns  hier  hauptsichlich  In  Betracht 
kommende  Abschnitt  »Der  Musiker  und  Musikschriftstelier*.    In  ihm  werden  sunlcbet 
die  Leistungen  Schuberts  im  Orgel-  und  Klavierspiel,  besonders  auf  Grund  zeitgenössischer 
Zeugnisse,  beurteilt.   »Offenbar  lag  seine  Hauptstirke  im  Ausdruck,  im  Feuer  und  Clans 
des  Vortrags  und  im  leichtquellenden  Reichtum  seiner  Phantasie,  wenn  er  Improvisierte.* 
In  dieser  Stirke  des  Phantasierens,  fuhrt  Holzer  feinsinnig  weiter  aus,  lag  anderseita 
Schuberts  Seh  wiche  als  Komponist;  »er  verlernte  es,  f&r  die  erstmals  auftauchenden 
Ideen  die  knappe,  konzise,  notwendige,  letzte  Form  zu  suchen,  und  hier  wahrlich  muH 
man  suchen,  um  zu  finden.**    Schubart  war  in  erster  Linie  Vortragskfinstler,  »eine  Ein- 
heit von  Dichter,  Komponist,  Singer  und  Spieler,  die  man  nur  mit  dem  griechischen 
Wort  ,Rhapsode*  zusammenfassen  kann".    Holzer  wGrdigt  sodann  der  Reihe  nach  die 
Kompositionen  Schuberts,  unter  ihnen  natfiriich  besonders  ausf&hrüch  die  Gattung,  in 
der  er  sein  Höchstes  geleistet:  die  volkstümlichen  Lieder,  von  denen  sich  einzelne,  wie 
das  berühmte  »Kaplied",  ja  bis  zum  heutigen  Tage  im  Volk  lebendig  erhalten  baliett. 
in  dem  Abschnitt  über  den  Musikschriftsteller  empfiehlt   Holzer,  den  reinen   Musik* 
isthetiker  Schubart  allmihlich  aus  der  Geschichte  der  Theorieen  auszumerzen,  h|lt  aller 
anderseits  die  die  Zeitgenossen  behandelnden  Stellen  seiner  »Ideen  zu  einer  Ästhetik  der 
Tonkunst",  zusammen  mit  der  Autobiographie  und  den  MusikauMtzen  der  »Deutechen 
Chronik*,  wo  sich  Schubart  überall  als  gediegener,  selbsiindiger  Musikkritiker  erweist^ 
einer  Neuausgabe  für  durchaus  würdig.    Bemerkenswert  sind  u.  a.  Schuberts  begeisterte 
Verehrung  für  Job.  Seb.  Bach  und  seine  felsenfeste  Überzeugung  von  dem  endlichen 
Sieg  der  deutschen  Tonkunst  über  die  welsche  Musik.    »Und  was  gehörte  dazu,  um  in 
jener  Zeit  an  die  deutsche  Zukunft  zu  glauben!"  Man  kann  Holzer  nur  beistimmen,  wenn  er 
für  seinen  Helden,  dem  er  übrigens  neben  der  Liebe  des  Biographen  durchaus  kritische 
Sachlichkeit  entgegenbringt,  Anspruch  darauf  erhebt,  es  möge  ihm  in  der  Musikgeschichte 
seiner  engeren  Heimat  der  ihm  gebührende  Platz  eingeriumi  werden,  denn  »hier  hat  er  mit 
seinem  Spiel,  mit  seinen  Liedern,  mit  seinen  Schrifcen,  seiner  Kritik  auf  mehrere  Generationen 
gewirkt.  Auch  in  der  Musik  war  er. ein  ganzer,  resoluter  Kerl,  und  sein  einziges  Ungifick  war, 
daß  zwei  halbe  Genies  —  der  Mathemathik  und  Logik  zum  Trotz  —  kein  ganzes  machen.* 
Den  Inhalt  des  vieles  Neue  und  Interessante  bietenden,  wichtigen  zweiten  Teils,  »Ver- 
öffentlichtes und  Unveröffentlichtes^  Bibliographisches",  deutet  der  Titel  klar  an.  Er  serflUlC 
in  die  Abschnitte  »Musikalisches  in  der  Chronik  1774—1777",  »Hohenasperg  1777—1787*, 


/'>. 


177 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


«Stattgart  1787— 1791**,  »Verzeichnis  simtlicber  Kompositionen  Scbubarts*.  Mit  großem 
Fleiß  ist  hier  altes  und  neues  Material  zusammengetragen  und  wird  mit  philologischer 
Akribie  und  in  klarer,  lichtvoller  Darstellung  verarbeitet.  Besonders  erwihnt  sei  die 
genaue  Beschreibung  der  wichtigen  Stuttgarter  Handschrift.  Die  überwiegende  Masse 
des  in  diesem  Teil  behandelten  Materials  stammt  übrigens  vom  Hohenasperg,  und  Holzer 
weist  mit  Recht  darauf  hin,  daß  es  sehr  fraglich  sei,  i^ob  Scbubart  je  dazu  gekommen 
wäre,  außer  einigen  Liedern  etwas  Musikalisches  niederzuschreiben,  wenn  er  sein 
Publizistenleben  fortgeführt  bitte . . .  Die  Wirkungen  der  Musik  in  tiefem  Leide  hat  er 
an  sich  selbst  erleben  können,  wie  kaum  ein  anderer.*  Den  dritten  Teil  bilden  feinsinnig 
ausgewihlte  Notenbeilagen,  darunter  die  Klaviersonate  Nr.  1.  Die  wertvolle  Publikation 
Holzers  sei  jedem,  der  sich  für  das  Leben  und  Schaffen  des  merkwürdigen  schwibischen 
Kunstlers  interessiert,  hiermit  nachdrucklich  empfohlen.  Willy  Renz 

MUSIKALIEN 

132.  Gustav    Mahler:     Lieder     für    eine     Singstimme    mit    Klavier    oder 
Orchester.    Verlag:  C.  F.  Kahnt  Nachfolger,  Leipzig. 

Das  erste  der  sieben  Gesangsstücke,  die  der  ehemalige  Wiener  Hofoperndirektor 
in  dieser  Sammlung  darbietet,  ist  »Revelge*  betitelt  und  stammt  in  seiner  Dichtung  aus 
H»De8  Knaben  Wunderhorn*.  Der  Komponist  hat  den  Ton  des  eigenartigen,  von  derber 
Realistik  zu  gespenstischer  Phantastik  sich  steigernden  Gedichts  vortrefflich  getroffen 
und  ein  Vortragsstfick  geschaffen,  das  sicherlich  eine  große  Wirkung  tun  wird.  Noch 
•weit  mehr  ist  dies  aber  der  Fall  bei  der  aus  demselben  Gedichtbuch  entnommenen 
Ballade  »Der  Tambourg'sell*.  Diese  Komposition,  die  von  einer  verbluffenden  Einfach- 
heit und  Volksmftßigkeit  ist,  halte  ich  für  die  weitaus  beste  der  ganzen  Sammlung.  Die 
musikalische  Schilderung  des  Abschieds,  den  der  zum  Tode  verurteilte  junge  Tambour 
vom  Leben  nimmt,  ist  ergreifend  und  mit  den  einfachsten  musikalischen  Mitteln 
erzielt.  Daß  Mahler  wirklich  ein  bedeutender  Tonsetzer  ist,  beweist  diese  Ballade  aufs 
Iclarste.  Die  Geschlossenheit  der  Konzeption,  die  man  hier  findet,  ist  in  den  weiteren 
Heften  der  Sammlung  leider  oft  einer  bedauerlichen  Zerfahrenheit  gewichen,  die  sich 
vielleicht  aus  dem  Streben  nach  Herausarbeitung  aller  Details  der  Texte  erkürt.  Wie 
2.  B.  in  den  beiden  Liedern  »Um  Mitternacht*  und  »Liebst  du  um  Schönheit*  unauf- 
hörlich die  Taktart  wechselt,  das  ist  schon  beinahe  maniriert.  Dagegen  ist  »Ich  bin  der 
Welt  abhanden  gekommen*  von  einer  glücklich  erfaßten  und  festgehaltenen  Ruhestimmung 
erfüllt,  die  auch  durch  die  zunichst  auffallenden  hiuflgen  Triolen  der  linken  Hand 
nicht  gestört  wird,  wenn  der  Spieler  diese  nur  recht  zart,  gleichsam  als  auftauchende 
Erinnerungen  an  die  nun  überwundene  Unruhe  der  Welt  erklingen  Iftßt.  In  den  beiden 
Liedern  »Ich  atmet'  einen  linden  Duft*  und  »Blicke  mir  nicht  in  die  Lieder*  fällt  eine 
fast  ununterbrochen  durchlaufende  Bewegungsstimme  auf,  die  vom  Begleiter  mit 
besonderer  Diskretion  zu  behandeln  ist.  Melodisch  ist  das  erstgenannte  Stück  überaus 
anmutig,  während  das  andere  von  Leidenschaft  und  einer  gewissen  ängstlichen  Hast 
erfüllt  ist.  Was  die  Lieder  besonders  anziehend  macht,  ist  der  Ausdruck  inneren 
.Erlebens,  der  aus  allen  deutlich  erkennbar  herausspricht.  F.  A.  Geiß  1er 

13d.  Eduard  Wachmann:  Rumänische  Chorgesänge.  Verlag:  C.  Gebauer  ftjean 
Feder,  Bukarest. 

Die  Sammlung  besteht  aus  Chorliedern  für  Männerstimmen,  gemischten  Chören 
für  den  Schulgebrauch,  Studenten-,  Soldaten-  und  vaterländischen  Liedern  sowie  Kirchen- 
gesängen  und  Llturgieen,  ebenfalls  für  gemischten  Chor.  Was  aus  dieser  reichhaltigen 
.Sammlung  besonders  Interesse  für  uns  hat,  sind  die  Männerchöre,  denen  außer  dem 

VIL  15.  12 


178 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


rumänischen  noch  ein  deutscher  Text  beigeffigt  worden  ist.  Das  sind  köstliche  Nova 
für  unsere  Mftnnergesangvereine  und  solche  Liedertafeln,  die  sich  aparte  Ziele  gesteckt 
haben.  Die  Stimmen  sind  gut  gesetzt  und  gesanglich,  die  Harmonieen  wohlklingend.  Zu 
diesen  eigentlich  selbstverstindlichen  Bedingungen  tritt  aber  noch  der  melancholische 
Schmelz  des  Orients,  der  wie  ein  feines  Gewebe  durch  die  Gesinge  zieht  und  uns  Tcr- 
rit,  daß  ihr  Verfasser  wohl  ein  Leben  lang  unter  den  sensitiven  Völkern  des  Balkans, 
dieser  Brücke  von  Europa  nach  Asien,  geweilt  hat.  Der  Rumine,  dessen  Sprache  gleich- 
viel slawische  wie  römische  Elemente  enthält,  nennt  sich  bekanntlich  gern  den  womöglieb 
»direkten**  Nachkommen  des  stolzen  Römers.  Leider  kann  in  der  Anthropologie  der 
Sprache  eines  Volkes  nur  ein  geringer  Wert  beigemessen  werden,  und  gar  kein  Wert  seiner 
Literatur  und  Musik,  sonst  könnten  die  Liturgieen  und  kirchlichen  Gesinge  Wachmanos 
einen  schlagenden  Beweis  von  dem  vorherrschenden  Slawentum  der  Ruminen  abgeben.. 
Die  ganze  Melancholie  und  das  besondere  religiöse  Empfinden  der  Slawenwelt  kommt 
hier  zum  Ausdruck,  obschon  die  strenge  Einfachheit,  die  die  griechisch-orthodoxe  Kirche 
vorschreibt,  gewahrt  werden  mußte.  Entfernt  erinnern  sie  an  die  russischen  rellglöseo 
Gesinge,  die  zu  hören  man  in  Deutschland  letzthin  öfters  Gelegenheit  gehabt  hat.  Die 
Stimmführung  in  den  Kirchenliedern  ist  übrigens  gar  nicht  so  einfach.  Obermißige  und 
andere  unbequeme  Intervalle,  die  unsern  Durchschnittssingern  technisch  einen  gelinden 
Schrecken  einjagen  würden,  zeugen  hier  von  einer  Sonderart  der  Tonkunst.  Wenn  Ich 
nicht  so  oft  in  den  Balkanlindern  und  in  Rußland  gehört  bitte,  mit  welcher  Leichtigkeit 
solche  Aufgaben  von  den  einheimischen  feinhörigen  Singern  gelöst  werden,  ich  würde 
an  dem  guten  Ausgang  eines  solchen  Chorgesangs  zweifeln.  Zu  bedauern  Ist,  daß  Wach- 
manns religiöse  Lieder  insgesamt  nur  ruminischen  Text  enthalten. 

Albert  Friedenthal 

134.  Othniar   Schoeck:    Serenade    für    kleines    Orchester,     op.   1.     Verlag: 

Gebrüder  Hug  &  Co.,  Leipzig  und  Zürich. 
Dieses  Friedrich  Hegar  gewidmete  Werkchen  bekundet  eine  für  ein  Opus  1  be- 
merkenswerte, wenn  auch  noch  nicht  freie  und  reife  Beherrschung  der  Mittel.  Sie  sind 
auf  ein  Minimum  reduziert:  nur  je  ein  Holzblasinstrument  und  Hom  außer  dem  Streich* 
Quintett;  öfters  finden  sich  neben  klaren  Stellen  noch  ungeschickte  Reibungen«  die  auf  noch 
ungenügende  Kenntnis  der  Klangwerte  hindeuten.  Ein  besonderes  Geprige  erhilt  das 
Stückchen  durch  seine  ganze  Art  und  Form.  Es  ist  nicht  die  landesübliche  mehrsitzige 
Serenade,  sondern  eine  innere  programmatische,  meines  Erachtens  glückliche  Idee  scheint 
das  einsitzige  Stück  in  seiner  ganzen  Anlage  zu  beherrschen:  der  Akt  einer  Serensdea- 
darbringung  mit  zorniger  Unterbrechung  (des  Gefeierten?)  und  humorvoller,  warmer». 
darum  um  so  bestimmter  erklingender  Huldigung.  Also  Ausdrucksmusik.  Sehr  plastisch 
sind  die  Themen  noch  nicht,  aber  im  ganzen  ist  das  Stücklein  doch  eine  entschiedene 
Talentprobe  mit  sogar  stellenweise  aparten  harmonischen  Gedanken. 

135.  August  Rosenkranz:  Konzertouvertüre,    op.  15.     Für    Hausorcbester   be- 

arbeitet von  Gustav  Zanger.  Verlag:  Chr.  Fr.Vieweg,  Berlin-Großlichterfelde. 
Wird  man  einmal  von  ungefihr  in  ein  Cafdhaus  verschlagen,  und  spielt  da  die 
heutzutage  übliche  Hauskapelle  dieses  ganz  geschickt  arrangierte  Stück,  so  mag  man 
Siebs  wohl  gefallen  lassen.  Aber  schon  für  ernste  Dilettantenvereinigungen  würde  das- 
Opus  nach  meinem  Empfinden  eine  zu  magere  Kost  bedeuten.  Es  Ist  platte  Mualk  TOn 
sehr  indifferentem  Ausdruck  und  Gehalt  —  Noten  und  wieder  Noten  Ton  der  bekannten 
Sorte  mit  der  Marke  »Allzuviel'*,   an  denen  kein  Mensch   etwas  verliert,  oder  gewinnt. 

Alfred  Schattmann 

136.  Halfdan  Cleve:  Fünf  Stimmungen  für  Pianoforte.    op.  20.    Verlag:   Brelt«^ 

köpf  &  Hirtel,  Leipzig. 


M 


179 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


Harmoniscb  sehr  kompliziert,  ofc  herb  und  reich  an  Dissonanzen,  mitunter  mehr 
orchestral  wie  klaviermißig  im  Satze,  schreibt  Halfdan  Cleve.  Ausdruckskraft  und 
Oberscbwinglichkeit,  Neigung  zu  scharfen  dynamischen  Gegensitzen  bilden  das  Charak- 
teristikum der  ffinf  Stimmungsbilder.  Relativ  klar  erscheint  Nr.  I,  Andante  tranquillo, 
im  Inhalt  wie  in  der  Form  gehalten.  Das  knapp  gefaßte  Adagio  fundbre  (II)  wirkt  ganz 
ausgezeichnet.  In  den  folgenden  SiQcken  (III  und  IV)  erscheint  manches  zu  gesucht, 
um  als  Ausfluß  einer  regen  Phantasietitigkeit  fiberzeugen  zu  können;  im  letzten  Poco 
Tivo  (V)  bestechen  die  Klangffille  und  technische  Bravour.  An  die  Wiedergabe  der 
Stimmungen  durften  sich  jedoch  nur  mit  Energie  ausgerüstete,  leistungsfihige  Spieler 
heranwagen.  Artur  Eccarius-Sieber 

137.  Friedrich  £•  Koch:    Deutsche    Rhapsodie.     Konzert   ffir   Violine    und 
Orchester,  op.  31.  Ausgabe  ffir  Violine  und  Klavier.  Verlag:  C.  P.  Kahnt 
Nach  f.,  Leipzig. 
Auch  wer,  wie  Referent  das  wohl  von  sich  behaupten  darf,  stets  bemfiht  ist,  die 
guten  Seiten  einer  Komposition   in  den  Vordergrund   zu   stellen,  muß   fast  verzweifeln, 
solche  in  diesem  Werk  zu  finden:   es  ist  Musik,  die  nur  grübelnder  Reflexion  ihre  Ent- 
stehung zu  verdanken  scheint,   an  der  Herz  und  Gemüt  unbeteiligt   ist.    Möglich,   daß 
beim  Zusammenwirken  eines  Geigers  ersten  Ranges  mit  einem  vorzfiglichen  Orchester 
das  Werk  sich  als  bedeutend  erweist,  aber  in  weitere  Kreise  wird  es  nie  dringen.    Die 
Solostimme  enthftlt  manche  interessanten  Stellen,  doch  werden   diese  meist  durch   den 
Hinzutritt  der  Begleitung  abgeschwächt;  nur  ja  nicht  naturlich,  nur  höchst  kompliziert 
scheint  mir  diese  vom  Komponisten  absichtlich  geschrieben  zu  sein.    Am  erfreulichsten 
shid  noch  die  Variationen,  die  in  der  Mitte  des  Werks  stehen,  aber  akademisch-trocken 
sind  auch  sie. 

13S.  C68ar  Cui:  2me  Quatuor  pour  2  Violons,  Alto  et  Violoncelle.  op.  flS. 
Verlag:  P.  Jurgenson,  Moskau  und  Leipzig. 
Ein  höchst  empfehlenswertes  Quartett.  Der  erste  Satz  ist  geradezu  ein  Muster 
klarster  Durcharbeitung  reizvoller,  sich  sofort  dem  Ohre  einschmeichelnder  Themen. 
Sehr  wirkungsvoll  ist  das  feurige  Scherzo  mit  seinem  gesangsreichen  Mittelsatz.  Nicht 
ganz  einfach  für  das  Verstindnis  und  den  Vortrag  ist  der  langsame  Satz.  Im  Pinale  sind 
ganz  oflTenbar  der  russischen  Volksmusik  entnommene  Themen  in  Rondoform  verarbeitet. 

130.  Ignatz  Waghalter:  Sonate  für  Violine  und  Pianoforte.     op.  5.     Verlag 

D.  Rahter,  Leipzig. 

Diese  nicht  gerade  leichte  Sonate  zeugt  von  sicherer  Beherrschung  des  Satzes  und 

geläutertem  Geschmack  in  der  Themenbildung;  in  der  Rhythmik  bemüht  sich  der  junge 

Komponist,  möglichst  eigenartiges  zu  bieten.    Auch  vermeidet  er  jede  Weitschweiflgkeit. 

Als  Zwischensatz  des  liedförmigen  Andante  bringt  er  recht  geschickt  ein  flottes  Scherzo. 

140.  Max  Lewandowsky:  Sonate  für  Pianoforte  und  Violine,  op.  8.  Verlag: 
C.  P.  Peters,  Leipzig. 
Der  junge  Komponist  weilt  nicht  mehr  unter  den  Lebenden.  Aber  soll  man  wirk- 
lich »De  mortuis  nil  nisi  bene"  nun  sagen?  Wiren  alle  Themen  so  energisch  und  grofl- 
zugig,  fut  symphonisch  wie  das  erste,  mit  dem  die  dreisitzige  Sonate  beginnt,  so  wäre 
sie  höchst  beachtenswert.  Leider  sind  aber  die  Gesangsthemen  durchweg  zu  süßlich- 
weichlich;  dazu  befleißigt  sich  der  Komponist  bei  der  Verarbeitung  seiner  Gedanken  einer 
ermüdenden  Weitschweiflgkeit;  er  musiziert  drauf  los,  als  ob  er  nur  goldene  Worte  zu 
sagen  hätte;  fiberall  flnden  sich  interessante  Anliufe,  infolge  mangelnder  Kritik  verflacht 
aber  fast  alles  nur  gar  zu  bald.    Am  schwächsten  ist  der  langsame  Satz. 

Wilhelm  Altmann 

12* 


NEUE  MUSIK-ZEITUNG  (Stuttgart)  1908,  No.  5— 10.  -  Aus  Rudolf  Louis'  neuem 
Buche  „Die  deutsche  Musik  der  Gegenwart**  wird  unter  der  Oberschrift  „Fortschritt 
oder  Verfall?«  ein  Abschnitt  abgedruckt,  in  dem  der  Verfasser  die  Frage,  ob  die 
moderne  Musik  dem  Verfall  entgegengehe,  verneint.—  „Aus  der  Selbstbiographie 
Karl  Friedrich  Zelters%  die  sein  Enkel  Wilhelm  Rintel  1861    in  Berlin  herausgab 
und  jetzt  vergriffen  ist,  teilt  Joseph  Lewinski  manche  interessante  Ereignisse  aus 
Zelters   Leben   mit.    Er   schließt   seinen   Aufsatz   mit  den   Worten:    „Der  Leser 
erkennt  schon  aus  diesem  dürren  Skelett  des  Tatsächlichen  die  Gediegenheit  des 
vortrefflichen   Mannes,   die   ihn   der   innigen    Freundschaft  eines   Goethe   würdig 
machte.**  —  Unter  dem  Titel    „Der    verwünschte    Ruhm.     Erinnerungen    an    das 
Konservatorium**  wird  eine  Erzählung  von  Potapjenko  veröffentlicht  (No.SundQ, 
die,   wie   die   Redaktion   in   einer  Fußnotiz   bemerkt,   „als  Beitrag  zur  Frage  der 
«Wunderkinder*  heutzutage  besonders    interessieren**  wird.  —  Der  Aufsatz  „Anton 
Brückner.    Neunte  Symphonie   (in  d-moll,  dreisätzig)**  von  Theodor    Helm    iun. 
(No.  6,  8,  11  und  12)  enthält  eine  sehr  ausführliche  Erläuterung  der  Symphonie  mit 
zahlreichen  Notenbeispielen.  —  Walter  Nie  mann   wendet  sich   in   dem   Aufeatz 
„Eugen  d'Alberfs  Bach-Ausgaben**  (No.  6)  hauptsächlich  gegen  d'Alberfs  Vorwort 
zu  seiner  Ausgabe  des  „Wohltemperierten  Klavier**,  insbesondere  gegen  die  Sitze: 
„Bach  empfand  ....  durchaus   verschieden  von   uns  Modernen:   kerniger,   wohl 
auch  gesünder  —  indessen  waren  ihm  jedenfalls  eine  große  Reihe  von  seelischen 
Empfindungen  und  deren  Ausdrucksweise  durch  die  Musik  völlig  fremd  und  die  Ton- 
farben in  unserm  heutigen  Sinne  gänzlich  unbekannt^,  „auch  drückt  er  alles,  was 
er  empfand,  massiger  —  vielleicht  oft  großzügiger  —  aber  jedenfalls  eintöniger  aus, 
als  wir  es  heute  wollen**.  —  E.  H.  veröffentlicht  einen  kurzen  Aufeatz  über  Caruso 
(„Enrico   Caruso**),    O.   K.  einen   über   SchiHings  („Max   Schillings  —  Stuttgarter 
Hofkapellmeister**).  —  Ober  einige  Pensionskassen,  Unterstützungs vereine   u.  der^l. 
berichtet  L.  F.  in  dem  Aufsatz:  „Welche  Aussichten  hat  eine  Musiklebrerin  für  ihr 
Alter?*  (No.  6).  —  Alexander   Eisenmann   untersucht  in  dem  Aufsatz  „Mozarts 
Vll.  Violinkonzert**  (No.  7)  eingehend  die  Frage,  ob  das  vor  einigen  Monaten  von 
Albert  Kopfermann  herausgegebene  Violinkonzert  wirklich  von  Mozart  komponiert 
wurde  oder  nicht.    Er  hält   es  für  „schwer,   im  vorliegenden  Falle  zu  einem  posi- 
tiven Resultat  zu  kommen**.    Auch  viele    von    anderen    Musikschriftstellem    und 
Musikern  geäußerte  Ansichten   über  das  neue  Konzert  werden   in  diesem  Aufeatz 
mitgeteilt.  —  F.  A.  Geißler   beklagt   in   dem   interessanten  Aufeatz:   „Die  Sehn- 
sucht nach  den  Vierteltönen**,  daß  wir  infolge  der  Gewöhnung  an  die  Enharmonik 
des  Klaviers   nicht  mehr  in  dem  Maße,  wie  z.  B.  die  alten  Griechen,  Rhig  sind, 
Intervalle,  die   kleiner  sind   als   Halbtöne,  wahrzunehmen.    Beethoven   habe  «In 
seinen  Quartetten  durch  eine  aufs  höchste  gesteigerte  Polyphonie  und  eine  bisher 
ungeahnte  Feinheit  der  rhythmischen  Kleinarbeit  die  Grenzen   der  Intervalle  der- 
maßen verengt,  daß  der  Halbton  oft  nicht  mehr  als  kleinste  Stufe  erscheint,  daß 
wir  vielmehr   in  vielen  Fällen   meinen,   ein   noch    kleineres  Intervall   zu   hören*. 
Das  bringt  Geißler  mit  der  Taubheit  Beethovens  in  Zusammenhang.    Dadurch,  ds8 


REVUE  DER  REVUEEN  ^^» 

sein  »äußeres  Ohr^  nicht  mehr  den  „übeilauten,  vordrängenden  Klang  des  enharmo- 
nischen  Klaviers**  vernommen  habe,  sei  er  von  »dem  Zwange   der  »temperierten' 
Stimmung**  frei  geworden  und  habe  »die  reinen,  feinen  Klänge  so  klar**  vernommen, 
daß  er  versuchen  konnte,  »sie  mit  den  unzulänglichen  Mitteln  unserer  Notenschrift 
festzuhalten**.  Richard  Strauß  zeige,  besonders  in  seiner  »Salome**,  dadurch,  daß  er 
»auf  Tonalität  so  gut  wie   ganz  verzichtet,  vielmehr  die  verschiedensten  Tonarten 
nebeneinander  stellt  oder,  besser  gesagt,  ineinander  schiebt**,   sein  Streben  nach 
»Neugewinnung  der  Vierteltöne   für  das   menschliche  Ohr**,  die  »eine   ungeheure 
Bereicherung,  ja  sogar  vollständige  Umgestaltung  der  gesamten  Tonkunst**  bedeuten 
wurde.    Max  Reger  komme  »durch  die  sinngemäße   und  konsequente  Ausbildung 
der  Polyphonie,  des  Rhythmus    und  einer   nur   aus   der   freiesten  Stimmführung 
sich   ergebenden  Harmonik   ebenfalls  zu   jenem    harten  Anprallen  des  Sekunden- 
intervalls, zu  jenem  bohrenden  Suchen  nach  den  Vierteltönen**.    Am  Schluß  spricht 
Geißler  die  Meinung   aus,   daß  »vielleicht   in   einem    halben  Jahrhundert**  unser 
Ohr  »sogar  auf  Vierteltöne  eingestimmt  sein**  werde.  —  Toni  Konrath  beschreibt 
in    dem    Aufsatz  »Pfitzner   als  Dirigent    der    Pastorale  von   Beethoven  (aus    dem 
Tagebuche  eines  Orchestermusikers)**,  wie  Hans  Pfitzner  die  Symphonie  in  Wien 
dirigierte.    Der  Aufsatz    enthält    zahlreiche  Notenbeispiele    mit   genauer   Angabe, 
wie  Pfitzner   die  angeführten  Stellen   spielen    ließ.  —  Der  Aufsatz  »Das  Jubiläum 
des  Philharmonischen  Chores  zu  Berlin**  von  Paul  Ertel  enthält  eine  Geschichte 
das  genannten  Chores  und  eine  Lebensbeschreibung  seines  Gründers  und  Leiters : 
Siegfried   Ochs.  —  Paul    Bekker  veröffentlicht   einen   kurzen  Aufsatz   über  Max 
Bruch  (»Max  Bruch**),    Ernst    Segnitz    einen   über    La    Mara  (»La   Mara    [Marie 
Lipsius]**).   —    Der   Aufsatz  »Etwas  von  Paganini**  enthält   Mitteilungen    über   die 
Kindheit    Paganini's,    seine   Geige    und    ein   in    dieser    Nummer   veröffentlichtes 
Bild.    Am  Schluß   wird   ein    Brief  von    Rudolf  Freiherrn  Proschäzka  abgedruckt, 
der      gegen      die     weitverbreitete       Geringschätzung      der       von      Schumann 
und  Liszt    hochgeschätzten  Begabung    Paganini's     als    Komponisten     protestiert. 
(Auf  ein  günstiges  Urteil  Joachims   über  Kompositionen   P.'s  haben  wir  in  dem 
Bericht  über  den  »Mercure  musical**  in  unserer  vorigen  »Revue**  hingewiesen.)  — 
Hans  F.  Seh a üb  berichtet  in  dem  Aufsatz   »Die  Lage  der  Orchestermusiker  in 
Deutschland**  (No.  8),  hauptsächlich  auf  Grund  der  Waltzschen  Schrift,  über  die 
elende  Lage  des  Musikerberufes.  —  Hermann  Gramer  setzt  die  von  uns  schon 
früher  angezeigte  Besprechung  von  Werken  für  Violoncello   fort  (»Führer  durch 
die  Literatur  des  Violoncellos**).  —  Am6d6e  Boutarel  bespricht  in  dem  Aufsatz 
»Historische  Porträts**  die,  auch  in  der  »Musik**  (VII,  8)  veröffentlichten,  aus  der 
Collection  Marmontel  in  Paris  stammenden  Bildnisse  Glucks,  Marmontel's,  Chopin's 
und  Stephen  Hellers.  —  O.  K.  drückt  in  dem  Aufsatze  »Disharmonisches  aus  der 
Musikstadt  München**,  in  dem  er  das  Verhalten  des  Kaimorchesters  gegen  Rudolf 
Louis  bespricht,  seine  Verwunderung  darüber  aus,    »daß  noch  nirgends  auf  die 
juristische  Seite  des  Falles  hingewiesen  worden  ist**.    Er  wünscht,  daß  Besucher 
des  durch   den  Krawall   gestörten  Konzertes    die  Direktion  der  Volkssymphonie- 
konzerte verklagen,  weil  sie  »um  den  künstlerischen  Genuß  gekommen**  seien,  den 
sie  nach  der  Bezahlung  des  Billets  beanspruchen  konnten.    K.  meint  sogar,  daß 
im  »allgemeinen  öffentlichen  Interesse**  »vielleicht  der  Staatsanwalt  wegen  öffentlicher 
Beleidigung  oder  wegen  groben  Unfugs  einschreiten  sollte**.    Die  Hauptschuld  daran, 
»daß  das  Kaimorchester  nicht  in  steter,  ununterbrochener  Entwicklung  fortschreiten 
konnte**,  tragen  nach  K.s.  Meinung  die  Stadt  München,  die  das  Unternehmen  nicht 
durch  Geldzuwendungen  gefördert  habe,  und  die  Musikfreunde  Münchens,  die  es 


182 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


^nur  zur  Zeit  Weingartners"  durch  genugenden  Besuch  der  Konzerte  unterstfitzt 
hätten.  —  Der  Aufsatz  „Die  Anstalt  für  musikalisches  AufrOhrungsrecbt,  der  ^Bider- 
verband'  und  eine  Pflichtversäumnis"  (No.  9)  von  Paul  Marsop  verteidigt  die  ge- 
nannte Anstalt  gegen  die  Vorwürfe,  die  der  ,» Allgemeine  Deutsche  Biderverband* 
in  seiner  letzten  Generalversammlung  gegen  sie  erhoben  bat.  Marsop  empfiehlt 
dem  BSderverband,  auf  die  Tagesordnung  seiner  nächsten  Generalversammlunc 
„die  Verbesserung  der  sozialen  Lage  und  die  Reform  der  Programme  der  deutschen 
Badeorchester**  zu  setzen.  —  Gustav  Neu  haus  beschreibt  in  dem  Aufeatz  «Das 
naturliche  Notensystem*  seine  neue  Notenschrift.  Eingehender  hat  N.  diese  in  einer 
Broschüre  dargestellt,  die  vom  Verleger,  H.  Neuhaus  in  Bochum,  unentgeltlich  und 
portofrei  zu  beziehen  ist  (und  die  auch  in  der  „Musik*  besprochen  werden  wird).  — 
Max  Röttgers  bespricht  ausführlich  den  ersten  Teil  des  zweiten  Bandes  der 
Kalbeckschen  Biographie  Johannes  Brahms' („Max  Kalbeck:  Johannes  Brahma*).  — 
Hans  F.  Schau b  berichtet  über  „Die  Eröffnung  des  neuen  Hoftheaters  in  Weimar*.  — 
Eugen  Honold  sagt  in  dem  Aufsatz  „August  Wilhelm]  f*:  „Wenn  er  als  Kfinstler 
wohl  nicht  ganz  auf  derselben  Höhe  stand  wie  als  Virtuose,  so  darf  er  doch  ala 
einer  der  bedeutendsten  Sterne  der  deutschen  Geigerwelt  bezeichnet  werden.*  — 
Das  9.  Kapitel  der  „Übungen  in  der  Betrachtung  musikalischer  Kunstwerke*  Ton 
G.  Münzer  behandelt  die  Sonate  (No.  1),  das  10.  die  Symphonie  (No.  9).  —  Rudolf 
Louis  begründet  in  dem  interessanten  Aufsatz  „Zum  13.  Februar  1908.  Erinnerung 
und  Ausblick*  (No.  10)  die  Ansicht,  daß  die  Gefahr  des  „Wagnerianertuma*  Tor- 
nehmlich  darin  liege,  daß  Wagner  ein  „universaler*  und  doch  so  „subjektiTer* 
Geist  war,  „daß,  wann  und  wo  immer  er  es  unternahm,  eine  fremde  Erscheinung 
zu  deuten  oder  zu  erklären,  ganz  unwillkürlich  eine  oratio  pro  domo  daraus  wurde*. 
Dadurch  komme  der  Verehrer  Wagners  leicht  dazu,  „die  ganze  Welt  des  deutschen 
Geistes*  so  zu  sehen,  „wie  sie  der  Bayreuther  Meister  sich  konstruiert  hatte*;  und 
es  koste  ihn  dann  „eine  schwere  Anstrengung,  von  all  dem,  was  diese  Konstruktion 
Unhaltbares  und  Irreleitendes  enthält,  ganz  wieder  loszukommen*.  Wenn  wir  uns 
aber  „von  der  Alleinherrschaft  Richard  Wagners  über  unsem  Geist*  bef^it  hätten 
und  dann  zurückblickten  auf  das,  was  wir  ihm  verdankten,  und  was  uns  kein 
anderer  hätte  geben  können,  so  könne  „kein  anderes  Gefühl  zurückbleiben,  ala 
heißer  Dank  und  innigste  Liebe*".  Bald  werde  es  „keine  als  solche  sich  bemerkbar 
machenden  Wagnerianer  mehr  geben,  weil  es  schließlich  niemand  mehr  gibt^  der 
in  einem  gewissen  höchsten  und  besten  Sinne  nicht  Wagnerianer  wäre*.  —  Knud 
Härder  bespricht  in  dem  Aufsatz  „Richard  Wagner  und  Dänemark*  die  Pflege 
der  Wagnerschen  Kunst  in  Dänemark  und  die  Urteile  der  Dänen  über  einzelne 
Gestalten  der  Wagnerschen  Dramen,  über  Wagnersche  Musik,  über  Wagners 
Charakter  usw.  —  Heinrich  Seh  wart  z  beginnt  eine  längere  pädagogische  Ab- 
handlung unter  dem  Titel  „Czernys  Schule  der  Geläufigkeit  und  anderes*.  — 
Gelegentlich  der  erfolgreichen  Aufführung  der  „Istrianischen  Hochzeit*  in  Wien 
veröffentlicht  Max  Dietz  den  Aufsatz  „Anton  Smareglia  und  seine  Oper  ,Istrianiache 
Hochzeit^*,  der  eine  Lebensbeschreibung  des  Komponisten  und  eine  Besprechung 
seiner  Werke  enthält  (No.  10  und  11).  Dietz  meint,  die  Aufführung  der  Hauptwerke 
Smareglia's  sei  „eine  Ehrenpflicht,  der  sich  keine  Bühne,  die  sich  selbst  achtet 
und  sich  höheren  Idealen  als  der  Befriedigung  des  Tagesgeschmacks  weiht^  ent- 
ziehen* könne. 

Magnus  Schwantje 


KRITIK 


OPER 

ANTWERPEN:  Im  Flimischen  Opernhaus 
brachten  es  »Fidelio%  «Tannhiuser"  und  die 
»Fledermaus*  zu  mehrfachen  Wiederholungen; 
namentlich  letztere  geflel  in  der  in  Deutschland 
Jetzt  beliebten  Besetzung  mit  Opern kräfien  ganz 
besonders.  Wagners  «Siegfried*  und  Zöllners 
»Faust*»  die  beide  in  Vorbereitung  waren,  er- 
halten wir  In  dieser  Saison  nicht.  Des  Genter 
Kapellmeisters  Roels  »Pinksternacht*,  ein 
gediegenes,  reich  intrumentiertes  kurzes  Werk 
erzielte  als  Novitit  unter  Leitung  des  Kompo- 
nisten einen  großen,  wohlverdienten  Erfolg;  der 
Einakter  »Gioia*  von  Godelsky  eine  direkte 
Ablehnung.  A.  Honigsheim 

BERLIN:  Königliches  Opernhaus.  Mit 
der  Neueinstudierung  der  »H  u  g  e  n  o  1 1  e  n*,  die 
Ende  Mirz,  musikalisch  revidiert  und  aufs 
prichtigste  ausgestattet,  in  Szene  gingen,  war 
einem  persönlichen  Wunsche  des  Kaisers  Folge 
geleistet.  Die  Musiker  von  heute  verhalten 
sich  Meyerbeer  gegenüber  mehr  oder  minder 
abiebnend  und  wollen  nicht  viel  mehr  als  seine 
kompositionstechnische  Virtuositit  gelten  lassen ; 
das  Publikum  wiederum,  ohne  gerade  nach  einer 
Bevorzugung  dieser  Oper  Verlangen  zu  tragen, 
goutiert  doch  immer  noch  gar  vieles  darin, 
zumal  wenn  es  von  geeigneten  Kräften  geboten 
wird.  Die  beginnen  nun  freilich  immer  empfind- 
licher zu  fehlen.  Wir  haben  —  in  Deutschland 
wenigstens — keine  Meyerbeer-Singer  und  keinen 
Meyerbeer-Stil  mehr,  was  ffir  die  Beurteilung 
der  Wirkung  nicht  außer  acht  zu  lassen  ist. 
FrL  Destinn  (Valentine),  Fr].Hempel(KöDigin), 
Frl.  Kau  ff  mann  (Page),  die  Herren  Jörn 
(Raonl),  Knüpf  er  (Marcel),  Griswold  (St.  Bris) 
and  Berger  (Nevers),  sie  alle  konnten  nur  im 
Einzelnen,  nach  Maßgabe  ihres  Talentes  und 
Bildungsganges,  den  Rollen  Charakteristisches 
abgewinnen,  und  der  dirigierende  Kapellmeister 
Leo  Blech  verfuhr,  aus  Scheu  vor  ordinären 
Effekten  und  Gewohnheitssünden,  mit  einer 
Snbtilitilt  und  Vornehmheit,  die  seiner  Gewissen- 
haftigkeit und  seinem  Geschmack  ein  gutes 
Zeugnis  ausstellten,  dem  musikalischen  Stil 
des  Werkes  aber  ein  gut  Teil  von  seiner  Eigenart 
nehmen  mußte.  Der  Schwerpunkt  dieser  »Huge- 
notten*-Aufführung  lag  also  im  Szenischen. 
Was  Echtheit  und  Pracht  der  Kostüme,  was 
malerische,  im  besonderen  koloristische  Schön- 
heit der  Dekorationen  anbelangt,  wurde  in  der 
Tat  ganz  Außerordeptliches  vor  Augen  geführt. 
Die  Burghalle  im  ersten,  der  Schloßgarten  im 
zweiten  Akt  waren  Bilder  von  seltenen  Reizen; 
nicht  minder  wirksam  waren  das  Straßenbild  und 
das  Interieur  im  vierten  Akt  gestaltet;  selbst  die 
kurze  Schlußszene  erhob  sich  in  ihrer  bildlichen 
Wirkung  weit  über  das  Gewohnte.  In  diesem 
vornehm-künstlerischen  Rahmen  nun  spielte 
sich  die  Handlung  überraschend  natürlich  ab. 
Intendant  v.  Hülsen,  der  diesmal  die  Regie 
selber  führte,  hat  in  der  Art,  wie  er  mit  über- 
lebten Traditionen  aufgeräumt  und  aus  freier 
Anschauung  Neues  und  Verständiges  geschaffen 
bat,  Geschmack  und  technisches  Geschick 
bewiesen.  Hebt  man  noch  hervor,  daß  durch 
Aufmachen  verschiedener  Striche  das  Verständnis 
gefördert  ist  und  manche  Obergänge  motivierter 
geworden,  so  hat  man  allerdings  erschöpft,  was 


es  über  die  neueste  Darstellung  der  »Hugenotten* 
an  Gutem  zu  berichten  gibt.  —  Eine  «ATda*- 
Vorstellung  sollte  einer  jungen  Dame  Gelegen- 
heit bieten,  an  so  hervorragender  Stätte  die 
Aufmerksamkeit  auf  ihre  Begabung  zu  lenken. 
Das  Ergebnis  war  aber  nicht  günstig  genug,  um 
den  Versuch  gerechtfertigt  erscheinen  zu  lassen. 
Signorina  S  a  1  v  a  t  i  n  i ,  die  die  Titelrolle  italienisch 
sang,  besitzt  zweifellos  gesangliche  Beanlagung 
und  stimmliche  Mittel  von  ungewöhnlichen 
Qualitäten.  Aber  sie  ist  noch  völlig  unfertig  in 
ibrer  Ausbildung.  Die  hohen  Töne  nimmt  sie 
gewaltsam  und  singt  dann  empfindlich  unrein; 
vor  allem  aber  ist  das  Organ  noch  nicht  der 
Träger  überzeugenden  dramatischen  Ausdrucks, 
auch  blieb  das  Technische  der  Partie  zum  großen 
Teil  unbewältigt.  Ober  das  Unzulängliche  der 
Darstellung  hätte  man  sonst  bei  einer  Debü- 
tantin allenfalls  hinwegsehen  können.  Der 
Abend  war  trotzdem  insofern  kein  verlorener, 
als  er  uns  mit  recht  tüchtigen  Leistungen  ein- 
heimischer Künstler  bekannt  machte.  Frl.  Ober 
trat  als  Amneris  weit  vorteilhafter  als  bisher 
hervor;  sie  entwickelte  sogar  etwas  wie  Schöpfer- 
kraft in  dieser  Rolle  und  ließ  ihre  schöne 
Altstimme  sich  so  prächtig  entwickeln,  daß  man 
in  Zukunft  Gutes  von  ihr  erwarten  kann.  Herr 
Krasa  gab  zum  erstenmal  mit  gutem  Gelingen 
den  König,  diese  kleine,  aber  nicht  unwichtige 
Partie.  Herr  Maclennan  hat  den  Radames 
bereits  nach  Caruso  hier  gesungen.  Er  bekundete 
aber  in  dieser  Rolle  so  auffällige  Fortschritte 
im  Gesang,  in  der  Beherrschung  des  Deutschen 
und  im  Erfassen  dramatischer  Aufgaben,  daß  es 
nur  gerecht  ist,  ihm  in  diesem  Streben 
Anerkennung  und  Aufmunterung  zuteil  werden 
zu  lassen. 

Komische  Oper.  Direktor  Gregor  hat 
neuerdings  Verdi's  »Maskenball*  dem  Spiel- 
plan seines  Theaters  einverleibt,  hat  aber  damit 
abermals  eine  wenig  glückliebe  Wahl  getroflTen. 
Die  italienische  Oper,  vornehmlich  die  ältere, 
wurzelt  nun  einmal  zu  stark  im  Nationalen,  um 
ohne  Beeinträchtigung  der  Wirkung  auf  anderen 
Boden  verpflanzt  werden  zu  können.  Es  gibt 
Verdi-Opern,  die  bis  zu  gewissem  Grade  Aus- 
nahmen bilden.  »Rigoletto*,  auch  »Traviata* 
können  durch  Betonen  des  Dramatisch- Charak- 
teristischen allenfalls  genießbar  gemacht  werden. 
Der  „Maskenball*  jedoch  kann  den  italienischen 
Gesangsstil,  italienische  Verve  und  italienisches 
Theaterblut  nicht  entbehren.  Die  Komische  Oper 
nennt  zwar  zwei  Landsleute  Verdi's  ihr  eigen,  aber 
Maestro  Tango  ist  zu  einseitig  Taktschläger, 
besitzt  wohl  auch  nicht  die  nötige  Autorität,  um 
ein  deutsches  Ensemble  seinem  Temperamente 
gefügig  zu  machen,  und  Maria  Labia  versagt 
leider  gesanglich  vollkommen,  sobald  sie  sich 
der  deutschen  Sprache  als  Ausdrucksmittels  be- 
dienen muß.  Noch  ungenügender  als  ihre 
Am61ia  waren  die  Ulrike  und  der  Page  durch 
die  Damen  Krüger  und  Pickert  vertreten. 
Wie  kann  man  nur  den  »Maskenball*  ohne 
Altistin  und  ohne  Koloratursängerin  geben  wollen! 
Die  schönen  Ensemblesätze  fielen  solchergestalt 
gänzlich  ins  Wasser.  Eindruck  machte  einzig 
der  Graf  Na  V als,  der  in  der  Liebesszene  über- 
zeugende Akzente  fand,  und  der  Renato  Ege- 
nieffs,  der  eine  sympathische,  echt  männliche 
Figur  schuf  und  namentlich   in   seiner  großen 


184 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


m 


F-dur-Arie  gesanglich  das  weitaus  Beste  des 
Abends  bot.  Die  Vorstellung  fand  den  üblichen 
Premiereabeifall.         Dr.  Leopold  Schmidt 

COLMAR:  ,»Sonnenwendglut^y dramatische 
Ballade  in  drei  Aufeugen.  Dichtung  von  Felix 
Baumbach.  Musik  von  Hans  Schilling- 
Ziemssen.  UrauffQhrung.  Hans  Schiliing- 
Ziemssen,  aus  der  Mfinchener  Schule  hervor- 
gegangen (Thuille),  hat  sich  bereits  in  der 
Musikwelt  einen  geachteten  Namen  gemacht  — 
verschiedene  seiner  Kompositionen  sind  bei  den 
Versammlungen  des  Allgemeinen  Deutschen 
Musikvereins  schon  aufgeführt  worden.  In  der 
ySonnenwendglut*  tritt  er  zum  ersten  Male 
als  Opernkomponist  hervor,  und  zwar,  wie  vor- 
ausgeschickt sei,  als  Musikdramatiker  in  den 
Bahnen  Wagners  wandelnd.  Anstoß  hierzu  gab 
das  dem  Wagnerschen  Stoffkreise  entlehnte 
Libretto,  das  in  die  isländische  Vorzeit  versetzt. 
Helga,  Sieglinden  gleich  an  einen  ungeliebten, 
alternden  Gatten  vermihlt,  su6bt  Erlösung  in 
den  Armen  Bragars,  eines  normannischen 
Recken,  der  am  Sonnenwendtag  sie  Obers  Meer 
entfuhren  will,  obwohl  Thordis,  ein  Mittelwesen 
zwischen  Kassandra  und  einer  Norne,  ihr 
warnend  dazwischen  tritt.  Statt  des  Geliebten 
aber,  dessen  Boot  sie  auf  der  Klippe  erwartet, 
erscheint  plötzlich  ihr  Mann,  und  entsetzt  stürzt 
die  Getäuschte  ins  Meer.  Der  zweite  Akt  spielt 
20Jahre  später  —  was  hier  jedoch  durch  die  Gleich- 
heit der  Hauptpersonen  dramatisch  erträglich  ge- 
macht wird,  zumal  da J  ung-Helga,  der  Verstorbenen 
Tochter,  von  der  gleichen  Sängerin  dargestellt 
wird.  Oluf,  eine  dem  Erik  aus  dem  «Holländer** 
gleichende  Figur,  liebt  die  Jungfrau  und  ge- 
steht ihr  das  gleichzeitig,  als  ihr  Vater  Modur 
von  Thordis  über  den  wahren  Grund  des  Todes 
seiner  Gattin  aufgeklärt  wird.  Und  im  gleichen 
Moment  erscheint  abermals  Bragar,  als  schiff- 
brüchiger siecher  Mann,  und  erkennt  in  Jung- 
Helga  den  Traum  seiner  Jugend  wieder.  Mit 
der  Pflege  des  Helden  erwacht  in  dieser  die 
Liebe  zu  dem  stattlichen  Helden;  trotzdem  sie 
alles  erfährt,  siegt  diese  Liebe:  »die  Mutter 
segnet  ihren  Bund**.  Nicht  so  aber  der  gebrochene 
Modur,  der  den  Räuber  seines  einstigen 
Glückes  töten  will;  da  ist  es  wiederum  Thordis,  die 
ihn  der  Rache  entsagen  und  die  hellif^e  Gewalt 
der  Liebe  ehren  lehrt  —  versöhnt  läßt  er,  aber- 
mals zur  »Sonnenwende**,  die  Liebenden  übers 
Meer  ziehen!  —  Die  Handlung  ist  von  Felix 
Baumbach,  einem  Karlsruher  Schauspieler, 
nicht  ohne  Geschick,  doch  auch  nicht  frei  einer- 
seits von  Wagnerismen,  andererseits  von  Bana- 
litäten (namentlich  in  den  Chören)  dramatisch 
verarbeitet  und  bietet  dem  Tonsetzer  dankbares 
Material.  Daß  die  Tonwelt  des  überragenden 
Bayreuther  Meisters  ihn  in  ihren  Bann  geschlagen 
—  wer  wollte  ibm  das  verargen?  Ist  es  doch 
auch  mehr  der  Stil  und  die  Analogie  gewisser 
Situationen,  hauptsächlich  mit  solchen  des  »Hol- 
länder**, die  da  hervortritt,  und  keineswegs  be- 
deutet die  Musik  ein  Plagiatwerk.  Denn  Schilling 
besitzt  genug  Eigenes  in  Erfindung  und  Gestaltung, 
um  das  Recht,  gehört  zu  werden,  beanspruchen 
zu  können.  Am  wenigsten  behagte  mir  der 
stark  zerrissene,  nicht  selten  etwas  lärmende 
erste  Akt,  in  dem  namentlich  die  Cborstellen  me- 
lodisch außerordentlich  unglücklich  gefaßt  sind; 
doch  wird  der  Autor  da  wahrscheinlich  zu  Ver- 


besserungen bereit  sein.  Von  der  betten  Seite 
zeigt  sich  sein  lyrisches  Können  im  iweiten  Akt, 
der  viele  Schönheiten  enthält;  besondefs  ein  En- 
semblesatz —  wenn  doch  unsere  modernen  Ton- 
setzer sich  nicht  durch  eine  gani  Tericehrte, 
öde  Prinzipienreiterei  davon  abhalten  lieflen, 
dieses,  gerade  der  Musik  ureigene»  so  ungemein 
wirkungsvolle  Ausdrucksmittel  des  stimmlichen 
Zusammenwirkens  auch  auszunutzen  (s. 
das  Meistersingerquintettl)  —  darf  als  Höhepnnict 
bezeichnet  werden  trotz  starker  harmonischer  An- 
klänge an  die  Brangänenstelle  im  zweiten  Tristan- 
akt !  Auch  der  dritte  Akt  bietet,  wiederum  von  den 
verunglückten  Chorstellen  abgesehen^rnnsiksiisch 
recht  Schönes,  was  allerdings  in  der  Anfffibiung 
zumeist  verloren  ging.  Im  ganzen  ist  die 
Schillingsche  Tonsprache  edel  und  aosdmcksvoll, 
vielfach  von  einnehmender  Melodik,  die  Mittel 
des  modernen  Orchesters  ohne  Oberlsdnng  und 
Effekthascherei  mit  Geschick  verwendend.  So 
glaube  ich,  daß  mit  einiger  Ausreifung,  namentlich 
auch  mit  besserer  Gestaltung  des  Schiasses,  der 
unbedingt  an  Stelle  des  unmotiviert  tonlosen 
Herumstebens  aller  Beteiligten  ein  znssmmen- 
fassendes  Vokalensemble  erforderte  (s.  ebenftüls 
die  »Meistersinger*!),  das  Werk  es  verdient,  daß 
auch  größere  Bühnen  sich  seiner  annehmen, 
auch  schon  um  seinen  wahren  Gehalt  wirklich 
ins  Leben  zu  erwecken.  Denn  dies  war  in 
Cd  mar,  bei  der  relativen  Unzulänglichkeit  der 
Mittel,  besonders  des  (Militär-)Orchesters,  die 
wohl  der  Spieloper,  nicht  aber  den  Schwierig- 
keiten des  modernen  Musikdramas  gewachsen 
sind,  nur  zum  Teil  der  Fall;  namentlich  der 
dritte  Akt  flel  völlig  auseinander.  Dazn  kam,  daß 
die  Vertreterin  der  Hauptrolle  stimmlich  ziemlich 
unmöglich  war,  während  die  sonstigen  Sole- 
kräfce,  abgesehen  von  einigen  provinzislen  Ober- 
treibungen,  recht  Achtbares  boten.  Möge  dem 
strebsamen  und  begabten  Komponisten  neben 
dem  Colmarer  Lokalerfolg  vor  allem  es  beschieden 
sein,  sein  Werk  auf  einer  großen  Bfihne  einmal 
erstehen  zu  sehen.  Bei  dem  Mangel  an  besseren 
Musikdramen  wäre  ein  solcher  Versnch,  snch 
den  Lebenden  zum  Recht  des  GehSrtwerdens 
zu  verhelfen,  wohl  angebracht. 

Dr.  Gustav  Altmann 

ESSEN:  Unter  den  Gaben  des  Stadttheaters  ist 
besonders  die  Aufführung  von  Wagners  pSieg- 
fried**  zu  nennen;  Paul  Strnenaee  bot  eine 
außerordentlich  vielveraprechende  Interpretation 
des  Titelhelden.  Max  Hehemann 

GENF:  Als  Neuheiten  sind  zn  nennen: 
»Yvonne**,  lyrisches  Drama  In  einem  Akt 
von  G.  de  Seigneux,  »Le  Chemineeu*,  ly- 
risches Drama  in  vier  Akten  von  X.  LerouZi 
»La  Damnation  de  Fauat*  von  BerlioZi 
»Th^rdse*,  Musikdrama  in  zwei  Akten  von 
Massenet.  Dan  k  einer  guten  Wiedergabe  worden 
alle  diese  Werke  beifällig  aufgenommen. 

Prof.  H.  Kling 

HAAG :  Die  Wiederkehr  von  Wagners  Sterbe- 
tag feierte  der  O  p  e  r  n  -  V  e  re  i  n  mit  einer  Vor- 
stellung der  »Meistersinger*  unter  Leitnng 
von  Peter  Raabe.  Im  großen  und  gansen  eine 
befriedigende  Aufführung,  wiewohl  hie  und  da 
nicht  ganz  einwandfrei.  Am  besten  seig^o  eieta 
Fri.  Seebe  als  des  Meisters  Pogner  reizendes 
Töchterlein  Evchen,  Erwin  als  Beckmesser  md 
Georg  Bischof  als  Hana  Sache.    UngenfltMid 


185 
KRITIK:  OPER 


war  Oskar  Bolz  als  Walter;  Regie  und  Insze- 
nierang  waren  sogar  schlecht.  Imposant  klang 
der  Chor  im  letzten  Akt.  Die  Vorstellung 
fiuid freudige  Aufnahme.  —  Die  Französische 
Oper  brachte  die  Ersuufr&hrung  in  Holland  von 
»Le  Chemineau"  (Der  Landstreicher)  von 
J.  Ri Chopin  und  Xavier  Leroux  und  erzielte 
schon  bei  der  ersten  Vorstellung  einen  glinzenden 
Erfolg.  Das  Textbuch  enthilt  viele  schwache 
Stellen,  gibt  aber  auch  mehrere  packende  und 
reizende  Szenen.  In  der  Musik  finden  sich 
manche  gutgelungene  Einzelheiten  von  tief- 
gefQhlter  Ljrrik  und  origineller  Ausdrucks- 
weise. Schade,  daß  Leroux  nicht  immer 
ursprünglich  ist:  Charpentier,  Massenet  und 
d'Indy  haben  sein  Schaffen  stark  beeinflußt. 
Bei  sehr  guter  Besetzung  und  trefflicher  Insze- 
nierung machte  die  Erstaufführung  großen  Ein- 
druck. Das  Werk  ist  jetzt  schon  öfters  wieder- 
holt worden.  Kapellmeister  Bastide  leitet 
das  Ganze  mit  Sicherheit  und  feinem  Ge- 
schmack. Herman  Rutters 
I  EMBERG:  Die  heurige  Saison  hat  uns  nur 
'^  eine  Neuauffuhrung  von  Wert  gebracht: 
»Rheingold'I  Eine  wahre  Musterauffuhrung, 
die  wir  unserem  ersten  Kapellmeister  Antonio 
Ribera  und  dem  energischen  Vorkämpfer 
f&r  Wagner  Alexander  von  Bandrowski  zu 
verdanken  haben.  Drei  Monate  lang  arbeitete 
Ribera  an  der  Einstudierung,  die  bei  dem  meisten- 
teils nngenOgenden  Singermaterial  und  der  Ver- 
stindnislosigkeit  der  Theaterleitung  und  Regie, 
die  mehr  schadeten  als  nfitzten,  besondere 
Schwierigkeiten  bot.  Trotzdem  war  die  Aufführung 
in  jeder  Hinsicht  vollkommen  und  ausge- 
zeichnet. —  Die  heurigen  Gastspiele  brachten 
wenig  Erfreuliches.  FrauOrbeliini  erfüllte  die 
in  sie  gesetzten  Hoffnungen  gar  nicht,  und  nur 
die  Bassistei^  Battistini  und  Adam  Didur 
errangen  einen  wohlverdienten  großen  Erfolg. 

Alfred  Plohn 
1  UZERN:  Das  von  Direktor  Hanns  Eich  1er 
'^  geleitete,  subventionierte  Stadttheater 
brachte  wibrend  der  abgelaufenen  sechseinhalb- 
monatlichen Spielzeit  in  meist  guter  Inszenierung 
zur  Aufführung:  die  Operettenschlager  »Früh- 
lingslufk*,  «Walzertraum*  und  „Lustige  Witwe** 
und  die  Opern:  «Undine*,  „Wildschutz*,  „WafPen- 
8cbmied*,«GoldenesKreuz*,,Regiment8tochter", 
pPostillon*,  „Glöckchen  des  Eremiten",  •Frei- 
schütz*, .Fidelio*,  «Faust*,  »Carmen«  und 
»Fliegender  Hollinder*.  In  die  musikalische 
Leitung  teilten  sich  die  Kapellmeister  Dr.  Ludwig 
Nenbeck  und  Carl  Ehrenberg.  Zur  Saison 
1006/9  wird  die  Subvention  erhöht  und  das 
städtische  Theaterorchester  auf  komplette  Be- 
setzung gebracht  werden.  A.  Scbmid 
DARIS:  Die  Wiederaufnahme  des  Balletes 
^  vNamouna*  von  £douard  Lalo  war  schon 
lange  eine  Ehrenpflicht  der  Großen  Oper, 
denn  der  herbe  Mißerfolg  des  Jahres  1882  ist 
ein  Ihnlicher  Irrtum  gewesen,  wie  zuvor  die 
Niederlage  des  „Tannhiuser*  oder  wie  der 
Halberfolg  der  »Carmen*  in  der  Komischen 
Oper.  Im  Konzertsaal  haben  sich  sehr  bald 
zwei  Orchestersuiten  aus  »Namouna*  einge- 
bürgert, und  der  von  Anfang  an  durchschlagende 
und  danemde  Erfolg  der  1888  in  der  Komischen 
Oper  zuerst  gegebenen  Oper  »Le  Roi  d'Ys*  hat 
überdies  bewiesen,  daß  Lalo,  den  man  zur  Zeit 


der  »Namouna*  als  »Symphoniker*  verschrie, 
auch  der  Theatermusik  mehr  als  gewachsen 
ist.  Es  ist  unbegreiflich,  daß  die  verflossene 
Direktion  Gailhard,  die  so  viel  totgeborene 
Ballete  herausbrachte,  die  „Namouna*  immer 
wieder  verschob,  so  daß  das  Verdienst  und 
auch  der  Vorteil  nun  den  Herren  Messager, 
Broussan  und  Lagarde  zufallen.  Das  Werk 
krsnkt  ja  freilich  an  seiner  Zwaogsgeburt. 
Direktor  Vaucorbeil,  ein  Komponist  dritten 
Ranges,  der  den  «König  von  Ys*  bewundert  hatte, 
bevor  er  die  Direktion  der  Großen  Oper  über- 
nahm, ließ  ihn  schnöde  fahren,  als  er  in  Amt 
und  Würde  war,  und  entschädigte  seinen  Freund 
Lalo  mit  der  Bestellung  eines  Ballets,  für  das 
der  Archivar  der  Oper  Nuitter  in  aller 
Schnelligkeit  ein  Libretto  fbbrizieren  mußte, 
das  Lalo,  um  überhaupt  in  der  Oper  an  die 
Reihe  zu  kommen,  unbesehen  annahm  und  mif 
Hast  zu  komponieren  begann.  Er  wurde  darüber 
krank,  und  Gounod  vollendete  die  Orchestrierung. 
Das  aus  einem  Prolog  und  zwei  Akten  be- 
stehende Libretto  enthilt  zu  viel  Handlung,  die 
durch  die  Pantomime  allein  nicht  verstindlich 
gemacht  werden  kann,  und  die  Tänze  erscheinen 
bloß  als  äußerliche  Zutat.  Namouna,  die  im 
Spiel  gewonnene  und  vom  Gewinner  frei- 
gegebene griechische  Sklavin,  rettet  ihrem  Be- 
freier dreimal  das  Leben,  bis  ihr  rachedurstiger 
früherer  Herr  von  ihrem  ergebenen  kleinen 
Diener  ermordet  wird.  Originell,  aber  wenig 
wahrscheinlich  ist,  daß  sie  sich  als  Blumen- 
hindlerin  zwischen  die  Kimpfenden  stürzt  und 
beide  Degen  an  den  Spitzen  festhält,  bis  das 
Volk  herbeieilt.  Die  Musik  enthält  dagegen 
trotz  der  überstürzten  Arbeit  sehr  viel  reizende 
Einzelheiten,  die  sich  weit  über  die  hergebrachte 
Balletmusik  erheben  und  die,  durch  das 
szenische  Bild  unterstützt,  noch  stärker  wirken» 
als  im  Konzert.  Im  Jahre  1882  tadelte  man 
namentlich  den  ^^bar  barischen  Lärm*  der 
Jahrmarktsszene,  wo  ein  Blechorchester  auf  der 
Bühne  mitwirkt.  Heute  finAt  man  die  Sache 
beinahe  zu  zahm,  aber  es  muß  auch  gesagt 
werden,  daß  damals  in  den  wenigen  Vorstellungen 
der  „Namouna*  die  beiden  Orchester  immer 
disharmonierten,  während  diesmal  Kapellmeister 
Vi  dal  schon  in  der  Generalprobe  das  genaueste 
Zusammenspiel  zustande  brachte.  Die  Haupt- 
rolle der  Namouna  wird  heute  auch  unstreitig 
besser  getanzt  und  besonders  gemimt,  als  vor 
26  Jahren.  Die  Sangalli  von  damals  besaß  nie 
den  schalkhaften  Reiz  der  Zambelli  von  heute. 
Was  die  Ausstattung  betrilft,  so  hat  die  neue 
Direktion  den  Jahrmarkt  des  17.  Jahrhunderts 
auf  Korfu  viel  pittoresker  gestaltet,  aber  die 
Insel  der  Sklavinnen  durch  einen  enormen 
knorrigen  Baum  abgeschlossen,  der  die  Wirkung 
des  weiten  blauen  Meeres  beeinträchtigt.  Das 
allerliebste  Flötensolo  mußte  wiederholt  werden, 
aber  das  war  trotz  der  Niederlage  des  Ganzen 
schon  1882  vorgekommen.  Der  Unterschied  in 
der  Aufnahme  bestand  namentlich  darin,  daß 
das  Vorspiel  des  ersten  Aktes,  das  damals  nur 
der  Konversation  diente,  aufmerksam  angehört 
und  sehr  beklascht  wurde,  und  daß  nach  dem 
einst  verworfenen  Jahrmarktslärm  dreifacher 
Hervorruf  erfolgte.  —  Es  ist  nun  ausgemacht, 
daß  nicht  nur  Richard  Strauß'  «Salome*  in 
der  Großen  Oper  französisch   zur  Aufführung. 


180 
DIE  MUSIK  Vll.  15. 


m^Ss 


kommen  wird,    sondern    auch    seine  «Elektra* 
im  nächsten  Winter.  Felix  Vogt 

PRAG:  Es  gehört  jetzt  zur  Mode,  gering- 
schitzig  von  Siegfried  Wagners  Schaffen 
zu  reden,  und  einen  unmittelbaren  Erfolg  beim 
Publikum  hat  auch  sein  ^^Stern engebot*  bei 
uns  nicht  gehabt.  Das  liegt  vor  allem  am  Buche. 
Der  Autor  will  zuviel  und  erreicht  darum 
nichts.  In  dieser  Menge  einander  durch- 
kreuzender dichterischer  Motive,  von  denen 
keines  sich  zu  voller  Deutlichkeit  auslebt,  jedes 
nur  angedeutet  wird,  kennt  sich  Niemand  aus, 
auch  mit  dem  gedruckten  Text  in  der  Hand. 
Ein  guter  Opemstoif  soll  so  beschaffen  sein, 
daß  er  auch  als  Pantomime  zur  Not  verständlich 
wird.  Aber  als  Komponist  ist  Siegfried  Wagner 
entschieden  gewachsen.  Er  gibt  nicht  immer 
originelle,  aber  wahr  empfundene,  klanglich  vor- 
nehme, gesunde,  oft  tjberraschend  temperament- 
volle und  stets  echt  dramatische  Musik,  wiesle 
heute  nur  wenige  schreiben  können.  Eine  sehr 
gute  Auffuhrung  unter  Ottenheimer,  in  der 
namentlich  Boruttau  als  Helferich  eine  Pracht- 
leistung bot,  brachte  die  Vorzuge  des  Werkes 
zur  Geltung.  —  Bald  darauf  gab  es  im  selben 
Neuen  Deutschen  Theater  eine  Uraufführung: 
yCarmencita",  eine  burleske  Fortsetzung  der 
»Carmen*,  Musik  unter  Benutzung  Bizet's  von 
Paul  Zschorlich.  Ein  dilettantisches  Mach- 
werk, das  kläglich  durchfiel.  Auch  der  Kritiker 
Zschorlich  ist  mit  durchgefallen.  Wer  eine  so 
krasse  Unkenntnis  der  primitivsten  Gesetze  der 
Bfihne  und  ihrer  Wirkungen  bekundet,  sollte 
nicht  über  Meisterwerken  zu  Gericht  sitzen.  — 
Nächste  Novität  ist  die  deutsche  Uraufführung 
von  »Der  Ahne*  von  Saint-SaSns. 

Dr.  Richard  Batka 

SCHWERIN:  Lortzings  buhnensicheres  Talent, 
die  in  der  Hauptsache  parodistische  Natur 
seines  Humors  und  die  frisch-fröhliche  Musik 
erfreuten  uns  aufs  neue  in  seinem  »Wildschütz*. 
Der  »Wi]dschütz*^at  sein  Glück  gemacht  und 
es  sich  erhalten ;  nicht  so  beständig  ist  die  Liebe 
des  Publikums  für  Neßlers  »Trompeter*  ge- 
blieben, dessen  allegorischem  Mai  festballet  fremde 
Gäste  aus  Terpsichorens  Reich  mit  buntfarbigem 
Formenspiel  neue  Reize  geben  mußten.  In 
glanzvoller  Ausstattung  wurde  Verdi's  »ATda* 
herausgebracht.  Als  Neuheit  fand  d' Albert 's 
musikalisches  Lustspiel  »Flaute  solo*  nur  einen 
Achtungserfolg,  dagegen  errang  G orters  »Das 
süße  Gift*  eine  sehr  beifällige  Aufnahme. 
Gewiß  ließ  die  treffliche  Wiedergabe  das  Stück 
unmittelbar  wirken,  aber  es  geht  doch  auch  nach 
einigen  etwas  langwierig  vorbereitenden  Prälimi- 
narien tatsächlich  in  eine  hochmuntere  Burleske 
über.  Eine  Wiederholung  des  »Ring*  gliedert 
sich  noch  dem  Abschluß  der  Spielzeit  ein. 

Fr.  Sothmann 
CTR ASSBURG:  »Der  Paria*  von  Albert 
*^  Gorter.  Uraufführung.  Albert  Gorter  ist 
durch  seine  mit  ziemlichem  Erfolg  aufgenommene 
komische  Oper  »Das  süße  Gift*  den  deutschen 
Bühnen  kein  Unbekannter  mehr.  Er  kommt  dies- 
mal auf  dem  tragischen  Kothurn,  allerdings  nur  mit 
einem  Einakter,  und  führt  uns  in  die  entlegenen 
Gefilde  des  Orients,  nach  Indien.  Den  Text  bat 
er,  nicht  ohne  Geschick,  nach  einem  Drama  von 
Michael  Beer,  einem  Bruder  Meyerbeers,  selbst 
t>earbeitet.     Gadhi,   der   Paria,    hat   Maja,    eine 


Fürstentochter,  die  den  ioditcben  Witweotod 
sterben  sollte,  davor  errettet  und  lebt  mit  der 
Entführten  in  einem  stillen  Tal  in  seligem  Uebes- 
glück,  dem  auch  ein  Kind  entsprossen  ist.  Da 
nahen  Fremdlinge,  sein  Glück  zu  stören;  lum 
Fliehen  ist's  zu  spät  Schon  betritt  Benasiar, 
ein  Radschah,  von  giftigem  Schlangenbiß  getroffen, 
hilfesuchend,  wenn  auch  widerwillig,  die  Hütte 
des  Verworfenen.  Der  Edle,  eben  noch  mit  dem 
Tode  bedroht,  spendet  dem  Feinde  diese  Hilfe: 
durch  sein  Weib  läßt  er  von  heilendem  Balsam  die 
Wunde  kühlen.  Benasiar  verlangt  und  erzwingt 
es,  die  Verschleierte  zu  sehen;  von  ihrer  Schön- 
heit entflammt,  will  er  sie  als  Sklavin  weg- 
schleppen lassen.  Da  —  in  höchster  Not,  offen- 
bart Gadhi  das  Geheimnis  ihrer  Geburt  und  Ihres 
Schicksals,  und  noch  mehr:  der  ob  dieses  Frevels 
an  der  heiligen  Sitte  empörte  Gebieter  wird  als 
der  Bruder  der  Unglücklichen  erkannt!  Doch 
seine  Rache  wird  dadurch  nicht  besänftigt:  der 
Paria  soll  dem  Brahmanen  als  Opfer  feilen, 
Maja  in  ewiger  Klosterhaft  hülfen;  nur  das  Kind 
findet  Gnade  vor  ihm.  Während  er  et  birgt, 
reicht  Maja  dem  Geliebten  einen  verborgenen 
Gifttrank,  der  beide  vereint  dem  Ann  des  nahen- 
den Richters  entzieht.  Erschüttert  weist  Benasiar 
diesem  das  Opfer:  »Nimm  zwei  für  eins  —  frag 
deinen  Brahma,  ob  sie  ihm  gefeilen!*  Damit 
schließt  das  recht  bühnenwirksam  angelegte 
Stück,  das  Gorter  nun  in  eine  stark  eklektfecbe, 
aber  im  ganzen  melodische  und  gefillige,  wenn 
auch  von  Anklängen  nicht  ganz  freie  Musik  ge- 
faßt hat,  die  zwischen  Mnsikdramatik  und  Opem- 
stil  einigermaßen  die  Mitte  hält.  Auffiallender- 
weise  verzichtet  er  so  gut  wie  gans  auf  das 
orientalische  Lokalkolorit,  wie  ea  z.  B.  In  «Lakme*, 
»Feramors*  usw.  mit  so  viel  Effekt  verwandt  ist. 
Seine  Tonsprache  ist  eine  gans  allgemein  mensch- 
liche, die  auch  zu  andersartigem  Stoff  gepeilt 
hätte;  ja,  sie  enthält  sich  auch  der  eigentlich 
opernhaften  Einkleidung  mit  Enaemblealtien, 
Chören  usw.,  zu  denen  der  Stoff  hinlängliche  Ge- 
legenheit geboten  hätte,  und  die  sich  s.  B.  ein 
Meyerbeer  nicht  hätte  entgehen  laaaen,  obwohl 
sie  auf  der  andern  Seite  keineswegs  rein  leit- 
motivisch angelegt  ist,  und  den  lyrischen  Aus- 
bau einiger  Stellen  auch  keineawega  verschmibt 
Ja,  diese  lyrischen  Episoden,  wie  daa  recht 
hübsche  Schlummerlied  der  ersten  Szene,  ver- 
schiedene Duettansätze,  die  große  Erzählnng  des 
Paares  und  seine  Todesszene,  sind  sogar  musi- 
kalisch als  die  gelungensten  zu  beieichnen, 
während  die  rein  dramatiachen  Akzente,  die  An- 
läufe zu  Leitmotiven  meinem  Empfinden  nach 
nicht  immer  sonderlich  glücklich  gietroffen  sind. 
Orchestral  ist  das  Werk  im  ganzen  mit  liem- 
licher  Einfachheit  angelegt,  vielfech  homophon 
und  in  Soli  einzelner  Instrumente  sich  ergebend; 
nur  an  einigen  Höhepunkten  rafft  der  Komponist 
die  Gesamtmittel  des  modernen  Orcbesters 
zusammen,  zwar  nicht  mit  der  Farbenpracbt  und 
Glut  eines  Strauß,  aber  jedenfells  mit  Sinn  f&r 
Wohlklang  und  frei  von  Exzentrizitäten.  Im 
ganzen  nähert  sich  sein  Stil  aber  in  seinem 
Eklektizismus  dem  d'Albert'schen,  den  ancb 
«Das  süße  Gift*  befruchtet  hat.  Bedeutet  das 
Werk  somit  auch  keinen  Markatein  In  der  Ge- 
schichte der  deutschen  Oper,  so  darf  es  doch 
als  die  gefällige  Gabe  eines  gebildeten  nnd  ge- 
diegenen   Musikers    Anspruch    auf   Beachtung 


w. 


187 
KRITIK:  KONZERT 


erheben.  Die  Auffübrung  wer  eine  recht  gute; 
Frau  Laoer-Kottlert  quellend-schöoer  Sopran 
und  der  vornehme  Bariton  des  Herrn  v.  Manoff 
(Benatiar)  wußten  ihren  Partieen  aufs  voll- 
kommenste gerecht  zu  werden,  und  auch  Herr 
Vilke  als  Paria  bot  Befriedigendes.  Daß  der 
örtliche  Erfolg  —  mit  Hervorrufen,  Lorbeer- 
krinzen  und  Hymnen  der  Kritik  —  ein  erheblicher 
war,   versteht   sich    ja   von   selbst;    immerbin 

«1000  ich,  daß  die  Oper  vermöge  ihrer  ge- 
ligen und  viel  Sinn  für  Bfibnenwirksamkeit 
verratenden  Eigenschaften  auch  anderwirts  einen 
fireundlichen  Empfang  finden  wird. 

Dr.  Gustav  Altmann 

KONZERT 

DERLIN:  Das  Konzert  der  Philharmoniker 
^^  zum  Besten  ihres  Pensionsfonds  wurde  dies- 
mal von  Richard  Strauß  dirigiert.  Das  Pro- 
gramm enthielt  nur  Beetboven'scbe  Musik:  die 
dritte  Leonoren-Ouvertiire,  das  Klavierkonzert 
Es-dnr  mit  Artur  Schnabel  als  Solisten  i|nd 
die  G-moU  Symphonie.  Die  beste  Leistung  war 
die  Vorführung  der  Leonoren-Ouverture;  bei 
der  Symphonie  erfreute  zwar  auch  das  unge- 
etfime  Feuer,  mit  dem  der  Dirigent  die  leiden- 
schaftliche Kraft  Beethovens  großzügig  zur 
Geltung  brachte.  Nur  schien  hier  aber  mehr- 
fach das  richtige  Maß  in  der  Dynamik  zu  fehlen, 
die  Schönheitslinie  wurde  öfters  fiberschritten, 
auch  das  2^itmaß  zu  heftig  getrieben.  Etwas 
Ton  dem  Feuer,  von  der  Vorliebe  für  starke 
Gegensitze  im  Ausdruck,  womit  Richard  Strauß 
seine  Hörer  fortzureißen  weiß,  wire  dem  Pia- 
nisten zu  wünschen  gewesen.  Artur  Schnabel 
spielte  fein,  tadellos  sauber,  elegant,  bisweilen 
wie  z.  B.  bei  dem  ersten  Einsatz  des  Solo  im 
H-dnr-  Adagio  wunderbar  weich,  aber  es  fehlte 
die  Größe  der  Auffassung;  bei  den  Staccato- 
Triolen  der  linken  Hand  im  ersten  Allegro,  wie 
bei  dem  Hauptmotiv  des  Finale  klang  es  gar  zu 
zierlich,  zu  winzig.  Das  Orchester  hatte  Festtags- 
Stimmnng,  jedes  einzelne  Mitglied  gab  sein 
Bestes,  und  zum  Schluß  wurden  dem  Dirigenten 
wie  dem  Orchester  nicht  endenwollende  Ova- 
tiMien  gebracht.  —  In  der  Singakademie 
bringt  Georg  Schumann,  seitdem  er  den 
fitesten  Gesangverein  Berlins  dirigiert,  in  der 
stillen  Woche  stets  außer  der  Mattbiuspassion 
noch  die  nach  dem  Johannisevangelium  zur 
AnffBhning,  eine  willkommene  Gabe  für  die 
von  Jahr  zu  Jahr  anwachsende  Bachgemeinde. 
Der  Chor  und  das  Orchester  leisteten  wieder 
Vorzügliches.  Unter  den  Solisten  war  die  Ver- 
treterin des  Soprans  Eva  Leßmann  im  Bach- 
schen  Stil  musikalisch  sicher;  auch  Herr  Jung- 
blttt  erfreute,  trotzdem  sein  Tenor  etwas  dünn 
klingt,  durch  angemessenen  Ausdruck;  das  Ehe- 
paar Felix  von  Kraus  und  Adrienne  von  Kraus- 
Osborne  aber  faßten  ihre  Partieen  gar  zu 
theatralisch  im  Ausdruck  an;  die  Worte  des 
Heilandes  können  doch  nicht  einfach,  nicht 
schlicht  genug  gesungen  werden.  Die  kleineren 
Partieen  des  Pilatus  und  Petrus  waren  durch 
Herrn  Lederer-Prina  vertreten. 

E.  E.  Taubert 
Die  zu  Beginn  der  Saison  gegründete  Ge- 
sellschaft der  Musikfreunde  hat  mit  einem 
großen  Orchesterkonzert  ihre  das  Berliner  Musik- 


leben wesentlich  befruchtende  Titigkeit  vorläufig 
abgeschlossen.  Das  verstirkte  Philharmonische 
Orchester  spielte  unter  Oskar  Frieds  Leitung 
geradezu  vollendet.  Borodins  zweite,  hier  so 
gut  wie  unbekannte  Symphonie,  deren  letzter 
Satz  ein  Stück  echt  russischen  Dorflebens  malt, 
Busoni's  eigenartige,  in  den  humoristisch-gro- 
tesken Teilen  ganz  besonders  gelungene  »Tu- 
randot*-Suite  und  Richard  Strauß'  farbenprächtiger 
»Don  Juan*  bildeten  mitdem  c-moU  Klavierkonzert 
von  Frederik  Delius  das  vielleicht  zu  reich- 
haltige Programm.  Dieses  Konzert,  dessen  un- 
gemeine Schwierigkeiten  Theodor  Szanto  glanz- 
voll bewältigte,  ist  im  Grunde  eine  symphonische 
Dichtung  mit  obligatem  Klavier,  deren  eigen- 
artige Melodieen  von  einem  großen  Reichtum 
der  Erfindung  und  einer  geradezu  einzigartigen 
Begabung  des  Komponisten  für  feinsinnige 
Stimmungsmalerei  zeugen.  Es  verdient  größte 
Beachtung  und  wird  dem  Tondichter  sicherlich 
die  Wege  überall  ebnen.  —  Der  von  den  Herren 
Eisenberger,  Schnirlin,  Fritz  Becker  ver- 
anstaltete moderne  Trio-Abend  brachte  merk- 
würdigerweise Smetanas  recht  bekanntes  Trio, 
freilich  ein  prachtvolles  Werk,  und  als  Novität 
ein  einsätziges,  durch  gesuchte  Harmonik  den 
Mangel  an  Erfindung  verdeckendes  Trio  von 
V.  Novak;  dazwischen  sang  Lolo  Barnay  mit 
feinem  künstlerischen  Empfinden  Lieder  von 
Schillings,  E.  J.  Wolff,  Weingartner  und  S.  Lte. 
—  Unter  Mitwirkung  des  Philharmonischen 
Orchesters  konzertierten  die  Geiger  Marc 
Gordon  und  Emil  Floris,  sowie  die  Geigerin 
Betty  Tennenbaum;  ihnen  allen  fehlte  die 
Berechtigung  zum  öffentlichen  Auftreten  in  so 
anspruchsvollem  Rahmen;  dies  gilt  auch  von 
der  Geigerin  Ernestine  Boucher,  die  sich  mit 
Klavierbegleitung  begnügte.  —  Der  noch  sehr 
junge  Pianist  Hermann  Schwarz  spielte  ganz 
verständnisvoll.  Wilhelm  Altmann 

Der  Pianist  Herbert  Lilienthal  hat  sich 
wohl  eine  hübsche,  glatte  Technik  und  einen 
ganz  angenehmen  Anschlag  angeeignet,  ließ 
aber  sonstige  musikalische  Begabung  nicht 
zum  Durchschein  kommen.  Seine  Neigung  zu 
übermäßigem  Verschleppen  der  Tempi  müßte 
er  vor  allem  energisch  bekämpfen.  —  Wenn 
fleißiges  Arbeiten  zur  Erreichung  von  Kunst- 
darbietungen genügte,  wäre  wohl  den  Werken 
von  August  Oeser  ein  besseres  Zeugnis  aus- 
zustellen. Was  davon  für  Gesang,  für  Klavier 
und  für  Cello  zur  Aufführung  gelangte,  enthielt 
jedoch  keine  erwähnenswerten  Anzeichen  er- 
finderischen Talentes  oder  künstlerischen  Em- 
pfindens. —  Auch  die  Leistungen  des  Pianisten 
j.  B.  Zerlett  konnten  keinen  Genuß  bereiten. 
Sie  imponieren  weder  durch  technische  noch 
musikalische  Eigenschaften.  Besonders  der 
Vortrag  der  Chopin'schen  Polonäse  war  voll- 
kommen unzureichend,  wie  auch  die  Gesangs- 
begleitungen, z.  B.  zum  „Erlkönig*,  eher  ein 
Hindernis  fiir  die  ausgezeichnete  Altistin  Frau 
Zerlett-Olfenius  waren.  Die  mächtige,  üppig 
quellende  und  wohllautende  Stimme  steht  unter 
strenger  Kontrolle,  der  Vortrag  ist  überlegt  und 
stilvoll,  könnte  allerdings  zuweilen  noch  ein- 
dringlicher sein.  Leider  ist  die  Reinheit  nicht 
immer  tadellos.  Die  treffliche  Künstlerin  sollte 
sich  davor  hüten,  nach  oben  zu  entgleisen.  — 
Viel   Lob  läßt  sich   dem   Madrigalchor  des 


188 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


Kop.enhagener  Cäcilia-Vereins  spenden. 
Der  gemiscbte  Cbor  besteht  nur  aus  36  Stimmen« 
die  aber  durch  die  Frische  des  Materials  und 
die  tüchtige  Schulung  einen  vollen  Klang  ent- 
wickeln. In  der  Nuancierung  geht  der  Dirigent 
Frederilc  Rung  wohl  zu  weit;  die  Kompositionen 
von  Palestrina  z.  B.  büßen  dadurch  viel  Cbaralc- 
teristisches  ein,  auch  werden  ihre  technischen 
Schwierigkeiten,  die  hiuflg  auf  dem  gleich- 
mäßigen Aushalten  langer  Noten  beruhen,  da- 
durch unnütz  auf  die  Spitze  getrieben.  Deshalb 
konnten  die  Sänger  mit  ihren  ersten  Nummern 
keinen  ungetrübten  Eindruck  erzielen.  Anders 
verhielt  es  sich  mit  modernen  Werken.  Hier 
kamen  die  Vorzuge  der  dänischen  Sänger  vor- 
zQglich  zur  Geltung,  so  die  Fähigkeit  im  richtigen 
Erfassen  der  Intervalle  in  Grieg's  letztem  Werk, 
den  Psalmen  für  gemischten  Chor  und  Bariton- 
Solo,  op.  74.  Die  harmonischen  Eigentümlich- 
keiten dieser  Gesänge,  denen  kaum  etwas  Gleich- 
artiges an  die  Seite  zu  stellen  ist,  überwand  die 
Vereinigung  tatsächlich  glänzend.  Für  jeder- 
manns Geschmack  ist  Grieg's  sonderbares  Werk 
allerdings  nicht.  Das  Bariton-Solo  wurde  von 
Ernst  Schönberg  wirkungsvoll  vorgetragen, 
während  die  ungenannte  Sopranistin  ihre  schöne 
Stimme  durch  unerträgliches  Tremolo  entstellte. 

Arthur  Laser 
An  Marie  Schade's  Klavierabend  kann  ich 
nicht  mit  ungemischter  Freude  denken.  Zu 
Schumanns  op.  17  und  gar  erst  Beethovens  op. 
109  gehört  so  viel  Können,  wie  es  nur  wenige 
haben.  Die  Werke  kamen  daher  auch  diesmal 
ungleich  heraus,  doch  zeigte  die  Künstlerin  teil- 
weise erfreuliche  Feinheit  der  Auffassung;  auf 
Strecken  jedoch  wurde  das  metrische  Netz  ganz 
zerrissen,  so  daß  kein  Faden  mehr  zu  finden 
war.  Ich  glaube,  hier  fehlt  vorerst  noch  Routine. 
Bei  Beethoven  gab  es  ein  plötzliches  Versagen 
des  Gedächtnisses.  Der  Ehrgeiz,  ohne  Noten  i 
spielen  zu  wollen,  raubt  allen  nicht  ganz  abge- 
härteten Spielern  den  besten  Teil  ihrer  Per- 
sönlichkeit. —  Die  Pianistin  Byrd  Jourdan- 
Gutsinger  leidet  an  einem  unüberwindlichen 
Hange  zu  unrhytbmischem  Vortrage.  Selbst  das 
Philharmonische  Orchester  unter  Xaver  Schar- 
w  e  n  k  a  war  dieser  Eigenwilligkeit  gegenüber  nicht 
gewachsen.  Im  übrigen  spielt  die  Dame  recht 
virtuos,  und  so  wie  es  aufs  Publikum  wirkt, 
das  Mangel  an  Rhythmus  und  Wärme  kaum 
jemals  übel  vermerkt.  —  Joseph  Wieniawski 
führte  mit  dem  Mozart-Orchester  seine  D-dur 
Symphonie  auf.  Das  Werk  steht  der  heute 
herrschenden  Kompositionsrichtung  ganz  fern. 
Es  ist  eins  der  vielen  solide  gearbeiteten,  ge- 
schmackvoll und  maßvoll  instrumentierten  und 
gesund  empfundenen  Werke  des  vorigen  Jahr- 
hunderts, die  auf  einen  immer  angenehm  aber 
nicht  tiefer  errregend  wirken.  Ähnlich  ist  es 
mit  dem  g-moll  Konzert  für  Klavier.  Der  greise 
Meister  bewies  als  Dirigent  und  Pianist  noch 
erstaunliche  Spannkraft  und  wurde  mit  reichem 
Beifall  bedacht.  Erna  Georgi  und  Ellen  Da- 
1  ossy  sangen  drei  Duette  seiner  Komposition.  — 
In  der  Marienkirche  führte  Bernhard  Irrgang 
die  umgebaute  Orgel  vor.  Zu  diesem  Zwecke 
hatte  er  drei  Novitäten  Berliner  Komponisten 
gewählt:  eine  Passacaglia  über  B-A-C-H  von 
Georg  Schumann,  eine  Phantasie  von  Hugo 
Kaun    und   eine  Passacaglia   von  Paul  Ertel. 


Die  Werke  boten  dem  Organltten  reichlich  Ge- 
legenheit, die  zahlreichen  Register  der  Orcel 
zu  ziehen,  und  subtilste  Klangeffelcte  heiror- 
zurufen,  wie  auch  Technik  und  Vortragaknnst  lo 
zeigen.  Das  Kaun'tche  Werk  zeigte  stimmiiiigt- 
volle  Partieen.  Die  Konzertvereinigung  des  Dom- 
Chors  steuerte  einige  alte  und  neue  Werke  beL 

Hermann  Wetsei 

Ein  Konzert  des  Tenoristen  Rudolf  Sehe  fffler 
hätte  um  der  reizlosen  Stimme,  nangelbaftea 
Gesangstechnik  und  musikalitcben  Nficbtemheit 
des  Veranstalters  willen  lieber  nicht  Sffnitlldi 
stattfinden  sollen.  Cellovorträge  Heinrich  G  r fi  a« 
felds  brachten  wenigstens  etwas  Humor  nnd 
Parfüm  in  die  Öde  des  Abends. 

Alfred  Schattmsnn 

Leo  Zelenka-Lerando  führte  die  Harfe  als 
Begleitungs-  und  als  Soloinstrument  Tor.  Seine 
Begleitungen  sind  hervorragend  schön  ond  helfen 
die  Harfe  hoffentlich  bald  heimisch  im  Konzert- 
saal machen,  die  allerdings  als  Soloinstrament 
manchen  Wunsch  unerfüllt  läßt.  Otto  Nilcitlts 
ist  dem  Konzertgeber  kein  ebenbürtiger  Partner. 
Frida  Koch  ist  zweifellos  eine  ganze  Persön- 
lichkeit, die  den  Hörer  gefangennimmt  nnd  Ihn 
die  starken  Mängel  ihrer  Tonbildung  Terfessen 
läßt.  Es  wäre  schade  für  die  Kunst,  wenn  sie 
einem  unausbleiblichen  Ruin  der  Stimme  nieht 
zuvorkäme  und  sich  die  nötige  Technilc  nieht 
holte.  Sind  Paris  und  Fran  Marchesi  so  weit?  — 
Erna  Bauer  hat  hübsche,  angenehme  Stimm- 
mittel,  die  aber  meist  im  Halse  stecicen  bleilien 
und  besonders  der  Höbe  enge  Grenzen  setzen. 
Ihr  Vortrag  zeugt  von  musikalischer  Intelligens. 

Richard  Hihn 

Emil  Liepe  produzierte  sich  als  Singer, 
Komponist  und  Rezitator.  Von  den  sum  ersten 
Male  gesungenen  Vertonungen  der  drei  Preis- 
balladen  der  »Woche*  ist  «Robespierre*  von 
Hans  Hermann  die  gelungenste.  Von  den  drei 
Kompositionen  des  Konzertgebers  liflt  sich  beim 
besten  Willen  keine  als  die  schönste  bezeiefanen, 
weil  sie  alle  gleich  herzlich  schlecht  sind.  Der 
Geiger  Nicolas  L a  m  b  i  n  o  n ,  der  mitwirkte,  nimmt 
ein  durch  einen  süßen,  weichen  Ton  und  durch 
ein  elegantes,  sauberes  Spiel.  —  Gustav  Kirch- 
berg ist  ein  lyrischer  Bariton  von  guter  stimm- 
licher Qualität.  Die  Schulung  zeigt  vorlinflg 
noch  manche  Mingel,  so  in  der  Behandlung  der 
Endkonsonanten  und  in  dem  Gebrauch  der  Ttae 
beim  Obergang  von  der  tiefen  zur  hohen  Lage. 
Die  Auffassung  ist  ungesucht-natürlich  (manch- 
mal wie  in  »Süßes  Begräbnis"  sogar  guO>  eher 
für  Gesänge  größeren  Stils,  namentlich  ffir  die 
Balladen  Loewes,  noch  gänzlich  unzureichend. 

Arno  Nadel 

BREMEN:  Von  besonders  Bemeriwnewerten 
bescherten  die  letzten  Wochen  in  erster 
Linie  einen  Reger- Abend,  an  dem  der  moderne 
Meister  strengen  Stils  unter  kläglicher  Teil- 
nahme und  begeistertem  Beifeli  mit  Gertrud 
F  i  s  c  h  e  r -  M  a  r  e  t  z  k  i  eine  Liederreihe, mit  unserm 
Kolkmeyer  die  .Suite  im  alten  Stil*  und  mit 
Frau  Schelle  in  musterhaftem  Zusammenspiel 
das  Variationenwerk  über  ein  Beethovensches 
Thema  zum  Vortrag  brachte.  Femer  den  fein- 
sinnigen Hexenmeister  Joan  Man6n,  der  mit 
gleicher  Meisterschaft  Mozarts  D-dur  Konzert 
und  Palloffens  vornehm  gepfefferte  Tartini- 
Vatiationen  spielte.    Endlich  die  vier  neu  auf- 


II 


189 
KRITIK:  KONZERT 


getanctaten  Ouvertüren  des  juogen  Wagner,  die 
freilich  nicht  jeder  zwanzigjihrige  Ktpellmeister 
hltte  schreiben  kennen,  die  eher  nech  dieser 
Peststellung  gewiß  ihren  Bibliothekenschlummer 
IBr  lingere  2^it  ungestört  fortsetzen  werden. 
Alles  dies  unter  der  Aegide  der  Philharmonie. 

Gustav  Kissling 
DRESLAU:  Im  Orchesterverein  gab  es 
^  zwei  interessante  Aufführungen:  den 
«Manfred**  von  Byron-Schumann  und  den 
«Barbier  von  Bagdad**  von  Cornelius.  Beide 
Auff&brungen,  die  mit  Hilfe  der  Singakademie 
▼OB  statten  gingen,  waren  bedeutsame  Leistungen, 
die  enthusiastischen  Beifall  hervorriefen  und 
die  Stellung  des  Dirigenten,  Dr.  Dohrn,  trotz 
«11er  finanziellen  Fährnisse  des  Orchestervereins 
f8r  immer  befestigt  haben.  Im  »Manfred" 
sprach  Ludwig  Wullner  die  Titelrolle  mit  der 
ihm  eigenen  Mischung  von  Intelligenz  und 
Temperament.  Anna  Wällner  deklamierte  die 
Pranenrollen  und  Albert  Möller  aus  Breslau 
den  Sprecher  und  die  Nebenrollen.  Ein  Gesangs- 
qnartett  (die  Damen  Spörel  und  Foerster,  die 
Herren  Rumann  und  Wald  mann)  erledigte 
die  wenigen  Soli.  Die  Vereinigung  so  vieler 
Rollen  auf  wenige  Personen  war  der  einzige 
dunkle  Punkt  der  Aufführung.  Im  »Barbier** 
waren  die  Hauptrollen  durch  Jacques  Urlus 
<Nareddin)  und  Johannes  Messchaert  (Abul 
Hassan)  zweckmäßig  besetzt.  Die  übrigen 
Partieen  sangen  Emma  Bellwidt  (Margiana), 
Else  Bengell  (Bostana),  Franz  Schwarz  (Kalif) 
and  Richard  Fischer  (Kadi).  Das  über  Er- 
warten hervorragende  Gelingen  der  konzert- 
mifligen  Aufführung  des  »Barbier**  ist  hier  um 
so  höher  anzuschlagen,  als  ihr  im  Stadttheater 
eine  ausgezeichnete  Bühnenauffuhrung  der  Oper 
▼orangegangen  war.  Das  »Heldenleben*  von 
Richard  Strauß  wurde  bei  Publikum  und  Kritik 
wieder  mit  Zustimmung  und  Protest  auf- 
genommen. —  Von  Pianisten  ließen  sich  im 
Februar  hören  Sliwinski,  der  mit  großer 
Bravour,  aber  nicht  eben  so  großer  Poesie  spielte, 
Lamond,  der  seinen  stärksten  Erfolg  mit  der 
Appassionata  hatte,  und  Bruno  Hinze-Rein- 
hold,  ein  Kunstler  von  solidem  Können.  Von 
Oeigem  kamen  zu  uns  Karl  Halir,  der  nur 
mit  dem  zweiten  Satz  des  Beethovenschen 
Violinkonzerts  op.  61  zu  interessieren  vermochte, 
und  der  ausgezeichnete  Alfred  Wittenberg. 
Susanne  Dessoir  machte  diesmal  einen  Aus- 
fing  in  das  Gebiet  der  »hohen**  Kunst  der 
Schubert,  Liszt,  Gornelius,  Strauß  und  Wolf. 
Es  ist  ihr  aber  dringend  geraten  worden, 
ocbletinigst  wieder  zum  volkstümlichen  Genre 
xarfickzukehren,  wo  sie  die  goldenen  Früchte 
des  Erfolges  mühelos  pflückt.  Als  vielver- 
sprechende Gesangstalente  zeigten  sich  Margarete 
Loewe  und  Hendrik  van  Oort.  —  Dauernder 
Ganst  beim  Publikum  erfreuen  sich  die  volks- 
tfimlichen  Mittwochkonzerte  unter  Hermann 
Sehr,  die  Donnerstag-  und  die  Freitagkonzerte 
aoter  GlasneclL  —  Viel  bemerkt  wurde  ein 
Konzert  des  Plüddemannnschen  Chors, 
das  stt  den  feinsten  musikalischen  Darbietungen 
der  Säiaon  gehört,  ein  Konzert  des  Spitze r- 
schen  Männergesangvereins  unter  Hugo 
Fiebig  und  ein  historisches  Konzert  des 
Bohnschen  Gesangvereins  unter  Leitung 
des  geistvollen  Professors  Emil  Bohn,  der  in 


einem  vorzüglichen  Vortrage  und  darauf 
folgenden  Chorgesängen,  Liedern  und  Klavier- 
stücken ein  Bild  von  altenglischer  Musik  zu 
geben  suchte.  J.  Schink 

r\0SSELDORF:  Im  Konzertsaale  herrscht  nach 
*^  wie  vor  eine  betrübende  Ebbe.  Der  Musik- 
verein gab  einen  eindruckslos  verlaufenen 
Richard  Strauß- Abend  mit  der  Vorführung 
des  Vorspiels  zu  »Guntram*,  des  »Don  Quixote*, 
des  sechszehnstimmigen  a  cappella-Chores  »Der 
Abend*,  des  »Heldenleben*  und  mit  Hugo 
Becker  als  Solisten.  Das  folgende  Konzert 
des  Vereins  galt  der  konzertmäßigen  Wieder- 
gabe der  Oper  »Gunlöd**  von  Cornelius  -  in 
Waldemar  von  Baußnerns  vorzüglicher  Vollen- 
dung und  Instrumentierung,  mit  Hans  Vater- 
haus (Suttung),  William  Miller  (Odin),  Mathilde 
Dennery  (Gunlöd),  MetaFriedmann  (Heia)  als 
Solisten.  Das  Werk  war  vorzüglich  vorbereitet 
und  trug  allen  Mitwirkenden  viel  Beifall  ein. 
Besonders  wurde  Prof.  Buths  anläßlich  seines 
bevorstehenden  Rücktrittes  als  Vereinsdirigent 
und  städtischer  Musikdirektor  mit  Ehrungen  be- 
dacht. —  Der  Gesangverein  bot  eine  aner- 
kennenswerte Aufführung  des  »Judas  Maccabäus* 
von  Händel.  —  Anna  Haasters-Zinkeisen 
beschloß  ihre  dieswinterlichen  Abonnements- 
konzerte in  würdigster  Weise  mit  feinsinnigen 
Klaviervorträgen,  zu  denen  Alexander  Heine- 
mann  Balladen  und  Lieder  in  eindrucksvoller 
Auffassung  beisteuerte.     A.  Eccarius-Sieber 

HALLE  a.  S.:  Im  fünften  Symphoniekonzert 
der  durch  unsre  wackeren  »36*'er  verstärk- 
ten Theaterkapelle  erhielt  Berlioz  das  Wort  mit 
seiner  »Symphonie  phantastique*,  die  Eduard 
Mörike  vortrefflich  interpretierte.  Als  Solistin 
erschien  Maria  E  kehl  ad  von  der  Berliner  Hof- 
oper und  wurde  nach  der  Elisabetharie  lebhaft 
gefeiert.  Das  sechste  Konzert  war  der  Siede- 
punkt in  der  Saison:  Niki  seh  war  der  Dirigent 
von  Beethovens  c-moll  Symphonie,  der  großen 
Leonoren-Ouvertüre  und  von  Wagners  Tristan- 
Vorspiel,  Waldweben  und  der  Tannhäuser-Ouver- 
türe. Stürmische  Begeisterung.  Hans  Winder- 
stein brachte  Robert  Volkmanns  d-moll 
Symphonie,  Liszts  »Orpheus**  (ohne  zweite  Harfel) 
und  Bernhard  Sekles'  Serenade  wirkungsvoll  zur 
Aufführung.  Als  Solisten  wirkten  in  den  beiden 
Konzerten  Paula  Ucko  (Weimar)  mit  der 
»Fidelio**-Arie,  Alessandro  Certani  mit  einem 
Violinkonzert  von  Nardini  und  Emil  Sauer  mit 
seinem  e-moll  Konzert  und  einigen  Solostücken 
mit.  —  Lula  Mysz-G meiner  entzückte  in 
einem  Liederabend  durch  ihre  seltene  Vortrags- 
kunst. Ebenso  erwies  sich  Dr.  Ludwig  Wüllner 
als  der  bekannte  Rattenfänger.  —  Ferner  ist 
von  der  Robert  Franz-Singakademie  eine 
zweimalige  Aufführung  des  »Totentanz*  von 
Woyrsch  und  von  der  Neuen  Singakademie 
eine  Händel  -  Zachow-  und  Buxtehude  -  Auf- 
führung (»Alt-Halle**)  zu  verzeichnen.  —  Die 
Qua^ettgenossenschaft  Arno  Hilf- Alfred  Wille- 
Bernhard  Unkenstein-Georg  Wille  erquickte 
die  Kammermusikfreunde  zur  Feier  des  fünf- 
undzwanzigjährigen Bestehens  ihrer  Konzerte 
mit  je  einem  Beethoven-,  Schubert-,  Schumann- 
und  Brahma- Abend,  an  denen  noch  die  Pianiaten 
Josef  Pembaur,  Fritz  von  Böse  und  Rudolf 
Zwintscher  erfolgreich  mitwirkten. 

Martin  Frey 


190 
DIE  MUSIK  VII.  15. 


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HANNOVER:  Im  sechsten  Abonnements- 
konzert der  König!.  Kapelle  sang  bier 
zum  erstenmal  Val borg  Svirdström,  mit  ihrer 
geschmeidigen,  trefflich  geschulten  Sopran- 
stimme, sowie  mit  ihrem  ausdrucksvollen  Vor- 
trage reichen  Beifall  findend.  An  Orchester- 
werken gab  es  unter  Brucks  Leitung  neben 
Beethovens  ^Achter*'  einige  wohlklingende  und 
interessante  kleinere  Kompositionen  von  Hugo 
Kaun,  vom  Orchester  mit  großer  Delikatesse 
und  viel  Klangschönheit  vorgetragen.  —  Aus 
Anlaß  des  am  8.  Januar  gewesenen  70.  Geburts- 
tages von  Max  Bruch  führte  die  Musik- 
akademie (Dirigent:  J.  Frischen)  dessen 
»Glocke''  auf.  Der  durch  den  «Minnergesang- 
verein*"  auf  400  Mitwirkende  verstärkte  Akademie- 
Chor  bildete  mit  dem  Königl.  Orchester  ein 
imposantes,  wobldiszipliniertes  Ensemble.  Die 
Soli  wurden  gesungen  von  Frau  Cahnbley- 
Hinken,  Ella  Gmeiner,  Tenorist  Lippmann 
und  Baritonist  Strathmann.  Den  Beschluß 
des  wohlgelungenen  Konzertes  machte  Frischens 
MFruhlingsreigen*  für  Chor  und  Orchester. 

L.  Wuthmann 

KARLSRUHE:  Der  junge,  unter  der  künst- 
lerischen Leitung  des  Hofkirchenmusik- 
direktors Max  Brauer  stehende  ^Bach verein** 
erwirbt  sich  durch  die  Aufführung  wenig  be- 
kannter klassischer  Chorwerke  ein  großes  Ver- 
dienst. Im  siebenten  Konzert  brachte  er  die 
wunderbar  innige  Sterbekantate  » Weinen,  Klagen**, 
den  gewaltigen  Actus  tragicus  von  J.  S.  Bach, 
sowie  die  sehr  wohlklingende  Kantate  «Alles 
was  ihr  tut**  des  großen  Orgelmeisters  Buxte- 
hude. Auf  dem  Programm  des  achten  Konzerts 
stand  eine  Anzahl  Mozartscher  Kirchenmusik- 
werke, die  einen  überraschenden  Blick  in  des 
Meisters  Kunstschaffen  während  seiner  Tätigkeit 
als  fürstbischöflicher  Kapellmeister  zu  Salzburg 
gewährten.  Das  im  neunten  Konzert  zur  Wieder- 
gabe gebrachte,  selten  gehörte  Händeische 
Oratorium  ^Athalia*,  das  mit  seinen  wirksamen 
Chorsätzen,  der  Gegensätzlichkeit  der  Stimmun- 
gen und  der  Art  der  musikalischen  Einkleidung 
als  sehr  wirksam  sich  erwies,  reihte  sich  den 
im  Vorjahre  gebrachten,  ebenso  unbekannten 
Oratorien  ^Theodors*  und  „Semele*  würdig  an. 
Max  Brauers  Feingefühl  und  seine  hervor- 
ragende Vertrautheit  mit  der  klassischen  Musik 
bürgen  stets  für  stilechte  Aufführungen. 

Franz  Zureich 

KOPENHAGEN:  So  hoch  gehen  jetzt  wieder 
die  Konzertwogen,  daß  einige  darin  ertrinken 
müssen.  Wir  sind  allmählich  ungefähr  auf  der- 
selben Höhe,  was  die  Zahl  der  Konzerte  betrifft, 
wie  etwa  Dresden,  Leipzig  und  ähnliche  Städte; 
aber  unser  Publikum  hat  leider  weder  das  Inter- 
esse noch  die  Leistungsflhigkeit  wie  in  den  ge- 
«annten  Städten.  Unglücklicherweise  bekommen 
unsere  fremden  Gäste  solches  zu  fühlen;  traurig 
war  es  z.  B.,  daß  die  vortreffliche  Sängerin  Elena 
Gerhardt,  die  uns  in  blühendster  Fülle  ihrer 
Stimme  und  Persönlichkeit  besuchte,  vergebens 
mit  den  Verhältnissen  kämpfte.  Selbst  der  Kopen- 
hagener Liebling,  Ernst  v.  Dohnänyi,  der 
schöner  wie  je  spielte,  litt  unter  ihnen. 

William  Behrend 

MAGDEBURG:    Einen    bedeutenden    künst- 
lerischen   Erfolg    hatten    das    städtische 
Orchester,  der   Krug-Waldsee-Chor   und 


verbfindete  Gesangvereine  mit  einer  Auf- 
führung der  Neunten  Symphonie  BeethoTens^ 
der  Schumanns  letztes  Drittel  der  «Faust*- 
szenen  voranging.  Das  Konzert  war  auf  die  Basis 
billiger  Eintrittspreise  gestellt,  der  große  Ssal  des 
Fürstenhofes  mit  einer  andächtigen  Menge  fiber- 
füllt, der  Beifall  allgemein.  —  Im  letzten  Stsdt- 
theater- Symphonie konzert  sang  Ellen 
Gulbranson,  im  Kaufmännischen  Verein 
das  Terzett  der  Geschwister  Koch.  Der 
Tonkünstlerverein  schwang  sich  mit  einem 
Brahmsabend:  Quintett  No.  2,  op«  111,  Sonate 
für  zwei  Klaviere  (in  f-moll,  OriginalCusang) 
auf  eine  weithin  sichtbare  Höhe;  die  Herren 
Fritz  Kau  ff  mann  und  Fritz  Wilke,  das  Quartett 
des  Vereins  und  Otto  Sfiße- Berlin  erwarben 
sich  um  den  Abend  Verdienste.  Von  den 
übrigen  musikalischen  Darbietungen  seien  ein 
Max  Gießwe in- Liederabend  und  der  Volks- 
liederabend Sven  Scholanders  erwähnt. 

Max  Hasse 
li^AILAND:  Der  blinde  Gennaro  Faboszi 
*^^  spielte  in  zwei  Klavierabenden  glinsend 
zwei  Polonaisen  und  einige  feurige  Etfiden  Ten 
Chopin;  für  Beethoven  fehlt  ihm  die  Ruhe  der 
Auffassung.  —  Der  kleine  Miecio  HorzowslEi 
brachte  Mozart,  Chopin  und  Liszt  in  anständiger 
Ausführung.  Man  sagt,  er  sei  ein  Wunderkind 
—  heutzutage  ist  es  kein  Wunder  mehr,  wenn 
12— 13jährige  Knaben  gut  Klavier  oder  Geige 
spielen.  -—  Ein  hervorragendes  Geigenttlent  ist 
Giovanni  Ghithi;  er  ist  noch  kein  fertiger 
Meister,  wird  es  aber  bald  sein.  —  JQngst  gab 
der  Pariser  Direktor  Gabriel  Paur6  ein  Konzert 
mit  eigenen  Werken.  Das  Programm  umffilke 
das  Klavier-Quartett  op.  30,  die  Violinsonate  in 
A-dur  und  13  Lieder.  Er  ist  keine  Persdnlichkelt; 
seine  Musik  bewegt  sich  zwischen  Mendelssohn 
und  Schumann,  aber  sie  ist  flott,  elegant  und 
temperamentvoll.  Das  Scherzo  der  Sonate  Ist 
rhythmisch  ein  prächtiges  Stückchen.  Die 
Lieder  atmen  fast  immer  eine  still-romantische 
Stimmung.  Die  AusfOhning  durch  Fanr< 
(Klavier),  das  Quartett  Capet  und  Frey 
Debogis-Bohy  (Sopran)  war  ausgezeichnet. 

Johann  Binenbann 
li^AINZ:  Mit  einer  gut  vorbereiteten,  in  allen 
^^^  Teilen  wohlgelungenen  Aufführung  der 
Jahreszeiten*  führte  sich  Otto  Naumann  ans 
Dresden,  der  neue  Dirigent  der  Liedertafel,  salb 
vorteilhafteste  ein.  Herr  Naumann  erwies  si^ 
als  ein  tüchtiger,  erfahrener  Dirigent,  der  wannet 
Empfinden  mit  bemerkenswerter  musikalischer 
Intelligenz  verbindet  und  namentlich  den  Or^ 
chesterpart  zu  hervorragender  Bedeutung  su  er- 
heben wußte.  Die  Solopartieen  hatten  durch 
Eva  Leßmann  (Berlin),  sowie  die  Hoföpera- 
sänger  Wolf  und  Stephany  aus  Darmstadt 
beste  Vertretung  gefunden.  —  Die  Symphonie- 
kon zerte  des  städtischen  Orchesters  unter 
Hofrat  Steinbach  brachten  als  Novitäten  die 
Reger  sehen  » Variationen*,  deren  Vorffibmng 
allseitigem,  lebhaftem  Interease  begegnete,  Sgam- 
bati's  D-dur  Symphonie  und  die  merkWfirdiger- 
weise  hier  bisher  unbekannte  HaTdn-SfOi- 
phonie  „Le  midi*.  An  Gästen  begrüßten  vir 
Henri  Marteau,  der  mit  dem  Beethovenkonsert 
einen  außergewöhnlich  starken  Brfolg  enlelte, 
Hermine  Bosetti  aus  München,  sovie  Wilhelni 
Backhaus  und  Fritz  Hirt.    Der  junge  Violinist 


191 
KRITIK:  KONZERT 


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L.  Lossy,  der  letzte  und  jGngste  Schüler 
A.  Wiltaolmjs,  der  sich  im  Philharmonischen  Ver- 
ein mit  dem  Mendelssohnlconzert  reichen  Bei- 
fsll  erwarb,  blieb  mit  seiner  Leistung  erheblich 
hinter  den  gehegten  Erwartungen  zurfick. 

Fritz  Keiser 

PRAG:  Die  Flut  der  Konzerte  plätschert  in 
Wellen,  aber  mit  ermfidender  Eintöf^igkeit. 
Man  hört  viel,  auch  Gutes,  aber  immer  dasselbe. 
Das  Hauptereignis  waren  Regers  Hillervariatio- 
nen  in  trefflicher  Wiedergabe  durch  die  tschechi- 
sche Philharmonie  (Dirigent:  Dr.  Zemanek). 
Sie  mußten  in  einem  nächsten  Konzert  wieder- 
holt werden.  Desselben  Komponisten  .Serenade* 
mntete  im  deutschen  Philharmonischen  Konzert 
(unter  Bodanzky)  etwas  trocken  an.  Immer- 
bin hat  sich  Reger  nun  auch  bei  uns  durch- 
gesetzt. Solisten  kamen  und  gingen:  Elena 
Gerhardt  enttäuschte  als  Wolfsängerin  nach 
der  Seite  des  geistigen  Ausdrucks;  Frau  Kwast- 
Hodapp,  Bricht-Pyllemann,  Huberman, 
Sarasate,  Ondricek  usw.  spielten  bzw.  sangen 
auch  bei  uns  ihr  Repertoire,  ohne  uns  irgend- 
wie neue,  bedeutende  Eindrücke  zu  vermitteln. 
Ein  Schut>ertabend  (Dirigent  Dr.  Keußler)  des 
Singvereins  zog  wenig  Bekanntes  ans  Licht, 
doch  soll  der  Auswahl  die  glfickliche  Hand  ge- 
fehlt haben.  Dr.  Richard  Batka 
PRETORIA:  Die  anmutige  Hauptstadt  Trans- 
vaals bietet  zwar  nicht  so  viel  Musik  wie 
ihre  bedeutend  größere  und  lebhaftere  Schwester- 
stadt Johannesburg,  aber  bessere.  Großes  Ver- 
dienst ist  dem  hier  ansässigen  holländischen 
Geiger  Henri  ten  Brink  zuzuschreiben,  der 
alljährlich  eine  Serie  von  Kammermusik- 
Abenden  veranstaltet,  in  denen  nur  die  alten 
Meister  oder  die  allerbesten  der  modernen  zu 
Worte  kommen.            M.  von  Trötzschler 

ST.  PETERSBURG:  Ein  nicht  unwichtiges 
musikalisches  Ereignis  war  die  ErdCPnung  der 
in  ihr  zwanzigstes  Jahr  gehenden  Beljajew- 
Konzerte.  Diese  sogenannten  «Russischen 
Symphoniekonzerte%  die  schon  so  manches 
große  Tonwerk  der  jungrussischen  Komponisten 
aus  der  Taufe  gehoben  haben,  bildeten  in 
früheren  Jahren  eine  ganz  einzige  Konzert- 
erscheinung, indem  sie  beständig  durch  Ab- 
wesenheit des  Publikums  glänzten.  In  dieser 
Saison  scheint  das  Publikum  endlich  anzufangen, 
großes  Interesse  für  diese  Konzerte  zu  zeigen; 
das  bewies  der  stark  besetzte  große  Konserva- 
toriomssaal  an  den  beiden  ersten  Abenden,  an 
denen  wir  folgende  Novitäten  zu  hören  bekamen : 
eine  Suite  für  Gesang  (Frl.  Fe t renke)  und 
Orchester  von  Strawinski,  .Faun  und  Hirtin* 
benannt  (nach  Puschkin),  eine  symphonische 
Dichtung  .Mzyri'lnach  Lermont  ow)  von  S  e  n  i  1  o  w , 
eine  Festouvertfire  von  Maliscbewski  und 
Introdoktion  und  Hochzeitsmarscb  aus  einer 
neuen  Oper  von  Rimsky-Korssakow.  Felix 
Blomenfeld,  der  geistvolle  Leiter  dieser 
Konzerte,  t>ereicherte  noch  die  Orchester- 
programme mit  Borodin's  Es-dur  Symphonie, 
Glazounow's  i»Das  Meer*  (dem  Andenken 
R.  Wagnera  gewidmet)  und  der  im  Jahre  1886 
komponierten  zweiten  Symphonie  op.  16,  einem 
durch  bedeutenden  Gedankeninhalt  wie  durch 
thematische  Kunst  fesselnden  Werk.  Gleich- 
zeltig  machte  Leonid  Kreutzer  sein  erstes 
hiesiges    Debfit     nach    Absolvierung     unseres 


Konservatoriums  und  dokumentierte  sich  in 
seinen  Vorträgen:  cis-moU  Konzert  von  Rimsky- 
Korssakow  und  b-moll  Sonate  von  Glazounow, 
als  technisch  hervorragenden,  temperamftntvoUeo 
Pianisten.  Warum  der  junge  Künstler  einen 
tonlosen  amerikanischen  Flügel  spielte,  statt 
sich  eines  klangschönen  von  Schröder  zu  be- 
dienen, ist  unverständlich.  —  Gottfried  Galston , 
der  sich  an  zwei  Klavierabenden  hören  liei^ 
gehört  ohne  Frage  zu  den  interessanten 
pianistischen  Neubekanntschaften;  er  ist  ein 
ernster,  eigenartiger  Pianist,  der  insbesondere 
im  Vortrage  Bachscher  und  Brahmsscher 
Kompositionen  Großes  leistet 

Bernhard  Wendel 

WIESBADEN:  Der  Cäcilien-Verein  unter 
Kogel  hatte  mit  Piern6's  «Kinder-Kreuz- 
zug* einen  guten  Zug  getan.  Das  eCPektvollc 
Werk  und  —  die  Mitwirkung  von  ganz  «Jung- 
Wiesbaden*  hatten  das  Interesse  mächtig  ange- 
regt. Noch  zwei  andere  französische  iVleister 
kamen  in  den  Kurhaus-Konzerten  zu  Ehren: 
Chabrier  mit  seinem  stimmungsvollen  «Gwendo- 
line'-Vorspiel  und  Saint-Saöos  mit  der  selten 
gehörten,  Lisztschen  Sternen  nachstrebenden 
c-moll  Symphonie.  ~  Zwei  hierorts  neue  Er- 
scheinungen ragten  aus  der  Pianistenarmee  her- 
vor, die  uns  im  Lauf  der  Saison  bestürmte: 
Celeste  Chop-Groenevelt  —  ihr  edelreifes 
Spiel  erschien  tongewordene  Poesie  —  und 
Elisabeth  Bokemeyer,  die  im  Gefühl  ge- 
sicherter Virtuosität  voll  jugendlichen  Wagemutes 
nach  den  höchsten  Zielen  greifen  darf. 

Prof.  Otto  Dorn 
7ITTAU  i.  S.:  Leider  konzentriert  sich  das 
^  musikalische  Leben  unserer  Stadt  nur  auf 
den  Konzertsaal,  obwohl  bei  einer  wohlhabenden 
Stadt  von  rund  55000  Einwohnern  eine  ständige 
gute  Operntruppe  durchaus  kein  unbescheidener 
Wunsch  wäre.  Die  Künstlerkonzerte  von 
Graun  entschädigten  diesmal  einigermaßen  für 
dieses  Manko.  So  hörten  wir  von  dem  Görlitzer 
Eibenschütz-Orchester  vereint  mit  dem 
Stadtorchester  Strauß' .Tod  und  Verklärung*, 
aus  »Tristan*:  Vorspiel  und  Liebestod,  sowie  die 
«Pathetische  Symphonie*  von  Tschaikowsky. 
Dr.  Wüllner  rief  in  einem  Liederabend  helle 
Begeisterung  hervor.  Ebenso  das  Brüsseler- 
Streichquartett  (Glazounow,  Beethoven, 
Schubert). —  Der  Konzertverein  brachte  das 
vortreffliche  Holländische  Trio  und  führte 
erstmalig  Wagnera  i»Polonia*-Ouvertüre  auf.  Mit 
prächtigen  Stimmitteln  gefiel  Eva  Knoch  vom 
Braunschweiger  Hoftheater.  Im  übrigen  hatte  der 
Verein  wenig  Glück.  —  Einige  sehr  genußreiche 
Kammermusik-Abende  veranstaltete  wieder  Karl 
Thiessen  (Klavier).  Besonders  hervorgehoben 
seien  der  Geiger  Issay  Barmas  und  Mets 
Mehrtens  (Dresden),  die  insbesondere  als 
Griegsängerin  sehr  gefiel.  —  In  den  Konzerten 
der  beiden  hiesigen  Kapellen  ernteten  reichen 
Beifall  Henri  Petri  (Dresden)  mit  Mozarts 
7.  Violinkonzert  und  —  ein  gern  gesehener  Gast 

—  Msgdalene  Seebe  von  der  Dresdner  Hofoper, 
Aufgeführt  wurden  u.  a  L.  Thuilles  prächtige 
.Romantische  Ouvertüre*,  Dvoraks  Symphonie 
»Aus  der  neuen  Welt*,  Raffs  i» Waldsymphonie*. 

—  Leider  eine  viel  zu  hohe  Aufgabe  hatte  sich  der 
Gesangverein  i»Orpheus*  mit  der  Aufführung 
einzelner  Teile  des  »Parsifai*  gestellt.       -u- 


Von  den  beiden  Porträts  Carl  Goldmarkssiellid»  eine  den  Meister  im  Alter  von 
30  Jebren  dar,  das  andere  Ist  nach  einer  pbotographiscben  Aufnahme  aus  der  allerlebten 
Zeit  gefertigt.  Als  Probe  seiner  Noienschrirt  bieten  wir  in  Faksimile  die  erste  Seile 
seines  Liedes  ,Der  Knecht",  das  dem  vorliegenden  Heft  als  Musikbeilage  beigegeben  ist. 

Die  Reihe  der  von  uns  bereits  verOtTenilichten  Uldlicben  DsrttellUDgen  Gustav 
Mahlers  (es  sei  bier  nur  an  die  wundervolle  Radierung  von  Emil  Orllk  erinnert,  Jahr- 
gang IV,  Heft  4)  vervollsdndigen  wir  heute  durch  zwei  weitere  Bilder:  durch  ein  «u&er- 
ordentlich  charakteristisches,  sprechend  ähnliches  Portrlt,  ein  wahres  Meisterwerk  der 
photographischen  Kunst,  und  durch  einen  Schattenriß,  den  Künstler  als  Dirigenten 
darstellend,  von  dem  unsern  Lesern  wohlbelcannten  VieoerSilhouettenscbnelder  Dr.  Otto 
Bahler. 

Die  beiden  folgenden  Blatter  bringen  die  Portrits  zweier  jQngai  aus  dem  Leben 
geschiedenen,  um  die  Bayreuth  er  Sache  hochverdienten  Minner:  von  Emil  Heckel  und 
von  Josef  Sucher.  (Vgl.  über  diesen  die  „Totenschau"  des  letzten  Heftes.)  Mit  dem 
am  30.  März  in  Mannheim  verstorbenen  Begründer  des  ersten  Tagner- Vereins,  Emil 
Heckel,  Ist  ein  agitatorisches  Talent  ohnegleichen  dahingegangen.  Unerm&dlich  war  er  in 
dem  Bestreben  tatig,  immer  neue  finanzielle  Krane  für  die  Verwirklichung  des  Bayreuiher 
Gedankens,  für  den  Bau  des  Festspielhauses  zu  gewinnen.  Die  Briefe  Tagners  an  Heckel 
<sie  finden  sich  vollzählig  in  den  bei  Schuster  &  LoefTler  erschienenen  .Bayreuther  Briefen") 
gewahren  einen  tiefen  Einblick  in  das  innige  Verhiltois,  das  Heckel  mit  dem  Hause 
Wahnfried  verband. 

Die  Notenbeilage  dieses  Heftes  bildet  die  erste  VerötRsnilicbung  des  Liedes  .Der 
Knecht",  nach  dem  Gedicht  von  J.  J.  David,  für  eine  Singstimme  und  Klavier  vi» 
Carl  Goldmark. 


D  bell  legi,  bberaimmi  die  Redakti 


Verantwortlicher  Sctariftleiter:  Kapellmeister  Bemhird  Schuster 
Berlin  V  57,  Bülowstrosse  107  ■• 


CARL  GOLDMARK 


Rodoir  Job!)  &  Co.,  Wien,  phor. 


CARL  GOLDMARK 


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VII.  15 


ERSTE  SEITE  DES  ORIGINALMANUSKRIPTES  DES 
LIEDES  .DER  KNECHT«  VON  CARL  GOLDMARK 


GUSTAV  MAHLER 

nach  einem  ScbanenriS  von  Dr.  Otto  BShIer 


J  ■■  J^' 


GUSTAV  MAHLER 
I  efDem  Schittenriß  von  Dr.  Otto  BObter 


Hubert  Lill,  Mtnolirini,  phgi. 


EMIL  HECKEL 
t  30.  Min  1908 


Allegro  moderato. 

^  ^        Frisch^  trotzig. 
Gesang,    jfti      Ü  jS    I    J  * 


Piano. 


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Allegro  moderato. 

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Gesang.    |  j  ^  jj   js    I    J  J 


Piano. 


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mir        geht's  nicht 


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fpclit.  Und  bo, 


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do  so        ist^i        reeht. 


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Stii'h  u.  Druck:  Berliner  Maidkalieii  Dmckttrei  0.iii.b.H. 


DIE  MUSIK 


ist   das   Kirchenlied   recht   das   Votks- 
im    bestea    und    tiefsten   Sinne    des 
Wortes. 

H.  A.  KSattln 


VII.  JAHR  1907/1908  HEFT  16 

Zweites  Maiheft 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 
Verlegt  bei  Schuster  &  LoefFler 
Berlin  W.  57,   Büjowstrasse  107 


1er  Leser  wolle  zuerst  die  Melodieensimmlung  (MS)  zu  dieser  Arbeil 
aurmerksam  durchsehen.  Dem  Musiker  sagt  sie  vielleicht  schon 
allein  alles,  was  ich  zu  sagen  habe.  Es  ist  eine  Auswahl  aus 
135  Chorälen,  die  ich  auf  ihre  metrische  Gestalt  geprüft  habe. 
Ich  versuchte  dies  bald  nach  meinem  1886  errolgten  Amtsantritt  als  Organist 
an  der  Kirche  zu  St.  Petri  und  Pauli  in  Dinzig  und  wlhlte  lediglich  nach 
dem  Wert  der  ChorSle,  am  zu  sehen,  wie  der  Choral  sich  unter  der 
Rieraannscben  Taktlehre  ausnehme,  soweit  sie  damals  schon  vorlag.  Jegliche 
vorgefaDte  Absiebt  auf  ein  System  war  mir^fremd,  obwohl' die  Sammlung 
sich  nschtrlglich  ganz  so  ausnimmt.  Es  ist  auch  nicht  ein  Choral  auf- 
genommen, um  etwa  eine  meiner  Ansicht  günstige  Zahl  zu  erzielen.  Ich 
glaube  deshalb  auch  nicht,  daß  die  doppelte  Zahl  andere  Resultate  ergeben 
würde.  Das  Pbinomen  der  taktfreien  Einsätze,  ohne  das  der  richtige  Takt- 
strich nicht  durchführbar  ist,  erkannte  ich  damals  noch  nicht,  kam  also 
nicht  durch  und  lieO  die  Arbeit  liegen. 

Die  Riemannschen  Rangzahlen  der  Periode  sind  im  Text  $  8  kurz 
erklärt;  der  Raum  verbot  jedoch  jegliches  Eingeben  auf  die  sehr  inter- 
essanten Erweiterungen  und  Kürzungen  der  Periode,  die  um  so  wunder- 
barer sind,  als  sie  ohne  eine  Lehre  von  der  musikalischen  Metrik  den 
Autoren  der  Choriile  nicht  bewußt  sein  konnten,  abgesehen  noch  davon, 
daß  die  Notenschrift  bis  zur  allgemeinen  Einführung  des  Taktstriches  nicht 
einmal  metrischen  Sinn  haben  konnte. 

Vorhanden  sind  jene  Abwandlungen  der  einfachen  Periode  dennoch 
unleugbar.  Das  Studium  daraufhin  muß  ich  dem  Leser  überlassen,  ebenso  - 
die  Erwignng  der  außerordentlich  charakteristischen  Frequenzzahlen  der 
Typen  (I  38,  II  45,  III  16,  IV  1,  V  34  Chorlle  im  O,  darunter  24  mit  takt- 
fteien  Einsitzen,  Zahlen,  aus  denen  deutlich  das  Verhalten  des  Chorals 
in  bezug  auf  Ruhe  oder  Beweglichkeit,  Strenge  oder  Freiheit,  Einheit  und 
ilAannighltigkeit  hervorgeht.  Es  ist  das  Verhalten  eines  klassischen  Künst- 
lers.  Jede  Überschrift  In  S  2  der  vorliegenden  Arbeit  entspricht  einer  in 

13* 


196 
DIB  MUSIK  VlI.  16. 


der  von  mir  vorbereiteten  vollstindigen  Sammlung  mehrfach  vertretenen 
Spezies,  von  Unika  abgesehen.  Endlich  ist  die  Betrachtung  der  ScblaB- 
formen  und  die  der  wirklichen  sehr  bescheidenen  Rhythmik  der  Chorile 
nur  in  den  Überschriften  gegeben. 

Über  den  Begriff  des  taktfreien  Einsatzes  siehe  $  11,  über  die  damit 
zusammenhingende  Irrationalität  der  Fermate  $  12. 

Durch  die  Anwendung  der  Riemannschen  Metrik  entschleiert  der 
Choral  völlig  zwanglos  seine  wahre  Physiognomie.  Jede  andere  Klassi- 
fikation, z.  B.  nach  Strophenanzahl,  ist  dagegen  nichtssagend,  die  nach  an- 
geblich trochiischen  und  jambischen  Chorälen  u.  dgl.  von  vornherein  falsch. 

Eine  Gründung  der  Metrik  des  ^Chorals  auf  sprachliche  Metrik  hitte 
nur  dann  einen  Sinn,  wenn  die  Texte  nach  antiker  Metrik  mit  zeitlich 
gemessenen  Kürzen  und  Längen  versifiziert  wären.  Das  ist  aber  nach 
Martin  Opitz  (1624)  ebensowenig  der  Fall  wie  vor  ihm. 

Der  richtige  Taktstrich  ruft  schon  im  selben  Choral  ebensoviel 
Deklamationsfehler  im  modernen  Sinne  hervor,  wie  der  falsche.  Im  Massen- 
gesang kommt  es  darauf  eben  nicht  an,  wenn  man  auch  Extreme  wie 
»Vatdr  uns6r  im  Himmelreich'  deshalb  nicht  ,»mit  verhärtetem  Gemfite* 
schön  zu  finden  braucht.  Verschiedenheit  der  Verslängen  beeinflußt  den 
Verlauf  der  Melodie,  z.  B.  indem  die  längeren  Verse  Takttriolen  hervor^ 
rufen,  und  der  Gedankengang  des  Verses  gibt  hier  und  da  einen  Finger- 
zeig, wie  der  Periodenbau  gemeint  sei,  z.  B.  in  dem  Choral  »Fahre  fort*. 
Das  sind  aber  keine  metrischen  Eigenschaften  der  Texte. 

S  2. 

Folgendes  sind  die  metrischen  Typen,  die  der  durchgeführt  richtige 
Taktstrich  wie  gesagt  völlig  zwanglos  und  ohne  Auswahl  ad  hoc  erkenn- 
bar macht.  Die  Zahlen  2,  4;  6:8  sind  (im  Sinne  dieser  Interpunktion) 
im  Text  kurz  erläutert. 

ACB  bedeutet  das  Königlich  Preußische  Armee-Choralbuch,  OWC  das 
neueste  Ost-  und  Westpreußische  Choralbuch. 

Typus  I. 

ChorAle  mit  durchgefflhrt  dreifachem  Auftakt. 
A.  Mit  gleichen  Schlfissen  und  gleichen  Werten: 
Allein  Gott  in  der  Höh.  Nie.  Decius.    1520. 


Rfickbezfiglicher  Schluß  die  Form  abrundend. 


197 
FUCHS:  AUFERSTEHUNG  DES  CHORALS 


B.  Mit  gleichen   teils  gedehnten  Schlüssen  und  ungleichen  Werten: 
Ach  Gott  und  Herr. 


ffT^=m=. 


^3 


Joh.  Henn.  Schein.    1529. 


li-   f   f   JTTTTüTTF 


2. 


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4 


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8 


J  '  llj 


j  J  J  J 


und  zur  Erzielung  eines 


zur   Verhfitung  von 

Takt- Paares. 

C.  Mit  gleichen  schlichten  Schlüssen  und  ungleichen  Werten: 
£raehienen  ist  der  herrlich  Tag.  1525. 


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I 


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3 


8 


3 


8a 


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D.  Mit  gleichen  teils  gedehnten  Schlüssen  und  mehrfach  ungleichen 
Werten: 

O  Lamra  Gottes  unschuldig« 


i 


P=pn  r '  r  "Tr^M 


•  «♦  8  8a 


5. 


Typus  II. 

ChorAIe  mit  durchgeführt  zweifachem  Auftakt. 

1.  Mit  gleichen  Werten. 
A.  Mit  gleichen  Werten  und  gleichen  Schlüssen: 
Nicht  so  traurig. 


m 


1649. 


j  j.j  J-hi^^'J'l'r  r  r 


:Z2=I 


[|fc  j  j  I  i'£^ 


4:8 


198 
DIE  MUSIK  VIL  16. 


B.  Mit  teils  gedehnten  Schlfissen  nnd  sonst  gleichen  Weiten: 
Gottes  Sohn  ist  kommen  her.  1031. 


m|>^''"  j  jN  ■!  r  rlr  f  nr'r  J^ 


C.  Mit  gleichen  Werten  und  Reimschlfissen: 
Alles  ist  an  Gottes  Segen. 


1738. 


jjjijjjjh^jjij  jjj 


4a 


8 

Reimform  b  b  a,  b  b  a.    Andere  Formen:  b  a  b  a  und  b  a  a 
a  männlicher,  b  weiblicher  Schluß. 

D.  Mit  gleichen  Werten  und  frei  ungleichen  Schlfissen: 
Jesus  meine  Zuversicht. 


i|i  j  ji'T  f  "nn  rN  j^^ 


^^ 


8. 


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I 


1^     J      »I    I    J,   J^^z^l^d 


1 


^^ 


r  r  I  r  r  ^ 


22: 


I 


Durch  Teilwiederholung  entsteht  der  Reim  b  a  b  a. 

2.  Mit  ungleichen  Werten. 

A.  Mit  ungleichen  Werten  und  gleichen  Schlüssen: 
Mache  dich  mein  Geist  bereit. 


1600. 


^^ 


py-j- J  I  Jip  I  r  '  J    Jl^illr^ 

4:8. 


\^\>\j  f  jTg=^^ 


8 


rll  r  rirj  JT71 

8a 


Festigung  durch  rückbezüglichen  Schluß  (8  a  zum  Teilschluß)  nicht  selten. 
B.  Mit  ungleichen  Werten  und]  Reimschlüssen: 


Sieh  liier  bin  ich  Ehrenkönig. 


1608. 


10. 


[J^H-i\n  ^  ^Ai^i  i\f  i  i  i\j\\  ijjii^i  j] 


100 
FUCHS:  AUFERSTEHUNG  DES  CHORALS 


Reim  b  a  b  a  b  a 

C.  Mit  ungleichen  Werten  und  ungleichen  schlichten  Schlfissen: 
Jesu  meines  Lebens  Leben.  Wolf^.  Schweitzer.    1661. 


4:8 


t 


tJLf]Z-t 


Reim  babajbbaa. 

Der  Strich  bedeutet  Entstehung  des  Reims  durch  Teilwiederholung. 

D.  Mit  ungleichen  Werten  und  ungleichen  teils  gedehnten  Schlfissen: 


Warum  sollt'  ich  mich  denn  grämen. 


Joh.  Crfiger.    1662. 

'TS      .        .  'TS 


ULfJ-T-T 


nb.  4  6  8 

Reim  b  a  a  -f  <^9  Ausfall  der  2  bei  b   vgl.  Joh.  Crfiger  Beispiel  20. 

Fahre  fort»  fahre  fort. 


'H^)jjrjM  ^7T^ 


^  ^  r  r\f  f  ^  i\j  i  i]^ 


^ 


8 


^ 


?=^T 


JTTJ    ^    J    ,J 


:aL 


8 


Unikum  des  Beginns  gar  mit  der  8  ( —  8a)  und  echter  Folge  von  vier 
Achteln.  Die  ausfallende  6  nach  der  4  wird  hinter  8  nachgeholt.  Stimmt 
so  mit  dem  Gedankengang  des  Textes. 


200 
DIB  MUSIK  Vll.  16. 


Typus  III. 

ChorAle  mit  durchgefCÜirt  einfRchem  Auftakt» 
A.  Mit  gleichen  Werten  und  Reimscblfissen: 
Ich  siege  hier  mit  Herz  und  Mund. 


'^ 


175a 


iN-r^ Ir  J  i  fir'r  J^lr 


v=t 


m 


^ 


Ür  J  J 


^ 


£ 


I  1 

Reim  b  a  b  a.  —  b  in  dieser  Form  *  *  f   selten.     Gebraucht   alle  drei 
möglichen  SchluOformen. 

B.  Mit  gleichen  Werten  und  veränderter  SchluOform: 
So  führst  du  doch  recht  selig  Herr  die  Deinen.         Dannstadt  160B. 


15. 


2      ♦  4:8 


-^Vj  J  ^  r"T J  ^  ^'  J  ij  ^j  I  j  j  j  j  I  j  j  j  ijfii^h^ 


6  ^  8 

Der   Hendekasyllabus  (wechselnd   mit  ffinffüßigen  Jamben)  fShrt  wie  des 
öfteren   dreiteilige  Bildung  herbei,   hier  die   durchgeführte  Takttriole  als 
Unikum.    Belebtes  Tempo  notwendig. 
Die  6  ist  der  4  gleichlautend!  (Unikum,  doch  kein  Vorzug.) 

C.  Mit  ungleichen  Werten  und  Reimscblfissen: 
Herzlich  tut  mich  vorlangen.  H.  L.  Htssler,  um  1600. 


4:8 


Reim  baba|baba 

D.  Mit  ungleichen  Werten  und  frei  ungleichen  Schlüssen: 


201 


Aus  meines  Herzens  Grunde. 


1506. 


4:8 


4  8 

Durch  Teilwiederholung  entsteht  allerdings  ein  Reimpaar  b  a,  und  im 
zweiten  Teil  ist  a  b  b  a,  wenn  man  will,  ein  Chiasmus.  Paare  von  gleichen 
Schlfissen  sind  in  Typus  III  nicht  selten,  doch  ist  das  keine  das  Ganze 
des  Chorals  beherrschende  oder  formende  Reimbildung.  Vgl.  »Gar  lustig 
jubilieren*,   »Herr  Jesu  Gnadensonne*. 

Typus  IV. 

ChorAle  mit  durchgeffthrt  volltaktigem  Stropheneinsatz. 


Schöner  HimmelssaaL 


18. 


^ 


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t 


t 


■SL 


3z: 


it 


J  r-  J  L  II 


3z: 


6 


8a 


Gebraucht  alle  drei  im  Typus  möglichen  Schlußformen. 

Von  Chorälen  in  echtem  ^I^-Takt  gehört  «Lobe  den  Herrn"  hierher. 

Diese  Taktart  gibt  natfirlich  mehr  Bewegung. 


Typus  V. 

Choräle  mit  wechselnder  Einsatzform  der  Strophen« 
A.  Mit  periodischem  Wechsel  der  Auftaktform: 
Nun  sich  der  Tag  geendet  hat. 


ijjjjijjj  jij  jj  jijjjji 


m 


i 


± 


J-tij— tf^ 


Bei  gleichen  Schlfissen  Reim  durch  Auftakt  3,  1,  3,  1. 
B.  Mit  Umsetzen  aus  und  in  Volltakt: 


Jesu  meine  Freude. 


^ 


^]77^^r^^ 


Job.  Crüger.    1653. 


f-C  r  r  I  f-  j  a 

8 


20. 


4 


6 


t=:3 


202 
DIE  MUSIK  VII.  16. 


mä 


\U\i  J  J  JIJCi^r-  Jlf  rV^I;  J  J  jlj  Tu 


Bedeutungsvolle  Plastik  durch  symmetrischen  Ausfall  der  2,  der  die  Schwere 
der  4  rallent  verstärkt 


C.  Mit  symmetrischer  Rfickkehr  zum  Volltakt: 
SeelenbrAutigam. 


1606. 


4  6 

Anfang  mit  dem  6  »ex  abrupto *"•    Rfickbezfigliches  SchluOpaar. 

D.  Mit  einmaliger  Abänderung  der  Auftaktform: 
Es  kostet  viel»  ein  Christ  zu  sein.  Um  1704. 


22.|  (^(^'  j  r  JTTT^ 


1  ma      2  da     ^ 


4:8  6  8 

Symmetrie  durch   Altemieren   vom  Taktpaar  und  Takttriole.     Taktftreier 
Schluß  mit  Ausfall  der  7.    (Als  Merkmal  hier  nebensächlich.) 

E.   Mit   Abweichung    einer  Strophe    von    der    sonst  durchgeführten 
Auftaktform: 


Gelobet  sei'st  du,  Jesu  Christ. 


1524. 


^    4- 


^se 


ly  r  J  J  j 


j  .M  j  f  f  j  I  j  j  j  j  I  r  II 


^r5 


8  8a 

Schlichte  Periode  mit  (nebensächlich!)  taktfreiem  Anhang  ohne  7. 

F.  Mit  mehrfachem  Wechsel  der  Einsatzformen: 

Ein'  Feste.Burg  ist  unser  Gott.  M.  Luther.    1529. 

1  ma        2da 


4:8 


203 


i 


JuJ|JjJjCrr^--'J;ji"ii 


^ 


3 


t 


8  8a 

Ziemlich  regellos.  Zusammenhalt  mehr  nur  durch  den  rfickbezüglichen  Schluß. 

G.  Mit  durchgeführtem  Wechsel  der  Auftaktformen: 
Mit  Fried  und  Freud  fahr  ich  dahin. 


Gleichsam  phantasierend.     Der  Text  hat  fast  gänzlich  Prosa-Form. 

Gruppe  Vi. 

ChorAle  mit  taktfreien  Einsätzen. 
A.  Mit  einem  taktfreien  Einsatz: 

a)  in  Typus  I. 
Dir,  dir  Jehova  will  ich  singen« 


Um  1704. 


^^ 


^   -h 


26. 


^ 


■^-1^ 


W^ 


\ 


4:8 


^  \\T  fTJ 


6 


8 


Am  Schluß  der  Repetition  kann  man  für  2^^  ein  J  setzen,  um  das  Taktbild 
des  C  zu  hüten.  Es  liegt  indessen  hier  schon  auf  der  Hand,  daß  die 
Stropheneinsätze  eigentlich  alle  taktfrei  erfolgen. 

b)  in  Typus  V. 
O  wie  seelig  seid  ihr  doch,  ihr  Frommen.  Böhmisch  1566. 


"•r|i!^i<  r  j  r  f I r  f  r  \\^'k 


8  8a 


Ausfall  der  6  zweimall     Sehr  selten.     Einer  der  schönsten  Choräle! 
B.  Mit  zwei  taktfreien  Einsätzen: 
a)  in  Typus  I. 


204 
DIE  MUSIK  VIL  16. 


Mein  Jesu  dem  die  Seraphinen. 


Um  17M. 


^    -1- 


ni  p  j  f  *  I  j  j  j 


^^ 


j  J I  r  J  r  r\^  ^  ^ 


6 

Bei  einfacher  öestalt  wenig  symmetrisch. 

b)  in  Typus  IL 
Freu  dich  sehr  o  meine  Seele. 


f=*1=f 


1551. 


dreiteilig  b.  a.  a.  a.  b.  b. 

c)  in  Typus  V. 
Es  ist  genug. 


um  1000. 


6  6a  8 

2a  selten,  in   rep.  6a,  Reim   bildend.     Auch   das  dritte  leichte  Taktpaar 
repetiert.     Der  Rhythmus  doch  etwas  stockend  und  unproportioniert. 
Die  Gnade  unsers  Herrn  Jesu  Christi«  (alt.) 


m 


J=I=S 


■i  f  J I  ■'  ;  jjJ-J^^ 


31. 


Litanei.  Einziges  Beispiel  von  Prosatext.  Unikum  durch  Anbmg  mit  6 
und  Fortsetzung  mit  6a,  6b:  es  ist,  entsprechend  den  drei  Subfekten  zum 
Verbum,  ein  dreimaliger  Ansatz  zur  SchluOkadenz  («sei  mit  uns  alleo. 
Amen*).  Zuletzt,  Unikum,  einfacher  Auftakt  taktfrei,  was  im  eigoitliehen 
Choral  nicht  vorkommt. 


205 
FUCHS:  AUFERSTEHUNG  DES  CHORALS 


m 


C.  Mit  drei  taktfreien  Einsätzen: 

a)  in  freier  Folge. 
Wachet  auf  ruft  uns  die  Stimme. 


1505. 


1  ma    2  da 


rall. 


^^m 


^m 


^^^ 


3t=5!= 


8 


^ 


m 


gtT"'  rnr^ 


I 


* 


2 


t 


6  6a  8 

Ausfall  der  6  im  ersten  Teil,  im  zweiten  der  höchst  seltene  Ausfall  der 

3  zwar  erst  vor  4a  (Unikum?).    LInge  von  16  Takten,  dreiteilig.   Zweimal 

schlicht  8  Takte   wfirden    «zu  lang*",   ohne  länger  zu  sein,   als  dieses 

sehr  frische  Gebilde. 

b)  alternierend  auf-  und  voUtaktig. 
Jesu  deine  Passion.  _. 


f-f-^4^ 


t 


33. 


nu-^ 


X 


t 


Im  Text  alternierende  Verslänge  von  7  und  6  Silben.    Der  Ermüdung  durch 
zwei  schlicht  achttaktige  Perioden  beugt  die  Altemation  vor. 
D.  Mit  durchweg  taktfreien  Einsätzen: 
a)  in  Typus  I. 
Dein  König  kommt  in  niederen  Hfillen.  .^  bekannt  1710. 


I  ¥'^  j  j 


4 

Strenge  der  Form,  gesteigert  durch  den  Reim  der  Schlfisse  b.  b.  a,  bis. 


206 
DIE  MUSIK  VIL  16. 


b)  in  Typus  IL 
Schmflcke  dieh  Hebe  Seele. 


1640. 


35. 1  ^  j  J  J  [  j  r  r  ^ 


4:8 


^■«r'j\?  f  r  r  I  r  r  ,-  tJ  i  r  f  r  n  r  r  j  jh 


Eintritt  mit  der  6  wie  präludierend.     Echo  (in  der  zweiten  Vier)  zuweilen 
vorkommend.    Zusammenfassung  durch  rfickbezfiglichen  Schluß. 

c)  in  Typus  V. 

Auftakt  und  Schlfisse  alternierend. 

Schaut  ihr  Sünder.  Bei  J.  S.  Bach. 


a6. 


F^ü^hV  j  r  f  fiJj .;   fir  f  f  rrirrr  ff 

•^  4  8 


^    -[- 


\Uf  J  f  f  f|J^  r  rK  r  f  f  Jjf  ^  ^  II 


4  8 

Meisterstück  der  Plastik  in  aller  Freiheit  I  Zwei  schlichte  achttaktige 
Perioden.  Vgl.  No.  33  die  hiergegen  eckige,  obwohl  auch*  schon  kunstvolle 
Altemation.  Im  freiesten  Typus  die  strengste  Form.  Alle  diese  Er- 
scheinungen treten  durch  den  richtigen  Taktstrich  erst  vor  Augen,  und 
zwar  immer  so  ungesucht  wie  untrüglich. 

S  3. 

„Um  die  Taktstriche  handelt  es  sich'S  hat  in  dem  Streit  um 
die  metrisch  richtige  Notierung  von  Chorälen  G.  Weimar  in  einer  Schrift 
über  Choralrhythmüs  ausgerufen,  und  Professor  Köstlin  fügt  folgoidet  hin« 
zu:  ^Wenn  es  gelänge,  bei  allen  diesen  Melodieen  eine  rationelle  Taktiemng 
zu  Gesicht  zu  bringen,  die  sich  nicht  nur  als  die  relativ  beste  Form  her* 
ausstellte,  sondern  als  die  adäquate  Wiedergabe  des  ursprünglichen 
Bewegungsbildes  der  Melodie  sich  erwiese  und  damit  der  Diskussion 
ein  Ende  machte,  dann  stünde  der  Einführung  dieser  Form  auch  in  ofB- 
ziellen  Büchern  wahrlich  nicht  das  Geringste  mehr  im  Wege.* 

Nun,  die  Forderung  ist  hier  vortrefflich  ausgedrückt,  und  ebendlete 
hat  mir  von  Anfang  an  vorgeschwebt.     Die  Gründe  aber,  nach  denen  hier 


Xw  FUCHS:  AUFERSTEHUNG  DES  CHORALS  «M! 

die  Taktstriche  gesetzt  sind,  sind  absolut-musikalischer  Natur  und  ganz 
dieselben,  die  angeführt  werden  mfiOten,  um  die  Stelle  des  Taktstriches 
als  richtig  zu  erweisen,  wenn  man  diese  in  bezug  auf  die  etwa  12  v.  H. 
Chorile  bestreiten  wollte,  die  wirklich  einfach  auftaktig  durchgefuhn  sind 
und  sogar  im  AGB  und  OWC  noch  richtig  stehen,  sie  allein.  (Man 
könnte  ja  etwa  versuchen,  sie  als  dreifach  auftaktig  hinzustellen,  um- 
gekehrt wie  die  wirklich  dreifach  auftaktigen  bis  jetzt  filschlich,  zirka 
27  V.  H.  den  einfach  auftaktigen  zugezählt  werden.)  Für  ein  musi- 
kalisches Taktgebilde  aber,*  wie  es  der  Choral  ist,  haben  solche  Gründe 
nicht  relative,  sondern  absolute  Bedeutung.  Ich  wiederhole  hier,  daO  die 
Durchführung  des  richtigen  Taktstriches  «bei  allen  diesen  Melodieen*, 
allerdings  erst  durch  die  Entdeckung  der  taktfreien  Einsitze  (s.  S  10),  möglich 
wurde  und  gänzlich  versagt,  wenn  man  in  den  Chorälen  unserer 
Gruppe  VI  mechanisch  alle  vier  Viertel  weit  den  Taktstrich  setzen  wollte. 
Nur  durch  absolut  musikalisches  Verfahren  kann  ein  adäquates  Notenbild  der 
ursprfinglichen,  d.  h.  der  einer  Melodie  an-  und  eingeborenen  (»immanenten*), 
Bewegung  zu  Gesichte  kommen.  Der  Ursprung  einer  Melodie  ist  ihre 
inspirierte  Erfindung,  eigentlich  nur  Entstehung  durch  den  begabten  Autor; 
ihr  ältestes  Notenbild,  auch  wenn  es[als  frei  von  Schreiberfehlem  verbürgt, 
als  vom  Autor  «ursprünglich*  so  herrührend  gelten  kann,  ist  aber  in  der 
mittelalterlichen  Schreibung  ohne  Taktstrich  gar  nicht  das  adäquate  Bild 
ihrer  metrischen  Bewegung,  denn  die  Mensuralnote  hat  nur  dem  Anschein 
nach  metrische  Bedeutung  in  unserm  Sinne,  wie  ich  am  Schlüsse  dieser 
Arbeit  ($  1 2)  darzulegen  versuchen  werde.  Und  als'man  anfing,  den  Takt- 
strich zu  gebrauchen,  geschah  es  unsicher,  und  im  Choral,  abzüglich  nur  jener 
12  V.  H.,  unrichtig.  Der  Dilettant  sagt  noch  mit  einer  gewissen  Emphase: 
.um  den  Taktstrich  handelt  es  sich*.  Ja  freilich  geht  es  ohne  ihn  nicht, 
ohne  ihn  fängt  «das  alte  Chaos  wieder  an*;  es  ist  aber  heute  für  den 
Musiker  eine  elementare  Sache,  ihn  richtig  zu  setzen;  er  befragt  dieser- 
halb,  wie  ich  hier  vorausnehme,  nicht  das  Pergament,  sondern  die 
Melodie,  und  siehe  da,  sie  muß  es  ihm  verraten.  Bei  der  vorherrschenden 
Entfremdung  der  evangelischen  Geistlichkeit  von  der  altera  theologia 
ihres  großen  Meisters  D.  Martin  Luther  scheint  mir  das  Eintreffen  von 
Kost  lins  Weissagungen  nicht  so  sicher,  wie  daß  der  Streit  gar  nicht  ent- 
standen wäre,  wenn  die  Herausgeber  und  Komponisten  des  Chorals,  die 
im  18.  Jahrhundert  die  Isometrie  und  Oligorhythmik,  d.  h.  die  wenige,  ge- 
ringe, bescheidene,  dem  Massengesang  angemessene  Rhythmik  des  Chorals 
in  seine  Schreibung  einführten,  nur  den  richtigen  Taktstrich  gehabt 
hätten.  Aber  dieser  gleicht  noch  heute  einem  Schneeglöckchen,  das 
erst  sein  Köpfchen  aus  dem  Winterschnee  von  Jahrhunderten  zum  Lichte 
hebt. 


208 


Wenn  die  Tonsetzer  von  Brahms  bis  hinauf  zu  J.  S.  Bach  und 
hinab  zum  Heut  unsicher  im  Gebrauch  des  Taktstriches  sind,  wenn  gleich- 
sam vorgestern  erst  eingesehen  ward,  daO  sie  ihn  im  C  und  '/g-  oder  'Z^- 
Takt  recht  oft  fälschlich  vor  die  Taktmitte  statt  vor  den  Takt  setzen»  und 
es  bei  ihnen  auch  an  anderen,  noch  gröberen  Versehen  nicht  fehlt  — 
dfirfen  wir  uns  dann  wundem,  daß  geistliche  und  zuletzt  milltirische 
Dilettanten,  ein  Divisionspfarrer  und  ein  »auch  musikalischer*  Feldprobst, 
uns  in  das  Handwerk  pfuschen  und  meinen,  sie  können  es  auch  so  gut 
wie  wir?  Und  sie  haben  es  auch  noch  schlimmer  gekonnt.  Es  sind  solche 
Erscheinungen  möglich  geworden,  wie  das  in  bezug  auf  den  Takt  und 
Taktstrich  chaotisch  fehlerhafte  neueste  Ost-  und  WestpreuOische  Chond- 
buch,  mit  dem  allerdings  alle:  Organisten,  Lehrer,  und  Geistliche  schlieBlich 
unzufrieden  sind.  Dies  veranlaOte  mich  zur  Wiederaufnahme  meiner  frfiheten 
Versuche  —  später  erst  entdeckte  ich,  daß  das  Ost-  und  WestpreuBlsche 
Choralbuch  (OWC)  matre  non  palchra  fllia  non  pulchrior  der  Abkömmling 
des  Königl.  Preußischen  Armeechoralbuches  (AGB)  ist,  das  bis  zum 
Unfug  von  denselben  Fehlem  starrt  und  die  Gefahr  mit  sich  brinst, 
daß  von  ihm  aus  noch  andere  Provinzen  mit  solchen  Choralbfichem  ge- 
segnet werden. 

Nun,  da  wir  durch  Riemanns  Reform  der  musikalischen  Metrik  endlich 
auf  festem  Grand  und  Boden  stehen,  ist  es  hohe  Zeit  zu  reden,  um  so 
mehr,  als  die  Macht  zu  handeln,  zu  verffigen,  nicht  bei  uns  ist  Selbst 
unsere  Consistorien  und  Synoden  getrauen  sich  noch  nicht  einmal,  einer 
Gemeinde  eine  nichtssagende  Parallelmelodie  zu  einem  unsterblichen  Choral 
aus  dem  Munde  zu  nehmen,  wenn  sie  «einmal  daran  gewöhnt*  ist. 

S  4. 

Wohin  der  Taktstrich  gehöre,  haben  J.  Riepel  im  ITten,  Joh.  Chr. 
Koch,  der  Lessing  der  Musikwissenschaft,  im  ISten,  H.  Riemann  im  19ten 
Jahrhundert  übereinstimmend  gelehrt.  Die  ersten  beiden  Male  wurde  es 
vergessen,  dies  letzte  Mal  ist  es  noch  nicht  gelernt,  d.  h.  es  beginnt  erst, 
als  etwas  demnächst  Selbstverständliches  in  das  GemeinbewuBtsein  der 
Musiker  fiberzugehen. 

Aber  das  hätte  man  doch  auch  ohne  Riemann  gewußt,  daß  es  wider- 
sinnig ist,  wie  es  das  OWC  in  einigen  dreißig  Chorälen  zum  ersten  and 
hoffentlich  letzten  Male  tut,  in  dieselbe  Strophenfolge  bei  nnmittelbsrer 
Wiederholung  das  zweitemal  andere  Taktstriche  zu  setzen!  Das  AGB 
enthält  zwar  weniger  Choräle,  aber  mit  sämtlichen  Fehlem  des  OWC 
Man  betrachte  feraer  Verrenkungen  wie  die  folgende,  von  denen  ACE  und 
OWC  wimmeln:  (A,  statt  der  so  nahe  liegenden  Fassung  B.) 


209 
FUCHS:  AUFERSTEHUNG  DES  CHORALS 


Ach  Gott  erhör  mein  Seufeen. 


Um  1658. 


^    ->- 


^Q=Ff?^^[r3"^^^^^T^ 


Ebenso  wird  jeder  verständige  Musikfreund  Beispiele  wie  dieses  .rhythmische' 
ohne  Taktstrich 


1^' .  j  j|r  j  r  rl'^  J  J  r  ^1^ 


als  gänzlich  unrhythmischen  Unfug  erkennen,  weil  es  in  der  Musik  Rhythmus 
ohne  Takt  nicht  gibt.  Namentlich  ffir  einen  militärischen  Dirigenten  ist 
dergleichen  völlig  lächerlich,  wenn  er  es  ungefragt  auch  nicht  sagen  darf. 
Man  wird  sich  dabei  sagen,  daß  eine  Methode,  mittelalterliche  Choral- 
schreibungen zu  lesen,  die  dazu  ffihrt,  sie  so  wiederzugeben,  damit  schon 
widerlegt  ist.  Dieselbe  Ursache  (das  Bestreben,  solche  Lesungen  mit  dem 
Taktstrich  auszugleichen!)  fuhrt  dort  zu  Phänomenen  mit  zwei,  auch  drei 
Taktarten  für  14  Takte;  alle  drei  werden  dann  vorn  zugleich,  zum  Gebrauch 
je  nachdem,  vorgezeichnet.  (I) 

Freu*  dicht  o  meine  Seele. 

a   b   c    a  !b  ^ 


^'  r  TT " 


Freu  dich  sehr  o  mei-ne  See  -  le 


!c 


g 


TT^^-f 


J7  ^  J 1  .uuTa^-JH 


6»- 


Die  Beziehungsbuchstaben  a,  b,  c  habe  ich  notiert.    Wiederum  ent- 
steht ein  greuliches  Durcheinander  von  hinkender  «Rhythmik*.  Kein  Musiker 
VII.  1&  14 


210 
DIB  MUSIK  VII.  16. 


erkühnt  sich  solchen  Irrsinns,  denn  auf  den  Musiker  kann  dies  nicht  anders 
wirken.  Noch  Beethoven  kennt  Taktwechsel  während  eines  ganzen  Sym- 
phoniesatzes nicht! 

Jenes  kurzatmige  Wechselfieber  des  Taktes  hat  indessen  doch  seines- 
gleichen in  der  »Salome**  von  Richard  Strauß  gefunden.  Die  Wirkung  ist 
der  Rückfall  ins  Elementare,  überhaupt  Ungeordnete,  die  Vorschriften  sind 
nur  Notbehelf  für  den  gequälten  Dirigenten. 

Den  oben  ersichtlichen  häßlichen  Doppelsparren  bietet  man  uns  statt 
unserer  schönen  Fermate  an.  Über  ihn  hinweg  soll  es  eigentlich  genau 
im  Takte  weiter  gehen.  Nur  soll  man  wieder  die  Genauigkeit  nicht  über- 
treiben. Aber  was  genau  ist,  ist  nicht  übertrieben,  und  was  übertrieben 
ist,  ist  nicht  genau.  Der  Rat  ist  also  ohne  Sinn.  —  Zur  Verdeutlichung 
der  Phrasengrenze  wird  das  wirklich  schon  eingerissene  Absetzen  mit 
Hand  und  Fuß  von  der  Orgel  empfohlen,  diese  abscheuliche  Zerreißung 
des  Orgelklanges,  der  statt  des  Chorals  seine  disjecta  membra  darbietet. 
Dazu  noch  das  Leipziger  Reitermarsch-Tempo,  und  die  Barbarei  ist  voll- 
kommen. 

Ob  es  »Seelen*  gibt,  die  das  »freuf?  Einschließlich  der  trivialen 
dreitaktigen  Schlußerweiterung  (statt  B).  (Vgl.  S.  209  unten).  Der  Chorml 
ist  offenbar  isometrisch  und  durchgeführt  zweifach-auftaktig  geboren  (A), 
wie  und  von  wem  immer  er  auch  um  1 550  zuerst  geschrieben  oder  gedmckt 
wurde.  Vollends  dieser  Taumel-. Rhythmus*,  den  man  wie  anderes  der- 
gleichen dem  Evangelischen  Verein  für  Kirchengesang  verdankt: 


^^r^r^^qn^j  j  J  p -^^-^Hji-pr-7-f^ 


hier,  wo  es  Musiker  lesen,  muß  man  sich  doch  wirklich  beinahe  schimen, 
solchen  damit  auch  nur  unter  die  Augen  zu  treten I  Abgesehen  noch  von 
der  ganz  üblen,  fraglos  nicht  »ursprünglichen*  SchluBerweiterung.  Und 
der  Taktstrich  wieder  zum  Trennungszeichen  degradiert  I  Ich  gestehe,  daß 
ich  dieses  törichte  Experimentieren  mit  dem  Choral,  diese  Taumel-  und 
Schaukelrhythmen,  geradezu  als  ein  sacrilegium  empfinde,  und  bin  fiber- 
zeugt, daß  selbst  der  ungläubigste  Organist,  der  nur  noch  ein  wenig 
Pietät  für  den  Choral  übrig  hat,  es  mit  derselben  Mischung  von  Lachreiz 
und  Unwillen  empfinden  wird. 

S  5. 
Kein  Musiker  seit  einem  Menschenalter  huldigt  mehr  dem  GroBviter- 
wahn,  der  Auftakt  sei  von  Rechts  wegen  etwas  Einmaliges,  bestehe  aus  einer 


211 
FUCHS:  AUFERSTEHUNG  DES  CHORALS 


Taktzeit  und  sei  eigentlich  ein  unvollständiger  Takt,  und  der  SchluOtakt 
eines  noch  so  langen  Stückes  müsse  so  viel  kfirzer  notiert  werden,  daO  er 
den  Auftakt  zu  einem  ehrlichen  Takte  ergänzt.  Selbst  in  diesem  Wahn 
aber,  hätte  (statt  wie  bei  C)  im  folgenden  Notenbeispiel  kein  Musiker  doch 
dieses  possierliche  Kuriosum  (B)  geschrieben,  das  (n  dem  von  Natur  iso- 
metrischen einfach-auftaktigen  Choral  «Nun  lob'  mein'  Seel'  den  Herren* 
im  Walzertakt  ( A)  das  OWC  ziert : 

A  D  B  C 


Bei  D  ist  diesem  Scheintakt  (B)  zuliebe  die  Lesart  willkürlich  variiert. 
Es  wird  nun  gebeten,  die  ^  (bei  B)  ja  nicht  schon  auf  der  ersten  jt  aus- 
zuführen! Wo  waren  denn  die  Musiker  in  der  Kommission  für  das  OWC, 
als  diese  Lächerlichkeit  notiert  wurde? 

Das  verstand  sich  auch  ohne  Riemann  für  uns  schon  von  selbst,  daß 
Stücke,  die  in  C  gehen,  ebensowohl  drei  oder  zwei  Taktzeiten  wie  eine  oder 
keine  zum  Auftakt  haben  können.  Auch  daß  der  Auftakt  eine  durchgängige 
Erscheinung  ist,  ward,  wenn  auch  viel  später  erst  gehört,  doch  schon  am 
Anfang  des  19.,  nicht  erst  des  20.  Jahrhunderts,  an  die  Adresse  des  Con- 
servatoire  national  in  Paris  klar  ausgesprochen.  (^La  phrase  musicale 
fChevattche*  sur  les  barres  de  mesarel")^)  Der  Choral  ist  ein  kirchlich 
vereinfachtes  Volkslied  und  somit  das  einfachste  aller  Musikstücke.  Da- 
bei muß  es  als  natürlich  erscheinen,  daß  er  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  ein  und  dieselbe  Auftaktform  durchführt.  In  der  Tat  wechselt 
er  die  Auftaktform  nur  in  34  von  135,  also  in  etwa  25  v.  H. 
Chorälen,  sei  es  einmal  oder  öfter,  oder  auch  zu  jeder  Strophe, 
gleichsam  fantasierend.  So  verstehen  sich  also,  wenn  man  nur  so 
viel  weiß,  daß  der  Taktstrich  vor  die  Schwerpunktnote  gehört,  die  fünf 
Typen  des  Chorals,  die  meine  Melodieensammlung  (MS)  aufweist, 
gleichsam  a  priori  von  selbst  und  sind  brevi  manu  an   den  Fingern   ab- 


^)  J6röme  Joseph  de  Momigny  definierte  bereits  1806  in  einem  «Cours  complet 
d'  harmonie  et  de  eomposition  d'  apr&s  une  tb^orie  neuve*  völlig  richtig  die  Begrilfe 
mesure,  motlt^  p6riode,  phrase,  rhythme  usw.,  so  daß  er«  bis  zu  seiner  Wleder- 
entdeckung  durch  Riemann  unverstanden  geblieben  und  vergessen,  doch  als  der 
erste  Begründer  der  wahren  Lehre  von  Takt  und  Rhythmus  zu  gelten  hat,  der 
seinem  Zeitalter  um  ein  Jahrhundert  voraus  war.  Von  Ihm  stammt  jenes  Wort  »die 
Phrase  reitet  auf  dem  Taktstrich*.  1004  entdeckte  Riemann  Momigay's  Schriften  und 
berichtete  darüber  hier  in  der  «Musik*,  Jahrg.  III,  Heft  15.  Die  Wahrheit  Ist,  daß  nie 
eine  glinxendere  und  vollständigere  Obereinstimmuog  In  grundlegenden  Ideen  zwischen 
zwei  großen  Forschem  erlebt  worden  ist,  deren  zweiter  die  Arbeiten  des  ersten  nicht 
kannte. 

t  14^ 


212 
DIE  MUSIK  VII.  16. 


zuzählen,  nämlich  (wobei  ich  dann  gleich  die  Frequenz  eines  jeden  Typus 
hinzunotiere) 

Typus     I  mit  dreifachem  Auftakt  ]  32  -|-  7  =  39  Chorile 

Typus    II  mit  zweifachem  Auftakt     durch-  43  +  2  =  45        , 
Typus  III  mit  einfachem  Auftakt    |  geffihrt  le  16 

Typus  IV  ohne  Auftakt  j  in  C  1  Choral 

Typus    V  mit  wechselndem  Auftakt  20  +  1 4  =  34  Choräle 

Sa.  135  Choräle 

Die  zweiten  Zahlen  beziehen  sich  auf  die  aus  der  Gruppe  VI  mit 
taktfreien  Einsätzen  hinzukommenden  Choräle  (siehe  $  10). 

S  6. 

Gerade  da,  von  wo  man  gelegentlich  geglaubt  hat  ffir  eine  endgfiltige 
Reform  der  Choralschreibung  ausgehen  zu  müssen,  im  Verhältnis  der 
Melodie  zum  Text,  liegt  die  Fehlerquelle.  Möglicherweise  ist  der  falsche 
Taktstrich  sogar  von  dort  in  die  instrumentale  Musiknotierung  übergegangen. 
Die  mit  Hauptworten,  wie  Herr,  Gott,  Christus,  beginnenden  Choräle  wurden 
unwillkürlich  als  mit  dem  Schwerpunkt  beginnend,  die  mit  Interjektionen 
oder  sonst  leicht  auftaktigen  Wörtern  (O,  Ach,  Mein  usw.)  mit  folgendem 
Hauptwort  beginnenden  wurden  ebenso  erklärlich  einfach-auftaktig  schon 
vom  Komponisten  selbst  falsch  notiert,  auch  wenn  die  Melodie,  zwar  nicht 
invita  Minerva,  aber  inscio  autore  den  musikalischen  Schwerpunkt,  der 
dafür  allein  entscheidend  ist,  erst  auf  dem  vierten  bzw.  dritten  Ton  hatte. 
(Es  ist  mir  1903  bei  der  Komposition  von  Gemeindeliedern  noch  ebenso 
gegangen,  nur  daß  ich  sie  nicht  so  drucken  ließ.)^) 

Ein  metrisch  maßgebliches  Verhältnis  hat  der  Gesangbuchvers  znr 
Melodie  überhaupt  nicht,  schon  weil  er  eben  selbst  nicht  sensu  proprio 
metrisch  ist.  (Wie  dürfte  er  auch  sonst  zur  selben  Melodie  wechseln?) 
Eine  Melodie  darf  nur  nach  metrischen,  Musik  nur  nach  musikalischen 
Gesichtspunkten  beurteilt  werden.  Der  Text  ist  im  Massengesang  nicht 
die  phrasierende  Kraft,  Inkongruenz  von  Motivgrenze  und  Sinnteil,  auch 
mit  Wortschluß,  belanglos.  Was  bei  dem  Versuch  der  Übertragung  antiker 
Metrik  auf  den  Choral  an  wiederum  ebenso  unwürdigem  wie  unwahrem 
Schaukel-  und  Tanzrhythmus  herausgekommen  ist,  deren  natürliches 
Tempo  gar  nicht  das  Choraltempo  wäre,  spottet  gleichfalls  der  Beschreibung. 
Auch  der  wirkliche  Versbau  des  Gesangbuches  nach  Hebungen  (von 
ungleicher  Höhe   und  ungleichen  Abständen)  steht  im  Inlaut  der  Strophe 


')  .Andachtslieder  ffir  Tempel  und  Haus*,  ffir  die  Synsgoge  geschrieben,  an  der 
ich  1887—1907  Organist  war.    Kommissionsverlag  von  M.  Brucksteln  in  Danzig. 


213 
FUCHS:  AUFERSTEHUNG  DES  CHORALS 


nicht  in   organischer  Beziehung  zum  Takt   der  Melodie.     Hier   kann  ich 
dies  nicht  näher  darlegen. 

Mit  Ausnahme  des  genial  komponierten  «Lobe  den  Herrn*  sind  die 
Choräle,  die  wie  dieser  im  echten  ^I^-Tskt  gehen,  allermeist  wertlos.  Der 
echte  wird  daran  erkannt,  daß  er  bis  auf  wenige  Takte  isometrisch  ist, 
und  acht  Takte  eine  Periode  wirklich  ausfüllen. 

Solche  Beispiele  —  OWC  und  AGB  enthalten  ihrer  genug  —  wie 
das  «Wiegenlied* 

Vom  Himmel  hoch. 


^^TT]r-^ 


t 


f^ 


T 


t 


e 


f9- 


H 1- 


t 


-KT 


(8!) 


^^ 


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m 


t 


^ 


t 


^ 


V=t 


sind  metrische  Lfigen.  Dieser  Choral  gehört  zum  Typus  I.  (s.  bei  B.),  und 
es  ist  noch  der  bessere  Fall,  daß  die  Choralbficher  ihn  nur  wie  bei  C  auf 
den  Kopf  stellen.  Öfters  gibt  das  OWC  und  ACB  auf  diese  Art  Choräle  in 
zwei  falschen  Formen.  «Das  Volk  liebt  diesen  Schaukeltakt.*  Es  soll 
ihn  nicht  lieben!  Er  lügt!  Außerdem  sind  diese  Jamben  päpstlichen 
Ursprungs,  Nachklang  des  einstmals  von  einem  Papst,  der  Mystiker  und 
Dilettant  in  einer  Person  war,  erlassenen  Verbotes  der  geraden  Taktarten, 
weil  nur  der  dreiteilige  Takt  würdig  sei,  den  dreieinigen  Gott  zu  besingen. 
(Vgl.  S  12.)  Ich  habe  mit  jener  oben  erwähnten  Ausnahme  die  wenigen 
Choräle  auch  des  echten  ^-Taktes  weggelassen.  Freilich  nahm  man  auch  am 
echten  '/^-Takt  geistlicher  Lieder  im  Mittelalter  keinen  Anstoß,  und  sogar  die 

konträr  wirkende  Zusammenziehung  der  leichten  Taktteile  darin 


•    «9 


war 


nicht  selten.    Aber  der  Rhythmus  ^   j     ^   j  9  der  den  Schwerpunkt  eines 

eigentlich  zweiteiligen  Taktes  verdoppelt,  indem  er  dessen  zunächst  un- 
bestimmte Verlängerung  behufs  größerer  Verständlichkeit  zu  einem  me- 
trischen Wert  umbildet,  entspricht  damit,  als  (nach  Riemann)  die  «ur- 
sprünglichste* Takterscheinung,  einem  noch  ganz  rohen,  bäurisch-böotischen 
Verständnisvermögen.  Das  rhythmische  Empfinden  der  Völker 
ist  aber  wie  nach  Ländern  so  auch  nach  Zeiten  verschieden. 

Für  uns  bedeutet  der  Rhythmus  J  J   ,  nachdem  wir  ihn,  in  echten  Dreitakt 

J  ^  •   aufgelöst,   weiter  rhythmisiert  haben  ^  j  g"^     J   J   oder  J  /j  J 

und    diese    Rhythmen    dann    wieder    mit    ^   J     J     usw.    mischen,   seit 


214 
DIE  MUSIK  VII.  16. 


etwa  150  Jahren  den  Walzertakt,  und  alle  Gesellschaftsschichten  sind 
mit  diesem  so  vertraut,  daß  er  für  uns  ein  spezifisch  weltlicher,  in  der 
Kirche  an  den  Tanzsaal  erinnernder  geworden  ist,  sehr  verschieden  von 
der  Empfindung  jenes  Papstes  im  12.  Jahrhundert,  der  diesen  Takt  wegen 

seiner  Einheit  von  drei  heilig  sprach.     Vollends  der  Rhythmus      j  J     J 

wirkt  auf  den  Menschen  der  letzten  Jahrhunderte  als  drastischer  Aos- 
druck  von  Laune,  Trotz,  Übermut;  er  kommt  uns  beinahe  «spanisch*  vor. 
Die  Isometristen  oder  Joh.  Schop  selbst  schon  (1641)  wußten  sehr  wohl, 
was  sie  taten,  als  sie  das  originelle,  wie  gesagt,  fast  spanisch  rhythmisierte 
Tanzlied 


des  '/^-Taktes  und  aller  Tanzrbythmik  entkleideten  und  für  den  schönen 
Choral  «Sollt'  ich  meinem  Gott  nicht  singen*  nur  die  edle  melodische  Linie 
beibehielten.  (Er  gehört  zu  Typus  II.)  Im  Massengesang  ist  der  kontrire 
Rhythmus  (s.  o.)  ohnehin  nicht  zu  erreichen.')  Das  Volk  singt  nur  noch 
Gassenhauer  statt  des  Volksliedes;  solche  Rhythmen  sind  ihm  darum  fremd 
und  kunstlich,  während  der  Gebildete  sie  zugleich  als  stark  weltlich  empfindet. 
Und  wenn  es  gelungen  ist,  sfiddeutsche  Gemeinden  ffir  den  Walzerrhjrthmns 
in  der  Kirche  zu  gewinnen,  so  ist  damit  nichts  Kirchliches  gewonnen,  noch 
abgesehen  davon,  daß  die  heut  mit  einer  gewissen  Genugtuung  »rhjrthmisch* 
genannten  Formen  von  Chorälen  durchaus  nur  unrhythmisch  sind.  Ober 
ihr  Prädikat  «ursprunglich*  s.  $  12.  Die  Gewöhnung  an  jene  Tanz-  nnd 
Schaukelrhythmen  in  der  Kirche  aber  hat  eine  bedenkliche  Ähnlichkeit 
mit  dem  Grundsatz  der  Heilsarmee,  die  Leute  mit  dem  Gottesdienst  zu 
amüsieren. 

Die  natürliche  Taktart  des  Chorals   ist. (mit  jener  einen  glänzenden 


Ausnahme)  der  C,    mag  er  in    scheinbarem    alla  breve-Takt 


^  ö 


i     I 


oder  mit  nur  orthographischem  Unterschiede  statt 


j*-J 


fsf  K>  ¥Sf  e^ 


in  Halben 


notiert  sein.     Auch  ob  er  ursprünglich  mit  oder  ohne  Takt- 
strich notiert  ist,  ist  dafür  gleichgültig.    Wie  gesagt:  wir  fragen  nicht  das 


^)  Jahre  nacheinander  machte  ich  die  Erfahrung,  daß  Konfirmanden,  die  zn- 
sammen  das  Lied  ^^So  nimm  denn  meine  Hände*  singen  sollten,  die  konträre  Zo^ 
sammenziehung  im  vorletzten  Takt  dieses  Liedes  durchaus  nicht  begriffen.  Es  wurde 
immer  eine  breite  Triole  daraus.  Der  Geschmack  an  jenem  Rhythmus  ist  erloschen, 
and  er  wirkt  nicht  mehr  kirchlich. 


Pergament,  sondern  die  Melodie  selbst  nsch  ihrem  Takt,  den  sie  im  Choral 
leicht  verrttt.  Eine  Toafolge  wirklich  ohne  Takt  wlre  überhaupt  keine 
Matik.  Bei  der  Notierung  im  natürlichen  Takt  stellen  sich  denn  auch  die 
bescheidenen  Mischungen  der  j  mit  ^  oder  J  heraus,  die  der  Musiker, 
falls  die  ilteste  Notierung  nicht  schon  den  Anhalt  dazu  gibt,  einzufügen 
befugt  ist.  Die  J  kommt  übrigens  im  Inlaut  der  Choralstrophe  nie  echt, 
sondern  nur  als  Dehnung  der  Penultima  vor,  die  dazu  dient,  den  SchluQ- 
ton,  der  sonst  auf  das  vierte  Viertel  kime,  in  den  folgenden  Schwerpunkt 
zu  schieben  und  dadurch  zugleich  zwei  Takte  zu  erhalten.  (Vgl.  $  9  Bei- 
spiele.) Im  zweiten  Takt  aber  endigt  die  Choralstrophe,  richtig  notiert,  nie- 
mals auf  vierter  angeschlagener  Zflblzeit.  Man  sehe  die  Klassen  .mit  ge- 
dehnten Scblfissen*  an.  Im  weiblichen  SchluD  J  J  gehört  die  J  zum 
Aaslaat. 

Schlafi  tolgt 


V.fe?,•^^.^:^'^;.^•'?fi^n<x?^•St;r<?.^^ 


'\  r?i5j«rtP«i!yti«A^^^ 


\s  ist  länger  als  ein  Jahrzehnt  her,  daß  G.  Wustmann^)  und 
E.  Vogel*)  ihre  ausfuhrlichen  Abhandlungen  fiber  Bachportrits 
veröffentlicht  haben.  In  der  seitdem  verflossenen  Zeit  sind 
mehrere  bis  dahin  unbekannte  Bachdarstellungen  aufgetaucht, 
die  Veranlassung  bieten,  das  bis  jetzt  bekannte  Bildnismaterial  im  Zusammen- 
hang zu  betrachten.  In  dieser  Betrachtung  soll  insbesondere  die  Farbe  des 
Teints,  des  Haares  und  der  Augen  J.  S.  Bachs  beleuchtet  werden,  Kenn- 
zeichen, die  für  die  Beurteilung  der  Echtheit  der  einzelnen  Bildnisse  im 
Sinne  der  Frage:  »Nach  dem  Leben  gemalt  oder  nicht?*"  in  erster  Linie 
ausschlaggebend  sind.  Eine  solche  Untersuchung  kann  sich  naturgemifi 
nur  an  die  farbigen  Porträts  knfipfen;  dies  sind:  die  beiden  Ölgemälde  von 
E.  G.  HauOmann,  das  Ölgemälde  von  J.  J.  Ihle,  femer  das  Ölgemälde  un- 
bekannter Autorschaft  im  Besitz  des  Herrn  Prof.  Dr.  Volbach-Tfibingen 
und  die  aquarellierte  Bleistiftzeichnung  im  Besitz  des  Herrn  E.  Bormann- 
Leipzig.  Es  sei  gleich  vorausgeschickt,  daß  diese  Bildnisse  eine  voll- 
kommene Obereinstimmung  der  genannten  Merkmale  aufweisen.  Im  Znsam- 
menhang der  Betrachtungen  wird  auch  der  übrigen  bekannten  Porträts  Joh.  Seb. 
Bachs  gedacht  werden,  um  ihnen,  soweit  dies  durch  Wustmann  und  Vogel 
noch  nicht  geschehen  ist,  die  ihnen  gebührende  Stellung  anzuweisen. 
Die  Entstehungsgeschichte  aller  nach  dem  Leben  gemalten  Bachbild- 
nisse ist  in  Dunkel  gehüllt,  ebenso  fehlen  verbürgte  Angaben  fiber  das 
Entstehungsdatum  der  Bilder.  Die  verläOUchste  Zeitangabe  besteht  ffir  das 
zweite  von  E.  G.  HauOmann  gemalte,  im  Besitz  der  Thomasschule  befind- 
liche Porträt,  das  nach  der  Feststellung  Wustmanns  im  Jahre  1735 
entstanden  sein  muß.  Die  Entstehungszeit  der  übrigen  Gemälde  können 
wir  nur  aus  dem  Aussehen  Bachs  selbst  mutmaßen,  wobei  für  das  von 
Haußmann  zuerst  gemalte  Porträt  und  die  aquarellierte  Bleistiftzeichnung 
wohl  der  weiteste  Spielraum  gelassen  werden  muß.  Ihrem  absoluten  Alter 
nach  folgen  die  angeführten  Porträts  einander  mit  zuverlässiger  Sicherheit, 
wie  nachstehend  aufgeführt: 


')  Aus  Leipzigs  Vergangenheit.    Gesammelte  AuMtze  von  Gustav  Wustmaan. 
Neue  Folge.    Leipzig,  Verlag  von  Fr.  Wilh.  Grunow  1808. 
>)  Jahrbuch  der  Musikbibliothek  Peters  für  1886. 


217 
LANDMANN:  BACHPORTRÄTS 


1.  Das  im  Bachmuseum  zu  Eisenach  befindliche  Ölgemälde  von 
J.  J.  Ihle,  etwa  um  1720. 

2.  Die  im  Besitz  des  Herrn  Edwin  Bormann-Leipzig  befindliche  aqua- 
rellierte Bleistiftzeichnung  unbekannten  Autors,  etwa  1725—1730. 

3.  Das  in  der  Musikbibliothek  Peters-Leipzig  befindliche  Ölgemälde 
von  Elias  Gottlieb  HauOmann,  etwa  um  1730. 

4.  Das  in  der  Thomasschule  zu  Leipzig  befindliche  Ölgemälde  desselben 
Autors,  1735. 

5.  Das  im  Besitz  des  Herrn  Prof.  Dr.  Fritz  Volbach-TQbingen  befind- 
liche Ölgemälde  unbekannter  Autorschaft,  etwa  1748. 

Ober  No.  3  und  4  berichten  Wustmann  und  Vogel  des  Näheren. 

Das  Bildnis  No.3^)  stammt  aus  dem  Nachlaß  C.  Ph.  Emanuels.  Dessen 
Tochter  Anna  Carolina  Philippina  verkaufte  es  um  1828  an  den  Leipziger 
Flötenvirtuosen  Carl  Grenser;  von  dessen  Sohn  Alfred  erwarb  es  im  Jahre 
1886  die  Firma  Peters.  — 

Bezüglich  der  Herkunft  des  Bildnisses  No.  4^ gehen  bei  Wustmann 
und  Vogel  die  Ansichten  auseinander.  Dieser  neigt  mehr  zu  der  An- 
nahme, das  Bild  rühre  aus  dem  Besitz  Johann  Friedrich  Reichardts  her, 
während  nach  Wustmann  Reichardt  ein  anderes  Bild,  wahrscheinlich  aus 
dem  Nachlaß  von  Bachs  Schüler  Kirnberger  stammend,  besessen  hat.  Die 
Ansicht  Wustmanns  ist  höchstwahrscheinlich  die  richtigere.  Das  Kim- 
bergersche  Bildnis  war,  wie  man  annehmen  muß,  eine  dem  Bildnis  No.  4 
ähnliche  Bachdarstellung.  Eine  direkte  Kopie  des  letzteren  ist  es  aber 
wohl  nicht  gewesen.  Für  die  Richtigkeit  dieser  Annahme  spricht  einerseits 
der  Umstand,  daß  in  der  von  Wustmann  erwähnten,  in  einem  Briefe  Zelters 
an  Goethe  mitgeteilten  Episode  der  Leipziger  Leinwandhändler  beim  An- 
schauen des  Kimbergerschen  Bildnisses  den  prächtigen  Sammetrock  hervor- 
hebt, in  dem  sich  »der  eitle  Narr"  habe  malen  lassen.  Hierzu  hätte  keine 
Veranlassung  vorgelegen,  wäre  Bach  auf  dem  Bildnis  der  Thomasschule, 
das  der  Leipziger  offenbar  gekannt  hat,  auch  in  einem  solchen  präch- 
tigen Sammetrock  dargestellt  gewesen,  was  nicht  der  Fall  ist.  Bach  er- 
scheint auf  diesem  Bilde  in  einem  einfachen  blauen  Rock.  Andrerseits 
kann  das  verschollene  Kimbergerscbe  Bild  schwerlich  ein  Originalgemälde 
nach  dem  Leben  gewesen  sein,  wenn  es  —  wie  Wustmann  mit  Recht  als 
leicht  möglich  bezeichnet  —  dem  Maler  Lisiewsky  als  Vorlage  gedient 
hat.  Dieser  malte  bekanntlich  im  Auftrage  der  Prinzessin  Amalie  von 
Preußen  1772,  also  22  Jahre  nach  Bachs  Tode,  dessen  Porträt^  (sowie 
vier  Jahre   später   im   gleichen  Auftrage  dasjenige  Kimbergers),  die  beide 


1)  Siehe  die  Kunstbeiltgen  Portrit  No.  3.     *)  Siehe  die  Kunstbeilagen  Portrit 
No.  4.    >)  Vgl.  Beilage  zu  Heft  17,  Jahrgang  6  der  »Musik«. 


218 
DIE  MUSIK  VII.  16. 


in  der  Bibliothek  des  Joachiinsthalschen  Gymnasiums  zu  Berlin  aufbewahrt 
werden.  Auf  diesem  Bilde  hat  nämlich  Bach  schwarzbraune  Augen  und 
fast  schwarze  Augenbrauen.  Bach  war  aber,  wie  die  Bildnisse  No.  1^5 
übereinstimmend  zeigen,  blond  und  blauäugig.  So  sicher  also  die  Lisiewsky- 
sche  Komposition  für  die  Beurteilung  des  physischen  Typus  J.  S.  Bachs 
wertlos  ist,  so  wahrscheinlich  ist  es,  daß  das  ehemals  in  Kimbergers  Besitz 
gewesene  Bild  in  dieser  Hinsicht  um  nichts  besser  gewesen  ist. 

Das  Bildnis  No.  4  wurde  1735  nach  dem  Leben  gemalt.  Vielleicht 
hat  Bach  dieses  Bild  für  sich  selber  malen  lassen  und  es  erst  vergeben, 
als  er  der  »Societät  der  musikalischen  Wissenschaften  in  Deutschland* 
als  Mitglied  beitrat.  Als  solches  war  er  statutengemäß  zur  Einlieferung 
eines  guten,  auf  Leinwand  gemalten  Porträts  verpflichtet.  Die  betreffende 
Bestimmung  lautete:  »Auch  soll  ein  jedes  Mitglied  sein  Bildnis,  gut  auf 
Leinwand  gemalet,  nach  seiner  Bequemlichkeit  zur  Bibliothek  einschicken  •  •  .* 
Warum  sollte  Bach  der  ihm  hiermit  auferlegten  Verpflichtung  nicht  nach- 
gekommen sein?  Der  Inhalt  dieser  Bestimmung  kann  doch  wohl  nicht  gut 
so  ausgedeutet  werden,  als  wenn  es  ganz  im  Belieben  der  Mitglieder  gelegen 
hätte,  ob  sie  ihr  genfigen  wollten  oder  nicht.  Eine  solche  Auffissai^ 
scheint  Wustmann  zuzulassen.  Meines  Erachtens  spricht  der  Wortlaut  der 
Bestimmung  nicht  unbedingt  für  eine  solche  Auffassung.  »Nach  seiner  Ete- 
quemlichkeit"  kann  auch  so  aufgefaßt  werden,  daß  jedes  Mitglied  mit  seinem 
Bilde  hinsichtlich  Größe,  Pose  und  der  Ausstattung  volle  Bequemlichkeit, 
d.  h.  Freiheit,  haben  solle.  Hat  Bach  statutengemäß  sein  Porträt  eingeschickt, 
so  kann  aber  hierffir  kaum  ein  anderes  in  Frage  gekommen  sein,  als  das 
Bildnis  No.  4.  Denn,  falls  er  überhaupt  mehr  als  ein  Porträt  zu  gleicher 
Zeit  besessen  hat,  wird  Bach  sicherlich  dasjenige  gewählt  haben,  das 
zugleich  das  beste  und  in  Hinsicht  auf  den  Zeitpunkt  seines  Eintritts  das 
neueste  war.  Das  Bildnis  No.  5  aber  war  zur  Zeit  seines  Eintritts  (1747) 
höchstwahrscheinlich  noch  nicht  gemalt. 

Die  Tradition,  daß  die  »Societät  der  musikalischen  Wissenschaften 
in  Deutschland"  das  Bildnis  No.  4  besessen  hat,  erscheint  somit  sehr  glaub- 
würdig. Auch,  daß  dieses  Bildnis  nach  der  Auflösung  der  Gesellschaft 
in  Friedemanns  Besitz  gewesen  ist,  muß  ffir  wahrscheinlich  gelten.  Friede- 
mann hatte  so  gut  wie  Philipp  Emanuel  Anspruch  auf  ein  Bildnis  seines 
Vaters,  dem  er  sowohl  als  Kunstler  wie  als  Mensch  näher  gestanden 
hat,  als  sein  jfingerer  Bruder.  Friedemann  könnte  sich  bei  der  Auflösung 
der  »Societät*  im  Jahre  1755  das  Bildnis  seines  Vaters  ausgebeten  haben. 
Es  kann  gleichgültig  bleiben,  ob  er  sich  den  Besitz  des  Bildes  aus  Pietät 
oder  Spekulationssucht  gesichert  hat.  Wahrscheinlicher  aber,  als  daß  das 
Bildnis  erst  nach  seinem  Tode  von  seiner  Familie  verkauft  wurde,  ist 
jedenfalls,  daß  er  es  selber  noch  zu  Geld  gemacht  hat,  wie  es  daa  Schicksal 


220 
DIE  MUSIK  VII.  16. 


Efilingen  aurgehalten  hat  und  zu  seiner  Zelt  ein  Porträtmaler  von  Ruf  ge- 
wesen ist.  Sein  Sohn  Johann  Eberhard  Ihle,  geb.  1727  in  EBliogeo,  gest. 
1811,  war  gleichhlls  Maler,  jedoch  von  geringerer  Bedeutung. 

Johann  Jakob  Ible  war  also  ein  Zeitgenosse  Bachs,  vielleicht  etwas 
jünger  als  dieser.  Aus  der  ungeShren  Gleicbalterigkelt  ist  mit  SIcheriieh 
zu  entnehmen,  daß  das  Porlrit  nach  dem  Leben  gemalt  ist.  Man  darf 
dies  um  so  unbedenklicher  behaupten,  als  um  die  Entstebungazelt  des 
Gemüldes  bildliche  Darstellungen  Bachs  noch  nicht  existiert  haben  dfirften, 
da  sein  Ruhm  noch  keine  allgemeine  Verbreitung  gefunden  hatte,  pie 
Entstehung  des  Ihleschen  Gemäldes  könnte  frühestens  in  das  Ende  der 
zweiten  Weimarer  Periode  fallen;  wahrscheinlicher  Ist  es  aber,  dafi  sie  in 
die  Köttaener  Periode  Titllt.  Um  jene  Zeit  regierte  in  Bayreuth  der  pracht- 
liebende und  kunstsinnige  Markgraf  Georg  Friedrich  Carl  ans  der  frln- 
kischen  Linie  der  Markgrafen  von  Brandenburg.  Unter  diesem  FQnten 
nahm  Bayreuth  einen  gewaltigen  Aufschwung  und  erlebte  seinen  höchsten 
Glanz.  Das  Hofleben  unter  Georg  Friedrich  Carl  war  geistig  nicht  minder 
bedeutend,  als  es  sich  durch  äuSeren  Prunk  auszeichnete.  Der  Maitgrar 
hat  sieb,  wie  aus  dem  Nachlaß  zu  scblieDen,  eine  bedeutende  Gemilde- 
galerie  geschaffen,  in  der  er  auch  die  PortrXts  der  führenden  Geister 
seiner  Zeit  in  Kunst  und  Wissenschaft  vereint  halten  dürfte.  Speziell  den 
Maler  Ihle  scheint  er  bei  Durchführung  dieser  Aufgabe  viel  beschäftigt 
zu  haben,  da  sich  in  dem  Nachlaß  eine  ganze  Reihe  von  Ihle  gemalter 
Porträts  befunden  haben  soll. 

Es  entsteht  nun  die  Frage:  Wie  kam  Markgraf  Friedrich  zur  Be- 
kanntschaft mit  Sebastian  Bach,  und  wo  mag  das  Porträt  entstanden  sein? 
Um  diese  Frage  zu  beantworten,  kann  man  sich  nur  in  Vermutungen  er- 
gehen. Die  nächstliegende  Annahme  wäre,  daß  die  Bekanntschaft  in 
Karlsbad  vermittelt  wurde,  und  dafi  auch  dort  oder  später  in  Köthen  das 
Gemälde  entstanden  ist.  Durch  seinen  Herrn  und  Freund,  den  Fürsten 
Leopold,  lernte  Bach  bekanntlich  im  Sommer  1720  in  Karlsbad  den  Mark- 
grafen Christian  Ludwig  von  Brandenburg  kennen,  denselben,  dem  er 
später  seine  brandenburgiscben  Konzerte  widmete.  Möglich,  dsQ  hier  eis 
gleichzeitiges  ZusammenlreeTen  mit  dem  verwandten  brandenbuigischea 
Markgrafen  Georg  Friedrich  Carl  von  Bayreuth  stattgefunden  hat.  Karlsbad 
war  ja  von  jeher  ein  von  Fürstlichkeiten  sehr  frequentierter  Karort,  der 
auch  von  den  besseren  Malem  zur  Saison  gern  besucht  worden  sein  wird; 
hatten  diese  doch  hier  die  meiste  Aussicht,  neue  Auftraggeber  und  AnF- 
träge  zu  gewinnen.  Dies  vorausgesetzt,  ist  aber  ohne  weiteres  anzunetamea, 
dafi  Georg  Friedrich  Carl  auf  Bach  besonders  aufmerksam  geworden  Ist  und 
einen  tiefen  Eindruck  seiner  Bedeutung  gewonnen  hat.  Dieser  Elndrack 
kann  ihn  bestimmt  haben,  Bach  für  seine  Galerie  alsbald  malen  t 


219 

LANDMANN:  BACHPORTRÄTS 

mmmmmmmmmmamm0mmmmmmm 


alier  Sachen  gewesen  ist,  die  er  von  seinem  Vater  ererbt  hatte.  Man  muß 
daher  mehr  geneigt  sein,  zn  vermuten,  daß  Friedemann  das  Bildnis  der 
Thomasschule  direkt  verkaufte,  als  daß  es  ' —  wie  die  Tradition  be- 
richtet —  August  Eberhard  Mfiller,  der  von  1800—1800  Kantor  an  der 
Thomasschule  war,  von  den  Erben  Friedemanns  kaufte  und  bei  seiner 
Übersiedelung  nach  Weimar  im  Jahre  1800  der  Thomasschule  schenkte. 
Denn  dieses  Bild  muß  —  wie  Wustmann  bemerkt  —  schon  vor  1783 
in  der  Thomasschule  gehangen  haben,  da  die  oben  erwähnte  Episode 
zwischen  Kimberger  und  dem  Leinwandhändler  im  genannten  Jahre  be- 
richtet wird.  An  der  Wahrheitsliebe  eines  Mannes  wie  Zelter  ist  aber 
wohl  kaum  zu  zweifeln.  — 

Das  im  Bachmuseum  zu  Eisenach  befindliche  Porträt  No.  P)  stammt 
wahrscheinlich  aus  dem  markgräflichen  Schloß  zu  Bayreuth.  Es  wurde  der 
Neuen  Bachgesellschaft  gelegentlich  der  Einweihung  des  Museums  (1007) 
von  Herrn  Geheimrat  Dr.  O.  von  Hase-Leipzig  geschenkt.  Dieser  erwarb 
es  kurz  vorher  vom  Konservator  der  Bamberger  städtischen  Gemälde- 
galerie, Herrn  Max  Hartmann,  auf  dessen  Angaben  sich  die  nachfolgenden 
Mitteilungen  bezöglich  der  Herkunft  des  Gemäldes  stfitzen. 

Das  Ihlesche  Porträt  hat  zusammen  mit  mehreren  anderen  Ölbildern 
lange  Jahre  im  Hause  eines  Bayreuther  Bäckermeisters  gehangen,  der  mit 
seiner  Gattin  bereits  vor  Jahren  kinderlos  verstorben  ist.  Dieser  hatte  die 
Gemälde  von  seinem  Großvater  geerbt,  der  als  Gärtner  oder  Arbeiter  im 
alten  markgräflichen  Schloß  zu  Bayreuth  beschäftigt  gewesen  sein  soll.  Als  das 
markgräfliche  Schloß  nach  der  Vereinigung  Bayreuths  mit  Bayern  Anfangs 
des  neunzehnten  Jahrhunderts  zu  Regierungszwecken  eingerichtet  wurde, 
sollen  die  Bilder  zusammen  mit  vielen  andern  in  den  nicht  benutzten  Ge- 
mächern als  .wertlos"  herumgestanden  haben  und  von  da  nach  und  nach 
verschwunden  sein.  In  den  neunziger  Jahren  des  letzten  Jahrhunderts  erhielt 
Herr  Hartmann  gelegentlich  eines  Aufenthalts  in  Bayreuth  Kunde  vom  Vor- 
handensein der  Bilder,  die  er  sogleich  aufkaufte.  Die  Bilder  waren  größten- 
teils in  trauriger  Verfassung;  zu  den  besterhaltenen  gehörten  das  Bachbild, 
ein  Jugendbildnis  Friedrichs  des  Großen  und  ein  Porträt  G.  E.  Lessings. 

Das  Bachbild  war  als  solches  in  keiner  Weise  näher  bezeichnet, 
sondern  wurde  rein  äußerlich  als  solches  erkannt,  ebenso  wie  die  Bilder 
Friedrichs  des  Großen  und  Lessings. 

Zunächst  der  Maler.  Sein  Name:  J[ohann]  J[akob]  Ihle  stand 
auf  den  am  Rande  zerfetzten  Teilen  der  Leinwand  und  ist,  da  das  Bild 
neu  aufgezogen  werden  mußte,  jetzt  nicht  mehr  sichtbar.  Von  Johann 
Jakob  Ihles  Leben  ist  weiter  nichts  bekannt,  als  daß  er  sich  um  1725  in 


>)  Siehe  die  Kunttbcilagen  Portrit  No.  1. 


222 

DIE  MUSIK  VII.  16. 


«Pitt 


jetzigen  Besitzer  anbot  und  verkaufte.  Die  Spuren  der  Herkunft  des 
Bildes  wiesen  anfangs  nach  Norddeutschland;  zurzeit  ist  die  Herkunft 
des  Bildes  aus  Thüringen  festgestellt,  und  es  ist  nach  Angabe  des  Besitzers 
mit  Sicherheit  zu  erwarten,  daß  der  Nachweis  noch  erbracht  werden  kann, 
daß  dieses  Bildnis  das  aus  Kittls  Besitz  stammende,  ffir  verschollen  gehaltene 
»Erfurter*  ist.  • 

Alle  Umstände  sprechen  für  die  Identität  mit  Kittls  Bild.  Nach  den 
Mitteilungen  Hilgenfelds  soll  das  »Erfurter'  Bild  um  die  Mitte  der  vierziger 
Jahre  des  achtzehnten  Jahrhunderts  gemalt  worden  sein.  Um  diese  Zeit 
erreichte  Bach  die  Sechzig.  Das  Bild  No.  5  zeigt  zweifellos  einen  Mann  in 
den  sechziger  Jahren.  Alle  Charakteristika  stimmen:  die  kräftige  Nase  mit 
hängender  Spitze,  die  geschweiften  Augenbrauen,  das  vorspringende  faltige 
Kinn,  die  blauen  Augen  mit  den  blonden  Brauen,  das  fleischige  Gesicht 
mit  dem  derbgesunden,  etwas  rosigen  Teint.  Dem  höheren  Alter  ent- 
sprechend treten  alle  diese  Eigentümlichkeiten,  besonders  die  mancherlei 
Falten  des  fleischigen  Gesichts,  drastischer  hervor,  als  auf  den  früheren 
Bildern.  Ein  besonderer  Vorzug  des  Porträts  ist  der  stark  hervortretende 
Ausdruck  des  Geistigen  im  Blick  der  Augen.  Man  gewinnt  beim  An- 
schauen des  Bildes  unwillkürlich  den  Eindruck,  daß  es  sich  bei  dieser 
Darstellung  um  einen  bedeutenden  Menschen  handelt.  «Bleibt  mir  vom 
Leibe*  scheinen  diese  Mienen  auszudrücken. 

Das  Imponierende  des  Antlitzes  wird  durch  die  große  weiße  Perficke 
verstärkt.  Es  ist  offenbar  eine  Allongeperücke,  die  der  Träger,  obwohl  in 
seinen  Jahren  schon  aus  der  Mode,  aus  Sparsamkeit  oder  vielleicht  auch 
um  der  äußeren  Wirkung  willen  beibehalten  haben  mag.  Um  die  rechte 
Schulter  ist  ein  dunkelgrüner,  drapierter  Mantel  gelegt,  wohl  eine  Mode- 
beigabe des  Malers.  Es  scheint,  daß  dieser  sehr  dekorativ  wirkende  Mantel 
die  Veranlassung  für  Hilgenfeld  gewesen  ist  (die  Identität  des  Bildes  vor- 
ausgesetzt), mitzuteilen,  Bach  sei  auf  dem  Kittischen  Bild  «im  Staatskleid* 
dargestellt.  Die  eigentliche  Kleidung  ist  jedoch  nur  ein  rehbrauner  Rock 
mit  Weste  von  einfachem  Schnitt.  Irgend  eine  besondere  Bedeutung, 
etwa,  als  wenn  es  sich  um  Bachs  Amtstracht,  den  Kantorenmantel,  handelte, 
ist  dieser  faltigen  Umhüllung  jedoch  nicht  beizulegen;  dafür  macht  sie  zu 
sehr  den  Eindruck  einer  vom  Maler  frei  hinzugefügten  Draperie« 

Der  Autor  muß  ein  reifer  Künstler  gewesen  sein,  denn  das  Bild  ist 
mit  großem  technischen  Können  und  mit  offensichtlicher  Liebe  gemalt. 
Die  feinen  Farbenabtönungen  und  zarten  Obergänge  zwischen  den  vielen 
Falten  und  Fältchen  des  Gesichtes  sind  bewundernswert.  Das  Bild  zeigt 
keinerlei  Obermalung  und  ist  fraglos  ein  Original,  in  den  letzten  Lebens- 
jahren des  Meisters  gemalt.  Daß  es  eine  Kopie  des  «Erfurter*  Bildes 
sein  könnte,  ist   nicht  anzunehmen;  dagegen  würde  die  meisterhafte  Ur- 


221 
LANDMANN:  BACHPORTRÄTS 


Dies  sind  indessen,  wie  gesagt,  nur  Vermutungen  fiber  einen  mög- 
lieben Zusammenhang,  der  weiter  nichts  als  eine  gewisse  Wahrscheinlich- 
keit rSr  sich  hat. 

Das  Porträt  selbst  ist,  wie  die  beigegebene  Abbildung  zeigt,  ein 
prachtvolles  Stück.  Das  Bild  ist  in  ein  Oval  gemalt,  von  dem  durch  die 
Restaurierung  vier  Segmente  abgefallen  sind.  Die  jetzige  Größe  des  Bildes 
beträgt  63  X  78  cm ;  die  vorigen  Maße  waren  mindestens  67  X  85  cm. 

Das  Gesicht  war  vollständig  erhalten  und  hat  nur  auf  der  Stirn  eine 
geringffigige  Ausbesserung  erfahren.  Auf  dem  Rock  mußten  einige  Stellen 
nachgebessert  werden.  Die  Physiognomie  ist  ganz  Bachisch:  Zfige  voll 
männlicher  Kraft  und  Energie,  die  nicht  einer  gesunden,  etwas  derben 
Sinnlichkeit  entbehren.  Die  lebhaft  blickenden,  klaren  blauen  Augen  sind 
von  den,  in  der  ganzen  Bachschen  Familie  nachweisbar  nur  Johann 
Sebastian  eigentfimlichen,  ypsilonartig  geschwungenen  blonden  Brauen  Ober- 
schattet. Die  kräftige  Nase  hat  eine  verdickte,  etwas  hängende  Spitze. 
Die  charakteristische  scharfe  Einschnfirung  der  Nasenwurzel,  die  zusammen 
mit  den  inneren  Ausläufern  der  Augenbrauenbogen  einen  starken  Wulst 
bildet,  ist  unverkennbar.  Der  Mund  ist  leicht  geschlossen  und  schön  ge- 
formt, das  Kinn  springt  energisch  vor,  wie^  es  durch  die  markante,  nach 
den  Wangen  zu  verlaufende  Kinnfalte  (bei  Bach  wohl  eine  Begleiterscheinung 
des  etwas  kurzen  Halses)  deutlich  wird.  Die  Stirn  scheint,  wenn  man 
den  Konturen  der  Perficke  folgt,  nach  oben  hin  stark  zurückzuweichen. 
(Daß  dieses  Charakteristikum  des  Bachschen  Schädels  sogar  in  der 
en  face-Ansicht  deutlich  hervortritt,  stellt  dem  technischen  Können  des 
Malers  das  beste  Zeugnis  aus.)  Die  Gesichtsfarbe  ist  derb -gesund,  die 
Wangen  schwach  gerötet.  Der  Oberkörper  gibt  sich  in  ungezwungener, 
vornehmer  Haltung.  Der  nach  der  rechten  Schulter  gewendete  Kopf  ist 
leicht  zurfickgeneigt,  wodurch  der  energische  Blick  aus  den  schönen  Augen 
etwas  von  oben  herab  zu  kommen  scheint.  Die  Physiognomie  ist  jugendlich 
und  sympathischer  als  bei  den  Bildnissen  No.  3 — 5,  weil  der  auf  diesen 
besonders  hervortretende,  halb  sarkastische,  halb  reservierte  Zug  noch  fehlt. 

Der  Kopf  ist  mit  der  kleinen,  grauen  gepuderten  Perficke  bedeckt 
der  faltenreiche  Rock   ist  von  sattgrfiner  Farbe,   das  Rockfutter  und  die 
Einfassung  der  Kante  von  kräftigem  Hellrot.  — 

Das  im  Besitz  des  Herrn  Prof.  Dr.  Volbach-Tübingen  befindliche 
Bachbild  No.  5')  ist  als  solches  nur  durch  die  mufldliche  Oberlieferung 
beglaubigt.  Es  hat  sich  viele  Jahrzehnte  lang  in  einer  alten  Mainzer 
Musikantenfamilie  vererbt  und  ist  vor  etwa  5  Jahren  durch  Vermächtnis 
in  den  Besitz  eines  Mainzer  Antiquitätenhändlers  gekommen,  der  es  dem 


^)  Siehe  die  Kuostbeilagen  Porträt  No.  5. 


224 

DIE  MUSIK  VII.  16, 


an  der  Gnadenkirche,  den  Kantor  und  Musikdirektor  Tobias  Volkmar 
(f  1756),  einen  Vorfahren  des  jetzigen  Besitzers,  ist  das  Bachbild  In 
dessen  Familie  gekommen.  Es  liegt  nahe,  zu  vermuten,  daß  Reimann 
das  Bildnis  von  Leipzig  mitgebracht  hat.  Vielleicht  erhielt  er  es  von 
Bach  geschenkt,  vielleicht  hat  er  es  für  sich  oder  seinen  Kollegen  Volkmar 
oder  seinen  Vorgesetzten,  Pastor  Primarius  Johann  Neunherz  (1652— 1737), 
anfertigen  lassen.  Wem  von  diesen  dreien  das  Bildchen  zuerst  gehört  hat, 
ist  nicht  mehr  festzustellen.  Gewiß  ist  nur,  daß  Volkmar,  der  die  beiden 
anderen  überlebte,  es  weiter  vererbt  hat. 

Das  Bildchen  zeigt  Bach  Ende  der  dreißiger  oder  anfangs  der  vierziger 
Lebensjahre.  Sollte  es  nicht  nach  dem  Leben  gemalt  worden  sein,  so  ist 
es  doch  nach  einer  vollgültigen  Vorlage  angefertigt  worden;  dafür  sind  die 
deutlich  blauen  Augen  eine  sichere  Gewähr.  Die  Farbenabtönung  des 
Bildchens  ist  im  übrigen  so  zart,  daß  die  Farbe  der  Augenbrauen  von  der 
des  hellen  Teints  nicht  mehr  zu  unterscheiden  ist.  Die  Augenbrauen  und 
ihre  charakteristische  Linienführung  sind  allein  durch  die  feinen  Striche 
des  Zeichenstiftes  wiedergegeben,  würden  aber,  wenn  sie  von  dunkler 
Färbung  gewesen  wären,  sicher  durch  entsprechende  Aquarellierung  noch 
besonders  hervorgehoben  worden  sein.  Die  bei  den  Ölgemälden  bereits 
hervorgehobenen  Eigentümlichkeiten  der  Bachschen  Gesichtsbildung  finden 
sich  auch  in  dieser  Zeichnung  wieder.  Der  Gesamteindruck  wird  leider 
durch  die  unschön  hervortretenden  wulstigen  Lippen  und  die  matt  blickenden 
Augen  so  beeinträchtigt,  daß  der  geistige  Gehalt  der  Physiognomie  voll- 
ständig hinter  den  behäbig-phlegmatischen,  derb-sinnlichen  zurücktritt.  In 
Perücke  und  Kleidung  ähnelt  das  Bildchen  den  Ölgemälden.  Der  Name 
des  Autors  ist  unbekannt.  Die  rein  technischen  Qualitäten  der  Zeichnung 
und  Farbenabtönung  sind  hervorragend.  — 

Es  ist  bereits  bei  jedem  der  näher  beschriebenen  fünf  Bildnisse  er- 
wähnt, daß  Bach  mit  blauen  Augen,  blonden  Brauen  und  hellem  Teint 
dargestellt  erscheint.  Im  Vergleich  miteinander  zeigen  die  Farbennusncen 
kleine  Unterschiede.  Reines  Blau  der  Augen,  blonde  Brauen  und  hellen 
Teint  weisen  die  von  jeder  Obermalung  freien  Porträts  No.  1,  2  und  5  auf. 
Besonders  sorgfältig  hat  Ihle  das  Auge  behandelt.  Der  äußere  Irisring 
ist  von  reinem  Blau.  Von  der  inneren  Peripherie  des  Ringes  nach  der 
Pupille  zu  verlaufen  radiale  lichtgelbe  Strahlen.  Diese  feinen  lichtgelben 
Partieen  finden  sich  auch  auf  dem  Bildnis  No.  5.  Bei  dem  Aquarell  sind 
Farbenunterschiede  innerhalb  des  Auges  nicht  zu  erkennen,  in  Hinsicht 
auf  den  kleinen  Maßstab  des  Bildchens  aber  auch  nicht  mehr  darstellbnr. 
Auf  den  Bildern  No.  3  und  4  ist  dem  Blau  der  Augen  etwas  Gran  bei- 
gemischt, so  daß  hier  die  Augen  als  blaugrau  bis  graublau  anzusprechen 
sind.    Das  Blond  der  Brauen  ist  bei  No.  3  etwas  heller  als  bei  No.  4,  wo- 


225 
LANDMANN:  BACHPORTRÄTS 


M 


gegen  die  Farbe  des  Teints  auf  dem  Bildnis  No.  4  dunkler  ist,  als  auf 
sämtlichen  übrigen  Bildnissen.  Die  Ursache  dieser  Verschiedenheiten  kann 
nur  in  den  mehrmaligen  Übermalungen  der  Bildnisse  No.  3  und  4  gesucht 
und  gefunden  werden.  Die  Folge  davon  ist  für  No.  4  leider  noch  ein 
geradezu  schwammiges  Aussehen  des  Gesichts  gewesen.  — 

Wir  dürfen  somit  nach  obigen  Feststellungen  den  physischen  Typus 
Johann  Sebastian  Bachs  als  den  eines  Germanen,  und  den  Meister  als 
einen  klassischen  Repräsentanten  für  die  hervorragend  geniale  Begabung 
dieser  nordischei^  Rasse  ansehen.  Stimmt  doch  auch  sein  körperlicher 
Habitus  vollkommen  zu  den  Untersuchungen  der  neueren  Anthropologie 
über  den  physischen  Typus  der  Genies,  wonach  sich  mit  diesem  in  auf- 
fallender Weise  ein  etwas  untersetzter,  stämmiger  und  kräftiger  Körperbau 
verbindet.  Von  besonderem  anthropologischen  Interesse  ist,  daß  sich  die 
geniale  Begabung  in  Verbindung  mit  den  genannten  Rassemerkmalen  in  der 
Bachschen  Familie  durch  vier  Generationen  hindurch  feststellen  läßt.  So 
hatte  Sebastians  Vater  Ambrosius  nach  dem  einzigen  von  ihm  erhaltenen 
ölbilde  in  der  Königl.  Bibliothek  zu  Berlin^)  reinblaue  Augen,  hellblonde 
Augenbrauen  und  Schnurrbart,  brünettes  üppiges  Haupthaar  und  rosigen 
Teint.  Blaue  Augen,  helles  Haar  und  rosigen  Teint  hatten  aber  auch 
Sebastians  ältester  Sohn  Friedemann  und  sein  Enkel  und  letzter  männ- 
licher Nachkomme  Friedrich  Wilhelm  Ernst,  der  Sohn  Joh.  Christoph 
Friedrichs,  des  »Bückeburger*  Bach.  Hierüber  geben  das  in  der  Gemälde- 
Sammlung  der  Stadt  Halle  befindliche  herrliche  Porträt  Friedemann s^ 
unbekannter  Autorschaft  und  das  der  Singakademie  zu  Berlin  gehörende, 
angeblich  von  Eduard  Magnus  gemalte  Porträt  Fried r.  Wilh.  Ernst s') 
deutlichen  Aufschluß. 

Dieses  kraftvolle  Sichdurchsetzen  der  germanischen  Rasseneigentüm- 
lichkeiten im  Bachschen  Geschlecht  läßt  aber  mit  Sicherheit  darauf 
schließen,  daß  der  Stammvater  Veit  Bach,  bis  auf  den  der  Stammbaum 
zurückgeht,  obwohl  er  von  Ungarn  in  Deutschland  eingewandert  ist,  nicht 
ein  Ungar  war,  wie  vielfach  behauptet  wird,  sondern  vielmehr  schon  ein 
Kind  der  nordischen  Erde  gewesen  ist.  Möglich  ist  allerdings,  daß  Veit 
Bach  in  Ungarn  ein  Mädchen  fremder  Nationalität,  vielleicht  eine  Ungarin, 
zur  Frau  genommen  hat  Die  der  Familie  eigentümliche,  durch  viele 
Generationen  vorhaltende  geniale  Begabung,  die  in  Seitenlinien  bekanntlich 
auch  eine  große  Anzahl  bedeutender  Maler  hervorgebracht  hat,  würde 
dadurch  wenigstens  teilweise  als  eine  Wirkung  der  Nationenmischung  erklärt. 


1)  Vgl.  die  Wiedergabe  in  Heft  2,  Jahrgang  5  der  »Musik«. 
*)  *)  Diese  Portrits  werden  einem  der  nichsten  Hefte  der  »Musik«  beigegeben 
rerden.    Red. 

VU.  16.  15 


M 


226 
DIE  MUSIK  Vll.  16. 


die  von  modernen  Anthropologen  als  ein  die  geniale  Beanlagung  bildendes 
und  förderndes  Moment  angesehen  wird.  — 

Von  Bildnissen  der  Söhne  Joh.  Seb.  Bachs  sind  uns  ferner  noch  er^ 
halten  je  eines  Philipp  Emanuels  und  Joh.  Christians.  Das  Bildnis  Emanaels 
ist  ein  von  seinem  Verwandten  Gottlieb  Friedrich  Bach  nach  dem  Leben 
gemaltes  Pastellporträt ^)y  das  Philipp  Emanuel  selber  als  gut  getroffen 
bezeichnet.  Nach  diesem  Gemälde  hat  er  hellen  Teint,  braune  Augen 
und  dunkle  Haare  gehabt,  deren  Farbe  aus  dem  Pastell  leider  nicht  zu  be* 
stimmen  ist.  Ganz  »aus  der  Art  geschlagen"  scheint  Joh.  Christian  zu 
sein.  Von  ihm  besitzt  die  Königliche  Bibliothek  in  Berlin  ein  im  Jahre 
1774  (im  30.  Lebensjahre  Christians)  von  Matthieu  gemaltes  Ölbild*),  das 
aus  Forkels  Sammlung  stammt.  Von  Christians  Gesicht  erscheint  nur  die 
untere  Partie,  Mund  und  Kinn,  noch  Bachisch.  Die  Augen  sind  dunkel» 
braun,  die  Brauen  schwarz,  der  Teint  fast  braun.  Übrigens  ist  dieses 
Porträt  nur  eine  schwache  künstlerische  Leistung.  — 

Mit  den  angeführten  Porträts  ist  die  Zahl  der  farbigen  DarstelUingen 
Joh.  Seb.  Bachs  nicht  erschöpft.  Es  gibt  deren  noch  eine  Anzahl,  die  aber 
so  minderwertig  sind,  daß  es  nicht  angebracht  ist,  ernsthaft  davon  Notiz 
zu  nehmen.  Erwähnt  mag  noch  eine  auf  Kupfer  gemalte  Miniatur  sein» 
die  im  Wege  des  Erbganges  auf  Frau  Julie  Hörn  zu  Meiningen,  eine  ent- 
fernte Verwandte  des  auf  Sebastians  Onkel  Johann  Christoph  zurückgehenden 
Zweiges  der  Bachschen  Familie,  gekommen  ist  Ein  Blick  auf  das  Bild 
zeigt,  daß  es  keinen  Bach  darstellt.  Vielmehr  handelt  es  sich  wahr* 
scheinlich  um  ein  Bildnis  von  Bachs  Patron,  Herzog  Wilhelm  Ernst  von 
Weimar^),  ein  Umstand,  der  deutlich  zeigt,  ein  wie  geringes  Gewicht 
gelegentlich  auf  Familientradition  zu  legen  ist. 

Wohin  sich  aber  die  Ähnlichkeit  selbst  unter  Benutzung  einer  authen* 
tischen  Vorlage  verirren  kann,  das  mag  aus  der  modernen  Komposition  von 
Rümpft),  die  Bach  im  30.  Lebensjahr  darstellen  soll,  entnommen  werden. 

Die  Weichlichkeit  dieser  Darstellung  wird  jedoch  fast  noch  über-- 
troffen  durch  das  in  der  Erfurter  städtischen  Sammlung  befindliche  an- 
gebliche Bachbild,  das  in  Heft  6  des  7.  Jahrganges  der  .Musik*  ver- 
öffentlicht  worden  ist.  Trüge  dieses  Bildnis  nicht  auf  seiner  Rückseite 
die  mitgeteilte  Aufschrift,  so  würde  gewiß  weder  Kenner  noch  Laie  tut 
den  Gedanken  kommen,  das  Bildnis  könne  Seb.  Bach  vorstellen.  Dies  be- 
stätigen wenigstens  die  von  mir  angestellten  praktischen  Versuche«  Der 
rückseitigen  Aufschrift,  selbst  wenn  sie  alt  zu  sein  scheint,  kann  m.  E» 
eine  Beweiskraft  nicht   beigemessen   werden.     Einmal  ist  der  Autor  der 


^)  *)  ')  ^gi*  das  auf  S.  225  Fußnote  >)  ')  Gesagte.    Red.     *)  Siehe  die  Kunst* 
beilagen  Porträt  Nr.  6. 


227 
LANDMANN:  BACHPORTRÄTS 


Aufschrift  unbekannt  und  deren  Alter  nicht  festgestellt.  Sodann  ist  es 
etwas  Ungewöhnliches,  den  Namen  der  dargestellten  Person  auf  dem 
Bilde  selbst  anzugeben.  Sowohl  der  Maler,  als  auch  der  Besteller  des 
Bildes  weiß,  wen  das  Bildnis  vorstellen  soll,  und  für  diese  beiden  wenig- 
stens liegt  keine  Veranlassung  vor,  den  Namen  des  Dargestellten  besonders 
auf  dem  Bilde  zu  vermerken.  Hat  aber  ein  Besitzwechsel  stattgefunden, 
und  ist  etwa  bei  einem  solchen  (man  könnte  an  eine  Nachlaßversteigerung 
denken)  die  nähere  Bezeichnung  vorgenommen  worden,  so  liegt  die  Gefahr 
eines  Irrtums  in  der  Bildbezeichnung,  wenn  nicht  einer  Mystifikation,  sehr 
nahe.  An  einen  Irrtum,  wenn  nicht  an  eine  absichtliche  Verwechslung, 
möchte  man  aber  glauben,  wenn  man  jenes  Porträt  für  eines  Joh.  Seb. 
Bachs  halten  soll.  Daß  alle  Charakteristika  der  Bachschen  Gesichts- 
bildung sowie  deren  physiognomische  Eigentümlichkeiten  in  diesem  Bildnis 
fehlen,  hat  der  geschätzte  Herr  Autor  in  den  dem  Bildnis  beigegebenen 
Erläuterungen  schon  bemerkt.  Ich  erwähne  nebenbei,  daß  dieses  Antlitz 
kastanienbraune  Augen  und  fast  schwarze  Augenbrauen  aufweist.  Da  das 
Porträt  an  und  für  sich  von  sympathischer  Wirkung  ist  und,  als  Malerei 
genommen,  auf  einen  tüchtigen  Autor  schließen  läßt,  so  ist  um  so  weniger 
anzunehmen,  daß  dieser  —  hätte  er  Bach  malen  wollen  —  sich  von  der 
Wirklichkeit  bis  zur  Unkenntlichkeit  verirrt  hätte. 

Wie  sehr  sich  aber  der  Ausdruck  eines  ziemlich  wohlerhaltenen  Por- 
träts verändern  kann,  wenn  man  es  gänzlich  neu  aufmacht,  dafür  bilden 
die   beiden    Erfurter  Blätter   ein   warnendes  Beispiel. 

Die  Bachforschung  dürfte  für  dieses  Bildnis  als  Bachbildnis  beim 
besten  Willen  keine  günstigeren  Feststellungen  erzielen. 

Dem  verehrten  Herrn  Autor  jener  Veröffentlichung  möge  freundlichst 
empfohlen  sein,  seinerseits  einmal  eine  eingehende  Untersuchung  über  den 
Ursprung  des  in  der  Erfurter  Galerie  befindlichen  Ölporträts  des  »Er- 
furter KaufP-  und  Handelsherrn  Krannich"  anzustellen.  Dieses  Porträt 
trägt  auf  seiner  Rückseite  eine  Aufschrift,  die  in  ihrer  Art  derjenigen  auf 
dem  angeblichen  Bachbild  sehr  ähnelt.  Ist  doch  auch  der  diesem  Porträt 
als  Draperie  beigegebene  Mantel  mit  Futter  in  Form  und  Farbe  demjenigen 
des  angeblichen  Bachbildes  täuschend  ähnlich,  so  daß  man  stark  versucht  sein 
kann,  anzunehmen,  daß  beide  Bilder  von  demselben  Künstler  gemalt  worden 
sind.  Die  alten  Erfurter  Zivilstandsregister  dürften  über  den  Kaufherrn 
Krannich  genau  Auskunft  geben  und  dadurch  vielleicht  auch  zu  einer  auf- 
klärenden Feststellung  hinsichtlich  des  angeblichen  Bachbildnisses  führen. 

Den  Schluß  der  Betrachtungen  zu  Joh.  Seb.  Bachs  Porträts  mögen 
einige  Bemerkungen  über  eine  im  vorigen  Sommer  aufgetauchte  Gyps- 
M  a  s  k  e  ^)  Seb.  Bachs  bilden. 

1)  Siehe  die  KunstbeiltgeQ  Abbildungen  Nr.  7  und  8. 


228 

DIE  MUSIK  VII.  16. 


Die  zufällige  Bekanntschaft  mit  dieser  Maske  verdanke  ich  dem 
Bibliothekar  der  Karl  Alexander-Bibliothek  zu  Eisenach,  Herrn  Prof.  Dr. 
Oesterheld.  Dieser,  seit  Anfang  der  siebenziger  Jahre  des  vorigen 
Jahrhunderts  am  Eisenacher  Gymnasium,  hat  die  Maske  auf  einem  Speicher- 
raum desselben  gefunden  und  vor  dem  Verkommen  bewahrt  In  den 
Jahren  vor  1870  hat  dieser  Raum  als  Zeichensaal  der  groBherzogfUchen 
Zeichenschule  gedient.  Man  kann  daher  annehmen,  daß  die  Maske  einmal 
ein  Modell  für  die  zeichnerischen  Versuche  der  Schfiler  gewesen  ist 
Über  den  Ursprung  der  Maske  hat  sich  leider  nichts  mehr  feststellen 
lassen,  da  sie  in  den  alten  Inventarienverzeichnissen  des  Gymnasiums  und 
der  groOherzoglichen  Zeichenschule  nicht  geführt  worden  ist 

Im  Vergleich  mit  den  Porträts  dfirfte  diese  Maske  Bach  in  den  5Öer 
Lebensjahren,  also  in  der  Zeit  zwischen  den  Bildnissen  No.  4  und  5 
darstellen.  Ein  Vergleich  mit  der  ältesten  bekannten  Bachskalptur,  der 
Knauerschen  Bfiste  in  dem  von  Felix  Mendelssohn  gestifteten  alten  Leip- 
ziger Bachdenkmal,  ergiebt^),  daß  beide  Wiedergaben  von  einander  tin- 
abhängig  sind,  eine  Feststellung,  die  in  Hinsicht  auf  die  größere  Ähn- 
lichkeit mit  den  Bildnissen  No.  4  und  5  sehr  zugunsten  der  Maske 
spricht. 

Die  Maske  ist  in  einer  Vorder-  und  Seitenansicht  hier  beigegeben. 
Aus  ersterer  ist  das  fleischige  Gesicht,  die  engen  Lidspalten  der  Aogen 
und  der  charakteristische  Verlauf  der  Augenbrauen  besonders  deutlich 
zu  erkennen.  Die  Profilansicht  gibt  die  kräftige  Nase,  die  zurfickweichende 
Stirn  und  den  leise  vortretenden  Unterkiefer  mit  der  markanten  Kinnfialte 
treffend  wieder. 

Wir  müssen  diese  Maske  als  eine  selbständige,  von  bekannten  Vor- 
lagen unabhängige  Arbeit  ansehen,  die  geeignet  ist,  neuen  Bachskulpturen 
neben  der  vortrefflichen  SefFnerschen  Büste  ^^  als  eine  solide  Etasis  zu 
dienen.  Das  Original  dieser  Maske  befindet  sich  in  der  Karl  Alexander- 
Bibliothek,  ein  Abguß  im  Bach-Museum  zu  Eisenach. 


')  >)  Vgl.  .Die  Musik«,  5.  Jahrgang,  1.  Heft. 

')  Dank  dem  Entgegenkommen  des  Herrn  Professors  Karl  Seffner  sind  wir 
in  der  Lage,  das  am  17.  Mai  in  Leipzig  zu  enthüllende  Bach-Denkmal  nnseni 
Lesern  gleichfalls  im  Bilde  vorzufuhren.  Das  eine  Blatt  stellt  den  ersten,  aas  dem 
Jahre  1896  stammenden,  Entwurf  zu  einem  Grabdenkmal  für  die  JohannisUrehe  dar. 
Später  kam  man  von  der  Errichtung  eines  Grabmonuments  überhaupt  ab  tmd  entscUoft 
sich  für  ein  freistehendes  Denkmal  an  der  Thomaskirche.  Den  letzten,  endgültigen 
Entwurf  für  die  Südfront  der  Thomaskirche  (Thomaskirchhof)  zeigt  das  andere  Blatt. 
Wir  möchten  nicht  verfehlen,  Herrn  Professor  Seifner  für  die  liebenswürdige  Ober» 
lassung  der  Vorlagen  auch  an  dieser  Stelle  unsem  yerbindllchaten  Dank  auaziispreehen» 

Red. 


rHR  NUTZEN  UND  ZWECK 
von    Hermann    Wetzel- Potsdam 


lerlin    b«t   vier   neue  KoazertsUe   bekommen.     Es   besitzt  nnn 

deren  acbt  bis  zehn.    Bald  werden  sie  alle  Abende  besetzt  sein. 

I  Wird  das  so  weilergeben?     Soll  es  so  veiter|;ehen,  und  ist 

I  es  überhaupt  erfreulich,  daß  die  Entwlckelung  bis  dabin  ging, 

wo  sie  heute  steht? 

Mir  scheint,  unser  Koazertwesen  erßhrl  nicht  die  Beurteilung,  zn 
der  es  aus  künstlerischen  wie  sozialen  Gründen  ernstlich  Anlaß  gibt.  Es 
wird  zumeist  nur  in  seinen  Einzelerscheinungen  besprochen.  Dieses  und 
jenes  Konzert  wird  gelobt  oder  geudelt,  der  Kritiker,  den  des  5de  Einerlei 
der  ihm  durch  seinen  Beruf  aufgezwungenen  Kunstgenüsse  verdrießlich 
macht,  klagt  wohl  im  allgemeinen  über  die  geringe  künstlerische  Ausbeute, 
die  der  Betrieb  eines  Konzertwinters  bringt,  aber  eine  Würdigung  dieses 
Unwesens,  seine  tiefen  moralischen  und  kunstmonliscben  Schäden  ließ 
man  bis  heute  unaufgedeckt.  Es  ist  aber  endlich  an  der  Zeit,  auf  sie 
hinzuweisen.  Ein  erfreuliches  Bestreben  ist  erwacht,  sieb  der  Armen  und 
Elenden  anter  den  Musikern  anzunehmen,  die  in  Vahrheit  Kunstsklaven 
zn  nennen  sind,  Sklaven  eines  Kapitalismus,  der  die  Kunst  zum  Speku* 
lationsobjekte  erbebt.  Man  zeigt  die  Kehrseite  einer  Medaille,  die  vielen 
Unternehmungen  umgebingt  wird,  die  zuerst  dem  auf  der  Rückseite  dar- 
gestellten GStzen  dienen.  So  haben  wir  erfahren,  wie  schlecht  es  den 
Orchestermusikem  und  Choristen  geht.  Die  geistige  Misere  der  Konzert- 
spieler  besprach  noch  niemand. 

leb  will  hier  nun  keine  statistischen  Nachweise  darüber  beibringen, 
wie  viele  der  jungen  Damen  und  Herren  infolge  von  Schulden  beim 
Agenten  und  bei  der  Schneiderin  in  arge  Mifihelligkeiten  gerieten.  Das  ist 
nicht  so  wichtig.  Die  meisten  von  denen,  die  sich  Konzertspleler  nennen, 
gehören  den  wohlhabenden  Kreisen  an  und  sind  imstande,  bei  Skonomlscher 
Sorgfalt  ihrerseits  ein  sorgenfreies,  wenn  auch  bescheidenes  Dasein  zu 
führen.  Wichtiger  scheint  mir  die  Tatsache,  daß  viele,  ja  die  meisten 
unserer  Konzertleule  mehr  oder  weniger  schwer  Schaden  an  ihrem  künst- 
lerischen Gewissen  nehmen.  Die  verderbliche  erzieherische  Wirkung  der 
Laufbahn  des  Erwerbskonzertspielers  milchte  ich  hier  beleuchten.    Vor  allem 


230 
DIE  MUSIK  Vil.  16. 


MS 


den  verderblichen  Einfluß  auf  die  Mehrzahl  der  Durchschnittstalente.  Ich 
betone  besonders,  daß  ich  meine  Ausfuhrungen  nur  auf  die  Solistenkonzerte 
und  ihre  Veranstalter,  unsere  Pianisten,  Geiger  und  Sänger,  männlichen  und 
weiblichen  Geschlechts,  beziehe.  Auch  den  Wert  nur  dieser  Konzerte  stelle 
ich  in  Frage.  Anders  steht  es  mit  den  Orchester-  und  Chordarbietnngen, 
ohne  die  die  größten  Werke  unserer  Meister  ffir  uns  alle  tot  blieben. 

Der  Wert  eines  jeden  künstlerischen  Unternehmens  steht  und  fUlt 
damit,  ob  es  für  die  Erziehung  zur  Kunst  von  Bedeutung  ist  oder  nicht. 
Frage  man  sich,  welchen  Umständen  es  zu  verdanken  ist,  daß  die  Werke 
unserer  besten  Meister  durchgedrungen  sind.  Wodurch  sind  sie  in  erster 
Linie  in  jedes  gut  musikalische  Haus  gelangt,  durch  Konzertaufführongen 
oder  durch  private  intime  Vermittelung  von  Freund  zu  Freund,  von  Lehrer 
zu  Schüler?  Die  Fülle  der  Arbeitskräfte  allein,  die  hier  am  Werke  sind, 
erdrückt  die  Zahl  der  Konzertspieler.  Und  wie  manche  .erste  Kraft*  hat 
jahrzehntelang  segenbringend  in  der  Stille  gewirkt,  ohne  daß  man  in  den 
Zeitungen  davon  las. 

Wohl  vermag  ein  ernster  und  geistig  bedeutender  Spieler  frachtbare 
Anregungen  zu  geben,  aber  auch  nicht  mehr  als  solche.  Wer  den  Anstoß, 
den  eins  der  ganz  seltenen  guten  Konzerte  bot,  nicht  in  eigener  ergänzender 
Arbeit  verstärkte,  wird  keinen  bleibenden  Gewinn  davon  haben.  Der  wich- 
tigere Teil  der  Erziehung  zur  musikalischen  Bildung  wird  außerhalb  der 
Konzertsäle  vollzogen. 

Konzerte  sind  wie  Volksversammlungen,  nicht  nur  allein  ihrem  äußeren 
Verlaufe  nach.  Alles  geht  aufs  Äußere.  Es  gilt,  die  Masse  zu  erwärmen 
und  zu  erregen.  Womit  aber  gewinnt  man  Menschenmassen?  Das  erreicht 
man  nur,  wenn  man  in  Gemeinplätzen  redet,  und  diesen  den  Hauch  des 
Besonderen  zu  verleihen  versteht.  Mit  Gedanken,  die  der  Menge  firemd 
sind,  bringt  man  sich  um  den  Erfolg.  Nur  was  schon  Allgemeingut  ist, 
darf  man  bringen,  und  auch  nur  dann  wirkt  es,  wenn  es  den  notwendigen 
Aufputz  erhielt.  Es  ist  gut,  wenn  man  sich  nüchterner  Überlegungen  ent« 
schlägt,  wenn  man  sich  in  eine  Begeisterung  hineinredet,  in  der  man  sich 
von  vomhinein  des  Erfolges  sicher  glaubt.  Wann  geht  es  in  einer  Volks- 
versammlung tief  zu?  Die  Tagesphrase  ist  stets  das  geeignetste  Mittel, 
Massenbegeisterung  zu  entfachen.  Wann  geht  es  in  einem  Konzerte  tief 
zu?  Glückliche  Gemüter,  die  «Stunden  der  Erbauung"  in  den  kalten  oder 
protzenhaften,  stuckbeladenen  Wänden  erlebten!  Es  müssen  ähnliche  Natnren 
sein,  denen  eine  Folge  von  aus  der  Kinderzeit  wohlvertrauten  Bibel- 
sprüchen Ewigkeitsgefühle  auslöst.  Das  Gefühl  der  meisten  Menschen  ist 
leider  eben  dressiert,  wie  ihr  Denken.  Sie  geraten,  im  Banne  einer 
Massensuggestion,  vorschriftsmäßig  beim  patriotischen  Hurra  in  Begeisterung. 
Sie   sind   zufrieden    mit  den    gebräuchlichen  Ableitungen    ihrer  heiligsten 


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WETZEL:  SOLISTEN  KONZERTE 


Guter  und  sprechen  sie  nach.  Diese  unsere  Mitmenschen  (es  ist  die 
Mehrzahl)  finden  es  auch  entzfickend,  wenn  der  berfihmte  X  ein  noch 
berfihmteres  Werk  herunterspielt,  so  daß  die  Anspruchsvollen  sich  fort- 
wenden. Ich  wollte  sagen:  nirgends  ist  die  Massensuggestion  stärker  und 
reiner  zu  beachten  als  in  den  öffentlichen  politischen  und  Kunstversamm- 
lungen.  Also  den  kunsterzieherischen  Wert  unserer  Solistenkonzerte  kann 
ich  allgemein  nur  gering  veranschlagen. 

Höchstens  leisten  sie  etwas  ffir  die  elementarste  Einführung,  aus  der 
die  Mehrzahl  der  Besucher  noch  nicht  so  viel  mitnimmt,  als  man  auf 
einem  ersten  Gange  durch  eine  Gemäldegallerie  erwirbt.  Denn  Bilder 
sind  weit  leichter  zu  genießen  als  Tonwerke.  Hierin  aber  werden  sich  die 
tiefer  Blickenden  einig  sein:  einer  weihevollen  Stunde  im  Konzertsaal 
stehen  viele  daheim  am  Klavier  oder  fiber  dem  Notenbuche  gegenfiber, 
und. 80  schön,  wie  uns  Beethoven  in  unserem  Innern  oft  erklang,  haben 
wir  ihn  noch  nie  gehört.  Also  man  fiberschätze  die  erzieherische  Bedeutung 
der  Konzerte  nicht.  Man  bedenke,  daß  selbst  eine  Leistung,  die  uns 
erregte,  noch  nicht  viel  an  bleibenden  Werten  gab,  wenn  nicht  eine  wahre 
Erwerbstätigkeit  vorging  oder  nachfolgt.  Ernste  kfinstlerische  Probleme 
werden  im  Konzertsaal  nicht  gelöst,  so  wenig,  wie  tiefe  sittliche  und  soziale 
Fragen  in  der  Volksversammlung  ihre  Antwort  finden  können.  Immerhin, 
wenn  einer  der  wirklich  bedeutenden  Interpreten  zu  uns  spricht,  so  bietet 
ein  Konzert  doch  einen  Genuß  höherer  Art,  ja  selbst  wenn  ein  reiner 
Virtuose,  der  nicht  mehr  hat  als  seine  staunenswerte  Technik  und  etwas 
gesundes  Musikantenblut,  uns  seine  Kunststficke  vormacht,  so  ist  das  noch 
nicht  die  schlechteste  Unterhaltung. 

Aber  was  gibt  uns  das  Heer  der  Spieler  von  gestern  und  heute, 
deren  Name  uns  so  rasch  entschwindet,  wie  das,  was  sie  leisteten?  Doch 
wir  wollen  ja  nicht  fragen,  was  sie  uns  geben,  denn  darauf  ist  eben  nicht 
viel  zu  antworten.  Fragen  wir  dagegen,  was  sie  sich  selber  geben,  welchen 
Segen  ihnen  ein  Streben  bringt,  das  von  einem  Durchschnittstalente  Taten 
erzwingen  will,  wie  sie   nur  dem  von    der  Natur  Bevorzugten    anstehen? 

Die  Mehrzahl  unserer  jungen  Musiker,  Durchschnittstalente  mit  Gaben, 
wie  sie  Hunderte  in  anderen  Berufen  tätige  Musikfreunde  ebenfalls  haben, 
gewinnen  durch  die  Konzertdressur  gar  nichts,  verlieren  aber  viel  von  dem, 
was  sie  an  natfirlichen  Anlagen  hatten.  Die  allgemeine  Oberspannung  der 
Kräfte,  die  heute  fast  alle  Jfinger  unserer  Kunst  sich  zumuten,  zeitigte 
verderbliche  Folgen,  die  keinem  aufmerksamen  Kritiker  unserer  Dutzend- 
konzerte entgehen  können. 

Das  Hauptfibel,  das  weder  Groß  noch  Klein  verschont,  ist:  der 
Konzertspieler  von  Beruf  verliert  die  Unbefangenheit,  die  Naivität  des 
Schaffens.     Er  spielt  nicht  mehr  ffir  sich,  sondern  für  andere.     Er  spielt 


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DIE  MUSIK  VII.  16. 


nicht  mehr  so,  wie  es  ihm  geflUt,  sondern  wie  es  seiner  Berechnung  nach 
Effekt  machen  muß.  Er  spielt  beliebten  und  beklatschten  GrBOen  nach. 
So  wie  der  jene  Stelle  .genommen'  hat,  wird  er  sie  das  nichate  Mal 
auch  bringen.  Allgemeiner:  wessen  kfinstlerische  Überzeugun^mifl  fBr 
einen  engen  Kreis  gleich  gestimmter  Menschen  gerade  ausreichte,  der  soll  jetzt 
Hunderte  fremder,  gleichgültiger  Menschen  in  den  Bann  schlagen.  Da  es  ihm 
hierzu  an  persönlicher  Eigenart  fehlt,  so  muß  diese  durch  angelernte  Allflren, 
ausstudierte  Posen  ersetzt  werden.  Wie  mancher  bescheidenere  Spieler 
könnte  bei  gewissenhafter  Pflege  seiner  Eigenart  zu  einem,  wenn  auch  nicht 
starken,  so  doch  reizvollen  spontanen  Ausdrucksvermögen  kommen,  wenn 
ihn  nicht  das  Bewußtsein:  damit  ist  in  unseren  Konzertsilen  kein  Ein- 
druck zu  machen,  auf  Abwege  von  seiner  Natur  weg  zur  Nachahmung 
brächte. 

Vor  allem  aber  heißt  es:  Technik  bis  zum  Selbstzweck.  Kann  .man 
ein  Rondo  von  Beethoven  oder  Schubert  (Mozart  und  Haydn  spielt  man 
schon  kaum  mehr)  nicht  in  seiner  Grazie,  seinem  entzfickenden  rhjrthmischen 
Kleinleben  und  seiner  lebensfreudigen  behaglichen  Stimmung  wiedererstehen 
lassen,  so  hetzt  man  es  eben  in  einem  Tempo  herunter,  daß  dem  ZuhOrer  der 
Verstand  stille  stehen  bleibt.  Selbst  dem  genauen  Kenner  ist  es,  bei  der 
Art,  in  der  unsere  Virtuosen  solche  Stücke  nehmen,  unmöglich,  von  der 
liebevollen  Feinarbeit,  die  die  Meister  daran  wandten,  etwas  zu  vernehmen. 
Selbst  die  schlichte  Passage  hat  bei  ihnen  klare  motivische  Gliedernngi 
die  bei  unseren  Spielern  völlig  in  einem  stereotypen  Glissandocharakter 
untergeht. 

Fast  alle  Schauspieler  sprechen  zu  schnell  oder  zu  langsam.  Das 
erste  nennen  sie  leidenschaftlichen,  das  andere  pathetischen  Ausdruck; 
ein  unnatürlicher  Stimmklang  ist  ihnen  aber  zur  zweiten  Natur  geworden« 
Den  Schauspielern  gleichen  unsere  Virtuosen  sehr.  Die  Unfihigkeit,  rich- 
tige Tempi  zu  nehmen,  ist  offenkundig  bei  ihnen,  und  sie  beruht  weniger 
auf  einem  absoluten  Mangel  an  richtigem  Empflnden,  als  auf  einer  Irri- 
tierung desselben,  auf  dem  Verluste  der  Unbefangenheit.  Ihr  Pathos  ist 
falsch  und  künstlich  angefacht,  vor  allem  fehlen  ihnen  natürliche  Anmut 
und  feiner  Humor.  Die  Wut  über  den  verlorenen  Groschen  (eine  geist- 
reiche Caprice)  toben  sie  aus  wie  eine  Wut  über  eine  verlorene  Millionen- 
erbschaft. Sie  vergessen,  daß  es  sich  nur  um  einen  Groschen  handelt  und 
daß  das  Ganze  nur  ein  Scherz  ist.  Wie  lächerlich,  wenn  man  die  Herren 
(hier  muß  ich  unsere  Besten  mit  einbeziehen)  im  Schweiße  ihres  Angesichts 
dieses  feine,  humorvolle  Rondo  herunterhämmem  hört,  mit  einem  Kraft* 
verbrauche,  wie  er  für  ein  Lisztsches  Konzert  nicht  größer  nOtig  wlre. 
Dergleichen,  jedes  schlichte  Gefühl  verletzende  Erscheinungen  sind  Polgen 
der  Vergröberungstendenz,  wie   sie   untrennbar  mit  dem  Beatrebon  ver* 


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WETZEL:  SOLISTENKONZERTE 


bunden  ist,  uraprfinglich  auf  feine  Wirkungen  hin  gesetzte  Werke  (die 
fiberwiegende  Mehrzahl  der  klassischen  Klavierwerke)  zu  Effektstucken  fSr 
Massenwirkung  umzumodeln.  ^ 

Ich  sagte  es  bereits,  am  glücklichsten  nehmen  sich  noch  die  rein 
virtuosen  Vertreter  ihres  Instrumentes  aus.  Ihre  Technik  ist  wirklich 
hSrenswert,  und  solange  sich  solche  Spieler  auf  Werke  beschränken,  die 
innerhalb  ihres  Anschauungskreises  liegen,  kann  man  ungetrübte  Freude 
haben.  Aber  der  Anstand  erfordert  es,  daß  man  auch  Beethoven  op.  10& 
bis  111  und  eine  Bachsche  Orgelfuge  spielt,  und  dann  fingt  das  Elend  an. 

Nur  ganz  wenige  haben  überhaupt  das  Zeug  dazu,  solche  Werke  zu 
spielen.  Gott  sei  Dank  haben  wir  einige.  Die  aber  müssen  noch  sehr  viel 
anderes  spielen,  und  darunter  manches,  was  sie  lieber  nicht  spielten,  und  sie 
müssen  Reisen  machen,  ärger  als  der  gehetzteste  Geschäftsreisende,  und 
müssen  ein  Leben  führen,  das  in  einer  ganz  anderen  Atmosphäre  spielt,  als  in 
der  man  erhabene  Gefühle  anzutreffen  pflegt.  Da  geht  die  rechte  Weihe  nur 
zu  leicht  verloren,  und  oft  gerade  dann,  wenn  sie  dringend  nötig  wäre,, 
um  dem  Meister  nahezukommen. 

Bekommt  schon  den  Besten  und  Begabtesten  die  Luft  im  Konzert- 
saale nicht,  geht  selbst  diesen  Bevorzugten  ein  Teil  ihrer  Ausdrucksfrische 
verloren,  so  kann  man  sich  die  zahllosen  farblosen,  ja  verzerrten  Wieder- 
gaben von  Seiten  derer,  die  weder  Virtuosen  noch  Vortragstalente  sind,  er- 
klären. Und  es  ist  eben  gerade  das  Gros  unserer  Spieler,  bei  dem  sieb 
die  verderblichen  Folgen  der  Konzertspielerei  am  krassesten  zeigen. 

Ich  fragte  mich  lange,  warum  spielen  diese  Leute  eigentlich?  Geld 
verdienen  sie  keins.  Im  Gegenteil,  sie  setzen  Hunderte  und  Tausende  zu. 
Anerkennung  finden  sie  auch  nicht  recht.  Im  Saale  nur  die  konventionelle 
Gewohnheitsklatscherei.  In  den  Zeitungen  günstigstenfalls  Besprechungen,, 
die  nicht  loben  noch  tadeln,  die  zumeist  noch  rein  menschlichen  Er- 
wägungen ihre  Fassung  verdanken  oder  —  persönlichen  Beziehungen.. 
Wozu  also  alle  diese  Anstrengungen  und  Aufwendungen? 

.Das  geht  eben  heute  nicht  anders  mehr.  Wenn  ich  nicht  mehrere 
Jahre  hindurch  Konzerte  gegeben  habe  und  wenigstens  ein  paar  brauchbare 
Kritiken  erwischt  habe,  aus  denen  sich  ein  Reklameheft  machen  läßt,  sa 
bin  ich  kein  Künstler.  Noch  besser,  wenn  ich  einige  Opera,  etwa  eine  sym- 
phonische Dichtung  für  großes  Orchester,  aufgeführt,  wenn's  geht,  auch  ver-^ 
legt  habe.  Das  sind  die  mindesten  Kennzeichen  für  einen  tüchtigen 
Künstler  heute.  Dann  bekomme  ich  auch  Anstellungen  und  kann  hoch- 
bezahlte Stunden  geben.  Ich  brauche  mich  also  nur  ein  —  zwei  Stunden 
am  Tage  dem  leidigen  Geldverdienste  widmen.  Was  wichtiger  ist,  ich 
komme  in  die  feinen  Kreise,  wo  ich  hingehöre,  ich  spiele  bei  Geheim-^ 
und   Kommerzienräten    vor    und   begleite  ihre  Frauen  und  Töchter,     leb 


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DIE  MUSIK  VII.  16. 


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führe  also  ein  angenehmes  Leben  unter  hochästhetischen  Menschen,  die 
meinen  Wert  gebührend  zu  schätzen  wissen."  So  spricht  der,  der  das  Ziel 
errejpht  hat,  und  so  denken  sie  alle,  die  es  gern  erreichen  möchten. 

Es  hat  sich  für  den  Künstler  unserer  geschäftseifrigen  Tage  ein 
eigenes  System  herausgebildet,  nach  dem  er  einzig  Karriere  machen  kann, 
wie  es  für  den  angehenden  Beamten  und  auch  Kaufmann  schon  lange  be- 
steht. Auch  in  dem  Künstlerberufe  ist  jetzt  die  Trennung  in  höhere  und 
subalterne  Vertreter  perfekt  geworden.  Was  für  den  Beamten  die  höhere 
Verwaltungskarriere,  das  ist  für  den  ausübenden  Musiker  die  Konzert- 
laufbahn. Für  beide  ist  der  Besitz  eines  Betriebskapitals  erste  Vorbedingung. 
Nun  ist  es  schon  nicht  schön,  wenn  einer  Jurist  wird,  nur  um  eine  an- 
ständige Karriere  zu  machen,  aber  daran  hat  sich  alle  Welt  gewöhnt.  Der 
Musiker  hat  sich  zwar  zu  allen  Zeiten  mit  seiner  Kunst  sein  Brot  ver- 
dienen müssen,  aber  dieses  Streben  nach  einer  höheren,  bequemen  Karriere 
ist  erst  in  der  neueren  Zeit  hervorgetreten.  Es  besteht,  seit  sich  immer  häu- 
figer Menschen  der  Kunstbeschäftigung  zuwenden,  die  aus  besitzenden 
Kreisen  kommen  und  von  vornherein  von  ihrer  Musikbetätigung  die  ge- 
sellschaftlichen und  pekuniären  Erfolge  erwarten,  die  ihre  Freunde,  der  Re- 
ferendar und  der  Leutnant,  erwarten.  Der  Gedanke,  daß  ihnen  ihr  Talent 
vielleicht  nicht  mehr  als  eine  bescheidene  Lehr-  und  Organistentätigkeit 
einbringen  könnte,  genügt,  um  lieber  umzusatteln.  Es  ist  das  unsoziale 
Streben  nach  exklusiver,  bevorzugter  Lebensführung,  was  diese  Konzert- 
spieler zu  ihrer  Tätigkeit  antreibt,  sie  die  Kunst  als  Mittel  zu  diesem 
Endzweck  brauchen  lehrt,  aus  ihnen  gespreizte  Modekünstler  an  Stelle 
schlichter,  sich  naiv  gebender  Musiker  macht  und  nicht  nur  ihr  Änlteres 
so  beeinflußt,  daß  sie  mit  dem  feudalen  Leutnant  und  hochkonser- 
vativen Regierungsreferendar  zusammengestellt  werden  müssen,  sondern 
auch  ihr  ursprünglich  gesundes  Empfinden  und  Denken  ähnlich  angreift. 
Diese  Herren  und  Damen  erkennen  wohl  Haydn  und  Mozart  hervor- 
ragende Bedeutung  für  .  .  .  den  Elementarunterriclit  zu,  halten  aber  Bachs 
Partiten  für  trockenes  Zeug  und  spielen  von  Händel  nur  das  Thema,  das 
Brahms  variierte.  Aber  wenn  man  will,  setzten  sie  einem  alle  24  Etüden  von 
Chopin  in  einem  Rutsch  vor  und  die  neuesten  Russen  und  Franzosen. 

Viele  wollen  es  zweifellos  anders,  aber  sie  müssen  mitmachen,  wenn 
sie  erst  einmal  drin  sind.  Manch  einer  möchte  wohl  eine  unbekanntere 
Sonate  von  Schubert  und  ein  paar  feine  Stephen  Hellers  spielen,  aber  er 
riskiert's  nicht,  denn  damit  erreicht  er  nichts  .  .  .  Wenn  irgendwo  eine 
zielbewußte,  auf  künstlerische  Ziele  gerichtete  Organisation  nottäte,  so  wäre 
es  hier.  In  dem  Heere  unserer  Konzertspieler  steckt  manche  tüchtige  Kraft 
verborgen,  die  verdirbt,  weil  sie  sich  in  dem  Gehaste  nicht  zur  Geltung 
bringen    kann.     Nicht   jeder   kann   ein   gutes   Gemälde   oder  eine  Statue 


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WETZEL:  SOLISTENKONZERTE 


schaffen,  aber  er  ist  ein  feiner. Handwerkskfinstler.  Nicht  jeder  ist  zum 
Konzertspieler  großen  Stils  geboren,  aber  er  taugt  doch  vollauf,  eine  gute 
kfinstlerische  Gebrauchsmusik  zu  liefern.  In  unseren  Großstädten  hungern 
Tausende  nach  guter  Musik,  und  Hunderte  wissen  nichts  Rechtes  mit  ihrer 
Kunst  anzufangen;  Beide  Parteien  sollte  man  zueinander  führen,  dann  wäre 
beiden  geholfen.  Jugend-  und  Volkskonzerte  müßten  noch  viel  mehr  ge- 
schaffen werden.  Alle  die  Konzertspieler  aber,  die  zu  der  Überzeugung 
gekommen'  sind,  daß  der  heutige  Betrieb  nicht  der  rechte  ist  und  ihre 
Gaben  verkümmern  läßt  oder  sie  auf  Abwege  führt,  sollten  sich  zusammen- 
schließen. An  freiwilliger  Führung  seitens  ernstdenkender,  bewährter 
Meister  würde  es  ihnen  nicht  fehlen.  Sie  sollten  als  machtvolle  Ver- 
einigung dem  Konzertunwesen  den  Krieg  erklären  und  eine  Musikpfiege 
beginnen,  zu  der  sie  mit  ihrem  ungekünstelten  Fühlen  beitragen,  wo  sie 
•die  allzusehr  vernachlässigten  Werke  unserer  Größten,  die  im  Konzertsaal 
nicht  mehr  wirken,  gerade  zur  Wirkung  brächten.  Sie  hätten  damit  sich 
geholfen  und  eine  zeitgemäße  rettende  Tat  vollbracht. 

Ein  Verein  aller  Konzertspieler  hätte  vor  allem  in  diesen  zwei 
Richtungen  zu  arbeiten:  Einmal  soll  er  für  die  ökonomischen  Interessen 
seiner  Mitglieder  sorgen,  also  das  tun,  was  man  heut  dem  Agenten  über- 
trägt. Seine  Hauptaufgabe,  seine  Kulturarbeit  hätte  er  aber  darin 
zu  suchen,  die  Fülle  der  künstlerischen  Kräfte  auszunutzen  für  ernsthaft 
kunsterzieherische  Zwecke.  Gibt  es  jetzt  schon  Volkshochschulen  auf 
4illen  Gebieten  der  Wissenschaft,  zu  denen  Tausende  ein  dauerndes  Be- 
dürfnis treibt,  so  müßte  eine  Kunst-Volkshochschule,  in  deren  Kursen 
planmäßig,  unter  ausschließlich  künstlerischen  Gesichtspunkten  Musik  ge- 
macht würde,  nicht  minderen  Zuspruch  finden.  Da  kann  jeder,  der  sich 
dazu  als  geeignet  ausweist,  einen  Zyklus  von  Vortragsabenden  über  die 
Kleinmeister  des  Klaviers  im  19.  Jahrhundert  ankündigen.  Ein  paar 
Kammermusiker  vereinigen  sich,  um  die  Entwickelung  der  Triosonate  im 
17.  und  18.  Jahrhundert  zu  geben.  Ein  dritter  zeigt,  wie  die  Klaviersuite 
bis  Bach  beschaffen  war.  Der  Stoff  wäre  unendlich.  Wäre  es  doch  schon 
eine  Neuigkeit  ersten  Ranges,  wenn  jemand  Ph.  E.  Bachs  oder  Friedemanns 
Schaffen  am  Klavier  vorführte,  oder  zwei  Spieler  Schuberts  vierhändige 
Werke  brächten.  Und  da  sollte  es  an  Zuhörern  fehlen,  wenn  ihnen  solche 
Genüsse  zu  einem  Honorar  geboten  werden,  das  heute  so  viele  gern  für 
wissenschaftliche  Vorträge  aufwenden?  Also  man  schaffe  eine  Volkshoch- 
:schule  für  praktische  Vorführung  aller  Meisterwerke! 


fät»\ 


bOcher 


141.  Theodor  Patd:  Sratemaiitcta«  Sprach-  und  GaiBBgatoiiblldaBg.  Entar 
Teil.  Verlag:  Jullua  Hanauer,  Breslau. 
Der  bekaanle  Brealauer  Geiangapidagoge  Theodor  Paul  lelgt  licfa  fn  aetner  kan- 
lehDten  Tonbildnngilehre  ala  ein  iuflerat  belaaenar  Kflnitler,  rai  nmtucreleham, 
aolldem  Viaaen  and  großer  Erhbning.  Sein  sHmmphyalologlachea  and  pldacogtoAea 
KSnnen,  aowie  aeina  nmalkallichen  Kenntniiae  hat  er  fn  vorl legendem  Bnelie  an  etawin 
Syitem  konsentrlert,  daa  namentlicb  f&r  muifkallacb  Mfndertalentierte  eis  pldagsslechea 
Lehrminel  bietet,  nach  dem  lu  arbeiten  —  bla  zu  efnam  gewiaaen  Grade  —  erMg- 
rerbKrgend  sein  dfirfte.  Daa  Werk,  reiultlerend  au*  einer  Sunmlnng  reo  Vortricaa, 
die  der  Verfaaaer  an  der  Brealauer  GeHngaakademle  gebalten  bat,  behandelt  die  Sprack- 
und  Geaangatonblldung,  verquickt  mit  einer  allgemeinen  Mnaiklebre,  Durcbaaa  Bbat^ 
sichtlich  angelegt,  aowle  die  schwierige  Miterle  von  einem  mSgllcliat 
begriBlichen  Standpunkt  aus  behandelnd,  eignet  sich  Pauls  Tonbildnngslebre  fa  < 
aats  lu  den  meisten  Geiaogscbulen  FDr  den  Klasaen Unterricht.  Der  Verfhaaar  Mflt 
■ein  Bucb  In  twei  Teile:  in  die  eigentliche  Tonbildnng  nnd  die  StimmUMang.  la  dem 
ersten  Teil  behandelt  er  bauptalcbllcb  die  reaonaniiale  Herstellung  des  abatraktan 
Tonea  und  daa  eigenllicbe  Sdmmiostruraent,  bespricht,  sebr  richtig  und  lo^acb  von 
den  Atmnngawerkzengen  anagetaend,  die  Entrlckelung  der  klingenden  Luft,  sovia  die 
Tltlgkelt  des  Anblase-  und  dea  Anaatirobres.  MerkrArdigerweise  bringt  der  Ver&aaar 
gegen  den  Schluß  der  ersten  Abteilung  seine  Belehmngen  fiber  daa  Anaatsrviir  la 
direkte  Verbindung  mit  der  Kenntnlsoshme  der  Sprscblante  und  Artiknlatloasorgane. 
Dieser  vielleicht  lußerlicbe  Fehler  In  der  Anlage  des  Werkes  kann  osch  meinem  Danr> 
halten  leicht  zu  Miflveratlndnlisen  Anlaß  geben;  dies  um  so  mehr,  als  theoretiaeb 
nicht  stark  genug  darauf  hlngeviesen  werden  kann,  daß  Bildung  der  Vokaltom  and 
abstrakter  Ton  ginilich  lu  trennende  Vorginge  sind.  In  dem  Torilegenden  Bache  lag 
diese  scharfe  Unteracheidung  um  so  niher,  ala  der  Verhsaer  der  Sprechtonbild ung  täa» 
beaondere  AuFmerksamkeil  widmet  und  die  Sprachlsute  In  Ihrer  arttkalaMriaehen  Be- 
handlung glelchaam  als  Oberleitung  zu  dem  zweiten  Teil  ,Dle  SÜrambUdnng'  briagL 
Abgeaeben  reo  dieser  im  Interesse  einer  nicht  genug  lu  befSrworiendea  KUihelt  in 
dieser  schwersten  alier  Studienmaterien  gemachten  Ausstellung,  bin  ich  mit  der  m^ 
stindigen  Art  seines  Vortrags  und  den  gesunden  Ansichten  Paula  prinzipiell  «iBTerMaadea» 
wenn  ich  auch  nicht  verslumen  mfichle,  vor  der  kategorischen  Beatimmnog  dea  gemels- 
aamen  Reglstertonea  (fi)  la  warnen.  Kein  Studium  lat  von  den  aubjektiven  E 
des  Menschen  so  abhingig  wie  gerade  die  Stimmbildung.  Von  diesem  S 
halte  Ich  die  Festlegung  eines  gemeinsamen  Reglalertones  f&r  eine  Gelbhr.  Sehr  gut 
sind  die  Hinwelse  auf  die  dringende  Notwendigkeit  der  ZwerchfbUatman^  t 
bezüglich  des  welbllcben  Geactalectats,  femer  auch  diejenigen  über  dlo  i 
Führang  der  klingenden  Luttslule.  Die  Ansicht  des  Verfasaera,  die .  Brweckang  4aB 
ReaenanigefObla  Im  Kopfe  durch   die  naaalen  Kllnger  m,  n,  ng  »  arralcfeea,  halM  M 


237 
BESPRECHUNGEN  (BÜCHER) 


penönlich  nicht  ffir  (Ificklich.  In  meiner  Praxis  taibe  ich  mit  der  konzentrierten  Betonung 
der  konsonantifchen  Nasalitit  keine  nennenswerten  Erfolge  erzielt  In  den  weiuut  meisten 
Pillen  wnrde  die  Bewegung  der  klingenden  Luftsäule  eingeengt  und  Tereteift,  infolgedessen 
der  Ton  spröde  und  hart  Theodor  Ptul  —  davon  bin  ich  fiberzeugt  ~~  wfirde  dieser  seiner 
Meinung  nicht  so  starken  Ausdruck  gegeben  haben,  wenn  er  nicht  ebenfUls  seine  Er- 
ftüiningen  hinter  sich  bitte.  Den  zweiten  Teil  seines  Werkes,  »Die  Stimmbildung*, 
teilt  der  Verfasser  ein  in:  a)  die  Sprechtonbildung;  b)  die  Gesangstonbildung.  Wihrend 
«r  im  ereten  Abschnitt  dieses  Teils  sich  vernünftigerweise  ftist  durchweg  an  das 
hilt,  was  Meister  Julius  Hey  in  dem  sprachlichen  Teil  seines  umfangreichen  Werkes 
»Deutscher  Gesangsunterricht'  in  lapidaren  Lehrsitzen  niedergelegt  hat,  vereinigt  er  die 
eigentliche  Tonbildungslehre  in  glficklicher  Weise  mit  einer  allgemeinen  Musiklehre 
4ind  teilt  diesen  Abschnitt  wieder  in  drei  Abteilungen:  a)  kurze,  allgemeine  Musiklehre; 
b)  die  Bildung  des  musikalischen  Resonanztones;  c)  die  instrumentale  Bildung  der 
Stimme.  Der  Verfasser  behandelt  naturgemiß  das  Kapitel  der  Musiklehre,  in  dem  er 
fiber  die  Noten,  Schlfissel,  Zeitdauer  der  Töne,  Rhythmus,  Tonarten,  Intervalle,  Akkord- 
lehre, Tempo,  Vortragsbezeichnungen  spricht,  ja  sogar  eine  Anzahl  musikgeschichtlicher 
Daten  bringt,  mit  denkbareter  Kfirze.  Das  Obungsmaterial  ffir  die  Entwickelung  der 
Resonanz  ist  reich  und  mannigfaltig.  Im  Abschnitt  »Bildung  der  Geliufigkeit  und  Treff- 
sicherheit* bringt  er  nichts.Neues,  ja,  er  beschrinkt  sich  vielmehr  nur  auf  Andeutungen, 
4em  Lehrer  damit  Gelegenheit  gebend,  aus  eigener  Erfahrung  das  Weitere  zu  ver- 
anlassen« Das  letzte  Kapitel  handelt  von  Auffassung  und  Vortrag.  Der  Autor  stellt  hier 
eine  Stirkegrad-Skala  bzw.  Vortragslinie  als  ein  bisher  fehlendes  Notenzeichen  auf.  Das 
Zeichen  soll  den  Vortrag,  die  Auffassung  des  Stirkegrades  Jedes  Tones  und  das  Ver- 
hiltnis  der  Stirkegrade  der  Töne  zueinander  bezeichnen.  Ich  muß  gestehen,  daß  mir 
die  Neuerflndung  Pauls,  als  den  Vortrag  schematisierend,  nicht  sympathisch  ist  Auf- 
fassung und  Vortrag  sind  peraönlich,  das  pereönliche  Empfinden  hat  sich  in  ihnen  aus- 
zuleben, wenn  das  betreffende  Stfick  einen  Eindruck  auf  die  Zuhörer  machen  seil. 
Schreiben  wir  ein  ffir  allemal  aber  den  Auadruck  durch  dieses  neue  Zeichen  vor,  so 
wird  der  Vortrag  unpereönlich,  unnaturlich  und  unwirksam.  —  Theodor  Pauls  »Systematische 
Sprech-  und  Gesangstonbildung"  ist  ein  Werk,  klein  an  Umfang,  doch  reich  an  Inhalt 
Die  einfliche,  natfirliche  Art  seiner  Diktion,  seine  pidagogisch  gesunden  Ansichten 
stempeln  es  zu  einer  erfreulichen  Eracheinung  in  der  Stimmbildung-Spezialliteratur. 

Adolf  Göttmann 
142.  Ernst  Etocnmann;  Das  Urheberrecht  an  Tonkunstwerken.  Verlag: 
Dr.  Walther  Rothschild,  Berlin  und  Leipzig  1007. 
Diese  Schrift  erbringt  den  Nachweis,  daß  das  Wesen  und  die  eigentliche  Be- 
stimmung der  Wort-  wie  der  Tonkunstwerke  darin  besteht,  zu  Gehör  gebracht  zu 
werden.  Es  sei  daher  ein  Abirren  vom  prinzipiell  festzuhaltenden  Wege,  wenn  sich  die 
Urheberrechtsgesetzgebungen  an  rein  iußerliche  technische  Veranstaltungen  angeschlossen 
bitten.  Druck,  Notenstich  usw.  seien  doch  nur  die  technischen  Mittel  zum  Zweck, 
nimlich  zur  Ermöglichung  einer  erheblichen  Verbreitung  des  Vortrages,  der  Aufffihrung  usw. 
Nur  die  Tatsache,  daß  hier  die  rein  wirtschaftlichen  Interessen  stirker  in  die  Eracheinung 
getreten  bzw.  von  den  Interessenten  betont  worden  seien,  lasse  es  erklirlich  erecheinen, 
daß  die  Gesetzgebungen  vom  rechten  Wege  auf  Holzwege  geraten  seien.  Das  Wesen 
der  Urheberrechtsverletzung  bestehe  im  rechtswidrigen  Vortrag  des  Wort-  oder  Ton- 
kunstwerkes, wihrend  die  Herateilung  des  Druckes,  Notenstichs,  der  Schallplatten, 
Pianolarollen,  Walzen  usw.  eigentlich  nur  sogenannte  Vorbereitungshandlungen  zum 
eigentlichen  Delikt  darstellen.  Indem  die  Gesetzgebung  dies  verlumnt  habe,  bitte  sie 
die  Rollen  veruuscht,  zum  Hauptdelikt  gemacht,  was  eigentlich  nur  Vorbereitungsfaktor 


238 
DIE  MUSIK  VII.  16. 


sei,  digegen  dis  eigentliche  Delikt  in  eine  untergeordnete  Stellung  gedringt  Die  Schrift 
zielt  dimit,  obwohl  der  Ptrigriph  nirgends  gentnnt  wird,  tuf  $  22  unseres  Gesetses 
vom  19.  Juni  1901.  Denn  such  hier  wird  zwischen  zulässigen  und  unzulissigen  Ver- 
▼ielfiltigungen  unterschieden,  je  nschdem  ob  sie  nur  der  mechanischen  oder  der  kfinst- 
lerischen  Wiedergtbe  dienen;  nicht  die  Wiedergabe,  dss  ZugehSrbringen,  dieAuff&hmng 
ist  das  unzulässige,  sondern  die  Herstellung  der  Platten  usw.  Eisenmann  bemfiht  sich 
nun  weiter  um  die  Fixierung  der  mechanischen  Wiedergabe  im  Gegensatz  zur  kfinst- 
lerischen;  es  kommt,  sagt  er  am  Schlüsse  seiner  Abhandlung,  darauf  an,  ob  ia  die 
Gesamtreihe  an  irgendeiner  Stelle  eine  kfinstlerische  Individualität  eingreift:  greift  eine 
solche  nirgendwo  ein,  so  ist  die  Vermittlung  der  AuffQhrung  des  Tonkunstwerkes  eine 
rein  mechanische;  greift  hingegen  eine  kfinstlerische  Individualität  ein,  sei  es  an  welcher 
Stelle  zwischen  Komposition  und  Aufführung  immer,  so  handele  es  sich  dem  Wesen 
nach  um  eine  künstlerische  Wiedergabe,  gleichgültig,  welchen  kfinstlerischen  Grades. 
Aus  diesem  Gesichtspunkte  heraus  hält  Eisenmann  deshalb  die  Phonographenplatten, 
die  Phonolarollen  u.  dgl.  im  Gegensatz  zu  den  gewöhnlichen  Drehorgel-Orchestrion-  iL  dgL 
Platten  für  unzulässige  Vervielfältigungen.  M.  E.  hätte  Eisenmann  konsequenterveise 
betonen  mfissen,  daß  es  vom  Gesetz  schon  falsch  ist,  zwischen  kflnstleriseh  und 
mechanisch  in  der  Wiedergabe  zu  entscheiden;  denn  die  unerlaubte  Wiedergabe  sellMt  ist 
doch  das  eigentliche  Delikt,  und  dieser  Wiedergabe  dienen  ebensowohl  mechanische  wie 
kombiniert  mechanisch-künstlerische  Einrichtungen.  Js,  mir  scheint,  die  Kfinstler  srtbst 
werden  sich  die  künstlerisch  vollendeten  Vorträge,  z.  B.  der  Phonola,  Mignon  nsw.  liei>er 
gefallen  lassen,  als  die  tot-mechanischen  Wiedergaben  nach  Drehorgelmanier.  Der  ganze 
$  22  des  Deutschen  Gesetzes  vom  19.  Juni  1901  ist  verfehlt  und  muß  fallen,  ehe  es 
spät  ist!  Dr.  {ur.  C.  Spohr 


MUSIKALIEN 

143.  Otto  MalliDg:  Konzert  (c-moll)  für  Klavier  mit  Begleitung  des 
Orchesters,  op.  43.  Verlag:  Wilhelm  Hansen,  Kopenhagen  und  Leipzig. 
Der  dänische  Komponist  Otto  Mailing  hat  mit  diesem  Konzert  ein  beachtensweites 
Werk  geschaffen,  in  unserer  heutigen  Zeit  doppelt  beachtenswert  wegen  seiner  Idaren 
Struktur  und  wegen  des  Umstandes,  daß  sein  Schöpfer  nicht  zu  den  enragierten  Disso- 
nanzenschweigern zu  zählen  scheint  und  uns  so  eine  ungesuchte,  naturliche  Musik  l>ietet, 
deren  thematischer  Gehalt  freilich  ab  und  zu  die  rechte  Bodenständigkeit  der  Erflndnng 
vermissen  läßt.  Der  Orchestersatz  ist  nicht  überladen  und  weist  einige  glfickliche  Epi- 
soden auf.  Dem  Soloinstrument  hätte  der  Komponist  in  Anbetracht  der  heute  so  gs- 
waltig  gesteigerten  Technik  aber  wohl  etwas  mehr  zutrauen  können;  der  Solist  wird  liei 
der  Wiedergabe  des  Konzertes  weniger  durch  immense  Technik,  als  durch  Alckoratesse 
und  Vortragsnuancen  glänzen  können.  Der  musikalisch  wertvollste  der  drei  Sätze  ist 
der  erste.    Er  beginnt  mit  dem  folgenden  Thema  fiber  einem  Tremolo  c-g  im  Orchester: 

Allegro  con  fuoco.  .^^  "^"^ 


Viol.  I. 


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E^E^?^ 


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glR_ 


239 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


das  sich  ntch  der  Oberdomintnte  wendet.  Hier  unterbricht  dts  Kitvier  das  Orchester 
einige  Male  ucd  nimmt  dann  das  Hauptthema  auf,  nur  wenig  unterstQtzt  durch  das 
Streichquintett.  Auch  das  Seitenthema,  das  stimmungsvoll  und  nicht  ohne  melodischen 
Reiz  ist,  wird  vom  Soloinstrument  fast  ganz  allein  vorgetragen.  Die  DurchfQhrung  bringt 
neben  den  Motiven  des  ersten  Teils  auch  einige  neue  Gedanken,  die  nicht  immer  von 
besonderer  Originalitit  zeugen;  Klavier  und  Orchester  finden  hier  .dankbare  Aufgaben» 
Die  Reprise,  vor  deren  Eintritt  eine  Kadenz  vorgesehen  ist,  verliufr^  abgesehen  von 
einer  KQrzung  des  Hauptsatzes,  regulir,  und  nach  einer  Kadenz  geht  der  Satz  mit  einer 
schwungvollen  Coda  zu  Ende.  Der  zweite  Satz,  ein  Notturno,  ist  in  seinem  thematischen 
Gehalt  wenig  bedeutend  und  will  uns  hier  und  da  ganz  leise  an  Mendelssohn  erinnern. 
Aber  das  Ganze  ist  doch  nicht  ohne  Stimmung,  namentlich  da,  wo  das  Klavier  zu  dem 
ersten  Thema  eine  wiegende  Achtelflgur  ausführt.  Im  Finale  fuhrt  ein  Unisonolauf  in 
das  lebhaft  dahinfiiegende  erste  Thems,  zu  dem  das  in  f-moll  einen  schönen  Gegensatz 
bildet  Mailing  macht  dann  im  folgenden  von  diesem  f-moll-Thema  geschickten  Gebrauch: 
bald  erklingt  es  getragen,  bald  abgestoßen,  bald  im  Orchester,  bald  im  Klavier.  Im  toW 
genden  erscheint  das  Einleitungsmotiv  und  f&hrt  uns  nach  cis*moil,  in  welcher  Tonart 
das  Hauptthema  von  Fagott  und  Violoncello  intoniert  wird;  die  Stelle  klingt  etwas  Qber- 
rsschend.  Auch  der  Anfang  des  zweiten  Themas  zeigt  sich  vorfibergehend,  bis  endlich 
c-moU  wieder  erreicht  wird  und  damit  die  Reprise  einsetzt,  die  regelmißig  verliuft  und 
dss  Ganze  schnell  zum  Abschluß  bringt  Max  Puttmann 

144.  Max  Lcfvandowsky:  Lieder  und  Gesinge;  op.  9—16.  Verlag:  D.  Rahter,^ 
Leipzig. 
Wer  auf  einmal  vierzig  Lieder  in  die  Welt  schickt,  muß  etwas  Gewichtiges  zu 
sagen  haben  oder  liuft  Gefahr,  als  Vielschreiber  zu  erscheinen.  Ich  weiß  und  kenne 
von  Max  Lewandowsky  bisher  nichts,  angesichts  dieser  Lieder  stehe  ich  aber  nicht  an,, 
ein  ansprechendes  Talent  in  ihm  zu  sehen  und  ihm  großen  Fleiß,  sowie  ein  steigendes 
technisches  Können  ohne  weiteres  zuzusprechen.  Aber  die  Klippe  des  Vielschreiberodiums 
ist  freilich  nicht  durchaus  glficklich  umschifft  Die  meisten  dieser  Lieder  gleichen  einan* 
der  in  ihrer  Aufmachung  fast  aufs  Haar.  Ganz  gewiß:  fast  durchgehends  schreibt  der  Ton- 
setzer eine  warme,  sang-  und  dankbare  Melodie.  Platitüden  werden  durchaus  mit  Ernst 
vermieden.  Aber  die  Begleitung  ist  zumeist  alltiglich  und  besteht  viel  zu  oft  aus  ge- 
brochenen Akkorden.  Ganze  Reihen  von  Liedern  bauen  sich  allein  auf  diesem  Ge- 
staltungsmittel auf!  Dazu  ist  die  Harmonik,  wenn  auch  offenbar  absichtlich  maßvoll 
und  einfach  gehalten,  doch  oft  etwas  gar  zu  dürftig.  Tonika,  Dominante  —  und  viel  zu 
häufig  der  verminderte  Septimenakkord  —  man  braucht  nicht  gerade  ein  musikalischer 
Augur  zu  sein,  um  hierbei  zu  denken:  .  .  .  Allerweltskochwässerlein !  Harmonische 
Ausgriffe  ins  bewihrte  Neuland  —  die  immerhin  von  ungefihr  (wenn  auch  selten)  einmal 
auftauchen  —  wirken  da  ordentlich  wie  ein  kühnes  Wagnis.  Seltsam  mutet  es  an, 
daß  ziemlich  hiuflg  die  Diktion  nicht  einwandfrei  ist    Für  mein  Gefühl  werden  Lieder, 

die- ser    al   -    ten  Te-ras-se 


in  denen  es  heißt: 


»Hier   liege    ich    auf    dem 


Frühlingshügel*,  »Müskathyazinthen*,  «ein  schöner  Stern  geht  auf  in  meiner  Nacht*, 
»tönet  j6doch  wieder  .  .  ."  (I)  usw.,  als  Kunstwerke  einfach  unmöglich.  Dies  sind  nur 
Stichproben,  es  findet  sich  manches  mehr  von  dieser  Art  Bei  dem  sonst  augen- 
scheinlichen Ernst,  der  sich  auch  in  der  Wahl  der  Texte  (Keller,  Storm,  Mörike,  Hebbel, 
C.  F.  Meyer  u.  a.)  deutlich  ausprigt,  und  bei  dem  im  allgemeinen  technisch  zuverlissigen 
Können  —  nur  hin  und  wieder  liuft  eine  Leere  oder  eine  kleine  Unebenheit  mit  unter 
(so  in  op.  16  No.  7  bei  »schwillt*,  oder  in  op.  9  No.  2  bei  »Leiden*)  —  muß  eine  solche 


a& 


240 
DIE  MUSIK  VII.  16. 


«chlechte  Diktion  einigermtßen  befremden.  Eine  f  tnze  Anzahl  von  den  Liedern  echeidet 
meinem  Empfinden  ntcta  infolge  dieser  Mingel  tut  dem  Kreite  det  BetchtentwertMi  gjnilicli 
«ut.  Diejenigen,  die,  wenn  tuch  ohne  gertde  bedeutend  zu  tein,  mir  doch  gelungen  and  mehr 
oder  minder  gebrtuchtfihig  zu  tein  tcheinen,  teien  dtgegen  hier  nun  genannt  Es  sind  diea 
ntch  meinem  DtfQrhtlten:  op.  0  No.  1  (»Sang  dtt  Mlgdlein*)  und  allenftdlt  not  dietem 
Opus  noch  No.  4  («Böser  Ztuber");  während  No.  5  (»Des  tiefe  Kimmerlein')  recht  dfirr, 
gequält  und  phtntttielos  ist  Dann:  op.  10  No.  1,  2  und  4,  op.  11  No.  2  (.Ein  Stflndlein 
wohl  vor  Tag"),  4  («Um  Mittemacht*  —  einet  der  betten)  und  alienfallt  Nr.  5  («Gesang 
Weylat"),  dtt  freilich  gegen  Hugo  Wolf  tehr  tbfillt  Op.  12  No.  1  («Gebet*)  and  3 
(.Sommerbild*)  zählen  zu  den  betten  Liedern  Lewtndowtkyt.  Op.  13  Nr.  2  and  3^  be- 
tondert  tber  op.  14  No.  1  («Russisches  Lied*),  dann  op.  15  No.  3  («Gatel*,  wiederum 
eine  wohlgelungene  Nummer),  No.  4  und  5  (Druckfehler  bei  «Uebe*?)^  und  acliUelUich 
op.  16  No.  1  («Die  frühen  Griber*  —  dat  weitaut  bette  unter  allen),  daneben  die  all- 
täglicheren No.  2  und  3,  No.  4  (obwohl  ich  auch  hier  die  Diktion  «haben  ihn  nie  er> 
tchuttert*  nicht  f&r  gut  halte),  No.  6  («An  die  Entfernte*)  und  allenftült  noch  No.  8 
(«Geh  fort*).  Diet  ist  die  Ausbeute  für  eine  hinsichtlich  der  Sicherheit,  Reinheit  vnd 
Fehlerlosigkeit  eines  zu  veröffentlichenden  Liedes  anspruchsvollere  Beurteilung^  wie  sie 
eine  Zeitschrift  von  den  Tendenzen  der  vorliegenden  mir  zu  erfordern  scheint  Immer» 
hin  noch  eine  reiche  Ernte,  wenn  von  vierzig  Blumen  eines  Gartens  beinahe  dte  Hälfte 
zum  PflQcken  taugt!  Wäre  es  auch  eine  starke  Verkennung  der  Bedeutang  des 
Schaffens  unserer  hervorragenderen  Liederkomponisten,  der  Strauß,  Pfltzner,  Schillinfs, 
Streicher,  Wolff  usw.,  wollte  man  Lewandowsky  auch  nur  in  ihre  Nähe  rücken,  oder  filier- 
haupt  zu  den  Bedeutenderen  zählen  (wie  dies  bereits  geschehen  isti),  so  scheint  mir  doch 
im  Sinne  und  Umfange  meiner  vorstehenden  Ausführungen  dieser  Tonsetser  der  Be- 
achtung ernsterer,  nicht  z  u  anspruchsvoller  Musikfreunde  recht  wohl  würdig  sa  sein. 
Aber  freilich  heißts  gar  sehr:  mit  Vorsicht  und  mit  Auswahl  ihn  gebrauchen.  Besser 
für  den  Tonsetzer  wäre  es  sicherlich,  wenn  die  Verbreitung  einer  ganzen  Anzahl  dieser 
Lieder  unterbliebe,  damit  nur  die  gelungenen  bekannt  würden.  Allzuviel  ist  ongesand  — 
in  jedem  Sinne  des  Wortes.  Alfred  Schattmann 

145.  Emesto  Köhler:    Concerto  per  Flaute  con  accomp.  dl  Piano,     op.  87. 

Verlag:  Jul.  Heinr.  Zimmermann,  Leipzig. 
Wüßte  ich  nicht,  daß  der  Komponist  als  erster  Flötist  an  der  Petersbarger  Oper 
wirkt  und  daß  dieses  Konzert  erst  kürzlich  erschienen  ist,  so  würde  ich  es  für  ein  Bi^ 
Zeugnis  des  ersten  Drittels  des  19.  Jahrhunderts  halten,  so  harmlos-altmodisch  ist  es;  es 
hat  meines  Erachtens  nur  Wert  als  Obungsmaterial  für  etwas  vorgeschrittene  Seh&leTi 
die  auch  gelegentlich  damit  zeigen  können,  daß  sie  sich  eine  hübsche  Technik  selion 
engeeignet  haben. 

146.  J,  W.  Kersbergen:  Quartett  für  Klavier,  Violine,  Viola  und  VioloncelL 

op.  6.    Verlag:  Ries  und  Erler,  Berlin. 

Trotzdem  ich  die  sorgfältige  und  kunstvolle  Arbeit  in  diesem  Quartett  aufrichtig 

bewundere,  vermag  ich  mich  doch  nicht  dafür  zu  begeistern:  die  Themen  sind  gar  sa 

blutlos,  gar  zu  sehr  der  Reflexion  entsprungen.   Seibat  das  Scherzo  hat  wenig  Ursprfin^ 

lichkeit.    Gar  zu  mager  ist  die  geistige  Ausbeute,  die  man  aus  allen  vier  Sitsen  gewlnat. 

Wilhelm  Altmann 

147.  Maximilian  v.  Ambros:  Zwei  Lieder,  op.49.    Musikverlag  Dr.  Heinrich  Lewy, 

München. 
Zwei  Salonlieder  (das  eine  ist  die  Vertonung  eines  lehrhaften  Gedichtes  von  BlfltlH 
gen  und  das  andere  hat  ein  belangloses  Produkt  von  einem  unbekannten  Autor  lar  Unter- 
lage), von  denen  sich  nur  sagen  läßt,  daß  sie  nicht  gut  sind.  Arno  Nadel 


Aus  deutschen  Musikzeitschriften. 

SIGNALE  FÜR  DIE  MUSIKALISCHE  WELT  (Leipzig)  1907,  No.  54-58.  - 
Detlef  Schultz  stellt  in  dem  Gedenkartikel  ^»Edvard  Grieg  f«  (No.  54)  den  Kom- 
ponisten hauptsächlich  als  Volks-  und  Heimatskünstler  dar.  —  Fritz  Prelinger 
bespricht  unter  dem  Titel  »Tschechische  Musik'*  (No.  55)  Werke  von  J.  B.  Förster, 
Karl  Bendl,  E.  Kraus,  Zdenko  Fibich,  Fr.  Cerny,  Alois  Jiranek,  F.  OndHiek,  Vit^zslav 
Noväk  und  Oscar  Nedbal.  —  Zu  Weingartners  Ernennung  zum  Wiener  Hoföpem- 
direktor  werden  die  Aufsätze  „Mahler  —  Weingartner^  von  Ludwig  Karpath  und 
»Berlins  Verlust  —  Wiens  Gewinn**  veröffentlicht  (No.  56).  —  In  dem  Aufeate 
»Der  Marktwert  ausübender  Tonkünstler**  (No.  57)  sagt  August  Spanuth:  »Man 
ist  ungerecht,  wenn  man  die  Schuld  an  dem  Kardinal-Übel  unseres  Konzertlebens 
den  Geschäftsleuten  allein  zuschreibt.  Sie  machen  nur  Heu,  solange  die  Sonne 
scheint,  und  der  Grund  des  Übels  sitzt  tiefer,  in  dem  allzu  verbreiteten  Wunsche, 
durch  öffentliches  Auftreten  indirekte  Vorteile  zu  erlangen  und  der  eigenen  Eitel- 
keit zu  frönen  .  .  .  Wer  also  Sturm  laufen  möchte  gegen  die  Konzert-Geschifts- 
leute,  sollte  sich  besinnen  und  erst  einmal  den  zahllosen  unreifen  Konzert- 
Aspiranten  auf  die  Finger  klopfen.**  —  August  Spanuth  bespricht  ausführlich  die 
vor  kurzer  Zeit  erschienenen  »Familienbriefe  von  Richard  Wagner^.  —  Ein  kurzer 
Nachruf  auf  Reisenauer  wird  unter  der  Überschrift:  »Alfred  Reisenauer  f**  von 
A.  Spanuth  veröffentlicht.  —  Im  ersten  Kapitel  der  »Glossen  zur  musikalischen 
Kultur"  (No.  58)  empfiehlt  Wolfgang  A.  Thomas,  »schlecht  oder  auch  mäßig 
begabte  Kinder*  nicht  mit  Klavier-  und  Geigenunterricht  zu  plagen,  aber  durch 
die  Schule  und  durch  Privatlehrer  zu  Zuhörern  erziehen  zu  lassen.  Im  zweiten 
Kapitel  (No.  50)  sagt  Thomas,  daß  von  einer  »Überschwemmung  mit  musikalischen 
Genüssen**  »tatsächlich  nur  in  den  großen  Musikzentren,  voran  Berlin,  ernstlich 
die  Rede  sein**  könne.  »Wenn  in  kleineren  Provinzstädten  von  einem  die  Nach- 
frage weit  übersteigenden  Angebot  gesprochen  wird,  so  kommt  das  eben  von 
einem  bedenklichen  Mangel  an  wirklichen  Freunden  der  Musik,  die  zuhören 
können.**  Thomas  wünscht,  daß  die  Kosten  der  Veranstaltung  von  Konzerten 
durch  Einschränkung  der  Reklame  und  durch  unentgeltliche  oder  wohlfeile  Über- 
lassung von  der  Stadt  gehörigen  Sälen  verringert  werden  möchten.  Die  Werke 
der  großen  Genies  sollten  in  den  kleinen  Städten  öfter  durch  einheimische 
Musiker  und  einheimische  Musikvereine  aufgeführt  werden.  Erfreulich  sei,  daß 
sich  jetzt  zuweilen  ein  »Verlangen  nach  kürzer  dauernden  Konzerten"  äußert. 
Für  wichtig  hält  der  Verfasser  es  auch,  Werke  aus  älteren  Zeiten  aufzuführen. 
Absolute  historische  Treue  sei  aber  im  Konzertsaal  ebensowenig  wie  im  Theater 
zu  fordern;  die  Hauptsache  sei,  daß  der  »ewige  Gehalt  eines  Kunstwerkes*  von 
dem  Hörer  erkannt  werde.  Das  dritte  und  letzte  Kapitel  hat  den  Untertitel  »Was 
soll  uns  Kritik?*  (No.  60)  und  weist  auf  die  Bedeutung  der  Kritik  hin,  die  der 
großen  Masse  das  Kunstwerk  erklärt  und  dessen  Stellung  in  der  Kunstgeschichte 
bestimmt.  —  August  Spanuth  gibt  in  dem  Aufsatz  »Wagner  im  Konzertsaal?* 
(No.  58)  einen  großen  Teil  der  Ausführungen  wieder,  mit  denen  Walter  Damrosch 
VII.  16.  16 


ü 


242 
DIE  MUSIK  VII.  16. 


einein  Chicagoer  Interviewer  gegenüber  die  Auffuhrung  von  Wagnerschen  Werken 
im  Konzertsaal  rechtfertigen  wollte.  Spanuth  spricht  sich  dann  gegen  die  Ansicht 
aus,  „daß  wegen  der  unüberwindlichen  und  oft  licherlichen  Unzulinglichkeit  der 
szenischen  Darstellung  nunmehr  Konzertaufführungen  vorzuziehen  seien.* 
VEREINIGTE  MUSIKALISCHE  WOCHENSCHRIFTEN  (Leipzig)  1907,  No.^ 
bis  42.  —  In  seiner  »biographischen  Studie"  »Fredericl^  Delius"  <No.  35—37)  sagt 
Max  Chop:  ,,Frederick  Delius  ist  ein  Pfadfinder,  er  l^ann  unter  den  Lebenden 
als  einer  der  wenigen  Selbständigen  gelten,  denen  es  geglucl^t  ist,  die  seit  Wagner 
und  Liszt  noch  wesentlich  vergrößerte  musikalische  Form  mit  wirklich  neuem, 
tönendem  Gehalt  gefüllt  zu  haben**.  —  In  dem  Aufsatz  »Eine  neue  Notenschrift. 
Für  und  Wider"  (No.  37)  kritisiert  Franz  Dubitzky  das  »natürliche  Notensystem* 
von  Gustav  Neuhaus.  —  Richard  Sternfelds  Aufsatz  »Ehrt  eure  deutschen  Meister*, 
wendet  sich  gegen  einen  von  angesehenen  Tagesblittem  zur  Feier  der  25.  Wieder- 
kehr des  Tages  der  ersten  Aufführung  des  »Parsifal"  veröffentlichten  Artikel,  der 
mehrere  falsche  Behauptungen  enthilt.  —  Hugo  Riemann  beginnt  unter  der  Ober- 
schrift »Die  Melodik  und  Rhythmik  der  Minnesinger*  eine  Besprechung  der 
Aubry'schen  Ausgabe  von  Baude  de  la  Quariöre's  »Chanson  de  Bele  A61is* 
(No.  38;  Fortsetzung  folgt).  —  A.  N.  Harzen-Müller  veröffentlicht  den  AuÜMtz 
»Wilhelm  Friedemann  Bach  nicht  Komponist  von  ,Kein  Hilmchen  wichst  auf 
Erden'".  Nach  eingehender  Begründung  der  Ansicht,  daß  W.  Fr.  Bach  das  Lied 
weder  gedichtet  noch  komponiert  habe,  schreibt  der  Verfasser:  »Da  das  unter  Wilh. 
Friedemanns  Namen  gehende  Lied  sowohl  textlich  als  auch  musikalisch  zu  den 
schönsten  und  wertvollsten  gehört,  welche  wir  überhaupt  haben  und  kennen,  so 
daß  es  einen  Ehrenplatz  unter  den  deutschen  Volksliedern  gehört,  so  ist  es  wahrlich 
mehr  als  bloße  Neugierde,  endlich  einmal  zu  wissen,  wer  der  Komponist  des- 
selben ist!  Eine  Antwort  auf  diese,  von  der  ganzen  deutschen  Musikwelt  berechtigter- 
weise gestellte  Frage  erwarten  wir  nunmehr  von  dem  Carl  Rühleschen  Mnsikverlsge 
in  Leipzig,  welcher  das  Gedicht  zuerst  als  von  W.  Wegener  gedichtet  und  von 
Wilh.  Friedemann  Bach  komponiert  herausgegeben  hat!  Er  allein  weiß  js  die 
Quellen  für  jene  falschen  Angaben!  Der  genannte  Verlag  antwortete  mir  persönlich 
s.  Z.  auf  meine  mehrfachen,  im  Interesse  der  Sache  gestellten  Anfragen  folgendes: 
,Zu  wiederholten  Malen  traten  Sie  an  uns  bez.  Auskunft  über  Friedemsnn  Bach: 
»Kein  Hilmchen  wichst  auf  Erden«  heran.  Ganz  abgesehen  davon,  daß  wir  bis  Jetzt 
noch  nicht  orientiert  sind,  was  für  ein  Interesse  an  der  Sache  vorliegt,  geben  wir 
prinzipiell  über  unsere  Verlagswerke  an  Femstehende  keine  Auskünfte,  da  wir  der- 
artige Angelegenheiten  als  Geschiftsgeheimnisse  betrachten'**.  Am  Schluß  macht 
Müller-Harzen  einige  Einwendungen  gegen  dieses  Schreiben.  —  In  dem  Aufsatz 
»Schematismus  in  der  zeitgenössischen  Opernproduktion"  (No.  39)  sagt  H.  Graf» 
daß  auch  heute  noch  die  Opern,  besonders  die  Texjbücher,  vielfach  nach  Schablonen 
gearbeitet  werden  und  daß  »die  Inszenierung  und  die  landesübliche  Darstellungs- 
weise**  ebenfalls  noch  „in  uralter  Tradition  verharren".  —  Richard  Sternfeld 
veröffentlicht  einen  warm  anerkennenden  Aufsatz  ,»Zu  C.  Fr.  Glasenapps  60.  Geburts- 
tag" (No.  40).  —  Otto  Erich  Deutsch  druckt  in  dem  Aufsatz  .Schumanns  erfolg* 
lose  Bewerbungen  in  Wien*'  zwei  sehr  interessante  Aktenstücke  ab,  die  zuerst  Kari 
Glossy  in  der  „Österreichischen  Rundschau"  veröffentlicht  hat.  Schumann  bat  sm 
2.  November  1838  in  einem  hier  mitgeteilten  Gesuch  um  die  behördliche  Erlaubnis» 
seine  4\\t  Jahre  vorher  in  Leipzig  begründete  Zeitschrift  in  Wien  zu  verlegen. 
Dann  wird  ein  von  den  Behörden  eingeholtes  Gutachten  abgedruckt,  das  der  Zeit- 
schrift Schumanns  jeden  Wert  abspricht  und  Schumann  als  einen  »vollstindig  nn- 


243 
REVUE  DER  REVUEEN 


bedeutenden''  Mann  hinstellt,  der  al#  Klavierspieler  nicht  mehr  könne  wie  Hunderte 
Dilettanten  in  Wien,  als  Kompositeur  „nicht  ein  einziges  beachtenswertes  Stück 
hervorzubringen  gewußt**  habe  und  nur  durch  die  ihm  von  Mendelssohn  ge- 
schenkte Teilnahme  zur  Anerkennung  gelangt  sei.  Mendelssohn  habe  „die  Ge- 
ringschätzung, die  er  für  den  Herrn  Schumann  hegen  muß**,  offenbar  nur  aus 
»Gutmütigkeit**  und  „bloßer  Menschenfreundlichkeit**  „überwunden*  und  Schumann 
nur  gefördert,  damit  dieser  eine  Existenz  finde,  die  ihm  die  Heirat  Clara  Wiecks 
ermöglichen  würde.  Infolge  dieses  Gutachtens  wurde  Schumanns  Gesuch  ab- 
gelehnt, und  er  kehrte  im  April  1839  nach  Leipzig  zurück.  Am  Schluß  berichtet 
Deutsch  kurz  über  die  späteren  Beziehungen  Schumanns  zu  Wien.  —  In  dem 
Autsatze  „Zwischen  ,Monismus*  und  ,Dualismus* **  bespricht  Eugen  Schmitz  an 
der  Hand  des  Buches  „Die  Zukunft  der  Musiktheorie  und  ihre  Einwirkung  auf  die 
Praxis**  von  Georg  Capellen  den  Streit  zwischen  den  sog.  „Dualisten",  die  „Dur 
und  Moll  für  ebenbürtig  halten,  also  eine  zweiheitliche  Basis  der  Harmonik  an- 
nehmen** und  den  sog.  „Monisten**,  die  „den  Mollakkord  für  etwas  Abgeleites  erklären, 
also  den  Durakkord  als  einheitliche  Basis  der  Harmonik  aufstellen**.  Den  „Grund- 
gedanken* des  Monismus  hält  Schmitz  für  richtig  und  für  „praktisch  ersprießlich". 
Er  glaubt  aber,  daß  Capellens  Versuche,  ein  „künstlerisch  und  wissenschaftlich 
brauchbares  Harmoniesystem  aufzubauen**  „noch  nicht  als  gelungen  bezeichnet 
werden**  können,  und  daß  Capellen  einige  „bedeutende  Errungenschaften  Riemanns 
wieder  freigibt**.  —  Eugen  Segnitz  nennt  in  dem  Nachruf  „Alfred  Reisenauer**  (No.42) 
den  Verstorbenen  „einen  der  größten  Pianisten  seiner  Zeit  und  als  Künstler  wie  als 
Mensch  gleicherweise  achtens-  und  liebenswert**.  Er  findet  Ähnlichkeit  zwischen 
Reisenauer  und  dem  „Maler  der  Romantik**  Philipp  Otto  Runge  (1777—1810). 
Ober  den  Komponisten  Reisenauer  sagt  Segnitz:  „Er  war  der  geborene  Lyriker 
und  wußte  wie  der  Besten  einer,  den  Gefühlsinhalt  einer  Dichtung  von  Grund  aus 
zu  erschöpfen.**  „Weit  über  hundert  Lieder . . .,  außerdem  auch  Variationen  für 
großes  Orchester  sind  Manuskript  geblieben**,  weil  Reisenauer  infolge  seiner  großen 
Gewissenhaftigkeit  „von  einem  gewissen  Mißtrauen  gegen  seine  Werke  erfüllt" 
gewesen  sei.  —  W.  Freudenberg  spricht  in  dem  Aufsatz  „Die  Aufgabe  des 
Chorgesangs  in  der  protestantischen  Kirche**  u.  a.  die  Ansicht  aus,  daß  „ein 
Kirchengesang  in  protestantischem  Geiste . . .  vor  allem  auf  das  Festhalten  einer 
sinngemäßen  Deklamation  zu  achten**  habe.  Auch  müße  „der  musikalische  Haupt- 
gedanke ...  sich  periodisch  und  metrisch  mit  dem  Hauptgedanken  decken 
und  aus  ihm  gleichsam  hervorzuquellen  scheinen**.  Freudenberg  wünscht,  daß, 
wie  in  früheren  Jahrhunderten,  „an  großen,  tonangebenden  Kirchen  nur  solche 
Musiker  zu  Dirigenten  berufen  werden,  die  auch  imstande  sind,  selbst  etwas  Gutes 
zu  schaffen**,  damit  begabte  Musiker  durch  die  Möglichkeit,  ihre  Werke  sogleich 
aufzuführen,  angeregt  würden,  liturgische  Musik  zu  komponieren.  Die  Mitwirkung 
lebender  Komponisten  sei  zur  Hebung  der  Kirchenmusik  dringend  erforderlich; 
denn  „das  Aufhören  des  Neuschaffens**  führe  „auf  allen  Gebieten  zu  Stillstand  und 
Rückgang**.  Bach  sei  zwar  „der  größte  protestantische  Kirchen komponist**;  aber 
er  habe  „nur  weniges  geschrieben,  was  man  in  der  jetzigen  Liturgie  brauchen  kann*, 
und  die  Aufführung  seiner  „bedeutenderen  Motetten**  sei  für  die  Kirchenchöre 
zu  schwierig.  Fr.  empfiehlt  auch  die  Schaffung  einer  von  der  obersten  Kirchen- 
behörde zu  wählenden,  aus  Musikgelehrten  und  Musikern  bestehenden  „Kommission 
zur  Prüfung  neu  komponierter  Gesänge**.  Die  von  dieser  Kommission  ausgewählten 
Werke  müßten  in  periodischen  Lieferungen  herausgegeben  werden.  —  J.  Baunack 
weist  auf  „Anklänge  an  des  Euripides  ,Iphigenie  bei  den  Tauriern*  im  Text  von 
Beethovens  ,Fidelio*'*  hin.  Magnus  Schwantje 

16* 


KRITIK 


OPER 

BREMEN:  Im  Sttdttheater  fand  die  Urauf- 
führung des  Goetheschen  »Das  Jabr- 
marktsfest  zu  Plundersweilen**  als  musik- 
dramatisctaes  Genrebild  in  der  Bearbeitung  des 
Textes  von  Emil  Pobl  statt,  zu  der  Prof.  Wilbelm 
Freudenberg  (Berlin)  eine  sebr  feine,  zumeist 
auf  lebendigem  Tanzrhytbmus  basierende  und 
volkstQmlicb  cbarakterisierte  Musik  geschafTen 
hat.  Der  Markttrubel  dieser  Szenen  wird  durch 
das  Goethescbe  Lied  an  den  Mond,  in  einem 
einfachen  und  stimmungsvollen  Terzett,  unter- 
brochen. Damit  wird  zwar  der  satirische  Cha- 
rakter des  gegen  die  Empfindsamkeit  der  Werther- 
Zeit  gerichteten  derben  Fastoachtspiels  im  Cha- 
rakter Hans  Sachsens  durchbrochen,  aber  diese 
Satire  ist  doch,  ebenso  wie  die  vielen  literar- 
historischen Anspielungen  überhaupt,  unserem 
heutigen  Publikum  fremd.  Die  Szenen  wirken 
durch  ihren  ausgelassenen,  harmlosen  Stimmungs- 
reiz, und  der  wird  durch  das  empfindsame  Mond- 
terzett wirksam  kontrastiert.  Sicher  ist  die  mit 
Geist  und  Humor  instrumentierte  Musik  Freuden- 
bergs künstlerisch  durchaus  von  feinem  Ge- 
schmack und  ein  wohltuender  Gegensatz  zu  der 
groben  Operettensucht  unserer  Zelt,  die  in 
Walzertriumen  und  Opernbillen  immer  mehr 
auch  die  ernsten  Stadttneaterbühnen  heimsucht. 

Dr.  Gerb.  Hellmers 

BRÜSSEL:  .Lesjumeaux  de  Bergame''(Die 
Zwillinge  von  Bergamo),  komische  Oper  in 
zwei  Akten  nach  Florian  von  Maurice  L6na, 
Musik  von  Emile  Jaques-Dalcroze,  erlebte 
ihre  erste  Aufführung  am  Monnaie-Theater. 
Die  überaus  einfache  Handlung  eignet  sich  be- 
sonders für  ein  Ballet  und  ist  zu  solchem  bereits 
früher  verwendet  worden.  Dem  Librettisten  lag 
es  ob,  Szenen  zu  schaffen,  die  dem  Talente  eines 
Musikers  wie  Dalcroze  zusagten.  Dies  gelang 
ihm  vortrefflich,  denn  die  Hauptpersonen  der 
Handlung,  der  iltere  Harlekin,  der  Rosttte  liebt, 
und  der  jüngere,  den  N6rine  eifersüchtig  liebt, 
sehen  sieb  zum  Verwechseln  ihnlich  und  rufen 
dadurch  die  komischsten  Szenen  hervor,  ab- 
wechselnd mit  Liebesergüssen,  Ausbrüchen  von 
Kummer,  Zorn  und  Freude.  Bewunderungs- 
würdig ist,  wie  Dalcroze  alle  diese  Empfindungen 
schildert,  und  besonders,  wie  er  die  Mimik  in 
Tönen  malt  durch  geschickte  Klangkombinationen 
und  überaus  interessante  Rhythmen.  Die  zwei 
Akte  sind  getrennt  durch  ein  längeres  sympho- 
nisches Zwischenspiel,  das,  wahrscheinlich  im 
Hinblick  auf  Konzertaufführungen,  ziemlich  aus- 
gedehnt ist  und  in  brillanter  Instrumentation  die 
Hauptmotive  bebandelt.  Nina  Faliero-Dal- 
croze,  die  bekannte  Konzertsängerin,  machte  mit 
der  Rosette  ihren  ersten  Bühnenversuch,  der 
vollauf  glückte.  Neben  ihr  sind  als  gleich  vor- 
trefflich zu  nennen  Mlle.  Symiane  (Ndrine) 
und  die  Herren  Decl6ry  und  Dua  (die  beiden 
Harlekine).  Felix  Welcker 

DRESDEN:  Die  dritte  Gesamtaufführung  von 
Richard  Wagners  »Ring  des  Nibelungen* 
wurde  im  Königlichen  Opernhause  in 
gewohnter,  würdiger  Weise  herausgebracht, 
wobei  die  Herren  Hagen  und  Mal  ata  sich 
in  die  musikalische  Leitung  teilten,  ob- 
wohl meinem  Empfinden  nach  ein  solcher 
Zyklus,  der  doch  als  ein  Ganzes  auch  in  der 


Reproduktion  erscbeinen  soll,  miter  eines 
einzigen  Dirigenten  Leitung  stehen  mfifite. 
Fräulein  Tervani,  über  deren  erfolgreicbes 
Debüt  ich  bereits  berichtete,  gastierte  weiterbin 
als  Maddalena  in  Verdi's  »Rigoletto*  nnd  wurde 
für  die  Hofoper  verpflichtet.  Herr  Sembsch 
fügte  den  Herzog  in  »Rigoletto*  nnd  den  Faust 
in  Gounod's  »Margaretbe*  seinem  Repertstre  neu 
ein.  —  Im  Zentraltheater  tost  Dresden  seit 
Beginn  dieses  Jahres  dank  den  Bemflbuntsn 
des  Direktors  Alexander  Rotter  eine  Operette 
ersten  Ranges,  die  sich  immer  mehr  die  Gunst 
des  Publikums  erobert.  Nach  dem  flberraschenden 
Erfolge  von  Leo  Fslls  ^Fidelem  Bauer*,  der 
mehr  als  fünfzig  Aufführungen  zu  Terseichnen 
hatte,  brachte  die  Direktion  Frenz  Lehärs 
neue  Operette  »Der  Msnn  mit  den  drei 
Freuen"  heraus  und  erzielte  damit  zwmr  keinen 
sensationellen,  aber  doch  einen  fkeundUehen  Er- 
folg. Die  Musik  steht  an  aparter  Melodik  und  guter 
Faktur  zweifellos  weit  über  der  «Luititea 
Witwe*,  und  die  Partitur  beweist,  dsß  Lehdr  hier 
auf  »Reißer*  verzichten  und  dafür  eine  kfinst- 
lerisch  wertvolle  Arbeit  bieten  wollte,  stier  dte 
Schwächen  des  Textbuches  sind  so  aufenSllii, 
daß  der  Komponist  und  sein  Werk  dsmnter  sehr  sn 
leiden  heben*  Die  Aufführung  war  Ton  Direktor 
Rotter  prächtig  inszeniert  und  Ton  Georg 
Pitt  rieh,  dem  bochbegsbten  und  eneigischeB 
Kapellmeister  des  Zentraltheaters,  musiktllsch 
vortreflriich  vorbereitet  In  den  Hsuptr611en 
ragten  die  Damen  Merviola,  Triebel-Hor* 
sten  und  Gonia,  sowie  die  Herren  Loewe, 
Aigner  und  Siegmund  hervor. 

F.  A.  Geifiler 
FRANKFURT  a.  M.:  Von  zwei  Gsstspidcn 
^  auf  Engagement  hat  vorzugsweise  dasjenige 
einer  stimmlich  sebr  begsbten  und  sorgsam  ge- 
schulten Koloratursängerin,  Frau  Goette  von 
Berlin,  als  Verdische  Trsvista  BeifUl  nnd  gute 
Erwartungen  erweckt;  scbsuspielerische  Gsbea 
der  Künstlerin  sind,  ds  sie  bisher  den  Konsert- 
gesang  pflegte,  noch  unentwiekelf,  aber  doeh 
schon  wahrnehmbar.  —  Recbtsebsffen  Im  Sftel, 
zureichend  im  Gesang,  aber  ohne  Jede  perste- 
lich  fesselnde  Wirkung  war  es,  was  ans  die 
Operettensoubrette  Wlni  Grsbitz  In  zwei  Gsst- 
rollen  bieten  konnte,  u.  s.  in  der  Titelrolle  von 
Audrans  «Puppe*,  die  bei  dieser  Gelegenheit 
in  guter  Neueinstudierung  wieder  Torgebrseht 
wurde.  Hsns  Pfeilechmidt 

HANNOVER:  Ende  März  gsb  es  in  der  Ktair 
liehen  Oper  eine  schon  ihres  Alters  und 
ihres  historischen  Wertes  wegen  intereessate 
Novität:  W.  A.  Mozsrts  »Girtnerln  aas 
Liebe"  (La  finta  giardiniera)  in  der  Kalbcekadien 
Bearbeitung.  Das  Werk  zeigt  in  dor  Mehrsahl 
der  Solonummern  allerdings  völlig  die  alte  Ita- 
lienische Opemschablone,  in  einigen  Nnmmera 
jedoch,  so  u.  a.  in  der  Arie  »Verlaasen  nnd  dar 
sam"  der  Sandrina,  sowie  auch  in  den  Basemble- 
sätzen  und  namentlich  in  der  Charakterlalemag 
der  Personen  merkt  man  deutlich  die  Spuea 
des  späteren  Mozart.  In  den  Partleen  der  San- 
drina, Serpetta  und  Arminda  waren  die  Damea 
Müller,  von  Abranyi  und  Burehardt,  ia 
denen  des  Podeste,  des  Beiflore  nnd  des  Narde 
die  Herren  Moest,  Hummeleheim  nndVegl 
tätig.  Alle  trafen  den  Mozartschen  GeaaagMli 
sowie  den  flotten  Darstellnngseharakter  deropeia 


245 
KRITIK:  OPER 


bnfft  wirklich  henrorrtgsnd.  Kipellmeister 
Brnck  dirigierte  die  ganz  prichtig  inszenierte 
Oper.  Der  Moztrtschen  Oper  folgte  neuein- 
stndiert  in  vollendeter  Wiedergabe  Bizet'a  ent- 
zfickende  Oper »DJami leb*  mit  Frl.Burcbardt 
und  den  Herren  Battiati  und  Vogl  in  den 
Hauptrollen.  L.  Wuthmann 

KÖLN:  Im  Opemhauae  gab  ea  drei  Neuein- 
atudierungen  ilterer  Werke.  Um  »Die 
beiden  Scbfitzen"  Lortzinga  macbte  aicb  der  boch- 
begabte  Junge  Kapellmeister  Walter  Gaertner 
sehr  verdient,  indem  er  ein  prichtiges  Ensemble 
zuwege  brachte.  Nicht  alle  unsere  Gesangskrifce 
atehen  kfinstlerisch  auf  der  vollen  Höhe  von 
Mozarts  »Entführung",  aber  so  recht  im  Sinne 
JMpzarts  waltete  unser  trefflicher  Franz  Weiß- 
leder am  Dirigentenpulte,  und  das  half  schon 
viel.  Desselben  Kfinatlers  feinfQhlige  Behand- 
lung von  Kienzla  »Evangelimann**  —  mit  Fritz 
R6mond  ala  dramatiach  fesselndem  Matthiaa  — 
aicherte  der  stimmungsvollen  Eigenart  des 
aolistisch  durchweg  bestbesetzten  Werks  wieder- 
um eiofen  schönen  Erfolg.  Paul  Hill  er 
f  EIPZIG:  Jene  planvolle,  vornehmlich  auf 
^  ainngemißere  und  reichere  Inszenierung  neuer 
und  Uterer  Werke  hinzielende  RQhrigkeit  der 
hiesigen  Opemleitung,  die  gegen  Ende  des 
vorigen  Jahres  an  der  wirksamen  Neu  -  Ein- 
stndlerung  von  d'Alberts  «Tiefland*  und  der 
erfolgreichen  EratauffQhrung  von  Puccini's 
»Madame  Butterfly*  in  fiberzeugender  Weise  zu 
Tage  getreten  war,  hat  auch  im  neuen  Jahre 
angedauert  und  neben  einer  weniger  glucklieben 
Reprise  von  Mozarta  »Entfuhrung  aus  dem 
Serail*  und  einer  im  Ganzen  wohlgelungenen 
Wiederaufnahme  von  Charpentiera  .Louise* 
(Dirigent:  Kapellmeister  Porat;  Louise,  Julien, 
Vater  und  Mutter:  Frl.  Marx,  Herr  Urlua, 
Herr  Soomer  und  Frl.  Urbaczek)  ziemlich 
bedeutende,  dekorativ  neu  und  sinngemiß  schön 
ausgestattete  Neuinszenierungen  von  Wagners 
.Rbeingold*  und  »Die  Walkfire*  (Dirigent: 
Kapellmeiater  Hagel;  Wotan,  Fricka,  Siegmund, 
SIegiinde,  Brunnbilde:  Herr  Soomer,  Fri. 
Urbaczek,  Herr  Urlua,  Frau  Osborn- 
Hannab,  Frau  v.Florentin;  Loge  und Albericb: 
HerrDr.Briesemeisterund  Herr  v.  Bongard t 
ala  Gäate)  zuatande  gebracht.  Einen  wirklich 
hervorragenden  künstlerischen  Charakter  hatte 
allen  dieaen  Vorstellungen  die  intelligente  und 
feinfühlige  Regiekunat  des  Oberregisseurs  von 
Wym6tal  eingeprigt,  und  so  bedeutet  denn 
der  leider  bevorstehende  Weggang  des  Herrn 
von  Wym6tal  an  die  Wiener  Hofoper  für  Leipzig 
tatsichlich  einen  aebr  achweren  Verlust.  Hoffent- 
lich ist  in  dem  ab  August  für  hier  verpflichteten 
gegen  wirtigen  Opern- Regisseur  des  Stuttgarter 
Hofiheatera,  Dr.  Hana  Löwenfeld,  der  rechte 
Eraatzmann  gewonnen  worden.  Des  Ferneren 
ist  von  den  letzten  drei  hiesigen  Opernmooaten 
noch  eine  Reihe  bedeutsamer  Gastspiele  zu 
verzeichnen.  Ottilie  Metzger-  Froitzheim 
erfreute  ala  Dalila  und  als  Carmen  vornehmlich 
mit  der  temperamentvollen  Schönheit  ihres 
Singena;  Betty  Schubert,  die  mit  ihrem  an- 
gegiriffenen  Organ  als  Fidelio  entiiuschte,  als 
Isolde  aber  reapektablea  musikdramaiisches  Be- 
anlagtsein  offenbarte,  wurde  fQr  die  hiesige 
Oper  engagiert;  Sigrid  Arnoldaon  entzfickte 
aenerdinga  mit  Ihren  anmutreich  kunatfertigen 


Verlebendigungen  der  MIgnon  und  der  Margarethe; 
mit  der  alten  herzlichen  Vorliebe  wurde  Marie 
Gutheil-Scboder  als  Santuzza,  Nedda  und 
Carmen  willkommen  geheißen;  Alice  Guazale- 
wicz  interessierte  als  vornehme,  nur  in  der 
Stimmtiefe  etwas  ohnmichtige  Isolde.  Gern 
sah  man  den  von  hier  an  die  Wieabadener  Hof- 
oper berufenen  trefflichen  Hans  Seh  fitz  zu 
einigen  Aushilfsgastspielen  wiederkehren,  und 
beifillig  wurde  Gottfried  Krause  aufgenommen, 
der  den  Herodea  noch  realistischer  spielte  und 
sprach  ala  Dr.  Briesemeister. 

Arthur  Smolian 

NEW  YORK:  »Geht  die  deutsche  Oper  unter?*, 
so  könnte  man  fragen,  wenn  man  das  Er- 
gebnis der  Saison  IWJjS  ansiebt:  im  Metropolitan 
45  Aufffibrungen  von  Werken  deutscher  Kom- 
ponisten gegen  74  italienischer  und  11  franzö- 
sischer; und  im  Manhattan  (wenn  man  Meyerbeer 
und  OITenbach  zu  den  deutschen  ziblt)  15  Auf- 
fuhrungen deutscher  Opern  gegen  61  italieniacher 
und  48  französischer.  Die  Antwort  lautet:  dem 
Amerikaner  ist  der  Singer  viel  wichtiger  als  die 
Oper.  Früher,  ala  wir  Lilli  Lehmann  und  Jean 
de  Reazke  hatten,  war  Wagner  obenan;  jetzt 
haben  wir  Caruso  und  die  Tetrazzini,  und  die 
Italiener  aiegen.  Obrigens,  trotzdem  die  Tetrazzini 
ausschließlich  Koloraturaingerin  ist,  sind  es  fast 
nur  die  lebenden  Italiener  (Puccini,  Leoncavallo, 
Giordano,  Boito),  die  beliebt  aind;  Rossini  und 
Donizetti  waren  mit  nur  einer  Oper  vertreten 
und  Bellini  gar  nicht.  Und  nochmals:  trotz  der 
Tetrazzini  waren  die  drei  populirsten  Opern  im 
Manhattan  französisch  (und  deutsch):  «Louise*, 
«Carmen*  und  «Hoffmanns  Erzählungen*  wurden 
je  elfmal  gegeben.  In  bezug  auf  Debussy  irrte 
ich,  ala  ich  prophezeite,  seine  Oper  wfirde  hier 
nicht  gefallen,  weil  sie  melodielos  sei:  «Pell6as 
et  M61isande*  machte  sieben  volle  Hiuser  — 
mehr  als  in  Paris  in  der  eraten  Saison,  worfiber 
unter  den  Debussyanern  große  Freude  herracht. 
Auch  Massenet  hat  mit  «Thais*  und  «La  Navar- 
raise*  viel  GIfick  gehabt,  und  im  nichsten  Winter 
soll  Mary  Garden  in  desaelben  Tonsetzers 
«Sappho*,  «Manon*,  «Le  Jongleur  de  Nötre- 
Dame*  und  «Griselidis*  erscheinen.  —  Im 
Metropolitan  hat  Guatav  Mab  1er  keine  so  große 
Rolle  gespielt,  ala  man  erwartet  hatte;  er  diri- 
gierte nur  «Walküre*,  «Siegfried*,  «Don  Giovanni* 
und  «Fidelio*,  allerdings  mit  glänzendem  Erfolg. 
Er  wird  wiederkommen;  auch  iat  Alfred  Hertz 
wieder  engagiert.  Man  rfiatet  sich  zu  ernstem 
Kampf  mit  dem  unternehmungslustigen  Hammer- 
stein. Da  Gatti-Casazza  und  Toscanini  viel  fQr 
deutsche  Musik  in  Italien  gewirkt  haben,  ist  es 
den  hiesigen  Wagnerianern  nicht  bange« 

Henry  T.  Finck 

WIEN:  Juliua  Bittnera  «Rote  Gred*, 
schon  unter  Mahler  von  derHofoper  an- 
genommen und  jetzt  zum  ersten  Male  hier 
aufgeführt,  ist  erfreulich  durch  die  Totalität  der 
Begabung,  die  darin  lebendig  ist  und  mehr  durch 
diese  Totalität  als  durch  deren  Ausdruck  im 
Einzelnen.  Sie  ist  blutvoll,  bahnebfichen,  hat 
etwas  bezwingend  Animalisches,  ohne  doch 
kultivierter  Geistigkeit  zu  ermangeln.  Daa 
spricht  sich  freilich  viel  mehr  in  der  Dichtung 
ala  in  der  Musik  aus.  Daa  Bittneracbe  Buch 
ist  szenisch  und  psychologisch  eines  der  vor* 
trefflichsten  der  letzten  Zeit  und  bat  einen  ganz 


MM 


246 
DIE  MUSIK  VII.  16. 


eigenen  Ton,  der  leider  dann  durch  die  Musik 
ein  wenig  verwischt  wird.  Diese  Musik,  zu 
einem  Drama,  das  in  seiner  Darstellung  des 
typisch  Weiblichen  als  zerstörenden  Dämons  der 
Sexualität  wirklich  ins  allgemein  Menschliche 
greift  und  bei  aller  Realistik  doch  immer  im 
Goetheschen  Sinn  symbolisch  bleibt  —  diese 
Musik  ist  seltsam,  fast  als  wäre  sie  von  zwei 
Persönlichkeiten  geschaffen:  von  einer  stam- 
melnden und  tastenden,  an  Bekanntes  hilflos 
sich  klammernden  —  und  von  einer  gesund 
bodenständigen,  die  besonders  fiir  das  Volks- 
treiben knappe  und  scharfe  Tonbildei  trifft,  einer 
warmen  und  dabei  sehr  unsentimentalen  dazu, 
der  so  schöne  Dinge  gelingen  wie  das  in  breiter 
Linie  geschwungene  Vorspiel,  die  reizende  Fis- 
dur  Stelle  im  ersten  Liebesduett  und  der  prächtig 
charakterisierende  Schluß.  Man  wird  sich  lieber 
an  diese  Seite  der  Bittnerschen  Psyche  halten 
und  manches  Unbeholfene  und  GestQckelte 
seines  Werks  nicht  als  kfinstlerisches  Versagen, 
sondern  als  den  Fehlgriff  eines  ehrlich  Suchenden 
empfinden  und  lieber  sehen  als  geschmeidig 
routinierte  Fertigkeit,  die  UngefGhltes  geschickt 
jonglierend  unredlich  zu  verdecken  weiiL  Und 
man  wird,  auf  geschlossenere  Erfindung  und  orga- 
nischeres Durchbilden  der  Einfälle  seiner 
reifenden  Kraft  hoffend,  »die  rote  Gred*  — 
über  deren  Einzelnheiten  in  diesen  Blättern  ja 
schon  aus  Frankfurt  und  Darmstadt  berichtet 
worden  ist  —  als  eines  der  besten  Versprechen 
betrachten,  die  in  den  jüngsten  Jahren  gegeben 
worden  sind.  Dieses  Gefühl  hat  offenbar  bei  dem 
starken  Erfolg  mitgewirkt,  der  dem  Werk  und 
seiner  glanzvollen  Aufführung  zuteil  wurde. 
Bruno  Walter,  der  jetzt  die  letzten  Stufen  zur 
absoluten  Dirigentenmeisterschaft  zu  erklimmen 
scheint,  hat  sie  mit  unvergleichlichem  Feuer 
genial  nachschaffend  geleitet.  Dazu  eine  un- 
vergeßliche Leistung  der  Gutheil-Schoder: 
ihre  Gred  wirkt  elementar,  triebhaft,  gleich 
einem  prachtvollen  Tier,  verheerend,  grausam 
und  lockend.  Neben  ihr  May  r  als  Turm  Wächter, 
breit,  behaglich,  herzlich;  Weidemann  als 
Stadthauptmann  in  eherner  Kraft  und  gefestigter 
Männlicbkeit;  viel  schwächer  und  allzu  unfrei 
Schröders  Hans.  Eine  Reihe  vorzüglicher 
Episoden,  von  Frau  Hilgermann,  Frau 
Pohlner  und  den  Herren  Moser,  Breuer 
und  Stoll  in  bester  Haltung  verkörpert.  Das 
Beste  am  Ganzen:  die  frohe  Erwartung,  die  das 
so  gar  nicht  „/.ünftige**  Werk  erweckt.  Auch 
wenn  Bittners  nächste  Schöpfung  sie  noch  nicht 
gaiiz  erfüllen  sollte  —  man  wird  ihm  auch  ein 
nächstes  Mal  gern  mehr  als  «sieben  Fehler  ver- 
geben". Wenn  nur  schließlich  ein  Meister- 
gesang herauskommt.  —  In  der  Volksoper: 
die  deutsche  Uraufführung  von  Bukas' 
«Ariane  und  Blaubart'  nach  Maeterlinck's 
Dichtung.  Ein  seltsames  Werk.  Äußerste  Kon- 
sequenz des  «Debussysme":  Verbannung  von 
Melodie  und  rhythmischen  Kontrasten.  Nichts 
als  Harmonie  —  aber  darin  von  einer  Kunst, 
einer  Konzentration,  einem  Reichtum  an  Farben, 
die  gleichzeitig  ermüdend  und  aufreizend, 
lähmend  und  berauschend,  faszinierend  und 
beunruhigend  wirken.  Ein  starker  Eindruck  ist 
nicht  wegzuleugnen;  ein  Eindruck  angstvoller 
Spannung  und  magischer  Betörung  durch 
Stimmungsextrakte  von   unsäglicher  Kraft  der 


mm 


Kondensierung  und  von  höchster  Sul>tilltit  des 
klanglichen  Raffinements.  Nur  daß  es  sweifel* 
haft  ist,  ob  es  ein  Eindruck  der  Musik  —  falls 
man  die  Dukas'schen  Klänge  noch  so  neanen 
kann  —  oder  einer  der  Dichtung  isi|  deren 
Wortsymbole  sich  mit  den  Tonsymliolen  sa 
einem  fremdartig  schönen  und  doch  abstoßenden, 
gleich  schweren  Düften  lastenden»  fesselnden 
und  zugleich  ennervierenden  Gsnsen  mischen. 
Zweifellos:  das  ernste  Werk  eines  ernsten 
Künstlers.  Nur  daß  ich  nicht  glaube,  daß  Jene 
recht  haben,  die  hier  den  Weg  su  musiiuüischem 
Neuland  sehen,  —  im  Gegenteil:  er  scheint  mir 
in  die  »unseligen  Urständ'  prlmitiTSter  Musik 
zurückzuführen.  Die  Vorstellung  von  »Ariane 
und  Blaubart*  bedeutete  übrigens  eine  Kraft- 
probe für  die  Volksoper,  sus  der  sie  mit  Ehren 
hervorgegangen  ist,  wenn  auch  das  Werk 
szenisch,  gesanglich  und  orchestral  eine  Bi»ch 
viel  differenzienere  Ausführung  fordert.  Jeden« 
falls  aber  hat  das  Orchester  unter  Zemlinsky 
seine  bisher  höchste  Leistung  vollbracht»  Frau 
Stagl  hat  die  Ariane  mit  bildhaft  schöner  Ei^ 
scheinung  und  sicherer  Beherrschnng  der  nn- 
ermeßllch  schwierigen  Partie  gesungen,  nnd  das 
Bühnenbild  vermochte  die  Illnssion  zn  wahren  — 
bis  auf  Einzelnheiten,  in  denen  die  Wfinsche 
des  Dichters  nicht  beschtet  worden  sind.  Vor 
allem  aber:  es  war  ein  Verdienst^  ein  neöes 
und  so  stark  anregendes  Werk  su  bringen.  Ein 
doppeltes,  weil  es  unsägliche  Arbeit  kcMeie. 
Ein  dreifaches,  weil  ein  Kassenerfolg  ?oa  Tom- 
herein  ausgeschlossen  war. 

Richard   Specht 

KONZERT 

ANTWERPEN:  Seit  meinem  letzten  EÜerlcht 
waren  es  ausschließlich  die  Konzerte  der 
Gesellschaft  »Nouveaux  concerts',  dte  sn 
interessieren  vermochten.  Man  merkt  deotUch 
die  musikalisch  erzieherische  Krafl^  die  diese 
Gesellschaft  auf  unser  im  allgemeinm  nicht 
gerade  sehr  konzertreifes  Publikum  ansBbi^ 
sonst  wire  es  nicht  zu  verstehen^  dafi  die 
Kammermusik-Abende  sich  einer  soichen 
Gunst  erfreuten.  Der  dritte  Abend,  der  ans 
Trios  von  HaydUy  Schumann  und  Francle  darch 
die  ganz  ausgezeichnete  Vereinignng  Cortot. 
Thibaud  und  Casals  bot«  war  ein  Geneft 
allerersten  Ranges,  wihrend  im  Tierten  des 
Berliner  Vokalquartett  der  Damen  Grnm* 
bacber-de  Jong,  Aschsffenhurg  (in  Ver^ 
tretung  der  verhinderten  Frau  Culp),  der  Herren 
Reimers  und  van  Eweyk  in  Schnmaina 
«Spanischem  Liederspiel*  und  Brahma'  Li^es« 
liederwalzern  den  ihm  vorau^henden  Rnf  nieht 
in  allen  Teilen  rechtfertigte.  —  Mit  der  Auf- 
führung von  Wagners  »Rheingold'  in  Koatfert- 
form  kann  man  sich  nur  teilweise  befinrandett. 
Ein  wirkliches  Interesse  bietet  sie  nur  dem« 
ienigen,  der  dieses  Vorspiel  in  szenischer 
Darstellung  vorher  genossen.  Die  hiesige  An^ 
führung  unter  Leitung  Mortelmans  mit  dem 
geradezu  idealen  Loge  Tsn  Dycket  dem 
Kölner  Baritonisten  Whitehlll  ale  Wotan  and 
einigen  tüchtigen  Kriftender  hieeigenFIftniachen 
Oper  stand  auf  hoher  künstlerischer  Stofo. 

A.  Henigeheiai 


247 
KRITIK:  KONZERT 


|>  ERLIN:  Am  Karfreitag  hat  die  Sin  gak  ad  emie 
'^  onter  Georg  Schumanns  Leitung  wieder 
Bachs  Matthius-Passion  aufgeführt.  Wie  in 
der  Johannis-Passion  sang  Dr.  Felix  von  Kraus 
die  Partie  des  Heilandes  durchaus  nicht  im  Cha- 
rakter der  Persönlichkeit;  von  dem  Heiligen- 
schein, den  das  Streichorchester  fiber  dem  Haupt 
Christi  schweben  lißf,  war  bei  dieser  herben 
Klangfarbe,  bei  dieser  harten  Vortdeklamation 
wirklich  nichts  zu  spüren.  Besser  als  neulich 
Itettaltete  Frau  von  Kraus-Osborne  die  Alt- 
partie; die  große  Arie  »Erbarme  dich"  gab  sie  in 
mbiger,  natürlicher  und  doch  warmer  Empfindung. 
Carl  Die  rieh  gab  den  Evangelisten,  Meta 
Dierich-Geyerdie  Sopransoli  in  angemessener 
Weise;  in  die  Baßpartieen  teilten  sich  die  Herren 
Hermann  Weißenborn  und  Schwendy.  Das 
Beste  des  Abends  leisteten  der  Chor,  der  sich 
sicher  im  geistigen  Vollbesitz  des  Werkes  fühlt, 
und  das  Philharmonische  Orchester;  wer  von 
dessen  Mitgliedern  als  Solist  beschiftigt  war, 
erfreute  durch  musikalifche  Sicherheit  und 
Klangschönheit.  —  Den  zehnten  und  letzten 
Symphonie-Abend  der  Königlichen  Ka- 
pelle im  Opernhause  dirigierte  Robert  Laugs. 
Das  Programm  brachte  Cherubini's  »Anakreon*- 
Ottvertfire,  Mozarts  Es-dur  Symphonie  und  Beet- 
hovens »Nennte"  mit  dem  Königlichen  Opern- 
ctaor  und  dem  Solequartett  der  Damen  Hempel 
und  Goetze,  der  Herren  Kirchhoff  und 
Hoff  mann.  Die  Solostimmen  klangen  nicht 
recht  zusammen;  Friulein  Hempel  führte  auch 
nicht  sicher  genug,  sie  muß  sich  mit  dem  Stil 
Beethovens  vertrauter  machen.  Der  Dirigent 
zeigte  sichere  Herrschaft  über  den  komplizierten 
Apparat  des  Werkes,  er  bot  eine  durchaus  an- 
erkennenswerte Leistung,  die  den  Vergleich  mit 
früheren  Aufführungen  in  diesen  Konzerten 
getrost  aushalten  kann.  Auch  das  Publikum, 
das  zu  Beginn  des  Abends  sich  dem  jungen 
Leiter  gegenüber  nur  recht  lau  verhielt,  er- 
wirmte  sich  allmihlich  für  ihn  und  rief  ihn 
zum  Schluß  der  Symphonie  mehrmals  heraus. 
Das  Interregnum  in  der  Leitung  dieser  Konzerte 
hat  bekanntlich  durch  definitive  Wahl  des  Dr. 
Richard  Strauß  als  Dirigenten  vorliufig  seinen 
Abschluß  gefunden.  E.  E.  Taubert 

OOSTON:  Unter  den  vielen  in  den  letzten 
'^  Monaten  hier  gegebenen  Konzerten  müssen 
drei  besprochen  werden,  die  mehr  als  eine  lokale 
Bedeutung  hatten:  Arnold  Dolmetsch  spielte 
alte  englische  Musik  auf  den  alten  Instrumenten. 
Es  war  entzückend,  Purcells  Musik  in  den  süßen 
hellen  Tönen  der  Viola  da  Gamba  und  das  feine 
Stakkato  des  Harpsichords  zu  hören.  Alle  diese 
alte  Musik  hat  eine  Ruhe  und  Klarheit,  die  in 
diesen  Tagen  des  Fortissimo  sehr  wohltuend  be- 
rührt. Es  ist  möglich,  daß  Arnold  Dolmetsch  ein 
Wiederaufleben  dieser  ruhigen  Musik  zustande 
bringen  wird.  —  Frederic  S.  Converse,  ein 
Bostoner  Komponist,  hat  ein  episches  Werk 
»Hieb*  geschrieben,  das  von  der  Caecilia- 
Gesellschaft  aufgeführt  wurde.  Converse  hilt 
sich  in  dem  Textbuch  nicht  an  die  Bibel;  er 
schildert  den  Kampf  des  Menschen  gegen  das 
Schicksal  und  die  schließliche  Unterwerfung 
unter  den  Willen  Gottes.  Durch  seine  Bearbeitung 
verliert  der  Text  an  dramatischem  Interesse, 
aber  die  Musik  erhält  dadurch  mehr  Spielraum. 
Darcta  seine  Behandlung  des  Themas  mit  Chören, 


Solisten  und  Orchester  hat  Converse  etwas 
Ähnliches  geschaffen  wie  eine  Kantate  der  alten 
Schule.  Die  Formen  der  Fuge  und  des  Kanons 
sind  ihm  nicht  besonders  vertraut;  aber  im 
Kontrapunkt  zeigt  er  sich  doch  sehr  gewandt, 
und  die  alten  gregorianischen  Formen  scheinen 
ihm  sehr  ans  Herz  gewachsen  zu  sein.  Es  ist 
ein  Versuch,  die  Formen  der  alten  Kirchenmusik 
mit  dem  Glanz  der  modernen  Orchestration  zu 
vereinen.  Die  Musik  ist  sehr  verstindnisvoll 
und  wird  nur  da  schwach,  wo  sie  versucht,  in 
einem  sehr  langen  Solo  das  Wesen  der  Gottheit 
zu  schildern.  Das  scheint  außerhalb  der  Macht 
der  Musik  zu  liegen.  Das  Werk  soll  im  November 
in  Hamburg  aufgeführt  werden,  wo  Ernestine 
Schumann-Heink  als  Solistin  mitwirken  wird.  — 
Das  dritte  bemerkenswerte  Ereignis  war  die  Auf- 
führung von  Max  Regers  Variationen  über  ein 
Thema  von  Hiller  in  einem  der  Symphonie- 
Konzerte.  Es  war  eine  feine  Aufführung,  die 
einen  großen  Eindruck  machte.  Dr.  Muck  diri- 
gierte das  Werk  ausgezeichnet.  Er  wird  uns  in 
den  nichsten  Wochen  verlassen. 

Louis  C.  Elsott 
OROSSEL:  Sylvain  Dupuis  brachte  im  dritten 
^  Concert  populaire  die  selten  gehörte  c-moll 
Symphonie  mit  Orgel  von  Saint-Saöns  zu  Gehör. 
Das  wirklich  bedeutende  Werk  machte  bei  guter 
Ausführung  (nur  zu  schwacher  Orgel)  einen 
starken  Eindruck.  Eine  Novitit,  die  symphonische 
Dichtung  »Romeo  und  Julie*  von  dem  hier 
lebenden  Lunssens,  ist  ein  verdienstvolles 
Werk.  Aber  das  ganze  Drama  in  einer  Skizze 
bebandeln  zu  wollen,  ist  ein  Ding  der  Unmöglich- 
keit. Am  besten  gelungen  ist  die  Liebesszene, 
die  zu  einem  hinreißenden  Aufschwung  führt« 
Enormen  Erfolg  errang  Mischa  El  man  mit  dem 
Konzert  von  Brahms  und  dem  «Rondo  capriccioso* 
von  Saint-Sa6ns.  —  Das  fünfte  historische 
Konzert  Durant  war  Schubert  (C>dur  Sym- 
phonie) und  Schumann  (B-dur  Symphonie  und 
»Genoveva'-Ouvertüre)  gewidmet.  Aufführung, 
besonders  Schumann,  sehr  sorgnitig.  Dazwischen 
sang  M"«  Wybauw  auf  deutsch  Lieder  von 
Schuhen  und  Schumann  mit  frischer  Stimme  und 
gutem  Verstindnis.  Auch  im  sechsten  Konzert 
(Wagnerabend)  sang  sie  drei  Gedichte  und  die 
SentaBallade.  Das  Orchester  spielte  unter  Durant's 
anfeuernder  Leitung  eine  Reihe  der  schönsten 
Werke  sehr  virtuos.  —  Im  fünften  Konzert 
Ysaye  schwang  der  Hollinder  Henri  Viotta 
den  Taktstock.  Er  ist  ein  gediegener  Musiker 
und  sattelfester  Dirigent,  der  die  «Eroica",  sowie 
Vorspiel  und  Liebestod  aus  »Tristan*,  Walküren- 
ritt und  »Parsifal*- Vorspiel  zu  schönster  Geltung 
brachte.  Als  Solist  erntete  Thibaud  mit  dem 
Konzertstück  von  Saint-SaSns  und  der  Spanischen 
Symphonie  von  Lalo  begeisterte  Ovationen.  — 
Gevaert  führte  im  dritten  Konservatoriums- 
konzert Beethovens  »Neunte"  mit  hervorragenden 
Solisten  prachtvoll  auf.  —  Ein  sehr  schönes 
zweitigiges  Bachfestival  veranstaltete  der 
Cercle  artistique  unter  Meister  Steinbach  aus 
Köln  und  unter  Mitwirkung  des  Vokalquartettt 
Stronck-Kappel,  Pbilippi,  Walter,  Zals- 
man,  des  Pianisten  Bosquet,  des  Trompeters 
Werle  aus  Köln.  Den  gemischten  Chor  stellte 
der  Deutsche  Gesangverein  in  BrüsseL  Es 
kamen  zur  Aufführung:  sieben  Kantaten,  darunter 
die  »Kaffeekantate*  und  »Der  zufriedengestellte 


248 
DIE  MUSIK  VII.  16. 


Äolus",  vier  geistliche  Lieder  für  Soloquartett, 
zweites  und  fünftes  Brandenbnrgisches  Konzert, 
Pastorale  aus  dem  Weihnacbtsoratorium.  Das 
Festival  yerlief  in  glinzender  Weise,  Steinbach 
wurde  sehr  gefeiert.  —  Eine  weitere  Bach- 
manifestation,  das  erste  der  drei  angekündigten 
Bachkonzerte,  die  der  beliebte -Geiger  Zim- 
mer veranstaltet,  hatte  folgendes  Programm: 
Vortrag  fiber  Bach  von  Vincent  d'Indy,  erstes 
und  viertes  Brandenburgiscbes  Konzert  mit  dem 
ausgezeichneten  Geiger  Job.  Smit  als  Solisten, 
der  mit  dem  Pianisten  Tb6o  Ysaye  auch  noch 
die  A-dur  Sonate  spielte.  Herr  Zimmer,  der  sich 
zum  ersten  Male  als  Orchesterdirigent  vor- 
stellte, hinterließ  einen  guten  Eindruck.  Seine 
Gattin  sang  zwei  geistliche  Lieder  und  eine 
Arie  aus  dem  Weihnacbtsoratorium  mit  sym- 
pathischer Altstimme.  —  Unter  den  zahlreichen, 
aber  selten  gut  besuchten  Solistenkonzerten 
seien  erwihnt  die  von  Meister  Pugno  mit  seiner 
SchfilerinGermaineSchnitzer,MischaElman, 
Kathleen  Parlow,  Lula  Mysz-Gmeiner,  die 
alle  in  hohem  Maße  entzückten. 

Felix  Welcker 

BUDAPEST:  Es  geht  zu  Ende.  Noch  ein 
musikböser  Monat,  und  des  Hörens  süße 
Qual  ist  überwunden.  Unsere  Kammermusiker 
haben  die  Saison  bereits  geschlossen,  und  auch 
die  Philharmoniker  stehen  vor  ihrem  letzten 
Konzert,  das  die  »Neunte"  bringen  soll.  In 
ihren  letzten  Abenden  hörten  wir  als  Novitäten 
Rimsky-Korssakow's koloristisch  interessante 
«Antar*-Symphonie,  eine  graziöse  Balletsuite  in 
b-moll  des  alten  Thomaskantors  und  eine  „Un- 
garische Suite"  (eine  Reihe  liebenswürdiger  Ton- 
bilder aus  dem  Soldatenleben)  von  dem  reich- 
begabten jungen  Desider  Antalffy.  Ossip 
Gabrilowitsch,  dessen  lyrisch-edle  Kunstler- 
schaft wir  zum  erstenmal  bewundern  konnten, 
führte  sich  bei  uns  mit  einem  Konzert 
seines  Landsmannes  Rachmaninoflf  glijcklich  ein. 

—  Das  dritte  Konzert  des  „Akademie-Or- 
chesters" brachte  als  Novitit  Richard 
Wagners  durchsichtige,  sich  noch  in  ältester 
Opemschablone  bewegende  Jugendouvertfire 
„Cristoforo  Colombo"  und  in  der  Interpretation 
durch  die  geniale  Geigerin  Stefi  Geyer  Eugen 
Hubay's  neuestes  (viertes)  Violinkonzert  all' 
antica,  im  Reichtum  der  melodiösen  Erfindung, 
der  Formschönheit  und  des  Stimmungsgehaltes 
entschieden  eine  der  besten  Arbeiten  dieses 
für  sein  Instrument  fruchtbar  tätigen  Künstlers. 

—  Von  solistischen  Darbietungen  verdienen  ein 
reizvoller  Liederabend  der  musikalisch  hoch- 
intelligenten Konzertsängerin  Josefa  Röna- 
Kcm6nyffy  und  ein  glänzendes  Konzert  des 
eminenten  Pianisten  Ignaz  Friedman  hervor- 
gehoben zu  werden.  Dr.  B61a  Diösy 
pvRESDEN:  Im  sechsten  Hoftheaterkonzert 
'^  der  Serie  A  kam  eine  Neuheit  von  Mozart 
zur  ersten  Auffuhrung  unter  Adolf  Hagens 
feinfühliger  Leitung,  nämlich  die  von  Georg 
Göhler  sehr  geschickt  bearbeitete  Suite  aus  dem 
Ballet  „Les  petits  riens".  Die  kurzen,  melodisch 
fiberquellenden  und  überaus  graziösen  Sätzchen 
sind  echt  mozartisch  und  versetzten  die  Hörer 
in  das  hellste  Entzücken.  Glänzend  wirkte  auch 
die  geistvolle,  funkensprübende  Ouvertüre 
„Cameval"  von  Anton  DvoHk.  Die  Brahms- 
schen  Orchestervariationen    über   den   Antoni- 


m 


Choral  sowie  Beethovens  achte  Symphonie  vei^ 
vollstindigten  das  Programm  des  Komertt,  das 
zwar  ganz  und  gsr  nicht  sensationell  aber 
äußerst  genußreich  war.  Das  Palmsonntafs- 
konzert  im  Königlichen  Opemhause  brachte  -- 
wie  schon  seit  Jahren  —  die  Verwandlungs- 
musik  und  den  „Charfreitagszauber*  ans 
Wagners  „Pareiftil*  und  Beethovens  „Nennte* 
unter  Herrn  Hagens  kfinstlerischer  Ffihmng. 
So  selbstveretändlich  gerade  diese  Wiedergabe 
der  „Neunten"  ist,  so  sehr  müßte  man  wünsuen, 
daß  der  erste  Teil  des  Palmsonntagskonzerts 
nicht  immer  dieselben  Musilcstficke  bieten 
möchte.  Ein  so  in  allen  seinen  Teilen  allilhi^ 
lieh  beinahe  steraotyp  wiederkehrendes  Programm 
verliert  mit  der  Zeit  an  Interesse.  —  Von 
Solistenabenden  sei  vor  allem  der  Ton  JoUa 
Culp  genannt,  die  sich  wiederum  als  eine  be- 
gnadete Gesangskünstlerin  und  Liederinterpreiin 
erwies  und  Jeden  Hörer  in  den  Bann  ihrer 
großen,  reinen  Kunst  schlug.  Wilhelm  Baek* 
haus  hat  unser  Publikum  durah  iwel  weitere 
Klavierabende,  die  bereits  wochenlang  ▼orber 
ausverkauft  waren,  in  einen  wahren  Tannel  der 
Begeisterung  vereetzt,  und  das  mit  vollem  Reek^ 
denn  er  ist  in  .der  Tat  ein  meisterlieher  Pianist, 
der  an  Technik  wie  kfinstlerischer  Vielseitigkeit 
und  Innerlichkeit  des  Empfindens  nur  wenige 
seinesgleichen  hat.  Daß  wir  uns  aber  auch 
unserer  heimischen  Meister  zu  Atmen  allo  U^ 
Sache  haben»  bewies  Bertrand  Roth  mit  einem 
Beethovenabend,  in  dessen  Verlauf  er  vier  treff- 
lich zu  einander  abgestimmte  Klavienonaien 
mit  so  tiefem  Eindringen  In  die  innersten  Einsei- 
beiten,  so  starker  Gestaltungskraft  and  so 
lebendigem  Erfassen  des  geistigen  nnd  seellsehes 
Gebaltes  spielte,  daß  er  damit  eine  wahrhaft  er^ 
hebende  künstlerische  Tat  vollbrachte  tmd 
stürmischen  BeiMl  erntete.  —  Im  Tonkfinstler- 
verein  kamen  eine  Suite  ffir  Klavier  und  IHolin- 
cell  von  Emil  K renke  (vom  Komponisten  nnd 
Georg  Wille  vorgetragen)  sowie  ein  Varlntlooes- 
satz  für  vier  Celli  von  Julius  Klenfel  mit 
gutem  Erfolge  zur  ersten  Anfffihmng.  In 
Musikpädagogischen  Verein  eraielte  ein  Klavie^ 
trio  von  Hermann  Scholz  dank  seiner  treffllelieB 
musikalischen  Eigenschafken  eine  sehr  na^ 
haltige  Wirkung.  F.  A.  GeiDIer 

ELBERFELD:  Am  ffinften  Sansct-Kfinst- 
lerabend  war  Otto  Brlesemeister  bei 
Liedern  von  Wolf  und  Wagner  mit  seiner  ftinen 
Charakterisierungskunst  in  seinem  ElementSi 
Daneben  leisteten  J.  van  Lier  (Cello)  und  das 
Ehepaar  Hermaons-Stibbe  (Klavier)  HefTe^ 
ragendes«  Der  Elberfelder  Lehrergesang- 
verein  bot  in  seinem  Konzert  von  Hans  Heyn 
sorgfältig  einstudierte  Volkslieder,  Agnes  Leyd- 
hecker  ausdrucksvolle  Gesangs-  nnd  der  InngSi 
talentvolle  Schulze-Prisca  beachtenswerte 
Violinvorträge.  Der  Volkslicderabend  des  ven 
Gerhard  Peltzer  geleiteten  gemischten  Chors 
interessierte  durch  Darbietung  deutscher  Voik^ 
lieder  aus  fünf  Jahrhunderten  nnd  Ueden 
zur  Laute  (E.  Pack),  daa  ffinfce  volkstfia- 
1  ich e Symphoniekonzert dea  Stidtlscben 
Orchesters  durch  ein  musikalisch  wertvolles^ 
dabei  schwieriges  Cellokonzert  von  Fritt 
Kaufmann,  das  in  Henry  Son  dnen  treff- 
lichen Interpreten  ftind.  Im  fünften  Abonne- 
mentskonzert  der    Koniertgesellschsft 


249 
KRITIK:  KONZERT 


war  Scbabertt  «UnvoUeodete*  eine  vollendete 
Leittuoc  des  Orcbesters  unter  Hans  Haym. 
Als  ausgezeichneter  Mozart-  und  Cbopinspieler 
wußte  Willy  Rebberg  zu  fesseln,  in  der 
»Gunlöl** Szene  von  Peter  Cornelius  Anna 
Stronck-Kappel  Ibre  Kunst  zu  zeigen  und 
der  Chor  dem  an  schöner  Tonmalerei  reichen 
Stimmungsbild  »Wolken  am  Meer"  von  Ernst 
Heuser  freundliche  Aufnahme  zu  yerscbalfen. 
Der  Solist  der  dritten  Morgenaufffibrung 
war  Leopold  Godowsky,  dessen  Domine  nicht 
Beethoven,  sondern  Liszt  und  Chopin,  und  der 
ein  phinomenaler  Techniker  auch  der  linken 
Hand  Ist.  Ferdinand  Schemensky 

ESSEN:  „Parsifkl^-Pragmente  lockten  zwei 
bltsige  Konzertiostituie,  den  Musikverein 
und  den  Frauen chor.  Sie  brachten  den  Chor 
der  Blumenmidcben  und  die  Szene  der  Kundry, 
und  lieferten  damit,  zumal  durch  die  viel  zu 
starke  Besetzung  des  Chores,  aufs  neue  den 
Beweis,  daß  man  den  „Parsifal"  nicht  von  seiner 
Stitte  verpflanzen  soll.  Im  Musikverein  hörte 
man  außerdem  unter  Witte  Liszts  »Faust*- 
Sympbonie,  vom  Frauenchor  unter  Oben  er 
weitere  Bruchstücke  aus  Wagnerseben  Werken. 
Willy  Backhaus  gab  in  einem  Klavierabend 
Proben  seiner  virtuosen,  aber  leider  innerlich 
kfihlen  Kunst  Max  Hehemann 

FRANKFURT  a.  M.:  Nur  ein  ptar  Jahre  bat 
^  sich  unser  Rfiblscher  Gesangsverein 
der  künstlerischen  Oberleitung  von  Siegfried 
Ochs  erfreut;  im  letzten  öffentlichen  Vereins- 
koozert  dieser  Saison  nahm  er  schon  wieder  Ab- 
schied, und  mit  seiner  Auslegung  von  Bachs 
h-moll  Messe  bat  er  dem  Publikum  seiner  Vater- 
stadt das  Scheiden  wahrlich  nicht  leicht  gemacht. 
Mao  hatt  darin  sind  wohl  alle  Urteilsfähigen 
einig  (und  die  Urteilsunfihigen,  die  der  Msjoritit 
nachlaufen,  erst  recht!),  die  ungeheure  Ton- 
schöpfnng  hier  seit  langen  Jahren  nicht  in  so 
vollkommener  Wiedergabe  gehört,  namentlich 
lange  nicht  eine  derartige  echt  inspirierte  Hal- 
tung der  Chorkrifte  erlebt,  wie  diesmal.  Im 
Saal  war  kein  Platz  leer;  der  Dirigent  in  erster 
Linie  wurde  mit  Beifall  überschüttet.  —  Um  ein 
Scheiden  handelte  es  sich  auch,  als  das  Kammer- 
musik-Quartett des  Museums  für  gegenwärtige 
Saison  Schluß  machte:  der  Primgeiger  Felix 
BerberundderCellist  Alwin  Seh  roed er  ziehen 
zu  anderen  Wirkungsstätten.  Wie  ein  Trost  folgte 
auf  diesen  Quartettabend  ein  zweiter,  nicht  minder 
genoßreicher  des  Reh n er- Quartetts,  dessen  fein 
ausgeglichenes  Zusammenspiel  sich  an  lauter 
Werken  von  Brahma  bewährte.  Verbleiben  uns 
die  Herren  Ad.  Rebner,  W.  Davisson,  L.  Natterer 
und  Job.  Hegar,  daneben  noch  etwa  die  Hocksche 
Quartettvereinigung,  so  ist's  mit  der  Kammer- 
musikpfiege  hier  auch  femer  wohlbestellt.  Für 
dieamal  flaut  das  Leben  in  den  Konzertsälen 
ziemlich  rasch  ab.  Telemaque  Lambrino  gab 
noch  einen  zweiten  Klavierabend,  auch  in  diesem 
Falle  auf  die  fragwürdige  Gunst  der  Freibillett- 
kunden tapfer  Verzicht  leistend.  Doch  schien 
er  in  der  Wahl  seines  Programms  nicht  ganz  so 
gut  beraten  gewesen  zu  sein,  als  vordem;  an 
Beethovens  Waldsteinsonate  reichte  seine  sehr 
scbätztMre,  ernste  Kunst  nicht  vollkommen  heran. 

Hans  Pfeilschmidt 

GENF:  Ein  wahrer  musikalischer  Wolkenbruch 
ging  zu  guter  Letzt  über  unsere  Konzertsäle 


hernieder.  Zu  den  hervorragendsten  Veranstal- 
tungen gehören  die  Abonnementskonzerte, 
die  im  großen  und  ganzen  stets  prächtig  ge- 
lungene und  höchst  interessante  Abende  bildeten. 
Im  neunten  begrüßte  man  mit  Freude  Henri 
Marteau,  der  in  einer  idealen  Wiedergabe  des 
Brahmsschen  Violinkonzerts  und  mit  seiner 
riesigen  und  unfehlbaren  Technik  einen  großen 
Erfolg  erzielte.  An  demselben  Abend  gab  es  an 
Orchestermusik:  »Tod  und  Verklärung"  von 
Strauß  und  die  »Symphonie  fantastique"  von 
Hector  Berlioz.  Das  zehnte,  ein  Beetbovenabend, 
brachte  außer  der  Egmont-Ouvertüre  die  neunte 
Symphonie  des  Meisters  in  höchst  lobens- 
werter, zum  Teil  vortrefflicher  Ausführung.  Der 
Dirigent,  Bernhard  Stavenhagen,  die  Solisten, 
Chöre  und  besonders  das  Orchester  fanden  sehr 
verdienten  Beifall  für  ihre  Leistungen.  —  Ehren- 
volle Erwähnung  verdienen  auch  die  Volks- 
symphonie-Konzerte des  Orchesters  aus 
Lausanne  unter  Leitung  von  Alex.  Birnbaum. 
—  Von  den  anderen  Konzertgebem  sind  mit 
Auszeichnung  noch  folgende  zu  nennen:  Louis 
van  Laar,  unter  Mitwirkung  von  Henri 
Marteau,  Carlo  Bonfiglio,  trefflicher  Violon- 
cellist unseres  Tbeaterorchesters,  und  August 
Göllner,  Pianist.  Außer  der  Sonate  in  D-dur 
op.  4  für  Violine  und  Piano  von  V.  Andreäe  und 
dem  Quartett  op.  17  für  Piano,  Violine,  Bratsche 
und  Violoncello  von  Vincent  d*Indy  enthielt  das 
Programm  zwei  Kompositionen  von  Marteau: 
ein  Trio  für  Violine,  Bratsche  und  Cello  (en 
forme  de  Suite)  op.  1 1,  Nr.  2,  sowie  eine  Chaconne 
für  Bratsche.  In  diesen  Stücken  entfalteten  die 
Spieler  den  ganzen  Reiz  ihrer  Vortragskunst.  — 
Das  Genfer  Streichquartett  (L.  Reymond, 
M.  Darier,  W.  Pahnke  und  Ad.  Rehberg)  bot 
in  seinem  vierten  und  letzten  Kammermusik- 
Abend:  Quartett  op.  18,  Nr.  3  und  Sonate  op.  12 
für  Piano  und  Violine  von  Beethoven,  femer  das 
Quintett  op.  39  für  Piano  und  Streichquartett  von 
Hugo  Kann.  Sämtliche  Vorträge  zeichneten  sich 
durch  sorgfältige  Vorbereitung  und  hervorragende 
Klangschönheit  aus.  Am  Klavier:  Alexander 
Mottu.  —  In  den  zwei  abgehaltenen  «S6ancea 
d'adaptations  muslcales"  der  Herren  Brunet 
und  Fricker  kamen  zum  Vortrag:  »Enoch 
Arden*  von  Tennyson,  Musik  von  R.  Strauß, 
•Das  Hexenlied*  von  Wildenbruch-Schillings, 
»Lenore*  von  Bürger,  Musik  von  F.  Liszt.  — 
Schließlich  bildete  das  Konzert  der  Damen 
Joanne  Perrottet  (Piano)  und  Debogis-Bohy 
(Gesang)  einen  genußreichen  Abend.  Als  Be- 
gleiter war  Leopold  Ketten  tätig. 

Prof.  H.  Kling 

JOHANNESBURG:  Das  Jahr  1907  zeigte  ein 
für  hiesige  Verhältnisse  ungewöhnlich  reich- 
haltiges und  zum  Teil  auch  wertvolles  Konzert- 
leben. An  der  Spitze  alles  Interesses  stand 
der  jugendliche  belgische  Violinist  Louis  Del- 
venne,  der  uns  leider  wieder  verlassen  hat. 
Seinem  Beispiel  ist  der  Cellist  Arthur  Baroen» 
sowie  der  Pianist  de  Beer  gefolgt,  und  bald 
wird  auch  die  treffliche  Pianistin  Dorothy  Maggs 
Abschiedskonzerte  geben.  Dank  der  Anwesen- 
heit obengenannter  Künstler  wurden  dem  musik- 
liebenden Publikum  Johannesburgs  und  Pre- 
toriss  Leistungen  auf  dem  Gebiet  der  Kammer- 
musik geboten,  wie  sie  auch  nur  annähernd 
für  das  nächste  Jahr  kaum  wieder  zu  erwarten 


SM. 


250 
DIE  MUSIK  VII.  16. 


m 


sein  durften.  In  streng  klassischem  Stile  ge- 
balten waren  die  »Balcony  Cbamber  Concerts*, 
die  —  secbs  an  derZabl  — stets  vor  ausverkaaftem 
Hause  stattfanden  und  dem  genialen  Delvenne 
eine  Reibe  wohlverdienter  Ehrungen  einbrachten. 

—  Viel  Anklang  fanden  auch  die  populären 
Orchesterabende  unter  Mr.  Hyde's  Leitung, 
die  in  der  Winterszeit  allsonntäglich  ein  zahl- 
reiches Publikum  aller  Gesellscbafcsklassen  an- 
lockten. Dorothy  Maggs'  kraftvolle  Wiedergabe 
des  Klavierkonzerts  von  Tschaikowsky  behauptete 
bei  diesen  Veranstaltungen  stets  die  größte  An- 
ziehungskraft. Unter  Mr.  Hyde's  Leitung  wurde 
auch  das  «Stabat  mater*  von  Rossini  ganz  vor- 
zfiglich  aufgeführt;  leider  entsprach  der  finan- 
zielle Erfolg  nicht  dem  kiinstlerischen ;  dessen- 
ungeachtet ist  jetzt  der  »Elias*  in  Vorbereitung. 

—  Die  »Musical  Society"  hat  eine  entschie- 
dene Hebung  des  Geschmackes  in  der  Auswahl 
der  Programme  zu  verzeichnen;  hauptsichlich 
wurde  Brahma  kultiviert.  Wir  hörten  neben 
vielen  Brabmsschen  Liedern  Vokalquartette,  das 
Homtrio,  eine  Violinsonate  u.  a.  m.  —  Mark 
Hambourg  erfreute  uns  im  vergangenen  Jahre 
wieder  mit  seinem  Besuch.  Trotzdem  er  sich 
bei  seiner  ersten  Tour  große  Sympathieen  in 
Transvaal  erobert  hatte,  fand  er  bei  seinem 
Wiederkommen  nur  in  fohannesburg  volle 
Häuser,  was  durchaus  nicht  etwa  einem  Mangel 
an  Interesse  für  den  hier  so  beliebten  Kunstler 
zuzuschreiben  ist,  sondern  einzig  und  allein  der 
tiefbedrängten  Lage  des  unglQcklichen  Landes. 

—  Auf  den  Minen  wird  auch  ganz  eifrig  musi- 
ziert, ebenso  in  den  kleineren  Vorstädten,  doch 
stehen  die  Programme  dieser  Art  Konzerte  so 
unter  dem  Niveau  aller  künstlerischen  An- 
sprüche, daß  sie  nicht  der  Erwähnung  wert  sind 

M.  von  Trutzschier 

KÖLN:  Zum  Besten  des  Witwen-  und  Waisen- 
fonds des  städtischen  Orchesters  wurde  am 
31.  März  ein  besonderes  Konzert  im  GQrzenicb 
veranstaltet,  das  nach  Maßgabe  der  Praxis 
unseres  Publikums  leider  keinen  so  starken 
Zuspruch  aufwies,  wie  angesichts  des  Zweckes 
zu  wünschen  gewesen  wäre.  Unter  Fritz  Stein - 
bachs  Leitung  brachte  der  Abend  zunächst  die 
Freischütz  •  Ouvertüre.  Dann  spielte  Emile 
Sauret  das  wenig  ansprechende,  aber  als  Auf 
gäbe  bedeutsame  Dvoräk'sche  Violinkonzert 
a-moll  mit  allbekannter  souveräner  Technik, 
absr  nicht  immer  schönem  Tone  und  für  mein 
Empfinden  etwas  indifferent.  Später  hörte  man 
unter  günstigeren  Eindrücken  von  dem  Künstler 
das  Rondo  capriccioso  von  Saint- Saens.  Mit 
Liedern  von  Brahma  und  Strauß,  denen  sie 
viel  Reiz  der  Stimmgebung  und  überaus  feinen 
Vortrag  im  ganzen  angedeiben  ließ,  erzielte 
Elena  Gerhardt  um  so  herzhafteren  Erfolg, 
als  sie  von  Steinbach  am  klangesdufcigen  Ibach 
aufs  verständnisinnigste  begleitet  wurde.  Außer- 
ordentlich hoch  gingen  dann  die  Wogen  des 
Beifalls,  als  Steinbach  mit  seinem  schon  bei 
Webers  Ouvertüre  trefflich  sich  haltenden  Or- 
chester Beethovens  »Schlacht  bei  Vittoria*  aufs 
glänzendste  interpretierte.  —  In  der  Musi- 
kalischen Gesellschaft  interessierte  die 
Mannheimer  Pianistin  Hedwig  Kirsch,  nach- 
dem sie  für  das  B-dur  Konzert  von  Goetz,  ohne 
sonderlichen  Eindruck  zu  erreichen,  ein  schönes 
Können  aufgewendet  hatte,  sehr  stark  durch  den 


mMSSo 


fein  empfundenen  und  Im  guten  Sinoo  Tlrtnos 
ausgestalteten  Vortrag  kleinerer  Stficko  von 
Schubert,  Brahms  und  Moszkowtky.  Eine  nicht 
alltägliche  Darbietung  fand  viel  Anklang,  Indem 
die  Flötenspielerin  Erika  v.  Klösterieln  ein 
Flötenkonzert  von  Toulon,  eine  Etüde  von  Till« 
metz  und  Mozarts  Andante  mit  weit  vorge- 
schrittener Technik  und  guter  Stllanpawung 
zum  Vortrag  brachte.  Beim  letzten  Abend  der 
Geaell  Schaft  setzte  sich  der  Pariser  Geiger  Joseph 
Debroux,  den  Steinbach  mit  dem  Orcbester 
prächtig  begleitete,  durch  die  ansgezeicbnete 
An,  in  der  er  Bach  und  Bruch  spielte,  in  beben 
Respekt.  Nicht  wenig  trug  taierxa  Debrou* 
ideale  Gepfiogenheit  bei,  den  Vertreter  der 
Komponisten,  also  den  Musiker,  Aber  den  Vir- 
tuosen zu  stellen.  —  Der  Reigen  berufener 
Konzertveranstalter  mit  eigenen  Abenden  bat 
anscheinend  für  den  Rest  der  Saison  ansgeeetzt 
Mit  mehr  Selbstvertranen  als  Berecbtigniif  ▼e^ 
suchte  inzwischen  im  Hotel  Discb  eine  taleiige 
Sangesbefiissene,  Emiiie  Wocke-Dowerk,  als 
alleinige  Auaübcnde  auf  Konzertdauer  die  an- 
gesammelten Hörer  mit  ihrem  Lledergetäog  za 
interessieren.  Daa  war  keck,  denn  aaller  riner 
ziemlich  kräftigen  Stimme  bracbte  die  DaoM 
nur  Dilettantiamua  in  dön  Konzercsaal  nlt 

Pnnl  HIHer 

KOPENHAGEN:  In  den  letzten  Wochen  baben 
wieder  einmal  die  Dänen  sowohl  qmntftariv 
wie  qualitativ  aicb  in  unaeren  KoBzensilea  be- 
hauptet. Von  Fremden  aind  in  ereter  Linie  zi 
nennen  Sandra  Droucker  und  dann  die 
.Holländer«:  daa  Holländisch o  Trio  und 
Tilly  Koenen  —  das  erste  konsertlene  nrit 
schönem  künstlerischen  Erfolg  (pekunllr  webl 
weniger),  Frl.  Koenen  gefiel  in  drei  Konzerten 
sehr,  obschon  gewisse  Grenzen  ihres  Teienls 
Im  Vortrag  und  in  der  Textbebandlnng  nichi 
unbemerkt  geblieben  aind.  —  Herr' Sebloler 
und  ein  junger,  neu  auftauchender  Dirigent 
PederGram  bewährten  aicb  als  gute  Orcbetle^ 
leiter.  —  Der  »dänische  Konzertrerein*  (Dirigent 
Victor  B  e  n  d  i  X)  brachte  wieder  nur  aOingeborene^ 
Werke,  eine  gehamiachte  Ouvertfire  von  Lnd^ 
Nielsen,  nette  Lieder  mit  Orchester  Von  N 7 rep 
(Erstlingswerke)  und  eine  Symphonie  (mehr 
dem  Namen  nach)  von  Auguat  Ennn.  —  Die 
Joach  im  A  n  d  e  r  8  e  n  sehen  „Palaiakonzerte*  batian 
wertvolle  Programme :  ein  »ruaaiacbei't  ^^  »m*^ 
disches*,  ein  drittes  mit  dem  Namen  Bembard 
Seklea,  zum  erstenmal  in  Kopenhagen  (Serenade 
op.  14),  und  ein  viertea  mit  Berlioi*  .Harold- 
Symphonie"  (F.  Henriquea  als  Sollst).  Weiler 
konzertierten  erfolgreich  der  VIoliflTirtnose 
Thornberg,  Frl.  Breuning-Storm  mit  Fran 
Bendix  zusammen   u.  a.  m. 

WilL  Bebrend 

LEIPZIG:  Die  Saison  fiaut  ab;  atiller  wird  es 
und  immer  stiller,  und  manebea  von  den^ 
was  sich  noch  vernehmen  läfit,  wire  beeeer  wohl 
auch  still  geblieben,  so  der  Komponist  Robert 
Hermann,  der  mit  dem  Windemtein-Orcbeeter 
eine  ganz  unleidliche,  aclbstertiftelte  b-owll 
Symphonie  vorführte»  —  ao  die  KltTlerepielerin 
Anna  von  Gabain,  die  aicb  vom  BIntt  weg  In 
recht  unschöner,  vielfiacb  mifigrtiriielier  Weise 
an  größeren  Werken  der  Romandker  Yemtad^ilSb 
—  so  daa  allcrdinga  tadellos  dnettterende  sMr 
fiügeligc  Pärchen  Hans  Hermnnne  nad  Maile 


i 


251 
KRITIK:  KONZERT 


Hermanns-Stibbe,  das  diesmal  außer  den 
scbön  vorgefubrten  Andante  und  Variationen 
Yon  Scbumann  und  dem  oberfiicblicber  beban- 
deltcn  C-dur  Konzert  von  Bach  nur  Kleinkunst 
▼on  Scbolf,  Kronke  und  Schutt  darzubieten 
hatte,  —  so  T6I6maque  Lambrino,  der  sein 
▼ollerer  Ausreife  bedürftiges  schönes  Talent 
achon  an  zwei  voran fgegangenen  Klavierabenden 
▼ordemonstriert  hatte,  —  so  der  dilettantisch 
singende  Baritonist  Sidney  Williamson,  und 
so  schließlich  wohl  auch  das  nicht  wesentlich  Gber 
den  Hausbedarf  hinausreichende  Sängerinnen- 
paar Magda  L.  Lumnitzer,  Marie  Fuchs  und 
die  beiden  mehr  auf  Schreien  als  auf  Singen 
trainierten  Konzertantinnen  Ella  Thies-Lach- 
mann  und  Toni  Heinemann.  Als  tfichtigen,  mit 
einiger  Steifigkeit  des  rechten  Handgelenkes, 
aber  reicbentwickelter  Technik  der  linken  Hand 
schon  ziemlich  schwunghaft  spielenden  Geiger 
leroie  man  in  dem  Hermanns  h*moll  Symphonie 
umrahmenden  Extra-Symphonie-Konzerte  den 
jungen  Siegmund  Schwarzensteio  kennen. 
Beglfickende  Vollkommenheit  und  entzückende 
Schönheit  spendete  Wilhelm  Backhaus  an 
seinem  von  Richard  Stratiß  geleiteten  zweiten 
Koozertabende  mit  dem  Vortrage  von  Bach- 
Bttsonis  d-moll  Konzerr,  Beethovens  G-dur 
Konzert,  mehreren  Solostfickeo  von  Chopin 
und  der  Burleske  von  Strauß,  und  lebhafterem 
Intercsae  begegnete  rechtens  auch  Alice  Ripper, 
die  diesmal  nicht  nur  mir  kraft*  und  temperament- 
vollen Virtuosititsleistungen,  sondern  auch  mit 
einer  gut  großkunstlerischen  Wiedergabe  der 
Beethovenschen  Waldstein-Sonate  hervortrsr. 
Felix  von  Kraus  und  Adrienne  von  Kraos- 
Osboroe,  die  vor  ihrer  Übersiedelung  nach 
Mfinchen  hier  noch  einen  Abschiedsliederabend 
veranatalreten  und  dabei  neben  öfters  schon 
vorgefiihrten  Gesingen  von  Schubert  und  Brahma 
alle  aecha  geistlichen  Lieder  von  Beethoven, 
mehrere  durch  Haydn  mit  Begleitung  von 
Bratache,  Violoncello  und  Klavier  ausgestattete 
schottische  Volkslieder  und  einige  von  Hugo 
Wolfs  «Goethe-Liedern  sus  dem  Buch  ,Suleika' 
dea  weatöstlichen  Divans*  zum  Vortrag  brachten, 
hatten  sich  eines  gsnz  vollen  Saales  und  einer 
sehr  stimmungsvollen  Aufnahme  zu  erfreuen. 
—  Die  zyklischen  Orchesterkonzerte  der  Saison 
Amden  ihren  Abschluß  mit  dem  zwölften 
Philharmonischen  Konzert,  in  dem  Hans 
Winderatein  seinem  stetig  angewachsenen 
Publikum  mit  sehr  wohlvorbereiteten  Reproduk- 
tionen von  Beethovens  siebenter  Symphonie, 
Liszts  »Tasso,  lamento  e  trionfo"  und  Wagners 
Tannhiuser-Ouvertfire  aufwartete,  und  Jacques 
Urlus,  an  Stelle  der  erkrankten  Marie  Brema 
soliaiisch  mitwirkend,  die  Zubörerschsft  mit  dem 
Vortrage  von  Wagner- Fragmenten  und  Liedern 
(besonders  schön  Jensens  »Murmelndes  Luft- 
chen*) erfreute.  —  Ein  »literarisch-musika- 
liacher  Autorenabend  zum  Besten  der 
Richard  Wagner-Stipendienstiftung  zu  Bayreuth*, 
an  dem  Franz  Adam  Beyerlein  eine  neuere 
Problem-Novelle  vorlas,  Max  Reger  unter  treff- 
licher Assistenz  des  Konzertmeisters  Edgar 
Wollgandt  und  dea  jungen  Pianisten  Paul 
Ar  OD  aeine  »Suite  im  alten  Styl"  op.  03  und 
seine  zweildavierigen  »Variationen  und  Fuge 
ftber  ein  Thema  van  Beethoven"  op.  86  zum 
Vortrag     brachte,     und     Gustav     Herrmann 


mß 


stimmungsreich-sprachschöne  Gedichte  rezitierte, 
hat  für  die  sich  in  dankenswerter  Weise  um 
die  Mehrung  des  Bayreuther  Fonds  mfihenden 
Autorei)  einen  sehr  ehrenvollen,  für  dss  in 
GleichgQltfgkeit  ferngebliebene  größere  Publikum 
aber  einen  recht  unehrenvollenVerlauf  genommen. 
Lebhafteres  Interesse  bezeugte  die  Leipziger  Ge- 
sellschaft wenige  Tage  spiter  gegenfiber  einer 
Matinee,  in  der  etwa  fünfzehn  von  Elisabeth 
Duncan  geleitete  jugendliche  Schülerinnen  der 
Isadora  Duncan -Tanzschule  in  Berlin- 
Grunewald  allerhand  sinnig-anmutvolle  Reigen 
und  Tanzszenen  vorführten  und  dabei  mit  der 
bereits  ksum  mehr  einstudiert,  sondern  gleichsam 
ganz  natürlich  wirkenden  vollkommenen  Schön- 
heit allerSchritte  und  Körperbewegungen  wunder- 
bare Entwickelungamöglichkeiten  für  die  Ballet- 
kunst  erahnen  machten.      Arthur  Smolian 

LONDON:  Die  Konzertflut  hat  eingesetzt, 
nsmentlich  in  den  kleineren  fashionablen 
Sälen,  in  denen  es  von  Debütanten  und  Debü- 
tantinnen wimmelt.  Etwas  Hervorrsgendes  hat 
aber  die  Hochflut  bisher  nicht  mit  sich  ge- 
bracht, und  der  Erwähnung  wert  ist  nur  die 
Queens  Hall,  wo  das  Queens  Hall-Orcheater, 
von  der  Leeda  Choral  Union  unterstützt, 
unter  anderem  auch  Bachs  »Magniflcat*  unter 
Leitung  Dr.  Co  ward's  und  Beethovens  »Neunte* 
zur  Aufführung  brachte.  Von  Interesse  ist  es 
aber,  daß  die  für  den  19.  Mirz  in  Auasicht  ge- 
nommene Aufführung  der  Musik  zu  »Salome* 
abgesagt  werden  mußte.  Die  Genoaaenschsft 
deutscher  Tonsetzer  hat  nämlich  etwaa  spät  am 
Tage  ausgefunden,  dsßdaa  Queens  Hall-Orchester 
und  auch  andere  Orchester  Kompositionen  zur 
Aufführung  bringen,  ohne  die  Einwilligung  der 
Genossenschsft  eingeholt  zu  hsben,  und  ohne 
Tantiemen  zu  zahlen.  Es  sind  infolgedessen 
bis  auf  weiterea  Koni  Positionen  von  Strauß, 
Tschaikowsky,  Smeiana  usw.  vom  Progrsmm 
abgesetzt  worden.  Dss  Queens  Hsll- Orchester 
behauptet  allerdings,  das  Aufführungsrecht,  von 
»Salome*  abgesehen,  von  der  Londoner  Firma 
Schott  erworben  zu  haben.  Die  Sache  Ist  aber 
strittig,  und  vorläuflg  bleibt  die  ganze  Sache  in 
der  Schwebe.  a.  r. 

LUZERN:  DiO'  unter  Leitung  des  städtischen 
Musikdirektors  Peter  Faßbaender  stehen- 
den Gesangvereine  »Liedertafel*,  »Männer- 
chor* und  »Konsertverein*  brachten  in  ihren 
Winter konzerten  u.  a.  zur  Aufführung:  Fritz 
Volbachs  Stimmungsbild  für  Männerchor  und 
Orchester  »Am  Siegfriedsbrunnen*,  des  jungen 
Zürcher  Komponisten  Gustav  Niedermann 
Kantate  für  Männerchor  und  Orchester  »Stürm*, 
Hegers  »Rudolf  von  Werdenberg*,  in  Urauf- 
führung Faßbaenders  »Alpenfernblick*,  des 
Gen  fers  Barblan  »Schnitterlied*,  Hugo  Jüngsts 
»Auf  zum  Fandango*;  ferner  Hegara  Cborballade 
»Die  beiden  Särge*,  Julius  Oertlings  »Lenz- 
erwschen*,  Faßbaenders  Stropbenchor  »Früh- 
ling*, Richard  Wiesners  Ode  für  Männerchor 
und  Orchester  »An  dss  Vaterland*,  Gustav 
Haugs  »Winzerlied*;  des  weitern  drei  Gesänge 
für  Frauenchor  mit  Begleitung  von  zwei  Hörnern 
und  Klavier  von  Brahma,  Max  Bruche  Szene 
für  Bariton,  Frauenchor  und  Orcbeater  »Frithjof 
an  seines  Vaters  Grabhügel*.  —  Eigene  Kon- 
zerte veransulteten  der  polnische  Pianiat  Raoul 
V.  Koczalaki  und  die  ungariache  Geigerin  Stefl 


\\y 


252 
DIE  MUSIK  VII.  16. 


Geyer.  —  In  den  vier  von  Faßbaender  ge- 
leiteten Aboonemcntskonzerten  wurden  von 
grdßsm  Orchesterwerken  aargefGbrt:  Brahms' 
e-nooll  Symphonie,  Beethovens  Vierte  and 
Haydns  G-dar  op.  13,  die  symphonische  Sxene 
»PhaSton*  von  Saint-SaSns,  „  Rhapsodie  Javanaise** 
von  Dirk  Schifer,  „Valse  Triste"  von  Jean  Si- 
beüus  und  Smetanas  »Verkaufte  Braut^-Ouver- 
ture.  Als  Solisten  traten  In  diesen  Konzerten 
auf:  Kammersänger  Ludwig  Heß,  Pianist  Emil 
Frey  aus  Paris,  Konzerts&nger  Dr.  Alfred 
Haßler  und  die  Violinistin  Elsie  Playfair 
aus  Paris.  —  Zu  Anfang  der  Wintersaison  ver- 
anstaltete der  ausgezeichnete  Pianist  Faß- 
baender  6  historische  Klavierabende 
und  gemeinsam  mit  dem  temperamentvollen 
Genfer  Geiger  Robert  Pollak  zwei  Geige- 
Klavier-Sonatenabende.  —  Der  Luzerner  Kur- 
saal, geöffnet  vom  21.  April  bis  zum  1.  Oktober, 
erhöht  zur  Saison  1008  die  Besetzung  seines 
Orchesters  auf  60  Musiker,  Mitglieder  des  Or- 
chesters des  Scala-Theaters  in  Mailand.  Als 
erster  Dirigent  ist  wiederum  MaSstro  Fumagalli 
von  der  Mailänder  Scala  engagiert. 

A.  Schmid 
]\il  ANCHESTER:  Die  Hall^-Konzerte  brach- 
^^^  ten  an  symphonischen  Werken  unter  an- 
derem Schubert:  Unvollendete,  Tschaikowsky : 
Patb^tique,  Beethoven :  Siebente  und  Achte, 
Schumann:  Rheinische,  Liszt:  Tasso,  Strauß: 
Don  Juan  und  Zarathustra.  Als  Solisten  wirkten 
mit  Irene  Scharrer  (Saint-Saöns  g-moll),  Willy 
Heß  (Joachim  d-moll),  Busoni  (Beethoven 
c-moll),  W.  Clark  (Abschied  und  Feuerzauber) 
und  das  Wunderkind  Ernst  Lengyel  von  Bo- 
gota (Liszt  e-moll).  Das  weltliche  Oratorium 
»Omar  Khayyam*  von  Bantock,  dessen  Auf- 
fuhrung der  Komponist  selbst  leitete,  wurde  mit 
Beifall  aufgenommen.—  Aus  den  Veranstaltungen 
des  Brodsky-Quartetts  möchte  ich  neben 
Beethoven  op.  127  eine  vollendete  Wiedergabe 
der  e-moll  Sonate  von  Bach  (Brodsky  und  Siloti) 
hervorheben.  —  In  den  Vorführungen  Beethoven- 
scher Klaviersonaten  an  vier  Abenden  bezeugte 
Egon  Petri  sein  phänomenales  technisches 
Können.  —  Aus  den  Darbietungen  der  Gentle- 
mens  Concerts  erwähne  ich  die  Vorträge  der 
Blackpool  Glee  and  Madrigal  Society, 
die  mit  solchen  des  Pianisten  Gregory  alter- 
nierten; ferner  DvoHks  »Aus  der  Neuen  Welt** 
unter  Bantock  und  Moszkowskis  E-dur  Kon- 
zert, das  Dora  Bright  unter  des  Komponisten 
Leitung  spielte.  —  Henry  Fevrier  wirkte  im 
zweiten  French  Concert  mit.  —  Ein  Ereignis 
bedeutet  Nikischs  erstes  Auftreten  in  Man- 
chester auf  seiner  Tournee  mit  dem  London 
Symphony  Orchestra  (Harrison  Concerts). 
Er  dirigierte  u.  a.  Leonore  No.  3  und  Tschai- 
kowsky'« Path^tique  und  wurde  begeistert  auf- 
genommen. £douard  Risler  erntete  im  gleichen 
Konzert  reichen  Beifall  mit  Beethovens  G-dur 
Konzert.  K.  U.  Seige 

liilANNHEIM:  Die  beiden  letzten  Aka- 
'^^  d  e  m  i  e  e  n  des  Hoftheaterorchesters  brachten 
die  D-dur  Symphonie  von  Brahms,  Fragmente 
aus  »Romeo  und  Julia"  von  Berlioz,  eine  Sym- 
phonie für  Orgel  und  Orchester  von  Guilmant, 
der  selbst  den  Orgelpart  darin,  dazu  auch  das 
Bachsche  Es-dur  Präludium  mit  Fuge  als  wirk- 
licher  Meister  spielte;    zum   Gedächtnisse  an 


Wagners  Todestag  wurden  ferner  d«t  aPartlhl*- 
Vorspiel,  die  fünf  Wesendonk'acheii  Gedidile 
und  Beethovens  »Nennte*  mit  Schlußchor  auf- 
geführt. Frau  Preuse-Matzenaoer  brachte  die 
Gesänge  zu  tiefgehender  Wirkung  den  Chor 
stellte  erfolgreich  der  Muslkverein»  Mltflleder 
der  Buhne  vervollständigten  das  Soloqnartett, 
und  H.  Kutzschbach  führte  aeino  Trappen 
zum  Siege  auf  der  ganzen  Linie.  —  Sehr  gnie 
Kammermusik  bot  das  Sevcik-Qaartett  alt 
Beethoven  und  Gricg,  auch  der  neue  Direktor 
der  Hochschule  für  Musik,  Karl  Zusehneldt 
der  mit  vier  der  besten  Bläser  des  Hofkheater- 
orchesters  }c  ein  Quintett  für  Klavier  nnd  Blas- 
instrumente von  Mozart  and  Beethoven  vo^ 
trefPlich  spielte.  Hofopcmtinger  Kromer  saag 
dazwischen  14  ausgewählte  Lieder  aua  Sclinbens 
«Winterreise*.  K.  Etctamann 

MOSKAU:  Ein  genußreicher  Abend  war  du 
fünfte  Konzert  der  Philharmoniker: 
Sergei  Rachmaninow  trat  als  DIrisenC  aelner 
e-moll  Symphonie  und  Sollst  scinea  iweltca 
Klavierkonzerts  auf,  und  Fran  Ncaehdanowa 
erfreute  mit  ihrer  Gesangskanst.  In  viertea 
war  A.  Brandukowals  Dirigent  anbefriedigend; 
Pablo  Casals  spendete  herrliche  Cellovorträfe 
(Konzert  von  E.  Moor  und  Elegie  von  Fanrl) 
Koreschtschenko  spielte  Taehalkowskfs 
zweites  Klavierkonzert  sehr  gediegen.  —  Vo^ 
fGhrungen  der  Kai  serlich  RuasIschenMnsik- 
gesellschaft.  Am  8.  Februar  hatte  eine  glaas- 
volle  Jubiläumsfeier  der  f&nfundzwanzigjlhrigen 
schöpferischen  Tätigkeit  von  Ippolltow-lwanow 
stattgefunden,  der  nur  Werke  von  aich  vorf&hrte. 
Franz  Kayadesus  leitete  das  siebente  Konierl^ 
in  dem  er  sehr  lärmende  Tondichtungen  der  ff^aaid- 
sischen  Schule  zur  Auff&hmng  brachte.  Oskar 
Nedbal  erwies  sich  als  anfeuernder,  eneiilscher 
Orchesterinterpret  Im  neunten  Konzert^  in  dem 
die  erste  Symphonie  op.  13  von  dem  |ongen 
Tondichter  Wladimir  Metzl  ihre  UraaflQiinia| 
erlebte.  Als  Solist  spielte  an  diesen  Abend 
Leopold  Godowsky,  der  noch  awei  Klavier- 
abende veranstaltete,  die  große  Zofknift  aas- 
Gbten.  —  Die  historischen  Symphonie- 
konzerte brachten  Im  fQnfken  Berlloi,  Wagner 
und  Liszt,  Im  sechsten  Glinka.  Bofodia, 
Moussorgsky,  Kalinnikow  und  gewinnen  an  Be- 
deutung durch  die  Tatkraft  S.  Engeln  ala  Vo^ 
tragskfinstlers  nnd  infolge  der  Gesehiddieb- 
keit  Sachnowsky's  und  Wassllenko's  als 
Orchesterleitcr.  —  Die  Kammermnaik  biibt 
auf  in  unserer  Stadt.  Die  Künstlervereinignng  der 
Herren  Golden  welser;Kreln,  Ehr  lieb  beten 
eine  zweite  Serie  von  Vorffibrangcn ;  die  Kaiaerlieb 
Russische  Musikgesellschafk  eine  nene  Qnaneil- 
vereinigung  von  jungen  Künstlern:  G.  Dalew» 
J.  Paulsen,  W.  Bakalelnlkow»  D.  SIease^ 
mann,  die  schon  zu  kQnstlerlscbem  Zaaanmen- 
"spielen  gelangt  sind.  Das  Quartett  der  Pbil- 
harmoniker  fuhrt  sein  Programm  so  Ende. 
—  Sehr  erfreulich  waren  die  Sonatenabende 
(Klavier,  Violine)  von  M.  Meltsehik  nnd 
B.  Sibor  und  M.  Pauer  und  L.  Aner. — 
G.  Swirsky,  Pianist,  Schüler  von  Didmer»  gab 
zwei  Klavierabende.  —  S.  Taneiew  fStarta  den 
Klavierpart  in  seinem  neueratandenen Trio ana^daa 
seine  Erstaufführung  im  Kontert  dea  beflUibm 
Geigers  K.  Saradsetaew  erftahfi  —  Dfil 
Symphonieen    erlebten  in  der  kanen 


j 


m 


253 
KRITIK:  KONZERT 


Zeit  Yon  drei  Wochen  ibre  Erstaufführung 
io  Mosksa:  die  Symphonie  in  e-nooll  op.  46  von 
M.  M»  Ippolitow-Iwanow,  die  er  in  seinem 
Jubiliumskonzerte  selbst  leitete;  von  nationalem 
Kolorit  mit  lyrischen  Episoden  und  schimmern- 
den Farben  im  Scherzo,  ein  Werk  von  an- 
mutiger Wirkung.  Dann  die  Symphonie  in  e-moll 
op.  27  von  Sergei  Rachmaninow,  ein  selten 
schönes  Werk  voll  Groft&gigkeit  und  außer- 
ordentlichem musikalischen  Wert.  Drittens  die 
Symphonie  in  cis-moll  op.  13  von  Wladimir 
Metzl.  Das  Werk  ist  in  modernem  Stil  ge- 
schrieben; zwei  Hauptthemen  ziehen  sich  durch 
die  drei  Sitze,  in  denen  dramatisches  Leben 
waltet.  Der  junge  Tondichter  verfQgt  in  reichem 
Maße  über  Ausdrucksmittel  in  der  StimmfQhrung, 
Harmonik  und  Orchestration  und  schafft  neue 
Farben  und  Klangwiikungen. 

E.  von  Tideböhl 
Ail  ONCHEN:  Der  Pendel  schwingt  langsam 
^^^  aus,  die  ewig  sich  drehende  Konzertuhr 
steht  sllmihlich  still.  Einer  musikalischen  Tat 
ist  vor  allem  aus  letzter  Zeit  zu  gedeuken:  der 
AuffQhning  von  Beethovens  »Missa  solemnis* 
durch  den  überaus  starken  Chor  des  Lehrer- 
f  esangverelns  (vereinigt  mit  dem  Lehrerin- 
neo-Singchor)  und  die  Musikalische  Aka- 
demie, unter  Leitung  von  Fritz  Cortolezis. 
Herr  Cortolezis  brachte,  unterstützt  durch  vor- 
zügliche Chor-  und  Solistenleistungen  (Solisten 
die  Damen  Bosetti  und  Preuse-Matzenauer, 
die  Herren  Loritz  und  Bender)  eine  Auf- 
führung von  ganz  hervorragender  Vollendung 
zustande,  die  all  den  überwiltigenden  Schön- 
heiten der  Partitur  vollauf  gerecht  wurde.  — 
Großen  und  berechtigten  Erfolg  ersang  sich 
wieder  Ludwig  Heß  (Tenor),  dessen  feinsinnige 
und  durchgeistigte  Vortragskunst  einen  Goethe- 
Schubert- Abend  ungemein  genußreich  gestaltete. 
Sehr  interessant  war  auch  ein  Abend  von 
Antoo  Schlosser,  der  eine  Reihe  jüngerer 
Liederkomponisten  zu  Wort  kommen  ließ;  unter 
ilüien  ragte  am  meisten  Otto  Vrieslander  mit 
originellen  und  frischen  Stücken  hervor;  nicht 
ohne  ausgesprochene  Physiognomie  sind  die 
Lieder  von  H.  Kaspar  Schmid.  —  Der  letzten 
Konzerte  der  Münchener  und  der  Böhmen 
sei  gebührend  Erwihnung  getan  mit  dem  auf- 
richtigen Bedauern,  daß  es  eben  die  letzten 
waren;  die  Frankfurter  Rebner-Vereinigung 
prisentierte  sich  bei  ihrem  zweiten  Kommen 
weit  besser  wie  das  erstemal  und  exzellierte 
vor  allem  in  Debnssy's  eigenartigem  g-moll 
Quartett.  Dr.  Eduard  Wahl 

PHILADELPHIA:  Unser  durch  den  Heimgang 
des  unvergeßlichen  Fritz  Scheel  verwaistes 
Symphonieorchester  hat  in  Carl  Pohlig  aus 
Stuttgart  einen  neuen  Dirigenten  erhalten.  Seine 
Angabe  ist  natürlich  eine  andere,  als  die  seines 
Vorgiogers  gewesen  war.  Fritz  Scheel  mußte  hier 
erst  ans  einem  Nichts  ein  Orchester  schaffen,  er 
mußte  erst  das  hiesige  Publikum  zur  klassischen 
Musik  heranziehen.  Es  hat  fürwahr  viele  Mühe 
gekoatet.  Pohlig  trat  an  ein  fertiges  Instrument 
heran,  an  ein  Orchester,  das  zwar  noch  manche 
Mingel  aufweist,  immerhin  jedoch  zu  den  besten 
io  den  Vereinigten  Staaten  gezählt  werden  muß. 
Der  neue  Dirigent  hat  auch  ein  Publikum  für 
diese  klassischen  Konzerte  vorgefunden.  Bei 
der  Gründung  des  Orchesters   fiel  es  schwer, 


zwölf  Konzerte  einigermaßen  zu   füllen.    Jetzt 
werden  44  in  der  Saison  veranstaltet,  und  der 
große  Saal  der  Academy,  unser  Opernsaal,  der 
3000  Menschen  faßt,  ist  immer  voll,  häufig  aus- 
verkauft.   Man  muß  es  Pohlig  hoch  anrechnen, 
daß  es  ihm  durch  seine  geschmeidige  Haltung 
und  seine   weltmännischen  Manieren  gelungen 
ist,  das  Interesse  jener  Kreise,  die  den  finanziellen 
Bestand  des  Orchesters   verbürgen,  an   dieses 
und  an  seine  Person  zu  fesseln  und  anderseits 
durch    musilcaliscb    interessante   Vorführungen 
das  Stammpublikum  den  Konzerten  zu  erhalten 
und    zu    vergrößern.     Pohlig    ist   zweifelsohne 
ein  tüchtiger  Dirigent.    Er  ist  allerdings   kein 
»schöner*  Dirigent.     Er  ist  viel  zu  lebhaft,  in 
seinen  Hände  und  Arme,  Kopf  und  Oberkörper 
in   Tätigkeit   setzenden   Bewegungen.     Die  Ge- 
messenheit Weingartners  besitzt  er  nicht,  die 
olympische  Ruhe  Mahlers  fehlt  ihm.    Allein  er 
besitzt  ein   starkes  rhythmisches  Gefühl,  eine 
unleugbare  Gewalt  über  das  Orchester  und  ver- 
liert  nur    selten    über    den    Einzelheiten    das 
Ganze  aus  den  Augen     Pohlig  erwies  sich  als 
durchaus   gebildeter  Musiker,   der   seine    Pro- 
gramme zusammenzustellen  versteht  und  nicht 
bloß  dem  Siile  seiner  Zeit,  sondern  auch  dem 
vergangener  Zeiten   gerecht  zu    werden    weiß. 
Die    ursprüngliche    Befürchtung,    daß    er    ala 
Lisztschüler  hier  den  Werken  Liszts  einen  un- 
gebührlichen Anteil  in  den  Konzertprogrammen 
einräumen  werde,  hat  sich  glücklicherweise  nicht 
erfüllt.    Liszts  Musik  ist,  was  immer  man  auch 
über  sie  denken  mag,  für  ein  musikalisch  noch 
unentwickeltes  Volk  eine  gefährliche  Gabe    Man 
denke   nur  an   die  Jungrussen.    Immerhin  er- 
scheint uns  Pohlig  als  Interpret  moderner  Musik 
bedeutender,  denn  als  Interpret  der  Klassiker, 
wie  auch  seine  all  zu   große  Vorliebe  für  das 
Herausbringen  des  Gegensätzlichen  ihn  manch- 
mal auf  schlimme  Abwege  führt.    In  den  bis- 
herigen   Konzerten   wurden   von   Symphonieen 
aufgeführt:  die  dritte,  fünfte  und  siebente  von 
Beethoven,  die  in  g-moll  von  Mozart,  eine  in 
G-dur  von   Haydn,  die  erste    und   vierte   von 
Schumann,  die  unvollendete  von  Schubert,  die 
pathetische  von  Tschalkowsky,  die  in  D   von 
C6sar  Franck,  die  phantastische  von   Berlioz, 
die  erste  von  Brahma  und  die  »neue  Welt*  von 
Dvorak.    Neu  waren  hier  eine  Symphonie  von 
Balakirew,  ein  blut-  und  gedankenarmes  Werk, 
der  »Don  Juan*  von  Richard  Strauß,  der  aus- 
nehmend  gefiel,  und  Regers  Variationen  und 
Fuge  über  ein  heiterea' Thema  von  Hiller.    Das 
letztere   Werk  vermochte   hier  nicht  durchzu- 
dringen.    Es  ist  geistreiche  Musik  und   zeugt 
von  großem   Können.     Allein   die   Variationen 
sind  gruppenweise  im  Stimmungsgehalt  zu  ähn- 
lich und  entfernen  sich  oft  zu  weit  vom  Thema, 
um    einen    restlos    erfreulichen    Eindruck    zu 
hinterlassen.    Daß  auch  die  fünfte  Symphonie 
von    Brückner,   die  Pohlig   hier  zum   ersten 
Male  herausbrachte,  äußerst  kühl  aufgenommen 
wurde,  darf  nicht   wundernehmen.     Wir   sind 
hier  eben  um  gute  20  Jahre  hinter  Europa  zu- 
rück.   Leider  hat   sich  Pohlig  auch   veranlaßt 
gesehen,   sein    eigenes    symphonisches    Poem 
unter  dem  hochtrabenden  Titel  „Per  aspera  ad 
astra*  hier  aufzuführen.    Es  ist  ja  begreiflich, 
daß  die  Herren  Dirigenten  von  Beruf  für  ihre 
Kompositionen  eine  gewisse  Vorliebe  emplfden. 


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252 
DIE  MUSIK  VII.  16. 


Geyer.  —  In  den  vier  von  Faßbaender  ge- 
leiteten Abonnementskonzerten  wurden  von 
großem  Orchesterwerlcen  aufgeführt:  Brahnos' 
e-moll  Symphonie,  Beethovens  Vierte  und 
Haydns  G-dur  op.  13,  die  symphonische  Szene 
»PhaSton*  von  Saint-SaSns,  „Rhapsodie  Javanaise** 
von  Dirk  Schäfer,  „Valse  Triste*  von  Jean  Si- 
beüus  und  Smetanas  »Verkaufte  Braut*-Ouver- 
ture.  Als  Solisten  traten  in  diesen  Konzerten 
auf:  Kammersinger  Ludwig  Heß,  Pianist  Emil 
Frey  aus  Paris,  Konzertsänger  Dr.  Alfred 
Haßler  und  die  Violinistin  Elsie  Playfair 
aus  Paris.  —  Zu  Anfang  der  Wintersaison  ver- 
anstaltete der  ausgezeichnete  Pianist  Faß- 
baender 6  historische  Klavierabende 
und  gemeinsam  mit  dem  temperamentvollen 
Genfer  Geiger  Robert  PoIIak  zwei  Geige- 
Klavier-Sonatenabende.  —  Der  Luzerner  Kur- 
saal, geöffuet  vom  21.  April  bis  zum  1.  Oktober, 
erhöht  zur  Saison  1008  die  Besetzung  seines 
Orchesters  auf  60  Musiker,  Mitglieder  des  Or- 
chesters des  Scala-Theaters  in  Mailand.  Als 
erster  Dirigent  ist  wiederum  MaSstro  Fumagalli 
von  der  Mailänder  Scala  engagiert. 

A.  Schmid 
]\/IANCHESTER:DieHall6-Konzertebrach- 
^^^  ten  an  symphonischen  Werken  unter  an- 
derem Schubert:  Unvollendete,  Tschaikowsky: 
Patb^tique,  Beethoven :  Siebente  und  Achte, 
Schumann:  Rheinische,  Liszt:  Tasso,  Strauß: 
Don  Juan  und  Zarathustra.  Als  Solisten  wirkten 
mit  Irene  Scharrer  (Saint-SaSns  g-moll),  Willy 
Heß  (Joachim  d-moll),  Busoni  (Beethoven 
c-moll),  W.  Clark  (Abschied  und  Feuerzauber) 
und  das  Wunderkind  Ernst  Lengyel  von  Bo- 
gota (Liszt  e-moll).  Das  weltliche  Oratorium 
„Omar  Khayyam*  von  Bantock,  dessen  Auf- 
führung der  Komponist  selbst  leitete,  wurde  mit 
Beifall  aufgenommen. —  Aus  den  Veranstaltungen 
des  Brodsky-Quartetts  möchte  ich  neben 
Beethoven  op.  127  eine  vollendete  Wiedergabe 
der  e-moll  Sonate  von  Bach  (Brodsky  und  Siloti) 
hervorheben.  —  In  den  Vorführungen  Beethoven- 
scher Klaviersonaten  an  vier  Abenden  bezeugte 
Egon  Petri  sein  phänomenales  technisches 
Können.  —  Aus  den  Darbietungen  der  Gentle- 
mens  Concerts  erwähne  ich  die  Vorträge  der 
Blackpool  Glee  and  Madrigal  Society, 
die  mit  solchen  des  Pianisten  Gregory  alter- 
nierten; femer  Dvoräks  „Aus  der  Neuen  Welt** 
unter  Bantock  und  Moszkowskis  E-dur  Kon- 
zert, das  Dora  Bright  unter  des  Komponisten 
Leitung  spielte.  —  Henry  Fevrier  wirkte  im 
zweiten  French  Concert  mit.  —  Ein  Ereignis 
bedeutet  Nikischs  erstes  Auftreten  in  Man- 
chester auf  seiner  Tournee  mit  dem  London 
Symphony  Orchestra  (Harrison  Concerts). 
Er  dirigierte  u.  a.  Leonore  No.  3  und  Tschai- 
kowsky's  Path^tique  und  wurde  begeistert  auf- 
genommen. £douard  Rlsler  erntete  im  gleichen 
Konzert  reichen  Beifall  mit  Beethovens  G-dur 
Konzert.  K.  U.  Seige 

MANNHEIM:  Die  beiden  letzten  Aka- 
demie e  n  des  Hoftheaterorchesters  brachten 
die  D-dur  Symphonie  von  Brahms,  Fragmente 
aus  «Romeo  und  Julia*  von  Berlioz,  eine  Sym- 
phonie für  Orgel  und  Orchester  vonGuilmant, 
der  selbst  den  Orgelpart  darin,  dazu  auch  das 
Bachsche  Es-dur  Präludium  mit  Fuge  als  wirk- 
licher   Meister  spielte;    zum   Gedächtnisse  an 


Wagners  Todestag  wurden  ferner  das  aPanlfal*- 
Vorspicl,  die  fünf  Wescndonk'schen  Gedidite 
und  Beethovens  i^Neunte*  mit  SctaluDchor  anf- 
geführt.  Frau  Preuse-Matzentner  brachte  die 
Gesänge  zu  tiefgehender  Wirkung,  den  Chor 
stellte  erfolgreich  der  Musikverein,  Mitglieder 
der  Bühne  vervollständigten  das  Soloqaartelt, 
und  H.  Kutzschbach  rabrte  aeine  Tmppen 
zum  Siege  auf  der  ganzen  Linie.  —  Sehr  pito 
Kammermusik  bot  das  Sevcik-Qnartott  mit 
Beethoven  und  Grieg,  auch  der  neue  Direktor 
der  Hochschule  für  Musik,  Karl  Zu  schneid, 
der  mit  vier  der  besten  Bläser  des  Hofkheater- 
Orchesters  }e  ein  Quintett  ffir  Klavier  and  Blas- 
instrumente von  Mozart  and  Beethoven  vor- 
trefflich spielte.  Hofopemsänger  Kromer  aang 
dazwischen  14  ausgewählte  Lieder  aua  SchalMrts 
«Winterreise*.  K.  Esehmann 

MOSKAU:  Ein  genußreicher  Abend  war  das 
fünfte  Konzert  der  Philharmoniker: 
Sergei  Rachmaninow  trat  als  Dirigent  aeiner 
e-moll  Symphonie  und  Solist  seinen  zweiten 
Klavierkonzerts  auf,  und  Frau  Nescbdanowa 
erfreute  mit  ihrer  Gessngskunst.  Im  vierten 
war  A.  Brandukowals  Dirigent  unbefriedigend; 
Pablo  Casals  spendete  herrliche  Cellovorträge 
(Konzert  von  E.  Moor  und  Elegie  von  Paur&) 
Koreschtschenko  spielte  Tscbaikowaky's 
zweites  Klavierkonzert  sehr  gediegen.  —  Vor- 
führungen der  Kai  sc  rl  ich  Ru  ssiseben  Masik- 
gesellschaft.  Am  8.  Februar  hatte  eine  glans- 
volle  Jubiläumsfeier  der  funfundzwanzig}lbrigett 
schöpferischen  Tätigkeltvonippolitow-Iwanow 
stattgefunden,  der  nur  Werke  von  sieb  vorfSbrte. 
Franz  Kayadesus  leitete  das  siebente  Konzei^ 
in  dem  er  sehr  lärmende  Tondichtungen  derfranid- 
sischen  Schule  zur  Aufführung  brachte.  Oskar 
Nedbal  erwies  sich  als  anfeuernder»  eneiilscber 
Orchesterinterpret  im  nennten  Konzert^  in  dem 
die  erste  Symphonie  op.  13  von  dem  JlUgvi 
Tondichter  Wladimir  Metzl  ihre  UraafflQbmng 
erlebte.  Als  Solist  spielte  an  diesem  Abend 
Leopold  Godowsky,  der  noch  zwei  Klavier- 
abende veranstaltete,  die  große  Znglcmfl  ans- 
übten.  —  Die  historischen  Sympfaonle- 
konzerte  brachten  im  fünften  Berlioi,  Wagner 
und  Liszt,  im  sechsten  Glinka.  Borodia« 
Moussorgsky,  Kalinnikow  und  gewinnen  an  B^ 
deutung  durch  die  Tatkraft  S.  Engeln  ala  Vor- 
tragskünstlers und  infolge  der  Gescbid^lich« 
keit  Sachnowsky's  und  Waasilenko's  als 
Orchesterleiter.  —  Die  Kammermnaik  Uibt 
auf  in  unserer  Stadt.  Die  Künstlervereinigang  der 
Herren  Goldenweiser;K  rein,  EbrIicbbolcn 
eine  zweite  Serie  von  Vorführungen ;  die  Kaiaeriieh 
Russische  Musikgesellscbaft  eine  neue  Qaartef^ 
Vereinigung  von  jungen  Künstlern:  G.  Dnlow» 
J.  Paulsen,  W.  Bakaleinikow,  D.  Siesser- 
mann, die  schon  zu  künstlerischem  Zaaanaen« 
"spielen  gelangt  sind.  Das  Quartett  der  Pbll- 
harmoniker  führt  sein  Programm  in  Ende. 
—  Sehr  erfreulich  waren  die  Sonatenabende 
(Klavier,  Violine)  von  M.  Meitscblk  and 
B.  Sibor  und  M.  Pauer  und  L.  Aner. — 
G.  Swirsky,  Pianist,  Schüler  von  DIdroer»  gsb 
zwei  Klavierabende.  — -  S.  Tanelew  ffibrts  den 
Klavierpart  in  seinem  neueratandenen  Trio aUydaa 
seine  Erstaufführung  im  Konzert  dea  beUbm 
Geigera  K.  Saradscbew  erftifar.  —  Diil 
Symphonieen    erlebten  in  der  knnen 


1 


m 


253 
KRITIK:  KONZERT 


JM 


Zeit  von  drei  Wochen  ihre  Erstaufführung 
in  MosImu:  die  Symphonie  in  e-moU  op.  46  von 
M.  M*  Ippolitow-lwanow,  die  er  in  seinem 
Jübiliamskonzerte  selbst  leitete;  von  nationalem 
Kolorit  mit  lyrischen  Episoden  und  schimmern- 
den Farben  im  Scherzo,  ein  Werk  von  an- 
matiger  Wirkung.  Dann  die  Symphonie  in  e-moll 
op.  27  von  Sergei  Rachmaninow,  ein  selten 
schönes  Werk  voll  GroftQgigkeit  und  außer- 
ordentlichem musikalischen  Wert.  Drittens  die 
Symphonie  in  cis-moll  op.  13  von  Wladimir 
Metz].  Das  Werk  ist  in  modernem  Stil  ge- 
schrieben; zwei  Hauptthemen  ziehen  sich  durch 
die  drei  Sitze,  in  denen  dramatisches  Leben 
waltet.  Der  junge  Tondichter  verfQgt  in  reichem 
Maße  über  Ausdrucksmittel  in  der  StimmfQhrung, 
Harmonik  und  Orchestration  und  scbalfi  neue 
Farben  und  Klangwiikungen. 

E.  von  Tideböhl 
Ail ONCHEN:  Der  Pendel  schwingt  langsam 
^^^  aus,  die  ewig  sich  drehende  Konzertuhr 
steht  allmihlich  still.  Einer  musikalischen  Tat 
Ist  vor  allem  aus  letzter  Zeit  zu  gedeuken:  der 
AufyQbmng  von  Beethovens  ,Missa  solemnis* 
dttrcb  den  Qberaus  starken  Chor  des  Lehrer- 
f  esangvereins  (vereinigt  mit  dem  Lehrerin- 
nen-Singchor)  und  die  Musikalische  Aka- 
demie, unter  Leitung  von  Fritz  Corte lezis. 
Herr  Cortolezis  brachte,  unterstützt  durch  vor- 
z&gliche  Chor-  und  Solistenleistungen  (Solisten 
die  Damen  Bosetti  und  Preuse-Matzenauer, 
die  Herren  Loritz  und  Bender)  eine  Auf- 
f&hrung  von  ganz  hervorragender  Vollendung 
zustande,  die  all  den  Qberwiltigenden  Schön- 
heiten der  Panitur  vollauf  gerecht  wurde.  — 
Großen  und  berechtigten  Erfolg  ersang  sich 
wieder  Ludwig  Heß  (Tenor),  dessen  feinsinnige 
und  durchgeistigte  Vortragskunst  einen  Goethe- 
Sctaabert- Abend  ungemein  genußreich  gestaltete. 
Sehr  interessant  war  auch  ein  Abend  von 
Anton  Schlosser^  der  eine  Reihe  jüngerer 
Liederkomponisten  zu  Wort  kommen  ließ;  unter 
ihnen  ragte  am  meisten  Otto  Vrieslander  mit 
originellen  und  frischen  Stücken  hervor;  nicht 
ohne  ausgesprochene  Physiognomie  sind  die 
Lieder  von  H.  Kaspar  Schmid.  —  Der  letzten 
Konzerte  der  Münchener  und  der  Böhmen 
sei  gebührend  Erwihnung  getan  mit  dem  auf- 
richtigen Bedauern,  daß  es  eben  die  letzten 
waren;  die  Frankfurter  Rebner-Vereinigung 
prisenticrte  sich  bei  ihrem  zweiten  Kommen 
weit  besser  wie  das  erstemal  und  exzellierte 
vor  allem  in  Debussy's  eigenartigem  g-moll 
Quartett.  Dr.  Eduard  Wahl 

PHILADELPHIA:  Unser  durch  den  Heimgang 
des  unvergeßlichen  Fritz  Scheel  verwaistes 
Symphonieorcbester  hat  in  Carl  Pohlig  aus 
Stattgart  einen  neuen  Dirigenten  erhalten.  Seine 
Aufgabe  ist  natürlich  eine  andere,  als  die  seines 
Vorgiogers  gewesen  war.  Fritz  Scheel  mußte  hier 
erst  aas  einem  Nichts  ein  Orchester  schaffen,  er 
mußte  erst  das  hiesige  Publikum  zur  klassischen 
Musik  heranziehen.  Es  hat  fürwahr  viele  Mühe 
gekostet.  Pohlig  trat  an  ein  fertiges  Instrument 
heran,  an  ein  Orchester,  das  zwar  noch  manche 
Mingel  aufweist,  immerhin  jedoch  zu  den  besten 
in  den  Vereinigten  Staaten  gezihit  werden  muß. 
Der  neue  Dirigent  hat  aoch  ein  Publikum  für 
diese  klassischen  Konzerte  vorgefunden.  Bei 
der  Gründung  des  Orchesters   fiel  es  schwer. 


zwölf  Konzerte  einigermaßen  zu   füllen.    Jetzt 
werden  44  in  der  Saison  veranstaltet,  und  der 
große  Saal  der  Academy,  unser  Opernsaal,  der 
3000  Menschen  faßt,  ist  immer  voll,  häufig  aus- 
verkauft.   Man  muß  es  Poblig  hoch  anrechnen, 
daß  es  ihm  durch  seine  geschmeidige  Haltung 
und  seine   weltmännischen  Manieren  gelungen 
ist,  das  Interesse  jener  Kreise,  die  den  finanziellen 
Bestand  des  Orchesters   verbürgen,  an   dieses 
und  an  seine  Person  zu  fesseln  und  anderseits 
durch    musikalisch    interessante   Vorführungen 
das  Stammpublikum  den  Konzerten  zu  erhalten 
und    zu   vergrößern.     Pohlig   ist   zweifelsohne 
ein  tüchtiger  Dirigent.    Er  ist  allerdings   kein 
»schöner*  Dirigent.     Er  ist  viel  zu  lebhaft,  in 
seinen  Hände  und  Arme,  Kopf  und  Oberkörper 
in   Tätigkeit   setzenden   Bewegungen.     Die  Ge- 
messenheit Weingartners  besitzt  er  nicht,  die 
olympische  Ruhe  Mablers  fehlt  ihm.    Allel  n  er 
besitzt  ein   starkes  rhythmisches  Gefühl,  eine 
unleugbare  Gewalt  über  das  Orchester  und  ver- 
liert  nur    selten    über    den    Einzelheiten    das 
Ganze  aus  den  Augen     Pohltg  erwies  sich  als 
durchaus   gebildeter  Musiker,   der   seine    Pro- 
gramme zusammenzustellen  versteht  und  nicht 
bloß  dem  Siile  seiner  Zeit,  sondern  auch  dem 
vergangener  Zeiten  gerecht  zu    werden    weiß. 
Die    ursprüngliche    Befürchtung,    daß    er    als 
Lisztschüler  hier  den  Werken  Liszts  einen  un- 
gebührlichen Anteil  in  den  Konzertprogrammen 
einräumen  werde,  bat  sich  glücklicherweise  nicht 
erfüllt.    Liszts  Musik  ist,  was  immer  man  auch 
über  sie  denken  mag,  für  ein  musikalisch  noch 
unentwickeltes  Volk  eine  gefährliche  Gabe    Man 
denke  nur  an   die  Jungrussen.    Immerhin  er- 
scheint uns  Pohlig  als  Interpret  moderner  Musik 
bedeutender,  denn  als  Interpret  der  Klassiker, 
wie  auch  seine  all  zu   große  Vorliebe  für  das 
Herausbringen  des  Gegensätzlichen  ihn  manch- 
mal auf  schlimme  Abwege  führt.    In  den  bis- 
herigen   Konzerten    wurden   von   Symphonleen 
aufgeführt:  die  dritte,  fünfte  und  siebente  von 
Beethoven,  die  in  g-moll  von  Mozart,  eine  in 
G-dur  von   Haydn,  die  erste    und   vierte  von 
Schumann,  die  unvollendete  von  Schubert,  die 
pathetische   von  TschaikowslEy,  die   in  D   von 
C6sar  Franck,  die  phantastische  von   Berlioz, 
die  erste  von  Brahma  und  die  «neue  Welt*  von 
Dvorak.    Neu  waren  hier  eine  Symphonie  von 
Balakirew,  ein  blut-  und  gedankenarmes  Werk, 
der  »Don  Juan"  von  Richard  Strauß,  der  aus- 
nehmend  gefiel,  und  Regers  Variationen  und 
Fuge  über  ein  heiteres*  Thema  von  Hiller.    Das 
letztere   Werk  vermochte  hier  nicht  durchzu- 
dringen.    Es  ist  geistreiche  Musik  und   zeugt 
von  großem   Können.     Allein   die  Variationen 
sind  gruppenweise  im  Stimmungsgehalt  zu  ähn- 
lich und  entfernen  sich  oft  zu  weit  vom  Thema, 
um    einen    restlos    erfreulichen    Eindruck    zu 
hinterlassen.     Daß  auch  die  fünfte  Symphonie 
von    Brückner,   die  Pohlig  hier  zum   ersten 
Male  herausbrachte,  äußerst  kühl  aufgenommen 
wurde,  darf  nicht   wundernehmen.     Wir   sind 
hier  eben  um  gute  20  Jahre  hinter  Europa  zu- 
rück.   Leider  hat  sich  Pohlig  auch   veranlaßt 
gesehen,   sein    eigenes    symphonisches   Poem 
unter  dem  hochtrabenden  Titel  »Per  aspera  ad 
aatra"  hier  aufzuführen.    Es  ist  ja  begreiflich, 
daß  die  Herren  Dirigenten  von  Beruf  für  ihre 
Kompositionen  eine  gewisse  Vorliebe  emplfden. 


254     ■ 
DIE  MUSIK  VII.  16. 


Glaubte  doch  sogar  Felix  Weingartoer  uns  in 
dem  einzigen  Konxerte,  das  er  hier  dirigierte, 
seine  zweite  Symphonie  vorführen  zu  müssen. 
Allein  wie  irmlich  auch  dieses  Werk  ist,  es 
steht  turmhoch  Qber  dem  Poem  Pohligs,  das 
an  Erfindung  und  Durchfuhrung  jeder  ernsten 
Kritik  spottet.  Trotzdem  fand  es  hier,  wie  in 
Baltimore  und  Washington,  wohin  es  Pohlig 
mitnahm,  Beifall.  Pohlig  weiß  eben  dem  ameri- 
kanischen Publikum  gewaltig  zu  imponieren. 
Die  Reclame,  die  mit  ihm  hier  noch  vor  seiner 
Ankunft  gemacht  wurde,  war  selbst  für  ameri- 
kanische Verhiltnisse  stupend.  Die  ersten  ffinf 
Konzerte  dirigierte  er  ohne  Partitur,  womit  er 
hier  natürlich  furchtbare  Sensation  erregte. 
Kunststücke  versteht  der  Amerikaner  immer 
mehr  zu  schätzen,  als  Kunst.  In  der  Aus- 
stellung der  hiesigen  Academy  war  sein  über- 
lebensgroßes Porträt  zu  bewundern,  ein  Werk 
eines  amerikanischen  Malers.  Kurz,  Pohlig  ist 
jetzt  in  der  Gesellschaft  persona  grata.  Es  liegt 
jetzt  nur  an  ihm,  zu  beweisen,  daß  er  nicht  nur 
mit  dem  Orchester,  sondern  auch  aus  dem 
Orchester  etwas  machen  kann.  Mit  den  Solisten 
hatte  das  Orchester  in  dieser  Saison  nicht  viel 
Glück.  Mit  Ausnahme  von  Fritz  Kreisler, 
der  das  Brahmskonzert  musterhaft  spielte,  und 
Frau  Gadski,  die  als  Konzertsängerin  kein 
rechtes  Repertoire  hat,  gab  es  lauter  Klavier- 
spieler, von  denen  noch  Josef  Hofmann  am 
besten  abschnitt.  Katharine  Goodson  führte 
sich  hier  mit  einem  jammervollen  Klivierkonzert 
ihres  Gatten,  des  englischen  Komponisten  Arthur 
Hinton,  sehr  ungünstig  ein.  Ethel  Altemus 
spielt  noch  schülerhaft,  Mark  Hambourg  wird 
immer  manierierter,  und  Wladimir  de  Fach- 
mann anzuhören,  ist  auch  ein  mäßiger  Genuß. 
Die  heimischen  Klavierbearbeiter  sind  geradezu 
fürchterlich.  —  Das  Bostoner  Orchester 
veranstaltete  hier,  wie  immer,  eine  Anzahl  von 
Konzerten  unter  Leitung  von  Carl  Muck  und 
brachte  als  Neuheiten  außer  den  bereits  er- 
wähnten Variationen  von  Reger  noch  die  E-dur- 
Symphonie  von  Hermann  Bisch  off,  die  leider 
infolge  ihrer  Länge  nicht  die  Aufnahme  fand, 
die  sie  wohl  verdient  hätte.  Ober  unsere 
Solistenkonzerte  und  die  Vorführungen  unserer 
Chorvereine  schreibe  ich  das  nächste  Mal. 

Dr.  Martin  Darkow 
DRAG:  Paul  Ottenheimer  brachte  im  Phil- 
^  harmonischen  Konzert  —  mit  Kiefer  als 
Solisten  am  Cellopult  ^  Strauß'  ^^Don 
Quixote*  als  verspätete  Novität.  Schade! 
Strauß  muß,  wie  alle  Sensationen,  frisch  genossen 
werden.  —  In  Dr.  Zemanek's  populären  Kon- 
zerten (Tschechische  Philharmonie)  sind  Regers 
Hiller-Variationen  ein  Zugstück  geworden,  das 
schon  mehrere  Wiederholungen  erlebte.  Hier  er- 
fuhr auch  Brückners  Sechste  ihre  Prager  Erst- 
aufführung. —  Der  Musikerverband  gab  sein 
Monstrekonzert  mit  200  Pulten  und  brachte  als 
Novität  die  Humoreske  von  Strauß.  Herr  Pick- 
Mangiagalli  aus  Mailand  spielte  sie.  Er  hat 
eine  gute  Technik,  aber  keine  Individualität.  — 
Das  Konservatoriumsorchester  schwang  sich  zu 
C6sar  Franc  k 's  d-moU  Symphonie  auf.  Am 
Kapellmeisterpult  wurde  Direktor  Kaan  von 
seinen  Schülern  dirigiert. —  Nedbal  führte  das 
Wiener  Tonkünstler- Orchester  mit  Mahl  er  s 
erster  Symphonie  zum  Siege.     Der  Mut,  jetzt 


den  als  Exdirektor  unzeitgemiß  gewordmra 
Mahler  zu  spielen,  verdient  anbedtoitie  An- 
erkennung. ~  Ansorge  als  Dichter  am  Klavier 
hat  wieder  sein  treues  Publikam  versammelt 
und  erhoben.  —  Im  Dfirerbund  sanf  Senlns 
Brahma  und  Wolf,  daß  man  den  Gefensati  der 
beiden  Liedmeister  vergessen  konnte«  —  Der 
junge  Rudolf  Wein  mann  erwies  sieh  in  zwei 
Sonaten  von  Mozart  upd  Tartini  als  ein  vielver- 
sprechender, echt  musikalischer  Geiger.  Raritii! 

Dr.  Richard  Batka 

ST.  PETERSBURG:  Hans  Hermann  Wetslar 
stellt  jedenfalls  was  den  Konzertsaal  an- 
betrifft, in  der  Kunst  des  Dirlgierena  seinen 
Mann.  Was  wir  unter  seiner  Leitung  im 
siebenten  Sc hroe der- Konzert  zu  hören  be- 
kamen: Mozarts  Es-dur  Symphonie,  Liszts 
«Mazeppa*  und  Strauß'  Uebesszene  ans  der 
«Feuersnot",  sichenen  ihm  einen  flinzenden 
und  einhelligen  Erfolg.  Leopold  Godowaky 
spielte  hervorragend  schön  Beethovens  viertes 
Klavierkonzert  und  die  geistreichen  «Symphoni- 
scben  Variationen*  von  C.  Franck.  Borodin'a  zweite 
Symphonie,  Teile  aus  BerlioA'^Paust'-Muaiknnd 
Wagners  «Faust-Ouvenfire*  bildeten  daa  orch- 
estrale Fundament  des  achten  Schroeder-Konserts, 
in  dem  Oskar  Fried  und  der  Geiger  Joan  Man  da 
enthusisstisch  gefeiert  wurden.  Mit  diesem 
Konzert  ist  der  Zyklus  der  Schroeder-Koniene 
geschlossen  worden.  Auch  In  dieser  Saison  UtB 
uns  die  berühmte  Klavierflrma  die  Beksnntachafr 
mehrerer  Dirigenten  und  Solisten  mschen,  die 
bisher  nicht  nach  Petersburg  gedrungen  warei. 
~  Aus  dem  siebenten  Siloti-Konzen  hob  »leb 
als  beste  orchestrale  Leistung  die  zu  Anllsng  ge- 
spielte. Aniar*-Symphonie  von  Rimsky-Koraaako« 
ab.  Neben  Francks  »Le  chasaeur  mandit"  «od 
der  Ouvenüre  zur  Oper  ^Ucr  Barblor  von 
Bsgdad*  von  Cornelius  (instrumentiert  von  LiasQ 
bot  das  Programm  noch  Cellovortrige  von  Pabie 
Casals.  Das  letzte  Siloti- Konzert  batto  Raeb- 
maninow  zum  Mitwirkenden,  desaen  iwohe 
Symphonie  in  e-moll  op.  27  in  ihrer  wirkaamen 
Fassung  sehr  interessierte  und  lebhaften  Boihll 
erweckte.  Als  Solist  erntete  Alexander  Siloti 
mit  dem  Griegschen  a-moll  Konzert  relcbe  Ans- 
zeichnungen.  —  Das  zweite  Sympbonlekoniett 
des  Hofopernorchesters  wurde  von  Gustav 
Kogel  aus  Frankfurt  a.  M.  geleitet.  Ea  Torllel^ 
was  die  Ausführung  der  sechsten  Symphonie 
Tscbsikowsky*s  anbetriflfry  gerade  nicht  beaonders 
anregend  für  die  Hörer.  Stflrmiacbe  An- 
erkennung errang  an  demselben  Abend  der  ans- 
gezeichnete  Tenorist  der  Moskauer  Kaiaerlichen 
Oper  D.  S  m  i  r  n  0  w.  —  Unter  den  vielen  SoHaten- 
konzerten  hoben  sich  als  genußreich  ab:  ela 
Klavierabend  Josef  SlivinsklU,  gemelnaebaft- 
licbe  Konzerte  Leopold  Auera  und  Msx 
Pauers,von  Huberman  und  Richard  Singer, 
ein  Konzert  des  phinomenalen  Siogera  Sirota, 
Klavierabende  von  Sandra  Droucker,  Wanda 
Landowsks,  Georg  Swirski,  die  Kammer- 
musikabende des  Petersburger-  Streleb- 
quartetts  und  A.  Siloti' s,  die  Noviiltenabende 
des  Hoforchesters  unter  Wahrlichs  Leltnnfi  die 
Symphoniekonzerte  des  Grafen  Soheremei)ew 
u.  V.  s.  Bernhard  Wendel 

SCHWERIN  i.  M.:  Hermann  Mon Ich-Schwerin 
ofPenbarte   in   einem  eigenen   Klavlemband 
wiederum  einen  hohen  Grad  kilnatlerlacher  Eni- 


J 


255 
KRITIK:  KONZERT 


wlckelaog.  Eine  erstaunliche  Seite  seiner 
Virtuositit  bildet  der  nosterielle  Kraftaufwand, 
den  er  zu  cntwiclceln  vermag;  aber  das  Ungestüm 
wird  sich  kliren  und  dann  etwas  mehr  Raum 
schaffen  für  Herzenswärme.  —  Das  fünfte  Kon* 
zert  der  Hofkapelle  brachte  Wagners  »Faust*- 
OuYertQre  unter  Hofkapellmeister  Kaehlers 
Leitung.  Der  Einfluß  Wagners  zeigte  sich  als- 
dann bei  Anton  Brückners  Siebenter  Sym- 
phonie »in  breitesten  Spuren*'.  Es  fehlte  der 
Qualität  der  Ausführung  nicht  an  Kraft  und 
Energie  und  an  jener  Feinheit  der  Nuancierung, 
wie  sie  durch  ein  detailliertes  Studium  ge- 
wonnen werden.  Jedenfalls  litt  niobt  durch 
Ihre  Nachbarschaft  Beethovens  Es-dur  Klavier- 
konzert, das  August  Schmid-Lindner  aus 
MQnchen  mit  echter  Bravour  und  Ausdauer 
vortrug.  Oberschauende  Ruhe  und  Klarheit, 
verbunden  mit  einem  geläuterten  Kunstge- 
scbmack  und  mit  Empflndung,  verhalfen  seinem 
Spiel  zu  außerordentlichem  Erfolg. 

Fr.  Sothmann 

STOCKHOLM:  Das  dritte  Symphoniekon- 
zert im  Königlichen  Theater  (Dirigent  Armas 
Järnefelt)  bot  zur  Abwechslung  auch  einmal 
ein  altbekanntes  deutsches  Programm:  Haydn, 
Mozart,  Schubert,  Weber.  —  Das  Orchester 
Anlin's  spielte  uns  Brückners  Symphonie  E-dur 
vor;  Solist  war  an  diesem  Abend  Henri  Marteau 
im  Beethovenkonzert.  Einige  Tage  später  sind 
wir  auch  mit  dem  Komponisten  Marteau  be- 
kannt geworden,  der  in  einem  Klarinettenquin- 
tett und  einem  Gesangszyklus  (von  Eva  Leß 
mann  interpretiert)  durch  technisches  Können 
und  aristokratisches  Feingefühl  weit  mehr  im- 
ponierte als  durch  melodische  Etflndung.  —  Dit 
Aulinsche  Quartettgenossenschaft  gab  einen 
Brahma«  und  einen  Schumann -Abend;  die 
Brüsseler  veranstalteten  drei  Beethovenlcon- 
zerte.  —  Die  zwei  hiesigen  Chorvereinigungen 
brachten  zwei  größere  Werke  zur  Aufführung: 
»Fauat*  von  Berlioz  (die  Philharmonie  unter 
Leitung  Järnefelt's)  und  die  «Missa  solemnis* 
In  D  von  Cherubini  (Franz  Neruda  und  Musik- 
föreningen).  —  Außer  Marteau  gastierten  die 
Violiniaten  Schkolnick  und  die  kleine  Vivien 
Chartres,  die  Pianisten  Dohnänyi  und 
Stenhammar.  Ans^ar  Roth 

STRASSBURG:  Das  vierte  Abonnements- 
konzert war  ausschließlich  Liszt  geweiht,  der 
aber  mit  »Hamlet*,  den  «Idealen*  und  einigen 
abgequälten  Liedern  einen  ganzen  Abend  über 
nicht  zu  fesseln  vermochte.  Das  Beste  daran 
war  Dohnanyis  Vortrag  des  Es-dur  Konzerts. 
Das  fOnfke, et>enfalls  unter  G  o rt e  r  (in  Vertretung), 
bot  nebst  Berlioz'  steifer  «Cellini^-Ouverture  und 
der  etwas  hart  angefaßten  .Jupitersymphonie* 
den  Genuß  des  Brahmsschen  B-dur  Konzerts 
von  Lamond's  kraftvoller  Hand.  Im  sechsten 
trug  Petschnikoff,  weich  und  rhythmisch 
recht  locker,  Tschaikowsky's  mit  Ausnahme  des 
Finales  recht  gehaltvolles  Violinkonzert  vor,  dazu 
einige  pikante  Orientszenen  von  H.  Zilcher, 
und  R.  Heger,  der  jüngste  unserer  Kapell- 
meiater,  dirigierte  seine  Programmsymphonie 
„Hero  und  Leander*,  geschickt  gemacht,  nach 
Straußschem  Muster  mit  Riesenorchester,  doch 
pbysiognomielos,  wie  fast  alle  Programmusik.  Im 
siebenten  schwang  Pfitzner  wiederum  den  Stab 
zu  einer  glänzenden  Aufführung  von  Brahma' 


Zweiter  und  einigen  merkwürdigen  Tonmalereien 
von  Sibclius  —  muaikaliaches  Sauriertum. 
Als  Solist  stellte  sich  Senius  vor,  der  nur  zu 
sehr  mit  einem  tonlosen  Piano  kokeniert,  daa 
er  gar  nicht  nötig  hat.  —  Im  übrigen  hörte  man 
Burmesters  klassisches  Geigenspiel  (von 
Schmidt-Badekow  begleitet),  im  Tonkünsiler- 
verein  das  gediegene  Dresdener  (Petri-)  Quartett 
mit  Cherubini  und  Brahma,  in  der  Kammermusik 
einen  gefälligen  Napravnik,  neben  H.  Wolfs 
«Italienischer  Serenade*  und  Beethovens  cis-moll, 
einen  Karomerabend  unserer  trefflichen  Solo- 
Mäser  mit  Pfitzner  ~  Beethoven-Quintett  und 
ein  melodisches  dito  von  Verbey  (einem  Hol- 
länder) — ,  sodann  N  e  i  t  z  e  1  als  Conferencier,  über 
den  «Humor  in  der  Musik*  recht  wenig  er- 
schöpfend plaudernd.  Der  Konservatoriumschor 
bewies  seinen  gegenwärtigen  Stand  durch  Handele 
«Alexanderfeat*.  Frau  Rückbeil-Hiller 
vermag  auch  nur  noch  mit  den  beaux  restes 
ihrer  einstigen  Höhe  aufzuwarten.  Frl.  Schön- 
holtz  von  hier  ist  eine  vielversprechende  Altistin, 
nur  noch  ohne  Gefühl,  Herr  Gastone  ein  stimm- 
kräfiiger  Bassist,  des  Schleifsteins  noch  be- 
dürftig. Frau  Mahlendorff  und  H.  Corvinus 
Dewiesen  wieder  einmal,  daß  Opern-  und  Konzert- 
gesang zweierlei  sind.  —  Der  Orchesterverein 
gab  eine  Haydn -Symphonie  zum  besten,  der 
Männergesangverein,  der  unter  Prodi  aua- 
aezeichnete  Fortschritte  macht,  führte  Zöllners 
nicht  übel  geratenen  «Kolumbus*  auf.  Dabei 
legte  sich  Frau  Lauer- Kotilar  mit  ihrer  Pracht- 
stimme umsonst  für  zwei  Mißgeburten  von  Or- 
chesterliedern Weingartnera  ms  Zeug.  —  Ende 
gut,  alles  gut:  Brahma'  «Deutsches  Requiem* 
fand  unter  Münch  eine  großzügige  Wiedergabe, 
mit  Haaa  ala  ausdrucksvollem  Bariton,  Frau 
Klupp- Fischer  (ebenfalls  Karlsruhe)  ala 
nicht  hinlänglich  weichem  Sopran,  und  Fried 
et  freute  im  vierten  Volkakonzert  mit  ein  paar 
echten  Musikern,  Mendelssohn  und  Weber, 
unter  solistischer  Mitwirkung  von  Frau  Alt- 
mann-Kuntz.  Dr.  G.  Altmann 

STUTTGART:  Aufs  neunte  Abonnements- 
konzert lenkte  O  brist  die  allgemeine  Auf- 
merksamkeit durch  die  Erstaufführung  der  Hiller- 
Variationen  op.  1(X)  von  Reger.  Wie  anders 
klingt  jetzt  sein  Orchester  ala  ehedem!  Regera 
mehr  bewegliche  als  erfinderische  Einbildungs- 
kraft erreicht  in  der  geistreichen  Verarbeitung 
gegebenen  Gutes  offenbar  ihr  Höchstes.  Unter 
der  Vorsussetzung,  daß  man  Reger  nicht  gleich 
zu  einem  Großmeister  hinaufschraube,  ist  uns 
seine  Musik  jederzeit  willkommen,  zumal  wenn 
sie  so  ins  Klare  und  Reife  strebt  wie  in  diesem 
anmutigen  Werk.  Die  Wiedergabe  war  eine 
xlänzende  Leistung  unserer  Hofkapelie.  Auf 
Reger  Heß  Obrist  Mozarts  «Jupitersymphonie" 
folgen,  womit  er  sich  in  würdigster  Weise  für 
die  Symphonie-Abende  verabachiedete. —  Rück- 
beil in  Kannatatt  brachte  zu  Wagners  Gedächt- 
nis die  vier  Jugendouvertüren  hersus,  die  Mottl 
veröfPentlicht  hat;  mag  man  vieles  gegen  sie 
ssgen:  musikalisches  Feuer  und  hinreißenden 
Schwung  hat  Wagner  schon  in  der  Jugend  ge- 
habt. —  Im  vierten  Kammermusik-Abend  spielte 
Waghalters  Vereinigung  u.  a.  das  C-dur  Quin- 
tett von  Schubert.  —  Der  Verein  für  klassische 
fJrchenmusik  unter  S.de  Lange  führte  kleinere 
tücke   auf;    zuletzt   Arnold    Mendelssohns 


256 
DIE  MUSIK  VII.  U6. 


neue  Abendkantate,  die  mich  nach  dem,  was 
ich  auf  den  Komponisten  halte,  arg  entiiuscht 
hat.  —  Im  Orchesterverein  spielte  der  Pianist 
Benzinger  das  24.  Klavieikonzert  Mozarts; 
außerdem  wählte  Rfickbeil  einige  Nummern 
aus  Beethovens  Festspiel  «Die  Ruinen  von 
Athen**.  —  Es  besuchten  uns  die  Solisten:  La- 
mond,  Frau  Mysz-Gmeiner;  die  Schwestern 
Adamian  gaben  einen  Klavierabend  an  zwei 
Instrumenten  und  spielten  u.  a.  das  C-dur  Kon- 
zert von  Bach  und  Variationen  op.  61  von  W. 
Berger.  Dr.  Karl  Grunsky 

WARSCHAU:  Eugöne  Ysaye,  ein  Konzert 
dirigiert  durch  Richard  Strauß  (»Don 
Juan*,  „Tod  und  Verklärung*,  Liebesszene  aus 
„Feuersnot*)  und  Willy  Burmester  waren  die 
Glanzpunkte  der  letzten  Wochen  in  der  Phil- 
harmonie. Einen  außergewöhnlichen  Eindruck 
hinterließ  der  kleine  Pepito  Ariola  als  ein 
Wunderkind  hors  concours.  Von  Neuheiten 
hörten  wir  eine  symphonische  Dichtung: 
„Salome*  von  Hadley  (unter  persönlicher 
Leitung  des  Komponisten),  ein  äußerlich  wohl- 
klingendes, aber  nicht  sehr  tiefes  OrchesterstGck 
und  Paul  Ertels:  »Nächtliche  Heerschau*  (mit 
der  zu  schfilerhaft  gemachten  Fuge  über  die 
Marseillaise).  —  Auch  der  »ber&hmte*  Maestro 
Toseil i  ist  vor  dem  Publikum  erschienen,  trotz 
der  öffentlichen  Streitigkeiten  (ein  Brief  in  den 
lömischen  Zeitungen)  mit  dem  hiesigen  Im- 
presario Rajchman,  der  die  Bedingung  gestellt 
hatte,  daß  Herr  Toselli  in  jedem  Falle  mit  seiner 
Frau  nach  Warschau  komme. 

H.  V.  Opieuski 
WriEN.'SvenScholander,  der  Volkslieder  und 
^    Balladen  aller  Art  zur  Laute  singt,  ist  ein 
Kfinstler  von  höchster  bildhafter  Krafr.    Er  weiß 
mit  den  kleinsten  Mitteln,  durch  leise  mimische 
Andeutung,  durch  eine  unmerkliche  Bewegung 
seines   Instruments,   durch  Tonfall   und   Geste 
jedes  Lied  mit  unglaublicher  Greifbarkeit  hin- 
zustellen. Könige  und  Bettler,  schöne  Marquisen 
und  Heilige,  Köhler  und  Muller  ziehen  vorüber, 
—  mit  ein   paar  ganz  einfachen  Strichen  von 
fabelhaft  »sitzender*  Charakteristik  gezeichnet. 
Ihm  ist  ein  außerordentliches  Miterleben  seiner 
Gesänge   eigen,  dazu  eine  unbändige  Vitalität, 
die  jede  seiner  Äußerungen  mit  strotzender  Da- 
seinsfulle  beladet.    Er  wirkt  dadurch  erfrischend 
wie  ein  Naturereignis,  und  neben  ihm  scheinen 
all  die  Sänger  des  Kunstliedes  blaß  und  abstrakt. 
Wobei  nicht  zu  verhehlen  ist,  daß  seine  Kunst 
gewiß  nur  als  Intermezzo  solche  Wirkung  hat, 
und  sich  bei  oftmaliger  Wiederholungabschwächen 
mußte.  —  Drei  Liederabende   beliebter  Opern- 1 
Sänger:   Elsa  Bland  hat  sich  in  einem  leider  | 
wenig  gelungenen  Konzert,  in  dem  die  Pracht; 
und  der  Glanz  ihrer  Stimme  ebenso  zu  Bewußt- 1 
sein  kamen  wie  die  unkultivierte  Derbheit   und 
innere   Fuhllosigkeit  ihres   lyrischen   Vortrags,  j 
von  einem  nicht  sehr  teilnehmenden  Publikum  ! 
verabschiedet.    Leo  Siez ak  hat  mit  seinem  be- 
zwingenden,    in    lauterstem    Wohlklang    über- 


strömenden Organ  und  durch  sein  nur  naa^mal 
zu  reichlich  unmännlich  berfihmdcs,  aber 
herzlich  und  warn  hiogcbendes  WMta  vteder 
unendlichen  Jubel  erweckt^  nad  Frma  Cthitr 
hat  sich  sowohl  in  der  Melttwang  ihrar  tief- 
tonigen,  umfangreichen  und  netalliitheB  Sttaoie 
als  durch  die  ungemeine  Vornetanbeil  Ijrtacher 
Gestaltung  in  die  erste  Reihe  lebender' Lieder- 
sängerinnen gestellt.  Fran  Drlll-Orridge, 
eine  unserer  erlesenaten  und  ernetesim'Kfattle- 
rinnen  and  der  leider  blofl  enf  TennrvirknnitB 
ausgebende  Adolf  Lußmann  heben  akh 
zum  Vertrag  einer  Lledeireihe  w^  Fnes 
Seh  reker  vereinigt:  dnrchene  hlbad  em- 
pfundene, in  einzelnen  fesselnde,  vem  ench 
niemals  die  traumhaft  sichere  Intiuiioa  dee  Ge- 
nies verratende  Gesinge  einen  wiridiehen  Mosl- 


kers.  ~  Mit  einer  hinreißenden  AnllUraM 
Mahlers  erster  Symphonie  tael  Nedbel  den 
diesjährigen  Zyklus  der  AnffllhraacM  des 
Wiener  Tonkfinstler-Orchnntern  be- 
sch  lessen :  eine  Interpretation,  die  den  Tendkhien 
Absichten  mit  feuriger  Uebe  reetloe  ent- 
schöpfte und  die  dem  Tielnnetritienon  Weifc 
zum  erstenmal  volles  Veittehen  und  eianililisa 
Enthusiasmus  brachte.  —  Morits  Rnnonthal 
hat,  mit  dem  eben  genannten  Orchneier  ud 
mit  dem  in  diesem  Jahre  auf  gern  bonnadeier 
Höhe  stehenden  Koniertverein  drei  KleHB^ 
konzerte  gespielt:  Tachalkowaky,  Ctaopta  (ohsmOi 
und  Schumann.  In  allen  dreien  fimnlerend, 
musiksprQbend  in  Jedem  Talu,  und  dmnk  niie 
zu  voller  Künstlerscbaft  nmjeeetite  Brntonr  ia 
Taumel  versetzend.  Am  hocheten  mit  TbAii- 
kowsky:  eine  reproduktive  Leiatung  aBVorfeft- 
licher  Arr,  von  blitzendem  Geiat^  anbtileler  An- 
schlagskunst  und  fiberwütigendem  Sdiwng.— 
Hermann  Bischoffs  e-moll  Symphnäiiy  fea 
Richard  Strau  ß  mit  den  PhllhannonllwrB  pncht- 
voll  gespielt,  hat  in  den  eraten  iwel  Slmn  aebr 
interessiert,  und  Wolf-Perrari*a  »IHtn  nnofa*, 
von  der  Wiener  Singakademie  aar  Mer 
ihres  50jährigen  Bestehene  unter  ümna  neaea 
tüchtigen  Leiter  Richard  Wlckenbluaner  aaf- 
gefOhrr,  hat  durohihre  edle  Siimmvng  nnd  die 
Klangreize  des  mit  obligatem  Klavinry  airtan 
Pauken,  Orgel  und  gestimmten  S^ahlatlben  er- 
gänzten Orcheatera,  dem  wirklich  elgananlgr 
und  iiberraschende  Mischungen  abtevannea 
werden  —  einen  nicht  sehr  tielkebendea,  aber 
herzlichen  Anteil  erweckt.  Schliefiiich  aind  an  er- 
wähnen: die  stimmbegabte  nnd  ▼ortreMeh  g«- 
schulte.  Koloratursängerin  Jenny  Fiacber,  daa 
herb-trotzige  Talent  der  energiach  ria|Mdcn 
Geigerin  Hilde  Stromenger»  und  —  dee  Kon- 
trastes halber  —  die  unfreiwillig  Heiierlteh  er- 
weckende Pianistin  Cicilie  Schwara,  die  aa 
jenen  gehört,  von  denen  BeethoTen  einmal  aegie: 
«Sie  werden  noch  sehr  viel  spielen  mfiaaen,  nn 
einsehen  zu  lernen,  daß  Sie  nichta  können*.  Nor 
daß  diese  Einsicht  leider  nie  kommen  dfirfke. 

Richard  Specht 


Nachdruck  nur  mit  ausdrücklicher  Erlaubnis  des  Verlages  sestatlet 

Alle  Rechte,  Insbesondere  das  der  Obersetzuns,  vorbehalten 

Verantwortlicher  Schriftleiter:  Kapellmeister  Bernhard  Schuster,  Berlin  W.  57,  BGIovsir.  1071. 


JOHANN  SEBASTIAN  BACH 

gemalt  von  Johann  Jakob  Ihle 

Original  im  Bachmuseum  zu  Eisenach 


JOHANN  SEBASTIAN  BACH 
Aquarellier re  Bleiaiifueichnung 
unbekannten  Autors  im  Besili 
des  Herrn  E.  Bonnann  in  Leipzig 


JOHANN  SEBASTIAN  BACH 

gemalt   von   E.  G.  Haußmann 

Original  In  der  Musikbibliothek  Peters  in  Leipzig 


JOHANN  SEBASTIAN  BACH 

gemalt  von   E.  G.  HauQmana 

Original  in  der  Thomasscbule  zu  Leipzig 


JOHANN  SEBASTIAN  BACH 

Maler  unbekannt 

Original  im  Besitz  des  Herrn  Prof.  Dr.  Fritz  Volbach  in  Tübingen 


JOHANN    SEBASTIAN    BACH 
moderne  Darstellung  von  Rumpf 


<  =  i 


EIS 


DAS  LEIPZIGER  BACH-DENKMAL 

von  Karl  SelTner 

Erster  Eatwurf  vom  Jabre  1896 


DAS  LEIPZIGER  BACH-DENKMAL 
von  Karl  SelTner 


DIE  MUSIK 


=i==:a 


TONKÜNSTLER-HEFT 


Jeder    Künstler,    jeder   Schöpfer    ist    ein 
Geheimnis. 


Publikum   beklatscht   ein   Feuerwerk, 
aber  keinen  SonnenauTgang. 

Frledricb   Hebbel 


VII.  JAHR  1907/1908  HEFT  17 

Erstes  Junifaeft 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 
Verlegt  bei  Schuster  &  Loeffler 
Berlin  W.  57,    Bülowstrasse   107 


ÄA(-,üE.T^, 


■enn  man  von  München  als  Kunststadt  redet,  so  denkt  man 
I  gewöhnlich  an  die  hohe  Bedeutung,  die  der  bayerischen  Haupt« 
Stadt  durch  das  weitschauende  AUzenatentum  Ludwigs  I.  fQr 
1  die  Pflege  der  bildenden  Kunst  gewonnen  wurde.  Man  ver- 
steht Kunst  in  jenem  engeren  Sinne,  der  bis  vor  liurzer  Zeit  im  allgemeinen 
deutschen  Spracb^brancb  noch  vorherrschte  und  der  mit  der  Bezeichnung 
.Kunst'  immer  nur  die  drei  Raumkünste:  Architektur,  Plastik  nnd  Malerei 
meinte.  Was  der  erste  Ludwig  für  diese  Künste  geun,  hat  München  den 
Rahm  einer  besonderen  Kunststadt  verschafft,  einen  Ruhm,  über  dessen 
Wahrung  und  Mehrung  man  gewifi  sehr  verschiedener  Meinung  sein  kann, 
der  aber  viele  Jahrzehnte  hindurch  als  etwas  Unanzweifelbares  überall 
anerkannt  ,wurde,',bis  in.  jüngster  Vergangenheit  die  mehr  oder  minder 
schadenfrohen  Klagen  über  den  .Niedergang'  Münchens  als  Kunststadt 
immer  hiufiger  gehört  und  auch  geglaubt  wurden. 

Vle  hoch  oder  niedrig  man  den  gegenwXrtIgen  Stand  der  Münchner 
Kunst  nun  einschätzen  möge,  eins  bleibt  unbestreitbar:  München  ist  eine 
Stadt  der  bildenden  Künstler,  vor  allem  der  Maler,  und  zwar  ist  sie  es 
schon  deshalb,  weit  die  Vertreter  dieser  Künste  —  von  der  Qualitit  einmal 
ganz  abgesehen  —  rein  numerisch  hier  einen  so  starken  Prozentsatz  der 
Gesamtbevölkerung  ausmachen,  daS  sie  auf  den  Charakter  der  ganzen  Stadt 
notwendigerweise  einen  wesentlichen  Einfluß  ausüben  müssen.  Würden 
die  Maler  fehlen,  so  wSre  München  ganz  gewifl  nicht  mehr  das,  was  es 
ist,  und  die  Münchner  Kunst,  gut  oder  schlecht,  wie  sie  nun  einmal  ist, 
kann  nicht  aus  der  Stadt  weggedacht  werden,  ohne  daß  sich  deren  Gesamt- 
bild in  allem  und  jedem  durchaus  verSnderte. 

Die  Nachfolger  Ludwigs  I.,  die  Könige  Maximilian  II.  und  Ludwig  11., 
traten  insofern  in  die  Fußstapfen  ihres  Vorgingers,  als  auch  sie  sich  In 
hohem  MaSe  als  Gönner  und  Förderer  künstlerischer  Bestrebungen  er- 
wiesen. Indem  sie  dabei  aber  einerseits  der  Richtung  der  Zeit,  ander- 
seits ihren  besonderen  Liebhabereien  folgten,  traf  es  sich,  daß  ihr  Virken 
das  des  ersten  Ludwig  in  der  Weise  ergänzte,  daß  das  Mäzenatentum  seines 
Sohnes  vorzugsweise   der  Literatur,   das   seines  Enkels   in  erster  Linie 


260 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


der  Musik,  vor  allem  der  Oper,  zugute  kam.  Wenn  man  in  der  Folg^ 
von  der  Kunststadt  München  auch  in  jenem  weiteren  Sinne  des  Wortes 
Kunst  hat  sprechen  können,  in  dem  es  die  gesamte  Welt  des  Ästhetischen 
umfaßt,  wenn  es  eine  «Mfinchner  Dichterschule*  und  späterhin  dann  auch 
eine  spezifisch  «Münchner  Musik**  gegeben  hat  oder  noch  gibt,  so  ruht 
das  alles  auf  dem  Grund  der  Verdienste,  die  diese  beiden  Könige  sich  um 
die  Kunstpflege  erworben  haben.  Immerhin  wurde  es  nicht  erreicht,  daß 
Dichtung,  Theater  und  Musik  für  die  künstlerische  Gesamtknltur  der  Stadt 
je  auch  nur  annähernd  die  gleiche  Bedeutung  gewannen  wie  die  bildenden 
Künste.  Der  zeitliche  Vorsprung,  den  diese  vor  den  eigentlichen 
musischen  Künsten  voraus  hatten,  blieb  ihnen  und  ihrer  Pflege  auf  immer 
auch  als  ein  tatsächlicher  Vorrang  gewahrt. 

Daß  München  in  einem  Maße  wie  keine  andere  Stadt  des  deutschen 
Vaterlandes  Kunststadt  ist,  kann  nicht  bestritten  werden,  wenn  man  dabei 
ausschließlich  oder  in  erster  Linie  nur  an  das  künstlerische  Bauen,  Bilden 
und  Malen  denkt.  Ob  dieser  alt-  und  wohlbegrfindete  Ruf  auch  ohne  weiteres 
auf  das  Gebiet  der  musischen  Künste  übertragen  werden  darf,  mag  zweifelhaft 
erscheinen;  und  wenn  ich  hier  —  als  ein  nicht  unschickliches  Thema  bei 
Gelegenheit  der  Münchner  Tonkünstlerversammlung  des  Allgemeinen  Deut- 
schen Musik  Vereins  —  die  Frage  auf  werfe:  ob  und  in  welchem  Sinne  München 
eine  Musikstadt  heißen  darf,  d.  h.  eine  Stadt,  in  der  die  Musik  und  ihre 
Pflege  eine  größere  Rolle  spielt  und  vor  allem  auch  eine  eigentümlichere 
Ausbildung  erfahren  hat  als  anderswo,  so  mag  der  Versuch  ihrer  Beant- 
wortung eingeleitet  werden  mit  der  Feststellung  der  Tatsache,  daß  unsere 
Stadt  Musikstadt  jedenfalls  nicht  in  demselben  Sinne  und  in  demselben 
Maße  ist,  wie  sie  mit  vollem  Rechte  eine  Malerstadt  -heißen  darf,  -  ja  daß 
es  sich  möglicherweise  bei  dem  Lobe,  das  München  auch  als  Musikstadt 
schon  vielfach  gespendet  wurde,  um  die  mehr  oder  minder  unberechtigte 
Übertragung  von  Verdiensten  handelt,  die  auf  einem  ganz  anderen 
Gebiete  erworben  wurden  und  die  nur  darum  der  Münchner  Musik 
zugute  kommen  konnten,  weil  eben  auch  die  Tonkunst  eine  Kunst  ist  und 
mit  den  bildenden  Künsten  zusammen  unter  den  gleichen  Gesamtbegriff 
fällt.  Weil  dem  aber  so  ist,  weil  der  Ruhm  der  Kunststadt  München  im 
Reiche  der  bildenden  Künste  erworben  wurde  und  erst  von  da  aus  unter 
anderem  auch  auf  die  Musik  überging  —  sei  es,  daß  tatsächlich  außer- 
gewöhnliche musikalische  Leistungen  denen  auf  bildnerischem  Gebiete  dann 
nachfolgten,  sei  es,  daß  die  öffentliche  Meinung  bloß  einem  Trugschlüsse, 
einer  ganz  einfachen  quatemio  terminorum  zum  Opfer  fiel  (der  Begriff 
«Kunst**  nämlich  einmal  im  engeren,  dann  im  weiteren  Sinne  des  Wortes  ge- 
nommen!) —  so  wird  es  jedenfalls  nützlich  sein,  wenn  man  bei  der  Betrmchtong 
des  musikalischen  München  das  bildnerische  München  stets  im  Angebe- 


261 
LOUIS:  MÜNCHEN 


hilt,  sich  immer  an  die  analogen  Verhiltnisse  auf  dem  Gebiete  der 
bildenden  Kfinste  erinnert  und  sie  durchweg  zum  Vergleich  heran- 
zieht. Manches  wird  sich  dadurch  besser  und  vor  allem  auch  rascher 
klar  machen  lassen  als  es  ohne  solche  Gegenüberstellung  der  Fall 
sein  könnte. 

Zunächst  hat  die  Musik  in  München  das  mit  den  bildenden  Künsten 
gemeinsam,  daß  auch  ihre  höhere  Pflege  anfänglich  nur  dem  Mäzenatensinn 
der  bayerischen  Fürsten  zu  danken  war.  Diese  Abhängigkeit  der  Kunst* 
pflege  vom  Hofe  gilt  bis  zu  einem  gewissen  Grade  ja  von  jeder  Residenz- 
stadt, aber  doch  von  München  in  viel  höherem  Maße  als  von  irgend  einer 
anderen  großen  Stadt.  Vor  allem  ist  diese  Abhängigkeit  im  Sinne  einer 
nahezu  ausschließlich  höfischen  Organisation  des  Musiklebens  bei  uns  viel 
länger  erhalten  geblieben  als  anderwärts,  und  da  endlich  die  Zeit  heran- 
kam, wo  es  in  keiner  Weise  mehr  anging,  alles  und  jedes  einzig  und 
allein  von  der  Fürsorge  des  Hofes  zu  erwarten,  als  neue  Bildungen  her- 
vortreten mußten,  da  versagten  die  hierfür  in  erster  Linie  in  Betracht 
kommenden  Faktoren  —  privates  Unternehmertum,  kommunale  Kunst- 
politik und  opferwilliger  Bürgersinn  —  so  gut  wie  gänzlich.  Gerade  der 
notwendig  gewordene  Übergang  von  der  ausschließlich  höfisch  zur  groß- 
städtisch organisierten  Kunstpfiege  hat  ja  die  schwere  Krise  über  das 
Münchner  Musikleben  heraufbeschworen,  in  der  wir  gegenwärtig  mitten 
inne  stehen,  und  von  der  es  im  Augenblick  zweifelhafter  denn  je  ist,  ob 
sie  in  absehbarer  Zeit  die  von  den  zugleich  aufrichtigen  und  einsichtigen 
Freunden  der  Kunst  ersehnte  Lösung  überhaupt  noch  finden  werde. 

Daß  das  aber  so  kommen  konnte,  hängt  wieder  auf^  engste  damit 
zusammen,  daß  —  wie  überhaupt  die  ganze  geistige  Kultur  der  Stadt  — 
so  vor  allem  auch  die  Münchner  Musik  gewissermaßen  *  »in  der  Luft 
hängt.*  Ich  meine,  daß  sie  etwas  ist,  was  so  gut  wie  gar  keine  Wurzeln 
im  Boden  der  eigentlich  autochthonen  Bevölkerung  hat,  etwas,  das  nur 
der  oberen  Schicht  einer  intellektuellen  Eliteklasse  angehört,  die  sich  nahe- 
zu ausschließlich  aus  Nicht-Münchnern,  zum  größten  Teil  auch  aus  Nicht- 
Bayern  zusammensetzt,  und  woran  die  Einheimischen  in  einem  ganz  auf- 
fallend geringem  Maße  mitbeteiligt  sind.  Nicht  nur,  daß  die  Münchner 
Kunst  (wie  schließlich  jede  Hofkunst)  ursprünglich  eine  von  auswärts  impor- 
tierte fremde  Blüte  gewesen  ist,  ein  künstlich  dem  heimischen  Stamme 
aufgepfropftes  Reis,  sie  ist  das  in  gewissem  Sinne  auch  immer  geblieben. 
Sie  hat  sich  gewiß  akklimatisiert:  aber  nicht  in  der  Weise,  daß  sie  ihre 
Wurzeln  in  den  Grund  des  heimischen  Bodens  einsenkte  und  dadurch  mit 
ihm  zusammenwuchs,  sondern  daß  sie  sich  mit  allem  Drum  und  Dran  auf 
diesen  Boden  sozusagen  nur  auflagerte  als  eine  deutlich  gesonderte,  für 
sich  bestehende  und  jederzeit  abhebbare  Oberschicht.     Und  zwar  gilt  das. 


262 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


wie  schon  angedeutet,   von  der  Mfinchner  Musik  noch  viel  mehr  als  etwa 
von  der  Münchner  Malerei. 

Zwar  ist  auch  unter  den  bildenden  Künstlern  Münchens  der  geborene 
Münchner  immer  nur  spärlich  vertreten  gewesen,  und  schon  die  An* 
Ziehungskraft,  die  der  Ruf  der  Kunststadt  München  ausübte,  mußte  ja  anf 
eine  in  hohem  Maße  internationale  Zusammensetzung  der  Münchner 
Künstlerschaft  hinwirken.  Aber  zwei  Dinge  haben  doch  zur  Folge  gehabt, 
daß  uns  die  bildende  Kunst  Münchens  in  ganz  anderer  Weise  den  Ein- 
druck des  Bodenständigen  macht  als  die  Münchner  Musik.  Einmal 
—  und  das  gilt  vor  allem  für  die  Münchner  Architektur  —  gibt  es  in 
der  bildenden  Kunst  eine  feste,  oft  zwar  unterbrochene,  aber  immer  wieder 
aufgenommene  und  neugeknüpfte  Tradition.  Der  Umstand,  daß  die 
bildnerischen,  speziell  die  baulichen  Werke  der  Vergangenheit  den  späteren 
Geschlechtem  jederzeit  vor  Augen  stehen,  erlaubt  etwas,  was  in  der  Musik 
eigentlich  schon  der  flüchtige  Momentancharakter  des  musikalischen  Kunst- 
werks, die  Tatsache,  daß  es,  um  lebendig  zu  bleiben,  immer  wieder  neu 
geboren  werden  muß,  von  vornherein  verhindert  oder  doch  sehr  erschwert: 
die  Möglichkeit,  daß  der  Kunst  einer  Stadt  dadurch  ein  ausgesprochener 
Charakter  örtlicher  Eigentümlichkeit  aufgeprägt  und  gewahrt  werde,  daß 
die  späteren  Künstler  sich  mehr  oder  minder  bewußt  immer  wieder  an 
das  anlehnen,  was  ihre  Vorgänger  an  gleicher  Stätte  geschaffen  haben. 
Dazu  kommt  dann  ein  anderes,  vielleicht  noch  wichtigeres  Moment  Man 
kann  gewiß  nicht  sagen,  daß  der  eingeborene  Münchner  sich  durch  einen 
besonders  ausgebildeten  Sinn  für  bildende  Kunst  auszeichne.  Aber  in  der 
eingeborenen  Bevölkerung  des  Landes,  speziell  Oberbayerns,  fließt  der 
Mfinchner  Kunst  ein,  wie  es  scheint,  unversieglicher  Quell  ewiger  Ver- 
jüngung und  Erneuerung.  Ob  die  Ursache  in  angeborenen  Rasse- 
qualitäten oder  ausschließlich  bei  den  im  Verlaufe  der  Jahrhunderte 
immer  wieder  zu  höchst  bedeutsamer  Wirkung  gelangten  italienischen 
Einflüssen  zu  suchen  sei,  eine  besondere  Affinität  des  bayerischen  Stammes 
zur  bildenden  Kunst,  die  ganz  auffallende  Häufigkeit  bildnerischer,  speziell 
malerischer  Begabung  in  diesem  Volke,  ist  jedenfalls  eine  unumstößliche 
Tatsache. 

Dieses  ganz  unschätzbaren  Vorzuges  entbehrt  die  Mfinchner  Musik 
vollständig.  Denn  die  Bayern  sind  kein  musikalisches  Volk.  Weit 
entfernt,  wie  etwa  die  Thüringer  und  Sachsen  durch  eine  hervorragende 
Musikalität  sich  auszuzeichnen,  bleiben  sie  in  der  Tonkunst,  wie  ich 
glaube,  sogar  unter  dem  allgemeinen  Stand  der  deutschen  Durchschnitts- 
begabung. Wenn  man  von  der  dem  Musikantenlande  Böhmen  benachbarten 
Oberpfalz  absieht,  hat  kein  Teil  des  heutigen  Bayern  und  am  aller- 
wenigsten das  Stammland  des  Königreichs  jemals  eine  irgendwie  nenneos- 


263 
LOUIS:  MÜNCHEN 


werte  Zahl  bedeutender  Musiker  hervorgebracht.  Daß  gerade  in  der  Gegen- 
wart zwei  der  allerbedeutendsten  und  meistgenannten  deutschen  Komponisten, 
der  Mfinchner  Richard  Strauß  und  der  Oberpfälzer  Max  Reger,  geborene 
Bayern  sind,  ist  eine  Ausnahme,  die  auch  in  diesem  Fall  die  Regel  be- 
stätigt. Im  übrigen  möge  man  sich  —  als  wirklich  etwas  beweisend  —  nur 
einmal  die  »Denkmäler  der  Tonkunst  in  Bayern*  auf  die  Herkunft  der 
dort  vertretenen  Komponisten  anschauen:  man  wird  nur  ganz  vereinzelt 
aus  Bayern  gebürtige  Meister  finden.  Aber  auch  der  höherer  Ausbildung 
fähige  Sinn  für  das  verstehende  Genießen  anspruchsvoller  Kunst- 
musik ist  in  Bayern  nicht  gerade  häufig,  ja  sogar  die  wildgewachsene  Volks- 
musik hat  sich  hier  weit  weniger  reich  und  kräftig  entwickelt,  als  bei  so 
manchen  anderen  deutschen  Stämmen.  Um  des  innezuwerden,  braucht 
man  nur  etwa  das  bayrische  Volkslied  mit  dem  schwäbischen,  oder  bayrische 
Jodler  mit  steirischen  und  kämtnerischen  zu  vergleichen. 

Diese  Tatsache,  daß  der  Bayer  durchschnittlich  weder  besonders  musi- 
kalisch begabt  ist,  noch  auch  als  gewöhnlicher  Musikliebhaber  eine  sonderlich 
hochstehende  musikalische  Kultur  repräsentiert,  verschuldet  es  nun,  daß 
sehr  vielfach  der  Münchner  Musik  die  Resonanz  in  den  weiteren  Kreisen 
des  allgemeinen  Publikums  gefehlt  hat,  der  Widerhall,  der  um  so  schwerer 
zu  vermissen  war,  je  dringlicher  die  Forderung  einer  allmählichen  Eman- 
zipierung der  Münchner  Musik  vom  Hofe  wurde.  Daß  wir  ein  sehr  zahl- 
reiches und  auch  (was  Empfänglichkeit  und  Verständnis  anbelangt)  sehr 
gutes  musikalisches  Publikum  haben,  das  kommt  daher,  daß  die  Künstler 
und  Literaten,  die  Studierenden  der  verschiedenen  Hochschulen  und  vor 
allem  auch  die  in  jeder  Beziehung  hochstehende  Lehrerschaft  Münchens 
ein  so  starkes  Kontingent  zu  diesem  Publikum  stellen.  Aber  der  eigent- 
liche einheimische  Mittelstand  und  —  was,  kunstpolitisch  angesehen,  noch 
viel  bedauerlicher  ist  —  auch  die  finanziell  leistungsfähigen  Vertreter  des 
Großkapitals  (die  hier  allerdings  nicht  so  zahlreich  sind  wie  in  vielen 
anderen  Orten),  die  Leute,  die  man  so  nötig  hätte,  wo  es  der  Durchführung 
großer  und  weitausschauender  künstlerischer  Gedanken  gilt,  sie  stehen  so 
ganz  abseits  vom  musikalischen  Leben,  daß  sie  eben  deshalb  —  aus  Un- 
kenntnis der  tatsächlichen  Verhältnisse  und  Erfordernisse  —  selbst  in  den 
seltenen  Fällen,  wo  sie  sich  einmal  zu  einer  außergewöhnlichen  Leistung 
entschließen,  ganz  sicherlich  gerade  immer  das  Verkehrte  und  Uner- 
wünschte tun. 

Das  Fehlen  einer  wirklich  fördernden  Teilnahme  an  musikalischen 
Dingen  gerade  in  den  Kreisen,  die  man  aus  materiellen  Gründen  nun  ein- 
mal nicht  entbehren  kann,  hat  dann  die  weitere  Folge  gehabt,  daß  die- 
jenigen, die  sich  berufsmäßig  oder  aus  Liebhaberei  die  Förderung  musi- 
kalischer Bestrebungen  angelegen  sein  ließen,  genötigt  waren,  immer  den 


264 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


Mund  etwas  voll  zu  nehmen,  wenn  sie  überhaupt  Beachtung  fQr  die 
ihnen  am  Herzen  liegenden  Interessen  finden  wollten,  daß  sich  namentlich 
in  der  Münchner  Presse  eine  Taktik  der  wohlwollenden  Unterstützung 
musikalischer  Unternehmungen  herausbildete,  die  so  weit  ging,  daß  schließ- 
lich auf  eine  irgendwie  ernst  und  schirfer  sichtende  Kritik  zugunsten'  der 
«Förderung*  ä  tout  prix  nahezu  völlig  verzichtet  wurde.  Daß  die  musi- 
kalische Kritik  in  München  «zahmer*  ist  als  an  irgendeinem  anderen  mir 
bekannten  Orte,  hat  sicherlich  auch  noch  andere  Ursachen.  Die  ganze 
etwas  indolent  phlegmatische  «Gemütlichkeit*  des  Münchner  Temperaments 
(die  letzten  Endes  vielleicht  zusammenhingt  mit  dem  unbestreitbar  als 
Sedativum  wirkenden  Biergenuß)  ist  dabei  gewiß  auch  mit  im  Spiele.  Aber 
daß  diese  glac6behandschuhte  Überzartheit  sich  zu  einem  ganzen  System 
hat  ausbilden  können,  das  kommt  doch  daher,  daß  man  das  Gefühl  dafür 
hat,  wie  sehr  eine  rücksichtslos  sachliche  Kritik  als  Verschirfung  des 
Kampfes  ums  Dasein  für  die  Künstler  und  ihre  Veranstaltungen  wirkt,  und 
wie  wenig  eine  solche  Verschärfung  da  am  Platze  ist,  wo  alle  diese  Ver^ 
anstaltungen  ohnedies  schon  schwer  genug  um  ihre  Existenz  zu  ringen 
haben. 

Aber  wie  bei  jedem  auf  Unwahrhaftigkeit  basierten  System  konnten 
auch  hier  die  üblen  Wirkungen  nicht  ausbleiben.  Einerseits  wurde  bei  den 
Künstlern  selbst  eine  Überschätzung  ihrer  eigenen  Leistungen  und  im  Zu- 
sammenhang damit  eine  maßlose  Empfindlichkeit  gegenüber  kritischen  Aus- 
stellungen förmlich  gezüchtet,  anderseits  aber  auch  in  den  weiteren  Kreisen 
der  dem  Kunstleben  selbst  fernstehenden  eingeborenen  Bevölkerung  der 
Glaube  geweckt  und  immer  weiter  genährt,  daß  die  künstlerischen  Ver- 
hältnisse ihrer  Vaterstadt  so  glänzend  seien  wie  nirgendwo  anders  auf 
Erden,  ein  Aberglaube,  der  um  so  lächerlicher  wirkt,  als  er  am  festesten 
wurzelt  bei  Leuten,  die  kaum  jemals  Gelegenheit  gehabt  haben,  ander- 
wärtige  Verhältnisse  mit  denen  Münchens  zu  vergleichen,  und  die  selbst 
dann,  wenn  sie  fremde  Verhältnisse  beobachtet  hätten,  einen  solchen  Vergleich 
niemals  hätten  anstellen  können,  weil  sie  eben,  wie  gesagt,  auch  in  ihrer 
Heimat  dem  Kunstleben  viel  zu  fem  stehen,  um  den  künstlerischen 
Ruhm  und  das  künstlerische  Verdienst  Münchens  irgendwie  anders  als 
vom  bloßen  Hörensagen  zu  kennen.  Dieser  übertriebene  Lokalpatriotismus, 
der  mehr  für  ein  kleines  Provinznest  als  für  eine  Stadt  von  über-  einer 
halben  Million  Einwohnern  paßt,  diese  Selbstzufriedenheit,  die  sich  nur  all- 
zugern bereitfinden  läßt,  auf  alten  Lorbeeren  auszuruhen,  statt  neue  zu 
gewinnen,  die  allzuoft  vergißt,  daß  selbst  das  größte  Kapital  an  Ruf  und 
Ansehen  im  Nu  verzehrt  ist,  wenn  man  sich  erst  einmal  damit  abgefhmden 
hat,  es  nicht  mehr  zu  vergrößern,  — diese  üblen  Erscheinungen  gelten 
in  gleicher  Weise  für  die  bildende  Kunst  in  München  wie  für  die  Musik. 


265 
LOUIS:  MÜNCHEN 


Nnr  will  es  mir  scheinen,  daß  sie  für  die  Münchner  Musik  eine  viel 
größere  Gefahr  bedeuten  als  für  die  bildenden  Künste,  und  zwar  schon 
deshalb,  weil  das  von  der  Vergangenheit  angesammelte  Münchner  Ruhmes- 
kapital bei  der  bildenden  Kunst  ganz  unvergleichlich  viel  größer  ist  als  bei 
der  Münchner  Tonkunst,  die  ihr  Ansehen  eigentlich  doch  erst  den  Tagen 
verdankt,  da  Ludwig  IL  die  Hauptstadt  seines  Königreiches  zum  Vorort  der 
deutschen  Wagnerbewegung  machte  und  damit  ein  Fundament  legte,  auf 
dem  sich  späterhin  dann  alles  aufbaute,  was  wir  an  wirklich  zukunft- 
verheiOenden  eigenartigen  Dingen  in  unserm  Musikleben  besitzen. 

Es  ist  gut,  wenn  man  den  kindischen  Eigendünkel  als  den  gefähr* 
liebsten  Feind  einer  fortschreitenden  Höherentwicklung  der  musikalischen 
Verhältnisse  Münchens  erkennt  und  als  solchen  brandmarkt.  Aber  man 
muß  auch  dabei  sich  hüten  zu  weit  zu  gehen:  man  darf  nicht  meinen,  daß 
der  Münchner  Lokalstolz  in  künstlerischen  Dingen  nun  etwa  ganz  und  gar 
unbegründet  sei.  Das  ist  keineswegs  der  Fall,  auch  auf  musikalischem 
Gebiete  nicht.  Nur  daß  man  vielleicht  sagen  kann:  es  sind  weniger  die 
ständigen  musikalischen  Verhältnisse,  auf  die  wir  stolz  sein  dürften,  als 
vielmehr  die  Tatsache,  daß  gewisse  Vorbedingungen  für  die  Ermöglichung 
außerordentlicher  künstlerischer  Taten  und  Leistungen  hier  ia  einer  Weise 
gegeben  sind  wie  kaum  an  einem  zweiten  Ort  Deutschlands.  Es  ist  der 
in  vieler  Hinsicht  für  eine  künstlerische  Aussaat  so  ganz  unvergleichlich 
günstige  Münchner  Boden,  der  immer  wieder  von  neuem  Hoffnungen 
erweckt;  und  wenn  auch  manche  dieser  Hotfaungen  nur  halb  oder  gar 
nicht  erfüllt  wird,  —  schon  daß  sie  überhaupt  gehegt  und  gepflegt  werden 
konnte,  war  etwas  wert,  und  von  Zeit  zu  Zeit  erblüht  dann  doch  einmal 
das  Wunder  einer  Erfüllung,  die  Ermöglichung  eines  ganz  Einzigartigen, 
wie  es  eben  nur  hier  und  nirgendwo  anders  denkbar  ist. 

Selbst  das,  woran  gerade  die  musikalischen  Verhältnisse  in  München 
so  schwer  zu  leiden  haben,  die  Tatsache,  daß  die  künstlerischen  und  künst- 
lerisch interessierten  Kreise  der  Stadt  mehr  oder  minder  eine  abgesonderte 
Schicht  für  sich  bilden,  die  von  den  Einheimischen  kaum  eine  tatkräftige 
Förderung  oder  auch  nur  irgendwelche  wärmere  Teilnahme  bei  ihren  Be- 
strebungen zu  gewärtigen  hat,  selbst  das  ist  nicht  ausschließlich  von 
Nachteil  gewesen.  Denn  das  Freie  und  Ungezwungene,  im  besten  Sinne 
Antiphiliströse,  durch  das  sich  das  Kunstleben  Münchens  von  jeher  aus- 
gezeichnet hat,  ist  sicherlich  nicht  unabhängig  davon,  daß  der  Künstler^  in 
dieser  Stadt  deshalb  viel  weniger  in  Versuchung  gerät,  zum  Philister  zu 
werden,  weil  er  eben  von  den  Bevölkerungsschichten,  aus  denen  vor  allem 
das  Philisterium  sich  rekrutiert,  geistig  und  gesellschaftlich  durchaus  ge- 
trennt lebt.  München  ist  eine  Fremdenstadt.  Und  ein  «Fremder*  bleibt 
auch  der  Künstler  in  ihr,  selbst  wenn  er  sich  seßhaft  macht.    Er  kann  die 


266 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


Stadt,  in  der  er  lebt  und  wirkt,   er  kann  selbst  ihre  Bewohner  ^tar  lieb 
gewinnen.     Aber  immer   wird   diese  seine  Empfindungen  das  GefQhl  be- 
gleiten, daß  er  doch  eigentlich  nicht  mit  dazu  gehöre,  ja  diesea  GefOhl 
wird  jene  sympathischen  Empfindungen  in  vielen  Fillen  allererst  ermög- 
lichen.    Das  herrliche  Bewußtsein  der  sozialen  Ungebundenhelt,  der  un- 
eingeschränkten individuellen  Freiheit,  das  der  gewöhnliche  Mensch  in  der 
Regel  nur  während  seiner  Studentenjahre  zu  kosten  bekommt,  dieses  Be* 
wußtsein  kann  sich  der  Münchner  Künstler  (innerhalb  gewisser  Schranken 
natürlich !)  sein  ganzes  Leben  hindurch  bewahren.   Dem  Münchner  Philister 
fällt   es  nicht  ein,   künstlerische  Unternehmungen  zu  unterstützen.    Aber 
mit  dieser  Teilnahmslosigkeit  hat  er  sich  auch  das  anderwärts  so  ausgiebig 
benutzte  Recht  verwirkt,  in  künstlerische  Dinge  dreinzureden.    Und  der 
Künstler  ist  es  gern  zufrieden,  tröstet  sich  über  das  mangelnde  Interesse  mit 
der  Genugtuung  über  das  Fehlen  jeglicher  philiströser  Bevormundnng^er- 
suche,  und  kommt  selbst  darüber  hinweg,  daß  die  seltenen  Fälle,  wo  er  einmal 
mit  dem  Münchner  »Urelement*  in  Berührung  kommt,  in  der  Regel  die 
schmutzige  Form  irgend  einer  skandalösen  Verleumdungsaffäre  annehmen. 
Ohne  Zweifel  ist  es  dieser  durch   und  durch  antiphiliströse  Zng  des 
Münchner  geistigen  Lebens,  der  Umstand,   daß  der  Künstler  hier  in  weit 
höherem  Maße  als  anderswo  auch  als  Mensch  zeitlebens  «Musensohn*  sein 
und  bleiben  darf,  was  der  Stadt  auch  für  Musiker  ihre  große  Anziebiings- 
kraft  gegeben  und  selbst  dann  noch  bewahrt  hat,  als  die  musikali^Clltii 
Verhältnisse  selbst  sich  in  den  letzten  Jahren* immer  weniger  verlockend 
gestalteten.     Dieser  Zug  ist  es,  der  den  Künstler,  den  Musiker  wie  den 
Maler,  an  München  fesselt  und  ihn  so  manches  andere  mfndfr  Erfreuliche 
tragen  und  vergessen  läßt.     Doch  er  nicht  allein;   es  gesellt  sich  zu  ihm 
noch   ein  anderes,  fast  möchte   ich  sagen:   mystisches  Element.     Ein 
Element,  das   sich   dem,  der  es  nicht  selbst  erlebt   und  empfunden  bat, 
nur   schwer   verdeutlichen   läßt.    Josef   Ruederer,   einer   der   wenigen 
Münchner,  die  ihre  Vaterstadt  so  aufrichtig  lieben,  daß  sie  sich  ihr  gegen- 
über sogar  zu  absoluter  Wahrhaftigkeit  verpfiichtet  fühlen,  er  nennt  es 
den   Münchner  Zauber.     Dieser  Zauber   ist   wie   alle  ganz   schönen 
Dinge  auf  Erden    im   Grunde    etwas   Undefinierbares.      Man   kann    nicht 
sagen,   worauf  er  eigentlich   beruht.     Er   liegt   in  allem   und  jedem,   im 
Himmel  und  im  Klima  (dem  vielgeschmähten  I),  also   recht  eigentlich   .in 
der  Luft*,  dann  vor  allem  auch  im  landschaftlichen  und  architektonischen 
Bilde  der  Stadt  samt  ihrer  Umgebung  und  selbst  im  Leben  und  Treiben 
der  Bevölkerung,  die  auch  in  ihren  Untugenden  nicht  nur  erträglich,  sondern 
geradezu  prächtig  wird,  wenn  man  sie  so  ansieht,  wie  sie  eigentlich  vom 
Münchner    Intellektuellen    immer   angesehen    worden  ist:   als  'Staffage 
innerhalb  •  eines  entzückend  malerischen  Stadtbildes. 


267 
LOUIS:  MÜNCHEN 


Wer  diesen  Münchner  Zauber  jemals  ganz  erfahren  hat,  der  ist  ihm 
auf  immer  verfallen.  Denn  München  ist  eine  Stadt,  in  die  sich  der  fQr 
Reize  ihrer  Art  überhaupt  Empfängliche  mit  einer  gewissen  Notwendigkeit 
verlieben  muß.  Aber  eben  deshalb  —  so  könnte  ein  in  amourösen 
Dingen  Kundiger  einwenden  —  ist  es  wohl  nicht  anzuraten,  sich  mit  ihr  zu 
verheiraten.  Und  in  der  Tat :  dieser  Münchner  Zauber  wird  am  stärksten 
empfunden,  wenn  man  ihn  zum  ersten  Male  verspürt;  der  Fremde  kennt 
ihn  besser  als  der  Eingeborene,  der  —  trotz  allem  Lokalpatriotismus  — 
nur  ganz  selten  ein  Organ  dafür  besitzt,  und  beim  Zugewanderten  pflegt 
er  in  der  Regel  um  so  mehr  zu  verblassen,  je  fester  er  mit  den  örtlichen 
Verhältnissen  verwächst.  Und  trotzdem :  dieser  Zauber,  er  ist  etwas  ganz 
unsagbar  Schönes,  und  weitaus  das  Schönste,  was  München  überhaupt  zu 
bieten  hat.  Wenn  es  sich  fügen  sollte,  daß  auch  nur  ein  ganz  schwacher 
Abglanz  von  ihm  auf  die  Veranstaltungen  des  Münchner  Tonkünstler- 
festes fiele,  so  wäre  zu  hoffen,  daß  die  Festtage  allen  Teilnehmern,  die 
aufnahmefähigen  Herzens  und  Sinnes  sind,  wirklich  etwas  Eigen-  und 
Einzigartiges  bieten  könnten.  Daß  dem  aber  so  sei,  in  diesem  aufrichtigen 
Wunsche  gipfelt  der  herzliche  Gruß,  mit  dem  wir  Münchner  unsere  aus- 
wärtigen Vereinsgenossen  willkommen  heißen! 


Vom  AlüDCbner  Knnstgeist 

lan  stelle  sieb  vor,  die  Kapitale  des  Königreiches  Bayern  vire 
1  mit  allem,  was  sie  birgt,  und  was  in  ibr  sich  regt,  über  Nacbt 
I  vom  Erdboden  verscbwunden.  Was  bitte  dann  Deutschland  am 
I  meisten  zu  beklagen,  was  würde  es  vornehmlich  ve/misseo? 
Etwa  die  Kunstschätze  der  Glyptothek,  der  alten  Pinakothek,  der  Resideoz? 
Die  Bauten  Kdnig  Ludwig  des  Ersten,  die  Scbitze  der  Staatsbibliothek? 
Nicht  das  eine,  nicht  das  andere,  so  boben  Knlturwert  es  nur  immer  lo 
sich  tragen  mdge.  Nicht  die  Sammlungen  Münchens  machen  sein  Bettes 
aus.  Nicht  der  Köntgsplatz  mit  seiner  wundervoll  geschlossenen  Raum- 
wirkung, mit  seinen  gräzisierenden  Bauwerken,  die  Dreiviertel  des  Jahres 
resigniert  in  rauher  Luft  frösteln,  ist  sein  herrlichster  Eigenbesitz.  Sondern 
der  rastlos  tStige,  stets  auf  Neues  sinnende,  das  gesamte  Vaterland  unauf- 
hörlich befruchtende  Münchner  Kunstgeist.  Der  Geist,  ohne  den  es 
kein  WiederauFblühen  bodenständiger  Architektur  zwischen  Rhein  und 
Oder,  keine  Berliner  und  Wiener  Sezession,  kein  Nenerstarken  ein- 
heimischen Kunstgewerbes  in  Preußen  und  Sachsen,  Baden  und  Hessen, 
kein  tatkräftiges  Weiterführen  Wagnerischer  Fortschrittsarbeit,  keine  Bühnen- 
und  Konzertreform  ^be. 

Von  wem  wird  dieser  Geist  hauptsächlich  destilliert? 
Von  Erbeingesessenen  und  von  Zugewanderten.  Diese  sind  weitaus 
in  der  Mehrzahl.  Nicht  als  ob  nicht  auch  im  Urmünchner  Grund  eloe 
recht  erhebliche  künstlerische  Zeugungskraft  steckte.  Insondertieit  erlebten 
Architektur,  dekorative  Feintecbnik  und  Musik  an  der  Isar  bereits  nicht 
wenige  vollertragreiche  Blüteperioden,  ehe  die  beiden  groOen,  von  Enthn- 
siasmus  überströmenden  königlichen  Mäzene  des  neunzehnten  Jahrhunderts 
den  Thron  der  Wittelsbacber  bestiegen.  Bis  in  unsere  Tage  hinein  sind 
im  engeren  Bannkreis  der  Frauentürme  viel  eigenkräftige  indlvldualltiten, 
stark  ausladende  geistige  Potenzen  zur  Welt  gekommen:  so  Richard  StninD, 
der  unweit  der  Sendlinger-  oder  Feuersnotgasse  das  Licht  der  Welt  ei^ 
blickte,    so    die   Gabriel    und   Emanuel   Seidl,   die   Meistersrchltekten    der 


260 
AN  DER  ISAR 


graziösen  Linie,  so  ein  Karl  Spitzweg,  ein  Lenbach,  so  namhafte  Ver* 
treter  des  modernen  Kunstgewerbes.  Doch  nicht  sowohl  diese  ^  wurzel- 
festen  Autochthonen  als  vielmehr  die  Zugereisten,  erst  Eingebürgerten 
haben  Neu-Mfinchen  in  der  Hauptsache  sein  »Gesicht*  gegeben,  haben  in 
den  Burgfrieden  der  Stadt  Gedanken  hineingetragen  und  zur  Herrschaft 
gebracht,  die  sich  für  die  fortschrittliche  Kunstentwicklung  unserer  Tage 
als  maßgebend  erwiesen.  Nur  ein  Beispiel:  wir  sind  eben  jetzt  daran,  das 
im  Bezirk  der  »Ausstellung  München  1008*  errichtete  »Künstlertheater* 
mit  einer  Wiedergabe  von  Goethes  »Faust*  zu  eröffinen.  Max  Littmann, 
der  Architekt,  der  den  Plan  des  Ganzen  ersann,  ist  ein  Thüringer;  der 
Organisator  und  artistische  Leiter  des  Gesamtuntemehmens,  der  Haupt- 
regisseur, der  Maler,  der  mit  einfachen  Mitteln  die  Bühne  wahrhaft  genial 
zurüstete,  der  den  Lesern  der  »Musik*  hinlänglich  bekannte  Queiltopf,  in 
dem  zuerst  der  Gedanke  aufkeimte,  ein  ausschließlich  der  stilisierten  Szene 
gewidmetes  Haus  aufzuführen:  sie  können  sämtlich  ihre  norddeutsche  Her- 
kunft nicht  verleugnen;  Max  Schillings,  der  Komponist  der  das  Schauspiel 
einrahmenden  und  ergänzenden  Musik,  stammt  vom  Niederrhein;  die  Wiege 
des  Dramaturgen  stand  in  Darmstadt.  Das  jedoch,  was  im  redlichen,  eifrigen 
Zusammenwirken  all  dieser  Kräfte  zustande  kam,  ist  münchnerisches  Eigen- 
gut, durchtränkt  von  dem  »ganz  besonderen  Saft*  phantasiestrotzender  Pro- 
duktion, wie  er  einzig  im  herrlichsten,  das  Herbfrische  mit  dem  Traut- 
Anmutvollen  wundersam  vereinigenden  Alpenvorland  quillt,  überstrahlt  vom 
warmeh  Licht,  das  aus  dem  gelobten  sonnen-  und  farbenfrohen  Schönheits- 
reich Italia  just  noch  bis  zu  uns  herüberflutet. 

Es  ist  nun  ein  weitverbreiteter  Irrtum,  daß  der  Prozeß  des  Sich- 
Einmünchnerns  neuer  schöpferischer  oder  organisatorischer  Gedanken 
sich  mühe-  und  kampflos  in  einer  Sphäre  breiter,  auf  Leben  und  Leben- 
lassen gestimmter  Behaglichkeit  abspiele.  Im  Gegenteil:  nirgendwo  ringt 
man  mit  heißerem  Atem  fernen  Kulturzielen  entgegen,  als  in  der  Stadt, 
die  Richard  Wagner  schier  mit  Steinen  zum  Tor  hinaustrieb,  ehe  sie  zu 
einer  Hochburg  seines  Lebenswerkes  wurde.  Der  genius  loci  ist  der  des 
»Haufens*.  Ficht  mit  mir  —  dann  sei  mein  Freund,  sagt  der  Münchner. 
Er  verteidigt  das  von  den  Altvordern  Überlieferte  pietätvoll,  öfters  auch 
mit  einem  gewissen  zähen  Eigensinn;  er  begehrt  anfangs  leicht  auf,  wenn 
einer  und  noch  einer  »daherkommt*,  die  ihn  nötigen,  wieder  einmal  um- 
zulernen. Und  dieses  Mißtrauen,  das  ein  grundehrlicher,  nichts  weniger 
als  seichter,  aber  vorsichtig  und  gemächlich  abwägender  Volkscharakter 
dem  Ungewohnten  entgegenbringt:  es  wird  von  allerhand  lichtscheuen 
Elementen  genährt  und  vernutzt  —  Elementen,  wie  sie  sich  in  jeder 
großen  Stadt  finden  — ,  die  in  München  davon  leben,  gegen  die  Neu- 
bildner und  Neutöner  zu  hetzen,  um  während  des  dadurch  hervorgerufenen 


270 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


Wirrwars  im  Trüben  zu  fischen.  Deshalb  muß  sich  jeder  hart  taemm- 
schlagen»  der  an  der  Isar  etwas  vorwärtsbringt  Was  aber  aus  diesem 
Dauerkrieg  an  Ergebnissen  hervorgeht,  das  ist  feuerbeständig,  das  bat  die 
Kraft  in  sich,  die  Welt  zu  erobern. 

Man  kann  sich  eh  und  je  fiber  München  ärgern,  man  kann  es 
gelegentlich  verwünschen,  aber  man  muß  es  lieben  I  Für  den  künstlerisch 
Empfindenden  ist  es  doch  die  Stadt  der  Städte.  Weil  wir  in  ihm  die  Sudt 
der  Jugend  sehen.  Die  Jugend  braucht  eine  Natur,  die  ihr  goldene  Träume 
schenkt.  Sie  braucht  Vorbilder,  die  sie  dazu  anspornen,  im  Erstreiten  eines 
idealen  Besitzes  Blut  und  Leben  hinzugeben.  Sie  braucht  den  Philister, 
der  sich  mit  des  schweren  Leibes  Wucht  ihr  entgegenstemrat,  und  den  sie 
schließlich  von  oben  bis  unten  mit  Pfeilen  spickt.  Bleibt  München  die 
Stadt  der  Jungen  und  sich  jung  Erhaltenden,  der  Wagenden,  derer,  die  mit 
jedem  lebfrischen  Heute  gegen  jedes  kopfhängerische  Gestern  revo- 
lutionieren, dann  wird  ihm  die  Zukunft  gehören. 

Paul  Marsop 


II 

Glossen  zur  Münchner  Oper 

Das  heurige  Tonkünstlerfest  bringt  seinen  Besuchern  drei  VorttelliMicen 
im  Festspielbaue.. des  Münchner  Prinzregenten-Theaters.  «Die  Trojaner* 
von  Berlioz  —  diese  als  Einheit  an  einem  Tage,  mit  einer  anaglebifen 
Pause  zwischen  dem  ersten  und  dem  zweiten  Teile,  aufgeführt  —  die 
dramatische  Symphonie  «Ilsebill''  von  Friedrich  Klose,  die  musikalische 
Tragödie  «Moloch*  von  Max  Schillings  sind  der  Gegenstand  der  Fest- 
vorstellungen. Mancher  wird  über  diese  Nachricht  hinweglesen,  ohne  ihre 
Bedeutung  recht  zu  erkennen,  wird  es  um  so  mehr  tun,  als  weder  die 
«Trojaner*,  noch  «Ilsebill*,  noch  «Moloch*  neue,  nngehörte  Werke  sind. 
Und  doch  steckt  im  ganzen  Plane,  wie  in  seinen  Einzelheiten  ein  Problem, 
das  kurz  zu  betrachten  zugleich  Gelegenheit  gibt,  Münchens  Opemverhiltnisse 
zu  streifen. 

Zwar  nicht  von  den  bösen  Gewohnheiten  allzu  urlaubeifriger  TenSre, 
Primadonnen,  Altistinnen  und  Baritone,  noch  der  Absagesucht  der  Vertreter 
aller  Stimmgattungen  an  der  Münchner  Hofoper  soll  hier  so  sehr  die 
Rede  sein.  Auch  die  sonderbare  Gepfiogenheit  üppiger  hochmög^nder 
Künstler,  die  zum  Studium  übertragenen  neuen  Rollen  der  Opemleitung 
mit  kalter  Arroganz  zurückzugeben,  möge  hier  nur  eben  erwähnt  werden. 
Dieser  in  früheren  Jahren  zärtlich  großgehätschelte  Disziplinmangel,  dessen 


271 
AN  DER  ISAR 


H 


fiblen  Erscheinungen  so  unheilvoll  die  Bildung  des  Spielplanes  beeinflussen, 
so  hiufig  den  Willen  der  leitenden  Stelle,  ihre  Pflichten  gegenüber  bedeutenden 
alten  und  neuen  Werken  zu  erfflllen,  schmählich  vereiteln,  ist  der  Gegenstand 
der  Schmerzen  der  Opemleitung  wie  der  Öffentlichkeit,  —  ihn  allmählich 
in  den  der  sorgfältigen  Kunstpflege  einzig  möglichen  Zustand  unein- 
geschränkter Zuverlässigkeit  und  kunstfreudiger  Unterordnung  der  Sänger 
unter  den  richtunggebenden  Willen  einer  künstlerisch  fiberragenden  Autorität 
umzuwandeln,  das  Ziel  eines  Mannes  wie  Felix  Mottl.  Und  wer  gerecht 
und  einsichtig  Früher  und  Jetzt  gegeneinander  abwägt,  muß  zugestehen, 
daß  Mottl  diesem  Ziele  schon  etliche  Schritte  näher  gekommen  ist.  Nur 
muß  man  auch  bedenken,  daß  eine  rücksichtslose  Schneidigkeit  an  der 
Münchner  Buhnenkfinstlerschaft  noch  schneller  schartig  werden  wurde, 
als  an  einer  andern,  von  Natur  mehr  mit  Arbeitseifer  begabten.  Künstler 
sind  nun  einmal  keine  Ackergäul^,  sondern  verlangen  eine  zwar  feste, 
aber  leichte  Hand,  die  sie  zfigelt.  Die  aufgezählten  Schwierigkelten,  wozu 
noch  eine  unselige  Sparpolitik  der  Ziviliistenverwaltung  kommt,  um  alle 
Hände  zu  binden,  können  jedoch  zeigen,  mit  was  für  Hindernissen  die 
Opernleitung  zu  ringen  hat,  und  mögen  das  Schöne,  das  dennoch  hier 
geleistet  wird,  um  so  heller  erstrahlen  lassen. 

Hat  Münchens  Oper  überhaupt  einen  Anspruch  auf  eine  besondere 
Schätzung  als  eines  Kunstinstitutes  von  eigentümlichem,  nur  ihm  eigenem 
Charakter?  Ganz  gewiß I  Sie  ist  nie  eine  Bühne  gewesen,  die  nach  neuen 
Werken  sonderlich  lüstern  wäre.  Bedachtsam,  wie  es  dem  ^lE^en  der  an 
der  Isar  wohnenden  Bevölkerung  entspricht,  hat  sie  immer  erst  andere  die 
Wirksamkeit  neuer  Werke  ausprobieren  lassen,  ehe  sie  selbst  danach  griff. 
Selbst  die  kassen  füllende  Eigenschaft  der  Sensation  bringt  sie  nicht  aus 
ihrer  kühlen  Zurückhaltung  heraus,  hat  es  nicht  mal  unter  Ernst  von 
Possarts  Regiment  getan.  Richard  Strauß  führt  seine  dramatischen  Erzeug- 
nisse nicht  in  seiner  Vaterstadt  zuerst  auf,  sondern  auswärts,  und  er  wäre 
doch,  auch  ohne  seine  Eignung  zum  goethischen  «Kerle*,  ein  funkelndes 
Licht,  das  die  Theatemachtfalter  anzulocken  vermöchte.  Die  Schöpfungen 
andrer  Autoren  müssen  eine  lange  Reihe  großer  und  kleiner  Bühnen  über- 
laufen haben,  bevor  sie  in  München  gnädigst  eingelassen  werden.  Daß 
man  hier  und  da  ortsangesessenen  Komponisten,  denen  die  gute  Fee  nicht 
just  ein  ersch röckliches  Genie  wie  Richard  dem  Bösen  in  die  Wiege  gelegt 
bat,  die  Ehre  einer  Uraufführung  und  etlicher  Wiederholungen  gewährt, 
widerspricht  nicht  der  Regel,  sondern  bestätigt  sie  nur.  Immerhin  hat 
München  einige  Premieren  aufzuweisen,  die  viel,  viel  aufwiegen.  Wer  die 
Geschichte  Wagners  kennt,  weiß,  was  ich  meine.  Aber  freilich  kann 
sich  nicht  der  Münchner  selbst  so  sehr  dieser  glanzvollen  Tatsache  seiner 
Hofoper  rühmen;  männiglich  weiß,  daß  der  Anfang  des  Kapitels  «Wagner* 


272 

DIE  MUSIK  VIL  17. 


in  der  Chronik  des  Münchner  Hoftheaters  von  wfistem  BieriMUikfehenl 
erzählt.  Eines  Königs  Wille,  ein  Wille,  wie  er  heutzutage  leider  nicht 
mehr  der  Mfinchher  Buhnenkunst  Maß  und  Ziel  gibt,  hat  damals  das 
Unerhörte  möglich  gemacht. 

Ludwigs  II.  wagender  Mut  errang  der  Münchner  Hofoper  das,  was 
ihr  Jahrzehnte  hindurch  den  Stempel  des  Einzigartigen  aufgedrfickt 
und  sie  in  die  erste  Reihe  der  deutschen  Hofbfihnen  gerfickt  hat.  Stand 
sie  in  frischem  Zugreifen  nach  neuen  Werken  hinter  ihren  andren  snb- 
ventionierten  Schwestern  zurfick,  so  ist  sie  ihnen  in  der  Pflege  des 
wagnerischen  und  ludovicischen  Erbes  stets  vorangewesen.  Und  auch 
die  Münchner,  die  anno  1865  gegen  König  und  Genie  losgewettert  hatten, 
sind  zum  Wagner-Glauben  so  gründlich  bekehrt  worden,  daß  ihnen  (von 
der  «Lustigen  Witwe'  natürlich  abgesehen)  nichts  so  viel  Freude  bereitet, 
wie  die  Vorstellungen  wagnerischer  Dramen,  die,  vornehmlich  wenn  Felix 
Mottl  das  Zepter  führt,  die  unglaublichsten  Kassenbelagerungen  veranlassen. 
Das  ältere  Geschlecht  rühmt  sich  gern  seiner  Wagner-B^eistemng,  doch 
unsre  Jungen  geben  ihm  nichts  nach  und  stellen  sich  von  Nachmittag  bis 
Morgen  auf,  ertragen  Winterkälte  und  Nachtwache,  um  von  des  Hanses 
höchsten  Rängen  dem  Mysterium  lauschen  zu  ^können.  Ob  fibrigois^die 
gewiß  schmachvollen  Geschehnisse  der  sechsziger  Jahre  nicht  aus  einer 
im  Grunde  guten  Eigenschaft  der  Münchner  erklärt  werden  können?  Ihr 
stark  demokratischer  Instinkt  lehnt  sich  rasch  gegen  alles  auf,  was  vom 
Willen  eines  Einzelnen  oder  Einzelner  durchgesetzt  wird.  Sie  wittern 
gleich  Cliquenwirtschaft  und  glauben  in  flackernder  Errögung,  der  vermeint- 
lichen Clique  den  Volkswillen  entgegenstemmen  zu  müssen,  wobei  sie  dann 
nur  nicht  bedenken,  daß  sie  selbst  auf  dem  Wege  sind,  die  allerschlimmste 
Cliquenwirtschaft  einzurichten.  Mit  dem  ursprünglichen  Feiier,  das  ibaen 
unter  aller  Gemütlichkeit  von  alters  her  in  den  Knochen  sitzt^- scbfatgen 
sie  auf  den  Gegner  los,  unbekümmert  wohin  sie  treffen.  Ist  ihr  Zorn 
verraucht,  so  sind  sie  wieder  die  besten  Freunde  von  der  Welt  und  wurden 
dann  jeden  einen  Hundsfott  heißen,  der  es  wagen  wollte,  anzugreifen,  was 
sie  soeben  selbst  verfolgt  hatten.  .  .  .  Steht  nicht  das  Prinzregenten- 
Theater,  das  im  Anfange  arg  befehdete,  jetzt  als  Stolz  Münchens,  als 
Sühne  für  1865,  als  Vorbild  für  das  übrige  säumige  Deutschland  hoch  in 
der  Liebe  des  Münchners? 

Außer  Wagner  ist  es  Mozart,  der  in  München  eine  Heimstitte  ge- 
funden hat.  Im  Anfange  der  neunziger  Jahre  entsann  sich  der  Intendant 
Possart  des  Residenztheaters,  dessen  wundervoller,  von  allen  guten 
Geistern  einer  holden  Vergangenheit  bewohnter  Bau  von  Cuvillite,  •  dem 
echten  Baumeister  seiner  leichtbeschwingten  Zeit,  herrührt,  als  des  ge- 
gebenen Rahmens    für   Mozarts  Opern.      Im    Laufe   der   folgenden  Jahre 


273 
AN  DER  ISAR 


_MK 


fBhrte  er  dann  unter  der  wichtigen  Mitarbeit  des  damaligen  Generalmusik- . 
direktors  Hermann  Levi  die  Säuberung  der  Meisterwerke  Mozarts  von 
allen  musikalischen,  textlichen  und  dramaturgischen  Anhängseln  durch,  die 
sich  allmählich  das  Gewohnheitsrecht  der  Tradition  erworben  gehabt  hatten. 
Die  yZauberfldte'  ausgenommen,  die  noch  heutigen  Tages  im  weiten  Hause 
des  Hof-  und  Nationaltheaters  das  Scheinleben  einer  großen  Prunkoper, 
die  sie  gar  nicht  ist,  führen  muß,  wurden  Mozarts  unsterbliche  Opern  in 
den  traulich  engen,  höfisch  glänzenden  Raum  des  Residenztheaters  hinuber- 
geleitet.  Hier  ward  die  Intrige  Figaros  und  der  beiden  listigen  Frauen 
gegen  den  galanten  Grafen  Almaviva  zu  süßbetörendem  Leben  erweckv 
hier  sang  nun  Cherubin  sein  «Non  so  piü  cosa  son'  cosa  faccio',  hier  er- 
schien die  das  Rokoko  zertretende  Wucht  des  »Don  Giovanni'  grade  in 
der  Umwelt  des  dramma  giocoso  überlebensgroß,  gewann  die  heikle  Treu- 
probe des  skeptischen  Don  Alfonso  mit  den  lieblichen  Schwestern  Fiordi- 
ligi  und  Dorabella  den  vollen  zarten  sinnlichen  Reiz,  hier  entfaltete  der 
Geistesreichtum  der  jungfrischen  Partitur  der  «Entführung',  die  wir  erst 
kürzlich  in  einer  wundervoll  lebensprühenden  neuen  Einstudierung  unter 
Mottl  wieder  bekommen  haben,  seine  ganze  funkelnde  Pracht  Die  Erlösung 
Mozarts  aus  dem  Getriebe  der  großen  Oper  wird  immer  die  bedeutendste 
Tat  bleiben,  die  Possart  als  Intendant  der  Münchner  Bühne  vollbracht  hat 
Ebenso  wichtig  war  seine  Inszenierungsarbeit  als  Regisseur  und  Dramaturg 
dabei;  er  ersah  den  dramatischen,  so  überaus  lebendigen  Kern  dieser  Werke, 
führte  sie  aus  dem  Bereiche  musikalischer  Konzertaufführungen  mit 
Kostüm  ins  wirksame  Bühnendasein.  Zwar  hätte  Possart  nicht  er  selbst 
sein  müssen,  hätte  er  nicht  das  Dramatische  nun  auch  wieder  zum  Teil 
sehr  ins  Theatralische  verkehrt.  Auch  er  war  von  der  Berufskrankheit 
der  Regisseure,  der  Nuancensucht,  heimgesucht,  von  der  Lust,  in  Spiel 
und  Dekorationen  Realismen  einzuschmuggeln,  die,  so  klein  sie  oftmals 
ausschauen,  doch  den  Stil  des  aufgeführten  Stückes  schlimm  verzerren 
können.  Diese  bösen  Kleinigkeiten  fahren  uns  auch  noch  jetzt  oft  zur 
Unzeit  in  die  Vorstellungen  selbst  der  Wagnerischen  Dramen  hinein,  wie 
wir  denn  überhaupt  in  den  Fragen  stilgerechter  Inszenierung, 
d.  h.  einer  Inszenierung,  die  dem  Stil  jedes  Werkes  gerecht  würde,  vom 
Ziel  sehr  weit  entfernt  sind. 

Nun  ist  allerdings  diese  Frage  überall  noch  nicht  künstlerisch  be- 
friedigend entschieden.  Wie  es  in  Gasthäusern  eine  en  tout  cas- Sauce 
^bt,  die  zum  Fisch  wie  zum  Fleisch,  zu  jedem  Braten,  sei  er  vom 
Rinde,  vom  Hammel,  vom  Kalbe,  passen  muß,  so  gibt  es  auch  eine  Aller- 
welts-Opemregie,  die  alle  Werke  über  einen  Kamm  schert,  die  ihre  An- 
regungen für  Dekoration  und  Spiel  nicht  etwa  aus  dem  Werke  selbst  schöpft, 
sondern  ihre  Phantasiereste  an  dem  vorhandenen  Dekorationsfonds  berauscht 

VII.  17.  18 


274 
DIE  MUSIK  VIL  17. 


und  ffir  Spielregeln  in  den  Regienotizen  Wagners  ihre  Weishok  sacht 
Nie  kommt  es  einem  Regisseur  dieses  Schlages  in  den  Sinn,  daß  man  für 
Pfitzner,  Schillings,  Klose,  Strauß,  Berlioz  einen  andern  Stil  anwenden 
müsse,  als  für  Wagner.  Man  glaubt  Wunder  was  getan  zu  haben,  wenn 
man  die  historische  Treue  in  Kostüm  und  Dekoration  wahrt,  ohne  bei  diesem 
Wühlen  in  kunst-  und  kulturhistorischen  Folianten  vom  Zweifel  überfallen 
zu  werden,  ob  es  nicht  just  dem  Wesen  des  Werkes  besser  entsprechen 
möchte,  wiche  man  von  der  beglaubigten  Überlieferung  künstlerisch  nen- 
schaffend  ab.  Man  huldigt  einem  Romantizismus,  der  seine  Naturanschan- 
ungen  bei  Schwind  holt  und  vorm  Impressionismus  drei  Kreuze  schiigt 
Als  Gesetz  der  Ausstattung  gilt  der  Satz:  soviel  als  möglich  auf  die 
Bühne  stellen,  mag  es  nun  dem  Charakter  des  Werkes  dienen  oder  ihn 
vergewaltigen.  Das  Zuviel  ist  überhaupt  der  Dämon  des  Allerwelts- 
regisseurs.  Und  leider  muß  ich  bekennen,  daß  wir  auch  in  München  noch 
recht  viel  von  fossiler  Regie  in  der  Oper  haben.  Ein  Mottl  der  Regie 
tut  uns  not,  der  in  Spiel  und  Bild  böte,  was  Mottl  in  der  Mnsik  gibt: 
nämlich  den  Geist  des  Geistes,  die  Quintessenz  des  Werkes,  der  nicht 
auf  den  Buchstaben  schwüre  (und  wohl  gar  noch  falsch  schwüre),  son- 
dern dessen  Sinn  in  die  schöne  Wirklichkeit  übersetzte.  Einen  selbst- 
schöpferisch künstlerisch  empfindenden  Regisseur,  dem  jedes  neue  Werk 
neue  Bühnenbilder  aus  der  Phantasie  entlockte.  Einen  Mann,  der  schlaf- 
lose Nächte  darüber  verbringen  könnte,  wie  er  die  grölten  Linien  der 
«Trojaner*  in  die  Anschauung  überführen  müßte,  bis  in  der  Szene  der» 
selbe  gebundene  Stil  herrschte,  wie  in  der  Handlung  nnd  der  Mnsik. 
Einen  Künstler,  der  das  Oratorisch  •  Symphonische  der  »IlsebilP  und  des 
«Moloch'  im  Bilde  wiederzugeben  vermöchte.  Einen  Regisseur,  der  das 
Auge  des  Malers,  das  Ohr  des  Musikers,  das  Herz  des  Dramatikers  nnd 
den  Verstand  des  Theaterpraktikers  (dieser  ist  am  wenigsten  nötig)  zu- 
sammen besäße.  Keine  andere  Stadt  hätte  einen  solchen  idealen  Regis- 
seur mehr  zu  beanspruchen,  als  München,  das  in  der  bildenden  Kunst 
die  Königin  unter  den  deutschen  Städten  ist. 

Zufällig  sind  mir  eben  die  Namen  der  drei  Werke  in  die  Feder  g^ 
flössen,  die  das  Festprogramm  des  Hoftheaters  bilden.  Und  damit  bin  ich 
wieder  beim  Anfange  angelangt  Wie  der  Versuch,  sie  ins  Prinzregenten- 
theater zu  verpflanzen,  nun  gelingen  wird,  wer  will  es  voraussagen?  Aber 
begrüßen  wird  den  Vorsatz  jeder,  der  in  der  Entwicklung,  im  Fortschritte 
das  Heil  der  Kunst  erblickt  Es  fehlen  nicht  die  Stimmen,  die  meinen, 
es  wäre  eine  Entheiligung  Wagners,  das  Festspielhaus  auch  andern  als 
dem  Meister  zu  bieten.  Ich  denke  genau  das  Gegenteil,  sehe  im  Plane 
eine  der  bedeutsamsten  Ideen  unsrer  Zeit,  weil  er  die  Unnatur  des  welschen 
Rangtheaters  wieder  einmal  überwindet,  und  weil  er  Werken,  die,  wie  »Hse* 


ms. 


275 
AN  DER  ISAR 


bill'  und  «Moloch",  auf  Wagnerischen  Anschauungen  und  Mitteln  ruhen, 
aus  ihnen  gleichsam  geboren  sind,  unter  dieselben  Bedingungen  stellt, 
die  ihre  Überlegenheit  bei  Wagners  eigenen  Schöpfungen  klar  erwiesen 
haben.  Lange  hat's  gedauert,  ehe  man  sich  hat  entschließen  können, 
die  Tore  des  Münchner  Festspielhauses,  die]  —  was  auch  ein  be- 
zeichnend Merkmal  unsrer  Gemächlichkeit  ist!  —  elf  Monate  im  Jahre 
geschlossen  sind,  außerwagnerischen  Werken  zu  öffnen.  Doch  ist 
es  nun  geschehen.  Und  sollte  Mönchen  nicht  stolz  darauf  sein,  sollte  es 
sich  nicht  ein  eigen  Verdienst  um  die  Sache  des  künstlerisch  notwendigen, 
nicht  eines  windigen,  Fortschrittes  zuschreiben?  Sollte  es  sich  dabei  nicht 
auch  des  neidenswerten  Besitzes  des  Mannes  rühmen,  der  seit  wenigen 
Jahren  an  der  Spitze  der  Oper  steht,  des  Meisters  Felix  Mottl?  Er|[ist 
das  Zeichen,  darin  München  noch  mehr  Siege  erfechten,  der  die  Oper  an 
der  Isar  zu  neuen  Taten  führen  wird.  Schon  hat  er  zu  Wagner  und  Mozart 
einen  hellklingenden  neuen  Meistemamen  gefügt,  den  des  französischen 
Romantikers  mit  der  germanischen  Liebe,  des  Erschaffers  der  »Trojaner', 
des  «Benvenuto  Cellini"  und  des  holdseligen  Lustspieles  «Beatrice^  und 
Benedikt".  Hector  Berlioz  ist  dieser  Name.  Hoffen  wir,  daß  die  «Tro- 
janer* recht  viele  Herzen  bekehren  und  dem  großen  Gallier  den  Weg  in 
die  deutschen  Theater  bahnen!  Wahrlich,  er  hat  als  Toter  schon  das 
kanonische  Alter  erreicht,  und  auch  die,  denen  der  Totenschein  das  wich- 
tigste Ruhmesdokument  ist,  dürfen  ihn  unbeschadet  ihres  Rufes  jetzt  preisen 
und  für  ihn  werben.  |  _ 

Aber  die  Hauptsache  bleibt  doch  die  Eroberung  des  deutschen  Amphi- 
theaters für  die  außerwagnerische,  aber  ihr  wesensverwandte  Kunst.  Viel- 
leicht zieht  sie  auch  einen  neuen  Geist  der  künstlerischen  Szene  an.  Kein 
Zufall  ist  es,  daß  draußen  im  Schutze  der  Bavaria  ein  Theater  erbaut 
worden  ist,  das  das,  was  wir  bisher  bei  allem  hingebenden  Eifer  der  Bühnen- 
lenker zu  vermissen  glaubten :  den  künstlerischen  Stil,  zum  obersten  Gesetz 
erhoben  hat,  das  an  die  Stelle  des  Zuviel  die  weise  Beschränkung  und 
die  kräftige  Anregung  der  Phantasie  setzt,  anstatt  den  unmöglichen  Kampf 
mit  dem  Objekt  ins  Unendliche  fortzuführen.  Vom  Geiste  des  Münchner 
Künstlertheaters  wird  gar  mancher  Künstler  und  gar  manches  Werk 
Nutzen  ziehen  dürfen,  falls  seine  Lehre  nur  richtig  verstanden  wird.  Selbst 
Wagner  könnte  meiner  festen  Meinung  nach  auf  der  Phantasiebühne  noch 
ungeahnte  Auferstehungen  feiern.  Mit  welcher  Glosse,  deren  .künstlerische 
Erfüllung  hoCTentlich  auch  wieder  München  spendet,  ich  mich  jedoch  em- 
pfehlen will,  ehe  ich  von  den  ganz  Wagnerfesten  gesteinigt  werde. 

Paul  Ehlers 


18< 


276 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


III 

Vom  Münchner  Konzertleben 

Zum  Geist  gehört  noch  immer  die  Materie.  Und  nachdem  vom 
Münchner  Kunstgeist  die  Rede  war,  sei  es  verstattet,  kurz  davon  zu 
sprechen,  wie  er  sich  bis  heute,  und  zwar  speziell  im  Konzertleben,  ge- 
äußert hat.  Eine  besondere,  festumrissene  Physiognomie  festzustellen  ist 
da  beinahe  unmöglich.  Einmal  bleibt  kein  noch  so  starker  Eindruck  wie 
bei  den  anderen  Künsten,  gebannt  in  Stein  oder  auf  Leinwand,  dauernd 
und  unverwischbar;  er  ist  flüchtig  wie  die  Stunde,  die  ihn  gebiert  und 
stirbt  mit  ihr.  Und  außerdem  ist  dann  auch  gerade  in  den  wirklich  großen 
Musikstädten  die  interurbane  und  internationale  Flutwelle  der  Konzerte  zu 
stark.  Was  man  heute  in  Berlin  hört,  kann  man  morgen  in  Köln,  über- 
morgen in  Leipzig  oder  Dresden,  überübermorgen  in  München  hören  usw. 
Der  Kunstsinn  und  das  Kunstverständnis  der  Einwohner  gewinnen  vielleicht 
dadurch;  der  Kunstcharakter  der  Stadt  leidet.  Nicht  ohne  einen  wesent- 
lichen, eben  schon  berührten  Vorteil.  Daß  leidenschaftliche  und  weit- 
greifende Parteikämpfe  nicht  mehr  den  Boden  finden  wie  noch  zu  Wagners 
Zeit,  liegt  nicht  so  sehr  in  einer  Abschwächung  der  Gegensätze  innerhalb 
der  Betätigungsgrenzen  unserer  Kunst.  Das  Publikum  läßt  sich  einfiKh 
nicht  mehr  so  leicht  kritiklos  zu  einem  heftigen  Für  oder  Gegen  mitreißen, 
eben  weil  durch  das  reiche  Maß  der  im  Laufe  auch  nur  eines  Konzert- 
winters gebotenen  verschiedenartigsten  Genüsse  Ohr  und  Blick  geschärft 
worden  sind  für  das  Gute,  das  in  jedem  bedeutenden  Werk,  welcher 
Richtung  immer  es  angehört,  zu  finden  ist;  das  verbissene  Anathema  slt 
und  das  genau  so  verbissene  Hosianna  finden  ihren  Ausgleich  auf  der 
Grundlage  eines  immer  mehr  wachsenden  wirklichen  Verständnisses. 

Gerade  darin  übrigens  möchte  ich  doch  ein  Charakteristikum,  ein 
Hauptcharakteristtkum  des  heutigen  musikalischen  München  finden,  das  es 
scharf  von  früheren  Zeiten  unterscheidet:  in  einem  schier  grenzenlosen 
guten  Willen  dem  Neuen  in  rebus  musicis  gegenüber,  mag  sich  dieses 
Neue  selbst  hie  und  da  noch  so  revolutionär,  ja  abstrus  gebärden.  Dabei 
läuft  manche  Kritiklosigkeit  mit  unter;  allein  ich  glaube  doch  der  wirklich 
erfreulichen  Tatsache  sicher  zu  sein,  daß  in  den  letzten  Jahren  kein  lisend 
hervorragender  Komponist  eine  Ablehnung  erfahren  hätte,  ^iwil  er  die 
gewohnten  Mittel  verschmähte  und  eigene  Wege  ging. 

In  den  Tagen,  als  Wagner  und  Bülow  hier  weilten,  und  noch  anf  lance 
hinaus  war  das  ja  anders;  denen,  die  vor  ihnen  die  Herrschaft  führten»  war 
es  aber  noch  leichter  gewesen,  dem  Musikleben  der  Stadt  ihren  Cliarakter 
aufzuprägen.     Wer  damals  die  Konzerte  der  Musikalischen  Akademie 


Hl 


277 
AN  DER  ISAR 


dirigierte^  der  konnte  eine  fast  unumschräakte  Herrschaft  auf  den  Geschmack 
der  Musikliebenden  ausüben.  Vor  Bülow  war  es  Lachner,  der  da  den 
Dirigentenstab  fährte.  Als  Bülow  gewählt  worden  war,  soll  er  die  nette 
kulinarische  Äußerung  getan  haben:  «Ich  begreife  das  nicht;  der  andere 
ist  doch  Honig,  und  ich  bin  Senf!**  Nach  ihm  kamen  Wüllner,  Levi, 
Erdmannsdörfer,  Richard  Strauß,  Zumpe,  Fischer,  Stavenhagen, 
fast  jeder  eine  abgeschlossene  Persönlichkeit,  zu  deren  Würdigung  es  hier 
keiner  weiteren  Ausführungen  bedarf.  Aus  alten  Blättern  und  Programmen, 
wie  sie  der  Zufall  in  die  Hand  spielt,  kann  man  im  Laufe  der  Jahre  bei  den 
Darbietungen  der  Musikalischen  Akademie  ein  hübsches  Stück  Geschichte 
studieren.  So  wenn  sich  z.  B.  am  12.  April  1880  findet:  Zum  ersten  Male: 
Nirwana,  symphonisches  Stimmungsbild,  op.  20  von  H.  v.  Bülow.  (Unter 
Direktion  des  Komponisten.)  Es  war  auch  das  letzte  Mal.  Oder  weiter 
zwei  Konzerte  «unter  gütiger  Mitwirkung  des  Herrn  Johannes  Brahms  aus 
Wien*,  1874  und  1876,  bei  denen  Brahms  die  c-moll-Symphonie  (Manu- 
skript) leitete  und  selbst  sein  Klavierkonzert  op.  15  spielte.  Oder,  am 
10.  März  1885  unter  Levi:  Siebente  Sinfonie,  E-dur  (Manuskript),  von 
Anton  Brückner.  Den  Teilnehmern  jener  Aufführung,  so  ziemlich  der 
ersten  in  Deutschland,  ist  die  rührende  Freude,  mit  der  Brückner  für  den 
Beifall  dankte,  unvergeßlich  geblieben. 

Einer  der  bodenständigen  Faktoren,  die  weiter  bestimmend  auf  das 
Münchner  Musikleben  einwirkten,  war  das  Walt  er- Quartett,  gegründet 
von  Josef  Walter,  ruhmreich  von  seinem  jüngeren  Bruder  Benno  Walter  weiter- 
geführt. Ihm  folgte  das  Miroslav  Weber-  und  neuestens  das  Ahner-Quar- 
tett. Weber  wie^ Ahner  nahmen,  bzw.  nehmen  gleich  Walter  die  Stelle  des 
ersten  Konzertmeisters  im  Hoforchester  ein.  Ältere  Münchner  Musikfreunde 
werden  sich  der  Trio- Abende  von  Prof.  Bußmeyer  erinnern;  einige  Jahre 
spielte  auch  die  Kaimsche  Kammermusikvereinigung  eine  erhebliche 
Rolle;  nicht  vergessen  sei  das  Hösl-Quartett.  Weitverbreiteten  Ruf  als 
eine  der  besten  Kammermusikvereinigungen  Deutschlands  genießen  jetzt 
«Die  Münchener*  mit  Theodor  Kili an  an  der  Spitze.  Sehr  früh  trat  die 
Bläservereinigung  von  Mitgliedern  des  Hoforchesters  auf  den 
Plan,  gegründet  von  Strauß'  Vater;  ihre  Konzerte  bilden  noch  heute  Er- 
eignisse der  Saison. 

Dem  Hoforchester  erwuchs  ernsthafte  Konkurrenz,  als  im  Jahre  1891 
Dr.  Kaim  nach  München  kam,  zunächst  eigentlich  nur  als  Propagator  für 
die  Kaimsche  Klavierfabrik.  Bald  aber  ging  sein  Ehrgeiz  weiter;  er  bildete 
sich  ein  eigenes  Orchester  und  ließ  sich  dann  durch  Martin  Dülfer  dazu 
das  eigene  Haus,  den  Kaim-Saal,  erbauen.  Erster  Dirigent  war  Hans 
Winderstein;  ihm  folgten  bei  der  Einweihung  des  Kaim-Saales  durch  ein 
Musikfest  Herman  Zumpe,  dann  Ferdinand  Löwe,  der  so  überaus  glück- 


88 


278 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


lieh  für  Brückner  eintrat,  Weing«rtner  und  Schn6evoigt.  Neben  den 
Abonnements-  und  populären  Konzerten  erschien  bald  noch  die  schöne 
Einrichtung  der  Volks-Symphonie-Konzerte  zu  billigen  Preisen,  die 
Langenhahn,  Hausegger,  Dr.  Dohrn,  Stavenhagen,  Peter  Raabe  u.a., 
zuletzt  Boehe  und  Courvoisier  zu  Leitern  hatten.  Seine  Glanzzeit  er- 
lebte das  Kaimsche  Unternehmen  unter  Weingartner.  Kaim  und  sein 
Orchester  wirkten  zu  jener  Zeit  durch  ihre  Pflege  neuerer  Kunst  überaus 
segensreich;  ihr  Vorgehen  zwang  die  stark  in  klassizistischen  Traditionen 
befangene  Akademie,  modernere  Werke  in  größerem  Umfang  in  ihr  Pro- 
gramm aufzunehmen  und  so  auch  ihr  Publikum  zu  größerer  Unbehngen- 
heit  und  Duldsamkeit  zu  erziehen.  Wie  sehr  Mfinchen  die  Stadt  ist,  in 
der  kühnes  Vorwärtsstreben  Aussicht  auf  Erfolg  hat,  beweist  die  Geschichte 
des  Kaimschen  Institutes,  beweist  der  stille  aber  zähe  Kampf,  den  es  mit 
der  Akademie  führte,  und  beweist  der  Sieg,  den  es  unbezweifelbar  eine 
Zeitlang  über  seine  ältere  Rivalin  errang.  Mit  Weingartners  Weggang  be- 
gann der  Stern  zu  erbleichen;  es  kamen  die  oft  erörterten  finanziellen 
Schwierigkeiten  dazu,  das  Orchester  konnte  nicht  mehr  auf  der  alten  Höhe 
erhalten  werden;  1908  trat  dann  die  Katastrophe  ein,  die  das  verdienst- 
volle Unternehmen  mindestens  für  länger  lahmlegen  wird.  Es  darf  aber 
nie  vergessen  werden,  daß  München  seine  Entwicklung  zur  modernen 
Musikstadt  nicht  zum  kleinsten  Teil  der  Initiative  und  dem  Opfermut  von 
Hofrat  Kaim  verdankt.  Weingartner  insonderheit  angerechnet  sei  noch 
seine  gerechte  Berücksichtigung  der  jungfranzösichen  Schule.  Daß  der 
Fall  Kaims  leider  auch  den  ungemein  anregenden  Konzerten  unter  Hans 
Pfitzner  ein  vorzeitiges  Ende  bereitete,  muß  als  eine  seiner  bedauer- 
lichsten Folgen  bezeichnet  werden. 

Spricht  man  von  der  Umwandlung  unserer  Stadt  zu  ihrer  heutigen 
Empfänglichkeit  für  alle  Neuerscheinungen,  so  muß  auch  def  Name  Heinrich 
Porges'  genannt  werden.  Als  Kritiker  hat  er  ebensosehr  wie  als  Dirigent 
nach  dieser  Richtung  Gutes  gewirkt.  Mit  großen  persönlichen  Opfern  an 
Kraft  und  Energie  hielt  er  den  von  ihm  gegründeten  Chorverein  immer 
wieder,  als  beste  Waffe  in  seinem  mutigen  Kampfe  vor  allem  für  die  An- 
erkennung Liszts  und  Berlioz'.  Ja,  man  kann  sagen,  er  ist  in  diesem 
Kampf  und  an  diesem  Kampf,  in  dem  er  seine  ideale  Lebensaufgabe  sah, 
gestorben.  Seine  letzte  Tat  war  eine  glänzende  Aufführung  von  Liszts 
»Christus";  ihre  Wiederholung  ging  über  seine  Kräfte  und  kostete  ihn  das 
Leben.  Von  Vorgängern  und  gleichzeitig  existierenden  Vereinigungen  sind 
neben  dem  Porgesschen  Chorverein  zu  nennen  der  Chorverein,  den 
Lachner  und  Wüllner  dirigierten,  der  Oratorienverein,  von  Baron 
Perfall  gegründet,  vor  seiner  Auflösung  von  Schwartz  nnd  Glath  ge* 
leitet,  femer  der  Lehrergesangverein  und,  etwas  jüngeren  Datums,  der 


279 
AN  DER  ISAR 


Ji 


Chorschulverein  unter  Domkapellmeister  Wdhrle.  Der  letztgenannte 
Chor  hat  das  große  Verdienst,  alte  Musik  zu  pflegen;  er  hat  damit  der 
Renaissancebewegung  in  der  Musik  eminente  Dienste  geleistet.  Völlig  der 
Wiedergabe  alter  Kammermusikwerke  im  Stil  ihrer  Zeit  gewidmet  hat  sich 
fibrigens  die  allbekannte  und  nicht  hoch  genug  zu  schätzende  »Deutsche 
Vereinigung  für  alte  Musik",  eine  Gründung  Dr.  Bodensteins. 

Vor  einigen  Jahren  nun  schien  es  fast  —  und  manchen  Musikfreund 
mag  dieses  Anscheinen  mit  Sorge  erfüllt  haben  —  als  wollte  Münchens 
Konzertleben  in  dem  Sturm  von  Solisten-  und  sonstigen  Abenden,  der 
allwinterlich  durch  Deutschland  fegt,  ganz  seine  Eigenart  einbüßen.  Hatten 
früher  auch  gewisse  Virtuosen,  die  in  die  Stadt  kamen,  Begeisterung  und 
Sensation  erregt,  so  des  öfteren  Sarasate,  einmal  auch  Sauer,  dann  der 
kleine  Koczalsky  und  andere,  so  blieb  derartiges  doch  vereinzelt,  und  die 
eigenwertigen  Leistungen  auf  Instrumental-  und  Chorgebiet  bildeten  den 
stets  dominierenden  Grundakkord.  Zu  der  immer  wachsenden  Über- 
schwemmung von  außen,  die  auch  viel  Mittelgut  hereintrug,  trat  jedoch 
vor,  wie  gesagt,  wenigen  Jahren  unglücklicherweise  der  Umstand,  daß 
die  Akademie  etwas  von  ihrem  früheren  Ruf  einbüßte  und  die  alten 
Chorvereinigungen    sich    zu   lockern,   ja   sich   ganz  aufzulösen  begannen. 

Allein,  plötzlich  kam  ein  neuer  und  starker  Aufschwung.  Felix 
Mottl  übernahm  die  Direktion  der  Musikalischen  Akademie  und  führte  sie 
binnen  kurzem  wieder  zu  glänzender  Höhe.  Neben  aller  Pflege  klassischer 
Musik  gab  er  in  den  Programmen  dem  modernen  Schaffen  breiten  Raum; 
seiner  begeisternden  Führung  folgt  sein  ausgezeichnetes  Orchester  ebenso 
willig  wie  das  Publikum.  Und  wenn  es  gerade  um  die  Chorverhältnisse 
sehr  trübe  bestellt  war,  so  haben  darin  die  letzten  Jahre  ebenfalls  gründ- 
lichen Wandel  geschaCTen.  Der  Porges-Chor  und  der  Chor  des  Orchester- 
vereins haben  sich  zur  Konzertgesellschaft  für  Chorgesang  unter 
Kammersänger  Heß  zusammengeschlossen,  und  der  Lehrergesangverein 
hat  sich  mit  dem  Lehrerinnen-Singchor  unter  Kapellmeister  Fritz 
Cortolezis  vereinigt.  Beide  großen  Chöre  leisten  ganz  Vorzügliches; 
sie  sind  ebenso  wie  das  Hoforchester  berufen,  beim  Tonkünstlerfest  mit- 
zuwirken. 

Ja  selbst  die  Affäre  Kaim  (die  übrigens  einer  neueren  Gründung, 
dem  Philharmonischen  Orchester  unter  Jan  Ingenhoven,  zu  freierer 
Entfaltung  verholfen  hat)  mag  als  ein  endgültiges  Gesundungszeichen  zu  be- 
trachten sein ;  durch  einen  gewaltsamen  Prozeß  wurde  Krankes  abgestoßen ; 
und  gleichviel  nun,  ob  durch  eine  endlich  durchgreifende  Sanierung  das 
Kaimsche  Unternehmen  selbst  wieder  lebensfähig  gemacht  wird,  oder  ob 
sich  anderweitig  ein  neues  Orchester  auf  gesicherter  Grundlage  bildet, 
jedenfalls  bekommt  München  im  nächsten  Winter  ein  zweites  erstklassiges 


280 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


Koozertorchester,  dessen  es  neben  dem  Hoforchester  bei  der  Fülle  der  zn 
erledigenden  Aufgaben  dringend  bedarf. 

So  ist  heute  die  Gefahr  vollkommen  überwunden,  der  unser  Musik- 
leben kurze  Zelt  verfallen  schien:  wild  nach  allen  Seiten  zu  wucbera, 
obne  noch  -  allzuviel  stammeigene  Früchte  zu  tragen.  Nun  sind  alle  Krifte 
wieder  konzentriert,  ein  starkes  Gegengewicht  gegen  die  Unzahl  dessen, 
was  von  aufien  eindringt,  ist  geschaffen.  Welche  hervorragenden  Früchte 
diese  Konzentration  schon  getragen  bat,  lehrt  leicht  ein  Blick  Inf  die 
Ergebnisse  der  letzten  Winter.  Und  gerade  sein  freies  und  frohes 
Erfassen,  sein  liebevolles  VerstSndnis  für  alles  Neue,  das  Erbhrungen, 
wie  sie  Schillings  vor  nicht  zu  langer  Zeit  in  Berlin  einmal  mit  seinem 
.Seemorgen*  machte,  ausschlieüt  and  das  den  bahnbrechenden  Kon- 
zerten der  Ortsgruppe  des  Allgemeinen  Deutschen  Musikvereins  schon  so 
starken  Erfolg  verschaffte,  gerade  dieses  bereitwillige,  jugendfrische  Ent- 
gegenkommen für  alles  Moderne  im  guten  Sinn  gibt  München  wieder  eine 
eigenartige  Physiognomie  als  Konzertstadt  und  läßt  es  zum  Festort  für  die 
Versammlung  des  Allgemeinen  Deutsches  Musikvereins  ganz  besonders 
geeignet  erscheinen.  Das  Tonkünstlerfest  soll  auch  den  Musikern  und 
Musikfreunden  ganz  Deutschlands  zeigen,  was  München  als  Musikstadt  zu 
geben  vermag;  möchten  seine  Gaben  freundliche  Aufnahme  Bndenl 

Dr.  Eduard  Walil 


ZUM  44.  TONKÜNSTLER-FEST 

DES  ALLGEMEINEN  DEUTSCHEN 

MUSIKVEREINS  IN  MÜNCHEN 


Das  diesjährige  Tonkünstlerfest  (die  44.  Jahresversammlung)  des 
Allgemeinen  Deutschen  Musikvereins  findet  in  München  in  den 
Tagen  vom  1.  bis  S.Juni  statt.  Außerdem  sind  die  Mitglieder  bereits  am 
30.  Mai  zu  einer  Opernvorstellung  im  Künstlertheater  der  Ausstellung 
eingeladen. 

Das  Programm  lautet,  mit  Vorbehalt  etwa  noch  nötig  werdender 
Änderungen : 

Samstag,  den  30.  Mai,   nachmittags: 
Vorstellung  im  Künstlertheater  der  Ausstellung. 
Chr.  W.  Gluck:  «Die  Maienkönigin'. 
Hermann  Bischoff:  «Tanzlegendchen*  (nach  Gottfried  Keller). 

Sonntag,  den  31.  Mai: 
sollen  Führungen   durch   die  Pinakothek,   das  Nationalmuseum    und  durch 
die  Ausstellung  veranstaltet   werden;   bei  genügender   Beteiligung   könnte 
nachmittags  auch  ein  Ausflug  in  das  Isartal  oder  an  den  Starnberger  See 

veranstaltet  werden. 

Montag,  den  1.  Juni,  nachmittags  5  Uhr: 
Festaufführung  im  Prinz-Regenten-Theater. 
Friedrich  Klose:  .Ilsebill«*. 

Im  Anschluß  hieran,  abends  8^2  Uhr,  offizielle  Begrüßung  der 
Festteilnehmer  durch  die  Stadt  München  im  alten  Rathaussaal. 

Dienstag,  den  2.  Juni,  vormittags  10  Uhr: 
Öffentliche  Hauptprobe  zum  ersten  Orchesterkonzert. 

Abends  7V,  Uhr: 
Erstes  Orchesterkonzert  (Stuttgarter  Hofkapelle)  im  Odeon. 
Paul  V.  Klenau:  Symphonie  f-moll  für  großes  Orchester. 
Ernest  Schelling:  Suite  fantastique  für  Klavier  und  Orchester. 
Jan  van  Gilse:   »Erhebung*,   Symphonie  No.  3  für  eine  hohe  Sopran- 
stimme und  großes  Orchester. 
Max  Schillings:  »Glockenlieder*,  vier  Gesänge  mit  Orchester,  op.  23. 


11 


282 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


Mittwoch,  den  3.  Juni,  vormittags  1 1  Uhr: 
Erstes    Kammermusikkonzert    im   Saale   des   Hotels    ^Zu    den   vier 

Jahreszeiten'. 
Karl  Pottgießer:  Quartett  für  zwei  Violinen,  Bratsche  und  Violoncell. 
Georg  Vollerthun:  Lieder. 
Walter  Braunfels:    Fünf  Bagatellen   aus  op.  5  und  drei  Stadien  ans 

op.  9  für  Klavier. 
Georg  Vollerthun:  Lieder. 
Kurt  Schindler:  Lieder. 

Henri    Marteau:    Kammersymphonie   (Octette   symphonique)    für   Flöte, 
Klarinette,  Hörn  und  Streichquintett. 

Nachmittags  5  Uhr: 
Festaufführung  im  Prinz-Regenten-Theaten 
Max  Schillings:  «Moloch". 

Donnerstag,  den  4.  Juni,  vormittags  10  Uhr: 
Öffentliche  Hauptprobe  zum  zweiten  Orchesterkonzert. 

Nachmittags  3  Uhr: 
Hauptversammlung  im  Saale  des  Museums,  Promenadestraße  12. 

Abends  7*/«  Uhr: 

Zweites  Orchesterkonzert  (Münchner  Hofkapelle)  im  Odeon. 

Frederick   Delius:   «Eine   Messe  des  Lebens"*   (Zweiter  Teil)  für  Soli, 

Chor  und  Orchester. 
Josef   Krug-Waldsee:    „Der  goldene    Topf*,  symphonische    Dichtung 
für  großes  Orchester,  op.  51  (nach  E.  T.  A.  Hoffmanns  phantastisch- 
humoristischem  Märchen). 
Wilhelm  Berger:  Zwei  Gesänge  mit  Orchester  (noch  fraglich). 
Karl  Bleyle:  «Flagellantenzug",  Tondichtung  für  großes  Orchester,  op.  9. 
Siegmund  V.  Hausegger:  »Sonnenaufgang",  ein  Freiheitssang  nach  Gott- 
fried Keller  für  gemischten  Chor  und  großes  Orchester. 
Freitag,  den  5.  Juni,  vormittags  11  Uhr: 
Zweites   Kammermusikkonzert   im    Saale   des    Hotels    «Zu  den  vier 

Jahreszeiten". 
Richard  Lederer:  Quartett  in  A  für  zwei  Violinen,  Viola  und  VioloncelL 
Karl  Kämpf:  Lieder. 

Carl  Ehrenberg:  Sonate  in  Es-dur  für  Violine  und  Pianoforte,  op.  14. 
Roderich  v.  Mojsisovics:  Lieder. 
Kurt  Schindler:  Lieder. 

Paul  Juon:    Trio-Caprice   (nach  Selma  LagerlöPs  «Gösta  Beding*)   für 
Klavier,  Violine  und  Violoncell,  op.  39. 

Nachmittags:  Festaufführung  im  Prinz- Regenten-Theater. 
Hector  Berlioz:  .Die  Trojaner«  (L  Teil  4—6  Uhr,  IL  Teil  V»8— II  Uhr). 


283 

44.  tonkOnstler-fest 


_:.v^. 


Festdirigenten  sind  die  Herren  Generalmusikdirektor  Felix  Mottl, 
Hofkapellmeister  Dr.  Aloys  Obrist  und  Ludwig  Heß,  Dirigent  der 
Konzertgesellschaft  für  Chorgesang. 

Außerdem  haben  folgende  Künstler  und  Künstlervereinigungen  ihre 
Mitwirkung  in  den  Konzerten  zugesagt: 

Die  Königlichen  Hoforchester  von  München  und  Stuttgart;  die 
Konzertgesellschaft  für  Chorgesang;  Fräulein  Mientje  van  Lammen 
(Sopran);  Fräulein  Else  Schünemann  und  Fräulein  Olga  von  Weiden 
(Alt);  die  Herren  Kammersänger  Rudolf  Gmür  (Baß),  Benno  Haberl 
und  Ludwig  Heß  (Tenor),  Kammersänger  Josef  Loritz  (Bariton);  das 
Ahner-Quartett  (Konzertmeister  Bruno  Ahner,  Kammermusiker  Emil 
Wagner  und  August  Haindl,  Kammervirtuos  Karl  Ebner);  das 
Münchener  Streichquartett  (Professor  Theodor  Kilian,  Georg 
Knauer,  Professor  und  Konzertmeister  Ludwig  Vollnhals,  Konzert- 
meister Heinrich  Kiefer);  das  Russische  Trio  (V6ra  Maurina, 
Michael  Preß  und  Josef  Preß);  Professor  Schmid-Lindner 
(Klavier);  Kammermusiker  J.  Horbelt  (Kontrabaß);  Professor  B.  Hoyer 
(Hom);  Kammermusiker  H.  Scherrer  (Flöte);  Kammervirtuos  Karl 
Wagner  (Klarinette). 

ILSEBILL 

von   Friedrich  Klose') 

...  In  einem  ganz  eigenartigen  Verhältnis  zur  Symphonieform  steht  auch 
Kloses  Opemwerk:  «Ilsebill.  Das  Mirlein  von  dem  Fischer  und  seiner 
Frau**»  das  der  Komponist  selbst  eine  «dramatische  Symphonie'  nennt.  Ich 
finde  diese  Benennung  nicht  sehr  glucklich,  insofern  sie  von  anderen  (wie  z.  B.  von 
Berlioz  bei  seiner  «Romeo  und  Julia'-Symphonie)  schon  für  eine  ganz  andere  Art 
von  musikalischen  Kunstwerken  Verwendung  gefunden  hat  Aber  sie  ist  in  höchstem 
Maße  bezeichnend  für  das  kfinstlerische  Ideal,  das  Klose  vorschwebte,  und  das  er  in 
formal-stilistischer  Hinsicht  mit  nahezu  restlosem  Gelingen  verwirklicht  hat.  Er 
wollte  eine  Symphonie  schreiben,  d.  h.  also  ein  Werk  der  Tonkunst,  das  durch 
parallel  verlaufende  szenische  Vorginge  gleichsam  als  eine  Art  von  theatralisch  dar- 
gestelltem «Programm**  erginzt  und  erliutert  wird.  Wie  alle  nennenswerten  Opern- 
komponisten  unserer  Zeit  ist  auch  Klose  von  Richard  Wagner  ausgegangen  und  in 
seiner  musikilischen  Ausdruckssprache  verrit  er  vielfach  noch  sehr  deutlich  die 
Herkunft  von  der  Kunst  des  Bayreuthers,  stellenweise  nicht  weniger  als  sein  Text- 
dichter Hugo  Hoffmann  in  den  Stabreimen  des  Librettos.  Aber  trotzdem  ist  das, 
worauf  er  eigentlich  hinaus  will,  etwas  ganz  anderes  als  das  «musikalische  Drama" 
im  Sinne  Wagners,  das  «Gesamtkunstwerk",  zu  dessen  Verwirklichung  sich  Poesie 
und  Musik  —  die  also  beide  hier  nur  «Mittel  zum  Zweck"  sind  —  als  gleichberech- 


^)  Nachstehende  Erläuterung  des  Kloseschen  Werkes  ^entnehmen  wir  dem 
Aufsatz  «Friedrich  Klose"  von  Rudolf  Louis  im  7.  Heft  des  VIL  Jahrgangs  der 
«Musik"  (Moderne  Tonsetzer,  Heft  3),  S.  28ff. 


284 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


Ji 


tigte,  einander  erginzende  Faktoren  sich  verbinden.  Vielmehr  handelt  et  sich  in 
«Ilsebill*  um  einen  durchgeführten  musikalisch-poetischen  ParallellsmoSy  um  ein 
kfinstlerisches  Ideal,  das  von  dem  von  Richard  Wagner  in  »Oper  und  Drama*  theo- 
retisch aufgestellten  wesentlich  abweicht^  dessen  Verfechter  sich  aber  darauf  berufen 
kann,  daß  auch  der  Bayreuther  Meister  in  seinen  spiteren  kunstphilosophischen  Aus- 
lassungen (im  »Beethoven*,  in  dem  Aufsatx  »Ober  die  Benennung  Muaikdnma*)  sich 
ihm  ganz  unverkennbar  angenihert  hat.  Die  Tendenz,  ohne  "Verleugnung  der  großen 
Errungenschaften  der  Wagnerschen  Kunst  in  der  Art  eine  Modifikation  und  Korrektur 
an  dem  Bayreuther  Kunstideale  vorzunehmen,  daß  man  das  Drama  als  solches 
wieder  mehr  in  den  Hintergrund  treten  lißt  und  im  Zusammenhang  damit  die  fein 
und  absolut  musikalischen  Absichten  wieder  stirker  hervorkehrt,  diese  Tendenz 
gibt  dem  Spiele  »Von  dem  Fischer  und  seiner  Frau*,  wie  mir  scheinen  will,  eine 
ganz  eminente  entwickelungsgeschichtliche  Bedeutung.  Es  ist  nicht  nur  seines 
starken  künstlerischen  Gebaltes,  sondern  vor  allem  seiner  Form  wegen  von  Wichtig- 
keit, als  ein  stilistischer  Fingerzeig  und  Wegweiser  in  die  Zukunft  der  Oper. 

Den  Stoff  zu  »Ilsebill*  ^)  hat  das  bekannte  plattdeutsche  Mirchen  »Von  dem 
Fischer  un  syner  Fru*  geliefert,  das  die  Brfider  Grimm  in  ihrer  unschitxbaren 
Sammlung  deutscher  »Kinder-  und  Hausmirchen*  (1.  Band,  No.  19)  uns  erzählt  haben. 
In  der  Form,  wie  das  Mirchen  die  Geschichte  behandelt,  ist  sie  die  phantastisch- 
humoristische  lUustrierung  der  ethischen  Wahrheit,  daß  es  im  Wesen  des  mensch- 
lichen Höherstrebens  selber  liegt,  an  der  Maßlosigkeit  des  eigenen  WoUens  und 
Wunschens  zu  scheitern,  das  Endziel  der  Befriedigung  zu  verf^hlen^  nicht  weil  es 
auf  falschem  Wege  gesucht,  sondern  weil  auf  dem  rechten  Wege  nicht  zur  rechten 
Zeit  haltgemacht  wird.  Es  ist  die  Warnung  vor  der  Verderblichkeit  jener  Hybris,  von 
der  schon  die  alten  Griechendichter  so  vieles  zu  singen  und  zu  sagen  wuBten,  — 
die  als  »Fabula  docet*  den  moralischen  Kern  des  Mirchens  bildet.  In  isthetiecher 
Hinsicht  gibt  ihm  der  wirkungsvolle  Kontrast  zwischen  grotesker  Phantastik  und 
derbem  Realismus,  der  Gegensatz  von  grob  schematisierender  Stilisierung  und  liebe- 
voller Detailausmalung,  in  der  sprachlichen  Einkleidung  die  breite  Behaglichkeit  des 
pommerschen  Platt  sein  eigenartig-reizvolles  Geprige. 

Es  ist  klar,  daß  Friedrich  Klose,  als  er  es  unternahm,  der  Anregung  und  einem 
um  das  Jahr  1860  entworfenen  Plane  seines  Vaters  folgend,  das  Grimmsehe  Mirchen 
zu  einem  Opemwerke  zu  benutzen,  nicht  die  Absicht  haben  konnte,  die  Erzihlnng 
»Von  dem  Fischer  und  syner  Fru*  so,  wie  sie  in  der  Mirchensammlung  vorliegt^  zu 
dramatisieren.  Vielmehr  konnte  es  sich  nur  darum  handeln,  daß  das  Mirchen 
ihm  mit  seinem  Grundgedanken  und  einigen  EinzelzQgen  den  Keim  liefimey  aas 
dem  eine  eigene  und  selbstindige  Dichtung  zu  entwickeln  war.  Diese  Selb- 
stindigkeit  der  vom  Schwager  des  Komponisten,  Hugo  Hoffmann,  verfaßten  Opern- 
dichtung  nachdrücklich  zu  betonen,  ist  deshalb  wichtig,  weil  derjenige  sich  von  vera- 
herein  in  eine  ganz  verkehrte  Stellung  zu  der  Hoffmannschen  Arbeit  bringen  wfifde, 
der  mit  der  Erwartung  an  sie  herantrite,  das  Mirchen  selbst,  d.  h.  dieselben  isthetischen 
Reize  und  Qualititen,  die  uns  an  jenem  entzücken,  nur  in  anderer,  nimlieh  in  dnae- 
tischer,Form  und  Einkleidung  wiederzufinden.  Ein  solcher  müßte  notwendigerwdseflefea 
die  Verdienste  des  Textdichters  ihnlich  ungerecht  werden,  wie  es  seinerzeit  so  manche 
Beurteiler  der  Wagnerschen  »Nibelungenring*-Dichtung  gegenüber  dem  Bayrendier 


^)  Vgl.  »Ilsebill.  Das  Mirlein  von  dem  Fischer  und  seiner  Frau.  Eine  di«- 
matische  Symphonie  von  Friedrich  Klose.  Gedicht  von  Hugo  Hoifknann.  Erliatenni|ao 
zur  Dichtung  und  zur  Musik  von  Rudolf  Louis.*    Karlsruhe  i*  B.  1007. 


285 

44.  tonkOnstler-fest 


Meister  feworden  sind,  wenn  sie  dessen  Werk  sm  Nibeluncenliede  msiton  oder  mit 
ihm  in  eine  gänzlich  unsngebrschte  PsrsUele  setzten.  Vielmehr  ist  streng  dsrsn 
festzuhalten,  daß  das  Mirchen  fQr  die  Opemdichtung  nur  den  oben  umschriebenen 
Grundgedsnlcen,  den  iußeren  Rahmen  der  Handlung  und  eine  oder  die  andere  stoff- 
liche Anregung  geliefert  hat.  Vor  allem  war  die  Handlung  selbst  in  ihrer  fort- 
schreitenden EntWickelung  durchaus  frei  zu  motivieren.  Was  die  Charakterisierung 
der  handelnden  Personen  anbelangt,  so  war  eigentlich  nur  der  eine  Zug,  daß  das 
Weib  den  ins  Maßlose  strebenden  Ehrgeiz  reprisentiert,  im  Mirchen  deutlich  vor- 
gebildet. Für  den  iußeren  Verlauf  der  Handlung  waren  dann  vornehmlich  zwei  Dinge 
wichtig,  die  schon  dem  Mirchen  eigen  sind.  Einmal  der  Umstand,  daß  die  Auf- 
einanderfolge der  Wünsche  wie  der  Geschehnisse  den  Charakter  einer  unaufhaltsam 
wachsenden  Steigerung  an  sich  trigt,  und  dann  der  Anteil,  den  die  Natur  an  den 
Ereignissen  nimmt,  indem  die  anfangs  friedlichen  Elemente  in  dem  Maße,  als  Ilsebill 
immer  höher  hinaufwill,  immer  mehr  in  ihren  Äußerungen  den  Charakter  des 
Drohenden  und  Warnenden  annehmen. 

Insoweit  der  Textdichter  von  der  Mirchenvorlage  abwich,  mußte  er  einerseits 
vereinfachen  und  zusammenziehen  —  indem  er  die  sechs  Verwandlungen  der  Original- 
erzihlung  auf  vier  reduzierte  —  anderseits  vervollstindigen  und  erweitem,  indem  er 
den  halbschematischen  Rahmen  einer  Handlung,  den  das  Mirchen  eigentlich 
nur  gab,  mit  dramatischem  Leben  und  Inhalt  zu  erfüllen  und  durch  psychologische 
Motivierung  dieser  Handlung  die  Konsequenz  eines  dramatischen  Geschehens 
aufzuprigen  hatte.  In  der  Oper  verlaufen  die  Ereignisse  nun  folgendermaßen:  Der 
arme  Fischer,  der  zusammen  mit  seiner  Frau  Ilsebill  in  einem  kümmerlich  zu  einer 
Wohnung  hergerichteten  hohlen  Baum  haust  —  und  zwar  nicht  wie  in  dem  platt- 
deutschen Mirchen  an  der  See,  d.  h.  am  Meere,  sondern  entsprechend  der  Ober- 
tragung  der  Dichtung  ins  Hochdeutsche:  im  Binnenlande  an  einem  Gebirgs- 
see ^,  er  fingt  eines  Tages  einen  riesengroßen  Wels  (Waller,  Silurus  glanis  L.), 
der  ihn  zu  seinem  höchsten  Erstaunen  in  menschlicher  Sprache  um  Schonung  anfleht 
Freigelassen,  gelobt  der  Fisch  dem  Fischer  Dankbarkeit  und  Freundschaft  In  dem 
Augenblick,  da  der  Mann  der  ungliubigen  Frau  sein  Abenteuer  erzihlt,  hört  man  ein 
lustiges  Lied  ertönen:  Bauern  sind  es,  die  auf  der  nahen  Bergeshöhe  sich  ihres 
Lebens  freuen.  Ilsebill  wird  aufmerksam,  und  blitzschnell  erwacht  in  ihr  der  Ge- 
danke: so  gut  wie  diese  Bauern  möchte  sie  es  auch  haben.  Der  Fischer  muß  zum 
Ufer  hinab,  den  Wels  herbeirufSen  und  einen  Bauernhof  von  ihm  begehren.  Der  Wunsch 
geht  sofort  in  Erfüllung,  und  alles  ist  zunichst  eitel  Glück  und  Zufriedenheit  Da 
nihert  sich  dem  Bauernhaus  eine  herrschaftliche  Jagdgesellschaft:  ein  Ritterfriulein 
hoch  zu  Roß  mit  glinzendem  Gefolge.  Und  dieser  Anblick,  diese  Erfahrung,  daß  es 
noch  Höherstehende  und  Michtigere  gibt,  weckt  von  neuem  Ilsebills  Begehrlichkeit 
Der  Wels  soll  sie  in  den  Ritterstand  erheben,  und  er  tut  es.  Doch  auch  die  Freude 
üt>er  diese  Erhöhung  ist  nur  von  kurzer  Dauer.  Auf  dem  Schlosse,  wo  die  früheren 
Fischersleute  herrschen,  erscheint  ein  Mönch,  der  den  Kreuzzug  predigt,  und  Ilsebill 
muß  einsehen,  daß  die  weltliche  Macht  vor  der  geistlichen  zu  weichen  hat  Niemand 
von  den  sonst  treu  ergebenen  Rittern  und  Knappen  hört  mehr  auf  ihre  Befehle,  alles 
folgt  dem  Ruf  der  Kirche.  Diese  schmerzliche  Erkenntnis  hat  wieder  den  Erfolg, 
ihren  Ehrgeiz  noch  höher  hinauf  zu  steigern:  auch  diese  letzte  Süffel  höchster,  an- 
scheinend unbeschrinkter  Macht  muß  sie  erklimmen.  Aber  selbst  jetzt,  nachdem  die 
Zaubermacht  des  Fisches  sie  zum  Bischof  gemacht,  muß  sie  noch  eine  Enttiuschung 
erleben.  Ein  Gewitter,  das  wihrend  des  Vorhergehenden  allmiblicb  aufgezogen  ist, 
entlidt  sich   mit   furchtbarer  Gewalt.     Entseulich   ist  dss  Toben  der  entfesselten 


286 
DIE  MUSIK  Vll.  17. 


Elemente,  und  an  ihrem  Wfiten  scheitert  auch  die  Macht  der  Kirche.  Asftt  und 
Schrecken  ergreift  die  Menschenmassen,  die  von  fiberallher  zosammengettrOmt  sind, 
um  unter  dem  Banner  der  Kirche  in  den  heiligen  Kampf  zu  ziehen.  Kein  Wort  der 
Drohung  und  Beschwörung,  kein  Bannfluch  kann  die  allgemeine  Flucht  aufhalten,  die 
nun  anhebt.  Und  noch  einmal  muß  Ilsebill  sich  ihre  Ohnmacht  eingestehen.  Nur 
wer  auch  fiber  die  Natur  zu  gebieten  vermag,  herrscht  wirklich  schrankenlos,  und 
das  kann  —  Gott  allein.  Halb  wahnsinnig  in  maßloser  Oberhebung  scheut  das  un- 
selige Weib  auch  vor  dem  letzten  Frevel  nicht  zurück:  so  will  sie  sein,  wie  Gott^ 

und  was  ihr  zuletzt  zuteil  wird,  das  ist  die  schmihliche  Rückkehr  zu  ihrem  ersten 
kummerlichen  Fischerdasein. 

Eine  kolossale  Steigerung  ist,  wie  man  sieht,  die  künstlerische  Form  des 
Ganzen.  An  dieser  Steigerung  nimmt  nun  die  Musik  in  doppelter  Welse  teil.  Einmal 
mehr  innerlich,  indem  die  musikalische  Ausdruckssprache  im  Verlaufe  der  Hand- 
lung immer  schwerer,  gehaltvoller  und  komplizierter  wird.  Dann  aber  noch  rein 
iußerlich  dynamisch,  indem  die  Instrumentation  so  angelegt  wurde,  daß  nach 
der  kurzen  Einleitung,  in  der  vom  vollen  Orchester  in  beschränktem  Maße  Gebrauch 
gemacht  ist,  weiterhin  verwendet  werden:  im  ersten  Bild  nur  Saiteninstrumente, 
nimlich  Streicher,  Harfe,  Klavier  und  als  Vogelstimme  eine  Flöte  auf  der  Bühne; 
im  zweiten  Bild  Saiteninstrumente  und  Holzbliser,  dazu  in  derjagdszeno  vier 
Hörner  auf  der  Bühne;  im  dritten  Bild  volles  Orchester  (durch  Hinzutreten  der 
Blech-  und  Schlaginstrumente),  —  ein  Wichterhorn  auf  der  Bühne;  im 
vierten  Bild  volles  Orchester,  außerdem  Orgel  und  sechs  Posannen  anf  der  Bühne, 
Donner-,  Sturm-  und  Regenmaschinen;  im  fünften  Bild  ganzes  Orchester  (In  be- 
schritt kter  Verwendung  wie  bei  der  Einleitung),  —  als  Vogelstimme  eine  Flöte  auf 
der  Bühne. 

In  Einzelheiten,  wie  schon  gesagt,  den  Einfluß  Richard  Wagners  noch  vielfech 
verratend,  ist  Kloses  „Ilsebill'-Musik  in  der  Ganzheit  von  einer  Eigenart,  einer  Macht 
und  Kraft  der  unmittelbaren  Wirkung,  die  selbst  den,  der  von  Klose  das  Höchste  er- 
wartete, auf  das  Höchste  überraschen  mußte,  als  er  sie  zuerst  kennen  lernte.  In 
dieser  Oper  ist  der  deutschen  Bühne  wieder  einmal  ein  Werk  gewonnen,  das  zwar 
ganz  und  gar  nicht  dazu  geeignet  ist,  ^Sensation*,  wie  etwa  Richard  Strauß'  i,Salome*, 
zu  machen,  das  aber  die  beiden  so  selten  vereinigten  Vorzüge  in  gleicher  Weise  be- 
sitzt: den  anspruchsvollen  Kenner  und  ernsten  Musikfreund  nicht  minder  zu  fesseln 
und  zu  befriedigen,  wie  es  eines  starken  Theatererfolges  beim  großen  Publikum  stets 

gewiß  sein  kann. 

Rudolf  Louis 

SYMPHONIE  F-MOLL 

von   Paul  v.  Klenau 

(Adagio;  Allegro   maestoso  —  Adagio  espressivo  —  Allegro   scherzando; 

Allegro  molto) 

Besetzung:  2  Flöten,  2  Oboen,  Englisch  Hom,  2  Klarinetten,  2  Fagotts,  Kontra- 
Fagott,  8  Homer,  4  Tuben,  3  Trompeten,  3  Posaunen,  Baßtuba,  Schlagzeug,   Of|el, 

2  Harfen,  Streichquintett. 
Die  Form  meiner  Symphonie  ist  rein  musikalisch-architektoniach  gedacht^  und 
es  liegt  dem  Werk  keinerlei  Programm  zu  Grunde.     Der  Inhalt  ist  somit  ein  reiner 
Empflndungsinhalt,  und  steht  weder  zu  Vorstellungsbildem  noch  zu  Irgend  welchea 
psychologischen  Vorgingen  in  Beziehung. 


287 
44.  TONKONSTLER-FEST 


M 


ThemenniAteriAl: 

Einleitung 
Adagio 
Fl. 


Ob. 


Srr. 


mfU'^ii 


'^~V^ 


^^ 


ZET 


j.. 


-■^rrrff 


UtW. 


r  rv  T-^ 


Erster  Satz 
AUegro  maestoso 

Str.  Hr. 


j^^^^i=? 


'^'"'^j?'  '»^' 


Str. 
Cl. 


Br. 


V.  O. 


usw. 


Eiii- 


Celli  pizz. 


^^^^"- 


288 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


utw. 


Tp. 

m 


HÖ- 


^P* 


USW. 


Tb. 


K 


^ 


m 


:(zc 


mf 


-^ 


«- 


r 


«^ 


Utw. 


-^«»^ 


Zweiter  Satz 


Adagio  espressivo         FI. 


Ob. 


Br.  t    "^     >     ' 


Br. 

Vcl. 


iö 


!l^>=*z»: 


^ 


I       I     I 
Str. 


15»      T 


i=^ 


'^  J  aj 


f^f  i  if    t^' 


tp=t^ 


i   A  i 


^  g. 


I  I 


rr 


I 


-LWwS 


FTT 


cresc. 


( 


g 


^ 


s 


bg       p    ^ 


i 


m 


I 


r^ 


^ 


280 
44.  TONKONSTLER-FEST 


VI. 


*^ 


:l!« 


i 


USW. 


FI. 

S;r. 
Hr.   .  h 


*l  ^!  i 


usw. 


VI. 


^^\  r>  rj_^i:  r  p  I  /H±^^^ 


USW. 


Str. 
Pot. 


usw. 


energico 
VII.  17 


IQ 


290 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


Schlußsatz 
Allegro  scher zando 


usw. 


Holzbl. 


ntw* 


Str. 


usw. 


Trio 


1  i  ii   i  Jüi- 


Str. 
Allegro  molto 


^^^        7|      I 


r^^^^  i  ;3^ 


•  Holzbl. 
I      Str. 


la: 


I 


£t 


-*«9' 


ö 


fc£ 


ll 


f 


V.  o. 


Hr. 
Pos. 


■m 


ä 


^ 


I       I      I      I        I"  '       I  Str. 

_|  5  4  §  4  4^  4  ti^   6-- 

5^ « ' d d — ^ — I ^— — I ■ — I — z 


t=g: 


-^ 


m 


^m 


* 


-^- 


S 


USW. 


©i 


■■^^^b^j;£^  r  g  I  r  F  r  I  :g 


9^ 


Fag. 


USW. 


VI. 


mf  ^ 


USW. 


Holzbl. 


^^  ^^ •  •     •  •      •     •    ^^.  •     •  •       •     •    ^^   •     •    ^^ 


Str. 


291 
44.  TONKONSTLER-FEST 


Adagio  (Choral) 


U8W» 


Org.  Bl. 


Paul  V.  Klenau 


PHANTASTISCHE  SUITE 

für  Klavier  und  großes  Orchester 
von  Ernest  Schelling 

(Besetzung:  3  Flöten,  2  Oboen,  Englisch-Horn,  2  Klarinetten,  Baßklarinette,  2  Fagotts, 
Kontrafagott,   4  Homer,  2  Trompeten,  3  Posaunen,   Baßtuba,  2  Harfen,   Tamburin, 

Pauken,  Klavier  und  Streicher  [meistens  geteilt]) 
I.  AUegro  marziale  fls-moU  'U- 
Nach  kurzen  Orchester-  und  Klavierkadenzen  bringt  das  Klavier  das  erste  Thema  mit 
begleitenden  Streichern  (Pizz.): 
1.         Klav. 

risoluto 


1/     u  u       u 

Das  Orchester  intoniert  dann  das  Thema,  vom  Klavier  begleitet.   Nach  dem  Abschluß 
bringt  die  Klarinette  ein  Nebenthema  (später  verwendet): 

2. 


0 


J=t 


^ß 


^ 


t 


espress. 

EntWickelung;  kleine  Soli  anderer  Instrumente.    Klavierpassagenwerk  hinQberleitend 
zum  zweiten  Thema  (D-dur  Dominante): 
3.        Cantabile 


zusammen  mit  Violoncelli  soll: 
3  a. 


mf 
espress 


lÖ* 


202 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


Verarbeitung  mit  Holzbläsern,  Streichern  und  Hörnern,  immer  in  der  Domiaante  bis 
zur  Durchfuhrung.  No.  1,2, 3  werden  tolittitch  im  Orchester  und  kontrapunktiscta  ver- 
arbeitet. Das  Klavier  hat  Passagenwerk.  Die  Violinen  vergrößern  No.  2  und  leiten 
eine  große  Steigerung  ein.  Die  Trompeten  bringen  den  Anfing  von  No.  1  in  £^ 
innerung.  Langer  Klaviertriller.  Meno  mosso  tranquiüo  setzt  das  Englitch-Hom  mit 
No.  1  ein.  Die  Holzbläser  nehmen  den  Triller  auf.  Das  Klavier  bringt  Thema  No.  1. 
No.  3und  3  a  erscheinen  hierauf  in  der  Dominante  in  Ges-dur,  verschieden  verartieiteL 
Die  Holzbläser  bringen  fortissimo  No.  1,  schneller  Abschluß  mit  Coda  in  Fis-dur. 

II.  Scherzando  e  molto  leggiero  H'dur  */8,  sehr  leicht  und  phantastisch.     Die 
Holzbläser  bringen  eine  rhythmische  Figur,  die  durch  das  ganze  Scherzo  geht: 

Fl.    staccatissimo 


mit  der  das  Klavier  das  Hauptthema  bringt: 


4a) 


^ 


n  -  •  •  • 


^ 


•    •    • 


e 


_t t_ 


^ 


Dieses  wird  nun  umgekehrt.     Die  Oboe  bringt  ein  neues  Thema,  das  im  Trio  ver^ 
wendet  wird.    Die  Geigen  bringen  folgende  Figur: 

Holzbl. 


-ä-i — ' — ' — M — • — d — i — • — i- 


Trio  in  V«  mit  Englisch-Horn  Solo: 
5a. 


^ 


t 


t=si 


■«•- 


t 


5=23 


r==|: 


**    fi*'- 


t—er' 


¥ 


■&- 


t 


1— «>»  i    I       e>r 


t=t 


'JZcL 


i» — 1 


^1- 


dann  Duo  für  Englisch-Horn  und  Klavier  und  Scherzo  da  capo. 

III.  Intermezzo  Adagio  Des-dur  ^/i. 
Das  Thema  wird  angedeutet  durch  die  Solo-Oboe: 


Klarinette  (Echo). 


espress. 


Das   Klavier  bringt  dann  daa  lange  stimmungsvolle  Thema,  worauf  die  KUriuettJ 
variiert: 


293 
44.  TONKONSTLER-FEST 


Hörn.       ^ 
gestopft 

Kla?ier-Kadenzen.    Celli  soli: 


espress» 

Klavier-Kadenz.    Dann  wieder  6a  etwas  verändert.    Baßklarinetfe,   Harfe,   Engliscb- 
Horn  haben  Soli.    Abschluß  ppp. 

IV.    Virginia  Reel  (ein  nationaler  amerikanischer  Tanz,   eine  Art  Gigue  endia- 
bl6c),  Motto  Vivace,  Ges-dur  %, 

Das  erste  Thema  ist  aufgebaut  auf  «Dixie*,  einem  nationalen  amerikanischen  Lied, 
das  von  den  Sudstaaten  im  Burgerkriege  als  Kriegtmarsch  benutzt  wurde: 


Klav. 


Trp.  gest. 


Jr- 


Holzbl. 
8  höher. 


^ 


ä 


Horn  gest 


.        ^         I 


Das  Orchester  variiert   und  phantasiert  Qber  obiges  bis  zum  zweiten  Thema,  zwei- 
gliedrig: 


9. 


Cl. 


i^^iSJL^i^ 


Ob. 


Klav. 


8R 


204 
DIB  MUSIK  VII.  17. 


Nach  EntWickelung  und  Steigerung  bringt  die  Trompete: 

10. 


H 


^^ES 


(Scberzo) 

Fermate  in  Des-dur.  Darauf  kommt  ein  altes  Sklayenlied:  »Vay  down  the  Swanee 
River*,  von  den  vierfach  geteilten  Geigen  usw.  in  Flageoletts  gespielt  zusammen  mit 
»Dixie«  (Klavier): 


ppp 

Klav. 

Etwas  Kontrapunkt,  Umkehrung  von  11,  Wiederholung  von  8,  darauf  nach  0  in  Gcs  diir 
letzte  Abteilung  mit  dem  Thema: 

Viol.  I  und  II 


12.  ^_^ 

sul  G  largamente 

Große  Steigerung  zum  fffy  wo  8,  9  und  11  zusammen  kommen.  Coda:  ein  wilder 
Reigen  fanatisch  gesteigert.    Man  hört  den  Rhythmus  des  i^Dixie"  bis  zu  Ende. 

Ernest  Schelling 

.ERHEBUNG«    SYMPHONIE  NO.  3 

für  eine  hohe  Sopranstimme  und  großes  Orchester 

von  Jan  van  Gilse 

(Orchesterbesetzung:  3  Flöten  [2  kleine  Flöten],  2  Oboen,  Englisch-Hom  [auch 
3.  Oboe],  Es-Klarinette,  2  B-Klarinetten,  Bsßklarinette,  2  Fagotte  und  Kontrafigott, 
6  Homer,  4  Trompeten,  3  Posaunen  und  Tuba,  2  Paar  Pauken,  Becken,  großs  Trommel, 
Triangel  und  Glockenspiel,  Streichorchester.    Im  dritten  und  fQnften  Satz  eine  hohe 

Sopranstimme.) 

Als  ich  vor  einigen  Jahren  bei  Gelegenheit  der  Erstaufführung  meiner  zweiten 
Symphonie  in  Amsterdam  um  eine  Analyse  gebeten  wurde,  schrieb  Ich  folgende 
Zeilen  In  das  Programmbuch:  »Man  sollte  doch,  wo  es  sich  nm  ein  tymphonlicbes, 
nicht  programmatisches  Werk  handelt,  vermelden,  dem  Hörer  eine  poetische  Er^ 
kläning,  wenn  diese  überhaupt  in  einer  abstrakten  Form  gegeben  werden  kann,  snf» 
zuzwingen.  Selbst  da,  wo  der  Autor  imstande  wäre,  ein  »Programm'  zn  geben,  ver- 
meide man  es:  ich  glaube  nicht,  daß  es  zum  Genießen  eines  Werkes  beltrigc,  nnd 
es  nimmt  dem  Hörer  die  Unbefangenheit,  mit  der  er  der  Komposition  gegenfibenria.* 

Und  jetzt,  wo  die  Bitte  zu  mir  kommt,  meine  dritte  Symphonie  dnreh  eine 
Analyse  zu  erläutern,  da  empfinde  ich  wiederum  die  Wahrheit  dessen,  was  Ich  da- 
mals schrieb. 


295 
44.  TONKÜNSTLER-FEST 


Ich  möcbte  meiner  dritten  Symphonie  nur  ihr  Motto  als  Leitwort  auf  den  Weg 
mitgeben«  Denn  auch  hier  handelt  et  sich  nicht  um  Programmutik.  Und  wenn  ich 
hoffe,  daß  das  musikalische  Verständnis  auch  ohne  thematische  Analyse  gewonnen 
werden  kann,  so  möchte  ich  auch  wGnschen,  daß  der  Stimmungsgehalt  und  die 
Stimmungsverbältnisse  keiner  näheren  Andeutung  tiedürfen,  als  der  Text  des  Gesanges 
dem  Hörer  geben  wird.  Denn  »Erhebung*  will  als  Symphonie  wirken  und  seinen 
Inhalt  im  symphonischen  Stil  und  in  symphonischen  Formen  zur  Dsrstellung  bringen. 
Und  welchem  Antriebe  das  Werk  sein  Entstehen  verdankt,  das  sagt  das  Sopransolo 
zum  dritten  Satz,  das  sagen  die  Strophen  aus  dem  Hohenliede.  Zum  Schluß  und  am 
klarsten  sagt  es  das  Motto,  das  ich  jetzt  der  Auffuhrung  vorausschicke: 

Gebückt  in  mich  und  lebensmud'  ging  ich  auf  dunklen  Wegen,« 
Wo  Todesstimmen  riefen  ...  Da  kamst  du  mir  entgegen, 
O  Liebe!    Fubrtest  mich  auf  himmelklaren  Höh'n. 
Nun  weiß  icb:  »Nur  aus  Liebe  ist  alles  gut  und  schön!* 

Jan  van  Gilse 

QUARTETT 

für  zwei  Violinen,  Bratsche  und  Violoncell 
von   Karl  Pottgießer 

Erster  Satz.    Einer  Einleitung,  die  mit  kräftigen  Akkorden: 

Ruhig 


^^. 


t 


I 


*f    !        »/ 


:l=q=^i=»bi 


w^m 


»f 


«* 


und  einer  rezitativisch  melodischen  Andeutung  der  späteren  Themen  beginnt,  folgt 
der  thematische  Aufbau: 


Belebt 


*2^3 


Oberleitung  zu  II. 
Ruhig 

IjJ..  loco 


fegs 


pp 


-  'Jl 


p 


J=lp 


yixüji!^ 


t 


V"  r-'T-^E 


fe 


poco  rit. 


aBat, 


296 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


IL    Sehr  mäßig  bewegt 


Zweiter  Satz. 

I.    Nicht  zu  langsam 
Cello 


^sanTT^fgTsJ  I  jy^L ' 


Viol.  I. 


II.    Etwas  bewegter 


^^m 


I.     r    r  I  f   fij: 


£fe 


usw. 


Die  Themen  finden  in  Doppelvariationen  weitere  Verwertung. 

Dritter  Satz.    (Scherzo  mit  zwei  Trios). 
1.    Lebhaft 


fP 


poco  sost 


IL    Ruhig 


ntwi 


lll.    Fröhlich  bewegt 


^^^^ 


usw. 


297 
44.  TONKONSTLER-FEST 


Vierter  Satz.    Zwischen  Scherzo  und  Schlußsatz  wird  noch  ein  kurzer  lang" 
sanier  Satz  eingeschoben  mit  folgenden  thematischen  Mitteln: 

Nach  einer  Einleitung 
I.    Ruhig 


'         i     i  ^     }       - — ^ 

Baß:    G • 


—  usw. 


II.    Bewegt 


Fünfter  Satz.    (Rondoform) 
Einleitung: 


Etwas  gehalten  w  fr 


USW. 


I.    Bewegt 


ffg^ij^^^S^tf^il 


USW. 


IL  MSßig  bewegt 
VioK  I 


Viol.  II 


Viol.  I 


usw. 


III.    (Fuge  —  vgl.  Einleitung) 

Kraft?oll  bewegt 
Viol.  II  tr 


mf  '^t  V!^, 


cresc.    -    •    • 


VioI.I 


usw. 


208 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


IV.    Sehr  mißig  bewegt 
Cello 


fep-f  .T  rf^ 


•JBB 


jTiCj'ir^^-^'^ 


usw. 


Karl  PottgieOer 


OCTETTE  SYMPHONIQUE 


Kammersinfonie   für   Flöte,   Klarinette,   Hörn   und   Streichquintett,  op. 

von  Henri   Marteau 


15 


Komponiert  1907—1908  (der  erste  Satz  Februar-März  1908,  der  zweite,  dritte  und 

vierte  August-September  1907) 

Dem  Andenken  Riebard  MGblfelds  gewidmet 

Dieses  Werk,  obwohl  keineswegs  Programmusik,  ist  inspiriert  von  den  ver- 
schiedenen  Episoden  aus  dem  Leben  eines  Kunstlers. 

Erster  Satz.  Die  Einleitung  (in  f-moll)  ist  sozusagen  die  VorfQhmng  der 
schmerzlichen  Begebenheit,  die  uns  so  unerwartet  dieses  großen  KGnatlera  beraubte; 
sie  ersetzt  auch  in  meiner  Idee  den  wohlbekannten  Satz  aus  dem  Mirchen:  »es  war 
einmal . .  .*  Das  erste  Thema  (in  F-dur),  aus  verschiedenen  Motiven  zusammen- 
gesetzt,  will  die  Freuden  der  Kindheit  malen,  Heiterkeit  und  Auagelatsentaelt,  aber 
das  zweite  Thema  (in  d-moll)  zeigt  alsbald,  daß  Kummer  ihr  nicht  Immer  erspart 
bleibt.  Die  Durchführung,  ganz  aus  einem  ^fugato"  zusammengestellt  (MotiT  ge- 
nommen vom  ersten  Thema  in  F-dur),  zeigt  das  Kind  arbeitend  i^wle  Im  Spiel*  und 
so  zur  Reife  des  Geistes  gelangend.  Nach  der  Wiederkehr  der  Hauptthemen 
beschreibt  die  Coda  den  jungen  Künstler  als  Jüngling  —  von  Idealen  und  Hoffnungen 
erfüllt . . . 

Zweiter  Satz.  In  diesem  Adagio  (in  Es-dur)  habe  ich  die  beiden  großen 
Momente  aus  dem  innerlichen  Leben  des  Menschen  und  Künstlers  zu  malen  ver- 
sucht:  die  Religion  (Glaube  an  ein  höheres  Wesen,  Hoffhung  auf  die  erlösende  Mission 
der  Kunst),  und  die  Liebe  .  .  .  Wenn  ich  in  es-moll  schließe,  so  ist  es,  weil  niemand 
dem  allgemeinen  Gesetz  entgeht:  welcher  Gläubige  hat  nicht  seine  Stunden  des 
Zweifels?    Die  Liebe  blüht,  wie  der  Frühling  —  aber  der  Winter  ist  nahe  .  .  • 

Dritter  Satz.  Jetzt  kommt  die  Auflehnung  gegen  die  niedrigen  Satzungen 
der  Menschen,  der  Sarkasmus  gegen  die  Philister  der  Kunst,  aber  auch  der  Trost, 
durch  die  Natur  gespendet  (ländliches  Thema:  Flöte,  Klarinette  und  Hom);  zum 
Schluß  der  endgültige  Sieg  der  Intelligenz  und  des  Talentes . . .  (Coda  in  C-dur)  .  • . 

Vierter  Satz.  Ciaconna.  —  Hier  ist  der  Künstler  zu  reifSem  Aller  gelangt; 
er  strebt  immer  höher,  er  sucht  die  Vollkommenheit,  kämpft  gegon  seinen  eigenen 
unvollkommenen  Organismus  und  will  die  Gottheit  erlangen «^ 

Der  Tod  wacht  und  verschont  niemand  .  .  . 

Die  letzten  fünf  Tskte  in  F-dur  sagen:  i,So  war  das  Leben  einea  edlen  Kfinatlen.* 

HenrUMarteau 


209 
44.  TONKONSTLER-FEST 


MOLOCH 

von  Max  Schillings^) 

...  Daß  Emil  Gerbäutert  Dicbtung  an  den  großartigen  Torso  von  Friedrich 
Hebbel  anknüpft  und  naturlich  auch  die  von  Emil  Kuh  überlieferten  Äußerungen 
und  Mitteilungen  des  Dichters  über  Idee  und  Plan  der  unvollendeten  Tragödie  sich 
zunutze  gemacht  hat,  darf  ich  als  bekannt  voraussetzen.  Die  dichterische  Gestaltung 
mußte  sich  indes  in  hohem  Maße  von  Hebbels  Fragment  emanzipieren,  da  dieses  viel  zu 
breit  und  weitläufig  für  die  Zwecke  und  Bedürfnisse  des  Tondramas  disponiert  war 
und  in  seinen  beiden  vollendeten  Akten  nur  sehr  schleppend  über  die  Exposition 
hinausgeht.  Für  die  Jyriscbe*  Bühne  ist  größte  Knappheit  und  Präzision  der  Ge- 
staltung bei  vollster  Deutlichkeit  der  Vorgänge  die  unerläßliche  Lebensbedingung 
eines  Drsmas,  und  diese  schwierige  Aufgabe  hat  Emil  Gerhäuser  glänzend  gelöst. 
Trotzdem  an  einigen  entscheidenden  Stellen  Hebbels  Wortlaut,  zum  Teil  mit  leichten 
Retuschen,  beibehalten  ist,  erstreckt  sich  die  Gestaltungtätigkeit  des  Dichters  nicht 
allein  auf  untergeordnete  Motive,  die  er  frei  umbildete,  sondern  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grad  auch  auf  die  Grundidee.  Diese  läßt  Gerhäuser  nämlich  ganz  im  Hinter- 
grund und  betont  dafür  die  psychologische  Entwickelung  einer  bei  Hebbel  erst  in 
zweiter  Reihe  stehenden  Person. 

Der  Träger  der  Hebbelschen  Idee  ist  der  karthagische  Moloch priester  Hieram, 
der,  selbst  ungläubig,  den  Molochkultus  nach  der  Zerstörung  Karthago's  nach  dem 
fernen  Tbule  verpfianzt,  um  sich  durch  die  kulturzeugende  Kraft  des  Gottesgedankens 
ein  Volk  von  Rächern  heranzuerziehen,  das  den  Besiegem  Karthago's,  dem  stolzen 
Rom,  den  Untergang  bringen  soll.  Die  Idee  selbst  ist,  zu  zeigen,  wie  die  Macht  des 
religiösen  Gedankens  schließlich  sogar  den  überwältigt,  der  ihn  erdacht.  Hieram 
wird  als  Betrüger  erkannt  und  bekennt  sich  zu  seinem  grandiosen  Betrug,  der  ihm 
notwendiges  Mittel  zur  Erfüllung  seiner  Kulturmission  gewesen  sei.  Doch,  die  er 
rief,  die  Geister,  haben  bereits  den  Fanatismus  des  ganzen  Volkes  entfacht,  das  jetzt 
nicht  mehr  glauben  will,  daß  der  Gott  nur  Geschöpf  des  Priesters  ist  und  sich  im 
Glaubenseifer  gegen  den  Gottesleugner  wendet.  In  einem  starken  Symbol  wollte 
slso  Hebbel  hier  die  ganze  Religiongeschichte  konzentrieren.  Diese  Idee  ließen 
Gerhäuser  und  Schillings,  die  an  der  Gestaltung  des  Stoffes  gemeinsam  schufen, 
fallen  und  stellten  Hebbels  Helden,  dem  Oberpriester,  den  Königssohn  Teut  als 
zweiten  Helden,  genau  betrachtet  sogar  als  den  eigentlichen  Helden,  gegenüber. 
Wie  bei  Hebbel,  so  findet  auch  bei  ihnen  der  starke  Willensmensch  Hiram  (so 
schreiben  sie  den  Namen,  vom  Original  abweichend)  im  Gemütszustand  des  Teut 
einen  fruchtbaren  Boden  für  seine  Lehren.  Teut  ist  der  Träger  der  dunklen,  sagen- 
haften Oberlieferungen  von  wirren  Gottesvorstellungeo,  die  sich  im  Volk  Thule's  von 
Geschlecht  zu  Geschlecht  förtpfianzten,  und  an  die  Hiram's  großartiger  Racheplan 
anknüpft.  Der  phantastische  Träumer  versenkt  sich  mit  Inbrunst  in  den  neuen  Kultus, 
in  dem  er  die  Erfüllung  dunklen  Ahnens  zu  erkennen  meint.  Er  verläßt  Vater  und 
Mutter,  wendet  sich  von  dem  geliebten  Mädchen  ab,  weil  sie  alle  seinem  Empfinden 
fremd  gegenüberstehen.  Aber  seinem  Beispiel  folgt  fast  das  ganze  Volk,  da  Hiram 
die  Schätze  karthagisch-phönizischer  Kultur  als  Beweis-  und  Lockmittel  verwenden 


^)  Nachstehende  Erläuterung  des  Schiliingsschen  Werkes  entnehmen  wir  dem 
Aufsatz  i»Max  Schillings*  von  Ernst  Otto  Nodnagel  im  6.  Heft  des  VL  Jahrgangs 
der  »Musik«,  S.  331  ff. 


300 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


kann,  und  so  nehmen  sie  mit  dem  neuen  Kultus  auch  die  Kultursegannfeiiy  Ina« 
besondere  Ackerbau  und  Schiffahrt,  willig  an.  Teut  ist  es,  der  endlich  den  »irommen 
Betrug*  Hieram's  durchschaut  und  diesen  in  den  Tod  treibt  Aber  Teut  selbst^  der 
mit  der  Erkenntnis,  daß  Moloch  nur  ein  Götze  sei,  nicht  auch  seinen  Gottgisaben 
verloren,  sondern  verinnerlicht  hat,  wird  bei  seinem  Versuch,  das  Volk  dsrftber  aitf« 
zuklären,  Opfer  des  Fanatismus.  Wie  die  Ausgestaltung  des  Teutcharakters,  so  sind 
auch  andere  Motive  der  Dichtung  neu,  Eigentum  der  beiden  Schöpfer  des  Tondramas; 
namentlich  die  Gestalt  der  Königin  Velleda  hat  mit  der  gleichnamigen  Figor  Hebbels 
nichts  als  den  Namen  gemeinsam,  erinnert  dagegen  an  die  Seherin  Velleda,  Ton  der 
Tacitus  berichtet. 

Die  Partitur  ist  großartig  in  ihrem  architektonischen  Aufbau,  ihrer  kfinsüerlschen 
Organisation.  Jeder  Akt  ist  ein  einheitlicher,  in  sich  geschlossener  Ofgaaismus, 
dessen  gerundete,  ebenfalls  in  sich  geschlossene  Einheiten  die  einzelnen  Szenen 
bilden.  Nicht  nur  durch  die  konsequente  Durchführung  und  wohlberechneto  Steige- 
rung der  einzelnen  leitenden  Themen,  sondern  auch  durch  die  Einheit  und  Klarheit 
der  Tonalität  innerhalb  der  einzelnen  Akte  ist  die  plastische  Energie  der  musika- 
lischen Form  bedingt.  Dabei  ist  auch  das  künstlerische  Prinzip  des  Kontrastes 
mit  weiser  Hand  angewandt.  Die  zarten  lyrischen  Szenen  zwischen  Theoda 
und  Teut  haben  neben  ihrer  dramatischen  auch  formtechnische  Bedeutung,  ebenso 
die  beiden  monumentalen  Monologe  des  Hiram  im  ersten  und  im  zweiten  Aubug. 
Große  Pracht  und  vornehme  Kunst  entfaltet  Schillings  in  den  feierlichen  Chören 
des  Moloch-Kultus.  Zu  dem  düsteren  Ernst  der  Moloch-Idee  und  der  Hiram-Partie, 
sowie  der  Glaubenskämpfe  in  Teuts  Brust  bildet  einen  wundervollen  Gegensatz  der 
kraftvolle,  kernige  Jubel  und  die  dithyrambische  Ausgelassenheit  des  Erntefestes, 
dessen  musikalische  Darstellung  mir  den  Höhepunkt  im  bisherigen  Schaffen  des 
Tondicbter3  zu  bilden  scheint. 

Die  musikalische  Erfindung  Ist  im  »Moloch*  von  vielleicht  noch  gröfierer 
Prägnanz,  als  in  den  beiden  früheren  Bühnenwerken  von  Schillings,  dabei  meist  von 
großer  Schönheit  und  erstaunlicher  Wandlungsfähigkeit.  Die  rhythmische  Energie 
der  Erfindung  überträgt  sich  natürlich  auch  auf  die  reiche  Polyphonie  des  Stils,  die 
durch  die  klare  durchsichtige  Orchesterbehandlung  in  überaus  tiestlmmter  nnd 
plastischer  Weise  zutage  tritt.  Wie  im  »Pfeifertag*,  so  war  Schillings  sncfa  Im 
«Moloch*  darauf  bedacht,  die  Orchesterpalette  zu  bereichem.  Die  von  Mustel  in 
Paris  konstruierte  Celesta,  ein  Stahl plattenklavier,  hat  ja  vor  ihm  schon  Mahler  in 
seiner  »Sechsten  Symphonie*  in  Anwendung  gebracht.  Dafür  ist  aber  SchilUngs  der 
Erste,  der  sich  zur  künstlerischen  Einführung  der  Heckeischen  Baßoboe  entschlossen 
bat;  dieses  interessante,  nach  dem  Erfinder,  dem  Biebricher  Instmmentenbaaer 
Heckel  auch  Heckelphon  genannte  Instrument  ist  bestimmt,  neben  der  Altoboe  (dem 
Englischen  Hörn)  den  Baß  der  Oboengruppe  zu  bilden. 

In  seiner  .Moloch*-Partitur,  wie  auch  in  dem  noch  jüngeren  Chorwerke  »Dem 
Verklärten*  op.  21  hat  Schillings  übrigens  eine  Neuerung  versucht^  deren  Vorteile 
meiner  Meinung  nach  von  den  Nachteilen  überwogen  werden.  Ich  meiiie  die 
Notierung  der  »transponierenden*  Instrumente  dem  Klange  nach,  also,  als  ob  sie  io 
C-Stimmung  ständen.  Schillings  dehnt  dies  Experiment  —  natfirilch  nur  io  der 
Partitur,  in  den  Orcherstimmen  vermeidet  er  mit  Recht  die  Verwirmng,  die  eine 
solche  Revolution  zur  Folge  haben  würde  —  auf  alle  transponierenden  iBStrament» 
aus:  Englisch  Hörn,  die  Klarinettengruppe,  Trompeten  und  Hörner  siad  dsTOB 
betroffen.  Mir  scheint  diese  Schreibweise  zwar  nicht  ganz  so  bedenklich,  wie  die 
überflüssigen  radikalen  Versuche,  unsere  Partiturschrift  über  den  Hauffen  sv 


301 
44.  TONKÜNSTLER-FEST 


Aber  auch  sie  gibt  eine  der  wesentlichsten  prsktischen  Eigenschsften  der  heutigen 
Psrtiturordnung  unnötig  auf.  Gerade  die  trsnsponierende  Schreibweise  macht  das 
Partiturbild  übersichtliche r,  weil  sie  dem  Dirigenten,  —  der  doch  natürlich  nicht 
jede  einzelne  Note  zu  lesen  hat,  sondern  gerade  auf  die  Bild  Wirkung  der  ganzen  Seite 
angewiesen  ist,  —  im  Schriftbild  eine  graphische  Darstellung  des  Klang- 
▼  erhlltnisses  gibt.  Die  Einheitschlüssel  dagegen  und  die  Fiktion  der  Einheit- 
stimmung lassen  nicht  mehr  auf  den  ersten  Blick  erkennen,  welche  Stimmen  das 
Wort  haben.  Bei  Partituren  für  großes  Orchester  müßte  der  Dirigent  fortwährend 
von  Seite  zu  Seite  nach  der  Systembezeichnung  sehen,  was  eine  ganz  unnötige  zeit- 
raubende Erschwerung  mindestens  seiner  Vorbereitung  bedeutet.  Wie  unbequem  das 
Partiturlesen  schon  durch  die  Schillingssche  »Erleichterung*  wird,  habe  ich  am 
Schreibtisch  (auch  am  K1a?iert)  schmerzlich  empfunden,  als  ich  den  i,Moloch*  zum 
Zweck  der  Analyse  studierte.  Es  ist  darum  zu  bedauern,  daß  ein  Meister  von  der 
Bedeutung  Schillings'  an   diese   unklaren  Reformbestrebungen  Konzessionen  macht. 

Ernst  Otto  Nodnagel 


DER  GOLDENE  TOPF 

Symphonische  Dichtung  für  großes  Orchester   (nach  E.  T.  A.  HofFmanns 
phantastisch-huraoristischem  Märchen  gleichen  Namens),  op.  51 

von  Josef  Krug-Waldsee 

Ein  Märchen  von  E.  T.  A.  Hoffmann  erzählt  von  dem  träumerisch-phantastisch 
angelegten  Studenten  Anseimus,  der  im  Banne  eines  seltsamen  Zaubers  steht.  Eines 
schönen  Frühlingsabends  unter  einem  Holunderbaume  ruhend,  belauschte  er  in 
dessen  Asten  und  Zweigen  drei  grüngoldglänzende,  zarte  Schlänglein.  Durch  ihr 
wundersames  Rascheln,  Rieseln  und  Geschlängel,  das  zuweilen  wie  Akkorde  von 
Kristallglocken  zusammenklang  und  sich  zu  seltsamen  Harmonieen  vereinigte,  wurden 
seine  Sinne  gar  bald  gefangen  genommen.  In  einem  der  Schlänglein  erschaut  er 
Serpentina,  die  jüngste  Tochter  eines  alten  Zauberers,  der  aber  im  profanen  Leben 
sich  als  Archiyarius  Lindhorst  präsentiert.  Ganz  unter  dem  Banne  des  Erlebten 
begibt  sich  Anseimus  in  die  Dienste  des  Archivarius,  macht  hierdurch  Bekanntschaft 
mit  den  wundersamsten  Geschehnissen  —  und  nach  abenteuerlichen  Kämpfen  mit 
fabelhaften  Ungeheuern  und  Unholden  gelingt  es  ihm,  die  Zauber  —  wenn  auch  mit 
Oberwindung  vieler  Gefahren,  so  doch  nicht  ohne  Humor  —  zu  lösen.  Er  wird  mit 
der  entzauberten  Serpentina  vereint,  und  im  Besitze  des  »goldenen  Topfes*,  der  die 
wunderbarsten  Schätze  und  Reichtümer  birgt,  ziehen  die  beiden  Glücklichen  in  das 
Märchenland  Atlantis,  wo  jede  Sehnsucht  gestillt,  jeder  Wunsch  erfüllt  wird. 

Dieser  in  kurzen  Umrissen  wiedergegebene  lohalt  des  Märchens  von 
E.  T.  A.  Hoffmann  ist  der  Orchesterpartitur  der  symphonischen  Dichtung  vorangestellt. 

Er  soll  für  die  Konzertaufführung  der  Tondichtung  kein  direkter  Führer  sein, 
sondern  dem  mit  dem  Märchen  nicht  Bekannten  eine  kleine  Handhabe  bieten. 
Nichts  will  die  musikalische  Komposition  weniger,  als  die  einzelnen  Szenen  des 
Märchens  in  nur  realistischer  Tonmalerei  widerspiegeln!  Das  Ganze  soll  vielmehr 
ein  musikalischer  Niederschlag,  ein  musikalisches  Nachtönen  der  Stimmungen  des 
schon  dichterisch  mit  so  viel  Singen  und  Klingen  umwobenen  Märchens  sein.    Der 


302 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


mSSBS 


eminent  musikalische  Gebtlt,  vermischt  mit  jener  Hoffmtnn  eigenen  ptatnttstisctaen 
Romantik,  der  auch  zuweilen  das  humoristische  Moment  nicht  mangelt,  Terlockte  zu 
orchestralen  Klangbildern,  deren  inneren  Zusammenhang  mit  der  Dichtung  zu  ent- 
rätseln dem  Zuhörer  überlassen  bleiben  todge. 

Die  langsame   Einleitung  (Andante)   beginnt  mit  der  zweimal.  In  gesittigten 
Klangfarben  auftretenden  Akkordfolge  (1) : 


die  im  Verlauf  des  ganzes  Werkes  öfters  wiederkehrt  und  ihm  gewissermaßen  den 
Grundton  verleiht. 

Violoncelle  und  Kontrabässe  intonieren  hierauf  eine  acht  Takte  amspannendc, 
träumerisch  sinnende  Kantilene,  die  als  Thema  (2)  bezeichnet  werden  möge: 


*^\M^i^fSi^^^'^^^t^\^ 


(Violoncelle  und  Kontrabässe) 

Die  Oboen  antworten  alsdann  mit  der,  von  gedämpften  Hörnern  amtchlelerten 
neuen  Phrase,  die  als  Thema  (3)  gelten  kann: 

Oboen 


Nun  erklingt  wieder  jene  Grundakkordfolge  (1),  aber  dieses  Mal  eine  Quinte 
höher.  Alles  bisher  Gehörte  zieht  in  der  höheren  Transposition  nochmals  am  Ohr 
vorüber.  Bald  vollzieht  sich  eine  Annäherung  der  Themen  2  und  3  —  Thema  2  In 
den  Violoncellen  und  Kontrabässen,  Thema  3  in  Oboen  und  Klarinetten  —  wogegen 
die  Violinen  in  chromatischen  Windungen  anstürmen.  Mittels  eines  großen  ^Cres- 
cendo*  wird  ein  erster  dynamischer  Aufschwung  herbeigeführt,  der  Thema  2  acfaon 
auf  der  Höhe  seines  Glückes  zeigt.  Aber  alles  das  war  nur  gleichsam  eine  Vieler, 
ein  Traum,  den  ein  jäher  Schlag  zerstört,  und  ein  einsam  klagendes  englisches  Hom  — 
Thema  2  —  leitet  zum  Allegro,  ma  non  troppo  über.  Dieses  entrollt  ein  Tonblld,  das 
mit  der  i,Holunderbaumszene"  des  Märchens  nicht  schwer  In  Zusammenhang  so 
bringen  ist.  —  In  zarte  Tonschleier  der  Violinen  gehüllt,  steigen  vermittelte  etaro* 
malischer  Gänge  drei  Flöten  in  behendem  Geschlängel  empor.  Die  Violinen  bfinftn 
das  Hauptmotiv  (4)  dieses  Allegrosatzes: 


(Violinen) 


(Violinen) 


M 


303 
44.  TONKONSTLER-FEST 


mß 


/ 


r  (Flöten) 


Im  Verlauf  des  feingeäderten  Satzes  merke  man  sieb  noch  als  weiteres  Element 
dieses  Tonbildes  die  Akkordfolge  der  zwei  Takte  (5): 


^m 


i 


A 


n 


bfef 


1/ 


i  I  ni>*ji 


r^^'Tf 


PfflP*- 


Die  Tonsprache  erreicht  ihren  Höhepunkt  bei  jenem  Ausbruch  der  Verzückung 
und  Wonnetrunkenheit,  der  das  ganze  Orchester  in  hoch  anstürmenden  Tonwogen  sich 
erbeben  läßt: 


^ 


6    (Viol.) 


I 


♦ 


* 


5 


I 


^^^^^^Ä 


fl  »T^  H:^-      «C^ 


(Viol.) 


^1       J>.^j^^ 


W  =:      '»ig 


i 


i 


f    * 


Das  Bild  wird  sodann  erginzt  durch  folgendes  Seitenthema  (7),  das  in  seiner 
wohligen,  beruhigenden  Haltung  weitere  Kreise  zieht.  Es  erklang  schon  in  der 
Andante-Einleitung  als  Thema  (3),  lautet  aber  hier: 


^      4 


£ 


m  r  r|t±hfi:ir  ni±f 


« 


h^tJSM^ 


ö 


fe 


mf 


i^Mi-g  i'^  *r  i'fTrj  I  r1 


5= 


304 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


Die  Gestngsmelodie  liegt  in  den  tiefen  Holzblasinstrttmenten;  die   Violinen 
lassen  hierzu  in  kontinuierlicher  Weise  die  drei  Töne  von  Thema  (1)  erklingen: 


fc=l^ 


(Violinen) 


Nach  einer  Repetition  der  16  Takte  ausfüllenden  Melodie  xitieren  die  Trompeten 
unter  energischen  Akkordschligen  der  Posaunen  das  wie  eine  Warnung  ertönende 
Motiv  des  «bösen  feindlichen  Prinzips"    (8): 

8     (Tromp.) 


Nach  einer  kurzen  Verschmelzung  von  Thema  4  und  6  und  nachdem  du 
Ganze  in  fippigen  Farben  erglühte,  wird  in  einer  Art  Ruckgang  oder  Abstieg  dieser 
Teil  abgeschlossen  und  zu  einem  ruhigeren  Mittelsatz  übergeführt  Dieser  kehrt 
wieder  zum  beschaulichen,  träumerischen  Inhalt  der  Einleitung  (Andante)  zurück. 
Die  Instrumentation  ist  hier  jedoch  von  noch  zarterer  Klanggebung  als  frfiher.  — 
Ein  kurzes,  nur  vom  Streichquartett  getragenes  Sitzchen  (Des-dur),  von  einer  Solo- 
violine leicht  umspielt,  beschließt  diesen  mehr  in  zarte  Lyrik  getauchten  Teil.  —  Die 
nun  folgende,  breiter  ausgeführte  Fuge  gemahnt  in  ihren  Klangfarben  and  ihrer 
Charakteristik  an  ein  wildes  Kämpfen  von  Unholden  und  Ungetümen.  Die  drei 
Hauptthemata  8,  2,  7  kommen,  indem  sie  die  wunderlichsten  Metamorphosen  durch- 
zumachen  haben,  zu  dramatischer  Durchführung.  Aus  dieser  »Hexenküche*  werden 
wir  erst  wieder  erlöst,  nachdem  Thema  8  im  verzweiflungavollen  Kampfe  seinen 
Untergang  gefunden  und  sein  böses  Dasein  röchelnd  ausgehaucht  hat  (Soll  von 
Kontrafagott  und  Baßklarinette.)  —  Ein  kleines  i, Requiem*  führt  xur  Schluß- 
apotheose des  symphonischen  Lustspiels.  Diese  knüpft  wieder  an  die  matlkalisch» 
Einleitungsprophezeiung  an  und  bringt  eine  Vereinigung  der  beiden  Hauptthemen  2 
und  3: 


^m 


>_4>LbJJI[Lj 


-#5»- 


(Thema  2) 


r 


Das  Ganze  kommt  mit  den   dem  musikalischen  Mirchen  zugrunde  gelegten, 
breitgezogenen  drei  Lichtakkorden: 


zu  sonnigem  Ausklang. 


Josef  Krug-Waldsee 


305 
44.  TONKONSTLER-FEST 


mSSBS 


FLAGELLANTENZUG 

Tondichtung  für  großes  Orchester^    op.  9 
von    Karl  Bleyle^ 

Zu  den  merkwürdigsten  Erscheinungen  des  Mittelalters  gehören  die  Geißler- 
oder Flagellantenzüge,  denen  sich  während  ihrer  weitausgedehnten  Wanderungen  oft- 
mals viele  Tausende  von  Büßern  anschlössen.  Ihre  schwermütigen  Gesinge,  die  sie 
wibrend  einer  martervollen  Selbstgeißelung  ertönen  ließen,  übten  auf  die  Menschen 
einen  niederschmetternden  Eindruck  aus,  so  daß  alle  Lust  und  Fröhlichkeit  ver- 
stummten. Diese  Stimmungsgegeosätze  mit  ihrem  bedeutsamen  seelischen  Untergrund 
waren  die  Veranlassung  zur  musikalischen  Gestaltung  des  Stoffes. 

Die  Schilderung  einer  Volksbelustigung  vor  den  Toren  der  Stadt  eröffnet  das 
Werk.  Nach  einer  kurzen  Einleitung,  die  auf  dem  übermäßigen  Dreiklang  einsetzt, 
geht  das  Orchester  zu  einem  wiegenden  Tanzrhythmus  über: 

Celesta,  Flöten 


Viola 


^Ml= 


i   I    ^   » 


^      TT.*  »TL-        f  ■'■^ 


f#El^=g^^^ 


i      ^ 


1)  Karl  Bleyle,  geb.  7.  Mai  1880  zu  Feldkircb  in  Voralberg,  absolvierte  das 
Kgl.  Konservatorium  für  Musik  in  Stuttgart  und  vollendete  seine  Kompositionsatudien 
bei  Ludwig  Thuille  in  München,  wo  er  gegenwärtig  lebt.  Von  seinen  gedruckten 
Werken  sind  zu  nennen:  »An  den  Mistral*,  ein  Tanzlied  von  Fr.  Nieuscbe,  für 
Minnerchor  und  großes  Orchester,  op.  2;  5  a  cappella  Minnercböre  nach  Worten 
von  Fr.  Nietische  op.  4  und  7 ;  eine  Symphonie  in  einem  Satze  op.  6;  »Lernt  lachen* 
aus  ^K\%Q  sprach  Zarathustra*  von  Fr.  Nietzsche  frei  zusammengestellt  und  für  Alt- 
und  Baritonsolo,  gemischten  Cbor  und  großes  Orchester  komponiert,  op.  8.  Im 
Lrscbeinen  begriffen  ist  ein  Violinkonzert  mit  Oicbesterbegleitung  op.  10 

Vll.  17  20 


306 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


mJ^O 


Auf  der  Dominante  von  E  erreicht  der  Jubel  seinen  Höhepunkt.  Jlh  bricht 
das  Orchester  auf  dem  unerwartet  eintretenden  {-moll  Akicord  ab.  Dumpl^  atis  weiter 
Ferne,  ertönt  in  den  StreicherbSssen  das  Flagellantenthema: 

Bässe 


7^ 


_^ — ^ HiJ; — ' — ^ — i*^ — ' — «^ 

""    "^    "*  ^r 


Flagellantenthema 


Der  Kampf  dieser  beiden  Stimmungswelten  fQIlt  den  nun  folgenden  Teil  des 
Werkes  aus.  Die  immer  mächtiger  herandrängenden  Wogen  des  Büßliedes  brechen 
endlich  den  hartnäckigen  Widerstand  der  fröhlichen  Weisen. 

Beim  Einzug  in  den  Dom  der  Stadt  (volles  Orchester,  Orgel,  Glocken)  m&adet 
das  siegreiche  Flagellantenthema  in  einen  breitangelegten  Choral  aus.  Ntch  beendeter 
Feier  ziehen  die  BGßer  weiter,  in  der  Feme  verklingt  ihr  Gesang.  —  Der  sich  nun 
anschließende  Epilog  drückt  zuerst  die  Erschfitterung  fiber  das  Unerhörte  aus.  Aber 
die  Erkenntnis,  daß  das  Streben  nach  Wahrheit  auch  im  Irren  noch  erhaben  ist, 
gibt  der  Seele  bald  wieder  die  Fassung  zurück.  Das  Bußlied  wird  nun  zum  Lied  der 
Sehnsucht  und  der  Erlösung  umgedeutet  Immer  höher  und  höher  strebend*  schließt 
es  das  Werk  verklärend  ab.  Karl  Bleyle 


SONNENAUFGANG 

Ein  Freiheitssang  nach  Gottfried  Keller  für  gemischten  Chor  und  großes 

Orchester 

von  Siegmund  von  Hausegger 

Dem  Chore  liegt  eine  für  Gottfried  Keller  charakteristische  Dichtung  zugrunde. 
Naturempflnden  und  Drang  nach  Geistesklarheit,  nach  Beftviung  von  der  Herrschaft 
des  Niedrigen  verbinden  sich  zu  einer  Art  Sonnengebet  Der  erwachende  Morgen 
ist  dem  Dichter  das  Symbol  innerer  Beft^iung  von  Nachtgedanken.  Noch  aber  ueigi 
die  Sonne  zum  Abend.  Noch  träumt  der  ersehnte  Jesus,  der  einst  mit  gewaltiger 
Faust  die  Sonnenpferde  zum  Stillstand  zwingen  wird,  auf  daß  der  Menschheit  ein 
ewiger  Tag  der  Wahrheit  anbreche. 

Die  beiden  musikalischen  Hauptgedanken  sind: 

No.  1.    Langsam  und  feierlich 


-•* 


•D3t 


^EK 


rz=t?: 


.Ärf»._i 


S^ 


W- 


c=ß-- 


5: 


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X 


t 


4  H5rner 


rit. 


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n=q: 


^^•— tw 


507 
44.-TON  KU  N  STLER-FEST 


No.  2. 


i 


ff 


'-^ES^ 


± 


*-^=^^^^^ 


t=t 


5^ 


-a 


^|E 


t 


■S:zi^, 


Fah'-re  her 


auf,       du  krys-tal-le-ner 


Wa 


Sen, 


beide  miteinander  in  der  rhythmischen  Gestaltung  des  ersten  Taktes  verwandt.    Aus 
diesem  ersten  Takt  entsteht  eine  Art  von  Seitenthema: 


No.  3. 


Klar. 


->5. 


Ä^- 


V 


?-f -i  f-  ^^-^ 


-«»- 


USW. 


dem  folgende  Umgestaltung: 

No.  4. 

Tenöre 


i==i 


ä: 


X 


± 


Doch    die   ver  -  gol  -  de  -  ten  Kreu  -  ze     he  -  spie    •    -    •  geln 


sich  auf  den    Do-men  mit    glei-ßen-dem  Spott 

entgegengesetzt  wird. 

Am  Schluß  erscheint  das  Thema  1  in  triumphaler  Vergrößerung. 
Dem  Chore  stehen  als  Motto  die  Verse  aus  Goethes  »Faust*  voran: 

Worte  die  wahren 
Äther  im  Xlaren 
Ewigen  Scharen 
Oberall  Tag. 

Siegmund  von  Hausegger 


STREfCHQUARTETT  (IN  A) 

von  Richard  Lederer 

Eine  Analyse   meines  Quartetts,  gleichsam   eine  Art  Vivisektion,  wolle  mao 
mir  erlassen.     Es  genüge  ein  knapper  Hinweis  auf  die  Hauptmomente  des  Werkes. 

Eine  fugierte  Einleitung: 

As^ai  sostenuto  V.  2. 


g^CEE^ 


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:r=l 


i£g^==?^ 


I 


-f 


t 


t 


X 


Vc. 


■P^ 


:«*: 


^^' 


20* 


308 
DIB  MUSIK  VII.  17. 


mundet  in  den  ersten  Satz  (Allegro  non  troppo  ma  con  brio). 


^l^ 


::ÄC=rr^8: 


dessen  Seitenthema  sich  im  ersten  Teil  nach  C-dur: 


^^^^m 


^^-zrzrzr-4!-L  '  1^=^ 


Vc.    T       = 


nach  der  Durchführaag  nach  A>dur  wendet 


Das  Scherzo  (Vivace): 


* 


^^^^^Ü 


-* z-AT     ^-    1 '— ?^** r- 7^    h- 

-I h-it^— J—^tM-  •     '     SP  ^...l — »- 


3E 


wird  durch  einen  Zwischensatz  im  ^/«-Takt  unterbrochen. 
An  das  Adagio  in  Sonatenform: 

V.  1. 


moZ/0  espr. 
(Seitenthema  in  As)  knüpft  unmittelbar  das  Finale  in  Rondoform  (AUegro  con  spirUo) 


^;^j^^=t^T-^—^^-^^ 


i 1 1 — K# — F 1 1 « #      • — F-t— T-H»  ■ 


:in,  in  das  gegen  den  Schluß  hin  das  Einleitungstheraa  hereioklingt. 


Richard  Lederer 


tSSKt0mm 


309 
44.  TONKÜNSTLER-FEST 


m 


SONATE  FÜR  VIOLINE  UND  KLAVIER  (ES-DUR) 

von  Carl  Ehrenberg 

Wenn  dieser  Sonate  auch  keineswegs  ein  Programm  zugrunde  liegt,  so  ent- 
stand sie  doch  aus  dem  Bedfirfnis,  ein  Stuck  Leben  musikalisch  zu  verdichten:  ein 
leidenschaftliches  Wollen  und  Wünschen  am  eigenen  Ungestüm  scheiternd,  in  weh« 
mutigem  Träumen  und  befreienden  Trinen  ruhend  und  schließlich  mit  Humor  und 
Energie  aufis  neue  sich  aufraffend  und  sich  behauptend. 

Erster  Satz:  Sehr  leidenschaftlich  bewegt  (Allegro  appassionato) 
Dem  ersten  Thema: 


No.  1.    Viol.    a. 


E^'J^k^ 


^^t 


— <v 


b. 


1       r- 


-rjf 


iti: 


t=X 


:üzztz 


3^ 


:^ 


i 


c. 


-An?  ' 


-m — <»- 


r=E 


T^ 


cresc. 


1 — r— 1 


No.  2.       Klavier 


m^M 


n 


X 


± 


t 


r 


^P=f^]^» — w^^-]'^—--^   '"T"^    '? 


espress. 
stehen  nur  zwei  hauptsächliche  thematische  Gebilde: 


/^ 


No.  3.      Klavier 


-fv« 


rS^g:: 


4V 


1 


,,i^-3gf5^P=#°=fÜ-^ 


!^^    I 


i 


i 


tz 


rsäfi: 


I 


t  I 


No.  4. 

a.    Viol. 


:5eE 


rr 


fe 


•*r- 


b. 


^ TT- 


t^ 


^?^M4 


(dteitaktia) 


(zweiuktif) 


310 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


c. 


^= 


M 


i 


r^r'~~^-'=f- 


^^^. 


l=f 


8. 


bassa  loco 


i 


\f± 


->0NSr 


^J^^I^ 


^ i^- 


gegenüber,  deren  zweites  erst  durch  Verbindung  mit  anderen  meloditchen  Elementes 
<4b  und  c)  seine  Bedeutung  ertailt  Henuswactasend  aus  den  Themen  1»  2;  3  osd 
0n  einem  dreistimmigen  Kanon)  sicta  zu  herber  HefHgkeit  ateigemd,  klingt  alabald 
die  DurchfQhrung  in  einem  ruhigen  Zwiegesang: 

No.  5.      Viel. 


'   u.  i 


^m 


izifef^^ 


^ 


«^;-:g: 


'4Sh 


3[ 


^^^^^^"-- 


I        •  I 


%f-^ 


aus,  der  unaufnUig  das  erste  Thema  einführt.    Nach  heftigen  ErregangMi  bricht  der 
Satz  unvermittelt  erschöpft  und  mutlos  ab. 

Zweiter  Satz:  Ruhig,  triumerisch  (Andante  tranquiUo),   Ein  thmiatiacher 
Oberleitungssatz: 


N»-  7  X  1'   ^       j       ^ 

^^        ^^       ""•  0.  ^^ 


O^^'^'^^  ^^^^s^. 


Wä 


311 
44.  TONkONSTLER-FEST 


verbindet  den  ersten  ruhigen  Gesang: 


dolce. 
mit  dem  etwas  belebenden  zweiten  Ttaema: 


No.  8 


fei 


liJC^fi 


s^ö 


-1?*    ♦• — ~ 


s^ 


^^ 


espressivo 


^ 


^"iJjt^ä^    Ä' 


5rf:ä;^ 


.«• . 


and  besctaliefit  Terklingend  die  Triumerei« 


Dritter  Satz:  Setar  lebhaft  und  energisch  mit  Humor  (Motto  vivace). 
Nach  wiederholten  Ansitzen  und  Anliufen: 


No.  9a 


Sehr  lebhaft 
Vlol.^ 


tfesi^ 


Kf^^-fi 


I 

wlkrend  demi  sieb  Klavier  und  Violine  sosusagen  fiber  die  Tonart  nocb   nickt 
recbt  einif  sind,  entsteben  die  karten  tbemadsehen  Hanptphrasen  (9  b  und  c): 


9b 


^zfe^ 


P-nM?^ 


^^^ 


9c     8 


^eeI^^^^^ 


Aus  einer  Kombination  dreier  melodischer  Gedanken  (lOa,  b,  c): 


No.  10    a 


^^ti^i^m 


^ 


tr-f — I — r — tr 


i=^ 


*^^ 


(a  b  und  c  gleichzeitig) 


'  f 


312 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


JBBo 


entwickelt  sich  die  Oberleitung  zu  dem  zweiten  Htnptthema: 


No.  11 


# 


I^E 


^=^=rl 


t 


JPl 


^s 


^ — 


v>  - 


«^ 


einer  breiten  Ktntilene.  In  der  DurcbfQbning  ericlingt  In  der  Violine  noch  einmal 
das  Hauptthema  des  zweiten  Satzes  (No.  6),  umrankt  von  Themen  des  drltton  (No.  lOa, 
No.  11),  welch  letztere  in  verschiedenen  Kombinationen  die  gewonnene  freie,  heitere 
Stimmung  bis  zum  Schluß  festhalten  und  steigern.  Carl  Ehrenberg 


TRIO-CAPRICE  OP.  39 

von  Paul  Juon 

Dieses  Werk  ist  durch  Selma  LagerlOfs  «Gdsta  Berling*  angeregt  worden,  doch 
soll  es  keine  Programmusik  im  üblichen  Sinne  sein,  denn  es  will  weder  lieetimmte 
Vorgänge  oder  Situationen  noch  gewisse  Personen  musikalisch  charakterlsierea.  Viel» 
mehr  hat  der  eigenartige  Stil  des  LagerlOfechen  Buches  —  das  launenhafte,  kaprizltac^ 
das  rhapsodische  und  episodische  desselben,  also  gewissermaß»  die  Stlmmang  des 
Buches  im  ganzen  —  die  Komposition  der  Trio-Caprice  beeinflußt 

Hier  in  Kürze  das  hauptsichlichste  thematische  Material: 
Satz  I.    Moderato  non  troppo 


313 

44.  tonkOnstler-fest 


^-'^z:^—i^ 


^ — I 


Zum  Schluß  des  Satzes  erscheint  No.  1  in  folgender  Umbildung: 

NO.    3  m^mmm  ^^  ^ — ^  U  )ih^'       -^ 


^^e^^^gj^ggfrfj^rg 


Satz  II.    Andante  vivace 
Violine  und  Cello  fangen  aliein  an: 
VI.  u.  VcL 


No.  4  '>^  ^     1^^^  I       r  g^'     1^  ,s    ^^      11      in 


cresc. 


5*^ 


m3 


Auf  dem  Hintergrunde  dieser  Harmonieen  singt  spiter  die  Geige: 
VI. 


No.  5 


.>         N 


^— r — F^p — 1^?-^ — I 9-ir-\ — V — Ff-?-^ 


K.. 

Dieser  langsame  Teil  mfindet  direkt  in  das  Scherzo  (Vivace): 

s 


No.  6 


Kl. 

1 


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V..  r  t 


Vcl. 


^^JL^iüzMCM^Stf^. 


1/ 


3=fc£i: 


I  1/ 


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No.  7  ^"cT"       ^       C        ' 

n  I  ff     I  .  ^       #     •     ' 


USW. 


Zum  Schluß  taucht  eine  flüchtige  Erinnerung  an  No.  4  auf. 


314 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


Satz  III.    Risoluto 
No.  8 


I         I 
Str.  ^      ü      A 


I  I 

4.        jL 


m 
W 


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I  I        J       I 

T     .    7 5-"" 


0  «. 


Kl. 


No.  9 


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I     I     I 


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1^ 


^^P 


^ 


JS 


I 


Aucb  No.  2  erscheint  noch  einmal,  hier  in  einem  aiegbetlen  B-Dur. 


No.  10 


PanI Jaon 


DIE  TROJANER 

von   Hector   Berlioz^) 

...  Et  bleiben  uns  nunmehr  noch  die  .Trojaner'  Gbrig,  Berliot'  theatn- 
lischet  Meisterwerk,  das  er  nachtriglich  seiner  großen  Linge  wegen  in  swti  Teile 
gespalten  hat,  in  welcher  Form  es  1890  in  Karlsruhe  seine  überhaupt  erste  Geaaatmf* 
fiihrung,  unter  Felix  Mofti,  erlebte,  dessen  kühnem  Beispiel  bisher  nur  gims  wenige 
B&bnen  zu  folgen  den  Mut  und  das  Verstindnis  hatten.  Der  erste  Teil  bebandelt 
und  heißt  «Die  Einnahme  von  Troja",  der  zweite  «Die  Trojaner  in  Karthago*. 


>)  Nachstehende  Erliuterung  des  Berlioz'schen  Werkes  entnehmen  wir  den  AbUmC: 
«Berlioz  als  Dramatiker'  von  Kurt  Mey  in  Berlioi-Hefl  der  .Masik"  (Jahrgang  III, 
Heft  5,  S.  338 ff.). 


31^ 
44.  TONKONSTLER-FEST 


Die  Dichtung  (denn  eine  solche  und  kein  gewöhnliches  Libretto  ist  dts  Buch!)  ist 
von  Berlioz  selbst,  aber  nicht  nach  Homer,  sondern  nach  Virgil  bearbeitet  Bei  der 
geringen  Verbreitung  des  Meisterwerkes  dfirfte  sich  eine  Skizziemng  des  Inhaltes 
empfehlen. 

Der  erste  Abend  besteht  aus  drei  Akten.  Im  ersten  Aufzug  kommen  die 
Trojaner  in  das  von  den  listigen  Feinden  verlassene  griechische  Lager  und  staunen 
das  kolossale  hölzerne  Pferd  an,  das  jene  zurfickgelassen  haben.  Die  Seherin  Kassan- 
dra,  im  Traum  von  Hektor's- Geist  gewarnt,  ermahnt  die  Obermfitlgen  und  Sorglosen 
vergebens  und  weissagt  mit  Prophetenstimme  Troja's  nahen  Untergang.  Fruchtlos 
versucht  ihr  Verlobter  Chordbus  sie  zu  trösten:  Kassandra  verkfindet  ihm  und  sieh 
den  Tod  f&r  den  kommenden  Tag.  Im  zweiten  Ak't  feiern  die  leichtfertigen  Trojaner 
bereits  unter-  Spiel  und  Tanz  ein  Friedenstest  Äneas  eilt  herbei  und  erzihlt,  daß 
zwei  große  Schlangen  sich  vom  Meere  aus  auf  den  Priester  Laokoon  gestfirzt  und 
diesen  verschlungen  hitten,  weil  er  gewagt  habe,  mit  seinem  Schwert  an  den 
Bauch  des  Pferdes  zu  klopfen.  Um  die  erzfimte  Göttin  Pallas  zu  versöhnen,  beschließt 
man,  eine  Bresche  in  die  Sudtmauer  zu  legen  und  das  hölzerne  Pferd  unter  feier- 
lichem Jubel  nach  Troja  hineinzuziehen.  Trotz  Kassandra's  Verzweiflung  geschieht 
dies,  und  selbst  Waffengeklirr  im  Innern  des  Kolosses  vermag  die  rasenden  Trojaner 
nicht  zur  Vorsicht  zu  veranlassen.  Im  dritten  Akt  sind  die  Griechen  bereits  nachts 
in  die  Sudt  eingedrungen,  Mord  und  Brand  verbreitend.  Der  schlafende  Aneas  wird 
von  Hektor's  Geist  zur  Flucht  ermahnt;  denn  schon  brennt  der  Königspalast  Die 
Szene  verwandelt  sich  und  stellt  die  trojanischen  Frauen  vor  Cybele's  Tempel  dar. 
Kassandra  kommt  zu  ihnen:  Äneas  hat  den  StaatMchatz  gerettet  und  wird  die  fiber- 
lebenden Trojaner  nach  Italien  ffihren;  aber  Choröbus  Ist  gefallen.  Kassandra  ermahnt 
die  Frauen,  trotz  der  Hoffhungslosigkeit  ihrer  Lage  keine  Sklaverei  zu  dulden,  sondern 
sich  im  Augenblicke  höchster  Gefehr  selbst  zu  töten.  Mit  Ausnahme  einiger  Felgen 
stimmen  alle  Frauen  dem  heroischen  Entschluß  bei.  Schon  ersteigen  die  Griechen 
die  Tempelumwallung.  Kassandra  ersticht  sich  zuerst,  nachdem  sie  den  Feinden  ver- 
kfindet hat,  daß  die  Nachkommen  der  Trojaner  in  Italien  einst  michtiger  sein  wfirden 
als  die  Griechen.  Die  Frauen  folgen  Kassandra's  Beispiel  und  stfirzen  sich  mit  dem 
Rufe  «Italia*  in  den  Abgrund  hinab.  (Diese  wahrhaft  tragische  Schlußszene  Ist  Berllez' 
freie  Erfindung,  wihrend  er  sonst  getreulich  seinem  geliebten  Vorbilde  VIrgll 
gefolgt  ist) 

Der  zweite  Abend  besteht  aus  ffinf  Akten.  Der  erste  Akt  spielt  bereits  in 
Karthago.  Vorher  ertönt  ein  großartiges  Instrumental-Lamento,  und  ein  Rhapsode 
singt  bei  verschlossener  Szene  von  der  trojanischen  Katastrophe.  Dann  sieht  man 
Dido's  Palast,  wo  ein  Friedensfest  die  Königin  mit  Ihren  Untertanen  vereint  Mit  ihrer 
Schwester  Anna  allein,  gesteht  Dido,  daß  sie  sich  doch  nicht  glficklich  fühle;  sie 
schwört  zwar,  Witwe  bleiben  zu  wollen,  verschweigt  sich  selbst  aber  Ihr  erneutes 
LiebesbedQrfiiis  nicht  Der  Hofdichter  Jopss  meldet,  daß  Abgesandte  einer  ft^mden, 
vom  Sturme  nach  Karthago  verschlagenen  Flotte  vorgelassen  zu  werden  wfinscheiK 
Unbestimmte  Ahnungen  erfessen  Dido;  doch  lißt  sie  die  Fremden  vor:  den  Priester 
Pantheus,  Äneas'  Sohn  Askanius  und  Äneas  selbst,  als  Matrose  verkleidet  Der 
junge  Askanius  bittet  um  Asyl  und  bringt  als  Geschenke  Helena's  Sehleier  und  Heknba's 
Krone.  Die  Fremden  werden  gastlich  aufgenommen.  Dido's  Minister  Narbal  meldet 
das  Nahen  eines  feindlichen  numidischen  Heeres.  Äneas  gibt  sich  zu  erkennen  und 
bietet  seine  Hilfe  an,  bricht  auch  sofort  zum  Kampfe  auf.  Der  zweite  Akt  entbilt 
die  berühmt  gewordene  Jagdsymphonie.  Dido  und  Äneas  werden  attf-4er  Jagd  vom 
Gewitter  überrascht  und  fiüchten  in  eine  Grotte,  we  sie  sich  In  Liebe  zueinander 


8k 


316 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


finden.  Geheimnisvolle  Stimmen  rufen:  «Italial*,  um  Äneat  an  seine  Pflicht  xn  er- 
innern. Sonst  stockt  die  Handlung,  die  im  ganzen  zweiten  Teil  überhaupt  nur  lang- 
sam vorschreitet:  die  Szene  ist  einzig  von  Naturfrieden  und  Menscheni^fick  erfüllt 
Der  dritte  Aufzug  bringt  abermals  ein  antikes  Fest,  diesmal  eine  Siegesfeier,  bei 
der  Jopas  die  Segnungen  der  Ceres  und  des  Friedens  besingt  Auch  diesmal  bleiben 
Anna  und  Dido  schließlich  allein  zurück  und  vereinigen  sich  zu  einem  herrlichen  Duett 
Nachdem  sie  auch  die  Buhne  verlassen  haben,  kommt  Merkur,  berührt  die  an  einer 
Säule  hängenden  Waffen  des  Äneas  und  ruft:  »Italia«!  Der  vierte  Akt  führt  den 
Hafen  mit  den  Schiffen  und  Zelten  der  Trojaner  vor.  Sehnsüchtig  singt  ein  Matrose 
im  Mastkorb  von  der  Heimat  Unbekannte  Stimmen  erschrecken  die  Trojaner  durch 
abermalige  Rufe:  »Italia!«  Sie  fordern  Äneas  zur  jähen  Abreise  auf.  Aneas  allein 
beklagt  sein  Geschick,  der  Liebe  zu  Dido  entsagen  und  die  Anker  nsch  Italien  lichten 
zu  müssen.  Ein  edler  Heldentod  sei  ihm  zwar  beschieden,  doch  fürchte  er  den  Ab- 
schied von  Dido.  Die  Schatten  des  Priamus,  Clioröbus'  und  Hektor'a  erscheinen  und 
ermahnen  ihn,  seine  Schwäche  zu  überwinden;  Kassandra's  Schatten  gesellt  sich  hinzu: 
Äneas  soll  abfahren,  siegen  und  gründen.  Vor  seinem  Geiste  steigt  Roma  künftige 
Größe  auf  und  begeistert  ihn  zum  Entschlüsse  sofortiger  Abfahrt  nach  der  Cutter 
Befehl.  Heimlich,  ohne  Abschied  will  er  Dido  verlassen.  Er  ruft:  »Italia!*,  und  die 
Trojaner,  die  sich  zur  schnellen  Abreise  rüsten,  antworten  ihm  mit  dem  gleichen  Rnfe. 
Da  kommt  —  es  ist  Morgengrauen  —  Dido  hinzu  und  überschaut  sofort  die  Vo^ 
bereitungen  der  Trojaner.  Vergebens  fleht  sie  und  schilt  den  Geliebten;  die  «Italla*« 
Rufe  fibertönen  ihre  Rufe,  und  beim  ersten  Schein  der  Morgenröte  sind  die  Trojaner 
bereit,  die  Taue  zu  kappen.  Auch  Dido's  Geständnis,  daß  sie  fin  Uebeapfaad  von 
Äneas  berge,  vermag  diesen  nicht  mehr  umzustimmen.  Er  versichert  ihr  seine  un- 
vergängliche Liebe,  doch  sei  die  Trennung  göttlicher  Befehl.  Im  fünften  Akt  klagt 
Dido  auf  ihrem  Lager  im  Palaste  vor  Anna  und  Narbal  ihr  Los;  Verzweiflung  wechselt 
noch  immer  mit  Hoffnung:  Äneas  könne  noch  nicht  fort  sein,  Narbal  solle  llin  «m 
einige  Tage  weiteren  Verweilens  anflehen,  Liebe  müsse  selbst  jMpiter'a  Willen  trotsen. 
Anna  macht  sich  Vorwürfe,  den  Liebesbund  zwischen  Dido  un^  ÄneM  begünstigt  sii 
haben.  Da  meldet  Jopas  die  bereits  erfolgte  Abfahrt  der  Trojaner.  Dido  ruft  di9 
Tyrier  zu  den  Waffen  und  zur  Verfolgung  der  Entflohenen  auf,  widerruft  aber  diesen 
Befehl  sofort  wieder.  In  einem  Auftritt  von  echt  antiker  Größe  beklagt  ale  Ihr  un- 
glückseliges Los  und  verflucht  die  Trojaner,  die  das  Meer  zerschellen,  und  deren  Schlflb 
das  Feuer  zerstören  möge.  Gräßliches  Unheil  wünscht  sie  Äneas  und  bittet  die 
Götter,  sie  einen  furchtbaren  Haß  gegen  den  Geliebten  zu  lehren.  Sie  will  Pluto  ein 
Opfer  weihen;  man  solle  einen  Holzstoß  errichten,  auf  dem  sie  des  GelletiteB  Ger 
schenke  verbrennen  wolle.  Dann  sagt  sie  Lebewohl  dem  Lande,  der  Stadt,  ihrem 
Volke,  ihrer  Liebe.  —  Die  Szene  wechselt  In  Dido's  Garten  am  Meer  ist  der  Scheiter^ 
häufen  aufgeschichtet,  wie  Dido  es  befohlen.  Pluto's  Priester  verrichten  In  düsterer 
Größe  die  Trauerzeremonien.  Anna  und  Narbal  bitten  um  einen  niedrigen  Tod  für 
Äneas;  wilde  Tiere  sollen  seinen  unbestatteten  Leib  verzehren.  Dido  erhebt  sich  am 
Scheiterhaufen.  Prophetisch  verkündet  sie  ihrem  Volke  zukünftige  Heldengröfte;  in 
Hannibal  werde  aus  ihm  ein  Rächer  an  den  treulosen  Trojanern  erstehen.  Sie  aller 
wolle  stolz  in  die  Unterwelt  hinabsteigen,  worauf  sie  sich  mit  Äneas*  Schwort  ersticht 
Schreckvoll  schreit  die  Menge  auf;  Anna  stürzt  sich  auf  die  Sterbende.  Diese  erhebt 
sich  in  visionärem  Zustande  und  weissagt  Karthago's  einstigen  Untergimg  durch  Feiades- 
wüten.  Rom  aber  werde  unsterblich  sein  und  ewig  herrschen.  Dido  stirbt  Am  Himmel 
erglüht  das  Kapitel,  und  die  Siegeshymne  der  Ewigen  Stadt  erklingt  und  übertSot  den 
furchtbaren  Rache-  und  Hasscsschwur  des  tyrischen  Volkes  in  siegenden  Kliagea. 


317 
44.  TONKONSTLER-PEST 


In  der  Musik  zu  den  »Trojanern*  wendet  Berlioz  seine  ganze  und  höchste 
Meisterschaft  an.  Dennoch  bleibt  er  zu  sehr  Musiker,  um  mit  den  herkömmlichen 
Opemformen  und  Einzelnummern  zu  brechen.  Daher  scheint  manchmal  die  alte 
Opemmanier  stark  durch,  zum  Schaden  der  dramatischen  Situation,  der  er  auch 
sonst  meist  nur  iußerlich  —  im  theatralischen  Effekte  —  gerecht  wird.  Es  gibt  aller- 
dings auch  echt  dramatische  Stellen,  ja  Szenen  in  dem  Riesenwerke;  besonders  die 
Rollen  der  Kassandra  und  Dido  sind  dadurch  ausgezeichnet.  Wie  die  i,Trojaner  in 
Karthago*  durch  die  »Einnahme  von  Troja*  infolge  der  in  letzterer  vorherrschenden, 
knappen  Dramatik  und  rüstig  vorwirtsdrängenden  Handlung  ziemlich  weit  fiberragt 
werden,  so  ist  auch  Kassandra's  Gestalt  bedeutender  als  Dido's.  Wohl  zeigt  auch 
Dido  erschütternde  und  wahrhaft  antike  Größe;  wohl  singt  sie  in  Rezitativen  von 
Gluckscher  Erhabenheit:  aber  Kassandra  reicht  an  die  allerersten  tragischen  Gestalten 
heran ;  in  ihr  scheinen  sich  Shakespeare's  und  Sophokles'  Schöpferkraft  zu  vereinigen, 
und  ihre  Gesinge  ertönen  mit  Wagnerscher  Wucht.  Berlioz  scheint  die  Notwendigkeit 
einer  einheitlichen  Musik  für  das  musikalische  Drama  ziemlich  deutlich  geahnt  zu 
haben;  zwar  findet  sich  bei  ihm  kein  Motivgewebe  wie  bei  Richard  Wagner,  wohl 
aber  einige  Motive.  So  zieht  sich  ein  trojanischer  Triumphmarsch  durch  beide  Teile 
des  Werkes.  Er  erklingt,  als  die  betörten  Trojaner  das  hölzerne  Pferd  festlich  in  die 
Stadt  geleiten:  wir  hören  ihn  im  Lamento  um  Troja's  Fall  am  Beginn  des  zweiten  Teiles 
in  gedimpften  und  getrübten  Klingen;  er  begleitet  die  Ankttnft'und  Vorstellung  der 
Trojaner  in  Karthago;  er  kehrt  ganz  oder  in  einzelnen  Teilen  wieder  und  erstrahlt  endlich 
zu  der  Schlußapotheose  als  römischer  Triumphgesang.  Von  einzelnen  Nummern  wiren 
zahlreiche  ihrer  musikalischen  Schönheiten  und  Feinheiten  halber  besonders  hervor- 
zuheben, wihrend  bisweilen  allerdings  auch  Berlioz'  musikalische  Kraft  und  dich- 
terische Begeisterung  zu  erlahmen  scheinen.  Ganz  besonders  schön  sind  das  Duett 
zwischen  Dido  und  Anna,  ferner  Kassandra's  und  Dido's,  zum  Teil  auch  Äneas'  Einzel- 
gesinge (teils  Rezitative,  teils  Arien),  das  Lied  des  Matrosen  Hylas,  sowie  vor  allem 
die  Jagdsympbonie  und  die  darauf  folgende  Liebesszene  zwischen  Dido  und  Äneas. 

Mit  den  »Trojanern*  hatte  Berlioz  ihnliche  Nöte  "wie  Richard  Wagner  mit  dem 
»Ring  des  Nibelungen*.  Aber  wihrend  der  deutsche  Meister  sich  nicht  mit  einer 
mangelhaften  Auffuhrung  von  Bruchteilen  seines  Werkes  (»Rheingold*  und  »Walkfire* 
in  München,  1869)  begnügte,  sondern  siegreich  in  Bayreuth  durchdrang,  verzagte  und 
versagte  Berlioz  und  mußte  sich  mit  der  unvollkommen  einstudierten  und  jimmer- 
lich  zerstrichenen  Auffuhrung  der  »Trojaner  in  Karthago*  im  Th6itre  Lyrique  zu 
Paris  zeitlebens  begnfigen;  er  hörte  nie  die  »Einnahme  von  Troja*,  so  daß  sich  seine 
Befürchtung  erfQUte:  »Oh  ma  noble  Cassandre,  mon  h^roique  vierge,  je  ne  t'entendrai 
jamais*. 

Der  Umstand,  daß  Berlioz  die  »Trojaner*  für  sein  hervorragendstes  Werk  hielt, 
der  »Ring  des  Nibelungen*  andrerseits  aber  doch  Richard  Wagners  hauptsichliches 
Meisterwerk  ist,  um  das  sich  die  anderen  gleichsam  gruppieren,  dringt  zu  allerhand 
Vergleichen,  die  zum  Schluß  hier  noch  kurz  berührt  werden  sollen.  Virgil  hat  in 
seinem  Epos  mehr  die  Römer  verherrlichen  wollen  als  ihre  sagenhaften  Urahnen,  die 
Trojaner.  Berlioz  tat  dies  vielleicht  in  noch  höherem  Grade;  wenn  er  sich  in  seinen 
Schriften  nicht  darüber  ausspricht,  so  redet  er  doch  in  der  »Trojaner*-Dichtung  um 
so  deutlicher  davon.  Er  feiert  darin  nicht  nur  das  antike  und  kaum  das  katholische 
Rom,  wohl  aber  das  romanische  Rom  (sit  venia  verbot),  die  Stammutter  aller  romanischen 
Völker,  als  deren  größtes  natfirlich  die  Franzosen  angesehen  werden  sollen.  Berlioz' 
»Trojaner*  sind  also  auch  ihrer  innerlichen  Entstehung  nach  .ein  französisch-nationales 
Kunstwerk.  Die  französischen  Ideale  sind  l'amour  und  la  gloire;  nnd  Liebe  und  Ruhm 


318 
DIE  MUSIK  VII.  17. 


mSBo 


sind  denn  auch  das  Höchste  in  den  »Trojanern*.  Dadurch,  daß  die  Liebe  dem  Rubm 

geopfert  wird,  entscheiden  sich  hier  Völkorschicksale:  die  Lösung  des  Konfliktes  dar 

Handlung  ist  somit  eine  nationale^    Auch  Wagners  Kunstwerk  entspringt  aus  den 

tiefsten  und  kräftigsten  Wurzeln  der  deutschen  Nation.    Jedoch  strebt  der  deutscbe 

Künstler  Ober  sein  Volk  hinaus  und  wird  fibernational.    Dido  stirbt  freiwillig  Tor 

dem  Scheiterhaufen  und  verkündet  die  zukfitiftige  Größe  und  ewige  Macht  Romsi; 

Brunnhilde  stfirzt  sich  in  die  Flammen  des  Holzstoßes  und  erlöst  durch  ihren  Tod 

Götter  und  Welt  vom  Fluche  der  Lieblosigkeit   Berlioz  bleibt  tfer  nationale  Kfinatlar; 

Wagner  umfaßt  mit  seiner  Kunst  zugleich  die  höchste  Philosophie;  sein  Werk  wird 

weltbedeutend,  fibernationaL 

Kurt  Mey 


Der  gesamte  Bildeneil  des  vorlie{enden  Heftes  ist  dem  44.  Tonkünstlerfest 
des  Allgemeinen  Deuiscben  Musikvereins  in  Mfiacben  gewidmet.  Tlr 
bringen,  wie  in  den  früheren  Jibren,  die  Portriis  der  Festdirigenten,  der  achsffenden 
Künstler,  die  mit  Terken  bei  der  Münchner  Tmgung  vertreten  sind,  sowie  Gruppenbilder 
der  mitwirkenden  Kammermusikvereinigungen. 

Wir  beginnen  mit  einem  aus  jüngster  Zeit  stammenden  Portrii  von  Generalmusik- 
direktor Felix  Mottl,  dem  wir  die  Bilder  des  Stuttgarter  Horkapellmelsters  Dr.  Aloys 
Obrist  und  des- Dirigenten  der  Konzertgesellscbaft  für  Cborgesang,  Kammeralngers 
Ludwig  He&,  folgen  lassen. 

Daran  scbllellen  slcta  vier  Blatt  mit  Portrlts  nactastebender  Tonsetzer:  Karl  Pott- 
gießer,  Richard  Lederer,  Josef  Krug-Taldsee,  Jan  van  Gilie,  Frederick 
Delius,  Ernest  Scbelllng,  Paul  Juon,  Karl  Klmpf;  Paul  v.  Klenau,  Karl 
Bleyle,  Henri  Martetu,  Georg  Vollerihus;  Talter  Braunfela,  HermiDU 
Biscboff,   Roderich   von  Mojsisovics,    Carl  Ebrenberg. 

Von  KammermusikvereJaigungen  führen  wir  im  Bilde  vor:  daa  Münchner 
Streichquartett  (Theodor  Kilian,  Georg  Knauer,  Ludwig  VoUnbals.  Heinrieb  Kiefer), 
das  Abner-Quarteit  (Bruno  Abner,  Emil  Tagner,  August  Halndl,  Karl  Ebner)  und 
das  Russische  Trio  (Michael  PreD,  Vera  Maurina-Preß,  Josef  Prefl). 

Die  Portrits  der  übrigen  bei  den  Münchner  Tonkünstlerfest  zu  Tort  kommenden 
zeitgenössischen  scbaBfenden  Künstler  haben  wir  bereit«  Mher  In  der  .Musik"  ver- 
aircntlicht,  so  von:  Friedrich  Klose  (IL  17;  111.  16;  VII.  7),  Max  ScbllliD|a  (L  17; 
VL  6),  Tilbelm  Berger  (IIL  16),  Siegmund  v.  Hauseggcr  (LS;  lU.  IB;  IV.  17; 
VIL  11).  Bildliche  Darstellungen  von  Chr.  7.  Gluck  finden  sich  in  1.  23,  IL  23  und 
VII.  8,  solche  von  Hector  Berlioz  In  L  15/16,  VII.  6  und  in  reicher  Fülle  im  Berlioi- 
Heft  der  .Musik"  (111.  5). 

Ansichten  vom  Münchner  Künstlertbeater  konnten  wir  uns  der  Kürze  der 
Zeit  wegen  leider  nicht  mehr  verschaffton.  Tir  werden  diese  Abbildungen  einem  der 
nichsten  Hefte  beifügen. 


Alle  Rtchlc,  latbetsnilcn  di*  dtr  Obttwlmai,  vorbebxlwB 
FAr  die  ZurGckiciidiiiii  Hiivrrliiisttr  oder  alcbr  ■Diemildeier  Muaikripte,  hllt  IbM*  alcl»  sei 
Pnno  bcllk|i,  bbcrnlnnii  die  Sedektlon  keine  Gerutle.     Scbvcr  leMrllebe  Mtauektlple  titriea  nutepi 

turfickieeudl. 

Venniwortlicber  Schriftleiter:   Kapellmeister  Bernhard  Schuster 
Berlin  W  57,  BSiowstrasse  107  ■• 


FELIX  MOTTL 


ZUM  44.  TONKÜNSTLERFEST  DES  ALLGEMEINEN 
DEUTSCHEN  MUSIKVEREINS  IN  MÜNCHEN 


ALOYS  0 BRIST 


ZUM  44.  TONKOHSTLERFEST  DES  ALLGEMEINEN 
DEUTSCHEN  MUSIKVEREINS  IN  MÜNCHEN 


LUDWIG  HESS 


ZUM  44.  TONKÜNSTLERFEST  DES  ALLGEMEINEN 
DEUTSCHEN  MUSIKVEREINS  IN  MÜNCHEN 


KARL  POTTGIESSER 


r  Elvin,  München,  phoi. 

RICKARD  LEDERER 


'.  MBIIer,  MicdcburE,  phol. 

JOSEF  KRUC-WALDSEE 


JAN  VAN  CILSE 


ZUM  44.  TONKONSTLERFEST  DES  ALLGEMEINEN 
DEUTSCHEN  MUSIKVEREINS  IN  MONCHEN 


FREDERICK  DELIUS 


ERNEST  SCHELLING 


Alben   Mcrcr,  Berlin,  pKot. 

KARL  KÄMPF 


ZUM  44.  TONKÜNSTLERFEST  DES  ALLGEMEINEN 
DEUTSCHEN  MUSIKVEREINS  IN  MÜNCHEN 


ftiippi  DrexIeD,  phol 

PAUL  V.  KLENAU 


KARL  BLEYLE 


limnqrial,  Slockholm,  phoi. 

HENRI  MARTEAU 


GEORG  VOLLERTHUN 


ZUM  *4.  TONKOnSTLERFEST  DES  ALLGEMEINEN 
DEUTSCHEN  MUSIKVEREINS  IN  MÜNCHEN 


WALTER  BRAUNFELS 


HERMANN  BISCHOFF 


RODERICH  VON  MOJSISOVICS 


München,  phot. 

CARL  EHRENBERG 


ZUM  44.  TONKÜNSTLERFEST  DES  ALLGEMEINEN 
DEUTSCHEN  MUSIKVEREINS  IN  MÜNCHEN 


LUDWIG  VOLLNHALS        THEODOR  KlLfAN        CEORG  KNAUER        HEINRICH  KFEFER 

DAS  MÜNCHENER  STREICH-QUARTETT 


EMIL  WAGNER  AUGUST  HAINDL  BRUNO  AHNER  KARL  EBNER 

DAS  AHN  ER-QUARTETT  (MÜNCHEN) 


ZUM  44.  TONKONSTLERFEST  DES  ALLGEMEINEN 
DEUTSCHEN  MUSIKVEREINS  IN  MÜNCHEN 


■^  u 

Si 


Der    Künstler    mufi    die   Natur   zwingen, 

durch    seinen  KopF  und  durch  sein  Herz 

zu  gehen. 

Euc^ae  Delacref z 


VII.  JAHR  1907/1908  HEFT18 

Zweites  Juniheft 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 
Verlegt  bei  Schuster  &  Loeffler 
Berlin  W.  57.    Bülowstrasse  107 


S  7. 

hiter  der  Herrschaft  des  Vihnes  von  einzeitigem  und  eia- 
I  maligem  Auftakt  wurden  und  werden  bis  heute  die  Chorile 
j  des  Typus  1  statt  dreifach,  einfach  auftaktig,  die  des  Typus  11 
1  volltaktig  notiert,  von  135  Chorälen  ihrer  46  statt  eines  (I), 
der  aber  dennoch  einen  Typus  für  sich  ausmacht.  Die  des  Typus  V 
mußten  vollends  miDraten,  und  richtig  notiert  blieben,  wie  schon  ge- 
sagt, nur  die  16  des  Typus  III  und  der  eine  des  Typus  IV,  zusammen 
17  von  135,  zirka  12  v.  H.  Wird  man  glauben  wollen,  dafi  dies  nicht 
eine  Verwüstung  des  Chorals  zur  Folge  haben  mufite?  Ver  die  Lage 
des  Schwerpunktes  verkennt,  der  muü  eine  Melodie  demnächst  auch  falsch 
harmonisieren,  es  sei  denn,  daS  ein  sehr  starkes  Gefühl  ihn  wie  einen 
Job.  Seh.  Bach  vor  der  Verleitung  dazu,  die  in  dem  falschen  Taktstrich 
liegt,  bewahrt.  Auch  richtig  harmonisiert,  werden  metrisch  husch  notierte 
Chorile  kaum  jemals  anders  als  falsch  vorgetragen.  Den  Cborilen  der 
lebhaften  Auftakte,  also  denen  der  Typen  I,  II,  bzw.  V,  118  von  135,  wird 
ihre  natürliche  Bewegung  benommen,  werden  die  Glieder  dadurch  geknickt; 
der  Vortrag  wird  unversiSndlich,  also  langweilig,  und  da  es  wirklich  gleich- 
gültig ist,  wieviel  und  welche  Choräle  man  langweilig  spielt,  so  sind  zirka 
70-90  V.  H.  der  Chorile  des  OWC,  die  schon  nur  ■/«  des  deutschen 
Schatzes  an  Chorälen  ausmachen,  lingst  schon  stumme  IHumlen  geworden. 
Mehr  als  25  Choräle  davon,  gelegentlich  einige  Passlonschorile  ausge- 
nommen, werden  das  Jahr  über  in  Danzig  in  den  Kirchen  nicht  gespielt  — 
ffir  meinen  Fall  kann  ich  esi  aus  22  Jahren  dokumentarisch  nachweisen, 
und  es  wird  anderwärts  schwerlich  anders  sein.  Der  Choral  braucht  gar 
nicht  erst  zu  sterben,  zu  mindestens  7io  ist  er  schon  sogar  äußerlich  tot. 
Die  Ursache  ist  nicht  die  Isometrie,  sondern  die  Pseudometrie. 
Heutzutage  wire  jeder  einigermaßen  geschulte  Musiker  von  vorn- 
herein bei  niherer  Befassnng  mit  dem  Choral  gewahr  geworden,  daß  der 

>)  Die  erste  Hilft«  dieser  Arbeit  erschien  Im  2.  Mai-Heft.    Red. 


324 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


Choral  von  der  Variabilität  des  Auftaktes,  vom  Wesen  des  Taktes  nirgends 
eine  wirkliche  Ausnahme  macht,  in  seinem  Verlauf  nach  Strophen  so  wenig 
wie  in  seinem  Beginn.  Bisher  hat  freilich  jeder  Herausgeber  die  tradi- 
tionelle falsche  Notierung  vom  Vorgänger  übernommen  oder  sie  noch 
falscher  geändert. 

Auf  sicheren  Grund  und  Boden  und  zur  Durchführbarkeit  des  rich- 
tigen Taktstriches,  zur  Möglichkeit  der  Einordnung  der  Choräle  in  jene 
Typen  gelangen  wir  freilich  erst  mit  der  deutlichen  Erkenntnis  und  Regel 
von  der  Stellung  des  Taktstriches. 

S  8. 

Ich  fasse  die  Regel  so: 

Taktschwerpunkt  ist  der  Ton,  mit  dem  in  der  Melodie  ein 
Richtungs-  oder  Lagenwechsel  oder  Kreislauf  der  Töne,  in  den 
latenten  oder  angeschlagenen  Harmonieen  ein  Modnlations- 
schritt,  sich  vollendet  oder  entscheidet.  Ein  vorläufiger  Harmonie- 
Schi  ußschritt  erfolgt  im  leichten  ersten,  ein  abschließender  im  schweren 
zweiten  Takt.  Dieses  Verhältnis  wiederholt  sich  aber  in  höherer  Ordnung 
im  Vergleich  vom  schwereren  zweiten  zum  ersten  leichteren  Taktpaar  (in 
Takt  4)  und  im  Verhältnis  vom  ersten  viertaktigen  Halbsatz  zum  schliefienden 
zweiten,  in  dem  der  achte  Takt  schwerer  ist  als  der  vierte  im  ersten.  Im 
zweiten  Halbsatz  verhält  sich  das  erste  zum  zweiten  Taktpaare,  also  im 
ganzen  das  dritte  mit  dem  sechsten  Takt  als  schwerem,  so,  wie  im  Vorder^ 
halbsatz  das  erste  zum  zweiten  Taktpaar.  Takt  2  ist  leichter  als  Takt  4, 
Takt  8  schwerer  als  Takt  4,  Takt  6,  nur  auf  Takt  8  bezüglich,  leichter 
als  Takt  8. 

Wir  nennen  die  Paare  kurz  die  Zwei,  die  Vier,  die  Sechs,  die  Acht 
und  setzen  die  Zahlen  2,4,6,8  unter  die  Taktstriche,  hinter  denen  der 
Schwerpunkt  des  schweren  Taktes  steht.  Durch  die  Fermate  am 
Strophenschluß,  deren  Gewicht  übrigens  für  das  Gefühl  damit  auch 
variiert,  ist  der  Choral,  mag  er  auch  vom  Volkslied  abstammen,  eine  Er- 
scheinung ganz  5a/  generis.  Erweiterungen  und  Ausfälle,  Anfinge 
ex  abrupto  usw.  sind  gleichfalls  in  $  2  MS  zu  ersehen.  Ich  müßte  sie, 
ihren  nicht  arithmetischen  Sinn  und  ihren  Wert  eigentlich  als  aus  Riemanns 
Ausgaben  bekannt  voraussetzen  dürfen.  Für  den,  der  sie  kennt,  sind  sie 
sprechende  Vortragszeichen  für  die  Agogik  des  Vortrages,  d.  h.  für  die  Tempo- 
behandlung, und  das  gerade  Gegenteil  von  Kälteerzeugem  und  Rechen- 
werten. 4  mal  2  ist  im  Sinne  der  Periode  eben  nicht  8.  An  richtig 
harmonisierten  Chorälen,  die  man  am  sichersten  in  Typus  III  bzw.  IV 
findet,  oder  an  schlicht  achttaktigen  Perioden  in  Kompositionen  mag  man 
sich    den  Sinn    dieser   Rangzahlen  zunächst   klar  machen,   der  etwa  den 


325 
FUCHS:  AUFERSTEHUNG  DES  CHORALS 


Interpunktionen  2,  4;  6:  8.  entspricht.  Vorläufig  handelt  es  sich  aber  hier 
nur  um  die  einzelnen  Schwerpunkte  der  leichten  Takte  mit  ihren  Auf- 
takten, indem  dieser  selbstverständlich  der  Taktart  gemäß  die  Stelle  des 
Taktstriches  vor  dem  schweren  Takt  mit  sich  bringt. 

Mehr  als  mit  der  oben  gegebenen  Regel  über  die  Stellung  des  Takt- 
striches lässt  sich  in  Worten  nicht  sagen;  das  Weitere  müssen  Anschauung, 
Erfahrung,  Übung  tun.  Werden  doch  auch  Regeln  der  Grammatik  erst  durch 
die  Beispiele  verständlich,  aus  denen  sie  selbst  entnommen  sind.  Auch 
der  geübte  Musiker  aber  möge,  wenn  ihm  ein  oder  das  andere  Beispiel 
drei-  oder  zweitaktigen  Auftaktes  zunächst  gleichsam  wider  den  Strich  geht, 
beachten,  daß  auch  die  Empfindung  durch  langen  Irrtum  und  durch  Gewohn- 
heit gefälscht  werden  kann.  Schon  der  große  Seelenkenner  Dr.  Martin  Luther 
spricht  einmal  von  Irrtümern,  ^welche  die  ganze  Welt  mit  ihrem  Exempel 
bestätigt  und  durch  langwierige  Gewohnheit  gleich  als  in  die 
Natur  verwandelt  sind  — *  und  beruft  sich  dafür  auf  St.  Augustinum, 
als  der  es  ebenso  wußte  und  aussprach.  Freilich  ist  eben  die  Fälschung 
der  wortlosen  Empfindung  hier  wie  überall  das  größte  Unglück. 

In  der  Praxis  andererseits,  so  oft  ich  auch  jemandem  Beispiele  jener 
Art  metrisch  falsch  und  dann  berichtigt  vorgespielt  habe,  ist  mein 
typisches  Erlebnis,  selbst  bei  ganz  in  der  alten  Gewohnheit  erwachsenen 
Personen,  die  Rede:  »Ja  natürlich!  Eigentlich  habe  ich  mir  das  auch  immer 
so  gedacht*.  Man  vergleiche  nur  die  Leichenbittergestalt  des  Chorals 
^esus  meine  Zuversicht*  (volltaktig  und  gar  in  '|,-Takt)  mit  der  richtigen 

( j  B  78)  in  Typus  II  vorgetragenen  Fassung. 


S  Ö. 

Nun  wollen  wir  aber  die  Regel  an  einem  Alphabet  von  Beispielen 
erläutern.  Die  Gründe,  aus  denen  die  mit  Buchstaben,  bzw.  mit  -h  bezeich- 
neten Töne  Schwerpunkte,  bzw.  weibliche  Motivgrenzen  sind,  brauchen  wir 
nur  kurz  zu  bezeichnen.^ 

Ich  lasse  natürlich  nur  um  logisch  nicht  vorzugreifen,  den  Takt- 
strich  hier  weg.     Nachdem   die  Schwerpunkt-Note  ermittelt  ist,   tritt  der 

Taktstrich  vor  sie: 

a)  b)  c)  fd)    , 


i 


^_^i  ,  f-^  J  f  r  rnr^ 


e)  f)  g)  h) 


Ezrr  i  f  r^  >  f  f  ^  i  ^^^ 


326 
DIE  MUSIK  Vll.  18. 


Motiv  a)  Entscheidung  der  Richtung  abwftrts.  b)  Kreist  um  die 
Tonika  W.  d)  halbe  Skala,  häufiges  Motiv,  Iftßt  von  der  Strophe  das 
Motiv  c)  fibrig,  das  aber  ohnehin  in  sich  geschlossen  ist,  gleichsam  im 
Halbkreis  um  d'  und  auf  der  Quinttonart  endigt,  beantwortet  von  der  Tonika 
in  d).  e)  Heraustreten  der  Melodie  aus  mehrfacher  Tonrepetition.  f)  Hinab- 
gehen auf  denselben  Schlußton,  die  Quinttonart  bestitigend.  g)  halbe 
Skala  (wie  oben)  Schluß  auf  Quinttonart,  h)  Antwort,  Kadenz  zur  Tonika. 


n) 


o) 


y   J    J— il-^F=p=3=^ 


f=f==t 


i 


i)  stellt  e-moll  auf,  mit  e  schließend,  k)  Antwort  mit  der  Paralleltonart 
G-dur,  auf  deren  Grundton  g  schließend,  in)  mit  k)  identisch,  so  daß 
das  dritte  Motiv,  seinerseits  aus  Tonrepetition  heraustretend,  fibrigbleibt 
n)  das  Heraustreten  aus  der  Tonrepetition  beweist,  daß  der  Motivschlnfi 
sich  auf  f  entscheidet;  er  vollendet  sich  aber  erst  weiblich  auf  dem 
Grundton  der  Strophe  in  d-moll.  Der  Satzteil  .Herzliebster  Jesu"  fördert 
hier  seinerseits  das  d'  als  Motivschluß  im  Sinne  des  Komponisten.  Rein 
musikalisch  könnte  d'  ebensogut  Motivanfang  sein,  wie  es  hinter  dem  f  bei 
r)  unten  Motivanfang  ist,  wo  der  Text  »was  ist  die  Schuld?*  dem  f  End- 
bedeutung gibt.  Der  Text  beweist  indeß  nie  mehr,  als  durch  Strophenende 
Phrasenschluß.  Inkongruenz  kleinerer  Sinnteile  des  Textes  mit  den  Motiven 
wird  im  Massengesang  nicht  empfunden.  Es  ist  richtiger,  die  wechselnde 
Distanz  der  Schwerpunkte  in  diesem  Choral  als  Wechsel  vom  schlichten 
^I^-Takt  mit  Takttriolen  zu  erklären,  als  wenn  man  '{,-Takt  statuieren  wollte. 
Die  Triole  gibt  die  wünschenswerte  Treibung  des  Tempos  (entsprechend 
den  ängstlichen  Fragen  im  Text).  ^,,-Takt  würde  die  langen  Phrasen 
schwerfällig  machen.  Die  Einsätze  haben  dann  als  durchweg  taktfrei  zu 
gelten.  (S.  $  10.)  So  folgt  bei  p)  halbe  Skala  mit  d  auf  der  Dur- 
Paralleltonart  als  Schwerpunkt,  q)  n!  ist  schwerer  Wechselton  zu  b', 
auf  f  7.  r)  halbe  Skala,  s)  Den  Schwerpunkt  auf  es  (mit  c-moll  als 
schwere  Durchgangsharmonie)  beweist  die  Analogie  ebenso  wie  a''  als 
Schwerpunkt  vor  t)  wo  der  Schluß  das  g  dehnt.    Schlußbildung  wie  bei  s). 


P) 


q) 


r) 


s) 
1-^ 


t) 

1-  ^ 


^^Eg^r?^nn^%j^hhH3  j  r  ^^ 


327 
FUCHS:  AUFERSTEHUNG  DES  CHORALS 


wJBd 


u)  y)  w)  X) 


j,j  j  j  j  f-xx^r  r  r  ^  II 


u)  Schritt  zum  Grundton  d'  in  der  Molltonart  des  Chorals,  y)  halbe  Skala, 
w)  desgleichen,  x)  Rest  latent  auf  Tonika  im  Baß  oder  zur  Moll-Parallele 
fahrend. 

y)  fi)  «)  «) 


j  J  JT  r  J  n  j  jiir  f  J  j  ^m 


Be-sitz  ich  nur  ein  ni-hi-ges  Ge»wis-sen 


y)  Tonika  als  Baß  der  latenten  Harmonie,  ü)  Ausweichung  zur  Subdominante 
auf  deren  Grundton  sich  vollendend,  z)  Rückgang  zur  Tonika.  Die  Schluß- 
bildung wie  bei  zz),  die  sonst  melodisch  natürlich  wftre,  wird  verhütet 
durch  Dehnung  der  Penultima  (event  mit  zwei  Harmonieen),  so  daß  die 
Tonika  die  Melodie  mftnnlich  schließt  und  statt  eines  Taktes  ein  Taktpaar 
gewonnen  wird.  Diese  Art  Verhütung  des  Schlusses  auf  angeschlagener 
vierter  Taktzeit  ist  häufig.  Es  entsteht  eine  Takttriole  durch  die  Länge 
des  Verses  »Besitz'  ich  nur  ein  ruhiges  Gewissen*.  Textbetonung 
gleichgültig. 

Der  Hendekasyllabus  des  Verses,  eine  naiv  silbenzählende  Nach- 
ahmung des  sapphischen  Versmasses,  hat  hier  wie  in  , Herzliebster  Jesu* 
die  Takttriole  herbeigeführt.  Da  auf  die  elf  Noten  im  ^/«-Takt  doch 
3X4=12  Zeiten  kommen  mußten,  so  wurde  die  Dehnung  der  Penultima 
ohnehin  notwendig.  Doch  sind  die  Choräle,  in  denen  durch  unechte 
J- Noten  gedehnte  Strophenschlüsse  vorkommen,  wie  gesagt,  zahlreich  und 
bilden  eine  Unterart  für  sich.  Jenes  Versmaß  ist  in  diesem  Liede  nicht 
durchgeführt,  wie  in  »Herzliebster  Jesu*.    (Siehe  die  MS). 

S  10. 

Da  nun  jeder  Choral  im  g  in  einen  der  fünf  Typen  fallen  muß,  so 
scheint  mit  der  Aufstellung  —  eigentlich  nur  Feststellung  —  der  fünf 
Typen  alle  Schwierigkeit  gehoben.  Es  gibt  aber  eine  Wirkung,  bzw.  eine 
Nachwirkung  der  ehemaligen  Schreibung  ohne  Taktstrich  für  das  18.  Jahr- 
hundert und  bisher.  Ohne  Taktstrich  blieb  das  Taktbewußtsein  freier,  als  das 
unserigeist,  ohne  darumweniger  sicher  zu  sein,wie  die  völlig  korrekt  und 
dabei  oft  interessant,  manchmal  metrisch  kühn  gebildeten  Choräle  beweisen, 
von  denen  einige  selbst  vor  der  Mensuralschrift  erfunden  wurden.  Unser 
Taktgefühl  ist  streng,  aber  bisher  nicht  sicher,  wie  die  herrschenden 
Irrtümer  in  Theorie  und  Praxis  beweisen.    Immer  den  richtig  eingetragenen 


328 
DIE  MUSIK  Vll.  18. 


Taktstrich  vorausgesetzt,  auf  den  es  immer  wieder  ankommt,  ereignen  sidh 
in  20  von  135  Chorälen  StrophenschlQsse,  deren  Taktzeiten  an  Zahl  mit  denen 
des  folgenden  Auftaktes  unweigerlich  mehr  als  vier  ausroadien»  also  in 
das  Taktbild  des  g  nicht  eingehen.  Wollte  man  hinter  der  Fermate  die  Zeiten 
bis  vier  abzählen  und  dann  mechanisch  den  Taktstrich  setzen,  so  entstfinden 
sofort  grobe  metrische  Fehler,  und  wo  er  zwischen  die  Noten  zweifadien 
Auftaktes  geriete,  völliger  Unsinn.  Ich  habe  diese  Choräle  in  der  MS  zn 
einer  besonderen  Gruppe  vereinigt,   in  der  jeder  zu  einem  der  Typen  II, 

III,  V  gehört.  In  Typ  I  kommt  es,  obwohl  mit  ^  f  ^  ^  statt  J  J  J  |  J, 
wo  ersteres  geschrieben  werden  müßte  oder  sollte,  möglich,  im  eigentlichen 
Choral  nicht  vor.  Typ  IV  schließt  den  Fall  logisch  aus.  Die  meisten  jener 
20  von  135  Chorälen  gehören  dem  Typ  V  als  dem  der  ohnehin  ffreiesten 
Bewegung  an,  und  der  die  Oberzahl  verursachende  Auftakt  ist  auch  llnt 
ausschließlich  der  bewegteste,  der  dreifache.  Es  kämen  dabei  zwischen 
einem  Taktschwerpunkt  und  dem   nächsten  5,  6,  ja  wo  es  wünschenswert 

oder  notwendig  ist,  a  J  d  0  s  J  zu  schreiben,  7  Taktzeiten  zn  stehen. 
Ich  habe,  wie  man  sieht,  in  diesen  Fällen  es  gewagt,  5,  6,  7  Taktzeiten  in 
der  Tat  zwischen  je  zwei  Taktstriche  zu  setzen.  Richtigkeit  des  Takt- 
striches ist  eben  anders  nicht  durchfuhrbar.  Zugleich  ist  dies  die  einzige 
berechtigte  Konsequenz  aus  der  alten  Schreibung  ohne  Taktstrich.  Ich 
habe  selbst,  als  ich  in  die  Lage  kam,  die  erwähnten  Gemeindelieder  für 
die  Synagoge  zu  schreiben,  diese  Freiheit  mehrfach  angewandt,  sie  werden 
von  Chor  und  Gemeinde  dort  auch  ohne  Schwierigkeit  gesungen.  Es  entsteht 
nämlich  dabei  gar  kein  anderer  als  B-Takt  für  das  Ohr.  Bis  an  den 
Strophenschluß  läuft  er  ohnehin.  Dann  sistiert  oder  quiesciert  die  Fermate 
als  irrationale  (rhythmische,  nicht  metrische)  Zeit  den  Takt,  und  er  hebt 
nachher  wieder  frisch  an,  daher  denn  auch  der  Auftakt  der  meisten  Energie, 
der  dreizeitige,  in  solchem  Falle  fast  ausschließlich  erscheint^)  Der  ^Z^-, 
*/^-,  74~Takt  erscheint  dabei  schlechterdings  nur  für  das  Ange,  auf  dem 
Papier.  Was  notwendig  in  die  Brüche  geht,  wenn  man  das  Ei  so  auf  den 
Tisch  stellt,  ist  wieder  einmal  durchaus  nur  Schale.  Prof.  Dr.  Riemann 
erklärte  sich  mit  dieser  Schreibung  als  der  in  solchem  Falle  einzig  roSg- 
lichen  auch  sofort  einverstanden. 

Ich  nenne  den  Einsatz  mit  überzähligen  Taktzeiten  den  taktfreien 
Einsatz  und  vereinige  die  Choräle,  in  denen  er  vorkommt,  zn  eioer 
besonderen  Gruppe.  Ebenso  wie  die  Typen  selbst,  ist  sie  nicht  erftanden, 
sondern  nur  gefunden.    Die  Unentbehrlichkeit  der  taktfreien  Schrdbnng  in 


^)  Ich  wiederhole,  daß  alle  diese  Ergebnisse  durchaus  spontaner  Natar  sind, 
wie  es  denn  ja  auch  h9t  unmöglich  wäre,  Choräle  ad  hoc  aassosnchen. 


320 
FUCHS:  AUFERSTEHUNG  DES  CHORALS 


diesen  Fällen  einerseits  und  die  der  Dehnung  des  geschriebenen  Schluß- 
wertes  um  ein  noch  so  geringes  zur  Verhütung  metrischer  Anomalie 
andererseits  beweist  allein  schon  die  Irrationalität  der  Fermate.  (Wegfall 
der  Dehnung  wurde  Taktwechsel  bzw.  ^/^-,  ''U-Tskt  herbeiführen.)  Übrigens 
sind  eigentlich  alle  Stropheneinsätze  im  Choral  taktfrei.  Im 
Typ  1  ist  das  zur  Beibehaltung  des  JB-Taktbildes  geschriebene  J  sub  ferm. 
ein  offenbar  insuffizienter  Grundwert  der  Schlußdehnung,  da  im  Begriff  des 
Grundwertes  ein  Zeitzusatz  von  einem  Bruchteil  davon  liegt.    Jeder  denkt 

unwillkürlich  J  dort  als  Grundwert,  also  mit  dem  folgenden  dreifachen 
Auftakt  geschriebene  fünf  Zeiten  zwischen  den  Schwerpunktnoten.  Das 
Verhältnis  zwischen  Schluß  und  Auftakt  kann  aber  im  Choral  nicht  nach 
Typen  artverschieden  sein.  Es  ist  sich  ja  ihrer  auch  bisher  niemand  klar 
bewußt  gewesen,  sonst  hätte  man  sie  geschrieben,  immerhin  wirkt  die 
Taktfreiheit  im  Typus  V  stärker,  indem  er  die  überhaupt  mehr  phantasieren- 
den Choräle  enthält.  Es  sind  die  älteren  Choräle,  die  jüngsten  daraus  sind 
drei  von  1704,  1710,  1738.  Um  1740  versiegt  unter  dem  Einfluß  Voltaire's 
der  Quell  der  Erfindungskraft  auf  diesem  Gebiet.  Die  doch  recht  fragwürdige 
Idee  vom  gleichen  Wert  der  Religionen,  ausgeprägt  in  Lessings  schlechter 
Fabel  von  den  drei  Ringen  und  dem  Worte  Friedrichs  des  Großen  von 
den  Konfessionen  als  bloßer  fagonsy  waren  das  Lied  vom  Ende,  wenn 
nicht  das  Ende  vom  Lied.  Mit  seltenen  Ausnahmen,  wie  Ph.  Em.  Bachs 
schönem  Choral  .Auferstehn,  ja  auferstehn  wirst  du*,  werden  die  Choräle 
nun  länglich  und  weichlich.  Das  schlimmste  Zeichen  sind  Sextenschritte 
der  Melodie  aufwärts.  Die  kleine  Septime  im  Choral  .Ich  lobe  dich  mit 
Herz  und  Mund*",  ein  Unikum,  ist  falsche  Lesart.  Übrigens  ist  strengste 
Symmetrie  mit  taktfreien  Einsätzen  vereinbar,  vgl.  das  schöne  letzte  Bei- 
spiel der  MS. 

S  11. 

Soll  der  Beweis  der  Irrationalität  der  Fermate  aus  ihrer  Un- 
entbehrlichkeit  als  ein  Beweis  per  idem  oder  vom  alterum  per  alterum  gelten 
(obwohl  dies  ein  Mißverständnis  wäre),  so  beachte  man  folgendes:  Wenn 
die  folgende  Strophe  metrisch  an  die  vorige  angeschlossen  würde,  wie  ACB 
(aus  militärischen  Gründen)  und  OWC  verlangen  und  mit  fortwährenden 
Fehlem  bewirken,  so  müßte  die  Dauer  des  Schlußtones,  für  den  J  und 
mindestens,  wenn  genau  genommen,  auch  noch  >  zu  kurz  sind,  von  der  Größe 
sein,  daß  nach  ihm  die  Taktzeit  des  folgenden  Einsatzes  rede  an  der  Reihe 
wäre.  Die  Typen  I~IV  bringen  folgende  Fälle  hervor,  denen  Typus  V 
keinen  hinzufügen  kann: 


330 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


^^ 


IV  a) 


IV  b) 


6 


y  r  JXx 


5 


ä 


J  J  tJ  I 


-SL 


SL 


Ich  nenne  den  oben  beschriebenen,  in  den  Beispielen  mit 


be- 


zeichneten Raum  den  metrischen  Zwischenraum.  Erbetrigt,  je  nachdem 
4,  5,  6,  7  Zeiten.  Nur  im  Falle  IVa  deckt  er  sich  mit  dem  geschriebenen 
Notenwert.  Man  probiere  es  an  der  Orgel  (wie  ich  es  mit  der  Sekundennhr 
beobachtet  habe,  die  ein  anderer  gebrauchte,  während  ich  nach  GefQhl 
spielte),  und  man  wird  finden,  so  unwahrscheinlich  es  t>eim  Lesen  dfinken 
mag,  daß  kein  Organist  von  einigermaßen  rythmischem  Empfinden  diese 
vier  Viertel  wirklich,  metrisch  bis  zur  nächsten  Eins  gezählt,  .aushält",  was  in 
langsamen  Chorälen  ja  auch  beinahe  vier  Sekunden  dauern,  also  komisch  wirken 
würde.  Vollends  5,  6,  7  Zeiten  würden  bis  zum  Unsinn  zu  lang.  Für  das 
Ohr,  das  nur  vom  Eintritt  der  Schlußnote  etwas  weiß,  gilt  bezfiglicb  der 
Dauer  der  Fermate  in  allen  diesen  (weitaus  den  meisten)  Fällen  der  Satz: 
Die  Fermate  ist  nicht  die  Verlängerung  eines  zu  kurzen,  sondern 
die  Verkürzung  eines  zu  langen  Wertes,  der  unbewußt  empfanden 
wird.  (In  Riemanns  Musiklexikon  ist  diese  Natur  der  Fermate  auch  be- 
reits angedeutet.)  Die  Ausführung  ist  ein  Kompromiß  zwischen  dem  ge- 
schriebenen Schlußwert  und  dem  metrischen  Zwischenraum,  der  keineswegs 
etwas  überhaupt  Illusorisches  ist.  Daß  dies  ein  irrationaler  Vorgimg  ist, 
versteht  sich  von  selbst,  und  es  ereignet  sich  im  Falle  der  vier  Zeiten 
dabei  sogar  die  Verkürzung  des  geschriebenen  Wertes. 

Taktfreie  Einsätze  bringen  metrische  Zwischenräume  von  vier,  aber 
auch  drei  Zeiten  in  synkopischer  Gestalt  hinzu.  Genaue  vier  Zeiten  bringen 
auch  dort  eine  Stockung  hervor,  werden  also  instinktiv  gekürzt.  (Es  handelt 
sich  natürlich  immer  um  unscbreibbare  Minima  von  »Zeit*;.  Einzig  in 
dem  Falle  von  drei  Zeiten  wird  sogar  der  metrische  Zwischenraum  selber 
gedehnt,  weil  sonst  der  absolut  unchoralmäßige  synkopische  Ruck  entstflnde. 
Natürlich   erreicht  die  Dehnung  nicht  schreibbar  vier  Zeiten.    Beispiele: 


331 
FUCHS:  AUFERSTEHUNG  DES  CHORALS 


M 


(und  andere  in  NNo.  31—36  der  MS). 

Durch  die  taktfreien  Einsätze  werden  eben  auch  die  Notsynkopen  im 
Choral  vermieden,  die  jeder  doch  nur  mit  schlechtem  Gewissen  schreibt. 

Die  Synkope  ist  im  Choral  ebenso  unstatthaft,  wie  wenigstens  für  den 
Gemeindegesang  jegliche  Pause.  Die  verkehrtesten  sind  die  Pausen  im 
Taktschwerpunkt,  indem  die  wirkliche  Negation  des  Taktschwerpnnktes 
durch  Pause  ein  negativer  Akzent,  d.  h.  ein  modernes  stark  rhetorisches 
Kunst  mittel  ist.  Komisch  ist  die  Schreibung  von  Pausen  im  Anfang  (im  OWC 
mehrfach),  wie  man  sich  leicht  ausmalen  kann. 

Ober  die  reale  Dauer  der  Fermate,  die  nach  der  Stellung  in  der 
Periode  verschieden  sein  wird,  wage  ich  nichts  zu  bestimmen.  Regeln 
darüber,  was  mit  ihr  geschehen  solle,  wollte  ich  überhaupt  nicht  geben, 
sondern  nur  Beobachtungen  dessen,  was  bei  empfundenem  Vortrage  mit 
ihr  geschieht.  Jedenfalls  aber  ist  die  Befürchtung,  von  der  das  ACB 
und  AWC  offenbar  ausgehen,  als  läge  in  der  Natur  der  Fermate  die  Ge- 
fahr einer  Stockung  oder  Taktstörung,  gänzlich  unbegründet.  Die  Suspension 
des  Taktes  durch  sie  ist  keine  Stockung.  Selbst  im  Gehen  nach  Chorälen 
bewirkt  sie  nur  etwa  einen  Schritt  mehr,  das  übrige  ist,  da  nach  Chorälen 
doch  nicht  im  Tritt  gegangen  wird,  gänzlich  quantiii  nigligeable. 

S  12. 

Ich  kehre  nun  zu  der  Frage  nach  der  metrischen  Bedeutung  der 
Mensuralnoten  und  der  Verbindlichkeit  ihrer  ohne  Taktstrich  geschriebenen 
Werte  zurück.  An  der  musikalisch-elementaren  Natur  der  Ermittelung  der 
richtigen  Stellen  für  die  Taktstriche  wird  es  deutlich,  daß  wir  vor  den 
mittelalterlichen  Notierungen  ohne  Taktstrich  keinen  heiligen  Respekt  zu 
haben  brauchen,  als  stünden  wir  da  entweder  einem  Geheimnis  oder  gar 
einer  Offenbarung  gegenüber,  wo  doch  nur  ein  Mangel,  eine  Unbeholfen- 
heit im  Ausdruck  vorliegt.  Ich  möchte  davon  wenigstens  ein  Beispiel 
geben.  Die  natürliche  Gestalt  des  Chorals  ,0  Haupt  voll  Blut  und  Wunden* 
ist  die  ebendarum  dem  Gemeinbewußtsein  gegenwärtig  geläufige:  durch- 
geführt einfacher  Auftakt  in  C  mit  Reimschlüssen: 


usw. 


M 


332 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


von  wem  und  wie  lange  auch  immer  er  anders  geschrieben  wurde.  Die 
9 ursprüngliche*,  soll  heißen  die  älteste  bekannte  Notierung  der  Anhngii- 
strophe  in  dieser  Gestalt 


widerspricht  jener  natürlichen  Gestalt,  in  der  die  Melodie  als  Taktgebilde 
von  ihrem  Autor  innerlich  konzipiert  sein,  wie  sie  ihm  vor  der  Nieder- 
schrift .vorgeschwebt*  haben  muß;  sie  widerspricht  also  dem  inneren 
Ursprünge  der  Melodie,  und  zwar  auf  jedem  Schritt.  Es  wäre  also  ein 
Fehler,  ihre  Schreibung,  auch  wenn  sie  nachweislich  vom  Autor  herrührt, 
metrisch  für  bare  Münze  zu  nehmen.  Über  das  Metrum  dieser  Melodie 
ist  man  ja  auch  einig,  desto  erheblicher  ist  dessen  Verhältnis  zu  jener 
Schreibung.  Hat  Hans  Leo  Hassler  im  Traum  so  geschrieben?  Waren 
die  Isometristen  trockene  Pedanten?  Hat  J.  S.  Bach  auch  nichts  gemerkt? 
Daß  Takt  von  je  im  Vortrage  dieser  Melodie,  wie  in  ihrer  Ent- 
stehung war,  ist  freilich  ebenso  unzweifelhaft,  aber  die  Notiening  ist 
darum,  daß  sie  in  Mensuralnoten  steht,  doch  noch  keine  metrische.  Es 
ist  völlig  naiv,  sie  in  diese  Gestalt  zu  übersetzen: 


^     G 


f9    e> 


^    ^    oder  ^ 


1     I      i     I 


I      I 


Doch  hat  der  tiefe  Ernst  des  Textes  diese  Melodie  vor  dem  Schaukeltakte 
noch  bewahrt,  den  man  Dutzenden  anderer  Melodieen  im  gleichen  Irrtnm 
aufgebürdet  hat. 

Daß  hinter  der  alten  Notierung  etwas  anderes  steckt,  als  sie 
dem  Auge  —  jedoch  eigentlich  nur  unserem  Auge!  —  sagt,  ist  freilich 
ein  psychologisches  Phänomen.    Aber  musica  est  supra  aatorem  (sui  insciam). 

Wir  dürfen  und  müssen  dem  Liede  also  in  der  Notierung  seine  eigent- 
liche und  innerlich  »ursprüngliche*  Gestalt  zurückgeben.  Dazu  bedfirfen 
wir  keiner  tiefen  Gelehrsamkeit,  sondern  nur  der  Prüfung  seiner  Tonfolge  anf 
solche  Gründe,  wie  sie  S  0  in  einem  ganzen  Alphabet  von  Beispielen  angeführt 
werden.  Hier  handelt  es  sich  darum,  die  von  der  echten  Gestalt  IBr  ans 
ganz  abweichende  Gestalt  der  ältesten  Notierung  zu  erklären. 

Die  erste  Longa  auf  den  Ton  e  ist  die  Präcentorlänge,  entstanden  im 
Massengesang  ohne  Orgel  —  der  Vorsänger  wartete,  bis  die  dritte  Bank  usf. 
in  der  Kirche  eingesetzt  hatte.  Der  Organist  später  mußte  die  entsprechende 
Vorgabe  des  Tones  in  weiter  Kirchenhalle  zweckmäßig  finden,  auch  lag  sie 
für  ihn  in  der  Überlieferung. 

Das  ist  für  die  Melodie  selbst,  oder  vielmehr  gegen  sie,  eine  Zn- 
fälligkeit.  Es  ist  ganz  unmöglich,  daß  die  zwingende  anf  taktige  BeiidiiiBg 
des  e  auf  den  nachfolgenden  (eigentlichen)  Grundton  der  Tonart  dm 
Chorals   nicht  empfunden,    nicht   vom   Autor  mitgedacht,  daB  die   titwfi^ 


333 
FUCHS:  AUFERSTEHUNG  DES  CHORALS 


JS 


Strophe  in  vier  (I)  Takten,  statt  als  Taktpaar»  gedacht  und  aufgefaßt  worden 
wäre,  gerade  so  unmöglich  wie  es  ist,  jene  Beziehung  in  der  Ausführung 
der  geschriebenen  Longa  als  metrisch  zum  Ausdruck  zu  bringen: 


0   ^ 


o    ^ 


a    o 


Die  hausknechtmäßige  Schwerfälligkeit  dieser  vier  Takte  wird  wohl 
niemand  verfechten  wollen.  Drei  Takte  werden  es,  sobald  man  die 
Schreibung  der  letzten  Note  als  bloß  graphischen  Ausdruck  des  Schluß- 
dehnung zugibt,  wie  die  Präcentorlänge  zweifellos  der  graphische  Ausdruck 
der  gewohnten,  aber  absolut  nicht  metrischen  Dehnung  im  Auftakt  ist 
—  nobis: 

O        0 


Die  alte  <9«  Präcentorlänge  im  Auftakt  beweist  aber  schlagend,  daß  es 
möglich  und  erlaubt  war,  Stellung  und  Wert  eines  Tones  als  metrisches 
Ingrediens  (in  der  Schreibung  als  Longa)  zu  ignorieren.  Man  schrieb 
jene  Längen,  weil  man  sie  hörte,  was  sich  bei  der  letzten  Longa  schon 
ans  einem  höheren  Grunde,  nämlich  dem  der  Deutlichkeit  des  Strophen- 
schlnsses,  erklärt.  Die  Anfangsdehnung  wird  man  außerhalb  der  Kirche, 
frei  von  dem  Zufall  des  Raumes  usw.  auch  schwerlich  ausgeführt  haben. 
Die  Schlußlänge  sistiert  oder  suspendiert  aber  wirklich  den  Takt,  so 
daß  hier  der  Widerspruch  gegen  den  metrischen  Sinn  der  Note  er- 
klärlicher, unverfänglicher,  gleichsam  entschuldbarer  ist,  während  wir,  mit 
Taktstrichen  in  an  sich  metronomischen  Werten  schreibend,  ihr  ihre 
metrische  Gestalt  zurückgeben  und  die  Suspension  des  Taktes  durch  das 
Fermatenzeichen  ausdrücken  müssen: 


I 


oder  per  hypothesin  vorläufig 


J 


^      ä 


fi      0 


1   T 

^       0 


T 

et       0 


At>er  die  Noten  auf  a  g  f  e 


^ 


für  unsere  isometrischen  j  ^  J  J  repräsentierten  auch  schon  sao  tempore 
nicht  Werte,  die  wir,  um  das  Taktpaar  statt  der  falschen  Dreitaktigkeit 
herzustellen,  als  ^j^-Ukt  zu  schreiben  hätten. 


J 


J  J 


J 


sondern  die  Longa  cum  brevi  galt  nach  alter  Regel   als  hemiolisch,   d.  h 


334 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


anderthalbig,  sie  machten  zusammen  nur  zwei  Zeiten,  nicht  drei,  also  in 
unserem  Sinne  je  eine  Triole  aus 


^5 


W       J        J 


J    J 


(die  letzten  zwei  nicht,  als  zwei  Longae  entsprechend).  Wenigstens  lag 
diese  Hemiolie  dem  16.  Jahrhundert  noch  von  frfiheren  Jahrhunderten 
her  im  Ohr.  Mit  ihr  wehrte  man  sich  gegen  den  vom  Papst  um 
die  Wende  des  13.  Jahrhunderts  als  der  Dreieinigkeit  Gottes  allein 
würdig  befohlenen  dreiteiligen  Takt,  den  man  ein  Jahrhundert  lang 
ausschließlich  hatte  anhören  müssen.  So  gewann  man  zunächst  irgoid- 
wie  den  zweiteiligen  Takt  zurück.     Die   metronomische  Gleichheit  dieser 

vier  Zeiten,  die  wir  isometrisch  zwischen  Taktstrichen  J  J  J  j  schreiben 
müssen,  mildern  wir  durch  den  Vortrag,  indem  wir,  wie  Beethoven 
schon  bemerkt  hat,  den  Schwerpunktton  um  ein  Unschreibbares  ver- 
längern; ja  der  Taktstrich,  den  wir  davor  setzen,  ist  dadurch  schon 
ein  Vortragszeichen.  Die  Alten,  ohne  Taktstrich,  und  ohne  alle  Vor- 
tragszeichen sonst,  griffen  zu  dem  Mittel,  den  Ausdruck,  der  diese 
lüngung  forderte,  und  der  im  Choral,  vor  allem  in  diesem  Choral, 
sicher  besonders  intensiv  war,  die  Längung  also  desto  fOhlbarer  machte, 
wiederum  graphisch  anzugeben  oder  vielmehr,  unbeholfen  zwar,  anzu- 
deuten. Hier  war  der  Grund,  die  Longa  nur  bildlich  zu  meinen,  ein  noch 
höherer  als  im  zweiten  der  beiden  vorigen  Fälle ;  metrisch  (oder  metronomisch) 
zu  lang  wurde  diese  Länge,  die  Longa,  ohne  den  Taktstrich  nicht; 
und  das  einigermaßen  Schwankende  der  Hemiolie  entsprach  der  einiger- 
maßen unbeholfenen  Herzlichkeit  des  Mittelalters  im  Ausdruck.  Hatte 
man  die  Vortragslänge  des  Taktschwerpunktes  aber  graphisch  gleichaam 
.materialisiert*,  so  mußte  man  es  wohl  oder  übel  mit  dem  Halbtakt- 
schwerpunkt    auch     tun,     weil    M^^^=:J     j     j     J*/*-     oder 

^^^i^si  =  J^JJ  S^r  7«'  '^^^^  ^^^^  empfinden  lassen.  Einiger- 
maßen nimmt  der  Halbtakt  ja  auch  an  der  Längung  des  Taktschwer- 
punktes teil.  Es  bleibt  zu  beachten,  daß  jene  zwei  Hemlolien,  fQr  uns 
Triolen,  zusammen  nur  vier  Zeiten  ausdrückten.  Man  hat  die  hemioliscfae 
Schreibung  gewiß  ebensowenig  metrisch  genau  ausgeführt,  wie  wir  bei 
gutem  Vortrage  unsere  gleichen  vier  J  -  Noten  eines  Taktes  metronomisch 
ausführen,  d.  h.  so  gleich  wie  sie  aussehen.  Der  Vortrag  längt  das 
hinter  dem  Taktstrich  stehende  und,  wenn  auch  weniger,  auch  das  dritte 
Viertel  um  soviel,  daß,  als  man  anfing,  den  Choral  zwischen  Taktstrichen 
isometrisch  zu  schreiben,  er  sich  von  dem  Vortrage  nach  der  biaherigen 
Schreibung  nicht  merklich  unterschieden  haben  wird.  Hätte  die  nene 
Schreibung  einen  Bruch  mit  dem  alten  Vortrage  bedeutet,   so  wäre  sie 


ad5 

FUCHS:  AUFERSTEHUNG  DES  CHORALS 


nicht  aufgekommen.^)  Die  ersten  Isometristen  waren  also  nicht  Pedanten, 
die  den  Choral  nur  in  eine  mechanische  Bewegungsart  hätten  einschnfiren 
wollen.  Unter  der  falschen  Vorstellung  vom  Takte  mußte  der  Vor- 
trag  allerdings  seither  allmählig  zum  Metronomischen  erstarren.  Aber 
empfundenen,  herzlichen  Vortrag  vorausgesetzt,  tun  wir  nur  das  Um- 
gekehrte von  der  Praxis  des  Mittelalters,  im  Prinzip  dasselbe,  d.  h.  man 
half  sich  beide  Mal,  wie  man  konnte.  Wir  verwandeln  graphische  exakte 
Werte  bei  der  Ausführung  in  Schätzungs-,  in  Ausdruckswerte  für  das  Ohr; 
die  Alten  gaben  Ausdrucks-,  also  Schätzungswerte  beim  Schreiben  als 
graphische  Schein-  und  Schätzungswerte  für  das  Auge  wieder.  Wir 
adressieren  die  Notierung  an  den  Verstand  und  überlassen  die  Ausführung 
dem  belebenden  Gefühl,  die  Alten  überließen  sich  bei  der  Notierung  dem 
Gefühl,  und  wandten  sich  für  die  Ausführung  an  den  Verstand,  das  natürliche 
Taktgefühl,  und  an  das  Gedächtnis,  an  die  Tradition. 

In  bezug  auf  die  beiden  Faktoren  der  Ausführung:  Verstand  und 
Phantasie,  sind  beide  Notierungen  einseitig.  An  sich  entsprechen  unsere 
Notenwerte  einer  metronomischen  Ausführung,  die  sogar  ebenso  uner- 
träglich wäre,  wie  die  Schwankungen,  die  eine  metrische  Lesung  der 
alten  Schrift  hervorbrächte.  (S.  oben  die  einleuchtenden  und  heimleuchten- 
den Beispiele  .Wie  schön  leucht'  uns  der  Morgenstern*  und  «Freu  dich  sehr 
o  meine  Seele*.)  Ohne  crescendo  und  decrescendo  können  wir  nicht 
vortragen,  also  auch  nicht  ohne  Agogik,  da  crescendo  beschleunigt,  decres- 
cendo verlangsamt,  wenn  auch  nicht  bis  zur  bewußten  Bemerkbarkeit. 
Auf  der  Orgel  muß  die  Dynamik  innerhalb  der  Phrase  (vom  Schwellwerk 
abgesehen)  sogar  durch  die  Agogik  ersetzt  werden. 

Auch  kürzere  Notenwerte  schrieb  man,  wo  wir,  in  gleichen  Werten 
regelrecht  fortfahrend,  etwa  piä  animato  oder  Tempo  primo  hinzuschreiben, 
nämlich  in  der  Regel  am  Beginn  des  zweiten  Teiles  eines  Liedes  nach 
dem  natürlichen  Rallentando  des  vorangegangenen  Periodenschlusses, 
den  man  bei  der  Vorliebe  des  Mittelalters  für  das  Gravitätische  vermutlich 
mit  recht  nachdrücklicher  Schwere  vorgetragen  hatte.  Wie  ist  es  weiter 
mit  unserer  Melodie?  Schließlich  entspricht  einzig  die  Longa  auf  dem  d 
einer  realen  metrischen  Länge  (J).  Folglich  hat  die  Gestalt  der  Longa 
in  dieser  einen  Strophe  schon  fünferlei  Sinn:  Auf  e  ist  sie  Präcentorlänge, 
die,  wie  gesagt,  allein  schon  durchaus  hinreichen  würde,  zu  beweisen,  daß 
gewohnheitsmäßig  die  Notengestalt  in  anderem  als  metrischem  Sinne  ge- 


^)  Das  Wort  Vortrig  gebrauche  ich  hier  überall  alt  AbkGrzoog  für  den  Im- 
teelten  Autdruck,  der  agogitcbe  und  dynamische  Scbaniemngen  bervorbringt.  Die 
Gemeinde  trägt  natürlich  nicht  vor,  aber  was  ist  Orgelspiel  ebne  Beseelung?  Et 
gleicht  dem  Leierkasten.  Daß  ich  andererseits  kein  subjekiivet  Schwanken,  nichtt 
individuell-Sentimentalet  empfehle,  wird  man  mir  glaulien. 


336 
DIE  MUSIK  VII.  la 


braucht  wurde,  wo  es  zweckmäßig  schien.  Auf  a  ist  sie  Aasdrucksllnge, 
es  kommt  in  ihr  der  Vortrag  zur  Erscheinung,  der  sie  linger  macht  als 
die  folgende  brevis,  während  rede  beides  Zählzeiten  sind.  Anf  f  ist 
sie  nahezu  nur  Verlegenheitslänge  oder  entspricht  dem  Geschmack 
einer  Zeit,  der  der  päpstliche  Oreitakt  noch  in  den  Ohren  lag.  Anf  d  be- 
deutet sie  reale  Länge,  auf  e  Schlußdehnung  im  Strophenende«  Das 
rechtfertigt  in  bezug  auf  die  mittelalterliche  Notenschreibung  ohne  Takt- 
strich den  Satz: 

Die  Mensuralnote  hatte  in  metrischer  Beziehung,  also  in  bezog 
auf  die  den  Noten  dem  Takte  nach  wirklich  zukommende  Zeitdauer,  den 
neumatischen  Charakter,  mehr  nur  Anhalt  für  das  Gedichtnis  der 
schon  und  besser  Wissenden  zu  sein,  noch  nicht  völlig  abgestreift. 
Die  Ausführung  und  das  Nachschreiben  dieser  Notenschrift  im  Sinne  der 
unserigen,  als  bedeute  sie  statt  eines  Versuches  dazu  die  wirklichen  Zeit- 
maße der  Töne,  führt  zu  etwas  Unerträglichem,  nämlich  maßloser  Regel- 
losigkeit. 

Nun  bedenke  man  aber,  daß  dies  nur  zum  Teil  an  der  Unbeholfen- 
heit  des  Versuches  liegt,  den  Notenwert  zugleich  mensnral  und  im  Aas» 
druckssinn  zu  schreiben,  sondern  daß  dieser  Versuch  etwas  überhaupt  Unmög- 
liches will,  das  auch  uns  nicht  gelingen  kann.  Die  alte  Notenschrift  führt  in 
unserem  Sinne,  genau  befolgt,  zu  etwas  Unerträglichem  an  Willkür;  die 
unsere,  genau  ausgeführt,  führt  aber,  wie  gesagt,  auch  zu  etwas  Uner- 
träglichem, nur  im  entgegengesetzten  Sinne,  nämlich  in  dem  einer 
mechanischen  Regelmäßigkeit.  Wir  schreiben  metronomiscta,  metrisdi, 
nämlich  in  bezug  auf  die  Zähleinheit  in  der  Voraussetzung  »Jede  GröBe 
ist  sich  selber  gleich*,  und  in  bezug  auf  die  anderen  Werte  nehmen  wir 
an,  daß  sie  richtige  Bruchteile  oder  Mehrfache  der  Einheiten  sind.  Man 
denke  sich  nun  eine  Seite  Text  von  Beethoven,  Weber,  Chopin,  and  man 
wird  sofort  wissen,  daß  auch  wir  keine  Note  ihrem  optischen  Zeitwerte  nach 
spielen:  im  Crescendo  werden  die  Einheiten  nacheinander  kleiner,  im 
Decrescendo  werden  sie  (zwar  in  abnehmendem  Maße,  wie  RIemann  lehrt) 
gedehnt,  und  entsprechend  geschieht  es  mit  Unterteilungen  and  Zosammen- 
ziehungen.  Natürlich  ist  das  im  Choral  nicht  anders,  etwa  seiner  »Einfech- 
heit*  wegen,  d.  h.  den  Zeitwert,  den  die  Töne  in  der  Ausführang  erbalten, 
graphisch  zu  fixieren,  ist  zu  aller  Zeit  unmöglich. 

Sofern  die  Tradition  zuweilen  als  Richtschnur  für  den  Vortrag  eines 
Stückes  angesehen  wird,  überlassen  wir  ihn  in  gewissem  Maße  gleichfells 
dem  Gedächtnis,  vollends  wenn  der  Schüler  nachspielen  soll,  wie  der  Lehrer 
vorspielte.  Die  Tradition  ist  freilich  meistens  nur  eine  schlechte  Matter 
ihrer  Kinder,  und  wie  bei  uns  den  Vortrag,  so  beeinfinßte  das  irrende 
Gedächtnis  im  Mittelalter  vielfach  schon  die  Notiernng. 


337 
FUCHS:  AUFERSTEHUNG  DES  CHORALS 


Nun  soll  aber  für  die  Illusion,  dem  schönen  Scheine  nach,  der  Takt 
die  Stetigkeit  und  Verläßlichkeit  des  Naturgesetzes  auch  im  schönen,  t>e- 
lebten  Vortrage  behalten;  darum  ist  unsere  Notenschrift  besser,  denn  sie 
erinnert  den  Leser  mit  ihrem  metronomischen  Charakter  durchweg  an 
das  Naturgesetz.  Zum  Ausdruck  anzuleiten,  benutzen  wir  vemfinftigerweise 
andere  Mittel,  als  die  Mehrdeutigkeit  der  gleichen  Notengestalt,  nämlich 
außer  dem  Taktstrich  hinzugeschriebene  Zeichen  (bzw.  Zahlen)  und  Worte. 
Dagegen  gibt  die  alte  Notenschrift  anscheinend  die  Willkür  frei,  und  das 
ist  ihr  Fehler,  dessen  Papageien  zu  sein  wir  nicht  nötig  haben. 

Und  das  wußten  die  Isometristen  des  18.  Jahrhunderts,  als  sie  den 
Taktstrich  in  die  Choralschreibung  einführten!  Sie  geben  meinem  anscheinend 
nur  psychologischen  Beweise  recht.  Das  Fortschreiten  der  Choralmelodieen 
in  überwiegend  gleichen  Werten  haben  auch  sie  nicht  erfunden,  sondern 
nur  gefunden,  denn  es  muß  sich  einstellen,  sobald  man  die  Melodie  selbst 
um  ihr  Metrum  befragt,  d.  h.  sobald  man  den  Tönen  graphisch  die  aus 
Gründen  der  Melodik  und  Harmonik  sich  ergebende  natürliche  Stellung 
und  ihren  eigentlichen  metrischen  Wert  anweist  Was  in  gläubigen  Zeiten 
fene  Männer  in  herzlichem  Choralgesang  hörten,  kann  im  Verhältnis  zn  den 
Noten  nichts  wesentlich  anderes  gewesen  sein,  als  was  sie,  den  ebenso 
herzlichen  Vortrag  voraussetzend  und  gewohnt,  schreibend  im  Sinn  hatten. 
Darum  meine  ich,  daß,  wenn  sie  nur  zugleich  die  richtige  Stelle  des  Takt- 
striches nicht  bloß  in  den  zwölf  v.  H.  Chorälen  gefunden  hätten,  auf  die 
die  Idee  vom  einzeitigen  Auftakt  zutraf,  gar  kein  Streit  und  demgemäß  gßr 
kein  Verlangen  entstanden  wäre,  ihre  Schreibung  wieder  zn  »rhythmisieren*. 
Jedenfalls  ist,  wie  gesagt,  diese  Annahme  sicherer,  als  daß  mit  der  endlich 
berichtigten  Schreibung  des  Chorals,  den  Takt  betreffend,-  der  Streit  nun,  wie 
Köstlin  meint,  zu  Ende  und  alles  eitel  Wohlgefallen  und  Bereitschaft  zum 
Bessern  sein  werde.  Wurde  mir  doch  von  kompetenter  Stelle  in  bezug 
auf  das  OWC  peremptorisch  zugerufen:  .Änderung  in  den  nächsten  zwanzig 
Jahren  ausgeschlossen!* 

Nur  Einer  im  Deutschen  Reiche  kann  die  Gefahr  abwenden,  die  uns 
von  dem  Preußischen  Armeechoralbuch  droht,  denn  nur  Einer,  der  oberste 
Kriegsherr,  kann,  zugleich  als  Summus  Episcopus  der  Landeskirche,  es 
kassieren,  damit  die  Folgen,  die  es  für  Ost-  und  Westpreußen  gehabt 
hat,  nicht  noch  auf  andere  Provinzen  übergreifen. 

Als  der  Papst  vor  einigen  Jahren  in  der  katholischen  Kirche  die 
Rückkehr  zu  gregorianischer  Einfachheit  gebot,  hieß  es  einfach:  Roma  locuta 
est  Manches  Schöne  wurde  dadurch  mitgetrofPen.  In  der  evangelischen 
Kirche  würde  nur  Häßliches  verschwinden  und  alle  Schönheit  des  Chorals 
in  Fülle  wieder  auferstehen,  wenn  bei  uns,  wo  die  Kirchenbehörden  allein 
dazu  zu  schwach  sind,  es  eines  Tages  hieße:  Imperator  imperaviti 

VII.  18.  22 


■äbrend  in  den  Konzensilen  aller  Welttdie  heute  dae  gevltM 
I  Einheit  der  Programme  herrscht  und  man  in  Paris  nnd  Berlin, 
London  und  New  York,  Madrid  und  Buenos  Ayres  so  ilemlich 
I  die  gleichen  Werke  aurführt,  herrscht  ein  viel  größerer  Untei^ 
scniea  in  dem  Opemrepertoire  der  verschiedenen  Nationen.  Obtchon  man 
teilweise  aus  derselben  Quelle,  der  Italienischen,  schSpft,  bedingen  hier 
doch  die  kulturellen  und  sprachlichen  Unterschiede  weit  atiitera  Ab- 
weichungen.  Es  scheint  uns  darum  interessant,  zwischen  den  BOboea 
zweier  Nachbarländer,  Deutschland  und  Frankreich,  einen  Vergleich  anzu- 
stellen, da  beide  die  Oper  in  hervorragender  Veise  durch  stlndlge  Trappen 
pflegen  und  in  ihrer  Produktion  von  einander  abhXngen,  ohne  danun  die 
surke  nationale  Verschiedenheit  ihres  Repertoires  anhngebeo.  Telli  nach 
eigenen  Erfahrungen,  teils  nach  Mitteilungen,  die  mir  ein  Redabeur  d^ 
.Mfinestrel*,  Herr  A.  Boutarel,  in  ebenso  liebenswQrdiger  als  vollstiodlger 
Weise  zur  Verfügung  gestellt  bat,  gedenken  wir,  diese  Parallele  zu  zi^en. 
Dabei  scheint  es  geraten,  sich  über  das  franzSaische  Repertoire  mit  grBBerer 
Ausführlichkeit  zu  verbreiten,  als  über  das  deuuche,  das  unseren  Leaem 
in  der  Hauptsache  bekannt  ist. 

Beginnen  wir  mit  der  alten  italienischen  Oper  und  dem  Ffinf- 
gestim  Rossini,  Donizetti,  Bellini,  Chernbini,  Spontinl,  so  kommea 
vom  ersten  für  Deutschland  nur  noch  der  aBarbier'  und  .Teil",  vom  zweiten 
die  .Regimentstochter",  gelegentlich  auch  noch  ,Lucia'  oder  .Doa  Pasquale* 
und  noch  seltener  ,Die  Favoritin*  in  Betracht.  UngeOhr  geradeso  atebt 
es  in  Frankreich.  In  der  Regel  helfen  nur  Gäste  oder  sonst  Siemn  erster 
Größe  den  alten  Italienern  auf  die  Beine.  Dem  .Teil'  kommt  gelegentUtA 
eine  politische  Krisis  zustatten,  und  seine  AunShiung  erscheint  dann  ala 
Protest  gegen  irgendeine  Reaktion.  .Barbier'  und  aRepmentstochter" 
erscheinen  immerhin  seltener  als  in  Deutschland.  Spontlni  Ist  in  befdea 
Ländern  mausetot,  nachdem  man  es  1894  noch  achtmal  In  Paris  mit  der 
.Vestalin'  und  zweimal  im  Amphitheater  von  B6ziers  versucht  hatte. 
Cherubini  erscheint  nur  in  Deutschland  noch  mit  seinem  schönen  .Waaaer> 
träger"  (Les  deux  Journ^es),  ebenso  wie  Bellini  mit  seiner  .Necma", 
PaSr,  der  erste  Bearbeiter  des  Fideiiostoffes,  hat  sich  mit  seinem  .Maltra 


339 
PLATZHOFF-LEJEUNE:  OPERN  REPERTOIRE 


\\\' 


de  Chapelle*  (1824)  in  Frankreich  behauptet.  Recht  gut  steht  es  in 
Frankreich  verhältnismäßig  noch  mit  der  Pflege  Glucks,  der  unvermeidlich 
überall  Glfick  geschrieben  und  regelmäßig  mit  dem  Trema  versehen  wird. 
.Orpheus*  brachte  es  in  den  letzten  Jahren  zu  11,  .Armida*  zu  28, 
»Iphigenie  auf  Tauris*  zu  5  jährlichen  Vorstellungen;  dessen  werden 
nicht  viele  deutsche  Theater  sich  rühmen  können.  Händel  ist  kaum  dem 
Namen  nach  und  höchstens  als  Komponist  des  .Messias*  bekannt. 

Völlig  darnieder  liegt  Mozart.  Die  für  ihn  in  Deutschland  so 
außerordentlich  ungünstigen  Zeiten  erscheinen  noch  glänzend  gegenüber 
dem  völligen  Bankrott,  den  er  in  Frankreich  erlitten.  Für  den  Tiefstand 
unserer  zeitgenössischen  musikalischen  Kultur  gibt  es  kein  besseres  Baro- 
meter,  als  diese  betrübende  Erscheinung.  Einige  vereinzelte  Pariser  Auf- 
führungen des  .Don  Juan*  und  der  .Entführung'',  das  ist  alles;  von  der 
.Zaut>erBöte*  und  von  .Figaros  Hochzeit*  keine  Spur.  Jene  mag  ihr  Text 
umgebracht  haben,  dieser  hat  wohl  die  häufige  Aufführung  des  Beaumar- 
chais'schen  Lustspiels  geschadet;  und  Musik  allein  mag  man  im  Theater 
doch  nicht  genießen I  .Fidelio*  ist  in  Paris  nahezu  unbekannt,  und  ver* 
einzelte  Versuche  damit  schlagen  stets  fehl.  Vielleicht  könnte  man  mit 
einem  Ballet  der  Gefangenen  eines  hohen  Publikums  Gunst  erringen? 

Anders  steht  es  um  die  Romantik.  Meyerbeer  ist  leider  nicht  um* 
zubringen.  Der  .Prophet*  und  die  .Hugenotten*  verzeichnen  mit  nur 
siet>en  und  acht  jährlichen  Vorstellungep  doch  verhältnismäßig  hohe  Ein* 
nahmen;  selten  begegnet  man  noch  seinem  .Robert  der  Teufel*  und  der 
.Afrikanerin*.  Ähnlich  steht  es  ja  auch  in  Deutschland.  Bei  Verdi  stehen 
sonderbarerweise  .Traviata*  und  .Rigoletto*  mit  fünf  Aufführungen  1906 
oben  an,  während  .Troubadour*  und  .Aida*  nur  je  eine  erlebten,  also  bei« 
nahe  das  umgekehrte  Verhältnis  als  in  Deutschland,  das  den  .Troubadour* 
als  Prüfstein  für  Engagements  und  als  Ersatzoper  in  Krankheitsfällen 
sehr  hoch  schätzt,  während  es  .ATda*  nur  deshalb  immer  wieder  ansetzt, 
um  den  für  den  zweiten  Akt  angeschafften  Hokuspokus  verwenden  zu 
können  und  im  vierten  den  kunstvollen  Aufbau  einer  zweistöckigen  Bühne 
zu  zeigen. 

Von  den  älteren  Franzosen  erscheint  Auber  mit  der  »Stummen* 
und  dem  .Schwarzen  Domino*  noch  auf  dem  Plan.  .Les  Dragons  de 
Villars*  (Glöckchen  des  Eremiten)  von  Mai  Hart  kommen  bei  schwachen 
Einnahmen  1006  noch  viermal  vor,  während  Auber's  .Maurer  und  Schlosser* 
und  .Fra  Diavolo*  und  .Die  weiße  Dame*  von  Boieldieu  an  die  deutschen 
Bühnen  leichten  Herzens  abgetreten  wurden.  Im  komischen  Genre  wünscht 
man  in  Paris  viel  Abwechselung;  es  fehlt  an  der  Pietät,  die  man  in 
deutschen  Landen  für  die  alte  komische  Oper  hat,  wenn  sie  nur  musi- 
kalisch etwas  taugt.    Daß  Kreutzer,  Lortzing,  Marschner  und  Nicolai 

22* 


340 
DIE  MUSIK  Vll.  18. 


jenseits  des  Rheins  nicht  einmal  dem  Namen  nach  bekannt  aind,  versteht 
sich  leider  von  selbst  Ist  das  fflr  die  «Undine'  als  halbfranzfisischen  Stoff 
schon  bedauerlich,  so  ist  es  vollends  schade  um  die  «Lustigen  Weiber*,  die 
eine  solche  Beiseiteschiebung  gewiß  nicht  verdienen.  Sehr  fest  bilt  sich 
dagegen  .Le  Freyschfitz*  (die  Bezeichnungen  .Robin  des  Bois*  and 
.Franc  Archer*  sind  wieder  verschwunden)  in  PariSi  was  man  bei  seiner 
grunddeutschen  Art  auffallend  finden  muß.  Das  Jahr  1906  verzeichnet  elf 
Vorstellungen  mit  158  000  Frs.  Einnahme  —  ein  glänzendes  Resultat,  am 
so  verwunderlicher,  als  die  Aufffihrungen  sehr  schlecht  sein  sollen.  Das 
Orchester  sei  unfähig,  die  Ouvertüre  anständig  zu  spielen.  Die  »Auf- 
forderung zum  Tanz"  in  der  Berlioz'schen  Orchestrierung  wird  als  Ballet 
eingefügt.  Berlioz  hat  auch  die  Rezitative  besorgt,  wie  es  scheint  in  ängst- 
licher Sorge  darüber,  daß  ein  anderer,  der  nicht  wie  er  für  Weber  schwärmte, 
die  Sache  verpfuschen  könnte. 

Von  Hal6vy  erscheint  natürlich  .Die  Jüdin"  als  gute  Repertoireoper, 
wahrscheinlich  mehr  um  der  Ausstattung,  als  um  der  heute  noch  genafi- 
reichen  Musik  willen.  Auch  seine  .Königin  von  Cypem*  hat  eine  Auf- 
erstehung erlebt.  Ambroise  Thomas  erfreut  sich  immerhin  einer  geringeren 
Beliebtheit  als  in  Deutschland.  .Mignon"  figuriert  1906  in  der  Komischen 
Oper  mit  13  Vorstellungen;  auch  mit  .Francesca  von  Riminl"  and  dem 
.Hamlet*  hat  man  es  letzthin  wieder  versucht.  Gounod  dachen  ist 
immer  noch  ein  großer  Mann.  .Sapho",  .Polyeucte",  .Der  Tribat  von 
Zamora",  .Mireille''  und  .Romeo  und  Julie"  erscheinen  je  und  dann  wieder 
auf  den  Spielplänen.  Der  .Faust*  aber  ist  und  bleibt  die  klassische  Oper 
Frankreichs  von  unwiderstehlicher  Zugkraft  und  mit  glänzenden  Einnahmen, 
die  man  sich  denn  auch  nicht  entgehen  läßt.  So  verzeichnet  die  Saison 
1905  ganze  26  Vorstellungen  mit  nahezu  einer  halben  Million  Einnahmen. 

M6hul  ist  in  Paris  wie  in  Deutschland  nicht  ganz  verteosen.  Sein 
.Joseph*  erfreut  sich  gelegentlich  einer  Neueinstudierung  mit  stets  be- 
scheidenem Erfolge.  Berlioz  bleibt  auch  in  Frankreich  Kaviar  fBrs  Volkf 
mit  der  .Eroberung  Trojas*  hat  man  es  1899,  gelegentlich  seines  dreißigsten 
Todestages,  zuletzt  versucht;  von  .Benvenuto  Cellini',  von  .Beatrioe  and 
Benedikt*  hört  man  nichts.  Auch  im  Konzertsaal  erscheint  Berlioz  in 
Deutschland  häufiger  als  in  Frankreich.  Der  Mann  des  Tages,  das  alle 
Lichter  zweiter  Ordnung  überragende  Gestirn  aber  ist  Massenet  »Le  Roi 
de  Labore",  .Le  Cid",  .Le  Mage",  .Thais",  .Manon  Lescant",  •Wertherfi 
.Marie  Madeleine",  .Le  Jongleur  de  Notre-Dame"  erscheinen  immer 
wieder  auf  dem  Spielplan  als  ein  Wahrzeichen  des  Tiefstandes  mosikalischer 
Kultur.  Selbst  Saint-Sa^ns  mit  seinem  .Samson",  den  .Barbaren*, 
.Ascanio",  .Henri  VIII"  und  .Fredegonde"  kann  dagegen  nicht  aufkommen, 
wenn   auch    .Samson"    ein   gutes   Zug-    und    Kassenstfick  geblietMn  ift. 


341 
PLATZHOFF-LmEUNE:  OPERNREPERTOIRE 


Wacker  hielt  sich  auch  Delibes'  „Laknid'  mit  21  Vorstellungen  1906» 
während  seine  Ballets  „Sylvia*,  «Coppelia",  «La  Source"  natürlich  stets 
beliebt  sind. 

Die  jung  französische  Schule  ist  außerordentlich  stark  vertreten, 
und  es  werden  in  zahlreichen  Wiederholungen  Werke  aufgeführt,  von  denen 
man  außerhalb  der  blanweißroten  Grenzpfähle  so  gut  wie  keine  Ahnung 
hat.  Ich  nenne  nur  «Daria«  (Marty),  »Le  Fils  de  r£toile",  «Aphrodite* 
(Erlanger),  «Circ6*  (P.  und  L.  Hillemacher),  ,L'£tranger"  (V.  d'Indy), 
»Jeanne  d'Arc*  (Mermet),  »Lancelot"  und  «La  Reine  Berthe*  (Joncidres), 
«Tabarin*  (Pessard),  «Patrie*  (Paladilhe),  «La  Dame  de  Monsoreatt"" 
(Salvayre),  «Zaire*  (de  la  Nux),  «Thamara*  (Bourgault-Ducoudray)» 
«Stratonice*  (Fournier),  «D6idamie*  (Mar6chal),  «Djelma*  (Lefdbre), 
«La  Montagne  noire*  (Mme.  Holmds),  «Hell6*  (Duvernoy),  «La  Cloche 
du  Rhin*  (S.  Rousseau),  «La  Burgonde*  (Vidal),  «Astarte*  (Lerouz), 
«Le  Roi  de  Paris*  (G.  Hue),  «Orsola*  (Gebrüder  Hillemacher). 

Besser  Bescheid  wissen  wir  schon  mit  folgenden  Namen  und  Titeln, 
die  uns  teils  auf  deutschen  Bühnen,  teils  in  Konzertsälen  schon  begegneten: 
«Messidor*  von  Bruneau,  «Salammbö*,  «La  Statue*  und  «Sigurd*  von 
Reyer,  «Louise*  von  Charpentier,  «Gwendoline*  und  «Briseis*  von 
Chabrier,  «Pell6as  et  Melisande*  von  Debussy,  «Ariane  et  Barbe  bleue* 
(die  beiden  letzteren  Texte  nach  Maeterlinck)  von  P.  Dukas,  dem  Ver- 
fasser des  «Zauberlehrling*,  «Fortunio*  von  Messager  usw. 

Interessant  ist  es  auch,  die  französische  Balletmusik  der  letzten 
Jahre  zu  kennen,  die  mit  dem  deutschen  Repertoire  nur  «Sylvia*  und 
«Coppelia*  gemeinsam  hat:  «La  Ronde  des  Saisons*  (Busse r),  «Bacchus* 
(Duvernoy),  «L'£toile  (Wormser),  «La  MaladetU*  (Vidal),  «Le  R6ve'' 
(Gastlnel),  «Les  deux  Pigeons*  (Messager),  «Les  Jumeaux  de  Bergamo* 
(deLajarte),  «La  Farandole*  (Dubois),  «Namouna*  (Lalo),  «La  Korrigane* 
(Widor),  «Jedda*  (Metra),  «Fandango*  (Salvayre).  Aus  älterer  Zeit  blieb 
nur  «La  Temp6te*  von  A.  Thomas  übrig. 

Wenden*  wir  uns  nun  zur  Betrachtung  des  modernen  Auslandes  anf 
den  französischen  Bühnen,  so  steht  natürlich  Richard  Wagner  obenan. 
Er  hat  Meyerbeer  ziemlich  verdrängt,  womit  freilich  «das  Judentum  in 
der  Musik*  noch  nicht  umgebracht  ist.  Der  Riesenerfolg  Wagners  in  Frank- 
reich  ist  bekanntlich  erst  neueren  Datums,  und  er  hat  ihn  selbst  nicht 
mehr  erlebt.  Nach  den  drei  verunglückten  «Tannhäuser* -Vorstellungen 
von  1861  versuchte  es  Pasdeloup  1860  mit  «Rienzi*.  Dann  gebot  der  Kri^ 
auf  zwei  Jahrzehnte  Einhalt.  Anfangs  der  neunziger  Jahre  erschienen 
«Lohengrin*  (1801)  und  «Tannhäuser*  (1805).  Langsam  folgten  die  «Wal- 
küre* (1803),  die  «Meistersinger*  (1807),  der  «Fliegende  Holländer*,  «Sieg- 
fried* (1802)  und  «Tristan*  (1004).     «Götterdämmerung*   ist  für  1908  an- 


342 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


gesetzt.  »Rheingold'',  das  noch  nie  gegeben  wurde,  dfirfte  dann  in. ab« 
sehbarer  Zeit  den  „Ring"  vervollständigen  und  eine  zyklische  Voiatellung 
ermöglichen. 

Unter  den  größten  Zugstücken  wären  »Carmen*  mit  38,  »Manon* 
mit  20,  .Armida«  mit  28,  .Werther*  mit  27,  .Faust*,  .Madame  Butterfly* 
(Puccini)  und  .Vie  de  Bohöme*  mit  26,  .Aphrodite*  mit  25,  «Tristan*  mit 
22,  .Lakmd**  mit  21,  .Ariane  et  Barbe  Bleue*  mit  20  VorstelInngen  in  einem 
Jahre  (1905  oder  1906)  zu  nennen.  Ganz  anders  aber  wird  die  Reiben- 
folge, wenn  man  von  der  Zahl  der  Vorstellungen  absiebt  nnd  nar  die 
Tageseinnahmen  ins  Auge  faßt.  Wagner  erscheint  dann  viel  mehr  be- 
gehrt, und  in  Tausenden  von  Francs  ausgedruckt,  wire  die  Reihenfolge 
diese:  .Ariane*  20,  .Meistersinger*  17,  .I^hengrin*,  «Tannbluser*,  »Wal- 
küre* und  .Tristan*  16,  .Faust*  19,  .Salammbo*  18,  .Armida*  und  «Samson* 
17,  .Aida*,  .Hugenotten*,  .Wilhelm  Teil*,  .Cid*,  .Coppelia*  16,  .Prophet*, 
.Romeo  und  Julia*,  .Ronde  des  Saisons*,  .FreischGtz*,  .Troubadoar*, 
.Thais*  15,  .Bajazzo*,  .Sigurd*,  .Fils  de  r£toile*  14,  .L'^tranger*, 
.Rigoletto*",  .Daria*   12  usw. 

Daraus  wäre  nun  nicht  auf  eine  besonders  würdige  AaffBbrung  der 
Wagnerschen  Werke  zu  schließen.  Wird  auf  den  Glanz  der  Ausstattnng 
sehr  viel  verwandt,  so  ist  doch  von  historischer  Treue  und  stilgerechter 
Darstellung  keine  Rede.  .Tristan*  soll  am  meisten  mißhandelt  werden, 
und  das  aufmiige  Interesse  durchreisender  Deutscher  an  den  Pariaer 
Wagneraufführungen  ist  doch  nur  ein  Kuriositätsinteresse  ohne  kfintde- 
rische  Befriedigung.  Wie  sollte  das  auch  möglich  sein?  Gibt  es  doch 
keine  germanischere  Kunst  als  die  Wagners!  Seine  Gedankenwelt  ent- 
spricht französischem  Wesen  in  keiner  Weise,  ja,  sie  ist  ihm  volIatlBdig 
verschlossen.  Die  gegenwärtige  Wagnerbegeisterung  in  Frankreich  ist  zu- 
nächst eine  Modesache,  ein  Genuß  exotischer  Kunst  und  vielleicht  anch 
eine  innerliche  Befriedigung  an  der  sinnlich-erotischen  Seite  der  Wagnerschen 
Musik.  Haben  französische  Komponisten  dem  Meister  das  abgdemt,  was 
dem  Franzosen  an  ihm  gefällt,  so  wird  man  den  Rest  gern  preisgeben 
Bezeichnend  für  die  französische  Aufführung  ist  schon  die  Tatsache,  daB 
man  Operntextbibliotheken  wie  die  Reclamsche,  mit  Erllntemngen,  Eia* 
leitungen  usw.,  nicht  kennt  und  den  Text  studierende  Zuscfaaaer  nicht 
findet^).  Unter  solchen  Umständen  ist  ein  geistiges  Erfassen  des  Wngnerachen 
Musikdramas  von  vornherein  ausgeschlossen,  und  von  welcher  Daner  die 
Begeisterung  für  eine  Musik  ist,  die  sich  nur  auf  eine  gewisse  BeMedignng 
an  der  Harmonie  und  auf  einzelne  frappierende  Episoden  gründet,  kann 
man  leicht  im  voraus  ermessen. 


')  Einzelne  Texte  sind  zu  1  Fr.  zu  haben. 


343 
PLATZHOFF-LmEUNE:  OPERNREPERTOIRE 


Im  allgemeinen  ist  der  Franzose  iußerist  langsam  in  der  Assimilation 
anslindischer  Kunst.  Die  großen  internationalen  Buhnenerfolge  erreichen 
Paris  sehr  spät,  und  der  Erfolg  ist  in  der  Regel  nicht  groß.  So  hatte 
.Cavalleria  rusticana*  einen  zwar  ziemlich  großen,  aber  nur  sehr  kurzen 
Beifall.  Interesse  für  andere  Stücke  der  gleichen  Autoren  wollte  sich  nicht 
einstellen.  Von  neueren  deutschen  Werken  hat  nur  «Hinsei  und  Gretel*  gefallen, 
ohne  sich  annähernd  so  lange  auf  dem  Repertoire  zu  halten  wie  in  Deutsch- 
land. Im  allgemeinen  ist  es  die  Regel,  daß  ein  Werk,  das  Erfolg  hat,  in 
einer  größeren  Anzahl  von  Aufführungen  hintereinander  abgespielt,  dann 
aber  gänzlich  beiseite  gelegt  wird,  um  nie  wieder  zu  erscheinen.  So  er- 
^ng  es  z.  B.  der  »Salome*  von  Richard  Strauß^). 

Die  ausländische  Operette,  der  man  bei  der  Freude  des  Franzosen 
an  leichter  Musik  einen  gewissen  Erfolg  hätte  prophezeien  können,  hat 
auch  kein  Glück  gehabt,  was  teilweise  an  der  groben  Komik  liegt,  die 
man  der  germanischen  Kunst  im  allgemeinen,  nicht  immer  mit  Unrecht,  in 
Paris  zum  Vorwurf  macht.  «Mikado*  und  «Geisha*  wurden  versucht  und 
beiseite  gelegt.  Selbst  der  «Lustigen  Witwe*,  wenn  sie  glücklich  in  Paris 
anlangt,  dürfte  es  nicht  besser  ergehen.  Die  «Fledermaus*,  trotz  einer 
unmöglichen  Übersetzung,  kam  einmal  als  «La  Tsigane*,  dann  mit  revidiertem 
Text  als  «La  Chauve-souris*  auf  die  Bühne  und  erwies  sich  etwas  zäh- 
lebiger als  die  anderen  Importationen.  Die  Möglichkeit  einer  Renaissance 
des  längst  vergessenen  Offenbach  scheint  seiner  ernsten  musikalischen 
Qualitäten  wegen  nicht  ausgeschlossen.  Im  Prinzip  gibt  der  Franzose 
einheimischen  Neuheiten  den  Vorzug  und  beurteilt  sie  mit  ungleich 
größerer  Nachsicht  als  die  ausländischen  Werke.  Dieser  immerhin  klein- 
liche Optimismus  hat  auch  sein  Gutes  und  durfte  in  dem,  allen  exotischen 
Produkten  nur  zu  offenen  Deutschland  schon  seine  Nachahmung  finden. 
Man  läßt  sich  von  den  eigenen  Landeskindem  auch  schwere  und  unver- 
ständliche Musik  schon  einmal  gefallen.  Man  achtet  Leute  wie  Vincent 
d'Indy,  Dukas  und  Debussy,  die  doch  wahrhaftig  dem  populären  Geschmack 
nicht  die  geringsten  Konzessionen  machen.  Selbst  die  einheimischen 
Musikkritiker  waren  über  den  dauernden  Erfolg  und  die  von  vornherein 
freundliche  Aufnahme  von  Werken  erstaunt,  die  nur  einer  feingebildeten 
Elite  zugänglich  schienen.  Das  Publikum,  das  sonst  nur  auf  grobe  Effekte 
reagiert,  glaubt  seinen  besten  musikalischen  Kräften  dieses  achtungsvolle 
Interesse  auch  dann  schuldig  zu  sein,  wenn  ihm  das  volle  Verständnis 
ihres  Talents  fehlt. 


^)  Hier  ist  der  geschätzte  Herr  Autor  wohl  nicht  ganz  richtig  informiert  worden. 
Dean  den  neueren  Nachrichten  zufolge  hat  die  Direktion  der  Großen  Oper  In  Paris 
beschlossen,  »Salomt*  in  Ihr  Repertoire  aufiunehmtn.  Anm.  der  Red. 


344 

DIE  MUSIK  VII.  18. 


Mit  dieser  erfreulichen  Note  sei  das  wenig  erfreuliche  Bild  des 
französischen  Opemlebens  geschlossen.  Beim  besten  Willen  und  io  vollster 
Unparteilichkeit  wird  man  nicht  behaupten  können,  daß  von  ibm  fQr  die 
deutschen  Bahnen  viel  zu  lernen  wire,  es  sei  denn  von  den  musteriiaCl 
stilgerechten  Aufführungen  der  Opera  Comique.  Hier  wie  dort  ist  die  Losnog 
des  Tages  multa,  non  mulium:  viele  Komponisten,  wenig  Talente,  kein  Genie; 
viele  Uraufführungen,  wenig  Werke,  die  sich  dauernd  behaupten.  Und 
solche,  die  großen  Erfolg  haben,  sind  leider  nicht  eben  die  besten.  Immerliin 
wird  man  gut  tun,  dem  französischen  Musikleben  in  Bühne  und  Koniert« 
saal  nach  wie  vor  große  Aufmerksamkeit  zu  schenken,  denn  es  fehlt  ihn 
nicht  an  schöpferischen  Kräften,  die  es  verdienen,  über  ihre  Lande^freaiea 
hinaus  bekannt  und  geschätzt  zu  werden. 


j4'. 


flnter  diesem  Titel  ist  vor  einiger  Zelt  eine  Reihe  von  Binden  er- 
I  schienen*),  in  denen  der  bekannte  Genfer  Musiker  in  syste- 
matischer Form  die  Regeln  einer  rhythmischen  Gymnastik 
I  entwickelt,  wie  er  sie,  soweit  mir  bekannt,  in  langjährigen  Ver- 
soeben  auf  seinem  Institute  allmihlich  ausgebaut  hat.  Jaques-Dalcroze  hat 
sich  in  der  Musikwelt  bereits  einen  sehr  angesehenen  Namen  gemacht;  ich 
erinnere  nur  an  sein  fein  empfundenes  und  geistvoll  instrumentiertes  Violin- 
konzert, um  dessen  Verbreitung  sich  besonders  sein  Landsmann  Henri 
Marteau  verdient  gemacht  hat,  an  seine  Oper  .Sancho*,  deren  deutsche 
Uraufführung  zu^StraDburg  ich  seinerzeit  in  diesen  Bllttem  besprochen  habe, 
an  eine  Reihe  überaus  anmutiger  Klavierstücke,  Lieder  und  Reigen  usw. 
Gerade  diese  letztere  Kunstgattung,  die  Verbindung  von  Musik  und 
rhythmischen  Bewegungen  des  Körpers,  wird  es  vermutlich  gewesen  sein, 
die  den  Künstler  zur  Ausbildung  seines  Systems  geführt  hat,  das  die 
harmonische,  auf  musikalischer  Grundlage  beruhende  Entwickelung  körper- 
licher Bewegungen  bezweckt.  Man  könnte  dabei  einen  Vergleich  mit  den 
Bestrebungen  der  Isadora  Duncan  ziehen,  wenn  nicht  bei  dieser  doch  das 
Hineinziehen  der  Tanzkunst  in  Musikstücke,  die  zu  diesem  Zwecke  Jeden- 
falls nicht  angelegt  waren,  einen  mehr  SuDerlichen,  willkürlichen  und  ge- 
zwungenen Eindruck  machte,  als  das  auf  durchaus  festem  musikalischen 
Boden  füllende  Vorgehen  von  Dalcroze.  Er  geht  von  den  Leitsitzen  aus, 
daß  der  Rhythmus  im  wesentlichen  eine  körperliche  Funktion  ist, 
und  daß  die  Ausbildung  derMuskulaturzu  bewußten  rhythmischen 
Bewegungen  ein  wichtiges  Element  des  mnsikalischen  Taktgefühls  einer- 
seits, der  harmonisch-graziösen  und  auch  hygienisch  fördernden  Körper- 
entwicklung andererseits  ist.  \Cie  hoch  er  diesen  letzteren  Gesichtspunkt, 
den  körperlichen  Einfluß  einer  geregelten  Atmung  und  MuskeltStigkeit 
einschätzt,  geht  aus  der  Sorgfalt  hervor,  die  er  den  anatomischen  VerhUt- 
nissen  der  von  ihm  erstrebten  gymnastischen  Übungen  wldmeL    In  einem 

')  Verlaf  von  Saodoi,  Jobin  ft  Co.,  Paris,  NencliaMl,  Leiptlg,  BbarsMit  voa 
Paul  Upple. 


346 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


besonderen  Bande,  mit  Tafeln  von  E.  Cacheuz,  schildert  er  geoan  die 
Vorgänge  der  Atmungsphasen  und  das  Bild  der  Extremititeomuskulatar  in 
verschiedenen  Bewegungszuständen. 

Der  Hauptband  der  Methode  enthält  nun,  aufs  minntiSseste  ans- 
gearbeitet,  alle  die  Übungen,  die  der  Autor  zur  Beförderung  der  Atemtätigkeit, 
zur  Kräftigung  der  verschiedenen  Muskelgruppen,  die  das  Gleichgewicht  der 
Bewegungen  zu  erhalten  bestimmt  sind,  zur  Beförderung  der  Kraft  und  Ge- 
schmeidigkeit dieser  Muskeln,  zur  Unabhängigmachung  der  Gliedmaßen  von- 
einander, und  damit  für  die  bewußte  Regelung  einer  sonst  instinktiven 
Willenstätigkeit  für  zweckmäßig  hält.  Diese  sind  somit  zum  Teil  Atem- 
übungen, in  denen  eine  Ausgleichung  der  Unterleibs-  und  Rippenatmnng 
erzielt  werden  soll,  unter  Ausschluß  der  unrichtigen  Hilfsbewegnogen  des 
Schultergürtels  und  Schlüsselbeins;  sie  sind  weiterhin  Marschübungen,  bei 
denen  der  Hauptwert  auf  das  energische  Hervorheben  des  guten  Takt- 
teils gelegt  wird,  und  die  sodann  mit  Taktschlagen  der  Hinde  oder 
sonstigen  Armbewegungen  (Rotieren  usw.)  in  der  verschiedenartigsten  Weise 
verbunden  werden.  Die  Übungen,  deren  Grundelemente  zunächst  fQr  Kinder 
gedacht  sind  und  diese  allmählich  zu  rhythmisch  empfindenden  nnd  har- 
monisch sich  bewegenden  Individuen  erziehen  wollen,  bauen  sich  nun  von 
den  einfachsten  Formen  und  Rhythmen  stufenweise  zu  immer  komplizierteren 
auf,  in  denen  schließlich  gleichzeitig  den  Händen,  den  Ffißen  und  dem 
Kopf  verschiedene,  von  einander  unabhängige  Bewegungen  zugemutet  werden, 
deren  Ausführung  sicherlich  eine  ganz  besondere  Disziplin  aller  Mnskel- 
gruppen  zu  erzeugen  imstande  ist.  Die  Mühe  und  Sorgfalt,  mit  der  Jaqnes- 
Dalcroze  alle  solche  Bewegungskombinationen  im  einzelnen  ausgedacht  nnd 
zu  einem  zusammenhängenden  System  gebracht  hat,  ist  geradezu  bewnnder* 
ungswert  und  von  einer  deutsch-professoralen  Gründlichkeit.  Daß  er  durch 
diesen  Kult  an  seiner  Schule  auf  dem  Gebiete  rhythmischer  Gymnastik 
ganz  besondere  Erfolge  erzielt  haben  wird,  erscheint  wohl  zweifellos,  nnd 
wenn  ich  nicht  irre,  hat  er  vor  einiger  Zeit  auch  in  Berlin  die  Frflchte 
seiner  Erziehung  in  Gestalt  seiner  lieblichen  Kinderreigen  nnter  großem 
Beifall  vorgeführt.  Aber  doch  scheint  es  mir,  daß  es  ihm  geht,  wie  so  oft 
denjenigen,  die  eine  an  sich  ganz  gesunde  und  zweckmäßige  Idee  knltlvieren: 
sie  spezialisieren  sie  zu  einseitig  und  überschätzen  ihre  Bedentung, 
manchmal  vielleicht  so  stark,  daß  andere,  nicht  minder  berechtigto  An* 
forderungen  dagegen  vernachlässigt  werden.  Ich  kann  mich  des  Eindrucks 
nicht  erwehren,  daß  eine  Schule,  die  tatsächlich  die  auf  sage  und  schreibe 
290  Seiten  aufgeführten  zahllosen  Einzelübungen  des  Autors  gewlssräbaft 
ausführen  läßt,  für  nichts,  aber  auch  für  gar  nichts  anderes  mehr  Zelt  finden 
wird,  wenn  sie  nicht  die  Kinder,  die  doch  außer  der  Musik  noch  Sonstiges 
zu  lernen  haben,  ganz  fibermäßig  belasten  will.     Und  dann:  bat  die  Vor- 


347 
ALTMANN:  DIE  METHODE  JAQUES-DALCROZE 


9iK 


einigttQg  von  Musik  und  Körperbewegung  wirklich  diesen  außerordentlich 
hohen  Wert,  daß  sie  so  komplizierte  und  anspruchsvolle  Methoden  recht«- 
fertigt?  Die  hohe  Bedeutung  des  Rhythmus  für  die  Musik  steht  ja  außer 
aller  Frage,  und  manchem  unserer  modernen  Musiker,  die  nur  noch  in 
Synkopen  und  aufgelösten  Rhythmen  empfinden,  wäre  eine  .Rückkehr  zur 
Natur*  darum  recht  sehr  anzuraten ;  aber  haben  wir  denn  nicht  alle  unser 
rhythmisches  Gefühl,  das.imstande  ist,  mit  zwei  Händen  drei  bis  vier  Rhythmen 
gleichzeitig  hervorzubringen,  ohne  solche  verzwickte  Obungstechnik  er- 
worben? Man  darf  doch  die  geistige,  intellektuelle  Natur  dieses  rhythmi« 
sehen  Gefühls  nicht  unterschätzen  und  darf  —  das  ist  meine  Ansicht  als 
Mediziner  —  die  Bestrebungen,  die  unwillkürlichen,  reflektorischen  Be- 
wegungen  (das  , Unbewußte*),  mit  deren  Fähigkeit  die  Natur  unsem  Körper 
so  herrlich  und  bewunderungswert  ausgerüstet  hat,  in  willkürlich  geregelte 
zu  verwandeln,  durchaus  nicht  unterstützen.  Gewiß  ist  es  wissenschaftlich 
wertvoll,  den  Mechanismus  der  Atmung  genau  zu  kennen;  den  Gesangs- 
schüler aber  .wissenschaftlich*  atmen  zu  lassen,  anstatt  sich  damit  zu  be- 
gnügen, die  natürlichen  Instinkte  auf  die  richtige  Bahn  zu  lenken,  halte 
ich  für  eine  Verkehrtheit,  die  leider  in  den  Köpfen  so  vieler  Gesangslehrer 
herumspukt,  und  durch  Zerstörung  der  natürlich-instinktiven  Harmonie  und 
Ungezwungenheit  oft  die  nachteiligsten  Folgen  hervorruft.  Sodann  spielen 
die  körperlichen  Bewegungen  doch  nur  auf  ganz  eng  begrenzten  Gebieten 
der  Musik  eine  Rolle:  dem  der  Tänze  und  Märsche  (eine  Sammlung 
solcher  .rhythmischer  Märsche*,  die  teils  in  einfachen,  teils  in 
zusammengesetzten  Taktformen  gehalten  und,  wie  bei  Dalcroze  anzunehmen, 
zumeist  von  sehr  hübscher  Wirkung  sind,  bildet  ebenfalls  einen  Abschnitt 
seines  vierbändigen  Werkes).  Das  ganze  übrige  und  eigentliche  Haupt- 
gebiet  der  Musik  kennt  diese  Kombination  nicht,  und  daher  erscheint  es 
doch  etwas  übertrieben,  um  jenes  kleinen  Seitengebiets  willen  die  Ausbildung 
der  Zöglinge  zu  sehr  zu  komplizieren  und  von  den  ästhetischen  Bahnen 
der  höheren  Kunst  abzulenken. 

Auch  die  Kapitel,  die  vom  «Studium  des  Notenplanes*  handeln, 
leiden  meiner  Ansicht  nach  unter  einer  unnötigen  Komplizierung  des  an 
sich  doch  wahrhaftig  nicht  so  schwierigen  Stoffes.  Wozu  denn  sich  mit 
ein-,  zwei-  und  dreilinigen  Notensystemen  abplagen,  anstatt  gleich  das 
normale  Notensystem  vorzunehmen,  wozu  den  alten  Zopf  mit  den  ver- 
schiedenen Schlüsseln  weiter  pflegen,  ein  künstliches  Hilfsliniensystem  aus- 
arbeiten  usw.  ? 

Von  weit  größerem  Interesse  sind  die  Kapitel  über  »Phrasierung 
und  Nuancierung*,  in  denen  Dalcroze  in  origineller  Weise  von  dem 
Studium  der  Tonleiter  ausgeht.  Wenn  er  dabei  ausfuhrt,  daß  jeder 
Schüler  nach  einiger  Zeit  befähigt  sei,  das  absolute  Gehör  zu  erhalten. 


348 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


z.  B.  den  Ton  c  als  solchen  zo  erkennen,  so  vage  ich  dis  doch  zn  bezvdMn, 
und  verniig  ferner  nicht  recht  einzasehen,  velchen  so  groOen  Nutzen  d(eB^ 
lieh  dieses  bei  vielen  der  grÖDten  Musiker  nicht  vorfauideneibsolnteGebSr 
besitzen  soll  ?  Ich  hibe  Im  Gegenteil  gefunden,  dafl  die  damit  «Behafteten* 
beim  Transponieren  usw.,  vie  es  z.  B.  im  Gesang  so  oft  erforderlich  ist,  die 
erheblichsten  Schwierigkeiten  haben.  Und  ob  der  KanstgenuB  wirklich 
dadurch  erhöht  oder  die  musikalischen  Fähigkeiten  eines  Indlvidnnms  dadnrdi 
gesteigert  werden,  daß  es  die  Tonart  eines  Stücke«  sofort  heransznhSrcn 
imstande  ist,  das  möchte  ich  ebenfalls  dahingestellt  sein  lassen.  Mir 
scheint  das  Wesen  musikalischer  Empfindung  doch  mehr  anf  anderen 
Gebieten  zu  liegen,  als  auf  dem  dieser  verhiltnismiSigen  Äu&erlictakeltenl 
In  viel  höherem  Grade  kann  man  sich  mit  den  sonstigen  Nuanclemngs- 
und  Phrasierungsangaben  einverstanden  erküren,  die,  von  xablreicben 
Beispielen  begleitet,  den  lohalt  dieses  Beihefts  bilden. 

Ich  glaube  mit  diesen  Zeilen,  soweit  es  sich  ohne  weiteres  ^ngebeo  auf 
Einzelheiten  ermöglichen  ließ,  eine  kurze  Obersicht  des  Inhalts  und  Wesens 
der  Datcroze'schen  Methode  gegeben  zu  haben,  wobei  ich  natürlich  nicht 
verkenne,  dafi  andere  Beurteiler  vielleicht  zu  anderen  ResulUten  gelangen 
können.  Jeder  Musikpädagoge  wird  gewllt  mit  Interesse  und  vielhcb  auch 
mit  Vorteil  für  seinen  Unterricht  die  Ausführungen  des  geistvollen,  kenntnis- 
reichen und  strebsamen  Genfer  Professors  in  die  Hand  nehmen;  ob  aber 
viele  sich  werden  entschließen  können,  die  Methode  in  der  vorliegenden 
Form  sich  zu  eigen  zu  machen,  vermöchte  ich  nicht  zu  sagen,  fBrcbte 
aber,  daß  es  schon  aus  Zeitmangel  kaum  der  Fall  sein  wird.  Eine  weitere 
Verbreitung  seiner  in  vieler  Hinsicht  sieber  sehr  ersprießlichen  nnd  ^ 
in  jeder  Bedeutung  des  Wortes  —  gesunden  Bestrebungen  würde  meinet 
Erachtens  der  Autor  nur  erreichen  können,  wenn  er  sich  entschlSsae,  die 
Hauptpunkte  seiner  Methode  in  einer  wesentlich  kürzeren,  kompendlBtcran 
Form  herauszugeben. 


I  der  Mittigsslunde  des  Kantate-Sonniigs  1008  stebl  in  Leipzig  in  der 
I  SüdseKe  der  Thomas  iure  he,  dort,  wo  noch  bis  vor  wenigen  Jahren  die 
ehemalige  Ttaomasschule  den  alten  Kirchhofs  platz  recbtwialilig  lum 
J  Gotteshause  abgrenzte,  In  erzener  Leibbaftigiceit  der  große  Thomasicantor 
'Johann  Sebastian  Bach,  wie  ihn  uns  Meister  Carl  Seffner  gefonnt. 
Vor  einer  Orgel  postiert,  der  er  den  Rficlien  zukehrt,  nach  deren  Manual  aber  die 
linke  Hand  noch  zurüc legreift,  blickt  der  in  der  Tracht  seiner  Zeit,  In  Perücke, 
langem  Rock,  ScboDweste,  Kniehosen  und  Scbnallensctauhen,  dargestellte  All- 
meisier  mit  ausdrucksvoll  erregtem  Antlitz  In  die  Feme  hinaus,  als  leitete  er  mit 
dem  Blick  einen  tausendflltigen  Chorus  beim  Singen  eines  Lob-  und  Dankliedes, 
dessen  Partitur  er  mit  der  energisch  eingezogenen  rechten  Hand  umklammert  hllt. 
Ein  starker  Stiramungszug  von  GrSße  und  Wahrhaftigkeit  gebt  von  dem  3,50  Meter 
über  einem  3  Meter  hohen  Muschelkalksteinsockel  aufragenden,  kfinstlich  patioierten 
Bronze  stand  bilde')  aus,  und  des  Bildners  Kunst  bewundernd,  mAchte  man  beink 
Anblick  des  Denkmales  gapz  unwillkürlich  susrufeRi^  Wahrlich,  dieser  ist  Jobann 
Sebastian  Bach  gewesen,  so  muü  er  ausgesehen  haben,  der  gewaltige,  unermüdliche 
Evangellenverkündiger  und  Beherrscher  der  Orgel.  Mit  Schauem  der  Ehrfurcht 
treten  Unzihlige  vor  das  Erzbildnis  des  grollen  Tondichtera  hin,  der  In  Wahrheit 
hat  sterben  müssen,  um  in  seinen  Werken  unsiertlich  aufzuerstehen.  Ist  es  doch 
ein  wunderbar  Gewaltiges  und  Erhabenes  um  die  hohe  Kunst  Johann  Sebastian 
Bachs,  aus  der  sich  in  Tönen  glelchssm  der  Geist  einer  bOberen  Weltordnung  otfen- 
hart,  und  die  zugleich  mit  der  ergreifendsten  Ausdeutung  des  Erlös ungsgedankens 
allen  Empfindungssegen  demütiger  Ergebenbelt,  tröatllcber  Holfnung  und  Zuversicht- 
liebsten  Vertrsuens  über  die  Menscbenherzen  ausströmt.  Wie  der  Anblick  gotiscber 
Dome  vergessen  mschi,  daß  es  Menschengeist  und  Menschenhlnde  waren,  die  also 
gewaltige  steinerne  Bekenntnisse  zum  Himmel  binauflürmten,  so  entschwindet  auch 
beim  Anhören  Bachseber  Schöpfungen  die  Vorstellung  von  Menschenwerk;  vor  dem 
geistigen  Ohre  erbaut  sich  da  In  Klingen  ein  Unzerstörbar-Festes,  Wunderbar- Voll 
kemmenes,  über  dem  gleich  den  Wolkenschatten  und  Sonnenstrahlen  des  Himmels 
das  leidestraurige  und  freudejauchzende  tiefste  Empflnden  einer  edlen,  grollen  und 
starken  Seele  ausgebreitet  liegt,  und  wir  spüren  in  Ewigkeiten  binauswscfasen,  was  in 
Ewigkeiten  wurzelte.  Eine  schier  unermeßliche  Fülle  von  tönenden  Schöpfungv 
wundem  und  von  hymnischen  Ausdeutungen  siler  erhabensten  Gemüts-  und  Geistes« 
feste  ist  es,  was  Jobann  Sebastian  Bach,  der  begeistertste  und  ausdmcksge waltigste 
Gotiesslnger  aller  Zelten,  der  Menschheit  zu  eigen  gab,  und  so  hatte  man  denn  die 


■f  Eine    Abbildung    des    Denkmals    brachten    die  Kunstbeiiigen   des  zweiten 
Maifaeties.    Red. 


350 
DIE  MUSIK  VIL  18. 


Ehrung  seines  Andenkens  rechtens  in  die  zwischen  dem  Osterfeste  mit  seinen  tie^ 
ernsten  Passionsgedsnken  und  seiner  Auferstehungshoffnung  und  dem  Pfingstfette 
mit  seiner  in  allen  Zungen  reden  machenden  Ausgießung  Heiligen  Geistes  liegende 
Maienzeit  verlegt,  wo  Schöpfungswunder  über  Schöpfungswunder  uns  allenthalten 
umschwellen  und  umbluhen,  und  in  den  Lüften  aus  tausend  und  ater  tausend  Vottl- 
kehlen  die  alte  Maienmotette  «Singet  dem  Herrn  ein  neues  Lied*  erschallt  0er 
jauchzende  Maienjubel  in  der  Natur  und  rechte  maienfröhliche  Dank-  und  Lobseligkeit 
der  Menschenherzen  vereinigten  sich  zu  festlichen  Doppelchören,  da  nun  in  Leipiig 
unter  entsprechenden  musikalischen  und  kirchlichen  Feierlichkeiten  dem  ehemaligen 
Thomaskantor  ein  der  Bedeutung  Bachs  für  die  Welt  und  der  Bedeutang  Leipzig» 
für  das  Auferleben  der  Bachschen  Kunst  wahrhaft  entsprechendes  Denkmal  errichtet 
wurde.  Wohl  besaß  Leipzig  schon  seit  1843  ein  kleines  bildstöckelartiges  Bach- 
denkmal, das  Felix  Mendelssohn-Bartholdy  voller  Freude  an  den  nach  Bendemanns 
Entwurf  angebrachten  «vielen  Säulen,  Siulchen,  Schnörkeln  und  zierlichen  Verziemngen^ 
die  ihn  wirklich  an  den  alten  Sebastian  erinnerten",  der  Stadt  gestiftet  hatte,  nnd  das- 
ehedem,  da  man  in  Leipzig  eben  erst  zu  begreifen  begann,  daß  der  Mann,  den  man 
hier  nach  siebenundzwanzigjihriger  verdrußreicher  Amtsfh>ne  1750  pmnklos  auf  dem 
alten  Johanntsfriedhof  beigesetzt  hatte,  ein  unsterblicher  Genius  gewesen  war,  als 
eine  zureichende  Huldigung  empfunden  werden  konnte.  Für  das  heutige  Leipzig  ater^ 
das  insonderheit  durch  die  1850  hier  vollzogene  Gründung  der  Bachgesellschafl^ 
durch  die  von  dieser  und  der  Firma  Breitkopf  &  Hirtel  besorgte  Gesamtnusgate 
der  Werke  Bachs,  durch  treue  Pflege  der  Bachschen  Kunst  vonseiten  des  Thomaner* 
Chores,  des  Riedelvereines  und  des  Bachvereines,  durch  nahezu  alljährliche  bedeu^ 
same  Aufführungen  der  „Matthiuspassion"  und  als  Sitz  der  1900  gegründeten  und  bis- 
her bereits  um  die  Veranstaltung  dreier  deutscher  Bachfeste,  um  die  Herauagabe 
wertvoller  Bach-Jahrbücher' und  sonstiger- einschligiger 'Publikationen  und  um  die 
Einrichtung  des  von  ihr  erworbenen  Eisenacher  Geburtshauses  zum  Bachmuseum 
hochverdienten  Neuen  Bschgesellschsft  recht  eigentlich  zum  Hauptorte  einer  sieb 
mächtig  durchsetzenden  Bschrensissance  geworden  ist,  mußte  auch  die  Gestalt 
des  Meisters  in  monumentaler  Größe  suferleben,  wie  das  nun  endlich  zu  allgemeiner 
Freude  geschehen  ist. 

Der  Denkmslsenthüllungsfeier  sm  Ksntste-Sonntage,  die  in  Anwesenheit  vieler 
städtischen  Würdenträger,  des  Denkmslsbildners  und  unzähliger  Bachverehrer«  darunter 
auch  des  Prinzen  Friedrich  Wilhelm  von  Preußen,  eines  Sohnes  des  verstorbenen 
Regenten  von  Braunschweig,  des  Erbprinzen  Reuß  }.  L.,  und  Heinrichs  XXIV.  Pfirtten 
Reuß,  mit  Weihegesängen  der  Thomsner,  einer  zündenden  Ansprache  des  Vorsitzenden 
vom  Denkmalkomitee,  Geh.-Rat  Prof.  Dr.  Adolf  Wach,  einer  Dankesrede  des 
Oberbürgermeisters  Dr.  Tröndlin  und  der  Niederlegung  von  Kränzen  durch 
Delegierte  verschiedener  Leipziger  und  Berliner  musikslischer  Korporationett  und 
durch  den  Bürgermeister  von  Eisenach  feierlich-schön  verlief,  wsr  ein  Im  Geiste  der 
Bschschen  Zeit  reich  mit  Musik  (Choralvorspielen,  Chorälen,  der  Motette  »Sei  Lob 
und  Preis  mit  Ehren**,  der  Ksntste  „Es  ist  euch  gut,  dsß  ich  hingehe"  und  der  F-dur- 
Toccats  von  Bsch)  durchsetzter  Festgottesdienst  in  der  altehrwurdlgen  Thomas- 
kirche vorausgegangen,  bei  dem  Superintendent  Nelle  aus  Hamm  eine  Fest- 
predigt über  Markus  16, 15:  „Gehet  hin  in  slle  Welt  und  predigt  das  Evangelium  aller 
Kreatur^  gehalten  und  in  ihr  Bachs  treubegeisterte  Erfüllung  dieses  Gebotes,  seltt 
festes  Wurzeln  im  Glauben,  in  der  Gemeinde  und  in  der  Fsmilie,  und  die  Baclipche 
Kunst  als  einen  die  Völker  segnenden  und  die  Nstionen  verbindenden  heiligen  Strom 
gerühmt  hatte. 


351 
SMOLIAN:  LEIPZIGER  BACHFEST 


X 


Um  den  Kernpunkt  des  diesmaligen  Bachfestes  waren  fünf  Konzerte 
gruppiert^  die  mit  der  vorzuglich  schönen  Auswahl  aller  Progg^mwerke  und  deren 
insgesamt  vortrefflicher  Ausführung  eine  beglückende  Fülle  Bachschen  Geistes  über 
die  Festgemeinde  ausgeströmt  und  die  Sinn  und  Seele  bezwingende  lebendige  Kraft 
der  Bachseben  Kunst  in  überzeugendster  Weise  dargetan  haben.  Schon  am  Freitag- 
Abend  hatten  in  der  Thomaskircbe  der  vortreffliche  Baseler  Münsterorganist  Adolf 
Hamm  und  die  wahrhaft  begnadete  Baseler  Altistin  Maria  Philippi  mit  meisterlichen 
Orgel  vortragen  (Es-dur  Präludium  und  Tripelfuge  aus  der  «Klavierübung%  a-moll 
Konzert  nach  Vtvaldi,  G-dur-Priludium  und  Fuge  und  Choralphantasieen  Jesus 
Christus,  unser  Heiland"  und  „O  Lamm  Gottes*)  und  edlen  Gesangsgaben  (geistliche 
Lieder  «Kommt,  Seelen,  dieser  Tag",  i,Brich  entzwei,  mein  armes  Herze*,  «Komm,  süßer 
Tod*,  «Jesus,  unser  Trost  und  Leben*,  „So  gibst  du  nun,  mein  Jesu,  gute  Nacht* 
und  «Ich  halte  treulich  still*)  auf  herzerhebende  Weise  zum  Feste  präludiert.  Am 
Sonnabend  aber  erklangen  in  der  Thomaskircbe  nachmittags,  eingeleitet  mit  einer 
ungewöhnlich  elegisch-weichen  Reproduktion  von  Präludium  und  Fuge  in  g->moU 
durch  den  Hamburger  Christuskirchenorganisten  Gustav  Knak,  die  von  den 
Thomanern  unter  Prof.  Gustav  Schreck  ganz  herrlich  ausg^eführte  doppelchörige 
Motette  «Singet  dem  Herrn  ein  neues  Lied*  und  abends  bei  wiederum  vorausi 
gehendem  Orgelvortrage  des  Herrn  Knak,  der  diesmal  an  der  c-moll  Passacaglia 
hervorragende  Meisterschaft  offenbarte,  die  wunderbaren  Kantaten  «Wie  schön  leuchtet 
der  Morgenstern*  und  «Mein  liebster  Jesu  ist  verloren*  und  das  erhabene  «Magniflcat*, 
in  hoher  Vollkommenheit  vorgeführt  durch  den  kundigen  und  begeisterten  Bach* 
Interpreten  Karl  Straube,  den  durch  die  Thomaner  und  Mitglieder  des  Lehrer- 
gesangvereins verstärkten  Bachverein,  ein,  abgesehen  vom  Indisponiertsein  des 
Tenores,  ganz  auf  der  Höhe  seiner  Aufgaben  ^siebendes  Solistenquintett  (Jeannette 
Grumbacher-de  Jong,  Enna  Reichel,  Maria  Philippi,  Ludwig  Heß  und  Arthur 
van  Eweyk)  und  das  Gewandhausorchester,  dem  sich  Prof.  Dr.  Max  Seiffert 
am  Flügel  und  der  Organist  M.  G.  Fest  an  der  Orgel  zugesellt  hatten. 

Am  Abende  des  Enthüllungstages  zauberte  eine  gar  köstliche  Kammermusik 
im  großen  Gewandhaussaale  der  Festgemeinde  den  ganz  intimen  Bach  vor,  und  wie 
Maria  Philippi  hier  mit  den  drei  Gesängen  «Bist  du  bei  mir*,  «Warum  betrübst  du 
dich*  und  «Gib  dich  zufrieden*  aus  dem  «Klavierbüchlein  der  Anna  Magdalena  Bach* 
alle  Herzen  ergriff,  und  die  junge  Pariser  Sopranistin  Enna  Reichel  mit  dem  von 
Karl  Straube  und  einer  Gruppe  trefflichster  Gewandhausmusiker  begleiteten,  sehr 
anmutigen  Vortrage  der  überaus  liebenswürdigen,  fröhlichen  Hochzeitskantate  «Weichet 
nur,  betrübte  Schatten*  erfreute,  so  riefen  mit  prächtigen  Reproduktionen  der  h-moll 
Sonate  für  Klavier  und  Flöte,  der  f-moll  Sonate  für  Klavier  und  Violine,  der  g-moll 
Sonate  für  Klavier  und  Violoncello  und  der  d-moll  Partita  für  Solovioline  Universitäts- 
musikdirektor Max  Reger,  der  alle  Klavierpartieen  mit  großer  Klangschönheit  und 
in  reichster,  vermutlich  wohl  nicht  immer  ganz  originalgetreuer  Polyphonie  ausführte, 
der  vorzügliche  Gewandhausflötist  Maximilian  Schwedler,  der  unübertreffliche 
Meistergeiger  Prof.  Henri  Mar  teau  und  der  anfangs  allerdings  nicht  zum  besten  aufgelegte 
Prof.  Julius  Kien  gel  bewunderungs  volle  Begeisterung  wach.  Sämtliche  Mitwirkenden, 
vornehmlich  aber  Henri  Marteau,  Maria  Philippi  und  Karl  Straube,  dem  man  im 
Gewandhaussaale  für  sein  schönes  Vollbringen  in  den  Kirchenkonzerten  danken 
wollte,  wurden  mit  vielem  Beifall  und  Hervorruf  geehrt. 

Den  Schluß  des  schönen  Festes  bildete  am  Montag  in  der  Thomaskirche  die 
«Passionsmusik  nach  dem  Evangelisten  Matthäus*,  die  bei  diesem  besonderen 
Anlaß  versuchsweise  fast  völlig  strichfrei  (es  blieben  nur  zwei  kleine,  ganz  un- 


352 
DIB  MUSIK  VII.  18. 


wetentllcbe  Rezftativstellea  fort)  und  darum  In  durch  eine  lange  Pauae  unterbrochener  fp- 
■onderter  Vledergab^  ihrer  beiden  Teile  (drei  bf>  fünf  Utar  und  balb  acht  bia  drei- 
vienel  zehn  Uhr)  vorfefühn  wurde.  Auch  diese  Pasaionaaufrühnini,  die  «icdemm  rofl 
Karl  Straube  feleitet  wurde  und  fQr  die  zu  dem  bereits  bei  der  Beaprecbung  des 
Kantaten konzertes  erwlhnten  und  gerühmten  Ensemble  noch  Emii  PInka  als  guter 
Interpret  der  bisher  gestrichen  gewesenen  Tenorarie  .Geduld,  Geduld',  die  Herren 
von  Hergel,  Rosenthal,  Stichllng  und  Schneider  ala  tüchtige  Vertreter  der 
kleinen  Solopartieen  und  Hans  Vsterhsus  sls  allzu  aaturalistisch  singender  Vor- 
tragender der  eralmsllg  mit  aufgenommenen  BsQarlen  «Gerne  will  ich  mich  bequemen', 
.Gebt  mir  meinen  Jesum  wieder",  «Komm',  sQUes  Kreuz'  und  .Mache  dich,  mein 
Hene,  rein'  talnzugekommen  waren,  nahm  bei  allerdings  noch  nicht  rSIIlg  bevirfeier 
Einheitlichkeit  der  Auffassung  und  einigen  etwaa  launenhaften  Oberbaatungea  oder 
Verbreiterungen  von  Zeitmaßen  insgesamt  einen  so  ungemein  k&nsllerlacb  anregenden 
Verlauf,  daß  man  ihr  nur  mit  dem  lebhaftesten  Interesse  und  an  den  Tielen  H5he- 
punkten  mit  freudiger  Begeisterung  folgen  und  aobUeülicta  wohl  In  den  von  rer- 
scbiedenen  Seiten  geiu&enen  Tunsch  mit  einstimmen  konnte,  da&  Leipzig  mh  der 
Zell  zu  einem  Bayreuth  der  Bachschen  Kunst,  zur  Slltte  regelmiOlg  wiederkehrender 
Bacbfeste  mit  stilgerecht  groß  angelegten  Aufführungen  Bachaetaer  ScbSpftaaJteB 
werden  mSge.  Für  solche  Feste  dürfte  dann  wohl  auch  die  atrlcliltala  Wiedergabe 
der  MatttaluspRSslon  beizubehslten  sein,  wihread  für  Aufführungen  unter  normalen 
Verhiltnissen  das  Aufrechterhalten  der  im  Grunde  doch  recbt  wohl  angebrachten  und 
durchaus  zweckgemillen  Kürzungen  zu  empfebren  Ist. 

Die  Thomaner,  Karl  Straube,  dem  zu  aelnem  intimen  BacliTeratiiidnIa  and 
seiner  leidenschaftlichen  Bachbegeisterung  bsid  eine  noch  grOltere  AuftkaauBgahsiig- 
keit  und  entschlossenere  Herrschsft  über  sein  eigenes  Temperament  und  Ober  die 
zuweilen  zu  stilwidrigen  Vortrsgsmodlßkatlonen  neigenden  Geaangaaollaten  beacliMeB 
sein  mJIgen,  und  der  Bachverein,  das  sind  die  drei  Faktoren,  die  Leipalg  zur  Fe•^ 
stltte  des  Bachkultes  pridesliniert  erscheinen  lassen. 

Zu  erwihnen  habe  ich  schließlich  noch,  daß  Dr.  Alfred  Heult  auch  Kr  das 
zu  diesem  Bscbfteste  ausgegebene  Pest-  und  Programmbuch  sehr  eindringt  lebe,  dauernd 
wertvolle  historiscb-isthetische  Erliuteningen  aller  zur  Aufführung  gelangten  Werke 
und  darunter  insonderheit  eine  ganz  ungemein  erkenntnis-  und  gedankenroiebe  Hb.' 
führung  in  die  Mattbluspassion  verfsßt  halte,  und  daß  Frl.  HIa,  die  Tochter  dea  um 
die  Rekognoszierung  des  Bachseben  Sctaldels  hochverdienten  Anatomen  Prof.  HIa, 
wibrend  des  Bacbfestes  im  Stidtischen  Museum  eine  sehr  Interessante  AuaatelliiBg 
von  vielen  auf  die  Aufflndung  und  Überarbeitung  des  Bachschldels  bezflglichen  Auf- 
zeichnungen und  Abbildungen  und  von  allen  hier  erreichbaren  Bacbportrtte  und 
Bacbbüsten  veranstaltet  hatte,  deren  Anblick  die  Besucher  in  der  ObeneugBig 
bestirken  mußte,  daß  Bsch  in  Wirklichkeit  so  ausgesehen  habe,  wie  Ihn  Prof.  Seffner 
nach  langjlbrigem  gewissenhaftesten  Poracben  und  Formen  in  seinem  ectaBiwii 
Denkmale  dargestellt  hat. 


im  Grünen,  in  weißem  MRrmor  prangend,  erhebt  sich  jetit  das 
I  Monument  des  Melatera,  der  das  Deutsche  Requiem  und  das  Scbickaals- 
lied  gesuDgen  hat  In  blühenden  BQschen  ringsum  rauscht  der  Frühling; 
nur  ein  Stückchen  der  graugelben,  ernsthaften  Fassade  der  Technischen 
'  Hochschule  und  der  lustig  roten  der  Evangelischen  Schule  ragt  hinter 
dem  dichten  Cezwetge  des  Resselparks  empor;  drüben  dringt  die  Menge,  und  ab* 
gedlmpR  klingt  der  unaufhdrllcbe  Tumult  des  von  den  Biumen  verborgenen  Nasch- 
markts herüber,  dessen  HSkerinnen  in  Schelten  und  Keifen  eine  mehr  als  bloD  lokale 
Berühmtheit  erlangt  haben.  Hieristjohannes  Brahms  alltlglich  in  seiner  darin  sehr 
an  Beethoven  mahnenden  Art  vorbeigegangen:  immer  entblöBcen  Haupts,  mit  kurzen, 
harten  Schritten  der  gedrungenen  Gestalt,  mit  wehendem  welQen  Bart  und  Haar,  die 
Hinde  mit  dem  Hat  auf  den  Rücken  gelegt  und  mit  versonnenen  Tilumen  in  den 
wundervollen  blauen  Augen.  Und  hier  haben  sie  das  Denkmal  des  herb  verschlossenen 
Mannes  aufgestellt,  der  auch  im  Lirm  still  und  auch  in  der  Menge  einsam  war. 

Er  sitzt,  gleichsam  behaglich  rastend,  auf  einer  Bank;  das  massige  Haupt  in 
freundlichem  Sinnen  geneigt,  mit  jenem  gemichlichen  Ausdruck,  den  er  oft  in  einem 
heiter  pokuüerenden  Kreise  von  Menschen  hatte,  die  er  leiden  mochte.  Der  Kopf 
auf  Ilse  Conrats  Grabdenkmal  ist,  trotz  der  geringeren  Dimensionen,  viel  mona- 
mentaler und  hat  mehr  GrÖBe;  der  Weyr'sche  ist  Intimer  und  vertrauter.  Tie  über- 
haupt das  ganze  Denkmal  In  seiner  lissigen  Ungezwungen  hell  und  der  sebr  charak- 
teristischen Detaillistik,  die  das  Problem  der  kleinen  und  untersetzten  Gestalt  des 
Meisters  zu  lebendiger  und  dabei  plastisch  vortrelflicfaer  Lösung  bringt,  etwas  an- 
genehm  .unofflzieiles"  hat.  Oder  vielmehr  bitte,  wenn  da  unten,  lu  Füllen  der 
grau  schimmernden  Sockelstutbn,  die  in  eintacher  Schrift  bloß  den  Namen  Mjot»nnes 
Brahms*  tragen,  nicht  eine  aufreizend  überflüssige  allegorische  Figur  hingestreckt 
wire,  die  grimmigen  Gesichts  In  die  Saiten  einer  Leier  greift.  Die  alnapintjon",  — 
oder  sonst  Irgend  eine  der  aufdringlichen  Atrributtrigerinnen,  die  dem  Beschauer  den 
.Berur*  des  Dargestellten  entgegenschreien.  Tire  sie  zu  entfernen  —  und  es  ist 
nicht  ausgeschlossen,  daß  das  ohne  un künstlerischen  Zwang  möglich  wire  —  so  bitte 
man  wirklich  ein  vornehmes,  einfaches,  ganz  dem  Tesen  des  Meistera  entsprechendes 
Denkmal  >|. 

Man  hat  viel  darüber  gesprochen,  ob  es  jetzt  schon  an  der  Zeit  war,  dieses 
Standbild  für  Brahms  zu  setzen.  Es  Ist  vielleicht  wirklich  noch  nicht  die  rechte  Distanz 
zum  Brahms'scben  Terke  da,  um  ermessen  zu  kOnnen,  ob  die  SchSpfung  des  Künstlers 
das  Gewicht  de«  großen  Wortes  .Unsterblichkeit*  zu  tragen  vermag  und  ob  sein  Lied 
so  lange  lebendig  bleibt,  als  der  Denkstein,  der  es  verkündet.    Und  sicher  ist,  daß  es 


■)  Eine  Ansicht  4e8  von  Professor  Rudolf  Weyr  geschaffenen  Denkmals  Rndet 
der  Leser  unter  den  Kunstbeilagen  dieses  Heftes.    Red. 

VII.  la  23 


SPS  DIE  MUSIK  VII.  18.  ^BK 

Phantasieen  eines  Betrunkenen"  vor  etwa  zwanzig  Jahren  die  schleunigste  Flucht  aus 
Wien  antreten  mußte,  werden  da  die  Bannfifiche  Qber  alle  »spekulativen,  sensations- 
süchtigen  Musiker  nach  Brahms*  gestottert  Es  bleibt  aber  nicht  bei  dem  stotternden 
Privatissimum  dieses  Helden:  in  der  Hartungschen  Zeitung  (nach  deren  Lektüre 
sich  Unbefangene  im  Reiche  nicht  etwa  ein  Bild  vom  Stand  unserer  Musikkritik 
zeichnen  sollen,  der  schließlich  such  Minner  wie  Nodnagel  und  Paul  Ehlers  Ihren 
Isngjihrigen  Beistand  leisteten)  geifert  er  gegen  die  ganze  Moderne  nicht  blofl, 
sondern  mit  unerhörter  Dreistheit  such  sn  dem  Werk  Richsrd  Wagners  herum.  Da 
konnte  man  heuer,  im  Jahre  des  Heils  1908,  von  einem  »sensationellen  Gestalten  der 
Isolde**,  Pöbeleien  gegen  Hugo  Wolf  lesen;  der  Fsustsymphonie  wurde  doch  wenigstens 
ihr  Gretchensatz  als  halbwegs  snstindige  Musik  gelsssen.  .  .  .  Die  Tatsache,  daft 
solche  Dinge  hier  überhaupt  noch  möglich,  enthebt  mich  weiterer  unerquicklicher  Fest- 
stellungen in  dieser  Richtung.  Die  sehr  gehsmischten  offSenen  Angriffe  Nodnsgels,  die 
zwischen  den  Zeilen  eingeflochtene  edle  Abwehr  Ehlers',  endlich  die  seit  zwei  Jahren 
in  gleicher  Richtung  sich  bewegenden  Bestrebungen  des  Verfkssers  dieser  Zeilen  —  sie 
hsben  noch  immer  keine  Abhilfe  schaffen  können.  Abgesehen  von  diesem  tragikomischen 
Kapitel  des  hiesigen  Fortschrittes,  wäre  es  also  zu  seiner  Besserung  ebenso,  wie  für  einen 
höheren  Quslttitsgrad  der  Aufführungsverhältnisse  dringend  zu  wünschen:  man  gründe 
ein  neues,  eigenes  Konzertorchester,  richte  damit  auch  volkstümliche  Symphonieabende 
ein.  Auf  Königsberg  und  Danzig  alternierend  verteilt,  könnte  eine  solche  Institution 
beiden  Städten  nur  zum  Heil  werden.  So  such  nur  könnte  msn  Wendel,  von  dem 
unten  noch  die  Rede  ist,  die  seinen  Fähigkeiten  gebührende  Stellung,  seiner  eminenten 
Künstlerschsft  Gelegenheit  geben,  dem  musikslischen  Gemeinwesen  von  weittragen« 
dem  Nutzen  zu  sein.  Mit  der  in  zwei  Jahren  zu  gewärtigenden  Einweihung  der  neuen 
Stadthalle  zussmmengehend,  würde  diese  Orchestergründung  dem  ostpreußischen 
Musikleben  einen  großen  Aufschwung  zuführen. 

Inzwischen  ksm  nun  da  —  ganz  wie  im  Märchen  —  ein  Prinz  ins  Land,  der 
Frau  Musika  liebt  und  verehrt.  Friedrich  Wilhelm  von  Preußen,  des  Braun- 
schweiger Regenten  Sohn,  nahm  sich  der  Idee  eines  dreitägigen  Musikfestes 
begeistert  sn.  In  edelster  Absicht,  jedoch  offenbar  in  Unkenntnis  dsrüber,  wie  gerade 
hier  (aus  den  oben  geklärten  Gründen)  dieser  seltene  Anlsß  eines  einmütigen  Fest- 
musizierens  sller  vorhandenen  Kräfte  zu  einer  Erklärung  gegen  slle  stillschwelgend 
oder  laut  bestehenden  Vorurteile  hätte  benutzt  werden,  ein  Programm  von  klassischer 
Grundlage  aus  bis  in  das  Mark  unserer  heutigen  Tonkunst  als  gesunder  Vorstoß 
hätte  dringen  müssen,  wurden  nur  Werke  von  Bach  bis  Brahms  suflgeführt:  eine  ge- 
wiß unbeabsichtigte,  sber  in  der  Tat  doch  vorhandene  Sanktion  jenes  schon  grotesk 
gewordenen  Kränzchen-Standpunktes.  Alle  Versuche,  die  der  Schreiber  dieser  Zellen 
ungeachtet  der  verschiedensten  unfairen  Gegenkundgebungen  anwandte,  dem  Programm 
einen  Ausblick  ins  Land  der  neueren  Tonkunst  zu  schaffen,  blieben  nutzlos . . . 

Und  das  Fest  selbst  —  ein  Ketzer  müßte  es  leugnen!  —  war  über  alle  Mafien 
schön.  143  Orchestermusiker,  unter  denen  freilich  etwa  25  Mitglieder  der  Berliner 
Hofkapelle  saßen,  und  ein  500 stimmiger  Chor  sind  aufgeboten  worden.  Am  ersten 
Tage  führte  Brode  nach  dem  als  Portal  gedachten  Chor  «Erschallet  ihr  Lieder* 
(sus  der  Bachschen  Pfingstkantate  No.  172),  Brahms'  Schicksslslied  und  die  un- 
vollendete Schubertsymphonie  auf;  mit  dem  vorhandenen  Prachtmaterial  gelang 
ihm  eine  wirklich  außerordentlich  schöne  Darstellung  namentlich  der  Schuber^ 
Symphonie.  Huberman  spielte  darauf  das  Brahmskonzert  und  zeigte  durch  den  Vortrag 
von  neuem  seine  geistige  Vertiefung  und  musikalische  Reifwerdung.  Unser  verdienter 
Chormeister  Schwalm,  der  besten  einer  in  deutschen  Gsuen,  hstte  die  einzige  Novität 


359 
KASTNER:  OSTPREUSSISCHES  MUSIKPEST 


des  Festes:  Bachs  befreiend  humorvolles  Dramma  per  musica,  den^Streit  zwischen 
Phöbus  und  Fan**,  übernommen  und  fand  genügend  Anlaß  dabei,  seine  Stilbeherr- 
schung an  dieser  freilich  für  eine  camera-Wirkung  eingestellten  Satire  zu  erweisen: 
trotz  des  Umstandes,  daß  der  Continuo  ohne  Cembali,  die  in  diesem  Riesenraum 
nutzlos  verpufft  wären,  sondern  in  der  Mottischen  Einziehung  gespielt  wurde.  Die 
Damen  Grumbacher-de  Jong  und  Schnabel,  die  Herren  van  Eweyk,  Senius, 
Jungblut  und  der  stimmherrliche  Griswold  teilten  sich  in  die  Soli. 

Der  zweite  Tag  brachte  ein  monumentales  Beethoven-Frogramm:  Coriolan- 
und  Leonoren-Ouvertüre,  G-dur  Konzert  mit  Schnabel,  die  „Neunte**.  Es  war  der  Tag 
von  Königsberg,  da  Ernst  Wendel,  eine  scharf  ausgeprägte  Dirigentennatur,  zum  Wort 
kam  und  bewies,  daß  wir  hier,  wenn  diesem  genial  beanlagten  Musiker  eine  gebührende 
Stellung  eingeräumt  würde,  eine  große  Konzertzukunft  erwarten  könnten.  Fortreißendes 
Temperament,  suggestives  Vermögen,  rhythmische  Energie  auf  die  Ausführenden  zu 
übertragen,  ein  reiches  Gefühl  für  Dynamik,  ein  großzügiges  Empfinden  für  Melos  und 
Linienführung  der  symphonischen  Gedankenwelt  vereinigt  dieser  Künstler  mit  größter 
Besonnenheit  und  Bestimmtheit  der  Dirigiertechnik:  kein  Wunder,  daß  eine  wahrhaft 
festliche  und  vom  Feuergeist  des  beethovenschen  Funkens  beschwingte  Aufführung 
der  Neunten  wie  der  beiden  Ouvertüren  zustande  kam.  Sie  versetzte  nicht  allein  die 
viertausend  Zuhörer,  sondern  auch  die  ausgezeichneten  Solisten  der  Berliner  Hofkapelle 
(Prill,  Flemming,  Conrad,  Meffert,  Salzwedel  usw.)  in  Erstaunen,  so  daß  Wendel  schon 
jetzt  einen  ehrenvollen  Antrag  zur  Vertretung  Richard  Strauß'  für  einige  Symphonie- 
abende im  Berliner  Opernhaus  erhielt. 

Solist  an  diesem  und  am  dritten  Tag  war  Artur  Schnabel.  Nach  seinem  tief- 
ergreifenden Vortrag  der  Konzerte  in  G-dur  von  Beethoven  und  d-moU  von  Mozart 
(K.  466)  drängte  sich  dem  Hörer  das  Bewußtsein  auf,  daß  wir  da  für  den  dahin- 
gegangenen Reisenauer  und  den  komponierenden  d' Albert  den  vollgültigsten  Ersatz 
gefunden  haben.  Die  Anschlagskunst,  wie  überhaupt  alles  Technische  ist  jetzt  bei 
Schnabel  zur  denkbarsten  Idealität  gediehen,  seine  musikalische  und  seelische  Dar- 
stellung über  alle  Beschreibung  schön.  Den  Rezitativsatz  bei  Beethoven,  die  für  Mozart 
auffallend  ausführliche  und  von  jenem  seltsam  unstät  irrenden  Kreuzhandsatz  unter- 
brochene Romanze  hat  man  kaum  je  schöner,  abgeklärter  gehört.  So  konnten  sicher 
Frida  Hempel  und  Felix  Senius  mit  ihrer  ganz  erlesenen  Gesangskunst,  den 
Reizen  ihrer  außergewöhnlichen  Stimmmittel  faszinieren,  aber  in  die  Herzen  aller 
Festteilnehmer  ist  unausrottbar  der  Eindruck  von  Schnabels  edelster  Kunst  ein- 
gepflanzt. 

Leo  Blech  hatte  hier,  wie  kaum  noch  in  Berlin,  schönsten  Anlaß,  seine  gewaltigen 
Fähigkeiten  als  Konzertdirigent  zu  erweisen:  wie  in  Schnabel  steht  auch  hier  ein 
einfacher,  schlichter  Musikersmann  vor  uns,  der  Mozart  und  Schubert  mit  größter 
Anspruchslosigkeit  deutet,  der  ein  souveräner  Orchestermeister  ist,  dem  es  mit  wenigen 
äußeren  Gesten  gelingt,  seinen  meist  unantastbaren  Intentionen  Geltung  zu  verschaffen. 
Das  blühende  Leben  der  Schubertschen  D-dur  Symphonie  sprießte  und  keimte  unter 
seiner  Leitung  neu  auf  —  das  gewagte  kühne  Tempo  des  Finale  ging  keineswegs  auf 
Kosten  der  Konturenschärfe.    Man  feierte  Blech  mit  freudigem  Enthusiasmus. 

Das  Fest  selbst  also  hat  erwiesen,  daß  Königsberg  unter  sicherer  Hand  und  im 
Zeichen  des  schönen  Grundsatzes  viribus  unitis  sehr  wohl  Hochachtbares  leisten  kann. 
Möge  dem  Reis,  das  ein  kunstsinniger  Prinz  damit  gepflanzt,  bald  reife  Frucht  im 
Sinne  unsrer  obigen,  nur  auf  eine  Besserung  der  Zustände  selbst  hinwirkenden  Aus- 
führungen entsprießen! 


BÜCHER 


148.  Max  Knlbeck;  Johannes  Brahmi.  Zweiter  Band,  erster  Halbbud.  Verlag: 
Deutscbe  Brabnit-Geiellschart,  Berlin  1008. 
Dem  In  Band  12,  S.  458  ff.  der  .Muilk"  von  mir  {ewflrdicten  ersten  Bande  seiner 
groß  angeleiien  Brabms-Blograpble  bat  Kalbeck  nun  nacb  Tlerjabren  die  SctalldentD(  der 
Jahre  1882-68  In  Btahmi'  Leben  folgen  lassen.  Vleder  bat  er  die  reichen  Ihm  vor- 
liegenden  Materialien,  hauplslchlich  Briefe,  in  ganz  auagezel ebnetet  Teise  Tenrbsltei 
und  ein  Buch  geachaffen,  das  man,  aeweit  die  wirklich  kfinatleriacb*  Darstellung  in 
Betracht  kommt,  mit  hohem  Isttietischen  Genuß  lesen  wird;  leider  aber  bat  n  wieder 
ganz  unnAtlge  Angriffe  auf  Tagner  und  andere  Ibm  unsympathische  Minner  seinem  Buche 
einverleibt  und  seine  eigene  werte  Person  bei  leder  nur  möglichen  Gelegenheit  la  dn 
Vordergrund  gestellt.  Ob  wohl  Btahms  wiiklich  Jene  berBchtigie  , Tristan"' Reienaim 
Kalbecks,  auf  die  dieser  sich  noch  besonders  viel  zugute  tut,  gebilligt  hat?  MIQbllllgnng 
verdient  auch,  diQ  Kalbeck  den  Kritiker  der  „Tiener  Zeltung",  Rudolf  HIracb,  alaen  Affen 
Speidels  nennt.  Vermißt  habe  Ich  Qbrigena  die  Heraatlehung  der  Briefe  BBIowt  fBr  die 
geschilderte  Epoche.  Ob  eine  so  eingehende  Rettung  Hanaücks,  wie  ale  Kalbeck  In  den 
vorliegenden  Bande  versucht  hat,  wohl  notwendig  war?  Doch  wir  wallen  vargeuBa,  daB 
Kalbeck,  der  auch  immer  mehr  Dichter  als  Historiker  Ist,  gar  nicht  anders  kann,  ala 
Partei  ergreifen,  und  wollen  uns  an  dem  wirklich  SchSnen,  daa  aein  Buch  In  reicher 
FGIIe  enibllt,  erfreuen.  Da  Ist  glelcb  die  Schilderung  Tiena,  wie  dleae  Sudi  anf  BrahBS 
1862  gewirkt  hat,  geradezu  ein  Meisterstück,  ebenso  die  Schilderung  Badea-Badens 
(Licfatentbals).  Die  liebevolle  Türdigung  des  G-dur  Sextetts  and  des  Horntrioa,  la  des 
Brahma  seine  Empfindungen  beim  Tode  seiner  Matter  aledergelegt  hat,  kann  auch  nicht 
genug  gerObmt  werden,  ferner  die  freilich  reichlich  auaführllchen  CharakterlsleraagBi 
Allgeyers,  Nottebohms  und  BillToths.  Vor  allem  berCbn  mich  Immer  sehr  sympathisch, 
wie  una  Kalbeck  Brahma  als  Menschen  nlberzubrlngen  sacht;  nicht  ohne  RBhreng 
liest  msn  von  seinem  Verhalten  gegen  aelnen  Vater,  aelne  Mutter  und  auch  gegen  sbIbc 
Stiefmutter.  Sehr  wichtig  iat  der  Nachwela,  daß  die  .Rio aide' -Kantate,  trau  Ihrer  Ver- 
Sffentlicbung  unter  einer  splteren  Opuszabl,  vor  dem  gDeutscben  Requiem"  In  der  HaupN 
Sache  emstsnden  ist.  Dessen  Entstehungsgeschichte  wird  eingehend  UargelagL  Et  Ist 
nicht  auf  den  Tod  der  Mutter,  wie  man  lange  angenommen  hat,  komponiert,  sandera  auf 
de^  Schumanns.  In  dessen  Projektenbuch  fand  Brahma  die  Eintragung  .ein  dcniBGiMa 
Requiem*.  Sie  blieb  ibm  im  Gedlchinla  haften  und  trieb  ihn  an,  den  von  Schumaaa 
unterlassenen  Versuch  zu  wagen.  Der  Scherzo>Sarabanden-Sati  der  tragischen  Sympbanle 
in  d-nioll  blieb,  als  diene  1857  in  daa  Klavlerkoniert  verwandelt  wurde,  weg  and  fhad 
Verwendung  als  Toienmaisch  im  zweiten  Teil  der  1S5S  projektierten  sToteakaatate".  Der 
Tdd  der  Mutter  (1865)  war  freilich  Veranlassung,  diese  Kantate  wieder  voraunehmca; 
1866  war  das  .Deutscbe  Requiem*  vollendet  bis  auf  das  188S  nach  komponierte  Soprsnaolo. 
—  Ungemein  reichhaltig  sind  auch  die  Mitteilungen  Ksibecks  Bber  die  mancherlei  Opern- 
pline  von  Brahms,  die  immer  an  den  Texten  scheiterten;  beaondara  Im  Jahre  I8BI 
dachte  er  sehr  ernstlich  daran,  sus  Gozil's  .KBnlg  Hlrach"  sich  «Ina  Oper  machen  n 


361 
BESPRECHUNGEN  (BÜCHER) 


X 


lasten;  später  erschien  ihm  Calderon's  «Lautes  Geheimnis*  in  Gozzi's  Bearbeitung  gf 
eignet.  Schon  im  ersten  Bande  hatte  Kalbeclc  darauf  hingewiesen,  daß  das  Klavierquintett 
in  f-moll  die  dritte  Fassung  eines  Streicbquintetts  sei.  Jetzt  erfahren  wir  ausführlich, 
daft  dieses  Streichquintett  vernichtet  worden  ist,  nscbdem  es  in  die  Sonate  fQr  zwei 
Klaviere  verwandelt  worden  war,  und  daß  dann  aus  dieser  das  Klsvierquintett  gemacht 
worden  ist,  in  dem  die  Streicher  immer  noch  einen  recht  schweren  Stand  gegen  das 
Klavier  haben.  Ob  sich  Brahms  wobl  Gber  die  poetische  Deutung,  die  Kslbeclt  trotz 
seiner  Feindschaft  gegen  die  Programmusilc  (vgl.  übrigens  seine  sehr  gewundene  Recht- 
fertigung seiner  yPoetisierung*  S.  58,  A.  1)  gefreut  haben  würde?  Ich  glaube  es  nicht; 
jedenfslls  hst  Brahms  anfinglich  gegen  den  Musikschriftsteller  Kslbeck  eine  gewisse 
Antipathie  gehabt,  worüber  ja  ein  authentisches  Zeugnis  in  seinem  Briefe  sn  Bernhard 
Scholz  vom  Mirz  1880  (Briefwechsel  III,  S.  222»  vorliegt  Bekanntlich  hat  Brahms  auch 
immer  sehr  sbgewinkt,  wenn  ihn  jemsnd  suf  Ähnlichkeiten  in  seinen  Werken  mit  Stelleo 
von  Beethoven  u.  s.  sufmerkssm  mschte.  Kslbeck  sucht  derartige  Ähnlichkeiten  mit  Fleiß 
zussmmen.  Merkwürdigerweise  hst  er  dabei  übersehen,  dsß  der  Anfsng  der  »Msi- 
nacht*  (op.  43  No.  2)  dem  Fis-dur  Impromptu  op.  36  von  Chopin,  das  Fugenthema  der 
Violoncellsonste  op.  38  der  13.  Fuga  inverss  (bzw.  der  ersten  Fuge  für  zwei  Klsviere)  aus 
Bachs  »Musikslischem  Opfer"  entnommen  ist,  letzteres  vielleicht  mit  Absicht.  Was 
würde  auch  Brahms  zu  Kslbecks  Entdeckung  einer  Tripelf uge  in  dieser  Violoncell- 
sonate gessgt  haben?  Den  reichen  Inhalt  dieses  Bandes  hier  zu  erschöpfen,  ist  unmöglich. 
Auf  die  Fortsetzung  kann  man  in  hohem  Grade  gespsnnt  sein.  S.  115  letzte  Zeile  miiß 
das  Dstum  übrigens  nstürlich  2.  Februar  heißen.  Wilh.  Alt  mann 

149.  Alfr.  Chr.  Kalischer:  Beethovens  Simtliche  Briefe.     Kritische  Ausgabe 

mit  Erläuterungen.     IV.  Band.     Verlag:  Schuster  &  Loeifler,  Berlin  und 

Uipzig  ig08. 
Der  vorliegende  Band  umfaßt  die  Briefe  Beethovens  aus  den  Jshren  1819—1823. 
Das  erste  Jshr  dieser  Epoche  gestsltete  sich  trübselig  für  Beethoven.  Der  Prozeß  um 
die  Vormundscbsft  für  seinen  NeflPen  Ksrl,  in  den  der  Meister  damsls  mit  seiner  leicht- 
sinnigen Schwägerin,  der  Mutter  des  Knsben,  verwickelt  war,  brachte  ihm  Arger  und 
Demütigungen,  raubte  ihm  kostbsre  Arbeitsstunden  und  verscheuchte  oft  den  inspi- 
rierenden Genius  von  seiner  Seite.  Der  Gang  jenes  Rechtsstreites  läßt  sich  auf  Grand 
der  Eingaben  Beethovens  sn  die  Behörden  und  Gerichte,  sowie  der  Briefe  an  seinen 
Rechtsbeistsnd  Dr.  Bach  aufs  gensueste  verfolgen.  AU  diese,  zum  Teil  sehr  umfang- 
reichen Dokumente  werden  vom  Hersusgeber  beigebracht  und  vortrefflich  erläutert 
Mit  Recht  bat  Kalischer  such  die  Gesuche  sufgenommen,  die  von  Beethoven  gemeinssm 
mit  seinem  Advoksten  sbgefsßt,  von  Kopisten  geschrieben  und  von  Beethoven  nur  unter- 
zeichnet sind.  Sie  dürfen  nicht  fehlen,  weil  such  bei  ihnen  sus  gewissen  Psrtieen  Beet- 
hovens ureigene  Spreche  bervortönt  und  such  sie  Zeugnis  sblegen  von  Beethovens 
hoher  morslischer  Auffsssung  seines  Vormundamtes  wie  von  seiner  rührenden  Fürsorge 
und  bewundernswerten  Opferfreudigkeit  für  das  Wohl  seines  geliebten  Neffen.  —  Eine 
zweite  große  Gruppe  von  Briefen  konzentriert  sich  um  die  Herausgal>e  von  Beethovens 
(»Misss  solemnis."  Mit  einer  ganzen  Reihe  von  Verlegern  tritt  der  Tondichter  wegen  der 
Veröffentlichung  des  eben  vollendeten  Riesenwerkes  in  Unterhsndlung,  um  dsnn  für  die 
nächste  Zeit  ganz  von  dessen  Drucklegung  sbzuseben.  Er  fsßt  den  Entschluß,  das  Werk 
nur  sn  kunstsinnige  Höfe  und  große  Konzertinstitute  sbzugeben,  —  und  nun  beginnt  das 
briefliche  Quartiermachen  für  die  Messe  von  neuem.  Fürsten  und  einflußreiche  Per- 
sonen werden  gebeten,  die  Subskription  suf  die  Messe  zu  befürworten,  —  höflich, 
dringend  schreibt  Beethoven,  sber  immer  in  einer  Weise,  die  des  erbsbenen  Meisters 
würdig  bleibt     So  gelingt  es  ihm  endlich  nach  vieler  Mühe,  sich  einen  pekuniären  Er- 


^^^f  362  IMMfl 

jUSb  die  MUSIK  VII.  18.  SB 

trag  des  Werkes  ztt  sichern,  der,  wenn  er  anch  in  keinem  Verhiltnis  zu  der  epoctae* 
machenden  Bedeutung  der  Tondichtung  steht,  wenigstens  einen  nicht  allzu  dürftigen 
Lohn  fQr  die  mehrjihrige  darauf  verwendete  Arbeit  bildet.  —  In  diese  beicftn  dornt* 
nierenden  Briefgruppen  sind  Schreiben  an  alte  und  neue  Freunde  Beetbofens  ver> 
streut.  Der  hohe  ScbQler  des  Meisters,  Erzherzog  Rudolf^  das  edle  Haus  Brentano  in 
Frankfurt,  der  nach  England  verscblsgene  Ferdinand  Ries,  der  treue,  immer  bilCibereite 
Amanuensis  Anton  Schindler,  —  sie  alle  eracheinen  in  lebhaftem  Verkehr  mit  Beet- 
hoven. Auch  der  Bruder  Johann  wird  wiederholt  mit  Briefen  bedacht.  Diese  bekunden 
durchweg  des  Tondichters  liebevolle,  brüderliche  Gesinnung  und  zeigen  die  Langmut 
und  Versöhnlichkeit  des  i»Hirnbesitzers*  sogsr  in  FUlen,  wo  sie  der  »Gutsbesitzof* 
wohl  ksum  verdient  hatte.  Auch  eine  Anzahl  bisher  ungedruckter  Schreibon  Boot- 
hovens  werden  beigebrscht,  die  sls  neue  Belege  für  bekannte  Beziehungen  des  Meisters 
ihren  Wert  besitzen.  Reichlich  sind  in  dem  Bande  musikalische  Scherze  und  Gedenk- 
blitter  Beethovens  vertreten,  die  zum  Teil  in  Kanonform  abgefkßt  sind.  Soweit  die 
Kanons  vom  Herausgeber  in  offener  Form  geboten  werden,  nehmen  sie  betrichtlichen 
Raum  ein,  so  besonders  der  zuerst  1903  in  der  .Musik*  von  Kalischer  TerAfüentUchte 
«FalstafTerel'-Kanon  auf  Beethovens  beleibten  Freund  Scbuppsnzigh  (No.  006),  wie  aoch 
der  Kanon  «Edel  sei  der  Mensch,  hfilfreich  und  gut*  (No.  004).  Dieser  Kanon  wurde 
von  Beethoven  Louis  Schlösser,  dem  nachmaligen  Darmstidter  Hofkapellmeistor,  dedi- 
ziert.  Dessen  Sohn,  der  in  London  snsissige  Professor  Adolph  Schlösser,  sendet  mir  eine 
diesen  Kanon  betreflPende  Notiz,  und  zwar  mit  Bezugnahme  auf  meinen  Artikel  »Beet- 
hoven als  Epigrsmmatiker"  im  5.  Beethoven-Heft  der  »Musik*,  in  dem  ebenfUls  Jenes 
Kanons  gedacht  wird.  Er  weist  dsrsuf  hin,  daß  die  erste  Fassung  des  Kanons  in 
No.  22/23  des  12.  Jahrganges  der  »Allgemeinen  Musikseitung*  (Msi  1885)  in  FakaimUe 
wiedergegeben  ist.  Ein  Vergleich  dieser  ursprünglichen  Fassung  des  Kanons  mit  der 
von  Beethoven  in  Druck  gegebenen  bestitigt  die  Mitteilung  Nohls,  nach  welcher  der 
Kanon  anfangs  in  Es-dur  stand  und  erst  für  die  Veröffentlichung  vom  Meister  aach 
E-dur  transponiert  wurde.  Auch  ergibt  sich,  daß  Beethoven  bei  der  zweiten  Passung 
einige  kleine  Änderungen  im  Setz  sngebrscht  hst.  Dr.  Hana  Volkmann 

150.  Werdegang  und  firlebnisse  eines  Orchestermunikorn.    Von  ihm  aelbat 

erzihlt.  Verlag:  C.  F.  Kahnt  Nachfolger,  Leipzig  1006. 
Man  wird  an  Tillier's  unsterblichen  «Onkel  Benjsmin*  erinnert  beim  Lesen  dieses 
mit  köstlicher  Frische  geschriebenen  Büchleins.  Wenn  es  nur  mehr  zfinftige  Sebrifl- 
steller  halbwegs  so  verständen,  mit  wenigen  Strichen  die  Dinge  und  besonders  die 
einzelnen  Menschen  so  wirklichkeitsecht  zu  zeichnen!  Denn  so  wirken  in  der  Tat  diese 
Momentbilder,  von  dem  der  zwei  ersten  deutschen  Kaiser  bis  zu  dem  eines  Ludwig 
Brenner,  des  gewiß  jedem  älteren  Berliner  Musikfreund  bekannten  Originale,  der  aeiner 
Unterschrift  die  Bezeichnungen:  .Großkreuz,  Kommsndeur,  Offizier  und  Ritter*  l>eifllgls 
(und  zwar  alle  vier  mit  Recht,  wie  er  brieflich  dartat).  Auch  Mannsfeldt,  Karl  MoTder, 
Kommissionsrst  Engel  werden  in  chsrskteristischen  Ziigen  vorgeführt,  ebenso  mit  eigffcs- 
lichster  Ausführlichkeit  ein  in  Issr-Athen  einst  sehr  gefürchteter  Musikhäuptling,  dessen 
dem  Lokslvertrsuten  leicht  zu  errstenden  Nsmen  der  Verfasser  uktvoll  Torschweigt 
Er  beweist  mit  dieser  kleinen  Schrift  schlagend,  daß  der  gute  Orchestermusiker  sich 
mühevoll  und  langsam  entwickelt,  der  fesselnde  Autobiograph  aber  geboren  wird. 

Dr.  Max  Steinitzer 

MUSIKALIEN 

151.  Hans  F&hrmann:    Sechs   Chsrskterstücke   für  OrgeL     op.  40.    Verlag: 

O.  Junne,  Leipzig. 


363 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


Diese  empfehlenewerten,  in  der  Haupteache  triomißig  gehaltenen,  anaprechenden 
Stficlce  von  romantisch-lyrischem  Charalcter  zeigen  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  der 
Schreibweise  Rheinbergers  hinsichtlich  Melodiebildung  und  der  zuweilen  etwas  herben 
Kontrapunktik.  Von  der  Chromatik  macht  Fihrmann  zwar  reichlicheren  Gebrauch  als 
jener,  doch  ist  diese  Chromatik  im  wesentlichen  melodischer  Natur,  und  die  einmal 
gewählte  Tonart  wird  meist  erkennbar  festgehalten. 

152.  Richard  Flicke:  Fünfzig  Choralvorspiele  für  Orgel.    Verlag:  Bratfisch, 

Prankfurt  a.  O. 
An  Cboralvorspielen  ist  wahrlich  kein  Mangel,  es  erscheint  eine  Sammlung  nach 
der  anderen.  Immerhin  ist  die  Zahl  der  im  praktischen  Gottesdienst  wirklich  brauch- 
baren, schlicht  und  kurz  gehaltenen,  dabei  doch  musikalisch  gehaltvollen  Vorspiele  nicht 
allzu  groß.  Die  50  kontrapunktischen  Bearbeitungen  Prickes  machen  einen  äußerst 
soliden  Eindruck.  Sie  sind  dem  Verständnis  des  naiven  Kirchenbesuchers  angepaßt, 
lassen  den  Cantus  flrmus  (in  der  Regel  im  Sopran  oder  Tenor)  klar  hervortreten,  haben 
einen  sauber  gearbeiteten  Satz  und  sind  leicht  ausführbar,  alles  Vorzüge,  die  ihnen  nur 
zur  wärmsten  Empfehlung  für  die  Kirche  und  den  Unterricht  im  Seminar  dienen  können. 
Es  ist  kaum  eins  darunter,  das  man  langweilig  oder  trocken  nennen  könnte;  die  meisten 
sind  fließend  geschrieben,  frei  von  chromatischen  Grübeleien. 

Dr.  Ernst  Schnorr  v.  Carolsfeld 

153.  Kurt  Schindler:    Drei   Lieder  nach  Texten   zeitgenössischer  Dichter 

für   eine   Singstimme   und    Klavier,    op.  S.  — >-  Fünf  Lieder   aus 
«Alte  ▼eisen*  von   Gottfried   Keller  für   eine  Singstimme  mit 
Klavier,  op.  9.  —  «Prom  a  city  window*,  song  for  a  medium  voice 
with  piano  accompaniment    op.  10.     Verlag:  G.  Schirmer,  New  York. 
Kurt  Schindler  ist  in  seinem  Wollen   und  Ringen  bewußt  deutsch.    Entsprechen 
die  vorliegenden  Leistungen  vorerst  noch  nicht  den  leicht  erkennbaren  Zielen,  und   ist 
auch  die  «Technik*  manchmal  unzureichend,  so  ist  doch  die  ganze  Art  seines  Schaffens, 
aus  einer  künstlerischen  Gediegenheit  zu  erklären,  von  der,  wenn   sie  sich  stetig  ver- 
vollkommnet, noch  vieles  Schöne  und  Originelle  erwartet  werden  darf.     Hier  Einiges  zu 
seiner  Charakterisierung:  ein  leiser  Symbolismus  (so  in  op.  8  No.  3:   «und  wieder  und 
wieder*),  eine  starke  Intuition   (z.  B.  in   der   glücklichen  ▼iedergabe   der  Worte   »es 
schwammen  ihre  Glieder  in  der  taghellen  Nacht*  op.  9  No.  1)  und  eine    Deklamation, 
die  der  Kunst  zuliebe  hie  und  da  barock  ist  («ihr  Hemdlein*  im  Liede  »Das  verschlos- 
sene Gärtlein*).  Die  Begleitung  erinnert  an  den  «harmonischen*  Klavierstil  von  Brahms. 
Alles   in   allem:  ein  interessanter  werdender  Mann.     Der    Druck   der   Lieder  ist  vor- 
trefflich. 

154.  Kor  Kuller:   «Een    Winterdag*,    Kindercantate.     Woorden   van    Katb. 

Leopold  (deutsche  Obersetzung  von  Henriette  Dietz).     op.  30.    Vertag: 

A.  A.  Noske,  Middelburg. 
Es  ist  kein  übles  Zeichen  der  Zeit,  daß  solche  Kinderkanuten  geschrieben  werden. 
Das  Werkchen  (71  Seiten)  ist  musikalisch  Udellos,  in  der  Melodie  köstlich-natürlich  und 
überall  modern.  Doch  ist  es  für  »Knaben  und  Mädchen*  viel  zu  schwer,  wenn  sich 
auch  nicht  leugnen  läßt,  daß  es  in  Musikerfamilien,  wenn  liebevolle  Mühe  darauf  ver- 
wendet wird,  sich  aufführen  läßt.  Vieles  erinnert  in  seiner  Trefflichkeit  an  »Hansel  und 
Gretel*,  und  so  dürfte  sich  eine  Aufführung  mit  guten  {ugendlichen  Kräften  gelegentlich 
einer  größeren  Festlichkeit  als  sehr  lobnenswert  erweisen.  Hervorgehoben  seien:  »Eine 
Krähe*,  »Die  Glitschbahn*,  »Schneebälle*,  »Schlittschuhlaufen*  und  die  hübsche  Ballade 
vom  Holzbacker,  »Erzählen*  betitelt,  die  auch  für  sich  ein  gutes  Vortragsstück  ab- 
gitit.    Das  hausbackene  »Daheim'   (Mutters   Lieblingslied)   and   das   lyrisch-moralische 


WL 


364 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


«▼ioterlied*  bitten  besser  fortbleiben  tollen.    Ein  holllodiecher  Beaiteiler  wird  allein 
dingt  darüber  ändert  denken. 

155.  Emll  Renner:  Zwei  Lieder.    Mutikverltg  Dr.  Heinrich  Lewy,  Mfinchen. 
Mfibe  zur  Charakterisierung  itt  nicht  zu  verkennen  und  emates  Streben  iat  da« 

Komponitten  nicht  abzusprechen.  Aber  unterttreichen  heißt  noch  nicht  wahrhall  darstellea, 
und  in  Ekttase  falsch  betonen  ist  ein  schlechtes  Mittel,  die  LeidenachafI  zu  kennxeiciiiitn» 

Arno  Nadel 

156.  Max  Wiese:  Gesinge  und  Balladen  ffir  eine  Singatimme  mit  KlaTier. 

op.  26.  Musikverlag  Dr.  Heinrich  Lewy,  Mfinchen. 
In  seiner  Ballade  »Die  Tinzerin*  offenbart  Wiese  eine  warmblfitlfe  Phantasie  and 
lebendiges  Tonempflnden.  Den  dramatisch  belebten  Erzihlerton  trifft  das  interesaaaie 
▼erk  vortrefflich,  und  die  reich  gefirbte  Klavieratimme  Illustriert  die  leidenscfaafttiehe 
Stimmung  der  Wortdichtung  fiberaus  anschaulich.  Einen  wirksamen  Gegensatz  zn  der 
erregten  Tonsprache  der  Ballade  »Die  Tinzerin*  bildet  No.  3  aus  op.  28:  »Drei  Raben' 
(Gedicht  von  Stangen).  Es  steckt  in  der  klangvollen,  schönen  Komposition  witi  heim* 
liehe  Mirchenstimmung.  In  seinem  »Harfenmidchen*  achligt  Wiese  einen  melan- 
cholischen, aber  in  Verzweiflung  ausklingenden  Ton  an,  der  die  Stimmung  des  Teztss 
klar  veranschaulicht.  Die  Begleitung  mit  ihren  arpeggierten  HarfSenakkorden  bietet  eine 
passende  Unterlage  zu  der  Dichtung  und  Melodie  und  ist  bei  aller  Einftichheic  nngemeia 
wirkungsvoll.  Der  letzte  der  vier  Gesinge,  »Elisabeth*  (von  Th.  Storm),  ist  ein  groB- 
zfigig  entworfenes,  tief  empfundenes  Stimmungsbild;  edel  in  Melodie,  aaadmekSTOll  in 
Harmonie  und  Rhythmus,  konzis  gefaßt,  reiht  es  sich  Wieses  vorgenannten  Werken 
würdig  an.  Artur  Eccariua-Sieber 

157.  Ludwig  Hess:  Fünf  Lieder  ffir  eine  Singstimme  und  Klavierbefleitung. 

op.  21.  Musikverlag  Dr.  Heinrich  Lewy,  Mfinchen. 
Vorliegende  Gesinge  geben  wieder  einen  starken  Beweia  von  Lndwif  Hell'  ton- 
dichterischer  Begabung.  Wenn  es  ihm  auch  noch  nicht  immer  gelingt,  ffir  die  vei^ 
schiedenen  seelischen  Regungen  fiberzeugenden  musikalischen  Ausdruck  zu  finden,  ss 
weiß  er  doch  andererseits  auch  wieder  Stimmungen  voller  Tiefe  der  Empfindung  nnd 
charakteristischer  Ausdeutung  der  Dichtung  zu  entfalten.  Sehr  glficklich  gdnngni  slad 
»An  die  Nacht*,  sowie  »Am  Turm*.  Namentlich  dfirfte  letzteres  den  mit  ansgiebiiSB 
Stimmitteln  begabten  Sopransingerinnen  als  ein  voll  lebhaften  Schwunges  dsbio- 
rauschendes  Vortragsstfick  zu  empfehlen  sein.  Auch  das  Rokoko-Liedlein  sei  als  sin 
interessantes  Stfick  besonders  vermerkt,  trotzdem  es  die  zierliche  Grazie  der  Goethesebes 
Dichtung  nicht  vollkommen  auslöst.  In  »Schließe  mir  die  Augen  beide*  von  Theeder 
Storm  hat  der  Komponist  es  nicht  verstanden,  den  Zauber  der  Melodik  so  zu  entlUle% 
wie  ihn  diese  an  und  ffir  sich  schon  wie  Musik  klingenden  Verse  bedingen, 
stehen  'sich  in  dem  »Verlorene  Mfih'*  Dichtung  und  Musik  allzu  gegensitslieh 
über.  Die  Schwierigkeiten  der  Rhythmik  und  der  Harmonik  lassen  den  Volkslied- 
charakter viel  zu  sehr  vermissen.  Adolf  Göttmann 

158.  Max  Reger:  Schlichte  Weisen.  Band  3.   Verlag:  Lauterbach  ft  Kuba,  Leipzig 
Was  Reger,  der  kontrapunktgewaltige  Polyphoniker,  in  diesem  Heflehen  Metn^  ist 

sicherlich  ffir  seine  Verhiltnisse  einfach  und  harmlos.  Aber  »schlichte  Weisen*  sind  SS| 
wenigstens  nach  landliuflger  Auffassung,  doch  nicht.  Im  Gegenteil  ersdieinen  disss 
Melodieen  dadurch,  daß  sie  fast  durchaus  chromatisch  gebildet  sind,  als  slemlicli  g^ 
kfinstelt,  denn  es  gilt  doch  wohl  auch  heute  noch  als  ausgemacht,  daß  eine  schlidts 
Weise  auf  diatonischer  Grundlage  beruhen  muß.  Die  Chromatik  hat  stets  etwas  Bohrendes^ 
Grfiblerisches  an  sich,  das  im  Gegensatze  zum  Volksmißig-Einlkchen  steht  Wenn  trotz 
dieses  Mangels  die  in  dem  vorliegenden  Hefte  vereinigten  sechs  Liedchen  ieielit 


365 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


reizvoll  wirken,  80  liegt  die»  an  der  frischen  Rhythmik  und  dem  Verzicht  auf  schwierige 
Schreibart  fQr  die  Begleitung.  Harmonisch  bieten  sie  auch  so  manches,  was  man  so 
ohne  weiteres  nicht  als  schlicht  bezeichnen  kann.  Es  steckt  aber  in  diesen  Liedern 
eine  natGrliche  Anmut  und  eine  gewisse  burschikose  Keckheit,  die  bei  ungeziertem 
Vortrage  ihrer  Wirkung  sicher  sind,  zumal  da  KQrze  hier  jedes  Gesanges  Wfirze  ist. 
Ffir  die  besten  StGcke  des  Heftes  halte  ich  das  neckisch-pathetische  »Von  der  Liebe* 
und  das  liebenswQrdige  «Schelmenliedchen*. 

159.  Otto  Vrieslander:  Vier  Gedichte  von  Theodor  Storm.  —  Vier  Gedichte 

im  Volkston.  —  Sieben   Gedichte  von  Gottfried  Keller.    Verlag: 

D.  Rahter,  Leipzig. 
Venn  man  diese  Kompositionen  zum  ersten  Male  anschaut,  kommen  sie  einem 
ganz  sonderbar  vor.  Bei  näherer  Betrachtung  ahnt  man  aber  mindestens  die  Absicht 
des  Tonsetzers,  dem  offenbar  die  Schaffung  eines  ganz  neuartigen  Liederstils  im  Sinne 
liegt.  Wie  seinerzeit  die  Dichter  Holz  und  Schlaf  auf  die  festgefügten  Rhythmen  und 
Verse  verzichten  und  nur  den  sogenannten  natürlichen  Rhythmus  der  Worte  gelten 
lassen  wollten,  so  scheint  Vrieslander  an  Stelle  der  in  sich  geschlossenen  Liedweise  eine 
in  der  Tonalitit  schwebende  Melodie  setzen  zu  wollen.  Denn  die  absonderlichen  Sprünge 
in  der  Singstimme,  sowie  der  fortwährende  Wechsel  der  Tonarten  sind  doch  offenbar 
absichtlich  und  stellen  die  Ergebnisse  eines  Systems  dar,  über  dessen  Berechtigung  man 
fireilich  sehr  verschiedener  Meinung  sein  kann.  Keinesfalls  wird  man  Vrieslanders 
Schreibweise  als  volksmißig  gelten  lassen,  denn  das  Wesen  einer  Volksmelodie  t>esteht 
gerade  darin,  dafi  sie  sich  innerhalb  der  Grenzen  einer  Tonart  mit  wenigen  und  ganz 
unauffilligen  Ausweichungen  bewegt.  Die  Gesangsstimme  ist  bei  Vrieslanders  Liedern 
ohne  Begleitung  überhaupt  recht  belanglos  und  erhilt  erst  durch  die  oft  überraschenden 
Harmonieen  einen  musikalischen  Sinn.  Aber  für  die  einfachen  Texte  scheint  mir  das 
ganze  Kompositionsverfahren  Vrieslanders  viel  zu  sehr  ausgeklügelt.  Man  hat  meist 
den  Eindruck,  als  suche  er  mit  Absicht  gerade  das,  was  man  nicht  erwartet,  als  scheue 
er  sich,  zu  singen,  wie  ihm  der  Schnabel  gewachsen.  Daß  er  musikalisch  empfindet, 
beweisen  aber  seine  Vor-,  Nach-  und  Zwischenspiele,  die  durch  ihre  aparte  Stimmungs* 
maierei  aufftülen.    Die  Lieder  sind  übrigens  für  die  Singstimme  ziemlich  schwierig. 

160.  Felix  Lederer-Prina:   Lieder.    Verlag:  W.  Vobach  &  Co.,  Berlin,  Leipzig  und 

Wien. 
Sechs  dieser  Lieder,  op.  12,  bilden  eine  Reihe,  die  der  Komponist,  wie  die  Notizen 
am  Schlüsse  beweisen,  in  kurzer  Zeit  zu  Gedichten  von  Bierbaum,  Grosse  und  G.  Falke 
geschriet>en  hat.  So  ist  denn  eine  Pamilienihnlichkeit  der  Lieder  leicht  erklärlich.  Sie 
t>ewegen  sich  in  den  Grenzen  der  landliuflgen  Liederschreibweise,  bieten  wenig  Auf- 
fallendes  in  Ausdruck  und  Form,  nehmen  aber  durch  Knappheit  der  Konzeption  und 
schlichte  Ehrlichkeit  für  sich  ein.  Das  beste  Stück  ist  meiner  Meinung  nach  das  trutzig* 
kraftvolle  «Verlassen  hab'  ich  nun  Haus  und  Herd*,  in  dem  die  häufige  Verwendung  der 
harten  Triole  in  Singstimme  und  Klavier  eine  sehr  charakteristische  Wirkung  tut.  Auch 
«Unschuld*  ist  ein  hübsches  Lied,  dessen  Wert  in  der  Einfachheit  und  reinen  melodischen 
Linie  liegt.  —  Der  Tonsetzer  veröffentlicht  im  selben  Verlag  als  op.  13  «Das  Lied  des 
Todes*  für  eine  Singstimme  mit  Begleitung  einer  Geige  und  des  Pianoforte.  Das  be- 
deutende Gedicht  von  Franz  Evers  ist  in  seiner  Gesamtstimmung  sehr  glücklich  erfkBt 
und  in  seinen  Einzelheiten  mit  modemer  Kraft  ausgestaltet,  so  dafi  der  Eindruck  stark 
and  nachhaltig  sein  dürfte,  wenn  Singstimme  und  Geige  sich  in  künstlerisch  vollendeter 
Weise  ergänzen.  Die  Einführung  der  Geigenstimme,  die  ich  übrigens  bisweilen  etwas 
zu  sehr  bewegt  finde  (S.  5,  ohne  Dämpfer),  ist  hier  nicht  Willkür  des  Komponisten,  son- 
dern entspricht  dem  Wortlaut  des  Gedichts.  F.  A.  Geißler 


Aus  deutschen  Musikzeitschriften 

SIGNALE  FÜR  DIE  MUSIKALISCHE  WELT    (Leipzig)  1907,   No.  50--a8.   - 
In  dem  Aufsatz  .Joseph  Joachim  ein  Phänomen*  sagt  August  Spanath  (No.  5Q: 
»Die  Nachwelt  wird  das  eigentlich  Phänomenale  seiner  Erscheinung  in  der  Trotz* 
Stellung  erblicken,  die  Joachim  fünfzig  Jahre  lang  der  modernen  Masik  gegenfiber 
eingenommen  hat*,  und  in  der  „Tatsache,  daß  die  musikalische  Welt  nicht  auf- 
hörte, in  ihm  einen  großen  Vortragskfinstler  zu  verehren,  trotzdem  seine  meisten 
Zuhörer  längst   in   einer  ganz    andern    musikalischen   Richtung   trieben,  als  er 
selbst!*     Spanuth   wirft  die   Frage   auf:    «Wie  war  es  möglich,    daß   Liszt  and 
Wagner  aus  den  Werken  Beethovens  Impulse  für  ihr  eigenes  Schaffen  erhielten,. 
und    daß  Joachim    aus   denselben  Werken   solche  Impulse  ganz   und   gar  nicht 
heraushörte?*    Er  weist  darauf  hin,  daß  „neun  Zehntel  der  musikalischen  Welt* 
auf  der  Seite  Wagners  und  Liszts  ständen  und  daß  die  schon  seit  langer  Zeit 
kleine  Schar  der  Gegner  der  modernen  Musik  nach  Joachims  Tode   noch  mehr 
zusammenschmelzen   werde.     Selbst  wenn  aber  die  Minorität  in  diesem  Falle  das 
bessere  Musikverständnis  hätte,  so  wäre  es  doch  ausgeschlossen,  daß  der  Einfluß 
Wagners  und  Liszts  auf  die  Entwicklung  der  Musik  verwischt  werden  könnte.  — 
Ferdinand   Ffohl   berichtet  in   dem   Aufsatz   „Hamburger  Oper*   fiber  die  Ver> 
hältnisse  an  dieser  BQhne;  Richard  Batka  berichtet  Ober  „Das  Deittache  Theater 
in  Prag*  (No.  61).  —  In  dem  Aufeatz  „Germania  non  cantat?*  (No.  0Q  wendet 
sich  August  Spanuth  gegen  einige  in  der  New  Yorker  »New  Music-Review*  von 
W.  J.  Henderson  ausgesprochene,  stark   Obertreibende  Urteile  Ober  Mängel   der 
besonders  seit  Wagner  in  Deutschland  üblichen  Art  zu  singen.  ^  Max  Bruch 
veröffentlicht  seine  Rede  auf  Joachims  Tod  unter  der  Oberschrift  „Gedenkworte  bei 
der  Gedächtnisfeier  der  Königl.  Akademischen  Hochschule  für  Musik  in  Berlin 
für  Joseph  Joachim*.   —   In  dem  Aufsatz   „Wer  komponierte  ,Mozarts  7.  Violin- 
konzert'?*   werden  Briefe  von  Gustav  Holländer  und  Carl  Halir  abgedmckt,  die 
die  Echtheit  des  Konzertes  bezweifeln.    Femer  wird  mitgeteilt,  daß  Henri  Marteau 
es  abgelehnt  habe,  das   Konzert  zu   spielen,  um   nicht  etwa  den  Anschein  m 
erzeugen,  daß  er  das  Werk  als  eine  Schöpfung  Mozarts  anerkenne.    Auch  andere 
Geiger  sind  nicht  von  der  Echtheit  überzeugt.  —  Der  Aufsatz  „Komponisten  und  Gast- 
wirte* von  August  Spanuth  (No.63)  handelt  von  dem  Konflikt  der  „Genoasenschaft 
deutscher  Tonsetzer*  mit  den  Gastwirten  und  Etablissementsbesitzem.  —  Ferdinand 
Pfohl  beurteilt  in  dem  Aufsatz  „Zumpes  ,Sawitri'  im  Schweriner  Hoftheatei'  das 
Textbuch  und  die  Musik  dieses  Werkes  sehr  ungünstig,  lobt  aber  die  Schweriner 
Aufführung.  —  August  Spanuth  bestreitet  in  dem  Aufsatz  „Der  kritisierte  Kritiker' 
(No.  64),  daß  der  Kritiker  immer  wenig  gewissenhaft  handle,  wenn  er  ein  Konxert 
bespricht,  von  dem  er  nur  einen  Teil  gehört  hat.    Femer  tritt  Spanuth  der  An- 
sicht entgegen,  daß  jeder  Konzertgeber  ein  Recht  auf  öffentliche  Besprechang  seines 
Konzertes  habe.     „Anstatt   auf  diejenigen   zu   hören,  die   nach   noch   mehr  Kri- 
tikern und  Kritiken  schreien,  sollten  die  Kritiker  gehalten  werden,  auch  solche 
Konzerte,  die  sie  besucht  haben,  einfach  totzuschweigen,  wenn  die  Darbietungen 


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367 
REVUE  DER  REVUEEN 


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unter  einem  gewissen  künstlerischen  Niveau  blieben.  Das  wäre  eine  Kaltwasser- 
kur für  die  prätentiösen  Unreifen,  die  in  jedem  Winter  auf  das  Publikum  los- 
gelassen  werden,  und  das  wäre  außerdem  die  beste  Methode,  dem  Kritiker  das 
nötige  Ansehen  zu  verschaffen.  Die  Konzertgeber  würden  sich  hüten,  den 
Kritiker  so  flott  zu  verleumden,  wenn  sie  wüßten,  daß  er  es  ablehnen  kann, 
ihre  Leistungen  zu  kritisieren*.  —  Wolfgang  A.  Thomas'  Aufsatz  »Glossen 
zur  musikalischen  Kultur.  IV:  Neue  Bahnen*  bandelt  von  Programmusik,  sowie 
von  Klangfarbe  und  Rhythmus  in  der  modernen  Musik.  (Kapitel  I—III  der 
»Glossen*  sind  in  der  letzten  »Revue* ^angezeigt  worden.)  —  August  Spanuth 
spricht  in  dem  Aufsatz  »Nochmals  Mozarts  VII.  Violinkonzert*  (No.  65)  die 
Ansicht  aus,  daß  Mozart  wahrscheinlich  nur  Skizzen  zu  diesem  Werke  kom- 
poniert habe,  und  daß  diese  von  einem  Violinvirtuosen  bearbeitet  und  ergänzt 
worden  seien.  Dieser  Ansicht  neigen  auch  Max  Kalbeck  und  Xaver  Scharwenka 
zu,  aus  deren  Aufsätzen  Spanuth  hier  große  Auszüge  abdruckt.  —  Walter  Nie- 
mann  bespricht  in  dem  Aufsatz:  »Der  erste  Großmeister  deutscher  Klaviermusik: 
Jobann  Jakob  Froberger  (ca.  1600—1667)*  (No.  65—66)  eingehend  Frobergers  Klavier- 
werke. Eine  kurze  Lebensbeschreibung  und  eine  kurze  Besprechung  der  Orgel- 
kompositionen Frobergers  stehen  am  Anfang  des  Aufsatzes.  Niemann  meint,  daß 
wir  »die  innere  Fühlung  mit  dem  Inhalt*  der  meisten  Orgelkompositionen 
Frobergers  »vollkommen  verloren*  haben,  daß  aber  »der  Klavierkomponist  Fro- 
berger noch  heute  eindringlich  zu  unserm  Herzen  spricht*  Er  schließt  den 
interessanten  Aufsatz  mit  den  Worten:  »Möchten  sie  [die  neuen  Ausgaben  Fro- 
bergerscher  Werke]  ihm  wieder  Hausrecbt  im  deutschen  Hause  schaffen  helfen!* 
—  August  Spanuth  erzählt  in  dem  Aufsatz  »Ein  Chorjubiläum*  (No.  66)  die 
Geschichte  des  Philharmonischen  Chors  in  Berlin.  —  In  dem  Aufsatz  »Das 
Übel  der  zu  hohen  Sängergagen*  (No.  67)  beklagt  August  Spanuth,  daß  Amerika 
durch  hohe  Gagen  die  besten  Sänger  an  sich  lockt  und  dadurch  die  Gefahr  herbei- 
führt, daß  auch  in  Europa  die  Sängergagen  und  damit  auch  die  Eintrittspreise  für 
Opemvorstellungen  erhöht  werden.  Zur  Beseitigung  dieser  Gefahr  empfiehlt 
Spanuth  »eine  Art  passiver  Resistenz*:  Wem  es  schwer  fällt,  die  teueren  Preise 
für  Opern  zu  bezahlen,  der  solle  sich  damit  begnügen,  Konzertsänger  zu  hören. 
Es  sei  zwar  hart,  auf  den  Besuch  mancher  guten  Opemvorstellung  verzichten  zu 
müssen;  aber  man  könne  sich  »damit  trösten,  daß  das  Beste,  mit  dem  die  Musik 
uns  beglücken  kann,  deshalb  noch  lange  nicht  verloren  ist*  »Wir  sind  ja  glück- 
licherweise noch  nicht  von  einer  musikalischen  Hungersnot  bedroht,  auch  wenn 
uns  die  Oper  ein  wenig  verkümmert.*  —  Detlef  Schultz  zeigt  in  dem  Aufsatz 
»Repertoire  und  Gesangsstil  der  gegenwärtigen  deutschen  Opembühne*  an  einer  Sta- 
tistik der  Aufführungen  Wagnerscher  Werke,  daß  Wagners  romantische  Opern  das 
Publikum  noch  immer  mehr  fesseln  als  die  eigentlichen  Musikdramen  und  daß 
die  meisten  Theaterbesucher  »sich  um  die  artistischen  Tbeorieen  und  Prinzipien 
Wagners  herzlich  wenig  kümmern.  Um  so  intensiver  aber  haben  Wagners  Kunst- 
und  Stilprinzipien  auf  die  deutschen  Sänger,  Dirigenten,  Regisseure  und  Musiker 
gewirkt*  »Wagners  belebende  dramatische  Impulse  sind  indirekt  auch  der  Inter- 
pretation Mozarts,  Beethovens,  Webers,  Marschners,  ja  Bizet's  und  des  späteren 
Verdi  zugute  gekommen. . .  Mit  dem  Zeitpunkt  aber,  wo  die  Wagnerschen  Werke 
aus  einer  Nebenstellung  in  die  erste  Reihe  einrücken,  um  schließlich  den  Spiel- 
plan zu  beherrschen,  fängt  man,  die  Prinzipien  Wagners  einseitig  übertreibend 
und  verzerrend,  an,  vom  gesprochenen  Wort  auszugehen,  den  Gesangston  zu  ent- 
werten und  dies  erste  Gebot  aller  Gesangskultur:  den  gesponnenen,  modulations- 


Aus  deutschen  Musikzeitschriften 

SIGNALE  FÜR  DIE  MUSIKALISCHE  WELT    (Leipzig)  1907,   No.  50-«.   - 
In  dem  Aufsatz  «Joseph  Joachim  ein  Phänomen*  sagt  Auguet  Spanuth  (No.  50): 
»Die  Nachwelt  wird  das  eigentlich  Phinomenale  seiner  Erscheinung  in  der  Trutz- 
stellung erblicken,  die  Joachim  fünfzig  Jahre  lang  der  modernen  Musik  gegenüber 
eingenommen  hat*,  und  in  der  ^Tatsache,  daß  die  musikalische  Welt  nicht  auf- 
hörte, in  ihm  einen  großen  Vortragskfinstler  zu  verehren,  trotzdem  seine  meisten 
Zuhörer  längst   in   einer  ganz    andern    musikalischen   Richtung   trieben,   als  er 
selbst!*     Spanuth   wirft  die   Frage   auf:    «Wie   war  es  möglich,    daß   Lisit  und 
Wagner  aus  den  Werken  Beethovens  Impulse  für  ihr  eigenes  Schaffen  erhielten^ 
und    daß  Joachim    aus   denselben  Werken   solche  Impulse  ganz   und   gar  nicht 
heraushörte?*    Er  weist  darauf  hin,  daß  „neun  Zehntel  der  musikalischen  Welt* 
auf  der  Seite  Wagners  und  Liszts  ständen  und  daß  die  schon  seit  langer  Zeit 
kleine  Schar  der  Gegner  der  modernen  Musik  nach  Joachims  Tode   noch  mehr 
zusammenschmelzen   werde.     Selbst  wenn  at>er  die  Minorität  in  diesem  Falle  das 
bessere  Musikverständnis  hätte,  so  wäre  es  doch  ausgeschlosaen,  daß  der  Einflull 
Wagners  und  Liszts  auf  die  Entwicklung  der  Musik  verwischt  werden  könnte.  ^ 
Ferdinand   Ffohl   berichtet  in   dem   Aufsatz   „Hamburger  Oper*  fiber  die  Ver- 
hältnisse an  dieser  Buhne;  Richard  Batka  berichtet  Ober  „Das  Deutache  Theater 
in  Prag*  (No.  61).  ~   In  dem  Aufeatz  „Germania  non  cantat?*  (No.  0Q  wendet 
sich  August  Spanuth  gegen  einige  in  der  New  Yorker  „New  Musie-Reviev*  von 
W.  J.  Henderson  ausgesprochene,  stark  fibertreibende  Urteile  fiber  Mingel   der 
besonders  seit  Wagner  in  Deutschland  üblichen  Art  zu  singen.  —  Max  Bruch 
veröffentlicht  seine  Rede  auf  Joachims  Tod  unter  der  Oberschrift  „Gedenkworte  bei 
der  Gedächtnisfeier  der  Königl.  Akademischen  Hochschule  für  Musik  in   Berlin 
für  Joseph  Joachim*.   —   In  dem  Aufsatz  „Wer  komponierte  ,Mozarta  7.  Violin- 
konzert'?*   werden  Briefe  von  Gustav  Holländer  und  Carl  Halir  abgedruckt,  die 
die  Echtheit  des  Konzertes  bezweifeln.    Femer  wird  mitgeteilt,  daß  Henri  Marteau 
es  abgelehnt  habe,  das   Konzert  zu   spielen,   um   nicht  etwa  den   Anschein  zu 
erzeugen,  daß  er  das  Werk  als  eine  Schöpfung  Mozarts  anerkenne.    Auch  andere 
Geiger  sind  nicht  von  der  Echtheit  überzeugt.  —  Der  Aufsatz  „Komponisten  und  Gast- 
wirte* von  August  Spanuth  (No.63)  handelt  von  dem  Konflikt  der  „GenoasenachafI 
deutscher  Tonsetzer*  mit  den  Gastwirten  und  Etablissementsbesitzem.  —  Ferdinand 
Pfohl  beurteilt  in  dem  Aufsatz  „Zumpes  ,Sawitri'  im  Schweriner  Hoftheater'  daa 
Textbuch  und  die  Musik  dieses  Werkes  sehr  ungfinstig,  lobt  at>er  die  Schweriner 
Auffuhrung.  —  August  Spanuth  bestreitet  in  dem  Aufsatz  „Der  kritisierte  Kritiker' 
(No.  64),  daß  der  Kritiker  immer  wenig  gewissenhaft  handle,  wenn  er  ein  Konzert 
bespricht,  von  dem  er  nur  einen  Teil  gehört  hat.    Femer  tritt  Spanuth  der  An- 
sicht entgegen,  daß  jeder  Konzertgeber  ein  Recht  auf  öffentliche  Besprechung  seines 
Konzertes  habe.     „Anstatt  auf  diejenigen   zu   hören,  die  nach   noch   mehr  Kri- 
tikern und  Kritiken  schreien,  sollten  die  Kritiker  gehalten  werden,  auch  aolcbe 
Konzerte,  die  sie  besucht  haben,  einfach  totzuschweigen,  wenn  die  Darbietungen 


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unter  einem  gewissen  künstlerischen  Niveau  blieben.  Das  wäre  eine  Kaltwasser- 
kur für  die  prätentiösen  Unreifen,  die  in  jedem  Winter  auf  das  Publikum  los- 
gelassen werden,  und  das  wäre  außerdem  die  beste  Methode,  dem  Kritiker  das 
nötige  Ansehen  zu  verschaffen.  Die  Konzertgeber  würden  sich  hüten,  den 
Kritiker  so  flott  zu  verleumden,  wenn  sie  wüßten,  daß  er  es  ablehnen  kann, 
ihre  Leistungen  zu  kritisieren*'.  —  Wolfgang  A.  Thomas'  Aufsatz  ^Glossen 
zur  musikalischen  Kultur.  IV:  Neue  Bahnen*  handelt  von  Programmusik,  sowie 
von  Klangfarbe  und  Rhythmus  in  der  modernen  Musik.  (Kapitel  I— III  der 
»Glossen**  sind  in  der  letzten  »Revue**^ angezeigt  worden.)  —  August  Spanuth 
spricht  in  dem  Aufsatz  »Nochmals  Mozarts  VII.  Violinkonzert*  (No.  65)  die 
Ansicht  aus,  daß  Mozart  wahrscheinlich  nur  Skizzen  zu  diesem  Werke  kom- 
poniert habe,  und  daß  diese  von  einem  Violinvirtuosen  bearbeitet  und  ergänzt 
worden  seien.  Dieser  Ansicht  neigen  auch  Max  Kalbeck  und  Xaver  Scharwenka 
zu,  aus  deren  Aufsätzen  Spanuth  hier  große  Auszüge  abdruckt.  —  Walter  Nie- 
mann  bespricht  in  dem  Aufsatz:  „Der  erste  Großmeister  deutscher  Klaviermusik: 
Johann  Jakob  Froberger  (ca.  1600—1667)*  (No.  65—66)  eingehend  Frobergers  Klavier- 
werke. Eine  kurze  Lebensbeschreibung  und  eine  kurze  Besprechung  der  Orgel- 
kompositionen Frobergers  stehen  am  Anfang  des  Aufsatzes.  Niemann  meint,  daß 
wir  „die  innere  Fühlung  mit  dem  Inhalt*  der  meisten  Orgelkompositionen 
Frobergers  „vollkommen  verloren*  haben,  daß  aber  „der  Klavierkomponist  Fro- 
berger noch  heute  eindringlich  zu  unserm  Herzen  spricht.*  Er  schließt  den 
interessanten  Aufsatz  mit  den  Worten:  „Möchten  sie  [die  neuen  Ausgaben  Fro- 
bergerscher  Werke]  ihm  wieder  Hausrecht  im  deutschen  Hause  schaffen  helfen!* 
—  August  Spanuth  erzählt  in  dem  Aufsatz  „Ein  Chorjubiläum*  (No.  66)  die 
Geschichte  des  Philharmonischen  Chors  in  Berlin.  —  In  dem  Aufsatz  „Das 
Übel  der  zu  hoben  Sängergagen*  (No.  67)  beklagt  August  Spanuth,  daß  Amerika 
durch  hohe  Gagen  die  besten  Sänger  an  sich  lockt  und  dadurch  die  Gefahr  herbei- 
führt, daß  auch  in  Europa  die  Sängergagen  und  damit  auch  die  Eintrittspreise  für 
Opemvorstellungen  erhöht  werden.  Zur  Beseitigung  dieser  Gefahr  empfiehlt 
Spanuth  „eine  Art  passiver  Resistenz*:  Wem  es  schwer  fällt,  die  teueren  Preise 
für  Opern  zu  bezahlen,  der  solle  sich  damit  begnügen,  Konzertsänger  zu  hören. 
Es  sei  zwar  hart,  auf  den  Besuch  mancher  guten  Opemvorstellung  verzichten  zu 
müssen;  aber  man  könne  sich  „damit  trösten,  daß  das  Beste,  mit  dem  die  Musik 
uns  beglücken  kann,  deshalb  noch  lange  nicht  verloren  ist.*  „Wir  sind  ja  glück- 
licherweise noch  nicht  von  einer  musikalischen  Hungersnot  bedroht,  auch  wenn 
uns  die  Oper  ein  wenig  verkümmert.*  —  Detlef  Schultz  zeigt  in  dem  Aufsatz 
„Repertoire  und  Gesangsstil  der  gegenwärtigen  deutschen  Opembühne*  an  einer  Sta- 
tistik der  Aufführungen  Wagnerscher  Werke,  daß  Wagners  romantische  Opern  das 
Publikum  noch  immer  mehr  fesseln  als  die  eigentlichen  Musikdramen  und  daß 
die  meisten  Theaterbesucher  „sich  um  die  artistischen  Theorieen  und  Prinzipien 
Wagners  herzlich  wenig  kümmern.  Um  so  intensiver  aber  haben  Wagners  Kunst- 
und  Stilprinzipien  auf  die  deutschen  Sänger,  Dirigenten,  Regisseure  und  Musiker 
gewirkt.*  „Wagners  belebende  dramatische  Impulse  sind  indirekt  auch  der  Inter- 
pretation Mozarts,  Beethovens,  Webers,  Marschners,  ja  Bizet's  und  des  späteren 
Verdi  zugute  gekommen. . .  Mit  dem  Zeitpunkt  aber,  wo  die  Wagnerschen  Werke 
aus  einer  Nebenstellung  in  die  erste  Reihe  einrücken,  um  schließlich  den  Spiel- 
plan zu  beherrschen,  fängt  man,  die  Prinzipien  Wagners  einseitig  übertreibend 
und  verzerrend,  an,  vom  gesprochenen  Wort  auszugehen,  den  Gesangston  zu  ent- 
werten und  dies  erste  Gebot  aller  Gesangskultur:  den  gesponnenen,  modulationa- 


368 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


und  farbungsffthigen  Ton  zu  vernacbl&88igen.  E8  zeigt  sieb,  daß  die  Diktatur  des 
heutigen  Wagnergesanges  zu  ebenso  schlimmer  Einseitigkeit  führt  wie  firüher  die 
einseitige  Herrschaft  der  Schönsftnger  und  Kehlvirtuosen. . .  Dem  deutschen  Vagner» 
theater  der  Gegenwart  fehlt  es  nicht  an  geistvollen  Darstellern,  hervorragenden 
Kapellmeistern,  Regisseuren  und  Musikern,  aber  an  guten  Singem.  Die  Gesanp- 
pftdagogik  und  Gesangskritik,  der  das  Wesen  des  echten  Gesangstones  in  seiner 
unersetzlichen,  grundlegenden  Bedeutung  für  die  Oper  auf|gegangen  ist,  hat  hier 
noch  eine  Mission  zu  erfüllen.*'  —  August  Spanuth  wirft  in  dem  Aufisatz 
„Zukunftsmusik?*  einen  Ruckblick  auf  das  Jahr  1907,  in  dem  viel  gegen  die 
moderne  Musik  protestiert  wurde,  die  »große  Menge  der  Musikgenießenden*  aber 
ein  immer  „stärkeres  Hinneigen  zu  der  Art  der  Modernen*,  andererseits  aber 
auch  einen  „starken  ungeheuchelten  Appetit  auf  alte  Musik*  zeigte.  Dann  bespricht 
Spanuth  Busoni's  „Entwurf  einer  neuen  Ästhetik  der  Tonkunst*. 

NEUE  MUSIKZEITUNG  (Stuttgart)  1908,  No.  11—13.  —  In  dem  Aufsatz  »Degene- 
ration und  Regeneration*  (No.  11),  einer  Antwort  auf  den  in  der  »Revue*  des 
Heftes  14  unserer  Zeitschrift  angezeigten  Aufsatz  von  Max  Reger,  bedauert 
Ferdinand  Scherber  die  zuweit  gehende  „Konfratemitit  der  Musikschriflsteller 
und  der  ,modernen'  Komponisten*.  „Es  fehlt  heutzutage  vor  allem  an  einer 
lebensfähigen,  kräftigen  Opposition,  die  Auswüchse,  künstlerische  Obergriffe, 
artistische  Despotieen  zu  paralysieren  vermöchte.*  Als  das  „schwerwiegendste 
Übel*  betrachtet  es  Scherber,  daß  die  modernen  Musiker  „das  Gelübde  der  Ent- 
haltsamkeit von  allem  Leichtverständlichen,  der  Armut  aller  sangbaren  Melodie 
und  des  strengsten  Gehorsams  gegen  den  modernen  musikalischen  Zopf  ablegten* 
und  infolgedessen  dem  Volke  ganz  fremd  blieben.  „Die  Musik  ist  auf  dem  besten, 
oder  vielmehr  schlechtesten  Wege,  ihre  allgemeine  kulturelle  Mission,  die  sie  mit 
jahrhundertelanger  Zähigkeit  erobert,  in  wenig  Jahren  zu  verlieren.  Sie  macht 
sich  zu  einem  geistreichen  Spiel  für  die  Fachgenossen,  zur  Freude  für  wenige. 
Sie  hat  das  Volk  in  die  Variet6s  getrieben,  sie  bat  das  musikalische  Singapiel* 
hallen-Kartell  schaffen  helfen,  sie  läßt  dem  Volke,  das  heute  im  aufreibenden 
Kampfe  ums  Dasein  mehr  als  je  nach  dem  musikalischen  Wunderqoell  dürstet, 
der  über  die  Not  des  Tages  so  süß,  so  herrlich  hinweghilft,  der  den  Jammer  stiUt, 
die  Verzweiflung  lindert,  —  sie  läßt  dem  Volke  landläufigen  Operettenmlschmasch, 
mit  allen  Bakterien  der  künstlerischen  Gemeinheit  versetzte  Gassenhaaerkost 
verabreichen  .  .  .  Und  wenn  die  moderne  Musik  mit  ihrer  bewandemswfirdigen 
Technik  alle  Schulden,  die  sie  angehäuft,  wird  tilgen  können,  diese  RlesenschuM 
der  Verachtung  des  Volkes  wird  sie  damit  niemals  zahlen  können  und  daran  wird 
sie  eines  Tages  bankerott  werden.  Der  an  den  Größenwahn  des  Sonnenkönigs 
erinnernde  Wahlspruch:  ,L'art  pour  l'arf  wird  den  Weg  des  ,L'tot  c'est  moi* 
nehmen.  Das  technische  Prachtschloß  der  Tonkunst  muß  erstürmt  werden,  die 
Musik  muß  heraus  auf  jenen  Platz,  der  ihr  gebührt,  und  alle,  die  reinen  Henens 
sind,  erfreuen  .  .  .  Mit  Richard  Wagner  scheint  der  letzte  volkstümliche  Komponist 
gestorben.  Wie  Bernhard  Shaw  richtig  bemerkt,  ist  Wagner  AbacbiuB  einer 
Periode  der  Entwicklung,  die  ungefähr  von  Weber  beginnt,  und  nicht  etwa  der 
Anfang  einer  neuen.*  Max  Reger  habe  vergessen,  in  seinem  Aufsati  zu  erwihnea, 
daß  neben  Strauß,  Mahler  und  Reger,  deren  Werke  jetzt  auch  in  den  »reaktloninten 
Städten*  oft  aufgeführt  werden,  es  viele  bedeutende  moderne  Komponisten  glbi^ 
die  sich  vergebens  bemühen,  ihre  Werke  zur  Aufführung  zu  bringen.  »An  diesem 
Jammer*  habe  „die  ,Modeme'  nichts  geändert,  nichts  get>essert*.  Beachtenswert 
ist  Scherbers  Hinweis  darauf,  daß  nicht  nur  die  Musikschriftsteller,  sondern  auch 


369 
REVUE  DER  REVUEEN 


kSB 


die  schaffenden  Musiker  oft  die  neuen  Werke  eines  ihnen  noch  nicht  vertrauten 
Komponisten  sehr  verständnislos  beurteilt  haben.  Scherber  widerspricht  auch  der 
Behauptung,  daß  die  großen  musikalischen  Genies  viel  unter  der  Verstindnis- 
losigkeit  der  Musikkritiker  gelitten  hätten,  und  meint,  daß  auch  i^beim  großen 
Publikum  fast  alle  großen  Geister  der  Musik  in  ihrer  Bedeutung  erkannt  oder 
zumindest  gefühlt  wurden,  nicht  immer  von  ihren  Fachgenossen*.  —  Paul  Ertel 
veröffentlicht  eine  kurze  Biographie  Busoni's  («Femiccio  Busoni*).  —  Bruno 
W  e  i  g  1  s  Aufsatz  ,,Eine  Studie  zur  Geschichte  der  finnischen  Musik*  (No.  13) 
bespricht  kurz  die  Werke  von  Frederik  Pacius,  Richard  Faltin,  Martin  Wegelius, 
Robert  Kajanus,  Armas  Järnefelt,  Ernst  Mielck,  Jean  Sibelius,  Erkki  Melartin, 
Oskar  Merikanto,  Karl  Flodin  und  einigen  anderen  Musikern.  Am  ausführlichsten 
handelt  der  Aufsatz  von  Pacius  (1809—91)  und  Jean  Sibelius  (geb.  1865).  —  Alfred 
S  c  h  ü  z  begründet  in  dem  Aufsatz  „Das  Tempo*  eingehend  die  Ansicht,  daß 
die  Komponisten  „das  von  ihnen  gewünschte  Tempo  genau  angeben*  sollten, 
und  bespricht  dann  einige  Metronome.  —  Zum  100.  Geburtstage  Maria 
Malibran-Garcia's  beschreibt  Adolph  K  o  h  u  t  das  Leben  der  Sängerin  („Maria 
Felicita  Malibran*).  —  L.  A  n  d  r  o  veröffentlicht  den  kurzen  Aufsatz  „Pauline 
Lucca  f*.  —  Vincenz  Reifner  erläutert  eingehend  „Max  Regers  Opus  100* 
(No.  13  und  14).  —  A.  Eccarius-Sieber  bespricht  in  dem  Aufsatz  „Alte,  köst- 
liche Quartette  für  die  Pflege  der  Kunst  in  Haus  und  Salon*  (No.  13)  kurz  einige 
Quartette  von  Dittersdorf,  Mozart  und  Boccherini.  —  O.  K.  rezensiert  sehr  aus- 
führlich und  sehr  lobend  „Die  erste  deutsche  Grieg-Biographie:  Edvard  Grieg 
von  Henry  T.  Finck.  Deutsch  von  Arthur  Laser*.  —  „Im  Namen  der  Kunst!* 
protestiert  O.  K.  gegen  die  vom  Allgemeinen  Deutschen  Musikverein  durch  sein 
Verhalten  gegenüber  dem  Münchener  Ausstellungs-Komitee  ausgedrückten  Ansichten 
vom  Verhältnis  der  Orchestermusiker  zum  Dirigenten.  K.  erkennt  die  Notwendig- 
keit einer  Besserung  der  sozialen  Lage  der  Musiker  und  die  Berechtigung  der 
„organisierten  Selbsthilfe  der  Musiker*  an.  Aber  er  meint:  „Die  Frage  in  rein 
sozialem  Sinne  zu  lösen,  ist  in  diesem  (nämlich  dem  Münchener)  Falle  unmöglich. 
.  .  .  Gesetzt  den  Fall,  das  Tonkünstler-Orchester  hätte  erklärt,  für  das  bisherige 
Honorar  könne  es  den,  sicher  anstrengenden  und  verantwortungsvollen  Dienst  in 
der  Ausstellung  nicht  übernehmen,  so  wäre  ohne  Zweifel  eine  Einigung  zustande 
gekommen.  Denn  selbst  wenn  die  Leitung  nicht  hätte  nachgeben  wollen,  hätte 
sie  in  diesem  Falle  müssen.  Aber  wenn  das  Orchester  kommt  und  sagt,  die 
und  die  Bläser  dürfen  nicht  entlassen  werden,  trotzdem  die  Dirigenten  erklärt 
haben,  sie  nicht  brauchen  zu  können,  überhaupt  darf  nur  unser  Orchester,  und 
zwar  in  der  und  der  Stärke,  engagiert  werden,  sonst  verhängen  wir  die  Sperre,  so 
ist  das  keine  künstlerische  Angelegenheit  mehr.  Und  dann  lieber  gar  nicht!  Es 
ist  eben  ein  tatsächlicher  Unterschied  zwischen  künstlerischen  und  bürgerlichen 
Berufen  vorhanden.*  —  In  dem  Aufsatz  „Vom  Singen.  Aus  der  Schule  geplaudert* 
von  Josef  Lewinsky  werden  närrische  Obungen  verspottet,  die  einige  Gesangs- 
lehrer ihre  Schüler  machen  lassen. 

ALLGEMEINE  MUSIKZEITUNG  (Berlin)  1908,  No.  14-18.  -  Richard  Batka 
bespricht  unter  der  Oberschrift  „Richard  Wagner  und  Minna*  (No.  14)  die  soeben 
herausgegebenen  Briefe  Wagners  an  seine  erste  Frau.  —  Felix  Wilfferodt  be- 
trachtet „Schatten-  und  Lichtseiten  unseres  Konzertlebens*.  Zu  den  Schatten- 
seiten zählt  er  besonders  die  „Oberproduktion  auf  dem  Gebiete  der  ausübenden 
Musik*,  die  dazu  geführt  habe,  daß  manche  begabte  Musiker,  die  nicht  kräftig  die 
Reklametrommel  rühren,  unbeachtet  bleiben.  Die  Oberproduktion  habe  aber  nicht 
VII.  18.  24 


370 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


zur  Verfltchung  der  Musikpflege  geführt.  Im  Gegenteil,  da8  .heißere  Ringen  um 
Anerkennung*  sei  «dem  künstlerischen  Ernst  förderlich  gewesen*.  Dts  «bloBe 
Virtuosentum*  der  Solisten  herrscht  in  den  Konzerten  heute  nicht  mehr  in  dem 
Mtße  vor  wie  früher.  Dem  sogenannten  „Pultvirtuosentum*  sei  es  zu  Terdmnken, 
daß  wir  heute  »die  erhabensten  Werke*  der  Tonkunst  öfter  als  früher  zu  hören 
bekommen.  Schwer  aufführbare  Werke,  ältere  wie  moderne,  würden  in  unserer 
Zeit  öfter  zu  Gehör  gebracht.  —  Richard  Hahn  beleuchtet  mueh  in  dieser  Zei^ 
Schrift  das  Verhalten  der  Stadt  Düsseldorf  gegen  ihren  Musikdirektor  Buths  («Der 
Fall  Buths*;  vergleiche  Hahns  Aufsatz  in  unserer  Zeitschrift,  Heft  15).  —  Kari 
Vogt  bespricht  in  dem  Aufsatz  «Neue  Bühnenkunst*  (No.  15)  musfQhrlich  Adolphe 
Appia's  Werk  «Die  Musik  und  die  Inszenierung*,  das  er  «grundlegend  fQr  jede 
Theaterreform*  nennt.  —  C.  Voelcker  berichtet  in  dem  Aufsatz  «Das  Theodor 
Thomas-Orchester  in  Chicago*  sehr  lobend  über  die  Leistungen  Thomas'.  —  Paul 
Schwers  veröffentlicht  einen  kurzen  Nachruf  auf  Sucher  («Josef  Sucherf*).  — 
Rudolf  Fiege  stellt  Joh.  Stamitz  und  Georg  Matthias  Monn  als  «Vorliufer  der 
Wiener  Klassiker*  (No.  16)  dar.  Der  Verfasser  bestreitet,  daß  man  Stmmitz  den 
«Vater  der  klassischen  Symphonie*  nennen  dürfe;  er  nennt  Monn  «den  bedeutendsten 
unter  den  Vorklassikern*.  —  Im  dritten  Kapitel  seiner  «Kleinen  Studien  mr 
Operndarstellung*  spricht  L.  Andro  über  «Das  ,junge  Mädchen'  auf  der  Bühne*. 
Er  meint,  daß  heute  nicht  «die  großen  dramatischen  Rollen  •  .  .  die  schlechtesie 
Darstellung  erfahren*;  viel  schlechter  würden  die  Rollen  der  jungen  Mldchen  ge- 
spielt. Den  heutigen  Sängerinnen  falle  nicht  ein,  «daß  man  auch  eine  einÜKhe 
Natur  sehr  stark,  sehr  wahr,  sehr  unmittelbar  gestalten  kann*.  Meist  würden  die 
jungen  Mädchen  ganz  «schablonenmäßig*,  ohne  «persönliche  Züge*  dargestellt 

MUSIKALISCHES  WOCHENBLATT  (Leipzig)  1908,  No.  14-1&  -  Siegmund  Toa 
Hausegger  ermahnt  in  dem  Aufsatz  «Der  Allgemeine  Deutsche  Musikervertiand 
auf  Irrwegen*  (No.  14)  den  genannten  Verband,  nicht  dadurch,  daß  er  jedem  seiner 
Mitglieder,  unbekümmert  um  seine  Tüchtigkeit,  das  gleiche  Recht  auf  Anstellung 
einräumt,  die  Kunst  zu  schädigen  und  nicht  zwischen  Orchestermnsiker  nnd 
Dirigenten  einen  Keil  zu  treiben.  «Unter  allen  Umständen  ist  zu  lördeni,  dal 
vor  der  Kunst  mit  Demonstrationen  sozialer  Art  Halt  gemacht  werde.*  —  Richard 
Batka  veröffentlicht  auch  hier  eine  Reihe  von  Aufsätzen  unter  der  Gesamifiber- 
Schrift  «Wagner  in  Prag*.  —  Erich  Kloß  bespricht  sehr  ausführlich  i^RIcbsrd 
Wagners  Briefe  an  seine  erste  Gattin*.  —  Unter  der  Oberschrifl  «KaimorchesteTv 
Ausstellung  München  1908  und  Allg.  Deutsch.  Musikerverband*  (No,  15)  wird  ein 
Brief  abgedruckt,  in  dem  das  Präsidium  des  genannten  Verbandet  und  die 
Redaktion  der  Deutschen  Musiker-Zeitung  bestreiten,  daß  sie  bei  ihrem  Eintreten 
für  das  ehemalige  Kaimorchester  «irgendwelche  sozialistische  Gesichtmpunkte  In  Be- 
tracht gezogen*  hätten.  S.  von  Hausegger  bemerkt  in  einer  Nachschrift,  daß  die 
vom  Verband  in  diesem  Fall  betätigten  Anschauungen  tatsächlich  «die  allereng^ 
Verwandtschaft  mit  den  sozialdemokratischen"  zeigten.  —  «Zu  Ferdinand  Thierlois 
70.  Geburtstag"  veröffentlicht  Emil  Krause  eine  kurze  Beschreibung  den  Lebens 
und  Schaffens  des  Jubilars.  —  Roderich  von  Mojsisovics  veröffentlicht  den 
kurzen  Aufsatz  «Erich  Wolf  Degner.  Zu  seinem  50.  Geburtstage*.  —  Fritz  Erck- 
mann  berichtet  in  dem  Aufsatz  «Frühlingslieder  und  Tänze*  (No«  15—18)  fiber 
alte  Volkslieder  und  Frühlingsbräuche.  —  Rodericb  von  Mojsisovics  bespricht  In 
dem  Aufsatz  «Ein  Autographenschatz**  (No.  16)  den  neuen  Autographen-KatalQg  der 
Firma  C.  G.  Boerner  in  Leipzig.  Magnus  Schwantje 


KRITIK 


OPER 

AUGSBURG:  Einige  Neueinstudierungen  be- 
lebten vorübergehend  das  Repertoire  der  Oper 
in  der  zweiten  Hüfte  der  Saison.  Bei  Webers 
«Oberen*  war  diese  Liebesmfih'  ziemlich  Ter- 
geblich»  hingegen  fiel  sie  bei  Wagners  trotz 
mancher  ül>erkommenen  Banalitäten  noch  immer 
dramatisch  wirksamer  Oper  «Rienzi*  auf  frucht- 
baren Boden.  Des  Meisters  25.  Todestag  wurde 
übrigens  in  dankenswerter  Weise  durch  eine  im 
ganzen  wohlgelungene  Aufführung  von  i^Tristan 
und  Isolde*  ernst  und  würdig  gefeiert.  Frau 
Burk-Berger  gastierte  dabei  mit  vielem  Erfolg 
als  imponierende  Isolde,  die  sehr  begabte  Lisbeth 
Ulbrig  als  Brangine.  Diesen  Müncheoer  Gästen 
stand  EmstBrandenberger  als  Tristan  intensiv 
wirkend  zur  Seite.  Des  glänzenden  Erfolges  der 
genialen  Frau  Preuse-Matzenauer  als  Brünn- 
hildein  der  »Walküre*  sei  hier  eben  falls  gedacht.  — 
D'Alberfs  »Tiefland*  erzielte  bei  ungeschwächter 
Anziehungskraft  zwölf  Aufführungen.  Anfangs 
Februar  dirigierte  der  Komponist  sein  Werk  selbst 
und  wurde  bei  dieser  Gelegenheit  gebührend 
gefeiert.  Physiognomische  Beobachtungen  ließen 
erkennen,  daß  der  Gefeierte  mit  der  Aufführung 
und  dem  Publikum  zufrieden  war.  —  Der  Schluß 
der  Saison  stand  unter  dem  Zeichen  der  hier 
noch  üblichen  Beneflzvorstellungen,  die  in  den 
meisten  Fällen  gleichzeitig  Verabschiedungen 
der  ersten  Kräfte  der  Oper  bedeuteten  und  zu 
herzlichen  Sympathiekundgebungen  Anlaß  gaben. 
Die  talentvollen  Damen  Elisabeth  Fabry,  Helene 
Zeiller,  Martha  B  o  m  m  e  r  und  der  Heldentenor 
Brandenberger  können  eines guteu  Andenkens 
sicher  sein.  Zu  des  letzteren  Benefiz  kam  neu- 
einstudiert noch  M6hurs  »Joseph*  heraus,  der 
trotz  seines  ehrwürdigen  Alters  von  101  Jahren 
durch  ernste  Haltung  fesselte  und  als  Schluß- 
vorstellung der  regulären  Saison  wiederholt 
werden  konnte.  —  Welchen  Ersatz  wir  in  nächster 
Saison  für  die  heuer  abgehenden  Kräfte  erhalten, 
das  wissen  die  Götter;  einstweilen  ist  die  Zukunft 
noch  sehr  verschleiert,  und  die  Aussichten  sind 
nach  den  bisherigen  Engagementsgastspielen 
wenig  hoffnungsvoll.  Dankenswerter  Weise  hat 
die  Stadtverwaltung  eine  Verstärkung  des  Or- 
chesters genehmigt;  damit  wäre  die  Möglichkeit 
angebahnt,  es  in  Zukunft  auch  in  ausgiebiger 
Weise  zu  Orchesterkonzerten  heranzuziehen. 

Otto  Hollenberg 

BERLIN:  Königliches  Opernhaus.  Als 
letzte  Novität  des  Winters  ging  E.  N.  von 
Reznicek's  komische  Oper  »Donna  Diana* 
in  Szene.  Weshalb  an  leitender  Stelle  so  wenig 
Wert  auf  sie  gelegt  wurde,  daß  man  sie  an  das 
Ende  der  Saison  verschob,  ist  eigentlich  nicht 
recht  ersichtlich;  denn  anderwärts  hatte  »Donna 
Diana*  durchaus  gefallen.  War  es  doch  gerade 
dieses  Werk  gewesen,  das  Reznicek's  Namen 
weiteren  Kreisen  bekannt  gemacht  hatte.  Freilich 
ist  das  zehn  Jahre  und  länger  her,  und  der  Ge- 
schmack ändert  sich.  Aber  wenn  jetzt  die  Oper 
in  Berlin  nur  einen  Achtungserfolg  erlebte,  so 
beweist  das  wiederum  nichts  gegen  ihre  künst- 
lerischen Qualitäten,  weil  die  Auffübruog  nicht 
den  Anforderungen  entsprach,  die  der  Komponist 
für  eine  gerechte  Würdigung  seines  Werkes 
hätte  stellen  dürfen.  Reznicek  bat  es  für  Berlin 
einer  Umarbeitung  unterzogen.    Er  mag  da  (ich 


kenne  die  erste  Fassung  nicht)  manches  ver- 
bessert hsben;  eine  einwandsfk'eie  dramatische 
Schöpfung  konnte  er  nicht  daraus  machen.  Der 
älteren  Generation  ist  das  Lustspiel  des  Moreto, 
das  der  Oper  zugrunde  liegt,  noch  gut  bekannt. 
Im  Mittelpunkt  der  Handlung  ein  Frauen- 
charakter, ähnlich  dem  widerspenstigen  Käthchen 
Shakespeare's.  Hochmütig,  kaltsinnig,  der  Liebe 
und  ihrem  Werben  verschlossen,  und  doch  im 
Innersten  eine  impulsive  Natur.  Der  Besonnenheit 
ihres  Freiers  und  den  Ränken  des  lebensklugen 
Perin  gelingt  es,  das  stolze  Herz  zu  überlisten 
und  e«  schließlich  doch  in  den  Netzen  der  Liebe 
zu  fangen.  Nirgends  sonderlich  spannende  oder 
auch  nur  szenisch  wirksame  Situationen;  nirgends 
starke  seelische  Akzente,  überall  nur  ein  geist- 
reiches Spiel  mit  Empfindungen  wie  mit  Worten. 
Was  den  Wert  und  Reiz  der  Dichtung  ausmacht, 
entzog  sich  so  ziemlich  der  musikalischen  Dar- 
stellung. Mit  diesen  dialektischen  Künsten, 
dieser  psychologischen  Analyse  in  Worten  konnte 
der  Komponist  nicht  viel  anfangen.  Reznicek 
half  sich  in  naiver,  in  diesem  Falle  gificklicher 
Weise,  indem  er  frisch  daran flos  komponierte, 
sich  bald  an  das  allgemein  Lustspielmäßige  der 
Handlung  hielt,  bald  an  das  nationale  Kolorit 
ihres  Milieus,  zu  dessen  Schilderung  ihm 
spanische  Originalthemen  und  Rhythmen  dienten, 
bald  an  opemhifte  Zutaten,  wie  Chöre,  Ballete 
und  das  etwas  allzu  effektsüchtige  instrumentale 
Zwischeiupiel.  So  konnte  zwar  kein  dramatisches 
Ganzes  entstehen,  immerhin  aber  eine  Partitur, 
die  in  der  prickelnden  Ouvertüre,  den  sich 
natürlich  gebenden  liedartigen  Gebilden,  vor 
allem  aber  in  den  lebendig  fließenden,  lustigen 
und  farbigen  Ensemblesätzen,  mit  das  Frischeste 
und  Beste  enthält,  was  wir  von  Reznicek  t>e- 
sitzen.  Aufgabe  der  Sänger  wäre  es  gewesen, 
an  die  dichterische  Vorlage  anzuknüpfen  und 
durch  ihre  Darstellung  zu  geben,  was  die  Musik 
in  dramatischer  Hinsicht  schuldig  blieb.  Nur 
Herr  Hoff  mann,  der  einen  munteren  Perin 
auf  die  Bühne  stellte,  hatte  die  Aufgabe  erkannt. 
Leider  war  es  gerade  die  Darstellerin  der  Haupt- 
rolle, Frances  Rose,  die  das  wenigste  Verständnis 
dafür  zeigte.  Sie  war  weder  gesanglich  noch 
schauspielerisch  eine  Donna  Diana,  und  in  ihrem 
Munde  ging  das  Wort,  das  hier  so  wichtig 
ist,  rettungslos  verloren.  Gegenüber  solchen 
Leistungen  muß  es  auch  den  Vorurteilslosen 
bedenklich  machen,  wenn  eine  deutsche  Hofoper 
nicht  weniger  als  fünf  Amerikaner  in  erste» 
Rollen  beschäftigt.  Die  Wirkungsfähigkeit  des 
Sängers  hängt  doch  zu  eng  mit  seiner  Herrschalt 
über  die  Sprache  zusammen,  und  so  manches 
Mal  ist  die  Langweiligkeit  unserer  Opern- 
aufführungen auf  das  fk'emdsprachliche  Element 
zurückzuführen.  Die  übrigen  Mitwirkenden, 
unter  denen  Herr  Kirch  hoff  (Don  Cesar)  und 
Frl.  Easton  (Floretts)  als  die  besten  zu  nennen, 
taten  ihre  Schuldigkeit,  ohne  den  Eindruck  der 
Vorstellung  wesentlich  zu  steigern.  Dazu  kam, 
daß  die  Inszenierung  nicht  gerade  auf  den  in- 
timen Ton  der  Dichtung  abgestimmt  war,  was 
sich  schon  in  den  mehr  bunten  als  geschmack- 
vollen Dekorationen  aussprach.  Das  vom  Kom- 
ponisten ohnehin  nicht  immer  diskret  behandelte 
Orchester  lärmte  mehr,  als  den  Stimmen  und 
dem  Verständnis  des  Textes  zuträglich  war. 
Sonst  zeugte  die  musikalische  Wiedergabe  unter 

24* 


372 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


Edmund  v.  Strauß  von  sorgfSltiger  Vorbereitung 
und  war  in  den  Ensembles  von  einer  tempera- 
mentvoll anfeuernden  Auffassung  getragen. 

Inder  Komischen  Oper  bat  RuthSt.D6nis 
ein  erneutes,  auf  den  Monat  Mai  berechnetes 
Gastspiel  begonnen.  Sie  fQbrt  ihre  Tinze,  zu 
denen  sie  diesmal  acht  singende  und  auf  natio- 
nalen Instrumenten  begleitende  Indier  mitge- 
bracht hat,  nach  Schluß  der  Opemvorstellungen 
vor,  wodurch  die  Ausdehnung  des  in  einem 
immerhin  etwas  monotonen  Genre  Gebotenen 
als  reichlich  lang  empfunden  wird.  Am  ersten 
Abend  ging  Smetana's  «Verkaufte  Braut* 
voraus,  die  neben  der  zierlichen  Marie  der 
Artöt  und  dem  prächtigen  Kezol  Mantlers 
jetzt  in  Herrn  Pfann  einen  seinem  Vorginger 
Naval  zwar  nicht  ebenbürtigen,  aber  stimmlich 
wie  darstellerisch  recht  frischen  und  liebens- 
würdigen Hans  erhalten  hat.  Die  indische 
Tänzerin  brachte  einiges  Neue.  So  die  Szene 
einer  Büßerin  im  Tempelhaine,  in  der  ihre 
eminente  Ausdrucksfähigkeit  geradezu  ergreifend 
wirkte.  Die  Schönheit  und  Geschmeidigkeit 
ihres  ebenmäßigen  Körpers,  die  vollendete 
Sicherheit  und  Anmut  ihrer  Technik  verfehlten, 
im  Verein  mit  dem  Exotischen  in  Kleidung  und 
Charakter  der  Darbietungen,  auch  diesmal  nicht, 
ihren  Reiz  auf  die  für  solche  durchaus  eigen- 
artige Tonkunst  empfänglichen  Zuschauer  auszu- 
üben. —  Als  letzte  Neuheit  der  laufenden  Spielzeit 
brachte  die  Bühne  des  Herrn  Gregor  Emilio  P  i  z  z  i's 
lyrisches  Drama  «Rosalba**  mit  freundlichem  Er- 
folge zur  Aufführung.  Der  gespendete  Beifall  galt 
indessen  wohl  mehr  den  guten  Leistungen  der 
Ausführenden  als  dem  Werke  selbst,  das  sich 
als  ein  ziemlich  schwacher  Abkömmling  des 
neuitalienischen  Musikdramas  herausstellte.  Mög- 
lich, daß  andere  Arbeiten  Pizzi's  mehr  Indivi- 
dualität und  Erfindung  aufweisen.  Luigi  Illica, 
der  Textdichter,  hatte  dem  Komponisten  in 
seinem  (von  Ludwig  Hartmann  verdeutschten) 
Buche  einen  nicht  einmal  undankbaren  Stoff 
geboten.  Zwei  italienische  Dichter-Musiker  sind 
da  gegenübergestellt:  der  preisgekrönte  Vene- 
zianer Firmiani  in  seinem  Ruhmes-  und  Liebes- 
glück und  der  heruntergekommene  Römer 
Colonna,  den  die  Reize  des  Weibes  um  An- 
sehen, Gesundheit  und  Selbstbewußtsein  ge- 
bracht haben.  Die  Muse  des  einen  und  der 
Dämon  des  anderen  sind  beide  dasselbe  Weib: 
die  schöne  Sängerin  Rosalba.  Der  Zufall  führt 
den  zum  Trunkenbold  herabgesunkenen  Poeten 
«n  das  Haus  des  glücklichen  Rivalen,  vor  dem 
üun  Rosalba  entlarvt  wird,  gerade  als  sie  hoffen 
darf,  sich  durch  die  reine  und  ehrliche  Liebe 
zu  einem  Manne  rehabilitieren  zu  können.  Diese 
Handlung  ist  nicht  ohne  lyrische  Stimmungen 
und  dramatische  Effekte  und  so  knapp  gefaßt, 
wie  sie  der  Musiker  brauchen  kann,  wenn  auch 
die  Mache  etwas  sorglos,  die  Charaktere  etwas 
^roblinig  gezeichnet,  der  Dialog  mitunter  gar  zu 
naiv  erscheinen.  Das  Ärgerliche  ist  der  sentimen- 
tal-verlogene Schluß,  an  dem  wir  Firmiani,  der  an 
Rosalba's  Unschuld  glaubte,  in  betäubendem 
Blumenduft  sterben  sehen,  worauf  Rosalba,  ganz 
Im  Stile  der  italienischen  Veristenopem,  zum 
Dolche  greift.  Diese  Vorgänge  und  Personen 
zu  charakterisieren,  fehlte  es  Pizzi  an  bildne- 
rischer Kraft;  auch  rein  musikalisch  weiß  er 
«ins  weder  durch  seine  Technik,   noch   durch 


seine  Erfindung  zu  interessieren.  Er  hat  eine 
mehr  lyrische  als  drammtlsche,  fnz  wohl- 
klingende Musik  geschrieben,  die  sich  nnf  Schritt 
und  Tritt  in  den  Gleisen  der  iangitallcaBiKfaen 
Meister  bewegt  and  mit  den  nun  Mdian  ▼•^ 
brauchten  Mitteln  (die  anieidiiche  Verdoppcinag 
der  Singstimme  im  Orchester  ist  Mi  snm  Ober- 
druß  verwendet)  Ihre  Zeit  Torpaßt  liat.  Ffir  dli 
Wiedergabe  setzten  alle  an  der  Anfffiiimng  Be- 
teiligten ihre  besten  Kräfte  ein.  Nndolowltnch 
entfaltete  als  Firmiani  seinen  Tenor  (er  soOle 
nur  nicht  durch  zu  offenes  Singen  sein  Plaao 
beeinträchtigen)  mit  besserem  Gelinfen  als  Je 
und  ließ  fast  über  das  Unzureichende  seiser 
schauspielerischen  Begabung»  das  ihn  sa  Obw- 
treibungen  verleitet,  hinwegsehen.  Egenieff 
wußte  als  Sänger  und  Danteller  seinen  ColoaBa 
nachdrücklich  zur  Geltung  zu  bringen;  vor  sUsb 
aber  wirkte  Lola  Artöt  de  Psdilla  ho  der  Titel- 
rolle mit  dem  Liebreiz  ihrer  Stimme  und  Fersös- 
lichkeit.  Mit  der,  auch  dekorativ  sehr  hfibsches 
Inszenierung  hatte  sich  Herr  Morris,  mit  der 
musikalischen  Einstudierung  und  Leitung  KspeU- 
meister  Rumpel  am  die  Dsrstellnnf  des  Werkes 
verdient  gemacht.  Am  Schluß  konnte  der 
Komponist  mehrmals  dankend  auf  der  Bühne 
erscheinen.  Dr.  Leopold  Schmidt 

D RAUNSCHWEIG:  Das  Hofthester  belnd 
^^  sich  in  einer  wenig  beneidenswerten  Lage: 
der  lyrische  und  der  Heldentenor  waren  wibraed 
des  ganzen  März  und  die  beiden  Bsrilonisten 
zeitweise  krank;  Opemvorstellnngen  ksmen  also 
nur  unter  den  größten  Schwierigkeiten  mit  Hillb 
auswärtiger  Kräfte  zustande,  von  diesen  ver- 
dienen Frida  Hempel- Berlin  als  TitelheldlB 
von  «Lucia  von  Lammermoor*  und  BTrsvtets', 
sowie  Frau  Preose-Mstzensuor-Mfincbes 
als  Brünnhilde  (»Walküre*)  und  Cscven  be- 
sondere Erwähnung.  Als  Retter  in  der  Nee  er- 
schienen zwei  {unge  lyrische  Tenöre,  gsbeme 
Braunschweiger:  die  Herrn  Bfiltemsnn-Plsaen 
und  H  ochheim-Barmen,  ferner  die  Bsfitenlsisn 
Bise  hoff- Hannover  und  Fränkel-Msfdebvg. 
Neuheiten  oder  neueinstudierte  Werke  wsres 
unter  diesen  Verhältnissen  susgeschiosssn. 

Ernst  Stier 
DUDAPEST:  Die  kfinstlenschen  Krifte  nneersr 
^^  Oper  sind  derzeit  zum  Teil  gebunden.  Es 
gilt,  Goldmarks  »Wintermirchen*  mit 
größter  Vollendung  herausznbringen,  and  die 
Anwesenheit  des  greisen  Meisters  TefsnlsBt  sUs 
Mitwirkenden  zur  äußersten  Anspsanong  ?ee 
Talent  und  Ambition.  Iniwisdien  sorgt  die 
Direktion  durch  Heranziehung  interesssntsr 
Gäste  ffir  die  Belebung  des  Repertoires.  Mss 
begrüßte  sbermals  die  gsnisle  Vsliioff  Svlrd- 
ström  als  Gretchen  und  Mignon,  erflmite  rieh 
an  den  prächtigen  Gestsltungen  Orellos  is 
den  Titelpartieen  von  »Hamlet*  nnd  «Rlgolells* 
und  bewunderte  mit  enthnsiastischer  Degslsl^ 
rung  Fritz  Feinhals,  der  an  sieben  Abeniss 
den  Hans  Sachs,  Hollinder  nnd  Don  Jias 
in  italienischer  Sprache  ssng»  Intorsssant  ist 
der  Umstand,  daß  sich  aus  Anlsft  des  GesispWa 
Feinhals'  ein  chauvinistisches  nngsrisehes  Btav 
zu  dem  Wunsche  verstieg,  daß  die  en^eiiigs 
Bestimmung,  wonach  an  unserem  OpemthesiBr 
in  jeder  europäischen  Sprache,  nur  niebt  In  dar 
deutschen,  gesungen  werden  darf,  bei  Gsstsnlsisn 
allererster  deutscher  Kflostler  docb  nnUDsfabes 


s> 


373 
KRITIK:  OPER 


werden  möchte.  Direktor  Möszäros,  der  emsig 
bemüht  iet,  zwischen  der  ungarischen  Hofbuhne 
und  den  großen  deutschen  Opembühnen  künst- 
lerisch engere  Beziehungen  herzustellen,  steht 
dieser  Eventualiiftc  sympathisch  gegenüber.  Man 
kann  also  ein  rotweißgrüner  Politiker  und  doch 
ein  Europier  sein.  Dr.  B61a  Diösy 

DRESDEN:  Trotz  der  vorgerückten  Jahreszeit 
brachte  die  Hofoper  noch  zwei  Neuheiten 
heraus,  von  denen  der  Einakter  »Frühlings- 
nacht* von  dem  in  Dresden  lebenden  nor- 
wegischen Komponisten  Gerhard  Schjelderup 
seine  Uraufführung  erlebte.  Die  Handlung 
schildert  den  Liebestod  eines  jungen  Paares  in 
der  Lenznacht,  die  der  erzwungenen  Hochzeit 
der  Heldin  Linda  vorausgeht.  Der  Komponist 
nennt  sein  Werk,  dessen  sprachlich  nicht 
einwandfreien  Text  er  selbst  geschaffen  bar, 
,plyrisches  Drama**,  eine  Bezeichnung,  die  ihre 
Berechtigung  hat.  Denn  trotz  des  tragischen 
Ausgangs  kommt  es  dem  Komponisten  weit 
weniger  auf  dramatische  Wirkungen  als  auf  die 
Erzielung  und  Vertiefung  jener  Stimmung  an, 
in  der  wir  das  Ganze  wie  eine  Erzählung  von 
Liebe  und  Liebesleid  an  uns  vorüberziehen 
lassen.  Demgemiß  sind  die  Gesangsstimmen 
derart  deklamatorisch  behandelt,  daß  man  bei- 
nahe von  einem  fortgesetzten  Parlando  sprechen 
kann.  Der  Schwerpunkt  liegt  durchaus  im 
Orchester,  das  der  Komponist  mit  Virtuosität 
handhabt,  ohne  in  laute  Ausbrüche  oder  land- 
läufige Instrumentationskunststücke  zu  verfallen. 
Es  ist  mehr  als  bloße  Stimmung,  es  sind  starke 
Gefühlawerte,  die  uns  aus  Scbjelderup's  feiner, 
aparter,  individueller  Musik  entgegenklingen,  so 
daß  man  sich  trotz  fühlbarer  Längen  und  starker 
Un Wahrscheinlichkeiten  der  Handlung  (die  Heldin 
lebt  mit  dem  tödlichen  Gift  im  Leibe  noch  so 
lange,  bis  sie  eine  umfangreiche  Liebesszene 
glucklich  beendet  hat,  und  ihr  Geliebter  steht, 
nachdem  er  sich  den  tödlichen  Dolchstoß  ver- 
setzt hat,  noch  einige  Minuten  aufrecht!)  doch 
gern  dem  eigenartigen  Zauber  des  traumschönen 
Werkes  überläßt.  Da  Schuch  die  musikalische 
Leitung selbstübemommen  hatte, die  Inszenierung 
sehr  stimmungsvoll  war  und  vor  allem  Frau 
Nast  als  Linda  alle  ihre  gesanglichen  und  dar- 
stellerischen Vorzüge  für  die  Aufgabe  einsetzte, 
so  kam  mit  den  Damen  Bender-Schäfer, 
Eibenschütz  und  Keldorfer,  sowie  den 
Herren  Sembach  und  Rains  eine  Aufführung 
zustande,  die  der  Neuheit  zu  einem  sehr  freund- 
lichen Erfolge  verhalf.  Der  Komponist  wurde 
mehrfach  gerufen.  —  Ganz  dem  leichten  Genre 
gehört  der  sodann  gegebene  Einakter  «Zier- 
puppen* von  Anselm  Götzl  an,  dessen  Text 
von  Richard  Batka  geschickt  nach  Moliftre's 
t>ekanntem  Lustspiel  «Les  pr^cieuses  ridicules* 
bearbeitet  ist.  Durch  die  Umänderung  des 
Schlusses  ist  allerdings  aus  der  im  innersten 
Grunde  recht  ernsthaften  Sittenkomödie  des 
französischen  Dichters  eine  derbe  Operette  ge- 
worden, zumal  da  Arien,  Duette  usw.  ganz  nach 
alter  Manier  miteinander  abwechseln.  Auch  die 
Musik  ist  so  weit  von  alledem  entfernt,  was 
modern  ist,  daß  man  dem  Stücke  die  Bezeichnung 
«musikalisches  LostspieP  keineswegs  zuerkennen 
kann.  Aber  die  Handlung  ist  am&ant,  und  die 
Musik  trots  Ihrer  oft  geradezu  auffUlenden  Ein- 
ÜMhhtit  In  Harmonik,  Rhythmik  und  Chsrakteri* 


sierung  doch  unterhaltend  und  liebenswürdig, 
so  daß  bei  vorzüglicher  Aufführung,  die  aller- 
dings das  Grotesk-Operettenhafte  noch  unter- 
strich, unter  Herrn  Hagen s  Leitung  ein  sehr 
starker  Erfolg  zustande  kam,  an  dem  die  Damen 
Wedekind  und  v.  d.  Osten,  sowie  die  Herren 
Rüdiger,  Nebuschka,  Grosch,  Plaschke 
und  Puttlitz  volle  Anteile  hatten.  Auch  nach 
dieser  Neuheit  konnte  der  Komponist  zahlreichen 
Hervorrufen  Folge  leisten.  F.  A.  Geißler 
rvOSSELDORF:  Viel  Interesse  brachte  man 
^-^  dem  Gastspiele  der  lyrisch-dramatischen 
Tänzerin  Rita  Sacchetto  entgegen,  die  die 
Fenelia  in  Auber's  «Die  Stumme  von  Portici* 
ebenso  temperamentvoll  wie  eindringlich  ver- 
körperte. Dann  hielt  sich  Eugen  d'Albert's 
«Tiefland*  nach  der  glänzend  inszenierten, 
bestgelungenen  Premiere  in  der  Gunst  der 
Theaterfreunde.  Auch  erzielte  Heinrich  Zöllners 
«Die  versunkene  Glocke**  in  ebenfalls  guter 
Besetzung  einige  volle  Häuser.  Neu  ein- 
studiert wurde  ferner  «Tristan  und  Isolde*. 
Dabei  führte  Dr.  Otto  Neitzel  gastspielsweise 
die  Regie  und  verstand  es,  auf  die  plastische 
Gestaltung  der  Handlung,  die  sachgemäße  Be- 
handlung des  Sprechgesanges,  auf  den  innigeren 
Kontakt  zwischen  Geste  und  Pose  mit  Wort  und 
Ton  günstig  einzuwirken;  auch  der  stimmung- 
stützenden Beleuchtung  wendete  er  viel  Sorgfalt 
zu.  Die  Besetzung  mit  Neubauer  (Tristan), 
Joseflne  von  Hübbenet  (Isolde),  Anna  Kettner 
(Brangräne),  Wasch ow  (Kurwenal)  bot  manches 
Gute.  A.  Eccarius-Sieber 

ELBERFELD:  Der  gelungene  Verlauf  des 
Wagnerzyklus,  insbesondere  des  «Ring*, 
ehrte  die  Direktion  Otto  um  so  mehr,  als  in  ihm, 
ausgenommen  «Rheingold**  und  «Walküre*  mit 
Else  Breuer  (München)  als  Freie  und  Sieglinde 
und  Clarence  Whitehill  (Köln)  als  Wotan, 
mit  dem  eigenen  Künstlermaterial  unserer  Bühne 
operiert  wurde.  Die  verdiente  Leiterin  der 
de  Sauset-Künstlerabende,  die  jetzt  unter  dem 
Namen  Marie  D6joie  zur  Bühne  fibergegangen 
ist,  gab  als  Senta  und  Santuzza  Proben  ihrer 
Kunst,  die  von  außerordentlichem  Fleiß  und  un- 
verkennbarem Talent  zeugten.  Eva  von  der 
Osten  (Dresden)  gab  eine  ebenso  überzeugende 
wie  feingehaltene  Carmen.  Als  ein  zu  den 
besten  Hoffnungen  berechtigender  Novize  sang 
Gotthold  Roth  er  den  Lyonel  auf  Engagement. 
Im  übrigen  brachte  der  Spielplan  noch  «Hoff- 
manns  Erzählungen*  in  der  Originaleinrichtung, 
«Figaros  Hochzeit*  mit  einer  relativ  guten 
Susanne  (Else  Thornsvard),  aber  einem 
weniger  mozartichen  gräflichen  Ehepaar  (Maud 
Roosevelt  und  Julius  Kiefer)  und  die  beiden 
älteren  beliebten  Operetten  «Bettelstudent*  und 
«Boccaccio*.  In  Strauß*  «Salome*  verabschiedeteD 
sich  am  Schluß  der  Spielzeit  Margarete  Kahler 
und  Kapellmeister  Albert  Coätes,  die  nacb 
Bremen,  bzw.  Dresden  gehen;  msn  sah  die  treff- 
lichen Künstler  ungern  von  hier  scheiden. 

Ferdinand  Schemensky 

FRANKFURT  a.  M.:  Außer  mehreren  durch 
Unpäßlichkelten  des  hiesigen  Personals  be- 
dingten Ersatzgastspielen,  von  denen  vielleicht 
demjenigen  von  Frau  Burk-Berger  aus  Mün- 
chen (als  «Götterdämmerungs*-Brünnhllde)  be- 
sondere Notiznahme  zukommt,  wäre  etwa  noch 
des  Versuches  su  gedenken,  Anna  Schlroky» 


374 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


die  früber  unserer  Opernbüboe  angebörte,  neaer- 
dings  zttzuf&bren,  indem  min  sie  als  Lucia  auf- 
treten ließ.  Die  Dame  bat  inzwiscben  an  der 
Vervollkommnung  ibrer  Kunst  gearbeitet,  was 
sieb  wobl  aucb  merken  ließ,  docb  reicben  die 
Resultate  nocb  immer  nicbt  für  erste  Koloratur- 
partieen  zu.  An  dieser  Erkenntnis  konnten  sieb 
kritiscber  beanlagte  Hörer  aucb  nicbt  durcb  die 
sebr  warme  Wiederbegrüßung  beirren  lassen,  die 
das  Publikum  dem  Gaste  darbrachte. 

Hans  Pfeilscbmidt 

GRAZ:  Das  Stadttbeater  bat  den  fruchtbaren 
Gedanken  durcbgefübrt,  die  Opern  des 
Spielplanes  zyklisch  zu  geben.  So  kam  es  bis 
jetzt  zu  einem  Weber-,  einem  Lortzing-, 
einem  Mozart-  und  einem  Wagner- Zyklus, 
dem  noch  ein  Verdi -Zyklus  folgt.  Da  überdies 
bei  Spottpreisen  gespielt  wird,  so  sind  selbst 
die  gefürcbteten  klassischen  Vorstellungen, 
z.  B.  die  «Euryanthe*,  ganz  ausverkauft:  im 
Zyklus  genießt  der  Deutsche  alles,  und  alles 
festlich.  Für  den  Kritiker  wirken  die  Zyklen 
als  altes  Spiel,  um  nicbt  zu  sagen  langweilig; 
den  breiteren  Kreisen  gewähren  sie  kulturelle, 
der  Direktion  finanzielle  Freuden,  was  im  Zeit- 
alter der  Bübnendemokratisierung  jedenfalls  auf 
eine  gescbiftskluge  und  stilvolle  Weise  erreicht 
wurde.  Dr.  E.  Decsey 

HALLE  a.  S.:  Unsere  Theaterdirektion  bat 
ihre  Ehrenschuld  dem  Tonsetzer  Eugen 
d 'Albert  gegenüber  endlich  eingelöst.  Außer 
der  »Abreise*^  brachte  man  im  Mirz  und  April, 
wirkungsvoll  inszeniert  und  in  trefTlicher  Be- 
setzung, «Flauto  solo*  und  »Tiefland*  heraus. 
Um  die  woblgelungenen  Aufführungen  machten 
sich  im  ersten  Falle  besonders  verdient  Frau 
Gruselli-Boer  als  Peppina,  Herr  Frank  als 
Pepuscb,  Herr  Au  mann  als  Maestro  Emanuele 
und  Herr  Birkholz  als  Fürst  Eberhard.  Eine 
überaus  packende  Darstellung  erfuhr  auch 
«Tiefland*,  in  dem  vor  allem  Herr  Gogl  als 
Pedro,  Herr  Frank  als  Sebastiane  und  Olga 
Agloda  als  Marta  durchaus  Rühmenswertes 
leisteten.  Das  gleiche  Maß  an  Lob  trifft  auch 
auf  die  Kapelle  unter  ihrem  oft  bewährten 
Führer  Eduard  Mörike  zu,  der  beide  Opern 
durchaus  stilvoll  interpretierte.  —  An  Gästen 
erschienen  im  Laufe  der  Saison  Erika  Wede- 
kind (»Regimentstochter*),  Ottilie  Metzger- 
Froitzheim  (»Mignon*),  Leonore  Sengern 
(»Salome*),  Erna  Fiebiger  (»Migaon*  und 
„Salome*)  und  unser  früherer  Heldenbariton 
Walter  Soomer  als  Wotan  in  der  „Walküre* 
und  als  „Holländer*.  Martin  Frey 

I^ARLSRUHE:  Außer  einer  von  A.  Lorentz 
'^  geleiteten  Aufführung  der  reizenden,  pikant 
instrumentierten  und  dankbare  Gesangspartieen 
aufweisenden  Oper  „Lakme*  von  Deltbes,  in 
der  Henny  Li nkenbach- Mannheim  als  Titel- 
beldin  einen  durcb  Erscheinung,  Darstellung 
und  süßen  Gesang  gleicherweise  gerechtfertigten 
Erfolg  hatte,  und  Hermann  Jadlowker  sich 
durch  seinen  wundervoll  klingenden  und  meister- 
lich bebandelten  Tenor  als  trefTlicher  Partner 
erwies,  brachte  die  Hofbühne  als  Novität 
d'Albert's  „Tiefland*.  Das  Werk,  das  Text- 
dichter und  Komponisten  häufig  auf  den  Pfaden 
der  Neu-Italtener  zeigt,  fand  aucb  hier  dank 
der  realistischen,  aufregenden,  wenn  auch 
manchmal  anfechtbaren  Haiidlung  und  dei;  aus- 


dmcksfähigen,  woblkliDgenden  and  chankteriati- 
schen,  aber  zwischen  den  verschledeiieii  Stil- 
gattungen hin  und  her  achwankenden  Mulk 
starken  Erfolg.  An  dem  guten  Gelinim  der 
von  Dr.  Göhler  einatadierten  Aafffihmflg 
hatten  der  darstellerlach  and  getmngllch  gleich 
treffliche  Pedro  Hans  Tänslers,  die  toi 
Frau  Henael-Schweltzer-Fraokfdrt  Is  Ver- 
tretung gesungene  leideoscbaftllche  Martha 
und  Max  Büttners  vonügllch  goraieaer 
Sebastiano  den  HauptantelL 

Frans  Zarelch 

KÖLN:  Zum  dritten  Male  wihrend  dteser 
Spielzeit  ging  Wagnen  Nlbelunfen-Tetra- 
logie  in  Szene,  und  mehr  noch  ala  suTor  hat 
sich  hierbei  daa  Ensemble  der  Oper  anf  ganz 
bedeutender  Höhe  künatleriacher  LeistangalUig« 
keit  im  allgemeinen  und  hlnalcbtllch  des  hier  ta 
Frage  kommenden  Gesangstlla  Im  besenders 
bewährt  In  „Walküre*,  „Siegfried'  und  «GStlsr- 
dämmerung*  ragte  die  Brfinnhilde  von  Allee 
Guszalewicz  durch  atrahlende  ToaMdbnnf^  die 
keine  Ermüdung  kennt»  durch  edle  Plastik  des 
Spiels  und  dramatische  BlndrIngiichlEeit  der  ge- 
samten vokalen  und  mimischen  Gestsltosg 
mächtig  hervor.  Otto  Lohae  begdsterte  wieder 
Sänger  und  Pablikam  durch  seine  Wsgner* 
interpretierung.  Unter  Ihm  gab  ea  |etsl  sich 
einmal  eine  «Meistersinger*-Aaff&hninf  sn  vdlln- 
tümlichen  Eintrittspreisen  mit  Hsns  Meh Winkel 
als  bekannt  trefflichem  Sachs.  Psnl  Hiiler 
l/'ÖNIGSBERG  i.  Pr:  Otto  Dorne  «DieschAne 
'^  Müllerin*,  ein  hsrmloses,  fefllliges  Werk- 
eben, das  mehr  Geschick  Im  Gesangliehen,  ala 
in  Instrumentation  and  orchestraler  Mslerei 
zeigt,  ging  am  hiesigen  Stsdtthester  Ter  Albert 
Gorters  »Das  süße  Gifk*  in  Siene.  An  Eis- 
fällen nicht  sonderlich  reich,  Tennag  Geners 
musikalisches  Lustspiel  über  msnche  tegHichc 
Schwächen  vermöge  der  lyrischen  Gestsltongi- 
kraft  des  feinsinnigen  Muaikers,  der  des  Orchssisr 
zu  üppig  blühendem  Erklingen  xwingti  sn  trAstsn. 
Diese  beiden  bescheidenen  Werkchea  (dssjenige 
Gorters  hoffentlich  nur  ein  Versprechen  fftr  Be- 
deutenderes) stellen  neben  Schols'  Tsninglflekter 
«Mirandolina*  die  ganze  Königaberger  Novilltsn- 
ausbeute  dieses  Jahres  der. 

Radeir  Kastner 

MAGDEBURG:  Die  Opemssisen,  vor  deren 
Abschluß  wir  stehen,  flammte  am  Osler- 
sonnabend  noch  einmal  auf,  in  fenriger  Weisse 
die  einen  glänzenden  Schimmer  fiber  ihr  Ende 
warf.  Die  Erben  dea  weiland  Direktors  nnd 
Hofrats  A.  Cabialaa  hatten  sn  einer  Jtteieter- 
singer'-Auffübrung  mit  auserlesenen  KriUlsa 
eingeladen.  Den  Stelling  gab  Knete,  den  Sechs 
Feinbals,  als  Beckmeaaer  aah  man  den  Usr 
noch  unbekannten,  aber  nun  aehr  sehneil  gi* 
würdigten  Gustav  Landauer,  als  P^gner  Meest 
Für  die  Partie  Evchena  war  FrL  Nast,  Ar  die 
der  Amme  Frau  Schäfer-Bender  ^ngsgjff; 
den  Lehrbuben  gab  Dr.  Kahn.  Ein  Ensemhis^ 
das  zuaammen  mit  dem  gans 
Orchester  unter  J.  GöUrich  nnd 
stärkten  Ghor  alle  Schönheiten  dee 
ana  Licht  zog.  Ein  völlig  aasverkaaftes  Hsns 
bereitete  der  Auff&hrdng  stfirmlsche 
»Tristan  und  Isolde*,  ebenfalls  In 
gezeichneter  GsstbesctsaM,  sehleB 
30.  April  das  Theater  seine  Pforlen, 


WL 


375 
KRITIK:  OPER 


tm  1.  September  unter  der  Direktion  Coßm an n 
•08  Hamburg  mit  einem  neu  inszenierten 
«Lohenfrin*  zu  eröffden.  Erwähnenswert  aus 
dem  Spielplan  der  letzten  Wochen  waren  mehrere 
auagezelchnete  AuffOhrungen  vom  «Othello* 
Verdi's.  Max  Hasse 

MAILAND:  Scala.  Claude  Debussy's 
Musik  zu  ,Pell6as  und  Melisande* 
ist  wie  aus  der  Seele  eines  schwindsüchtigen, 
sterbenden  Midchens  geboren:  einschlifernd, 
blutlos,  kurzatmig,  ohne  Kraft,  ohne  Ent- 
schlossenheit, ohne  Glut.  Sie  ist  ein  ewiges 
AofHackem  und  Verlöschen  einer  zarten  Sehn- 
sucht und  verschmilzt  weder  mit  den  Vorgängen 
noch  mit  den  Personen,  sondern  schwimmt  auf 
der  Oberfläche  des  Dramas  wie  leichtgefärbte 
▼olken.  Motive  und  Melodieen  sind  da,  mQssen 
aber  mit  dem  Vergrößerungsglas  gesucht  werden. 
So  fein,  so  weich-verschleiert  wurde  noch  nie 
ein  Bühnenwerk  instrumentiert.  Das  Ganze 
klingt  wie  ein  Märchenschlummerlied  und  be- 
zwingt durch  die  hartnäckige  Aushaltung  der 
Manier;  .wer  am  längsten  Widerstand  leistet, 
ist  der  Einflußreichste*,  sagt  Nietzsche.  Arturo 
Toscanini  dirigierte  auswendig,  unübertreff- 
lich. —  Zuletzt  hatten  wir  den  berühmten 
«Mephisto*  des  Schaliapin  mit  der  trockenen 
Musik  von  Boito.  Johann  Binenbaum 

MAINZ:  An  Novitäten  hat  uns  das  letzte 
Drittel  der  diesiährigen  Spielzeit  eigentlich 
nichts  geboten,  dafür  aber  eine  Reihe  höchst 
interessanter  Gastspiele  und,  mit  diesen  ver- 
bunden, eine  ganze  Serie  trefflicher  Wagner- 
aufführungen,  die  jedenfalls  künstlerisch  weit 
höher  zu  bewerten  sind,  als  die  immerhin  sehr 
fhigwürdige  Uraufführung  von  Davidoff's  »Ver- 
sunkener Glocke*,  mit  der  Direktor  Bohrend 
aus  gänzlich  unbekannten  Gründen  das  Publikum 
ursprünglich  zu  beglücken  gedachte.  —  Als 
Tannhäuser  und  Siegfried  hatte  Wilhelm 
Grüning  von  der  Berliner  Hofoper  starken 
und  berechtigten  Erfolg.  Namentlich  war  es  der 
Jung  •  Siegfried^  der  besonders  durchschlug. 
Ihm  sowie  unserer  vortrefflichen  einheimischen 
Künstlerin  Frau  Materna  (Brünnhilde)  wurden 
die  ehrendsten  Ovationen  dargebracht  — 
Nicht  minder  bedeutend  gestaltete  sich  das 
Gastspiel  Forchhammers  aus  Frankfurt, 
dessen  Tristan  als  eine  gesanglich  wie  dar- 
stellerisch gleich  hervorragende  und  vornehme 
Leistung  zu  bezeichnen  war.  —  Auch  Eugen 
d'AIbert  war  als  Gast  bei  uns  erschienen,  um 
seinem  früher  gegebenen  Versprechen  gemäß 
eine  Aufführung  seines  «TragaMabas*  zu  diri- 
gieren. — -  Von  sonstigen  musikalischen  Ereig- 
nissen unserer  Oper,  die  wie  gewöhnlich  am 
Schluß  der  Saison  fast  ganz  im  Zeichen  der 
Abschiedsvorstellungen  und  Benefize  stand,  ist 
nur  noch  die  Neueinstudierung  des  »Rheingold* 
besonders  zu  erwähnen,  an  die  sich  eine  zyklische 
Aufführung  der  »Nibelungen*  -  Tetralogie  an- 
schlolL  Trotz  verschiedener,  durch  Krankheit 
hervorgerufener  Störungen  nahm  der  Zyklus 
einen  hoch  befriedigenden,  teilweise  sogar  ganz 
glänzenden  Verlauf;  ein  Verdienst,  das  neben 
Hofirat  Steinbach  und  seinem  trefflichen  Or- 
chester hauptsächlich  den  Damen  Materna 
«od  Uofmann,  sowie  den  Herren  Barron- 
Bertald,  Bfirstinghaus  und  Bonin  zuzu- 
•chreibeii  ist.  F.  Keiser 


«p 


liil  ANNHEIM:  Der  Spielplan  unserer  Oper  ist 
i*ä  in  den  letzten  Wochen  interessanter  ge- 
worden. Neueinstudiert  erschienen  »Die  ver- 
kaufte Braut*,  »Carmen*  und  »Hans  Helling*. 
Intendant  Hagemann  verlieh  der  »Carmen* 
eine  prächtige  Neuinszenierung  nach  den  Prin- 
zipien seiner  Idealbühne,  die  sich  in  »Hamlet* 
und  »Tasso*  bewährte  und  vielleicht  in  nicht 
allzu  ferner  Zeit  die  Leinwanddekoration  völlig 
verdrängt.  Als  Carmen  stand  Muriel  Terry, 
eine  Indierin,  die  in  München  leider  nicht  ein- 
wandfrei singen  lernte,  erstmals  auf  der  Bühne. 
Die  Stimme  ist  ein  Mezzosopran  von  bescheidener 
Größe,  aber  sympathisch.  Weder  die  stimmlichen 
Vorzüge  noch  das  gesangliche  Können  errangen 
den  Erfolg,  vielmehr  das  sprühende  Temperament 
und  ausgesprochene  Darstellungatalent.  Als 
ersten  Bühnenversuch  muß  man  diese  Carmen- 
darstellung hoch  einschätzen.  Sehr  gut  waren 
Bahling,  der  sein  Engagement  jetzt  schon  an- 
getreten hat,  als  Escamillo  und  Fenten  als 
Zuniga,  den  glänzendsten  Erfolg  jedoch  errang 
Fritz  Vogelstrom  als  Don  Jo86.  Leopold  Reich- 
wein hatte  die  Aufführung  sehr  gründlich,  aber 
in  sehr  breiten  Zeitmaßen  vorbereitet;  sie  erzielt 
bei  jeder  Wiederholung  ein  ausverkauftes  Haus. 

K.  Eschmann 

PARIS:  Als  Rudolf  Berger  wurde  der  ge- 
feierte Tanzkomponist  vor  44  Jahren  im 
österreichischen  Fiume  geboren,  aber  seit  er 
eine  Pariser  Persönlichkeit  geworden,  heißt  er 
nur  noch  Rodolphe  Berscheeh.  Nach  verschie- 
denen kleinen  Operetten -Versuchen  wollte 
Berger  endlich  auch  in  der  großen  Bühnen- 
welt zur  Geltung  kommen,  und  darum  schrieb 
er  eine  als  komische  Oper  angekündigte  Aus- 
stattungsoperette in  vier  Akten  »Le  Chevalier 
d'£on*.  Ein  bisher  unbekannter  Direktor 
namens  Brouette  (Schubkarren)  mietete  eigens 
für  diese  musikalische  Tat  die  große  Bühne  der 
Porte  Saint-Martin,  verpflichtete  hervor- 
ragende  Schauspieler  für  unbedeutende  komische 
Rollen  und  bewährte  Sängerinnen  der  Komischen 
Oper  für  die  Hauptpartieen  und  gab  Unsummen 
für  Dekorationen,  Kostüme  und  Ballete  und  für 
eine  ruhmredige  Vorausreklame  aus.  Das  Er- 
gebnis hat  diesen  Anstrengungen  durchaus  nicht 
entsprochen.  Das  mit  Unrecht  gewählte  Text- 
buch stammt  aus  dem  Nachlasse  des  1901  ver- 
storbenen, berüchtigten  Vielschreibers  Armand 
Silvestre;  Henri  Cain  hat  es  nur  notdürftig 
zugestutzt.  Aus  der  bekannten  Geschichte  des 
Chevalier  d'£oo,  der  sich  unter  Ludwig  XV. 
dreißig  Jahre  lang  als  Frau  ausgab,  um  den 
Folgen  einer  Veruntreuung  bei  der  französischen 
Botschaft  in  London  zu  entgehen,  ist  ein  recht 
gewöhnliches  Abenteuer  geworden,  denn  die 
Verkleidung  dient  hier  dem  Helden  nur  noch 
dazu,  bei  der  Dubarry,  der  allmächtigen  Ge- 
liebten des  Königs,  einzudringen.  Was  die 
Komposition  betrifft,  so  hat  Berger  noch  einmal 
bewiesen,  daß  der  langsame  Schmachtwalzer, 
die  Polka  und  die  Mazurka  kein  Geheimnis  für 
ihn  haben,  daß  er  aber  sehr  gewöhnlich  und 
ziemlich  langweilig  wird,  wenn  er  sentimentale 
oder  komische  Couplets  oder  große  Ensembles 
vertont.  »Le  Chevalier  d'£on*  hat  nur  so  lange 
das  Publikum  angezogen,  als  der  Glans  der 
Aussuttung  neu  und  fesselnd  blieb,  aber  das 
genügte  nicht,  um  den  kühnen  Herrn  Brouette 


374 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


die  früher  unserer  Opembubne  aogebörte,  neuer- 
dings zuzufübren,  indem  man  sie  als  Lucia  auf- 
treten ließ.  Die  Dame  bat  inzwiscben  an  der 
Vervollkommnung  ibrer  Kunst  gearbeitet,  was 
sieb  wobl  aucb  merken  ließ,  docb  reicben  die 
Resultate  nocb  immer  nicbt  für  erste  Koloratur- 
partieen  zu.  An  dieser  Erkenntnis  konnten  sieb 
kritiscber  beanlagte  Hörer  aucb  nicbt  durcb  die 
sebr  warme  WiederbegrüQung  beirren  lassen»  die 
das  Publikum  dem  Gaste  darbracbte. 

Hans  Pfeilscbmidt 

GRAZ:  Das  Stadttbeater  bat  den  frucbtbaren 
Gedanken  durcbgefübrt,  die  Opern  des 
Spielplanes  zykliscb  zu  geben.  So  kam  es  bis 
jetzt  zu  einem  Weber-,  einem  Lortzing-, 
einem  Mozart-  und  einem  Wagner- Zyklus, 
dem  nocb  ein  Verdi-Zyklus  folgt.  Da  überdies 
bei  Spottpreisen  gespielt  wird,  so  sind  selbst 
die  gefürcbteten  klassiscben  Vorstellungen, 
z.  B.  die  «Euryantbe*,  ganz  ausverkauft:  im 
Zyklus  genießt  der  Deutscbe  alles,  und  alles 
festlich.  Für  den  Kritiker  wirken  die  Zyklen 
als  altes  Spiel,  um  nicbt  zu  sagen  langweilig; 
den  breiteren  Kreisen  gewibren  sie  kulturelle, 
der  Direktion  finanzielle  Freuden,  was  im  Zeit- 
alter der  Bübnendemokratisiening  jedenfalls  auf 
eine  gescbiftskluge  und  stilvolle  Weise  erreicht 
wurde.  Dr.  E.  Decsey 

HALLE  a.  S.:  Unsere  Tbeaterdirektion  bat 
ihre  Ehrenschuld  dem  Tonsetzer  Eugen 
d 'Albert  gegenüber  endlich  eingelöst.  Außer 
der  «Abreise*  brachte  man  im  Mirz  und  April, 
wirkungsvoll  inszeniert  und  in  trefTlicher  Be- 
setzung, »Flaute  solo*  und  «Tiefland'*  heraus. 
Um  die  wohlgelungenen  Aufführungen  machten 
sich  im  ersten  Falle  besonders  verdient  Frau 
Gruselli-Boer  als  Peppina,  Herr  Frank  als 
Pepusch,  Herr  Au  mann  als  Maestro  Emanuele 
und  Herr  Birkbolz  als  Fürst  Eberhard.  Eine 
überaus  packende  Darstellung  erführ  aucb 
«Tiefland*,  in  dem  vor  allem  Herr  Gogl  als 
Pedro,  Herr  Frank  als  Sebastiano  und  Olga 
Agloda  als  Marta  durchaus  Rühmenswertes 
leisteten.  Das  gleiche  Maß  an  Lob  trifft  auch 
auf  die  Kapelle  unter  ihrem  oft  bewährten 
Führer  Eduard  Mörike  zu,  der  beide  Opern 
durchaus  stilvoll  interpretierte.  —  An  Gisten 
erschienen  im  Laufe  der  Saison  Erika  Wede- 
kind («Regimentstocbter*),  Ottilie  Metzger- 
Fr  oitz  heim  («Mignon'*),  Leonore  Sengern 
(«Salome*),  Erna  Fiebiger  («Mignon*  und 
«Salome*)  und  unser  früherer  Heldenbariton 
Walter  Soomer  als  Wotan  in  der  «Walküre* 
und  als  «Hollinder*.  Martin  Frey 

I^ARLSRUHE:  Außer  einer  von  A.  Lorentz 
'^  geleiteten  Aufführung  der  reizenden,  pikant 
instrumentierten  und  dankbare  Gesangspartieen 
aufweisenden  Oper  «Lakme**  von  Delibes,  in 
der  Henny  Linkenbach- Mannheim  als  Titel- 
beldin  einen  durcb  Erscheinung,  Darstellung 
und  süßen  Gesang  gleicherweise  gerechtfertigten 
Erfolg  hatte,  und  Hermann  Jadlowker  sich 
durch  seinen  wundervoll  klingenden  und  meister- 
lich behandelten  Tenor  als  trefflicher  Partner 
erwies,  brachte  die  Hofbühne  als  Novitit 
d' Albert 's  «Tiefland*.  Das  Werk,  das  Text- 
dichter und  Komponisten  hiufig  auf  den  Pfaden 
der  Neu-ltaliener  zeigt,  fand  aucb  hier  dank 
der  realistischen,  aufregenden,  wenn  auch 
manchmal  anfechtbaren  Handlung  und  .der  aus- 


dmcksflbigen,  woblklingmiden  and  chmklerisii- 
schen,  aber  zwischen  den  TerMUedeaca  Stfl- 
gattungen  hin  nnd  her  tchwankeoden  Muik 
starken  Erfolg.  An  dem  guten  GeUniea  der 
von  Dr.  Göhler  einstadleiieo  Anff&hrug 
hatten  der  darstelleriach  and  cesnntUch  gleich 
treffliche  Pedro  Hans  Tinilers,  die  von 
Frsu  Hensel-Scbweitzer-FraokfiBrt  ia  Ver- 
tretung gesungene  IddeniduifUiche  Martha 
und  Max  Büttners  vonfigU^  gfinntr 
Sebastiano  den  Hanptaateil. 

Franx  Zarelch 

KÖLN:  Zum  dritten  Male  wihrend  dieaer 
Spielzeit  ging  Wagners  NlbelmiffeB-Telm- 
logie  in  Szene,  und  mehr  noch  als  xnvor  hat 
sich  hierbei  das  Ensemble  der  Oper  aof  ganz 
bedeutender  Höhe  künsüefiicher  Letetnagiitthig- 
keit  im  allgemeinen  and  hintichtllcli  den  bier  in 
Frage  kommenden  GesangttUa  im  beiendem 
bewihrt  In  «Walküre*,  »SIegfiried«  nnd  »G8otr- 
dimmerung*  ragte  die  Bronnhüde  vea  AUee 
Guazalewicz  durch  strahlende  ToafrtNni^  die 
keine  Ermüdung  kennt,  dnich  edle  Plastüc  des 
Spiels  nnd  dramatlache  Eindringlichkeit  der  ge- 
samten vokalen  und  mimischen  Gestsltoag 
mächtig  hervor.  Otto  Loh  so  begeisterte  wieder 
Singer  nnd  Pabliknm  dnreh  seine  Wagser- 
interpretiernng.  Unter  Ihn  gab  ee  fetit  aach 
einmal  eine  «Meistersinger^-Anfr&hnuig  sn  vdlfe^ 
tümlicben  Eintrittspreisen  mit  Hsns  Mohwiskel 
als  bekannt  trefflichem  Sachs.  PanI  Hiller 
V'ÖNIGSBERGI.Pr.:OttoDorn8  JMeschiBe 
'^  Müllerin*,  ein  harmloses,  gefOUces  Werk- 
chen, das  mehr  Geschick  Im  Gessngjmea,  sie 
in  Instrumentation  nnd  orchestraler  Msieiei 
zeigt,  ging  am  hiesigen  Stsdttheater  vor  Albsn 
Gorters  «Das  siOe  Gifk*  in  Sxene.  An  Eia- 
flUen  nicht  sonderlich  reich,  vennsc  Gertns 
musikalisches  Lustspiel  übsr  manche  tcüliehe 
Schwichen  vermöge  der  lyrischen 
kraft  des  feinsinnigen  Mnsllwrs,der 
zu  üppig  blühendem  Erldlngen  swingt,  xn 
Diese  beiden  bescheidenen  Werkchen  (das|snlgr 
Gorters  hoffentlich  nar  ein  Versprechen  Ar  Be- 
deutenderes) stellen  neben  Schols*  Tonui^lclacr 
«Mirandolina*  die  ganze  Könifpbeffer  NovMtsa- 
ausbeute  dieses  Jahres  dar. 

Rndoir  Kaatner 

MAGDEBURG:  Die  Opernsaiaon,  vor  dsrca 
Abscblnß  wir  stehen.  Hemmte  am  Osiw> 
Sonnabend  noch  einmal  anl^  in  Itaricer  Weisse 
die  einen  glinxenden  Schimmer  fiber  Ihr  Bade 
warf.  Die  Erben  des  weilend  Direkiefs  nnd 
Hofrats  A.  Cabislns  hatten  xn  einer  JBeieter- 
singer*-Aaffiibrnng  mit  aaserlesenen  Kiltea 
eingeladen.  Den  Stolsing  gab  Knete,  den 
Feinhals,  als  Beckmesser  sah  man  am 
nocb  unbekannten,  aber  nnn  sehr  sAneil  ge- 
würdigten Gustav  Landsner,  eis  Psg^nr  Messt 
Für  die  Partie  Evchens  wsr  FrL  Hast,  Ar  üt 
der  Amme  Frau  Schifer-Bender 
den  Lehrbuben  gab  Dr.  Kahn.  Ein 
das  zusammen  mit  dem  gsnx 
Orchester  unter  J.  GöUrlch  nnd 
sUrkten  Chor  alle  Schönheltnn  dee 
ans  Licht  zog.  Ein  völlig 
bereitete  der  AalfBtarnng  stfimün^e 
«Tristan  und  Isolde',  ehenJalla  in 
gezeichneter  Gastbesetsnni,  eehtoft 
30.  April  das  Theater  seine  Pfeitsn,  nm^pe 


375 
KRITIK:  OPER 


M 


am  I.September  unter  der  Direktion  Goß  mann 
ana  Hamburg  mit  einem  neu  inszenierten 
»Lohengrin*  zu  eröffnen.  Erwihnenswert  aus 
dem  Spielplan  der  letzten  Wochen  waren  mehrere 
ausgezeichnete  Auffuhrungen  vom  i^Ot hello* 
Verdi^s.  Max  Hasse 

MAILAND:  Scala.  Claude  Debussy's 
Musik  zu  .Pell^as  und  Melisande* 
Ist  wie  aus  der  Seele  eines  schwindsüchtigen, 
sterbenden  Midchens  geboren:  einschlifernd, 
blutlos,  kurzatmig,  ohne  Krafr,  ohne  Ent- 
schlossenheit, ohne  Glut.  Sie  ist  ein  ewiges 
Aufflackern  und  Verlöschen  einer  zarten  Sehn- 
sucht und  verschmilzt  weder  mit  den  Vorgingen 
noch  mit  den  Personen,  sondern  schwimmt  auf 
der  Ober  fliehe  des  Dramas  wie  leichtgefirbte 
Wolken.  Motive  und  Melodieen  sind  da,  müssen 
aber  mit  dem  Vergrößerungsglas  gesucht  werden. 
So  fein,  so  weich-verschleiert  wurde  noch  nie 
ein  Buhnenwerk  instrumentiert.  Das  Ganze 
klingt  wie  ein  Mirchenschlummerlied  und  be- 
zwingt durch  die  hartnickige  Aushaltung  der 
Manier;  »wer  am  lingsten  Widerstand  leistet, 
ist  der  Einflußreichste*,  sagt  Nietzsche.  Arturo 
Toscanini  dirigierte  auswendig,  unübertreff- 
lich. —  Zuletzt  hatten  wir  den  berühmten 
aMephisto*  des  Schaliapin  mit  der  trockenen 
Musik  von  Boito.  Johann  Binenbaum 

MAINZ:  An  Novititen  hat  uns  das  letzte 
Drittel  der  diesjihrigen  Spielzeit  eigentlich 
nichts  geboten,  dafür  aber  eine  Reihe  höchst 
Interessanter  Gastspiele  und,  mit  diesen  ver- 
bunden, eine  ganze  Serie  trefTlicher  Wagner- 
aufführungen, die  jedenfalls  künstlerisch  weit 
höher  zu  bewerten  sind,  als  die  immerhin  sehr 
fragwürdige  Uraufführung  von  Davidoff's  »Ver- 
sunkener Glocke*,  mit  der  Direktor  Bohrend 
aus  gSnzlich  unbekannten  Gründen  das  Publikum 
ursprünglich  zu  beglücken  gedachte.  —  Als 
Tannhiuser  und  Siegfried  hatte  Wilhelm 
Grün  in  g  von  der  Berliner  Hofoper  starken 
nnd  berechtigten  Erfolg.  Namentlich  war  es  der 
Jung  •  Siegfried,  der  besonders  durchschlug. 
Ihm  sowie  unserer  vortrefflichen  einheimischen 
Künstlerin  Frau  Matern a  (Brünnhilde)  wurden 
die  ehrendsten  Ovationen  dargebracht  — 
Nicht  minder  bedeutend  gestaltete  sich  das 
Gastspiel  Forchhammers  aus  Frankfurt, 
dessen  Tristan  als  eine  gesanglich  wie  dar- 
stellerisch gleich  hervorragende  und  vornehme 
Leistung  zu  bezeichnen  war.  —  Auch  Eugen 
d'Albert  war  als  Gast  bei  uns  erschienen,  um 
seinem  früher  gegebenen  Versprechen  gemiß 
eine  Aufführung  seines  »TragaUabas*  zu  diri- 
gieren. —  Von  sonstigen  musikalischen  Ereig- 
nissen unserer  Oper,  die  wie  gewöhnlich  am 
Schluß  der  Saison  ftist  ganz  im  Zeichen  der 
Abschiedsvorstellungen  und  Beneflze  stand,  ist 
nur  noch  die  Neueinstudierung  des  »Rheingold* 
besonders  zu  erwihnen,  an  die  sich  eine  zyklische 
Aufführung  der  »Nibelungen*  -  Tetralogie  an- 
schloß. Trotz  verschiedener,  durch  Krankheit 
hervorgerufener  Störungen  nahm  der  Zyklus 
einen  hoch  befHedigenden,  teilweise  sogar  ganz 
glinzenden  Verlauf;  ein  Verdienst,  das  neben 
Hofirat  Steinbach  und  seinem  trefflichen  Or- 
chester hauptsichlich  den  Damen  Materna 
nnd  Hofmann,  sowie  den  Herren  Barron- 
Bertald,  Bflrstinghaus  und  Bonin  zuzu- 
sdireibM  ist.  F.  Keiser 


liil  ANNHEIM:  Der  Spielplan  unserer  Oper  ist 
ivi  in  den  letzten  Wochen  interessanter  ge- 
worden. Neueinstudiert  erschienen  »Die  ver- 
kaufte Braut*,  »Carmen*  und  »Hans  Helling*. 
Intendant  Hagemann  verlieh  der  »Carmen* 
eine  prichtige  Neuinszenierung  nach  den  Prin- 
zipien seiner  Idealbühne,  die  sich  in  »Hamlet* 
und  »Tasso*  bewihrte  und  vielleicht  in  nicht 
allzu  femer  Zeit  die  Leinwanddekoration  völlig 
verdringt.  Als  Carmen  stand  Muriel  Terry, 
eine  Indierin,  die  In  München  leider  nicht  ein- 
wandfrei singen  lernte,  erstmals  auf  der  Bühne. 
Die  Stimme  ist  ein  Mezzosopran  von  bescheidener 
Größe,  aber  sympathisch.  Weder  die  stimmlichen 
Vorzüge  noch  das  gesangliche  Können  errangen 
den  Erfolg,  vielmehr  das  sprühende  Temperament 
und  ausgesprochene  Darstellungstalent.  Als 
ersten  Bübnenversuch  muß  man  diese  Carmen- 
darstellung hoch  einschitzen.  Sehr  gut  waren 
Bahling,  der  sein  Engagement  jetzt  schon  an- 
getreten hat,  als  Escamillo  und  Fenten  als 
Zuniga,  den  glinzendsten  Erfolg  jedoch  errang 
Fritz  Voge  1  Strom  als  Don  Jos6.  Leopold  Reich- 
wein hatte  die  Aufführung  sehr  gründlich,  aber 
in  sehr  breiten  Zeitmaßen  vorbereitet;  sie  erzielt 
bei  jeder  Wiederholung  ein  ausverkauftes  Haus. 

K.  Eschmann 

PARIS:  Als  Rudolf  Berger  wurde  der  ge« 
feierte  Tanzkomponist  vor  44  Jahren  im 
österreichischen  Fiume  geboren,  aber  seit  er 
eine  Pariser  Persönlichkeit  geworden,  heißt  er 
nur  noch  Rodolphe  Berscheeh.  Nach  verschie- 
denen kleinen  Operetten -Versuchen  wollte 
Berger  endlich  auch  in  der  großen  Bühnen- 
welt zur  Geltung  kommen,  und  darum  schrieb 
er  eine  als  komische  Oper  angekündigte  Aus- 
stattungsoperette in  vier  Akten  »Le  Chevalier 
d'£on*.  Ein  bisher  unbekannter  Direktor 
namens  Brouette  (Schubkarren)  mietete  eigens 
für  diese  musikalische  Tat  die  große  Bühne  der 
Porte  Saint-Martin,  verpflichtete  hervor- 
ragende Schauspieler  für  unbedeutende  komische 
Rollen  und  bewihrte  Singerinnen  der  Komischen 
Oper  für  die  Hauptpartieen  und  gab  Unsummen 
für  Dekorationen,  Kostüme  und  Ballete  und  für 
eine  ruhmredige  Vorausreklame  aus.  Das  Er- 
gebnis hat  diesen  Anstrengungen  durchaus  nicht 
entsprochen.  Das  mit  Unrecht  gewihlte  Text- 
buch stammt  aus  dem  Nachlasse  des  1901  ver- 
storbenen, berüchtigten  Vielschreibers  Armand 
Silvestre;  Henri  Cain  hat  es  nur  notdürftig 
zugestutzt.  Aus  der  bekannten  Geschichte  des 
Chevalier  d'£on,  der  sich  unter  Ludwig  XV. 
dreißig  Jahre  lang  als  Frau  ausgab,  um  den 
Folgen  einer  Veruntreuung  bei  der  französischen 
Botschaft  in  London  zu  entgehen,  ist  ein  recht 
gewöhnliches  Abenteuer  geworden,  denn  die 
Verkleidung  dient  hier  dem  Helden  nur  noch 
dazu,  bei  der  Dubarry,  der  allmichtigen  Ge- 
liebten des  Königs,  einzudringen.  Was  die 
Komposition  betrifft,  so  hat  Berger  noch  einmal 
bewiesen,  daß  der  langsame  Schmachtwalzer, 
die  Polka  und  die  Mazurka  kein  Geheimnis  für 
ihn  haben,  daß  er  aber  sehr  gewöhnlich  und 
ziemlich  langweilig  wird,  wenn  er  sentimentale 
oder  komische  Couplets  oder  große  Ensembles 
vertont.  »Le  Chevalier  d'£on*  hat  nur  so  lange 
das  Publikum  angezogen,  als  der  Glanz  der 
Ausstattung  neu  nnd  fesselnd  blieb,  aber  das 
genügte  nicht,  um  den  kühnen  Herrn  Brouette 


376 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


auf  die  Kosten  kommen  zu  lassen.  Er  hatte 
alle  Verpflichtungen  für  hundert  Vorstellungen 
abgeschlossen,  aber  schon  nach  siebzehn  sah 
er  sich  genötigt,  die  Bude  zuzumachen.  —  In 
der  Vollcsoper  der  »Galt^*  hat  nun  auch  das 
Personal  der  Großen  Oper  nach  dem  der  Ko- 
mischen sein  Teil  beigesteuert,  und  zwar  für  die 
«Lucia*  Donizetti's,  in  der  sich  Alice  Verl  et 
als  fertige  Koloratursingerin  auszeichnete. 

Felix  Vogt 

ST.  PETERSBURG:  Während  der  großen 
Fasten  konzentrierte  sich  das  musikalische 
Element  größtenteils  in  der  Kaiserlichen 
Oper,  wo  wieder  Wagners  »Nibelungenring* 
unter  allgemeiner  Hingebung  der  Hauptdarsteller 
zur  Aufführung  kam.  —  Auch  in  der  italie- 
nischen Oper  herrschte  große  Tätigkeit.  Mit 
einem  Repertoire  wie:  »Rigoletto",  »Romeo  und 
Julian  »Carmen'',  »Faust*,  »Tosca*,  »Bajazzo*, 
»Mignon*,  »Eugen  Onegin*,  »Werther*,  «Tra- 
▼lata*,  und  einigen  weniger  abgespielten  Opern 
wie:  »Die  Favoritin*,  »Ernani*,  »Don  Pasquale", 
«Linda  di  Chamonix",  »Maria  di  Rohan*.  Die 
Hauptrollen  waren  vertreten  durch  Gesangs- 
steme  wie  Battistini,  Anselmi,  Brombaro, 
Navarini,  Nani,  Sigrid  Arnoldson,  Emilia 
Corsi,  Olympia  Boronat,  Rosina  Storchio. 
So  konnte  es  nicht  wundernehmen,  daß  das 
Theater  allabendlich  ausverkauft  war. 

Bernhard  Wendel 

STUTTGART:  Von  selten  gehörten  Werken 
erschienen  in  der  Berichtszeit  »Rigoletto*, 
das  bewundernswerte  Meisterstück  Verdi's,  in 
guter  Aufführung  unter  Band,  mit  Neu- 
dörfferals  Rigoletto,  AugusteBopp- Glaser  als 
Gilda.  Ebenso  dankenswert  waren  Nicolais 
»Lustige  Weiber*  (Pitteroff).  Der  Palmsonntag 
brachte,  wie  alljährlich,  »Die  Legende  der  Hei- 
ligen Elisabeth*,  unter  Leitung  Dr.  Obrists, 
mit  Elisa  W  i  b  o  r  g  als  Elisabeth.  Etwas  Seltsames 
ist  die  neuerdings  hartnäckig  durchgeführte, 
gegen  die  Stimmen  der  Presse  festgehaltene 
Erhellung  des  Hauses  während  der  Ouvertüre. 
Der  neue  Oberregisseur  Gerhäuser,  der  im 
Herbst  Löwenfeld  ersetzt,  wird  viel  zu  tun  und 
zu  ändern  haben,  ebenso  Schillings  selber  als 
musikalischer  Beirat.  Die  Klagen  über  Dürftig- 
keit des  Spielplans  sind  zwar  hinfällig,  sofern 
sie  bloßen  Wechsel  verlangen,  ohne  an  den 
Wert  der  Aufführungen  zu  denken.  Gerade 
das  ist  zu  bedauern,  daß  in  letzter  Zeit  so  viel 
Schönes  in  Angriff  genommen,  aber  nicht  durch- 
gesetzt worden  ist:  »Iphigenie  in  Tauris*,  »Hans 
Helling*,  »Der  Widerspenstigen  Zähmung*,  »Der 
Barbier  von  Bagdad*,  »Ingwelde*,  »Heirat  wider 
Willen*,  »Cosi  fan  tutte*,das  blitzte  alles  nur,  aber 
erleuchtete  nicht.  —  Die  (einzige  dieswinterliche) 
vMei8tersinger*-Aufführung  hat  nicht,  wie  der 
Zettel  besagte,  und  wie  ich  aus  unterbliebener 
Mitteilung  schließen  mußte,  Hofkapellmeister 
Band,  sondern  Dr.  Ohr  ist  dirigiert.  Außerdem 
leitete  er  eine  schöne  Aufführung  von  »Tristan 
und  Isolde*  (mit  Urlus  aus  Leipzig  und  Frau 
Senger-Bettaque  in  den  Titelrollen).  Kürz- 
lich hatten  wir  auch  unter  Obrist  eine  stilvolle 
Aufführung  der  selten  gehörten  »Iphigenie  in 
Aulis*  von  Gluck.  Hermann  W  e  i  I  als  Agamemnon 
trat  vor  allen  hervor;  prächtig  waren  auch  die 
Leistungen  von  Kath.  Senger-Bettaqne,  Elisa 
Wiborg,  Emil  Holm.     Diese  reine,  keusche 


W 


Musik  bat  etwas  nngeneln  Bemhifeiides;  Ihr 
lebendiger  Ausdruck  tat  sich  vollende  anl^  wen 
man  versucht,  Mozart,  Beethoren,  Wagner  weg» 
zudenken  und  sich  nur  etwa  der  Opern  vnd 
Motetten  Rameau's  erinnert.  Unmittelbar  bevor 
steht    die    zweite    »Ring*-Auff&hmng    dieses 
Winters;  über  die  erste  ist  Im  Dezember  be- 
richtet worden.  Dr.  Karl  Grnnaky 
lEN:  Die  tapfere  Leitung  der  Volkaoper 
hat  den  beiden  gar  nicht  auf  »GeseUUt- 
liches*  abzielenden   und   sehen    deshalb  sehr 
künstlerischen    Taten    der   Auff&tamngen    des 
»Stemengebot*  und  der  »Arlane  et  Barbe-bleae* 
eine  dritte  folgen  lassen:  die  Einffihnmc  eines 
jungen  Österreichers,   dem   die   Bflhne  liisher 
verschlossen   war.     »Frau   Hol  da*   von   Maz 
Eggers  ist,  gleich  seinem  Erstling  »Triglav*, 
nach  einem   Baumbachschen    StolT  vom   Ton- 
dichter   selbst   bearbeitet  worden.     Die   Wahl 
stimmt  bedenklich;  es  Ist  nicht  unwesentlich,  von 
welchem  Dichter  und  welchem  Work  ein  Jnnges 
Talent  sich  anregen  läßt,  und  Napoleons  Wort, 
daß  es  gleichgültig  sei,  wofür  die  Jofond  sidi 
begeistere,  wenn  sie  sich  nur  begeistere,  trift 
hier  noch  weniger  zu  als  anderwirta.  Weil  an- 
bedingt  eine  VerwandtachafI  iwiechen  der  Psyche 
des  Musikers  und  der  Dichtung  iMetehen  nnfi. 
die  seine  Töne  tragen  aoll.    Kein  Zweifiel,  dafl 
diese  Verwanduchafk  bei  »Fran  Holda"  tu  e^ 
kennen  Ist;  das  weichliche,  amaranthene,  ns- 
plastische    und   wenig  minnliche  der   Banm- 
bachschen  Salonepik  iat  auch  In  Egfora*  Mnsik 
zu  spüren,  die  nicht  die  Kraft  hat,  Ciuraktere 
zu  profilieren  und  Seelisches  sn  entadieidendem 
tönenden  Ausdruck  zu  bringen.    yVefflfimein- 
nicht  in   Milch    gekocht*;   alles   nnperstallch, 
lauter  Gefühlchen   und  Schmerschea  ta  GoU- 
schnitt,  keine  Menschen,  nur  Schemen  lichier 
Engel  und  bösartiger  Teufel  und  deshalb  mtk 
in  der  Musik  ohne  rechten  Akiente,  mit  eiser 
künstlichen   Wärme,   die   zn   einer   TeUnahae 
zwingen  möchte,  die  der  Gehalt  des  Weiks  doch 
nicht  zu  erwecken  vermag.    Trots  sUcHlem  die 
Schöpfung  eines  Talenu.  Eines  Talents  IMlich, 
das  der  Festigung  bedarf,  das  noch   sn  weh- 
leidig ist  und  zu  leicht  von  flremden  BindfAckes 
gefangen   genommen  wird  —  Richsrd   Wsgeer 
herrscht  allmächtig  über  dieae  Töne  — ^  aber 
doch  eines,  dessen  Zeichen  in  manch  schtaer 
Kantilene,  in  gewissen  schwermütig  veikstEn- 
liehen  Wendungen  und  nicht  snm   ralndestte 
in  seinem  Sinn  für  Wohllaut  und  dem  redlichaa 
Ernst  der  ganzen  Arl)elt  dentlich  werden.    Die 
Aufführung,  In  ihrem  orchestrslen  Teil  dneh 
Kapellmeister  Großkopfs  Schuld  fiberlant  fft- 
halten  und  die  Deutlichkeit  des  Worts  dnrä- 
aus  erstickend,   war  azeniach   und 
auf  bester  Stufe;  die  angenehme 
und  die   hübsche   Stimme   der  Fwmm  Heritsa 
kommen  der  braven  Hilde,  Herrn  Reinbsrdts 
vornehmer  Gessng  dem   braven   Koond,  die 
gute  Haltung  und  die  schönen  Bisse  der  Hi 
Ludikar  und  Zog  dem  braven 
und  dem  braven  Vater  xngitte,  osd  der 
Junker  und  der  böae  Gerichtsvefl  flndsn  is 
den   Herren   Melms    i»d   Lerdmsnn   flbs^ 
zeugende   Interpreten.    Der  Erfsig: 
freundlich   nnd   offenbar  von    der 
Stimmung  beeinflnilLeino  ne«e 
grüßen  zu  dürfen«    Wss  slidn 


377 
KRITIK:  KONZERT 


fäbninc  der  .Frau  Holda*  zu  einem  mutfgea  i 
Akt  des  Direktors  Simons  mscbt.  Sie  wire 
noch  erfreulicher,  wenn  sie  sli  Symbol  suf- 
lohssen  wire:  als  das  dea  Einiugs  der  öiier- 
relchisctaen  Tondlchteriugend  in   die  VoJksoper. 

Richard  Specht 
wriESBADEN:  .Lohengrin'  unieriog  dte 
**  Intendanz  einer  retnainnigen  Neuinszenle- 
rnng.  Eine  Reibe  acbönbeltavollster  Bütanen- 
bilderl  Der  erste  Akt  halte  ganz  die  grandiosen 
Züge,  die  aeinem  dramatiach-sfmpbon lieben  AuT- 
bauentaprecben.  Im  zweiten  Akt  war  der  Zwinger 
der  Burg  mit  Söller,  Lauben, Treppen  und  Portalen 
genau  nach  Vagnerschen  Vorschrirteo  aurgebaut, 
und  die  bocb zeitlichen  Aufzüge  entwickclien  sich 
in  Toller  Pracht  und  Breite.  Das  Brauigemach  i 
im  dritten  Akt  mit  reichen  byzantinischen  uod 
romanischen  Motiven  und  kostbarem  Gerit  wirkte 
sehr  stimmungsvoll;  der  zweite  Teil  —  Aufzug  I 
des  Heerbanns  —  war  voll  Leben  und  Bewegung. 
Vortrefflich  Chor  und  Orcbester;  unter  den 
Solisten  rsgle  der  Lohengrin  des  stilistisch  fein 
geitsltenden  K  al  i  sc  h  (oder  des  jugendlich 
feurigen  Hensei)  bedeutsamer  hervor.  —  Mit 
der  Novität  «Madame  Butterfly'  dürfte  nur 
eine  vorübergebende  Sensation  erzleli  sein.  Der 
erste  Akt  feaselte  intensiver.  Die  feine  Harmonie 
zwischen  Puccini's  musikalischer  Stlmmungs- 
knnst  und  den  szenisch-dekorativen  Stimmungs- 
künsten unserer  HoFhübne  erregte  zwar  auch 
weiterhin  manche  Bewunderung,  und  Frau  Hans - 
ZSprrel  (ButterHy)  darf  geradezu  als  das  Urbild 
der  sGßen  kleinen  Opern  Japanerin  gelten,  aber 
Qber  die  Langstiligkelt  gewiaser  Teile  des  Verkea 
vermochte  das  alles  nur  schwer  hinwegzuhelfen. 

Otto  Dorn 
7ORICH:  Die  Spielzeit  gehl  in  diesen  Tsgen 
'^  mit  einem  vollstindlgen  Tagnerzyklus  in 
geschichtlicher  Reihenfolge  —  vom  «Rienzi' 
bis  zur  .GStterdlmmerung*  —  zu  Ende.  Venn 
es  iifendeine  Theaterstadt  von  mittlerer  GrS&e 
gibt,  in  der  Tagner  ao  gut  wie  Alleinherrscher 
bleibt,  so  ist  es  Zürich.  Es  gibt  noch  immer 
nichts,  dss  eine  derartige  Anziehungskraft  aul 
du  Theaierpublikum  unserer  Stadt  ausübt  wie 
die  Tagnerschen  Mualkdramen.  Mit  dieser  Tst- 
aache  mu&  die  Tbeaterleitung  recbneo,  und  die 
Mitglieder  der  Oper  müssen  nach  ihrer  Leistungs- 
nhifkelt  In  dieser  Richtung  gesucht  werden.  — 
Trotz  der  Pflege  des  Tagnerschen  Dramas  ist 
die  Fibigkeit  zur  Tiedergabe  italienischer  Opern 
nicht  zerhilen.  Ich  verzeichne  eine  tüchtige 
sRigoIctto'- Aufführung  mit  dem  Karlsruher 
Bsriiosisten  Jan  van  Gorkom,  der  hier  drei 
Gastspiele  gab  und  sich  mit  aeinem  großem 
gesangllcheD  KSnnen  viel  verdiente  Anerkennung 
holte.  Ala gleichwertig  nebendemGaatbeatanddie 
ausgeaeichnete  Koloraturslngerln  K i m la  (Gilda). 
—  Margarete  Sylva  sang  Jüngst  hier  die  Carmen 
and  das  Gounod-Gretchen.  —  Als  atllistlacb 
glücklicher  Versuch  verdient  eine  Aufführung 
der  «Stummen  von  Porticl*,  hei  der  msn  die 
Stumme  von  der  talentrollen  Schauspielerin 
Johanna  Terwin  agieren  ließ,  hervorgehoben 
zn  werden.  Teniger  Interesse  erregte  eine  Neu- 
elBStndlemng  der  «Beiden  Schützen*,  und  nichl 
soaderllcb  erbsnt  war  maa  van  Gesang  und 
Spiel  von  Gisela  Flacher  <vam  Mfincheser 
^raerplntitbeatef)  In  elnltea  Operetten.  Oskar 


zweierlei  Meinung  über  den  Tert  des  Terkcbens 
auf  dem  Spielplan  zu  behaupten.  HOchit  an- 
genehm berühren  —  man  muß  ea  am  Schluß 
der  Siagiooe  mit  Hochgefühl  feststellen  — 
das  zunehmende  Theaterin  leresse  und  der 
wachsende  Besuch.  Die  nnermüdllche  Theater- 
lellung  (Direktor  Alfred  Reucker)  hat  das  mit 
großer  Zlhigkeit  und  rühmenswerter  Unem- 
pnndlicbkeit  gegen  langjihrlge  Laubelt  endlich 
fertiggebracht.  Neuerdings  siebt  man  einen 
allgemeinen  Autschwung  des  Theaters  voraua, 
von  dem  sich  bei  glücklicher  Engagemenlahand 
auch  fQr  die  Oper  manches  Erfreuliche  hoffen 
IBßt.  Dr.  Hermann  Kesser 


KONZERT 

r\RESDEN:  Das  Palmsonn tagakonzert  brachte 
'-'  im  Kgl.  HoFopernbauie,  wie  seit  vielen 
Jshren,  Beethovens  Neunte  Symphonie  und 
Bruchstücke  aus  Tagnera  «Paraifsl*  unter  Adolf 
Hagena  Leitung.  So  sehr  man  damit  einver- 
standen sein  kann,  alljlhriich  einmal  an  dieser 
Stltie  die  «Neunte'  zu  hören,  wobei  es  übrigens 
interessant  wire,  sie  auch  einmal  in  Schuchs 
oder  eines  berühmten  Gastdirigenten  Aufhissung 
kennen  zu  lernen,  so  notwendig  erscheint  es 
für  die  Zukunft,  den  ersten  Teil  des  Abends 
von  den  alereoiypen  «Parsifal' Szenen  in  be- 
freien, die  meiner  Empfindung  nach  in  einer 
aalchen  Konzertwiedergabe  gerade  das  Gegenteil 
der  von  Tagner  gewotlien  Tirkung  tun.  Zur 
«Neunten*  gehört  als  Partnerin  eine  der  groß- 
artigen Kantaten  Bachs  oder  eine  Reihe  von 
Beethovenichen  Komposllionen,  die  sich  bis 
zu  aeinem  letzten,  gewaltigsten  symphonischen 
Terke  steigern  müssen.  ~  Am  Ksrbeitag  hatten 
wir  in  der  Kreozkirche  unter  Otto  Richters 
überaus  verstlndnisvoller  und  stllaicherer  Leitung 
eine  Aufführung  der  Matthlua-Paasion,  wobei 
der  Dirigent  den  Singer  des  Evangelisten  (Herrn 
GroBch,  der  die  schwierige  Partie  übrigens 
mit  MeiaterachaF[  ausführte  und  als  einer 
ibrer  allerbesten  Vertreter  gelten  kenn)  ein 
Stockwerk  über  Chor  und  Orchester  placiert 
hatte,  wodurch  aein  erzihlender  Gesang  gleich- 
sam ans  der  Ferne  her  klang  und  eine  weit 
eindringlichere  Tirkung  erzielte  als  sonst. 
Die  Damen  Doris  Tslde  (Soprsn),  Bender- 
Scbifer  (Alt)  und  die  Herren  Plaachke 
(Chriaiua)  und  Mann  (kleine  Tenorpartie)  boten 
Vorzügliches;  der  Baasisl  Herr  Schwerts  be- 
elniricbtlgte  die  Tirkung  seiner  krattrollen 
Stimme  durch  eine  nnfreie  Toablldnng.  —  Das 
letzte  Sym p hon iekonzert  im  KgUOpemhanse 
(Serie  B)  vermittelte  uns  die  Bekanntaehaft  des 
Pianisten  August  Pierret,  der  leider  weder 
durch  Technik,  noch  durch  Anschlag,  Tonbildong 
oder  Vortragaknnat  ernsthaften  AnaprOehen  zu  ge- 
nügen vermochte.  In  einer  Stadt,  in  der  Vilhelm 
Backhaus  sn  vier  Abenden  die  begeistertste 
I  TGrdIgnng  seiner  großen,  echten  und  fenrlgen 
I  Kunst  hnd  und  das  Pnbliknm  In  einen  wahren 
Rausch  versetzte,  war  eine  MittelmlBigkelt  wie 
.  Herr  Pierret  Hehl  an  Ort.  —  Ober  eine  Auf- 
I  fühnng  V0B  Baehs  Heber  Messe  In  h-moll 
kann  ich  sn  meinem  Bedenem  nicht  beliebten, 
I  de  Herr  RSmblld  ea  In  dieser  gauea  Selten 


378 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


anscheinend  absichtlich  unterlassen  hat,  mir  zu 
seinen  Kirchenaufführungen  Karten  zu  senden. 

F.  A.  Geißler 

FRANKFURT  a.  M.:  FGr  die  diesmalige  Revue 
kommen  nur  noch  die  beiden  großen  Auf- 
fQhrungen  in  Frage,  die  an  den  Freitagen  vor 
und  nach  Ostern  stattfanden.  Jene  brachte 
die  um  diese  Zeit  schon  oft  wiedergeicehrte 
Matthluspassion  von  Bach, die derCIcilien- 
verein,  noch  einmal  von  Prof.  August  Grfiters 
gefuhrt,  solid  wenn  auch  nicht  allenthalben  mit 
dem  erwünschten  Schwung  und  Temperament 
hören  ließ.  Als  Solisten  bewährten  sich  nament- 
lich Richard  Fischer  (Evangelist),  Louis  de  la 
Cruz-Fröhlich  und  die  Altistin  Agnes  Leyd- 
hecker.  Dem  bald  vom  Amte  scheidenden 
Dirigenten  ward  besonders  lebhaft  Beifall  gezollt. 
Das  andere  Konzert  leitete  Mengelberg;  auf 
dem  letzten  Freitagsprogramm  des  Museums 
stand  Beethovens  erste  und  —  letzte  Symphonie. 
Es  hätte  dieses  enormen  Kontrastes  nicht  be- 
durft, um  die  majestätische  Höhe  fühlen  zu 
lassen,  zu  der  sich  der  Genius  Beethovens  auf- 
schwang. Die  „Neunte*  ragt  auch  ohne  jedweden 
Vergleich  riesenhaft  gen  Himmel.  Die  Wieder- 
gabe war  prachtvoll,  scharf  modelliert;  ein 
großer,  leidenschaftlicher  Zug  band  die  vier 
Sätze  aneinander.  Das  Soloquartett  (die  Damen 
Noordewier-Reddingius  und  de  Haan- 
Manifarges,  die  Herren  F.  Senius  und  de 
la  Cruz-Fröhlich)  stimmte  vortrefTlich  zu- 
sammen; die  Chorsoprane  hielten  den  bekannten 
großen  Schwierigkeiten  tapfer  stand ;  das  Orchester 
zeigte  sich  begeistert.  Dementsprechend  klang 
auch  der  Beifall.  Das  letzte  Sonntagskonzert 
des  Museums  bot  Gelegenheit,  die  „Neunte*  so 
noch  einmal  aus  dem  Grunde  zu  genießen. 

Hans  Pfeilschmidt 
UAAG:  Im  sechsten  Diligentia- Konzert  be- 
^^  reitete  uns  die  junge  Geigerin  Stefl  Geyer 
eine  Enttäuschung  mit  ihrer  Wiedergabe  des 
Mendelssohnschen  Konzerts.  Zwar  übten  ihre 
saubere  Technik,  ihre  warme,  klare  Tongebung 
und  ihr  ernsthafter  Vortrag  eine  entzuckende 
Wirkung  aus,  aber  die  vielen  Freiheiten  in 
Phrasierung  und  Tempo  entsprachen  nicht  dem 
Charakter  des  Werkes.  —  Das  folgende  Konzert 
brachte  ein  Doppelkonzert  für  zwei  Violoncello 
von  Emanuel  Moor,  vom  Ehepaar  Pablo  Casals 
und  Guilhermina  Casals-Suggia  vorzuglich 
interpretiert.  Möor's  Werk  enthält  viele  inter- 
essante Einzelheiten,  ist  farbig  instrumentiert, 
aber  einen  tieferen  Gedankenreichtum  vermochten 
wir  nicht  zu  entdecken.  Beide  Künstler  ernteten 
vielen  Beifall,  und  Pablo  Casals  spielte  noch 
Carl  Smulder's  „Rosch  Haschana*  mit  meister- 
haftem Vortrag.  —  Einen  unvergeßlichen  Ein- 
druck bot  das  achte  Konzert  mit  Meister  Raoul 
Pugno  als  Solisten.  Kapellmeister  Schn6e- 
Voigt  stand  an  der  Spitze  unseres  Orchesters 
und  führte  es  freudig  zum  Siege.  Selten  haben 
Tschaikowsky's  „Path^tique*  und  „Les  Pr61udes* 
von  Liszt  uns  so  ergriffen.  Es  waren  wunder- 
volle Leistungen;  zum  Schluß  erhob  sich  ein 
wahrer  Beifallssturm.  Auch  Raoul  Pugno  er- 
zielte mit  dem  Konzert  No.  2  von  Rachmani- 
noff  begeisterten  Erfolg.  —  Der  15jährige  Geiger 
Franz  von  Vecsey  bleibt  immer  eine  wunder- 
bare Erscheinung.  Mehr  als  seine  ^voll- 
kommene  technische  Ausbildung  —  wenn  auch 


an  und  für  sich  erstinnllcli  —  ercreifen  uns  seine 
reife  Auffassung  nnd  seine  Tertiefte  seittlg0IBte^ 
pretation.  Das  ist  nichts  AaMlerntaa*  altot  lebt 
und  sprüht  von  innigem  Gerahl.  Seine  Wiede^ 
gäbe  von  Beethovens  Violinkonzert  war  einlich 
meisterhaft  —  Im  letzten  Koniert  gib  nns  der 
Tenor  Otto  Marak  einen  stimmlich  sehr 
schönen  Vortrag  der  Bildnisarie  ans  der  aZaobep 
flöte*  und  Lieder  von  Giordano  aad  LcoaeaTalle. 
Emil  Sauer  bereitete  nns  einen  Hocbfeanfl  mit 
einer  glänzenden  Wiedergabe  von  Scbamanns 
Klavierkonzert  a-moU  nnd  Stücken  von  Mendels- 
sohn-Bartholdy,  Grieg  nnd  Liszt.  Das  Residenz» 
Orchester  brachte  außer  Werken  von  Beet- 
hoven, Mendelssohn,  Schumann,  Wagner,  Stranfi 
u.  a.  Goldmarks  «Ländliche  Hochzeit*  ud 
Kompositionen  von  dem  hollindischen  Toneener 
Emil  von  Brucken-Fock:  iwei  Fragmente  ans 
dem  Musikdrama  aSeleneia"  and  »Tntwmg 
und  Leichenfahrt*  ans  «Eialnens  Tod*.  Am 
besten  zeigte  sich  der  Komponist  in  der  »Maaen- 
schijn*-Melodie  (Mondscbeinmelodie)  ans  «Sde- 
neia*;  hier  gibt  er  etwas  Persönlicbet:  ori^aellc 
Musik,  melodisch  und  harmonisch  von  ssabe- 
rischer  Stimmung,  fein  und  dnichaididf  iasm- 
montiert.  Die  zwei  anderen  Fragmenta  Migsn 
viele  Fertigkeit  znm  Schreiben  und  Instramea- 
tieren,  aber  man  merkt  eine  starke  Boeinflnssaag 
durch  Wagners  Harmonik  und  Thematik.  Die 
Ausführung  nnter  Leitung  des  Komponlstsa 
war  vorzfiglich.  —  Das  sielienta  Konsart  des 
Amsterdamer  Concertgebonw-Orcheaters 
war  dem  Andenken  Richard  Wagnere  gowidmet 
Herr  B  r  0  n  s  g  e  e  s  t  ans  Hamburg  sang  mit  schdaer 
Stimme  und  ausgezeichnetem  Vortrag  WeAhmms 
Ansprache  und  Wotans  Abschied.  Das  Of^ssier 
feierte  das  Andenken  des  Bayranthor  Moistan 
mit  einer  prachtvollen  Wiedergsbo  der  vEiates*, 
Siegfrieds  Tranenng  nnd  der  nachkomponiaftsa 
Musik  f&r  das  Ballet  des  Pariser  »TaaahlBSSi*. 

—  Das  folgende  Konzert  bet  ans  etwaa  Sahaaes: 
ein  Concerto  grosso  von  ConUl  mit  Engtae 
Ysaye  am  Dirigenten  palt  Der  grofta  Geigsr 
leistete  selbstveratändlich  im  CoreililEoaBart^sovie 
im  Bachkonzert  f&r  swei  Violinen  nnd  Stnieh- 
orchester  —  mit  dem  Konzertmeistor  Tommasr 

—  viel  Vorzfigliches,  am  meisten  aber  varmoehte 
er  zu  entzficken  mit  der  heiTiichaa  Interpffs- 
ution  von  Saint-Saöns'  drittem  VloIinkoaaarLvsil 
er  zu  modern  beanlagt  ist,  um  Bach  smrsll 
wiederzugeben.  ~  An  Stelle  der  Slagoria  Maiy 
Mönchhoff  hörten  wir  im  nennten  Koassrt 
Susanne  Dessoir,  denn  stimmlich  schdaer 
und  geistvoller  Vortrag  von  Schnhartschea 
Liedern  die  HörarachaR  Bbarans  anttÄckls. 
Berlioz'  i»Fantastique*  nnd  Elgar'e  Ordiaslsr- 
variationen  machten  tiefen  Eindrnck.  —  Von 
den  Solistenkonzerten  sind  sn  erahnen  die 
zwei  Konzerte  von  ICathleen  Pariow.  Diese 
phänomenale,  geradezu  ritselhafta  Erschslaasg 
hat  auch  hier  das  Pnbliknm  mit  ihrer  wvsder- 
vollen  technischen  Ausbildaag  nnd  ilirom  fluii- 
nierenden  Vortrag  zur  iofientan  BogsJslaiaag 
hingerissen.  Erataunlich  ist  der  kraftvaüa  Tea, 
den  das  junge  Mädchen  so  aatwickain 
--  Carl  Flesch  nnd  Jolins  Rdntjaa 
viel  Erfolg  mit  ihrem  herrlichen 

—  Die  Liederabeade  von  Dr«  LndwigWAIInaT 
und  Coenraad  V.  Boa  liaben  naA  immer  sla 
zahlreiches,  begeistertes   Phhiiinim.    —    Adia 


379 
KRITIK:  KONZERT 


M 


von  Aranyi,  die  Großnichte  Joachims,  erwies 
sich  als  ein  tüchtiges,  musikalisch  und  technisch 
ansgebildetes  Violintalent;  sie  wurde  von  dem 
jungen  Pianisten  Georges  Endul 6  begleitet,  der 
sich  seiner  Aufgabe  gewachsen  zeigte,  als  Solist 
aber  noch  viel  zu  lernen  hat.  —  Ein  interessantes 
Konzert  gabenHerrund  Frau  Hermanns-Stibbe, 
in  dem  das  Ehepaar  mit  schönem  Vortrag  Werke 
für  zwei  Klaviere  vorführte.  —  Ein  Talent  von 
ungewöhnlicher  Begabung  zeigte  uns  der  junge 
Pianist  J.  C.  Heyning;  seine  Technik  ist  nicht 
einwandfrei,  aber  die  Auffassung  von  Beet- 
hovenschen  und  Chopinschen  Werken  interessiert 
ungemein,  wiewohl  er  die  Phrasierung  oft  über- 
treibt. —  Feine,  geschmackvolle  Kunst  brachten 
uns  Herr  und  Frau  Rud.  Loman-  von 
Elischer  mit  ihren  Lieder-  und  Klavier- 
vortrigen.  —  Drei  junge  Damen:  die  Klavier- 
spielerin Marie  Hartog,  die  Sängerin  Marie 
Haagmans  und  die  Violinistin  Eugenie  Bueß, 
legten  Zeugnis  ab  von  frischem,  vielverheißen- 
dem Talent.  —  Unsere  Liedersingerin  Johanna 
van  Linden  van  der  Heuvell  wagte  es,  beim 
Liedervortrsg  sich  selbst  am  Klavier  zu  begleiten. 
Sie  ist  eine  vorzQgliche  Singerin,  eine  gute 
Pianistin,  aber  weder  im  Gesänge  noch  in  der 
Begleitung  vermochte  sie  sich  ganz  zu  geben, 
und  so  kam  nicht  viel  Ausgezeichnetes  heraus.  — 
Die  hiesige  Gesangsabteilung  von  „Toonkunst* 
brachte  in  ihrer  zweiten  Auffährung  unter  vor- 
zOglicher  Leitung  des  Direktors  Anton  Verhey 
eine  eindrucksvolle  Wiedergabe  von  drei  Teilen 
aus  der  »Missa  solemnis"  (Kyrie,  Sanctus  und 
Agnus  Dei)  und  eine  hinreißende  Interpretation 
der  Neunten  Symphonie.  Der  Chor  erfüllte  seine 
schwere  Aufgabe  überaus  glänzend;  die  Solisten 
FraoNoordewier-Reddingius,  FraudeHaan- 
Manifarges  und  die  Herren  Tagosen  und 
van  Oort  bildeten  ein  einheitliches,  stimmlich 
prachtvolles  Quartett,  und  auch  das  Residenz- 
orchester bot  wundervolle  Leistungen.  —  Im 
letzten  Konzert  des  Wagner- Vereins  hörten 
wir  den  zweiten  Akt  des  »Lohengrin*  und  den 
dritten  Aufzug  der  „Götterdimmerung''.  Henri 
Viotta  hat  sich  als  ausgezeichneter  Wagner- 
interpret wiederum  bewährt;  Chor  und  Orchester 
boten  viel  Schönes,  und  zumal  Margarete  Kahler 
aus  Elberfeld  als  Ortrud  und  Brünnhilde,  Ejaar 
Forchhammer  als  Lohengrin  und  Siegfried 
und  Emil  Holm  als  König  und  Hagen  traten 
besonders  hervor.  Jan  van  Gorkom  sang  die 
Partieen  des  Telramund  und  Günther,  Bram 
van  der  Plöß  die  Partie  des  Heerrufers.  —  Man 
hat  in  der  letzten  Zeit  viel  geklagt  über  die 
geringe  Sympathie,  die  man  der  Kunst  von  Bach 
entgegenbringt.  Daher  hat  der  neulich  begründete 
Rotterdamer  Bachverein  bei  Bachfreunden 
viel  Interesse  erweckt.  Der  Chor  des  Vereins  ver- 
anstaltet unter  Leitung  des  Organisten  B  e  r  p  1  o  o  n 
Aufführungen  von  Bachseben  Chorälen.  Der 
begabte  Dirigent  hat  in  kurzer  Zeit  ein 
Vokalensemble  von  vorzüglicher  Qualität  ge- 
schaffen: die  Damen  und  Herren  singen  mit 
tadelloser,  reiner  Intonation,  deutlicher  Aus- 
sprache und  feiner  Durchführung  der  dyna- 
mischen und  agogischen  Nuancierung.  Das 
Bachkonzert  in  der  Klosterkirche  war  ein  Hoch- 
genuiL  Herman  Rutters 

UANNOVER:  Im  letzten  Abonnemenukonzert 
*^  der  Königlichen  Kapelle  nahm  Kapell- 


meister Doebber,  der  acht  Jahre  an  unserer 
Oper  tätig  war,  gleichsam  Abschied.  Beethovens 
Septett  mit  orchestraler  Besetzung  der  vier 
Streichinstrumente  und  die  »Neunte*  erstanden 
unter  Doebbers  diesmal  besonders  intuitiver 
und  liebevoller  Leitung  zu  wahrhaft  blühendem 
Leben.  —  Das  zweite  Abonnementskonzert  der 
Berliner  Philharmoniker  fand  am  4.  April 
unter  Leitung  von  Fritz  Steinbach  statt.  Beet- 
hovens »Coriolan^-Ouvertüre,  Strauß' »Don  Juan*, 
Dvoraks  lediglich  äußerlich  wirkende  Ouvertüre 
»In  der  Natur"  und  zumal  Brahma'  c-moll  Sym- 
phonie gaben  dem  Dirigenten  wie  dem  Orchester 
Gelegenheit,  höchstes  musikalisches  Empfinden 
mit  vollendeter  technischer  Potenz  zu  vereinen. 
—  Die  in  dieser  Saison  hier  veranstalteten 
Abende:  »Moderne  Kunst"  (unter  der  künst- 
lerischen Direktion  E.  Buchners)  fanden  mit 
einem  Max  Reger- Abend  ihren  glänzenden 
Abschluß.  Außer  dem  Komponisten  wirkten  mit 
die  Pianistin  Schelle  aus  Köln  und  Kammer- 
musiker Steinmeyer  (Violine).  —  In  dem 
letzten  Konzert  unseres  Männergesang- 
vereins (Frischen)  ersang  sich  die  vorzügliche 
Sängerin  Maria  Seret  einen  glänzenden  Erfolg. 

L.  Wuthmann 

KÖLN:  InderMusi  kaiischen  Gesellschaft 
lernte  man  in  Fritz  Hirt  aus  Luzem,  der  das 
Brahmssche  Violinkonzert,  die  H.  Huberschen 
Phantasiestücke  und  als  Zugabe  einen  Sonaten- 
satz von  Bach  spielte,  einen  gutgebildeten  Geiger 
von  soliden,  wenn  auch  nicht  sonderlich  inter- 
essierenden allgemein  musikalischen  Gaben  und 
etwas  beengter  Gestaltungsart  hinsichtlich  der 
Auffassung  kennen,  dessen  gewinnendste  Eigen- 
schaft jedenfalls  eine  schöne,  sichere  Technik 
ist.  Mit  der  Mozartarie  »Et  incarnatus  est*  und 
Schubertliedem  stellte  sich  Doris  Walde  aus 
Dresden  vor.  Das  beste  an  der  Sache  war 
Waldemar  von  Baußnerns  poesievolle  Be- 
gleitung am  Ibachfiügel,  denn  der  Dame  Können 
ist  noch  fem  von  Konzertreife.  Die  an  gleicher 
Stelle  gehörte  Sängerin  Lilly  Hafgren  aus  Stock- 
holm, deren  ansprechende  Stimme  nicht  bei- 
klangfrei ist,  aber  mit  vieler  Gewandtheit  in  den 
Dienst  der  jeweiligen  Aufgabe  gestellt  wird,  stand 
dem  gedanklichen  Gehalt  der  Arie  derGoetzschen 
Katharina  noch  ziemlich  fremd  gegenüber,  leistete 
aber  Besseres,  da  sie  mit  Liedern  von  Hafgren 
und  Ekenberg  sowie  einem  schwedischen  Tanz- 
lied in  heimisches  Fahrwasser  kam.  Der  Ber- 
liner Geiger  Arthur  Hartmann  bewährte  zu- 
mal mit  Tschaikowsky's  Violinkonzert,  Werk  as, 
seine  glänzenden  virtuosen  Eigenschaften  voll- 
auf, ließ  aber  in  bezug  auf  seelisches  Eleniem 
manches  zu  wünschen  übrig.  An  der  Spitze  des 
Orchesters  stand  diesmal  belebend  und  hebend 
Fritz  Steinbach.  —  Nur  nach  dem  Berichte 
meines  Gewährsmannes  kann  ich  einen  Kammer- 
musik-Abend erwähnen,  den  Waldemar  von 
Baußnern  mit  Schülern  des  Konservatoriums 
veranstaltete,  und  bei  dem  Baußnerns  prächtige 
Serenade  für  Klavier,  Violine  und  Klarinette, 
sowie  sein  Quintett  für  Klavier,  Violine,  Klari- 
nette, Hörn  und  Violoncell  mit  dem  Komponisten 
als  Klavierspieler  schöne  Eindrücke  erzielten. 
Mit  besonderem  Interesse  und  klanglichem  Be- 
hagen nahm  das  Auditorium  Banfinems  so- 
genannte »Kammergesänge*  auf,  In  denen  alt- 
italienische und  -französiche  Melodleen  für  eine 


M 


380 
DIE  MUSIK  VII.  1& 


Singstimme  mit  Streicbquirtett,  Flöte  und  Kliri- 
nette  eine  höchst  stimmungsvolle  Bearbeitung  er- 
fahren haben.  —  Die  Saison  der  großsn  Konzerte 
ist  zum  Abschlüsse  gediehen,  und  es  bleiben 
an  dieser  Stelle  noch  die  beiden  Gürzenich- 
Abende  der  Osterwoche  zu  erwähnen.  Am 
Palmsonntag  brachte  Fritz  Steinbacb  im 
elften  Konzert  Bachs  h-moll  Messe  zu  höchst 
eindrucksvoller  Auffuhrung.  Seine  Art,  Bach 
zu  interpretieren,  hat  etwas  ungemein  fesselndes 
und  wQrde,  wo  etwa,  wie  das  ja  vorkommt, 
im  Publikum  die  Wärme  des  Empfindens  für 
des  Großmeisters  Johann  Sebastian  Werke  fehlen 
sollte,  ihm  immer  neue  Freunde  anzuwerben 
so  recht  geeignet  sein.  Das  Orchester  hielt 
sich  vorzuglich,  und  die  Chöre  taten,  wenn  sie 
schon  nicht  fiberall  des  Dirigenten  Intentionen 
einwandfrei  erfüllten,  da  ihr  bestes,  wo  abseits 
der  ganz  feinen  Schattierungen  Kraft  und  Aus- 
drucksfähigkeit des  Stimmenmaterials  in  erster 
Linie  in  Betracht  kamen.  Als  Vertreter  der 
Tenor-  und  Baßpartieen  wirkten  Max  Pauli,  der 
vom  kommenden  Herbst  an  erster  lyrischer 
Tenorist  unserer  Oper  sein  wird,  und  Paul 
Knupfer,  dem  nur  im  bewegten  Gesänge  da 
und  dort  die  letzte  konzertakademische  Kunst 
Abging,  im  ganzen  ausgezeichnet,  während  Anna 
Kämpfert  aus  Frankfurt  als  Sopranistin  sehr 
verdienstliches  bot  und  die  für  eine  andere 
Sängerin  eingetretene  Louise  Geller-Wolter 
zwar  den  ungern  vermißten  Einschlag  an  Poesie 
in  der  Altpartie  schuldig  blieb,  aber  volle 
Oratorien  mäßige  Stilsicherheit  bewährte.  —  Das 
zwölfte  Gurzenich-Konzert  am  Karfreitag 
brachte,  wie  fast  alljährlich,  Bachs  Matthäus- 
Passion,  und  auch  hierin  schuf  Steinbachs 
vielseitige  Dirigentenberedsamkeit  und  aller 
Schwierigkeiten  spottende,  bei  der  Massenleitung 
allseitig  belebende  Initiative,  gestfitzt  auf  ruhm- 
liche Orchester-  und  Chorleistungen,  viel 
Schönes.  Durch  Absagen  von  zwei  hervor- 
ragenden Solisten  waren  eine  Rollenverschiebung 
und  eine  Neubesetzung  notwendig  geworden. 
So  kam  es,  daß  der  ursprunglich  für  die  kleinen 
Baßpartieen  engagierte  Hans  Vaterhaus  den 
Christus  übernahm  und  in  sehr  schätzenswerter 
Weise  durchführte,  Louis  Bauer  von  der  hie- 
sigen Oper  seinen  schönen  Baß  erfolgreich  in 
den  Dienst  von  Petrus,  Judas,  Pilatus  usw. 
stellte,  und  als  Inhaberin  der  Sopransoli  Hilde- 
gard Börner  aus  Leipzig  Wohllaut  und  ziel- 
sichere Vortragskunst  entfaltete.  Nicht  in  allen 
Eigenarten  der  Auffassung,  aber  nach  jeder 
sonstigen  Richtung  befriedigte  als  Evangelist 
George  A.  Walter  durchaus,  während  der  fiber- 
aus  glänzende  Stil,  in  dem  Frau  Preuse- 
Matzenauer  vom  MQnchener  Hoftheater  mit 
ihrer  herrlichen  Stimme  die  Altpartie  sang,  uns 
von  der  Mitwirkung  der  Künstlerin  bei  den 
diessommerlichen  Opernfestspielen  Glänzendes 
zu  versprechen  schien.  Paul  Hill  er 

T  EIPZIG:  Mit  der  Einstudierung  und  sehr 
^  tfichtigen  Vorführung  von  anderthalb  Dutzend 
den  Verlagsgeschäften  von  C.  F.  W.  Siegel  und 
D.  Rahter  entnommenen  Novitäten  der  Männer- 
chor-Quartettliteratur haben  der  Leipziger 
Minnerchor,  dessen  trefflicher  Chormeister 
Gustav  Wohlgemutb  und  das  dem  Vereine 
verscbwesterte  Mendelssohn-Quartett  (die 
Herren    Hennicker,   P.  Friese,    R.  Friese 


und  Schiebold)  im  FrübJmhnkoBMrte  des 
Leipziger  Männerctaors  den  zahlreicben  Zahörem 
ernstliche  Hochachtung  und  Yielen  BeiCall  ab- 
gewinnen und  für  Tiele  Ton  den  vorfeAhrten 
Kompositionen —  so  speziell  für  A.v.Othegravtns 
.Schwertertanz*,  .Totenklage*  and  »Scblacht- 
gesang"  aus  einem  Drama  aWidnUnd",  ffir 
P.  Faßbaenders  «Hymnus  an  die  Sonne*,  R.  Frickes 
.Die  Vätergruft*,  A.  Kayls  »Lied  von  einem 
Landsknecht*,  H.  Kauns  «Wir  windeln  dle^, 
Th.  Hagedorns  .Es  singen  die  Vöglein  Im  Waldt*, 
F.  Meyer-Helmunds  «Serenade*,  K.  Zusctaneids 
.Landsknechilied*  und  W«  Rabls  «Nene  Liebe*  — 
lebhafteres  Interesse  wachrufen  können.  —  Aneh 
in  der  stillen  Woche  gab  es  noch  mancherlei  sa 
hören.  Da  kam  zunächst  in  Stärke  von  22  Dtmea 
und  12  Herren  der  von  Frederik  Rung  bestens 
geschulte  und  geleitete  Madrigalebor  des 
Kopenhagener  Cäcilia-Verelna  und  en« 
thusiasmierte  nach  respektabler  Wlederfidie 
einiger  geistlicher  Gesänge  von  Cnrissimi,  Mes- 
trina  und  Edvard  Grieg  (Drei  Paelmen  nach 
älteren  norwegischen  Kirchenmelodleen  für 
a  cappella-Cbor  und  Baritonsolo,  op.  74)  die 
Zuhörenden  mit  dam  feinabgetönten  Vortrage 
neuerer  weltlicher  Chöre  von  Gade,  Bratams, 
Julius  Wachsmann  und  den  akandlnnvisctaen  Ton- 
setzern Georg  Reiß,  Frederik  Rnng  nnd  P.  E.  Ltfige- 
Mfiller  und  mit  der  gans  vorzfigllchen  AnsRhrug 
altenglischer  und  altitalienischer  Madrlpde  von 
John  Dowland^  Thomas  Bateaon,  Leon  LeonI, 
Gastoldi  und  Girolamo  ConvertL  Die  Deilkaietaev 
mit  der  alle  diese  Gesinge  und  ganz  beaonders 
die  reizvollen  Refrainachene  einiger  JMedrIgale 
und  die  Brahmssche  Frauenchor- Bemrole 
.0  Fischer  auf  den  Fluten»  Fldelln*  TorgeCriflen 
wurden,  verschönte  das  an  alch  nicht  geradeanfler- 
ordentliche  Stimmenmaterial  dea  dinlachen  En- 
sembles. —  Der  Karfreitag  brachte  diellnttbisa- 
Passion.  Diese  wie  alljährlich  in  der  nonas- 
kirche  und  zum  Beaten  der  Witwen  nnd  Wallendes 
Stadtorchesters  veranataltete  AuffBbmng  unter- 
schied sich  ganz  weaentlich  Yon  den  PeeaMnaanl* 
führungen  der  voraufgegangenen  Jahre.  An  die 
Stelle  Arthur  Nikischa»  der  Bachs  Pataionamnslk 
stets  mit  einer  sich  sentimental  gebenden  gleich- 
gültigen Höflichkeit  gegenfibergeetanden  hattei 
war  als  Leiter  der  AuffQhronmi  der  Bach- 
kundige und  Bach-begelaterte  ThonMaUrehen- 
Organist  und  Bachvereina-Dirigent  Karl  Stranbe 
getreten,  und  seinem  redlichen  Benafihen  um 
eine  stilgerechte  Rekonstmiernng  der  biealgen 
Passionsauffuhrungen  hatte  nuui  schon  gMäch 
bei  diesem  seinem  ersten  Angreifen  eine  weaent 
lieh  klarere  und  wlrkaamer  nflanderte  DarMel- 
lung  der  Vokal-  und  Inatmmen^poiyphoniei 
die  Wiedereinffihning  dea  FIfigeia  IQr  die  wieder 
gäbe  des  bezifferten  Continnopartee,  die  nahnn 
durchgehends  gleichmäßige  AnalÄhrnng  aller 
Vorhaltsnoten  und  Veraiemngen,  eine  tan Teapo 
belebtere,  nicht  andauernd  dural  Veratemaian 
zerstückelte  Vortragawdae  der  ChorUe,  nnd 
schließlich  die  Aufmachung  maneher  bialapg 
üblich  geweaenen  Striche  (der  Arie  JiA  «fli 
dir  mein  Herze  achenken",  der  Chortle  »War 
hat  dich  ao  geachlagen*.  »Bin  Idi  tfeieh  von 
dir  gewichen*  und  ^Befiehl  dn  debw  WifsP. 
und  aller  OrcheaterzwiachenaitieinSdhlnlcMei 
zu  danken«  Einige  Choraltie  vwrdea 
reita  mit  voller  dranatiadier 


381 
KRITIK:  KONZERT 


m 


wm^BB 


ScfQtarty  leider  tLbtr  noch  nicht  alle,  und  ebenso 
darften  sich  die  Singer  der  Cbriitne-  und  der 
Ernngelistenpartie  biuflg  noch  in  der  fiblen, 
aktuell  gemeinte  Kundgebungen  und  Berichte 
luBibelxitatenzurückbildendenVortragsverbreite- 
mng  gebllen,  so  daß  denn  die  Rekonstruierung 
des  gewaltigen  Werkes  diesmal  noch  nicht  als 
vollendet  gelten  konnte.  Treffliebes  leisteten 
der  durch  Mitglieder  des  Lehrergesang- 
Tereins  Terstirkte  Bachverein  und  der  durch 
Schfiler  höherer  Lehranstalten  verstirkte  Tho- 
manerchor in  der  Wiedergabe  der  Chöre,  gut 
spielte  das  von  den  Herren  Prof.  Dr.  Max 
Seif  fort  am  Flügel  und  Organist  Max  Fest  an 
der  Orgel  assistierte  Gewandhausorchester, 
und  Gutes  ist  auch  von  der  gesanglichen  Aus- 
fOhrung der  Solopartieen  durch  Tiliy  Cahnbley- 
Hinken,  Pauline  de  Haan-Manifarges, 
Jacques  Urlus,  den  eingesprungenen  etwas 
stimm kloQigen,  aber  sympathisch  wirkenden 
Christussinger  Paul  Bender  und  die  Herren 
Eugen  Stichling,  Dr.  Leo  von  Herget  und 
Wolfgang  Rosenthai  zu  berichten. 

Arthur  Smolian 
]ki|ADRID:  Die  Madrider  Konzertsaison  schloß 
^*^  mit  einem  Ereignis,  das  einen  ganz  her- 
vorragenden Erfolg  der  deutschen  Kunst  be- 
deutet: dem  dreimaligen  Auftreten  der  Berliner 
Philharmoniker  unter  Leitung  von  Richard 
Strauß  im  Teatro  Real,  unserem  Opernhaus, 
das  jedesmal  bis  auf  den  letzten  PUtz  besetzt 
war.  Auf  die  Spielweise  unserer  deutschen 
Musiker  hier  näher  einzugehen,  erfibrigt  sich, 
da  sie  den  meisten  Lesern  ja  bekannt  ist.  Es 
sei  nur  festgestellt,  daß  die  spanische  Kritik  der 
musikalisch-technischen  Leistung  das  denkbar 
höchste  Lob  spendet  und  ihr  eine  unvergleich- 
liche Präzision,  ein  wunderbares  Zusammenspiel, 
Ffllle,  Schwung  und  männliche  Kraft,  aber  wenn 
nötig  —  wie  am  Schluß  des  Bacchanals  aus 
»Tannhäuser*  —  auch  ein  bis  zum  zartesten  Hauch 
herabsinkendes  Piano,  sowie  herrlichen  Wohl- 
laut und  großen  Akzentenreicbtum  nachrühmt. 
Der  spontane  und  lebhafte,  nach  jedem  Vortrag 
einsetzende  Beifsll  steigerte  sich  —  und  das 
ehrt  meiner  Ansicht  nach  ebensosehr  das  Pu- 
blikum wie  das  Orchester  —  zu  stürmischen 
Kundgebungen  im  ersten  und  dritten  Konzert 
l>ei  der  achten  und  fünften  Beetbovenschen 
Symphonie,  die  in  der  Tat  in  selten  großartiger 
Weise  zu  Gehör  kamen.  Ganz  ausgezeichnet 
wurden  —  um  nur  noch  etwas  hervorzuheben  — 
auch  die  i»Oberon*-Ouvertüre  und  eine  der  Un- 
garischen Rhapsodieen  von  Liszt  gespielt.  Strauß 
selbst  war  mit  seinem  „Don  Juan'',  „Till  Eulen- 
spiegel* und  „Tod  und  Verklärung*  vertreten, 
von  denen  letzteres  den  größten  Eindruck  machte. 
Es  braucht  wohl  kaum  erwähnt  zu  werden,  daß 
bei  der  Wiedergabe  dieser  Werke  seines  Diri- 
genten das  Orchester  sein  Bestes  tat.  Den  Fort- 
schritt, den  wir  hier  in  den  letzten  Jahren  ge- 
macht haben,  zeigt  wohl  am  besten  der  Um- 
stand, daß  diese  Kompositionen  nicht  nur  kein 
Befremden  mehr  erregten,  sondern  sogar  mit 
Verständnis  und  Beifall  aufgenommen  wurden. 
Ebenso  wie  uns  die  seinerzeit  Aufsehen  er- 
regenden Neuerungen  eines  Berlioz  heute  neben 
den  schillernden  Farben,  die  die  zeitgenössischen 
Tondichter  verwenden,  beinahe  schon  wie  mit 
klassischer  Patina  überzogen  erscheinen,  ebenso 


verlieren  die  Straußschen  Werke  in  dem  Mal^ 
wie  wir  durch  häufigeres  Hören  damit  vertraut 
werden,  das  Verblüffende  des  ersten  Eindrucks. 
—  Der  Erfolg  unserer  Kfinstlerschar  war  um  so 
erfreulicher  und  bezeichnender,  als  unmittelbar 
vorher  sechs  nach  hiesigen  Begriffen  sehr 
glänzendeKonzerte  des  Madrider  Symphonie- 
Orchesters  unter  Leitung  von  Femandez 
Arbos  vorausgegangen  waren,  so  daß  die  Be- 
fürchtung nahe  lag,  daß  der  Lekalpatriotismus 
sich  gegen  die  bedingungslose  Anerkennung  der 
Oberlegenheit  der  fremden  Gäste  sträuben  könnte. 
Als  bemerkenswerte  Neuheit  sei  aus  diesen  Kon- 
zerten der  „Prolog  zur  Göttlichen  Komödie*  von 
Conrado  del  Campo  hervorgehoben,  der  sich 
auf  die  berühmten  Verse  stützt,  die  die  Angst 
des  Dichters  beim  Anblick  der  „selva  selvaggia 
aspera  e  forte*  und  seine  Begegnung  mit  Virgil 
schildern.  Dementsprechend  entwickeln  sich 
auch  die  musikalischen  Tonbilder,  die  im  übrigen 
in  eine  reiche,  moderne  Form  gegossen  sind. 
Das  Werk  eignet  sich  dazu,  auch  einmal  von 
einem  größeren  ausländischen  Orchester  aufge- 
führt zu  werden.  Hier  hat  es  jedenfalls  sehr 
gefallen,  da  aus  ihm  ein  Künstler  spricht,  der 
es  ernst  mit  seinem  Schaffen  meint,  dessen  Be- 
geisterung dafür  echt  ist.  F.  Matthes 
MÜNCHEN:  Im  Großen  und  Ganzen  günstigen 
Eindruck  machte  Emil  Pinks  (Tenor),  der 
Schuberts  Müllerlieder  mit  viel  Intelligenz  und 
Gewandtheit  sang,  wenn  er  auch  nicht  immer 
und  überall  den  rechten  Ton  fand.  Großen 
Erfolg  errang  Elena  Gerhardt,  mehr  durch 
ihre  überaus  feinsinnige  Vortragskunst  als  durch 
glänzende  Stimmittel;  als  ganz  hervorragender 
Begleiter  fungierte  Arthur  Niki  seh.  Wieder 
im  Vollbesitz  ihrer  herrlichen  Stimme  zeigte  sich 
Tilly  Koenen  in  einem  Brahma- Wolf- Abend; 
die  Zusammenstellung  dieser  beiden  Antipoden 
aber  wollte  nicht  recht  glücklich  anmuten.  Der 
jugendliche  Geiger  Florizel  von  Reuter  gab 
einen  eigenen  Abend  mit  Bach,  Beethoven  und 
Saint-Saöns,  von  denen  er  diesem  weitaus  am 
besten  gerecht  wurde.  Bach  und  Beethoven 
ließen  in  seiner  Ausführung  viel  zu  wünschen 
übrig.  Manches  Erf^uliche  bot  auch  das  Konzert 
der  Pianistin  Minnie  Kühne-Hellmessen  und 
des  Geigers  Gregor  von  Akimoff,  wenig  Be- 
friedigendes das  von  Erika  Rauscher  (Geige) 
und  Luise  Ger  lach  (Klavier).  Walter  Porges 
(Violine)  und  Karl  Hasse  (Klavier)  seien  wegen 
ihres  sehr  interessanten  Programmes  (italienische 
und  deutsche  Meister  des  17.  und  18.  Jahr- 
hunderts) besonders  erwähnt  Als  Meister  ihrer 
Instrumente  erwiesen  sich  wieder  der  Geiger 
Felix  Berber  und  die  Pianistin  Anna  Langen- 
han-Hirzel.  Nicht  so  reinen  und  befHedigenden 
Eindruck  wie  von  seinem  ersten  Konzert  hatte 
ich  bei  seinem  zweiten  Auftreten  von  Dr.  Wolf- 
gang Bülau,  einem  Schüler  Henri  Marteans. 
Mit  gemischten  Gefühlen  wohnte  man  auch 
den  letzten  Abonnementskonzerten  des 
neuen  Kaim-Orcheetersbei.  Seit  seiner  Zu« 
sammenstellung  hat  es  gewiß  große  Fortschritte 
gemacht,  und  die  beiden  Gastdirigenten,  Peter 
Raabe  und  vor  allem  Ferdinand  Löwe,  holten 
alles  aus  ihm  heraus,  was  nur  herauszuholen 
war,  ja  hoben  es  manchmal  weit  über  sein  wirk- 
liches Können  durch  ihre  glänzende  Suggestions- 
kraft hinaus.    Doch  das  konnte  nicht  darüber 


382 
DIE  MUSIK  VIL  18. 


hiowegtluscheo,  daß  noch    nnendlich   viel   zu 
tun  bleibt,  soll  das  neue  Kaim-Orchester  je  hier 
wieder  die    Stellunf  einnehmen»  die  das  alte 
etwa  unter  Weingartner  gehabt  hat.    Zur  finan- 
ziellen   Sanierung    des    Kaimschen    Institutes 
werden    ja,    wie    man    hört,    zurzeit  alle    An- 
strengungen gemacht.        Dr.  Eduard  Wahl 
NEW  YORK:    Da  das  Boston  er  Orchester 
jede  Saison  in  New  York  zehn  Konzerte  gibt, 
so  bedauert  man  auch  hier  sehr,  daß  Dr.  Muck 
nach  Berlin  zurückkehrt.  Er  hat  es  verstanden, 
dessen  technische  Fertigkeit,  die  es  unter  Gericke 
erwarb,   zu    erhalten    und    mit   einer  größeren 
Ausdrucksfihigkeit  zu  verbinden.    Sein  letztes 
hiesiges  Konzert  war  ganz  Werken  amerikanischer 
Komponisten  gewidmet;  fit>erhaupt  hat  er  sich 
mehr  als  irgend  ein  anderer  europiischer  Dirigent 
fär  sie  interessiert,  und  man  hofft,  daß  er  sie 
auch   in   seiner  Heimat  nicht  vergessen  wird. 
—  Mahler  ist  leider  im  Konzertsaale  nicht  er- 
schienen, man  hofft  aber,  daß  er  in  der  nächsten 
Saison  wenigstens   einige   seiner  Symphonieen 
dirigieren  wird.  —  Die  Philharmoniker  haben 
einen  sehr  tQchtigen  Dirigenten,  den   feurigen 
Safonoff,    der    dafür    sorgt,   daß    die    neuere 
russische  Musik  nicht  vernachlässigt  wird;  er 
hat  aber  nichts  besonders  Wertvolles  entdeckt, 
und  überhaupt  sind  die  Philharmonischen  Pro- 
gramme diesmal  Fangweilig  gewesen.  —  Walter 
Uamrosch  ist  zwar  kein  so  guter  Dirigent  wie 
Safonoff,   macht  aber  bessere  Programme.    Er. 
hat  besonders   guten  Erfolg  gehabt  mit  einem 
Beethoven- Zyklus,  dem  die  letzten  sechs  Kon- 
zerte   seines    Symphonieorchesters     gewidmet 
wurden.    Er    hat   auch    außerhalb    New  Yorks 
etwa   70   Konzerte   gegeben.   —    Frank   Dam- 
rosch  beschließt  die  Saison  der  Oratorio-Society 
mit  der  Bachschen  h-moll  Messe,  die  hier  sehr 
selten  gehört  wird.  —  Ein  neuer  Bach-Verein 
zur   Auffuhrung   der    Kantaten    ist    von    Sam 
Franko  gegründet  worden,  der  auch  wieder  zwei 
«Concerts  of  old  music*  (des  17.  und  18.  Jahr- 
hunderts) dirigierte.  —  Die  Solisten  des  letzten 
Monats  sind  dieselben,  die  wir  im  Herbst  hörten; 
sie  haben  inzwischen  das  ganze  Land  bereist. 
Zum   Schluß   werden  wir   noch    zwei   Doppel- 
Solistenkonzerte  haben:  Marcella  Sembrich  mit 
Paderewski,  und  Fritz  Kreisler  mit  Josef  Hofmann. 

Henry  T.  Finck 

PARIS:  Richard  Strauß  hat  es  nun  einmal 
den  Parisern  angetan.  Am  22.  März  stellte 
er  das  Publikum  des  Konzerts  Colonne  auf 
•  eine  ziemlich  harte  Probe  und  brauchte  es  nicht 
zu  bereuen.  Er  führte  ibnen  nämlich  nur  eigene 
Werke  vor,  was  er  bisher  noch  nicht  gewagt 
hatte.  Das  »Guntram'-Vorspiel,  das  für  Paris 
neu  war,  begann  das  Konzert  und  wurde  allein 
etwas  frostig  aufgenommen.  Die  Kritik  sieht 
den  Grund  dafür  in  den  starken  Anlehnungen 
an  »Lohengrin*  und  „Parsifal".  Die  Russin 
Wieniawski  sang  hierauf  mit  wenig  Stimme, 
aber  gutem  Ausdruck  „Heimliche  Aufforderung* 
und  „Ständchen*,  das  letztere  auf  allgemeines 
Verlangen  zweimal.  «Tod  und  Verklärung*"  fand 
hierauf  den  üblichen  anhaltenden  Beifall,  und 
gleich  darauf  folgte  die  »Sinfonia  Domestica% 
die  noch  nie  einen  solchen  BeifiUsturm  ent- 
fesselt hatte.  Drei  weitere  Lieder  und  der  Tanz 
der  Salome  machten  den  Schluß.  —  Der  Geiger 
Jacques  Thibaud  ist  auch  in  seinem  Vaterlinde 


Prophet  gebliehen.    Er  ffillte  den  Saal  Gaveaa 
mit  Leichtigkeit  zum  zweiten  Male,  ebachon  er 
mit  dem  verkleinerten  Orcheater  Colonne  nichts 
anderes  bot  als  ein  Geigenkoniert  von  Bach, 
die  beiden  Romanzen  Beechovena,  dat  Konler^ 
stück  von  Saint-Saöns  und  die  mit  beaonderem 
Glänze  gespielte  «Symphonie  Eapagnole'  vea 
Lalo.  Noch  mehr  Bewnndemng  verdientn  fMlicfe 
die  Ansffihrnng   der   F-dnir  Romanse,  votegea 
Bach  unter  einigen  Verstößen  den  Orcheetcn 
und  sogar  des  Solisten  in  leiden  hatte.  —  !■ 
Konzert  Lamonrenx,  das  an  zwei  Sonntage 
von  dem  Komponisten  Henri  Raband  ceMm 
wurde,  fand  endlich  auch  eine  CfoHe  Tat  atait. 
Zweimal    wnrde    ein    neues    Oratorlnm    vea 
Reynaldo  Hahn  .Prom6th6e  trlomphant* 
gegeben,   das   nicht  nnr   einen    groften  Chor, 
sondern  auch  nicht  weniger  als  acht  Geaangs- 
solisten  erfordert.    PanI  Rebonx«  ein  Iftttferar 
Dichter,  hatte  den  Text  geliefieil^  in   dem  die 
hehren  Götter  des  Olympe  von  dem  Oolieaaeltea 
noch  mehr  hemntergehudelt  werden,  ala  in  allea 
früheren    Prometheusdichtanm.      Der  Titane 
erscheint  da  als  ein  Vater  Combea,  der  dem 
Zeus,  wie  einem  gewissen  Herrn  Sano,  gründlich 
seine  Meinung  sagt.  Hahns  Bestreben  gtag  dahiBt 
einfach  und  großartig  zu  sein,  al>er  nnr  eehca 
ist  ihm  da«  gelungen.    Die  Kraft  wird  durch 
hohles  Pathos  und  die  Einfischbeit  durch  Vil- 
garität  ersetzt.    Die  zart  gestimmten  KlacM  der 
drei  entthronten  Göttinnen  spreeben  nebr  an,  als 
die  des  gefesselten  Helden.    Der  ana  Tbeala^ 
Choristen  gebildete,  der  Zahl  nach  zu  a^vaehe 
Chor  und  die  Hälfte  der  Solisten  aangen  ftbe^ 
dies  sehr  schlecht,  und  die  Akustik  den  Saales 
Gaveau  erwies  sich  wieder  einnud  ala  viel  sa 
nachhallend  für  große  Orcheatermaaaen.    Bne 
matt  gespielte  und  noch  matter  auljienommene 
Symphonie  von  Mozart  (38  D-dnr)  und  einKonmt 
von  Bach  für  Geige,  Flöte,  Oboe  und  Trompete, 
das  Mottl  sehr  glücklich  den  bentigen  TfompeMa 
bläsern  mundgerecht  gemscht  bat  und  daa  aehr 
gefiel,  vervollstindigten  daa  Progrann.  —  lai 
Konzert  Colonne  kam  ea  wieder  einmal  za 
einer  heftigen  Aoseinanderaetsung  zviacben  der 
neuen  und  der  nenesten  Richtung.    Den  Anlaft 
bot  eine  viersätieige  »Rhapsodie  Eapaguele* 
von  Maurice  RaveL    Ravel  ist  bei  der  Jugead 
populär,  weil  Ihm  die  alten  Herren  der  Kunst- 
akademie den  Rompreis  versagten,  ala  er  actaea 
in  den  Pariser  Konzertsälen  dnreb  einige  Klavier- 
stücke ziemlich  bekanntgeworden  war.  Brbataber 
auch  bei  den  Neuerern  seine  Gegner,  die  in  Ihm 
nur  einen  platten  Nachahmer  von  Claude  Debnasy 
sehen  wollen.    Sie  bildeten  die  Oppoaltien,  dis 
übrigens  siegreich  zurfickgesehlagen  wurde,  denn 
die  «Malagena*  mußte  wiederholt  weiden.    Die 
Verwertung  spanischer  Tanzrhytbmen  hatte  zar 
Folge,  daß  Ravel  trotz   aller  RalBnlenlielt  dar 
Harmonie  und  Inetmmentiemng  hier  wenignr 
als  ie  den  Vorwurf  des  «Debnaajanua"  ver- 
diente. —  Bei  Lamoureuz  dirigierte  noch  einaul 
der  Direktor  der  Großen  Oper  Meeeager.    Cr 
machte  aus  Rimsky-Korssakow*a  Sympbeaie 
« Antar*  ein  Glanzstuck  und  bewiea  einige  Clekh 
gultigkeitfürdie.Fidello'-Ouvenflre.  EHeeinstlgs 
Darmstädter  Primadonna  Felicia  Kaaebowaka 
sang  zum  erstenmal  in  ftvnzdalacber  Spraebe 
die  Schlußszene  der  «Götterdlmmerung"  und  Und 
den  gleichen  Erfolg  wie  früher  mit  den  dentalen 


383 
KRITIK:  KONZERT 


Vortrag.  —  In  der  SocUt^  Bach  hat  sich  nun 
das  System  ganx  eingebfirgert,  die  Cbdre  fran- 
zösisch nod  die  Soli  deutsch  singen  zu  lassen. 
In  der  Trauerode,  in  der  der  originelle  Text  des 
alten  Gottsched  nach  schlechtem  Brauche  durch 
die  nichtssagende  Umdichtung  Rusts  ersetzt 
wurde,  war  der  Chor  am  Schlüsse  besser,  als 
am  Anfang.  Die  Solisten  waren  simtlich  Aus- 
linder. Der  mäßige  Sopran  von  Frl.  von  Glebn 
kam  aus  London,  der  großartige  Alt  von  Maria 
Philippi  aus  Basel,  der  befriedigende  Tenor 
des  Herrn  Kohmann  aus  Frankfurt  und  der 
sanfle  Baß  des  Herrn  Zalsman  aus  Amsterdam. 
Die  Orgel  bearbeitete  mit  Verständnis  und 
Diskretion  Albert  Schweitzer  von  Straßburg. 
—  Die  Soir6es  d'Art,  ein  Kammermusik- 
untemehmen,  das  der  Posaunist  des  Orchesters 
LAmoureuz,  Barr  au,  gegründet  hat  und  das  der 
Soci6t6  Philharmonique  eine  fühlbare  Konkurrenz 
macht,  beantworteten  das  Wiener  Quartett  Ros^ 
daa  dort  sehr  gefallen  hatte,  mit  dem  neu  organi- 
sierten, bereits  ein  homogenes  Ganzes  bildenden 
Frankfurter  Quartett  Rebner-Davisson- 
Natterer-Hegar.  Es  trat  mit  einem  sehr 
ernsten  Programm  auf.  Eröffnet  wurde  der 
Abend  mit  einem  hier  noch  unbekannten  Quartett 
Weiogartners  in  d-moll  und  geschlossen  mit 
Beethovens  bedeutsamstem  und  schwierigstem 
Werk  dieser  Gattung,  dem  cis-moll  Quartett. 
Weingartner  wurde  in  Paris  als  Orchester- 
dirigent sehr  hoch  geschätzt,  aber  drei  seiner 
eigenen  Werke,  die  erste  Symphonie,  die 
Ouvertüre  zum  ^Lear*  und  die  „Gefilde  der 
Seligen*  hinterließen  keinen  nachhaltigen  Ein- 
druck. Die  Ankündigung  seines  Quartetts 
wirkte  daher  nicht  als  Kassenmagnet,  und,  was 
Beethoven  betriifr,  so  ist  er  in  Paris  von  dem 
vorzüglichen  Quartett  Capet  förmlich  mono- 
polisiert und  fast  zu  sehr  ausgebeutet  worden. 
Trotzdem  errargen  die  Gäste  einen  unbezweifel- 
baren  Erfolg.  Die  drei  ersten  Sätze  Weingartners 
ließen  noch  etwas  kalt,  aber  das  Thema  mit 
Variationen  und  die  sehr  belebte  Schlußfuge 
des  Quartetts  machten  großen  Eindruck  und 
führten  einen  dreifachen  Hervorruf  herbei.  Das 
Beethovenquartett  wurde  nach  der  strengsten 
Regel  ohne  Unterbrechung  gespielt,  nachdem 
vier  von  Frau  Mellot-Joubert  tadellos  ge- 
sungene Lieder  von  Lazzari  und  drei  etwas 
harte  Chopin  vortrage  von  Schidenhelm  vor- 
ausgegangen waren.  Das  Presto  pflegt  vom 
Quartett  Capet  noch  feiner  und  präziser  gespielt 
zu  werden,  aber  in  den  übrigen  Sätzen  würde 
der  Vergleich  eher  zugunsten  der  Frankfurter 
ausfallen.  Die  übliche  Hast  des  Aufbruchs 
verhinderte  nicht,  daß  das  Publikum  auch  am 
Ende  die  Künstler  dreimal  hervorrief.  —  In 
einem  der  vom  Blatte  „Musica*  organisierten 
Concerts  d'Avant-Garde  spielten  die  Frank- 
furter zwei  Tage  später  ein  achtungswertes 
Quintett  von  Leo  Sachs  und  das  bekannte 
Streichquartett  Debussy's  zur  vollen  Zufrieden- 
heit der  Zuhörer.  —  Unglücklicher  Einfluß  der  Poli- 
tik auf  die  Musik,  oder  wenigstens  auf  die  Musik- 
kritiker! Humperdincks  „Maurische  Rhap- 
sodie* hätte  nicht  zu  weniger  gelegener  Zeit 
nach  Paris  kommen  können.  Die  höchst  kon- 
servative Soci6t6  des  Concerts,  die  im 
Saale  des  Konservatoriums  beinahe  unter  Aus- 
schluß der  Öffentlichkeit  nur  für  ihre  Stamm- 


abonnenten konzertiert,  hatte  am  5.  April  aus- 
nahmsweise einige  Kritiker  zugelassen,  um 
Humperdincks  Werk  zur  Geltung  bringen  zu 
lassen.  Nun  lasen  aber  diese,  daß  der  deutsche 
Tonsetzer,  dessen  „Häusel  und  Gretel*^  in  der 
Komischen  Oper  seinerzeit  sehr  gut  aufge- 
nommen worden  war,  Marokko  zum  Gegenstand 
seiner  musikalischen  Schilderungskunst  gemacht 
und  seine  drei  Sätze  „Tarifa*,  „Tanger*  und 
„Tetuan*  betitelt  hatte.  Welche  unerhörte  Frech- 
heit, diese  musikalische  Annexion  eines  Landes, 
wo  sich  Frankreichs  Waffen  gegenwärtig  so  viel 
Lorbeeren  holen!  „Das  ist  vielleicht  ein  von 
Deutschen  kolonisiertes  Marokko,*  ironisiert 
Grosse  im  „Journal*,  „denn  von  einem  Rimsky- 
Korssakow  behandelt,  wäre  die  orientalische  Farbe 
wohl  suggestiver  herausgekommen*.  In  „Co- 
moedia*  bemerkt  Gauthier-Villars,  Laparra 
und  Ravel  seien  bessere  spanische  Landschafter, 
und  setzt  hinzu:  „Wie  kann  man  sich  für  diese 
drei  endlosen  ,Reisekontrapunkte^  interessieren, 
die  wie  Mietskasernen  konstruiert  und  ohne 
Feinheit  orchestriert  sind?  Warum  nach  Tarifa, 
Tanger  und  Tetuan  reisen,  um  Ansichtskarten 
made  in  Ger m an y  zurückzubringen ?*Souday 
erklärt  im  „£clair*:  „Dieser  Jahrmarktsorientalis- 
mus läßt  das  Verschwinden  von  F^licien  David 
bedauern,  der  Jn  seiner. Einfachheit  mehr  Un- 
mittelbarkeit besaß.*  So  geht  es  weiter.  Nur 
Coquard  rühmt  im  „ficho  de  Paris*  die  solide 
Arbeit  und  die  pittoreske  Orchestrierung.  Wenn 
die  marokkanische  Krise  gelöst  sein  wird,  so 
wird  man  Humperdincks  Werk  wieder  aufnehmen 
und  entdecken,  daß  es  des  Schöpfers  von 
„Hansel  und  Gretel*  durchaus  nicht  unwürdig 
ist.  ~  Die  Matthäuspassion  ist  für  Paris 
schon  längst  keine  Neuheit  mehr.  Sie  war 
eine  der  ersten  Großtaten  Lamoureux'  im  Jahre 
1874,  aber  sie  wirkte  doch  am  14.  April  im  Tro- 
cadero  durchaus  als  solche,  denn  noch  nie  war 
sie  von  einer  solchen  Chormasse  so  vollendet 
vorgetragen  worden.  Der  Chor  war  denn  auch 
kein  Pariser  Chor,  sondern  war  mit  dem  Or- 
chester von  Amsterdam  hergekommen.  Der 
vortreffliche  Mengelberg,  der  schon  mehrmals 
mit  Auszeichnung  in  Paris  dirigiert  hat,  erschien 
an  der  Spitze  von  400  Sängerinnen,  Sängern 
und  Musikern,  um  den  Parisern  endlich  einen 
richtigen  Begriff  des  großen  Tonwerkes  —  und 
zwar  in  der  Originalsprache  —  zu  geben.  Auch 
die  fünf  Gesangssolisten  kamen  aus  Holland. 
Ganz  hervorragend  war  der  Christus  von 
Messchaert  und  sehr  befHedigend  der  Evangelist 
von  Urlus.  Die  Pariser  Bach-Gesellschaft, 
die  zu  Beginn  des  Winters  mit  kleinem  Chor  und 
dürftigem  Orchester  ziemlich  gute  Aufführungen 
Bachscher  Werke  zustande  gebracht  hatte,  ergriff 
selbst  die  Initiative,  für  die  Matthäuspassion  die 
Holländer  nach  Paris  kommen  zu  lassen.  Die 
„Schönheit  der  Geste*,  wie  man  in  Paris  zu 
sagen  pflegt,  verdient  alle  Anerkennung.  —  Am 
9.  Mai  1887  war  das  erste  Konzert  des  Ber- 
liner Philharmonischen  Orchesters  im 
Winterzirkus  unter  Niki  seh  ein  großes  Ereignis. 
Schon  nach  dem  ersten  Stück,  der  Leonoren- 
Ouvertnre,wollteder  Beifall  kein  Ende  nehmen.  Die 
Eroica  steigerte  noch  die  Begeisterung.  Am  20.  April 
1908  sind  die  Philharmoniker  unter  Richard 
Strauß  zurückgekehrt,  aber  man  nimmt  die 
Sache  viel  ruhiger.    Der  Saal  des  Chatelet  war 


384 
DIE  MUSIK  VII.  18. 


zwar  bei  hoch  gesteigerten  Preiseo  aniverkauft, 
aber  weder  die  wenig  glficklich  gewibite  Lear- 
Oavertfire»  eine  JugendsQnde  von  Berlioz,  noch 
Beetho?en8  Siebente  entfesselten  Stfirme  des 
Beifells.  Das  kam  Tor  allem  daber,  daß  nur 
eine  Elite  des  Berliner  Orchesters  von  nngeflhr 
secbzig  Mann  vorbanden  war,  so  daß  die  Klang- 
fülle in  der  Symphonie  weit  hinter  der  des 
Orchesters  Colonne  zurückblieb,  das  man  an 
dieser  Stelle  zu  hören  gewohnt  ist.  Strauß  ver- 
schleppte auch  das  Allegretto  und  das  Trio  des 
Scherzo  auffallend.  Viel  besseren  Eindruck 
machten  Strauß'  eigener  «Till  Eulenspiegel"  und 
die  üblichen  Wagnerfragmente;  Vorspiel  und 
Schlußszene  des  »Tristan*  und  der  Karfreitags- 
zauber wurden  wahrhaft  hinreißend  gegeben.  Den 
Schluß  bildete  die  mit  sechsfachem  Hervorruf 
belohnte  „Oberon*-OuvertGre.  Da  Strauß  fiber  ein 
wenig  zahlreiches,  aber  iußerst  feinfühliges 
Orchester  verfugte,  so  arbeitete  er  mit  gutem 
Bedacht  die  zarten  Effekte  am  meisten  heraus, 
und  das  Publikum  zeigte  dafQr  das  nötige  Ver- 
ständnis. Vor  elf  Jahren  gab  Nikisch  ffinf  Kon- 
zerte, heute  haben  Strauß  und  der  verdienstliche 
Konzertagent  Astruc  die  Zahl  auf  zwei  be- 
schilnkt  und  damit  das  Richtige  getroffen,  denn 
in  diesen  elf  Jahren  haben  alle  Pariser  Orchester 
von  den  damals  von  Nikisch  und  den  Philhar- 
monikern gegebenen  Lehren  Nutzen  gezogen, 
und  daher  braucht  der  Kursus  diesmal  nicht  so 
voUstindig  zu  sein.  —  Sollten  die  schönen  Tage 
von  Araojuez,  wo  sich  Tschechen  und  Franzosen 
bei  jeder  Gelegenheit,  durch  gemeinsamen 
Deutschenbaß  geeinigt,  in  den  Armen  lagen, 
schon  vorüber  sein?  Fast  möchte  man  es 
meinen,  denn  der  große  Trocaderosaal  war  noch 
selten   so   öde  und   leer,  wie   am   Abend   des 


25.  April,  da  der  ausgezeichnet  eingeschulte 
Prager  Lehrergesangverela,  den  Ferdinand 
Vach  bis  lor  VIrfnositit  getrieben,  zehn  seiner 
besten  and  knnstreidisten  Lieder  sang.  Vielleicht 
waren  aber  blofi  das  Lokal  nad  die  Zeit  schlecht 
gewihltf  oder  vermißte  das  Pnblilnim  auf  dem 
Programm  jede  inatrumentale  oder  aolistischs 
Abwechslnng.  Die  wenigen  ZnbSrer,  die  er- 
schienen waren,  und  unter  denen  die  Pariser 
Musikkritik  meist  dnreh  ihre  Abwesenheit  gWnzie, 
ließen  sich  übrigens  trotz  der  fhmtigen  Tempe- 
ratur dea  ungeheizten  Saales  bald  dnreh  die  Kunst 
des  Vortrsge  erwirmen  and  forderten  daa  reisende 
«Sperlingabankett*  von  Dverak  snr  Wiederbelnng. 
In  einem  langen  «Stnrtnlied*  von  Von  dl  er 
wurde  ein  aymbolischer  Kampf  der  Falken,  d.  h. 
der  Tschechen,  gegen  die  Geier,  d.  h.  die  Deut- 
schen, mit  solchem  Feuer  besungen,  dsfi  die 
fünfzig  Singer  iweihnndert  Kehlen  m  haben 
schienen.  Schade  daß  das  Programn  dem  tnxL- 
zösischen  Publikum  diesen  zarten  Symbolismus 
nicht  hlnlingllch  erklirtel  In  einer  Pause  erhob 
sich  ein  ilterer  Pariser  Lehrer  von  seinem  Sitz 
und  hielt  eine  unvorhergesehene,  aber  am  so 
willkommnere  Ansprache  an-die  Finger  Kollegen, 
in  der  er  veraicherte,  daß  lach  die  frnnaltoiadie 
Lehrerschaft  große  Anstrengengen  mache,  um 
unter  sich  den  Chorgesang  so  pflegen.  Diessm 
Abendkonzert  folgten  noch-  swei  Naehmitlsgy- 
konzerte  der  tschechischen  Singer  im  Chatelet 
und  im  Theater  Sarah  Bemhardi^  aber  der  Zu- 
spruch war  auch  hier  geringi  —  Der  Klavier- 
spieler Gottfried  Galston  fend  wieder  dea 
gleichen  Zulauf  für  zwei  Konzerte,  in  denen  er 
namentlich  durch  Brahma'  Pagaaini-Variationen 
hinriß,  dagegen  der  g-moll-Smiate  Sehamanns 
nicht  ganz  gerecht  wurde.  Felix  Vogt 


ANMERKUNGEN  ZU  UNSEREN  BEILAGEN 

Als  Nachtrag  zu  dem  Bilderteil  des  zweiten  Mai-Heftes,  der  bekanntlich  im  Anschluß  an  dea 
Artikel  „Bach- Porträts**  von  O.  Landmann  ausschließlich  bildlichen  Darstellungen  Johann  Sebastian 
Bachs  gewidmet  war,  bringen  wir  im  vorliegenden  Heft,  unserem  damaligen  Versprechen  gemifl, 
noch  fünf  weitere  zu  dem  Artikel  gehörende  Blätter,  deren  nähere  Beschreibung  der  Leser  in 
der  interessanten  Studie  von  Landmann  findet.  Es  sind  dies  die  Porträts  von:  Wilhelm 
Friedemann  Bach  (a.  a.  O.  S.  225),  Wilhelm  Friedrich  Ernst  Bach  (S.  225),  Carl 
Philipp  Emanuel  Bach  <S.  226),  Johann  Christian  Bach  (S.  226),  aowie  ein  angeb- 
liches Bach-Bild  (S.  226),  das  sich  im  Besitz  der  Frau  Julie  Hom  in  Meiningen  befindet 
und  wahrscheinlich  Sebastian  Bachs  Patron,  den  Herzog  Wilhelm  Emat  von  Weimar,  darstellt 

Dem  Aufsatz  von  Richard  Specht  geben  wir  eine  Ansicht  des  am  7.  Mal  enthfillten 
Brahms-Denkmalsin  Wien  bei.  Das  von  Profeasor  Rudolf  Weyr  geachalfSene  Monument 
hat  eine  Höhe  von  'etwa  fünf  Metern  und  ist  aus  drei  Marmorarten  zusammengestellt.  Während 
der  Sockel  aus  lichtgrauem  Karst-Marmor  gearbeitet  ist,  lieferte  für  die  beiden  Figuren  weifler 
Laaser-Marmor  (Brahms)   und  Carrara-Marmor  (Muse)   den  Werkstoff. 


Nichdruck  nur  mit  lusdr&cklicher  Erliubnls  des  Verlacss  (ettattet 

Alle  Rechte,  insbesondere  dis  der  Oberseizung,  vorbehalten 

Für  die  ZurQcksendung  unverlangter  oder  nicht  ingemeldeter  Manuskripte,  Ctlls  Ihnen  nicht  geaftgead 
Porto  beiliegt,  übernimmt  die  Rediktion  keine  Girintie.    Schwer  leserliche  AUnuskripte  vtrden  nnCBprflfl 

zurückgesindt. 

Verantwortlicher  Schriftleiter:  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 

Berlin  W  57,  Bülowstrasse  107  <• 


WILHELM  FRIEDEMANN  BACH 

Miler  unbekannc 

Original  in  der  Stldtischen  Sammlung  zu  Halle 


WILHELM  FRIEDRICH  ERNST  BACH 

■ngebllcb    von    Eduard    Magnus    gern  all 

Original  Im  Besitz  der  Singakademie  lu  Berlin 


CARL  PHILIPP  EMANUEL  BACH 

Pasiellportril  von  Cotilleb  Friedrich  Bach 

Original  im  Besiii  des  Herrn  Paul  Bach  zu  Themar 


JOHANN  CHRISTIAN  BACH 

gemall  von  Maihleu 

Original  in  der  KAnigl.  Bibliothek  Berlin 


ANGEBLICHES  BACH-BILD 

(Herzog  Wilhelm  Ernst  von  Weimar?) 

Original  im  Besitz  der  Frau  Julie  Kom  in  Meiningen 


4 

J 

^^^^H 

wßrdtköpf^^ärt^I 


Philipp  Scharwenka 
Symphonia  brevis  Op.115 

===  für  Orchester.  === 


Stiae  ToiuprMbe  lM«4el,  [csunil  ui:,. 
(ttraerra;  i<e  t'tin  nMU  tOUtIkli  ii: 

Bli't'  .'.laa  alk«  In  Jem  Vn'- 

fi-j-'-i  .  •■ratricktHdnm  Bda:.  J'-  i 

aud  il ..     I        ■  ■.-  crüUec  f-u'^rnrcr'^  .<  r 

du  tMucnr  crfvntcii.  .  . 

du    Id   <Mn   KtUlMUta    Nr,' 
T.lne    iD-      Ela    »ebitermi 

Horm    ftht.      D«»   fm.- 

StfiiRimiij;    Klbrr    du   Mi'rr  '  i-      - 

•nll     dcia     hlnrtdjen^kn     ^'orirwc:     'Hr    :''nfuEiD     nok-     Jtf    (.h-.(,-(ii«i= 
LcItuBE     wiRiB     Knbtin     elnv     fiUcr     Mri     Liife     «tuliciie     teil,  lu  14 
^  Dh  VHllg«f  akterfcrtllM  dli  ftrtlVu  tut  WtMcft  zur  (hnxh»l«M. 


BERLIN  "fl^ii  LONDON 

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LEONE   SINIGAGLIA 

LeBarufreChiozzotte 

EineOuverfäre  zu  dem  Goldonischen  Lustspiele  fürOrcheMer 


I  Partitur  9  M. 


2*  Ürclic-Bttfi-flliromcn  je  60  Pf. 


„Lc  Baruffe  Chlozzotte"  vou  Goldonl  Ist  clncü  der  populümen  Lu5i- 
ni[tte  ItaliL'fis,  <Ja^  ctn^t  iiucti  du»  I1uere5.sc  Goedic^  bei  seinem  Besuche 
VencttiijK  fflnd.  ÜJ*  regt  Lehen  und  Treiben  der  FUcficr  von  Chioggln, 
linem  MüJictien  uiif  dit\  LuEuiitfii  uiiwefi  Vcoedl);.  wird  irefllich  gMchildcrt- 
Bei  (tcr  Siickarberr  ptaudcrnde  und  sich  neckende  Frauen  und  MUdcheo 
g:rn(on  v.i:i;cii  nunclicf  Msfiigen  Bemerkung  in  Sireii,  der  iiBch  AnkunJi  der 
.Münn-.r  In  eint  ncrauachvullc  .HarufFii"  (Rsufcrd)  nusarlci.  Scihsl  die  LicK'V 
pijri;,  unttr  ihnen  Lucictm  und  l'ira  fVane  (die  wci  Hauptpersonen  des 
SiilckcM  (jcraicn  aneinander,  und  cra  den  Bemühungen  de«.  KUtmCitltten 
Mk((I^irit^  l».tdoro  gelinge  c\  die  uuFgcregccn  GemQier  zu  heruni|{en  und 
unier  dem  leichrhcwcglichcn  Völ>:chcn  witdcr  Frieden  zu  stlftCO.  Ein 
luett^cs  VolkJifoic  bochllcÜ!  die  allßcmcinc  Versöhnung. 

Sinr^ugtia-'i  Uuvgnüre  t^i  keine  Programmtislk  la  Goldonis  LosUpiot, 
«undern  nur  vom  Inhati  .-ingeregt.  Das  hcwcgie  I.chen  des  Volkes  in  ChlogglA, 
die  auflalk■nd^tt■fl  Gcsfulicn,  die  Sirciiercicn  der  steh  wcBcn  ihrer  .Amanii* 
neckenden  Mlidizheo,  die  Idylle  von  Ludcita  und  Tiw  Nane,  dk-  .Karutt'a- 
um  tbrirni  IrOhlichen  Ausgunjt,  alles  dies  im  In  schlichter  Weise  vom 
KonipmiiHicn  Verarbeite)  worden,  cn»pr«cbeDd  der  Daiflrllcheo  Grazie,  der 
l'jolKuiiitrii.  der  |{esundcn  Lcbcnsrreudlji;kell  und  feinen  EntpAndung,  die 
dgii  V(':;fken  tjtddonis  eigen  sind. 

Sllll|[ii|{IUft  LbsispicI-Ouveriarc  ist  mit  Ihren  cluraktcrblischen 
iMottwn.  den  Ichharten,  (rischen  Rhythmen  und  in  der  cffckOiollcn 
c=>    Inalrußiciilation   ein    'Qndenilc«.    wirks^mcf   OrcheslertlUck.    <=3 

Ifllwerpen.  Dresden.  GfinUi.  Xftrisbitf.  MaURiiif,  Tcpliu.  Ulrechi.  lisi,  Wien  u.  Ostende. 

■»■  Dtc  Pariimr  untcrhrciien  die  Verleger  cur  Durchnlcbl.         -     — = 


13 13  Q  B  Q 13 13 13  [i]  Q 13  Q 1 13  B  E)  Q  B  B  B  Q  B  tD  Efl 


Roll.  Beyer 

Berlin  d)  50  ex 


Kunst-Uerkstotte  fDr  MmM 


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B  fielchhDltlies  Laser  Italienischer  Neister-lnstrutnente  Bi 
g  Spmliiii:  Genaue  Kopleen  nocli  italienischen  Orlsinolen  gl 


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■j-iMtlletl  nu(  alUcentc  f.lIKc  Illi(  amii,  (ü-b  <,  iiriüsIlLli  crluiluobn  !!■ 
Orlgin»1vn  ooRctcrtlni.  Jetla«  luir  tut  Vcrüttaag  «icbeuilc  Inm 
Kb  m  4cT  Lide  luMcrllcti  «de  tonlKfa  Uusviiaad  nftctiuihrern.  • 
«i>|at  Kenner  ««irri  htlien. 


Bl 
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^^^    Berlin  W  50 

Nürnberger  Strasse  4() 
Fcrnsprtchvr:  Amt  VI  Nr.  67Ji 
TeIcf[r,-Adr.:GelRcnhever,Be'"l"^' 


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Soeben  erfd)icn: 

RKhard  ftlagncr  an 
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3o7Cltc.   neu  buntjsefelienc  Auflage 

fjcrausgegebcn  mit  krllirdiem  nnl]<>ng 

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Preis;  gchclici  ffl.  2-,  in  Cclncn  lJct»lt^^cn  fH,  3.-. 
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Das  IDerto  ffl  tn  bopp?l(er  Qfnndjt  bebeulungstroll: 

K  bunh  bie  8rier<  tm  mslftcn,  bic  Ircucfte  rrsunbfchaftb» 
gcfOtite  atmen  unt  bas  cble  (jerz  b?s  großen  lUcnrdien  o|f«{ibarcn. 
2.  burd)  Chambcrfatns  cbcnfo  ^Ifln^enbc  tpic  o^mldiicnbc  Kririh 
bcs  Pracgcrifhcn  Budies  •IPagncr,  mic  id)  Ihn  tranni««. 

Ulm    WUti    (kh   ertllMCfll,    ttti    W*f**    ''i  i>"."H,Ii.'    (l.nli    r.Up.-     hn    ■li-'.r    l.u.rr 

VHI  Stiuf  aiflatmlrticli  i|i'.  uoD  ;)i<i-i 

aus  inm  jMen.    Chamt'triddis  fftttic  i 

hab    Im«    ^^3''fKrti^^    floifi    flne    i'  .  i 

«Rttrlut..-.-     --   'i-   -  —■■-':-  ■■•-  ■ 

lldKti  I, 

nuti!>:-  '■ 

(Wl    .l.'i    r  -.       .    ,  ...... 

Brl<(fH-    EUJOccr-  .•r>   l-Vj.'dfr,  !■'.-  Jf?)|/Muli,/   lr<.i(iJ.,-  Hn   i:i.,5nihCTli)i(ii   trfl 


Durd)  iebc  Buc})t}anblung  zu  bezieben 
Ol        ober  burdj  ben  Perlag        r-a 

SdiufterS  Coeffler,  Berlin  W57 


■aUevl.  «M  KSnigl.  Msf-Pianofoptafakrikaat 
Jana« 

Bliithnef 


Ltlpili.      liltiiri.  Krim,  rtiuimmir 


)tirii(üife)(S*s  @  ©  ®  @  ©  c 


<r- 


Schrmoberitcc  Strafl«  W*>\.   BßRLLN  SW.  IL   F^raoprecber!  /Lfl,107^| 


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Grotrian,  Stein  weg  liachf. 

llannorer,  Braunschweia«  Berliit  SW . 

Gtotptt.  Sl.  "  T'ihriin.it    •« 

FlOgal  In  d  CrAüern,  HD— n^3  an   Udk.    \\  j-^e    Mülmn    iiixl    Aiitcuiitmit    in    Irrtm. 
Planlnes  inltCntncn,  I2I>— iSOnii  liorti.  II  Siil   n^ti.   elui/em   und   fr»Ti'U-.l>   li'-m,. 


■  IDI^DI  ■ 


Kopzert-ieiEilliiNIl' 


KnitrtguluDii  Miiiiftni 


P  c  rn*  (irtuli  -  An  ach  I  u< 

-=  2215  = 


^ 


HONCHEN 

TDeatloentnisie  38. 

Vertretung  der  hervorragendsten  KOnaMer 

und  KUnstler-Vereinigungeni 
Symphanie-Orchcstep  des  Wiener  Konxeft- Vereine* 

nirigr^il.    PERDIMHD  LÖWE. 

Wiener  TonkfinstleroOrohcetar 

DifiKtmcn:  OSltAH  NEDDAL  Moct  rRlEOmCH  KARHACtt. 

Doatflohe  Vapololgung  fUr  Alle  Musik. 
OuarlttH'BessIlaohaHcni  Anner-fTiiiricit  -  lic«inabiiuk-Qu*nit<t  —  Quartdt 

Tpfa'V*rBlnlat*Ra*    P")''  O'  Scltamion  —  Ca:l  Hstlr  -  Hu{0  Deobert 
Olrlgentvni     FcMtrunil   LWc    —    OuttftV   M*liler     -     Hau«   l'fltiaet    —    iMu 

SchllliOK*     --    Gcnnt  Sdinferulp.     -     Berrilnirrf  «mv-nlne-Ti. 

■lawiori  E.V.  ainicr  -  leim  FrledraAn  '■* 

Td)£m»que   I^mbtfnn    —      A     : 

Wollpin«  Ruoff        Emtl  ä«ucr  -      ^ 

HeiBt.  !>cti«*ra  TT».  Slaitkn  :   -a- 

Sehn*cvuijt  Xl'taiti  v.  TrtuU. 

Wlaltnai   Bnimi  Abner   -     Fnat  Ondricek  —    t-'.  W.  Corgti   -     Emili:  ^«iiret  — 

Mirii^  5oId*|-Koc|er    -     Euctnc  Tuyn. 
Vlelencvtli    Helnrt^b  RWtet    ~    Da^M  PoppcT. 
Sepram  Lenarev.Bieb   -   Etam*  Oell«iJ(       EU«  Bland        E.  Bticlini  "lig  üaJirt 

-  M»r«aaüreJMKJi   ■     "ntlvCÄhnMci-HiaKen        Ein«  i-liil.       E.iiili;  Hctm« 

-  Inni  Keiboili  —   Ptülippioe  LuntJiliolT  -    Kva  Lr6nn«fm     -   hciu  l.durxir 
^  HflnrlcticMaitl>SuAdttiu<iict  -   Hcicac  Su»imiann  -   l^fiKi  "Jl'cuchinii 

-  LiKlr  WeWl 

■•«■««»pran  u.  Alti   CtuHr«  C^lcr  —    QU  Gmclner  —  Bcnba  Ktuouvr 

-  nur  K<>cr>en    —  Catnltla  U«i)t> 

T«»DPi  Luawle  Hmi  -  hell»  Swliuf  -  Dr.  Kwul  »■Ji«r  —  Mnit  WaHn.^f.'t 
■arilo«  u.  ftaaai  Leßpntd  Ocuiurb  —  Fdu  Felnbil»  —  Jtuilutf  Cmilt  — 
BartktiHofTinani}  -  Rlcbird  Mivr  -  Jal)inne«M*v«^l>m  —  RudollMixti 
Ducti •Varcinleungt  K.  Gloemn-Hulireldt  iSoiv-)  u.  MacehilJ  RatoiuaKQ  «Aitr 
Vortrag*!    Ouirn  Rmruiim    -    M»i  Hnfpanef    -    H-iU  Ritd«. 

Arraf)|)emitnl   vun  Kooxert -Tourneen  und  einzfllnon  Koiu«iiftn 
=  in  allen  bedeulenrfpn  Städten  ileo  In-  imd  Auslandes.  = 

ArraRflement  von  HonzerleD  und  Uortrfigen  in  ollen  SSiüB  Hlincliens. 


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P(i(i1il^@^@ini 


Gchehei  i,  2  Mark;  gebunden  A  A  Mark. 

Durch  iedc  Buch-  und  Musikaliealinaüluu^,- 


■ 


Ans  den  hunderten  der  bis  heute  ycrfiffentllchien 
Besprechangen  der  unvergJeichUchen  Briefe  von 

Richard  Wagner 

an 

Minna  Wagner 

IV.  Auflage     2  ^nd&  mli  2  Portrats 
Gehaftet  M.  8.     ,  in  Leinen  M.  10.--,  In  Halbfranz  M.   12  - 

^eben  wir  tiiec  cififtcc  h»TRe  Stellen  wieder: 

tlailCUK»:!    BlnHEr 
niiH  Mrlali  »na  Um  WImMn*  fW  Om  •mIw  m  «uUIw  WMtnMiit      lllt  nik  J> 


MaUiM«t'K»liiin|. 


Brtncr  tlitii4. 


(tu    h<»N  AM  Mll-.l 


,.::..:::r:!i:;".:;u:v 


ifn  *MbI|>  «wfUtkM  Mr«M' 


■"S? 


««UMiM,  HlitlniuJi«  ui  l«tMn  ilni]  MUi  <■'■!>  nlr" 


Mb«  liMaiiwwM  gfiMm* 


Schuster  ®  Loeffler,  Berlin  W  57. 


NACHRICHTEN  und  ANZEIGEN  zur  ,^USIK"  Vn|18 


NEUE  OPERN 
a  d'Albort:  „Izeyl"  ist  vod  der  Gener 

Inteadantur  lur  UraufTübning  «n  der  Berlin 

MoFoper  angenommen  worden. 
L«0  Blech:  „Versiegelt",  komitcbe  Oper 

einem  Akt,  nacii  Raupich,  wird  am  Berliner 

KSniglichen  Opernhaus  zu  Beginn  der  nlcbsten 

Spielzeit  in  Szene  gehen. 
Giuseppe      Galli:       .Marie      Aniolnette' 
.   Irriaches    Drama    von    Pasquale    de    L  u  ci , 

eriebte  am  Teitro  Vittorlo  Emanuele  in  Turin 

•eine  UraufFührung. 
KirtMrt  Payr;  .Irrlicht',  Oper  In  einem  Akt, 

Text  von  H.  Schwerdiner,  ging  «m  Stadt- 
.  (heater  in  Riga  zum  ersten  Mal  in  Scene. 
Editar  Vogel:  ^Johannisnachi",  romantische 

Volkaoper  in  vier  Akten,  Text  von  G.  Nicolai, 

betitelt   sich  ein    Bühnenwerk,  das  der  Ton- 

aetzer  soeben  vollendet  bat. 

OPERN REPERTOIRE 

Dessau:  Herzogliches  Hoftbeaier.  Der 
langst  erschienenen  amtlichen  SiatlstikHOber- 
aicht  über  die  Spielzeit  1007,08"  ent- 
nehmen wir,  daß  71  Opern  Vorstellungen  statt- 
fanden. Altem  Brauche  getreu  wurde  die 
Spielzeit  mit  einer  Vagner-Aufrühning  be- 
gonnen und  beschlossen.  Aber  auch  sonst 
beherrschte  der  Name  Wagner  den  Plan  inso- 
'  fem,  als  er  mit  9  Werken  in  18  Aufführungen 
die  weitaus  höchste  Spielziffer  von  allen  er- 
reichte. Wohl  zum  ersten  Male  geschah  es 
diesmal,  dafi  der  „Nibelungen''-Ring  als 
zyklisches  Ganzes  in  einer  Spielzeit  von  nur 
7  Monaten  zweimal  vollsilndig  zur  Darstellung 
gelangen  konnte,  ohne  daß  darüber  die  anderen 
Musikdramen  des  Meisters  —  mit  einziger  Aus- 
nahme des  «Rienzi"  ~  vernachlässigt  wurden, 
die  außerdem  noch  je  ein  bis  drei  Abende 
erzielten.  Die  Neuheiten  waren:  Liszts 
.Legende  von  der  heiligen  Elisabeth"  (in  sze- 
nischer Darstellung),  Mozarts  „Don  Giovanni"(in 
der  Possartschen  Inszenierung,  nach  Grandaur- 
Levl)  und  Sullivans  .Mikado*.  Im  übrigen 
waren  vertreten:  Adam  (3).  Beethoven  (I), 
Bizet  (2),  Goldmark  (3),  Gounod  (7),  Leon- 
cavallo  (2),  Lortzing  (4),  Mozart  („Figaros  Hoch- 
zeit" mit  den  Original- Reziutiven  —  2),  Nicolai 
(4),  Rossini  (3),  Saint-Safins  (1),  Smeiana  <5), 
Thomas  (4)  und  Verdi  (Imal). 

Genua:  Das  Carlo-Felice-Theater  kündigt 
folgende  Neuheiten  an:  Wagner  (Walküre; 
Siegfried),  Beltini  (Nonna),  Boiio  (Meflslo- 
fele),  AIhno  (Der  Fürst  Zilah). 

Karlsbad:  Die  Direktion  des  Stadttheaters 
(Walter  Borchen)  wird  in  der  ersten  HSIfte 
des  Monats  Juli  Mozart-Festspiele  veran- 
stalten, bei  denen  u.  a,  .Don  Juan",  .Figaros 
Hochzeit*,  .Die  Entführung  aus  dem  Serail", 
und  .Die  ZauberfIfite"  zur  Aufführung  gelangen. 

MewYork:  Das  Manhattan  Opera  House 
stellt  an  Neuheiten  In  Aussicht:  Massenel 

.  iDer  Glöckner  von  Notre  Dame;  Griseldls; 
Cendrillon),  Ffvrier  (Monna  Vanna),  Blockx 
fHerbergaprinzeQ). 

Turin:  Das  Teatro  Reale  verbelUl  an 
Neubeiten:  Wagner  (Walküre),  Goldmark 
<Das  WlntermSrchen),  Mascagni  (Iris),  Bellini 
(Nomui),  Montemezzi  (Hellera). 


TK.  Mannborg 

Ui)Ilg-lU<IHI,  Angersinsse  38 


Fabrik  nr  Harmoniams 


Srwwr   PruktlutiJH  'H   ' 


Ksrolliie  o  Ober  Ton- 
und  Wortblldmic  iif 
Fragen  u.  Antworten 

zum  Selbstunterricht. 


Zweite  verbesserte  Auflage. 


•■iB     I 


In  die  Sprache  der  berühmten  Verfasserin, 
welche  sich  als  Grossfaerzogl.  Mecklenburgische 
Professorin  der  Gesangskunst  vorstellt,  muss 
man  sich  erst  hineinarbeiten,  ebe  sich  das  volle 
Verstindnlt  ibrer  Ausfühningen  -  eracbliesst. 
Letztere  sind  aber  so  ausgezeichnet,  so  unmittel- 
bar aus  der  Natur  der  menschlichen  Sprech- 
werkzeuge  abgeleitet,  so  —  selbitverttindllcb, 
wenn  man  einmal  ernstlich  darüber  nachdenkt, 
dass  wir  daa  Büchlein  (8°,  32  Seiten)  allen 
Gesanglehrem  und  Cea angleb rerinnen  gar  nicht 
warm  genug  empfehlen  können.  Es  kann  und 
wird  recht  viel  Gutes  stiften.       Josaf  Auar. 

Durch  alle  Musikallen-  und 
Buchhandlungen  zu  beziehen. 

Mq  n  JDlIiB  Hidninier  li  Inda. 


Heu-Cremono  iZA 

ooooo  Taubenstrasse  26.  ooooo 


.    SDdioierll»,   Cirlo 
,    DeuiichliBdi  Osicr 


Eriltlutlgi  MeJtttrgBlgBii,  BritssliBii  ond  GbII) 


Die  unerhörte  Agitation  gegen  unsere 
Gesellschaft  und  deren  Erzeugnisse  seitens 
einer  neidischen  Konkurrenz,  welche  es 
nicht  verschmäht,  die  unglaublichsten 
Gerüchte  in  die  Welt  zu  setzen,  veranlasst 
uns,  in  encrgiscbsier  Weise  dagegen 
Stellung  zu  nehmen. 

Nachdem  die  Konkurrenz  sich  durch 
Umfragen  von  der  Echtheit  unserer 
Atteste  überzeugt  hat,  versucht  sie  nun- 
mehr den  Wert  derselben  dadurch  abzu- 
schwächen, dass  sie  die  unwahre  Be- 
hauptung aufstellt,  die  Atiestgeber  hätten 
ihre  Atteste  nur  «us  GefSIligkeic  abgegeben 
oder  seien  bestochen. 

Wir  forderten  nunmehr  von  den  ersten 
Künstlern  wiederum  Atteste  ein,  und  zwar 
auf  Grund  der  Vorführung  von  Instru- 
menten neuesten  Datums.  Als  erstes 
lassen  wir  nachfolgendes  von  Herrn 
Jacques  Thibaud  folgen: 
An  die 
Neu-Crentona  Gesellschaft,  Berlin. 

Mir  ist  zu  Ohren  gekommen,  dass 
gewisse  Geigenmacher  behauptet  haben, 
ich  hätte  gegen  meine  Meinunggeschrieben. 
Es  macht  mir  ein  Vergnügen,  dieses  Ge- 
rücht zu  dementieren,  denn  ich  bin  immer 
noch  derselben  Ansicht  und  die  neuen 
Geigen,  welche  ich  soeben  wiederum 
probiert  habe,  bestätigen  meine  Be- 
wunderung. Ihre  Violinen  sind  verblüifend 
und  leisten  den  jungen  Künstlern  un- 
geahnte  Dienste. 

Berlin,  den  3.  März  1903. 

Jacques  ThIbaud. 


.[.    2.  Vepbts« 

Spttlcfl  wlrkl 

:rG«lK? 

.che  SchrlfT  vo 

Zu  beziehen  durch: 

Neu-CremonaG.m.b.H.,  Berlin  W8, 

Taubenslrasse  26. 


KONZERTE 

Berlin:  Für  die  Niklach-Konxerte  im  kom- 
menden Vlnter  haben  bla  )etst  folceade  Sa- 
listen  Ibre  Mitwirkung  zufcaact:  Ernettiae 
SchuRiann-Helnk,  Julia  Culp,  Tema  Carrcio, 
GuUbertnlna  Caaala-Suifla,  Eduard  Rialer, 
Artur  Schnabel,  Henri  Maiteau,  Frilz  Kreisler, 
Pablo  Caaala. 

Oresden:  BachpfleKe  Im  Gottesdlcnai. 
An  der  von  der  .neuen  BacbceaellicliBfr 
wiederholt  einpitotalenen  Pllece  Bacbicber 
Musik  Im  Gottesdlenat  hat  neuerdlnga  auch 
der  Dresdner  Kreuzchor  lebhaften  Antcfl. 
Er  brachte,  wie  wir  aus  aeinen  Pn^rammen 
entnehmen,  In  JGngster  Zeit  unter  Leitnoc  de« 
deneiilgfcn  Kreuikantora,  Mualkdlreknr  Otto 
Richter,  folgende  Terke  Seb.  Bacha  In  der 
Dreadner  KreuiUrcbe  zur  Aulffibninc:  die 
Matthiuspaaslon  (zweimal),  aowte  im  Rabmea 
gottesdlenatllcher  Feiern  18  Klrcheftkantatea, 
von  denen  die  melaten  erstmalig  dartebotes 
wurden.  Außerdem  reneichncn  die  Pre(ramme 
des  Dreadner  Chores  eine  Anzahl  a  cappella- 
Motetten  und  Lieder  sowie  eine  lange  Reihe 
von  Solo-Arien  Bachs  mit  obligaten  Inatra- 
menten.    Die  Soll  wurden,  altem  Heriwmmen 

Simia,  grSBtenteila  von  Mitgliedera  der 
resdner  Hofoper  und  der  Hofkapelle  ana- 
geführt. Der  seit  der  ersten  Hiltle  des 
13.  Jahrhunderts  bestehende  Krcuachor,  be- 
kanntlich neben  dem  Leipziger  Tfaemaaer- 
Chor  der  einzige  Gymnaatal-AlumKencbor, 
zihlt  ee  Singer  (Knaben  und  Jflngllnge),  die 
als  Zöglinge  der  Dresdner  Kreuzachule  beson- 
dere Vergünstigungen  geoleßea.  Zu  selneB 
früheren  Alumnen  getaBrten  u.  a.  Johann 
Kubnau  (der  Vorgtnger  Bacba  im  Leipziger 
Thomas kantorate),  C.  H.  Graun  (der  Kompoobt 
des  «Tod  Jeau',  Kapellmelater  Frlcdrieba  des 
Großen),  Job.  Adam  Hiller  (Thomaakantor, 
Grflnder  der  Leipziger  Gewand bauakonzeite^ 
Geheimrat  Hermann  Kretzscbmar  (OrdlnariBS 
der  Musikwissenschaft  In  Berlin),  Gebeimrst 
Wustmann  (Direktor  des  stidt.  Archive  so 
Leipzig),  Prof.  Dr.  Roh.  Papperitz  (der  hühete 
Organist  der  Leipziger  Nikolaikirche)  u.  a.  Von 
den  früheren  Krenzkantoren  aelen  besonders 
genannt:  G.  A.  Homlliua  (ScbQler  Bachs),  Th. 
Welnlig  (Lehrer  Richard  Wagners),  Jutlna  Otto 
und  der  unlingst  veratorbene  HoRrai  Prof. 
O.  Vermann. 

Lisaabon:  Unsere  im  2.  Mai-Heftc  gebrachte 
Notiz  ist  dahin  richtig  zu  stellen,  das  die  er- 
wihnten  vier  Orgelkonzerte  Iiq  Hanse  das 
Herrn  Castro  Culraaraea  atattftwdcn  md  «m 
Desir«  Pique.  Organiaten  am  Kgl.  Konser- 
vatorium, ausgeführt  wurden. 

Salzburg:  Die  Internationale  Stiltuog  .Mozar- 
teum"  und  die  mit  ihr  vereinigte  Mezari- 
gemeinde  haben  bescbloaaen,  das  (Ullhrifs 
Regierungsjublllum  des  Kaiaers  Franz  Josef 
am  17.  und  18.  August  durch  eine  Feairetsa- 
staltung  zu  teiem.  Es  sind  ein  Festkonzett 
im  Stadtlheater  und  eine  AuftBhrwig  von 
Mozarts  KrSnungamease  in  der  Donkirche 
vorgesehen. 

Zerbat:  Der  Oratorien -Verein  (Leimnc: 
Franz  Preitz)  veranstaltete  am  3.  Februar  «a 
Konzert,  das  ausschließlich  Max  Bruch  gs- 
II 


widmet  war,  und  am  Karfreitag  eine  Auf- 
führung dea  Oratoriums  aCetbaemane  und 
Colgatba"  von  Friedrich  Schneider. 

TAGESCHRONIK 

Aus  M&ncben  wJrd  die  Grandung  eines 
Koniertvereins  gemeldet,  der  sich  zur  Auf- 
gabe gesetzt  bat,  die  empHndllclie  Lücke-  wieder 
austufüllen,  die  durch  die  bekannten  Vorfille 
im  Kaimschen  Konzertun temehmen  entstanden 
waren.  Der  neue  Verein  gibt  u.  a.  beicannt:  Am 
1.  Mai  1908  hat  aicb  bier  unter  dem  Namen 
.Koniertverein  München"  ein  Verein  ge- 
bildet, der  sieb  die  Erhaltung,  Fortführung  und 
Icfiastierische  Ausgestaltung  des  Im  Jahre  1893 
von  Herrn  Hofrat  Dr.  K  a  1  m  ins  Leben  ge- 
rufenen Konzertinstituies  zur  Aufgabe  macht. 
Das  Kaimorchester  soll  neu  organi- 
siert und  damit  der  Stadt  München  als  ein 
hervorragender  Faktor  in  seinem  musikalischen 
Leb«n  erhalten  bleiben.  Der  Verein  ist  am 
14.  Mal  IQOS  in  das  Vereinsregister  eingetragen. 
Die  Vorstandscbaft  besteht  aus  Major 
Frbr.  V.  Crailsheim  (Vorsitzender),  Rechtsanwalt 
Robert  Maurmeier  (Schriftführer  und  Scbatz- 
meister,  zugleich  stellvertretender  Vorsitzender), 
Frau  Marie  Barlow  und  Geh.  Kommerzienrat 
Gabriel  Sedimayr  (Beisitzer).  Dank  dem  be- 
sonderen Entgegenkommen  der  Leitung  des 
Tiener  Konzertverelns  ist  es  gelungen,  Direktor 
Ferdinand  Löwe  aus  Wien,  den  ersten  Dirigenten 
dieses  Unternehmens,  in  gleicher  Eigenscbafi 
für  den  Koozertvereln  München  zu  gewinnen. 
Direktor  LOwe  wird  vom  Herbst  dieses  Jahres 
an  beide  Stellungen  in  sich  vereinigen.  Als 
Leiter  des  gesamten  Unternehmens  sind  für  den 
künstlerischen  Teil  Hofrat  Dr.  Kaim,  für  den 
administrativen  Teil  Direktor  Karl  Koch  bestellt. 
Die  zum  Vollzug  der  künstlerischen  und 
wirtschaftlichen  Verwaltung  erforder- 
lichen Maßnahmen  erfolgen  durch  einen 
Auaschuß,  dem  die  Vorstandscbaft,  Di 
rektor  Löwe,  der  künstlerische  und  dei 
administrative  Leiter  angeboren.  Der 
Verein  hat  durch  hochherzige  Gönner  bedeutende 
Hoanzlelle  Zuwendungen  erhalten.  Die  Gründung 
einer  Unterstützungs-  und  Ruhegehaltskasse  für 
dieOrchestermiigliederist  in  Aussiebt  genommen. 
Der  Konzertverein  beabsichiigt  im  Laufe  des 
Vinters  12  große  Abonnemenlskonzerte,  femer 
die  bisherige  Anzahl  von  Volkssymphonie-  und 
populSren  Konzerten  abzuhalten.  Die  Proben 
unter  Oberleitung  des  Direktors  LOwe  sollen 
alsbald  beginnen.  Diesem  obliegt  auch  im  Zu- 
samroenwirken  mit  dem  Ausschuß  die  weitere 
Ausgestaltung  des  Orchesters,  die  ledigllcli 
nach  künstleriscben  Gesichtspunkten 
erfolgen  soll.  Der  Konzertverein  hat  den  Kaim' 
Saal  (Tonhalle)  von  Herrn  Hotnt  Dr.  Kaim 
durch  Pachtvertrag  auf  20  Jahre  über- 
nommen.ebenso  wieder  Verein  in  die  bestehen- 
den Vertrlge  mit  den  leitenden  und  ausübenden 
Künstlern  einzutreten  beabsichtigt.  Die  Fort- 
führung und  Erhaltung  dea  Konzertvereins  er- 
fordert in  erster  Reihe  die  Unterstützung  der 
matlgebenden  Behörden  und  Kunstfreunde,  sowie 
eine  ausgiebige  Beteiligung  von  Abonnenten  an 
den  Konzerten  des  Vereins.  Die  uneigennützigen 
Opfer  der  finanziell  beteiligten  Persönlichkeiten 


pdcktif 

ftnslltiiiftd 
SU 


,»8crHnVi.9 


Eliiatr.  Firwu     u     T«L  VI,  14734. 


iir.  Leitiif:  KIrIiI.  Lajrf|«rieMsrat  a.D. 

Dr.  iur.  Freiherr  von  Kirchbach. 

DirakUeR;  0««  WoHfl. 
Obcmahme  von 

Vertrauensangelegenhetteii 
II.  Ermittelungen  Jeder  Art 

Prozessnnterial 

In  allen  elnschligloen  Sadmi. 

Oberwachungen, 
Privat  -  (Heirat«-)  AuskOnne 

Mcr  R«r,  Cfcirakter,  Vliwlin  MW. 
Veni|I.VeffelitfiRfm.S«ildeH«Mr«r«. 

3«  t«l5t««g>tähtg|;«ft  iid 


Z«<trlwtt|lnit  atfttrtritti! 

]iiispn(kulm  IdalglldKr  |«IMm. 


Im  kommenden  Herbst  erscheint: 


Musik  zur  Pandora 

von  J.  W.  V.  Goethe 

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Orchester  n.  P<|[lanatiott. 


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bOchernp  Zirkularen  und  sonstigen 
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Slager,  Amsterdam;  Willy  Lucas, 
DOsseldorf. 

Plastiken  und  Gemälde  von  Mrs.  Cadva- 
lader  Guild. 

Zeichnungen  von  E.WincklervonRoeder, 


mögen  in  dieser  Richtung  als  ein  leuchtendes 
Beispiel  gelten. 

Der    Prozeß    der    Erben    Donizetti's 
gegen    die    Gesellschaft    dramatischer 
Autoren  und  Komponisten  in  Paris.    Der 
«Neuen    Freien    Presse*    wird    aus    Paris    ge- 
schrieben: GaSuno  Donizetti  starb  im  Jabre  1848. 
Der  ungeheure  Triumphzug  seiner  Meisterwerlce: 
«Regimentstochter",  »Favoritin*,  »Don  Pftsqnale*, 
«Lucia  von  Lammermoor"  um  die  Veit  begann 
erst  nach  seinem  Tode.    Die  Tantiemen,  die  sich 
auf  Millionen   beziffern,  wurden  für  Rechnung 
der  Erben   von   der  Gesellschaft  dramatischer 
Autoren  und  Komponisten  in  Paris,  dessen  Mit- 
glied Donizetti  war,  einkassiert    Bis  zum  Jabre 
1S65  führte  die  Gesellschaft  —  nach  Abzug  ihrer 
Gebuhren  —  die  Tantidmen  an  Donizetti's  Erben 
ab.    Dann  stellte  sie  aus  unbekannten  Gründen 
die  Abrechnung  ein,  führ  aber  fort,  die   Tan- 
tidmen  einzukassieren.    Dieser  Zustand  dauerte 
rund  40  Jahre,  bis  endlich   etwa  im  Jahre  1906 
zwei  Neffen  GaSuno  Donizetti's  —  Giuseppe  und 
ein  jüngerer  GaStano,  Söhne  des  in  tfirkischen 
Diensten  verstorbenen  Militärkapellmeisters  Carlo 
Donizetti  —  aus  Konstantinopel  auftauchten  und 
die  Gesellschaft  dramatischer  Autoren  um  Legung 
einer  Rechnung  und  Herauszahlung  der  erhobenen 
Tantiemen  ersuchten.    Die  Gesellschaft  weigerte 
sich.     Sie   bestritt    zunichst  die  Qualität    der 
Konstantinopeler  Herren  als  Erben  DonizettPs, 
sodann,  als  sie  in  diesem  Punkte  nach  lingeRMD 
Prozessieren  nachgeben  mußte,  die  Berechtigung 
der  Forderung.    Sie  wies  auf  ihre  Vertrige  bin, 
kraft  deren   sie  berechtigt  ist,  von  allen  Pro- 
duktionen   dramatischer    Autoren,    seltist   von 
solchen,  die  längst  verstorben  sind,  ja  aucb  von 
solchen,  die  notorisch  niemals  der  ehrenwerten 
Gesellschaft  angehört  haben,  wie  zum  Beis|Mel 
Sophokles,  Shakespeare,  Racine,  Moli^re,  Pro- 
zente  von    den    Einnahmen    zu   eriielwn.    Die 
Gesellschaft,  die  in  Virklichkeit  der  michtigste 
Autorentnist  ist,  der  je  existiert  hat,  hat  nimlich 
vermöge    ihrer  Monopolstellung    den    Theater- 
direktoren diese  ans  Unwahrscheinliche  grenzende 
Vertragsklausel  auferlegt  Aber  Donizetti's  Ertien 
ließen  sich  durch  nichts  abschrecken.    Sie  ver- 
klagten die  Gesellschaft  vor  dem  Pariser  Handels- 
gericht auf  Rechnungslegung  seit  1805  und  auf 
Herausgabe  der  einkassierten  Tantiemen.    Die 
Gesellschaft    erhob    den   Einwand    der   Unzu- 
ständigkeit des  Handelsgerichtes,  und  als  dieser 
verworfen    wurde,    verweigerte    sie    die    Ein- 
lassung  zur   Hauptsache.     Ein    Schiedsrichter 
wurde  vom  Handelsgericht  beauftragt,  die  Sache 
zu    prüfen.      Seine    Feststellungen    fielen    zu 
Gunsten   von   Donizetti's   Erben  aus,    und  die 
Gesellschaft,  die  auf  dem  Standpunkt  steht,  nach 
wie  vor  jede  Erklärung  in  der  Hauptsache  zu 
verweigern,    sieht    sich    nunmehr    nach    den 
Anträgen   der   Kläger   verurteilt   zunächst   zur 
Rechnungslegung  und  zur  voriäullg  vollstreck- 
baren Zahlung  eines  Teill>etrages  von  lOOOOFrancs. 
Da  Gaötano  und  Giuseppe  Donizetti  ihren  An* 
Spruch  auf  mindestens  800000  Francs  t^ezifibm, 
so  wollen  diese  10000  Francs,  die  wohl  zum 
größten  Teil  auf  Anwaltsvorschfisse  und  Gerichtt- 
kosten  draufgehen,  nicht  viel  besagen.   JUier  die 
Erben  haben  nun  einen  Hauptschlag  gegen  die 
Gesellschaft  ausgeführt  Sie  stellten  nimlich  allen 
Pariser  Theatern  einen  PfändungslieKehl  zu,  durch 


IV 


den  .die  vertragsinlQigen  Ansprüche  der  Gesell- 
scbaftsufErhebungeines  Prozentes  vonder  Brutto- 
eianabme'  mit  Beschlag  belegt  werden.  Die 
Gesellschaft  aber  weist  tlchelnd  darauf  hin,  daß 
ihr  ein  solches  Recht  gar  nicht  zustehe.  Sie 
hat  nimllch  für  ihre  eigene  Rechnung  nur  ein 
Proieni  von  der  Tantieme  des  Autors  zu  ver- 
langen —  und  das  ist  ein  gewaltiger  Unterschied. 
So  dürfte  denn  der  Hauptschlag  vorläufig  ein 
Schlag  ins  Vasser  sein.  Die  GesellschaFt  hat 
gegen  das  Urteil,  durch  das  das  Handelsgericht 
sich  Rir  zustindig  erklärt,  Berufung  vor  dem 
Pariser  Appellhot  eingelegt  Dort  wird  die 
Frage  nichstens  zur  Entscheidung  kommen. 
Donizetti's  Erben  aber,  die  diesen  Kampf  seit 
1905  rühren,  werden  wohl  inzwischen  zur  Er- 
kenntnis kommen,  daQ  die  Justiz  in  Frankreich 
eine  ebenso  langsam  wandelnde  Dame  ist  —  wie 
in  der  Türkei. 

Die  Stadt  Tien  hat,  nach  der  .Neuen 
Freien  Presse",  das  Gebu-rtshaus  Franz 
Schuberts  um  105000  Kr.  angekauft.  Das 
einstScklge,  architektonisch  nicht  bedeutsame 
Maus  hatte  zu  Schuberts  Zeilen  die  Bezeichnung 
.zum  roten  Krebsen",  spiier  war  es  das  Haus 
Nr.  72  des  Himmelpfortgrundes,  derzeit  ist  es 
Nr.  54  der  NuQdorferstraQe.  Besitzer  waren  im 
Jahre  1797  Matthias  Schmidthuber,  1858  Barbara 
Lcilhner,  seit  1868  die  Familie  Vittmann.  Die 
Nummemtafel  aus  rotem  Mannor,  die 
Schuberts  Lebzeiten  über  dem  kleinen  Haustor 
angebracht  war,  wurde  im  Jahre  18^  als  die 
jetzt  dort  beflndlicbe  Votiviafel  zur  Verwendung 
kam,  entfernt.  Sie  gehSrt  als  Geschenk  des  Herrn 
Rudolf  Vittmann  der  Stadt  Vien,  die  bekanntlich 
•ehr  reich  an  Schubert-Erinnerungen  und  -Reli- 
quien ist  und  nunmehr  auch  das  Haus  in  Obhut 
?:nomtnen  bat,  in  dem  die  Schlosserstochter  aus 
uckmantel,  Frau  Elisabeth  (geborene  Vitz), 
ihrem  Gatten,  dem  trefflichen  Schullehrer  und 
k.  k.Armenrai  Franz  Schubert,  am  31.  Januar  1797 
den  Franzi  schenkte.  Wlhrend  das  AuOere 
des  Hauses  recht  unscheinbar  und  alltiglich 
ist,  sind  der  Hof  und  das  Glrtchen  auf  dem 
steilen  Hügel  über  dem  Liecbtental  poetisch, 
wenn  man  will,  auch  musikalisch  gestimmt. 
Auf  der  Wiener  Sc  hüben- Ausstellung  waren  Hof 
und  Glrtchen  in  hübschen  Aquarellen  von 
Reintaold  und  Kopallik  zu  sehen. 

Am  1.  Oktober  wird  in  Kiel  ein  alle  Lehr- 
flcher  der  Musik  (incl.  Opemschule)  umfassendes 
Konservatorium  der  Musik  erSfTnet.  Die 
Gründung  geschieht  mit  Hilfe  eines  grSQere 
Kapitals,  das  von  einem  Konsonium  von  Kieler 
Musikfreunden  zur  VerfBgung  gestellt  ist.  Die 
Organisation  und  Leitung  ist  dem  Privatdozenten 
der  Musikwissenschaft  an  der  Kieler  Universitlt 
und  Dirigenten  des  Kieler  Gesangvereins,  Dr. 
Albert  Mayer-Reinach,  übertragen  worden. 

Der  bekannte  Theoretiker  und  Komponist 
Joseph  Pembaur,  Direktor  am  Innsbrucker 
Musikverein,  feierte  am  23.  Mai  seinen  60.  Ge- 
burtstag. 

Herr  Georg  VoUerthun  in  Berlin  binet  uns 
mitzuteilen,  daQ  er  ab  September  d.  J.  von  dem 
Gesangslehrer  Frank  King  Clark  als  Speziallehrer 
für  deutsche  Oper  und  deutsches  Lied  nach  Paris 
engagiert  worden  ist. 

Die  Wiener  Philharmoniker  wlhllen  in 
ibrer    Generalversammlung    einstimmig    Felix 


Cefes  ebition 

Defrauer 

UniDcrfaUI^iolinrdjuIc  für  nnfanger 

Crfle  bis  (leticnte  fage   umf.  hompL  no.  3.- 

Dleieibt  in  5  (jeflen a  no.  1.- 

DlEfe  Sd]uk  iri  bas  Rcfultat  einer  PkItJilirlgsn 
Tätigkeit  als  Celirer  unb  KQnftler.  Als 
lierau^geber  ber  bekannten  (johmannrditn 
Sd]ule.  Dcrelnigl  ber  UerFafTer  in  feiner  Sdiule 
ntd)l  nur  reldie  perffinildie  Crfaljrungen  als 
Diollnletirer,  Tonbern  audi  bas  Beile  anberer 
Diollnp3bagogen.     lo    i-d    ua    to    La   ua 

f}einz  Sdjmibt-Reinecfeeop.ii 

so  SpezIal'Stublen  für  ben  [agtnwtit){t\  auf 

6er  e-Salle no.  1.20 

CIngefQbri  In  nerfdilebenen  größeren  niuph- 
tnflltuien  unb  lieroorragenb  bcurleitt  oon 
bebeutcnben  niu[lkpJbagogen.  lo  i«  ;« 
flnbr  niDter,  Beriln  ftfjrcIM:  :■; 
Idi  tiabe  foeben  lljre  Slubien  mll  großem 
Inlerene  burdigcfeUcn  unb  midi  cor  allem 
über  unlere  Ueberelndlmmung  In  gelgerlFJjjen 
nngetegenljellen  |etir  gefreut.  Ulan  kann 
bem  SdiQler  gar  nidit  genug  SloR  bieten  zur 
nneignung  lelbfianblger  Funktionen  ber 
Finger  Cer  linken  Ijanb  unb  zur  Crzletung 
eines  glatten  Cayenoredilels.  Idi  kann 
IDrc  Stubien  besbalb  nur  ipann  empfetilen. 

oj    Cmil  Kroß  op. «    ua 

Dk  Kun()  ber  BogenfQhrung,  praktlfd)- 
llieoretirdic  Rnleliung  zur  üusblibung  ber 
Bogentedinfb  unb  zur  Criangung  eines  [<t]Oncn 
Tones,  neue  Husgabe  mll  beulfdjem  unb 
cngllfiDeni  Text  pon  lohn  Bemtioff  no.  3.- 
Ole  aufterorbcnllld)  große  Verbreitung  unft 
ble  [DleberiiDlien  Huriagcn,  roeldic  blefes  auf 
Dem  Spezlalgebieie  ber  Bogenfülirung  bis 
Deute  unerreldile  IDerk  gefunben  hat.  criaffen 
uns,  bemlelben  nod)  [DCiterc  Empfehlungen 
Hinzuzufügen.  Dasfelbe  \M\]t  In  ber  DIolin» 
Ifteratur  einzig  ba,  Inbem  latiadilldi  kein 
iwsitti  beraniges  prahtlldies  unb  lheoretlfd)es 
IDerk  exlftlen.  Kein  Dlollnlpieler.  ber  es  mit 
feiner  Kunll  ernfl  nimmt,  iclrb  blefes  eminent 
nichtige  merk  In  feinem  Stubkngang  oer' 
mlfTen  mögen.  Faufetibc  von  Dloilnfplelcrn 
DcrbanIten  llgm  eine  mufiergüliige  nusbliCung. 
iras  bic  Bogenfütirung  -  ble  Seele  bes  Dor- 
Irages  -  anbeiriffl.  es  barf  mit  Suoerfldit 
ausgefprodien  nierbcn.  baff  biefenigen,  ocldje 
mit  Talent  begabt  unb  fld)  mit  Elfer  unb 
Energie  immer  mehr  unb  mehr  mit  bem 
Qlefkc  ueriraut  madien.  fidier  f(t)One  Refultate 
erzielen  tperCen  unb  auf  eine  gute  3uhunfl 
als  Seiger  redinen  hOnnen.  t^  lo  to  lo 
Brl  Dairmiraduna  an  Srirdott  poriofr.  luftaduni] 

=»1  C.  f.  Stömidt  r« 

DluDKallmhandlung  und  Dtrlag 

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hervorragender   musikalischer  Werke. 

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Hebtor  Berlloz  (.<«-<e», 

Leben  und  Werke 

nach  unbekannTen  Urkunden  und  den  ncucalen 
Forschungen  nebal  einer  Bibliogriphie  seiner 
musfkilischcn  und  literarischen  Vcrke,  einer 
Ikonographie  und  einer  Genealogie  der  Familie 
Hektor  Berlioz  seit  dem   16.  Jahrhundert  von 

J.  G.  Prod'homme. 

Vorrede  von  Alfred  Bruneau. 

Autoriaierte  Übertragung  aus  demFranzOs  lachen, 
ausfOhrliches  Personen-,  Sach-  und  Ortsreglster 
aowle  Nachwort    von   Ludwig   Franlienrteifl. 

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Ollo  Sehmidl-Dresdeii. 


l  f.  Sdnia ' 


■  Itllbw  1 1 


Telngartaer  zum  I 
aicbsttn  Saissn. 

Alexander  Z.  Birnbaum,  aeitber  Dlriient 
der  Syraphoniclcttazerte  in  Lausanne,  Ist  tsb 
Direktor  Gregor  vom  September  10OB  ab  Kr  die 
Komische  Oper  la   Beriin   verpflichtet  wmden. 

Dem  Direktor  der  Dresdener  Musikschule, 
R,  L.  Schneider,  lat  vom  KSnIg  von  Sschaen 
der  Titel  Professor  der  Musik  verliehen  worden. 

Aus  Anlaß  des  25  jihrlcea  Jubiliums  seJner 
ZugehBrlfkeit  zum  Berliner  KSniClIchcn  Opetn- 
hiuse  ist  Julius  Lieban  zum  KSai(liehen 
Kammersincer  ernannt  weiden. 

Dem  Leipziger  KIavlcnlda(osen  Robert 
TeichmQller  wurde  vom  KBsig  von  Sachsen 
Titel  und  Rang  eines  KSnigllchen  Professora  der 
IWuBlk  verliehen. 

Die  Gesanglehrerin  am  Kg],  Konservatorium 
der  Musik  in  Dresden.  Frl.  AgUJa  v.  CSrjer 
St.  JBrgen  genannt  Orgeal,  wunle  sor  m- 
flessoTin  der  Musik  emaonL  Frl.  Orgeni  war 
1865  bia  66  an  der  Berliner  Hotbpcr  engagiert; 
gastierte  dann  an  vielen  Bühnen  und  wirtt  seit 
1880  ala  Lehrerin  dea  Geaangea  am  Dresdener 
Konserraiorlnm.  Sie  ist  der  erste  weiblicfac 
Pnihasar  in  Sachsen. 

Herr  Praffcssor  Dr.  Carl  Fucbs  fn  Daaxig 
bittet  una.  Iblgende  Berichtigung  bzw.  nacbtrlg- 
Ifche  Verinderung  einer  Stelle  In  der  eisten 
Hllfle  seiner  Arbeit  über  den  Choral  In  der 
evangelischen  Kirche  (2.  Mal-Hell)  bekannt  zu 
geben:  S.  200  unter  Brisp.  35  ist  der  erste 
Satz  lu  streichen.  Ebenfalla  unter  Brisp.  30 
das  Vort:  ^schlichte".  Das  Wort  „acbttaktiie' 
irilre  in  Antührungsieichen  susetzeiL  OerVer- 
haser  wünscht  tainiuiurOgen:  Beispiel  38  ist 
ein  Unikum  mit  dnretagefObrtem  Aaafkll  der 
leichten  Takte.  Diesen  lUt  das  Original  von 
Apellea  v.  LAwenaMtn  durch  Halbtahtpansea 
empOnden.  Ea  ist  1044  fGr  Solt^eanng  ge- 
schrieben und  notiert  die  relsUv  IdchterenTakta 
2  und  6  in  Vierteln  hinter  einem  Trennunfsttich. 

TOTENSCHAU 

Im  Alter  von  84  Jahren  -f  am  10.  Mal  In 
Berlin  Musikdirektor  SallrPhIlipp,M(tbepfladar 
des  Verein  Berliner  Musiker. 

Am  ig.  Mai  -t  in  Ludwipburc  Im  Aller 
von  04  Jahren  Kommerzienrat  Kar)  Tnlcker, 
Teilhaber  der  Firma  E.  F.  Valcker  ft  Co^  König- 
lich wGrttembergiache  Hoforgelbanmelsür. 

Im  Alter  von  88  Jabren  f  am  la  Mai  in 
Berlin  die  ausgezeichnete  Cesanglehrerin  Lalss 
ReO.  Zu  ihren  ScbOlem  getaBrten  u.  a.  Heluldi 
Gudehus,  Heinrich  Ernst,  Ida  Hlcdler,  Helene 
Stsegemann.  * 

Am  25.  Mai  T  70  Jahre  alt,  Professor  Gnstsv 
Adolf  Pspendick,  einer  der  auagehelchneiee 
Klavierpidagogen  Berlins.  Sehr  bekannt  and 
viel  besucht  waren  seine  Kammermntikabend^ 
die  er  in  den  80er  und  ODer  Jahren  meist  im 
Hotel  de  Rome  veranstaltete. 

Am  31.  Mal  f  in  Teimar,  81  Jshre  alt,  miheln 
Gottschaig,  einst  ein  berühmter  Otielspleier, 
der  zu  dem  Freundeskreise  Uazts  und  Tagners 
zihlte. 


KONZERTE 

Dts  Stern'scbe  KonserTitorJum  In 
Berlin  bnctate  im  Neuen  KSnigl.  Operntheiter 
drei  dramitlscbe  Aurfübmngen  seiner  Opero- 
■cbule.  Die  muiikUUcbe  Leitung  batte  der 
Direktor  der  Anstalt,  Professor  Gustav 
Hollaender,  in  bewifarter  Veise  Über- 
nommen, die  Regle,  Nicolaus  Rothmü 
Das  reicbbaltige  Programm  (besondera  hervor- 
tubeben  die  iwelten  Akte  von  .Der  Vlder- 
aplnstigen  Zabmung"  und  »Carmen*  und 
,Margaretbe'',lIl.Akt) gab  verschiedenen  Cesangs- 
noviien  des  In-  und  Auslandes  Gelegenheit,  sich 
•chSne  Erfolge  zu  boten.  Die  Inszenierung  war 
eine  würdige,  die  Kostüme  <Vercb  &  Flothow) 
taistoriscb  und  stimmungsvoll.  Dberden  Gesamt- 
erfolg konnten  Prof.  Hollaender  und  Nicolius 
Rothmühl  wiederbolt  dankend  quittieren. 

Die  Gesang-  und  Theateracbule  der  Frau 
Professor  Kflthe  Fessler  veranstaltete  im  Neuen 
ScbkuspJelhaus  In  Berlin  unter  der  Leitung  von 
Kapellmeister  Felix  Pinnereine  Opemaufführung, 
UDd  zwar  Akte  aus  „Die  lustigen  Veiber",  „Tsffen- 
»chmied"  und  Szenen  aus  .Cavallerla  rusticana", 
^Preiscbütz*'  und  „Figaros  Hocbzeii*.  Heinrich 
Sctaeden,  Opern-  und  Konzertsinger,  hatte  sich 
um  die  Regie  verdient  gemacht  und  der  Gesamt- 
ejndruck  war  ein  durchaus  beledigender,  ge- 
sanglich wie  darstellerisch. 

Das  Konservstorium  von  0 1 1  i  I  i  e  von 
Hanuscfaewski,  Berlin  V,  Stein  metzstr.  42, 
gab  in  Form  eines  Konzertes  mit  gutem  Gelingen 
eine  Übersiebt  seiner  gewissenhatten  Ausbildung 
in  allen  Fiebern  der  Musik,  von  kleinen  Anfingen 
■o  bis  zur  Beherrschung  anspruchsvoller  Technik, 
Sicherheit  und  richtig  empfundener  Auffassungs- 
gabe. Die  überaus  reicbbaltige  Vortragsfolge, 
veratindig  zusammengestellt  und  wirksam  ge- 
steigert, brachte  der  Leiterin  des  Instituts  und 
ibrfcn  strebsamen  ZSgllngen  reichen  Beifall  ein. 

AUS  DEM  VERLAG 

Leone  Sinigsglias  Lustspiel  Ouvertüre  ,Le 
Baruffe  Chiozotte"  (nach  dem  Goldonischen  Lust- 
spiele) wird  in  der  Konzertzeit  1908/09  u.  a.  In 
Antwerpen,  Dresden,  GSrlitz,  Karlsbad,  Teplltz, 
Ostende,  Vasa,  Wien,  Mailand  und  Utrecht  zur 
AufTübrung  kommen.  In  den  beiden  letztge- 
nannten Stidten  fanden  letzt  schon  erfolgreicbe 
AuRübningen  des  Werkes  unter  Leitung  der 
Kapellmeister  Toscsnini  und  Wouter  Hutachea- 
ruyter  statt. 

„Das  begrabene  Lied"  für  gemischten  Chor 
mit  Tenorsolo  und  Orchester  von  Jos.  Krug- 
Taldsee,  dessen  symphonische  Tondichtung, Der 
goldene  Topr*  aufdem  Ton  künstlerfest  In  Müncben 
lu  GchSr  kam,  wird  in  der  nichsien  Konzertzeit 
u.  ■.  in  Hohensaiza  und  in  Scbweinttirt  zur  Auf- 
führung gelangen. 

Joseph  Suks  Symphonie  .Asrael",  die  von 
der  Böhmischen  Akademie  für  Kunst  und 
Wissenschaft  mit  dem  höchsten  Preise  von 
2000  Kronen  ausgezeichnet  wurde,  wird  in  der 
nichsten  Konzertzeit  in  Hamburg  unter  Leitung 
von  Professor  Francesco  Paolo  Neglla  und  in 
der  Tarschauer  Philharmonie  unter  S.  von  Nos- 
kowski  zur  Aufführung  kommen. 


w    =iii!riiiii!r=   V 


Berlin  -  Charlotlenburg. 


Cbarlottenburg 

VallstraHe  22.  Femsprecher:  Cb.  2078. 


Notenstioh.  o  o  Notendmok. 
Lithographie,  o  Antographie. 
KanstlerlBohe  Titelbutter. 

hlUtidiii  IntHlni ..  Hutlkilla. 

A*tn«UaBcni«)lalll«4.  laalktukaaMlaUaaKltO«. 


Noten-Schreibpapier 


.  In  allen  Liaiataren. 


ler  «k 

j2 


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Der  Irilte  lendriek 
vIehtIger  BeeUoTen-Utentgr: 
Das  geniale  Beeihovenwerk 

von 

Wilh.  von  Lenz 

mit  Erlluteningen  voa 

Dr.  Alfr.  Chr.  Kalischer 

i5t  soeben  erscbienenl 
Geb.  Mk.  4.—,   '   geb.  Mk.  5 

SckasttrilocSItr,  )(rlittW. 


'MiDil[llii!iiti!i]ieDi[iJ[lit!liiine^!!^ 

Baiino  dar  Kursa  un  1.  Oktobar.  □  Anmeldungen  nehmen  die 
MusikiilenhiDdiungen  von  J«h.  Ang.  EMhme,  Alterwall  44, 
Alton  i.  Benjamin,  Alterwtlt  66/68  und  Max  Lelchaaanrini, 
NeDerwall  1  in  Hamburg  eniBeeen.     Max  Iioetvengard.  I 


HUGO  WOLF 

von 

Ernst  Decsey 

4  Binde 
QBbindaii  fOr  14  M. 


JstJhtgVcrdattttttg 


in  Ofdnunj? 

\Cissen  Sie  wie  Magenkatarrh.  Magenkrampf,  Magen- 
gesohwiire,  Magenerweiterung,  Magenkrebs,  stinkender 
Atem,  Leberleiden.  Gallen-.  Nieren-  und  Darmleiden,  hart- 
nicklge  Verstopfuag,  Gicht  usw.  entstehen? 

Leiden  Sie  z.  B.  Öfter  an  Aufatossen.  Ühelkelt, 
Sodbrennen,    Verstopfung.     Himorrhoiden.     Slürungeo    in 


der  fieschieohissphäre.  Schwindelanfällen,  kalten  Fuagen. 
MBttlQkeit.  Kollken.  Blutungen.  AppetJllosiflkBit.  bieiohew 
Aussehen.  Erbrechen  oder  Brechreiz,  üblem  Geruch  aus  dem 


Munde,  belegter  Zunge.  Diarrhöe.  Gaablldunp  Im  Magen-  und 
Parwkanai.  KopfsohmerMn.  Magen-  unn  Lelbgehmerten  usw. 


Lesen  Sie  dann  unbedingt  unsere  Abhandlung 

Magenleiden 
und  ihre  Folgen! 

sie  führt  den  Beweis,  dsss  die  meisten  Erkrankungen  des 
menschlichen  Organismus  in  inninem  Zusammenhang  stehen 
mit  den  Funktionen  des  Verdauungsapparates,  sie  wirft 
grelle  Sctilagiichter  auf  die  zahllosen  Sünden,  die  bisher 
bei  der  Sehsndiung  von  Magenteldrn  begangen  wurden, 
und  zeigt  mit  bezwingender  Logik  den  Weg  zur  einfachen, 
sicheren  Hilfe.  Sie  zeigt,  wie  man  dem  Übel  an  die  Wurzel 
gehll    Wir  senden  diese  Broschüre 

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Verlag:  C.  F.  Kabnt  Nachfolger,  Leipzig  IflOS. 
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M.  Bauer:   Historie    oder  Pamphlet?     Ein   Vademekum    (üt   den   MusikschriFtsteller  Fr.  Spiro. 

Veriag:  C.  A.  Andr6,  Frankfurt  a.  M.  190S. 
August  Bielfeld:  Der  künstlerische  Vortrag  in  der  Musik.    (Mk.  1.20.)    Verlag:  P.  Ed.  Hoeoes, 

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Mnsikstidten    des    Auslands.       Redigiert    von     Dr.    Hugo     Botstiber.      Fünfter 

Jahrgang  1908.    Verlag:  Cari  Fromme,  Wien  und  Leipzig  1908. 
Ernst  Cballier  sen.:  Veriags-Nachwels  im  Musikalienhandel.     Eine  Aufstellung  aller  Verkluft 

und  Obergingb' geschlossener  Verlage,  Verlagsteile  und  einzelner  Werke  mit  Angabe 

der  jetzigen  Besitzer.    Ernst  Challiers  Lexikalischer  Setbstverisg,  GieQen  1908. 
Bach-Jahrbuch.     Vierter  Jahrgang  1907.    Jm  Auftrage  der  Neuen  Bachgesellichsft  heraua- 

gegeben   von   Arnold  Schering.     (Mk.  4  ~.)    Verlag;  Breitkopf  «t  Hirtel,  Leipzig. 
Die  lustigen  Weiber  von  Windsor.     Komisch -pbantasti sehe  Oper  In  drei  AubÜgen  von  Otto 

Nicolai.      Nach    Sfaakespeare'a    gleichnamigem  Lustspiel    gedicta<et   von    Hermann 

S.  Mosenthal.     Vollstindiges    Buch    herausgegeben    und    eingeleitet   von   Georg 

Richard  Kruse.    (Opernbücher,  62.  Band.     Mk.  0.20).    Verlag:  Philipp  Reclam  jun., 

Leipzig. 
Hans  von  Wolzogen:    Aus  Richard  Wagners  Geisteswelt.    Neue  Wagneriana  und  Verwandtes. 

(Mk.  4.-.)    VerUg:  Schuster  &  LoefTler,  Beriin  und  Leipzig  1908. 
Wilhelm  von  Lenz:  Beethoven.    Eine    Kunststudie.     Erster   Teil:   Das   Leben    des   Meisters. 

Neudruck    mit    Ergänzungen    und    Erliuterungen    von    Dr.  Alfr.  Chr.  Kiilscber. 

(M.  4.—.)     Ebenda. 
A.  Kuypers:  Aphorismen   zur  Bildung  der  Singstimme.    I»  Worte  gefallt  von   Drude   Ellcr- 

husen     (Mk    1.50.)    Kommissionsverlag  von  K.  F.  Koehler,  Leipzig  1908. 
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Aline  Tasset:  La  matn  et  I'lme  au  Piano.    D'spris  SchilTmacber.    Veriag:  Gh.  Delagrave,  Paris. 

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Ernst  Münch:   Sieben  Lieder  für  eine  Singsiimme  mit  Klavierbegleitung,    op.  15.    (Mk.  3.— .) 

Veriag:  H.  Schrfider  Nschf.,  Bertin. 
Robert    Dencker:     Drei    Lieder   für   eine  Singstimme   mit  Begleitung  dea  Pianoforte.    op.  I. 

<No.  1   Mk.  1.50,  No.  2  Mk.  I.SO,  No.  3  Mk.  2JS0.>    Ebenda. 


80.  iihrg. 


Hofcneisteps 


HflsilHlinli-ifiiröilief  }/lm\M\ 

über 

m  iBitaM  iBltiilInk  Sdiifln  ul  UUIdiiB 

mit  Angabe  der  Verleger. 

Jihrlich  12  Nummern  in  gr.  4».  Preis  M.  S.— 


Hitttel,  dts  Jeden  Monit  eine  ■yalemttltebe  Obtrttcbt  Qber 
die  erschienenen  Neuigkaitei  du  Mnaiktllenbudals  gibt 
Der    ^onatsbericbt"    ist    diber    unembebrlicb    für    stle 

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Carl  Flesch 

übersiedelt  im  September  1808 
von  Amsterdam  nach 

Berlin  (0 

Kaiserallee  200 


Rob.  Forberg  in  Lefpdg. 

Vor  kurzem  erschien: 

Konzert 
fOr  uioloncello 

mit  Orchester  von 

Fnedrlcli  Genstelii. 


Pr.  4  1 

PreMtliHBW  Aber  die  ente  Bcf- 
liner  AiiRlbning  de«  Wtxkta: 

BcrllMr  TagBfclBH:  .Die  CdUan 
Verden  fOr  dleaea  Werk,  den  Kos- 
ponlMen  dankbaradn.  Vaa 
daran  hervnrtriit,  Itt  die  ricBCf 
male  Anlage.  In  dnem  Saae 
ec  dahin.  In  drei  docb  dcMlli 
schieden«  Teile  aeriülleBd. 
dritte  bringt  die  T 
1d  verktlrzter  E 
digt  In  einer  Durteda,  i 
ein  kaniablM  Largbetto,  ist  dnca  der 
acbSMten  Stiekc,  die  in  neucKr 
Zdt  rar  Cello  gescbrfebea  sind. 
Der  Solopai^  der  tedmlsA  ^chi 
leicht,  aber  dankbar  geachtlebaB  lai 
und  1d  aeiner  Verwebnng  tft  daB 
Orchester  alle  KlangmSclklikefHa 
des  Instrumeniea  geacfatefct  venrcne^ 
verlangt  dnen  vlrtnoaen  Spieler  mit 
vollem  Tone.  Herr  Aarix  Loesun 
sahn  verbdr  der  NovItU  n  gllBUB 
dm  ErTflIiA.*' 

tTnrlianrltlralairiigir  alnMo- 
lartsaal  gab  ea  feaiem  eine  saima 
E^remlftre:  Prof.  Gemahn  In  dirigier» 
■n  der  Spltxe  dea  Moeanoccbiitats 
sein  neue*  VloloncdllioHet^  nnd 
der  auageteiebnete  Cdllat  Marls 
Loevensohn  apielle  ea  mit  schanca 
Ton  und  gllaiendcr  YlilwiMlili 
'Das  Wak  bat  liiaiimniii  Tiiisigs, 
die  den  VlolnaceUlatea  fdUaa 
intlaMD.  Ea  lat  troti  dnar  deotlM 
wahrnehmbaren  drdsltdgeB  Glte- 
deruDg  durchsus  knapp  gehahiB 
und  bietet  dem  Spieler  dne  Ungcn 
dankbare  KantHeM  Im  laagiaaaa 
TelL    AuQerdcm  wird  der  SelepaR 


DadaaKonienai 

kdoe  RKse)  snlgib^  so  wird  es  aiek 

bald  elabOrgen.* 


Stern'sches  Konservatorium 

zugleioh  Theatersohute  fOr  Oper  und  Sohauapiel. 

Direktor:  Professor  Gustav  Hollaender. 

Berlin  SW.  GcKrüRdet  isso.  Beraburgeretr.  22  a. 

Zweiganstalti  Chaplottenbupg,  Kantstr.  8—9.    Leiter:  Erich  Hollaender. 

Fr«]uciii  In  ScbuEJahf  IMSflBOT:  1177  SchDlcr,  lOS  Lebnr. 


uon 

l'Reclamallniwr-l 
^al-BiblioH]ek 

EIN  JUBILÄUM 

das  der  regen  Anteilnahme  jedes  Gebildeten  und 
,  Bild ungs beflissenen  sictier  sein  darf,  feiert  Reclams 
weltberühmte  Universal  -  Bibliothek  durch  Ausgabe 
ihrer  5000.  Nummer.  Die  Erreichung  dieses  Zieles 
ist  ein  literarisches  und  buchhundleriscties  Ereignis. 
das  zugleich  als  glänzender  Beweis  für  den  ernsten 
Wissensdrang  und  den  hohen  Kullurstand  des  deut- 
schen Volkes  gelten  darf.  Kein  anderes  Volk  der 
Welt  besitzt  eine  gleichwertige  Büchersammlung,  die 
so  reichhaltig  und  so  populär  ist  wie  die  Universal- 
Bibliothek,  deren  rotgelbe  20- Pfennig-Bände  ebenso- 
wohl im  Fürstenschloß  wie  in  der  Bauernhütle,  im 
Studierzimmer  des  Gelehrten  wie  im  bescheidenen 
Heim  des  Fabrikarbeiters,  im  engeren  Valerlande  wie 
im  fernsten  Ausland  zu  finden  sind. 

Der  große  ethische  Werl,  den  die  Universal- Biblio- 
thek in  sich  schließt,  liegt  nicht  nur  in  dem  Umstand, 
daß  sie  das  Volk  zur  Freude  an  guter  Lektüre  er- 
zieht, sondern  auch,  daß  sie  jedermann  die  Möglichkeit 
bietet,  sich  für  wenig  Geld  eine  eigene  Bibliothek 
mit  den  besten  Werken  der  Weltliteratur  anzuschaffen, 
in  der  ihm  liebgewordene  Bücher  stets,  in  frohen  und 
ernsten  Stunden,  als  treue  Freunde  zur  Hand  sind.  Des- 
halb verdient  auch  die  Universal -Bibliothek  die  tat- 
kräftige Unterstützung  jedes  wahren  Menschenfreundes. 

Die  Verlagsbuchhandlung  Philipp  Reclam  jun.  in 
Leipzig  versendet  die  neuesten  Kataloge  der  Univ.-Bibl. 

an  jederr.iann  kostenfreit 


Riclioril 
(Dasner 


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Dichter 

Monographie   von 

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4.  Tausend 

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in  Leder  M.  2.50 


Verlag  von 


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Berlin  W  57. 


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Süddeutsche  Monatshefte  G.  m.  b.  H.  München    p 


Soeben  erschien  in  zweiter  stark  vermehrter  Auflage 

Max  Steinitzer 
Musikalische  Strafpredigten  p 

Preis  M.  2.50 


Aus  den  Stimmen  der  Presse  Gber  die  erste  Auflage 

«Die  Musik**,  Berlin. 

Mit  köstlich-frischem,  urwüchsigem  Humor,  dabei  aber  auf  Grund  einer  ganz 
soliden  Bildung  und  auch  mit  dem  redlichen  Bestreben,  zu  bessern  und  zu  belehren, 
werden  eine  Reihe  von  Auswüchsen,  Obelständen,  Modetorheiten  usw.  unter  die 
kritische  Lupe  genommen.    Somit  ist  das  Motto: 

Nicht  für  den  lieben  Nächsten  bloß, 

's  ist  manches  auch  für  dich, 

O  Mensch,  bewein'  dein'  Sünde  groß! 

Wen's  juckt,  der  kratze  sich, 
zweifellos  vollauf  berechtigt.    Wie  der  Verfasser  mit  wahrhaft  blutigem  Hohn  unsere 
Neuesten,  für  welche  die  Melodie  eine  abgetane,  zum  alten  Eisen  zu  werfende  Sache 
(„es  ist  herzlich  gemein,   Familie  zu  haben*,  sprach  das  Maultier!)  bei  den  Ohren 
nimmt,  das  ist  von  wahrhaft  herzerfreuender  Frische. 

„Neue  Zeitschrift  für  Musik",  Leipzig. 

Er  (Siccus)  besitzt  Geist,  Witz,  Belesenbeit  und  Blick  für  das  praktische  Leben, 
vermag  also  ungesunde  Auswüchse  leicht  auszubrennen.  Sein  eigentliches  Gebiet 
ist  die  Stimmbildung,  auf  diesem  offenbart  sich  in  jedem  Satz  der  Fachmann. 

„Signale  f.  d.  musikalische  Welt**,  Leipzig. 

. . .  Selten  habe  ich  das  „Lachend  die  Wahrheit  sagen*  so  betitigt  gefunden,  wie 
in  diesen  „Strafpredigten*,  wo  sich  hinter  der  oft  hanebüchensten  Grobheit  das 
wärmste  und  intensivste  Interesse  an  der  geliebten  Kunst  verbirgt  und  dabei  eine 
ebenso  erfreuliche  Sachkenntnis  wie  Vornehmheit  und  Gediegenheit  der  Kunst- 
anschauung  zu  Tage  tritt.  Man  lese  insbesondere,  was  der  Verhsser  fiber  die 
Antimelodiker,  was  er  über  preußische  Militärmusik  schreibt,  und  man  wird  ihn  bei 
aller  Schärfe  des  Urteils  doch  der  Übertreibung  nicht  zeihen  können.  Es  ist  traurig, 
daß  er  Recht  hat;  aber  —  er  hat  recht! 

„Rheinische  Musik-  und  Theaterzeitung*. 

Die  „Musikalischen  Strafpredigten*  geben  in  diesem  Zusammenhang  ein  doppelt 
ergötzliches  Bild  der  mit  ebenso  gründlichster  Sachkenntnis  als  beißender  Schiffe 
beobachteten  Dinge  im  musikalischen  Leben.  Vieles  darin  ist  einfach  «zum  Schreien*... 

„Chemnitzer  Tageblatt*. 

. . .  mit  rücksichtsloser  Schärfe  und  beißender  Ironie  gegen  so  manchen  Krebs- 
schaden in  unserer  heutigen  Musikpflege  loszieht;  das  geschieht  aber  alles  mit  to 
köstlichem  Humor,  daß  es  eine  Lust  ist,  diesen  kritischen  Fechtübungen  zuzuschnnen. 
Überall  sind  tatsächliche  Mißstände  in  so  urkomischer  Form  und  mit  so  drastischen 
Bildern  und  Vergleichen  gegeißelt,  daß  man  dem  Verfasser  oft  zujubeln  möchte. . . . 

Zu  beziehen  durch  alle  Buchhandlungen  und  von 

Süddeutsche  Monatshefte  G.m.b.H.  München 

XII 


10 


I 


Carl  Ahl 


Gesangspädagoge.  Vollständige  Ausbildung 
für  Konzert  und  Oper  »«»«•■  a  »wm  h  „äMt 

Berlin  W  30,  Ronnhiimintr.  15"  SpnolitLIIIH. 


Bernhard  Irrgang  fi 

Chaplotlenbupgi  GoethestraBe  81 


Xfialgllcher    Ihitik-DIrektor,      Orgialst    m 
St  Marivn  n.  u  der  Pfaflhirmanle.  Ansbildaag 

Orgelsplel.    EInatydIerea  v»  Oratarisn. 

^—  AnmeldyngBi  tcliriftlleli-  


L'nnr  dem   Prolekloni   Ibrcr   Kilaerllch-KanlEl.  Hobcli. 
der  Fnu  Hcnatia  Mmrie  von  S.chucn-Cohuri  und  Colhi, 

lieiHiiilHiflIlifessler 

Iti)i.t»r:      Fr.1,    K.mn..rar.etr    Pfüfc^iof    Fessler    und 

Berlin  W  30,  Nollendorfstr.  15  ii. 

VotiiaoJiie  Auihildunj;  nr  Oper,  Konzert.  Schauspiel, 
Salon.  Deklamation  u.  Lehrfach,  Partien -Studium, 
EnEemblc-Dbuntfen.  Chor.  ÖHen«.  AuHOhrungen. 

•inicrln,     Onrrn-   und    Konreritänier    Hglnrish   Sahed«n. 
Prospekte  gratis  und  franko. 

BERTA  STOCKERT 

BBRLIN    W,    P.iB.utrslriOt  26. 

Kapellmeister. 

Die  Stelle  eines  Kapellmeisters  des  symphonischen 
Orchestcrsin  Lausanne,  Schweiz  (50Mu- 
siker),  ist  aut  l.Scptbr.  IfiOS  neu  lu  besctren.  Der 
Dirigent  hat  »iißer  den  *inierllchcn  Abonnements- 
koozenen  mit  Soiisieo  iti  Lausanne  u.  Neuciiitel 
wBehenlllch  ein  Voltiskonzerl   zu  leiten.    Jabres- 
Etelle.  Anranesgehali  Frs.  400  moDatlich.  Gesuche 

Vereins,    Or.    A.    Suler,    Lausanne,     lu    richten. 

m      Paul  Moos      m 


Richard  Wagner 
als  Ästhetiker 

Or>£>to>    brosch.  M.  5.— 
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Moderne  Musik- 
ästhetik in  Deutschland 

P^AJc*    broscb.  M.  8.— 
rrClS.    gebd.      M.  9.- 


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Slecl^npferd-fyi^^ii^ 

penmilch-5eife  I 


NBCRGMANNiC»  RADEBEUL 


ntlULfflHaHftm-lHMIl 

Violine—  Bratsche  —  Klavier— 
Kamoiermiisik. 

BEBLIM  W30,  gagy 
Konzertbegleiter 


Max  Heinecke 

Dr.Walter  Krone  Beru«  nw 

Heinz  Beyer 


Femipreciier  lila  on. 


f  ioioBeello    *    Dnterrieht  ond  laaBermiglk 

Mitglied  des  Waldemar  Meyer-Quaitetts 

Chaplottenburg,    EnglischestraBe  8. 


TT     ^^       w\  ww^  LeHrerm  rar  HeuttiMm  u  itr 

rlPfl  V  r  Af)P  VulkfeUdiiiigsuistaltinGhurMlMlIvg 
MM\0%%J    K  %A§ß\^  Halen»ee,  JoacMm  ftteirtofcitr.  12. 

Inka  von  Linprun 

üKtlffiaitr  HoKlinliFFlilt.  °  KaMBroft  i  iarolriart. 

WUly  Freytag-Frey  S?"!!» /J«ä 

Berlin  W  I5|  Kurt flrstendamm  34.    m     SpreciwtiMiea  1-2  mi4  s— s. 
VItfiiifliiii  Umiiiiiii    =  Pianist  u.  Konzertbegleiteis  ^ 

I  nKunDr     MmSSc  ^^^  Untenicbt  schriftliche  Anmeldungen  erbeten. 

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G^igenlcflnslleriii«  Konsert« 
•  metoterin  und  IMhrmriMi  • 

a^  JlisilcbiidMis-  MJlJlBUMflfl 

Bntlffinlff  Dozilntirridit.  °  Rniennik  l  ImnlilttL  Fcn.:^.^!«i.^?J^^ 


Oka-Helene  Hartwig 


iRznL  linnlniiiBli 

Gesaagsnisistsria  fir  Wnm% 

Kouerteaal  u.  PrivatstMliMk 

Berlin  W  16,   Fasanenstrafie  50L 

Sprechzeit:   11—2  Uhr. 


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Charlottenbarg,  Dahlmannstr.  I 

Unterricht  in  musiicaiischer  TheoriCt 
Kompositionsieliret  Instrumentation. 


PAUL  R  THIELE   BesaimsMdagige.  °  ISSOlJsrAÜ. 

inUfc  U fchfc,  B„|JB  vif.Sch8i»berj,  StutemuiMr.  ». 

^_-^^_^__    ^m«bm*5-äB»,*^     Professor.    Orgel,  Klavier, 
^  r3ri Z    ^  rU  n  l CK6    Harmonielehre.  BeriinWST, 


Steinmetzstr.  40". 


GelgenlcOiurtleF. 


Mieczyslaw  Rybier  "-♦•-•«"  •-«•«-•pw 


BERLIN  W,  BQlowstr.  52. 


ErnSI  PBIBrinQnn  Berlm-Chariottenliurg 


MomnweiistraOe  23. 
XIV 


Ronzensonser  und  Gesonsiehrer 


51 


Sprechstunde:  Honta$s  oon  3—4. 


IKLIHDWORTH-8CHARWEMKA, 

vcrfeundcii  mit  einer  Opern-  und  SdunspIclKhule. 
1  Geitlihientr.ll,  im  eigenen  Geblude.  ZwalgutUH:  Uliludttr.53. 

ktorloDT  Pnif.X  totamaka.  pNf.  Pk.  tMar««!»,  Kipdlm.  R.  IMHmMl 

ilaaf  xar  AaiblMuni  fOr  du  Lebrtacti.  —  Cbor-  und  Orchctter- 
■«■.  —  Schote  für  (Imd.  IMi-  und  Blecli-Blulnitramentc.  — 

. .imeraiMlkklutcn.-KlaMeBl.TlMarteH.KonipMltlonnKdcuueh 

I  B.  «fllKh).  —  Abtcllnng  fOr  MndkwItMUClMflen  (««incii  n.  en(il«cb). 
I  AalMbaM*Mbcali|llck*Mtl-l>iS-«.  tlaliitt|Ml«n*IL  -  PreapckM  and 
I  JihrMbnfAu  donb  du  SckrvMriii  der  H*BplMM(li  and  dar«*  die  Zw(I(ib«i^t. 


A 


hodemle  für  Hnsik 

JOHN  PETERSEN 

(Konservatorium  und  musikp&digogischu  Sonttnar) 


Bari  In  W>|  lianibapgapstp>  S4ai  Eofc«  Avgabnrgai 

üb«  Sadr-  aid  Hoshkiha  (IMbv  KarfBnttaitr.  &  a.  III) 

fiMMRin  luUMui  II  iIlM  Ffakin  f.  ütM  t  Opir. 


«Mb  Niefetwbflltr  tellMlwn».    Prtwt»twi<w  hh  ihI  BHMrlwIll  4m 

HuMt.   Anfttabme  jedeneiL   Prospekte  (nili.  SprecbiL:  5—4. 


Gushn  Bonhen'  Sendnor  fSr  6esiiii$lehrer 

(iViaM  UM)     In  Leipzig     (gerliM  I8W) 

FOr  Cbordiriceniea  (KinloreD),  Schutceaio(lehi«r  n. -LefarerlniiBn: 
T.Pfct-M.D^IWI. 


LakttrlBi:  Dk  U 

g;«aihleklc  da  i  npella-CeHan),  Dr.  Si 
r.  Saaaenua  (Ceecklcbte  dE>  Schulte*.), 
Praiti).    PnapckM  darch  Oberlehrer  fläUa 


n  (DÜ^Ü, 


WHItrtfBBWtt 


r  Orshtctar,   tMuM 


JdI.  BebiT.  Zlmoinuii.  LdizlL 

ImhlftUiiHF:  Sl.rtlinliff.KM(ti.LtaÜM. 


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Handolinen 


1 


Mandöien 
■     Lauten 
,  f  Guiteppen 

\  uirUnnt  tfll  bttti  lirte 

(am  aabt. 
i>  ntl  Orlflul-Ualiraddfl 

/".  J)«^  /eruffi'aj. 
^m   AUein-Deboet  ^i 

■V  Rlr  die  CBDie  Veit  ^Bl 

C.  Schmidl  i  Co.,  Triut 

(Oeslerrelcb). 

UUliga  gntlt  o  billiliBilluiii. 
DltdirttrkliTtr  (hiAL 


g|S°l|l«|l| 
**  :  i  f  •  'S    »IIa 

PJ  *^?|  =     •Jti  1 

=       ?4     • 


Elsa  Rücggcr 


VioloncelUstin  

Unterricht  in  Vioionceil* 
nnd  Kammermnsik 

Berlin  ».Mütfilz  5"' 


/liax  Modern 


Violinvirtuose 


Direktor  des  Modemiclien  Konsemtorinns. 
BBRLIN     "W.   SplohM-BStpasM    M. 

Unterricht  im  VioUntpiel.  —  Engagement!  f&r 
Konzerte  bitte  an  direkte  Adresse  lu  richten. 


Otto  Vf  crtli,  Bariton 


Imt-  L  llÜMllHfcllL 

Btrli«  W  30 

Barbarossastr.  44 

Femtpr.  Amt  VI  14188. 


Direktion:  Ottiiie  V.  Hanwchewski 

AnsbUdnng  in  allfn 
F&ohem  der  Mnaik 

Berlin  W  57,  StiiRinitzitr.  4L 


KOMSEMATOMIIH 

S~S      a  4.  JH     i  a^  Komponist     o  o     Orgel, 

Walter  Sdiarw«!;»  laTriiärä 

KOthe  Houffe 


Spreclistunde  9— ML 


Lieder-  o.  Oratoriensangerin 

g^"  Hoher  Sopran  ^pB 

Berlin  W.  30,  Motzstrasse  16  Sth.  IL 
W^l«  1         -1       ^  T       AHistin  ^a 

Elisabeth  Gerasch  Beru»  w. 

^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^  Kleiststrafie  & 


Uilil  LliBilllttBl 


ftlbrccbt  üüfflcr 


BERUH  W.  BayrentterslniBe  36.     s£gdittunde 

Mitglied  des  WaMenar  Meyar- 
Quartetts.  Vioioncello-Virtiioa. 

Berlin  W  30 

—  ICyffhlttserstrMse  10  !•  -^ 


Anton  Sistermans  SS?? 

HdCnC     l€6ICl16rt     Musik-Pidagogln 
KARLSHORST» Berlin,  HeiligenbergerstraBe  20. 

Pfannschmidt'scher  Chor  "»"=  M2JJ""» 


Proben  jeden  Donneraiag  von  7-9  Uhr  in  der  Aula  des  Dorotheenstädtiachen  RealgjmMSIami,  Stria  NW,  Owripanr.  JOjfSL 

BERLIN-PANKOW,  SchloOstraße  9.  c=  Fernsprecher:  Amt  Pankow  3018. 


Nicoline  Zedeler 


(S4iuie  Tbeobore  Spferfng) 
•  Dfolfnolrtuofln  unb  rcijrvrfn  • 
Berlin  ID,  Bambergcrltr  tga. 


MaxWigodzki  ■  Gesangspädagoi(e. 

VerCuser  der  yyM^lstorgesangs-Sohul«''   und  ffG^sangsteehnlsch«  Obungen''. 

Leiter  des  Berliner  Kens^rvatorlnmsy  gegr.  1883. 

Volletlndige  kOnstlerisohe  Ansbiidnng  f  Or  Op«r  and  Konzert 

Eintritt  jederzeit    a    Mißige  Bedingungen,    a    Prospekte  kostenlos. 

Sprechzeit:  12—1  und  4—5  Uhr. 

BERLIN  W|  KurfQrstenstraOe  144,  an  der  PotsdamerstraOe. 

Fmu  Felix  Mlitt-Kfiline  SKli^ 
Professor  Felix  Jchmlilt  !<%"iätir! 

BERLIN  W  50,  Rankestr.  20. 


Jacob  Winiezky 


Violinvirtuose. 

Uoterrlcht  Im  bObercii 
Geigentpiel. 

BeriüLn  W. 

Bfilowstrasse  61"* 


Anna  von  Qabain  •-aS£r 

Konzert  und  Unterricht.    Konzertvertretung:  Hngo  Sander,  Leipzig.        Schellingstrasse  10 iL 

Mfn  f flficiii  lasbiti.  ]JsilK-.WilK^ulMäaäm^ 

IIIIIJ    ^|i\\K^  Gewitsenhafte  Anibildnng  in  Gesang  and  Deklamation. 

wwfjjtti»i»i<f  Berlin -Wilinersilort.  (f*^-.^^'m  GctelnerslniBe 8. 

Bmwii  I  ^ieriAP*    Konzert- and    .    Alt- nnd 
dniTII  LifSl9llfSr  OmtoriensOngerln     Nezzosopnn 

BEBLIW  W 15,  Meierottostr.  3. 

UedeML  Onrtorlen-Silnierlii.  Hezzo-Sopüin 

BEBLIB  B  65,  AntonstraBe  46. 


Erno  Bauer 


Monist,  Komponist  Ronzertbeildter 

Kapellmeister  am  Heuea  Sohaaaplalbaaa 

Berlin  W  SO,  LIndauerstr.  4/5  part 


Opern-  und  KonzertsSngerin 

Vollsandige  Ansblldang  aller  Stlmm^ttnngen 
fOr  den  praktischen  Beruf  wie  fflr  Adagoglk 

Spftoiwtmidti  tohrifiL  utuiraiti        Berlla  Vy  Re|Sisbirgerstr.  8. 


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varl  rialir  Benm  v is.  ummMin 4f  IM. 


(TeLt  Wllm.  1286)  Dienstag  und  Prtitsg  3  —  4. 

XVII  n 


Brigitta  Tkideiiiiii 


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Alt  und  XaBBo-Sopma. 

O     gHfftifn  -TMltfTIfrio,     a 

lleilIlV.3ll.talIllBMtt.1L 


Schweriner  Musikschule 

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Vollkommene  Ausbildung  in  allen  Fiebern  der  Musik.    (V^  Anschauunssunterrlcht. 

Seminar  zur  Ausbildung  von  Klavierlehrern  und  •Lehrerinnen«    Eintritt  JederselL 

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Anna  Stephan 


(Altistin)  •  Konzert- 
u.  OratoriensSngerin 

Charlottenburgf 

BerlinentraBe  31. 


Bepfhold  Knetscb 

(vormals  Letter  des  RiemsoB-Koaservstorlum«  in  Stettin) 
BarUn  W.  18^  BlelMraustraisa  Nt.  38,  GnrltBliaiii. 

Untaprloiitskups«   Hkr  Muslk- 
wissenschafften     und    Klavlerspiel 

(Im  Sinne  der  Riemannscben  Lehren  und  Ihres  weiteren 

Aasbsues.) 

AasffBlirilolio  Ppospokto  ■■oatsoltlloli. 


PAUL  ELGERS 

Ausbildung  im 

Violinspiel  •  •  •  Kammermusilc 

Cbarletteabupgt   Blelbtreistrasse  47. 


Oustou  Lozonis 

Direktor  des    Prof.   BresUurschen  Konsenrsiorinms 

vnd  Seminars. 

Berlin  W.  S7|  BQlowstrasse  2. 


Ella  Schmucker 

Konzertsängerin  n={\  Sopran 

Stetlltz-Berlln,  Hfonitnih  u. 


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Ausbildung  nach  Froebelaeher  Mediode  IBr 
Kinder  -  Friilsla,  verbunden    mit 
HaashaltMos-listItrt.    UiterrMt  In 
■ad  üasik.    Prospekte  kostenfIreL  • 

Direktion:  Fraa  Mi 


Franz  Zimmermann 


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Gesunde  Tonbildung.    Empfohlen  dofch  den 
Kgl.  Hoföpemsinger  Wlllialaa  BHta 
Verfosser  der  Broschfire:  EinheiCllche 
sangskunsty   verlegt  bei  JeeeT  Shasr,   Hel^ 
Verlagsbuchhandlung  Strassbuif  L  E.  (1  Mk) 

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Hugo  Kienaierg  Hofopamilnur  1,11, 

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Vollkommene   CaaanssmibndnM'  hto  wm 
Opern-  und  Konsertroilk.    Plamthn  B^ 


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1.  Seohs  Solffef  elea  mit  Vorihmi  mT  a» 

Ute  der  Intarralle. 

2.  Hoderae    Salfemlea 

Opemstudiuma. 

3.  Lehrbaeh  der  dreateSeehea 

besonderer  BerQckalcbti(uag  des  OpanaiHdhma.    0m 

Eracheinen.) 

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Srrechat:  3-^  Uhr.    Tal.: 


XVIII 


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Adolf  Qöttmann 


Lehrer  für  gesangliche  und  sprachliche  TonbUdnng.  Stünmkorrektaren 

VoIIttindige  stilistische  Ausbildung  fQr  den  Opern-  and  Konzertgesanc. 
Berlin  W.    Bfllowstrasse  85«.    Sprechstunde:  Tochenligs  3 — S. 


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ftV  Auf  Grund  lindlbiisea  Studium*  bei  er«ten  Melctern,  clDcebcndea  Stndiama  der  Sdmn- 
pbr*lalosle  lowte  erfahniaBirelcher  Bahnemltlgkelt  in  emoD  Stellna{en  «li  IjrrUcbcr  und  Helden- 
tsDor  u  cnten  Theitera  (Sttdnbeiter  Himburt,  FmokfUrt/Malo,  Hoftheater  Dreadea,  Stutttü^  bin 
Ich  1d  d«r  Lage,  eine  srllndllcbe  geaingstecbnltcbe  und  drimatlacbe  AnabUdunf  Jeder  SttmiDBaRunB 
(fDr  Oper  and  Kaoiertaatl)  bis  zur  völligen  kOnailerlachen  Reih  xn  verbargen. 


um  Tetzel      Jone  Tetzel-Hishsote 

;:  ::  Klavierpldagog  ::  LehrerindesKaQStgesange8(EtellcaGerster) 

Berlin  W  30|  Bambergerstrasse  28 

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Kammermusikspiel. 

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BERLIII-W.I, 

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Berlin  W., 

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Fritz  Becker 


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Oratoriensliigerin. 

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Konservatorium  des  Vestens 

''   pirditio«:  Umm  ScUkci  iid  Otto  )(Bts(lMirtitcf. 


AwtmiiH  la  OHn>-  Md  K—itrljWMH,  aaturfeinisM  Srimmblldanc  Mid  siatl.  iMlrwmtaHMuri.  BmiMilMwti 
idhMdwdt  Ulwutliadt,  wie  sie  eich  Im  Scbvaatzer'tcben  KoBtervatorlam  (Lvtherttr.  44)  tßmmd  bewiirt  bat, 
Aalluiga-  aad  Repltittonaklasaea.     Beaondere  Pflege  aller  Art  KaMiMnmiaik  Mr  Kinder  and  Efwtabeina  aater 

peradaMcber  Leitung  der   DIrdctoren.     Eintritt  federadt.     Proapekte  keatenfrel.    Jeden  MIttwncb   S8  bia  tO  Ubr 

Mr  SebOlar  nnd  Dllettantan  Im  Saale  dea  Koaaenratorluma. 


pg«iign 


Vollkommene  Autbildung  im  VIoloeeell-y  lüUMieniMeilc-  u. 
Orolieotertpiel,  sowie  in  der  am  Sdmraetzer'telieii  KeBterytte« 
riim  (Lutheritrasse  44,  Berlin  W)  und  am  Keaeervateriea 
des  Westens  <Grolmanalr.  27,  Charlottenburg)  neu  einge- 
führten allgemein-bildenden  Eleaeetarlebmetbede  f.  Leiireede 
oed  Lereende.   o  o  o  o   BERUH  V  Stg  Lutherstrafie  44. 


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Komert«  und  Oratoriensingeiin. 

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Berlin  Vay  Bfilowstraße  32  part 

Spreebatundea  S— 4.  Femapreebar  VI«  130QS. 


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lesni  1.  Sflmlillui. 

Berün  W.  Mftbü  27. 


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Im    Repertoire    vorwiegend    Manuskript- 
Kompositionen  modemer  Tonsetzer,  oa 

Kflnstlerischer  Einzelunterricht. 

Birlhi-CInrlottHilniii. 

Pestalozzistr.  71. 


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Konacrt  nnd  Oratorien 

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:  Neue  Winterfeldstr.  30.  : 


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Luise  Geller-Wolter 


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Midlilip  hdUni  flr  HS  il  mt 

BERLIN  8W,  Gneisenaustr.  2. 


Willi  Kcvitsch : 


Sopran.  Konzert-  und 
Oratoriensingerln. 


•rlln  -  8ohllaeliOP|| 

s^  HcilbroiuionlnsM  |  «■  ^m 


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(i)iclitl$iif(i)i8HersiiB8er 

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Der  Sprechgesang  —  (Das  pathetisch 
gesprochene  Wort)  —  als  Grundlage 
^  einer  rationellen  Stimmbildung.  =z 

Hnztt  rlclitKer  M  m  Mcüsten 
Bollenimni  des  Kunsttesontes, 

Berlin  W.  80,  Hellbronneretr.  26. 

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Dr.  Bruns-Holar 

GesanotpiilaiHOf  LeiNW  flr  8alt|M«n 
c=a  am  Stoffv'tcheB  KtMervitorlMi  c^ 

BERLIN  W  SO,  Spichernstr.  17. 

SprcchttiiBd«:  1—2  Uhr. 

Verfoster  der  Schriften: 

1.  DaePriblenderKMrtraaltetine.  M.3L— 

(Chr.  Fr.  Vlttraip  Or.-LkimrMd«.) 

2.  Neue  Geetngnethedo  naoh  amtlUrtw 
Ginndlaoea  von  ■riHMU'M  Tm,  gemeln- 
fasslicb  dargestellt    M.  3.— 

(OHi  Iktfir,  BtrilB  W  S7.) 

a  AfitricMnuagtsUMmn  dwik  At 


'  Relnhold  Uorpohl ' 

MT  Lang]8hriger  Lehrer  des 
Mandolinen-  n.  Guitarrespiels 

BfinlD  W  50   Amt  Ohlttbg.  5016  •— > 

Verfasser 

der  „ReHeo  Rifem  HaDlBliD»  SAdIi"  a^. 
de.  JAälzkastleiD  flr  GDitam-FriDDie" 


I  u.d  forpiAb  ..NaoiIollBeD  IM"  I  Ene.« 

I       Kompositionen  de«  Verfassers,  wie  auch  Arrange* 
!       menu  bekannter  MusikatQcIce  im  mehrstimm.  Satz. 


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Hlwilniini 
jina  flu  iBinm 


Berlin  W  30,  Barbarossastr.  52 


Neue«los  Werki 


aif  m  iBbto  losen  Ms  iir 
proktlsclieii  OliniigeiL  PnkZL 

S  lBlntoiimaLn.1IEIEI.MMnHiMiHk. 


XXII 


■asikblldungsanstait  zu  Chariottenbarg-Beplln. 

LsMiMlsstrasso  8th  !•'  ml  i>  Mlmitoa  vm  tfM  BaluUilfM  Kalt,  Bitmarokilr^  Savigayplali,  OhwtoHMbwi. 

■•istersohula  f.  BOhne  u.  Konzert.  Schale  fflr  Hanemaeik. 
Seminar  f Or  Musiklehrer  n.  -Lehrerinnen.  —  Chorechnie. 

4S  LahrkPifft«.  U.  A.t  Mim  Ueban,  Kcl.  Hofoperatiager:  Frta  Prof.  Rata  SaalMr,  Kgl.  KammeraiaMria ;  Frlalda 
ProL  CaraaUa  vaa  Zaataa,  abem.  Kfl.  OperaaiaferiB ;  Frl.  Koazertmelater  laka  vad  UBpnia,  GeTceakQnatleria : 
Prof.  MaaMrd  HaataiaaB,  Jaako-KUvUtar;  Viator  HaaaaiaaB,  Kompoalat;  Dr.  Kari  Storak;  Prof.  KulaakaiMff;  «VlUlbald 
vaa  taJar  OHto;  Fraai  Mafaua^artfaatti»  Gaaaagamelatar;  Prof.  WÜlaai  WaW;  Falix  Braadaa;  Dr.  ErMrUrtea;  Alaiia 

Sablalaak»  eham.  Mitglied  dea  K.  K.  Hofburftheatera  la  WIea. 

Sonderkups«  In  GehdpblMvfiQf  PHmavIstay  Harmeulel^hp«  usw. 

Elatrin  ledendt.  —  Proapekta  werdea  koatealoa  Evtsaaadt. 

DIpaktlOMi 
Batiket  Sprecbatuadea  4—6  Ubr.  Frau  narflaptttho  KmIip-QoIs«  Sprecbatvadea  11—1  Ubr. 


Waldemar  Meyer-QnartetI 

hflii-Oiiilillnlniii. 

Qiesebrechtstrasse  10. 


Franz  Hainus-Bertlnettl 


Tenor  *  Rnmrt-, 
OpcnhiLOrati^^ 

(blldunjE  Im  Kunstgesang,  a  Stimmbildung  1lA«a1i«i  II^QA    NeueWiiiterfeldt$tr.40. 
gehend  von  der  ait-itahCMaiiander)  Schule.  MßMSTlUM  ▼?  Olßf         sprcchtcit  3-4. 


Amblldun 


Willy  DecKert 

Violoncell-Virtuose 

Berlin-Charlottenborg 


Kantstrasse  122. 


Emil  Olbrich 

Konservatorium 
BERLIN -SCHÖNEBERG 

Apostel  Paulusstrasse  7,  am  Wartburg-Platz 

Unterricht  in   Gesang,  Klavier-  und 
Viülinspiely  Theorie  und  Komposition 


Max  Vogel 

BERLIN-FRIEDENAU 

Saarstrasse  1 


Unterricht  in  Harmonielehre, 
Kontrapunkt,  Fuge,  Formenlehre, 
Instrumentation  u.  Komposition 


Arthur  Spengler,  Pianist 

Konzertbegleiter  von  Frau 
Brigitta  Thieleroann 
Berlin  N.y  ScMvalbalaarttr.  6 
(Sudtb.:  ScliOnhauaer  Allee) 


Kapellmeister  -^  Konsertbegleiter. 
Korrepetition  fUr  Opern  u.  Oratorien. 
Vortragmtudiam  für  Lledergeeang« 

Berlin  B.  50,  Praimtr.  5.  »aMt:  H. 

Utistii  °  Knnrt-  nl  MiniuRfi. 

Qesangspfidagogln. 
Berlin  W.f  Holsteinischestr.SOa. 


Fritz  Quo 

Marianne  Volfl 

Jlllxrl  Mm 


Pianistp  Solist  und  Komertbegleiter. 

Lehrer  an  KIlRdwerth-Scharweaka-Kenservateriin. 
Berlin-Wilmersdorft  Holsteinischestr.  1 1 1. 

Paraapraabart  Amt  WIlaMrvdorT  aK2. 

xxm 


Anton  (Alheim  Leupold. 
Certnid  Leupold-ltel, 


BERLIN  SW  47,  Yoi  (Strasse  89. 


Neudrucke 


der 


Literatur 


in  ihren  wichtigsten  Werken,  herausgegeben  und  erlluten 
von 

Dr.  Alfr.  CHr.  KaliscHer 

Wegeier  und  Ries:  iioinphlsehe  lollzen  Ibcr  leeflinei.   Mh  yi 

schiedenen  Beilagen,    geh.  M  3.—,  geb.  M  4.— 

Gerhird  von  Ireonlng:  lus  dem  Sehwanspinierbaue.    Mit  vidn 

Abbildungen,     geh.  M  3.—,  geb.  M.  4. — 

Wilhelm  V.  Lenz:  leetnoven.  DasUbeBdeslelslera.  geh.M4.-,geb.M5^ 

iOton  Sehlndler:    leetliOTens  Leken.     (Erscheint  im   Herbst  d.  J.). 

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•aacnlMMd  !•  trcuiddiur  der  bervAcracendM  Elf  »tlitften  nahe.     Aul  alle  riUa  krt  Ihf  ftkrik>i  ^t  la  nelun  Aa(ea  I 
Ma  MMla  I>ni4utl  aaMca  Ztlulan.  Cugon  d'JUb«rt. 

MalM  VarthroDf  lUd  fiawvMorttDg  Flr  Alt  uaa^mTo■ma  ScMnbali  da  Tnao,  dir  Vuilisdaat  '*a  Mfcbaartm: 
■M  <k  wMIlcli  «uadnbant  DaiwfttaMckeit  «tad  BabeKniut.  Tm*SSA  O^fPttnO» 

MclM  PrcnAe  ftber  die  Faua,  dia  Madu.  die  Ide^  ScbOaMt  daa  Tmm  »d  dk  VallkMaMeoMi  de;  S|>Man  Ibtcr  ^ 
Klavte«  hai  iaia«  Creauui.  |«  J,  PadW^CWAlda 

Ufa  aBtwxltkklidiu  taurwBaaiB  «lad  w  hoch  dbar  alla  Kritik  ariiabaa,  dafl  IhoBD  tacar  )irfai  Lata  »eheftlcli  \ 
■ndRloan  nnO.  9ofl«   MentofS 

BadlUb  kasa  LA  naLaaB  herrtldHC  Stalawa)'  SUleOM-    Vle  lai  ded  da*  loairanani  »M  bbJ  ictiAB.    Ti;^  *c!iv«Icm  b 
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w  4'Alb«r1:  MU  •urrlel>il«cr  Pi«udc  Mirdfc  loli  Ol«  Gsteitn^elf.  Ihom  na  neu 


iSiiC«B  4'Alb«r1:  Mit  •urrlel>il«cr  Pi«udc  Mirdfc  loli  Ol«  Gsteitn^elf.  Ihom  na  ncuca  imIu  &«i 
■bor  Ui«  hnTll<k«o  MCeeJ  uinuirockcB.  leb  bla  nli  bcwUMI.  dcBMltics  tiaea 
Bdblt«  CB  vtrftaicn.  Tue,  Splclwt  ucd  D«uethAM|kcU  liibe  leb  nosb  bei  kefüKoi  «adeno  l»«r«iD*nn 
VonOxlt<bbelt  re«litl|t  ■■hiKiüi,  wla  bei  dco  thd|ea  und  icb  hiifc,  nich  hei  Diioen  taatrto  Koairtirtim 
FlOfEl  bedltnn  tu  dArbc. 
[  FvrruccI»  JB.  Biu»»k1i  Cm  twi  aMlanB  LtMdflotr  Beclul»  bine  Icfa  ettu:  «rMbCviMAB  C 

Im  BMkttalm-PietEta  bekumi  tu  «vrtnt.    Oiawlb««  Kibto  in  ledw  tll>richt  «Uta  oelntn  InlMtla«B  « 
ÜJOfeMcfati  der  beduien  mir  ■iih<l(ti*>  Aurit«bed  dn  Vunr«ca  und  du  TMhatti  wie  *>«  a 
tatanw  da  einen  aMMranMtailMkBa  Erfclc  ttt  tt*  DMbMekietftaa  (•«nwMtc,  4trM  ■r^-' 
inliHi,  mit  m  fnnat  Frwti  finMiL 

TvrcHi  CArrei»:  Dto  BMMela-PluiM,  dl«  ich  •<•'  iIm  mainn  «wii^iban  ) 
•^elca  du  Verjoacw  heoe,  «if>d  dei  Idul  von  VBlUunmeaheil,  und  der  KOnitter,  dar  den  VoKHf  bat; 'S 
kana  «l«b  In  der  Tu  eiunlitrt«.  Et  lil  du  inetruaeai,  •ttOic«  eilce  eadercn  vonu  ita  AMprtAn  cIm 
Mmpjitrht  und  UiH  daiu  verfcitit,  lUe  Elkkie  dts  T*M«  oad  do«  ANÜihgM  n  enMeii,  die  n  n  er'^np 
MelB«  B*«uederaac  Mr  die  &eeh*tcIa-PU9M  1«  utibetnatt. 

Lespsld  OQ^onltyi   £•  Im  intr  ein  *•!»«•  HenBaabcdOrinia,    Itnr. 
a*d  B«fgUttnia(  Rr  Itai*  la  bcRlIebao  InMrameaM  hiemli  anadfikkca   tu  ten     ,. 
Jlo4uJtiliiit*!UI|tkerl  dcaTenci,  eoirlt  dl»  aBneiordcatlkti  «nctnehne  SpJftm  baflti  i  ^ 
«M  w  lai  Unisda  des  Henees  nUt    Mtr  adee»  Varte,  <M  Beokibfat-lMtnw««!  'i'.     r -    o 
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E4«KrB  BlBl«rt    E*  tai  uitmeiKdi,  <«  Vonea  iIm  ttewiew  GtN»  MMXii^rflstai, 
Firm  BMhitlll  (bren  bc»o«4«t«tt  Ralf  v«rtdbt.    Mao  maw  ate  «bat  «pMia,  ua  <■         <.^  ' 
etar  dlaae  UaimmaMe  M  iNKfe  annalcliati,  tot  Mbaa  dltasr  apulltcbwi  Klttea.-! 
•clntlikBC  ■«()  >il  dn  KlteoMbiften,  die  bei  den  Mideraa  hbrikataa  ejir  rMklou' 


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